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HANDBUCH
DER
NERYENLEHRE
DES
MENSCHEN
VON
DrJ. HENLE,
Professor der Anatomie in Göttingen.
MIT ZAHLREICHEN IN DEN TEXT EINGEDRUCKTEN HOLZSTICEEK
BRAUNSCHWEIG,
DRUCK UND VERLAG VON FRIEDRICH VIEWEG UND SOHN.
1871.
i'r?<^
V 0 E E E D E.
Abermals bin ich in der Lage, ein Heft meines Handbuchs mit Ent-
schuldigungen wegen der Verzögerung der Herausgabe einführen zu
müssen. Die Ursache liegt diesmal zum Theil in der Schwierigkeit,
das Material zu beschaffen, und diese war dadurch veranlasst, dass sich
zu den Untersuchungen über den feineren Bau des Centralorgans nur
frische Präparate verwendbar zeigten und dass ich mich in Fragen des
Faserverlaufs an den Menschen halten zu müssen glaubte, da erst die
Vergleichung menschlicher und thierischer Centralorgane uns über den
Grad der Uebereinstimmurig ihrer Structur belehren kann.
V/ie die Bearbeitung, war auch der Druck seit langer Zeit im
Gange und, als die Abhandlungen von Ger lach und Meynert in
Stricker's Handbuch erschienen, schon zu weit gediehen, um darauf
Bezug nehmen zu können.
Für die topographische Beschreibung des Gehirns habe ich eine
von den bisherigen Methoden abweichende gewählt, deren Zweckmäs-
sigkeit zu beurtheilen ich Anderen und besonders den Lernenden an-
heimstelle. Ich bevorworte nur, dass man nicht erwarten möge, bei
einmaliger, wenn auch aufmerksamer Leetüre ein Bild zu gewinnen.
Die erste Schilderung (S. 88 bis 98), die nur über den Zusammen-
hang der Räume zu orientiren bezweckt, lässt manches dunkel, das
erst durch die zweite (S. 98 bis 171), die Ausführung des Einzelnen,
Licht erhält und verstänÄicher werden wird, wenn man sie nach Be-
trachtung des Einzelnen wiederholt. Gewisse Formen sind aber über-
haupt nicht durch Wort oder Bild anschaulich zu machen. Bei diesen
VI Vorrede.
hat das Buch nur die Mission des Cicerone, der mit seinen Erläuterun-
gen die Anschauung des wirklichen Objects begleitet. Die dritte Be-
schreibung (S. 177 bis 288) ist ein Versuch, ein Studium zu populari-
siren, das bisher nur in den Händen einiger Wenigen war. Es war zu
dem Ende nöthig, sich auf die einfachsten und, nach meiner Meinung,
gesichertesten Thatsachen zu beschränken; doch glaube ich nichts über-
gangen zu haben, was im physiologischen Interesse weiterer Forschung
werth ist und hoffe, dass sich zweifelhafte, wie positive Aussprüche ge-
nug finden werden, die zu weiterer Forschung anregen. Es thut Thei-
lung der Arbeit Noth und jede einzelne Nerven wurzel kann einen Ar-
beiter beschäftigen.
Noch ein Wort über die Präparationsweisen. Dass es allein die
Stilling'sche Methode, die mikroskopische Untersuchung successiver
Durchschnitte ist, die einen Fortschritt und Abschluss in der feinern
Anatomie des Centralorgans hoffen lasst, ist meine, wie aller Histologen
Ueberzeugung. Zur Härtung habe ich mich durchgängig des Alkohols
bedient, auch bei den Präparaten, denen vorher durch Chromsäure oder
Müll er 'sehe Flüssigkeit Consistenz verliehen war. Die Aufhellung der
Durchschnitte wurde auf verschiedene Art erzielt. Zur Verfolgung der
Nervenfasern eignet sich vorzüglich die Behandlung der vorher ausge-
wässerten Alkoholpräparate mit verdünnter Kalilösung, welche alle Kör-
ner und Nervenzellen bis auf das Pigment zerstört und Bindegewebe
und gelatinöse Substanz erblassen macht. Das Brönner'sche Fleck-
wasser hat sich uns fortwährend als ein eben so vortreffliches, aber
auch eben so capriciöses Hülfsmittel erwiesen, wie wir, Merkel und
ich, es in unserer Abhandlung über die Bindesubstanz der Centralor-
gane (Ztschr. für rat. Med. 3. R. XXXIV, 49) geschildert haben. So
wahrscheinlich es ist, dass die Unterschiede der Reaction von dem
Wassergehalt bedingt sind, so fruchtlos waren unsere wiederholten Be-
mühungen, eine Mischung herzustellen, die den Erfolg sicherte. Dies
ist um so bedauerlicher, da das Mittel, wenn es einschlägt, die in jedem
Sinne glänzendsten Bilder liefert, namentlich die Axencylinder bis zu
denen der feinsten Nervenfasern hinab in einer Schärfe zeigt, die durch
keine Färbung erreicht wird, weil die Färbemittel alle auch mehr oder
weniger auf die gelatinöse Substanz wirken. Ich bemerke noch, dass
gelungene Brönnerpräparate sich ein oder ein paar Mal 24 Stunden in
Nelkenöl aufbewahren und, wenn sie darin erblasst sind, durch Alko-
liol wieder herstellen lassen.
A^orrede. Vli
Die gefärbten Präparate habe ich. als Molybdän- und Carminprä-
parate bezeichnet. Beiderlei Färbungen führte Merkel nach eigenen
Methoden aus, die ich nach seinen Worten mittheile:
„Die Flüssigkeit zur Molybdänfärbung bereitet man folgender-
maassen: Man verdünnt 1 Vol. einer ganz concentrirten Lösung von
molybdänsaurem Ammoniak mit 1 bis 2 Vol. Wasser, setzt eine Mes-
serspitze Limatura ferri hinzu und träufelt langsam unter stetem Um-
rühren soviel officinelle Salzsäure zu, als nöthig ist, um eine tief dun-
kelblaue, fast schwarze Färbung zu erzeugen.
Der im Anfang des Säurezusatzes entstehende weisse, wolkige Nie-
derschlag ist unschädlich und löst sich beim Umrühren rasch wieder
auf. Wird aber die Flüssigkeit braun statt blau, was hier und da vor-
kömmt, so ist sie unbrauchbar geworden.
Die Lösung lässt man, wenn sie die gewünschte Farbe hat, etwa
10 Minuten stehen und filtrirt sie dann.
In die so gewonnene blaue Flüssigkeit, die man nun nach Bedürf-
niss mit Wasser verdünnen kann, legt man Schnitte von Bücken- oder
verlängertem Mark — Gehirn scheint sich weniger gut zu eignen —
ein, und findet sie, je nach der Concentration des Färbemittels in 6 bis
15 Stunden, blau gefärbt. Die Färbung ist eine durchgehende und an-
scheinend gleichmässige, doch treten an guten Präparaten die Axen—
cylinder sehr klar hervor. Der Einschluss der Präparate ist der ge-
wöhnliche: nach Entwässerung in Alkohol und Aufhellung in Nelkenöl
legt man sie in Canadabalsam ein.
Zur Färbung von Präparaten des Centralnervensystems , die in
Chromsäure erhärtet sind, bedient man sich vortheilhafter einer ande-
ren Methode, die eine der G er lach-Clarke 'sehen Carminbehandlung
ähnliche Farbe erzielt, aber den bedeutenden Vorzug hat, dass sie die
Fertigstellung eines Präparates in 5 Minuten gestattet, während die
gewöhnliche Carminfärbung immer wenigstens 24 Stunden in Anspruch
nimmt.
Man legt einen gut ausgewässerten Schnitt in eine Lösung von
Palladiumchlorid von 1 : 300 bis 600 Wasser. Hierin lässt man den-
selben so lange liegen, bis er eine schwach strohgelbe Färbung ange-
nommen hat, was etwa 1 bis 2 Minuten dauert. Dann wäscht man
das überschüssige Palladium gut aus und bringt den Schnitt in eine
concentrirtere Lösung von carminsaurem Ammoniak. Hierin färbt er
sich dann fast momentan roth und die Färbung ist am schönsten, wenn
viii Vorrede.
die Röthe noch eine Beimischung von Gelb zeigt. Dann wäscht man
den Schnitt aus und legt ihn in der gewöhnlichen Weise in Canada-
balsam oder Damarfirniss ein.
Die Axencylinder sind in solchen Präparaten lebhaft roth, das
Nervenmark gelb gefärbt; erst bei längerem Verweilen in der Carmin-
lösung färbt sich auch das Nervenmark roth, was jedoch der Deutlich-
keit gewöhnlich keinen Eintrag thut.
Lässt man die Schnitte zu lange in der Palladiumlösung liegen,
so dunkeln sie leicht nach, wodurch dann das Präparat verdorben
wird'^
Fig. 49 ist statt Sn zu setzen Lc und in der Erklärung statt „Substantia nigra"
Locus coeruleus. S. 127 und 128 statt „Plexus choroideus" lies Tela choroidea.
VI. Nervenlehre.
Der Beschreibung des Nervensystems, welche die folgenden Blätter ent- Yerhäitniss
halten, ist es nöthig, einige Bemerkungen über das Verhältniss der Anatomie Tolie^^*''""
der Nerven zur Physiologie derselben vorauszuschicken.
Während im Allgemeinen die anatomische Schilderung die Grundlage
bildet für die Reflexionen und Versuche, durch welche die Physiologie die
Nothwendigkeit und den Zweck der Organe zu erfassen sucht, wird in der
Nervenlehre die Physiologie zu einer Hülfswissenschaft der Anatomie; jene
liefert das verhältnissmässig positive Material, auf welches diese ihre
Schlüsse baut.
Und wenn es uns demnach beim Vortrage der anderen Zweige der
Anatomie freisteht, wie weit wir, um den Werth der anatomischen That-
sachen in das rechte Licht zu setzen, in physiologische Fragen vordringen
wollen, so ist es in der Nervenlehre geradezu unerlässlich , die Resultate
der physiologischen Forschung in Rechnung und mit dem anatomischen
Befund in Einklang zu bringen. Der Grund liegt darin, dass Nerven sich
functionell verschieden verhalten, welche gegenüber jedem anderen Hülfs-
mittel der Untersuchung gleichartig erscheinen, und dass sie, vermöge der
verschiedenen Function, an jeder Stelle ihres Verlaufs wieder erkannt
werden können.
Die heutige Physiologie oder, wie Joh. Müller sie nannte, die Physik der
Nerven entwickelte sich aus dem unter dem Namen des Bell' sehen Lehr-
satzes bekannten Gesetze, wonach von den beiden Wurzeln, aus welchen
jeder Spinalnerv zusammengesetzt wird, die vorderen ausschliesslich der
Bewegung, die hinteren der Empfindung dienen. Reizung der einen oder
anderen Wurzel bewirkt entweder Muskelcontraction, oder Schmerz ;• Tren-
nung der einen oder anderen hebt für einen bestimmten Bezirk entweder
die Fähigkeit zu willkürlicher Bewegung, oder zur Empfindung auf. Die
Henle, Anatomie. Bd. III. Abtb. 2. i
2 Nervenlehre.
Frage, ob der Grund dieser Versciliedenlieit der physiologischen Function
in der eigenen Substanz der Nerven oder in der Art und dem Orte ihrer Ver-
bindung mit den Centralorganen beruhe, kann vorerst unentschieden bleiben ;
genug, dass wir uns der physiologischen Reaction als eines Merkmals be-
dienen müssen, um Arten von Nerven zu unterscheiden, die sich in chemi-
scher Beziehung identisch verhalten und auch für das Auge höchstens in einem
unwesentlichen Piinkte von einander abweichen.
Auch diese unAvesentliche Differenz der Fasern der motorischen und sensibeln
Nerven wurzeln , welche in dem Kaliber derselben besteht, wurde von J. Müller
und Ehrenberg (Müller's Archiv 1834, S. 36), Valentin (über den Verlauf und
die Enden der Nerven. Bonn 1836, S. 50) und Lersch (de retinae structu»a
microscop. Berol. 1836, p. 7) nicht anerkannt. Emmert dagegen (über die Endi-
gungsweise der Nerven in den Muskeln, Bern 1836, S. 9) schrieb den vorderen
Wurzeln dickere Primitivfasern zu, iind ich (allg. Anat. 1841, S. 669) u. Eosen-
thal (de ntimero atque mensura microscopica fibrillarum elementarium. "Wratisl.
1845) stimmten ihm bei. Ich fand, trotz der grossen Schwankungen des Durch-
messers der Primitivfasern , den Unterschied darin ausgesprochen , dass die Mehr-
zahl der Fasern in den hinteren Wurzeln feiner ist, als in den vorderen, ferner,
dass die dicksten Fasern der vorderen Wurzeln stärker sind, als die dicksten der
hinteren Wurzeln, und dass endlich die Zahl der feinsten Fasern in den hinteren Wiu'-
zeln viel grösser ist, als in den vorderen. Nach Rosen thal stellt sich das Ver-
hältniss des Durchmessers der hinteren Wurzeln zu den vorderen im. Mittel wie
4:6. In rein inotorischen Nerven sah derselbe nur stärkere Fasern, in gemischten
um so mehr feine Fasern , je mehr deren sensible Function vorherrscht. Nach
Stannius (das peripher. Nervensj'^stem der Fische. Rostock 1849, S. 114) über-
Aviegen bei den Fischen in den hinteren Wurzeln die feinen Fasern, in den vorderen
kommen die breiten Fasern ausschliesslich oder doch nur mit wenigen feinen unter-
mischt vor.
Neuerdings wurden diese Untersuchungen von Reissner (Arch. für Anat. 1861,
S. 721; 1862, S. 125) und Luchtmans (Anteekeningen van het verhandelde op de
Sectievergaderingen van het provinc. Utrechtsche genootschap 1864, p. 6; 1866,
p. 69) wieder aufgenommen. Darnach wäre, je nach den Regionen des Rücken-
marks, das Verhältniss der feinen und starken Fasern in den Wurzeln der Spinal-
nerven verschieden. In der Reihe der Cervical- und Lumbarnerven enthalten
beiderlei Wurzeln feine und starke Fasern; aber in den hinteren Wurzeln liegen
die feinen Fasern bündelweise, in den vorderen vereinzelt; in den Dorsalnerven
enthalten auch die vorderen Wurzeln die feinen Fasern in Bündeln und eben so
zahlreich, wenn nicht zahlreicher, als die hinteren. Im N. oculomotorius , Rani,
lingualis N. hypogiossi und in den motorischen Bündeln der Caiida equina vermisste
Luchtmans die Bündel feiner Fasern; Reissner beobachtete in den drei Bewe-
gungsnerven der Augenmuskeln, dem N. oculomotorius, trochlearis und abducens,
zwar ein Uebergewicht der starken Fasern, aber feinere und feinste fehlten nicht;
sie fanden sich im N. oculomotorius in nicht geringer Zahl , meist in Gruppen in
der Peripherie des Nerven, im N. trochlearis meist vereinzelt oder zu zweien, selten
in Gruppen von 6 bis 10 Fasern; im N. abducens Avaren sie häufig, aber zerstreut.
Die Fasern der specifischen Sinnesnerven, des N. opticus und acusticus, gehören
allerdings zu den feinsten ; dass aber feine Fasei-n auch den motorischen Impulsen
dienen können, beweisen die Nerven des Herzens und anderer EingeAveide. Bidder
und Volkmann (die Selbständigkeit des sympathischen Nervensystems. Lpz. 1842.
Bidder in Müller's Archiv 1844, S. 359; Volkmann in R. Wagner's Hand-
wörterbuch II , 595) fanden in diesen Nerven eine so überwiegende Zahl feiner
Fasern , dass sie die letzteren als sympathische Nerven oder als Nerven der un-
willkürlichen Muskeln den cerebrospinalen, willkürlich motorischen Nerven gegen-
über stellen zu dürfen glaubten , woran sich die Vermuthung knüpfte, der Gehalt
der hinteren Wurzeln an feinen Fasern möge darin begründet sein, dass mit diesen
Nervenlehre. 3
Wurzeln die Nerven der Gefässe von oder zu dem Eückenmark (aus den Spinal-
ganglien) verliefen.
Ob Unterschiede des Kalibers der Nerven überhaupt von Bedeutung seien,
diese Yorfrage hielten Eid der und Volkniann dadurch für erledigt, dass sie den
Mangel an Uebergängen oder Mittelgrössen zwischen starken und feinen Pasern
nachwiesen. Nach ihrem Vorgange maass Harting (Eech. micrometriques sur le
developpement des tissus. Utrecht 1845) die Fasern imBrusttheil des Grenzstranges
des sympathischen Nerven. Die Lücke fand sich zwischen einem Dui-chmesser von
0,011 und 0,013 Mm. Alle Fasern unter diesem Maass waren demnach feine, alle
über demselben starke oder cerebrospinale.
Die Mehrzahl der späteren Forscher, Valentin (Eepertorium 1843, S. 96),
Kölliker (die Selbständigkeit und Abhängigkeit des sympathischen Nervensystems.
Zürich 1844), Wagner (Göttinger Nachr. 1847, Nr. 6), Beck (über die Verbin-
dungen des Sehnerven mit dem Augen- und Nasenknoten. Heidelberg 1847, S. 88),
Stannius (a. a. o. S. 144) und Eeissner (Arch. für Anat. 1861) sprachen sich
indess gegen diese Sonderung aus und fanden die Grenze zwischen stai-ken und
feinen Fasern durch Uebergänge verwischt.
Zuletzt wird der Werth der Kaliberunterschiede noch dadurch mehr als zweifel-
haft, dass, wie man allgemein anerkennt, alle Fasern gegen die peripherische, wie
gegen die centrale Endigung, hier allmälig, dort durch wiederholte Theilung sich
verjüngen, und dass selbst im Verlaufe der einzelnen Fasern dickere und dünnere
Stelleia mit einander wechseln.
Ebenso iinzulänglicli, wie in der Unterscheidung der Species der Nerven,
erweist sich die anatomische Untersuchung in der Verfolgung ihrer Bahnen.
Sie darf, als Resultat der mikroskopischen Zergliederung der Nerven, den
Satz aussprechen, dass jede Faser selbständig und ununterbrochen vom cen-
tralen zum peripherischen Ende verläu-ft; aber wie die Stämme durch
gegenseitigen Austausch ihrer Bündel an vielen Stellen Geflechte bilden, so
gehen die secundären Bündel auch innerhalb der Stämme Verflechtungen
ein, und diese sind in vielen Nerven so häiifig, dass der einzelne Strang
sich kaum auf eine Strecke von einigen Millimetern isoliren lässt ^). Den
einzelnen Primitivfasern, die man nur mikroskopisch zu unterscheiden und
demnach nur in sehr kleinen Theilen ihres Weges zu übersehen vermag,
durch diese zahlreichen Anastomosen nachzugehen, ist unthunlich. Noch
grösser sind die Schwierigkeiten, wenn es sich um den Lauf der Nerven in den
Centralorganen handelt, wo die Fasern der Nervenwurzeln sich früher oder
später nach dem Eintritt vereinzeln und zwischen anderen Elementen zerstreuen.
Die Substanz der frischen Centralorgane gestattet ihrer Weichheit wegen
keine Zerfaserung, die Zerfaserung der gehärteten enthüllt nur die Richtung
der groben Züge, und die Sti Hing 'sehe Methode, die Zerlegung des ge-
härteten Organs in feine Scheiben, lässt Zweifel über die einander correspon-
direnden Fasern verschiedener Schnitte, Zweifel, die durch die Meinungs-
verschiedenheit der Beobachter auf diesem Gebiete nur zu anschaulich werden.
Das physiologische Experiment kommt zu Hülfe, indem es z. B. die Fasern,
deren Reizung die Contraction eines bestimmten Muskels hervorruft, mittelst
^J Ein Beispiel eines solchen Flechtwerks, in das der Stamm des N. medianus zerfällt,
findet sich bei W. Krause, Beiträge zur Neurologie der oberen Extremität, Leipzig und
Heidelberg 1865, Taf. 111.
4 Nervenlehre.
der Reizixng aufsucht, sie auf ihren Irrwegen durch Anastomosen und Plexus
zu den Wurzeln und von den Wurzeln aus in die Centralorgane verfolgt,
oder indem es durch Trennung der Continuität Lähmungen erzeugt, welche
üher die Correspondenz der peripherischen Bezirke mit Stämmen, Wurzeln,
centralen Regionen Aufschluss geben. In dieser Weise suchten Kronen-
herg^) und Peyer-) am Plexus hrachialis, jener heim Frosch, dieser beim
Kaninchen, Koschewnikoff ^j an den hinteren Extremitäten des Frosches
und Türck*) an den Dorsalnerven des Hundes mittelst Reizung oder
Durchschneidung einzelner Nerven würz ein die Yerbreitungsbezirke der-
selben zu erforschen. Eine Beobachtung, wie die von Petit ^), dass
Reizung des Ganglion cervicale supr. auf die Pupille wirkt, oder die von
Bernard*'), dass auf Durchschneidung des N. sympathicus am Halse die Blut-
gefässe der entsprechenden Kopfhälfte sich erweitern, lässt Alles, was Messer
und Mikroskop in Verfolgung der Nerven leisten können, weit hinter sich.
Die zahllosen Versuche, welche seit Bell über die physiologischen Eigen-
schaften der verschiedenen Rückenmarksstränge unternommen wurden, hatten
zunächst kein anderes Ziel, als den Gang der eintretenden Nerven wurzeln
zu ermitteln. Den hinteren Strängen ausschliesslich Sensibilität zuschreiben,
hiess behaupten, dass die sensibeln Fasern allein in den hinteren Strängen
verlaufen; die Frage, oh einseitige Verletzung der Centralorgane die
entgegengesetzte Körperhälfte in Mitleidenschaft ziehe, ist identisch mit
der anatomischen Frage nach der Kreuzung der Fasern.
Es wird kaiim der Rechtfertigung bedürfen, wenn ich den Gewinn, den
die Anatomie des Nervensystems aus der Pathologie zieht, nicht besonders
erwähne, sondern die pathologischen Erfahrungen unter die physiologischen
subsummire. Pathologische Thatsachen sind Experimente, die der Zufall für
uns anstellt ; sie können schon deshalb nicht entbehrt werden , weil sie,
abgesehen von chirurgischen Operationen, die einzigen sind, denen der
menschliche Körper sich unterziehen lässt; sie haben aber den eigentlich
physiologischen Experimenten gegenüber den Nachtheil, dass sie abgewartet
werden müssen iind dass sie sich selten so rein darbieten, wie die Kritik sie
verlangen muss. Die Aetiologie oder die sogenannte nächste Ursache einer
krankhaften Erscheinung ist leichter festzustellen, wenn der Beobachter die
Verletzung selbst und mit Bewusstsein beigebracht, als wenn ein Ungefähr
oder gar eine langsame Anhäufung von Schädlichkeiten sie erzeugt hat, und
beispielsweise dadurch der Causalnexus zwischen einer Geschwulst und einer
Lähmung oder Neuralgie hergestellt werden soll. Uebrigens ist bekannt-
lich auch das bewusste physiologische Experiment vor Fehlschlüssen nicht
sicher. Ein Fehlschluss wäre es schon, wenn man in diesem Gebiete die
Beobachtungsresultate von Einer Gattung auf andere übertrüge. Wie ver-
schieden die Resultate der Decapitation beim Frosch und bei höhereu Thieren
sich gestalten, ist allgemein bekannt. Aber auch die entsprechenden Organe
^) Plexuum nervorum structura et virtutes. Berol. 1836. ^) Zeitschrift für rat. Med.
N. F. IV, 52. 3) Archiv für Anat. 1868, S. 326. *) Wiener Sitzungsberichte 1856, Juli,
S. 586. Die Hautsensibilitätshezirke der einzelnen Rückenmarksnervenpaare , A. S. Nach-
lasse herausgegeben von C. Wedl. Wien 1869. ^) Mem.de l'acad. des sciences 1727, p. 1.
'') Vutch. o.xperimentiiles sur le grand Kympatlii(iue. Paris 1854.
Nervenlehre. 5
des Menschen und der Sängethiere sind keineswegs als gleich werthig zu
betrachten. Die Thiere, sagt Schiff, können vom Gehirn aus gar nicht,
vom Rückenmark aus nicht dauernd hemiplegisch werden, während beim
Menschen vollkommene Hemiplegie vom Gehirn aus häufig vorkommt. Läh-
mung der gleichnamigen hinteren (unteren) Extremitäten ist dagegen bei
Thieren häufiger, als beim Menschen, und dieser Unterschied, der mit der
verschiedenen Art der Ortsbewegung zusammenhängen mag , scheint zu be-
deuten, dass bei den Thieren die motorischen Centra jeder Hirnhälfte sich
auf beide Körperhälften beziehen und die Kreuzung der motorischen Nerven
minder vollkommen ist, als beim Menschen. Ausserdem ist der physiolo-
gische Versuch, wie jeder, und mehr als der physikalische, ünvollkommen-
heiten und Fehlerquellen unterworfen: die Ausführung entspricht nicht
immer der Absicht; sie bringt die verrufenen Nebenbedingungen ins Spiel,
wie z. B. wenn man durch Druck die hinteren Rückenmarksstränge zu reizen
unternimmt, und dabei die vorderen gegen die Wirbelkörper andrängt. Die
Unsicherheit, welche aus solchen, wenn auch nicht immer so groben Täu-
schungen entspringt, ist Ursache, dass die Physiologie ihrerseits bei den
Fortschritten der anatomischen Untersuchung interessirt ist.
Die Durchschneidung der Nerven hat, neben der augenblicklichen
Lähmung der Bewegung und Empfindung in den von den Nerven versorgten
Theilen, noch eine langsamer sich entwickelnde Folge, die ebenfalls für die
Anatomie verwerthet werden kann. Fasern, deren Zusammenhang mit den
Centralorganen unterbrochen ist, gewinnen, je nach der Thiergattung früher
oder später, im lebenden Körper dasselbe Aussehen, welches die Nerven-
fasern der Leiche darbieten und welches man an frisch unter dem Mikro-
skop ausgebreiteten Fasern allmälig sich entwickeln sieht. Diese Veränderung,
die man mit dem Namen der Gerinnung des Nervenmarks zu bezeichnen
pflegt, besteht darin, dass der im normalen Zustande wasserhelle Inhalt der.
Faser oder Röhre erst doppelrandig, dann mehr und mehr grobkörnig und
in gleichem Maasse undurchsichtig wird. Wenn nun die in einer Wurzel
eines Plexus enthaltenen Fasern sich in verschiedene, von dem Plexus aus-
gehende Aeste vertheilen, so werden, nach der Trennung jener Wurzel, die
von ihr ausgehenden Fasern, gegen die übrigen, mit denen sie in einem
Aste zusammen liegen, durch ihre körnige Beschaffenheit abstechen. Waller ^)
benutzte diese Erfahrungen zu einer Bestätigung des Bell' sehen Lehrsatzes:
nach der Durchschneidung der hinteren Wurzeln der Spinalnerven (unter-,
halb der Ganglien) bei Fröschen waren sämmtliche Hautnerven, nach der
Durchschneidung der vorderen Wurzeln sämmtliche Muskelnerven entartet.
Zur Untersuchung des Verlaufs der Nervenfasern durch den Plexus brachialis
(beim Kaninchen und Affen) wurde die genannte Methode mit Erfolg von
W. Krause 2) angewandt, zur Untersuchung der Vertheilung der Nerven-
wurzeln in den hinteren Extremitäten des Frosches benutzte sie C. Meyer ^).
Zur Ermittelung des Faserverlaufs in den Centralorganen erschliesst
sich in den Nervensympathien eine Quelle, die zwar nur auf einem Umwege
zu erreichen ist, aber doch nicht vernachlässigt werden darf, so lange die.
^) Nouvelle methode anatomique pour l'investigation du Systeme nerveux. Bonn 1852.
Müller's Archiv 1852, S. 393. ~) A.a.O. 3) ztschr. für rat. Med. 3. R. XXXVI, 164,
6 Nervenlehre.
Resultate der directeren Metlioden nicht besser gesichert sind. Man ver-
steht unter sympathischen Erregungen der Nerven diejenigen, welche secun-
där, durch Reizung eines anderen Nerven, zu Stande kommen; die Sympa-
thie äussert sich in zweierlei Weise: durch einen dem Zustande des primär
erregten Nerven gleichartigen Erregungszustand (SymjDathie im engeren
Sinne, Synergie) und durch den entgegengesetzten, Depression des einen
Nerven auf Erregung des anderen (Antagonismus). Die Erscheinungen sind
unzweideutig, wenn die primäre Erregung einen den äusseren Reizen zu-
gänglichen, also sensibeln Nerven trifft, wie dies bei Reflexbewegungen (Ver-
engung der Pupille auf Lichtreiz, Zusammenschrecken auf starken Schall)
und Mitempfindungen (Ausbreitung des Schmerzes von einer wunden Stelle
auf die Umgegend) der Fall ist. Bei den Mitbewegungen und bei den ge-
wisse Krampfformen begleitenden Schmerzen, welche Stromeyer^) als
Reflexempfindungen charakterisirte , ist der Zusammenhang dunkler. Wir
kennen nicht die Einrichtungen, durch die die Seele den Anstoss zur will-
kürlichen Bewegung giebt, und vermögen deshalb nicht zu entscheiden, ob
die unabsichtlichen Bewegungen, welche sich, bei Mangel an Uebung, zugleich
mit intendirten Bewegungen einstellen, einer mangelhaften Isolirung des
Willens oder der motorischen Nerven zui- Last fallen. Doch sind wir auf
die letztere Annahme hingewiesen, wenn gelähmte und dem Willenseinüuss
entzogene Muskeln die willkürlichen Bewegungen benachbarter oder sym-
metrischer Muskeln mitmachen-), wenn Muskeln, die niemals dem Willen
unterworfen sind, durch willkürliche Bewegungen zur Contraction angeregt
werden, wie die Schlundmuskeln bei Bewegung der oberen, die Darmmus-
keln bei Bewegung der unteren Extremitäten •^). Uebrigens ist die Neigung
der Nerven zur Association, auch bei einer Anregung von innen, eine That-
sache, die sich nicht von selbst versteht und welche, wie die Sympathie,
einer Erklärung bedarf.
Zur Erklärung der Sympathien gehört der Nachweis: 1. der Bedin-
gungen, von welchen die Uebertragung abhängt, und 2. des Gesetzmässigen
in der Richtung derselben. Von den Bedingungen der Uebertragung er-
wähne ich hier nur Zweierlei : sie ist dem physiologischen Experiment zufolge
nicht anders möglich als durch Vermittelung der grauen Substanz, also nur
im Gehirn und Rückenmark und in den Ganglien, und sie ist, nach Ana-
logie aller Molekularwirkungen, nicht anders denkbar, als durch Continuität
oder unmittelbare Contiguität. Ich darf vorerst die anatomischen That-
sachen, welche füi- die eine oder andere Alternative sprechen, auf sich be-
ruhen lassen; in jedem Fall ergiebt sich die Richtung, nach welcher die
Uebertragung fortschreitet, aus der topographischen Anordnung der Nerven
in den Centralorganen, und umgekehrt gestattet, worauf es hier ankommt,
die Richtung der Sympathien einen Schluss auf die topographische Anord-
nung der Nervenfasern. Nun breitet sich in den äusseren Sinnen , bei
welchen überhaupt von räumlichen Vorstellungen die Rede sein kann, die
Erregung im Allgemeinen nachbarlich aus ; die Tendenz zui* Mitbewegung
ergreift die zunächst gelegenen Muskeln; wenn Hautreize, wie Kitzeln, Re-
^) Beiträge zur operativen Orthopädik. Hannover 1838. ^) Vergl. mein Handbuch
der ration. Pathologie I, 205. 3) Ebendas. S. 225.
Nervenlehre. 7
flexbewegungen veranlassen, so treten diese in den Muskeln des gereizten
Theiles anf. Hielten die Sympathien immer diese Regel ein, so würde man
kaum versucht gewesen sein, zum Verständniss derselben die innere Orga-
nisation zu Hülfe zii nehmen; es wäre nur natürlich erschienen, dass sich
die Wirkungen einer Reizung, ähnlich einem Wassertropfen auf Fliesspapier,
über die Umgegend verbreiten. Aber hier wurde in der That die Regel
durch die Ausnahmen erläutert. Die Regel lässt annehmen, dass die Reihen-
folge, in welcher die Nerven peripherisch geordnet sind, in den Central-
organen sich erhält; die Ausnahmen drängen zu der Vermuthung, dass Nerven-
fasei'n, welche am peripherischen Ende weit aus einander liegen, am centralen
Ende sich einander nähern. Solche Ausnahmen zeigen sich in den Sympathien
der äusserlich weit von einander gelegenen Nerven symmetrischer Organe,
in der Neigung zu symmetrischen Actionen der gleichnamigen Extremitäten,
ferner in den Sympathien zwischen manchen Regionen, welche von divergi-
renden Zweigen eines Stammes versorgt werden, wie z. B. zwischen den
dorsalen und intercostalen Aesten der Spinalnerven (Spinalirritation), zwi-
schen den im äusseren Gehörgang und im Kehlkopf sich verbreitenden
Aesten des N. vagus ^). In beiden Fällen wird die Annahme, dass die
Nerven im Centralorgan zusammenrücken, durch ihre gegenseitige Annä-
herung beim Eintritt in dasselbe unterstützt. Darauf hin wird es erlaubt
sein, in den Fällen , wo der Verlauf des einen oder anderen Nerven sym-
]Dathisch verbundener Theile unbekannt ist, eine Hypothese über deren Lage,
wenigstens am centralen Ende, auszusprechen. Bei der Erörterung der Ge-
fässnerven gedenke ich von dieser Erlaubniss Gebrauch zu machen. Eine
auf die Nerven aller unwillkürlichen Organe bezügliche Betrachtung muss
indess schon hier eingeflochten werden.
Unter den Begriff der Nervensympathie fällt auch die Wechselwirkung
zwischen dem Organ der Seele und den eigentlichen motorischen und sen-
sibeln Körpernerven; die Reizung der Sinnesnerven erzeugt, je nach der
Form ihrer Affection, bestimmte Vorstellungen, und Vorstellungen haben, je
nach ihrem Inhalte, Bewegungen bestimmter Muskeln zur Folge. Störungen
der Continuität im Gehirn heben diese Wechselwirkung : das Bewusstwerden
der sinnlichen Eindrücke, wie den Uebergang des Willens in Muskelthätig-
keit, auf. In der Verfassung aber, in welche die sonst willkürlichen Nerven
durch eine zufällige Trennung gerathen, befinden sich beständig die Nerven
der vorzugsweise als unwillkürliche bezeichneten Muskeln der Haut, der meisten
Eingeweide, des Herzens, der Gefässe und der Drüsen. Man darf daraus
auf das anatomische Verhalten derselben schliessen und annehmen , dass die
genannten Nerven nicht bis zu dem Theile des Gehii^ns hinaufreichen, welcher
die eigentlichen Seelenthätigkeiten vermittelt. Sie sind dem Einfluss desselben
dennoch nicht ganz entzogen. Bei einer gewissen Intensität der Vorstellung
stellt sich mit der gewollten Bewegung oder auch ohne eine solche eine
Reihe von unwillkürlichen Actionen ein, Veränderung des Athmens und
Herzschlags, der Thränen-, Schweiss- und Speichelsecretion und des Tonus
der Gefässe, die- den Affect charakterisiren ; aus dem Affect bildet sich beim
Kinde allmälig, durch Uebung und Erziehung, die willkürliche Bewegung
1) Kationelle Pathol. I, 209.
8 Nervenlehre.
hervor, iind diese geht hei dem ErwachseBen wieder in den Affect über, so
oft die Intensität des Willens, z. B. durch einen Widerstand, durch Erfolg-
losigkeit der anfänglichen Bemühungen, gesteigert wird.
Wenn man mit einem geläufigen Bilde die Seele einem Klavierspieler
und die motorischen Nerven den Tasten vergleicht, so lässt sich das Ver-
hältniss der willkürlich und unwillkürlich motorischen Nerven zu den
Seelenthätigkeiten in der Art versinnlichen, dass die willkürlichen einem
leisen Anschlag folgen, die unwillkürlichen aber nur bei einem kräftigen,
weithin in die Tiefe wirkenden Drucke getroffen werden.
Eintheiiung. Anatomisch scheidet man das Nervensystem in einen centralen und
einen peripherischen Theil. Den Centraltheil oder die Centralorgane bilden
Gehirn und Rückenmark, jenes die compacte kugelförmige Masse, welche
die Schädelhöhle erfüllt, dies der cylindrische Anhang, der sich in die
Wirbelhöhle erstreckt. Der peripherische Theil besteht aus den Nerven-
stämmen, welche vom Gehirn und Rückenmark abgehen, und deren Veräste-
lungen. Gehirn und Rückenmark nebst den Nervenstämmen und deren
Zweigen, soweit dieselben deutlich durch fortgesetzte Theilung aus den Stäm-
men hervorgehen, werden unter dem Namen des animalischen oder Cere-
brospinalsystems zusammengefasst ; ihm gegenüber steht das organische
oder sympathische oder Eingeweidesystem, zwei innerhalb des vege-
tativen Rohrs zu beiden Seiten der Wirbelhöhle herablaufende Stränge,
welche mit den cerebrospinalen Nervenstämmen dxirch feine Aeste zusammen-
hängen und durch die reichlichen Geflechte ihrer peripherischen, den Ein-
geweiden und Gefässen bestimmten Verzweigungen sich auszeichnen.
w^eisse und Der centrale wie der peripheriche Theil des Nervensystems ist aus
sunz^. ^^ zweierlei Substanzen zusammengesetzt, die man als weisse ^) und graue 2)
unterscheidet. Im peripherischen Theil bildet die Hauptmasse die weisse
Substanz, welche identisch ist mit den bündelweise zusammengefassten
Nervenfasern, und ihre charakteristischen Eigenschaften dem Inhalte dieser
Fasern oder Röhren, namentlich dem sogenannten Nervenmark verdankt.
Dasselbe umgiebt als eine im normalen Zustande wasserhelle, halbflüssige,
stark lichtbrechende Hülle den in der Axe der Faser befindlichen cylindri-
schen oder abgeplatteten, blassen Faden, den Axencylinder, und wird selbst
wieder von einer feinen, structurlosen , häutigen Scheide umfasst. Es fehlt
nur oder ist eigenthümlich modificirt in dem grössten Theile der Nerven-
fasern des sympathischen Systems, dessen Aeste deshalb auch in ihrer Farbe
') Marksubstanz, Subsianüa alba s. mcdullaris. ^) Rindensubstanz, Suhstantia grisea
corlicalis.
Nervenlehre. 9
gegen die weissen Cerebrospinalnerven abstechen nnd mit dem Namen der
grauen oder gelatinösen Nerven belegt worden sind.
Eigentlich graue, ihrer Strnctiir nach mit der grauen Masse der Central-
organe verwandte Substanz kommt im peripherischen Nervensystem nur in
einzelnen kugel- oder spindelförmigen Körpern, die von Nervenfasern durch-
setzt werden, an bestimmten Stellen vor : an den hinteren Wurzeln der Spinal-
nerven, an den Vereinigungswinkeln der cerebrospinalen Nerven mit den
sympathischen, und besonders zahlreich an dem Plexus der letzteren. Diese
an den Nerven zerstreuten Anhäufungen grauer Substanz werden Ganglien,
Nervenknoten genannt. Die Centraloi"gane enthalten die graue Substanz
in zusammenhängenden Massen, das Rückenmark als Axe, das Gehirn theils
als Rinde, theils als Kern gesonderter Anschwellungen; die weisse Substanz
des Gehirns und Rückenmarks ist nicht so deutlich in Bündel geschieden,
wie die der Nerven, besitzt aber im Uebrigen die Eigenschaften der letz-
teren und lässt sich auch nach einiger Erhärtung in der Richtung der Fa-
sern spalten. Der einzige histologische Unterschied zwischen den periphe-
rischen und centralen Nervenfasern beruht in dem Mangel der häutigen
Scheide bei den centralen.
Da die weisse Substanz der Centralorgane im Wesentlichen der Sub- Kräfte der-
stanz der peripherischen Nerven gleicht, so war es natürlich, dass man die
Functionen, durch welche die Centralorgane sich vor den peripherischen
Nerven hervorthun, der grauen Substanz zutheilte und in der weissen Sub-
stanz der Centralorgane nur die Fortsetzungen der Nervenwurzeln sah. Was
sich durch die ersten und kunstlosesten, vor aller Physiologie unternommenen
Experimente als Folge der Zerstörung der Centralorgane, insbesondere des
Gehirns herausstellte, war die Aufhebung des Antheils der Seele an den
körperlichen Verrichtungen, woraus sich in weiterer Folge der Erfahrungs-
satz entwickelte, dass das Bewusstwerden eines jeden Eindrucks auf Sinnes-
nerven, wie der Uebergang jedes inneren Antriebs auf motorische Nerven,
an den Zusammenhang der betreffenden Nerven mit dem Gehirn gebunden
sei. Im Gehirn also, so war man berechtigt zu schliessen, ist der Sitz des
Bewusstseins, in welchem Nerveneindrücke zu Vorstellxingen , Vorstellungen
zu Bewegungsimpulsen umgewandelt werden; die Nerven sind die Bahnen,
auf welchen das Bewiisstsein seine Botschaften empfängt und aussendet. Dass
man alsdann das Organ des Bewusstseins speciell in die grauen Massen des
Gehirns verlegte und den weissen nur das Geschäft weiterer Leitung durch
die Centralorgane zugestand, war ein, wie gesagt, naheliegendes Vorurtheil,
aber doch ein Vorurtheil, weil eine gesonderte Prüfung der Kräfte der grauen
und weissen Substanz unterblieb. Hieran hat auch die neuere, exactere
Physiologie nichts geändert; sie hat vielmehr nur dem Vorurtheil einen all-
gemeineren, bestechenderen Ausdruck verliehen. Denn in Anbetracht, dass
nach der Trennung des Gehirns vo'm Rückenn^^ark die aus dem Rückenmark
entspringenden Nerven, wiewohl dem Einfluss der Seele entzogen, doch für
andere Reize empfänglich bleiben und dass sie diese Reizbarkeit erst nach
der Trennung vom Rückenmark verlieren, wurden, nach einem von der Elek-
tricität entlehnten Bilde, die Herde grauer Substanz als Nervenkraft oder
Nervenprincip erzeugende (neuromotorische), die weissen Fasern aber als Leiter
(Conductoren) aufgefasst. Nachdem es sich vollends gezeigt, dass die graue
10 Nervenlelire.
Substanz aus Zellen bestellt, vermählte sich in neuester Zeit dem physiolo-
gischen Vorurtheil das histologische, welches den Zellen allein organische
Initiative zutraut. Die Frage, ob der functionelle Gegensatz der motorischen
und der verschiedenen Arten sensibler Nerven in einer Verschiedenheit der
Qualität der Nervenfasern oder in ihrer Verbindung mit verschieden be-
gabten Massen der grauen Substanz beruhe, ist consequenter Weise längst
zu Gunsten der letzteren Alternative entschieden. Zu der gleichartigen
Thätigkeit der Nerven, die höchstens in der Richtung der Leitung, ob cen-
trifugal oder centripetal, einen Unterschied darbieten würde , schien die bis
auf geringe und nicht durchgreifende Schwankungen des Kalibers gleichartige
Structur der motorischen und der verschiedenen sensibeln Fasern wohl zu
stimmen. Freilich sind die Verschiedenheiten der Grösse und Form, die
man an den Zellen der Centralorgane antrifft, kaum besser geeignet, als die
der Nervenfasern, um wesentliche Verschiedenheiten der Function zu er-
klären, und die Verbindung der im Nervensysteme wirkenden Kräfte mit der
Materie bleibt ein gleich unergründliches Räthsel, mag man sie sich an
Zellen oder an Fasern gebunden denken.
Deshalb schien mir bei einer früheren Bearbeitung dieses Gegenstandes ^)
die andere Hypothese, welche zugleich die einfachere ist und in den Nerven-
fasern selbst den Grund der eigenthümlichen physiologischen Energien sucht,
der Erwägung wohl werth; sie wird es noch mehr durch die Wandlungen,
welche seitdem die Ansichten über das physiologische Verhalten der weissen
und grauen Rückenmai-ksstränge erfahren haben. Sie bedürfte keiner weiteren
Begründung, wenn die Versuche von Philipeaux und Vulpian^) über die
Regeneration der Nerven sich bestätigten, wenn es gewiss wäre, dass Nerven
nach ihrer Trennung vom Centrum, nach vollständiger Alteration und ohne
vorgängige Wiedervereinigung, ihre normale Structur und, soweit die Prü-
fung möglich ist, ihre Reizbarkeit wieder gewinnen. Schifft) erklärt die,
allen bis dahin bekannten Thatsachen widersprechenden Resultate dieser
Versuche daraus, dass Philipeaux und Vixlpian zu denselben nur ganz
junge, meist neugeborene Thiere verwandten; Landry^) wiederholte sie
auch bei jungen Thieren mit durchaus negativem Erfolg, und so dürfen wir
uns der Mühe, unseren Beweis auf minder directem Wege zu führen, noch
nicht überheben. Ich machte geltend, dass Erstens ein von der Verbindung
mit den Centralorganen gelöster motorischer Nerv, bevor seine Reizbarkeit er-
lischt, ermüdet werden imd sich durch Ruhe oder durch Zufuhr von arte-
riellem Blut ■') erholen kann. Wäre der Muskelnerv nur der Leiter einer ihm
von den Centralorganen mitgetheilten Bewegung, so Hesse sich allenfalls,
nach Analogie mit anderen Naturkräften, verstehen, wie er gleichsam mit
einem Vorrath an Kraft versehen, und nach der Trennung von der Quelle
dieser Kraft noch eine Zeit lang geladen bleiben könne ; aber die Kraft dürfte
sich, wenn sie nur geborgt iKid angesammelt ist, einmal erschöpft, nicht
wieder erzeugen.
Zweitens wies ich hin auf die Masse der Nervenfasern in der weissen
1) Allgem. Anat. S. 717. ^) Gaz. med. 1860, Nro. 27 ff. ^) Ebendas. Nro. 49.
*) .Journal de la Physiologie. 1860, p. 218. •'') Brown-Sequard, Meissner 's Jahresbericht
1860, S. 429.
Nerveillehre. 1 1
Substanz des Gross- und Kleinhirns, deren Reizung weder Bewegung noch
Empfindung veranlasst; denselben ist vielleicht ein Theil oder gar das ganze
System der longitudinalen Fasern der weissen Rückenmarksstränge zuzu-
rechnen 1). Physiologische Experimente und pathologische Thatsachen sprechen
dafür, dass in der weissen Substanz der Grosshirnhemisphären das organische
Substrat der Seelenthätigkeiten , in der weissen Substanz des Kleinhirns
ein Organ für die Regelung der Ortsbewegungen zu suchen sei; über die
Bedeutung der longitudinalen Fasern des Rückenmarks wird es gerathen sein,
das Urtheil zurückzuhalten, so lange die Thatsachen bestritten sind und so
lange die von Pflüg er 2) angeregte Controverse über die psychischen Func-
tionen des Rückenmarks in der Schwebe, so lange es unentschieden ist, ob
in den sogenannten Reflexbewegimgen, welche geköpfte Thiere zur Abwehr
eines Reizes unternehmen, Willkür oder Mechanismus waltet. So viel aber
steht fest, dass es im Gehirn und Rückenmark zweierlei Fasern giebt, die
einstrahlenden Nerven würz ein, die sich, den peripherischen Fasern gleich,
motorisch oder (im weitesten Sinne des Wortes) sensibel vei-halten, und
andere, welche gegen die Reize, mittelst deren wir die motoi'ische oder
sensible Natur der Fasern prüfen, unempfindlich sind. Man hat nur die
Wahl, entweder beiden Faserarten selbständige Thätigkeit zuzuerkennen
oder zwei Arten leitender Fasern anzunehmen, die einen als Fortsetzungen
der anderen und sonderbarer Weise gerade die inneren als unfähig, von
den Eindrücken afficirt zu werden, deren Fortpflanzung ihnen obliegt.
Es erscheint drittens nicht minder paradox, dass die gewöhnlichen
Nervenreize, direct auf die graue Substanz applicirt, nicht im Stande sind,
die Lebensäusseruugen zu wecken, zu welchen die graue Substanz durch
Vermittelung der sensibeln Nervenfasern angeregt wird, und zu welchen
sie die motorischen Fasern anregen soll. So verhält sich wenigstens das
Rückenmark, dessen graue Stränge mechanisch gereizt und zerschnitten
werden können, ohne dass Schmerzen oder Krämpfe entstehen ).
Viertens. Unter den Beweisen für die Beziehung der Grosshirn-
hemisphären zu den eigentlich psychischen Thätigkeiten steht obenan ein
Versuch, welcher zuerst vonFlourens ausgeführt und seitdem häufig wieder-
holt worden ist: die Abtragung der Hemisphären versetzt die Thiere in
1) Zuerst hatte van Deen die Behauptung ausgesprochen, dass die Elemente der weissen,
namentlich der vorderen und hinteren Rückenmarkstränge nicht erregbar seien durch künst-
liche (inadäquate) Reizmittel, und Schiff, Chauveau, Brown-Sequard, Sanders und
Guttmann hatten Reihen bestätigender Versuche mitgetheilt. Neuere Beobachtungen (von
Vulpian, von Fick und Engelken) haben dies, wie es schien, fest begründete Resultat
wieder zweifelhaft gemacht: es bedürfte, diesen Autoren zafolge, nur stärkerer Reize zur
Anregung der Rückenmarksfasern, als der Nervenwurzeln; dagegen wendet S. Meyer ein,
dass die auf Reizung der Vorderstränge erfolgenden Bewegungen, da sie sich als geordnete
erweisen, nicht directe Folgen der Reizung, sondern nur reflectorischer Natur sein können.
Meissner's Jahresberichte 1858, S. 520. 529; 1865, S. 434; 1866, S. 404; 1867,
S. 521; 1868, S. 404.
^) Die sensorischen Functionen des Rückenmarks. Bei'l. 1853. vgl. Meissner's Jahres-
berichte 1856, S. 599; 1860, S. 510; 1861, S. 401.
^) Ich hebe hier nur diese negative Eigenschaft der von Schiff sogenannten ästheso-
di.schen und kinesodischen Substanz hervor; der Antheil , den sie an der Leitung zwischen
den Nervenwurzeln und dem Organ des Bewusstseins nimmt , ist für die vorliegende Unter-
suchung gleichgültig (vergl. Meissner's Bericht 1858, S. 522. 529).
12 Nervenlelire.
einen Zustand des Stumpfsinnes, bei welchem alle körperliclien Functionen
ungestört fortdauern und alle Bewegungen ausführbar bleiben , aber der
Trieb zu deren Ausführung fehlt. Der Erfolg des Versuchs ist aber davon
abhängig, dass die Hemisphären vollständig entfernt werden; eine ver-
hältnissmässig dünne Schichte, die zurückbleibt, bedingt die Fortdauer der
Intelligenz. Dieser Rest ist aber hauptsächlich weisse Masse; die Rinde des
Gehirns wird schon durch einen oberflächlichen Schnitt beseitigt, und es ist
demnach gewiss, dass die Zerstörung des grössten Theils derselben die psy-
chischen Functionen nicht aufhebt.
Fünftens. Je nachdem man die Quelle der eigenthümlichen Kräfte des
Nervensystems in die weisse oder in die graue Substanz verlegt, muss man an-
nehmen, den Gegensatz der verschiedenen, namentlich der sensibeln und
motorischen Energien in den Nervenfasern oder in den Ganglienzellen aus-
gesprochen zu finden. Der Entscheidung dieser Frage konnte man sich
durch das Experiment zu nähern hoffen, indem man die centralen und peri-
pherischen Stümpfe zweier physiologisch verschiedenen Nerven mit einander
vei-tauschte und verheilte, oder einen Nerven aus den Stümpfen von zwei
physiologisch verschiedenen künstlich zusammensetzte. Den ersten Ver-
such dieser Art unternahm Flourens^); um zu erfahren, ob ein Hirnnerv
„das Princip seiner Thätigkeit aus dem Rückenmark zu schöpfen vermöge",
vereinigte er (bei einem Hahn) das peripherische Ende des durchschnittenen
Vagus mit dem centralen eines durchschnittenen Cervicalnerven. Der Ver-
such fiel verneinend aus, da, nach Herstellung der Continuität in dem künst-
lichen Nerven, die Durchschneidung des anderen, unversehrten Vagus den-
selben Erfolg hatte, als ob beide Nv. vagi durchschnitten worden wären. Er ist
aber bedeutungslos, da es sich hier nicht um die Kräfte der einzelnen Fasern,
sondern um das regelmässige Zusammenwirken einer Anzahl derselben handelt.
In Bidder's^) Versuchen, die über den Erfolg einer Anheilung desN. hypo-
glossus an den N. lingualis Aufschluss geben sollten, waren trotz aller Vor-
sichtsmaassregeln die Stümpfe der durchschnittenen Nerven in die ursprüng-
lichen Verbindungen zurückgekehrt; danach bezweifelt Bidder, ob ein Zu-
sammenwachsen verschiedener Nervenfasern überhaupt möglich sei. Indessen
ist, was er umsonst anstrebte, späteren Experimentatoren, Gluge undThier-
nesse^), Philipeaux und Vulpian ■^) undRosenthal ^), gelungen. Gluge
und Thiernesse erhielten von der Reizung eines centralen Lingualisstum-
pfes, mit welchem der peripherische Hypoglossusstumpf durch nervenhaltiges
Narbengewebe verbunden war, nur negative Resultate. Die übrigen Beob-
achter aber konnten durch die Narbe hindurch von dem centralen Lingualis-
stück das peripherische Ende des Hypoglossus, wie von dem peripherischen
Ende des Hypoglossus das centrale Ende des Lingualis, wirksam reizen.
Wenn man nicht annehmen will — was Rosenthal für möglich, aber
doch für unwahrscheinlich hält ^ , dass sich aus beiden Stümpfen Fasern
an einander vorüber in den entgegengesetzten Stumpf verlängert hätten, so
^) Ann. des sciences naturelles. T. VIII. (1828), p. 113. Ztschr. für organ. Physik. II,
322. 2) Müller's Archiv 1842, S. 102. 3) Journal de la physiologie II. 1860, p. 686.
Gaz. hebdomadaire 1864, p. 423. *) Gaz. med. 1860, Nro. 35. Journal de la physiol. VI,
(1864), p. 421. 474. &) Medicin. Centralbl. 1864, S. 449.
Nerve::ilelire. 13
wäre hiermit der Beweis geliefert, dass motoriscTie und sensible Faserstücke
verschmelzen und sicli im versclimolzenen Zustande functionsfähig erhalten
können, dass die Erregung der einen sich auf die anderen fortpflanzen und
in jeder Faser von der erregten Stelle aus ein Strom nach beiden Richtungen
ausgehen könne. Mehr nicht. Die Schwierigkeit, Fasern von entgegenge-
setzter physiologischer Energie zur Verwachsung zu bringen, bleibt immerhin
bemerkenswerth. Das Yerhältniss solcher zusammengesetzter Fasern zu den
Centralorganen zu ermitteln, wäre aber, wenn die Nervenfasern die Reize
nur zu leiten haben, auch nach völlig hergestellter Leitung, eine unlösbare
Aufgabe. Denn der vom Gehirn ausgehende Impuls zur Bewegung müsste,
wenn er in der Narbe von einer motorischen Faser auf eine sensible über-
ginge, an dem Orte der peripherischen Endigung der letzteren, in der Ha^lt
und deren Papillen, wirkungslos verschwinden, und nicht viel mehr Wirkung
Hesse sich von Gefühlseindrücken erwarten, wenn die Nerven, welche sie
aufnehmen und zu dem sensibeln Centralorgan fortleiten sollten, statt in
der Haut, im Inneren der Muskeln sich verbreiteten.
Stellt sich nach der Durchschneidung und Wiedervereinigung eines ge-
mischten Nerven die Function wieder her, wie dies Regel ist, so kann es sich
nicht fragen, ob die aus der Vereinigung je eines sensibeln ixnd eines mo-
torischen Stückes entstandenen Fasern leitungsfähig bleiben oder werden.
Denn was der Nerv als blosser Leiter leistet, bliebe latent. Es giebt für
jene Thatsache nur zwei Erklärungen: entweder bringt es der Zufall oder
die Neigung der Fasern mit sich, dass eine grössere oder geringere, zur
Wiederaufnahme der Thätigkeit genügende Zahl von Fasern sich in der
ursprünglichen Ordnung zusammenfindet, oder aber es kommt bei der Wirk-
samkeit der Nerven nicht darauf an , mit welcherlei Elementen der grauen
Substanz sie in Verbindung stehen.
Sechstens. Die specifische Verschiedenheit der Nervenfasern kann
man läugnen, wenn man ihre specifischen Lebensäusserungen als Reactionen
der Hirntheile auffasst, von denen die Fasern ausgehen. An der specifischen
Natur der Nervenenden aber lässt sich nicht zweifeln, da sie sich gegen
äussere Einflüsse verschieden, und sich namentlich die einzelnen Sinnesnerven
gegen die sogenannten adäquaten Reize: Licht, Schallschwingungen, Riech-
stoffe u. s. f., durchaus exclusiv verhalten.
Wie aber hat man sich die „Leitung" adäquater Reize durch den
Sinnesnerven zum Gehirn zu denken? Von einer Fortpflanzung der Licht-
oder Schallwellen als solcher kann nicht wohl die Rede sein; die physika-
lische Beschaffenheit der Nerven widerspricht einer solchen Annahme; sie
wird zum Ueberfluss dadurch widerlegt, dass die Nervenfaser zwischen End-
organ und Gehirn nur durch die allgemeinen Nervenreize (Druck, Elektricität
und dergl.), nicht durch den adäquaten Reiz erregbar ist, wie am entschie-
densten der Mariotte'sche Versuch, die Blindheit der Retina an der Ein-
trittsstelle des Sehnerven, beweist. Die Schwingungen also, die das äussere
Medium in dem peripherischen Nervenendorgan liervori'uft, müssen auf die
Nervenfaser übertragen werden, die sie in einer unfassbaren Qualität durch-
ziehen, lim am centralen Ende der Faser abermals einen Umwandlungs-
process zu erfahren, der sie endlich zu Empfindungen macht. Man sieht,
ich hatte das Recht, dieser Hypothese die Einfachheit abzusprechen. Und
14 Nervenlehre.
wie verwickelt wird sie erst in ihrer Anwendung auf die Sinne , welche
räumliche Anschauungen gewähren! Ist es denkbar, dass die Tast- und
Sehnervenfasern, nach allen Verflechtungen der Zweige und Bündel, sich im
Gehirn in derselben Ordnung wieder aufstellen, in welcher sie von dem Tast-
und Sehorgan ausgingen? Und wenn dies nicht der Fall wäre oder wenn,
wie es häufig genug geschieht, durch Tansplantation eines Hautlappens die
Lage der äusseren Endpunkte verändert würde, welche Verwirrung müsste
in der Correspondenz der Seele mit den Tastnerven eintreten! Dieselbe
ungefähr, wie wenn die an einer Telegraphenstange hinlaufenden Drähte
zerschnitten und bei Herrichtung der Leitung verwechselt würden.
Allen diesen Schwierigkeiten entgehen wir, wenn wir den Nervenpröcess,
der sich in Bewegung und Empfindung äussert, statt in die graue Substanz,
in die Nervenfasern selbst verlegen und demnach zugeben, dass die Empfin-
dung in den Sinnesorganen selbst zu Stande komme. Die Verbindung der
Sinnesnerven mit den Centralorganen bleibt nichtsdestoweniger unerlässliche
Bedingung des Bewusstwerdens der Empfindungen. Denn wie die willkür-
liche Bewegung zusammengesetzt ist aiis dem Vorsatze zur Bewegung und
dem Nervenact, der die Muskelfaser zur Contraction veranlasst, so ist auch
in der Empfindung ein Doppeltes zu unterscheiden : die Nervenerregung und
die Aufmerksamkeit, die die Empfindung zur bewussten macht. Zu diesem
Zusammenwirken der Seele mit den Sinnesnerven ist, wie zu ihrem Zusam-
menwirken mit den Muskelnerven, die Continuität der beiderseitigen Organe
erforderlich. Aber mit demselben Rechte, mit welchem man die sinnliche
Erregung sich längs den Nerven nach innen fortpflanzen lässt, ist es ge-
stattet, den Nerven als die Bahn zu betrachten, auf welcher die psychische
Thätigkeit sich nach aussen verbi-eitet. Nur Verblendung kann behaupten,
class das Wesen, welches alle die mannigfaltigen, vei'gangenen und gegen-
wärtigen Modificationen unseres Nervenlebens zur Einheit des Selbstbewusst-
seins zusammenfasst, besser begrifien werde, wenn wir es für eine Monade
mit festem Wohnsitz, als wenn wir es für ein den ganzen Körper durch-
dringendes Imponderabile erklären. Für die Diff'usibilität der Seele zeugt
jedenfalls die Zeugung.
Um die wirklichen Leistungen der grauen Substanz kennen zu lernen,
ist es nöthig, den Einfluss des Denkorgans zu eliminiren, und die Resultate
der Durchschneidung der Nervenfasern innerhalb und ausserhalb des Rücken-
marks mit einander zu vergleichen. Sie unterscheiden sich in Folgendem:
1. Marshall Hall hatte gezeigt, dass bei Schildkröten durch Zerstö-
rung der Centralorgane des Nervensystems der 'Verschluss des Sphincter ani
nicht beeinträchtigt wird, so lange nur der unterste Theil des Rückenmarks
erhalten bleibt. Ich sprach die Ansicht aus ^), dass die Sphincteren nicht
die einzigen, in anhaltender Contraction begriffenen Muskeln seien, dass
vielmehr jeder Muskel beständig in massiger Contraction verharre „ohne
einen anderen Reiz als den, welchen die lebendige Wechselwirkung der
Theile des Organismus auf ihn ausübt." Der Tonus der Muskeln, wie ich
diesen Zustand unscheinbarer Thätigkeit während der sogenannten Ruhe
nannte, hat verschiedene Beurtheilungen erfahren und ist Gegenstand einer
1) Casper's Wochenschr. 1838, Nro. 18. 19.
Nervenlehre. 1 5
langen, noch ungeschlichteten Controverse geworden. Darüber aber besteht
unter denen, welche ihn anerkennen, kein Zweifel, dass er an den Zusam-
menhang der Nerven mit dem Rückenmark gebunden ist, und mit der Auf-
hebung dieses Zusammenhangs verloren geht.
2. Wird ein Nervenstamm ausserhalb des Rückenmarks durchschnitten,
so erlischt die Reizbarkeit desselben binnen kurzer Zeit und seine Structur
alterirt sich in der oben (S. 5) bezeichneten Weise. Nach Durchschnei-
dung des Rückenmarks behalten die unter der Durchschnittsstelle austre-
tenden Nerven, wiewohl der Einwirkung der Seele entzogen, ihre Reizbarkeit
und ihre normale Structur.
3. Nur so lange, wie die Nerven mit dem Rückenmark in Verbindung
stehen, sind sie in der Lage, ihre Erregungszustände einander mitzutheilen.
Wird das Rückenmark zerstört oder der Zusammenhang der Nerven mit dem-
selben unterbrochen, so bleibt, auch wenn die Nerven noch reizbar sind, die
Wirkung der Reizung auf die gereizte Faser beschränkt. So benutzt man
die Reflexbewegungen, um zu entscheiden, ob eine Lähmung von der Quer-
theilung des Rückenmarks (Paraplegie), oder ob sie von Desorganisation des-
selben oder Trennung der Nerven herrühre.
4. Vielleicht im Rückenmark, jedenfalls aber im verlängerten Mark
finden sich Apparate, welche eine Anzahl Nerven zu gemeinsamer geregelter,
auch wohl rhythmischer oder alternir ender Thätigkeit associiren, wie dies z. B.
für die Athem- und Darmbewegungen erforderlich ist, und sich selbst in
manchen Krämpfen, durch das Zusammenwirken der Streck- oder Beuge-
muskeln äussert. Und wenn ein Organ, wie das Herz, auch nach seiner
Trennung von den Nervencentren noch geordnete Gesammtbewegungen aus-
führt, so dürfen wir die Ursache davon in den Filialen grauer Substanz
suchen, die das Organ einschliesst.
Der Antheil, den in den angeführten Fällen die graue Substanz an den
Functionen der Nerven nimmt, lässt sich kurz dahin zusammenfassen, dass
sie die normale Structur der Nervenfasern erhält und den Zusammenhang
zwischen Fasern vermittelt, die ausserhalb der Centralorgane isolirt sind.
In der ersten Beziehung, als ernährende Substanz, ist sie, wie die Nahrungs-
mittel in ihrer Beziehung zum Gesammtorganismus , Conditio sine qua non
der Kraftäusserungen, ohne doch selbst zu denselben befähigt zu sein. Der
im Vergleich zur weissen Substanz vorwiegende Gefässreichthum der grauen
spricht für ein vormundschaftliches Verhältniss der angedeuteten Art, welches
sich freilich nicht näher bezeichnen lässt. Ebenso ist es mir immer bedeu-
tungsvoll erschienen, dass die beiden Bestandtheile der Nervensubstanz, die
im Mark der Nervenfasern auf eine räthselhafte Weise zu einer homogenen
Masse gemischt sind, in dem Protoplasma der Nervenzellen und in der dif-
fusen, feinkörnigen Rinde der Centralorgane gesondert, wie in einer Emul-
sion gemengt, neben einander bestehen.
Was den zweiten Punkt, die Fortpflanzung der Erregung von einer
Faser auf die andere, und die Zusammenfassung der Fasern zu gemeinsamer
Action betrifft, so führt er uns auf die Morphologie der Centralorgane zurück.
Die Richtung, in welcher die Fortpflanzung erfolgt, deutet, wie bereits er-
wähnt, auf die Anordnung der Nervenfasern, und die Möglichkeit der Fort-
pflanzung überhaupt und der Fort|3flanzung in gewissen Bahnen setzt ana-
16 Nervenlehre.
tomisclie Einviclitungen voraus, die man greifbar zw finden hoffen durfte.
Anfangs meinte man, den Gegensatz, der bezüglich der Mittheilbarkeit der
Nervenerregung zwischen dem peripherischen und centralen Theile des Nerven-
systems besteht , schon damit erklären zu können , dass die Nervenfasern
beim Eintritt in die Centralorgane die äussere Hülle oder die Markscheide
ablegten, welche in den peripherischen Nerven Ursache der Isolirung sein
sollte. Man hatte übersehen, dass das Räthsel, dessen Lösung erstrebt
wurde, nicht in der isolirten Wirkung der Fasern lag, die sich ja von selbst
versteht, sondern darin, dass eine ungereizte Faser an den Zuständen der
gereizten sich betheiligt. Als später die Irrlehre von den peripherischen
und centralen Endschlingen der Nervenfasern herrschend wurde, tauchte die
Vorstellung auf, dass durch die Schlinge hindurch die Erregung von dem
einen Schenkel auf den anderen übergehen möge; sie wurde noch vor dem
Ende der Endschlingen durch die Betrachtung widerlegt, dass ein Quer-
schnitt durch das Rückenmark, der die centralen Endschlingen von dem
peripherischen Theile der Nerven trennen müsste, die Reflexbewegungen in
den unterhalb des Schnittes gelegenen Körpertheilen nicht aufhebt. Auch
Hess sich gegen diesen und gegen jeden Versuch, dem Uebergang der Erre-
gung von einem Nerven auf den anderen bestimmte Bahnen im Centrain er-
vensystem anzuweisen, geltend machen: 1. ein Experiment Volkmann's i),
welches zeigte, dass Reizung der sensiblen Nerven von der einen Körper-
hälfte sich den motorischen Nerven der anderen mittheilen kann, so lange
beide Rückenmarkshälften noch irgendwo durch eine Brücke grauer Sub-
stanz zusammenhängen; 2. die Erfahrung, dass je nach dem Maasse der
Erregbarkeit und der Stärke des Reizes die sympathische Erregung sich
über kleinere oder grössere Strecken ausbreitet, und dass sie von jedem
Nerven aus jede mögliche Richtung einschlagen, auf gleichartige, ungleich-
artige oder symmetrische Nerven übergehen kann -). Dies musste die Vor-
stellung von einer diffusen Beschaffenheit der die Leitung vermittelnden
Substanz erwecken.
Unterdessen hatten sich neben den Ansichten über die Endigungsweise
der Nerven auch die Ansichten über ihr Verhältniss zu den Zellen der
grauen Substanz geändert, ja in ihr Gegentheil verkehrt. Nach Valentin's
Vorgang ^) hatte man nur allseitig abgeschlossene Nervenzellen und Nerven-
fasern, welche die Gruppen derselben durchsetzen oder umspinnen sollten,
statuirt; im Jahre 1847 entdeckten R.Wagner, Bidder und Robin gleich-
zeitig die Fortsätze an den Zellen der Spinalganglien der Fische, die in
dunkelrandige Nervenfasern übergehen , und bald mehrten sich die Beob-
achtungen über Nervenzellenfortsätze dergestalt, dass die Existenz fortsatz-
loser (apolarer) Zellen in Zweifel gezogen werden konnte. Durch vielseitige,
zahlreiche, mittelst Theilung sich noch vermehrende Fortsätze zeichnen sich
insbesondere die Nervenzellen der Centralorgane aus, und unter der Vor-
aussetzung, dass diese Fortsätze zur gegenseitigen Verbindung der Zellen
dienten oder in Nervenfasern übergingen, wäre es verständlich, wie die Wir-
1) Müller's Arch. 1838, S. 19. 2) Vergl. meine rationelle Pathologie I, 203. ^) Ueber
den Verlauf und die letzten Enden der Nerven. Acta Acad. Caes. Leop. Carol. Vol. XllI,
P. ]. 1836.
Nervenlelire. 17
kung jeder Reizung sich von dem gemeinsamen Zellenprotoplasma aus nach
allen Seiten erstrecken, wie jede Zelle oder Zellengruppe eine Anzahl Fasern
zu gemeinsamer Action combiniren könne. Um die thatsächlichen Grund-
lagen dieser Voraussetzung zu prüfen ist es nöthig, auf die Textur der
grauen Substanz Ucäher einzugehen.
„Graue Substanz" ist ein GattungsbegriflF; er schliesst, wie schon die Textur der
Betrachtung mit freiem Auge lehrt, verschiedene Arten oder Nuancen ein, stanz^'^ ^^^'
die sich stellenweise, wie an der Rinde des Gross- und Kleinhirns, als
Schichten präsentiren. Die Unterschiede beruhen theils in der Farbe, die
ins Gelbliche, Röthliche, Bräunliche bis zum tiefen Schwarzbraun spielt, theils
in tiefer liegenden Verhältnissen der Textur, von denen es abhängt, ob der
Durchschnitt mehr ein durchscheinendes, gallertartiges oder ein mattes
Ansehen darbietet. Allen Arten der grauen Substanz kommt ein, im Gegen-
satz zur weissen, bedeutender Gefässreichthum zu.
Die histologische Untersuchung der grauen Substanzen lehrt eine Mannig-
faltigkeit von Elementarbestandtheilen kennen, aus deren verschiedenartigen
Combinationen die Unterschiede des äusseren Ansehens entspringen. Diese
Bestandtheile sind von dreierlei Art: 1. formlose, diffuse, feinkörnige Sub-
stanz; 2. Fasern und 3. kugelige Bildungen, Kerne und Zellen, wobei indess
zu bemerken, dass Fasern und Zellen zum Theil nur Fragmente eines und
desselben Gewebselementes, Fasern aussendender Zellen sind.
Die diffuse, feinkörnige oder molekulare Siibstanz, geronnenem Chylus i. Oeiati-
ähnlich aus einer Masse punktförmiger, in einer homogenen, festweichen ^tTnz^'^''"
Grundlage eingebetteter Moleküle zusammengesetzt i), bildet die äussere
Lage der Rinde des Gross- und Kleinhirns, sowie eine dünne Rindenschichte
des Rücken- und verlängerten Marks, umgiebt in geringer Mächtigkeit den
centralen Canal des letzteren und stellt den peripherischen Theil der hinteren
grauen Säulen desselben dar. An keiner dieser Stellen ist sie scharf be-
grenzt; sie setzt sich vielmehr als Bindemittel oder Stroma zwischen die
Fasern und Zellen der angrenzenden weissen oder grauen Schichten fort,
so dass man sie in der That als die Grundlage der Centralorgane des Nerven-
systems betrachten kann, die nur in dem Maasse, wie die übrigen Elemente
sich häufen , zurücktritt. Sie selbst erscheint auch nirgends rein ; sie ent-
hält, nur zerstreut, dieselben Körperchen und Fasern, durch deren Anhäu-
fung sie in der benachbarten Schichte verdrängt wird. Namentlich ist sie
überall durchsäet mit einer Art kleiner, kugeliger Körper, die den Lymph-
körperchen gleichen und alsbald näher beschrieben werden sollen. Zii diesen
^) Neuroglia Virchovv (Gesammelte Abhandl. Frkf. 1856, S. 890.) Netzförmige
Bindesubstanz M. Schnitze. Stützsubstanz (Retieulum) Kö!l. In Betreff der Controversen
über dieses Gewebe vergl. Henle und IMerkel, Ztschr. für rat. Med. XXXIV, 49.
Henle, Anatomie. Bd. III. Abtb. 2. o
18
Nervenlehre.
gesellen sich in den tieferen Schichten der Grosshirnrinde verzweigte Nerven-
zellen. Feine Nervenfasern, die auf Behandlung mit kaustischer Kalilösung
deutlich hervortreten, sind in der Gross- und Kleinhirnrinde in netzförmiger
Anordnung, in den hinteren Säulen des Rückenmarks bündelweise, in der
den Centralcanal umgebenden Substanz vereinzelt enthalten. In die äussere
Schichte der Hirn- und in die Rückenmarksrinde dringen von der Gefäss-
haut her bindegewebige Fasern ein. Je geringer aber die Zahl dieser Bei-
mischungen, um so entschiedener gallertartig nimmt der Durchschnitt der
feinkörnigen Substanz sich aus, und so passt mehr oder weniger auf alle
Partien* derselben der Name einer Suhstantia gelatinosa, welchen Rolando
der peripherischen Schichte der grauen Hintersäulen ertheilte.
2. Fasern. Die Fasern der grauen Substanz sind bindegewebige und nervöse. Die
weWge.*^^^^ bindegewebigen gehen von den Einstrahlungen der Gefässhaut und von den
Scheiden der stärkeren Gefässe aus und sind, so lange sie in lockigen Bün-
deln zusammenliegen, von Nervenfasern leicht zu unterscheiden. Die Mög-
lichkeit der Verwechselung von Bindegewebsfasern und feinen Nervenfasern
beginnt, wenn, wie dies im Grunde der Medianfissuren der Fall ist, die
Bündel sich in auseinanderfahrende Fibrillen auflösen und zwischen den
Nervenfasern zerstreuen. Zur Diagnose dient alsdann verdünnte Kalilösung,
in welcher die Bindegewebsfasern schwinden, die Nervenfasern dagegen, auch
die feinsten, sich mit dunkeln, eigenthümlich rauhen Contouren erhalten.
Schwerer ist die Unterscheidung der Bindegewebsfasern von nackten Axen-
cylindern , da diese in Kalilösung , wie in verdünnter Essigsäure , ebenfalls
unsichtbar werden. Zwar ist die Art des Verschwindens eine andere, indem
die Bindegewebsfaser durch die genannten Reagentien rasch zu einem un-
förmlichen, gallertartigen Klümpchen zusammenschnurrt, der Axencylinder
dagegen an Ort und Stelle erst etwas anschwillt und dann erbleicht. In-
dessen ist man selten in der Lage, das Yerhalten der einzelnen Fasern im
Momente der Einwirkung beobachten zu können, und so muss das allge-
meine Resultat genügen, dass unter den feinen Fasern der grauen Substanz
an manchen Stellen, z.B. in der grauen Commissur des Rückenmarks, Binde-
gewebsfasern mit unterlaufen.
Einen überwiegenden Bestandtheil bilden Bindegewebsfasern in der
äussersten Lage der grauen Hirn- und Rückenmarksrinde; sie stehen, wie
bereits erwähnt, mit der Gefässhaut in Berührung, gehören aber einer an-
deren Varietät des Bindegewebes an, als die Schichten der Gefässhaut, der
verfilzten nämlich, deren steife Fibrillen, in den mannigfaltigsten Richtiingen
durch einander gewebt, von kleinen multipolaren Zellen ausgehen ^).
Die in der grauen Substanz enthaltenen Nervenfasern sind sämmtlich
markhaltig 2), aber von sehr verschiedenem Kaliber. Die meisten sind fein,
doch kommen an gewissen Stellen, namentlich in den grauen Säulen des
Rückenmarks, Fasern vor, die den stärksten Fasern der peripherischen
Nerven nur wenig nachstehen. Feine wie starke Fasern liegen parallel oder
b. Nervöse.
^) Zar Erläuterung der hier kurz angedeuteten Textur des Bindegewebes verweise ich
auf meine Jahresberichte 1867, S. 37 und 1868, S. 39.
^) Weder von den nackten Axencylindern , noch von den grauen oder gelatinösen, dem
sympathischen System eigenthümlichen Fasern scheint mir hinreichend bewiesen, dass sie in
dem Centralorgan vorkommen.
Nervenlelire. 19
gekreuzt, netzförmig oder xinordentlicli durch einander gewirrt i) oder zu
Bündeln vereinigt; die Menge derselben im Verhältniss zu anderen Elementen,
zu feinkörniger Substanz, Körnern und Zellen, wechselt je nacb den Regionen
der Centralorgane; es giebt StellcJi, wie die graue Commissur und die soge-
nannte spongiöse Substanz der Hintersäulen, welche fast ganz aus parallelen,
transversalen oder longitudinälen Nervenfaserbündeln bestehen und deren
Querschnitt sich vor dem Querschnitt eines weissen Stranges nur durch die
grössere Feinheit der Fasern und die verhältnissmässig grössere Breite der
Interstitien der Bündel auszeichnet. Fragt man nach der Ursache des
grauen Farbentons solcher Stellen, so ist die Antwort nicht ganz leicht. Er
kann nicht in der Feinheit der Fasern begründet sein, denn der N. opticus
mit seinen durchgängig feinen Fasern ist nicht minder glänzend weiss, als
jeder andere Cerebrospinalnerv. Einigen Einfluss auf die Farbe mag die
Quantität und der Charakter der Zwischensubstanz haben, welche die Nerven-
bündel trennt. Es ist aber auch möglich, dass, trotz aller Aehnlichkeit in
den Reactionen, das Mark der Nervenfasern in der grauen Substanz eine
etwas andere Mischung und andere lichtbrechende Eigenschaften besitzt,
als in der weissen. Dafür spricht folgender Versuch: wenn man Rücken-
marksdurchschnitte mittelst Nelkenöl durchsichtig gemacht hat und dann
Wasser zusetzt, so erhalten in der weissen Substanz die Längs- und Quer-
schnitte der Nervenfasern ihre dunkelen Contonren wieder, in der grauen
Substanz bleiben sie unverändert.
Die kugeligen Elemente der grauen Substanz zerfallen in zwei, schon 3. Kugelige
durch ihre Dimensionen unterscheidbare Arten. Ich fasse die einen unter a. "^Körner,
dem indifferenten Namen Körner ziisammeji; die anderen werden allgemein
als Zellen (Nerven- oder Ganglienzellen, Nervenkörper) bezeichnet. Eine
scharfe Trennung dieser Arten ist schon darum nicht zu erwarten, weil die
eine die niederen Entwickelungsstufen der anderen enthält. Als Mittelglied
zwischen beiden kommen Körper vor, Avelche den am meisten entwickelten
Körnern in der Form gleichen , in den Dimensionen aber sie übertreffen,
Zellenkerne von einer Grösse, wie sie unter den Elementartheilen des mensch-
lichen Körpers nur in den Nervenzellen gefunden werden.
Die Körner haben zum Theil die Bedeutung von Kernen und bleiben
bei jeder Behandlung einfach, zum Theil zeigen sie im frischen Zustande
oder nach Einwirkung verdünnter Essigsäure einen schmalen blassen Saum,
der als Zelle den dunkleren Kern einhüllt. Zwischen einer Masse von ziem-
lich genau kiigelrunden Formen findet man einzelne elliptische, eckige, auch
abgej)lattete. Der Durchmesser der kugeligen beträgt 0,006 bis 0,007 Mm.
Von den einfachen Körperchen lassen sich zwei Arten unterscheiden : die der
einen Art haben einen etwas rauhen Contour und eine granulirte Oberfläche,
die der anderen zeichnen sich durch glatten Contour, helle Oberfläche und
^) Es ist hierbei im einzelnen Fülle schwer zu ermitteln, ob die Fasern mit Erhaltung
ihrer Selbständi=;keit über einander wegziehen oder sich verästeln und anastomcsiren und
wirklich haben Schaffner (Ztschr. für. rat. Med. IX, 247), v. Hessling (Froriep's No-
tizen 1849, Nro. 186. Jenaische Ann. 1850, S. 283), Harless (ebendas. S. 284) solche
Verästelungen der Hirnfasern beschrieben. Die neueren Beobachter sind einig in dem Wider-
spruch gegen dieselben.
2*
20 Nervenlelire.
ein centrales Pünktchen aus; es sind, anit einem Worte, Kerne mit einfachen
Kernkörperchen. Beide Arten können als Kerne der eben erwähnten Zellen
auftreten.
In allen Theilen des Nervensystems kommen Körner vor. In den peri-
pherischen Nerven liegen sie in den Zwischenräumen der Fasern, am zahl-
reichsten im N. opticus. In den Ganglien umgeben sie in meist einfacher
Schichte die Nervenzellen und bilden sich stellenweise zu einem zusammen-
hängenden Epithelium aus. In der weissen Substanz der Centralorgane
finden sie sich einzeln oder reihenweise zwischen den Fasern und werden
sichtbar, wenn man die letzteren mit Terpentin oder einem ähnlich wirken-
den Eeagens durchsichtig macht. In der grauen Substanz trifft man sie
ebenfalls vereinzelt und regellos zerstreut, oder sie stellen, wie in der Rinde
des Kleinhirns, massenhaft gehäuft eine besondere Schichte, die sogenannte
Körnerschichte, dar.
Man hat diese Elemente bald dem Nerven-, bald dem Bindegewebe
zugetheilt. Wahrscheinlich sind sie potentia beides, d. h. sie können sich
zu Bestandtheilen des einen und anderen Gewebes und, wie eben erwähnt,
auch zu Epithelzellen entwickeln. Im unentwickelten, indifferenten Zustande
aber scheinen sie identisch zu sein mit den Körperchen der Lymphe,
den conglobirten Drüsen- und den farblosen Blutkörperchen (amöboiden
Körperchen), auf deren weite Verbreitung in den verschiedenartigen Gewe-
ben, in welche sie durch Auswanderung aus den Blutgefässen gelangen, alle
neueren Untersuchungen hinweisen. Walther ^) wollte an aufgethauten
Durchschnitten des gefrorenen Froschgehirns amöboide Bewegungen der
Körner wahrgenommen haben. Merkel und ich vermochten nicht, diese
Beobachtung zu bestätigen; auch misslangen bei Fröschen unsere Versuche,
mit Zinnober imprägnirte Lymphkörperchen im Parenchym des Gehirns wie-
derzufinden. Bei einem Huhn aber, dem wir durch eine Lücke des Schädels
in Wasser zerrührten Zinnober unter die dura mater gebracht hatten, fanden
wir am achten Tage nach der Operation die Rinde des Grosshirns bis zu
einer Tiefe von 0,02 Mm. mit zerstreuten, zinnoberhaltigen Körperchen
durchsäet.
Die Forsclier, welche den Körnern die Bedeutung nervöser Elemente zuer-
kennen, beschreiben Ausläufer oder Fortsätze derselben, durch deren Vermitteluug
sie mit Nervenfasei-u oder mit entschiedenen Nervenzellen zusammenhängen sollen.
So findet Gerlach (Mikroskop. Studien. Erlangen 1858, S. 5) an den meisten
einen oder zwei, selten drei fadenförmige Anhänge, die mit Fortsätzen der eigent-
lichen Nervenzellen und mit markhaltigen Nerveuröhren communiciren , und er
hält eine directe Verbindung dunkelrandiger Nervenröhren mit Körnern für das
regelmässige Verhältniss, Avelches nur deshalb selten zur Anschauung komme, weil,
die Ohromsäure und ihre Salze den Axencylinder entblössen. Seiner Meinung nach
müsste an jedem Korn eine zugehende und eine in entgegengesetzter Richtung ab-
gehende Faser unterschieden werden. Damit stimmen auch Hess (De cerebelli
gyrorum textura, Dorp. 1868)' und F. E. Schulze (lieber den feineren Bau der
Rinde des kleinen Gehirns. Rostock 1863) überein; M. Schultze aber ist geneigt,
sie für unipolare Nervenzellen und für die eigentlichen Ursprungsstätten der Pri-
mitivfibrillen (s. unten) zu halten, die nach seiner Meinung die grösseren, multi-
polai-en Nervenzellen nur durchsetzen. Mey n er t (Vierteljahrsschrift für Psychiatrie
'j Med. fViitralblatt 1868, Nro. 29.
Nervenlehre. ' ' 21
1867, S. 205) erklärt die Körner ebenfalls für nervös, behauptet aber von ihren
Fortsätzen, dass sie durch Verästelung ein in die Grundsubstanz eingetragenes Ge-
flecht darstellen. Neuerdings versichert Strachan (on the histology of the cere-
bellum. Edinburg 1869), an dem Gehirn eines Affen den Zusammenhang der Ele-
mente der Köruerschichte mit Nervenfasern constatirt zu haben.
Nervenzellen finden sich, in allen peripherischen Ganglien, in den grauen b. Zellen.
Säulen des Rückenmarks, in der Rinde des Gehirns und in den inneren An-
häufungen grauer Substanz, den sogenannten grauen Kernen dieses Organs,
vereinzelt und unbeständig auch in der weissen Substanz der Centralorgane.
Die Grösse der Zellen variirt inne;rhalb weiter Grenzen: die einen bilden
schmale Säume um. die kleineren Kerne, sie sind an sich kaum von multi-
polaren Bindegewebszellen zu unterscheiden; andere haben einen Durch-
messer, der um das 3- bis 4fache den Durchmesser der grossen Kerne, die
sie einschliessen, übertrifft. Das Protoplasma der Nervenzellen ist eine im
Allgemeinen der molekularen Hirnrinde ähnliche, feinkörnige Substanz, je-
doch einigermaassen wechselnd in der Stärke des Korns, in Glanz und Con-
sistenz und in der Widerstandsfähigkeit gegen chemische Agentien, daher
bald resistenter und dunkler , bald löslicher und heller , als die molekulare
Masse, in welcbe die Zellen eingebettet sind. In vielen Regionen enthält
jede derselben mehr oder minder beständig ein Häufchen körnigen Pigments,
dessen Farbe die erwähnten Farbennüancen der grauen Substanz bedingt.
Die Grösse des Pigmentflecks und die Intensität der Farbe scheint im Alter
zuzunehmen.
Die Ansicht, die ich über das Protoplasma der Nervenzellen hier ausspreche,
wird von zwei entgegengesetzten Seiten angefochten. Auf der einen Seite steht
Bidder (Zur Lehre vom Verhältniss der Gangiienkörper zu den Nervenfasern
Lpz. 1847, S. 23), welchem neuerlichst Jolly (Ztschr. für wissenschaftl. Zool. XVII,
443), Courvoisier (Archiv für mikroskop. Anatomie IV, 133) und Sander (Archiv
für Anat. 1866, S. 390) sich anschhessen , mit der Behauptung, dass die fzüsche
Ganglienzelle homogen und glashell , die körnige Beschaffenheit eine Leichen-
erscheinung sei. Von anderen Seiten werden neben den Molekülen Fasern beschrieben,
die in verschiedenen Richtungen die Zelle , selbst den Kern durchsetzen. Die Er-
örterung derselben verspare ich Avegen der Beziehungen, in welche man sie zu den
Fortsätzen der Zelle und zu den von der ZeUe entspringenden Nervenfasern ge-
bracht hat, auf eine spätere Stelle. C. H. Hoffmann (Nederlan^sch Archief voor
Genees-en Natuurk. IV, 380) fand die Spinalgangiienzellen im frischen Zu-
stande homogen, die Nervenzellen des Rückenmarks dagegen körnig-streiflg.
Die Mannigfaltigkeit der Formen der Nervenzellen wird hauptsächlich
durch die Anordnung der Fortsätze bedingt. Sie sind flaschen- oder zwiebei-
förmig, wenn Fortsätze nur nach einer Seite abgehen, spindelförmig, wenn
.sie nach zwei entgegengesetzten Richtungen Fortsätze aussenden, dreiseitig
oder gewürznelkenförmig, wie in der Rinde des Klein- und Grosshirns, wenn
von dem einen Pol ein Fortsatz, von dem anderen mehrere entspringen,
endlich kugelig, doch in der Regel etwas abgeplattet, oder sternförmig,
wenn die Fortsätze nach verschiedenen Seiten ausstrahlen.
Auf das weitere Verhalten dieser Fortsätze komme ich nun zurück, um
darzulegen, wie weit die anatomische Forscbung dem physiologischen Postulat
entspricht, d. h. wie weit ihr bis jetzt der Nachweis der Bahnen gelungen
ist, auf welchen die Communication der Nerven stattfindet. Die fortsatz-
22 ' Nervenlehre.
losen Zellen , wenn es deren giebt i), kommen , wie sich von selbst verstellt,
hierbei nicht in Betracht; ebenso wenig die unipolaren, die nur einer ein-
zigen Faser den Ursprung geben -) ; aber auch die bipolaren Zellen der
Spinalganglien , die ihre Fortsätze nach entgegengesetzten Richtungen aus-
senden, haben mit der Uebertragung der Erregung nichts zu thun; die Be-
deutung der Nervenzelle liegt in diesem Falle, wie es bereits Bidder aus-
sprach, nicht darin, zwei Nervenfasern zu verbinden, sondern die Continuität
einer Faser zu unterbrechen ; über ihre Function belehrt uns die Beobachtung
Wall er 's ^), dass die sensiblen Fasern nicht degeneriren, wenn die hinteren
"Wurzeln oberhalb der Ganglien durchschnitten werden *).
Eine Art von Zellen, die nach der Anordnung ihrer Fortsätze zur Mit-
theilung sympathischer Erregung geeignet scheinen könnte , steht in der
^) Diese Frage wird noch immer verschieden, jedoch vorwiegend negativ beantwortet.
Gegen die apolaren Zellen stimmen, wenigstens für den Frosch, Kollmann und Arnstein
(Ztschr. für Biologie VI, 271) und Sander (a. a. 0. S. 398); Polaillon (Etudes sur
les ganglions nerveux. Paris 1866, p. 88) verwirft sie nicht absolut und Kölliker
(Gewebelehre, 5. Aufl., S. 255) beharrt zwar dabei, dass es im Gebiete des Sympathicus
Zellen ohne Fortsätze gebe, hält es aber für wahrscheinlich, dass sie nur niedere Ent-
wickelungsstufen der mit Fortsätzen versehenen Zellen seien. Ihm tritt Courvoisier,
nachdem er früher (Archiv für mikroskop. Anat. II, 13) die apolaren Zellen ebenfalls ver-
worfen hatte, in seiner neueren Abhandlung (ebendas. IV, 138) mit der Modification bei,
dass er die apolaren Zellen (Beizellen) lieber für abgestorbene halten möchte.
^) Nach der Entdeckung der bipolaren Zellen der Spinalganglien haben sich gegen die
unipolaren dieselben Zweifel erhoben , wie gegen die apolaren , dass sie nämlich aus Ver-
stümmelung bipolarer Zellen hervorgegangen seien, Zweifel, welche nicht leicht zu wider-
legen sind, weil dafür, dass die Präparation die Zellen unversehrt gelassen habe, kaum
Sicherheit zu gewähren ist. Man suchte deshalb nach indirecten Beweisen für die Existenz
unipolarer Zellen, und glaubte dieselben darin zu finden , dass an vielen Ganglien die aus-
tretenden Nerven mehr Fasern enthalten, als die eintretenden (Kölliker, die Selbständigkeit und
Abhängigkeit des sympathischen Nervensystems. Zürich 1844, S. 21. Volkmann in R. Wa g -
ner's Handwörterbuch II, 497), ferner in einer Form mikroskopischer Ganglien, die man
gestielte nennen könnte, deren austretende Fasern nämlich, welche den Stiel bilden, sich
unter spitzem Winkel an die Fasern eines Nervenstammes anlegen, mit dem sie weiter ver-
laufen (Wharton Jones in Lond. med. Gaz. 1846, Novbr., p. 837. Engel, Ztschr. Wiener
Aerzte 1847, August, S. 307. Manz, die Nerven und Ganglien des Säugethierdarms. Freib.
1859). Indessen widerlegen diese Thatsachen nur die Behauptung, dass die Zellenform, die
nach entgegengesetzten Seiten in Fasern übergeht, die einzige in Ganglien vorkommende
sei; sie beweisen aber nicht, dass die Zellen der betreffenden Ganglien nur je eine Faser
abgeben, und erklären sich auch unter der Annahme, dass mehrere von einer Zelle aus-
gehende Fortsätze nach derselben Seite gerichtet seien. So sehen wir uns doch wieder auf
die directe Beobachtung angewiesen und haben zu constatiren, dass, nachdem Kölliker
(a. a. 0. S. 17- 22. Mikroskop. Anat. I, 507), Beck (Ueber die Verbindung des Sehnerven
mit dem Augen- und Nasenknoten. Heidelb. 1847, S. 41), Ludwig (Müller's Archiv
1848, S. 143), Axmann (Beitr. zur Anat. des Gangliennervensystems. Berlin 1853, S. 30)
and Küttner (De origine nervi sympath. ranarum. Dorp. 1854) im Allgemeinen den im
strengen Wortsinn unipolaren Zellen Anerkennung verschafi"t haben , die neuesten Unter-
suchungen diese Zellenform als die den Spinalganglien der höheren Wirbelthiere eigenthüm-
liche darstellen (vergleiche Vulpian, Journ. de la physiol. 1863, p. 5. Schwalbe, Archiv
für mikroskop. Anat. IV, 45. Courvoisier, ebendas. S. 124). Die bipolaren Zellen
scheinen auf die Spinalganglien der Fische beschränkt zu sein.
^) Nouvelle methode anatomique pour l'investigation du Systeme nerveux. Bonn 1852,
p. 23. vergl. Schiff, Archiv des Vereins zur Förderung der wissensch. Heilkunde I, 609.
*) Von der Wurzel selbst degenerirt nach der Durchschneidung der centrale , nicht der
peripherische Stumpf, woraus Waller den Schluss zieht, dass die Spinalganglien nach beiden
Seiten als Ernährungscentra wirken (Gaz. med. 1856, Nro. 14).
Nervenlehre. 23
Mitte zwischen uni- und bipolaren und ist in der That unter beiden Namen
beschrieben worden. Bidder i) hatte in den Spinalganglien neben den ge-
wöhnlichen grossen bipolaren Zellen kleinere angetroffen, von welchen zwei
Nervenfasern dicht neben einander entspringen und peripherisch mit ein-
ander verlaufen. Er hatte diese Zellen im Gegensatz der cerebrospinalen
als sympathische bezeichnet. In jüngster Zeit lehrten Beale 2) und J. Ar-
nold '^) fast zugleich in den sympathischen Ganglien des Frosches Zellen kennen,
welche von einem Pole zwei Fasern aussenden, eine gerade, entschieden mark-
haltige und eine blassere Faser, welche anfänglich die markhaltige spiralig
umkreist *). Die sj^mpathischen Ganglien der höheren Thiere enthalten nach
Courvoisier Zellen ähnhcher Art mit der allerdings nicht unerheblichen
Verschiedenheit, dass von jedem der beiden einander gegenüberliegenden
Pole je eine gerade und eine spiralige Faser entspringt ^). Einen kurzen
Faserstumpf oder einen längeren Fortsatz von dem Charakter einer blassen
Faser, die den geraden Fortsatz in einer oder mehreren Spiraltouren umgab,
will J. Arnold^) auch an Nervenzellen aus dem Ganglion semilunare wahr-
genommen haben. Statt der einen Spiralfaser kommen beim Frosch zwei
bis drei vor (Arnold, Kollmann und Arn stein), welche zuweilen später
zusammenfliessen (Courvoisier). Die spiraligen Windungen können sehr
zahlreich sein (bis 20), aber auch auf eine einzige sich reduciren oder gänz-
lich fehlen , so dass die Spiralfasern von der geraden Faser nur durch das
Kaliber, oder, da nach Courvoisier auch dieser Charakter sich verwischen
kann, durch die Art des Ursprungs unterscheidbar sind, indem die gerade
Faser aus dem Inneren der Zelle, die spiralige von deren Oberfläche entsprin-
gen soll, aus einem Netze feiner Fasern, welches vom Kernkörperchen aus
Kern und Zelle durchziehe und die letztere umspinne. Nach kürzerem oder
längerem Verlauf in gemeinschaftlicher Hülle trennen sich beiderlei Fasern,
um jede in ihrer eigenen Scheide entgegengesetzte Richtungen einzuschlagen.
Arnold sah wiederholt die Spiralfaser unter nahezu rechtem Winkel ab-
biegen, in das benachbarte Bindegewebe eintreten, sich theilen und mit den
aus der Theilung hervorgegangenen, mit Kernanschwellungen versehenen
Fäden eine kleine Arterie umspinnen.
Die Entdecker der Spiralfaser halten dieselbe , gleich der geraden,
für ein'e Nervenfaser. Den Einwürfen Krause's''^), Sander's^), Fräntzels^),
Kölliker's ^'^) gegenüber, welche die Spiralfaser für ein durch Runzeln der
^) A.a.O. S. 37. — ^) Microscop. Journ. 1863 Oct. New observations upon the structure
and functions of certain nervous centres. Lond. 1864. — ^) Archiv für pathol. Anat. und Physiol.
XXXr, 1. — *) Unipolar heissen diese Zellen bei Arnold und Guy e (Med. Centralbl. 1866, Nro.
56), bipolar dagegen bei Beale, Kollmann und Arnstein, und Bidder. Cour voi sier (Archiv
für mikroskop. Anat. II, 13) räth, diesem üebelstande dadurch zu begegnen, dass man den
Pol, von welchem Zwillingsfasern, d. h. je eine gerade Faser in Begleitung einer spiraligen
ausgehen, einen Holopol (Zwillingspol schlechthin), die Ursprungsstätte einer einfachen Faser
einen Hemipol nenne. Für die Zelle schlägt er den Namen Geminipol vor (a. a. 0. IV, 127).
^) So weit stimmt Courvoisier mit Küttner überein, der ebenfalls den Fröschen
unipolare, den Säugethieren bipolare Ganglienzellen zuschreibt. Doch kommt nach Küttner
aus jedem Pol nur eine Faser, die sich weiterhin gabelig theilt.
6) Archiv für path. Anat. und Phys. XLI, 178. — '') Ztschr. für rat. Med. 3. Reihe
XXIIl, 60. — 8) A. a. 0. — 9) Archiv für pathol. Anat. und Physiol. XXXVIII, 549. —
1^) Gewebelehre S. 254. 331.
24 Nervenlehre.
Scheide erzeugtes Trugbild oder für elastisch öder bindegewebig erklären,
wird geltend gemacht, dass sie sich nach Zerstörung der Scheide erhalte,
mit Goldchlorid die für Nervenfasern charakteristische Färbung annehme
und, was das Entscheidende ist, sich nach einer gewissen Strecke ihres Ver-
laufs mit Mark umgebe (Arnold, Courvoisier, Friedländer '). Der
neueste Autor über diesen Gegenstand, Schwalbe, ist geneigt, zwei Arten
von Spiralfasern anzuerkennen : 1 . nervöse, die unmittelbar aus der Substanz
der Zelle entspringen, keine oder nur einige wenige Touren um die gerade
Faser machen und dieser an Stärke ziemlich gleichkommen, und 2. Fasern,
die sich aus einem Netz am Grunde der Zellen entwickeln und als Verdickun-
gen der Scheide aufzufassen wären. Was die Bedeutung der Fasern betrifft,
so stimmen Arnold, Courvoisier, Kollmann und Arnstein darin über-
ein, die gerade Faser als (vom Rückenmark oder Sj)inalganglion) zutretende,
die spiralige als austretende, sympathische anzusehen, und Courvoisier
gründet diese Annahme auf den Erfolg der Durchschneidung der Rr. commu-
nicantes, wonach zuerst die geraden Fasern, dann die Zellen und zuletzt die
Spiralfasern degeneriren. Bidder war bereits, als er unter den gewöhn-
lichen bipolaren Zellen der Spinalganglien solche fand , welche zwei nach
einer Seite verlaufenden Nervenfasern den Ursprung geben, auf die Ver-
muthung gekommen, dass die eine Faser oder der eine Schenkel der Schlinge,
in deren Spitze eine Ganglienzelle eingebettet sei, in centripetaler, der andere
Schenkel in centrifugaler Richtung leiten möge. Aber er verkennt nicht,
dass unter dieser Voraussetzung die Fortpflanzung der Reizung von einer
centripetalen Faser auf eine Mehrheit von centrifugalen ein ungelöstes
Räthsel bleiben müsse. Nach der Auslegung, welche die genannten jüngeren
Forscher den Zellen mit von einem Pol entspringenden Zwillingsfasern geben,
würden sie überhaupt nicht der Reflexbewegung dienen; sie wären nur, wie
die bipolaren Zellen der Spinalganglien mit gegenständigen Fortsätzen, Ein-
schaltungen in den Verlauf einer Faser, in welcher sie den Uebergang aus
dem cerebrospinalen in das sympathische oder Eingeweidesystem bezeichnen
würden.
Die physiologischen Vorgänge im Nervensystem verlangen Verbindun-
gen der Nervenzellen unter einander oder einen grösseren Reichthum an
Fortsätzen oder beides. Betrachten wir mit Rücksicht hierauf die Nerven-
zellen zuerst der Ganglien, dann der Centralorgane.
Was die gegenseitigen Verbindungen der Zellen in den Ganglien be-
trifft, so liegt nur eine flüchtige Bemerkung Duchenne's^) und eine vielfach
angefochtene Beobachtung Courvoisier's vor; der ersteren zufolge sollen
die Zellen der menschlichen Cervicalganglien, je zwei und zwei, durch einen
queren Fortsatz in Verbindung stehen; nach Courvoisier sollen die proble-
matischen , die Zellen durchziehenden und umspinnenden Fasernetze , aus
welchen die Spiralfasern abgeleitet werden, einander Fäden zusenden. Mul-
tipolare Zellen aus Ganglien haben Vorjahren Stannius und Schaffner,
dannRemak^), Klebs'^), Duchenne, neuerdings Schwalbe, Stieda^)
') V. Bezold, Unters, aus dem physiolog. Laboratorium in Würzburg. Heft 2, Lpz.
1867, S. 159. — 2) Comptes rendus 1865. 16. Janv. — 3) Deutsclie Klinik 1854, Nro.
16. — *) Medicin. Centralbl. 1863, Nro. 36. — ^) Zeitschrift für wissenschaftl. Zoologie
XIX, 15.
Nervenlehre. 25
und Bidder^) beschrieben, und Kölliker gesteht zu, dass in seltenen Fällen '
3 bis 4 blasse Fortsätze an einer Ganglienzelle vorkommen, die aber sämmt-
lich an einer Seite der Zelle entspringen und nach einer Richtung zu ver-
laufen scheinen.
Dass die Nervenzellen der Centralorgane nach verschiedenen Seiten
'Fortsätze abschicken, deren Zahl sich durch Theilung noch beträchtlich ver-
mehrt, ist eine ausgemachte und leicht zu bestätigende Thatsache; selbst
die spindelförmigen Zellen der grauen Substanz, die sich nach zwei entgegen-
gesetzten Richtungen in Fasern verlängern, werden durch Verästelung dieser
Fasern zu multipolaren. Erst in Betreff des weiteren Verhaltens der Fort-
sätze gehen die Meinungen auseinander. Anastomosen der Fortsätze, zur
Verbindung der Nervenzellen untereinander, wurden in zweierlei Weisen be-
schrieben. Man sprach von einem Netz feinster Endigungen der verzweig-
ten Fortsätze , welches in der molekularen Masse der grauen Substanz ein-
gebettet sein, ja sich in dieselbe auflösen sollte (R. Wagner), und von
einem Zusammenhang durch einfache, kürzere und längere Brücken oder
Commissuren. Netze der ersten Art werden kaum faetisch zu demonstriren
sein, aber auch die Commissurenfrage ist in der langen Reihe von Jahren,
seitdem zuerst Valentin 2) diese Art der Verbindung beschrieb, noch nicht
zum Abschlüsse gediehen. R e m a k ^), S t a n n i u s *), R. W a g n e r ^), C 1 a r k e ^),
Schröder v. d. Kolk^), Metzler ^), v. Lenhossek^), Bidder und
Kupffer^oj, Jacubowitsch^^), S tillin g^-), v. Bochmanni'^), Dean^*),
Walteri^), de Voogt^e), Hendryi'), Bealei«), Leydigi"), Luys^o)
und Roudan'o wsky 21) halten die Commissuren der centralen Nervenzellen
für erwiesen, wenn auch ihre Angaben bezüglich der Häufigkeit der Anasto-
mosen, der Dichtigkeit des Netzes, welches die verbundenen Zellen bilden, von
einander abweichen, und wenn auch die einen mit grosser Vorsicht zu Werke
gehen zu müssen meinen, wo die anderen in jedem Schnitt Beweise für ihre
Ansicht zu finden behaupten. Dass der Anblick noch so feiner Durch-
schnitte wegen der mannigfaltigen Kreuzung und An- und Uebereinander-
lagerung der Fortsätze keine sichere Gewähr biete, hat schon Wagner an-
1) Archiv für Anat. 1869, S.472. — 2) Repertorium 1838, S. 76. Müll. Arch. 1839, S.
.139. — ''^) Observat. anat. et microscop. de System, nervosi structura. Berol. 1838, p. 10 —
*) Gott. Nachr. 1849, Nro. 8. Arch. für physiolog. Heilk. 1850, S. 75. — ^) Neurolog.
Unters. Gott. 1854, S. 48. 163. — ^) Philosoph. Transact. 1851, P. II, p. 614. —
^) Anatomisch-physiol. onderzoek over het fijnere zamenstel van het ruggemeig. Amst. 1854,
p. 28. — ^) De medullae spin. avium textura. Dorp. 1855, p. 32. — ^) Neue Unters, über
den feineren Bau des centralen Nervensystems, Wien 1855, S. 9. — ^^) Untersuchungen
über die Textur des Rückenmarks 1857, S. 63. — ^l) Mittheilungen über die feinere Struc-
tur des Gehirns und Rückenmarks, Breslau 1857, S. 22. — ^^) Neue Unters, über den Bau
des Rückenmarks, Cassel 1859, S. 941. — ^^) Beitrag zur Histologie des Rückenmarks,
Dorp. 1860. — l'*) Microscop. anatomy of the lumhar enlargement of the spinal cord. Cam-
bridge 1861. The grey substance of the medulla oblongata and trapezium. Smithson.
Institut. 1864, p. 14. 25. — 15) Archiv für pathol. Anat. u. Fhysiol. XXII, 249. —
1^) Beschouwingen over de zamenstelling van het ruggemerg. Leyden 1862. — 1'^) Quart.
Journ. of microscop. science 1863, Jan. p. 41. — ^^) New observations upon the structure
and functions of certain nerv, centres, Lond. 1864, p. 21. — i") Vom Bau des thierischen
Körpers. Tübingen 1864, S. 90. — ^^) Recherches sur le Systeme nerveux cerebro-spinal.
Paris 1865. — ^i) Journ. de l'anat. 1864, p. 225.
26 Nervenlehre.
erkannt und deshalb das HaiiptgewicM auf die allerdings seltenen Fälle ge-
legt, wo es ihm gelang, die verbundenen Zellen isolirt zur Anschauung zu
bringen. Derartige Präparate wurden noch jüngst vonBesser^), Arndt-)
und Hoff m ann ■'^), aus der Grrosshirnrinde , von Jolly*) aus dem Rücken-
mark beschrieben und abgebildet. Indessen hat Kölliker nie aufgehört,
die einfachen Commissuren zu bestreiten, und nachdem auch R e m a k '^) seine
frühere Ansicht zurückgenommen, äusserten sich in gleichem Sinne M a u t h -
ner^), Goll''), Stieda^), Marcusen^), Grimma"), Deiters ^i) und
Courvoisier. Mir selbst ist unter vielen Bildern, welche für gegenseitige
Verschmelzung der Zellenfortsätze sprechen konnten , keines vorgekommen,
das einer scrupulösen Prüfung Stand gehalten hätte, und für besonders ver-
dächtig halte ich den Umstand, dass, wo die Zellen mit ihren Fortsätzen am
regelmässigsten geordnet liegen, wie in der Rinde des Kleinhirns, am selten-
sten der Anschein einer Verbindung der Fortsätze entsteht. So kommt
vielleicht Reissner^^) der Wahrheit am nächsten, wenn er zwar die Com-
missuren der Nervenzellen nicht absolut verwirft, aber die Ueberzeugung
ausspricht, dass sie eine Seltenheit seien, eine Bildungshemmung dürfte man
hinzufügen , wenn feststände, dass Nervenzellen sich durch Theilung verviel-
fältigen und nach der Theilung auseinanderrücken ^^). Damit hätten denn
freilich die Zellencommissuren ihren physiologischen Werth eingebüsst.
Kaum weniger heftig, als in der Angelegenheit der Commissuren, war
der Streit über die Frage, ob die Fortsätze der Nervenzellen des Rücken-
marks und Gehirns schliesslich zu Nervenfasern würden und in die Wurzeln
peripherischer Nerven gelangten. Auch hierin verhielt sich Kölliker am
längsten skeptisch, während R. Wagner und seine Schüler wiederholt von
der Umwandlung blasser Zellenausläufer in dunkelrandige , markhaltige
Fasern, in grösserer oder geringerer Entfernung von ihrem Ursprung aus
der Zelle berichteten, und Stilling auf diese Thatsache seine Darstellung
der feineren Structur des Rückenmarks begründete. Ich darf mir eine Auf-
zählung der Stimmen für und wider erlassen, da die Ursache der Meinungs-
differenzen durch eine Entdeckung aufgeklärt ist, welche einigermaassen
beide Theile rechtfertigt und eine neue Basis für die Anatomie der Central-
organe geschaffen hat.
Schon im Jahre 1847 hatte R. Wagner beobachtet i*) , dass aus den
Nervenzellen der Central organe des Zitterrochen zweierlei Fortsätze ent-
springen, neben mehreren verzweigten ein einziger unverzweigter, blasserer
(selten zwei), der mehr einer Nervenfaser gleicht und in eine solche über-
^) Archiv für pathol. Auat. und Physiol. XXXVI, 134, Taf. IV. — 2) Archiv für
mikroskop. Anat. III, 441 ; Tat". XXIII, Fig. 5 d. — ^) Nederl. Tijdschr. voor Geneeskunde
D. IV, Taf. I, Fig. 2. — *) Ztschr. für wissensch. Zool. XVII, 443. — ^) Deutsche Klinik
18.54, Nro. 16. — ^) Beiträge zur näheren Kenntniss der morpholog. Elemente des Nerven-
systems, Wien 1860. — ^) Denkschr. der medic.-chirurg. Gesellsch. des Cantons Zürich,
1860, S. 130. — ^) Ueber das Rückenmark und einzelne Theile des Gehirns von Esox lucius,
Dorp. 1860. Müll. Arch. 1864, S. 407. Ztschr. für wissensch. Zool. XVIII, 1. — ^) Die
Familie der Mormyren, Petersb. 1864, S. 51. — i") Müll. Arch. 1864, S. 502. — ") Unters.
über Gehirn und Rückenmark des Menschen und der Säugethiere , Braunschweig 1864. —
12) Der Bau des centralen Nervensystems der ungeschv^ränzten Batrachier , Dorpat 1864,
S. 13. — 13) Kölliker, Gewebelehre, S. 332. — 1*) Handwörterbuch, Bd. III. Abthei-
lung], S. 377; vgl. Gott. Nachr. 1851, Nro. 14.
Nervenlelire. 27
geht. Remak') hatte dieselbe Anordnung an den Nervenzellen der grauen
Vordersäulen des Rückenmarks beim Ochsen wahrgenommen. Durch die Unter-
suchungen von Deiters-) erhält sie Geltxmg für alle Zellen der Centralorgane.
Die verästelten Fortsätze, in welche das körnige, oft sogar das pigmentirte Pro-
toplasma unmittelbar übergeht, Jiennt Deiters Protoplasmafortsätze;
den Namen Axencylinder- oder Nerven fortsatz giebt er dem ua ver-
zweigten Fortsatz, der aus einer starren, hyalinen, resistenteren Substanz be-
steht, sich in geringer Entfernung vom Ursprung mit einer Scheide von Nerven-
mark überzieht und von den Zellen der vorderen grauen Säulen des Rücken-
marks in die vorderen Nervenwurzeln eintritt. Aber auch mit den Proto-
plasmafortsätzen steht nach Deiters ein System von Axencylindern in
Verbindung : es sind feine , nur in Chromsäurelösungen von bestimmter
Concentration conservirbare Fasern, die mit den Axencylindern der feinsten
Nervenfäserchen ein etwas unregelmässiges Ansehen , leichte Varicositäten
und die chemischen Reactionen gemein haben. Sie erscheinen nicht als ein-
fache Theilungen, indem sie meistens mit dreieckiger Basis aufsitzen; sie
selbst theilen sich in der Regel nicht weiter; einige Male war es gelungen,
sie in dunkelrandige Fasern zu verfolgen oder mit einer Markscheide sich
iimgeben zu sehen.
Die Deiters' sehe Classification der Fortsätze und die Schilderung
ihrer wesentlichen Charaktere fand alsbald von allen Seiten Bestätigung ^).
Den Uebergang der Axencylinderfoi-tsäze aus den vorderen Rückenmarks-
säulen in die vorderen Wurzeln halte auch ich mit Deiters und G e r 1 a c h
für zweifellos, sowie ich auch in einzelnen Präparaten einen Zellenfortsatz der
hinteren Säulen den durch die gelatinöse Substanz austretenden Wurzeln
sich beigesellen sah. Was aber die Umwandlung der feineren Protoplasma-
fortsätze in markhaltige Nervenfasern betrifft, so hat bis jetzt nur Gerlach
sich zustimmend geäussert, imd diese Fasern innerhalb der grauen Säulen
in Netze feinster Fasern verfolgt, zu welchen andererseits Fasern traten,
welche aus wiederholter Theilung der Nervenfasern der hinteren Wxirzeln
hervorgingen. J o 1 1 y konnte sich nicht davon überzeugen , dass die Ver-
zweigungen der Protoplasmafortsätze den Charakter von Nervenfasern an-
nehmen undM. Schnitze'*) erklärt sich entschieden dagegen.
Ein einziges positives Ergebniss wird also durch die aufgezählte Reihe von
Beobachtungen geliefert, der Ursprung der peripherischen Nervenfasern aus
Zellen theils der Ganglien, theils der Centralorgane. Ob alle von den Central-
organen axisgesandten Nervenfasern in Zellen wurzeln, kann freilich nicht durch
1) Deutsche Klinik 1854, Nro. 27. — 2) A. a. 0. S. 55. — ^) Vgl. M. Schultze, bei
Deiters, a. a. 0. S. XV; Boddaeit, Bulletins de l'Acad. royale de Belgique XIX, 58;
JoUy, a. a. 0.; Gerlach, Medicin. Centralbl. 1867, Nro. 24. 25; J. Arnold, Archiv
für pathol. Anat. und Phj-siol. XLI, 178. Kölliker (Gewebelehre S. 276. 306) meint, dass
diese Form vorzugsweise den Zellen der Medulla oblongata eigen sei; L. Meyer (Medicin.
Centralbl. 1867, Nro. 8), Hoffmann (a. a. 0.), Arndt (Archiv für mikroskop. Anat. III,
441) schreiben sie auch den Zellen der Grosshirnrinde zu; Koschennikoff (Archiv für
mikroskop. Anat. V, 332) und Iladlich (Archiv für pathol. Anat. u. Physiol. XLVI, 218)
bestätigen sie für die grossen multipolaren Zellen der Kleinhirnrinde; R. Wagner's Angabe,
dass aus den Zellen der elektrischen Lappen von Torpedo zuweilen zwei Axencylinderfortsätze
hervorgehen, wird von M. Schultze (bei Deiters p. 57) bestritten. — *) Observ. de struc-
tura cellularum fibrai'umque nervearum , Bonn 1868.
28 Nervenlehre.
unmittelbare BeobacMang entschieden werden ; doch ergiebt sich auch dafür
eine Wahrscheinlichkeit dadurch, dass in jedem ßückenmarksquerschnitt
die Zahl der Ganglienzellen im Verhältniss steht zur Masse der Nerven-
wurzeln ^). Die Vermuthung, die sich als die einfachste zuerst darbot, dass
die einzelne Zelle als Quelle einer Anzahl peripherischer Fasern die physio-
logische Verbindung derselben direct vermittele , findet in der Anatomie der
Ganglien wie der Centralorgane nur eine unsichere Stütze. Und nähme
man auch Gerlach's Darstellung, wonach die Protoplasmafortsätze sich
schliesslich zu hinteren Wurzeln umbilden, als erwiesen an, so macht doch
das complicirte Fasernetz, in welches die Fortsätze von der einen, die
Nervenwurzeln von der anderen Seite eintreten, die Verfolgung ihres Ver-
laufs unmöglich. So haben die histologischen Forschungen im günstigsten
Falle Bahnen kennen gelehrt, auf welchen die Nervenerregung sich fort-
pflanzen kann, ohne uns zu enthüllen, auf welchen Bahnen und nach wel-
cher Richtung sie sich fortpflanzen m u s s. Hieran "Sf ird auch dadurch nichts
geändert, dass an gewissen Stellen, auf die ich in der besonderen Beschrei-
bung näher eingehe , die Fortsätze bestimmte Richtungen einhalten,
da die feinsten, dem Auge sich entziehenden Verzweigungen möglicher-
weise eine von dem Stamme des Fortsatzes verschiedene Richtung nehmen.
Von dem Ziele, dem die Morphologie der Centralorgane zustrebt, den
Gang und die Verbindungen der einzelnen Nervenfasern innerhalb der Cen-
tralorgane darzulegen, sind wir, wie man sieht, noch weit entfernt. Wir
dürften kaum hoff'en, ihm jemals näher zu kommen, wenn die jüngst von
M. Schnitze-) ausgesprochene Ansicht vom Bau der Nervenzellen und Fa-
sern richtig ist. Danach wäre die Substanz der grossen , multipolaren
Nervenzellen zusammengesetzt aus einer feinkörnigen Masse und sehr feinen
Fasern, Primitivfibrillen, die die Zelle in verschiedenen Richtungen durchziehen
und sich besonders an der Oberfläche zusammendrängen. An der Austritts-
stelle der Fortsätze sollen sie sich zu Bündeln sammeln, und Bündel dieser
feinsten Fasern seien sowohl die Axencylinder- als die Protoplasmafortsätze,
mit dem Unterschiede, dass die ersteren sich mit einer Hülle von Mark um-
geben und in die letzteren die feinkörnige Masse mit vordringt. Die Ver-
ästelung der Protoplasmafortsätze entspricht, wie die Verästelung der Nerven
im Groben, einer Zerlegung in Bündel von immer geringerer Faserzahl bis
zur Auflösung in die einzelnen Primitivfibrillen ; dieselbe Zerfaserung läge
nach Schnitze der peripherischen Verästelung der Nervenfasern zu Grunde,
die man bisher als Theilun'gen der Primitivfasern beschrieb. Die Nerven-
zellen hören nach dieser Vorstellung auf, Ursprungsstätten der Nervenfasern
zu sein ; es sind Körper , innerhalb deren die verschiedenen Fortsätze ihre
Fasern geflechtartig austauschen, um sie in neuen Combinationen austre-
ten zu lassen. Ueber die Herkunft der Fibrillen, die so von einem Fort-
satz dem anderen und möglicher Weise von einer Zelle der anderen über-
••) Ich verweise auf die Anschwellungen des Rückenmarks an der Austrittsstelle der
Extremitäteunerven und auf die von Bidder (Bidder und Kupffer, a. a. 0. S. 57) mit-
getheilte Thatsache, dass bei langhalsigen Vögeln, wo die Nervenwurzeln in grösseren Ab-
ständen von einander abgehen, die graue Substanz entsprechend dem jedesmaligen Ursprünge
eines Nerven grössere Dimensionen und eine grosse Zahl von Nervenzellen zeigt. — ^) Observ.
a. a. 0.; Strick er 's Handbuch der Lehre von den Geweben, S. 208.
Nervenlelire. 29
liefert werden, geben Schnitze's Beobachtungen keinen Anfschluss ; er ver-
weist, wie erwähnt , auf die noch wenig erforschten kleinen , im Gross- und
Kleinhirn zerstreuten Zellen und Körner.
Diese neueste Wendung der vorliegenden Frage führt uns zurück zu den An-
gaben über den feineren Bau der Nervenzellen, die zugieicli den Ursprung der Port-
sätze und insbesondere der Nervenfasern berühren. Versuche, die Substanz der
Fortsätze ins Innere der Zellen zu verfolgen, wurden wiedei'holt und in verschiede-
nem Sinne gemacht, zuerst imd am häufigsten so, dass man die Nervenfasern mit
dem Kern der Zelle in Verbindung brachte. Die heute noch nicht abgeschlossene
Controverse über diesen Gegenstand beginnt im Jahre 1846 mit einer Angabe von
Harless (Müller' s Arch. 1846, S. 282), wonach der Kern der Nervenzellen des
elektrischen Lappens bei Torpedo nach einer oder zwei Seiten sich in eine Ner-
venfaser fortsezt. Sie wurde von Axniann (De gangliorum systematis structura,
Berol. 1847) bestätigt, von Lieberkühn (De structura gangliorum penitiori, Be-
rol. 1849) nach Untersuchungen am Frosch dahin präcisirt, dass jede Zelle eine
Faser, der Kern die Markscheide, das Kernkörperchen den Axencylinder liefere,
und sie gerieth in Vergessenheit, nachdem E; Wagner (Handwörterbuch a. a. 0.)
und Kölliker (in den früheren Auflagen seines Handbuchs) sich dagegen ausge-
sprochen hatten. Gr. Wagener nahm im Jahre 1857 (Ztschr. für wissensch. Zool.
VIII, 455) den abgerissenen Faden wieder auf, indem er sich als Zeichner der
Lieberkühn'schen Tafel zu erkennen gab und dieselben Verhältnisse aus den
Ganglien einiger wix-belloser Thiere beschrieb und abbildete. Es folgt nun eine
Keihe zustimmender Vota, von Hensen (Zeitschr. für wissensch. Zool. XI, 19),
Mau.thner (Beitr. zur näheren -Kenntniss der morpholog. Elemente des Nerven-
systems, Wien 1862, S. 32), Luys' (a. a. 0. S. 14) und Hoffmann; ferner mit
Bezug auf die gerade Faser der Ganglienzellen (s. oben) von J. Arnold, Guye,
Sander. Nach Kollmann und Arnstein geht zwar der Axencylinder in das
Kernkörj^erchen , aber nicht die Markscheide in den Kern über; nach Bidder
(Archiv für Anat. 1867, S. 14) ist es der Axencylinder, der mit dem Kern sich
verbindet, und nach Arndt entspringt von einer die Oberfläche des Kerns
einschliessenden Substanz ein in den Axencylinderfortsatz vordringender dunkler
Streifen. Fräntzel verfolgte die Nervenfaser unipolarer Nervenzellen der Spi-
nalganglien, Courvoisier die gerade Faser der Nervenzellen des Sympathicus
von der Insertion an die Zelle bis in die Nähe des Kerns; von ihrem Zusam-
menhang mit dem Kern konnten sie sich nicht überzeugen. Dagegen sahen
Stilling (Neue Unters. S. 820. 1189) und Kölliker (Gewebelehre, 4. Aufl. S. 291)
einen Fortsatz vom Kern gegen den Rand der Zelle sich erstrecken, der den Zellen-
fortsatz nicht erreicht», und Jolly berichtet von einer allerdings geringen Zahl
von Zellen, in welchen vom Kernkörperchen aus durch den Kern und einen Theil
der Zellsubstanz ein heller Streifen verlief, und von einem Fall, wo dieser Streifen
die Richtung gegen den Axencjdinderfortsatz nahm, allerdings ohne ihn zu er-
reichen. Diesen ganzen und halben Bestätigungen gegenüber, die zudem alle darin
übereinkommen, dass positive Ergebnisse zu den seltenen Glücksfällen gehören,
stehen nun die negativen Resultate von Buchholz (Archiv für Anat. 1863, S. 248)
und Schwalbe (a. a. O. S. 64), die Wirbellosen betreffend, und von Waldeyer
(Zeitschr. für rat. Med. 3. R. XX, 241) Deiters, M. Schnitze, Leydig (vom
Bau des Thierkörpers I, 90), Stieda und Kölliker (in der 5. Aufl. seines Handb.
S. 253. 331) bezüglich der Nervenzellen der Wirbelthiere. Einen Schritt, um die
Irrthumsquelle aufzudecken, aus welcher die gegentheiligen Ansichten entsprimgen
sein könnten, hat Kölliker gemacht: an einer Zelle, deren Kern einen Fortsatz
abzugeben schien, ergab die nähere Prüfung, dass der Kern geplatzt war, und das
Kernkörperchen durch die Substanz der Zelle bis zur Oberfläche sich eine Bahn
gegraben hatte, die wie eine A'om Kern ausgehende Faser aussah. Schwalbe
beobachtete den nämlichen Vorgang, und ich kann eine Methode angeben, um ihn
in einer grossen Anzahl von Zellen nach Belieben hervorzubringen. Wenn man
30 Nervenlehre.
nämlich einen feinen Durchschnitt eines in Alkohol erhärteten Ganglion mit kau-
stischer Kalilösung und danach mit Essigsäure behandelt, so findet man in vielen
der zuerst erhlassten und dann wieder dunkelkörnigen Zellen den Kern , mit und
ohne Kernkörperchen, verlängert, hirnförmig, in Spitzen ausgezogen. Immerhin ist
hiermit nur der Forts'atz des Kerns, nicht des Kernkörperchens aufgeklärt.
In eine Verbindung ganz anderer Art brachten J. Arnold (Archiv für jiath.
An. und Phys. XXXI, 1) und Courvoisier (Arch. für mikrosk. Anat. II, 13)
den Kern der sympathischen Nervenzellen mit dem unter dem^ Namen der Spiral-
faser beschriebenen Fortsatz. Wie erwähnt , sollten feine , vom Kernkörperchen
radienförmig ausgehende Pasern zuAveilen schon im Kern , regelmässig im Proto-
plasma der Zelle und zuletzt an der Peripherie derselben zu einem Netze zusammen-
treten, welches den Spiralfasern den Ursprung gebe. Die Täuschung, welche dem
peripherischen Netze zu Grunde liegt, wurde durch Fräntzel aufgeklärt: sie wurde
bewirkt durch die Grenzen von Zellen, welche, seit langer Zeit bekannt, die Höhle,
in welcher die Nervenzelle liegt, auskleiden. Bereits hat Courvoisier (Archiv
für mikrosk. Anat. • IV, 142) das intermediäre Netz zwischen den Nucleolarfäden
und der Spiralfaser aufgegeben und J. Arnold (Archiv für path. Anat. u. Physiol.
XLI, 178) an die Stelle desselben ein „körnig-fibrillares Gewirr" gesetzt. So mag
der extracellulare Theil des Netzes und dessen Verhältniss zur Sj)iralfaser , deren
nervöse Natur ohnehin noch nicht über allen Zweifel erhaben ist, auf sich beruhen. -
Was aber die innerhalb des Kerns und der Zelle sich ausbreitenden Fasern angeht,
so erhalten Arnold's Angaben eine Bestätigung durch das, was gleichzeitig From-
mann (Ai'ch. für pathol. Anat. und Ph3'siol. XXXI, 129) über die Nervenzellen
des Bückenmarks und der Spinalganglien mittheilte und Arnold selbst wieder au
diesen Zellen bestätigte. F rommann sah Fasern vom Kernkörperchen der Nerven-
zellen des Eückenmarks und der SiDinalganglien nach mehreren Seiten durch den
Kern und, von einem röhrigen Fortsatz des Kerns begleitet, durch die Zelle in den
Anfang eines Fortsatzes der Zelle verlaufen. In umgekehrter Pachtung verfolgte er
Fibrillen aus den Fortsätzen der Nervenzellen, in welchen sie je nach der Stärke der
Fortsätze zu 2 bis 20 nebeneinanderlagen, in das Innere der Zellen, wo sie zum Theil
längs des Zellenrandes als fasrige Einfassung der Zelle hinzogen, theils gerade oder
im Bogen in den Kern zum Kernkörperchen und über ihn hinweg oder seitlich
von ihm nach dem entgegengesetzten Rande der Zelle ausstrahlten. Dichtere Kreu-
zungen und Verflechtungen der Fasern fand Frommann in der Umgebung des
Kerns; Arnold sah dem Kern zunächst ziemlich weite Netze, von Avelchen ein
Theil der Fäden gegen den Kern, ein anderer nach aussen zog, um auf halbem Wege
zwischen dem Kern imd der Peripherie der Zelle ein enges Netz zusammenzusetzen.
Ihm gelang es, an einzelnen Zellen Fäden des Kernkörperchens durch das Proto-
plasma bis in die Fortsätze der Zelle zu verfolgen. Frommann fügte später
(Anat. des Eückenmarks, Thl. II, Jena 1867, S. 42) noch die Entdeckung hinzu,
dass die aus dem Kernkörjperchen entspringenden und scheinbar im Kern verschwin-
denden Fasern in Körnchen des Kerns übergehen und vermuthet, dass diese
Körnchen wieder durch Fasern mit anderen Körnchen des Kerns und durch
die aus dem Kern tretenden Fasern mit entsprechenden Theilen des Protoplasma
zusammenhängen.
Die nervöse Natur der beschriebenen Pasernetze wird dadurch nicht wahr-
scheinlicher gemacht, dass nach Frommann's eigener Wahrnehmung (a. a. O.
S. 17) die gleichen Fasern in den Kernen und Zellen des Epithelium , des Binde-
gewebes , der Knorpel und Knochen, der Capillargefässe und anderer Gewebe vor-
kommen. Dagegen trifft, was er über das fibrilläre Gefüge der Zellenfortsätze be-
merkt , mit Beobachtungen zusammen , welche in anderen Gebieten des Nerven-
systems zu einem ähnlichen Umschwung der Ansichten geführt haben.
Ich gedenke zuerst der sogenannten gelatinösen (marklosen, kernhaltigen) Fa-
sern, wie sie dem sympathischen Nervensystem und unter den Gehirnnerven dem
N. olfactorius eigen sind. Man hatte diesen Pasern einen homogenen oder fein-
körnigen, flüssigen oder soliden Inhalt zugeschrieben. Aber schon Stannius be-
Nerveiilehre. -31
merkt von den Fasern des Olfactorius der Fische (Das peripherische Nervensystem
der Fische, Eost. 1849, S. 6), dass sie sich zuweilen nach dem Tode am abge-
schnittenen Ende fein zerfasern und dass in ihrer Längsrichtung feine, mit fein-
körnigem Anflug versehene Fasern verlaufen. M. Schnitze (Berliner Monats-Be-
richt 1856, ISTovbr. VergL: Ueher den Bau der Nasenschleimhaut, Halle 1862) sah
den Inhalt der Kiechnervenfasern verschiedener Wirbelthiere , der im frischen Zu-
stande schon längs-streifig erschien , nach Chromsäurebehandlung sich in engver-
klebte Fasern von 0,0005 bis 0,0024 Mm. Durchmesser sondern. Durch Kochen
in verdünnter Salpetersäure reissen sie nach Owsjannikow (Archiv für Anat.
1860, S. 475) in der Weise, dass aus jeder Faser 5 bis 8 und mehr kleine Härchen
hervorragen. Beissner (Bau des centralen Nervensj'stems der ungeschwänzten
Batrachier, S. 102) beschreibt den N. olfactorius des Frosches als ein Bündel feiner
Fibrillen, welche durch eine eigenthümliche Marksubstanz geschieden und durch
Bindegewebsscheiden unvollständig abgetheilt werden. Walther (a. a. 0.) und
Waldeyer (Zeitschr. für rat. Med., 3. E. XX, 193) bestätigen M. SchuJtze's
Angaben.
Denselben Bau fand Waldeyer wieder an den gelatinösen Fasern des N. S3'm-
pathicus beim Frosche und beim Menschen. Sie sind nach seiner Ansicht Bündel
feinster Fibrillen, die er Axenfibrillen nennt, umgeben von einer zarten, kernhaltigen
Scheide ohne weiteren Inhalt.
Bei den Wirbellosen kommen zweierlei Arten von Nervenfasern vor: die ver-
breitetsten werden mit den gelatinösen Nervenfasern der höheren Thiere zusammen-
gestellt; sie sind ihnen auch darin ähnlich, dass ihr Inhalt bald als eine blasse,
feinkörnige, bald als eine fibrilläre Substanz geschildert Avii-d und bei gewissen
Arten und an gewissen Stellen wirklich in blasse Fibrillen zerfällt (Leydig, Histo-
logie S. 59; Waldej'er a. a. 0.). Eine Punktsubstanz, welche nach Leydig die
Zwischenräume der Fasern erfüllt, erkennt Waldeyer nicht an und meint, dass
der Anschein derselben nur von zerstörten Fibrillen herrühre. Die Nervenfasern
der zweiten Art, von Eemak (Müll. Archiv 1843, S. 197; 1844, S. 463), Leydig
(a. a. 0.) und Häckel (Müll. Archiv 1857, S. 469) aus dem Bauchstrang des
Flusskrebses beschrieben, von Waldeyer aiich bei Käfern nachgewiesen, zeichuen
sich durch ihre Stärke vor anderen aus und enthalten innerhalb einer weiten Eöhre,
von heller Substanz umgeben , ein centrales Bündel feiner iind zarter Fibrillen.
Dass beide Arten Nervenfasern nicht wesentlich von einander verschieden sind,
ergiebt sich, wie Waldeyer bemerkt, daraus, dass die letzteren nach wiederholten
Theilungen die Stärke und dann auch die Structur der gewöhnlichen Nervenfasern
annehmen. Wenn aber diese gewöhnlichen Fasei'n mit den gelatinösen, so konnten
jene colossalen mit den dunkelrandigen oder markhaltigen , ihr centrales Faser-
bündel mit dem Axencylinder verglichen wei-den, und dazu war Eemak umsomehr
berechtigt, da er bereits an dem Axencylinder der höheren Thiere eine Spur fibrillärer
Streifung hervorgehoben hatte.
Eemak sagt von dem Axencylinder (Observat. de sj^stematis nervosi structura.
Berol. 1838, p. 2): „Plerumque fibra haec primitiva ita apparet , ut ex multis te-
nuissimis fibris, in decursu suo saepe nodulatis, sibi parallelis composita esse videa-
tur", Hannover (Eech. microscop. sur le Systeme nerveux, Coiienh. 1844, p. 29)
nannte ihn feinkörnig, zuweilen längsstreifig; eine feine Strichelung hatte auch
M. Schnitze früher (a. a. O. S. 66) nicht selten an Axency lindern, die in gewissen
Flüssigkeiten isolirt worden waren, wahrgenommen, aber zugleich bestimmt die
Möglichkeit einer Zerfaserung bestritten.
Der Widerspruch zwischen dieser Aussage und den jüngsten Erfahrungen
Schultze's, welchen ich oben mitgetheilt habe, bedarf einer Lösung und ich glaube
sie geben zu können. Der Axencylinder, welchen Schnitze in seiner neuesten
Schrift abbildet (a. a. O. Fig. 5), und der Axencylinder, welcher bisher, trotz seines
zuweilen streifigen Ansehens, ihm und Änderten als homogen gegolten hat, sind
zweierlei. Jener füllt fast die ganze Nervenfaser aus und lässt nur einen schma-
len Saum Nervenmark am Eande übrig. Der Axencylinder, wie man ihn bis jetzt
32 Nerveillehre.
gekannt hat, ist eine cylindrische oder abgeplattete, nicht immer genau centrale Taser,
deren Durchmesser nur selten die Hälfte des Durchmessers der ganzen Nervenfaser
erreicht. Wenn das von Schii Itze beschriebene Gebilde der Axency linder der frischen
Nervenfasern ist, so ist der bisher unter diesem Namen cursirende durch Schrum-
pfung entstellt, in welchem Falle leicht die Fasern, aus welchen der frische Axen-
cylinder besteht, bis zur Unkenntlichkeit und Untrennbarkeit zusammengebacken
sein könnten. Schultze's Ansicht träfe dann in manchen Punkten, wenn aiTch
nicht in der Hauptsache, zusammen mit einer Schilderung, welche Eemak (Amtl.
Bericht der Naturforscherversammlung in Wiesbaden, 1853, S. 182) von dem Axen-
cylinder gab, dass er nämlich während des Lebens schlauchförmig sei, der Markscheide
dicht anliege und erst nach Einwirkung verschiedener Agentien zum Axencylinder
der Autoi-en sich zusammenziehe; eine Längsfaserung bemerkte Eemak in der
dünnen, aber festen Wand des Schlauches, nicht im Inneren desselben. Ja es käme
noch die vereinsamte und hart angefochtene Opposition , die ich bis vor Kurzem
der Präexistenz des Axencjdinders entgegensetzte, zu ihrem Rechte, w«nn es sich
zeigte, dass sich derselbe von dem inneren Contour der doppelrandigen Fasern nach-
träglich, vielleicht durch Auspressen eines Theils seines Inhalts, zurückzöge. Aber
dem steht entgegen, dass auch an ungehärteten Präparaten, ja selbst an in Chrom-
säure aufbewahrten Nerven, von welcher Schnitze behauptet, dass sie die Primi-
tivfibrillen aufquellen mache, die gleichen schmalen Axencylinder gefunden werden.
Wie dem sei, so wird als Beweis für die zusammengesetzte Natur des Axencjdin-
ders die faserige Beschaffenheit der Fortsätze angeführt, durch die er mit den Ner-
venzellen zusammenhängt. Aber die Beobachtungen dieser Art beziehen sich der
Mehrzahl nach auf die Protoplasmafortsätze, und nur zum kleineren Theil auf den
Axencjdinderfortsatz. Auch hier steht wieder Rem ak an der Spitze. In dem Vor-
trage vor der Naturforscherversammlung zu Wiesbaden (1853) gedenkt er der Nerven-
zellen eines Rochen, deren körnige Substanz nach 24 stündigem Verweilen in dünner
Chromsäurelösung in ein regelmässig faseriges Gefüge iimgewandelt war, und zwar
Hessen sich zwei Schichten von Fäserchen unterscheiden. Die innere umgab con-
centrisch den Kern , die äussere verlief nach beiden Polen in den Canal des Axen-
schlauchs. An den multipolaren Nervenzellen im Rückenmark der Säugethiere
war ein ähnlicher, faseriger Bau wahrnehmbar. An den Fortsätzen der multipo-
laren Zellen des Bulbus olfactorius vom Kalb bemerkte Walther einen fibrillären
Bau, welcher der fibrillenBeschaffenheit der Riechnervenfasern entsprach, ebenso an
den Fortsätzen der Nervenzellen wirbelloser Thiere (Mikroskop. Studien über das Cen-
tralnerven System wirbelloser Thiere, Bonn 1863, S. 33). Hierher gehört der Theil
der Angaben Frommann's, der die Fäden der stärkeren Fortsätze und deren Ein-
strahlung in die Nervenzellen betrifft und von M. Schnitze (bei Deiters, p. XV) und
Schwalbe bestätigt wird, während sie sich von der Existenz des centralen Theils der
Fromm an n' sehen Fäden nicht überzeugen konnten. Nach Frommann aber er-
streckt sich die fibrilläre Structur nicht über die Aeste zweiter Ordnung der verzweig-
ten Nervenzellen hinaus. Die Fibrillen des Axencylinderfortsatzes im Zusammenhang
einerseits mit den die Zelle durchsetzenden Fäden und andererseits sich fortziehend
in die dunkelrandige Nervenfaser hat zuletzt M. Schnitze aus dem elektrischen
Lappen der Torpedo dargestellt.
Bevor ich diesen histologischen Gegenstand verlasse, muss ich noch mit einigen
Worten die Frage berühren, wie weit die streifige Zeichnung der Flächenansicht zu der
Annahme eines fibrillären Baues berechtige. Wie erwähnt, hat Remak die Streifung
als einen Charakter der Hülle des Axencylinders aufgefasst; auch Jolly hält die Striche-
lung der Substanz der Nervenzelle für den Ausdruck von Einziehungen und Erhaben-
heiten der Oberfläche ; die Streifang der Fortsätze machte ihm den Eindruck von Reihen
kurzer Striche, die sogar immer mehr oder weniger schräg gestellt waren. Dem ersten
Einwurf lässt sich durch Aenderungen -des Focus begegnen; er wird widerlegt durch
die Betrachtung des wirklichen oder scheinbaren Querschnittes, wenn derselbe, was
Frommann zu ei'wähnen nicht versäumt, das Bild gesonderter Pünktchen ge-
währt. Jolly 's Angabe bedarf einer genaueren Prüfung; die kurzen Striche, die
Nervenlehre. 33
ich ebenfalls kenne, könnten gerade für die faserige Natur der Fortsätze zeugen,
wenn sie von der Ausscheidung einer dem ISTervenmark ähnlichen in Schüppchen
sich ablagernden Substanz herrührten. Den eigentlich entscheidenden Beweis liefert
allerdings nur die Isolirung der Fibrillen.
Die Hypothese, dass Fäden aus verschiedenen Ganglienzellen zur Bildung eines
Axencylinders zusammentreten möchten, ist nicht ganz neu. M. Schiiltze wurde
auf sie zuerst geführt durch seine Studien über den Ursprung des N. olfactorius, für den
sie wegen der Aehnlichkeit der feinen Endzweige der Protoplasmafortsätze mit
den Fibrillen der Nervenfasern besonders plausibel erschien. Er dehnte sie später
(1862) auf die Axencylinder anderer cerebrospinaler Nerven aus, und in der That
Hess sich, so lange man nur verzweigte Fortsätze kannte, kein anderes Mittel erdenken,
um den Zusammenhang der Nervenzellenfortsätze mit den Nervenwurzeln herzu-
stellen. Walt her und Waldeyer glaubten in dem Ceutralnervensystem der Wir-
bellosen Bestätigungen der Schultze'schen Hypothese zu finden in nicht ganz
übereinstimmender Weise, da Waldeyer von einer Verschmelzung, Walther von
Aneinandeiiagerung der Fortsätze verschiedener Zellen spi'icht. Noch anders fasste
Lej'dig (Vom Bau des thierischen Körpers, I, 91) die Verbindung auf; zwischen
den Nervenzellenfortsätzen tmd den Anfängen der Axencylinder sollte ein Gewirr
feinster Fäserchen eingeschaltet sein, so dass der einzelne Axencylinder seine
fibrilläre Substanz als ein Gemenge aus den verschiedensten Nervenzellen erhielte.
Wie fern wir aber selbst bei den Wirbellosen noch vom Abschlüsse sind, erhellt
aus dem fundamentalen Widerspruch, in welchem zwei sorgfältige Beobachter be-
züglich der Umwandlung der Zellenfortsätze zu Nervenfasern sich befinden. Wal-
deyer meint, dass keiner der stärkeren Fortsätze jemals direct in eine Nerven-
faser übergehen; Buchholz dagegen bezweifelt, ob die feinen Foi-tsätze irgend
etwas zur Bildung der Nervenfasern beitragen.
Die Dunkelheit , die auf dem centralen Ende der Nerven liegt , macht auch
das Urtheil über ihr peripherisches Verhalten unsicher. Man kennt Theilungen
der Primitivnervenfasern hier und da schon in den Stämmen (in gewissen Nerven-
stämmen und Aesten der Fische sind sie nach Stannius sehr häufig); allgemein
finden sie sich an den peripherischen Enden der motorischen und im engeren
Sinne sensibeln Nerven. Sollen wir auch in dieser Theilung nur Zerlegung von
Bündeln sehen? Dies wird sehr unwahrscheinlich, wenn man den Querschnitt der
Aeste mit dem der Stammfaser vergleicht und die enorme Vervielfältigung erwägt,
welche z. B. die motorischen Fasern des Frosches durch Theilung erfahren (Rei-
chert in Müll. Arch. 1851, S. 29). Und zugegeben, dass die Primitivfaser ein
Fibrillenbündel repräsentire, welche Consequenzen ergeben sich aus der Annahme,
dass dies Bündel seine Fäden aus verschiedenen Zellen sammelt? Wenn die Stx'uc-
turverhältnisse dev Centralorgane , die die gemeinsame Thätigkeit der Nerven ver-
mitteln, geheimnissvoll sind und vielleicht noch lange bleiben werden , so schien
die Möglichkeit, ja die Nothweudigkeit , dass „Ein Schlag tausend Verbindungen
schlägt" , wenigstens in so weit verständlich, als die peripherischen Enden Theile
Einer Primitivfaser sind. Es hat einen Sinn, dass Organe, die nach dem Plane
des Organismus stets zusammenwirken sollen, wie z. B. die Bündel Eines Muskels,
im Centralorgan durch ein Einfaches, sei es Faser oder Zelle repräsentirt seien.
Wenn fortgesetzte anatomische Untersuchungen die Schultze'sche Hypothese
rechtfertigten, so naüsste die Phj^siologie verlangen, dass die verschiedenen Zellen,
welche zu Einem Axencylinder Beiträge liefern, functionell gleichwerthig seien.
Aus dem Gesichtspunkte, dass sie Ernährungsherde der Nerven sind, könnte eine
solche Einrichtung zweckmässig erscheinen; das Verhältniss der Leitung in den
Centralorganen brächte sie uns aber nicht näher.
Stände uns eine vollkommene Einsicht in den Bau des Nervensystems
zu Gebote, so hätte die anatomische Beschreibung desselben die Aufgabe,
jede Faser oder doch jede physiologisch eigenthümliche Grupj)e von Fasern
Henle, Anatomie. Bd. III. Abth. 2. 3
34 Centralorgan.
von den Nervenzellen, ans welchen sie ihren Ursprung nehmen, bis zum
Oi-te der peripherischen Endigung, oder in umgekehrter Richtung, zu ver-
folgen. Die peripherischen Enden werden hier nur so weit abgehandelt, als
sie nicht ihrer Gleichmässigkeit wegen der Histologie anheimfallen (Muskel-
nerven) oder wegen ihrer Ausstrahlung in besondere Organe zweckmässiger
mit diesen Organen in der Eingeweidelehre dargestellt wurden (Sinnesnerven).
Was die centralen Endigungen der Fasern betrifft, so gestattet der gegen-
wärtige Zustand unserer Kenntnisse nicht, dieselben aus der comjDacten
Masse der sogenannten Centralorgane auszuscheiden. So weit also die Fa-
sern der peripherischen Nerven durch die Centralorgane verlaufen, werden
sie als Bestandtheil der letzteren geschildert. Dadurch erhalten die Aus-
drücke Wurzel und Ursprung einen Doppelsinn. Sie bedeuten sowohl
die an der Oberfläche der Centralorgane austretenden Fäden und deren
Austrittsstelle, als auch die Zellenfortsätze, in welche die Nervenfasern in
der Tiefe übergehen, und die Zellen, mit welchen sie zusammenhängen.
Die letzteren führen in Beziehung zu den aus ihnen hervorgehenden Ner-
ven auch den Namen Kerne.
Noch einen zweiten Doppelsinn, der im Gebiete der Nerven mit den
Worten Anfang und Endigung und deren Synonymen verbunden ist, habe
ich zu berichtigen. Dem physiologischen Charakter der Nerven gemäss
lässt man die centrifugalleitenden im Centralorgan, die centripetalen in
der Peripherie entspringen. Die anatomische Sprache beachtet diesen
Unterschied nicht. Für sie wurzeln alle Nerven ohne Rücksicht auf die
Richtung , in welcher sie leiten , im Centralorgan.
A. Centralorgan. Centrum cerehro- spinale i).
Gehirn und Rückenmark liegen mit den Anfängen der Nerven in der
°^^^^- entsprechenden Höhle , von einer mehrfach geschichteten Hülle umschlossen,
deren ausführliche Beschreibung später folgen wird. Hier sei nur erwähnt,
dass man , dem allgemeinen Brauche der systematischen Anatomie zu-
wider, mit den die Höhle auskleidenden Membranen auch die Membran,
die sogenannte Gefässhaut oder Pia mater, zusammenstellt, welche, dem
fibrösen oder bindegewebigen Ueberzug mancher Eingeweide entsprechend,
die Nervensubstanz unmittelbar umgiebt, ihr Gefässe zuführt und ohne Zer-
reissung der Gefässe und anderweitiger Verbindungen nicht von ihr getrennt
werden kann. Ursache dieser Inconsequenz ist die geringe Festigkeit des
Zusammenhanges zwischen Hülle und Organ, die es namentlich am Gehirn
möglich macht, die Gefässhaut ohne auffällige Verletzungen abzustreifen.
Die Verletzungen fehlen dennoch nicht , da die Elemente der tiefsten
Schichten der Gefässhaut sich mit den Nervenelementen mischen und da
nicht nur zwischen den gröberen Abtheilungen des Centralorgans gefäss-
haltige Scheidewände und Gefässe, sondern auch zwischen den einzelnen
Nervenfasern vereinzelte Fibrillen aus der Umhüllungshaut nach innen
dringen, die mit der Abstreifung der Gefässhaut zerrissen, theilweise her-
ausgezogen werden und Nervensubstanz mit sich ziehen. Indess wird die
A. Central-
organ.
Hüllen.
^) Centrum s . massa &. axis encephalo-spinalls. Cenire cephalo-raclildlen. Nervencentrum.
Centralorgan. 35
äussere Form des Organs, mit der wir uns zunächst beschäftigen, durch
diese Zerstörungen nicht alterirt. Aus einem anderen Grunde aber wird
es unvermeidlich, schon bei Beschreibung der äusseren Formverhältnisse
des Gehirns auf Einzelnheiten in der Anordnung der Gefässhaut einzu-
gehen. Von der Oberfläche gewisser Hirntheile erhebt sich nämlich diese
Membram in Form von Falten, welche stellenweise mit dichten, gefäss-
schlingenhaltigen Zotten, den sogenannten Plexus choroidei, besetzt sind.
In diese Falten erstrecken sich bis zu einer gewissen Tiefe und meist ohne
scharfe Begrenzung zarte Platten der weissen Nervensubstanz, deren Lage
nicht ohne Rücksicht auf die Falten, in welchen sie verlaufen, verständlich
zu machen ist.
Das Centralorgan kann als ein unpaares Organ angesehen werden, Commissu-
welches durch mehr oder minder tiefe Spalten unvollkommen in zwei, im '^^°"
Wesentlichen symmetrische Hälften getheilt wird, oder als ein paariges Or-
gan, dessen Seitenhälften durch mediane Brücken verbunden sind. Von
dem letzteren Gesichtspunkte ausgehend, nennt man die eigentlich unpaa-
ren, namentlich die mit transversaler Faserung die Medianebene durch-
setzenden Theile Commissuren, oder man schreibt ihnen, wenn sie andere
Namen tragen, die Bedeutung von Commissuren zu (Corpus callosum, Bruecke,
Velum medulläre ant.). Die Bedeutung aber besteht, wie es scheint, darin,
zum Theil die gleichartigen Gebilde beider Körperseiten in Verbindung zu
setzen, zum Theil aber auch die gleichnamigen Fasern beider Körperhälften
gegen einander auszutauschen ^).
Das Centralorgan zerfällt zunächst in zwei Abtheilungen, Gehirn und Eintheilung.
Rückenmark; das Gehirn ist ein ungefähr kugeliger, das Rückenmark ein
cylindrischer Körper, jenes nimmt die Schädel - , dies die Wirbelhöhle ein.
Seiner Lage wegen zieht man zum Gehirn auch ein Gebilde, welches in
seiner Form sich eher dem Rückenmark anschliesst, das verlängerte Mark,
MedulJa öblongaia. Es verhält sich zum Rückenmark wie eine leichte An-
schwellung desselben, zum Gehirn wie der Stiel, der die kugelige Masse
trägt. Da in der That die Fasern der Medulla oblongata sich gegen das
Gehirn ausbreiten und das Gehirn die Entfaltung der durch das verlän-
gerte Mark aufsteigenden Stränge zu enthalten scheint, so empfiehlt es sich,
bei der Darstellung des Centralorgans mit dem Rückenmark zu beginnen
und aufwärts fortzuschreiten.
Es ist nicht leicht, aber glücklicher Weise auch nicht wichtig, die
Grenze zwischen den Abtheilungen des Centralorgans zu bestimmen. Das
verlängerte Mark ist gegen das Gehirn nur an der unteren Fläche durch
den hinteren Rand der Brücke scharf abgesetzt; an der oberen und den
Seitenflächen gehen die Stränge des verlängerten Marks ununterbrochen in
die Stiele des Kleinhirns und den Boden der vom Kleinhirn bedeckten
Höhle über. Gleichermaassen ist auch zwischen verlängertem Mark und
^) Theoretisch könnte man Commissuren und Kreuzungen trennen, wenn man die
Commissuren als Verbindungen durch rein transversale Fasern definiren wollte. In praxi
ist es oft schwer zu entscheiden, ob man transversale oder unter sehr spitzem Winkel ge-
kreuzte Faserzüge vor sich habe. So hat man der weissen Commissur des Rückenmarks
diesen Namen gelassen, obgleich man allgemein zugiebt, dass in derselben eine ähnliche
Kreuzung, wie zwischen den Pyramiden, stattfindet.
3*
36
Rückenmark.
Hücken-
mark.
Porm.
Rückenmark nur an der unteren Fläche eine bestimmte Grenze zu bezeich-
nen: es ist die Stelle, wo die vordere Medianfissur plötzlich seicht wird,
weil die von beiden Seiten einander kreuzenden Fasern gegen die Ober-
fläche vordringen (Pyramidenkreuzung). An den Seiten mag der hintere
Rand der Fibrae arciformes als Grenzmarke dienen, an der hinteren Fläche
findet sie sich etwas unterhalb der Spitze des Sinus rhomboideus, alles Bil-
dungen , welche erst bei der Beschreibung des verlängerten Marks zur
Sprache kommen. Die Zunahme in der Dicke und besonders in der Breite,
die das verlängerte Mark im Vergleich zum Rückenmark zeigt, erfolgt
ganz allmälig.
1. Rückenmark. Medixlla spinalis^).
Das Rückenmark ist ein cylindrischer, im sagittalen Durchmesser na-
mentlich an der Vorderfläche abgeplatteter, gegen das untere Ende ver-
jüngter und in einen dünnen Faden auslaufender Strang, welcher die Wir-
belhöhle nicht ausfüllt. Zwischen der gefässreichen Membran, von der es
zunächst umschlossen ist, und der äusseren fibrösen Hülle desselben befindet
sich ein Zwischenraiim, der von Serum, der sogenannten Cerebrospinalflüs-
sigkeit , eingenommen und von den Nervenwurzeln , Gefässen und feinen
Bindegewebsfäden durchzogen wird (Fig. 1).
Fi ff. 1.
Querschnitt des Rückenmarks in der Halsgegend. E a, Rp vordere, hintere Wurzel.
^) Chorda s. funiculus sjnnalis s. dorsalis. Rückenstrang. Mark.
Rückenmark.
37
Im oberen Theil der Brust-
wirbelsäule, wo das Rücken-
mark am dünnsten ist, hat
es im transversalen Durch-
messer 1 0, im sagittalen 8 Mm.
Zwei langgestreckte spin-
delförmige Anschwellungen
(Fig. 2), welche dem Ur-
sprünge der Extremitäten-
nerven entsprechen, und, wie
vergleichend anatomische und
pathologische Erfahrungen
darthun, in einem bestimm-
ten Verhältniss zur Masse
der Extremitäten und ihrer
Nerven stehen, finden sich
die Eine, Intumescentia Cer-
vicalis, oberhalb jener dünn-
sten Stelle, die andere, In-
tumescentia lumharis, unter-
halb dei'selben. In beiden
kommt die Volumzunahme
vorzugsweise auf Rechnung
des transversalen Durchmes-
sers , der am breitesten Thei-
le der Cervicalanschwellung,
der Ursprungsstelle des fünf-
ten Cervicalnerven , 13 bis
14 Mm., am breitesten Thei-
le der Lumbaranschwellung
12 Mm. beträgt, während
der sagittale Durchmesser
kaum um 1 Mm. wächst.
Zwischen der Cervicalan-
Zu Fig. 2,.
Rückenmark , hintere Fläche. Fg
Funic. gracilis. Fe Fun. cuneatus.
Sip Sulc. intermed. post. Fmp
Fissura mediana post. Slp S"ulc.
lat. post. Fp Funic. post. Fl
Fun. lateralis. Ct, cf Conus und
Filum termin.
Zu Fig. 3.
Rückenmai'k, von vorn ; die fibröse
Haut (dura mater) hinten und vorn
in der Medianlinie durchschnitten
und zurückgeschlagen. Nc, Nd, Nl,
Ns N. cervic. , dor?., lumh., sacr.
Ld Ligam. denticulatum.
38 Rückenmark.
Schwellung und der Medulla oblongata hat das Rückenmark einen trans-
versalen Durchmesser von 11 bis 12 Millimeter. Die Lumbaranschwellung
geht abwärts direct in die kegelförmige Spitze des Rückenmarks, den Co-
nus terminalis'^), über, welcher, wo er sich in den Endfaden, das Fi-
lum terminale, fortsetzt, auf einen Durchmesser von 2 Millimeter redu-
cirt ist.
Am Uebergang des Conus in das Filum terminale beobachteten mehrere Ana-
tomen (Huber, Haller, Frotscher, Sömmerring u. A.) zwei, durch eine
seichte Einschnürung getrennte Erhabenheiten, auf welche ziTweilen noch zwei
schwächere folgen. Die Meisten betrachten diese Bildung als Folge einer Zerrung
des erweichten Rückenmarks, doch behauptet Valentin sie auch an dem frischen
Organ wahrgenommen zu haben. (Vgl. Arnold, Bemerk, über den Bau des
Hirns und Rückenmarks. Zürich 1838. S. 7. Valentin, Hirn- und Nerven-
lehre. S. 227.)
Lage. In der Länge misst das Rückenmark des erwachsenen Mannes 35 bis
40°™. Seine obere Grenze, d. h. die Austrittsstelle des ersten Cervicalner-
ven, liegt in gleicher Höhe mit dem oberen Rande des hinteren Bogens
des Atlas, etwas veränderlich je nach der Stellung des Kopfes; die Spitze
des Conus terminalis erreicht in der Regel den Körper des zweiten Bauch-
wirbels, variirt aber ebenfalls einigermaassen je nach den Individuen xmd
der (gestreckten oder gebeugten) Haltung der Wirbelsäule. Die Cervical-
anschwellung endet am zweiten, die Lumbaranschwellung beginnt am zehn-
ten Brustwirbel.
Die Angabe , dass das Rückenmark im weiblichen Körper weiter abwärts
reiche, als im männlichen, hält Arnold selbst, der sie mittheilt (a. a. 0. S. 8),
für noch nicht hinreichend statistisch begründet. Beim Neugeborenen ist das Rü-
ckenmark verhältnissmässig länger als beim Erwachsenen. Ueber den Fortschritt
der relativen Verkürzung während des Wachsthums fehlt es an genaueren Nach-
weisen.
Das Gewicht des Rückenmarks beträgt 25 bis 30 Grm., es verhält sich
zum Gewichte des Gehirns wie 1 : 48 (Arnold).
Die Abstände zwischen den Ursprüngen der Nerven vergrössern sich in
der Richtung von oben nach unten, jedoch in geringerem Maasse, als die
Abstände zwischen den Intervertebrallöchern, von denen namentlich die
unteren wegen der Höhe der Bauchwirbel weit auseinanderrücken. Dies
hat zur Folge, dass die Nervenwurzeln , je weiter abwärts sie entspringen,
einen um so längeren und um so steileren Verlauf innerhalb der Wirbel-
höhle haben. Vom zweiten Lumbarnerven an liegen sie fast parallel dem
Terminalfaden und bilden mit demselben ein Büschel, dem man den Na-
men Pferdeschweif, Cauda equina , ertheilt hat (Fig. 3 a. v. S.).
isistenz. In dem Stadium der Zersetzung, in welchem man das Rückenmark
bei Sectionen menschlicher Leichen anzutreffen pflegt, ist es weich mit-
unter bis zum Zerfliesslichen und quillt über die Schnittfläche hervor. Im
^) Conus medullaris. Zapfen. Mark- oder Endzapfen.
Eückenmark.
39
frischen Zustande besitzt es eine eigenthümliclie Zähigkeit und Elasticität
und ist fest genug, um die Ablösung der Gefässhaut ohne merklichen Sub-
stanzverlust zu ertragen, wobei freilich, wie erwähnt, von einer reinlichen
Trennung der Elementartheile beider Gebilde nicht die Rede ist. Nebst
feinen Gefässen, Fäden und Lamellen von Bindegewebe werden schon bei
geringer Gewalt die Nervenwurzeln mit der Gefässhaut eine Strecke weit
aus dem Rückenmark hervorgezogen und abgerissen ; die Oberfläche dessel-
ben erhält dadurch ein etwas rauhes, feinlöcheriges oder feinfaseriges An-
sehen. Zwei mediane Spalten , eine vordere und eine hintere , Fissura Furchen.
tflecUana anterior und JF. fit. posterior ^), theilen das Rückenmark bis auf
eine verhältnissmässig schmale Brücke oder Commissur in zwei symmetri-
sche Seitenhälften. Beide Fissuren werden bis axii den Grund von Fort-
sätzen der Gefässhaut ausgefüllt. Die vordere Fissur ist seichter, als die
hintere (jene 2,5, diese 3 bis 3,5 Mm. tief), aber breiter; demgemäss ist das
in die vordere Fissur eindringende Septum mächtiger als das hintere; jenes
lässt sich als eijie selbständige Bindegewebsplatte hervorziehen, während
das Septum der hinteren Fissur, von 0,05 Mm. Mächtigkeit, nur auf Quer-
schnitten mit Hülfe des Mikroskops im Zusammenhange dargestellt werden
kann. Die vordere Fissur erweitert sich in ihrem Grunde dadurch, dass
die Wände der Seitenhälfte des Rückenmarks, welche sie einschliessen, mit
abgerundeten Rändern sich an die Vorderfläche
der Commissur anlegen (Fig. 4) ; die hintere Fissur
nimmt auch zuweilen in einiger Entfernimg vom
Eingang an Breite zu, ist aber bis zur Commissur
von ebenen, parallelen Wänden begrenzt. Im
Grunde der vorderen Fissur finden sich Löcher
für den Eintritt der Gefässe in das Rückenmark
in zwei parallelen Reihen 2) ; der Grund der hin-
teren Fissur zeigt nur eine einfache Reihe feine-
rer Gefässlücken.
Jede Seitenhälfte des Rückenmarks gleicht
einem der Länge nach halbirten Cylinder mit einer
äusseren convexen und einer medialen planen
Fläche; beide Flächen stossen vorn in einem ab-
gerundeten, hinten in einem scharfen Rande zu-
Die mediale Fläche ist unterbrochen durch die Insertion der
Querschnitt des Dorsaltheils
des Rückenmarks.
^) Fissura longitudinalis ant. und post. aut. Die hintere, schmalere und deshalb min-
der auftällige Spalte wird von den älteren Autoren als Furche {Sulcus, Scissura) bezeichnet.
M. J. Weber theilt sie der Länge nach in zwei Fissuren, eine obere und eine untere, die
deutlicheren medianen Spalten der Cervical- und Lumbaranschwellung , und eine beide Fis-
suren verbindende Furche. Der alte Streit über die Existenz der hinteren Fissur ist ein
Streit um Worte. Wenn die Substanz des Rückenmarks, wie dies jetzt allgemein zuge-
standen wird, scharf getheilt ist, so befindet sich zwischen beiden Hälften eine Spalte,
gleichviel ob die Spalte enger oder weiter, ob der Eingang durch Abrundung seiner Ränder
furchenartig vertieft ist oder nicht.
2) Die mediane sogenannte Raphe , welche Foville (Traite complet de l'anatomie etc.
du Systeme nerveux cerebrospinal. Paris 1844, p. 133) zwischen diesen Reihen von Lö-
chern längs der Commissur wahrnahm , entspricht der Anheftung des Septum.
40
Rückenmark.
Commissur, die äussere Fläche durch, die Anheftung des Lig. denticulatum
(Fig. 3. 6) und die Austrittsstellen der Nervenwurzeln. Das Lig. denticu-
latum ist ein frontaler, zarter Sehnenstreifen, welcher einerseits mit einer
Reihe spitzer Zacken, alternirend mit den Durchtrittsstellen der Nerven,
an der inneren Fläche der dura mater, andererseits an der Gefässhaut des
Rückenmarks in der ganzen Länge desselben ungefähr gleich weit von der
vorderen und hinteren Fissur angeheftet ist. Es löst sich mit der Ge-
fässhaut vom Rückenmark ab, ohne an dei- Oberfläche des letzteren eine
Spur zu hinterlassen. Die Nervenwurzeln treten aus dem Rückenmark in
zwei fast ununterbrochenen Längsreihen hervor, einer vorderen und einer
hinteren, beide in ziemlich gleicher Entfernung von der entsprechen-
den Fissur und näher dieser Fissur als der Anheftung des Lig. denti-
culatum. Der Abstand der hinteren Wurzeln von der hinteren Fissur
beträgt am Cervicaltheil des Rückenmarks 3,5 , am Dorsaltheil 2,5,
an der Lumbaranschwellung 3 Millimeter und nähert sich am Conus
allmälig der Mittellinie. Der Abstand zwischen den vorderen Wurzeln
und der vorderen Commissur lässt sich nicht so genau bestimmen.
Denn während die hinteren Wurzeln mit einer geringen Zahl stärkerer,
cylindrischer Bündel in Einer Reihe aus dem Rückenmark hervortreten
(Fig. 5 A), setzen die vorderen Wurzeln sich aus zahlreichen feinen,
mehr platten Bündeln zusammen, deren Austrittsstellen über einen etwa
2 Millimeter breiten Streifen zerstreut sind (Fig. 5 B). Doch rücken
Fig. 5.
Sla
Rückenmark mit den Nervenwurzeln. A vordere, B hintere Fläche; je eine Nervenwur-
zel ausgerissen. Fmj), Fma Fissura mediana post. und ant. Ra, Rp vordere und
hintere Nervenwurzel.
auch die Ursprünge der vorderen Wurzeln am Dorsaltheil gegen die Mittel-
linie heran und am unteren Theil der Lumbaranschwellung nähern sie sich
Rückenmark.
41
einander von beiden Seiten bis auf 1,5 Mm., so dass die A. spinalis ant. bin-
reicbt, den zwischen denselben befindlichen Theil der Yorderfläcbe des Rü-
ckenmarks zu verdecken.
Entfernt man die Gefässhaut, so ziehen sich, wenn man es nicht durch
besondere Vorsicht verhütet, die Nervenwurzeln mit heraus und hinterlassen
Reihen von Löchern und Spältchen, welche als vordere und hintere Seiten-
furche, Sulcits lateralis Clnt. und S> l, posf. beschrieben werden. Im Grunde
verdienen sie diesen Namen nur im Bereich der hinteren Wurzeln des Cer-
vical- und allenfalls des Lumbartheils, denn nur hier ist die Oberfläche des
Rückenmarks gegen die Nervenursprünge vertieft und zwischen denselben
seicht gefurcht. Am Dorsaltheil (Fig. 6) ist sie in den ansehnlichen Zwi-
schenräumen, welche die Wurzeln je Eines Stammes und der einzelnen Stämm.e
von einander trennen, durch nichts ausgezeichnet und so sind die Austritts-
stellen dieser hinteren, sowie der ganzen Reihe der vorderen Wurzeln nach
Entfernung der Wurzeln nur so weit
Fig. 6.
Dorsaltheil des Rückenmarks, hintere
Fläche, die fibröse Haut durch einen
medianen Schnitt geöffnet und zurück-
geschlagen. Nd N. dorsalis. Ld Lig.
denticulat.
kenntlich, als an deren Statt Lücken
zurückbleiben.
Zu diesen das Rückenmark in sei-
ner ganzen Länge durchziehenden
Spalten und Furchen kommt in der
oberen Hälfte desselben noch eine
feine Längsfurche, Siticus interme-
dhis 2^ost. Bellingeri 1) , zur Seite
der hinteren Medianfissur etwa 1 Mm.
von derselben entfernt und demnach
in etwas geringerer Entferniing von
ihr als von der hinteren Seitenfurche
(Fig. 2. 5 A).
Die Reihen der Nervenwurzeln und
die entsprechenden Furchen theilen
die Oberfläche jeder Rückenmarks-
hälfte in drei Streifen ab, die man
als äussere Flächen eben so vieler
Stränge, eines Ifunictdus anterior ^),
F. posterior ") und JT. lateralis *),
ansieht, obgleich das Rückenmark von
diesen Furchen aus nui' künstlich und
kaum leichter als von jeder anderen
Stelle der Oberfläche sich der Länge
nach spalten lässt. Der hintere Strang
zerfällt diirch den Sulcus intermedius
post. in den zur Seite der Median-
1) Flssura lateralis Meckel. Sulcus late-
ralis postremus Krauste. ^) Funiculus (Fa-
sciculus s. Columna) cerebralis Bellingeri,
De Medulla spinali. Augusta Tauriu. 1823.
•'') Fasciculus cerebeUosus Burda eh. ^) Fu-
niculus medius. Fasciculus restiformis B.
42
Rückenmark.
Commissii-
ren.
Graue Com-
missur.
Can. centra-
lis.
furche gelegenen zarten Strang, Funiculus gracüis Burdach i) und in
den Keilstrang, Funiculus Cuneaius B. (Fig. 2. Fig. 5 Ä). Die sämmt-
liclaen Stränge sind indess weder morphologiscli nocli physiologisch selbstän-
dige Bildungen; man benutzt die Trennung, xim sich in topographischer
Beziehung über Regionen des Rückenmarks zu verständigen. Feine Längs-
spalten, zuweilen mehrere neben einander, kommen auch im Gebiete der
y orderstränge vor , aber sie sind zii iinbeständig , um zur Eintheilung die-
ser Stränge zu dienen ^).
Der mediane unpaare Theil des Rückenmarks, die Commissur im wei-
teren Sinne des Wortes, besteht aus zwei Schichten, einer weissen, Com-
missura alba ^) xmd einer grauen, Commissur a grisea 4). Die weisse Com-
missur liegt vor der grauen, jene bildet den Grund der vorderen, diese den
Grund der hinteren Medianfissur. Beide zusammen haben eine Mächtigkeit
von 0,8 bis 1 Mm., wovon an der Cervical- und Lumbaranschwellung die
grössere Hälfte auf die vordere Commissur kommt, während in den übrigen
Regionen des Rückenmarks die hintere Commissur fast doppelt so mächtig
ist als die vordere (Fig. 7).
Die graue Commissur wird in der Regel in ihrer ganzen Länge von
einem Canal, Candlis Cen-
tralis ■^), durchzogen, der sich
aufwärts in die untere Spitze
des vierten Ventrikels , am
unteren Ende des Conus ter-
minalis in die hintere Fissur
öffnet (Stil ling) und im Le-
ben wahrscheinlich von der-
selben Flüssigkeit erfüllt ist,
welche das Gehirn und Rü-
ckenmark umspült. Er liegt
in der Mitte der Median-
ebene und vor der Mitte des
sagittalen Diirchmessers der
grauen Commissur, demnach
der vorderen Fläche des Rü-
ckenmarks ungefähr so viel
näher, als die vordere Median-
FiR-. 7.
nä ^
'i^^Ji-
-Ca.
~Cg
Mittlerer Theil des Querschnitts des Cervicalmarks, i) Hintere Pyramide Rol an do
durch verdünnte Kalilösuug aufgehellt, bei durchfal- (Ricerche anatomiche sulla strut-
lendem Licht. Fa, Fp Funiculus ant. und post. gc tura del midoUo spinale. Torino
Substantia gelatinosa centr. gc, grc Subst. grisea 1824). Columna post. mediana
centralis und corticalis. * Gefässdurchschnitt. Cruv. GolPscher Keilstrano- K ö 1-
liker. ^) Chaussier und Burda ch unterscheiden einen dem Funiculus gracilis entsprechen-
den Strang zur Seite der vorderen Medianfurche und einen Sulcus intermedms ant. Cruveil-
h-ier dagegen zieht den Seitenstrang mit dem vorderen zu einem antero-lateralen Strang
zusammen. Nach Foyille (p. 285) ist bei Neugeborenen von dem Seitenstrang durch eine
Lage durchsichtiger grauer Substanz ein feiner Strang geschieden, der sich durch die ganze
Länge des Rückenmarks erstrecken, auf das verlängerte Mark und weiter in das Kleinhirn
übergehen soll. ^) Commissura anterior. *) Commissura jyosterior. Nucleus cinereus. Cen-
trum cinereuni. Mittlerer grauer Strang. •'') Can. spinalis.
Rückenmark. 43
fissur seichter ist als die hintere. Seine Wand bildet ein flimmerndes Cylin-
derepitheliiim , dessen 0,015 Mm. hohe Zellen zu etwa 100 in der Peri-
pherie des Canals Platz finden. Sein Lumen ist im Querschnitt kreisförmig
oder elliptisch mit transversal oder (häufiger) sagittal gerichteter längster
Axe. Die Weite des Canals wechselt nach den verschiedenen Regionen
und entspricht im Allgemeinen der Stärke des Rückenmarks ; sie ist am ge-
ringsten im üorsaltheil (nach Stilling 0,045 Mm. im sagittalen, 0,1 Mm.
im transversalen Durchmesser) ; in der Cervical- und Lumbaranschwellung
kann sie das Doppelte erreichen und es kann der Canal auf Querschnitten
dem unbewaffneten Auge als feines Pünktchen erscheinen (Fig. 4). Doch
findet man ihn auch zuweilen, vielleicht in Folge einer Quellung des Rücken-
marks auf eine enge, einfache oder ästige Spalte reducirt. Beim Menschen
wird er häufig vermisst und seine Stelle durch einen Strang kugeliger Kör-
perchen eingenommen.
Genauere Maassangaben macht Stilling (Neuere üntersucliungen über den
Bau des Eückenmarks. S.6). Nach v. Lenhossek (Neuere Untersuchungen über
den Bau des centralen Nervensystems. Wien 1855, S. 16) wird im Alter das un-
tere Drittel des Centralcanals geräumiger. Demselben Beobachter zufolge ist der
Horizontalschnitt des Canals im Conus terminalis bis zur LumbarauscliAvellung
eine sagittale Spalte, wird dann rautenförmig, oberhalb der Lumbaranschwellung
eine Querspalte, in der Mitte der Dorsalgegend ein Kreis, in der Cervicalanschwel-
lung ein Di-eieck mit vorderer Basis und hinterer Spitze und zunächst der oberen
Mündung wieder eine sagittale Spalte wie am unteren Ende des Bückenmarks.
Dass der Centralcanal , den man früher für eine dem Fötus eigenthümliche
Bildung hielt und beim Erwachsenen höchstens im Cervicaltheil fortbestehen liess,
bei allen Wirbelthieren in jedem Alter und in jedem Theile des Bückenmarks re-
gelmässig vorhanden sei, darüber lassen die verbesserten Untersuchungsmethoden
der neueren Zeit, nainentlich die mikroskopische Betrachtung feiner Querschnitte
des gehärteten Organs, keinen Zweifel. Ob aber diese Eegel nicht mehr oder min-
der häufige Ausnahmen erleide, darüber haben sich die Meinungen noch nicht
geeinigt. Für die absolute Beständigkeit des Canals erklären sich Bidder (a.a.O.
S. 41), Owsjannikow (Disquit. microscop. de medullae spin. textura. Dorpat
1854, p. 33), E. Wagner (Neurolog. Unters. Göttingen 1854, S. 166), Schrö-
der V. d. Kolk (anatomisch-physiolog. onderzoek over het fljnere zameustel en
de werking van het ruggemerg. Amst. 1854, p. 51) und Stilling (a.a.O. S. 14);
sie vermiuthen, wo er nicht gefunden wurde, einen Fehler der Präparations- oder
Härtungsweise. Nach Foville (p. 268) ist er bei Kindern beständig und leicht
zu demonstriren , schwerer bei Erwachsenen. Dagegen hält Kölliker an der
Behauptung fest , dass der Centralcanal nicht selten, am häufigsten im Cervical-
theil, obliterire, in welchem Falle seine Stehe durch einen Strang von theilweise
mehrkernigen Zellen eingei:iommen werde. Frommann (Unters, über die nor-
male und pathol. Anat. des Bückenmarks. Jena 1864, S. 62) fand unter 25 Bücken-
marken nur drei mit offenem Centralcanal, in allen übrigen zeigte sich statt
desselben ein gefässhaltiger Haufen kernreicher Zellen. Auch Clarke (Phil,
transact. 1859. P. I, p. 455) sah den Canal öfters von Keimen, die er für Trüm-
mer des Epithelium desselben hält , ausgefüllt , aber mitten in diesen unregelmäs-
sigen Kernhaufen den Querschnitt eines einfachen, zuweilen auch eines doppelten,
von regelmässigen Cylinderzellen begrenzten Lumens. In anderer Weise war der
Canal in einem von G oll (Denkschriften der medicin.-chirurg. Gesellschaft des Can-
tons Zürich 1860, S. 141) beobachteten gesunden menschlichen Bückenmark zwi-
schen dem dritten und fünften Ceiwicalnerven durch ein feinkörniges, gefässhalti-
ges Bindegewebe obliterirt. Es kann nicht schwer sein, solche Fälle, wo der Ca-
nal während des Lebens unterbrochen war, von denen zu unterscheiden, wo er
44
Rückenmark.
Substantia
gclat. contr.
sich nach dem Tode mit Gerinnseln, Epithelium - Fragmenten, Blutkörpern u. dgl.
gefüllt hatte.
Ob die "Verdoppelung des Centralcanals, welche Schüppel (Archiv füi- Heil-
kunde 1864, S. 569) an dem Halstheil eines menschlichen Eückenmarks in der
Länge von etwa 15 Mm. wahrnahm, diesen Namen Avirklich verdient oder auf
die von Clarke beschriebene Canalbildung in der Ausfüllungsmasse des ursprüng-
lich einfachen Canals zurückzuführen sei, wird sich kaum mehr entscheiden lassen.
Dem Centralcanal zunächst hat die graue Commissur in einer Mächtig-
keit, die dem Durchmesser des Centralcanals ungefähr gleichkommt, den
Charakter der gelatinösen Substanz : an feinen Querschnitten des Rücken-
marks zeigt sich der Centralcanal von einem verhältnissmässig schmalen,
durchsichtigen Ring umgeben, der sich vorn und hinten schärfer als nach
beiden Seiten gegen den übrigen Theil der Commissur absetzt. Die durch-
sichtige Schichte ist die Suhstantia f/elatinosa Centralis Stilling i). Ihre
Fig. 8.
Ca
Umgebung des Centralcanals im Querschnitt, durch Kalilösung aufgehellt. Fp Funic.
post. Ca, Cg Commissura alba und grisea. Cc Can. centralis **Gefässdurchschnitte.
1) Ringcommissur Stilling (St. und Wallach, Untersuchung über die Textur des
Rückenmarks. Leipzig. 1842, S. 23). Was Kölliker in seiner mikroskop. Anat. (Abth. I.,
S. 411) als grauen Kern, Substantia grisea centralis, und Virchow (Archiv VI, 137) als
centralen Ependymfaden bezeichnen, ist die Substantia gelatinosa centralis mit dem oblite-
rirten oder collabirten Centralcanal, den Beide damals noch dem Erwachsenen absprachen.
Rückenmark.
45
Durchsiclitigkeit, rührt, wie die Behandlung mit Kalilauge lehrt, davon her,
dass sie fast frei ist von den feinen Nervenfasern, welche weiterhin in mehr
Fiff. 9.
Hintere Wand des Centralcanals und Umgebung im Querschnitt, vom Kaninchen.
Cg Commiss. grisea. 7'p Funiculus post.
oder minder dichten Massen die graue Siibstanz durchziehen. In den in-
nersten Regionen der centralen gelatinösen Substanz sieht man nur verein-
zelte longitiidinale Fasern, die auf dem Querschnitt in Form zerstreuter
Pünktchen erscheinen (Fig. 8) ; weiter nach aussen treten vor und hinter
dem Centralcanal transversale Fasern erst vereinzelt, dann bündelweise auf,
indess zwischen denselben zu den Seiten des Centralcanals longitudi-
nale und schräg aufsteigende Fasern sich häufen. Ausser den spärli-
chen Fasern sah ich in der feinkörnigen Substantia gelatinosa centralis
beim Menschen nur Körner in geringer Zahl; bei den Säugethieren ist sie
von ringförmigen Bindegewebsfasern durchzogen , welche von den in den
Fissuren des Rückenmarks enthaltenen Septa einstrahlen; hier kommen auch
multipolare Bindegewebszellen und fadenförmige Fortsätze der spitzen
Enden der Epithelzellen des Centralcanals vor, welche in Ausläufer multi-
polarer Bindegewebszellen oder in Bindegewebsfasern überzugehen schei-
nen (Fig. 9).
Owsjannikow (a. a. 0. p. 35) fand in der Substantia gelatinosa centralis
des Menschen weder Zellen noch Tasern. Lenhossek (a. a. 0. S. 19) sah Zellen
ähnliche, jedoch kernlose Körper auf die Substantia gelatinosa centralis des Conus
meduUaris beschränkt. Andere Beobachter schreiben dieser Substanz in allen
Theilen des Rückenmarks Zellen und Pasern zu, weichen aber in der Schilderung,
wie in der Deiitung derselben vielfach von einander ab. Die Zellen betreffend,
so sind Stilling (Neue Unters. S. 35), Kölliker und Frommann (a. a. 0.
46 Rückenmark.
S. 61) darüber einig, dass sie von manclifaltigei- Gestalt und mit mehreren Aveiterhin
getheilten Ausläufern versehen seien; ihren Durchmesser aber giebt Stilling zu
0,007 bis 0,011, Kölliker zu 0,013 bis 0,018 Mm. an, ihren Kern fand Stilling
fast immer einfach, Kölliker und Trommann fanden häufig (in einem Drittel
der Zellen) mehrfache Kerne, Kölliker meistens zwei, aber auch drei bis vier
und in seltenen Fällen selbst fünf und sechs. Stilling sah die Zellen meist ver-
einzelt, in manchen Eegionen des Rückenmarks aber auch dicht gehäuft, bald zu
den Seiten des Centralcanals, bald vor und hinter demselben. Frommann scheint
sie öfters vermisst zu haben ; vro sie vorkamen , Vikaren sie um den Centralcanal
am dichtesten gestellt, erstreckten sich aber, wie auch Stilling angiebt, in mehr
zerstreuter Anordnung in die graue Commissur und in die Seitentheile der grauen
Substanz. Am meisten stimmt mit meinen Wahrnehmungen die Beschreibung
Clarke's (Phil, transact. 1859. P. I, p. 455), der zufolge kleine runde und eckige,
körnige oder mit einem glänzenden Kernkörperchen versehene Kerne in die Um-
gebung des Centralcanals eingestreut sind; doch sollen auch von diesen Kernen
Fäden ausgehen, welche mit den Fasern der gelatinösen Substanz in Verbindung
treten.
Unter diesen Fasern unterscheidet Stilling, abgesehen von spärlichen, ent-
schiedenen, dunkelrandigen Nervenfasern, zwei Arten, beide in der Ebene des
Querschnitts verlaufend, beide von besonderer Feinheit und beide im Zusammen-
hano- mit Fortsätzen der Epithelialcylinder des Centralcanals und mit den Fasern
der bindeo-ewebigen Septa , sowie mit den Ausläufern der eigenen Zellen der gela-
tinösen Substanz. Die Einen umkreisen bogenförmig das Epithelium des Central-
canals, die anderen durchsetzen die centrale, gelatinöse Substanz in radiärem Ver-
lauf, indem sie zum Theil ununterbrochen von den spitzen Enden der Epithelial-
cylinder , deren Fortsetzungen sie sind, zu den Bindegewebsfasern des vorderen
und hinteren medianen Septum sich erstrecken. Fasern von beiderlei Eichtungen,
wenngleich minder regelmässig gekreuzt, beschreiben Clarke und F rommann,
doch konnte der Letztere den Uebergang der Epithelialcylinder in Fasern nur bei
Säugethieren, nicht beim Menschen, bestätigen. Anders verhalten sich in Ver-
lauf und Charakter die Fasern der Substantia gelatinosa centralis nach den Be-
schreibungen von Lenhossek und Groll. Darnach hätten sie eine \mter sich
und im Wesentlichen der Axe des Rückenmarks parallele Richtung und eine
ansehnliche Stärke. Lenhossek findet sie stärker als die Primitivfasern der
weissen Substanz; Goll, der ihnen den Namen Ependymfaser n beilegt, be-
stimmt ihren Durchmesser zu 0,003 bis 0,0062 Mm., er nennt sie längsstreifig
und granulirt und meint, dass sie sich gegenseitig verflechten und ein lang- und
engmaschiges Netz darstellen.
Wie über den Bau , so gehen auch über die Bedeutung der fraglichen Ele-
mente die Ansichten aus einander; doch ist Stilling der Einzige, der die Zellen,
Goll der Einzige, der die Fasern für nervöse Bildungen erklärt. Stilling hält
es nicht für unstatthaft, anzvinehmen, dass die feinsten Elemente der Gefässhaut
und der Nervenfasern und Nervenzellen ein Netzwerk von Röhren bilden, die mit
einander Anastomosen eingehen, und weist die Vermuthung, dass die Epithelzellen
des Centralcanals Nervenzellen seien, nicht zui'ück. Die anderen Beobachter,
welche den Zusammenhang der Zellen und Pasern der gelatinösen Substanz mit
Epithelzellen und Bindegewebsfasern für erwiesen halten, finden gerade darin eine
Nöthigung, jene Elemente der gelatinösen Substanz für bindegewebig zu er-
klären.
Der übrige , die centrale gelatinöse Substanz iimscbliessende Theil der
grauen Commissur besteht wesentlich aus feinen Nervenfasern , welche vor
und hinter dem Centralcanal vorzugsweise transversal, vielleicht unter sehr
spitzen "Winkeln gekreuzt, zu den Seiten desselben vertical und schräg auf-
steigend verlaufen (Fig. 8}. Die Hauptmasse der transversalen Fasern liegt
Rückenmark. 47
hinter dem Ceutralcanal j vor ihm zieht meist ein mir dünnes Faserbündel ^)
vorüber , welches sich mehr oder minder dicht an die dunkelrandigen Fa-
sern der vorderen Commissur anlegt. In einzelnen Regionen des Rücken-
marks, namentlich in der Cervical- und Lumbaranschwelhing sind die hinter
dem Centralcanal gelegenen Bündel feiner Fasern mit stärkeren gemischt,
wodurch die graue Commissur im Ganzen oder streifenweise eine weisse
Farbe erhält und der vorderen ähnlicher wird. Die Bindegewebsbündel,
welche sie durchsetzen, und die Körperchen, welche sich von der centralen
gelatinösen Substanz aus in die Commissur verbreiten, wurden bereits er-
wähnt.
Der sagittale Durchmesser der grauen Commissur ist am grössten
(0,4 Mm.) im oberen Theil des Conus meduUaris, am geringsten (0,03 Mm.)
im Dorsaltheil; in der Cervical- und Lumbaranschwellung beträgt er 0,13
Millimeter (Stilling).
Im E-ückenn:iark des Kalbes ist die graue Commissur zwischen dem vierten
bis dreizehnten Dorsalnervenpaar an ihrer hinteren Fläche von einer dünnen Lage
gelatinöser Substanz bekleidet , die die gelatinösen Schichten der hinteren grauen
Säulen beider Seitenhälften mit einander verbindet. Dem Menschen fehlt diese
gelatinöse Commissur (Stilling).
Die weisse Commissur ist aus dunkelrandigen Nervenfasern zusammen- Weisse
gesetzt und erscheint an feinen Querschnitten bei durchfallendem Lichte '-'°™"'issur.
nur deshalb durchsichtiger als die weisse Substanz der Seitentheile , weil
die Nervenfaserbündel, aus welchen beide bestehen, dort parallel ihrer Axe,
hier senkrecht aiif dieselbe durchschnitten sind. Ihre Mächtigkeit ist ver-
schieden und überall der Mächtigkeit der Nervenwurzeln proportional ; sie
maass bei einem fünfjährigen Kinde im Dorsaltheil 0,20, im Cervicaltheil
0,20 bis 0,27 Mm. und war am stärksten in der Lumbaranschwellung, in
welcher sie vom unteren Ende des Rückenmarks an, wo sie 0,07 Mm. be-
trug, bis zum vierten Lumbarnerven fast stetig bis auf 0,60 Mm. wxichs
(Stilling). Den grössten transversalen Durchmesser (2,53 Mm.) hat sie
in der Gegend des Ursprungs des siebenten Cervicalnerven und nimmt von
da auf- und abwärts an Breite ab. Breite und Form der weissen Commis-
sur sind abhängig von dem Verhalten der longitudinalen Fasern der Seiten-
theile des Rückenmarks, welche bald eine compacte Masse bilden, bald
durch einstrahlende Fasern der Commissur in Bündel abgetheilt werden, in
welchem Falle die Commissur eine grössere oder geringere Zahl von Fort-
sätzen in die Seitentheile zu senden scheint. Die longitudinalen Bündel
rücken mehr oder minder nahe an die Mittellinie heran ; in den unteren
Theilen des Rückenmarks erstrecken sie sich sogar in continuirlicher Reihe
durch die Mittellinie von einer Seite zur anderen (Fig. 10 a. f. S.).
^) Comviissura grlsea ant. Commlssura anterior accessoria Stilling. Stilling zählt
diese Fasern der weissen Commissur zu und bezeichnet eine frontal durch den Centralcanal
gelegte Ebene als Grenze beider Commissuren. Ich halte die Trennung nach dem Charak-
ter der Fasern für eine natürlichere und nehme deshalb den Ausdruck „graue oder hintere
Commissur" in dem Sinne, welchen ihm Schilling (De medullae spinalis textura. Dorpat
1852) beigelegt und auch Goll adoptirt hat.
4:8
Eückeumark,
Seiteutheile.
Der Verlauf der eigentlicheri , im Wesentlichen horizontalen Fasern
der weissen CommissiTr ist im Allgemeinen ein in der Mittellinie unter
spitzen Winkeln gekreuzter, in-
dem die Fasern beim Uehergang
aus Einer Seitenhälfte in die an-
dere die Commissur schräg, in der
Richtung von vorn nach hinten
und umgekehrt, durchsetzen. Häu-
fig haben sie zugleich eine in mas-
sigem Grrade schräg aufsteigende
Richtung oder biegen aus der hori-
zontalen in die aufsteigende Rich-
tung um. Ausser der Kreuzung
der beiderseitigen Fasern in der
Mittellinie findet auch eine Kreu-
zung der Fasern Einer Seitenhälfte
in der Art Statt, dass die am wei-
testen nach hinten eingetretenen
Fasern die Commissur am weitesten
nach vorn verlassen und umge-
kehrt (Gerlach) 2). Ob neben
den einander kreiizenden Commis-
surenfasern rein transversale vor-
kommen, ist streitig.
Zu den Seiten des Centralcanals
und der denselben umgebenden
Substantia gelatinosa centralis
setzen sich weisse und graue Com-
missur ungesondert in die graue Masse fort, die den Kern der Seiten-
hälften bildet. Zwischen den vor- und rückwärts divergirenden , an den
der grauen Substanz zugewandten Flächen der vorderen und hinteren weis-
sen Stränge hinziehenden horizontalen Fasern beider Commissuren treten,
wie erwähnt, feine verticale Fasern auf, deren Durchschnitte auf Querschnit-
ten sich besonders dicht um die Blutgefässe gruppiren.
Noch im Bereich des medianen Theils des Rückenmarks, meistens nahe
an der hinteren Fläche der weissen Commissur , verläuft der Canal, der die
centrale Vene des Rückenmarks (Gefässlehre S. 360) enthält (Fig. 7 *) '^').
In jeder Seitenhälfte des Rückenmarks erweitert sich die graue Masse
des medianen Theils zii einer, durch eine Einbiegung der lateralen Fläche
unvollkommen in eine vordere und hintere Hälfte abgetheilten grauen
Säule '^), welche von weisser Substanz umlagert ist, die sich ihrerseits wieder
in der Regel von einer dünnen grauen Schichte bedeckt zeigt. Das Volu-
men der grauen Säule und ihr Verhältniss zur weissen Umhüllung wechselt
je nach den Regionen des Rückenmarks: im Dorsalmark (Fig. 10) ist sie
Querschnitt des Rückenmarks aus der Gegend,
in welcher die untersten Wurzelfasern des
dritten Sacralnervenpaars entspringen. Fma,
Finp Fissura mediana ant. und post. Ca
Commiss. ant. Cc Can. centr. gc Substantia
gelat. centr. RjJ Rad. post.
1) Nach Stilling, Neue Unters. Taf. III, Fig. 38. ■
^) Medicin. Centralbl. 1868. Nr. 24. 25. ^) Die Ausstrahlung der grauen Commissur,
in welcher die BJLitgefässe liegen, nennt Goll (p. 153) Trigonum cervkale. *) Kernstrang.
Eückenmark.
49
verhältnissmässig schmal, im transversalen Durchmesser ahgeplattet, so dass Gr;
ihre Breite kaum ein Drittel der grössten Breite einer Seitenhälfte des ^'^"
aue Säu-
grössten
Fig. m).
.'^J^.
Querschnitt des Rückenmarlis aus der Gegend des Ursprungs der obersten Wurzelfasern
des sechsten Cervicalnervenpaars. Pr Proc. reticulares.
Rückenmarks beträgt; auf Querschnitten des Rückenmarks bilden die
grauen Säulen beider Seitenhälften mit der Commissur die Figur eines H,
dessen wenig divergirende Schenkel vorn abgerundet, hinten zugespitzt
enden. An den Anschwellungen nimmt die Masse der grauen Säule beson-
ders im vorderen Theile zu; die vordere Hälfte derselben erhält die Gestalt
eines mehr oder minder regelmässigen Cylinders oder eines vierseitigen
Prisma mit abgerundeten Kanten, während die hintere sich von der Com-
missur an nach einer Einschnürung-) in die Breite ausdehnt^). Auf dem
Querschnitt erscheinen die Säulen halbmondförmig mit einander zugewandter
Convexität und kolbig angeschwollenen Hörnern; dabei beträgt der Durch-
messer der grauen Vordersäule ^) in der Cervicalanschwellung (Fig. 11)
1) Nach Still ing, a. a. 0. Taf. II, Fig. 3. 2) Qervlx cornu posterioris Clarke.
^) Caput cornu posterioris Ders. *) Ich gebrauche den Ausdruck „Vorder- und Hinter-
säule", Columna ant. und post. [Lam'ma grtsea s. Funiculus cinereus ant. und post.) statt
des üblichen „Vorder- und Hinterhorn", Cornu s. crus ant. und post., welcher nur auf die
Zeichnung des Querschnitts passt.
Henle, Anatomie. Bd. III. Abthlg. 2. 4
50
Rückenmark.
ungefähr die Hälfte des grössten transversalen Durchmessers der Rücken-
markshälfte, während in der Liimbaranschwellung (Fig. 13) nnd im Conus
Fig. 12 ^). Fig. 132).
15
1
fC',^mß%.
^^2^'
Quersrliiiitt des Dorsalmarks. v Col. vesicularis.
Querschnitt des Rückenmarks aus der
Gegend des Ursprungs der mittleren
WuvzelfMsern des dritten Sacralnerven-
paares.
terminalis die weisse Substanz auf einen schmalen, die Unebenheiten der
grauen Säule ausgleichenden Ueberzug reducirt ist. Auch ist der Umfang
der grauen Säule, sowohl der vorderen als der hinteren, in der Lumbar-
anschwellung absolut grösser als in der cervicalen.
Aus dem convexen Rande der Vordersäule und aus dem medialen und
'hinteren Rande, resp. der hinteren Kante der Hintersäule gehen die Ner-
venwurzeln in einer Anzahl von Bündeln hervor; ähnliche schwächere Bün-
del, die die Oberfläche des Rückenmarks nicht erreichen, strahlen von den
lateralen Rändern beider Säulen aus und da ausserdem im ganzen Um-
fange des Rückenmarks in geringen Abständen feine, bindegewebige, hier
"lind da anastomosirende Septa, in welchen Blutgefässe enthalten sind, zwi-
schen der Gefässhaut und der Oberfläche der grauen Substanz sich er-
strecken, so erhält die letztere auf Querschnitten ein zackiges Aussehen und
scheint mit radiär angeordneten Fortsätzen in die weisse Substanz vorzu-
springen. Zunächst der Furche, in welcher Vorder- und Hintersäule an-
einanderstossen , durchtetzen stärkere, vielfach anastomosirende Blätter der
1) Nach Stilling Taf. II, Fig. 8. 2) Desgl. Taf. III, Fig. 17.
Rückenmark.
51
grauen Siibstanz die weisse und theilen sie in sclimale Bündel ab, so dass
der Quersclinitt dieser Stelle ein Netzwerk grauer Substanz, Processus Tdi-
culares Lenbossek^, zeigt, dessen Lücken von Durcbscbnitten longitudi-
naler Faserbündel eingenommen werden (Fig. 11. 12). Vor derselben ragt im
Cervical- und oberen Dorsaltbeil, von oben nacb unten an Grösse abneh-
mend, eine prismatische, im Querschnitt dreiseitige Leiste, Trachis inter-
medio-latercäis Clarke '^), in die weisse Substanz vor (Fig. 12).
An dem unteren Cervical - und dem Dorsaltbeil des Rückenmarks , wo
die Hintersäule sieb rückwärts zu einer Kante zuscbärft und auf dem Quer-
schnitt in eine Spitze ausläuft, setzt sich diese Spitze in Form eines schma-
len Streifens gegen die Oberfläche und zwar gerade gegen die hintere Sei-
tenfurche fort (Fig. 12. 14). Der Streifen hat verschiedene Bedeutung ^). An
vielen Stellen entspricht er einem durch die hin-
tere Seitenfurche eintretenden Arterienstämm-
chen und dem dasselbe begleitenden Bindegewebe ;
an anderen Schnitten bietet der scheinbare graue
Streifen gleich der weissen Substanz mir Quer-
schnitte von Nervenfasern dar und die Verschie-
denheit der Färbung beruht allein in der grösse-
ren Feinheit der Fasern des Streifens. Nicht
immer ist dieser Unterschied des Kalibers der
Fasern deutlich aiisgeprägt ; dann fehlt der Strei-
fen und die Hintersäule scbliesst in grösserer
Y oder geringerer Entfernung von der Oberfläche
mit einer mehr oder minder scharfen Spitze ab.
Querschnitt des Dorsaltheils -^ , .^ , r< i -xj^ • j^ • d- n i
, „.. , , JNur selten trint der Schnitt ein lemes üundel
des Ruckenmarks.
horizontaler Fasern, welche aus der Spitze der
Hintersäule austreten und sich mit anderen, aus dem medialen Rande
der letzteren hervorgehenden zur Nervenwurzel vereinigen.
Mit blossem Auge oder schwachen Vergrösserungen unterscheidet man
in den grauen Säulen des Rückenmarks zwei Nuancen grauer Substanz, die
spongiöse (s, Fig. 15 a. f. S.) und^ die gelatinöse ((/); dazu kommt im
Dorsaltbeil noch eine dritte, welche die Golumnae vesiculares {v) *) dar-
stellt und in Farbe und Consistenz sich der weissen Substanz annähert.
Spongiöse Substanz bildet die Grundlage beider Säulen; die gelatinöse Sub-
stanz umfasst wie eine gewölbte Platte, im Querschnitt wie ein halbmond-
förmiger Saum die hintere Fläche und einen grösseren oder geringeren
Theil der Seitenflächen der hinteren Säule; ihre Mächtigkeit beträgt im
Dorsaltbeil etwa 0,3 Mm., sie ist beträchtlicher in der Cervicalanschwellung
und erreicht die höchste Ziff'er in der Lumbaranschwellung. Die Columna
vesicularis ist ein cylindrischer oder prismatischer Körper an der Grenze
Emp
1) Dritte Säule S tili in g. Seitenhorn Goll. '^) Mittleres Hörn C. Krause. Seit-
liches Hörn Reichert. 2) Allgemein wurde er früher für die aus der Hintersäule austretende
Nervenwurzel gehalten. Goll (a. a. 0. S. 152), der ihn als Apex cornu posterioris be-
schreibt , berichtigte diesen Irrthum ; er nennt den Apex ein rein bindegewebiges Gebilde,
widerlegt dies aber selbst, indem er die Nerveiifaserbündel schildert, die ihn der Länge
nach durchziehen. *) Dorsalkerne Stilling. Coluinaae vesiculares post. Gl ar ke. Clarke'-
sche Säulen oder Stilling' sehe Kerne Köll.
52
Rückenmark.
Gelatinöse
Substanz.
P^iof. 15.
der vorderen und hinteren Säule, zur Seite der hinteren Commissur und
des weissen Hinterstrangs, von welchem sie nur durch eine dünne Lage
■feiner horizontaler Nervenfasern geschieden ist. Sie hat im unteren Theil
des Dorsalmarks einen Durchmesser von fast 1 Mm. und nimmt demnach
mehr als die Hälfte der Breite
des eingeschnürten Theils der
hinteren grauen Säule ein; auf-
und abwärts wird ihr Durch-
messer etwas geringer und ge-
gen die Cervical- und Lumhar-
ansch wellung schwindet sie, in-
dem ihre charakteristischen Zel-
len und Fasern sich verlieren.
Unter diesen verschiedenen
Arten grauer Substanz besitzt
die gelatinöse den einfachsten
Bau. Grundlage derselben ist
die nämliche feinkörnige Masse,
die den Centralcanal umgiebt.
In dieser sind Körner in ver-
änderlicher Zahl eingestreut und
sie ist durchzogen von dünnen
Bündeln feiner Nervenfasern,
die einen, je nach der Form der
Hintersäule verschiedenen Ver-
Querschiiitt des Dorsalmarks, durch Kalilösung lauf haben. An den Anschwel-
aufseliellt. Tl. Tract. intermedio-lateralis. T'r hmgen des Rückenmarks, WO
Proc. reticularis, s spongiöse, g gelatinöse Sub-
stanz der Hintersäule, grc Subst. grisea cortic.
Ca Commiss. alba. Cg Commiss. grisea. Cc
Can. centr. *Gefässdurchschnitt.
die gelatinöse Substanz auf dem
Querschnitt wie ein einfach
halbmondförmiger Saum den
hinteren Rand der Hintersäule
bekleidet, durchziehen die Nervenbündel diesen Saum in der Richtung von
vorn nach hinten, ähnlich den Meridianen einer projicirten Hemisphäre,
sanft gekrümmt und die Concavität der Krümmung von beiden Seiten her
der Axe der Hintersäiüe zugewandt. An der schmalen und in eine scharfe
Kante auslaufenden Hiutersäule des Dorsalmarks enthält die late-
rale Platte der gelatinösen Substanz zerstreute verticale Bündel; in der
medialen Platte bis zur Spitze und zuweilen noch in dem der Spitze näch-
sten Theil der lateralen Platte folgen einander in weiten, mitunter sehr
regelmässigen Abständen gerade oder leicht gebogen von der inneren zur
äusseren Fläche, zugleich mehr oder minder steil abwärts verlaufende Ner-
venbündel, welche in den weissen Hinterstraug übergehen, entweder direct
oder nachdem sie zuvor eine Strecke an der Grenze der gelatinösen und
weissen Substanz zurückgelegt haben. Sie setzen sich, wie später gezeigt
werden soll, in die hinteren Nervenwurzeln fort. Auf Horizontalschnitten
des Rückenmarks (Fig. 16) erscheinen sie als faserige, unterbrochene Strei-
fen; auf Frontalschnitten (Fig. 17) wird ihre gegen die weisse Substanz
absteigende Richtung deutlicher. Längs der Grenze der gelatinösen Sub-
Rückenmark.
53
stanz gegen die spongiöse häufen sich cylinclrische longitudinale Nerven-
faserhüudel und ähnliche Bündel kommen theils vereinzelt, theils grujDpeu-
Fiff. 16.
Querschnitt der Hiiitersäule, Lage und Präparation wie in Fig. 15.
weise längs der Grenze der gelatinösen gegen die weisse Substanz vor.
Grössere Nervenzellen finden sich in der gelatinösen Schichte nur sjDärlich,
am häufigsten noch an der äusseren Grenze;
ihre vielstrahligen Ausläufer lassen sich nur
auf kurze Strecken verfolgen.
Die Columnae vesiciilares bestehen aus Coiumnae
denselben feinen, durch Kalilösung darstell-
baren Nervenfasern, wie die hintere Commis-
sur, die , nur viel dichter gedrängt und , wie-
wohl in verschiedenen Richtungen durch ein-
ander gewirrt, doch der überwiegenden Mehr-
heit nach einen longitudinalen Verlauf haben
und häufig bündelweise zusammenliegen.
Transversale Fasern kommen in grösserer
Zahl nur als Einstrahlungen aus der hinteren
Commissar vor. Zwischen den Faserbündeln
Frontalschnitt der Hintersäule Hegen mitunter in ziemlich regelmässiger x\n-
durch die gelatinöse Substanz. Ordnung zahlreiche Nervenzellen von ansehn-
Fl) Funic. post. s Subst. spongiosa ,. , -rs. . n m • i ii>--
„ , , 1 ^- liehen Dimensionen, grossentheils siDindeltor-
(] Subst. gelatin. _ _ ° -■-
mig, mit dem grösseren Durchmesser der vor-
60
1
54
Rückenmark.
Fig. 18.
Querschnitt der Col. vesicularis (v), Lage und Präparationsweise wie Fig. 15. Fp
Funic. post.
Fig. 19.
Im.
mmEmf ^■^'^'^—-
^==^
^y;
! I /
mh
Frontalschnitt des Kückenmarks durch die Col. vesicularis. Mit Brönner'schem Flecl*
Wasser aufgehellt. Cg Commissura grissea.
Kückenmark. 55
heiTsclieiiden longitudinalen Richtung der Nervenfasern parallel; sie haben
durchschnittlich im grösseren Durchmesser 0,045, im kleineren 0,03 Mm.
Manche sind bipolar, die meisten multipolar, jedoch so, dass das Eine Ende
in eine Faser sich zuspitzt , während das entgegengesetzte, stumpfere Ende
Fortsätze nach verschiedenen Seiten aussendet. Der Kern liegt gewöhnlich
im stumpfen Ende und ist von einem Häufchen gelben Pigments umgeben.
Zellen derselben Art, jedoch kleiner und blasser, kommen innerhalb hori-
zontaler Faserzüge vor, Ausstrahlungen der grauen Commissur, welche die
Columna vesicularis am vorderen und hinteren Rand umfassen, sich mit
sagittalen Fasern am äusseren Rande derselben verflechten und in die , die
gelatinöse Substanz durchziehenden Faserzüge überzugehen scheinen. Ge-
gen das obere und untere Ende der Col. vesicularis nehmen, wie ihi^e Be-
grenzung undeutlich wird, auch die Zellen derselben rasch an Grösse ab.
In dem oberen Theil des Cervicalmarks , zwischen den Ursprüngen des
dritten und ersten Nervenpaares , zeigt sich an der der Columna vesicularis
entsprechenden Stelle wieder ein dunkleres und mehr umschriebenes, aus
grossen und kleinen Zellen und Nervenbündeln zusammengesetztes Gebilde
von dreiseitigem Querschnitt (Clarke). Abwärts erreicht die Columna
vesicularis ihre grösste Stärke am Beginn der Liimbaranschwellung ; dann
aber verliert sich ihre Begrenzung und mindert sich die Zahl und Grösse
ihrer Zellen.
Die Col. vesicularis des Ochsen unterscheidet sich nach Clarke (Phil, transact.
1859. P. I, p. 437) von der menschlichen dadurch, dass die Zellen spärlicher und
mehr in der Axe der Säule zusammengedrängt sind. "Wie beim Ochsen die
Col. vesicularis an der oberen und unteren Grenze des Dorsalmarks sich verliert,
schildex't Clarke in folgender Weise: in der Nähe der Cervicalanschwellung wird
sie allmälig dünner, doch erhalten sich die Zellen in der medialen Hälfte der Ein-
schnürung (Cervix) der Hintersäule. Zuweilen wird die Col. vesicularis durch Büu-^
del der grauen Commissur in kleinere Abtheilungen zerlegt. In der Mitte der
Cervicalanschwellung sind die Coutouren der Col. vesicularis völlig verwischt , aber
die mediale Hälfte der Einschnürung ist mit Zellen erfüllt und enthält eine dunk-
lere, undeutlich abgegrenzte Masse, welche von den Fasern der grauen Commis-
sur und der hinteren Wurzeln durchsetzt wird. Die Zellengruppe, die an der
Stelle der Col. vesicularis in der Gegend der obersten Cervicalnerven erscheint,
ist dunkler als beim Menschen, und enthält grössere Zellen. Eine cylindrische,
nicht genau begrenzte Gruppe grosser Zellen, welche zur Seite und etwas nach
hinten vom Centralcanal in der Gegend des zweiten Sacralneiwenpaars auftritt
und unterhalb desselben allmälig wieder schwindet, hatte Clarke in einer frühe-
ren Mittheilung für das untere Ende der Col. vesicularis erklärt; er ist jetzt mit
Stilling einverstanden, dass sie einem besonderen Kern angehören, der genauer
mit den vorderen Nerven Avurzeln verbunden ist als mit den hinteren.
Die eigentliche graue oder spongiöse Substanz, d. h. die Substanz der Spongiöse
grauen Vordersäule und der Hauptmasse der grauen Hintersäule ^), enthält
Fasern und multipolare Zellen in so verwickelter Anordnung, dass es kaum
möglich ist, den Zug der Fasern und der Zellenfortsätze auf längere Strecken
zii verfolgen. Die Fasern, starke und feine, laufen vereinzelt und netz-
förmig gekreuzt oder in Bündeln, gerade oder gebogen in den verschieden-
sten Richtungen ; ebenso strahlen die Fortsätze der Nervenzellen nach allen
Seiten aus, die Nervenbündel theils begleitend, theils unter verschiedenen
^) Basis des Caput coniu Clarke.
56 Rückenmark.
Winkeln schneidend. Nur an der Grenze der grauen Substanz gegen die
weisse (Fig. 20) kehren Faserzüge mit einer gewissen Beständigkeit wieder,
Fig. 20.
Querschnitt des Rückenmarks in der Halsgegend, durch Brönn er ' sches Fleckwasser
aufgehellt; weisse Commissur (Ca) und Vordersäule mit der angrenzenden, weissen
Substanz. Cc Can. centralis.
die sich in horizontalen Ebenen aus den Nervenwurzeln in die graue Masse
fortsetzen und in derselben nach verschiedenen Richtungen zerstreuen, an-
dere, welche ebenfalls horizontal streichend, die Peripherie der grauen
Säulen umgeben, und verticale in dichten oder isolirten, gleichsam von den
weissen Strängen abgelösten Bündeln, welche um so feiner werden, je wei-
ter sie sich von der Oberfläche der grauen Säule entfernen. Bündel der
letzteren Art finden sich am reichlichsten in der spongiösen Substanz der
Hintersäulen, an deren Basis und an dem der gelatinösen Substanz zuge-
kehrten Rande. Was die Gestalt der Nervenzellen betrifft, so sieht man
sie oft auf Querschnitten den Zwischenräumen der Nervenbündel angejoasst
und mit ihren Fortsätzen die Bündel umfassen (Fig. 21). Von den an der
Grenze der grauen und weissen Substanz gelegenen lassen sich die unver-
zweigten Fortsätze in die Nervenwurzeln verfolgen (Fig. 22). Die Zellen
sind constant in Einer Richtung abgeplattet und die unverzweigten (Axen-
cy linder-) Fortsätze entspringen in der Regel von einer der Flächen, wäh-
Rückenmark.
57
rend die Mehrzahl der verästelten Fortsätze vom Rande ausgeht (Jelly).
Im üebrigen finden sich kugelige, eckige und langgestreckte, elliptische,
Fig-. 21.
Aus einem Querschnitt der grauen Vordersäule ; verzweigte Nervenzellen. Carrain-
präparat.
einfach körnige und pigmentirte Formen; nur bezüglich der Dimensionen
zeigen sich je nach dem Sitz constante Unterschiede. Die grössten Zellen,
von etwa 0,1 Mm. Durchmesser i), sind in den Vordersäulen enthalten und
in zwei Gruppen oder Stränge geordnet, deren Stärke entsprechend der
Stärke des ganzen Rückenmarks und namentlich der grauen Säulen zu- und
^) Motorische Zellen.
58
Rückenmark.
abnimmt. Ein lateraler Zellenstrang i) von cylindrisclier Gestalt nimmt
die seitliclie Region der Vordersänle ein und veranlasst in der Cervical-
Fiff. 22.
imdLumbaranschwel-
lung den Vorsprung
der grauen in die
weisse Substanz ; über
der Cervicalanscbwel-
lung spaltet er sich
häufig in zwei oder
drei schmalere Strän-
ge. Ein medialer
Strang ^), cylindrisch
oder prismatisch, häu-
fig in zwei bis drei
Stränge zerfallen,
liegt am vorderen
Rande der grauen
Vordersäule und
dehnt sich bald ge-
gen den medialen,
bald gegen den late-
ralen Rand dieser
Säule aus. Einzelne
Zellen liegen zer-
streut in dem Gewebe,
welches die beiden
Zellenstränge schei-
det; im Dorsal- und
oberen Cervicaltheil
verwischen- solche
Zellen die Grenzen
zwischen den aus spärlichen und weiter aus einander gerückten Zellen be-
stehenden Strängen. Der Tractus intermedio -lateralis am unteren Drittel
der Cervicalanschwellung und dem angrenzenden Dorsaltheil scbliesst einen
dritten Strang von Zellen grösster und mittlerer Dimension ein ; die spin-
delförmigen unter denselben sind mit dem längeren Durchmesser im latera-
len Theile des Stranges sagittal, im medialen transversal gerichtet, entspre-
chend dem Verlauf der Commissurenfasern, zwischen welchen ihre Fortsätze
sich verlieren.
Die spongiöse Substanz der Hintersäulen enthält nur vereinzelte Zellen
und unter diesen nur wenige, die an Grösse den Zellen der Vordersäulen
nahe kommen.
Clarke (Phil, transact. 1851. P. 2, p. 607) theilt die Nervenfasern der grauen
Substanz in zwei Classen, horizontale (transverse) und longitudinale, und die hori-
zontalen wieder in zwei Abtheihingen , sagittale (antero-posterior) und transversale
Vom vorderen Rand eines Querschnitts der grauen Vordersäule ;
Uebergang der Nervenzellenfortsätze in Nervenwurzeln. Car-
minpräparat.
^) Hintere oder äussere Gruppe grosser Nervenzellen des grauen Vorderhorns Stilling.
^) Vordere oder innere Gruppe Stilling.
Rückenmark. 59
(latero-transverse). Die sagittalen liegen der Mediauebene zunächst und convex
gegen dieselbe, treten aus den weissen Hintersträngen in die grauen Hintersäulen
ein und lösen sicli in den Vordersäulen in ein Netzwerk auf, in dessen Maschen
die Nervenzellen enthalten sind. Einzelne dieser Fasern kreuzen einander vor
dem Centralcanal. Die transversalen Fasern stammen aus den Commissuren und
breiten sich dui'ch die grauen Säulen in die weissen Stränge aus. Die longitudi-
nalen Fasern schreibt C 1 a r k e vorzugsAveise der gelatinösen Substanz zu. Nach
Groll sind im Cervicalmark die Gruppen der grossen Ganglienzellen der Vorder-
säulen, 40 bis 60 in Einem Querschnitt, wieder in kleinere Gruppen von 7 bis 15
Zellen, theils durch Nervenfaserbündel, theils durch stärkere Gefässe getrennt.
Häufig stehen die Zellen kleinerer Grupi^en oder die Abtheilungen grösserer in
einer Kreislinie; ebenso oft haben die Längsaxen der Zellen bestimmte Richtun-
gen, parallel oder gegen einen Punkt convergirend. Die Nervenfaserbündel der
grauen Vordersäulen, die stärksten 30 bis 45, die feinsten 5 bis 10 Fasern ent-
haltend, lösen sich in der Nähe der Ganglienzellen in isolirt ausstrahlende Fasern
auf. Ihr Weg ist häufig durch stärkere Blutgefässe deutlich markirt. Goll theilt
sie in drei Classen : I. Grösste , gruiDpentrennende Hauptstränge, 0,10 bis 0,17 Mm.
stark , horizontal und schräg vor -, rück- und seitwärts verlaufend. II. Die Peri-
pherie der Zellenhaufen drittel - bis halbringförmig und mitunter fast vollkommen
ringförmig umspinnende Bündel, 0,04 bis 0,09 Mm. stark. III. In das Innere von
Zellenhaufen oder in die Nähe einzelner Zellen ausstrahlende Bündel, 0,03 bis 0,06
Millimeter breit. Drei Bahnen der Fasern der ersten Classe sind fast constant :
l) parallel der inneren Peripherie der Vordersäule ; 2) von der Mitte der vorderen
Peripherie der Vordersäule schräg rück- und lateralM^ärts ; 3) vom vorderen late-
ralen Winkel der Vordersäule theils sich mit der vorigen vereinigend, theils im
Centrum der Vordersäule sich verlierend. Mit diesen gröberen Zügen stehen die
Bahnen der in die Vordersäule einmündenden vorderen NervenAvurzeln in Verbin-
dung, indem sie sich theils mit einander scheinbar vermengen, theils unter sjaitzen
Winkeln kreuzen. Längsbündel enthalten die grauen Vordersäulen nur in gerin-
ger Zahl und Stärke, bestehend aus fünf bis zehn feinen, markhaltigen Fasern
(von 0,004 bis 0,007 Mm. Durchmesser) ; stärkere verticale Nervenfasern kommen
nur einzeln, höchstens paarweise vor. Mit allen drei Classen von Nervenfasern
scheinen die Fasern der Peripherie der Vordersäule und die in den Scheidewänden
der weissen Stränge enthaltenen Fasern zusammenzuhängen, v. Bochmann
(Beitr. zur Histologie des Eückenmarks. Dorpat 1860) konnte eine so constante
Gruppirung der grossen Nervenzellen in den vorderen grauen Säulen des Eücken-
marks, Avie Goll sie beschreibt, nicht bestätigen. Constant schien ihm nur die
Lage der Zellen im vorderen Winkel der Säule, doch stellen auch diese keine
scharf begrenzte Gruppe dar.
Als einen allgemeinen Bestandtheil der grauen Substanz führt Ger lach das
oben erAvähnte Netz feiner Fasern auf, dessen nervöse Natur er durch das Ver-
halten gegen Goldchloridkalium sicherstellte. Er spricht sich nicht bestimmt dar-
über aus , ob er sich das Netz durch wirkliche Anastomosen oder durch Kreuzun-
gen der Fasern gebildet denke , doch macht der Zusammenhang mit den verzweig-
ten Nervenzellenfortsätzen die erstere Annahme Avahrscheinlicher.
Wenden wir uns zur weissen Substanz , so selten wir der unvollkom- weisse
menen Scheidung in drei Stränge, welche an der Oberfläche durch die bei- '^^"se.
den Seitenfurchen angedeutet wird, eine eben so unvollkommene Theilung
von innen aus durch die gegen die Seitenfurchen gerichteten Vorsprünge
der grauen Säiile entgegenkommen. An einem Querschnitt, der die Ner-
venwurzeln von ihrem Ursprung aus der grauen Säule bis zur Austritts-
stelle blosslegt, ist allerdings die Abgrenzung der Stränge vollständig,
wenn man nämlich das am meisten seitwärts gelegene Bündel der aus meh-
reren Bündeln zusammengesetzten Wurzel als Grenzbezeichnung gelten lässt.
Querschnitte aber , welche in die Zwischenräume der Nervenwurzeln fallen.
60 Rückenmark.
zeigen die Stränge nur so weit geschieden, als sie von den grauen Säulen
umfasst werden. Die über die Spitzen derselben hinwegziebende peripberi-
scbe. Scbicbte der weissen Substanz lässt in ibrem ganzen Umfange nur
dieselbe gleicbmässige Zerspaltung durcb feine, von der Gefässbaut ausge-
bende Septa erkennen.
Die weisse Substanz bestebt wesentlich aus Nervenfasern, welche zum
Tbeil und zwar in weit überwiegender Menge einen verticalen, zum Theil einen
horizontalen Verlauf haben. Deshalb lässt sich das erhärtete Rückenmark
zwar der Länge nach in Fasern reissen , aber die Rissflächen sind rauh
und uneben. Uebrigeus dürfen die Ausdrücke vertical und horizontal nicht
ganz buchstäblich verstanden werden. Die verticalen Fasern verlaufen
häufig geschlängelt, spitzwinklig gekreuzt über einander und in den tiefe-
ren Schichten der weissen Substanz sind sie zu Bündeln vereinigt, welche,
vielfach anastomosirend, ein Flechtwerk mit rhombischen, parallel der Axe
des Rückenmarks langgestreckten Maschen bilden ; von den Fasern aber
die wegen des Zusammenhangs mit den Nervenwurzeln als horizontale zu
betrachten sind, haben viele, namentlich in den hinteren Strängen, eine ge-
neigte und stellenweise sehr steil auf- oder absteigende Richtung.
Verticaie Das Kaliber der verticalen Fasern schwankt innerhalb weiter Grenzen :
Fasern.
Die stärksten haben über 0,02, die feinsten weniger als 0,002 Mm. im
Durchmesser; der Durchmesser des Axencylinders der stärkeren Fasern be-
trägt 0,006 bis 0,007 Mm., die feinsten Axencylinder erscheinen auf Querschnit-
ten bei SOOmaliger Ver-
sal grösserung noch punktför-
m mig. Durchgängig nimmt
S das Kaliber der verticalen
* » Fasern von aussen nach
• ' / "j. »l . " * * ma innen ab ; die stärksten
* p i \, * ' * m Fasern sind m den peri-
« 4/4 *fr ■* ^ (■ W pherischen Regionen der
j • , j P Vorderstränge enthalten;
• *\ |lffi,| ausschliesslich feinste Fa-
/ }t f \ .* *K«Hteitfii ^^"""^ ^^'^ ^'^^^ ^'^ ^^^^"
• t » 'lÄfflSi stens 0,012 Mm. finden
I * • / ^ * * J®#ilTCTHi ^^^^ •^^ ^^^ zarten Strän-
^•** "> .»V*? ''^'''B^SHI gen (G oll). In allen übri-
• •* f % i > ' ^ riH»Hkwl^° 8'®^ Strängen stehen starke
* 1 '» ' ^*iS»'liKra^@ und feine Fasern dicht ne-
* • « iBlöiV^TOll ^^^ einander; da aber der
* ' . .. ' » PliraUftllMl Vorderstrang absolut stär-
• ' » •' • •/'KtäIÄS™^ kere Fasern enthält als der
rlErlE Hinterstrang, so sind die
i5'W#W'' Contraste dort auffallen-
' * [ '• ' ÄliÄä der als hier. Vor dem
jQQ Vorder- und Hinterstrang
1 zeichnet sich der Seiten-
Spitze der Hintersäule und angrenzende weisse Substanz sträng dadurch aus (Fig. 2 3),
im Querschnitt, rechts der Hinter-, linlcs der Seiten- dass die starken Fasern mit
Strang. Molybdänpräjiarat.
Fig. :
23.
f
'K
t 1
t
ß':
■[•\
Rückenmark.
61
Horizontale
Fasern.
einiger Regelmässigkeit vertheilt, durch GrTi2Dpen feiner Fasern von einan-
der getrennt sind; im Vorderstiang finden sich streckenweise nur starke
Fasern und auch im Hinterstrang sind häufig zwei und mehr der stärkeren
Fasern in unmittelbarer Berührung.
Die horizontalen Faserzüge durchsetzen die Stränge der verticalen ein-
zeln oder in Bündeln, in welchen ebenfalls starke und feine Fasern ge-
mischt sind. Sie nehmen, wenn nicht sämmtlich, doch zum grössten Theil
ihren Ursprung aus den grauen Säulen und lassen sich nach der Richtung,
die sie einschlagen, in zwei Abtheilungen ordnen. Zur ersten crehören die
Fortsetzungen der Fasern , welche oben (S. 47) als Commissurenfasern be- Commissu-
schrieben wurden, insbesondere die Fasern der weissen Commissur; denn ''®"^^^®™-
wiewohl die transversalen Fasern beider Commissuren, der weissen und
grauen, indem sie in die Seitenhälfte eintreten, gleichmässig an der Grenze
der grauen und weissen Substanz hinziehen, so bedingt doch die histologi-
sche Verschiedenheit der beiderlei Fasern, dass man die Fasern der grauen
Commissur als einen Bestandtheil der grauen Hintersäule auffasst, während
die Fasern der weissen Commissur eine Grenzschichte des weissen Vorder-
straugs darstellen (Fig. 24). Dazu kommt, dass von den Fasern der weis-
Fisr. 24.
Ca
Querschnitt des Rückenmarks in der Halsgegend, durch Bronne r'sches Heckwasser
aufgehellt; weisse Commissur (Ca) und Vordersäule mit der angrenzenden weissen
Substanz. Cc Can. centralis.
62
Rückenmark.
Nervenwur-
zelu.
a. motori-
sche.
sen Commissur, wie schon erwähnt, einzelne Bündel sich abzweigen, um
sich mit verticalen Bündeln des Vorderstrangs zu verflechten. Zuletzt
scheinen diese, wie die unmittelbar an den grauen Säulen hinstreichenden
Fasern, in die grauen Säulen einzudringen, wenn nicht einzelne der am
meisten medianwärts gelegenen sich unmittelbar an die vorderen Wurzeln
anschliessen. Die rein transversalen und die spitzwinkelig gekreuzten Fa-
sern der weissen Commissur dienen in dieser Art zur Verbindung der bei-
den grauen Vordersäulen. Was die in mehr schräger Richtung von hinten
nach vorn verlaufenden Commissurenfasern betriflft , so sieht man sie , wenn
man sie auf Verschnitten vom medialen Rande der Einen Vordersäule rück-
wärts verfolgt, in den medialen Rand der grauen Säule der anderen Seite
mehr oder minder weit nach hinten eintreten.
Die zweite Abtheilung der horizontalen Fasern kann man einfach als
Nervenwurzeln ^) bezeichnen. Die motorischen Wurzeln treten aus der vor-
deren Fläche der Vordersäule aus in Bündeln, die in den verschiedenen
Horizontalebenen, je nach der Stärke der Nerven, welche sie zusammen-
zusetzen bestimmt sind, an Zahl zwischen 3 und 8 variiren und demgemäss
durch breitere oder schmalere Zwischenräume getrennt sind. Jedes Bündel
ist in transversaler Richtung abgeplattet, indem die Höhe derselben einer
längeren Reihe von Fasern entspricht, während die Zahl der in Einem Bün-
del neben einander liegenden Fasern immer nur eine geringe ist (Fig. 25).
Fig-. 25.
Frontalschnitt des Vordersti-aiia;«, durch Fleckwasser auf2;ehellt.
') Centrale Nervenbahnen Stilling.
Rückenmark.
63
Häufig entspricM die Breite eines Bündels nur Einer oder zwei Nerven-
fasern; die Höhe der Bündel beträgt in der Regel zwischen 0,2 und 0,6 Mm.
Das Uebergewicht der starken Fasern ist in diesen Wurzeln noch auffallen-
der als in den verticalen Faserzügen der Vorderstränge.
Wie die sensibeln Wurzeln, aus der spongiösen Substanz der Hinter- b. sensible.
Säulen hervorgehend, in feinen Bündeln die gelatinöse Eindenschichte die-
ser Säulen durchsetzen, wurde bereits beschrieben. Beim Atistritt aus der
gelatinösen Substanz nehmen sie dieselbe abgeplattete Gestalt an, wie die
Bündel der vorderen Nervenwurzeln, unterscheiden sich von diesen aber,
ausser durch das geringere Kaliber der Fasern, durch den geschlängelten
Verlauf und die zahlreichen Anastomosen, welche sie innerhalb der weissen
Hinterstränge einander zusenden. Die Geflechte, die auf diese Weise ent-
stehen und die verticalen Fasern des Hinterstrangs in ihre Maschen auf-
nehmen, liegen an den Anschwellungen des Rückenmarks hinter der Hin-
tersäule (Fig. 26) am Dorsalmark medianwärts von derselben ^). Und wäh-
rend die vorderen Wurzelbündel vereinzelt das Rückenmark verlassen
Fig. 20.
Querschnitt der medialen Platte der gelatinösen Substanz der Hintersäule (g) und des
Hinterstrangs des Cervicalmarks durch eine Nervenwurzel (**). Dur.h Fleckwasser
aufo-ehellt.
1) Die vordersten dieser medianwärts von den grauen Säulen gelegenen Bündel sind
die Strahlenbündel oder Strahlenfasern Frommann's (Anatomie des Rückenmarks S. 71).
64 Rückenmark.
treten die hinteren noch innerhalb desselben, wenn auch erst dicht unter
der Oberfläche (Fig. 27), nach mannigfachen, mitunter weitläufigen Windun-
gen, die meisten absteigend, einige auch schräg aufsteigend, zu einer Wur-
zel zusammen.
