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Full text of "Handbuch der Pflanzenkrankheiten"

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Handbuch 


der 


Pflanzenkrankheiten 


von 


Prof. Dr. Paul Sorauer. 


Dritte, vollständig neubearbeitete Auflage 


in Gemeinschaft mit 


Prof. Dr. G. Lindau, und Dr. L. Reh, 


Privatdozent an der Universität Berlin Assistent am Naturhistor. Museum in Hamburg 


herausgegeben 


von 


Prof. Dr. P. Sorauer, 


Berlin. 


BERLIN 
VERLAGSBUCHHANDLUNG PAUL PAREY. 


Verlag für Landwirtschaft, Gartenbau und Forstwesen. 


SW, Hedemannstrasse 10. 


1909. 


Handbuch 


der 


Pflanzenkrankheiten 


von 


Prof. Dr. Paul Sorauer. 


Erster Band. 
Die nichtparasitären Krankheiten. 


Bearbeitet 
von 


Prof. Dr. Paul Sorauer, 


Berlin. 


® 


Mit 208 Textabbildungen. 


BERLIN. 
VERLAGSBUCHHANDLUNG PAUL PAREY. 


Verlag für Landwirtschaft, Gartenbau un d Forstw resen. 


SW., Hedemannstrasse 10. 


1909. 


. g l 
B .- # 


Alle Rechte auch das der Übersetzung, vorbehalten. 


, [ > rersche Hofbuchdruckerei 
e > _ Stephan Geibel & Co. 


rer. 


Vorwort. 


Für die dritte Auflage meines Handbuches habe ich die Unter- 
stützung von Herrn Prof. Dr. Lindau und Herrn Dr. Reh erbeten. 
Ersterer hat in dem zweiten Bande unseres Werkes die pflanzlichen 
Parasiten behandelt, letzterer die tierischen Feinde in einem dritten 
Bande zu bearbeiten übernommen. 

Eine solche Hilfe schien mir notwendig, weil die seit dem Er- 
scheinen der zweiten Auflage veröffentlichten Untersuchungen so zahl- 
reich sind, dafs zur Bewältigung des Materials lange Zeit erforderlich 
wäre. Es würde daher unvermeidlich sein, dafs der Anfang des Werkes 
bereits zu veralten beginnt, wenn die letzten Bogen erscheinen. Auch 
selbst bei der hier vorgenommenen Arbeitsteilung läfst sich dieser 
Ubelstand nicht ganz umgehen, und wir haben uns dadurch zu helfen 
gesucht, daß wir einige der wichtigeren neuen Arbeiten in einem „Nach- 
trage“ erwähnen. Wenn, von der älteren Literatur namentlich, Arbeiten 
vermifst werden, so erklärt sich dies aus dem Umstande, dafs wir 
hauptsächlich diejenigen Studien herbeigezogen haben, die zur Stütze 
unserer Darstellung notwendig gewesen sind. Ein ausführlicher Literatur- 
nachweis ist nur bei monographischer Behandlung der einzelnen Krank- 
heiten möglich. 

Die Bearbeitung des ersten Bandes, der die nichtparasitären Krank- 
heiten umfafst, hatte ich mir vorbehalten. Nach meinem bereits ım 
Vorwort der zweiten Auflage genügend gekennzeichneten Standpunkt 
ist es erklärlich, daß dieser Band der umfangreichste ist, weil ich auf 
die Kenntnis der durch Witterungs-, Boden- und Kulturverhältnisse 
hervorgerufenen Krankheiten das Hauptgewicht lege. Die durch diese 
Faktoren hervorgerufenen Störungen sind nicht nur die häufigsten und 
nachhaltigsten, sondern sie bilden auch vielfach die Einleitung für 
parasitäre Erkrankungen. 

Deshalb war ich besonders bestrebt, gestützt auf eigene Studien und 
die Beobachtungen anderer Forscher, zu zeigen, wie dieselbe Pflanzen- 
spezies je nach Lage und Bodenbeschaffenheit in ihrem Aufbau und 
ihren Lebensgewohnheiten sich ändern kann; je nach der verschiedenen 
Konstitution, die ein Individuum erlangt, ist dasselbe bald mehr zu 
einer gewissen Erkrankungsform geneigt, bald widerstandsfähiger. 

Dies gilt auch für das Verhalten den parasitären Organismen gegen- 
über, und daraus ergibt sich, daß letztere nicht nur durch direkte Ver- 
nichtungsmittel bekämpft werden müssen, sondern dafs das Haupt- 
gewicht auf eine Änderung des Mutterbodens eines jeden Parasiten, 


VI Vorwort. 


d. h. auf eine Konstitutionsänderung der Nährpflanzen zu legen ist. 
Wir müssen also in der Anzucht widerstandsfähiger Rassen unsere 
wesentlichste Aufgabe sehen. Diese Theorie von der Prädisposition 
der einzelnen Organismen parasitären Angriffen gegenüber, mit welcher 
der Unterzeichnete bei Herausgabe der ersten Auflage dieses Werkes 
allein stand, zählt nunmehr viele der bedeutendsten Forscher zu ihren 
Anhängern. 