Fig. 27.
Querscluiitt der Hintersäule und des Hinterstrangs des Dorsalmarks durch eine
Nerven Wurzel. Kalipräparat. *Gefässhaut.
ßückenmark.
C5
Ich entlehne der Abhandlung Goll's die folgenden Angaben (in Millimetern)
über die Grössen Verhältnisse der Nervenfasern der weissen Substanz :
Fasern.
A X e n c V
Inder
Mittel.
Minimum.
Maximum.
Vorderstrang
0,014
0,008
0,025
0,0031
bis
0,0074
Seitenstrang
0,010
0,006
0,016
0,0029
»
0,0040
Hinterstrang im hinteren
äusseren Winkel ....
0,014
0,012
0,016
0,0029
!)
0,0038
Hinterstrang im vorderen
äusseren Winkel
0,013
0,011
0,022
0,0030
)7
0,0058
Zarter Strang
0,009
0,007
0,012
0,0025
»
0,0033
Vordere Wurzeln
nächst der Vordersäule . .
0,016
0,015
0,017
0,0030
V
0,0039
„ dem Austritt . . .
0,018
0,010
0,020
0,0029
n
0,0048
Hintere Wurzeln
•f
nacht der Subst. gelat. .
0,013
0,010
0,014
0,0039
n
0,0050
„ dem Austritt . . .
0,016
0,011
0,021
0,0030
n
0,0042
Die weit überwiegende Mehrzahl sowohl der verticalen als der hori- Umbeugen-
zontalen Fasern hält in der weissen Substanz, so weit man sie verfolgen
kann, ihre ursprüngliche Richtung ein und wenn ein Zusammenhang der
Einen und anderen im Rückenmark stattfindet, so könnte dieser nur durch
die graue Substanz, vielleicht durch die Nervenzellen derselben ver-
mittelt sein. Einzelne Fasern biegen indess innerhalb der weissen Stränge
aus dem horizontalen in den verticalen Verlauf um (Fig. 28 i^7). Bei manchen
Fig. 23.
Frontalschnitt des Dorsalmiirks durch die weisse Commissur. Durch Fleckwasser auf-
gehellt. (7a Comm. alba. 7''a Funic. ant. Cga Columna grisea ant. ^i^Z Funic. lateralis.
Henle, Anatomie. Bd. III. Abthlg. 2. 5
66 Rückenmark.
sckrägen Fasern der vorderen Commissur scheint eine solche Aenderung
der Eichtiing allmälig einzutreten und ist deshalb schwer zu constatiren.
Unzweifelhaft aufwärts iinibeugende Axencylinder zeigt jeder Frontalschnitt
des Seitenstrangs an Präparaten, deren Nervenmark durch die passenden
Mittel (Terpentin, Nelkenöl, Brönner'sches Fleckwasser) durchsichtig ge-
macht worden. Doch ist die Concavität dieser Bogen stets gegen die Axe
des Rückenmarks gerichtet, d. h. es sind mit den Nervenwurzeln aus den
grauen Säulen austretende Fasern, welche sich aufwärts wenden, bevor sie
die Peripherie des Rückenmarks erreicht haben. Dass verticale Fasern
peripherisch umbiegen oder mit anderen Worten, von der Peripherie
einstrahlende Fasern sich unmittelbar in den weissen Strängen den verti-
calen zugesellen, davon habe ich kein überzeugendes Beispiel gesehen.
Die Entdeckung der Identität der Nervenfasern mit den Fasern der Aveissen
Substanz der Centralorgane hatte zuerst die Yorstellung zur Folge, dass die in
das Eückenmark eingetretenen Nervenwurzeln nacli einem kürzeren oder längeren
queren Verlauf noch innerhalb der weissen Stränge aufwärts umbögen und zum
Gehirn emporstiegen (Valentin, Verlauf und Enden der Nerven, S. 104). Nach-
dem aber Stilling (St. und Wallach, Unters, über die Textur des Eücken-
marks, Lpz. 1842, S. 27), dann Kölliker (Mikroskop. Anat. II, 410) an Quer-
schnitten des Rückenmarks die Nervenwurzeln durch die weissen Stränge zur
grauen Substanz und in dieselbe verfolgt hatten, blieb den späteren Beobachtern
nur die Frage zu entscheiden , ob nicht einzelne Nervenwurzelfasern eine Aus-
nahme machten und sich den verticalen Fasern der weissen Substanz beigesellten.
Eine solche Ausnahme wurde zunächst für einen Theil der hinteren Wurzeln in
Anspruch genommen, wozu das Bedürfniss der Phj-siologie den Anstoss gab und
der steile Verlauf der Fasern die Handhabe bot. Eemak (Müll. Arch. 1841,
S. 515) bestätigte Valentin's Beobachtungen in so weit, als er einen Theil der
Primitivfasern der hinteren Nervenwurzeln unmittelbar und meist in aufsteigen-
der Eichtung den Längsfasern der „hinteren seitlichen" Stränge sich zumischen
sah. Nach E. Wagner (Neurolog. Unters. S. 165) zweigt sich von den Wurzeln
der sensibeln Nerven je ein Bündel ab , Avelches , ohne sich mit Nervenzellen zu
combiniren , zum Gehirn aufsteigen und den bev.'ussten Empfindungen dienen soll.
Schröder v. d. Kolk (over het fijnere zamenstel en de werking van het rugge-
merg. Amst. 1854) unterscheidet in den hinteren Wurzeln zweierlei Fasern, sen-
sible und Eeflexfasern (excitomotoiische nach Marshall Hall und Grainger).
Die sensibeln begeben sich sogleich nach dem Eintritt ins Eückenmark als ver-
ticale Fasern der Hinterstränge aufwärts, die Eeflexfasern sind die zwischen den
verticalen Fasern zur Hintersäule vordringenden. Ohne sich über die phj'siologi-
sche Bedeutung der Fasern auszusprechen, theilt auch Goll (a. a. O. S. 136. 155)
die centrale Partie der hinteren Wurzel in zwei Hälften. Die obere und innere
Hälfte gehe auf- oder abwärts in die Längsrichtung über; von der unteren und
äusseren Hälfte gehe ein Theil gerade in den hinteren Eand, ein anderer auf
Umwegen in den Seitenrand der grauen Hintersäule. Nach Frommann (a.a.O.
S. 65) bilden die direct in den weissen Strängen aufsteigenden Fasern die Mehr-
heit. Schon früher hatte Clarke (Philos. transact. 1853, p. 350) neben den schräg
aufsteigenden die schräg absteigenden Fortsetzungen der hinteren Wiirzelfasern in
die Hinterstränge beschrieben, jedoch hinzugefügt, dass von den aufwärts umbie-
genden Fasern jedenfalls nur ein kleiner Theil direct zum Gehirn aufsteige. Stil-
ling spricht sich über diesen Punkt noch entschiedener aus; er bestreitet, dass
irgend eine Nervenwurzelfaser anders als in der grauen Substanz des Rückenmarks
ende. In anderer Beziehung aber steht Stilling den älteren Auffassungen näher,
denn er giebt zu (Neue Unters. S. 143. 161. 173), dass nicht nur in den hinteren,
sondern auch in den seitlichen und Vordersträngen Fasern gefunden werden , die
von der Peripherie her sich nach oben oder unten wenden und dass diese Fasern
Strecken weit mit den verticalen verlaufen und an der Bilduna; der verticalen Fa-
Rückenmark. 67
serzüge Theil nehmen, bis sie in einer liölieren oder tieferen Ebene wieder gegen
die grauen Säulen umkehren. Allerdings kommen dergleichen Umbiegungen an
Längsschnitten häufig zu Gesicht, aber sie schienen mir stets künstlich veranlasst
durch den Zug des Messers, dem die zufällig durchschnittenen Pasern anhaften
und eine Strecke weit folgen. Wo ich solche Fasern sah, lagen sie oben auf der
Schnittfläche, niemals im Inneren der Lamellen. Ich stimme also mit Schilling
(a. a. 0. S. 50), Bidder (a. a. 0. S. 88) und Lenhossek (a. a. 0. S. 15) in der
Annahme überein , dass alle Pasern der Nervenwurzeln die grauen Säulen errei-
chen. Die Ansicht, dass von den grauen Säulen aus horizontale Fasern in die Sei-
tenstränge eintreten und in diesen aufwärts umbiegen, theile ich mit Stilling,
Kölliker, Schröder v. d. Kolk (a. a. O. p. 31) und Clarke gegen Eemak,
welcher keine anderen horizontalen Fasern anerkennt, als die der ISTervenwurzeln.
Ebenso wie Stilling (S. 166) muss ich mich gegen das von Lenhossek aufge-
stellte System der radialen Pasern erklären, welche aus dem Seitentheil der grauen
Säulen hervorgehen , in auswärts aufsteigender Eichtung die weisse Substanz durch-
ziehen und als Nerven der Gefässhaut austreten sollten. Dieser Beschreibuno-
scheinen die Biudegewebssepta der Seitenstränge zu Grunde gelegen zu haben.
Eingestreut zwisclien den wesentlichen Elementen, den iSTervenfasern,
enthält die weisse Substanz des Rückenmarks eine grosse xinzahl der kuo-e-
ligen Elemente , die ich mit dem Namen Körner bezeichnet habe, theils ein-
zeln, theils in kürzeren und längeren, den Fasern parallelen Reihen, ferner
grössere, multipolare Ganglienzellen, nicht selten in den tiefsten, zunächst
an die grauen Säulen angrenzenden, aber auch vereinzelt in den äusseren
Schichten, endlich die Bestandtheile der von aussen eindringenden, grauen
oder gelatinösen Rinden schichte.
Die Mächtigkeit dieser Rindenschichte, die die weissen Stränge beklei- Einden-
det, sowie die Bestandtheile derselben sind veränderlich. Mitunter reicht sie ^'^ ^'^^*^'
gerade hin , um die Lücken zwischen der oberflächlichsten Nervenfaserlage
auszugleichen und eine ebene Oberfläche herzustellen; meistens überzieht
sie die weisse Substanz in einer Stärke von 0,025 bis 0,05 Mm. und in ein-
zelnen Fällen bildet sie, mehr als 0,1 Mm. mächtig, die Kante eines von
zwei unter spitzen Winkeln zusammenstossenden Furchen begrenzten Stran-
ges (Fig. 29 a. f. S.). Die graue Rinden schichte beschränkt sich aber nicht
auf die äussere Oberfläche des Rückenmarks ; sie zieht sich mit den binde-
gewebigen Scheidewänden der beiden Rückenmarkshälften in die Median-
furchen hinein, grenzt in geringerer Mächtigkeit die Nervenfaserbündel gegen
die Biudegewebssepta ab, welche von der Gefässhaut aus in die. weisse Sub-
stanz eindringen und bildet für sich allein Fortsätze dieser Sej^ta, um die
durch sie geschiedenen Abtheilungen der Stränge noch weiter abzuth eilen.
Alles dies zeigt sich am deutlichsten an Querschnitten eines Rücken-
marks, welches man vor der Erhärtung kurze Zeit der Einwirkung des
kochenden Wassers ausgesetzt hat, wodurch das Bindegewebe gallertartig-
durchsichtig, die Rindenschichte dunkler und fester wird. Daraus ergiebt
sich zugleich ein Aufschluss über das Gewebe der Rindenschichte. Grund-
lage desselben ist die feinkörnige, sogenannte gelatinöse, vom Bindegewebe
durch ihr Verhalten gegen kochendes Wasser unterschiedene Substanz, die
auch den Centralcanal umgiebt und die grauen Hintersäiilen deckt, mit den
nämlichen unregelmässig eingestreuten Körnern ; doch wird diese Substanz
in ihren oberflächlichen Lagen iind zuweilen in ihrer ganzen Dicke durch-
zogen und selbst verdrängt von feinen, dicht verfilzten Bindegewebsfäden,
% 5*
68
Rückenmark.
welche mit dem lockigen Bindegewebe der Gefässhaut und ihrer Fortsätze
zusammenhängen. So weit die Rindensubstanz diese bindegewebige Invasion
Fiff. 29.
4 3
T50
l
Aus einem mit Kalilösung behandelten und in Wasser ausgewaschenen Querschnitt
des Rückenmarks. 1 Vorderes Septum der Gefässhaut. 2 Aeussere längsfaserige,
3 innere verfilzte Schichte der Gefässhaut. 4 Gelatinöse Rindenschichte.
Eindege-
webs-Septa.
erleidet, erhält sie mehr die Bedeutung einer Hülle des Rückenmarks als einer
nervösen Schichte, so weit auch wandeln sich die Körner derselben in strah-
lige, multipolare Bindegewebszellen um. Oft und zwar häufiger bei den
grossen Säugethieren, als bei den kleineren und dem Menschen, erstreckt sich
die Bindegewebsmetamorphose der Körner, wenn man es so nennen darf,
zwischen die einzelnen Nervenfasern imd werden diese, statt durch eine
formlose Grundsubstanz, durch feine Bindegewebsnetze mit meist quer ge-
streckten Maschen von einander geschieden.
Die bindegewebigen Septa, welche die weisse Substanz in Bündel oder
auf dem Qtierschnitt in Felder abtheilen , haben im Allgemeinen einen ra-
diären Verlauf zwischen der äusseren Oberfläche des Rückenmarks und der
Oberfläche der grauen Säulen. Enden einzelne, von der Peripherie ausgehende,
bevor sie die graue Substanz erreicht haben und umgekehrt, so beruht dies
darauf, dass die Gefässe und Nerven , welche in denselben enthalten sind,
noch innerhalb der weissen Substanz sich verästeln resp. umbiegen. Jedes
"dieser Septa durchzieht nur einen relativ geringen Bruchtheil der Länge
des Rückenmarks. Die stärkeren Septa (von 0,02 Mm.) senden feinere
(von 0,004 bis 0,007 Mm.) aus, durch welche sie unter einander zusammen-
hängen und den Querschnitt der weissen Substanz in länglich trajiezoide
oder rhombische Felder scheiden, von denen die grösseren beispielsweise
Rückenmark. 69
am Ceryicaltheil 0,09, die kleinsten 0,02 Quadratmillimeter FLächeninkalt
haben (Goll).
Der Bau der oberen Hälfte des Filum terminale bat nocb einige Aebn- Fiium ter-
licbkeit mit dem des eigentlichen Rückenmarks. Der Centralcanal, der ™^^^^'^-
sich, wie oben erwähnt, am unteren Ende des Conus medullaris in die hin-
tere Fissur öffnet, erscheint im Filum terminale aufs Neue geschlossen, um-
geben von gelatinöser Substanz , von longitudinalen Nervenfasern und ver-
einzelten kleinen Zellen, welche Stilling für Nervenzellen erklärt. Etwa
in der Mitte des Filum terminale endet der Canal blind und von da an
scheint die Gefässhaut nur noch den Blutgefässen und den etwa die Blut-
gefässe begleitenden Nervenfasern zur Hülle zu dienen.
Der Streit, ob das Filum terminale ein Nerve oder ein Fortsatz der Hüllen
des Rückenmarks sei , den die älteren Anatomen durch theoretische Erörterungen
zu entscheiden suchten (vgl. Burdach, Bau und Leben des Gehirns, I, 266), ist
auch auf dem Wege der Vergleichung der mikroskopischen Elemente noch nicht
zu schlichten gewesen. Zellen, wie Fasern, werden von der Einen Seite für binde-
gewebige, von der anderen für nervöse angesprochen. Am entschiedensten ver-
tritt Bidder (a. a. 0. S. 71) die erste, Stilling (a. a. 0. S. 1106) die zweite
Ansicht. Dass im oberen Theil des Filum terminale neben feinen Fasern von
zweifelhafter Natur deutlich dunkelrandige Nervenfasei-n vorkommen, bestätigen
Kölliker, Jucubo witsch (Mittheilungen über die feinere Structur des Gehirns
und Rückenmarks S. 8), Luschka (der Hirnanhang und die Steissdrüse des Men-
schen. Berlin 1860. S. 81). v. B och mann (ein Beitrag zur Histologie des Rücken-
marks. Dorpat 1860) hält die Substanz des Endfadens für eine Fortsetzung der
grauen Masse des Rückenmarks , bestehend aus Bindegewebe iind dessen Kernen,
aus kleinen Nervenzellen und aus fast nur longitudinal verlaufenden sehr feinen
Nervenfasern. Beim Ochsen und Pferde öffnet sich der Centralcanal des Rücken-
marks nicht in die hintere, sondern in die vordere Com.missur. Das Filum ter-
minale enthält , soweit es sich verfolgen lässt , einen centralen Canal und ächte
Nervenfasern und Zellen (Stilling).
An die gesonderte Beschreibung der grauen und weissen Substanz des Fasorver-
Rückenmarks sollte sich nunmehr eine Schilderung des Zusammenhangs '^^ '
ihrer Elemente und des Verlaufs der Fasern schliessen. Aber wer jener
Beschreibung gefolgt ist, weiss auch, dass wir es in diesem Punkte nicht
weiter als zu Vermuthungen bringen können. Das Resultat eines einfachen
physiologischen Experiments und einer geläufigen ärztlichen Erfahrung,
die absolute Lähmung der Empfindung und willkürlichen Bewegung (Para-
plegie), welche nach Quertheilung des Rückenmarks die Körpertheile trifft,
die ihre Nerven aus dem unteren Rückenmarksstumpf empfangen , drängt
zu der Annahme, dass die Nervenwurzeln nach dem Eintritt in das Rücken-
mark aufwärts umbiegen und zum Gehirn aufsteigen. Indem die Physiolo-
gie sodann in den vorderen Strängen ausschliesslich motorische, in den hin-
teren sensible Reaction zu erkennen glaubte ^), erwartete sie von der Ana-
tomie den Nachweis, dass die Fasern der Nervenwurzeln in den Strängen
aufsteigen, in die sie eingetreten sind. Dieser Forderung entsprachen die
Befunde der ersten mikroskopischen Untersuchungen. Sollte sie auch jetzt
^) van Deen, traites et decouvertes sur la physiologie de la moelle epiniere. Leyde
1841. Longet, anatomie et physiologie du Systeme nerveux de l'homme et des animaux
vertebres. Paris 1842. I, 273.
70 Rückenmark.
noch maassgebend sein, nachdem constatirt ist, dass, wenn nicht alle, so
doch die grosse Mehrzahl der Nervenwurzeln alsbald nach ihrem Eintritt
ins Rückenmark sich direct zur graiien Substanz begeben, so fiele der Ana-
tomie die Aufgabe zu, die Fasern durch die grauen Säulen bis zur Rück-
kehr in die weissen Stränge und zur endlichen Umbeugung in die aufstei-
gende Richtung zu verfolgen. Es ist leicht zu zeigen , dass sie im gegen-
wärtigen Augenblick ausser Stand ist, diese Aufgabe zu erfüllen. Denn so
weit man über das Verhalten der Nervenwurzelfasern in der grauen Sub-
stanz unterrichtet ist , sieht man sie in Nervenzellen eintreten ; da aber
jede Nervenzelle neben dem Einen unverästelten Nervenfortsatz nur ver-
ästelte (Protoplasma-) Fortsätze besitzt, deren Schicksal unbekannt ist, so
ist von vornherein darauf zu verzichten, dem Gang einer Nervenfaser über
die erste Zelle, die sie aufnimmt, hinaus nachzuspüren. Die einzige ana-
tomische Thatsache also, aus welcher gefolgert werden könnte, dass die
Längsfasern des Rückenmarks unmittelbare oder mittelbare (durch Nerven-
zellen unterbrochene) Fortsetzungen der Wurzelfasern seien, ist die Exi-
stenz der aus der grauen Substanz hervorgehenden und aufwärts umbie-
genden Fasern. Aber nur in den Seitensträngen gelang es mir, solche Fa-
sern nachzuweisen; zu ihnen gesellt sich vielleicht noch ein kleiner Theil
der Fasern, welche aus der grauen Vordersäule der Einen Seite durch die
weisse Commissur in den Vorderstrang der anderen Seite übertreten (S. 62).
Wenn die grauen Säulen für jede Faser, die sie aus den Wurzeln empfan-
gen oder auch nur für je zwei oder drei derselben je Eine verticale Faser an
die weissen Stränge zurückgäben, so müsste man erwarten, Umbeugungen,
wie wir sie in den Seitensträngen wahrnehmen, viel häufiger zu finden.
Vom anatomischen Standpunkte ist es aber auch unnöthig anzunehmen,
dass die einmal bis zur grauen Substanz vorgedrungenen Fasern wieder
zur weissen zurückkehren, da in der grauen Substanz selbst, besonders in
den Hintersäulen, verticale Faserzüge in ansehnlicher Zahl vorkommen.
Es lässt sich nicht einsehen, warum diese Fasern weniger als die Fasern
der weissen Stränge geeignet sein sollten, die Leitung zum Gehirn zu
übernehmen. Freilich ist es ebenso schwer, zu begreifen, was die ver-
ticalen Fasern der weissen Stränge bedeuten, wenn sie nicht Fortsetzungen
der Nervenwurzeln sind.
Ich bericMe hier in Kürze über die Versuche , welche , seit der Zusammen-
hang der peripherischen Nerven mit der grauen Substanz anerkannt ist, un-
ternommen wurden, um von anatomischer Seite den weiteren Verlauf der Wurzel-
fasern und die Bedeutung der verticalen Fasern der weissen Stränge festzustellen.
Ich abstrahire dabei von der bereits oben (S. 66) besprochenen Controverse über
die hinteren Wurzeln, ob nämlich ein Theil derselben direct zum Gehirn aufsteige ;
der dadurch gewonnene Aufschluss käme doch nur den Hintersträngen zu Gute.
Abgesehen von dieser Besonderheit bleiben immer noch drei principiell verschiedene
Meinungen einander gegenüberstehen, die Eine, welche jeden Zusammenhang der
Nervenfasern mit Nervenzellen läugnet , die andere, Avelche alle Wurzelfasern der
Spinalnerven in Nervenzellen des Eückenmarks enden lässt, und eine dritte, welche
neben den in Nervenzellen endenden Fasern auch solche annimmt, die die graue
Substanz durchsetzen. Die Darstellungen der ersten Kategorie haben nur geschicht-
liches Interesse. An der Spitze derjenigen , welche den Nervenzellen ihre vermit-
telnde Stellung zwischen den in die grauen Säulen eingetretenen Nervenwurzeln
und dem Gehirn anwiesen, steht E. Wagner (Neurolog. Unters. S. 165). Nach
Itückeumark. 7 1
seiner Angabe gehen von den Zellen der Hintersäuleu , in welche die sensibeln
Fasern sich einsenken , Fasern aus , welche theils zum Gehirn aufsteio-en , theils
hinter dem Centralcanal in Nervenzellen der anderen Seite übertreten; ein be-
trächtlicher Tlieil der Fasei-n der sensibeln Wurzeln soll die grossen Nervenzellen
der Vordersäulen erreichen, von welchen die motorischen Wurzeln ihren Ursprung
nehmen. Schröder v. d. Kolk fasst die Eesultate seiner anatomischen Unter-
suchungen in folgenden Sätzen zusammen : die Nervenzellen hängen durch mehr
oder minder verästelte Fortsätze unter sich zusammen und bilden mehr oder min-
der von einander geschiedene Gruppen. Die vorderen weissen Stränge bestehen
aus verticalen, vom Gehirn stammenden Fasern; von diesen gehen die der grauen
Vordersäule nächsten direct in Nervenzellen über , die weiter nach aussen gelege-
nen gelangen zwischen den Bündeln der tieferen Fasern zur grauen Vordersäule
und ziehen an deren Peripherie hin. Sie treten in oberflächliche Nervenzellen ein,
die mit tieferen und so zuletzt mit Gruppen zusammenhängen, welche die Axe
und den vorderen Theil der grauen Säule einnehmen und den transversalen motori-
schen Nervenwurzelfasern den Ursprung geben. Schröder v. d. Kolk 's Einthei-
lung der hinteren Wurzelfasern in sensible und Eeflexfasern Avurde schon oben
erAvähnt. Die sensibeln sollten aufwärts gehen, von den Eeflexfasern ein Theil
diirch die gelatinöse Substanz in die Nervenzellen der spongiösen Substanz der
Hintersäule eindringen; ein Theil scheine in die Eandfasern überzugehen, von
welchen die Hintersäule gürtelförmig umgeben ist. Diese Eandfasern krümmen
sich an der Basis der Hintersäule von beiden Seiten gegen deren Axe, um zu den
Zellen der spongiösen Substanz zu gelangen. Die Hintersäule besteht wesentlich
aus feinen verticalen Fasern; da sie in der Cervical- und LumbaranschweUung 5 bis
6 Mal dicker ist als im Dorsaltheil, so muss der grössere Theil der verticalen Fa-
sern in den Anschwellungen enden , in welchen die meisten Eeflexwirkungen com-
binirt werden ; ausserdem scheinen sie mehrere übereinanderliegende Zellengrup-
pen mit einander in Verbindung zu setzen. Die Fasern der grauen Commissur
gehen zum Theil in die nächsten, zum Theil in die tieferen Zellen der Hintersäule
über; einzelne gesellen sich zu den Eandfasern der Hintersäule. Die Fasern der
weissen Commissur wenden sich nach vorn und enden theilweise als Aiisstrahlun-
gen zwischen den verticalen Fasern des Vorderstrangs , theils gehen sie in die
Eandfasern desselben über. Demnach hängt weder die hintere noch die vordere
Commissur unmittelbar mit Nervenwurzeln zusammen, die vordere vielleicht mit-
telbar durch die Verbindungsfasern zwischen den Grujapen der Nervenzellen.
In einer Anmerkung zur deutschen Uebersetzung seines Werkes (Bau und
Functionen der MeduUa spinalis und oblongata. Braunschw. 1859. S. 55) giebt
Schröder v. d. Kolk zu, dass ihm, nach den Versuchen von Brown-Sequard,
die Deutung des Verlaufs der hinteren Wurzeln zweifelhaft geworden, dass viel-
leicht die Eeflexfasern gerade aufsteigen, die sensibeln zur grauen Säule vordrin-
gen. Bei dieser Annahme würden die sensibeln Nerven in die Nervenzellen der
Hintersäulen eintreten und von hier aus würden sich Pasern durch die graue
Commissur in die Hinterstränge der entgegengesetzten Seite begeben, um hier um-
zubiegen und als Träger der Gefühlseindrücke aufwärts zu verlaufen.
Schilling sah Nervenwurzelfasern in Zellen eintreten und Einmal eine aus
einer Zelle entspringende Faser in einem longitudinalen Bündel aufwärts gehen.
Auch von den Fasern der weissen Commissur glaubt er, dass sie aus Zellenfort-
sätzen hervorgehen ; sie dienen zur Verbizidung der Vordersäulen und setzen sich
weder in longitudinale noch in Wurzelfasern fort.
Mit Schröder v. d. Kolk stimmt Bidder darin überein, dass er die gegen-
seitigen Verbindungen der Nervenzellen für eine gesicherte Thatsache hält, und
obgleich es ihm nur bei Fischen gelang, die vorderen Nervenwurzelfasern bis zu
den Nervenzellen zu verfolgen, so ist ihm dies Verhältniss aus Gründen der Ana-
logie auch bei höheren Thieren nicht zweifelhaft. Den Zellen der Vordersäulen
schreibt er, ausser diesem Nervenfortsatz und den Fortsätzen, welche zur Verbin-
dung mit Nervenzellen derselben Säule dienen, eine dritte Art von Fortsätzen zu,
welche gegen die Commissur gerichtet sind und in verticale Fasern des Vorderstrangs
überzugehen scheinen, und eine vierte Art, einen nach hinten gerichteten Fort-
72 « Rückenmark.
satz, der tief in die Hintersäule verfolgt werden konnte und vielleicht die Zellen
der Vordersäule mit hinteren Wurzelfasern verbindet. Die Längsfasern des Eücken-
inarks, und zwar sowohl die der Vorder- als der Hinter stränge, erklärt Bidder
für ein intermediäres System zwischen den Zellen der Vordersäulen und dem Ge-
hirn. Die Längsbündel in den grauen Hintersäiilen betrachtet er allerdings als
Fortsetzungen hinterer Wurzelfasern, die aber nicht zum Gehirn vordringen, son-
dern nach kurzer Strecke sich vorwärts zu den Nei'venzellen der Vordersäule be-
geben. Die Nervenzellen der Hintersäule erkannte Bidder nicht als solche an.
Eine ausführliche Schilderung giebt Clarke (Philos. transact. 1853, p. 347.
Beale's Archives of medecine. Nr. 3, p. 200) von dem Verhalten der Nerven-
wurzeln im Rückenmark der Katze: danach lösen die voi'deren Wurzeln sich in
den orauen Vordersäulen in feinere Bündel und selbst in vereinzelte Fasern auf,
die einander durchkreuzen, in die Seiten - und Vorderstränge ausstrahlen und in
den letzteren mit den Fasern der entgegengesetzten Seite sich verflechten. Einige
biegen auf- oder abwärts um, nur wenige erreichen die Zellen, indess andere
zwischen denselben in die graue Commissur übergehen. Die Bündel der hinteren
Wurzeln sind von dreierlei Art, ausgezeichnet theils durch den Verlauf, theils
durch die Stärke der Fasern. Die Einen, die unterhalb der Cervicalanschwellung
nicht mehr deutlich unterschieden werden , ziehen compact horizontal durch die
verticalen Fasern des Hinterstrangs bis tief in die graue Substanz , biegen dann
unter rechtem Winkel abwärts um und senden in kurzen Abständen Fasern vor-
wärts in die grauen Vordersäulen. In ihrem verticalen Verlauf nehmen sie Fa-
sern von oben und unten her auf, mit welchen sie einen continuirlichen Streifen
bilden. Die Fasern, die von diesem Streifen abgehen, scheinen theilweise in der
grauen Substanz Schlingen zu bilden , theilweise erstrecken sie sich in die Seiten-
und Vorderstränge und indem sie hier auf- oder abwärts umbiegen, kehren sie
entweder in die graue Substanz zurück oder veiiieren sich in der weissen. Die
Bündel der zweiten Art gehen quer und mit einander verflochten bis fast zur me-
dianen Furche; sie setzen sich in die Commissuren fort oder hängen mit den Zel-
len der Columnae vesiculares zusammen, oder kehren zu den Seiten - und Hintei'-
strängen zurück, oder endlich sie bilden Geflechte zwischen den ZeUea der grauen
Vordersäulen. Die Bündel der dritten Art begeben sich ebenfalls in querer Rich-
tung in die weissen Stränge ; einige Fasern derselben halten sich dicht unter der
Oberfläche und treten mit nächst höheren oder tieferen Wurzeln wieder aus ; die
übrigen gehen meist schräg aufwärts , nur wenige abwärts ; es sind die Fasern,
von welchen es unentschieden, blieb , ob sie die graue Substanz ei-reichen oder in
der weissen zum Gehirn gehen. Auch im letzteren Fall wäre, wie Clarke meint,
ihre Zahl zu gering, um als Leiter der sensibeln Eindrücke zu gelten. Eher
möchten sie , da die hinteren Stränge schliesslich in das Kleinhirn übergehen , das
als Regulator der Bewegungen betrachtet wird, zur Controle und Coordination
complexer Muskelbewegungen bestimmt sein.
Das Resultat, welches Stilling am Schlüsse seines umfassenden Werkes
(S. 1120) aus seinen Beobachtungen zieht, gebe ich mit seinen eigenen Worten
wieder :
Jede Seitenhälfte des Rückenmarks wird der Hauptsache nach gebildet a) von
zwei, mit seiner Längsaxe mehr oder minder parallel liegenden Säulen kleiner
und grosser Nervenzellen ; b) aus Nervenfasern , die in verschiedenen Richtungen
verlaufen und einen verschiedenen ürsprungsort haben und zwar l) vom Gehirn,
im Rückenmark endend; 2) von Spinalganglien, entweder im Rückenmark endend
oder nur durch dasselbe hindurch - und als Theile vorderer Nervenwurzeln aus-
tretend; 3) von Nex'venzellen, Fasern, welche entweder als Theile vorderer Neiwen-
wurzeln austreten oder als Commissurenfasern im Rückenmark bleiben.
Die Nervenzellen zerfallen für jedes Gebiet des Rückenmarks, aas welchem
eine Spinalwurzel entsj)ringt, in Kategorien, die sich durch Richtung und Verlauf
der von ihnen ausgehenden Fasern unterscheiden. Diese Kategorien sind
a) für die vordere Nervenzellensäule folgende :
1. Die Fasern gehen in horizontaler oder fast horizontaler Richtung in die
vorderen Nerveuwurzeln über. Die Zellen bilden also gleichsam die spinalen Ur-
Rückenmark. 73
Sprungsstellen füi- die vorderen Nervenwurzeln, analog den Nervenzellen der Spinal-
ganglien, die als Ursprungs statten der hinteren Wurzeln betrachtet werden
müssen.
2. Die Ausläufer ziehen schräg abwärts, in kürzerer oder längerer Strecke,
durch die grauen und weissen Vorderstränge , iim in eine vordere "Wurzel des
nächsten oder eines entfernteren Spinalnerven überzugehen.
3. Die Ausläufer ziehen schräg aufwärts, ebenfalls zu einer nähei-en oder
ferneren Nervenwurzel.
4. Sie gehen in unregelmässigem Lauf durch die vordere oder hintere Com-
missur und setzen sich mit Nervenzellen und dadurch mit Fasern der nämlichen
Horizontalebene oder verschiedener höher oder tiefer gelegenen Ebenen derselben
oder der entgegengesetzten Seitenhälfte des Rückenmarks in Verbindung.
5. Die Fasern treten in verschiedenen Eichtungen in die weissen Vorder-
oder Seitenstränge ein, nehmen, hier angelangt, die der Längsaxe des Eücken-
marks parallele Richtung an und laufen continuirlich aufwärts bis zum Gehirn.
Sie bilden die Hauptmasse der Längsfasern der weissen Vorderstränge und des vor-
deren Theils der Aveissen Seitenstränge , das intermediäre Fasersystem zwischen
vorderen Wurzeln und Gehirn. Zugleich aber, während sie von ihren Zellen aus
zuerst schräg aufsteigen, stellen sie die schrägen Fasern der Vorder- xmä. Seiten-
stränge dar.
6. Horizontale oder der horizontalen E,ichtung mehr oder weniger genäherte
Fasern verlaufen gerade nach hinten, treten durch die grauen Hinterhörner und
die weissen Hinterstränge quer oder schräg hindurch, und kommen hier theils
direct , theils durch Vermittelung von Nervenzellen mit Fasern hinterer Wurzeln
in Verbindung.
7. Die Fasern verlaufen gerade oder geschlängelt in den grauen Vorderhör-
nern abwärts und setzen die Nervenzellen mit denen der näheren oder ferneren,
tiefer gelegenen Gebiete in Verbindung. Sie bilden, mit den folgenden, den we-
sentlichen Theil der den grauen Vorderhörneru eigenthümlichen Nervenfasern.
8. Die von dieser Kategorie ausgesandten Fasern laufen gerade oder geschlän-
gelt in den vorderen Hörnern aufwärts und setzen sich mit Nervenzellen höherer
Eückenmarksgebiete in Verbindung.
b. Die hintere Nervenzellensäule. Die Nervenzellen dieser Säule zer-
fallen nach dem Lauf der von ihnen ausgehenden Fasern in folgende Kategorien :
1. Die Fasern verlaufen horizontal gerade nach hinten, treten durch die grauen
Hinterhörner in die Aveissen Hinterstränge und durch diese und die hinteren Schich-
ten der Seitenstränge als Primitivfasern einer hinteren Wurzel in eine entspre-
chende Spinalgangiienzelle.
2. Die Fasern durchlaufen in verschiedenen Eichtungen die grauen Hinter-
hörner, treten dann, wie die der vorhergehenden Kategorie, in weisse Hinter-
stränge ein und verlaufen in kürzeren oder längeren Strecken aufwärts zu den
Wurzeln höherer Nerven.
3. Die Fasern verhalten sich ebenso zu weiter abwärts austretenden Wurzeln.
4. Die Fasern, nachdem sie in verschiedenen Eichtungen die grauen Hinter-
stränge durchsetzt, biegen in den weissen Hintersträngen oder dena hinteren Theil
der Seitenstränge aufwärts um und erstrecken sich continuirlich zum Gehirn.
Sie bilden die Hauptmasse der longitudinalen Fasern der hinteren Rückenmarks-
hälfte.
5. Die Fasern dienen zur Verbindung der Nervenzellen des nämlichen, des
höheren und tieferen Gebiets der hinteren Säule , sowie der gleichen Gebiete der
vorderen Säule der entsprechenden oder entgegengesetzten Eückenmarkshälfte.
Diese Fasern bilden den Haupttheil der den grauen Hinterhörnern eigenthümlichen
Nervenprimitivfasern, soAvie einen Theil der Commissurenfasern.
Alle diese Nervenzellenkategorien der vorderen und hinteren Säulen sind aber
nicht so zu betrachten, als Aväre jede Nervenzelle der einen Kategorie nur aus-
schliesslich zur Abgabe der speciellen Fasern bestimmt; vielmehr kann jede Ner-
venzelle mehreren in verschiedenen Eichtungen verlaufenden Fasern den Ursprung
geben oder mehrere, von verschiedenen Seiten kommende in sich aufnehmen. Die
74 Rückenmark.
Ausläufer der kleinsten Nervenzellen der gelatinösen Substanz, die nicht als voll-
ständige Nervenprimitivfasern angesprochen vi^erden können, kommen bei dieser
Aufzählung nicht in Betracht.
Die Nervenprimitivfasern des Rückenmarks unterscheidet Stilling je nach
ihrer Ausbreitung in Localfasern, die nur je Einem Nervengebiete angehören;
Provinzialfasern, welche in die Gebiete der 2 bis 5 nächst höheren oder nie-
deren Nerven sich erstrecken und Universal- oder Cerebralfasern, welche
von dem betreffenden Gebiet continuirlich bis zum Gehirn aufsteigen.
Dean (Microscopic anatomy of the lumbar enlargement of the spinal cord.
Cambridge 1861) unterscheidet in den Nervenwurzeln dreierlei Nervenfasern :
]) Vordere und hintere Wurzelfasern, welche in Nervenzellen der vorderen und
hinteren grauen Säulen enden (oder beginnen) ; 2) vordere und hintere Wurzel-
fasern, die einander in Zellen innerhalb des centralen Theüs der grauen Substanz
begegnen; 3) vordere und hintere, direct in einander übergehende Wurzelfasern.
Durch schleifenförmige Fasern, welche von Zellen ausgehen, in denen die Fasern
der vorderen Wurzeln enden , hängen die Fasern jeder Wurzel mit denen höher
und tiefer entspringender Wurzeln zusammen, dergestalt, dass die aus jenen Zellen
hervorgehenden Fasern die graue Substanz verlassen , in den vorderen weissen
Strängen auf- oder abwärts verlaufen und schliesslich mit einem Bündel einer an-
deren Wurzel wieder zur grauen Substanz zurückkehren. Demnach reichen auch
nicht alle , von Nervenzellen aufwärts verlaufende Fasern bis zum Gehirn, sondern
viele derselben treten nach kürzeren oder längeren Strecken aufs Neue in die
graue Substanz ein, vielleicht iim sich abermals mit Zellen zu verbinden und aber-
mals aus denselben als longitudinale Fasern hervorzugehen. Die Fortsätze sowohl
vorderer als hinterer Nervenzellen verfolgte Dean mitunter in drei oder vier ver-
schiedene Wurzeln; ebenso sah er die Aeste eines Zellenfortsatzes in verschie-
dene Bündel übergehen und erklärt so , wie sensitive Eindrücke von verschiedenen
Stellen der Oberfläche zu Einer Zelle geleitet werden und motorische Impulse zu
verschiedenen Punkten von Einer Zelle ausgehen können. Von den Fasern der
durch die Substantia gelatinosa in die Hintersäule eingedrungenen Bündel beugen
viele sich abAvärts , seltener aufwärts, und bilden so eine Reihe von Längsbündeln,
die longitudinalen Säulen der Hinterhörn er Dean 's, die mit den Zellenfortsätzen
der Columna vesicularis post. zusammenhängen. Die weissen Hinterstränge findet
Dean fast ausschliesslich aus Fasern der hinteren Wurzeln zusammengesetzt,
welche durch dieselben hindurch zur grauen Substanz sich begeben ; doch schei-
nen sie auch einige Fasern aus Zellen, die am Bande der hinteren Hörner liegen
und einige mehr oder weniger longitudinale Fasern aus Bündeln zu erhalten,
welche durch die graue Substanz von Einer Wurzel zu einer anderen , höheren
oder tieferen, schleifenförmig verlaufen.
In den wenigen Fällen, wo Bochmann die weitere Verfolgung der pinsel-
förmig ausstrahlenden motorischen Wurzeln gelang, zogen sie zwischen den Zellen
hindurch und theilten sich dann in feinere Bündel, von welchen einige die Rich-
tung gegen die vordere Commissur, andere die gegen die Hintersäule einschlugen,
in deren Längsfasern sie überzugehen schienen , wieder andere an der vorderen
und lateralen Grenze dieser Säule verliefen, um, wie es schien, in die Seitenstränge
auszustrahlen.
Ohne uns einen Einblick in die von ihm beniitzten Methoden zu gönnen, giebt
L u y s als Resultat seiner Untersuchung des Rückenmarks folgende Uebersicht :
Die Fasern der Nervenwurzeln steigen zum Theil direct zum Gehirn auf (fibres
ganglio -v^rtebrales der hinteren Wurzel, welche die Seitenstränge bilden), zum
Theil treten sie zur Axe des Rückenmarks , die hinteren (fibres ganglio-spinales)
insbesondere zur gelatinösen Substanz , welche in allen Theilen der Centralorgane
zur Aufnahme der centripetalen Fasern bestimmt ist. Von den Zellengruppen der '
gelatinösen Substanz, welche in sagittaler Richtung geschieden, in verticaler und
transversaler durch Plexus verbunden sind, strahlen zur Vermittelung der Reflex-
bewegungen Fortsetzungen in die Zellen der Vordersäulen aus. Andere , aus der
gelatinösen Substanz entspringende und aufwärts verlaufende Fasern setzen die
Hinterstränge zusammen. Mit den hinteren Wurzeln gelangen auch die sympathi-
Rückenmark. 75
sehen Pasern zum E,ückenmai-k ; sie treten in die centrale gelatinöse Substanz ein,
welche durch Eückenmark und G-ehirn bis zum Septum lucidum ein zusammen-
hängendes Ganze ausmacht. Die Fasern der Vorderstränge sind, wie die der vor-
deren Wurzeln, Ausläufer der grossen Nervenzellen der Vordersäulen.
Nach der von Kölliker in der neuesten Auflage seines Handbuchs gegebenen
Darstellung wenden sich die Pasern der motorischen Wurzeln in den grauen Vor-
dersäulen , pinselförmig sich ausbreitend, vorzugsweise nach drei Richtungen : die
medialen Bündel gehen zu der inneren Grruppe der grossen multipolaren Nerven-
zellen und zum Theil durch dieselbe und durch die weisse Commissur in den Vor-
derstrang der anderen Seite, in welchem sie als verticale Fasern aufwärts verlau-
fen. Ein zweiter Theil der motorischen Wurzeln hängt mit der vorderen Hälfte
der Seitenstränge ihrer Seite zusammen, während ein dritter Theil gegen die Hin-
tersäulen zieht und entweder mit den lateralen Nervenzellen der Vordersäulen
sich verbindet oder in dem dichten Flechtwerk der letzteren sich verliert. Von
den hinteren Wurzelfasern verfolgte Kölliker die miedialen durch die weissen
Stränge und die Substantia gelatinosa zu den Vordersäulen, von wo sie theils in
die weisse Conunissur, theils in die laterale Nervenzelleugruppe und weiter in die
vordere Eegion der Seitenstränge übergingen. Die lateralen hinteren Wurzelfasern
wenden sich nach dem Durchtritt durch die gelatinöse Substanz des Hinterhorns
in der spongiösen Substanz desselben nach zwei Seiten. Die Einen ziehen als lon-
gitudinale Bündel der Hintersäulen auf- oder abwärts, schliessen sich theilweise
an die Hinterstränge an, theihveise biegen sie wieder um in die horizontale Pach-
tung, um die Vordersäulen und die Commissuren zu erreichen. Die anderen strah-
len gerade vorwärts in die Hintersäulen aus und gehen in dem GeAvirr der Fasern
der spongiösen Substanz unter, doch nicht so vollständig, dass nicht einzelne in
die graue Vordersäule und bis zur Vereinigung mit den von vorderen Wurzeln
gegen die Hintersäulen gerichteten Pasern zu verfolgen wären, ohne dass jedoch
ein unmittelbarer Zusammenhang einzelner Pasern beider Wurzeln mit der nöthi-
gen Bestimmtheit sich beobachten liesse. Am Dorsalmark geht die mediale Fa-
sermasse der hinteren Wurzeln in die Columnae vesiculares ein und löst sich in-
nerhalb derselben in feinste Bündel und einzelne Fasern auf; andererseits tritt
aus diesen Säulen nach vorn ein Paserzug aus , der sich lateralwärts wendet, pin-
selförmig zerfährt und mit dem mittleren Theil der Seitenstränge sich verliert.
Beiderlei Fasern scheinen durch die Zellen ^ der Columnae vesiculares zusammen-
zuhängen. Die Hypothese über den Zusammenhang der Pasern innerhalb des
Eückenmarks und mit dem Gehirn, welche Kölliker auf diese anatomischen An-
gaben gründet, findet man in dessen Handbuch S. 280.
Frommann bestätigt die von Kölliker angegebenen drei Hauptrichtungen
der vorderen Wurzelfasern, konnte auch in der Hintersäule Commissurenfasern
bis zum Uebertritt in ein Bündel der hinteren Wurzeln verfolgen, war aber aus-
ser Stande, den Eintritt von Fasern der hinteren Wurzeln in die Vordersäule oder
in die Seitenstränge nachzuweisen. Dagegen schienen ihm an der medialen Seite
der Hintersäule Pasern, die von ihm sogenannten Strahlenbündel, aus der Hinter-
säule auszutreten und in die Längsrichtung umzubiegen.
Einen Uebergang motorischer Bahnen in Hinterstränge vermochte auch Dei-
ters (a. a. 0. S. 133) nicht zu constatiren, ebenso wenig wie irgend eine andere
der bisher als anatomische Grundlage für Reflexbewegungen angenommenen Zellen-
verbindungen. Für den Zusammenhang der Wurzel- und verticalen Pasern stellt
er mit Rücksicht auf die Deutung, die er den beiderlei Arten von Nervenzellen-
fortsätzen giebt, drei Möglichkeiten auf: entweder alle Axencylinderfortsäte treten
in die Wurzelfasern und das Pasersystem der Protoplasmafortsätze verbindet oder
verbreitert sich zu Axencylindern der verticalen Pasern; oder die Axencylinder-
fortsätze gehen von verschiedenen Nervenzellen nach zwei Seiten und die Proto-
plasmafortsätze vermitteln die Verbindung dieser Nervenzellen; oder es giebt Ner-
venzellen, welche ihren Axencylinderfortsatz in die Wurzeln, ihre Protoplasmafortsätze
in die Stränge schicken und umgekehrt. Deiters hält den ersten Fall für den
wahrscheinlichsten ; er beruft sich auf die directe Beobachtung und darauf , dass
man nach den Aveissen, besonders den Seitensträngen Pasermassen ziehen sehe,
76 Rückenmark.
welche an Ausdelmiiug dem Axencylinderfortsatz nicht entsprechen und dem Sy-
stem der Protoplasniafortsätze angehören dürften.
Ger lach ist in Betreff der vorderen Wurzelfasern der gleichen Ansicht, dass
sie nämlich direct in die Axencylinderfortsätze der Nervenzellen der Vordersäule
einmünden ; für die hinteren Nervenwurzeln dagegen glaubt er den Zusammen-
hang mit den Protoplasmafortsätzen der Nervenzellen der Hintersäule durch Ver-
mittelung eines feinen Pasernetzes nachgewiesen zu haben. Aus demselben Netz
gehen, G-erlach zufolge, auch Nervenfasern der weissen Stränge hervor; in die
zwischen den Vorder- und Hintersäulen gelegene Region desselben tritt ein Theil
der transversalen Fasern der grauen Commissur ein, während ein anderer Theil
derselben sich an die Hinterstränge anlegt. Die weisse Commissur betrachtet
Grerlach als Kreuzung der Vorderstränge, sie sei, da die Kreuzung längs des
ganzen Rückenmarks vor sich gehe , nur schmal, im Verhältniss zu der auf eine
kurze Strecke zusammengedrängten Kreuzung der Seitenstränge in den Pyra-
miden.
i*hysioiog. Wenden wir uns in dem besagten Dilemma an die Physiologie, so zeigt
siiciumcr. sicli , dass allerdings die Sätze , welche jene anatomische Hypothese ins Le-
ben riefen, einen Theil ihrer Geltung verloren haben. Ich habe erwähnt,
dass die Fähigkeit der verticalen Fasern der Rückenmarksstränge , auf Rei-
zung Bewegung oder Empfindung hervorzurufen , zweifelhaft geworden ist.
Damit hört die Physiologie auf, diese Fasern als unmittelbare Fortsetzun-
gen der peripherischen Nervenfasern zu betrachten. Bliebe die Annahme,
dass sie als mittelbare Fortsetzungen der peripherischen Fasern, ohne de-
ren specifische Kräfte , die Leitung zwischen den Nervenzellen, in welchen
die peripherischen Fasern enden, und dem Gehirn vermittelten. Dann dürfte
zwar die Reizung der verticalen Rückenmarksfasern erfolglos bleiben, die
Durchschneidung derselben aber müsste die Wechselwirkung zwischen
den perijaherischen Theilen und dem Gehirn vernichten, wenn auch jede
einzelne Faser eine Strecke weit, so weit nämlich als sie und die ihr ent-
sprechende Leitungsfaser innerhalb ^.der grauen Säule verläuft, vor den die
weisse Substanz treffenden Verletzungen geborgen wären. Die Versuche
Brown-Sequard's^) und Schiffs^) sind dieser Voraussetzung nicht
günstig. Die Durchschneidung der Vorderstränge hob die Beweglichkeit
der hinteren Extremitäten nicht auf. Die Durchschneidung der hinteren
Stränge, weit entfernt, die Sensibilität der von dem unteren Abschnitt ver-
sorgten Körpertheile zu beseitigen, zog vielmehr eine erhöhte Empfindlich-
keit derselben nach sich. Ueber den Erfolg der Durchschneidung des
Rückenmarks mit Ausschluss der hinteren Stränge kamen beide Experimen-
tatoren zu widersprechenden Resultaten. Nach Brown-Sequard sind die
hinteren Stränge allein, wenn das Rückenmark mit Schonung derselben
durchschnitten worden, nicht im Stande, die Erregungen der unterhalb der
Durchschnittsstelle eintretenden Tastnerven zum Bewusstsein zu bringen.
Schiff zieht aus seinen Beobachtungen den Schluss, dass ein Leitungsver-
mögen für die Eindrücke des sogenannten Gemeingefühls, d. h. für den
Schmerz , welcher stärkeren Einwirkungen folgt , allerdings nur der grauen
Substanz zukomme , die weisse dagegen die Leitungsapparate für die eigent-
lichen Tastempfindungen enthalte. So seien die Thiere, deren Rückenmark
^) Gaz. medicale 1855. Nr. 36. 37. 1856. Nr. 16. 17. 2) Lehrbuch der Physiologie.
J, 237 ff.
Rückenmark. 77
bis auf die weissen Hinterstränge durchsclinitten, nnr für schmerzliafte Ein-
• drücke, niclit für Berührungen (und Kitzeln) unempfindlicli. Aus Brown-
Sequard's Experimenten würde sicli ergeben, dass die Fortsetzungen
der hinteren Wurzelfasern sämmtlich in den grauen Säulen zum Gehirn
aufsteigen; Schiff schliesst aus seinen Erfahrungen, dass ein Theil dersel-
ben , der die Fortpflanzung der adäquaten Reize vermittelt , in die hinteren
weissen Stränge einlenke, und lässt es dahin gestellt, ob sie direct oder nach
einem Umweg durch die grauen "Säulen dahin gelangen. Dass ein Theil
der Fasern, bevor er die Richtung nach oben, sei es in die weisse oder
graue Substanz, einschlägt, erst eine Strecke weit abwärts verlaufe, darin
stimmen die Versuche beider Forscher unter sich wie mit dem Resultat der
anatomischen Untersuchung überein: nach der Durchschneidung der hinte-
ren Stränge zeigte sich die Schnittfläche des unteren, nicht die des oberen
Stumpfes empfindlich.
Was die erhöhte Reizbarkeit der unterhalb des Schnittes eintretenden
Nerven betrifit., so dürfen wir, da sie keine Beziehung zu den Bahnen der
Nerven hat, die Erklärung derselben der Physiologie anheimgeben. Die
Darstellung aber, welche Schiff von der Leitung im Rückenmark giebt,
schliesst mit der physiologischen zugleich eine anatomische Hypothese ein,
dass nämlich Tast - und Schmerzgefühl specifisch verschieden , und dass in
den sensibeln Nerven zwei Arten Fasern für diese beiden Arten Sensationen
enthalten seien. Danilewsky^) bestätigt die ausschliessliche Leitung der
tactilen Erregungen durch die Hinterstränge. Paschutin's Versuche -),
welche zu zeigen bestimmt sind, dass man durch Schnitte in verschiedenen
Höhen des Rückenmarks die Leitung der Reflexe bald für tactile, bald für
chemische Reizung der Haut unterbrechen könne, beziehen sich nur auf den
Frosch und geben über die Leitungsbahnen der Reizung keine Auskunft.
Brown-Sequard '^) vermöchte bei Wiederholung der Experimente nicht,
den von Schiff hervorgehobenen Unterschied zwischen Tast- und Schmerz-
empfindlichkeit zu constatiren. Auch Sanders *) und Vulpian ^) treten
der Auffassung Schiffs entgegen. Sanders fand, dass die operirten
Thiere , je nach dem allgemeinen Körperzustande, zuerst nur auf schwache,
später nur auf starke (an dem gelähmten Körpertheil angebrachte) Ein-
drücke reagirten, und schliesst danach, dass die Reaction auf Momenten be-
ruhen müsse, die von dem normalen Leitungsvermögen der Hinterstränge
ganz unabhängig sind. Im Uebrigen stimmen auch Sanders' Beobachtun-
gen zu der Annahme, dass die den Wurzeln entsprechenden Fasern zum
Theil durch die weisse, zum Theil durch die graue Substanz aufwärts ver-
laxifen. In den weissen Hintersträngen sind sie erst eine Strecke weit ober-
halb der Eintrittsstelle der Wurzelfasern in das Rückenmark enthalten.
Ich citire folgenden entscheidenden Versuch '') : Einem Kaninchen wurde
in der Höhe des vierten Brustwirbels das Mark vollständig mit alleiniger
Schonung der Hinterstränge durchschnitten; darauf wurden in der Höhe
des zwölften Brustwirbels die Hinterstränge oder auch die ganze hintere
') Meissner's Jahresbericht 1866. S. 407. 2) Zeitschr. für ration. Med. 3. R. XXVIII,
125. 3) Meissner's Jahresbericht 1859. S. 512. ^) Ebendas. 1865. S. 435. ^) Eben-
das. 1866. S. 406. 6) Ebendas. 1865. S 436.
78 Rückenmark.
Rückenmarkshälfte durclischiiitten. In diesem Zustande hatte die Reizung
aller hinter dem letzteren Schnitt gelegenen Körpertheile , die Aftergegend,
ausgenommen, Reactionen zur Folge. War der Hinterstrang im neunten
Brustwirbel durchschnitten , so war der linke Fuss für schwache Eindrücke
unempfindlich imd es bedurfte stärkerer Reize, um Reactionen hervorzu-
rufen. Nach Durchschneidung im siebenten Brustwirbel zeigte sich diese
Art der Unempfindlichkeit in. den unteren Zweidrittel des Beins, nach
Durchschneidung zwischen dem vierten und fünften Brustwirbel zeigte sie
sich im ganzen Bein und sie erstreckte sich bis an die untersten Rippen,
wenn der Hiuterstrang des unteren Halsmarks durchschnitten war. Dass
aber die Wurzelfasern auch innerhalb der grauen Säulen sich fortsetzen,
wird dadurch bezeugt, dass Durchschneidung der weissen Stränge, wenn
nur die graue Substanz unversehrt bleibt , keinen der unterhalb des Schnit-
tes gelegenen Theile seines Empfindungsvermögens beraubt. Sanders hält
es für wahrscheinlich, dass die Leitung der Norm gemäss auf die Längs-
fasern der Hinterstränge angewiesen sei, in welchen sie isolirt bleibe, und
dass nur unter ungewöhnlichen Verhältnissen eine Nebenleitung durch die
graiie Substanz sich herstelle, die sich nicht auf bestimmte Bahnen beschränke.
Der Axencylinderfortsatz der Nervenzelle stellt nach Sanders das Ende der
peripherischen, für mechanische, chemische und andere Reize empfänglichen
Faser dar ; die verästelten Fortsätze sollen sowohl den directen Zusammenhang
mit dem Sensorium durctf die weissen Hinterstränge als auch die mannich-
faltigen indirecten Leitungen durch die graue Substanz vermitteln. Diese
Hypothese harmonirt mit den anatomischen Thatsachen, soweit sie sich auf
den Lauf der Nervenwurzeln beziehen ; sie steht aber einstweilen mit den-
selben in Widerspruch , insofern sie den Uebergang eines der verästelten
Fortsätze in eine markhaltige, verticale Rückenmarksfaser postulirt.
Schiff und Sanders sind der Meinung, dass die durch die Hinter-
stränge aufsteigenden Fortsetzungen der hinteren Wurzeln die Tastempfin-
dungen anregen, mit welchen die Anschauung der Räumlichkeit verbunden
sei und dass die Nebenleitungen durch die graue Substanz bei massiger
Reizung nicht intensiv genug seien, um die Localisirung des Eindrucks zu
stören. Heftigere Reize oder Hemmnisse der directen Leitung nähmen
dagegen die Nebenleitungen in Anspruch und erzeugten durch Fortpflan-
zung von Zelle zu Zelle die sympathischen Erregungen, Irradiation, Reflex-
bewegung u. s. f. Die Fortpflanzung könne gleichmässig nach allen Rich-
tungen erfolgen. Ich gedachte oben (S. 16) des Volkmann'schen Exjaeri-
ments, welches beweist, dass bei Fröschen, so lange beide Rückenmarks-
hälften irgendwo durch graue Substanz zusammenhängen, die Erregung
der sensiljeln Nerven Einer Seite Reflexbewegungen in der anderen hervor-
ruft. Hieran schliessen sich die Beobachtungen von Schiff und Sanders,
wonach bei Fröschen und Säugethieren eine kleine Brücke grauer Substanz
aus den Hinter- oder auch aus den Vordersäulen genügt, um sensible Ein-
drücke von allen dahinter gelegenen Punkten der Körperoberfläche zum
Bewiisstsein zu bringen ; nur geschieht dies um so langsamer und wird das
Gefühl um so stumpfer , je geringer der Rest grauer Substanz. Auch Be-
wegungsimpiilse werden nach Schiff zu den hinteren Extremitäten fort-
gepflanzt, wenn das Rückenmark bis auf eine beliebige Schichte grauer
Rückenmark, 79
Substanz quer durchschnitten ist. Damit ist die Möglichkeit aufgehoben,
der anatomischen Untersuchung der Wege , auf welchen die Erregung sich
mittheilt, durch das physiologische Experiment zu Hülfe zu kommen ^).
Dass die Mittheilung in bestimmten Bahnen erfolgt, dafür sprechen die von
Pfluger 2) zusammengestellten Beobachtungen, wonach tetanische Eeflex-
krämpfe , wenn sie halbseitig sind , immer an der Seite der Verletzung,
wenn beidseitig, zuerst und stärker an der verletzten Seite auftreten;
dafür spricht ferner die Erfahrung Schiffs ^), dass eine sehr schmale peri-
pherische Schichte der grauen Substanz jederseits Elemente führt, welche
ausschliesslich mit den sensibeln Nerven der anderen Seite in leitender Ver-
bindung zu stehen scheinen. Danach müssten die äussersten Nervenzellen
jeder Seitenhälfte mit den Nerven der entgegengesetzten Seite indirect, mit
den Nerven ihrer Seite gar nicht zusammenhängen. Schiff erklärt dies
so, dass die Nervenzellen mit ihren Ausläufern in jedem Querschnitt der
grauen Substanz zwei Netze von gleichem Umfang, eines für jede Körper-
hälfte, darstellen, die so über einander verschoben wären, dass jedes das an-
dere an Einer Seite etwas überragte.
Die gekreuzte Wirkung der Kopfverletzungen fand schon längst in der
Kreuzung der Pyramidenfasern der Medulla oblongata ihre Erklärung.
Nachdem aber die Untersuchung des Rückenmarks innerhalb der Commis-
suren Kreuzungen der Fasern beider Rückenmarkshälften, namentlich in
der vorderen Commissur eine Kreuzung der aus der medialen Fläche der
Vordersäulen austretenden Fasern kennen gelehrt hatte, lag die Vermuthung
nahe , dass der Uebergang der Fasern von Einer Seitenhälfte der Central-
organe zur anderen schon im Rückenmark ihren Anfang nehme und Bro wn-
Sequard's Versiiche begünstigten diese Vermuthung, da denselben zufolge
die Hyperästhesie, welche auf Durchschneidung der Hinterstränge eintritt,
sich nach Durchschneidung Eines Hinterstrangs an der Extremität der un-
verletzten Seite bemerklich machte. Durch Schiff, v. Bezold*), v. Kem-
pen 5), Setschenow f') und Sanders wurden Brown-Sequard's Angaben
widerlegt; sie fanden bei Wirbelthieren aller Classen, wie früher Volkmann
beim Frosch, dass die Durchschneidung einer Rückenmarkshälfte ihre Wir-
kungen an der verletzten Seite äussert und dass Spaltung des Rückenmarks
in der Medianebene die Leitung in keiner der beiden Seitenhälften beein-
trächtigt. Die Bedeutung der Faserkreuzung im Rückenmark bleibt somit
ein ungelöstes Räthsel. Dass die einander kreuzenden Fasern aus "Nerven-
zellen stammen , wird um so unwahrscheinlicher , je begründeter die An-
nahme, dass der Axencylinderfortsatz der Nervenzellen eine Nervenwurzel-
faser repräsentirt.
Die Erfahrung, dass bei ausgebreiteten (tetanischen) Krämpfen die
Muskeln bald der Streck-, bald der Beugeseite vorzugsweise ergriffen sind,
1) Audi fällt damit die von Jacubo witsch und 0 w sj a nni ko w versuchte Schei-
dung der Nervenzellen nach ihrer Function in motorische und sensible ( J acubo wit sc h
und Owsj annikow, Medicin. Ztg. Russlands 1855. Nr. 48. Jacubo witsch, Mitthei-
lungen über die feinere Structur des Gehirns und Rückenmarks. Breslau 1856. Ows-
jannikow, Archiv für pathol. Anat. und Physiol. XV, 150). ^) Die sensorischen Functio-
nen des Rückenmarks. Berlin 1853. S. 68. ^) A. a. 0. S. 261. ^) Meissner's Jahres-
bericht 1858. S. 516. 5) Ebendas. 1859. S. 510. ^) Ebendas. 1865. S. 437.
80 Rückenmark.
legte die Frage nahe, ob nicht in irgend einem Theil der Centralorgane
und vielleicht schon im Rückenmark die Nerven einer jeden dieser Muskel-
gruppen sich zusammenfänden. Valentin i) schloss aus Versuchen an Frö-
schen und Kaninchen, dass die Nervenfasern der Streckmuskeln in die hin-
teren Stränge übergehen, die Nerven der Beugemuskeln in den vorderen
Strängen bleiben. Engelhardt^) glaubte die Gegensätze der Beugung und
Streckung aus einem Antagonismus der oberen und unteren Rückenmarks-
hälfte erklären zu können. Reizung des Rückenmarks des Frosches hatte
vom Gehirn abwärts bis zum vierten Wirbel Beugebewegungen, von da
an Streckbewegungen der Hinterbeine zur Folge. Wie Schiff den Versuch
auslegt, so sind die Bewegungen der Hinterextremitäten, die die Reizung
des oberen Theils des Rückenmarks begleiten, reflectirte, auf Abwehr des
Reizes gerichtete; motorische Nerven der Hinterextremitäten enthalte das
Rückenmark erst vom vierten Wirbel an abwärts und deren Reizung werde
in jedem Falle durch starke Streckbewegungen beantwortet.
Auf dem Wege des physiologischen Experiments, durch Temperatur-
messungen bei Thieren, deren Rückenmark halbseitig durchschnitten wor-
den, suchten Schiff und v. Bezold sich über den Verlauf der Gefässner-
ven im Rückenmark zu orientiren. Schiffs Versuche ergaben, dass die
Gefässnerven des Fusses und Unterschenkels im Rückenmark auf der Seite
verbleiben , auf welcher ihre peripherische Verbreitung stattfindet, die Ge-
fässnerven des Oberschenkels und Rumpfes dagegen in die andere Seiten-
hälfte gelangen. V. Bezold konnte den ersten dieser Sätze bestätigen, aber
seine Erfahrungen erlaubten nicht, auf eine Kreuzung der Gefässnerven
des Oberschenkels u. s. f. zu schliessen. So weit nicht reichlichere Muskel-
massen unter der Haut lagen, zeigten auch diese Tb eile die Temperatur-
erhöhung, die auf Lähmung der Gefässe deutet, an der Seite des Schnittes.
Die gegen die gesunde Seite verminderte Temperatur der fleischigen Re-
gionen des Oberschenkels und Rumpfes der dem Schnitt entsprechenden
Seite erklärt v. Bezold aus der Lähmung der willkürlichen Muskeln die-
ser Seite. Was die Lage der vasomotorischen Fasern hn Rückenmark be-
trifft, so schienen sie in der Nähe der Axe und also durch die graue Sub-
stanz zu verlaufen, v. Bezold sprach die Meinung aus, dass die Gefäss-
nerven im Rückenmark enden; Ludwig und Thiry^) sahen auf elektri-
sche Reizung der Schnittfläche des in der Gegend des Atlas vom Gehirn
getrennten Rückenmarks alle Aeste der Aorta sich zusammenziehen und be-
trachten dies als einen Beweis gegen die Endigung der Gefässnerven im
Rückenmark , da die eigentlich centralen Theile derselben , nach Analogie
der motorischen Nerven, für künstliche Reizmittel unempfänglich sein müss-
ten. So ist es auch B u d g e gelungen *) , beim Kaninchen vom Grus cerebri
aus Contraction sämratlicher Arterien zu erwirken.
Nerven- Einer Anzahl anderer, centraler, gewisse Nervengruppen zu geordneter
Thätigkeit verbindender Apparate hat man ihren Sitz im Rückenmark an-
gewiesen. Clarke^) hält den Tractiis intermedio-lateralis des Dorsalmarks
ceiitra.
■") De functionibus nerv, cerebraliuni et nervi syrapathici. Bern et Sangalli 1839,
p. 134. 2) Müll. Archiv 1841. S. 206. ^) Meissner's Jahresbericht 1864. S. 479.
^) Ebondas. S. 483. ^) Pliilos. transact. 1859. P. I, p. 451.
Rückenmark. 81
für den Sammelplatz der Dorsalnerven, welche die Intercostal- xmd andere
respiratorische Muskeln des Rumpfes versorgen. Den Cervicaltheil dieses
Tractus durchziehen die Wurzeln des N. accessorius auf ihrem Weg zur
grauen Vordersäule und da derselbe an seinem oberen Ende mit Wurzeln
der Nn. vagus und trigeminus in Verbindung stehen soll, die aus dem ver-
längerten Mark abwärts ziehen, so betrachtet ihn Clarke als das Organ,
in welchem Eindrücke, die die Nn. vagus und trigeminus und die sensibeln
Aeste der Dorsalnerven treffen, auf die Gesammtheit der Athemmuskeln
übertragen werden.
Mit dem Namen des Centrum cilio-spindle belegte Budge i) eine Stelle
des Rückenmarks zwischen dem Abgange des sechsten Cervical- und des
dritten Dorsalnerven , von welcher bei Kaninchen , nebst den Gefässnerven
der Ohrgegend, die Nerven ausgehen sollten, mit deren Erregung die Pu-
pille sich erweitert. Indess verfolgte schon Schiff beide Arten von Ner-
ven im Rückenmark aufwärts über die von Budge bestimmte Grenze und
Salkowski^) machte es wahrscheinlich, dass sie über das Halsmark hin-
aus bis in das verlängerte Mark reichen.
Ein Centralorgan der Nerven der Blase, der Vasa deferentia und des
unteren Endes des Rectum, Centrum gem'fo-spinale, ist nach Budge ^) bei
Kaninchen in einer umschriebenen Stelle des Lumbarmarks (im vierten
Bauchwirbel) enthalten. Nur von dieser Stelle aus brachten auf das Rücken-
mark angewandte Reize Bewegungen der besagten Organe zu Stande. Ein
Centrum ano-spinale, von welchem der Tonus und die Reflexbewegungen des
Sphincter ani abhängen und welches die den Willen leitenden Nerven durch-
setzen, findet Masius^) bei Kaninchen in dem Theil des Rückenmarks,
welcher der Synchondrose des sechsten und siebenten Bauchwirbels gegen-
überliegt, bei Hunden gegenüber dem unteren Drittel des fünften Bauch-
wirbels. Aus dem soeben bei den Gefässnerven angeführten Grunde ist
damit nur die Lage der Wurzeln der Bewegungsnerven des Sphincter im
Rückenmark aufgedeckt ; die Bahnen, längs welchen der Impuls im Rücken-
mark zu den Wurzeln geleitet wird, sind durch Reizung nicht zu ermitteln.
Auf die Verhandlungen über die psychischen Functionen des Rücken-
marks gehe ich hier nicht ein. Wenn Hautreize nach der Decapitation
Reactionen hervorrufen , Avelche für eine Wahl der Mittel und somit für ein
wenngleich dunkles Bewusstsein zeugen ^) , so kommen hierbei doch nur die
kaltblütigen Wirbelthiere in Betracht, die schon durch ihre lange Lebens-
dauer im enthirnten Zustande bekunden , dass bei ihnen das Rückenmark
in einem anderen Verhältniss zum Gehirn steht, als bei den höheren Wirbel-
thieren und dem Menschen. Ereignen sich bei diesen nach der Enthaup-
tung noch einigermaassen geordnete Bewegungen, so lassen sich diesel-
ben aus Einrichtungen im Rückenmark herleiten, die vielleicht auch bei
unversehrten Geschöpfen als Mittelglied zwischen dem Gehirntheil, in wel-
^) Ueber die Bewegung der Iris. Braunschw. 1855. S. 103. ^) Meissner's Jahres-
bericht 1867. S. 524. SJElDendas. 1858. S. 534. 585. *) Bulletin,'? de l'acad. royale de Bel-
gique 1867. XXIV, 312. 1868. XXV, 284. 491. 5) Vgl. Pf lüger , a.a.O. Schiff, a.a.O.
S. 208. Auerbach, Meissner's Jahresbericht 1856. S. 596. Dagegen Goltz, ebendas.
1860. S. 510. Mayer, ebendas. 1861. S. 401.
Henle, Anatomie. Bd. III. Abthlg. 2. g
Fasern.
82 Rückenmark.
chem der Entschluss zur Bewegung entstellt, und den einzelnen, dieselbe
vollziehenden Nerven wirksam sind, um zu veranlassen, dass alle Nerven
Eines Muskels oder einer Anzahl beständig associirter Muskeln gleichzeitig
erregt werden.
Zahl der Dies führt auf eine Frage , diirch deren Beantwortung man eine Zeit
lang den Faserverlauf im Rückenmark aufklären zu können hoffte, die
Frage, ob jeder Wurzelfaser eine verticale, zum Gehirn aufsteigende Rücken-
marksfaser entspreche oder ob die Zahl der vom Rückenmark in das ver-
längerte Mark eintretenden Fasern grösser oder kleiner sei als die der
Nervenwurzelfasern. Durch ein Ueberwiegen der Faserzahl in der Nähe
des verlängerten Marks sollte die Existenz eines Systems eigenthümlicher
Rückenmarksfasern erwiesen werden ; ein Mehr auf Seiten der Wurzelfasern
würde .es wahrscheinlich machen, dass Eine Rückenmarksfaser mehrere
Wurzelfasern im Gehirn repräsentiren kann. Die sicherern Methoden der
Vergleichung geben den Ausschlag für die letztere Alternative. Schon
die Form des Rückenmarks widerspricht der Annahme, dass für jede Faser,
die sich in dasselbe einsenkt, eine verticale Faser zum Gehirn emporsteige.
Wäre diese Annahme richtig, so dürften die Dimensionen des Rückenmarks
und namentlich der weissen Substanz sich nicht oberhalb der Anschwellun-
gen, die der Hinzutritt der Extremitätennerven veranlasst, wieder vermin-
dern, wie dies doch nach den Wägungen und Messungen Volkmann's^)
und nach den genauen planimetrischen Bestimmungen Stilling's^) der Fall
ist. Schon beim Pferde schien Volkmann die Masse des oberen Endes
des Rückenmarks nicht stark genug, um alle Fasern der zweiundvierzig
Nervenpaare zu enthalten. Ein noch schlagenderes Missverhältniss bot die
Vergleichung des Querschnitts des Cervicalmarks einer grossen Schlange
mit der Summe der Querschnitte der (221) Spinalnervenpaare. Darnach
übertraf die Durchschnittsfläche der sämmtlichen Nerven die des Cervical-
marks mindestens um das Elffache. Kölliker^) fand beim Menschen die
Gesammtheit der Diirchschnittsflächen der Sj)inalnerven etwa viermal grös-
ser als die Durchschnittsfläche der weissen Substanz des Cervicalmarks,
glaubt aber, dass dieser Unterschied mehr als ausgeglichen werde durch
die Verjüngung, die die Nervenfasern während ihres Verlaufs im Rücken-
mark erfahren. Ob hierbei das Verhältniss des Kalibers der peripherischen
zu den: Rückenmarksfasern richtig erwogen sei, oder nicht, möchte schwer
zu entscheiden sein. Indess hat Stillin g einen Weg eingeschlagen, der
diese Entscheidung überflüssig macht: statt und mit der Messung der Durch-
schnittsflächen wandte er die Zählung der in denselben enthaltenen Nerven-
faserquerschnitte an. Bei einer 26jährigen Frau führten die vorderen
Nervenwurzeln auf 14,087 D'" 303265, die hinteren auf 21,853 D'" 504473,
sämmtliche Nervenwurzeln beider Seiten 807 738 Primitivfasern. Das
Rückenmark enthielt im zweiten Halsnervengebiete auf 1,72 O'" der weis-
sen Vorderstränge 55 811, auf 9,64 D'" der Hinter- und Seitenstränge
345883, in Summa also 401 694 Primitivfasern, von welchen noch die Fa-
sern der aus dem Gehirn austi'etenden Nerven, des N. accessorius und, nach
^) R. Wagner's Handwörterbuch II, 482. 2) Neue Unters. S. 587. 1096. ^) Mi-
kroskop. Anat. J, 428.
Rückenmark. 83
Stillin g's Ansicht, der stärkeren Wurzel des N. [trigeminus in Abzug
kämen. Es blieben danach den 807738 Fasern der Nervenwurzeln gegen-
über etwa 365 814 aus dem Rückenmai"k zum Gehirn aufsteigende Fasern
übrig und es müssten fast zwei Drittel der Nervenwurzelfasern im Rücken-
mark ihr Ende erreichen oder vielmehr aus dem Rückenmark entsprijigen.
Aber auch diese Rechnung verliert an Beweiskraft, wenn man die verticalen
Fasern in Betracht zieht, die in den grauen Säulen dem Gehirn zugeführt
werden.
Ich hatte wiederholt Gelegenheit, darauf hinzuAveisen, dass die Dienste, welche RückeE-
die vergleichende Anatomie der menschlichen in anderen Gebieten leistet , indem ^^^ f^^
sie durch die einfachere Structur der Orgaue niederer Geschöpfe die complicirte thiere.
der höheren erläutert, für die Erforschung des Centralorgans nur mit Vorsicht zu
acceptiren sind. Selbst die dem Menschen nächsten Thiere stehen , was die Man-
nigfaltigkeit der Verwendung der Muskeln und die dazu in Beziehung stehende
Schärfe des Tastsinns betrifft, weit hinter dem Menschen zurück und die Hülf-
losigkeit des neugebornen Menschen im Vergleich zu den verAvandten Thieren hat
ohne Zweifel ihren Grund in der ihm gewährten Freiheit, sich die verschieden-
artigsten Bewegungsweisen anzueignen luid die Muskeln nach Willkür zu combini-
ren uud zu isoliren.
Demungeachtet möchte ich nicht unterlassen, aus der Anatomie des Rücken-
marks der niederen Thiere einige Punkte hervorzuheben , welche wenigstens als
vorläufige Fingerzeige zur Ausfüllung der Lücken unserer Kenntniss des mensch-
lichen Rückenmarks dienen mögen.
Bei Fischen gehen nach Owsjannikow (Disquis. microscop. de meduUae
spin. textura. Dorp. 1854) von den Nervenzellen, die übrigens nur in der vorde-
ren Hälfte der grauen Substanz vorkommen sollen, im Querschnitt je drei Fort-
sätze aus , einer in die vorderen , der andere in die hinteren Spinalwurzeln , der
dritte durch die vordere Conanissur zu der anderen Rückenmarkshälfte. Auf
Längsschnitten erscheint ein vierter Fortsatz, der gerade aufwärts verläuft, sich
aber dabei allmälig weiter vom Ceutralcanal entfernt und die weisse Substanz bil-
den hilft, welche, je näher dem Hirn, um so umfangreicher wird. Ob die Ner-
venzellen noch mehr als diese vier Ausläufer besitzen und ob sie in derselben
Rückenmarkshälfte nait einander in Verbindung stehen, blieb zweifelhaft. Mauth-
ner (Unters, über den Bau des Rückenmarks der Fische. Wien 1859) schreibt
den Nervenzellen der Fische 4 bis 7 Fortsätze zu : die Einen legen sich, in mark-
haltige Fasern übergehend , an die vorderen Wurzeln an ; die rück - und seitwärts
ausstrahlenden gehen in ein Fasernetz über, aus welchem sich die hinteren Wur-
zeln sammeln; die seitwärts verlaufenden Fortsätze erreichen die Oberfläche des
Rückenmarks. Stieda (Ztschr. für wissensch. Zool. XVIII, 16) fand an den Ner-
venzellen der centralen , dem Ceutralcanal zunächst gelegenen Gruppe wenigstens
drei , häufiger vier bis fünf Fortsätze , und vermuthet , dass zwei derselben zu
Längsfasern werden und je einer in die vordere und hintere Wurzel übergehen.
Die Zellen der lateralen Gruppe der Vordersäulen besitzen wenigstens vier Fort-
sätze, von denen einer zur Nervenwurzel, einer zur vorderen Commissur tritt und
je zwei in schräger Richtung an die Längsfasermasse sich anschliessen. In die
vordere und hintere Wiu'zel sah Stieda Längsfasern der weissen Substanz, in die
vorderen Wurzeln auch Fasern von der weissen Commissur übergehen.
Beim Frosch wird der Zusammenhang der Wm-zelfasern mit den Längs-
fasern des Rückenmarks von Budge (Müll. Arch. 1844. S. 160) behauptet, von
V. Deen (v. d. Hoeven en de Vriese Tijdschrift, XI, 118) und Stieda (Ztschr.
für wissensch. Zool. XX, 274) bestritten. Engel (Ztschr. Wiener Aerzte 1847.
S. 14. 69. 306) und Blattmann (Mikroskop, anatom. Darstellung des Nerven-
systems bei den Batrachiern. Zürich 1850) lassen die Nervenwurzeln plötzlich
und geschlossen, ohne Verflechtung mit den longitudinalen Fasern in den weissen
Strängen enden. Kupffer's Untersuchungen am Rückenmark des Frosches (De
mednllae spinalis textura in ranis. Dorp. 1854) stimmen im Wesentlichen mit
6*
84 Rückenmark.
0 wsjannikow's Beschreibiiug des Rückenmarks der risclae überein. Von den
grossen Nervenzellen der Vorderhörner sah er drei bis vier Fortsätze ausgehen,
von welchen einer gegen die motorische Wurzel, einer medianwärts, einer gegen
das untere Ende des Rückeninarks gericTitet sein soll. Traugott (Beitr. zur fei-
neren Anatomie des Rückenmarks von Rana temporaria. Dorp. 1861) beobachtete
den Uebergang von Fasern der vorderen Commissur in longitudinale Fasern des
Vorderstrangs; bezüglich des Schicksals der Zellenfortsätze ist er Aveniger sicher,
als seine Vorgänger. Reissner (der Bau des centralen Nervensystems der unge-
schwänzten Batrachier. Dorpat 1864. S. 22) zieht aus seinen Beobachtungen den
Schluss , dass die hinteren Wurzeln, nach dem Eintritt in das Rückenmark, zu
einem kleineren Theil gerade in die graue Substanz dringen und zinn grösseren
Theil eine kürzere oder längere Strecke longitudinal und zwar auf- oder abwärts
verlaufen und dann erst nach und nach die graue Substanz erreichen. Nachdem
sie in die hintere graue Säule eingetreten, durchsetzen die inneren Fasern dieselbe
ziemlich gestreckt, gelangen durch die weisse Commissur in die andere Rücken-
markshälfte und endlich in den vorderen weissen Strang, um in diesem longitudi-
nal und zwar zum Gehirn zu verlaufen. Der Weg der mehr nach aussen gelege-
nen Fasern liess sich nicht mit gleicher Sicherheit verfolgen; Reissner hält es
für möglich, dass einzelne Fasern die Seitenstränge erreichen und in diesen gegen
das Gehirn vordringen. Nach Stieda senden die im vordersten Theil der Vorder-
säulen gelegenen Zellen ihre Portsätze zum Theil direct in die Bündel der vorderen
Wurzel, zum Theil medianwärts in die weisse Commissur.
An den grossen Nervenzellen in den Vordersäulen des Rückenmarks der Viper
nahm Grimm (Archiv für Anat. 1864. S. 502) nie mehr als 5, in der Regel niir
2 bis 3 Fortsätze wahr; einige derselben lassen sich medianwärts in die weisse
Commissur, andere in Faserbündel der vorderen Wurzeln verfolgen, noch andere
schlagen die Richtung nach hinten ein, indem sie theils zwischen einem Faserzug
verschwinden , der in der Ebene des Querschnitts die graue Substanz umkreist,
theils gerade verlaufen, theils medianwärts gegen die hintere Commissur abwei-
chen. Die Fasei-n der vorderen Wurzeln treten, in einzelne Bündel getheilt, me-
dianwärts vom äussersten Ende der Vordersäule entweder zu den die Säule um-
kreisenden Fasern oder zur weissen Coinmissur, die eine Kreuzung markhaltiger
Fasern deutlich ei-kennen lässt. Die hintere Wurzel theilt sich schon an der
Peripherie der Hinterstränge in drei Portionen. Die Eine, längs dem hinteren
Rande der weissen Masse hinziehend, entsendet Bündel, welche wahrscheinlich
in die Längsrichtung übergehen; die zweite erreicht die Spitze der Hintersäule
und geht fast ohne eine Faser zu entsenden, in Form eines Bandes schräg vor-
wärts zur Mittellinie, wo sie durch Vereinigung mit einem analogen Bündel der
anderen Seite eine hintere (weisse) Commissur bildet; die dritte schickt einen
Theil ihrer Fasern mit der zweiten zur hinteren Commissur, die übrigen längs
dem äusseren Rande der Hintersäule zur spongiösen Substanz ; hier zerfällt sie in
kleinere Abtheilungen, Avelche zwischen die Längsfasern eindringen und dieselben
in Bündel scheiden.
Am Rückenmark der Schildkröte fiel Mauthner (Wiener Sitzungsberichte
1861. Jan. S. 52), die im Vergleich zu den Nervenzellen der Cervical- und Lum-
baranschwellung geringe Grösse der Nervenzellen des Dorsaltheils auf, was nach
seiner Ansicht zusammenhängt mit der durch die Eigenthümlichkeit des Rumpf-
skeletts reducirten Thätigkeit der Muskeln des Rumpfes.
An dem Rückenmark der Vögel will Stieda (Ztschr. für wissenschaftl. Zool.
XIX, 1) einen Theil der Bündel der vorderen Wurzel die Längsfasern der Vorder-
stränge schräg durchsetzen und in Längsfasern umbiegen gesehen haben. Von
den Bündeln der hinteren Wurzeln ziehen sich nach seiner Angabe einige
quer zur Medianlinie und biegen direct nach oben und unten um ; andere steigen
am lateralen Rande der Hintersäulen oder durch die letzteren senkrecht abwärts.
Gehirn. 85
2. Gehirn. C e r e b r u m ^).
Auch das Gehirn füllt die Schädelhöhle nicht vollkommen aus und ist 2. Gehirn,
von einem wasserhaltigen Bindegewebe umgeben, welches hauptsächlich
dazu dient , die Unebenheiten des Organs auszugleichen , jedoch nicht ver-
hindert, dass namentlich an der Schädelbasis die Knochen Abdrücke der
Windungen der Gehirnoberfläche empfangen.
So wenig sich bezweifeln lässt, dass Form und Dimensionen des Ge-
hirns und seiner knöchernen Kapsel einander gegenseitig bedingen , so
schwer ist es zu bestimmen, welcher von beiden Theilen im gegebenen
Falle der tonangebende sei , ob eine typische oder zufällige Beschränkung
der Richtungen des Schädelwachsthums dem Gehirn seine Gestalt aufzwinge
oder ob umgekehrt das Wachsthum der Knochen sich dem Inhalte accommo-
dire. Daher mag die Bemerkung genügen, dass das Gehirn, entsprechend
den Varietäten des Schädels , im Ganzen bald mehr der Kiigelgestalt , bald
mehr dem Ellipsoid sich nähert. Sein sagittaler Durchmesser wird zu 160
bis 170 Mm., sein grösster transversaler Durchmesser zu 140 Mm., der
höchste verticale Durchmesser zu 125 Mm. angegeben. Das mittlere Ge-
wicht des Gehirns beträgt in Grammen
bei Männern bei Frauen
nach Tiedemann 2) .... 1380 1275
„ Krause 1570 1350
„ Peacocks) 1421,5 1247,8
„ Huschke*) 1424 1272
„ Bischoffs) 1363,5 1244,5
Als Maximum fand Huschke 1500 bis 1600, als Minimum 880 Grm.
R. Wagner ^) , welcher nach fremden und eigenen Beobachtungen die Ge-
wichte von 964 Gehirnen ohne Rücksicht auf Geschlecht, Alter und Todes-
art zusammenstellte, erhielt ein Maximum von 1911, ein Minimum von
680 Grm. In der nach dem Gewicht geordneten Reihe nahmen die Gehirne
geistig hervorragender Persönlichkeiten nicht durchgängig hohe Stellen ein.
Indessen, wie Wagner selbst bemerkt und wie der Mangel an Ueberein-
stimmung der Mittelzahlen zeigt , fehlt viel , dass diese Wägungen ohne
Weiteres vergleichbar wären. Abgesehen von der grösseren oder geringeren
Sorgfalt, welche auf die Entfernung der Hüllen, Blutgefässe u. s. f. ver-
wandt wird , bedingt der Gehalt des Gehirns an Blut und imbibirter Cere-
brospinalflüssigkeit Verschiedenheiten, die sich kaum ermessen lassen.
Vom Gesammtgewicht des Körpers macht das Gewicht des Gehirns
beim Erwachsenen nach Tiedemann^) und Huschke über 2 Proc. aus.
Das Volumen des Gehirns bestimmte Krause zu 65Y2 bis 7IV4 Cubikzoll,
^) Hirn. Encephaloii. ^) Das Gehirn des Negers mit dem des Europäers verglichen.
Heidelb. 1837. S. 8. ^) Lond. med. Journ. 1851. Febr. p. 105. *) Schädel, Hirn und
Seele des Menschen und der Thiere. Jena 1854. S. 57. ^) Münchener Sitzungsberichte
1864. I, 1. ^) Vorstudien zu einer wissensch. Morphologie und Physiologie des menschl.
Gehirns. Gott. 1860. '^) A. a. 0. S. 18. Das Verhältniss schwankt bei dem Manne von
1 : 23,32 bis 1 : 46,78, bei dem Weibe von 1 : 28,45 bis 1 : 44,89.
86 Gehirn.
das specifisclie Gewicht zu 1,0387 (1,030 bis 1,0478 Bischoff). In der
Consistenz gleicht es dem Rückenmarke.
Die anatomische Schilderung des Gehirns ist eine Aufgabe eigenthüm-
licher Art. Zwar sind die Elemente desselben die nämlichen, wie die des
Rückenmarks, weisse Substanz, welche aus Nervenfaserzügen besteht, und
graue, welche Fasern und Zellen gemischt enthält und sich zur weissen
Substanz theils als Rinde , theils als Kern oder Axe rerhält. Aber wenn
die Verfolgung der Fasern für das Rückenmark noch nicht zu allgemein an-
erkannten Resultaten führte , so ist sie für den grössten Theil des Gehirns
noch kaum versucht worden. Um so eifriger war man bemüht, die mit
freiem Auge wahrnehmbaren Besonderheiten der Form und Farbe hervor-
zuheben und zu benennen und Ordnung in die scheinbar zufälligen Bildun-
gen der Oberfläche zu bringen. So existirt kein äusseres Organ, von wel-
chem wir so viel Unverstandenes, teleologisch und genetisch Unverwerth-
bares auszusagen haben, keines, in welchem so viel von dem enthalten ist,
was nach Joh. Müll er' s Ausdruck nichts beweist, als seine eigene Exi-
stenz. Man studirt dies Detail in der Hoffnung, einer rationellen Anatomie
des Gehirns vorzuarbeiten, und in der That beruht diese Hoffnung auf der
Orientirung, die es möglich macht, immer schärfer das Local einer krank-
haften Veränderung oder den Angriffspunkt eines physiologischen Experi-
ments zu bezeichnen. Zum Zweck dieser Orientirung beschreiben wir das
Gehirn; sie wird aber unmöglich oder doch sehr schwierig, wenn wir dar-
auf verzichten sollen, die Theile in ihrem Zusammenhange darzustellen. Im
praktischen Interesse, d. h. im Interesse der Auffassung halte ich es für
erlaubt, da, wo wir den wirklichen Zusammenhang nicht kennen und nicht
sobald erwarten dürfen, ihn kennen zu lernen, einen Zusammenhang zu
fingiren. Es geschieht dies nicht in der Meinung, Hypothesen über den
muthmaasslichen Faserverlauf aufzustellen ; vielmehr soll die Sonderung,
Verbindung und Gliederung der Theile so verstanden werden, wie man sie
bei der Beschreibung architektonischer Werke versteht, indem man bei dem
äusserlich Einfachen nicht fragt, ob es aus mehreren Stücken zusammen-
gesetzt sei und das Relief als etwas Selbständiges betrachtet, auch wenn es
mit der Unterlage aus Einem Guss entstanden ist. Das Material und die
Construction , d. h. in unserem Falle die Faserzüge, die Zellengruppen und
die Art ihrer Zusammenfügung können erst nachträglich in Betracht
kommen.
Einthei- Der erste Schritt, um in dem verwickelten Bau des Gehirns heimisch
^^^^' zu werden, ist eine zweckmässige Eintheilung desselben. Nach den augen-
fälligsten Charakteren der äusseren Configuration pflegt man zu unter-
scheiden :
1) Das verlängerte Mark, JKeclulla Oblongata'^), die auf dem hinteren
Theile des Clivus gelegene, unmittelbare Fortsetzung des Rückenmarks, die
sich auch in ihrer äusseren Form nur wenig von der Form des Rücken-
marks entfernt; 2) das Kleinhirn, Cerebelhcm^), ein das verlängerte Mark
deckender und nach beiden Seiten überragender, die unteren Gruben
1) Bulbus rachidicus. Markknopf. Oberer Markknopf. Caudex enceplmli comm. Bur-
dach, ^) Kleines Gehirn. Hirnlein.
Greliirn.
87
der Hinterhauptsschuppe erfüllender Körper, ausgezeichnet durch dichtge-
drängte, wesentlich transversal verlaufende Furchen , welche die Oberfläche
Fig. 30.
Cb
Gehirn, Profil. P Brücke. * Hintere Horizontalspalte (Fossa Sylvii aut.).
in schmale Läppchen abtheilen; 3) das Grosshirn, Cerehrum s. s. i), die
Hauptmasse des Organs, die die vordere, mittlere und den oberhalb des Sulcus
transversus befindlichen Theil der hinteren Schädelgrube einnimmt und
von dem Kleinhirn durch eine horizontale, fibröse Scheidewand, Tentorium,
getrennt ist. Das Grosshirn besteht aus den von charakteristischen mäan-
drischen Furchen durchzogenen, durch' eine 3,5 bis 4,7 Cm. tiefe, mediane
Spalte 2) gesonderten Hemisphären , zwischen deren einander zugewandten
Flächen von obenher ein medianes Septum, die Falx , eindringt, und aus
den mannigfaltigen Gebilden, welche diese Hemisphären verbinden und in
der Tiefe der Medianfurche und an der unteren Oberfläche des Gehirns
zu Tage liegen.
Diese Eintheilung ist aber unzulänglich , weil sie die Stellung einer
Anzahl unpaarer, den Uebergang vom verlängerten Mark und dem Klein-
hirn zum Grosshirn vermittelnder Theile, wie der Brücke, der Vierhügel
u. A. , unbestimmt lässt, die dann auch bald zu dem Einen, bald zu dem
anderen bezogen , bald zu einer besonderen Abtheilung erhoben wurden ^).
■') Grosses Gehirn. ^) Flssura s. Sclssura s. Inclsura longikidliialis. Iiicisura palllL
Burd. ^) Schon Meckel beklagt die Vieldeutigkeit des Begriffs des verlängerten Marks,
worunter einzelne seiner Vorgänger die ganze Hirnbasis, andere nur Theile derselben ver-
standen hatten. Er selbst vereinigt unter dieser Bezeichnung das verlängerte Mark im
heutigen, durch Haller festgestellten Sinn und die Brücke. Ihm schliesst d'Alton sich
an (Berliner encyclopäd. Wörterbuch Art. Encephalon). Andere Autoren, welche wie Gor-
don, Arnold, Valentin, die erwähnte Dreitheilung beibehalten, zählen die Brücke zu
den Bestandtheilen des Kleinhirns, die Vierhügel zum Grosshirn. Bnrdach t'asst verlän-
gertes Mark, Kleinhirn und Brücke unter dem Namen Amhüus cerehelli zusammen. Am
mannigfaltigsten ist die Bestimmung des mittleren Hirntheils {Isthmus Ridley, Protube-
7-antia Bichat, Mesocephalon Chaussier, Verbindungstheil Web er- Hildebrandt ) aus-
gefallen, der das Verbindungsglied zwischen Gross- und Kleinhirn darstellen sollte. Er um-
fasst, abgesehen vom verlängerten Mark , welches die Einen hinzuziehen, die Anderen tren-
nen und welchem allein Eidley und Cr uv eil hier seine Stelle bei dem Rückenmarke an-
weisen, nach Krause Brücke und Vierhügel, nach Chaussier noch dazu das vordere Mark-
Gehirn.
Ventrikel.
Der Mediansclmitt des Gehirns zeigt eine Reihe unter einander com-
municirender yon aussen zugänglicher Hohlräume (Kammern oder Yentrikel).
Unsere Darstellung hält sich an die Wände, die die Hohlräume begrenzen,
vorerst unbekümmert um die auf diesen Wänden errichteten Gebilde. Form
und Weite der Hohlräxime sind in den verschiedenen Theilen des Gehirns
verschieden. Der unter dem Kleinhirn befindliche Ventrikel gleicht, wie
die Frontalschnitte lehren, stellenweise fast einer Querspalte (Fig. 31), die
Wände desselben sind demnach als
Fig. 31.
Frontalschnitt des Gehirns durch den hinte-
ren Rand der Brücke. Vq Ventriculus quar-
tus. VII N. facialis.
Boden und Decke zu bezeichnen,
welche seitlich in einem spitzen oder
abgerundeten oder abgestumpften
Winkel zusammenkommen.
Aber auch wo der Ventrikel ge-
räumiger ist und Seitenwände auf-
weist, ja selbst da, wo er, wie im
hinteren Theile des Grosshirns, theil-
weise als verticale Spalte erscheint,
lässt sich die Eintheilung der Wände
in Boden und Decke durchführen,
unter der Annahme, dass die Decke
segel, nach Weber -Hildebrandt neben Brücke und Vierhügeln die Grosshirnschenkel
und das Tuber cinereum, nach Eidley, welchem Bichat und Cruveilhier folgen,
Brücke, Vierhügel, vorderes Marksegel, Gi'osshirnschenkel und Brückenschenkel. Man muss
gestehen, dass die Zahl möglicher und gleichermaassen berechtigter Combinationen hiermit
nicht erschöpft ist. Um zu Anhaltsi^unkten zu gelangen, die eine derartige Willkür aus-
schliessen, gründete Reichert (der Bau des menschl. Gehirns. Lpzg. 1859) eine Einthei-
lung des Gehirns auf dessen Entwickelungsgeschichte. Den drei Hirnblasen des Embryo
entsprechen, von vorn nach hinten gezählt, die Wände des dritten Ventrikels, des Aquae-
ducts und des vierten Ventrikels; aus der ersten Hirnblase sprossen die paarigen Blasen
hervor, welche rückwärts wachsend die unpaaren decken und sich zu den Hemisphären
des Grosshirns ausbilden. Von der vollständigen Durchführung seines Princips hat Rei-
chert selbst, zum Besten der morphologischen Auffassung, Abstand genommen, indem er
das Grosshirn, das genetisch nur einen Anhang der den dritten Ventrikel einschliesseiiden
Gebilde darstellt, den übrigen, unter dem Namen „Hirnstamm" zusammengefassten Abthei-
lungen als selbständige Abtheilung gegenüberstellt (11, 15). Die Grenze zwischen Gross-
hirn und Hirnstamm ist künstlich, denn sie durchschneidet das Foramen Monroi so , dass die
Wurzeln und ein Theil der Säulchen des Fornix , sowie ein Theil des Septum lucidum bei
dem Grundstock verbleiben. Auch ist, wie Reichert zugiebt, eine scharfe Scheidung der
den Gehirnbläschen entsprechenden Abtheilungen des fertigen Gehirns nicht ausführbar :
wie die Hohlräume gehen die Wandungen der einzelnen Bläschen völlig continuirlich und
allmälich in einander über. Es kommt noch eine Schwierigkeit hinzu. Die Wände
des embryonalen Rohrs, aus welchem das Centralorgan hervorgeht, wandeln sich nicht all-
seitig in Nervensubstanz um. Den oberen Verschluss des dritten Ventrikels liefert das Ge-
fässblatt, welches im fertigen Gehirn als ein Fortsatz der äusseren Gefässhaut erscheint.
In Reichert's Beschreibung steht dies Gefässblattj sowie der Plexus choroideus des Sei-
tenventrikels in einer Linie mit den nervösen Apparaten des Gehirns. Die Blutgefässe aber
verhalten sich zum Gehirn nicht anders, wie zu jedem anderen Organ ; so genau Parenchym
und Gefässe in ihrer Entwickelung zusammenhängen, da sie aus der Sonderung Eines Bla-
stems hervorgehen , so hat doch die systematische Anatomie für sich und für die Zwecke
der Physiologie guten Grund, die Structur der Organe, wie den Verlauf der Gefässe, jedes
im Zusammenhange zu betrachten.
Gehirn. 89
gewölbt oder der Boden vertieft sei. Die Configuration der Wände ist fast
überall von der Art, dass man darüber, ob das Eine oder das andere anzu-
nehmen sei, nicht in Zweifel gerätb. Wo aber die Grenze zwischen Boden
und Decke verwischt oder zwischen beiden eine Seitenwand eingeschaltet
ist, die man nicht bestimmt dem einen oder der anderen zutheilen kann,
da lässt sich dies so verstehen, dass die Fasei-n, welche das Material der
Decke bilden, aus dem Boden selbst hervor- und einander entgegengewach-
sen seien und dass sie mehr oder minder rasch in die neue Richtung um-
biegen. Dieser Auffassung gemäss muss der Boden des Gehirns zugleich Boden der-
als die Grundlage desselben betrachtet werden und die Beschreibung von ihm
ausgehen. Wir verfolgen ihn vom Rückenmark an auf- und vorwärts und
sehen ihn beginnen (Fig. 32. 35.) mit dem verlängerten Mark, Medulla
ohlonguta, als platt cylindrischen, durch mediane und seitliche Furchen,
ähnlich wie das Rückenmark unvollkommen in lougitudinale Stränge abge-
theilten Körper. Diese Stränge entziehen sich an der unteren Fläche, der
sogenannten Basis des Gehirns, dem Blick unter einem breiten Wulste
transversaler Fasern, der Brücke, J^ons^), die den Boden des Gehirns von
untenher umwölben, wie die Decke ihn überwölbt, mit dem Unterschiede,
dass jene sich dicht an denselben anlegen, ja sich mit den longitudinalen
Fasern zu durchflechten scheinen. Wie dem sei, so tritt eine Fortsetzung
des verlängerten Marks vor der Brücke in zwei symmetrischen Nerven-
massen wieder aus, welche anfänglich nur durch eine mediane Furche 2),
dann aber durch eine Spalte geschieden sind, die von grauer Substanz aus-
gefüllt wird. Die weissen Faserzüge werden an ihrer medialen und oberen
Fläche sogleich wieder verhüllt durch zwei auf einander folgende, keulen-
förmige Massen grauer Substanz, welche dieselben in schräger Richtung so
umschlingen , dass das dicke Ende der Keulen medianwärts , das verjüngte
Ende seit- und rückwärts gerichtet ist. Dies sind die sogenannten Gross-
hirnganglien, das hintere der Thalamus opticus, Sehhügel, das vordere
C. striatum, Streifenhügel. An der unteren Fläche des Gehix-ns erscheinen
die weissen Faserzüge frei als abwärts vorragende halbcylindrische Stränge
von 22 Mm. Durchmesser, die sogenannten Grosshirnschenkel, Crura
cerebri^) (Fig. 32 TB).
Ein flacher Eindruck der medialen Fläche, aus welchem der N. oculo-
motorius (Fig. 32 III) hervortritt und welchem auf dem Querschnitt ein
Streifen dunkel pigmentirter grauer Substanz, Substantia tligra'^) (Fig. 33),
entspricht, scheidet jeden Grosshirnschenkel in zwei Abtheilungen, die beim
Austritt aus der Brücke über einandei" liegen , weiterhin aber sich so an
einander verschieden, dass die untere Abtheilung schräg lateral- vorwärts,
die obere fast gerade verläuft und die untere Abtheilung an die laterale
Seite der oberen zu liegen kommt. Die untere Abtheilung, ßasis ^), ist rein
^) Pons Varolii. Nodus encephali. Protuheranlla s. Kmineiitla aiinularls. Varolsbrücke.
Hirnkiioten. ^) Sulcus longüudinalis substantiae 2'>erforata6 mediae. Die tiefste Einsenlcung
dieser Furche am vorderen Rande der Brücke ist da,s Foramen coecurn anterius aut. ^) Pe-
dunculus s. caudex cerebrl. Grosshirnstiel. Hirnstamm. Ich gebrauche diesen Namen in
der von Arnold adoptirten Bedeutung, während die älteren Autoreu, auch Burdach, ihn
nur auf die untere Abtheilung der Grosshirnschenkel beziehen. *) Stratum nlgruin
Burdach. ^) Fuss.
90
Gehirn.
weiss lind der Länge nach gefurcht, einem mächtigen Nervenstrang ähnlich,
die obere Abtheilung , Tegmentum ^) , hat einen Ueberzug von grauer Sub-
Fig. 32.
Col
Cea
Basis des Gehirns. Die Hypophyse abgetrennt. P Pons. Täo Thalamus opt. Lpp Lamina
perforata posterior. /?» Insula. Tc Tuber cinereum. Tfi o Tuber olfactorium. Zc< Lamina cine-
rea terminalis. Ccl'^ Corpus callosum, Knie. Pcc Pedunculi corp. caltesi. Cha Commissura
baseos alba. Spa Substantia perforata ant. Cca Corp. candicans. Gf Gyrus fornicatus.
jT Tegmentum, B Basis des Hirnschenkels. iSr Substantia reticularis. Mo Medulla oblongata.
Die römischen Ziffern bezeichnen die Hirnnerven. / N. olfactorius, linkerseits am Ursprung
abgeschnitten. /' Bulbus desselben. // Tractus opticus. * Hintere Horizontalspalte. **Die
Stelle, an welcher der abwärts umgeschlagene Theil der Decke mit dem Boden verwachsen
ist , durch Zurückschlagen der Spitze dieses Umschlags frei gelegt.
stanz und eine platte und ebene Oberfläche. Die Basis verschwindet jeder-
seits unter dem Tractus opticus {II'), einem platten Nervenstrang, der, an
1) Haube.
Gehirn.
91
seinem hinteren Rande mit dem Gi'osshirnsclienkel verschmolzen, schräg
medianwärts über dessen untere Fläche zieht, in der Mittellinie dem gleich-
Fig. 33.
Coa
Com
\ /Ccl*
Medianschnitt des Grosshirns, rechte Hälfte, um die sagittale Axe mit der Schnittfläche
aufwärts gedreht; der Grosshirnschenkel am. Eintritt in den Thalamus (Tko) frontal
durchschnitten, der Tractus opt. (//) zurückgeschlagen. 1 N. olfactorius. Ccl^ Knie
des Corp. callos. Sl Sept. lucidum. Coa, Com Commissura ant. und media. Cn Co-
narium. Lq Lamina corp. quadrig. Ccl^ Splenium des Corp. callos. Sn Substantia
nigra. B Basis. Cca' der in das C. candicans übergehende Nervenstrang.
namigen Nervenstrang der anderen Seite in dem sogenannten Chiasma opfi-
cum begegnet, aus welchem die Nn. optici (11) divergirend hervorgehen. Ueber-
dem bedecken den grösseren , seitlichen und vorderen Theil der Basis des
Grosshirnschenkels von unten her die Randwülste des Lappens der Hemi-
sphäre, den eine von vornher fast horizontal eindringende Spalte (Fig. 32 *)
von der übrigen Masse der Hemisphäre scheidet. Den Raum, den die ausein-
anderweichenden Basen frei lassen , nehmen die Tegmente ein. Diese lie-
gen fast unmittelbar neben einander ; die graue Substanz , die sie verbindet,
hat deshalb überall nur eine geringe Breite ; auch ihre Mächtigkeit ist ge-
ring, jedoch nicht in allen Theilen gleich; in ihrer Gesammtheit mögen
diese medianen Lamellen grauer Substanz, mit dem Namen der grauen
Bodencommissur bezeichnet werden ^).
Das Massenverhältniss von Basis und Tegmentmn ändert sich im Laufe der
Entwickelung. Während die Höhe beider Abtheilungen des Hirnschenkels beim
Erwachsenen fast gleich ist, beträgt im Gehirn eines siebenmonatlichen Fötus
die Höhe der Basis nur die Hälfte der Höhe des Tegmentum. Auch ist im Ver-
^) Das Trigonum intercrurale Arnold (Substantia cinerea intermedia H. Meyer) um-
fasst die gesammte graue Substanz , welche zwischen den Basen der Hirnschenkel und dem
Chiasma opticum den Boden des Grosshirns bildet, also neben der medianen dünnen Boden-
commissur auch die paarigen mächtigen Tegmente.
92
Gehirn.
gleich zu allen Säugethieren beim Menschen die Basis relativ am stärksten. Mey-
nert, welcher diese Vergleichung anstellt (Wiener Sitzungsberichte Bd. LX, Oct.),
schliesst aus dem Uebergewicht der Basis, welches mit dem Uebergewicht der
Grosshirnhemisphären beim erwachsenen Menschen zusammentrifft, dass in der
Basis vorzugsweise die dem Vorstellungsleben dienenden Nervenfasern, im Teg-
mentum die excitomotorischen enthalten seien.
Die Abtheilungen der grauen Bodencominissur ergeben sich durcli
Gebilde, welcbe den Verlauf der Tegmente unterbrechen und über
deren freie untere Fläche hervorragen. Dies sind zuerst , in geringer
Entfernung (10 Millimeter) vom vorderen Rande der Brücke, ein Paar
in dem Winkel , den die Basen der Grossschenkel begrenzen, unmittelbar
neben einander gelegene, halbkugelige, weisse Hervorragungen, die (Jorpora
Fig. 34.
Cel
Vti-l. Fla;. 32.
Gehirn. 93
Candieantia ^) ; weiter vorn legen sich die Tractns optici und das Chiasma
über Tegmente und Bodencommissiir und verwachsen mit ihnen in dersel-
ben Weise , wie mit den Basen der Grosshirnschenkel. Zuletzt verbergen
sich die Tegmente unter einem Querwiilst , welcher vor dem Tractus opticus
an der von den Randwülsten bedeckten unteren Fläche der Hemisphäre
aus einer vielfach von Gefässöffnungen durchbrochenen weissen Substanz,
Siib'itantia perforata (int. Vicq. d'Azyr-), hervorgeht, allmälig ver-
schmälert sich dem entsprechenden Wulst der anderen Seite nähert und
mit ihm , nur durch eine enge mediane Furche ^) von ihm getrennt, vor-
wärts umbiegt, iim sich zuletzt mit dem die vordere Spitze des Ventrikels
verschliessenden Hirntheil, dem Balken, Corpus Callosmn, zu vereinigen.
Dieses Zusammenhangs wegen ist der Wulst unter dem Namen des JPedun-
culus Corporis Callosi Vicq d'Azyr*) beschrieben.
Ich sah einmal ein glänzend weisses Nervenfaserhündel von 0,6 Mm. Durch-
messer ah der hinteren Grenze der Substantia perforata ant. in transversaler
Eichtung verlaufen, lateralwärts vom Peduncuhis corporis callosi vorwärts iimhie-
gen und unmittelbar neben den Eandwülsten des Vorderlappens zum Anfang des
Balkens ziehen , auf Avelchem es pinselförmig ausstrahlte.
Die graue Platte , welche zwischen der Brücke imd den Corpora can-
dieantia die Tegmente verbindet, ähnelt der Substantia perforata ant. durch
ihren Reichthum an Gefässöffnungen und wird Lamina perforata post. ^) ge-
nannt. Sie ist mächtiger als irgend eine andere Partie der Bodencommis-
sur (4 bis 5 Mm.) imd auch darin eigenthümlich, dass sie näher der oberen
als der unteren Fläche der Tegmente liegt und so einen Theil der media-
len Fläche der letzteren von der Höhle des Gehirns ausschliesst. Das dünne
und zerreissliche, zwischen den Corpora candieantia und dem Chiasma gele-
gene Stück der Bodencommissur geht so unmerklich in die untere Fläche
der Tegmente über, dass sie nicht äusserlich, sondern nur an frontalen
Durchschnitten des Gehirns von denselben unterschieden werden kann. An
der äusseren Oberfläche des Bodens des Gehirns stellen diese Theile der
Tegmente mit der entsprechenden Bodencommissur eine glatte und ebene,
abwärts gewölbte Fläche, das Tuher Crnereum ^), dar. Vom vorderen Rande
desselben hängt an einem cylindrischen schräg vor- abwärts gerichteten Stiel
ein drüsenartiges, in der nach ihm benannten Grube des Wespenbeins ein-
gebettetes Organ , die Hypophyse ''), herab. Der Stiel , Peduncuhis hypo-
physeos^), ist hohl, kann sich von der Insertion in die Hypophyse an auf-
wärts erweitern und entspricht dann dem tiefsten Grunde des Hirnventri-
kels, dem Trichter, Infundihulum.
^) Corpp. mamillarla. Emlnentlae mamillares s. papilläres s. candicantes. Bulhi for-
nicis Santorini. Markkügelchen. Knöpfchen Reil. '"') Lamina crihrosa Reil. S. perfo-
rata s. crihrosa lateralis. Partes laterales substantiae perforatae anterioris. Quadrilatere
pe.rfore Foville. ^) Sulcus medius substantiae perforatae anticae mediae. ^)Suhstantia per-
forata s. cribrosa antlca s. media s. antica media. Peduncuhts septi lucidi Arnold. ^) Sub-
stantia perforata media Vicq d'Azyr. Subst. perfor. post. aut. Pons Tarini. Spatium
interpedunculare Cruv. Auch dieser Name ist wegen des verschiedenen Sinnes, in wel-
chem die Grosshirnschenke] verstanden werden, zweideutig und umfasst bei vielen noch die
einander zugewandten Flächen der Tegmente. ^) Substantia perforata media post. Valen-
tin. Basis infundibuli. ^) Gland. pituitaria. Hirnanhang. ^) Infundibulum aut.
94
Gehirn.
Das CMasma liegt mit den Flächen dem Stiel' der Hypophyse parallel,
die freie Fläche rück-ahwärts , die der Höhlung des Gehirns zugewandte
vor - und aufwäi'ts gerichtet (vgl. Fig. 35), mit der medianen Platte des
Tuber cinereum so fest verwachsen , dass es sie zu ersetzen scheint. Von
dem vorderen Rande desselben steigt der vorderste dünnste Theil der grauen
Boden commissur, die JLamma Cinerea termindlis Burdach^), auf- und an-
fangs rückwärts, ehe sie sich im Bogen vorwärts wendet, um sich, an Mäch-
tigkeit etwas zunehmend, mit dem oberen Rande an die später zu beschrei-
bende vordere Commissur {Coa) anzusetzen. Im Grunde der Furche, welche
zwischen den beiden Pedunculi corp. callosi von der vorderen Commissur
bis zum Anfang des Balkens verläuft, hängt die weisse Substanz der unte-
ren Randwülste der rechten xind linken Hirnhälfte durch eine Commissur
zusammen, die ich als weisse Boden commissur, Commissur a baseos
aJba^), aufführen werde (Fig. 34. 35).
Fig. 35.
Cop
MedianscLnitt des Gehirns. Ftj) Fissura transv. post. ]^q Ventriculus quartus. Mo Medulla
oblong. P Brücke. Cca C. candicans. TTegmentum. //Hypophyse. //'Chiasma der Nn.
opt. // N. opticus. Lct Lainina cinerea termin. Coa Commissura ant. Cba Commissura
baseos alba. Ccl^ Schnabel, Ccl^ Knie, Ccl^ Körper, Ccl^ Splenium des Corp. callos.
/"iW Foramen Monroi. ä/ Sept. lucid. Com Commiss. media. SJ/ Sulcns Monroi. Co^j Commiss.
post. Cn Conarium. Lq Lamina corp. quadrig. A Aquaeduct. Tta Fissur.i transv. ant.
l'jna Velum med. ant. Cbl Cerebelluni.
■*) Pa7-s descendenis suhstanüae perforaUia antlcae mediae Val. Plancher anterieur du
^irne ventricuh Cruv. ^) Commissur der Stiele des Septum peliucidum Reichert.
Gehirn.
95
Die Decke des Gehirns besteht aus zwei Abtheihingen , die in der Ge- Decke,
gend des vorderen Eandes der Brücke znsammenstossen. Die hintere Ab-
theihing überwölbt einen medianen, nach hinten und vorn offenen Canal,
von dessen beiden Mündungen die hintere als Eingang, die vordere als
Ausgang zu bezeichnen sein wird (Fig. 35). Das Verhältniss der vorderen
Abtheilung der Decke zum Boden lässt sich mit dem Verhältniss des Ober-
leders eines Pantoffels zur Sohle vergleichen : indem die Decke sich vorn und
an den Seiten mit dem Boden vereinigt, entsteht ein blindsackförmiger
Raum, der nur von hinten her und zwar auf zwei Wegen, oberhalb und un-
terhalb der hinteren Abtheilung der Decke, zugänglich ist (Fig. 36). Dadurch,
dass die hintere Abtheilung der Decke sich von dem Eingang an erst er-
hebt und dann wieder herabsenkt , womit gleichmässig ihre seitlichen
Verbindungen mit dem Boden auseinanderweichen und zusammenrücken,
zerfällt der canalförmige Hohlraum unterhalb dieses Theils der Decke in
Fig. 36.
Ein Theil des Medianschnitts, wie in Fig. 35, ohne das Septum lucid. Ccl^ SchnaLel,
Ccl'^ Knie, Ccl^ Splenium des Balkens. Cs Corpus striat. Tho Thalamus opt.
Coa Conimiss ant. . Cf Columna fornicis.
einen hinteren, weiteren Raum, den sogenannten vierten Ventrikel, Ven-
triculus quartus'^), und einen vorderen, engeren Gang, den Aquaeductus^).
Den blindsackförmigen Hohlraum zerlegt eine mediane Scheidewand, Septum
lacidum 3), die in dem vorderen Theil desselben vom Boden zur Decke auf-
steigt , in drei Kammern , eine hintere unpaare und zwei vordere paarige.
Von der unpaaren Kammer, dem VentricuJiis tertius(Fig. 37) *), der nach vorn
durch den hinteren Rand der medianen Scheidewand begrenzt ist, steht der
Weg nach rechts und links in die paarigen oder seitlichen Kammern, die
Seitenventrikel, Ventriculi laterales^), offen; diese communiciren mit
einander nur durch Vermittelung des dritten Ventrikels.
Den Eingang in den vierten Ventrikel nennt man hintere (quere)
1) Ventriculus Araniü. Sinus rhomhoideus. Calamus scriptorius. Rautengrube. ^) Aquae-
ductus Sylvü aut. ^) Septum pellucldum s. medium s. medulläre, trianguläre. *) Ventricu-
lus m,edlus s. intermedius. ^) Ventrleuli anteriores s. magni s. tricornes. Sinus anteriores.
96
Gehirn.
Hirnspalte, Fissura''^) cerebri transversa posterior^ der Zugang zn dem
dritten Ventrikel zwischen der hinteren Abtheilung der Decke und dem
Fig. 37.
Ccl5
Frontalschnitt des Grosshirns durch den Tract. opt. Vordere Schnitthälfte. Sl Sept.
lucid. Ccl^ Körper des C. callosum. Fx Fornix. F/ Yentric. lateralis. Cs Corp. striat.
77/0 Thalamus opt. Vt V^entr. tertius. s Lob. sup. l Lob. inf. Coa Commiss. ant.
In Insula. Co Chiasma opt.
hinteren Rande der vorderen Abtheilung heisst vordere Hirnspalte,
Fissur a cerebri transversa Unterior (Fig. 35) -).
Die Decke der hinteren canal- oder tunnelförmigen Abtheilung des
Gehirns, deren Boden das verlängerte Mark mit seiner Fortsetzung durch
die Brücke repräsentirt , zerfällt in vier , schon durch ihre Mächtigkeit un-
terschiedene Theile , Kleinhirn , CerebeVum^ vorderes Marksegel, l^e-
Imn tiledulare anticum, Vierhügelplatte, Lamina corporum quadrige-
r)i'inorum, und hintere Commissur, Commissura 2^osterior.
Die vordere Sjjitze und die Decke des blindsackförmigen Ventrikels,
die ich dem Oberleder des Pantoffels verglich, wird gebildet durch ein mäch-
tiges Lager weisser, transversaler Commissurenfasern, den Balken, Corpus
Callosum , dessen mittlerer Theil im Grunde der medianen Hirnspalte sicht-
bar ist , dessen Seitentheile sich unter den aufgelagerten Randwülsten ver-
bergen. Da die Decke sammt den Randwülsten in dem Thierreiche in dem
Maasse weiter nach hinten reicht, als die Intelligenz zunimmt, und auch
beim Embryo sich in der Richtung von vorn nach hinten entwickelt, so ist
es mehr als Fiction, wenn wir sagen, dass sie in ihrem Bestreben, sich zu ver-
längern , in der Mitte des Gehirns vom Kleinhirn aufgehalten werde , an
beiden Seiten dagegen ungehemmt den Grosshirnschenkel oder vielmehr
') Setsaura. ^) Nimn tranxrer.'n cei-ehti Burdach.
Gehirn.
97
den ihn einhüllenden Thalamus umwächst. Mit ihrer eigentlichen Endi-
gung erreicht sie an der unteren Fläche des Grosshii^ns , fast bis zum Aus-
gangspunkte zurückkehrend, die Gegend des Chiasma und verschmilzt zur
Fig. 38.
Ccl*
Gehirn von hinten; die Fissura transv. ant! dadurch weit geöffnet, dass das Grosshirn
mit der vorderen Spitze um die transversale Axe abwärts gebogen ist. Cö^ Cerebellum.
\'m a Velum med. ant. Ccb Grus cerebri. Bcp, Bca Erachium conjunct. post. und
ant. Tho Thalam. opt. C'n Conarium. Cd* Splenium corp. callosi. Fta Fissura
trausv. ant. Lq Lamina corp. quadrig. Gh Gyrus hippocampi. Gh' dessen Haken.
/ V N. trochlearis.
Seite desselben, vor dem Tractus opticus, mit der Substantia perforata la-
teralis (Fig. 34**). An der äusseren Seite der Hemisphären kennzeichnet
sich dieser Verlauf durch eine zwischen die Randwülste tief eindringende,
von vorn imd iinten nach hinten und oben schräg aufsteigende Spalte, die
hintere seitliche Hirnspalte (Fig. 30. 34*)^); an der medialen
Fläche der Hemisphären sieht man die vordere quere Hirnspalte jederseits
ab- und vorwärts in eine Spalte iimbiegen, welche zwischen dem abwärts
umgeschlagenen Theil der Decke und dem Grosshirnschenkel in den Seiten-
ventrikel führt (Fig. 38)^). Während der Umschlag an seinem medialen
■') I ossa s. Fissura Sylvil. F. inferior s. transversa s. anterior. F. anterior inferior.
^) Ouvertüre en fera cheval Gratiolet, anatomie comparee du sytt. nerveux. Paris 1857.
He nie, Anatomie. Bd. III. Abthlg. 2. 7
98 Gehirn.
Rande genau der Wölbung des Thalamus folgt, hat er im Inneren der
Hemisphäre die Form einer spitzwinkeligen Knickung, wodurch er sich
vom Thalamus entfernt und der Seitenventrikel in eine hintere Spitze, das
sogenannte hintere Hörn ^), ausgezogen wird. Auch diese Art der Um-
Fig. 39.
Tho
^ CoCca B Sn
Rechte Hemisphäre, von innen. Der Grosshirnsehenkel beim Eintritt in den Thalamus
durchschnitten, die Randwülste bis an die laterale Wand des Seitenventrikels abgetragen.
Cs C. striatum. Tho Thalamus opt. Tto Taenia thalami opt. Cp, C'i Hinteres, unteres
Hörn des Seitenveutrikels. Pv Pulvinar. Si Stria terminalis. T Tegmentum. Sn Sub-
stantia nigra, ß Basis. Cca Corp. candicans. Co CKiasma opt. "j" Trennungsfläche des Gyrus
i'ornic. von der Substantia perfor. media.
biegung der Decke veri-äth sich äusserlich durch die ziemlich scharfe Kante,
mit welcher an der hinteren Sjaitze der Hemis]Dhäre die obere Fläche in
die lintere übergeht. Der Theil des .Ventrikels, welcher durch die den
Hirnschenkel umgebende Spalte zugänglich ist, wird unteres Hörn (Un-
terhorn)2) genannt.
Verlänger-
tes Mark.
Furchen.
Ich wende mich nun zu einer einlässlicheren Beschreibung der hinteren
Abtheilung des Gehirns und zunächst ihres Bodens, des verlängerten Marks.
Das verlängerte Mark (Fig. 40 bis 42) th eilen die medianen Spalten,
welche sich vom Rückenmark auf dasselbe fortsetzen, zimächst in zwei sym-
metrische Hälften. In der vorderen Spalte, Fissiira 7n>edkina ant.^), macht
in der Regel die Pyramidenkreuzung, Decussatio j^yramidum, an der Grenze
) C'av'Ue ancyroide.
^) Fissura lorujüud. ant.
Cornu occipüale Gratiolet. ^) Cornu sphenoidale Grat i ölet.
Gehirn. 99
des verlängerten Marks gegen das Rückenmark eine Unterbrechung von
6 bis 7 Mm. Länge und von verschiedener Form. Zuweilen liegt die Kreu-
zung ganz oberflächlich und man sieht ohne weitere Präparation die Bün-
del, drei bis vier von jeder Seite, unter spitzem Winkel aufsteigend sich
verschränken. Meistens setzt sich die Fissur verflacht über die Kreuzungs-
stelle fort und es ist nöthig, die beiden Seitenhälften etwas aus einander
zu ziehen , um den veränderten Lauf der Fasern wahrzunehmen. Aber
es giebt auch Centralorgane , deren Pyramidenkreuzung im Grunde einer
Medianfissur von kaum veränderter Tiefe liegt, an welchen also die Re-
gion der Kreuzung äusserlich gar nicht oder nur an einer leichten Ausbie-
gung der Spalte kenntlich ist. Auch zwischen der Kreuzung und der
Brücke ist die Tiefe der Medianfissur veränderlich und oft findet man sie
in kürzerer oder längerer Strecke durch eine Art weisser Commissur un-
terbrochen. Vor dem hinteren Rande der Brücke erweitert sie sich durch
die beginnende Divergenz der beiden Seitenhälften zu einem dreieckigen
Grübchen ^).
Die hintere Spalte, Fissiira mediana post., zeichnet sich vor der gleich-
namigen Fissur des Rückenmarks, an die sie sich anschliesst, durch be-
trächtlichere Tiefe und Weite aus, indem sie der Pyramidenkreuzung ge-
genüber einen starken Fortsatz der Gefässhaut aufnimmt. Weiter aufwärts
verflacht sie sich wieder dadurch, dass der Centralcanal , indem er aus
dem Rückenmark in das verlängerte Mark übergeht, sich allmälig der
hinteren Oberfläche nähert, und schliesslich in die hintere Medianfurche
öffnet. Von der Stelle an , wo dies geschieht , weichen die weissen
Stränge, welche bis dahin die hintere Medianfissur begrenzten, aus einan-
der und lassen _eine graue Substanz zu Tage kommen, die in ihrer Be-
ziehung zum Canal zwar der vorderen grauen Commissur des Rückenmarks
entspricht, aber durch eine seichte mediane Fixrche ) ebenfalls in zwei
symmetrische Stränge, die runden Stränge, FunicuU teTetes'-^), abgetheilt
ist. Der Uebergang des geschlossenen Theils des verlängerten Marks *)
in den offenen ^) liegt etwas oberhalb des oberen Endes der Pj^ramiden-
kreuzung. Den offenen Theil insbesondere betrachtet man als Boden des
vierten Ventrikels, obgleich wegen der gewölbten Gestalt der Decke der
Eingang dieses Ventrikels nicht genau zu bestimmen ist. Auf die flache
Vertiefung zwischen den divergirenden Hintersträngen bezieht sich ur-
sprünglich der Name Sinus rhomboideus, Rautengrube, welcher später
synonym mit dem vierten Ventrikel gebraucht wurde ; auf die hintere
Spitze des Sinus rhomboideus passt die Bezeichnung Calamus scripiorius.
Von den den Seitenhälften des Rückenmarks eigenen Furchen setzt
sich nur Eine,, der Sulcus intermedius post., ohne Unterbrechung auf das
verlängerte Mark fort. Die beiden Seitenfurchen, welche am grössten Theile
des Rückenmarks nur durch die Reihen von Löchern , welche die ausgeris-
senen Nervenwurzeln zurücklassen , repräsentirt werden , reichen auch nur
^) Foramen coecum postlcmn Vicq d'Azyr. ") Sulcus s. fissura longttudinalis s. me-
dia fossae rliomhoidalis. ^) Corpora s. eminentiae teretes. Pyrainides posteriores. ■*) Uu-
tere Portion des verlängerten Marks Arnold. Collet du bulbe Cruv. ^) Obere Portion
Amol d.
7*
100
Gehirn.
so weit , als
der hinteren
die Nervenwiirzeln.
AVurzel des ersten
F]V. 40.
Verlängertes Mark, h'.ntere (obere) Fläche. Das Klein-
hirn am Eintritt der Schenkel desselben abgeschnit-
ten, vorderes Marksegel median gespalten. Cop
Commiss. post. Pco Feduuc. conarii. Tho Thala-
mus opt. Bcp Brach, conjuuct. post. J v Frenulum
veli med. ant. Ccq Crus cereb. ad corp. quadrig.
Ccp Crus cereb. ad pont. Fr Funic. restiformis.
Sin Stric-e medull. Vml Velum med. inf. Po Pon-
ticulus. 1- tr F"unic. teres. Ob Übex. Cl Cla\ a.
Fg Funic. gracilis.
Die hintere Seitenfiirche endet mit
Cervicalnerven. An die vorderen Cer-
vicalnervenwurzeln (Fig. 41
Nc^) reihen sich naitunter
die Wurzeln des letzten Cere-
hralnerven (X7/) unmittelbar
an. Ueher die Lücke , die
in anderen Fällen zwischen
beiden besteht, lässt sich die
Fortsetzung der vorderen
Seitenfurche um so weniger
verfolgen , da an dieser Stelle
mehr oder minder ansehn-
liche Faserzüge, Fihrae Clr-
Cfformes, die Oberfläche der
longitudiualen Stränge kreu-
zen (Fig. 42). Aber auch
aus dem verlängerten Mark
entspringen die Nerven wur-
zeln in zwei Längsreihen
und wie beim Rückenmark
kann man in erster Linie
diese Reihen verwenden, um
das verlängerte Mark in drei
Stränge abzutheilen. Es soll
damit ebenso wenig wie beim
Rückenmark, eine histologi-
sche oder eine physiologische
Scheidung der Stränge be-
hauptet, auch über das Ver-
hältniss der gleichnamigen
Stränge des Rücken- und ver-
längerten Marks zu einander
nichts präjudicirt werden.
Doch verdient Erwähnung,
dass die zwischen dem Vor-
der- ixnd Seitenstrang des
verlängerten Marks austretenden ]N^ervenfasern, gleich den vorderen Rücken-
markswurzeln, ausschliesslich motorische Eigenschaften haben, während in
der hinteren Nervenwurzelreihe des verlängerten Marks allerdings motori-
sche und sensible Fasern gemischt vorkommen.
Die vorderen Nervenwurzeln des verlängerten Marks, die Wurzeln des
N. hypoglossus, an Feinheit denen des Rückenmarks ähnlich, kommen aus einer
Fuiche ^) hervor, welche, wie erwähnt, in der Fortsetzung oder doch in fast
gleicher Flucht mit der vorderen Seitenfurche des Rückenmarks zuweilen
leicht lateralwärts convex verlauf;. Die hintere Seitenfurche des verlänger-
') Sulcus 'internus oUvae.
Geliirn.
101
ten Marks wird bezeichnet diircli die Austrittsstellen der Wurzeln der Nn.
accessorius (XJ), vagus {X) und glossopharyngeus (/X) (Fig. 41). Die Wur-
zeln des N. accessorius entspringen als feine, vereinzelte Fäden in weiten
Abständen scbon im Cervicaltheil des Rückenmarks zwisclien den vorderen
und hinteren Wurzeln, näher den letzteren, am nächsten der hintei^en
Wurzel des ersten Cervicalnerven, mit welcher die entsprechende Accesso-
riuswurzel sich häufig auf die Eine oder andere Weise verbindet. Von da
Fiff. 41.
Fi2-. 42.
Verlängertes Mark , vordere (untere) Fläche. Verlängertes Mark, vordere (untere) Fläche.
Die vordere Medianfurehe auseinandergczo- Die Wurzeln der vier letzten Hirnnerven
gen, um die Pyramidenkreuzung (D) zu zei- an der Austrittsstelle abgerissen. Starke
gen. P Brücke. F Flocke. Fma Vordere Fibrae arciformes (Fha). Fr Funic. restif.
Medianfurche. Fi' Funicuius restif. 0 Olive. 0 Olive.
Fo Funic. oliv. Nc' Vordere, Nc" hintere
Wurzel des ersten Cervicalnerven. TT bis A7/
Sechster bis zwölfter Hirnnerve.
an folgen die Ursprünge des N. accessorius einer Linie, welche schräg seit-
wärts und um die Seitenfläche des verlängerten Marks herum an dessen
Vorderfläche aufwärts zieht. An sie schliessen sich in der Nähe des hi*te-
ren Randes der Brücke die starken und dichtgedrängten Wurzelbündel der .
Nn. glossopharyngeus und vagus.
Der Vorderstrang des verlängerten Marks, Pyramidenstrang, Funi- stränge.
culus 2)yram'iclal^s'^), ist im Quer- und Längsschnitt flach gewölbt, 5 bis
6 Mm. breit, vor dem Eintritt in die Brücke etwas verschmälert, wodurch
die beiden Furchen, die ihn einfassen, an Tiefe und Breite zunehmen. Von
der Kreuzungsstelle aus zieht, wenn sie oberflächlich liegt, öfters eine
feine, lineare Furche (Fig. 42*) auf Einer Seite oder auf beiden schräg
über die Oberfläche des Pyramidenstrangs zur vorderen Seitenfurche; sie
■') Pyramide. Corpus s. eimnentia pyrninidaUs. P>/rainis nnterior.
102 Geliirn.
gewähi't den Anscheiu , als ob der Yorderstrang des Rückenmarks zur Seite
wiche , um den Pyramidenstrang hervortreten zu lassen ^).
Der Seiten - oder Olivenstrang , Funiculus Olharis 2), trägt seinen Na-
men von einer glatten, gestreckt elliptischen oder keulenförmigen, mit dem
spitzen Ende abv^ärts gerichteten Hervorragung seines oberen, medialen
Theils, die sich wie der Abschnitt einer aus dem Strange hervorschauenden
Olive oder Mandel ausnimmt. Die Olive, Oliva % hat 14 Mm. im vertica-
len, 7 Mm. im transversalen Durchmesser; ihre Erhebung über das Niveau
des Strangs ist an der oberen Spitze stärker als an der unteren, und am
medialen Rande stärker als am lateralen. Ihre untere Spitze liegt imge-
fähr in gleicher Höhe mit der hinteren Spitze des Bodens des vierten Ven-
trikels ; ihre obere Spitze ist durch eine tiefe , 2 bis 3 Mm. breite Furche *)
vom hinteren Rande der Brücke geschieden. Der mediale Rand der Olive
fällt mit der vorderen Seitenfurche zusammen , die dadurch auffallender
wird; einzelne Wurzelfäden des N. hypoglossiis treten aiis dem der Furche
zugewandten Abhang der Olive hervor. Die zwischen dem medialen Rande
der Olive und den Ursprüngen der Nn. vagus und glossapharyngeus gele-
gene Region des Olivenstrangs ist flach oder von Einer Seite zur anderen
leicht concav.
Die Olive zeigt sich zuweilen durch einen queren oder lougitudinalen Ein-
druck getheilt. Oefters ist die untere Spitze durch starke Fibrae arciformes ver-
deckt. Ehenso kann die Grenze gegen den Pyramidenstraug durch longitudinale
Faserbündel, die sich an dem Rande der Olive heraufziehen, verwischt werden,
sowie auch längs dem lateralen Eande der Olive schmale Paserzüge sich erstrecken.
Die den Rand der Olive säumenden Längsfaserbündel haben Burdach Anlass ge-
geben , ■ die Olive einer , aus der gespaltenen Hülse hervorschaiienden Frucht zu
vergleichen und die Bündel selbst mit dem Namen Hülsenstränge, Funiculi sili-
qiiae, zu belegen •''). Sie kommen nur ausnahmsweise vor, doch lässt sich mitunter
eine Furche zwischen den Bündeln des Pja-amidenstranges zur Herstellung eines
medialen Hülsenstrangs benutzen und die Stelle eines lateralen Hülsenstrangs hat
ohne Zweifel öfters der flache Theil des Olivenstrangs übernommen, von welchem
ein Streifen zunächst der Olive durch eine Reihe feiner Gefässöffnungen abge-
grenzt wird.
Der Hinterstrang des verlängerten Marks, die Fortsetzung des hinte-
ren Rückenmarksstranges, der den zarten und Keilstrang in sich begreift,
hat den Namen des strickförmigen Strangs, Funiculus restiformis^),
erhalten. Indem sein medialer Rand, von der oberen Mündung des Central-
can*s des Rückenmarks an, den medialen Rand des symmetrischen Strangs
verlässt und sein lateraler Rand, die hintere Seitenfurche, in noch höherem
Maasse seitwärts abweicht, nimmt er, sich allmälig verbreiternd, die hintere
■*) So ist sie auch, trotz ihrer Unbeständigkeit, gedeutet worden und auf Grund dieser
Deutung bezeichnet Rolando als Vorderstvänge des verlängerten und als Fortsetzungen der
Vorderstränge des Kückenmarks die Olivenstränge, welche schliesslich am Boden des vierten
Ventrikels erscheinen sollen (Rech. anat. sur la moelle allongee p. 18). ^) Funiculus ovalis.
Crus meduUae ohlongatae ad corpp. quadrigemina Langenbeck. ^) Corpus oKvae s. C.
semiovale. *) Sulcus coecus Krause. ^) Der eigentliche Olivenstrang heisst bei Bur-
dach Funiculus nuclei olivae. ^) Corpus s. Processus restiformis Eidley. Strangformi-
ger Körper. Pyramis lateralis. Crus cerebelli ad medullam ohlongatam. Crus cerebelli
descendens. Pedunculus cerebelli. Pedunculus cerebelli inf. Markknopfschenkel. Kleinhirnstiel.
GehiriJ. 103
Fläche und in der Nähe der Brücke auch die seitliche und einen Theil der
Vorderfläche des verlängerten Marks ein. Die Furche, die den hinteren
Rückenmarksstrang in den zarten und Keilstrang trennt, schreitet, wie er-
wähnt, an dem verlängerten Mark bis zur Eröffnung desselben in anver-
änderter Richtung weiter; der zarte Strang behält daher dieselbe Breite
und auch den Natnen bei ^) ; der Keilstrang -) nimmt dagegen an Breite
beträchtlich zu und wird durch eine seichte Furche, die etwas oberhalb
der hinteren Wurzel des ersten Cervicalnerven auftritt, der Länge nach in
zwei Stränge getheilt, welche ich als medialen^) und lateralen Keil-
strang unterscheiden will'').
Der laterale Keilstrang enthält die verdickte, cylindrisclie Fortsetzung der
grauen Hintersäule des Eückenmarks und zeichnet sich, wenn diese Säule sich der
Oberfläche nähert und nur von einer dünnen Lage Aveisser Substanz bedeckt ist,
durch Glätte und dunklere Färbung aus. Diese übrigens nicht häufige Bildung
hatte Eolando vor sich, als er den der Olive zunächst gelegenen Strang des
Funiculus restiformis mit dera Namen Tuberculuin cinereuin belegte. Nach
Clarke's Bezeichnung zerfällt der hintere Strang des verlängerten Marks in vier
Abtheiluugen, indem zur Seite des Tuber culum ein ereum Eolando, das er auch als
hintere graue Säule aufführt, noch ein Funiculus lateralis s. antero-latercdis folgt.
Von den aufgezählten Strängen des verlängerten Marks werden der
untere und seitliche durch die Brücke verdeckt ; die medialen Fasern des
zarten Strangs scheinen zu den Seiten der oberen Oefifnung des Central-
canals mit keulenförmigen Anschwellungen , Clavae ^) , zu enden, zwischen
denen sich ein nicht ganz beständiges zartes, dreiseitiges Markblättchen mit
vorderem concavem Rande, Obex *^), ausspannt (Fig. 40). Der laterale Theil
des zarten Stranges und der Keilstrang steigen aber, indem sie sich mit leich-
ter Biegung seitwärts wenden, zugleich sanft geneigt über das Niveau der
runden Stränge leicht empor, um dann mit einer raschen Krümmung '^) sich -
in das Kleinhirn einzusenken. Bevor wir sie dahin weiter verfolgen, haben
wir noch eines Anhangs des verlängerten Marks zu gedenken, der 'sich in
wechselnder Form und Stärke in die dasselbe bedeckende Gefässhaut hin-
einzieht. Schon der obere Rand des Obex ist darin verschieden, dass er
sich bald scharf gegen die Gefässhaut absetzt, bald unmerklich in sie ver-
liert. Ebenso verhält sich eine paarige Lamelle , Taenia plexus cJioroidei Taonia pie-
ventricuU qiiarti^), welche sich vom Seitenrande des vierten Ventrikels und
der äusseren Fläche des strickförmigen Strangs erhebt. In ihrer vollendet-
sten Ausbildung besteht sie aus zwei, einander theilweise deckenden Theilen.
Der Eine, für den ich den Namen JPonticuhis (im engeren Sinne) adoptire, Ponticuius.
ist eine vierseitige Platte, welche im Anschluss an den Obex oder in ge-
^) Rolando und Clarke beschreiben ihn als hintere Pyramide. ^) Hintere Schenkel
des Kleinhirns Reil (dessen Archiv IX, 491). ^) Corpus restlforme Clarke. *) Sie
entsprechen dem Keil- und Seitenstrange Burdach's. Die Neuerung i.t nothwendig, weil
eine unbefangene Betrachtung in dem Olivenstrang die eigentliche Fortsetzung des Seiten-
strangs des Rückenmarks erkennen muss, wie ihn denn auch Reil als seitlichen Strang
aufführt, und weil Burdach's Bezeichnung auf der unerwiesenen Annahme beruht, dass
die Fasern des Seiteustrangs des Rückenmarks sich hinter die Nervenwurzeln begeben , um
im verlängerten Mark zum Gehirn aufzusteigen. ^) Fyramis post. Renßement mamelonne
Cruv. ^) Obex sinus rliomboidalis. Riegel. ') Cerinx pedunculormn. ^) Taenia sinus
rhoiiiholdnUs. Ligula,. Ponticuius. Ala pontls Reichert.
104
Gehirn.
ringer Eutfernung vor demselben in dem Einen Falle aus der Furche zwi-
schen dem runden und Keilstrang hervorzudringen scheint , in anderen
Fig. 43.
Frontalschnitt durch den vierten Ventrikel ain hinteren Rande des Ponticulus. Vorderer
Abschnitt. Po Ponticulus. F Flocke. Vmp , Velum med. post. X N. vagus.
Velum me-
duU. iuf.
durch Fasern gebildet oder doch verstärkt Avird , die als ein platter Strang
über den Wurzeln der Nn. giossopharyngeus und vagus aus der Seitenfurche
des verlängerten Marks austreten, an dem strickförmigen Strang, fest mit
demselben verwachsen, aufsteigen und an seiner inneren Grenze und zwar
zuerst mit dem stärkeren hinteren Rande sich ablösen (Fig. 43). Der Ponticulus
kann eine Mächtigkeit von 0,5 Mm. und in der Richtung der Axe des ver-
längerten Marks eine Länge von 5 Mm. erreichen. Sein transversaler
Durchmesser ist im günstigsten Fall ungefähr gleich der Breite des runden
Strangs. Eingehüllt in die Gefässhaut, die den Boden des vierten Ventri-
kels deckt, bilden nämlich die Ponticuli beider Seiten, in der Mittellinie
zusammenstossend und verschmelzend, eine Brücke über der die runden
Stränge scheidenden Medianfurche. In der Regel aber verlieren sie sich,
noch ehe sie die Mittellinie erreichen, im Gewebe der Gefässhaut.
Die zweite Abtheilung der Taenia des Plexus choroideus, ich will sie
unteres Marksegel, Vehini lllediülare i9{/., nennen i) , hebt sich vom ver-
längerten Mark ab längs einer Linie, welche am vorderen Rand der Wur-
zel des Ponticulus beginnt, den hinteren Rand der Wurzel des N. acusticus
entlang und dann über denselben hinweg seitwärts geht und am Flocken-
stiel endet. Es ist zuweilen nur ein schmaler Saum , in anderen, selteneren
Fällen eine dreieckige Platte, deren stumpfer Winkel nach hinten gerichtet
ist, deren medialer, concaver Rand den hinteren Rand des Ponticulus kreuzt,
deren lateraler Rand, ebenfalls einfach concav oder ausgezackt und mit
zwei bis drei kurzen Spitzen versehen, zwischen dem verlängerten Mark und
der Flocke ausgespannt ist. Ist dieser Rand scharf abgesetzt (Fig. 44), so passt
1) Füllhorn oder Blumenkörhchen Bochdalek (Pr,TC;-cr Vierteljahrsschr. 1849. II, 119).
Gehirn.
105
Bochdalek's Vergleichiuig des hinteren Marksegels mit einem Fühhorn
um so mehr , weil üher ihm , wie aus einer Höhle , eine Fortsetzung des
Fiff. 44.
■/ /
A'^erlängertes Mark und Brücke mit dem Kleinhirn, in der Rückenlage. P Brücke. /"Flocke.
r bis JY Fünfter bis zehnter Hirnnerve. VIl' Portio intermedia n. facialis.
Plexus choroideus des vierten Ventrikels (Fig. 43. 44**) hervortritt, die
sich über die Flocke legt. Oefter geht das hintere Marksegel unmerklich
in die Gefässhaut über und macht dann mehr den Eindruck einer col-
labirten Blase. Einige Mal sah ich es schmal, bandförmig, einem abgeplat- ~
teten Nerven ähnlich um den strickförmigen Strang sich herumwinden.
Ueber die untere Fläche des hinteren Marksegels verlaufen die Wur-
zeln der Nn. glossopharyngeus und vagus nach aussen und müssen, um das-
selbe sichtbar zu machen , medianwärts zurückgeschlagen werden. Oefters
findet man sie ein Stück weit mit der Markplatte verwachsen.
Dass das hintere Marksegel mit dem Ponticulus zu Einer Lamelle ver-
schmelzen kann, die dann immer dünn und zerreisslich ist, und allmälig in
die Gefässhaut sich verliert, habe ich bereits erwähnt.
Die in das Kleinhirn eintretenden Stränge des verlängerten Marks Kieininm.
Markkern.
verlieren sich in eine compacte weisse Masse, die man den Markkern, JVm-
deus medidJaris i) des Kleinhirns^ nennt. Sie erscheint auf einem horizon-
talen, d. h. einem das Organ parallel der Oberfläche in zwei Hälften thei-
lenden Durchschnitt bisquit- oder besser brillenförmig , die schmale Mitte
über dem verlängerten Mark, die breiteren sjnnmetrischen Seitentheile in
die das verlängerte Mark überragenden sogenannten Hemisphären des Klein-
hirns sich erstreckend (Fig. 45 a. f. S.). Aber auch in sagittalen und fron-
talen Durchschnitten zeigen die Seitentheile des Markkerns ein bedeuten-
1) Markkörper.
106
Gehirn.
nen sich jederseits drei strangförmige Massen weisser Nervensubstanz,
die man unter dem Namen der Schenkel des Kleinhirns, Crura cere-
Fig-. 45.
Horizontalschuitt durch das Kleinhirn und den Boden des vierten Ventrikels. Lc Locus
coeruleus. Fva Fovea ant. am Boden des vierten Ventriivels. To Tonsille. N Nodulus.
a, pj i Oberer, hinterer, unterer Lappen des Kleinhirns. Cd Corpus dentat. desselben.
helli, zusammenzufassen pflegt (Fig. 46). Der Schenkel des Kleinhirns zum
verlängerten Mark, Crus cerebelli ad medullam oblongutam, oder Klein-
hirnstiel, Pedunculu scerebelU (Fr), ist identisch mit dem Theil des verlänger-
ten Marks, der als ein zum Kleinhirn aufsteigender Strang soeben erwähnt
wurde. Medianwärts neben ihm entspringt aus dem Markkern der He-
misphären der Vierhügelschenkel, Crus Cerebelli ad corpora quadrige-
mina ^), und wendet sich , der Richtung des Kleinhirnstiels entgegen , vor-
und abwärts tmd allmälig gegen die Medianebene zurück. Durch ihn wird
ein der Masse des Kleinhirnstiels einigermaassen entsprechendes Aequi-
valent an Fasern dem verlängerten Mark wieder zugeführt und nachdem
der vierte Ventrikel durch die Divergenz und Erhebung der Kleinhirn-
stiele an Breite und Höhe ziigenommen hatte, wird er in beiden Dimen-
sionen durch die Convergenz und Senkung der Vierhügelschenkel wieder
reducirt. Der dritte Schenkel des Kleinhirns, Brückenschenkel, Vrus
Cerebelli ad ponteni ^) , entsteht seitwärts neben dem Kleinhirnstiele und
tritt ab- und vorwärts aus , um sich an der unteren Fläche des verlän-
gerten Marks in die Brücke fortzusetzen.
^) Crus adscendens. l'roc. cerebelli ad festes. Brachium conjunctivum s. copulativum.
Bindearm Burdach. Commissura cerebelli cum cerebro Arnold. Pedunculus super. Cvny.
^) Brachium pontis. Brückenarm Burda eh. Vereinigungsschenkel Meckel. Pedunc. med.
C r u V.
Gehirn.
10'
An einen Frontalschnitt des Gehirns, unmittelbar hinter der Brücke,
der den vierten Ventrikel an seiner geräumigsten Stelle trifft, hat der
Markkern der Hemisphäre
des Kleinhirns eine ungefähr
dreiseitige Form (Fig. 47).
Eine obere und untere Seite
convergiren lateralwärts in
einem abgerundeten Winkel;
die mediale Seite ist durch
einen tief einspringenden
spitzen oder an der Spitze
abgestutzten Winkel (*), in
welchem der Böden und die
Decke des vierten Ventrikels
zusammenstossen, einge-
schnitten. Unterhalb dieses
Winkels setzt sich der Mark-
kern ohne deutliche Grenze
in den Boden des Ventrikels
fort. Die Decke des Ventrikels
scheiden zwei symmetrische
sagittale Furchen in eine mitt-
lere und zwei seitliche Wöl-
bungen; die seitlichen ent-
sprechen den Ursprüngen der
Vierhügelschenkel, die mitt-
lere entspricht der unteren
Fläche einer verhältnissmäs-
sig dünnen (3 Mm. mächtigen)
Commissur, die die (bis 20 Mm.
hohen) Markkerne beider He-
misphären verbindet.
Ein weiter hinten, hinter
der Eintrittsstelle der Klein-
hirnstiele geführter Frontal-
schnitt des Kleinhirns zeigt
die Markkerne der Hemisphä-
ren der rundlichen Form sich nähernd , die Commissur zwischen denselben
an der unteren Fläche ebenso wie an der oberen mit Randwülsten ver-
sehen (Fig. 48 a. f. S.). An allen diesen Durchschnitten erscheint in dem
medialen Theil des Markkerns jederseits das wellenförmige, einen gegen die
Medianebene offenen Kreis beschreibende graue Band, Corpus dentatum ce-
rebelli, dessen genauere Schilderung vorbehalten bleiben muss.
Frontalabschnitte durch den vorderen Theil des Markkerns lassen an
dem äusseren Contur mehr und mehr die Scheidung in Vierhügel - und
Brückenschenkel erkennen. Die zwischen den Vierhügelschenkeln ausge-
spannte Commissur ist allmälig dünner geworden und ohne Unterbrechung
in das vordere Marksegel übergegangen (Fig. 49).
Verlängertes Mark, hintere (obere) Fläche. Das Klein-
hirn am Eintritt der Schenkel desselben abgeschnitten,
vorderes Marksegel median gespalten. C'o2} Commiss.
post. Pco Pedunc. conarii. Tho Thalamus opt. Bcp
Brach, conjunct. post. Fv Frenulum veli med. ant.
Fr Funic. restiformis. Sm Striae meduU. Vini Unteres
Marksegel. Po Ponticulus. /'7r Funic. teres. 0& Obex.
Cl Clava. Fg Funic. gracilis.
108
Gehirn.
Vergleicht man, von dem Medianschnitte ausgehend, eine Anzahl suc-
cessiver Sagittalabschnitte des Kleinhirns, so ergiebt sich, dass der Mark-
Figr. 47.
Frantalsclinitt des vierten Ventrikels 8 Mm. hinter der Brücke. Hinterer Abschnitt. iV No-
dulus. /'Flocke, s, 7), i Oberer, hinterer, unterer L'ippen des Kleinhirns. * Seitenwand des
vierten Ventrikels. ** Plexus choroid.
kern zur Seite des dünnen mittleren Verbindungstheils sich rasch verdickt,
weiter noch bis über die Mitte der Hemisphäre hinaus allmälig im vertica-
Fig'. 48.
■'■^'^iLä
Frontabschnitt des verlängerten Marks und Kleinhirns hinter dem Eintritt der Kleinhirn-
stiele. Hinterer Abschnitt. To Tonsille. ,?, j), i Oberer, hinterer, unterer Lappen.
len und sagittalen Durchmesser zu und dann wieder abnimmt, wobei sich
sein hinterer Rand stets schärfer zeigt, als der vordere.
Im Cxanzen l^etrachtet, wölbt sich der Markkern des Kleinliirns über
dem verlängerten Mark als ein platter, vorwärts abhängiger Bogen, dessen
Geliirn.
109
Mächtigkeit in der Mitte am geringsten ist und gegen die seitliclien Enden,
mit denen er auf dem verlängerten Marke ruht, beträchtlich wächst (Fig. 50).
Fiff. 49.
Vma
%^JL(b
Krontalsihuitt des vierten Ventrikels, durch den vorderen
Rand des Kleinhirns, entsprechend der in Fig. 35 auf das
vordere Marlisegel gezogenen Linie. Vma Velum med. ant.
Ccq^ Crus cereb. ad c. quadrig. &n C ubi^ Lantoj-igra . Ccp
Crus cereb. ad pont. ac ♦'•«■^vo
Zum Kern desKleinhiriis
wird dieser Bogen da-
durch, dass sich von sei-
nen Flächen und seinem
hinteren freien Rande, Eaudwüiste.
sowie von den Anfän-
gen der Schenke], durch
die er mit den Vier-
hügeln und der Brücke
zusammenhängt , Lei-
sten ^) erheben, die sich
vielfach theilen und an
ihren freien Rändern
und Flächen mit einer
ziisammenhängenden
Lage grauer Substanz
bedecken. Die primä-
ren Leisten stehen durch-
^ *"«^«/«^ä,ngig senkrecht oder
nur wenig geneigt zur
Oberfläche des Markkerns; diese Stellung behalten auch manche der secun-
dären Leisten bei, wenn die Theilung dicht über dem Ursprung und unter
c^i-c^-rf ^t*««£et^
Fi£
.0.
Markkern des Kleinhirns nach Ablösung der Raudwülste, von hinten. Das verlän-
gerte Mark dicht vor dem Eintritt in die Brücke (P) quer durchschnitten. Viixa
Velum med. ant. Ccq Crus cereb. ad c. quadrig. F Flocke.
spitzem "Winkel erfolgt. Weichen die secundären Leisten unter einem dem
Rechten sich nähernden Winkel auseinander, so nimmt die Eine oder an-
dere eine der Oberfläche des Markkerns mehr parallele Lage an. Mit der
Theilung mindert sich in der Regel die Mächtigkeit der Leisten; die stärk-
■^) Laininae medulläres.
110
Gehirn.
sten unter den primären haben eine Mächtigkeit von 2 bis 3 Mm. Die
feinsten oder Endleisten, die den grauen Ueberzug tragen, stehen in regel-
Ficf. 51.
Medianschnitt des Kleinhirns, s, 2h ^ Oberer, hinterer, unterer Lappen. Vs, Vp
Oberer, hinterer Wurm. Py Pyramide. 1/ Uvula. N Nodulus. Lg Lingula.
V'ina Vorderes Marksegel. Lq Vierhügelplatte.
massigen Abständen von 1,5 Mm. alternirend oder einander gegenüber,
senkrecht auf primären oder secundären, einzelne auch unmittelbar zwischen
den Ursprüngen der primitiven Leisten auf der Oberfläche des Markkerns.
Ihre Mächtigkeit beträgt 0,02 bis 0,15 Mm.; mit dem Ueberzug von grauer
Substanz bilden sie die Randwülste ^) des Kleinhirns , deren Mächtigkeit
gleich ist dem Abstände der Endleisten von einander (Fig. 51).
Der blätterige Baii des Kleinhirns verräth sich an der Oberfläche durch
Furchen oder Spalten von verschiedener Tiefe. Die seichtesten entsjjrechen
der Höhe der Randwülste (2 Mm.) , die tiefsten reichen zwischen den zu je
zwei benachbarten primären Leisten gehörigen Randwülsten bis zur Ober-
fläche des Markkerns.
Einigermaassen ist die Tiefe der Furchen schon an der Oberfläche des
Kleinhirns daran kenntlich , dass die Stärke der Fortsätze der Gefässhaut,
die sich zwischen die Furchen einsenken , zur Tiefe der letzteren in Ver-
hältniss steht, die tieferen Furchen also auch an der Oberfläche weiter klaf-
fen. Die grosse Mehrzahl der Leisten des Kleinhirns verläuft von Einer
Seite zur anderen transversal oder in vorwärts concaven Bogen, die primä-
ren mehr liegend oder aufgerichtet, jenachdem sie von dem Rande und
den Abhängen oder von der Höhe des Markkerns ausgehen, die Endleisten,
welche auf den Flächen liegender primärer Leisten aufsitzen , in verticalen,
die Endleisten der Seitenflächen aufgerichteter primärer Leisten in horizon-
talen Ebenen.
Demgemäss haben auch die Furchen an der Oberfläche des Kleinhirns
eine vorwiegend transversale Richtung. So weit sie wirklich transversal
verlaufen, treffen sagittale Durchschnitte des Kleinhirns sämmtliche Leisten
senkrecht gegen ihre Oberfläche und zeigen ihren Zusammeuhang in Form
^) Fulia, VAiMcw -flyri.
Gehirn.
111
einer baumförmigen Verästelung^). Je mehr man sich den Seitenrändern
der Hemisphären nähert, an welchen Leisten und Furchen vorwärts um-
Fi>. 52.
^1 P
Frontalschnitt des Gehirns hinter der Vierhügelphitte, hinterer Abschnitt. Die Raud-
wülste des oberen Wurms aufgehoben; die linke Hemisphäre parallel der Faserung der
Brücke schräg lateralrückwärts vertical durchschnitten, s, p, i Oberer, hinterer, unte-
rer Lappen, s' Lobus centralis. Vq Vierter Ventrikel. Vma Velum meduU. ant.
Ccq Crus cereb. ad c. quadrig. Ccp Grus cereb. ad pontem. F Flocke. F' Nebenflocke.
beugen, iim so mehr müssen verticale Durchschnitte, wenn sie ein vollstän-
diges Bild der Verzweigung der Leisten gewähren sollen, sich der frontalen
Richtung nähern (Fig. 52). Doch kommen an der unteren Fläche des Mark-
kerns der Hemisphären, zunächst der Commissur, auch einfach sagittale
Leisten und cylindrische Fortsätze mit longitudinalen Endleisten vor.
Die tieferen Furchen theilen das Kleinhirn in Lappen, deren Beschrei- Oberfläche.
bung von der äusseren Oberfläche anhebenmuss. Man vergleicht das Klein-
hirn einem plattgedrückten Ellipsoid mit transversal gestellter grösserer
Axe, dessen stumpfer Rand eine obere und untere gewölbte Fläche scheidet.
Die grössere Axe misst im Mittel 11 Cm., das Verhältniss der kleineren
zur grösseren ist wechselnd, ebenso die Lage der längeren Axe , die zuwei-
len auf die Mitte, meistens aber vor die Mitte der kürzeren fällt. An der
breitesten Stelle erfolgt häufig der Uebergang des vorderen, flacheren Theils
des Randes in den hinteren, gewölbteren in Form eines abgerundeten Win-
kels 2). Der vordere Rand '') ist über dem hinteren Vierhügelpaar halbmond-
förmig ausgeschnitten ; der hintere Rand hat einen tiefen medianen Einschnitt *),
^) Arbor vitae s. medullaris. Lebensbaum. ^) Aeussere Ecke Burdach. ^') Inci-
sura seviilunarls s. marginalis anterior. Innerer Vorderrand Burda eh. Den Vorderrand
zu beiden Seiten des Ausschnitts nennt Burdach den äusseren Vorderrand und die Ecken,
die der ausgeschnittene Theil des Vorderrandes mit dem äusseren Vorderrand jederseits
bildet, vordere Ecken. *) Incisura marsupialis s. marsupüformis. Inclsura marginalis
post. Die Ecke, die den Eingang in die hintere Incisur begrenzt, nennt Burdach hintere
Ecke, den Rand zwischen äusserer und hinterer Ecke Hinterrand.
112
Gehirn.
welchen heide Seitenhälften mit convexen Rändern hegrenzen, so dass sie,
wie am Eingang, so auch im Gminde des Einschnitts auseinander weichen
Fig'. 53.
Kleinhirn. Obere Fläche. *■, p Oberer, hinterer Laiipen. Oq Vierhügel.
und hier mit dem transversalen hinteren Rande des . mittleren Theils des
Kleinhirns eine dreieckige Lücke einschliessen (Fig. 53).
Der mediane Theil des Kleinhirns ist sonach beträchtlich (um etwa Va)
kürzer, als die Seitentheile und es wiederholt sich im Aeusseren des Organs
das Verhältniss, in welchem Hemisphären und Commissur des Markkerns
zu einander stehen. Der der Commissur entsprechende Theil der Oberfläche
wird Wurm, Vermis'^), genannt.
Die obere Fläche des Kleinhirns ist eben , wie das Tentorium , welches
sich zwischen sie und die untere Fläche des Grosshirns schiebt. Die untere
Fläche wird durch die höchste transversale Wölbung in einen hinteren
und einen vorderen Abhang geschieden. Der hintere rückwärts schauende
und in den Gruben der Hinterhauptsschuppe gelegene Theil der unteren Fläche
wird in zwei symmetrische Hälften getheilt durch den erwähnten , vom hin-
teren Rande vordringenden Einschnitt, in dessen erweitertem Grunde der
Wurm sichtbar wird.
Der aufsteigende vordere Theil der unteren Fläche besitzt eine tiefe,
mediane, nach vorn sich verbreiternde Aushöhlung zur Aufnahme des ver-
längerten Marks und der Kleinhirnschenkel. Durch die aus dem Kleinhirn
vor- raid seitwärts au^^tretenden Gebilde (vorderes Marksegel , Vierhügel-
^) Totakommissur.
Gehirn.
113
und Brückenschenkel) wird sie abermals der Quere nach getheilt in zwei in Einer
Fliiclit gelegene Zonen (Fig. 54). Die vordere Zone setzt sich nm den Vor-
Fis:. 54.
Ccq
Vorderer Theil der unteren Fläche des Kleinhirns, wekhes mittelst eines Schnitts durch das
vordere Marksegel {Vma), die Vierhiigelscheiikel (Ccq) und Brückenschenkel (Ccp) isolirt
ist. s , p, i Oberer, hinterer, unterer Lappen. /V Nodulus. Vmp Hinteres Marksegel.
F Flocke. F f Schnittfläche des Stiels der Flocke nach Abtrennung derselben. F' Neben-
flocke. To Tonsille.
Fig. 55.
Kleinhirn, hinterer Rand und hinterer Theil der unteren Fläche, p, i Hinterer, unte-
rer Lappen. Vs , Vp Oberer, unterer Wurm. Py Pyramide. To Tonsille. Fj Im-
pressio jugulavis, .
Henle, Anatomie. Bd. III. Abthlg. 2.
8
114 Gehirn.
derrand des KleinMrns in Wurm und Hemisphären der oberen Fläche fort;
sie ruht mit ihrem mittleren Theil auf dem vorderen Marksegel und dem
hinteren Vierhügelpaar und erstreckt sich seitlich über die Vierhügelschen-
kel zu den Brückenschenkeln. Die Aushöhlung der hinteren Zone ist iden-
tisch mit dem aufsteigenden Theil der Decke des vierten Ventrikels. Ihren
Seitenrand bildet ein stumpfer Kamm , dessen Höhe variirt nach der Tiefe
eines an seiner lateralen Seite befindlichen sagittalen Eindrucks, der dem
Tuberculum jugulare des HinterhaujDtbeins- (Knochenl. S. 107) entsprechen-
den Impressio jugularis (Fig. 55. 58). Eine die Aushöhlung der Länge
nach durchziehende mediane Spalte ^) wird erzeugt durch die über dem
Mittelstück oder Wurm der unteren Fläche zusammenschlagenden Hemis-
phärentheile (Fig. 56). Sie öffnet sich nach vorn und lässt den vordersten
Lappen des unteren Wurms (Noduhis) durchblicken.
Fig. 56.
\v
Unterer Theil des Frontalschnitts der hinteren Partie des Kleinhirns durch Uvula (U)
und Tonsillen (T'o). Die Aushöhlung unterhalb der Tonsillen ist zur Aufnahme des ver-
längerten Marks bestimmt.
Durch Auseinanderziehen der Hemisphären macht man den unteren
Wurm in seiner ganzen Länge sichtbar,
iiappen. Zwischen den seichten Furchen, welche die Randwülste von einander
trennen,, und den tiefsten, welche sich bis auf den Markkeru erstrecken,
kommen andere von wechselnder Tiefe vor, deren Grrund von Theilungs-
winkeln der Leisten gebildet wird , mehr oder minder nah der Wurzel der
primären Leisten. Dergleichen intermediäre Furchen schliessen eine grös-
sere oder geringere Zahl von Randwülsten ein; sie bringen einige Unsicher-
heit in die Sonderung und Bestimmung der Lajjpen. Mir scheint eine Ein-
theilung der Hemisphären in fünf Lappen die naturgemässeste. Heber die
Selbständigkeit der Tonsille undFlocke kann kein Zweifel entstehen. Den
Rest, der Hemisphäre zerlege ich in einen oberen, hinteren und unte-
ren Lappen, welche durch ihr Verhältniss zum Wurm charakterisirt werden.
^) Fissura s. Scissura longüudinalis. Vallecula. Vallis.
Gehirn. 1 1 5
Den zwischen den oberen Lappen gelegenen Theil des Wurms bezeichnen
wir als oberen, den zwischen den hinteren Lapjoen gelegenen als hinteren
Wurm. Der untere Wurm bildet eine mehr selbständige Reihe transver-
saler Läppchen, welche durch zwei tiefere Furchen in drei Theile, von hin-
ten angezählt Pyratnis , Uvula und JSfochilus, gespalten werden. Die Py-
ramide verbindet die hinteren Lappen. Uvula und Nodulus hängen nur
mittelbar mit der Tonsille und Flocke zusammen.
Der obere Lappen (s) nimmt die obere Fläche des Kleinhirns bis i. Oberer
zum Grund des hinteren Einschnitts und die vordere Zone des vorderen
Abhangs der unteren Fläche ein. Eine Furche von mittlerer Tiefe, wel-
che von dem hinteren Ende des oberen Wurms , dem vorderen Aus-
schnitt parallel, über die obere Fläche der Hemisphäre zum Brücken-
schenkel zieht ^) , scheidet den oberen von dem hinteren Lappen. Dem
vorderen Ausschnitt und dieser Furche concentrisch verlaufen auch die
Eandwülste von Einem Brückenschenkel zum anderen und wenn auch
nicht alle die ganze Breite des Organs durchsetzen und einzelne hier und
da zugeschärft zwischen den benachbarten enden oder in die Tiefe
tauchen, so werden solche Unregelmässigkeiten im Ganzen so weit ausge-
glichen , dass sich der Lappen nach den Seiten nur wenig verjüngt.
So unterscheidet sich der Wurm von den Hemisphären nur durch verän-
derte Krümmung der Eandwülste und Furchen (Fig. 53). Die an der un-
teren Fläche des Lappens versteckten kürzeren Eandwülste , welche jeder-
seits in der Furche zwischen Brücken- und Vierhügelschenkel enden '^), sind
in der Mitte des vorderen Eandes mit einem zun genförmigen Vorsprung ver-
sehen (Fig. 52. 55. 59 s'). Die Eandwülste der oberen Fläche dagegen sind
in der Mitte steiler rückwärts gebogen in einer Breite von 10 bis 12 Mm.,
die also der Breite des oberen Wurms ^) entspricht. Zur scheinbaren Ab-
grenzung des Wurms gegen diesen Theil der Hemisphäre ^) dient öfters eine ~
schmale sagittale Einne, in welcher ein Hauptast der A. cerebelli ant. rück-
wärts verläuft , längs welcher auch am häufigsten die Furchen in Unordnung
gerathen, indem Randwülste an den in das Kleinhirn sich einsenkenden Ar-
terienzweigen enden. Beständig theilt eine durchgehende Spalte, welche
bis auf den Markkern reicht, die Vorderlappen sammt dem Wurm in zwei
ungefähr gleiche Hälften (Fig. 51).
In einer ganz anderen Beziehung als die oberen , stehen der hintere
und untere LajDpen zu den ihre Verbindung vermittelnden Wurmthei-
len. Sie sind nicht nur durch tiefere Einschnürungen gegen den Wurm
abgesetzt, sondern zeichnen sich vor demselben auch durch die bei weitem
beträchtlichere Zahl ihrer Eandwülste aus , indem die Leisten nicht nur in
der Eichtung vom Markkern gegen die Oberfläche, sondern auch vom Wurm
gegen die Seitenwände sich durch Theilung vervielfältigen. Der' hintere 2. Hinterer
Lappen (j)) ^) begrenzt mit seinem medialen Eande den hinteren Einschnitt des ^^^p™-
■') Sulcus s. Fossa superior. ^) Lohns centralis cum aus aut. ^) Montlculus cerebelli
Reil. Berg, an welchem noch Culmen und Declive unterschieden wird. *) Lob. sup. ant.
s. quadrangularis aut. ^) Ich vereinige unter diesem Namen den oberen und unteren halb-
mondförmigen L«ppen {Loh. semilunaris sup. Loh. semilunaris inf. s. sup. post. und s. inf.
post.) und den zarten Lappen (Loh. gracilis s. inferior niedius).
8*
116
Gehirn.
Kleinhirns und nimmt die hintere Region der oberen Fläche und den grös-
seren, lateralen Theil der unteren Fläche der Hemisphäre ein, während der
zxi den hinteren Lappen gehörige hintere Wurm den oberen kaum überragt
und aus einer geringen Zahl quer verlaufender Eandwülste besteht, die im
Grunde des Einschnitts und an der unteren Fläche des hinteren Wurms
sichtbar werden, wenn man die Hemisphären auseinanderzieht und die Quer-
spalte zwischen dem hinteren und unteren Wurm öffnet (Fig. 57. 58).
Die drei grösseren Lappen des Kleinhirns, der obere, hintere und untere,
inseriren sich am Brückenschenkel in einer gebrochenen Linie (Fig. 54), welche
einen medianwärts offenen, spitzen Winkel bildet. Der seitliche Rand des obe-
ren Lappens nimmt den oberen Schenkel dieses Winkels ein ; in dem Scheitel
desselben drängen sich die oberen und ein Theil der hinteren unteren Rand-
wülste des hinteren Lappens zusammen , während die folgenden und die
sich anschliessenden Randwülste des unteren Lappens successiv in dem un-
teren Schenkel des Winkels enden. Dies Zusammendrängen der Enden der
Randwülste auf einen engen Raum ist nur dadurch möglich, dass, wie am
Fig-. 57.
Py To
Kleinhirn, vom hinteren Rande, die Hemisphären auseinandergezogen, um den hinteren
Wurm (Vp) zu zeigen; linlss eine der tieferen Spalten geöffnet. Vs Oberer Wurm. To Ton-
sille. Fy Pyramide, s, p Oberer, hinterer Lappen.
Uebergaug in den Wurm, ihre Zahl durch Vereinigung mehrerer in je Eine
Lamelle vermindert wird, ohne dass indess die Blätter sich an beiden En-
den in gleicher Ordnung zusammenfügen, da einzelne Unterabtheilungen
der Lappen unterwegs zugespitzt untergehen und überall im Grunde der
Spalten Randwülste von Einer Unterabtheilung , ja von Einem Lappen auf
den anderen sich hinüberschlagen (Fig. 57*).
Von dem Scheitel des Winkels, in welchem die Randwülste an dem
Gehirn.
117
Brückenschenkel ziisammenstossen, setzt sich eine tiefe Spalte ^) längs dem
Rande des Kleinhirns oder in der Nähe des Randes anf die untere Fläche
fort, den Hinterlappen in eine obere und untere Abtheilung scheidend.
Oefters , jedoch nicht constant, erstreckt sie sich über den hinteren Wurm
und trennt von demselben eine dünne Lamelle (Fig. 57 Vp') ab, welche die
oberen Abtheilungen verbindet 2).
Andere, etwas seichtere Spalten der unteren Fläche machen selbst die
Scheidung des hinteren und unteren Lappens unsicher; doch dient als An-
haltspunkt die Flocke, deren laterale Spitze dem lateralen Rande des unte-
ren Lappens zu entsprechen pflegt. Der Zug der Randwülste des hinteren
Lappens geht im Allgemeinen dem hinteren Rande und den Spalten parallel,
doch laufen sie über die freie Fläche einzelner secimdärer Lappen auch in
schrägen und einander entgegengesetzten Richtungen.
Der untere Lappen (7) 3) ist keilförmig, mit dem breiten Ende vorwärts 3. Unterer
gegen den Brückenschenkel, mit dem spitzen Ende gegen den Wurm ge- ^pp®"^-
Fiff. 58.
Kleinhirn , vom hinteren Rande , noch etwas mehr um die transversale Axe aufwärts ge-
dreht, als in der vorigen Figur, j^ Hinterer Lappen, pf Schnittfläche desselben, nachdem
er bis auf das Niveau des hinteren Wurms (Vp) abgetragen ist, um den unteren Lappen
(l) aufzublättern. Ij Impressio jugulaiis. F^ Pyramide. U Uvula. To Tonsille.
richtet, an welchem seine Randwülste theilweise vor denen der hinteren
Lappen von beiden Seiten in einander übergehen, theilweise mit der Pyra-
^) Sulcus niagnus Vicq d'Azyr. Sulc. magn. Jiorizontalis Reil. Fossa peduncu-
laris. ^) Dies ist die als Theil des oberen Wurms beschriebene Commissur der oberen halb-
mondförmigen Lappen (Commissura tenuis. Foltum cacummis , Wipfelblatt Burdach. Lo-
mina cacuminis s. Lamina transv. sup. Arnold). Der Rest des hinteren Wurms, der als
Commissur der unteren halbmondförmigen Lappen zum unteren Wurm gerechnet wird, ist
identisch mit dem Tuber valvulae, Klappwulst Burdach (^Laminae transv. infF. Arnold).
^) Lohns inf. anterior s. cuneiformls s. biventer.
118
Gehirn.
mide durch Vermittelnng eines dünnen, am hinteren Rande tief eingeschnit-
tenen Markblattes zusammenhängen (Fig. 59). Der Verlauf der Furchen
ist sagittal, am hinteren Ende medianwärts umbiegend ; Eine derselben, un-
gefähr in der Mitte des Lappens, vertieft sich zu einer bis auf den Mark-
kern dringenden Spalte. Die mediale Fläche des Lappens ist ausgehöhlt zur
Aufnahme der Tonsille.
4. TonsiUe. Die Tonsille, TonsiUa''-), ist ein im Wesentlichen eiförmiger Körper,
dessen Oberfläche sich aber den angrenzenden Theilen accommodirt. Indem beide
Tonsillen den Raum zwischen den hinteren Lappen, dem unteren Wurm und
dem verlängerten Mark ausfüllen , wenden sie der Concavität des ersteren
eine gewölbte laterale Fläche zu; ihre mediale Fläche trägt im unteren
Theil zur Bildung der Aushöhlung bei, die zur Aufnahme des verlängerten
Marks bestimmt ist; den Rand dieser Aushöhhing bildet, nicht selten auf
beiden Seiten verschieden, bald der untere Lappen, bald die den unteren
Lappen überragende Tonsille. Weiter hinauf, wo beide Tonsillen in der Mit-
tellinie aneinander stossen, ist ihre mediale Fläche fast plan; noch höher,
wo sie die Uvula zwischen sich fassen, divergiren die medialen Flächen auf-
wärts mehr oder weniger, je nachdem die Seitenflächen der Uvula in einer
spitzeren oder schärferen Kante sich vereinigen (Fig. 48. 56). Die Markleiste,
durch welche die Tonsille an dem Markkern gleichsam aufgehängt ist, steht
quer mit vorwärts gebogenem lateralen Rand an der Wurzel des hinteren
F]>. 59.
Kleinhirn wie in Fig. 54 ; links ist der untere Lappen und ein Theil des hinteren , rechts
die Tonsille entfernt. s, p, i Oberer, hinterer, unterer Lappen. Ccp Durchschnittener
Brückenschenkel. l'ma, Vnij) Velum med. ant. und post. N Nodulus. [/ Uvula. Py Py-
ramide. To Tonsille. Tof Rissfläche, nach Entfernung derselben. /'Flocke. /' Neben-
flocke.
Lappens ; die Endleisten und die entsprechenden Furchen ziehen meist der
Länge nach in horizontaler, jedoch auch, namentlich an der vorderen und hin-
^) TonsiUa cerebrl Malacarne. Lohns inferior int. Lobt/.s medullae oblonr/ntae.
Gehirn.
119
teren Spitze, in verticaler Richtung ; tiefere, frontale oder sagittale SjDalten
theilen die Tonsille mehr oder minder vollständig und auch darin finden sich
Verschiedenheiten in den beiden Seitenhälften Eines Gehirns.
Aus einem cylindrischen oder in transversalem Durchmesser comprimir-
ten Fortsatz des Markkerns ') vor der vorderen Spitze der Pyramide ent-
wickelt sich die Flocke, Flocculus-), und schlägt sich, an beiden Seiten 5. Fiocki
mit einer Reihe schräger Randwülste wie mit Blättern besetzt, um den
hinteren Rand des Brückenschenkels an dessen untere Fläche , die vordere
Insertion des unteren Lappens deckend (Fig. 50. 54. 59).
Zur Flocke rechnet man, als sogenannte Nebenflocken, i^/oca«7« secwn-
darii , ein oder ein paar tuberkel- oder blattförmige, einfache oder getheilte
Läppchen , welche zur Seite der Flocke unmittelbar aaf dem Brückenschen-
kel aufsitzen (Fig. 52. 54. 59).
Die Grundlage des unteren Wurms bilden drei, von der Mitte des Unterer
Markkerns abwärts ragende quere Lamellen, von denen die mittlere sich "'"^"
regelmässig noch am Ursprung ein- oder zweimal spitzwinklig theilt.
Fiff. 60.
Medianschnitt des Kleinhirns, s, 1), i Oberer, hinterer, unterer Lappen. Vs, Vj}
Oberer, hinterer Wurm. Fy Pyramide. - f" Uvula. iV Nodulus. Lg Lingula.
Vma Velum med. ant. Lq Lamina quadrig.
Näher dem freien Rande zerfällt auch die hintere Lamelle häufig in
zwei bis drei secundäre. Von den Flächen dieser primären und secundären
Lamellen gehen horizontale , von ihren freien Rändern verticale Endlamel-
len aus ; die letzteren bilden die ziemlich regelmässig quergefurchte Ober-
fläche des unteren Wurms (Fig. 59).
Unter den Furchen dieser Oberfläche zeichnen sich die beiden tieferen
aus , welche den Wurm in drei, den primären Lamellen entsprechende Lap-
pen theilen. Sie convergiren aufwärts wegen der keilförmigen , mit dem
breiteren Ende abwärts schauenden Gestalt des mittleren Lappens ; aus dem-
selben Grunde gerathen der vordere und hintere Lappen in eine geneigte
Lage, mit der unteren Spitze jener vorwärts , dieser rückwärts (Fig. 60).
Der hintere Lappen, die Pyramide , JP(/ramis, nimmt von der Wurzel bis
^) Pedunculus ßoccuU. ^) Floccus. Lobus neroi pneumogastricl Vicq d'Azyr.
120
Gehirn.
Pyramide.
2. Uvula.
zum freien Rande wenig oder gar nicht an Mächtigkeit zu ; ihre obere, dem
hinteren Wurm zugewandte und ihre untere, gegen den mittleren Lappen
des unteren "Wurms gerichtete Fläche sind mit transversalen Randwülsten
versehen. An der Bildung der Oberfläche des Wurms betheiligt sie sich mit
vier bis fünf breiteren Randwülsten , welche jederseits von einer dünnen,
den Zusammenhang mit den Seitentheilen vermittelnden Lamelle ausgehen,
und in flachen Bogen oder mit stumpfer Spitze rückwärts vorspringen, wo-
durch der Lappen die stumpfwinklig dreiseitige Form erhält, die ihm den
Namen Pyramide ^) eingetragen hat.
Zuweilen erstrecken sich unter einem fast rechten Winkel umbiegend,
die vorderen Randwülste der Pyramide neben der Uvula vorwärts, zur hin-
teren Spitze der Tonsille (Fig. 61). Der sagittal gefurchte Theil dieser
■rp- ßj Randwülste erscheint
alsdann als ein schma-
les , im transversalen
Durchmesser comprimir-
tes Läppchen am media-
len Rande des unteren
Lappensund mag als Ne-
benpyramide bezeich-
net werden (Fig. 61 Py').
Die Uvula -) ist ein
schmaler Wall, durch die
zu ihren Seiten gelege-
nen Tonsillen zusam-
mengedrückt, mit ab-
wärts convergirenden,
in einer mehr oder min-
der scharfen Kante ^)
zusammenstossenden
Seitenflächen. Die Zahl
ihrer freien Randwülste
beträgt acht bis zehn.
Sie bildet die mediale
Wand einer lateralwärts von der Hemisphäre begrenzten tiefen Aushöhlung,
des Nestes'*), in welcher, von dem Markkern des Kleinhirns durch das hin-
tere Marksegel geschieden, die Tonsille ruht (Fig. 62. 63).
Am hinteren Rande dieser Aushöhlung geht vor der Pyramide ein
Markblatt mit rückwärts gerichtetem scharfen geraden Rande, der Seiten-
flügel der Uvula, Alauvulae^), vom hintersten Läppchen derselben zur hin-
teren Spitze der Tonsille, an der oberen Fläche glatt, an der unteren mit
zwei bis drei niederen, sagittalen Randwülsten bedeckt , die sich unmittel-
bar an die hintere Spitze der Tonsille anschliessen (Fig. 62*).
Der vorderste Lappen des unteren Wurms, Wodulus ^), ist an der vor-
Kleinhirn, vom hinteren Rande, die Hemisphären auseinan-
dergezogen, um den hinteren Wurm (Vp) , die Pyramide
(Py) und Nebeupyramide (Pj/') zu zeigen. To Tonsille.
^) Wurmpyramide, Lohns inf. anterior. ^) Uvula vermts. Lohns iniertonsillaris. Zapfen.
^) Facies angularis uvulae. *) Nidus Burdach. Taubennest Vicq d'Azyr. Schwalben-
nest Reil. 5) Commissura transversa snlcata Langenbeck. '') Knötchen.
Gehirn.
121
deren aufwärts gerichteten Fläche, die an die untere Fläche des vorderen
Marksegels s'tösst, glatt (Fig. 60) und trägt nur an der unteren Fläche Rand-
wülste, von denen sechs bis sieben die Furche zwischen Uvula und Nodu-
lus begrenzen, zwei bis drei an der Oberfläche des Wurms freiliegeu. Sie
sind breiter als die Randwülste der Uvula und überragen sie nach den
Seiten (Fig. 59. 62).
Auch vom Nodulus geht nach jeder Seite ein Markblatt aus, das hin-
Y\cr, 62 tere Marksegel,
^ Veliim medulare po-
sticum ^), welches viel
dünner ist als der
Seitenflügel der Uvu-
la, ihn aber an Aus-
dehnung übertrifft
(Fig. 54. 59. 62. 63).
Es trennt sich von
der unteren Fläche
des Markkerns an der
Seite des Nodulus,
verläuft zuerst dicht
unter dem vorderen
Marksegel vorwärts,
wendet sich dann ab-
wärts und endet wie
ein Vorhang vor der
vorderen Spitze der
Tonsille herabhän-
gend, mit einem que-
ren, unregelmässig ausgebogenen Rande. In den vordersten Randwulst des
Nodulus geht der mediale Rand des hinteren Markseo^els wie mit zwei di-
Obere Fläche des verlängerten Marks und untere Fläche des
Kleinhirns, durch Auseinanderziehen beider sichtbar gemacht.
Tof Trennungsfläche der Tonsille. Py F3'ramis. Vmi un-
teres Marksegel. F Flocke. F' Nebenflocke. Cl Clava. VIII
N. Acust. * Seitenflügel der Uvula.
Velum med.
post.
Fijr. 63.
Frontalschnitt des Kleinhirns und verlängerten Marks durch Uvula {U) und Tonsille (To).
Vorderer Abschnitt. Po Ponticulus.
) Valvula s. Velum Tarini. Valvula semllunarls. Hintere oder kleine Hirnklappe.
122
Gehirn.
Velum med.
ant.
Lingula.
vergirenden Blättern über; sein lateraler Rand setzt sicli in den Stiel der
Flocke fort (Fig. 59. 62). In der Nähe desselben erscheinen zuweilen an
der unteren Fläche des unteren Marksegels einige seichte Einschnitte zwi-
schen niederen seitwärts absteigenden Randwülsten (Fig. 62). Seltener,
als dies bei dem Obex und dem hinteren Marksegel der Fall ist, verliert
sich der freie Rand des unteren Marksegels ohne deutliche Begrenzung in
die Gefässhaut.
Das vordere Marksegel, Velum ITledulare flnt. i), die zweite Abthei-
lung der Decke des tunnelförmigen Hirnventrikels, ist eine vierseitige mit dem
vorderen Rand abwärts geneigte von einer Seite zur anderen etwas einge-
bogene Markplatte von 0,2 bis 0,4 Mm. Mächtigkeit, von 10 Mm. sagitta-
lem und 5 bis 7 Mm. transversalem Durchmesser. Rückwärts hängt sie
mit dem Kleinhirn zusammen, in dessen Markkern sie sich ohne andere Be-
grenzung als durch die Randwülste des oberen und unteren Wurms fort-
setzt (Fig. 60) 2). Vorwärts grenzt sie an die Vierhügelplatte und zu beiden
Seiten an die Vierhügelschenkel, von welchen sie wie ein Bild von seinem Rah-
men eingefasst ist und durch deren Convergenz sie sich nach vorn etwas ver-
jüngt (Fig. 66). Dem vierten Ventrikel wendet das vordere Marksegel eine ebene
Fläche zu ; seine obere, unter dem oberen Wurm versteckte Fläche zeigt in
ihrem grösseren hinteren Theile eine Bildung, welche an die Structur des Klein-
hirns erinnert : von derselben erheben sich nämlich unter rechtem Winkel zwei
bis sieben, in der Regel fünf
niedere transversale Leisten,
wie die Randwülste des Klein-
hirns mit einer Schichte
grauer Substanz bekleidet.
In ihrer Gesammtheit machen
diese Randwülste den Ein-
druck, als ob sie einem plat-
ten, quergefurchten, vorn ab-
gerundeten zungenförmigen
Läppchen des Wurms des
Kleinhirns angehörten, wel-
ches mit der oberen Fläche
des vorderen Marksegels ver-
wachsen wäre (Fig.64). Sie ha-
ben dah. den Namen Lingula,
Zun gelchen, erhalten. Auch
löst sich zuweilen (unter hun-
dert Fällen 4 bis 5 Mal S til-
lin g^), die vordere Spitze
in grösserer oder geringerer
Vraa
Frontaltchnitt des vierten Ventrikels durch das vor-
dere Marksegel. Hinterer Abschnitt. Der obere Wurm
und Lappen von vorn her abgetragen, um die Lingula
zu zeigen. Flg Frenulum lingulae. Ccp, Ccq Crura
cereb. ad poiitem und ad corp. quadrig.
^) V. m. super'ius. Valvula cerebrl s. cerebelU. Valvula cerebrl s. cerebelll magna.
Valv. Vieussenü. Velum interpositum. Hirnklappe. '^) Der Winkel, in welchem der untere
Wurm mit dem Marksegel zusammenstösst , entspricht dem Giebel, fastlgium, des vierten
Ventrikels und wird von Keil Zelt genannt. ^) Unters, über den Bau des Züngelchens und
seiner Hemisphärentheile. Cassel 1864.
Gehirn.
123
Fig. 65.
Ausdehnung wirklich von ihrer Unterlage ab; sie erhält alsdann Rand-
wülste auch an ihrer unteren Fläche und es kann eine Art Verdoppelung
der Lingula eintreten , dadurch , dass unter den abgehobenen Randwülsten
eine zweite Reihe festsitzender sich findet.
Wie Hemisphärentheile ziim Wurm, so verhalten sich zur Lingula die
Frenula derselben, Zungenbändchen Stilling, dünne dreiseitige Lamel-
len, deren Basis sich, continuirlich oder durch einen seichten Einschnitt am
Vorderrande abgegrenzt, aus den Seitenrändern der Lingula entwickelt,
deren Spitze auf der oberen Fläche des hinteren Drittels des Brückenschen-
kels befestigt ist (Fig. 64).
Die Spitze der Lingula sali Stilling zuAveilen durcli einen medianen Ein-
schnitt getheilt; an der oberen Fläche derselben begegnete ihm öfters ein media-
ner "Wulst, eine Art Raphe, an welchem die EandAvülste beider Seitenhälften, nicht
immer in Zahl und Stellung genau correspondirend, aufeinandertreffen.
Von der Mitte des vorderen Randes des vorderen Marksegels steigt
zur Vierhügelplatte ein flacher, 2 bis 4 Mm. breiter, zuweilen median ge-
furchter Markstreifen auf, das Frenulum Veli med. antici (Fig. 40. 66).
Aus der Ecke, in welcher das vordere Marksegel mit der Vierhügel-
platte und den Vierhügelschenkeln zusammen stösst , doch hauptsäch-
lich von dem medialen Rande der letzteren, entspringt jederseits mit
zwei bis drei alsbald zusammenfliessen-
den Wurzeln der N. trochlearis (Fig. 38,
40, 65, JF), der dann in genau transver-
saler Richtung lateralwärts tind weiter um
den Grosshirnschenkel abwärts verläuft.
Die dritte Abtheilung der Decke des
tunnelförmigen Hirn Ventrikels, die Vi e r -
hügelplatte, Lamina qiiadrigemina'^), Lamma
. -11 luadrig.
hat ihren Namen von vier symmetrisch und
paarweise geordneten grauen, aber mit
einem 4-5 Mm. mächtigen weissen Ueber-
zug versehenen Wölbungen, welche aus
der oberen Fläche der Platte hervorra-
gen , während die untere Fläche der-
selben nur mit einem schmalen media-
nen Streifen als obere Wand des Aquae-
ductus freiliegt, seitlich aber mit den
Vierhügelschenkeln, welche sich unter- v
dessen der Mittellinie genähert und mit
dem Boden des Ventrikels vereinigt ha-
ben, verwachsen ist (Fig. 65). Sie macht
den Eindruck eines quer über die Vier-
hügelschenkel gelegten Sattels, welcher
Vma
Ccqt
Frontalschnitt des Gehirns durch das
hintere Vierhügelpaar , hinterer Ab-
schnitt. Vorderes Marksegel {Vma)
median gespalten und nach beiden Sei-
ten zurückgelegt, um den Aquäduct
von oben zu öffnen. Cop Crus cereb.
ad pont. Ccq Crus cereb. ad corp.
quadrig. mit der Vierhügelplatte, wel-
che auf der anderen Seite bis auf das
Niveau des Vierhügelschenkels (Ccqf)
abgetragen ist.
^) Emlnentia quadrlgemina s. hlgemina. Tuhercules quadrij'umeaux Cruv. Lobes op-
tiques Gratiol et. Notes und TeÄ^es der älteren Anatomen, welche beiden Namen übrigens ohne
Uebereinstimmung bald dem vorderen bald dem hinleren Vierhügelpaar ertheilt werden.
124
Gehirn.
Fis-. 66.
lateralwärts durch die Furche zwischen Brücken - nnd Vierhügelschenkel
begrenzt wird und dessen hinterer Rand , nur wenig über die Oberfläche
der Vierhügelschenkel erhaben, von beiden Seiten schräg vor - und median-
wärts zieht und sich zur Seite des Frenulum des vorderen Marksegels ver-
liert. Das dreieckige plane Feld , welches der laterale und hintere Rand
jederseits mit dem hinteren Hügel umschliessen , ist die Schleife, Lemniscus
ReilO (Fig. 66. 67).
Die Mächtigkeit der Platte, über der Mitte des Aquaeducts gemessen,
beträgt 4 bis 5 Mm.,
ihr sagittaler Durch-
messer in der Median-
linie 14 Mm. Die
Hügelpaare jeder Sei-
tenhälfte liegen, nur
durch eine lineare
Furche geschieden,
unmittelbar an ein-
ander ; die mediane
Furdie zwischen den
Hügeln der rechten
und linken Seite ist
breiter und flacher ;
doch ist zuweilen die
Mitte derselben zwi-
schen den beiden vor-
deren Hügeln durch
einen seichten Ein-
schnitt bezeichnet ^).
Der vordere Hügel ^)
ist niedriger als der
hintere , aber grös-
ser, mit elliptischer
Grundfläche, der län-
gere Durchmesser
(7 Mm.) schräg, mit
dem lateralen Ende vorwärts gestellt, die lateral- vorwärts gerichtete Spitze
unter der rückwärts vorragenden Wölbung (Pulvinar) des Thalamus ver-
steckt; von dieser Spitze zweigt sich ein schmaler Markstreif, der vor-
dere Bindearm, JBrachmm Conjunctivum ant., ab, der rück- und abwärts
am hinteren Rande des Thalamus hinstreicht, um schliesslich mit demselben
zu verschmelzen.
Das hintere Vierhügelpaar gleicht einem Kugelabschnitt, dessen Sehne
etwa 5 Mm. misst und setzt sich, wie der Kopf einer Stecknadel in den
Stiel, seitlich in einen halbcylindrischen, geraden, nur wenig aus der trans-
versalen Richtung vorwärts abweichenden Wulst, den hinteren Bindearm
Region der Vierhügel von oben, das Kleinhirn an dessen Mark-
kern abgeschnitten. Ccp Crus cereb. ad pontem. Ccq Crus
cereb. ad c. quadrig. Lg Lingula. Vnia Velum med. ant.
Ccb Crus cerebri. Pv Pulvinar. Tho Thalamus opt.
Cn Conarium. IV N. trochl.
^) Laqucus. Faisceau triangulaire lateral Cruv. Ruhan de Reil Gratiolet. ^) Das
Dreieck zwischen den beiden vorderen Hügeln ist ^ ar gm 3.t\ n'' & Trigonum dicrum. ^) Colliculus.
Gehirn.
125
ßracliium Covjund. post., fort. Derselbe verschwindet unter dem media-
len Theil des hinteren Randes eines hinter dem vorderen Biudearm gelege-
jPj^ ßy nen haferkornförmigen Wul-
stes , des Corp. genkulai.
^^ / Tp Ccq medude.
Der Unterschied der Grösse
des hinteren und vorderen Vier-
hügelpaares ist bei manchen
Säugethieren auffallender , als
beim Menschen, und zAvar sind
bei Herbivoren die vorderen,
bei Carnivoren die hinteren Hü-
gel die grösseren.
Die Farbe der Vierhügel
ist gleichmässig ein etwas
in das Graue schimmerndes
Brücke. Grosshirnscheiikel und Vierliügelplatte, last Weiss; das Corpus geniculat.
med. hat eine mehr graue
Oberfläche.
üeber das hintere Vier-
hügelpaar erstreckt sich der
vordere Rand des Kleinhirns ;
die Furche zwischen den vorderen Hügeln und einen Saum ihrer medialen
Ränder deckt zunächst das sogleich zu beschreibende Conarium und mittel-
bar der hintere Rand des die Grosshirnhemisphären verbindenden Balkens
(Fig. 38).
Die Fläche, welche die Vierhügelplatte dem Aquaeductus zuwendet, ist Aquae-
in verschiedenen Theilen dieses Canals verschieden, anfangs eben und durch
ein queres Markblättchen, Lamhta meduUaris transversa Arnold, ausge-
zeichnet, welches gegen den Ursprung des N. trocJilearis hinzieht, dann (Fig. 68 &)
mit einer medianen Firste ^) versehen , weiter vorn (Fig. 68 c) unter dem vorde-
ren Vierhügelpaar tief ausgehöhlt, in der Nähe der Ausmündung wieder eben.
Fig-. 68.
Profil, die frontale Durchschnittsfläche der Grobshirn-
schenkel etwas links gewandt. A Durchschnitt des
Aquäducts. Cq Corp. quadrig. Tp Taenia pontis.
Ccq Crus cereb. ad c. quadrig. Sb Suicus basil.
r Wurzel des N. triffeminus.
Successive Frontalschnitte des Aquaeducts.
1) Carina s. Conus s. Corjms coniforme s. Acns Bergmann (Neue Unters, über die
innere Orp-anisation des Gehirns. Hannover 1838.)
126
Grehirn.
Commiös.
pOEt.
Darnacli ändert sich die Form des frontalen DurchEclinitts des Canals : am
Ein- und Ausgang ist er T förmig oder dreiseitig mit concaven Seitenrän-
dern und abwärts gewandter Spitze, die einer engen aber tiefen Spalte zwi-
schen den runden Strängen entspricht; unter dem gekielten T heil der Decke
ist er herzförmig, unter dem gefurchten gleicht er einer Längsspalte mit
oberem abgerundeten, unterem spitzen "Winkel. Der gleichmässig wellen-
förmige Contur, den die Wände des Canals bei schwacher Vergrösserung
zeigen, deutet auf eine feine Längsfurchung.
Die Längsstreifen sind es, welche Bergmann (a. a. 0. S. 40) als ein eigenes
Chordensystem mit dem Namen Psalterium s. Organon pneuniat. {Pectunculus
Arnold) bezeichnet. Zu den Seiten der medianen Firste an der Decke des Ca-
nals soll statt derselben eine Querstreifving auftreten , die derselbe Autor als Si-
strum besclireibt und Arnold sammt der Carina lieber mit dem 'Nninen Plumula
belegen möchte. Bergmann in die Aveiteren Einzelheiten seiner Darstellung zu
folgen, halte ich zur Zeit für überflüssig. Eine vollständige Eeilie von Quer-
schnitten des Aquaeducts findet man bei Gerlach, Mikroskop. Studien, Erlan-
gen 1858. In einem Falle sah ich die oberen Eänder der SjDalte zwischen den
runden Strängen durch eine kiirze, dünne Commissur von weisser Substanz mit
einander verbunden (Fig. 68 a).
Wie sich die Vierhügelplatte mit ihrem hinteren Rande an das vordere
Marksegel anschliesst, so setzt sie sich auch von ihrem vorderen Rande
aus in eine dünne Marklamelle fort, welche auf- und rückwärts zu einer
engen , nach hinten offenen Rinne umgeroUt , als vierte und letzte Abthei-
Fig. 69.
Siiwittalschnitt des Grosshirn.«; rechts neben der Medianebene. Die hintere Hälfte der
Vierhügelplatte durch einen horizontalen (mit Rücksicht auf die Axe des verlängerten
Marks queren) Schnitt abgetrennt, um den Nucleus tegmenti (Ntg) im Längs- und
Querschnitt zu zeigen. Ccl^ Knie des C. call. Coa, Com, Cop Commiss ant.,
media und post. Ls Lamina septi lucidi. Fx Fornix. Tho Thalamus opt. Cq Corp.
quadrig. Sn Substantia nigra. Cca Corp. cand. Co Chiasma opt. Lei Lamina
cinerea termin.
Gehirn.
127
limg; der Ueberwölbung des tunnelförmigen Ventrikels, den Ansgang des
Aquaedncts deckt. Sie wird hintere Commissiir, Commissura jyost.'^)^
genannt nnd verhält sich als solche, indem sie vor der Vierhügelplatte quer
zwischen beiden Thalami ausgespannt ist (Fig. 35. 69. 70). Von der Vier-
hügelj)latte wird sie durch einen tiefen, transversalen Einschnitt geschieden ;
ihr'b convexe Fläche ist glatt, ausnahmsweise mit einer medianen Furche
Fig-. 70.
Grosshirnganglien, von oben. Das Corpus callosum vom
Knie [Ccl'^) an und die Hemisphären im Niveau des C.
callos. abgetragen. Cs C. striat. Tsl Ventric. septi lu-
cidi. Cf Crura fornicis. St Stria terminalis. Ts Tub.
sup. thalami opt. Com, Cop Commiss. media und post.
Tio Taenia thalami opt. Tho Thal. opt. Pv Pulvinar.
Pen Pedunc. conarii.
zwischen zwei niederen
Kämmen^) versehen ; die
concave innere Fläche
der Rinne ist durch
einige Querfurchen \yie
gefaltet. Mit der hinte-
ren Commissur hängt
ein räthselhafter Körper,
das Conariam ^), zusam-
men, der wie ein Pfropf
die grosse quere Hirn-
spalte, wenngleich un-
vollkommen, verschliesst
(Fig. 38) , eingewickelt
in die Gefässhaut, die
durch diese Spalte sich
in den Plexus choroid.
des dritten Ventrikels
fortsetzt. Er ist platt-
gedrückt eiförmig , zu-
weilen mit einer breiten
medianen Firste verse-
hen, 8 Mm. im sagitta-
len, 6 Mm. im transver-
salen Durchmesser lang,
von tief grau-röthlicher
Farbe und glatter oder
höckeriger Oberfläche
und ruht, wie erwähnt,
in dem das vordei-e Vier-
hügelpaar trennenden
Thale (Fig. 66.70). Sein
Zusammenhang mit der
hinteren Commissur wird
vermittelt durch ein
Paar über diese Com-
missur von beiden Sei-
ten her einander entge-
Conarium.
Comviissura post. ventricull tertä. Commiss. parva posterior. Trigonum molle s.
pensile Bergmann. Reichert bezeichnet den umgeschlagenen oberen Theil
der Commissur als unteres Markblatt des Conarium. ^) Trahecula und Amussis Berg-
mann (?). 2) Glandula pinealis. Plnus. Zirbeldrüse.
128 Gehirn.
genziehende Markstränge, welche an der Grenze des Vorder- und Seiten-
randes in das Conarium eintreten und den Namen der Stiele desselben, J*e-
dunculi Col'iar??, führen (Fig. 70). Sie sind in verticaler Richtung abgeplattet,
dreiseitig, entspringen unmittelbar über der hinteren Commissur mit breiter,
dieselbe nach vorn und hinten überragender Basis aus dem vorderen Rand
der Vierhügelplatte und dem angrenzenden Theil des Thalamus; ihr hiilte-
rer Rand verläuft genau transversal, der vordere schräg rückAvärts. Die
vorderen Ränder der beiden Stiele des Conarium gehen in den vorderen
Rand dieses Organs über und begrenzen mit demselben einen vorwärts of-
fenen abgestutzten stumpfen "Winkel, innerhalb dessen die obere Fläche der
hinteren Commissur frei zu Tage liegt. Indem sodann die hinteren Ränder
der Conariumstiele mit dem oberen Rand der hinteren Commissur verwach-
sen, erzeugen sie mit dieser eine nach vorn geöffnete Rinne, die sich am
Conarium selbst zu einer mehr oder minder deutlich begrenzten Bucht ^)
vertieft. An der Bildung des Stiels des Conarium betheiligt sich ferner noch
eine dünne Marklamelle, l'aenia thalami Optici (Fig. 70) 2), welche von der vor-
deren Spitze des Thalamus an, anfangs als ein kaum merklicher Saum, dessen
obere und mediale Fläche scheidet, nach hinten allmälig schärfer hervortritt,
auf die obere Fläche des Pedunculus conarii übergehend eine verticale Lage
annimmt und sich so auf die vordere Spitze des Conarium erstreckt, vielleicht
auch in der Mittellinie mit der entsprechenden Lamelle der anderen Seite
zusammenfliesst. Es giebt Fälle , wo diese Lamelle sich ebenso in den
Plexus choroideus erstreckt und verliert, wie dies bei der Taenia des
Plexus choroid. des vierten Ventrikels der Fall ist.
Bevor ich die Fortsetzung des verlängerten Marks weiter nach vorn
in den blinden Hirnventrikel verfolge, habe ich einen Blick auf den Hirn-
theil zu werfen , der das verlängerte Mark von unten her umwölbt (S. 89).
Brücke. Dies ist die Brücke, J*o??s^), ein von einer Seite zur anderen und von vorn
nach hinten convexer, stark vorragender Wulst von etwa 30 Mm. sagitta-
lem Durchmesser, der sich nach beiden Seiten verjüngt ohne bestimmte
Grenze in die Brückenschenkel fortsetzt oder vielmehr aus denselben her-
vorgeht. Zu willkürlicher Grenzbestimmung mögen die um den hinteren
Rand der Brücke sich windenden Wurzeln der Nn. facialis und acusticus
oder die in der Nähe des vorderen Randes austretenden Wurzeln des N.
trigeminiis benutzt werden. Durch Einbiegungen des hinteren und vorde-
ren Randes, von denen die vordere auffallender ist und sich zwischen bei-
den Hirnschenkeln in die Tiefe senkt ^), wird die Brücke unvollkommen in
zwei symmetrische Hälften getheilt. Zwischen beiden Einbiegungen ver-
läuft an der unteren Fläche eine mediane Furche, Sulcus basilaris (Fig. 44. 67),
welche zur Aufnahme der gleichnamigen Arterie bestimmt ist. Doch fehlt die
Furche nicht, wenn die Arterie ausnahmsweise zur Seite gerückt ist, und so
scheint sie mehr das Ergebniss der in den beiden Seitenhälften enthaltenen
••) Diverliculurn sup.ventric. tertii Gratiolet. Ventriculus conarii Hyrtl. ^) Stria me-
dullaris thalami opt. Stria pinealis. Den auf das Conarium übergehenden Theil nennt
Reichert Oberes Markblatt des Conarium. ^) Pons Varolü. Protuberaniia annularis.
Nodus cerebri. Commissura cerebelli Gall. *) Der den Grosshirnschenkel eng umfas-
sende vordere innere Rand jeder Brückenhälfte ist Cruveilhier's Collier des pedoncules
cerebraux.
Gehirn.
129
Stränge des verlängerten Marks zu sein. Den Yerlanf der oberflächlichen
Fasern bezeichnen Gefässfurchen , welche die Marksubstanz in Bündel ab-
theilen und in dem mittleren Theil der Brücke eine transversale, zu bei-
den Seiten eine vom hinteren Rande bogenförmig gegen die Mitte aus-
strahlende Richtung haben. Flache sagittale Markstreifen gehen zuweilen
auch näher der Mittellinie , unter oder neben der Wurzel des N. abducens
vom. hinteren Rande der Brücke aus und verlieren sich noch innerhalb ihres
hinteren Drittels. Zwischen der Basilarfurche und dem Ursprung des N.
abducens erhebt sich der dem hinteren Rande nächste Theil der Brücke in
Form eines platten kreisrunden Höckers ^).
Der vordere Rand der Brücke trägt einen Anhang, welcher in ver-
Tfi- y, schiedenen Graden der Aus-
bildung vorkommt , zuwei-
len auch gänzlich vermisst
wird. Es ist ein glatter,
schmaler, fein längs gefurch-
ter oder aus einigen feinen
weissen Streifen gebildeter
Saum, der, wo er am vollstän-
digsten entwickelt ist, neben
dem Brückenschenkel aus dem
Markkern des Kleinhirns her-
vortritt, am vorderen Rande
des Brückenschenkels und
dann der Brücke den ganzen
Brücke, Grosshinischenkel und Vierhügelplatte , fast Grosshirnschenkel umkreist
Profil, die frontale Durchschnittsfläche der Grosshirn- , ■. t i t-ii- i
, , ^ ,. , ,, . T> 1 1, •;.. j und an dessen medialer 1^ lache
schenke! etwas links gewandt. A Durchschnitt des
Aquäducts. Cq Corp. quadrig. L Lemniscus. zugespitzt oder mit divergi-
Ccq Grus cereb. ad c. quadrig. Sb Sulcus basil.. renden Fasern sich verliert.
V Wurzel des N. trigeminus. Die grösste Breite, über
3 Mm., besitzt dieser Saum,
den ich Taenia pontis nennen werde -), in der Furche zwischen dem Brücken-
tind Vierhügelschenkel , in die er mit einem stumpfen Winkel vorspringt.
Ein älinliclier schmaler und platter Markstreifen, Tractus pedunciilaristrans-
versus Grudden, tritt weiter vorn, zur Seite des vorderen Vierliügelpaars aus,
wendet sich über das mediale C. geniculatum abwärts, um den Grossbirnschenkel
zu umgreifen und verliert sich früher oder später zwischen den Bündeln dessel-
ben oder gesellt sich zur Taenia pontis, so dass er wie eine "Wurzel derselben er-
scheint. Er ist constant im Gehirn verschiedener Thiere; beim Menschen kommt
er nur ausnahmsweise vor (Griiddeu, Archiv für Psychiatrie II, 364).
Wenn die Fasern des verlängerten Marks zwischen Brücke und hinte- Grosshirn-
rer Commissur hervortreten, um als Grosshirnschenkel die Seitenhälften des
Bodens des blindsackförmigen Hirnventrikels zu bilden , sind sie , wie er-
^) CoUiculus pontis aut. Vorbrückchen Reichert. ^) Accessorii de' moiori communi
Malacarne (Neuro-encefalotomia p. 171). Abgebildet bei Eolando, rech, anatom. sur la
moelle allongee. Fl. I. Fig. 1. 2. z. Filamenta pontis lateralia Arnold.
Henle, Anatomie. Bd. III. Abthlg. 2. Q
130
Gehirn.
Corona
radiata.
wähnt (S. 89), mittelst einer, durcli dunkel pigmentirte Zellen ausgezeich-
neten grauen Substanz, der Suhstantia nigra, der Quere nach in Basis
und Tegmentum geschieden. Die muldenförmige Basis ist in ihrer Haupt-
masse Fortsetzung des Pyramidenstrangs; das Tegmentum, von cylindri-
scher Gestalt, enthält die übrigen Stränge des verlängerten Marks, mit dem
Unterschied, dass an die Stelle der zum Markkern des Kleinhirns aufge-
stiegenen strickförmigen Stränge die aus demselben Markkern herabgestie-
genen Vierhügelschenkel getreten sind, denen sich an der Oberfläche noch
die vorderen und hinteren Bindearme und, wenn man ihren Ursprung in
das Conarium verlegt , die Stiele dieses Organs , mit Ausnahme der Taenia
derselben, beigesellen. Die Taenia geht auf die Oberfläche des Thalamus
über, der den Grosshirnschenkel dicht vor der vorderen Mündung des Aquä-
ducts einhüllt (Fig. 70), und vielleicht sind auch die Bindearme dazu be-
stimmt, die Verbindung der Vierhügel mit der Substanz dieser Hülle der
Grosshirnschenkel zu vermitteln.
Der weitere Verlauf der in den Grosshirnschenkeln enthaltenen Faser-
massen lässt sich vergleichen dem Auseinanderfallen der im Stiel eines
Strausses enthaltenen Blumenstengel. "Wir unterscheiden zunächst, ohne
übrigens weder die Continuität der einzelnen Fasern behaupten, noch die
Einschaltung neuer Fasern bestreiten zu wollen, zwei Hauptrichtungen der-
selben: die Einen, die Fasern des Stabkranzes, der Corona radiataUeil^)
(Fig. 72), wenden sich an ihrer Seite hauptsächlich nach aussen, aber zu-
Fig. 72.
Rechte Hemisphäre von der inneren Fläche ; die aus dem oberen Rande des Thalamus
austretenden Fasern der Corona radiata durch Wegnahme des C. striatum bis zur Fase-
rung des C. callos. und jenseits derselben weiter zu den Randvvülsten verfolgt. Coa
Commiss. ant. Tto Taenia thal. opt. Tho Thal. opt.
gleich divergirend vor - , rück - und aufwärts , belegen sich an ihren peri-
pherischen Enden mit einer continuirlichen Schichte grauer Substanz und
) Radiatio medullär is cerehri Arnold. Radlatlo centj^alls. Markstrahlung.
Gehirn.
131
stellen so die Randwülste des Grosshirns dar. Die anderen kehren, nach-
dem sie die ersteren eine Strecke aufwärts begleitet haben, in horizontalen
Ebenen zur Mittellinie um und verschränken sich oder verschmelzen mit den
gleichnamigen Fasern der anderen Hirnhälfte (Fig. 73). Die letzteren wer-
den so zur Vorderwaud und Decke eines Raumes, den sie zuvor in Verbin- corpus
callosum.
Fig. 73.
Frontalschnitt des Gehirns vor der Austrittsstelle des Trigeminus. Hinterer Abschnitt.
Ccl^ Corp. call. Fx Fornix. VI Ventric. lateralis. VI" Unteres Hörn desselben.
Cs Corp. striat. Tho Thalamus. Vt Ventriculus tertius. In Insel. SAl Sulcus
Monroi. Cgi Corpus genicul. laterale. Hp Hippocampus. B Basis. Ccp Crus cere-
belli ad pont. Ntg Nucleus tegmenti. Sn Substantia nigra. T Tegmentum.
dung mit den ersteren seitlich begrenzt haben. Der vollständige Abschluss
dieses Raumes wird erzielt durch die Vereinigung des aus Querfasern gebildeten
Theils der Vorderwand mit dem ihm entgegen aufsteigenden vorderen Ende
der Bodencommissur , der Lamina cinerea terminalis (Fig. 74). Wie zur
Befestigung dieser Verbindiing aufgelegte Leisten gehen die Pedunculi cor-
poris callosi (Fig. 34. 84) nebeneinander von der Lamina terminalis auf den
querfaserigen Theil der Vorderwand und Decke über und an der Ober-
fläche der letzteren rückwärts. Das querfaserige Gebilde, welchem die
Bedeutung einer weissen Commissur ziikommt, ist der mehrerwähnte
132
Gehirn.
Cci
Balken, Corpus Callosum (Fig. 73. 74. 75)'), und zwar lieisst der schräg
vorwärts aufsteigende Theil desselben, der an der Lamina terminalis mit
Fiff. 74.
Vma
Medianschnitt des Gehirns. Ftp Fissuxa transv. post. Vq Ventriculus quartus. Mo MeduUa
oblong. /"Brücke. Cca C. candicans. TTegnientum. i? Hypophyse. //' Chiasma der Nn.
opt. // N. opticus. Lct Lamina cinerea termin. Coa Commissura ant. Cba Commissura
baseos alba. /'i/Foraraen Monroi. ^S^ Sept. lucid. ComCommiss. media. jS'il/ Sulcus Monroi.
Cop Commiss. post. Cn Conarium. Lq Lamina corp. quadrig. A Aquaeduct. Tta Fis-
sura transv. ant. Vma Velum med. ant. Cbl Cerebellum.
einem scharfen Rand beginnt und aufwärts an Mächtigkeit zunimmt,
Schnabel des Balkens, Rostrum (Ccl^), die Umbeugungsstelle selbst heisst
Knie, Genu(Ccl^), der horizontale Theil Körper (Ccl^)^), dessen hin-
terer, etwas verdickter oder abwärts umgerollter Rand, welcher die grosse
quere Hirnspalte von oben her begrenzt, Wulst, SpJenrmn (Ccl*)^). Die
Fortsetzungen der Pedunculi corporis callosi auf den Balken, zwei dicht
neben der Mittellinie verlaufende, öfters geflechtartig verbundene platte,
schmale Stränge werden unter dem Namen der medialen Längsstrei-
fen, Striae longitudinales mediales^) aufgeführt (Fig. 75).
■*) Commissura cerebri magna s. maxima. Trabs cerebri. Hirnschwiele. ^) Medium
corporis callosi. ^) Aufgesetzter Wulst. *) Striae longit. internae s. liberae. Tractus
longitudinales. Unter Raphe {Raphe ext. s. sutura ext. Chorda longitudin. Langen back)
versteht man die Gesammtheit dieser Streifen.
Gehirn,
133
Die Fasern , welche die Seitenwand oder, wie ich es aufzufassen vorzog,
den erhöhten Theil des Bodens des blinddarmförmigen Ventrikels zu beiden
Seiten der Bodencom-
Fig. 75.
Slm
Ccl
Grosshivn , von oben. Die Hemisphären auf das Niveau
des Balkens abgetragen. Lt Lig. tectum.
missur bilden helfen,
sind nur an ihrer unte-
ren Fläche frei und ord-
nen sich , wie ebenfalls
schon früher angegeben
wurde, dergestalt, dass
die Basen der Gross-
hirnschenkel divergi-
rend vor - und seit-
wärts , die Tegmente
einander parallel gerade
vorwärts ziehen. Die
letzteren werden, ehe sie
sich trennen, eine Stre-
cke weit durch ein
schmales , aufwärts zu-
geschärftes Septum
grauer Substanz geschie-
den , welches einerseits
mit der Bodencommis-
sur, andererseits mit der
Substantia nigra der
Hirn Schenkel zusam-
menhängt (Fig. 73). Ge--
gen die Höhle des Gross-
hirns werden die Basen
ganz, die Tegmente zum
grossen Theil verdeckt
durch die in Form keu-
lenförmiger Wülste in den Ventrikel vorspiingenden Grosshirnganglien, den
Thalamus {opticus)'^) Sehhügel, und den Streifenhügel, C, Stria-
tum^). Diese sind mit dem dicken Ende vorwärts gerichtet und so in ein-
ander gefügt, dass die mediale Concavität des vorderen Wulstes das dicke
vordere Ende des hinteren Wulstes aufnimmt (Fig. 78). Der Streifenhügel
hat eine rein graue Farbe, der Thalamus ist an seiner oberen Fläche mit
einer Schichte weisser Substanz belegt und nähert sich daher in seiner
Farbe dem Nervenmark noch mehr, als die Vierhügel.
Denkt man sich den Thalamus vom Grosshirnschenkel abgelöst oder Thalamus,
schält man wirklich die über den Grosshirnschenkel vorragende Masse ab,
in welcher freilich Markfasern des Tegmentum und Elemente grauer Sub-
stanz unzertrennlich gemischt sind , so erhält man ein, wie gesagt , keulen-
förmiges Gebilde, welches so um den Grosshirnschenkel geschlungen ist.
^) Thalamus s. colliculus n. optici,
cerebrale anterius.
Couche opiique. ^) Eminentia striata. Ganglion
134
Gehirn.
dass es mit dem dicken vorderen Ende über der Bodencommissur an der
medialen Fläche des Tegmentum beginnt, mit seiner Längsaxe diagonal
seit-rückwärts zieht, an der hinteren Fläche der Basis des Grosshirnscheu-
Fig. 76.
Ccl
Coa
Tto
Stück der rechten Grosshirnhemisphäre mittelst eines Medianschnitts und eines Frontal-
schnitts durch den vorderen Vierhügel abgetrennt, von der medialen Fläche, mit der
vorderen Spitze geneigt und um die verticale Axe rechts gedreht. Der Thalamus opti-
cus mit dem gleichnamigen Ti'actus und Nerven ist vom Grosshirnschenkel abgetrennt
und zurückgeschoben , 'f f bezeichnen die einander entsprechenden Trennungsflächen.
Coa Commiss. ant. Querschnitt. Cel C. callos. desgl. Cs Corpus striat. Cop Com-
miss. post. Querschnitt. St Stria terminalis. T Tegment. Cgi, Cgm Corp. genic. la-
terale und mediale. B Basis. /// N. ocuiomotor. Cca Corp. candicans. Cf Columna
fornicis. Tto Taenia thalami opt. Cgi Corp. genic. laterale. * bezeichnet die Stelle, wo
der Tract. opt. vom medialen C. geiiicul. abgelöst ist.
kels sich rasch verjüngt und dann an der unteren Fläche derselben etwa
8 Mm. vor dem vorderen Band der Brücke in den platten Tractus opticus
übergeht (Fig. 76), Der Tractus opt. verläuft an der unteren Fläche des Gross-
hirnschenkels medianwärts, dem Wulst dei- oberen Fläche gerade gegenüber
und fast genau parallel; das Chiasma, in welchem die Tractus optici beider
Seiten zusammenstossen, liegt der Stirne um Weniges näher, als die vor-
dere Spitze des Thalamus.
Das mediale kolbige Ende des Thalamus ist gegen das an seiner me-
dialen Fläche mit einer grauen Schichte ') bekleidete Tegmentum durch
eine wenig auffallende Furche, Sulcus JKonroi Beichert, abgesetzt, welche
an der Seitenwand des Ventrikels in sagittaler Eichtung verläuft (Fig. 73. 74).
Sie beginnt vor der Mündung des Aquäducts 3 bis 4 Mm. über dem Boden
des Ventrikels und geht vorn im Bogen über in den lateralen Rand des
Thalamus, der an den medialen Rand des Streifenhügels oder vielmehr an
eine zwischen Thalamiis und Streifenhügel eingeschobene schmale Mark-
leiste , die Stria terminalis , stösst , deren nähere Beschreibung folgt.
'■) Masse grise du 3. ventricule Cruv.
Gehirn.
135
Die vordere Spitze des Thalamus ist demnach abgerundet und gewölbt,
16 Mm. breit; an derselben beginnt die Taenia des Thalamus, die, indem
sie, allmälig schärfer vorspringend bis auf die Stiele des Conarium zieht
(S. 128), die Oberfläche des Thalamus in eine horizontale und verticale Re-
gion scheidet. Die verticalen Flächen beider Thalami bilden über den ein-
ander zugewandten Flächen der beiden Tegmente, mit denen sie in Einer
Flucht liegen, die Seitenwände eines engen, spaltförmigen Thals, des drit-
ten Ventrikels, Ventric. tertius (Fig. 73), dessen Boden sich entsprechend
der Wölbung an der äusseren Fläche der Hirnbasis erst von der Mündung des
Aquäducts bis zum Stiel der Hypophyse massig steil absenkt, dann steiler wie-
der erhebt (Fig. 74). Diesem Thal gegenüber stellt die horizontale oder obere
Fläche des Thalamus eine von vorn nach hinten, wie von einer Seite zur an-
deren gewölbte Hochebene dar. lieber dieselbe verläuft der Längsaxe des
Wulstes parallel eine flache Furche, der Abdruck des auf dem Thalamus ruhen-
Fig. 77.
Ccb
Stück der rechten Hemisphäre, auf die vordere Spitze gestellt, untere Fläche. Ccb
Grosshirnschenkel. Bcp, Bca Brach, conjunct. post. und ant. L Lemniscus. Ccq
Crus cerebelli ad c. quadrig. Cq"^, Cq^ Hinterer, vorderer Vierhügel. Pv Pulvinar.
Cgm, Cgi C. geniculat. mediale und laterale. St Stria terminalis. Spa Subst. per-
for. ant. Il' Tract. opticus. Co Chiasma opt. f Trennungsfläche der vorderen Spitze^
des unteren Lappens.
den Plexus choroideus (Fig. 78). Lateralwärts von derselben macht sich in der
Nähe des vorderen Randes ein platter elliptischer, mit dem längeren Durchmes-
136
Gehirn.
Corpp. geni-
culata.
Corpus
striatum.
Stria termi-
nalis.
ser parallel der Längsaxe des Wulstes gestellter Höcker, Tubere Sup. i),bemerk-
lich (Fig. 78); der hintere Theil des Wulstes überragt rait einem platten abge-
rundeten Vorsprung des medialen Randes, Pulvinar 2) , den Seitenrand der
Yierbügel. Verfolgt man sodann , indem man die Randwülste der Hemi-
sphären zur Seite schiebt, das Pulvinar auf die hintere und untere Fläche
des Grosshirnschenkels, so sieht man dasselbe sich zuspitzen, dann zu einem
spindelförmigen Höckerchen von 8 Mm. Länge , dem Corpus geniculatum
laterale ^), anschwellen, dessen entgegengesetzte Spitze in einem platten
Markstreifen sich fortsetzt. Dieser Markstreifen ist die Eine Wurzel des
Tract. opticus; mit ihr vereinigt sich alsbald unter einem spitzen Winkel
die andere, die aus dem Corpus geniculatum 'Iflediale'^) stammt, einem
nach Grösse und Form dem. lateralen C. genicul. ähnlichen, in der Rich-
tung des Faserverlaufs des Tract. opticus verlängerten, zwischen Pulvinar,
Bindearmen und Grosshirnschenkel eingeschalteten grauen Knötchen , wel-
ches ebensowohl als Anhang des Thalamus wie als Verbindungsglied zwi-
schen Vierhügel und N. opticus angesehen werden kann (Fig. 76. 77).
Der Streifenhügel liegt mit seinem vor- und medianwärts abgerunde-
ten und gleichmässig gewölbten Körper vor dem Thalamus (Fig. 78), etwas wei-
ter als dieser von der Medianebene entfernt. Sein lateraler gerader Rand,
der mit der Decke des Ventrikels in einem spitzen Winkel zusammenstösst,
und sein längs dem Thalamus verlatifender und demselben entsprechender
concaver Rand schliessen eine schwach gewölbte und gegen den Thalamus
abhängige obere Fläche ein , welche sich von vorn nach hinten allmälig
verjüngt und zuletzt, dem Pulvinar gegenüber, zugespitzt verliert ■').
Ich komme auf die Stria terminalis^) zurück, den nach beiden Seiten
durch eine lineare Furche abgesetzten Streifen weisser Siibstanz, welcher
zwischen Thalamus und Streifenhügel eingeschoben ist , als ob er eine zwi-
schen diesen beiden Ganglien verlaufende Rinne überbrückte (Fig. 76. 77. 78).
Er ist 2 bis 4 Mm. breit, zuweilen hier vind da eingeschnürt, platt oder
gewölbt, glatt oder längsfaltig, weiss oder röthlich ins Bräunliche , Alles
Unterschiede, welche von dem grösseren oder geringeren Blutgehalt einer
Vene abhängen, die unter dem Streifen hinzieht und ihn in der Nähe seines
vorderen Endes durchbricht, um sich mit den Venen des Plexus choroideus
zu verbinden. Vorn reicht die Stria terminalis bis zum Boden des Ven-
trikels und hier hängt sie durch ein feines häutiges Fältchen mit dem
Markstrang (Schenkel des Fornix) zusammen, der den hinteren Rand der
Scheidewand der Ventrikel bildet (Fig. 84 *). Mit ihrem hinteren Ende
erstreckt sich die Stria terminalis längs dem Rande des Thalamus bis zur
Gegend des lateralen Corpus geniculat. (Fig. 77).
Die Thalami beider Seiten verbindet mit einander eine frei im drit-
^) Tubere. superius anterlus. ^) Tubercidum posterius, Polster. ^) Tuherc. post.
■Inf. s. lat. äusserer geknickter oder knieförmiger Körper. Opticuskern des Thalamus J.
Wagner (üeber den Ursprung der Sehnervenfasern. Dorp. 1862). *) Tubere. post. me-
dium. 5) Cauda corporis siriati. ^) Taenia striata s. semicircularis. Centrum geminum
semicirculare , Hornstreif, Grenzstreif. Den Namen Stria terminalis s. Cornea {Lamina Cor-
nea) beschränken manche Autoren auf den medialen, von der Vene unterminirten Rand des
Streifens.
Gehirn.
137
ten
sich
Ventrikel
vor den
ausgespannte, quere Commissur, Comm4ssura Titedia '^), die Commissura
• • ITT • T 1 -j. J media.
übrigen Commissiiren des Gehirns durch ihre Weichheit und
Fig. 78.
Grosshirnganglien, von oben. Das Corpus callosum vom
Knie [Ccl^) an und die Hemisphären im Niveau des C.
callos. abgetragen. Cs C. striat. Vsl Ventric. septi lu-
cidi. C'f Crura ibrnicis. Com, Cop Commiss. media und
post. Tto Taenia thalami opt. Tho Thal. opt.
Pen Pedunc. conarii.
Vicq d'Azyr, Wenzel und Meckel (Anat. III, 511)
graue Farbe auszeichnet.
Sie liegt ungefähr in der
Mitte der Länge der ver-
ticalen Wand des Thala-
mus (Fig. 78), dicht über
der Furche, welche ich
als Grenze des Thalamus
gegen das Tegmentum
bezeichnete, hat die Ge-
stalt eines stumpfwink-
lig dreiseitigen, mit dem
stumpfen Winkel ab-
wärts gerichteten Pris-
ma, 7 Mm. im sagitta-
len, 4 bis 5 Mm. im ver-
ticalen Durchmesser.
Ihre Länge , entspre-
chend der Breite des
Ventrikels , ist gering,
öfters so gering, dass
sie die beiden Thalami
unmittelbar aneinander
zu heften scheint. Im
frischen Zustande zer-
reisst sie, wenn die Tha-
lami sich etwas ausein-
ander begeben und dann
kann jede Spur dersel-
ben verloren gehen.
Die Angaben über an-
geborenen Mangel der mitt-
leren Commissur (nach
Wenzel unter 66 Fällen
10 Mal) sind deshalb mit
Misstrauen aufzunehmen ;
Meckel constatirte den-
selben nur 3 Mal. Verdop-
pelung, so dass zwei mitt-
lere Conimissuren über ein-
ander lagen, beobachteten
Der Raum, den die grossen Hirnganglien nebst der Bodencom- Ventrikel.
missur und dem Balken umschliessen , hat im frontalen Durchschnitt die
Form eines T oder T mit je nach den Regionen wechselndem Verhält-
Comm. molUs.
138
GeMrn.
niss des verticalen Sclienkels zu den horizontalen. Der verticale Schenkel
ist der längere im Bereich der Thalami , wo er aber auf eine kurze
Fig. 79.
Frontalschnitt des Gehirns hinter den Corpp. candicantia (Cca). Hintere Fläche des
vorderen Abschnitts. Ccl^ C. callos. Fx Fornix. Ts Tuberc. sup. des Thalamus.
VI Ventric. lateralis. VI" Unteres Hörn desselben, Cs C. striatum. Com Commiss.
media. Rdf Radix descend. des Forni.x. Nl Nucleus lentiformis. Cls Claustrum.
Vt Ventric. tertius. In Insel. Hp Hippocampus. Cgi C. geniculat. laterale.
Co Chiasma öpt. Ph Pedunculus hypophys. Tc Tuber einer. " Markplättchen, welches
die Spitze des Hippocampus anheftet.
Strecke durch die mittlere Commissur unterbrochen wird (Fig. 79). Die
grösste Länge erreicht er in der Gegend des Infundibulum , doch ver-
läuft die Axe dieser Verlängerung des dritten Ventrikels schräg mit dem
unteren Ende vorwärts geneigt, so dass der tiefste Punkt derselben in ver-
ticaler Richtung vor die vordere Spitze der Thalami fällt. Zwischen den
Streifenhügeln wird der verticale Schenkel der Höhle kürzer und breiter,
so dass sie im Ganzen mehr einem Dreieck mit abwärts gerichtetem, abge-
rundetem stumpfen "Winkel gleicht (Fig. 80). Hier aber beginnt die Thei-
lung der Höhle durch die mediane Scheidewand , welche , anfänglich dünn,
nach vorn allmälig an Breite zunimmt, zuletzt mit Boden und Decke in
untrennbarem Zusammenhang steht und im Frontal- und Horizontalschnitt
als eine compacte Markmasse erscheint, zu deren beiden Seiten der Ventri-
kel in Form einer schrägen, mit dem unteren Ende medianwärts gestellten
Spalte blind endet (Fig. 81).
Gehirn.
139
Die eben erwähnte Markmasse gehört dem Balken an, und zwar dem Knie,
dessen Fasern die vordere Spitze oder das sogenannte vordere Hörn des
V ^
Frontalschnitt des Gehirns durch das Chiasma opt. (Co). Hintere Fläche des vorderen
Abschnitts. C cl^ C. callos. Sl Sept. lucidum. Cs C. striat. VV Vorderes Hörn
des Ventric. lateralis. Cf Columna fornicis. Isil Nucleus lentif. Cls Claustruni.
Coa Commissura ant. Spa Subst. perfor. anat. // N. opt. Vt Ventric. tertius.
Fiff. 81.
Ccl-^
Frontalschnitt des Grosshirns durch die vorderen Spitzen der Seitenventrikel. C cl"^ Knie
des C. call. VV Ventric. lateralis.
140
Gehirn.
Ventrikels umgreifend, in rückwärts convexen Bogen durch die MittelKnie
verlaufen. So drängen sie sich zwischen die Streifenhügel ein, und stellen
den vordersten Theil der Scheidewand dar, die den von den Streifenhügeln
begrenzten Raum des blindsackförmigen Ventrikels in zwei symmetrische
Seitenhälften trennt. Die an den Balken sich anschliessende Platte, die ins-
Sept. lucid. besondere den Namen Scheidewand, Septum lucidwn, iührt,]iat eine dreisei-
tige Form (Fig. 74) ; sie ist wie in einen Rahmen , in die Concavität des
Balkenknies eingespannt, indem sie mit dem unteren Rande von dem Boden
des Ventrikels auf die obere Fläche des Schnabels des Balkens übergeht,
mit dem oberen Rande an die untere Fläche des Körpers des letzteren
stösst und mit dem hinteren freien, concaven Rande die vorderen kolbigen
Enden und weiterhin den Abhang der oberen Flächen der Thalami berührt.
Wären die Krümmungen dieses Randes der Scheidewand und der Thalami
genau concentrisch , so wäre damit der dritte Ventrikel von dem Seiten-
ventrikel, d. h. von dem Raum, dessen Boden die oberen Flächen der Tha-
lami und die Streifenhügel bilden , völlig abgeschlossen. Nun aber ent-
spricht die Concavität des unteren Theils des freien Randes der Scheide-
wand einem kleineren Radius, als die ihr gegenüberliegende Convexität der
Thalami und so bleibt zwischen Scheidewand und Thalami jederseits eine
/halbmondförmige Spalte, Foramen JKonroi (Fig. 74), durch welche der
dritte Ventrikel mit den Seitenventrikeln communicirt und die Plexus
choroidei des Einen und der anderen zusammenhängen.
Die Scheidewand ist ein complicirtes Gebilde, welches nur mit Rück-
sicht auf die Stellung, die sie einnimmt, unpaarig genannt werden kann.
In der That ist sie aus zwei symmetrischen Platten zusammengesetzt, wel-
che einen mehr oder minder geräumigen, bald gleichmässig spaltförmigen,
bald nach vorn und oben sich erweiternden Hohlraum, den Ventricuhis Septi
lucidi '), zwischen sich fassen (Fig. 78. 80. 84). Doch sind beide Platten an ihrem
hinteren und unteren Rande eine Strecke weit und ausnahmsweise sogar bis
in die Nähe ihrer oberen Anheftung zu einer einzigen verschmolzen. Jede
Platte besteht aus zwei Theilen, aus einem cylindrischen nervenähnlichen, im
erhärteten Zustande längsfaserigen Strang von 2,5 Mm. Durchmesser , der
den Rand bildet, und aus der eigentlichen Lamina septi lucidi, welche dünner
ist als jener Strang und nach aussen von demselben überragt wird. Der
cylindrische Strang, die Säule des Fornix, Cölumna fornicis^), tritt ge-
rade über dem Infundibulum , etwas hinter der vorderen Spitze des Thala-
mus aus dem Tegmentum hervor, und beschreibt, indem sie im Bogen
erst vor und dann rückwärts aufsteigt (Fig. 82), fast einen Halbkreis, des-
sen Durchmesser vertical oder richtiger in einer frontalen Ebene mit dem
oberen Ende leicht medianwärts geneigt steht, da die Säulen beider Seiten
sich aufwärts einander nähern und ungefähr in der Mitte ihrer Höhe zusam-
menstossen (Fig. 80). Die Spalte zwischen den unteren convergirenden Thei-
len der Säulen verschliesst ein vor denselben vorüberziehender Querwulst, die
erwähnte vorder eCommissur, Commissura Cl'nt.{Fig.83); es ist ein cylin-
drischer Strang weisser Fasern von etwa 4 Mm. Durchmesser, der, wie Frontal-
Columna
fornicis.
C'ominiss,
ant.
■') Camera s. sinus septi lucidi s. pellucidi. Ventriculus quintus. Incisura sejyii Bur
dach. ^) Columella. Grus fornicis ant.
Gehirn.
141
schnitte lehren, in einer fast genau frontalen Ebene nur an beiden Enden
rückwärts abweichend und aufwärts schwach convex durch beide Hemisphä-
Crl2
Fiff. 82.
Cf Tho
Cell
Ccl*
Medianschnitt des Gehirns, die Lamina septi lucidi entfernt. Ccl^ Schnabel,
Ccl^ Knie, Ccl^ Splenium des Balkens. Cs C. striat. Tho Thalarrius.
Fig. 83.
CclS Fx
Frontalschnitt des Grosshirns durch den Tract. opt. Vordere Schnitthälfte. Ccl^ Kör-
per des C. callosum. Fx Fornix. VI Ventric. lateralis. Cs Corp. striat. Tho Thalamus
opt. Vt Ventr. tertius. s Lob. sup. i Lob. inf. [n Insula. Co Chiasma opt.
ren sich erstreckt (Fig. 80) und sich leicht aus der Substanz derselben aus-
schälen lässt.
142
Gehirn.
IJaininae
septi lucidi.
Von der ganzen Länge der weissen Bodencommissur, von den Streifen-
hügeln zn beiden Seiten der vorderen Commissitr und vom convexen Rande
der Säulen des Fornix erhebt sich der mediane Wall grauer Substanz , der
sich aufwärts in die beiden eigentlichen Laminae Septi lucidi spaltet
(Fig. 84.) Diese haben eine von vorn nach hinten abnehmende Höhe, bis
sie in dem Winkel, den die Säulen des Fornix durch ihre Vereinigung mit
Fig. 84.
Cc]3
Frontalschnitt des Grosshirns durch das Tuber olfact. Hintere Fläche des vorderen Abschnitts.
Ccl^ C. callos. Vsl Ventric. septi lucidi. VI' Vorderes Hörn des Ventric. latera-
lis. Cs C- striat. Cba Comniiss. baseos alba. Nl Nucleus lentiformis. Cls Clau^
strum. Pcc Pedunc. corp. callosi. / N. olfact. * s. S. 136.
dem Balken bilden , in eine feine Spitze auslaufen ; ihre Mächtigkeit ist
individuell verschieden, zwischen 0,5 imd 2,5 Mm.; sie bestehen aus weis-
ser Substanz mit einem dünnen grauen Beleg an beiden Flächen.
Die Säulen des Fornix mit der vorderen Commissur machen oberhalb
der Lamina terminalis cinerea die vordere Wand des dritten Ventrikels
aus ; durch sie und die auf ihnen ruhende ungetheilte Partie der Scheide-
wand wird der Ventrikel vollkommen abgeschlossen i).
') Ueber diesen Punkt, ob zwischen den Säulen des Fornix eine Communication des
dritten Ventrikels mit dem Ventrikel der Scheidewand stattfinde oder nicht , sind die
Anatomen getheilter Meinung. Nach Tarin besteht sie in einzelnen Fällen, nach Tiede-
Gehirn.
143
Bevor ich die Säulen des Fornix weiter auf ihrem Wege nach hinten Wurzeln
an der unteren Fläche des Balkens verfolge, habe ich ihres Ursprungs aus
dem Boden des "Grosshirns zu gedenken , der sich auf Durchschnitten ohne
Mühe ermitteln lässt. Von der Stelle aus, die man am unversehrten Ge-
hirn als ihren Ursprung ansehen muss, setzen sie sich in Form eines com-
pacten weissen Faserzugs durch die graue Substanz des Tegmentum ab-
und rückwärts bis zu den Corpp. candicantia ihrer Seite fort. Das C.
candicans selbst aber erweist sich als eine enge Schleife, gebildet durch
die Umdrehung, die der Faserzug an der unteren freien Fläche des Gehirns
macht (Fig. 85), um alsbald und zwar an der medialen Seite des absteigen-
Fiff. 85.
C 1,-14
Raf
Oca
Hinterer Theil der rechten Hemisphäre, von innen. Die Ausstrahlung der Fasern des
Splenium {Cd*) in den hinteren Lappen und die Faserung des unteren Lappens an
Bruchflächen (des erhärteten Präparats) dargestellt. Fcp Forceps. Fli Fase, longitud.
inf. jTäo Thalamus. Tap T-d^etum. J5 Basis. Cca Corpus candic. //' Tract. opt.
im Querschnitt. Raf, Ä c// Radix^adscendens und descendens des Forni.v.
mann (Anat. und Bildungsgeschichte des Gehirns S. 169) ist sie regelmässig beim Embryo
vorhanden; beim Erwachsenen erklären sich Wenzel, Foville u. A. für die Beständig-
keit derselben. Ich habe die beiden Ventrikel stets durch eine Substanzlage von etwa 5 Mm.
Mächtigkeit von einander geschieden gesehen.
144
Gehirn.
Körper d.
Fornix.
den Strangs durch Tegmentum und Thalamus wieder in einem flachen Bo-
gen emporzusteigen, bis er sich unter dem Tuberculum anterius des Tha-
lamus pinselförmig ausstrahlend verliert (Fig. 79). Dies Tuberculum
ist demnach die eigentliche Ursprungsstätte der Säulen des Fornix und des-
halb wird der Strang, der von demselben aus abwärts zum C. geniculatum
zieht, absteigende Wurzel, Radix descendens fornicis , der andere
Schenkel des C. geniculatum aufsteigende Wurzel, Hadix Cldscendens
fornicis, genannt.
Ich sagte , dass die Saiden des Fornix ungefähr in der Mitte ihrer
Höhe zusammenstossen , sie verschmelzen an dieser Stelle in der Regel zu
einem Strang, der an Stärke den beiden Säulen gleicht, sonst aber durch
nichts oder höchstens durch eine seichte Längsfurche die Zusammensetzung
aus zwei symmetrischen Hälften verräth (Fig. 78). Wenn sodann dieser
Strang, der Körper des Fornix, sich rückwärts wendet und den Balken erreicht,
nimmt er die Form eines dreiseitigen Prisma an, das mit seiner oberen Fläche
an die untere Fläche des Balkens sich anlegt, während seine beiden Seiten-
flächen zu einer medianen unteren Kante convergiren (Fig. 79. 83) und nun
deutet auch wieder eine Spalte, welche der Länge nach über die Kante ver-
läuft und von ihr aus tief eindringt, die Theilung des Fornix in zwei paa-
rige Hälften an, die sich weiter nach hinten wirklich auseinander begeben.
Nur eine kurze Strecke ist die obere Fläche des Körpers des Fornix
in ihrer ganzen Breite mit der unteren Fläche des Balkens verwachsen.
Fig. 86.
Crf
Ccl2
Linke Hemisphäre, von innen, uro die sagittale Axe aufwärts gedreht. Thalamu.s aus-
geschnitten. CcV^, Ccl'^ Knie und Wulst des C. callos. Coa Commiss. ant. Ls La-
mina septi luddi. Cf Columna fornicis. Gh Gyrus hipjiocampi. Gh' dessen Haken,
die untere Fläche durch die Substantia reticularis ausgezeichnet. Fd Fascia dentata.
Fi Fimbria. f N. oltactorius.
Gehirn.
145
Dann löst der laterale Rand des ersteren sich ab und während der Fornix-
körper von vorn nach hinten beständig an Höhe und an Breite zunimmt
und jede seiner Hälften sich in ein plattes, nach beiden Seiten zugeschärf-
tes Band verwandelt, schreitet die Trennung desselben vom Balken median-
wärts fort, so dass die Verbindung des Fornix und Balkens zuletzt auf einen
schmalen medianen Streifen beschränkt wird (Fig. 86).
Der Körper des Fornix bildet die Decke des dritten Ventrikels, ruht Crura ic
auf den Thalami und ragt mit seiner unteren Kante, soweit eine solche '^^^^
vorhanden , zwischen dieselben hinab. Vor dem Conarium zerfällt er , in-
dem seine beiden Seitenhälften unter spitzem Winkel auseinander weichen,
in die sogenannten Schenkel, Crura fornicis (Fig. 87 i), welche, immer
noch mit den medialen Rändern an der unteren Fläche des Balkens be-
Fiff. 87.
Ccl3
Frontalschnitt des Grosshirns, hintere Schnittfläche. Thalamus rechterseits zum Theil,
linkerseits vollständig entfernt. Ccl^, Ccl'^ Körper, Splenium des C. callos. Fi Fim-
bria. Fd Fascia dentata. Gf Gyrus fornicatus.
festigt, die obere Fläche des Thalamus zix bedecken fortfahren und weiter-
hin mit der Ausstrahlung des Balkens der Windung des Thalamus um den
Grosshirnschenkel folgen. Das dreiseitige Feld der unteren Fläche des Psaiterium.
Balkenkörpers, welches von den divergirenden Schenkeln des Fornix und
dem Splenium umfasst wird und durch eine deutliche transversale Faserung
ausgezeichnet ist, führt den Namen JPsalterhiin (Fig. .86. 87 2).
■') Crura j^osteriora fornicis. '^) Lyra. Davidsharfe. 02Jercule Gratiolet.
Henle, Anatomie. Bd. III. Abthlg. 2. iq
146
Gehirn.
Forceps.
Tapetum.
Hinteres
Hörn.
Nicht selten fassen die beiden Seitenhälften des Körpers des Pornix ein dün-
nes Markblatt zwischen sich; es ist im Grunde der Spalte verborgen, kann aber
auch über dieselbe hervorragen, und von der Stelle an, wo die Schenkel des Tor-
nix auseinander weichen, frei an der unteren Mittellinie des Psalterium bis zum
hinteren Rande des Balkens sich erstrecken.
Ich habe oben geschildert, wie die Decke des blindsackförmigen Hirn-
ventrikels zwar in der Mittellinie mit einem Querwulste vor dem Kleinhirn
abschliesst, zu beiden Seiten des letzteren aber sich nach hinten fortsetzt,
um nach kurzem Y erlauf wieder umzukehren und an der unteren Fläche
des Thalamus zu enden.
So weit der Streifenhügel und Thalamus den Boden des Seitenventri-
kels bilden, vereinigt sich die Decke, der Balken, unter spitzem Winkel
mit dem Seitenrande dieser Wülste und geht die weisse Fasermasse des
Balkens jenseits des Vereinigungswinkels in den weissen Kern der Hemi-
sphären über, in welchem die durch die Grosshirnganglien durchgetretenen
Fasern der Grrosshirnschenkel sich sammeln. Hinter dem Thalamus und
dem zugespitzten, der Wölbung des Thalamus folgenden Ende des Streifen-
hügels sieht man die Fasern des Balkens continuirlich von der Decke an
die Seitenwand und endlich in den Boden des Ventrikels übergehen; sie
breiten sich hierbei divergirend vor- und rückwärts aus, die Fasern des
Splenium vorzugsweise rückwärts , unter den Eandwülsten , die sich über
den hinteren Band des Balkens nach unten schlagen und zum Theil in diese
Randwülste selbst, die Fasern des dem Splenium nächsten Theils des Bal-
kens rückwärts , abwärts und den Thalamus umkreisend vorwärts. Die aus
dem Splenium in die hinteren Spitzen der Hemisphären rückwärts umbie-
genden Faserzüge wer-
den nach Reil Zange,
Forceps i), die aus dem
Körper des Balkens aus-
strahlenden werden Ta-
pete, Tapetum , ge-
nannt (Fig. 85).
Man wird die Confi-
guration des Horns des
Seitenventrikels, welches
von dem nach hinten
verlängerten und nach
vorn zurückkehrenden
Theil der Decke um-
schlossen und in dem
hinteren Lappen des
Grosshirns enthalten ist
(Fig. 88), am besten ver-
stehen, wenn man an
demselben drei Wände
Cav
Frontalschnitt des hinteren Lappens der rechten Hemisphäre,
hintere Schnittfläche mit dem Bück in das hintere Hörn
des Seitenventrikels. Der dunklere Streifen über demselben
entspricht einer Lage querdurchschnittener Fasern. Bh Bulb.
cornu post. Cav Calcar avis.
') Forceps corporis callosi. Zangent'örniige Arme. Forcipe.s Burdach. Forceps major
Arnold. ' Unter Forceps minor versteht Arnold die Ausstrahlung der Fasern des Balken-
knies in die Hemisphären.
Gehirn. 147
unterscheidet, die in der That durch scharfe Ecken gegen einander abgesetzt
sind. Die äussere Wand, welche in einer , der Oberfläche der Hemisphäre
Fig. 89.
Fla
Untere Fläche des Grosshirns; die Grosshirnschenkel (Cc&) vor der Brücke durchschnitten.
Das hintere und untere Hern des Seitenvcntrikels durch Abtragen des unteren Lappens
von unten her geöffnet. Fla Fissura lateral, ant. In Insel. Hp Hippocampus. Bh Bul-
bus cornu post. Foh Fissura occip. horiz. Ccl^ Splenium. Cca Corp. candic. Ca' Ha-
ken des Gyrus hippoc. Tc Tub'er ein. II N. opfc. / N. oltact.
concentrischen Krümmung die obere und laterale Begrenzung der Höhle
bildet, ist identisch mit dem Tapetum : sie beginnt, wie erwähnt, am hin-
teren Rande des Thalamus mit einer der ganzen Höhe desselben entspre-
chenden concaven Basis und verjüngt sich allmälig in der Richtung von
vorn nach hinten , so dass sie schliesslich in eine feine Spitze ausläuft. Die
Grundlage der unteren Wand des hinteren Horns, gewissermaassen derBo-
10*
148
Gehirn.
Fase, longit.
inf.
Calcar avis.
Bulbus
coriiu post.
den desselben, ist ein dünnes Markbündel, Fasciculus longitudinalis inf.
Burdacb^) (Fig. 85), welches sich von der hinteren Spitze der Hemi-
Fity. 90. Sphäre bis in die vordere
Spitze des Umschlags er-
streckt und als der rückläu-
fige Theil der Deckenfasern
betrachtet werden kann, wo-
mit jedoch nicht behauptet
werden soll, dass die Fasern
der Decke ununterbrochen
in die Fasern jenes Bündels
umbiegen. Dem Ventrikel
wendet die untere Wand
eine ebene Fläche zu, die
sich mit der äusseren und
medialen Wand unter spitzem
Winkel vereinigt , häufig
drängt eine zwischen den
Randwülsten tief eindrin-
gende Furche den medialen
Theil des Bodens in Form
eines convexen Längswulstes,
der Vogelklaue, Calcar
avis'^), nach innen (Fig. 88).
Die mediale Wand des hinte-
ren Horns wird von der Zange
gebildet ; auch sie spi'ingt als
ein einfacher oder der Länge
nach gefalteter Längswulst,
üiühus cornu posterioris , in
die Höhle vor (Fig. 88. 89. 90),
wird aber von vorn nach
hinten allmälig niedriger, so dass, da in der gleichen Richtung auch der
Boden sich verschmälert, in der hinteren Spitze der Hemisphäre nur eine
halbmondförmige abwärts convexe Spalte übrig bleibt.
Das vorige Präparat, nach Ausschneidung des Gyrus
hippocampi (6' (/) mit dem Hippocampus. Die Gross-
hirnschenkel vom Splenium {Cd') vorwärts ahgezo-
gen. Cgm, Cgi C. geniculat. med. und laterale.
Cs' Hinteres Ende des C. striat. Tap Tapetum.
Bh Bulb. coruu post. fd p'ascia dentata. Fi Fim-
bria. Ps Psalterium.
Nach Engel (Wiener med. Wochensclu-ift 1865. Nr. 30 ff.) ist in der Eegel
(unter hundert Fällen 66 Mal) das linke hintere Hörn länger, als das rechte. Die
durchschnittliche Länge beider ist am grössten zwischen dem 21. und dem 30.
Lebensjahr, nimmt von da an ab und im höheren Alter wieder zu , ohne die ur-
sprüngliche Länge ganz zu erreichen.
Hippocam-
pus.
Am Splenium endet die mediale Wand des hinteren Horns; der Ven-
trikel öffnet sich medianwärts, um den Grosshirnschenkel einzulassen. Die
untere Wand aber setzt sich vorwärts fort als Boden des unteren Horns,
dessen Decke die untere Fläche des Thalamus darstellt; sie wird breiter.
^) Fase, longitudinalis Arnold. ^) Calcar s. conguis. Pas Jdppocampi minor. Emi-
nentia digitata s. unciformis. Hahnensporn Reil. Frgot de Morand G ratio 1 et.
Gehirn. 14'J
3urcli vorwärts ausstrahlende Fasern des Balkens (Fasciciilus arcuatiis
Reil 1) verstärkt und verdickt sich am medialen Rande durch Randwülste,
welche sich von der Oberfläche des Balkens über den hinteren Rand dessel-
ben abwärts schlagen und unter dem Namen Hipjgocamims beschrieben wer-
den (Fig. 89. 90). Ich komme auf denselben sogleich im Zusammenhang
mit den übrigen Randwülsten des Grosshirns zurück und bemerke nur
noch, dass die divergirenden Schenkel des Fornix von der unteren Fläche
des Balkens im Bogen auf die Hippocampi über- und mit ihnen vorwärts
gehen, so dass auch sie in der Spitze des unteren Horns ihr Ende erreichen.
Die Randwülste des Grosshirns sind platte Leisten, welche aus der weis- Randwülste,
sen Umhüllungsmasse des Ventrikels, die man dem Markkern des Kleinhirns
vergleichen kann, senki-echt zur Oberfläche aufsteigen, bekleidet und abge-
rundet durch einen continuirlichen Ueberzug von grauer Substanz. Dario,
sowie in der Neigung, sich gegen die Oberfläche zu theilen, ähneln die
Randwülste des Grosshirns denen des Kleinhirns. Sie unterscheiden sich
aber von den letzteren durch ihre bedeutendere Mächtigkeit und durch ihre
Richtung. Sie gehen nur von der äusseren, nicht von der dem Ventrikel
zugewandten Oberfläche des Markkerns aus, man müsste denn Thalamus
und Streifenhügel als einwärts gekehrte Randwülste betrachten wollen ;
ferner verlaufen die Endleisten nur ausnahmsweise einigermaassen parallel
und ganz allgemein unregelmässig schlau genförmig in bald steileren, bald
flacheren Windungen. Eine weitere Differenz zwischen den Randwülsten
des Gross- und Kleinhirns besteht darin, dass sich die ersteren zwar in
jeder Seitenhälfte einigermaassen symmetrisch verhalten, aber nicht über die
Mittellinie erstrecken; vielmehr theilt die beiden Hemisphären die tiefe,
bis auf die Commissur des Markkerns eindringende Spalte, die Medianfis-
sur, in deren Grund der Balken freiliegt und durch Zurückschlagen der
überhängenden Randwülste, die ihn bedecken, in einer Breite von 1 Cm.
sichtbar gemacht werden kann.
Der Markkern des Grosshirns hat eine zu complicirte Gestalt und zu Markkorn.
unebene Oberfläche , als dass es möglich wäre , ihn durch Abtragen der
Randwülste oder vielmehr der den Randwülsten zu Grunde liegenden Lei-
sten darzustellen. Während der Seitenventrikel an seiner oberen Fläche
von einer 2 bis 3 Cm. mächtigen Schichte compacter weisser Substanz be-
deckt ist , trennt an anderen Stellen z. B. an der unteren Wand des unteren
und hinteren Horns eine weisse Schichte von kaum 1 Mm. Mächtigkeit die
graue Hirnrinde von dem Lumen des Ventrikels und bildet, durch eine tief
zwischen den Randwülsten sich einsenkende Fiirche in die Höhle vorge-
drängt, einen Wulst an der inneren Wand derselben (Hippocampus, Vogel-
klaue). So sind wir, um die Form des Markkerns zu ermitteln, auf Durch-
schnitte des Gehirns angewiesen. Die grösste Ausdehnung im sagittalen
und transversalen Durchmesser besitzt derselbe unmittelbar über den Ven-
trikeln; trägt man die Hemisphären bis auf das Niveau des Balkens diirch
') Arcus Arnold.
150
Gehirn.
Centrum
semiovale.
Lig. tect.
einen Horizontalschnitt ab , so erscheint der Balken als Verbindungsbrücke,
zwischen zwei weissen elliptischen Feldern, die ihn nach vorn und hinten
überragen und ringsum, so weit sie nicht durch den Balken zusammen-
hängen, Zacken aussenden, welche von einem grauen Streifen eingefasst und
durch mehr oder minder tiefe Einschnitte getrennt werden (Fig. 91). Gegen
Fig. 91.
Slm
Col
_Lt
Grosshirn, von oben. Die Hemisphären auf das Niveau des Balkens abgetragen.
Slm Striae lougit. medial. Cd C. callos.
die in transversale Bündel abgetheilte Oberfläche des Balkens sticht die künst-
liche Schnittfläche des Markkerns , die man als Geiitrum semiovale ^) be-
zeichnet , durch ihre vollkommene Glätte und Gleichförmigkeit ab ; die
Grenze zwischen beiden deutet ausserdem jederseits ein sagittales Faser-
bündel an, das Ligament, tectum'^) Beil, ein Theil der Faserung des unter-
sten, den Balken entlang ziehenden Randwulstes der Hemisphären, der sich
beim Abziehen dieses Bandwulstes abzulösen und auf dem Balken zu haften
pflegt. Weiter oben, etwa 1 Cm. oberhalb des Centrum semiovale, zeigt
ein Hörizontalschnitt der Hemisphäre (Fig. 92) den Markkern auf zwei
kleinere, durch einen schmalen Isthmus verbundene Felder reducirt, ein
vorderes und ein hinteres , welche von den Querschnitten der Randwülste
umgeben sind. Zur Seite der Ventrikel wird der Markkern , wie er nach
^) C. s. Vieussenii aut. C. .s. meclullnre. Corpus medulläre kemisphaerae. Teg-
mentutn ventricuU lateralis. ^) Lig. obtectum. Stria externa. Stria lateralis longitudinalis.
Gehirn.
151
innen von grauer Substanz bedeckt ist, so auch durch graue Einlagerungen
abgetheilt , die dem C. dentatum des Kleinhirns entsprechen und an einer
Fig. 92.
Horizontalsclmitt des Grosshirns, 1 Cm. ober-
halb des Balkens.
Fig. 93.
Insel der linken Hemisphäre. Cs C. striat.
Tho Thalamus X Trennungsfläche des ring-
förmigen Lappens.
späteren Stelle ausführlicher be-
schrieben werden. In der vorderen
und hinteren Spitze des Gehirns
stellt der Markkern wieder eine
zusammenhängende, der äusseren
Form der Hemisphäre entsprechende
Masse dar.
Die Randwülste des Grosshirns Insel.
liegen in jeder Hemisphäre in zwei
Schichten. Die Randwülste der tie-
fen Schichte ^) nehmen die laterale
Fläche der mächtigen Wand ein,
die den blindsackförmigen Ventri-
kel seitlich begrenzt und an ihrer
medialen Fläche den Thalamus und
Streifenhügel trägt. Sie verlaufen
5 bis 6 an der Zahl, durch seichte
Furchen geschieden, fas.t perpendi-
culär, aufwärts an Breite zuneh-
mend, der Eine oder Andere auch
gegen das obere Ende getheilt und
deshalb fächerförmig divergirend.
In ihrer Gesammtheit führen sie
den Namen Insel, Insula, ReiP)
(Fig. 93).
Die Randwülste der tiefen Schichte Riugförmi-
oder der Insel werden vollständig
verdeckt durch die Randwülste der
oberflächlichen Schichte, die ein Lap-
pen trägt, welcher einen mehr als
vollständigen Kreis um die Insel be-
schreibt, vor derselben an der un-
teren Fläche der Hemisphäre be-
ginnt und wieder an der unteren
Fläche vor dem vorderen Rande der
Insel mit einer abgerundeten Spitze
endet. Dem ringförmigen Lappen
gehören alle Windungen der äusse-
ren Oberfläche der Hemisphären an,
ausserdem aber auch Windungen,
welche medianwärts gegen die Insel
gerichtet sind, und erst sichtbar
werden, wenn man die von allen
ger Lappeu.
^) Gyri breves s. unciformes s. opertl. Der untere Eand des Lappens , von welchem
die Furchen ausgehen, wird als langer Inselwulst beschrieben. ^) Lobus caudicis s. inter-
medius s. opertus. Bedeckter oder Stammlappen. Lobus centralis Gratiolet.
152
Gehirn.
Seiten über der Insel zusammensclilagenden Eänder des Lappens auseinan-
der zieht und nach aussen umschlägt (Fig. 94) oder die Hemisphäre nach
Entfernung der Insel, von der inneren Seite betrachtet (Fig. 95). In na-
Fla-
Linke Hemisphäre, Profil, mit aufgehobenen Randwiilsten des ringförmigen Laj^pens, um
die Insel (/«) zu zeigen, a, s, p, i Vorderer, oberer, hinterer, unterer Lappen. / N.
oltact. Gca, Gcp Gyrus centr. ant. und post. Sc Sulc. centr. Fop Fissura
" occip. perpend.
türlicher Lage sind diese Ränder einander so sehr genähert, dass der von
der Concavität des Ringes umschlossene Raum auf eine schmale, sagittale,
leicht abwärts gebogene Spalte reducirt ist, eine Spalte, die sich auf den
ersten Blick vor den seichteren Furchen zwischen den Randwülsten des
Lappens kaum auszeichnet (Fig. 79. 83). Die Spalte endet vorn und hin-
ten mit der Umbeugung dort des vorderen vorwärts aufsteigenden, hier
des hintern vorwärts absteigenden Theils des ringförmigen Wulstes in
den mittleren geraden ; sie stösst vorn und hinten auf einen , vor der
Spitze der Furche vorüberziehenden Randwulst, der die Spalte gegen die,
zwischen den übrigen Randwülsten verlaufenden Furchen regelmässig ab-
schliesst. Von oben wird sie durch den geraden , von unten durch den auf-
und absteigenden Theil des ringförmigen Lappens, in einer längeren Strecke
durch den absteigenden Theil begrenzt. Deshalb liegt die Einmündung
der verticalen, etwas schräg vorwärts absteigenden Spalte, die den Anfang
des ringförmigen Lappens von der den Anfang äusserlich deckenden hinte-
ren Spitze scheidet, in die sagittale Spalte dem vorderen Ende der letzteren
beträchtlich näher als dem hinteren.
Die verticale Spalte, mit der von ihrer Einmündung aus nach hinten
sich erstreckenden Partie der sagittalen ist es , die man als seitliche Hirn-
Gehirn.
153
spalte 1) beschreibt. Ich füge die Bezeichnung „hintere", Fissura lateralis Fissura lat.
post., hinzu zur Unterscheidung von der vorderen Seitenspalte -), If^iss. la-
teralis fltü., die dem von der verticalen Spalte aus vorwärts verlaufenden
Fig. 95.
Fob
Mediale Fläche des rechten ringförmigen Lappens. Gf Gyrus fornic. Prc Praeeuneus.
Fop, Foh Fissura occip. perpend. und horizout. C Cuneus. C cl^ Splenium. Gh Gy-
rus hippocampi. Gh' Haken desselben. Fd Fascia dentata. Fi Fimbria.
Theil der sagittalen entspricht (Fig. 94. 96). Die hintere Seitenspalte setzt
sich an der unteren Fläche der Hemisphäre in die Furche fort, welche zwi-
schen der Spitze des rückläufigen Theils der Decke und den Boden des
Grosshirns , namentlich die Substantia perforata ant., eindringt und von
hinten her durch die Verwachsung jener Spitze mit dem Boden begrenzt wird
(Fig. 34). Hinter dieser Verwachsungsstelle öffnet sie sich an der medialen
Fläche der Hemisphäre in das untere Hoi-n des Seitenventrikels. Die vordere
Seitenspalte geht von dem Tuber blfactorium aus, einem grauen etwas hö-
ckerigen Querwulst vor der Substantia perforata ant., der den Wurzeln des
N. olfactorius zum Ursprünge dient, seitwärts mit der Insel zusammen-
hängt und an seinem medialen Ende vorwärts zugespitzt in die Furche
eindringt, die den N. olfactorius beherbergt^). Der Randwulst, der die
•'■) Fossa SylvU. ^) Fissura anterior Burdach. ^) Insbesondere wird das durch diese
Zuspitzung entstehende Dreieck als Tuber oder Trigonuvi olfactorium beschrieben und in
der Mehrzahl der Handbücher mit den Synonymen Caruncula mamillaris s. Car. nervi ol-
faciorü begleitet. Doch bedeutet diese Carunkel bei den älteren Schriftstellern den N. ol-
factorius selbst und bei Arnold (Tabb. anat. fasc. I, Taf. IV, Fig. 1. 6) die vordere
Spitze des Vorderlappens.
154
Gehirn.
Fl£
vordere Seitenspalte von vorn her begrenzt, hat einen geschlängelten Ver-
lauf; er setzt sich gegen das Tuber olfactorium mit einer einfach abgerun-
Linke Grosshirnheinisphäre , Profil, a, s, p, i Vorderer, oberer, hinterer, unterer Lap-
pen. Fla, Flp Fissura lateralis ant. und post. Sc Sulcus centralis. F'op Fissura
occip. perpendic. Gca, Gcp Gyrus centr. ant. und post. Gt Gyrus transitivus. Prc
Praecuneus. Ltb Lobulus tuberis.
deten , zuweilen durch einen Eindruck getheilten Spitze ab ^) , und biegt
von dieser aus unter spitzem Winkel in den geraden ßandwulst um, der
die laterale Wand der zur Aufnahme des N. olfactorius bestimmten Furche
bildet (Fig. 34. 89).
Man sieht , dass die vordere Spitze der Hemisphäre , ebenso wie die
hintere , einer Umbeugung der auf die Decke aufgetragenen Randwülste
entspricht, die dort im Bogen, hier in einer Knickung erfolgt, woraus die
abgestumpfte Form der vorderen, die mehr schneidende Form der hinteren
Spitze der Hemisphäre sich erklärt. Von der vorderen und hinteren Spitze
der Hemisphäre muss man das vordere und hintere Ende des ringförmigen
Ijappens, welche beide an der unteren Fläche der Hemisphäre zusammen-
kommen, wohl unterscheiden.
Der ringförmige Lappen hat eine mediale plane und eine äussere gewölbte
Fläche , die sich am äusserlich sichtbaren unteren stumpfen Rande median-
wärts umschlägt, so dass der wirkliche untere Rand derselben, der con-
cave Rand des Rings, die Insel umsäumt und der tiefen Furche entspricht.
■*) Gyrus arcunius Valentin?
Gehirn.
155
in welcher die Randwülste der Insel mit den Randwülsten der medianwärts
umgeschlagenen Fläche des ringförmigen Lappens zusammenstossen ^).
Die winkeligen Biegungen des scheinbaren unteren Randes des ring-
förmigen Lappens gestatten eine Eintheilung desselben in drei Regionen
oder secundäre Lappen , die allerdings nur so weit natürlich ist , als die
erwähnten seitlichen Spalten reichen und durch eine in Gredanken über die
äussere Fläche und den oberen Rand auf die mediale Fläche geführte Ver-
längerung derselben zu vervollständigen sein würde. Doch trifft die auf
diese Weise verlängerte hintere Seitenfurche schon auf der äusseren Fläche
der Hemisphäre in der Nähe des oberen Randes und in etwa 5 Cm. Ent-
fernung von der hinteren Spitze auf eine durch ihre Tiefe ausgezeichnete
Furche, Fissura Occipitalis perpendicularis (Fig. 94 bis 97 '■^) , die den oberen
Fig-. 97.
Fiss. oscip.
perpend.
Fi Gh
Coa
Tap Cgi
Gh CcL
Hinterer Theil der linken Hemisjihäre, mediale Fläche. Septum lucidum entfernt, Gross-
hirnschenkel (Ccb) dicht am Thalamus abgeschnitten. Coa Commiss. ant. Cs C.
striat. Ts Tuberc. sup. des Thalamus. Cd C. cajlos. G/ Gyrus fornic. Cq C. qua-
drig. Tho Thalamus. Prc Praecuneus. f'op, Fo/i Fissura occip. perpend. und ho-
rizont. C Cuneus. Fd Fascia dentata. Fi Fimbria. Gh Gyrushippocampi. Gh' Ha-
ken desselben. Taj} Tapetum. Cgi C. genic. lat. Sn Substantia nigra. Cca C.
candic. // N. opt. I N. olfactorius.
^) Die Spalte zwischen der Insel und dem überhängenden ringförmigen Lappen ist
Burdach's Obei-spalte, Fissura superior. ^) Fissura post. Fiss. occipitalis post. R.Wag-
ner. Fissura parielo-occlpitalis -int. Turner. Fissura occip'talis perpendicularis interna
Bisch off. Sinus parieto-occipitaUs s. operlus minor Barkow. Wegen der Literatur ver-
weise ich auf Ecker, die Hirnwindungen des Menschen. Braunschw. 1869.
156
Gehirn.
Eiiitlieilung
des ringför-
migen Lap-
pens.
Eand überschreitet, auf der medialen Fläche schräg oder im Bogen, zuerst
fast gerade abwärts und gegenüber dem Wulst des Balkens vorwärts läuft,
um neben dem Thalamus aixf dem Randwulste zu enden, der die in das
untere Hörn führende Spalte begrenzt. Die Brücke von Randwülsten, welche
das Ende der hinteren Seitenfurche und den Anfang der Occipitalfurche
von einander scheidet, hat in der Regel eine Breite von 6 Cm., variirt aber,
je nachdem die Occipitalfurche mehr oder minder weit auf die äussere Fläche
übergreift.
Die drei, durch besagte Einschnitte gesonderten Lappen lassen sich
einfach als vorderer, oberer und hinterer bezeichnen. Der vordere
Lappen 1) bildet die vordere Spitze der Hemisphäre (Fig. 94 a). Der die
Insel überragende Theil des oberen Lappens, s^), hat insbesondere den Na-
men Operculum, Klappdeckel, erhalten^). An dem lang gestreckt ellip-
tischen, anit der längeren Axe vor- und abwärts gerichteten hinteren Lap-
pen*) mag man eine hintere und vordere Spitze untex'scheiden ; die hintere
ist identisch mit der hinteren Spitze der Hemisphäre und soll als hinte-
rer Lappen, p ^) , im engeren Sinne aufgeführt werden ; die vordere Sj)itze,
welche ich bisher als Ende des umgeschlagenen oder rückläufigen Theils
der Decke beschrieb, fühi't, so weit sie die hintere Seitenspalte von unten
her begrenzt, den Namen des unteren Lappens, i*'). Von dem hinteren
Lappen trennt an der inneren Fläche eine horizontale Furche, Fissura
Occip. horizontalis''), welche sich mit dem unteren Ende der verticalen Occi-
pitalfurche unter spitzem Winkel vereinigt, einen keilförmigen Lappen
ab, den Zwickel, Cuneus Burdach ^) (Fig. 95.97). Die Furche erstreckt
sich bis zum hinteren Rande der Hemisphäre; sie ist, wiewohl der Occipi-
talfurche an Tiefe gleich, doch an ihrem Eingang kaum breiter, als die
seichten Furchen, die die benachbarten Randwülste trennen. Am Eingang
ist sie gerade oder geschlängelt; der Grrund derselben ist regelmässig ge-
rade und treibt die nach dieser Seite nur 3 Mm. mächtige mediale Wand
des hinteren Horns des Seitenventrikels (vgl. Fig. 98) vor sich her in Form
des Wulstes, welcher oben (S. 147) als Vogelklaue beschrieben wurde.
Zu<Te der I*^^ habe erwähnt, dass die Trennung der Lappen zum Theil eine
Kandwuiste. jj^üjjgtliche ist; aber nicht nur an den Regionen der Gehirnoberfläche, an
welchen sie ununterbrochen in einander übergehen, sondern auch im Grunde
^) Lohns frontalis. Stii'nlappen. ^) Lohus parietaUs. Scheitellappen. Lohns tempora-
lis Chaussier. Die älteren Handbücher ziehen zum Theil den oberen Lappen mit zum
vorderen. Nach Gratiolet macht die Centralspalte (s. unten) die Grenze zwischen dem
hinteren und vorderen Lappen aus, von denen der letztere in den Scheitel- und Stirnlappen,
der Stirnlappen wieder durch den Sulcus olfactorius in den Lohnlus frontalis und orhitalls
zerfällt. Nach Bischoff reicht der Vorderlappen bis zur vorderen Centralwindung und ge-
hört diese zum oberen oder Scheitellappen. •■*) Operculum loht superioris. Dach der Gefäss-
grube Meckel. ^) Lohns tenioriosphenopetrosus Barkow. ^) Ljohus occijAtalis. Hinter-
hauptslappen. Zwischenscheitelhirn Huschke. ^) Lohns temporalis. Schläfelappen. Lo-
hns sphenoidalis Arnold. Lohus temporo-sphenoidaUs Gratiolet. '^) Fissura hippocampi
Gratiolet. Fissura occipilalis posi. s . horlzontalis R. Wagner. Fissura calcarina Tur-
ner. ^) Lohulus interparietalis sup. Huschke. Die Spitze des Zwickels ist Huschke's
Lohulns lliifjualis, Zungenwulst. Pli superieur de passage Gratiolet. Erste Occipiitalwin-
dung R. Wagner. Lohulns occipitalis Turner. Lohns falciformis post. s. minor Barkow
(Barkow 's Lohus falcif ant. s. maj. ist der vor der Occi))italfurche gelegene Theil der
Hemisphäre).
Gehirn.
157
der Furclien , diircli die sie sich von einander scheiden , setzen sich die
Randwülste von Einem Lappen auf den anderen fort. Eine Benennung der
Fig. 98.
Hinterer Lappen des Grosshirns von innen. Die horizontale Occipitalfurche geöffnet,
die dünne Wand der Hemisphäre der Länge nach durchschnitten und auseinanderge-
zogen. VI'" das geöifnete hintere Hörn des Seitenventrikels * Plex. choroid.
Randwülste nach den Lappen, die sie einnehmen, mag daher zu Ortsbe-
stimmungen dienen, sagt aber über ihren Verlauf und Zusammenhang nichts
aus. Bei näherer Betrachtung fällt ebenso sehr die Asymmetrie der Win-
dungen selbst an den beiden Hemisphären Eines Gehirns, wie die Bestän-
digkeit gewisser Züge ins Auge. Im Allgemeinen sind die Randwülste der
vorderen und hinteren Spitze der Hemisphären schmaler als die übrigen.
Ihre Breite beträgt dort 5 bis 8, hier 8 bis 12 Mm. In den Windungen
der planen und des grössten Theils der gewölbten Fläche der Hemisphären
herrscht die horizontale Richtixng vor; eine mehr verticale Richtung haben,
wie erwähnt, die Windungen der Insel und ferner die mittleren Windun-
gen der lateralen Fläche des oberen Lappens. Die Tiefe der Furchen steht
in einem gewissen Verhältniss zur Breite der Wülste; doch kommen überall,
neben eigentlichen zusammenhängenden Furchen von 10 bis 25 Mm. Tiefe,
und abgesehen von einfachen, die Windungen kreuzenden Arterienspuren,
isolirte , oberflächlichere , kürzere und längere Einschnitte oder Eindrücke
von geradem oder gekrümmtem Verlauf, auch dreiseitige Grübchen vor, die
sich wie in Bildung begrifPene Furchen ausnehmen. Und in der That ver-
mitteln sie den Uebergang von windungsarmen zu windungsreichen Gehirnen.
Die Furchen nehmen Fortsätze der Gefässhaut auf und beherbergen,
der Oberfläche zunächst, meist einen stärkeren Venenzweig. Man mag nun
annehmen, dass die Gefässverästelungen den Verlauf der Furchen be-
158 Gehirn.
stimmen oder class sie den durcli irgend welche andere Momente bestimm-
ten Furchen folgen , immer hat die Ftirchenbildung den Zweck und Erfolg,
die Oberfläche der Hemisphären zu Gunsten der Blutzufuhr und der Aus-
breitung der Rindenschichte zu vergrössern. Demnach deutet eine be-
stimmte Richtung der Furchen und Windungen auf die Richtung, nach
welcher die oberflächlichen Schichten sich auszudehnen streben und durch
den Widerstand, sei es der weissen Substanz oder des Schädels, sich auszu-
dehnen verhindert werden. Horizontale Windungen müssen entstehen
durch Hemmung des Wachsthums in verticaler Richtung, verticale Windun-
gen durch Hemmung in sagittaler Richtung. Je grösserem Widerstände
die Tendenz zur Ausdehnung begegnet, einen um so steiler geschlängelten
Verlauf werden die Windungen annehmen. Ferner aber lehrt ebenso die
Entwickelungsgeschichte^), wie die Vergleichung der am erwachsenen Ge-
hirn nebeneinander befindlichen Entwickelungsstufen der Randwülste, dass
die Anfänge der Furchen gesonderte , kurze und seichte Einbiegungen der
Oberfläche sind; indem sie sich vertiefen und zugleich einander entgegen-
wachsen, kann es nicht anders sein, als dass sie in mannichfaltiger Weise,
unter verschiedenen Winkeln auf einander treffen. So lässt sich die im
Ganzen gesetzmässige und doch im Einzelnen zufällige Gestalt der Rand-
wülste verstehen.
Die Hauptrichtung der Randwülste des ringförmigen Lappens ist eine
der Cirkeltour, die dieser Lappen beschreibt, concentrische. So erscheint
sie an dem Randwulste, der die Seiten spalten begrenzt, allerdings mit den
durch die Knickung des Randes bedingten Modificationen, ferner an der me-
dialen Fläche des vorderen und oberen und an der medialen und äusseren
Fläche des unteren Lappens. An der medialen Fläche des vorderen Lappens
beträgt die Zahl der concentrischen Wülste 3 bis 5, und diese Stelle (Fig. 99) ist
wegen des einfachen Verlaufs der Furchen besonders geeignet, um denProcess,
durch den die Randwulste sich vermehren, zu verfolgen. Beim Uebergang
auf die mediale Fläche des oberen Lappens fliessen die Randwülste des vorde-
ren, so viele ihrer sein mögen, früher oder später in zwei zusammen, von denen
der untere (Gyrus fornicatus), sich genau an den Balken anschliesst, indess der
obere 2) durch Furcheu , welche senkrecht oder schräg von der die beiden Lap-
pen trennenden Furche'"*) aufsteigen, in steilen Schlängelungen zu verlaufen
scheint (Fig. 95. 97).
An dem unteren Lappen des Grosshirns lassen sich in der Regel zwi-
schen der hinteren Seitenfurche und dem medialen Eingang des unteren
^) Vgl. Bischoff, die Grosshirnwindungen des Menschen. München 1868. ^) Pro-
cessus striarum long Hudina Uuiii Rolando (Memoria della accadenaia delle scienze di Toriuo.
XXXV, 203). Burdach fasst die Randvvülste der medialen Fläche des voi-deren und obe
ren Lappens unter dem Namen der peripherischen Randwülste des Balkens oder der Zwinge
zusammen und zählt deren drei, einen centralen {Gyrus fornicatus), mittleren und peripheri-
schen. Barkow unterscheidet einen Tractus supracallosus sup. und Inf. Turner be-
trachtet den oberen Randwulst der medialen Fläche des oberen Lappens als Fortsetzung des
Wul-stes, der an der medialen Seite des Sulcus olfactorius verläuit und bezeichnet ihn in
seiner ganzen Länge als Gyrus marglnalis. Bei Bisch off heisst die Windung, ebenfalls
vom Ursprung am Tuber olfactorium an, Innenfläche des ersten Stirnwindung.--zuges. ^) Grand
slllon du lohe fronto-parietal Gratiolet. Siilncs supracallosus sup. Burdach. Fissura
calloso-marijinalis Huxley. Primärlurche des Zwingenwulstes Reichert.
Gehirn.
159
Horns vier den Rändern parallele Furchen erkennen, die den Lappen in
fünf Rand Wülste abtheilen, drei der lateralen, zwei der medialen Fläche.
Sie sind am einfachsten als äussere und innere Randwülste des Unterlap-
Fig. 99.
I
Verschiedene Formen von Windungen der medfalen Fläche des vorderen Lappens.
Cd Corp. callos. Sl Sept. lucidum.
pens zu bezeichnen , die äussere als oberer , mittlerer und unterer ^) ; der
obere Randwulst der inneren Fläche bildet die Fortsetzunff des Randwul-
■*) Gyri fasclcull arcuati Reil. Gyrus angulformis post. inf. mit dessen Supplement
Valentin. Obere, mittlere und untere Schläfewindung Huschke. Pli marginal inferleur,
pli temporal moyen et inferieur Gratiolet. R. Wagner adoptirt Husch ke's Nomencla-
tur; in einer späteren Uebersicht (Ztschr. für rat. Med. 3. R. XX, 182) fügt er die me-
160 Gehirn.
stes , der den Balken bedeckt , des Gyrus fornicatus, wird aber unter dem
besonderen Namen des Gynis Mppocampi beschrieben. Minder augenfällig
spricht sich der concentrische Verlauf in den Windungen der unteren,
auf der Decke der Orbita und auf der Siebplatte ruhenden Fläche des
vorderen Lappens aus. Zwar ist die tiefe Furche, Siilcas olfadorius^),
in welcher der N. olfactorius liegt , zwischen zwei , dem medialen Rande
des Lappens parallelen Randwülsten eingeschlossen, von denen der dem
Rande nächste 2) niit dem untersten Randwulst der medialen Fläche iden-
tisch ist, und an den Randwulst, der den Sulcus olfactorius latera-
lerseits begrenzt, reihen sich zuweilen einige einfache, von dem Tuber
olfactorium aus divergirende Windungen ''). Meistens sind diese aber durch
eine ansehnlichere Querfurche *) getheilt , so dass es den Anschein gewinnt,
als ob die Windungen von der Mitte des Lappens radienförmig vor - und
rückwärts ausstrahlten^) und öfters kommt, bei windungsreichen Gehirnen,
am vorderen Rande desselben noch eine Querspalte hinzu. Eine entschiedene
Unterbrechung erfährt aber ungefähr in der Mitte der äusseren Fläche der He-
misphäre, zuweilen in der Einen Hemisphäre etwas weiter vorn , als in der an-
deren, der concentrische Zug der Randwülste durch zwei einander parallele, in
weitläufigen Zickzackbiegungen von oben nach unten mit geringer Neigung
vorwärts verlaufende, breite Randwülste , die durch ihre Beständigkeit auffal-
len. Sie haben denNamen Centralwülste , Gyrus Centralis ant.nnd Gr. c.p.
Huschke^), erhalten; die Furche, die sie trennt, heisst Centralspalte,
dialen Randwülste des Unterlappens als vierte und fünfte Temporalwindung (die fünfte syno-
nym dem Gyrus fornicatus) hinzu. Auch Turner und Bischoff zählen die Temporalwin-
duno-en (Temporo-Sphenoidalwindungen T.) von der hinteren Seitenspalte, an über den un-
teren Rand des Unterlappens nach innen , vereinigen aber die untere laterale und die un-
tere mediale Windung zu einer unteren oder dritten, wonach der Gyrus fornicatus zur vier-
ten wird. Die Furche zwischen der ersten und zweiten lateralen Windung ist Gratiolet's
Scissure parallele {Sulcus temporalis niedlus Pansch. S. antero-temporalis Huxley); die
Furche zwischen den beiden medialen Windungen ist Haxley's Fissura collateralis. Bei
Bischoff heissen die drei Furchen, die die vier Randwülste trennen, temporalis sup. s. pa-
rallela, temporalis media s. parallela secunda und temporalis inf. s. collateralis. Huschke
belegt eine Windung zwischen der unteren Schläfenwindung und dem Gyrus fornicatus mit
dem Namen Lohulus fusiformis , Spindelwulst. ^) Sulcus rectus Valentin. Sulcus lobi
olfactorii Gratiolet. ^) Gyrus rectus Valentin. Tractus ethmoidalis Barkow. ^) Plis
orbiiaires Gratiolet. Erste bis dritte Orbitalwindung E. Wagner. Bisch off begreift
unter Orbitalwindungen des Stirnlappens die queren Randwülste dieser Gegend und zieht
die beiden den Sulcus olfactorius einfassenden , sowie den die vordere Seitenfurche begrenzen-
den Randwulst zu den Frontalwindungen, in die sie in der That aufwärts übergehen. *) Sul-
cus cruciatus Rolando. Sulcus triradiatus Turner. Sulcus transversus Weisbach
(Wiener med. Jahrb. XIX, 88). ^) Gyri-cruciati Valentin. Weisbaeh zählt drei, durch
zwei Furchen geschiedene sagittale Windungen, welche von der Querfurche ausgehen, aber
häufig mit einander verbunden oder unterbrochen sind. ^) Erster und zweiter Pli ascen-
dant Gratiolet. Circonvolution tr{insverse parietale anter. und circonv. transv. medio-pa-
rieiale Foville. Tractus parktalis ant. und inedius Barkow. Pansch zieht die vor-
dere Centralwindung zu den Frontalwindungen und Turner nennt sie aufsteigende Frontal-,
die hintere Centralwindung aufsteigende Parietalwindung. Von den Furchen, die die Cen-
tralwülste nach vorn und hinten begrenzen, betrachtet Turner die vordere als aufstei-
genden Schenkel der Seitenfurche; die hintere nennt er Interparietalfurche. Barkow
führt die vordere als Sulcus parietofrontalis, die hintere als Sulcus parietalis medtus auf.
Sein Sulcus pariet. post., der zuweilen in einen S. p. p. sup. und inf. zerfällt, häufig fehlt
und sich gewöhnlich auf die obere Hälfte der Hemisphäre beschränkt, begrenzt einen , dem
Gehirn.
161
Sulcus Centralis (Fig. 100^). Meistens schliessen die Centralwülste die Central-
spalte vollständig ein ■ sie vereinigen sich mit ihren oberen Enden noch auf der
äusseren oder am oberen Rande der medialen Fläche, mit ihren unteren En-
Linke Grosshirnheniisphäre , Profil, n, s,- p, i Vorderer, oberer, hinterer, unterer Lap-
pen. Fla, Flp Fissura lateralis ant. und post. Sc Sulcus centralis. Fop Fissura
occip. perpendic. Gca, G cp Gyrus centr. ant. und post. Gt Gyrus transitivus. Prc
Praecuneus. Lth Lobulus tuberis.
den dicht über der Seitenspalte, öfters in einiger Entfernung über derselben
oder auch erst an der inneren Fläche des Operculum , dessen Randwülste
stets die nämliche, aufwärts divergirende Anordnung haben, wie die der
Insel. Zuweilen wendet sich aber der Eine oder andere Centralwulst am
oberen oder unteren Ende oder schon in der Mitte von der Centralspalte
ab, um in horizontaler Richtung weiter zu gehen, und es kann geschehen,
dass sie dadurch, sowie an windungsreichen Gehirnen durch secundäre Ein-
schnitte oder Kräuselung, einer flüchtigen Beobachtung entgehen. Beim
Fötus sind die Furchen, welche die Centralwülste begrenzen, früher ange-
hinteren Parietalwulst parallelen Lappen, Traet. parietalis post. In der Verleihung von
Namen, nicht nur an die einzelnen Windungen , sondern auch an die dieselben trennenden
Furchen und verbindenden Brücken, ist Niemand weiter gegangen, als Barkow. Ich vermag
nicht, ihm in diese Details zu folgen und verweise auf seine comparative Morphologie.
Bd. III. Breslau 1867. S. 33 u. ff. i) Kolando'sche Spalte Leuret. Scissura perpendi-
cularis Gratiolet. Fissura transversa ant. Pansch. Sulcus parietalis ant. Barkow.
Henle, Anatomie. Bd. III. Abtlilg. 2. \\
162 Gehirn.
deutet , als alle übrigen und dies macht es erklärlicli , wie die concentri-
schen Wülste sich an denselben brechen. Der Uebergang in die letzteren
erfolgt rascher gegen die vordere Spitze der Hemisphäre, als gegen die
hintere. Die Windimgen vor dem vorderen Centralwnlst lassen sich auf
drei, dem oberen Rande parallele, mehr oder minder geschlängelte Züge,
Frontalwindungen, Gyri frontales ^), zurückführen, von denen der oberste
die äussere Fläche des medialen concentrischen Randwxilstes darstellt, und
nur am unteren Rande des vorderen Lappens schliessen sich zwei oder drei kurze,
verticale Randwülste, Qyrus *raws«i««;t<s, Ueb er gangswin düng Hxischke,
an den Centralwulst an (Fig. 100). Nach hinten vom hinteren Centralwnlst
aber macht sich die durch Centralwülste veranlasste Störung vorzugsweise
in der oberen Hälfte der Hemisphäre bemerklich und hier sind einfache
und complicirtere Formen zu unterscheiden. Die einfachen sind diejenigen,
wo die hintere Seitenfurche dicht hinter dem hinteren Centralwülste endet.
Dann geht aus dem unteren Ende des hinteren Centralwulstes der Wulst
hervor, der die hintere Seitenfurche abschliesst und abwärts in den oberen
Randwulst des Unterlappens umbiegt, und an den verticalen Theil dieses
Wulstes reihen sich nach hinten noch einige verticale Züge selbständig oder
als steile Schlängelungen einer einzigen Windung an. Sie bilden mit dem
die hintere Seitenfurche abschliessenden Randwulste ein viereckiges Läpp-
chen, aus dessen unterem Rande der mittlere Randwulst der äusseren Fläche
des Unterlappens hervorgeht. Den Raum, der oberhalb dieses Läppchens
zwischen der oberen Hälfte des hinteren Centralwulstes und der verticalen
Occipitalfurche übrig bleibt, nehmen unregelmässige Windungen ein, weiche
in ihrer Gesammtheit ein dreieckiges, mit der Spitze vor- und abwärts ge-
kehrtes Läppchen zusammensetzen. Man kann mit Pluschke das letz-
tere I*i''aeCimeus , Vorzwickel 2), das vierseitige Läppchen , nach seiner
Lage, Lohulus tuberis, Scheitelhöckerläppchen-^), nennen. Reicht die
hintere Seitenfurche weit über den hinteren Centralwulst hinaus, so verlän-
gert sich, wie in Huschke's Abbildungen, derLobulus tuberis in den Win-
kel, den der Centralwulst mit der Seitenfurche bildet ; es ist vorn von verti-
calen, dem Centralwulst mehr oder minder parallelen Wülsten durchzogen
und sein Yerhältniss zur Seitenfurche verwischt sich. Je nachdem die Zahl
der Randwülste des Lobulus tuberis grösser oder geringer ist, überlassen
sie ein kleineres oder grösseres Gebiet den horizontalen Windungen, die
sich um die Spitze des hinteren Lappens auf dessen innere und untere
Fläche begeben. Doch verlieren auch diese häufig durch secundäre Fur-
chen ihr charakteristisches Gepräge und auf der unteren Fläche des hinte-
ren Lappens herrschen ebenso oft quere, als longitudinale Züge vor*).
1) Urwindungen Huschke. Gratiolet und Huschke zählen von unten nach oben,
R. Wagner und Bise hoff von oben nach unten. Durch Theilung der obersten Frontal-
windung entsteht zuweilen eine vierte. Die untere Frontalwindung heisst bei Gratiolet
auch die superciläre. ^) Lobulus parietalls sup. Huschke. Lobule du 2. pli ascendant
Gratiolet. Gyrus angularis nwdf Lohulus suptramai'gmalis Turner. Unter dem.Lob.su-
pramarg. im Besonderen versteht Turner die zwischen dem hinteren Centralwulst und der
hinteren Seitenspalte gelegenen Windungen. ^) Lobule du pH marginal superieur und Lo-
bule quadrilatere (die entsprechende mediale Fläche Gratiolet). Lobulus posiero-parietalis
und quadrilateralis Turner. *) Die Unbeständigkeit der Windungen dieses Theils der He-
Gehirn.
163
Ich habe wiederholilt erwähnt , dass die typische Eichtung der Raudwülste
in dem Maasse an Deutlichkeit verliert, als die Kräuselung derselben und die
Zahl der secundären Turchen zunimmt. Aus diesem Grunde hat man, um die
Norm zu ermitteln, sich an niedere Eutwickelungsstufen, an das Grehirn des Em-
bvjo und der dem Menschen zunächst stehenden Säugethiere gewandt. (Vergi.
Huschke, Schädel, Hirn xmd Seele. Jena 1854. Gratiolet, mem. sur les plix
cerebraux de l'homme et des primates. Pai-is 1854. R. Wagner, Vorstudien
zu einer wissenschaftlichen Morphologie und Physiologie des menschlichen Gehirns
als Seelenorgan. Göttingen 1862. Pansch, de sulcis et gyris in cerebris simia-
rum et hominum. Kiliae 1866. Bischoff, a. a. 0.) Beim erwachsenen Men-
schen kommen in dieser Beziehung weitgreifende individuelle Verschiedenheiten
Fifir. 101 A.
vor, zu deren Illustrirung die Copien der Profilansicht des Gehirns eines 29jährigen
Deutschen (Huschke) (Fig. 101 J) und des Gauss 'sehen Gehirns (R.Wagner) (B)
dienen sollen. Der von den niederen zu den höheren Thieren und zum Menschen
misphären spiegelt sich in dem Mangel an üebereinstimmung in der Eintheilung und Be-
nennung derselben. Valentin beschreibt die hintere Centralwindung mit der zunächst da-
11*
164 Gehirn.
allmälig wachsende Reiclithum an Windungen macht eine Beziehung zwischen
Windungsreichthixm und InteUigenz wahrscheinlich. Oh aber innerhalb der
menschlichen Gattung die Schärfe des Verstandes oder die Intensität und Man-
nigfaltigkeit besonderer Naturanlagen proportional sei der Zahl oder, was das-
selbe ist, dem Flächeninhalt der Bandwülste, darüber zu entscheiden, reicht
das Beobachtungsmaterial noch nicht aus. Es finden sich einerseits in ana-
tomischen Sammlungen anonyme Gehirne von grossem Windungsreichthum, die
man nicht sämmtlich von verkommenen Genies herzuleiten befugt ist, und
ebenso voreilig wäre es , wollte man zur Zeit die Rechtmässigkeit der Stel-
lung, die ein Gelehrter im Leben einnahm, nach dem Resultat der Section
seines Gehirns beurtheilen. Wahrscheinlich wird es sich mit dem Flächen-
inhalte verhalten, wie mit dem Gewichte, dass nämlich die extremen Grössen
Schlüsse auf die Function gestatten , die massigeren Schwankungen aber wegen
der Anzahl zusammenwirkender und einander compensirender Factoren unbe-
rechenbar werden.
Mit allem dem ist aber nur eine Beziehung der Zahl der Windungen zur In-
tensität der Geistesthätigkeit im Allgemeinen zugestanden. Es giebt eine wohl-
hinter gelegenen als Gyrus angulformls medius (die vordere Centralwindung heisst bei ihm
Gyrus divisus). Huschke, der in den Randwülsten des Hinter- und Unterlappens die hin-
teren Hälften der durch die Centralwindungen zersprengten Urwindungen erkennt, deutet
die unregelmässigen Windungen des hinteren Theils des oberen und des hinteren Lappens
als Anfänge der drei Schläfenwindungen, Anfänge, die wegen ihrer zahlreichen Schlänge-
lungen nicht sowohl Inseln , als Läppchen bilden. Läppchen dieser Art sind der Prae-
cuneus und der Lobulus tuberis. Die zunächst nach hinten von dem letzteren gele-
genen Windungen vereinigt Huschke zum Lohulus parietalis ext. (jwst.) , die obere Fläche
des hinteren Lappens bezeichnet er als Lobulus interparietalis externus, die äussere und
untere Fläche desselben als Lohulus interparietalis inferior. Aus den Lobuli parietalis und
interparietalis ext. leitet er die mittlere Schläfenwind nng ab. Gratiolet zerfällt den
Hinterlappen in drei (den 2. bis 4.) plis de passage und drei Occipital Windungen; jene neh-
men , von oben nach unten gezählt, die äussere Fläche zunächst dem Unterlappen , diese
ebenso die hintere Spitze des Hinterlappens ein. Einen aus der Furche zwischen der ersten
und zweiten Schläfenwindung rückwärts emporsteigenden, übrigens unbeständigen Randwulst
bezeichnet Gratiolet als pli courbe. R. Wagner's erste und dritte Scheitellappenwin-
dung, Gyrus parietalis sup. und inf., sind identisch mit dem Praecuneus und Lobulus tube-
ris Husch ke's; seine mittlere Scheitellappenwindung umfasst Eandwülste , die sich zwi-
schen den hinteren auseinanderweichenden Windungen dieser Läppchen einschieben und
Gr atiolet's ^^t courbe entsprechen sollen. Von den vier Hintei-haupts Windungen Wag-
ner's ist die erste der Cuneus, die zweite begreift Gratiolet's zweiten bis vierten pH de
passage, die dritte desselben Autors drei Occipitalwindungen, die vierte scheint identisch
mit Husch ke's Lobulus fusiformis ; als eine Gruppe von zwei bis drei Windungen, auf
die auch der Name Unterzwickel , Subcuneus , passe, liegt sie vor der dritten Occipital-
windung an der Unterfläche des hinteren Lappens und geht nach vorn unmittelbar in das
Ende des Gyrus fornicatus über. Pansch bildet aus der oberen Hälfte des hinteren Cen-
tralwulstes und dem Vorzwickel nebst einem Theil von Wagner's zweiter und auch dritter
Parietalwindung einen Gyrus parietalis sup., aus der unteren Hälfte des hinteren Central-
wulstes und dem Reste der Parietalwindungen einen Gyrus parietalis inf. ; bezüglich der
Occipitalwindungen erklärt er sich mit Wagner und Gratiolet einverstanden, obgleich,
wie aus dem Vorhergehenden erhellt, die Occipitalwindungen dieser beiden Autoren ganz
verschiedene Bedeutung haben. Bischoff zählt fünf Scheitelbogenwindungen und zwei Oc-
cipitalwindungen auf. Die beiden letzteren , eine laterale und mediale, beschränken sich
auf die untere Fläche des Hinterlappens und gehen, jene in die untere Temporalwindung,
diese in den Gyrus hippocampi über. Von den Scheitelbogenwindungen entspricht die erste
oder vordere dem über der Seitenfurche, die zweite oder mittlere dem hinter derselben ge-
legenen Theil des Lobulus tuberis; die dritte oder hintere erklärt Bischoff für identisch
mit Gratiolet's drittem und viertem pH de passage; die vierte oder innere obere gehört
dem oberen Rande des Vorzwickels an und die fünfte oder innere untere ist die durch die
verticale und horizontale Occipitalfurche eingeschlossene Spitze des Zwickels.
Gehirn. 165
begründete Tliatsaclie, welche einem specifischen G-eistesvermögen einen bestimmt
localisirten Sitz in EandAvülsten anzuweisen scheint, das Zusammentreffen der
Sprachstörung mit Degeneration der Eandwülste der linksseitigen Insel tmd der an
ihren vorderen Rand grenzenden Windungen des oberen Lappens. Aber der Er-
folg der Degeneration müsste derselbe sein , wenn den fraglichen Randwülsten
nur ein Einfluss auf die Ernährung der darunter befindlichen weissen oder
grauen Massen zukäme, und nach dem, was ich in der Einleitung über die Be-
deutung der grauen Substanz und oben (S. 157) über den Zweck der Furchen
bemerkte, ist es nicht einmal gewiss , ob die Yermehrung der Fortsätze der
Gefässhaut' nicht erst die Folge der durch die Thätigkeit des Organs gestei-
gerten Bhitzufuhr ist.
Unter den erwähnten Randwülsten zeiclinet sich derjenige, der mit dem Gyrus forni-
Thalamiis die in das Unterhorn führende Spalte begrenzt, durch eine eigen- hfppocampT.*
thümliche und complicirte Bildung, sowie durch eine stellenweise von den
übrigen Randwülsten abweichende Farbe aus. Er ist die unmittelbare
Fortsetzung einer Windung , die an der medialen Fläche des Vorderlappens
unter dem Schnabel des Balkens entsteht, den Balken längs dessen Knie
und Körper bis zum Wulst begleitet und um den Rand des letzteren nach
unten umbiegt. Die ganze fast ringförmige Windung wird Gyrus fornica-
tus Arnold 1), , der untere Theil derselben wird Gijrus Mppocampi^) ge-
nannt. Er erstreckt sich über den Tractus opticus hinaus und endet mit
einer hakenförmigen Umbiegimg, Uncus°), dergestalt, dass die Convexität
derselben den Anfang der Seitenspalte von hinten her begrenzt, der auf-
wärts umgeschlagene Schenkel des Hakens sich dicht auf den unteren Schen-
kel anlegt, den er median wärts überragt. Der mediale Rand des oberen
Schenkels des Hakens ist frei, ebenso die hintere Spitze desselben, welche
abgerundet und abgeplattet dem lateralen Corpus geniculatum ungefähr
gegenüber liegt (Fig. 102 a. f. S.) und auf die später zu beschreibende -
Weise das Ende des Fornix aufnimmt. Dem Tractus ojiticus entlang ist
der obere Schenkel des Hakens an die untere Fläche der Hemisphäre ange-
wachsen; die Verbindung erfolgt zunächst seiner Spitze durch ein dünnes,
niedriges Markblatt (Fig. 72. 79*); weiter vorwärts und seitwärts fliesst die
Substanz, die den Haken an die untere Fläche der Hemisphäre befestigt,
zusammen mit derjenigen, durch welche die Spitze des unteren Lappens
hinter der Substantia perforata antica angeheftet und das Unterhorn des
Seitenventrikels vorwärts abgeschlossen wird (Fig. 34). Was die Farbe des
Gyrus fornicatus betrifft, so geht von der Stelle an, wo er sich um das'
Splenium des Balkens herumschlägt, bis zum Haken das Grau der unteren
Fläche gegen den medialen Rand allmälig in Weiss über und einen ganz
eigenthümlichen Wechsel von grauer und weisser Substanz , kleine weisse
Kreise von schmalen netzförmigen grauen Streifen geschieden , zeigt die
■'■) Fornix periplierlcus Arnold. C'vrcumvoluüo cristata Rolando. Circonvoluüon de
Vourlet Foville. Grande circonvolution du corps calleux Cruv. Gyrus supracallosus inf.
Barkow. Bogenwulst. Den oberen Theil des Gyrus fornicatus beschrieb Burdach als
Gyrus cinguU, Zwingenwulst , Cingulum s. Cingula. ^) Gyrus hippocampi s. Suhiculum
cornu Ammonis Burdach. Gyrus suhstanüae albae reticularis Valentin. Gyrus unclna-
tus Huxley. Pli temporal superieur int. Gratiolet. Gyrus occipitoternporalis medialis
Pansch. 3) Hakenganglion Burda eh.
Fohr
166 • Gehirn.
untere Fläche des unteren Schenkels des Hakens. Dies ist die Substantia
reticularis alba Arnold (Fig. 34. 86. 102).
Fig. 102.
Coa
CcTj
Hinterer Theil der linken Hemisphäre, mediale Fläche. Seplum lucidum entfernt, Gross-
hirnschenkel (Ccb) dicht am Thalamus abgeschnitten. Coa Commiss. ant. Cs C.
striat. Ts Tuberc. sup. des Thalamus. Cd C. callos. Gf Gyrus fornic. Cq C. qua-
drig. Tho Thalamus. Prc Praecuneus. /'op, FoJi Fissura occip. perpend. und ho-
rizont. C Cuneus. Fd Fascia dentata. Fi Fimbria. Gh Gj-rushippocampi. Gh' Ha-
ken desselben. Tap Tapetum. Cgi C. genic. lat. Sn Substantia nigra. Cca C.
candic. II N. opt. I N. olfactorius.
Nur im vorderen Theil seines Verlaufs pflegt sich der Gyrus fornicatus
selbständig zu erhalten. Ueher dem hinteren Theil des Balkens geht er
Verbindungen mit dem Praecuneus ein, bald durch einen Wulst, der aus
dem oberen Rande des Gyrus fornicatus entspringt und nach einigen Krüm-
mungen wieder zurückkehrt , bald in der Weise , dass er an Höhe zunimmt
und von verticalen Furchen durchzogen oder selbst zu einem Läppchen mit
eng wellenförmigen Windungen ausgedehnt wird , welches zwischen den
Randwülsten des Praecuneus aufwärts ragt.
Dem Splenium des Balkens gegenüber nimmt der Gyrus fornicatus
die Spitze des Cuneus auf (Fig. 102), oberflächlich oder in der Tiefe; im
letzteren Fall schlagen die Wülste des Praecuneus und der unteren Fläche
des Cuneus über der Spitze des letzteren zusammen. Unterhalb des Sple-
nium gehen in den unteren Rand des Gyrus fornicatus, meistens in eine
Spitze vereinigt , zwei bis drei geschlängelte Randwülste der unteren Fläche
Gehirn.
167
Fiö". 103.
Cd
des Hinterlappens über. Von da an bleibt der Gyrus fornicatiis entweder
durch eine bis zur Spitze des Unterlappens reichende Furche von den be-
nachbarten Eandwülsten geschieden oder er verbindet sich mit ihnen durch
quere Brücken oder er theilt sich selbst gegen die Spitze des Unterlappens.
Der Haken ist an seinem convexen Rande meist nur durch seichte Furchen
gegen die Randwülste der Spitze des unteren Lappen abgesetzt.
So veränderlich die Beziehungen des Gyrus fornicatus zu den an sei-
ner lateralen Seite gelegenen Randwülsten sind , so constant ist sein Ver-
halten am freien, medialen Rande. Es ist aber eine Täuschung, wenn die
stumpfe Kante des
Gyrus fornicatus
und insbesondere
des Gyrus hippo-
campi, die mit
dem Thalamus den
spaltförmigen Ein-
gang in das Un-
terhorn begrenzt,
als Rand der ge-
nannten Windung
erscheint. Der
eigentliche, schar-
fe, nur von weis-
ser Substanz ge-
bildete Rand der-
selben liegt im
Boden des Unter-
horns ; er wird
sichtbar , wenn
man das Unter-
horn von oben oder
von aussen öffnet
(Fig. 103); einen
richtigen Einblick
in die Structur der
"Windung gewährt
aber nur der Fron-
talschnitt dersel-
ben(Fig.l04a.f.S.).
Er zeigt, dass vom
Gyrus hippocampi
in seiner ganzen
Länge eine Platte
sich erhebt , die sich mit gegen das Lumen des Ventrikels, also lateralwärts
gerichteter Convexität umrollt, einen fast vollständigen Hohlcylinder bildend,
dessen oberer Rand wieder unter spitzem Winkel lateralwärts umkehrt
und zugeschärft frei endet. So weit sie die Wand des Hohlcylinders dar-
stellt, besteht die gerollte Platte aus drei Schichten, zwei weissen, welche
Cav
Seitenventrikel mit dem unteren und hinteren Hörn, durch Abtra-
gung des Balkens geöffnet. Ccl'^ Knie des Balkens. 81 Sept.
lucid. Cs Corp. striat. Tho Thalamus. St Stria terminalis.
Crf Crus fornicis. Hp Hippocampus. Fi Fim,bria. Tap Ta-
petum. Cav Calcar avis.
168
Gehirn.
Hippocam-
pus.
Tascia deii-
tata.
Fig. 104.
eine graue einschliessen. Die graue (Fig. 104 *i) hängt mit der grauen
Einde der Randwülste zusammen. Die weisse Schichte, welche die concave
Fläche der grauen beklei-
det 2), ist Fortsetzung der
äusseren weissen Schichte
des Gyrus hippocampi; die
über die convexe Fläche der
grauen Schichte axisgebrei-
tete weisse ^) gehört dem Ta-
petum an, welches durch die
eingerollte graue Schichte in
einen Längswulst erhoben
ist. Als eine Hervorragung
am Boden des Unterhorns
wurde dieser Längswulst un-
ter dem Namen des Hip-
pocampus *) beschrieben ; der
lateralwärts umkehrende freie
ßand der eingerollten Platte,
der den medialen Rand des
Frontalschnitt des Gyrus hippocampi (Gh). Hintere Hippocampus säumt, wird
Schnittfläche. Vi'" Hinteres Hörn des Seitenven- FimbYio, (JSippoCClI'npi ^} ge-
*^'' nannt. Sie ist ein rein weis-
ses Markblatt, gebildet aus
der Vereinigung der beiden weissen Schichten der gerollten Platte, nach-
dem ihre graue Schichte an dem Umbeugungswinkel in die Fimbria, d. h.
am angehefteten Rande der letzteren, ihr Ende erreicht hat. Die Fimbria
nimmt von der vorderen Spitze des Hippocampus nach hinten an Breite zu ;
sie ruht in ihrer ganzen Länge auf der oberen Fläche des Hippocampus
und nur am hinteren Ende trennt sie sich von ihm , um an die untere Fläche
des Balkens zu treten und continuirlich in den Schenkel des Fornix über-
zugehen, so dass also die Fimbria das hintere Ende des Fornix darstellt
(Fig. 86. 87).
Die Höhlung der gerollten Platte erfüllt ein grauer cylindrischer Strang
von eigenthümlicher Beschaffenheit. Er entspringt platt auf der oberen
Fläche des Balkenwulstes, bedeckt vom überhängenden Rande des Gyrus
fornicatus (Fig. 87. 102) und läuft alsdann an der oberen Fläche dieses
Gyrus herab bis in den Winkel, den der obere und untere Schenkel des
Hakens mit einander bilden (Fig. 102). Von oben her bedeckt ihn der
Rand der gerollten Platte, der sich zur Fimbria u:aschlägt, oder, was
dasselbe ist, der mediale Rand des Schenkels des Fornix, der sich in den
angewachsenen Rand der Fimbria fortsetzt. So weit der graue Strang
zwischen Gyrus fornicatus und Fimbria frei liegt oder durch Entfernung
^) Graue gerollte Schichte Bardach. ^) Verbindungs- und Kernblatt Burdach.
^) Oberes und unteres Muldenblatt (Alvetis) Burdach. *) Pes hijypocampi. Pes kippoc.
major. Cornu Ammonis. Kolben Reil. Widderhorn. Ammonshorn. Seepf'erdefuss. ^) Tae,-
nia. Saum.
Gehirn.
169
dieser beiden Theile von einander frei gelegt werden kann , zeichnet er
sich durch einen gallertartigen Glanz und durch Einschnürungen der Rän-
der aus , die, je nachdem sie einander gegenüberstehen oder mit einander
alterniren, dem grauen Streifen bald ein perlschnurförmiges , bald ein
eng zickzackförmig gewundenes Ansehen gewähren. Daher der Name
Fascia dentata, gezahnte Leiste i), den man diesem Gebilde ertheilt hat.
Ich sagte, dass die graue Schichte der gerollten Platte vor der Um-
beugung der letzteren in die Fimbria sich verliere. Sie setzt sich zuvor,
indem sie stellenweise die weisse Schichte der concaven Fläche der geroll-
ten Platte durchbricht, mit der grauen Masse der Fascia dentata in Ver-
bindung. Diese Communication zeigt Fig. 104.
Gegen das vordere Ende nimmt der Hippocampus an Breite und Höhe
zu und erhält durch drei bis vier seichte, der Axe des Wulstes parallele Ein-
Fig. 105.
ünterhorn der linken Hemisphäre, durch einen Horizontalschnitt weit geöffnet. Crf Crus
fornicis. Cd C. callos. Gh Gyrus hippocampi. Bb Bulbus cornu posterioris.
drücke einige Aehnlichkeit mit einer in stumpfe Zehen getheilten Klaue
(Fig. 105). Die Klaue füllt das blinde Ende des Unterhorns aus, stösst mit
ihrem abgerundeten, vorderen Rand unmittelbar an die vordere Wand
) Fascia denticulata, Fasciola dentata. F. d. hijjpocampL
170
Gehirn.
des Horns und ist mit der Decke desselben zuweilen durch dünne kurze
Markfäden verbunden, die vielleicht pathologischen Ursprungs sind. Die
Windung, die, von aussen gesehen, als oberer Schenkel des Hakens er-
scheint, ist nichts anderes, als der mediale Rand der Klaue, welcher von
dem Ventrikel dadurch ausgeschlossen wird, dass die Fimbria sich über die
Klaue fortsetzt in die dünne, verticale Platte, die die Spitze des unteren
Lappens an die untere Fläche des vor-
deren anheftet (Fig. 106).
So beruht also auch der Anschein,
als ob der Gyrus hippocampi mit einer
rückwärts umgeschlagenen Spitze ende,
auf einer Täuschung; in Wahrheit ist
der Haken der Rand einer Schlinge,
deren unteren absteigenden Schenkel
der Gryrus hippocampi, deren oberen
aufsteigenden Schenkel derHippocam-
pus selbst bildet. Beide Schenkel
hängen nicht nur durch die End-
schlinge, sondern auch längs dem la-
teralen Rande zusammen, während
ihre medialen Ränder klaffen , um die
Fascia dentata aufzunehmen. Sie
decken einander nicht vollständig, vielmehr weicht der obere Schenkel, der
an der Umbeugungstelle medianwärts vorspringt, im weiteren bogenförmi-
Fig. 107.
Nl
eis
Frontalschnitt der vorderen Spitze des Hip-
pocampus, vordere Schnittfläche. Gh! Ha-
kenförmige Umbiegung des Gyrus hippo-
campi. Fi Fimbria.
Frontalschnitt der Grosshirnliemisphäre durch die vordere Spitze des Unterhorns (Vi")
des Seitenventrikels, vordere Schnittfläche. Cca C. candicans. Tc Tuber cinereum.
77' Tract. opticus. G h' Haken des Gyrus hippocampi. Hp Hippocamp. Nl Nucl.
lentif. In Insula. Cls Claustrum.
Gehirn.
171
gen Verlaufe lateralwärts zurück. Diese Wülste und Eindrücke, die der
oberen Fläche des oberen Schenkels an der Umbeugungsstelle das klauen-
förmige Ansehen geben, finden sich auch an der unteren, der Concavität
des Hakens zugekehrten Fläche dieses Schenkels. Wülste und Eindrücke
beider Flächen entsprechen einander einigermaassen in der Art, däss der
Frontalschnitt das Bild einer dicken, wellenförmig gekräuselten Platte dar-
bietet (Fig. 107). Die graue Masse im Inneren derselben scheint eine
Ausbreituijg der Fascia dentata zu sein.
Der Theil des Bodens des Unterhorns, der zur Seite des Hippocampus Emin.coUat.
Fig. 108.
Frontalschnitt des Hippocampus wie Fig. 104.
Fi Fimbria. Fd Fascia dentata. Gh Gy-
rus bippoc.
von vorn nach hinten allmälig an
Breite zunimmt, ist in der Regel
eben, zuweilen aber in einen con-
vexen dem Hippocampus parallelen
Wulst erhoben. Dieser Wulst, Emi-
nentia Collateralis'^), ist, wie die
Vogelklaue, Wirkung einer unge-
wöhnlich tiefen die Wand des Ven-
trikels vor sich her treibenden Fur-
che , die den Gyrus hippocampi von
dem nächsten Bandwulste trennt
(Fig. 108).
An die Schilderung der äusseren Austritt d.
Gestalt des Gehirns schliesse ich zu-
nächst eine systematische Aufzäh-
lung der Hirnnerven und ihrer Austrittsstellen.
Schon im Vorhergehenden mussten einzelne Nerven erwähnt werden,
die entweder, wie z.B. der N. opticus, unmittelbare Fortsetzungen von
Hirntheilen sind, oder, wie die Nerven des verlängerten Marks, zur Grenz-
bezeichnung der Stränge benutzt werden. Für die Darstellung der Structur
des Gehirns, die nun folgen soll, ist aber die Kenntniss der sämmtlichen '
Nervenursprünge unentbehrlich, weil die feinere Anatomie des Gehirns, wie
des Rückenmarks , zu einem grossen Theile in Verfolgung der Nervenwur-
zeln in das Innere des Organs beruht.
Das erste Paar der Hirnnerven, N. olfactorius, Riechnerve^), ist ein i. oifact.
strangförmiger, dreiseitig pi"ismatischer , grauer Fortsatz des Tuber olfacto-
rium (S. 153), auf welchen von drei Seiten her schmale , weisse Streifen
übergehen. Einer oder zwei Streifen, die laterale Wurzel ^) verlaufen vom
vorderen Rande der Insel aus anfänglich fast transversal über das Tuber
olfactorium und biegen in den Seitenrand und die untere Fläche des Ner-
ven um (Fig. 109). Ein ähnlicher, aber kürzerer Streif, die mediale Wur-
zel*) , entspringt am medialen Rande des Tuber olfactorium und verläuft
am entsprechenden Rande des Nerven ; auch in ihr vereinigen sich zuwei-
1) E. c. Mechelü. Seitliche Erhabenheit. ^) Tractus olfactorius. Lohe olfactlf Gr a.-
tiolet. Den Namen Riechnei-ven wollen Einige den Zweigen vorbehalten wissen, die aus
dem Bulbus olfactorius entspringen.
Wurzel.
^) Aeussere oder lange Wurzel. *) Innere oder kurze
172
Gehirn.
2. Opticus.
len mehrere, vom vorderen Rande der Substantia perfor. ant. über das Tu-
ber olfactormm ziehende feinere Streifen. Als dritte oder obere Wurzel^)
Fiff 109 kann der Streif bezeich-
j net werden, der die obere
dem Sulcixs olfactorins
zugewandte Kante des
Nerven bildet und aus
einer Spitze des Tuber
olfactorium entspringt,
die sich alsbald zwischen
den beiden benachbar-
ten Randwülsten ver-
liert und erst durch Zu-
rückschlagen des N. ol-
factorius sichtbar wird ^).
Von dem zweiten
Nervenpaar , JSf. opticus,
wurde Ursprung und
Verlauf bereits beschrie-
ben. Hier ist nur noch
hinzuzufügen , dass der
Tractus opticus , wäh-
rend er um die Gross-
hirnschenkel und vor
dem Tuber cinereum zum
Chiasma verläuft , mit
den genannten Theilen
untere Fläche des vorderen Hirnlappens : die vordere Spitze , • ,
7 TT- ^ , ,. , , r^-.- \ fr^ \ ..,.., verwachsen ist.
/
3. Ooulomot.
des Hinterlappens entfernt, das Chiasma opt. (Co) rückwärts
umgeschlagen. / N. olfactorius. /' Bulbus desselben.
Das dritte Paar,
N. oculomotorius , ge-
meinschaftlicher Augenmuskelnerve ^), tritt in geringer Entfer-
nung vor der Brücke an der Grenze zwischen Basis und Haube aus
dem Grosshirnschenkel mit einer Reihe von neun bis zwölf platten
Bündeln hervor; jedoch entspricht diese Reihe nicht genau der Furche,
welche Basis und Haube trennt, sondern schneidet dieselbe unter spitzem
Winkel, so dass die hinteren Bündel auf das Tegmentum, die vorderen
auf die Basis übergreifen. Ein vorderes Bündel ist zuweilen durch einen
grösseren Zwischenraum von den übrigen geschieden *). Bald nach dem
Ursprung treten sämmtliche Bündel zu einem cylindrischen Strang von
3, .5 Mm. Durchmesser zusammen.
^) Von einer mittleren Wurzel des N. olfactorius ist in doppelter Bedeutung die Rede;
man versteht darunter die graue Substanz zwischen den beiden , längs den Rändern ver-
laufenden weissen Streifen (Valentin), sowie auch die weissen Streifen in der Mitte des
Tuber olfactorium, die sich weiterhin mit der lateralen Wurzel verbinden (Me ekel). ^) Pro-
pago cinerea int. Val. Pyramide grise Cruv. Trlgonum olfactorium Rüdin ger. ^) N.
oculoiiiuscularis communis. *) Dies mag Anlass gegeben haben, neben dem inneren Haupt-
stamni einen äusseren Stamm zu unterscheiden.
Gehirn,
173
Das vierte Paar, N. trocMearis, oberer Augenmuskelnerve'), ent- i. Trochiea-
springt mit zwei oder mehreren, sogleich zu einem Stämmchen von etwa 1 Mm. "**'
Fig. 110 2).
Gehirn mit dem angrenzenden Theil des Rückenmai'ks, von der unteren resp. vorderen
Fläche. Nervenursprünge. Rechterseits sind die vorderen Wurzeln kurz abgeschnitten
und medianwärts umgeschlagen. VIl' Portio intermedia. wc / N. cervic. primus.
^) N. pathetlcus. N. oculomuscvlaris sup. Rollmuskelnerve, Rollnerve. Oberer schie-
fer Augenmuskelnerve. ^) Mit geringen Aenderungen nach Rüdinger, Anat. d. mensrhl.
Gehirnnerven. München 1868. Taf. I.
lUlS.
174 Gehirn.
Durchmesser zusammenfliessenden Fäden vom Seiteurande des vorderen
Marksegels dicht hinter der Vierhügelplatte (Fig. 46. 66), verläuft zuerst
seitwärts, dann abwärts um den Vierhügelschenkel und kommt an der Basis
des Gehirns in dem Winkel, den der laterale Rand des Grosshirnschenkels mit
dem vorderen Rande der Brücke bildet, zum Vorschein, um sich dann an
der unteren Fläche des Grosshirnschenkels vorwärts zu begeben.
Trigemi- Das fünfte Paar, N. trigeminus, dreigetheilter Nerve ^), ist der
einzige, nach Art der Rückenmarksnerven gemischte Hirnnerve, dessen sen-
sible und motorische Fasern in zwei Wurzeln gesondert sind, von denen
die stärkere, sensible, zu einem Ganglion anschwillt. Beide Wurzeln kom-
men in der Regel neben oder vielmehr vor einander, nur diirch einen
schmalen Streifen transversaler Fasern '^) getrennt, in einer von der sagitta-
len wenig seitwärts abweichenden Richtung aus dem Brückenschenkel, da
wo er eben zur Brücke sich auszubreiten beginnt, von dem hinteren Rande
desselben etwa doppelt so weit entfernt, als von dem vorderen. Selten ge-
langen beide Wurzeln durch dieselbe Spalte nach aussen. Die Spalte, aus
welcher die stärkere (sensible) Wurzel ^) hervortritt, zeigt abgerundete
Ränder und eine bindegewebige Auskleidung, so dass sich der Nervenstamm
eine kurze Strecke weit in die Tiefe verfolgen lässt. Der innerhalb der
Spalte gelegene Theil hat eine cylindrische Gestalt und einen Durchmesser
von 3,5 Mm.; an der Austrittsstelle nimmt die Wurzel im transversalen
Durchmesser beträchtlich, bis auf 5,5 Mm., zu und zeigt sich aus einer
grossen Zahl*) geflechtartig verbundener Bündel zusammengesetzt. Die
dünnere, motorische Wurzel^) entsteht, 2 Mm. stark, aus einigen feinen
Fäden, die, wie erwähnt, in der Regel vor der stärkeren Wurzel die Quer-
fasern der Brücke durchsetzen, zuweilen aber auch die stärkere Wurzel
zwischen sich fassen.
e.Abducens. Das Sechste Paar, N. abducens, äusserer Augenmuskelnerve ^),
kommt platt mit einer Anzahl sehr zarter und zerreisslicher Bündel am latera-
len Rande des Pyramidenstrangs aus der Querfurche zwischen dem verlänger-
ten Mark und der Brücke hervor und wandelt sich in einen cylindrischen
Stamm von 2 Mm. Durchmesser um , der an der unteren Fläche der Brücke
fast gerade vorwärts geht. Am medialen Rande isoliren sich zuweilen
einige Bündel , um sich erst weiter vorn an die Hauptmasse des Nerven an-
zulegen. Auch kommen die medialen Bündel, statt aus der Furche hinter
der Brücke, zwischen den transversalen Bündeln des hinteren Brückenran-
des zu Tage.
7. Facialis. D^s siebente Paar, N. facialis, Gesichtsnerve '^), entspringt in gera-
der Linie hinter dem fünften, also ebenfalls an der Grenze des Brückenschen-
kels und der Brücke , von dem hinteren Rande der letzteren , vor dem Sei-
^) N. qulntus. N. trlfacialis. ^) Lingula Wnshergii. ^) Radix s. Portio major
s. post. Radix gangliosa. *) 50 nach Krause, 80 bis 100 nach Valentin. Neubauer
fand in fünf Leichen 49, 53, 54, 58 und 65 Hauptbündel und die feineren mit gerechnet
68, 77, 79, 85, 90. ^) Radix s. Portio minor s. anterior. N. crotaphitico-huccinatorius.
^) N. oculomuscularis externus. ') N. commtcnicans faciei. Antlitznerve. Portio dura.
(Dieser Name bezieht sich auf die ältere, durch Sömmerring verdrängte Zählung der
Hirnnerven nach Willis, welcher zufolge das siebente und achte Paar zu Einem Nerveu-
paar, dem siebenten, zusammengezogen waren.)
Gehirn.
175
tenrande des Olivenstranges. Der Nerve ist anfänglicli dünn und platt und
erhält seine cylindrische Form (von 2,25 Mm. Durchmesser) erst, wenn er
Fig. 111.
xr^
aus der Grube , deren vordere Begrenzung die Brücke , deren hintere die
Olive bildet , hervorgetreten und an die untere Fläche der Brücke gelangt
ist. An dem hinteren , gewölbten Rande der Brücke und zuweilen noch
eine Strecke weit an deren unterer Fläche ist der N. facialis mit der Fa-
serung der Brücke verwachsen ; in anderen Fällen liegt er frei in einer fla-
chen Rinne dieses Hirntheils. Seine Richtiing hält zwischen der sagittalen
176
Gehirn.
8. Aciist.
9. Glosso-
pharyng.
10. Vagus.
11. Acces-
sorixis.
und transversalen die Mitte. Zur Seite des N. facialis entspringt ein feiner
Nerve, der sich aber auch vom Stamm des N. facialis oder des N. acusticus
oder mit zwei Wurzeln, die sich weiterhin vereinigen, von den beiden ge-
nannten Nerven abzweigen kann. Dies ist der N. intermedius (Fig. 44.111.
VII ) ^), wie er nicht nur seinem centralen, sondern auch seinem peripheri-
schen Verhalten gemäss genannt werden muss , da seine Fasern sich auf
das siebente und achte Paar vertheilen.
Das achte Paar, N. acusticus, Hörnerve-), liegt von seinem Ursprünge
an an der lateralen Seite des N. facialis, den er in der Regel, sammt dem
N. intermedius, in eine Rinne seines Randes aufnimmt. Mit der Hauptmasse
seiner Fasern ^) entspringt er hinter der Brücke neben dem N. facialis aus
dem strickförmigen Strang zur Seite der Furche , welche diesen Strang vom
Olivenstrang'e trennt und durch den Austritt des folgenden Paars bezeich-
net wird. Mit der unteren Fläche jener Fasermasse verschmelzen platte
Bündel *), die den Boden des vierten Ventrikels als quere weisse Streifen,
Striae medulläres albae, durchziehen und sich um die Seitenfläche des strick-
förmigen Strangs nach unten krümmen , mit diesem Strang , wie auch mei-
stens mit dem Stiel der Flocke untrennbar verwachsen. Gleich dem N. fa-
cialis verläuft der N. acusticus vor- und seitwärts in einer Rinne des Brücken-
schenkels, in welcher seine obere Fläche mehr oder weniger weit mit der
Oberfläche des Brückenschenkels zusammenhängt.
Das neunte Paar, N. glossopliaryngeus , Zungenschlundkopf-
nerve ^), setzt sich aus fünf bis sechs Fäden zusammen, welche nach Art der
Wurzeln der Rückenmarksnerven in einer Längsreihe entspringen und im
transversalen Verlauf in der Regel zuerst in zwei Stämmchen , dann in Einen
Stamm von 1,5 Mm. Durchmesser sich vereinigen. Die Wurzeln treten aus
der Seitenfläche des verlängerten Marks hervor, die oberste hinter und zwi-
schen den Ursprüngen der Nn. facialis und acusticus.
Das zehnte Paar, N. tagus, der her um schweifen de Nerve ^), schliesst
sich mit seinen Ursprüngen unmittelbar an das vorhergehende an, so dass
die Wurzeln des Einen und anderen nur von den Stämmen aus rückwärts
gesondert werden können. Die Zahl der Wurzelfäden des N. vagus beträgt
aber zehn bis fünfzehn, der Durchmesser des Stammes, der erst am Ein-
gang des For. jugulare aus ihrer Vereinigung hervorgeht, 3 Mm.
Das elfte Paar, A^. accessorius, Beinerve'), entsteht vom verlänger-
ten Mark in der Flucht und im Anschluss an den N. vagus mit vier bis fünf
Bündeln, reicht aber mit seinen Ursprüngen tief am Rückenmark bis zum
^) Portio interna Wrisberg. Portio intermedia Wrisbergü aut. Filamenta nervea
Wrishergi Arnold. Seit Sömmerring den nach Willis'scher Zählung siebenten
Nerven in zwei zerlegte, zieht man allgemein den N. intermedius zum N. facialis und be-
trachtet und bezeichnet ihn als eine accessorische oder kleine Wurzel desselben. So wenig wie
durch den Ursprung des Nerven, wird dies durch die Verbreitung desselben gerechtfertigt.
Denn wenn auch die meisten seiner P"'asern nach wiederholten Anastomosen zwischen den
Nn. facialis und acusticus zuletzt dem N. facialis verbleiben , so schliessen sich doch auch
häufig einige dauernd dem Vorliofszweig des N. acusticus an. (Vgl. E. Bisch off, Anasto-
mosen der Kopfnerven. München 1865, S. 9.) ^) N. audttorius. Portio mollis (des sie-
benten Paars). ^) Der vorderen oder seitlichen Wurzel. *) Hintere Wurzel. ^) Nach
Willis' Zählung mit den beiden folgenden Paaren zum achten vereinigt. ^) N. pneurno-
(jastricu!;, Lungenmagennerve. "^j N. accessorius Wiliisii.
Gehirn. 177
seclisten oder siebenten Halswirbel liinab , so dass an dieser Stelle ein fei-
ner, der Axe des Rückenmarks anfangs fast parallel aufsteigender, dann all-
mälig seitwärts abweicbender Faden entstellt, der von Strecke zu Strecke
durch sechs bis sieben quer an denselben herantretende Wurzeln bis zu
einem Durchmesser von 1,5 Mm. verstärkt wird. In dem Maasse, wie der
aufsteigende Stamm sich vom Rückenmark entfernt, werden die queren
Wurzeln länger; die längsten sind die aus dem verlängerten Mark stam-
menden. In derselben Richtung nähern sich die Wurzeln, die schon am
Beginn des Nerven hinter dem Lig. denticulatum entsj)ringen, den Ursprün-
gen der hinteren Wurzeln der Rückenmarksnerven und am ersten Cervical-
nerven fallen die Austrittsstellen der hinteren und die Accessoriuswurzel
derart zusammen , dass ein Bündel sich auf beide Wurzeln vertheilen iind
selbst die hintere Wurzel durch eine Wurzel des N. accessorius verdrängt
werden kann.
Das zwölfte Paar, N. hypogJossus, Zungenfleischnerve ^), kommt, 2. Hypo-
in der Flucht der vorderen Rückenmarksnervenwiu'zeln aus der Fortsetzung
der vorderen Seitenfurche des Rückenmarks mit 10 bis 15 Fäden, die sich
weiterhin zu zwei oder drei Strängen und erst im Can. hypoglossi zu dem
einfachen, über 2 Mm, starken Nervenstamm vereinigen.
Ich habe es möglichst vermieden, die Beschreibung, deren Zweck Orien- stmcturdes
tirung in den verwickelten äusseren Formen des Gehirns war, durch Anga-
ben über die Farbe und Structur des Organs zu unterbrechen. Diese sind
nunmehr nachzuholen und insbesondere ist, wieder vom Rückenmark aus,
die Vertheilung der grauen und weissen Substanz zu verfolgen und zu be-
richten, was man von dem Verlauf der Fasern weiss oder vermuthet.
Wie das verlängerte Mark ohne scharfe Grenze aus dem Rückenmark Veriänger-
. tes Mark
hervorgeht , so bleibt in dem vinteren Theil des ersteren auch das Yerhält-
niss der beiderlei Substanzen zu einander unverändert. Die graue umgiebt
den Centralcanal und nimmt die Axe ein; sie wird ringsum von weisser
Substanz eingeschlossen, deren Oberfläche endlich, wie am Rückenmark,
eine nur mikroskopisch wahrnehmbare Lage grauer (gelatinöser) Substanz
bedeckt. Dem freien Auge erscheint die Oberfläche weiss und durch die
zahlreichen longitudinalen Spalten , in welche Fortsätze der Gefässhaut ein-
dringen, längsfaserig. Doch wird die Längsfaserung öfters in grösserer
oder geringerer Ausdehnung verhüllt von ringförmigen Fasern der bereits
erwähnten Gürtelschichte, Fihrae arciformes. Diese Fasern fehlen niemals, Fibrae am-
sind aber in Stärke und äusserem Ansehen sehr veränderlich und oft an °^'^^^-
beiden Hälften Eines verlängerten Marks verschieden. Die mächtigsten
Bündel finden sich in der Gegend der unteren Spitze der Olive , über die
sie in mehr oder minder steilen , abwärts convexen Bogen verlaufen (Fi-
gur 112 a. f. S.), zuweilen so stark gekrümmt, dass das vordere und hintere
Ende des Bogens sich an die longitudinalen Fasern des verlängerten Marks
anfügen und das vordere Ende mit den Pyramiden unter dem hinteren
Rande der Brücke verschwindet. Höher oben haben die Fibrae arciformes
1) Das neunte Paar nach Willis'scher Zählung, welche den ersten Halsnerven noch
zu den Hirnnerven zog.
Henle, Anatomie. Bd. III. Abthl. 2. 12
178
Gehirn.
Fm. 112.
eine mehr der horizontalen sich nähernde Richtung; sie treten aus der vor-
deren Medianfurche hervor, verstärken sich durch Fasern, die zwischen
dem Olivenstrange und dem strickförmigen Körper zur Oberfläche gelangen
und verlieren sich, hinter den Oliven
schräg ansteigend, zwischen dem inneren
und äusseren Keilstrange oder setzen sich
in die hintere Medianfurche fort. Zu-
weilen gehen sie an der Vorderfläche
des verlängerten Marks von Einer Seite
zur anderen über und überbrücken stel-
lenweise die vordere Medianfurche. In
einzelnen Fällen sind sie so mächtig und
so deutlich in Bündel abgetheilt, dass
die Oberfläche der Pyramide wie in Quer-
falten gelegt scheint; meistens bilden sie
eine glatte Schichte und nicht selten
sind sie nui* an mikroskopischen Durch-
schnitten erkennbar i). Die Fibrae arci-
formes lassen sich, ihrer Lage nach, als
Vorläufer der Brücke betrachten; ihnen
selbst gehen breite, platte Faserzüge
Verlängertef. Mark, vordere (untere) yon nicht mehr als 0,1 Mm. Mächtigkeit
Fläche. Die Wurzeln der vier letzten ^^raus, die am obersten Theil des Rücken-
Hirnnerven an der Austrittsstelle abse- , , , nr t r t -i
„^ , „., .j. fj.i \ marks aus der vorderen Medianfurcne oder
rissen. Starke Fibrae arcilormes (/' oa).
P Pons. Fr Funic. restif. 0 Olive, einer Seitenfurche hervortreten und hori-
Fpy Fun. pyram. vgl. S. 101.
zontal zur hinterenMedianfurche verlaufen.
Nach. Arnold bilden die Fibrae arciformis zuweilen unmittelbar unter der
Brücke ein die Pyramiden umfassendes Querwülstchen , das er mit dem Namen
Ponticuhis , Vorbrückclien, belegt.
Einigemal sali ich. die aus den strickförmigen Körpern austretenden Fasern
sich zu einem stärkeren Strange sammeln, der am vorderen Kande der Olive auf-
wärts bog, sich an die Pyramide anlegte und mit dieser sich unter die Brücke
In der oberen Hälfte des verlängerten Marks erleiden Form und Farbe
der Oberfläche dadurch eine wesentliche Veränderung, dass zwischen den
zur Seite weichenden weissen Hintersträngen graue Masse freigelegt wird.
Auf der grauen, durch eine mediane Furche getheilten Fläche, die den Bo-
^) Der Santorini'sche Name Processus arciformis {Fasciculus arciformis olivae) be-
zieht sich nur auf die stärkeren, die untere Spitze der Olive umfassenden Fasern. Den
Theil der Giirtelschichte, der die der vorderen Medianfurche zugewandten Flächen der Py-
ramiden bekleidet, beschrieb Burdach (II, 38) als Stratum horizontale. Arnold (Bemerk,
über d. Bau des Hirns etc. S. 21) unterscheidet Fibrae arciformes transversae und horizon-
tales {Stratum medianum horizontale Krause) und versteht unter letzteren die in der
Medianebene von vorn nach hinten ziehenden Fasern , die die vorderen und hinteren Enden
der Fibrae arciformes (transversae) zu Ringen um je Eine Hälfte des verlängerten Marks,
zu dem von ihm so genannten Stratum zonale, ergänzen. In seinem Handbuche führt er
die Fibrae arciformes als einen Theil des Stratum transversum auf. Stilling giebt den
Fibrae arciformes den Beinamen der äusseren , zum Unterschiede von den im Inneren des
verlängerten Marks verlaufenden ringförmigen Fasern {Fibrae arciformes iniernae).
Geliirn.
179
den des vierten Ventrikels darstellt , zwischen den divergirenden strickför-
migen Strängen erst an Breite zunimmt und dann zwischen den convergi-
renden VierhügelscLienkeln sich wieder verschmälert, lassen sich Zeichnun-
gen lind Unebenheiten unterscheiden , deren Beziehung zu den Nerven-
ursprüngen sie beachtungswerth macht. An dem frischen Organ heben
sich gegen den grauen Grund die erwähnten weissen Markstreifen , Striae Striae me-
medullares^)^ in veränderlicher, nicht einmal in beiden Seitenhälften Eines '^'^^^*'^^®-
Gehirns gleicher Stärke und Zahl (zwischen 1 und 12) ab. Sie verlaufen
meistens quer und seitwärts convergirend und theilweise unter spitzen
Winkeln zusammenfliessend von der Medianfurche gegen den Seitenrand des
Sinus rhomboideus (Fig. 1 1 3), doch kommen vor und hinter den queren Fa-
sern auch schräge, stei-
Fig.
113.
Boden des vierten Ventrikels. Kleinhirn und Velura med.
ant. {Vma) durch einen Medianschnitt gespalten und zur
Seite gezogen. Cp Corp. quadrig. Lc Loc. coeruleus.
Fv a Fovea ant. Tnc Taeniola cinerea. Ac Ala cinerea.
F Flocke. Po Ponticulus, seitwärts umgelegt. Cl Clava.
Oh Obex. Fe Funic. cuneif. Fg Fun. gracilis.
boideus flacher , als vor und hinter ihnen :
Aquaeduct nimmt sie an Tiefe zu.
1er lateral vorwärts ge-
richtete, die transversa-
len kreuzende oder mit
ihnen zusammenstos-
sende Fasern ^) vor.
Die queren Fasern liegen
noch diesseits des gröss-
ten Querdurchmessers
der Eautengrube , zwi-
schen dem vorderen
Rande des Ponticulus
und dem hinteren Rande
des Stiels der Flocke,
oft mit dem Einen oder
anderen in unmittelba-
rer Berührung und dann
schwer von ihnen zii
unterscheiden.
Die eigentlichen Striae
medulläres setzen sich
in den N. acusticus
fort, den strickförmigen
Körper umgreifend, oder
verlieren sich schon frü-
her in dem letzteren.
Meistens ist im Bereich
derselben die Median-
furche des Sinus rhom-
namentlich nach vorn gegen den
In einem von O. Fischer beschriebenen Fall (de rariore encephalitidis casu.
Diss. inaug. Berol. 1834) vereiaigten sich die ungewöhnlich zahlreichen Striae
^) S. m. alhae. Taeniae s. Striae medulläres s. acusticae. Taeniae foveae rhomboida-
Us Burdach. Radlces nervorum auditoriorum Langenbeck. ^) Conductor sonorus
Bergmann. Unbeständige Trigeminus-Wurzel Stilling.
12*
180 Gehirn.
medulläres, indem sie sich vom Boden der Eautengrnbe ablösten, zn einem Ner-
venstrang, der über die Wurzel des N. acusticus hinweg zum, Brückenschenkel
verlief und, in zvt^ei Aeste getheilt, in denselben eindrang. Ich sah ebenfalls eine
Stria meduUaris zv^^ischen Facialis und Acusticus vorwärts umbiegen und in die
Brücke eintreten. Nach Clarke (Phil, transact. 1868, p. 287) wäre es sogar Ee-
gel, dass ein stärkeres Bündel, von den oberen Wurzeln des N. vagus und den
Wurzeln des N. giossopharyngeus durchbohrt, sich in die Faserung der Brücke
fortsetzt. Stilling (Bau des Hirnknotens S. 180) sah einige Bündel in den N.
giossopharyngeus übergehen. AiTch hinsichthch des Ursprungs variiren die Striae
medulläres, indem sie mitunter, statt aus der Medianfurche, aus einem neben der-
selben gelegenen weissen Knötchen hervorgehen (Fischer), in anderen FäUeu
sich von der Einen Seite unmittelbar auf die andere fortzusetzen scheinen. Gänz-
licher Mangel derselben gehört jedenfalls zu den Seltenheiten. Stilling hat sie
einige Mal, Fischer niemals vermisst.
Taeniola Unter oder zwischen den Striae medulläres erhebt sich am Seitenrande
des Sinns rhomboideus die Taeniola Cinerea Wenzel i), ein grauer Wulst,
der sich auf den strickförmigen Körper, unmittelbar vor dessen Eintritt
ins Kleinhirn, und weiter auf die Wurzeides N. acusticus fortsetzt (Fig. 113).
Er entspringt niedrig und einfach, selten mit zwei Schenkeln, und nimmt la-
teralwärts an Höhe zu; sein seitliches Ende fällt rasch ab oder verliert sich
allmälig in der weissen Substanz der Nervenwurzel.
Die Striae medulläres scheiden den Boden des vierten Ventrikels in
eine untere (hintere) und obere (vordere) Abtheilung. Die schräge Lage
des verlängerten Marks rechtfertigt beide Bezeichnungen. Da aber die
Fortsetzxing desselben allmälig wirklich in die horizontale Lage übergeht
und veränderte Bezeichnungen nöthig werden, so scheint es mir am natür-
lichsten, diese Aenderung mit der Beschreibung des vierten Ventrikels ein-
treten zu lassen. Die bisherige Vorderfläche wird zur unteren und das
Uebereinander zu einem Voreinander. In der hinteren Abtheilung zeichnet
sich durch dunklere Färbung und geringe Wölbung ein meist scharf abge-
grenztes Dreieck aus , dessen Basis dem medialen , convexen Rande der
Clava entspricht, dessen Seitenränder, lineare, von beiden Seiten gleich-
massig convergirende Furchen, in einem spitzen Winkel zusammenstossen,
Aia cinerea, der die Striae medulläres erreichen kann. Es ist die -Ala Cinerea^), nach
Stilling's Bezeichnung der Kern, der den Fasern des N. vagus zum Ur-
sprünge dient (Fig. 1 1 3). Die Gefässhaut, die den Obex einhüllt, sendet zmvei-
len längs dem vorderen Rande der Clava einen Fortsatz ins Innere des verlän-
gerten Marks , nach dessen Entfernung eine tiefe Rinne zurückbleibt, welche
Clava und Ala cinerea scheidet; in anderen Fällen schiebt sich zwischen
beide ein schmales rhombisches Leistchen ein, welches aus der Median-
furche hervorläuft und dem vorderen Rande der Clava folgt, der Accesso-
riuskern Stilling's (Äc' ^). Durch die Ala cinerea werden in dem hinte-
^) Fasdola cinerea Meckel. Die Brüder Wenzel (J. und C. Wenzel, de penitiori
structura cerebri. Tubing. 1812. p. 183) fanden unter 50 Gehirnen 39 mit deutlicher und
grosser, und nur 11 mit wenig markirter Taeniola cinerea. Gänzlich fehlte sie unter
97 Fällen nur zwei Mal. Arnold bezieht den Namen Fasdolae cmereae auf die schmalen
Streifen grauer Substanz, welche die Zwischenräume der Striae medulläres ausfüllen. ) Cu-
neus cinereus. Eminentia cinerea cuneiformis. Fovea post. sinus rhomhoidahs nennt Ar-
nold die Grube, die von der Ala cinerea ausgefüllt wird. ^)I>\q graugelbhche kolbenförmige
Substanz Bergmann.
Gehirn. 181
i-en Theil des Sinus rhomboideus zwei gleichfalls dreiseitige, aber mit der
Spitze rückwärts gericbtete, vor der Ala cinerea zusammenfliessende Felder
abgegrenzt , ein mediales, welches mit dem gleichnamigen der anderen Seite
in der Medianfurche des Sinus rhomboideus zusammenstösst , Ala alba me-
dialis m. i), und ein laterales, Ala alba lateralis -), welches lateralwärts durch
den Ursprung des Ponticulus begrenzt wird.
In der vorderen Abtheilung des Sinus rhomboideus und zwar in dem
^rechten Winkel, den die Striae medulläres mit der Medianfurche einfassen,
liegt jederseits ein zuweilen sehr unscheinbares Höckerchen von etwas hellerer
Farbe (Fig. 113*), welches einem Knie der unter der Oberfläche verlaufenden
Wurzelfasern des N. facialis entspricht. Weiter vorn, wo der Sinus rhom-
boideus sich wieder zu verschmälern beginnt , findet sich an dessen latera-
lem Rande regelmässig eine flache Grube, FoVea (Inferior, einer eingezoge- Fovea ant.
nen Narbe ähnlich und häufig durch bräunliche Färbung ausgezeichnet, die
aber ihre Ursache nur in einer unter der Oberfläche verlaufenden, grösseren
Vene hat ^). Eine von braun pigmentirten Nervenzellen gefärbte , durch
den dünnen Marküberzug bläulich schimmernde Stelle, Locus Coeruleus, von Locus ooe-
etwa 1 Mm. Umfang hat ihren Sitz am Seitenrande der vorderen Spitze
der Rautengrube oder, mit anderen Worten, am hinteren Eingang des Aquä-
ducts ; ein schmaler Streifen der dunkelfarbigen Substanz erstreckt sich von
da mehr oder weniger weit rück- seitwärts zur Fovea anterior.
Die Tiefe der Färbung und die Ausdehnung des Locus coeruleus nimmt
mit dem Alter zu. Bei Thieren fehlt er (Wenzel*).
Von der Fovea ant. geht eine Furche rück- medianwärts in der Rich-
tung, dass ihre Verlängerung auf die Spitze der Ala cinerea treffen würde.
Sie theilt das vordere Feld der Rautengrube in eine mediale, läng- Eminentia
lieh vierseitige und eine dreiseitige Wölbung; die mediale, Emimentia teres
Stilling, zerfällt durch eine Querfurche abermals in zwei Abtheilungen ^), von
^) Scala rhythmica Bergmann. Der von Stilling sogenannte Hypoglossus - Kern.
^) Stilling's Glossopharyngeus - Kern. Hinterer Kern des N. acusticus Clarke (Phil,
transact. 1868, p. 287). ^) Dieser Grube gehören Bergmann's Cliordae verticillatae und
der Fläche vor derselben die Chordae voluhiles s. serpeniinae an, Fältclien und Zeichnun-
gen , über deren Bedeutungslosigkeit man einig ist. *) Als synonym mit Locus coeruleus
wird die Subslantia ferruginea Arnold angeführt. Dies beruht auf einer Verwechselung,
welche die Brüder Wenzel veranlassten, indem sie zwar im Text (p. 168) Lage und Form
des Locus coeruleus richtig schilderten, in der Abbildung aber (Taf. X, Fig. 4) die Fovea
anterior als hinteres Ende des Locus coeruleus bezeichneten. Arnold, der den eigentlichen
Locus coeruleus übersehen zu haben scheint und ihn ganz in die Fovea anterior verlegte,
war demnach im Recht, wenn er den Namen Substantia ferruginea an die Stelle setzte. Bei R eil
(Archiv IX, 511), Burdach (a. a. 0. II, 79) und Bergmann finden sich genaue Anga-
ben über die Lage des Locus coeruleus: Bergmann wusste auch schon, dass die Farbe
desselben von einer Menge feiner körnerartiger Punkte herrühre, während die Wenzel
zwar auch das Bild, das eine schwache Vergrösserung gewährt, genau beschrieben, aber
die braunen Punkte für Gefässdurchschnitte erklärten. Die neueren Handbücher folgen
sämmtlich Arnold, indem sie der Fovea anterior eine bräunliche oder bläuliche Färbung
zuschreiben, und nur Luschka (Anat. Bd. III, Abthl. 2, p. 172) geht noch einen Schritt
weiter daduixh, dass er die Fovea anterior für den Sitz der grossen, seit R. Wagner viel-
beschriebenen pigmentirten Nervenzellen des Locus coeruleus hält. ^) Colliculus rotundus
ant. und post. ♦
182
Gehirn.
denen die hintere i) einem platten , runden Höcker gleicht und mitunter
durch helle Färbung sich auszeichnet.
Untere An einem Querschnitt von der Grenze des Rücken - und verlängerten
Verl. Marks. Marks (Fig. 114) fällt zunächst die (im sagittalen Durchmesser) wachsende
Mächtigkeit der weissen Commissur auf, aus der, durch Verstärkung und
bündelweise Anordnung der von Einer Seitenhälfte zur anderen übertreten-
den Fasern , die mit freiem Auge sichtbare Kreuzung der Pyramiden her-
vorgeht. Zugleich nimmt auch die graue Commissur im sagittalen Durch-
messer zu und der Horizontalschnitt des Centralcanals , den sie umschliesst,
Fijr. 114.
Horizont;\l-(Quer-)schnitt an der Grenze des verlängerten und Kückenmtuks. Kaliprä-
parat, bei durchfallendem Licht. Fg^ Fe, Fa Funiculus gracilis , cuneatus und ante-
rior. Cga, Cgp Columna grisea ant. und post. Pr Proc. reticularis. Cc Can.
centralis, g c Suijstantia gelatiuosa centralis, g Gelatinöser üeberzug der Hintersäule.
/ Vordere Wurzel des ersten Cervicalnerven. * Gefässdurchschnitt.
erhält die Form einer mit dem längeren Durchmesser in der Medianebene
gelegenen Ellipse.
Die Zunahme des sagittalen Durchmessers der weissen Commissur hat
ihren Grund nicht allein in der Vermehrung der Kreuzungsfasern, sondern
auch darin, dass der Kreuzungswinkel allmälig minder spitz wird, indem
die Fasern aus der transversalen in eine mehr diagonale Richtung über-
gehen. Damit hängt zusammen, dass sie sich an beiden Seiten je weiter
^) Nucleus nervi facialis Arnold (Icon. nerv. cap. Tai. I, Fig.
chei'e Erhabenheit ist Arnold's Corpus teres.
Die vordere Üa-
Gehirn.
183
aufwärts, um so näher der Yorderfläche des Organs einsenken. Wenn sie
an Querschnitten des Dorsalmarks wie eine quere Brücke zwischen den
Vordersäulen ausgespannt sind, so dringen sie im oberen Theil des Cervical-
marks schon mit einigen Bündeln zwischen die verticalen Fasern der Vor-
derstränge ein und in der Gegend des ersten Cervicalnerven haben sie sich
der sagittalen Richtung so weit genähert, dass sie aus dem Grunde der
Fissur zwischen den Vordersträngen hervortreten und sich an die mediale
Fläche der letzteren anfügen.
In der grauen Commissur erhält sich die Lage und Dimension der cen-
Fig. 115.
^\^^^^W\vN
80
1
^
Ein Theil des in Fig. 114 dargestellten Querschnittes, stärker vergrössert. * Vgl. Fig. 114.
tralen gelatinösen Substanz bis in den Anfang des verlängerten Marks fast
unverändert. Die wachsende Mächtigkeit der hinter dem Centralcanal ge-
legenen Schichte scheint Folge einer Verminderung des sagittalen Durch-
messers der Hinterstränge zu sein, die sich gegen die graue Substanz ab-
runden und gleichsam aus derselben zurückweichen.
Was im Uebrigen den an das verlängerte Mark angrenzenden Theil
des Rückenmarks auszeichnet, ist die Einengung der grauen Substanz durch
Längsbündel, die den Processus reticulares des Rückenmarks entsprechen.
184 Gehirn.
aber sie au Zahl und Mäclitigkeit übertreffen, ferner die Masse starker Bündel
diinkelrandiger Nervenfasern, welche in der Ebene des Querschnitts die
graue Substanz durchziehen. Sie kommen aus den Seiten- und Hinter-
strängen , aus diesen durch die Hintersäiilen , wie es scheint , als Fort-
setzung der hinteren Wurzeln, aus den Seitensträngen zwischen den viel-
fach zerklüfteten Längsbündeln, zum Theil ebenfalls aus Nervenwurzeln und
zwar aus den Wurzeln des N. accessorius.
In der grauen Substanz bilden sie Geflechte, in welchen die diagonale
Richtung vorherrscht (Fig. 115). Sie sind es, welche in der eben be-
schriebenen Weise die vordere Commissur erzeugen und die Vorderstränge
der entgegengesetzten Seite verstärken.
Pyramiden- An Querschnitten durch den Anfang der Pyramidenkreuzung bedarf
^""°' es schon nicht mehr des MikroskojDS , um wahrzunehmen, dass die mächti-
gen , die Mittellinie überschreitenden und an die Vorderstränge sich anle-
genden Bündel aus den Seiten- und Hintersträngen der anderen Rücken-
markshälfte stammen. Schon mit unbewaffnetem Auge oder mit der Lupe
sieht man, wenn die Schnitte durch Kalilösung aufgehellt oder nach der
Clarke' sehen Methode gefärbt und mittelst Canadabalsam durchsichtig
gemacht worden, breite Züge weisser Substanz aus der Gegend der Hinter-
säulen der Einen Seite schräg vor dem Centralcanal vorüber zu den Vor-
dersträngen der anderen Seite sich begeben, so dass die Continuität der
grauen Substanz unterbrochen und die eine oder andere Vordersäule isolirt
wird. Meistens sind diese Züge unsymmetrisch; die vordere Längsspalte
weicht nach rechts oder links ab oder erscheint auch ungleich gabiig ge-
theilt '), und wie in der Vorderansicht der Pyramidenkreuzung rechts und
links aufsteigende Bündel alterniren, so herrschen auch auf dem Querschnitt
bald die Einen, bald die anderen vor. Dabei werden die Fasern der ur-
sprünglichen Vorderstränge in gleichfalls unsymmetrischer Weise zur Seite
gedrängt und zwischen dem medialen Rande der Vordersäule und den
Kreuzungsfasern gleichsam eingeklemmt (Fig. 1 1 6). Die abgerundete Spitze,
mit der sie in den von diesen beiden Gebilden umschlossenen Winkel hin-
einragen , hat weder zur Vorderfläche , noch zur Medianebene des verlän-
gerten Marks in beiden Hälften desselben die gleiche Stellung. Auch dies
ist mit blossem Auge zu erkennen , da die genannten Spitzen durch ihre
auf dunklem Grunde weisse, auf hellem dunkle Farbe, allerdings nur bei
einer bestimmten Beleuchtung, sich auszeichnen. Es ist bemerkenswerth,
dass dieser Farbenunterschied verschwindet, wenn man das Präparat in
derselben Ebene um 180 Grad dreht und es deutet dieses, dem Damast
ähnliche Verhalten darauf, dass die Fasern der genannten Stränge, wenn
sie sich auch im Querschnitt getroffen darbieten, doch eine geringe Nei-
gung nach der Einen oder anderen Seite haben müssen.
Bei mikroskopischer Betrachtung zeigt es sich, dass die scheinbar com-
pacte Masse paralleler Fasern, die sich mit dem Vorderstrang verbindet,
in der Mittellinie von platten Bündeln in entgegengesetzter Richtung auf-
^) Die zwischen den divergirenden Spalten eingeschlossene, vorwärts zugespitzte und
nach der Einen oder anderen Seite hinübergebogene Partie der Kreuzungsfasern ist Stil-
ling's zitzenförmiger Fortsatz, Proc. niam'dlaris.
Gehirn.
185
steigender Fasern durchzogen ist und dass sie sich in jeder Seitenhälfte
aus einer Anzahl stärkerer und feinerer Bündel von verschiedenem Verlauf
Fig. 116.
Querschnitt des verlängerten Marks durch die Pyramidenkreuzung [y Fig. 120).
Fpy Pyramidenstrang. Cga Vordersäule. Fa' Vorderstrangsrest. Ng Kern
des zarten Strangs, g Gelatinöse Rinde der Hintersäule. XI N. accessorius.
zusammensetzt, welche aus den Seitensträngen und dem Seitentheil der
Hinterstränge hervordringen und sich durch die Zwischenräume der cylin-
drischen verticalen Bündel der Processus reticulares hindurchschlängeln.
Es sind vorzugsweise starke Fasern, welche sich auf diesem Wege den Vor-
dersträngen zugesellen. Feinere treten bündelweise aus den zarten Strän-
gen und den inneren Keilsträngen hervor und verflechten sich alsbald nach
dem Austritt in dem an die genannten Stränge angrenzenden Theil der
grauen Substanz. Diese erleidet eine Aenclerung ihrer Form erstens durch
die Kreuzungsfasern, wodurch, wie erwähnt, die Vordersäulen abgetrennt
werden iind der Rest die Gestalt eines Dreiecks mit vorwärts gerichteter
Spitze erhält ; zweitens durch die fortgesetzte Ausdehnung der Processus
reticulares, welche den medialen Theil der Hintersäule auf einen schmalen
transversalen Streifen, den Hals der Hintersäule, Cervix cornu posterioris
Clarke, reduciren; drittens durch Vorrücken des im Querschnitt kreisför-
migen, von der gelatinösen Substanz überzogenen peripherischen Theils
oder des sogenannten Kopfs der Hintersäule, welches Folge der Verminde-
rung des Volumens der Seitenstränge ist. Im Uebrigen behalten graue
und weisse Massen das charakteristische Ansehen, durch welches sie sich im
Rückenmark unterscheiden , die Vorderstränge ihr Uebergewicht an starken
186
Gehirn.
Fasern, die Seitenstränge die Mischung starker und feiner Fasern, die
grauen Vordersäulen ihre grossen , die Hintersäiilen ihre kleinen Nerven-
zellen. Nur an den zarten und inneren Keilsträngen fällt, wenn man sie
mit den entsprechenden Strängen des Rückenmarks vergleicht, der Mangel
stärkerer Fasern auf xind im Inneren der zarten Stränge bildet sich, unab-
Nucieusfun. hängig vou der centralen grauen Masse, ein Kern grauer Substanz, JVtt-
cleus f unic.gr acüis (Fig. 116. 117), mit spärlichen sternförmigen Nervenzellen,
die an Grösse den Nervenzellen der grauen Vordersäulen kaum nachstehen.
Diese Nervenzellen senden, nach Kölliker, Fasern aus, welche mit den
vorwärts umbiegenden verticalen Fasern der zarten Stränge verlaufen, sich
aber durch ihr stärkeres Kaliber auszeichnen.
Wie man weiter aufwärts geht und sich den unteren Wurzeln des N.
hypoglossus nähert, vermehrt sich durch Zuzug neuer Kreuzungsfasern das
Volumen der Pyramidenstränge, während zugleich die neuen Fasern zwi-
Voider- schen die verticalen Fasern der ursprünglichen Vorderstränge sich einschie-
srangsrese. ^^^ ^^^^| ^^.^ Unsymmetrischen ßeste i) der letzteren (Fig. 116. 117 Fa')
weiter seit - rückwärts gedrängt werden und sich auf Kosten ihres trans-
Fig. 117.
Querschnitt des verlängerten Marks in der Gegend der unteren Hypoglossuswurzeln.
2 Fig. 120. Fpy Pyramidenstrang. Fa' Vorderstrangsrest. N g Kern des zarten,
Nc Kern des Keilstrangs. g Gelatinöse Rinde der Hintersäule. XII Hypoglossus-
Wurzel.
^) Fortsetzungen der weissen Vorderstränge St i Hing. Non decussating portions of
the anterior pyramids Clarke.
Gehirn.
187
versalen Durchmessers verlängern. Auf Querschnitten gleichen sie zungen-
förmigen Fortsätzen der Pyramidenstränge (Fig. 117); eine massige Ver-
grösserung zeigt sie von transversalen Fasern in ziemlich gleichen Abstän-
den durchsetzt und gleichsam in Stücke zerlegt; sie convergiren mit ihren
Spitzen und erreichen endlich mit denselben , der Eine nach dem anderen,
die centrale gelatinöse Substanz. In den Pyramidensträngen gestaltet sich,
je stärker sie werden, um so verworrener der Lauf der Fasern. Horizontale
oder sanft geneigt aufsteigende, unter spitzem Winkel gekreuzte , wechseln
mit verticalen Bündeln, welche zum Theil Fortsetzungen der Vorderstränge
des Rückenmarks, zum grösseren Theil aber aus der Umbeugung tiefer ein-
getretener Kreuzungsbündel hervorgegangen sind und demgemäss eine relativ
grössere Menge feiner Fasern enthalten. An den Seitensträngen macht
von unten nach oben die Zerklüftung Fortschritte und mindert sich die
Zahl der verticalen Bündel. Indem diese im vorderen medialen Theil des
Seitenstrangs aus einander weichen, lassen sie ein unregelmässig und unbe-
stimmt begrenztes, in Farbe und Structur der Vordersäule ähnliches Feld
frei, welches sich wie ein von durchziehenden Längsbündeln abgespalteter
Theil der Vordersäule verhält (Fig. 117). Dies ist der Kern des Seiten- Kern des
Strangs KölL^). Die Hinterstränge behalten, ja vermehren ihr Vloumen, Strangs.
aber in i'eder Abtheilung derselben entwickelt sich eine graue Säule, welche HiJ^^r-
" ~ . Strange.
mit der centralen grauen Substanz in Verbindung steht und grössere und
kleinere Nervenzellen ent-
Fiar. 118:
hält ^). Um diese secundären
grauen Säuleu bildet die
weisse Substanz eine Rinde,
deren Mächtigkeit allmälig
abnimmt, und ebenso allmä-
lig tritt in dieser Rinde die
Zahl der verticalen Fasern
zurück gegen die horizonta-
len oder schrägen, vorwärts
ausstrahlenden. Die Reihen
solcher, von zwei Seiten con-
vergirender Fasern, die wie
Blattrippen den Querschnitt
Querschnitt des Keilstrangs, Detail zu Fig. 117.
Verticale und sagittale Nervenbündel, mit Fleckwas-
ser aufgehellt.
^) Nucleus antero-lateraUs Dean.
^) Die graue Substanz , von wel-
cher die grauen Säulen des zarten
Strangs und inneren Keilstrangs
ausgehen, nennt Arnold Corpora
cinerea s. Nuclei chierei. Die Säu-
len der Hinterstränge sind Rei-
chert's hintere Nebenhörner;
Stilling erwähnt sie zuerst als
Kerne des zarten und Keilstrangs.
Die Säule des zarten Strangs heisst
bei Clarke po st -pyramidal nu-
cleus, die Säule des inneren Keil-
strangs restlform nucleus.
188
Gehirn.
Region der
Hypoglos-
sus wurzeln.
radiär durchziehen (Fig. 118), näbern sich einander immer mehr und fassen
immer schmalere Reihen von Faserquerschnitten zwischen sich, je höheren Re-
gionen das Präparat entnommen ist. An der Austrittsstelle aus den Hintersträn-
gen werden sie gekreuzt von transversalen Bündeln, welche commissuren-
artig vor der hinteren Medianfissur vorüberziehen und sich seitwärts wie-
der in die Hinterstränge zu verlieren scheinen, nach Clarke (1858 p. 241)
aber in die Wurzeln des N. accessorius übergehen (Fig. 116).
Ich komme zur Region der Hypoglossuswurzeln. Die Pyramiden , an-
fangs 1,5 Mm. im sagittalen, 1 Mm. im transversalen Durchmesser, haben
eine dreiseitig prismatische Form erhalten und einen Durchmesser von
3, 5 bis 4 Mm. erreicht. Sie haben die grosse Mehrzahl der Fasern, der
Hinter - und Seitenstränge der entgegengesetzten Seite in sich aufgenam-
men , um sie dem Gehirn zuzuführen. Dies aus der Vergleichung succes-
siver Querschnitte gezogene Resultat wird durch Längsdurchschnitte be-
stätigt. Die beste Uebersicht gewähren in dieser Beziehung verticaleDurch-
Fig. 119.
Ij/ i
' I
'■'m-r- -Vi,,-
Cga
Vertiealer Schrägschnitt des verlängerten Marks nach dem Laufe der Kreuzungsfasern
der Pyramiden. Fa, Fp Vorder- und Hinterstrang, Cga, Cgp Graue Vorder- und
Hintersäule.
schnitte, welche in diagonaler Richtung, dem Laufe der Kreuzungsfasern
der Pyramide entsprechend geführt, die Medianebene unter spitzem Winkel
kreuzen , obgleich auch an solchen Schnitten -die Continuität der Faserbün-
del dadurch unterbrochen ist, dass sie der Subst. gelatin. centr. ausweichen
(Fig. 119). Man sieht die fein längsstreifige Substanz der Hinterstränge
von schräg aufsteigenden Bündeln durchzogen , welche , während die Mäch-
tigkeit der Hinterstränge allmälig abnimmt, aus dem vorderen Rande der-
selben hervor- und gerade oder sanft gebogen in das dichte Nervengeflecht
eintreten, das sich an die Vorderstränge anfügt.
An einem der Medianebene parallelen Längsschnitt durch eine Seiten-
hälfte des verlängerten Marks, welcher längs der medialen Grenze der Proc.
reticulares verläuft und den Kopf der Hintersäule vom Halse derselben abtrennt
(Fig. 120), zeigt der untere Theil der Schnittfläche, abgesehen von den
feinen, die gelatinöse Substanz der Hintersäule durchsetzenden Faserbündel-
chen , fast nur longitudinale Fasern. Weiter hinauf neigen sich die Fasern
der Hinterstränge vorwärts, während zugleich die Proc. reticulares stumpf
Fpy Np No
Gehirn,
Fig. 120.
189
i
Sagittalschnitt des verlängerten Marks durch eine Seitenhälfte desselben längs der media-
len Grenze der Processus reticulares. Kalipräparat, g Gelatinöse Substanz. Pi- Proc.
reticulares. Fpy Pyrainidenstrang. iV^i Pyramidenkern. No Untere Spitze des Oli-
venkerns.
190
Gehirn.
Eaplie.
kegelförmig enden und diesem Ende zunächst zahlreiche Querschnitte grö-
berer und feinerer Nervenbündel der nach der gegenüberliegenden Seite
umbiegenden Fasern der Seitenstränge enthalten, lieber der kegelförmigen
Spitze der Proc. reticulares beginiien zwischen den allmälig verjüngten
Hinter- und den allmälig sich verdickenden Vordersträngen Züge sagittaler
Faserbündel in regelmässigen Abständen die longitudinalen Bündel zu durch-
kreuzen ; nur zunächst den Hintersträngen alterniren sie mit einer einfachen
Längsreihe von Querschnitten transversal verlaufender Bündel.
Clark e (1869, p. 272) zieht aus der Vergleicluing von Längs- und Quer-
sclmitten den Scliluss, dass sich den Kreuzungsfasern , welclie aus einem Seiten-
strang durch die graue Vordersäule zur gegenübergelegeuen Pyramide ziehen,
Fasern beimischen, die aus eben dieser Vordersäule ihren Ursprung nehmen; an-
dere Tasern soUen aus der Vordersäule entspringen, um seitwärts und in den Sei-
tensträngen abwärts zu verlaufen.
In der Gegend des Ursprungs der untersten Wurzel des N. hypoglos-
sus ist die Pyramidenkreuzung vollendet und damit die seitliche Symmetrie
des verlängerten Marks fast vollständig wieder hergestellt. Eine Ausnahme
macht nur die Pyramide , deren verticale Fasern noch weiterhin unregel-
mässig zerklüftet, von horizontalen Fasern ungieichmässig durchzogen und
an der Oberfläche umsäumt werden. Die zungenförmigen Vorderstrangs-
reste erstrecken sich als Fortsätze der Pyramiden in der Flucht der media-
Fi>. 121.
Fig'. 122.
Mittlerer Theil des Frontalsclinitts des ver-
längerten Marks durch die Vorderstränge.
Zwischen den verticalen Fasern dieser Stränge
zeigen sich die transversalen und die quer
durchschnittenen sagittalen Fasern , so wie
die Querschnitte der sagittalen Blutgefässe
der Raphe.
Horizontalschnitt des vorderen Theils der
Raphe, Brönner-Präparat. J^p?/ Pyramiden-
Strang. Fb a Fibrae arciformes.
Gehirn.
191
len FLächen der letzteren einander parallel nacli hinten, durch einen schma-
len Streifen heller Zwischensubstanz, Haphe Stilling i) (Fig. 124), getrennt
und durch transversale Faserzüge abgetheilt. Die Raphe, die von dem
Grunde der vorderen Längsspalte bis zur centralen gelatinösen Substanz
reicht, ist eine weisse Commissur eigenthümlicher Art, aus dunkelrandigen
Nervenfasern von wesentlich horizontaler Richtung zusammengesetzt und
von sagittalen Blutgefässstämmchen durchzogen. Die letzteren treten von
der vorderen Medianfissur ein, in regelmässigen Abständen über einander
und paarweise oder alternirend zii den Seiten der Medianebene. Ihre An-
ordnung erhellt am deutlichsten aus Frontalschnitten des verlängerten Marks
(Fig. 121). Sagittalschnitte treffen zuweilen die Eine oder andere Reihe, Hori-
zontalschnitte öffnen Einen oder ein paar dieser Gefässcanäle (Fig. 124); am
häufigsten fallen sie zwischen dieselben. Was den Verlauf der Fasern der
Raphe betrifft, so sind zwei Plauptrichtungen zu unterscheiden; die Grund-
lage bilden sagittale Fasern, welche sich durch die ganze Tiefe der Raphe
erstrecken und aus der vorderen Spalte oder zwischen den Bündeln einer
Pyramide an die äussere
Fläche des verlängerten
Marks gelangen, um das-
selbe in der Form der Fi-
brae arciformes zu um-
gürten. Dabei lagern sich
in Folge einer sehr steilen
Kreuzung Fasern vom
rechten Rande der Raphe
an die linke Pyramide und
umgekehrt (Fig. 122). ' Zu
diesen sagittalen Fasern
kommen von beiden Seiten
her andere, welche bündel-
weise in transversaler Rich-
tung aus allen Zwischen-
räumen der longitudinalen
Bündel der Vorderstrangs-
reste hervortreten und, so-
bald sie die Raphe erreicht,
pinselförmig auseinander-
fahren, reichlicher gegen
die Vorderfläche des ver-
längerten Marks, als ge-
gen die hintere (Fig. 123).
Nur eine Minderzahl kann
man als einfache Commis-
surenfasern direct durch
die sasfittalen Fasern hin-
Horizontalschnitt des hintei'en Theils der Raphe, Brönner-
präparat. Cc Centralcanal.
^) Septum med. oblongcttae.
S. mediamim.
192 Gehirn.
*
diircla, gerade oder schräg von Einer Seite zur anderen verfolgen, die mei-
sten verlieren sich zwischen den sagittalen Fasern, sie verlassen die Schnitt-
ebene und müssen wohl, da man nirgends Querschnitte von Fasern sieht,
sanft an- oder absteigend in höhere oder tiefere Ebenen übergehen und
wenig höher oder tiefer wieder zu transversalen Fasern der entgegenge-
setzten Seite der Vorderstrangsreste werden. Eine TJnibeugung transver-
saler Fasern in sagittale findet, wenn überhaupt, nur am hinteren Anfang
der Raphe Statt; die hier eintretenden transversalen Fasern wenden sich
ausschliesslich vorwärts und verlieren sich unter den sagittalen; doch lässt
sich keine Gewissheit erlangen, ob sie nicht nach etwas längerem Verlauf
in der Raphe zuletzt ebenfalls seitwärts ab- und in die Vorderstrangsreste
einlenken. In den Vorderstrangsresten selbst erzeugt die Durchflechtung
der transversalen und verticalen Fasern ein sehr regelmässiges und zier-
liches Gitterwerk, in welchem aber die verticalen Fasern, die man auf
Querschnitten im Durchschnitt, auf sagittalen Schnitten im Längsschnitt zu
sehen bekommt , über die transversalen Fasern , bei denen das Umgekehrte
der Fall ist, das Uebergewicht haben. Die Schichten der verticalen Bündel
haben eine Mächtigkeit von etwa 0,08 Mm., die transversalen Schichten
haben ein Viertel bis zur Hälfte dieser Stärke. Die Mehrzahl der Fasern
der Raphe gehört zu den feinen ; vereinzelt kommen aber auch Fasern vom
stärksten Kaliber vor, die Raphe in schräger Richtung von Einer Seite zur
anderen durchsetzend.
Die auffallendste Umwandlung erleidet die graue Masse der vorderen
Hälfte des verlängerten Marks. An derjenigen Stelle des Querschnitts,
welche bis dahin die spongiöse, an grossen multipolaren Zellen reiche Sub-
stanz der Vordersäule eingenommen hatte, in dem Winkel zwischen dem
hinteren Rande der Pyramide und dem äusseren Rande des Vorderstrangs-
restes, tritt jetzt ein heller, scharfbegrenzter Streifen auf, der Pyramiden-
Nucieus py- kern, JVudeus Jiyramidalis^), welcher zuerst nur dem hinteren Rande der
rami . Pyramide entlang geht, weiter oben aber sich längs dem Vorderstrangsrest
nach hinten verlängert und dadurch die Form eines Winkelmaasses erhält
(Fig. 124). Der dem hinteren Rande der Pyramide nächste Theil des Kerns
liegt, der Form der Pyramide entsprechend, schräg, mit dem medialen Ende
rückwärts geneigt; das laterale Ende ist abgerundet, kolbig angeschwollen,
die Mitte etwas eingeschnürt , von Durchschnitten feiner Längsfaserbündel
erfüllt und daher minder durchsichtig. In dem winkelmaassförmigen Quer-
schnitt nehmen diese Faserdurchschnitte den Winkel ein. Im sagittalen
Durchschnitt des verlängerten Marks (Fig. 120) erscheint der Pyramiden-
kern als verticaler, abwärts zugespitzter Streifen von derselben Breite, wie
im Querschnitt (0,5 Mm.); aus der Combination beider Schnitte ergiebt
sich , dass er die Form einer winklig gebogenen Scheibe hat. In seiner
Durchsichtigkeit gleicht er der gelatinösen Substanz und der an den Vor-
derstrangsrest grenzende Theil desselben wird, wie die gelatinöse Substanz
der Hintersäulen, in bestimmten Zwischenräumen von feinen Nervenbündeln
durchzogen, welche Fortsetzungen der transversalen Bündel der Vorder-
^) Grosser Pyramidenkern Stilling. Hinterer Pyramidenkern Köll. Innere Neben-
olive Lenhossek.
Gehirn.
193
Strangsreste sind und seitwärts in die bogenförmigen Bündel der sogleich
zu erwähnenden reticulären Substanz übergehen. Aber in den hellen Räu-
Fig. ]24.
Fcl
Querschnitt des verlängerten Marks durch die untere Spitze des Olivenkerns. Kaliprä-
parat. Fpy Pyramidenstrang. R Raphe. Fa' Vorderstrangsrest. Nh Hypoglossus-
kern. Cc Can. centralis. Fg Funic. gracilis. Fem, Fcl medialer und lateraler Keil-
strang. No Olivenkern. Np Pyramideiikern. Fha Fibrae arciformes. Na Kern der
Gürtelschichte. * Querschnitt. ** Längsschnitte von Blutgefässen. *** Querschnitt
eines nervenähnlichen Strangs. X 1 1' Hypoglossuswurzel.
men zwischen den Faserbündeln enthält die Platte sternförmige Nervenzellen
von mittlerer Grösse (0,024 Mm.), die in der gelatinösen Substanz tieferer
Localitäten nicht vorkommen. Ein sagittaler Durchschnitt des an den
Vorderstrangsrest stossenden Theils des Pyramidenkerns zeigt die stern-
förmigen Nervenzellen und dazwischen die unregelmässig zerstreuten klei-
nen, kreisförmigen Querschnitte der transversalen Nervenbündel.
Eine andere Anhäufung multipolarer Nervenizellen in heller, feinkörni- Nuciei arci
•1T1J.J.J formes.
ger Substanz findet sich an der Vorderfläche der Pyramide dicht unter der
Gefässhaut, umfasst und zuweilen durchsetzt von den aus der Raphe nach
aussen umbiegenden horizontalen Fasern der Gürtelschichte (Fig. 124). Sie
Henle, Anatomie. Bd. III. Abthlg. 2. 13
194 Gehirn.
hat die Form einer nach der Oberfläche der Pyramide gebogenen rundlichen,
. gegen die Ränder zugeschärften Platte. Zuweilen folgt dieser Platte ^) wei-
ter nach aussen und schon im Bereich des Olivenstrangs eine zweite, klei-
nere. Noch kleinere, elliptische oder dreiseitige Herde derselben Substanz
liegen unregelmässig zerstreut am Seitenrande der Raphe, zwischen ihr
und den Vorderstrangsresten. Ich begreife alle diese Massen grauer Sub-
stanz, die offenbar in Beziehung zu den Fibrae arciformes stehen, unter
dem gemeinsamen Namen der Nudei (irciformes, Kerne der Gürtel-
schichte.
Einmal im Gehirn eines Kindes fand icli einen Nuclens areif, von imgewöhn-
licher Grösse am vorderen Eande der Pyramide. Er war im Querschnitt dreisei-
tig, mit rückwärts gericliteter S^jitze, die von dem queren Tlieil des Pyramiden-
kerns nur durcli eine schmale Brücke geschieden wurde. Einzelne schmale Bündel
der Eibrae areif, durchsetzten ihn.
In der hinteren Hälfte des verlängerten Marks erhalten sich die drei
Stränge mit ihren grauen Kernen ziemlich unverändert. Die mächtigste
Schichte weisser Substanz besitzt der mediale Keilstrang ; sie gleicht im
Querschnitt einem Halbmond mit vorwärts gerichteten Spitzen und diese
Spitzen zeichnen sich auf dunklem Grunde durch intensive Weisse, bei
durchfallendem Licht durch Dunkelheit aus. Die zarten Stränge haben sich
fortwährend im sagittalen Durchmesser verkürzt; die helle, centrale graue
Substanz ist der hinteren Oberfläche des verlängerten Marks näher gerückt
und die hintere Medianfurche ist seichter geworden. Wo die Oberfläche
der hinteren Stränge von Fibrae arciformes umgeben ist, schlagen diese
sich um den zarten Strang in die hintere Medianfurche und strahlen von
da in den Keilstrang aus (Fig. 124). In dem äusseren Keilstrang ist der
Kopf der grauen Hintersäule noch zu erkennen, aber er ist von der übrigen
Eeticuiäre grauen Substanz isolirt und stösst nach innen an die reticuläre Sub-
Substanz. gtauz, ein Flechtwerk verticaler und horizontaler feiner Nervenbündel, in
welches sich die Proc. reticulares, die Seitenstränge und schliesslich die
ganze vor der centralen grauen Substanz beflndliche Nervenmasse, die Py-
ramiden ausgenommen, auflöst, mit welcher endlich auch, oberhalb des Py-
ramidenkerns, die Vorderstrangsreste ohne wahrnehmbare Grenze zusammen-
fliessen. In dieses Nervennetz sind grosse, sternförmige Zellen eingestreut,
deren Ausläufer sich weithin ungetheilt erstrecken und den Bündeln nach
verschiedenen Richtungen beigesellen (Fig. 125) ; die Zellen sind besonders zahl-
reich am vorderen Rande der centralen grauen Substanz, gleichsam als Vorpo-
sten des sogleich zu erwähnenden Hypoglossuskerns. Nach Deiters (S. 227)
ist der Axencylinderfortsatz dieser Zellen fast durchweg abwärts, die Proto-
plasmafortsätze sind horizontal gestellt. Eine oder zwei Gruppen mehr
rundlicher Nei'venzellen nehmen in der Nähe des Seitenrandes den Raum
zwischen dem Pyramidenkern und dem Kopf der Hintersäule ein 2).
1) Dem vorderen Pyramidenkern Kö 11. Stilling fasst diesen mit einigen anderen, welche
uiiregelmässig zerstreut in der Pyramide liegen sollen , unter dem Namen der kleinen Py-
i-amidenkerne zusammen. Ich konnte mich nicht überzeugen, dass die hellen Flecke, welche
man hier und da an Querschnitten der Pyramiden gewahrt, etwas anderes seien, als Ge-
fässlücken, in welche sich Fortsätze der Gefässhaut erstrecken. ^) Clarke bildet dieselben
in seiner ersten Abhandlung (Fig. 23,^ und </') ohne besondere Benennung ab; in der
Gehirn.
195
An der hinteren Grenze der reticulären Substanz, vor dem Kopf der Hin-
tersäule sali ich einigemal zwischen den mehr zerstreuten Dvirchschnitten der
Läugsbündel die Durchschnitte von Einem oder zwei, vollkommen cylindi'ischen
und scharf umschriebenen nervenähnlichen Strängen von 0,25 bis 0,5 Mm. Durch-
messer, Avelche aus starken und feinen Pasern zusammengesetzt waren. Sie kamen
nur einseitig vor (Fig. 124***).
Die horizontalen Fasern der reticulären Substanz ^) verlaufen bogen-
förmig, der Vorder- und Seitenfläclie des verlängerten Marks concentrisch ;
Fia-. 125.
Detail zu Fig. 124. Horizontalschnitt des Vorderstrangsrestes {Fa!) und der angren-
zenden reticulären Substanz. Brönnerpräparat.
es sind Fortsetzungen der transversalen Fasern, deren U.ebertritt aus den
Vorderstrangsresten in die Eapbe und umgekehrt oben (S, 187) geschildert
wurde, Fortsetzungen, die sich nach aussen von den Vorderstrangsresten
bis zum Kopf der Hintersäule begeben und durch die Raphe hindurch die
Hintersäulen beider Seiten mit einander verbinden. Ein Anschein radiärer
Faserung wird stellenweise durch die Zwischenräume der mit den horizon-
talen alternirenden verticalen Faserzüge hervorgebracht, wenn in radiärer
Richtung je die Durchschnitte der verticalen Bündel und die Lücken zwi-
schen denselben auf einander treffen (Fig. 125). Wirklich radiäre, die con-
zweiten wird eine -vordere Zellengruppe als Nucleus antero -lateralis , eine hintere als
untere Spitze des Trigeminuskerns bezeichnet. Sie scheinen identisch mit dem grauen
Kern der Seitenstränge Deiters (S. 229). ^) Fibrae transversales internae. Bogenförmige
Commissurenf'asern Reichert.
13*
196 Gehirn.
centrischen Bündel schneidende Nervenbündel kommen nur in Verbindung
mit der Gürtelschichte und als Fortsetzungen der Nervenwurzeln vor. Die
letzteren gehören den Nn. hypoglossus und accessorius an, durchziehen in
der Ebene des Horizontalschnitts , die bogenförmigen Fasern kreuzend , in
ziemlich gestrecktem Yerlauf die ganze reticuläre Substanz bis zu der den
Centralcanal umgebenden grauen Masse, mit deren Nervenzellen sie zusam-
menhängen , und zeichnen sich durch die Stärke ihrer Fasern aus.
Hypoglos- Der N. hypoglossus erreicht das verlängerte Mark vor der Furche,
welche die Pyramide von dem Olivenstrang scheidet. Seine Bündel gehen
zum Theil an der Vorderfläche der Pyramide in transversaler Richtung
weiter und verlieren sich früher oder später , einzelne erst in der Nähe der
vorderen Medianfissur, in die Fasern der Gürtel schichte (Fig. 127). Sie
lassen sich an durchsichtig gemachten oberflächlichen Flächenschnitten der
Fig. 126.
suskern.
30
Vorderfläche des verlängerten Marks mit den oberflächlichen Wurzeln des N. hypoglos-
sus. Dünner Flächenschnitt, mit Nelkenöl aufgehellt.
Pyramiden leicht verfolgen (Fig. 126). Die in das Innere des verlängerten
Marks sich fortsetzenden Bündel verlaufen theils durch die Pyramidenkerne
(Fig. 127), theils hinter denselben (Fig. 124) und weiter oben zwischen
Hypoglos- ihnen und den Olivenkernen zur centralen grauen Substanz und insbeson-
dere zu einer im Querschnitt kreisförmigen Gruppe (von 1 Mm. Durchm.)
grosser multipolarer Nervenzellen, welche vor der vorderen Spitze des Central-
canals liegt (Fig. 124. 127. 128). An Kalipräparaten zeichnet sich die Sub-
stanz, in welche diese Zellen eingebettet sind, durch feinkörnige Beschaffenheit
vor der durchsichtigeren Umgebung aus ; an Querschnitten , die durch
Brönner'sche Flüssigkeit aufgehellt worden, sieht man sie von den Axen-
cylindern der Hypoglossusfasern durchzogen, welche gerade und gebogen
aus den Wurzeln ausstrahlen , nach allen Richtungen sich zerstreuen und
wirr über einander weglaufen. Glückt es auch nur in seltenen Fällen, eine
dieser Hypoglossusfasern zu einem Ausläufer der multipolaren Zellen zu
verfolgen, so hat man doch keinen Grund, an dem Zusammenhang dersel-
ben zu zweifeln und der Zellengruppe den Namen eines Hypoglos sus-
kern s, JS'iideus hypoglossi, zu versagen.
Gehirn.
197
Clarke untersclieidet neben den longitudinalen Zellenfortsätzen, die in Hy-
poglossusfasern übergehen, quere, welche tlieils rückwärts zum Kern des Acces-
sorius , tlieils zur Raphe verlaufen und sich in Fasern derselben fortsetzen , tlieils
endlich in dem Netzwerk der seitlichen Stränge sich verlieren (Phil, transact. 1857).
Die Wurzeln des N. accessorius, welche im Bereich der Pyramiden- Accessorius-
kreuzung, wie erwähnt, sich den zur Kreuzung bestimmten Bündeln der ■^"'^■^®^^-
Seitenstränge beigesellen , ziehen, nachdem die Symmetrie hergestellt, dicht
Fig. 127.
XU
Querschnitt des verlängerten Marks durch die Wurzeln des N. hypoglossus {XII).
Fba Fibrae arciformes. Nh Hypoglossuskern. Np Pyramidenkern.
198
Gehirn.
vor dem Kopf der Hintersäule durch die reticuläre Substanz vor- und me-
dianwärts, um hinter den Hypoglossuswurzeln in der centralen grauen
Substanz zu enden. Die graue Substanz ist an dieser Stelle, dem sogenann-
Accessorius- ten Accessoriuskern, durchsichtiger, als an der Stelle des Hypoglossus-
Fig. 128.
kern.
iijil
Querschnitt des verlängerten Marks. Hypoglossus-Kern. R Raphe. * Sagittale Arterie
derselben. XII' Wurzelfäden des N. hypoglossus. Brönnerpräparat.
kerns und enthält kleinere Zellen mit feineren Ausläufern, welche bald eine
scharf begrenzte, rundliche Gruppe bilden , bald diffus zur Seite des Cen-
tralcanals liegen. Ein kleiner Theil der Accessoriusfasern bleibt an der
Oberfläche des Organs und biegt rückwärts in die Gürtelschichte um. Von
den in das verlängerte Mark eingetretenen Bündeln sah ich einzelne sich
Gehirn. 199
alsbald rückwärts wenden und die gelatinöse Substanz, die den Kopf der
Hintersäule überzieht, durchsetzen. Vielleicht gehören sie einem anastomo-
tischen Zweig zwischen Accessorius- vind hinteren Cervicalnervenwurzeln an.
Clarke (Phil, transact. 1857. Fig. 11 und 19) und Kölliker (Fig. 197) bilden
Wurzeln des IST. accessorius ab , welche nach transversalem Verlauf die Spitze der
Proc. reticulares umkreisen, lam dann wieder seit- und etwas vorwärts zu den
Zellen der Vordersäule zu ziehen. Mir ist es immer, wo ich derartigen steilen
Umbeugungen zu begegnen glaubte , schliesslich gelungen, eine Täuschung aufzu-
decken, welche dadurch entstanden war, dass bei einer Kreuzung von Nervenbün-
deln die beiden, nach Einer Seite gerichteten Schenkel des Kreuzes als Schenkel
eines Bogens aufgefasst wurden.
In der Gegend, wo der Centralcanal sich öffnet, tritt im Inneren des oiivenkem.
Olivenstrangs der Olivenkern, JV-udeus Olwaris^),iiui. Es ist eine faltige,
0,33 Mm. mächtige, sehr gefässreiche Platte gelatinöser Substanz von der-
selben durchsichtigen Beschaffenheit, mit denselben eckigen und rundlichen
Zellen und ebenso in Abständen von feinen Faserbündeln durchzogen, wie
der Pyramidenkern. Die Höhe des Olivenkerns entspricht ziemlich genau
der Höhe der an der äusseren Fläche des Olivenstrangs sichtbaren Wölbung,
doch ragt er mit der unteren Spitze zuweilen etwas weiter abwärts, während
seine obere Spitze ungefähr mit dem hinteren Rande der Brücke zusammen-
fällt. Querschnitte der oberen und unteren Spitze (Fig. 124) zeigen die Platte
ringförmig geschlossen, im Uebrigen (Fig. 129) stellt sie einen gegen die Median-
ebene offenen, mehr oder minder weit geöffneten Bogen dar. Daraus folgt, dass
sie , abgesehen von ihren wellenförmigen Biegungen , die Gestalt einer an
dem Einen Rande durch einen Längsschnitt geöffneten Mandelschale
hat. Durch die Lücke des medialen Randes, die an den Hilus einer Drüse
erinnert , dringen dichte Nervenfasermassen ^) in den von der Platte um-
schlossenen Hohlraum, durchziehen sie vereinzelt oder bündelweise und ^
setzen dann, sich an der Ausseuseite derselben wieder zusammenschliessend,
ihren Weg fort. Die Fasern , die den Olivenkern ausfüllen ^) , sind nur zu-
sammengedrängte und etwas abgelenkte Bogenfasern der Substantia reticu-
laris. Sie lassen sich von der Raphe aus, zum Theil durch den Pyramiden-
kern, zum Hilus der Olive verfolgen, können demnach auch in gewissem
Sinne als Commissxrrenfasern der Oliven gelten, scheinen sich aber in der
Platte des Olivenkerns weder zu vermehren, noch zu vermindern und treten
so durch dieselbe hindurch , dass sie aus den inneren Nischen nach allen
Seiten ausstrahlen und sich in den äusseren wieder zu compacten Massen sam-
meln (Fig. 130). Ob sie dabei mit den Fortsätzen der in der Platte enthaltenen
Zellen Yerbindungen eingehen, ist schwer zu ermitteln, da diese Fortsätze sich
mit Sicherheit nur bis an den Rand des hellen Hofs, in welchem die Zellen
liegen, verfolgen lassen^). Jenseits des Olivenkerns biegen die horizonta-
len Nervenfasern rückwärts um und gesellen sich zum Theil den Fibrae
^) Corpus dentatum s. ßmhriatum s. ciliare s. rlwmhoicUwn olivae. Nucleus dentatus
olivae. ^) Pedunculus olivae Lenhossek. ^) Olivenkernstrang. i^MwicM^MS s. Nucleus olivae.
*) Für den Zusammenhang erklären sich Kölliker, Schroeder v. d. Kolk (a. a. 0.
p. 132), Clarke (a. a. 0. p. 243), Dean (The gray subslance of the medulla oblon-
gata and trapezium. Smithsonian contributions. 1863, p. 34. 37) undDeiters (a.a.O.
S. 266. 269). Nach Deiters ist einer der Fortsätze ein Axencylinderfortsatz.
200
Gehirn.
arciformes, die die äussere Oberfläche des Olivenkerns umsäumen, zum Tlieil
den Bogenfasern der reticulären Substanz bei. Als solcbe weichen sie bald
wieder aus einander, um verticalen Faserbündeln Raum zu geben (Fig. 130).
Zwischen den in den Plilus des Olivenkerns eintretenden horizontalen Fa-
Fie-. 129.
Querschnitt des verlängerten Marks durch die Mitte des Olivenkerns. Fpy Funiculus
pyramidalis. Fr Funic. restiformis. Np Nucleus pyramid. Noa Nucleus olivaris ac-
cessor. Nh Nucl. hypoglossi. Nv Nucleus vagi. Ngl Nucl. glossopharyngei- Po Pon-
ticulus. R Raphe. IX N. glosso})har. Z// N. hypoglossus. f Vgl. S. 207.
Sern kommen nur spärliche und schmale Reihen verticaler Fasern vor; stär-
kere verticale Faserzüge fassen ihn an der äusseren Oberfläche ein. Zu
dieser Masse weisser Substanz, die den Olivenkern rings umschliesst, kom-
men längs seinem medialen Rande noch die Wurzeln des Hypoglossus
(Fig. 130 XII').
Das Verhältniss der Hypoglossus - Wurzeln zum Olivenkern ist nicht
überall dasselbe. In der Regel ziehen die Bündel des Hypoglossus zwischen
Pyramiden- und Olivenkern hindurch; ein Verticalschnitt , senkrecht auf
Gehirn.
201
den Hilus des Olivenkerns, zeigt zwischen den Längsschnitten der Pyrami-
denfasern und den abwechselnden Längs- und Querschnitten der den Oli-
venkern umgebenden Faserzüge die lange Reihe querdurchschnittener Hy-
poglossusbündel, die sich durch ihr stärkeres Kaliber auszeichnen (Fig. 131).
Fig. 130.
iIl'Al'WV'^ I«')
ZU'
//>
Querschnitt des verlängerten Marks durch die mediale Spitze des Olivenkerns, mit den
an derselben voi-überstreichenden Fasern der Hypoglossuswurzel (Z7i ). Brönnerpräparat.
Die Zellen des Olivenkerns sind nur im oberen Theil der Figur angedeutet.
Aber wie nach der Seite des Pyramidenkerns (Fig. 127), weichen diese Bündel
auch zuweilen nach der Seite des Olivenkerns aus und durchschneiden denselben
(Fig. 12 9) und ferner begegnet man auf einzelnen Querschnitten Wurzeln desHy-
poglossus, die sich um den vorderen Rand des Olivenkerns in dessen Hilus
begeben (Fig. 132), wofür im höheren Theil des Olivenkerns andere Züge
202
Gehirn.
(Fig. 132. 133*) aus dem Hilus hervorgehen und mit den -'egelmässigen
Wurzelbündeln des Hypoglossus zum Kern desselben verlaufen i).
Fiff. 131.
Vorderer Theil eines Sagittalschnitts des verlängerten Marks in der Richtung der Linie
y, Fig. 129, durch den Pyramiden - und Oliveustrang, mit den Querschnitten der Hypo-
glossuswurzeln. Brönnerpräparat. I^py Pyramidenstrang. No Olivenkern.
Olivenkern. Nahe hinter dem Olivenkern und getrennt von demselben durch eine
Schichte reticulärer Substanz liegt eine Platte von gleicher Structur, nicht viel
geringerer Mächtigkeit, aber minder complicirter Form, der Olivenneben-
ker n, Nudeus oUvaris «ccessom«s Still ing (Fig. 129)2). Sie ist frontal gestellt,
eben oder leicht vorwärts oder auch Sförmig gekrümmt ; mit dem medialen Rande
reicht sie in der Regel bis zu den Hypoglossuswurzeln, ist aber auch mitunter wei-
ter medianwärts gerückt und wird dann von den Hypoglossuswurzeln durchzo-
gen; ihr lateraler Rand liegt ungefähr in gerader Linie hinter der Furche,
die den Pyramiden - und Olivenstrang trennt ; selten erstreckt er sich bis in
die Nähe der Oberfläche. Ihre Höhe ist geringer, als die des Olivenkerns,
so dass sie auf successiven Querschnitten des verlängerten Marks später er-
scheint und viel früher verschwindet. Dabei zerfällt sie mitunter in zwei
oder drei, zum Theil rundliche Kerne, was auf Unebenheiten oder Vor-
^) Dean (a. a. 0. p. 35) bezv^eifelt die Existenz solcher in den Hilus des Oliven-
kerns eintretenden und aus demselben austretenden Bündel und erklärt dieselben für wellen-
förmig verlaufende "Wurzelbündel des Hypoglossus , deren gegen den Hilus gerichtete schlingen-
förmige Biegung durch den Schnitt abgetrennt sei. 2) Aeussere Nebenolive Lenhossek.
Gehirn.
203
Sprünge der betreffenden Ränder schliessen lässt. Gleicli dem Olivenkern
unterbricht sie die verticalen Faserzüge der reticulären Substanz, wird aber
Fig. 132.
Horizontalschnitt des verlängerten Marks durch eine
Hypoglossuswurzel. XII N. hypoglossus. Fj)y Py-
ramidenstrang. Np Pyramidenkern.
Fig. 133.
von den horizontalen Fasern
durchzogen, die, soweit sie in
dem Kern enthalten sind, in
der Regel eine geringe Ab-
lenkung ihres bogenförmigen
Verlaufs erleiden und sich
mehr der sagittalen Richtung
nähern (Fig. 133).
Neben dem Oliven - und
Olivennebenkern erhält sich
noch eine Strecke weit, zu-
weilen in zwei seitliche Hälf-
ten getheilt, die sagittale
Platte des Pyramidenkerns
(Fig. 129. 132 Np)\ die fron-
tale endet meistens schon der
unteren Spitze des Oliven-
kerns gegenüber.
Die Yeränderungen , die
zugleich mit dem Auftreten
der Olivenkerne der Faser-
Noa
Horizontalschnitt des verlängerten Marks. Hintere Spitze des Olivenkerns {No) und
Olivennebenkern (^Noa). * Aus dem Hilus der Olive hervortretende Fasern, vgl.
Fig. 132. Kalipräparat, auf dunklem Grunde.
204
Geliirn.
Eröffnung
des Central-
canals.
verlauf und die Lage der grauen Kerne in der hinteren Abttiei-
lung des verlängerten Marks erfährt, stehen in Zusammenhang mit der
Eröffnung des Centralcanals und dem Auseinanderweichen der Hinter-
stränge.
Der Centralcanal öffnet sich zwischen den vorderen Enden beider Ciavae
oder dicht vor denselben auf dem Boden des vierten Ventrikels. Im ersten
Falle erfolgt seine Eröffnung dadurch, dass die Brücke , die ihn vom Grunde
der hinteren Medianfissur scheidet, sich allmälig verdünnt und endlich
schwindet. Doch geht dieser Process nicht überall auf gleiche Weise vor
sich. Man kann sagen, dass in dem Einen Falle die hintere Medianfurche
dem Centralcanal, im anderen der Centralcanal der hinteren Medianfurche
entgegenkommt. Das Eine Mal hat der sagittale Durchmesser des Central-
canals nur wenig zugenommen, bevor er in die mehr und mehr vertiefte
Medianfurche durchbricht (Fig. 134) und es giebt Fälle, wo der Central-
canal bis fast unmittel-
=■ ' ■ bar vor der Eröffnung
obliterirt ist, ja wo der
Grund der Medianfissur
auf den obliterirten Ca-
nal trifft. Andere Male
bleibt die Medianfurche
seicht, wird sogar auf-
wärts seichter , indess
der Centralcanal sich
gegen die hintere Ober-
fläche verlängert (Fig.
124). Die dünne Schei-
dewand, die zuletzt
durchbrochen werden
muss, um die Furche
mit dem Canal zu ver-
einigen, besteht aus Ner-
venfasern, welche, einan-
der spitzwinklig durch-
kreuzend , die beiden
Seitenhälften des ver-
längerten Marks verbin-
den. Anders verhält
sich die Decke des Endes
des Centralcanals, wenn
er vor den Ciavae in der Medianfurche des Bodens des vierten Ven-
trikels ausmündet. Ein Querschnitt durch den Boden des vierten Ven-
trikels vor den Ciavae zeigt alsdann noch den Durchschnitt des Central-
canals zwischen den beiden Hypoglossuskernen (Fig. 135); es ist die graue,
die beiden Accessoriuskerne verbindende Substanz, welche der Centralcanal
durchbricht, und diese breitet sich von der Furche her als dünne Rinden-
schichte nach beiden Seiten über die am Boden des Ventrikels befindlichen
Gebilde aus. Was man als Obex beschreibt, der zwischen den Ciavae sicht-
Querschnitt des verlängerten Marks an der Stelle , wo der
Centralcanal sich in die hintere Medianfurche öffnet. R Ra-
phe. Fr Strickförmiger Strang. Nh Hypoglossuskern.
- Nna Accessoriuskern. f Längsbündel. Vgl. S. 207.
Gehirn.
205
Fiff. 135.
Nna
Querschnitt durch den Boden des vierten Ventrikels
mit geschlossenem Centralcanal (Cc). Nh, Nna Yij-
poglossus- und Accessoriuskern. R Raphe. "j" Längs-
bündel vgl. S. 207.
Fiof. 136.
Oberer Theil des Querschnitts des verlängerten Marks
durch den Hypoglossuskern (Nh). Ä Raphe. XII' Hy-
poglossus Wurzel.
Rand der hinteren
Wand des Centralcanals, hat
demnach ebenfalls verschie-
dene Structur, besteht aus
weisser oder grauer Sub-
stanz. Zudem legt sich zu-
weilen über den eben geöff-
neten Canal eine schmale
Brücke der Gefässhaut, ähn-
lich der Taenia plexus choroi-
dei, in welche Nervenfasern
einstrahlen.
Die tiefe und enge Bucht,
welche durch die Vereinigung
der hinteren Medianfissur
mit dem Centralcanal ent-
standen ist (Fig. 134), ver-
flacht und erweitert sich mehr
oder minder rasch ; die graue
Masse des Accessoriuskerns,
die den Hypoglossuskern bis
dahin bedeckte, weicht nach
der Seite aus (vgl. Fig. 134
und 135) und erscheint als
Basis der Ala cinerea am
Boden des vierten Ventrikels,
während der Hypoglossus-
kern sich dicht unter der
Oberfläche neben der Median-
furche gerade vorwärts er-
streckt. Er hat an der hin-
teren Spitze des Sinus rhom-
boideus eine cylindriscbe, im
Querschnitt rundliche , je-
doch nicht scharf begrenzte
Gestalt und einen Durchmes-
ser von 1,5 Mm. Von da an
verjüngt er sich allmälig,
plattet sich an der unteren
Fläche ab und endet mit ab-
gerundetem Bande in der
Gegend der vorderen Spitze
der Ala cinerea, der Austritts-
stelle der obersten Hypoglos-
suswurzeln ungefähr gegen-
über. Ein im Querschnitte
kreisförmiges Häufchen klei-
nerer multipolarer Zellen
206
Gehirn.
(Fig. 136 Nh') findet sicli zuweilen an der oberen oder unteren Fläche des
Hypoglossuskerns. Oft ist derselbe, namentlicb am oberen Rande, dunkel
gesäumt in Folge einer dichteren Anhäufung der den Kern der Länge nach
durchziehenden feinen Fasern. Am vorderen Ende wird er beständig von
den Fasern der Raphe dergestalt umfasst, dass die die Median ebene kreu-
zenden Faserzüge derselben hinter ihm, die der Medianebene parallelen vor
ihm vorüberziehen (Fig. 137). An manchen Stellen scheinen die Hypoglos-
suskerne beider Seiten durch quere, die Raphe durchsetzende Fasern mit
einander verbunden.
In dem Maasse, wie der Hypoglossuskern sich verjüngt, nähern die
zu beiden Seiten der Raphe gelegenen, noch immer durch ihre Dunkelheit
bei auffallendem Lichte ausgezeichneten hinteren, jetzt oberen Spitzen der
Vorderstrangsreste sich der Oberfläche und unmittelbar vor dem Ende der
Hypöglossuskerne sind sie nur von einer dünnen Schichte gelatinöser Sub-
stanz bedeckt , welche stellenweise von transversalen Fasern , den Ausstrah-
lungen der Rajphe, durchzogen wird.
^'§'- ^^^- Kölliker,Clarke(pliil.
transact. 1858, p. 253),
Dean (p. 15) und Ger-
lach (Ztschr. für rat. Med.
3.E. XXXIV, 1) beschrei-
ben eine mehr oder min-
der yollständige Kreuzung
der Hypogiossuswurzelu
beider Seiten, welche die
Fasern zum Theil nach
ihrem Durchtritt durch
den Kern des Hypoglos-
sus, zum Theil aber auch
schon vor ihrem Eintritt
in denselben ausführen
sollen. Ob Fasern der
"Wurzeln ohne Berührung
n>it Nervenzellen den Kern
durchsetzen, um an dessen
medialem Eande wieder
hervorzudringen, ist we-
gen ihres ausserordenthch
verwirrten Verlaufs kaum
zu entscheiden. In Be-
treff der Fasern aber, wel-
Oberes Ende der Rai^lie. Verhältniss der Fasern derselben che unterhalb des Kerns,
zum Hypoglossuskern (A'A). Bi'önnerpräparat. gegß^i cliß Mittellinie ab-
lenken sollen, um in der
ßaphe denen der anderen Seite zu begegnen, glaube ich mich zu einem Wider-
spruch gegen die genannten Angaben berechtigt. Die klaren, allerdings leider nur
flüchtigen Bilder, welche man durch Aufhellen der Querschnitte mit Brönnerschem
Fleckwasser erhält, zeigen bei- hinreichender Vergrösserung, wie sich am medialen
Rande des Hypoglossuskerns die starken geschlängelten Axencylinder der Nerven-
wurzeln mit den feineren, gestreckten Axencylindern der transversalen Fasern
kreuzen , die von den Seitentheilen des verlängerten Marks durch den Accessorius-
oder Vaguskern um den hinteren Band des Hypoglossuskerns und selbst durch
den letzteren in die Raphe einstrahlen. Dass sich dabei, wie in Gerlach' s Ab-
bildung, Bündel der Hypoglossusfasern den transversalen Raphefaseru beigesellten.
X-A
Gehirn. 207
habe ich uie bemerkt , höchstens bogen die mecTialsten Axencylinder des Hypo-
glossus in einer Eichtung ab, dass sie gegen den Kern der entgegengesetzten Seite
aufzusteigen scheinen. Clarke (Phil, transact. 1869, p. 279) besclireibt als trans-
versale oder bogenförmige Fasern Fortsätze , welche die Zellen des Hypoglossus-
kerns in den Accessoriuskern und umgekehrt die Zellen des Accessoriuskerns in
den Vaguskern senden.
An der lateralen Seite des Hypoglossnskerns liegt die Ala cinerea, eine Vaguskern.
Fortsetzung des Accessoriuskerns , welche ebenso, wie der Hypoglossuskern,
durck die Divergenz der Hinterstränge blossgelegt wird. Von den beiden
Abtheilungen , in welche die Ala cinerea zuweilen zerfällt (S. 180), ist die
hintere (Fig. 1 1 3 ^4 c') ein oberflächlicher Wulst von röthlich grauem, gal-
lertartigem Ansehen, auf Querschnitten durch seinen Grefässreichthum aus-
gezeichnet. An ihrer unteren Fläche nimmt die Ala cinerea, wie sie selbst
aus dem Accessoriuskern ohne Abgrenzung hervorgeht, die Wurzeln des
N. vagus auf, die in Einer Flucht mit den Wurzeln des N. accessorius in
das verlängerte Mark eindringen, und erhält dadurch die Bedeutung eines
Vaguskerns (Fig. 129 Nv).
Die Beziehung der Wurzeln zu dem Kern ist beim N. accessorius und
vagus nicht so augenfällig , als beim Hypoglossus , weil einerseits die Ner-
venfasern und Bündel feiner sind und selten grössere Strecken weit in Einer
Ebene verlaufen, andererseits auch die Nervenzellen kleiner, spärlicher und
mit feineren Ausläufern versehen sind. Abgesehen von dieser unwesent-
lichen Verschiedenheit ist das Verhältniss der Wurzeln zum Kern und des-
sen Zellen beim Vagus dasselbe, wie beim Hypoglossus; der Kern des Va-
gus ist ebenso von einem Gewirr von Nervenfasern durchzogen, die sich
vereinzelt in die den Kern deckende gelatinöse Substanz erstrecken. Häufig
sind die Zellen des Vaguskerns von braunem Pigment erfüllt.
Im hinteren Theil des Sinus rhomboideus hat der Vaguskern eine eini-
germaassen vierseitige Gestalt. Die mediale Fläche grenzt an den Hypo-
glossuskern, die laterale an die reticuläre Substanz des Hinterstrangs; die
obere Fläche ist convex, die untere tief ausgehöhlt durch ein starkes, cylin-
. drisches Bündel longitudinaler Fasern (Fig. 129. 134. 135. 138f)^), welches
minder merklich schon in den Accessoriuskern vorspringt und sich an der
oberen Grenze des Vaguskerns wieder verliert. Dean betrachtet es als eine
Fortsetzung der Processus reticulares des Rückenmarks. Im Vaguskern ist
es deshalb so auffallend und an aufgehellten Präparaten schon mit freiem
Auge sichtbar, weil es ringsum von grauer Substanz umgeben ist. Um
die Vorderfläche desselben sieht man fast auf jedem Querschnitt ein Bündel
der bogenförmigen Fasern sich herumschlagen, welche aus den Hintersträn-
gen zur Raphe ziehen (Fig. 138); solche Bündel durchsetzen auch noch
weiter oben, d. h. näher der Oberfläche des Sinus rhomboid. den Vagus-
kern selbst.
Sie haben gleich den, den Hypoglossuskern durchsetzenden bogenförmigen Fa-
sern zu der irrigen Annahme einer Kreuzung der beiderseitigen Wurzeln des N.
vagus in der Eaphe Anlass gegeben (Clark-e^ phil. transact. 1858, p. 253).
^) Runde Bündelforniation Stillin 2.
208
Gehirn.
Nach vorn verjüngt sicli der
aus der Form der Ala
Untere-
Seiteu-
sti'änge.
Oberer Acu-
sticuskern.
FiV. 138.
Oberer Theil des Querschnilts des verlängerten
Marks durch die Spitze der Ala cinerea. J? Raphe.
jVÄ Hypoglossuskern. jVt' Vaguskern. A'«.s Obe-
rer Acusticuskern. IX' Vaguswurzel. XII' Hy-
poglossuswurzel. "f Längsbündel.
Vaguskern, jedoch nicht so rasch , wie
cinerea zu schliessen geneigt sein würde.
Vielmehr bezeichnet die Spitze der
Ala cinerea nur die Stelle, wo er
sich in die Tiefe senkt, um sich
dann ebenso unm.erklich, wie er aus
dem Accessoriuskern hervorgegan-
gen ist, in den Glossopharyngeus-
kern fortzusetzen, während über
ihm die allerdings nur relativ
weissen Massen der Alae albae
von beiden Seiten zusammentreten
(Fig. 138).
In den unteren und seitlichen
Strängen des verlängerten Marks
sind mit der Eröffnung des Cen-
tralcanals ebenfalls Veränderungen
eingetreten (vgl. Fig. 12 9). Der Pyra-
midenstrang hat sich verschmälert,
aber die aus den Vorderstrangsresten
hervorgegangenen schmalen , im
Querschnitt zungenformigen Fort-
sätze desselben sind länger geworden und reichen längs der Raphe fast bis
an die Oberfläche des Sinus rhomboideus. Sie sind durch die Wurzelbündel
des Hypoglossus abgegrenzt gegen die reticuläre Substanz, welche ziemlich
gleichförmig den Raum zwischen dem Olivenkern einerseits und dem Hypo-
glossus - und Vaguskern andererseits erfüllt. In den strickförmigen Kör-
pern verwischen sich äusserlich wie im Inneren die Grenzen der Unterab-
theilungen und auf dem Querschnitt zeigen sich bei auffallendem Lichte
dunklere und hellere Durchschnitte longitudinaler Bündel, zwischen denen
die horizontalen Bogenfasern hervordringen. Als Rest der grauen und na-
mentlich der gelatinösen Substanz des Kopfes der Hintersäule lassen sich
zwei helle Massen deuten, die Eine an der Eintrittsstelle der Vaguswur-
zeln, die andere in der Umgebung des longitudinalen Strangs, der in die
hintere Fläche des Vaguskerns vorspringt. Uebrigens sind zahlreiche
grössere und kleinere Nervenzellen durch alle Theile des strickförmigen
Körpers zerstreut.
Die Gürtelschichte hat an Mächtigkeit verloren, verstärkt sich aber
wieder in der Gegend des Ponticulus, in dessen feine transversale Faserung
sie sich fortsetzt (Fig. 129).
Das dreieckige, im Vergleich zur Ala cinerea weisse Feld, welches an
der lateralen Seite der letzteren liegt, mit der Spitze nach hinten gerichtet,
nach vorn allmälig an Breite zunehmend, erweist sich auf Durchschnitten
als die obere Fläche einer Masse von der Mächtigkeit und dem Ansehen
des Hypoglossuskerns, die ebenfalls mit sternförmigen Nervenzellen reich-
lich durchsäet ist , von welchen aber nur eine geringe Zahl den Dimensio-
nen der sternförmigen Zellen des Hyj)Oglossuskerns nahe kommt. Nach
Gehirn. 209
ihren Beziehungen zii den Wurzelfasern des N. acusticus darf sie als Kern
dieses Nerven bezeichnet werden ^). Durch die gelatinöse Decke derselben
ziehen transversale Faserbündel und weiter vorn ragen über die Oberfläche
die Striae medulläres hervor, die schon das unbewaffnete Auge als Wurzeln
des N. acusticus erkennt (Fig. 139).
Doch ist dieser Weg um den Pedunculus cerebelli nicht der einzige, axif
welchem Wurzelfasern des N. acusticus zu jenem Kern gelangen, und jener
Kern nicht das einzige centrale Ziel der Acusticusfasern. Der N. acusticus ist
bei seinem Axistritt aus dem Centralorgan mehr oder minder deutlich in zwei
Stränge von ungefähr gleicher Stärke geschieden, einen hinteren zugleich
medialen, und einen vorderen, lateralen, die sich im weiteren Verlauf unter
spitzem Winkel dergestalt vereinigen, dass der hintere Strang sich dem la-
teralen Rande des Stammes nähert. Der hinterere Strang (Fig. 139 VIII')
setzt sich aus den Striae medulläres und aus Bündeln zusammen, welche
Fig. 139.
Nas
\
Oberer Theil eines Querschnitts des verlängerten Marks durch die hintere Wurzel des
N. acust. {VIIJ'). Nal Unterer Acusticuskern. Nh Vordere Spitze des Hypoglossus-
kerns. Pc Pedunc. cerebelli. * Gano-lion des Acusticus.
von dem Kern am Boden des vierten Ventrikels, den ich oberen Acusticus-
kern , JSTucleus Clcust. Sup., nennen werde , das verlängerte Mark ab - und
lateralwärts durchziehen , zwischen der compacten Masse des Pedunculus
1) CJarke (Phil, transact. 1869, p. 120) nennt sie den inneren Kern des Acusticus;
mit dem Namen eines äusseren Acusticuskerns belegt er den unmittelbar lateralwärts an-
stossenden Theil des strickförmigen Strangs.
Heule, Anatomie. Bd. III. Abthl. 2. 14
210
Gehirn.
Unterer
Acusticus-
kern.
Lateraler
Acustious-
kern.
cerebelli, aus welcher sie Fasern aufnehmen, und der reticulären Substanz ^).
Am unteren Rande des verlängerten Marks medianwärts neben der dasselbe
umkreisenden Wurzel und weiter vorn in dem Vereinigungswinkel zwischen
dieser Wurzel und der das verlängerte Mark durchsetzenden Wurzel, findet
sich ein zweiter, mehr gelatinöser, zellenreicher Kern, der untere Acusti-
cuskern, JVucl.Clcust. inf. (Fig. 139), in gleicher Höhe mit einer gangliösen
Anschwellung des Nervenstanimes (*), die von einer Einlagerung spindel-
förmiger Nervenzellen herrührt.
Der vordere der beiden, den Stamm des N. acust. zusammensetzenden
Stränge lässt sich auf Querschnitten zuweilen mit freiem Auge eine Strecke
weit in das Crus cerebelli ad pontem gerade aufsteigend verfolgen; als-
dann scheinen sich die Fasern so nach zwei Seiten clivergirend zu verthei-
len, dass die Einen den Boden des vierten Ventrikels in der Gegend der
Fovea anter. erreichen, die anderen dem Markkern des Kleinhirns zustre-
ben. Die mit Brönner'scher Flüssigkeit aufgehellten Schnitte zeigen schon
in der Mitte der Höhe ein solches Gewirr von Fasern, dass an eine Sonde-
rung der einzelnen Bündel nicht zu denken und deshalb auch nicht zu ent-
scheiden ist, ob im weiteren Verlauf die Acusticusfasern sich gegen den
Wurm oder die peripherischen Theile des Kleinhirns wenden.
Ein Theil derselben biegt schon frü-
her, bald nach dem Eintritt in das Crus
cerebelli ad pontem, in einen grauen
Kern, den lateralen Kern, Nucleiisdcust.
lateralis, ab , der scharf abgegrenzt , auf
dem Querschnitt elliptisch, 5 Mm. hoch
und IY2 Mm. breit, an der lateralen
Seite der Nerven wurzel liegt (Fig. 140),
dicht erfüllt von kleinen , rundlichen,
sternförmigen Zellen (von 0,18 Mm.
Durchm.).
Fig. 140.
Nal
Ym
Querschnitt des verlängerten Marks durch
die vordere Wurzel des N. acust. ( VIII~).
Fo Olivenstrang. Fpy Pyramidenstrang.
P Brücke.
Den Striae medulläres ungefähr ge-
genüber liegt an der unteren Fläche des
Centralorgans derhintereRand der Brücke.
Mit diesem beginnt ein neuer Abschnitt
Brücken- des verlängerten Marks. In den ausserhalb der Brücke gelegenen- Theil
le?iän^gerten desselben sahen wir die vier letzten Hirnnerven eintreten und verfolgten
Marks. -^j^^ Wurzclu bis in die graue Substanz am Boden des vierten Ventrikels.
Dass sie sich von hier aus, direct oder durch Vermittelung der Nervenzellen,
weiter vorwärts zu den Hirnschenkeln erstrecken, ist ebenso wahrschein-
lich, aber ebensowenig anatomisch nachweisbar, wie bei den Wurzeln der
Rückenmarksnerven. Unter einer dünnen gelatinösen Decke findet sich am
Boden des vierten Ventrikels vor dem Hypoglossus- und Vaguskern eine
etwa 0,5 Mm. mächtige, fein längsstreifige und der Länge nach spaltbare
Schichte. Aber nichts berechtigt zu der Annahme, dass die kaum isolirbaren
Fasern dieser Schichte mit Nervenzellenfortsätzen oder gar mit den Fasern
^) Unteres Fascikel der inneren oder vorderen Abtheilung der centralen Bahn des N.
acusticus Stilling (S. 29).
Gehirn.
211
der Nervenwurzeln zusammenliängen. Und die Zahl der vereinzelt in
dieser Schichte vorkommenden deutlichen Nervenfasern steht in einem zu
grellen Missverhcältniss zur Zahl der Wurzelfaseru jener Nerven, als dass
man die Einen als Fortsetzungen der anderen auffassen dürfte. Eher könn-
ten diese Fortsetzungen in den longitudinalen Bündeln der Substantia reti-
cularis enthalten sein, wären aber hier von den Fasern, die diese Substanz
aus tieferen Regionen mitbringt, nicht zu unterscheiden.
Der mit der Brücke verbundene Theil des verlängerten Marks enthält
an Fasern : 1) die Fortsetzungen der bis dahin aufgestiegenen longitudina-
len Bündel, zunächst der Pyramiden und der reticulären Substanz, mit Hin-
zutritt der die vier letzten Hirnnerven irgendwie repräsentirenden Fasern;
2) bogenförmige Bündel, deren Verstärkung den wulstförmigen Vorsprung
der Brücke bedingt. Dazu kommen 3) die Wurzelfasern der am hinteren
Rand und ^us der Mitte der Brücke entspringenden Nerven , des Facialis,
Abducens iind Trigeminus.
Das Verhältniss der longitudinalen oder sagittalen Fasern zu den que-
Fm. 141.
vin
-R
Ccq,
Vma
py i'pi
Successiv-e Querschnitte des verlängerten Marks mit der Brücke von einem in Miiller'-
scher Flüssigkeit aufbewahrten Gehirn ; die Querschnitte der Nervenfasern durch dunkle
Farbe ausgezeichnet. A Querschnitt dicht hinter der Brücke durch die Wurzel des
N. acust. B Durch den hinteren Rand der Brücke. C Hinter der grössten Breite des
Sinus rhomboid. D Vor derselben. 7? Durch die Wurzel des N. trigeminus. Fijy Py-
ramidenstrang. No Vordere Spitze des Olivenkerns. R Eaphe. Po Pedunc. cerebelli.
/>(, Fps Unterer und oberer Brückenfaserstrang. Crq Crus cereb. ad corp. quadr.
Vma Vel. med. ant. F N. trigeminus. TV// N. acust. T/' Wurzel des N. abdu-
cens. VII' Wurzel des N. facialis.
ren oder bogenförmigen, in frontalen Ebenen verlaufenden ändert sich vom
hinteren gegen den vorderen Rand der Brücke in der Art, dass die com-
14*
212
Gehirn.
Fig. 142.
pact eintretenden Massen der sagittalen durch bogenförmige Faserzüge
mehr und mehr zerklüftet werden (Fig. 141). Der Querschnitt des verlän-
gerten Marks unmittelbar hinter der Brücke zeigt zwei solche longitudi-
nale Fasermassen. Die Eine, der Pyramidenstrang (Fpy), ist auf dem
Querschnitt halbkreisförmig , mit geradem oberen , convexem unteren Rand ;
bezüglich seiner Zusammensetzung aus starken und feinen Fasern und der
Durchflechtung seiner Bündel ist der Beschreibung, die ich früher gegeben
habe, nichts weiter hinzuzufügen, als dass die in der Ebene des Quer-
schnitts verlaufenden Fasern meistens eine verticale Richtung haben und in
starken Bündeln an der medialen Seite des Pyramidenstrangs (Fig. 146 *),
in schwächeren aus dem oberen Rande desselben aufwärts ausstrahlen ; sie
lassen sich zum Theil durch die reticuläre Substanz bis in die graue Schichte
am Boden des vierten Ventrikels verfolgen.
Die andere longitudinale Fasermasse, die dem strickförmigen Körper
oder dem Pedunculus cerebelli entspricht, bildet die seitliche Ausladung
des Querschnitts dicht unter dem Boden des Ventrikels, vom unteren Rande
des verlängerten Marks durch eine dünne Schichte reticulärer und grauer
Substanz getrennt, an ihrer oberen und Seitenfläche von der oberflächlichen
Wurzel des N. acusticus umgeben. Sie ist im Querschnitt plump sichelför-
mig, mit medianwärts gerich-
teter Concavität, nach unten
gewandter Spitze. Der Durch-
schnitt der tiefen Acusticus-
wurzel theilt sie in zwei un-
gleiche Hälften, von denen
die laterale grösser und com-
pacter ist. Der mediale Theil
besteht aus Bündeln feiner
Fasern, deren Zwischenräume
von feinen , in der Ebene des
Durchschnitts verlaufenden
Fasern durchzogen werden ;
der laterale Theil, der eigent-
liche J^edunculus Cerebelli
(Fig. 141), enthält abwech-
selnd sagittale und schräg
seitwärts verlaufende Fasern
von verschiedenem xmd zum
Theil starkem Kaliber, beide
in einander spitzwinklig
kreuzenden Bündeln (Fig.
142), die den Durchschnitten
ein sehr eigenthümliches An-
sehen verleihen, das sich in
der Zeichnung nicht wieder-
geben lässt. Indem nämlich
der Schnitt, so fein er sein
immer eine gewisse Mächtigkeit besitzt und von den quer getroffe-
Frontalschnitt des Pedunculus cerebelli.
präparat.
Erönner-
mag,
Gehirn. 213
nen Fasern kurze cylindrisclae Stücke enthält, die bei der spitzwinklig ge-
kreuzten Kicktung der Fasern nach der Einen oder anderen Seite aufstei-
gen, so hat die Verschiebung des Focus ein scheinbares Hin- und Her-
schwanken der Faserdurchschnitte zur Folge, als ob sie sämmtlich in Bewe-
gung geriethen, um sich an einander vorbei zu schieben.
Den Raum zwischen den beiden genannten Strängen füllt reticuläre
Substanz ; diese ist immer noch längs der Raphe dichter, als in den anderen •'
Regionen, und oberhalb des Pyramidenstrangs durch die Spitze des Oliven-
kerns unterbrochen (Fig. 141 Ä) , der, nachdem der Vorsprung der Olive
an der äusseren Fläche des verlängerten Marks verschwunden, sich in die
Tiefe zurückgezogen hat und häufig noch auf einer Seite oder auf beiden
in den Brückentheil vorragt.
Ausserdem und abgesehen von den durch die Substantia reticularis b. Graue
zerstreuten Nervenzellen zeigt der Querschnitt an grauer Substanz : den ^ ^ ^°^'
oberen Kern des Acusticus und die hintere Spitze des Kerns des Facialis
am oberen Rand, den unteren Kern des Acusticus am unteren Rand, ferner
eine veränderliche Schichte gelatinöser Substanz mit sternförmigen Zellen
mittlerer Grösse, welche den Raum zwischen den Fasern der Gürtelschichte
und der meist unebenen unteren Fläche der Pyramidenstränge ausfüllt,
endlich über dem medialen Theil des strickförmigen Strangs eine Spur der
gelatinösen Masse, die die Wurzeln des N. glossopharyngeus durchsetzten.
Dass die eigenen Fasern der Brücke quer von Einem Brückenschenkel Bmckenfa-
zum anderen verlaufen, lehrt schon die oberflächlichste Betrachtung dersel-
ben. Häufig breiten sie sich ganz gleichmässig divergirend über das ver-
längerte Mark aus ; zuweilen scheidet sie die Wurzel des N. trigeminus in
zwei Abtheilungen ^), von welchen die vordere mit rückwärts convexem
oder die hintere mit vorwärts convexem Rande den Rand der anderen deckt.
Hierzu kommt eine mehr oder weniger über das Niveau der queren Fasern
hervorragende Faserlage , welche sich um den hinteren Rand des Brücken-
schenkels herumschlägt, an der medialen Seite des N. trigeminus me-
dianwärts ausstrahlt und zwischen der hinteren und vorderen Abtheilung
sich in die Tiefe senkt (Fig. 111) ^). An Querschnitten durch den hinteren
jp- , , .9 Rand der Brücke erscheinen die eigenen
Fasern derselben als einfache, die Pyra-
midenstränge von unten her umhüllende
Schleife, anfangs in der Mittellinie und
seitlich unterbrochen wegen der Einbie-
gungen, die der hintere Rand der Brücke
unter der Medianfissur und den Oliven-
strängen erleidet (Fig. 141 B). Die
schroffe Scheidung dieser queren und
der longitudinalen Fasern des Pyrami-
denstrangs giebt sich schon dem freien
„ .. , , , , ,.. , ,, , Auge, besonders deutlich an Präparaten,
Bruckentheils des verlängerten Marks, von ^. . ^^ -,-, , -, -m • i -^ i ■■ j_ ±
dessen rechter Hälfte ein Stück durch einen die m MüUer'scher Flüssigkeit gehartet
Sagittalschnitt abgetrennt ist , von der
Kante gesehen. Aus Müller'scher Flüs- . -, . -r,
. ", ., „ -r, -u T7 ^T j. • ) Bande superieure und B. infeneure Ko-
sigkeit. R Kaphe. V N. trigem. on r, ,
lande. '^) Bande moyenne Rolando.
Hinterer Theil eines Frontalschnitts des
214
Gehirn.
Fpy
rß;)/m
1 rt
k^^^^rf^-^*
'S l:?
o ^
M ^
Fpi
worden, durch den Farben-
unterschied zu erkennen : die
im Querschnitt getroffenen
Fasermassen sind dunkel im
Vergleich zu den hellen
Längsschnitten der Fasei-bün-
del, und wenn man ein durch
einen frontalen und einen sa-
gittalen Schnitt getrenntes
Segment der Brücke von der
Kante betrachtet, so sieht
man die hellen Streifen der
EinenFläche sich um dieEcke
in dunkle der anderen fort-
setzen (Fig. 143). Geringere
Farbenunterschiede kommen
aber streifenweise innerhalb
der Schichte der Brückenfa-
sern vor. Sie rühren zum Theil
davon her, dass einzelne Bün-
del des Pyramidenstranges
sich sogleich beim Eintritt
in die Brücke von der Haupt-
masse ablösen und zwischen
die Brückenfasern eindrän-
gen, anderentheils sind sie
in einer Eigenthümlichkeit
der Brüekenfasern begründet,
welche diese vor den longi-
tudinalen Faserbündeln und
vor den transversalen Bündeln
der reticulären Substanz aus-
zeichnet. Die eigenen Fa-
sern der Brücke sind näm-
lich beträchtlich feiner, als
alle übrigen , die Brücke zu-
sammensetzenden Nervenfa-
sern, und, wie man an Quer-
schnitten dieserFaseru oder an
Sagittalschnitten der Brücke
sieht, in cylindrische Bündel
von sehr verschiedener Stärke
geordnet, welche durch Zwi-
schenräume von verschiede-
ner Grösse getrennt sind
(Fig. 144). An der Oberfläche
der Brücke liegen starke Bün-
del eng aneinander gedrängt ;
Grehirn.
215
weiter nach innen weichen die Bündel auseinander, so dass die Zwischen-
siibstanz stellenweise das Uebergewicht erhält. Diese besteht aus grauer,
d. h. feinkörniger , gefässreicher , an Kalipräparaten durchsichtiger Masse ;
sie ist hier und da von feinen Fasern durchzogen, deren Richtung die
Richtung der Faserbündel rechtwinklig kreuzt, und enthält überall zahlreiche
sternförmige Nervenzellen mittlerer Grösse, mitunter nach dem Lauf der
interstitiellen Fasern in die Länge gezogen und so dicht gehäuft, dass sie
an das Bild rhombischer Epithelplättchen erinnern (Fig. 145). Zwischen
den untersten Lagen der Brückenfasern treten in einzelnen Bündeln, nur
Fig. 145.
Aus einem Sagittalschnitt des Briickentheils des verlängerten Marks in der Nähe des
hinteren Bandes. , Brönnerpräparat. Oben reticuläre Substanz , unten Querschnitt der
Brückenfaserbündel mit den zwischen denselben gelegenen sternförmigen Zellen. Die
schräg vor- und aufwärts ziehenden stärkeren Axencylinder gehören den Abducenswur-
zeln an.
216 Gehirn.
mikroskopiscli wahrnehmbar, von vorn nach hinten und dann aufwärts um-
biegend die Wurzelbündel des N. ahducens hindurch; weiter seitwärts
werden die Brückenfasern aiiseinandergedrängt durch die medianaufwärts
steigenden Wurzeln der Nn. facialis und acusticus, von denen jener an
der medialen Seite des strickförmigen Strangs verläuft, dieser in densel-
ben eindringt (Fig. 141 C). Obschon auch diese Wurzeln von Querfasern
der Brücke durchsetzt werden, so bilden sie doch für das freie Auge eine
ungetrennte Masse, die durch ihre weisse Farbe gegen die Umgebung
absticht.
Weiter im Inneren der Brücke werden die Pyramidenstränge von durch-
ziehenden Brückenfaserbündeln mit den ihnen eigenen Nerveuzellen zer-
klüftet und zugleich drängt sich ein ansehnlicher, im Querschnitt, d. h. im
Sagittalschnitt der Brücke elliptischer Strang von Brückenfasern zwischen
den Pyramidenstrang und die reticuläre Substanz ein. In diesem, dem
oberen Brückenfaserstrang (i^ps Fig. 141 C, i)Fig. 144) i) wächst die graue
Zwischensubstanz zu mächtigeren Dimensionen an , als in dem unteren : sie
kann in Schichten von 0,5 Mm. mit Querfaserschichten von gleicher Stärke
alterniren und im Frontalschnitt der Brücke einen ähnlichen Wechsel heller
und dunkler Streifen zeigen, wie der Pyramidenstrang durch Einlage-
rung der Brückenfasern. Doch bedarf man des Mikroskops nicht, um zu
erfahren, ob die Streifung durch Abwechselung von Längs- und Querschnit-
ten der Nervenfasern oder weisser und grauer Substanz erzeugt werde.
Den dunkeln Flecken und Streifen entsprechend, welche von Faserquerschnit-
ten herrühren, zeigt ein rechtwinklig zu dem ersten geführter Durchschnitt
weisse Flecken und Streifen; die graue Substanz ist in jedem Durchschnitt
dunkel (vgl. den Durchschnitt des oberen Brückenstrangs Fig. 143). Ue-
brigens sind die Anhäufungen der grauen Substanz im oberen Brücken-
strang stellenweise von sagittalen und verticalen Bündeln stärkerer Nerven-
fasern (Nervenwurzeln) durchzogen. Die graue Substanz füllt auch jeder-
seits den etwa 2 Mm. breiten Raum zwischen Pyramidenstrang und Raphe,
soweit derselbe nicht durch abirrende Pyramidenbündel und durch die um
den oberen und unteren Rand der Pyramiden sich herumschlagenden trans-
versalen Fasern eingenommen wird.
Die Raphe selbst hat im unteren Theil den Charakter der Brücken-
fasern , quere , gekreuzte und besonders in der Nähe des unteren Randes
verticale feine Fasern mit eingestreuten Nervenzellen.
Die Grenze des oberen Brückenstrangs gegen die reticuläre Substanz
markirt sich auf Querschnitten deutlich genug durch die plötzlich zuneh-
mende Stärke der Querfasern und durch die in den Maschen zwischen den
Querfasern auftretenden Querschnitte sagittaler Nervenfaserbündel (Fig. 144.
145), sie wird nur dadurch einigermaassen verwischt, dass die für die
Brückensubstanz charakteristischen sternförmigen Zellen sich noch eine
kurze Strecke weit, sowohl auf- als abwärts in benachbarte Schichten ver-
breiten.
In der Gegend des Austritts des Trigeminus ist der Pyramidenstrang
in mehrere Schichten zerlegt und in die Breite gezogelFi. Im Frontal-
') StriUvrii ßbramm, transversaliwn in'of. Arnolil.
Gehirn.
217
schnitt scheint er an Masse zugenommen zu haben (Fig. 141 E)] doch
ist dies eben nur Schein; ein wesentlicher Antheil an den dunklen Streifen
des Frontalschnitts kommt der grauen Substanz der Brücke zu, welche sich
zwischen die Querfaserbündel der Brücke und die sagittalen Pyramiden-
bündel einschiebt und von den letzteren mit freiem Auge nicht unter-
scheidbar ist. Ein Blick auf den Sagittalschnitt zeigt das wahre Verhältniss.
In der Nähe des vorderen Randes der Brücke ist auf dem Querschnitt
der Unterschied zwischen den drei Abtheilungen derselben, den beiden
Brückensträngen und dem Pyramidenstrang fast vollständig verwischt.
Dunkle und helle Schichten wechseln in der ganzen Höhe bis zur reticulä-
ren Substanz ziemlich gleichmässig mit einander ab und die Bündel der
Pyramide sind über diesen ganzen Raum vertheilt ; doch ist eine aufmerk-
same Betrachtung erforderlich, um die Durchschnitte derselben in den reich-
lichen Massen grauer Substanz, in welchen sie eingebettet sind, herauszu-
finden.
Die Schichte reticu-
lärer Substanz, welche
durch den oberen Brü-
ckenstrang vom Pyra-
midenstrang gleichsam
abgehoben wird, behält
bis gegen die Mitte der
Brücke die gleiche Mäch-
tigkeit und die gleiche
Structur. In der Nähe
des Brückenstrangs zeigt
sie zuweilen unregel-
mässige hellere Stellen,
an welchen, wie in dem
Pyramidenkern, die lon-
gitudinalen Fasern feh-
len. Sie wird ferner un-
terbrochen durch dieNer-
venwurzeln und durch nucI. oliv
eine Anhäufung von ®"^'
Nervenzellen, von wel-
chen die Wurzel des N.
facialis gleich nach ih-
rem Eintritt in die re-
ticuläre Substanz um-
geben ist. Die Zellen
sind grösser als die des
Brückenstrangs, gelb
pigmentirt , mit Fort-
sätzen versehen , mei-
stens in sagittaler Rich-
tung verlängert und in
dieser Richtung 0,060™"^
Kos
Frontalschnitt des Briickentlieils des verlängerten Marks vor
dem hinteren Rand der Brücke. Fpy Pyramidenstrang. Fps,
Fpi Oberer, unterer Brückenfaserstrang. Nas Nucl. acust.
sup. Nos Nucl. oliv. sup. Nf Nucleus facial. Vi' Wurzeln
des N. abducens. Vll', VIl" Wurzeln des N. facialis.
VIII' Wurzeln des N. acust. * Vgl. p. 211.
218 Gehirn.
lang (Fig. 147). Sie liegen dicht gedrängt in kugeligen oder eiförmigen
Gruppen, die hei schwacher Vergrösserung scharf umschriehen scheinen, die
-p. ..„ grösste Gruppe (von 2 Mm. Durch-
messer), die ohere Olive Clarke,
K- Wucleus oUvaris Sup. (Fig. 146) i),
\\ an der medialen Seite der Wurzel
des N. facialis, kleinere und unhe-
ständige Gruppen (Nos') zwischen
den Wurzeln der Nn. facialis und
acust.
In der vorderen Hälfte der Brücke
vörliert die reticuläre Suhstanz ihr
zierlich regelmässiges Ansehen. Die
longitudinalen Bündel fliessen stel-
lenweise, namentlich an der unteren
und zuweilen auch an der oberen
Grenze zu stärkeren Strängen zu-
sammen; sie zeigen, wo sie isolirt
bleiben, nicht die reihenweise An-
\v °\v V ^^.■> -,ii Ordnung und die in der Ebene des
^ >'° 200 ° .
1 Querschnitts verlaufenden Fasern
schlängeln sich in Form eines Netzes
Zellen des oberen Olivenkerns. ^^^^^j^ ^|.^ Interstitien der longitu-
dinalen.
"Wurzeln d. Die Decke der reticulären Substanz enthält in einer gelatinösen feinkör-
Fadai.' ^^^ nigen Grundlage, auf welcher ein Epithelium von cylindrischen , 0,015 Mm.
hohen Zellen ruht, verschiedene Faserzüge und Zellengruppen, deren Ver-
hältniss zu den Nervenwurzeln es nöthig macht, die Beschreibung des Ver-
laufs der letzteren hier einzuschalten. Ich habe erwähnt, dass durch den
hinteren Theil der Brücke die Wurzeln der Nn. facialis und abducens auf-
steigen. Auf successiven Querschnitten erscheint der N. abducens früher
als der Facialis und erhält sich fast ebenso weit oder selbst etwas weiter;
die Wurzeln des Facialis treten zuerst neben denen des Acusticus auf und
reichen vorwärts bis in die Gegend der Fovea ant. Die Wurzeln des Ab-
ducens zeigen sich , wenn auch nicht ununterbrochen, auf Frontalschnitten
in der ganzen Höhe der reticulären Substanz; sie steigen also, was der Sa-
gittalschnitt (Fig. 148) bestätigt, in fast verticaler Richtung auf. Den
Wurzeln des Facialis begegnet man um so näher dem oberen Rande der
Durchschnitte, je mehr dieselben sich vom hinteren Rande der Brücke
entfernen. Demnach haben die Facialiswurzeln neben dem schräg median-
wärts einen schräg vorwärts gerichteten Verlauf. Eine weitere Verschieden-
heit zwischen beiden besteht darin , dass der Abducens auf jedem Frontal-
^) Trigeminuskern Stilling. Den von Stilling gewählten Namen haben Clarke
und die neueren Autoren mit Recht aufgegeben , da eine Beziehung dieses Kerns zur Wur-
zel des N. trigeminus nicht nachweisbar ist. Freilich ist Cl arke's Bezeichnung nicht besser
gerechtfertigt. Beim Menschen wenigstens besteht zwischen dem Bau dieses Kerns und
der Olive nicht die geringste Aehnlichkeit.
.Gehirn.
219
schnitt, soweit seine Wurzeln reichen, mit je drei bis vier gesonderten
schmalen Bündeln (von 0,15 bis 0,25 Mm.) vertreten ist, die Fasern desFa-
Sagittalsclmitt einer Seitenhälfte des verlängerten Marks in der Gegend seines Eintritts
in die Brücke. Nh Nuoleus hypoglossi. No Nucl. olivaris. Sm, Sm Striae medullä-
res ip Querschnitt. P Brücke. Fpy Funic. pyramid. 8r Subst. reticularis. Vi' Ab-
ducenswurzeln. VIl' Facialiswurzel , ina Querschnitt.
Cialis dagegen vereinigt bleiben oder doch nur auf kurze Strecken durch
schmale Züge sagittaler Fasern geschieden werden (Fig. 146). Auch in dem
unteren Brückenstrang steigen die Abducenswurzeln gerade auf, die Facialis-
wurzeln haben eine mehr sagittale Richtung und sind auf dem Querschnitt
meist quer durchschnitten zwischen den transversalen Brückenfasern sichtbar.
Innerhalb der Pyramide verlieren sich die Abducenswurzeln in den Zwi-
schenräumen der sagittalen Bündel, um sich am oberen Rande der Pyra-
mide wieder zu sammeln.
Den Boden des vierten Ventrikels erreichen die Wurzeln des Abdu-
cens längs dem medialen , die Wurzeln des Facialis längs dem lateralen
Rande des Fasciculus teres, die Abducenswurzeln, indem sie sich lateral-
wärts neigen und pinselförmig zerfasern, die Facialiswurzeln, indem sie als
compacte Stränge unter der Oberfläche medianwärts ziehen, so dass der Sa-
gittalschnitt des Fasciculus teres sie im Querschnitte zeigt (Fig. 148).
Ich komme auf die Decke der reticulären Substanz zurück, die in der Nudeus
. facialis.
Gegend der Striae medulläres und vor denselben 0,25 Mm. mächtig und
220
Gehirn. •
feinkörnig oder fein längsstreifig ist. In ihr treten zugleich mit der Ein-
strahlung der Ahducenswurzeln sternförmige Nervenzellen auf, anfangs zer-
streut, bald an Zahl und Grösse zunehmend; sie bilden den Facialiskern,
Wucleus facialis (Fig. 146. 149) i), ein 1,5 Mm. mächtiges Zellenlager, wel-
ches zuerst die ganze Breite des Fase, teres einnimmt, weiterhin auf die late-
Fig. 149.
Vll'
I ''i'i/
.35
1
VI'
Krontalschnitt des Bodens des vierten Ventrikels, wie in Fig. 141 (7. R Raphe. iV/ Nu-
cleus facialis. Vi' Abducenswurzeln. VIl\ Vll" Wurzeln des N. facialis.
■>:^
"•.%^#W^
yw
Frontalschnitt desselben Hirntheils, einige Millimeter weiter vorn.
rale Hälfte desselben und zuletzt auf eine dünne oberflächliche Schichte be-
schränkt wird (Fig. 150). An seiner medialen Seite entsteht und wächst
^) Abducens- und Facialiskern Stilling. Hauptkern des Facialis Clarke.
Gehirn.
221
zu einem Durclimesser von 2 Mm. ein cylindrisches Bündel sagittaler Fa-
sern (Fig. 149. 150 F77")0? deren auffallende Stärke — sie haben durch-
sclinittlicli 0,015, ihre Axencylinder 0,004 Mm. im Durchmesser — es nicht
zweifelhaft lässt, dass sie die Fortsetzungen der Nervenwurzeln seien. In
der That kann man an dünnen, horizontalen Schnitten von der Oberfläche
des Bodens des vierten Ventrikels die transversalen Wurzelfasern des Facialis
sich im Bogen vorwärts wenden sehen (Fig. 151). Zu dem Ende durchsetzt
ein Theil der in den Facialiskern eintretenden Fasern diesen Kern, wäh-
rend andere in seinen Zellen enden mögen; andere Wurzelbündel des Fa-
Fio-. 151. Cialis begeben sich über und
unter dem Kern an dessen me-
diale Seite und namentlich die
vordersten gehen an der un-
teren Fläche des Kerns aus
der transversalen Richtung di-
rect in die sagittale über. Ob
dieser sagittale Strang auch
Fasern des Abducens führt, ist,
nachdem sie sich im Kern mit
denen des Facialis vermischt
haben, nicht mehr zu entschei-
den. Von den am Facialis-
kern vorübergehenden Nerven-
bündeln setzen sich einzelne
durch die Raphe in die andere
Seitenhälfte des verlängerten
Marks fort; auch von diesen
vermochte ich nicht zu ermit-
teln, ob sich ihnen Fasern des
Abducens beigesellen.
Vor dem vorderen Ende des
Facialiskern verschwindet auch
das sagittale Nervenbündel,
zuweilen auf Einer Seite früher,
als auf der anderen ; es verschwindet, indem es durch Querfasern zerklüftet
wird, wie die reticuläre Substanz, und sich allmälig mit derselben amalga-
mirt. Die gelatinöse Schichte, die über dem Facialiskern nicht mehr als
0,1 Mm. stark ist, gewinnt wieder an Mächtigkeit, enthält aber keine Zel-
len, sondern nur zahlreiche Gefässe und, wie im hinteren Theil des verlän-
gerten Mai4?:s, transversale, aus der Raphe umbeugende Nervenfasern.
Nur wenig weiter nach vorn, als der Kern des Facialis, aber mehr zur Nucieus tri-
Seite gerückt , in dem Winkel , in welchem Boden und Decke des vierten ^®"""'-
Ventrikels zusammenstossen, liegt der Kern des Trigeminus, JVudeus tri-
gemini (Fig. 152 a. f. S.)-). Er besteht aus grossen, zerstreuten, gelb pig-
mentirten Zellen , an welche sich nach vorn die dunklen Nervenzellen des
Horizontalschnitt des Bodens des vierten Ventrikels
durch den Facialiskern.
-') Constante Trigeminuswurzel Stilling. ^) Oberer Trigeminuskern Stilling.
222
Gehirn.
Locus coeruleus anscUiessen ; nach hinten reicht er, ohne deutliche Grenze,
bis in die Nähe des Facialiskerns, nach unten verlieren sich die Zellen zwi
Fig. 152.
H'j
V
Frontalschnitt des Bodens des vierten Ventrikels durch den
Kern des Trigeminus. V' Fasern der sensibeln Wurzel.
sehen den Wurzelbün-
deln des Trigeminus.
Der grösste Theil des
Kerns liegt an der me-
dialen Seite der Wurzel-
bündel; einzelne Zellen-
gruppen kommen etwas
tiefer an der lateralen
Seite der Wurzel vor
(Fig. 1 52 m') und bilden
zuweilen einen gesonder-
ten scharf abgegrenzten
Kern. Der Verlauf der
Wurzelbündel des Tri-
geminus ist, dem Facialis
entgegengesetzt, rück-
wärts und zugleich me-
dian - und aufwärts ge-
richtet. Die motorische
Wurzel zieht, in meh-
rere schmale Bündel ge-
schieden, anfangs dicht
unter der Oberfläche hin
und nicht selten hält
sich das eine oder an-
dere Bündel auf der
Oberfläche des Brücken-
Brückentheil des verlängerten Marks, Aus-
trittsstelle der Wurzeln des Trigeminus.
F' Sensible Wurzel. T'^ Motorische Wur-
zel. Ccq Crus cerebelli ad c. quadr. Lc
Locus coerul. L Lemniscus.
Verlauf der Wurzeln des N. trigeminus durch
den Brückentheil des verlängerten Marks, durch
einen schrägen Schnitt entblösst. Ccq Crus
cereb. ad c. quadr. L Lemniscus. Cq C.
quadrig. Cc h Crus cerebri. Vll N. fac.
V lll N. accust.
Schenkels bis zu dem Winkel, den dieser mit dem Vierhügelschenkel bildet
(Fig. 1.53). Die sensible Wurzel stellt eine compacte Masse dar. Beiderlei
Gehirn. 223
Wurzeln entblösst man durch einen schrägen Schnitt, der von der Aus-
trittsstelle derselben auf- und medianwärts zu führen ist (Fig. 154); man
Fiß-. 155.
^^^ßir
-Mf
Va"'«-/
T'
Sagittalschnitt des verlängerten Marks durch den Trio-eminuskern und die in denselben
einstrahlenden Wurzeln. Carminpräparat. V^ Sensible Wurzel. T^ Motor. Wurzel.
sieht alsdann auf der etwas gewölbten Schnittfläche die sensible Wurzel in
gerader Linie, die Bündel der motorischen in sanften Bogen auf- und rück-
wärts ziehen und dabei die motorischen Wurzeln sich allmälig der sensib-
224
Gehirn.
len Bähern, bis sie an der Grenze des oberen ßrückenstrangs und der reti-
culären Substanz sieb vereinigen. Wenn die Scbnittfläcbe bei Betracbtiing
mit freiem Auge den Anscbein gewährt, als ob die Wurzeln nach dieser
ihrer Vereinigung sich rückwärts wendeten ^), so erweist die mikroskopische
Untersuchung feiner Durchschnitte dies als eine Täuschung (Fig. 155). Die
sagittalen Fasern der reticulären Substanz durchsetzen die Trigeminuswur-
zeln so , dass das Bild einer äusserst dichten, unter spitzem Winkel ge-
kreuzten Schraffirung entsteht; die Fasern des Trigeminus aber richten sich
aufwärts und biegen zuletzt sogar vorwärts um und dabei verflechten sich
motorische und sensible Bündel, die doch immer noch durch die bedeu-
tende Verschiedenheit des Kalibers ihrer Fasern, die überwiegende Stärke
der motorischen, unterscheidbar bleiben. In dem Trigeminuskern kommen,
neben vereinzelten Bündeln, dieselben isolirten und nach allen Richtungen
durch einander gewirrten Fasern vor, wie in den früher beschriebenen
Nervenkernen.
Frontalschnitte des verlängerten Marks durch die Gegend des Trige-
minuskerns gestatten, den letzten, gerade aufsteigenden Theil der Wurzeln
des Trigeminus zwischen den Zellen bis dicht unter die Oberfläche zu ver-
folgen; sie lehren zugleich, dass von der centralen Bahn des Trigeminus
wie von der des Facialis , einzelne Bündel unter der Oberfläche in trans-
versaler Richtung zur Raphe verlaufen, um auf die entgegengesetzte Seite
überzugehen, andere in der Seitenwand des vierten Ventrikels über den
Kern hinaus aiifwärts steigen (Fig. 152), um in den Vierhügelschenkel ein-
zustrahlen.
Corp. den-
tat. cereb.
Die strickförmigen Stränge verlieren sich im Kleinhirn, die transver-
salen Brückenstränge treten aus dem Markkern desselben hervor und da
auch das verlängerte Mark auf seinem Wege zu den Vierhügeln durch Fa-
sern verstärkt wird, welche aus dem Kleinhirn stammen, so ist hier der
geeignete Ort, um den aufgezählten Faserzügen in die weisse Substanz
des Kleinhirns nachzugehen und ihr Verhältniss zu einander und zur grauen
Substanz zu untersuchen.
Dass die letztere am Kleinhirn als continuirlicher Ueberzug über die
Randwülste ausgebreitet ist, musste schon bei der Beschreibung der äiisse-
ren Form des Ceutralorgaus erwähnt werden. Ein Kern von grauer Sub-
stanz, Corpus clentatiim cereheUi ^) , ist in der weissen eingeschlossen zu je-
der Seite des schmalen die Markkerne beider Hemisphären verbindenden
Mittelstücks. Es ist eine ähnlich dem Olivenkern vielfach eingebuchtete,
einen gestreckt eiförmigen Raum umschliessende , mit dem längeren Durch-
messer medianwärts gerichtete, 0,5 bis 0,75 Mm. mächtige Platte, deren
Durchschnitte einem zackigen Bande gleichen. Wie der Olivenkern ist sie
nach einer Seite und zwar an der medialen Spitze nach vorn und unten
offen (Fig. 156) und durch diese Oeffnung setzen sich aus dem Inneren-^)
^) Mit Stilling lassen fast alle Neueren, wenn auch bezüglich der speciellen Bahnen
weder mit ihm noch unter sich übereinstimmend, die sensible Wurzel des Trigeminus eine
absteigende Richtung (gegen den Kopf der Hintersäule des Rückenmarks) einschlagen. ^) Nu-
cleus fimhriaius s. lenüculatus. Corpus denticulatum s. ßnibrlatum s. lenticulatum s. ciliare
cerehcUi. Ganglion s. Nucleus cerehelll. Liusenkern. ^) Medulla centralis s. cillarls.
Gehirn.
225
des Kerns starke parallele Nervenfasern in die Yierliügelsclienkel fort. Seit-
wärts ragt das C. dentatum nicht über die Mitte des Markkerns hinaus.
Fio-. 156. T>en medialen Theil des letz-
teren füllt es fast vollständig
ans und ist namentlich an
der Aushöhlung , in welcher
die Tonsille liegt, nur durch
eine sehr dünne Marklage
von der Oberfläche geschie-
den (Fig. 56). Weiter seit-
wärts, wie das Volumen des
Markkerns zunimmt , wird
das C. dentatum relativ klei-
ner, bleibt aber immer in der
Nähe des itnteren Randes des
Markkerns (Fig. 157).
Aehnlich der Platte der
Oliven - und Pyramidenkerne
und dem üeberzug der Hin-
tersäule des- Rückenmarks
zeichnet sich die Platte,
die das C. dentatum des
Kleinhirns bildet , an Kali-
präparaten durch ihre Durchsichtigkeit aus. Bezüglich ihrer feineren
Structur aber stimmt sie mit keiner dieser Arten gelatinöser Sub-
stanz überein. Die sternförmigen Zellen, die sie, an den meisten Schnit-
Horizontalschiiitt des Kleinhirns durch den Vierhiige'-
schenkel (Ccq). Lc Loc. coeruleus. Ccp Crus cereb.
ad pont. Fva Fovea ant.
Fiff. 157.
Sagittalschnitt der linken Hemisphäre des Kleinhirns. 1 Furche zwischen dem oberen
und hinteren, 2 dem hinteren und unteren Lappen. F Flocke.
Henle, Anatomie. Bd. III. Abthlg. 2.
15
226
Gehirn.
ten in dreifacher Reihe enthält, sind beträchtlich grösser, als die der Oliven-
und Pyramidenkerne (0,018 bis 0,036 Mm.), mit gelben Pigmentflecken und
mit deutlichen Ausläufern versehen, die sich aufweite Strecken verfolgen
lassen. Während ferner die feinen Nervenfasern, die die gelatinöse Sub-
stanz der Hintersäulen, den Pyramiden-, Oliven- und Olivennebenkern durch-
setzen, in parallele Bündel abgetheilt und durch Zwischenräume geschieden
sind, füllen die Nervenfasern des C. dentatum den Raum, den die Zellen
übrig lassen, gleichmässig aus (Fig. 158). Sie halten dabei keine bestimmte
Fio-. 158.
Frontalschnitt des C. dentatum cerebelli. Die querdurchschnitienen starken Nerven-
iasern an der rechten Seite gehören dem Vierhügelschenkel an.
Fiff. 159.
Grauer Keru
des Dachs
des 4. Ventr.
Richtung ein , wenn
auch im Allgemeinen
die Richtung von der
äusseren Oberfläche
der Platte zur inne-
ren und auf Frontal-
schnitten an der äus-
seren und inneren
Oberfläche die der
Oberfläche parallele
Richtung die vorherr-
schende ist ^).
Zellen von dersel-
ben Gestalt wie die
des C. dentatiim, lie-
gen in der dünnen
Markplatte , welche
die Markkerne bei-
Medianschnitt des Kleinhirns an der üebergangsstelle des Mark-
kerns in das Velum medulläre ant. {Vma).
1) Die das Corpus den-
tatum äusserlich umge-
benden Faserzüge werden
als Cajjsula cerebelli be-
schrieben.
Gehirn. 227
der Kleinliirnliemispliären verbindet, im Medianscliuitt den Stamm des so-
genannten Arbor vitae darstellt und nach vorn in das vordere Marksegel
sieb fortsetzt (Fig. 159*). Sie bilden einen gelblichen, schwach durchschei-
^nenden Streifen, den grauen Kern des Dachs des vierten Ventrikels
Shilling ^), der als eine graue Commissur der Corpp. dentata beider Seiten
betrachtet werden kann.
Die graue Substanz, welche die terminalen Markblätter des Kleinhirns Randwüiste
überzieht, ist an der freien Oberfläche der Randwülste mächtiger, als an hirns. ''"^'
den einander zugekehrten Flächen derselben, dort 1,5, hier 0,75 Mm. stark.
Sie besteht aus zwei Schichten, deren Mächtigkeit an den dünneren Stellen
ungefähr die gleiche ist; die Mächtigkeit der äusseren Schichte zeigt nur
geringe Schwankungen und so kommt auf Rechnung der inneren Schichte
die Zunahme, welche die Rinde an der freien Oberfläche der Randwülste
darbietet. Die Verschiedenheit der beiden Schichten verräth sich einigermaas-
sen schon dem freien Auge durch die Farbe derselben: man hat die äussere
Schichte die rein graue, die innere die gelbe (Meckel) oder rostbraune
(Kölliker) genannt. An der Grenze beider ist mitunter schon an Schnitt-
flächen des frischen Hirns, deutlicher an feinen, mittelst Kalilösuug aufge-
hellten Durchschnitten ein weisser oder gelblichweisser Streifen von kaum
0,05 Mm. Mächtigkeit bemerkbar. Der Farbenunterschied der äusseren
und inneren Schichte ist bedingt zum Theil durch den grösseren Gefäss-
reichthum der letzteren, zum Theil durch Verschiedenheiten der Textur:
die äussere Schichte ist eine allerdings etwas modificirte gelatinöse
oder feinkörnige Substanz ; den wesentlichen Bestandtheil der inneren
Schichte bilden die Elemente, die mit dem Namen „Körner" bezeichnet
werden. Der Streif, der beide Schichten trennt, verdankt seine weisse
Farbe markhaltigen Nervenfasern , er bezeichnet aber zugleich die Stelle,
wo in einfacher Schichte die der Kleinhirnrinde eigenthümlichen verzweig-
ten Zellen 2) liegen.
Die innere Schichte, die nach ihrem vorherrschenden Bestandtheil den a. Kömer-
Namen Körnerschichte führt, grenzt zunächst an die feinen Nervenfasern
der terminalen Marklamelle, welche parallel, leicht wellenförmig, Geflechte
mit engen spindelförmigen Maschen bildend, zur freien Oberfläche des Rand-
wulstes aufsteigen, arrden Seiten successiv in die Körnerschichte umbiegen
und am oberen Rande pinselförmig ausstrahlen. Häufig verläuft ein
capillares Blutgefäss ungetheilt eine lange Strecke an der Grenze der
Marklamelle und der Körnerschichte. Die Körner haben einen Durch-
meser von 0,005 bis 0,006 Mm.; grössere Dimensionen bis zu 0,012 Mm.
erreichen sie in der Nähe und Umgebung der grossen Nervenzel-
len ; hier liegen sie auch mehr zerstreut , während sie sich im übrigen
Bereich der Körnerschichte in dichten Gruppen aneinander drängen und
nur an sehr feinen Schnitten Lücken, kaum grösser als der Durchmesser
eines Koi'ns, erkennen lassen, die von feinkörniger Substanz erfüllt sind.
So verdecken die Körner vollständig einen Plexus feinster markhaltiger
Nervenfasern, den man durch Behandlung der Durchschnitte mit Kalilösung
sichtbar machen kann , einen Plexus , der die Fasern der Marklamelle in
^) Substantia ferruginea sttp. Kölliker. ^) Purkinj e'sche Zellen.