Und so hoffe ich, wird die Idee, die ich seit Beginn meiner wissen- 
schaftlichen Tätigkeit verfochten, nämlich die Ausgestaltung einer 
rationellen Pflanzenhygiene endlich zum Durchbruch kommen. 
Wir müssen lernen, den Organismus vor Erkrankung von vornherein 
zu bewahren, und dürfen erst in zweiter Linie, notgedrungen, dazu 
schreiten, den bereits erkrankten Organismus zu heilen. 

In dem ersten Bande behandelt der erste Abschnitt die Mechanik 
des Krankheitsprozesses, und der zweite trägt die Überschrift „Geschicht- 
liches“. Diese Bezeichnung soll andeuten, daß ich nicht eine Geschichte 
der Phytopathologie schreiben wollte, weil dazu viel eingehendere Vor- 
studien gehören. Aber es schien mir erwünscht, schon jetzt den Ver- 
such zu wagen, den Werdegang der Disziplin zu skizzieren, um zu 
zeigen, wie die jetzigen Anschauungen im Laufe der Zeiten sich heraus- 
gebildet haben. 

Bei Durchsicht des speziellen Teils dürfte der Leser finden, dafs 
auch in der vorliegenden Auflage wieder eine gröfsere Zahl eigener 
Untersuchungen niedergelegt worden ist. Die in der Phytopathologie 
unbedingt notwendige Unterstützung der Krankheitsbeschreibungen 
durch Abbildungen ist in bedeutend erweitertem Mafse durchgeführt 
worden. Dem Charakter des Buches entsprechend sind namentlich 
anatomische Zeichnungen neu hinzugekommen. 

In dem Bande über parasitäre Krankheiten finden wir diesmal 
mehrfach synoptische Tafeln zusammengestellt, um dem Leser die 
einzelnen Gattungen einer Familie in ihren Unterscheidungsmerkmalen 
zur Vergleichung übersichtlich zu machen. 

Die neuen Zeichnungen sind von Fräulein H. Detmann und Fräulein 
E. Lütke ausgeführt worden, denen ich für ihre Tätigkeit bestens danke. 

Vor allem aber danke ich meinen Herren Mitarbeitern. Sie hatten 
mit mir die schwierige Aufgabe zu lösen, das Material in einem vor 
der Bearbeitung kontraktlich festgesetzten Raume zur Darstellung zu 
bringen. Während der Bearbeitung sahen wir uns vor die Entscheidung 
gestellt, entweder den ganzen Stoff in knapperer Form, als wir ur- 
sprünglich in Aussicht genommen, vorzuführen oder einzelne Kapitel 
ausführlich zu bearbeiten und andere wesentlich kürzer zu fassen. Wir 
wählten den letzteren Weg, indem wir die uns am wichtigsten schei- 
nenden Abschnitte eingehend behandelten, diejenigen Gruppen aber, 
die schon in anderen Werken eine genügende Bearbeitung gefunden 
haben, entsprechend einengten. 


Schöneberg, im Oktober 1908. 
Paul Sorauer. 