15 =
22a
Gehirn.
Fig. 160 A.
Durchschnitte eines Randwulstes des Kleinhirns, A senkrecht zur Oberfläche, B parallel
derselben. Kalipräparat.
c.^' Gehirn. 229
Verbindung setzt mit den Fasern des die Körnerschichte nach aussen be-
grenzenden Streifens. In diesem erhält man die Nervenfasern im Quer-
schnitt oder parallel ihrem Verlauf, je nachdem man den Randwulst senk-
recht auf die Oberfläche (Fig. 160 A) oder derselben parallel (Fig. 160 B)
durchschneidet; sie haben also eine die Fasern der Marklamelle rechtwink-
lig kreuzende Richtung.
Die Frage, ob das NervengeflecM der Körnerscliicht durch einfachen Aus-
tausch oder durch Theiking der Fasern zu Stande komme, ist ausserordenthch
schwer zu entscheiden, und daraus erldärt sich der Widerstreit der Meinungen von
Gerlach (Mikroskop. Studien S. 9), Oegg (über die Anordnung und Vertheilung
der Gefässe der Windungen des kleinen Gehirns, Aschafifenburg 1857), Hess (de
cerebeUi gyrorum textura, Dorpat 1858), Eutkowsky (über die graue . Substanz
der Hemisphären des kleinen Gehirns. Ebendas. 1861) und Hadlich (Archiv für
mikroskop. Anat. VI, 201), welche Theilungen annehmen, und Kölliker und
Stieda (Archiv für Anat. 1864, S. 410), die sie verwerfen.
Die meisten Beobachter scln-eiben den Körnern Fortsätze zu und zwar in der
Eegel zwei einander gegenüber, durch welche die Körner unter sich und mit Ner-
venfasern in Verbindung stehen sollen. An den isohrten Körnern sind nach
Ger lach die Fortsätze in der Eegel sehr kurz und unmessbar fein, selten errei- ■
chen sie die drei- bis vierfache Länge der Körner, doch bezweifelt er nicht, dass
es die Axencjdinder der Nervenfasern seien, deren Verlaiif durch die Körner ein-
oder mehrmal unterbrochen werde. Nach Gerlach's schematischer Figur hän-
gen die Körner auch seitlich durch Fortsätze zusammen; nach Hess, der im
Uebrigen Ger lach zustimmt, dienen die feinen Fortsätze nur dazu, die von in-
nen nach aussen über einander geordneten, nicht aber die neben einander gelege-
nen Zellen mit einander zu verbinden. Eutkowsky erklärt sich mit Gerlach
einverstanden, obgleich an den gefärbten Präparaten der Zusammenhang der Fa-
sern und Körner nicht nachweisbar war. F. E. Schulze (über den feineren Bau
der Einde des kleinen Gelnrns, Eostock 1863) bestätigt an den kleineren Körnern,
die er, wie Ger lach, für Zellen hält, die feinen fadenartigen, oft einander diame-
tral gegenüber gestellten Fortsätze und glaubt deshalb an den Zusammenhang der
Körner mit feinen Nervenfasern, wenn es ihm auch nicht gelang, diesen Zusam-
menhang mit einer dickeren Nervenfaser direct nachzuweisen. An den grösseren
Körnern sah er keine Fortsätze, sondern nur unregelmässige Fetzen der feinkör-
nigen Substanz, in die sie eingebettet sind; er nimmt demnach an, dass sie zu
dieser Masse in dem Verhältuiss von Kernen stehen. Auch Waldeyer (Ztschr.
für rat. Med. 3te E. XX, 193) erklärt die Elemente der Körnerschichte für Zellen
(er nennt sie Kornzellen) mit dünner membranloser Protoplasmaschichte, aus wel-
cher Fortsätze hervorgehen sollen, die einerseits mit den Fortsätzen der grossen
Zellen, andererseits mit Axencylindern des Markblatts zusammenhängen, dergestalt,
dass die Ausläufer von je fünf bis sechs Körnern zu je einem Axenc^dinder zu-
sammentreten und verschmelzen. Stilling (Unters, über d. Bau d. kleinen Ge-
hirns S. 28) schreibt den Körnern Einen bis fünf Fortsätze zu und sah häufig drei
Körner durch einen dickeren Fortsatz verbunden. Obersteiner (Beitr. zur
Kenntniss vom feineren Bau der Kleinhirnrinde. Wien 1869) unterscheidet läng-
liche und runde Körner und behauptet von den letzteren, dass sie von einem run-
den oder auch eckig ausgezogenen Saum iimgeben seien, von welchem Fortsätze
ausgehen, die mit den Endästen der grossen , verzweigten Zellen in Verbindung
ständen. Kölliker hat durch alle Auflagen seines Handbiichs daran festgehal-
ten, dass die Körner zwar hier tind da mit kurzen Fortsätzen versehen, doch
ohne Beziehung zu den Nervenfasern seien, und Merkel' s und meine Unter-
suchungen (Ztschr. für rat. Med., 3. E. XXXIV, 49) führen zu demselben Eesultate.
Vermuthlich wurden die den Körnern zufäUig anhaftenden Fasern des Nerven-
geflechts der Körnerschichte mit Zellenfortsätzen verwechselt.
Die Zellen der Kleinhirnrinde sind von den grösseren Körnern der
230 Gehirn.
b. Zellen- Körnerscliichte umgeben , an der äiisseren Grenze dieser Schiclite in ein-
facher Lage und in wechselnden Abständen ausgebreitet, so dass ihre Ent-
fernung von einander den Durchmesser der Zellen stellenweise nicht er-
reicht, stellenweise um das Drei- bis Vierfache übertrifft (Fig. 161). Allge-
■pj„ IQ2 mein stehen sie dichter auf der
^ Höhe der Randwülste als im Grunde
der Furchen zwischen denselben;
selten findet sich eine Zelle näher
der Oberfläche , ganz in die mole-
culäre Substanz eingebettet. Ihre
typische Gestalt ist als eine flaschen-
oder keulenförmige zu bezeichnen ;
ihr längerer Durchmesser ist meist
senkrecht gegen die Oberfläche,
ihr stumpfes Ende nach innen ge-
richtet; doch kommen überall, am
häufigsten in den concaven Thei-
len der Randwülste, schräg ge-
stellte , ja liegende Zellen vor
Flächeuschnitt der Kleinliirnrinde durch die (Fig. 163 A); auch wird die regel-
Zellenschichte. massige Form vielfach dadurch al-
terirt, dass das stumpfe Ende ab-
geplattet, das spitze nach der einen oder anderen Seite geneigt ist. Der
Querdurchmesser der regelmässigeren Zellen beträgt im Mittel 0,03 Mm.,
der kugelige im weitesten Theil der Zelle gelegene Kern hat 0,015 Mm.,
das Kernkörperchen 0,004 Mm. im Durchmesser. Die Zellen (Fig. 162)
senden nach zwei entgegengesetzten Seiten Fortsätze aus, den Einen in die
Körner-, den anderen in die feinkörnige Schichte. Die Fortsätze halten
die Richtung der Längsaxe der Zellen ein; an den aufrechten Zellen stehen
sie senkrecht zur Oberfläche, an den geneigten und liegenden haben sie
vom Ursprung an einen der Oberfläche mehr oder minder parallelen Ver-
lauf. Der gegen die Körnerschichte gerichtete, also innere Fortsatz ent-
steht unmittelbar fein aus der Basis der Zelle und wird deshalb an dünnen
Durchschnitten nur ausnahmsweise getroffen ; er ist unverästelt ^) und wird
zum Axencylinder einer feinen Nervenfaser (Deiters. Koschennikoff 2).
Der äussere, der feinkörnigen Schichte zugewandte Fortsatz geht aus der
Zelle hervor durch allmälige Verjüngung derselben bis auf einen Durch-
messer von etwa 0,015 Mm. Er ist wie die Substanz der Zelle feinkörnig
und an erhärteten Präparaten wahrscheinlich durch Schrumpfung streifig,
er zeichnet sich aus durch zahlreiche und ziemlich regelmässige Veräste-
lungen, die nur an senkrecht gegen den Verlauf der Randwülste geführten
Schnitten sichtbar sind und demnach die Randwülste nur der Quere, nicht der
Länge nach durchziehen (Fig. 1 63 A B). Die erste Theilung ist fast constant eine
dichotomische; die Aeste schliessen an den Stellen, wo die Zellen gedrängt ste-
^) Hadlich allein (Archiv für pathol. Anat. und Physiol. XLVI, 218) behauptet ihn
mehrmals dichotomisch und selbst mehrfach verästelt gesehen zu haben. ^) Archiv für
mikroskop. Anat. V, 332.
Gehirn.
231
hen, einen spitzen Winkel ein; wo die Zellen zerstreuter liegen, namentlicli im
' Grunde der Furchen, weichen die Aeste sogleich nach zwei entgegengesetzten,
Fig. 162.
***
Durchschnitt der Kleinhirnrinde, senkrecht zur Oberfläche. Carminpräparat. * Lymph-
raum unter der Gefässhaut mit den denselben durchziehenden Fasern. ** Bindegewebs-
zelle. *** Blutgefäss in einem perivasculären Kaum.
der Oberfläche parallelen Richtungen auseinander und biegen erst weiterhin
aiifwärts um (Fig. 162), ebenso an den liegenden Zellen, wo der Eine Ast in der
Flucht des Fortsatzes, der andere gleichsam rückkehrend nach der entgegenge-
setzten Seite verläuft (Fig. 163 A). Doch kommen auch Zellen vor, welche von
der Basis des aufsteigenden und gabiig getheilten Fortsatzes zugleich zwei di-
vergirende, flächenhaft verlaufende Aeste aussenden, und andere, aus deren
oberem Umfang statt des einfachen Fortsatzes unmittelbar die Theilungs-
232
Geliirn.
äste hervor gehen. Durcli wiederliolte Theihmg zerfallen die Aeste in
mer feinere, zuletzt unmessbar feine Zweige; solche gehen anch direct
Firr. 1G3 A.
im-
aus
Senkrechte Durchschnitte eines Randwulstes des Kleinhirns : A senkrecht gegen den
Verlauf, B parallel dem Verlauf des Randwulstes. 1 Markleiste. 2 Körner-, 3 Zellen-
schichte. 4 Gi-anulirte Schichte. * Blutgefässe.
den stärkeren Aesten hervor; alle aber steigen schliesslich senkrecht zur
Oberfläche auf und verlieren sich in der Nähe derselben.
Gehirn. • 233
Köiliker hält es für wahrscheinlich, dass sie mit Nervenfasern zusammen-
hängen, die sich nach seiner Meinung aus der Marklamelle bis gegen das mittlere
Drittel der feinkörnigen Schichte verfolgen lassen imd dabei den feinsten Enden
der Zellenfortsätze immer ähnlicher werden sollen, und H ad lieh, sowie Ober-
steiner (allg. Ztschr. für Psychiatrie 1870, S. 94) glauben diesen Zusammenhang
wirklich na.chgewiesen zu haben. Ha dl ich bildet schiin genförmige Umbiegungen
der feinsten Zellenfortsätze ab, die sich an senkrechten Durchschnitten der Kleinhirn-
rinde in der Nähe der Oberfläche finden und erklärt für die rückläufigen Schenkel
dieser Schlingen feine, ungetheilte, die feinkörnige Substanz in senkrechter Rich-
tung durchziehende Fasern, die er bis zur Körnerschichte hinabreichen sah und
von denen er vermuthet , dass sie zu mehreren zur Bildung des Axencylinders
einer markhaltigen Nervenfaser zusammentreten. Dass die feinen Zellenfortsätze
dicht unter der Oberfläche in ziemlich engen Bogen iimbiegen, ist auch 0 ber-
steine r 's Meinung. Ich kann sie nicht theilen und muss vielmehr, aus sogleich
zu erwähnenden Gründen, die radialen Fasern Hadlich's für bindegewebige halten.
An der feinkörnigen Schichte fällt zunächst der Reichthum an Feinkörnige
Gefässen auf, deren Stämmchen in ziemlich regelmässigen Abständen recht-
winklig zur Oberfläche eintreten und in dieser Richtung einen grösseren
Theil der Schichte durchziehen. Parallel den Gefässstämmchen verlaufen
in grosser Zahl und in ebenfalls gleichen, aber geringeren Abständen sehr
feine, unverzweigte Fasern durch die ganze Dicke der granulirten Schichte.
Sie entspringen aus der Gefässhaut, zum Theil , wie die Stützfasern der Re-
tina aus der Limitans hyaloidea, mit einer relativ breiten, kegelförmig zu-
gespitzten Basis und gleichen den genannten bindegewebigen Elementen
der Retina auch darin, dass sie, wiewohl selten, durch sternförmige, glän-
zende Körperchen (Fig. 162 **) unterbrochen werden. Von den feinen
Aesten der Zellenfortsätze unterscheiden sie sich durch ihr Verhalten gegen
Fleckwasser , Nelkenöl und ähnliche Reagentien ; sie werden um so deut-
licher, je mehr die Zellen mit ihren Fortsätzen erblassen. Mit ihnen er-
halten sich lind sind also ebenfalls den bindegewebigen Elementen zuzu-
zählen Fasern von ähnlicher oder etwas geringerer Feinheit, die an senk-
rechten Querschnitten der Randwülste das innere Drittel der feinkörnigen
Schichte parallel ihrer Grenze, d. h. bogenförmig in Abständen durchziehen,
die Zellenfortsätze und die radiären Stützfasern rechtwinklig schneidend.
Durch die Zellenfortsätze, die Gefässe und die ihnen parallelen Stützfasern
erhält die feinkörnige Masse ein radiär zerklüftetes, durch den Hinzutritt
der bogenförmigen Fasern ein fein gegittertes Ansehen (Fig. 162).
Die Körner der granulirten Schichte sind regellos zerstreut und nicht
sehr zahlreich ; nur wenige kommen an Grösse denen gleich , die die ver-
zweigten Zellen umgeben; wenige haben einen hellen Saum (Fig. 162).
Hess findet die Körner beim Neugeborenen etwas grösser, als beim Erwach-
senen, und in mächtiger Schichte an der Oberfläche der feinkörnigen Substanz an-
gehä-uft. Bei Hunden ist die peripherische Körnerschichte schon in der fünften
bis sechsten Woche nach der Geburt verschwunden und zwar nicht dtirch Auflö-
sung der Körner, sondern dadurch , dass die feinkörnige Masse sich mehrt , sich
zwischen die Körner eindrängt und sie zerstreut. Ober steine r zerlegt die Kör-
nerscliichte , die beim- Neugeborenen die Oberfläche der ßandwülste bildet, in zwei,
durch einen schmalen hellen Saum geschiedene Schichten, von denen die äussere
zur Bildung der äusseren Hülle verwandt werden, die innere allmälig in die mo-
leculäre Schichte voi-rücken soll. In der Abbildung, welche F. B. Schulze von
der Rindensubstanz eines halbjährigen Kindes giebt, liegen an der Peripherie die
Körner noch in continuirlicher, meist doppelter Reihe.
234
Gehirn.
Markleisten. Dass der centrale Fortsatz der grossen Nervenzellen zur Nervenfaser
wird , darf wohl als erwiesen angenommen werden. Auch scheint die Zahl
der Zellen, wenn man sie an senkrechten Durchschnitten der Randwülste
mit der Zahl der in der Axe enthaltenen Nervenfasern vergleicht, hinrei-
chend, um die sämmtlichen Fasern der Markleisten zu decken (Fig. 164),
Fig. 164.
Randwulst des Kleinhirns, senkrechter Durchschnitt, um die Anordnung der Nerven-
zellen zu zeigen.
und es scheint überflüssig, nach anderen Ursprungsquellen, etwa aus den
ästigen Fortsätzen der Zellen, zu suchen oder an eine Vermehrung der
Fasern durch Theilung in dem Netz der Körnerschichte zu denken. Wie
dem sei, so sammeln sich die Fasern in der Axe der Randwülste zii den
bereits erwähnten parallelen Zügen, die, sich allmälig verstärkend, die Mark-
blätter von der Spitze zur Basis durchziehen und erst an der Basis hier
und da auseinanderweichen, um cylindrische oder platte, den Rändern der
Markblätter parallele Bündel zwischen sich aufzunehmen. An der Basis an-
gelangt schliessen sich die Fasern der Endlamellen, im Bogen rechtwinklig
umbeugend, den Fasern der Lamellen nächst höherer Ordnung an, die durch
diesen Anschluss allmälig verstärkt werden (Fig. 163 A) und so fort bis zum
Ursprung der primären Lamellen aus dem Markkern. Alle diese Lamellen
bestehen, gleich den terminalen, wesentlich aus leicht wellenförmigen, enge
spitzwinklige Maschen einschliessenden, übrigens parallelen Zügen , durch-
flochten von rechtwinklig mit denselben gekreuzten Bündeln, deren Zahl
mit der Mächtigkeit der Lamellen wächst. Durchgängig legen sich, wenn
zwei Endlamellen zusammentreten , die Fasern einfach aneinander und wo
die Endlamellen sich seitlich an eine Lamelle höherer Ordnung anfügen.
Gehirn.
235
wenden sich in der Regel die Fasern gegen die Basis der letzteren. Doch
schlägt mitunter aiich ein Theil der Fasern die entgegengesetzte Richtung,
gegen die Spitze der Lamelle, ein ').
In dem dreieckigen Raum, der zwischen der Rindenschichte und den
convergirenden Fasern bleibt, findet sich häufig der Durchschnitt eines
Blutgefässes, von feinkörniger Substanz umgeben.
Für die Randwülste der Lingula hat das vordere Marksegel die Be- Kandwüiste
deiitung einer Marklamelle. So weit dasselbe von der Lingula bedeckt ist,
besteht die Marksubstanz desselben wesentlich aus sagittalen Faserbündeln,
den Fortsetzungen der in den Randwülsten der Lingula absteigenden Fa-
sern (Fig. 165, 3), die in dem vorderen Marksegel meistens rückwärts, nur
zu einem sehr kleinen Theil vorwärts gegen die Vierhügel ziehen.
Fiff. 165.
-*
Frontalschnitt der Wände des vierten Ventrikels durch das Velum med. ant. und die Lin-
gula. Ccg'Crus cereb. ad corp. quadrig. L Lemuiscus. L c Locus coeruleus. IV' Troch-
leariswurzel. 1 Feinkörnige, 2 Körnerschichte eines Randwulstes der Lingula. 3 Ner-
venfaserschichte. 4 Gelatinöse Substanz an der unteren Fläche des Velum med. antic.
Im Markkern begegnen und verwirren sich die Fasern aller Lamellen, Markkem.
doch herrschen auf Frontalschnitten die in der Schnittebene verlaufenden
Fasern, auf Sagittalschnitten die Faserdurchschnitte vor. Gegen den Brücken-
schenkel ordnen sich die feinsten Fasern in Bündel, welche zwischen den
1) Die von zwei benachbarten Lamellen einander entgegenkommenden Fasern können
den Anschein gewähren, als ob sie bogenförmig aus Einer Lamelle in die andere übergin-
gen, ein Anschein, der auch durch die Art hervorgebracht wird, wie sich bei der Zerfase-
rung erhärteter Gehirne die Marksubstanz der Randwülste ablöst. Burdach hat diesen
vermeintlichen, von einem Blatte zum anderen durch die zwischen beiden befindliche Furche
übergehenden bogenförmigen dünnen Markschichten den Namen Belegungsmasse ertheilt
(a.a.O. 11, 46). Den Ausdruck „Massa explementi", welchen Arnold Burdach zuschreibt,
finde ich bei Letzterem nicht.
236
Gehirn.
stärkeren (Axency] indem von 0,001 Mm. Diirclim.) abwärts ziehen; ein Ho-
rizontalschnitt (Fig. 166) zeigt jene im Querschnitt, diese der Länge
nach getroffen; die eigenthümlichen Zellen der Brückenstränge treten aber
erst in der Gegend der Austrittsstellen des N. trigeminiis hinzu. Die Bün-
del des strickförmigen Stranges verfolgte Rutkowsky mittelst Zerfaserung
des Markkerns über den la-
Fig. 168.
Vierhügel-
schenkel.
teralen vorderen Rand des
C. dentatum auf die obere
Fläche des letzteren. Von
den Fasern der Vierhügel-
schenkel habe ich bereits
angegeben, dass sie ihren
Ursprung aus dem Inneren
des C. dentatum nehmen ;
ich kehre zti ihnen zurück,
um ihr Verhältniss zu den
die Brücke durchsetzenden
Strängen des verlängerten
Marks und den weiter nach
vorn gelegenen Hirntheilen
zu beschreiben.
Ich erinnere, dass die Vier-
hügelschenkel das voi'dere
Marksegel zwischen sich fas-
sen, welches eine Fortsetzung
Horizontalschnitt des Markkerns des Kleinhirns, 2 Mm. des Markkerns des Klein-
über dem Boden des vierten Ventrikels, seitwärts ne- hirns ist, dass sie sich me-
ben der Fovea ant., die Brückenfaserstränge im Quer- dianabwärts neigen und
schliesslich in das , Niveau
der reticulären Substanz ge-
langen. Wo sie anfangen, die seitliche Begrenzung und einen Theil der
Decke des vierten Ventrikels zu bilden, sind sie aus einer Anzahl platter
über einander geschichteter Bündel zusammengesetzt, deren transversaler
Durchmesser von oben nach unten abnimmt; sie haben deshalb eine im
Frontalschnitt palmenförmige Gestalt, mit dem stumpfen Ende, an welches der
Rand des vorderen Marksegels sich lehnt, aufwärts, mit dem spitzen Ende ab-
und lateralwärts gerichtet (Fig. 141 D. Fig. 165). Weiter nach vorn wird auch
das obere Ende spitz, der Frontalschnitt im Ganzen halbmondförmig, die
äussere Fläche frei, die innere durch die an Mächtigkeit zunehmende graue
Schichte der Wandungen des vierten Ventrikels von dem Antheil an des-
sen Begrenzung ausgeschlossen. In der Nähe der Vierhügel wird auch die
äussere Fläche wieder durch den Lemniscus gedeckt, dessen schräg auf-
steigende Fasern aus der Furche zwischen Vierhügel- und Brückenschenkeln
Lemiiiscus. hervorzukommen scheinen (Fig. 141, E. Fig. 167). Der Lemniscus besteht
aus feinen Fasern, deren Richtung schon aus der Betrachtung der Oberfläche
des Gehirns erhellt, untermischt mit spärlichen, farblosen Zellen, de-
Gehirn.
237
ren Form an die Zellen der granen Substanz der Brücke erinnert. Auch
hängt der Lemniscus mit der Brücke zusammen : die graue Substanz der-
selben zieht sich am Austritt des Lemniscus aus der Furche zwischen
Brücken- und Vierhügelschenkel eine Strecke weit an dessen äusserer Ober-
fläche hinaxif (Fig. 167) und die Lemnisci beider Seiten im Zusammen-
Fio-. 167.
Frontalschnitt durch den Brückentheil des verlängerten Marks dicht hinter der Vier-
hügclplatte. Vma Velum med. ant. R Raphe. Lc Loc. coeruleus. Ccq Crus cere-
belli ad c. quadrig. P Brücke. I V' Trochleariswurzel.
hang stellen einen ähnlichen, nur in allen Dimensionen beträchtlich feineren
Ring um den vorderen Theil des tunnelförmigen Ventrikels dar, wie ihn
die Brücke um den hinteren Theil desselben bildet. Legt man durch den vom
Lemniscus bedeckten Theil der Vierhügelschenkel einen Frontalschnitt, der das
vordere Marksegel vor der Spitze der Lingula trennt, so sieht man die reticuläre
Substanz am oberen und unteren Rande von einem Saum dichterer, weisser
Substanz eingefasst. Auf den oberen Saum komme ich sogleich zurück,
der untere ^) , der die reticuläre Substanz von der Brücke scheidet, besteht
aus stärkeren Nervenfaserbündeln, welche zur Seite der Raphe sagittal,
weiter seitwärts immer schräger seit- und vorwärts und nachdem sie die
^) Wernekinck'sche Commissur. Commissur der Schleifen.
238
Gehirn.
Oberer Saum
dei- reticul.
Substanz.
Locus
coeruleus.
freie Oberfläche erreicht, längs derselben aufwärts verlaufen. Dies sind
die Fasern des Lemniscus. Am oberen Bande des Vierhügelschenkels an-
gelangt , gehen die hintersten dieser Fasern in das vordere Marksegel über,
in dessen Mitte sie den entsprechenden Fasern der anderen Körperseite
begegnen ; die vorderen strahlen in die Vierhügelj)latte aus ; um sie inner-
halb derselben zu verfolgen, muss man einen der Richtung der Fasern pa-
rallelen Schnitt vom hinteren Rande des hinteren Vierhügelpaars zur Mitte der
Oberfläche des vorderen führen; auf der Schnittfläche breiten sich zwischen
der eigenthümlichen Masse der Vierhügelwölbung und der mächtigen
Schichte grauer Substanz, die den Aquäduct umgiebt, die Bündel der Lem-
niscusfasern aus, von beiden Seiten medianwärts aufsteigend und in der
Mittellinie einander kreuzend.
Der obere weisse Saum der reticulären Substanz besteht von der Stelle,
bis wohin wir sie bisjetzt verfolgt haben, d. h. von der Gegend der in
ziemlich gleicher frontaler Höhe gelegenen Facialis- und Trigeminuskerne an,
zuerst (Fig. 165*) aus einer gleichmässig ausgebreiteten Schichte stärkerer
und dichterer cylindrischer Bündel mit unregelmässigen Zwischenräumen ;
sodann in der Gegend, wo die Wände des vierten Ventrikels zusammen-
rücken, um in den Aquaeduct überzugehen, wieder aus regelmässigeren,
im transversalen Durchmesser comprimirten , im verticalen verlängerten
Bündeln, welche im Frontalschnitt eine keulenförmige, mit dem dickeren
Ende medianwärts gerichtete Figur bilden (Fig. 167*). Einige schmale
und hohe Bündel stellen am oberen Ende der Raphe eine Brücke zwischen
beiden Seitentheilen her und schliessen die Raphe von der grauen Schichte
ab, die den Boden des Ventrikels deckt. Durch die Zv/ischenräume dieser
Bündel sagittaler Fasern ziehen schmale anastomosirende Faserbündel in
verticaler Richtung abwärts. Den Ursprung derselben kann man nur in
einer dichten Lage von Nervenzellen suchen,, welche in der eben erwähnten
grauen Schichte enthalten sind, beiderseits den gegen die Medianfurche
geneigten Abhang einnehmen und sich in der Mittellinie zu Einem Strang
vereinigen (Fig. 168). Nach unten verlieren sich die verticalen Fasern in
der Raphe und zwischen den Bündeln der reticulären Substanz. Die graue
Schichte selbst ist 1,5 Mm. mächtig und ihre Zunahme trägt wesentlich bei,
den Ventrikel zu verengen. Auffallender, als die mediane Zellengruj)pe,
sind am Seitenrande des Bodens des Ventrikels die grossen , reichlich ver-
ästelten und zugleich durch tief dunkelbraunes Pigment ausgezeichneten
Zellen des Locus Coeruleus (Fig. 165. Fig. 167); sie haben grösstentheils
Spindelform mit sagittal gestellter längster Axe, und eine Länge von 0,06
bis 0,1 Mm. Der verticale Durchmesser der Zellengruppe beträgt an der
höchsten Stelle fast 1 bis 1,5 Mm., ihr hinteres Ende erreicht den Trige-
minuskern, ihr vorderes Ende erstreckt sich bis unter das vordere Vierhü-
gelpaar , doch ist die Grenze nach keiner Seite scharf zu ziehen , indem
vereinzelte dunkle Zellen nach allen Seiten in die Umgebung, auch zwischen
die Faserzüge der reticulären Substanz vordringen.
Von der Raphe dieses Theils des Bodens des viei-ten Ventrikels be-
merke ich nur noch, dass sie breiter und seitlich minder scharf begrenzt
ist, als in den vorhergehenden Regionen, und stellenweise sehr deutliche
Kreuzungen der transversalen Fasern beider Seitenhälften zeigt (Fig. 167).
Gehirn.
239
Die Structur des vorderen Marksegels , so weit es von der Lingula be-
deckt ist, habe icb bereits beschrieben. In den vorderen Theil desselben
Fig. 168. erstrecken sich die sagittalen Fasern
nur in dünner Schichte, dagegen
durchziehen ihn, nebst den erwähn-
ten feinen Ausstrahlungen des Lem-
niscus, zahlreiche transversale Fa-
sern in mächtigen Bündeln, die
auffallend starken Wurzelfasern des
N. trochlearis.
Diese Wurzelfasern lassen sich Ti-ochiearis
von der Stelle am Seitenrande des "''^® "•
vorderen Marksegels, in die sie sich
einsenken, nach drei verschiedenen
Richtungen verfolgen. Manche der
feineren Wurzeln gehen vollständig,
andere nur mit einem Theil ihrer Fa-
sern in transversaler Richtung wei-
ter; sie verflechten sich innerhalb
des Marksegels untereinander und
mit Bündeln der von der anderen
Seite entgegenkommenden Wurzeln
des symmetrischen Nerven (Fig. 169)
und scheinen auf der ihrem Ein-
tritt entgegengesetzten Seite das
Marksegel wieder zu verlassen, um
mit den Trochleariswurzelfasern
dieser Seite in eine der beiden an-
deren Bahnen umzubiegen. Diese
nämlich haben eine sagittale Rich-
tung und wenden sich also in fast
rechtem Winkel von der Eintritts-
stelle an, die Eine rück-, die andere vorwärts. Die rückläufige hintere
Detail zu Fisr. 167. Nervenzellen der grauen
Substanz und abwärts zur Raphe ziehende
Fiisern.
Fiff. 169.
Lc
Frontalschnitt des vorderen Marksegels durch die Wurzeln des N. trochlearis {IV).
Ccq Crus cereb. ad c. quadrig. Lc Locus coeruleus.
240
Gehirn.
TrocMeariswurzel ^) ist die stärkere, ilire Fasern, anfangs in einem cylinclri-
schen Strang vereinigt (Fig. 169), verscMeben sich allmälig so, dass sie
auf dem Querschnitt eine schmale halbmondförmige, mit der Coneavität me-
dianwärts gewandte Figur bilden (Fig. 165 IV'). So ziehen sie an der latera-
len Seite des Locus coeruleus, einzelne Fasern auch innerhalb desselben, bis
in die Gegend des Trigeminuskerns. Ob sie ihn erreichen und mit dessen
Zellen Verbindungen eingehen, muss ich unentschieden lassen; den Ueber-
gang einzelner Fasern des Trochlearis in die braunen Zellen des Locus coe-
luleus habe ich mit Bestimmtheit gesehen (Fig. 170).
Fig. 170.
Zellen des Locus coeruleus, die vordere Spitze nach links gerichtet.
Die vordere Trochleariswurzel 2) besteht aus einer Anzahl feiner Bündel
von schräg abwärts gerichtetem und zugleich seitwärts schwach convexem
Verlauf, so dass an Sagittalschnitten, die ihr oberes und unteres Ende tref-
fen, der mittlere bogenförmige Theil ausfällt (Fig. 171). Ungefähr unter-
halb der Mitte des vorderen Vierhügelpaares senken sich diese Bündel in
eine platte Zellengruppe ein , welche unmittelbar über der reticulären Sub-
stanz liegt und gegen diese nach unten ebenso scharf abgesetzt ist, wie nach
oben gegen die gelatinöse, den Aquäduct umgebende Substanz. Diese Zellen-
Troehiearis- gruppe, der Nucleus trochlearis Stilling (Fig. 171. 173), reicht mit ihrem
^'^^' medialen Rande bis zurRaphe; sie hat im transversalen Durchmesser 1,5, im
verticalen IMm.; ihren sagittalen Durchmesser genau zu bestimmen ist un-
thunlich, weil sie sich vorwärts ohne Abgrenzung in ein mächtigeres Zellen-
lager fortsetzt, mit dem der N. oculomotorius in Verbindung steht. Die
Zellen dieses Lagers und des Trochleariskerns , sowie die zahlreich in die
gelatinöse Wand des Aquäducts eingestreuten Zellen haben den gleichen
Durchmesser von 0,04 bis höchstens 0,05 Mm. und die gleiche, in der Regel
hellgelbe FärbuDg. Ln Trochleariskern zeigen sie die Besonderheit, dass
sie meist in Gruppen von 2 bis 5 zusammenliegen und gruppenweise , aber
auch einzeln von schmalen hellen Säumen umgeben sind; ihre Fortsätze
sind lang, Axencylindern ähnlich; doch ist es mir nicht gelungen, mehr
als Einen von einer Zelle ausgehen zu sehen. Die Zellen und Zellen grup-
^) Untere Abtheilung der centralen Bahn des N. trochlearis Stilling. ^) Obere Ab-
theilung der centralen Bahn des N. trochlearis Stillins.
Grehirn.
241
pen liegen in weiten Abständen; die Zwischenräume füllt feinkörnige Sub-
stanz und ein reiches Geflecht der in den Kern eintretenden Bündel des
Fie:. 171.
IV'
Le
Not
Tp'
Ntr
Sagittalsclinitt durch die Vierhügelplatte neben dem Aquäduct. No c Nucleus oculo-
motor. Le Loc. coeruleus. 7'p' Faserung der Taenia pontis. JV" Vordere Troohlea-
riswurzel.
Fiff. 172.
Zellen des Trochleariskerns.
Henle, Anatomie. Bd. III. Abthl. 2.
16
242 Gehirn.
N. trochlearis (Fig. 172). Dürfen wir die oberflächlichen sagittalen Faser-
lagen der reticulären Substanz als Fortsetzungen des N. trigeminus betrach-
ten, so begegnen sich im Trochleariskern die Fasern jenes Nerven und des
N. trochlearis ; ausserdem gehen von diesem Kern Faserbündel ab- und vor-
wärts, die als Taenia pontis (S. 129) aus der medialen Fläche der Gross-
hirnschenkel hervortreten (Fig. 171 Tp').
Stilling und Stieda halten den Trigeminuskern für die Ursprungsstätte der
hinteren Trochleariswurzel und Stieda bezeichnet ilm sogar ausdrücklich als
Trochleariskern. Die Kreuzung der Wurzelfasern der beiden Nn.trochleares ist nach
Stilling' s Beschreibung, welcher Kölliker und Stieda sich ansclüiessen , eine
totale, d. h. vordere und hintere Wurzel Einer Seite vereinigen sich, um auf der
anderen Seite als Nervenstamni auszutreten.
Wieder anders gruppiren sich die Elemente, namentlich der reticulären
Substanz, da, wo die Fortsetzung des verlängerten Marks den vorderen
Rand der Brücke erreicht und unter der Yierhügelplatte hinzieht. Die
graue Deckplatte des Bodens des Aquäducts wird 2 Mm. hoch und setzt
sich in ziemlich gleicher Mächtigkeit längs den Seitenwänden in das Dach
desselben, d. h. in die unterste Schichte der Yierhügelplatte fort (Fig. 173).
Hier überall und tief in die Raphe hinein ist die graue Substanz dicht er-
füllt von sternförmigen Zellen , in Grösse und Pigmentirung denjenigen
ähnlich, die den Trochleariskern zusammensetzen. Unter der grauen Deck-
platte erhält sich die keulenförmige weisse, aus seitlich comprimirten Bün-
deln bestehende Fasermasse (Fig. 173*), die in dem vorhergehenden Ab-
schnitt auftrat, sie ist in Fig. 1 74 im sagittalen Durchschnitt abgebildet. Dicht
unter ihr aber entwickelt sich zur Seite der breiten Raphe (i2), in welcher
transversale, verticale und sagittale Fasern eng verwebt sind, ein scharf
abgegrenzter Strang weisser Substanz, im Frontalschuitt elliptisch, mit dem
längsten Durchmesser vertical gestellt , der fast die ganze Höhe des Restes
der reticulären Substanz einnimmt. Successive Durchschnitte lehren , dass
diese Stränge den allmälig unter das Niveau des Bodens des Ventrikels ge-
sunkenen und gegen die Medianebene vorgerückten Vierhügelschenkeln ent-
sprechen. Was aber; die weissen Stränge des Bodens des Aquäducts von
den Vierhügelscheikeln unterscheidet, ist die feinere Zerklüftung der er-
steren durch Faserbündel, welche hauptsächlich transversal, stellenweise auch
vertical, oder auf dem Querschnitt radienförmig verlaufen (Fig. 173) und, wie
man an Sagittalschnitten erkennt, geflechtartig zusammenhängen. Von der
medialen Seite der Stränge setzen sich die transversalen Fasern gegen die
Mittellinie fort und kreuzen sich mit den entsprechenden Fasern der ande-
ren Seite ; die Begrenzung der weissen Stränge nach aussen bewirken
Faserzüge, welche dieselben in frontalen Ebenen bogenförmig umgeben.
Kerne des Im weiteren Verlauf nach vorn gehen die besagten weissen Stränge,
Tegmentum. ^^_^ wenig lateralwärts abweichend und dabei allmälig an Umfang zunehmend,
in die rothen Kerne des Tegmentum Burdach i), JShicJei tegmenti,
über, die sich an einem Frontalschnitte des Grosshirns durch die Thalami
^) Haubenschiclit oder Haubenstrang Reichert. Doch bezeichnet Reichert mit die-
sem Namen schon die gleichmässig reticuläre Substanz der weiter hinten gelegenen Regio-
nen des verlängerten Marks.
Grehirn.
243
im unteren Tlieil der Seitenwände des dritten Ventrikels (unter dem Sulcus
Monroi) zeigen (Fig. 73, vgl. Fig. 69).
Fiir. 173.
/ V
mM~
Ntr
^
^
m
Frontalschnitt des Gehirns durch das vordere VierhügeIpMar. A Aquäduct. Nir Nucl.
trochlearis. R Raphe.
Bei der Zunahme des Volumens der Kerne des Tegmentum wächst der
transversale Durchmesser rascher als der verticale und so wird der Strang
cylindrisch, geht der elliptische Querschnitt in den kreisförmigen über.
Die Umwandlung der weissen Farbe in die röthliche oder gelbliche hat
ihren Grund in der Einlagerung feinkörniger Substanz mit leicht pigmen-
tirten verzweigten Nervenzellen, welche vereinzelt schon im Bereich des
Aqxiäducts in den Strängen enthalten sind, am vorderen Rande der Vier-
hügel aber, und zwar vom lateralen Rande gegen den medialen vordrin-
gend, massenhaft erscheinen. Die charakteristischen Nervenfaserbündel
werden dadurch successiv zerklüftet und auseinandergedrängt, von der Ge-
16*
244 Gehirn.
gend der Corpora candicantia an verlassen sie die sagittale Richtung und
wenden sich seit - und aufwärts in den Thalamus ; einzelne Fasern mögen
in den eigenen Zellen des rothen Kerns ihr Ende finden.
Fortsetzung In Folge der Divergenz der Kerne des Tegmentum wird die Raphe
ap e. g^}]^jjjj^]jg |)i-eiter. Die weisse Substanz derselben, die aus Fasern besteht,
welche in Frontalebenen den Kern des Tegmentum wie eine Hülse umge-
ben, wird schon diesseits des vorderen Randes der Brücke durch einen me-
dianen Streifen grauer Substanz getheilt, der sich aufwärts zuschärft
(Fig. 73). Er erweist sich auf Frontalschnitten als verticaler Schenkel
einer umgekehrt T (x)förmigen Masse, deren horizontaler Schenkel, leicht
aufwärts concav, sich zwischen die reticuläre Substanz und die Brücke
einschiebt und seitwärts mit der Substantia nigra der Grosshirnschenkel in
Verbindung tritt. Die mittlere Partie dieser grauen Substanz ist auffal-
lend porös wegen der zahlreichen Durchschnitte von Gefässen , die durch
die Lamina perforata post. eintreten (Fig. 173). Uebrigens besteht sie aus
feinkörniger Masse und sehr zahlreichen kleinen, vielstrahligen, gelben Zel-
len, denen sich hier und da, namentlich in der Nähe der Substantia nigra,
einzelne der grossen , dunkelpigmentirten Zellen dieser Substanz bei-
mischen. Vereinzelt kommen Zellen der letztgenannten Art auch in
den Faserzügen vor, die den Kern des Tegmentum an der lateralen Seite
einfassen.
Basis. Während so das Tegmentum aus Fasern der Vierhügelschenkel und
der reticulären Substanz sich entwickelt und den grauen üeberzug erhält,
der die untere Fläche desselben beim Austritt aus der Brücke bedeckt, ver-
einigen sich andere Fasern der reticulären Substanz mit den Fortsetzungen
der Pyramiden zur Basis der Grosshirnschenkel. Ein Sagittalschnitt zur
Seite der Mittellinie (Fig. 174) zeigt, wie die durch die transversalen
Brückenstränge zerklüfteten P3'^ramiden sich vor der Brücke wieder zu
einem compacten Strange sammeln und wie zugleich sagittale Fasern der
reticulären Substanz längs dem unteren Rande des Kerns des Tegmentum
in schräg vorwärts absteigendem Lauf vom Boden des vierten Ventrikels
an die untere Fläche der Grosshirnschenkel gelangen. Beiderlei Fasern,
die der Pyramiden und der reticulären Stränge, verflechten sich in der Ba-
sis der Grosshirnschenkel. Die Bündel der letzteren verlaufen zwar im
Wesentlichen sagittal, jedoch abwechselnd unter sj)itzen Winkeln nach der
Einen und anderen Seite geneigt.
Subst nigra. ^^^ schwarze Kern der Grosshirnschenkel erstreckt sich in sagittaler
Richtung von der Gegend des vorderen Randes der Brücke bis über den
hinteren Rand der Corpora candicantia; er nimmt die ganze Breite der
Hirnschenkel ein und hat in der Mitte dieser Breite, von welcher aus er
sich nach beiden Seiten verjüngt, eine Höhe von 2 bis 3 Mm. Die Grund-
lage desselben ist feinkörnige Substanz, die in der Nähe der Ränder von
feinen sagittalen Bündeln durchzogen wird. Die dunkel pigmentirten Zel-
len sind von sehr verschiedener Form , mit feinen Fortsätzen versehen,
etwas kleiner als die Zellen des Locus coeruleus , die rundlichen 0,036 Mm.
im Durchmesser mit Kernen von 0,015 Mm. Durchm., von den spindelför-
Gehirn.
245
migen die grössten 0,075 Mm. lang und 0,015 Mm. breit. Sie liegen Mer
vereinzelt, dort zu 3 und 4 dicht zusammen und meistens so gruppirt, dass
Fig. 174 1).
NU
IV Lc
Sagittalschnitt des Brückentheils des verlängerten Marks neben der Mittellinie. No Nu-
cleus olivae. Fpy Funic. pyramid. Ccq Crus cerebelli ad c. quadrig. Lc Loc. coe-
ruleus. Lq Lamina quadrig. Ntg Nucleus tegmenti. Sn Substantia nigra.
IV' Trochlearis - , VI' Abducenswurzeln.
sie auf dem mit freiem Auge betrachteten Durchschnitt zwei oder drei
unregelmässige Streifen erzeugen.
Durch die Substantia nigra der Grosshirnschenkel und zwischen den
Zellen derselben , anscheinend ohne sich mit ihnen zu verbinden , steigen
die Wurzelbündel des N. oculomotorius empor, die sich vermöge der auf- ,
fallenden Stärke ihrer Fasern und Axencylinder leicht durch die Faserung
des Tegmentum bis zu ihrer Ursprungsstätte, dem Oculomotorius-
kern, Wucleus Oculomotorii Stilling, verfolgen lassen.
Dieser Kern, reich an multipolaren Zellen der grössten Art, schliesst Ocuiomoto-
sich unmittelbar an den Trochleariskern an (Fig. 171), liegt also nahe der "'^^^e™-
Raphe zwischen den obersten sagittalen Fasern der reticulären Substanz
und der grauen Masse des Bodens des Aquädiicts, von der letzteren durch
einige zarte Bündel transversaler aus der Raphe aufsteigender Fasern scharf
abgegrenzt (Fig. 175 a. f. S.). Seine Form ist im Frontalschnitt dreiseitig
mit der Spitze nach unten gerichtet, seine grösste Höhe beträgt 3,5 bis
4 Mm. Mit ihren vorderen Enden nähern sich die Kerne beider Seiten
einander und zuletzt machen sie , die Raphe überwuchernd , eine einzige
keilförmige Masse aus.
Um den unteren Rand des Kerns zu erreichen und sich in demselben
1) Nach Stilling, über den Bau des Hirnknotens und der Varolsbrücke. Taf. XII,
Fig. 7.
246
Gehirn.
Fiff. 175.
zu zersti^euen , durchziehen die Wurzelfasern des N. oculomotorius die me-
diale Ecke der Basis der Grosshirnschenkel, dann die Substantia nigra und
zuletzt den Kern des Tegmentum
in rückwärts aufsteigender Rich-
tung und zugleich in seitwärts
convexen und je weiter seitwärts,
um so stärker gekrümmten Bo-
gen. Die Zahl der in Einem
Frontalschnitt einer Seitenhälfte
neben einander verlaufenden
Bündel nimmt von hinten nach
vorn zu und beträgt in den vor-
deren Schnitten 8 bis 14.
Vierhügel.
^^L ^°P
iSIoc
Die Wölbungen der Vierhügel
sind bedingt durch Anschwel-
lungen , theils der grauen , mit
grossen gelben Nervenzellen (s.
oben) durchsäeten Decke des
Aquäducts, theils einer weissen
Masse, welche diese graue über-
lagert und in der medialen und
transversalen Furche 1,5, an den
erhabensten Stellen über 4 Mm.
mächtig ist. Sie besteht aus fei-
nen Fasern, die fast durchgän-
gig in dünne, cylindrische Bün-
del abgetheilt und durch schmale
Zwischenräume geschieden sind;
nur gegen den unteren Rand der
weissen Substanz kommen einige
Reihen stärkerer Bündel vor und
bewirken, dass an den durch
Kalilösung aufgehellten Durch-
schnitten ein minder durchsich-
tiger, bei auffallendem Licht weis-
ser, bei durchfallendem dunkler
Streif die Grenze der weissen
und grauen Substanz bezeichnet
(Fig. 171). Senkrecht von der
Oberfläche aus eintretende Gefässe durchziehen die weisse Rinde der Vierhügel
in radiärer Richtung imd scheiden sie in gröbere Stränge (Fig. 171. 173).
Bezüglich der Anordnung und Richtung dieser Fasern, wie auch der
zwischen denselben befindlichen Zellen sind die hinteren und vorderen Vier-
hügel einigermaassen verschieden. Die Faserbündel der hinteren Vierhügel
zeigen sich auf frontalen wie auf sagittalen Durchschnitten der Vierhügel-
platte im Querschnitt; um senkrechte Durchschnitte der hinteren Vierhügel
Frontalschnitt des Gehh-ns durch die hintere Cc^ri-
missur (Cop) und die Austrittsstelle des N. oculo-
motorius (///). JAquäduct. iVo c. Nucl. oculomot.
Gehirn. 247
zu gewinnen, in welchen die Fasern der Länge nacli verlaufen, muss der
Schnitt parallel der Axe der hinteren Brachia conjunctiva geführt werden.
Aiich an solchen Schnitten beginnt eine regelmässigere Anordnung der Fa-
sern erst in dem seitlichen Abhang des Hügels, während sie in dem medialen
Abhang dicht und regellos durch einander gewirrt sind. Sie ordnen sich
alsdann zu parallelen, der Richtung der Brachia conjunctiva entsprechenden
Zügen, werden aber im Bereich der Vierhügel und auch noch im hinteren
Theil des Brachium conjunctivum gekreuzt und durchsetzt von Fasern,
welche aus der reticulären Substanz und aus dem Lemniscus aufsteigen und,
wie ich bereits bei Beschreibung des letzteren angab, in der Mittellinie
einander begegnen.
Im vorderen Vierhügelpaar verläuft der Oberfläche zunächst eine dünne
(0,045 Mm. mächtige) Lage feiner Fasern in transversaler Richtung, an
Frontalschnitten dem Contur der Oberfläche parallel und rechtwinklig ge-
kreuzt von den sagittalen Bindegewebsbündeln der Gefässhaut; es folgt zu-
nächst darunter eine Schichte, in welcher einzelne Fasern und Faserbündel-
chen ohne Ordnung und spärlich eine feinkörnige, zellenhaltige Masse durch-
setzen; weiter nach unten herrschen Avieder, immer dichter zusammenrückend,
transversale Bündel vor, zwischen denen spärlichere, ebenso feine Bündel
in verticaler Richtung zur Oberfläche des Hügels aufsteigen. Gegen den vor-
deren Abhang des Hügels werden Fasern und Bündel stärker, um allmälig in
die mächtigen queren Bündel der hinteren Commissur überzugehen, deren
Fasern denen der reticulären Substanz des verlängerten Marks an Stärke
nicht nachstehen.
Was die Zellen betrifi't, so sind sie im hinteren Vierhügelpaar reichlich,
aber klein, kaum über 0,018 Mm. im Durchmesser, im vorderen Vierhügel-
paar spärlicher und gi-össer, einzelne sogar von der grössten Art. Die
Zellen des vorderen Vierhügelpaars sind körnig, gelb pigmentirt, deutlich
verästelt; die des hinteren gleichen den später zu beschreibenden Zellen
der tieferen Schichten der Grosshirnrinde: neben Gruppen von Körnern
kommen Zellenkerne mit deutlichem Kernkörperchen vor, von einem schma-
len, wasserhellen Saum umgeben. Wie sich allmälig die Nervenfasern zu
parallelen Bündeln ordnen , nehmen diese Zellen nebst den Körnern , von
Fig. 176.
^r
250
~r
Horizontalschnitt des hinteren linken Vierhügels am Uebergang in das
Brachium conjunctivum.
248
Gehirn,
Brachia
conjtinct.
feinkörniger Masse umgeben, die Zwisclienräume der Bündel ein, und wenn
die Zellen zwisclien den unregelmässig verfilzten Fasern eine kugelige Ge-
stalt haben, so erbalten sie in den Zwischenräumen der Bündel eine ellipti-
sche mit dem längsten Durchmesser parallel dem Faserverlauf, bis in dem
Brachium conjunctivum die Zellen völlig schwinden und die Körner allein
übrig bleiben (Fig. 176).
Die Fasern, die in die Brachia conjunctiva aus den Vierhügeln über-
gehen , scheinen in den letzteren zu entspringen , wie schon daraus zu ent-
nehmen ist, dass sie mitunter erst in der Mitte des hinteren Vierhügel-
paares beginnen, während der hintere Abhang desselben ganz frei von Fa-
sern ist. Wohin sie aus den Brachia conjunctiva gelangen , ist nicht so
leicht zu ermitteln. Die Fasern des vorderen Brach, conjunct. strahlen
zum grösseren Theil im Thalamus seit -aufwärts aus, zum kleineren Theil
gehen sie an der Oberfläche des C. geniculatum mediale weiter und bilden
eine dünne weisse Rindenschichte desselben. Die Fasern des hinteren
Brach, conjunctivum treffen auf das mediale C. geniculatum, treten aber
nicht in dasselbe ein, sondern gesellen sich unter ihm der Basis des Gross-
hirnschenkels bei. Schon durch das stärkere Kaliber unterscheiden sie sich
von den Wurzelfasern des IST. opticus, welche an der anderen Seite aus dem
C. geniculat. mediale hervorgehen.
J. Wagner (Ueber den Ursprung der Sehnervenfasei-n, Dorj). 1862, S. 10)
sah au einem Gehirne einen auf der einen Seite starken, auf der anderen schwa-
clien Streifen vom hinteren Brachium conjunctivum direct zu dem Tlieil des
Tractus opt. verlaufen, der aus dem C. geniculat. mediale entspringt.
C. genicul.
mediale.
Folgt man dem Laufe des Tract. opticus vom Chiasma an rückwärts, so
sieht man ihn zuerst am hinteren Rande , dann an der ganzen oberen Fläche
mit der unteren Fläche des Gehirns verschmelzen und weiterhin sich mehr oder
minder scharf in zwei platte Stränge sondern, welche in die beiden Corpora ge-
niculata eintreten (vgl. Fig. 77). Bis zu diesen besteht der Ti'actus opticus,
abgesehen von Körnern und einer feinkörnigen Rinde von 0,03 Mm. Mäch-
tigkeit, aus denselben dunkelrandigen feinen Fasern , welche im N. opticus
enthalten sind. Zu den Corp. geniculata stehen die beiden Abtheilungen
des Tractus opt. in demselben Verhältniss, wie in den bisher betrachteten
Theilen des Gehirns die Nervenwurzeln zu ihren Kernen. Doch haben die
beiden Kerne des N. opticus verschiedene Structur. Der mediale, das O. ge-
niculatum ^mediale, ist nur schwach gefärbt und aufwärts nur undeutlich
gegen die Substanz des Thalamus abgegrenzt. Es enthält über der er-
wähnten faserigen Rindenschichte nur feinkörnige Substanz und innei'halb
derselben die aus dem vorderen Brachium conjunctivum in den Thalamus
ausstrahlenden Faserbündel und eine rudimentäre Art von Zellen, deren
ich soeben bei den Vierhügeln gedachte und auf welche ich bei Beschrei-
bung der Grosshirnganglien zurückkomme : Körner im Uebergang zu klei-
neren und grösseren mit Kernkörperchen versehenen Kernen, eingeschlos-
sen in mehr oder minder scharf begrenzte wasserhelle Lücken und inner-
. halb dieser Lücken von Häufchen theils farbloser, theils gelblicher Moleküle
umgeben. Die hellen Lücken sind in jedem Durchschnitte kreisrund, im
unversehrten Zustande also kuglig; ihr Durchmesser übertrifft nicht leicht
Gehirn.
249
0,012 Mm. In der Nähe der Oberfläche sind sie meist vereinzelt und spär-
lich, weiter nach innen hier und da in Gruppen vereinigt. Nach innen
wandeln sich auch die von Molekülen umgebenen Kerne allmälig in deut-
licher conturirte, entschiedener gelbe, theilweise ästige Zellen um.
m
Fiff. 177.
■Jy^^z'
M
Zellen des Q. seuiculatum laterale.
Das O. geniculaüim laterale ist c. genicui.
nicht nur durch seine tief gelblich ^ '
graue Färbung, sondern auch durch
einen auffallend weissen Markstrei-
fen, der seinen inneren Rand einfasst,
gegen den Thalamus abgesetzt (Fig.
73. 79). Es ist 4 bis 5 Mm. mäch-
tig und dicht erfüllt von gelben,
ästigen, meist spindelförmigen und
von unregelmässigen hellen Säumen
umgebenen Zellen i) (Fig. 177), zwi-
schen welchen die Fasern abwärts
ziehen, die sich am unteren freien .
Rand zum lateralen Strang der Op-
ticuswurzel sammeln. An einem
Horizontalschnitte durch das C. ge-
nic. laterale (Fig. 178) ist ersicht-
lich , dass die Fasern in 4 bis 6
frontalen , stellenweise anastomosi-
renden vorwärts convexen Platten
von etwa 0,1 Mm. Mächtigkeit an-
geordnet sind, welche mit etwas
Fig. 178.
15
— Cgm
Horizontalschnitt des C. creniculat. laterale.
^) J. Wagner bestimmt die Länge der .spindelförmigen Zellen zu 0,01 bis 0,022, ihre
breite zu 0,006 bis 0,014 Mm. und behauptet, nie mehr als zwei, meist nur Einen Fort-
250
Gehirn.
Thalamus-
Wurzel des
Tr. opt.
etärkeren Schichten der zellenhaltigen Substanz alterniren. Auch in dem
Zwischenraum der beiden Corpora geniculata zeigen sich auf verticalen
Durchschnitten Faserbündel im Quer- und Schrägschnitte, welche sich der
Einen oder anderen Wurzel des N. opticus zuzuwenden scheinen. Eine
entschieden ohne Vermittelung der Corp. geniculata direct aus dem Thala-
mus in den Tractus opticus übergehende Wurzel wird auf einer sagittalen
Schnittfläche des Thalamus durch das C. geniculatum laterale sichtbar; sie
steigt zwischen diesem Körper und der Faserung des Grosshirnschenkels,
die der genannte Frontalschnitt ziemlich genau der Quere nach schneidet,
aus dem Tractus opticus fast senkrecht empor in der Richtung gegen die
Grenze des Thalamus und Streifenhügels, geht aber schon in der halben
Höhe des Thalamus durch fächerförmige Zerfaserung zwischen den horizon-
talen Faserzügen unter (Fig. 179*).
Fiff. 179.
Ich berühre hier sogleich die
Frage, ob der Tractus opticus zu
den Fasern, die er aus den Corp.
geniculata und mittelbar oder un-
mittelbar aus dem vorderen Vier-
hügel und dem Thalamus mitbringt,
während seines Verlaufs an der Ba-
sis des Grosshirns Zuwachs erhalte.
An Verticalschnitten durch den
Ti-actus und den angrenzenden Theil
der Hirnbasis, welche den ersteren
senkrecht gegen dessen Faserver-
lauf treffen, sieht schon das unbe-
waffnete Auge den Querschnitt des
Tractus durch eine lineare Spalte
vom Grosshirnschenkel geschieden,
während die Grenze des Tractus
gegen die Substantia perforata ant.
verwischt ist. Bei massiger Vergrösserung wird indess auch diese Grenze
deutlich: die querdurchschnittenen Opticusfasern stechen scharf gegen die
Längsfaserzüge der Substantia perforata ant. ab und zwischen beide schiebt
sich ein schmaler gelber Streifen ein, bestehend aus einer einfachen oder
mehrfachen Reihe pigmentirter spindelförmiger Nervenzellen, wie sie auch
sonst zerstreut in der Substantia j)erforata ant. vorkommen. Von dieser
Zellenreihe senden einzelne ihre Ausläufer in den Tractus und andere lie-
gen , wie vorgeschobene Posten , isolirt zwischen den Fasern desselben
(J. Wagner). In einem ähnlichen Verhältniss zum Tractus steht eine
Reihe kleinerer gelber Zellen an der Grenze des Tuber cinereum gegen das
Chiasma. Von der Lamina cinerea terminalis und dem Pedunculus corpo-
ris callosi geht eine 0,75 Mm. mächtige Lage feiner sagittaler Fasern auf
die Vorderfläche des Chiasma über, umhüllt den mittleren Theil desselben
Sagittalschnitt des Thalamus durch das C. ge-
niculat. laterale (CgrZ). Cgin C. genic. mediale
Sn Substantia nigra. Geh Crus cerebri.
ll' Tract. opticus.
Satz an denselben wahrgenommen zu haben. Von der äussersten Zellenschichte sah er die
Fortsätze direct in den Tractus opt. übergehen, jedoch in verhältnissmässig nur geringer
Zahl.
Gehirn. 251
und setzt sicli an beiden Seiten in peripherischer Richtung auf die Seh-
nerven fort. Sie machen eine Schichte des Chiasma aus, auf welche ich bei
der Beschreibung der periphei-ischen Nerven zurückkommen werde.
Uebergehend zu den eigentlichen Hemisphären des Grosshirns habe Grosshirn-
ich zuerst nachzutragen, was in Betreff der Vertheilung der weissen und ren.
grauen Substanz aus der makroskopischen Betrachtung der Durchschnitte
sich ergiebt. Sie lehren innerhalb der weissen Masse, die ich oben als
Markkern des Grosshirns beschrieb, gesonderte Kerne grauer Substanz ken-
nen, weiche die weisse Masse gleichsam auseinander drängen und in Stränge
zerlegen. Die Kerne nehmen insbesondere den Theil der Ventrikelwand
ein, welcher nach aussen durch die Randwülste der Insel, nach innen durch
den Thalamus und die Streifenhügel begrenzt wird.
Zunächst an die weisse Faserung, die, aus den Grosshirnschenkeln aus- Linsenkern.
strahlend, an der Aussenseite des Thalamus und Streifenhügels hinzieht,
lehnt sich ein grauer Kern, der im Frontal-, Horizontal- und Sagittal-
schnitt biconvex oder, indem sich der Eine der bogenförmigen Conturen in
eine gebrochene Linie verwandelt, dreiseitig erscheint. Dies ist der Lin Sen-
kern, Wucleus ^ew^?/brm?s Bur dach ^) (Fig. 180. 181.182). Sein längster
sagittaler Durchmesser entspricht ungefähr dem sagittalen Durchmesser der
Insel; er wird also vorn vom Streifenhügel, hinten vom Thalamus überragt.
Seine grösste Breite liegt in gleicher Höhe mit der mittleren Commissur
und gegenüber dem vorderen Rande des Thalamus. Gegen diesen und ge-
gen die längs diesem Rande aufsteigende Stria terminalis ist der Scheitel
der stumpfwinklig gebrochenen Linie gerichtet, welche auf dem Horizontal-
schnitt die mediale Grenze des Kerns bezeichnet, während die laterale ein-
fach schwach convex verläuft und beide vorn und hinten in einem spitzen
Winkel zusammenstossen. Das wechselnde Verhältniss der Höhe zur Breite
des Linsenkerns erläutern frontale Durchschnitte. Auch an diesen er-
scheint er dreiseitig mit Einem Winkel medianwärts gerichtet, die dem-
selben gegenüberliegende Seite des Dreiecks vertical, convex oder wellen-
förmig. Aber im hinteren Theile des Gehirns, bis in die Gegend der
Corp. candicantia (Fig. 79), ist das Dreieck stumpfwinklig, höher als breit,
der mediale Winkel stumpf abgerundet; weiter vorn (Fig. 182) verlängert
er sich im transversalen Durchmesser auf Kosten des verticalen, der mediale
Winkel wird spitz, spitzer als die beiden nahezu gleichen äusseren Winkel.
In der Nähe der vorderen Spitze des Voi-derhorns stumpft sich der mediale
^) In den älteren Beschreibungen wird der Linsenkern als Bestandtheil des Streifen-
hügels betrachtet und streng genommen eignet sich allerdings der Name Streifenhügel für
den in das Vorderhorn des Seitenventrikels vorragenden grauen Körper nur dann , wenn
man sich ihn durchzogen denkt von den weissen Markstreifen , die zwischen dorn
Streifenhügel (im neueren Burdach'schen Sinne) und dem Linsenkern eingeschaltet sind.
Vieussens, Eeil und A. theilten den Streifenhügel in eine äussere und innere Portion,
die äussere (C. striatum externum Rolando) ist identisch mit dem Linsenkern, die innere
Portion bezeichnet Arnold als Nucleus caudaius des Streifenhügels.
252
Gehirn.
Winkel wieder ab und gegen den zugescliärften vorderen Rand gleicht der
Diirclisclinitt des Kerns in der That dem Diirchsclinitt einer mit der Axe
transversal gestellten Linse.
Zwei, dem lateralen Rande concentrisclie und in ziemlich gleichen Ab-
ständen zwischen diesem Rande und der gegenüberliegenden Spitze verlau-
Fig. 180.
Cgm Tho
SpaD' Ceb"
Sagittalschnitt der rechten Hemisphäre durch die laterale Spitze des C. geniculalum
mediale {Cgm). Laterale Schnittfläche. Nl Nucleus lentif. Cs C. striat. Crf Crus
fornicis. Tho Thalamus. C ch Crus cerebri. Si^a Substantia perforata ant.
Coa' Commiss. ant. //' Tractus oüt.
Fig. 181.
Sagittalschnitt derselben Hemisphäre, näher dem Seitenrande. VI" Laterale Wand
des unteren Horns des Seitenventrikels.
Gehirn.
253
fende hellere Linien scheiden den mächtigeren Theil des Linsenkerns in
drei Zonen ^) , die sich auch durch wenngleich geringe Unterschiede der
Fig. 182.
Sra
Am
Frontalsfhnitt des Grosshirns durch das Tuber cinereum (Tc) dicht vor dem Stiel der
Hypophyse. Vorderer Abschnitt. Ccl^ C. callos. Vsl Ventinc. septi lucidi. Ls La-
mina septi lucidi. Cs C. striat. B' Ausstrahlung der Basis des Grosshirnschenkels.
St Stria terminalis. Nl Nucleus lentif. Cls Claustrum. In Insel. Cf Grus fornicis.
Cp Kapsel. Coa Conimiss. ant. Coa' Durchschnitt derselben in der Hemisphäre.
Ain ^m3rgdala. Sra Substantia retic. alba. II' Tractus opticus.
Farbe xind Structur gegen einander absetzen. Die äusserste Zone 2) ist
dunkler als die beiden anderen ^) , die innerste durch einen Stich ins
Röthliche den Kernen des Tegmentum ähnlich und während die beiden in-
neren Zonen eine ziemlich gleichmässige Färbung haben, ist die äussere in
radiärer Richtung von feinen hellen Streifen durchzogen (Fig. 182).
Ein zweiter grauer Kern, ülauSlruni Burdach*), liegt an der äusse- ciaustrum.
ren Seite des Linsenkerns; er zeigt sich an frontalen (Fig. 182) und horizon-
^) ArtlcuK. 2) Putamen Burdach. ^) Die beiden inneren Zonen fasst Burdach
unter dem Namen eines Globus pallkhcs zusammen, der durch ein Markblatt getheilt sei.
^) Vormauer. Nucleus laeniaeformls Arnold. Strato cmericcio Rolando.
254
Gehirn.
talen Schnitten (Fig. l84. 185) ungefähr in der Mitte der weissen Schichte,
welche die graue Rinde der Insel von dem Linsenkern trennt, als ein
nach dem äusseren Contur des letzteren gekrümmter schmaler Streif, stellt
also eine dünne, nach der Aussenfläche des Linsenkerns gewölbte Platte dar.
Von der convexen Fläche dieser Platte erheben sich hier und da niedrige,
gegen die Randwülste der Insel vorspringende Leisten, die auf dem Durch-
schnitt sich wie kurze Zacken ausnehmen (Fig. 182). Am oberen Rand
schärft das Claustrum sich zu und biegt sich mehr oder weniger von dem
Linsenkern ab nach aussen ; an seinem unteren Ende dagegen wird es mäch-
tiger und mit dem mittleren Theil seines unteren Randes nähert es sich dem
Linsenkern, um schliesslich theilweise mit demselben zu verschmelzen, theil-
weise in das Tuber olfactorium überzugehen (Fig. 187).
Fig. 183.
Horizontalscluiitt des Grosshirns, dicht über der unteren Fläche, untere Schnittfläche.
Lq Lamina quadrigeni. A Aquäduct. Ntg Nuclens tegmenti. Rdf^ Raf Ab- und
aufsteigende Wurzel des Fornix. Co Chiasma opt., durch den Boden des dritten Ven-
trikels schimmernd. Cs C. striat. Nl Nucl. lentif. Si^a Subst. perf. ant. Jn Insel.
Coa' Commiss. ant. Sn Substantia nigra. B' Fasern der Hirnschenkelbasis im Quer-
schnitt. //' Tract. opticus. Cgi C. genicul. lat.
Aber auch der Streifenhügel fiiesst am Boden des Gehirns mit dem
Linsenkern und beide fliessen mit der grauen Substantia perforata antica
Gehirn.
255
zusammen , so dass mau alle diese Gebilde als Bestandtlieile einer grauen
Masse betrachten muss, welche an der unteren Fläche des Gehirns einfach
zu Tage liegt, weiter oben aber von durchziehenden Faserbündeln abgetheilt
wird. Ein Horizontalschnitt möglichst dicht über der unteren Fläche des
Grosshirns (Fig. 183) zeigt vor dem Tract. opticus eine grosse rundliche
Anhäufung grauer Substanz, welche seitwärts in die Substantia perfor. ant.
sich verlängert und vom vorderen Rande aus durch eine tiefe Einbiegung
(*) in zwei Lappen getheilt ist. An einem nur wenig höh er geführten Hori-
zontalschnitt (Fig. 184) ist, von jener Einbiegung aus, die Bildung einer
Fiff. 184.
Horizontalschnitt des Grosshirns, etwas höher, als der der vorigen Figur , die gleiche
Schnittfläche, die gleiche Bezeichnung. Cp Kapsel. C'ls Claustrum.
256
Gehirn.
weissen Zwischenwand fortgeschritten bis zur Trennung der zweilappigen
Masse in zwei gesonderte Kerne, die sich, bei weiter fortgesetzter Zerlegung
des G-ehirns in horizontale Scheiben, als Streifenhügel und Linsenkern be-
kunden (Fig. 185). Die weisse Fasermasse, die sich zwischen beide Kerne
Fi^, 185.
Cff)
Horizontalschnitt, höher als der vorige, durch das Knie' des C. call. {Cd") und das
Septum lucidum {81). Tlio Thalamus. Cs C. striat. Cls Claustrum. iVZ*Nucl.
lentif. Cjy Kapsel. Cgi C. genicul. lat. B' Ausbreitung^der Basis des Grosshirn-
schenkels. St Stria terminalis.
Mandelkern,
einschiebt und sie auseinander drängt, nimmt mit jedem höheren Schnitt an
Breite zu. Sie entwickelt sich aus der Vereinigung der von vorn her ein-
dringenden weissen Scheidewand mit der Fortsetzung der Grosshirnschenkel-
basis(i?' Fig. 183 bis 185), die allmälig weiter vorwärts gelangt und in jeder
Richtung an Ausdehnung gewinnt. Während aber so der Linsenkern vom
Streifenhügel mehr und mehr abgedrängt wird, kommt weiterhin wieder
eine Verbindung beider durch graue Substanz zu Stande, die sich zwischen
die Fasern der Fortsetzung der Hirnschenkelbasis eindrängt und diese in
platte Bündel scheidet (Fig. 80. 84).
An Frontalschnitten durch den vorderen Theil des Linsenkerns zeigt
sich unterhalb desselben ein isolirter grauer Kern, den Burdach Mandelkern,
A.TFli/gdala^), nannte (Fig. 182). Die Isolirung ist nur scheinbar; die graue
^) j\?ideus Amyydalae.
Gehirn.
257
Am
Masse gehört der ßindenschichte des Unterlappens an, die an der Stelle,
wo der Unterlappen mit der Snhstantia perforata ant. verwächst, eine be-
deutende Mächtigkeit erreicht (Fig. 186).
Das Verhältniss zwischen weisser und grauer Substanz, wodurch die weisse
in gesonderte Stränge, die graue in
°' ' difFerente Kerne zertheilt wird, wie-
derholt sich bei genauerer, nöthigen-
falls mikroskopischer Betrachtung
in jedem dieser Kerne. An Durch-
schnitten des Thalamus sind , zumal
nach Erhäi'tung in Müller' scher
Flüssigkeit, die weissen Faserbündel,
die ihn durchziehen, theilweise schon
dem unbewaffneten Auge deutlich.
Macht man einen verticalen Durch-
schnitt parallel der Faserung des
Grosshirnschenkels, so sieht man die
Stränge der Brachia conjunctiva,
der Tegmente und von den Basen
der Grosshirn Schenkel abgezweigte
Bündel beim Eintritt in den Thalamus
pinselförmig auseinander fahren, um
sich an der vorderen Spitze desselben
wieder zu sammeln (Fig. 187 a. f. S.).
Eine relativ stärkere, bis 0,73 Mm.
mächtige continuirliche Faserlage,
die sogenannte Gürtelschichte,
StyatumZonale^geh.tn.nderOherä.äche
des Thalamus zur Stria terminalis.
Die Bündel, die das Innere des Thalamus durchsetzen, gehen allmälig,
indem sie sich durch wiederholte spitzwinklige Theilung verfeinern, in einer
scheinbar gleichförmigen Masse unter und werden erst in der Nähe des Aus-
tritts wieder unterscheidbar, indem sie aufs Neue zu stärkeren Strängen
zusammentreten. In den Zwischenräumen der makroskopisch sichtbaren
Bündel verlaufen in gleicher Richtung feinere Bündel , alle unter einander
anastomosirend ; die Lücken aber, welche alle diese Bündel zwischen sich
fassen, werden nicht nur von grauer Substanz, sondern auch, namentlich in
der unteren Hälfte des Thalamus, von transversalen Nervenfaserbündeln aus-
gefüllt, und stellenweise enthalten sie regellos wie in den Nervenkernen des
verlängerten Marks durcheinander gewirrte Fasern.
In den medialen Zonen des Linsenkerns sind die durchziehenden Fa-
serbündel sämmtlich zu fein, um mit freiem Auge unterschieden zu werden;
ebenso in den schmalen grauen Streifen, die am peripherischen Rande des
Streifenhügels zwischen den divergirenden weissen Faserbündeln einge-
schaltet sind. Die Bündel, welche aus der medialen in die äussere Zone
des Linsenkerns, aus dem den Linseukern und Streifenhügel trennenden
Nervenfaserstrang in den Streifenhügel einstrahlen, kann man auf Durch-
schnitten eine Strecke weit mit unbewaffnetem Auge verfolgen. Dann zer-
Henle, Anatomie. Bd. III. Abthlg. 2. 17
Ein Stück des Grosshirns, mittelst eines fron-
talen Schnitts durch die Commissura media
(^Com) und eines sagittaleu Schnitts durch den
rechten Hippocampus {Hji) abgetrennt, um den
Zusammenhang der Amygdala mit der grauen
Rinde der Randwülste zu zeisien.
Textur des
Thalamus,
des Linsen-
kerus und
Stieifenhü-
258
Gehirn.
fallen sie rascli in Aeste von 0,06 bis 0,15 Mm., welche weiter divergiren,
seltener anastomosiren, als im Thalamus und durch viel beträchtlichere Mas-
sen rein grauer Substanz von einander geschieden sind.
Fi<T. 187.
Cd
Tho * s,
Fps
Fpi
Verticaler Durchschnitt des Gehirns, parallel dem Faserverlauf des rechten Grosshirn-
schenkels. * Medianspalte, 1 linke, 2 rechte Hemisphäre. Lq Lamina quadrig. Cre
Conavium. Ccl^ C. callosum. Tho Thalamus. Sz Stratum zonale desselben. Cs
C. striatum. Cls Claustrum. Nl Nucleus lentif. Tbo Tub. olfactorium. Spa Sub-
staiitia perfor. ant. Sn Substantia nigra. Ntg Nucleus tegmenti. J'ps, Fpi Oberer
und unterer Brückenstrang. //' Tract. opt.
Noch in einem anderen wesentlichen Punkte unterscheidet sich die Fa-
serung des Lifisenkerns und Streifenhügels von der des Thalamus. Es ist
allerdings wahrscheinlich, dass im Thalamus Fasern enden, da die Fort-
sätze der in demselben enthaltenen Nervenzellen in Fasern übergehen ; aber
überall im Inneren des Thalamus wie an dessen Grenzen hängen die Bündel
unter sich und mit den benachbarten Fasern geflechtartig zusammen, und
dies ist Ursache, dass man den Thalamus nach keiner Seite scharf abge-
grenzt findet. Dagegen ist die Abgrenzung des Linsenkerns nach aussen,
des Streifenhügels am vorderen und medialen Rand vollkommen scharf, die
Trennung dieser Kerne von der weissen Hirnsubstanz an etwas macerirten
Gehirnen ganz reinlich. Nur selten und nur in der Nähe der Ränder über-
schreitet ein feines Faserbündel die genannten Grenzen; die grosse Mehr-
zahl endet noch innerhalb der grauen Substanz, so dass ein Bezirk von
etwa 1 Mm. längs dem freien Rande oder der Grenze des Kerns frei von
Fasern bleibt (Fig. 188).
Gehirn.
259
Nacli der Menge und Stärke dieser dem oberflächlichen Blick und dem
blossen Auge unwahrnehmbaren Fasern richtet sich die Intensität der grauen
Farbe der Kerne. Ganz rein grau ist, ausser den eben genannten Stellen,
nur noch eine dünne Schichte der Thalami zunächst unter dem Stratum zo-
nale nebst der mittleren Commissur. Auch in dem tiefsten medianen Theil
F)V. 188.
Frontal schnitt des Grossliirns durch den voi'deren Theil des Streifeuhügels (Cs) und
Linsenkerns {Nl). B' Fortsetzung der Grosshirnschenkelbasis. Cc^ Balken. * s. S. 266.
der grauen Bodencommissur verbindet beide Hemisphären eine innen und
aussen mit rein grauer Substanz bekleidete Fasermasse.
Die allgemeine Grundlage der Ganglien und Kerne des Grosshirns ist
die in Kalilösung erblassende, feinkörnige Substanz, die, wo sie frei yon
Fasern und Zellen ist, als gelatinöse bezeichnet wird. Bezüglich dieser Bei-
mischungen aber haben die verschiedenen grauen Massen ihre Besonderhei-
17*
260
Gehirn.
Zellen. teil. Was zuerst die Zellen betrifft , so begegnet man den einfachsten Formen
im Streifenhügel und in der äusseren Zone des Linsenkerns, Man sieht
Körner von gewöhnlichem Umfang, welche von einem wasserhellen Hof
umgeben oder , was dasselbe ist , central in einer kugelförmigen , im Durch-
schnitt kreisförmigen Lücke von 0,012 bis 0,015 Mm. Durchmesser einge-
schlossen sind. Es giebt Lücken derselben Art, welche statt des Korns
einen runden oder elliptischen, kernkörperhaltigenKern von 0,01 Mm. Durch-
messer enthalten, andere, in welchen der Kern von einem Körnchenhau-
fen mehr oder minder verdeckt ist. Dies sind die Bildungen, deren ich
Fig. 189.
Durchschnitt aus dem C. striat. *,* Nervenbündel, f Capillargefäss und Körner in
einem perivasculären Raum.
oben bei Beschreibung des medialen C. genicul. gedachte. In dem Streifen-
hügel und Linsenkern kommen daneben grössere Lücken vor, welche meh-
rere (2 bis 4) Körner oder neben einigen Körnern einen Kern enthalten,
als sei jedes Mal nur Einem von den in einer Lücke eingeschlossenen Körnern
gestattet, sich zur Zelle zu entwickeln (Fig. 189). Und wo diese Entwickelung
am weitesten fortgeschritten ist, da haben sich die Moleküle um den Kern
zu einer festeren, schärfer abgegrenzten, rundlichen oder eckigen Hülle ver-
dichtet, die die Lücke fast vollständig ausfüllt und nur einen schmalen
Saum übrig lässt, in welchem noch da und dort ein Korn Platz findet.
Anfänge der Zellenbildung, wie man die hier geschilderten Formen
wohl nennen darf, kommen auch in den übrigen Ganglien des Grosshirns
vor, neben ihnen aber reife oder ächte [Nervenzellen, deren Kern
von einem selbständigen, körnigen , Aeste aussendenden, theilweise far-
bigen Protoplasma umgeben ist. Klein , im Mittel 0,02 Millimeter im
Durchmesser, aber dicht gedrängt und gelb pigmentirt finden sie sich
in der mittleren Commissur. Grössere sternförmige, gelbe Zellen von
Gehirn. 261
0,04 Millimeter mittlerem Durchmesser enthält das Tuberc. sup. des Tha-
lamus 1) , welches von den Fasern der absteigenden Wurzel des Fornix
umfasst und dadurch scharf begrenzt ist, ferner das Pulvinar und die Um-
gegend der Taenia thalami opt. ^) , und von diesen Herden aus ziehen sich
die ästigen Zellen oft weit in die übrige Substanz des Thalamus. Reich
an grossen, ebenfalls ästigen und gelb pigmentirten Zellen ist die Substantia
pei'forata antica. Auch in den beiden medialen Zonen des Linsenkerns fin-
den sich zwischen den mannigfaltig verflochtenen Nervenbündeln zahlreiche
gelbe, ästige Zellen, in ihrer Form denen des Thalamus ähnlich, aber darin
eigenthümlich , dass sie in unverhältnissmässig grossen, an Durchschnitten
kreisrunden hellen Lücken liegen. Das Claustrum zeigt die Eigenthümlich-
keit, dass es durch Kalilösung kaum durchsichtiger wird und an feinen
Durchschnitten sich nur mit Mühe von den weissen Massen, die es begren-
zen, unterscheiden lässt. Die Ursache liegt darin, dass die Faserzüge, die
es enthält, ebenso parallel und fast ebenso dicht gedrängt liegen, wie in der
benachbarten weissen Substanz. Seine in der That wenig intensive Fär-
bung ist bedingt theils durch die abweichende Richtung der Faserzüge,
theils durch einen grösseren Reichthum an Gefässen, theils endlich durch
eingestreute Nervenzellen in verschiedenen Entwickelungsstadien , von wel-
chen die Mehrzahl gelb pigmentirt ist und durch ihre Spindelform und die
beiden in entgegengesetzter Richtung abgehenden Fortsätze an die Zellen
der Columnae vesiculares des Rückenmarks erinnert.
Die Nervenfasern, welche die Grosshirnschenkel den Hemisphären zu- Nerven-
führen, lassen sich nach ihrem Verhalten zu den Ganglien und Kernen des ^^®^"-
Grosshirns in drei Abtheilungen bringen : sie durchsetzen graue Masse oder
enden in derselben oder verfolgen ihren Weg zwischen den grauen Mas-
sen zur Oberfläche des Gehirn^. Zur ersten Art gehören die Fasern des
Tegmentum und der mit ihnen verlaufenden Brachia conjunctiva, von denen
jedenfalls der bei weitem grösste Theil den Thalamus wieder verlässt. Fasern
der zweiten Art sahen wir von der Grosshirnschenkelfaserung sich abzweigen
und in den Streifenhügel und Linsenkern eintreten. Die weisse Nerven-
masse, die auf Durchschnitten jeder Richtung den Linsenkern vom Thalamus
und Streifenhügel scheidet^), besteht wesentlich aus Fasern der dritten Art.
Sie ist eine Fortsetzung der Basis der Grosshirnschenkel, vom Eintritt in
den Thalamus an durch schichtweise abwechselnde Richtung der Fasern auf
dem Durchschnitt streifig. Weiterhin zwischen Streifenhügel und Linsen-
kern wird die Abtheilung in Blätter deutlicher (Fig. 181. 184,185); sie erhält
sich eine Strecke über den oberen Rand des Linsenkerns, die Blätter sind
2 bis 3 Mm. dick, in sagittaler Richtung comprimirt, sie strahlen radienför-
■^) Nucleus superior thalami Burda eh. Ein .fvontalschnitt durch die absteigende
Wurzel des Fornix giebt Burdach und Arnold Anlass, den Thalamus in drei Kerne, einen
oberen, inneren und äusseren, zu theilen. Der obere ist, wie bemerkt, identisch mit dem
Tuberc. sup. Der äussere und innere sind nur soweit unterscheidbar, als die cylindrische
Wurzel des Fornix den Thalamus durchsetzt; darum giebt Burdach eine Verschmelzung
beider Kerne zu. Den weissen Strang, der sie trennt, führt er als Lamina medullaris tha-
lami auf. ^) Grauer Kern des Pedunculus conaril Reichert. ^) Innere Wand der Kapsel
Reil. Innere Kapsel Burdach.
262
Gehirn.
mig'vor-, auf- und rückwärts aus und enden durch Verschmelzung zur com-
pacten weissen Substanz des Markkerns.
Bevor ich aiif diese eingehe , muss ich der histologischen Umwandlung
der weissen Stränge der Centralorgane gedenken, die zwar schon im Brücken-
theil des verlängerten Marks eingeleitet wird, aber erst mit der Ausstrah-
lung der Grosshirnschenkel in die Hemisphären ihre Vollendung erreicht.
Bei der Beschreibung der Rückenmarksstränge sowie des Markkerns
des Kleinkirns habe ich des wellenförmigen Verlaufs der Faserbündel ge-
dacht, welcher schmale rhombische Lücken erzeugt, in denen hier und da
ein Korn, meistens aber nur die homogene Substanz enthalten ist, die auch
die Interstitien der Primitivfasern ausfüllt. In dem Maasse, wie die grö-
beren Fasern aus den Nervensträngen verschwinden , werden diese Lücken
relativ und p.bsolut grösser. Sie machen sich oft schon an den strickförmi-
gen Strängen bemerklich; recht auffallend werden sie erst an den Vierhü-
gelschenkeln beim Austritt aus dem Kleinhirn und sie erhalten sich in deren
Fortsetzungen, den sagittalen Strängen des Tegmentum. Feine Querschnitte
der Vierhügelschenkel zeigen schon bei massiger Vergrösserung ein löcheri-
ges, fast siebförmiges Ansehen, das auf den ersten Blick an den Querschnitt
der Seitenstränge des Rückenmarks, an die denselben eigene Vertheilung
starker und feiner Fasern erinnert (Fig. 190 A). Aber die hellen Kreise
zeigen sich auch an Präparaten ohne vorherige Aufhellung des Nerven-
marks; sie enthalten keinen Axencylinder , sind auch grösser als die Quer-
schnitte der stärkeren Rückenmarksfasern (bis 0,03 Mm.). Auf longitudina-
len Durchschnitten (Fig. 190 B) haben dieselben Räume eine elliptische
Fig. 190 A u. B.
A. B.
rc?>^ ^^^"o -=<
»'^iSkÄ
iOÜ
1
400
1
Faserung der Vierhügelschenkel. A im Querschnitt, B im Längsschnitt. Brönnerpräparat.
oder noch mehr in die Länge gezogene Form ; sie scheinen Theile eines den
Nervenstrang der Länge nach durchziehenden, vielfach anastomosirenden
Röhrennetzes zu sein , dessen Wandungen allein von den Nervenfasern ge-
Gehirn.
263
bildet werden. Es fehlt in diesen Strängen, wie man durch passende Be-
handlung der Durchschnitte erfahren kann, nicht an Körnern; aber diese
liegen versteckt im Inneren der Faserbündel, nur ausnahmsweise an deren
Eande oder in den Lücken.
Die Stränge, in welche die Pyramiden innerhalb der Brücke sich fort-
setzen und welche jenseits der Brücke als Basen der Grosshirnschenkel her-
vortreten, zeichnen sich durch eine andere und eigenthümliche Anordnung
der Körner aus. Auch diese Stränge haben auf dem Querschnitt ein mit-
unter sehr regelmässig poröses Ansehen ; auch ihr Querschnitt gleicht dem
Querschnitt der Eückenmarksstränge , welche in Abständen starke Nerven-
fasern, umgeben von feinen, enthalten, und die Verwechselung ist um so
eher möglich, da die Lücken der Stränge des Gehirns regelmässig je einen
centralen dunklen Körper, dem Querschnitt des Axencjdinders ähnlich, ein-
schliessen (Fig. 191). Aber dieser dunkle Körj)er ist kein Axency linder,
sondern ein Korn von derselben Grösse und Gestalt, wie die Körner der
perivasculären Räume. Bei einiger Aufmerksamkeit führt schon die ver-
schiedene Lichtbrechung, zumal an Carminpräparaten, zur Unterscheidung'
Y]o-. 191 tler beiderlei Gebilde,
sodann die Aenderung
des Focus, bei welcher
der Axencylinder länger
sichtbar bleibt als das
Korn. Am entscheidend-
sten aber ist die Controle
des Querschnitts durch
den Längsschnitt, der
an der Stelle des ver-
meintlichen Axencylin-
ders einzelne Körner
oder Reihen derselben,
umgeben von hellen
Säumen, zeigt (Fig. 192).
Ganz allmälig treten die-
se körnerhaltigen Lücken
an die Stelle der stärke-
ren Nervenfasern. Die
Umwandlung nimmt,
wie erwähnt , schon im
Brückentheil des verlän-
gerten Marks ihren Anfang. Sie breitet sich in den sagittalen Bündeln der
reticulären Substanz von unten nach oben aus, dergestalt, dass auf dem
Querschnitt eines Bündels kreisförmige Lücken mit centralen Axencylin-
dern und mit centralen Körnern nebeneinander zum Vorschein kommen
und je weiter nach vorn, um so mehr die Lücken der letzteren Art das
Uebergewicht erlangen. Sie ist an den Pyramidenbündeln bei deren Aus-
tritt aus der Brücke in der Regel schon vollendet : nur feinste Fasern sind
übrig geblieben , deren Querschnitt ein aus dunklen Punkten zusammenge-
setztes Gitterwerk darbietet mit regelmässig kreisrunden Maschen von 0,012
Querschnitt des Pyi'amidenstrangs im vorderen Theil der
Brücke. Die kreisförmigeu Lücken enthalten zum Theil
Körner, zum Theil Querschnitte starker Nervenfasern, wel-
che an dem concentrisclien äusseren Coutur kenntlich sind,
zum Theil collahirte Gefässe.
264
Gehirn.
im Centrum dieser Maschen
Fiar. 192.
Verlauf der
Fasern.
bis 0,015 Mm. Diirclimesser und je einem Korn von 0,006 Mm. Durchmesser
Der Durchmesser der Fasern selbst schwankt
in bestimmten Grenzen, und die Feinheit ist
auch insofern relativ atifzufassen , als ver-
schiedene Gehirne bei gleicher Behandlung
durchgängig verschiedenes Kaliber besitzen.
Meistens erreicht die Mehrzahl der feinsten
Fasern kaum 0,001 Mm., so dass ihre Quer-
schnitte nur schwer von der granulirten
Neuroglia zu unterscheiden sind, und der
Durchmesser der stärkeren unter ihnen er-
hebt sich nicht über 0,003 Mm. Doch ka-
men mir auch Gehirne vor, in denen der
Durchmesser der feinsten Fasern sich zwi-
schen 0,0013 und 0,002 Mm. hielt und stär-
kere bis zu 0,007, einzelne bis 0,01 Mm.
Durchmesser beigemischt waren.
Die eben berichtete successive Verände-
rung der Faserstränge legt die Frage nahe,
ob die zuerst in ihnen enthaltenen stärke-
ren Fasern sich zu feinen verjüngen oder ob
sie die Stränge verlassen und den feinen
Fasern, in deren Gesellschaft sie anfangs
verlaiifen, gleichsam das Feld räumen. Ich
glaube nicht, dass sich hierauf jetzt schon
eine bestimmte Antwort geben lässt. An
Gelegenheit zu verschwinden fehlt es den
starken Fasern der reticulären Substanz
nicht; die in derselben zerstreuten grossen
sternförmigen Zellen scheinen zahlreich ge-
nug, um die Verminderung der starken Fa-
sern imter der Voraussetzung zu erklären,
dass jede als Axencylinderfortsatz einer Ner-
venzelle ende. Aus den Pyramidensträngen
scheinen durch die gegen die reticuläre Substanz aufsteigenden Bündel
(S. 211) vorzugsweise starke Fasern auszuscheiden; auch könnten die Ner-
venzellen der Brückenschenkel zur Aufnahme stärkerer Pyramidenfasern die-
nen. Auf der anderen Seite ist die Faserzahl der Pyramiden beim Austritt
aus der Brücke anscheinend grösser, als ihr Gehalt an feinen Fasern vor der
Brücke. Der Zuwachs spräche für einen Uebergang der starken Fasern in
feine, wenn man nicht auch an die Möglichkeit der Beimischung neuer Fa-
sern aus den Zellen der Brücke denken müsste.
Was nun die Fasersubstanz der Grosshirnhemisphäre betrifft, so glei-
chen die Bündel derselben im Allgemeinen den eben beschriebenen, von
körnerhaltigen Lücken durchzogenen Bündeln der Hirnschenkelbasis. Doch
werden diese selbst nach ihrem Eintritt in die HemisjDhäre und während
sie zwischen Thalamus und Streifenhügel einerseits und Linsenkern anderer-
seits schi-äg vor- und aufwärts ziehen, gekreuzt von seitwärts und minder
Länsjsschnitt des Grosshirnschenkels.
Gehirn.
265
steil aufsteigenden Bündeln stärkerei" Fasern, die sich lagen weise von zwei
Seiten her zwischen jene einschieben. Die Einen habe ich bereits erwähnt; sie
Fig. 193. gehen aus der lateralen Fläche des Tha-
lamus hervor (Fig. 193) und lassen sich
rückwärts zum Tegmentum, ja vermöge
der Kreiizung der transversalen Fasern
der Tegmente zum Tegmentum der an-
deren Seite verfolgen. Die anderen (Fig.
194*) schlagen sich, ebenfalls, um den
medialen Rand der Basis an deren un-
tere Fläche, über die sie sich fächerför-
B' Tho mig ausbreiten, und dringen von unten
Horizontalsclinitt durch den unteren Theil her zwischen die Bündel der Basis ein,
des Thalamus (Tho), um die aus demsel- während zugleich in entgegengesetzter
ben in die Fortsetzung der Basis (£')^us- Richtung, um den lateralen Rand des
strahlenden Fasern zu zeio;en. Cf Co- „ , . m ,
1 „ . . . . • AT-11 ? Cirosshirnschenkeis, dem iractus opticus
lumna fornicis. Aus emem in Muller'- ' J^
scher Flüssigkeit erhärteten Gehirn. entlang, Fasern medianvorwärts laufen,
Fig. 194. diö dem Thalamus entstammen (Fig. 194).
In der ganzen Ausstrahlung der
Hirnschenkel, die man Stabkranz
nennt, erhält sich derselbe Bau, wer-
den die gegen die Randwülste aufstei-
genden Lagen feiner Fasern , die an
den Bruchflächen erhärteter Gehirne
zum Vorschein kommen , von trans-
versalen Lagen zum Theil stärke-
rer Fasern fast rechtwinklig ge-
kreuzt. In der Mitte des Mark-
kerns der Hemisphäre haben die
aufsteigenden Fasern das Ueberge-
wicht; die Schichten derselben sind
0,04 bis 0,12 Mm. mächtig, wäh-
rend die zwischen denselben sich
hindurchschlängelnden transversa-
len Bündel nur aus wenigen Fasern
l)estehen und nur selten eine Mäch-
tigkeit von 0,025 Mm. überschrei-
ten. Medianwärts gegen den Bal-
ken treten allmälig die verticalen
Fasern zurück und im Balken selbst
verschwinden sie völlig; es bleiben
nur transversale und zwar nur die
v«| feineren Fasern der transversalen
,„ , , ^ , . T^ ,n Bündel übrig ; zeigen sich doch zwi-
Untere Hache des Grosshirns. Der iract. op- °' vi
ticus(//') theilweise entfernt, um die von ihm sehen denselben spärliche sagittaie
bedeckte Faserstrahlung zu zeigen. T Teg- FaserzÜge, die sich einerseits VOm
ment B Basis, S« Subst. nigra des querdurch- -p^^^^-^ andererseits vom Gyrus for-
schnittenen GWasshirnschenkels. Cca C candic. ' "^
Co Chiasma opt. / N. olfact. II N. opt. nicatus her eingedrängt zu haben
266 Gehirn.
scheinen. Ob Fasern des Stabkranzes in den Balken umbiegen, wie der
Frontalschnitt des Grossbirns anzunehmen erlaubt und ich der bequemeren
Auffassung des Zusammenhangs zu Liebe angenommen habe (S. 131), lässt
sich auf Grund der mikroskopischen Untersuchung weder versichern noch
verneinen. Denn die weisse Substanz, welche den Winkel begrenzt, den der
Balken mit dem Streifenhügel bildet (Fig. 188*), besteht aus dicht verfilz-
ten feinen Fasern der verschiedensten Richtungen, deren Herkunft und Ver-
lauf sich der Beobachtung entzieht ^). Sie füllen den Raum zwischen den
Fortsetzungen der Grosshirnschenkel und dem Balken aus, mischen sich
mit den leicht abwärts geneigt aus dem Markkern hervorgehenden Quer-
fasern des letzteren und erstrecken sich als dünner, zugeschärfter Ueber-
zug auf die Oberfläche des Streifenhügels.
Auch die cylindrischen strangförmigen Gebilde des Grosshirns, die dem
blossen Auge den Eindruck paralleler Faserung machen, sind, soweit sie
durch die Hemisphären' ziehen, aus rechtwinklig gekreuzten Faserbündeln
zusammengesetzt. Ihr Querschnitt gleicht dem Querschnitt peripherischer
Nerven, aber die Stelle des Bindegewebes, welches bei diesen die Nerven-
bündel scheidet, nehmen bei jenen die in der Ebene des Querschnittes
verlaufenden Nervenfaserbündel ein. So wird der absteigende Schenkel des
Fornix auf seinem ganzen Wege innerhalb des Thalamus, der aufsteigende
innerhalb des Tegmentum durch transversale Faserzüge in Bündel zerlegt
und nur im C. candicans verlaufen die Fasern concentrisch schleifenförmig,
jedoch auch nur an der Oberfläche in zusammenhängender Schichte ; die in-
neren zerstreuen sich in grauer Substanz um so mehr, je näher dem Centrum;
die graue Substanz ist reich an ästigen Zellen mittlerer Grösse 2). Erst an
der unteren Fläche des Balkens wird der Fornix zu einem Strang paralle-
ler, sagittaler Fasern, der sich durch die gleichmässige Feinheit seiner Ele-
mente und durch die grosse Zahl körnerhaltiger Lücken auszeichnet. Die
Fimbria, die ihn begleitet, hat den nämlichen Bau.
Aus durchgängig feinen Fasern bestehen auch die -zwischen dem Bal-
ken und dem Fornix ausgespannten Lamellen des Septum lucidum ; doch ist
ihre Anordnung ebenso variabel wie die äussere Form dieses Gebildes.
Häufig sind sie in Bündel gesondert, die in gekreuzter Richtung verlaufen,
die meisten rückwärts, einzelne dem Schnabel des Balkens folgend vorwärts
aufsteigend. In anderen Fällen bilden sie einen dichten Filz , in welchem
weder Abtheilungen noch vorherrschende Richtungen zu unterscheiden sind.
Eine feinkörnige Rindenschichte bekleidet die äussere und soweit sie den
Ventrikel des Septum lucidum begrenzt, die innere Oberfläche der Lamelle;
wenn die letztere eine grössere Mächtigkeit erreicht, scheidet eine der
Oberfläche parallele feine (0,2 Millimeter mächtige) Schichte feinkörniger
Substanz die Nervenfaserschichte in zwei Lagen, und diese intermediäre
graue Schichte enthält bald nur Körner, bald kleine, sternförmige Zellen.
0 Wegen Jer mit unzulänglichen Mitteln über diesen Punkt geführten Controverse
verweise ich auf Arnold's Bemerliungen S. 73. ^) Dies ist der Kern des C. candicans,
den Burdach (II, 138), weil, ihm die den Kern durchziehenden Fasern entgingen, dem
Stein vergleicht, der auf dem Boden einer Schleuder liegt.
Gehirn.
,267
Immer hat eine relativ starke Arterie, die die Lamina septi lucidi der Länge
nach durchzieht, ihre Lage in der Nerveufaserschichte.
Die vordere Commissur enthält, so weit man sie aus der Masse der He-
misphären ausschälen kann, ausschliesslich feine Fasern der Einen transver-
salen Richtung; nur der zwischen den Columnen des Fornix freiliegende
Theil besitzt einen Ueberzug von Nervenfasern, welche den Strang ringför-
mig umgeben.
In der dünnen Schichte weisser Substanz, welche zwischen Linsenkern
und Claustrum eingeschaltet ist, der Kapsel, Capsula^ nach Arnold's Be-
Fig. 195.
Cp
Coa
Horizontalschnitt durch den von der Insel begrenzten Tlieil der Grosshirnhemisphäi'e,
dicht über dem Boden, aus einem in Weingeist gehärteten Gehirn. Unterer Abschnitt,
längs den Grenzen der grauen und weissen Massen auseinander gezogen. Ntg Nucleus
tegmenti. B' Fortsetzung der Basis. Nl Nucl. lentif. Cp Kapsel. '"' Lücke, aus wel-
cher das Claustrum entfernt ist. Coa' Strang der Commiss, ant. i?«/ Auisteigende
Wurzel des Fornix. //' Tractus, // N. opticus.
Zeichnung 1), sind die Fasern strahlenförmig gegen die untere Fläche des
Gehirns und gegen die Substantia perforata antica gerichtet, in die sie von
beiden Seiten übergehen (Fig. 195).
In dem Hinterlappen verlieren sich die transversalen Fasern und die
sagittalen sammeln sieb zu einem Strang, dem Fasciculus longitudinalis
(S. 148), der an der lateralen Seite des Hinterhorns zwischen zwei Lagen
von verticaler oder der verticalen sich nähernder Richtung hinzieht und
sich auf Frontalschnitten schon durch das mattere Weiss bemerklich macht
(Fig. 88).
Der rechtwinklig gekreuzte Verlauf der Fasern erhält sich an manchen
Stellen bis an die Oberfläche der Grosshirnhemisphären, ja bis in die Rand-
wülste : so ist z. B. der mächtige sagittale Faserzug, der die weisse Substanz des
Gyi'us fornicatus bildet, in seiner ganzen Länge von transversalen in die graue
^) Aeussere Wand der Kapsel Reil. Aeussere Kapsel Burdach.
268 Gehirn.
Rinde ausstraUeiiden Fasern durchzogen. Unter den breiten Randwülsten
des oberen Lappens lösen sieb die Bündel des Markkerns in ein Gewirr von
vereinzelten Fasern aller Riebtungen auf. Meistens aber bleiben an der
Oberfläche des Gehirns von den im Markkern einander kreuzenden Bündeln
nur Fasern Einer Richtung übrig. Der Kamm weisser Substanz, der das
Gerüst der höheren Randwülste bildet, besteht aus parallelen, senkrecht zur
freien Oberfläche aufsteigenden Fasern. Im Grunde der Furchen zwischen
je zwei benachbarten Randwülsten scheint wenigstens ein Theil jener Fasern
in auswärts concaven Bogen von einem Randwulste auf den anderen überzu-
gehen ^), und noch weiter nach innen begegnet man einer mehr oder minder
mächtigen Lage ungemischter Fasern, deren Verlauf dem Zug der Windun-
gen folgt. Es ist leicht, diese Ergebnisse der mikroskopischen Untersuchung
mit freiem Auge an Durchschnitten der Hemisphären zu bestätigen, wenn
man auf die feinen Farbennüancen achtet , die der Längs - und Querschnitt
der Nervenfasern bei gewisser Beleuchtung hervorbringt. Je nachdem das
Licht einfällt, begleitet den unteren Contur der grauen Substanz ein glän-
zend weisser Saum von 0,75 Mm. Breite, der gegen das mattere Weiss der
tieferen Schichten hinreichend absticht.
Auf das Verhalten der Fasern in dem grauen Ueberzug der Randwülste
habe ich nun näher einzugehen.
Textur der Zur Erforschung des Baues der Randwülste eignen sich am besten die
höheren und auf längeren Strecken gerade verlaufenden Windungen des
vorderen und oberen Lappens, sowie die einfachen Windungen der Insel.
An einem feinen, senkrecht auf den Verlauf einer solchen Windung gerich-
teten, mit Kalilösung oder Essigsäure aufgehellten Durchschnitt sieht man
von dem centralen Stamm weisser Substanz, der, wie erwähnt, aus paralle-
len zur freien Oberfläche des Randwulstes gerade aufsteigenden Fasern be-
steht, feine Bündel dicht gedrängt und in Zwischenräumen, deren Breite
ungefähr der Breite der Bündel entspricht, abgehen und in den grauen
Ueberzug der Markleiste eintreten (Fig. 196). Der graue Ueberzug hat,
je nach der Breite der Randwülste, eine Mächtigkeit von 2 bis 3 Mm. Der
Durchmesser der Bündel beträgt 0,012 bis höchstens 0,02 Mm.; dass sie
cylindrisch sind, davon überzeugt man sich an Schnitten, welche der Ober-
fläche der Windung parallel und in der richtigen Mitte zwischen der Ober-
fläche und der Markleiste geführt sind; solche Schnitte sehen nach Behand-
lung mit Kalilösung einem Pantherfell ähnlich gefleckt aus. Die Richtung
der Bündel ist überall eine zur Oberfläche senkrechte: gegen die höchste
^) Sie entsprechen dem Verlaufe nach den Laniinae arcuatae gyrorum Arnold {Fi-
hrae propriae Gratiolet, Associationssysteme Meynert), muldenförmigen von dem Ab-
hang Einer Windung auf die andere übergehenden. Lamellen, welche man erhält, wenn man
an gehärteten Gehirnen die graue Rinde entfernt und die weisse Substanz lagenweise abzu-
lösen sucht. Doch werden bei dieser rohen Operation Faserzüge der verschiedensten Rich-
tungen mitgerissen und die Schichte der die Randwüiste verbindenden Fasern erscheint viel
mächtiger, als sie wirklich ist.
Gehirn.
269
Wölbung des Randwiilstes verlaufen sie also in der Flucht der Fasern der
Markleiste, gegen die Abhänge mehr und mehr geneigt und um an die seit-
lichen Flächen des Eandwulstes zu gelangen, biegen sie geradezu unter
rechtem Winkel um, so dass ein der Basis des Randwulstes paralleler Schnitt
Fig. 196.
Senkrechter Durclischuitt eines Randwulstes des Vorderlappens, senkrecht auf dessen
Verlauf. Kalipräparat. Am linken Rand ist die Gefässhaut mit den von ihr ausgehen-
den Gefässstänimchen angedeutet.
die Fasern der Markleiste im Querschnitte, die von ihr ausgehenden Bündel-
chen im Längsschnitte zeigt (Fig. 197). Dass dabei die Markleiste von der
Basis gegen die Spitze oder vielmehr gegen die Schneide allmälig schmaler
Fiff. 197.
Flächenschnitt eines Randwulstes.
werden muss, versteht sich
von selbst, doch bewirkt
mitunter die Divergenz
der Fasern am oberen
Ende der Markleiste, dass
sie aufwärts an Breite zu-
zunehmen scheint. Wirk-
lich keulenförmig, mit ver-
dicktem oberen Ende er-
weisen sich die Marklei-
sten der Randwülste, die
im Begriff stehen, sich
Kalipräparat.
durch eine Furche zu theilen.
Die in die graue Rinde einstrahlenden Faserbündelchen durchsetzen
diese bis etwa zur äusseren Grenze des zweiten Drittels ihrer Breite u.nd
270 Gehirn.
enden dann in einer der Peripherie des Randwulstes concentrisclien Linie
selbständig, ohne Verbindung unter einander, mit einer Zuspitzung, welche
dadurch entsteht, dass einzelne Fasern des Bündelchens die anderen um ein
Geringes überragen. So wenigstens stellt sich das Bild an Kali- und Essig-
säurepräparaten dar, an welchen Bündel und bei hinreichender Vergrösserung
auch einzelne Fasern als Reihen feiner starklichtbrechender Myelinkörnchen
zu erkennen sind. Damit ist die Vermuthung nicht ausgeschlossen , dass
das Ende der Faser nur das Ende der Markscheide bedeute, über welche
hinaus der Axencylinder seinen Weg fortsetze. Indessen haben die Metho-
den, durch welche anderwärts die Auffindung nackter Axencylinder gelun-
gen ist, kein anderes Resultat ergeben.
Die Masse, welche die Zwischenräume der Nervenbündel erfüllt und
über den Spitzen derselben zu einer continuirlichen Schichte zusammenfliesst,
dürfte im Gegensatz zu den Nervenbündeln graue Substanz im engeren
Sinne genannt werden, wie man an der Rindensubstanz der Niere Mark-
strahlen und Rindensubstanz „im engeren Sinne" unterscheidet. Sie be-
steht aus der überall verbreiteten feinkörnigen Substanz mit spärlichen Kör-
nern und aus Zellen, welche, so weit sie die Zwischenräume der Fasern
einnehmen, in entsprechenden Reihen geordnet sind. Die Zellen sind von
zweierlei Art, kugelige und verästelte. Die kugeligen, die ich nur der Kürze
wegen so nenne, unterscheiden sich nicht von den rudimentären Zellen des
Streifenhügels und Linsenkerns: die Kugelform kommt eigentlich nur den
hellen Lücken der feinkörnigen Substanz zu, welche je einen runden oder ellip-
tischen Zellenkern, umgeben von einem bald diffusen, bald schärfer begrenz-
ten Körnerhäufchen und daneben zuweilen ein Korn oder mehrere enthalten.
Die verästelten Zellen haben grösstentheils Pyramidenform und diese
Form ist für die Rindensubstanz des Grosshirns charakteristisch; sie liegen
ebenfalls in hellen Räumen von kugeliger, im Durchschnitt kreisförmiger Ge-
stalt, füllen dieselben aber ziemlich vollständig aus und haben seltener ein
Korn neben sich. Sie sind gelb pigmentirt , an der Basis im Mittel
0,015 Millimeter breit und haben einen Kern von 0,01 Millimeter
Durchmesser, der aber häufig unregelmässig, eckig, dem Contur der Zelle
entsprechend eingebogen ist. Mit seltenen Ausnahmen wenden die pyra-
midenförmigen Zellen der Oberfläche des Randwulstes die Spitze, der Mark-
substanz die Basis zu (Fig. 198). Von der Basis senden sie feine und durch Ver-
ästelung alsbald noch mehr sich verfeinernde Fortsätze aus. Häufig bekommt
man deren drei zu Gesicht, je einen von jeder Ecke und einen von der
Mitte des hinteren Randes; der letztere^) verläuft gerade nach innen, die
beiden seitlichen verlaufen in der Flucht des hinteren Randes seitwärts,
biegen aber, wenn sie nicht früher abgeschnitten enden, in einiger Entfer-
nung vom Ursprung ebenfalls nach innen um. Oft genug sieht man den
Einen oder anderen dieser Fortsätze in einem der von der Markleiste aus-
strahlenden Nervenbündel sich verlieren, um annehmen zu dürfen, dass es
ihre Bestimmung sei, in Nervenfasern überzugehen^). Die Spitze der pyra-
^) Mittlerer Basalfortsatz Meynert. ^) Koschennikoff (Arch. für mikroskop. Anat.
V, 374) sah den mittelsten unverästelten Fortsatz einer pyramidenförmigen Nervenzelle des
Grosshirns sich mit einer Markscheide umtreben. i
Gehirn.
271
Fig. 198.
,i^-
<t
midenförmigen Nervenzellen setzt
sich in einen geraden, einfachen,
nur selten unter spitzem Winkel
gabiig getheilten, der Peripherie zu-
strebenden Faden ^) fort , den ein
Fortsatz der kugelförmigen Lücke
einer Scheide ähnlich begleitet. An
feinen, senkrecht zur Oberfläche ge-
führten Schnitten aus Müller' scher
Flüssigkeit lässt sich der Fortsatz
der Zelle, allmälig verfeinert, eine
Strecke weit in den Fortsatz der
Lücke verfolgen; dann bleibt der
letztere allein übrig in Form eines
hellen, gleichsam ausgesparten Strei-
fens von 0,002 bis 0,003 Mm. Durch-
messer, welcher ungetheilt, gerade
oder in sehr leichten AVellenbiegun-
gen, zur Peripherie zieht und nahe
unter der Oberfläche entweder in
der feinkörnigen Substanz sich ver-
liert oder in der sogleich zu be-
schreibenden netzförmigen Schichte
sich dem Auge entzieht (Fig. 198).
Flächenschnitte (Fig. 199) zeigen,
an der Stelle dieser Bündel heller
Streifen , kreisförmige Gruppen fei-
Fig. 199.
1-1
mm
mmiüii
Senl^recht zur Oberfläche geführter Schnitt eines
Randwulstes der Grosshirnrinde.
Flächenschnitt eines Randwulstes der
Grosshirnrinde.
ner Lücken. An Carminpräparaten,
sowie an solchen , die in Fleckwas-
ser die glänzende Beschaffenheit an-
genommen haben, werden die Lücken
^) Spitzenfortsatz Me3'nert. Hauptfortsatz Arndt.
272 Gehirn.
undeutlich, dagegen lassen sich die Zellenfortsätze viel weiter nach der
Peripherie verfolgen.
Am Schlüsse der Beschreibung der hellen Räume , in welchen die mehr oder
minder entwickelten Zellen der grauen Substanz enthalten sind, muss die Frage
aufgeworfen werden, welcher Art der helle Inhalt dieser Räume sei, ob eine Flüs-
sigkeit oder eine feste, vielleicht gallertai'tige Substanz. Die Form der ähnlich
hellen Räiune zwischen den Neivenfaserbündeln der weissen Masse (S. 262) und
die Körnerreihen, welche in denselben enthalten sind , legen den Gedanken an
Lymphräume nahe. Ich wüsste es damit nur nicht zu reimen, dass die Körper-
(?hen auf Querschnitten so überwiegend häufig genau central liegen, da man von
den in Lymphräumen enthaltenen Lymphkörj)erchen doch erwarten müsste,
dass sie beim Gerinnen oder Ausfliessen der Flüssigkeit sich an die
"Wand anlegten. Bezüglich der hellen Lücken , in welchen die Pyrami-
denzellen der Grosshirnrinde enthalten sind , sprach Ober steine r (über
einige Lymphräume im Gehirn. Aus dem 61. Bande der Wiener Sitzungsberichte)
die Meinung aus, dass sie Anhänge des Lymphgefässsystemes seien. Er beruft
sich auf die neben den Pyramidenzellen vorkommenden_, den LymphköriDerchen
ähnlichen Körner und auf das Resultat seiner Injectionen, bei welchen sich mit
den perivasculären Räumen zugleich die besagten Lücken mit der farbigen Masse
füllten. Ich kann der Injection in diesem Falle, da sie mittelst Einstichs ausge-
führt wurde, eine beweisende Kraft nicht zugestehen, und lege grösseren "Werth
auf die Vergleichung der Diirchschnitte , die , in welcher Richtung sie gemacht
-wurden, die Lücken stets mit Ausnahme des Fortsatzes, der den peripherischen
Zellenausläufer begleitet, nach allen Seiten geschlossen zeigten. In Gehirnen, in
welchen die Zersetzung bereits begonnen hat, findet man fast regelmässig ausser
dem normalen Inhalte der Lücken mannigfaltig gestaltete Myelintropfen und könnte
sich dadurch zu dem Schlüsse bewogen fühlen, dass der Inhalt der Lücken, um
von dem Mj-elin verdrängt zu werden, flüssig gewesen sein müsse. Doch könnte
dieser flüssige Zustand ebensowohl , wie die Ausscheidung des Myelin , erst nach
dem Tode eingetreten sein. Immerhin, mag der Stoff, der die Lücken erfüllt, fest
oder flüssig sein , so zeigt er sich darin eigenthümlich , dass er sich in allen Rea-
gentien klar und durchsichtig erhält. Wenn er sich in Carmin färbt, so geschieht
es jedenfalls mit so geringfer Intensität, dass auch dadurch eine Entscheidung nicht
zu gewinnen ist.
In der Regel ordnen sich die Zellen der Grosshirnrinde in drei Zonen
dergestalt, dass zwei Zonen kugeliger Zellen eine Zone einfassen, in wel-
cher pyramidenförmige Zellen die Stelle der kugeligen einnehmen. Zu-
nächst an die Nervenfaserschichte schliessen sich also an senkrechten Durch-
schnitten der Rindensubstanz kugelige Zellen von verschiedenen Dimensio-
nen, zahlreich aber regellos zerstreut und zwischen denselben verästelte
Zellen von unregelmässiger, aber meist parallel der Oberfläche in die Länge
gezogener Gestalt (Fig. 200); sodann folgen neben kugeligen die pyra-
midenförmigen Zellen in etwas regelmässigeren Reihen übereinander und
über diesen wieder grosse und kleine kugelige Zellen, und immer fallen die
pyramidenförmigen Zellen noch in den Bereich der Nervenfaserbündel, so
dass diese Bündel und die Bündel, zu welchen die hellen Scheiden der peri-
pherischen Fortsätze der Pyramidenzellen zusammentreten , eine Strecke
weit alternirend nebeneinander verlaufen. Den äusseren Theil der grauen
Schichte durchziehen die hellen Scheiden allein, zuletzt nicht mehr in Bün-
del abgetheilt, sondern gleichmässig verbreitet.
Minder beständig als die Reihenfolge ist die relative Mächtigkeit der
drei Nervenzellenzonen und namentlich sind es die pyramidenförmigen Zel-
Gehirn.
273
Jen, die bald in Plänklern ähnlich aufgelösten Gliedern und nur zwei oder
drei Zellen tief zwischen den dichten Schaaren der kugeligen Zellen aufwe-
Fig-. 200.
Untere, der Markleiste nächste Zellen-
schithte eines Randwulstes der Grosshirn-
rinde, senkrechter Durchschnitt. Brönner-
präparat.
He nie, Anatomie. Bd. III. Abthl. 2.
stellt sind, bald die kugeligen Zellen fast
vollständig verdrängen und ihnen nur
einen schmalen Raum am inneren und äus-
seren Rande übrig lassen. Im letzteren Falle
liegen die grössten Pyramidenzellen nahe
der inneren Grenze und nimmt ihre
Grösse von innen nach aussen allmälig
(bis zu einer Breite von 0,012 Mm.) ab.
Eine Beziehung ihrer Zahl und Grösse
zu den Localitäten der Gehirnoberfläche
vermochte ich, abgesehen von den als-
bald zu erwähnenden Ausnahmen, nicht
zu constatiren.
Die peripherischen Fortsätze der py-
ramidenförmigen Zellen verlieren sich
in der Nähe der äusseren Oberfläche und
lassen einen schmalen Streifen der grauen
Rinde frei, der auch auffallend arm an
Körnern und Zellen ist. Die Zellen,
die er enthält, sind klein, sternförmig
und erweisen sich als Bindegewebszellen
durch die Verbindung ihrer Ausläufer
mit einem sehr feinen rundmaschigen
Netz, welches gleichförmig die äusserste
Schichte der Rindensubstanz durchzieht,
und durch ihren Zusammenhang mit den
in den perivasculären Räumen ausge-
spannten Fasern und Plättchen (Fig. 201
a. f. S.). Die Maschen des Netzes haben
einen Durchm.esser von höchstens 0,006
Millimeter. Die Mächtigkeit der netz-
förmigen Schichte beträgt 0,1 , stellen-
weise 0,135 Mm.; Einmal, an den Rand-
wülsten der Insel, sah ich sie auf 0,35 Mm.
anwachsen. Es ist eine Bindegewebs-
invasion von der Gefässhaut aus, analog
derjenigen, der ich bei Beschreibung des
Rückenmarks (S. 68) gedachte. Sie ist
Ursache des weissen Schimmers, den die
Peripherie der Rindenschichte auf Durch-
schnitten zeigt, wozu allerdings noch
eine Besonderheit der Gefässvertheilung
kommt, dass nämlich die in die Hirn-
i'inde eintretenden Arterienstämmchen
eine kurze Strecke durchlaufen, bevor sie
seitliche Aeste auszusenden beginnen
18
274
Gehirn.
(Fig. 202). Einzelne Nervenfasern von stärkerem Kaliber, als die Fasern
der Markleiste, schlängeln sich flächenhaft durch das bindegewebige Netz;
Fig. 201. Fig. 202.
Netzförmige Schichte der Grosshirnrinde.
* Bluto-efäss.
Capilhirgefässnetz der Eindenschichte des
Grosshirns.
sie scheinen ebenfalls aus der Gefäss-
haut herzurühren und mit deren Ner-
50 venstämmchen zusammenzuhängen.
Abgesehen von diesem dünnen, weis-
sen peripherischen Saum lässt sich die
Rinde der Randwülste auf Grrund der
mikroskopischen Untersuchung zu-
nächst in zwei Schichten von etwas ver-
schiedener Mächtigkeit zerlegen, eine äussere rein graue und eine innere
stärkere, von den gegen die Oberfläche ausstrahlenden Nervenbündeln durch-
zogene. Wegen dieser Beimischung markhaltiger Nervenfasern müsste die
innere Schichte sich von der äusseren durch einen helleren Farbenton un-
terscheiden. Aber diese Schattirung wird verdeckt durch die Pigment-
anhäufungen in den pyramidenförmigen , häufig auch schon in den rudimentä-
ren Zellen der kugelförmigen Lücken und so sticht die innere Schichte der
Rinde gegen die äussere durch ihre gelbliche Farbe um so entschiedener ab,
je zahlreicher und ausschliesslicher in jener die grossen pyramidenförmigen
Zellen verbreitet und je intensiver sie gefärbt sind. Eine andere Einthei-
lung der Rinde in Schichten , die mit der erwähnten nur theilweise zusam-
menfällt und auf das makroskopische Bild des Durchschnitts von geringe-
rem Einfluss ist, gründet sich auf die Formen der zelligen Elemente. Dar-
Gehirn.
275
nacli wären von innen angefangen, aufzuzählen: eine erste Schiclite mit
kugeligen Kernen oder unvollkommenen Zellen, eine zweite mit pyrami-
denförmigen Zellen, eine dritte, der ersten ähnliche und eine vierte zel-
lenarme, die wieder in zwei zerfallen kann, wenn das Netz der Bindege-
webszellen nicht die ganze Dicke derselben einnimmt.
Das Bild der Grosshirnrinde, das ich im Vorstehenden entworfen, ist
dem Gipfel und seitlichen Abhänge der höheren geradlinigen Randwülste
entnommen. Auch in diesen kommen geringere Abänderungen hier und da
vor, zumal bezüglich der charakteristischen Pyramidenzellen, von denen
einzelne sich der Spindel- oder Sternform nähern oder eine mehr geneigte
oder gebogene Haltung haben. Beständig wird die Regelmässigkeit der
Faserzüge und Zellen beim Uebergang von Einer Windung auf die andere
alterirt. Gegen den Grund der Furche, welche zwei Randwülste trennt,
werden die aus der Markleiste hervortretenden Faserzüge allmälig kürzer
und in dem auswärts concaven Theil der grauen Rinde , auf welchen der
Grund der Furche stösst , fehlen sie ganz , als ob es darauf ankäme , ihre
Begegnung von zwei Seiten und ihre Kreuzung zu verhüten. Und mit den
Faserbündeln schwinden auch die regelmässigen Reihen der Pyramidenzellen
und es bleiben neben den kugeligen nur unregelmässig verzweigte stern-
förmige übrig. Dagegen lösen sich von den bogenförmigen Fasern, die von
Einer Markleiste auf die andere übergehen, einzelne der äussersten Bündel
ab und nehmen in flacherer Krümmung ihren Weg, wie um ihn abzukürzen,
durch die untere Schichte der grauen Substanz (Fig. 203). Solche von der
Markleiste abgesonderte Bündel erstrecken sich auch zuweilen an dem seit-
Fig. 203.
Senkrechter Durchschnitt, senkrecht auf den Faser verlauf durch zwei Randwülste des
Vorderlappens.
18*
276
Gehirn.
liehen Abhang des Eandwiilstes mehr oder minder weit hinauf, parallel der
Oberfläche und die aus der Markleiste senkrecht zur Oberfläche verlaufen-
den Bündel rechtwinklig schneidend.
Ein ganz eigenthümliches Ansehen , welches sich meist schon an fri-
schen Schnittflächen dem unbewaffneten Auge offenbart, deutlicher aber an
mit Kalilösung behandelten Durchschnitten auf dunklem Grunde hervortritt,
bieten die Randwülste der medialen Fläche des Hinterlappens dar von der
Spitze bis etwa zur Mitte zwischen der Spitze und dem Sj)lenium des Bal-
kens, also in dem Theil des Hinterlappens, der das
hintere Hörn des Seitenventrikels überragt. Hier
ist die graue Schichte überall durch einen der Ober-
fläche und also auch der Grenze der Marksubstanz
parallelen, weissen Streifen getheilt, der in der Mitte
ihrer Höhe oder etwas näher der Markleiste verläuft.
So weit die meist verwaschenen Grenzen des Strei-
fens eine Messung gestatten, stellt sich die Breite
desselben auf 0,25 bis 0,5 Mm. Häufig wird er da-
durch noch auffallender, dass die Schichten, die er
trennt, einen verschiedenen Ton haben. Bald ist
die innere, bald die äussere Schichte die durchschei-
nendere und im letzteren Fall reichen die radiären
. ISTervenfaserbündel nur bis zu dem Streifen und ge-
hen in der feinkörnigen Masse desselben unter.
Die Ursache dieser eigenthümlichen Zeichnung
ist mir nicht völlig klar geworden. An feinen Durch-
schnitten , welche senkrecht zur Oberfläche und Ver-
laufsrichtung der Randwülste geführt sind, sieht man an der Stelle des
weissen Streifens zuweilen eine Andeutung einer dem Faserzug der Mark-
leiste parallelen Faserung , welche die zur Peripherie ziehenden Nervenbün-
delchen käreuzt; doch scheint dieselbe zu zart, um einen so auffallenden Un-
terschied der Färbung hei'vorzurufen und keinenfalls ist sie, wie die Fase-
rung der Markleiste und der von derselben ausgehenden Bündelchen, durch
dunkelrandige Fasern bedingt. An gefärbten Präparaten hat es mitunter
den Anschein, alB,/,ob. der minder durchsichtige Streifen in der Mitte der
grauen Substanz von einer Anhäufung von Zellen oder Kernen herrühre.
Aber dann dürfte er sich nicht an Durchschnitten, die mit Kalilösung be-
handelt worden, erhalten, da Kerne und Zellen in Kali schwinden. So
bleibt nur die Annahme übrig, dass in der feinkörnigen Substanz und einer
verschiedenen Dichtigkeit derselben der Grund der Streifung liege. Im
Uebrigen ist die Structur der grauen Rinde des Hinterlappens von der der
übrigen Randwülste nur wenig verschieden. Die der Oberfläche nächste,
zellenarme Schichte ist breiter und in den tieferen Schichten sind die
Zellen kleiner, dichter gedrängt, runde und pyramidenförmige mehr ge-
mischt.
Wenn das, was ioh. über die Zahl und den Bau der Schichten der grauen
Hirnrinde zu sagen habe, gegen die bisherigen Angaben verstösst , so darf ich
micli damit reclitfertigen, dass die Ueberein Stimmung der letzteren nur scheinbar
und die Bedeutung gleichbenannter Schichten bei verschiedenen Autoren eine ganz
Senkrechter Durchschnitt
der Randwülste der media-
len Fläche des Hinter-
lappens,
Gehirn. 277
verschiedene ist. Die Meisten zählen, nach Baillarger's Vorgang (Mem. de
l'acad. de medeciue, VIII, 149), sechs Scliicliten. Beziiglicli des Charakters der-
selben aber theilen nur Bemak, Kölliker undStepliani Baillarger's Ansicht.
Dieser erkennt in der Schichtung nichts anderes , als ein Alterniren der gewöhnlichen
grauen und weissen Substanz und erklärt die weissen Schichten für parallel der Ober-
fläche verlaufende Nervenfasern. Die Eigenthiimlichkeit der Windungen des Hin-
terlappens, obgleich schon von Vicq d'Azyr betont, erkennt er nicht an, führt
sie vielmehr dadurch, dass er den mittleren weissen Streifen durch eine Scliichte
grauer Substanz in drei Schichten auflöst, auf den allgemeinen Typus zurück, und
so weiss man nicht, ob er nicht die Windungen der übrigen Gehirnoberfläche vor
Augen hat, wenn er sagt, dass die zwei mittleren weissen Schichten häufig die
graue, die sie trennt, verdrängen und zu einer einzigen zusammenfliessen und dass
selbst die erste (innerste) und zweite graue Schichte atrophiren können, so dass die
vier inneren Schichten nur eine einzige darstellen. Der aus dieser Vereinigung
entstandenen inneren Schichte ertheilt C. Krause, der übrigens Baillarger folgt,
den Namen einer Substantia flava s. subalbida.
Es ist offenbar die nämliche Schichte, welche Kölliker (mikroskop. Anat. I,
474) als innere, gelbrötliliche bezeichnet, an die sich nach aussen zunächst eine
rein graue und zu äusserst eine schmale weisse Schichte anschliesse. Aber auch er
macht die Concession , dass sich gewöhnhch an der äusseren Grenze, hier und da
auch im Inneren der gelbröthlicheu Schichte ein hellerer, mehr oder minder weis-
ser Streifen finde, so dass die Zahl der Schichten sich auf sechs erhöht. Seine
Abbildungen zeigen deren nur vier und die Fig. 1 der vierten Tafel lässt keinen
Zweifel, dass dies Bild vierschichtiger Eindensubstanz nach den complicirteren
Eandwülsten des Hinterlappens entAvorfen ist, welches hier auf die Vorderlappen
übertragen worden. Als Grund der beständigen, wie der unbeständigen weissen
Streifen betrachtet Kölliker die Anhäufung markhaltiger Fasern, die sich in allen
Theilen der Eindensubstanz von den radiär verlaufenden Nervenbündeln abzweigen
und die graue Substanz nach allen Eichtungen, besonders aber parallel der Ober-
fläche durchziehen sollen.
Stephani (Beitr. zur Histologie der Einde des grossen Gehirns, Doi-p. 1860)
konnte beim Hunde die von Kölliker für den Menschen angegebenen sechs
Schichten, soAvie die Art ihres Znstandekommens bestätigen, fügt aber hinzu, dass
an den bei Aveitem meisten Schnitten, mochten sie gefärbt oder ungefärbt sein,
nicht einmal drei Lagen der Einde mit Sicherheit untei'schieden werden konnten.
Zu denen , welche die weissen , die graue Schichte unterbrechenden Streifen für
flächenhaft ausgebreitete Nervenfasern halten, gehören noch Eemak (Müll. Arch.
1841, S. 506) und Luys (i-ech. sur le syst, nerveux p. 162), doch zählt auch Ee-
mak ohne der Besonderheiten des HinterlaiDpens zu gedenken, in der Eegel nur
vier Schichten, eine oberfläcliliche Aveisse, eine graue, nochmals eine weisse und graue
(gelatinöse), von denen die äussere graue an manchen, dem Balken benachbarten
Windungen durch eine weisse Zwischensubstanz abermals getlieilt sei.
Mit Berlin 's Dissertation (Beitr. zur Structurlehre der Grosshirnwindungen.
Erlangen 1858) ändert sich zwar nicht die Zählung, aber die Auffassung der
Schichten. Weder der Verlauf der Fasern noch die Anordnung der Zollen schei-
nen Berlin genügend, um die di-ei Mal zwischen hell und dunkel wechselnde
Farbe zu erklären, welche feine Dickendurchschnitte der grauen Eindenschichte
des Grosshirns in Carmin annehmen. Aber auf Grund der Erfahrung, dass Zellen
sich intensiver färben, als Nervenfasern und Intercellularsubstanz, hält er es für
wahrscheinlich und meint es durch die mikroskopischen Untersuchungen bestätigt
zu finden, dass die dunkleren Schichten reicher an Zellen seien, als die helleren.
Wenn aber bis dahin die mikroskopische Untersuchung sich die Aufgabe ge-
stellt hatte , die dem freien Auge sichtbare Schichtung zu erklären , so schritt sie
jetzt zu einer selbstständigen Sonderung der Schichten, nicht oder nur nebenbei be-
kümmert um das Verhältniss der mikroskopisch differenten zu den mit freiem
Auge unterschiedenen Schichten. In diesem Sinne bearbeiteten die Grosshirnrinde
Clarke (Proceed. of the roy. soc. of London. 1863, June, p. 716 und Maudsley,
treatise of the physiol. of the mind 2. edit. 1870), Arndt (Arch. für mikrosk.
278 Gehirn.
Anat. II, 441. IV, 407), Meynert(der Bau der Grosshirurinde. Neuwied und Lpz.
1868) und Cleland (Quarterly Journ. of microscop. science n. ser. X, 127).
Clarke zählt in der ersten Abhandlung sieben, in der zweiten sechs Schich-
ten, die zwar an den Windungen der medialen Fläche des Hinterlappens schärfer
gesondert, mittelst Kalilösung aber auch an der übrigen Grehirnoberfläche kennt-
lich und je nach den Eegionen verschieden seien. Das Unterscheidende findet er
bei der Einen in dem Grade der Durchsichtigkeit, bei der anderen im Faservev-
lauf, hier in der relativen Menge , dort in der Form der Zellen, und da er mit der
Bemerkung schliesst, dass selbst in verschiedenen Theilen derselben Windung
Grösse und Anordnung der Zellen variire, so glaube ich , einer ausführlichen Mit-
theilung seiner Ansichten überhoben zu sein und bemerke nur, dass nach seiner
Schilderung die weissen oder, auf hellem Grunde, danklen Schichten nicht gerade
die faserreichen sind.
Arndt zählt in seiner ersten Abhandlung fünf und allenfalls sechs Schich-
ten auf, die äusserste netzförmig faserig, die zweite feinkörnig mit spärlichen
Kernen, die dritte reich an grösseren Kernen, die sich bei stärkerer Vergrösserung
als ästige Zellen erweisen; in der vierten zeigen sich schon bei massiger Vergrös-
serung neben spärlichen Kernen kleine pyramidenförmige» Zellen, in der fünften
sind diese Zellen minder zahlreich, aber grösser und als sechste Schichte hesse
sich der unterste Theil der fünften betrachten , in welchem die Zellen wieder klei-
ner werden. Die beiden äussersten Schichten identificirt Arndt mit Kölliker's
weisser, die beiden folgenden mit dessen rein grauer, die innersten mit dessen
gelbröthlicher Schichte , an deren peripherischer Grenze er auch den weissen Ner-
venfaserzug constatirt , der bei stärkerer Bntwickelung makroskopisch sichtbar
wei'de.
Meynert unterscheidet einen fünf- und einen achtschichtigen Typus, von de-
nen der erste der für das freie Auge zweischichtigen , d. h. abgesehen von dem
äusseren weissen Saum gleichförmigen Binde des grössten Theils der Windungen
entspreche, während der achtschichtige, für das freie Auge vierschichtige Typus
den complicirteren Windiingen des Hinterlappens angehöre. Von den Nervenzellen
allein, die die Pigmentträger und das Opake in der Bindenorganisation sind, lei-
tet Meynert die Unterschiede der Färbung und Durchsichtigkeit der Schichten
her. In der äussersten Schichte (des fünfschichtigen Typus) sind die Zellen spär-
lich ; in der zweiten kommen zahlreiche und kleine, in der dritten mehr zerstreute,
grosse Pyramidenzellen (Ammonshornformation) vor; die vierte Schichte enthält
wieder dichter gedrängte, aber unregelmässige Zellenformen und die fünfte spindel-
förmige, grosse, mit der längeren Axe parallel der Oberfläche gestellte Zellen (Vor-
mauerformation). In dem achtschichtigen Typus sind die vier äusseren Schichten
des fünfschichtigen in drei zusammengezogen, die achte entspricht der fünften des
fünfschichtigen und in der vierten bis siebenten alternirt zweimal je eine äussere,
leere, nur von einzelnen grossen Pyramidenzellen eingenommene Schichte mit je
einer Schichte von Körnern und kleineren Pyramidenzellen. Züge flächenhafter
Fasern sind Meynert in der Binde der Windungen nirgends begegnet und so
führt er den intermediären Streifen des Hinterlappens auf die beiden leeren zellen-
und pigmentarmen Zonen ziirück, die wegen der Schmalheit der zwischen ihnen
gelegenen Körnerschichte zu einer weissen Linie zusammenfliessen sollen. Der
Deutung und Beschreibung dieser Schichten hält Arndt in seiner zweiten Abhandlung
entgegen, dass die kleineren Zellen oder Körner niemals scharf geschieden , sondern
in grösserer oder geringerer Zahl durch alle Schichten zerstreut seien. Was Mey-
nert's fünfschichtigen Typus betrifft, so erkennt Arndt die Selbstständigkeit von
Meynert' s viei'ter und fünfter Schichte an, die er mit dem mittleren und unte-
ren Theil von Meynert' s dritter Schichte in seine fünfte früher einbezogen habe.
Und da er bei der Trennung der äusseren weissen Schichte in zwei , eine faserig.e
und eine rein protoplasmatische, beharrt, so würden nach seiner neueren Zählung
in den gewöhnlichen Bandwülsten 7 bis 8 Schichten gi-auer Substanz zvi verzeich-
nen sein.
Zu einer einfachen Ein theilung lenkt Cleland wieder ein, indem er an Kölli-
ker's Beschreibung erinnert und den Accent auf die beiden hellen Bänder legt, welche
Gehirn. 279
nach Kölliker allerdiugs nur ausnahmsweise den Dickendurchschnitt der grauen
Rinde durchziehen; bezüglich des tieferen dieser Bänder giebt Cleland zu, dass
dessen Existenz auf der Abtrennung einer fiächenhaften Nervenfaserschichte von
der Markleiste beruhen möge. Das obere, oder wie Cleland es nennt, primäre
helle Band ist aber uacli seiner Ansicht mehr als eine Anhäufung von Nerven-
fasern; im geraden Gegensatz zti Meynert, mit dem er übereinziistimmen meint,
leitet er die weisse Farbe des primären hellen Bandes von einer körnerreichen
Schichte ab, die sich an der äusseren Seite der Nervenfasern finden soll. Die
Schichten, zwischen die sich das primäre helle Band einschiebt, findet er nicht so
verschieden, um die von Kölliker eingeführte Unterscheidung in eine graue und
gelblichröthliche zu rechtfertigen. Nach seiner Meinung enthält die graue Sub-
stanz zunächst der Obei-fläche freie Kerne, welche nach innen in pyramidenför-
mige, alhnälig an Vokimen zunehmende Zellen übergehen.
Aehnliche Zellen von gleichen Dimensionen kommen mitunter auch unter dem
primären hellen Band vor; beständiger sind an dieser Stelle Zellen von unregel-
mässiger Gestalt, deren Grösse gegen die Markleiste abnimmt.
Eine ähnliche Eintheilung, wie die, die mir für die gewöhnlichen Bandwülste
des Menschen die naturgemässeste schien, adoptirte bereits Stieda (Ztschr. für
wissensch. Zool. XX, 35) auf Grund mikroskopischer Untersuchung für die Gross-
hirnrinde des Kaninchens und der Maus : er unterscheidet l) den zellenfreien Bin-
densaum ; 2) eine äussere Schichte kleiner Zellen ; 3) eine mittlere Schichte gros-
ser Zellen und 4) eine innere Schichte kleiner Zellen.
In der Vermuthung, dass die Streifung der Binde auf einer Schichtung der
Grundsubstanz beruhe, werde ich bestärkt durch die Mannigfaltigkeit, welche diese
Streifung an feinen Durchschnitten benachbarter Eandwülste eines und desselben
Gehirns darbietet. So zeigten mir beispielsweise di'ei Randwülste von der Oberfläche
eines in Alkohol erhärteten Schafsgehirns in der Bichtung von aussen nach innen
folgende Succession der Schichten. Der erste Durchschnitt einen schmalen dunklen
(bei auffallendem Liclite weissen), dann einen breiten hellen (bei auftallendeni Lichte
grauen) Streifen, dann wieder einen breiten dunklen, einen schmalen hellen und
einen breiten dunklen Streifen. Im anderen Durchschnitt folgte auf einen äusseren
breiten hellen, nach innen allmälig sich verdunkelnden Streifen ein schmaler ganz
durchsichtiger, dann ein breiter heller Streifen; wieder ein schmaler dunkler, ein
breiter heller, ein schmaler dunkler und ein schmaler heller Streifen. Im dritten
Durchschnitt war die grössere äussere Hälfte hell, von zwei dunklen Streifen ein-
gefasst , dann kamen drei Streifen von gleicher Breite , ein dunkler zwischen zwei
hellen. Es ist nicht wahrscheinlich , dass ein so unbeständiges Merkmal der Aus-
druck eines physiologisch bedeutenden histologischen Verhältnisses sei.
Die Nervenbündel , welche in die graue Rinde des Gyriis fornicatus Gyrus fomi-
ansstraUen , sind directe Fortsetzungen der transversalen Fasern des Mark-
kerns der Hemisphäre und durchsetzen die longitudinale Faserung des Gyrus,
indem sie sich rechtwinklig mit derselben kreuzen. An der Stelle, wo der
Gyrus fornicatus sich um das Splenium des Balkens abwärts windet und den
Namen Gyrus hippocampi erhält, bedeckt sich die Oberfläche desselben mit
der weissen Substanz, deren ich oben (S. 165) gedachte. Es ist eine 0,5 Mm,
mächtige Schichte longitudinaler Fasern , welche sich gegen die vordere
Spitze dieses Randwulstes allmälig verdünnt. Die eigenthümliche Zeichnung
dieser Spitze, die Substantia reticularis alba (S. 166), rührt aber nicht von Subst. retic.
der Vertheilung dieser longitudinalen Fasern und auch nicht davon her, ^ *'
dass die senkrecht zur Oberfläche aufsteigenden Faserbündel dieselbe stellen-
weise erreichen , stellenweise schon früher sich verlieren. Ein mit Kali auf-
gehellter, senkrecht zur Oberfläche geführter Durchschnitt der Substantia
retic. alba zeigt, dass das von meist stark pigmentirten Nervenzellen einge-
nommene Gebiet der Rinde nicht wie sonst, parallel der Oberfläche abge-
280
Gehirn.
Gyrus hip-
pocampi.
grenzt ist. Der äussere Rand dieses Gebietes ist vielmehr bogenförmig aus-
geschnitten und die Zellen lassen zunächst der Oberfläche im Durchschnitt
halbkreisförmige, im Ganzen also kegelförmige Räume leer, deren kreisrunde
Basen den hellen Flecken der reticulären Substanz entsprechen, indess die
netzförmigen Zwischenräume ihre relativ dunkle Farbe dem Pigmente der
Nervenzellen verdanken.
Die Einrollung des Randes des Gyrus hippocampi und dessen Verbin-
dung mit der Fortsetzung des Grus fornicis habe ich, so weit als die Verhält-
nisse sich dem unbewaffneten Auge zu erkennen geben, schon früher beschrie-
ben. Die Windung, die sich lateralwärts zurückschlägt und den Eingang in
das Unterhorn begrenzt (Fig. 205), besteht aus einer Lage grauer (*) zwischen
zwei Lagen weisser Substanz. Die untere weisse Lage (Fig. 206, 1) ist Fort-
setzung des Tapetum, die obere (6) ist die am Gyrus hippocampi neu hinzu-
getretene äussere Faserschichte. Die graue Lage besteht wesentlich aus pyra-
midenförmigen Zellen, deren
Fig. 205.
Frontalschnitt des Gyrus hippocampi (GA), hintere
Schnittfläche. Fi Fimbria. Fd Fascia dentata.
VI'" Hinteres Hörn des Seitenventrikels.
Spitzenfortsätze wie überall
nach aussen, d. h. gegen die
obere Faserschichte gerichtet
sind. Die Zellen (3) liegen
in zahlreichen Reihen über-
einander, am dichtesten ge-
drängt in der Nähe der un-
teren weissen Schichte, in
den folgenden Reihen allmä-
lig mehr zerstreut zwischen
den parallelen hellen Fasern,
in welche die Spitzenfort-
sätze der tieferen Zellen aus-
laufen. Die äussere Hälfte der
grauen Lage (4) enthält keine
Zellen mehr, sondern nur die
hellen Fasern ^). Zwischen
der untersten Zellenreihe und
der inneren Faserschichte, die
in diesem Theil des Gyrus
einen longitudinalen Verlauf
hat, liegt eine schmale Schichte feinkörniger Substanz (2) 2) ; auf die von
den Pyramidenzellen ausgehende Faserschichte, zwischen ihr und der äus-
seren, ebenfalls longitudinalfaserigen weissen Lage folgt abermals eine fein-
körnige Schichte und von ihr eingeschlossen auf einer kurzen Strecke , näm-
lich vom Rande des Gyrus bis zu dessen erster Umbeugung ein Streifen
netzförmigen engmaschigen, sehr gefässreichen Gewebes (5). Dasselbe
gleicht dem netzförmigen Bindegewebe, welches die äusserste Schichte der
gewöhnlichen Randwülste bildet, iind macht den Eindruck, als ob die äus-
^) Sie bilden das Stratum striatum Kupffer's (De cornus animonis textura disquisitio-
nes praecipue in cuniculis institutae. Dorpat 1859). '^) Stratum moleculare primum Kupffer.
Gehirn.
281
sere Faserschiclite, die an den anderen Theilen des Gyrus hippocampi die
netzförmige Substanz verdrängt hat, sich an dieser Stelle über derselben
ausgebreitet habe.
Bei der Umbeugung des Gyrus hippocampi, welche ihre Convexität dem
Frontalschnitt des Gyrus hippoc. (Gh), wie in Fig. 205. Aus einem Kali- und Carmin-
präparat combinirt. Fi Fimbria. Fd Fascia dentata.
Ventrikel zuwendet und in ihre Aushöhlung die Fascia dentata aufnimmt,
kehrt sich die relative Lage der weissen Schichten um: Die ursprünglich
untere Schichte wird zur oberen, die vom Splenium des Balkens an neuhin-
zugekommene äussere Schichte wird zur unteren; die pyramidenförmigen
Zellen senden also ihre Ausläufer abwärts, zugleich aber nimmt die Mächtig-
keit der intermediären grauen Schichte ab und sie füllt sich so vollständig
mit Zellen , dass nur je ein schmaler Streif feinkörniger Substanz zunächst
282
Gehirn.
Fascia den-
tata.
Fig. 207.
den beiden weissen Schicliten übrig bleibt und die radiärstreifige Zone der
Spitzenfortsätze schwindet. EndHch wandelt sich in den weissen Schichten,
wie sie sich der Fimbria nähern , der Lauf der Fasern , der bis dahin der
Krümmung des eingerollten Gyrus concentrisch war, in einen der Faserung
der Fimbria parallelen sagittalen um und bekleidet sich die nunmehr obere
freie Faserschichte wieder mit einer feinkörnigen Rinde (8), die ihre grösste
Mächtigkeit, 0,12 Mm., in dem "Winkel erreicht, den der angewachsene Rand
der Fimbria mit dem Randwulste bildet.
Die in der medianwärts of-
fenen Rinne des Hippocampus
enthaltene Fascia dentata ist ein
Randwulst eigenthümlicher Art,
der vom Gyrus fornicatus be-
deckt auf der Oberfläche des
Balkens seinen Ursprung nimmt.-
Er beginnt als ein plattes Längs-,
faserbündel von 0,25 Mm. Mäch-
tigkeit, wird aber schon an der
unteren Fläche 'des Splenium zu
einem 1 Mm. hohen Wulst, der
von hinten nach vorn langsam
ansteigt, um sich am vorderen
Rande rasch abzusenken (Fig.
207. 208). Die Volumzunahme
ist bedingt durch graue Sub-
stanz, welche sich zwischen jene
longitudinalen Fasern und die
transversalen Fasern des Bal-
Sagittalschnitt durch das Splenium des C. callosum kens eindrängt, die ersteren ab-
{Ccl) und den Anfang der Fascia dentata (Fd) bebt, ausbreitet und endlich
der rechten Hemisphäre. G/ Gyrus fornicat. Gh durchbricht, SO dass sie auf der
Höhe des Wulstes sich verlieren.
Die graue Substanz enthält in
Gyrus hippocampi. Crf Grus fornicis. Fi Fimbria.
Fig. 208.
Fd
25
1
Detail zu Fig. 182, den Durchschnitt des Anfangs der Fascia dentata darstellend. Cannin-
präparat.
Gehirn. 283
feinkörniger Masse ein Lager von Zellen , die in der Tiefe längs der Ober-
fläche des Balkens zahlreich, spindelförmig und in der Richtung der Fase-
rung des Wulstes verlängert, weiter nach aussen mehr zerstreut, sternför-
mig und überall mit fadenförmigen Fortsätzen versehen sind. Nahe der
Oberfläche und parallel derselben erscheint am hinteren sanfteren Abhänge
des Wulstes auf Frontalschnitten ein dunkles Band (Fig. 208*), der Durch-
schnitt einer dünnen Platte , in welcher dicht gedrängt mehrere Reihen von
Zellen liegen, deren Durchmesser, 0,012 Mm., den Durchmesser der Kerne der
grösseren Nervenzellen kaum erreicht. Sie sind körnig, kugelig oder eckig,
vom Kern fast vollkommen ausgefüllt , in sehr feine Fäden nach verschiede-
nen Richtungen verlängert.
Im weiteren Verlaufe vergrössert sich die Fascia dentata und tritt, im-
mer noch an der unteren Fläche des Balkens anliegend (vgl. Fig. 87), mit
dem Gyrus hippocampi in Verbindung. Die pyramidenförmigen Zellen des
letzteren reihen sich unmittelbar an das Lager spindel- und sternförmiger
Zellen der Fascia dentata an und die weisse Decke des Gyrus hippocampi
dringt aufwärts gegen den Balken vor , ohne ihn zu erreichen. An die
kleinzellige Platte , welche, öfters mit einer mittleren Unterbrechung , dem
Rande der Fascia dentata entlang lätift, schliesst sich nach innen eine zweite
an, die mit dem unteren Rande der ersteren in einem spitzen Winkel sich
vereinigt, so dass beide auf dem Frontalschnitt der Fascia dentata einen
schnabelförmigen nach oben offenen Streifen bilden. In den von diesem
Streifen umfassten Raum setzt sich die an der unteren Fläche des Balkens
gelegene Zellengruppe fort, die andererseits, wie erwähnt, mit den Pyrami-
denzellen des Gyrus hippocampi zusammenhängt.
Das verhältnissmässig einfache Bild dieses Durchschnitts liefert den
Schlüssel zu dem complicirteren Bau, welchen der Hippocampus weiter unten,
nach Vereinigung der Fascia dentata mit der Fimbria darbietet. Die Fascia
dentata (Fig. 206 Fd) hat sich besonders im transversalen Durchmesser vergrös-
sert und ist zwischen Fimbria und Gyrus hippocampi tief eingeschoben, von
beiden durch enge Spalten getrennt, welche zahlreiche Blutgefässe zum Ein-
tritt in die Substanz des Hippocampus benutzen. Zwischen beiden Spalten
liegt die Fascia dentata mit einer glatten oder gekerbten Oberfläche frei ;
durch den dieser Oberfläche gegenüberliegenden und den unteren Rand ist
sie mit dem Gyrus hippocampi verwachsen. Die weisse Rindenschichte des
letzteren endet lateralwärts umgebogen mit einer stumpfen Kante (Fig. 206 *'^),
über welche die zu einem schmalen Bande zusammengedrängten Pyramiden-
zellen des Gyrus hippocampi sich abwärts schlagen , um sich , wie durch ein
offenes Thor, in den weiten Raum zu begeben, den die kleinzellige Platte
(*) einfasst, und in demselben zu zerstreuen. Die kleinzellige Platte hat
an Mächtigkeit zugenommen, die Zellen stehen an den breiteren Stellen zu
10 bis 15, an den schmaleren, gegen die Oeffnung hin, immer noch zu
sechs hintereinander, die stärksten und deutlichsten Fortsätze nach aussen
wendend. Der Streifen, als welcher der Durchschnitt dieser Platte auf dem
Frontalschnitt erscheint, folgt im Allgemeinen, abgesehen von der erwähn-
ten Oeffnung, durch welche die Pyramidenzellen ihren Einzug halten, dem
äusseren Contur der Fascia dentata, zieht sich aber öfters an den Winkeln
in längere Spitzen aus und zeigt Biegungen und selbst Knickungen, welche
284
Gehirn.
Hippocam-
pus.
an den Olivenkern und das C. dentatum des Kleinhirns erinnern. An der
unteren Seite endlich, an welcher die Fascia dentata mit dem Gyrus hipoo-
campi verwachsen scheint, zeigt sich, so weit der letztere von dem eben er-
wähnten netzförmigen Gewebe unterbrochen ist, dasselbe Gewebe ^) zwischen
der Faserschichte des Gyrus hippocampi und der kleinzelligen Platte (7) und
auch hier kann die bindegewebige Natur desselben nicht zweifelhaft sein,
da man häufig die Bälkchen des Netzes in Verbindung mit Blutgefässen
sieht (Fig. 209).
Bezüglich der grauen Masse in dem wellenförmig gebogenen, die Klaue
Fiff. 209.
Detail zu Fig. 206, die Schichte 7.
repräsentirenden Schenkel
des Hippocampus sprach ich
(S. 171) die Vermuthung aus,
dass sie eine Ausbreitung der
Fascia dentata sei. Das mi-
kroskopische Bild des Fron-
talschnitts der Klaue an ihrer
Wurzel rechtfertigt diese Ver-
muthung. Der charakteristi-
sche Körnerstreif setzt sich
aus der allmälig kleiner ge-
wordenen Fascia dentata in
die wellige Platte fort, zu-
weilen in sanften, in der Re-
gel aber in steilen Krüm-
mungen oder Zacken, deren
aufwärts und zugleich etwas
seitwärts gerichtete Scheitel
abgerundet oder abgeplattet sind (Fig. 210). Die abwärts offenen Winkel
des Körnerstreifs füllt bis zum Rande eine Substanz aiis, welche bei auffal-
lendem Lichte weisser , bei durchfallendem Lichte dunkler ist , als der
obere Theil der wellenförmigen Platte, und von feinen Fasern durchzogen
wird , die am unteren Rande der Platte am dichtesten sind und in den
Winkel, den der Körnerstreif einschliesst , radienförmig ausstrahlen. Zwi-
schen den Fasern zerstreut liegen spindelförmige, mit der längeren Axe dem
Faserverlauf parallelen Zellen.
In einiger Entfernung oberhalb des Körnerstreifs verläuft den Windun-
gen desselben genau folgend eine weisse , an dem aufgehellten Präparat bei
auffallendem Lichte dunkle Linie (4); sie ist schon mit freiem Auge wahr-
nehmbar und erweist sich unter dem Mikroskop als eine Reihe schräg-
durchschnittener Nervenfaserbündel. Den Raum zwischen dieser Nerven-
bündelreihe und dem Körnerstreif nimmt graue Substanz ein, in zwei gleich
breite Schichten, eine untere hellere (3) und eine obere, dunklere (5), ge-
theilt , die durch einen schmalen noch dunkleren Streifen von einander ge-
schieden sind 2). Beide Schichten enthalten in feinkörniger Substanz ästige
^) Stratum reticulare Kupffer. Stratum lacunosum Meynert. ^) In dieser Schichte
bricht die Platte leicht der Quere nach durch und so entstehen die von Jung (Müll. Ar-
chiv 1838, S. 446) beschriebenen ineinandergreifenden Zackenlager.
Gehirn. 285
Zellen von mittlerer Grösse und unregelmässiger Gestalt, die in der dunk-
leren Schiclite nur gedrängter liegen , als in der hellen, und am dichtesten
Vis. 210.
5
3
Frontalschnitt der Klaue des Hippocampus, aus dem linken Ventrikel, hintere Schnittfläche.
Kalipräparat.
an der Grenze der dunkleren gegen die hellere Schichte gehäuft sind. Die
mächtige Schichte (2) zwischen der Zickzacklinie der schräg durchschnitte-
nen Nervenfaserbündel (4) und der oberflächlichen Nervenfaserschichte er-
weist sich als Fortsetzung der regelmässigen Rindenzellenschichte (Fig. 206,
2. 3. 4) durch die Pyramidenform der mit der Spitze abwärts gerichteten
Zellen und durch ihre von der Pigmentirung dieser Zellen herrührende
gelbe Farbe. Oefters lassen die Zellen den untersten Theil dieser Schichte
frei, der sich dann als ein helleres Band markirt. An der oberflächlichen
Nervenfaserschichte (Fig. 210, 6) lassen sich abermals zwei Unterabtheilun-
gen scheiden, eine äusserste rein longitudinale, deren Bündel der Frontal-
schnitt genau querdurchschnitten zeigt, und eine innere, deren Fasern mehr
schräg und zum Theil radiär nach innen verlaufen , so dass sie , alterni-
rend mit den vom unteren Rande der Platte aufsteigenden Fasern in die
aufwärts offenen Winkel des Körnerbandes und der darüberliegenden Schich-
ten vordringen.
Die oberflächliche Nervenfaserschichte deckt ein hellerer Streifen netz-
förmigen Bindegewebes von verschiedener, meist geringer Mächtigkeit.
Weiter nach vorn zieht sich der Körnerstreif aus der Klaue zurück und
schliesst sich zu einer Ellipse (Fig. 211* a. f. S.), die in jedem folgenden
PVontalschnitt kleiner wird und sich bald vollständig verliert. Zugleich
nähei"t sich die Reihe schräger Nervenbündeldurchschnitte (4) dem unteren
Rande der wellenförmigen Platte und wenn sie ihn erreicht hat, so besteht
diese Platte einfach aus einer mächtigen Schichte grauer Substanz mit pyra-
midenförmigen abwärts zugespitzten Zellen zwischen zwei Nervenfaserschich-
ten , welche alternirend von oben nach unten her in die graue Masse vor-
286
Gehirn.
dringen. Die Krümmungen der letzteren werden dadurch fast zickzack-
förmig und beträchtlich steiler als die Wellenbiegungen der Oberfläche der
Platte, denen sie übrigens entsprechen.
Fig. 211.
Frontalsclinitt der Klaue des Hippocampus näher der Spitze als Fig. 210.
Amygdaia. In der Amygdala wechseln verticale weisse Streifen von etwa 0,3 Mm.
Breite mit etwas breiteren grauen Streifen ab. Die weissen bestehen aus
feinen, reichlich von Körnerreihen durchzogenen Nervenbündeln; die Sub-
stanz der grauen gleicht der Substanz des Streifenhügels und Linsenkerns:
sie enthält rundliche Lücken mit Körnern, Kernen und kleinen Zellen, aber
auch vereinzelte sternförmige Zellen der grösseren Art.
Tub. oifact. An die Randwülste des Grosshirns reihen wir das Tuber olfactorium.
Es ist eine transversale vor der Substantia perforata antica vorüberziehende
Windung, deren Markleiste mit der weissen Bodencommissur (Fig. 35. 84
Cha) identisch ist und mit dem Schnabel des Balkens zusammenhängt, de-
ren Rindensubstanz mit dem Claustrum in Verbindung steht, übrigens aber
Nervenbündel und pyramidenförmige Zellen in ähnlicher Anordnung zeigt,
wie die übrigen Randwülste des Vorderlappens.
Was das Tuber olfactorium auszeichnet, ist erstlich die Grösse und Gedrängt-
heit der Pyramidenzellen und deren eigenthümliche Richtung; in dem hin-
teren Abhang der Windung neigen sie sich nämlich mit ihren Spitzen und
Spitzenfortsätzen dem Ursprünge des N. olfactorius zu und nehmen dem-
gemäss mit dem längsten Durchmesser eine der Oberfläche der Windung pa-
rallele Lage an. Eigenthümlich ist sodann dem Tuber olfactorium der
Uebergang der Markleiste in Blätter und Bündel, die, dem freien Auge sicht-
bar, die graue Rinde durchziehen (Fig. 212) und sich an der Oberfläche
mit den lateralen und medialen Wurzeln des N. olfactorius (Fig. 109) zu
einem continuirlichen , die graue Substanz des Nerven scheidenartig einhül-
lenden weissen Ueberzug sammeln. Verfolgt man die Wurzeln, die von der
medialen und lateralen Seite her an der Oberfläche des Tnber olfactorium
gegen den Nerven convergiren, mittelst successiver sagittaler Durchschnitte.
Gehirn.
Fig. 212.
287
Coa'
Cba
Sagittalschn. der Hemisphäre durch das Tub. olfact. (Tbo). Ccl^ Schnabel des C. callos.
Cs C. striat. Coa' Commiss. ant. Spa Subst. perfor. aiit. Cöa Commiss. baseos alba.
/' Tract. opt. I N. olfact.
Fig. 213.
N"'.
20
1
Sagittalschnitt des Tuber olfactorium durch die äussere Wurzel des N. olfact. Kalipräparat.
288 Gelüni.
zn ihren Ursprüngen, so siett man sie allmälig an Masse abnehmen. Ihr
Durchschnitt stellt bald eine von oben her plattgedrückte Ellipse, bald ein
schmales, mit der Spitze aufwärts gerichtetes Dreieck dar (Fig. 213 a. v. S.).
Immer stehen sie mit der -vreissen Substanz in der Tiefe des Wulstes durch
vereinzelte Nervenbündel in Zusammenhang, als ob sie sich allmälig aus
Bündeln, die von der Tveissen Masse abgezweigt werden, zusammensetzten.
Ich habe zuletzt über die Structur von zwei Organen, Conarium und
Hypophyse, zu berichten, die ihrer Lage und ihres Zusammenhangs wegen
als Theile des Centralnervensystems aufgefasst werden mussten, denen aber
nach ihi'er physiologischen Bedeutung ohne Zweifel eine andere Stelle im
System gebührt, wenn man diese auch einstweilen näher zu bezeichnen
nicht vermag. Darin liegt nur ein Grund mehr, sie an die Blutgefössdrü-
sen anzureihen. So wenig wie die Gebilde, die unter diesem Namen zusam-
mengestellt zu werden pflegen, stimmen Conarium und Hj^Dophyse im Bau
unter sich oder mit einem der genannten Organe vollkommen überein ; doch
ist das Conarium den Lymphdrüsen, die Hypophyse den iSTebennieren ähn-
licher, als irgend einem anderen Organ. Wie sie zur Verbindung mit
dem Gehirn kommen, darüber können wir Aufschluss nur in der Entwicke-
lungsgeschichte suchen und hinsichtlich der Hypophyse glauben wir ihn be-
reits gefanden zu haben. Jedenfalls ist die Verbindung nur eine äusser-
liche. Die nervösen oder nervenähnlichen Stiele, die d^n Zusammenhang
vermitteln, haben keine Beziehung zu den eigenthümlichen Elementen der
fi-aglichen Körj^er.
Conarium. Was zunächst die Stiele des Conarium (Fig. 70 Pen) betrifft, so bilden
sie, von beiden Seiten einander entgegenkommend, im vorderen Theil oder
richtiger am vorderen Rande des Conarium eine Commissur, die sich von
der hinteren Commissur des Grosshirns nur durch ihre Hufeisenform unter-
scheidet. Mit der Convexität des bogenförmigen Xervenfaserstrangs ist die
vordere Spitze des Conarium verwachsen , aber keine Faser verlässt den
Strang, um in dies Organ einzutreten, und die äusserst spärKchen Nerven-
fasern, die das Paremchym
- desselben durchziehen, kom-
men ihm nur mit den Blut-
gefässen zu.
Das Paremchym ist von
einer faserigen Hülle um-
schlossen lind dui'ch faserige
Septa , wie die Lymphdrüsen,
mehr oder minder vollstän-
dig in kugelige Follikel oder
Acini von verschiedener
Grösse (zwischen 006 bis 03
Millimeter und mehr Durch-
messer) abgetheilt. Mehr
Durchschnitt aus dem getrockneten Conarium des Ochsen, oder minder vollständig nenne
in destillirtem Wasser Hufgeweicht. • i t 1 1 j.i m ■ ^ t
° ich die Abtheilung, indem die
Fiff. 214.
Gehirn,
289
Scheidewände tald ein einfaches Gerüste , auf Durchsclinitten ein Netzwerk
darstellen, wie dies bei Säugetliieren der Fall zu sein pflegt (Fig. 214), bald
aber zusammengesetzt sind aus den besonderen faserigen Umhüllungen der
einander benachbarten Follikel und einer weicheren Zwischensubstanz, in
welcher die Blutgefässstämmchen verlaufen. So beim Menschen; die eigene
Follikelwand hat in diesem Fall eine ATächtigkeit von 0,01 bis 0,02 'Mm.
(Fig. 215).
Das Fasergewebe der äusseren Hülle des Conarium ist , wie das der
Gefässhaut der Hirnoberfläche, lockiges Bindegewebe. In der vorderen Bucht
Fis. 215. der Drüse trägt dasselbe an
seiner freien Fläche ein,
vielleicht flimmerndes, nie-
driges Cylinderepithelium ;
nach der Tiefe geht es in
das fein netzförmige Bin-
degewebe über, das der
conglobirten Drüsensub-
stanz eigen ist. Die Schei-
dewände der Follikel ent-
halten ebenfalls achtes Bin-
degewebe, jedoch reichlich
versetzt mit spindelförmi-
gen Zellen, deren längliche
Kerne in dichten Zügen
durch Essigsäui-e sichtbar
gemacht werden. Die Sub-
stanz der Follikel bilden
Zellen vom Ansehen der
Lymphkörperchen , doch
meist etwas grösser bis zu
0,015 !Mm. Durchmesser
und von minder regelmäs-
siger, mehr eckiger Gestalt mit kugeligen Kernen.
Die Methode, mittelst deren die bindegewebige Grundlage der conglo-
birten Drüsen sich so leicht und vollständig isoliren lässt, Behandlung der
Durchschnitte mit verdünnter Kalilösung, die die Körperchen zerstört, und
Auswaschen mit Wasser, welches das aufgehellte Bindegewebe wiederher-
stellt, — diese Methode giebt, auf das Conarium angewandt, keine so ent-
scheidenden Bilder. Bie KörjDerchen der Follikel werden zwar sehr blass,
schwinden aber nicht vollständig und die Bälkchen bleiben häufig trotz des
Auswaschens blass und verschwommen. Sie bestehen also nicht aus achtem
oder reifem Bindegewebe, sondern gleichen vielmehr dem von W. Müller ')
embryonal genannten Fasergewebe der Lymphbahnen in den Lymphdrüsen.
Das Conarium speciell den Lymphdrüsen an die Seite zu stellen , dafür
lässt sich noch eine andere Erfahrung geltend machen : die Verschiedenheit
der Durchschnitte, je nachdem man dieselben einem in Alkohol oder Chrom-
W
Durchschnitt des Conarium des Menschen.
1) Ztschr. für rat. Med. 3. E. XX, 119.
Henle, Anatomie. Bd. III. AbthL 2.
19
290 Gehirn.
säure oder durcli Trocknen gehärteten Präparat entnimmt. Die Räume,
welche an Durchschnitten der ersten Art mit den erwähnten Zellen erfüllt
sind, können an Durchschnitten aus einem getrockneten Stück der näm-
lichen Drüse, wenn dieselben in Wasser wieder aufgeweicht werden , völlig
leer erscheinen, zum Beweis, dass der zellige Inhalt flüssig xmd während
des Eintrocknens ausgeflossen war. Vorzugsweise an dem Conarium des
Ochsen trat der Gegensatz der in Alhohol gehärteten und der getrockneten
Substanz scharf hervor; die getrocknete machte schon beim Durchschneiden
den Eindruck eines porösen, dem Hollundermark vergleichbaren Gewebes.
Aber auch an menschlichen Conarien jeden Alters habe ich öfters , unter
gleichen Umständen, statt der folliculären Drüsensubstanz ein Balkennetz
mit leeren Maschen gefunden. Häufiger enthalten die Maschen anstatt der
Zellen oder in einem von den Zellen umgebenen Hohlraum die unter dem
Namen des Hirnsands, Acervulus, bekannten Concremente (Fig. 215*). Es
sind maulbeer förmige , concentrisch geschichtete Körper, welche klein im In-
neren der Follikel entstehen und, ohne Zweifel durch Apposition wachsend,
im günstigsten Fall die Grösse des Follikels erreichen, zuweilen auch durch
Schwinden der Scheidewände zu mehreren aneinanderstossen und ver-
schmelzen. Sie bestehen hauptsächlich aus phosphorsaurem Kalk mit einer
Beimischung von kohlensaurem Kalk und von organischer Materie, die wohl
nicht als gestaltgebend, sondern nur als infiltrirt zu betrachten ist. Den
Kern der Concremente mögen, wie in anderen Körpern der gleichen Kate-
gorie, Blut- oder Faserstoff"gerinnsel , Myelinklümpchen (die sogenannten
Corpuscula amylacea) oder abgestorbene Zellen bilden.
Genaueres über die chemische Ztisammensetzung des Hirnsandes findet sich
bei. Harless, Müll. Arch. 1845. S. 354. Arlidge, medico-chirurg. review. 1854.
Oct. p. 470. Faivre, Ann. des sc. naturelles, 4. ser. VII, 52. Haeckel, Archiv
für pathol. Anat. und Physiol. XVI, 259. Dass die Concremente, so gewöhnlich
sie sind, doch nicht zu den typischen Bestandtheilen des Conarium gehören, dar-
t über besteht keine Meinungsverschiedenheit mehr. Uebrigens finde ich in den An-
gaben über die Häufigkeit ihres Vorkommens doch einige Uebertreibung. Ich habe
sie in Gehirnen jüngerer Personen oft vermisst; oft lagen nur wenige in den dem
vorderen Eaude nächsten Follikeln und immer sind sie im vorderen Theile des
Organs am i-eichlichsten. Beständiger als im Conarium, finden sie sich an dem
Theil der Gefässhaut , der die vordere Bucht des Conarium ausfüllt, und hier allein
begegnet man den unregelmässigen , cylindrischen und ästigen Formen , die mit
Recht als incrustirte Bindegewebsbündel und ^Gefässe angesprochen wurden. Da
nun diese , wie die maulbeerförmigen Concretiönen , auch in anderen Theilen der
Plexus choroidei sich bilden, so ist zu schliessen, dass das Material derselben nicht
dem Conarium eigenthümlich, sondern in der Cerebrospinalflüssigkeit enthalten sei
und aus ihr in die Follikel des Conarium übergehe. Dieser Umstand macht es
wahrscheinlich, dass die Aehnlichkeit der Structur des Conarium mit der der Lymph-
drüsen eine mehr als äusserliche ist; nur möchte ich vermuthen, dass das Organ,
wenn es in früheren Stadien als Lymphdrüse fungii-te, im Laufe der Zeit allmälig
verlassen wird, indem der Strom der Lymphe andere Bahnen einschlägt. So käme
es zur Entartung sowohl der Körperchen als der Balken: die Körperchen vergrös-
sern sich und verlieren ihre regelmässige Form ; die Balken atrophiren und dies
kann bis zu dem Grade geschehen, dass das Conarium in einen einfachen, dick-
wandigen, von Hirnsaud erfüllten Sack verwandelt wird.
Hypophyse. Die HypophysB ruht in der Hypophysengrube, von der Schädelhöhle aus-
geschlossen durch ein Blatt der fibrösen Hirnhaut, welches, meist etwas
Gehirn. 291-
eingesunken, zwischen dem Sattelwulst und den Procc. clinoidei posteriores
ausgespannt und ungefähr in der Mitte mit einer rundlichen OefFnung ver-
sehen ist, durch die der Stiel der Hypophyse zu diesem Organ gelangt.
Der Stiel besteht aus einer grauen, weichen, zerreisslichen Masse und unter-
scheidet sich dadurch wesentlich von den nervenstrangähnlichen Stielen des
Conarium. Auch die mikroskopische Untersuchung zeigt ihn frei von ent-
schieden markhaltigen Nervenfasern, und wenn solche, sicher nur verein-
zelt, in der Substanz der Hypophyse vorkommen, so werden sie ihr nicht
durch den Stiel, sondern durch Zweige peripherischer Nerven (aus dem
Plexus caroticus) zugeführt. Die Dimensionen der Hypophyse sind durch
die Grube, die sie aufnimmt, bestimmt : in der Kegel übertrifft ihr transver-
saler Durchmesser den sagittalen und verticalen um das Doppelte ; ihre obere
Fläche ist plan, selbst leicht concav und geht mit einem abgerundeten
Rande in die untere gewölbte Fläche über.
Eine bindegewebige Hülle umgiebt die Hypophyse und deren Stiel, an
welchem sie sich als eine Fortsetzung der Gefässhaut der Hirnbasis erweist.
Mit der fibrösen Haut, die die Hypophysengrube deckt, ist sie nur locker
verbunden; an der unteren Fläche der Hypophyse ist sie von der die Wand
der Grube auskleidenden Beinhaut nicht zu trennen. Das Parenchym des
Organs ist in eine hintere und vordere Abtheilung geschieden , die man als
Lappen zu bezeichnen pflegt, obschon sie sich an der Oberfläche entweder
gar nicht oder nur durch die mehr höckerige und deshalb überragende Be-
schaffenheit des sogenannten hinteren Lappens abgrenzen. Auf Vertical-
und Horizontalschnitten setzen sich beiderlei Substanzen scharf gegeneinan-
der ab ; doch verwischt sich die Grenze häufig durch Einschiebung einer
Schichte eines porösen Gewebes, dessen Lücken von zweierlei Art sind. Die
Einen , im Durchschnitt kreisrund oder elliptisch, fallen mehr in den Vor-
derlappen und kommen vereinzelt auch mitten in der Substanz desselben
vor; der Durchmesser der grösseren beträgt 0,2 bis 0,25 Mm. Ihre Wand
ist von einem niederen Cylinderepithel bekleidet, welches in einzelnen Fäl-
len Cilien führt (W. Müller). Sie sind leer oder enthalten Klumpen einer
colloiden Substanz. W. Müller vermuthet, dass sie aus Resten der ursprüng-
lichen Hypophysen -Anlage hervorgehen. Die anderen Lücken haben minder
regelmässige Formen und erreichen einen Durchmesser von 0,5 Mm. Sie
gehören entschiedener dem Hinterlappen an. Durch ihren Inhalt, feinkör-
nige, Lj^mphkörperchen einschliessende Gerinnsel, und durch das die Wände
auskleidende platte Epithel erweisen sie sich als Lymphgefässdurchschnitte ;
doch sind auch sie zuweilen von colloiden Massen erfüllt. Bei Wiederkäuern
tritt an die Stelle des porösen Gewebes eine frontale, von Epithel ausge-
kleidete Spalte.
Der hintere Lappen ist zuweilen etwas höher, im sagittalen Durch-
messer aber kaum halb so lang , als der vordere. Mit einer vorderen , et-
was gewölbten Fläche ist er in eine entsprechend concave Fläche des vor-
deren Lappens aufgenommen, der dadurch eine im Horizontalschnitt nieren-
förmige Gestalt erhält.
An dem Stiel findet das umgekehrte Verhältniss Statt: die Haupt-
masse desselben erhebt sich aus dem hinteren Lappen, doch zieht sich ein
Fortsatz des vorderen Lappens an ihm herauf, der beim Fötus regelmässig
19*
•292^
Gehirn.
lind zuweilen auch beim Erwachsenen die Basis des Gehirns erreicht und
an dem Tuber cinereum eine kurze Strecke gegen das Chiasma hinzieht
(W. Müller).
Fiff. 216.
%
Medianschnitt der Hypophyse, das untere Ende des Stiels mit angrenzenden Theilen
des vorderen (l) und hinteren Lappens (2).
Die Verschiedenheit des Gewebes beider Lappen verräth sich schon der
oberflächlichen Betrachtung durch Unterschiede der Farbe und Consistenz;
der vordere Lappen ist blassroth, der hintere weiss; der vordere Lappen
ist härter als der hintere und widersteht länger der Erweichung durch'
Fäulniss; seine Schnittfläche hat ein homogenes, die des hinteren Lappens
ein mehr granulirtes Ansehen. Viel auff'allender sind die Gegensätze der
Structur, die das Mikroskop enthüllt. Der vordere Lappen besteht aus durch-
einandergewundenen Schläuchen, deren Durchschnitt dem Durchschnitt der
Marksubstanz der Nebenniere sehr ■ ähnlich ist. Den Inhalt der Schläuche
bilden Kernzellen mit feinkörnigem Protoplasma von verschiedener Grösse
und Form, zum Theil platt und aufeinandergeschichtet, so dass sie sich vom
Rande gesehen wie Cylinderzellen ausnehmen , zum Theil kugelig , in ein-
oder mehrfachen Reihen und hier und da selbst ein enges Lumen begren-
zend. In dem Fortsatz des vorderen Lappens , der einen Theil des Stiels
der Hypophyse bildet , liegen die Schläuche der Länge nach nebeneinander,
mit stärkeren, ebenfalls longitudinalen Blutgefässen untermischt. Was der
Annahme einer völligen Identität des Gewebes der Hypophyse und der Mark-
substanz der Nebenniere entgegensteht, ist, dass 1) die Zellen der Hypophyse
in chromsaurer Kalilösung die Farbenäiaderung nicht erfahren, die für die
Zellen der Marksubstanz der Nebenniere charakteristisch ist, und 2) in der
Gehirn. 293
Hypophyse zahlreichere , kreisrunde, von eigenen Wänden begrenzte Gefäss-
durchschnitte gefanden werden , während in der Nebenniere die bhithaltigen
Räume nur durch die Membranen der Schläuche begrenzt scheinen.
Die Grundlage des hinteren Lappens iind des zu demselben gehörigen
Theils des Stiels sind Faserbündel, die in dem Stiel parallel, in dem Lappen
in verschiedenen, einander kreuzenden Richtungen verlaufen. Die Bündel
sind nur undeutlich gesondert , schwach wellenförmig , die Fasern sehr fein,
starr, in Essigsäure erblassend. Dies Reagens macht, indem es die Fasern
aufhellt, zugleich zahlreiche elliptische Zellenkerne sichtbar, welche mit dem
längsten Durchmesser den Fasern parallel, theils zwischen denselben liegen,
theils die Fasern unterbrechen. Ausserdem ist die ganze Masse sowohl der
Faserbündel als der Zwischenräume mit dichten feinen Pünktchen durch-
säet, die den Molekülen der gelatinösen Substanz des Centralorgans gleichen.
Die beschriebenen Fasern lassen sich unter keinem der Gewebe des er-
wachsenen Körpers unterbringen; sie erinnern an die embryonalen Stadien
mancher Fasergewebe , namentlich der Nervenfasern, und darauf deutet auch
ihre Entwickelungsgeschichte. Doch scheinen sie nicht nur in der Ausbil-
dung zurückgeblieben, sondern einer rückschreitenden Metamorphose ver-
fallen zu sein. Ich schliesse dies aus der Anwesenheit von Klümpchen eines
feinkörnigen, gelben Fettes, welche regellos in der Masse zerstreut liegen.
Minder beständig kommen Zeichen der Degeneration auch in dem vorderen
Lappen und dem vorderen Theil des Stiels vor: colloide Umwandlung des
Inhalts einzelner Drüsenschläuche und eine Wucherung der den Stiel durch-
ziehenden Gefässe in Form von Schlingen und Zotten, die das eigentliche
Gewebe des Stiels verdrängen (Luschka).
Die Entwickelungsgeschichte der HyiDOjDhyse , welche soeben eine erneute
sorgfältige Bearbeitung durch W. Müller (Jenaische Ztschr. für Med. und Natur-
wissensch. VI, 354) erfahren hat, lehrt, dass die beiden differenten Theile des Or-
gans aus verschiedenen Anlagen hervorgehen. Der vordere Lappen entspricht,
wie schon E,athke ermittelt hatte, einer Ausstülpung des Schlundes, dessen Epi-
thel die Zellen der gewundenen Schläuche erzeugt. Mit der Entwickelung der
Schädelbasis wird er von dem Sclilunde abgeschnürt. Der hintere Lappen mit der
Hauptmasse des Stiels tritt als ein Fortsatz der Basis des Zwischenhirns auf, der
bei Reptilien und Vögeln als ein unzweifelhafter HirntheU während des ganzen
Lebens sich erhält, bei den Säugetliieren aber schon in der zweiten Hälfte des Fö-
tuslebens sein specifisches Gewebe verliert. Nach Müller' s Ansicht würde das-
selbe durch Bindesubstanz ersetzt.
Der doppelte Ursprung der Hypophyse erklärt die allerdings seltene Anomalie,
dass der vordere Lappen allein, ohne Zusammenhang mit dem Grehim, vorkommt
(Luschka, der Hirnanhang und die Steissdrüse. Berlin 1860. S. 31).
Die Resultate der mikroskopischen Untersuchung des Gehirns werden Faserver-
es rechtfertigen, dass ich die älteren, der Zerlegung erhärteter Gehirne ent-
nommenen Angaben über den Verlauf der Fasern unbeachtet gelassen habe.
Abgesehen von der äussersten Peripherie des Gross- und Kleinhirns giebt
es kaum eine Stelle, in welcher nicht Fasern einander einzeln oder bündel-
weise kreuzten , und so ist die Richtung , nach welcher die erhärtete Masse
bricht, nur durch das Uebergewicht der Einen oder anderen Faserrichtung
oder gar nur durch die Richtung, nach welcher die trennende Gewalt ein-
294 Gehirn.
wirkt , bedingt. Schon hei dem ersten und einfachsten Prohlem , , der Er-
mittehmg des Verhältnisses der Eückenmarksstränge zu den Strängen des
verlängerten Marks, hat die Unzuverlässigkeit jener Untersuchungsmethode
sich herausgestellt, indem Burdach, Arnold und Alle, die auf gleiche
Weise operirten, die Pyramiden allein von den Seitensträngen, die seitlichen
Fasermassen des verlängerten Marks von den vorderen Rückenmarkssträn-
gen ableiteten.
Den Ausgangspunkt unserer Kenntniss der Structurverhältnisse bilden
beim Gehirn wie beim Rückenmark die Arbeiten Stilling's. Aber auch von
den Resultaten, die seitdem und mittelst seiner Methode erworben wurden,
glaubte ich diejenigen unberücksichtigt lassen zu dürfen , welche offenbar
durch physiologische Vorurtheile inficirt sind. Ich habe in der Einleitung
gezeigt, dass ich den Werth physiologischer Thatsachen für die Anatomie
des Nervensystems zu schätzen weiss, und betrachte es als eine Aufgabe
der Anatomie, zusammenzustellen, was Beobachtung und Experiment über die
Beziehung der einzelnen Localitäten des Gehirns zu den peripherischen
Nervenbezirken ergeben. Wenn man aber auf die erst noch zu erweisen-
den Sätze, dass jede peripherische Faser in einer Gehirnzelle repräsentirt
werden, jede Association der Gehirnzellen ihren Weg diirch eine centrale
Faser nehmen müsse, eine Anatomie des Centralorgans aufbaut, so ist dem
entgegenzuhalten, dass der verwickelte Verlauf der Hirnelemente es gar
zu leicht macht, jedesmal das zu finden, was die Theorie postulirt. Auch
haben diejenigen, welche die Ideen zu gegenseitiger Association auf Nerven-
fasern reisen lassen, nicht erwogen, dass die Associationen für jedes Indivi-
duum und für jedes Lebensstadium je nach den Erlebnissen verschieden sind.
Der Fordenmg, die peripherischen Nervenfasern anatomisch durch das
Rückenmark zum Gehirn zu verfolgen, ist schon deshalb zu genügen un-
möglich , weil der Faden , an den wir anknüpfen müssten , schon innerhalb
des Rückenmarks verloren gegangen ist. Indessen lässt sich unabhängig
von der Frage, wie sich die Nervenwurzeln zu den Rückenmarkssträngen
verhalten , das Verhältniss dieser Stränge zu denen des verlängerten Marks
untersuchen und die Verfolgung der direct in das verlängerte Mark eintre-
tenden Nervenwurzeln ist wenigstens nicht reicher an Schwierigkeiten, als
die Verfolgung der Wurzeln der Rückenmarksnerven, ja sie bietet vielleicht
Anhaltspunkte, die dem Verständniss des Verlaufs der Rückenmarksnerven-
wurzeln zu Gute kommen.
Was nun die Beziehung der longitudinalen Fasern des Rückenmarks
zu der Faserung des verlängerten Marks betrifft, so lässt die zunehmende
Mächtigkeit der Pyramiden , die allmälige Verdünnung der Hinter - und
Seitenstränge (vgl. Fig. 114, 116, 117 und 134), der Faserverlauf in queren
und sagittalen Durchschnitten, endlich die immer innigere Vermischung
von stai'ken und feinen Fasern in den Pyramiden und deren Anhängen, den
Vorderstrangsresten, kaum einem Zweifel Raum , dass ein grosser Theil der
Fasern der Hinter- und Seitensti-änge des Rückenmarks im verlängerten
Mark sich nach den Vordersträngen wende und mit denselben zusammen-
fliesse. Sind in den Strängen des Rückenmarks physiologisch differente
Fasern gesondert, so hat die neue Gruj)pirung der Fasern im verlängerten
Mark die Tendenz, diese Sonderung aufzuheben und die Fasern der ver-
Gehirn. 295
scliiedenen Kategorien zu vermengen. Ebenso zweifellos ist beim Ueber-
gang aus den hinteren und Seitensträngen des Rückenmarks in die vorde-
ren Stränge des verlängerten Marks der Austausch der grossen Mehrzahl
der symmetrischen Fasern beider Körperhälften. Ausgenommen von dieser
Kreuzung scheinen gerade die ursprünglich in den Vordersträngen iind wei-
ter oben in den sogenannten Vorderstrangsresten enthaltenen Fasern. Die
nicht gekreuzten Fasern der Vorderstränge und die nicht vorwärts umbie-
genden Fasern der Seiten- und Hinterstränge geben mehr und mehr zer-
klüftet die Längsfasern der reticulären Substanz ab ; von diesen sammeln
sich weiterhin die oberflächlichen wieder zu der compacten Masse der Klein-
hirnstiele. Mit dem Eintritt ins Kleinhirn ist vorläufig die Möglichkeit,
diesen Fasern anatomisch weiter nachzugehen, abgeschnitten; es ist un-
möglich , zu entscheiden , ob die Vierhügelschenkel die aus dem Kleinhirn
zurückkehrenden Fortsetzungen der strickförmigen Stränge oder neue, im
Kleinhirn wurzelnde Fasern enthalten. "Wie dem sei, so bilden die Vier-
hügelschenkel nebst Resten der reticulären Substanz die Grundlage des
Tegmentum, die Pyramiden die Grundlage der Basis der Grosshirnschen-
kel; doch tauschen auch die beiden Abtheilungen des Grosshirnschenkels
Fasern gegen einander aus ; ich erinnere an die vom Rande der Pyramiden
in die reticuläre Substanz aufsteigenden, sowie an die von der Oberfläche
der reticulären Substanz zur Basis sich herabsenkenden Bündel (Fig. 146
und Fig. 174).
Auf einem immer noch anatomischen Umwege suchte Meynert (Ztschr. für
wissensch. Zeel. XVII, 655) die physiologische Bedeutung einzelner Theila des ver-
längerten Marks und damit deren Beziehung zu den Strängen des Rückenmarks
zu ermitteln. Seine Methode beruht auf der Vergieicliung des Volumens der ein-
ander entsprechenden Hirntheile von Thieren , welche in Bezug auf den Flächen-
inhalt ihrer Oberfläche oder die Masse einzelner Muskelgruppen grosse Unter-
schiede zeigen. Die Chiropteren stehen diirch die verhältnissmässig grosse Aus-
dehnung ihrer Hautoberfläche allen übrigen Säugethieren weit voran ; Maulwurf
und Affen wurden wegen der relativen Stärke der vorderen, das Känguruh wegen
des Ueber gewichtes der hinteren Extremitäten zur Vergleichuug herangezogen.
Zu den Messungen verwandte Meynert Frontalschnitte durch die Brücke zwischen
den Ursprüngen der Nu. trochlearis and trigeminus; Gegenstand der Messungen war
das Breiteuverhältniss des Lemniscus zum halben Querdurchmesser des Schnitts und
das Verhältniss der Durchmesser der reticulären Substanz. Die mannigfaltigen Com-
binationen derFactoren, des Flächeninhalts der Haut und der Masse der Muskelgrup-
pen, beeinträchtigen die Sicherheit des Ausschlags derZalilen; doch bringt Meynert
die auffallende relative Breite des Lemniscus bei Fledermäusen in Zusammenhang mit
der grossen, für die Körperoberfläche erforderlichen Summe von Hautnerveu und er-
klärt demnach den Lemniscus für ein Gebilde , in welchem sensible Nerven zum Gehirn
aufsteigen. Die reticuläre Substanz bezeichnet er als motorisches Feld und glaubt
sich zu dem Schluss bei-echtigt, dass dessen Schmalheit zu mächtigen Beckenglie-
dern, Breite desselben zu mächtigen Brustgliedern stimme. Die Muskeln der
Beckenglieder findet er durch eine der Baphe benachbarte, die Muskeln der
Brustglieder durch eine weiter seitwärts gelegene Parcelle vertreten. Bei den
Säugethieren mit schwachen Vorderextremitäten zeigt die äussere Parcelle des
motorischen Feldes zwischen den Wurzeln der Nn. vagus und hypoglossus eine
dreieckige, bei mächtigen Vorderextremitäten eine unregelmässig viereckige Gestalt.
Deiters' Ausspruch (S. 200 ff.), dass die Fasern der Hinter- und Seiten-
stränge des Rückenmarks in den Zellen der grauen Säulen oder Kerne dieser
Stränge enden und die Kreuzungsfasern des verlängerten Marks , die Fasern der
Kleinhirn Schenkel u. a., neu aus diesen Zellen hervorgelien sollen , beruht nicht
296 Gehirn.
auf directer Beobachtung; es ist Anwendung eines Gesetzes, in welchem Deiters
den durch das Labyrinth des Gehirnbaues leitenden Faden gefunden zu haben
glaubte, dass nämlich die Nervenbahnen überall, wo sie eine völlig andere Rich-
tung annehmen, von Ganglienmassen unterbrochen würden (a. a. 0. S. 164). Das
allgemeine Gesetz hat bereits Kölliker (S. 295) in richtiger Weise kritisirt, in-
dem er an die zahlreichen, durch Deiters selbst anerkannten Ausnahmen von
demselben erinnerte. An den besonderen Fall , um den es sich hier handelt , ist
er in so weit zu gla\iben geneigt, als er die im Kern des zarten Strangs enthal-
tenen Zellen Fasern an die Pyramidenkreuzung abgeben sah. Die übrigen Fort-
sätze dieser Zellen könnten nach Kölliker's Meinung wohl nur mit Längsfasern
der zarten Stränge zusammenhängen. Von den Zellen der Kerne des Keilstrangs
glückte es auch nicht , Fortsätze zur Pyramidenkreuzung zu verfolgen.
So unsicher aber die anatomischen Grundlagen sind, auf welchen Deiters die
Hypothese construirt, dass die Zellen des verlängerten Marks in die vom Rücken-
mark zum Gehirn ziehenden Fasern nur eingeschaltet seien, um eine Veränderung
der Richtung oder auch des Kalibers der Fasern einzuleiten , so gewagt wäre es
zu behaupten, dass wir in diesen Zellen die definitiven Endpunkte zum Gehirn
aufsteigender oder vom Gehirn absteigender Fasern vor uns hätten. Man darf
nicht vergessen, dass solche Sätze nichts weiter sind, als in die Sprache der Ana-
tomie übersetzte physiologische Anschauungen, indem man den Impulsen , die das
verlängerte Mark passiren, Fasern, den Impulsen, die vom verlängerten Mark aus-
gehen oder in ihm enden, Zehen substituirt.
Die Wurzeln der unmittelbar in das verlängerte Mark eintretenden
Nerven verhalten sicli zunächst darin den Wurzeln der Rückenmarksnerven
völlig gleich, dass sie, die longitudinalen Faserzüge der oberflächlichen com-
pacten, wie der tieferen reticulären Substanz durchziehend, in Zellengrup-
pen übergehen und sich in denselben zerstreuen. Die Zellengruppen oder
Nervenkerne, wie man sie nennt, sind Fortsetzungen der grauen Säulen
des Rückenmarks ; sie haben zum Theil die nämliche Säulenform, indem die
Kerne einer Reihe von Nerven, des 11. bis 9., des 4. und 3., zu je einer
cylindrischen Masse zusammenfliessen ; zum Theil sind sie nach einer oder
mehreren Seiten scharf umschrieben, wie die Kerne der Nn. hypoglossus und
facialis. Sie entsprechen den grauen Rückenmarkssäulen anfänglich auch
in ihrer Lage (Fig. 117), ziehen sich aber allmälig mehr gegen den Cen-
tralcanal zurück (Fig. 124) und kommen, wenn dieser sich geöffnet hat, an
den Boden des vierten Ventrikels zu liegen (Fig. 129). Die Zellen, welche
in diesen Nervenkernen enthalten sind, zeigen Unterschiede der Grösse
und Form, welche eine ähnliche Beziehung zum physiologischen Charakter
der mit ihnen zusammenhängenden Nerven zu haben scheinen , wie im
Rückenmark. Wenigstens zeichnen sich die Zellen der Kerne entschieden
motorischer Nerven , wie des Hypoglossus , Facialis , Abducens , Oculomoto-
rius, durch ihre Grösse aus, während allerdings in den Kernen gemischter
Nerven, des Vagus und Glossopharyngeus , die grossen Zellen, die den mo-
torischen Fasern derselben entsprechen müssten, vermisst werden, während
ferner der obere Acusticuskern grosse Zellen besitzt, ohne motorische Fa-
sern abzugeben , und im Kern des Trigeminus , trotz des Eintritts zahlrei-
cher sensibler Fasern, die kleineren Zellen fehlen. Aber wer wollte ver-
sichern , dass alle in einem Kern sich verlierenden Fasern in demselben
wirklich ihr Ende erreichen ! Und so muss es auch dahin gestellt bleiben,
ob specifische Zellenformen des Gehirns, wie die tief pigmentirten des Lo-
cus coeruleus und der Substantia nigra, die gruppenweise gehäuften des
Gehirn. 297
Trochleariskerns u. a. etwas functioneli Besonderes oder eine Beziehiing zu
besonderen Neryenwurzeln haben.
Die meisten der in das verlängerte Mark eintretenden Nerven lösen
sich auf dem Wege zu ihren Kernen in eine Anzahl gesonderter, schmaler,
paralleler oder netzförmig anastomosirender Bündel auf, wie dies auch bei
den Rückenmarksnerven der Fall ist; einzelne, wie der Facialis und die
sensible Wurzel des Trigeminus, machen eine Ausnahme und durchsetzen
in compacten, dem unbewaffneten Auge sichtbaren Strängen die Schichten
der Brücke und des verlängerten Marks. Eine andere, wichtigere Eigen-
thümlichkeit mancher Grehirnnerven besteht darin, dass die Wurzeln Eines
Stammes sich nach verschiedenen Richtungen zu entlegenen Kernen ver-
theilen oder theilweise an den Kernen vorübergehen, um sich in der Mittel-
linie mit gleichnamigen Fasern der anderen Seite zu kreuzen oder zu höhe-
ren Gehirntheilen aufzusteigen. Dem N. acusticus, der, wie längst bekannt,
mit einem Theil seiner Wurzelfasern die Oberfläche des verlängerten Marks
umkreist, tritt nach meinen Beobachtungen (S. 196) der N. hypoglossus,
vielleicht auch der Accessorius an die Seite. Möglicherweise liegt hier ein
Verhältniss klar zu Tage, welches mehr versteckt auch im Rückenmark
stattfindet und man dürfte den Verlauf der Nervenwurzeln im verlängerten
Mark als eine Stütze ansehen für die Vermuthung, dass im Rückenmark
die Commissuren durch abgezweigte Fasern der Nervenwurzeln gebildet
werden.
Eher, als an den Rückenmarksnerven, lässt sich auch an den Nerven
des verlängerten Marks, namentlich am N. facialis, wegen seiner oberfläch-
lichen Lage der Beweis erbringen, dass Fasern der Wurzeln an den Zellen
der grauen Substanz vorüber- und in die longitudinalen Stränge, hier zu-
nächst der Substantia reticularis, eingehen (S. 221).
Bis hierher, bei Betrachtung der Längsfaserung iind der Nervenwur-
zeln , erschien uns das verlängerte Mark als eine nur in unwesentlichen
Punkten modificirte Fortsetzung des Rückenmarks. Ich rechne zu den un-
wesentlichen Modificationen auch die zahlreichen in die weisse, namentlich
in die reticuläre Substanz eingestreuten Nervenzellen, da dieselben ja auch
in den Rückenmarkssträngen in der Nähe der grauen Säulen vorkommen.
Nicht einmal von der veränderten Proportion der grauen und weissen Masse
in den Hintersträngen ist es gewiss, ob sie unter dem Gesichtspunkt einer
Zunahme der grauen oder einer Abnahme der weissen Masse aufzufassen
sei. Im Folgenden hebe ich nun die neuen Bildungen hervor , welche im
verlängerten Mark auftreten , also zu der Fortsetzung des Rückenmarks
hinzukommen und zugleich den Uebergang zu der weit verwickeiteren
Structur der folgenden Hirntheile vermitteln.
Das Erste und Auff"allendste ist die ausserordentliche Vermehrung und
der eigenthümliche Verlauf der in der Ebene des Querschnitts ziehenden
Fasern, welche im Rückenmark, abgesehen von den Nervenwurzeln, nur
durch die Commissuren repräsentirt werden. Unmerklich, als ein nur mi-
kroskopisch wahrnehmbarer Ueberzug der weissen Stränge beginnend, ent-
wickeln sie sich in der Gegend der Oliven zur Gürtelschichte , dann zur
Brücke, und aus derselben aufsteigend zum Lemniscus, bis sie zuletzt, im
Markkern des Kleinhirns, im Balken und den Commissuren des Grosshirns
298 aehirn.
einen wesentliclien Theil dieser Organe ausmaciien. Im verlängerten Mark
kommen diese Fasern in zweierlei Formen vor: die Einen umschliessen die
beiden Seitenhälften desselben mehr oder minder vollständig, in doppelkreis-
nnd theilweise in czsförmigen Zügen, indem sie von beiden Seiten in der
Eaphe zusammenstossen und die letztere gerade oder spitzwinklig gekreuzt
in der Richtung von der oberen zur unteren Fläche durchsetzen (Fig. 122);
die anderen gehen als transversale und Bogenfasern der reticulären Sub-
stanz und der Vorderstrangsreste aus Einer Seitenhälfte des verlängerten
Marks in die andere und durchziehen die Raphe in ebenfalls gekreuzter,
aber wesentlich transversaler Richtung (Fig. 123). Ob sie mit den longi-
tudinalen Fasern oder mit den Nervenwurzeln des verlängerten Marks zu-
sammenhängen oder nur zur Verbindung der Nervenzellen beider Seiten-
hälften dienen, ist eine Frage , über die es zur Zeit nicht lohnt, Betrachtun-
gen anzustellen , ebenso wenig , wie über die Herkunft der Brückenfasern
und der transversalen Fasern des Kleinhirns.
Eine zweite Gruppe neuer Bildungen des verlängerten Marks sind die
gelatinösen Kerne, der Pyramiden -, der Oliven - und Nebenolivenkern und
die Kerne der Gürtelschichte, die ihr Vorbild in dem gelatinösen Ueberzug
der Hintersäulen des Rückenmarks haben. Der gemeinsame Charakter aller
dieser Kerne ist ein negativer, der Mangel der Längsfaserbündel , deren
Ausweichen die Durchsichtigkeit der gelatinösen Schichten bedingt. Die
Fasern, welche zurückbleiben, und die gelatinöse Substanz in feinen Bün-
deln und in grösseren oder geringeren Abständen durchziehen , sind trans-
f^ersale: im Rückenmark die hinteren Nerven wiirzeln, im verlängerten Mark
die Gürtel - und Bogenfasern ; sie verlaufen durch die gelatinöse Platte in
gerader Richtung (gelatinöse Schichte der Hintersäulen, Pyramidenkern) oder
erleiden eine vorübergehende Ablenkung (Oliven, Nebenoliven). Vor der
gelatinösen Substanz des Rückenmarks, welche ausser den Nervenfaserbün-
deln nur Körner enthält, haben die gelatinösen Kerne des verlängerten
Marks das voraus , dass die Zwischenräume der Nervenfasern mit sternför-
migen Zellen durchsäet sind, deren Ausläufer man in Nervenfasern verfolgt
haben will. Noch complicirter ist der Bau der gelatinösen Platte des Klein-
hirns , des C. dentatiim.
Am verlängerten Mark war es noch möglich , Nervenwurzeln , Fort-
setzungen der Rückenmarksfasern und eigene Fasern durch die Continuität,
die Richtung des Verlaufs und die Verschiedenheit des Kalibers von einan-
der zu sondern. Bei der Untersuchung der Hemisphären verlassen uns diese
Mittel. Das Kaliber der Fasern ist ein ziemlich gleichmässig feines, die
Continuität bei dem massenhaften Aiistausch der Fasern nicht festzuhalten,
der Gegensatz der Richtung durch Uebergänge verwischt. Dem physiolo-
gischen Experiment, dem absichtlichen und zufälligen, die Frage nach der Be-
deutung der Zwischenstationen überlassend, eile ich zii den in den peripheri-
schen Theilen des Gehirns befindlichen centralen Enden der Fasern. Denn
dass Fasern hier enden, halte ich für ein verhältnissmässig sicheres Resul-
tat der mikroskopischen Beobachtung, und wenn ich über das , was die un-
befangene Beobachtung lehrt, nicht hinausgehen will, so muss ich zweierlei
Endigungsweisen annehmen. Die Eine, in der feinkörnigen Substanz des
Linsenkerns und des Streifenhügels , ist eine allmälige Zuspitzung der in
Gehirn. 299
feine und feinere Bündel zertheilten Faserzüge; die andere, in der Rinde
des Gross- und Kleinhirns, ist Uebergang in Zellen, die nach der entgegen-
gesetzten Seite Fortsätze aussenden, die sich in der feinkörnigen Substanz
verlieren. Man könnte die Zellen mit Zwiebeln vergleichen, die ihre Wur-
zeln in die äusserste, feinkörnige Schichte der Hirnrinde treiben und an
Stelle des blüthentragenden Stengels Nervenfasern aussenden. Und dabei
bestände zwischen den Zellen des Klein- und Grosshirns der Unterschied,
dass bei jenen die Wurzel viel vereweigt, der Stengel in der Regel ein-
fach ist, aus diesen dagegen einer einfachen, geraden Wurzel gegenüber
eine Mehrheit von Stengeln entspringt. So lange aber diese histologischen
Thatsachen nicht der Controverse entrückt sind, ist es müssig zu fragen,
ob die aus den Zellen der Grosshirnrinde entspringenden Nervenfasern , wie
Meynert ■^) will, die Anfänge der peripherischen und insbesondere der
Sinnesnerven seien, ob sie, nach Gratiolet's Ansicht, durch den Balken in
die Corona radiata und weiter in die Grosshirnschenkel der entgegengesetz-
ten Seite übergehen , oder ob sie, auch dies Dritte und noch manches An-
dere ist möglich, nur zur Verbindung der beiderseitigen gleichartigen Zel-
len dienen.
Indem ich nun, nach dem in der Einleitung entwickelten Plan, die PhysioLUn-»
Lücken der anatomischen durch die Ergebnisse der physiologischen For- raserver-°
schung auszufüllen suche, wird es kaum nöthig sein, die Geringfügigkeit ^" "
der Ausbeute mit der allgemein zugestandenen Unsicherheit der Erfahrung
am kranken Menschen, mit der beschränkten Anwendbarkeit des Experi-
ments an Thieren nochmals zu entschuldigen. Als erstes und zuverlässig-
stes Mittel galt aiich hier wieder die unmittelbare Reizung, zunächst um
im Allgemeinen zu constatiren , welchen Hirntheilen die sensibeln , welchen
die motorischen Nerven sich zuwenden. Von den sensibeln kommen hier-
bei natürlich nur die Tastnerven in Betracht, da nur die Berührung oder
Schmerzempfindung objectiv wahrnehmbare Reactionen bei Thieren hervor- i
ruft. Auf Reizung empfindlich zeigen sich die Seitentheile (der laterale
Keilstrang) des verlängerten Marks, der untere Theil der Brücke, die Basen
der Grosshirnschenkel, sowie (nicht unbestritten) die tiefsten Schichten der
Thalami; von denselben Regionen aus können auch Bewegungen, meist in
einer grösseren Anzahl von Muskeln, angeregt werden. Auf Verletzung
der übrigen Hirntheile , namentlich der Grosshirnhemisphären , der Strei-
fen- und Vierhügel und des Kleinhirns, geben sich weder Zeichen der Em-
pfindung, noch Bewegungen kund. Für die topographischen Verhältnisse
sind indess diese Versuche, die positiven wie die negativen, nur von ge-
ringem Werth. Die Empfindlichkeit besagt nach den S. 11 und 76 erwähn-
^) Beiträge zur Kenntniss der centi-alen Projection der Sinnesoberflächen. Aus dem
60. Bande der Wiener Sitzungsberichte. Nach Meynert ist es die Rinde des Schläfen-
und Hinterhauptlappens, in welche die Fasern der Seh- und Geruchsnerven und, durch
Vermittelung der Hirnschenkelbasis, auch die Tastnerven der Körperoberfläche einstrahlen.
Die Fasern des Tractus opticus glaubte bereits Gratiolet (a. a. 0. p. 179) durch das
C. geniculatum mediale in den Hinterlappen verfolgt zu haben. Den Weg der Wurzel-
fasern des N. acust. zu den Randvvülsten der Insel beschreibt Meynert in den Wien. med.
Jahrb. XH, 152.
300 Grehirn.
ten neueren Ansichten von den Kräften der longitiidinalen Fasern des Rücken-
marks niclits weiter, als dass durch den fragliclien Hirntheil Wurzelfasern
sensibler Nerven verlaufen, und erklären sich aus dem Eintritt der Nn. va-
gus, glossopharyngeus , trigeminus, vielleicht auch des N. oculomotorius.
Die Bewegungen gewähren keine Sicherheit, dass der Reiz motorische Fa-
sern getroffen habe, da sie ebensowohl, ja mit grösserer Wahrscheinlichkeit
sich als Reflexbewegungen deuten lassen. Die Theile endlich, die weder
empfindende noch motorische Fasern zu führen scheinen, könnten die Art
von (ästhesodischen und kinesodischen) Leitungsfasern enthalten, die auf
inadäquate Reize nicht reagiren und dennoch physiologisch und anatomisch
die Bedeutung von, wenn auch nur mittelbaren Fortsetzungen der sensibeln
lind motorischen Nerven hätten.
Zweifel der letzteren Art sind, wie beim Rückenmark, nicht auf dem
Wege des Reizversuchs, sondern nur durch Unterbrechung der Leitung zu
lösen. Die Durchschneidung der seitlichen Stränge des verlängerten Marks,
die sich auf Reizung sensibel erwiesen, ergab Schiff den nämlichen Erfolg,
wie die Durchschneidung der hinteren Stränge des Rückenmarks, die eigen-
thümliche Hyperästhesie des Rumpfs und der Extremitäten ; das Experiment
steht also im Einklang mit der anatomischen Thatsache, dass der durch den Kopf
der Hintersäule charakterisirte Hinterstrang des Rückenmarks sich in den latera-
len Keilstrang des verlängerten Marks fortsetzt. Durchschneidung der Stränge,
welche Schiff Seiten- oder Hülsenstränge nennt, hob die Athembewegun-
gen des Rumpfs auf der verletzten Seite auf; da er indess den Schnitt zwi-
schen dem ersten und vierten Cervicalnerven führte, so gilt das Ergebniss
nicht sowohl dem verlängerten, als dem Rückenmark und dient zur Bestä-
tigung der Bell' sehen Hypothese, dass in den Seitensträngen des letzteren
die Nerven der respiratorischen Muskeln enthalten seien. Die an der Rück-
seite des verlängerten Marks zwischen den lateralen Keilsträngen gelegenen
Gebilde und die eigentlichen Kleinhirnstiele erwiesen sich weder gereizt,
noch durchschnitten von Einfluss auf empfindende oder bewegende Körper-
nerven und ebenso resultatlos blieb die Durchschneidung der Pyramiden.
Die Trennung der weiter vorn, in der Brücke, den Grosshirn- und
Brückenschenkeln enthaltenen Fasermassen ruft die merkwürdigen Zwangs-
bewegungen hervor, die eine sehr verschiedene Auslegung erfahren haben.
Mag man sie als . Folgen von Reizung oder Lähmung betrachten , immer
zeigen sie eine Vertheilung der Nerven nach Gruppen an , welche die zu
gewissen Bewegungen zusammenwirkenden Muskeln einer Körperhälfte
oder beider umfassen. Schiff macht es wahrscheinlich, dass die Reit-
bahnbewegung, die nach der Durchschneidung eines Grosshirnschenkels
eintritt , auf der Lähmung von Muskeln beruhe , die den Hals und beide
Vorderfüsse nach Einer Seite wenden ; die Rollbeweguug um die Längsaxe
des Thiers, die sich nach Durchschneidung eines Brückenschenkels ein-
stellt, betrachtet er als Folge einseitiger Lähmung der Rotatoren der Wir-
belsäule. Er untersuchte auch den Einfluss der genannten Theile auf die
Sensibilität und beobachtete nach deren einseitiger Durchschneidung erhöhte
Empfindlichkeit der ganzen Körper-, besonders der Kopfhälfte.
Diese Versuche beweisen zunächst, dass in den Grosshirnschenkeln sot
wohl die motorischen wie die sensibeln Fasern der unter der Herrschaft der
Gehirn. 301
Seele stehenden Körpertlieile (Geriiclis- und Gesiclitssinn ausgenommen)
mit dem Gehirn in Verbindung gesetzt werden. Sie decken aber zugleich
einen Unterschied zwischen den Leitungsbahnen der motorischen und der
sensibeln Impulse auf. Denn während im Bereich der sensibeln Nerven die
Operation am Centralorgan ihre Wirkung ausschliesslich auf die gleich-
namige Körperhälfte erstreckt, macht sich dieselbe im motorischen Gebiete
zugleich und, je nach der Localität des Schnittes, vorzugsweise, ja aus-
schliesslich auf der entgegengesetzten Körperseite geltend.
Schon früher habe ich der gekreuzten Wirkung der Kopfverletzungen
und ihrer Erklärung durch die Pyramidenkreuzung gedacht. Die feinere
Anatomie der Centralorgane hat es zweifelhaft gemacht, ob diese Kreuzung
die erste und letzte, ob sie vollständig oder unvollständig sei. Der Faser-
äustausch in den Commissuren des Rückenmarks hat allerdings, nach den
Angaben der zuverlässigeren Experimentatoren zu schliessen, nicht die Be-
deutung eines Uebergangs der Nerven oder Leitungsbahnen von Einer Seite
zur anderen (S. 79). Dagegen steht es fest, dass sich ein Theil der Vor-
derstränge über die Pyramiden hinaus ungekreuzt erhält, deren Kreuzung
weiterhin nur auf eine, ich möchte sagen verstohlene Weise vor sich gehen
könnte, indem sie sich in der reticulären Substanz von Bündel zu Bündel
allmälig der Medianebene näherten. Ebenso glaube ich auch bezüglich der>
oberhalb der Pyramidenkreuzung sich einsenkenden Wurzeln behaupten zu
dürfen, dass sie, wenn nicht ganz, doch mit der Hauptmasse auf ihrer Seite:
verbleiben und die Mittellinie nur mit einer Minorität ihrer Fasern über-;
schreiten. Davon dürfte höchstens der N. trochlearis eine Ausnahme machen.
A priori hat die unvollständige Kreuzung einen verständlicheren Sinn,'
als die vollständige. Es ist nicht ersichtlich, welchem Zwecke der üeber-
gang des gesammten Körpernervenapparats von der Einen Seite auf die
andere dienen sollte, man müsste denn, im Widerspruch mit den histologi-
schen Grundanschauungen, der gegenseitigen Berührung der Nervenfasern
an der Kreuzungsstelle einen physiologischen Werth beimessen. Dagegen
lässt sich wohl begreifen, warum es vortheilhaft sein könnte, die Nerven
symmetrischer Theile, die zu gemeinsamer Action bestimmt sind, in Einem,
sei es unpaaren oder symmetrischen Gehirnorgan zu versammeln, und es
macht die Neigung zu symmetrischen Mitbewegungen eine solche Einrich-
tung sogar wahrscheinlich.
Bei Thieren, bei welchen man dem Gang der Kreuzung Schritt vor
Schritt experimentell folgen kann, bleibt sie in der That unvollständig.
Die gekreuzte Wirkung äussert sich zuerst, wenn der Schnitt in der Ge-
gend der hinteren Spitze des vierten Ventrikels vollzogen wird, an den
Muskeln der Wirbelsäule, sodann, nach der Trennung des verlängerten
Marks in der Nähe der Brücke, an der hinteren Extremität. Ein Schnitt
genau am hinteren Rande der Brücke lähmt die Muskeln der Wirbelsäule
an der operirten Seite, nöthigt also anzunehmen, dass die zuerst gekreuzten
Nerven wieder auf die Seite zurückkehren, der sie ursprünglich angehörten.
An derselben Stelle scheinen auch einige Nervenbahnen für die vorderen
Extremitäten auf die andere Seite überzugehen. Keine Operation hob
aber die willkührlichen Bewegungen beider Glieder Einer Körperhälfte
völlig auf; es blieb bei einer Schwächung und Beschränkung derselben
302 Gehirn.
(Schiff). Die Versuclie Afanasieff's ^) beim Kanincheii sprechen dafür,
dass die motorischen Nerven der Extremitäten bereits in den Grosshirn-
schenkeln, die der Rücken- und Halsmnskehi erst in der Höhe des Tiiber
cinereum ihre Kreuzung vollendet haben. Dass die Facialiswurzeln am Bo-
den des vierten Ventrikels noch keine Kreuzung eingehen, beweist ein Ver-
such Vulpian's 2), .der[das verlängerte Mark durch einen Schnitt längs der
Medianfurche des vierten Ventrikels in zwei Hälften zerlegte, ohne eine merk-
liche Lähmung im Gebiete der Nn. facialis zu veranlassen. Dass dagegen
in Einem Oculomotoriuskern Fasern beider Wurzeln enthalten seien, ist
aus einem Versuche Adamük's^) zu sohliessen, wonach die Reizung des
Kerns Einer Seite Bewegungen beider Augen hervorruft.
Beim Menschen ist vollkommene Lähmung der Empfindung und Be-
* wegung in beiden, der ei'krankten Hemisphäre gegenüberliegenden Extre-
mitäten die Regel und für die relativ seltenen Fälle , wo der Sectionsbe-
fund ein Hirnleiden auf der Seite der Lähmung nachwies, ist der Verdacht,
dass der eigentliche Sitz des Uebels unentdeckt geblieben sei, nicht abzu-
lenken. Ueber den Ort der Kreuzung giebt die Pathologie nur ungenü-
gende Aufschlüsse. Die Lage der Zunge bei halbseitigen Körperlähmungen,
die sich auf dieselbe erstrecken, könnte darüber belehren, ob die Nerven
der Extremitäten in der Höhe des Hypoglossuskerns ihre Kreuzung bereits
vollführt haben, oder nicht. Leider ist die Richtung der Zungenspitze bei
solchen Lähmungen nicht constant und nicht einmal über die nächste Ur-
sache der Schiefheit, ob Contractur der verkürzten oder Lähmung der an-
deren Hälfte, ist man im Klaren^). Gubler^) beschrieb unter dem Namen
einer alternirenden Hemiplegie Fälle, in welchen bei ungestörter Intelli-
genz Eine Rumpfhälfte und der N. facialis der entgegengesetzten Seite ge-
lähmt war. Der Leichenbefund ergab Verletzungen der Brücke auf der
dem gelähmten Facialis entsprechenden Seite. Da nun bei cerebralen Läh-
mungen Facialis und Rumpfnerven der nämlichen Seite ergriffen zu sein
pflegen, so schliesst Gubler, dass die Rumpfnerven vor der Brücke, die
Facialiswurzeln innerhalb derselben ihre Kreuzung bewerkstelligen.
Centra. Besser als über den Verlauf der Nervenfasern sind wir von physiolo-
gischer Seite über gewisse Localitäten, sogenannte Centra, unterrichtet, an
welchen eine Anzahl Nerven zu geordneter Thätigkeit zusammengefasst
wird. Allgemein anerkannt ist seit Flourens die Existenz eines solchen,
die Athembewegungen regulirenden Centrum im verlängerten Mark; doch
ist dasselbe nicht, wie Flourens meinte, auf eine kleine mediane Stelle
beschränkt. Die mediane Stelle, Flovirens' Lebensknoten, kann ausge-
schnitten, das verlängerte Mark kann der Länge nach getheilt werden und
die Athembewegungen beider Körperhälften dauern fort. Nach Schiff lie-
gen die Athmungscentra , deren also jede Körperhälfte eines besitzt, um
Weniges hinter der Austrittsstelle der Vagi, nahe dem Seitenrande der
grauen Masse, die den Boden des vierten Ventrikels bildet. Sie reichen
nicht so weit nach hinten , als die Ala cinerea , deren hinterer Theil sich
ohne unmittelbare Gefährdung des Lebens ablösen Hess.
^) Meissner's Jahresbericht 1870. S. 261. ^) Ebendas. 1862. S. 459. ^) Ebendas.
1870. S. 312. 4) Schröder v. d. Kolk, a. a. 0., S. 102. &) Meissner's Jahresbericht
1856, S. 420.
Gehiriu 303
Die zum Acte des Erbrechens und der Defäcation zusammenwirkenden
Bewegungen finden nodi nacli Entfernung des Gross- und Kleinhirns Statt,
werden aber durch Quertbeilung des verlängerten Marks vernichtet (Schiff).
Die willkürliche Einwirkung zur Verstärkung oder zum Nachlass des Sphincter
ani wird durch Durchschneidung der Grosshirnschenkel aufgehoben (Afa-
nasieff^).
Im verlängerten Mark scheint auch das Organ enthalten zu sein, in
welchem sich die Eeizung sensibler Nerven auf die Blutgefässe überträgt,
insofern, nach v. Bezold's Versuchen 2), nach Durchschneidung des Halsmarks
auf Reizung sensibler Nerven keine Zunahme des Drucks im Gefässsystem
mehr erfolgte.
In das Kleinhirn verlegt man, ebenfalls nach Flourens' Vorgange,
das Centrum, welches die Ortsbewegungen regulirt , da nach Verletzung und
theilweiser Exstirpation jenes Organs das Gleichgewicht verloren geht , die
Bewegungen schwankend und unsicher werden. Schiff findet die Flou-
rens'sche*Deutung des Vorgangs unstatthaft, weil die Thiere, wenn sie
am Leben bleiben, den normalen Gebrauch ihrer Glieder bald wiedererlan-
gen , ein Centrum aber unersetzlich sei. Er führt die Erscheinungen auf
eine Nebenwirkung der Operation, auf den Druck zurück, den tiefere, vom
Brückenschenkel einstrahlende Fasern erleiden, von welchen die Innerva-
tion der Muskeln der Wirbelsäule ausgeht. Lussana ^) meint die Un-"
Sicherheit des Ganges aus einer Lähmung des Muskelgefühls oder Muskel-
sinnes erklären zu können, der im Kleinhirn seinen Sitz habe.
Ich übergehe die einander widersprechenden Beobachtungen, welche,
nachdem Gall zuerst die Frage angeregt, über den Einfiuss des Kleinhirns
auf Geschlechtstrieb und Geschlechtsfunction veröffentlicht wurden, darf
aber doch nicht unerwähnt lassen, dass Valentin, Budge und Spiegel-
berg übereinstimmend*) das Kleinhirn als Centralorgan der Uterusbewe-
gungen bei Thieren bezeichnen.
Für die Beziehung der Vierhügel zum N. opticus spricht die auf Zer-
störung der Vierhügel folgende Erblindung, auf Zerstörung des Bulbus
erfolgende Atrophie der Vierhügel, in beiden Fällen der gegenüberliegen-
den Seite. Ob aber von demselben Herde aus die Bewegungen der Iris,
wie Flourens, und die Bewegungen der Augenmuskeln, wie Schiff für
wahrscheinlich hält, regulirt und coordinirt werden, muss dahingestellt
bleiben. Schiff spricht sich über die Resultate seiner Versuche mit gros-
ser Zurückhaltung aus und Knoll^) beobachtete keine Veränderungen in
der reflectorischen Contraction der Iris, wenn er auch die hinteren und
vorderen Vierhügel in der verschiedensten Weise bis auf das Dach des
Aquäducts verletzt hatte.
An Versuchen, dem Thalamus und Streifenhügel eine „Function" zu-
zutheilen, hat es nicht gefehlt. Vom Thalamus lässt sich nur sagen, dass
die Annahme einer Beziehung zum N. opticus , die ihm seinen Beinamen
eingetragen hat, experimentell nicht bestätigt ist. Das Experiment ver-
mag nicht, die eigentliche Masse des Thalamus von der ihn durchziehen-
1) Meissner's Jahresbericht 1870. S. 299. 2) Ebendas. 1866. S. 426. 3) Ebendas.
1862. S. 460. 4) Ebendas. 1857. S. 499. Vgl. Körner, ebendas. 1865. S. 489. ^) Ebendas.
1869. S. 315.
304 Gehirn.
den Fasernng der Grosshirnschenkel zu sondern und seine Neigung, in
Gemeinschaft mit seiner Hemisptäre zu atrophiren i), wird sich erst ver-
werthen lassen, wenn der Antheil der verschiedenen Bestandtheile des Tha-
lamus an diesen Atrophien bekannt sein wird.
Von den Streifenhügeln sagt Schiff, dass sie von den Hemisphären
physiologisch nicht zu unterscheiden seien: sie umfassten nur die Wurzeln
der Hemisphärenfaserung und ihre Entfernung sei daher identisch mit der
gründlichsten Vernichtung der Thätigkeit der Hemisphären. Die Verschie-
denheit des Erfolgs der Exstirpation der Streifenhügel und der Hemisphä-
ren scheint Schiff demgemäss als eine nur quantitative anzusehen. Nach
der ersten dieser beiden Operationen, nicht nach der zweiten, tritt die Dis-'
Position zu rastloser Vorwärtsbewegung ein, welche Magendie beschrieb,'
und Schiff selbst und Mitchell 2) bestätigten; eigenthümlich ist nach
Schiff den der Streifenhügel beraubten Thieren das Verharren der Glieder
in jeder ihnen mitgetheilten Lage. Man kann die Catalepsie als einen
höheren Grad des Mangels an Selbstbestimmung deuten und man kann zu-'
geben , dass das in dieser Verfassung einmal in Bewegung gesetzte Thier die-
Bewegung ebensowenig selbständig aufgeben könne , wie die Buhe. Von
anatomischer Seite aber müssen wir jenem Ausspruche Schiffs entgegen-
treten. Wie man das Verhältniss der unter der medialen Fläche des Strei-
fenhügels und unter der lateralen Fläche des Linsenkerns sich verlierenden
Faserbündel zur feinkörnigen Substanz auffassen möge , so ist es doch ge-
wiss, dass sie nicht in die Hemisphären gelangen. Und wenn derselbe Er-
folg, wie durch Exstirpation der Streifenhügel, durch Trennung der Fasern,
die aus dem Streifenhügel in die Hemisphären treten , erreicht wird, so be-
weist dies, dass wir von der Exstirpation der Streifenhügel nur eine Ne-
benwirkung kennen.
Des Zustandes, in welchen die Thiere aller Classen durch Abtragung der
Grosshirnhemisphären versetzt werden, habe ich schon früher (S. 1 1) gedacht.
Das Thatsächliche schildern sämmtliche Beobachter in gleicher Weise; nur in
der FormiTlirung desselben äussern sie sich, je nach dem philosophischen Stand-
punkte, verschieden und so wurden die Hemisphären Organ bald der Seele, bald
des Willens, bald der Reflexion von den höheren Sinnen auf Bewegungscentra
genannt. Den Anatomen interessirt zunächst, ob er sich dies Organ als
ein gleichartiges vorzustellen habe, dessen Elemente einander ersetzen kön-
nen, oder als ein Aggregat von einzelnen, den verschiedenen Vermögen,
Kräften, Anlagen der psychologischen Terminologie entsprechenden Orga-
nen. Der Flourens' sehe Versuch macht, in Verbindung mit vielfachen
Beobachtungen am Menschen, die erste Annahme wahrscheinlicher, denn
es werden ansehnliche Substanz Verluste der Hemisj)hären ohne jeden Nach-
theil ertragen und es gehen mit der allmäligen Exstirpation der Hemi-
sphären nicht successiv diese und jene Fähigkeiten verloren, sondern, wenn
die Verletzung weit genug vorgeschritten ist, mit Einem Schlage alle.
Auf der anderen Seite haben die letzten Jahre Erfahrungen zu Tage
gefördert, die sehr bestimmt für die Existenz specifischer Hirnorgane zeu-
gen. Die zahlreichsten und merkwürdigsten beziehen sich auf eine Gabe,
1) Luys, a. a. 0. p. 506. ^) Meissner's Jahresbericht 1867, S. 527.
Gehirn. 305
die ausscUiessliclies Eigenthum des Mensclien ist, die Fähigkeit, sich durch
"Wort und Schrift auszudrücken , und weisen derselben ihren Sitz in den
Windungen der Insel und deren Umgebung und, was das Auffallendste ist,
in einer einzigen Hemisphäre und bei weitem am häufigsten in der linken an ^).
An der genannten Stelle fanden sich Desorganisationen bei Individuen, die an
Sprachstörung (Aphasie) gelitten hatten, und wo es nicht zur Section kam, deu-
tete die Verbindung der Sprachstörung mit rechtsseitiger Hemiplegie auf die
linke Hemisphäre. Hieran reiht sich die Versicherung Meynert's, dass
Epilepsie und epileptiforme Krämpfe stets mit Erkrankung der Hakenwin-
dung verbunden seien, und eine Versuchsreihe von Fritsch und Hitzig 2),
welche an der Oberfläche der Hemisphären des Hundes bestimmte und be-
schränkte Stellen bezeichnet, deren elektrische Reizung Contractionen be-
stimmter Muskelgruppen hervorruft und deren Exstirpation die entspre-
chenden Muskeln zwar nicht lähmt, aber doch motorische Störungen eigen-
thümlicher Art zur Folge hat. Wie die genannten Beobachter den Zu-
stand charakterisiren , so bestand noch irgend eine motorische Leitung von
der Seele zum Muskel, während in der Leitung vom Muskel zur Seele ir-
gendwo eine Unterbrechung vorhanden war; sie vermuthen, dass die Un-
terbrechung die Endstation der hypothetischen Bahn für den Muskelsinn
betroffen haben möge.
Wenn diese Wahrnehmungen, die zu einem Bruch mit manchen Ueber-
lieferungen auch der allgemeinen Nervenphysiologie führen würden, sich
bestätigen und mehren , so eröffnen sie die Aussicht auf eine geläuterte,
ernsthafte Phrenologie und auf eine Anatomie der Grosshirnwindungen, die
sich zu der gegenwärtigen etwa so verhalten würde, wie die geologische
Durchforschung eines Landstrichs zur Katastervermessung.
Unsere Kenntniss von den Altersverscliiedenheiten des Gehirns beschränkt
sich in histologischer Hinsicht auf Unterschiede der Consistenz, in morphologischer
auf Unterschiede des "Volumens und Gewichts. In den ersten Lebensjahren ist
das Gehirn , wie allgemein bekannt , sehr weich , wahrscheinlich in Folge grösse-
ren Wassergehaltes; nicht ebenso constatirt ist die, wiewohl sprüchwörtliche Ver-
trocknung des Gehirns im Greisenalter (vgl. Weisbach, Wiener med. Jahrb.
1868. S. 46. 73). Mit Untersuchung der Aenderungen , die das Gewicht des
Gehirns je nach den Lebensaltern erfährt, haben sich Tiedemann, Peacock,
Huschke (s. S. 85) und Weisbach (Archiv für Anthropologie Bd. L S. 191.
215) beschäftigt. Sie stimmen darin überein, dass das Gewicht des Gehirns
bis zum 20. bis 25. Jahre zunimmt und in diesem Alter am grössten ist. Es
betrug beim Neugeborenen etwa y^, beim zweijährigen Kinde '^f^^, beim 15j äh-
rigen Vi5 des Körpergewichts (Tiedemann). Von der Gesammtmasse des Ge-
hirns macht beim Neugeborenen das Grosshirn 93 bis 94 Proc, das Kleinhirn
mit Brücke und verlängertem Mark 6 bis 7 Proc. aus, während beim Erwach-
senen das erstere zum letzteren sich verhält wie 86 bis 88: 12 bis 14 (Husc'hke).
Mit zunehmendem Alter wird das Grosshirn bei Männern relativ grösser, bei
Frauen relativ kleiner (Weisbach).
Dass im Allgemeinen das Gewicht des männlichen Gehirns grösser ist, als das
des weiblichen, wurde bereits angegeben. Dem Ausspruch Gall's, dass im männ-
lichen Geschlechte das Hinterhauptshirn (Kleinhirn, Brücke und verlängertes Mark),
im weiblichen das Grosshirn dem Gewichte nach bevorzugt sei , schliesst auch
Huschke sich an. Zwischen dem 20. bis 40. Lebensjahre beträgt das Hinter-
hauptshirn beim Manne 13,17, beim Weibe 12,32 Proc. des Gesammthirns. Die
1) Meissner's Jahresbericht. 1867. S. 528. 1868. S. 411. 2) Ebendas. 1870, S. 264.
Henle, Anatomie. Bd. III. Abthl. 2. 20
3Ö6 Hüllen des Centralorgans.
ganze Vierhügelmasse ist relativ zum grossen Gehirn heim "Weihe heträchtlicher,
als heim Manne, doch ist das hintere Vierhügelpaar heim Manne von relativ
grösserer Oherfläche, als heim Weihe. Von den heiden Ganghen des Grosshirns
ist heim Manne der Streifenhügel, heim Weihe der Thalamus relativ grösser. Auf
dem Sagittalschnitt des Gehirns hat der Streifenhügel hei heiden Geschlechtern
den gleichen Flächeninhalt, während der Flächeninhalt des Linsenkerns heim
Manne fast doppelt so gross ist, als heim Weihe (Huschke).
Zixr Ermittelung der Rasseueigenthümlichkeiten des Gehirns Messen sich his-
her weniger die Gehirne selbst , als die Schädel verwenden. Nach dem Rauminhalt
der letzteren schätzt J. B. Davis (Philos. transact. 1868. P. II, p. 505) das mitt-
lere Gewicht des Gehiras
der europäischen Eassen zu 1367 Grm.
„ asiatischen „ „ 1304
afrikanischen
amerikanischen
australischen
oceanischen
1203
1308
1214
1319
Bezüglich der einzelnen Theile hat sich keine heständige Verschiedenheit zwischen
dem Gehirn des Europäers und des Negers ergehen (vgl. Tiedemann a. a. O.
Marshall, Philos. transact. 1865 [VoL 154] P. III, p. 501. Calori, Mem. della
accademia di Bologna. 2. ser. V, 177).
3. Hüllen des Centralorgans.
3. Hüllen d. Gehirn lind Rückenmark sind innerhalb ihrer knöchernen Höhle, der
Organs." Wand der letzteren zunächst, von einer derben, weissen, fibrösen Haut ^)
Fibrose umgeben, die sich in der Schädel- und Rückenmarkshöhle verschieden ver-
hält. In der Schädelhöhle ist sie identisch mit dem inneren Periost der
Schädelknochen '^). Nur zufällig gewinnt sie beim Erwachsenen das An-
sehen einer eigenen Hülle des Gehirns, weil die zarten Gefässe und Binde-
gewebsstränge, die von ihrer äusseren Fläche in die innere Fläche des
Knochens eindringen, beim Abtragen der Schädeldecke widerstandslos zer-
reissen. Am kindlichen Schädel ist das innere Periost ebenso innig mit
der Schädeldecke verbunden und ebenso schwer von derselben zu trennen,
wie das äussere ; deshalb erfordert die Eröffnung des Schädels bei Kinder-
leichen eine andere Procedur, als bei Erwachsenen und muss die sogenannte
fibröse Hirnhaut zugleich mit dem Knochen eingeschnitten und weggenom-
men werden.
Aber auch beim Erwachsenen tritt nur an einem beschränkten Theil
des Schädels die Beziehung der fibrösen Haut zum Knochen gegen die Be-
ziehung zum Gehirn zurück. Eigentlich ist dies nur an der mittleren,
muskelfreien Region der Schädeldecke der Fall, die ihre Gefässe fast aus-
schliesslich aus dem äusseren Periost bezieht und am macerirten Schädel
wegen der dicht stehenden feinen Gefässöffnungen durch ihre matte Ober-
fläche gegen die glänzenden Schläfenflächen absticht. An den letzteren sind
die Gefässverbindungen zwischen der flbrösen Hirnhaut und dem Knochen
schon reichlicher, ebenso an den Nähten des Schädels; am Boden der Schä-
delhöhle aber schliesst sich die fibröse Membran so fest an den Knochen an
und folgt, mit wenigen Ausnahmen, so genau den Unebenheiten desselben.
) Lura viater. Harte Hirn- und Rückenmark.shaut. Dtira meninx- ^) Endocrcmium,
Hüllen des Centralorgan&. äO?
dass sie vor dem gewölanliclien Periost nichts voraus hat, als die glatte Be-
schaffenheit der freien Oberfläche. Aber auch darin steht sie nicht einzig
da; sie theilt diese Eigenschaft mit dem Periost der Orbita; sie gleicht dem
Periost der Orbita auch insofern, als sie stellenweise, wie dieses durch den
Thränenschlauch , so durch Grefässe und Nerven vom Knochen abgehoben
wird , und damit zerfällt die theoretische Fiction , nach welcher die harte
Hirnhaut die mit dem Periost verschmolzene fibröse Hülle des Centralorgans
darstellen sollte.
Beim Uebergang aus der Schädel- in die "Wirbelhöhle spaltet sich aber
das einfache Periost der ersteren wirklich in zwei und mehr Lamellen, von
denen die äussersten, durch Bündel, die am Rande des Hinterhauptslochs
entspringen, verstärkt, in das Periost und die Bänder der Wirbelhöhle
übergehen (Bdl. S. 42), während die innerste sich in das cylindrische Bohr ^)
fortsetzt, welches das Rückenmark umschliesst. Ein lockeres, feuchtes und
fettreiches BindegeAvebe trennt dieses Rohr, die fibröse Haut des Rücken-
marks, von den mit den Wirbeln fest verbundenen Bindegewebsschichten
und macht sie unabhängig von den Bewegungen der Wii'belsäule. Mit
ihrer äusseren Fläche hängt dies Bindegewebe und das Neurilemm der das
Rohr durchbohrenden Nervenwurzeln zusammen; ihre innere Fläche ist glatt,
wie die der fibrösen Haut des Schädels. Die Wand des Rohrs ist hinten stär-
ker, als vorn ; die Weite desselben wechselt mit der Zu - und Abnahme der
Durchmesser des Rückenmarks ; seine untere Spitze 2) zieht sich um das Fi-
lum terminale zusammen und verliert sich mit demselben in dem Periost
der hinteren Fläche der oberen Steisswirbel.
Von der fibrösen Auskleidung des Schädels sowohl, wie von der fibrö-
sen Hülle des Rückenmarks gehen Fortsätze nach innen, von verschiedener
Form und Bedeutung. Von den Fortsätzen der Hülle des Rückenmarks,
dem Lig. laciniaium, wird später die Rede sein. Die in die Schädelhöhle
vorspringenden Fortsätze ^) des Periost sind Platten , welche diese Höhle
unvollkommen in zwei symmetrische Hälften und der Quere nach in einen
oberen grösseren und einen unteren kleineren Raum abtheilen. Die mediane
Scheidewand, Falx, Hirnsichel*), ragt in die tiefe Spalte zwischen den Hemi-
sphären des Grosshirns bis zum Balken (Fig. 218) und füllt am Kleinhirn
die seichte Vertiefung zwischen den über dem unteren Wurm zusammen-
stossenden Hemisphären aus. Die quere Scheidewand, Tentorium^) ^ legt
sich in die Spalte zwischen den hinteren Lappen des Grosshirns und der
Oberfläche des Kleinhirns; sie bildet einen Theil des Bodens der Höhle, die
zur Aufnahme des Grosshirns bestimmt ist, und zugleich die Decke der
Höhle , in welcher das Kleinhirn ruht. Mit ihrem freien Rande ^) erreicht
sie den Grund der vorderen queren Hirnspalte und begrenzt sie die Oeff-
nung^), durch welche die hintere Schädelgrube mit der mittleren commu-
nicirt.
Dadurch, dass Falx und Tentorium an der Protuberantia occipit. int.
einander begegnen, wird die Falx in eine obere und untere Abtheilung,
^) Theca med. spin. ^) Filum iermmale exiernum. ^) Processus cruclatus. *) Proc.
falciformis. Mediastinum cerebri (cerebeUi). ^) T. cerebelU. SejHum encephali. ■ Hirnze-lW
Gezelt. ^) Incisura ientorli. '') Foramen occlpitale superius.
20*
308
Hüllen des Centralorgans.
Faix cere- Falx cercbH (fc) und cerebelli (fch)^), das Tentorhim (t) in eine reclite
lind linke Hälfte geschieden (Fig. 217). Die Falx cerebri hat die Gestalt
Fig. 217.
'Jff'
Sagittalschnitt des Schädels links neben der Medianebene. Von der linken Hälfte des
Tentorium ist ein schmaler Saum zurückgeblieben, das Gehirn entfernt, fc Falx cere-
bri. fcb Falx cerebelli. t Tentorium. 1 Stiel der Hypophyse. 2 V. cerebri int. comm.
Vgl. Gefässlehre Fig. 141. 3 Crista galli. 4 Sinus transversus.
einer Sichel, deren Rücken an die Schädeldecke angewachsen ist, deren
Schneide frei liegt; sie verjüngt sich von hinten nach vorn, ruht mit dem
breiteren hinteren oder unteren Rande, der Basis, auf dem Tentorium, mit
dem schmaleren vorderen, die Crista galli (3) einschliessenden Rande auf
der stumpfen, medianen Firste des Wespenbeinkörpers und füllt mit einem
kegelförmigen, soliden Fortsatz das Foramen coecum aus.
"Wenn ich das Tentorium eine horizontale Scheidewand nannte, so sollte
damit seine Stellung nur im Allgemeinen und im Gegensatze zur Falx bezeich-
net werden. In der That ist es, der Oberfläche des Kleinhirns entsprechend,
im Ganzen aufwärts gewölbt und in der Mitte, je näher dem vorderen
Rande , um so mehr durch die Anheftung der Falx cerebri aufwärts gezogen
(Fig. 217. 218). Yon der Fläche betrachtet, erscheint es halbmondförmig,
doch ist die Lücke, die sein innerer Rand begrenzt, elliptisch, im sagitta-
len Durchmesser länger, als im transversalen (wie 5 : 4 Cm.). Sein äusse-
rer Rand befestigt sich läügs dem Sulcus transversus und der oberen Kante
der Schläfenpyramide, wo er die Sinus transversus (Fig. 217, 4) und petro-
sus sup. (Fig. 218, 2) einschliesst , und trifft an der Seite des Wespenbein-
) Proc. falciformis major und minor.
Hüllen des Centralorgans.
309
körpers mit dem inneren Rande zusammen. Dieser verläuft von der Mitte
an, wo er zur Aufnahme der V. cerebri int. comm. geöffnet ist (Gefässlehre
Fig. 218.
Frontalsclinitt des Schädels mit dem Gehirn durch den vor-
deren Rand der Brüclje, wie in Fig. 73. fc Falx cerehelli.
t Tentorium. 1 Querschnitt des Sinus sagitt. sup., 2 des
Sinus petr. sup. 3 A. basilaris.
Fig. 141), einfach und
etwas wulstig bis in die
Gegend der Spitze der
Schläfenpyramide ; von
da an zerfällt er in zwei,
unter spitzem Winkel
divergirende , niedere
Falten, eine obere und
laterale , die dem Proc.
clinoid. ant., eine untere,
mediale , die dem Proc.
clinoid. post. zustrebt
(Fig. 219); die seichte
Vertiefung zwischen bei-
den Falten ist die Decke
des Sinus cavernosus.
Die Falx cerebelli ist
niedriger, aber (im trans-
versalen Durchmesser)
breiter, als die Falx ce-
rebri ; nur in der Seiten-
ansicht ist sie allenfalls
einer kurzen und sehr
schwach gekrümmten Si-
chel vergleichbar, mit der Spitze abwärts, mit der Basis aufwärts gegen
das Tentorium gerichtet und an dasselbe angewachsen. Die Höhe (der sagit-
tale Durchmesser) der Basis beträgt kaum 1 Cm. Der freie Rand ist in
der Mitte etwa 6 Mm. breit und wird nach oben und unten breiter, dort in .
die untere Fläche des Tentorium, hier, in der Gegend des Hinterhauptslochs,
in die fibröse Hülle des Rückenmarks sich verlierend ; er ist öfters der Länge
nach gerippt oder hohlkehlenartig vertieft (Fig. 219); nicht selten überragt
er beiderseits mit einem schmalen Saum die Seitenflächen.
Das Tentorium erweist sich durch seine knöcherne Beschaffenheit bei Tentorium.
den Carnivoren als eines jener Gebilde, welche, wie die Linea alba der vor-
deren Batichwand, das Lig. stylohyoideum u. a., zwar zum Plane des Ske-
letts der Wirbelthiere gehören, aber bei einer Anzahl oder auch Mehrzahl
derselben im unverknöcherten Zustande verharren. Zu einer analogen Auf-
fassung der Falx berechtigt die typische theilweise Verknöcherung dersel-
ben, die als Crista galli und Crista frontalis int. mit der knöchernen Schä-
delkapsel verwachsen ist. Auch dies dient zur Widerlegung derer, welche
die fibröse Hirnhaut in zwei Schichten zerlegen und die von ihr ausgehen-
den Scheidewände als Duplicaturen der inneren, nicht periostalen Schichte
betrachten.
Duplicaturen gleichen die Fortsätze der fibrösen Hirnhaut, weil sie
am angewachsenen iind streckenweise auch am freien Rande in zwei Blätter
aus einander weichen, um die venösen Sinus aufzunehmen. Aber auf diese
310
Hüllen des Centralorgans.
Nervenver-
lauf durch
die fibr.
Haut.
Strecken beschränkt sich auch der Anschein der lamellösen Structur und
andererseits liegen zahlreiche Sinus an Stellen der Schädelbasis, über
welche die fibröse Haut einfach glatt hinweggeht.
Neben den venösen Sinus, auf deren Beschreibung in der Gefässlehre
Fig. 219.
Schädelbasis von innen mit den an der Austrittsstelle aus dem Gehirn abgeschnittenen
Nerven I bis XII. V* Ggl. semilunare des N. trigeminus, dessen motorische Wurzel
unter der kürzer abgeschnittenen sensibeln hervorsieht. F^, V^, V^ Erster bis dritter
Ast des Trigeminus. Auf der rechten Seite ist die fibröse Hirnhaut entfernt und sind
die Nerven unter derselben bis zu den Oeffnungen verfolgt, durch welche sie den Schä-
del verlassen, die Nerven ///, IV, V^ und VI über die convexe Krümmung der Carotis.
1 Proc. clinoid. ant. 2 Proc. clinoid. post. 3 Querschnitt der Carotis int. H Stiel
der Hypophyse, deren Lage durch eine Vertiefung der fibrösen Haut angedeutet ist.
i Vordere Spitze des (abgeschnittenen) Tentorium. fcb Falx cerebelli.
Hüllen des Centralorgaiis. 811
ich verweise, liegen zwischen der fibrösen Hirnhaut und dem Schädel
oder eigentlich in der Substanz der ersteren die Arterien und Venen, welche
ihr und dem Knochen Aeste zusenden (Vasa meningea) , und die Stämme
einzelner Nerven. Vier Hirnnerven, der dritte und sechste, haben die Eigen-
thümlichkeit, dass sie den letzten Theil ihres Weges durch die Schädel-
höhle innerhalb der fibrösen Haut zurücklegen. Die Nn. oculomotorius und
trochlearis senken sich nahe hinter einander, der letztere zugleich etwas
seitwärts von dem ersteren, in die fibröse Hirnhaut ein, dicht unterhalb
der oberen der beiden eben erwähnten Falten , mit welchen sich das Ten-
torium an das Wespenbein befestigt (Fig. 219). Der N. trigeminus durch-
bohrt unter der unteren Anheftungsfalte des Tentorium die fibröse Haut und
der N. abducens tritt schon in der hinteren Schädelgrube unter dieselbe,
hinter der Spitze der Schläfenpyramide und näher der Mittellinie, als die
übrigen Nerven. Oculomotorius, Trochlearis und Abducens ziehen neben ein-
ander, über der Carotis und theils durch den Sinus caveniosus, theils über
demselben zum medialen Winkel der Fissura orbitalis sup. Der N. trige-
minus gelangt in der nach ihm benannten Impression an der Spitze der
Schläfenpyramide zur mittleren Schädelgrube und die fibröse Haut verbirgt
nicht nur seinen Stamm, sondern auch das Ganglion der sensibeln Wurzel
(Fig. 219, V*) und die drei Aeste, die aus demselben hervorgehen, bis zu
ihrem Eintritt in die Fissura orbit. sup., resp. den Can. rotund. und das
For. ovale (V^V^V^).
Zu den zwischen der fibrösen Hirnhaut und dem Schädel eingeschalte-
ten Organen gehört auch die Hypophyse. Ueber dieselbe und die Sinus
intercavernosi , die sie umgeben, ist zwischen den vorderen Spitzen des
Tentorium die fibröse Haut als eine leicht vertiefte Decke ^) ausgespannt,
die den Stiel der Hypophyse durchtreten lässt, aber genau mit demselben
verbunden ist (Fig. 219 H).
Bezüglich der Textur zeichnet sich die fibröse Haut des Gehirns und Textur der
Rückenmarks durch nichts vor den übrigen Gebilden dieser Kategorie aus;
sie besteht aus dicht verwebten Bindegewebsbündeln und feinen elastischen
Fasernetzen. An den Stellen, wo die Bekleidung des Schädels in die Fort-
sätze , Falx und Tentorium , umbiegt , wird die Membran mächtiger und
der verflochtene Bau dem unbewaffneten Auge sichtbar; dagegen verdün-
nen sich die Fortsätze, namentlich die Falx cerebri, in der Nähe des freien
Randes häufig bis zu stellenweiser Durchlöcherung und Umwandlung in
ein netzförmiges Gewebe (Fig. 217).
Gegen das Hinterhauptsloch ordnen sich die Bündel mehr pai'allel
und longitudinal und so erhalten sie sich in der fibrösen Hülle des Rücken-
marks,
Die fibröse Hirnhaut ist an ihrer inneren Oberfläche, die fibröse Haut
des Rückenmarks an beiden Oberflächen mit einem einfachen, sehr platten
Pflasterepithelium versehen, dessen Kerne durch Essigsäure, dessen Zellen-
grenzen durch salpetersaure Silberlösung zur Anschauung gebracht werden.
Da Gehirn und Rückenmark sich in einer luftdicht geschlossenen Kapsel
mit festen Wänden befinden, die, wenn einmal der Schluss der Fontanellen
^) Diaphragma sellae turciae s. hypophyseos. Operculum sellae turcicae Hyrtl.
312
Hüllen des Centralorgans.
Araohnoi-
dea u. siib-
arachnoi-
deales Ge-
webe.
beendet ist, weder einer Ausdehnung nocli eines Einsinkens fähig sind, so
muss der Raum zwischen den "Wänden und dem Centralorgan von einer
Substanz eingenommen sein, die in alle Lücken des Organs vordringt und
sich allen Unebenheiten seiner Oberfläche anschmiegt. Mit anderen Wor-
ten : die Unebenheiten der Oberfläche insonderheit des Gehirns müssen durch
eine Substanz ausgeglichen werden, welche die verhältnissmässig glatte in-
nere Oberfläche des Schädels ebenso wiederholt, wie ein Gypsabguss sie
wiederholen würde. Da ferner erfahrungsmässig die Blutfülle des Central-
organs im Ganzen, wie der einzelnen Regionen Schwankungen unterworfen
ist, so muss die Substanz, die die Lücken ausfüllt und die Unebenheiten
ausgleicht, in entsprechend kurzen Zeiträumen vermehrt, vermindert, von
Einer Stelle zur anderen verschoben werden können. So rasche Volumen-
änderungen, eine solche Theilbarkeit und Verschiebbarkeit, wie sie hierzu
erfordert werden, kommen nur Flüssigkeiten zu. Die physikalische Seite
der Vorgänge wäre verständlich, wenn man sich die Schädel- und Rücken-
markshöhle mit Serum gefüllt und Gehirn und Rückenmark in diesem Se-
rum schwimmend dächte. Factisch verhält sich die das Gehirn und Rücken-
mark umgebende Substanz zu Serum , wie Anasarca zu Hydrops ascites.
Ich glaube ihren Charakter am treffendsten mit dem Namen eines physio-
logisch wassersüchtigen Bindegewebes von allerdings ungewöhnlich lockerer
Beschafi"enheit zu bezeichnen. Die areoläre Beschaffenheit des Gewebes er-
laubt der Flüssigkeit eine fast so rasche Ortsveränderung, als wenn sie frei
das Centralorgan umspülte, und die Bewegung des letzteren in seiner was-
serhaltigen Umhüllung scheint in der That einem Schwimmen vergleichbar.
Ich schliesse dies aus der Wirkung der Schaukel- und Kreisbewegungen
des Körpers und habe schon an einer anderen Stelle ^) die Symptome des
Schwindels , der Seekrankheit u. a. von den Zerrungen hergeleitet , die die
Nervenwurzeln durch das in seiner Höhle hin- und herwogende Gehirn
erfahren. Die individuell so sehr verschiedene Neigung zu jenen Afi'ectio-
nen könnte in dem individuell verschiedenen Verhältniss des Gehirnvolu-
mens zum Schädelraum begründet sein.
Die Quantität der in dem subarachnoidalen Gewebe enthaltenen Flüs-
sigkeit schätzt Magendie beim erwachsenen Menschen auf 62 Grm.
Das wassersüchtige Bindegewebe grenzt sich nach aussen durch eine
zusammenhängende, zarte aber doch, besonders am Rückenmark, resistente
Haut ab. Axif diese mag der Name AracJinoidea übertragen werden. Sie
berührt in der Regel unmittelbar die innere Fläche der fibrösen Haut, wenn
auch nicht bestritten werden kann, dass da und dort einmal, durch eine
Lücke der Arachnoidea, ein Theil der subarachnoidealen Flüssigkeit in den
Raum zwischen Arachnoidea und fibröser Haut gerathen mag. Bei der
Eröffnung der fibrösen Hülle des Hirns und Rückenmarks ist die Verletzung
der Arachnoidea kaum zu vermeiden ; die subarachnoideale Flüssigkeit entleert
sich, das Bindegewebe fällt zusammen und wo die Arachnoidea nicht folgen
kann, spannt sie sich brückenartig über die Furchen, so zwischen den
Grosshirnwindungen, über die hintere quere Hirnspalte, die hintere Seiten-
^) Rationelle Pathologie. Bd. II, Abtlil. 2. S. 104.
Hüllen des Centralorgans. 313
spalte, die Vertiefungen der Basis des Grosshirns. Diirch Lufteinblasen
lässt sie sich von ihrer Unterlage auf grössere Strecken wieder abheben.
Die Gedrängtheit der Bindegewebsbälkchen und die Ausdehnung der
areolären Räume des subarachnoidalen Gewebes steht im umgekehrten Ver-
hältniss zur Tiefe der Thäler, über welche die Arachnoidea sich hinspannt, ■
und so können stellenweise, z. B. an der hinteren Qüerspalte und zwischen
Brücke und Hypophyse, die Verbindungen der Arachnoidea mit den dar-
unter gelegenen Gebilden völlig fehlen ^). Andererseits verdichtet sich das
areoläre Gewebe hier und da zu einer festen undurchbrochenen Scheide-
wand , welche den subarachnoidealen Eaum in gesonderte Kammern abtheilt.
Eine solche Scheidewand zieht sich öfters in frontaler Stellung von den
Corp. candicatia zur Arachnoidea herab.
Gleichwie nach aussen, so verdichtet sich das bydropische, das Central- Gefässbaut.
Organ einhüllende Bindegewebe auch nach innen, an der Grenze gegen die
Nervensubstanz zu einer Membran, die sich von der äusseren dadurch un-
terscheidet, dass sie die dichten Verzweigungen der Arterien und Venen
enthält, von welchen die feinen in die Nervensubstanz eindringenden Ge-
fässe ausgehen. Diese Schichte der bindegewebigen Umhüllung ist die Ge-
fässhaiit^). Sie sendet von der unteren Fläche die Scheidewände aus, die
in Gestalt stärkerer oder feinerer Blätter die Spalten des Rückenmarks, die
Furchen zwischen den Randwülsten des Klein - und Grosshirns ausfüllen
und beim Abstreifen der Gefässhaut aus den Furchen herausgezogen wer-
den. Ihr gehören auch die selbständigen, gefässreichen Blätter an, welche
in die Hirnventrikel vordringen , frei über den Boden ausgespannt und mit
den Nervengebilden , die als Decke fungiren , nur locker verbunden. Es
sind die Telae clioroideae , die ohne Zweifel eine Rolle bei der Erzeugung
des subarachnoidealen Serum spielen. Das eigentliche Absonderungsorgan
desselben sind krause, zottenförmige Fortsätze, Plexus choroidei, deren Bau
an die Ciliarfortsätze des Auges erinnert (Fig. 220 a. f. S.). Sie sind von
wechselnder Form, am häufigsten umgekehrt kegelförmige, gestielte Läpp-
chen von 1 bis 2 Mm. Höhe. Jedes dieser Läppchen zerfällt in eine An-
zahl feinere von gleicher Form und etwfL 0,25 Mm. Höhe und diese primä-
ren Läppchen zeigen unter dem Mikroskop eine mit dichtgedrängten Aus-
buchtungen von 0,075 bis 0,180 Mm. Durchmesser besetzte, traubenförmige
Oberfläche. Die Ausbuchtungen enthalten Schlingen feiner, verhältniss-
mässig dickwandiger Gefässe von 0,015 Mm. mittlerem Durchmesser, die
durch die Stiele in die Tiäppchen eintreten und sich innerhalb derselben
verästeln.
Die Plättchen und Bälkchen, welche den Raum zwischen Arachnoidea
und Gefässhaut durchziehen , inseriren sich zum Theil an diese Membranen,
zum Theil an die Gefäss - und Nervenstämme, die durch den genannten
Raum verlaufen. Durch zahlreiche und stärkere Bindegewebsfäden sind
namentlich die an der Schädelbasis gelegenen Arterienstämme einerseits
mit der Arachnoidea, andererseits mit der Gefässhaut verbunden.
Zu den derberen Lamellen des hydropischen Bindegewebes gehört auch
^) Confluents du liquide cephalo-rachidien Magendie. Sinus suharachnoideales Bruns
(Handb. d. Chirurgie I, 589). ^) Pia mater. Tunica propria.
314 Hüllen des Centralorgans.
das Lig. denticulatum i) , welches das Rückenmark an die Arachnoidea
und mit der Arachnoidea an die fibröse Haut befestigt. Ich habe dasselbe
Fig. 220.
Zotten der Plexus chovoidei.
bereits an einer früheren Stelle beschrieben und abgebildet (S. 40. Vgl,
Fig. 3 und 6) und hier nur hinzuzufügen , dass die Zahl der Zacken des
Ligaments nicht genau der Zahl der Nervenwurzeln entspricht. Sie beträgt
20 bis 23; die oberste befindet sich im Hinterhauptsloch, die unterste zwi-
schen dem letzten Brust - und dem ersten Bauchwirbel ; die oberen wenden
die Spitze gerade seitwärts, die unteren zugleich abwärts. Am Conus me-
dullaris ist das Ligament auf einen schmalen Saum der Seitenfläche des
Rückenmarks reducirt.
Der Sinn , in welchem ich den Nameii Arachnoidea gebrauclie , involvirt den •
Bruch mit einer Tradition, die, auf das Bicliat'sche Dogma von den serösen
Häuten gegründet, sich bis in die neuesten Lehrbücher erhalten hat. Als den
präcisesten Ausdruck der Vorstellungen, welche B i c h a t von der serösen Membran
der Schädel - und Wirbelhöhle , der sogenannten Arachnoidea , geschaffen , citire
ich die Worte C. Krause's: „Die Arachnoidea, Spinuwebenhaut oder mittlere
Hirnhaut ist eine sehr zarte, durchsichtige, seröse Haut, deren äusserer Sack mit
der inneren Fläche der Dura mater innigst verwachsen ist, deren eingestülpter Theil
dagegen die Hirn - und Eückenmarksgefässe und die Nervonwurzeln einwickelt
und sodann das ganze Centrum encephalospinale ziemlich locker überzieht, auch
mit den Telae choroideae in die Höhle eindringt, die Plexus choroidei mit einer
sehr dünnen Hülle bekleidet, höchst Avahrscheinlich auch Theil au der Zusammen-
setzung des Ependyma nimmt und das oberflächliche Blatt desselben bildet, wel-
ches indess von dem tiefern , der Pia mater angehörigen , nicht zu trennen ist."
Man hatte sich demnach das parietale , mit der Dura mater verschmolzene Blatt
einer solchen Serosa und das viscerale , die Pia mater theils bedeckende, tlieils
^) Lig. serratum.
Hüllen des Centralorgans. 315
mit ihr verwachsene Blatt unter dem Bilde zweier in einander steckender Eöhren
vorzustellen, beide verbunden durch hohle Cylinder, in deren Höhlen die Gefäss-
und Nervenstämme enthalten wären. Und nicht allein die Grefäss- und Nerven-
stämme , auch die fibrösen zwischen fibröser und Gefässhaut hinziehenden Gebilde,
Lig. denticulatum imd ähnliche, beanspruchen, dem Schulbegriff gemäss, ihre
serösen Ueberzüge.
Mir wurde der ausserordentlich complicirte Verlauf der serösen Blätter, den
diese Theorie voraussetzt, schon A^or Jahren bedenklich, als ich die Bemerkung
gemacht hatte, dass häufig, namentlich bei jüngeren Thieren, Brücken der Arach-
noidea innerhalb des Arachnoidealsacks zwischen den letzten Hirn- und den ober-
sten Eückenmarksnerven sich ausspannen (AUg. Anat. S. 367). Auch Valentin
(Hirn- und Nervenlehre S. 159) verhehlt die Schwierigkeiten und Dunkelheiten
nicht , auf welche man bei einer eingehenderen Durchführung der herrschenden
Ansicht stösst. Sie wären vielleicht heute nicht mehr unüberwindlich, wo man
dem Begriff der serösen Haut einfach den des „Endothels" substituiren könnte, der
aus platten Zellen zusammengefügten Häutchen , denen kein Bälkchen zur Beklei-
dung zu fein, keine Lücke zur Auskleidung zu eng ist. Indessen hat sich von
einer anderen Seite die Unanwendbarkeit der Bichat'schen Lehre auf die Mem-
branen der Schädel- und Wirbelhöhle ergeben.
Da der seröse Sack , auf dessen anatomischen Nachweis von vornherein ver-
zichtet wurde, nur eine Hypothese war zur Erklärung des die Centralorgane um-
spülenden Wassers , so verstand es sich von selbst , dass das Wasser den Inhalt
des Sackes bilden rnusste, dessen Wände man als die Quelle des Wassers ansah.
So sagt z. B. C. Krause von der Araclmoidea: „in der Höhle zwischen ihrem
äusseren ixnd ihrem eingestülpten Sacke enthält sie eine geringe Menge von Se-
rum, Serum s.Fluülum cerehro-spinale, Spinalflüssigkeit genannt." Der Glaube an
den serösen Sack hinderte die Anatomen, zu bemerken, dass bei der Eröffnung
der Wirbelhöhle das sogenannte viscerale Blatt der Arachnoidea in der Eegel in
unmittelbarer Berührung mit dem parietalen gefunden wird, er hinderte die Aerzte,
sich zu überzeugen, dass das gerinnbare Exsudat der Arachnitis nicht zwischen
den beiden Lamellen des serösen Sacks, sondern unterhalb der visceralen Lamelle
liegt. Jenen Glauben vermochte selbst der von Magendie (Rech, physiolog. et
Clin, sur le liquide cephalo-rachidien. Paris 1842) gelieferte und von Vielen be-
stätigte Nachweis, dass das Wasser durch das viscerale Blatt der Arachnoidea zu-
i'ückgehalten wird , nicht zu zerstören. Er hat nur zur Unterscheidung eines
Arachnoideal - und Subarachnoidealraums , eines Liquor arachnoidealis und suh-
araclmoidealis geführt. Ecker (Physiolog. Unters, über die Bewegungen des Ge-
hirns und Rückenmarks. Stuttg. 1843. S. 84) versichert, dass im lebenden Thier
im Arachnoidealraum keine Flüssigkeit enthalten sei, und dass, „gegen alle Ana-
logie mit dem , was in anderen serösen Häuten beobachtet wird , " die Flüssigkeit
sich nicht im Sack der Arachnoidea, sondern zwischen dem Visceralblatt dessel-
ben und der Gefässhaut befinde. Dieser Widerspruch mit der Analogie muss aber
dazu führen, den sogenannten Arachnoidealsack von den serösen Häuten auszu-
schliessen und die unnatürliche Verbindung der reellen Membran, die die binde-
gewebige HüUe des Centralorgans nach aussen abschliesst, mit der imaginären
Membran, die die Innenfläche der fibrösen Haut bekleiden soll, aufzulösen.
Durch Injection der Subarachnoideal räume von Kaninchen und Hunden mit
farbigen Massen unter constantem Druck wies Schwalbe (Archiv für mikroskop.
Anat. VI, 44) einen Zusammenhang jener Räume mit Lymphgefässen nach, der
von Key und Retzius (nordiskt medicinskt arkif 1870. Hft. 1. Nr. 6, Hft. 2,
Nr. 13) bestätigt wurde. Die Subarachnoidealräume deshalb mit Lymphräumen
zusammenzustellen , halte ich dennoch für missbräuchlich, da der fast rein wäs-
serige Inhalt derselben (nach Lassaigne beträgt der Wassergehalt der Subarach-
noidealflüssigkeit 98,6 Proc.) keine Aehnlichkeit mit Lymphe hat. Auch steht
nach Schwalbe der Subarachnoidealraum in keiner Verbindung mit den unmit-
telbar an der Oberfläche des Gehirns unter der Gefässhaut befindlichen Räumen
(s. unten), die sich durch ihren Gehalt an Lymphkörperchen tmd durch Aufnahme
der perivasculären Räume des Gehirns als wirkliche Lymphräume erweisen.
cerebelli.
316 Hüllen des Centralorgans,
Von den Fortsätzen der Gefässhaut des Eückenmarks war schon an
einer früheren Stelle (S. 39) die Rede; nur Einer derselben, das Septum,
welches die vordere Medianfissur ausfüllt, ist mächtig genug, um mit den
gewöhnlichen anatomischen Hülfsmitteln demonstrirt zu werden. Das Mi-
kroskop weist ein ähnliches feineres Septum auch in der hinteren Median-
fissur und noch feinere Bindegewebsschichten zwischen den Nervenbündeln
der Rückenmarksstränge nach, hat aber noch nicht darüber entschieden, ob
diese von der Gefässhaut einstrahlenden Fasern mit Elementen der Aus-
kleidung des Centralcanals, Fortsätzen seiner Epithelzellen oder Fasern der
centralen gelatinösen Substanz, in Verbindung treten.
Am verlängerten Mark, in der Gegend der Pyramidenkreuzung, wird
das hintere Septum stärker , das vordere dünner. Die Veränderungen,
welche beide, sowie die seitlichen Septa weiterhin am verlängerten Mark
erfahren, ergeben sich aus der verändei-ten Lage und Tiefe der Fissuren
von selbst.
Teia Chor. Durch die Eröffnung des Centralcanals kommen die äussere Umhüllung
des verlängerten Marks und die Auskleidung des Centralcanals mit einan-
der in Berührung, grenzen sich aber alsbald so gegeneinander ab , dass die
an ihrem Flimmerepithel kenntliche Fortsetzung der Auskleidung des Cen-
tralcanals, das sogenannte Ependyma, den Boden des vierten Ventrikels
überzieht, während die Gefässhaut an der hinteren Spitze des Sinus rhom-
boideus mit einer scharfen Querfalte abschliesst und von beiden Seitenrän-
dern desselben sich erhebt, um sich als Decke frei über ihm auszuspannen
(Fig. 221). Die hintere Querfalte hüllt den Obex ein (S. 103); in die Decke,
die Tela cJioroidea cerebelli^), dringt von beiden Seiten mehr oder minder
weit der Ponticulus vor (S. 104). Oefters schliesst sich unmittelbar an die
Obexfalte noch eine schmale Brücke der Gefässhaut, in welche ebenfalls
einige Nervenfasern einstrahlen (S. 205). Zwischen dem Obex oder dieser
Brücke, wenn sie vorhanden ist, und dem hinteren Rande der Tela choroidea,
welche an die Gefässhaut des unteren Wurms mehr oder minder strafF an-
geheftet ist, bleibt eine querspaltförmige Lücke, der eigentliche Eingang
des vierten Ventrikels^), durch welchen dem subarachnoidealen Serum der
Zutritt zum vierten Ventrikel offen steht (Fig. 221). An manchen Gehir-
nen wird diese Lücke etwas verengt durch einen niederen gefässreichen
Saum, der sich längs dem hinteren Rand der Ala cinerea von der
Obexfalte zur Tela choroidea erstreckt ; nach dessen Entfernung wird
das rhombische Leistchen sichtbar, welches in Fig. 113 mit Äc bezeichnet
ist , und es scheint , dass dies Leistchen sein eigenthümliches Ansehen
den zahlreichen Blutgefässen verdankt , die aus der Gefässhaut in dasselbe
eindringen.
Mit dem vorderen Rande stösst die Tela choroidea des Kleinhirns seit-
lich an den hinteren Rand des unteren Marksegels (Vmp), in der Mitte an
^) Tela chor. Inf. T. chor. ventricuU quartl Plexus choroideus cerebelli s. veniriculi
quarti Arnold. Unter Tela choroidea versteht Arnold einen zwischen dem verlängerten
Mark und dem Kleinhirn sich hinziehenden Theil der Gefässhaut, von welchem der Plexus
choroideus ausgehen soll. ^) Orlßce commun des cavites de Vencephale Magen A\e. Fora-
men lUagendü Luschka (die Adergeflechte des menschl. Gehirns. Berlin 1855).
Hüllen des Centralors:ans.
317
die Gefässhaut des Nodulus , mit welcher sie verschmilzt oder in welche sie
sich umzuschlagen scheint, wenn nicht schon vorher die völlige Verschmel-
zung der Tela choroidea mit der Gefässhaut des unteren Wiu'ms erfolgt ist.
Fig. 221.
Vnip
Hintere Hirnspalte, durch Herabziehen des verlängerten Marks und Aufwärtsschla-
gen des Kleinhirns geöffnet. Eingang des vierten Ventrikels und Tela choroidea
desselben. Linkerseits ist ein Theil des hinteren Lappens {p) entfernt, um das
hintere Marksegel {Vmj}) von oben zu entblössen. Py Pyramide. To Tonsille.
F Flocke. Ob Obex. Pcm, Pcl Plexus choroid. medial, und lateralis. VII N.
facialis. VIII N. acust. * Wurzeln der Nn. glossophar. und vagus. 1 Art. ver-
tebr. 2 A cereb. inf. post.
Der ganze Complex der Tela clioroidea des vierten Ventrikels nebst den Mark-
segeln und Markblätteru, die sich in dieselbe verlieren, ist Rest einer Marklamelle,
Avelcbe in den ersten Stadien der Entwickelung des Gehirns den Sinus rhomboi-
deus continnii-licb deckt und aus welcber sich später die Markmasse, A'on der
Mittellinie anfangend, nach beiden Seiten mehr oder minder weit zurückzieht.
Dies erklärt die "Wandelbarkeit der hierher gehörigen Gebilde, und übei-hebt uns
der Mühe, ihrer ph3'siologischen Bedeutung beim Erwachsenen nachzuspüren.
So weit die Tela choroidea den vierten Ventrikel deckt, trägst sie regel-
mässig an ihrer unteren Fläche zu beiden Seiten der Medianlinie, 1 bis 2 Mm.
von einander entfernt, je einen Plexus Clwroideus (lltedialis)'^), d. h.
einen Längsstreifen gefässreicher Zotten , dessen Breite höchstens 2 Mm.
beträgt , zuweilen aber viel geringer ist. Häufig ziehen sich die beiden
Streifen , nach hinten convergirend, an der unteren Fläche des Kleinhirns
^) ^exus Cuoroid. sup. Pars svp. plex. choroid. ventriculi quartl. Mittlerer Strang
des Ade'rgefleclits des Kleinhirns Luschka.
318 Hüllen des Centralorgaiis.
eine Strecke weit, bis an den vorderen und selbst den hinteren Eand der
Pyramide hin , als ob die Tela cboroidea sieb über den Eingang des vierten
Ventrikels hinaus nach hinten in einen schmalen zungenförmigen an die
Gefässhaut des unteren Wurms angewachsenen Fortsatz verlängerte. Die
Stelle der Gefässhaut aber, mit welcher dieser Fortsatz verwachsen ist, folgt
ausnahmsweise nicht unmittelbar der Oberfläche des Kleinhirns , sondern
spannt sich über den in der Tiefe gelegenen Wurmtheil zwischen beiden
Hinterlappen und deckt zugleich die Aa. cerebelli inferiores posteriores,
welche jederseits an der Aussenseite der Tela choroidea aufsteigen und
dann nebeneinander über dem erwähnten zungenförmigen Fortsatz an der
unteren Fläche des unteren Wurms nach hinten verlaufen (Fig. 221).
Ein zweiter Plexus choroid. von keulenförmiger Gestalt, JPlexus CJio-
roid. lateralis ^) , entspringt in der Gegend der Striae medulläres von der
äusseren Fläche der Tela choroidea, windet sich mit dem Flockenstiel um
den strickförmigen Strang und kommt an der unteren Fläche des Gehirns,
seitwärts neben dem N. acusticus, zwischen der Flocke und dem N. vagus
zum Vorschein (Fig. 221). Dieser Plexus ist es, dessen Wurzel das Velum
medulläre inf. tütenförmig umschliesst (Fig. 43. 44**); oft setzt sich das-
selbe in eine Membran fort, die den Plexus in Form einer prall gefüllten^
Blase umgiebt.
Tela Chor. Die Tela choroidea des Grosshirns ^) fügt sich an der vorderen queren
Hirnspalte aus der Gefässhaut der unteren Fläche des Gross- und der obe-
ren Fläche des Kleinhirns zusammen (Fig. 223**). Sie hat an dieser
Stelle, die man als ihren Ursprung bezeichnen kann, eine nicht geringe
Mächtigkeit, indem sie den Raum zwischen dem Wulst des Balkens und
den Vierhügeln ausfüllt und die V. cerebri int. communis^) auf ihrem Wege
zum vorderen Rande des Tentorium und weiter vorn das Conarium (Cn)
umschliesst. In der Richtung von hinten nach vorn, in welcher die beiden
unter dem Balken nebeneinander verlaufenden Vv. cerebri intt., die sich zur
V. int. comm. vereinigen (Gefässl. S. 337), an Kaliber abnehmen, wird auch
die Tela choroid. dünner und ebenso verdünnt sie sich nach den Seiten hin.
Da das die Venen zunächst umgebende Gewebe locker ist und sich gegen
die Oberflächen verdichtet, so kann man sich die Membran aus zwei Blät-
tern zusammengesetzt denken, die vor- und seitwärts allmälig mit einan-
der verschmelzen ; das untere Blatt deckt die Vierhügel und sendet ihnen
zahlreiche feine Gefässe zu, verhält sich also zu denselben, wie die äussere
Gefässhaut zur Oberfläche des Gehirns ; zwischen den beiderseitigen
Taeniae thalami optici, mit denen es ebenfalls in inniger Verbindung durch
Gefässe steht, ist es frei über den dritten Ventrikel ausgespannt. Das
cerebri.
^) Ala Vicq d'Azyr. Plexus nervi vagl. Plex. choroid. inf. Pars inf. plex. clioroid.
ventric. quarti. Seitlicher Strang des Adergeflechts des Kleinhirns Luschka. ^) Tela
choroidea superior. Velum trianguläre s. Velum plexihus choroideis interpositum Hai 1er.
Plexus choroidei cerebri Arnold. Als Tela choroidea beschreibt derselbe Autor das Blatt
der Gefässhaut, das sich im Grunde der vorderen Hirnspalte von den Hinterlappen des
Grosshirns zur Oberfläche des Kleinhirns hinüberschlägt. ^) Bichat beschrieb eine Aus-
stülpung der Arachnoidea, die mit Einem Blatt die Vene bekleiden, mit dem anderen den
Wänden des Ventrikels einen üeberzug liefern sollte. Der Raum zwischen beiden Blättern
wurde als Can. Bichati, der Eingang in denselben als Foramen Bichati aufgeführt.
Hüllen des Centralorgans. 319
obere Blatt ist an den Balken , an dessen unterer Fläche es Hnzielit , nur
leicht trennbar durch spärliche Gefässe, die aus der Tela in den Balken
eintreten, befestigt. Seitlich verliert sich die Tela choroidea am lateralen
Rande der Fiinbria des Fornix in das Ependyma des Thalamus und auch
nach vorn setzt sie sich an beiden Flächen des Septum lucidum in das
Ependyma dieses Hirntheils fort , während sie in der Mitte , wo sie auf die
Säulen des Fornix trifft , mit einem freien Rande abschliesst , in welchem
die Plexus choroidei des Grosshirns sich vereinigen (Fig. 223).
Dieser Plexus zählen wir, wie beim Kleinhirn , zwei Paar , einen me-
dialen und einen lateralen. Der mediale ^) ist auch hier der schwächere,
ein schmaler Zottenstreif, der an dem den dritten Ventrikel deckenden
Theil der Tela choroidea gerade von vorn nach hinten läuft, dicht neben
dem gleichnamigen Zottenstreif der anderen Seite. Ich habe (a. a. 0.) be-
reits augegeben, dass die Taenia thalami opt. sich in diesen Plexus öfters
ebenso verliert , wie der Ponticulus in die Taenia choroidea des Kleinhirns.
Der laterale Plexus 2) verläuft am Seitenrande der Tela choroidea, und
gelangt durch das Foramen Monroi , das er im bluterfüllten Zustande wahr-
scheinlich ausfüllt, in den Seitenventrikel. Im vorderen Hörn desselben
liegt er frei zwischen Septum lucidum imd Streifenhügel, dann begleitet
er die Fimbria in das Unterhorn. Er deckt sie, indem er sich mit dem
freien, zottentragenden Rande medianwärts wendet, so dass der Rand der
Fimbria erst sichtbar wird, wenn man den Plexus choroideus nach aussen
zurückgeschlagen hat (Fig. 223 linke Seite). Die Fimbria liegt in einem
Falz, dessen untere Wand von der eigentlichen Tela choroidea, dessen
obere Wand von dem medianwärts umgeschlagenen Rande der Tela cho-
roidea, der die Zotten trägt, gebildet wird. In diesen Theil des Plexus
geht häufig die Vene über, welche unter der Stria terminalis hervorkommt.
Im unteren Theil des Unterhorns folgt der Plexus choroideus der Fimbria
auf die mediale Seite des Hippocampus und tritt hier mit der äusseren
Gefässhaut in Verbindung. Das Markplättchen , welches die Spitze des
Hippocampus an die Decke des Unterhorns anheftet (Fig. 79 *), steht weiter
hinten eine kurze Strecke in Beziehung zur Spitze des Plexus choroideus
und verschmilzt mit dessen bindegewebiger Grundlage ^).
Mit dem Namen , unter welchem ich die Arachnoidea , die Gefässhaut Textur.
und die Bälkchen, welche beide verbindet, zusammenfasste , habe ich zu-
gleich den wesentlichen Gewebsbestandtheil derselben bezeichnet. In der
äusseren und inneren derberen Schichte liegen die Bindegewebsbündel meist
parallel nebeneinander geordnet; in den schmalen Spalten zwischen den-
selben kommen nur sehr feine elastische Fasern, dagegen häufig, nament-
lich in älteren Leichen, Pigmentzellen vor , die sich diirch ihre stabförmige
^) Plexus choroideus tertius. PI. cJior. ventriculi tertii. PI. clior. glandulae pinealis
Vicq d'Azyr. Mittlere Stränge des Adergeflechts des Grosshirns Luschka. ^) Seit-
licher Strang des Adergeflechts Luschka. ^) Mit dem Namen Glomus [Glomerulus)
choroideus bezeichnen die Handbücher, nach den Gebr. Wenzel, eine Verdickung des la-
teralen Plexus choroid. , die dem Eingange des Hinterhorns gegenüber liegt. Sie ist stets
Folge einer der häufigen krankhaften Veränderungen des Plexus , namentlich der Bildung
von Cysten , die mit flüssiger oder colloider oder käsiger Materie gefüllt sind , und nimmt
die gedachte Stelle ein, weil an derselben die Ausdehnung am wenigsten beschränkt ist.
320 Hüllen des Centralorgans.
Gestalt, ilare im VerMltniss zur Breite bedeutende Länge mit abgerundeten
Enden auszeichnen. Die Bündel, welche frei den subarachnoidealen Raum
Fig^. 222.
Seitenventrikel, durcli Abtragen des Balkens geöffnet. Der Plexus choroid. lat. des
linken Ventrikels in natürlicher Lage, der des rechten seitwärts umgelegt, um den
Rand der Fimbria zu zeigen. C ct^ Knie des Balkens. Sl Septum lucid. FMYo-
ramen Monroi. Cs C. striat. Ths Thalamus. Fi Fimbria. Vl^ Hinteres Hörn
des Seitenventrikels, links geöffnet.
durchsetzen, sind von zweierlei Art. Die Einen , es sind vorwiegend die
feineren, sind von ring- und spiralförmigen elastischen Fasern umwickelt
und erhalten, wenn man sie quellen macht, durch die von diesen Fasern
bewirkten Einschnürungen ein bauchiges Ansehen. Die anderen haben
Hüllen des Centralorgans. 321
eine Scheide, welche, wie die Behandlung mit Silberlösnng lehrt, aus glatten
Epithelzellen besteht, eine Scheide, die sie überhaupt am Aufquellen hin-
Fig. 223.
i3
-Vsl
L_P0l
Dasselbe Präparat, wie Fig. 222, nach Entfernung des Fornix mit den Fimbrien
und des hinteren Theils der Hemisphären. Die Tela choroidea ist längs dem lin-
ken Plexus choroid. lateralis der Länge nach gespalten und nach rechts umgeschla-
gen, um den linken Plexus choroid. medial. (Pcm') zu zeigen, welcher vorn, gleich
dem rechten, durch die Oberfläche durchschimmert (Pcm). Die linke Hemisphäre
schräg abgeschnitten und das Unterhorn geöffnet, um den Plexus choroid. lat.
zur Klaue des Hippocamp. (Hp') zu verfolgen. Vsl Ventric. sept. lucidi. Cf
Querschnitt der Columna fornicis. Cn Conarium. Cq Vierhügel. * Die quer-
durchschnittene V. int. comm. **Gefässhaut der unteren Fläche des hinteren
Lappens des Grosshirns.
dert und nur dadurch, dass sie stellenweise einreisst, unregelmässige her-
nienartige Ausbuchtungen zu Stande kommen lässt i). Diese Zellen gehen
^) Ich verweise wegen dieser eigenthümlichen Bindegewebsformation und der dieselben
betreffenden Controversen auf meinen anatom. Jahresbericht für 1857. S. 37. Ich habe
dort Bündel abgebildet, die die umspinnenden Fasern innerhalb der Epithelscheiden zeigen, und
kann deshalb die Meinung nicht theilen, welche Leber (Archiv für Ophthalmologie. Bd. XIV,
He nie, Anatomie. Bd. III. Abthl. 2. 21
322 Hüllen des Centralorgans.
auf die Bälkchen über von der inneren Fläclie der Araclinoidea , die sie
ebenso wie die äussere überziehen. Von den Bälkcben setzen sie sieb auf
die freien Strecken der Gefässbaut fort und so lässt sieb bebaupten , dass
ein Epitbelium, dem der serösen Häute äbnlicb, der Regel nacb ebenso den
leeren Raum zwischen fibröser Haut und Aracbnoidea, wie die Serum er-
füllten Lücken des Subaracbnoidealraums auskleidet und nur den feineren
Bälkcben feblt, an welcben es durch Spiralfasern ersetzt wird.
Die innerste, mit der Nervensubstanz in unmittelbarer Berührung ste-
hende Schichte der Gefässbaut ist in verschiedenen Tbeilen des Central-
organs verschieden und verdient deshalb eine besondere Beschreibung ^).
, Am Rückenmark ist die innerste Schichte mit der Nervensubstanz fest , da-
gegen nur locker mit der nächst äusseren Bindegewebslage verbunden,
weshalb sie beim Abziehen der Gefässbaut häufig am Rückenmark hängen
bleibt. Sie hat eine Mächtigkeit von 0,015 Mm. und während die Fasern
der lockeren Schichte, von der sie zunächst bedeckt wird, meist longitudinal
verlaufen, sind die Fasern der innersten Schichte, vielfältig einander kreu-
zend, vorwiegend quer, doch auch schräg und selbst vÄrtical gerichtet; die
am Rande des Präparats hervorragenden sind starr, weder wellenförmig,
noch geschwungen, nicht selten gabelförmig getheilt. Es ist ein Binde-
gewebe eigener Art, welches, im Gegensatz zum parallelfaserigen, verfilztes
genannt werden kann; der Unterschied ist genetisch darauf zurückzuführen,
dass die Fäden des parallel faserigen aus bipolaren, die des verfilzten aus
multipolaren oder sternförmigen Zellen sich entwickeln. Wie diese stern-
förmigen Bindegewebszellen, allmälig mehr vereinzelt und darum leichter
unterscheidbar, sich in die feinkörnige Rindenschichte des Rückenmarks
hineinziehen, ja dieselbe verdrängen, wurde bereits oben (S. 67) erwähnt.
Gegen die Oberfläche des Kleinhirns schliesst die Gefässbaut mit einer
Art Basal- oder Grenzmembran ab, welche aus äusserst feinen, vielfach ge-
kreuzten Fasern besteht und sich gegen Essigsäure allerdings etwas resi-
stenter zeigt, als das verfilzte Bindegewebe an der Oberfläche des Rücken-
marks. In die weiteren Furchen senkt sich eine von lockigem Bindegewebe
ausgefüllte Daj)iicatur dieser Membran; die Scheidewand zwischen den ein-
ander zugekehrten Flächen der dicht an einander liegenden Randwülste
bildet aber die Grenzmembran allein, nur soweit, als Blutgefässe innerhalb
derselben verlaufen , in zwei Lamellen gespalten. Die Grenzmembran ruht
nicht unmittelbar auf dem Gehirn, sondern ist von der Oberfläche der fein-
körnigen Schichte durch einen 0,006 bis 0,01 Mm. hohen Raum getrennt,
der sich als Lymphraum dadurch erweist, dass er mit den perivasculären
Räumen communicirt und bald völlig leer, bald mehr oder minder voll-
ständig mit den Körnern gefüllt ist, die von Lymphkörperchen nicht unter-
schieden werden können. Die Grenzmembran steht aber mit dem Klein-
hirn in Verbindung durch stiftförmige Fortsätze, welche an die Radialfasern
Abtb. 2, S. 171) in Betreff der gleichen, die beiden Opticusscheiden verbindenden Bündel
ausspricht, dass nämlich die Epithelscheiden, indem sie sich durchlöchern, allmälig in um-
spinnende Fasern übergehen. Ebenso wenig vermag ich, nach erneuten Untersuchungen,
die von Schwalbe (Archiv für mikroskop. Anat. VI, 51) behauptete Beständigkeit dieser
Scheiden zuzugeben. ^) Ich gebe dieselbe nach den von F. Merkel und mir gemein-
schaftlich unternommenen Untersuchungen, Ztschr. für rat. Med. 3. R. XXXIV, 49.
Hüllen des Centralorß-ans.
323
Fig. 224 1).
der Retina erinnern, breit in regelmässigen, kurzen Abständen von der
Grenzmembram entspringen und kegelförmig zugespitzt, parallel zu ein-
ander und senkrecht zur Oberfläche in die Rindenschichte eindrin-
gen. Wie sie sich weiter in dersel-
ben verhalten, ist oben (S. 233) angege-
ben. Ich füge nur hinzu, dass die Grenz-
membran mit ihren stiftförmigen Fort-
sätzen auch die stärkeren Gefässe in die
perivasculären Räume begleitet; die aus
der Substanz des Kleinhirns hervorge-
zogenen Gefässe sind öfters ringsum wie
mit Stacheln besetzt.
Das Grosshirn steht, was die Structur
seiner Gefässhaut betrifft, dem Rücken-
mark näher, als dem Kleinhirn. Zwar
ist in den schmälsten Spalten zwischen
je zwei Randwülsten die verfilzte Binde-
gewebsschichte ebenfalls auf eine ein-
fache, der Grenzmembran des Kleinhirns
ähnliche Haut reducirt, aber nirgends
gehen von ihr Fäden ab, die den stift-
förmigen Fortsätzen der Grenzmembran
des Kleinhirns vergleichbar wären. An
den freien Oberflächen der Randwülste
membran und der Rindenschichte von ^.^^ ^-^ verfilzten Fäden und multipola-
Lymphkörperchen erfüllt. ^^^ Bindegewebszellen in einer ebenso
unregelmässigen, nur minder mächtigen Lage, wie an der Oberfläche des
Rückenmarks verbreitet; in die feinkörnige Schichte vordringend bilden
sie das feine Netz, welches die äusserste Schichte der Grosshirnrinde charak-
terisirt (Fig. 201).
Der Ueberzug der Wände der Hirnhöhlen, das Ependyma , ist wesent- Ependyma.
lieh Epithelium und zwar, wie im Rückenmarkscanal , ein Flimmerepithel,
dessen Cilien aber in der Regel nur im Aquäduct, seltener im Sinus rhom=
boideus sich bis in das reifere Alter erhalten. Ebenso sitzen zwar gesetzmässig
die Epithelzellen, wie im Rückenmark, unmittelbar auf der Nervensubstanz;
beim erwachsenen Menschen aber schiebt sich sehr häufig zwischen Epithel
und Nervengewebe eine Schichte verfilzter oder welliger, nicht in Bündel
abgetheilter Bindegewebsfasern ein, die eine Mächtigkeit von 0,3 Mm.
erreichen kann. An dem Streifenhügel eines dem Anscheine nach norma-
len Gehirns folgte auf ein Epithel von 0,015 Höhe eine flächenhaft strei-
fige Bindegewebsschichte von 0,04 bis 0,06 Mm. Mächtigkeit und auf diese,
innerhalb der feinkörnigen Masse eine Schichte netzförmigen Bindegewebes,
deren Mächtigkeit 0,075 Mm. betrug.
Eine absonderliche Form zeigt das Epithel der Gefässhaut, so weit es EpHhei^d.^
die Plexus choroidei bekleidet. Es ist ein einschichtiges Pflasterepithel,
dessen nach der Fläche gekrümmte Zellen eine im Verhältniss zum Flächen-
Dickendurchschnitt der zwischen zwei
Randwülsten befindlichen Grenzmem-
bran des Kleinhirns der Katze mit einem
Theil der Rindenschichte des Kleinhirns;
der helle Raum zwischen der Grenz-
1) Nach Henle und Merkel, Ztschr. für rat. Med. Bd. XXXIV, Taf. IV, Fig- 10.
324 Hüllen des Centralorgans.
durchmesser (0,02 Mm.) bedeutende Mächtigkeit (0,01 Mm.) besitzen. Sie
zeiclinen sich, ausserdem aus durch feine, stachelförmige, gegen die Unter-
lage gerichtete Fortsätze, durch eine feinkörnige Beschaffenheit der Zell-
substanz, endlich, aber nur bei Erwachsenen, durch ein farbiges, gelbliches
oder röthliches Körperchen, welches sie neben dem Kern enthalten. Es
fehlt nur selten, ebenso selten ist es doppelt vorhanden; es ist kugelig oder
gelappt, zuweilen aus einer Anzahl feiner Pünktchen zusammengesetzt, von
der Grösse der Blutkörperchen oder kleiner. An Präparaten aus Müller' -
scher Flüssigkeit zeigen viele dieser Körperchen überhaupt eine unverkenn-
bare Aehnlichkeit mit den durch das Reagens veränderten Blutkörperchen,
und da sich auch freie Blutkörpejjphen unter und zwischen den Epithelzel-
len finden, so halte ich es für gewiss, dass die in den Zellen eingeschlosse-
nen Körperchen aus dem Blute stammen. Es sind metamorphosirte , d. h.
unlöslich gewordene und in Rückbildung begriffene Blutkörperchen, die
durch einen abnormen, aber nichtsdestoweniger sehr gewöhnlichen Vor-
gang aus den Gefässen hervor - und in die Epithelzellen eingedrungen sind.
Blutgefässe. Zum Schluss noch einige Bemerkungen über die Vertheilung der Blut-
gefässe in den Häuten und der Substanz des Gehirns. Ein Uebergang aus
Arterien in Venen findet schon innerhalb der Gefässhaut Statt, so dass also
nicht alles Blut, welches die Arterien der Gefässhaut zuführen, die Gehirn-
substanz zu passiren hat (Schroeder v. d. Kolk^). Dass, bei übrigens
gleicher Feinheit des Kalibers der Capillargefässe , die Netze derselben in
der grauen Substanz ungleich dichter sind, als in der weissen, habe ich
wiederholt erwähnt. Aber auch in der grauen Substanz kommen Unter-
schiede vor : so besitzt z. B. die Zellenschichte ^r Randwülste des Klein-
hirns ein engeres Capillarnetz , als die feinkörmgii^ (0 e g g ^). Zu den ge-
fässreichsten Substanzen gehören die gelatinösen Platten , welche den Oli-
venkern und das C. dentatum des Kleinhirns bilden. In der grauen Masse
des Streifenhügels sind die feinen Aestchen unter spitzeren Winkeln verbun-
den und minder geschlängelt, als in irgend einem anderen Theil der grauen
Substanz ; auch sind sie zahlreicher und es finden sich mehr stärkere Stämm-
chen, als in anderen Theilen des Gehirns. Die Substantia nigra scheint
etwas minder gefässreich, als andere Theile der grauen Substanz. Alle
Regionen des Gehirns übertrifft die Hypophyse an Gedrängtheit und Weite
der Capillargefässe, die sich in ähnlicher Weise noch eine Strecke weit in
das Infundibulnm fortsetzen (Ekker).
Ob die unter dem Namen der pacchionisclien Drüsen oder Grranulationen
[Granulations cerebrales Bichat. Arachnoidealzotten Luschka) bekannten Ge-
bilde in die Eeihe der pathologischen Auswüchse zu stellen oder normale Bestand-
theile der Hirnhäute seien, ist noch unentschieden. Die erste Ansicht, welche
lange Zeit die unbedingt herrschende war , stützt sich darauf , dass sie jugend-
lichen Körpern fehlen (nach Faivre findet man sie nicht vor dem zehnten Le-
bensjahre) lind dass sie an Zahl und Volumen mit dem Alter zunehmen. Eoki-
tansky reihte sie den papillären Wucherungen des Bindegewebes an, und
L. Meyer (Archiv für pathol. Anat. und Physiol. XIX, 171) fügte hinzu, dass die
Arachnoidea an den Stellen , wo sie den Granulationen zur Basis dient , stets trüb
^) Bei Ekker, de cerebri et medullae spinalis systemate vasorum capillari. Trajecti
ad Rhen. 1853. ^) Untersuchungen über die Anordnung und Vertheilung der Gefässe in
den Windungen des kleinen Gehirns. AschafFenb. 1857.
Hüllen des Ceiitralorgans. 325
und verdickt sei. Dagegen stellt sie Luschka (Müll. Arcli. 1852. S. 101. Ader-
geflechte S. 66. Anatomie Bd. III. Abth. 2. S. 142) als normale Bildungen mit
den zottenförmigen Anhängen zusammen, die in verschiedenen Grössen auf allen
serösen Häuten vox'kommen, und in den netiesten, gleichzeitig und unabhängig
von einander erschienenen Arbeiten von Trolard (Arch. g^n. 1870, p. 258) und von
Axel Key undEetzius (Nordiskt medicinskt arkif. 1870. Nr. 6 und 9, 1871. Nr. 26)
kehrt merkwürdigerweise eine der ältesten, Pacchioni' sehen Ansicht verwandte
zurück. Der Name „Drüsen", welchen Pacchioni (opera. Eomae 1741)
den Körpern gab, bedeutete couglobirte oder Lj'mphdrüsen. Den genannten neuesten
Beobachtern zufolge liegen die Granulationen in Räumen, die mit den Venen
commuuiciren und Axel Key und Eetzius nehmen an, dass diese Eäume nebst
den Granulationen in denselben zur Lymphresorption in Beziehung stehen, da sie
sich mit der in die subarachnoidealen Eäume injicirten Masse füllen.
Was den Bau der Granulationen betrifft, so sind es Büschel kolbenförmiger,
gestielter Zotten von 0,1 bis 0,5 Mm. Höhe, die stärkeren mit secundären Zotten
von ähnlicher Gestalt besetzt, aus einem gefässarmen Bindegewebe gebildet. Ihre
Oberfläche bildet ein einfaches Pflasterepithel; dieses ruht auf einer sehr feinen
Haut, einer Fortsetzung der Arachnoidea, während die Bindegewebsbündel, die die
Zotte zusammensetzen, Fortsetzungen des siibarachnoidealen Bindegewebes sind.
Die Zotten sind, wie erwähnt, um so kleiner, je jünger die Individuen ; die kleinen
sind fast immer solid, grössere haben eine bläschenförmige Beschaffenheit, werden
aber im höheren Alter ebenfalls fest und derb (Luschka). Die auffallend grossen
Granulationen, welche Anlass zu den grubenförmigeu Vertiefungen der Scheitel-
beine geben, erkennt auch Luschka als krankhafte, hypertrophische Formen an.
Die Stelle des Gehirns, an Avelcher die Gi-aniTlationen am häufigsten vorkommen,
ist der der Falx cerebri entsprechende Eand der Hemisphäre; nach Luschka
wären sie sogar auf diese Localität ausschliesslich beschränkt. L. Meyer fand
sie nicht selten 4 bis 5 Cm. von der Medianhnie entfernt und über die Vorder-
lappen fast bis zur Basis zerstreut. An der Basis des unteren Lappens kamen
sie in allen Graden der Entwickelung vor, häufig auch an der Spitze und vor-
deren Grenze des Hinterlappens. Weit verbreitet, aber schwach entwickelt liegen
sie in einer Linie auf der Mitte des oberen Wurms und längs dem freien Eande
der Hemisphären des Kleinhirns.
Als Ausgangsptmkt der Granulationen betrachtet die Mehrzahl der
Autoren die Arachnoidea, von deren äusserer Fläche sie sich gegen die fibröse
Hirnhaut erheben, in und durch dieselbe dringen sollen. Nach Luschka
könnte ihnen auch die innere Fläche der fibrösen Hirnhaut, das sogenannte
Parietalblatt der Arachnoidea, zum Ursprünge dienen.
Trolard zufolge liegen sie im Grunde venöser Hohlräume, deren obere
Wand von der fibrösen Hirnhaut gebildet wird imd, nachdem die Schädel-
decke abgerissen worden, Löcher zeigt, denen die Anfänge venöser Canäle
an der inneren Fläche des Schädels entsprechen. Aus den Löchern schauen
die Granulationen hervor; die Hohlräume sind von bindegewebigen Bälk-
chen durchzogen. Sie communiciren mit dem Sinus sagitt. sup. theils
direct, theils durch Vermittelung der Hirnvenen, welche kurz vor ihrer
Einmündung in den Sinus eine oder mehrere Oeffnungen zeigen, durch die
sie mit den, die Granulationen einschliessenden venösen Hohlräumen in
offener Verbindung stehen. Aus den in der Mitte des Scheitels gelegenen
Hohlräumen entspringen die Hauptstämme der Vv. meningeae. Ganz ähn-
lich lautet die Beschreibung von Key und Retzius. Zur Seite des Sinus
sagitt. sup. ünden sie in der fibrösen Hirnhaut grosse venöse Räume von
unregelmässiger Form, meist rechtwinklig, zum Sinus, häufig unter einander
durch Canäle von wechselndem Kaliber verbunden, die dem Sinus parallel
21*
32'6 Peripherisches Nervensystem,
laufen. Durch enge, meist rundhche OeflPnungen communiciren sie mit dem
Sinus; nach der anderen Seite stehen sie in Verbindung mit verhähniss-
mässig feinen Venen der fibrösen Hirnhaut. Diese venösen Käume enthahen
bei Kindern und Erwachsenen, auch beim Hund und Schaf zaUreiche Gra-
nulationen; in älteren Leichen sind sie häufig von denselben vollkommen
ausgefüllt. Und auch wo sonst in der Schädelhöhle Granulationen vor-
kommen, dringen sie entweder in Venen und Sinus oder in venöse Hohl-
räume ein. Die Injectionsmasse geht aus dem Subarachnoidealraum leicht
in die Granulationen über, treibt sie blasenförmig auf und dringt auch bei
sehr geringem Druck aus der Oberfläche hervor.
B. Peripherisches Nervensystem. Nerven im engeren
Sinne.
B. Periphe- War BS die Aufgabe des Vorigen Abschnitts, die Nervenwurzeln zu
vensystem. ihren Ursprüngen im Inneren des Centralorgans zu verfolgen, so schlagen
wir in diesem Abschnitte die entgegengesetzte Richtung ein und gehen den
Stämmen längs ihren Verzweigungen und Verbindungen bis zu ihrer peri-
pherischen Ausbreitung nach. Und wie wir der Aufgabe des ersten Ab-
schnitts nur annäherungsweise gerecht zu werden vermochten, so wird auch
der folgende noch manche Lücke aufweisen, wenn es darauf ankömmt, den
Lauf individueller Fasern oder Bündel im Auge zu behalten. Die Schwie-
Nöivenge- rigkeit liegt in den Anastomosen und Verflechtungen der Nerven, die wir
in vielen Fällen mit der allgemeinen Erwägung zu erklären uns begnügen
müssen, dass für die Anordnung der Nervenfasern in den Centralorganen
andere Zwecke massgebend sind, als für die peripherische Anordnung, dass
die Fasern in den Wurzeln nach physiologischen, in den Aesten nach ana-
tomischen oder topographischen Rücksichten zusammengefasst sind. Das
Eine Mal sind peripherisch entlegene Organe von Einer Stelle des Central-
organs aus zu dirigiren; ein anderes Mal gilt es, Einem Organ zum Behuf
verschiedener Combinationen seiner Thätigkeit Nerven aus verschiedenen
Quellen zuzuführen : in beiden Fällen müssen die Combinationen, in welchen
die Nervenfasern vor ihrer Endigung auftreten, andere sein, als die, in wel-
chen sie das Centralorgan verlassen. Die neue Gruppirung aber kann rasch
und auf dem kürzesten Wege oder allmählig, durch wiederholte Uebergänge
von Einem Stamm zum andern zu Stande kommen ^). Im ersten Falle liegt
1) Es giebt Namen für die verschiedenen Formen der Geflechte. So führt Kronen-
berg (Plexuum nervorum structura & virtutes. Berol. 1836) Plexus per anastomosin und
per decussationem auf: die der ersten Art werden dadurch gebildet, dass die Stämme ein-
ander gegenseitig Aeste zuschicken, die der zweiten Art entstehen durch Aneinander-
lagerung zweier Stämme , die eine Strecke weit in gemeinsamer Scheide eingeschlossen
liegen und dann wieder in verschiedene Aeste sich zerspalten. Eine dritte Art, Plexus
compositl, ist aus den beiden genannten gemischt. Valentin unterscheidet von der ein-
fachen Anastomose {Ansa) die einfachste {Plexus simpUcissimus) und die wechselseitige
{Anastomosis mutua s. Plexus ramiforniis), je nachdem nur der eine der anastomosir enden
Nerven dem anderen oder beide einander gegenseitig Aeste zusenden. Er nennt Durch-
kreuzungsanastomose (Anastomosis decussata, Plexus) den Fall gegenseitiger Anastomose,
wo von dem Durchkreuzunarsknoten mehi'ere Zweite aiegen die beiden dm-ch die Anasto-
Peripherisches Nervensystem. ^ 327
der Sinn der Anastomose, wie der Lauf der Fasern offen da, wie wenn z. B.
die Fasern des N. accessorius, die die Spannung der Stimmbänder regeln,
sich dem N. vagus anschliessen, um mit dessen Kehlkopfästen auszutreten
oder wenn Facialis- und Trigeminuszweige sich vermischen, um Einer Re-
gion des Gesichts motorische und sensible Nerven zuzuführen. Im anderen
Falle sind wir genöthigt, auf eine genaue Ermittlung des Faserverlaufs
einstweilen zu verzichten und glauben genug erreicht zu haben, wenn wir
den endlichen peripherischen Bereich der Wurzeln eines Geflechtes einiger-
massen überschauen. In der That ist das Wissenswürdigste, jedenfalls das
physiologisch Interessanteste in der Anatomie eines Nerven der Ort seines
Ursprungs und seiner Endigung; auch scheint bezüglich der centralen und
peripherischen Punkte, die jede Nervenfaser mit einander verbindet, die
grösste Beständigkeit zu herrschen, während sie sich zwischen beiden End-
punkten mit grösserer Freiheit bewegen, dieser oder jener Bahn anschliessen
kann. Hieraus erhellt beiläufig die Bedeutung oder vielmehr Bedeutungs-
losigkeit der grossen Mehrzahl der Nervenvarietäten. Dass ein Ast an
seiner Abgangsstelle oder an der Stelle seiner Vereinigung mit einem
Stamme in Bündel zerfällt oder selbst einen kleinen Plexus darstellt, mit
anderen Worten : die Umwandlung eines soliden Stämmchens oder Geflechtes
in ein durchbrochenes, ist eine zu gewöhnliche Erscheinung, als dass sie
in jedem einzelnen Falle Erwähnung verdiente; ebenso häufig rücken die
Theilungsstellen der Nerven an den Stämmen hinauf oder hinab und es ist
zum Theil Sache der Präparation, wie weit die Spaltung des Stamms in
seine Aeste geführt werden soll. Aber auch abnorme Aeste entstehen nur
dadurch, dass sich Bündel vom Ursprung an in die Bahn eines Nerven ver-
irrt haben, den sie später wieder verlassen müssen und abnorme Ana-
stomosen kommen meistens dadurch zu Stande, dass sich von den einem
Nerven regelmässig zugehörigen Fasern ausnahmsweise ein Theil auf kür-
zere oder längere Strecken au einen anderen Nerven anlegt i).
Besonders reiche und zugleich mannichfaltige Verflechtungen gehen
alsbald nach dem Austritt aus dem Wirbelcanal die Nervenstämme unter-
einander ein, deren Fasern zur Verbreitung in den Extremitäten bestimmt
sind. Es ist nicht daran zu denken, dass man mit den gewöhnlichen ana-
tomischen Mitteln die Wurzelbündel durch einen Plexus brachialis, cruralis
oder ischiadicus hindurch zu den einzelnen Nerven der Extremität ver-
folge; es lässt sich ebenso wenig von der Gu.nst des Zufalls erwarten, dass
er uns beim Menschen eine genügende Zahl von Verletzungen oder Dege-
nerationen der Wurzeln der genannten Geflechte zuführen werde, um dar-
nach die Verbreitungsbezirke einzelner Wurzeln zu bestimmen. So sehen
wir uns auf Schlüsse aus der Analogie, nach Versuchen an Thieren, ver-
wiesen, die natürlich nicht zu einer eigentlichen Topographie des Nerven-
mose verbundenen Nervenstämme hingehen. Das Geflecht ist leer [Plexus vacuus) oder
gefüllt [PI. rejjleius), je nachdem die Balken des Geflechtes grössere Lücken zwischen sich
lassen oder durch Bindegewebe, Nervenzellen, durchtretende Nervenfasern zu einem soliden
Ganzen verbunden sind. Anastomosen zwischen divergirenden Aesten Eines Stammes wer-
den als Gänsefussgeflecht (Pes s. PL anserinus) bezeichnet.
■') Vgl. Voigt, Beiträge zur Dermato-Neurologie. Wien. 1864. S. 9.
328 • Peripherisches Nervensystem.
Systems, sondern nxir zu allgemeinen Regeln über die gegenseitigen Bezie-
hungen der Wurzeln und der austretenden Aeste, ich möchte sagen zu
einer Theorie der Plexus führen können. Solche Versuche wurden in der
Weise angestellt, dass man, am häufigsten am Plexus brachialis, die Wir-
kung entweder der Reizung oder der Durchschneidung der einen und an-
deren Wurzel auf die einzelnen Muskeln und Hautstellen prüfte oder dass
man, nach der Waller' sehen Methode, von einer durchschnittenen Wurzel
aus die degenerirten Fasern in die Aeste des Plexus verfolgte. Durch directe
Reizung der motorischen Nervenwurzeln und durch Versuche, wie nach
Durchschneidung der einzelnen sensiblen Wurzeln die Reflexbewegungen
sich verhielten, erforschte Peyer^) die Verbreitxmgsbezirke der Nerven des
Plexus brachialis bei Kaninchen. Die allgemeinen Resultate, die er gewann,
sind folgende: 1) Die meisten Muskeln erhalten - ihre Fasern von mehr als
einer, einzelne sogar von drei Wiirzeln. 2) Eine und dieselbe Wurzel ver-
sorgt bei verschiedenen Individuen nicht immer genau dieselben Muskeln;
doch sind die Variationen gering. 3) Nahe liegende Muskeln erhalten, mit
seltenen Ausnahmen, ihre motorischen Fasern von nahe gelegenen Wurzeln.
4) Weiter abwärts auftretende Wurzeln versorgen progressiv näher der
Hand gelegene Muskeln. 5) Durch eine und dieselbe Wurzel wird nicht
ausschliesslich ein Muskelcomplex von Beugern, Streckern oder dergleichen
erregt. 6) Dieselbe sensible Wurzel versorgt im Allgemeinen diejenigen
Hautstellen, unter welchen die von dem entsprechenden Nerven innervirten
Muskeln liegen. 7) Dieselben Hautstellen werden von verschiedenen sen-
sibeln Wurzeln versehen und die Verbreitungsbezirke der letzteren greifen
mehr oder weniger übereinander. W. Krause 2), welcher die Fettentartung
der Nervenfasern benutzte, um bei Kaninchen und Affen mittelst Durch-
schneidung einzelner Wurzeln des Plexus brachialis deren peripherische Ver-
breitungsbezirke zu ermitteln, gelangte zu folgenden Schlüssen: 1) Die
grösseren Muskeln werden von Nervenfasern versorgt, die aus mehreren
Wurzeln herstammen; sie zerfallen dadurch in verschiedene Muskelnerven-
provinzen, die mit verschiedenen Segmenten des Rückenmarks in Verbin-
dung stehen. 2) Weiter nach der Hand hin gelegene, sowohl sensible als
motorische Provinzen der oberen Extremität erhalten ihre Nervenfasern aus
Wurzeln, die näher dem unteren Ende des Rückenmarks entspringen : die
absolut längsten Nervenfasern kommen aus dem achten Cervicalnerven \ind
versorgen die Haut des ersten bis dritten nebst der Radialseite des vierten
Fingers; dann folgen die im ei-sten Dorsalnerven axistretenden Fasern, von
denen die Haut der ülnarseite des vierten und des ganzen fünften Fingers
innervirt wird. 3) Die Muskeln erhalten ihre Nerven aus derselben Wurzel,
welche die über ihnen selbst und ihren Sehnen gelegenen Hautstellen ver-
sorgt. In Muskeln, welche mehrere Sehnen aussenden, werden die zu jeder
einzelnen Sehne gehörenden Muskelfasern von besonderen Nervenstämmen
versehen, die aus verschiedenen Wurzeln ihren Ursprung nehmen können.
In einem wesentlichen Punkte, darin , dass die Muskeln ihre Nerven
^) Zeitschrift für rationelle Medicin. N. F. IV, 52. ^) Beiträge zur Neurologie der
oberen Extremität. Leipzig und Heidelberg. 1865.
Peripliei'isches Nervensystem. 329
aus derselben Wurzel beziehen, wie die die Muskeln bedeckende Haul,
stimmen beide Beobachtungsweisen unter sich und mit ähnlichen Beobachtungen,
welche C. Meyer i) nach der Wall er 'sehen Methode an der hinteren Extre-
mität von Fröschen anstellte, überein und sie berichtigen ein früher 2) von
Schröder V. d. Kolk aufgestelltes Gesetz, wonach die sensibeln Aeste eines
Nerven, welcher motorische Aeste giebt, stets zu jenem Theile des Gliedes
verlaufen sollten, welcher durch die Muskeln, die die motorischen Aeste
empfangen, bewegt wird. Auch dass Ein Muskel aus mehreren Wurzeln
Nerven erhält, wird von Peyer und W. Krause gleichmässig bezeugt und
Peyer's Behauptixng, dass es sich mit der Haut ähnlich verhalte und Fasern
aus verschiedenen Wurzeln in einander greifen, wird durch Versuche Ko-
sche wnikoff's ^) und die eben erwähntenVersuche Meyer 's an Fröschen be-
stätigt; doch giebt es an der Haut der Unterextremitäten der Frösche auch
Stellen, die ausschliesslich von einer Wurzel versorgt werden (Koschew-
nikoff). Das physiologische Experiment weist in dieser Beziehung für die
einzelnen Körperregionen Verschiedenheiten nach, die den anatomischen
Verschiedenheiten entsprechen. Am sorgfältigsten hat Tür ck*) bei Hunden
die Verbreitungsbezirke der Hautnerven abgegrenzt. Er unterscheidet aus-
schliessende und gemeinschaftliche Bezirke; jene werden dadurch erkannt,
dass nach Trennung des entsprechenden Nerven constant derselbe Bezirk
vollkommen anästhetisch wird; die gemeinschaftlichen Bezirke geben sich
dadurch zu erkennen, dass nach Trennung des einen Bezirk versehenden
Nerven gar keine oder nur eine unvollkommene , meist beschränkte oder
vorübergehende Anästhesie zu beobachten ist. Am Hals und Rumpf sind
die Bezirke ausschliessend und stellen bandähnliche Streifen dar, welche
von den Wirbeldornen bis zur vorderen Mittellinie in einer auf der Längen-
-axe des Körpers beinahe senkrechten Richtung verlaufen. Die Extremi-
tätennerven, namentlich der 7te und 8te Cervical- und der 6te und 7te
Lumbarnerve haben gar keine ausschliessenden, sondern nur gemeinschaft-
liche Bezirke und an der Hohlhand und Fusssohle kommt je ein Bezirk vor,
der von drei gemischten Nervenpaaren gemeinschaftlich versehen wird.
In den gemeinschaftlichen Bezirken sind aber die Elemente der gemein-
schaftlichen Paare nicht gleichmässig über den ganzen Bezirk, sondern
überwiegend nur in je einer beiläufigen Hälfte desselben verbreitet und an
einzelnen Stellen dieser Hälfte wieder überwiegender. Die Hautnerven-
bezirke der Extremitäten bilden im Allgemeinen Gürtel, haben die Gestalt
von Schienen einer Rüstung und treten zwischen dem Spalt eines höheren
und tieferen Bezirks unter spitzen Winkeln aus.
Ich muss noch besonders einer Form von Anastomosen gedenken,
schlingenförmiger Bündel, welche, aus Einem Nerven austretend, in einem
anderen zum Centralorgan zurückzukehren scheinen. Man konnte sie, wenn
nicht verstehen, doch sich gefallen lassen zu einer Zeit, wo man schlingen-
förmige Umbiegungen der Nervenfasern auch an dem Orte ihrer peripheri-
1) Ztschr. für rat. Med. 3. R. XXXVI, 164. 2) Froriep's Notizen. 3. R. IV, 129
(1847). ?') Archiv für Anat. 1868. S. 326. *) Wiener Sitzungsberichte. 1856. Juli.
Ludwig's Physiol. 2. Aufl. I, 160. Ueber die Hautsensibilitätsbezirke der einzelnen Rücken-
marksnervenpaare. Wien. 1869.
21*=*=
330 Peripherisches Nervensystem.
sehen Endigung zu sehen glaubte. Jetzt sind die „endlosen Nerven", wie
Hyrtl jene Art von Anastomosen nennt, anatomisch, wie physiologisch para-
dox; es sind Räthsel, von welchen man einen Theil durch den Nachweis
aufzulösen hofft, dass die in den beiden verbundenen Nerven zurücklaufenden
Fasern aus dem einen oder anderen an einer höheren Stelle wieder austreten.
Ein anderer Theil bleibt ungelöst, so namentlich die am hinteren Rande
des Chiasma der Sehnerven aus Einer Hemisphäre in die andere übergehenden
Fasern und die noch paradoxeren anfangslosen Nervenfasern, die am vor-
deren Rande des Chiasma von Retina zu Retina ziehen.
Der Erste, der sein Äugenmerk auf die endlosen Nerven richtete, war Volk-
mann (Müll. Arch. 1840. S. 510); er wies auf dergleichen Schlingen hin beim
Kalbe zwischen dem N. trochlearis und dem ersten Aste des N. trigeminus, bei
vielen Säugethieren zwischen dem N. accessorius und dem zweiten und dritten
Cervicalnerven, zwischen dem E. descendens des Hypoglossus und verschiedenen
Cervicaluerven , endlich zwischen dem zweiten und dritten Cervicalnerven der
Katze, rast gleichzeitig behauptete F. Arnold (Lehrbuch der Physiol. Zürich 1841.
II, 913), in der bekannten Schlinge des E. descendens hypoglossi mit dem zweiten
und dritten Cervicaluerven vom Centralorgan ausgehende und in dasselbe zurück-
kehrende Bogenfasern constant wahrgenommen zu haben; sie sollten die Mitbewe-
gungen veranlassen, also dazu dienen, die eine Stelle des Centralorgans zur Mit-
wirkung bei der Thätigkeit der anderen gleichsam aufzufordern. Die anatomische
Beschreibung lässt in allen den genannten Fällen Zweifel übrig, die auch alsbald
von Valentin (Eepertorium VI, 98) ausgesprochen wurden und in Betreff mancher
dieser Schlingen ist, wie sich im Folgenden zeigen wird,- die oben angedeutete Er-
klärung bereits gefunden. Man muss sich hüten, von der Form des Winkels, in
welchem Nerven zusammenstossen, auf den Lauf der Fasern zu schliessen und
muss darauf gefasst sein, dass, wo ein Zweig sich schräg an den Stamm anlegt,
die Fasern ebensowohl nach der Seite des spitzen, als des stumpfen Winkels
weiter gehen. Aber auch bei mikroskopischer Untersuchung des Faserverlaufs
konnte E. Bischoff (Mikroskop. Analyse der Anastomosen der Kopfnerven. Mün-
chen 1865. S. 13. 31) die Möglichkeit nicht abweisen, dass in den Schlingen zwi-
schen den Nu. lacrymalis und orbitalis, zwischen Accessorius und Cervicalnerven
Fasern zum Centrum zurückkehren. Die endlosen Schlingen, welche Hyrtl (Wiener
Sitzungsberichte. 1866. Bd. LI.) aufzählt, sind: die nicht ganz constante Anasto-
mose zwischen den Nn. hypoglossi beider Seiten über dem Zungenbein, die Ana-
stomose des N. hj'poglossus mit den oberen Cervicalnerven und mit dem N. lin-
gualis (die letztere hat indess von Luschka eine andere Deutung erfahren), ferner
Schlingen der Aeste des N. facialis unter sich, mit Cervicalnerven und den Nn.
infraorbitalis und mentalis, der Nn. supra- und infratrochlearis, der Nn. lacrymalis
und orbitalis. Einmal kam eine bogenförmige Schlinge zwischen dem N. phreni-
cus und dem Stamme des fünften Cervicalnerven vor, öfters zeigten sich die Nn.
thoracici antt. durch eine zurücklaufende Anastomose verbunden. Eine solche
fand Hyrtl zwischen den beiden, die A. axillaris umfassenden Wurzeln des N. me-
diauus in allen den Fällen, wo die beiden Wurzeln dicht vor der Arterie zusam-
mentreten ; sie fehlte, wenn die Wurzeln sich weit unter der Arterie unter spitzem
Winkel verbanden. In mannichfaltiger Weise hängen am Oberarme die Nn. medianus
und cutaneus lateralis, in der Hand Medianus und Ulnaris durch schlingenförmige
Anastomosen zusammen. Der von Schmidt beschriebene N. ad obturatorium ac-
cessorius geht mit dem eigentlichen N. obturatorius und mit dem N. lumbo-ingui-
nalis derartige Verbindungen ein. Einmal wurde zwischen zwei Nn. scrotales,
einmal zwischen Nn. communicans tibialis und cutaneus pedis dorsalis, einmal zwi-
schen den beiden Er. communicantes der Unterschenkelnerven eine bogenförmige
Anastomose beobachtet.
Eine den äusseren Bogenfasern des Chiasma analoge Schlinge der Spinalnerven
beschreibt Volkmaun (Müll. Arch. 1838. S.291) mit folgenden Worten: „Bei dem
Maulwiirfe treten die Nn. thoracici als einfache Stämme aus den Spinalganglien,
zerfallen aber unmittelbar nach dem Austi-itt in den vorderen und hinteren Ast.
Peripherisches Nervensystem. 331
In dem offenen Winkel der Theihmgsstelle fand ich schleifenförmige Fasern in
der Art angebracht, dass die Beugung in den Winkel zu liegen kam, während die
fortlaufenden Enden einerseits im vorderen Aste, andererseits im hinteren Aste nach
der Peripherie gerichtet waren." Gedachte Fasern waren also ausser Zusammen-
hang mit den Centralorganen und müssten nach Volkmann 's Meinung vom Sym-
pathicus abgeleitet werden. Nach Arnold (a. a. 0. S. 903) kommen auch beim
Menschen zwischen den hinteren und vorderen Aesten der Spinalnerven, wo sich
der gemeinschaftliche Stamm derselben gabelförmig spaltet, nach aussen offene
Bogenfasern vor. Eemak (Müll. Arch. 1841. S. 520) bemerkte an den hinteren
Wurzeln der unteren Cervical- und verschiedener Dorsalnerven des Ochsen feine
Verbindungsfäden, deren Primitivfasern in den äussersten Wurzelsträngchen so-
wohl des oberen als des unteren Nerven in peripherischer Eichtung verliefen, so
dass der Verbindungsfaden eine bogenförmige Schlinge darstellte, deren Schenkel
in den Nervenstämmen lagen. Endlich habe ich eine Angabe Luschka' s (der N.
phrenicus des Menschen. Tüb. 1853. S. 15) zu erwähnen, eine centralwärts con-
vexe Schlinge eines Bündels betreffend, welches aus dem Stamme des N. phrenicus
in einen Schulterhautzweig des vierten Cervicalnerven umbog.
Wenn die Zweige eines Nerven sich durch fortgesetzte Spaltung bis
auf ein gewisses Mass verfeinert haben und nur noch aus wenigen Primitiv-
fasern bestehen, tauschen sie diese gegen einander aus und bilden auf diese
Weise Geflechte, welche mit dem Namen Endplexus bezeichnet werden. Es
versteht sich, dass in denselben aiTch die Fasern benacbbarter Aeste mit
einander vermischt werden. Wegen ihrer allgemeinen Verbreitung, ihrer
gleichmässigen Structur und ihrer meist mikroskopischen Feinheit wird die
Beschreibung dieser Endplexus in die Histologie verwiesen. Doch werden
auch die stärkeren Endäste benachbarter Hautnerven so regelmässig durch
Geflechte von ähnlicher Bedeutung verbunden, dass ich mich einer speciellen
Angabe derselben überheben zu dürfen glaube. Ich bemerke nur noch,
dass ich, um Wiederholungen zu vermeiden, die Anastomosen, Schlingen und
die aus denselben hervorgehenden Aeste in der Regel da beschreiben werde,
wo sie zum zweiten oder letzten Mal zur Sprache kommen. Nur die Gan-
glien, von deren Aesten noch nicht mit vollkommener Sicherheit anzugeben
ist, welche als peripherische, welche als Wurzeln zu betrachten seien, werde
ich mit allen ihren Verzweigungen bei dem Nerven abhandeln, mit dem
sie im nächsten Zusammenhange stehen.
Das Eintheilungsprincip, nach welchem man die Nerven ordnet, ist ein Emtheiiung
rein anatomisches: man unterscheidet je nach dem Ursprung vom Gehirn i.^Nach^dem
oder Rückenmark Hirn- und Rückenmarks- oder Spinalnerven und zählt u>'spi'"»g-
von oben nach unten, die Hirnnerven von 1 — 12 ^), die Spinalnerven nach
den Wirbeln, unter welchen sie austreten, mit der Ausnahme, dass der zwi-
schen Hinterhauptsbein und Atlas hervortretende Stamm als erster Cervical-
nerve gerechnet und dadurch die Zahl der Cervicalnerven auf 8 gebracht
wird. 2)
1) Der älteren Zählung nach Willis, die in Frankreich und England noch heute im
Gebrauch ist, habe ich oben (S. 171 ff.) gedacht. 2) Consequenter zog Willis den ersten
CerAäcalnerven unserer Zählung (iV. occipitalis s. suboccipitalis W i n s 1 o w) zu den Hirn-
nerven als zehntes Paar und wahrte dadurch die Uebereinstimmung in der Benennung der Cer-
vical- und der übrigen Spinalnerven.
332 Peripherisches Nervensystem.
Den Hirn- und Rückenmarksnerven stehen als dritte Gruppe die sym-
pathischen oder Eingeweidenerven zur Seite oder auch gegenüber, wenn
man nämlich den physiologischen Gegensatz betont, in welchem die Nerven
der dem Willen imterworfenen und scharf empfindenden äusseren Körper-
theile zu den Nerven der unwillkürlich beweglichen und mit stumpfer Em-
pfindung begabten Eingeweide sich befinden. Die Bedeutung dieses Gegen-
satzes und den Grad der Unabhängigkeit der sympathischen Nerven von
den cerebrospinalen, unter welchem Namen man Hirn- und Rückenmarks-
nerven zusammenfasst, werde ich an einer späteren Stelle zu erörtern haben.
Zur Scheidung genügt schon die anatomische Difi'erenz, dass die Gehirn-
und Rückenmarksnerven direct aus dem Centralorgan, die Eingeweide-
nerven zunächst aus dem Grenzstrang (S. 8) entspringen, welchem Gehirn-
und Rücken marksnerven Fasern in Form der sogenannten Wurzeln zu-
führen. So weit der Grenzstrang mit den Spinalnerven zusammenhängt,
besteht über die Deutung der Aeste, ob als Wurzeln oder als peripherische,
' kein Zweifel. Minder klar spricht sich in den Verbindungen des Grenz-
stranges mit den Hirnnerven die Richtimg des Faserverlaufes aus und des-
halb verzichten wir auch darauf, an den Kopfnerven die Antheile des cere-
brospinalen und sympathischen Systems so genau zu trennen, wie dies am
Rumpfe möglich ist.
Es ist noch ein Punkt, in welchem die Spinalnerven regelmässig nach
einem gemeinsamen Plan, die Hirnnerven verschieden angelegt sind. Aus
einer gangliösen sensibeln und einer glatten motorischen Wurzel, wie die
Spinalnerven, besteht unter den Hirnnerven nur der fünfte. Drei Hirn-
nerven, der Ite, 2te und 8te, entziehen sich, als Organe specifischer Sinne
(sensiiale Nerven) der Vergleichung. Von den übrigen Hirnnerven sind fünf,
der 4te, 6te, 7te, Ute und 12te rein motorisch. Drei gemischte Hirnnerven,
der 3te, der einen noch nicht ganz sicher gestellten geringen Antheil an
sensibeln Fasern besitzt, der 9te, in welchem neben Geschmacksfasern ein-
fach sensible und motorische enthalten zu sein scheinen, und der lOte
lassen doch in den Wurzeln eine Sonderung der Fasern verschiedener Qua-
lität nicht erkennen.
2. Nach der Indessen sind die Begriffe sensibel und motorisch eigentlich zu eng, um
Leituna.^^^^ die Mannichfaltigkeit der Nervenfasern auszudrücken; richtiger wäre eine
Eintheilung in centripetale und centrifugale. Unter den centripetalen
Nerven sind nicht nur die specifischen Sinnesnerven und unter den eigent-
lich sensibeln möglicherweise wieder verschiedene Arten, wie Wärme-,
Druck-empfindende zu unterscheiden i): eine besondere Gattung derselben
würden auch, wenn sie sich bestätigen lassen, die sogenannten ex cito-moto-
^) Den Druck- und Temperatursinn verschiedenen Nerven zu vindiciren, dazu haben
Krankheitsfälle Anlass gegeben, in welchen die Eine Art von Empfindungen ohne die an-
dere gestört war (Landry, arch. gen. T. XXIX. XXX. Nothnagel, Archivföir klin. Med.
11,284. Manouvriez, Meissner's Jahresbericht 1870. S. 317). Es ereignete sich dies aber
nicht nur bei centralen Erkrankungen, sondern auch nach Verletzungen der Nervenstänime,
bei welchen doch eine Schädigung einzelner Categorien von Nervenfasern kaum wahr-
scheinlich ist. Auch möge man vergleichen, was ich in meinem Handbuch der ration.
Pathol. (Bd. II. Abth. 1. S. 540) über die Identität der Wärme- und Druckempfindung
gesagt habe.
Peripheriscties Nervensystem. 333
rischen Fasern bilden, Fasern, welche, ohne das Sensorium zu erreichen,
schon im Rückenmark, vielleicht schon in peripherischen Ganglien ihre Er- '
regung auf motorische Fasern zu übertragen und Reflexbewegungen zu
vermitteln hätten, deren äusserlich anregende Ursache nicht zum Bewusst-
sein gelangt. Wie es um den anatomischen Nachweis excitomotorischer
Nerven im Rückenmark steht, habe ich oben (S. 66) angeführt; was über
dieselben die Untersuchung der Structur der Ganglien ergeben hat, wurde
in der Einleitung (S. 24) besprochen. Zur physiologischen Lösung der
Frage kann man nicht Reflexbewegungen verwenden, welche der, wenngleich
unbewussten Reizung von Theilen folgen, von deren Zuständen die Seele
für gewöhnlich Kunde zu erhalten pflegt. Ereignen sich solche unbewusst
provocirte unwillkührliche Bewegungen am unversehrten Körper, so hat es
vielleicht nur an der Aufmerksamkeit gefehlt, um den sinnlichen Eindruck
wahrzunehmen ; kommen sie an enthaupteten Thieren vor, so könnten sie
Folge einer im Rückenmark bestehenden Nebenleitung von den zum Ge-
hii-n aufsteigenden sensibeln Fasern zu motorischen sein. Neben den sen-
sibeln Fasern können die excitomotorischen entbehrt werden, aber sie statt
der sensibeln anzunehmen hat man für die Organe ein Recht, deren die
Reflexbewegung auslösende Reizung in der Regel nicht empfunden wird;
solche Organe sind die Eingeweide und so werde ich bei der Beschreibung
des Eingeweidenervensystems diese Frage wieder aufnehmen.
Ich gedenke hier, zwischen den centripetalen und centrifugalen, einer Hemmungs-
Gattung von Nerven, die man nach ihrer Leitungsrichtung, wie man die-
selbe anfänglich beurtheilte, mit den motorischen Nerven zusammenstellte,
während ihre Wirkung, im diametralen Gegensatz zu den motorischen Ner-
ven, sich in Herabstimmung und Lähmung der Muskelthätigkeit äussern
sollte, ich meine die Hemmungsnerven. Die Annahme derselben grün-
dete sich hauptsächlich auf die in der Bahn des N. vagus verlaufenden
Herznerven, deren Reizung die Frequenz des Herzschlages mässigt und
schliesslich das Herz in Diastole stille stehen macht. Da die Reizung
der vom Sympathicus stammenden Nerven des Herzeus den entgegen-
gesetzten, mit den Wirkungen der gewöhnlichen motorischen Nerven
übereinstimmenden Erfolg hat, so Hessen sich für dies Organ die Bahnen
der erregenden und hemmenden Nerven auch anatomisch scheiden. Nach
dem Vorbilde des Herzens schrieb Pflüg er i) dem Darm ein Hemmungsnerven-
system zu auf Grund der Lähmung der peristaltischen Bewegungen, die der
Reizung des N. splanchnicus folgt. Auf zweierlei Weise hat man versucht,
die paradoxe Erscheinung mit den allgemein gültigen Gesetzen der Nerven-
erregung in Einklang zu bringen. Man nahm die Lähmxing, die der Rei-
zung eines Nerven folgt, für das Resultat der Erschöpfung dieses Nerven
durch das Uebermaass des Reizes und berief sich dabei auf die Thatsache,
dass sich das Herz vom Vagus aus erregen, die Frequenz des Pulses be-
schleunigen lässt, wenn es gelingt, die Stärke des (elektrischen) Reizes auf
das nöthige, geringe Maass zu reduciren (Schifft). Mole sc hott ^). Eine
^) Meissner's Jahresbericlit 1856. S, 474. -) Archiv für physiol. Heilk. 1849.
S. 166. Meissner's Jahresbericht 1856. S. 478. 1858. S. 451. Moleschott's
Unters. VI, 201. 3j Meissner's Jahresbericht 1860. S. 517. 1861. S. 417.
334 Peripherisches Nervensystem.
andere Erklärung bot sich dar durch die Entdeckung des N. depressor
(s. Vagus), nach dessen Durchschneidung die Reizung des centralen Stumpfs
den Tonus gewisser Blutgefässhezirke herabsetzt, und durch eine Beobach-
tung Rosen thal' s ■^), welcher zufolge dem N. laryngeus sup. die Rolle eines
Hemmimgsnerven der Athembewegungen zufällt. In diesen beiden Fällen
tritt ein Centralorgan, das verlängerte Mark, zwischen den gereizten und
den seine Thätigkeit einstellenden Nerven. Der gereizte Nerve ist ein cen-
tripetaler und thut seine gewohnte Schuldigkeit, indem er den Eindruck
auf das Centrum der Gefäss- oder Athemnerven fortpflanzt; die Hemmung
aber ist Aufhebung des motorischen Impulses, der sonst von diesem Centrum
ausziigehen pflegt; sie entspricht der Ruhe des motorischen Nerven, und
nicht einem activen Zustande desselben, der den Muskel anwiese, zu er-
schlaffen. Da nun die Nervenfasern, die der Vagus dem Herzen zuführt,
in den Granglien dieses Organs zu enden scheinen, so dürfte man mit Bid-
d e r 2), der dieses anatomische Factum ermittelte, auch die Hemmungsnerven
des Herzens als centripetale, d. h, zu den im Herzen gelegenen Centren'
der Herzbewegung leitende, betrachten und die Hemmung, die von diesen
Ganglien ausgeht, nach dem nämlichen Princip deuten, wie die vom ver-
längerten Mark ausgehenden Hemmungen. Nach der Schiff-Mole s chott'-
schen Theorie ist die Hemmung eine Nachwirkung der Reizung gewöhn-
licher motorischer Nerven, nach der Bid der 'sehen Theorie gehört sie in
das Gebiet der Nervensympathie und speciell des Antagonismus; nach bei-
den sind wir der Mühe überhoben, für Einen Muskel zweierlei Nerven von
entgegengesetzter Energie aufzusuchen.
Wenden wir uns zu den centn'fugalen Nerven, mit deren Erregung die
Thätigkeit der Organe, in welchen sie sich verbreiten, in geradem Verhält-
niss steigt und fällt, so ist es fraglich, ob die Aeusserungen dieser Thätig-
keit durchgängig als Bewegungen oder gar als Muskelcontractionen zu deuten
seien. Man kennt Einwirkungen der Nerven auf Ernährung und Secretion, von
denen ich nachweisen zu können glaubte ^), dass sie durch den wechselnden
Tonus der Gefässe zu Stande kämen. Der Lehre vom Tonus der Gefässe und
von der Regulirung desselben durch das Nervensystem, die ich auf die histo-
logische Untersuchung der Gefässwände und auf Beobachtungen am gesunden
und kranken Menschen gründete, haben seitdem physiologische Versuche, vor
Allem die Versuche Bernard's über das Verhalten der Gefässe des Kanin-
chenohrs auf Reizung und Durchschneidung des Sympathicus am Halse, zu
allgemeiner Anerkennung verholfen. Die mittlere Haut der Gefässe hat
unbestritten ihre Stelle unter den organischen Muskeln, die Gefässnerven
haben ihre Stelle unter den motorischen Nerven eingenommen. Blässe und
Collapsus einerseits, die Erscheinungen der Congestion andererseits sind
als Folgen der Reizung und Ijähmung der Gefässnerven erkannt. Ob aber
die Erweiterung der Gefässe einen genügenden Erklärungsgrund abgebe
für die Anregung der Secretion, die durch Nervenreizung erzielt wird, und
für die Ernährungsstörungen, Entzündung und deren Ausgänge, die sich
an die Congestion anschliessen, ist sehr fraglich geworden. Was zuerst die
1) Meissner's Jahresl.ericht 1860. S. 549. 1861. S. 435. 2) Archiv für Ana-
tomie 1871. S. 447. 3) Pathol. Unters. Berlin. 1840. S. 104.
Peripherisches Nervensystem. 335
Secretion betrifft, so beruht der Einwand gegen die Abhängigkeit der Drü-
senthätigkeit von der Zufuhr des Blutes hauptsächlich auf Ludwig's be-
rühmtem Speichelversuch i). Er widerlegte meine Ansicht durch den Nach-
weis, dass die Reizung der Speicheldrüsennerven die Menge und den Druck
des Secrets erhöht, ohne dass gleichzeitig eine Aenderung des Drucks in
den Blutgefässen stattfände, wie es doch der Fall sein müsste, wenn ver-
mehrte Exsudation aus den Gefässen den Anlass zu vermehrter Filtration
durch die Drüsenwände gäbe. Zwar ist durch die Modificationen, welche Ber-
nard (1864), Bidder(1866) und Schiff (1868) in den Versuch einführten,
die negative Seite der Angaben Ludwig's widerlegt und eine Steigerung
des Blutdrucks in der gereizten Drüse constatirt; doch ergiebt sich daraus
zunächst nur, dass die Gefässe einen An t heil an dem Erfolg der Reizung
haben: ihnen allein diesen Erfolg zuzuschreiben, verbietet sich so lange, als
zugegeben werden muss, dass, wie Ludwig behauptet, der Secretionsdruck
den Blutdruck übersteigen und dass der anregende Einfluss der Nerven-
reizung sich noch nach Unterbindung der zuführenden Gefässe geltend
machen könne. Auf die Existenz specifischer Secretionsnerven deutet ferner,
dass die Qualität des Secrets wechselt, je nachdem von den verschiedenen,
in die Submaxillardrüse eindringenden Aesten (Sympathicus oder Chorda
tympani) der eine oder andere der Reizung unterworfen wird. Wirkten
beiderlei Nerven durch Vermittelung der Blutgefässe, so ist nicht abzusehen,
wie sie andere, als quantitative Schwankungen der Secretion zu Stande
bringen sollten.
Die Ernährungsstörungen, die sich aus der Congestion entwickeln,
schienen unter Berücksichtigung der mikroskopisch nachweisbaren Verän-
derungen des Blutes leicht verständlich. Die relative Vermehrung der
Blutkörperchen deutet auf Verlust an Plasma durch Exsudation, die sich ja
auch anderweitig als Ausgangspunkt der Entzündung kund giebt; die Form-
veränderung und Verklebung der Körperchen berechtigte zu der Annahme,
dass der austretende Theil des Plasma relativ reicher an Wasser, der zurück-
bleibende concentrirter ist, als das normale Plasma. Aus den wachsenden
Hindernissen der Circulation, aus der Stockung des Blutes in den Gefässen
und des Exsudats ausserhalb derselben ergaben sich die Störungen des
Stoffwechsels von selbst '^) und es ändert nichts, ob die sogenannten entzünd-
lichen Neubildungen, namentlich die Eiterkörperchen, in dem Exsudate er-
zeugt oder mit demselben, nach der Cohnheim'schen Entzündungslehre,
aus den Gefässen ausgeschieden sind.
Aber diesen Erklärungen steht entgegen, dass, nach Meissner's Ur-
theil ^), die Ernährungsstörung der Conjunctiva, die nach Durchschneidiing des
Trigeminus eintritt, sich direct, ohne ein nachweisbares Vorstadium der Hy-
perämie entwickelt; ferner dass die Congestion im Ohr des Kaninchens, die
der Durchschneidung des Sympathicus am Halse folgt, nach noch so langer
1) Die erste Abhandlung Ludwig's erschien 1851 in der Zeitschr. für ration. Med.
(N. F. I, 255). Wegen der an dieselbe sich anschliessenden Verhandlungen verweise ich
auf Meissner's Berichte, die sich Jahr für Jahr mit diesem Gegenstande zu beschäftigen
haben. ^) Vgl. meine rationelle Pathologie. Bd. II. Abth. 1. S. 431 ff. ^) Ztschr.
für rat. Med. 3. R. XXIX, 104. ^
336 Peripherisches Nervensystem.
Zeit niciit in Entzündung übergeht, ja dass Entzündungsreize am Ohr und
Auge auf der Seite, deren Gefässnerven gelähmt sind, minder intensive Er-
scheinungen hervorrufen, als auf der gesunden Seite. ^) Und so läge es
nahe, auf die trophischen Nerven zurückzugreifen, und ihnen den Antheil
abnormer Ernährung zur Last zu legen, der in gewissen Fällen die Con-
gestion begleitet.
Dem Anatomen wird man den Wunsch verzeihen, dass es gelingen
möge, die Wirkungen, die man Drüsen- und trophischen Nerven zuschreibt,
auf Gefässnerven zurückzuführen; physiologischerseits ist kein Grund, sich
der Annahme secretorischer Nerven zu entziehen, da die Anregung der Se-
cretion durch Nerven nicht räthselhafter ist, als die Anregung der Muskel-
contraction. Gegen die trophischen Nerven ist aber auch vom physiologi-
schen Standpunkte einzuwenden, dass die Leistungen, zu welchen man sie
heranzieht, zu mannichfaltiger Art sind, um damit einen klaren, bestimmten
BegrifP zu verbinden. Eine so fügsame Hypothese dürfte, wie die Hypothese
von der spontanen Zeugung, nur dann angerufen werden, wenn jede Mög-
lichkeit, sie entbehrlich zu machen, erschöpft ist. Dies wird man von den
oben erwähnten Fällen nicht behaupten dürfen. Es ist nicht undenkbar,
dass das Exsudat nach einer Operation, die einen ganzen Gefässbezirk gleich-
massig lähmt, einen anderen Charakter annehme, als nach einer Reizung,
deren Effect sich auf einzelne Zweige beschränkt. Wie die Lymphgefässe
sich nach der Trennung der sympathischen Nerven verhalten, liegt noch
völlig im Dunkeln, und doch hängt es von ihnen ab, wie lange die Resorp-
tion mit der Exsudation Schritt zu halten vermöge, und ist somit durch sie
der Eintritt und Ausgang des entzündlichen Processes i itbedingt. Wie
dem sei, so gehören die Gefässnerven nebst den secretorische und allenfalls
den trophischen, ihrer Hauptmasse nach, dem sympathischen System an,
verbreiten sich aber mit den cerebrospinalen Nerven auch zu den Gefässen
und Drüsen der äusseren Körpertheile und so möge hier im Allgemeinen
bemerkt werden, dass überall zarte, nur durch eine sorgfältige Präparation
darstellbare Aestchen von den Nervenstämmen auf die Gefässe übergehen
und sich in den Häuten derselben verlieren. An den Extremitäten sieht
man Fäden von kaum 0,2 Mm. Durchmesser, aus markhaltigen Faser. i zu-
sammengesetzt, auf lange Strecken die Arterien begleiten.
Es sindhier die Beobachtungen Wrisberg 's (Commentat. I, 368) zu erwähnen,
welcher von den Nn. trigeminns i;nd facialis Aeste zu den Arterien der Stirn und
des Gesichts und selbst Aestchen des N. vidianus mit ernährenden Zweigen der
A. vidiana in das Wespenbein eintreten sah; ferner von Eibes (Meck Arch. 1819.
S. 442), welcher Nerven längs der Carotis bis in die Substanz des Gehirns, Aeste
vom Plexus brachialis bis zum untersten Theil der A. brachialis und ihrer Zweige,
Aeste vom Lumbartheil des Gangliengeflechts längs der A. cruralis bis zm- A. Po-
plitea verfolgte. Schlemm (Berl. Encyclop. Wörterbuch. Art. Gefässnerven) sah
aus dem 8ten und gten Ggl. thoracicum der linken Seite Aeste zur Aorta descen-
dens gehen. Zweige der Cerebrospinalnerven zu den Arterien der Extremitäten
stellte Görin g dar (de nervis vasa praecipue extremitatum adeuntibus. Jenae 1834).
Von Venen ist es bis jetzt nur die V. cava inf., deren Nerven durch E. H.
Weber und Wutzer nachgewiesen sind (Weber-Hildebr. III, 91).
^) Snellen, Meissner's Jahresbericht. 1857. S. 373. Sinitzin, Med. Ceutral-
jlatt. 1871. Xr. 11.
Peripherisches Nervensystem. 337
Was den Verlauf der Nervenstämme und Aeste betrifft, so habe ich Verlauf.
schon in der Gefässlehre S. 70 erwähnt, dass sie in der Regel die Blut-
gefässe begleiten, so vrie, dass diese Regel zahlreiche Ausnahmen erleidet.
Am Kopfe laufen die Yerzvreigungen der A. ophthalmica und maxillaris int.,
am Rumpfe die Intercostalarterien, am Becken die Aeste der A. hypoga-
strica fast durchgängig in Gesellschaft entsprechender Nerven; die meisten
Knochencanäle 'dienen zugleich Nerven und Gefässen zum Durchtritt; in die
Muskeln senken sich die Gefäss- und Nervenäste häufig an derselben Stelle
ein. "Während aber am Unterarm und Unterschenkel Gefäss- und Nerven-
stämme des medialen Randes zu einem Bündel vereinigt sind, gehen die
Gefässe und Nerven des lateralen Randes ihre ' eigenen 'Wege, wobei es be-
sonders auffällig erscheint, dass der Nerve den Schlitz des Lig. interosseum
verschmäht und es vorzieht, sich zwischen den Muskelbündeln, dort des M.
supinator, hier des peroneus longus durchzudrängen. Wenn man aus der
Art, wie das Mark aus durchschnittenen Nerven hervorgepresst wird, auf
den Druck schliessen darf, den die elastische Hülle dauernd ausübt, so
möchte man vermuthen, dass ein gewisses Maass von Compression die Func-
tion der Nerven begünstigt.
Ich habe es unterlassen, bei der Beschreibung der Nerven überall so Kaliber,
bestimmte Angaben über das Kaliber zu machen, wie dies bei der Beschrei-
bung der Gefässe geschehen ist, weil die Messungen an den Nerven nicht
einmal den Grad der Genauigkeit erreichen können, wie an den Gefässen.
Dem widerstrebt schon die Form der Nerven, die nur selten genau cylin-
drisch, häufig platt, ja bandartig ist, sodann der individuelle Wechsel in der •
Stärke schon der Wurzeln, sodann der Aeste eines Stammes, die sich nicht immer
in gleichem Verhältniss in die der Peripherie zuzuführenden Fasern theilen.
Es kömmt hinzu, dass das fetthaltige Bindegewebe, welches die Nerven um-
giebt und die Bündel von einander sondert, bei verschiedenen Individuen
in verschiedener Mächtigkeit auftritt und dass die Stärke namentlich der
feineren Nerven wesentlich von der Sorgfalt abhängt, mit welcher der Prä-
parant die bindegewebige Umhüllung entfernt. Uebrigens ist das Kaliber
der Nerven, wenn auch in chirurgischer Beziehung von geringerer Wichtig-
keit, als das der Arterien, doch physiologisch nicht ohne Interesse. Es be-
greift sich leicht, warum empfindliche Theile, wie die Finger und Zehen,
mit relativ dicken Tastnerven versehen sind; aber auch bei den Muskelnerven
treffen wir auf Unterschiede der Stärke, welche auf Unterschiede des Be-
darfs an Nervenfasern hinweisen, für die uns die Erklärung fehlt. Schon
die oberflächliche A^^ergleichung der Nerven der Augenmuskeln mit den
Nerven irgend eines der grösseren Muskeln der Extremitäten lässt erkennen,
wie sehr die ersteren bevorziigt sind. Eine genaue Zählung der Fasern zu-
sammengehöriger Muskeln und Nerven, welcheMerkelund Tergast im hie-
sigen Institute unternahmen, ergab, bei Thieren verschiedener Classen, ein
Verhältniss der Nervenfasern zu den Muskelprimitivbündeln für die Augen-
muskeln wie l:2bis6, für die Extremitätenmuskeln wie 1:30 bis 80. Da auf
jedes Muskelbündel schliesslich wenigstens Eine Nervenfaser kommen muss,
so bedeutet diese Differenz so viel wie spärliche Theilung der Nervenfasern
in den Augen-, reichliche Theilung in den Körpermuskeln. Merkel und
Tergast vermuthen, dass es die Feinheit der Muskelwirkung sei, zu der die
Heule, Anatomie. Bd. III. Abthlg. 2. 22
338 Peripherisclies Nervensystem.
Zahl der Primitivnervenfasern in geradem, die Theilungen derselben in
umgekehrtem Verhältnisse stehen.
ixangiien. Die Ganglien, die an den peripherischen Nerven vorkommen, lassen
sich nach ihrer Stellung in drei Gruppen theilen. Man unterscheidet:
1) Die den hinteren Wurzeln aller Eückenmarksnerven eigenen soge-
nannten Spinalganglien ^).
2) Die Ganglien des Grenzstranges 2), die die Er. communicantes der
Spinalnerven aufnehmen und, ausser am Halse, wo eine Anzahl derselben
zu je einem grössere^ Ganglion verbunden ist, der Zahl der Spinalnerven
entsprechen.
3) Die eigentlichen oder peripherischen Ganglien des Sympathicus ^),
an den von dem Grenzstrange ausstrahlenden Aesten und Geflechten.
Von den Ganglien der Hirnnerven lässt sich nur das Eine, in welches
die stärkere Wurzel des N. trigeminus anschwillt, mit Sicherheit in dieses
System einreihen, und zwar gehört dasselbe entschieden der ersten Gruppe
an. Die Ganglien an den Wurzeln der Nn. glossopharyngeus und vagus
stehen den Spinalganglien nahe, wenn es gestattet ist, das Ganglion mit dem
Gehalt an sensibeln Fasern, den diese Wurzeln führen, in Verbindung zu
bringen. Es bestände dann zwischen den beiden genannten Hirn- und den
Rückenmarksnerven der Unterschied, dass in jenen, vom Austritt an, die
motorische Wurzel mit der sensibeln, gangliösen gemischt wäre. In der
That umfasst das Ganglion nicht immer sämmtliche Wurzelbündel. Der
geringen und vielleicht darum zweifelhaften Sensibilität des N. oculomoto-
rius entsprächen die spärlichen Nervenzellen desselben (s. unten), die keine
Auftreibung zu Stande bringen. Die übrigen Hirnnervenganglien sind ver-
schiedener Deutung fähig, wie die specielle Betrachtung derselben ergeben
wird. Nur im Allgemeinen lässt sich eine Beziehung der grossen Mehrzahl
derselben zum sympathischen System dadurch herstellen, dass man mit mehr
oder weniger Evidenz ihren Zusammenhang mit dem Grenzstrange, nament-
lich mit dem Ggl. cervicale supr. nachzuweisen vermag. Dieser Charakter
fehlt den gangliösen Anschwelltingen des N. olfactorius (Bulbus olfactorius)
und des N. acusticus (Habenula ganglionaris und Intumescentia gangliofor-
mis, s. Eingewdl. S. 772). Von den Ganglien der sensibeln unterscheiden
sich diese Ganglien der sensualen Wurzeln durch ihre Textur. Der Bulbus
olfactorius, wie er sich durch die vergleichend anatomische Betrachtung als
ein Theil des Grosshirns darstellt, gleicht auch in seinem Bau am meisten
der Grosshirnrinde. Die Ganglien des N. acusticus enthalten bipolare Ner-
venzellen, während den neueren Untersuchungen zufolge die Nervenzellen
der Spinalganglien der höheren Wirbelthiere zu den unipolaren gehören
(S. 22). Den eigentlich sympathischen Ganglien, sowohl des Grenzstrangs,
als der peripherischen Aeste schreibt man multipolare Nervenzellen zu (S. 24).
^) Gang Ha interverttbralia. Ganglia simplicla Scarpa. Formatio gangliosa prima
Valentin. '^) Grenzganglien. Formatio gangliosa secunda Valentin. ^) Geflecht-
oder Centralknoten. Formatio gangliosa tertia. Scarpa vereinigt die Grenzstrang- und
die peripherisc^hen Ganglien des Sympathicus unter dem Namen Ganglia, composita.
Periplierisclies Nervensystem. 339
Wenn diese Unterschiede durchgreifend sind und wenn man aus den-
selben Schlüsse auf die Bedeutung der Ganglien ableiten wollte, so müsste
man in die Spinalganglien den Ursprung centrifugaler, unwillkürlich moto-
rischer Nerven verlegen. Denn sensible, wie willkührlich motorische müss-
ten sich bis zum Gehirn erstrecken, Reflex vermittelnde, excitomotorische
Nerven dürften nicht vereinzelt in Nervenzellen enden. Dabei bleibt aber
der Einfluss der Zellen der Spinalganglien auf die sämmtlichen Fasern der
Wurzel unerklärt, es bleibt unerklärt, wie diese Zellen, wenn die Wurzel
zwischen Rückenmark und Ganglion durchschnitten worden, die Degene-
ration der von der durchschnittenen Wurzel ausgehenden sensibeln Fasern
hintanhalten können (vgl. S. 22, Note 4).
Neben der Form der Nervenzellen und der Zahl ihrer Fortsätze wurden die
Grössenverhältnisse herangezogen, um ZeUen der Spinal- und sympathischen Gan-
gKen oder, was für gleichwerthig galt, der cerebropjoinalen und sympathischen
Nervenfasern zu unterscheiden. Die Frage, ob eine solche Unterscheidung möglich
sei, musste auftauchen, so wie der Zusammenhang der Nervenzellen mit den Ner-
venfasern festgestellt Avar, und Eo bin, Wagner und Bidder, die diesen Zusammen-
hang gleichzeitig (im Jahre 1847) entdeckten, Avaren auch die Ersten, iijn jene
Frage zu bejahen. Den Gegensätzen des Kalibers entsprechend, nach welchen man
damals die Nervenfasern in animalische (grobe) und sympathische (feine) sortirte
(s. oben S. 2), bezeichnete Robin (l'Institut. Nr. 687. 699) zwei Arten Ganglien-
zellen, grosse und kleine; Wagner tritt ihm nach einigem SchAvanken bei (Hand-
wörterb. Bd. III, Abth. 1, S. 452) und auch Bidder (Zur Lehre von dem Verhält-
niss der Ganglienkörper zu den Nervenfasern. S. 33) sondert die Ganglien-
zellen des Hechtes in zwei Gruppen, von welchen die Einen einen Durchmesser von
0,094 Mm. erreichen, während der Durchmesser der anderen sich nicht über 0,041 Mm.
erhebt, jene hauptsächlich den cerebrospinalen, diese den sympathischen Ganglien
angehören, jene nur in breiten, diese in schmalen Fasern eingebettet sind. Zur
weiteren Charakteristik beider scheint ihm noch dienen zu können, dass der in
den Ganglienzellen zuweilen vorhandene Pigmentfleck entweder ausschliesslich den
grossen Zellen zukommt oder nur in diesen recht deutlich hervortritt. Während
Schröder v. d. Kolk (Anteekeuingen van het verhandelde in de sectie voor na-
, tuur-en geneeskunde van het provinciaal utrechtsch Genootschap. 26. Jun. 1848)
diese Angaben für die höheren Thiere bestätigte, wurden sie von Valentin (Lehrb.
der Physiol. Bd. II, Abth. 2, S. 608) und Kölliker (Mikroskop. Anat. Bd. II,
Abth. 1, S. 524) widerlegt und von Stannius (Gott. Nachr. 1848, Nr. 8) besonders
dagegen geltend gemacht, dass der Durchmesser der ein- und austretenden Paser
bipolarer Zellen sehr verschieden sein könne.
Die peripherischen Nerven sind, geringe Abweichungen abgerechnet, Symmetrie.
symmetrisch, so weit sie sich in symmetrischen Organen verbreiten, und
überschreiten in den vom Cerebrospinal System versorgten Körpertheilen in
der Regel nicht die Medianebene. An den unpaarigen Eingeweiden ver-
einigen und kreuzen sich die Nerven beider Körperseiten, auch die cerebro-
spinalen, in Geflechten; ganz ausnahmsweise kommen Kreuzungen und Ver-
flechtungen in der Mittellinie an den Nerven äusserer Körpertheile vor: an
den Stämmen zwischen den Sehnerven, an den feinen Endästen zwischen
den Nn. nasopalatini, hypogiossi, dorsales penis und clitoridis ^).
■*) Vgl. Wyman, American Journ. of med. sciences 1864, p. 343.
22*
340
N. olfactorius.
A. Gehirn-
nerven.
I. Olfact.
A. Gehirnnerven 1).
I. N. olfactorius.
Der Ursprung dieses Nerven aus der unteren Fläche des Vorderlappens
wurde S. 171 und 286 beschrieben, Ort und Art seiner Endausbreitung sind
ans der Eingeweidelehre bekannt.
Der Strang, der sich von dem Tuber olfactorium löst, um im Sulcus
olfactorius (S. 160) vorwärts zu gehen, weicht in Form und Structur von
allen übrigenjNervenstämmen ab. Die Abweichung der Form ist minder
wesentlich und durch die Lage des Nerven bedingt. Nach der Gestalt der
Furche des Grosshirns, die er auszufüllen bestimmt ist, zeigt er sich drei-
seitig prismatisch mit einer oberen, dem Grunde der Furche entsprechenden,
mehr oder minder scharfen Kante und einer unteren, im Niveau der Ober-
fläche der Randwülste gelegenen planen oder schwach rinnenartig vertieften
Fläche. Die Seitenflächen sind plan oder ebenfalls leicht concav, die seit-
lichen Kanten meist abgerundet. Andere Varietäten der Form beruhen
darauf, dass der Kandwulst in die obere Kante des Nerven bald sanft ge-
neigt, bald steil abfallend übergeht, dass der verticale Durchmesser weit
hinaus den transversalen übertriff"t oder ihm bald gleichkommt. Der Quer-
schnitt entspricht demnach in dem hinteren Theil des Nerven einem spitz-
Fig. 225. Fig. 226.
Frontalschnitt des N. olfactorius am
Ursprung.
Gegen das vordere Ende des N.
Frontalschn. zwischen Ursprung und
Bulbus olfactorius.
winkelig gleichseitigen, weiter vorn
früher oder später einem gleichsei-
tigen Dreieck, von 1,5 bis 2 Mm.
Seitenlänge; der verticale Durch-
messer kann am Ursprung über 4
Mm. betragen (Fig. 225 u. 226).
Sind die Flächen merklich ausge-
höhlt, so nähert der Querschnitt
sich der Kleeblattform,
olfactorius verliert sich die obere
Kante; der Nerv wird platt und schwillt zuletzt auf dem vorderen Theil
^) Kopfnerven.
N. olfactoriiis. ' 341
derLamina cribrosa desSiebbeins zu einem langgestreckt elliptiscben, in verti-
caler Kichtung abgeplatteten Körper, dem Bulbus olfadorius,'Rie cbko Ib e n i),
an, der den Stamm des Nerven nach allen Seiten überragt. Er ist 8 bis 9 Mm.
lang und etwa halb so breit, an der vorderen Spitze abgerundet, an der
oberen Fläche plan oder concav, an der unteren gewölbt. Aus der unteren
Fläche und aus der Spitze entspringen, vor- und rückwärts divergirend,
12 bis 15 feine Zweige, Füa olfadoria^) (Fig. 227, 228**), welche von
Scheiden der fibrösen Haut umschlossen, durch die Löcher der Lamina
cribrosa in die Nasenhöhle hinabsteigen und sich hier sogleich in zwei
Reihen, für die Seiten und Scheiflewand der Nase, ordnen. Zwischen dem
Periost und der Schleimhaut, in seichten Rinnen des ersteren, setzen sie
ihren Weg abwärts fort und zerfallen büschelförmig in ihre Endzweige,
die aber erst im unteren Drittel der Regio olfactoria (s. Geruchsorgan)
gegen die Oberfläche der Schleimhaut vorzudringen beginnen (Seeberg).
Was bezüglich der Structur den N. olfactorius vor anderen Nerven-
Fiff. 227.
i-h
12
1
Sagittalschnitt des N. olfactorius am Uebergang in den Bulbus.
stammen auszeichnet, ist der Gehalt an grauer Substanz. Er zeugt für die
Analogie des N. olfactorius des Menschen und Affen mit dem Lobus olfac-
torius der niederen Wirbelthiere und dürfte uns bestimmen, das betreffende
Organ aus der Reihe der Nerven zu streichen und (mit Gratio le t) als einen
Bestandtheil des Centralorgans aufzuführen, hätte man nicht auch der Ver-
wandtschaft zwischen den Stämmen des N. olfactorius und des N. opticus
Rechnung zu tragen, die sich aus der Aehnlichkeit des Baues des Bulbus
olfactorius mit der nervösen Schichte der Retina ergiebt.
Graue und weisse Substanz sind an dem N, olfactorius in der Art ver-
theilt, dass die weisse, welche aus der Vereinigung der lateralen und me-
dialen Wurzeln entsteht, regelmässig eine zusammenhängende, 0,25 bis 0,5 Mm.
mächtige Schichte an der unteren Fläche des Nerven bildet, während die
■') Bulbus cinereus. ^) Processus bulbi olfactorii.
342
IN. olfactorius.
graue Substanz die obere Hälfte desselben einnimmt und als eine sehr
dünne ßinde die untere und Seitenfläche der weissen bedeckt. Das Innere
der grauen Substanz durchziehen wesentlich longitudinale, doch auch unter
spitzem Winkel gekreuzte Faserbündel von verschiedener Stärke (Fig. 227),
Fortsetzungen der oberen Wurzel, bald ziemlich gleichmässig vertheilt, bald
mehr im Zusammenhang mit der unteren weissen Schichte. Weiter vorn
greift diese in einer aufwärts sich verdünnenden Lage immer weiter auf die
Seitenflächen des Nerven über, und früher oder später schliesst sich der
weisse Ueberzug zum vollständigen Rohr, das aber immer am unteren Um-
fange mächtiger bleibt, als am oberen.
Die graue Substanz des N. olfactorius enthält anfangs in Lücken fein-
körniger Masse neben Körnern noch Kerne und kleine Zellen der früher
beschriebenen, unvollkommen entwickelten Art ; weiterhin kommen nur noch
ganz vereinzelt spindelförmige Zellen vor ; die Körner häufen sich beson-
ders in der Axe des Nerven und sind mitunter so dicht gedrängt, wie in
der Körnerschichte des Kleinhirns.
Beim Uebergang in den Bxilbus dehnt sich der Nerv zunächst in
die Breite aus, so dass an Frontalschnitten des ersteren die Querschnitte
der dunkelrandigen Nervenfaserbündel in einer in die Quere gezogenen
Ellipse angeordnet sind; in der Schichte feinkörniger Substanz, die sie umgeben,
sind die Körner spärlicher, als sie es in der Axe des Nerven waren (Fig. 228).
Fig. 228.
Frontalschnitt des Seitenrandes des Bulb. olfactorius. Die Mächtigkeit sämmtlicher
Schichten etwas reducirt.
N. olfactorius. 343
Ein Längssclmitt durch den Nervus und Bulbus olfactorius belehrt vms aber,
dass von den an der unteren Fläche des Nerven gelegenen Fasern nur ein
Theil in gerader Eichtung vorwärts geht: die untersten folgen der Wöl-
bung der unteren Fläche des Bulbus und in dem "Winkel zwischen beiden
divergirenden Faserschichten liegt der hintere Rand einer eigenthümlichen,
rasch an Mächtigkeit zunehmenden, Substanzlage, welche hauptsächlich die
Volumenzunahme des Bulbus veranlasst (Fig. 227). Es ist abermals fein-
körnige Masse mit zahlreichen und verhältnissmässig grossen, 0,01 Mm.
messenden Körnern, die sich alsbald in mehrere Schichten theilt.
An einem Frontalschnitt des Bulbus (Fig. 22 8) lassen sich in der Reihenfolge
von oben nach imten folgende Schichten unterscheiden: 1) eine Lage quer
durchschnittener Bündel sehr feiner dunkelrandiger Nervenfasern; 2) eine Lage
granulirter Substanz mit spärlichen Körnern; 8) eine zweite Lage dunkel-
randiger Nervenfaserquexschnitte, deren Mächtigkeit meist geringer ist, als
die der oberen Nervenfaserschichte und von hinten nach vorn allmälig ab-
nimmt. Biese drei Lagen entsprechen der bereits erwähnten Fortsetzung
des N. olfactorius. 4) Eine granulirte Lage, reich an grösseren Körnern,
welche einzeln oder in kleinen Häufchen, am häufigsten in langen, der Ober-
fläche parallelen Reihen vielfach übereinander liegen. Da der Sagittal-
schnitt des Bulbus dasselbe Bild giebt, so ist anzunehmen, dass es flächen-
haft ausgebreitete Gruppen der Körner sind, welche die feinkörnige Sub-
stanz durchsetzen. 5) Eine hellere, besonders durchscheinende und gefäss-
reiche Lage granulirter Substanz, in welcher neben vereinzelten Körnern
ebenfalls vereinzelte stern- und spindelförmige, in Fortsätze ausgezogene
Nervenzellen der kleinsten Art vorkommen. Diese Lage scheint besonders
weich zu sein, da sie oft grössere und kleinere Lücken darbietet, oft auch
in der ganzen Breite des Bulbus sich von den nächsten Schichten trennt i).
6) Eine gleich der vierten körnerhaltige Lage, in welcher aber die Körner
minder regelmässig angeordnet und reichlich untermischt sind mit kleinen,
denen der fünften Schichte ähnlichen Nervenzellen. Die letztgenannten
drei Schichten (4 bis 6) gehen aus der Körnerlage hervor, die sich am hin-
teren Rande des Bulbus olfactorius in die an der hinteren Fläche des Ner-
ven verlaufenden Faserlagen einschiebt.
Die siebente und unterste Schichte des Bulb. olfact. ist wieder eine
Nervenfaserschichte, aus welcher die Fasern der in die Forr. cribrosa ein-
tretenden Zweige unmittelbar hervorgehen. Sie unterscheiden sich von den
im oberen Theil des Bulbus enthaltenen Fasern durch den Mangel des
Marks und durch die länglichen Kerne, mit welchen sie bedeckt sind, mit
Einem Worte durch die den gelatinösen (organischen) Fasern eigenthüm-
1) Seebei-g (Disquisitiones microscopicae de textura membranae pituitariae nasi. Dor-
pat 1854, p. 54) und Erichsen (De textura nervi olfactorii ejusque ramorum. Ebendas.
1857, S. 25) beschrieben jener eine doppelte, dieser eine einfache Querspalte des Bulbus
und hielten sie für eine normale, der Höhle des Lobus olfactorius der Thiere analoge Bil-
dung. Dass sie es nicht ist, lehrt die Untersuchung möglichst frischer und sorgfältig ge-
härteter Präparate. Auch beweist der Habitus solcher Spalten, die Unebenheit der Be-
grenzung, die aus den Eändern hervorragenden oder die Spalte durchziehenden Capillar-
gefässe, dass der Kiss künstlich und zufällig ist.
344 N. olfactorius.
liehen Charaktere (S. 8). Sie unterscheiden sich von jenen dunkelrandigen
Fasern ferner durch den Verlauf. Denn während jene gerade und fast pa-
rallel nebeneinander hinziehen, sind diese häufig gebogen und bündelweise
in mannichfaltigen Richtungen durcheinander geflochten, so dass Durch-
schnitte des Bulbus in jeder Richtung Längs- und Querschnitte der Faser-
bündel nebeneinander zeigen. Die in der Ebene des Schnitts verlaufenden
Bündel umkreisen mit ihren Krümmungen einestheils die quer durchschnit-
tenen Bündel (f), anderentheils kugelige Klümpchen von etwa 0,1 Mm.
Durchmesser der feinkörnigen, mit Körnern durchsäeten Substanz (ff) ^).
Die Mehrzahl der gelatinösen Nervenbündel zieht aus der nächst höheren
(Körner- und Zellen-) Schichte vorwärts absteigend gegen die untere Fläche
des Bulbus und läuft eine Strecke weit dieser entlang, bevor sie sich zu
den austretenden Zweigen neu ordnen. Die untersten gelatinösen Fasern
liegen in der Flucht der unteren, aus dem Nerven in den Bulbus über-
gehenden dunkelrandigen Fasern, doch ist es mir nicht gelungen, die Einen
in die anderen sich fortsetzen zu sehen. Von den aus der unteren Körner-
schichte absteigenden Fasern ist zu vermuthen, dass sie aus den kleinen
multipolaren Nervenzellen dieser Schichte entspringen, welche nach der
anderen Seite mit den dunkelrandigen Fasern der dritten Schichte des Bul-
bus in Verbindung stehen mögen, und so sind auch vielleicht zwischen den
dunkelrandigen und gelatinösen Fasern an der unteren Fläche des Bulbus
Nervenzellen eingeschaltet.
In der Nähe der Spitze des Bulbus gehen die beiden Körnerschichten,
die dritte und sechste, in einem der Spitze concentrischen Bogen in ein-
ander über. Die obere dunkelrandige Nervenfaserschichte (die zweite hat
sich bereits früher zerstreut) biegt vor diesem Bogen abwärts um und ver-
liert sich in einem reichen, zierlichen Geflechte gelatinöser Fasern, welches
die Spitze des Bulbus einnimmt.
Meynert zählt am Querschnitt des Bulhus olfactorius acht Schichten, die ich
nur theilweise mit den von mir wahrgenommenen zu identificiren im Stande bin.
Seine erste, von unten gerechnet, die TJrsprungsschichte der Riechnerven, entspricht
meiner gelatinösen Nervenfaserschichte; eine zweite, vierte und sechste Schichte
unterscheidet er als äussere, mittlere und innere Körnerformation, bestehend aus
uuregelmässigeu, kleinen, multipolaren Zellen; der dritten und fünften, Clark e's
äusserer und innerer gelatinösen Schichte, schreibt er grössere, wahrscheinlich
pyramidale Eindenzellen zu. Mit Rücksicht auf seine Abbildung (Taf. IV, Pig. 10)
müsste ich seine zweite bis vierte Schichte mit meiner unteren Körnerschichte
(6), seine fünfte Schichte mit meiner durchscheinenden Schichte (5) zusammen-
stellen. Er glaubt, die Päden der Olfactorius-Knäuel bis zur mittleren Köruerfor-
mation verfolgt zu haben. Meynert's siebente Schichte besteht aus dem Marke
des Riechlappens ; dem Texte zufolge hätte ich sie also auf meine erste bis dritte
Schichte zu beziehen; die Abbildung derselben eiinnert an meine vierte, die obere
Körnerschichte mit den reihenweise geordneten Körnern. Von der achten Schichte
giebt Meynert an, dass sie vorwaltend spindelförmige Nervenkörper enthalte und
sich nicht in allen Schnitten finde.
••) Meynert (Der Bau der Grosshii-nrinde. S. 47) hat die Durchschnitte dieser
Klümpchen und die ki-eisförmigen Querschnitte der Nervenfaserbündel nicht unterschieden
und ist dadurch zu der Annahme von Ursprungsganglien der Olfactorinsfasern gelangt,
welche sich i\U Aufknäuelungen der letzteren darstellen sollten.
N. opticus. 345
IL N. opticus.
Naclidem der Ursprung und Verlauf des Tractus opt. und die Lage ii. Opticus.
und Form des CMasma mit der Anatomie des Grosshirns, der N. opticus
und dessen Ausbreitung mit der Anatomie des Auges abgehandelt worden,
bleibt noch die Textur des Chiasma, d. b. der Verlauf der Nervenfasern in
demselben zu erörtern.
Die äusserste Schiebte bildet die ebenfalls schon erwähnte Commissura
ansata (S. 250) (Fig. 229, 1), Fasern, welche von der Lamina terminalis ci-
nerea herabsteigen und oberflächlich über die vordere und untere Fläche
des Chiasma verlaufen, um zuletzt sich rückwärts zu wenden und am Tuber
cinereum zu verlieren. Es folgt sodann eine Faserlage (2), welche den vier
ausgerundeten Winkeln des Chiasma, den beiden seitlichen und dem vor-
deren und hinteren entlang von dem Tractus auf den Nerven und von dem
Nerven der Einen auf den der anderen Seite übergeht. Ihre Mächtigkeit
Fig. 229.
1
15
1
Flächenschnitt durch den vorderen Rand des Chiasma.
ist am bedeutendsten am vorderen und hinteren Eande, schwächer an dem
Seitenrande des Chiasma. An" dem letzteren beträgt sie etwa 0,06 Mm.;
die oberflächliche Faserschichte ^) erstreckt sich auf die obere und untere
) Fasciculus dexler und sinister Hannover.
346 N. opticus.
Fläche des Nerven, jedocla nicht bis zur Mittellinie und ihre Fasern drehen
sich, indem sie vorwärts ziehen, zugleich in einer steilen Spirale von der
oberen Fläche des Nerven um den medialen Eand desselben auf dessen un-
tere Fläche. Am hinteren Rande des Chiasma, der den Boden des dritten
Fig. 230 a. .
Faserkreuzung im Chiasma. Brönnerpräparat.
Fig. 230b. Fig. 231.
Verticaldurctschnitt des Chiasma und
N. opticus, nach der durch Fig. 230 b
geführten Linie. Co Chiasma opt. Tc
Tuber ein. II' Tract. opt.
Detail zu Fig. 230.
Faserkreuzung im Chiasma. Brönnerpräparat.
Ventrikels bilden hilft und in die Höhle desselben mehr oder minder zuge-
schärft vorspringt (Fig. 35), schliessen sich unmittelbar an die hintersten
der bogenförmigen Fasern, die den hinteren Winkel des Chiasma ausrunden i),
^) Fihrae arcuaiae cerebrales Arnold. Commissura arcuata post. Hannover.
I
N. opticus. 347
Fasern einer wahren queren Hirncommissur an, die den unteren Tlieil
der Segmente beider Seiten mit einander verbinden und äusserlicb von der
grauen Masse des Tuber cinereum bedeckt werden. Die vorwärts concaven
Faserzüge, die im vorderen Winkel des Cbiasma von Einem N. opticus auf
den anderen umbiegen ^), machen in der Medianlinie eine von oben nach
unten allmälig an Mächtigkeit (von 0,3 bis 1,5 Mm.) zunehmende Schichte
aus, dringen aber an dem Nerven alsbald von der medialen Fläche in das
Innere desselben (Hannover, Sahmen^), Der Kern und wesentliche Theil
des Chiasma, den die bisher aufgezählten Fasern von allen Seiten umhüllen,
besteht aus platten, gekreuzten Faserzügen (Fig. 229, 3) ^), mittelst deren die
linke "Wurzel sich in den rechten Nervenstamm und umgekehrt fortsetzt. Ein
diesen Kreuzungsfasern paralleler, verticaler Durchschnitt des Chiasma
(Fig. 230, 231) zeigt vor und hinter dem Chiasma nur longitudinale
Fasern, im Chiasma selbst aber alternirende Lagen von Längs- und Quer-
schnitten, deren Mächtigkeit sich zwischen 0,01 und 0,03 Mm. hält. Einige
Millimeter vor dem Chiasma macht sich der Faserverlauf auch äusserlich
durch die Abtheilung des Nerven in Bündel bemerkbar.
Zu einer Zeit, wo man niclit erwarten konnte, dass sich der Verlauf der ein-
zehien Nervenfibrillen jemals anatomiscli constatiren lassen werde, hatte Joh.
Müller, um zu erklären, wie das Einfachselien mittelst der identischen Stellen beider
Augen zu Stande komme, die Hypothese aufgestellt, es theüe sich im Chiasma
jede Wurzelfaser der Tractus optici gabhg und ende mit ihren Theilungsästen in
den einander entsprechenden Punkten der beiden Netzhäute (Zur vergleichenden
Physiol. d. Gesichtssinns. Lpz. 1826, S. 94). Später haben Treviranus (Beitr. zur
Aufklärung der Erscheinungen und Gesetze des organ. Lebens. Bremen 1835, II,
61), Volkmann (Neue Beitr. zur Physiologie des Gesichtssinns. Lpz. 1836, II, 10)
und J. Müller selbst (Archiv 1837, S. XV) anerkannt, dass dieser Voraussetzung
die Thatsachen nicht entsprechen. Die Fasern durchsetzen das Chiasma unge-
theilt und die Verschmelzung der beiderseitigen Eindrücke zu einem einzigen, wenn
sie organisch begründet und nicht durch Gewöhnung erworben ist, könnte nur
durch eine Einrichtung im Centralorgan vermittelt sein. Eine solche Einrichtung,
wenigstens eine Vereinigung der Nerven der correspondirenden, d. h. jeder rechten
und linken Hälften beider Augen im Centralorgan wird durch die Symptome von
Hemiplegie wahrscheinlich gemacht , welche gewöhnlich die Hemiopie begleiten
(v. Graefe, Archiv für Ophthalmol. Bd. II, Abth. 2, S. 286). Bei Lähmung nicht
identischer, also symmetrischer Netzhaatstellen wäre nach v. Graefe ein Leiden
an der Basis des Gehirns zu vermuthen, und E. Müller*) theilt einen Fall mit,
wo die Section als Ursache einer Erblindung der medialen Hälften beider Netz-
häute eine das Chiasma drückende Geschwulst nachwies.
Indess fügt sich auch dieser Vorstellung der wirkliche Faserverlauf im Chiasma
nicht ganz. Denn die Zahl der äusseren, direct aus dem Tractus in den Nerven
Einer Seite übergehenden Fasern scheint im Vergleich zu den kreuzenden zu ge-
ring, um eine Hälfte der Eetina zu versorgen. Die Bedeutung der vorderen bogen-
förmigen Fasern bleibt ganz räthselhaft; man kann sie vorläufig nur als Commis-
surenfasei-n der Nervenzellen der beiden Netzhäute betrachten.
Dass an der Zusammensetzung Eines N. opticus die Tractus beider Seiten sich
betheiligen, wird auch durch die Folgen der Atrophie Eines Bulbus und des zu-
gehörigen Nerven erwiesen. "Wenn die Degeneration sich über das Chiasma hin-
^) Fibrae arcuatae orbitales Arnold. Commissura arcuata ant. Hannover. ^) Dis-
quisitiones microscopicae de chiasmatis optici textura. Dorpat 1854, p. 15. ^) Commis-
sura cruciata Hannover. *) Meissner's Jahresbericht 1861, S. 458.
348 N. oculomotorius.
aus zum Gehirn fortpflanzt, was nicht immer der Fall ist, so ergreift sie die
Wurzel hald der nämlichen, bald der anderen Seite, am häufigsten jedoch in ver-
schiedenem Grade beide Wurzeln (vgl. Weber-Hildebrandt, III, 473. Longet,a. a.
O. II, 67. Biesiadecki, Ueber das Chiasma nervorum opticorum des Menschen tmd
der Thiere. Im 42. Bande der Wiener Sitzungsberichte, S. 86). Alle Beziehun-
gen des Chiasma zur Physiologie des Auges werden aber in Trage gestellt durch
eine allerdings seltene, aber doch hinreichend bezeugte Varietät, den gesonderten
ungekreuzten Verlauf eines jeden N. opticus zu seinem Bulbus. Sie wurde zuerst
beschrieben von Vesal (De humani corp. fabrica. Lib. IV, cap. 4); Valverdus
(Anat. c. h. a M. Columbo latine reddita. Lib. VII, cap. 3) spricht von einer
Theilung beider Nerven, die ihm einige Male begegnet sei: „in nonnuUis divisio-
nem inter utrumque nervum observavi." Lösel (Scrutinium renum. Eegiomonti
1642, p. 59) führt unter anderen, an einem Erhängten beobachteten Anomalien
auf: „Nn. optici, quos natura ante insertionem constituto chiasmate plerumque de-
cussat, vel rectius sociat, nuUibi erant uniti, sed prorsus disjuncti." Pabricius ab
Aquapendente (De oculo, Visus organo. P. III, cap. 11. Opera, Lips. 1867, p. 239)
sagt von den Sehnerven: „cum aliquando separati, non vincti reperti sint," wobei
es zweifelhaft bleibt, ob er sich auf eigene Beobachtungen bezieht. Endlich findet
sich bei Caldani (Opusc. anatomica. Patavii 1803, p. 40) die folgende handschrift-
liche Notiz aus einem Exemplar der Commentarii des Bereu g'arius Carpensis: De
anno 1520 Paduae fecimus'anatomiam, quam legit D. Nicola usdeJanua, ubi vidi-
mus omnes, qui ibi aderant, et praecipue doctores sacratissimi CoUegii Patavini,
inter quos egoLudovicusPasinus, vidimus, inquam, nervös opticos notabiliter se-
paratos, ut dexter tendebat ad oculum dextrum, sinister vero ad sinistrum, unde
quod vidimus testamur, nee veritas habet angulos."
Vesal hatte das Individuum, welches die merkwürdige Anomalie darbot, per-
sönlich gekannt und sich versichert, dass eine Störung des Sehvermögens, nament-
lich Doppeltsehen, im Leben nicht bestanden hatte.
III. N. oculomotorius.
III. Oculo- Bewegungsnerv der animalisclien Muskeln der Augenhöhle mit Aus-
nahme der Mm. rectus ext. und obliquus sup., Bewegungsnerv (durch Ver-
mittlung des Ggl. ciliare) des M. sphincter iridis und wahrscheinlich auch
der glatten Muskelfasern, welche die Accommodation des Auges für die Nähe
bewirken, des M. ciliaris. v. Traut vettert) sah aufEeizung des N. oculo-
motorius in der Schädelhöhle das Reflexbild von der Vorderfläche der Linse
sich in derselben Weise verändern, wie bei der Accommodation; doch gelang
, der Versuch nur bei Tauben und Hühnern, nicht bei Säugethieren, und dass
der Mensch sich ähnlich verhalten werde, wie die Vögel, ist nur eine Ver-
muthung des Experimentators.
Dass der N. oculomotorius vom Ursprünge an sensible Fasern führt,
wird, nach Versuchen an Thieren, von Valentin 2) und Adamük^) be-
hauptet, von L 0 n g e t *) und Arnold^) bestritten.
Im Stamme des Oculomotorius sind etwa 15,000 Nervenfasern ent-
halten (Rosenthal); die grosse Mehrzahl derselben gehört zu den starken
(0,02 bis 0,025 Mm. Durchm.), feinere Fasern (von 0,0025 bis 0,0075 Mm.
Durchm.) kommen in Gruppen an der Peripherie des Nerven, selten im In-
^) Archiv für Ophthalmologie Bd. XII, Abth. 1, S. 95. ^) De functionibus nervo-
rum cerebralium et nervi sympathici. Bern 1839, p. 17. ^) Neerlandsch Archief voor
Genees - en Natuurkunde. V, 424. ^) Anat. et physiologie du Systeme nerveux. Paris
1842, II, 381. 5) Anatomie S. 915.
N. oculomotorius. 349
neren und ebenso selten einzeln vor. Sehr vereinzelt wurden Nervenzellen,
kugelige und ästige, von etwa 0,03 Mm. Durchmesser, zwischen den Fasern
gefunden ^).
Der N. oculomotorius nimmt seinen Ursprung aus dem Oculomotorius-
kern (Fig. 115); den Ursprung der die Pupille versorgenden Nerven kann
man durch Reizversuche noch weiter rückwärts ins Gehirn verfolgen (Ada-
mük). Der Stamm tritt an der medialen Fläche der Grosshirnschenkel aus
(Fig. 111), verläuft zwischen den Aa. cerebelli sup. und cerebri post, (Ge-
fässl. Fig. 71) lateral -vorwärts zum Seitenrande des Proc, clinoid. post., dann
unter der fibrösen Hirnhaut (Fig. 219) "zur Fissura orbit. .sup. und durch
diese zur Orbita.
In der Fissura orbit. sup. nimmt der Oculomotorius die mediale Ecke
zunächst über der V. ophthalmica sup. ein; der N. trochlearis befindet sich
lateralwärts neben ihm, der erste Ast des N. trigeminus, welcher platt und
mit sagittal gestellten Flächen an der lateralen Fläche der Carotis zur Fis-
sura orbit. sup. zieht, berührt mit dem oberen Rande den lateralen Rand
des N. trochlearis und der N. abducens liegt unter den beiden genannten
Nerven, in einer von der sagittalen noch etwas mehr seitwärts abweichen-
den Richtung. Beim Eintritt in die Orbita erhält der N. oculomotorius
seine Lage unter dem Trochlearis und dem ersten Aste des Trigeminus;
der erstere wendet sich in sehr flachem Bogen, der andere gerade über ihn
medianwärts, indess der Oculomotorius seinen Lauf in der ursprünglichen
Richtung fortsetzt.
Die Anastomosen, die dem N. oculomotorius während seines Verlaufs längs
dem Sinus cavernosus zugeschrieben werden, sind folgende :
«) Mit dem ersten Aste des N. trigeminus, von dem er einen oder ein Paar
feine Zweige erhalten soll,
ß) mit dem N. abducens,
y) mit dem Plexus car oticus.
In der Orbita zerfällt der N. oculomotorius in zwei Aeste, deren Tren-
nung sich schon ausserhalb derselben vorbereitet, einen oberen, dünneren,
und einen unteren stärkeren Ast (Fig. 232). Der obere Ast versorgt die
Mm. levator palpebrae und rect. oculi sup., der untere theilt sich in drei
Zweige für die Mm. rect. oculi medialis, rect. oculi inf. und obliquus oculi
inf. und sendet von dem letztgenannten Zweige, sogleich nach dessen Ur-
sprung, die einfache oder in mehrere Fäden getheilte kurze Wurzel des
Ggl. ciliare ab. Der obere Ast tritt in der Regel vom medialen Rande her
zwischen die beiden Muskeln, an die er sich verbreitet und schickt den-
selben alternirend eine Anzahl feiner Fäden zu; zuweilen erreicht er den
M. levator palpebrae durch eine Spalte des M. rectus oculi^ sup.
Die drei Zweige des unteren Astes gehen meistens unmittelbar aus
^) Rosenthal (De numero atque mensura microscopica fibrillarum elementarium. Wra-
tisl. 1845) hatte dem N. oculomotorius nur starke Fasern zugeschrieben; dies berichtigten
Bidder und Volkmann (Die Selbständigkeit des sympath. Nervensystems. Lpz. 1842, S. 23)
und Reis sner (Archiv für Anat. 1861, S. 721). Die Nervenzellen im Stamme des N. ocu-
lomotorius wurden von Rosenthal entdeckt, von Bidder und Volk m ann geleugnet,von R e iss-
ner bestätigt. Rüdinger (Die Anat. der menschl. Gehirnnerven, S. 12) vermuthet, dass sie
den dem Oculomotorius beigemischten sympathischen Fasei'n angehören.
350
N. oculomotorius.
demselben hervor; seltener entspringen die Nerven der Mm. rect. und obliq.
inff. aus einem gemeinschaftliclien Stämmchen; ebenso selten bildet die
kurze Wurzel des Ggl, ciliare einen besonderen Zweig. Die Nerven der
beiden geraden Muskeln senken sich dicht vor dem Ursprung dieser Mus-
keln in die der Axe der Augenhöhle zugewandte Fläche derselben mit rasch
Fig. 232.
Linke Orbita, von der lateralen Seite geöffnet. Verzweigung der Nn. oculomotorius und
abducens. M. rectus lateralis [Rl) am Bulbus abgeschnitten und abwärts gezogen. Ol
M. obliq. inf. Rm, Rs, Ri, M. rect. oculi medialis, sup. und inf. Lp M. Levator
palpebr. Gcb kurze Wurzel des Ggl. ciliare.
divergirenden Aesten ein; der Nerv des schrägen Muskels, der am meisten
seitwärts gelegene der drei Zweige, zieht am Boden der Orbita vorwärts
und trifft auf den hinteren Rand seines Muskels ungefähr in der Mitte der
Länge desselben tmter fast rechtem Winkel. Während seines Verlaufs am
lateralen Rande des M. rectus oc. inf. giebt er regelmässig diesem' Muskel
einige median-vorwärts verlaufende Aestchen.
Var. Der Stamm des N. oculomotorius wird von der A. profunda cerebri
durchbohrt. Sommer ring.
Unter der fibrösen Hirnhaut sah Cruveilhier zwei Fäden aus dem Oculomo-
torius hervorgehen, die sich vereinigten und zwei feinen Nerven den Ursprung
gaben, dem Einen zum ersten Ast des Trigeminus, dem anderen, der mit dem drit-
ten (?) Aste des Trigeminus den Schädel verliess, um sich am Ursprünge des N.
vidianus mit dem Ggl. nasale zu vereinigen. Einen Verbindungszweig zwischen
dem oberen Aste des N. ocixlomotorius und dem N. nasociliaris des ersten Astes
des Trigeminus stellen dar S ö m m e r r i n g (Abbildungen des menschl. Auges. Taf. III,
Fig. 6n). der ihn für normal hält, imd Svitzer (a. a. O. Taf. II, Fig. 5. 6).
N. troclilearis. 351
Ein überzähliger Zweig zum M. rect. lat. kommt vom oberen Aste des Ocu-
lomotorius (Fäsebeck, Müll. Arch. 1842, S. 474) oder vom unteren (Cruv.). In
einem von Generali berichteten Falle (Omodei annali CIV, 67) ersetzte ein Zweig
des unteren Astes des Oculomotorius den fehlenden Abducens einseitig.
Der Zweig zum M. obliq. inf. geht ganz durch den unteren Theil des G-gl.
ciliare (Arnold, Der Kopftheil des vegetativen Nei'vensystems. Heidelb. u. Leipzig
1831, S. 93). An einem Präparat unserer Sammlung durchbohrt er den M. rectus
oculi inf. Der Zweig zum. M. rect. inf. wird aus zwei "Wurzeln, von den Zweigen
des Eect. int. und Obliq. inf. zusammengesetzt (Cruveilhier).
Wegen der die Wurzel des Ggl. ciliare betreffenden Anomalien verweise ich
auf die Beschreibung dieses Ganglion.
IV. N. trochlearis.
Bewegungsnerv des M. obliquus oculi sup., enthält vorwiegend starke iv. Troch-
Fasern (bis 0,024 Mm. Durchmesser) ; feine Fasern (von 0,003 bis 0,004 Mm.
Durchmesser an) treten vereinzelt oder zu zweien, und nur an vier bis fünf
Stellen in Gruppen von sechs bis zehn Fasern auf (Reissner).
Entspringt mit einer vorderen Wurzel aus dem Trochleariskern, mit
einer hinteren wahrscheinlich aus dem Trigeminuskern seiner und der ent-
gegengesetzten Seite (S. 239); gelangt, den Grosshirnschenkel umkreisend,
an die untere Fläche des Gehirns (S. 173), dann durch eine Spalte der vor-
deren Spitze des Ten torium unter die fibröse Hirnhaut (S. 311), endlich über
dem Sinus cavernosus zur Fissura orbit. sup. (Fig. 219). Während seines
intraperiostalen Verlaufs liegt der N. trochlearis erst unter, dann seitwärts
neben und zuletzt über dem N, oculomotorius; in der Orbita verläuft er
unmittelbar unter dem Periost zum M. obliquus oculi sup., in dessen obere
Fläche, nicht weit vom Ursprung des Muskels, er sich einsenkt.
Die Verbindungen, die der IST. trochlearis vor oder bei dem Eintritt in die ■
Orbita mit dem ersten Aste des Trigeminus eingehen soll, kommen bei der Beschrei-
bung dieses Nerven, die Verbindungen mit dem Plexus carot. bei der Beschrei-
bung des Sympathicus zur Sprache.
Bidder will gesehen haben, wie ein feines Bündel grauröthlicher Nervenmasse
sich auf dem N. trochlearis gegen den M. obliq. oculi sup. fortsetzte.
Var. Der Nerv tritt in zwei oder mehr Bündel getheilt aus dem Gehirn
hervor .
Ein Aestchen vom N. trochlearis zum R. infratrochlearis des ersten Astes des
Trigeminus erwähnt Murray (Sciagraphica nervorum capitis descriptio. Upsalae
1793, p. 12), zum E,. supratrochlearis Arnold (Icon. nerv. cap. Tab. III) und Jäger
(Die Varietäten der Oculomotoriusgruppe etc. Inaug. -Diss. Giessen 1864, S. 11),
zum N. nasociliaris Curie (Moniteur des höpitaux 1858, p. 670).
V. K trigeminus.
Der N. trigeminus zeichnet sich vor den übrigen Hirnnerven durch v. Trigem.
den gesonderten Ursprung zweier functionell verschiedener Wurzeln aus.
Wegen der Austrittsstelle dieser Wurzeln am Brückenschenkel verweise ich
auf S. 174, wegen des Verhältnisses zu ihrem Kern auf S. ^21. Von dem .
unter der fibrösen Hirnhaut verlaufenden Theile des Nerven war ebenfalls
352 N. trigeminus.
bereits die Eede (S. 310). Bedeckt von derselben tritt die breitere Wurzel
in das Ggl. semilunare i) ein, einen platten, halbmondförmig gekrümmten
Streifen gangliöser Substanz, dessen convexer Rand sieb von der Gegend
der vorderen Mündung des Can. caroticus bis unter die hintere Spitze des
Proc. clinoid. ant. erstreckt. Die Wurzel nimmt gegen das Ganglion an
Breite zu, indem die anfangs parallelen Faserbündel divergiren und sich
zugleich durch zahlreiche Anastomosen zu einem engmaschigen Plexus ^)
verbinden. Das Ganglion selbst erhebt sich kaum über das Niveau dieses
Plexus und ragt an den Seiten mit seinen abgerundeten Rändern nur
wenig über denselben hinaus. Es misst von Einem Seitenrande zum an-
deren 14bis22Mm. und vom concaven zum convexen Rande 4 Mm. Seine
obere Fläche ist fest mit der fibrösen Hirnhaut verwachsen, die untere da-
gegen nur locker an die dünne, glatte Membran angeheftet, welche die Ca-
rotis bedeckt und den' Sinus cavernosus abgrenzt.
Häufig finden sich auf der olDeren und unteren Fläche des Plexus vor dem
Ganglion seminulare kleine Ganglien, welche feine Fäden in strahUger Eichtung
vor- und rückwärts zu den Bündeln der Nervenwurzeln und in das Ggl. semilunare
aussenden (Niemeyer, De origine paris quinti. Halae 1812, p. 75. Nuhn, Unters,
imd Beobachtungen a. d. Gebiete der Anatomie etc. Heft 1, S. 14. Taf. VII,
Fig. Ibis 5. Luschka, Die Nerven der harten Hirnhaut. Tübingen 1850. Taf. II.
Bochdalek, Prager Vierteljahr sschr. 1850. Bd. III, lit. Anz. S. 6).
Aus dem convexen Rande des Ggl. semilunare gehen die drei Haupt-
äste hervor, der erste, N. opMhalmictis, und dritte, JV. inframaxillaris, fast
recktwinklig divergirend, jener "gerade vorwärts zur Fissura orbitalis sup.,
dieser ab- und seitwärts zum Foramen ovale. Der zweite Ast, N. supra-
maxillaris, der durch den Can. rotundus den Schädel verlässt, liegt dem
ersten näher, als dem dritten. Mit dem dritten Ast verbindet sich die
dünnere Wurzel, jedoch erst im Foramen ovale oder dicht oberhalb des-
selben.
Durch die breite, sensible Wurzel vermittelt der N. trigeminus die
Tastempfindungen an der grösseren vorderen Hälfte des Kopfes, am Ge-
sicht, der Stirn- und Schläfengegend, in der Augen- und Nasenhöhle und
in der Mundhöhle bis an den Isthmus. Die Frage nach dem Antheil des
Trigeminus an der Geschmacksempfindung wird bei dem Zungenast des-
selben erörtert werden. Wegen der ihm zugeschriebenen secretorischen
Nerven der Parotis verweise ich auf den Plexus tympanicus. Seine dün-
nere Wurzel enthält die motorischen Nerven der Kaumuskeln (Mm. mas-
seter, temporalis, pterygoidei), des M. mylohyoideus und des vorderen Bauchs
des M. biventer mandibulae. Der Einfluss des N. trigeminus auf die Be-
wegungen des Gaumensegels und des Paukenfells ist zweifelhaft. Ob die
Fasern, welche den M. dilatator pupillae in Bewegung setzen, in dem
Stamme des Trigeminus ursprünglich enthalten seien, oder erst im Ganglion
semilunare zu ihm stossen, ist ebenfalls unentschieden : Balogh^) behauptet,
durch Reizung des Stumpfes des Trigeminus vor dem Ganglion an Kanin-
') Ggl. Gasseri. Ggl. intervertebrale capitis ant. Arnold. Plexus ganglioformis Vieüs-
sens. Jntumescentia jjlana n. trigemini. ^) Plexus triangularis. ^) Meissne 's
Jahresljericht IBßl. S. 454.
N. oplithalmicus. 353
chenköpfen Pupillenerweiterung erzielt zu haben; Oehl-"^) leitet die die Pu-
pille erweiternden Fasern vom Ganglion ab. Die Fasern, vermöge deren
der N. trigeminus auf die Ernährung des Augapfels und der Schleimhaut
der Mundhöhle einwirkt, kommen erst im Ggl. semilunare hinzu: Nutri-
tionsstörungen der genannten Theile treten auf, wenn der Stamm des Tri-
geminus im Ganglion oder einzelne seiner Aeste unterhalb des letzteren
durchschnitten worden; sie bleiben aus oder sind kaum merklich nach einer
Trennung des Nerven zwischen dem Ursprung und dem Ganglion 2).
Beim Kaninchen liegen die vasomotorischen (oder trophisclien) Nerven am me-
dialen Eande des Nervenstammes zusammen. Dies ergiebt sich aus zwei einander
correspondirenden Versuchen Meissner 's (dessen Bericht 1867, S. 419), von denen
der Eine, bei beabsichtigter Trigeminus-Durchschneidung, den betreffenden Rand
zufällig unversehrt liess, während der andere, ebenso zufällig, jenen Band allein
verletzte. Im ersten Fall blieb die Entzündung aus, obgleich die Empfindlichkeit
des Auges vernichtet war; im zweiten folgte der Ojjeration die Entzündung des
Auges bei unversehrter Empfindhchkeit desselben.
A. Des N. trigeminus erster Ast.
N. oplithalmicus 3) (F^).
Er ist der dünnste unter den Aesten des N. trigeminus, platt, 3 Mm. a. Ophthai-
breit. Auf der Strecke, die er unter der fibrösen Hirnhaut durchläuft,
giebt er neben einigen zweifelhaften feinen Fäden zu den Nn. oculomo-
torius, trochlearis und abducens und neben Anastomosen mit dem Plexus
caroticus den ebenfalls feinen JV. recurrens ab, der sich zwischen den Blät-
tern des Tentorium verbreitet. Beim Eintritt in die Orbita oder kurz vor
demselben zerfällt er in drei Zweige, welche spitzwinklig divergirend, der
Eine, N. supraorbital is, gerade vorwärts, der zweite, N. nasociUaris, an der
medialen, und der dritte, N. lacrymalis, an der lateralen Wand der Orbita
vorwärts gehen, um sie theils durch die vordere Apertur, theils durch
Löcher der Seitenwände wieder zu verlassen und Stirn, Augenlider, Nase
und Schläfengegend mit sensibeln Fasern zu versehen. Entweder geht zu-
erst der Lacrymalis, der feinste der drei Aeste, von dem Stamme des Oph-
thalmicus ab, und dieser theilt sich alsdann in den Supraorbitalis, den stär-
keren, und den Nasociliaris, den schwächeren Ast, oder es löst sich zuerst
der N. nasociliaris und dann der N. lacrymalis vom Stamme, der sich in den
N. supraorbitalis fortsetzt. Immer nimmt der N. nasociliaris seinen Ur-
sprung von der unteren Fläche des Stammes und gelangt unter den an der
Decke der Augenhöhle gelegenen Muskeln, dem Levator palpebrae und
Rect. oculi sup., an die mediale Seite des Bulbus. Er sendet theils unmit-
telbar, theils durch Vermittlung des Ggl. ciliare dem Bulbus Nervenfasern
gemischter Art zu.
micus.
^) Meissner's Jahresbericht 1862, S. 507. ^y Magendie, Journ. de physiol. expe-
riment. IV, 303. Longet, a. a. 0. II, 162. ^) N. orbitalis. Augenhölilenast. Augennerv.
Henlp, Anatomie. Bd. IIT. Abthlff 2.
354
N. recurrens ophtli.
1. N. recurrens (ophthalmici) Arnold ro'^).
1. Eecurr. Der N. recurrens wird nach Arnold durch einen oder einige feine
Zweige gebildet, die sich rückwärts wenden und denen sich noch ein Fäd-
chen aus dem Plexus caroticus zugesellt. Er läuft in der Regel eine kür-
zere oder längere Strecke in der Scheide des N. trochlearis, ohne mit ihm
Fig. 233 2).
Schädelbasis mit dem Teiitorium (l); Sinus transv. (2) und petros. sup. (3) geöffnet.
4 Quei'schnitt des verlängerten Marks. 5 A. meningea media, rs N. recurrens supra-
maxillaris. ri N. recurrens inframax.
ZU anastomosiren und spaltet sich, nach der Trennung von ihm, in mehrere
sehr feine Fäden, die im Tentorium zu den Sinus tentorii, petrosus sup.
und transversus verlaufen imd in deren Wandung endigen.
Var. Der Ursprung des N. recurrens liegt unter dem Stamme des N. trocli-
■*) N. tentorii Arnold. R. sinualis, Blutleiternerve Luschka (Die Nerven in der
harten Hirnhaut. Tübingen 1850, S. 18. ^) Nach Arnold, Icon. nerv. cap. Tab. III.
N. supraorbitalis. 355
learis und schlingt sich um denselben, um sodann auf ihm rückwärts zu vei'laufen
(Arnold. Luschka).
In Betreff der erwähnten, zweifelhaften Anastomosen des ersten Astes des
Trigeminus sind folgende Angaben zu registriren.
a) Mit dem N. oculomotorius. Longet (a.a.O.) sagt, die Anastomose beweise
durch ihre Beständigkeit, wie nöthig den motorischen Nerven, zur Erhaltung der
Regehnässigkeit der Contraction, sensible Pasern seien. Beck (über die Verbin-
dungen des Sehnerven mit dem Augen- und Nasenknoten. Heidelb. 1847, S. 23)
und Sappey (Anat. II, 215) bestätigen sie: nach Sappe 5^ geht der Verbindungs-
ast vom oberen und medialen Bande des Trigeminus ab und spaltet sich gegen
den Oculomotorius in zwei Zweige. Die Anastomose wird bestritten von Arnold
und von E. Bisch off (Mikroskop. Analj'se der Anastomosen der Kopfnerven.
München 1865, S. 12).
ß) Mit dem N. trochlearis. Bevor der ganze Verlauf des N. recurrens bekannt
war, niusste die Verbindung desselben mit dem N. trochlearis den Eindruck einer
Anastomose zwischen Trigeminus und Trochlearis machen. Auf ein solches Miss-
verständniss ist wohl die Abbildung Sömmerring's (Abb. d. menschl. Auges,
Taf. III, Eig. 5a) und die Angabe Meckel's, der diese Anastomose eine gewöhn-
liche nennt, zurückzuführen. Cruveilhier bekämpft die Meinung, dass der N.
lacrymalis vom N. trochlearis stamme, die ich übrigens in keinem der angesehe-
neren Handbücher jener Zeit vertreten finde; er giebt aber zu, dass der N. lacry-
malis sich zuweilen im Grunde der Orbita aus Einem Zweige vom N. ophthal-
micus und Einem vom N. trochlearis zusammensetze. Nach Curie hängt der
N. trochlearis beständig mit dem N. ophthalmicus an der Stelle zusammen, wo
der N. lacrymalis abgeht, und sendet der Thränendrüse ein Aestchen zu. Sappey
zufolge ist auch diese Anastomose nur scheinbar, ein zum Lacrymalis zurückkeh-
rendes Bündel des E. ophthalmicus, welches eine Strecke im Anschluss an den
Trochlearis durchlaufen hat. Luschka (a. a. 0.) behauptet, dass bei jeder Ver-
bindung zwischen Trochlearis und Ophthalmicus ein solches blosses Anlegen und
"Wiederabgehen nachzuweisen sei. In einem Falle, wo ein kurzes Aestchen des
N. ophthalmicus wirklich in die Substanz des N. trochlearis eintrat, gab dieser
einen Ast in das Eor. ethmoid. post., der, wie Luschka annimmt, die dem Troch-
learis beigemischten sensibeln Easern enthielt.
y) Mit dem N. abducens. S. diesen.
<y) Mit dem Plexus caroticus.
2. N. supraorbitalis so^).
Verläuft unter dem Periost der Decke der Orbita und auf dem M. le- 2. Supraorb.
vator palpebrae gerade vorwärts zur Incisura supraorbitalis und giebt auf
diesem Wege zwei Aeste unter spitzem Winkel medianwärts ab (Fig. 234).
Der erste
a. N. supratrocblearis St ^),
ist der feinste (0,4 Mm.); er entspringt meist scbon im binteren Drittel der a. Supia-
troclil.
Orbita, kreuzt unter einem sebr spitzen Winkel den M. obliquus oculi sup.,
indem er über dessen obere Fläcbe binziebt und vereinigt sieb an der me-
dialen Seite der Trocblea unmittelbar oder durch eine bogenförmige Ana-
stomose mit dem N. infratrocblearis (S. 363).
Der zweite mediale Ast des N. supraorbitalis,
b. N. frontalis /*,
stärker als der N. supratrocblearis, aber dünner, als der zurückbleibende b. Front.
Tbeil des Stammes, gebt in der vorderen Hälfte der Orbita vom Stamme
^) N. frontalis. Stirnnei've. ^) Oberrolliierve. A^. frontonasalis Cruv.
23*
356
N. supraorbitalis.
ab, verlässt die Orbita mit der A. frontalis durch die gleicbnamige Incisur
und wendet sieb zwischen den am Stirnbein entspringenden Zacken des
M. orbicularis oculi median-aufwärts, spitzwinklig in Aeste getheilt, die
zwischen Fasern des M. frontalis zur Haut vordringen und bis zur Median-
linie reichen. Er giebt öfters einen quer lateralwärts ziehenden Zweig
zum Tarsaltheil des oberen Augenlides.
Fig. 234.
N. ophthalmicus. Vorderer Theil der rechten Hälfte der Schädelbasis. Das Dach der Or-
bita und ein Theil des Stii-nbeins entfernt. Rs Vorderer Theil des M. rectus oculi sup.
Os Vorderer Theil des M. obliq. oc. sup. 1 Lamina cribrosa, 2 Crista galli, 3 Trochlea,
4 Thränendrüse. r N. recurrens, so N. supraorbitalis. st N. supratrochl. f N. frontalis.
nc N. nasociliaris. Gel lange Wurzel des Ggl. ciliare, cl Nn. ciliares longi. e N. eth-
moid. it N. infratrochl. ^a N. lacrymalis. fo Anastomose desselben mit dem N. orbitalis.
Der Rest des Stammes,
c. N. siTpraorbitalis s. s.
c. Supraorb. Schlägt sich in der Incisura supraorbitalis um den Supraorbitalrand auf-
wärts oder gelangt durch den Can. supraorbitalis zur Stirngegend ; er sendet
N. supraorbitalis. 357
beständig in der Gegend der Augenbraue einen Zweig, N. palpehralis m. i),
in transversaler Richtung lateralwärts zur Haut des Augenlides und zerfällt
durch fortgesetzte gabelförmige Theilungen, die zuweilen schon vor dem
Austritt beginnen, in immer zahlreichere und feinere Aeste, welche sich bis
auf einige, dem Periost bestimmte Fädchen successiv durch den M. fron-
talis in die Haut der Stirn- und Scheitelgegend begeben.
Meine Aufzählung der Aeste des N. suiDraorbitalis stmimt mit der von C.
Krause überein bis auf die nur formale Differenz, dass Krause den Endast, R.
supraorbitalis, mit den Nn. frontalis und supratroclilearis als Theilungsäste Eines
Stammes, des Frontalis, beschreibt. Die meisten Autoren erwähnen nur zwei
Aeste, einen Supraorbitalis und Supratrochlearis (Hyrtl) oder Prontalis ext. und int.
(Cruveilhier) oder Frontalis major und minor (Weber-Hildebr.). J.F.Meckel
(De quintoparenerv. cerebri. Ludwig, Script. neurolog. min. I, 169), Bock undCru-
V eilhi er führen einenNerven vom Verlauf unseres Supratrochlearis als Varietät an,
der jedoch nach Bock den M. obliq. oculi sup. an dessen unterer Fläche kreu-
zen soll. Valentin lässt den Supratrochleai'is sich in zwei Aeste theilen, von
denen der laterale mit unserem Frontalis übereinkommt. In der That vertheilen
sich die Fasern des Supraorbitahs häufig auf zwei Aeste dergestalt , dass ein
Nerve vom Verlaufe des Frontalis zugleich den Supratrochlearis repräsentirt oder
die Fasern des Frontalis theils in den Endast des Supraoi'bitalis, theils in den
Supi-atrochlearis aufgenommen werden. Ob die Verästeluugsweise , die ich als
Norm aufstelle, die häufigste sei, möchte ich nach der massigen Anzahl von Prä-
paraten, die mir vorgelegen, nicht entscheiden; für die regelmässige scheint sie
mir deswegen angesehen werden zu dürfen, weil so der Verbreitungsbezirk der
Nerven am meisten dem der gleichnamigen Arterien entspricht.
a) Durch eine constante Oeffnung in der Incisura supraorbitalis tritt ein
Zweig des N. supraorbitalis in das Stirnbein. Nach Cruveilhier gelangt er in
einen Knochencanal, der in der Gegend des Stirnhöckers ausmündet, giebt während
seines Verlaufes durch den Canal feine unter dem Periost sich verbreitende Fäden
ab und endet nach dem Austritt als Hatitnerve. Kobelt (Arnold's Anat. I,
245) betrachtet ihn als reinen, zur Verbreitung in der Schuppe des Stirnbeins be-
stimmten Knochennerven; zuweilen sah er die Reiser desselben an der inneren
Fläche der Schuppe eiae Strecke weit blossliegen und dann wieder in die Kno-
chensubstanz zurückkehren.
ß) Wrisberg (Not. 125 ad Haller prim. lin. physiol. Gott. 1780) beschreibt
einen in den Sinus frontalis eintretenden Ast, der aus einem Ganglion komme,
zu welchem je sin Ast der Nn. supraorbitalis und supratroclilearis sich vereinigen
sollen. Bock (a. a. O. Taf. II, 51) bildet einen Zweig des Supratrochlearis ab,
von dem er sagt, dass er nicht selten vorkomme und durch die Stirnhöhle zur
Stirne verlaufe.
Var. Nach Meckel (a. a. 0.) geht der Ast des N. supraorbitalis, den er
supratrochlearis nennt, zuweilen zwischen den Aufliängebändern der Trochlea hin-
durch. Ich sah den N. supratrochlearis Einmal am lateralen Rande des supra-
orbitalis entspringen und in eüiem weiten Bogen erst seitwärts, dann unter dem
Stamm medianwärts ziehen. Turner (Journ. of anat. 2. Ser., Nr. IX, p. 160)
sah aus dem N. supraorbitalis einen N. infratrochlearis entspringen, der sich unter
der Trochlea mit dem normalen N. infratrochlearis aus dem Nasociliaris ver-
zweigte. Von den Anastomosen der Nn. supratrochlearis und trochlearis war bei
dem letzteren (S. 351) die Rede.
1) Die übliche Scheidung der Aeste in frontales s. ascendentes und palpehrales s. des-
cendentes ist nicht naturgemäss, da dieser Nerve nur Einen und zwar transversalen Palpe-
bralzweig abgiebt.
358
N. nasociliaris.
3. N. nasociliaris nC^).
3. Nasocii. Giebt zuerst, meist noch ausserhalb der Orbita, die lange "Wurzel des
Ggl. ciliare ab, ein feines Aestcben, welches an der lateralen Seite des N,
opticus gerade vorwärts läuft; dann, während er über dem N. opticus hin-
wegschreitet, einen oder ein Paar Nn. ciliares long% die auf dem genannten
Nerven zum Bulbus gelangen. Unter dem medialen Eande des M. rectus
oculi sup. spaltet sich der N. nasociliaris rechtwinklig in zwei nahezu gleich
starke Aeste, die Nn. ethmoidalis und infratrocMearis, von denen der erstere
medianwärts gegen das For. ethmoid. ant., der andere vorwärts geht, um
sich an der medialen Seite der Trochlea mit dem N. supratrochlearis zu
vereinigen.
ß) Luschka (Müll. Arch. 1857, S. 321) beschreibt ausserdem einen J?. Sj9/^en0-
ethmoidalis nervi nasociliaris, ein meist niir 0,1 Mm. dickes, kaum 30 Primitiv-
fasern enthaltendes Pädchen, welches über dem Ursprünge des M. rectus oculi
medialis oder durch diesen Muskel oder den M. obliquus sup. das For. ethmoid.
post. erreicht und durchsetzt, und sich in der Schleimhaut der Wespenbeinhöhle
und der hinteren Siebbeinzellen verästelt. Es entspringt zuweilen aus dem An-
fange des N. ethmoid.
Var. Aus dem Stamm des N. nasociliaris gehen Zweige zu den Mm. recti
oculi int. und sup. und dringen in diese Muskeln entweder unmittelbar oder ver-
bunden mit den Aesten des N. oculomotorius (C. Krause). Aeste des N. nasoci-
liaris zum M. levator palpebrae erwähnt Fäsebeck (Müll. Archiv 1839, S. 71).
Der N. nasociliaris bildete sogleich nach seiner Trennung vom Stamme ein Gan-
glion, welches einen zurücklaufenden Ast abgab, der wieder durch einen anasto-
mosirenden Ast mit den Nn. oculomotorius und abducens verbunden war (Svitzer,
Variat. der Verzweigung der Augennerven. Kopenh. 1845, Fig. 8).
a. Ead. l.
CtkI. ciliar.
a. Die lange Wiirzel^) des Ganglion ciliare^)
und das Ganglion.
Das Ganglion ciliare (Fig. 235) ist ein platter, vierseitiger Körper von etwa
2 Mm. Seitenlänge, an der lateralen Seite des N. opticus und hinter der
Mitte seiner Länge (vom Eintritt in die Orbita gerechnet) so. auf die Kante
gestellt, dass die Eine Fläche dem Opticus zugekehrt, jedoch durch eine
dünne Fettlage von ihm getrennt ist. An dem hinteren oberen Winkel
nimmt das Ganglion die lange Wurzel auf; in den hinteren unteren Winkel
senkt sich von der medialen Seite her die kurze Wurzel ein, durch die das
Ganglion dicht an den Zweig des N. oculomotorius angeheftet wird, der
dem M. obliquus oculi inf. zustrebt; zwischen der langen und kurzen Wur-
zel oder mit der ersteren vereint tritt die sympathische Wurzel an den
hinteren Rand des Ganglion. Den Wurzeln gegenüber am vorderen Rande,
häufig ebenfalls von den beiden Ecken und in zwei Büschel getheilt, gehen
die Ciliar nerven, Nn. ciliaris hreves, ab, 6 bis 10 an der Zahl, durch spitz-
winklige Theilung sich vor dem Eintritt in den Bulbus auf 12 bis 18 ver-
^) N. naso-ocularis s. oculo-nusalis
dix longa sup, ^) Ggl. ophthalmicum.
knoten.
Nasenast. Nasenaugennerve. ^) Ra-
Ggl. lenticulare. Linsen- oder Blendungsnerven-
G,al. ciliare.
359
vielfältigend. Auf dem Wege zum Bulbus begeben sie sich so auseinander,
dass die oberen Nerven zugleich die laterale, die unteren die mediale Seite
Fig. 235.
des N. opticus umfassen.
Von den letzteren ver-
einigt sich beständig
Einer mit einem der Nn.
ciliares longi (Fig.235);
Einer trennt sich von
den übrigen, um am vor-
deren Theil des Bulbus
die Sclera zu durchboh-
ren; die übrigen drin-
gen im Umkreise und
in der Nähe der Ein-
trittsstelle des N. opti-
cus in schräger Rich-
tung durch die Sclera
und laufen in seichten
Binnen derselben abge-
plattet, 0,2 bis 0,5 Mm.
breit, der Eine oder an-
dere nochmals gabel-
förmig getheilt zum Ci-
liarmuskel. Sie senden
unterwegs der Choroidea feine rücklaufende Fädchen, beginnen vor dem
Eintritt in den Muskel sich zu verästeln, und bilden in demselben ein Ge-
flecht, aus welchem der Muskel selbst, die Iris und die Cornea ihre Aeste
beziehen (vgl. Eingeweidelehre, S. 590, 619 u. 628).
Ganglion ciliare. Linker Bulbus, von der lateralen Seite,
mit den Muskeln ; ein Stück des N. opticus ausgeschnitten,
der vordere Theil der äusseren Augenhaut entfernt. Rs
M. rect. oculi sup. Rm, Ri M. rect. oculi med. u. inf. Rl
M. rect. oculi lat. zurückgeschlagen. 1 C. ciliare. 2 Orbic.
eil. 3 Choroidea. 4 Sclera. IFIs Stumpf des abgeschnit-
tenen oberen Astes des N. oculomotorius. Ifli unterer
Ast desselben Nerven, die Zweige zum N. oculi inf. und
med. kurz abgeschnitten, la N. lacrym. so N. supraor-
bitalis. MC N. nasocil. gcs Kad. sympathica Ganglii eil.
ß) Nach Giraldes (etudes anatomiques sur roeil. These inaug. Paris 1836)
und Beck (a. a. O., S. 19) entstehen aus dem Plexus der Ciliarnerven feine Fäd-
chen, welche die Sclera am vorderen Eande durchbohren und sich in der Con-
junctiva verästeln.
ß) Long et sah feine Fäden aus dem Ggl. ciliare entspringen, die sich mit
der A. centralis retinae zum N. opticus begaben. Chaussier und Eibes (Meck.
Arch. IV, 619) erwähnen einen Zweig vom Ggl. ciliai-e zur A. centralis retinae;
Kusel soll, wie Hirzel berichtet (Tiedemann und Treviranus, Ztschr. für
Physich I, 227), einen solchen Zweig bis in den N. opticus verfolgt und Tiede-
mann (ebendas. S. 225) und Langenbeck (Icon. fasc. III, Tab. XVIII, Fig. 2)
wollen seine Ausbreitung auf der äusseren Fläche der Retina gesehen haben.
Hyrtl (Oesterr. med. Jahrb. XXVIII, 8) und Beck (a.a.O. S. 13), welche die an
den N. opticus herantretenden Fäden der mikroskopischen Prüfung unterwarfen,
behaupten in denselben nur Bindegewebsbündel oder Gefässe erkannt zu haben.
Auch ich habe solche Fädchen, welche von Ciliarnerven zum N. opticus traten,
mikroskopisch untersucht und mich überzeugt, dass sie in einer allerdings unver-
hältnissmässig mächtigen Scheide dunkelrandige, zum Theil starke Fasern einschliessen.
So enthielt z. B. ein Fädchen von 0,21 Mm. Durchmesser in seiner Axe ein 0,06
Mm. starkes Nervenfaserbündel. Die Nervenfasern durchdringen aber die Scheide
des Opticus nicht, sondern bilden, wie bereits Sappey (Journal de l'anat. 1868,
p. 47) angiebt, Plexus auf der äiTsseren Fläche derselben.
Var. Das Ggl. ciliare ist zuweilen von geringem Umfange, vielleicht durch
Vertheilung der Nervenzellen längs den ein- oder austretenden Nerven. Die An-
360 Ggl. ciliare.
gaben, denen zufolge es vollständig gefehlt haben soll, verdienen, weil die mikro-
skopische Prüfung unterblieb, kein volles Vertrauen. Günz (Hippocratis de humo-
ribus purgandis liber etc. Lips. 1745, p. 223, Not. 94) bemerkt nur beiläufig bei
Erwähnung des Ganglion, dass es „interdum deest". Svitzer (a. a. 0., Kg. 4)
beobachtete Einen Fall und Hallett (aus d. Med. times in Gazette med. 1848.
Nr. 21 u. 21 bis) zwei Fälle, in welchen die durch den Abgang der Ciliarnerven
bezeichnete Vereinigimgsstelle der beiden Wurzeln ohne jede Anschwellung und
ohne veränderte Färbung war. Auch Hyrtl will öfters, namentlich bei hellen
Augen, statt des Ganglion ein lockeres Geflecht gefunden haben. Derselbe sah
das Ganglion zuweilen von einer der grösseren Ciliararterien durchbohrt und
Schlemm (Observ. neurol. Berol. 1834, p. 15) gedenkt eines Falles, wo ein Ciliar-
nerve mit zwei so kurzen, eine Ciliararterie umfassenden Fäden aus dem Ganglion
entsprang, dass dieses selbst von der Arterie durchbohrt schien. Die kurze
Wurzel soll gefehlt haben in einem von Svitzer (Fig. 20) abgebildeten Präparat,
welches zwei lange Wurzeln aus dem N. nasociliaris und einen von dem Ganglion
rückwärts gerichteten Faden zeigt, welchen Svitzer in die Scheide des N. op-
ticus verfolgte. Zuweilen verlängert sich die kurze Wurzel, oder entspringt aus
dem unteren Ast des N. oculomotorius vor dessen Theilung (Svitzer, Fig. 13. 14)
oder sie wird von eineni oder mehreren längeren Zweigen aus dem unteren Aste
des N. oculomotorius begleitet (Cruveilhier. Valentin, Müll. Arch. 1840,
S. 291, Svitzer, Fig. 12, 13).
Die lange Wurzel fehlt in einem von Hirzel (a. a. 0. S. 217) beschriebenen
Fall; sie war sehr kurz in dem eben erwähnten Valentin 'sehen Präparat, wo
ihre Stelle von einer ungewöhnlich starken sympathischen Wurzel eingenommen
wurde. Der Ursprung der langen Wurzel versetzt sich zurück auf den N. oph-
th_almicus (Win slow, Expos, anat. III, 149, Svitzer, Fig. 13 bis 17) oder auf
das Ggl. semilunare (Hirzel, a. a. 0.). Svitzer (Fig. 3) sah sie vom Stamme
des N. supraorbitalis, Pye-Smith, 'Howse und Davies-Colley (Guy'-s Hosp.
rep. 3^ series XVI, 160) sahen sie vom Lacrymalis ausgehen. Eine phj'siologisch
interessante Varietät wurde zuerst von Morgagni (Epist. anat. Venet. 1740,
p. 237), dann von J. F. Meckel (Ludwig, script. neurol. I, 174) als grosse Sel-
tenheit beschrieben und von Svitzer zwei Mal (a. a. 0. Fig. ll und 14) wieder
gefunden : eine lange Wurzel des Ggl. ciliare entsprang mit der kurzen vom
N. oculomotorius, in einem der Svitzer'schen FäUe vom oberen Aste dieses
Nerven, und die gewöhnliche lange Wurzel aus dem N. nasociliaris fehlte. Da
die motorischen Fasern des Einen Nerven die sensibeln des anderen nicht zu
vertreten vermögen, so kann man nur annehmen, dass entweder der Oculomo-
torius während des Verlaufs neben dem N. oj)hthalmicus Fasern von demselben
aufgenommen habe, um sie in der Orbita wieder abzugeben, oder dass die beiden
Wurzeln aus dem Oculomotorius motorisch waren und eine andere Quelle sen-
sibler Fasern des Ganghon übersehen wurde oder der Bulbus seine sensibeln
Aeste aus einer anderen Quelle, als dem Ganglion, bezog.
Einzig steht die von Otto (Seltene Beob. I, 108) notirte Thatsache da vom
Ursprünge des N. nasociliaris und mithin auch der langen Wurzel des Ggl. ciliare
und der Nn. ciliares brev. vom N. abducens. Ursprung einer langen Wurzel allein
vom N. abducens bei Mangel der langen Wurzel aus dem N. nasociliaris beobach-
tete Betzius (aus Ars-berättelse oni Svenska Läkare - Sällsskapets - Arbeten in
Schmidt 's Jahrb. XXVII, 9).
Ueberzählige Wurzeln kommen hinzu : 1) Aus dem oberen Ast des N. oculo-
motorius (Schlemm, Observ. neurolog. p. 15. Hyrtl, Med. Jahrb. des österr.
Staats XXVIII, 10 [4 Mal]. Lanz bei Valentin a. a. 0. S. 309. Svitzer, a.
a. 0. Fig. 10); in dem Schlemm'schen und Lanz' sehen Falle legte sich die ac-
cessorische Wurzel an die normale lange Wurzel vor deren Eintritt in das Gang-
lion an. 2) Aus dem N. lacrymalis (Hyrtl, a. a. O. S. 10). 3) Aus dem Ggl-
nasale. Ein von Tiedemann entdeckter und in Arnold's Dissertation (De
parte cephalica n. sympath. Heidelb. 1826, Fig. IV, 19) abgebildeter Faden ver-
lief von der inneren Fläche des Ggl. sphenopalatinum durch die Fissura orbit. inf.
in die Augenhöhle und über den unteren Ast des N. oculomotorius, mit der von
diesem abgegebenen kurzen Wurzel genau verbunden, zum Ggl. ciliare. Nach
Nn. ciliares longi. 361
Hyrtl (a. a. O. S. 7) kommt dieser, die beiden Ganglien verbindende Faden nur
bei Leichen mit starken Fascien und derbem Knochenbau vor und erweist sich
bei mikroskopischer Untersuchung als ein fibröses Bälkchen, Portsetzung der Fas-
cie, die den Inhalt der Fossa sphenomaxillaris in isolirende Scheiden einhüllt.
Valentin dagegen (a. a. 0. S. 313) vermisste den fraglichen Faden zwar in
vielen Fällen, vermochte aber in anderen die nervöse Natur desselben mikrosko-
pisch zu constatiren. 4) Aus dem N. abdiicens (Petit, Mem. de l'acad. d. scien-
ces 1726, p. 69. Longet a. a. 0. II, 111. Hyrtl a. a. 0. S. 9. Adamük, Neer-
landsch Archief voor genees-en natuurk. V, 424). Der letztere fand die Varietät
unter 42 Fällen drei Mal; sie erklärt, warum die Pupille zuweilen auf Heizung
des N. abducens sich verengt.
Ein accessorisches Ggl. cihare {Ggl. ophthalm. secundarium sup. Sv.) an der
medialen Fläche des K opticus beschreiben Fäsebeck (Müll. Arch. 1839, S. 71)
und Svitzer (a. a. 0. Fig. 9); Svitzer führt ferner (Fig. 6, 7) ein Ggl. ophthalm.
secund. inferhis auf, welches in zwei Fällen den Vereinigungswinkel anastomo-
sirender Aeste unterer Ciliarnerven eingenommen haben soll. Adamük (a. a. O.)
kam zweimal ein accessorisches Gangl. ciliare vor.
Oefters geben noch vor ihrer Vereinigung zum Ganglion sowohl die kurze,
als die lange Wurzel Ciliarnerven ab. Von der kurzen Wurzel sahen sie Schlemm
(a. a. 0. S. 15), Fäsebeck (Die Nerven des Kopfs, S. 3) und Svitzer (a. a. 0.
Fig. 19), von der langen Meyer (Beschreibung d. m. Körpers. VII, 112) und
Weber-Hildebrandt (S. 449). Einen Faden von der langen Wurzel zum N.
lacrymalis beschreibt Schlemm (S. 14), Fäden zu den in die Mm. rect. oc. sup.
und levator palpebrae sich einsenkenden Zweigen des N. oculomotorius Fäsebeck
(Müll. Arch. 1839, S. 71) und Svitzer (Fig. 16). Aus dem Ggl. ciliare verfolgte
Beraud (Gaz. Med. 1858, Nr. 36) Ein, W. Krause (Ztschr. für rat. Med., 3. E.,
XXIII, 53) zahlreiche Fädchen in Begleitung der A. lacrymalis zur Thränendrüse.
Nach Arnold treten aus dem Ganglion ciliare zuweilen feine Zweige zu den
Mm. rect. und obliq. inff., die aber nicht in der Substanz des Ganglion, sondern
aus der kurzen Wurzel entspringen und im Bande des Ganglion verlaufen, ohne
Fäden von ihm zu empfangen.
Als Radix recurrens s. longa inf.gangln ciliaris bezeichnet Hyrtl (a. a. 0.
S. 11) einen Nerven, von dem es zweifelhaft ist, ob er als Wurzel oder als peri-
pherischer Ast des Ganglion zu betrachten sei. Vielleicht führt er Fasern beider
Kategorien. Hyrtl lässt ihn aus dem N. nasociharis vor dem Ganglion entsprin-
gen und nach aus- und rückwärts zum vorderen Winkel des letzteren verlaufen.
Sechszehn Mal sah er ihn als selbständigen Ast von der Stärke der langen Wurzel ;
in anderen FäUen wäre er, nach Hyrtl's Meinung in der Anastomose enthalten,
die einer der kurzen Cüiarnerven mit dem langen bildet: ein Theil der Fasern
dieser Anastomose stamme vom N. nasociliaris, laufe im langen Ciliarnerven vor-
wärts und in dem anastomotischen Ast des kurzen Ciliarnerven zurück zum
Ganglion.
b. Nn. ciliares longi Cl^).
Sind in ihrem Verlauf von den aus dem Ganglion entspringenden Ci- b. cm.iongi.
liarnerven nicht zu unterscheiden (Fig. 234. 235).
c. N. ethmoidalis e'^).
Nachdem dieser Nerve über dem oberen Rande des M. rectus oculi c. Bthmoid.
medial, mit der gleichnamigen Arterie das For. ethmoidale erreicht und
durchsetzt hat, wendet er sich vorwärts und zieht unter der fibrösen Hirn-
1) Nn. cill. longi interni Krause. ^) N. nasalis Winslow. N. nasalis ant
Krause. N. nasalis int. Cruv. Riechbeinnerve.
362
N. etlimoidalis.
haut auf der Siebplatte des Siebbeins zu der am vordereuEande derselben be-
findlicben spaltförmigen Oeffnung (Kuochenlehi-e, Fig. 113 *), die aus derScbä-
Fio-. 236.
Linke Kopfhälfte, von innen, mit dem oberen Ende medianwärts geneigt, nm zugleich mit
der Seitenwand der Käse, . die Augenhöhle, deren Decke weggenommen ist, und die Lämina
cribrosa des Siebbeins zu sehen. * Hinterer Eand der Basis der Crista galli. it N. infra-
trochlearis. Der Knorpel des Xasenflügels ist unter der Apertura pvriformis durchschnitten
und die untere Schnittfläche medianwärts herabsebogen.
deLhöble in die Xasenhölilefülu't(Fig. 236). In der ISTasenliölile angelangt, theilt
er sieb in einen medialen und einen lateralen Zweig ^), jenen für die Scbeide-
wand, diesen für die Seitenwand der Kasenböhle. Der mediale Ast 2) Ver-
läuft unter der ScKleimbaut vor- und im Bogen rückwärts: seine Zweige
lassen sich bis zur Mitte der Höhe der Scheidewand verfolgen. Der late-
rale Ast •^) läuft, Zweige rückwärts an die Muscheln abgebend, im Sulcus
ethmoidalis des Xasenbeins (Knochenl. Fig. 173) herab, dringt durch das
Bindegewebe, welches den Eäiorpel des Xasenrückens an den Eand der
•'•) C. Krause vereinigt sie unter dem Namen der Nn. nasales antl. interni. ^) N.
anterior septi CruT. R. septi Arnold. ^) N. parieiis externi Cruv. R. concTia-
rum Val.
N. inlratrochlearis. 363
Apertura pyriforinis befestigt, aus der Nasenhöhle hervor ^) und theilt sich
in zwei bis drei Aeste, die die Cutis der Nasenspitze und des Nasenflügels
versorgen.
c() Meckel (p. 177) sah den Nerven auf dem "Wege ans der Schädel- in die
Stirnhöhle feine Aestchen zur Schleimhaut der letzteren abgeben. Auch Langen-
beck (Xervenl. S. 66) schreibt dem N. ethmoidalis Aeste zur Schleimhaut der
Stirnhöhle und der Torderen SiebbeinzeUen zu und bildet ein Aestchen zur Stirn-
höhle ab (Fase. LH, Fig. 2, Kr. 3). Valentin (Xervenl. S. 345) tonnte dies Aest-
chen nur Einmal wieder finden, öfter die feinen Fäden zu den Siebbeinzellen.
Scarpa (Annot. acad. II, 65) bestreitet deren Existenz.
Var. Nach Meckel beschränken sich die Yerzweigungen des N. ethmoidalis
häufig auf die Scheidewand der Nase. Hildebrandt (Weber-H. S. 447) sah
bisweilen schon aus dem For. ethmoidale Aestchen zur Nasenhöhle und einen
zarten Zweig auf- und vorwärts zujn Bücken der äusseren Nase verlaufen. Bock
(S. 18) beschreibt einen überzähligen Ethmoidalnerven, der durch das For. ethmoid.
post. in die Schädelhöhle tritt, anfangs denselben Verlauf hat, wie der regelmässige
N. ethmoid., aber in der Schleimhaut der Nasenhöhle endigt. Bankart, Pye-
Smith und Phillips (Guy's hosp. rep. XIV, 436) sahen den eigentlichen N.
ethmoidalis durch ein For. ethmoid. post. in die Schädelhöhle gelangen.
d. N. infratrochlearis it^).
Läuft parallel dem N. supratrochlearis, aber unter dem M. obUq. oc. d. infra-
sup., zur lateralen Seite der Trochlea und theilt sich vor der letzteren in
zwei Aeste. Der obere Ast bildet mit dem N. supratrochlearis die (S. 355)
erwähnte Schlinge, aus welcher feine Fäden hervorgehen, die sich zwischen
den Zacken des M. orbicularis oculi theils medianwärts zur Haut des me-
dialen Augenwinkels, der Nasenwtu'zel, auch wohl des untersten Theils der
Stirne, theils lateralwärts zum Tarsaltheil des oberen Augenlides'^) begeben.
Der untere Ast versieht den Thränensack und die Schleimhaut des medialen
Augenwinkels; er erreicht mit seinen Endzweigen ebenfalls die äussere
Haut dieser Gegend und anastomosirt mit Zweigen der Nn. facialis und in-
fraorbitalis.
Der Thränensackzweig dieses Nerven hat nach Bock's Beschreibung (a.a.O.
S. 16) einen sonderbaren Verlauf. Er geht über dem Thränenbeinursprung des
M. orbicularis oculi entweder durch ein besonderes Loch des Thränenbeins oder
dui'ch die Naht zwischen Thränen- und Stirnbein, beugt sich hinter dem oberen
Eande des Thränenbeins vorwärts und kommt, gegen die Nasenhöhle von der
Schleimhaut der Siebbeinzellen gedeckt, in dem "SVinkel, in welchem Thränen-,
Stirn- und Oberkieferbein zusannnenstossen , wieder zmn Vorschein durch ein
Spältchen oder Loch, das dem Einen oder anderen der genannten Knochen mehr
oder weniger zugehört, geht dann an der vorderen Seite des Thi-änensacks herab
und verliert sich ganz in demselben.
«) Auch aus der Schlinge der Nn. supra- und infratrochlearis sollen Zweige
in die Stirnhöhle dringen ("SVrisberg, bei Haller prim. hn. physiol. Scarpa,
Anat. annot. 11, 66. Blumenbach (De sinibus frontaübus, Götting. 1779, p. 11)
hat Einmal einen solchen Zweig gesehen; an den übrigen Schädeln vemiisste
er ihn.
Var. Der untere Ast des N. infi'atrochlearis geht eine Verbindung mit einem
Zweig des oberen Astes des N. oculomotorius ein (selten. C. Krause). Cru-
^) R. nasalis arU. s. exiernus aut. ^) N. nasalis ext. Cruv. ünterrollnerve.
^) Er. tarsd C. Krause.
364
N. lacrymalis.
veilhier sah aus der Schlinge der Nn. supra- und infratrochlearis ein Aestchen
durch die Decke der Orbita in die Schädelhöhle dringen, unter der fibrösen Hirn-
haut 3 Cm. vorwärts gehen und durch ein Canälchen des Stirnbeins oberhalb der
Stirnhöhle zur Haut auf die äussere Fläche des Schädels zurückkehren.
4. N. lacrymalis la'^).
i. Lacrym. Vom Ursprung an in einem besonderen Canal der festen, die Fissura
orbitalis sup. ausfüllenden Bindegewebsmasse, dann an der lateralen Wand
Fig. 237.
N. ophthalmicus. Vorderer Theil der rechten Hafte der Schädelbasis. Das Dach der Or-
bita und ein Theil des Stirnbeins entfernt. R s Vorderer Theil des M. rectus oculi sup.
Os Vorderer Theil des M. obliq. oc. sup. 1 Lamina cribrosa, 2 Crista galli, 3 Trochlea,
4 Thränendrüse. r N. recurrens, so N. supraorbitalis. si N. supratroch. / N. frontalis,
w c N. nasociliaris. Gel lange Wurzel des Ggl. ciliare, cl Nn. ciliares longi. e N. eth-
moid. ii Nn. infratrochl. Za N. lacrymalis. fo Anastomose desselben mit dem N. orbitalis.
■') N. lacrymopalpehralis Cruv. Thränenast. Thränendrüsenast.
N. lacrymalis. 365
der Orbita über dem M. rectus oc. lateralis verläuft der N. lacrymalis gera-
den Wegs zur oberen Tbränendrüse und theilt sich kurz vor derselben in
zwei Aeste von fast gleicher Stärke, einen oberen und einen unteren. Der
untere Ast (Fig. 237 f o) i)wendet sieb ab- und zugleich seitwärts und vereinigt sich
in einem vorwärts convexen Bogen mit dem K. temporalis des N. orbitalis. Er
geht entweder ganz in dieser Schlinge auf oder setzt sich theilweise in
Zweige fort, welche in die Thränendrüse eintreten. Der obere Ast 2) zer-
fällt in eine Anzahl Zweige, welche theils durch die Thränendrüse, theils
lateral- oder medianwärts neben derselben aus der Orbita hervortreten und
im oberen Augenlid^) und dem der Orbita nächsten Theil der Haut der
Schläfengegend 4) sich verbreiten.
Die auf anatomischem Wege kaum lösbare Frage, ob die Thränendrüse
selbst Zweige aus dem N. lacrymalis erhalte^), ist durch die Versuche von
Herzenstein ^) und Wolf erz '^) für das Kaninchen, den Hund und das
Schaf entschieden. Der Reizung des N. lacrymalis in der Orbita folgt ver-
mehrte Thränenabsonderung. Durchschneidung desselben hebt die Reflexe
von den sensibeln Nerven auf die Thränendrüse auf und führt weiterhin zu
einem paralytischen Thränenfluss. Es sind also secretorische Fasern, die
der Nerve der Thränendrüse zuführt.
Var. Der N. lacrymalis fehlt und wird durch den E. temporalis des N. or-
bitalis ersetzt (Turner, Journ. of anat. 2d Ser. Nr. IX, p. 160). Häufig entstellt
der N. lacrj^malis mit zwei Wurzeln; sie kommen beide aus dem Stamme des N.
ophthalmicus, oder zu der aus dem Stamme entspringenden gesellt sich eine zweite
aus dem N. supraorbitalis (Meckel) oder aus dem N. oi'bitalis (Ders. Hyrtl a.
a. O. S. 14) oder die Eine Wurzel nimmt aus dem N. supraorbitalis, die andere
aus dem N. nasociliaris ihren Ursprung. Eine Verbindung mit dem N. trochlearis
findet in der Weise Statt, dass ein vom Ophthalmicus oder Lacrymalis ausser der .
Orbita dem Trochlearis zugesandtes Fädchen in der Orbita wieder zum Lacry-
malis zurückkehrt (Cruveilhier). Den Ursprung des N. lacrymalis aus dem
N. orbitalis allein beobachtete Hyrtl (a. a. O.). Oft beginnt die Spaltung des
Lacrymalis in seine beiden Aeste schon im Hintergrunde der Augenhöhle. Einen
in mehrere und untereinander anastomosirende Zweige zerfallenen Lacrymalis
bildet Sommer ring ab (Abbild, d. menschl. Auges, Taf. III, Fig. 5).
Er nimmt einen Faden von der langen Wurzel des Ggl. ciliare auf oder giebt
einen Faden diesem Ganglion (S. 360).
Er giebt einen N. ciliaris long, ab, der die Art. ciliaris longa lateralis begleitet
(C. Krause) oder (vom unteren Ast) einen Zweig, der sich mit einem Ciliarnerven
verbindet (Bock, S. 19, Hyrtl a. a. O. zwei Mal). Einen Zweig des N. lacry-
malis, der in der Nähe des Hornhautfalzes die Sclera durchbohrt, büdet Svitzer
ab (a. a. 0. Fig. 4).
B. Des N. trigeminus zweiter Ast.
N. supramaxillaris V^^).
Der R. supramaxillaris giebt, gleich dem N. ophthalmicus, vor dem b. Supra-
Eintritt in den Can. rotundus einen N. recurrens an die fibröse Hirnhaut;
^) R. externus aut. R. posterior Bock. R. temporo-malaris Long et. ^) R. in-
ternus aut. R. anterior Bock. N. lacrymo-palpehralis Long et. ^) R. palpehralis
Cruv. *) R. temporalis adscendens Cruv. ^) Cruveilhier, C. Krause, Valentin,
Luschka und Eüdinger bejahen, Arnold verneint sie und Hyrtl lässt sie offen.
^) Archiv für Anat. 1867, S. 651. ^) Experimentelle Unters, über die Innervationswege
der Thränendrüse. Dorpat 1871, S. 34. ^) N. maxillaris sup. Oberkiefernerve.
366 N. supramaxillaris.
bald nacli dem Austritt aus dem Canal sctwillt er durcli Lockerung der
den Stamm zusammensetzenden Bündel etwas an , und ungefähr in der
Mitte der Fossa spttenomaxillaris theilt er sich in zwei Stränge, einen stär-
Fig. 238.
N. supramaxillaris (F*^). Profil des Gesichtsschäclels; der Jochbogen abgesägt, um die Fossa
sphenomaxillaris frei zu legen. Die Nerven sind, so weit sie in Knochencanälen verlaufen,
mit einfachen Conturen, die an der lateralen Wand der Nasenhöhle, an der Nasenscheide-
wand und am Gaumen verlaufenden sind mit punktirten Linien angegeben, sp N. spheno-
palatinus. Gn Ggl. nasale, v N. vidianus. p Nn. palatini. asp N. alveol. sup. post. ni
Nn. nasal, inff. np N. nasopalatinus. Is Nn. labial supp. asa N. alv. sup. ant. nsc Nn.
nasales subcutanei. pbi Nn. palpebr. infF. asm N. alv. sup. medius. om N. orbitalis ma-
laris. ZaN. lacrymal. ot N. orbit. tempor. io N.infraorbitalis. o N. orbitalis. «s N. nasalis sup.
keren, cylindrischen, N. infraorhitalis, der in der Flucht des Stammes zur
Orbita zieht i), und einen schwächeren, platten, welcher, häufig in zwei oder
drei Fäden zerfallen, unter rechtem Winkel vom N. infraorhitalis abgeht
und nach kurzem Verlauf in das Ggl. nasale eintritt, dessen kurze, sensible
^) Man hat diesem Theil des Nerven, der besonders deutlich die den Nervenstämmen
eigenthümliche Verflechtung der Bündel zeigt, den Namen eines 'Plexus sijhenopahUrims,
Gaumenkeilbeingeflecht, ertheilt.
N. recurrens. N. infraorbitalis. 367 '
Wurzel er darstellt, während die lange, motorische, aus dem N. facialis
stammt(Fig. 238). Aus demGgl. nasale gehen Aeste nach drei Richtungen hervor,
der N. vidianus rückwärts in den gleichnamigen Canal, die Nn. nasales me-
dianwärts durch das For. sphenopalatinum in die Nasenhöhle, die Nn. pala-
tini abwärts durch den Can. pterygopalatinus zum Gaumen.
Der N. infraorbitalis gelangt durch die Fissura orbitalis inf. in die Or-
bita und verläuft am Boden derselben mit der gleichnamigen Arterie und
Vene zuerst im Sulcus, dann im Canalis infraorbitalis. Von seinem latera-
len Rande löst sich noch diesseits der Fissura orbit. inf. unter spitzem
Winkel der N. orhüalis, der sich neben dem Infraorbitalis in die Orbita be-
giebt. Nach unten gehen vom Infraorbitalis die Nn. alveolares supp. ab,
der erste, N. a. s. posterior, dem N. orl>italis gegenüber noch in der
Fossa sphenomaxillaris, ein zweiter und dritter, Nn. alveolares supp. medius
und anterior, innerhalb des C. infraorbitalis. Der Rest des Nervenstammes,
N. infraorhitaliS' s. s. tritt aus dem For. infraorbitale hervor, um sich in der
Haut des Gesichts zu verbreiten.
ß) Valentin (Nervenl. S. 360) erwähnt ein sehr feines Nervenfädchengeflecht,
welches in der Fossa sphenomaxill. mit zwei bis drei fadigen Wurzeln aus der
medialen Seite des N. supramaxillaris entpringe, nacli oben gegen den untersten
und hintersten Theil der Fissura orbit. inf. hinaufsteige und sich hier am Periost
und dem darüber liegenden Fette verliere.
ß) lieber Anastomosen mit dem Plex. carot. s. Sympath.
1. N. recurrens (supramaxillaris) Arnold rs^).
Entspringt mit Einer oder mehreren sehr feinen Wurzeln aus dem i. ßecurr.
zweiten oder aus dem Winkel zwischen dem zweiten und dritten Aste des
Trigeminus, verläuft gerade oder in sanftem Bogen zum Stamme oder zum
vorderen Aste der A. meningea media und vereinigt sich mit Zweigen des
N. recurrens inframaxillaris zur Begleitung der Arterienäste (Fig. 239 a. f. S.).
Var. Felilte (unter zwanzig Fällen fünf Mal) und wurde durch vermehrte
Stärke des N. recurrens inframaxillaris ersetzt.
2. N. infraorbitalis.
t CoUaterale Aeste.
a. N. orbitalis O 2).
Spaltet sich alsbald nach dem Ursprung in zwei Aeste, welche über- 2. infraorb.
einander unter dem Periost, zuweilen in Furchen und stellenweise selbst in a. Orbital.
Canälchen der lateralen Wand der Orbita hinziehen. Beide Aeste sind der
Haut des lateralen Augenwinkels und des nächst angrenzenden Theils der
Wange und Schläfe bestimmt und erreichen ihr Ziel, der Eine durch den
Can. zygomatico-temporalis, der andere durch den Can. zygomatico-facialis
des Jochbeins. Aber der obere Ast, E. temporalis (ot)'^), giebt einen Theil
1) Icon nerv. cap. ed. 2. Taf. III, 25. Wiener med. Jahrb. 1861, S. 26. ^) N.
suhcutaneus malae. N. orhitarius Cruv. N. te.mporo-malaris Quain. Jochwangennerve.
Waneenhautnerve.
368
N. infraorbitalis.
seiner Fasern innerhalb der Orbita ab, um mit dem unteren Ast des N. la-
crymalis die bei diesem Nerven (S. 365) erwähnte, an die innere Fläche der
Fig. 239.
Schädelbasis mit dem Tentorium (l); Sinus transv. (2) und petros. sup. (3) geöffnet.
4 Querschnitt des verlängerten Marks. 5 A. meningea media, ro N. r£currens ophthalmici.
r i N. recurrens inframax.
oberen Thränendrüse geheftete Schlinge zu bilden (Fig. 240). Sie sendet, wie der
obere Zweig des N. lacrymalis, feine, aus Fasern beider Wurzeln der Schlinge
gemischte Zweige durch die Thränendrüse am lateralen Rande der Orbita
hervor in die Haiit des oberen Augenlides; auch werden der Schlinge aus
dem N. orbitalis, wie die Reizung des Stammes lehrt ^), secretorische Drü-
sennerven zugeführt, die in der Thränendrüse ihr Ende erreichen. Der
Rest des R. temporalis gelangt in einem oder zwei Fädchen durch die ent-
sprechenden Canäle des Jochbeins in die Schläfengrube und an der äusseren
Fläche der Wangenplatte dieses Knochens, wo der Weg der Nerven öfters
durch Furchen bezeichnet ist, aufwärts bis in die Gegend der Naht zwischen
^) Herzenstein a. a. 0. Wolferz a. a. 0.
N. orbitalis.
369
Stirn- und Jochbein. Hier durchbotiren die Nerven den vorderen Anbef-
tungsrand der Fascia temporalis, um über demselben in der Haut zu endi-
gen. Sie lassen sieb zuweilen über die Fascia temporalis binweg bis in
die Gegend des oberen Randes des M. temporalis verfolgen.
Fig. 240.
Sagittalschnitt des Kopfs durch die rechte Orbita , rechte Schnitthälfte ; die Orbita entleert,
die Augenlider seitwärts umgelegt. Stirn- und Kieferhöhle, so wie die Fossa sphenomaxill.
von der medialen Seite geöffnet. ?a N. lacrymalis. sp N. sphenopalatinus. v N. vidianus.
Gn Ggl. nasale, p Nn. palatini. asp, asm, usa, Nn. alveol. post., medius und ant., in
der lateralen Wand der Kieferhöhle verlaufend, io N. infraorbitalis, am Austritt aus dem
Can. infraorbit. durchschnitten.
Der untere Ast des N. orbitalis, M. molaris (oni) Fig. 240 ^), begiebt sieb,
einfacb oder getbeilt, durch den gleichnamigen Canal zur Haut der Wange.
Die Varietäten dieses Nerven sind sehr zahlreich und daraus verständlich,
dass Ein Ast desselben durch den anderen, der obere Ast durch den N. lacrymalis,
der untere durcli den N. infraorbitalis vertreten werden kann. So ist die Stärke
beider Aeste veränderlich: so feblt in seltenen Fällen der E. temporalis, sehr häufig
'^) R. facialis.
Henle, Anatomie. Bd. III. Abtlüg. 2,
24
370 • Nn. alveolares supp.
der das Joclibeiu durchsetzende Zweig desselben (Meckel fand ihn in 30 Leichen
nur sechs Mal) und auch der E. malaris wird zuweilen (unter 30 Fällen Ein Mal
Meckel) vermisst. Der zur Anastomose mit dem N. lacrymalis bestimmte Zweig
trennt sich öfters schon im Hintergrunde der Orbita vom N. temporaüs oder von
dem Stamm.
Ebenso veränderlich, wie der Zusammenhang der Canälchen des Jochbeins, ist
die Verästelung der in ihnen enthaltenen Nerven. Der IST. temporalis tritt unge-
theilt in den entsprechenden Canal und sendet aus demselben den Zweig zur Ana-
stomose mit dem N. lacrymalis in die Orbita zurück (Eigene Beobachtung). Der
Stamm theilt sich in einen mit dem Lacrjonalis anastomosirenden und einen in
das Jochbein eintretenden Ast, welcher letztere innerhalb des Jochbeins in einen
B. temporalis und malaris zerfällt (nach Cruveilhier die Eegel). Uebrigens
erlaubt das Verhalten der Canälchen des Jochbeins keinen Schluss auf den Ver-
lauf der Nerven, denn unter den Canälchen dienen manche nur Arterienästchen
zum Durchgang, und andererseits tritt der E. temporalis nicht selten, statt durch
das Jochbein, durch die laterale Ecke der Eissura orbit. inf. aus der Orbita
hervor.
üeberzählige Zweige kommen vom N. orbitalis zu einem Ciliarnerven (Hyrtl
a. a. O.), vom N. malaris in der Orbita zum unteren Augenlid' (Eigene Beob.).
b. Nn, alveolares^) superiores.
b. Aiveoi. Es sind gewöhnlich drei, ein hinterer, mittlerer und vorderer; der mitt-
lere kann fehlen, der vordere und hintere können vom Ursprung an in zwei
und mehr parallele Fäden zerfallen (Fig. 238. 240).
Der N. Cllv. Sup. post. geht von dem N. infraorbitalis noch vor dessen
Eintritt in die Orbita unter fast rechtem Winkel abwärts ab und theilt sich,
wenn nicht vom Ursprung an, doch bald unterhalb desselben in zwei Aeste,
die die A. alveol. sup. zwischen sich fassen. Beide Aeste geben feine Fäd-
chen dem Periost des Oberkieferbeins und in der Regel treten beide durch
die Forr. alveolaria postt. in die laterale "Wand der Kieferhöhle, nachdem
sie vorher Aeste abgesandt haben, die an der Aussenseite des Alveolarfort-
satzes vorwärts gehen und im Zahnfleisch der hinteren Backzähne und der an-
grenzenden Wangenschleimhaut enden. Doch übernimmt der hintere Ast^)
vorzugsweise" die äussere Fläche des Oberkiefers, während der vordere^)
mit dem grösseren Theil seiner Fasern in den Knochen dringt.
Der N. dlveolaris sup. filed.^) trennt sich innerhalb des Can. infra-
orbitalis früher oder später vom N. infraorbitalis, um in einem eigenen Ca-
nälchen der lateralen Wand des Oberkiefers ab- und etwas vorwärts zu ver-
laufen.
Der N. dlveolaris Sup. eint ^), der stärkste dieser Aeste, läuft in dem
vom Can. infraorbitalis kurz vor dessen vorderer Mündung sich abzweigen-
den, häufig gegen die Kieferhöhle theilweise offenen Canal an der oberen,
dann an der vorderen Wand dieser Höhle gegen den Alveolarrand. Er ist
von Anfang an in mehrere Aeste geschieden, die zuweilen in besonderen
Fächern des Canals liegen, oder spaltet sich im weiteren Verlauf dergestalt,
dass ein Theil der Fasern in Einem oder mehreren Aesten sich rückwärts
^) Nn. dentales. An. ulveolo-dentales Cruv. Zahnnerven. Zalmhöhleniierven. ^) R.
buccalis aut. R. maxillaris ext. Rüdinger. N. alveolaris suj). post. maj. ^) R. den-
talis. N. alv. sup. post. minor. *) N. alv. sup. ant. minor. ^) N. alv. sup. ant. maj.
N. nnsodentalis.
Nu. alveolares supp. 371
wendet und mit dem hinteren N. alveol. sup. eine Schlinge^) bildet, in
welche auch der mittlere Ast sich einfügt, ein anderer Theil unter dem For-
infraorbitale vorüber vor- und medianwärts gegen den unteren Theil des
Seitenrandes der Apertura pyriformis zieht und von da aus Zweige abwärts
gegen die Wurzeln der Vorderzähne und medianwärts gegen die Nasenhöhle
schickt. Der in die Nasenhöhle eintretende Zweigt) versorgt die Schleim-
haut des Bodens und der Seitenwand der Nasenhöhle in der Umgebung der
Mündung des Ductus lacrymalis und anastomosirt mit dem N. nasopalatiiius.
Aus der Schlinge der. oberen Alveolarnerven entstehen feine Zweige,
die unter sich und mit den Zahnästen des vordersten jener Nerven ein zu-
sammenhängendes Geflecht ") bilden, aus welchem Fädchen hervorgehen, die
in Begleitung feiner Blutgefässzweige alternirend durch die Löcher in der
Spitze der Zähnwurzeln zur Pulpa'*) und durch feine Canälchen der spon-
•giösen Substanz des Alveolarfortsatzes zum Zahnfleisch ^) herablaufen.
«) Nach Bochdalek (Oesterr. med. Jahrb. XIX, 223) schwillt der N. alveol.
sup. ant. an der Stelle, wo er sich in die rücklaufenden und die absteigenden
Aeste theilt, 2 Cm. über der Wurzel des Eckzahns, zu einem platten Ganglion,
Ggl. supramaxillare [Ggl. Bochdalekn aut.), an, welches die Grösse eines Hanf-
-korns bis (selten) einer Linse erreicht. Es ist von der stark gewundenen Arterie,
mit der es in einer eigenen Aushöhlung des Knochens eingeschlossen ist, ohne
Zerreissung des einen oder der anderen nicht trennbar, zuweilen aber in eine Art
von gangliöseni Plexus umgewandelt oder in mehrere kleinere Knötchen zerfallen.
Valentin (S. 383) fand bisweilen an der Stelle, wo die hinteren Zahnnerven mit
ihren Zweigen in die Schlinge eintreten, ein zweites, ebenfalls plattes Ganglion
{Ggl: supramaxillare post.).
Ob die platten Anschwellungen der Nerven an den besagten Stellen wirklich
Gauglienmasse enthalten, ist streitig. Valentin (Eepertorium II, 58. Nerven-
lehre, S. 386), Fäsebeck (Müll. Arch. 1839, S. 73) und Hörn (Gangl. cap. glan-
dulas ornantium expositio. Wirceb. 1840, p. lO) behaupten, Nervenzellen in den-
selben gefunden zu haben; Schumacher (Ueber die Nerven d. Kiefer. Bern u.
St. Gallen 1839, S. 11) enthält sich, indem er die Schwierigkeiten der Unter-
suchung entwickelt, einer bestimmten Entscheidung. Arnold erklärt sich gegen
die Anwesenheit von Nervenzellen und ich halte mich für berechtigt, mit grös-
serer Bestimmtheit, als dies von Joh. Müller in einer Note zu Fäsebeck's Ab-
handlung auf Grund unserer gemeinschaftlichen Untersuchungen geschehen,
gegen das Bochdalek 'sehe Ganglion aufzutreten. Ich habe nämlich an in Salz-
säure erweichten Oberkiefern die Nn. dentales mittelst successiver feiner Horizon-
talschnitte Schichte für Schichte mikroskopisch vei'folgt und glaube nicht, dass
mir bei dieser Methode ein Ganglion, wenn es vorhanden wäre, hätte entgehen
können. Die Nerven bestanden bis in die feineren Verzweigungen aus starken,
dunkelrandigen Fasern.
ß) Sappey zählt die Schleimhaut der Kiefei'höhle zu den Gebilden, die von
den oberen Alveolarnerven versorgt werden. Bock hebt ausdrücklich hervor,
dass die Schleimhaut der Kieferhöhle keine Zweige von den Alveolarnerven em-
pfange.
Var. Der N. alveol. sup. post. geht vom N. infi-aorbitalis zuweUen erst nach
dessen Eintritt in den Canal ab (Cruv.).
Der Zweig des N. alveol. sup. post., welcher an der Aussenseite des Ober-
kiefers verbleibt, kann eine bedeutende Stärke erreichen und den N. buccinatorius
vom dritten Aste des Trigeminus vertreten (Turner, Journ. of anat. I, 83 und
Proceed. of the roy. soc. of London 1868. June. Auch mir Einmal begegnet).
^) Ansa supramaxillaris. ^) R. nasalis. ^) Plexus dentalis sup. Plexus gang-
liosus supramaxillaris Val. *) Nervuü dentales supp. ^) Nervuli gingivales supp.
24* ■
372 N. infraorbitalis, Endäste.
Ein Zweig des N. alveol. siip. ant. tritt durch eine eigene Oeffuung des Ober-
kieferbeins unter dem For. infraorbitale ins Gesicht und verzweigt sich mit den
unteren Aesten des N. infraorbitalis. (Bock, a. a. 0., S. 33. Eigene Beobachtung.)
ff E'ndäste.'
tt Endäste. Wenn der Stamm des N. infraorbitalis mit den gleiclinamigen Gefässen
aus der vorderen Mündung des Can. infraorbitalis auf die Gesichtsfläclie
des Oberkieferbeins gelangt, befindet er sieb, in Fett eingebüUt, zwischen
der Infraorbitalzacke des M. quadrat. labii sup. und dem Ursprung des M.
caninus und tbeilt sieb in der Regel zunächst in einen oberen und einen
unteren Ast. Der obere Ast gebt, in mehrere Zweige getheilt, aufwärts,
> um sich im unteren Augenlid und dem oberen Theil des Nasenrückens zu
vertheilen. Der untere Ast zerfällt durch wiederholte Bifurcation in Zweige,
welche sich strahlenförmig über Nasenrücken, Nasenflügel und Oberlippe
bis in die Gegend des Mundwinkels ausbreiten, gitterförmig gekreuzt und
vielfach anastomosirend mit den von der Ohrgegend her spitzwinklig diver-
girenden Zweigen des N. facialis ^).
Nach den Regionen des Gesichts, in deren Haut sie endigen, werden
die Aeste des N. infraorbitalis (Fig. 238) bezeichnet als:
a. Nn. palpebrales inferiores pht^).
Gewöhnlich ein medialer und ein lateraler, von denen der erste, schwä-
chere, zwischen der Angular- und Infraorbitalzacke des M. quadrat. labii
sup. zum medialen Augenwinkel emporsteigt, der andere, öfters getheilt,
die letztgenannte Zacke nahe an ihrem Ursprung durchbohrt und sich im
unteren Augenlid ausbreitet.
b. Nn. nasales subcutanei tlSC^).
Zwei oder drei Aeste, die, zwischen Bündeln der Angularzacke des M.
quadrat. labii sup. und des M. nasalis hervortretend, in die Haut der Seiten-
fläche der Nase, des Nasenflügels und Naslochs ausstrahlen.
c. Nn. labiales superiores Is^).
Drei oder vier, an der inneren Fläche der Lippe zwischen der Muskel-
schichte und der Schleimhaut herablaufende Nerven, die der Schleimhaut
und, durch die Muskelschichte, der Cutis Aeste senden.
Var. Ein Zweig des N. infraorbitalis läuft am Boden der Orbita, unter dem
Fett derselben, vorwärts und schlägt sich über den Margo infraorbitalis herab
zur OberUppe (Haller bei Meckel, a. a. O. S. 202). Der Infraorbitalcanal ent-
hält nur die Lippenzweige, indess die dem unteren Augenlid und der Nase be-
stimmten Zweige sich früher, als der N. alveolaris sup. ant., vom Stamme des In-
^) Die abwärts ausstrahlenden Zweige des N. infraorbitalis ■ bilden mit den Facialis-
zweigen den sogenannten Plexus infraorbitalis {Pes anserinus minor). ^) Rr. ascendentes.
^) J\'n. nasales laterales s. superficiales nasi. Nn. laterales narium. Rr. interni. *) Rr.
des cendenies .
N. sphenopalatin. Ggl. nasale. 373
fraorbitaiis lösen und durch einen eigenen, an der medialen Seite des Can. infra-
orbitalis gelegenen Canal austreten. Theilung des Eoramen infraorbitale und so-
mit auch des Nervenstammes vor dem Austritt ist etvi^as Gewöhnliches. Vgl.
auch die von Langer beschriebene Varietät des Can. infraoi'bitalis. (Knochenl.
S. 181.) -'
3. N. sphenopalatinus s^)'^).
Ggl. nasale Gn^).
Der einfache oder in mehrere Fäden zerfallene N. sphenopalatinus, der sich s. Spheno-
unter rechtem "Winkel vom N. infraorbitalis trennt (Fig. 238. 240.241), schwillt GgL nasale.
nach kurzem Verlauf in ein plattes, dreiseitiges Ganglion von etwa 5 Mm. Flä-
chendurchmesser an, welches, umgeben von den Endverzweigungen der A. ma-
xillaris int., im Fett der Fossa sphenomaxillaris eingebettet ist. Das Gang-
lion sendet, wie erwähnt, nach drei Seiten Nerven aus, in den Can. vidianus,
in den Can. pterygopalatinus und durch das Foramen sphenopalatinum in
die Nasenhöhle. Nach den beiden letztgenannten Sichtungen verlaufen
nur peripherische Aeste ; der in den Can. vidianus eintretende Nerve, N. vi-
dianus, dagegen vermittelt eine Verbindung des Ggl. nasale mit anderen
Nerven oder Ganglien und lässt uns über die Richtung seiner Fasern in
Ungewissheit. Er zerfällt beim Austritt aus dem Canal in zwei Aeste,
einen oberen, N. petrosus superficialis maj., der sich an den N. facialis an-
fügt, und einen unteren, N. petrosus pro/, maj., der sich zu dem die Carotis
umgebenden sympathischen Geflecht gesellt. Der letztere enthält gelatinöse
Fasern; ob er als sympathische Wurzel des Ganglion oder als eine vom
Trigeminus ausgehende "Wurzel des sympathischen Nervensystems aufzu-
fassen sei, behalte ich mir später zu erörtern vor. Von dem zwischen dem
Facialis und dem Ggl. nasale ausgespannten Nerven ist durch Thatsachen
der Physiologie und Pathologie* festgestellt, dass er Facialis-, d. h. moto-
rische Fasern zu dem Ganglion leitet und also dessen motorische "Wurzel
repräsentirt. Da er aber möglicher Weise zugleich sensible Fasern in ent-
gegengesetzter Richtung führt und da der N. vidianus, von dem er sich ab-
zweigt, in einer vom Ganglion centrifugalen Richtung in seine Aeste zer-
fällt, so mag es gestattet sein, dem N. petrosus superfic. maj. sammt dem
N. vidianus seine Stelle unter den Aesten des Ggl. nasale anzuweisen, mit
dem Vorbehalt, die genauere Beschreibung bei dem N. facialis folgen zu
lassen.
a. N. vidianus V'^).
Vom hinteren Rande des Ggl. nasale rückwärts durch die Fossa sphe- a. vidian.
nomaxillaris zum Canalis vidianus. In dem Canal theilt sich der Nerve
früher oder später oder er zerfällt in ein die A. vidiana umgebendes Ge-
flecht *), welches sich am Ausgange des Canals in die ebengenannten beiden
■'■) N. pterygopalatinus s. nasopalatinus. Flügelgaumennerv. Gaunnenkeilbeinast. -) Ggl.
sphenopalatinum s. Meckelii. Ggl. rhinicum Arnold. Gaumenkeilbeinknoten. Nasen-
knoten. 3) N. quinti recurrens. N. anastomoticus. N. pterygoideus. N. recurrens int.
Val. Zurücklaufender Flügelnerve. *) Plexus vidianus aut.
374
N. viclianus.
Zweige, den cerebrospinalen N. petrosus sup. maj. und den sympathisclien
N. petr. prof. maj. scheidet (Fig. 238. 240. 241).
In der Fossa sphenomaxillaris und selbst noch im vorderen Theil des
Can. vidianurs entstehen aus dem medialen Rande des N. vidianus Aeste,
die sich, jene durch das For. sphenopalatinum, diese durch besondere Ca-
Fig. 24ri).
Seitenwand der Nase, Fossa sphenomaxillaris, Canales pterygopal. und vidianus von der
medialen Seite geöffnet. Die Schleimhaut der Muscheln, des Gaumens und des Pharynx
theilweise abgezogen. Der vs^eiche Gaumen, median gespalten, ist rückwärts umgelegt.
Ss M. sphenopalatinus. Ss', um den Hamulus pteryg. gewundene Sehne desselben. Pis
M. petrostaphylinus. 1 Ost. pharyng. der Tuba. 2 Tonsille. 3 Arcus glossopalatinus.
4 Are. pharyngopalat. I N. olfact. und dessen Verbreitung auf der oberen Muschel, e N.
ethmoidalis. ns Nn. nasales supp. Gn Ggl. nasale, pa N. palatin. ant. pp N. palatin.
post. pal N. palat. lateralis, np Nn. nasopalatini. ni Nn. nasales inff.
nälchen der medialen Wurzel des Gaumenflügels in den oberen Nasengang
begeben. Es sind dieselben, die in anderen Fällen theilweise oder sämmt-
') Mit einigen Veränderungen nach Scarpa, Anat. Annot. Tab. II, Fig. 2.
Nn. nasales supp. 375
lieh direct aus dem Ggl. nasale stammen und so darf man sie als Nn. na-
sales superiores betrachten, welche gelegentlich eine Strecke ihres Verlaufs
in der Scheide des N. vidianus zurücklegen.
«) Die Verbindungen des N. vidianus mit dem Ggl. oticum werden bei diesem
zur Sprache kommen.
ß) Wegen eines Verbindungszweiges zAvischen Nn. vidianus und abducens ver-
weise ich auf den letzteren.
y) Nach Scarpa (Anat. aunot. II, 71) dringen zwei feine Pädchen aus dem
N. vidianUs in die Wespenbeinliöhle ein, um sich auf der Schleimhaut derselben
zu verästeln (Fig. 241).
(f) Wrisberg (Commentat. Gott. 1800, p. 374), Bock (Anat. Unters., S. 35)
und Kobelt (bei Arnold) erwähnen Knochennerven des Vidianus. Valentin
beschreibt sie als Batnuli sphenoidales, drei grössere und vier bis fünf feinere,
welche aus dem Can. vidianus vom medialen Rande des Geflechts nach innen und
unten verlaufen und in die Knochenzellen des "Wespenbeinkörpers eindringen
sollen.
b. Nn. nasales superiores tlS'^).
Vier bis fünf stärkere oder eine grössere Anzahl feiner Fäden, welche b. Nas. siipp.
von der medialen Fläche des Ggl. nasale und von dem Anfang des N. vi-
dianus (s. oben) durch Lücken der sehnigen Membran, die im Foramen
sphenopalatinum ausgespannt ist, oder durch besondere Knochencanälchen
aus dem Can. vidianus sich zur Nasenhöhle begeben. Sie verästeln sich
zum Theil auf der Decke und Seitenwand, zum Theil auf der Scheidewand
der Nase. Es verlaufen Zweige in Rinnen oder Canälchen der unteren
Fläche des Wespenbeinkörpers und des Gaumen- und Pflugscharbeins (Can.
•*) Nn. sphenopalatini. Wegen des veränderlichen Ursprungs dieser Nerven befindet
sich die Synonymik in einiger Verwirfnng. J. F. Meckel kennt nur aus dem N. vidianus
entspringende Nasenäste und beschreibt als Nn. nasales supp. antt. die innerhalb der Fossa
sphenomaxillaris, als Nasales supp. postt. die innerhalb des Vidi' sehen Canals entsprin-
genden. Bock unterscheidet direct aus dem Ganglion und aus dem N. vidianus in der
Fossa sphenomaxillaris entspringende Aeste; er überträgt auf jene den Namen iVrasfflZes supp.
antt. und betrachtet Meckel 's Nasales supp. postt. als Endzweige eines N. pkaryngeus,
unter welchem Namen er den Stamm begreift, in welchem die durch das For. sphenopala-
tinum zur Nasen- und Rachenschleimhaufc verlaufenden Nerven sich vom Vidianus lösen.
Valentin beschreibt Meckel's Nasales supp. antt. als supp. antt. tenuiores und des-
selben Autors Nasales supp. postt. als Rr. pharyncjei und führt neben denselben nochmals
Nasales supp. antt. (drei Hauptstämme) und N. supp. postt. (zwei bis drei Fäden) auf, die,
die Einen aus dem vorderen, die anderen aus dem hinteren Theil des Ggl. nasale kommen
sollen. Weber -Hildebrandt schliesst sich an Bock an, nur dass er den R. pharyn-
geus sammt den Nn. nasales superiores (supp. antt. Bock) aus dem Ggl. nasale entstehen
lässt. Von da an werden die Nasenzweige aus dem N. vidianus nur noch als Varietäten
erwähnt und die Nn. na,sales supp. postt. und antt. der älteren Autoren als supp. postt.
zusammengefasst, supp. im Gegensatz zu den aus den Nn. palatini in die Nase eintretenden
Aesten, postt. im Gegensatz zu den Zweigen, die der N. ethmoidalis an die Nasenschleim-
haut abgiebt. Neben ihnen erwähnt Cruveilhier noch besonders den N. pharyngeus
Bock als i?.«asopAar-«/wgreMs, C.Krause die Nn. nasales supp. postt. Meckel's als Rr. pTia-
ri/ngei Gglii sphenopalatini. Krause und Arnold trennen die Rr. nasales in Scheide-
wandnerven, Nn. septi narium, und Seitennerven, Nn. nasales posst. supp. Krause, Nn. la-
terales Arnold, Nn. sphenopalatini externi Cruv., und Arnold lässt die letzteren sichin
Schlundzweige {Rr. pharyngei s. nasales supp. postt) und Nasenzweige {Rr. nasales supp.
antt) theilen.
376
N. nasopalatinus.
vomerobasilares Knl. S. 205) rückwärts zur Gegend der Tubenmündung,
vor- und aufwärts zur Sclaleimhaut der oberen Muschel, des oberen Nasen-
gangs und der Siebbeinzellen, gerade vorwärts zur Scbleimbaut der mitt-
leren Muschel. Unter den Scheidewandästen ist Einer,
N. nasopalatinus Tip'^),
Nasopaiat. der sich durch den Can, incisivus bis zum Gaumen erstreckt. Er entspringt
aus dem N. sphenopalatinus oder aus dem Ggl. nasale oder aus dem Stamm
Fig. 242.
N. nasopalatinus der rechten Seite, nach Entfernung des knöchernen und knorpligen Theils
der Nasenscheidewand auf der inneren Fläche der Schleimhaut präparirt. np* der beim
Eintritt in den Can. incisivus abgeschnittene linke N. nasopalatin.
der Nn. palatini dicht unter dem Ganglion, verläuft, nachdem er das Fora-
men sphenopalatinum durchsetzt, an der unteren Fläche des Wespenbein-
körpers erst median-, dann an der Scheidewand, in einer seichten Rinne
^) N. nasopalatinus Scarpae aut. N. septi narium. N. sphen<
Nasengaumennerve. Nasenscheidewandnerve.
ini. C r u V.
Nn. palatini. 377
des Pflugscharbeins, vor- und abwärts, stets in Begleitung der gleiclinaniigen
Arterie zwischen dem Knochen und der Schleimhaut, die er mit feinen
Aesten versieht (Wrisberg^), Arnold). Vor dem Eintritt in den Can.
incisivus geht er eine Anastomose mit einem Aste des N. alveolaris sup. ant.
ein und in dem Canal verbindet er sich mit dem or.tsprechenden Nerven
der anderen Körperhälfte zu einem feinen Geflecht, aus welchem die Aeste
zum vorderen Theil der Gaumenschleimhaut hervorgehen (Fig. 242).
Cloquet erklärte das Geflecht der beiderseitigen Nn. nasopalatini für ein
Ganglion, Ggl. nasopalatinum (Ggl. incisivum seu Cloqueti aut.), Valentin
nennt das GeflecM gangliös und C. Krause giebt an, bald eiu Geflecht, bald ein
Ganglion, zuweilen aber aucb zwei, durch eine quere Anastomose zusammenhän-
gende Ganglien, eins an jedem N. nasopalatinus, gefunden zu haben. Scarpa
und Bock kennen dies Ganglion nicht, Arnold, Longet (a. a. O. II, 127), Cru-
veilhier und Sappey erklären sich ausdrücklich gegen Cloquet's Angaben.
Auch ich habe im Can. incisivus nur anastomosirende Nervenfaserbündel gefunden.
c. Nn. palatini p^).
Mit dem grössten Theil ihrer Fasern das Ganglion ununterbrochen o. Paiat.
durchsetzend, ziehen sie senkrecht zum Can. pterygopalatinus herab, als
ein Stamm ^), der sich bald in drei, der Theilung des Can. pterygopalatinus
entsprechende Aeste theilt (Fig. 238. 241).
Der Hauptast, N. palatinus Unt. ^), füllt den Hauptcanal aus und geht
durch die untere Oeffnung desselben, das For. pterygopalatinum, zum Gau-
men. Aus dem Canal schickt er durch Löcher der verticalen Platte des
Gaumenbeins Nerven zur Seitenwand der Nase, in der Regel zwei, Nn. fla-
säles postt. inferiores ^), von denen der obere zwischen den hinteren Spitzen
der mittleren und unteren Muschel, der untere gegenüber der hinteren
Spitze der unteren Muschel unter die Schleimhaut der Nasenhöhle gelangt.
Der obere spaltet sich in einen auf- und einen absteigenden Ast, jenen zur
mittleren, dieser zur unteren Muschel, der untere läuft auf der convexen
Fläche der unteren Muschel gerade vorwärts ; ihre Zweige gehören der
Schleimhaut der Muscheln und Nasengänge. Unter dem For. pterygopala-
tinum spaltet sich der N. palatinus ant. in zwei Zweige, die in Furchen des
knöchernen Gaumens vorwärts gehen und sich in der Schleimhaut verästeln,
der Eine längs den Backzähnen, der andere gegen die mediane Gaumennaht
und die Schneidezähne, Oefters trennen sich feine Gaumenzweige schon
früher vom Nervenstamme und durchziehen den Proc. pyramidalis des Gau-
menbeins in besonderen Canälchen.
«) Cruveilhier beschreibt einen Ast des N. palatinus ant., der durch die Wand
der Kieferhöhle zu den Backzähnen verlaufen soll, und einen anderen, ß) N. stapJiy-
linus, der vom Ausgang des Can. pterygopalatinus Aeste aufwärts zur Nasen-
schleimhaut sende.
Der grössere der beiden Nebenäste ^), N. palatinus post.''), verlässt
■'■) Commentat. p. 375. ^) Nn. pterygopalatini. Nn. palatini descendentes. Gaumen-
nerven. ^) N. palatinus communis Wrisberg. *) N. palatinus major Meckel.
^) Nn. nasales laterales inff. Arnold. Nn. tat. medius u. inf. Krause. ^) Nn. palatini
minores. ^) N. palatinus post. minor Meckel. N. palatinus minor s. int. Bock. N.
palatinus medius C r u v.
378 N. inframaxillaris.
seinen Knochencanal vor dem Hamiilns pterygoideus und über der sehnigen
Ausbreitung des M. spbenostaphylinus und zerfällt medianwärts in Zweige,
die sieb in den Mm. petrostapbylinus und palatostaphylinus verlieren. Es
sind obne Zweifel Fasern des N. facialis, und insbesondere des N. petrosus
superficialis major, die durcb diesen Gaumennerven den Muskeln zugeführt
werden.
Der kleinere Nebenast, N. palatinus lateralis ^), tritt durcb das laterale
For. palatinum post. aus und verzweigt sich in der Gegend der Tonsille
und im unteren Theil des Gaumensegels.
Ob in der Bahn der Nn. palatini secretorische Fasern zu den Drüsen
des harten und weichen Gaumens verlaufen, ist, wiewohl wahrscheinlich,
doch noch nicht experimentell entschieden.
ß) Longet (a. a. 0. II, 125) sah einen ziemlich starken Faden vom oberen
lind medialen Bande des Ggl. nasale sich ablösen und in die Wespenbeinliöhle ein-
dringen.
ß) Eine Anzahl feiner Nervenfädchen wendet sich, vom Ggl. nasale aus, der
Pissura orbitalis inf. und durch dieselbe der Orbita zu. Der AVurzel des Ggl. ci-
liare aus dem Ggl. nasale Avtirde schon oben (S. 360) gedacht. Aeste aus dem Ggl.
nasale zum N. opticus hat Hirzel entdeckt (Tiedemanu und Treviranus,
Ztschr. I, 228) und Arnold abgebildet (Kopfthl. d. vegetat. Nervensystems. Taf.
II, 17); Arnold (S. 81) konnte sie nur zur Scheide des Opticus verfolgen, Hirzel
will sie Einmal in die Substanz desselben eintreten gesehen haben. In seinem
anatomischen Handbuche - (II, 898) führt Arnold diese Nerven als „Orbitalfila-
mente" des Ggl. nasale auf, die sich, ausser zum Opticus, auch zum Periost der
Orbita lind vielleicht ins "Wespenbein begeben. Beck (Ueber die Verbindungen
des Sehnerven mit dem Augen- und Nasenkuoten. S. 13) konnte nur die Nerven
zur Wand der Orbita, nicht die zum N. opticus constatiren. Nach Luschka
(Ztschr. für wissensch. Zool. VIII, 125. Miill. Arch. 1857, S. 313) steigen die Or-
bitalfilamente , die er Nn. spheno-ethmoidales nennt, an der medialen Wand der
Orbita auf und ziehen, ein Fädchen durch das For. ethmoid. post., ein zweites
durch die verticale Sutura spheno-ethmoidalis, ein drittes durch eine feine Oeff-
nung in der Nähe des hinteren Eandes der Lamina papyracea, zu den hinteren
Siebbeinzellen und der Wespenbeinhöhle.
y) H. Müller (Ztschr. für wissensch. Zool. IX, 541) leitet vom Ggl. nasale
die Nerven ab, die den, den lateralen Theil der Fissura orbitalis inf. verschlies-
senden M. orbitalis (Eingewdl. S. 696) versorgen. Nervenfäden vom Ggl. nasale
zum M. orbitalis konnte Prevost (Arch. de physiol. I, p. 7. 207) bei Thieren be-
stätigen, doch glaubt er, dass sie nur an den Gefässen, nicht- in den glatten Mus-
keln der Orbita sich verbreiten, da die Contractionen der letzteren durch Reizung
des Sympathicus am Halse auch noch nach Exstirpation des Ggl. nasale hervor-
gerufen werden konnten.
cT) Wegen des Astes vom Ggl. nasale zum N. abducens s. diesen.
C. Des N. trigeminiis dritter Ast.
N. inframaxillaris ^).
c.infraraax. Zxim N. inframaxillaris vereinigen sich ein Theil der sensibeln und die
motorische Wurzel des Trigeminus in einem complicirten Geflecht •^), wel-
^) N. palatinus minimus s. externus. ^) N. niaxillaris inf. N. crotaphiüco-buccina-
torius. ^) Plexus gangliofor-mis Girardi (Santo i'ini tab. septemdecim , p. 19). Plexus
Santorini aut.
N. inframaxillaris.
379
ches nocli innerhalb der Scliädelhölile beginnt und sieb ausserhalb derselben
5 bis 6 Mm. weit fortsetzt bis zu der Stelle, von der fast mit Einem Male
die sämmtlichen Aeste des Nerven nach verschiedenen Richtungen aus-
Fig. 243. - - -
Verästelung des N. inframaxillaris, von aussen. Die Fossa infratemporalis durch Entfer-
nung des Jochbogens und des Proc. coronoid. des Unterkiefers frei gelegt. Die im Unter-
kiefer verlaufenden Nerven sind hell, die an der medialen Fläche desselben verlaufenden
punktirt angegeben, tpr'^ tpr^ Nn. tempor. proff. r« N. recurrens inframaxill. Go Ggl.
oticum. mae 'S. meat. aud. ext. ma N. massetericus. cf N. communicans facialis, ai
N. auriculo-tempor. pe, pi Nn. pteryg. ext. u. int. ai N. alveol. inf. l N. lingualis-.
cht Chorda tympani. 7/ih N. mylohyoid. b N. buccinat. md'N. mandibularis. Gl Ggl.
linguale, s N. submaxillaris. m N. mentalis,
J80
N. inframaxillaris.
strahlen. Der Erfolg der Verflechtung ist der, dass die beiden bis dahin
getrennten Wurzeln ihre Bündel theilweise mischen und dass die motorische
Wurzel, die vom Ursprung an an der unteren, d. h. medialen Fläche der
sensibeln liegt, um den vorderen Rand der letzteren an deren laterale Seite
gelangt.
Von der sensibeln Wurzel allein entspringt im Foramen ovale oder
sogleich unterhalb desselben (zuweilen noch in der Schädelhöhle) ein feiner,
in die Schädelhöhle zu-
rückkehrender Faden,
N. recurrens inframa-
xillaris. Mit der me-
dialen Fläche des Stam-
mes oberhalb seiner
Theilung ist durch kurze
Fäden das Ganglion oti-
cum verbunden. Die
Aeste, ,in welche der
Stamm sodann zerfällt,
scheiden sich in moto-
rische und in rein oder
wesentlich sensible. Zu
den ersten gehören die
Nerven der Kaumuskeln
und des M. sphenosta-
phylinus , Temporales
profiindi , massetericus,
pterygoideus ext. u. int.
Sie wenden sich an der
unteren Fläche des Tem-
poralflügels des Wespen-
beins sämmtlich seit-
wärts , mit Ausnahme
des N. pterygoid. int.,
der vom vorderen Rande
des Stammes vor- und
abwärts an die mediale
Fläche seines Muskels
geht. Feine Fäden, die
der Eine oder andere
dieser Nerven an das
Periost oder an das Kie-
Ansicht der linken Fossa int'ratemporalis von der Rück-
seite. Das For. ovale von hinten geöffnet; die sensible
und motorische Wurzel des N. inframaxillaris (V^ u. V^')
auseinander gelegt. 1 Das geöffnete Kiefergelenk. Pe, Pi
Mm. pterygoid. ext. u. int. 8s M. sphenostaphylinus.
Ci A. carotis int. mi A. masill. int. mm A. meningea
media, tpr N. tempor. prof. j)e N. pteryg. ext. h N.
buccinat. l N. lingualis. pi N. pteryg. int. mh N. my-
lohyoid. ai N. alveol. inf. at N. auriculo-tempor.
fergelenk sendet, sind
wohl auf Beimischungen aus der sensibeln Wurzel zurückzuführen. Von
den sensibeln Aesten, die die motorischen an Stärke übertreffen, begiebt
sich der Eine, N. auriculo-temporalis, an der medialen Seite des Gelenkfort-
satzes des Unterkiefers rückwärts, um, diesen Knochen umkreisend, vor dem
Ohre aufzusteigen; zwei, die Nn. lingualis und alveolaris inf., ziehen zwi-
schen M. pterygoid. und Unterkiefer ab- und etwas vorwärts, der Eine zum
N. recurrens inframaxillaris, 381
Can. mandibiilaris, der andere zum Boden der Mundhöhle ; das zuweilen
verknöchernde Lig. pterygopetrosum (Knochenl. S. 124) trennt sie derge-
stalt, dass der N. lingualis an der medialen, der N. alveolaris an der late-
ralen Fläche des Ligaments herabläuft (Fig. 246). Ein vierter sensibler Ast, N.
huccinatorius, geht zwischen den beiden Köpfen oder durch den oberen Kopf
des M. pterygoid. ext. erst seitwärts und dann auf der äusseren Fläche des
M. buccinator vorwärts zur Wange und Lippe. Dadurch, dass er anfäng-
lich mit den motorischen Nerven verläuft, auch wohl einen oder mehrere
derselben in seine Scheide einschliesst, oder mit einer Anzahl der lateral-
wärts verlaufenden motorischen Nerven zu einem Ast ^) zusammentritt, er-
weckt er den Anschein, als ob er aus der motorischen Wurzel entspringe.
Man muss das Neurilemm sorgfältig entfernen, um sich zu überzeugen,
dass der N. buccinatorius ein Zweig der sensibeln Wurzel ist, der sich an
die motorischen Aeste nur von unten her anlehnt, während an seiner me-
dialen Seite der N. pterygoid. int. herabgeht (Fig. 244).
Unter den „rein oder wesentlich" sensibeln Zweigen des N. inframaxillaris
habe ich Einen aufgezählt, den Alveolaris inf., der durch Abgabe eines
Muskelnerven, des B. mylohyoideus, sich als ein gemischter erweist. Es ist
nicht zweifelhaft, dass die motorischen Fasern dieses Zweiges aus der kur-
zen Wurzel stammen, obgleich sie sich nicht mit Sicherheit von der Aus-
trittsstelle bis zu dem Geflecht der Wurzeln und durch dasselbe verfolgen
lassen 2).
In einem von Turner (Journ. of anat. 2^ ser. Nr. IX, p. 101) beschriebenen
Präparat waren die Nn. lingualis und alveolaris inf. bis zum Eintritt des letzteren
in das For. mandibulare in Einen Stamm vereinigt.
1. N. recurrens inframaxillaris ri^). '
Tritt am hinteren Rande der A. meningea media einfach oder mit mehreren, i. Eec. m-
diese Arterie umgebenden Fäden, die sich weiterhin vereinigen, durch das
Foramen spinosum in die Schädelhöhle und zerfällt, wie die Arterie, früher
oder später in einen hinteren und einen vorderen Ast. Jener sendet Zweige
in den die Paukenhöhle deckenden Theil der Schläfenpyramide und durch
die Sutura petrosquamosa in die Schleimhaut der Zellen des Warzenfort-
satzes; dieser vereinigt sich mit dem N. recurrens des Supramaxillaris zur
1) Dem R. superior s. crotaphitico-buccinatorius Meckel, Bock u. A. Longet (a.
a. 0. II, 131), welcher jede Verbindung der beiden Wurzeln des N. inframaxillaris läugnet,
nennt die sensible sammt den von ihr ausgehenden Aesten den sensiblen, die motorische
den motorischen N. alv. inf. Zum N. buccinatorius sollen beide beitragen. 2) Longet
(a. a. 0. II, 135) behauptet, diese Operation mit Erfolg ausgeführt zu haben. Calori
dagegen (Animadversiones de portione minore paris quinti aus Mem. dell' accademia di Bo-
logna I, 74) konnte den N. mylohyoideus zwar bis zum Auriculo-temporalis vom Stamme
des Alveolaris inf. ablösen, sah ihn aber dann in zahlreiche Fäden sich auflösen , die sich
mit den Wurzelfäden des Alveolaris selbst und der übrigen sensibeln Zweige verflochten.
^) N. recurrens tertii rami quinti paris Arnold (Wiener med. Jahrb. XVII, 31). N. spi-
nosus Luschka.
382 ■ ' Ggl. oticum.
Begleitung des Torderen Astes der A. meningea media (Fig. 245). Von ihm
dringen feine Aestcheu in die Knochenbrücke zwischen dem For. ovale und
spinosum und in die Substanz des Temporalflügels (Luschka)^).
Fig. 245.
Schädelbasis mit dem Tentorium (l); Sinus trausv. (2) und petros. sup. (3) geöffnet.
4 Querschnitt des verlängerten Marks. 5 A. meningea media, ro N. _ recurrens ophthal-
mici. rs N. recurrens supramaxillaris.
2. Die kurzen Wurzeln des Ganglion oticum 2)
und das Ganglion Oo,
2. Ggi. otic. An der medialen Fläche des N. inframaxillaris liegt unter dem For.
ovale das Ganglion oticum, dicht an den Nervenstamm durch ein Paar aus dem-
selben hervortretende Fädchen angeheftet, platt, elliptisch, mit dem längsten
Durchmesser (von 4 bis 5 Mm.) sagittal gerichtet (Fig. 246). Es bedeckt
den Ursprung des N. pterygoid. int. und wird häufig von demselhen durch-
setzt; von seinem vorderen und hinteren Rande gehen Aeste aus, denen
1) Müll. Arch. 1853, S. 445. ^) Ggl. auriculare. G. Arnoldi.
Gffl. oticum.
383
man, so weit sie mit anderen Nerven in Verbindung treten, die Bedeutung
von Wurzeln des Ganglion zuschreiben kann und zuge schrieben hat. Doch
lassen diese Aiiffassungen, da sie sich nur auf Gründe der Analogie stützen,
der Willkühr allzuviel Spielraum.
So sclireibt der Entdecker des Ganglion oticum, Arnold, demselben nach
dem Vorbilde des Ggl. ciliare dreierlei Wurzeln, motorische, sensible und sympa-
thische zu : für die motorische Wurzel erklärt er einen Tlieil der kurzen Wurzeln,
den er zur motorischen Wurzel des Stammes des Inframaxillaris zurückverfolgt
zu haben versichert; als sensible Wurzel deutet er die Anastomose mit dem N.
glossopharyngeus, als sympathisclie einige Pädcben, die das Ggl. oticum mit dem
Nervengeflecht der A. meningea media verbinden sollen, nachEauber aber (Ueber
den sympath. Grenzstrang des menschl. Kopfes. München 1872, S. 13) nur als
Gefässnerven der zum Ggl. oticiim verlaufenden Zweige der genannten Arterien
fmigiren. Longet (a. a. O. II, 144) betrachtet als sensible Wurzel die Fädchen,
die nach Arnold' s Darstellung in peripherischer Richtung vom Ganghon zum
N. auriculo-temporahs ziehen; die motorische Wurzel glaubt er in einem Fädchen
zu sehen, das vom N. faciahs an die Anastomose des Ggl. oticum mit dem N.
glossopharyngeus tritt. Nach Hyrtl ist die kurze Wux'zel die sensible und Avird
die motorische vom IST. pterygoid. int. während seines Durchgangs durch das Gaug-
hon abgegeben. Eüdinger reiht das Ggl. oticum den Ganglien des Grenzstrangs
des Sympathicus an und begnügt sich mit dem Nachweis, dass die kurzen Wur-
zeln ihm sowohl motorische als sensible Fasern zuführen.
Fig. 246.
1 mm
Linke Kopfhälfte, das Ggl. oticum von der medialen Seii.e Llossgelegl; die Spitze der Schlä-
fenpyramide ist entfernt, die A. carotis int. aber aus ihrem Canal gelöst und an einem
Faden (l) in die Höhe gezogen. 2 Mediale Platte des Gaumenfliigels. 3 Lig. pterygope-
trosum. Pi M. pterygoid. int. Ss M. sphenostaphylinus. Pts M. petrostaphylinus, un-
teres Ende. Sp M. stylopharyngeus. mm A. meningea media, at N. auriculo-temporalis.
cht Chorda tympani. l N. lingualis. ai N. alveol. Inf. pi N. pterygoid. int.
Unter den Nerven, die als Aeste oder W^urzeln des Ggl. oticum be-
schrieben werden, sind die ansehnlichsten von der hinteren Spitze desselben
rückwärts gerichtet. Abgesehen von den erwähnten Verbindungen des
384 Ggl. oticum.
Ggl. oticum mit dem Gefässnervengefleclit der A. meningea media, derent-
wegen auf das sympathisclie Nervensystem zu verweisen ist, sind es die
folgenden :
a) Der N. tensoris iympani^), ein entschieden peripherischer Ast, wen-
det sich sanft ansteigend rückwärts zur oberen Abtheilung des Can. mus-
culotubarius und senkt sich in den M. tensor tympani. Seine Abstammung
von der motorischen Wurzel des N. inframaxillaris bezeugen (für den Hund)
die Versuche von Ludwig und Politzer 2); ob die Fasern sämmtlich oder
theilweise den Umweg durch den N. pterygoid. int. machen, ob im Ganglion
neue Fasern hinzutreten, ist zweifelhaft.
Arnold hatte zuerst (Kopftlieil des vegetativen Nervensystems. S. 116)
den N. tensoris tympani lediglich, aus dem Ggl. oticum abgeleitet und Longe t
(a. a. 0. II, 144) und Beck (Anat. Unters, über einzelne Theile des siebenten
und neunten Hirnnervenpaars. S. 38) stimmten ihm bei. Dagegen erklärten
Schlemm (Froriep's Notizen, Bd. XXX, Nr. 22) und J. Müller (Meckel's Ar-
chiv 1832, S. 67) den fraglichen Nerven für einen Ast des N. pterygoideus int.,
der die Substanz des Ganglion oder das gefässreiche Bindegewebe, wofür Schlemm
es erklärte, nur durchsetze. In seinen späteren Arbeiten versöhnte Arnold beide
Ansichten durch den Ausspruch, dass ein gelatinöser Zweig aus dem Ganglion und
ein weisser aus dem N. pterygoid. int. neben einander beständen, und dieser Mei-
nung schhesst Luschka (Archiv für physiol. Heilk. 1850, S. 80) sich an: beim
Schaf und Kalb fand er beide Nerven sehr deutlich ausgesprochen, beim Menschen
war der Ast aus dem N. pterygoid. int. oft sehr unbedeutend entwickelt, so dass
er wohl, wie Luschka meint, durch Zerreissung der Beobachtung entgehen
könnte. Eauber (a. a. 0. S. 14) leitet den N. tensoris tympani vom N. ptery-
goid. int. ab, will aber nicht läugnen, dass zu dem ersteren feine, aus dem Gang-
lion entsprungene Faserzüge gelangen.
In einem von Luschka beobachteten Falle kam ein Nervenzweig direct aus
dem Stamme des Supramaxillaris da, wo er vom Ggl. otictim bedeckt ist, durch-
bohrte die knöcherne Wand des Can. musculotubarius und verbreitete sich im M.
tensor tympani.
b) N. petrosus superficialis minor. So wird der feine Nerve genannt,
welcher medianwärts und etwas oberhalb des vorigen in fast gleicher Rich-
tung zur Fissura sphenopetrosa zieht, durch das Bindegewebe derselben in
die Schädelhöhle und durch die obere Oeffnung des Can. tympanicus (Kno-
chenl. Fig. 140) in die Paukenhöhle gelangt, um sich in zwei Aeste zu
spalten, von denen der Eine mit dem Knie des N. facialis in Verbindung
tritt, der andere sich am Plexus tympanicus betheiligt. Ich werde auf jenen
beim N. facialis, auf beide ausführlicher beim N. glossopharyngeus zurück-
kommen.
c) B. communicans c. nervo atiriculo-temporali, einer oder mehrere,
rück-abwärts verlaufende, sehr feine Zweige, die sich der vorderen oder
hinteren Wurzel des genannten Nerven oder beiden zugesellen.
d) Aus der vorderen Spitze des Ggl. oticum entspringt Nervulus ad
musculum sphenostaphylinum ^) und geht schräg vor-lateral-abwärts zum
hinteren Rande des genannten Muskels. Auch dieser Nerve lässt sich zu-
weilen innerhalb des Ganglion zu dem N. pterygoideus int. zurückverfolgen.
Er kann sich verdoppeln (Hein*).
^) N. musculi mallei interni Krause. ^) Meissner's Jahresbericht 1860, S. 583.
^) N. ad musculum tensorem veli palatini Arnold. *) Müll. Arch. 1844, S. 331.
N. massetericus. 385
e) Eine in der Form variable, jedoch, wie es scheint, beständige Ver-
bindung geht das Ggl. oticum mit der Chorda tympani ein. Ich komme
bei Beschreibung des N. facialis auf dieselbe zurück.
Zweifelhaft oder unbeständig sind die folgenden Verbindiingsäste des Ggl.
oticum :
ß) Nervulus sphenoidalis ext. Krause, zum Grgl. semilunare, ein Ast, der
in einem eigenen Canälchen {Can. lateralis Fäsebeck. Can. sphenoidalis ext.
Krause) das Wespenbein vom vorderen Eande des For. ovale zum liiuteren
Eande des Can. rotundus schräg durchsetzen soll (Fäsebeck, Nerven des Kopfs.
S. 13. Rauber, a. a. 0. S. 10). Eauber bezweifelt die Beständigkeit dieses
Nerven nicht, konnte sich aber von der Verbindung desselben mit dem Ggl. semi-
lunare nicht überzeugen, sondern vermuthet, dass er zu den Nn. recurrentes des
N. trigeminus gelange und denselben sjmipathische Fasern zuführe.
ß) Nervulus sphenoidalis int. Krause (i?. recurrens ext. s. sphenoidalis
Valentin) zum Ausgang des Can. vidianus, um sich an den N. petrosus prof.
major anzulegen und durch dessen Vermittlung mit dem Ggl. nasale zu verbinden.
Bidder (Neurol. Beob. S. 54) beobachtete ihn zwei Mal; das Binemal drang er
durch die Masse des Wespenbeinkörpers in den Can. vidianus. Valentin be-
schreibt ihn als einen vom Ggl. sphenopalatinum zur sensibeln Wurzel des N. in-
framaxillaris verlaufenden Zweig und lässt ihn zwei bis drei Fäden zur Schleim-
haut des Sinus sphenoidalis abgeben. Eauber vermisste nicht selten den ent-
sprechenden Knochencanal, sah aber in Einem Falle, dass eine einfache untere
Mündung aufwärts in zwei Canäle auslief, von denen der Eine dem Canal des
äusseren, der andere dem des inneren N. sphenoid. entsprach; in anderen Fällen
lag der N. sphenoid. int. etAvas weiter rückAvärts und gelangte durch die fibröse
Masse des For. lacerum zum N. vidianus. Kurz vor demselben pflegt er sich zu
theilen. Ein Faserzug tritt nach vorn und verläuft im N. vidianus zum Ggl. na-
sale. Der stärkere hintere Ast verläuft rückwärts im N. petrosus superfic. maj.
gegen das Ggl. geniculat. Einige Mal zweigte sich ein Ast von jenem Faserzuo-
ab, der in den N. petros. prof. maj. rückwärts verlief. An der Stelle, wo der N.
sphenoid. int. den N. vidianus erreicht, war unter sechs Fällen drei Mal eine
kleine Anhäufung von Nervenzellen vorhanden. An einem Präparat befand sich
das entsprechende Ganglion am N. petros. superfic. maj.
Eauber führt noch mehrere, aus dem unteren vorderen Theile des Ganglion
entspringende Fäden auf, welche zum Theil peripherisch in den N. buccinatorius
übergehen, zum Theil scliAver zu entAvirrende, Nervenzellen enthaltende Geflechte
bilden, aus welchen vielleicht feine Fädchen peripherisch in den N. pterygoid. int.
und in den Nerven des M. sphenostaphylinus gelangen. Vom vorderen Umfange
des Ggl. sah er feine Zweige gegen die Basis des Gaumenflügels und die Fossa
pterygoidea verlaufen, die in den Knochen einzudringen schienen; vom oberen Um-
fange Hessen sich feine, aufAvärts steigende Fädchen durch den Ursprung des M.
sphenostaphylinus verfolgen, deren Ziel die Tuba sein könnte. Neben oder mit
dem N. petrosus superf. minor entsprang regelmässig ein feiner Faden, der gegen
das For. spinosum zog und mit dem N. recurrens inframaxillaris sich vereinigte.
3. N. massetericusi).
Geht zwischen der Decke der Fossa infratemporalis und dem M. pte- 3. Masseter!
rygoid. ext. zuerst seitwärts, dann an der Aussenfläche des genannten Mus-
kels abwärts, zuletzt am hinteren Rande des M. temporalis wieder seitwärts
durch die Incisur des Unterkiefers auf dessen äussere Fläche. Er läuft
^) Kiefermuskelnerve. Innerer Kiefermuskelnerve. Kaumuskel nerve.
Henle, Anatomie. Ed. III. Abthlg. 2. 05
o86 Nu. temporales proff. N. pterygoid. ext.
zwischen der oberflächlichen und tiefen Schichte des M. masseter herab und
versendet seine Endzweige in beide. Aus dem ersten lateralwärts gerich-
teten Abschnitt kommen feine Fäden zum Kiefergelenk und zuweilen ein
Ast zum M. temporalis (Meckel). Oefters giebt er den folgenden
Nerven ab.
4. N. temporalis prof. post. tpr'^ ^).
4. Tempnr. Selbständig oder als ein Ast des vorigen oder gemeinschaftlich mit
dem folgenden, zuweilen auch vom N. buccinatorius entspringend, wendet
sich dieser Nerve, der stärkere der beiden Muskeläste des Temporalis, an
der Decke der Fossa infratemporalis, nicht selten in einer Furche, die die
Naht der Schuppe und des Temporalflügels schneidet, nach oben, um in der
hinteren Hälfte des M.' temporalis sich auszubreiten. Auch der N. tempor.
prof. post. sendet 1 bis 2 feine Fädchen in die Kapsel des Kiefergelenkes,
die am Tub. articulai'e den Ansatz derselben erreichen (Rüdinger) ^).
ß) Murray (De sensib. oss. morb. Ups. 1780) bescbreibt Zweige des N. temp.
prof. ext. zur Substanz des Temporalflügels des Wespenbeins, deren Existenz von
Arnold und Valentin bestritten, von Rüdinger (G-elenkuerven a. a. 0.) bestä-
tigt wird.
Var. Einer der Muskelzweige verläuft eine Strecke weit durch ein Knochen-
canälchen (Bock a. a. 0. S. 43). Longet (a. a. O. II, 133) iind Cruveilhier
sind die Einzigen, welche von Zweigen dieses Nerven berichten, die über dem Joch-
bogen die Fascia temporalis durchbohren und mit den Nn. aiiriculo-temporalis und
facialis anastomosiren.
5. N. temporalis prof. ant. *pri3).
5. Temp. Von gleichem Verlauf wie der vorige steigt er vor demselben in der
pio . an . Schläfengrube empor und endet im vorderen Theil des M. temporalis.
Oefters hängen beide Nn. temporales proff. diirch eine schlingenförmige Ana-
stomose zusammen.
6. N. pterygoideus ext. pe^).
ti. Pteryg. Aus dem Stamm des Inframaxillaris oder, der häufigere Fall, aus dem
N. buccinatorius oder temporalis prof. post. direct seitwärts zu seinem
Muskel.
7. N. huccin'atoritis b^).
7. Buociiiat. Vom Ursprung an stärker oder schwächer je nach der Zahl der Muskel-
äste, die er mit sich führt, kömmt der Buccinatorius auch nach Abgabe
^) N. t. frof. externus. ^) Die Gelenknerven des menschlichen Körpers. Erlangen 1857
S. 8. ^) iV. temp. prof. internus. *) Aeusserer Flügelmuskel nerve oder Flügelnerve. ■'') A'.
buccolabiah's s. bucc'inatorio-lahialis. Baokennei-ve.
N. buccinatorins. N. pterygoid. int. 387
dieser Aeste als ein immer noch ansehnlicher Nerve an der Aussenseite des
M. pterygoid. ext. ziim Vorschein. Er zieht dann an der lateralen Fläche
dieses Muskels medianwärts neben dem M. temporalis und zuweilen zwi-
schen den vordersten Bündeln des letzteren herab und giebt ihm einige
unbeständige Zweige. Umhüllt von dem Fett der Fossa infratemporalis
langt er schliesslich auf dem M. buccinatorius an, an dessen Fascie er sammt
seinen Verzweigungen durch straffes Bindegewebe befestigt ist. Von der
Gegend des Lig. pterygomandibulare an sendet er Aeste ^) abwärts gegen
den Unterkieferursprung des M. buccinatorius, welche theils durch diesen
Muskel, theils am unteren Rande desselben die Wangenschleimhaut erreichen.
Unter der Mündung des Duct. parotideus beginnt die spitzwinklige Thei-
lung des Stamms in 3 bis 4, gegen den Mundwinkel und die Lippen diver-
girende Aeste '^), die unter sich und mit Zweigen des N. facialis schlingeu-
förmige Anastomosen bilden und in der Haut und Schleimhaut der Lippen
enden.
Dass der N. buccinatorius bei seiner Ankunft auf dem gleichnamigen
Muskel nur sensible Fasern führt, ist auf physiologischem Wege ermittelt.
Reizung des Nerven vor dem Masseter lässt die Muskeln unberührt");
Durchschneidung des N. facialis bewirkt vollkommene Lähmung der Mus-
keln, in deren Bereich der N. buccinatorius sich zu verzweigen scheint.
Auch die Varietäten des N. buccinatorius bezeugen dessen sensible Eigen-
schaft. Die Fälle, wo er durch einen Zweig des N. infraorbitalis vertreten wird,
habe ich oben (S. 371) erwähnt. Turner (Natui-al history review 1864, p. 612)
sah ihn im Can. mandibularis vom N. alveolaris inf. entspringen und durch eine
feine Oeffnung im hinteren Theil des Alveolarrandes austreten. Gaillet (Bulletin
de la soc. anatomique 1853, p. 109) beobachtete eine Anomalie des N. buccina-
torius, welcher ohne Communication mit der motorischen Wurzel aus dem Ggl.
semilunare entsprang und durch eine besondere Oeffnung des Schädels zwischen
Can. rotund. und For. ovale austrat.
8. N. pterygoideiis int. pi.
Geht, wie erwähnt, vom vorderen Rande des N. inframaxillaris ab, s. Pteryg.
ganz oder mit einem Theil seiner Fasern durch das Ggl. oticum und senkt
sich einfach oder, zuweilen bis zum Ursprung, in zwei Aeste getheilt, in
die mediale Fläche des gleichnamigen Muskels. Ein Fädchen zweigt sich
zum M. sphenostaphylinus ab.
Die Abhängigkeit dieses Muskels vom N. inframaxillaris (vermittelst
des hier genannten und des aus dem Gangl. oticum entspringenden Nerven)
bezeugen die Versuche Hein's*), der auf Reizung der motorischen Wurzel
des N. trigeminus in der Schädelhöhle den Bauch des M. sphenostaphylinus
sich wellenförmig zusammenziehen sah. .
int.
1) Rr.'buccinaior!o-phari/7igei Val. ^) Rr. hucco-Inhiales Cruv. ^) Longet,
a. a. 0. II, 157. *) Müll. Aroli. 1844, S. 323.
25*
388 ' N. lingualis.
9. N. lingualis l^).
9. Lingual. Der vordere, mediale und schwäcliere der beiden, an der medialen
Seite der A. maxill. int. zwischen dem M. pterygoid. int. und dem Unter-
kiefer herabl-aufenden Nerven, verstärkt sich noch oberhalb des genannten
Muskels oder hinter dem oberen Rande desselben durch einen Ast vom N.
alveolaris inf. und einen vom N. facialis. Der erste (Fig. 244) läuft mit den
beiden Nerven, die er verbindet, fast parallel und wird oft erst nach Ent-
fernung des Neurilemms sichtbar; der andere, Chorda tympani, ein Zweig
des N. facialis, tritt durch die Fissura petro-tympanica aus der Paukenhöhle
hervor, in die er vom Ende des Can, facialis aus gelangt ist, zieht an der
medialen Seite des Lig. accessorium mediale des Kiefergelenks schräg vor-
und abwärts und legt sich unter spitzem Winkel an den hinteren Rand
des N. lingualis an. Vom vorderen Rande des M. pterygoideus int. an
zieht dieser Nerve am Boden der Mundhöhle vorwärts; er ruht zuerst auf
der Submaxillardrüse, dann auf dem M. mylohyoideus; so weit er auf der
Submaxillardrüse liegt, befindet er sich dicht unter der Schleimhaut der
Mundhöhle ; weiter vorn senkt er sich in die Tiefe und verläuft an der
Seite der Zunge zwischen dem M. hyoglossus und der Sublingualdrüse.
, Am hinteren Rande der letzteren kreuzt er sich spitzwinklig mit dem Duct.
submaxillaris, der über ihm hinweg an seine mediale Seite tritt und, wenn
man die Zunge und die Sublingualdrüse von einander zieht, der Drüse folgt,
indess der Nerve straff an die Musculatur der Zunge angeheftet ist (Fig. 247).
Auf ihr zerfällt er in 4 bis 5 Aeste, die sich rasch durch fortgesetzte spitz-
winklige Theilung vervielfältigen und verfeinern und zwischen den Mm.
genioglossus und hyoglossus, grösstentheils durch die Bündel des M. lin-
gualis in die Zunge eindringen. Es ist nicht so schwer, seine Fäden zur
Schleimhaut der Spitze, der Ränder und des Rückens der Zunge und sogar
bis in die Papillen zu verfolgen 2) und die Resultate der Nervendurchschnei-
dung bestätigen, dass der Lingualis ausser aller Beziehung zu den Muskeln
der Zunge steht und mit seiner Ausbreitung der Oberfläche derselben an-
gehört. Sie lassen auch kaum einen Zweifel, dass er allein es ist, der das
Tastgefühl der Zunge vermittelt^) und nur über seine Beziehung zum Ge-
schmackssinn sind die Acten noch nicht völlig geschlossen. Zuerst drehte
sich die Controverse darum, ob die Regionen der Zunge, die der Lingualis
versorgt, der Geschmacksempfindung überhaupt fähig seien. Ueber den
Fortbestand des Geschmacks bei Thieren, denen der N. glossopharyngeus
durchschnitten worden war, Hess sich streiten, weil sich die Thiere in ihren
Reactionen gegen Geschmackseindrücke sehr ungleichmässig verhalten. In-
dessen ergeben Beobachtungen, die am gesunden Menschen mit aller Vor-
^) N. gustatorius. Geschmacks- oder -Zunge nnerve. ^) lir. linguales papilläres Va-
1 entin. '^j Long et (a. a. 0. II, 173) glaubt noch nach Durchschneidung beider Lin-
guales bei Thieren geringe Schmerzensäusserungen wahrgenommen zu haben, wenn er die
Zunge mit einem weissglühenden Draht durchbohrte oder heftig zerrte und vermuthet, dass
dieser Rest Sensibilität (?) von Fasern herzuleiten sei, die dem N. hypoglossus durch Ana-
stomosen mit den Cervicalnerven zugeführt werden.
N. lingualis. 389
sieht unternommen wurden, dass die Zunge Geschmack besitzt an Stellen,
die der N. glossopharyngeus nicht erreicht, und dass namentlich an der
Spitze und den Rändern derselben, denen der Lingualis allein sensible Fa-
sern zuführt, schmeckende Substanzen erkannt, elektrische Reizungen durch
eigenthümliche Geschmacksempfindungen beantwortet werden i). Hierzu
kommen die pathologischen Fälle, welche beweisen, dass bezüglich der Er-
regbarkeit durch Geschmäcke die Basis der Zunge einerseits und deren
Spitze und Ränder andererseits sich unabhängig von einander verhalten
und dass diese Erregbarkeit hier verloren gehen kann, während sie sich
dort erhält. Entscheidend sind Beobachtungen von Busch 2) und von In-
zani und Lussana^), die nach Durchschneidung des Lingualis beim Men-
schen zugleich mit dem Tastgefühl der ganzen entsprechenden Zungenhälfte
das Geschmacksvermögen auf dem vorderen Theil derselben vernichtet
fanden.
Steht es demnach fest, dass der N. lingualis den Rändern und der
Spitze der Zunge Geschmacksnervenfasern zuführt, so bleibt weiter zu er-
mitteln, ob dieselben ursprünglich in ihm enthalten seien oder unterwegs
zu ihm stossen; mit anderen Worten, da es sich hier um centripetale Fa-
sern handelt : ob die Geschmacksnerven ihren Weg zum Gehirn in der
Bahn des Lingualis fortsetzen oder in eine andere Bahn einbiegen.
Die mit der halbseitigen Lähmung des N. facialis verbundenen Altera-
tionen des Geschmacks auf der der gelähmten Seite entsprechenden Zungen-
hälfte gaben Anlass, zu vermuthen, dass die Geschmacksnerven der vorderen
Zungenhälfte in den Facialis übertreten und lenkten die Aufmerksamkeit
auf die Chorda tympani als den Nerven, der den üebergang von Fasern
aus dem Stamm des Lingualis in den des Facialis vermitteln müsste. Was
Experiment und Beobachtung über den Antheil der Chorda tympani an der
Geschmacksfunction und über den weiteren centripetalen Yerlauf ihrer Fa-
sern gelehrt haben, werde ich bei Beschreibung des N. facialis berichten
und dort auch die streitige Frage erörtern, ob die Chorda alle Geschmacks-
fasern des N. lingualis oder nur einen Theil derselben übernimmt. Hier
ist nur zu constatiren, dass, was von manchen Seiten in Zweifel gezogen
wurde, ein Theil der Fasern der Chorda im Lingualis verbleibt, während
ein anderer Theil die Wurzeln des Ggl. linguale bilden hilft (s. dieses).
Es war namentlich Longet, der die Behauptung aufstellte, dass die Chorda
sich an den Lingualis nur anlege, um ihn alsbald, nach Abgabe oder Aufnahme
einiger feinen Verbindungsfädchen wieder zu verlassen und sich dem Ggl. linguale
zuzuwenden. Sappey, Calori (Mem. deUa accad. di Bologna IV, 462) und E. Bi-
se ho ff (a. a. O. S, 18) bezeichnen die Anastomose der Chorda mit dem Lingualis
richtig als ein enges Geflecht, durch welches die Fasern des Einen und anderen
Nerven zu verfolgen ein vergebliches Bemühen sein würde. Vulpian (Arch. de
physiol. II, 209) behauptet, dass die Fasern der Chorda sämmtlich in das Ganglion
linguale übergehen, weil er, nachdem er den Stamm des Facialis im Schläfenbein
zerstört, in den Verzweigungen des Linguaüs jenseits des Abgangs der Wurzeln
des Ganglion keine einzige degenerirte Faser entdecken konnte. Er vergisst, dass
1) Schirmer in Meissner's Jahresbericht 1856, S. 592. Stich und Klaatsch
und Drielsma, ebendas. 1858, S. 639 ff. Neumann, ebendas. 1864, S. 552. Camerer,
ebendas. 1850, S. 315. ^) Chirurg. Beobacht. BerHn 1854, S. 277. ^) Meissner's
Jahresbericht 1864, S. 555. Arch. de physiol. 1872, p. 152.
390 Nn. mandibulares. N. subungualis.
er in der Chorda selbst nur die „Mehrzahl" der Fasern degenerirt gefunden hatte.
Ohne Zweifel waren es die der Degeneration entgangenen, die im Lingualis verblieben.
Eemat (Müll. Ar eh. 1852, S. 58) fand an den zartesten Aestchen des Lingualis
im Inneren der Zunge feine Ganglien. Die mit diesen Ganglien in Verbindung
stehenden Fasern sollen von denjenigen, die sich in der Schleimhaut verbreiten,
dadurch abweichen, dass sie von sehr festen Scheiden locker timgeben werden und
überwiegend gelatinöse Fasern enthalten, die sich niemals zu Papillen verfolgen
lassen. Für die Deutung dieser Ganglien schien es wichtig, dass sie sich immer
in der Nähe von Schleimdrüsen oder deren Ausführungsgängen finden und dass
ihre Zahl der Zahl der Drüsen entspricht; in der Zungenspitze des Schafs ver-
misste Remak mit den Schleimdrüsen auch die GangUen. Schiff (Archiv für
physiol. Heilk. 1853, S. 377) konnte sich von einer Beziehung der Ganghen zu den
Zungendrüsen nicht überzeugen. Er fand ihre Zahl auch an der Zungenspitze
. sehr gross. Szabadföldy (Archiv für pathol. Anat. und Physiol. XXXVIII, 177)
beschreibt zwei Geflechte der LinguaUszweige iiuter der Schleimhaut der Zunge,
ein tieferes, dessen Zweige theils direct zu den Papillen aufsteigen, theils in Gang-
lien übergehen, aus welchen Nervenästchen hervorgehen, die mit jenen direct auf-
steigenden an der Basis der Papillen das obei'flächliche Netz erzeugen.
«) Nach Blandin (Nouveaux elemens d'anat. descriptive, Paris 1838, II, 616)
enden Fasern des N. lingualis in der von ihm entdeckten Drüse der Zungenspitze
(Eingewdl. S. 141). Es ist wahr, dass eine aulfallend grosse Zahl feiner Zweige
die Drüse durchsetzt; ob sie Fasern an die Substanz der Drüse abgeben, bleibt
noch zu ermitteln.
/?) Meckel (a. a. O. p. 213), Fitznau (De tertio ramo paris quinti. Lips. 1811,
p. 21) und Valentin beschreiben einen unbeständigen Ast vom Lingualis zum
M. pterygoid. int. Meckel fand ihn nur zwei Mal; Valentin sah ihn aus meh-
reren feinen Fäden bestehen und höher oder tiefer entspringen.
Die collateralen Aaste des N. lingualis sind folgende :
a. Nn. mandibulares m. ifld'.
a.Mandibui. Ich begreife unter diesem Namen 2 bis 4 feine Zweige i), welche zum
Theil schon aus dem vom M. pterygoid int. bedeckten Abschnitt des N. lin-
gualis entspringen, vor- und aufwärts zum Alveolarrand des Unterkiefers
verlaufen und der Reihe nach zwischen dem vorderen Rand des genannten
Muskels und dem hinteren Rande der Sublingualdrüse nach beiden Seiten
von dem Winkel aus sich verbreiten, in welchem das Zahnfleisch mit der
Schleimhaut des Bodens der Mundhöhle zusammenstösst.
b. N. subungualis S.
h. Subling.
Geht am hinteren Rande der Gland. sublingualis unter spitzem Winkel
vom Stamme des N. lingualis seitwärts ab an die laterale Fläche der Drüse,
die er in Verbindung mit dem Stamm gabelförmig umfasst. Sendet einen
Zweig in die Drüse und eine Anzahl Zweige zur Schleimhaut, die, wie die
Nn. mandibulares, im Zahnfleisch und in der Schleimhaut des Bodens der
Mundhöhle enden.
^) Rr. isihmi faucium Ai-nold. Rr. glanduläres s. tonsillaris und Rr. maxillares in-
feriores Valentin. Die Angabe von Arnold und Valentin, dass sich Aeste des Lin-
gualis zur Tonsille begeben, vermochte ich nicht zu bestätigen, ebenso wenig Arnold's
Angabe, dass sie den Arcus glossopalatinus erreichen. Ich vermuthe eine Verwechslung
mit der Schleimhautfalte, die das Lig. pterygo-mandibulare deckt.
Ggl. linguale.
391
c. Die Wurzeln des Granglion linguale und
das Ganglion i).
Am vorderen Rande des M. pterygoid. int. wird der bis dahin cyliu- c. Ggi. uu-
drische Stamm des Lingualis platt und nach Entfernung des Neurilemms ^'^''^^'
Fig. 247.
6m
Unterkiefer und Zunge, von oben ; die Schleimhaut zwischen dem Zahnfleisch und dem Sei-
tenrande der Zunge durchschnitten und die Zunge mit ihren Muskeln medianwärts umge-
legt. 1 Epiglottis. 2 Proc. condyloid. des Unterkiefers. 3 Spitze des grossen Zungenbein-
horns. 4 Submaxillardrüse. 5 Deren Ausführungsgang. 6 Sublingualdrüse. Mh M. my-
lohyoid. Gg M. genioglossus. Hg M. hyoglossus. l A. lingualis. Gl Gangl. linguale.
cht Chorda tympani. l N. lingualis. 'md N. mandibularis. s N. subungualis. * Anasto-
mose der Nn. lingualis und hypoglossus.
erweist er sich als ein lockeres Geflecht, in welchem die ursprünglichen
Bündel des Nerven unter sich und mit den durch die Chorda tympani zu-
geführten vielfach anastomosiren. Aus diesem Geflecht gehen nach unten
mehrere, gleichfalls anastomosirende feine Fäden hervor, parallel oder ab-
wärts convergirend und im letzteren Fall ein plattes Dreieck bildend mit
abwärts gerichteter Spitze, an der das Ggl, linguale hängt. Das Ganglion
1) Ggl. maxillare Meckel. Ggl. Mechelü minus. Ggl. sublinguale s. submaxillare.
Unterkieferknoten. Ziingen- oder Kieferknoten.
392 Ggi. linguale.
ist meist spindelförmig mit verticalem längeren Durchmesser, etwa 3 Mm.
iiocli; aus seiner unteren Spitze entspringt ein Bündel feiner Nerven i), die
sicli in die Submaxi Uardrüse und in den die Submaxillar- und Sublingual-
drüse verbindenden platten Lappen (Eingewdl. S. 136), wenn derselbe vor-
banden ist, einsenken. Das Ganglion selbst, seine Wurzeln und peripberi-
scben Aeste sind durcb ziemlich derbes Bindegewebe an den Ausführungs-
gang der Submaxillardrüse befestigt.
Indem ich die Fäden, die das Ganglion und den N. lingualis mit ein-
ander verbinden, als Wurzeln des ersteren bezeichne, habe ich nur das ana-
tomische Verhalten vor Augen; es ist wahrscheinlich, dass sie Fasern von
verschiedener physiologischer Bedeutung, es ist möglich, dass sie Fasern
von verschiedenem Verlauf, ab- und aufsteigende enthalten. Sicher führen
sie dem Ganglion centrifugale Nervenfasern zu, die aus der Chorda tympani
und weiterhin aus dem Facialis stammen. Schon die anatomische Präpa-
ration gab dafür Anhaltspunkte; die nach Durchschneidung des N. facialis
entarteten Fasern der Chorda tympani lassen sich in die Wurzeln des
Ganglion verfolgen (Vulpi an); das physiologische Experiment lehrt die Ab-
hängigkeit der Secretion der Submaxillardrüse vom Facialis (s. unten). Von
den nicht auf die Chorda tympani zurückzuführenden, zwischen dem N. und
dem Ggl. linguale verlaufenden Fasern betrachtet Arnold die Mehrzahl als
sensible Wurzel eines nach dem Schema des Ggl. ciliare gebauten Ganglion,
zu der sich als motorische Wurzel die Chorda tympani, als sympathische
ein vom Nervengeflecht der A, maxillaris ext. abgezweigtes Fädchen gesel-
len würde. Der häufig vorwärts aufsteigende Verlauf der vorderen Wurzel-
fäden spricht dafür, dass das Ganglion seinerseits Nervenfasern aussendet,
die sich mit dem Lingualis peripherisch verästeln, und es giebt Fälle, die es
unzweifelhaft machen, wo nämlich diese Fäden die abgeplattete Form und
das gelatinöse Ansehen sympathischer Fasern haben und sich durch den
Stamm des N. lingualis in den N. subungualis und dessen Drüsenzweige
verfolgen lassen. Doch ist dies nicht die Regel.
Valentin meint, dass es grossentheils schlingenförmige, aus den hinteren
Wurzelfäden des Ganglion ohne Berührung desselben in die vorderen übergehende
Bündel des Lingualis seien, die den Anschein peripherisch mit dem Lingualis
verlaufender gangliöser Zweige gewährten. Bidder (Arch. für Anat. 1866, S. 351,
1867, S. 4) beschreibt vom Hunde die fraglichen Zweige, nimmt aber an, dass
sie von der peripherischen Seite des Lingualis, von der Zunge her, zum Ganglion
und zur Drüse verlaufen und bezeichnet sie demgemäss als peripherische Wurzel
des Ggl. linguale. Seinen Beobachtungen zufolge ändern die starken Fasern, die
in der Chorda tympani und in den von ihr abzuleitenden Wurzeln des Ganglion
enthalten sind, im Ganglion ihren Charakter ; indem sie sich vervielfältigen, wer-
den sie zugleich feiner und ärmer an Mark. Da nun die vom Ganglion gegen
die Zungenspitze gerichteten Bündel (neben zahlreichen Nervenzellen) vorwiegend
starke Fasern führen, so hält Bidder es nicht für statthaft, ihren Ursprung in
das Ganglion zu verlegen ; nach seiner Meinung leiten sie Beize von der Schleim-
haut zum Ganglion, die, ohne Mitwirkung des cerebrospinalen Centrums, Speichel-
fluss erzeugen sollen. Der Versuch , von der Schleimhaut der Zungenspitze aus,
nach Durchschneidung des Lingualis, die Speichelsecretion anzuregen, gab nur
negative Resultate, doch nahmen die Fasern dieser sogenannten peripherischen
Wurzel des Ggl. linguale auch keinen Antheil an der Degeneration, der die Aeste
des Lingualis nach Durchschneidung des Stammes verfallen.
■') Rr. glanduläres.
N. comm. c. liypoglosso. N. alveolar, iiif.
393
Eiueu der aus dem Ggl. linguale austretenden Nerven sahen Meokel und
Arnold sich mit einem Zweige des N. liypoglossus verbinden und mit diesem
zum M. genioglossus sich begehen. Böse (Heber das Ggl. maxillare des Menschen,
Giessen 1859, S. 11) beobachtete manchmal 2 Täden, welche sich an Aestchen des
Hypogiossus einfach anlegen und mit demselben nach vorn verlaufen. Sie schie-
nen ihm die Anastomose der Endzweige des N. lingualis mit dem Hypogiossus
zu ersetzen, da diese fehlte, wenn jene Fädchen vorhanden waren. Nach Blan-
diu (a. a. 0. II, 616) gehen die Nerven der Sublingvialdrüse von einem Ganglion,
Qgl. submaxülare, aus, welches an der lateralen Fläche dieser Drüse liegen soll;
seine hintere Spitze, sagt B landin, empfange einen Zweig, der sich oft schon
hoch oben vom Stamme des Lingualis ablöse ; seine vordere Spitze communicire
durch ein kurzes Fädchen, welches aus der Chorda tympani zu stammen scheine,
mit dem N. lingualis und durch ein noch feineres Fädchen mit dem die A. sub-
ungualis umspinnenden sj'mpathischen Geflecht. Hörn (Gangl. capit. gland.
ornant. Taf. I.) und Böse bilden ein solches Ganglion am N. subungualis ab, da
wo er in seine Endzweige zerfällt, und der letztere fügt hinzu, dass der Nerve
auch in den Fällen, wo die AnschweUung nicht wahrnehmbar sei, kleine Häuf-
chen von Nervenzellen enthalte. Eother (Divisio nervoram in substantia linguae.
Wratisl. 1862) bestätigt das Blandin'sche Ganglion, an dessen Stelle er öfters
einen Plexus feiner Nervenfäden fand. Calori (Mem. della accad. di Bologna
T. IV. Taf. XX. Fig. 8) bildet einen Plexus siiblinguaUs mit einer Anzalil zer-
streuter Ganglien ab. Longet (a. a. 0. II, 142) nennt das Ganglion unbeständig,
Arnold giebt den Plexus, aber nicht das Ganglion zu, Sappey konnte keins von
beiden finden.
d. N. communicans c. n. hypoglosso.
Ein von den hintersten Endästen des N. lingualis rückwärts zu End- d. Comm.c.
ästen des N. hypogiossus verlaufender feiner Zweig, auf welchen ich beim ''^^"Si-
N. hypogiossus zurückkomme.
10, N. alveolaris inf. Cli'^).
Der N. alveolaris inf. ist der Nerve der Zähne und des Zahnfleischs des lo. Aiv. inf.
Unterkiefers. In Begleitung der gleichnamigen Arterie und Vene tritt er,
Fig. 248.
Unterkiefer eines etwa Sjährigen Kindes mit von aussen blossgelegten Zähnen und Zahn-
wurzeln, (rt i) N. alveol. inf. aus dem Kanal hervorgezogen, m e der am Austritt aus dem
For. mentale abgeschnittene N. mentalis.
1) N. maxüluris inf. N. alveolaris maxillae inferioris. N. mandibularis . Zahnhöh-
lennerve. Unterkiefernerve.
394 N. mylohyoideus.
nacli innen gedeckt vom Lig. accessorium mediale, durcli das For. mandi-
bulare in den Can. mandibularis ein und durchläuft ihn in seiner ganzen
Länge , die Arterie anfangs an seiner hinteren , dann an seiner medialen
Seite. Am Eingang in den Canal sendet er den N. mylohyoideus, unter
dem letzten zweizinkigen Backzahn den N. mentalis ab, der, um das Dop-
pelte stärker, als die Fortsetzung des Stammes, durch das Foramen mentale
auf die Aussenfläche des Unterkiefers gelangt ^). Häufig trennt sich der
N. mentalis schon innerhalb des Canals, früher oder später, von dem eigent-
lichen Alveolarnerven, mit dem er jedoch feine Bündel austauscht. Zuweilen
ist der ganze Nervenstamm in ein, die Arterie umgebendes Geflecht ^) ver-
wandelt (Fig. 248).
Aus dem Stamm des N. alveolaris inf. gehen auf- und vorwärts theils ein-
zeln, theils mit gemeinsamen Stämmchen die feinen Aeste zu den Zahnwur-
zeln und dem Zahnfleisch^) ab, die sich den entsprechenden Nerven des
Oberkiefers ähnlich verhalten.
Audi besclireibt Valentin zwei, wie es sclieiue, gangiiöse Geflechte dieser
Aeste, ein Ganglion inframaxülare post. und cmt., unter dem dritten Backzahn
und unter dem Eckzahn, deren Existenz Arnold ausdrücklich in Abrede stellt.
Der N. alveolaris entstellt zuAveilen mit zwei, die A. maxillaris int. einschliessen-
den Wurzeln (Meckel a. a. 0.). In einem vonBock (a. a. 0. S. 56) bescliriebe-
nen Falle sonderte sich gleich unter dem For. ovale vom Stamm des Inframaxilla-
ris ein Zweig ab, der zwischen den Bündeln des M. pteryg. ext. herabstieg und
sich am For. mandibulare mit dem E". alveolaris inf. verband. Ein anderer dün-
ner Zweig kam vom N. auriculo-temporalis hinter der A. meningea inedia und
der A. alveolaris inf. herab, verlief hinter dem M. pterygoid ext. und senkte sich
unterhalb desselben in den N. alveolaris inf. ein. Der erste dieser Zweige ist
vielleicht identisch mit dem, welchen Sappolini (Omodei annali 1869, p. 346)
unter 65 Fällen 29 Mal fand und als N. alveolaris inf. minor beschreibt. Dieser
Nerve geht vom Ggl. semilunare aus einfach oder in mehrere Fädchen getheilt
am vorderen Eande des N. inframaxillaris herab , wird durch BindegeAvebe oder
Gefässe, durch den M. pterygoid. ext. oder durch Bündel desselben vom eigent-
lichen N. alveolaris inf. {N. alv. inf. maj. Sappolini) geschieden, tritt am oberen
Bande des letzteren in den Can. alveolaris inf. ein und löst sich in feine Fäden zu
den Zahnwurzeln auf. Einen Unterkiefer mit zwei Cann. alveolares, in deren jedem
ein Nerve verlief, beschreibt Patruban (s. Knochenlehre, S. 211).
a. N. mylohyoideus WlJl^).
a. Myio- Geht in einer vom For. mandibulare abwärts ziehenden Knocheni'inue,
^°' ■ die sich zuweilen streckenweise zum Canal schliesst, an die untere Fläche
des M. mylohyoideus und weiter median-vorwärts zwischen diesem Muskel
und dem vorderen Bauch des M. biventer mandibulae. Er sendet einige
Aeste nach oben in den ersten, einen Ast nach unten in den zweiten der
genannten Muskeln und endet am medialen Rande, des letzteren, dicht hinter
■"■) Wenn man die Abgabe des N. mentalis als Spaltung des N. alveolaris inf. auf-
fasst, so wird der im Canal zurückbleibende Ast dentalis {incisiviis Longet) genannt.
) Plexus dentalis inf. C.Krause. '^) Rr. dentales et gingivales. *) Zungenbeinkiefernerve.
Kieferzungenbeinmuskelnerve.
N. mylohyoideus. 895
dem Kiun, in dein das Kinn umgürtenden Theil des M. triangularis und im
vorderen Theil des M. subcutaneus colli (Fig. 249).
Fig. 249,
Linke Unterkieferhälfte, von unten, die Gland. submaxillaris zurückgeschlagen. Mh M.
mylohyoid. B m'^ Vorderer Bauch des M. biventer mandibülae. M M. Masseter. Pi M.
pterj'g. int. / N. lingualis. G l Ganglion linguale.
Sappey behauptet, dass constant einer der in den M. mylohj'oideus eindrin-
genden Fäden den Muskel nur durchsetze , um sich mit dem N. lingualis zu ver-
einigen ; es sei der erste der vom Stamm des Mylohyoideus abgehenden Zweige
und stehe in der Regel dem zurückbleibenden Theil des Stammes nur wenig an
Stärke nach. Zlobikowski (Journ. de l'auat. 1870 — 71, p. 602), der einen denM.
mylohyoideus durchbohrenden Zweig {filet dento-lingual de Sapi^ey) ebenfalls für
beständig erklärt, sagt von ihm, dass er sich in 2 Aeste spalte, von denen der
Eine, weisser als der N. lingualis, sich an diesen anlege, der andere in das Ganglion
linguale eintrete und dessen motorische Wurzel repräsentire. Die Beständigkeit
eines solchen Nerven muss ich in Abrede stellen. T urn er (Natural historj^ review.
1864, p. 612. Journal of anat. 2. ser. No. VII, p. lOl) erwähnt die Communication
der Nn. mylohyoideus und lingualis ebenfalls nur als Varietät ; er sah sie auch in
der Weise vor sich gehen, dass der N. mylohyoideus über dem gleichnamigen
Muskel verlief irud also nicht mit dem anastomotischeu, sondern mit dem Muskel-
zweige zum Biventer mandibülae den Mylohyoideus durchsetzte. Gaillet (Bullet.
396 N, mentalis. N. auriculo-temporalis.
de la SOG. anat. de Paris 1856, p. 109) sah einen ungewölmlicli stai'ken N. mylo-
hyoideus sich am hinteren Eande des Muskels in zwei Aeste von ungleichem Kaliber
theilen; der feinere repräsentirte den normalen N. mylohyoideus, der ungleich
stärkere Ast ging in den N. liugualis über. Meekel lässt den N. mylohyoideus
ein Aestchen an die Submaxillardrüse schicken, welches Arnold und Longet
vergeblich gesucht haben. In einem meiner Präparate empfing die Submaxillar-
drüse mehrere feine Zweige aus dem N. mylohyoideus. Ich vermuthe daher, dass
Bernard (Meissner's Jahresbericht 1858, S. 377) richtig beobachtet habe, als er
im Momente der Durchschneidung und bei Eeizung des N. mylohyoideus Vermeh-
rung der Speichelsecretion eintreten sah und dass , wenn der Erfolg in späteren
Versuchen ausblieb, dies auf Rechnung einer Unbeständigkeit in den Beziehungen
des N. mylohyoideus zur Speicheldrüse zu bringen sei.
b. N. mentalis J^e.
b. Mental, Spaltet sich beim Austritt aus dem For. mentale zunächst in drei
Aeste, zwei obere und einen unteren. Von den oberen ^) geht der hintere,
schwächere steil, der vordere stärkere mehr geneigt auf- und vorwärts durch
die Musculatur zur äusseren und inneren Haut der Lippe. Der untere Ast ^),
der schwächste, zieht ab- und vorwärts zur Haut des Kinns und des Unter-
kieferrandes (Fig. 243). Alle drei verflechten sich mit Unterkieferzweigen des
N. facialis.
10. N. auriculo-temporalis dt'^).
10. Auri- Gewöhnlich mit zwei, die A. meningea media umfassenden Wurzeln,
emp. ggj^^gj^ jj^j^ Einer oder einer grösseren Anzahl entspringend, verläuft der N.
auriculo-temporalis zuerst in horizontaler Richtung an der medialen Fläche
des M. pterygoid. ext. über der A. maxillaris int. rückwärts, dann um den
Hals des Unterkiefers seitwärts und zuletzt durch die obere Spitze der Pa-
rotis, in dem lockeren subcutanen Bindegewebe der Schläfengegend vor dem
Ohr mit der A.temporalis aufwärts (Fig. 250). Er giebt Zweige an die Haut,
die die vordere Wand des äusseren Gehörgangs und den vorderen Rand der Ohr-
muschel bedeckt ^), und an die Haut des vorderen Theils der Schläfe ^), oder
theilt sich spitzwinklig in zwei Aeste, von denen der Eine am Ohr empor-
steigt, der andere abermals unter spitzem Winkel in eine Anzahl Aeste für
die Schläfengegend zerfällt.
Die Wurzeln des N. auriculo-temporalis erhalten feine Fäden vom Ggl.
oticum (S. 384), von deren Bedeutung beim N. facialis gehandelt werden
wird.
Die coUateralen Aeste des N, auriculo-temporalis sind:
a. Rr.- articulares,
a. Articui; einige feine Fäden, die der Nerve im Vorübergehen an die hintere Wand
der Kapsel des Kiefergelenks vorwärts sendet.
^) Nn. labiales inff. ^) R. subcutaneus menti Bock. R. mentalis C. Krause. ^) N.
temporalis superßcialis aut. N. temporalis cutaneus Chaussier. N. aiiricularis s. auri-
cularis ant. Oberflächlicher Schläfennerve. Vorderer Ohrnerve. *) Nn. auriculares ante-
riores. ^) N. temporalis superficialis s. subcutaneus.
Nn. meat. audit. ext.
397
b. Nn. meatus auditorii externi 7¥l(ie,
in der Eegel zwei, ein unterer und ein oberer, welche aus dem horizontalen b. Nn. meat.
Theil des Stamms durch die Läppchen der Parotis aufwärts gehen und das
F]>. 250.
Rechte Ohr- und Wangengegend, der Kopf um die sagittale Axe etwas aufwärts gedreht,
die Parotis zum Theil entfernt. 1 Proc. styloid. 2 Proc. mastoid. 3 Duct. parotideus.
4 knorpliger Gehörgang. Stlh M stylohyoid. Pi M. pterygoid. int. M M. masseter.
/ N. lingualis. ai N. alveol. inf. par Er. parotidei, c/" N. communicans facial.
Bindegewebe', das den knorpligen mit dem knöchernen Gehörgang verbin-
det, durchsetzen (Fig. 250). Der untere steht im umgekehrten Verhältniss zum
N. auricularis magnus aus dem Plexus cervicalis und wird häufig durch den-
selben vertreten; er verzweigt sich, wenn der letztere schwächer ist, am
Ohrläppchen und, vom Gehörgang aus, in der Ohrmtischel. Der obere er-
streckt sich zur Haut, die die "Wurzel des Helix bedeckt und sendet hinter
dem Kopf des Hammers einen Zweig ^) zum Paukenfell.
^) iV. ti/mpani Bock.
398
N, comniim. fac. Nn. parotidei.
«) Bock beschreibt eine Anastomose dieses Nerven mit der Chorda tympani,
welche Arnold entschieden verneint.
c. N. commimicans facialis cf^).
Ein Ast, der sicli alsbald in zwei tlieilt oder zwei, vom Ursprung an ge-
sonderte Aeste, setzen sich, während der Stamm des Anriculo-temporalis
aufwärts umbiegt, in der anfänglichen, horizontalen Richtung desselben auf
die Aussenfläche des Gesichts fort und gesellen sich, noch innerhalb der
Parotis, den horizontal verlaufenden Aesten des N. facialis bei. Wenn der
Nerve ursprünglich einfach ist, so nimmt er einen beträchtlichen Theil der
Fasern des Stammes auf und die Theilung des letzteren gleicht fast einer
Bifurcation (Fig. 250).
d. Nn. parotidei par.
Von den eben genannten Communicationszweigen oder vom Stamme
des Auriculo-temporalis begeben sich feine Fäden zur Drüsensubstanz der
Parotis, deren Dasein auch durch den Einfluss der Reizung des N. auriculo-
temporalis auf die Speichelsecretion erwiesen ist (Fig. 250). In Betreff des
Ursprungs dieser secretorischen Fasern verweise ich auf die Beschreibung
des Plexus tympanicus.
a) Cruveilhier und Sappey erwähnen einen feinen Ast des N. anriculo-
temporalis, der sich über dem Por. mandibulare mit dem N". alveolaris inf. ver-
einigen soll.
ß) Nach Cruveilhier anastomosirt der N. auriculo-temporalis mit einem, die
Temporalfascie durchbohrenden Ast des N. temporalis prof.
VI. Abduc.
VI. N. abducens.
Bewegungsnerve des M. rectus oculi lateralis. Die Durchschneidung
des Stamms in der Schädelhöhle weckt keine Empfindung (Valentin,
Longet).
Die dicken Fasern, die die Hauptmasse des Nervenstammes bilden,
sind zum Theil um Weniges stärker, als die dicken Fasern der Nn. oculo-
motorius und trochlearis; feine Fasern, von 0,007 Mm. Durchmesser und
mehr, kommen überall zerstreut, Fasern von 0,004 Mm. Durchmesser sehr
selten vor und noch feinere fehlen gänzlich (Reissner).
Der N. abducens entspringt aus dem Facialiskern (S. 218), tritt am
hinteren Rande der Brücke aus (S. 174), durchbohrt in der hinteren Schädel-
grube die fibröse Hirnhaut und gelangt durch den Sinus cavernosus zur
Fisstira orbit. sup.
Die beständigen und verhältnissmässig ansehnlichen Zweige, welche
innerhalb des Sinus cavernosus den N. abducens mit dem Plexus caroticus
in Verbindung setzen, behalte ich mir bei dem letzteren zu beschreiben vor.
^ ) A". unaftlomoticiis.
N. abduceiis.
399
Zweifelliafterer Art sind die Verbindungen mit dem IST. oculomotorius vmd mit
dem N. trigeminus.
ß) Eine Anastomose mit dem N. oculomotorius erwähnen Munniks (Observ.
variae, quas pro gradu doctoris etc. proposuit. Groning. 1805), Cruveilhier (li
m'a paru qu'il existait une communication dans le sinus caverneux entre le nerf
moteur commun et le moteur externe) und S vi tz er (Bericht von einigen Variatio-
nen der Augennerven. Kopenhagen 1845. Taf. II, Fig. 8. Taf. III, Fig. 10.
Taf. V, Fig. 20). Fäsebeck (Die Nerven des menschl. Kopfes. Braunschweig
1840. S. 2) versetzt diese Verbindung in die Orbita; Longet erinnert sich nicht,
sie jemals gesehen zu haben. Sie würde erklären, warum Volkm.ann (R. Wag-
ner's Handwörterbuch II, 579) durch Reizung des IST. oculomotorius in der Schä-
delhöhle (an Hunden, Katzen und Schafen) Contractionen des M. rectus lat. er-
zielte. Freilich bewirkte die nämliche Operation auch Reactionen des M. obliq^^us
sup., dessen Nerven Niemand mit dem Oculomotorius anastomosiren sah.
ß) Meckel, Valentin, Brinton (Todd's cyclop. IV, 621) und Longet
erwähnen Anastomosen der Nn. abducens und ophthahnicus ; Meckel spricht von
einer Anastomose des N. abducens mit dem N. vidianus oder dem G-gl. nasale.
Bock (a. a. 0. Taf. II, 74) bildet die letztere ab und Valentin (Nvl. S. 364, 437)
behauptet sie durch die anatomische Untersuclning constatirt zu haben; Fäse-
beck aber (Taf. II, 48) verfolgte den vom Ggl. sphenopalatinun ausgehenden Ner-
ven innei'halb der Scheide des Abducens bis zur Vereinigung mit den an den Ab-
ducens sich anlegenden sympathischen Aesten.
In der Orbita wendet sich der N. abducens alsbald dem M. rectus late-
ralis zu, in dessen mediale Fläche er ungefähr an der Grenze des hinteren
und mittleren Drittels sich einsenkt (Fig. 251).
Fis:. 251.
Linke Orbita, von der lateralen Seite geöffnet. Verzweigung der Nn. oculomotorius und
abducens. M. rectus lateralis (Rl) am Bulbus abgeschnitten und abwärts gezogen. Oi
M. obliq. inf. Rm, Rs, Ri, M. rect. oculi medialis , sup. und inf. Lp M. Levator
palpebr. G ob kurze Wurzel des Ggl. ciliare.
400 N. facialis.
Var. Der N. abducens fehlte und wurde durch einen Zweig des N. oculomoto-
rius vertreten (s. diesen).
Er durchbohrt die fibröse Hiruhaiit in zwei Bündel getheilt, die sich noch
eine Strecke weit getrennt erhalten. Er giebt den N. nasociliaris ab oder sendet
accessorische Zweige zum Ganghon ciliare (S. 360).
Svitzer (a. a. O. Fig. 19) sah einen Ast vom Abducens direct zum Bulbus
verlaufen, blieb aber im Zweifel, ob er die Sclera durchbohrte.
VII. N. facialis.
Der N. facialis führt ursprünglich keine sensibeln Fasern und gewinnt sen-
sible Eigenschaft erst durch die Zweige des N. trigeminus, vielleicht auch des
N. vagus, die im Can. facialis und weiterhin zu ihm stossen. Er enthält
aber von Anfang an neben eigentlich motorischen Fasern auch secretorische
Nerven der Speicheldrüsen, und, wenn nicht von Anfang an, doch in einer
Strecke seines Verlaufs, die Geschmacksfasern, die in den Rändern und der
Spitze der Zunge sich verbreiten. Seine motorischen Fasern versorgen die
Muskeln der Schädeldecke und des Gesichts, mit Ausnahme der Kaumus-
keln, ferner den hinteren Bauch des M. biventer mandibulae, den M. stylo-
hyoideus, einen Theil der Gaumenmuskeln , die Muskeln des äusseren Ohrs
und den M. stapedius.
Die Fasern des N. facialis stammen theils aus dem gleichnamigen Kern
am Boden des Sinus rhomboid. (S. 220), theils aus weiter nach vorn gelege-
nen liirntheilen ; sie treten am hinteren Rande des Brückenschenkels in zwei
Wurzeln aus, von denen die schwächere , N. intermedius , auch mit dem N.
acusticus zusammenhängt (S. 176). Nachdem er die Schädelhöhle verlassen,
verläuft der Stamm des Facialis auf der oberen, rinnenförmigen Fläche des
Acusticus im inneren Gehörgang und weiter in dem nach ihm benannten
Canal zuerst in genau transversaler Richtung. Dem Laufe des Canals fol-
gend wendet er sich, über der Paukenhöhle angelangt, unter rechtem Win-
kel rückwärts, dann längs dem oberen und hinteren Rande dieser Höhle im
Bogen abwärts. Zuletzt, nach dem Austritt aus dem For. stylomastoideum,
setzt er seinen Weg schräg ab- und vorwärts fort, bis er sich, in geringer Ent-
fernung vom hinteren Rande des Unterkiefers und etwa in der halben Höhe
desselben, in seine beiden Endäste spaltet, von denen der untere in der
Flucht des Stamms am Unterkiefer und Hals , der obere , vorwärts umbeu-
gend, mit divergirenden Aesten an der Seitenfläche des Kopfes ausstrahlt.
An dem Scheitel des Winkels, in welchem die horizontale Strecke des
Stamms des Facialis sich rückwärts wendet, dem sogenannten Knie, G-enu
nervi facialis, besitzt dieser Nerve eine graue, Nervenzellen enthaltende
Anschwellung, das Ggl. geniculatum ^).
Dies Ganglion hat Anlass gegeben, den Facialis für einen gemischten Nerven zu
halten und den Spinalnerven an die Seite zu stellen. Bischoff (N. accessorii
anatomia et physiologia. Heidelberg 18.32. p. 73) bezog zuerst den ganghöseu Theil
des Knies auf den N. intermedius und verglich diesen Nerven sanimt dem Ganglion
mit einer sensiblen Spinalnei-venwurzel. Morganti (Omodei annali Ser. 3. XVIII,
449) und Brinton (Todd's cyclopaedia IV, 550) wollen den N. intermedius zum
^) Gyl. ffcnicn/i, Gcniciihnn. InUimescenlia ganq/ioformis Arnold. Knieknoten.
N. facialis.
401
Ggl. geniculat. verfolgt und mit dem letzteren unversehrt von der stärkeren Wurzel
des Facialis abgelöst haben; doch setzt sich nach Morganti der aus dem Ganglion
hervorgehende Nervenstrang fast ganz in die Chorda tympani foi't. Die Deutung,
die diese Autoren dem N. intermedius und dem Ganglion geben , widerlegt sich
indess durch die rein motorische Natur des Facialis, die, wenn man auch auf die
Prüfung der Sensibilität des Stamms in der Schädelhöhle keinen Werth legen will,
doch dadurch bewiesen wird, dass bei centraler Lähmung des Facialis das Tast-
gefühl in keinem Theil seines Verbreitungsbezii-ks verloren geht.
So weit der Facialis durch das Schläfenbein verläuft, füllt er seinen
Canal vollständig aus. Yom For. stylomastoideum an ist er sammt seinen
Verzweigungen in der Parotis vergraben und vom vorderen Rande dieser
Fig. 252.
Verästelung des N. facialis. Die Nerven, soweit sie in Knochencanalen verlaufen, hell. Gg
Ggl. geniculat. cjoi R. communicans c. plexu tympan. sta N. stapedius. c a N. communi-
cans c. auric. vagi. ap N. auric. post. sti/ N. styloid. c c g Ji. commun. c. nervo glosso-
pharyng. 6 w N. biventricus. cf R. comm. facialis des N. auriculo-tempor. s < Ä N. stylohyoid.
s c s N. subcutan, colli sup. / N. lingualis. G n Ggl. nasale, v N. vidianus. p s mj N.
petros. superf. maj. cht Chorda tympani. 1 Vorhofsfenster. 2 Schneckenfenster.
Heule, Anatomie. Bd. III. Abthlg. 2. 26
402 Rr. commim. c. nervo acustico.
Drüse an Hegen seine Aeste theils im subcutanen Bindegewebe , theils
zwischen der oberfläcblicben imd tiefen Scbicbte der Gesicbtsmuskeln.
Zwischen dem Eintritt in den Porus acust. int. und der Auflösung in
die terminalen Aeste sendet der Facialis einige coUaterale Muskeläste ab
und gebt eine Anzahl Anastomosen ein, deren Bedeutung noch Zweifeln
unterliegt, ja bei einigen völlig räthselhaft ist. Die Muskeläste sind: der
N. stapedn aus dem verticalen Theil des Can. facialis und die Nn. auricu-
laris post., Mventricus und styloliyoideus, die den Stamm beim Ausgang aus
dem For. stylomastoideum verlassen. An anastomotischen Aesten sind fol-
gende zu verzeichnen: 1) die Rr. communicantes c. n. acustico im inneren
Grehörgang. 2) Mit dem Knie und dessen Ganglion hängt der N. petrosus
superficialis maj. zusammen, dessen anderes Ende mit dem Ggl. nasale in
Verbindung tritt. Das Experiment, wie die pathologische Beobachtung
setzen es ausser Zweifel, dass dieser Nerve wesentlich aus Fasern motori-
scher Natur bestehe, die vom Knie und Ggl. geniculatum dem Ggl. nasale
zugeführt werden und dadurch rechtfertigt sich die Aufi"assung des N. pe-
trosus superf. maj. als einer motorischen Wurzel des Ggl. nasale (S. 373).
3) B. communicans cum plexu tympanico, vom Knie oder dessen nächster
Umgebung. 4) Chorda tympani, aus dem unteren Ende des Can. facialis
durch die Paukenhöhle zum N. lingualis, an beide Nerven in einem central-
wärts offenen Winkel sich anschliessend. 5) Die Anastomose mit dem das
untere Ende des Can. facialis quer durchsetzenden R. auricularis N. vagi.
6) Die Anastomose mit dem N. glossopharyngeus, die in der Regel mit den
Nn. stylohyoideus und biventricus aus einem gemeinschaftlichen Stämmchen,
N. styloideus m., hervorgeht.
Mit den terminalen Aesten des Facialis gehen die Hauptäste des Trige-
minus überall Verbindungen ein, deren Zweck nur darin bestehen kann, ver-
einzelte Bündel des Einen Nerven streckenweise in der Bahn des anderen
zu geleiten. Es ist möglich, dass die relativ starken Stränge des N. auri-
culo-temporalis , die sich dem Facialis bei seinem Ausgang aus dem Can.
facialis zugesellen, weiter vorn in feinere Bündel zerlegt, wieder an Trige-
minuszweige abgegeben werden. Wahrscheinlich gelangen aber auch durch
Anschluss an Endäste des Trigeminus Fasern des Facialis zu den in der
Haut enthaltenen unwillkürlichen Muskeln.
I couat. t CoUaterale Aeste.
Aeste.
1. Comm. c.
acust.
1. Rr. communicantes c. nervo acustico,
s. Acusticus.
2. N. petrosus superficialis major psmj'^).
2. Petro3. Verläuft vom Knie des Facialis zuerst parallel der Axe des Schläfen-
»up. maj. 'beins medianvorwärts in einem Canal dieses Knochens, der sich auf der
inneren vorderen Fläche desselben mit dem Hiatus Can. facialis öffnet,
*j /?. superficialis s. minor N. vidiom. J'ameuu cranien du nerf vidian Lotiget.
N. petrosus superf. maj. 403
dann in gleicher Riclitung in einer Knoclienrinne unter der fibrö-
sen Hirnhaut zum For. lacerum. An der lateralen Seite der Lingula
sphenoidalis verlässt er die Schädelhöhle, um an der Schädelbasis sogleich
in die hintere OefFnung des Can. vidianus zu gelangen. Vor dem Eintritt
in denselben tritt er mit dem N. petrosus profundus major, einem gelatinö-
sen, vom Plexus caroticus stammenden Ast, zum N. vidianus zusammen, der
sich in das Ggl. nasale einsenkt und als ein Ast desselben beschrieben
wurde (S. 373).
Die anatomischen Untersuchungen über den Verlauf der Fasern im N.
petrosus superfic. maj. haben zu widersprechenden Resultaten geführt ^).
Die schräge Stellung der Uvula aber bei einseitigen Lähmungen des Fa-
cialis, sofern die Ursache der Lähmung im Centralorgan oder im Schläfen-
bein liegt 2), spricht dafür, dass die Gaumenmuskeln ihre Nerven zum Theil
vom N. facialis empfangen und weiter, da dies nur auf dem Wege vom
Knie des letztgenannten Nerven durch den N. petrosus superfic, das Ggl.
nasale und die Nn. palatini möglich ist, dass der N. petrosus superfic. maj.
motorische Fasern führt, die vom Ggl. geniculatum zum Ggl. sphenopala-
tinum ziehen. Der directe experimentelle Beweis für diese Ansicht ist aber
noch nicht mit der wünschenswerthen Sicherheit geführt. Debrou-"') sah auf
galvanische Reizung des N. facialis in der Schädelhöhle unter fünf Experimen-
ten nur Einmal deutliche Contractionen des Gaumens; Valentin*) blieb
zweifelhaft, ob die schwachen, einigermaassen peristaltischen Bewegungen
des Gaumensegels, die er ein einziges Mal beim Hunde der Reizung des N. pe-
trosus superfic. maj. folgen sah, nicht zufällig und spontan entstanden waren.
Nuhn^) behauptet, bei Thieren und Einmal, am Kopf eines Enthaupteten, beim
Menschen den Einfiuss des N. facialis auf die Bewegungen des Gaumens be-
stätigt gesehen und meint auch den Beweis geliefert zu haben, dass Durch-
schneidung des N. petr. sup. maj. die Leitung vom Facialis zu den Gaumen-
muskeln aufhebt. Longet selbst. Volkmann ^) und Hein '^) haben bei
dem Versuch, das Gaumensegel vom N. facialis aus zu Zusammenziehungen
^) Cloquet (Traite d'anat. descript. II, p. 116, 202) und Hirzel (a. a. 0. I, 230)
wollten sich überzeugt haben, dass der N. petr. sup. maj. dem Stamm des Facialis Fa-
sern zuführe, die ihn vom Knie an nach aussen begleiten und als Chorda tympani wieder
Aderlässen. Varrentrapp (Observ. anat. de parte cephalica n. sympath. Francof. 1831,
p. 19) giebt dies wenigstens für einen Theil der Fasern des N. petr. sup. maj. zu, wäh-
rend nach seiner Ansicht ein anderer Theil sich im Ggl. geniculatum verlieren soll. Da-
gegen behauptet Bidder (Neurolog. Beob., S. 44), den fraglichen Nerven durch das Ggl.
geniculatum in das centrale Stück des N. facialis verfolgt zu haben; Valentin (S. 368),
Longet (a. a. 0. II, 414), Calori (Mem. delP accad. di Bologna IV, 454) und Kauber
(a. a. 0. S. 22) sahen die Fasern des N. petr. superf. maj. sich an den Facialis theilweise in
peripherischer, theilweise in centraler Richtung anschliessen ; Beck (Anat. Unters., S. 34)
ist derselben Meinung und fügt hinzu, dass die vom Facialis zum Ggl. nasale verlaufenden
Fasern durch dieses Ganglion in die Nn. palatini übergehen, während die Fasern des Petr.
sup. maj., die sich dem Facialis in peripherischer Richtung zugesellen, bis unterhalb des
For. stylomastoideum in der Scheide desselben verbleiben sollen. E. Bischoff endlich
(a. a. 0., S. 15) ei'klärt den N. petrosus superf. maj. für einen Verbindungsnerven der beiden
Ganglien, nasale und geniculatum : in beiden entzogen sich die Nervenfasern zwischen den
Zellen der weiteren Fräparation. ^) Longet, a. a. 0. II, 450. ^) Bei Longet,
a. a. O. *) De functionibus nervoj;um, p. 33. '■>) Ztschr. für rat. Med. N. F. III, 130.
'') Müll. Arch. 1840, S. 487. '^) Eljendas. 1844, S. 332.
26*
404 R. comm. c. plexu tymiDan. N. stapedius.
zu veranlassen, nur negative Resultate erhalten. Ob der N. petr. sup. maj.
neben den motorischen Fasern, die aus dem Facialis stammen, auch sensible
enthält, die in umgekehrter Richtung, vom Trigeminus zum Facialis gehen?
und ob diese Fasern zu denjenigen gehören, denen der Facialis die Sensibi-
lität verdankt, die er während des Yerlaufs durch das Schläfenbein acquirirt?
Prevost^) bestreitet es, weil er die Fasern des N. petr. superf. maj. nach
Exstirpation des Ganglion nasale sich unversehrt erhalten sah. Indess fand
W. Krause^) unter der fibrösen Hirnhaut neben dem N. petros. superf.
major einige Pacini'sche Körperchen an Nerven, die sich einzeln vom
Ggl. geniculatum abzweigten, und vermuthet, dass es Fasern aus dem N.
supramaxillaris seien, die das Ggl, nasale durchsetzen, im N. petros. superf.
maj. zum Ggl. geniculatum und von letzterem aus zu ihren Terminal-
körperchen gelangen.
3. R. communicans cum plexu tympanico Cpt,
3. Comm. c. Mit diesem Namen bezeichne ich ein Nervenfädchen, welches schon
p exu tymp. ^j^g^ ^g_ 334) ^Is der Zweig des N. petrosus superfic. min. erwähnt wurde,
der die Verbindung des Ggl. oticum mit dem N. facialis herstellt. Vom
Facialis aus betrachtet erscheint er als ein am Ggl. geniculatum oder in dessen
Nähe entspringender Ast, der sich an die wesentliche Schlinge des Plexus
tympanicus, die sich vom Ggl. oticum zum Ggl. petrosum des N. glosso-
pharyngeus erstreckt, anlegt und somit den Vermuthungen über die Natur
und den Verlauf seiner Fasern ein weites Feld bietet. Rauher^) fand in
Einem Falle die Eintrittsstelle des Verbindungsastes in die Hauptschlinge
so von Nervenzellen umgeben, dass der Faserverlauf nicht zu ermitteln
war ; in einem anderen Falle nahm der Verbindungsast die Richtung gegen
den N. glossopharyngeus, wie auch W.Krause'*) ihn darstellt; in vier Fäl-
len verlief er in der Richtung gegen das Ggl. oticum. Es darf demnach
vermuthet werden, dass durch ihn die für die Parotis bestimmten secreto-
rischen Fasern des N. facialis zunächst zum Ggl. oticum und von diesem
zum N. auriculo-temporalis gelangen.
4. N. stapedius Stu,
4. staped. Ein feiner Faden, welcher aus dem N. facialis da, wo er an der weiten
Communicationsöffnung zwischen Can. facialis und Eminentia stapedii vor-
übergeht, unmittelbar in den M. stapedius eindringt (Fig. 252).
5. Chorda tympani^) cJlt,
5. Chorda Mit Rücksicht auf die Hauptmasse der Fasern beschreibt man die
tymp. Chorda tympani als einen Nerven, der seinen Ursprung aus dem Facialis
nimmt und im R. lingualis endet. Sie geht von dem Stamm des ersteren
unter spitzem Winkel kurz vor dessen Austritt aus dem Canal auf- und
1) Arch. de physiol. I, 215. 2) ztschr. für rat. Med. 3. R. XXVIII, 92. 3) Ueber
d. sympath. Grenzstrang, S. 12. ^) Ztschr. für rat. Med. 3. R. XXVIII, 92. ^) N. tym-
panico-lingualis.
Chorda tympani. 405
vorwärts ab, durch ein eigenes Canälchen in die Paukenhöhle, durchsetzt
dieselbe in einem aufwärts convexen Bogen, indem sie über der Sehne des
Fiff. 253 ^* tensor tympani zwischen dem Stiel
^ des Hammers und dem langen Fortsatz
des Amboses hindurch läuft (Fig. 2 5 3), ge-
langt durch die Fissura petro-tympanica
an die Schädelbasis und legt sich, schräg
vorwärts absteigend, wieder unter spitzem
Winkel an den N. lingualis an. Sie
empfängt auf diesem Wege, indem sie in
der Nähe des Ggl. oticum vorüberstreicht,
vn die bei dem letzteren (S. 385) erwähnten
„ , ,. , ^, , ^ . j 1 ^ Aeste aus dem Grgl. oticum, N. communi-
Verlauf der Chorda tympani an der late- ° ' ■
ralen Wand der Paukenhöhle ; Paukenfell C^WS CUWl CflOrcla tympani Fäseh eck ^),
und Hammer von der inneren Seite. Der die, nach den einander widerstreitenden
M. tensor tympani (l) von der medialen Beschreibungen ZU schliessen, einen sehr
Wand der Paukenhöhle abgelöst, im Zu- veränderlichen Verlauf haben müssen,
sammenhang mit dem Hammer. 2 innere . i i i j -i -r-, • , ^
Mündung der Tuba. Arnold leugnet ihre Existenz; nach
Fäsebeck, C. Krause 2), Guarini^)
und Calori*) ist es ein gerade absteigender Faden, der sich an die Chorda
tympani einfach anlegt, nach Valentin ein Faden, der mit Fäden der
Chorda ein Geflecht bildet, an welchem auch Aestchen der Nn. auriculo-
temporalis und alveolaris inf. Theil nehmen. C u s c o und S a p p e y ^) sahen
zuweilen Einen oder zwei Fäden; E. Bischoff^), Rüdinger'^) und
Rauber ^) zufolge sind es mehrere, zuweilen mit kleinen Ganglien versehene
Zweige, die in der Bahn der Chorda tympani zum grösseren Theil periphe-
risch, zum kleineren central verlaufen. Bischoff schreibt auch dem N.
lingualis einen Antheil an dem Geflecht zu (Fig. 254 a. f. S.).
Unsere Beschreibung passt nicht auf einen, allerdings kleinen Theil
der Fasern der Chorda, die, wo sie mit dem Facialis zusammenstösst, eine
peripherische Richtung einschlagen , deren centrales Ende also anderwärts,
als im Facialis , gesucht werden muss ^). Und auch von den im Facialis
centralwärts verlaufenden Chordafaseru ist es nicht gewiss, ob sie sämmt-
lich den centralen Ursprung des Facialis erreichen ; man Hess sie in den
N. petros. superf. major übergehen oder im Ggl. geniculatum enden ^^) und
^) N. communicans cum plexu chordae ti/mpani Valentin. ^) Synops. nerv. syst.
gangliosi 69. ^) Omodei annali 3. Ser. VI, 194. *) Mem. della accad. di Bologna.
T. IV. Tav. XX. Fig. 7. &) A. a. 0., S. 258. ^) A. a. 0., S. 18. ') Xaf. VI,
Fig. 3. ö) A. a. 0., S. 13. 9) Valentin (S. 447) und Longet (a. a. 0. II, 419)
erwähnen zuerst das im Facialis peripherisch gewandte Bündelchen der Chorda; Calori
(a. a. 0. , Taf. XX , Fig. 7) giebt eine Abbildung desselben und beschreibt es als auf-
steigende Facialiswurzel der Chorda tympani ; es ist ihm wahrscheinlich , dass an der Bil-
dung derselben einzelne Fasern der vom R. auricularis N. vagi dem Facialis zugeführten
Bündel sich betheiligen. E. Bisch off (a. a. 0., S. 17) konnte in vielen, wenn auch
nicht in allen Fällen das vom peripherischen Theil des Facialis in die Chorda aufsteigende
Bündel bestätigen. ^^) Die zuerst von Cloquet ausgesprochene Meinung, dass die Chorda
eine Fortsetzung des N. petrosus superfic. maj. sei, habe ich soeben erwähnt. Morgan ti
(a. a. 0., p. 458), Calori (a. a. 0., p. 458), Cusco und Duchenne (Arch. gen.
406
Chorda tympani.
durfte die Vermuthung wagen, dass ein Theil derselben durch den Zweig,
der den N. facialis mit dem Plexus tympanicus verbindet , in den letzteren
Fig. 254*).
M
eintrete und sich dem Ggl.
oticum oder dem N. glosso-
pharyngeus zuwende.
So sehen wir uns wieder
an die Physiologie und zwar
an die Folgen der Eeizung
und Lähmung der Chorda
verwiesen, um über den Cha-
rakter und Verlauf ihrer Fa-
sern Aufschluss zu erhalten.
Reactionen irgend welcher
willkürlicher Muskeln auf
Reizung der Chorda sind
nicht sicher constatirt. Gua-
rini 1) ist der Einzige, der
dadurch Kräuselungen der
Zungenoberfläche in Folge
von Contractionen des M.
lingualis hervorgerufen ha-
ben will. Die ausgestreckte
Zunge soll nach der gesun-
den Seite abweichen bei
Menschen, die an einseitiger
centraler Lähmung des Fa-
cialis leiden (Gädechens 2),
Arnold^), Arnold grün-
det darauf die Vermuthung,
dass der N. facialis durch
Vermittlung der an den N.
lingualis sich anschliessenden Fasern der Chorda dem M. genioglossus Zweige
sende, wozu der Weg, so viel bekannt, sich nur in dem oben (S. 393) er-
wähnten, zweifelhaften Aste des Ggl. linguale zum N. hypoglossus finden
würde.
Die Sensibilität der Chorda hat Morganti'i) durch unmittelbare
mechanische Reizung derselben in der Paukenhöhle constatirt, ohne den
Gang der sensibeln Fasern aufzuklären^). Duchenne erzeugte durch
cht Chorda tympani. Go Ggl. oticum. l Verbin-
dungsäste aus dem N. lingualis.
46 ser. XXrV, 385) leiten sie vom Ggl. geniculatum ab, geben aber zu, dass sie weiter-
hin Bündel vom nicht gangliösen Theil des Facialis av;fnehme.
*) Nach E. Bischoff. Taf. XI, Fig. 36. i) Omodei Ann. 3e Ser. VI, 291.
^) Physiologia et pathologia n. facialis. Heidelb. 1882. ^) Bemerkungen über den Bau
des Hirns und Rückenmarks. Zürich 1838, S. 209. *) A. a. 0., S. 518. ^) Er
selbst geht von der Voraussetzung aus , dass sie aus dem N. intermedius stammen,
der mit dem Ggl. geniculatum einer hinteren Spinalnervenwurzel entspreche; Long et
leitet die sensibeln Fasern vom N. lingualis, E. Bischoff leitet sie vom Ggl. oticum
her. Im Gegensatz zu diesen Annahmen , nach welchen die sensibeln Fasern im Facialis
peripherisch verlaufen würden, stellt Calori die Hypothese auf, dass die Chorda
Chorda tympani. 407
elektrische Reizung der Chorda vom äusseren Gehörgaug aus ein Gefühl von
Kitzel und Ameisenkriechen in der Zungenspitze.
Den physiologisch bedeutsamsten Bestandttheil der Chorda machen
zwei Kategorien von Nerven aus, die bezüglich des Gegensatzes in der Rich-
tung der Leitung den motorischen und sensibeln entsprechen, centrifugale,
secretorische Fasern, die sich in der Drüsensubstanz, insbesondere der Sub-
maxillar- und Sublingualdrüse verzweigen, und centripetale, mit der Energie
des Geschmackssinns begabte, deren Verbreitungsbezirk der vordere Theil
der Zunge ist. Was die ersteren betrifft, so ist ihr Weg klar dadurch be-
zeichnet, dass die Reizung sowohl des N. facialis in der Schädelhöhle (Eck-
hard i), als der Chorda in der Paukenhöhle (Bernard 2), Schlüter^),
Heidenhain *), die Thätigkeit der Drüsen erweckt und dass nach Durch-
schneidung des Facialis die Reizung der Mundhöhlen-Schleimhaut die Se-
cretion nicht mehr anzuregen vermag (Loeb^).
Minder positiv sind die Ergebnisse des physiologischen Versuchs be-
züglich der Geschmacksfasern. Auf pathologische Erfahrungen, welche die
Abhängigkeit der Geschmacksfunction der Ränder und Spitze der Zunge
von der Integrität der Chorda bekundeten und Anlass gaben, in diesem
Nerven die Geschmacksfasern der genannten Zungenregion zu suchen, habe
ich oben (S. 389) verwiesen. Es handelt sich um eine Alteration des Ge-
schmacks, die die Facialis-Lähmung begleitet und die, nachdem sie zuerst
Roux bei einem derartigen Leiden, das ihn selbst betroffen, aufgefallen
war, sich als eine sehr gewöhnliche Erscheinung herausstellte ^) ; sodann um
die Störvmgen des Geschmackssinns, die mit den Vereiterungen des mittleren
Ohrs, bei welchen die Chorda tympani nur selten unberührt bleiben mag,
häufig verbunden sind ''). An derartige Beobachtungen knüpfte das Experi-
ment an : beim Menschen wurde die Chorda durch Druck ^) oder Elektricität ^)
gereizt, bei Thieren wurde sie durchschnitten^*'); dort wurde Erregung,
hier Beeinträchtigung oder Vernichtung des Geschmacks in der entsprechen-
den Region der Zunge erzielt. Aber schon über die Art und den Grad der
Beeinträchtigung, die der Geschmack bei gehemmter Leitung durch die
Chorda erfährt, sind die Meinungen getheilt. Bernard spricht nur von
einer verzögerten Einwirkung der schmeckenden Substanzen, Biffi und
Morganti fanden die Reaction gegen Geschmacksreize minder intensiv?
ihre sensibeln Eigenschaften den aus dem peripherischen Theil des Facialis in die Chorda
eintretenden Fasern verdanke iind dass diese Fasern , die von ihm sogenannte aufsteigende
Wurzel der Chorda, ursprünglich dem N. inframaxillaris angehören und durch die Anasto-
mosen des N. auriculo-temporalis mit den Gesichtsästen des Facialis aus der Bahn des
ersteren in die des letzteren übergehen.
1) Meissner's Jahresbericht 1862, S. 419. '^) Ebendas. 1857, S. 381. 1858, S. 376.
3) Ebendas. 1865, S. 371. *) Ebendas. 1868, S. 328. 5) Ebendas. 1869, S. 239.
ß) Vgl. Stich, Annalen des Charite-Krankenhauses. VIII, 59. '') Volt oli ni , Archiv
für path. Anat. und Physich XVIII, 48. Klatsch bei Romberg, Nervenkrankh. 2. Aufl.
S. 777. Neumann und Lussana in Meissner's Jahresbericht 1864, S. 554. ^) Moos,
in Meissner's Jahresbericht 1867, S. 615. ^) Duchenne, a. a. 0. Baierlacher,
die Inductionselektricität in physiologisch - therapeut. Beziehung. Nürnb. 1857, S. 98.
10) Bernard, arch. gen. 4e ser. II, 332 VI, 480. Biffi e Morganti, Onaodei
ann. 3a ser. XXIII, 369. Baragiola, diss. de glossopharyngei munere. Tvirin 1847^
Inzani und Lussana, Meissner's Jahresbericht 1864, S. 555,
408 Chorda tympani.
Stich 1) fand sie zugleich langsamer und stumpfer, Roux und Andere be-
zeichneten den Geschmack als unsicher oder verkehrt, metallisch, säuerlich,
süsslich, fade. Neumann ist geneigt, die Unempfindlichkeit für eine abso-
lute zu halten, da die elektrische Reizung der vorderen Partie der Zunge
bei einem mit Facialis-Lähmung behafteten Individuum wirkungslos blieb.
Schwankend, wie über die Art der Störung, ist auch das Urtheil über
die nächste Ursache derselben. Die Beobachter, die das Geschmacksvermögen
nach Zerstörung der Chorda nur träger oder schwächer fanden, konnten
diesem Nerven auch nur einen mittelbaren Einfluss auf die Empfindung zu-
schreiben. Bernard ist der Meinung, dass er durch Einwirkung auf die
Blutgefässe der Zunge die Erhebung der Geschmackspapillen veranlasse;
Calori^) ertheilt ihm die Mission, die Schleimdrüsen der Zunge anzuregen,
deren Secret die Berührung der schmeckbaren Substanz mit der Zungen-
oberfläche begünstige. Stich, der diese Erklärungsversuche mit guten
Gründen zurückweist, wagt doch auch nicht, der Chorda tympani eine mehr
als untergeordnete Rolle bei der Geschmacksfun ction zuzutheilen. Inzani
und Lussana aber sprechen, wie früher Baragiola, die Chorda geradezu
als Geschmacksnerven an, und Neumann' s Untersuchungsmethode, die die
Unempfindlichkeit der gelähmten Nerven gegen directe galvanische Reizung
darthut, lässt keine andere Deutung zu.
Schliesst man sich dieser Ansicht an, so muss man weiter fragen, ob
es die Chorda allein ist, die dem vorderen Theile der Zunge Geschmacks-
fasern zuführt. Neumann beantwortet auch diese Frage bejahend: wo die
Leitung durch die Chorda aufgehoben war, bestand im ganzen Gebiete des
Lingualis die gleiche Unempfindlichkeit und auf der anderen Seite lagen ihm
keine Erfahrungen vor, welche eine Beeinträchtigung des Geschmacks nach
Durchschneidung oder Erkrankung des Lingualis bei Erhaltung der Chorda-
fasern erwiesen. Schifft) vertritt die entgegengesetzte Meinung. Seinen
Versuchen zufolge vermag bei Thieren mit durchschnittenen Glossopharyngei
die Durchschneidung der Chorda in der Paukenhöhle den Geschmack in
individuell verschiedenem Maasse zu schwächen, nicht aber ihn ganz zu
vernichten, und ebenso trat eine Schwächung des Geschmacks im Bereiche
des Lingualis ein, wenn dieser Nerve zwischen dem Ggl. oticum und der
Anlagerung der Chorda durchschnitten worden war.
Ich komme zuletzt zu den, leider ebenfalls einander widersprechenden
Beobachtungen und Versuchen, die man zu Schlüssen über den weiteren cen-
tralwärts gerichteten Verlauf der in der Chorda und, nach Schiff, im Lin-
gualis enthaltenen Geschmacksfasern verwandt hat. Den Austritt aus dem
Gehirn betreffend, schwankt die Wahl zwischen Facialis und Trigeminus.
Bernard, Lussana*) imd Steiner^) entscheiden sich für den Facialis.
Bernard beruft sich auf einen Versuch von sehr zweifelhaftem Werth, Ver-
lust des Geschmacks nach Durchschneidung des N. facialis in der Schädel-
höhle; Lussana stützt sich auf Mo rganti's Autorität und die von ihm an-
genommene sensible Natur des N. intermediiis ; Steiner auf einen Fall von,
1) Meissner's Jahresbericht 1857, S. 588. 2) a. a. 0., S. 465. '^) Meissner'
■Jahresbericht 1867, S. 613. ^j Ebendas. 1869, S. 332. ^) Ebendas. 1870, S. 315.
Chorda tympani. 409
wie er meint, entscliieden centraler Facialis-Lähmung. Die älteren Autoren
bezweifelten schon deshalb nicht, dass die Geschmacksfasern des Lingualis
das Gehirn mit dem Stamm des Trigeminus verlassen, weil ihnen der Ueber-
gang derselben in die- Chorda unbekannt war. Die Neueren citiren für ihre
Ansicht die Fälle, wo Lähmung eines kleineren oder grösseren Theils des
Trigeminus mit Geschmackslähmung im Gebiete des Lingualis verbunden
war ^). Stich resumirt die von ihm gesammelten Beobachtungen dahin,
dass bei centraler Lähmung des Facialis die Störung des Geschmacks nie-
mals vorkomme, dass der Geschmack bald intact, bald gestört sei, wenn die
Ursache der Lähmung im Schläfenbein liege, und dass er stets gestört sei,
wenn das Hemmniss der Leitung, wie bei den sogenannten rheumatischen
Lähmungen, unter dem Foramen stylomastoideum sich befinde oder wenn
der Facialis, wie in einem von ihm selbst und in einem von Lotzbeck^)
beschriebenen Fall, am Austritt aus dem Canal durchschnitten worden.
Demnach folgert Stich, dass die Geschmacksfasern der Chorda sich vom
Anschluss der Chorda an den Facialis an peripherisch wenden und mit dem
Stamm des letztgenannten Nerven den Can. facialis verlassen müssen und
er vermuthet, dass sie durch Vermittlung der Anastomosen, die der Facialis
mit dem Trigeminus (Auriculo-temporalis) eingeht, in den letzteren gelangen
und in seiner Bahn zum Gehirn aufsteigen. Damit würde die Bedeutung
der von dem Winkel, den die Chorda mit dem Facialis bildet, in den peri-
pherischen Theil des letzteren sich fortsetzenden Fasern aufgeklärt.
Man hat dagegen eingewandt, dass die Geschmacksperception sich im vor-
deren Theil der Zunge erhalten kann bei Individuen, welche an Lähmung
der sensibeln Wurzel des Trigeminus (Inzani und Lussana) oder gar des
ganzen Trigeminus (Althaus 3) und Vizioli'*) leiden. Aber es ist nicht
unmöglich, dass bei einer centralen Erkrankung des Nerven einzelne Bün-
del, denen man wegen ihrer physiologischen Besonderheit einen gesonderten
centralen Ursprung zutrauen darf, sich erhalten. In Schiffs Versuchen
hob die Trennung des Trigeminusstammes oder des zweiten und zugleich des
dritten Astes den Geschmack des vorderen Theils der Zunge vollständig auf.
Stich' s Hypothese weist dem dritten Aste des Trigeminus die Ge-
schmacksfasern zu; Schiff aber fand den Geschmack unversehrt, wenn er
diesen Ast über dem Ggl. oticum durchschnitten hatte. Er vermuthet dem-
nach, dass der Theil der Geschmacksfasern, der im Stamm des Lingualis
verbleibt, in der Höhe des Ggl. oticum aus dem dritten Ast in das Ggl.
semilunare oder in den zweiten Ast übergehe, in das Ggl. semilunare durch
den zweifelhaften N. sphenoidalis ext. (S. 385), in den zweiten Ast durch
den ebenfalls zweifelhaften N. sphenoidalis int. (ebendas.) oder durch den
N. petrosus prof. minor, der die betreffenden Fasern in den Plexus tympani-
cus, aus diesem durch den R. ad plexum tympanicum (S. 404) in das Ggl.
geniculatum und endlich im N. petr. superf. maj. zum Ggl. nasale geleiten
^) Vgl. Komberg's Nervenkrankh. , 2. Aufl., S. 301. Hirschberg und Gutt-
mann, in Meissner's Jahresbericht 1868, S. 503. ^) Deutsche Klinik 1858, No. 12.
1859, No. 33. Eine ganz ähnliche Beobachtung Vizioli's führt Lussana an, Arch.
de physiol. 1872, p. 155. ^) Meissner's Jahresbericht 1870, S. 316. *) Aus d.
Movimento medico-chirurg. in Arch. de physiol. 1872, p. 153.
410 Chorda tympani.
würde. Zinn Ggl. nasale müssten nach Schiff auch die Geschmacksfasern
der Chorda tympani gelangen, da sie im Stamme des Inframaxillaris nicht
zu finden sind, und es könnte dies auf dem verhältnissmässig einfachen "Wege
im Can. facialis aufwärts durch das Ggl. geniculatum und den N, petrosus
superf. maj. geschehen. Zur Erhärtung dieser Folgerungen durchschnitt
Schiff den N. supramaxillaris über dem Ggl. sphenopalatinum , dann die
Verbindungen dieses Ganglion niit dem N. supramaxillaris, endlich die
Wurzel des N. vidianus; jede dieser Operationen vernichtete den Geschmack
in der vorderen Zungenhälfte. Wahrscheinlich, so schliesst Schiff, ent-
halten die Verbindungen zwischen Infra- und Supramaxillaris Geschmacks-
fasern in veränderlicher Zahl, so dass bald die Eine, bald die andere jener
Verbindungen die Hauptleitung bildet und demnach die Folgen der Zer-
störung der Chorda im Schläfenbein mehr oder minder aufFällig hervortreten.
Eine Bestätigung der Angaben Schiffs liefert Erb ^) durch Ver-
gleichu.ng von zwei Fällen, in welchen der N. facialis, wahrscheinlich durch
Bruch des Schläfenbeins, verletzt war. In dem Einen Fall war das Gaumen-
segel nicht gelähmt und der Geschmack beeinträchtigt, in dem anderen war
das Gaumensegel gelähmt und der Geschmack unversehrt. Dort musste die
Verletzung unterhalb, hier oberhalb des Abgangs des N. petrosus superf.
maj. Statt gefunden haben. Dort war die Communication der Chorda tym-
pani mit dem Ggl. geniculatum und dem N. petr. superf. maj. unterbrochen,
hier bestand sie fort.
Indessen haben sich auch bereits wichtige Bedenken gegen Schiffs
Anschauung erhoben. Schon Alcock^) hatte das Ggl. sphenopalatinum bei
Hunden exstirpirt, um den Einfluss dieser Operation auf die Zunge zu er-
mitteln, und Prevost^) wiederholte diese Operation in der gleichen Absicht.
Der Geschmack hatte in keinem Falle gelitten ^).
Var. Fäsebeck sah die Chorda tympani isolirt an der hinteren Seite des
N. lingualis abwärts gehen, zwei Fäden an diesen abgeben und zur Bildung des
Ggl. linguale beitragen (Müll. Arch. 1837, S. XL VII). Nach Bock (Beschr. d.
5. Nervenpaars, S. 51) erscheint die Chorda tympani oft wie ein gegen die Pissura
petro-tympanica aufsteigender Ast des N. lingualis, indem sie vor dieser Fissur
einen Ast abgiebt, der voi'wärts in die Höhe geht wad sich, nachdem er einige
zarte Zweige in den M. sphenostaphylinus gesandt hat, mit dem Stamme des N.
inframaxillaris vereinigt. An einem Präparate Calori's (a. a. 0. p. 461) steht die
Chorda tympani mit dem Stamme des Facialis durch ein horizontales, gegen die
Chorda in zwei feine Zweige getheiltes Aestchen in Verbindung, Avelches den ab-
steigenden Theil des Facialis ungefähr in der Mitte seiner Höhe verlässt und die
Paukenhöhle zwischen Hammer und Ambos erreicht. In einem von Enibleton
(Journ. of anat. 2d ser. No. IX, p. 217) beschriebenen Falle legte sich die Chorda
tympani nach dem Austritt aus der Fissura petro-tympanica, statt an den N. lin-
gualis, an den N. alveolaris inf. au, verliess ihn aber wieder einige Millin:^eter vor
dessen Eintritt in den Can. alveolaris, wandte sich zur Submaxillardrüse und gab
Zweige der Submaxillar- und Sublingualdrüse und einen Communicationsast zum
N. lingualis.
1) Meissner 's Jahresbericht 1870, S. 316. 2) proriep's N. Notizen. Bd. I,
Xo. 18. 3) Gaz. med. 1869. No. 37, 38. *) Vgl. Lussana, aruh. de physiol.
1872, p. 834.
N. auricularis post. N. styloideiis. 411
6. N. communicans c. ramo auriculari N. vagi cv, e. Comm. c.
s. Vagus.
r. aurio. v.
7. N. auricularis post. ap'^).
Verläuft vom For. stylomastoid. aus an der lateralen Fläche des hinte- 7. Amic
ren Bauchs des M. biventer mandibulae dicht am Knochen rück- und seit-
wärts zum vorderen Rand des Warzenfortsatzes, dann von diesem hinter
dem Ohr in die Höhe und spaltet sich in der Regel in einen hinteren
grösseren Ast, der den M. occipitalis versorgt ^), und einen vorderen kleine-
ren zum M. auricul. post. ^), der sich bis zum M. auric. sup. erstrecken kann
und auch den hinteren kleinen Ohrmuskeln (Mm. transversus und antitragi-
cus) Zweige zuführt (Schlemm). Durch Anastomosen mit dem K auricu-
laris vagi und N. auricularis magnus kann der N. auricularis post. Haut-
nerven auszusenden befähigt werden.
Var. Die beiden Aeste kommen gesondert aus dem For. stylomastoideum
(Sclilemm; observ. neurolog., p. 16).
8. N. styloideus sty.
Mit diesem Namen belege ich ein Nervenstämmchen , das den N. fac. s. styioid.
beim Austritt aus dem For. stylomastoideum verlässt, gerade abwärts ver-
läuft und in drei Aeste zerfällt, die oft schon gesondert vom Facialis abgehen.
Diese Aeste sind:
a. N. stylohyoideus StJl^).
Begiebt sich ab- und etwas vorwärts in die hintere Fläche des gleich- a. styio-
namigen Muskels, ungefähr in der Mitte seiner Höhe.
b. N. biventricus hv^).
Schräg vorwärts zur Vorderfläche des hinteren Bauchs des M. biventer b. Biventr.
mandibulae.
c. N. communicans cum n. glossopharyngeo.
In abwärts convexem Bogen gegen das For. iugulare, um sich mit dem c Comm. c.
° o a glossopliar.
Ggl. petrosum des N. glossopharyngeus zu verbinden.
Ueber die Bedeutung und die Varietäten dieser Anastomose vgl. die Beschrei-
bung des N. glossopliaryngeus. Cruveilhier (IV, 681) erwähnt ein Aestclieu
1) iV. auric. post. prof. Inf. Meckel. ;V. auric. post. s. prof. Langenbeck.
N. auric. post. prof. Krause. N. auriculo-occipitalis Cruv. ^) R. occipitalis Arnold.
R. Inf. s. horizontalis Cruv. ^) R. musculo-auricularis Arnold. R. sup. s. adscendens
Cruv. *) N. stylien Cruv. ^) N. dUjastricus. N. mastoideus post. Cruv.
412 Terminale Aeste des N. facialis.
des Facialis, welches nicht selten, einen Theil des Glossopharyngeus ersetzend,
sich direct zur Zungenwurzel und zum Graumenbogen begebe. Langenbeck und
Fäsebeck lassen den N. biventricus einen Ast an den M. styloglossus abgeben,
Sabatier lässt ihn mit dem N. accessorius, Valentin mit Zweigen des N. vagus
anastomosiren und öfters diesem Nerven einen starken Ast zusenden. C.Krause
führt von beiden Muskelnerven, Arnold vom gemeinschaftlichen Stamme der-
selben Anastomosen mit dem Plexiis caroticus. Krause (nach Ha 11 er) auch eine
Anastomose mit dem N. laryngeus sup. an. Als Varietät des N. biventricus be-
schreibt Sabatier (Traite d'anat. , Paris 1770, III, 390) einen Ast desselben, der
auf der äusseren Fläche des M. sternocleidomastoideus bis zur Mitte dieses Mus-
kels herablief.
t f Terminale Aeste.
1 1 Termin. Die beiden Aeste, in welche, wie oben angegeben , der Stamm des Fa-
cialis nacb Abgabe des letzten CoUateralastes sieb tbeilt^), zerfallen jeder
in eine Anzahl von Zweigen von verschiedener Stärke, die zwischen den
Läppchen der Parotis und vor derselben einander Anastomosen zusenden.
So entsteht ein plattes, dreiseitiges Geflecht, Plexus parotideus^), aus wel-
chem am vorderen Rande und an der oberen und unteren Spitze der ge-
nannten Drüse die Nerven hervorgehen, die sich, wiederholt gabiig gespal-
ten, radienförmig über die Seitenfläche des Gesichts und Halses ausbreiten.
Die feineren Endäste verbinden sich wieder durch Seitenzweige zu Geflech-
ten, die um so complicirter werden, da sich auch die Endzweige des Trige-
mimis an denselben betheiligen.
Zwar communiciren nicht selten die beiden Hauptendäste des Facialis
durch eine verticale Schlinge, aus welcher Zweige entspringen und in den
vorderen Theil des Gesichts strahlen die Zweige in einer continuirlichen
Reihe aus; in der Regel aber lassen die Verzweigungen des oberen und des
unteren Astes am Ursprung eine Lücke zwischen sich, die der unteren
Hälfte des hinteren Randes des Unterkiefers entspricht und weiter vorn da-
durch ausgeglichen wird, dass die obersten Zweige des unteren Astes schräg
über den Masseter aufsteigen (Fig. 255).
Vom oberen Aste ziehen die obersten, feinen Zweige, Br. temporales ^),
vor der A. temporalis superficialis zum M. auricularis suj). empor.
Die folgenden 3 bis 4 Zweige, Er. gygomatici ^), überschreiten in mehr
geneigter Richtung den Jochbogen und treten in den M. frontalis und den
lateralen Rand des M. orbicularis oculi ein, von welchem aus sie sich in die
Musculatur des oberen und unteren Augenlids verbreiten.
Es folgen (2 bis 4) stärkere, horizontale Zweige, Mr. huccales ^), welche
mit dem Ductus parotideus zum Nasenflügel und zur Oberlippe bis zum
Mundwinkel verlaufen, unter den Mm. zygomat. und quadrat. labii sup.
^) Rr. temporo-faclalis und cervico-faclalis Cruv. ^) Plexus paroticus. Plexus s.
Pes anserinus. Pes anserinus major. Gansefussgeflecht. ^) Rr. faciales temporales Yix aus e.
Rr. temporo-frontales Cruv. Langenbeck vereinigt sie mit den Kr. zygomatici. *) Rr.
malares s. faciales supp. Rr. palpehrales. Rr. orbitales Cruv. ^) Rr. faciales Langen-
beck. Rr. bucco-l'ahiales supp. Arnold. Rr. infraorbitales Cruv. Rr. faciales medii.
Rr, nasales s, infraorbitales S a p p e y.
Terminale Aeste des N. facialis.
413
Fiff. 255.
Terminale Aeste des N. facialis Und dei' sensibeln Koptnerven. Die Parotis ist bis auf
einen kleinen Rest (*) entfernt, g o N. süpraofbitalis. l a N. lacrymalis. o t R. temporalis
n. orbitalis. / N. frontalis, s t K. sUpratrochl. i t ISf. infratrochl. o ni R. malaris n. or-
bitalis. i o N. infraorbitalis. e N. ethmoid. m K. mentalis, b N. buccinatorius. sei N.
subcutan, colli inf. a tn N. auric. magn. ocm }>(. occipit. min. ocmj N. occip. maj.
a t N. auriculo-temp.
414 N. acusticus.
und über dem M. caninus; sie versehen diese Muskeln, wie auch die Mm.
buccinatorius und nasalis mit motorischen Fasern.
Der untere Ast theilt sich am Unterkieferwinkel zunächst in zwei
Zweige, einen N. subcutaneus mandibulae ^) und einen vorzugsweise für die
Regio submaxillaris bestimmten Zweig, N. subcutaneus colli sup. Der R.
subcutaneus mandibulae spaltet sich in einen längs dem unteren Rande des
Unterkiefers zum Kinn verlaufenden Zweig 2) und in 2 bis 3 Zweige, welche,
wie erwähnt, schräg über den M. masseter gegen Mundwinkel und Unter-
lippe heraufziehen und unter dem M. triangularis enden. Der R. subcuta-
neus colli sup. geht, in mehrere feine Aeste getheilt, auf dem M. sternoclei-
domastoideus vorwärts, verbreitet sich im oberen Theil des M. subciitaneus
colli, von dem er bedeckt wird und durchbohrt diesen Muskel mit einzelnen
Fäden , die sich zur Haut begeben. Ein Zweig geht vor der V. jugularis
ext. gerade abwärts und in einen aufwärts verlaufenden Zweig des N. sub-
cutaneus colli vom dritten Cervicalnerven über (Fig. 255).
Anastomosen der Rr. zygomatici mit den Nn. supraorbitalis, lacrymalis
und dem R. temporalis des N. orbitalis finden, wenn sie vorhanden sind,
nur zwischen den feinsten Endverzweigungen statt. Deutlicher sind die
Verbindungen des R. malaris des N. orbitalis mit einem der Nn. zygomatici.
Die Rr. buccales gehen mit den Nn. infraorbitalis, buccinatorius und auriculo-
temporalis Anastomosen ein, die schon bei Beschreibung dieser Nerven er-
wähnt wurden; am regelmässigsten ist die Anastomose mit dem N. auriculo-
temporalis, der um den hinteren Rand des Unterkiefers dicht unter dem
Gelenk zwei Zweige in horizontaler Richtung vorwärts sendet, die sich an
gleich gerichtete Zweige des Facialis geradezu anschliessen. Mit den End-
zweigen des R. subcutaneus mandibulae communiciren Zweige des N.
mentalis.
VIII. N. acusticus.
viii.Aeiist. Der Nerve des Gehörsinns und, wie es scheint, gewisser, auf das Gleich-
gewicht des Körpers bezüglicher Empfindungen ^).
Ob die verschiedenen Kerne, Ursprünge und Wurzeln des Nerven, die
ich oben (S. 176, 208) beschrieb, zu der Ausbreitung in verschiedenen
^) R. subcutaneus maxillae inferioris. R. facialis inf. R. lahio-mentalis Arnold.
^) R. marginalis max. inf er. ^) Die Versuche, durch welche Flourens und neuerlich
Goltz (Meissner'« Jahresbericht 1870, S. 261) den Antheil der Bogengänge an dem
Aequilibrirungsvermögen darzuthun geglaubt hatten, müssen eine andere Deutung er-
fahren, nachdem Schklarewsky (Gott. Nachr. 1872, Nr. 15) den bis dahin verborgenen
Fortsatz des Kleinhirns der Vögel entdeckt hat , der bei den Operationen an den Bogen-
gängen unwissentlich getroffen wurde. Doch bleibt auch die mit Schonung jenes Hirn-
theils ausgeführte Verletzung der Bogengänge nicht ohne Einfluss auf die Haltiing der
Thiere; sie zeigen eigenthümlich pendelartige Bewegungen des Kopfes, bleiben, nach dem
diese aufgehört, Stunden lang regungslos liegen und, gewaltsam aufgetrieben, fallen sie
auf der Stelle oder nach wenigen un^danmässigen Schritten wieder um.
N. acusticus. 415
Theilen des Gehörapparats in besonderer Beziehung stehen, ob die Verbin-
dungen mit dem N. facialis und namentlich mit dem N. intermedius dem
N. acusticus Fasern eigenthümlicher Beschaffenheit zuführen, ob endlich die
Theilung des N. acusticus in seine beiden Aeste, N. Cochleae und N. vestibuli
(Eingwdl. S. 770), den beiderlei Functionen des Labyrinths entspricht, dies
sind Fragen, deren Lösimg der Zukunft anheimgestellt werden muss.
Hier habe ich noch die Beschreibung der Strecke des Nerven beizu-
fügen, welche, zwischen seinem Ursprung und seiner Endigung im inneren
Gehörgang enthalten, zur Aufnahme des N. facialis rinnenförmig ausgehöhlt
und durch ihre Anastomosen mit diesem Nerven merkwürdig ist.
Dass solche Anastomosen zwischen den Nn. intermedius und acusticus
sowie zwischen dem eigentlichen Stamm des N. facialis und dem N. acusticus
bestehen, unterliegt keinem Zweifel, obgleich es nur mit Hülfe des Mikroskops
möglich ist, sie von den feinen Bindegewebssträngen , die die Nerven und
die A. auditiva int. unter sich und mit dem Periost des Gehörgangs ver-
binden, zu unterscheiden. Ueber die Zahl und Richtung der Communications-
äste sind aber die Ansichten sehr getheilt.
Die Gescliiclite unserer Kenntniss dieser Verbindungen beginnt erst mit der
Entdeckung des N. intermedius, docli Averdeu sie iu der kurzen Notiz, in welcher
Wrisberg seinen Fund veröffentlicht (Ha 11 er, primae lineae ]Dhysiol. ed. 4. Gott.
1870. Not. 101), nicht erwähnt. In der ausführlicheren Mittheilung seines Schülers
Sommerring, auf welche Wrisberg verweist (De basi encephali. Ludwig,
Script, neurol. min. II, 94), heisst es vom N. intermedius, dass er ganz in den Facialis
übergehe, imd Scarpa (Adnot. anat. de auditu et olfactu. Mediolan. 1795, p. 56) sagt,
dass der N. intermedius anfangs den N. acusticus begleite, sich aber im Grunde des
Canals von ihm trenne und sich an den Facialis anschliesse. So konnte Herholdt
gegen Köllner, der die Leitung des Schalls durch die Zähne aus einer Anasto-
mose der Zahnnerven mit der Portio dura des siebenten Paars erklärte (Eeil's
Archiv II, 20), mit Eecht als anerkannt« Wahrheit geltend machen, dass auch
nicht die kleinste Nervenverbindung zwischen der Portio dura und moUis des ,
siebenten Paars bekannt sei (ebendas. III, 177), und Köllner bekennt sich als
Entdecker dieser Nervenverbindung, indem er zu seiner Vertheidigung zwei eigene
Untersuchungen anführt, die ihm, allerdings nicht beide an der nämlichen Stelle,
einen anastomotischen Zweig zwischen Facialis und Acusticus gezeigt hätten.
Nicht bestimmter ist die Aeusserung Swan's (Medico-chirurg.-transact. IX, 425),
der auf eine, im Grunde des Meat. audit. int. aufgefundene Communication zwischen
den beiden Nerven die Vermuthung gründet, dass Schallschwingungen, die die
Oberfläche des Gesichts treffen, durch den Facialis dem Gehörnerven mitgetheilt
werden möchten.
Eine ausführlichere Beschreibung der fraglichen Anastomose hat Arnold
zuerst in seiner Dissertation (De parte cephalica n. sympathici. Heidelb. 1826, p. 3)
gegeben und in seinen späteren Schriften bestätigt. Danach besteht zAvischen Fa-
cialis und Acusticus eine doppelte Verbindung, eine innere oder obere und eine
äussere oder untere. Die innere gehört dem N. intermedius zu und besteht in
einem oder mehreren dünnen Fäden, welche im Meat. audit. int., zuweilen schon
vor dem Eintritt in denselben, vom Facialis abgehen und sich mit dem E. vesti-
buli des Acusticus vereinigen. Die äussere Anastomose besteht in einem einfachen
oder zuweilen doppelten, meistens sehr feinen Faden zwischen dem Ggi. genicula-
tum des Facialis und dem E. vestibularis , der an der Verbindungsstelle eine
schwache, grauröthliche Erhabenlieit {Intumescentia ganglioformis Scarpa)
zeigt. Am Ggl. geniculatum soll sich der Faden in mehrere Fädchen theilen, die
mit dem N. petrosus superf. maj., vielleicht auch mit dem N. petr. superf. minor in
Verbindung ständen.
416 N. acusticus.
Arnold 's Angaben wurden von Er e sehet (Eecli. anat. et physiol. sur 1' Or-
gane de l'ouie. Paris 1836, p. 193) nnd von Valentin (Nvl. S. 442) und jüngst
von Räuber (über d. sympath. Grenzstrang des Kopfes, S. 19) vollkommen be-
stätigt, von Valentin mit der Modification, dass er Arnold' s innere Anastomose
vom Acusticus zum Ggl. geniculatum verlaufen und in den periplieriscben Theil
des Facialis sich fortsetzen lässt. Räuber nennt die innere Anastomose eine
scheinbare, durch streckenweisen Verlauf von Bündeln des Einen Nerven in der
Bahn des anderen bewirkte; durch die äussere gelangen nach seiner Meinung
wirklich Fasern vom Grgl. geniculatum zur Intumescentia ganglioformis des N.
vestibuli tmd vereinzelte selbst zum N. Cochleae. Auch Calori (Mem. della acca-
demia delle scienze di Bologna IV, 443) erklärt sich mit Arnold einverstanden
und beschreibt eine innere und eine äussere, nur complicirtere Anastomose. In
seiner Abbildung aber (Taf. XVIII, Fig. 3) kann ich nur das Geflecht der Binde-
gewebs bälkchen des Meat. audit. int. wieder erkennen. Die übrigen Beobachter
stehen zu Arnold in einem mehr oder weniger entschiedenen Widerspruch.
Longet (a. a. O. II, 410), Cruveilhier (p. 664) und Sappey (p. 253. 257)
adoptiren Scarpa's Meinung, dass der N. intermedius sich an den Acusticus an-
lege, um ihn später wieder zu verlassen, und Sappey fügt hinzu, dass er in Ar-
nold's äusserer Anastomose eine Arterie erkannt habe. Varrentrapp (Observ.
anat. de parte cephal. n. sympathici. Francof. 1831, p. 27) hat Arnold' s innere
Anastomose zuweilen, die äussere niemals auffinden können. Fäsebeck (a. a. O.
Taf. VI, 1) und Hirschfeld (pl. XXX. Fig. 5, 10) bilden nur die innere Anasto-
mose ab. Nach Morganti (Omodei Ann. Ser. 3a XVIII, 454) erfolgt die Anasto-
mose dergestalt, dass ein Zweig des N. intermedius sich mit einem Zweig des
R. vestibularis zu einem Faden vereinigt, der in den N. acasticus übergeht. Beck
(Anat. Unters, über einzelne Theile des 7. und 9. Hirnnervenpaares. Heidelb. 1847,
S. 28) fand unter 27 darauf untersuchten Fällen keinen, in welchem beide Anasto-
mosen nebeneinander bestanden ; die innere kam 24 , die äussere nur 3 Mal vor
und nur in Einem dieser 3 Fälle war die ganghöse Erhabenheit am Acusticus
vorhanden. Die Fasern der inneren Anastomose gingen 16 Mal vom Acusticus
zum Facialis, 8 Mal in umgekehrter Richtung; die Fasern der ersten Art Hessen
sich durch das Ggl. geniculatum weit hinab in den Stamm des Facialis verfolgen ;
sie blieben weder im Ganglion, noch verbanden sie sich mit einem seiner ZAveige.
B. Bischoff (a. a. 0., S. 9) stimmt mit Arnold darin überein, dass die Anasto-
mose eine doppelte ist, eine während des Verlaufs der Nerven im Meat. audit. int.
und eine zweite, sehr beständige, im Grunde dieses Gangs. Aber die Fäden der
letzteren gehen bald vom Acusticus zum Facialis, bald vom Faciahs zum Acusti-
cus , und auch in beiden Richtungen gekreuzt. Diese Unregelmässigkeit veran-
lasste Bischoff, anzunehmen, dass die Anastomosen nur scheinbar seien, d. h.
dass die Fäden, welche hier eine Verbindung in dem Einen Sinn eingegangen
haben, sich dort im anderen Sinne wieder von einander trennen und dass sie
schliesslich nur zu der, durch ihren Ursprung bedingten Bestimmung zurückkehren.
Valentin versichert, in der Anschwellung, die der N. acusticus an der Einpflan-
zungsstelle der äusseren Anastomose zeigt, Nervenzellen wahrgenominen zu haben.
Pappenheim (Spec. Gewebelehre des Gehörorgans. Breslau 1840, S. 62) sah den
Verbindungszweig des Facialis und Acust. , den er nicht näher bezeichnet, mit
einem Ganglion besetzt und ausserdem den N. Cochleae oben , den N. vestibuli
hinten und aussen von einer Nervenzellenschichte umgeben. Zahlreiche bipolare
Nervenzellen fand auch Stannius (Gott. Nachr. 1851, S. 236) in den beiden
Zweigen des N. acusticus. Corti aber (Ztschr. für Avissenschaftl. Zool. III, 128)
konnte in keinem Theil des N. Cochleae diesseits der Habenula ganglionaris
(Eingwdl., S. 772) Nervenzellen entdecken.
N. glossopharyngQus. 417
IX. N. glossopharyngeus.
Den Ursprung des N. glossopliaryngeus aus dem gleichnamigen Kern phäryngefis.
habe ich S. 208, den Austritt seiner Wurzeln aus der hinteren Seitenfurche
des verlängerten Marks S. 101 und 176 beschrieben. Die Wurzelfäden
vereinigen sich zuerst in zwei Stämmchen, dann in Einen Stamm durch
Vermittlung eines elliptischen Ganglion, Ggl. petrosum ^), welches am Aus-
gang der vorderen Abtheilung des For. jugulare liegt, vom vorderen Winkel
dieser Oeffnung durch die V. petrosa inf., vom N. vagus durch eine Lamelle
der fibrösen Hirnhaut geschieden.
Zuweilen ist vor dem Eintritt in dies gemeinschaftliche Ganglion die
hintere der beiden Wurzeln noch innerhalb der Schädelhöhle, am Eingang
des For, jugulare, mit einem besonderen kleinen Ganglion versehen, welches
den Namen des oberen führt 2),
Der Entdecker des oberen G-anglion des N. glossopharyngeus, Ehrenritter
(Salzb. med. cMr. Ztg. IV, 319) und Arnold erklären es für unbeständig; J.
Müller (Archiv 1834, S. 11) meint, es sei in den meisten Fällen vorhanden;
Valentin und Rauber (sympath. Grenzstraug , S. 23) behaupten, es fehle nie-
mals; Louget (a. a. O. II, 212) und Cruveilhier haben es stets vergeblich ge-
sucht. Nach Volkmann's Ansicht, der ich mich anschliesse, ist es eine aus-
nahmsweise von dem Ggl. petrosum abgelöste Nervenzelleugruppe, deren Zusammen-
hang mit der Hatiptmasse des Ganglion durch Reihen von Nervenzellen hergestellt
wird, die sich zwischen den Fasern des Nervenstrangs eingestreut finden (Müll.
Arch. 1840, S. 488).
Ebenso bestritten wie das Ggl. superius sind die Nervenfäden, Rr. communi-
cantes supp. Val., welche noch innerhalb der Schädelhöhle die Wiu'zeln der Nn.
glossopharyug. und vagus mit einander verbinden sollen. Andersch (Ludwig,
Script, neur. II, 114) beschreibt einen starken, vom N. glossoi)haryng. gegen den
Vagus, Valentin einen vom Vagus zum Glossopharyug. absteigenden Commnui-
cationsast, neben dem zuweilen noch ein zweiter vorkomme, selten mehrere.
Durch Aeste, welche vom Ganglion petrosum aus- oder in dasselbe ein-
gehen, anastomosirt der N, glossophaiyngeus mit den Nn. trigeminus , fa-
cialis und vagus und mit dem carotischen Geflecht des Sympathicus.
Unterhalb des Ganglion läuft er fast gerade abwärts , vor der V. jugularis
int. und an der lateralen Seite der A. carotis int, und zerfällt bald spitz-
winklig in die beiden Aeste, von welchen der Stamm seinen Namen trägt,
die Rr. pharyngeus und linguales. Der R. pharyngeus geht in der Rich-
tung des Stamms weiter und gesellt sich zu Aesten der Nn. vagus und sym-
pathicus, denen er den Plexus pharyngeus bilden hilft. Der R. lingualis
wird durch den M, stylopharyngeus von der Carotis int, abgedrängt und
wendet sich, an die laterale Fläche dieses Muskels angeheftet, in einem
weiten Bogen ^) vorwärts zur Zunge , in die er unter dem hinteren Rande
des M, hyoglossiis in der halben Höhe desselben und unter den in der
Zunge entspringenden Faserbündeln des M. cephalopharyngeus eintritt.
Die Collateraläste , die der R, lingualis auf dem Wege zur Zunge abgiebt.
^) Ggl. Anderschii s. inf. ^) Ggl. ElirenriUeri. Ggl. Miilhri C. Kraus ß. Ggl. jugu-
lare. s. jugulare sup. ^) Arcus tonsillaris Kr.
Henlc, Anatomie. BJ. III. Abtlilg. 2. 27
418 N. glossopharyngeus.
sind fast alle von grosser Feinheit. Einen etwas stärkeren Ast, N. stylo-
pkaryngeus, erhält der M. stylopharyngens, einen Ast, der mit dem grössten
Theil seiner Fasern den Muskel nur durchbohrt, um im Pharynx zu enden.
Oberhalb dieses Nerven gehen einige feine Fäden aus dem convexen Rande
des Stammes gleichfalls zum Pharynx; es sind die Br. pharyngei Ungualis,
wie ich sie zum Unterschiede von dem R. pharyngeus, der sich an der Bil-
dung de5 gleichnamigen Plexus betheiligt, zu benennen vorschlage. Unter
dem M. stylopharyngeus sendet der R. lingualis von seinem concaven und con-
vexen Rande zwei bis drei Nn. tonsillares ab, die sich zwischen der Wurzel
des Arcus glossopalatinus und dem Seitenrande der Epiglottis in die
Rachenschleimhaut einsenken.
Der N. glossopharyngeus breitet sich also über die hintere Region der
Zunge bis zum Kehldeckel und über die entsprechenden Regionen der Seiten-
und Hinterwand der Rachenhöhle aus und es fragt sich, welches der Cha-
rakter und die Quelle der Fasern sei, die er diesen Localitäten zuführt.
Die Beantwortung liegt zum Theil in der Competenz der Anatomie. Die
Endäste des R. lingualis kann man bis zu den wallförmigen Papillen der
Zunge isoliren, die so sicher Geschmackspapillen sind, dass über die Ge-
schmacksenergie der Hauptmasse des genannten Astes kein Zweifel bestehen
kann. Von den Fasern, die an die Rachen- und Pharynxwand treten, er-
weist sich die Mehrzahl ebenfalls auf anatomischem Wege, dadurch nämlich,
dass sie sich durch die Muskelfasern hindurch zur Schleimhaut verfolgen
lassen, als centripetal; doch erhalten wir damit keine Aufklärung über deren
specifische Natur. Es liegt die Vermuthung nahe, dass sie in ihren Eigen-
schaften den in die Zunge ausstrahlenden Fasern verwandt seien und dies
führt uns zurück zu den Untersuchungen über die Ausdehnung des Ge-
schmackssinns, auf die ich schon bei Beschreibung des N. lingualis Bezug
nahm (S. 389). Die Fähigkeit, zu schmecken, die dem physiologischen
Experiment zufolge der Seitentheil des weichen Gaumens und der Arcus
glossopalatinus namentlich am tinteren Ende besitzen, lässt sich wohl auf
Rechnung von Glossopharyngeuszweigen bringen ; ebenso steht die Anwesen-
heit der sogenannten Geschmackskolben (Endorgane der Geschmacksfasern)
auf der unteren Fläche der Epiglottis ^) in Einklang mit der Verzweigung
des N. glossopharyngeus in der Schleimhaut dieses Organs. Wie weit er
sich vor den wallförmigen Papillen auf den Zungenrücken erstrecke und
wie die Grenze zwischen seinem Gebiete und dem Gebiete der Geschmacks-
fasern des N. lingualis verlaufe, ist nicht genau festzustellen.
Es war schwer, sich, angesichts der einfachen Nerven der höheren Sinne, zur
Anerkennung der Thatsache zu entschliessen , dass der Zunge die specifischen
Nervenfasern auf zwei verschiedenen Bahnen zugeführt werden sollten und man
kann denken, wie oft der Versuch unternommen sein mag, die Zweige des Glosso-
pharyngeus vorwärts zu verfolgen, zumal nachdem Andersch (a. a. O., p. 120)
sie bis auf 1cm. Entfernung von der Zungenspitze präparirt haben wollte. Trotz
dem fast einstimmigen Widerspruch der späteren Beobachter würde man vielleicht,
nach der Maxime, dass Eine positive Beobachtung viele negative aufwiege, den
Gegenstand noch nicht für erledigt halten,, wäre nicht durch positive Experimente
^) Verson, Beitr. zur Kenntniss des Kehlkopfs und der Trachea. A. d. 57. Bde.
der wiener Sitzungsberichte. W. Krause, Gott. Nachr. 1870, No. 21.
N. glossopharyngeus. 419
bezeugt, dass die Geschmacksfasern des vorderen Theils der Zunge im Zuugenast
des Trigeminus enthalten sind. Es bliebe demnach, um die Einheit des G-eschmacks-
uerven zu retten, nur die Annahme übrig, dass auch der N. lingualis des Trige-
minus seine Geschmacksfasern in letzter Instanz aus dem N. glossopharyngeus
beziehe. Da sie zunächst sämmtlich oder theilweise aus der Chorda tympani
stammen, die Chorda tympani aber auf mehrfachen "Wegen mit dem Plexus tym-
panicus zusammenhängt, so liegt der IJebergang von Glossopharyngeus- in Lin-
gualisfasern nicht ausser dem Reiche der Möglichkeit. W. Krause meint, sie
könnten vom Glossopharyngeus durch den N. tympanicus in die Paukenhöhle und
durch den Ast des N. facialis zum Plexus tympanicus in den Facialis und sofort
in die Chorda gelangen. Nimmt man mit Stich an, dass die Geschmacksfasern
der Chorda von dei-en Anschluss an den Facialis au peripherisch und weiter durch
den dritten Ast des Trigeminus nach innen verlaufen, so stände ihnen vom Ganglion
oticum zum IST. giossopharj^ngeus der Weg durch den N. petros. superf. minor
offen. Für jetzt widerspricht dieser Hypothese nur die Erfahrung Schiffs, dass
Trennung des Stamms des Trigeminus oder des zweiten und dritten Astes den
Geschmack der Zungenspitze aufhebt.
Uebrigens entspräche dem gesonderten Ursprung der hinteren und vorderen
Geschmacksnei'ven die Besonderheit ihrer Eeaction, die sich darin kund giebt, dass
die nämliche Substanz bekanntlich verschiedene Empfindungen hervorruft, je nach-
dem sie mit der Spitze oder Basis der Zunge in Berührung kommt.
Die Regionen der Mundhöhle, welchen der N. glossopharyngeus Ge-
schmacksempfindung verleiht, besitzen daneben noch Tastgefühl; es gehen
Zweige des Glossopharyngeus zu Theilen der Mundhöhlenschleimhaut, die
nur Tast- und keine Geschmacksempfindung haben und so entsteht die
Frage, ob dieser Nerve neben schmeckenden auch Tast- (einfach sensible)
Fasern führe. Valentin i) ist der Einzige, der dieselbe mittelst mecha-
nischer Reizung der Wurzeln zu beantworten versuchte. Diese rief bei
Kaninchen und Hunden keine oder nur geringe Schmerzensäusserungen her-
vor; ob der Stamm des Nerven unter der Schädelbasis, nachdem er die Ver-
bindung mit dem N. vagus und dem Plexus tympan. eingegangen, Sensibi-
lität besitzt, ist streitig. Panizza^) und Broughton 3) fanden ihn un-
empfindlich; Valentin beobachtete nur geringe Reaction, dagegen nahmen
Alcock'^), Reid^), Guyot und Casalis ^) und Longet'^) bei Zerrung
und Durchschneidung des Nerven lebhafte Zeichen des Schmerzes wahr.
Longet behauptet, dass Durchschneidung der Glossopharyngei das Gefühls-
vermögen im hinteren Drittel der Zunge, in den Gaumenbogen und einem
Theil des Pharynx vernichte, und Volkmann ^) fand nach derselben Ope-
ration die Fähigkeit dieser Regionen, Reflexbewegungen auszulösen, erloschen,
die nach Durchschneidung des Trigeminus sich erhalten hatte.
Es könnten, wenn auch nicht mit gewöhnlicher Sensibilität begabte,
doch immerhin centripetale Fasern sein, die sich in der Schleimhaut des
Pharynx und Gaumens verbreiten und, im gereizten Zustande, das Gefühl
des Ekels wecken und reflectorisch Würgen und Erbrechen erregen (Rom-
berg^), Dass Reizung des Glossopharyngeus auf dem Wege des Reflexes
^) De function. nerv, cerebr. p. 39, 40. ^) Ricerdie sperimentali sopra i nervi.
Pavia. ^) Edinb. med. and surg. Journ. XLV , 429. *) Froriep's N. No-
tizen I, No. 18. ^) Physiolog., anatom. and patholog. researches. Edinb. 1848, p. 61.
ß) Arch. gen. 3e ser. IV, 158. '') A. a. 0. II, 223. ^) R. Wagner's Handwörter-
buch II, 538. 9) Müll. Arch. 1838, S. 505.
27*
420 N. tympanicus. Plexus tympanicus.
die Secretion der Parotis in Gang bringt, ist sicher, doch bleibt es fraglich,
ob die centripetalen Fasern, die diesen Reflex zu Stande bringen, von den
schmeckenden Fasern verschieden seien oder nicht.
Job. Müller') hatte von dem oberen Ganglion Anlass genommen, die
beiden "Wurzeln des N. glossopharyngeus denen der Spinalnerven an die
Seite zu stellen und den Glossopharyngeus für einen gemischten Nerven zu
erklären. Er selbst, wie früher Mayo 2), rief durch Reizung der Pharynx-
zweige Zuckungen in den oberen Muskeln des Schlundes hervor, die aber
Reid für reflectirte erklärte, da sie nach Durchschneidung der Nerven mir
vom centralen, nicht vom peripherischen Ende aus erregt würden. Für die
Frage nach dem ursprünglichen Fasergehalt des Glossopharyngeus könnte
nur dies negative Resultat Werth haben; die Contractionen, welche auf
Reizung des Stamms unterhalb des Ggl. petrosum erfolgen, lassen sich auf
motorische Fasern beziehen, die der Facialis oder Vagus zuführt. Ob sie
dem Glossopharyngeus vom Ursprung an eigen sind, ist nur durch Prüfung
seiner Wurzeln in der Schädelhöhle zu entscheiden. Leider treffen wir auch
hier wieder auf Streitfragen. Valentin's und Longet's Versuche ergeben,
dass die Wurzeln des Glossopharyngeus bei Hunden und Kaninchen gereizt
werden können, ohne irgend eine Bewegung auszulösen. Volkmann -^j fand
nach vielen vergeblichen Versuchen bei zwei Kälbern und zwei Katzen, dass
die vordere Wurzel und nur diese die Mm. stylopharyngeus und hyopharyn-
geus bewegt, auf welche kein anderer Nerve Einfluss habe. Hein endlich*)
hält seinen Beobachtungen zufolge den N. glossopharyngeus für den Be-
wegungsnerven der Mm. stylopharyngeus und glossostaphylinus, des letzteren
allerdings ohne den Effect der Reizung wirklich wahrgenommen zu haben,
und nur, weil er keinen anderen Nerven zu jenem Muskel verfolgen und
ihn von keinem anderen Nerven aus in Bewegung setzen konnte. Die
Schlingbewegungen werden, nach dem übereinstimmenden Zeugniss von
Panizza, Reid und Longet, durch die Section der Nn. glossopharyngei
nicht beeinträchtigt.
Zu den vom N. glossopharyngeus beherrschten Gebieten gehört die
Schleimhaut des mittleren Ohrs. Wenn der N. tympaniciis ihr Fasern zu-
führt, so können dies kaum andere, als sensible sein.
1. Aeste d. 1. CommunicatioTisäste des Ggl. petrosum.
Ggl. potr.
a. N. tympanicus it^ ^). Plexus tympanicus''').
) N. 11. PI. Der N. tympanicus geht vom vorderen Rande des Ggl. petrosum vor-
>'"po!i. ^^^ aufwärts zur unteren Oeflfnung des Can. tympanicus (KnL Fig. 144)
und durch diesen Canal in die Paukenhöhle, durchsetzt die Paukenhöhle in
einer Furche oder einem oberflächlichen Canälchen ihrer inneren Wand
^) Archiv 1837, S. 275. ^) Anatom, and physiolog. commentaries II, 11. ^) Müll.
Arch. 1840, S. 489. *) Ebendas. 1844, S. 335. ^) N. tympanicus sup. N. Jacohsonü.
N. major anastomoseos Jacobsonü. N. Anderschii Longet. R. auricularis N. glosso-
pharyngei. '') Plexus tympan. maj. Vfl.
Plexus tympaniciis. 421
(ebendas. Fig. 147) und zieht aufwärts dem N. petrosus superfic. minor ent-
gegen, der vom Grgl. oticum her durch die obere Oeffnung des Can.tympan.
(ebendas. Fig. 140) vor dem Hiat. facialis in das Schläfenbein und nahe der vor-
deren Spitze des Vorhofsfensters in die Paukenhöhle herabläuft. Die einfache
Nervenschlinge zwischen Ggi. pefcrosum und Ggl. oticum, die als Ast des
ersteren N.tympanicus, vom letzteren an N.petros. siq^erf.min. genannt wird,
bildet dadurch die Grundlage eines auf der inneren Wand der Paukenhöhle
gelegenen Nervengeflechts, dass sie von verschiedenen Seiten her feine
anastomotische Zweige aufnimmt und noch feinere terminale Zweige nach
verschiedenen Seiten abgiebt (Fig. 256).
Die Zweige der ersten Art sind folgende: 1) ein B. Carotico-tympani-
cus ^) oder zwei, welche in eigenen Canälchen (Knl. S. 164) die Wand durch-
bohren, die die Paukenhöhle vom carotischen Canal trennt. Sie zweigen
sich vom Plexus carot. ab und schliessen sich, rückwärts aufsteigend, von
unten der Hauijtschlinge an. 2) N. petrosus 2^'^'^f- '^^«'^or Arnold 2), eben-
falls ein Zweig des Plexus carot., der aber in horizontaler Richtung in der
vorderen Wand des carotischen Canals ^) lateralwärts läuft, die Paukenhöhle
in der medialen oberen Ecke derselben betritt (Knl. S. 156) und in dem
medialen Rande der Hauptschlinge oder in dem N. carotico-tympanicus oder
in dem Vereinigungswinkel dieses Nerven und der Hauptschlinge endet.
3) der B. Communicans cum plexii tympanico des N. facialis (S. 404), ent-
springend vom Ggi. geniculatum oder vom N. petrosus superficialis major
vor dessen Vereinigung mit besagtem Ganglion und nach kurzem Verlauf
lateral-abwärts von oben her unter spitzem Winkel in die Hauptschlinge
übergehend *).
^) N. carot'ico-tymp. inf. ^) N. cnroüco-tymponicus sup. ^) Ich erinnere, dass
bei dieser Beschreibung , wie bei der Beschreibung der entsprechenden Furchen und Ca-
nälchen in der Knochenlehre, die Pyramide des Schläfenbeins mit der Axe transversal, also
mit der Spitze medianwärts gerichtet angenommen ist. *) Dieser Nervenfaden hat eine
eigenthiimliche Geschichte. Er war früher bekannt, als die eigentliche Fortsetzung des N.
tympanicus in das Ggl. oticum durch den N. petr. superfic. minor. Die Jacobson'sche
Anastomose, wie Jacobson (Meckel's Archiv V, 252) und Hirzel (Tiedemann und
Treviranus Ztschr. I, 219) sie beschreiben, ist eine Verbindung des N. t3^mpanicus mit
dem zweiten Aste des Trigeminus und dem Sympathicus, die durch Spaltung des N. tym-
panicus in zwei Aeste zu Stande kommt, den Einen {N. carotico-tympanicus) zum Plexus
caroticus, den anderen zum N. petrosus superfic. major. Nachdem aber Arnold das Ggl.
oticum und dessen Verbindung mit dem N. tympanicus durch den N. petros. superf. minor
entdeckt hatte, wurde der Zusammenhang des N. tympanicus mit dem N. petros. superf. maj.
und Ggl. geniculatum angefochten. Die Polemik eröffnete Beck (Anat. Unters, über ein-
zelne Theile des 7. und 9. Hirnnervenpaars, S. 39), indem er sich mit Hülfe des Mikroskops
überzeugt zu haben versichert, dass die Verbindung zwischen dem N. petrosus superf.
min. und dem Ggl. geniculatum, die übrigens unter 17 Präparaten 8 Mal fehlte, durch
einen kleinen Arterienzweig vermittelt werde. E. Bischoff (Mikroskop. Analyse, S. 26)
und Rüdinger (Anatomie d. Gehirnnerven, S. 49) stimmten ihm bei. Als Vertheidiger
der Anastomose des Plexus tympanicus mit dem Ggl. geniculatum trat W. Krause auf
(Ztschr. für rat. Med. 3. R. XXVIII, 92) und in einer späteren Mittheilung gab Bischoff-
zu (ebendas. XXIX, 161), sie, wenn auch nicht regelmässig, in der Weise gesehen zu
haben, dass von einem der Fäden des N. petrosus superf. maj. ein mikroskopisches Fädchen
sich ablöste und in einem besonderen Knochencanälchen gegen das Ggl. oticum verlief oder
sich mit dem N. petros. superf. minor bei seinem Eintritt in die Paukenhöhle verband,
Rauber's bestätigende Beobachtungen wurden beriits oben (S. 404) angeführt.
422
N. glossopharyrigeus.
Die peripherischen Aeste, welche aus dem Plexus tympan. hervortreten,
verzweigen sich in der Schleimhaut des mittleren Ohrs. Lateralwärts gehen
in der Regel zwei Fädchen ah, die sich gegen das Vorhofs- und Schnecken-
fenster und bis in die Zellen des Warzenfortsatzes erstrecken, zuweilen aber
Fig. 256.
Verzweigung des N. glossopharyngeus. Die Pars tympaiiica des Schläfenbeins und der Ast
des Unterkiefers sind entfernt, ebenso der Temporalflügel des Wespenbeins bis zum Rand
des For. ovale, die obere Hälfte der Mm. styloglossus (Sg) und stylopharyngeus (Sp). Die
Cann. facialis und caroticus sind geöffnet, die Carotis (l) vom Plexus carot. umgeben.
2 Spitze des Zungenbeins. 31h M. mylohyoid. Gp Ggl. petros. ph R. pharyngeus. phl
R. pharyng. lingual, l R. lingualis. stp N. stylophar. to Nn. tonsillares. Go Ggl. oticum.
psmj N. petr. superf. maj. psm'i^. petr. superf. min. t N. tubae. ppm N. petr. prof.
min. et N.- carotico-t3mipan. ty N. tympan. ccg N. commun. facialis et glossopharyng.
cü N. commun. vagi.
Plexus tympanicus. 423
durcli Ein Fädchen zwischen beiden Fenstern vertreten werden; median-
wärts verläuft constant ein stärkerer, öfters aus zwei oder mehreren Wur-
zeln zusammengesetzter Ast, ü- tubae ^), der sich an der inneren Wand der
Tube bis zu deren Rachenmündung verfolgen lässt.
tt) Langenbeck führt ausserdem einen feinen Ast zum M. tensor tympaui,
ß) Fäsebeck (Kopfnerven, S. 18) einen Verbindungszweig zum Nerven des
Tensor tympani auf.
Die Nerven des Plexus tympanicus enthalten Nervenzellen vereinzelt
und in grösseren und kleineren Gruppen, die, wie es scheint, wechselnde
Stellen einnehmen.
Valentin beschreibt ein Gangliolum tympamcum s. Intum.escentia gangliosa
n. tympanicum ambiens, eine zarte längliche Ganglienmasse, die den N. tympani-
cus vom Ursprünge an bis zum Eintritt in den Canal einhüllen soll. Arnold,
Beck und E. Bischoff bestreiten die Eichtigkeit dieser Angabe ; der letztere aber
erwähnt ein mikroskopisches Ganglion an der Abgangsstelle des Zweiges zum
Vorhofsfenster. Pappenheim (Gewebelehre des Gehörorgans, S. 60) und W.
Krause (a. a. 0.) fanden die Nervenzellen an verschiedenen Theilen des N. tym-
panicus.
Was den Faserverlauf im Plexus tympan. betrifft, so lässt sich zu-
nächst voraussetzen, dass die Anastomose den Zweck habe, den aus dersel-
ben entspringenden Nerven der Paukenhöhle Fasern aus mehreren Quellen
zuzuführen. So wird der N. tubae aus Fasern sowohl des Tympanicus, als
des Petros. superf. minor und der sympathischen Zweige zusammengesetzt
(E. Bischoff.) Aber schon die Vergleichung des Kalibers der Nerven er-
giebt, dass die aus den verschiedenen Stämmen in die Paukenhöhle eintre-
tenden Fasern durch die innerhalb der Paukenhöhle entstehenden periphe-
rischen Aeste nicht erschöpft werden, dass also Fasern die Paukenhöhle
nur durchsetzen, um von Einem Stamm zum anderen zu gelangen und viel-
leicht an weit entlegener Stelle als Aeste des Einen oder anderen zu enden.
Das Nähere ist freilich bis jetzt weder auf anatomischem, noch auf physio-
logischem Wege genau zu ermitteln. Einen Theil der Fasern des N. tym-
panicus sah E. Bischoff in dem Stamm des N. glossopharyngeus periphe-
risch weiter verlaufen; andererseits verfolgte er Fasern des N. tympanicus
zum Ggl. oticum , in welchem sie zwischen den Nervenzellen sich verloren.
Die vom Ggl. geniculatum stammenden Fasern wenden sich, der von W.
Krause gegebenen Abbildung zufolge, dem Glossopharyngeus-Ende der
Hauptschlinge zu. Die Fasern des unteren N. carotico-tympanicus sah
Raub er meist gegen das Ggl. oticum, einmal aber auch gegen das Ggl. pe-
trosum verlaufen. Mit Rücksicht auf die Qualität der Fasern könnte man
versucht sein, auf dem Wege durch den Plexus tjanpanicus die sensibeln
Elemente des Glossopharyngeus vom Trigeminus, die Geschmacksfasern des
Trigeminus vom Glossopharyngeus herzuleiten. Nicht ganz so müssig ist
die Verfolgung der secretorischen Fasern, die in der Bahn des N. auriculo-
temporalis zur Parotis ziehen. Es stellt sich heraus, dass diese Fasern
gleich den Secretionsnerven der Submaxillar- und Sublingualdrüse, ursprüng-
■') R. tubae Eustacliianae.
424 b. R. commun. facialis et glossopharyngei.
lieh im Facialis enthalten sind, da die Reizung der Wurzeln dieses Nerven
in der Schädelhöhle die Secretion der Parotis anregt. Da aber der gleiche
Erfolg durch Reizung des Facialis im weiteren Verlaufe nicht erzielt werden
kann, so lässt sich nicht bezweifeln, dass die Parotisfasern ihre anfängliche
Bahn am Ggl. geniculatum verlassen und von hier aus bleibt ihnen, um sich
in den K auriculo-temporalis zu begeben, kein anderer Weg, als durch das
Grenzgebiet des Plexus tympanicus, d. h. durch den, mit diesem Plexus
communicirenden Ast des N. facialis in den N. petros. superficialis minor,
dann zum Ggl. oticum und in die aus demselben an den N. auriculo-tempo-
ralis sich anschliessenden Zweige.
Var. Der N. tympanicus setzt sich aus zwei Wurzeln zusammen, von denen
die Eine aus dem N. vagus oder aus dessen E. auricularis stammt (Cruveilliier).
Der N. tympanicus ging in drei Fällen sclion vor dem Eintritt in die Paukenliölile
die Verbindung mit dem N. carotico-tympaniciis ein und gab einen Ast zur Tube
ab; Einmal sandte er einen Zweig rückwärts, der durch den Warzenfortsatz und
dessen Zellen in die Paukenhöhle drang und sich zwischen Vorhofs- und Schnecken-
fenster mit dem Stamme wieder vereinigte (Beck, a. a. 0., S. 60). Variationen
in der Vertheikmg der Nerven an der Wand der Paukenhöhle bildet E. Bischoff
ab (Fig. 53 bis 63).
b. R. communicans n. facialis et glossopharyngei CCg^).
h. Comm. Es ist der Ast des N. styloideus vom Facialis (Fig. 257), den ich bei
sopiw.^^°^" diesem Nerven (S. 411) erwähnte, wahrscheinlich dazu bestimmt, dem N.
glossopharyngeus motorische Fasern mitzutheilen. Longet-) xind Rüdin-
ger leiten den N. stylopharyngeus von ihm ab, Fäsebeck^) meint, er
trage zur Bildung des N. tympanicus bei.
Häiifig erreicht der anastomotische Ast den N. glossopharyngeus erst in eini-
ger Entfernung unterhalb des Ggl. petrosum. Aber auch am Facialis-Ende bleibt
er zuweilen eine Strecke weit einem Zweige des N. styloideus beigesellt, ehe er
sich von ihm ablöst und zum Glossopharyngeus emporsteigt. So beurtheile ich
den zuerst von Haller (Elem. physiol. lY, 228) beschriebenen, von Sabatier
(Traite d'anat. III, 389) als Eegel aufgestellten Fall, wo der E. biventricus- einen
Ast durch den Muskelbauch des Biventer mandibulae oder an dessen Eande vor-
über zum Glossopharyngeus sendet. E. Bisch off (Fig. 64, 65) lässt diese abwärts
convexe Schlinge aus je einem E. digastricus vom Facialis und einem vom Glosso-
pharyngeus sich zusammensetzen, die in Einem der beiden Fälle sich von dem
Gipfel der Schlinge neben einander abwärts wenden, um sich in dem Muskel zu
verbreiten. Vielleicht ist es die dem Glossopharyngeus angehörige Hälfte dieser
Schlinge, welche Eüdinger (a. a. O., Taf. VI, Fig. I, 20) als Ast des Glossopha-
ryngeiis zum hinteren Bauch des M. biventer mandibulae an einem Kopfe abbildet,
an welchem allerdings noch ein vom Faciahs zum Glossopharyngeus und zwar,
wie es scheint, zu dessen E. lingualis schräg absteigender Verbindungsast besteht.
Die meisten Handbücher führen, auf Grund der erwähnten Varietät, die Anasto-
mose des N. facialis mit dem Glossopharyngeus als einen Ast des N. biventricus
an. Umgekehrt fasst Hirschfeld (Neurol. p. 108) die Nu. stylohyoideus und bi-
ventricus als Zweige des anastomotischen Astes des N. facialis zum N. glosso-
pharyngeus auf. Er beschreibt daneben als E. lingualis des Facialis ein am late-
ralen Eande des M. stylopharyngeus hei-abziehendes Aestchen, welches durch diesen
1) Ansa IJallerl S a p p e y. ^) A. a. 0. 11, ö. 421. 3) A. a. 0., S. 15.
Flo 257
425
Linke Kopfhälfte von hinten, das Hinterhaui^t durch einen Frontalschnitt hinter dem Warzen-
fortsatz (Prm) entfernt. Die hintere Pharynxwand sammt dem Kehlkopf etwas rückwärts
gedreht. * Winkel des Unterkiefers. Ä Spitze des grossen Zungenbeinhorns. s< A Lig. stylohyoid.
Cp M. cephalopharyng. Hp M. hyopharyng. Lp M. laryngopharyng. Bm' hinterer Bauch
des M. biventer mandibulae. Ce A. carotis ext. StlJi M. stylohyoid. S g M. styloglossus.
Sp M. stylophar. Rg M. hyoglossus. Sink M. sternohyoid. Th M. thyreohyoid. ap N.
auric. post. sti/ N. styloid. bv N. biventricus. sih N. stylohyoid. Irs N. laryng. sup.
Irs',. Irs" Er. ext. und int. desselben, stp N. stylopharyng. plil N. pharyng. ling.
ph R. pharyng. glossophar. pJi' R. pharyng. vagi.
426 R. pharyngeus. R. lingualis.
Muskel dem N. glossopharyngeus Anastomosen sende, selbst aber zwischen beiden
Graumenbogen zu der Musculatur der Zunge herabsteige. Nach Sappey setzt
sich dieser Nerve, dem er den Namen B. musculorum styloglossi et glossostaphy-
lini ertheilt , aus einem Zweige des Facialis , der zuweilen durch ein eigenes Ca-
nälchen den Can. facialis verlässt, und einem den M. stylopharyngeus in seiner
Mitte durchbohrenden Zweig des N. giossopharyngeus zusammen und vertheilt
sich in der Zunge an die Schleimhaut und die beiden genannten Muskeln. Es
scheint demnach, als könnten eine grössere oder geringere Zahl gaumenbewegender
Facialisfasern sich früher oder später dem G-lossopharyngeus anschliessen. Das
Extrem würde die beim Facialis (S. 411) erwähnte Cruveilhier'sche Beobachtung
darstellen, der zufolge der betreffende Ast des Facialis selbständig an den Gaimien
tritt.
Bankart, Pye-Smith und Phillips (Gruy's hospital i-eports XIV, 436)
sahen einen Zweig des N. giossopharyngeus in dem M. mylohyoideus und dem
vorderen Bauch des M. biventer mandibulae sich verästeln. Der N. mylohyoideus
vom Alveolaris inf. fehlte.
c. ßr. communicantes c. nervo vago CV.
c. Comm. c. Die Verbindungszweige des Ggl. petrosum mit dem Stamme und dem
vago. -^ auricularis des N. vagus werden bei diesem Nerven beschrieben.
2. R. pharyngeus pW^).
2. R. pha- Der mit dem R. pharyngeus des N. vagus und sympathischen Aesten
zum Plexus pharyngeus zusammentretende Zweig. S. Vagus.
ryng
S.R.lingual. 3. R. lillgualls l.
t CoUater. f Collaterale Aeste.
a. Nn. pharyngei lingualis phl.
a. Pharyug. Zwei bis drei und mehr feine Aeste, die aus dem R. lingualis oder aus dem
i"s- folgenden Nerven, selten aiis dem Stamm des Giossopharyngeus oberhalb
seiner Theilung entspringen und direct zur hinteren Wand des Pharynx
treten; sie senken sich grösstentheils , wenn nicht alle, in die Schleimhaut
ein, indem sie die Muskelhaut zwischen den Fasern des M. cephalopharyn-
geus oder mit dem M. stylopharyngeus in der Lücke zwischen Hyo- und
Laryngopharyngeus durchsetzen (Fig. 256, 257).
b. N. stylopharyngeus Stp^).
\>. styiopha- Der Nerve des gleichnamigen Muskels, der aber ebenfalls zwischen den
■^"'^' Bündeln desselben den grössten Theil seiner Fasern zum Pharynx sendet.
■') 72. pharynfjeus supremus s. communicans cum ramo i^haryngeo N. vagi. Ein R.
pharyngohasilaris, den C. Krause aufführt, ein vom Stamm des Giossopharyngeus sich
aufwärts krümmender Ast, der, die Fascia buccopharyngea durchbohrend, in die Mm. cepha-
lopharyngeus, petro- und sphenostaphylinus eindringen soll, ist von keiner Seite bestätigt
worden. ^) R. circumßexus.
R. liueualis.
427
c. Nn. tonsillares to ^).
Unter diesem Namen begreift man die feinen Zweige, die sich auf- und c. TousUi.
abwärts von den eigentlichen Znngenästen in der Schleimhaut der Seiten-
wand der Mundhöhle bis zur Wurzel des Epiglottis ausbreiten (Fig. 256).
Ein Fädchen begleitet die A. lingualis bis zur Zungenspitze (Cr uveilhier).
ff Terminale Aeste 2).
Sie gehören, wie erwähnt, der Basis der Zunge an und erstrecken sich 1 1 Termi-
am Rande derselben etwas weiter vorwärts, als in der Mitte, jedoch kaum
Fig. 258.
Profil der Zunge , an welchem die sensibeln Aeste bis zur Oberfläche verfolgt sind. Nach
einem Langenb eck'schen Präparat. V Ram. lingualis des N. inframaxillaris. IX E. lin-
gualis des N. glossopharyng. XII N. hypoglossus. 1 Spitze des grossen Zungenheinhorns.
2 Spitze des oberen Horns der Gart, thp-eoidea. 3 Epiglottis. 4 Sublingualdrüse. s N. subungualis.
bis zur Hälfte ihrer Länge (Fig. 258). Die medialsten gehen hier und da von bei-
den Seiten schleifenförmig in einander über. An den Verzweigungen im Inne-
ren der Zunge finden sich kleine Ganglien (Remak ^), besonders zahlreich an
den Theilungswinkeln der Nerven (Kölliker *). Sie kommen noch unmittel-
bar an der Basis der wallförmigen Papillen vor (Schwalbe^), in welchen,
wie an den Geschmackskolben der Papilla foliata des Seitenrandes der
Zunge, die Zungenzweige des Glossopharyngeus endigen.
■'■) Rr. tonsillares und infratonsillares Val. ^) Rr. gustatorni racUcis linguae. ^) Med.
Vereinsztg. 1840, No. 2. *) Würzburger Verhandl. II, 175. ^) Archiv für mikroskop.
Anat. IV, 177.
428 N. vagus.
X. N. vagus.
X Vagus Die aus dem Vagiiskern des verlängerten Marks (S. 207) entspringen-
den, im Anschluss an den N. glossopharyngeus ans der hinteren Seitenfurche
des genannten Hirntheils hervortretenden Faserbündel (S. 176) vereinigen
sich im For. jugulare und gehen alsbald in ein spindelförmiges Ganglion,
Ganglion jugulare^), über, welches gewöhnlich 4 Mm. im längsten Durch-
messer hat, sich aber oft auf Kosten seines Umfangs verlängert. Vom vor-
deren Rande desselben kehrt ein N. meningeus in die Schädelhöhle zurück,
um sich in der fibrösen Hirnhaut zu verbreiten; rückwärts geht der N.
auricularis ab, der sich am Stamme des N. facialis vorüber, mit dem er
anastomosirt, zum äusseren Gehörgang begiebt. Durch diesen Auricularis,
der eine Wurzel vom N. glossopharyngeus erhält, und durch unmittelbare
Verbindungszweige hängt das Ggl. jugulare des Vagus mit dem Ggl. petro-
sum zusammen. Ausserdem empfängt es sympathische Aeste vom Ggl. cer-
vicale supr.
Kaum aus dem Ggl. jugulare hervorgetreten , zeigt der Stamm des N.
vagus eine zweite, verhältnissmässig geringere Anschwellung, die aber eine
ansehnliche Strecke seines Verlaufs (etwa 15 Mm.) einnimmt (Fig. 259).
Sie rührt von einer Lockerung des Nerven durch Einlagerung von fett-
haltigem Bindegewebe zwischen die verflochtenen Primitivbündel her und
erhielt deshalb mit Recht (von Willis) den Namen eines JPlexus gangJio-
formis 2). In denselben geht der N. accessorius mit einem Theil seiner
Fasern über, wofür er einige Fädchen vom Vagus erhält; ebenfalls mit
dem Plexus ganglioformis oder mit dem Stamm des Nerven ober- oder unter-
halb des Plexus verbinden sich Zweige des Hypoglossus und Sympathicus,
zuweilen auch der oberen Cervicalnerven (Long et '^).
Abbildungen der mannicbfaltigen Weisen, in welcben die Bündel des E. int.
des N. accessorius sich mit den Bündeln des Plex. ganglioformis vereinigen und
verflechten, findet man beiScarpa, Abbandl. der k. k. Josephin. Akademie, Bd. I,
Taf. X, und bei Solinville, Auat. disquisitio et descriptio u. vagi. Turici 1838.
Dicht unter dem For. jugulare wird der Stamm des Vagus unter spitzem
Winkel gekreuzt vom N. hypoglossus, der an der hinteren Fläche des Plexus
ganglioformis vorübergeht und durch straffes Bindegewebe an denselben be-
festigt ist (Fig. 259). Indess der Hypoglossus an die laterale Seite des Vagus
gelangt, läuft dieser fast gerade abwärts auf den tiefen Halsmuskeln, zur Seite
des Pharynx, vor- und medianwärts von der V. jugularis, an der hinteren
Wand der A. carotis int. Von der Gegend des Zimgenbeins an, wo die V.
jugularis int. mit der A. carotis comm. in eine gemeinschaftliche Bindegewebs-
scheide eingeschlossen wird, liegt der N. vagus an der hinteren Seite beider
Gefässstämme in der von ihnen begrenzten Furche (Mskl. Fig. 62, 15).
Am oberen Rande des Thorax weicht er etwas zur Seite, um über der Wur-
zel der A. subclavia in die Brusthöhle einzutreten und wendet sich dann
^) Gfjl. superius N. vagi. ^) Plaxuts uodosus. Gfjl. trunci nervi vagi Bendz.
3) A. a. O. II, 250.
N. vagus. 429
allmälig wieder, hinter Bronchus und Pericardium, der Mittellinie zu, die
der linke Vagus am unteren Ende des Oesophagus fast erreicht, der rechte
überschritten hat, indem jener auf der vorderen, dieser auf der hinteren
Fläche des Oesophagus den Hiatus oesophageus durchsetzt. In der Bauch-
höhle enden die Nerven beider Seiten mit Zweigen, die zum Theil von der
oberen Curvatur aus sich über die Magenwände verbreiten, zum Theil durch
Vermittlung des Plexus coeliacus und direct in die sympathischen Geflechte
der Baucheingeweide übergehen.
Auf diesem langen Wege versieht der Vagus einen Theil des Gaumens,
den Pharynx, Oesophagus und, wie erwähnt, Magen und Leber, ferner den
Kehlkopf, die Trachea und die Lunge mit motorischen, sensibeln und secre-
torischen Nerven; er sendet den Gefässstämmen am Halse feine Zweige und
führt dem Plexus cardiacus, einem wesentlich sympathischen Geflechte , die
merkwürdigen Fasern zu, die man als Hemmungsnerven bezeichnet, weil
auf Reizung derselben das Herz seltener schlägt und schliesslich in Diastole
stille steht. "Wie weit die in den Plexus coeliacus eintretenden Vagusfasern
sich mit den Aesten dieses Plexus zu den Unterleibt eingeweiden erstrecken,
ist anatomisch nicht zu ergründen; doch existirt, wie bei Beschreibung der
sympathischen Geflechte auszuführen sein wird, kaum ein Organ im Bereich
des Verdauungs- und Urogenitalapparats, das nicht auf Grund physiologi-
scher Experimente in Beziehung zum Vagus gebracht worden wäre.
Die Aeste, die der Vagus am Hals und im oberen Theil der Brust ab-
giebt, gleichen in der Art ihrer Verzweigung den übrigen Cerebrospinal-
nerven; es sind, abgesehen von den zarten, mit dem Plexus caroticus sich
verbindenden Fäden, 1) ein N. pharyngeus oder zwei, die aus dem Plexus
ganglioformis entspringen und mit dem R. pharyngeus des N. glossopharyn-
geus zum Plexus pharyngeus zusammentreten ; 2) N. laryngeus sup. aus dem
Plexus ganglioformis oder dicht unter demselben, wesentlich sensibler Nerve
des Kehlkopfs; 3) einige Nn. cardiaci, vom Stamme des Vagus in der Mitte
des Halses; 4) N. laryngeus inf., aus der Brusthöhle zur Seite der Trachea
aufwärts steigend, der wesentlich motorische Nerve des Kehlkopfs Die
Lungen-, Oesophagus- und Magenzweige verästeln sich nach dem Typus der
sympathischen Nerven; sie bilden Geflechte, in welchen die Fasern beider
Körperhälften gegen einander ausgetauscht werden; in den Plexus piilmo-
nales geschieht dies durch coUaterale Aeste; der Plexus oesophageus ist ein
den Oesophagus umspinnendes Geflecht, in welchem die Stämme selbst ^) netz-
förmig anastomosiren, ja in welchem sie sich fast auflösen.
Wegen der ansehnlichen und zahlreichen Anastomosen, die der N. vagus
vom Ggl. jugulare an eingeht, lag es gerade bei diesem Nerven nahe, zu
fragen, inwiefern die Fasern der Aeste, die er abgiebt, aus seinen eigenen
Wurzeln, oder aus einer anderen Quelle stammen. Mit Beziehung auf den
Bell'schen Lehrsatz wurde der Vagus einer hinteren, der zu ihm stossende
Theil des Accessorius einer vorderen Spinalnervenwurzel verglichen (Scarpa,
Arnold) und es traf sich, dass die ersten, zur Prüfung dieser Hypothese
unternommenen Versuche sich ihr günstig erwiesen. Die Sensibilität der
Vasruswurzeln wurde niemals bestritten und, was ihre motorischen Kräfte
■'■) Chordae oesophageae. Chordae ventrinili.
N. vagiis. 431
betrifft, so erhielten Valentin ^) und Longet^) negative Resultate, wäh-
rend T. Bischoff ^) ermittelte und Longet*) bestätigte, dass wenigstens
die in der Bahn des N. laryngeus inf. verlaufenden Nerven der bei der
Stimmbildung thätigen Kehlkopfmuskeln ursprünglich in den Wurzeln des
Accessorius enthalten sind und durch Trennung derselben gelähmt werden.
Dagegen setzte Yolkmann^) durch mechanische Reizung der Wurzelfäden
des Vagus in der Schädelhöhle ihren Einfluss auf eine Anzahl Muskeln
ausser Zweifel, namentlich auf die Mm. petro- und palatostaphylinus, palato-,
cephalo- und laryngopharyngeus. cricothyreoideus, cricoarytaenoideus post.
und lateralis und auf die Musculatur des Oesophagus. Die Herrschaft der
in den Vaguswurzeln enthaltenen Fasern über die Muskelhaut des Magens
erkannten Stilling ^) und Bischoff ''), der indess von seiner früheren An-
sicht zurückgekommen war. Und auch mit der Abhängigkeit der Kehlkopf-
muskeln vom N. accessorius hat es eine eigenthümlicheBewandtniss. Schon
Volkmann ^) machte die Bemerkung, dass die Athembewegungen des Kehl-
kopfes nach Durchschneidung beider Nn. accessorii fortdauerten. Bernard 9),
der den Accessorius vermittelst Ausreissens in der Art zerstörte, dass die
Thiere die Operation überlebten, beobachtete als deren Folge Stimmlosigkeit
ohne Beeinträchtigung des Tonus der Stimmbänder und der mit deniAthmen
verbiindenen Verengung und Erweiterung der Glottis. Diesen Erfahrungen
stehen zwar diejenigen von Schiff und von Heidenhain i") gegenüber,
welche behaupten, dass die Lähmung der Stimmbänder nach dem Ausreissen
der Accessorii ebenso vollständig sei, wie nach der Durchschneidung der
Vagusstämme. Doch giebt es noch andere Beweise für die Unabhängigkeit
der phonetischen Bewegungen des Kehlkopfes von den respiratorischen.
Aphonie bei übrigens normalem Vei^halten der Glottis beobachtete Donder s ^^)
bei einem menschlichen Individuum in Folge eines Sturzes; sie muss wohl,
1) De functionibus nerv. p. 46. ^) A. a. 0. II, 265. 3) ]sj_ accessorii Willisii
anat. et physiol. Heidelb. 1832. *) A. a. 0., S. 263. ^) Müll. Archiv 1840, S. 491.
^) Häser's Archiv IV, 445. ''') s. Volkmann, K. Wagner's Handwörterb. 11, 585.
8) A. a. 0., S. 590. 9) Arch. gen. de medecine 3e ser. IV, 395. V, 51. i») Meiss-
ner's Jahresbericht 1865, S. 492.' H) Ztschr. für rat. Med. IV, 219.
Zu Figur 259.
Verzweigung des N. vagus am Neugeborenen. Am Halse sind die grossen Arterienstämme
und die Trachea freigelegt. Die Brusthöhle geöffnet, das Herz unter der Querfurche, die
Lungen an der Wurzel abgeschnitten ; das Zweixhfell bis auf den Oesophagus gespalten ;
der Blindsack des Magens sammt der Milz entfernt. 1 Ohrläppchen. 2 knorpliger Gehör-
gang. 3 Warzenfortsatz. 4 V. jugularis , am Austritt aus dem Schädel durchschnitten.
5 M. scalenus ant. der linken Seite. 6 A. carotis sin. am Ursprünge abgeschnitten. 7 A.
subclavia sin. 8 Aorta descendens. 9 linke Niere. 10 Magen. 11 Leber. 12 Querschnitt
des Herzens durch den oberen Theil der Ventrikel. 13 Lungenwurzel. 14 A. pulmonalis.
15 Aorta adscend. 16 Duct. arteriös. 17 A. anon}Tna brachioceph. 18 A. subcl. destra.
19 A. carotis destra. 20 M. scalenus ant. der rechten Seite. 21 Kehlkopf. 22 Zungen-
bein. IX. E. pharyng. glossophar. ph R. pharyng. vagi. av E. auricul. vagi. XI vorde-
rer Ast des N. accessor. Pg Plex. ganglioformis. Irs N. laryng. sup. c,c Nn. cardiaci.
Iri' Nn. laryng. inf. sin. Pjjp Plexus pulm. post. Po Plex. oesoph. X' linker, X rech-
ter Vagusstamm, s^ Z E. splanchnicus sin. G c Ggl. coeliacum. Pgp , Pg aFlex. gastr. -post.
und ant. Ppa Plex. pulmon. ant. Iri N. laryng. inf. dext. * Aeste des rechten N.
vagus zum Ggl. coel. * * Aeste des linken Vagus zur Lunge.
432 N. meningeus.
wie die nicM seltene nervöse Aphonie der Hysterischen, auf ein centrales
Leiden des Accessorius bezogen werden; im Accessorius aber müssen wir
den motorischen Nerven der Muskeln erkennen, die die Spannung der
Stimmbänder reguliren, also vorzugsweise des M. thyreo-arytaenoid. int.
Es haben demnach beide Stämme, Vagus und Accessorius, an den vom
ersteren ausgehenden Aesten Antheil; auf den besonderen Antheil eines
jeden an jedem dieser Aeste werde ich bei der Beschreibung der einzelnen
zurückkommen.
Eine Eigenthümlichkeit des N. vagus, die ihn vor anderen Cerebro-
spinalnerven auszeichnet, besteht in der vorherrschenden Zahl feiner Fasern,
die er vom Ursprünge (nach Volkmann vom Ggl. jugulare) an führt und
die sich von oben nach unten dadurch relativ vermehren, dass mit den
oberen Zweigen vorzugsweise die stärkeren Fasern austreten. Es dient dies
zum Beweis, dass die feinen Fasern vorzugsweise der Innervation der un-
willkürlichen Muskeln vorstehen i).
Var. Oefters zeigen sich die Nu. vagi beider Seiten im Kaliber merklicli
verschiedeu.
Einmal (unter mehr als 500 Leichen) zerfiel der rechte Vagus in zwei Stränge,
die sich über der A. anonjnna wieder vereinigten. Ein in ähnlicher Weise vom
Stamm abgespaltenes Bündel ist es wohl, welches An der seh (De nei'vis c. h.
aliqnibus. Eegiom. 1797. I, 24) als N- proprius decimi nervi beschreibt; es ver-
lässt den Stamm unter dem For. jugulare , giebt den Nn. accessorius und hypo-
glossus Zweige und kehrt in der Gegend des Querfortsatzes des dritten Halswir-
bels in den Stamm zurück.
Den Verlauf des Vagusstammes in der Scheide der grossen Halsgefässe vor
der V. jugulai'is int. und Carotis comm. notiren Quain (Anat. of the^arteries. pl.
IV, Fig. 4), Dubrueil (des anomalies arterielles. Paris 1847, p. 65) 2 Mal, Cru-
veilhier (Traite d'anat. 4e ed. T. III, P. 1, p. 75). In allen vier Fällen bestand die
Anomalie allein auf der rechten Seite.
Pye-Smith, Howse und Da vies-Colley (Gruy's hosp. rep. 3d ser. XVI,
161) sahen aus dem Stamme des IST. vagus, dem Zungenbein gegenüber, die Aeste
zu den vom Brustkorb zum Zungenbein aufsteigenden Muskeln entspringen, welche
gewöhnlich aus der Schlinge hervorgehen, die der E. descendens hj^poglossi mit
den oberen Cervicalnerven bildet. Sie vermuthen einen Uebergang jener motori-
schen Nerven aus dem Stamme des Hypoglossus in den des Vagus , wie sie ihn
wirldich nachzuweisen vermochten in einigen Fällen, avo der R. descendens des
Hypoglossus von dem Vagus abgegeben zu werden schien.
1. V. 6gi. 1. Aeste des Ggl. jugulare.
jugul.
a. N. meningeus 2).
a. N. me- Läuft vom vorderen Rande des Ggl. in der lateralen Wand der fibrö-
sen Scheide des Nerven rückwärts und theilt sich in zwei Aestchen, von
welchen das kleinere zum Sinus occipitalis gelangt, das grössere sich der
A. meningea post. beigesellt und Zweige zum Sinus transversus schickt, die
sich in der inneren Haut desselben verästeln. Nach Rüdinger'*) setzt er
sich zusammen aus Fasern des Vagus und des Sympathicus, die vom Ggl.
cervicale supr. aus- und am Ggl. jugulare vorübergehen.
'•) Bidder und Volkmann, die Selbständigkeit des sympathischen Nervensystems.
Lpz. 1842, S. 62. 2) R. recurrens kr wo \A. R. meningeus posl. Rüdinger. ^) lieber
die Verbreitung des Sympathicus in der animalen Röhre. München 1863, S. 62.
nin
R. auricularis. 433
h. R. auricularis (IV ^).
Wendet sich vom Ggi. jugulare aus, nachdem er sich durch ein feines h. r. ami-
Aestchen ^) mit dem Ggl. petrosum des Glossopharjnigeus in Verbindung
gesetzt, schräg seit-rückwärts an die äussere Fläche der lateralen "Wand des
Bulbus der V. jugularis int. und läuft längs derselben fast horizontal in
einer Furche oder einem oberflächlichen Canälchen der Fossa jugularis
(Knl. Fig. 144 Sra) z^^m Eingang des Can. mastoideus. Diesen Canal
durchziehend, kreuzt der R. auricularis den N. facialis kurz vor dessen Aus-
tritt aus dem For. stylomastoideum rechtwinklig und verbindet sich mit
ihm durch ein auf- und ein absteigendes Fädchen ; dann gelangt er in der
Fissura tympanico-mastoidea ins Freie, einfach oder bereits in die beiden
Aeste gespalten, von denen der Eine mit dem N. auricularis post. des Fa-
cialis (S. 411) zusammenfliesst, der andere sich in der Haut des äusseren
Gehörgaugs imd der Ohrmuschel verliert (Fig. 260).
So weit man die peripherische Endigung desN. aui'icularis kennt, muss
man seinen Fasern sensibeln Charakter zuschreilien und demnach annehmen,
dass sie im Vagus wurzeln. Somit ist es auch möglich, dass die Anasto-
mose zwischen R. auricularis und Facialis den Zweck habe , den letzteren
mit sensibeln Fasern zu versehen, und es wird diese Annahme in dem
Maasse sicherer werden, als es zweifelhafter wird, ob der N. facialis die
Sensibilität, die er am Ausgang des Can. facialis besitzt, der Beimischung
sensibler Fasern durch den N. petrosus superfic. maj. verdanke. Damit
vertrüge es sich, dass in der gleichen Bahn des R. auricularis der Facialis
Fasern gegen den Vagus sende, dass namentlich die Anastomose mit dem
N. glossopharj^ngeus, wie Cruveilhier meint, aus Facialis-, d. h. motori-
schen Fasern bestehe, die sich in Glossopharyngeus- Zweigen zum Schlund
und Gaumen erstrecken. Beweise für diese Ansicht giebt es nicht; ebenso
wenig lässt sie sich widerlegen, und indem ich über ähnliche blosse Mei-
nungsäusserungen hinweggehe, habe ich nxir noch der allerdings unsichern,
daher einander widersprechenden Resultate der feineren anatomischen Unter-
suchungen des Faserverlaufs zu gedenken. Nach Valentin^) geht im
oberen Verbindungsast des R. auricularis mit dem Facialis die Hauptmasse
der Nerven vom Facialis zum Vagus, ini unteren Verbindungsast umge-
kehrt. Beck^) sah in beiden Verbindungszweigen nur centralwärts , zur
Wurzel des Facialis aiifsteigende Fasern, erklärt demnach den R. auricula-
ris, soweit er mit dem Facialis zusammenhängt, für eine Anastomose, durch
die der Vagus Facialisfasern empfängt. Calori^) bildet ein im Facialis
aufsteigendes und ein in demselben absteigendes, über das Foramen stylo-
mastoidetim hinaus isolirbares Bündel ab, ausserdem quere, den Stamm des
Facialis gleichsam umspinnende Fäden, die den Eindruck machten, als ob
sie sich in die Chorda tympani fortsetzten. Den Beobachtungen E. Bi-
sch off 's") zufolge ist das Verhalten des R. auricularis sehr wechselnd.
^) /?. auricularis Arnoldi Bach. N. fossae jugularis Cruv. -) liad. minor r. au-
ricularis Val. ^) Nervenlehre S. 447. *) Ueber einzelne Theile des 7. und 9. Nerven-
paares, S. 50. ^) Memorie della accademia di Bologna, IV, 456, Tav. XIX, Fig. 4. '') A.
a. 0. S. 19.
Hcnlc, Anatoniio. Bd. III. Abtlilg. 2. 28
434
R. aiiricularis.
Seine Anastomose mit dem Facialis kann völlig fehlen. An der Ursprungs-
stelle aus dem Vagus und Glossopharyngeus zeigt er meistens auch peri-
Fig'. 260.
For. jugulare von hinten geöffnet, Canaliculus mastoideus und Can. facialis aufgebrochen.
Der Bulbus v. jugularis entfernt, V. jugul. (1) und Carotis int. (2) dicht unter der Schä-
delbasis abgeschnitten. 3 Spitze des Zungenbeinhorns. 4 Mm. longus cap. und rect. aap.
ant., unter der Insei-tion abgeschnitten, av H. auric. vagi. Gp Ggl. petros. GJ Ggl.
jugulare. XI' Aeusserer Ast des N. accessorius , zur Seite gelegt, ph' R. pharyng. vagi,
eine Strecke weit in der Bahn des N. accessorius. ps 'N. petrostaphylinus. XII' Stamm
des N. hypoglossus, vom N. vagus abgezogen. X' Stamm des N. vagus, abgeschnitten.
IJp M. hyopharyng. Irs N. laryng. sup. SpM. stylopharyng. Pi M. pteryg. int. SgM.
styloglossus. l K. lingualis''glossopharyngei. ph R. pharyngeus glossopharjnigei. sm Lig.
stylomyloid. Sp M. stylopharyng. 8 s M. sphenostaph3'lin. ap N. auric. post. , in
zwei Fäden zerfallen.
R. communicans c. nervo glossopharyngeo. 435
pherisch in diese Nerven eintretende Fasern. Häufig besteht er aus zwei
Fäden, von denen der Eine die aus dem Facialis abstammenden Fasern zu
enthalten scheint. Er sendet dann öfters auch ein peripherisch in den Fa-
cialis abgehendes Fädchen ab, kann aber auch ganz peripherisch in den
Facialis übergehen.
Var. Voigt (Beitr. ztir Dermatoneui'ologie, S. 12) und Bischoff berichten
von vollständigem Maugel des N. auvicularis. Er entsprang in Einem Falle vom
Stamm des Vagus, 4 Mm. unterhalb des Gangiiou (Arnold, Kopftheil des veget.
Nervensyst,, S. IIO). In einem anderen Fall war er schon im Anfange seines Ver-
laufs in vier Fäden getheilt, von denen der Eine mit dem Facialis verschmolz,
der andere mit Facialiszweigen aus dem For. stylomastoid. hervortrat, der dritte
und vierte im Can. mastoid. verliefen. Zuckerkandl (Beob. über die Herzbeutel-
uerven und den Auric. vagi. A. d. 62. Bd. der Wiener Sitzungsberichte) beschreibt
Anomalien des E. auric, welche zum Beweise des Uebergangs eines Theils seiner Fä-
den in die peripherische Bahn des N. facialis dienen. Gleich nach Aufnahme des
Fadens vom Glossopharyngeus spaltet er sich in zwei Aeste, welche durch eigene
Canäle in den Can. facialis einbiegen. Der obei-e Ast begiebt sich nach einer
aufsteigenden Anastomose mit dem N. facialis in den Can. mastoideus und fuugirt
als eigentlicher Ohrast. Der untere Ast, der den oberen an Stärke übertrifft,
legt sich auf die hintere Fläche des N. facialis, gesellt sich zum N. auricularis
prof. und verläuft mit ihm zur Ohrmuschel. In einem anderen Fall theilte sich
der R. auricularis vagi im Can. facialis in einen schwächeren Ast , der sich in
den Can. mastoideus begab , und einen stärkeren, der mit dem N. facialis ver-
schmolz. Derselbe Beobachter sah Paukenfellnerven aus dem conve.xen Rande
einer Schlinge entspringen , welche der R. auricularis vagi mit dem N. auriculo-
temporalis am knorpligen Gehörgang bildete.
c, R. communicans c. nervo glossopharyngeo^).
Ein unbeständiges Fädchen , welches durch Anastomosen zwischen den c. e. oom-
Wiirzeln beider Nerven oder zwischen Zweigen des Plexus pharyngeus er- c giosso-
setzt zu werden scheint. Es verbindet auf kürzestem "Wege die Ggl. pe- ^' ^^'
Irosum und jugulare (Fig, 260) 2) oder geht von der gangliösen Anschwellung
des Einen dieser Nerven abwärts in den Stamm des anderen. Nach Cruveil-
hier lässt sich der Verbindungsfaden über den Vagus hinaus in den Acces-
sorius centralwärts verfolgen, während seine Fasern sich im Glossopharyn-
geus sämmtlich der Peripherie zuwenden. E. Bischoff '^) schien der Ver-
bindungsfaden vom Glossopharyngeus zum Vagus zu gehen.
2. Verbindungsäste des Plexus ganglioformis.
Von ihnen wird beim Accessorius, Hypoglossus, Sympathicus die Rede 2. Verbm-
dungsäste.
sein.
3. Pt. pharyngeus ^^/i. Plexus pharyngeus.
Die Nervenfasern, mit welchen der Vagus sich an der Bildung des Plex. 3. k. u. pi.
pharyngeus betheiligt, gehen vom oberen Theil des Plexus ganglioformis ^^ ^^^"8-
^) R. communicans iiif. n. glossopharyngel et vagi Val. ^) Bendz, a. a. 0. Taf. 1,10.
■') A. a. 0. S. 22. " '
28*
436 Plexus pharyngeus.
Tor- abwärts ab, in Einem Stämmcben oder in zweien, einem stärkeren
oberen ^) und einem dünneren unteren ^) ; selten zerfallen sie in eine grössere
Zabl feinerer Fäden ^). Mit dem R. pharyngeus des Glossopharyngeus und mit
sympathischen Zweigen bilden sie den Plexus pharyngeus (Fig. 260), der an
der Seitenwand des Pharynx in der Höhe des M. hyopharyngeus liegt, zu-
weilen eine oder mehrere gangliöse Anschwellungen *) einschliesst (C. Krause)
und seine Aeste strahlenförmig gegen Schlund und Gaumen entsendet.
Einer dieser Aeste geht fast gerade aufwärts zum unteren Ende des M. pe-
trostaphylinus (Fig. 260 ps). Ein Ast des Plexus pharyngeus ist der B. linguaUs
n. Vagi Luschka, der sich mit dem N. hypoglossus verbindet (s. diesen).
Die terminalen Zweige des Plexus pharyngeus sind wahrscheinlich ge-
mischter Natur und es lässt sich annehmen, dass der N. glossopharyngeus
vorzugsweise die sensibeln Fasern liefert , obschon , wie oben erwähnt,
Volkmann und Hein den M. stylopharyngeus, der erste auch denM. hyo-
pharyngeus durch Reizung der Wurzeln des N. glossopharyngeus in Con-
traction versetzt zu haben behaupten. Jedenfalls fiele den motorischen Fa-
sern der Vaguswurzel des Plexus pharyngeus die Innervation der Mm. ce-
phalopharyngeus, palatopharyngeus,petrostaphylinus und palatostaphylinus zu.
Dass diese Fasern bei Thieren an ihrem centralen Ursprung im Vagus
enthalten sind, steht durch Volkmann's Versuche fest (S. 431). Doch zieht
Bernard aus den Folgen der Ansreissung des Accessorius den Schluss, dass
bei der Innervation des Pharynx in ähnlicher Weise, wie bei der des Kehlkopfs,
Vagus- und Accessoriusfasern in einander greifen, DieThiere, deren Accesso-
rius zerstört ist, verlieren nicht die Fähigkeit, zu schlingen, doch wird das
Schlingen, namentlich, wenn sie aufgeregt sind, beschwerlich und daran trägt,
wie Bernard meint, die mangelhafte Verschliessung der Glottis die Schuld, die
durch den Einüuss motorischer Accessoriusfasern auf den M. laryngopharyn-
geus zu Stand« kommen soll. Burckhard^) fand bei Kaninchen, denen erden
Accessorius ausgerissen hatte, zahlreiche degenerirte Fasern in einem zum
Pharynx ziehenden Aste des N. vagus. Beim Menschen stammt nach Bendz ^)
und Longet'') der bei weitem grösste Theil der Fasern des R. pharyngeus
aus dem Accessorius, nach Scarpa treten zwei, nach T. Bischoff^) tritt
Ein Bündel des Accessorius mit einem Bündel des Vagus zur Bildung des
R. pharyngeus zusammen; nach Cruveilhier erfolgt der Ursprung dieses
Zweiges regellos bald allein aus dem Vagus, bald allein aus dem Acces-
sorius, bald aus beiden zugleich. Den Ursprung aus dem Accessorius zeigt
das Fig. 260 abgebildete Präparat (ph').
Spence (Edinb. med. and surg. Journ. LVIII, 397) leitet den N. pharyngeus
von einer Wurzel des N. vagus ab, die an dem Ggl. jugulare vorübergehen soll,
lind von einem Zweig des Accessorius, der sich unterhalb des Ganglion mit jener
Wurzel verbinde. Volkmaun (Müll. Arch. 1844, S. 337) lässt die Spence'sche
Wurzel nur als seltene Ausnahme gelten, da er sie an zehn Köpfen vergebens
suchte. Bei der Katze sieht Remak (Froriep's N. Not. IUI, 51) den unteren Theil
der Wurzelfäden des Vagus, die er dessen spinale Wurzel nennt, an dem Gang-
lion vorübergehen, doch hat er den. weiteren Verlauf dieser Fäden nicht verfolgt.
1) N. pharyngeus sup. s. primus s. maj. ^) N. pharyngeus Inf. s. secundus s. minor.
^) Er. pharyngei niedii s. tenuiores Val. ^) Ggl. phnri/ngeum Val. •'') Heidenhain's
Studien des physiol. Instituts zu Breslau. Hft. 4, S. 250. «) A. a. 0. S. 18. '^) A. a. 0.
JI, 24. ^j N. acressoiii Willisii anatomia, p. 30.
N. laryngeus siip. 437
4. N. laryngeus siip. Irs.
Entspringt vom Plexus ganglioformis unterhalb des R. pharyngeus, 4. Laiyng
geht, steiler als dieser, an der inneren, seltener an der äusseren Seite der ^"^'
Carotis int. herab, nimmt Zweige aus dem Plexus pharyngeus und dem
Ggi. cervicale supr. auf und theilt sich in zwei Aeste, die mitunter schon
gesondert aus dem Stamm des Vagus hervorgehen.
a. B. externus (Fig. 261) Irs' ■*) läuft auf der äusseren Fläche des M.laryngo-
pharyngeus schräg vorwärts herab , über den absteigenden Aesten aus dem
Plexus pharyngeus, die er unter spitzem "Winkel kreuzt. Er nimmt einen
Yerbindungsfaden vom Ggl. cervicale supr. auf und sendet einen Ast von wech-
selnder Stärke gerade abwärts zum Plexus cardiacus(Fig. 261 *) und einen fei-
nen Zweig mit der A. thyreoidea sup. oder einem Aste derselben zur Spitze der
Gland. thyreoidea. Dann wendet er sich in dem Bindegewebe, welches den
M. laryngopharyngeus deckt, oder in der Furche zwischen dessen beiden
Ursprüngen (von den Cartt. thyreoidea und cricoidea) vorwärts und sendet
vom oberen Rande feine Fädchen in den genannten Muskel, vom unteren
Rande einen Faden in den M. cricothyreoid. obliquus. Am vorderen Rande
des letzteren senkt er sich in die Tiefe und verliert sich theils im M. crico-
thyreoid. rectus, theils in der den Kehlkopf auskleidenden Membran.
Ueber das Ende dieses Nerven gehen die Ansicliten der Anatomen weit aus-
einander. Die meisten lassen ihn ganz im M. cricoth3ri-eoid. aufgehen; Meckel
spricht von Fäden, welche zwischen der Cart. thyreoidea und cricoidea zur
Schleimhaut des Kehlkopfs gelangen. Bach (Annot. anat. de nervis hj^poglosso
et laryngeis. Turici 1834, p. 23) beschreibt einen in den Kehlkopf eindringenden
Ast, der den M. crico-ar3'^taenoid. lateralis versorge; Luschka (der Kehlkopf des
Menschen, Tübingen 1871, S. 160) verfolgte den Nerven durch diesen Muskel oder
zwischen ihm und dem M. thyreo-arytaenoid. zur Schleimhaut des unteren Stimm-
bandes.
Nach Meckel, Reid (a. a. 0. S. 105) und C. Mayer (N. Acta natur. curios.
Vol. XXIII, P. 2, p. 721) erhält der M. thj'reohyoideus , nach Cloquet auch der
M. sternohyoideus Zweige vom E. ext. des N. laryngeus sup. Bach erwähnt
Aeste zum M. sternohyoid., hält sie aber für unbeständig; C. Krause führt un-
beständige Aeste zu den Mm. sternohyoid. und thyreohyoid. , Arnold derglei-
chen zum M. sternothyreoid. auf. In den letztgenannten Muskel und zwar zu
dem oberen, mit dem Ursprung des M. laryngopharyngeus von der Cartilago thy-
reoidea zusammenfliessenden Ende desselben sah auch ich ein Fädchen übergehen.
Eeid berichtigt aber seine anatomische Angabe mittelst des physiologischen Ex-
periments dahin, dass ihm die galvanische Reizung des N. laryng. sup. oberhalb
des R. externus niemals Zuckungen in anderen Muskeln als dem Cricothyreoid.
ergeben habe.
Einmal sah ich den R. ext. des laryng. sup. einen Fadeu zu dem unteren
Ende des Plexus phar3'ng. senden.
b. B. internus (Irs"'^) gelangt unter der Spitze des grossen Zungenbein-
horns um die Aussenseite des Lig. hyothyreoid. laterale, mit der A. laryn-
gea sup., an die Aussenfläche der Seitenwand des Pharynx und theilt sich
■^) R. superior. N. laryngeus sup.eoit. C Krause. R. cricothyreoldeus. -) R. laryngeus
int. C. Krause.
438
N. laryngeus sup.
in drei Aeste ^) , die sich sogleich und wiederholt gabelförmig spalten und
divergirend zwischen der Zungenwurzel und dem Anfang der Trachea
ausbreiten. Der obere Ast versorgt die Plicae ary-epiglotticae , die
Fig. 261.
Gcs
Profilansicht des Kehlkopfs und des Pharynx. Der M. laryngopharyngeus (Lp'^,
L p^) der Länge nach gespalten. 1 Zungenbein. 2 Lig. hyothyreoid. med. 3 Cart.
thyreoidea, das obere Hörn abgebrochen. 4 Cart. cricoidea. 5 Tunica nervea des
Pharynx und Oesophagus. TÄ Ursprung des M. thyreohyoid. Ctr, Cto Mm. crico-
thyreoid. rect. und obliq. Gcs Ggl. cervic. supr. S Grenzstrang des Sympath.
Irs N. laryng. sup. Irs' dessen äusserer, Irs" dessen innerer Ast. *N. cardiacus
des N. laryngeus sup., mit Aesten des Sympath. zum Plexus cardiacus zusammen-
tretend, l r i N. laryng. inf. ;; h R. pharyng. vagi.
^) Cruveilhier unterscheidet zwei Gruppen von Aesten, Rr. anteriores s. epiglottlci
und posU. s. lurytigtl.
N. laryngeus siip. 439
Plica glosso-epiglottica und die nächst angrenzende Region dei* Zungen-
wurzel, der mittlere die Seiten wand des Kehlkopfs innerhalb der Cart.
thyreoidea , der untere Ast verzweigt sich, fast gerade absteigend,
in der Schleimhaut, die den M. arytaenoid. gegen die Kehlkopfs- und Pha-
rynxhöhle deckt und schickt Einen Ast einem aufsteigenden Aste des N.
laryngeus inf. entgegen, der bei diesem Nerven wieder zur Sprache kommen
wird. Daselbst soll auch angegeben werden, was physiologischerseits über
die Vertheilung beider Nn. laryngei an die Musculatur und Schleimhaut
die Kehlkopfs ermittelt ist. Die anatomische Untersuchung lehrt allerdings
schon, dass ein grosser Theil der Fasern des N. laryngeus sup. die Muskeln
der Seitenwand und des Kehlkopfs nur durchsetzt, um in der Schleimhaut
sich zu verästeln.
Var. Cruveilhier sah eleu N. laryngeus sup. aus zwei Wurzeln sich zu-
sammensetzen: zu der gewöhnlichen und stärkereu aus dem Stamme des Vagus
trat noch eine feinere aus dem N. glossopharyng.
Vom Stamme des N. laryngeus sup., öfters auch mit einer zweiten Wurzel N. depres-
vom Vagus selbst, entsijriiigt beim Kaninchen ein durch seinen Verlauf und seine ^"^'
physiologischen Eigenschaften gleich ausgezeichneter Nerve, iV. depressor Cyon
und Ludwig (Ber. der sächs. Gesellsch. der Wissensch. 1866, Oct.). In unmittel-
barer Nähe des N. sympathicus läuft er an der A. carotis comm. zur Brusthöhle
herab, um sich mit anderen Vagus - und sj'mpathischeu Zweigen zum Plexus car-
diacus zu verbinden. Das physiologische Experiment aber bezeichnet ihn als einen
sensibeln oder wenigstens ceutripetalen Nerven, indem, nach der Trennung dessel-
ben am Halse, die Reizung des peripherischen Stumpfs erfolglos bleibt, die Rei-
zung des centralen Endes aber den Druck im Arterieusystem und die Pulsfrequenz
herabsetzt. Die Abnahme der Pulsfrequenz ist Folge eines Reflexes vom N. de-
pressor auf den N. vagus; sie bleibt aus, wenn vor der Reizung des centralen
Fjudes des N. depressor beide Nn. vagi durchschnitten worden waren. Die Ab-
nahme des Drucks im arteriellen System, bedingt durch Verminderung des Tonus
der Gefässe, hauptsächlich des Unterleibs, ist ein Beispiel jenes Antagonismus
zwischen sensibeln und Gefässnerven , den ich zuerst aus den Erscheinungen der
Congestion und Entzündung deducirte und den die experimentireude Physiologie
durch die unmittelbare Reizung sensibler Aeste bestätigt hat.
Dreschfeld und Stelling machten die Beobachtung, dass Fasei'u von der
physiologischen Eigenschaft des N. depressor auch im Stamme des Vagus verlau-
fen und erklären aus der wechselnden Zahl solcher Fasern die Schwankungen im
Kaliber des N. depressor.
Unter mehr als 40 Kauiucheu, welche Cj'on und Ludwig untersuchten, fan-
den sie nur Einmal eine Ausnahme von dem oben beschriebenen Verlauf; sie be-
stand darin, dass der Nerve in der Mitte des Halses in den Stamm des Vagus zu-
rückkehrte und sich an der Eildung eines kleinen Geflechtes betheiligte , aus wel-
chem er weiter unten gesondert wieder hervortrat. Bei der Katze fand Bern-
hardt (Anatom, und phj'siolog. Unters, über den N. depressor bei der Katze.
Dorpat 1868) einen Nerven, der dem Depressor des Kaninchens in Ursprung,
Function iind zuweilen auch im Verlaufe glich, doch senkte er sich in anderen
Fällen nach längerem oder kürzerem Verlauf, öfters schon 15 Mm. unterhalb sei-
nes Ursprungs in den Stamm des N. vagus oder des N. sympathicus ein. Unter
nahezu 30 Katzen fehlte dieser Nerve nur ein einziges Mal beiderseits, bei y^ der
untersuchten Thiere war er auf Einer Seite, bei den übrigen auf beiden Seiten
vorhanden. Unter vier von Bernhardt secirten Hunden besass Einer einen
Nerven vom Verlauf des N. depressor des Kaninchens; derselbe ging vom centra-
len Ende des N. larjmgeus sup. als ein äusserst dünnes Fädchen ab und trat,
etwa 4 Cm. weiter unten, in die dem Vagus und Sympathicus gemeinsame Scheide
ein. Aubert imd Rover erwähnen einen N. depressor vom Igel. (Vgl. Meiss-
ner's Jahresberichte 1866, S. 425. 1867, S. 563. 1868, S. 43U.)
440
N, laryngeus inf.
6. ]jarviig.
inf.
Fig-. 262.
Beim Menschen, wie beim Pferde, fasst Bernhardt einen Nerven als De-
presfc'or auf, der aus dem Plexus ganglioformis mit dem N. laryngeus , wie eine
zweite Wurzel dieses Nerven, entspringt und alsbald zum Stamm des Vagus zu-
rückläuft. Es ist eine Vermutliung, deren experimentelle Prüfung, wenigstens für
das Pferd, abzuwarten sein dürfte. Einen dem N. depressor des Pferdes ähnlichen,
nur schwächeren Nerven fand Alix (Journ. de Zoologie I, 279) beim Hippopotamus.
5. Rr. cardiaci.
Dünne, lange Fäden, einer bis drei, zuweilen melir, häufig ungleich an
Zahl auf beiden Seiten desselben Körpers und dann zahlreicher auf der
rechten Seite (Meckel), um so späi'licher und feiner, je stärker der R. car-
diacus des N. lai-yngeus sup. Sie gehen an der vorderen oder hinteren
Seite der Carotis comm. herab, und verbinden sich theilweise schon am Halse,
theilweise am Eingang des Thorax mit Zweigen des Sympathicus zum Plexus
cardiacus, s. diesen.
(i. N. laryngeus inf. Iri^).
Wendet sich von vorn nach hinten
rechts um die A. siibclavia, links
ZLir Seite des Lig. arteriosum um
den Aortenbogen, den Gefässstamm
jederseits schlingenförmig umfas-
send (Fig. 2-59) und steigt an der
Seite der Trachea und des Oesopha-
gus in der von beiden begrenzten
Furche empor. Bedeckt vom M. la-
ryngopharyngeus, unter dessen un-
teren Rand er sich begiebt oder den
er in der Nähe des unteren Randes
durchbohrt, zerfällt er hinter der
Articulatio crico-thyreoidea in die
Endäste , von denen Einer mit
einem der abwärts laufenden Zweige
des N. laryngeus sup. anastomosirt
(Fig. 262*), indess die übrigen sich
an sämmtliche Muskeln des Kehl-
kopfs, mit Ausnahme der Mm. crico-
thyreoidei rectus und obliquus, ver-
ästeln. Zuweilen sendet er den Ver-
Kehlkopf von der Kückseite mit dem oberen bindungsast zum N. laryngeus sup.
Ende des N. laryngeus inf. und dem untei-en schon früher ab , bevor er den un-
AstedesR.int.desN.laryng.sup^(Zr.). 1 Cart. ^^^.^^^ p^^^^| ^^^^ ^^ laryngopharyn-
thyreoidea, zur Seite gebogen. 2 Cart. ericoidea. j o l j
.3 Durch die vordere Wand des Pharynx durch- geus erreicht hat. Der den Kehl-
schimmernde Cart. eorniculata. 4 Seitliche kopfmuskeln bestimmte Zweig theilt
innere Kehlkopfmuskeln. 5 Muskeln zwischen . , •• i j. • • • i ■ x
] n ,. ; -, r 1 r 2 M io ,^ Sich zunächst m zwei, einen hinte-
den Cartt. arytaenoid. Lp^, Lp'' M. laryngo- _'
pharyng. Cap Ursprung , Cap' Insertion des ren , der den M. crico - arytaenoi-
durchschnittenen M.crico-arytaen. post.*Ana- deus post. versorgt und sich zwi-
schen ihm und der Cart. ericoidea
stomose zwischen Zweigen der Nn. laryng
sup. und inf.
•') N. recurrens s. adscendens.
zum M. arytaenoideus erstreckt,
N. laryngeus inf. 441
und einen vorderen , von dem die an der Seitenwand des Kehlkopfs gele-
genen Muskeln ihre Nerven empfangen. Rudi ng er hat zarte Fädchen zu
den Kapseln der Kehlkopfgelenke verfolgt.
Die Stärke des N. laryngeus inf. ist verschieden je nach der grösseren
oder geringeren Zahl von Aesten , die er an die nächste Umgebung abgiebt.
Zuweilen steht sein Kaliber hinter dem der Fortsetzung des Stammes kaum
zurück. Die aus ihm und zwar zunächst aus der Convexität der Schlinge
entspringenden Aeste gehen seitwärts zum Ggl. cervic. inf. des Sympathicus,
abwärts zum Plexus cardiacus — Nn. cardiaci inff. — und zu den Plexus
pulmonales ; aus dem aufsteigenden Theil des Nerven entspringen feine
Aeste zur Trachea und stärkere , die sich auf dem Oesophagus netzförmig
verzweigen, Hr. tracheales und oesophagei supp., endlich jAeste zum M. la-
ryngopharyngeus.
(i) Nach. Schlemm (Müll. Arcli. 1836, S. XXIV) erhält auch die Gland.
tliyreoidea Zweige vojn N. laryng. inf.
V a r. In drei Fällen, jedesmal recliterseits, beobachtete Wrisberg (Ludwig,
Script, neurol. min. IV, 57) eine Verdoppelung des N. laryngeus inf. Der über-
zählige kleinere Nerve entsprang unter dem normalen , verlief mit ihm zwi-
schen Oesophagus und Trachea aufwärts und zerfiel in mehrere Fäden, von denen
der stärkste sich wieder mit dem normalen N. laryng. inf. vereinigte.
Die Anomalie der grossen Gefässstämme, welche darin besteht, dass die A.
subclavia dextra am linken Ende, des Aortenbogens entspringt \ind hinter dem
Oesophagus nach rechts hinübergeht (G-efässlehre S. 221) , ist regelmässig mit
einem abnormen Verlauf des N. laryngeus inf. der rechten Seite verbunden. Es
steigt nämlich dieser Nerve alsdann, statt die Subclavia zu umschlingen, direct
vom Stamme des Vagus zum Kehlkopf empor. Einige Beispiele dieser Varietät
und die Erklärung derselben aus der Entwickelungsgeschichte findet man bei
W. Krause und Telgmaun, die Nerveuvarietäten des Menschen. Lpz. 1868,
S. 18.
Selten erhält der M. cricothyreoideus ein Fädchen an seiner inneren Fläche
aus dem N. laryngeus inf. (Reid, a. a. O. p. 104. Unter acht Fällen Einmal,
Bach, a. a. 0. p. 29).
Die den Oesophagus versorgenden Aeste des N. laryngeus inf. sah Kollmann
(Ztschr. für wissensch. Zool. X, 431) einmal beim Hunde und einmal beim Kanin-
chen unter mehr als 80 Fällen, Rüdinge r einige Male beim Menschen mit Gang-
lien besetzt. Verson (Beitr. zur Kenntniss des Kehlkopfs und der Trachea.
Wien 1868, S. 8) fand Nervenzellen an den Aesten der Nn. laryngei sup. und inf.
unmittelbar vor ihrer VerzAveigung in den Muskeln und wirkliche, längliche Gang-
lien in der hinteren Faserhaut der Trachea.
Schon aus der anatomischen Untersuchung der Kehlkopfsnerven hatte
sich ergeben, dass die Schleimhaut des Kehlkopfs ihre sensiblen Fasern
hauptsächlich aus dem inneren Ast des N. laryngeus sup. bezieht, dass da-
gegen der äussere Ast dieses Nerven den Mm. crico-thyreoidei, der N. laryn-
geus inf. den inneren Muskeln des Kehlkopfs motorische Fasern zuführt.
Doch ist der Anatom kaum in der Lage, sich zu versichern, ob nicht von
den, die Muskeln durchsetzenden sensibeln Zweigen feine Fäden in den
Muskeln verbleiben, und ob nicht von den Muskelästen Fäden bis zur
Schleimhaut vordringen. Auch die physiologische Prüfung der Aeste hat
nicht immer die gleichen Ergebnisse geliefert. So glaubte Magendie ge-
funden zu haben, dass Reizung des N. laryngeus sup. die Verengung, des
N. laryngeus inf. die Erweiterung der Glottis zur Folge habe. Valentin
442 N. laryngeus inf.
(De funct. nerv. p. 47) führt eigene und fremde Beobacatungen an, wonach
auf Reizung des N. laryngeus sup. nicht nur Schmerzensäusserungcn, son-
dern auch Zuckungen der inneren Kehlkopfmuskeln eingetreten seien ; doch
scheint hierbei nicht die nöthige Vorsicht angewandt worden zu sein, uai
Reflexbewegungen auszuschliessen. Heutzutage wird fast ohne Widerspruch
die Lösung der Frage anerkannt, welche Long et gegeben hat, und welche
auch mit dem anatomischen Befund übereinstimmt. Darnach ist der N. la-
ryngeus sup. ein gemischter Nerve , der aber bei seiner Theilung in den
äusseren und inneren Ast sämmtliche motorische Fasern an jenen, die sen-
sibeln an diesen abgiebt. Reizung des inneren Astes ist sehr schmerzhaft,
erregt aber keine Zuckung; Reizung des äusseren Astes schien kaum
empfunden zu werden. Die Durchschneidung des N. laryngeus sup. beein-
trächtigt die Stimme mir dann, wenn der Schnitt den Nerven oberhalb des
Abgangs des äusseren Astes trifft; Trennung des -inneren Astes allein am
oberen Rande der Cart. thyreoidea ist ohne Einfluss auf die Bewegungen der
Stimmbänder; Trennung der in die Mm. cricothyreoidei eintretenden Ner-
ven alterirt die Stimme in derselben Weise, wie die Durchschneidung des
Stammes des N. laryng. sup. Der Durchschneidung des N. laryngeus inf. folgt
bei erwachsenen Thieren völlige Stimmlosigkeit ; bei jungen Thieren genügt,
wegen der Weichheit der Knorpel, die Wirkung der Mm. cricothyreoidei,
um nach Lähmung der übrigen Muskeln die Stimmbänder noch so weit zu
dehnen und einander zu nähern, dass bei heftigem Anspruch Töne erzeugt
werden, Uebrigens hält Longet den N. laryng. inf. für einen gemischten
Nerven, da er am Oesophagus nicht nur die Muskel-, sondern auch die
Schleimhaut versorge. Nach Valentin veranlasste Reizung des N. laryng.
inf. keinen oder nur geringen Schmerz.
Was den anastomotischen Ast zwischen den Nn. laryng. sup. und inf.
betrifft, so ermittelten Philipeaux und Vulpian i) durch die Waller'sche
Methode (bei Hunden), dass er seine Fasern ausschliesslich in der Richtung
vom oberen zum unteren Nerven führt. Nachdem er sich an den letzteren
angelegt, theilt er sich in zwei Zweige; der feinere bleibt in Verbindung
mit dem N. laryng. inf.; vielleicht liefert er die sensibeln Aeste des Oeso-
phagus; der stärkere verbreitet sich weiter unten in der Schleimhaut der
Trachea. Zuweilen kreuzt sich der anastomotische Ast des N. laryngeus
sup. ganz oberflächlich unter spitzem Winkel mit dem N. laryngeus inf.,
um zur Schleimhaut des Pharynx gegenüber der Platte der Cart. cricoidea
zu gelangen (Luschka '■^).
Das Verhältniss des N. accessorius zu den Kehlkopfmuskeln habe ich
bereits besprochen (S. 431). Waller'^) constatirte nach dem Ausreissen der
Accessoriuswurzeln , dass die mit dem Vagus verlaufenden degenerirten
Fasern zum grossen Theil in den N. laryngeus inf. übergingen; Burck-
hard zufolge'*) enthielt nach jener Operation der N. laryngeus inf. aus-
schliesslich degenerirte Fasern, der N. laryugeus sup. neben wohlerhaltenen
Fasern eine Anzahl degenerirter, die mit dem äusseren Ast austraten. Die
1) Arch. de physiol. 1869. p. ö66. ^) Der Kehlkopf des Menschen. Tübingen 1871,
S. 161. 3) Gaz. med. 1856, Nro. 27. ■*) Heidenhain's Studien des pliysiol. Institute
zu Breslau, Hei't 4, S. 250.
Plexus piümon. ant. 443
Abhängigkeit dieses Astes vom N. accessorius wurde auch dadurch bewie-
sen, dass es nach Zerstörung des N. accessorius nicht mehr gelang, vom
N. laryngeus sup. aus Zuckungen der Mm. cricothyreoidei hervorzurufen. Nach
Chauveau aber ^) werden durch Reizung der Accessoriuswurzeln sämmt-
liche Muskeln des Kehlkopfes in Contraction versetzt mit Ausnahme der
Mm. cricothyreoidei, die erst auf Reizung der mittleren Wurzeln des Vagus
sich zusammenziehen.
7. Plexus pulmonalis ant. JPpa,
Zunächst nach dem N. laryngeiis inf. sendet der Stamm des N. vagus 7. pi. r"im
einige feine Zweige ^) ab-, vor- und medianwärts aus , die sich theilweise in
den Plexus cardiacus einsenken, theilweise an der Vorderfläche der Trachea
ein weitläufiges Greflecht erzeugen , in welchem Nerven beider Körperseiten
mit einander anastomosiren. Aus dem Geflechte, PJexiis pulmon. ant. ^),
gehen kurze Fäden zur vorderen und hinteren Fläche der Trachea, Br. tra-
cheales inff., hervor, die sich an die Rr. tracheales des N. laryngeus inf. an-
schliessen, und längere Aeste , Mr. bronchiales antt. , die die Luftröhrenäste
begleiten und an deren Vorderfiäche in die Lunge eindringen.
Von den rechtsseitigen Wurzelfaden des Plexus pulmonalis ant. zweigt
sich ein Aestchen ab, welches sich im oberen Theil des Herzbeutels und in
der V. cava sup. verbreitet (Luschka 4).
Wrisberg (Ad Hall. in-, lin. Not. 75) beschreibt einen Ast, der aus dem rech-
ten Vagus nach dem Abgange des N. laryng. inf. entsprang , zwischen der A. ano-
nyma und dem rechten Bronchus vorwärts durchging und sicli in zwei Aestchen
theilte, deren einer ein N. cardiacus wurde, indess der andere zur Liinge liinabgiug
und mit einem anderen Aste des Vagus ein Ggl. pulmonale zusammensetzte, welches
hinter der Einmündung der V. azygos in die V. cava lag und seine Fäden zur
Lunge scliickte.
8. Plexus pulmonalis post. JPpl^ ^).
Er wird von 3 bis 5 starken, platten Aesten gebildet, die in der Ge- s. pi.» uim.
gend der Theilungsstelle der Tracchea dicht übereinander aus den Vagus- ^°^*'
stammen hervorgehen, und sich unter sich und mit Aesten des Plexus cardia-
cus und des untersten Cervicalganglion des Sympathicus verflechten (Fig. 263).
Feinere, aber immer noch netzförmig anastomosirende Zweige setzen sich
von der Trachea auf den Bronchus und mit den Aesten des letzteren in die
Lunge fort, die meisten auf ihrer Seite; doch findet ohne Zweifel auch ein
Austausch der Fasern beider Seiten statt. Diesen Austausch physiologisch'
zu beweisen, könnte die einseitige Durchschneidung des Vagus dienen, wenn
Schiffs Angabe^) sich bestätigte, dass die Folge der Operation, die ent-
1) Meissner's Jahresbericht 1862, S. 495. ^) Rr. tracheales inff. C. Krause.
^) Plexus trachealis ant. inf. ^) Der N. phrenieus des Menschen. Tübingen 1853. Tat'. II,
Fig. 2. ^) PL p. major. PI- bronchialis. PI. pulmonalis C, Krause, ^) Archiv für physiol,
Heilk. VI, 777.
444
Plexus piümonalis post.
zündliche Infiltration des Lungenparenchyms, sich an zerstreuten Stellen
heider Lungen hemerklich mache. Auch dass, wie Andere gefunden
haben ^), nach Durch-
Fig. 263. schneidung Eines Va-
gus keine von beiden
Lungen eine Spur der
Alteration zeigt , die
der Durchschneidung
beider Vagi in beiden
Lungen zu folgen pflegt,
Hesse sich dahin deuten,
dass die einer jeden
Lunge von Einem Va-
gus zugeführten Fasern
genügten, um den To-
nus der Gefässe und
Bronchien zu erhalten.
Indess ist der Zusam-
menhang zwischen der
Vagusverletzung und
dem Lungenleiden noch
nicht hinreichend auf-
geklärt, um zu sicheren
Schlüssen für den Ver-
lauf der Nerven] benutzt
zu werden.
An den Verzweigun-
gen der Nerven in der
Lunge kommen nach
Remakä), Schiff 3) und
Kölliker *) Ganglien
und isolirte Nervenzel-
len vor.
Der Accessorius scheint
sich an der Zusammen-
setzung der Lungenner-
ven nicht zu betheili-
Oesophagus (1) und Trachea (2) auseinandergezogen, die gen; sie enthielten keine
Trachea mit den Bronchi von der Rückseite. Plexus entarteten Fasern bei
pulmon. post. X Rechter N. vagus. X' Ein Ast des , ,
,. , ir n A i üi 1 + ihieren, denen der
hnken Vagus. Ppa Aeste zum Plex. pulmon. ant. '
Stamm des genannten
Nerven ausgerissen wor-
den war.
Nach Zuck er kau dl (Beobachtungen über die Herzbeutelnerven imd den
Auricularis vagi, Wien~1870) ziehen vom Plexus pulmon. post. öfters Fäden zum
1) Boddaert in Meissner's Jahresbericht 1862, S. 417.
Ö..464. =^) A. a. 0. S. 792. *) Mikroskop. Anat. II, 320.
2) Müll. Arch. 1844,
Plexus oesophag. Plexus gastrici. 44 &
Pericai'dmm, die aber an Zahl und Stärke den Pericardialnerven des Plex. oeso-
phagens nachstehen.
9. Plexus oesophageus Po i).
Den oberen Theil des Oesophagus versorgen Zweige des N. laryngeus 9. pi. oeso-
inf. , den mittleren, der Theilungsstelle der Trachea gegenüber, Zweige ans ^' ^^'
den Plexus pulmonales ; weiter abwärts wird der Oesophagus von dem
bereits oben (S. 429) beschriebenen Netz der unmittelbaren Vaguszweige
umgeben, das den Namen eines Plexus oesophageus führt. Der Austausch
der Fasern beider Stämme führt schliesslich zu einem bedeutenden Ueber-
gewicht des Fasergehaltes des rechten oder hinteren Vagus über den linken,
vorderen.
Vom Plexus oesophageus und von den unmittelbar in den Oesophagus
eindringenden Aesten, zuweilen auch von den Stämmen des Vagus selbst,
namentlich vom linken, gelangen ansehnliche Aeste zur hinteren Wand des
Pericardium (Zuckerkandl).
10. Plexus gastrici.
Nach dem Eintritt in die Bauchhöhle fährt der vordere N. vagiis fort, lo. pi. gastr.
der Wand des Oesophagus feine Aeste zuzusenden. Von der Cardia an
liegt er unter dem serösen Ueberzug auf der vorderen Magenwand in der
Nähe der kleinen Curvatur und bildet längs derselben ein mehr oder minder
reiches, mehr oder weniger weit auf der 'vorderen Magen wand herabziehen-
des Geflecht. Aus diesem Geflecht, dem Flexus gastricus Unt. (Fig. 259),
gehen in fast gleicher Zahl Fasern zum Magen und zur Leber. Die Magen- _
äste verlaufen in der vorderen Wand des Magens abwärts , die ersten fast
rechtwinklig ziir Axe des Magens, die folgenden um so schräger, je näher
dem Pylorus sie entspringen. Ein Ast, der in der Nähe des Pylorus mit den
die A. coronaria dextra umspinnenden sympathischen Aesten communicirt,
kehrt in Begleitung des nächsten collateralen Arterienzweiges zum Magen
zurück (Kollmann). Die Leberäste nehmen ihren Weg im Lig. hepatico-
gastricum zur transversalen Furche der Drüse.
Zuweilen (unter 15 Fällen vier Mal, Kollmann) erhält die vordere Fläche
des Magens einen sympathischen Zweig direct aus dem Plexus coeliacus ("Walter,
tabb. nervorum thoracis et abdominis. Berol. 1783, Tab. III, 489) oder aus dem
Geflecht, welches die A. phrenica sinistra begleitet. Was Valentin (Nervenl.
S. 501) als Semicirculus nervosus ant. cardiae beschreibt, ist der durch Verbin-
dung dieses abnormen Zweiges mit dem Plexus gastricus ant. gebildete Bogen.
Auch der hintereCVagus giebt in der Bauchhöhle noch ein paar Fäden
dem Oesophagus. Dann theilt er sich in zwei Griippen von Aesten, von
denen die Minderzahl über der oberen Curvatur des Magens ein engeres
oder weiteres Geflecht, JPIextis gastricus posL, erzeugt, dessen absteigende
^) Plexus oesoi^hcgeus ant. und post. aut. Plexus oesophageus thoracis Kollm.
446 Plexus gastrici.
Fäden die grössere linke Hälfte der hinteren Magenwand versorgen, indess
dem Pylorustheil dieser Wand sympathische Zweige mit der A. coronaria
sin. zugeführt werden. Die grössere Zahl der Aeste des hinteren Vagus,
etwa V-3 seiner Masse, geht hinter dem Magen abwärts zum Plexus coelia-
cus und in Begleitung der Arterien zu verschiedenen Unterleihsorganen,
Leber , Milz , Pancreas , Dünndarm , Nieren und Nebennieren. Die Aeste
zur linken Niere und Nebenniere sind beständiger, als die zu den entspre-
chenden Organen der rechten Seite, und so werden auch die pankreatischen
Zweige öfters vermisst. Da sie aber in anderen Fällen unzweifelhaft vor-
handen sind ^), so darf angenommen werden, dass sie, wo sie zu fehlen
scheinen, in den zum Plexus coeliacus tretenden Aesten enthalten seien.
Ich habe oben (S. 431) der Erfahrungen Stilling's und Bischoff's
gedacht, welchen zufolge die motorischen Fasern des Magens ursprünglich
im Vagus enthalten sind. Auch Chauveau -) sah Contractionen des Oeso-
phagus und Magens auf Reizung der Vagus-, nicht der Accessoriuswurzeln
erfolgen. Nach Waller aber ^) wäre die galvanische Erregung des Vagus
ohne Einfluss auf den Magen , wenn vorher der Accessorius zerstört
worden.
Pincus*) machte die Bemerkung, dass die Magenverdauung beträcht-
lichere Störungen erleidet, wenn die Nn. vagi am Zwerchfell, als wenn sie
am Halse durchschnitten werden, und begründete darauf den Schluss, dass
Nerven, von denen die Bereitung des Magensaftes abhängt, dem Vagus
unterhalb des Halses, etwa aus den Ganglia thoracica zugeführt würden. Nach
Schiff'^) und Eckhard*^) aber ist die Bereitung des Magensaftes über-
haupt nicht von Nerven , weder aus dem Vagus , noch aus dem Plexus coe-
liacus abhängig, und nach Kollm^ann kommt der letzte Zweig, den der
Grenzstrang des Sympathicus in den Vagus absendet, vom Ggl. cervicale
inf. und tritt grösstentheils durch den N. laryng. inf. wieder aus.
Contractionen des Dünn- und Dickdarms auf Reizung des Vagus con-
statiren Stilling^) und Remak^).
lieber die den Leberästen des Vagus zugetheilte Rolle ist von physio-
logischer Seite nichts ermittelt; an der Milz äusserte Reizung des periphe-
rischen Stumpfs der durchschnittenen Vagi bei Hunden, Katzen und Kaninchen
ihren Einfluss durch Contraction der musculösen Bälkchen (Oehl ^). Eine
Einwirkung auf die Secretion der Nieren lässt sich nach Eckhard's Vei*-
suchen ^'^) weder dem Vagus, noch einem anderen Nerven zuschreiben; da-
gegen will Stillin g die Harnblase von den Wurzeln des Vagus aus in
Contraction versetzt haben, und OehH^) glaubt beim Hunde im Vagus so-
wohl direct zur Blase verlaufende motorische, als auch centripetale, reflec-
torischBlasencontraction auslösende Fasern nachgewiesen zu haben. Kilian's
Behauptung, dass Reizung des Vagus bei Thieren Contraction des Uterus
anrege, wurde durch Spiegelberg ^2) widerlegt.
1) Langenbeck, Tabb. neurol. Fase. III. Tab. III, 21. Kollmann a. a. 0. 2) Meiss-
iier's Jahresbericht 1862, S. 494. ^) A. a. 0. *) Meissner's Jahresbericht 1856,
S. 352. 5) Ebendas. 1860, S. 418. ") Ebendas. 1862, S. 423. '') A. a. 0. ^) Müll.
Archiv 1858, S. 192. 9) Meissner's Jahresbericht 1869, S. 241. ^ö) Ebendas. S. 243.
") Ebendas, 1869, S. 303. 1^) Ebendas. 1857, S. 498.
N. accessorius. 447
XI. N. accessorius.
Den Ursprung des X. accessorius aus dem uacli ilim benannten Kern xi. Aece»
und aus der Gürtelschiclite habe ich oben (S. 198) angegeben; die Austritts-
stellen der Wurzeln aus dem Rücken- und verlängerten Mark sind S. 176
beschrieben und abgebildet. Dort habe ich auch flüchtig die häufigste Art
der Verbindung des Accessorius mit dem obersten Cervicalnerven erwähnt.
Nach dem xVustritt aus dem For. jugulare, welches der N. accessorius bald
in einer eigenen, babl in einer ihm mit dem X. vagus gemeinschaftlichen
Lücke der fibrösen Hirnhaut passirt, theilt er sich in zwei Aeste, einen vor-
deren inneren, ziiweileu in zwei Fäden zerfallenen, der sich in den Plexus
gangliofornns des X. vagus einsenkt und diesem Xerven ein Contingent au
motorischen Fasern zuführt, und einen hinteren äusseren Ast, der im Ver-
ein mit Aesten der oberen Cervicalnerven die Mm. stei-nocleidomastoideus
und trapezius versorgt (Fig. 264). Der innere Ast wird vorzugsweise von
den oberen, aus dem verlängerten Mark stammenden Wurzeln, der äus-
sere von den Rückenmarkswurzeln des Accessorius gebildet (Bernard i).
Die wegen des anscheinend rein motoripclien Charakters des N. accessorius
paradoxen Anastomosen desselben mit hinteren Wurzeln der EückenniarksuerTen
kommen in mancherlei Variationen vor. Sehr häufig bestehen sie zwischen dem
schräg aufsteigenden Stamm des Accessorius und dem ersten Cervicalnerven
(Asch in LudAvig, script. neur. Vol. I, Taf. VIII, Fig. 2). Doch ist in den mei-
sten Fällen, wo der Accessorius einzelne oder sämmtliche Fäden der sensiblen
"Wurzeln aufzunehmen und gegenüber die sensible Wurzel ganz oder theilweise
abzugeben scheint , eine blosse Uebereinanderlagerung der einander kreuzenden
Fasern nachzuweisen (Bellingeri, de medulla spinali. Turin. 1823, p. 81).
Das Ganglion, welches Hub er (De medulla spinali. Götting. 1741, p. 13) au der
Verbindungsstelle zu finden geglaubt hat, ist nur die der Uebereinanderlagerung-
der Fasern entsprechende Auschwellimg. Auch den von J. Müller beschriebenen
Fall (Archiv 1834, S. 12), wo die sensible Wurzel des ersten Cervicalnerven aus
dem N. accessorius entsprang, glaubte Arnold (Tiedemann luid Treviranus,
Zeitschr. XI, 177) damit erklären zu können, dass dieser Nerve die Eückenmarks-
nervenwurzel , die er abgab, au einer tieferen Stelle aufgenommen und eine
Strecke weit in seiner Scheide mitgeführt habe. Müller's genauei-e Schildei-ung
seines Präparats (Archiv 1837, S. 279) widerlegt diese Deutung, da der Acces-
sorius keinerlei Fasern von den Ursprungsstellen der hinteren "Wurzeln der Spinal-
nerven aufnahm. Die hintere Wm-zel des ersten Halsnerven hing, wie sich nach
Entfernung des Neurilemms zeigte, mit dem Accessorius durch zwei Fäden zu-
sammen, wovon der Eine von oben herab-, der andere von unten aufstieg, so dass
beide convergirend in die hintere Wiirzel des Cervicalnerven zusammenflössen, die
an gewohnter Stelle mit dem Ganglion versehen war. Der von oben herabsteigende
Faden Hess sich bis zu einer der aus dem verlängerten Mark hervordringenden
Wurzeln des Accessorius verfolgen. Unter den manchfaltigen Verbindungen des
Accessorius mit der hinteren Wurzel des ersten Cervicalnerven, welche E. Bischoff
(a. a. 0. S. 29) beschreibt und abbildet, ist besonders bemerkens-w erth Ein Fall, in
welchem eine hintere Wurzel über den Stamm des Accessorius hinwegzugehen
und sich nur an ihn anzulegen schien, in der That aber die Fäden der schein-
baren hinteren Wurzel sich im Accessorius aufwärts wandten und statt derselben
der grösste Theil des von den unteren Wurzelfäden zusammengesetzten Stammes
des Accessorius peripherisch iu die hintere "U^urzel des ersten Cervicalnerven über-
■•) Arch. gen. 4. serie. IV, 411.
448
N. accessorius.
ging. An der Stelle, wo die hintere Wurzel den Accessorius zu kreuzen schien,
sass eine grau-röthliche AnscliAvellung, die aber nur aus feinköi-uiger Substanz,
ohne Nervenzellen bestand. Ebenso verhielten sich die anderen, am Stamme des
Accessorius befindlichen Knötchen. Ob die von Hyrtl (Oesterr. med. Jahrb. XIX,
452) an Wurzeln des N. accessorius aufgefundenen Ganglien in dieselbe Kategorie
gehören, Avie E. Bischo ff vermuthet, bleibt dahin gestellt. Die Angaben Ee-
mak's (Fi-oriep's N. Not. III, 150), Lenhossek's (Unters, über den Bau des
centr. Nervensystems S. 49) und Luschka' s (Anat. Bd. I, Abthl. 1, S. 397) stellen es
ausser Zweifel , dass Ganglien und Nervenzellen am Stamm und den Wurzeln
des Accessorius in der Wirbelhöhle vorkommen.
Yiel seltener , als der erste , setzt sich der zweite Cervicalnerve durch seine
hintere Wurzel mit dem Stamm des Accessorius in Verbindung (von Sca-rpa
zwei Mal, von Meckel, T. Bischoff (a. a. 0. Taf. I, 7), Fäsebeck je einmal
beobachtet). C.Mayer (N. Acta Nat. Cur. Vol. XVI, P. II, Taf. LIl'l, Fig. 2)
bildet Wurzeln des zweiten und dritten Cervicalnerven ab , welche aus dem
Stamme des Accessoi'ius entspringen, abwärts verlaufen, und bevor sie mit den
Fig. 264.
Verästelung des N. affeasorlus. Sem M. sternocleidomastoict. Sem* zurüclr
solilngenes olieres Ende desselben. Tr M. trapezius. Oh M. omoliyoideus
C^ Dritter Cerviealnerve.
N. hypoglossus. 449
Fäden der regelmässigen hinteren Wurzeln in das Spinalgangliou eintreten, mit
kleinen, spindelförmigen Ganglien versehen sind. Luschka (Auat. Bd. I, Abthl.
1, S. 396) beschreibt ähnliche Fäden aus den drei oberen Cervicalnerven. Ana-
stomosen mit tieferen Cervicalnerven (bis zum fünften hinab) erwähnt allein
C. Krause.
Den M. internus ^) des N. accessorius, seine Verbindung mit dem Plexus
ganglioformis vagi und die mehr oder minder zuverlässigen Angaben über
seinen Antheil an der Bildung der Aeste des Vagus habe ich bei diesem
Nerven abgehandelt. Der B. externus 2) vrendet sich zwischen der V. ju-
gularis int. und der A, occipitalis schräg ab- und seitwärts über den Quer-
fortsatz des Atlas gegen die Grenze des oberen und mittleren Drittels des
M. sternocleidomastoideus. Er zieht zwischen Bündeln dieses Muskels oder
dicht an seiner inneren Fläche vorüber, indem er ihn mit motorischen
Aesten versieht, durchsetzt in immer gleich schräg absteigender Richtung
die Fossa supraclavicularis und verschwindet unter dem vorderen Rande
des M. trapezius , in welchem er mit auf- und absteigenden Zweigen endet
(Fig. 264).
Der äussere Ast des N. accessorius geht mit mehreren Cervicalnerven
Verbindungen ein, welche auf diese Art an der Versorgung der Mm. ster-
nocleidomastoideus und trapezius sich betheiligen, indess vielleicht auch
sensible Fasern , die der Accessorius von seinem Austausch mit den hinteren
Wurzeln der Cervicalnerven mitbringt, an die Hautäste der letzteren abge-
geben werden. Vergl. Plexus cervicalis.
XII. N. hypoglossus.
Ein rein motorischer Nerve, der sich sowohl durch seinen Verlauf, wie xii. Hypo-
durch die übereinstimmenden Resultate des physiologischen Experiments ^^°^^'
als Bewegungsnerve der Zungenmuskeln mit Einschluss der Mm. geniohyoi-
deus und thyreohyoideus erweist. Von schlingenförmigen Anastomosen, die ihn
mit den oberen Cervicalnerven verbinden, entspringen Aeste zu den übrigen,
das Zungenbein herabziehenden vorderen Halsmuskeln. Reizung der Wur-
zeln des Hypoglossus wirkt aber auf diese Muskeln nur ausnahmsweise und
nur in geringem Maasse ein (Volk mann) ^).
Wegen des Ursprungs des Hypoglossus aus dem verlängerten Mark
verweise ich auf S. 196, wegen seines Verlaufs in der Schädelhöhle auf
S. 177.
Unter den Varietäten des N. hypoglossus wird eine Angabe C. Mayer's
(a. a. 0. S. 744) angeführt, der bei mehreren Säugethieren constant und ein ein-
ziges Mal beim Menschen an einer der Wurzeln des Hypoglossus ein Ganglion
wahrgenommen haben will. Was die Beobachtung am Menschen betrifft, so ist
1) R. anastomoticus. 2) R. muscularis. ^) Müll. Arch. 1840. S. 503.
Henle, Anatomie. Bd. III. Abthlg. 2. OQ
450 N. hypoglossus.
dieselbe von sehr zweifelhaftem Werth, deun das Ganglion befand sich an einem
Faden , der eine Wurzel des Vagus mit einer Wurzel des Hypoglossus verband, in
unmittelbarer Nähe der Vaguswurzel und es ist nicht einmal gewiss, ob in die-
sem Faden Fasern vom Vagus zum Hypoglossus oder umgekehrt verliefen. Ausser
Meyer hat nur Vulpian (Journ. de la physiol. 1862, p. 5) ein Exemplar dieser
Varietät gesehen , das er selbst für nicht ganz zweifellos erklärt. Beim Hunde
giebt nach Eemak (Froi'iep's IST. Not. III, 151) der N. accessorius innerhalb
der fibrösen Hirnhaut den Wurzelfäden des Hypoglossus regelmässig einen oder
zwei mit Ganglien versehene Fäden. Büdinger (Gehirnnerven, S. 62) bewahrt
ein verlängertes Mark auf, an welchem der N. hypoglossus aus der hinteren
Fläche, unmittelbar hinter dem Sinus rhomboid. , mit mehreren Bündeln hervor-
geht ; diese ziehen zwischen den Wurzeln des Accessorius und Vagus abwärts zum
rechten Can. hypoglossi. Ein Bündel des rechten Hypoglossus geht aus dem linken
Fase, restiformis hervor.
Im anatomischen Museum der Josephsakademie in Wien sah Otto (Pathol.
Anat. S. 463) die Abbildung in Wachs eines Präparats, an welchem der N. hypo-
glossus mitten durch die für ihn gespaltene A. vertebralis verlief.
Nach dem Austritt aus dem Schädel ist der N. hypoglossus dicht an
den Stamm des Vagus angeheftet, wie schon bei diesem Nerven angegeben
wurde ; er umschlingt den Vagus in einer halben Spiraltour, wodurch er um
dessen äussere Fläche steil absteigend vor denselben gelangt (Fig. 264). Dann
geht er an der inneren Seite des M. stylohyoideus und des hinteren Bauches
des M. biventer mandibulae an der Carotis ext. vorüber, oberhalb des Ab-
ganges der A. lingualis, iind weiter, durch den unteren Rand der Sublingual-
drüse gedeckt, in einem abwärts convexen Bogen zum M. hyoglossus. Die
Steilheit dieses Bogens ist einigermaassen durch die A. stylomastoidea (2)
bedingt, die sich über den Nervenstamm hinwegschlägt und ihn, je nachdem
sie tiefer, aus der Carotis, oder höher aus der A. occipitalis entspilngt, mehr
oder minder weit hinabzieht. Den aufsteigenden Theil des Bogens deckt
von unten her die Submaxillardrüse.
Der N. hypoglossus verbindet sich 1. mit dem Ggl. cervicale supr.
2. Mit dem Plexus ganglioformis des Vagus, durch einen oder mehrere kür-
zere oder längere Fäden. Nach Ben dz ^) erhält der Vagus ein kurzes Bündel
vom Hypoglossus, während von diesem zu jenem 2 bis 3 sehr feine Fädchen
aufsteigen; Cruveilhier meint, dass die Anastomose, die mitunter ein
wahres Geflecht darstelle, nur dazu diene , dem Vagus Fasern aus dem Hypo-
glossus zuzuführen. Luschka ^) hält dafür, dass Elemente des Einen
Nerven in die Scheide des anderen eintreten, nur um bald wieder in den
Stamm, von welchem sie gekommen sind, zurückzukehren. Dies giebt auch
E. Bischoff ^) zu, doch erkennt er auch sehr feine und kurze, vom Vagus
zum Hypoglossus gerichtete Verbindungsfäden an und glaubt zuweilen einen
stärkeren Zweig aus dem Vagus in den Hypoglossus und in den B. descen-
dens des letzteren verfolgt zu haben.
3. Mit den drei oberen Cervicalnerven. Mit dem ersten sind die Ver-
bindungen sehr veränderlich; sie erfolgen durch einen oder mehrere Fäden,
sind einfach oder tauschen ihre Fasern geflechtartig aus. Beständiger is.t
die Anastomose , zu welcher ein vor der Scheide der grossen Gefässstämme ab-
steigender Ast des Hypoglossus, der obengenannte R. descendens(c7/i),mit Aesten
1) A. a. 0. S. 18. 2) Anat. Bd. I. AMlil. 1. S. 383. 3) a. a. 0. S. 33.
N. hypoglossus.
451
des zweiten und dritten Cervicaluerven sich vereinigt. Sie wird bei der
Beschreibung des Plexus cervicalis zur Sprache kommen.
Fig. 264.
Verästelung des N. hj-poglossus. Profilansicht des Halses nach Entfernung der
vorderen langen Muskeln. 1 A. carotis est. 2 A. sternocleidoniastoidea. 3 Zun-
genbein. 4 Cart. thp-eoidea. C^, C^, C^ anastomotische Aeste des ersten bis
dritten Cervicalnerven mit dem Stamm des N. h3'poglossus und dem N. descendens
[dh). Sg M. styloglossus. Gg M. genioglossus. Gh M. geniohyoideus. Hg M.
hj'Oglossus. Th M. thyreohyoid. l N. lingualis vom Inframaxill.
4. In den Anfang desBogens des Hypoglossus senkt sich von oben her
der jR. lingualis vagi Luschka i), ein Nerve von höchstens 0,5 Mm. Durch-
messer , der aus einem R. pharyngeus des Vagus hervorgeht , einen Zweig
1) Anat. Bd. III, Abtheil. 2, S. 543.
29'
452 N. hypoglossus.
des N. glossophiaryngeus atifnimmt, mit einem flaclieii Bogen die mediale Fläche
der A. occipitalis umgreift und sich in zwei Fädcheu theilt, von welchen
das Eine in centrifugaler Richtung mit dem Stamme des N. hypoglossus
verläuft, das andere in das sympathische Geflecht der A. carotis ext. üher-
geht.
5. Von den Aesten, in welche der N. hypoglossus auf der Aussenfläche
des M. hyoglossus zerfällt , wendet Einer sich auf- und vorwärts , um sich
mit einem auf- und rückwärts verlaufenden Zweige des N. lingualis in einer
Schlinge zu vereinigen (Fig. 247. 258). Gewöhnlich gehen aus dieser Schlinge
gegen den Zungenrücken aufsteigende Aestchen hervor, welche gemischter
Natur sein mögen. Doch schien in einem von E. Bisch off abgebildeten
Falle ^) ein Theil der llypoglossusfäden im N. lingualis central zu verlatifen
und Luschka 2) hält das Umgekehrte für die Regel, dass nämlich Fasern des
Lingualis sich im Hypoglossus centralwärts wenden, um vor dem Can. hypo-
glossi die sogleich zu erwähnenden sensibeln Zweige des Hypoglossus zu
liefern.
Die oberen Cervicalnerven, vielleicht auch der Vagus führen dem Hypo-
glossus die sensibeln Fasern zu , die die Reizung des Stammes am Halse
schmerzhaft machen ^) ; dass der Lingualis daran Theil habe, ist nicht wahr-
scheinlich, da der N. hyj)oglossus an der Stelle, wo er sich in seine End-
zweige auflöst, seine Empfindlichkeit wieder verloren, die sensibeln Zweige
also ohne Zweifel in den R. descendens wieder abgegeben hat.
Eine Anastomose des Stamms des Hypoglossus mit dem äusseren Ast des Ac-
cessorius hat Lobstein (Sandifort, thes. dissertat. Eotterd. 1768. I, 345) zwei-
mal gesehen.
Die eben erwähnten sensibeln Zweige, welche, Luschka zufolge, der
N. hypoglossus am Ausgange des gleichnamigen Canals abgiebt, sind feine Fä-
den, die durch Aestchen aus dem Ggl. cervicale supr. verstärkt, theils in den
Wänden des Sinus occipitalis und des venösen Gefässkranzes des Hypoglossus
sich verbreiten *), theils durch feine Oeffnungen der Wand des Canals mit Blut-
gefässchen in die Diploe des Hinterhaiiptbeins gelangen. Für sensibel hält
Luschka auch ein paar etwas weiter abwärts entspringende Fäden, die, wie
er in Uebereinstimmung mit Valentin findet, in der Wand der V.jugularis
int. sich verlieren.
Valentin beschreibt ausserdem Br. vascidares supp. und antt. inff., die die
Carotis umspinnen sollen. Sie wurden von keinem der späteren Beobachter bestä-
tigt, von Arnold aber bestritten.
Zur Zunge verläuft der N. hypoglossus parallel und in ziemlich glei-
cher Höhe mit der A. lingualis, aber oberflächlicher, indem die Arterie au
der inneren, der Nerve an der äusseren Seite des M. hyoglossus vorwärts
geht. Noch ehe er diesen Muskel erreicht, sendet der Nerve einen Ast,
1) A. a. 0. Fig. 108. 2) Müll. Arch. 1856. S. 62. 3) Valentin, funct. nerv,
p. 59. Longet, a. a. 0. II, 483. *) N. meningeus post. Rüdinger (über die Verbrei-
tung des Sympathicus in der animalen Röhre. München 1863, S. 56). Rüdinger ist
geneigt, den aus dem Hypoglossus entspringenden Antheil dieses Nerven ebenfalls von syirl-
pathischen, dem Hypoglossus vorher zugesellten Zweigen abzuleiten.
Spinalnerven. 453
R. thyreohyoideus, schräg vor- und abwärts zur oberen Anheftung des gleich-
namigen Muskels (Fig. 264). Auf der Mitte des M. hyoglossus entspringt ein Ast
oder mehrere, welche sich rück- und aufwärts wenden zum unteren Ende des
M. styloglossus. Dann löst sich der Stamm des Hypoglossus in eine Anzahl
stärkerer und feinerer , divergirender Aeste ^) auf, von denen einer die er-
wähnte Schlinge mit dem N. lingualis bildet, einige sich im M. hyoglossus
verlieren, indess die übrigen vorwärts in die Mm. geniohyoideus und genio-
glossus ausstrahlen und um den vorderen Rand des M. hyoglossus median-
wärts umbiegen, um den M. lingualis und die compacte Musculatur der
Zunge zu versorgen.
Nacli Valentin soll die A. lingualis und die Sublingiialdrüse , nach Krause
zuweilen der M. mylollyoidetis Z^veige vom N. hypoglossus erhalten. Zu den
Ganglien, die an Zweigen des N. lingualis in der Zunge vorkommen (S. 390), soll, wie
Schiff mittelst der Nervendurchschneidung nach der Wal 1er 'scheu Methode con-
statirt haben will, auch der Hypoglossus Fasern senden. Eine schhngeuförmige
Verbindung der Nn. hypoglossi beider Seiten in der Zungenspitze [Alisa supra-
hyoidea Hja-tl) hat Bach (a. a. 0. p. 10) unter 10 Fällen Einmal gesehen imd
Arnold bestätigt. Szabadföldy (Archiv f. pathol. Anat. u. Physiol. XXXVIII,
177) sah den Nerven zuweilen durch das Septum linguae Zweige in die entgegen-
gesetzte Zungenhälfte abgeben. Doch beweisen die halbseitigen Lähmungen
der Zunge, dass das Gebiet jedes' Nerven ziemlich genau auf seine Seite be-
schränkt ist.
B. Spinalnerven.
Es sind in der Regel 31 Paare, nämlich, mit Einschluss des zwischen ^- Spinai-
Hinterhauptsbein und Atlas austretenden (S. 333), 8 Paar Nn. cervicales,
12 Nn. dorsales, 5 Nn. lumbares, 5 Nn. sacrales und Ein N. coccygeus 2).
Sie werden benannt und gezählt nach dem oberen der beiden Wirbel, welche
die Oeffnung, durch die sie die Wirbelhöhle verlassen, begrenzen; davon
machen nur die Cervicalnerven eine Ausnahme, weil der unter dem Hinter-
hauptsbein hervortretende den Namen eines ersten Cervicalnerven führt.
Mit der Zahl der Wirbel (Knochenlehre, S. 33) variirt die Zahl der Spinal-
nerven und so gehört Vermehrung der Sacralnervenpaare auf sechs nicht zu den
Seltenheiten. Aber auch dadurch kann die Zahl der Spinalnerven beiderseits
oder einseitig sich um Einen erhöhen, dass statt Eines Steissnerven zwei vorkom-
men (Schlemm, Müll. Arch. 1834. S. 91. Observ. neurol. p. 5).
Ich habe oben (S. 41) die beiden Reihen von Fäden beschrieben, mit
welchen die Spinalnerven aus dem Rückenmark entspringen und ange-
geben, dass die hinteren Fäden stärker sind, als die vorderen. Aus einer
Anzahl Fäden setzt sich jederseits, nicht immer vollkommen symmetrisch,
je eine hintere und vordere Nervenwurzel zusammen. Auch von den bei-
den Wurzeln Eines Nerven ist, mit Ausnahme des ersten Cervicalnerven,
die hintere die stärkere. So müssen in der ganzen Länge des Rücken-
marks, vom zweiten Cervicalnerven an, die hinteren Wurzelfäden dichter
stehen, als die vorderen.
1) Rr. linguales. ^) Der sechste Sacralnerve der älteren Handbücher.
454 Spinalnerven.
Die Stäfke der Wurzelfäden entspricht im Allgemeinen der Stärke der
Nervenstämme, welche wieder proportional ist der Masse der von ihnen
versorgten Körpertheile und dem Volumen der Regionen des Rückenmarks,
au^ welchen sie ihren Ursprung nehmen. Unter den Nervenstämmen wech-
selt der Durchmesser zwischen 0,7 und 10 Mm. Der stärkste ist der fünfte
Lumbarnerve; von ihm an nimmt der Durchmesser auf- und abwärts ab;
der N. coccygeus ist der feinste, die Stärke der Dorsalnerven bleibt sich
von den nächst unteren an ziemlich gleich ; von den Cervicalnerven hat der
erste ungefähr die Stärke eines mittleren Dorsalnerven ; der Durchmesser
der folgenden wächst bis zum achten, der den Umfang der oberen Lumbal-
nerven erreicht. Die stärksten Wurzelfäden finden sich an der Cervical-
und Lumbaranschwellung, sie sind platt, 1 bis 2 Mm. hoch, doch kommen
dazwischen auch feinere, von 0,5 Mm. Höhe vor. Die hinteren Wurzelfäden
liegen an der Austrittsstelle aus dem Rückenmark fast unmittelbar neben ein-
ander ; der Zwischenraum zwischen zwei Wurzeln ist nicht grösser, als der Zwi-
schenraum zwischen den zu Einer Wurzel gehörigen Fäden. Die Abstände zwi-
schen den Wurzelfäden der oberen Cervicalnerven übertreflFen an Höhe den Durch-
messer der Wurzelfäden. Am Dorsaltheil ist die Reihe der Fäden, die zu
einer Wurzel zusammentreten, von den Fäden der nächsten Wurzel durch
einen merklichen Zwischenraum geschieden; am Lumbartheil bilden die
vorderen Wurzelfäden eine ununterbrochene Reihe und sind die hinteren
so gedrängt, dass sie einander theilweise decken. Die Wurzeln des letzten
Sacralnerven und des N. coccygeus rücken wieder weiter aus einander; die
hintere Wurzel des N. coccygeus entspringt 7 bis 8 Mm. über dem unteren
Ende des Conus terminalis, die vordere etwas tiefer. Die hintere Wurzel
ist meist einfach, die vordere in der Regel in zwei Fäden zerlegt (Still in g) i).
Die hintere Wurzel des ersten Cervicalnerven steht nicht in der Reihe, son-
dern näher der vorderen.
Nicht immer sind die Wurzelfäden scliarf von einander geschieden. Es kom.-
men, besonders an den hinteren Wurzeln, Anastomosen zwischen den Wurzelfäden
Eines Nerven, und selbst zwischen den einander nächsten Fäden je zweier Wur-
zeln vor imd nicht selten tritt zwischen zwei Wurzeln ein Eaden aus, der sich
gabelförmig spaltet und mit dem Einen Ast an die obere, mit dem anderen an
die untere Wurzel anlegt. Von der hinteren Wurzel des ersten Cervicalnerven
wird angegeben, dass sie zuweilen fehle, was Arnold bestreitet, und dass sie zuwei-
len vor den Wurzelfäden des N. accessorius liege, was Meckel nicht vorgekom-
men ist. Ihre Verbindungen mit den Wurzeln des Accessorius wurden bei diesem
Nerven besprochen. Andere Varietäten derselben beschreibt Mayer, a. a. 0.
S. 748.
Die Fäden jeder Wurzel sammeln sich, gleichmässig convergirend, da
und dort auch anfänglich durch eine weitere Spalte in zwei Gruppen ge-
theilt, zu einem cylindrischen Strang, der die fibröse Rückenmarkshaut
durchbohrt. Die Oeff'nungen für die zu einander gehörigen vorderen und
hinteren Wurzeln sind nur durch einen schmalen Streif der fibrösen Haut
geschieden; die Wurzeln convergiren daher auch gegen die Frontalebene
und zwar ziemlich symmetrisch, indem die vordere rückwärts, die hintere
vorwärts zieht (Fig. 1). Was die Convergenz der zu Einer (hinteren oder
1) Neue Unters. S, 1105.
Spinalnerven. 455
Torderen) Wurzel gehörigen Fäden betrifft, so gewinnt sie in den verschie-
denen Höhen des Rückenmarks ein verschiedenes Ansehen. Da, wie schon
früher bemerkt, die Abstände zwischen den Oefifnungen, durch die die Ner-
ven die Wirbelhöhle verlassen, rascher und weiter auseinanderrücken, als
die Nervenursprünge, so hat jede Wurzel, je tiefer sie entspringt, einen
um so längeren und steileren Weg durch die Wirbelhöhle zurückzulegen.
Dem Ursprung der obersten Cervicalnerven liegt die Austrittsöffnung ge-
rade gegenüber und so bildet die Gesammtheit ihrer Wurzelfäden, der obe-
ren ab-, der unteren aufsteigenden, ein gleichseitiges Dreieck mit seitwärts
gerichteter Spitze. Allmälig nehmen an den folgenden Wurzeln auch die
obersten Fäden eine absteigende Richtung an ; allmälig verkleinert sich
der Winkel, den die Nervenursprünge mit dem Rückenmark bilden, bis zu-
letzt, an der Cauda equina (S. 38), der Anschein der Convergenz der Fä-
den völlig verloren geht , da sie sämmtlich fast gerade abwärts , der Axe
des Wirbelcanals parallel zu verlaufen scheinen.
Jadelot (Malgaigne, anat. Chirurg. Paris 1838, 11,32) und Nulin (Beobacli-
tungen und Unters, aus dem Gebiete der Anatomie. Heidelb. 1849, S. 11) haben
an theilweise geöffneter Wirbelhölile die ürsi^rungsstellen der Spinalnerven mit-
telst der denselben correspondirenden , d. h. in gleicher Höhe gelegenen Punkte
der Wirbelsäule bestimmt.
Die folgende Tabelle giebt die Resultate der Ntihn' sehen Untersuchung, von
welcher die Angaben Jadelot's nur darin abweichen, dass sie die Ursprünge des
unteren Cervical- und der Dorsalnerven etwas höher, die des letzten Dorsal- und
der fünf Lumbalnerven etwas tiefer setzen.
Der» Ursprung des 1. Cervicalnerven in gleicher Höhe, mit dem Eande des
Hinterhauptslochs.
„ „ „ 2. „ in der Höhe des Atlas und ein wenig
darüber.
„ „ „ 3. „ zwischen Atlas und Zahn des Episti'O-
pheus.
„ „ „ 4. „ in gleicher Höhe mit dem Dorn des
zweiten HalsAvirbels.
„ „ „ 5. „ in gleicher Höhe mit dem Dorn des
dritten Halsw. und etwas darunter.
„ a „ 6. „ zumTheil in der Höhe des Dorns des vier-
ten, grösstentheils ZAvischen den Dor-
nen des vierten und fünften Halsw.
„ „ „ 7. „ gegenüber dem Dorn des fünften Halsw.
„ „ „8. „ „ „ „ „ sechst. Halsw.
„ „ „1- Dorsalnerven „ „ „ „ siebenten Hals-
wirbels und darüber.
„ „ „2. „ zwischen den Dornen des siebenten
Hals- und ersten BrustAvirbels.
„ „ „ 3. „ zwischen den Dornen des ersten und
zweiten Brustwirbels.
„ „ „ 4. „ zwischen den Dornen des zweiten und
dritten BxaistAvirbels.
„ „ „ 5. „ zwischen den Dornen des dritten und
vierten Brustwirbels.
„ „ „ 6. „ zwischen den Dornen des vierten und
fünften Brustwirbels.
„ „ »7. „ gegenüber dem Dorn des fünften Brust-
wirbels und darunter.
456
Spinalnerven.
Der Ursprung des 8
Dorsalnerven gegenüber dem Dorn des sechsten Brust-
wirbels lind darunter.
9. „ gegenüber dem Dorn des siebenten Brust-
wirbels und darunter.
10. „ gegenüber dem Doi-n des achten Brust-
wirbels und darunter.
11. „ zwischen den Dornen des achten und
neunten Brustwirbels.
12. „ gegenüber dem Dorn des zehnten Brust-
wirbels.
zwischen den Dornen des zehnten tmd
elften Brustwirbels.
gegenüber dem Dorn des elften Brust-
wirbels und darunter.
zwischen den Doi-nen des elften und
zwölften Brustwirbels.
4. „ gegenüber der oberen Hälfte des Doms
des zwölften Brustwirbels.
5. „ gegenüber der unteren Hälfte des Dorns
des zwölften Brustwirbels.
1. Sacralnerven in der Höhe dicht unter dem Dorn des
zwölften Brustwirbels.
2. „ in der Höhe dicht über dem Dorn des
ersten Bauchwirbels.
3
4
5
1. Lumbainerv.
3.
in der Höhe der oberen Hälfte des Dorns
des ersten Bauchwirbels.
An der Aussenseite der fibrösen Rückenmarkshaut führt die Conver-
genz der beiden entsprechenden Wurzeln Eines Nerven alsbald zu ihrer
Vereinigung, die aber zuerst nur eine genaue Aneinanderlagerung ist. Die
bintere Wurzel scbwillt zu einem spindelförmigen Ganglion, dem Ggl. spi-
nale^), an, welcbes in einer Furche seiner vorderen Fläcbe die vordere
Wurzel aufnimmt. Eine Ausnahme macht nur zuweilen der letzte Sacral-
nerve und constant der N. coccygeus, deren bintere Wurzel noch innerhalb
der fibrösen Rückenmarkshaut das Ganglion trägt und sich mit der vorde-
ren Wurzel verbindet (Fig. 265). Das Ganglion des N. coccygeus (*) 2) ist 0,5
bis 2 Mm. lang und hat eine veränderliche Lage, bald in der Nähe des Ur-
sprungs der Nervenwurzel, bald näher der Austrittsstelle derselben aus der
fibrösen Hülle des Rückenmarks.
Die ausserhalb dieser Hülle gelegenen Spinalganglien nehmen die Forr.
intervertebralia , an den Drehwirbeln die dem For. intervertebrale entspre-
chende seitliche Ecke der Intervertebralspalte , am Kreuzbein den in der
medialen Wand des Can. sacralis sich öffnenden Canal (Knochenl. S. 52)
ein. Der Stamm der Spinalnerven, der unmittelbar unter dem Ganglion
durch die Yerschmelzung beider Wurzeln entsteht, tritt zwischen den be-
weglichen Wirbeln aus den genannten Oeffnungen hervor, meist schon ge-
theilt in einen vorderen und hinteren Ast. Am Kreuzbein findet diese
Theilung innerhalb des Can. sacralis, der Austritt der beiden Aeste durch
die Forr. sacralia antt. und postt. Statt. Die zwei letzten Spinalnerven
^) Ggl. intervertebrale. ^) Ggl. spinale inßmum s. rhachitico-coccygeum Schlemm.
Fig. 265.
'Ft
Spinalnerven. 457
verlassen die Wirbelhöhle durch die übri-
gen von lockerem Bindegewebe erfüllte
Spalte, die der Seitenrand des Lig. sacro-
coccygeum posticum prof. mit den Körpern
der Steisswirbel einschliesst (Bdl. S. 41).
Als Vorläufer der Ganglia spinalia sind die
kleinen Ganglien, Ganglia aberrantia, zu be-
trachten, welche Hyrtl (Oesterr- med. Jahrb.
XIX, 449) zuweilen an den hinteren Wurzeln
der oberen Cervicalnerven auffand.
Von den Aesten, die aus der ersten Thei-
lung des Spinalnervenstammes hervorgehen,
enthält jeder , der vordere wie der hintere,
sensible und motorische Fasern. Die Ver-
flechtung der Fasern beider Wxirzeln muss
also unmittelbar nach ihrer Vereinigung
' vor sich gehen , wie dies auch die anatomi-
sche Untersuchung bestätigt. Was " aber
ausser dem Bereich der anatomischen Un-
tersuchung liegt und dem physiologischen
Experiment verdankt wird, ist der Nach-
weis, dass Fasern der hinteren Wurzeln
aus dem Vereinigungswinkel beider Wur-
zeln in die vorderen übergehen und in die-
sen centralwärts verlaufen. Sie sind die
Ursache der von Magen die entdeckten,
von Schiff 1) und Bernard-) gegen Lon-
get vertheidigten sogenannten recurriren-
den Sensibilität der vorderen Wurzeln. Nach
der Durchschneidxmg dieser Wtirzeln zeigt
der centrale Stumpf keine Empfindlichkeit,
wohl aber der pheripherische , und diese
Empfindlichkeit erlischt, wenn die entspre-
chende hintere Wurzel oder der Nerven-
stamm dicht unterhalb des Winkels, in wel-
chem beide Wurzeln zusammenstossen, ge-
trennt wird. Mit der Sensibilität der vor-
deren Wurzel geht dann zugleich die Sen-
sibilität der Oberfläche des Rückenmarks
im Umkreis des Ursprungs jener Wurzel
verloren. In Fällen, wo die motorischen
Nerven in allen Verzweigungen entartet
waren, fand Schiff einzelne, feine, auf die
Rückenmarkshäute übersehende Fasern der
1) Archiv für Heilkunde, I, 610. Lehrb. d. Phy-
Ft Fil. term. * Ggl. n. coccygei. siol. I, 144. ^) Meissner's Jahresbericht 1857,
S. 458.
458 Spinalnerven.
vorderen Wurzeln unversehrt; diese konnten nur von den hinteren Wur-
zeln ihren Ursprung nehmen.
Sehr selten, sagt Bernard, scheint eine vordere Wurzel sensible Fasern noch
aus anderen Quellen, als aus der entsj)rechenden hinteren Wurzel , zu empfangen,
in Fällen nämlich, wo die Durchschneidung der letzteren die Sensibilität des peri-
pherischen Stumpfes der ersteren nicht aufhob.
Von den Stämmen der Spinalnerven entspringen Fäden, die sich an
sympathische, den Häuten xmd Gefässen des Wirbelcanals bestimmte Zweige
anschliessen und mit diesen die später zu beschreibenden Nil. sinu-verte-
hrales bilden. Die vorderen Aeste der Spinalnerven versorgen die Wände
und Eingeweide des vegetativen Rohrs, so weit sie nicht ihre Nerven aus
dem Gehirn empfangen, sodann die Extremitäten mit Einschluss der von der
Wirbelsäule entspringenden Muskeln derselben; das Gebiet der hinteren
Aeste beschränkt sich auf die eigentlichen , longitudinalen Eückenmus-
keln und den das animalische Rohr bedeckenden Theil der Haut. Des-
halb sind die vorderen Aeste nicht nur beträchtlich stärker, sondern auch
in ihrer Stärke, wie in ihrer Verbreitung mannichfaltiger, als die hinteren.
Nur an den beiden oberen Cervicalnerven übertrifft die Stärke des hinteren
Astes die des vorderen ; der erste versieht mit seinem hinteren Aste die
Muskeln der Drehwirbel; der zweite die Haut des Theils des Schädels, der
einem hinteren Bogen xmd Dorn entspricht.
Am einfachsten und gleichförmigsten verhalten sich die Dorsalnerven
mit Ausnahme des ersten , der beständig an der Versorgung der oberen
Extremität sich betheiligt, und des letzten, der sich zuweilen mit den Ner-
ven der unteren Extremität in Verbindung setzt. Die hinteren Aeste jener
Nerven gelangen durch die weite Lücke zwischen Wirbelkörper und Lig.
costo-transversarium anticum auf die Rückseite der Wirbel. Hier theilen
sie sich in je einen lateralen und einen medialen Ast; jener wendet sich
unter dem Lig. costo-transversarium posticum zu den lateralwärts , dieser
zu den medianwärts von den Wirbeltuberositäten gelegenen Rückenmus-
keln, jener also zum M. sacrospinalis, dieser zu den Mm. transversospinalis
und spinalis ; beide senden Zweige zur Haut über den genannten Muskel-
gruppen. Die vorderen Aeste der Dorsalnerven setzen sich zunächst durch
einen über die Rippe medianwärts absteigenden feinen Zweig, E. communi-
cans, mit dem Greuzstrang des Sympathicus in Verbindung, dann verbrei-
ten sie sich , in mehrere Aeste getheilt, in ihrem Intercostalraum an die
Muskeln und mit Zweigen, die die Muskeln durchsetzen, an die Cutis.
In den übrigen Regionen der Wirbelsäule weichen die hinteren Aeste
nur wenig von dem für die Dorsalnerven aufgestellten Schema ab, am mei-
sten noch in der Cervicalgegend, wegen der complicirteren Musculatur und
hier, wie an den hinteren Zweigen der unteren Sacralnerven, kommen auch
häufig schlingenförmige Anastomosen zwischen den hinteren Aesten benach-
barter Stämme vor. An den vorderen Aesten sämmtlicher ober- und un-
terhalb des Thorax austretenden Nerven sind diese Schlingen i) constant ;
es entstehen dadurch, dass jeder Nervenstamm dem nächst oberen und nächst
unteren, zuweilen auch einem ferneren Nervenstamm in Einem Zweig oder in
■•■) Ansäe cervicales, lumbales etc.
Nn. cervicales I bis IV. 459
mehreren einen ansehnliclien Theil seiner Fasern zusendet, die oben (S. 326)
besprochenen Geflechte, aus welchen die peripherischen Nerven in veränder-
ter und zwar in vermehrter Zahl und mit neuen Combinationert der Fasern
hervorgehen. Auch die Rr. communicantes verlieren ihre regelmässige An-
ordnung, indem sie statt aus den einzelnen Nerven, aus den dieselben ver-
bindenden Schlingen, am oberen Theil des Halses auch aus den Spinalgang-
lien ihren Ursprung nehmen.
In Beziehung zu den Geflechten der Siainalnerven und den Stämmen,
die sie aussenden, übernehmen die aus dem Rückenmark entspringenden
Nervenstämme ihrerseits wieder die Rolle von Wurzeln und wenngleich die
Schlingen, durch welche diese Wurzeln zusammenhängen, vom N. hypoglos-
sus bis zum ersten Dorsalnerven und vom letzten Dorsal- bis zum Steiss-
beinnerven ^) eine fast ununterbrochene Reihe bilden , so ist es doch Ge-
brauch, die beiden grossen, auf diese Weise zu Stande kommenden Geflechte
weiter' abzutheilen. Es werden unterschieden:
1) Der Plexus cervicalis, als dessen Wurzeln man die vier obersten
Cervicalnerven betrachtet, an dem aber auch die Nn. facialis, accessorius und
hypoglossus mit einer ansehnlichen Zahl ihrer Fasern Antheil nehmen.
2) Plexus hracMalis, zu welchem die vier unteren Cervicalnerven mit
dem grössten Theil des ersten Dorsalnerven zusammentreten.
3) Plexus cruralis ; Wurzeln desselben sind der erste bis dritte und
ein Theil des vierten Lumbarnerven, zuweilen auch ein Theil des letzten
Dorsalnerven.
4) Plexus sacrälis, dessen Wurzeln der untere Ast des vierten Lum-
balnerven, der fünfte Lumbainerve , der erste bis dritte und ein Theil des
vierten Sacralnerven bilden.
5) Plexus coccygeus, aus dem unteren Theil des vierten und dem fünf-
ten Sacralnerven nebst dem N. coccygeus.
L Nn. cervicales I bis IV. Plexus cervicalis^).
Der N. cervicalis I ^) liegt beim Austritt aus der Wirbelhöhle auf dem i. Cervic.
. . I bis IV
Sinus atlantis unter der A. vertebralis, unmittelbar bedeckt vom M. obli-
quus capitis siip. und dem festen Bindegewebe, welches die Lücken zwischen
den tiefen Nackenmuskeln ausfüllt. Noch auf dem Sinus atlantis theilt er
sich in zwei Aeste von ziemlich gleicher Stärke , die unter fast rechtem
Winkel nach entgegengesetzten Richtungen vom Stamme abgehen. Der
hintere Ast (Fig. 266 C^ "^) verzweigt sich in den Muskeln, der vordere
geht zuerst auf dem Sinus atlantis unter der A. vertebralis weiter zur Wur-
zel des Querfortsatzes und dann an der medialen Seite dieser Arterie zur
Vorderfläche des genannten Foi'tsatzes, bedeckt vom M. rectus capitis late-
ralis, an dessen medialem Rande er zum Vorschein kommt.
Der N. cervicalis II verläuft nach seinem Austritt eine kurze Strecke
vorwärts an der Vorderfläche des M. obliquus capitis inf., und theilt sich am
^) Plexus luinho-sacralis Krause. ^) Plexus cerv. profundus im Gegensatz zu den
Anastomosen der Hautzweige der aus diesem Plexus hervorgehenden Nerven. ^) iV. in-
fraoccipitalis s. suhoccipitalis. N. aschianus.
460
Nn. cervicales I bis IV.
lateralen Eande dieses Muskels in seine beiden Aeste. Der hintere Ast, der
am zweiten Cervicalnerven ausnahmsweise der stärkere ist (Fig. 265 C^ + ),
schlägt sich um den Rand des M. obliquus cap. inf. nach hinten und ge-
langt zwischen die kurzen Muskeln der Drehwirbel und den M. semispinalis
capitis. Der vordere Ast liegt, bedeckt vom M. intertransversarius post.,
Fig. 266.
Profilansicht des obersten Theils der Nackengegend; die Muskeln theihveise zurückgelegt
und durchschnitten, um die Austrittsstellen der Nerven zu zeigen. Si^cp M. splenius cap.
Lgcp M. longiss. cap. Sem M. sternocleidomast. Ocs M. obliq. cap. sup. Rcl M. rect!
cap. lateral. Lop M. long. cap. Itp M. intertransvers. post. Sscp M. semispin. cap.'
Oci M. obliq. cap. inf. Rcpmj M. rect. cap. post. maj. Rcpm M. rect. cap. post. min.
V A vertebr. * Proc. styloid. ocmj N. occip. maj.
Nn. cervicales I bis IV. 461
an der lateralen Fläclie der A. vertebralis und wird an der Vorderfläche
der Wirbelsäule zur Seite der Ursprünge des M. longus capitis sichtbar.
An den folgenden Nn. cervicales findet die Theilung des Stammes
noch innerhalb des For. intervertebrale Statt. Der vordere Ast tritt zwi-
schen den Mm. intertransversarius ant. und post. hervor, der hintere wen-
det sich in der Aushöhlung des Säulchens, welches die obere und untere Ge-
lenkfläche trägt, nach hinten (Fig. 265 C'^*).
Der hintere Ast des N. cervic. I zeichnet sich dadurch aus, dass er kei-
nen Hautnerven abgiebt, sondern sich ganz in motorische Zweige für die
tiefen Nackenmuskeln, die Mm. recti cap. postt. und die Mm. obliqui cap.,
auflöst. Mittelst eines den M. obliquus inf. durchbohrenden Astes anasto-
mosirt er zuweilen mit dem hinteren Aste des zweiten Cervicalnerven ^).
Der hintere Ast des zweiten Cervicalnerven theilt sich, nachdem er
den Rand des M. obliqmis cap. inf. passirt hat, in drei Zweige, einen auf-,
einen absteigenden und einen, der in aufwärts concavem Bogen, seinem
Verlaufe und seiner Stärke nach , die Fortsetzung des Stammes darstellt
(Fig. 266). Der aufsteigende Zweig versorgt den M. longissimus capitis,
zuweilen auch den M. obliquus cap. sup. oder inf., verläuft zwischen dem
M. semispinalis cap. und dem M. splenius zu dem letzteren und sendet an
dessen medialem Rande einen nicht ganz beständigen Hautast zur Hinter-
hauptsgegend. Der absteigende Zweig verästelt sich in den Zacken des
M. semispinalis capitis und anastomosirt mit dem hinteren Ast des dritten
Cervicalnerven. Der Hauptast,
N. occipitalis major OCmj'^)
durchbohrt den M, semispinalis capitis und die Sehne des M. trapezius, ein-
fach oder in zwei Aeste getheilt, die sich nach dem Durchtritt durch die
Muskeln geflechtartig wieder vereinigen. In der Gegend der oberen Nacken-
linie, 3 bis 4 Cm. von der Medianlinie entfernt, gelangt er unter die Haut,
wird platt und theilt sich in spitzwinklig divergirende Zweige, die sich zum
Theil in Begleitung der Aeste der A. occipitalis bis zum Scheitel (selbst
bis zur Sutura coronalis Cruv.) verfolgen lassen (Fig. 266. 267).
Der hintere Ast des dritten Cervicalnerven giebt neben Zweigen zu
den tiefen Nackenmuskeln und einem im obersten Theil des Nackens her-
vordringenden horizontalen Hautzweig , noch einen feinen , gerade empor-
steigenden R. occipitalis ab, der sich entweder in den N. occipit. maj. ein-
senkt oder selbständig an dessen medialer Seite durch die Sehne des M.
trapezius zur Haut des Hinterhaupts gelangt.
Der hintere Ast des vierten Cervicalnerven umkreist den M. semispina-
lis cervicis, liegt also zwischen den Mm. semispinalis cervicis und semispi-
nalis capitis und theilt sich in zwei Aeste, einen lateralen, der sich in dem
letztgenannten Muskel verzweigt und einen medialen, der die Mm. semispi-
nalis cervicis und multifidus versorgt und mit Aesten, die die Ursprungs-
1) Derai'tige Anastomosen, wie sie auch mit den hinteren Aesten der folgenden Ner-
ven stattfinden, geben Anlass zur Aufstellung eines Plexus cervic- post. (Cruv.).
^) N. occipitalis magnus s. maximus. N. occipitalis int. Cruv.
462 Plexus cervicalis.
seline der Mm. trapezius und splenii durchbohren , neben den Wirbeldoruen
in die Haut ausstrahlt.
Plexus cervicalis.
piex. cervic. Er entsteht durch die Anastomosen , welche die vorderen Aeste der
vier oberen Cervicalnerven einander zusenden. Zwischen den vorderen
Aesten des ersten und zweiten und des zweiten und dritten Cervicalnerven
ist es in der Regel ein einfacher, dünner Faden, welcher am vorderen Rande
dort des M. rectus capitis lateralis, hier des M. intertransversarius posticus
von den gerade vorwärts verlaufenden Nerven xmter rechtem Winkel ab-
geht und in verticaler Richtung ab- oder aufsteigend die benachbarten
Nerven verbindet. Der dritte, vierte und die folgenden vorderen Cervical-
nervenäste haben, indem sie zwischen den beiden Zacken der Querfortsätze
hervortreten, die medialen langen Halsmiiskeln und die Ursprünge des M.
scalenus ant. an ihrer medialen, die Insertionszacken des M. splenius colli
und die Ursprünge der Mm. levator scapulae und scalenus medius an ihrer
lateralen Seite. Sie wenden sich auf den letztgenannten Muskeln, bedeckt
vom M. sternocleidomastoideus , sogleich rück - abwärts. Ein starker, öfters
in mehrere parallele , geflechtartig verbundene Fäden zerfallener Nerven-
strang läuft schräg ab- und seitwärts vom dritten Cervicalnerven zum vier-
ten. Zwischen dem vierten und fünften fehlt gewöhnlich der Verbindungs-
ast, doch besteht meistens eine mittelbare Verbindung durch Fäden, die der
fünfte Cervicalnerve Aesten des vierten, dem N. phrenicus oder einem N.
supraclavicularis, zuschickt. Den Schleifen der Cervicalnerven darf noch
der oben (S. 450) bereits erwähnte Verbindungsast zwischen dem ersten
Cervicalnerven und dem N. hypoglossus zugezählt werden. Von den j)eri-
pherischen Aesten des Plexus cervicalis geht eine Anzahl, zum Theil schon
aus den Wurzeln, nach kurzem Verlauf sogleich in die iie Austrittsstellen der
Nerven begrenzenden Muskeln und in den Grrenzstrang des Sympathicus
über. Der erste Cervicalnerve sendet einen ansehnlichen Theil seiner Fa-
sern gerade vorwärts zum Ggi. cervicale supr. Zu demselben gelangen
meistens auch, unter den vorderen Halsmuskeln durchtretend, die Rr. commu-
nicantes aus dem zweiten und dritten Cervicalnerven oder aus deren Schlei-
fen. Der vierte R. communicans entspringt zuweilen aus dem N. j)hrenicus
und tritt tiefer in den Halstheil des Sympathicus oder in das Grgl. cervicale
medium, wenn ein solches vorhanden ist, ein. Auf alle diese Verbindun-
gen komme ich bei der Beschreibung des Sjnnpathicus ausführlicher zurück.
Die längeren und ansehnlicheren Aeste des Plexus cervicalis sind von zweier-
lei Art, nämlich oberflächliche, die sich ganz oder zum grösseren Theil in der
Haut verbreiten, und tiefe, wesentlich motorische Aeste. Die oberflächlichen
Aeste erscheinen in zwei Gruppen ; die der ersten, welche hauptsächlich vom
dritten Cervicalnerven abstammen, schlagen sich um den hinteren Rand des M.
sternocleidomastoideus herum und verlaufen über demselben, durch das den Mus-
kel bedeckende Bindegewebe in ihrer Lage befestigt,' auf- und vorwärts ; es sind,
von oben nach unten gezählt, die Nn. occipttalis minor ^ auricularis magnus und
suhcutaneus colli inf. Die oberflächlichen Nerven der zweiten Gruppe , deren
Hauptquelle der vierte Cervicalnerve ist, kommen aus der Fossa supraclavi-
cularis, zwischen Sternocleidomastoideus und Trapezius, hervor; sie breiten
N. occipit. minor. N. auricularis magn. 463
sich stralalenförmig abwärts und um den Rand des letztgenannten Muskels
rückwärts aus und werden unter dem Namen Nn. supraclaviculares zusam-
mengefasst. Die tiefen motorisclien Aeste gehören drei verschiedenen Mus-
keln oder Muskelgruppen an: Aeste des zweiten und dritten Cervicalner-
ven, die mit dem R. descendens hypoglossi zusammentreten, enden in den
vom Brustkorb zum Zungenbein aufsteigenden Muskeln; ebenfalls aus dem
zweiten und dritten Cervicalnerven stammen Aeste, die sich, mit dem N.
accessorius anastomosirend, zu den von diesem Nervenstamm versorgten
Muskeln begeben; vorzugsweise vom vierten Cervicalnerven geht der N.
phrenicus, der Bewegungsnerve des Zwerchfells aus.
a. Kurze Muskelnerven.
Sie gehen aus den Wurzeln des Plexus, seltener und nur die tieferen a. Kurze
J\IiiskGln6rv
aus Zweigen des Plexus direct in die hinteren Halsmuskeln, aus dem er-
sten Cervicalnerven in die Mm. rectus capitis lateralis, rect. cap. ant. und
long, capitis (Fig. 265), aus dem zweiten bis vierten oder deren Ansäe in
die Mm. long, capitis , atlantis und colli, aus dem vierten medianwärts in
die obere Zacke des M. scalenus ant., lateralwärts in die Mm. levator sca-
pulae und scalenus medius (Fig. 268).
b. Oberflächliche Nerven.
1. N. occipitalis minor OC7H'^).
Am häufigsten aus dem dritten Cervicalnerven, nicht selten aus dem b. oberfi.
. . . Nerv.
zweiten ^) oder aus einem starken Verbindungszweig zwischen dem zweiten i. occip.
und dritten; steigt, früher oder später spitzwinklig in zwei Zweige gespal- ™"^'
teu, auf dem hinteren Rande des M. sternocleidomastoideus und über des-
sen Insertionssehne am Hinterhaupt empor (Fig. 267). Ungefähr in der Mitte
zwischen den Nn. occipitalis major und auricularis magnus, zu denen er im
umgekehrten Verhältniss der Stärke steht, verzweigt er sich in der Haut
des Hinterhaupts, öfters auch der medialen Fläche des Ohrs (Turner)^).
Durchbohrt zuweilen mit dem hinteren Aste den Rand des M. trapezius.
2. N. auricularis magnus ClTtl^).
In der Regel der stärkste Ast des Plexus cervicalis, entspringt allein 2. Auric.
oder aus Einem Stamme mit dem folgenden von dem dritten oder von der
Schleife des dritten und vierten, seltener des zweiten und dritten Cervical-
nerven. Ungefähr in der Mitte der Höhe des M. sternocleidomastoideus
tritt er am hinteren Rande dieses Muskels hervor, anfangs vom M. subcu-
^) N. o. parvus s. externus s. anterior. R. mastoideus. Als E. masioideus minor wird
ein Zweig dieses Nerven beschrieben, der sich in der den Warzenfortsatz deckenden Haut
verbreitet. ^) Nach Cruveilhier und Sappey die Regel. ^) Natural history|revieWi
1864, p. 613. *) N. auricularis cervicalis s. posterior.
464 IST. auricularis magnus.
taneus colli bedeckt, läuft gerade aufwärts zum äusseren Ohr und theilt sich
in zwei kaum divergirende, mitunter plexusartig verbundene Aeste, von
Fig. 267.
Terminale Aeste des N. facialis und der sensibeln Kopfnerven. Die Parotis ist bis auf
einen kleinen Rest (*) entfernt, so N. supraorbitalis. la N. lacrymalis. ot K. temporalis
n. orbitalis. ./" N. frontalis. s< N. supratrochl. it N. infratrochl. o m R. malaris n. or-
bitalis. i o N. infraorbitalis. e N. ethmoid. m N. mentalis, h N. buccinatorius.
a OT N. auric. magn. ocm N. occipit. min. ocinj N. occip. maj.
at N. auriculo-temp.
N. subcutaneus colli inf. 405
denen der hintere meist stärker ist , als der vordere. Der hintere Ast i)
legt sich in die Rinne zwischen Ohr und Schädel und vertheilt seine Zweige
in die Haut über dem Warzenfortsatz und in den oberen Theil des äusse-
ren Ohrs. Der vordere Ast 2) tritt in die dem Schädel zugewandte Fläche
des Ohrläppchens ein und versieht mit feinen Zweigen, die zum Theil den
Ohrknorpel durchbohren, die Haut der inneren und äusseren Fläche der
unteren Hälfte des Ohrs und die Haut des äusseren Gehörgangs.
Aus beiden Aesten, reichlicher aus dem vorderen, begeben sich, wäh-
rend sie am hinteren Rande des Unterkieferastes emporsteigen, feine Aeste '),
zum Theil durch die Parotis, vorwärts zur Haut der Wange; sie lassen
sich an manchen Köpfen bis in die Gegend des Jochbeins verfolgen.
Cmveilhier sali zwei dieser Zweige in einem kleinen Ganglion zusammen-
stossen, von welchem Hautäste ausgingen, die sich übrigens auf die gewöhnliche
Weise verhielten.
3. N. subcutaneus colli inferior SCi'^).
Der durch seine platte, bandartige Gestalt aiisgezeichnete Nerve ent- s. Subont,
springt gemeinschaftlich mit dem N. auricularis magnus oder gesondert
aus dem dritten Cervicalnerven oder aus dessen Schleife mit dem zweiten
oder vierten, umkreist unmittelbar unter dem N. auricularis m. den Rand
des M. sternocleidomastoideus, kreuzt die V. jugularis ext. und zerfällt zwi-
schen den Mm. sternocleidomastoideus und subcutaneus colli zunächst in
zwei Aeste (Fig. 267). Gewöhnlich ist es der obere Ast ^), der, aufwärts umbie-
gend, mit dem untersten Endaste des N. facialis (N. subcutaneus colli sup.) eine
Schlinge bildet, aus welcher zahlreiche, geflechtartig anastomosirende , den
M. subcutaneus durchsetzende Nerven zur Haut der Unterkinngegend und
der oberen Hälfte des Halses hervorgehen, während der untere Ast ^) seine
Zweige gerade vor- und abwärts an die untere Hälfte des Halses vertheilt.
Doch Icann auch der untere Ast die Anastomose mit dem R. subcutaneus
colli sup. des Facialis eingehen und der obere sich isolirt in der Submaxil-
lar- und selbst in der Kinngegend verästeln. Cruveilhier beschreibt
Zweige des oberen Astes, welche zu beiden Seiten die V. jugularis ext. auf-
wärts begleiten, und einen Zweig des unteren Astes, der in der vorderen
Medianlinie aufwärts umbiegt und bis über das Zungenbein verfolgt wer-
den kann. Der obere wie der untere Ast geben dem M. subcutaneus colli
feine Fädchen. Oefters geht ein Ast des dritten Cervicalnerven über den
M. trapezius rück-abwärts zur Haut des Halses (Fig. 268**).
In einem von C lasen (Upsala Läkareförenings Förhandlingar. VI, 492) beob-
achteten Falle theilte sich der N. subcutan, colli inf. neben der V. jugularis ext.
in zwei Zweige, von denen der Eine vor der Vene, der andere durch eine Insel
verlief, welche die Vene durch Theiluug und Wiedervereinigung ihrer Aeste bildete.
1) R. auricularis int., getheilt in filum auriculare und mastoidewn Cruv. R. auri-
cularis post. superficialis Krause. R. post. Arnold. R. niasioideus Hyrtl. ^) R. auri-
cularis ext. Cruv. R. auricularis inf. Krause. R. facialis Arnold. R. auricularis
Hyrtl. ^) Rr. faciales s. parotidei Cruv. *) N. superficialis colli s. profundus subcuta-
neus colli medius Meckel. N. cermcalis superficialis Cruv. N. subcutaneus colli sup.
Valentin. N. subcutaneus colli aut. ^) R. adscendens. N. subcutaneus colli medius
Bock. **) Ä. descendens. N. sttbcutaneus colli inf. Bock.
H e nl e , Anatomie. Bd. III. Abthlg. 2. qq
466 Nn. supraclaviculares.
4. Nn. supraclaviculai^es SC.
4. Supra- Zwei und mehr Stämme, welche aus der Schleife des dritten und vierten
undaiis dem vierten Cervicalnerven entspringen (Fig. 268). Sie geben durch
spitzwinklige Theilung neun bis zehn Aesten den Ursprung, die in dem
Fett der Fossa supraclavicularis über den transversalen Aesten der A. subclavia
abwärts verlaufen und zwischen den Rändern der Mm. sternocleidomastoi-
deus und trapezius die oberflächliche Halsfascie durchbohren, um in unge-
fähr gleichen Abständen über das Schlüsselbein zur oberen Region der Brust
und über den Rand des Trapezius zur unteren Region des Nackens zu ge-
langen. Die dem M. sternocleidomastoideus nächsten ^) biegen sich um des-
sen Schlüsselbeinursprung medianwärts und enden in der Haut, die den
Handgriff des Brustbeins deckt. Die am Schlüsselbeinansatz des M. trape-
zius austretenden Aeste ^) , von denen der äusserste zuweilen den Rand
des Muskels durchbohrt, ziehen über die Acromialgegend rückwärts bis ge-
gen den medialen Rand des Schulterblatts. Die mittleren Aeste ^) laufen
divergirend gerade abwärts und lassen sich bis in den zweiten Intercostal-
raum verfolgen.
Von den beiden medialen Nn. supraclaviculares stammen die feinen
Aeste zum Sternoclaviculargelenk (Bock. Rüdinger) *).
Var. Einer der mittleren Supraclavicularnerven verläuft durch einen Canal
des Schlüsselbeins (Bock, Bückenmarksnerven, S. 39. G-ruher, Neue Anomalien.
Berlin 1849, S. 23. Luschka, Anat. Bd. I, Ahth. 1, S. 409. Glasen, Upsala
Läkareförenings Förhandlingar, III, 492. Turner, Journ. of anat. 2. ser. No. IX,
p. 102). Cruveilhier, der diese Anomalie eine nicht seltene nennt, fand zuwei-
len, statt einer knöchernen Wand des Canals, eine sehnige Brücke. Nach seiner
Beschreibung befindet sich der Canal an der Grenze des lateralen und mittleren
Drittels des Schlüsselbeins ; die Nerven dxirchsetzen ihn zu Einem Stamm ver-
einigt und zerstreuen sich erst am Ausgang desselben, indem sie längs dem Kno-
chen lateral- uud medianwärts ausstrahlen.
c. Tiefe Nerven.
1. N. cervicalis descendens ^).
c. Tiefe Setzt sich zusammen aus dem R. descendens N. hypoglossi (S.450) und
i!'^Ce'rvic. Aesten aus dem zweiten oder aus der Schleife zwischen dem zweiten und
desc.
Zu Fig. 268.
Profilansicht des Halses. Der M. sternocleidomasteus [Sem) theilweise ausgeschnitten, die
Reste auf- und abwärts zurückgeschlagen. Bm hinterer Bauch des M. biventer mandibu-
lae. Th M. thyreohyoid. StnJi M. sternohyoid. Oh M. omohyoid. Lc M. long, colli.
Stt M. sternothyreoid. Sca M.' Scalen, ant. Tr M. trapezius. Ls M. levator scap.
Scp M. scalenus post. Scmd M. scalen. med. Cc A. cai-otis. comm. dh R. descend. hj^-
pogl. phr N. phren. S N. sympath. ocm N. occip. min. am N. auric. magn. **Rr.
communicantes der Nn. cerv. III und IV mit dem Sympath.
^) Nn. supraclaviculares anU. Rr. slernales Cruv. Rr. siqjrasternales Sappey.
^) Nn. supraclaviculares postt. Nr. supraocromiales Cruv. Einer derselben ist der N.
superficialis scapulae Langenbeck. ^) N71. supraclaviculares niedü. Rr. claviculares
Cruv. *) Die Gelenknerven, S. 10. ^) R. descendens hypoglossi aut. N. descendens
colli int. R. muscularis regiotiis infrahyoideae Cruv.
Fiff. 268.
467
468 N. cervicalis clescendens.
dritten Cei'vicalnerven. Im letzteren Fall, wenn die beiden Cervicalner-
ven sich an der Bildung des N. cervicalis descendens betheiligen, sind
die Aeste entweder gleich stark und die Schlinge ist doppelt, oder der
zweite liefert nur einen feinen, quer über den Stamm des N. vagus
verlaufenden Faden. Der Hauptverbindungsast vom dritten oder , wenn
dieser fehlt, vom zweiten Cervicalnerven tritt, über der Scheide der
Halsgefässstämme ab - medianwärts verlaufend , mit dem E,. descen-
dens hypoglossi in der Gegend der intermediären Sehne des M. omo-
hyoideus oder etwas oberhalb derselben in Form einer langgezogenen
Schlinge^) oder unter spitzem Winkel zusammen (Fig. 268). Aus dem vor-
deren, vom N. hypoglossus stammenden Schenkel der Schlinge erhält der
obere Bauch des M. omohyoideus, öfters auch der M. sternohyoideus je
einen Ast. Aus dem Gipfel der Schlinge entspringen Aeste zu den Mm.
sternohyoideus und sternothyreoideus und dem unteren Bauch des M. omo-
hyoideus. Indess machen Volkmann's Versuche am Hypoglossus (s. oben)
es wahrscheinlich, dass alle diese Nerven aus den cervicalen Schenkeln der
Schlinge stammen, und selbst von den aus dem Stamme des N. hypoglossus
abgehenden Nerven der Zungenbeinmuskeln lässt sich vermuthen, dass sie
auf Fasern zurückzuführen seien, die der N. hypoglossus durch die Ana-
stomose mit den Cervicalnerven erhält. Der R. descendens hängt nämlich
zuweilen mit dem Hj'^poglossus durch zwei , unter stumpfem Winkel sich
vereinigende W^urzeln zusammen, von denen die eine von der centralen, die
andere von der peripherischen Seite des Nervenstammes ausgeht, und auch
wo die Abgangsstelle einfach zu sein scheint, besteht nach Volk mann 2)
und E. Bischoff '^) der R. descendens regelmässig aus zwei Faserbündeln , de-
ren eins in den centralen, das andere in den peripherischen Theil des Stam-
mes umbiegt. In Einem Fall (beim Pferde) sah Volkmann sogar die
gesammte Masse des R. descendens sich im Hypoglossus peripherisch wen-^
den. Fasern dieser Art können nur aus den Cervicalnerven in der Schlinge
aufsteigen, um in den einen oder anderen peripherischen Zweig des Hyjoo-
glossus überzugehen.
Cruveilhier zählt unter den Cervicalnerven, die dem Hj'poglossus die Schlinge
bilden helfen, auch den vierten auf. Dies kann nur als seltene Ausnahme vor-
kommen. Er spricht von einem in die Schlinge eintretenden Aste des N". phreni-
cus; Meckel erwähnt, nach dem Vorgange Haller' s iind Wrisberg's, einen
kleinen aber beständigen Zweig aus der Schlinge des Hj-poglossus zum N. phreni-
cus. Ich werde auf diesen, jedenfalls seltenen Nerven bei der Beschreibiing des
N. phrenicus zurückkommen.
In den älteren Handbüchern findet sich die Angabe , dass der E. descendens
mitunter, statt aus dem N. hj-poglossus, aus dem Plexus ganglioformis des Vagus
hervorgehe oder einen Faden aus dem Stamme dieses Nerven aufnehme. Rich-
tiger bezeichnet mau mit C. Krause diese Varietät so, dass der E.. descendens
zuweilen eine Strecke im Neurilemm des Vagus eingeschlossen verlaufe, wodurch
es den Anschein gewinnt, als entspringe er von diesem. Doch kommt es vor, dass
der E. descendens hjqooglossi völlig fehlt und die Aeste zu den Zungenbeinmus-
keln immittelbar aus dem Stamme des N. vagus entspringen (Pye- Smith, Howse
nnä Davies-Colley, Guy's liosp. rep. 3. ser. XVI, 161), und in einem von Tur-
ner (Journ. of anat. 2. ser. Nr. VIII, p. 102) beobachteten Fall sandte der E.
■"^J Ansa hypoglossi. ^) Mühei-'s Archiv, 1840, S. 502. ^) Kopfnerven, S. 35.
N. plireiiiciis. 4:69
descendens, der aus dem N. vagus entsprungen war, einen Theil seiner Fasern
wieder zu dem Stamm dieses Nerven zurück.
Die Melirzalil der Handbücher seit Meckel besclireiben einen Zweig des N.
cervicalis descendens, der in die Brustliölile eindringe und an der Bildung des
Plexus cardiacus sich betheilige. Cruveilhier und Long et übergehen ihn mit
Stillschweigen und Sappe 3' erklärt sich bestimmt gegen denselben.
Ebenso bestritten ist die Verbindung der Schleife des Hypoglossus mit Fäden
vom Sympathicus.
2. Aeste zu den Mm. steriiocleidomastoideus und trapezius.
Bernard ^) machte die Beobachtung, dass bei Thieren, denen er den 2. Zu Mm.
N. accessorius zwischen Hinterhaupt und Atlas durchschnitten hatte, der |o*;n""ujf^'
M. sternocleidomastoideus nicht aufhört, an den gewaltsamen Athembewe- ^'■'^^^^■
gungen Theil zu nehmen, während es dagegen den Anschein hatte, als ob
er die Fähigkeit zu willkürlicher Bewegung verloren habe. Die Quelle
der respiratorischen Nerven des Sternocleidomastoideus sucht Bernard im
Plexus cervicalis, der in mannichfaltiger Weise mit dem N. accessorius anasto-
mosirt (Fig. 268). Vom zweiten und dritten Ast und von der Schlinge zwischen
beiden gehen Fäden aus, die sich dem Stamm des N. accessorius vor seinem
Eintritt in den genannten Muskel oder einem seiner Aeste innerhalb des
Muskels beigesellen oder auch selbständig einen Theil des letzteren versorgen.
Die Verbindung hat das Ansehen einer einfachen Anlagerung oder einer
Schlinge oder eines mehr oder minder complicirten Geflechtes. Oft aber
nimmt der Accessorius den Zuwachs an Fasern aus dem Plexus cervicalis
erst nach Abgabe der Sternocleidomastoideus-Aeste auf, so dass dieser Zu-
wachs nur dem M. trapezius zu Giite zu kommen scheint; mit dem in diesen
Muskel eintretenden Stamm des Accessorius verbinden sich auch Zweige
des vierten Cervicalnerven (selbst des fünften nach Meckel) nicht selten
unmittelbar vor seiner Verästelung.
Zuweilen werden motorische Aeste zu den beiden, vom Accessorius versorgten
Muskeln von den sensibeln Aesten des Plexus cervicalis abgegeben. So sah ich
einen Ast zum M. trapezius aus dem N. occipitalis minor entspringen. In einem von
Pye-Smith, Howse und Davies-Colley (a." a. 0.) beschriebenen Falle erhielt
der steruale Kopf desM. sternocleidomastoideus einen Zweig aus der Schlinge des
Hypoglossus.
3. N. p h r e n i c u s 2> h r '-).
Die Hauptursprungsstätte des N. phrenicus ist der vierte Cervicalnerve ; 3. Phreni-
in 12 Fällen unter 32 entsprang er von ihm allein (Luschka)"^); immer """
erhält er von ihm die stärkste Wurzel. Es kommen Fasern hinzu am häu-
figsten vom dritten Cervicalnerven, welche zuweilen eine Strecke im R. cer-
vicalis descendens verlaufen (s. unten), dann vom fünften, kurze quere, zu-
weilen doppelte Anastomosen zwischen dem Stamm dieses Nerven und dem
an demselben vorüberziehenden Phrenicus, oder längere, mehr oder mindei
steil absteigende, zuweilen den M. scalenus ant. durchsetzende Fäden, wel-
cus.
3r
^) Arch. gen. de medecine, 4. ser. IV, 404. ^) N. diaphragmatkus s. respiratorius int,
2) Der N. phrenicus des Menschen, Tübingen 1853.
470
pnr
N. phrenicus.
Fig. 269.
Hals und Thorax eines Kindes, von vorn. Der Tliorax geölfnet und die Lungen nach bei-
den Seiten zurückgeschlagen, um das auf dem Zwerchfell ruhende Pericardium, die grossen
Cefässstämme und den Verlauf der beiden Nn. phrenici zu zeigen. Sca M. scalen. ant.
Cc A. carot. comm. S Art. subclavia. S' V. subclavia, cva A. cervic. adsc. mmi Vasa
mammaria intt. c s V. cava sup. ti' V. thyreoid. inf. s« N. supraclavic. *Ast zum M.
subclavius. ** Lungenwurzel.
N. phrenicus. 471
che sich oft erst in der Brusthöhle spitzwinklig mit der Haiiptwurzel ver-
einigen i) (Fig. 268. 269).
Der N. phrenicus geht, verdeckt vom sternalen Kopf des M. sterno-
cleidomastoideus, schräg median-abwärts über den M. scalenus ant. und un-
ter dessen Fascie an den medialen Rand dieses Muskels. Neben ihm, an
der lateralen Seite der A. cervicalis adsceudens, überschreitet er, etwas ab-
geplattet, die A. subclavia. Er liegt also zwischen der A. subclavia und
der gleichnamigen Vene; erhält er Wurzeln aus dem fünften oder tieferen
Cervicalnerven, die erst in der Brusthöhle zu ihm stossen, so verlaufen diese
in der Regel über die V. subclavia (Fig. 269).
Beim Eintritt in die Brusthöhle, hinter dem oberen Rande der ersten
Rippe, befindet sich der N. phrenicus an der medialen Seite der A. mam-
maria int. und wenn diese oder, was Regel ist, die Y. mammaria int. me-
dianwärts von dem Nerven entspringt, so kreuzen sie ihn alsbald, indem sie,
die Vene vor, die Arterie hinter ihm oder beide vor ihm vorübergehen.
Sodann läuft der Nerve über die vordere Fläche der Spitze des Pleurasacks
an dessen mediale Seite und weiter, in geringer Entfernung von dem Stiel
der Lunge, zwischen dem Pericardium und der fest an diesem angewachsenen
Lamelle des Mediastinum, ab- und etwas rückwärts zur oberen Fläche des
Zwerchfells, auf welcher er in seine meist rechtwinklig zum Stamm aus-
strahlenden Endäste zerfällt. Das Pericardium entlang wird er von der
A. pericardiaco-phrenica (Gefässl. S. 124) und zwei gleichnamigen Venen
begleitet.
Die Nn. phrenici beider Seiten sind öfters im Kaliber, constant im Ver-
laufe etwas verschieden. Der linke ei-reicht das Zwerchfell in einem vor-
wärts concaven Bogen, indem er sich hinter dem Theil des Pericardiam,
der die Spitze des Herzens enthält, herumbiegt; der rechte läuft neben der
Basis des Herzens mehr gerade herab. Der rechte triift auf den Sternal-
theil des Zwerchfells nahe an dessen Insertion in das Centrum tendineiim,
zur Seite des For. venae cavae ; die Insertion des linken liegt ebenfalls nahe
an der Grenze des musculösen und tendinösen Theils, etwas weiter von der
Medianlinie entfernt und etwas näher, der vorderen Brustwand , als die In-
sertion des rechten. Beide Nn. phrenici lösen sich unter dem. Pleura-Ueber-
zug des Zwerchfells in eine Anzahl Aeste auf, von denen einer, der die
übrigen an Stärke übertrifft, sich rückwärts wendet und über die obere
Fläche des Muskels im Bogen zum Vertebraltheil zieht, indess die anderen,
feineren, divergirend vorwärts ausstrahlen und bald zwischen den Muskel-
bündeln in die Tiefe dringen.
Bald nach dem Eintritt in die Brusthöhle sendet der N. phrenicus,
meistens nur der der rechten Seite, ein Aestchen median-abwärts zur Vor-
derfläche des Pericardium 2). Zur Pleura gehen während seines ganzen
Verlaufs durch die Brusthöhle einzelne sehr feine Fädchen-^), die nur mikro-
skopisch von Bindegewebsfäden zu unterscheiden sind (Luschka). Durch
1) N. phrenicus accessorius Haase (Ludwig, Script, neurol. min. III, 114). ) 7?.
pericardiacus. Dass der rechte Nerve häufiger das Pericardium versorgt als der linke,
darin stimmen meine Erfahrungen mit denen Baur's (Tractatus de nervis anterioris super-
ficiei trunci humani, Tubing. 1818, p. 18) überein. ^) Rr. jüeurahs Luschka.
472 N. plirenicus.
die Lücke zwischen der Sternal- und Costalportion des Zwerchfells treten
feinste Fädchen in der Richtung gegen den Nabel in das Peritoneum
der vorderen Bauchwand ein (Ders.). Von dem Endaste, der sich dem
Vertebraltheil zuwendet, gelangen feine Zweige, Br. phrenico-abdominales
dext. und sin., rechterseits durch das For. venae cavae , linkerseits durch
eine der Zacken des Vertebraltheils oder durch den Hiatus oesophageus
(Bock) und die untere Fläche des Zwerchfells ; sie lassen sich rechts in den
Peritonealüberzug und in das Lig. Suspensorium der Leber verfolgen; an
beiden Seiten treten sie mit Zweigen des Sympathicus zu einem gangliösen
Geflecht, Plexus phrenicus, zusammen, wegen dessen ich auf die Beschrei-
bung des sympathischen Nervensystems verweise.
Die zuletzt aufgezählten Verzweigungen des N. phrenicus und die fei-
nen Fäden, die, nach Luschka, aus dem musculösen in den sehnigen Theil
des Zwerchfells übergehen, beweisen, dass der genannte Nerve, wiewohl
wesentlich motorisch, doch auch sensible Fasern führt. Die Fortsetzung
motorischer Fasern desselben durch den Plexus phren. in die Musculatur
des Darms will Luschka i) bei Kaninchen durch die Bewegungen des
Dünndarms nachgewiesen haben, die auf Reizung des N. phrenicus am Halse
folgten.
Die von älteren Anatomen erwähnten Aestcheu des N. phrenicus zum Plexus
cardiacus, zur Tliymus und zum Oesopliagus werden von Bock, Cruveilhier,
Arnold, Lusckka bestritten. Bock und Cruveilhier stellen auch die von
Neubauer (Opp. anatom. Francof. 1786, p. 111.) und Wrisberg (Ludwig,
Script, neur- IV, 54) behauptete Communication des Phrenicus mit dem Halstheil
des Sympathicus in Abrede; Luschka dagegen lässt vom Ggl. cervicale inf.,
seltener vom Ggl. cervicale medium zwei bis drei feine Pädchen zum Stamme
des Phrenicus treten. Zweige der Cervicalnerven (Er. commimicantes), die durch
Vermittelung des N. phrenicus dem Grenzstrang des Sympathicus zugeführt werden,
kommen an einer späteren Stelle zur Sprache. Vom rechten E. phreDico-abdo-
miualis läuft nach Luschka (Anat. Bd. II, Abth. 1, S. 354) zum Brusttheil der
V. Cava inf. ein Zweig zurück, der sich bis in die Musculatur des rechten Atrium
fortsetzt.
Der Zweig, den der fünfte Cervicalnerve dem N. phren. zusendet, löst sich
vom Stamme des letztgenannten Nerven zuweilen schon sogleich nach dessen Aus-
tritt aus dem For. intervertebrale ab. Am N. phrenicus wendet sich ein Theil
seiner Pasern centralwärts (Spedl, Archiv für Anat. 1872, S. 307).
Wurzeln des N. phrenicus aus dem sechsten oder noch tieferen Cervicalner-
ven tmd aus dem Plexus brachialis können , wenn sie vorkommen, doch nur als
seltenere Varietäten angesehen werden ; ebenso der oben (S. 468) erwähnte Ast aus
dem N. cervicalis descendens , von welchem Haller und Wrisberg annahmen,
dass er dem Phrenicus Pasern des Hypoglossus zuführe. Wrisberg (a. a. 0.)
sah ihn unter fünf Fällen Einmal aus dem Stamm des Hypoglossus vor Abgabe
des E. descendens , Einmal von einem Verbindungsaste zwischen den Nn. vagus
und hypoglossus, drei Mal von dem E. descendens abgehen. Nach Haller's Be-
schreibung (Elem. physiol. III, 89) ist es ein Zweig des dem M. sternothyreoideus
bestimmten Nerven, der diesen Muskel durchsetzt iind vor dem oberen oder un-
teren Theil des Pericardium sich mit dem N. phrenicus vereinigt. Hub er, Krü-
ger, Andersch und Böhmer (s. des letzteren Dissertation de nono pare bei
Ludwig, Script, neurol. I, 298) suchten nach diesem ZAveige vergeblich;
Longet (Syst. nerv. II, 479) ist er niemals begegnet, Sappey leugnet ihn aus-
drücklich; auch ich konnte den Muskelzweig des Sternothyreoideus zwar bis zu
dem untersten Eande dieses Muskels, aber nicht über denselben hinaus verfolgen.
1} A. a. 0. S. 32.
Plexus bracliialis. 473
Geht aber ausnahmsweise, wie Bock und Luschka zugeben, ein Fädchen aus
der sogenannten Ansa h3'poglossi in den N. phrenicus über , so ist dasselbe doch
mit grössei-er Wahrscheinhclikeit auf die spinale , als auf die Hypoglossuswurzel
der Schlinge zurückzuführen.
B landin (Anat. descr. II, 658) ist der Einzige, der einer Anastomose des N.
phrenicus mit dem N. accessorius gedenkt.
Ich habe berichtet, dass die Vereinigung der Wurzeln des Phrenicus öfters
tief unten in der Brusthöhle vor sich geht. Luschka (a. a. O. S. 14) sah ein-
mal ein Fädchen vom dritten Cervicalnerven isolirt zum Zwerchfell verlaufen und
sich vor dem Stamme des Phrenicus in den Muskel einsenken.
Zuweilen giebt der Nerve einen Theil der empfangenen Wurzelfäden an einen
tieferen Cervicalnerven wieder ab, so dass er aus einer Art Plexus zu entstehen
scheint.
Geringe Verschiedenheiten des Kalibers beider Nerven kommen, Avie erwähnt,
häufig vor. In einem von Cruveilhier notirten Falle aber war der linke Phre-
nicus zn einem sehr feinen Fädchen reducirt und der rechte von ungewöhnlicher
Stärke. Statt zwischen A. und V. subclavia läuft der N. phrenicus in seltenen
Fällen vor der V. subclavia herab (Cruveilhier. Qua in, Anat. of the arteries
Taf XXV, Fig. 6. Kost er, ontleedkundige onderzoekingen en waarnemingen.
Verslagen en mededeelingen der K. Akad. v. Wetensch. D. IV. Turner, Journ.
of anat. 2. ser. Nr. IX, p. 102). In einem solchen, von Wrisberg beobachteten Falle
war' er fest an die Vene angeheftet und tief eingedrückt, so dass die Vorderwaud
des Gefässes nach innen vorsprang. Long et (a. a. 0. I, 842) sah ihn die V. sub-
clavia durchbohren ; er schien nur durch die innere Gefässhaut vom Lumen der
Vene geschieden.
Der N. phrenicus giebt einen feinen Ast dem M. scalenus ant. Die Kr. phre-
nico-abdominales beider Seiten senden an der unteren Fläche des Zwerchfells ein-
ander Anastomosen zu (Luschka).
IL Nn. cervicales V bis VIII. N. dorsalis I.
Plexus bracliialis 1).
Bezüglicli der Lage beim Austritt aus der Wirbelhöhle , uud des Ver- ii. cervic.
hältnisses der beiden Aeste, in welche der Stamm zunächst zerfällt, sowie Dors! i.
der Verästelung des hinteren Astes, gleichen die vier unteren Cervicalnerven
den nächst oberen (S. 461). Der erste Dorsalnerve sendet seinen hinteren
Ast, wie die folgenden Dorsalnerven, durch den Intercostalraum , zwischen
dem Wirbelkörper und dem Lig. costotransversarium ant. rückwärts; aus
dem vorderen Ast entspringen nach Abgabe des hinteren sogleich zwei
Aeste von sehr ungleicher Stärke , der dünne R. intercostalis, der nach Art
der folgenden Intercostalnerven in der "Wand des Thorax verläuft, und die
verhältnissmässig mächtige unterste Wurzel des Plexus brachialis , welche
sich über die erste Rippe schräg auf- und seitwärts schlägt (vergl. Dorsal-
nerven).
Die vorderen Aeste der Cervicalnerven , die in die Bildung des Plexus piex. brach,
brachialis eingehen, ziehen zwischen den Mm. scaleni ant. und medius herab,
der oberste am steilsten, jeder folgende mehr der horizontalen Richtung
sich nähernd. Sie verbinden sich mit einander und mit dem ersten Dorsal-
nerven theils vollständig , theils durch Anastomosen , immer unter spitzen
Winkeln (Fig. 270). Zuerst, meist noch vom M. scalenus medius verdeckt, flies-
^) PL axillaris.
474
Plexus brachialis.
sen der achte Cervical - und ei'ste Dorsalnerve zu Einem Stamme zusammen ;
sodann, etwas weiter seitwärts, erfolgt die Vereinigung der vom fünften und
Fig. 270.
Plexus brachialis von vorn. Thorax und Wirbelhöhle von vorn geöffnet, der Arm gerade
ausgestreckt und mit dem Schulterblatt vom Rumpf abgezogen. * A. axillaris. ** Rücken-
mark, ds N. dorsalis scap. tp N. thorac. post. sps N. suprascapul. ta Stumpf eines
N. thorac. ant. aa; N. axill. cZ N. cutaneus lat., in den M. coracobrachial. eintretend.
SS, SS Nn. subscapul. ra N. radialis, nie N. medianus. u N. ulnaris. cm N. cutan.
med. cmd N. cutan. medialis.
sechsten Cervicalnerven gelieferten "Wurzeln des Plexus. Die mittlere Wur-
zel, der vordere Ast des siebenten Cervicalnerven, vermittelt den Zusammen-
hang des oberen und unteren combinirten Stammes , indem sie sich in zwei
Stränge theilt, von denen der Eine sich mit dem oberen combinirten Stamm
verbindet, der andere in die Tiefe geht und mit Bündeln des oberen und un-
teren combinirten Stammes zusammentritt. Aus der Verflechtung gehen
in den einfacheren Fällen, die zugleich die gewöhnlicheren sind, zunächst
wieder drei Stränge hervor, die aber nicht, wie jene drei, in Einer Ebene
nebeneinander, sondern zum Theil hintereinander liegen. Es sind ein obe-
rer, ein unterer und ein zwischen beiden in einer tieferen Schichte gelege-
ner hinterer Strang. Der obere Strang, in der Flucht des combinirten
fünften und sechsten Cervicalnerven , giebt dem N. musculo-cutaneus , und
einem Schenkel der Schlinge, aus welcher der N. medianus hervorgeht, den
Ursprung; der untere Strang, wesentlich Fortsetzung des achten Cervical-
und ersten Dorsalnerven, entsendet den anderen Schenkel zur Schlinge des
N. medianus und die Nn. ulnaris, cutaneus med. und medial. ; der hintere Strang,
zu welchem alle Wurzeln, die oberen mehr als die unteren, beitragen, setzt
sich in die Nn. axillaris und radialis und in einen oder mehrere Nn.
Plexus brachialis. 475
siibscapulares fort. Ein grosser Theil der Formversciliedenheiten des Plexus
brachialis ist dadurch bedingt, dass sich diese Stränge bald früher, bald
später in ihre einzelnen Aeste auflösen und dass bei früher Trennung ana-
stomotische Bündel frei zwischen benachbarten Nerven verlaufen , die bei
später Trennung ununterschieden im Stamme über einander hinziehen.
Einzelne Zweige der Cervicalnerven entspringen von den Wurzeln des
Plexus vor deren Verbindung und dürften also streng genommen nicht un-
ter den peripherischen Aesten des letzteren aufgezählt wei'den. Dahin ge-
hören, von den Rr. communicantes abgesehen, die Muskelzweige für die
tiefen Halsmuskeln, die Nn. dorsalis scapulae und thoracicus post. Doch blei-
ben auch diese zuweilen eine längere Strecke an ihren Stamm , bis nach
dessen Verflechtung mit anderen, angeschlossen.
Aus der gegebenen Beschreibung erhellt, dass der Plexus im Ganzen
sich zuerst nach abwärts verjüngt , ehe er in die , nach verschiedenen Rich-
tungen abgehenden Nerven zerfällt. Die schmälste Stelle liegt hinter dem
Schlüsselbein, der Incisiira scapulae gegenüber; oberhalb des Schlüsselbeins
ruht der Plexu§ in der Tiefe der Fossa supraclavicularis auf dem M. scale-
nus medius, unterhalb des Schlüsselbeins, in der Achselgrube, liegt er zwi-
schen den Mm. serratus ant. und subscapularis. In der Fossa supraclavi-
cularis wird er von dem hinteren Bauch des M. omohyoideus, in der Achsel-
grube vom M. pectoralis minor gekreuzt. Die A. transversa colli geht
durch die Wurzeln des Plexus, gewöhnlich zwischen dem sechsten und sie-
benten Cervicalnerven nach hinten ; die Arterie der Oberextremität , die auf
der ersten Rippe vor dem ersten Dorsalnerven imdin der Fossa supraclavicularis
am unteren Rande des Plexus verläuft, schlägt sich in der xichselgrube
durch den Schlitz zwischen den beiden Schenkeln des N. medianus an die
Rückseite dieses Nerven (Fig. 270). Die Durchtrittsstelle und die Vereinigung
der beiden Schenkel des N. medianus befindet sich auf der Sehne des M. sub-
scapularis oder etwas tiefer, dem Kopf des Armbeins gegenüber und be-
zeichnet zugleich das untere Ende des Plexus ; der N. cutaneus lateralis
geht gewöhnlich in gleicher Höhe, die Nn. cutanei medialis und medius und
der N. ulnaris gehen höher oben ab ; der hintere Strang aber beginnt schon
am oberen Rande des Schulterblatts sich in seine Aeste aufzulösen.
Icli begnüge micli mit dieser allgemeinen Besclireibxmg der Nervenverbinduu-
gen im Plexus bracbialis, da die Manuichfaltigkeit derselben zu gross ist, um die
Aufstellung einer mehr ins Einzelne gehenden Norm zu gestatten. Einige auffal-
lendere Abweichungen haben Kaufmann (Die Varietäten des Plexus brachialis.
Griessen 1864) \ind Turner (Journ. of anat. 2. ser. IX, lOO) beschrieben. An Einem
Präparat Kaufmann' s tritt der hintere der aus der Verbindung des fünften und
sechsten Cervicalnerven hervorgegangenen Stränge mit dem medialen Ast des sie-
benten Cervical- und dem achten Cervical- und ersten Dorsalnerven zu Einem
Strang zusammen, der den hinteren und inneren ersetzt und die entsprechenden
Nerven aussendet. An einem anderen Präparat begiebt sich der siebente Cervi-
calnerve ganz in den hinteren Strang, der in diesem Fall auch den intercostalen
Ast des zweiten Dorsalnerven aufnimmt und sich in zwei Stränge spaltet, welche
mit den beiden vom fünften und sechsten Cervicalnerven stammenden Aesten sich
verbinden. Aus dem hinteren Strang entsteht ausser den Nn. axillaris, radialis,
cutan. medius und medial, ein starkes Bündel , welches in den anderen Strang über-
geht, der den N. cutaneus lat., medianus iihd ulnaris abschickt. An Einem Arm
umfasste der N. medianus mit seiner Schlinge statt der A. axillaris die A. prof.
brachii. Unter 300 Fällen Einmal verlaufen nach Luther Holden (Manual of
476 Plexus bracliialis.
tlie dissection. London 1861, p. 207) die Nerven des Plexus sämmtlicli oberhalb
der A. axillaris, so dass diese in ihrem ganzen Verlaufe frei liegt.
Zuweilen geht die oberste oder eine der folgenden Wurzeln des Plexus bra-
cliialis vor dem M. scalenus anticus her (Deniarquay, Bulletin de la soc. anat.
1844, p. 78. Hellema, Geneeskundig Tijdschr. voor de Zeemagt. 1867, 1. Afl.).
Die Aeste des Plexus bracliialis theile ich ein in Nerven der eigent-
lichen Extremität und Nerven des Stammes und Schultergürtels und werde,
der Kürze wegen, die letzteren kurze, die ersten lange Nerven nennen,
wenn aiicli bei einzelnen Aesten beider Gruppen der Unterschied der Länge
unerheblich ist ^). Die kurzen Nerven sind wesentlich Muskelnerven ; nur
Einer derselben, der N. axillaris, giebt einen beständigen Zweig zur Haut
des Arms. Von den langen Nerven gehören zwei, die Nn. cutanei medialis
und medius, ausschliesslich der Haut an ; der dritte sogenannte Hautnerve,
N. cutaneus lateralis, ist zwar, wie die übrigen langen Nerven, gemischter
Natur, unterscheidet sich aber doch von den letzteren und nähert sich den
ächten Hautnerven durch seinen oberflächlichen Verlauf am Unterarm und
dadurch, dass er die Finger nicht erreicht, in deren Innervation sich die
Nn. medianus, ulnaris und radialis theilen. Man kann diese drei Nerven
als tiefe den drei oberflächlichen oder Hautnerven gegenüberstellen.
a. Kurze Nerven des Plexus brachialis.
a. Kurze gie breiten sich zwischen Schulter und Rumpf, wenn man sich das
Schulterblatt vom Rumpf möglichst abgezogen denkt, in einem Halbkreis
aus, der an der medialen Ecke des Schulterblatts beginnt, dann von der late-
ralen Wand der Achselgrube auf die hintere und weiter auf die mediale
Wand derselben übergeht und am Schlüsselbein endet (Fig. 271). •
In dieser Reihe folgen einander:
1. N. dorsalis scapulae Bock ds'^).
1. Dois. Entspringt von der obersten Wurzel des Plexus cervicalis, d. h. vom
vorderen Aste des fünften Cervicalnerven gleich nach dessen Austritt aus
dem For. intervertebrale , wendet sich zwischen den Ursprüngen des M.
scalenus medius, dem er Aeste giebt, nach hinten und kommt, nachdem er
den M. scalenus med. in fast horizontaler Richtung durchsetzt hat, zwischen
die tiefen Nackenmuskeln und den M. levator scapulae zu liegen. Dem
letzteren sendet er etwa in der Mitte seiner Höhe einen Zweig und beugt
zugleich am medialen Rande desselben abwärts um, um sich in den Mm.
rhomboidei zu verästeln. Ein unbeständiger Zweig tritt (unter zehn Fällen
vier Mal, Rielaender ■^) an die oberste Zacke des M. serratus post. sup.
^) Bei Cruveilhier heissen die Nerven der Schulter und des Thorax collaterale, die
langen Armnerven terminale. C. Krause unterscheidet sie je nach ihrem Ursprung aus
dem supra- oder infraclavicularen Theil des Plexus. Der N. axillaris wird bald der Einen,
bald der anderen Gruppe zugetheilt. ^) N. thoracicus s. pectoralis post. Krause. Bran-
clies des muscles angulaire et rhomboide Cruv. ^) Hasse, anatom. Studien. Hft. 1.
Würzb. 1870, S. 9.
Plexus brachialis. 477
2. N. suprascapularis SJ^^^),
der motorische Nerve der Mm. sxipra - und infraspinatus , entspringt 2. Supra-
weiter unten vom lateralen Rande des fünften Cervicalnerven , vor dessen
Verschmelzung mit dem sechsten , seltener von dem vereinigten Stamme
beider, giebt öfters gleich nach dem Ursprünge dem M. scalenus medius
einen Zweig, der auch gesondert aus dem Stamme hervorgeht, und begiebt
sich geraden Wegs über den Ursprung des M. omohyoideus, zur Incisura
scapulae und durch dieselbe, unter dem Lig. scapulae transv. sup., in die
Fossa supraspinata. Mit den Aesten der A. transversa scapulae sendet er
Zweige in den M. supraspinatus und endet, indem er an der Basis des
Schulterkamms vorüber unter dem Lig. scapulae transv. inf. in die Fossa
infraspinata tritt, in dem Muskel gleichen Namens.
Von beiden Aesten des N. suprascapularis, aus der Fossa supra- und infraspi-
nata, kommen Aeste, die nach Eüdinger nicht ganz beständig sind, zur hinteren
Wand der Schultergelenkkapsel.
3. N. axillaris CIX'^).
Entspringt vom tiefen Strang in Verbindung mit dem N. radialis oder
mehr selbständig aus der vordersten der den tiefen Strang ziisammen-
setzenden Wurzeln, die von dem combinirten fünften und sechsten Cei-vical-
nerven stammt. Geht mit den Vasa circumflexa humeri postt. durch die
Lücke zwischen den Mm. teres maj. und minor an der lateralen Seite des
M. anconeus long, zur Rückseite des Armbeins und zerfällt unter dem M.
deltoideus in drei clivergirende, meist schon früher gesonderte Zweige. Der
stärkste geht eine Strecke in der Richtung des Stammes weiter und ver-
ästelt sich dann in dem M. deltoideus von dessen unterer Fläche aus; ein
schwächerer Ast wendet sich am hinteren Rande des M. deltoideus aufwärts
zum M. teres minor; ein anderer, R. cutaneus humeri'^), dringt zwischen
dem hinteren Rande des M. deltoideus und dem M. anconeus longus hervor,
durchbohrt die Fascia und versorgt mit theils queren, theils absteigenden
Aesten die Haut der Rückenfläche des Oberarms.
Von dem Stamme des N. axillaris gehen ein oder zwei Fäden zur
vorderen, zuweilen auch zur hinteren Wand der Schultergelenkkapsel (Rü-
din ger). Ein constanter Endzweig des N. axillaris läuft am lateralen
Rande des Sulcus intertubercularis aufwärts, giebt Fäden an den Knochen,
die Sehnenscheide des M. biceps und scheint in der Kapsel des Schulter-
gelenks zu enden (Raub er, über die Knochennerven des Oberarms und
Oberschenkels. München 1870, S. 14).
^) N. scajmlaris Bock. N. scapul. sup. aut. N. scapularis medius Lussana ("Mouo-
gratia delle neuralgie bracchiale. Milano 1859). ^) N. circumflexus. N. circumßexus
'humeri. N. articularis. ^) N. cutaneus brachii iiost. iV. cutaneus sup. Bock.
478
Plexus brachialis.
Var. In einem von Turner (Journ. of anat. 2. ser. Nro. IX, p. 100) berich-
teten Falle kam vom N. axillaris , statt von einem N. subscapularis, der Zweig zum
M. teres major.
Fig. 271 a. '
Scmd
Unterer Seitentheil des Halses und geöffnete Achselgrube von einem Kinde. Das Schlüs-
selbein (ff) ist in der Nähe des acromialen Endes durchsägt und das letztere [mit dem
Schulterblatt und der Extremität seitwärts abgezogen. M. Pect. maj. durchschnitten, die
Ursprünge der clavicularen Portion {Pmp) und der sternocostalen {Pmj^} zurückgeschla-
gen. Pmj + Insertionssehne dieses Muskels. M. pectoralis minor (Pm) gleichfalls von
der Insertion abgeschnitten und abwärts umgelegt. Äa M. serrat. ant. ScaM. scalen.ant.
Scmd M. Scalen, med. Lx M. levator scap. Ld M. latiss. dorsi, TmJ M. teres major,
Plexus brachialis.
479
4. Nn. subscapiilares SS.
In der Regel drei an der Zahl, die den Mm. subscapularis, teres maj. i.Subscapui.
nnd latissimus dorsi ihre motorischen Fasern zuführen. Der obere, der
Fiff. 271 b.
beide an der Insertion abgeschnitten. itZ+ Insertionssehne derselben. Ss M. subscap.
Tm M. teres minor. D M. deltoid. Ai M. ancon. int. AI M. ancon. long., am Ursprung
abgeschnitten. * Dritte Rippe. scZ N. subclavius. ip N. tborac. post. me Stumpf des
N. median, ds N. dorsalis scap. sps N. suprascapularis. ss\ ss'-^, ss^ Nn. subscapul.
ax N. axill. cÄ N. cutan. humeri. cmd N. cutan. medialis. ic^ R. cut. n. intercost.
II. tp N. thoi-ac. post. V Stumpf des N. ulnaris. ta Nn. thorac. antt.
eigentliche N. subscapularis, der sich bald in zwei Aeste theilt und häufig
doppelt aus dem Plexus hervorgeht, .entspringt von dem Bündel , mit wel-
480 Nn. thorac. post. und antt.
chem der fünfte und sechste Cervicalnerve zur Bildung des hinteren Strangs
des Plexus beitragen, öfters auch von diesem Bündel nach dessen Vereini-
gung mit einem Bündel vom siebenten Cervicalnerven. Die beiden folgenden
Nn. subscapulares nehmen ihren Ursprung vom hinteren Strang vor seiner
Theilung oder von einen der beiden Nerven, in die er sich theilt, dem
Axillaris oder Radialis. Der Nerve des M. subscapularis ^) senkt sich nach
kurzem Verlauf in der Nähe des oberen Randes des Schulterblatts in seinen
Muskel ein; der Nerve des M. teres maj. 2) verläuft schräg lateralabwärts
gegen den Ursprung dieses Muskels, vor dem M. subscapularis, dessen late-
ralen Rand er mit einigen kurzen , feinen Zweigen versieht ; der Nerve des
M. latiss. dorsi ^) geht ungefähr von der Mitte des lateralen Randes des
Schulterblatts auf den genannten Muskel über und zieht, nach beiden Seiten
Aeste aussendend, an dessen innerer Fläche und dem Rande desselben pa-
rallel bis zur Lendengegend herab.
5. N. thoracicus post. tp^).
5. Thorac. Setzt sich in der Regel aus drei feinen Aesten zusammen, die aus der
^°^ ' ersten und zweiten, seltener aus der dritten Wurzel des Plexus brachialis
entspringen und durch den M. scalenus medius lateralwärts absteigen , von
denen der unterste auch wohl vor diesem Muskel vorübergeht. Sie ver-
einigen sich über den Insertionen der Mm. scaleni ant. und medius zu einem
einfachen Geflecht, aus welchem ein paar feine Zweige und ein stärkerer,
längerer Ast ihren Ursprung nehmen, jene zur obersten Zacke, dieser auf
der äusseren Fläche des M, serrat. ant. bis zu dessen imterster Zacke her-
absteigend und vor- und rückwärts Zweige aussendend.
6. Nn. thoracici antt. tCl.
6. Thorac. Zwei Aeste^), der Eine von dem combinirten fünften und sechsten, der
*"**■ andere vom siebenten Cervicalnerven, wozu häufig noch ein dritter aus
dem vom achten Cervical - und ersten Dorsalnerven gebildeten Stamme oder
aus dem tiefen Strang des Plexus kommt. Der Eine über, die andere unter
der A. subclavia verlaufend, treten sie unter dem Schlüsselbein auf die Vor-
derfläche des Thorax und vereinigen sich, bedeckt vom M. pectoralis major,
in einem Geflecht, aus welchem eine Anzahl von Aesten in die untere Fläche
der Mm. pectoralis major und minor, einige auch durch den tieferen dieser
beiden Muskeln in den oberflächlicheren eindringen.
Der oberste N. thoracicus giebt einen feinen Faden zum Acromio-Cla-
viculargelenk (Bock).
^) N. suhsccqnänris sup. Nn. subscapularis sup. und inf. Cruv. 2) N. subscapularis
medius. ^) N. subscaptdaris inf. s. longus. N. inarginalis scapulae. N. thoraclco-dorsalis
Krause. A'. thoracicus long. Baur. *) N. pectoralis post. N. thoracicus lateralis s. me-
dius s. longus. N. respiratorius ext. Bell. '') vV». thorac. ext. und int. Hyrtl. iVn. tho-
rac. ant. und post. Cruv. iVw. thorac. antt. maj. und minor Sappey.
N. subclavius. Nn. ciitanei medial, und med. 481
Meckel, Arnold und Valentin schreiben den Nu. thoracici feine, den M.
pectoralis maj. durchbohrende Hautäste zu, die sich namenthch iu der Haut der
Mamma verbreiten sollen. Eckhard (Beitr. zur Anat. und Physiol. I, 3) zählt
ebenfalls unter den Nerven, die der Haut der Mamma Aeste geben, die Tho-
racici antt. auf; in der Abbildung, die seine Abhandlung begleitet, fehlen sie.
Mehrere Handbücher rechneten zu den Muskeln, die von den Nn. thorac. antt.
Aeste empfangen, die Clavicularportion des Deltoideus. Mit Recht beschreibt dies
Turner (Nat. hist. review 1864, p. 614) als Varietät, von der ihm übrigens nur
Ein Fall begegnete.
7. N. subclavius SCl.
Ein feiner Ast, der aus dem fünften Cervicalnerven, am häufigsten in 7. Subciav.
Verbindung mit einer Wurzel des N. phrenicus entspringt und über den
M. scalenus ant. vor -median -abwärts zu seinem Muskel zieht (Fig. 269*. 271).
b. Lange Nerven.
ß. H a u t n e r V e n.
1. N. cutaneus medialis Cind'^).
Theilt sich mit dem lateralen Hautast des zweiten Intercostalnerven ^) b. Lange
in die Versorgung der Haut der Achselgrube und der medialen Fläche und «.Hautnerv.
des unteren Theils der Rückenfläche des Oberarms (Fig. 271. 272). med^af"'
Der N. cutaneus medial, entspringt von der hinteren Seite des imteren
Strangs des Plexus brachialis. Seine Stärke steht im umgekehrten Verhält-
niss zur Stärke des genannten Intercostalnervenzweigs , durch den er auch
völlig ersetzt werden kann. Sind beide Nerven vorhanden, so laufen sie~
entweder gesondert neben einander am Oberarm herab , der Ast aus dem
Plexus hinter dem aus dem Intercostalnerven oder sie verbinden sich
durch eine quere Anastomose oder vereinigen sich spitzwinklig zu Einem
Stämmchen,
Von den Achselgrubenzweigen schlägt sich einer um die Sehne des M.
latissimus dorsi herum aufwärts zur Scapulargegend. Einer der Oberarm-
zweige tritt schon in der Achselgrube, ein zweiter in der Mitte des Ober-
arms durch die Fascie hervor; der letztere wendet sich rückwärts und en-
det in der Gegend des Olecranon.
2. N. cutaneus medius CWl^).
Entsteht aus dem unteren Strang des Plexus oder aus dem N. ulnaris 2. Cut. med.
oder mit zwei Wurzeln aus beiden und verläuft subfascial bis zum unteren
■'■) N. cutaneus int. aut. iV. cutaneus int. minor Wrisb. Wri sb er g' scher Nerve.
Accessorius cutanei int. Cruv. Die älteren Anatomen, Meckel eingeschlossen, beschreiben
diesen Nerven als einen Ast des N. cutaneus medius oder des N. ulnaris (N. cutaneus int.
sup.). ^) yV. intercosto-humeralis Hyrtl. ^) A^. cutaneus int. Meckel.' iV. cutaneus Int.
major.
Heule , Anatomie. Bd. III. Abthlg. 2. 31
482
N. cutaneus medius.
Fig. 272.
Pm
N. cutaneus lateralis. 483
Drittel des Oberarms, wo er sich diircli denselben Schlitz, durcb den die
V. basilica zur V, brachialis gelangt (Muskell. Fig. 123**), auf die Aussen-
fläcbe der Fascie begiebt. Ein collateraler Ast oder einige ^) werden in der
Regel schon von der Gegend der Insertion des M. pectoralis maj. an sub-
cutan und verlaufen an der Vorderfläche des Oberarms herab bis zur Ellen-
bogenbeuge. Der Stamm zerfällt noch unter der Fascie in zwei Hauptäste,
die von der Austrittsstelle an spitzwinklig divergiren (Fig. 272). Der Eine,
R. anterior 2), begleitet die V. basilica und dann mit seinen Verzweigungen am
Unterarm auch die V. mediana bis zum Handgelenk, versorgt also vorzugs-
weise die Haut der Vorderfläche des Unterarms ; der andere , R. ulnaris ■^),
theilt sich in Zweige, welche successiv um den Ulnarrand des Unterarms
auf dessen Rückseite treten; einer der oberen pflegt durch strafi^es Binde-
gewebe an die untere Fläche der Spitze des medialen Epicondylus befestigt
zu sein. Die unteren erstrecken sich bis zum Handgelenk und legen sich
zum Theil an Zweige des R. dorsalis n. ulnaris an.
Der Zweig des R. anterior, der in der Ellenbogenbeuge das Verbin-
dungsgefäss zwischen den Vv. mediana und basilica (V. mediano -basilica)
kreuzt, liegt häufiger unter, als über der Vene (Krais)'^).
Nach Cruveilhier giebt der N. cutaneus med. einen Zweig zur Kapsel des
EUenlDOgengelenks , der sich hoch oben am Oberarm vom Stamme trennen und
unter der V. basilica gegen den medialen Epicondylus verlaufen soll.
Var. Der N. cutan. med. geht nahe dem M. coracobrachialis durch eine
kleine Vene (Deville, buUetin de la soc. anat. 1849, ]). 8).
3. N. cutaneus lateralis Cl^).
Der erste Ast des oberen Strangs, zu welchem nebst dem fünften und 3. Cutau.iat.
sechsten Cervicalnerven Bündel des siebenten beitragen; häufig so weit
hinab mit dem N. medianus verbunden , dass er als ein Ast desselben er-
scheint. Er trennt sich von dem Bündel der Armnerven , um sich dem M.
coracobrachialis zu nähern, dem er zuerst einen dünnen motorischen Zweig
ertheilt (Fig. 272) und den er dann (Muskellehre S. 191) steil lateralwärts ab-
steigend durchsetzt. In gleicher Richtung zieht er zwischen den Mm. biceps und
Zu Fig. 272.
Oberarm und oberer Theil des Unterarms , mediale Fläche , die Haut an der vorderen
Fläche gespahen und mit den Nerven medianwärts zurückgeschlagen. Pm Insertion
des M. pect. min. D M. deltoid. Pmj Insertionssehne des M. pect. maj. Cb M.
coracobrach. S M. biceps. Bi M. brachial, int. Ai, AI M. ancon. int. und long.
Ld Sehne des M. latiss. dorsi. Tmj M. teres maj. me, nie N. medianus, aus wel-
chem das am Oberarm verlaufende Stück ausgeschnitten, uu N. ulnaris, desgl. ra N.
radial, cps, cjJt R- cutan. post. sup. und inf. desselben, cm N. cutan. med. cmd
N. cutan. medial. *vgl. S. 496.
^) Rr. cutanei bracJiü Arnold. ^) R. cutaneus palmaris Wrisberg (Klint, Ludwig
Script, neurol. min. III, 141). R. volaris antihracMi Arnold. R. intern, ant. s. cnhitalls
Cruv. ^) R. cutaneo-ulnaris Wrisberg. R. ulnaris antibrachü Arnold. R. dorsalis
antihracMi Luschisa. R. intern, ijost. s. epitrochlearis Cruv. ^) Chirurg. Anatomie der
Ellenbogenbeuge. Tübingen 1847. ^) N. cutaneus ext. aut. N. musculo-cutaneus. N.
perforans Casserii. R. niagnus n. medianl Arnold.
31*
484 N. cutaneus lateralis.
brachialis int. hindurcli, giebt auf diesem Wege einen Ast abwärts, der
sich von hinten her in die beiden Köpfe des M. biceps vertheilt und einen
zweiten, der sich am unteren Drittel des M. brachialis int. in die Vorder-
fläche dieses Muskels einsenkt (Fig. 273). Zuweilen folgt noch ein dritter,
der weiter unten in den lateralen Rand des Muskels dringt. Von den mo-
torischen Aesten des M. biceps (Cruv eil hier) und des M. brachialis int.
(Rüdinge r) kommen Zweige zur vorderen Wand der Kapsel des Ellen-
bogengelenks.
Der von Cruv eil hier bescliriebeue G-elenkzweig durchbohrt deu M. biceps
und tritt an der lateralen Seite desselben aus; Rü ding er 's G-elenknerve zweigt
sich von einem der Muskeläste des Brachialis int. ab , läuft auf der vorderen
Fläche dieses Muskels abwärts, begleitet eine Strecke weit die A. brachialis auf
dem Lig. intermusculare mediale und gelangt nach Abgabe eines Zweiges zur
Tascie mit der A. collateralis uln. inf. unter den M. brachialis int. und zur
Kapsel.
Am unteren Ende des Sulcus bicipitalis lat. angelangt, tritt der Rest
des Nerven ^) , nachdem er einige feine Aeste an die Haut über dem Ellen-
bogen abgegeben hat, durch eine Oeffnung derFascie (MsklehreFig.123* * *)
hervor und setzt seinen Weg unter der Haut am Radialrande des Unter-
arms fort. Dabei spaltet er sich spitzwinklig in zwei parallele, am Unter-
arm anastomosirende Aeste , einen feineren , der in der Nähe des Handge-
lenks auf die Vorderfläche des Unterarms übergeht, und einen stärkeren,
welcher sich allmälig mehr auf die Rückseite des Unterarms wendet und
mittelst seiner Endverzweigungen Verbindungen mit dem Dorsalast des N.
radialis eingeht.
Aus dem Stamm des N. cutaneus lat. entspringt in der Eegel der Diaphysen-
nerve des Armbeins, ein Tädchen, Avelches die A. profunda brachii begleitet , von
ihr auf die A. nutritia übergeht und mit ihr in die Markhöhle eindringt (Kl int,
a. a. 0. S. 125. Goering, de nervis vasa praecipue exti-emitatum adeuutibus.
Jenae 1834, p. 13. Beck, über einige in Knochen verlatifenden und an der Mark-
haut derselben sich verzweigende Nerven. Treib. 1846. S. 14. Rauber, Kno-
chennerven , S. 13). Zur vorderen Wand der Kapsel des Eadiocarpalgelenks ver-
folgte Cruveilhier einen der Endzweige des vorderen Astes des N. cutaneus lat.
Häufig (unter 10 Fällen Einmal Grub er) geht der N. cut. lateralis statt durch
den M. coracobrachialis , hinter demselben herab. Seltener durchbohrt er nach
dem M. coracobrachialis noch den M. brachialis int. Bei Anwesenheit eines drit-
ten Kopfs des M. biceps geht der Nerve bald vor, bald hinter diesem supernume-
rären Kopf an den lateralen Rand des Arms (Calori, Mem. dell' accad. di Bo-
logna 2. ser. VI, 149). Einmal gab der N. cutaneus later. in der Mitte des Ober-
arms einen feiuen Zweig ab, der die A. brachialis begleitete und sich im Binde-
gewebe der Ellenbogenbeuge verlor (Turner, Journ. of anat. IX, 100).
Zu Fig. 273.
Ober- und Unterarm, mediale Fläche, der Unterarm in Pronation. Die Haut an der hin-
teren Fläche gespalten und vorwärts umgeschlagen. D M. deltoid. Cb M. coracobrach.
Pmj Insertionssehne des M. pector. maj. B M. biceps, obere Hälfte, seitwärts umgelegt.
B' Insertionssehne desselben. Ai, AI M. ancon. int. und long. Bi M. brach, int Tmj
M. teres maj. Ss M, subscap. ra Stumpf des N. rad. , me des N. median., u des N. ul-
naris. cpi N. cutan. post. inf. * Stumpf der A. brachialis.
■') 11. ctUaiieus s. superficial
N. ciitaneiis lateralis.
Fig. 273.
cl
485
486 N. medianus.
ß. Tiefe Nerven.
1. N. medianus 7}te^).
1. Tiefe Nv. Die Zusammensetzung dieses Nerven aus zwei, die A. axillaris umfas-
1. Median, gg-^^jgjj 'W'urzeln hiibe ich bereits besclirieben. Durch sie erhält der Stamm
Fasern aus sämmtlichen, an der Bildung des Plexus brachialis betheiligten
Nerven. Er liegt zuerst vor der A. brachialis und tritt allmälig so weit
über dieselbe hinweg auf deren mediale Seite, dass der Abstand zwischen
beiden in der Ellenbogenbeuge etwa 4 Mm. beträgt.
Dem Oberarm giebt der N. medianus feinen Zweig, doch lösen sich
noch über der Ellenbogenbeuge von seinem medialen Rande die ersten Aeste
zu den Muskeln der Beugeseite des Unterarms unter spitzem Winkel ab,
gewöhnlich zwei , die unter dem M. pronator teres verschwinden und in
mehrere Fäden getheilt, in den oberflächlichen Theil der Muskelmasse ein-
dringen, die sich weiterhin in die Mm. pronator teres, palmaris long., radialis
int. und flexor dig. sublimis sondert. Von dem Stamme und von dem Mus-
kelast des Pronator teres begeben sich Fäden, die das Ende der A. brachialis
umspinnen, zur vorderen Wand der Kapsel des Ellenbogengelenks (Cru-
veilhier. Rüdinge r). Der Stamm gelangt sodann in den kurzen mus-
culösen Canal, den die oberflächliche ürsprungsmasse der genannten Mus-
keln mit der tiefen begrenzt (Muskell. S. 200) und spaltet sich noch
innerhalb desselben in zwei Aeste von ungleicher Stärke, einen oberfläch-
lichen und einen tiefen. Der oberflächliche Ast, die Fortsetziing des Stamms,
sendet alsbald einen Zweig zu dem M. flexor dig. sublimis, der sich zwi-
schen den Bündeln desselben durchwindet und gewöhnlich sämmtliche Köpfe
versorgt. Der tiefe Ast, N. interosseus dnt. (Fig. 274) -), giebt ebenfalls
bald nach seinem Ursprünge Zweige nach beiden Seiten, zum M. flexor pol-
licis long, und zum lateralen Theil, namentlich dem Zeigefingei-kopf des M.
flexor digit. prof., die sich vor dem Eintritt in ihren Muskel in feine Zweige
spalten, von denen einzelne ziemlich weit auf der Oberfläche des Muskels
herablaufen.
Ein unlaeständiges Aestclien dieses Nerven läuft in einem seitAvärts stark con-
vexen Bogen aufwärts, senkt sich zwisclien den Sehnen der Mm. biceps und bra.
chialis int. in die Tiefe und verbreitet sich in dem Bandapparat, der das Köpfchen
des Eadius um giebt (Rüdinger).
Zu Fig. 274.
Verästelung des N. medianus. Bi M. brachial, int. F' F' die durchschnittene tiefe
Ursprungsmasse der oberflächlichen Beugemuskeln. R R Radialmuskeln. B Tiefe In-
sertionssehne des M. biceps. Fpl M. flexor poU. long. Pq M. pronator quadr., der
Länge nach durchschnitten. J'^dp M. flexor dig. prof. Fds M. flex. dig. sublim. Pt,
Ri Mm. pronator teres und rad. int., abgeschnitten und zurückgeschlagen. Ri' Inser-
tionssehne des M. rad. int. cp N. cutan. palm. f Anastomose zum N. ulnar. * Lig.
inteross.
^) Mittelammerve. ^) R. profundus n. mediani. R. interosseus int. s. volaris. N.
pronatoris qziadratl.
N. medianus.
487
Fig. 274.
488 N. medianus.
Nachdem so sämmtliche Muskeln der Beugeseite des Unterarms , den
M. ulnaris int., einen Theil des Flexor digit. prof. und den M. pronator
quadrat. ausgenommen , mit motorischen Fasern versehen sind , geht
der Stamm des N. medianus in Begleitung der Arterie gleichen Na-
mens . zwischen dem oberflächlichen und tiefen Fingerbeuger , der N. in-
terosseus ant. in Begleitung der gleichnamigen Gefässe auf dem Lig. interos-
seum herab.
Der N. interosseus ant. ist am unteren Theil des Unterarms wesentlich
motorischer Nerve des M. pronator quadrat. Doch giebt er öfters, bevor
er unter diesem Muskel sich dem Auge entzieht, um sich in ihm zu ver-
theilen, noch einige feine supplementäre Fäden zu den beiden Muskeln, zwi-
schen denen er verläuft, und ferner überschreitet er den unteren Rand des
M. pronator quadr. mit feinen Aestcheu, die sich in der vorderen Wand der
Kapsel des Radiocarpalgelenks verlieren.
Der Stamm des N. medianus sendet ebenfalls öfters einen nachträg-
lichen Nerven in der Mitte des Unterarms zum Flexor dig. sublimis, und
zwar zu dessen Zeigefingerkopf. Weiter unten entsteht von seinem media-
len Rande ein feiner Hautast, N. Cutaneus pälmaris ^), der über dem Hand-
gelenk, am medialen Rande der Sehne des M. radialis int., die Fascie durch-
bohrt und seine Aeste in der Haut des unteren Endes des Unterarms , des
Daumenballens und des nächst angrenzenden Theils der Volarfläche der
Hand verbreitet (Fig. 274).
Mit den Sehnen der Beugemuskeln der Finger, auf der Schleim scheide,
welche sie umhüllt, passirt der N. medianus den Canal, den das Lig. carpi
volare propr. überbrückt. So weit er in diesem Canal liegt, zeichnet er
sich durch seine abgeplattete Form aus. Noch innerhalb desselben scheidet
er sich in zwei kaum divergirende Aeste, von denen in der Regel der dem
Daumen nächste der schwächei-e ist. Dieser versorgt nämlich , nebst
den Muskeln des Daumenballens , drei Fingerränder , die beiden Rän-
der des Daumens und den Daumenrand des zweiten Fingers, während der
mediale Ast sich in vier Zweige für die einander zugewandten Ränder des
zweiten, dritten und vierten Fingers spaltet (Fig. 275). Doch erfolgt zuweilen
die erste Theilung auch in der Weise, dass der laterale Ast fünf, der mediale
nur zwei Fingerränder zu versehen hat. Der Zweig für die Muskeln des
Daumenballens, Abductor pollicis br. und opponens, entspringt noch inner-
halb des Rohrs, dessen vordere Wand vom Lig. carpi vol. gebildet wird,
und krümmt sich beim Austritt aus dem Rohr in steilem Bogen rückwärts zu
den Ursprüngen der Muskeln (Fig. 275). Der Rest des Astes theilt sich sodann
zunächst in einen Daumen- und einen Zeigefingerzweig. Der Daumen-
zweig giebt zuweilen einen supplementären Faden dem M. abductor poll.
br., der in der Mitte des Muskels eintritt, und zerfällt gabelförmig in die
beiden Zweige, die am radialen und ulnaren Rande des Daumens hinziehen ;
vom ulnaren Daumen- wie vom radialen Zeigefingerzweige empfängt die
zwischen beiden Fingern ausgespannte Hautfalte zahlreiche Aeste. Der
Zeigefingerzweig giebt ausserdem in der Mitte der Hand ein Fädchen dem
ersten M. lumbricalis. Der mediale Endast des N. medianus theilt sich in
^) N. cut. xialm. longus aut. N. cutaneus pälmaris antihrachii Arnold.
N. medianus.
489
zwei Aeste, Br. digitales communes^), deren jeder wieder in zwei
Zweige für die einander zugewandten Ränder des zweiten und dritten,
des dritten und vierten Fingers zerfällt. Der erste dieser Aeste schickt vor
seiner Theilung einen Faden zum zweiten Lumbricahnuskel ; der zweite ver-
Fio- 275. -•"
Nerven der Hohlhand. Die Aponeurosis volaris entfernt, das Lig. carpi vol. propr. (*") der
Länge nach geöffnet, i^, L^ erster und zweiter M. lumbricalis. * A. ulnaris. u Ober-
flächl., v! tiefer Ast des N. ulnaris. wie'N. medianus.
sorgt zuweilen den dritten Lumbricalmuskel , und nimmt einen beständigen
anastomotisclien Ast vom N. ulnaris auf (s. diesen). Nerven zur Haut der
1) Rr. volares comm.
490 N. ulnaris.
Hohlhand entspringen aus dem medialen Endast des N. medianns, aus dem
Theilungswinkel desselben in die beiden Rr. digitales comm. und aus dem
Theilungswinkel der letzteren, der sich bald in der Mitte der Hand, bald
den Fingercarpalgelenken gegenüber befindet. Sie erreichen in geradem
Verlauf, mit einander anastomosirend und Bündelcben an die Fingernerven
zurücksendend , den vorderen Rand der Volaraponeurose, von welchem aus
sie in die Haut der Fingerballen ausstrahlen. Die Hautfalten zwischen den
Fingern erhalten ihre sensibeln Zweige von den Randnerven der Finger.
Alle diese Nerven liegen in der Hohlhand über den Sehnen der Finger
und soweit die Synovialscheide dieser Sehnen sich erstreckt, unmittelbar
auf derselben. Der Arcxis volaris subl. zieht über den Nerven hin, an den
Fingern aber treten die Arterien hinter die Nerven ; zuweilen durchbohrt
eine A. digit. comm. den entsprechenden Nerven schon in der Hohlhand.
Der weitere Verlauf und die Verästelung der Nerven an den Fingern wird
später beschrieben werden.
Vom radialen Rande des tiefen Zweigs des N. medianus entspringt nach Ea üb er
(lieber die Nerven der Knoclienhaut und Knochen des Vorderarms und Unterschenkels.
München 1868) ein Nerve, der einen Ast in das For. nutritium des Eadius sendet und
sich dann in zwei ungefähr gleiche feine Zweige spaltet. Von diesen bleibt der
Eine auf der Radialseite des Lig. interosseum , der andere tritt über die Vasa
interossea hinweg an dessen Ulnarrand. Der radiale Zweig scheint dem Ligament
anzugehören; er lässt sich zwischen den Platten desselben bis unter den M. pronator
quadr. verfolgen. Der ulnare ZAveig giebt den in das For. nutritium eintretenden
Knochennerven der Ulna ab. Der Knoclienneiwe des Radius kann auch von einem
motorischen Nerven des M. flexor poU. long, entspringen.
Var. In einem von W. Grub er beobachteten Falle (Archiv für Anat. 1867,
S. 552) verlief der N. medianiTs über den M. pronator teres und trat erst am un-
teren Rande dieses Muskels in die Tiefe. Derselbe Autor beschreibt (Oesterr. Ztschr.
für prakt. Heilk. 1866, Nr. 7) einen Fall, in welchem der N. median, schon
hoch am Unterarm den N. digit. comm. für den dritten und vierten Finger abgab ;
dieser Nerve durchbohrte den Mittelfingerbauch des M. flexor dig. sublimis und
lief unter der Aponeurose zur Hohlhand , in Avelcher er sich auf die geAvohnte
Weise spaltete. Cruveilhier sah den N. interosseus ant. hinter dem M. pronator
quadr. das Lig. inteross. durchbohren , eine kurze Strecke an der Rückseite des-
selben verlaufen und dann an dessen Vorderfläche zurückkehren, um sich im M.
pronator quadr. zu verästeln.
2. N. ulnaris 11^).
2. Ulnar. J^nft, dem unteren Strang und vorzugsweise aus den unteren Wurzeln
des Plexus brachialis entstanden, geht der N. ulnaris hinter dem medialen
Lig. intermusculare, nicht selten zwischen Bündeln des M. anconeus , am
Oberarm herab; am Ellenbogengelenk liegt er auf der Rückseite des me-
dialen Epicondylus in der nach ihm benannten Rinne; er gelangt an die
Vorderseite des Unterarms, durch die Lücke zwischen den beiden Ursprün-
gen des M. ulnaris int. (Bdl. Fig. 63) und nimmt im Schutze dieses Mus-
kels, auf dem M. flexor dig. prof., seinen Weg zum Handgelenk. Hier er-
scheint er (Gefässl. Fig. 78),. unter der Sehne des M. ulnaris int., an der
•'•) N. cubitalis. Ellenbogemierve.
N. ulnaris.
491
Fiff. 276.
medialen Seite der Vasa
ulnaria, die etwas ober-
halb der Mitte des Unter-
arms zu ihm stossen. In
der glatt ausgekleideten
Rinne, welche von der la-
teralen Fläche des Erbsen-
beins, dem an dasselbe an-
gehefteten Zipfel des Lig.
carpi commune luid dem
Lig. carpi volare propr. be-
grenzt wird (Bdl. S. 97),
zerfällt der Nerve in seine
beiden Endäste, den ober-
flächlichen und tiefen.
Von coUateralen Aesten
entspringen die ersten, ne-
ben feinen Fäden zur hin-
teren Wand der Ellen-
bogengelenkkapsel (Cru-
veilhier, Eüdinger),
unter dem Epicondyluskopf
des M. ulnaris int. Es sind
Muskelzweige, zwei oder
drei feinere, welche nach
einander in den M. ulnaris
int, eintreten, und ein
stärkerer, der den medialen
Theil des M, flexor dig,
profundus versieht.
Sodann zweigt sich am
oberen Drittel des Unter-
arms vom lateralen Rande
des Stamms, noch eine
Strecke weit mit ihm ver-
bunden, ein in der Re-
gel sehr feiner [Nerve,
Zu Fig. 276.
Verästelung des N. ulnaris.
Vi M. ulnaris int. zurückge-
schlagen. Fdp M. flexor dig,
prof. Ph M. palm. br. mit der
Haut des Kleinfingerballens zu-
rückgeschlagen. * A. ulnai'is.
pu B.. palmaris, du R. dorsalis
N. ulnaris. "f Communications-
ast zum N. medianus.
492 N. ulnaris.
B.palmaris {ulnaris) (Fig. 276) ^), ab, der durch seine Beziehung zur A. ulnaris
merkwürdig ist. Er begleitet die Arterie, indem er ihr von Strecke zu Strecke
Fädeben zusendet, bis zum Arcus volaris sublimis und giebt Hautäste
ab , die die Fascie durchbohren. Aber die Hautäste sind unbeständig,
treten an wechselnden Stellen hervor und können ganz fehlen; danach
variirt die Stärke des Nerven. Die der Arterie zugehörigen Fasern dagegen
werden niemals vermisst und so haben wir, während sonst die Gefäss-
nerven nur mühsam darstellbare Zweige sensibler Aeste sind, hier einen
wesentlich vasomotorischen Nerven vor uns, der sensible Zweige aussendet.
Es finden sich deren einer oder zwei am unteren Ende des Unterarms, die
sich gegen die Handwurzel verbreiten, oder der R. palmaris spaltet sich
erst am Handgelenk in einen Hautast 2), der sich in der Gegend des Kleinfin-
gerballens verästelt, und einen tiefen Ast ^), der der Arterie in die Hohlhand
folgt und mit einem Fingerzweige des oberflächlichen Endastes des N. ulnaris
oder mit Gefässnerven, die aus einem solchen Aste hervorgehen, anastomosirt.
Der letzte und bedeutendste Collateralast des N. ulnaris wird als dessen
H. dorsälis bezeichnet (Fig. 276 du). Er verlässt den Stamm zuweilen schon in
gleicher Höhe mit dem vorigen, zuweilen erst weiter unten unter spitzem Win-
kel, schlägt sich unter dem Ulnarursprung des M. ulnaris int., zwischen dessen
Sehne und dem Knochen, auf die Rückenfläche des Unterarms, giebt Aeste
durch die Unterarmfascie an die Haut der Rückseite des Handgelenks und
tritt schliesslich selbst aus der Fascie hervor. Ueber dem Köpfchen der
Ulna zerfällt er in Zweige, die die mediale Hälfte des Rückens der Hand
und der Finger versorgen , in der Regel dergestalt , dass ein dünnerer Ast
längs dem Ulnarrande der Hand und des fünften Fingers sich erstreckt,
ein stärkerer sich auf dem Rücken der Hand zwei Mal gabelförmig theilt,
um die Rückenäste für je zwei einander zugekehrte Ränder der drei me-
dialen Finger zu bilden (Fig. 278). Indem der am Ulnarrande des dritten
Fingers hinziehende Nerve einen an astomotischen Zweig vom N. radialis von
wechselnder Stärke aufnimmt, erscheint er als Fortsetzung bald mehr des
N. ulnaris, bald mehr des Radialis.
Von den Endästen des N. ulnaris theilt sich der oberflächliche (Fig. 277)
in drei Aeste, Einen, der der Haut des Kleinfingerballens und dem M. pal-
maris brevis Aeste giebt, zuweilen auch dem vierten M. lumbricalis (Bock)
und dem M. abductor digiti quinti in der Mitte seiner Länge einen Zweig zu-
sendet, einen zweiten Ast für den ulnaren Rand des fünften Fingers, einen
dritten für die einander zugekehrten Ränder des vierten und fünften Fin-
gers. Zwischen den beiden letzten Aesten findet sich zuweilen eine Anasto-
mose mitten in der Hand. Von ihnen erhält, wie von den entsprechenden
Zweigen des N. medianus, die Haut des Handtellers ihre Nerven. Von dem
Stämmchen, aus welchem die Nerven für den vierten und fünften Finger
entspringen, geht der Verbindungsast aus, der sich dem nächsten N. digi-
talis comm. aus dem Medianus zugesellt und vom vorderen Rande dieses
Verbindungsasts kommen, wie erwähnt, einige feine Hautnerven und Ge-
fässnerven.
^) K. palmaris longus ulnaris Bock. R. palmaris longus Arnold. R. cuianeus pal-
maris n. ulnaris Küdinger. ^) Filum cutaneum anostomoi. Cruv. ^) Filum arteriae
ulnaris Cruv.
N. ul
naris.
493
Arloing und Tripiei' (Arcliives de physiol. 1869, p. 44) sind die Einzigen,
welche die von der Anastomose der Nn. ulnaris und medianus ausgehenden Ner-
ven beschreiben. Nach ihrer Angabe, die icli nicht zu bestätigen vermag, wären
es regelmässig vier Zweige, die sich an die Aa. digitales comm. anlegen und sehr
feine Fädchen zur Haut der ringerballen senden.
Der tiefe Eudast(Fig. 277), ein, von den Gelenkzweigen abgesehen, aus-
scbliesslicli motorischer Nerve, zerfällt, oft schon am Unterarm, in zwei Aeste.
Der Eine verzweigt sich dicht vor dem Erbsenbein in die drei Muskeln des
Kleinfingerballens; der andere giebt zuweilen noch einen oberflächlichen
Muskelast ab , senkt sich dann unter einer sehnigen Brücke zwischen
den Ursprüngen der Mm. abductor und flexor dig. quint. in die Tiefe
und verläuft unter den Sehnen der Beugemuskeln und über dem Arcus vo-
laris prof. wie dieser in fingerwärts convexem Bogen quer durch die Iland.
Von der Convexität des Bogens entspringen Fäden zum vierten , in der Re-
gel auch zum dritten M. lumbi-icalis und zu sämmtlichen Mm. interossei
der vier ulnaren Finger. Aus dem concaven Rande des Bogens gehen
Fig. 277.
Ädpi
Verästelung des R. prof. N. uln. Die Beugesehnen der Finger sind , nach Spaltung
des Lig. carpi vol. entfernt, bis auf die Insertionen der Mm. lumbricales KI und IV
(L^L*). Ahq, Fq Mm. abductor und flexor dig. quinti. Adp M. adductor pohicis.
Adp' Mittelfingerzacke desselben^ quer durchschnitten uud zurückgeschlagen. IcP- M.
inteross. dors. prim.
494 N. radialis.
feine Fäden zur vorderen "Wand des Handgelenks hervor (Rudi ng er). La-
teralerseits endet der Nerve in den Zacken des M. adductor pollicis und,
die Mittelhandknockenzacke durchbohrend, im M. interosseus ext. primus.
Var. Wenn ein M. epitroclileo-auconeus Grub er (Mskl. S. 197) vorhanden
ist, so giebt der N. ulnaris am Oberarm einen Zweig zu diesem Muskel. Ban-
kart, Pye-Smith imd Philips (Guy's hosp. rep. XIV, 436) sahen vom N. ul-
naris 5 Cm. über dem Ellenbogen gel enk Zweige zum M. ancoueus int. abgehen.
Drei Mal sah Gruber (Archiv für Anat. 1867, S. 560) den N. ulnaris an der Vor-
derfläche des medialen Epicondylus berabgehen und durch eine Spalte im Arm-
beinkopfe des M. ulnaris int. oder durch die Lücke zwischen seinen beiden Ur-
sprüngen an die Vorderfiäche dieses Muskels gelangen. In einem von M'". Krause
(Archiv für Chirurgie II, 142) beobachteten Falle ging der E. dorsalis n. ulnaris,
statt oberhalb des Capit. ulnae, erst unterhalb des Proc. styloid. ulnae , zwischen
diesem und dem Erbsenbein, auf den Haudrücken. An einem von mir präparir-
ten Arme gab der E. palmaris in der Hohlhaud Fasern an die einander zunächst
liegenden Er. digit. comm. der Nu. ulnaris und medianus ab. Die gewöhnliche
Anastomose zwischen beiden Nerven fehlte.
3. N. radialis va^).
Eadiai. Der stärkste unter den Aesten des Plexus brachialis, Fortsetzung des
tiefen Strangs desselben und, gleich dem N. medianus, aus Bündeln aller
fünf Wurzeln des Plexus zusammengesetzt. Der Stamm geht vor den Seh-
nen der Mm. latissimus dorsi und teres major und vor dem M. anconeus
long, schräg lateral-abwärts an die Rückseite des Armbeins, und in der
spiraligen Furche dieses Knochens, zwischen den Mm. anconeus brevis und
int., an dessen lateralen Rand. Unter dem Sehnenbogen , von welchem
die unteren Fasern des M. anconeus br. entspringen (Muskl Fig. 85), ge-
langt er in den Grund der tiefen Rinne zwischen Brachioradialis und
Brachialis int. Oberhalb des Ellenbogengelenks theilt er sich in zwei Aeste
von ziemlich gleicher Stärke, einen oberflächlichen, wesentlich sensibeln Ast,
der im Schutze des M. brachioradialis seinen Weg längs dem Unterarm zur
Hand fortsetzt, und einen tiefen Ast, der zwischen den Schichten des M.
supinator (Muskl. Fig. 107) zur Rückseite zurückkehrt und sich fast aus-
schliesslich an die Streckmuskeln des Unterarms vertheilt (Fig. 278).
Der erste collaterale Zweig des N. radialis, der noch diesseits des M.
anconeus long, öfters in Verbindung mit dem motorischen Aste dieses Muskels
abgeht, ist ein Hautnerve, iV. CMtowe^<s ^90si Stt^^. (Fig. 272. 278 2), der sich auf
der Rückenfläche des Oberarms bis in die Nähe des Ellenbogengelenks verfolgen
Zu Fig. 278.
Verästelung des N. radialis und des R. dorsalis n. ulnaris [du). D M. deltoid. Ah,
Ah M. anconeus brevis, der Länge nach durchschnitten, und nach beiden Seiten zu-
rückgeschlagen. B M. biceps. ß»- M. brachioradialis. RR Mm. radiales extt. long,
und br. Apl M. abduct. poll. long. Eph, Epl M. extensor poll. long, und br.
Eip M. extensor indicis propr. Ue M. ulnaris ext. Edc M. extensor dig. comm.
Su M. supinator. Aq M.''ancon. quart. Ai, AI Mm. ancon. int. und long, cpi N.
cutaneus post. inf. ij> N. inteross. post.
'•) Si)eichennerve. Armspindelnerve. Si)iralnerve der engl. Autoren. ^) R. aitaneua
int. Bock. 7?. euianens brachii int. Arnold.
N. radialis.
Fig-. 278.
495
496 N. radialis.
lässt. Es folgen die Aeste für die Muscnlatur der Streckseite , der eben
erwähnte Ast für den M. anconeus long. , der mit divergirenden Zweigen
nicht weit vom Urspriing des Muskels in dessen Yorderfläche eintritt , ein
Ast für den M. anconeus int. i), der, indem er am medialen Rande des Mus-
kels herabläuft, ihm zwei bis drei Fäden zusendet und zuletzt in dessen
unterem Ende sich verliert. In der Regel ist dieser Nerve während einer
Strecke seines Verlaufs dicht an den N. ulnaris angeheftet, ohne doch in
dessen Scheide eingeschlossen zu sein (Fig. 272 *). Zuweilen erreicht er mit
seinen letzten Verzweigungen die Kapsel des Ellenbogengelenks. Ein dritter
Muskelnerve ist dem Rest des M. anconeus int., dem Anconeus br. und
quartus bestimmt. Er läuft, nachdem er einen Ast an den M. anconeus
br. abgegeben, im Fleisch des anconeus int. herab, nähert sich dabei all-
mählich dem lateralen Rande des Arms und geht lateralwärts neben dem
Olecranon continuirlich in den M. anconeus quart. über. Auch von diesem
Nerven werden Zweige zur Ellenbogengelenkkapsel beschrieben.
Der Diaphysennerve des Armbeins, der in der Eegel aus dem N. cutaneus
lateralis entspringt, wird öfters, entsprechend der veränderlichen Lage des For.
nutritium, vom N. radialis oder von einem seiner Muskelzweige abgegehen. Aus-
serdem entsendet der N. radialis in der Gegend seines Eintritts zwischen die Köpfe
des M. triceps einen Periostzweig, der der Eichtung des Stammes folgt (Eauber,
über die Knochennerven, S. 14).
Während seines Verlaufs durch die spiralige Furche des Armbeins giebt
der N. radialis einen ansehnlichen Hautnerven ab , den N. Cutaneus post.
inf. (Fig. 272. 273. 278 2), welcher einfach oder getheilt am lateralen Rande des
Oberarms zum Vorschein kommt und sich über die Rückseite des unteren
Endes des Oberarms und des Unterarms bis ans Handgelenk ausbreitet. Er
begleitet den Stamm durch die Lücke unter dem Sehnenbogen des M. anco-
neus ext. oder bricht zwischen den Fasern dieses Muskels oder am unteren
Rande desselben hervor. Ein Zweig geht von der Axistrittsstelle in fast
querer Richtung um die Seitenfläche des Oberarms.
Von dem Stamme selbst geht, nachdem er sich in die Furche zwischen
Brachialis int. und Brachioradialis eingebettet hat, noch vor seiner Theiluug
öfters ein kurzer Ast medianwärts zum ersten der genannten Muskeln und
regelmässig ein Zweig abwärts in den zweiten, der sich mit feinen Fäden
bis in die Kapsel des Ellenbogengelenks fortsetzt (Rüdinger). Die dem
Brachioradialis-Zweige parallelen Fäden zu den Mm. radiales extt. longus
und brevis giebt der tiefe Ast ^) des N. radialis vor seinem Eintritt in den
M. supinator ab. Den M. supinator selbst versorgt er mit mehreren Zweigen
während seines Durchtritts. Sobald er auf der Rückseite des Arms zwischen
der oberflächlichen und tiefen Schichte der Streckmuskeln ins Freie gelangt
ist, sendet er einen starken Ast ulnarwärts, der sich alsbald in mehrere
Fäden für die Mm. extensor digit. comm. (mit Einschluss des Ext. dig.
quinti) und ulnaris ext. zerspaltet. Auf der tiefen Streckmuskelschichte
laufen zwei feinere Zweige abwärts, der Eine neigt sich radialwärts zu den
^) R. collateralis ulnaris n. radialis W. Krause (Archiv für Anat. 1864, S. 349).
^) A'. subcutaneus ext. ex radiali Klint. A. cutaneus ext. siq}. Bock. A'. cutaneus ext.
antibrachii, N. superficialis dorsa.Us radialis ctitaneus. ^) lt. muscularis.
N. radialis. 497
Mm. abductor poll. long, und extensor poll. br. ; der andere gebt , nacbdem
er den Mm. extensor poll. long, und indicis propr. Aeste abgegeben, als N.
interosseus post. zwischen den beiden tiefen Muskelpaaren oder durch die
ürsprungsbündel des M. extensor poll. long, auf dem Lig interosseum zur
Hand und unter dem Fach, in welchem die Sehnen des M. extensor dig. comm.
am Handgelenk enthalten sind, bis zu den Basen der Mittelhandknochen,
mit feinen Fäden in die Kapsel der Handgelenke sich verlierend.
Cruveilliier nennt den letzten Theil des Nerven grau und knotig und
Hirschfeld und Leveillt§ (pl. L. Fig. 1, 10) bilden ein längliches Knötchen des-
selben ab, das ich nur für eine Abplattung halten kann.
Nach Rüdin ger (Geleuknerven S. 15) spaltet sich das Stämmchen des N.
interosseus post. auf der Kapsel des Radiocarpalgelenks dichotomisch meist in
drei bis vier Fäden, welche divergirend gegen die Basen der Mittelliandknochen
verlaufen. Sie geben dann nochAestchen den Bändern der Handwurzelknochen,
insbesondere der Kapsel des Carpalgelenks, gelangen zu dem Carpometacarpal-
gelenk, meist so, dass gegen zwei Handwurzelknochen ein Fädcheu hinzieht und
können bis in den oberen Theil der Intermetacarpalräume verfolgt werden. Wie
Eaub er (Vater'sche Körper der Bänder- und Periostnerven. Neustadt 1865, S. 6)
hinzufügt, erhält jeder dieser Intermetarcarpalnerven Verstärkung durch einen
Zweig des R. prof. n. ulnaris, und theilt sich dann in zwei Aeste, welche an die
beiden, den Intermetacarpalraum begrenzenden Ränder der Mittelhandkuochen
und des Fingercarpalgelenks treten. Ihr Verlauf variirt vielfach ; den entspre-
chenden Nerven des ersten lutermetacarpalraums sah Raub er beständig in sie-
ben Zweige zerfallen. Zwei laufen rückwärts, von denen der Eine sich an die
Arterie hält, der andere die radiären Bänder der Handwurzel versorgt ; der dritte
und vierte ziehen quer zu den Bändern der Basen des ersten und zweiten , der
fünfte zur Ulnarseite und dem Periost des ersten Mittelhandknochens ; der sechste
verbindet sich mit dem dorsalen radialen Aste des zweiten Fingers und läuft
auf dem M. inteross. ext. primus nach vorn zum zweiten Fingercarpalgelenk ; der
siebente anastomosii't mit dem R. prof. n. ulnaris und läuft in die Tiefe zum
Gelenk.
Kehren wir zum oberflächlichen Ast ^) zurück (Fig. 278), so sehen wir den-
selben unverästelt an der Vorderfläche des Bauchs des M. brachioradialis herab-
gehen und unter dessen Sehne auf die Rückseite des Unterarms übertreten,
von wo er, in zwei Aeste gespalten, den Radialrand der Hand erreicht.
Der laterale Ast 2) hängt in der Regel durch eine kurze Schlinge mit dem
N. cutaneus lat. zusammen, sendet Zweige an die Haut des Daumenballens
und endet als radialer Rückennerve des Daumens. Der mediale Ast zerfällt
durch wiederholt gabiige Theilung in vier Zweige, die, eigentlich symme-
trisch mit dem R. dorsalis N. ulnaris, die einander zugewandten Ränder
des Daumens, zweiten und dritten Fingers versehen; doch wird, wie schon
beim N. ulnaris erwähnt, die Symmetrie häufig gestört durch einen an der
Basis der Finger vom Mittelfingerzweige des Radialis zu dem des Ulnaris
oder umgekehrt verlaufenden anastomotischen Zweig, der dem Einen oder
anderen Nerven ein Uebergewicht verschafft.
So reichen auch in der Haut des Handrückens bald die ulnaren, bald
die radialen Zweige über die Mittellinie der Hand hinaus.
Gruber (Neue Anomahen. Berlin 1849. S. 32) sah an der Theilungsstelle des
N. radialis in den R. profundus und superficialis den letzteren doppelt abgehen.
1) R. dorsalis s. cutaneus. ^) R. volaris Klint. R. anterior Bock. R. marginaUs
Arnold.
Heule, Anatomie. Bd. III. Abthlg. 2. 32
498 Plexus brachialis.*
Der äussere beider Zweige entspricht dem normalen E. superficialis, der innere
durclibohrt den M. supinator , zieiit mit der Art. radialis am Vordei'arm hinab
und begiebt sicli zwischen der Sehne des M. brachioradialis luid dem Knochen auf
die Eückseite , um hier wieder mit dem äusseren Aste zusammenzufliessen. In
einem von Turner (Journ. of anat. IX, 100) mitgetheilten Falle drang der N. in-
terosseus post. bis in die Hand und gab die Aeste zu den einander zugekehrten
Rändern des zweiten und dritten Fingers.
Variet. des Nachdem ich bei den einzelnen Nei-ven des Plexus brachialis die Varietäten ihres
Piex. brach. Yerlaufs und ihrer Verästelung angegeben habe, bleiben noch die Anomalien auf-
zuzählen, welche in ungewöhnlichen Vei-bindungen der Armnerven und in Ueber-
nahme von Aesten des Einen durch den anderen beruhen.
Unter den anomalen Verbindungen der Armnerven kömmt bei weitem am
häufigsten und in den mannichfaltigsten Variationen die zwischen den Nn. cuta-
neiTs lateralis und medianus vor, von einer einfachen Schlinge zwischen den übri-
crens in gewohnter Weise verästelten Stämmen bis zur völligen Verschmelzung
derselben. Der Verbindungszweig läuft zwischen Biceps und Brachial, int. oder
durch den M. brachialis int. (Pye-Smith, HowseundDavies- Colley , Gluy's hosp.
rep. XVI, 160), häufiger vom Medianus abwärts zum Cutaneus lateralis, als umge-
kehrt. Unter 41 Fällen fand ihn G-egenbaur (Jenaische Ztschr. für Med. und
iSTaturwisseusch. III, 258) 28 Mal, darunter 5 Mal doppelt und 2 Mal von nach-
träglich vereinigten Aesten gebildet. Einmal unter 10 bis 15 Fällen verbindet
sich ein Zweig des N. cutaneus lateralis mit dem Medianus nach des letzteren Kreu-
zung mit der A. brachialis ; imter 30 bis 40 Fällen Einmal giebt der N. cutaneus
lateralis nach Durchbohrung des M. coracobrachial. einen oder zwei Aeste ab, von
denen der obere zum Medianus geht, der untere , dem Medianus Aeste schickend
oder nicht, an der A. brachialis bis zu deren Theilung herabläuft, und hier in
einen aufwärts zum Medianus zurückkehrenden und in einen abwärts in den M.
Pronator teres ausstrahlenden Ast sich theilt (Grub er, Neue Anomalien
a. a. 0.). Turner (a. a. 0.) sah den N. cutaneus lat. einen starken Ast ab-
geben, der sich in zAvei Aeste theilte, von denen der Eine sich mit dem Media-
nus verband, der andere weiter unten zum Cutaneus lat. zurückkehrte. Einmal
spaltete sich der N. cutaneus lat. in zwei Aeste, Einen für die Beugemuskeln, der
sich als Hautnerve fortsetzte, einen anderen, der zum Medianus ging und einen zum
Cutan. lat. zurückkehrenden Zweig abgab. Der vom Medianus zum Cutan. late-
ralis tretende Zweig ist in der Regel schwächer als der Hautast des letzteren; er
kann ihn aber auch an Stärke übertreffen. Unter Gegenbaur's 41 Fällen wa-
ren zwei, in welchen der Hautast des Cutan. lat. vor der Verbindung mit dem
Medianus auf einen sehr feinen Faden reducirt war. In drei Fällen wurde der
Hautast vom Medianus allein gebildet. In einem der Grub er 'sehen Fälle endet
der N. cutaneus lateralis in der Ellenbogengegend , der Medianus , stärker als ge-
wöhnlich, giebt einen Ast ab, der den N. cutaneus lateralis am Unterarm vertritt.
Hyrtl (Oesterr. Ztschr. für prakt. Heilk. 1859. Nr. 28) gedenkt eines Falls, wo der
N. cutaneus lateralis als motorischer Nerv am Oberarm endete und der Medianus
dessen sensible Zweige übernommen hatte; Gegenbaur sah den N. cutaneus late-
ralis, nachdem er den Zweig zum M. coracobrachialis abgegeben hatte, mit dem
Medianus verschmelzen, aus welchem die übrigen Aeste jenes Nerven entsprangen.
Arme, an welchen der Cutaneus lateralis ganz im Medianus aufgegangen war und
der Medianus alle, auch die motorischen Aeste des Cutaneus lateralis abgab, be-
schreiben Cruveilhier, Damas (Journ. de la soci^te de Montpellier 1862) und
Gegenbaur. In dem Cruveilhier' sehen Präparate hatte der Nerve des M. co-
racobrachialis einen rückgängigen Verlauf; er entsprang vom N. medianus fast
in gleicher Höhe mit dem motorischen Aste des Biceps und ging fast gerade auf-
wärts zu seinem Muskel. Die seltnere Anomalie, dass der N. cutaneus lateralis
den N. medianus vertritt, kam in einem von Hyrtl (Oesterr. Ztschr. für prakt.
Heilk. 1864. Nr. 20) beobachteten Falle vor und ist an einem Präparate der hie-
sigen Sammlung zu sehen: in Hyrtl's Fall ist der N. cutaneus lat. drei Mal so
stark, als gewöhnlich, und theilt sich unterhalb des M. coracobrachialis in zwei
Aeste, einen lateralen, den gewöhnlichen Ilautast, und einen medialen, der in der
Fingernerven. 499
Ellenbogenbeuge die A. bracliialis kreuzt , dem M. pronator tei-es einen Ast sendet
und mit dem bis dahin sehr zarten N. medianus sich vereinigt. Die Verbindung
ist leicht zu trennen und es zeigt sich, dass der N. interosseus ant. dem N. cuta-
neus lateralis angehört. Ebenso lassen sich in der Hand die Hautnerven dem
eigentlichen Medianus, die motorischen Nerven des Daumenballens und der beiden
ersten Lumbricalmuskeln der Fortsetzung des N. cutaneus lat. zuweisen.
Die zuerst von Martin (De nerv. corp. hum. Holm, et Lips. 1781, p. 216)
bemerkte Anastomose der Nn. medianus und ulnaris am oberen Theil des Unter-
arms kömmt nach "W. Uruber (Arch. für Anat. 1870, S. 501) unter 125 Indivi-
duen beiderseitig 10 Mal, einseitig 18 Mal vor; sie erfolgte 36 Mal durch Einen
Ast, 2 Mal durch zwei Aeste. Der einfache Ast war 9 Mal gegen den N. ulnaris
in zwei secundäre Aeste getheilt. Er erschien entweder als eine vom Medianus
stammende Wurzel des Ulnai-is oder als eine rückläufige Schlinge oder theilte sich
in einen am N. iilnaris auf- und einen absteigenden Ast. Von der Schlinge gin-
gen zuAveilen Zweige zum M. flexor dig. prof. Unter 15 der Fälle, wo diese Ver-
bindung am Unterarm bestand, vermisste Grub er die Anastomose beider Nerven
in der Handfläche nur Einmal, während sie 6 Mal fehlte unter 50 Fällen, in wel-
chen die Verbindung der Nerven am Unterarm verniisst wurde. Damit ist eine
Vermuthung Martin' s widerlegt, wonach die Eine Anastomose die andere zu ver-
treten bestimmt sein sollte. Ich habe eine andere Verbindungsweise der Nn. me-
dianus und ulnaris gefunden , die möglicherweise öfters vorkommen könnte und
leicht zu übersehen ist : ein feines Aestchen des N. ulnaris bildet im oberen Drit-
tel des Unterarms mit dem einen aus dem M. flexor dig. subl. ihm entgegenkom-
menden Aestchen des N. medianus einen Bogen , aus welchem Gefässnerven zur
A. ulnaris hervorgehen. Eine Verbindung des N. ulnaris mit dem E. interosseus
ant. des Medianiis durch einen hinter der A. ulnaris vorüberziehenden Ast beob-
achteten Pye-Smith, Howse und Davies-Colley (a. a. 0.).
Klint (a. a. 0. p. 129) berichtet von zwei "Wrisberg'schen Präparaten, an
welchen der N. interosseus ant. von zwei Wurzeln gebildet Avurde, der gewöhn-
lichen aus dem N. medianus, und einer aus dem N. radialis, die das Lig. interosseum
durchbohrte.
Eine Verbindung des N. ulnaris mit dem Cutaneus medius beobachteten
W. Krause (Archiv für Anat. 1864, S. 350) und Bankart, Pye-Smith und
Philips (a. a. 0.). Der erste sah einen dünnen Zweig des N. ulnaris , der schon hoch
oben am Oberarm isolirt in der Scheide des Nerven lag, oberhalb des medialen Epicon-
dylus schlingenförmig mit einem Z^veig des N. cutaneus medius sich verbinden.
Die letzteren erzählen einen Fall, in Avelchem der N. cutaneus medialis vom zwei-
ten Intercostalnerven allein gebildet war und ein Hautnerve vom Radialis die me-
diale Fläche des Oberarms bis zum Ellenbogen versorgte, indess der N. ulnaris
einen Zweig zur Haut über der oberen Hälfte des M. ulnaris int. abgab und einen
Zweig vom N. cutaneus medius aufnahm.
Endlich sind Beobachtungen zu erwähnen, welche sich auf eine gegenseitige
Vertretung der E-ückenäste der Nn. radialis und ulnaris beziehen. So ein von
Kaufmann, ein von Turner und ein von Giacomini (Giorn. dell' accad. di
med. di Torino 1872) erzählter Fall, in welchem der Bückenast des N. radialis
die sämmtlichen dorsalen Fingernerven lieferte und den fehlenden B. dorsalis des
N. ulnaris ersetzte. Ferner ein Fall von Grub er (Archiv für pathol. Anat. und
Physiol. LIV, 190), in welchem der B. dorsalis N. ulnaris sich in der Haut des
vierten und fünften Fingers, der B. superficialis n. radialis sich in der Haut aller
Finger vei-zweigte.
Fingernerven.
Jeder Finger erhält vier Nerven, die an den Eändern derselben, je Fingerner-
zwei stärkere an der Volar -, zwei feinere an der Dorsalfläche , die volaren
hinter den Arterien hinziehen. Die volaren stammen für die drei media-
len Fingerränder vom N. ulnaris, für die sieben lateralen vom N. media-
500 Fingernerven.
nus ; die dorsalen gehen in der Regel zur Hälfte , d. h. für die fünf media-
len Ränder, vom N. ulnaris, zur anderen Hälfte, für die fünf lateralen Rän-
der, vom N. radialis aus. Darnacli bezögen also nur die beiden Ränder
des fünften und der ulnare Rand des vierten Fingers die Nerven ihrer
Volar- und Dorsalfläche aus dem nämlichen Stamm. Indess besteht der
Gegensatz zwischen der Volar- und Dorsalfläche der übrigen Fingerränder,
mit Ausnahme des Daumens , nur für die Grundphalange. Der Daumen ist
der einzige Finger, au welchem die dorsalen Nerven sich bis unter den
Nagel erstrecken ; an den übrigen Fingern enden sie an der Mittelphalange
und wird die Endphalange von Zweigen der volaren Nerven auch an der
Rückseite versorgt. Mit Rücksicht auf den nervenreichsten und empfind-
lichsten Theil der Finger, das Nagelglied, gehören also die Dorsalflächen
der drei medialen Fingerränder dem N. ulnaris, der fünf nächsten dem N.
medianus, der zwei radialen oder Daumenränder dem N. radialis an.
Die oberflächliche physiologische Erfahrung bestätigt das Resultat der
anatomischen Untersuchung. Die Compression des N. ulnaris am medialen
Epicondylus, die nur zu oft durch zufälligen Stoss erfolgt, äussert ihre Wir-
kung , Ameisenkriechen und Taubheit, ausschliesslich am fünften und vier-
ten Finger. Doch haben die neuerlichen chirurgischen Verhandlungen über
die Nervennath Thatsacheii zu Tage gefördert, welche beweisen, dass der
Faserverlauf nicht so einfach und unsere Kenntniss desselben noch nicht
abgeschlossen ist. Die Beobachtungen von Beclard^) und Paget 2), de-
nen zufolge nach Durchschneidung der Nn. ulnaris oder medianus die Em-
pfindlichkeit der gelähmten Finger innerhalb weniger (8 bis 10) Tage mehr
oder minder vollkommen zurückgekehrt war, haben nichts Auffallendes,
wenn es richtig ist, was Schifft) im Widerspruch mit älteren Experi-
mentatoren behauptet, dass reine Schnittwunden der Nerven unter gün-
stigen Verhältnissen bei Thieren innerhalb weniger Tage verheilen. Aber
in einem von Laugier*) erzählten Falle hatte, nachdem am Morgen die
Enden eines durchschnittenen Medianus durch die Naht vereinigt worden,
schon am Abend die Wiederkehr der Beweglichkeit und Empfindlichkeit in
den Theilen, in welchen dieser Nerv sich verbreitet, ihren Anfang genom-
men. In der Nela ton' sehen Klinik schnitt Houel wegen eines Neuroms
am Oberarm ein Stück des N. medianus aus und fügte durch Naht die Ner-
venstümpfe an einander; die Operirte war schon nach wenigen Tagen wie-
der im Besitz der Beweglichkeit und Empfindlichkeit der vom Medianus
versorgten Gebiete^). In einem Falle, in welchem Riebet^) die Vereini-
gung des am unteren Ende des Unterarms durchschnittenen Medianus durch
die Naht unternahm , hatte sich die Lähmung der Sensibilität gleich nach
der Verwundung auf die beiden unteren Phalangen des Zeigefingers be-
schränkt.
Von diesen Fällen lässt allerdings der Houel' sehe kaum eine andere
Erklärung zu, als dass beim Menschen, vielleicht wegen der ruhigen Lage
^) Descot, sur les atfections lociiles des nerfs. Paris 1825, p. 39. ^) Lectures oii
surgical pathology. Lond. 1863, p. 210. ^) Physiologie I, 123. *) Comptes rendus. 1864.
20. Juin. 5) Bulletin de la societe de Chirurgie de Paris pendant Pannee 1864. Paris 1865,
]). 301. f') Gazette des hoi)itaux. 1866. Octobre.
Fingernerven.
501
des verwunjdeten Theils , die Herstellung der Continuität der Nerven un-
gleicli rascher vor sicli gehe, als bei Thieren. Indess darf für unseren
Zweck diese Frage unerledigt bleiben, da Ricbet's Beobachtung allein
genügt, um zu zeigen, dass die Finger ihi'e sensibeln Fasern nicht lediglich
aus den Aesten empfangen, welche sich geraden Wegs zu ihnen erstrecken.
Wir werden dadurch auf die Bedeutsamkeit der fast constanten Anastomose
zwischen den Nn. medianus und ulnaris in der Hohlhand hingewiesen und
dürfen hoffen, dass die Chirurgen durch eine genauere Analyse der sich
künftisr ereignenden Ner-
Fig. 279.
Haut eines Fingers mit den Nervenstämmen. Sie ist am
Seitenrande des auf der Volarfläche ruhenden Fingers der
Länge nach gespalten , die Haut der Kückenfläche zurück
geschlagen, Phalangen und Sehnen nach Exarticulation im
Fingercarpalgelenk herausgeschält, v E. volaris, d K. dor-
sal! s der Nn. digitales.
venverletzungen uns in
den Stand setzen wer-
den, die offenbar in ein-
ander greifenden Gebiete
der beiden Hauptnerven-
stämme genauer abzu-
grenzen.
An den Fingern ist, wie
erwähnt, abgesehen vom
Daumen, die Verzwei-
gung der dorsalen Aeste
(Fig. 279 d) kaum über
das erste Gelenk hinaus
zu verfolgen. Die vola-
ren Aeste (v) geben unter
spitzem Winkel einen
ersten stärkeren Zweig
zum Rücken des Fingers
schon an der Grundpha-
lange ab, einen zweiten
in der Gegend der Basis
der Endphalange, der
sich unter dem Nagel
wiederholt gabelförmig
theilt. Feinere, hier und
dort anastomosirende
Aeste kommen, ebenfalls
spitzwinklig , je 3 bis 4
an jedem der beiden er-
sten Glieder, aus den
volaren Stämmen und
wenden sich theils zur
Vorderfläche, theils zum
Seitenrande der Finger.
Sie streben durch das
subcutane Fettlager zur
Haut, senden aber auch
der Volar - und Dorsal-
fläche der Kapseln der
502
Fingernerveii.
Fingergelenke Fäden zu, durch welche mitunter eine schlingenförmige Ver-
bindung der beiden volaren Randnerven eines Fingers hergestellt wird ^).
Die dichteste Verzweigung der einander entgegenkommenden Aeste findet
sich in dem eigentlichen Tastorgan, der Volarfläche der Fingerspitzen ; doch
kommen geflechtartige Verbindungen derselben erst im Gewebe der Cutis
als sogenannte Endplexus vor. Wie weit durch dieselben die Fasern der
Nerven beider Ränder oder beider Flächen eines Fingers gegen einander
ausgetauscht werden, ist für den Menschen noch nicht ermittelt. Für Hunde
und Kaninchen ergeben die Expe-
Fig. 280.
rimente von Arloing und Tri-
pier 2), dass nach Trennung eines
der Nerven der Zehenränder der
peripherische Stumpf ebenso reiz-
bar ist, wie der centrale, dass die
Durchschneidung Eines Randnerven
die Sensibilität der Zehe gar nicht,
die Durchschneidung zweier Rand-
nerven sie kaum alterirt und dass
erst nach Durchschneidung aller
vier Nerven das Gefühl in der Zehe
völlig verloren geht.
Das Verhältniss der Primitiv-
nervenfasern der Hand und Finger
zu den Tastkörperchen wurde in
der Eingeweidelehre beschrieben.
Ein grosser Theil der sensibeln
Fasern gelangt aber nicht bis zur
Haut, sondern zweigt sich früher
von den Stämmen und Aesten ab
und endet in den im Fett vergra-
benen pacinischen Körperchen.
Solche kommen gelegentlich an
Gelenk- und an Knochennerven
vor '^) ; vereinzelt wurden sie an
Hautnerven des Ober- und ün-
^) Die Existenz ähnlicher Schlin-
gen, zwischen den Hautästen, wie Loder
(Tabb. anat. No. CLXXX) sie abbildet, muss
ich mit Bock und C. Krause bestreiten
und kann auch die makroskopischen Ner-
vengeflechte der Fingerspitze , die aus
Hirschfeld's und Leveille's Atlas in
mehrere illustrirte Handbücher übergegan-
gen sind, nur für Phantasiegebilde halten.
2) Archives de physiol. 11,307. '^) Kau-
ber, Vater'sche Körper der Bänder und
Periostnerven. Neustadt 1865. Unters,
über das Vorkommen und die Bedeutung der Vater'schen Körper. München 1865. Ueber
die Knochennerven des Oberarms und Oberschenkels. Ebendas. 1870.
Nn. digit. volares mit pacinischen Körperchen.
Plexus bracliialis. 503
terarms und des Handi-ückens aufgefunden ; am beständigsten und reich-
lichsten sind sie in der Volarfläche der Hand und Finger. Sie liegen
vereinzelt oder in Gruppen, am dichtesten an der Abgangsstelle derFinger-
nei'ven, weniger an den Hau.pt stammen , als an den feinen Aestchen, die
sich unmittelbar in die Haut einsenken (Fig. 280).
Vater (Halleri disput. anat. II, 973), der die Körperclien zuerst gesellen, de-
nen wir nach dein ersten gründlichen Bearbeiter derselben den Namen der pacini-
schen beilegten, giebt eine Abbildung der Nerven des Daumens, an welcher die Zahl
der Körperchen, der von ihm sogenannten Pajj^'ZZrte nerveae, 200 fast erreicht. Hier
hat offenbar der Zeichner ein Uebriges getlian. In der hierneben reproducirten Abbil-
dung der beiden volaren Aeste des Mittelfingers aus der von Kölliker und mir verfass-
ten Abhandlung (Ueber die Pacini'scheu Körperchen an den Nerven des Menschen
und der Säugethiere. Zürich 1844) beträgt die Zahl der pacinischen Körperchen 74;
für Eine Hand haben wir sie auf 150 bis 350 angeschlagen. Herbst (Die pacini-
schen Körper und ihre Bedeutung. Göttingen 1848, S. 9) zählte bei einer nicht
gerade durch besonderen Reichthiim an pacinischen Körperchen ausgezeichneten
Leiche im ganzen Umfang der Hohlhand 223, am Daumen 65, am Zeigefinger 95
Körperchen und berechnet demnach die gewönliche Zahl derselben in der mensch -
liehen Hand auf etwa 600. Am volaren Nerven des Daumengelenks fanden sich
nach Raub er 's Zählung 15 pacinische Körperchen, am ersten Gelenk des Zeige-
fingers 20, am letzten 22.
Ich lasse eine Uebersicht der Verbreitung der Aeste des Plexus bra- Uebersicht.
chialis in den Muskeln und der Haut der oberen Extremität folgen.
Von den Brustmuskeln erhalten der Subclavius und Serrat, anticus je
einen eigenen Nerven; die Mm. pectoralis maj. und minor werden von den
Nn. thoracici antt. versorgt. Mm. supra- und infraspinatus erhalten ihre
Aeste vom N. suprascapularis, Mm. teres minor und deltoideus vom N. axil-
laris, Mm. subscapularis, teres maj. und Latissimus dorsi von eigenen Aesten,
die unter dem Namen Subscapulares zusammengefasst werden, von denen
indess der mittlere, der des Teres maj,, einen Theil seiner Fasern dem
M. subscapularis abgiebt. Die Musculatur der Beugeseite des Oberarms
versieht der N. cutaneus lateralis, die Musculatur der Streckseite der N. ra-
dialis, zuweilen mit einem dünnen Zweig des N. ulnaris. Den Muskeln an
der Beugeseite des Unterarms führt der N. medianus Aeste zu, den M. ulna-
ris int. und den medialen Theil des M. flexor digit. prof. ausgenommen , die "
ihre Nerven vom N. ulnaris empfangen. Der Musculatur der Rück - und Ra-
dialseite des Unterarms ist der N. radialis bestimmt. In der Hand werden
die Muskeln des Daumenballens mit Ausnahme des Adductor und die zwei,
selten drei ersten Mm. lumbricales vom N. medianus, der M. palmaris bre-
vis, die beiden medialen Mm. lumbricales, die Muskeln des Kleinfingerbal-
lens, der M. adductor poUicis und sämmtliche Mm. interossei vom N. ulnaris
innervirt.
Was die Vertheilung der Hautnerven betrifft, so suche ich in den Fi-
guren 281 und 282 ein ungefähres Bild derselben zu geben.
504
Plexus brachialis.
Fig. 281 und 282.
Nil. dorsales. 505
IIL Nn. dorsales 1) I bis XII.
Bezüglicli der hinteren Aeste der Dorsalnerven ist der allgemeinen Be- Nu. dorsal.
Schreibung (S. 458) wenig hinzuzufügen. Die sieben bis acht obersten ste-
hen zu den fünf oder vier unteren in einem gewissen Gegensatze, indem
von den beiden Theilungsästen ^) jedes hinteren Astes an den oberen Dor-
salnerven der laterale, an den unteren der mediale Ast der stärkere ist.
Oben sind es die medialen Aeste, die, nachdem sie die medianwärts von den
Querfortsätzen befindlichen Muskeln versorgt, ansehnliche Hautäste durch
die Ursprungssehne des M. trapezius senden, während die lateralen Aeste sich
im M. sacrospinalis erschöpfen (Fig. 283). Vom achten oder neunten Dorsal-
nerven an gehen die medialen Aeste in den Muskeln auf und geben die latera-
len, neben den Aesten zu den Mm. longissimus und iliocostalis , die Haut-
äste ab, die zwischen beiden genannten Muskeln schräg absteigend die
Fascia lumbodorsalis durchbohren und mit einem feinen medialen und star-
ken lateralen Ast in der Haut des Rückens enden. Die letzten Verzwei-
gungen der untersten lateralen Aeste überschreiten die Crista iliaca und
können sich bis in die Gegend des Trochanters erstrecken (Cruveilhier).
In einem von Turner (Journ. of anat. 2. ser. Nr. IX, p. 100) beschriebenen
Falle gaben die hinteren Aeste des zweiten und dritten Dorsalnerven rechterseits
dem M. rhomboid. und dem unteren Theil des M. trapezius Aeste und endete der
hintere Ast des dritten Dorsalnerven im unteren Theil des M. rhomboideus maj.
Die Ehomboidei und der Trapezius erhielten daneben ihre geAvöhnlichen Aeste,
jene aus dem Plexus brachialis, dieser ans dem N. accessorius.
Die vorderen Aeste der Dorsalnerven, Hr. interCostales ^) , liefern die Rr. antt.
motorischen Nerven zu den tiefen Brust- und den Bauchmuskeln mit Ein- cost.
schluss der Mm. serrati post. sup. und inf., und die Hautnerven der seit-
lichen und vorderen Brust- und Bauchgegend. Die Stämme zeichnen sich
durch ihre platte, bandförmige Gestalt aus. Der erste Intercostalnerv ist,
wie oben angegeben, mit seiner Hauptmasse an der Bildung des Plexus
brachialis betheiligt; nur ein dünner Zweig desselben verbleibt im ersten
Intercostalraum (Fig. 284). Der zwölfte N. intercostalis verläuft am unteren
Rande der zwölften Rippe und führt demnach seinen Namen mit Unrecht *) ;
doch hören auch die nächst oberen Nerven in ihren vorderen Theilen auf,
intercostal zu sein.
In der ersten Strecke seines Verlaufs ist der N. intercostalis gegen die
Brusthöhle, ausser von der Pleura, nur von einer dünnen straifen Bindege-
Zu Fig. 281 und 282.
Hautnervengebiete der oberen Extremität. Fig. 281 an der vorderen, Fig. 282 an der hin-
teren Fläche, sc Nn. supraclaviculares. ax Hautast des N. axillaris, cps, cpi Nn. cu-
tanei postt. sup. und inf. cmd, cm, cl Nn. cutanei medialis, medius und lateralis, cp N.
cutan. palraaris (N. mediani). pw N. palmaris ulnaris. me N. medianus. u N. ulnaris.
ra N. radialis.
^) Nn. thoracici. Nn. costales s. intercostales. ^) Er. internus et exteriius. ^) Rr.
suhcostales. *) Hall er beschrieb ihn als ersten Lumbarnerven.
506
Nn. dorsales.
Fig. 283.
Spcp
Nn. dorsales.
507
webslage , einer Fascia • endothoracica , bedeckt und demnach nach Weg-
nahme der Pleura sichtbar. Hier giebt er und zwar alsbald nach seiner
Trennung vom dorsalen Ast den medianwärts gerichteten , einfachen oder
doppelten B. communicans zum Grenzstrang des Sympathicus (S), und unter
sehr spitzem Winkel einige feine Aeste, oft auch einen stärkeren Ast, welche
das hintere Ende des M. intercostalis ext., den M. transversus thoracis post.
und, von den vier oberen und dem neunten bis elften Intercostalnerven,
die Zacken der Mm. serrati postt. versorgen. Stärkere Aeste begeben sich
mit dem Stamm in der Regel unter den M. transv. thoracis post. und setzen
ihren Weg zwischen den beiden Mm. intercostales fort, indem sie von Strecke
Fig. 284.
Linke Thoraxhälfte, oberer Theil, von innen, um den Verlauf der Nn. intercostales zu zei-
gen. S Grenzstrang des N. sympath. Sca, Scmd Mm. Scalen, ant. und med. Lc M.
long, colli. j)Z R. perforans lateralis.
Zu Fig. 2831).
Hautäste der Rückenmarksnerven. Spcp M. splenius cap. Tr M. trapezius. RinJ M.
rhomboid. maj. D M. deltoideus. Isp.M. infraspinat. TmJ M. teres maj. Ld M. la-
tiss. dorsi. Oae M. obliq. abd^ ext. Gm M. gluteus max. Icl M. iliocost. lumb. Lgd
M. longiss. dorsi. Mf M. multifidus. Sscp M. semispin. cap.
1) Nach Rüdinger, Riickenmarksnerven Taf. IX.
508 Nn. dorsales.
zu Strecke feine Zweige an diese Muskeln abgeben. Je nachdem der N.
intercost. näher dem Rande der den Intercostalratim von oben her begren-
zenden Rippe, also unter dem sehnigen oberen Rande des M. intercostalis
int., oder mehr in der Mitte der Höhe des Intercostalraums verläuft, ist er
von der Brusthöhle aus sichtbar oder nicht. Die beiden oberen Intercostal-
nerven legen einen Theil ihres Wegs auf der inneren Fläche der Rippe zu-
rück, unter welcher sie austreten. Auch die folgenden gehen zuweilen
über den hinteren Rand des M. intercost. int. hinaus und gelangen erst
später, zwischen den Bündeln dieses Muskels auf dessen äussere Fläche
oder kehren, nachdem sie an gewohnter Stelle zwischen die Intercostalmus-
keln eingetreten sind, im weiteren Verlauf für eine Strecke an die innere
Oberfläche des M. intercost. int. zurück. Häufig spaltet sich der Stamm
des N. intercostalis früh in zwei Aeste von ungefähr gleicher Stärke; der
obere nimmt den gewöhnlichen Verlauf am unteren Rande der beiden Rip-
pen , die den Intercostalraum begrenzen, unter der A. intercostalis ; der
untere Ast geht am oberen Rande der unteren Rijjpe hin und vereinigt
sich weiter vorn wieder mit dem oberen Aste vor oder nach Abgabe des
R. perforans lateralis.
Für eine seltnere Varietät muss icli die von Bock und Eü dinge r abgebilde-
ten und in den meisten Handbüchern erwähnten Aeste halten , durcli welche sich
Nerven benachbarter Intercostalränme über die innere Fläche der Rippe hinweg
mit einander in Verbindung setzen.
Etwa auf halbem Wege zwischen der Wirbelsäule und der vorderen
Medianlinie, früher in den oberen Intercostalräumen, giebt der N. interco-
stalis unter spitzem Winkel einen Ast, 22. i^e'/oroMS lateralis {Fig. 284. 286)^),
vor - und abwärts ab, der vor den Zacken des M. serrat. ant. und weiter unten
des M. latissimus dorsi die Brust resp. Bauchwand durchbohrt. Der Ast ist
namentlich im oberen Theil der Brust, stärker, als die Fortsetzung des
Stamms. Er ist wesentlich sensibler Natur und theilt sich beim Austritt
in einen schwächeren rückläufigen und einen stärkeren vor- und abwärts
gerichteten Zweig, welche beide in der Haut sich verästeln ; nur die Zacken
des M. obliquus abdominis ext. erhalten jede einen Faden von den vorderen
Zweigen der unteren Rr. perforantes. Der erste Intercostalnerve giebt kei-
nen oder nur einen sehr feinen R. perforans lat. ab, der nicht über die
Haut der Achselgrube hinausgeht; der R. perforans lateralis des zweiten
Intercostalnerven -) verbindet sich mit dem N. cutaneus int. des Arms oder
vertritt ihn und auch vom dritten gelangen noch Zweige zur Haut der
Achselgrube. Vom zweiten oder dritten bis sechsten R. perforans stammen
die Aeste zum seitlichen Theil der Mamma. In die Substanz der Drüse
dringen Aeste von den Rami perfor. lateral, des vierten bis sechsten Inter-
Zu Fig. 285.
Profilansicht des Rumpfs mit den Rr. perforantes laterales (pl) und anteriores [pfa) der
Intercostalnerven. ih Hautäste des N. ilio-hypogastricus. ii Hautäste des N. ilio - inguina-
lis. Pmj, Pm Mm. pector. maj. und min. Vrn Vagina M. recti abdom. Oae M. ob-
liq. abd. ext. Sa M. serrat. ant. Ld M. latiss. dorsi.
^) R. pectoralls post. s. lateralis s. superficialis. R. cutaneus ext. s. pectoralis. ^) N.
thoracico-brachialis. ^) Nach Rüdinger, Rückenmarksnerven. Taf. VIII. •
Nil. dorsales.
509
Fm. 285 3).
Vra
510 Nn. dorsales.
costalnerven, bald aus allen, bald aus zweien oder nur einem einzigen ; sie
treten an der planen Fläche der Drüse in der Nähe des Randes ein, ver-
ästeln sich aber erst in der Nähe der Milchgänge und folgen den Aesten
derselben. Die Drüsenäste des sechsten Intercostalnerven* machen insofern
eine Ausnahme, als sie von unten auf an der convexen Fläche der Mamma
verlaufen und sich erst in der Nähe der "Warze in die Drüse begeben
(Eckhard).
Die Fortsetzung des Stamms ^) fährt fort, vom unteren Rande des Rip-
penknochens und dann des Rippenknorpels feine Fäden in die Intercostal-
muskeln zu senden. Nur wenig an Stärke abnehmend erreicht sie die vor-
dere Grenze des Intercostalraums. Medianwärts vom vorderen Rande des
M. intercostalis ext. wird sie nach aussen von den Ligg. intercostalia ext.,
gewöhnlich auch von Bündeln des M. intercostalis int. gedeckt, zwischen
dessen Schichten der Nerve sich zurückzieht, während er gegen die Brust-
höhle eine neue Bedeckung durch den M. transversus thoracis ant. erhält.
Er versieht die Zacken auch dieses Muskels, so wie, von der vierten Ripj)e
an, des M. rectus abd. mit Zweigen und wendet sich schliesslich, nachdem
er vor den Vasa mammaria int. vorübergezogen, am Seitenrande des Brust-
beins nach aussen. J)\e Rr.jyerforantes ttnlt., wie man diese Endigungen der
Intercostalnerven nennt (Fig. 285), durchbohren vom ersten Intercostalraum
an bis zum sechsten den Ursprung des M.pectoralis major mit einer Reihe von
Fäden, deren Zahl die Zahl der Intercostalnerven übertrifft, da die meisten der
letzteren sich vor dem Eintritt in den Muskel oder innerhalb desselben spalten.
Dann verästeln sie sich median - und lateralwärts in die das Brustbein, den M.
pectoralis maj. und die mediale Hälfte der Mamma bedeckende Haut. Der
siebente bis elfte Intercostalnerve folgen nicht mehr der Krümmung der
Rippenknorpel, sondern schreiten hinter denselben hinweg in der Richtung,
die sie zwischen den knöchernen Theilen der Rippen einhielten. So ziehen
sie zwischen den inneren Schichten der Musculatur der Bauchwand, den
Mm. obliquus int. und transversus vor - und abwärts, dringen vom latera-
len Rande her in die Scheide des M. rectus abdominis, geben sämmtlichen
Bauchmuskeln Aeste und treten endlich zwischen den Bündeln des Rectus
zum vorderen Blatt seiner Scheide und durch dasselbe zur Haut.
Der zwölfte Intercostalnerve hat einen noch steiler absteigenden Verlauf
als die übrigen und nähert sich mit seinem vorderen Ende der Schambein-
synchondrose. Er durchbohrt die Faserung des M. transversus abdominis
in der Nähe seines Ursprungs , um zwischen ihm und dem M. obliquus int-
vorwärts zu gehen. Sein R. perforans lat. steht im umgekehrten Verhältniss
der Stärke zu dem nächsten, aus dem Plexus cruralis entspringenden Nerven
der Bauchwa,nd und kann mit seinen Verästelungen die Crista iliaca über-
schreiten. Aus dem Anfange seines Stammes entspringt regelmässig ein
Ast, der mit einem entgegenkommenden Aste des ersten Lumbarnerven eine
Schlinge bildet. Nicht selten liegt diese Schlinge theilweise im M. quadrat.
lumborum.
^) lt. pectoralis ant. s. int. E. pectoralis prof. Arnold. K. intercoataUs s. musculo-
cutaneus Cruv.
Nn. lumbales I bis IV. Plexus cruralis. 511
Schlingenförmige über das hintere Ende der Eippen herablanfende Verbindun-
gen kommen auch zwischen Intercostalnerven unter sich , am häufigsten zwischen
dem zweiten bis vierten vor (C. Krause).
Baur (De nervis anterioris superficiei trunci humäni. p. 23) und Luschka (Anat.
Bd. I. Abth. 2, S. 229) geben an, dass die Er. intercostales , die dem Laufe der
sechs unteren Eippen folgen, dem Costaltheil des Zwerchfells feine Fäden, Nn.
phrenici intercostales Luschka, zusenden. Nach Luschka verlaufen sie inBe-
gleitung von Aesten der A. musculo - phrenica tmd intercost. inf., bestehen meist
nur aus wenigen Primitivfasern, sind aber so zahlreich, dass die Gesammtheit der
durch sie dem Zwerchfell zugeführten Pasern sich jedenfalls auf mehrere Hun-
derte beläuft. Baur zufolge sollten feine Aeste der Intercostalnerven von den vor- ^
deren Enden derselben mit der A. pericardiaco - phrenica zum Stern altheil des
Zwerchfells herabgehen. Derselbe Autor erwähnt auch Fäden zur Pleura und
dem vorderen Mediastinum.
IV. Nn. lumbales Ibis IV. Plexus cruralis i).
Von den hinteren Aesten dieser Nerven ist nur zu erwähnen, dass sie Er. postt.
vom ersten bis zum letzten allmälig dünner werden, so dass der letzte die
Haut nicht mehr erreicht, sondern sich in Zweigen für die allerdings mäch-
tige Lage der longitudinalen Rückenmuskeln erschöpft. Die Hautzweige,
in welche die lateralen Rückenäste der drei oberen Lumbarnerven enden,
wenden sich abwärts und verbreiten sich, durch Anastomosen verbunden, in
der Gresässgegend (Fig. 283). Sie werden Nn. subcutanei glutei^) genannt.
Im Gegensatz zu den hinteren Aesten nehmen die vorderen von oben nach Rr- autt,
unten an Stärke zu (Fig. 286). Der erste geht fast ganz in dem obersten periphe-
rischen Aste des Plexus, dem N.iUo-Jlypogasiricus, und im R. communicans
auf und sendet nur dünne Fäden einerseits dem zwölften Dorsalnerven, an-
dererseits dem ersten Lumbalnerven zu. Der Faden, der die beiden ersten
Lumbarnerven verbindet, läuft an der Seite der Wirbelköi-per gerade herab
und erreicht den unteren der beiden Nerven alsbald nach dessen Austritt
aus dem For. intervertebrale. Der Ast , der , der Einmündung der oberen
Schleife gegenüber, vom unteren Rande des zweiten Lumbarnerven abgeht,
um die Schleife mit dem dritten Lumbarnerven zu bilden, hat einen etwas
schrägen, ab- und seitwärts gerichteten Verlauf, ist stärker und abwärts in
zwei Bündel getheilt, von denen das mediale, schwächere, sich über den dritten
Lumbarnerven hinweg in die Schleife zum vierten Lumbarnerven fortsetzt,
das laterale mit dem dritten Lumbarnerven verschmilzt. Der Stamm des
dritten Lumbarnerven zerfällt ebenfalls in zwei Stränge, die sich mit Strän-
gen des vierten Lumbarnerven , der Eine zum N. cruralis , der andere zum
N. obturatorius vereinigen. Der vierte Lumbarnerve giebt, neben den Wur-
zeln zu den beiden gfenannten Nerven , noch einen dritten Strang abwärts,
dem wir bei Beschreibung des Plexus ischiadicus wieder begegnen werden.
Die Varietäten , die der Plexus darbietet ^) , haben ihre Quelle in der
früheren oder späteren Theilung einzelner Stränge, in dem wechselnden
Ursprung der untergeordneten peripherischen Nerven, der sich von den
^) Plexus lumhalis. ^) Nn. clunium postt. Sapp. iVji. cutanei clunium. Sapp. Nn.
autanei coxae postt. Voigt (Dermato-Neurologie, S. 13). ^) Schmidt, de nervis lumbalibus
eorumque plexu. Vindobonae 1794. Tab. I.
512
Plexus cruralis.
Fig. 286 1).
Wurzeln und peripherische Aeste des Plexus cruralis. Ih N. ilio-hypogastr. ii N.
ilio-inguinalis. ä e N. spermat. ext. II N. lumbo-iuguinalis. cl N. cutan. later.
C7- N. cruralis. oht IS. obturatorius. * Muskelast. ** Ast zur A. cruralis.
^) Nach Schmidt a. a. 0. Tiif. J, Fig. 2.
Plexus cruralis. 513
"Wurzeln auf die Schleifen oder auf die Hauptäste überträgt und an den
Schleifen auf- oder abwärts rückt. Za den Hauptästen tragen, wie am Ple-
xus brachialis, sämmtliche Wurzeln bei.
Der Plexus cruralis liegt zwischen den medialen und lateralen Köpfen
des M. psoas major (Mskl. S. 259) und so entspringen auch die peripheri-
schen Aeste des Plexus innerhalb dieses Muskels und treten, insofern sie
nicht in demselben enden, zwischen dessen Bündeln hervor. In dem M.
psoas enden kurze, in transversaler Richtung abgehende Zweige aus den
Schleifen zwischen dem zweiten und dritten und dem dritten und vierten
Lumbalnerven. Ein ebenfalls transversaler kurzer Ast, der mit dem N.
ilio - hypogastricus aus dem ersten Lumbarnerven entspringt, durchbohrt
die oberste Zacke des M. psoas, um sich in den M. quadrat. lumborum zu
begeben.
Die ansehnlicheren Aeste des Plexus cruralis theilen wir, wie die Aeste
des Plexus brachialis, in kurze und lange, je nachdem sie in der Gegend des
Güi'tels der Extremität ihr Ende finden oder sich weiter hinab auf denOber-
und Unterschenkel ausbreiten. Die kürzeren Nerven sind zugleich die obe-
ren und oberflächlicheren; sie dringen durch die Fascie des M. psoas in der
oberen Hälfte dieses Muskels hervor 'und ziehen, nur vom Peritoneum bedeckt,
über den beiden Köpfen des M. iliopsoas strahlig divergirend zur Hüft-
und Leistengegend herab, um in einer von der Höhe der Crista ilium bis
zum äusseren Leistenring sich erstreckenden Linie die vordere Wand des
Rumpfes zu durchsetzen. Sie zeichnen sich meist durch ihre , im Verhält-
niss zur Länge auffallende Feinheit aus und sind theils gemischter, theils
ausschliesslich sensibler Natur. Man zählt deren ziemlich allgemein vier ^),
wiewohl zuzugeben ist, dass sowohl ihre Zahl, wie ihr Verlauf vielfach wech-
selt und die Norm schwer festzustellen ist. Auch die von mir gewählte ist
nicht Resultat der Statistik und will nicht sowohl die häufigste als vielmehr
die regelmässigste Anordnung wiedergeben, auf welche sich die Varietäten
leicht zurückführen lassen. Die beiden obersten Nerven, llio - hypogastricus
und Hio - inguinalis, verlaufen noch nach dem Typus der Litercostalnerven
zwischen den Bauchmuskeln; der dritte, N. htmlto-ingumalis , ist ein Haut-
nerve der vorderen Schenkelfläche, der vierte, N. spermaticus ext., begleitet
den Samenstrang (das Lig. uteri teres). Die beid.en intercostalen Aeste
theilen sich in sehr ungleichen Verhältnissen in die durch sie zu fördernden
Fasern oder verschmelzen völlig ; sehr häufig sind die Nn. lumbo - inguinalis
und spermaticus ext. Aeste Eines Stamms^); an der Versorgung eines Gebiets,
welches nach unserm Schema Einem Stamme zufallen würde , können zwei
sich gemeinschaftlich betheiligen , so dass z. B. der N. lumbo-inguinalis , wie
der N. spermat. ext. jeder in einen Hautast und einen Ast zum Samenstrang
zerfallen. Endlich kann jeder dieser Nerven streckenweise in der Bahn des
anderen verlaufen und es kann durch schlingen- oder geflechtartige Anasto-
mosen innerhalb und ausserhalb des Beckens die peripherisch erforderliche
Anordnung wieder hergestellt werden.
^) H. Meyer (Pliysiol. Anat. S. 387) vereinigt sie sämmtlich unter dem Namen eines
N. inguinalis. ^) Des N. inguinalis int. (geniio-cruralis) Bichat. Ä. pudendus ext. s. sper-
maticus ext. s. inguinalis Meckel. R. femoro-genitalis Sappey.
He n le, Anatomie Bd. III. Abthlg. 2. 33
514 N. ilio-hj'^pogastricus. N. ilio-inguinalis.
Die langen Nerven aus dem Plexus cruralis sind: der N. cutaneus
lateralis, der N. cruralis und der N. ohturatorius.
a. Kurze Nerven des Plexus cruralis.
1. N. ilio-hypogastricus Schmidt iJl^),
a. Kurze N. die directe Fortsetzung des ersten Lumbalnerven, verläuft, dem letzten
gasti-?''^'^ Intercostalnerven parallel, lateral - abwärts über den oberen Rand des M-
quadrat. lumborum und die innere Oberfläche der Ursprungssebne des M.
transversus abdominis (Fig. 287). Diese Sehne nahe an ihrem Uebergang in
die Muskelsubstanz durchbohrend, gelangt der Nerve zwischen die beiden
inneren Schichten der Musculatur der Bauchwand und sendet einen starken,
demR. perforans lateralis der Intercostalnerven entsprechenden Ast 2) über den
Rand des Beckens herab zur Haut der Hüfte , indess der Rest des Nerven ^)
zwischen den Muskeln weiter läuft und nach oben und unten Muskelzweige
entsendet. Ein R. perforans ant. tritt in die Scheide des M. rectus abdom. ein
und geht durch eine Lücke des vorderen Blatts dieser Scheide ungefähr in
gleicher Höhe mit der Spitze des M. pyramidalis und etwas seitwärts von
demselben nach aussen (Fig. 285).
Var. Ein Theil seiner Fasern wird vom letzten Intercostalnerven übernom-
men. Sendet auf der inneren Fläche der Sehne des M. transversus abd. einen fei-
nen Ast Steuer abAvärts, der über dem Becken in den Muskel eindi'ingt.
2. N. ilio-inguinalis Schmidt H'^).
2. iiio-in- Entspringt höher oder tiefer von der Schleife zwischen dem ersten und
zweiten oder auch vom zweiten Lumbalnerven, tritt am Seitenrande des M.
psoas hervor, verläuft dem N. ilio-hjpogastr, parallel und theilt sich, nach-
dem er durch eine Lücke der Sehne des M. transvers. abd. zwischen die Bauch-
muskeln gelangt ist, seitwärts neben der Spina iliaca, in zwei Aeste (Fig. 287).
Der Eine, meist schwächere, ein R. perforans lateralis, durchsetzt über der
Spina iliaca ant. sup. die Musculatur des M. obliquus int. und die Sehne
des M. obliquus ext. und verbreitet sich in der Haut, die den M. tensor
fasciae und den Ursprung des M. sartorius deckt. Der andere, stärkere Ast
wendet sich längs dem Schenkelbogen und dicht über demselben der Median-
linie zu, giebt den Muskeln Aeste und endet als vorderer perforirender
Ast, indem er durch den äusseren Leistenring oder durch den medialen
Pfeiler desselben zur Haut des Mons veneris verläuft (Fig. 285).
Var. Giebt zuweilen einen feineu Ast zur Vorderfläche des Samenstraugs
(des Lig. uteri teres). Cruveilhier sah von ihm einen Zweig zum M. rectus abd.
abgehen. C. Krause lässt ihn mit mehreren Zweigen {N. scrotales [labiales]
antt.) in der vorderen Wand des Scrotnm (dem oberen Theil der Labia maj.) enden.
Voigt (Dermato - Neurologie S. 14) erklärt ansdi'ücklich, solche Zweige niemals ge-
guiu.
■•) Hü l't - Beckennerve. ^) It. externus Schmidt. Branche cutanee fessiere Cruv.
^) It. intPrims Schmidt. *) Hiiftleistennerve.
N. lumbo-inguinalis. 515
sehen zn haben; auch mir sind sie nicht begegnet. Ein Zweig des N. ilio-ingui-
nalis lief unter dem Schenkelbogen etwa 14 Cm. weit abwärts, umschlang die V.
saphena magna und kehrte im Bogen aufwärts um , um sein Endverzweio-nugsge-
biet, den Mons veneris, zu erreichen (Voigt, a. a. 0.).
Einer häufigen Varietät, Vereinigung des N. ilio - inguiualis oder eines grösse-
ren Theils seiner Pasern mit dem N. ilio - hypogastricus zu Einem Stamme, habe
ich bereits gedacht. Auf sie bezieht sich Bichat's Beschreibung der lateralen
kurzen Aeste des Plexus cruralis , welche die französischen Handbücher mit ge-
ringen Modificationen adoptirt haben {Branche musculo -cutanee suij. und inf,
Bichat. Branche üio-scrotale Chaussier. Branche abdominale granäe et
petite Cruv. Br. ahdomino - scrotule grande et petite Hirschfeld. Br. ahdo-
mino - genitale sup. et inf. Sappej^).
3. N. lumbo -inguinalis Schmidt ^-i^).
Gellt aus dem zweiten Lumbarnerven oder aus der Schleife, welche den 3 üumbo-
zweiten und dritten verbindet , hervor , durchbohrt die Fascie des M. psoas "'""'"'
an dessen medialem Rande in der Höhe des dritten oder vierten Bauchwir-
belkörpers und läuft auf dem genannten Muskel zum inneren Schenkelring
herab. In zwei bis drei spitzwinklig divergirende Aeste getheilt, verlässt
er, dicht unter dem Schenkelbogen, die Bauchhöhle. Die Aeste liegen über
dem , die Schenkelgefässe bedeckenden Bindegewebe in dem Schenkelcanal ;
sie gelangen unter die Haut, indem sie die vordere Wand des Schenkel-
canals, das die Gefässe bedeckende Blatt der oberflächlichen Schenkelfascie
dxirchbohren , und ziehen im ünterhautbindegewebe an der Grenze der vor-
deren und medialen Schenkelfläche bis gegen die Mitte des Oberschenkels
herab (Fig. 287).
Der N. lumbo - inguinalis steht bezüglich seiner Stärke und Ausbreitung im um-
gekehrten Verhältniss zu den Hautästen des N". cruralis und verbindet sich mit
denselben in mannichfaltiger Weise. Gewöhnlich werden einzelne Hautnerven
durch spitzwinklige Vereinigung von feinen Zweigen der Nn. lumbo - inguinalis und
cruralis gebildet. An einem iinserer Präparate fliesst der N. lumbo - inguinalis
ungetheilt mit einem vorderen Hautast des N. cruralis zusammen. An einem an-
deren lassen sich selbständige Aeste desselben in der Haut , die die Furche zwi-
schen Extensoren und Adductoren bedeckt, bis in die Nähe des Kniegelenks ver-
folgen. Als Varietäten des N. lumbo - inguinalis sind auch die, schon von älteren
Anatomen beschriebenen, von Schmidt und Langenbeck (Fase. III, Taf. IV, 6.
Taf. VI, Fig. 1, w. X. y. z.) abgebildeten Nn. cutanei ant., medius und interior zu
betrachten, welche vom zweiten und dritten Lumbarnerven gesondert entspringen,
unter dem Schenkelbogen hervorgehen und sich mit Hautästen des N. cruralis
vereinigen oder solche vertreten. Sehr häufig sendet der N, lumbo - inguiualis
einen Ast medianwärts zum Leistenring, der den N. spermaticus ext. begleitet und
mit ihm anastomosirt. Seltener geht von seinem lateralen Rande ein Ast, der den
hinteren Ast des N. cutaneus lat. verti-itt, zur Spina iliaca ant. siip. und über dem
N. cutaneus lateralis zur Seitenfläche der Hüftgegend.
Der eine oder andere Zweig des N. lumbo - inguinalis geht zuweilen, statt
durch den inneren Schenkelring, durch die Sehne des M. obliquus abd. ext. ober-
halb desselben. An einem unserer Präparate verbindet eine verhältnissmässig
starke, quere, schleifenförmige Anastomose auf dem unteren Theil des M. iliacus
int. den IST. lumbo - inguinalis mit dem N. cutaneus lateralis.
■*■) Lenden -Leistennei've. N. inguinaMs Camper. R. ext. s. femoraüs cutaneus N.
inguinalis interni Cruv. Ii. femoralis Nervi geniio- cruralis Sappey.
33*
516
N. lumbo-inguinalis.
N. spermat. ext. N. cutaneus ateralis. 517
4. N. spermaticus ext. 86').
Mit einer oder zwei Wurzeln vom ersten oder von der Schleife zwischen 4. spennat.
ext.
dem ersten und zweiten und vom zweiten Lumbarnerven entspringend, tritt er
mit dem N. lumbo - inguiualis oder neben ihm am medialen Rande des M.
psoas hervor und vor den Schenkelgefässen, die er unter spitzem Winkel
kreuzt, vorüber zur hinteren Fläche des Samenstrangs (des Lig. uteri teres).
Er giebt einen feinen Faden zur A. cruralis, der sich weit hinab in der Scheide
des Gefässes verfolgen lässt(Fig. 287 *). Der Stamm passirt, nachdem er den
Samenstrang erreicht, mit den übrigen Elementen des letzteren den äusseren
Leistenring, bildet mit den den Samenstrang begleitenden Aesten aus den
Nn. ilio - inguinalis und lumbo -inguinalis, wenn solche vorhanden sind, ein
weitmaschiges Greflecht, aus welchem Zweige theils am Samenstrang, insbeson-
dere am M. cremaster herabziehen, theils auf die innere Fläche desScrotum
und die angrenzende Haut der medialen Schenkelfläche und des Mons vene-
ris übertreten. Die im Scrotum sich verbreitenden Zweige scheinen der Tu-
nica dartos motorische Fasern zuzuführen. Die Endäste gehören ebenfalls
dem Scrotum an; einer derselben anastomosirt mit einem der vomPerineiim
her eintretenden Zweige des N. pudendus (Schmidt).
Im weiblichen Geschlecht geht der Nerve an die den äusseren Leistenring
bedeckende Haut und mit dem Lig. teres an die Haut der Labia majoi'a.
.Nach Cruveilhier giebt der N. spermaticus ext. vom Leisteucanal aus einige
Fädeu aufwärts in die Mm. obliquus abd. int. und transversus. C. Krause lässt
die Endzweige des N. spermaticus ext. in den Plexus spermaticus übergehen oder
im Grunde des Scrotum isolirt zm- Epididymis gelangen.
Dass der N. spermaticus ext. sich oft in zwei Aeste spaltet , von denen der
Eine dem Laufe des N. lumbo - inguinalis folgt, habe ich bereits erAvälmt.
An dem Gefässnerven der A. cruralis fand W. Krause (Ztschr. für rat. Med.
3. B. XVIII, 152) in dem Abgangswiukel der A. profunda femoris beständig 2 bis 3
pacinische Körperohen.
b. Lange Nerven.
1. N. cutaneus femoris lateralis cl'^).
Entspringt mit einer oder zwei Wurzeln , die sich öfters erst jenseits b. Lange k.
des M. psoas vereinigen, höher oder tiefer aus der Schleife des zweiten und lät.
Zu Fig. 287.
Nerven des Plexus cruralis. Die Bauchwand nach aussen umgeschlagen und dicht über
der Leistenbeuge abgeschnitten ; die Haut des Oberschenkels nach beiden Seiten zurückge-
schlagen. Ql M.. quadr. lumb. tp^ Medialer Kopf des M.iliopsoas. fp* Eine abgeschnit-
tene und zurückgeschlagene Ursprungszacke desselben. Ip^ Lateraler Kopf des M. ilio-
psoas. 1 Vasa cruralia. 6 Samenstrang, dicht über der inneren Oeffnung des Can. inguin.
abgeschnitten. 8 V. saphena m. 4 Incisura falcif. ih N. ilio-hypogastr. ii N. ilio-ingui-
nalis. li N. lumbo-inguin. oht N. obturator. er N. cruralis.
) A'. pudendus ext. li. internus s. scrotalis n. inrjuinalis interni Cruv. E. genitalis
n. genitocruralis Sappey. ^) N. cutaneus ext. aut. . iV. cutaneus ant, ext. N. inguinalis
ext. Cruv. N. femorucutaneus Sappey.
518 N. cruralis.
dritten Liim barnerven hinter den Ursprüngen der oberflächliclien Aeste des
Plexus cruralis, kommt hinter ihnen am lateralen Rande des M. psoas zum
Vorschein und läuft schräg über den M, iliacus int. , in der Regel auf der
Fascie dieses Muskels, zuweilen aber auch unter derselben ziir Spina iliaca ant.
sup. herab (Fig. 287). In einer eigenen, von den beiden Blättern des Lig. in-
guinale ext. gebildeten Scheide (Mskl. S. 60) überschreitet der Nervenstamm
den Rand des Beckens, liegt ausserhalb desselben zunächst unter dem Blatt
der oberflächlichen Schenkelfascie , welches den M. sartorius bedeckt und
durchbohrt dasselbe mit zwei oder drei Aesten. Der Eine, zumeist seit-
wärts entspringende Ast^) wendet sich über den M. tensor fasciae latae
schräg nach hinten und unten und vertheilt sich in der Haut der hinteren
Schenkelfläche; die vorderen Aeste, Zweige eines früher oder später spitz-
winklig getheilten Stammes -) , laufen neben einander bis zur Kniegegend
mehr gerade herab , senden aber ihre feinen Verästelungen ebenfalls vor-
zugsweise zur lateralen und Rückseite des Oberschenkels (Fig. 288).
Var. Der N. cutaneus ext. schickt noch im Becken einen Ast zum N. lumbo-
inguinalis oder verbindet sicli sclileifenförmig mit ihm (s. oben) ; er übernimmt den
Gefässnerven der A. cruralis (Schmidt); er gelit (unter 33 Fällen zwei Mal
Schmidt) mit dem N. cruralis unter dem Schenkelbogen hervor und wendet sich
erst ausserhalb des Beckens seitwärts. Oefters verbindet sich ein medialer Zweig
des N. cutaneus lat. mit dem nächsten Hantast des N. cruralis.
2. N. cruralis cr^).
2. dural. Nachdem der N. cruralis sich auf die oben beschriebene Weise aus?den
vier oberen Lumbarnerven, vorzugsweise aus dem dritten und vierten
zusammengesetzt, birgt er sich zuerst in der Tiefe der Rinne zwischen bei-
den Köpfen des M. iliopsoas. Dann legt er sich, wie diese Rinne sich all-
mälig verflacht, auf den medialen Abhang der Oberfläche des Muskels. Ab-
geplattet , 1 Cm. breit, von der Fascia iliaca bedeckt und durch dieselbe von
dem eigentlichen Schenkelring geschieden , zieht er über den Beckenrand
an die Vorderfläche des Oberschenkels und zerfällt unmittelbar oder durch
rasch wiederholte Theilung in seine zahlreichen, sj^itzwinklig divergirenden
Endäste (Fig. 288).
Während der Stamm des Nerven im Becken herabsteigt, sendet er, am
oberen Rande des Darmbeins beginnend, unter fast rechtem Winkel zwei bis
vier dünne Aeste seitwärts ab, die sich nach kurzem Verlauf über die Ober-
fläche des M. iliacus int. zwischen die Fasern dieses Muskels einsenken. In
ebenfalls transversaler Richtung, aber nach der entgegengesetzten Seite, geht
Zu Fig. 288.
Verästelung der Nn. cutaneus lat. (cl) und cruralis (er). Die Haut des Oberschenkels an
der Vorderfläche durchschnitten und mit den Hautnerven nach beiden Seiten zurückge-
schlagen. 1 Spina iliaca ant. 2 Vasa cruralia. 3 V. saphena m. Ij) Lateraler Kopf
des M. iliopsoas. Tf M. tensor fiisciae. Sar M. sartorius. Rf, Rf M. rectus femoris,
Ursprung und Insertion. VI, Vm Mm. vasti later. und medialis. Pe M. pectineus. Afl
M. abductor fem. long. Gr M. gracilis.
■'■) R. po:H. s. fjhUeus Cruv. •-) R. ant. s. femoralis Cruv. ^) N.fenioralis. N. cru-
ralis ant.
N. criiralis,
Fiff. 288.
519
520 N. cruralis. '
unter dem Sclienkelbogen ein Zweig des N. cruralis hinter den Sclienkel-
gefässen vorüber zum M. pectineus. Nicht selten lösen sich noch innerhalb
des Beckens, höher oder tiefer, einzelne Hautzweige von der Oberfläche des
N. cruralis ab und begleiten ihn , um sich nach dessen Austritt entweder
mit einem der regelmässigen Hautnerven zu verbinden oder selbständig
fortzusetzen oder auch wieder mit dem Stamme zu verschmelzen. Vom Stamme
des N. cruralis oder von der lateralen Portion nach seiner Theilung tritt
unterhalb des Schenkelrings ein querer Ast, der den vereinigten Köpfen
der Mm. psoas und iliacus int. bestimmt ist, in den medialen Rand des
ersteren ein.
Die secundären Aeste, in welche der N. cruralis sich theilt, wenn er
nicht unmittelbar iu seine terminalen Aeste zerfällt, sind zunächst ein ober-
flächlicher und ein tiefer. Der oberflächliche hat ein so viel geringeres
Kaliber, als der tiefe, dass man ihn richtiger als einen von der Vorderfläche
des Stammes entspringenden Ast bezeichnen würde. Der oberflächliche Ast
liefert die Hautnerven des Oberschenkels und die motorischen Fasern des
M. sartorius; aus dem tiefen Ast entspringen die übrigen Muskelnerven und
der JV. saphenus, Hautnerve der medialen Fläche des Unterschenkels. Beide
Aeste spalten sich häufig wieder in je einen lateralen und einen medialen Zweig.
Der laterale Zweig des oberflächlichen Astes versorgt die Vorderfläche des
Oberschenkels, der mediale Zweig die mediale Schenkelfläche und den M.
sartorius ; aus dem lateralen Zweig des tiefen Astes gehen die Nerven zum
M. rectus und zur lateralen Portion des Vastus, aus dem medialen Zweig
des tiefen Astes die Nerven zur mittleren und medialen Portion des Vastus
und der Hautnerve des Unterschenkels hervor.
Die Hautäste des Oberschenkels streng nach ihrer Lage zu sondern, ist
schon wegen der häufigen Anastomosen derselben unthunlich. Für die Zweige
des N. lumbo-inguinalis ist die Lage über der Fascia iliaca, für die Zweige des
N. cutaneus lateralis der Verlauf durch das Lig. inguinale ext. charakteristisch.
Die übrigen innerhalb oder ausserhalb des Beckens entspringenden Hautner-
ven scheiden wir in vordere und mediale (JSfn. cuhanei antt. und nwäkiles)'^);
ihre Zahl wie ihr Verlauf variiren an sich und je nach der Ausbreitung
der kurzen Nerven des Plexus lumbalis, des N. cutaneus lateralis, des Haut-
astes des N. obturatorius, endlich auch des N. saphenus. Die Zahl der me-
dialen Hautäste steigt nicht selten auf drei, von denen der medialste und feinste
(Fig. 288*)-) zu obeifst aus der Schenkelfascie hervortritt, den Stamm der
Vena saphena begleitet und stellenweise umkreist und bis über die Mitte
des Oberschenkels verfolgt werden kann. Die lateralwärts sich anschlies-
^) Unsere Handbücher begnügen sich, je Einen Nerven dieser beiden Kategorien auf-
zuführen, deren Namen aus den drei, zuerst von Styx (Descriptio anat. n. cruralis et obtu-
ratorii. Jenae 1782) aufgestellten Nerven, dem Cutaneus medius, ant. und int., componirt
sind. Bock (a. a. 0. S. 113) bezeichnet einen medialen und einen vorderen Hautast, je-
nen als inneren vordereil oder oberen kleinen Hautnerven (;V. saphenus sup. s. min.), die-
sen als N. cutaneus medius ant. Weber-Hildebrandt erwähnt einen bis zwei innere vor-
dere und einen vorderen mittleren Hautnerven, C. Krause, Arnold und Hyrtl be-
schreiben einen inneren {saphenus sup. s. minor) und einen vorderen {anterior int. s. ant.
medius), bei Valentin heisst der Eine Hautnervo cutaneus ant. medlios externus , der an-
dere ctctaneus anterior medius internus. ^) Nerf de la galne des valsseaux femoraux Cruv.
N. criiralis. 521
senden Aeste^) laufen auf der Masse der Adductoren herab iind biegen, mei-
stens oberhalb, zuweilen auch einer unterhalb der Patella vorwärts um, um
sich an der Vorderfläche des Knies zu verbreiten. Vordere, auf den Streck-
muskehi herablaufende Hautnerven zählt mau meistens zwei; der Eine oder
andere oder beide geben die Aeste zum M. sartorius ab, indem sie über oder
unter dem Muskel hervor oder durch ihn hindurch treten 2).
Von den tiefen Muskelästen laufen die stärksten, dem lateralen Kopfe
des M. vastus bestimmten, in der von diesem Kopfe bedeckten Rinne herab;
der M. rectus fem. nimmt seinen Nerven in der oberen Hälfte seiner hinteren
Fläche auf; den vorderen und medialen Kopf des M. vastus nebst dem M.
subcruralis vei"sorgen zwei Nerven , von denen der Eine sich in der oberen
Hälfte des Schenkels in die Vorderfläche der Muskelmasse ■ einsenkt , der
andere vor der A. cruralis abwärts läuft und dem Miiskel von dessen media-
lem Rande her Aeste zusendet.
Von mehreren der tiefen Muskeläste entspringen oben Zweige zum
Hüftgelenk, welche die A. circumflexa fem. lat. begleiten ''); von den End-
verzweigungen der Nerven der Vasti kommen beiderseits Fäden zur Kapsel
des Kniegelenks^) und zum Periost des unteren Endes des Schenkelbeins ^)
und der Patella. Haut- und Muskeläste geben Zweige zu den Schenkel-
gefässen ab.
Der N. SClplienus ^) verläuft mit den Vasa cruralia in dem vom M. sarto-
rius bedeckten, von sehnigen Blättern umschlossenen Canal, in welchem sie
am Oberschenkel herabziehen (Gefässl. S. 183), bleibt aber diesseits der
Sehne des M. adductor magnus , wenn die Gefässe sich durch den Schlitz
derselben auf die Rückseite der Extremität begeben, und setzt, die Fascie
durchbrechend, seinen Weg mit der V. saphena im subcutanen Binde-
gewebe der medialen Fläche des Unterschenkels bis zum medialen Fussrande
fort, lieber dem Knie sendet er, zwischen Sai'torius und Gracilis, einen Ast
abwärts zu.r Wadengegeud (Fig. 288) ; am Knie selbst giebt er zuweilen,
innerhalb oder ausserhalb der Fascie, einen Gelenknerven und häufig, über
oder durch den M. sartorius, einen das Kniegelenk in aufwärts concavem
Bogen umkreisenden Hautnerven, der zuweilen durch einen der oberflächlichen
ersetzt wird. Am Unterschenkel sendet er einen Ast '^) oder mehrere schräg
rückabwärts zur Wadengegend und eine Reihe von feineren Aesten vor-
und abwärts zu der die mediale Fläche der Tibia bedeckenden Haut. Vor
dem Knöchel wenden sich seine Endzweige der Rückenfläche des Fusses zw
und anastomosiren längs dem Mittelfnss mit den medialen Endzweigen des
N. peroneus superfic.
Var. Eine seltsame Auomalie des Verlaufs des Stammes des N. cruralis beob-
aölitete Dubreuil (Des auomalies arterielles. Paris 1847, p. 342): der Nerve lag
unter dem Sclienkelbogen zwischen der A. und V. cruralis; sein Verliältniss zur
Fascia iliaca ist nicht aug-eoebeu.
-') Cruveilhier bezeichnet einen solchen als R. culaneus accessorius nervi saphenl
interni. ^) Des letzteren Umstandes wegen werden sie von Cruveilhier Kr. perforantes
{s?/p. und inf.) genannt. 2) Rüdinger, Gelenknerven Tat'. V. *) Ebendas. Tat. II, Fig. 4.
^) Untere Epiphysennerven R au her. ^) N. saphenus int. s. major. N. cutaneus int. fe-
moris major. Rosennerve. ') N. cutaneus surae internus. i\n. cutanei cmris intl. und
posterior int.
522 N. obturatorius.
Nach Arnold entspringt nicht selten der Zweig zum M. pectinens vom me-
dialen Hautnerven. In einem von G. H. Meyer (Archiv für Anat. 1870, S. 395)
beschriebenen Falle trat ein Nerve, der mit zwei Wurzeln aus dem dritten und
vierten Lumbarnerven entsprang und unter der Fascia iliaca verlief, am oberen Aste
des Schambeins aus dieser Fascie hervor, ging unter den lateralen Eand des M.
pectineus und schloss sich dem vorderen Aste des N. obturatorius an. An der an-
deren Extremität der nämlichen Leiche zweigte sich von demselben Nerven vor
dem oberen Schambeinast ein Nerve ab, der sich alsbald in zwei Zweige theilte;
von diesen trat der Eine ebenfalls unter den M. pectineus imd versorgte den M.
adductor br. , der andere vereinigte sich mit dem schon hoch oben vom N. cruralis
abgegangenen Aste des M. xDectineus.
Von dem Einen oder anderen tiefen Muskelnerven des Oberschenkels gelangt
zuweilen ein perforirender Ast zur Haut.
Der N. saphenus endete am Knie und wurde am Unterschenkel durch einen
Ast des N. tibialis ersetzt (Gl. H. Meyer). Er geht mit den Vasa cruralia durch
den Schlitz der Sehne des M. adductor magnus in die Kniekehle, und kehrt gleich
darauf durch diese Sehne wieder nach vorn., in die Furche zwischen Adductor
magnus und Vastus medialis zurück (Hyrtl).
3. N. obturatorius oht^).
3. Obtuiat. Bezieht, wie der N. cruralis, seine Fasern von allen vier Lumbarner-
ven und ebenfalls die meisten vom dritten; mit dem vierten steht er durch
einen kurzen oder langen Strang in Verbindung, wonach er einfach oder mit zwei
Wurzeln zu entspringen scheint (Fig. 286). Die Wxirzeln weichen von denen
des N. cruralis unter spitzem Winkel medianwärts ab und so durchbohrt der
N. obtviratorius am medialen Rande des M. psoas dessen Fascie und geht
vor dem Iliosacralgelenk, dann längs dem oberen Rande der Seitenwand
des unteren Beckens über den Vasa obturatoria zur gleichnamigen Oeffmmg.
Den Can. obturatorius durchsetzt er ungetheilt oder er zei'fällt schon
vor demselben in seine beiden Hauptäste, giebt auch zuweilen schon
von dem Einen derselben die Zweige, meistens zwei, zum M. obturator ext.
ab , von denen der Eine an der Vorderfläche des Muskels feine Fäden zur
Kapsel des Hüftgelenks sendet. Der Ast, von welchem diese Muskelnerven
stammen, ist der tiefere ; er steigt vor den Mm. adductor minimus und magnus
gerade herab und verliert sich ganz in ihnen (Fig. 289). Der oberflächliche Ast
ist schräg medianabwärts gerichtet und spaltet sich, vom M. pectineus be-
deckt, in drei oder vier kaum divergirende Aeste, Einen, der nicht selten
fehlt, zur hinteren Fläche des M. pectineus , einen zweiten zur Vorderfläche
des M. adductor br., einen dritten , öfters getheilten , der über die Vorder-
fläche des M. adductor br. hinweg zur hinteren Fläche desM. adductor lon-
gus geht und einen vierten , der über die Vorderfläche des letztgenannten
Muskels an die mediale Fläche des M. gracilis tritt. Von einem der Mus-
keläste des Adductor longus oder vom Muskelaste des Gracilis wird der
Zu Fig. 289.
Verästelung des N. obturatorius. Fe M. pectineus, durchschnitten und nach beiden Seiten
zurückgeschlagen. Afl M. adduct. long, desgl. Äfb, Afm M. add. br. und magn. Oe
M. obturator ext. Gr M. gracilis. Ip M. iliopsoas. Sar M. sartorius , Ursprung. Rf
M. rectus femoris.
1) iV. cruralis int. Schmidt. N. cruralis post. Verstopfungs - oder Hüftlochnerve.
N. obtiiratoriiis.
Fiff. 289.
523
524 N. lumb. V. Nn. sacr. I bis V.
Hautnerve abgegeben, der vor diesem Muskel die Scbenkelfascie durchbohrt
und gegen das Knie herabläuft. Er ist, im umgekehrten Verhältniss zur
Entwicklung der medialen Hautzweige des N. cruralis, feiner oder stärker,
zuweilen mehrfach, und anastomosirt mit den genannten Zweigen.
Schmidt (a. a. 0. S. 82) beschreibt einen unbestäudigeu N. ad obturatorem
accessorius, der mit dem coustanteu N . obturatoriiis vom dritten und vierten Lum-
barnerven entspringt und anfangs mit ihm verläuft, dann aber auf die Vorder-
fiäche des Schambeins tritt und sich in zwei bis drei Aeste spaltet, deren einer
sich mit dem Stamme des N. obturatorius vereinigt, indess die anderen in dem das
Hüftgelenk umgebenden Fett und im M. pectineus enden. Die Beziehungen des
Nerven zur Fascia iliaca sind verschieden : in zwei von mir beobachteten Fällen
verlief er Einmal über, einmal unter derselben; Schmidt sah ihn den M. psoas
durchsetzen. Er fand ihn in neun bis zehn Leichen vier bis fünf Mal, Cruveil-
liier (a. a. 0. p. 547) nennt die Varietät eine sehr häufige; auch er bezeichnet, ohne
Schmidt's Werk zu kennen , den Nerven als Accessorius nervi ohturatorii
oder Nerven des Hüftgelenks. Pokorny dagegen (Hyrtl, Ueber endlose Nerven,
Wiener Sitzuugsber. 1866) kam dieser Nerve unter 40 Fällen nur drei Mal vor, dar-
unter zwei Fälle, wo er aus dem M. pectineus weiter ging zu den Mm. adductores
long, und brevis und mittelst seines stärksten Astes sich mit dem N. genito - cru-
ralis (lumbo- iuguinalis?) in einer Schlinge verband.
Von dem für den M. adductor magnus bestimmten Zweige des N. obturato-
rius sah Hyrtl (Hdbuch S. 849) öfters einen Faden abgehen, der den genannten
Muskel nach hinten durchbohrt, auf der A. poplitea in die Kniekehle herabzieht
und in die hintere Wand der Kapsel des Kniegelenks eindringt.
Ich sah einen Zweig des N. obturatorius in den von fibrösen Wänden begrenz-
ten Canal eintreten , der die Vasa cruralia nebst dem N. saphenus einschliesst und
innerhalb dieses Canals sich theilen ; der Eine Ast ging mit dem N. saphenus eine
bogenförmige Anastomose ein, der andere gesellte sich zu dem die A. cruralis um-
spinnenden Nervengeflecht.
Nach Rauber (üeber die Knochenuerven des Oberarms und Oberschenkels.
München 1870) geht der Diaphysennerve des Schenkelbeins, der in der Eegel ein
Ast der Gefässnerven ist, zuweilen von einem ZAveige des N. obturatorius ab.
V. N. lumbalis V. Nn. säcrales I bis V.
Plexus sacralis.
s^ ^^"ib'v ^^^ feinen hinteren Aeste dieser Nerven, welche über dem Kreuzbein
Plexus sacr. uud durch die Forr. sacralia postt. hervortreten , setzen sich in der Regel
durch verticale Anastomosen mit einander in Verbindung und bilden ein
weitläufiges Geflecht ^) , dessen Aeste den M. gluteus max. in der Nähe sei-
nes Ursprungs durchsetzen und über demselben in die Haut des Gesässes
ausstrahlen. Die hinteren Aeste der drei oberen Sacralnerven senden dem
Iliosacralgelenk Fäden zu , der dritte giebt einige Fädchen dem oberen
Theil der Ligg. sacrospinosum und sacrotuberosum (Rüclinger)^).
Die vorderen Aeste der genannten Nerven treten zum Plexxis sacralis ■^)
zusammen, nachdem der oberste, der fünfte Lumbarnerve, einen absteigen-
^) Plexus sacralis post. 2) Gelenknerven, S. 17. ^) Ich gebrauche das Wort in einem
weiteren Sinne , als unsere Handbücher und begreife darunter den Plexus ischiadlcus (sa-
cralis) nebst dem Plexus pudendaüs (pudendo-haemoi'rJioidalis) aut.
Plexus sacralis.
525
den Strang des vierten aufgenommen, der letzte Sacralnerve einen Zweig
abwärts zur Verbindung mit dem N. coccygeus abgegeben hat (Fig. 290).
An einem Präparat, welches unsere Sammlung aufbewahrt, fehlte der Strang
vom vierten zum fünften Lumbarnerven und Avaren denniach die Plexus lumbaris
und sacralis vollständig von einander geschieden.
Fig. 290.
Rechte Beckenhälfte von innen mit dem Plexus sacralis. 1 Schambeinsynchondrose. 2 Harn-
blase, 3 Rectum', beide abwärts geschlagen. C» N. coccygeus. P M. pyriformis. Oi M.
obturat. int., von seiner Fascie bedeckt. L M. levator ani. C M. coccygeus. gs N.
gluteus sup.
526 Plexus sacralis.
Die Stärke der Wurzeln des Plexus sacralis nimmt von oben nach unten
bis zum zweiten Sacralnerven allmälig, dann plötzlich ab: während der aus
der Vereinigung der letzten Lumbarnerven ^) hervorgehende , allerdings
platte Strang fast 1 Cm., der zweite Sacralnerve noch 7 Mm. breit ist, er-
reicht der Durchmesser des dritten Sacralnerven höchstens 4, mitunter nur
2 Mm. und beträgt der Durchmesser des fünften Sacralnerven vor seiner
Theilung kaum 1 Mm.
Der Plexus sacralis ist einfacher , als einer der früher beschriebenen.
Indem die Wurzeln gegen die untere Hälfte des vorderen Randes der Inci-
sura ischiadica maj. convergiren, die obere steil abwärts gerichtet, die fol-
genden allmälig dem horizontalen Verlauf sich nähernd und die untere sogar
längs dem oberen Rande des M. coccygeus ansteigend , gewähren sie das
Bild eines auf dem Bauche des M. pyriformis gelegenen durchbrochenen
Dreiecks, dessen Basis längs dem letzten Bauchwirbel und den Forr. sacra-
lia hinzieht, dessen abgestumpfte Spitze in die Spalte zwischen dem lyiteren
Rande des M. pyriformis und dem Ursprünge des M. coccygeus ragt und sieh
geradezu in den Hauptast des Plexus, den N. ischiadicus, fortsetzt. Der erste
Sacralnerve tritt um den oberen, der dritte um den unteren Rand des M.
pyriformis auf dessen Oberfläche, der zweite Sacralnerve durchsetzt den Ur-
sprung des Muskels. Der vierte und fünfte Sacralnerve liegen beim Austritt
aus den Forr. sacralia auf der Sehne des M. coccygeus. Es giebt Fälle, wo
die drei oberen Wurzeln des Geflechts erst im N. ischiadicus zusammen-
treffen; gewöhnlich vereinigt sich der combinirte Lumbarnerve schon vor
dem Iliosacralgelenk mit dem ersten Sacralnerven und zuweilen zieht ein
verhältnissmässig feiner Verbindungsast quer oder schräg von einer dieser
Wurzeln zur anderen. Vom dritten Sacralnerven an tritt der Charakter
eines, immerhin weitläufigen Geflechtes mehr hervor. Er sendet dem zwei-
ten Sacralnerven noch innerhalb des Beckens einen Theil seiner Fasern,
welche offenbar in den N. ischiadicus übergehen, und empfängt dafür vom
zweiten Sacralnerven innerhalb oder ausserhalb des Beckens einen oder
zwei Aeste, die einen wesentlichen Antheil an der Zusammensetzung der in
der Perinealgegend ausstrahlenden Aeste der letzten Sacralnerven nehmen.
Je geringer der Faseraustausch zwischen den eigentlichen Wurzeln des
Plexus sacralis, um so reichlicher verflechten sich die Nervenbündel in den
Anfängen der aus dem Plexus entspringenden Stämme, der Nn. iscliiadicus
und pudendo-liaemorrlioiäalis. Sind diese Geflechte eng, so gehen die Ner-
venstämme unmittelbar aus den convergirenden Wurzeln hervor ; sind sie
weitläufiger, lassen sie Lücken, welche von Fett ausgefüllt oder, wie dies
häufig geschieht, von Arterien durchsetzt werden, so erscheinen sie als inte-
grirende Theile, oder doch als Anhänge des Plexus sacralis, der sich dem-
nach weiter abwärts und selbst auf die Aussenfläche des Beckens erstreckt.
Sehr häufig entspringen die Nerven der Perinealgegend aus einem solchen
secundären, auf der äusseren Fläche des Lig. spinoso - saci-um ruhenden Ge-
flechte. Zuweilen geht der kurze Stamm des N. ischiadicus in ein Geflecht
auf, aus welchem unmittelbar die beiden Hauptäste dieses Nerven ent-
springen.
') A'. bimJxjsncrdUs Cruv.
N. gluteiis sup. 527
Die peripherischen Aeste des Plexus sacralis scheiden wir in demselben
Sinne, wie die der Plexus brachialis und cruralis, in kurze und lange. Die
kurzen verbleiben entweder im Becken oder verbreiten sich an der Aussenseite
desselben, in der Gesäss- und Dammgegend und den Genitalien. Die langen
Aeste versorgen Miiskeln und Haut der hinteren Fläche des Oberschenkels,
die Muskeln und den grössten Theil der Haut des Unterschenkels und des
Fusses.
Die Nerven, die im Innern des Beckens endigen, nehmen nicht eigent-
lich aus dem Plexus, sondeim aus den "Wurzeln desselben ihren Ursprung ; es
sind, abgesehen von den Rr. communicantes :
1. Ein kurzer Zweig aus der hinteren Fläche des dritten Sacralnerven
(nach Weber -Hildebr. mehrere Zweige aus den drei obersten Sacralner-
ven), unmittelbar in die vordere Fläche des M. pyriformis sich einsenkend.
2. Der motorische Nerve der innersten Lage der Perinealmuskeln, der
Mm. levator ani, ischio-coccygeus und coccygeus. Er geht vom vierten Sa-
cralnerven aus und gerade vorwärts über die Mitte des M. coccygeus und
unter dessen Fascie zum oberen Rande der beiden anderen genannten Mus-
keln ; sendet Fäden zum imtersten Theil der Blase und zur Prostata (Fig. 290).
3. Einige viscerale Aeste aus dem zweiten, dritten und vierten Sacral-
nerven {Nn. liaemorrlioidales medii, vesicales inferiores, vaginales), welche mit
ihren Zweigen theils direct zu den Beckenorganen , theils zu den sympathi-
schen Geflechten derselben gehen.
Ausserhalb des Beckens verbreiten sich:
9
a. Kurze Nerven.
1. N. gluteus sup.
Entspringt mit Einer Wurzel vom vorderen Rande des combinirten, d.h. a.
durch die Aufnahme eines Astes vom vierten verstärkten fünften Lumbar -
nerven , mit einer zweiten Wurzel von der Rückseite des ersten und zweiten
Sacralnerven oder von einer unbeständigen queren Anastomose zwischen bei-
den (Fig. 290), wendet sich iim den oberen Rand der Incisura ischiadica maj.
nach aussen und zieht zwischen den Mm. glutei med. und minimus, welchen
beiden er Aeste giebt, gerade seitwärts zum M. tensor fasciae, in welchem
er endet.
Ertheilt öfters vor dem Austritt aus dem Becken dem M. pyriformis
einen Ast.
Var. Verbindet sich mittelst eines tieferen Zweigs mit dem N. ischiad. oder
cutan. post. oder mit beiden zugleich (Weber - Hildebr.).
2. N. gluteus inf. 1).
Entsteht breit und platt am unteren Rande der Licisura ischiadica von 2. Giut. inf.
der Rückseite des Plexus mit mehreren Wurzeln aus dem ersten bis dritten,
Kurze N.
(.rillt, sup.
'■) A'^. ischiad. minor-.
528 N. gluteus inf.
zuweilen auch nocli aus dem vierten Sacralnerven und strahlt mit aufwärts,
um den Rand des M. pyriformis umbiegenden, und mit abwärts gerichteten
Fig. 291.
Kurze Nerven des Plexus iscliiad. an der Aussenseite des Beckens. Mm. gluteus max. {Gvi)
und medius [Gmd) zurückgeschlagen. M. pyriformis entfernt. Lig. sacrotuberos [st) durch-
schnitten und zurückgeschlagen. 1 Trochanter maj. 2 Afteröffnung. 3 Scrotum , an der
rechten Seite geöffnet , der Testikel herausgenommen. 0 i M. obturator int. Qf M. quadr.
fem. Tf tensor fasciae. FF Beugemuskeln des Unterschenkels. Afm M. adductor magn.
Gr M. gracilis. S M. sphincter, L M. levator ani. Tp M. transv. perin. superf. Ic M.
ischiocavern. Bc M. bulbocavernos. gi N. glut. inf. gs 'N. gluteus sup. isc N. ischiad.
cj} N. cutan. post. Sps Nn. scrot. postt. pe N. perineus. he N. haeniorrh. ext. dp N.
dorsalis penis.
Zweigen in den M. gluteus maximus aus. Er giebt dem M. obtura-
tro int. einen Ast, der aber öfters auch selbständig aus dem Plexus
N. gluteus inf.
529
sacralis oder aus dem Stamm des N. ischiad. oder aus dem N. pudendo-
haemorrhoidalis entstellt. Mit dem N. cutaneus post. tauscht der N. gluteus
inf. am Ursprünge Fasern aus in der Weise, dass jeder dieser Nerven einen
Ast abwärts sendet , der sich unter spitzem Winkel an den anderen Nerven
anlegt.
Aus dem N. gluteus inf. entspringen zwei bis drei Fäden, welche schräg
. ' Zu Fig. 291.
abwärts zum unteren Theil der hinteren Fläche der Hüftgelenkkapsel ziehen
(Rüdinger).
3. N. pudendo - haemorrhoidalis^).
Selten ein einfacher Sti'ang, meistens ein plattes, engmaschiges Nerven-
geflecht, welches mit der A. pudenda comm. die Beckenhöhle über demLig.
sacrospinosum verlässt, um vor dem Lig. sacrotuberosum an die innere
Fläche der Beckenwand zurückzukehren (Fig. 291).
In diesem Stamme oder Geflecht vereinigen sich ein Theil des oberen,
in den N. ischiadicus übergehenden Astes des zweiten Sacralnerven , der
untere Ast des dritten Sacralnerven und der vierte Sacralnerve nach Auf-
3. PuJendo-
haemorrh.
^) iV. pudendo - liaemorrhoidalis comm. ext. Meckel. N. pudendalis comm. Langen-
beck. N. pudend. comm. Luschka. Die übrigen Handbücherbeschreiben den N. haemorrh.
ext. als einen besonderen Ast bald des Plexus ischiad., bald des Plexus pudendus und ver-
stehen unter dem A^. pudendus s. spermat. comm. einen Stamm , der sich in die Nn. dor-
salls pems und perlneus theilen soll.
He nie, Anatomie. Bd. III, Abtli. II. 3^
530
N. pudendo - haemorrb oidalis.
Haemorrh.
ext.
Perineus.
Dors . pcnis
(clitor.).
nähme eines Theils des fünften. Aus dem Geflecht gehen nach einander,
von vorn nach hinten gezählt, hervor: die Nn. doTsalis penis (clitoridis),
perineus und haemorrhoidalis ext., so zwar, dass der N. dorsalis penis in
der Regel als ein Zweig des vorderen Astes des dritten Sacralneryen , der
N. haemorrhoid. ext. als ein Ast des combinirten vierten Sacralnerven er-
scheint und der N. perineus Fasern aus sämmtlichen Wurzeln des secundä-
ren Plexus erhält.
Vom Perineum aus gesehen, liegt der hinterste dieser Aeste, der N.
haenwi'rho'id.ext.'^), am oberflächlichsten; er strahlt mit spitzwinklig diver-
girenden Fasern in die Haut und Musculatur der Aftergegend aus.
Der N. perineus'^) , der mittlere der drei Nerven sowohl in seiner Be-
ziehung zur Oberfläche, als in der Richtung von rechts nach links, sendet
einen Ast lateralvorwärts zum Ursprung der Mm. ischiocavernosus und
transv. perinei superfic. ^) und zerfällt sodann in zwei Aeste, deren zahl-
reiche Zweige in zwei Schichten vorwärts gehen. Die oberflächlichen*)
ziehen durch das subcutane Bindegewebe der Perinealgegend und der hinteren
Wand des Scrotum (des' hinteren Theils der Labia majora) und breiten sich
mit ihren Endästen , den Nn. Scrotales (laMcdes) postt. , in der Haut dieser
Theile aus. Die Nerven der tieferen Schichte''') verlaufen durch den M.
transv. perinei superfic. oder über demselben zur vorderen Spitze des
Sphincter ani und zum M. bulbocavernosus; sie enden zum Theil in diesen
Muskeln, zum Theil durchsetzen sie dieselben und treten in den Bulbus des
C. cavernosum uretrae ein, wahrscheinlich um zur Schleimhaut der Uretra
(beim Weibe auch der Vagina) vorzudringen.
Nach Rouget (Gaz. med. 1854, Nr. 9) ziehen zwei geschlängelte Nerven-
zweige (Nerfs uretro-peniens) dicht nebeneinander in der durch die Eaphe der
Mm. bulbo-caveruosi gebildeten Furche, dann in der Scheide des C. cavernosum
uretrae bis in die Nähe der Glans, geben Aeste zum C. cavernosum uretrae und
enden in Anastomosen mit den lateralen Aesten der Nn. dorsales penis.
Der N. dorsalis penis (ditoridis) *') hält sich über dem vorhergehenden
an der Seitenwand des Beckens auf der medialen Fläche des M. obturator
int., dessen Fascie ihn bis zum Eintritt in das Diaphragma urogenitale be-
deckt. Er durchsetzt und verlässt dasselbe, immer in Begleitung der gleich-
namigen Arterie (Eingeweidel. Fig. 388 ff.) und tritt mit ihr, und zwar über
ihr, zur Seite des Lig. Suspensorium auf die Rückenfläche des Penis (der
Clitoris). Hier theilt er sich alsbald in zwei Aeste, einen stärkeren media-
len ^), der geraden Wegs, in mehrere Aeste gespalten, diirch das cavernöse
Gewebe der Glans zur Oberfläche derselben vordringt, und einen lateralen ^),
der sich unter spitzem Winkel abzweigt und seine feinen Aeste vorwärts
und um die Seitenfläche des Penis abwärts in die Haut bis zum Präputium
sendet.
^) N. haemorrh. inf. ~) N. pudendus inj. s. int. ^) Cruveilhier bezeichnet diesen
Nerven {N. perineus ext.) als einen Hautast des Scrotum, der nnr zuweilen den motorischen
Ast des M. ischiocavernosus abgebe. Sappey nennt ihn femoro - j^erinealh und leitet von
ihm Zweige, ausser zum Scrotum, zur medialen Fläche des Schenkels her. *) Nn. perinei
superficiales Cruv. '') N. prof. s. hulho-uretralis Cruv. A'. musculo-uretralis Sappey.
") R. profundus nervi pudendi. N. pudendus superior s. ext. ^) R. glandis Cruv. ^) R.
cu/ oticus penis Cruv.
N. cutaiieus post. 531
Im vorderen Tlieil der Perinealgegend giebt der N. dorsalis penis einen
oder einige unbeständige Miiskeläste zum M. bulbocavernosus ab ; während
seines Verlaufs durch das Diaphragma urogenitale verbindet er sich mit
dem Plexus cavernosiis (s. Sympathicus) und schickt dem M. transv. perinei
prof. feine Aestchen (von etwa 0,1 Mm. Durchm.), längs dem Rücken des
Penis endlich durchbohrt er mit einigen Fädchen die fibröse Hülle des C.
cavernosum. Es ist wahrscheinlich, dass diese Fädchen zur Schleimhaut der
Uretra gelangen; nach J. Müller setzen sie sich mit den sympathischen
Nerven des cavernösen Gewebes in Verbindung.
An den Endzweigen des N. dorsalis penis (clitoi'idis) kommen pacinische
Körperchen vor. Schweigger -Seidel^) entdeckte sie, allerdings nicht
mehr als zwei bis drei , in den tiefsten Schichten des Unterhautbindegewebes,
dicht hinter dem hinteren Rande der Glans penis und in ebenfalls sehr ge-
ringer Anzahl im Praeputium clitoridis. Vereinzelt fanden sie sich aiich
im Fettgewebe der Labia majora, besonders unter der Uebergangsstelle der
letzteren in die Nymphen. Raub er 2) zählte am Stamm des N. clitoridis zwölf,
in Einer Hälfte der Clitoris an den Theilungswinkeln der Nerven und an der
inneren Schleimhautfläche des Präputium 28, im Fettgewebe der Labia
majora und des Mons veneris 78 pacinische Körperchen.
Langenbeck's Abbildungen (Neurolog. T. X) zeigen auf dem Rücken des
Gliedes Anastomosen der Nn. dorsales penis beider Seiten, Avelcbe Bock (Weber - Hil-
debr. III, 513) bestreitet.
b. Lange Nerven.
1. N. cutaneus post. ■'').
Bezieht eine Wurzel von der Rückenfläche des dritten Sacralnerven b. Lange n.
1 Oll tan
aus einem Zweig , der mit dem übrigen Theil seiner Fasern in den N. ghi- post.
teus inf. übergeht, eine zweite Wurzel aus dem N. gluteus inf. selbst, dem
er dafür höher oder tiefer ein Faserbündel abgiebt und bildet so an seinem
Ursprünge ein Geflecht, welches auf der hinteren Fläche des N. ischiadicus
liegt und sich sogleich in mehrere Aeste theilt oder in einen einfachen
Stamm fortsetzt, aus welchem alsbald Aeste medianwärts abgehen (Fig. 291).
Diese medialen Aeste verzweigen sich in der Haut über dem Tuber
ischiad. und am obersten Theil der inneren Schenkelfläche ; einer derselben,
N. pudenchis long. inf. '^), reicht auf die laterale Fläche des Scrotum (der
Labia majora) und anastomosirt mit den aus dem N. perineus entpringenden
Aesten dieser Region.
Den medialen Aesten gegenüber gehen aus dem N. cutaneus post.
einige feinere Zweige hervor, die Nn. suhcutanei ghitei inff. Bock^), die sich
um den unteren Rand des M. gluteus max. aufwärts biegen und in der Haut
des Gesässes verlieren.
^) Archiv für pathol. Anat. u. Physiol. XXXVII, 219. ^) Untersuchungen über das
Vorkommen und die Bedeutung der Vater' sehen Körper. München 1867. •'') N. cuta-
neus post. medlus Meckel. N. cutaneus post. mugnus Weber-H. N. cutaneus post. cotrim.
Bock. iV. cutaneus n. glutei inf. Cruv. *) R. scrotalis Cruv. ^) Nn. cutanei clunlum
hiff. N. cutaneus gluteus inf
532 N. iscliiadicus.
Audi im weiteren Verlauf an der Rückseite des Oberschenkels giebt
der N. cutaneus post. nacb der medialen Seite stärkere Zweige, als nach
der lateralen. Der Stamm selbst geht, früher oder später spitzwinklig ge-
theilt, in der Mitte der hinteren Fläche des Oberschenkels bis zur Kniekehle;-
der Eine seiner Aeste endet am medialen Umfange des Knies, der andere
läuft in Begleitung der V. saphena parva bis zur Mitte der Wade herab.
Oefters nimmt in der Mitte des Oberschenkels der N. cutaneus post. eine
sclileifenförmige Anastomose von einera Muskelzweig des N. ischiad. auf. Von
C. Krause als regelmässige Bildung beschrieben.
2. N. ischiadicus ^).
Der Nerve, zu welchem die grosse Mehrzahl der Fasern sämmtlicher Wur-
zeln des Plexus sacralis, die letzte ausgenommen, sich vereinigen (Fig. 290),
verlässt, 12 bis 14 Mm. breit, 5 Mm. dick, unter dem M. pyriformis das Becken
und zieht ungefähr mitten zwischen dem Sitzbeinhöcker und dem grossen
Trochanter hinter der Sehne und dem äusseren Kopf des M. obturator int.,
dann hinter dem M. quadrat. femoris und der tiefen Schichte der Adductoren
gerade herab (Fig. 291). Gewöhnlich in der Mitte des Oberschenkels, da, wo
der lange Kopf des M. biceps ihn kreuzt, spaltet er sich in seine Endäste, die
Nn. pevoneus und tihkiUs. Doch ist diese Spaltung nur ein Divergiren der
beiden Aeste, die schon gesondert aus dem Plexus hervorgehen, oft auch
von Anfang an geschieden neben einander verlaufen, oft durch lockeres Bin-
degewebe leicht trennbar verbunden und auch, wo alle Bündel gleichmässig
fest zu Einem Stamm vereinigt sind, durch sorgfältige Präparation reinlich
von einander gelöst werden können. Der N. peroneus, der laterale Ast,
ist etwa halb so stark, als der N. tibialis; er bezieht seine Fasern aus dem
combinirten Lumbal- und dem ersten und zweiten Sacralnerven ; in den N.
tibialis geht der grössere Theil der Fasern derselben Nerven imd ausser-
dem ein Theil des dritten Sacralnerven über.
Aus dem Anfang des Stammes entspringen zuweilen die Nerven zu
den beiden Köpfen des M. obturator int. und zum M. quadratus femoris.
Ferner giebt derselbe von der Incisura ischiadica aus oder noch oberhalb
derselben Fäden zxim Hüftgelenk (Rü ding er). Die Nerven zu den Mus-
keln der hinteren Fläche des Oberschenkels gehen, wenn auch hoch oben,
doch schon von dem getheilten Stamme ab und zwar sämmtlich von dem
in den N. tibialis sich fortsetzenden Theil , den motorischen Ast des kurzen
Kopfes des M. biceps allein ausgenommen, der aus dem Peronealtheil kommt,
über den oberen Rand des Muskels auf dessen laterale Fläche tritt und
längs derselben herabzieht.
Die Nerven aus der tibialen Hälfte des N. ischiadicus sind (Fig. 292) : einer
oder zwei für den langen Kopf des M. biceps, zwei für den M. semitendinosus,
von denen der Eine dicht unter der Ursprungssehne, der andere unter der
Inscription eintritt. Einer bis drei für den M. semimembranostis und Einer
für den M. adductor magnus. Die Reihenfolge, in welcher diese Aeste den
■*) iV. ischiad. magnus. Hüftnerve.
N. ischiaclicus.
Fig. 292.
Garn
. 533
Stamm verlassen, ist nicht
immer dieselbe; gewöhnlicli
sind die Nerven der Mm. semi-
membi-anosus und adductor
Zweige Eines Stcämmchens,
welches am weitesten abwärts
entspringt ; der M. semimem-
branosus erhält seinen Ner-
ven erst am unteren Drittel
des Oberschenkels, in der
Mitte seines Muskelbauchs.
Mit dem Nerven des kur-
zen Kopfes des Biceps oder
selbständig unter ihm geht
aus dem Peronealtheil des
N. ischiad. ein im Verhält-
niss zu seiner Länge sehr fei-
ner Nerve, N. artimlaris genii
Sup. ni., hervor, welcher über
dem lateralen Epicondylus,
zwischen dem Knochen und
dem unteren Ende des M.
biceps, vorwärts umbiegt und
sich in der lateralen Wand
der Kapsel, des Kniegelenks
verbreitet.
Wenn der N. cutaneus
fem. post. am Knie sein Ende
erreicht, so löst sich vom Pe-
ronealtheil des N. ischiadicus
und in ziemlich gleicher Höhe
mit dem eben beschriebenen
Zu Fig. 292.
Verästelung des N. ischiadicus am
Oberschenkel und an der hinteren
Fläche des Unterschenkels. St M.
semitendinosus, an der Insertions-
se\\ne (St') abgeschnitten und seit-
wärts umgelegt. Bfl, Bfb, lan-
ger und kurzer Kopf des M. biceps
fem. Pia M. plantaris. Po M.
popliteus. SM. soleus. Gal,Gam,
lateraler und medialer Kopf des
M. gastrocnemius. Sm M. semi-
membranos. Afm M. adductor
magn. Gr M. gracilis. cpm N.
cutaneus cruris post. medius. cpe,
ctl, Nn. communicantes peron.
und tibial.
534 N. iscliiadicus.
Gelenknerven, zuweilen aber auch erst von dem N. peroneus ein dünner
Hautnerve, N. Cutaneus cruris post. TYledius'^), der den medialen Theil der
hinteren Fläche des Unterschenkels versieht; er zieht lateral wärts neben
dem N. tibialis durch das Fett der Kniekehle herab, wird auf dem latera-
len Kopfe des M. gastrocnemius subcutan und erstreckt sich bis in die Nähe
des Knöchels.
Einen Knochennerven , welcher am Anfang des iinteren Drittels des Schen-
kelbeins in dasselbe eintritt, hat Beck entdeckt und beim Dromedar zum Stamm
des N. iscliiadicus zurückverfolgt (lieber einige in Knochen verlaufende iind an
der Markhaut derselben sich verzweigende Nerven. Freiburg, 1846, S. 16).
Von da an , wo die Nn. peroneus und tibialis aus einander weichen,
erscheint der letztere als die gerade Fortsetzung des N. ischiadicus und
läuft durch die Mitte der Kniekehle , hinter den Gefässen , gerade abwärts,
bis er unter dem queren Sehnenbogen des M. soleus sich dem Blicke ent-
zieht. Der N. peroneus dagegen lenkt seitwärts ab gegen das Köpfchen der
Fibula und wendet sich in einem fibrösen Canal , den die vereinigten Ur-
sprünge derMm. peron. long, und soleus mit dem Knochen begrenzen, auf die
Vorderfläche des Unterschenkels. So wird der Tibialis zum Nerven der
Rückseite des Unterschenkels und der Plantarfläche des Fusses, der Pero-
neus zum Nerven der Vorderfläche des Unterschenkels und des Fussrückens.
Der N. tibialis geht am Unterschenkel unter der tiefen Fascie desselben mit
der A. tibialis post. herab und spaltet sich erst in der Gegend des Knöchels
in die beiden Endäste , die Nn. plantares lat. und medialis. Der N. pero-
neus theilt sich schon beim Eintritt in den M. peron. longus in seine End-
äste, welche bis zu den Zehen herabsteigen. Zwischen die Nerven des Fuss-
rückens imd der Fusssohle schiebt sich am medialen Rande des Fusses der
N. saphenus ein. Am lateralen Rande spielt die gleiche Rolle ein Nerve,
der sich aus zwei Hautästen zusammensetzt, welche der Eine vom N. tibialis,
der andere vom N. peroneus abgegeben werden , bevor diese Stämme zwi-
schen die Muskeln des Unterschenkels eindringen.
Der N. peroneus 2) giebt auf dem Wege zum M. peron. long, zwei oder
drei collaterale Aeste ab :
1. Vom vorderen Rande den N. articularis genu inf. m.'^), der an der
Seite des Kniegelenks, unter der Sehne des M. biceps , gerade vorwärts geht
und in der Kapsel des Kniegelenks endet. Von ihm zweigt sich nicht selten
ein Aestchen zum unteren Ende des M. biceps ab ; einer seiner Endäste wen-
det sich abwärts zur Kapsel des oberen Tibiofibulargelenks (Rü ding er).
2. Vom hinteren Rande den bereits erwähnten Hautnerven , N. cuta-
neus cruris post. medius, falls derselbe nicht durch den N. cutaneus femoris
post. vertreten oder vom N. ischiadicus abgegeben wird.
3. Ebenfalls vom hinteren Rande etwas weiter unten den ebenfalls
^) Meckel führt zwei hintere Hautnerven aus dem N. ischiadicus auf, als Nn. cuta-
nei postt. medius und inferior. Krause erwähnt den N. cutan. post. medius als Ast des
N. peroneus, der aber auch zuweilen vom N. tibialis stamme. ^) A'. ßhularis. N. popli-
teus ext. N. mu.iculo-aitaneux peron. ext. s. ischiad. popliteus ext. Cruv. '^) A. articularis
genu Arnold.
N. iscliiadicus. 535
schon erwähnten Hautnerven , JSf. Communicans peroneus ^) , welcher in Ge-
meinschaft mit dem entsprechenden Ast des N. tibialis, dem lateralen Fuss-
rande zustrebt (Fig. 292). Kaliber und Verlaufsweise dieses Nerven sind sehr
veränderlich; sein Kaliber schwankt im umgekehrten Verhältniss zu dem der
übrigen Hautnerven, namentlich des N. communicans tibialis. Bald stellt
er nur eine mehr oder minder ansehnliche Wurzel des letzteren dar , die
höher oder tiefer spitzwinklig in denselben übergeht , bald sendet er dem
N. commun. tibialis in der Mitte des Unterschenkels oder weiter unten eine
schleifenförmige Anastomose zii, indess er sich mit dem Rest seiner Fasern
in der die Achillessehne deckenden Haut verbreitet; bald endlich, der sel-
tenste Fall, fehlt die Communication mit dem N. tibialis und der N. com-
municans peronei wird zu einem selbständigen Hautnerven des lateralen
Randes des Unterschenkels. Er schickt, nachdem er unter der Kniekehle
die Fascie durchbohrt, eine Reihe von Zweigen schräg vor-, die oberen auf-,
die unteren abwärts zur Vorderfläche des Knies und Unterschenkels; zuwei-
len spaltet er sich in zwei parallele verticale Aeste, von denen der vordere 2)
die vorwärts verlaufenden Zweige aussendet.
Von den beiden, ungefähr gleich starken Endästen, in die der N. pero-
neus beim Eintritt in den M. peroneus long, zerfällt, ist der oberflächlichere,
N. peron. superficialis, vorzugsweise Hautnerve, versorgt aber auch die Mus-
keln der Peronealseite des Unterschenkels; der tiefe, N. peroneus pro/., ist
der motorische Nerve der Streckseite des Unterschenkels und Fusses , giebt
aber doch auch ein paar sensible Aeste zu Zehenrändern (Fig. 293).
Der N. peroneus superficialis^) sendet, nachdem er an der medialen
Fläche des M. peron. long, angelangt ist, alsbald nach einander die Nerven
für die Mm. peron. long, und brevis ab , die auf den einander zugewandten
Flächen beider Muskeln eine Strecke abwärts laufen. Der Stamm selbst
nähert sich allmälig zwischen den Mm. peronei und dem M. extensor dig.
comm. der Oberfläche. In der Mitte ^der über dem unteren Drittel des
Unterschenkels durchbohrt er die Fascie , theilt sich in einen medialen und
einen lateralen Ast; oft auch hat er sich noch innerhalb der Fascie in zwei
Aeste getheilt und tritt mit dem medialen^A,ste früher aus derselben hervor,
als mit dem lateralen. Der mediale Ast*) ist der stärkere; er wendet sich
dem medialen Rande des Fiisses zu ; seine Zweige ^) versehen auf dem Wege
dahin die Haut des Knöchels und Fussrückens und fliessen zuletzt mit den
Endzweigen des N. saphenus dergestalt zusammen , dass die am medialen
Rande des Rückens der grossen Zehe , zuweilen auch an der Rückseite der
nächsten Zehenränder hinziehenden Fäden als Fortsetzungen bald mehr
des Einen, bald mehr des anderen dieser Nerven erscheinen. Der laterale
Ast des N. peroneus superfic.^') versieht die Haut des lateralen Theils des
Fussrückens und theilt sich zunächst in drei Aeste , deren jeder wieder
^) N. comraun. ßbularls. N. cuianeus cruris post. N. cutaneus post. ext. N. saphenus
peroneus. Cruv. N. accessorius sapheni ext. Sappey. Radix ext. N. sapiheni ext. Hir Seh-
feld. ^) R. cutaneus peroneus Cruv. ^) N. cutaneus ant. N. cutaneus dorsi pedis comm.
N. cutaneus peronei. *) iV. dorsi pedis cutaneus ant. s. int. N. pedalis ant. N. peroneus
int. ^) Criiveilhier bezeichnet einen derselben als Malleolaris ext. '^) N. dorsi pedis cuta-
neus medius. N. peroneus ext.
536
N. ischiadicus.
Fig. 293.
gabelig sich spaltet, um
die Rr. dorsales je zweier
einander zugewandter Ze-
henränder , vom lateralen
Rande der zweiten bis zum
medialenRande der fünften,
zu liefern. In der Regel
lassen die beiden Endäste
des N. peroneus superficia-
lis eine Lücke , die den
einander zugekehrten Rän-
dern der ersten und zwei-
ten Zehe entspricht und
überlassen die Versorgung
dieser beiden Ränder einem
Endaste des N. peroneus
prof. , jedoch nicht ohne
Anastomosen mit demsel-
ben einzugehen. Zu dem
am Kleinzehenrande hin-
ziehenden Ende des N. com-
municans tibialis stehen
die lateralsten Zweige des
N. peroneus superfic. in
demselben Verhältniss, wie
die medialsten zum Ende
des N. saphenus.
Der N. peroneus prof.^)
schickt aus dem Zwischen-
raum zwischen den Mm.
peroneus long, und ext.
digit. comm. einen Ast oder
zwei dxirch die obere
Zu Fig. 293.
Vorderfläche des Unterschenkels
und Rückenfläche des Fusses.
Verästelung des N. peroneus,
pe?'' dessen oberflächlicher, per"
dessen tiefer Ast. Pel Peb
M. peron. long, iind br. Fh l
M. flexor hall. long. Fdl M.
flexor dig. long. Fhh M. flexor
hall. br. Fdb M. flexor dig.
br. cti N. commun. tibialis.
s a N. saphenus.
^) N. tibialis anticus Lan-
genbeck. R. muscularis N.
peronei. N. inusculo - cutaneiis
peroneus ani. s. interosseus Cruv.
N. ischiadicus. 537
Spitze des letztgenannten Muskels quer hinüber zum M.tibialis ant., durchbohrt
sodann den M. extensor dig. comm. in schräger Richtung und giebt ihm einen
Zweig, der an seiner, dem M. extensor hallucis zugewandten P'läche sich weit
hinab verfolgen lässt. Weiter, zwischen diesem Muskel und dem M. tibialis ant.
vor den Vasa tibialia ant. herabziehend, sendet der N. peroneus prof. dem M. ex-
tensor hallucis mehrere Aeste zu und erreicht, ohne durch Abgabe aller dieser
Muskelzweige merklich an Kaliber verloren zu haben, mit den Gefässen den
Rücken des Fusses. Oberhalb des Knöchelgelenks trennt sich von ihm ein
feiner Ast, der sich in der vorderen "Wand der Kapsel dieses Gelenks verliert
(Rü ding er). Auf dem Gelenk spaltet sich der Stamm in einen medialen
und einen lateralen Ast. Der mediale Ast-*) geht in der Flucht des Stam-
mes im ersten Spatium interosseum vorwärts, giebt den Gelenkkapseln des
medialen Fussrandes und dem ersten M. interosseus dors. Zweige und kommt
in der Gegend der Zehentarsalgelenke unter der Fascie hervor , um sich
gabelförmig in die dorsalen Nerven der einander zugekehrten Ränder der
ersten und zweiten Zehe zu spalten, wenn , wie dies Regel ist, der N. pero-
neus superficialis dieselben unversorgt lässt; im anderen Falle geht er in
die entsprechenden Aeste des N. peron. superfic. über. Der laterale Ast 2)
wendet sich seitwärts unter die kurzen Muskeln des Fussrückens und löst
sich in Zweige auf, welche an diese Muskeln, und von feinen Aesten aus,
die in den Intermetatarsalräumen vorwärts ziehen^), an die Mm. interossei
und die Gelenke des Fussrückens sich vertheilen.
Der N. tihialis'^) sendet im oberen Theil der Kniekehle den dem N. com- xibiai.
municans peronei entsprechenden Hautnerven ab, sodann Nerven zur Knie-
gelenkkapsel und zu den Wadenmuskeln mit Einschluss des M. plantaris. Der
Hautnerve, N. Communiccms tihialis (Fig. 292) •^), trennt sich in der Regel schon
am unteren Drittel des Oberschenkels vom Stamme. Während dieser unter
dem Sehnenbogen , von welchem die Fasern des M. soleus zwischen Tibia
und Fibula entspringen, in die Tiefe geht, setzt der N. communicans seinen
Weg an der hinteren Fläche des M. gastrocnemius abwärts fort, längs dem
Sehnenstreifen , der dessen Köpfe trennt , oder in einem fibrösen Canal , der
die Stelle dieses Sehnenstreifens einnimmt und häufig einen Zweig der V.
saphena parva mit einschliesst. Am unteren Drittel des Unterschenkels
nimmt der N. communicans tibialis den N. communicans peronei oder einen
Zweig desselben auf, liegt, nachdem er die Fascie durchbrochen, dicht am
lateralen Rande der Achillessehne, wendet sich unter dem lateralen Knöchel
im Bogen vorwärts und zieht am Fussrande hin bis zum Endgliede der
fünften Zehe. Von der Umbiegungsstelle gehen Aeste'') abwärts zur Haut
der Ferse, zum Knöchelgelenk und den Sprungbeingelenken (Rü ding er),
von dem am Fussrande verlaiifenden Theil des Nerven^) strahlen Aeste spitz-
winklig auf- und abwärts aus ; von den aufwärts strahlenden verbinden sich die
vordersten mit den seitlichsten Aesten des N. peroneus superf. (Fig. 293); sie
■') R. int. profundus dorsi pedis. ^) E. ext. prof. dorsl pedis. ^) Nu. interossei Ru-
di ng er. *) N. tihialis post. Langenbeck. N. popliteus s. popliteus int. ^) N. commu-
nicans surae. N. cutaneus long. post. tibiae. N. cutaneus longus cruris et pedis. N. cu-
taneus pedis ext. s. tibialis. N. sapJtenus inf. N. suralis. ^) Rr. calcanei externi Cvuv,
^) N. cutaneus dorsi pedis ext.
538
K iscliiadicus.
Fig. 294.
Garn
Untprsclienkel , hintere , etwas medianwärts gedrehte Fläche , und Sohlenfiäehe des Fusses.
Verästelung des N. tibialis (ti). Der mediale Kopf des M. gastrocnemius [Gavi] durih-
schnitten, das untere Ende rückwärts umgelegt. Pia Bauch des M. plantaris. Po M.
N. ischiadicus. 539
können dieselben am medialen Rande der fünften Zehe und nocli weiter
gegen die Mitte des Fusses hin vertreten.
Von den Aesten zum Kniegelenk, Br. articulares genu i), verlässt Einer
den Stamm in gleicher Höhe mit dem N. communicans , einige andere ent-
springen tiefer , zuweilen in Gemeinschaft mit einem der Muskelnerven.
Sie bilden mitFädchen aus den Gelenknerven des N. peroneus ein Geflecht 2)
um die Vasa poplitea, aus welchem Zweige zur hinteren Kapselwand, meist
in Begleitung der Gefässe, hervorgehen.
Die Nerven der Wadenmuskeln (Fig. 292) sind: vom medialen Rande des
N. tibialis ein Ast zum medialen Kopf des M. gastrocnemius , vom lateralen
Rande ein Ast, der sich weiterhin in zwei theilt, von denen der Eine dem
lateralen Kopf des M. gastrocnemius bestimmt ist , der andere hinter dem
Bauch des M. plantaris zum M. soleus herabsteigt, in den er sich gabiig ge-
theilt einsenkt. Ein dritter, aus der Vorderfläche des N. tibialis hervor-
gehender dünner Muskelnerve begiebt sich zur Vorderfläche des M. plantaris.
Weiter abwärts in der Kniekehle entspringen nahe bei einander oder mit
einem gemeinschaftlichen Stämmchen (Fig. 294) der Nerve des M. popliteus
und ein Nerve , der sich in Aeste für die Mm. soleus und tibialis post. theilt.
Der Nerve des M. popliteus zieht vor dem Bauche des M. plantaris schräg
lateralwärts herab; er verbreitet sich im M. popliteus von dessen unterem
Rande aus iind sendet einen Zweig über den unteren Rand des genannten
Muskels hinaus. Dieser Zweig, der N.lif/amenti interossei Fischer'^), giebt
einen Faden an die A. tibialis postica und einen , der das Gefäss durch den
Schlitz des Lig. interosseum begleitet, an die A. tibialis ant. , auch ein
Aestchen zum oberen Tibiofibulargelenk (Halbertsma). Er läuft sodann
zwischen den Lamellen des Lig. inteross. und zuletzt wieder auf dessen
hinterer Fläche zum unteren Tibiofibulargelenk herab , indem er nach beiden
Seiten Aeste an das Ligament und die Unterschenkelknochen abgiebt und
sich allmälig mehr der Tibia nähert.
Einmal (unter 14 Tällen) meint Halbertsma ein kleines Ganglion am unte-
ren Ende des N. ligam. interossei über dem unteren Tibiofibulargelenk gesehen
zu haben.
Die Zweige für den M. soleus treten in die vordere, die für den M.
tibialis in die hintere Fläche ihrer Muskeln ein.
Etwa am unteren Ende des oberen Drittels des Unterschenkels gehen
einige dünne Aeste aus dem N. tibialis hervor, von denen sich einer tibialwärts
zum M. flexor dig. long. , zwei bis drei peronealwärts zum M. flexor
hallucis long, wenden. Der unterste der letztgenannten Nerven bleibt auf
der Oberfläche des Muskels bis zum Knöchelgelenk sichtbar.
Zu Fig. 294.
popliteus. S M. soleus. Tjj M. tibialis post. Fdl M. flexor dig. longus. Fhl M. flexor
hall. long. TA Tenclo Achillis. Abh M. abductor hallucis, am Ursprung durchschnitten,
das Insertionsende naedianwärts unagelegt. Fdb M. flexor dig. br. cpp N. cutan. plant.
propr. plm, pll N. plantaris lateralis und medial.
^) iV. artic. posi. Cruv. ^) Plexus popliteus Eüdinger. 3^ Nervorum lumbalium, sa-
cralium et extremitatum inferiorum descriptio. Lips. 1791, pag. 34. N. interosseus cruris
Halbertsma (Müll. Arch. 1847, S. 303).
540 N. ischiadicus.
Am Knöchelgelenk giebt der N. tibialis constant unter rechtem Winkel
Einen Faden, zuweilen zwei ab, welche zwischen den Sehnen der Mm. flexor
dig. comm. long, und tibial. post. zur medialen Wand der Gelenkkapsel
verlaufen (Rü ding er).
Der letzte Ast des N. tibialis vor dessen 'Enäth.eilung, N.Cutaneusjtlan-
taris proprius i), geht am medialen Knöchel herab zur Haut der Ferse und
des hinteren Theils der Fusssohle (Fig. 294. 295).
Von den Nn. plantares , deren Stärke ziemlich gleich ist , erreicht der
mediale (jjZw) die Fusssohle in einer fibrösen, ihm und den Vasa tibialia ge-
meinsamen Scheide, die am Unterschenkel hinter, in der Fusssohle unter der
Scheide der Sehnen der Beugemuskeln liegt, und läuft am medialen Rande
des M. flexor digit. brevis vorwärts. Nachdem er beim Eintritt in die Fuss-
sohle den Mm. flexor dig. comm. und abductor hallucis je einen Zweig ab-
gegeben, theilt er sich zunächst in zwei Aeste(Fig 295). Der mediale zieht
unter dem M. abductor hall, hin, sendet ein Aestchen dem medialen Kopf des M.
flexor hall. br. und endet als medialer Randnerve der grossen Zehe; der
laterale zerfällt in drei oder vier Aeste, drei Nn. digitales comm. und einen
nicht ganz beständigen anastomotischen Ast zum N. digit. comm. aus dem
N. plantaris lateralis. Die Nn. digitales comm. des N. plantaris medialis
gehen an die einander zugewandten Ränder der ersten und zweiten , zweiten
und dritten, dritten und vierten Zehe ; der erste hält sich an den medialen Rand
des M. flexor dig. br. , der zweite und dritte ziehen, meist aus Einem Stamme
entspringend , vom medialen Rande dieses Muskels aus an dessen unterer
Fläche schräg vorwärts. Der erste R. digit. comm. versieht den ersten M.
lumbricalis oder den ersten und zweiten; von allen drei Rr. digit. kommen
Hautnerven, welche sich theils am medialen und vorderen Rande der Plan-
taraponeurose, theils durch dieselbe zur Fusssohle begeben.
Der N. plantaris lateralis, welcher sich mit den gleichnamigen Gefässen
in der Aushöhlung des Fersenbeins über dem M. flexor dig. br. lateralvor-
wärts wendet , ist der Hauptmuskelnerve der Fusssohle und insofern dem
volaren Aste des N. ulnaris analog. Der erste Muskelzweig geht an der un-
teren Fläche des Lig. calcaneo - cuboid. plantare , unmittelbar vor dessen
Ursprung, fast gerade lateralwärts zum M. abductor dig. quinti; einer oder
zwei feine Zweige verlaiifen sodann vom Stamme vorwärts, um sich in die
imtere Fläche des plantaren Kopfes des M. flexor dig. comm. long, einzu-
senken'^). Danach spaltet sich der N. plantaris lateralis in drei, in verschiedener
Weise combinirte Aeste .- es sind der N. digit. comm. quartus , der laterale
Randnerve der fünften Zehe und ein den tiefen Muskeln der Fusssohle be-
stimmter Ast. Es entspringen aber bald die beiden Zehennerven , bald
der laterale Zehennerve mit dem tiefen Muskelnerven aus einem gemein-
schaftlichen Stämmchen. Der N. digit. comm. quartus, der Nerve der ein-
ander zugekehrten Ränder der vierten und fünften Zehe, tritt um den late-
ralen Rand des M. flexor dig. br. an dessen untere Fläche und kreuzt spitz-
winklig die Sehne der fünften Zehe. Von ihm stammen die Fäden zu den
^) N. culanens calcis. N. ühialis ext. N. calcancus int. Cruv. ^) Aeste zum M.
riexor digit. br., welche von Bock und sämmtlichen deutschen Handbüchern angeführt
werden, konnte ich nicht bestätigen.
N. iscliiadicus.
541
Fiff. 295.
CjP£
Nerven der Fusssohle. Aus dem M. flexor dig. br. {Fdh) ist ein Stück ausgeschnitten,
der Ursprung rückwärts gebogen. Mm. abductores hallucis {Ahh) und dig. quinti {,Ahq)
am Ursprung durchschnitten und zur Seite gelegt. Fdl Sehne des M. flexor dig. long.
Fhl Sehne des M. flexor hall. long. Fhh Medialer Kopf des M. flexor hall. br. Fdpl
Plantarer Kopf des M. flexor dig. long. Fq M. flexor br. dig. quinti. 7^^ M. inteross.
plant. 3. L! M. lumbricalis lus. plm, pll Nn. plantares medial, und lateral. * Motori-
scher Ast des M. flexor dig. br. , am Ursprung abgeschnitten.
542 N. ischiaclicus.
Mm. lumbricales, die der N. plantaris medial, unversorgt lässt ; ein Ast dessel-
ben geht mit einem Aste des dritten N. digit. comm. die erwähnte, an der unte-
ren Fläche des M. flexor dig. hr. befindliche, schleifen- oder geflechtartige Ana-
stomose ein, welche feinen Hautästen den Ursprung giebt. Ausserdem sendet
der vierte N. digit. comm., wie die übrigen, eine Reihe feiner Fäden durch
die Plantaraponeurose und über den vorderen Rand derselben in die Haut
der Fusssohle und insbesondere des Ballens.
Die zahlreichsten und ansehnlichsten Hautnerven gehen vom lateralen
Randnerven der fünften Zehe zum Fussrande und öfters erscheint als ein
Ast dieses Nerven der sogleich zu erwähnende laterale Zweig des tiefen
oder Muskelastes des N. plantaris lateralis.
Dieser pflegt sich nämlich gabiig zu theilen in. einen lateralen und
einen medialen Zweig. Der laterale, der sich auf den Randnerven der
fünften Zehe versetzen kann, geht gerade vorwärts zur Basis des fünften
Mittelfussknochens und vertheilt sich an die Mm. flexor br. und opponens
dig. quinti und an die Mm. interossei des vierten Intermetatarsalraumes.
Der mediale Zweig folgt dem vorderen Rande des plantaren Kopfes des M.
flexor dig. long, vor- und medianwärts, und zerfällt über den Sehnen dieses
Muskels in eine Anzahl feiner Aeste für die beiden Köpfe des M. adductor,
und den lateralen Kopf des M. flexor hallucis, so wie für die Mm. interossei
des dritten und zweiten Intermetatarsalraums.
In ihrem weiteren Verlauf verhalten sich die dorsalen und plantaren
Randnerven der Zehen , wie die entsprechenden Fingernerven. Auch be-
züglich der Pacini'schen Körperchen darf ich auf die Beschreibung der
Hand verweisen. Die meisten finden sich in den dicken compacten Binde-
gewebslagen am lateralen Rande der Fusssohle, am Ballen und in den Win-
keln zwischen den Zehen (Herbst)^).
Var. Der vom Ursprung an iu seine beiden Endäste getheilte N. ischiadicus
tritt mit dem Einen Aste (dem N. peroneus) über dem M. pyriformis oder durch
denselben hervor. Sehr selten findet die Theilung erst unter der Kniekehle Statt.
Statt des N. saphenus versieht der Mnskelast des Vastus medialis die Haut
der vorderen Kniegegend (Pye- Smith, Howse und Davies - CoUey, Gny's
hosp. rep. XVI, 160). Der wechselnden Art des Zusammenhangs der Nn. commu-
nicantes tib. und peron. habe ich oben gedacht. Eine seltenere Varietät beschreibt
Cruveilhier (IV, 573), Vei-einigung beider Nerven schon iu der Kniekehle zu
einem einfachen Stamm. An dem von Langenbeck (Nenrol. Taf. VI, Fig. 2)
abgebildeten Präparat (Nr. 1114 unserer Sammlung) läuft der N. commuu. peronei
gerade herab zum Fussrande; der N. comm. tibialis sendet ihm in der Mitte der
Wade einen Zweig und zerfällt sodann in zwei Aeste, Einen, der sich im Fett
hinter dem Knöchelgelenk verliert und Einen, der mit dem Stamm des N. tibialis
vor dessen Theiluug in die Nn. plantares verschmilzt.
Nicht selten greift, wie erwähnt, der Endast der Nn. communicantes vom
lateralen Rande der fünften Zehe weiter auf dem Rücken des Fusses in das
Gebiet des N. peroneus superfic. über. In einem von Pye-Smith, Howse und
Davies - Colley (a. a. 0.) beobachteten Falle erstreckte er sich über den ganzen
Fussrücken bis an den Ast des N. peroneus prof. zur zweiten Zehe. Der N. peron.
superf. endete auf dem Rücken des Fusses.
An einem meiner Präparate spaltet sich der laterale Ast des N. pei-on. superfic.
iu zwei Zweige, von denen der Eine an die vierte Zehe tritt, der andere sich mit
^j A. a. 0. S. 9.
N. ischiadicus.
543
Fiff. 296.
Fig. 297,
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544 N. ischiadicus.
dem medialen Aste desselben Nerven kreuzt und zum Theil in ihn übergeht. An
einem anderen Präparat entspringt aus der Mitte des N. tibialis ein Hautast, der
am unteren Ende der Tibia aus der Fascie hervortritt und vom hinteren Rande
des Knochens aus sich über der medialen Fläche desselben verzweigt.
Einmal trennte sich ein Muskelast des Abductor hallucis schon unter der
Mitte des Unterschenkels vom Stamm des N. tibialis , verlief medianwärts neben
demselben zur Pusssohle und spaltete sich in derselben in zwei Aeste , von denen
der Eine zum N. plantaris int. zurückkehrte. Von diesem Nerven erhielt der
Muskel am vorderen Rande des Würfelbeins einen zweiten Ast.
An dem bei Bock (a. a. O. Taf. VI, Fig. 4) abgebildeten Fusse stehen die
beiden plantaren Randnerven der gi'ossen Zehe in der Fusssohle durch eine schlei-
fenförmige Anastomose in Verbindung. Die Anastomose zwischen den beiden
Nn. plantares Avird an dem von Hirschfeld und Leveille (pl. LXIV, Fig. 2) ab-
gebildeten Präparat durch einen Ast bewerkstelligt, der sich im hinteren Theil
der Sohle vom N. plantaris lateralis ablöst, zwischen den beiden Flexoren vor-
wärts geht und , nachdem er zwischen den mittleren Sehnen des M. flexor dig.
br. auf dessen untere Fläche gelangt, in zwei Aeste zerfällt, die sich an die ein-
ander benachbarten Nn. dig. comm. der Nn. plantares laterahs und medialis
anschliessen.
Stellen wir übersicMlicli die Beziehung der Nerven der unteren Extre-
mität zu den Muskeln zusammen, so ergiebt sicli Folgendes: Die Muskeln
der Vorderfläclie des Beckens und des Obersclienkels erhalten , mit Aus-
nahme des M. tensor fasciae , den der N. gluteus sup. versorgt, ihre motori-
schen Aeste vom N. cruralis. Von den äusseren oder hinteren Hüftmuskeln
beziehen ihre motorischen Aeste: der M. gluteus maximus vom N. gluteus
inf., die Mm. gluteus medius und minimus vom N. gluteus sup., der M. pyri-
formis von einem directen Ast des Plexus ischiad. , zuweilen auch vom N.
gluteus sup. , der M. obturator int. direct vom Plexus ischiadicus oder vom
N. gluteus inf. oder vom N. pudendo - haemorrhoid. oder vom Stamme des
N. ischiadicus, der M. obturator ext. vom N. obturatorius. Den M. quadrat.
femoris und die Muskeln der Beugeseite des Oberschenkels versieht der N.
ischiadicus. Die Zweige zur Musculatur der Adductoren des Oberschenkels
mit Einschluss des M. gracilis stammen aus dem N. obturatorius; doch wird
der M. pectineus avich, und zuweilen ausschliesslich vom N. cruralis, der
M. adductor magnus auch vom N. ischiadicus innervirt.
Der N. peroneus versorgt am Unterschenkel die Muskeln der Vorder-
und Peronealseite, am Fuss die kurzen Streckmuskeln, einen oder einige Mm.
interrossei dorsales, vom ersten an; den Muskeln der Rückseite des Unter-
schenkels und der Fusssohle nebst dien übrigen Mm. interossei liefert der N.
tibialis ihre motorischen Aeste. Ein Bild der Vertheilung der Hautnerven
geben die Figuren 296 und 297.
VI. N. und Plexus coccygeus.
Coccyg. Der N. coccygeus verlässt , in zwei zarte Aeste gespalten , zwischen
dem ersten und zweiten Steisswirbel die Wirbelhöhle. Der schwächere hin-
tere Ast tritt zwischen dem unteren Rande des Steissbeinhorns und dem
Lig. sacrococcygeum post. supei'ficiale (Bänderlehre Fig. 33) , der vordere
Ast unter dem Flügel des ersten Steisswirbels hervor.
N. sympathicus. 545
"Was man Plexus coccygeiis nennt, ist der vordere Ast des N. coccygeus Piex. cocc.
in Verbindung mit dem unteren Zweig des vorderen Astes des fünften Sa-
cralnerven, mit dem er sicli unmittelbar nach, dem Austritt vereinigt. Aus
dem Winkel, in welchem sie zusammentreffen, geht in der Flucht des ab-
steigenden Astes des Sacralnerven ein verhältnissmässig starker Nerve her-
vor , über die Insertion des M. coccygeus herab und um den unteren Rand
dieses Muskels, durch die Lücke zwischen ihm und dem M. ischiococcygeus
nach aussen auf die Rückseite des Steissbeins; er nimmt hier den hinteren
Ast des N. coccygeus ganz oder theilweise auf und zerfällt strahlig in eine
Anzahl Fäden'), welche in der die Spitze des Steissbeins bedeckenden Haut
endigen.
Feinere Fädchen entspringen noch im Becken zum Theil aus diesem
Nerven, zum Theil mit ihm aus demselben Winkel und durchbohren, median-
abwärts gerichtet, die Insertionssehne des M. coccygeus, wahrscheinlich um
ebenfalls zur Haut zu gelangen.
C. N. sympathicus 2).
Ich habe an dem sympathischen Nervensystem Grenzstrang , Wurzeln c. Sympath
und peripherische Aeste unterschieden (S. 8. 332). Der Grenzstrang ist
ein symmetrischer verticaler Nervenstrang, der, von gangliösen Anschwellungen
unterbrochen, jederseits vor den Querfortsätzen oder auf der Vorderfläche der
Wirbelkörper herabsteigt. Die Zahl seiner Ganglien, wie der Wurzeln, ent-
spricht im Allgemeinen der Zahl der Spinalnerven, indem der Regel nach
von dem vorderen Aste dieser Nerven ein Fädchen sich dem Sympathicus
zuwendet und jedesmal die Stelle, an welcher dasselbe den Grenzstrang
erreicht und sich mit ihm verbindet, von einem Ganglion umgeben ist. Es
kommen beständige und unbeständige Ausnahmen vor , die im Grunde nur
scheinbar sind und darauf beruhen, dass benachbarte Ganglien zusammen-
rücken und in Eins verschmelzen. Die auf zwei oder drei reducirten Gang-
lien des Grenzstrangs am Halse bieten ein constantes Beispiel solcher Ver-
schmelzung dar; gegen das combinirte Ganglion convergiren die Wurzeln von
mehreren Spinalnerven oder legen sich an den Grenzstrang zwischen zwei Gang-
lien an. Durch eine zuweilen mit einem unpaaren, medianen Ganglion, Ggl. coc-
cygeum, versehene Schlinge zwischen den beiderseitigen untersten Knoten des
Grenzstrangs wird in der Regel die Ganglienkette amunteren Ende des Rumpfs
geschlossen; sie stellt demnach eine langgestreckte, oben offene Ellipse dar,
die sich als eine Art Centralorgan des sympathischen Nervensystems be-
trachten lässt. Die zugehörigen peripherischen , vorzugsweise den Einge-
weiden bestimmten Nerven nehmen grösstentheils aus den Ganglien, doch
auch zwischen denselben ihren Ursprung, sie gelangen für sich an den
1) Nn. anococcygei Krause. ^) N. sympath. magnus. N. intercostalis Willis s. inter-
costalis magnus. N. tnsplanchnicus C haussier. N. gangliosus. Sympathisches oder or-
ganisches oder vegetatives oder Eingeweidenervensystem. Eumpfnervensystem Burdach.
Gangliensystem.
Henle, Anatomie. Bd. III. Abthl. 2, 35
546 N. sympathicus.
Ort ihrer Endigung oder schliessen sich an cerebrospinale Aeste oder Ge-
flechte an.
Die aufgestellte Eintheilung genügt , um in der anatomischen Beschrei-
bung des Hals- und Rumpftheils des Sympathicus jedem Zweig seine Stelle
anzuweisen; sie genügt aber schon nicht mehr für die Verbindungen des
Ganglion cervicale supr. mit den Hirnnerven , da der Verlauf dieser Verbin-
dungsäste allein zur Entscheidung, ob sie den Wurzeln oder den peripherischen
Aesten des Rumpfnervensystems analog seien, nicht ausreicht. Vollends unzu-
länglich erweist sich jene Eintheilung für die physiologische Anwendung, da
es der Physiologie nicht auf die Richtung der Aeste, sondern der Primitiv-
fasern ankommt, lieber diese haben sich im Laufe der Zeiten die Ansich-
ten mannichfach umgestaltet : es haben dabei öfters die herrschenden physio-
logischen Theorien das Urtheil des Anatomen bestimmt, als sich dem ana-
tomischen Befund angeschlossen, und dies Verhältniss besteht aiich noch
heute, wo in der Physiologie das Experiment die Stelle der Theorie, in der
Anatomie das Mikroskop die Stelle des Messers eingenommen hat.
Die ältesten Beschreibungen sonderten den Sympathicus nicht von den
übrigen Hirnnerven ; sie leiteten ihn vom N. vagus oder vom Abducens und
Trigeminus (Vidianus) ab und benutzten seine Verbindungen mit den Rumpf-
nerven zur Erklärung gewisser Nerven Sympathien. Hall er war der Erste,
der den Rr. communicantes der Spinalnerven gleiche Bedeutung mit den
zwischen den genannten Hirnnerven und dem obersten Cervicalganglion ver-
laufenden Zweigen zuschrieb und sie demnach sämmtlich unter dem Begriff
der Wurzeln des Sympathicus vereinigte^). Indessen war Petit (1727)
dieser Anschauung vom Ursprung des Sympathicus gerade mit Bezug auf
die Hirnnerven entgegengetreten; der Einfluss, den seinen Versuchen zufolge
der Grenzstrang des Sympathicus am Halse auf die Bewegungen der Iris
übt, zeugte ihm für den peripherischen, d. h. gegen die Hirnnerven aufwärts
gerichteten Verlauf der Fasern der sogenannten Hirnnervenwurzeln. Wins-
low verstärkte das Gewicht dieses physiologischen Beweises durch anatomi-
sche Gründe , das in der Richtung vom Ggl. cervicale supr. gegen die
Hirnnerven abnehmende Kaliber der Verbindungsäste und ihre mit dem
spitzen Winkel abwärts gerichtete Anlagerung an die Hirnnerven. Die
Beziehung der Rr. communicantes zu den durch sie verbundenen Nerven-
stämmen Hess er zweifelhaft, aber er verglich die Ganglien überhaupt mit
Gehirnen im Kleinen und nannte sie die zerstreuten Ursprungsstätten des
Sympathicus 2). So war der Boden vorbereitet, auf welchem B ich at 's Lehre
vom Gegensatz des animalischen und organischen oder vegetativen Nerven-
systems zur Herrschaft gelangte. E]s war zunächst die Regelung der auto-
matischen und instinctiven Bewegungen, sodann die Ueberwachung der Er-
nährungs- und Secretionsvorgänge , für die das organische Nervensystem in
Anspruch genommen wurde. Bichat betrachtete jedes Ganglion als ein
^) „Ex omniLus omnino spinalibus nervis natus." Elementa phj'siol. IV, 254. ^) On
les peut regardei" comme autant d'origines ou de germes disperses de cette grande paire
de nerfs sympathiques et par consequent comme autant de petits cerveaux (Exposition ana-
tom. de la structure du corps humain. T. III, §. 364).
N. sympathicus. 547
selbständiges Gebilde, die Summe der Ganglien als Analogon des Central-
orgaus des animalischen Lebens , die Fasern des Grenzstrangs ebensowohl
wie die übrigen Verbindungsfäden der Ganglien unter sich und mit Cerebro-
spinalnerven als wechselseitige Anastomosen. ReiP) und Meckel erhoben
den Plexus coeliacus,- den die naturphilosophischen Schriftsteller mit dem
Namen eines Bauchgehirns zu belegen liebten, zum Centralorgan des orga-
nischen Nervensystems; den Grenzstrang nennt Reil einen Halbleiter, der
das vegetative System gegen das animalische umzäune nnä isolire , der
aber in Krankheiten zum Conductor werde.
Nach der Scheidung der Centralorgane der beiderlei Systeme, des ani-
malischen und vegetativen , vollzog sich die Scheidung ihrer jperipherischen
Nerven. Joh. Müller^) führte sie auf Grund der makroskopischen Charak-
tere durch. Gestützt auf eigene Beobachtungen und axif die Beobachtungen
von Retzius, van Deen u. A. lehrte er, dass, wie die Einmischung der
weissen Nerven in gangliöse feststand, so auch die grauen Nervenstränge
des Sympathicus von den Ganglien aus auf Cerebrospinalnerven übergehen
und alhnälig mit denselben verschmelzen. Er folgerte , dass alle Nerven
gemischt seien aus animalischen (empfindenden oder bewegenden) und
organischen Fasern und dass das Gangliensystem die Quelle der organi-
schen Fasern sei, welche auch in den zunächst aus ihm entspringenden
Nerven das Uebergewicht haben in dem Maasse , als die Gangliennerven
mehr den Secretionsorganen angehören.
Der letzte Schritt auf diesem Wege erfolgte durch Remak's Ent-
deckung des histologischen Elementes der organischen Nerven. Es durfte
nun nicht mehr von der Verschmelzung weisser und grauer Nerven die
Rede sein; die Nervenfasern, die weissen und grauen oder gelatinösen,
mussten von dem Orte ihrer Vermischung an nach ihren verschiedenen
Richtungen verfolgt , die vereinzelte Faser der Einen Art musste aus den
Bündeln der anderen sortirt werden. Wenn Remak's Angabe, dass die
gelatinösen Nerven aus den Nervenzellen der sympathischen Ganglien ent-
sjDrängen •^) , sich bestätigte , so war der Gegensatz des Animalischen und
Organischen, den die Theorie gefordert hatte^ anatomisch so weit begründet,
dass der weiteren Forschung nur das Detail des Faserverlaufs vorbehalten
blieb.
Aber Remak's Angabe bestätigte sich nicht, wenn sie auch nicht ent-
schieden widerlegt ist. Anfang und Ende der gelatinösen Fasern sind zur
Zeit noch in Dunkel gehüllt. Nicht einmal dem Verdacht , Bindegewebe
zu sein, sind sie ganz entronnen, während andererseits manche Thatsacheu
zusammentrafen, um sie den unzweifelhaften animalischen Fasern zu nä-
hern, vor Allem ihre Aehnlichkeit mit den Fasern des N. olfactorius, mit
den embryonalen Formen und mit dem Axencylinder der Cerebrospinal-
fasern, sodann die in der Scheide der letzteren mittelst gewisser Präpara-
tionsmethoden nachweisbaren Kerne. Man kennt sensible Fasern (der Cor-
nea, der Cutis, vieler Schleimhäute), die vor ihrer peripherischen Endigung
die Markscheide verlieren und Verästelungen und Geflechte mit kernhalti-
1) Archiv VII, 189. ^) Physiol. 3. Aufl. I, 676. ^) Monatsbericht der berl. Aka-
demie V. 12. Mai 1853.
35*
548 N. symi^athicus.
gen Anschwellungen bilden, und man findet dagegen dunkelrandige Fasern
an Blutgefässen und in Drüsen, Organen, von welchen man am ehesten
erwarten sollte, dass sie von sympathischen Nerven allein versorgt würden.
Indess führte auch die Reflexion, die den Gegensatz zwischen beiden
Nervensystemen aufgerichtet hatte, dazu, ihn wieder zu verwischen und es
ereignete sich das Gewöhnliche , dass , nachdem zuerst die absolute Abhän-
gigkeit, dann die volle Selbständigkeit des Gangliensystems behauptet wor-
den war, die Ansichten sich zuletzt auf ein Mittleres, eine theilweise oder
relative Selbständigkeit vereinigten.
Der Begriff trophischer, der Ernährung „vorstehender" Nerven, in wel-
chen zuletzt das Bichat'sche Nervensystem des organischen Lebens aufge-
gangen war, hatte etwas Mystisches und Unbestimmtes. Mit den geläuter-
ten Vorstellungen , welche man von der Entwicklung der Organismen aus
der Eizelle, von der Bildung und Regeneration der gefäss- und nervenlosen
Gewebe gewonnen hatte, wollte es sich nicht vertragen. Einem Gewebe
den anderen gegenüber die Rolle einer Art Vorsehung zuzutheilen. Jeden-
falls Hess sich ein grosser Theil der Erscheinungen, derentwegen die tro-
phischen Nerven herbeigezogen waren, namentlich der Collapsus und die
Congestion auf psychische und andere Nervenreize , recht wohl als Folgen
veränderter Weite der Gefässe begreifen. So wurde gleichzeitig von zwei
Seiten, von Stilling^) und mir 2), der Versuch unternommen, die Wir-
kungen, die dem sogenannten organischen Nervensystem zugeschrieben wor-
den waren, auf Erregungszustände der motorischen Nerven der Gefässwände
zurückzuführen; Stilling verlangte geradezu, dass der bedeutungslose
Name Sympathicus aufgegeben und durch den Namen Vasomotorius ersetzt
werde.
Wie aber die organischen Nervenfasern in die Reihe der gewöhnlichen
Bewegungsnerven zurücktraten, wurde ihr Ursprung aus Gehirn und Rücken-
mark wahrscheinlicher. Und' da die Beobachtungen sich häuften,
welche einen Einfluss der Reizung von Rückenmarksnerven auf Blutgefässe
und, wenn auch nicht unbestritten, von Hirntheilen und Hirnnerven auf die
Bewegungen selbst der entlegensten Eingeweide constatirten , so schwand
allmälig der Glaube an die besondere Mission des sympathischen Nerven-
systems, und es begann eine Reihe fruchtbarer Untersuchungen, die sich die
Aufgabe stellten, die Eingeweide- und Gefässnerven durch die Ganglien zu
ihren centralen Ursprüngen zu verfolgen und den Beitrag oder die Bezie-
hung der Ganglien zu den sie durchsetzenden Nerven zu ermitteln.
Job. Müller, der am entschiedensten den Ursprung ernährender P^a-
sern aus den Ganglien des Grenzstrangs vertrat, war es auch, der die aus
dem Rückenmark entspringenden Fasern der Rr. communicantes am zuver-
sichtlichsten den übrigen motorischen und sensiblen Cerebrospinalfasern
coordinirte und die präciseste Darstellung ihres Verlaufes gab. Was in dieser
Beziehung den Gangliennerven auszeichnet, ist nach Müller^) nur die Art,
wie er seine Wurzelfäden sammelt und wieder zu peripherischer Verbreitung
abgiebt. Die von den Wurzeln kommenden Fäden laufen eine Strecke im
J) Unters, über die Spinal-Irritation. Lpz. 1840, S. 163. ^) Pathol. Unters. Berlin
1840, S. 105. 3) Physiol, 3. Aufl. I, 674.
N. sympathicus.
549
Fiff. 2c
Grenzstrang fort und gehen dann erst von ihm ab, einen scheinbar zusam-
menhängenden Strang vom Ggl. cervicale siipr. bis zum Gg\. coccygeum
bildend, welchen Müller dem M. iliocostalis vergleicht, der an der media-
len Seite Ursprünge sammelt, in sich einwebt und weiter oben lateralwärts
als Insertionszacken wieder abgiebt. Er stützt sich bei dieser Beschreibung
auf Thatsachen der vergleichenden Anatomie^), namentlich auf den N. sym-
pathicus der Schlangen, deren Grenzstrang dadurch unvollkommen ist, dass
stellenweise die Verbindungen zwischen den Wurzelfäden fehlen oder sehr
dünn sind. Ziemlich gleichzeitig hatte Valentin^) durch physiologische
Versuche von allerdings zweifelhaftem Werth ermittelt, dass in den Hirn-
und Rückenmarksnerven, vom Oculomotorius an, bewegende Fasern successiv
tiefer gelegener Eingeweide enthalten seien, und unter dem Namen „Lex
progressus" das Gesetz des Faserverlaufs aufgestellt, welchem gemäss Bün-
del höherer Nerven sich Strecken weit an tiefer entspringende anschliessen,
im sympathischen System zwei, drei und mehr Ganglien durchziehen, bevor
sie ihren Weg in peripherischer Richtung fortsetzen. Mich führten Er-
wägungen über die Sympathien zwischen inneren und äusseren Körperthei-
len'^) zu einem ähnlichen Resultat in
BetrefF der sensiblen Nerven. Wo solche
Sympathien sich durch Schmerzen äus-
sern, wie durch Kopfschmerz beim Ma-
gencatarrh , durch Schmerzen im Nacken
bei Herzleiden , durch Schmerzen der
Schultergegend bei Leberleiden u. s. f.,
da liegt die sympathisch afficirte äussere
Region höher als das Eingeweide. Und
wenn ich das Richtige getroffen habe, als
ich die Sympathien von einander abge-
legener Körpertheile aus einer gegen-
seitigen Annäherung der Wurzeln ihrer
Nerven im Centralorgan erklärte, so
durfte ich schliessen, dass die Nerven
der Eingeweide auf ihrem Wege zum
Rückenmark sich an Stämme anlegen,
deren directer Verbreitungsbezirk am
Stamme höher oben liegt. Ein nach die-
sen Vorstellungen construirtes Schema
des Faserverlaufs im Grenzstrange zeigt
Fig. 298. Sie bietet aber zugleich in
dem punktirten Aste, der von dem mit
5 bezeichneten Stamme ausgeht, das
Bild einer Ausnahme dar, von der man
sagen darf, dass sie die Regel erläutere.
Es sind die Fasern des Centrum cilio-
spinale (S. 81) und der Gefässnerven der Ohrgegend, die sich mittelst des
1) Vergleichende Neurologie der Myxinoiden. Berl. 1840, S. 56.
nervorum p. 66. ^) Rationelle Pathologie I, 223.
De functionibu.s
550 N. sympathicus.
physiologischen Experiments von den Wurzeln der unteren Cervical - und
oberen Dorsalnerven in den Grenzstrang des Sympathicus am Halse und
in diesem aufwärts verfolgen lassen.
Dass Fasern im Grenzstrang des Halses aufwärts gehen, ist auch durch
die Waller 'sehe Methode erwiesen, indem Knoch^), wenn er bei Hunden
und Kaninchen den Nervenstamm von dem Einen oder anderen Ganglion
abtrennte, die Nerven atrophisch werden sah , die den Zusammenhang mit
dem nächst unteren Ganglion eingebüsst hatten.
Ist Gehirn und Kückenmark als Hauptquelle der Nerven anerkannt,
die man nach ihrem weiteren Verlauf, ihren Zielpunkten oder ihrer Function
zum Sympathicus rechnet , so bleibt die Bedeutung der Ganglien zu erfor-
schen, mit welchen dieser Nerve, vom Grenzstrang an, so reichlich versehen
ist. So lange man an dem Gegensatz des organischen und animalischen
Nervensystems festhielt, hatte das organische ein Privilegium auf Ganglien;
ein Ganglion war damit erklärt, dass es am Zusammenfluss eines animali-
schen mit einem organischen Nerven lag, und die Spinalganglien dienten
zum Beweis , dass sich sympathische Fasern im R. communicans zu den hin-
teren Wurzeln erstreckten. Verständlicher fasst man jetzt, wie ich es schon
oben bezeichnete , die Ganglien als eine Art von Filialanstalten des Haupt-
centralorgans auf. Als solche dürften sie deren Kräfte theilen und, wenn
sie nicht selbst Nerven den Ursprung geben, doch das Centralorgan in der
Ernährung der Nervenfasern unterstützen, oder innerhalb ihres beschränkten
Gebietes die Sympathien der Nervenfasern vermitteln, oder endlich, gleich
den Centren des Ceutralorgans , eine Anzahl Nerven zu gemeinsamer und
geordneter Thätigkeit verbinden.
Ob aus Ganglien Nervenfasern entspringen, ist eine Frage, die man zu-
nächst anatomisch zu beantworten suchen musste. Es giebt dafür dreierlei
Anhaltspunkte : die Gestalt der Nervenzellen , die vergleichende Zählung
der ein - und austretenden Fasern und die Vergleichung ihrer Formen.
Was die Gestalt der Nervenzellen ergiebt, habe ich oben S. 21 u. ff. zu-
sammengestellt. Zu einer Vermehrung der Fasern in den Ganglien könn-
ten nur unipolare Zellen oder Zellen mit mehreren Fortsätzen beitragen,
wenn die letzteren sämmtlich oder in ihrer Mehrheit peripherisch gerich-
tet wären. Aber unipolare Zellen sind mit einiger Sicherheit nur in den
Spinalganglien nachgewiesen und die Richtung der Fortsätze der multipo-
laren Zellen der sympathischen Ganglien ist unbekannt. Die Zählung der
Fasern hat aber allerdings häufig ein üebergewicht auf Seiten der peripheri-
schen Aeste ergeben (s. S. 22), ein Üebergewicht, welches nach Kölliker,
Volkmann 2) und Bidder-^) auf dem Hinzutreten der feineren, dem Sym-
pathicus eigenen Fasern beruht.
Zugegeben, dass hiermit der Zuwachs an Fasern in den Ganglien ana-
tomisch festgestellt sei , so sind über die physiologische Bedeutung dieses
Zuwachses drei Vermuthungen möglich , zwischen welchen die Wahl nur
durch das physiologische Experiment entschieden werden kann. Entweder
^) De n. sympathici vi ad corporis temperiem etc. Dorpat 1855, p. 58. ^) Bei
Bidder, zur Lehre von dem Verhältniss der Ganglienkörper zu den Nervenfasern. Lpz.
1847, S. 66. 3) Archiv für Anatomie 1866, S. 352.
N. sympathicus. 551
sind die neuen Fasern selbständige, die ihren centralen Herd im Ganglion
haben, oder es sind den terminalen Theilungen der sensibeln und motori-
schen Nervenfasern analoge Theilungsäste der eintretenden Fasern , wodurch
nur das Verbreitungsgebiet der letzteren vergrössert wird, oder endlich es
sind, in Beziehung zu den Ganglien, centripetale und centrifugale, zwischen
denen in dem Ganglion eigene, von Gehirn und Rückenmark unabhängige
Communicationen Statt finden.
Die erste Vermuthung ist dadurch , dass Ursprünge der Eingeweide-
und Gefässnerven im Rücken- und verlängerten Mark nachgewiesen sind
(S. 80. 303) nicht völlig widerlegt. Denn es bliebe denkbar, dass das Gang-
liensystem einen Theil der Gefässnerven lieferte und dies ist auch das Re-
sultat der Versuche von Pincus^). Auf die Zerstörung des Ggl. coeliacum
folgten viel bedeutendere Nutritionsstörungeu der Darmschleimhaut, als auf
die Trennung der aus dem Grenzstrang stammenden Gefässnerven des Darms,
welche übrigens Pincus nicht vom Rückenmark, sondern von Spinal- und
Grenzganglien ableitet. Bei der zweiten Vermuthung, dass die Nerven-
fasern in den Ganglien durch Theilung sich vermehren, ergäbe sich zwischen
diesen Theilungen und den terminalen Theilungen cerebrospinaler Nerven
der Unterschied, dass die ersteren durch Vermittelung von Nervenzellen er-
folgten^). Die dritte Vermuthung fühi't uns zu den Betrachtungen über die
Kräfte der grauen Substanz zurück.
Der Gedanke, dass die Ganglien dazu vorhanden seien, um Sympa-
thien , namentlich Reflexbewegungen zu vermitteln , liegt nahe und ist in
verschiedenen Modificationen immer wieder aufgetaucht. Arnold wurde
durch die Voraussetzung, dass jedes Sinnesorgan eines Ganglion bedürfe,
lim durch Anregung von Muskelthätigkeit oder Secretionen die Schärfe der
Eindrücke zu massigen, zur Entdeckung des Ggl. oticuin geführt. Versuche,
die den Beweis liefern sollten , dass schon im Ggl. linguale Reflexe von den
Fasern des N. lingualis auf die secretorischen Nerven der Sublingualdrüse
Statt finden, haben Bernard^), Bidder*), Kühne 5) und Eckhard«^)
angestellt, mit verschiedenem Erfolg , den Schifft) daraus erklärt, dass nur
bei grossen, nicht aber bei kleinen, iiiid mittleren Hunden mit den Aesten
des N. lingualis ein rückläufiger, centrifugaler Drüsennerve zur Gland. sub-
maxillaris geht, der bei Reizung des Lingualis mit getroffen wird ; ich habe
oben (S. 333) der Hypothese von den excitomotorischen Faseni gedacht,
mit welchem Namen man centripetale Fasern belegt hat, die, ohne Empfin-
, düngen zu erregen, Reflexbewegungen auslösen, und ich habe die Berech-
tigung dieser Hypothese für die Organe anerkannt , die auf Reize reagiren,
welche niemals zum Bewusstsein gelangen. Ein Organ dieser Art ist der
Verdauungstractus, dessen Inhalt, wo er die Schleimhaut berührt, durch ent-
sprechende Muskelcontractionen weiter gefördert wird, ohne dass unsere
Seele weder von der Berührung, noch von der Contraction, Kunde erhält.
Dass die in die Darmnerven eingestreuten Ganglien die Herde dieses unbe-
1) Meissner's Jalivesbericht 1856, S. 357. ^) Bidder, Archiv für Anat. 1866.
S. 353. S)Meis^sn er 's Jahresbericht 1862, S. 419. 4) ßbendas. 1866, S. 381. 5) Lehrb.
der physiol. Chemie Lpz. 1866, S. 3. «) Meissner's Jahresbericht 1867, S. 421.
^) Ebendas. 1867, S. 421 und 1868, S. 337.
552 N. sympathicus.
wussten Reflexes seien, habe ich vor langer Zeit i) aus einer Reihe an Säuge-
thieren angestellter Versuche erschlossen. Ich fand, class, wenn man dea
Darm eines eben getödteten Thieres dicht am Mesenterium abschneidet und
reizt, eine ringförmige Contraction entsteht, die auf eine kurze Strecke
peristaltisch fortschreitet; wurde der Darm mit dem Mesenterium ausge-
schnitten, so dass die Ganglien der Darmnerven oder wenigstens ein Theil.
derselben mit dem Darm in Verbindung blieben, so konnte man von einer
gereizten Stelle aus die peristaltische Bewegung schon viel weiter sich er-
strecken sehen; so lange der Darm noch mit dem Rückenmark in Verbin-
dung steht, geräth er dixrch Reizu.ng Einer Stelle in seiner ganzen Länge
in Bewegung. Meine Angaben wurden von Budge"^) und Kölliker'') be-
stätigt, von anderen Experimentatoren theilweise in Zweifel gezogen. So
beobachteten Volkmann^) und Longet5),der Erste bei Fröschen, der
Letztere bei Säugethieren, und zwar ebenfalls bei unversehrtem Rückenmark,
fortschreitende Darmbewegungen, behaupten aber, dass nach Zerstörxmg
des Rückenmarks jede Reizung nur einen localen Effect habe. Pickford")
konnte an Fröschen bei unversehrtem Rückenmark nur örtliche Zusammen-
ziehungen erzielen und findet, dass die Gegenwart des verlängerten Marks
nothwendig sei, wenn Reizungen des Darms zu ausgebreiteten Bewegungen
desselben Anlass geben sollen. Die neuesten Mittheilungen Engelmann' s')
über die Structur des Ureters stellen aber den Antheil der Ganglien, ja
der Nerven überhaupt an den peristaltischen Bewegungen in Frage, wenn
es richtig ist, dass diese Bewegungen an Stücken des ausgeschnittenen Ure-
ters zu Stande kommen, die nirgends Ganglien und eine im Verhältniss zu
den Muskelfaserzellen nur geringe Anzahl von Nervenendigungen ent-
halten.
Auch über den Einfluss, den die Ganglien auf die Ernährung der
Nervenfasern üben, ist nur Fragmentarisches und Widersprechendes zu be-
richten. Neben Waller (S. 22. 338) hat allein Schifft) dem Gegenstande
Beachtung geschenkt und das Resultat in Betreff der Spinalganglien dahin zu-
sammengefasst, dass jede Nervenfaser in der Nähe ihres Ursprungs einen Cen-
tralpunkt der Ernährung habe, der bei den sensibeln Fasern zwar im Niveau
der Ganglien, aber nicht in den Ganglienzellen selbst liege. Den Ganglien
der Zunge , der Lunge , dem Ggl. cervicale supr. spricht S c h i f f die Fähig-
keit ab, die dieselben durchsetzenden oder von ihnen ausgehenden Nerven-
fasern zu erhalten.
Ganglien oder Gangliengruppen den im Gehirn und Rückenmark ent-
• haltenen sogenannten Bewegungscentren an die Seite zu stellen, dazu sieht
man sich durch das Verhalten des Herzens aufgefordert. Da dasselbe, aus-
geschnitten, seine Contractionen rhythmisch und in regelmässiger Folge eine
Zeit lang fortsetzt und, wenn sie erloschen sind, aiif Reizung wieder auf-
1) Pathol. Unters. (1840), S. 92. Allg. Anat. S. 724. ^) Unters, über das Nerven-
system. Hft. II, Frkf. 1842, S. 178. ^) Die Selbständigkeit und Abhängigkeit des sympath.
Nervensystems. S. 34. *) Müll. Arch. 1838, S. 29. &) Anatomie et physiologie du syst.
nerveux, II, 577. ") Archiv für physiolog. Heilk. 1843, S. 422. '')Bouvin, over den botiw
en de beweging der ureteres. Utrecht 1869. ^) Archiv für physiolog. Heilk. 1852, S. 148;
1853, S. 384. Archiv für wissenschaftl. Heilk. I, 609.
Grenzstrang. 553
nimmt, so kann man das Organ, welches die motorischen Nerven des Her-
zens zu geordneter Thätigkeit combinirt, nur in diesem selbst suchen.
Die peripherischen Aeste des Sympathicus zeigen manche Eigenthüm-
lichkeiten. Zwar sendet der Grenzstraug einzelne Nerven aus , die , wie
z. B. die Nn. splanchnici , den Cerebrospinalnerven an Weisse kaum nach-
stehen und fast nur dunkelrandige Fasern enthalten; im Allgemeinen aber
ist in den sympathischen Zweigen die Zahl der gelatinösen Fasern eine bei
weitem überwiegende und verräth sich dies Uebergewicht durch das gallert-
artige Ansehen der Nerven, die deshalb den Namen der „grauen" erhalten
haben.
Die Neigung, mit den Blutgefässen zu verlaufen, theilen die sympa-
thischen Nerven mit den cerebrospinalen ; aber während die letzteren als
einfache oder höchstens spitzwinklig getheilte Stämme und Stäramchen
neben den Arterien hergehen , umspinnen die sympathischen Nerven die
Ai-terien bis in ihre feineren Verzweigungen mit engen oder weiten Netzen,
aus welchen auch die Fäden zur Gefässwand, Fäden von 0,2"'^^ Durchm. und
darunter, entspringen.
An bestimmten Stellen sind die sympathischen Geflechte mit Ganglien
versehen imd diese können so mächtig werden , dass das Geflecht das An-
sehen einer von rundlichen Oeffnungen oder Spalten durchbrochenen gang-
liösen Platte erhält (Ggl. coeliacum). Kleinere, durch eine geringere Zahl
von Nerven Zeilen bedingte Anschwellungen kommen zerstreut und unbe-
ständig an den die Gefässe umgebenden sympathischen Zweigen vor. Sie
werden wieder relativ zahlreicher an den letzten Verästelungen der sym-
pathischen Nerven in der Substanz des Herzens, der Speicheldrüsen, in den
"Wänden des Magens und Darms u. A.
a. Grenzstrang ^).
Der Grenzstransj des Sympathicus besteht aus der Kette der Grenz- a. Grenz-
. . . . Strang.
ganglien und den dieselben verbindenden, einfachen oder getheilten Nerven-
strängen.
Die letzteren haben ' eine weisse oder weissliche Farbe , die von der
Farbe der Cerebrospinalnerven kaum verschieden ist, und enthaltenin weit über-
wiegender Zahl dunkelrandige Fasern, stärkere von 0,0056 bis 0,013 und fei-
nere von 0,0026 bis 0,0033°^"^ Durchmesser, die theils in gesonderten Bün-
deln, theils gemengt verlaufen (Kölliker).
Vor dem Querfortsatz des zweiten oder dritten Halswirbels hinter der
Carotis int. beginnt der Grenzstrang mit dem G-gl. cervicale supr.'^), einer
platten, spindelförmigen Anschwellung, welche in der Regel etwa 20 Mm,
lang und 6 bis 8 Mm. breit ist, aber mancherlei Varietäten, bald breitere,
bald schlankere Formen, zuweilen auch Einbiegungen der Ränder zeigt,
die als Spuren einer Zusammensetzung aus mehreren Knoten gedeutet wer-
■'■) Hauptstrang. Knotenstrang. ^) Ggl. fusiforme s. olware. Ggl. cervicale magnum.
554
Fig. 299.
^8.=^b3
Grrenzstrang.
den. Die obere Spitze, deren Abstand
vom Eingang des carotischen Canals
2 bis 3 Cm. misst, sendet Fäden auf-
wärts zii den letzten Hirnnerven und
setzt sich längs der Carotis interna auf-
wärts fort als einfacher Stamm, welcher
weiterhin in das die Arterie umspinnende
Geflecht zerfällt. Der hintere Rand
nimmt Er. communicantes der 3 oder
4 oberen Cervicalnerven auf, der vor-
dere Rand giebt einer Anzahl feiner
Aeste den Ursprung, die mit Aesten von
Hirnnerven zusammentreten. Aus der
unteren Spitze geht in der Gegend des
vierten bis sechsten Halswirbels der
Strang hervor, der gerade absteigend,
die Verbindung des oberen Cervicalgang-
lion mit dem unteren hei-stellt. Er ist
von veränderlicher Stärke und Farbe,
dünner, wenn er sich in seiner Farbe
mehr den Cerebrospinalnerven nähert,
öfters von Anfang an oder erst im weite-
ren Verlauf in zwei Fäden getheilt, die
in Form einer Schlinge^) die A. subcla-
via oder auch die A. vertebralis umgrei-
fen (Fig. 299). Der einfache Strang oder,
wenn deren zwei sind, der stärkere läuft
hinter der A. subclavia, meistens auch
hinter der A. thyreoidea inf. herab.
Das G(;l. ccrvicale inferms'^) ist
Zu Fig. 299.
Grenzstrang cles N. sympathicus. 1 A. vertebralis.
2 A. subclavia dextra, mich links srezogen.
^) Alisa Vieussenü. ^) Ggl. tJwt'acicum pri-
mum Neubauer.u. A. Gyl. vertehrale Arnold.
Es besteht eine Verwirrung in den Benennungen
dieses Ganglion und der beiden nächst gelegenen,
des Ggl. dors. primura und des unbeständigen
Ggl. cervicale medium , die nur dadurch zu be-
seitigen ist, dass man sich eines sicheren Crite-
riums für die Bestimmung dieser Ganglien be-
dient. Als ein solches kann weder die Grösse,
noch die Lage gelten, da beides individuellen
Schwankungen untei'worien ist. Einen festeren
Anhaltspunkt gewährt die Verbindung mit den
Cerebrospinalnerven und so nenne ich erstes
Ganglion dorsale dasjenige, welches seinen R.
communicans vom ersten Dorsalnerven empfängt ;
das aufwärts zunächst gelegene und meist dicht
anstossende erweist sich demnach als unterstes
Grenzstrang, 555
platt , kreisrund , sternförmig wegen der nach verschiedenen Seiten von ihm
ausstrahlenden Nerven; es übertrifft in der Regel an Umfang das zunächst
sich anschliessende erste Dorsalganglion, doch kehrt sich zuweilen das Ver-
hältniss um. Seine Lage hat das Ggl. cervic. inf. aiif dem Gelenk des
Köpfchens der ersten Rippe mit dem Körper des ersten Brustwirbels. Das
erste Dorsalganglion liegt etwas weiter seitwärts auf dem oberen Rande
des Köpfchens der zweiten Rippe.
Sehr häufig unte^-^Mcht den Grenzstrang am^j^alse eine gangliöse An-
schwellung, welche zwischen dem oberen und „unteren Cervicalganglion in
der Mitte oder dem unteren näher liegt, das G-gl. catmcale mecUm'^j^). Es ist
kleiner , als die beiden beständigen Ganglien, spindel- oder linsen-~öder ku-
gelförmig, zuweilen in zwei oder drei Knötchen zerfallen; Wenn der Grenz-
strang sich tiefer am Halse spaltet, nimmt es mitunter die Iheilungsstelle
ein; in anderen Fällen gehört es dem vorderen der beiden Stränge an und
dann kann es bis in gleiche Höhe mit dem unteren Cervicalganglion hinab-
rücken 2).
Der Theil des Grenzstrangs, der das untere Cei'vicalganglion mit dem
obersten Ggl. dorsale verbindet, ist platt und kurz, oft so kurz, dass beide
Ganglien in Eine Masse verschmelzen, die durch eine mehr oder minder
deutliche Einschnürung ihre Bedeutung verräth. Lage imd Gestalt des er-
sten Dorsalganglion ■^) im Verhältniss zum unteren Cervicalganglion wurden
bereits angegeben; den folgenden Dorsalganglien '^) gegenüber zeichnet es
sich durch seine Grösse aiis, die das zweite mitunter nahezu erreicht, indess die
übrigen Dorsalganglien nur schwache, platt dreiseitige oder spindelförmige
Anschwellungen an den Eintrittsstellen der Rr. communicantes darstellen.
Oefters nehmen die Ganglien nach unten wieder an Grösse zu , doch giebt
es auch Fälle, wo die untersten Dorsalganglien ganz zu fehlen scheinen und
der Grenzstrang mit seinen Wurzeln imd peripherischen Aesten , die nicht
immer der Eintrittsstelle der Wurzeln gegenüber abgehen, einem weitläu-
figen Plexus gleicht. Das zweite Dorsalganglion liegt dicht unter dem
ersten und ist öfters mit ihm verschmolzen ; die folgenden liegen in Abstän-
den, welche der Höhe der Wirbel entsprechen , sämmtlich auf den Köpfchen
der Rippen , mit Avisnahme der beiden untersten , die bereits an die Seiten-
fläche der Wirbelkörper herantreten (Fig 299). Sie machen den Uebergang zu
den Lumbarganglien , die auf der Vorderfläche der Bauchwirbelkörper, ander
medialen Seite der L^rsprungszacken des M. psoas ihre Lage haben. Der
Faden, der das unterste in der Brusthöhle gelegene Ganglion des Grenz-
strangs mit dem obersten Ganglion der Bauchhöhle verbindet, durchsetzt
Cervicalganglion und die zwischen diesem und dem obersten Cervicalganglion befindlichen
müssen den Namen der mittleren führen. Freilich lässt uns auch dies Merkmal im Stich,
wenn , wie ich dies öfters an den untersten Lumbal- und den Sacralnerven beobachtete,
Ein Nervenstamm Verbindungszweige auf- und abwärts, an zwei Ganglien , sendet. Einem
jeden Ganglion seine Stelle anzuweisen, ist deshalb nicht immer thunlich; es ist aber
auch w,egen der sonstigen zahlreichen Varietäten im sympathischen Gebiete nicht uner-
lässlich. 1) Ggl. thyreoideum. ^) Diese Varietät, bei welcher das mittlere Cervicalgang-
lion als unteres angesprochen -wurde, hat hauptsächlich Änlass gegeben, das untere Cervi-
cal- mit dem ersten Dorsalganglion zu verwechseln. ^) Ggl. stellatum. *) Gglia hordei-
formia.
556 Grenzstrang.
den Vertebraltheil des Zwerchfells zwischen der medialen und lateralen oder
am Seitenrande der lateralen Zacke (Mskl. S. 80). Oefter als dies amBrust-
theil des Sympathicus der Fall ist, sind die Lumbarganglien, statt durch
den einfachen Grenzstrang, dui-ch zwei und mehr feine Fäden verbunden.
Sie zeigen übrigens dieselben Formverschiedenheiten, wie die Dorsalganglien ;
auch unter den Lumbarganglien pflegt das erste das stärkste zu sein.
Auf der inneren Fläche des Kreuzbeins läuft der Grenzstrang längs
dem medialen Rande der Forr.'sacralia antt. herab; die Ganglien erscheinen
als unbedeutende spindelförmige Anschwellungen des Grenzstrangs; ilfre
Zahl bleibt am häufigsten hinter der Zahl der cerebrospinalen Nerven-
stämme zurück, nicht selten beschränkt sie sich auf drei.
Von dem untersten Ganglienpaar geht jederseits ein feiner Faden
median - abwärts ; die entsprechenden Fäden beider Seiten begegnen einan-
der zuweilen auf dem ersten Steisswirbel unter spitzem Winkel in einem
Knötchen, Ganglion coccygeum^), welches meistens feiner, nur selten stärker
ist, als die übrigen Sacralganglien. Man beschreibt diese Bildung als die
regelmässige, obschon sie die seltenere ist. Gewöhnlich erfolgt der Abschluss
des Grenzstrangs duixh eine abwärts convexe , das letzte Ganglienpaar ver-
bindende Schlinge^), doch kann auch diese fehlen und der Grenzstrang
jeder Seite selbständig mit divergirenden peripherischen Aesten enden, die
sich bis an die Spitze des Steissbeins erstrecken.
Ich habe schon vorübergehend der maunichfaltigen Varietäten des Grenzstrangs
tind seiner Ganglien gedaclit. Die a]s Verschmelzung der Ganghen gedeutete Ver-
minderung ilirer Zahl, die am Halstheil typiscli ist, kommt sehr oft auch an den
übrigen Eegionen vor. Cruveilhier bescln-eibt einen Fall, wo das letzte Dorsal-
mit dem ersten Lumbarganglion zusammengeflossen Avar und dies combinirte Gang-
lion durch einen feinen Faden von der Länge ZAveier Wirbelkörper mit einer star-
ken gangliösen Anschwellung zusammenhing, welche die vier übrigen Lumbargang-
lien repräsentirte. Nicht minder häufig sind , namentlich am Halstheil , accesso-
rische Ganglien (Gglia intermedia s. intercalaria), die mau couseqiienter Weise
als zerfallene auffassen müsste (Neubauer, De nervo intei-costali. Opp. p. 182.
Valentin, Nervenl. S. 650). Hierher gehören auch die Fälle, wo die Ganglien-
substanz sich auf grössere Strecken vertheilt, Ganglien auf Kosten ihres Umfangs
sich verlängern, wie dies ebenfalls in auffallendster Weise am Plalstheil vorkommt.
Das Ggl. cervicale supr. kann eine Länge von 5 Cm. erreichen und sich bis zum
sechsten HalsAvirbel ausdehnen. Eeal (Archiv für Anat. 1871, S. 180) beschreibt
ein 3 Cm. langes Ggl. cervicale inf. , welches mit dem letzten Cervical- und dem
ersten Dorsalnerven zusammenhing.
Der Verbindungsfaden zAvischen zwei Ganglien kann fehlen und so der Grenz-
strang eine Unterbrechung erleiden. Am häufigsten geschieht dies am unteren
Ende des Dorsaltheils (Bichat, Eech. physiol. sur la vie et la mort. p. 82. Cru-
veilhier IV, 761). Haller (Elem. phys. IV, 261) sah einmal den Grenzstrang an
der sechsten Rippe enden und mit dem siebenten Dorsalganglion neu entstehen;
Eeal (a. a. 0.) beobachtete eine doj^pelte Unterbi'echung : auf dem Köpfchen der
7. Eippe lag ein grosses, spindelförmiges Ganglion , das die Er. communicantes
des 5. und 6. Intercostaluerven aufnahm. Unter ihm war der Grenzstrang unter-
bi'ochen, begann aber wieder mit zwei Wurzeln, die aus dem 7. Intercostaluerven
stammten. Auf der 8. Eippe kein Ganglion, auf der 9. und 10. je ein kleines und
danach wieder eine Unterbrechung des Grenzstrangs , der sich dann abermals mit
zwei Wurzeln aus dem 10. Intercostaluerven fortsetzte. Mit Eecht bemerkt indess
^) Gyl. impar s. Walieri. ^) Ansa sacralis. Arcus nervosws sacral
mun.
lir. communicaiites. 557
Cruveilhier, dass die Unterbrechung mehr schehibar als wirklich sei, da sie
diirch Anastomosen der peripherischen Aeste ausgeglichen werde.
b. Rr. communicaiites^).
Wie die Ganglien, so zeigen auch die Rr. communicaiites das regel- b. Er. com-
mässigste Verhalten am Brusttheil des Grenzstrangs (Fig284). Sie verlassen
den N. intercostalis gegenüber dem Abgang des R. dorsalis oder unmittelbar
lateralwärts neben demselben , wenden sich unter spitzem Winkel mediaii-
ab- und vorwärts und senken sich in den lateralen Rand des nächst unteren
Ganglion, nur sehr selten in den Grenzstrang ober- oder unterhalb des Gang-
lion ein. Sie sind einfach, oder in zwei, selten drei Fäden getheilt, die ent-
weder der ganzen Länge nach parallel neben einander liegen oder, in Ab-
ständen am Cerebrospinalnervenstamm entspringend, gegen das sympathische
Ganglion convergiren.
Am Halse haben nur die von den beiden oberen und den beiden unte-
ren Cervicalnerven ausgehenden Rr. communicantes einen einigermaassen be-
ständigen Verlauf. Jene verbinden sich mit dem Ggl. cervicale supr. , diese
mit dem Ggl. cervicale iiif. Der R. communicans des ersten Cervicalnerven
entspringt gewöhnlich von der Schlinge, die dieser Nerve dem N. hypoglos-
sus zusendet , er tritt unter dem vorderen Rande des M. rectus cap. lateralis,
der zweite R. communicans unter dem vorderen Rande des M. intertransver-
sarius ant. hervor, um sich quer über den M. longus capitis zum Ganglion
zu begeben. Lie Rr. communicaiites des siebenten und achten Cervicalner-
ven erreichen, wie die der Dorsalnerven, in einem kurzen, schräg median-
abwärts gerichteten Verlauf ihr Ganglion. Die Rr. communicantes des drit-
ten bis sechsten Cervicalnerven entspringen bald direct aus den vorderen
Aesten, bald aus den Schleifen zwischen denselben (Fig. 268**); es sind ver-
hältnissmässig lange dünne Fäden, welche bald auf, bald unter den media-
len tiefen vorderen Halsmuskeln zum Grenzstrang gelangen. Der dritte
gesellt sich zuweilen noch zum Ggl cervicale supr.; wohl ebenso oft setzt er
sich, wie der vierte, mit dem Ggl cerv^icale med. , wenn ein solches vorhan-
den ist, in Verbindung oder er legt sich, wie die Rr. communicantes der
übrigen mittleren Halsnerven, einfach spitzwinklig an den Grenzstrang zwi-
schen dem oberen und unteren Cervicalganglion an.
Die Rr. communicantes der Lendengegend haben einen langen Weg
von den Forr. intervertebralia bis zur Vorderfläche der Bauch wirbel, auf
welcher der Grenzstrang ruht; sie legen denselben in ziemlich genau trans-
versaler, zuweilen in aufsteigender Richtung zurück, unter oder zwischen
den Bündeln des M. psoas, und kommen unter den Sehnenbogen zum Vor-
schein, von welchen die medialen Fasern des genannten Muskels entspringen.
Kurz und platt sind die Rr. communicantes der Sacralnerven; sie gelangen
über die A. sacralis lateralis hinweg sogleich zu den, an der medialen Seite
dieses Gefässes gelegenen Ganglien. Dass am Lumbar - und Sacraltheil
häufig die Rr. communicantes von zwei Nervenstämmen in Einem Ganglion
•*■) Rr. externi Cruv.
558 Rr. communicantes.
zusammentrefFen , auch wolil von Einem Nervenstamm Rr. communicantes
mit zwei Ganglien in Verbindung treten, habe ich bereits erwähnt.
In Bezug auf die Zusammensetzung und auf die, von der Zusammen-
setzung abhängige Farbe zeigen die Rr. communicantes mancherlei Verschie-
denheiten, die auf dem Bedarf der vom Grenzstrang aus versorgten Einge-
weide an dunkelrandigen Fasern beruhen. Rüdinger schätzt im Allgemei-
nen das Verhältniss der breiten Fasern zU den schmalen wie 1 : 10 bis 15.
"Wir haben die Rr. communicantes als "Wurzeln des Sympathicus be-
schrieben und diese Auffassung physiologisch damit begründet, dass jeden-
falls die Hauptmasse der Fasern in der Richtung vom Centralorgan zum
Grenzstrang ziehe. Fasern, welche eine Ausnahme machen, lehrt uns schon
die genauere Betrachtung der sogenannten Abgangsstelle des R. communicans
vom vorderen Aste des Spinalnerven (vom N.intercostalis und den analogen
Aesten) kennen. Denn an dieser Stelle vereinigen sich beständig zum R.
communicans mit den Bündeln , welche vom Centralorgan herkommen , an-
dere, feinere, die aus dem peripherischen Theil des Intercostalnerven um-
beugen ; oft macht sich die Zusammensetzung des R. communicans aus zwei
von entgegengesetzten Seiten zusammenstossenden Bündeln schon ohne wei-
tere Präparation und ohne Hülfe des Mikroskops bemerklich (Fig. 300).
Fio- 300 Man kann aber Fasern des R. communicans,
welche von ihrem , dem Intercostalnerven
^y ^^ zugewandten Ende aus die Richtung nach
'j der Peripherie einschlagen, nicht anders
deuten, denn als vom Ganglion ausgehende;
mit anderen Worten, sie sind den offenbar
peripherischen Aesten des Grenzstrangs zu-
4 zuzählen, von denen sie darin verschieden
sind, dass sie die Bahn des R. communicans
benutzen, um sich den Intercostalnerven an-
zuschliessen. Im Uebrigen , was die Frage
R. communicans, aus Bündeln zu- betrifft, ob sie im Ganglion oder im Cen-
sammengesetzt, die im N. interco- tralorgan ihren Ursprung haben, stehen sie
stalis (ic) theils central, theils pe- , .. ^. ^ . , . , . ^
ripherisch verlaufen. * Grenzgang- ^^^ gewohnlichen peripherischen Aesten
lion. gleich, und wenn es sonderbar erscheinen
möchte, dass eine Nervenfaser, statt einfach
in dem Intercostalnerven weiter zu gehen , den Umweg zu dem Ganglion
und zurück mache, so ist nicht zu vergessen, dass möglicherweise die hin- und
rückläufigen Nerven Eines R. communicans aus verschiedenen Rückenmarks-
nerven wurzeln stammen. Die Fasern, welche vom Grenzstrang in der Bahn
der Rr. communicantes zu den Spinalnerven gehen, um sich mit diesen pe-
ripherisch zu verbreiten, können kaum andere, als Gefässnerven sein. Von
den Gefässnerven aber, die sich den Wurzeln des Plexus brachialis aus dem
Grenzstrang beigesellen, haben die Versuche von Schifft) und Cyon^)
übereinstimmend ergeben, dass sie aus tieferen Dorsalnerven in den Grenz-
strang gelangen, ein weiteres Beispiel der oben erwähnten, im Grenzstrang
Strecken weit aufwärts verlaufenden Fasern.
1) Meissner's Jahresbericht 1862, S. 412. ^j Ebendas. 1868, S. 440.
ßr. commiinicantes. 559
Verfolgen wir die im Intercostalnerven centralwärts gericlateten Fasern
des R. communicans weiter gegen ihren Ursprung, so ist zunächst, und zwar
ebenfalls schon makroskopisch, zu constatiren, dass sie sich an beide Wurzeln der
Spinalnerven vertheilen^). Ob die in die hintere Wiirzel eintretenden Fasern
im Spinalganglion verbleiben, also aus demselben entspringen, oder durch
das Spinalganglion bis zum Rückenmark sich fortsetzen, ist anatomisch nicht
zu entscheiden; die Sensibilität des R. communicans, des Grenzstrangs und
seiner Ganglien ^) so wie der vom Sympathicus versorgten Eingeweide bürgt
aber dafür, dass jedenfalls ein Theil der in der hinteren Nervenwurzel ent-
haltenen sympathischen Fasern aus dem Rückenmark , ja aus dem Gehirn
ihren Ursprung nimmt.
Von physiologischer Seite wurde die Lösung der Frage versucht, ob die
Gefässnerven den Weg vom Rückenmark zum Grenzstrang in den vorderen
oder hinteren Wurzeln zurücklegen. Die Experimente von Pflüger 3) (beim
Frosch) und von Schiff*) entscheiden für die vorderen, die Experimente
von Brown-Sequard^) für die hinteren Wurzeln.
Luschka (Die Nerven d. meusclil. Wirbelcauals. Tübingen 1850, S. 11) und
Eemak (Deutsche Klinik 1864, Nr. 16) betrachten die Duplicität des E. communi-
cans als Regel und schreiben beiden Strängen Verschiedenheiten des Baues und
der Fiinction zu. Nach Luschka verläuft von den beiden Aesten , die die Ver-
bindung vermitteln , der Eine meist stärkere zwischen dem Ganglion des Sympa-
thicus und dem vorderen Aste des Spinalnerven ; er ist weiss , enthält hauptsäch-
lich animalische vom Rückenmark stammende Fasern, die im sympathischen Gang-
lion sich in auf- und abwärtssteigende theilen und den animalischen Charakter bei-
behalten; ausserdem sympathische Fasern, welche im Spinalnerven peripherisch
weiter gehen. Der zweite, bald getheilte Verbindungszweig ist grauröthlicli ; das
eine Aestchen verbindet sich mit dem Stamm des Spinalnerven kurz vor dessen
Theilung in den hinteren und vorderen Ast; das andere tritt näher dem Spinal-
ganglion in mehrere Bündelchen getheilt ein , die sich theils gegen das Rücken-
mark, theils gegen die Peripherie wenden. Von diesem Verbindungsaste leitet
Luschka die sogleich zu erwähnenden sympathischen Geflechte der Wirbelhöhle
ab. Remak unterscheidet einen unteren und einen oberen R. communicans. Der
untere, R. sympathicus s. revehens, enthält sehr feine Nervenfasern und sehr viele
gangliöse Fasern; er schliesst sich einem Spinalnervenstamme zu peripherischer
Verbreitung an, nachdem er an der Eintrittsstelle, zuweilen dicht neben dem Spi-
nalganglion, noch ein aus multipolaren Zellen bestehendes Ganglion gebildet hat.
Der obere Ramus communicans, spinalis s. adveJiens, ist weiss; Remak konnte
Fasern dieses Astes nvir in die vorderen Wtirzeln eintreten sehen; die übrigen
Fasern, meistens die Minderzahl, sah er sich in dem Spinalganglion verlieren.
Kölliker (Mikr. Anat. I, 526) nennt die Rr. communicantes weiss, giebt aber zu,
dass neben denselben am imteren Cervical-, den beiden oberen Dorsal- und den
Lumbal ganglien, selten an anderen Theüen des Grenzstrangs weissgraue oder selbst
graue Verbindungsfäden vorkommen, die fast nur feinste und gelatinöse Fasern
enthalten.
Die Rr. communicantes geben, noch ehe sie den Grenzstrang erreichen,
zahlreiche, meist sehr feine collaterale, aus dunkelrandigen und gelatinösen
^) Wutzer, de c. h. gangUorum fabrica atque usu. Berol. 1817, p. 96. Müll.
Arch. 1834, S. 305. J. Müller in Meckel's Archiv 1832, S. 85. Eetzius ebendas.
S. 260. C. Mayer, N. Acta acad. Nat. curios. T. XVI, P. II, p. 753. ^) Colin in
Meissner's Jahresbericht 1861, S. 397. ^) Meissner's Jahresbericht 1856, S. 346.
*) Ebendas. 1862, S. 411. ^) Ebendas. 1856. S. 347.
560 Rr. communicaiites.
Fasern gemisclite Aeste ab, die in dem Fett der Forr. intervertebralia ge-
fleclitartig auastomosiren, auch mit kleinen, unbeständigen Ganglien an den
Knotenpunkten versehen sind (Fig. 301 *). An jedem For. intervertebrale
kehrt ein Fädchen in die Wirbelhöhle zurück und verbindet sich mit einem
aus dem Intercostalnerven dicht unterhalb der Vereinigung beider Wurzeln,
jedoch vorzugsweise aus der hinteren Wurzel entspringenden Aestchen zu
dem N. sinuvertebralis Luschka i), der sich an die Häute und Venenplexus
der Wirbelhöhle und an die Knochensubstanz der Wirbel vertheilt. Die
Nn. sinuvertebrales Einer Körperhälfte anastomosiren unter sich durch ver-
ticale Fäden ; durch transversale Aeste setzen sich die gleichnamigen Ner-
ven beider Körperhälften mit einander in Verbindung (Rüdinger 2).
Fig. 301.
Aeste und Geflechte des R. communicans eines Dorsalnerven. 1 hintere , 2 vor-
dere Wurzel, ic R. intercostalis. d R. dorsalis. 3 Grenzstrang. *Accessor. Gang-
lion. ** Grenzganglion. *** Spinalganglion.
Andere collaterale Aeste des R. communicans dringen von der Vorder-
fläche der Wirbelkörper aus in den Knochen ein und umspinnen die
Stämme der Aa. intercostales , lumbales u. s. w.
Vom Eintritt in das Grenzganglion oder den Grenzstrang an sendet
der R. communicans Fasern auf- und abwärts , die sich selten über das
nächste Ganglion hinaus verfolgen lassen; mit dem grössten Theil seiner
Fasern verliert er sich zwischen den Nei"venzellen des Ganglion ; an bestimm-
ten Stellen des Grenzstrangs geht eine Anzahl Bündel über das Ganglion hinaus
^) A. a. 0. ^) lieber die Verbreitung des Sympathicus in der animalen Röhre. Mün-
chen 1863.
Peripherische Aeste. Kopftheil. 561
in die peripherischen Aeste des Sympathicns über, auf die ich bei Beschrei-
bung dieser Aeste zurückkomme.
c. Peripherische Aeste.
1. Kopftheil.
Aus dem Ganglion cervicale supr. entspringen, zuweilen von je Einem c. Peripher.
Stamm, zwei dem Kopf bestimmte Nervengruppen, welche sich mit Stämmen i. Kopftheil.
der Hirnnerven theils unmittelbar, theils durch Vermittlung von Aesten
dieser Nerven in Verbindung setzen. Die Eine Gruppe geht aus der oberen
Spitze des Ganglion hervor und zieht mit der A. carotis int. aufwärts; die
andere nimmt ihren Ursprung am vorderen Rande des Ganglion und be-
gleitet die Aeste der A. carotis ext. Zum Kopftheil des Sympathie us sind
eigentlich auch die Nerven zu rechnen, die mit den Aesten der A. vertebralis
in die Schädelhöhle eintreten ; doch beschränke ich mich auf die Erwäh-
nung derselben, da sie fast mikroskopisch sind und sich genau an den
Verlauf der Arterien halten.
a. Obere Aeste des Ggl. cervic. sup.
Ich habe oben (S. 332) befürwortet, warum ich alle, zwischen dem Ggl. a. Obere
cervicale supr. und Hirnnei-ven verlaufenden Nerven den peripherischen Aesten
des Sympathicus anreihe, obgleich es möglich, ja bei einigen derselben nach
Analogie mit den Rr. communicantes der Spinalnerven, sehr wahrscheinlich
ist, dass sie die Bedeutung von Wurzeln des Sympathicus haben, d. h. dass
sie dem letzteren Hirnnervenfasern zu peripherischer Verbreitung zuführen.
Nur bei einer geringen Zahl der im Folgenden zu beschreibenden Zweige
giebt die Art der Verästelung oder das physiologische Experiment über die
Richtung des Faserverlaufs bestimmteren Aufschluss.
Wurzeln, im Sinne der Rr. communicantes, gleichen insbesondere die
Verbindungsäste des Ggl. cervicale supr. mit den Nn. hypoglossus, vagus
und glossopharyngeus. Es sind Fäden , welche sich vom hinteren Rande
des Ganglion oder vom N. caroticus int., zu dem das Ganglion sich aufwärts
allmälig verjüngt, unter sehr spitzem Winkel rück- aufwärts abzweigen, ge-
wöhnlich zwei, ein weisser Verbindungszweig mit dem N. hypoglossus , von
dem häufig auch der R. communicans mit dem ersten Cervicalnerven abgegeben
wird, und ein mehr grauer Ast, N.jugularis Arn., der sich aufwärts gabelförmig
in zwei Zweige, Einen zum Ggl. jugulare des N. vagus und Einen zum Ggl.
petrosum des N. glossopharyngeus, theilt (Fig. 302).
Eine Verbindung des Ggl. cervic. supr. mit dem N. accessorius erwähnen beim
Menschen Bourgery (Comptes rendus 1845, 7. Avril) und beim Pferde Pieschel
(De parte cephal. nervi sympath. in equo prodromus. Lips. 1844, p. 13). Einer pro-
blematischen Anastomose mit dem N. facialis durch die motorischen Aeste der Mm.
biventer und stylohyoid. habe ich oben S. 412 gedacht.
Henle, Anatomie. Bd. III. Ahthl, 2. Qß
5ß2
Obere Aeste des Ggl. cerv. supr.
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Obere Aeste des Ggl. cerv. supr. 563
Der N. Caroticus int. '), der, wie erwähnt, aus der oberen Zuspitzung des
Ggl. cervic. supr. hervorgeht und, nach seiner Form und Stärke, sich wie
ein'e Fortsetzung des Grenzstrangs ausnimmt, unterscheidet sich doch von
dem letzteren durch die mehr gelatinöse Beschaffenheit. Er tritt hinter der
A. carotis int. in den carotischen Canal ein und theilt sich in demselben,
wenn nicht schon vorher, spitzwinklig in zwei Aeste, einen lateralen und
medialen 2), die einander Anastomosen zusenden und so die Arterie mit
einem weitläufigen Geflecht, Plexus caroticus int.'^, umgeben. Der laterale
Ast, in der Regel der stärkere, hält sich an der hinteren, weiterhin oberen
Fläche der Arterie (Fig. 303) ; von ihm vorzugsweise entspringen die Aeste, durch
welche das Ggl. cervicale supr. mit dem Plexus tympanicus communicirt, die
Nn. Carotico -tympanicus und. petros. pro/, fninor (S. 421) und der Verbin-
dungsast mit dem GgL nasale, N. petrosus l^rof. Iflajor (S. 374)''). Doch
sah ich den letzteren auch aus zwei spitzwinklig convergirenden , gleich
■starken Fäden von beiden Aesten des N. caroticus int. sich zusammensetzen.
Immer tritt er aus der inneren Mündung des carotischen Canals in horizon-
taler Richtung hervor, und, nachdem er sich an den N. petros. superfic.
Fig. 303.
Carotischer Canal, Pauken- und Augenhöhle, von aussen geöffnet. Plexus caroticus. 1 Voi'-
hofstenster. 2 Schneckenfenster. 3 Wespenbeinhöhle. /Ss M. sphenostaphylin. Gn Ggl.
nasale, p N. palatini.
major angeschlossen hat, durch die fibröse Masse, die das For, lacerum erfüllt,
gerade vorwärts in den Can. vidianus. Von dem N- petros superf. maj. sticht
er durch seine graue Farbe, die ihn als sympathischen Nerven charakterisirt,
deutlich ab.
Wegen des zweifelhaften Verbindungsastes des N. petrosus prof. maj. mit dem
Ggl. oticum, N. sphenoidalis int. C.Krause, verweise ich auf S. 385.
^) N. carot. adscendens. N. caroticus s. N. cerehi'alis Arn. ^) Rr. posterior und
supei'ior Langenb. ^) Plexus caroticus aut. ^) N. caroticus vldiani Longet.
36*
^64 Anastomotisclie Zweige.
Nach Abgabe des N. petros. prof. maj. zieht der Rest des lateralen
Astes längs der Carotis aufwärts und schliesst sich, einfach oder in zwei
Fäden getheilt, unter spitzem Winkel an den N. abducens an, da wo dieser
an der lateralen Wand der Arterie vorübergeht. Indessen hat sich der
mediale Ast des N. caroticus int. während seines Verlaufs durch den caro-
tischen Canal allmälig an die untere Fläche der Arterie begeben und hat,
wie erwähnt, an beiden Seiten der Arterie dem lateralen Ast Anastomosen
zug'esandt, durch die er sich, wie auch durch directe Zweige, mit dem N.
abducens in Verbindung setzt. Vom Ausgang des genannten Canals an
werden die Anastomosen zwischen den beiden Aesten des N. caroticus int.
zahlreicher und im Sinus cavernosus erzeugen sie an der lateralen Seite der
aufwärts convexen Krümmung der Carotis ein sehr engmaschiges Geflecht,
Plexus Cavernosus Arnold^), dessen feine Bälkchen nur mit Hülfe des
Mikroskops von dem Netzwerk des Sinus cavernosus und von den diesen
Sinus durchziehenden Gefässästchen sicher unterschieden werden können
(Fig. 304).
ZAvei "bis drei sehr feine, im frischen Zustande gra. weisse Fädcheu, Rr.hasi-
lares, entspringen nach Valentin (Nvl. S. 636) aus em medialen Aste des N.
carot. int. vor dessen Eintritt in den carotischen Ce nal ut d vex-laufen theils gerade,
theils anfangs in schwachen , mit ihrer Coucavität lach v -rn gerichteten Bogen in
der Fasermasse, die die Basis des Hinterhauptbei as und len Körper des Wespen -
heins an ihrer unteren Fläche bekleidet. Valentin hält es für wahrscheinlich,
dass die entsprechenden Hauptzweigehen beider S iiten mit einander anastoniosiren.
Nach C.Krause tritt, und zwar in der Begel, an die SteiL des Plexus cavernosus
ein plattes, eckiges oder, sternförmiges Ganglioi , Ggl. cai oticum s. cavernosum.
Ganglien im unteren oder oberen Theil des PI xus carotic as , Gglia carott. inf.
und sup., werden von mehreren Anatoiuen, vor Petit (Me; i. de l'acad. des scien-
ces 1727, p. 3), Schmiedel (Epist. anat. , qua de eontrover a n. intercostalis ori-
gine quaedam disseruntur. Erlang. 1747), Lau aonier (Reils Archiv I, 64), Lob-
stein(a. a. 0. ]d. 2) und Hirzel (Tied'emanr und Treviranus, Ztschr. I, 211)
beschrieben. Ich habe so wenig, wie Valei tin und Arnold, Nervenzellen au
den allerdings mitunter etwas angeschwoUe en Knotenpun kten der carotischen
Nervennetze gefunden.
Die durchgängig feinen und deshalb mehr oder minder bestrittenen,
vielleicht auch nicht ganz beständigen Zweige, die der Plexus cavernosus
aussendet, führen theils den vorderen, namentlich den durch den Sinus ca-
vernosus verlaufenden Hirnnerven sympathische Fasern zu, theils gelangen
sie selbständig oder mit Aesten der Carotis zu peripherischer Verbreitung,
a. Anastomotisclie Zweige.
a. Anastom. 1- Mit dem N. facialis, ein Faden, der, nach Arnold's Beschreibung,
Zweige. rückwärts läuft, sich an den N. petros. superfic. maj. anlegt und durch dessen
Vermittlung das Ggl. geniculatum erreicht. Arnold fand ihn einige Mal
beim Menschen, constant beim Kalb; Pieschel sah ihn beim Pferd.
^) Plexus nervosa - artei'iosus Waltpr. Plexus clrcularis flexurae tertiae caroüdis
cerebral! s Val.
Anastomotische Zweige.
565
Beim Kalb will Arnold den Verbiudungszweig über das G-gl. geniculatum
hinaus zum N. acusticus verfolgt haben, an dem sich ein kleines Ganglion finde.
Grelegenheit zum Austausch der Fasern zwischen dem Stamme des Facialis und
dem Sympathicus findet sich ausserdem im Plexus tjaupan. durch den E. commun.
c. plex. tymp. des Facialis (S. 404. 421) ujid vielleicht durch den N. petros. super-
fic. tertius (s. unten).
2. Mit dem N. abducens, einige Fädclien , die an den Nervenstamm
jenseits seiner Kreuzung mit der Carotis herantreten.
3. Mit dem N. trigeminus, zuweilen ein Stämmclien, welches, indem es
über den N. abducens hinweggeht, mit demselben sich verbindet und dann
in rückwärts zum Ggl. semilunare und vorwärts zum R. ophthalmicus lau-
fende Fäden theilt. Oefters eine Anzahl vom UrsjDrung an gesonderter
Fädchen von gleichem Verlauf (Fig. 304).
Fig. 304. . ,
n
Schädelbasis, lateralwärts neben dem carotischen Canal sagittal durchschnitten.
Mediale Schnittfläche. Der carotische Canal aufgebrochen , um die Plexus carot.
und cavernos. zu zeigen. Stamm des N. trigeminus seitwärts umgeschlagen. Die
hintere Spitze des Temporalflügels bis zum For. ovale entfernt. 1 Proc. clinoid.
post., abgebrochen. 2 Proc. clinoid. ant., desgl. 3 Hypophyse. 4 Carot. int.^
5,V. jugul. Gcs Ggl. cervic. supr. j N. jugularis. ci N. carot int, ppvij
N. petr. proi\ maj. 11 rechter, II' linker N. opticus. |* Plexus ganghof. vagi, ein Aest-
chen vom Ggl. cervic. supr. aufnehmend.
566
Periptierische Zweige.
Schmiedel beschrieb ein Fädchen vom Plexus cavernosus zum dritten,
Laumonier ein solclies zum zweiten Aste des N. trigeminus. Einen Verbin-
dungszweig zwischen diesem Nerven und dem Plexus cavernosus zeigt L an gen b eck 's
Abbildung (Icon. Fase. III, Tab. XVIII, Fig. 1 E); es ist wohl derselbe, von wel-
chem Cr uv ei lliier (p. 637) sagt, dass er, vom N. supramaxillaris ausgehend , über
den Nn. ophthalm. und oculomotoriiis zum Plexus carot. gelange. Keiner der übrigen
neueren Anatomen hat diese Anastomosen beim Menschen wieder gefunden. Beim.
Kalbe hat sie Arnold, beim Pferde Pieschel bestätigt.
4. Fäden vom Plexus cavernosus zum N. trochlearis werden von Pauli i)
und Bidder^) erwähnt und von Bidder und Fäsebeck^) abgebildet.
Luschka*) konnte sieb von ihrer Existenz nicht überzeugen, ohne sie
jedoch bestimmt verneinen zu wollen.
5. Ein anastomotischer Zweig zum N. oculomotorius ist nach Cloquet
und Longet constant, nach Arnold, C. Krause und Luschka öfters,
nach HirzeP) nur selten vorhanden. Langenbeck giebt eine Abbildung
desselben ").
b. Peripherische Zweige.
b. Peririicr. Unter diesen ist, als der ansehnlichste und beständigste, zuerst zu
nennen die sympathische Wurzel des Ggl. ciliare''), die an der letzten, vor-
Fig. 305.
Inhalt der linken Orbita, von der lateralen Seite. Sympath. Wurzel des Ggl. ciliare. 1 A.
carotis int. 2 A. ophthalm. Rs, Rl Mm. rectus sup. und lateralis, der letztere vom Bulbus
abgeschnitten, so N. supraorbit. nc N. nasociliaris.
^) Mühry ad parasitorum malignorum oeuli historiam symbolae. Gott. 1833, p. 22.
2) Neurolog. Beobacht. Dorpat 1836, S. 18. Taf. I, 6. 3) A. a. 0. Taf. II, 4. ■*) Die
Nerven in der harten Hirnhaut. Tübingen 1850, S. 24. ^) Tiedemann und Treviranus,
Ztschr. I, 225. ^) Fase. III, Tab. XVIII, Fig. 1. k. l. '^) Ram. communicans c. gglio
ophthalmlco. Radix mollis (jglii. ophthalm. .i. ciliaris.
Peripherische Zweige. 567
wärts convexen Krümmung der Carotis int. sich aus dem, die Arterie um-
gebenden Nervengeflechte löst, an der medialen Seite des N. ophthalmicus
durch die Fissura orbitalis sup. in die Orbita eintritt und, wie oben (S. 358)
erwähnt, zwischen der langen und kurzen Wurzel oder imAnschluss an die
erstere das Ggl. ciliare erreicht (Fig. 305). Sie wird als die Bahn betrachtet, auf
welcher die Bewegungsnerven des Dilatator pupillae, deren Ursprung aus dem
Ggl. cervicale sujyr. durch Petit's bekannte Versuche bezeugt wird, zum
Ggl. ciliare gelangen. Mit zweifelhaftem Rechte. Denn abgesehen von
denjenigen, welche mit G r ü n h a'g e n dem Dilatator und somit auch dessen motori-
schen Nerven die Anerkennung versagen, so fragt es sich, ob die pupillenerwei-
ternden Nerven nicht schon vom Plexus cavernosus her dem Ggl. semilunare
lind dem ersten Aste des Trigeminus beigemischt werden. In der That
gehen sie, den Versiichen Balogh's 0 undOehl's^) zufolge, durch das Ggl.
semilunare; von diesem Ganglion an verlaufen sie nach Balogh im ersten
Aste des Trigeminus, nach Oehl dagegen in der Umgebung dieses Nerven.
Dass übrigens die Zerstörung des Ggl. cervicale supr. die Fähigkeit der
Pupille, sich zu erweitern , nicht aufhebt, dass also erweiternde Fasern noch
aiis einer anderen Quelle stammen müssen, darin stimmen die beiden ge-
nannten Beobachter überein; sie stehen aber wieder einander entgegen, wenn
Balogh die Erweiterung der Pupille durch Reizung des Stammes des N.
trigeminus (vor dessen Eintritt in das Ganglion) zu Stande gebracht haben
will, Oehl aber in das Ganglion selbst den Ursprung pupillenerweiternder
Fasern verlegt. Schiff'^) hält es nach Versuchen an Katzen für wahr-
scheinlich , dass dem Ggl. semilunare pupillenerweiternde Fasern aus
dem Theil des Sympathicus zugeführt würden , der die Paukenhöhle durch-
setzt.
Beim Kaninchen verfolgte Budge die Nervenfasern des Dilatator expe-
rimentell vom Ggl. cervic. siipr. abwärts in den Grenzstrang und in die
Wurzeln der beiden untersten Cervical- und der beiden obersten Dorsal-
nerven; ihr centraler Ursprung wurde S. 81 besprochen.
Die Rad. sympatb. des Ggl. ciliare ist zuweilen dopj^elt. In dem Fig. 305
abgebildeten Falle nimmt sie ein Fädeben aus dem N. oculomotorius auf.
2. Medianwärts durch die mediale Wand des Sinus cavernosus zur
Hypophyse verlaufende Fädchen beschrieben Fontana*), Ribes^), Bock*^)
u. A. und Bourgery erklärte gar die Hypophyse (Ganglion pituitaire)
wegen ihrer reichlichen Verbindungen mit den cavernösen Geflechten beider
Seiten für das Organ, das die Beziehungen zwischen Sympathicus und Ge-
hirn vermittele. Ohne Zweifel beruhen diese und manche ältere Angaben
auf Verwechslung fibröser Bälkchen mit Nervenfasern, doch zeigte mir das
Mikroskop in dem netzförmigen, zwischen Carotis und Hypophyse ausge-
1) Meissner 's Jahresbericht 1861, S. 454, 2) Ebendas. 1862, S. 507. 3) Ebendas.
1867, S. 594. *) Ludwig, Script, neurol. min. III, 85. ^) Mem. de la soc. d'emu-
lation VII, 97. ^) Beschreibung des fünften Hirnnervenpaars S. 66.
568 Vordere Aeste des Ggl. cerv. supr.
spannten Gewebe feineNervenfaserbündelclien, dieselben, von denen Luschka^)
sagt, dass sie, zwei bis drei jederseits, in den vorderen Lappen der Hypo-
physe sich einsenken (Fig. 304).
3. Vom Plexus cavernosus gehen die äusserst feinen (0,05 bis 0,2 Mm.
starken) Br. vasciüares aus, welche die Zweige der Carotis int., die Aa. cere-
bri ant. und media begleiten und umstricken (Bourgery, Arnold).
ß. Unter dem Nameu eines Plex. ophthalmicus beschreibt C. Kraxxse ein
von den Gefässnei-ven der A. ophthalmica mit Fäden vom Ggi. ciliare und dessen
"Wurzeln und Aesten in der Orbita erzeugtes Geflecht, aus welchem Zweige zu
den Gefässen der Orbita, namentlich zur A. centralis retinae und vielleicht zur
Eetina selbst entspringen sollen. Was mir die Untersuchung dieser Zweige ergab,
habe ich S. 359 ausgesprochen.
Zu den ZAveifelhaften Aestchen der Plexus carot. imd cavernosus gehören ferner :
ß. Die Rr. communicantes cum ganglio nasali , ein bis drei Fädchen,
welche nach Arnold durch den hinteren Theil der Fissura orbitalis sup. au der
medialen Seite des N. abducens verlaiifen und dann in die Fossa sphenomaxill.
abwärts zum Ggl. nasale treten.
ß. Vordere Aeste des Ggl. cervic. supr.
ß. Vordere P^s sind die Gefässnerven der Carotis ext. und ihrer Aeste 2), welche
^"^^^^^ nach den Arterien, mit denen sie verlaufen, als Plexus carot. ext., thyreoid.
stip. (der aber schon mehr dem Halstheil zugehört), Ungualis, maxiUaris ext.,
pharyngeus adscend.^ occipitalis und auricularis post., maxiUaris int. und
temporalis bezeichnet werden. Sie entspringen in zwei starken oder meh-
reren feineren grauen Aesten in Gemeinschaft mit den Fäden, durch die
der Sympathicus an der Bildung des Plexus pharyngeus und des N. laryn-
gevts Theil nimmt, und gehen eine Strecke abwärts, ehe sie sich geflechtartig
an die zum Kopf aufsteigenden Arterienstämme anlegen (Fig. 302). Von die-
sen aus führen sie einigen der von Hirnnerven gebildeten Ganglien sympathi-
sche Zweige zu, so. dem Ggl. linguale durch Vermittlung der A. submentalis
(S. 392), vielleicht auch dem Ggl. oticum durch Vermittlung der A. meningea
media (S. 383). Dass im Verlaufe der Gefässnei'ven mikroskopische unbe-
ständige Ganglien vorkommen, wurde schon im Allgemeinen erwähnt. Da-
neben ist aber ein grösseres, spindelförmiges, über 2 Mm. langes Ganglion
hervorzuheben, das Ggl. temporale (Fig. 306) -3), welches regelmässig auf der
äusseren Fläche der Carotis ext. an der Abgangsstelle der A. auricularis
post. gelegen ist , Fäden vom N. facialis aufnimmt , zuweilen auch in einen
gangliösen Plexus zerfällt. Vielleicht steht dies Ganglion in ähnlicher Be-
ziehung zur Parotis, wie das Ggl. linguale zur Submaxillardrüse.
1) Der Hh-naiihang und die Steissdrüse. Berl. 1866, S. 49. ^) Nn.molles. ^) Gangliolum,
temporale molle Andersch bei Ludwig, Script, neurol. min. 11,172. Neubauer (Opp. p.
115. Tab. IV, Fig. 1. 148) undScarpa (Tab. neurol. Ticini 1794, Tab. III, 59) beschreiben
und zeichnen dasselbe Ganglion, ohne ihm Namen zu geben. Arnold erklärte es mit Un-
recht für eine durch den Zusammentritt mehrerer Nerven bewirkte nervenzellenlose Ver-
dickung.
Vordere Aeste des Ggl. cerv. supr.
569
Valentin (S. 143) beschreibt ein Ggl. pharyngeum molle von über 2 Mm.
Länge, welches auf der A. pharj'ngea adsceudens , 16 bis 18 Mm. über deren Ur-
sprung liegen soll und ein etwa 1,2 Mm. vor dem Ggl. pharj'ugeum gelegenes
Ggl. linguale molle, dessen stärkere Z^veige in die Nervenuetze der A. lingualis
■p,. , q^p ausstrahlen. Ein anastomotischer
'^' ' Zweig zwischen den Gefässner-
ven der A. meningea media
und dem Stamm des N. facialis
ist der N. petrosus superficialis
tertius s. infimus, der nach
Bidder's Beschreibung (Neu-
rolog. Beob. S. 51) von dem,
jene Arterie umspinnenden Ge-
flechte abgeht , sobald dieselbe
aus dem For. spinosum in die
Schädelhöhle getreten ist , zwi-
schen den Lamellen der fibrösen
Hirnhaut rückwärts läuft und
-ffes durch eine eigene Spalte in der
vorderen inneren Fläche der
Schläfenpja-amide vor und unter
dem Hiatus can. facialis zum N.
facialis gelangt. Er verbindet sich
direct mit dem Ggl. geniculatum
oder erreicht, der häufigere Fall,
den Nervenstamm unterhalb die-
ses Ganglion. Valentin (S. 444)
betrachtet den N. petrosus su-
perficialis tertius, dem er noch
die Synonyme externus s. vas-
cularis zufügt, als einen Zweig
des N. facialis, der in'' das Nerven-
geflecht der A. meningea media
eintrete. J.Müller (Archiv 1837,
S. XXVI) hält ihn für unbe-
ständig, Arnold (S. 868) hat
Vordere Aeste des Ggl. cervic. supr. [Gcs) von der ihn nicht gesehen und Beck
äusseren Seite. 1 Proc. mastoid. 2 Carotis. 3 Proc. (Ueber einzelne Theile des sieben-
styloid. 4 Unterkieferast. 5 Lig. stylomyloid. 6 Masscter. ten und achten Hirnnervenpaars
7 Gland. carotica. Cc Carot. comm. Ci, Ce Carotis g. 43) erklärt ihn für ein Ge-
int, und ext. tsu A. thja-eoidea sup. l A. linguahs. fässzweigcheu.
me A. maxillaris ext. t^Js A. tempor. superf. ap A.
auric. post. Den Ursprung aller der
aufgezählten Gefässnerven zu-
nächst aus dem Ggl. cervic. supr. bezeugen physiologisclie Erfahrungen an
Kaninchen und Hunden. Die Erweiterung der Gefässe nach Durchschneidung
des N. sympathicus am Halse ist nachgewiesen für das äussere Ohr durch
den bekannten Bernar d'schen Fundamentalversuch, für die GefässS der
Paukenhöhle durch Pr US sak^), für die Gefässe der Iris, Choroidea und Retina
durch Wegner 2), für die Gefässhaut des Gehirns durch NothnageP).
Contraction der Hirngefässe auf Reizung des Halssympathicus beobachteten
Don der s und Gallen fels*) und Nothnagel, Contraction der Irisgefässe
auf Reizung des Kopfendes des Sympathicus Wegner. Der Letztere sah
1) Meissner'» Jahresbericht 1868, S. 440. 2) Ebendas. 1866, S. 442. Vergl. dage-
gen Schiff 1868, S. 481. ^) Ebendas. 1867, S. 566. *) Ebendas. 1856, S. 348.
2. Hals- u.
obur. J Jrust-
tlieil.
570 Hals- und oberer Brusttheil.
die Irisgefässe aiicli auf Durchschneidung des Trigeminus sich erweitern
und scUiesst, dass die im Sympathicus verlaufenden vasomotorisclien Nerven
in der Schädel höhle sich an den Trigeminus und zwar an dessen medialen
Rand anlegen. Aus Nothnagel's Versuchen aber ergiebt sich, dass die
vasomotorischen Nerven der Gefässhaut nicht ausschliesslich aus dem Sym-
pathicus, sondern auch aus den Hirnnerven stammen, die mit dem Plexus
carot. Verbindungen eingehen. Bei Hunden vermochte Prevost^) einen
Congestivzustand der Nasenschleimhaut, wie er ihn auf elektrische Reizung
des Ggl. nasale eintreten sah, durch Reizung des oberen Endes des durchschnit-
tenen Halssympathicus nicht zu erzielen. Dass die Gefässe ihre motorischen Ner-
ven nicht lediglich aus den Geflechten beziehen, die vom Ggl. cervicale supr. an mit
ihnen verlaufen, geht aus den Beobachtungen Schiffs an den Gefässen der
Zunge ^)undMore au' s am Ohr des Kaninchen^) hervor. Nach Schiff zieht auch
die Durchschneidung desN. lingualis, sowie des N. hypoglossxis Röthung der ent-
sprechenden Zungenhälfte nach sich. Moreau konnte, wenn die Durchschnei-
dung des Sympathicus am Halse oder der Gefässnerven an der A. temporalis nur
geringen Erfolg hatte, mittelst Trennung desN. auricularis eine bedeutende Injec-
tion der Ohrgefässe hervorrufen. Auf die Operation am Sympathicus reagir-
ten die Gefässe in der Umgebung des Gehörgangs, auf die Operation am
N. auricularis die Gefässe der Spitze des Ohrs.
Ich habe oben (S. 353) die Versuche aufgeführt, welche beweisen, dass
der N. trigeminus seinen Einfluss auf die Ernährung des Auges den sympa-
thischen Fasern verdankt, die sich dem Ganglion und dem ersten Aste beige-
sellen. Auch diese Fasern lassen sich zum Grenzstrang verfolgen, da die
Durchschneidung des Sympathicus am Halse dieselben Veränderimgen am
Auge hervorbringt, wie die Durchschneidung des Trigeminus '^).
Das Verhältuiss des Sympathicus zu den Drüsennerven am Kopfe be-
darf noch näherer Aufklärung. Von der Submaxillardrüse ist bekannt, dass
sie auf Reizung des Sympathicus secernirt , aber ein Secret liefert, welches
sich von dem durch Reizung des N. facialis hervorgerufenen einigermaassen
unterscheidet. Was die Thränendrüse betrifft, so gewannenHerzenstein^)
und Wolferz*') von der Reizung des Sympathicus schwankende Resultate;
doch entschied bei Wolf er z die grosse Mehrzahl der Versuche für die secre-
^torische Wirkung des Sympathicus und damit stimmt auch De mt schenke'')
über ein.
2. Hals- und oberer Brusttheil.
Ich habe schon gelegentlich darauf hingewiesen, dass der Halstheil des
Sympathicus vom Kopftheil nicht scharf zu sondern ist, weil Aeste, die
1) Meissner's Jahresbericht 1868, S. 327. 2) Archiv für phj^siol. Heilk. XII, 378.
3) Arch. de physiol. 1872, p. 667. ^) Valentin, Funct. nerv. p. 109. Reid, Physiol.,
anatom. and path. researches. Edinb. 1848, p. 296. Volkmann in R. Wagner's Hand-
wörterb. II, 621. v. Walther berichtet (in Graefe und W. Journal XXIX, 1840, S. 549)
einen Fall, in welchem Augenentzündung eintrat nach zufälliger Durchschneidung des
Sympathicus am Halse bei Exstirpation eines Aneurysma der Carotis. ^) Meissner 's
Jahresbericht 1867, S. 429. ^) Experimentelle Unters, über die Innervationswege der
Thränendrüse. Dorpat 1871, S. 40. ^) Archiv für die ges. Physiologie VI, 191.
Hals- und oberer Brusttheil. 571
wegen ihrer Endigung den Halsnerven zuzuzählen sind , aus dem ersten
Cervicalganglion in Gemeinschaft mit Aesten zu Kopfarterien entspringen.
So müssen wir auch unter gemeinschaftlicher Rubrik die peripherischen
Aeste des Sympathicus zusammenfassen, die, am Halse entspringend, theils
in den am Halse gelegenen Gefässen und Eingeweiden sich verästeln, theils
zu den Organen der Brusthöhle und namentlieh zum Herzen hinabsteigen.
Von einem kurzen und feinen Aste, der das Ggl. cervic. supr. mit dem
Plexus ganglioformis des N. vagus verbindet (Fig. 304 *), ist nicht zu entschei-
den, ob seine Fasern vom Sympathiciis zum Vagus oder in umgekehrter
Richtung verlaufen und wo sie ihr peripherisches Ende finden.
Dem Halstheil allein gehören an:
1. Aeste des Sympathicus zum Plexus pharyngeus, die sich von den
Gefässnerven der Carotis ext. ablösen oder selbständig oberhalb dieser Ge-
fässnerven aus dem obersten Cervicalganglion kommen (Fig. 302).
2. Fäden von gleichem Ursprung, die in den N. laryngeus sup. ein-
gehen (Fig. 302).
3. Ein beständiger Ast des Plexus carot. ext. geht gerade abwärts zu der
im Theilungswinkel der A. carotis comm. gelegenen Gland. carotica (Fig. 306).
Nacli Svitzer (Einige Unters, über das Ggl. iutercaroticum. Kopeuli. 1863)
bezieht diese Drüse zuweilen einen Ast vom N. liypoglossns ; in einigen Fällen
wurde sie ausschliesslich vom N. glossopharyngeus oder vom N. laryng. sup. ver-
sorgt.
4. Die Gland. thyreoidea erhält von den Gefässnerven der A. thyreoi-
dea sup. einige feine Zweige (Fig. 302) ; andere gelangen zu dieser Drüse
aus dem Geflecht, Plexus thyreoid. inf., welches, vom Ggl. cervicale med. und
inf. aus, die A. thyreoidea inf. begleitet und ein grösseres oder einige klei-
nere Knötchen, Ganglia thyreoidea^ eingestreut enthält (Andersch^).
5. Vom untersten Cervical- und obersten Dorsalganglion steigen mit
der A. vertebralis Zweige-) durch die Forr. transversalia der Halswirbel
empor, welche am Ursprünge leicht aufzufinden sind, sich aber bald in einen
Plexus mikroskopischer, die Arterie und deren Aeste umspinnender Fäden,
Plexus vertehralis'^), auflösen. Sie verbinden sich mit den Cervicalnerven-
stämmen durch Fäden von geringer, gegen die oberen Nerven abnehmender
Stärke.
Dieser allgemein adoptirteii Darstellung entgegen beschreibt Cr uv eil hier
den die A. vertebralis begleiteiideD Nerven unter dem Namen N. vertebralis
als einen aus dem dritten bis fünften Cervicalnerven entspringenden, combinirten
R. commiinicans, der dem unteren Cervicalganglion Fasern aus den genannten
Cerebrospinaluerven zuführe. Cruveilhier stützt sich dabei auf eine von Jar-
javaj' beobachtete Varietät, wo die A. vertebralis erst zwischen dem dritten und
vierten Halswirbel in den Canal der Foramina transversai'ia eintrat, das untere
Cervicalganglion nur einen Zweig vom achten Cervicalnerven ei'hielt, die Rr-
communicantes des vierten bis siebenten Cervicalnerven sich mit einem mittleren
Cex'vicalganglion verbanden und der N. vertebralis fehlte.
1) A. a. 0. Taf. V, 2. ^) Courant posterietir ou vertehral Bourgery. Truncim cervi-
calis prof. 7iervi sympathici. ^) Plexus vertebro-basilaris.
572 Hals- und oberer Brusttheil.
Zum Brusttheil würden, weun ihre Existenz gesichert wäre, die Fäden
zu rechnen sein, die aus dem oberen und mittleren Cervicalganglion sich
dem N. phrenicus beigesellen (S. 472).
Der Brust gehört ferner an das ansehnliche mediane Geflecht der Herz-
nerven, Plexus cardkicus, zu welchem der R. ext. desN. laryng. sup. (S.437),
der Stamm des N. vagus selbst (S. 440), der N. laryngeus inf. oder der
Plexiis pulmonalis (S. 443), nach Einigen auch der R. cervicalis descendens
(S. 469), sodann die Cervicalganglien und das erste Dorsalganglion beider
Seiten beitragen. Der Antheil der Cervicalganglien ist sehr veränderlich,
was doch wohl nur auf dem bedeutungslosen Umstände beruht, ob die Herz-
nervenfasern früher oder später in einer grösseren oder geringeren Zahl
von Strängen den Grenzstrang verlassen.
Sympathische Herznerven werden allgemein drei aufgezählt: Ein N.
cardiacus sup. ^), der mit einer Wxirzel oder mehreren aus dem Ggl. cervi-
cale supr. oder dicht unter demselben aus dem Grenzstrang entspringt ; ein
N. cardiacus medius^), der seinen Ursprung aus dem Ggl. cervicale med.
nimmt, und ein N. cardiacus inf. ■^) aus dem unteren Cervical- und dem obe-
ren Dorsal ganglion. Der eine oder andere dieser Nerven kann fehlen oder
ungewöhnlich fein werden oder so früh sich mit dem nächsten Nerven sei-
ner Seite vereinigen , dass er sich wie eine Wurzel zu ihm verhält.
Zahl und Stärke der Nerven beider Seiten können sich sehr ungleich ver-
halten und das Uebergewicht kann ebensowohl auf der rechten, wie auf der
linken Seite sein. Wie An der seh habe ich den N. card. superior nur auf
der linken Seite gesehen; der N. cardiacus inf. käme nach Meckel nur auf
der rechten Seite vor. Nn. cardiaci med. und inf. können sich zu Einem
starken Stamme "*) vereinigen. In den N. cardiacus sup. geht gewöhnlich
schon in der Mitte des Halses der R. card. des N. laryng. sup.
über. Dem N. card. inf. gesellen sich Zweige des N. laryngeus inf. bei.
Die sympathischen Fäden zur Gland. thyreoidea, zum Oesophagus, zum Kehl-
kopf, zur Carotis communis werden mitunter von den Nn. cardiaci über-
nommen.
Rüdiuger (üeber die Rückenmarksnerven der Baucbeingeweide. München
1866, S. 15) glaubt bemerkt zu haben, dass vom zweiten Dorsalgauglion Bündel
aufwärts und über das erste binwegiaufen, um iu die Rr. cardiaci überzugeben.
Gegen den Eintritt in die Brusthöhle convergiren die Nn. cardiaci bei-
der Seiten ; mittelst zahlreicher Anastomosen bilden sie einen weitmaschigen
Plexus, an welchem eine oberflächliche^) und eine tiefere Schichte'^) unter-
schieden werden kann. Die oberflächliche Schichte, an der vorzugsweise
die oberen Herznerven sich betheiligen , dehnt sich mehr nach der linken
^) N. Card. s. cordis supremus. N. c. superficialis Scarpa. 2) N. card. mngnus s.
prof. Scarpa. jV. cardiacus ext. und int. And er seh. ^) N. card. tertius s. parvus. N.
c. minor Scarpa. Arnold und Valentin unterscheiden einen besonderen N. card. qnart.
s. iinus aus dem Ggl. dorsale primum. *) N. cardiacus crassus. ^) Plexus cardiacus super-
ficialis. Plexus aorticus ant. And er seh. ^) PI. c. profundus s. magnus. Cruveilhier
scheidet das Geflecht in einen oberflächlichen, mittleren und tiefen Plan, Valentin in
einen Plex. cardiac. sup. und inf.
Hals- und oberer Brusttheil.
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574 Hals - und oberer Brusttheil.
Seite aus; sie bedeckt den concaven Rand des Aortenbogens und die Bifur-
cation der A. pulmonalis und scbliesst an dieser Stelle, oder auch weiter
oben, da wo der N. cardiacus sup. die A. thyreoidea kreuzt, ein Ganglion i)
ein, welches in zwei 2) zerfallen, aber auch gänzlich fehlen kann. Die tiefe
Schiebte des Plex. cardiacus liegt weiter rechts, zwischen der Aorta und
dem unteren Ende der Trachea; von ihr aus gehen feine Aeste direct in die
Wand der Atrien (Fig. 307). Beide Schichten des Geflechtes senden feine
Zweige aus, die an den grossen Gefässstänimen peripherisch weiter gehen,
und stärkere, die unter dem visceralen, an die Gefässstämme sich anlegenden
Blatte des Pericardium zur Querfurche des Herzens gelangen und von da
ein Plexus Coronarhis dext. und Sinisier Scarpa^), theils mit den Aa. coro-
nariae, dieselben umspinnend, verlaufen, theils selbständig von Strecke zu
.Strecke zur Herzspitze herabziehen.
Die Verzweigungen der Nerven in den Furchen und in der Substanz des
Herzens sind reichlich mit Ganglien versehen. Nach S c h k 1 a r e w s k i 4), der sie an
den Herzen kleiner Säugethiere und Vögel mittelst Maceration in Holzessig
sichtbar machte, bilden grössere Ganglien, durch Nervenfaserstränge zu
Ketten verbunden, zunächst zwei geschlossene Ringe, deren einer fast recht-
winklig zur I^erzbasis streichend dem äussersten Umfange des Septum atrio-
rum entspricht, während der andere, nahezu rechtwinklig zu jenem, in der
Atrioventriculargrenze verläxift und dabei vorn und hinten in der Ebene
der verticalen Scheidewand den ersten Ring anastomosirend durchkreuzt.
Die Ganglien liegen meist ziemlich oberflächlich unter dem Pericardium.
Von den gangliösen Ringen gehen in die Musculatur der Atrien und Ven-
trikel beiderseits geflechtartig sich verbindende dünnere Zweige ab , welche
kleinere Ganglien und einzelne eingelagerte Nervenzellen enthalten. Die
ansehnlichsten Zweige dieser Art steigen vorn und hinten an der Wand
der Ventrikel herab; ob sie sich an der Spitze der Ventrikel wiederum zum
Ringe verbinden, blieb xinentschieden. Bei Vögeln befindet sich das grösste
Herzganglion hinten am Zusammenfluss der beiden Ganglienringe; an dem
Säugethierherzen liegen die beiden ansehnlichsten Ganglien weiter oben
nahe der Einmündung der V. cava sup. Die grösseren Ganglien sind bei
den Vögeln, minder deutlich bei den Säugethieren , durch Scheidewände
von Nervenfasern und Bindegewebe abgetheilt. Ueberall scheinen die ein-
zelnen Zellen eine besondere bindegewebige Hülle zu besitzen. Ihre Grösse
variirt zwischen 0,013 und 0,024 Mm., ihre Gestalt ist meist retorten- oder
kolbenförmig, häufig mit deutlichem Faserursprung, zuweilen auch spindel-
förmig. Die Nervenfasern der Ganglienstränge gehören grösstentheils zu
den blassen.
Die Versuche , am Froschherzen das Verhältniss der Nervenfasern zu
den Nervenzellen zu ermitteln, haben noch nicht zu übereinstimmenden Er-
gebnissen geführt. Der Behauptung Kölliker's^), dass die Ganglien nur
unipolai'e Zellen enthalten und die Vagusfasern, ohne Verbindungen mit
den Nervenzellen einzugehen, zu den Muskeln verlaufen, widersprechen
^) G(jl. cardiacum. ^) Grjl. Card. sup. und inf. ,s. magnum s. Wrishergi. ^) Plex.
caron. unt. und poü. ^) Gütt. Naclii-, 1872, No. 21. '^j Gewebel. S. 581.
Hals- und oberer Brusttheil. 575
Beale^) und Bidder 2); jener erklärt die Nervenzellen des Froschherzens
einfach für bipolare, dieser glaiibt an den beiden mit der Nervenzelle zu-
sammenhängenden Fasern den Gegensatz wieder zu erkennen , der in den
sympathischen Nervenzellen des Frosches zwischen der markhaltigen und
blassen (spiraligen) Faser besteht (S. 23).
Der Erste, der Ganglien an den Nerven in der Substanz des Herzens eines
Säiigethiers (des Kalbes) beschrieb, Avar Eemak (Müll. Arcli. 1844, S. 463). Die
von dem abgebildeten Ganglion , aus der rechten Auricula , abgehenden Nerven
waren zusammengenommen viel stärker , als die aus dem Hauptnervenstamm in
das Ganglion eintretende Fasermasse, was Eemak aitf Rechnung der im Gang-
lion sich vermehrenden gelatinösen Easern schreibt. In Lee's Abbildung der
Herzuerveu (Philos. transact. 1849, P. I, p. 43) ist offenbar der Reichthum sowohl
au Nerven als an Ganglien übertrieben. Gloetta (Würzb. Verh. III, 64), der die
Lee' sehen Ganglien mikroskopisch untersuchte, fand keine Nervenzellen in den-
selben und erklärt sie für abgeplattete Anschwellungen, die die oberflächlichen
Nerven an den Stellen erleideji, wo sie quer über Gefässe hinweggehen.
Var. Murray (LudAvig script. neurol. minores II, 246) sah den N. cardiac.
sup. dem sechsten Halswirbel gegenüber vollständig in die Scheide des N. vagus
eintreten, so dass beide nur mit Hülfe des Scalpells getrennt werden konnten.
Etwa 10 Mm. weiter abwärts ging der N. cardiacus wieder aus dem N. vagus wie
ein Ast desselben hervor.
Unter den Nerven, die im Plexus cardiacus dem Herzen zugeführt wer-
den, finden sich zweierlei Arten: 1. centrifugale , hemmende und erregende,
und 2. centripetale oder excitomotorische. Die hemmenden sind am Halse im
Stamme des Vagus enthalten, wie durch zahlreiche Erfahrungen an Thieren
und eine von mir am Menschen (Hingerichteten) angestellte Beobachttmgä) ermit-
telt ist. Aus dem Gehirn treten sie, nach den übereinstimmenden Versuchen
von Waller*), Schifft) und Heidenhain^), in den Wurzeln des N. acces-
sorius hervor. Die Vaguszweige zum Plex. cardiacus sind zahlreicher auf
der rechten Seite, als auf der linken (S. 440), und damit stimmt, dass beim
Kaninchen, beim Hund und bei der Taube die Reizung- des rechten Ner-
venstammes das Herz vollständiger und für längere Zeit zur Ruhe bringt,
als die des linken (Masoin)^).
Erregende, d. h. die Frequenz des Herzschlags erhöhende Fasern schei-
nen im Rückenmark zu entspringen und iir^ der Bahn des Sympathicus zu
ihrem Bestimmungsorte zu gelangen. Doch giebt die Reizung des Sympa-
thicus am Halse nur zweifelhafte Resultate. Ich selbst sah beim Enthaup-
teten, als die freiwilligen Bewegungen des Atrium , etwa 25 Minuten nach
dem Tode, erloschen schienen, auf Application der Drähte des Rotations-
apparats an den peripherischen Stumpf des durchschnittenen Sympathicus
der linken Seite, fast augenblicklich die rhythmischen Zusammenziehungen
wieder beginnen, wagte aber nicht. Gewicht auf diese Beobachtung zu legen,
weil das Atrium später noch mehrmals nach längeren Pausen spontan wie-
der zu schlagen begann. Am Kaninchen operirten v. Bezold und M. und
E. Cyon mit widersprechenden Erfolgen: Der Erstere fand im Grenzstrang
1) Philosoph. Transact. 1836, P. II, p. 561. ^j^rchiv für Anat. 1868, S. 7.
3) Ztschr. für rat. Med. N. F. II, 300. ^) Meissner 's Jahresbericht 1856, S. 434,
5) Ebendas. 1858, S. 561. 6) Ebendas. 1865, S, 464. 7) Bulletin de l'acad. roy. de
Belgique. 3. ser. T. VI, Nr. 4.
576 Hals- und oberer Brusttheil.
des Sympathicus am Halse Fasern, die das Herz schneller schlagen machten;
die Letzteren betrachten die gesteigerte Herzaction, die der Reizung des
Grenzstrangs folgt, als eine reflectirte, durch den N. depressor (S. 439) ver-
mittelte. Dass vom untersten Cervicalganglion {Ggl. stellatuni) oder vom
obersten Dorsalganglion aus der Herzschlag bei Hunden und Kaninchen
beschleunigt und, wenn er aufgehört hat, wieder in Gang gebracht werde,
darin stimmen alle Beobachter, Bernard i), v. Bezold, die Gebr. Cyon
und Schmiedeberg 2), überein. Dagegen bestehen wieder Meinungsver-
schiedenheiten in Betreff der Bahnen, auf welchen die Fasern vom Rücken-
mark zu jenen Ganglien sich begeben. Ein Versuch, den zuerst Budge
am Frosche ausführte, Donders^) an diesem Thiere und v. Bezold'') mit
einiger Modification und fast gleichem Erfolg beim Kaninchen wiederholte,
ergab, dass Reizung des Rückenmarks , so wie des Grenzstrangs in seiner
ganzen Länge , von der Lendengegend an bis zum obersten Dorsal - oder
untersten Cervicalganglion , den Herzschlag beschleunigt und verstärkt.
V. Bezold deutet diesen Versuch dahin, dass der Grenzstrang in seiner
ganzen xiusdehnung aus dem Brust- und Lendenmark herzerregende Fasern
beziehe , die aufwärts laufend schliesslich als Nn. cardiaci inff. aus dem
Grenzganglion hervorkommen. • Aber schon Meissner erinnert an den
Einfluss, den die Reizung zahlreicher vasomotorischer Nerven auf den Herz-
schlag haben müsse, und Ludwig und Thiry^) leiten den Erfolg der
V. Bezold' sehen Versuche ganz allein von der indirecten Einwirkung der
in weitem Bereich contrahirten Gefässe auf das Herz ab. Bei den nach-
folgenden Bemühungen von Bezold 's und seiner Schüler*'), den Antheil
der excitirenden Herz - und der Gefässnerven an der Beschleunigung des
Herzschlags zu sondern , ist von den im Rückenmark und im Sympathicus
aufsteigenden Fasern nicht mehr die Rede; es handelt sich nur noch um
die Nerven, die die beschleunigenden Fasern aus dem Halsmark zum letz-
ten Cervical - imd ersten Dorsalganglion überführen. Ich erwähne nur, dass
nach Bever und v. Bezold diese Nerven, die Wurzeln des Ggl. stellatum,
theils von Schlingen des Plexus brachialis, theils von dem die A. vertebralis
umspinnenden Geflechte sich abzweigen. Es gelang nicht, sie beim Kanin-
chen bis zu Stämmen der Cervicalnerven zurückzuverfolgen ; in den Rücken-
markswurzeln des ersten Dorsalganglion konnte Schmiedeberg (beim
Hunde) Beschleunigungsfasern nicht nachweisen. Demselben Beobachter
zufolge führte von den peripherischen Herznerven der aus dem untersten
Cervicalganglion entspringende N. cardiacus sup. Schmiedeberg bald Be-
schleunigungs-, bald Hemmungsnerven, ebenso der aus dem N. laryngeus
inf. entspringende N. cardiacus. Im Stamme des Vagus und in einem tiefer
aus dem Grenzstrang entspringenden N. cardiacus inf. lagen hemmende
und beschleunigende Fasern neben einander.
Die excitomotorischen Fasern des Plexus cardiacus müssen, wenn sie
nicht als N. depressor gesondert vorkommen , im Stamme des Vagus ent-
halten sein.
1) Meissner'» Jahresbericht 1856, S. 434. ^) Ebendas. 1871, S. 311. 3) Ebendas.
1856, S. 434. 4) Ebendas. 1862, S. 479. '") Ebendas. 1863, S. 392. ^) Ebendas. 1866,
S. 422. 1867, S. 548.
Unterer Brust- und Bauclitheil. '• ' 577
Der Umstand, dass das ausgeschnittene Herz seine rhythmischen Bewe-
' gungen fortsetzt, musste dazu führen, das Centralorgan der Bewegungen
in dem Herzen selbst zu suchen; die Entdeckung der Ganglien in der Sub-
stanz des Herzens befestigte diese Anschauung. Den Sitz des Centralorgans,
zunächst für den Frosch, genauer zu ermitteln, kam der Anatomie die Phy-
siologie zu Hülfe. Volkmann ^) hatte beobachtet, dass die Atrien des
Froschherzens, wenn sie durch einen raschen Schnitt von dem Ventrikel ge-
trennt werden, zu schlagen fortfahren, während der Ventrikel, wenngleich
noch reizbar, die spontanen Bewegungen aufgiebt. Hiermit stimmt das
Resultat des Stannius'schen Versuchs 2) überein, dass Umschnürung
der Atrien an irgend einer Stelle die Contractionen der dem Ventrikel
näher liegenden, also abgeschnürten Theile des Atrium so wie des gan-
zen Ventrikels aufhebt, indess die über der Ligatur gelegene Partie des
Atrium zu schlagen fortfährt. Stannius aber fand ferner, dass nach Anle-
gung einer Ligatur an der Grenze von Atrium und Ventrikel der Herz-
schlag in den beiden von einander abgeschnürten Abtheilungen des Her-
zens, nur mit in beiden Abtheilungen verschiedenem Rhythmus, fortdauert.
Weist der erste Versuch auf Ein Centralorgan an der oberen Grenze des Atrium
hin, so fordert der zweite die Annahme je eines eigenen Centralorgans für
Atrium und Ventrikel. Durch anatomische Thatsachen und physiologische
Erwägungen kam Bidder') zu dem Schlüsse, dass das Centrum der rhyth-
mischen Herzactionen nicht eine in einen einzigen Ort zusammengehäufte
Ganglienmasse sein könne, sondern in verschiedene Herde getheilt sein
müsse, die in der Regel zu einer gemeinsamen Wirkung combinirt werden,
aber auch getrennt von einander ihre Hei'rschaft über gewisse Bezirke der
Herzmusculatur ausüben.
An diesem allgemeinen Resultat lassen wir uns vorläufig genügen.
Die Modificationen, welche Stannius selbst u. A. 4) den Herzversuchen ga-
ben, haben einstweilen nur zu unentschiedenen Streitfragen Anlass gege-
ben : ob der Erfolg der Ligatur von Unterbrechung der Leitung oder von
Reizung abzuleiten sei ; ob die einzelnen Ganglien auf einzelne Bezirke
wii-ken oder ob die excitirende und hemmende, die automatische und reflec-
tirende Wirkung auf verschiedene Ganglien vertheilt sei u. s. w.
3. Unterer Brust- und Bauchtheil.
Längs der Aorta descendens und eine Strecke über dieselbe hinaus, 3. Unterer
bis zum Promontorium, vereinigt sich der grösste Theil der peripherischen B.iuchth.
Aeste des Grenzstrangs beider Seiten in einem medianen Geflecht, an wel-
chem drei durch ihre Stärke contrastirgnde Abtheilungen unterschieden
werden. Die oberste Abtheilung, Plexus aorticus thoracicus, umgiebt mit
sehr zarten Fäden die gleichnamige Arterie ; die mittlere Abtheilung,
1) Müll. Arch. 1844, S. 426. 2) Ebendas. 1852, S. 85. ^) Ebendas. S. 167.
4) Eckhard. Heidenhain und v. Bezold in Meissner's Jahresbericht 1 858, S. 553 ff.
Eckhard, Nawrocki und Goltz, ebendas. 1860, S. 519 tF. Cobelli und Zennaro,
ebendas. 1862, S. 469. Czermak, ebendas. 1864, S. 470. Bidder, ebendas. 1866,
S 421.
Henle, Anatomie. Bd. III. Abth. II. gy
578 Plexus aorticus thoracicus.
Plexus coeliacus, eine mächtige, durch netzförmige Nervenstränge verbun-
dene Ganglienmasse, ruht auf der Aorta abdomin., die Wurzel der A. coe-
liaca umgebend und auf die obere Wand der Wurzel der A. mesenterica
sup. sich erstreckend; die unterste Abtheilung, Plexus aorticus ahdominaUs,
aus starken, aber weitläufig anastomosirenden Aesten zusammengesetzt,
reicht, wie erwähnt, bis zum Promontorium herab.
Von diesen medianen Geflechten , hauptsächlich vom Plexus coeliacus,
gehen theils unpaare , theils paarige Geflechte grauer Nerven aus , die die
aus der Aorta entspringenden Aeste umspinnen und zu den Eingeweiden
begleiten. Auf dem Wege dahin werden sie hier und da noch durch directe
Aeste aus dem Grenzstrang verstärkt. Ihre Namen entlehnen sie von den
Arterien, mit denen sie verlaufen.
«
a. Plexus aorticus thoracicus.
a. PI. aort. Fortsetzung des Plexus cardiacus, welcher einige Fädchen aus den obe-
ren Dorsalganglien direct, aus den mittleren durch den N. splanchnicus zu-
geführt werden. Das Geflecht liefert die spärlichen Nerven der Aorta und
ohne Zweifel auch des Duct. thoracicus. Ob es mit dem Plexus oesopha-
geiis zusammenhängt, ist ungewiss.
Zum Plexus aorticus thoracicus möchte ich, als eine durch iing-ewölinliche
Stärke auffallende Varietät, das symi^athische Geflecht der Brusthöhle stellen, wel-
ches Ludwig (Progr. de plexibus nervorum ahdom. Lips. 1772, p. 11) undWris-
berg (Commentat. p. 261), der letztere unter dem Namen eines N. splanchnicus,
sup. beschreiben. Nach Wrisberg entsteht dieser Nerve mit 3 bis 4 Fäden aus
, dem Plexus cardiacus, erhält Zuwachs aus dem N. laryngeus inf., dem Stamme
des Vagus, dem unteren Cervicalgangiion und der oberen Hälfte des Grenzstrangs
in der Brusthöhle. In Einem Falle vereinigten sich die Nerven beider Seiten zu
Einem Stamm, der mit dem Stamm des rechten Vagus verschmolz ; in den übri-
gen Fällen gingen sie mit der Aorta oder mit den Nn. splanchnici maj. in die
Bauchhöhle und in den Plex. coeliaciis über. Wrisberg sah den Nerven in acht
Leichen und meint, ihn in manchen anderen übersehen zu haben , vermisste ihn
aber auch oft genug, um Bedenken zu tragen, ihn den normalen Bildungen an-
zureihen.
Rüdin ger (Atlas des peripher. Nervensystems, Fig. XLII) bildet Aeste aus
den oberen Dorsalgau glien zu der Aorta, der V. azygos, dem Duct. thoracicus und
Oesophagus ab und bezeichnet mit 41 eine Verbindung jener Aeste mit dem Plexus
pulmonalis, von der er sagt, dass er sie öfters beobachtet habe.
b. Plexus coeliacus Pco.
b. PI. coei. Die Dorsalganglien, vom siebenten, zuweilen schon vom sechsten an bis
zum elften, senden je einen Ast, der dem R. communicans an Stäi"ke ziem-
lich gleichkommt, oder mehrere feinere oder eine geringere Zahl combi-
nirter Aeste median-abwärts aus ; aus dem spitzwinkligen Ziisammenfluss
dieser Aeste entstehen die Nn. splanchnici^), die, gedeckt von der Pleura,
auf den Wirbelkörpern herablaufen , durch die Zacken der Vertebralportion
des Zwerchfells in die Bauchhöhle gelangen und im Plexus coeliacus enden
(Fig. 308).
^) Eingeweidenerven.
Plexus coeliacus. 579
In der Regel sind es zunächst zwei Stämme jederseits , in welche die
aus den genannten Ganglien stammenden Aeste sich sammeln , ein oberer
und stärkerer, N. splanchnicus major, und ein unterer, schwächerer, N. splanch-
nicus minor-, zu dem letzteren tragen allein das zehnte und elfte Dorsal-
ganglion bei. Nn. splanchnici major und minor verbinden sich zuweilen
durch anastomotische Aeste; sie vereinigen sich zu Einem Stamme noch in
der Brusthöhle oder nach dem Durchtritte durch das Zwerchfell oder sie
senken sich gesondert in den Plexus coeliacus ein. Der N. splanchnicus mi-
nor giebt in der Brust- oder Bauchhöhle einen Ast, N. renalis postA),
direct zum Plexus renalis, der auch selbständig aus dem Grenzstrang her-
vorgehen kann 2).
Zu den jedenfalls seltenen Varietäten gehört das Gaugliou, Ggl. splanchnieum
Arnold, welches Lobstein (De nervi sympatlietici fabrica p. 20) einmal am un-
teren Ende, einmal an den Wurzeln des N. splanchnicus maj. fand; es war im
ersten Falle halbmondförmig-, 4 Mm. lang und sandte 6 bis 8 Fädan aiis, die sich
sämmtlicb in der Musculatur des Zwerchfells verloren; im zweiten Falle war es
grösser und gab drei Aeste ab, zwei zum Plexus coeliacus , Einen zum PL mesen-
ter. sup. Nach Arnold und Rüdiuger (a. a. 0. S. 19) zerfällt es zuweilen in
mehrere Knötchen. Eüdinger sah die Ganglia splanchnica beider Seiten durch
feine, hinter der Aorta vorüberziehende Fäden zusammenhängen.
Am Stamme des N. splanchnicus minor kommt zuweilen, vor dessen Ueber-
gaug in den Plexus coeliacus, ein Knötchen. Ggl. sjplanchnico - suprarenale s.
splanchnici minoris Valentin, vor, stärker auf der rechten Seite, als auf der
linken.
Die Nn. splanchnici sind von weisser Farbe; dies erklärt sich daraus,
dass sie zum grossen Theil aus Fasern bestehen, welche, ohne Gemeinschaft
mit den Ganglien des Grenzstrangs, vom Rückenmark und den Rr. commu-
nicantes in die Wurzeln der Nn. splanchnici übergehen. Am fünften bis
neunten Dorsalganglion tritt ein Theil der aus dem R. communicans her-
vorgehenden Wurzeln direct in den N. splanchnicus, während ein anderer
Theil im Grenzstrang zum nächst unteren Ganglion gelangt und sich hier
mit der diesem Ganglion angehörigen spinalen Splanchnicus- Wurzel ver-
einigt (Fig. 308). Die eigentlich sympathischen Elemente, die sich aus den
Ganglien jenen directen Rückenmarksnerven zugesellen , machen etwa den
fünften Theil der Nn. splanchnici aus (Rüdinger).
Wahrscheinlich entsprechen die an den Ganglien vorüberziehenden Fa-
sern den sensibeln Elementen des N. splanchnicus, deren Existenz durch
directe Reizung (bei Katzen und Kaninchen) so wie durch den Verlust der
Empfindlichkeit des Darms nach Durchschneidung der Nn. splanchnici er-
wiesen ist (0. Nasse)^).
Das vom N. splanchnicus beherrschte Gebiet erstreckt sich über Dünn-
darm, Colon dextr. imd transversum, indess die sensibeln, wie die motori-
schen Fasern des Colon sinistr. und des Rectum im Plex. mesenter. inf.
^) N. renalis post. sup. ^) Dies ist der N. splanchnicus minor W r i sh e r g, N. splanch-
nicus imus s. inferior s. tertius mehrerer Autoren, bei denen dann der nach Walter (Tabb.
nerv, thoracis et abdom. Berol. 1783) sogenannte N. splanchnicus minor den Namen spl.
med'ius führt. ^) Meissner's Jahresbericht 1865, S. 485.
37*
580
Plexus coeliacus.
Fig. 3081).
Brust- und Bauchtheil des rechten Grenzstrangs vom Neugebornen. G d^ Drit-
tes Dorsalganglion mit der ersten im Grenzstrang verlaufenden Wurzel des N.
splanchnicus [spl). * Lumbaltheil des Grenzstrangs. 1 Aorta. 2 Zwerchfell.
Pco Plex. coeliacus. Paa PI. aorticus abdominalis.
1) Nach Rüdinger, Ueber die Rückenmarksnerven der Baucheingeweide. München
1866, Fig. 2.
Plexus coeliacus. 581
enthalten sind. Neben den sensibeln Fasern führt der N. splanchnicus die
vasomotorischen der sämmtlichen Gefässe des Unterleibs und darauf beruht
der grosse Einfluss jenes Nerven auf die Blutvertheihing im Körj)er, auf
welchen die Gebr. Cyon i) und v. Bezold^) die Aufmerksamkeit gelenkt
haben.
Was die eigentlich motorischen Darmnerven betrifft, so harrt die
Frage, wie sich Hemmungsnerven (Pflüg er) und excitirende im Splanchni-
cus zu einander verhalten, noch ihrer Lösung ^).
Die Nn. splanchnici sind die wichtigsten Wurzeln des Plexus coelia-
cus^); neben ihnen betheiligen sich an der Bildung dieses Plexus die Aus-
läufer des Plex. aort. thorac. (S. 578), die Endäste der Nn. vagi, besonders
des rechten (S. 446) und Zweige aus dem letzten Dorsal- und obersten
Lumbarganglion. Die Fäden aus dem Plex. aort. thorac. ziehen aus dem
Hiat. aorticus, die Vagusäste aus dem Hiat. oesophageus herab (Fig. 310); die
Nn. splanchnici maj. und min. liegen, wenn sie gesondert das Zwerchfell errei-
chen, in p]iner Spalte der medialen Zacke der Vertebralportion, gewöhnlich
vor der Vena azygos rechter-, der V. hemiazygos linkerseits, oder sie gehen
durch zwei dicht neben einander gelegene Spalten und dann auf der Vor-
derfläche der Vertebralzacke abwärts gegen den Hiatus aorticus ; die aus den
Ganglien des Grenzstrangs hinzutretenden Fäden haben einen ziemlich
genau transversalen Verlauf.
Nach Haber shon (Guy's hosp. reports. 3. ser. II, 196) tragen zur Bildung
des Plex. coeliacus aucli die Nu. phrenici bei. Von jedem soll ein Zweig abwärts
gehen, dem ein ZAveig vom Grgl. coeliacum entgegenkomme und zu dieser Anasto-
mose sollen, in der Gegend der Basis des Pericardium, ZAveige der Nn. vagi hin-
zutreten. Linkerseits werde zwischen den drei Nerven ein zartes Geflecht erzexigtj
auf der rechten Seite sende der N. vagus, ehe er den Plexus coeliacus erreicht,
einen directen Ast hinter der Leber an der V. cava vorüber zu einem Zweige des
N. phreuicus.
Die Lage des Plexus coeliacus habe ich bereits angegeben ; seine Form
ist äusserst mannichfaltig, aus flachen oder gewölbten, einfachen oder durch-
brochenen Ganglien und platten Nervensträngen mit Vorwiegen bald des
Einen, bald des anderen Bestandtheils zusammengesetzt. Doch giebt es
Exemplare, welche das wechselvolle Bild auf eine einfache einigermaassen
symmetrische Grundlage zurückzuführen gestatten. Der N. splanchnicus maj.
endet jederseits in einen grossen, quer halbmondförmigen oder vierseitigen
Knoten, Ganglion Sl)lanc}micum '->), von denen das linke näher der Mittel-
linie theilweise auf der Aorta, das rechte mehr zur Seite gerückt auf der
Spalte zwischen der medialen und lateralen Zacke des Vertebraltheils des
Zwerchfells ruht (Fig. 309). Ein zweites, kleineres, paariges Ganglion, GgJ.
7'enali - aorticum Val., in welches der N. splanchnicus minor überzugehen
pflegt, liegt weiter abwärts auf der Wurzel der A. renalis. Hierzu kommen
zwei unpaare, wenn auch nicht durchaus mediane Ganglien, ein oberes.
1) Meissner's Jahresbericht 1866, S. 424. 2) Ebendas. und 1867, S. 558. 3) Vgl.
Meissner's Jahresberichte 1856, S. 475. 1857, S. 496. 1858, S. 583. 1859, S. 461.
1865, S. 484. 1869, S. 301. v. Braam Houckgeest, Archiv für Physiol. VI, 292.
*) Plex. epigastricus s. solaris. Ggl. coeliacum s. solare s. semilunare s. centrale. Son-
nengeflecht. 5) Ggl. semilunare s. coeliacum s. abdominale f.. solare.
582
Plexus coeliacus.
Plexus coeliacus. 583
Ggl.phrenicum ^), in der Nähe des oberen Endes der rechten Nebenniere an der
unteren Fläche des Zwerchfells gelegen, und ein unteres, Ggl. tflesentericum
Sup., an der rechten Seite der Wurzel der A. mesenterica , beide von der
Grösse des Ggl. renali-aorticum und von drei - oder vierseitiger Gestalt.
Die zahlreichsten und stärksten Stränge bewerkstelligen die gegenseitige
Verbindung der Ganglia splanchnica; durch je einen oder einige graue Ner-
ven stehen die Ganglia renali - aortica mit den Ganglia splanchnica und mit dem
Ggl. mesentericum, die Ganglia splanchnica und die Nerven, die deren Ana-
stomose vermitteln , mit dem Ggl. phrenicum in Zusammenhang , und
schliessen so einen Ring , aus welchem die Geflechte hervorgehen , die die
Aeste der Aorta und diese selbst abwärts begleiten. Insbesondere sendet
das Ggl. phrenicum feine Aeste aufwärts zur Nebenniere, es sendet feine
Aeste in die Substanz des Zwerchfells, nach Habershon^) auch zum hin-
teren Lappen der Leber.
Durch Zerfallen der beschriebenen Knoten, durch Vervielfältigung der-
selben und Einstreuung secundärer Ganglien wird die ursprüngliche Form
des Plexus verwischt. Die beiden Ganglia splanchnica können zu Einer
breiten, durchbrochenen, die Aorta deckenden, zwischen beiden Nebennieren
allsgespannten, gangliösen Platte verschmelzen. Auch die Mächtigkeit des
Plexus ist verschieden, da die Ganglien, wenn sie sich vervielfältigen, bald in
Einer Ebene neben einandei", bald in Schichten hinter einander liegen. Die
Nerven, die in die Ganglien ein- oder aus ihnen austreten, verbinden sich
entweder mit dem Rand oder mit der Oberfläche derselben oder mit Spitzen,
in welche die Ganglien sich ausziehen.
Die vom Plexus coeliacus ausgehenden , am Ursprung alle unter ein-
ander zusammenhängenden Geflechte sind, je nach den Arterien, mit denen
sie verlaufen , theils unpaar , theils paarig. Zu den unpaaren gehören :
1. Plexus coronarius ventricuJi'^), ein feines, den Arterienbogen der
oberen Magencurvatur umspinnendes Geflecht, welches zwischen den beiden
gastrischen Plexus des N. vagus, dem vorderen und hinteren, verläuft und
mit beiden anastomosirt (S. 445).
2. Plexus hepaticus, setzt sich aus Aesten des rechten N. vagus und
des Plexus coeliacus zusammen, umgiebt mit starken, platten Strängen in
Form eines engmaschigen entsprechend der Axe der Canäle gestreckten
Netzes die A. hepatica^) xind den Ductus choledochus^) und sendet der V.
Zu Fig. 309.
Bauchwirbelsäule mit den Ursprüngen des Zwerchfells, mit der Aorta abdom. und dem
Plexus coeliacus und aortieus abdom. 1 Nebenniei'e, 2 Stumpf der A. hepat., 3 der
A. mesent. sup. 4, 4' Linke und rechte A. renalis. 5 A. mesent. inf., am Ur-
sprung abgeschnitten. 6 Synchondrose zwischen dem fünften Bauch- und ersten Kreuz-
wirbel. 7, 8, V. und A. anonyma iliaca. spl N. splanchn. maj. spl' N. splanchn.
minor. Gsp Ggl. splanchn. Gr Ggl. renali-aort. G2)h Ggl. phrenicum. Gms,
Gml Ggl. mesenter. sup. und inf. * Grenzstrang des Sympathicus. c R. communi-
cans. ** Verbindungsast des Grenzstrangs zum Plexus aort. abdom.
1) Ggl. diaphragmaticum Val. ^) A. a. 0. ^) PL coron. ventr. sup. aut. Plexus
stomachicus Lob st ein. *) Plexus nrt. hepatlcne. Plexus hepat. nervoso-nrteriosi Val.
•-) Plexus duct. cJioledochi, kepniici und cysücL
584
Plexus coeliacus.
Fio-. 310.
Paa
Hintere Eutapfwand mit dem Plexus coeliacus und den von demselben ausgehenden Ge-
flechten. Der Vertebraltheil des Zwerchfells ist aufwärts geschlagen, die Leber (l) zur
Seite gelegt, der Magen (2) dicht unter der Cardia abgeschnitten und mit dem oberen
queren Theil des Duodenum entfernt. Pankreas und Milz sind mit den entsprechenden
Gefässstämmen ebenfalls beseitigt. 3 Duodenum. 4 Linke Nebenniere. 5 Hilus der lin-
ken Niere mit dem peripherischen Stück der V. renalis und der vom Plexus renalis um-
sponnenen A. renalis. 6 Hiatus oesophageus. 7 Hiatus aorticus des Zwerchfells. 8 Ductus
choledochus. 9 V. Cava inf. 10 V. renalis, aus welcher, links von der Einmündung der
V. suprarenalis, ein Stück ausgeschnitten ist, um den Plexus renalis zu zeigen. 11 V.
portarum. ] 2 V. mesenterica sup., mit welcher sich der Stumpf der V. lienalis zur V.
portarum vereinigt. X Stamm des' rechten N. vagus. spl N. splanchnicus. cos A. coro-
naria sin., h A. hepatica, mes A. mesenterica sup., sämmtlich mit den gleichnamigen sym-
pathischen Geflechten, li Stumpf der A. lienalis. Paa Plexus aort. abdominalis.
Plexus coeliacus. 585
portarum lange, feine Aeste zu ^). Versorgt die Gallenblase mit feinen Zwei-
gen und verästelt sich mit der Arterie und dem Ausfuhr ungsgang im In-
nern der Leber (Fig. 310).
Vom Plexus hepaticus zweigen sieb die feinen Netze ab, die mit der
A. coronaria ventriculi dextra zum Plex. coronarius ventriculi , mit den
Aesten der A. gastroduodenalis zum Pancreas und zur unteren Curvatur
des Magens '^) gelangen.
Valentin (Nervenl. S. 690) beschreibt an der Galleublase ein oberflächliches,
subperitoneales und ein tiefes , die Häute durchdringendes Geflecht : von dem er-
steren sollen zu beiden Seiten der Gallenblase Zweige (GaUeublasen- Leberzweige)
ins Innere der Leber eindringen. Demselben Autor zufolge begeben sich vom
Plexus hepat., sowie von den Plexus pbrenicus und suprarenalis Aeste zur V. cava
inf. Arnold bezweifelt die Richtigkeit dieser Angaben.
Beim Fötus und Neugeboruen treten aus dem Geflechte der V. portarum
Zweige zur V. umbilicalis und zum Duct. venosus (Arnold).
3. Plexus lienalis •^). Ein im Vergleich zum Plex. hepat. feines und
weitläufiges Netz begleitet die A. lienalis zur Milz und deren Aeste zum
Pancreas und Magen. Auch im Parenchym der Milz folgen die Nerven,
die sich, besonders bei Wiederkäuern, durch die überwiegend grosse Zahl
gelatinöser Fasern auszeichnen, den Gefässen und sind noch an den büschel-
förmigen Arterien mikroskopisch nachweisbar. In dem Balkengewebe und
auf den Follikeln suchte sie Gray"*) vergeblich.
4. Plexus mesentericus sup. Geht aus den untersten Ganglien des Plexus
coeliacus, mit einer grossen Anzahl feiner, weisser Aeste hervor (Fig. 310), die
sich divergirend zwischen den Lamellen des Mesenterium verzweigen, theils
längs den Arterien, theils zwischen denselben verlaufen, einander hier und
da Anastomosen zusenden und schliesslich in ziemlich regelmässigen Ab-
ständen, öfters unter sehr spitzen "Winkeln gabiig getheilt, am Mesenterial-
rande des Darms sich in dessen Wand einsenken (Fig. 31 1) ^). Die Abstände
betragen durchschnittlich etwas über 1 Cubikmeter, der mittlere Durchmesser
der gestreckt an den Darm herantretenden Nervenzweige beträgt 0,3 Mm.,
wovon etwa 0,2 bis 0,25 Mm. auf das, in dem bindegewebigen Neurilem
wellenförmig verlaufende Bündelchen fein*;r Nervenfasern kommen. Man
kann aus diesen Daten ungefähr auf die Ausdehnung des von Einer Nerven-
faser beherrschten Gebietes schliessen.
In der Darmwand kommen durch Verästelung der Nerven, durch Ana-
stomosen der Aeste und Einlagerung von Nervenzellen in dieselben zwei
^) Auch die Ausbreitung dieser Nerven in der Pfortaderwand wird als ein besonderes
Geflecht, Plexus venae port., PL hepat. venoso-nervosi Val., beschrieben. Nach Walter
zerfällt der Plexus hepat. in einen vorderen und hinteren Theil, jener aus dem Vagus-
zweig und dem linken Ggl. splanchnicum , dieser aus dem rechten Ggl. splanchnicum
entspringend, jener dem Duct. choledoch. und der A. hepatica, dieser der V. port. be-
stimmt. Andere unterscheiden eine rechte und linke Abtheilung des Plexus hepat. Bei
den Meisten entspricht die rechte Abtheilung, bei Sömmerring die linke Abtheilung dem
Plex. hepat. ant. Walt er 's und vice versa. ^) Plexus coronarius ventriculi inf. Die in
das Netz übertretenden Nerven erwähnt Wrisberg als Plexus epiploici s. omentnles.
^) Plexus splenicus. ^) On the structure and use of the spieen. Lond. 1854, p. 268.
^) Nach den Aesten der A. mesenterica, in deren Begleitung die Nerven verlaufen, werden
Rr. pancreatico-duodenales, intestinales und colici unterschieden.
586
Plexus coeliacus.
reiche Greflechte von eigentMmlicliem Bau zu Stande, das Eine zwischen
der Längs- und Ringfaserschichte der Muskelhaut, das andere in der Ner-
vea an der äusseren Fläche der Muscularis mucosae. Das äussere dieser
Geüechte, Plexus myentericus extJ), steht, nach Au erb ach 's, des Entdeckers
Fig. 311.
Ein Stück Dünndarm mit der Verästeluno; der Ä. und des Plexus mesenter.
Beschreibung, am Pylorus mit den Vagusästen, am ganzen übrigen Darm mit
den Stämmchen der Mesenterialuerven in Verbindung durch ein ganglienloses,
subseröses Uebergangsgeflecht, welches längs der Anheftung des Mesente-
rium auf beiden Seiten derselben je einen schmalen Streifen der Darmwand
einnimmt. Die Fasern , welche die Mesenterialnerven zuführen, reichen
aber nicht aus, um die Faserzahl in den nächst liegenden Stämmchen des
Plexus myentericus zu decken; es müssen also die Fasern des letzteren
zum grossen Theil in ihm selbst entstehen, wahrscheinlich aus den theils
unipolaren, theils multipolaren Zellen, die in Knotenpunkten des Geflechtes
liegen. Was diesem seine eigenthümliche Form verleibt, ist die Einlage-
Zu Fig. 312.
Plexus myenter. ext. aus dem Duodenum des Erwachsenen, nach einer Zeichnung von
Auerbach. Die dunkel punktirten Partien entsprechen Anhäufungen von Nervenzellen.
^) Plexus myentericus Auerbach. (Ueber einen Plexus myentericus, einen bisher
unbekannten ganglio-nervösen Apparat im Darmcanal der Wirbelthiere. Breslau 1862.
Archiv für pathol. Anat. und Physiol, XXX, 457.) Einer brieflichen Mittheilung des Verf:
verdanke ich einige besonders den menschlichen Plexus myenter. betreffende Bemerkungen.
Plexus coeliacus.
Fig. 312.
587
588 Plexus coeliacus.
rung desselben in die sehr dünne Zwischenschichte , die die Längs- und
Ringfaserschiclite des Darmes scheidet. Darum sind die Nervenstämmchen
platte Bänder, die Ganglien ebenfalls membranös, bandförmig, zackig oder
sternförmig. Daneben zeichnen sich die Ganglien aus durch scharfbegrenzte,
runde oder elliptische Lücken, die den grösseren Knoten mitunter ein siebför-
mig durchbrochenes Ansehen geben (Fig. 312*). Beim erwachsenen Menschen
sind die Hauptmaschen des Geflechtes von ziemlich gleicher Grösse, vier - oder
sechseckig, die Knotenpunkte in parallelen Querreihen angeordnet. Die
longitudinalen Bälkchen sind beinahe rein faserig, während die Nervenzel-
len theils in den Knoten, theils in den queren Bälkchen liegen; durch die
Anhäufung der Zellen in den letzteren verschmelzen öfters zwei Knoten zu
längeren, bandförmigen Querganglien oder setzen sich durch stellenweise spin-
delförmig angeschwollene Stränge mit einander in Verbindung. Kommen
in den longitudinalen Bälkchen Nervenzellen vor, so ziehen sie sich immer
nur an Einem Seitenrande als scharf abgegrenzte Masse hin. Die von den
Zellen entspringenden Fasern treten sofort oder nachdem sie eine kurze
Strecke innerhalb des queren Bälkchens verlaufen sind, in ein longitudina-
les ein. Beim Menschen und vielen Thieren sind die Fasern eines Bälkchens,
2 bis 8 von 0,0006 bis 0,0013 Mm. Durchmesser, in einer zarten, kern-
haltigen Scheide eingeschlossen und meist von je zwei Capillargefässen be-
gleitet. Die grössten Ganglien haben 0,4, die Nervenzellen im längeren
Durchmesser 0,04 bis 0,06 Mm.
Von der Hauptschichte des Geflechtes (den Maschen erster Ordnung
nach Auerbach) entwickelt sich an deren innerer Seite eine zweite, rein
faserige, nervenzellenfreie Schichte. Sie entspringt von der Hauptschichte
mit feinen, queren Zweigen, welche oft über mehrere Längsstämmchen hiu-
wegstreichen und unter einander durch kurze Anastomosen verbunden sind.
Theile dieses secundären Netzes zeigt Fig. 312 an mehreren Stellen. Die
Endzweige, die sich in den Muskeln verästeln , entspringen theils aus der
Hauptschichte, theils aus der secundären.
Die siebförmig durchbrochenen Ganglien sind bei Neugebornen häufiger, als
bei Erwachsenen. Mit dem Wachsthum werden allmälig die Löcher verhältniss-
mässig grosse*- imd eckiger, so dass das Sieb in ein Netzwerk übergeht. Auch
sind bei Kindern die Maschen minder regelmässig , die Ganglien mehr sternförmig,
die Maschenräume rundlich oder dreieckig.
Die dem Plex. myenter. ext. verschiedener Säugethiere eigenthümlichen Formen
beschreibt L. Ger lach, Berichte d. königl. sächs. GeseUsch. d. Wissensch. vom
21. Febr. 1873.
Das innere Geflecht der Darmwand, Plexus myentericus int. m. i), durch-
zieht die Nervea, scheint aber, gleich dem äusseren , vorzugsweise dazu be-
stimmt, einer Muskelschichte, hier der Muskelschichte der Schleimhaut,
Nervenfasern zuzuführen, da es an der äusseren Oberfläche dieser Schichte
die engsten und feinsten Netze bildet. Nach aussen hängt es mit Zweigen
des Plexus myentericus ext. zusammen. Das innere Geflecht (Fig. 813) ist
minder reich und minder regelmässig, als das äussere, die Ganglien sind kuglig
1) Meissner'.sches Geflecht. Vgl. Meissner, Ztschr. für rat. Med. N. F. VIII, 364.
Plexus coeliacus.
589
oder spindelförmig, von sehr verschiedener Grösse, zum Theil nur aus eini-
gen wenigen Zellen zusammengesetzt, in den Knotenpunkten des Geflechtes
Fig'. 31c
Plexus myenter. int. aus dem Dünndarm des Erwachsenen.
oder als seitliche Anschwellungen an den Nervenstämmchen gelegen. Die
Stämmchen haben die gewöhnliche cylindrische Gestalt und ebenfalls
wechselnde Dimensionen, die mittlere 0,018 Mm. im Durchmesser. Wie
die Stämmohen des äusseren Geflechtes sind sie von kernhaltigen Scheiden
umgeben. Von ihnen gehen feinere Fäden und vereinzelte Primitivfasern
aus, die sich auf weite Strecken verfolgen lassen. Der Plexus myentericus
int. ist am reichsten am Dünndarm, beträchtlich auch am Dickdarm ; an den
Magenwänden wird er spärlich.
590 Plexus aort. abdominalis.
Paarige, aus dem Plexus coeliacus hervorgehende Geflechte sind die
folgenden :
1. Plexus phrenicus^). Theils direct aus dem N. splanchnicus , theils
aus dem Plexus coeliacus hervorgehende feine Aeste, welche die A. phrenica
inf. begleiten und mit den Endästen des N. phrenicus anastomosiren.
Der rechte PI. phrenicus ist stärker, als der linke.
2. PJexus siiprarenalis. Zahlreiche weisse, stärkere und feinere, meist
parallele Fäden aus dem N. splanchnicus, dem Plexus coeliacus (Fig. 310), auch
aus dem obersten Lumbarganglion und unmittelbar oder mittelbar aus den
Nn. vagus und phrenicus; treten vorzugsweise am medialen Rande und an der
hinteren Oberfläche in die Drüse ein und durchziehen die Rindensubstanz,
um sich an der Grenze derselben in Netze aufzulösen und mit Nervenzellen
in Verbindung zu treten (vergl. Eingewdl.). Kuglige und spindelförmige
Ganglien kommen an den Aesten des Plexus suprarenalis , sowohl in deren
Verlauf, wie an Theilungsstellen vor (von 0,1 Mm. Durchmesser an einem
Nerven von 0,045 Mm.; von 0,27 Mm. Durchmesser an einem 0,1 Mm.
starken Nerven).
3. Plexus renalis, ein weitmaschiges, von einigen grösseren und klei-
neren Ganglien unterbrochenes Geflecht um die A. renalis, zu welchem mit
den Aesten aus dem Plexus coeliacus der N. renalis post. aus dem N. splanch-
nicus minor (S. 579) und Zweige aus dem Grenzstrange sich vereinigen
(Fig. 3 1 0). Ein Zweig dieses Plexus läuft auf dem Ureter abwärts (L o b s t e i n).
4. Plexus spermaticus 2). Besteht aiis einigen feinen Fäden , die sich
von den Plexus renalis und mesentericus abzweigen , um der A. spermat,
int. zu folgen. Unterwegs Zweige aus dem Plexus aorticus , dann aus dem
Plexus hypogastr. aufnehmend (s. unten), erstreckt sich das Geflecht beim
Manne zum Testikel; beim Weibe giebt es dem Ovarium Aeste und endet
am Grunde des Uterus in den Plexus uterinus.
Valentin (S. 712) führt die Ursprünge der Aeste des Plexus spermaticus auf
eins der Ganglien des Plexus renalis, das er Ggl. spermatico - renale nennt, zu-
. rück. Wegen der Anastomosen des unteren Endes des Plexus spermat. mit dem
N. spermat ext. s. oben S. 517.
c. Plexus aorticus abdominalis JE*(l(l^).
PI. aort. Besteht aus einer Anzahl longitudinaler, weitläufig unter einander ana-
abd.
stomosirender Nerven, welche vom unteren Rande des Plexus coeliacus an
bis zum Abgange der Aa. anonymae iliacae die Aorta umgeben und weiter-
hin ein medianes, plattes Geflecht an der Vorderfläche der Bauchwirbel auf
der linken V. anonyma iliaca bilden (Fig. 309. 310. 314). Die stärkeren
^) Plexus diapJirafj7naMcus. ^) Plex. spermat. int. s. su}}. PI. testicidaris {ovaricus)
Cruv. ^) Plexus intermesaralcus s. intermesentericus lumbo-aoriicus Cruv., aorticus sup.
Snow Beck und Plexus hypogastr. sup. s. impar. s. medius, Plex. iliohypogastr., uterinus
comm. Tiedemann, aorticus inf. Snow Beck, uterinus magnus Frankenhäuser. Va-
lentin fügt zwischen Plexus intermesentericus und PL hypogastr. impar. noch einen Plexus
divisionis aortae aljdominalis sup. und inf. ein.
Beckentheil. 591
Aeste dieses Plexus liegen an der Seite der Aorta und nehmen Fäden aus
dem Grenzstrang auf, die nach Rüdinger, ebenso wie die Wurzeln des
N. splanchnicus , zum Theil direct aus den Spinalnerven stammen und an
den Knoten des Grenzstrangs vorübergehen. An ihrer Verbindungsstelle mit
den Strängen des Plexus aorticus erzeugen sie platte dreiseitige Ganglien i).
Aus dem Plexus aorticus abdominalis entspringt das Geflecht, Plexus
mesentericus inf., welches die A. mesenterica inf. begleitet und am Colon
sin. und Rectum in derselben Weise sich ausbreitet, wie der Plexus mesen-
ter. sup. am oberen Theil des Darms. Die Nerven gehen zum Theil von
einem Ganglion aus, das an der Wurzel der A. mesenterica inf. liegt und
Ggl. niesenter. hif. genannt wird (Fig. 309). Mit dem Ganglion und dem
Plexus mesent. inf. verbinden sich verhältnissmässig starke Aeste aus dem
zweiten Lumbar ganglion (* *).
Die älteren Anatomen haben im Allgemeinen den Ganglieureichthuni der sym-
pathischen Geflechte der Bauchhöhle überscliätzt. Bei Walter, Krause und
Arnold ist von Ganglien an den Aesten des Plexus corronarius , hepaticus, me-
sentericus, lienalis die Eede. Gegen die Ganglien des Plexus hepat^ und mesente-
ricus hat bereits Val entin sich erklärt; Gray viudKölliker bezeugen die Gang-
lienlosigkeit des Plexus lienalis. Manz (Freiburger Berichte 1860, S. 163) fand
zwar bei Vögeln Ganglien am Duct. pancreat. , cysticus und choledochus, Avie auch
am Ureter undVas deferens; an den entsprechenden Ausführungsgängen der Säuge-
thiere aber sucdite er sie umsonst.
4. Beckentheil.
In der Gegend des Promontorium theilt sich der Plexus aorticus abdominalis 4. Becken
in ein paariges Geflecht, den Plexus Jlypogastriciis (Fig. 314) 2). Dasselbe
zieht, anfänglich dicht unter dem Peritoneum, zu beiden Seiten des Rectum
herab, nimmt ansehnliche Aeste zuweilen vom zweiten, regelmässig vom
dritten und vierten Sacralnerven (S. 527), feinere von den Sacralganglien
des Grenzstrangs auf und liefert die Nerven zu den Beckeneingeweiden und
den cavernösen Körpern der Genitalien. Dies sind paarige, jedoch in der
Mittellinie anastomosirende Züge, die am Boden des Beckens jederseits ein
zusammenhängendes , die Venenplexus durchziehendes Netzwerk ^) bilden.
Nach den Organen, zu welchen sie theilweise in Begleitung der Gefässe ver-
laufen, werden, einigermaassen künstlich, unterschieden :
1. Plexus haemorrhoidalis ^). Feine Fäden, welche theils direct, theils
als Aeste der zu den Genitalien und zur Blase ziehenden Nerven aus dem
oberen Theile des Plexus hypogastr. hervorgehen und am Rectum auf- und
abwärts verlaufen. Die aufwärts gehenden anastomosiren mit den unter-
sten Nerven des PI. mesenter. inf.
Valentin spricht von Ganglia haemorrlioicl . minora in diesem Plexus, von
denen er selbst bezweifelt, ob sie acht gaugliöser Natur und nicht vielmehr nur
Verdickungen des umhüllenden festen fibrösen Gewebes seien.
theil.
^) Gglia spermatica s. genitalia Frankenhäuser. 2) Plex. hypogastr. inf. .s. latera-
lis. Plexus uterinus sup. Tiedera. Lamina gangliosa hypogastrica Val. ^) Plexus ute-
rinus inf. s. gangliosus Tiedem. Plexus pelvicus Snow Beck. *) Plexus haemorrh. me-
dius. PI. h. sup. und inferior Val.
592
Beckentheil.
2. Plexus deferentialis^) und utero-vaginaJis^).
Bei dem Manne sind es zarte Geflechte, welche die Samenblasen um-
spinnen und sich von ihnen aus abwärts auf die Prostata, aufwärts auf das
Vas deferens fortsetzen. Unter den letzteren Nerven ist einer, der das Vas
Fig. 314*).
Becken einer Neuentbundenen, von der Seite geöflfnet. Plexus uterovaginalis. 1 Schambein-
synchondrose. 2 Harnblase mit dem kurz abgeschnittenen Ureter. 3 Uterus , der Grund
vom Peritoneum bekleidet. 4 Rectum. 5 Aorta. 6 rechte, 7 linke A. anonyma iliaca.
8 M. psoas maj. 9 Sehne des M. psoas minor. Paa Unteres Ende des Plexus aorticus
abdom. Ph Plexus hypogastr. * Grenzstrang.
•*■) PL deferenüalis, seminalix und prostat, aut. PI. spermat. inf-, pl. vasis deferentls,
vesiculae seminalis und -prostat. Val. ^) Plexus uterin. post. s. lateralis sup. und ant. s.
lateralis inf. Den Plexus vaginalis zieht C. Krause mit dem PI. vesicalis inf. zusammen.
*) Nach Tiedemann, tabb. nerv, uteri. Heidelb. 1822. Tab. II.
Beckentheil. 593
deferens bis zum Testikel begleitet und mit den Nerven des Plex. spermat.
anastomosirt (Scblemm) ^).
Im Plexus prostat., zur Seite der Drüse, kommen einige Ganglien von
2 bis 7 Mm. Länge vor, Ganglia prostatica Job. Müller 2), in denen zum
Theil Aaste der Nn. sacrales mit Aesten des sympatbischen Geflechtes sieb
vereinigen , um von da in den Plexus cavernosus penis weiter zu geben.
An einem der zur Prostata verlaufenden Nerven beobachtete Reinert")
kurz vor dem Eintritt in die Drüse ein spindelförmiges Ganglion von etwa
20 Zellen; die Drüse selbst enthält keine Ganglien. In der Nähe der Am-
pulle des Vas deferens sab Klei n ^) Ganglien von 0,35 Mm. mittlerem Dnrcbm.
Physiologische Experimente zur Ermittelung des Laufes der Nerven der
inneren männlichen Genitalien wurden von Budge^) und Loeb'') mit über-
einstimmendem Resultat an Kaninchen angestellt. Bewegungen der Vasa
deferentia und der Samenblasen erfolgten auf Reizung des Grenzstrangs
des Sympathicus von dem auf dem fünften Bauchwirbel gelegenen Ganglion
an nach abwärts ; Reizung höherer Regionen blieb wirkungslos ; dass die
Quelle der Nerven sich im Centralorgan befindet, erhellt aus den Angaben
über das Centrum genito-spinale (S. 81).
Das die Genitalien innervir ende Geflecht des weiblichen Körpers, der
Plexus utero-vaginalis{Fig.3l4:), ist mächtiger und ganglienreicher, als das ana-
loge männliche und nimmt während der Schwangerschaft noch an Ausdehnung
und Stärke zu. Es geht aiigenfälligere Anastomosen mit dem Plexus sper-
mat. innerhalb des Lig. latum ein und empfängt einen Theil seiner Wur-
zeln schon aus dem Anfange des Plexus hypogastricus. Die Ganglien, grös-
sere und kleinere, liegen am Cervicaltheil des Uterus und an der oberen
Hälfte der Vagina, zahlreicher an den seitlichen Flächen, als an der vorde-
ren und hinteren ; in der Substanz des Uterus kommen Ganglien nicht vor.
Die Nerven sind dichter in der Cervicalportion des Uterus und lassen sich
weiter in die Tiefe verfolgen, als im Körper (Kilian). Von den cerebro-
spinalen Nervenfasern, welche dem Plexus aus den Sacralnerven zugeführt
werden, erhält die Vagina einen grösseren Antheil, als der Uterus und die
vordere "Wand der Vagina, vielleicht wegen ihrer Verbindung mit der Blase,
eine grössere Zahl, als die hintere (Valentin. Voigt)'').
Nachdem die Ganglien des Plexus utero -vaginalis zuerst von Tiedemann
■beschriebe!], dann auf Grund mikroskopischer Forschung von Eemak (Berl. ency-
clop. Wörterb. XXV, 149) und Kilian (Ztschr. für rat. Med. X, 81) geläugnet wor-
den waren, haben die Forschungen der letzten Jahre ihre Existenz über jeden
Zweifel erhoben. Bezüglich ihrer Anordnung aber stehen noch zwei Ansichten
einander gegenüber. Die Meisten schildern sie, Avie Tiedemann, als Knötchen
von ziemlich gleichmässiger und geringer Grösse, so SnowBeck (Philos. transact.
1846, II, 213), Boulard (Gaz. mM. 1851, Nr. 33), Körner (Studien des physiol.
Instituts zu Breslau. Hft 3, S. 1), Koch (Ueber das Vorkommen von Ganglien-
zellen an den Nerven des Uterus. Gott. 1865) und Polle (Die Nerveuverbreitung
in den weiblichen Genitalien. Ebendas.). Dagegen heben Lee in einer Eeihe von
Abhandlungen und Abbildungen (The anatomj^ of the nerves of the uterus. Lond.1841.
1) Joli. Müller, über die organischen Nerven der erectilen männlichen Geschlechts-
organe. Berl. 1836, S. 35. ^) Gglia pudenda Ders. (a. a. 0., S. 36). ^) Ztschr. für
ration. Med. 3. K. XXXIV, 144. *) Stricker's Handb. I, 637. 5) Meissner's Jahres-
bericht 1858, S. 585. 6) Ebend. 1865, S. 488. '^) Beitr. zur Dermato-Neurologie S. 31.
He nie, Anatomie. Bd. III. Abthl. 2. 38
594 eckentheil.
Memoirs of the Ganglia and nerves of the uterus. Loud. 1849) und Franken-
häuser (Die Nerven der Gebärmutter. Jena 1867} Ein Ganglion, Cervical-
ganglion F ranken häuser, hervor, welches sich vor den übrigen Ganglien des
Beckengefleclites durch seine Grösse auszeichnet. Es ist , nach des letztgenannten
Autors Schilderung, eine aus Nervenzellen und Nervenfasern- zusammengesetzte
unregelmässig dreiseitige Masse , welche den hinteren Theil des Fornix vaginae,
die Plica recto-uteriua und den vorderen mit dieser Falte in Verbindung stehen-
den Theil des Eectum einnimmt, im nicht schwangeren Zustande 2 Cm. hoch und
1,3 Cm. breit, im schwangeren 5,4 Cm. hoch auf 3,4 bis 4 Cm. Breite. In das-
selbe treten an der oberen Hälfte der hinteren Seite die Endausbreituugen des
Plexus hypogastricus, ferner theils am hinteren Rande , theils an der Seitenfläche
Aeste vom zweiten bis vierten Sacralnerveu ein , auch erhält es feine ZAveige von
den an ihm zur Vagina, Blase und Eectum vorüberziehenden Nerven. Von ihm
entspringt der grösste Theil der Uterinnerven; ein kleinerer Theil, Avelcher sich
vorzüglich am Seitenrand und der hinteren Wand des Uterus verbreitet, wird vom
Plexus hypogastricus vor dessen Vei'bindung mit dem Ganglion abgegeben. Dem
oberen Winkel des Ganglion zunächst entspringt ein platter Nervenzug , welcher
an der medialen Seite der V. uterina und des Ureter sich theils mit dem Plexus
hypogastr. vereinigt , theils in die hintere Fläche des Uteriuhalses tritt ; von der
lateralen Fläche sendet das Ganglion einen Zweig, welcher über V. uterina und
Ureter hinweg ebenfalls zum Plexus hypogastr. geht, weiter unten von derselben
Fläche einen Zweig zu einem an der lateralen Fläche des Ureters zunächst der Einmün-
dung gelegenen Ganglion. Einer der stärksten Aeste geht in der gleichen Höhe von der
vorderen Seite ab und in den Cervicaltheil des Uterus. Unmittelbar darunter ent-
stellt von der lateralen Fläche des Ganglion eine dicke, cylindrische Nervenmasse ;
sie theilt sich in Zweige für das äussere Vesicalganglion, für die Musculatur des
Scheitels der Blase und für die die Vagina bedeckenden Geflechte. Es folgen zwei
kurze Nervenstämmchen, welche zwischen den Venenplexus des Fornix vaginae
vorwärts dringen und in der Muskelhaut der Vagina und in der Vaginalportion
enden. Vom vorderen Rande und der unteren Spitze des Ganglion ausgehende,
mächtige Nervenbündel erzeugen an der Seiten - und Vorderfläche der Vagina ehi
ganglienhaltiges Geflecht ; eiu aus der unteren Spitze hervortretender Nerve schickt
Aeste zwischen Blase und Rectum und auf die Aussenfläche des letzteren. Von der
unteren Seite des Dreiecks stammen Aeste, welche sich geflechtartig, mit gangliösen
Anschwellungen, an der Seite des Rectum und zwischen Rectum und Vagina ver-
breiten. Endlich zweigen sich von der inneren, der Fascie anliegenden Fläche
des Ganglion beträchtliche Nerven ab, welche unmittelbar in den Fornix vaginae
und in den Cervicaltheil des Uterus eintreten. Von Ganglien in der Wand des
Uterus ist nur vorübergehend in einer Abhandlung Remak's (Müll. Arch. 1858,
S. 189) die Rede. Die neueren Beobachter erhielten nur negative Resultate.
Ich darf schliesslich den Widerspruch nicht verschweigen, den Snow-Beck
und Jober t de La m balle (Mem. de l'acad. des sciences [Savants etrangers],
VIII, 386) der Behauptung entgegenstellen, dass die Nerven des Plexus uterinus
während der Schwangerschaft an Masse zunehmen. Nicht nur beim menschlichen
Weibe, sondern auch bei vielen Säugethieren will Job er t sich vom Gegentheil
überzeugt haben.
Siichen wir bei der Physiologie Aufschluss über die Babnen, auf wel-
chen die Impulse von den Centralorganen zum Uterus gelangen , so begeg-
nen wir drei verschiedenen Resultaten der Versuche. Nach Körner i)
pflanzt sich die Reizung vom Rückenmark auf den Uterus sowohl durch
die sympathischen, als durch die von den Sacralnerveu sich abzweigenden
Fasern fort. Durch die Sacralnerveu allein, nicht durch die sympathischen
Geflechte wird zufolge den Experimenten Spiegelbe rg's 2) und K e h r e r ' s ^'')
1) Meissner 's Jahresbericht 1864, S. 500. 2) Ebendas. 1857, S. 500. 3) Ebendas.
1864, S. 501.
Beckentheil. 595
die Erregung geleitet. Obernier^) iind Frankenhäuser 2) endlich fan-
den ausschliesslich in den sympathischen Nerven , dem Plexus aorticus ab-
dominalis und dem Lumbaltheil des Grenzstrangs, die den Uterus bewegen-
den Fasern. Frankenhäuser bezeichnet das Ggl. mesenter. inf. als eigent-
liches Bewegungscentrum des Uterus und erklärt die in Sacralnerven ent-
haltenen Fasern sogar für Hemmimgsnerven desselben.
3. Plexus vesicalis. Ein weitläufiges Geflecht feiner Nerven, zum
grössten Theil Ausstrahlungen des Plexus utero-vaginalis'^).
Ueber die vom Rückenmark zur Blase gehenden Nervenfasern ermit-
telten Gianuzzi*) und Budge^), dass sie bei Hunden im dritten und
vierten, nach Gianuzzi auch im zweiten Sacralnerven enthalten sind.
Auf Reizung der zum Plexus hypogastr. verlaufenden Aeste des Grenzstrangs
traten in Gianuzzi' s Versuchen zwar auch Contractionen der Blase ein,
aber langsamer und es bedurfte stärkerer Reizung.
4. Plexus cavernosus penis (clitoricUs). Der Plexus cavernosus penis
ist, wie erwähnt, die Fortsetzung des Plexus deferentialis und insbesondere
des prostatischen Theils desselben und seiner Ganglien. Unter dem Arcus
ossium pubis, zur Seite der Uretra aus dem Becken hervortretend, liegen
die Nerven im Diaphragma urogenitale, zum Theil in der Substanz des M.
transversus perinei prof. und nehmen hier einige feine Zweige des N. pu-
dendus, die die A. cavernosa begleiten, auf. Aus der Verbindung dieser
Zweige mit den auf die Wurzel des Penis tretenden Zweigen des Plexus caver-
nosus penis geht ein N. cavernosus maj. und eine Anzahl Nn. cavernosi mi-
nores J. Müller^) hervor. Die Nn. cavernosi minores durchbohren am
hinteren Theil des Penis die "Wurzel des Corp. cavernosum penis ; der N.
cavernosus maj. setzt sich, nachdem er ebenfalls eine Anzahl Aeste in den
hinteren Theil des C. cavernosum penis und in das C. cavernosum uretrae
abgegeben hat, in mehrere Aeste getheilt, über den Rücken des Penis fort;
seine Aeste anastomosiren mit Aesten des N. dorsalis penis und senken
sich successiv weiter vorn, theils unter der V. dorsalis in das C. cavernos.
penis, theils die Seitenfläche des Penis umkreisend längs der Furche zwi-
schen C. cavernos. penis und uretrae in das letztere ein.
Sowohl am hinteren, als am mittleren Theile des Penis verbinden sich
Nn. cavernosi beider Seiten; auf dem mittleren Theil ist diese Verbindung
sehr ansehnlich durch Zweige, welche noch unter der V. dorsalis von einer
Seite zur anderen hinüberziehen.
In dem cavernösen Gewebe selbst sind die feinen, weitläufig anastomo-
sirenden, wellenförmig verlaufenden Nervenstämmchen leicht aufzufinden '')•
Sie bestehen fast nur aus gelatinösen Fasern.
Auch im weiblichen Körper unterscheidet Valentin unter den aus
dem Plexus vaginalis zu den äusseren Genitalien verlaufenden, sympathi-
schen Aesten einen N. cavernosus clitoricUs maj. und kleinere cavernöse
Aeste der Clitoris.
^) Meissner's Jahresbericht 1865, S. 490. ^) Ebendas. ^] Man theilt sie in Nn.
vesicales supp. und inff. oder in aufsteigende und horizontale (Cruv.). *) Meissner's
Jahresbericht 1863, S. 404. ^) Ebendas. 1864, S. 499. ^) A. a. 0., S. 38. '') Abge-
bildet von Joh. Müller in dessen Archiv 1835, Taf. III, Fig. 6.
596 Beckentheil.
Zu den peripherischen Aesten des Sympathicus geboren aucli die zahl-
reichen Fäden , durch welche die beiden sacralen Theile des Grenzstrangs
aixf der vorderen Fläche der Kreuzwärbel mit einander in Verbindung ste-
hen. Von ihnen gehen feine Zweige in die Wirbelkörper, auch zum unte-
ren Ende des Rectum (Cruveilhier); aus der Endschlinge der Grenz-
stränge entspringen Fäden, welche die Sehnenhaut zwischen den beidersei-
tigen Mm. ischiococcygei durchsetzen , um in der Steissdrüse zu endigen
(Luschka)^).
1) Der Hirnanhang und die Steissdrüse. S. 74.
INHALT.
Seite
VI. Nervenlehre 1
A. Centraloi'gan , Centrum cei-ebro-spinale 34-
1. Eückenmark, Medulla spinalis 36
2. Gehirn, Cerebrum 85
3. Hüllen des Centralorgans 306
B. Peripliei-isches Nervensystem, Nerven im engeren Sinne 326
A. Grehirnnerven 340
I. N. olfactorius —
II. N. opticus 345
III. N. oculomotorius 348^
IV. N. troclilearis 351
V. N. trigeminus —
A. Des N. trigeminus erster Ast, N. ophthalmicus 353
1. N. recurrens (ophthalmici) 354
2. N. supraorbitalis 355
a. N. supratroclileariB —
b. N. frontalis —
c. N. supraorbitalis s. s ' 356
3. N. nasociliaris 358
a. Die lange "Wurzel des Ggl. ciliare und das Ganglion . —
b. Nn. ciliares longi 361
c. N, ethmoidalis —
d. N. infratrochlearis 363
4. N. lacrymalis 364
B. Des N. trigeminus zweiter Ast, N. supramaxillaris .... 365
1. N. recui'rens supramaxillaris 367
2. N. infraorbitalis —
f CoUaterale Aeste —
a. N. orbitalis —
b. Nn. alveolares supp. • 370
tt Endäste 372
a. Nn. palpebrales inff —
b. Nn. nasales subcutanei —
c. Nn. labiales supp —
Inhalt,
Seite
3. N. sphenopalatinus. Ggl. nasale 373
a. N. vidianus —
b. Nn. nasales supp 375
N. nasopalatiniis 376
c. Nn. palatini 377
C. Des N. trigeminus dritter Ast , N. inframaxillaris 378
1. N. recurrens inframaxillaris 381
2. Die kurzen Wui'zeln des Ggl. oticum und das Ganglion 382
3. N. massetericus 385
4. N. temporalis prof. post 386
5. N. temporalis prof. ant —
6. N. pterygoid. ext —
7. N. buccinatorius —
8. N. pterygoid. int 387
9. N. lingualis 388
a. Nn. mandibulares 390
b. N. subungualis —
c. Die "Wurzeln des Ggl. linguale und das Ganglion . . 391
d. N. communicans c. n. hypoglosso 393
10. N. alveolaris inf. —
a. N. mylohyoideus 394
b. N. mentalis 396
11. N. auriculo-temporalis . —
a. Br. articulares —
b. Nn. meatus audit. ext 397
c. N. communicans facialis 398
d. Nn. parotidei —
VI. N. abducens —
VII. N. facialis 400
t CoUaterale Aeste 402
1. Rr. communicantes c. n. acustico —
2. N. petrosus superfic. major —
3. R. communicans c. plexu tympanico 404
4. N. stapedius —
5. Chorda tympani —
6. N. communicans c. ramo auriculari n. vagi 411
7. N. auricularis post —
8. N. styloideus —
a. N. stylohyoideus —
b. N. biventricus —
c. N. communicans c. nervo glossopharyngeo —
ff Terminale Aeste 412
VIII. N. acusticus 414
IX. N. glossopharyugeus 417
1. Communicationsäste des Ggl. petrosum 420
a. N. tympanicus. Plexus tympanicus —
b. R. communicans N. facialis et glossophar 424
c. Rr. communicantes c. n. vago 426
2. R. pharyngevis —
3. R. lingualis —
f Collaterale Aeste —
a. Nn. pharyngei linguales —
b. N. stylopliaryngeus —
c. Nn. tonsillares 427
tt Terminale Aeste —
X. N. vagus 428
1. Aeste des Ggl. jugulare • 432
Inhalt. XI
Seite
a. N. meningeus ; 432
b. R. auricularis 433
c. E,. communicans c. n. glossopliaryngeo 435
2. Verbindungsäste des Plexus ganglioformis —
3. R. pliaryngeus. Plexus pharyngeus .... —
4. N. laryugeus sup 437
5. ßr. cardiaci 440
6. N. laryngeus Inf. —
7. Plexus pulmonalis ant 443
8. Plexus pulmonalis post —
9. Plexus oesophageus 445
10. Plexus gastrici —
XI. N. accessorius 447
XII. N. liypoglossus 449
B. Spinalnerven 453
I. Nn. cervic. I bis IV". Plexus cervic .... 459
N. occipit. major 461
a. Kurze Muskeluerven 463
b. Oberfläcliliche Nerven —
1. N. occipit. minor —
2. N. auric. magnus . . . . - —
3. N. subcutaneus colli inf. 465
4. Nn. supraclaviculares 466
c. Tiefe Nerven —
1. N. cervicalis descendens —
2. Aeste zu den Mm. sternocleidomast. und trapez 469
3. N. phrenicus ■ —
II. Nn. cervicales V bis VIII. N. dors. I. Plex. brachialis . . . 473
a. Kurze Nerven 476
1. N. dorsalis scapulae —
2. N. suprascapularis 477
3. N. axillaris —
4. Nn. subscapulares 479
5. N. tliorac. post 480
6. Nn. tlioracici antt. . . —
7. N. subclavius . 481
b. Lange Nerven . - • . —
ct. Hautnerven ._ —
1. N. cutaneus medialis —
2. N. cutaneus medius —
3. N. cutaneus lateralis 483
ß. Tiefe Nerven 486
1. N. niedianus —
2. N. ulnaris 490
3. N. radialis =- 494
ringernerven 499
IIL Nn. dorsales I bis XII 505
IV. Nn. lumbales I bis IV. Plexus cruralis 511
a. Kurze Nerven 514
1. N. ilio-hypogastricus —
2. N. ilio-inguinalis —
3. N. kimbo-inguinalis 515
4. N. spermaticus ext 517
b. Lange Nerven —
1. N. cutaneus femoris lateralis —
2. N. cruralis 519
3. N. obturatorius 522
xn Inhalt.
Seite
V. N. lunibalis V. Nn. sacrales I bis V. Plexus sacralis .... 524
a. Kurze Nerven • 527
1. N. giuteus sup —
2. N. giuteus inf —
3. N. pudeuclo - liaemorrhoidalis 529
b. Lange Nerven 531
1. N. cutaneus post —
2. N. ischiadicus 532
VI. N. und Plexus coccygeus 544
C. Sympathicus 545
a. Grrenzstrang 553
b. Er. comniunicantes 557
c. Peripherisclie Aeste 561
1. Kopftheil —
«. Obere Aeste des G-gi. cervicale —
a. Auastomot. Zweige 565
b. Peripherische Zweige 566
ß. Vordere Aeste des Ggl. cervicale 568
2. Hals- und oberer Brusttheil 570
3. Unterer Brust- und Bauchtheü • 577
a. Plexus aorticus thoracicus 578
b. Plexus coeliacus 579
c. Plexus aorticus abdominalis 590
4. Beckentheil 591
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