FErerE 


Einleitung. 
Seite 
Erster Abschnitt. Das Wesen der Krankheit ......... 1 
E-Umgrenzung: des Krankhenshäsziffes.ı n . u ee 1 
24 Dieviunsstshang, der: Krankheit 2 24.2 2 7a ei. 4 
3. Die Beziehungen der Pflanze zu ihrer Umgebung. ......... 6 
2. DMesparasitären: Brankheiten . 2 4 12 m I UNI. 10 
EEE OER N A EL re 12 Fe HE DE en, 15 
6. Künstliche Immunisierung und innere Therapie . . ».. 2.2... 20 
EN ER a EEE Fe RN ERS ER ESTETE 22 
8, Präckperition und. Immunitat a 2a. a ae ne un 23 
9. Erblichkeit der Krankheiten und Prädisposition. . ». . 2.2.2... 28 
RO EI ET EEE u ae Nr A en A RA ae sl 
Aweiter Abschnitt.‘ Geschichtliches: .. . „........... 37 
Spezieller Teil. 
Erster Abschnitt. Krankheiten durch ungünstige Boden- 
verhältnisse. 
Bestes Kapitel, "Die Lage des’Bodens.. . r... 0. .0. 2 2 en 69 
1. Die Erhebung über dem Meeresspiegel. . . ..... 222. uer2 0% 69 
a) Allgemeine habituelle Anderungen .. . . „2... 2.0... 69 
Beirkrautartioen? Gewachsen as te ae amd anf en 5 69 
Ausbildung der oberirdischen Achse der Holzpflanzen .... . . 73 
Anpassungen des Wurzelkörpers der Holzpflanzen. .. . .... 75 
Pi Speselle Erkrankunren a ae ine ee 78 
. Mücksane m der Kultur den Bareben 2122 „testen ee. 78 
Mifserfolge bei unseren Tropenkulturen . ..... 2.2.2200. 8 
2 Nessunezder Bodsnoberkläcke, . aaeasd a, ann nalen. 83 
IRSSERSBETIDMcb ae ee ee a ee 87 
SER ER ge er BI TEN Dre 89 
EEE SE WEN BR SEE BR FR Re ER Pa 95 
urnersartllanzenndes Baumes el. ne. 95 
Zu tiefe Lage der Saat . ........ ANNE Fe 104 
Wurzeln aus der Spitze der Getreidekömer . .........- 113 
Groisekorzonbzle: Dikerenzon . an Dawn Denn 118 
use GeurndeRdemer a HAUS Senne eine 126 
EKoncmenralsgmlspeekiman nnd 128 
SET SEN SE LE pP PER Er Br 132 
Zweites Kapitel. Ungünstige physikalische Bodenbeschaffenheit . . . . 135 
PrRBehraskhen Bodensaum.n. anne, 135 
Die Winzeleeimmungen. 27 2... Ne ART 135 
Dez Zwerswuchs (Nanismun). .  o achallun ae are bil ne 139 


Ding, ID ee a N RAIN CHERSE cc 144 


VII Inhalt. 


2. WUinpassende Bodenstruktun ze nn... N Ne ee 


BiuLechte Boden. ern ee ee ee ae Re Re hr 2 Se 
Nachtele, des’ Sandbodene..... Tr. a ra ee ne 
Benkung des Grundwasserspiegels » « » . ru tn u... 0 
DassAbsterben der Erlen 77, 7 %.3..: “ran re ae 
isn Stralsenpilanzungon. /: een u ee en 
Wirkungen der Dürre bei den Feldfrüchten. .....2...... 
Durch Trockenheit unterbrochene Keimung . .. ........ 
Behandlung der Gehölzsamen. 1... „E22 van. ee 
Verscheinen bei Getreide und Hülsenfrüchten . ......... 
Fadenbildung der Kartoffeln (Filositag) ... ....9..... 
Dürchwachsen der Kartoffeln „2: .... mE. Seas 2 
Knollenbildung ohne Lauh’*. AF2 v8. 2 ee re 
Öberirdische Kartoffelknollen ©. . 2%... 2 2.20 m Ko DE 
Notreife des Obstes 7 Ya.» ra. We Te 
Muchsige, Pflaumen une is SE ne Se 
Weitere Erscheinungen.der Notreite. „=. „nu, 2 de ee 
Mehligwerden der Früchte ER U, Se. use va en ee 
Die Stippfleckes.n 3 Ara ENTE ME, 6. 220 E08 a An 
Steinigwerden der Birnen und die Lithiasis .. . ... 2 2.2... 
Für trockne Böden geeignete Obstsorten ... .»... 2.2.2.“ 
Stauchlinge . ...2.3 rk Kor mes er re Ir 1 ee 
Verhaarung (Pilosis).. ... "2 Sys er 22 a a 2 
Das Verholzen der Wurzeln: Sa Fr en BE 
Ballentrocknis der Erieaceem "N „ Smernn nt. re Se 
Mittel gegen den Wassermangel im Boden . ..... 2.2... 

Berieselune: 7. 1.2 We eh ne a VE 
Bodenbearheitung: .....ı.»ı ae Susan an nn ne 
Bodenbedeekung . ... 2... 27 Sense. Sa a 
Mit Pflanzen bestandener Boden... . . . . „.. „u var zes 
Waldstreu: . 02 WERR STR N er Was Do ee 
Die Wälder... #0: 2 1. SE 2 E52 Aa Pre 
Die: Brache .”, 2.222 2 u Spa rn 2 2 


b)-Lehmboden. 1.7. En. Wi m le 2 
Allgemeine Charaktersiik . 727° Mn a 
Das Verschlämmen. des Bodens ,. . „u... 2.1 2 u, Fir Re 
Die Verbesserung der sich verdichtenden Böden. ........ 
Die Überflutuingen Tre ar Ta Be 
Die Versumpfung: . So nr 2 2 ee en. a a 
Das Verbrennen der Pflanzen im nassen Boden . ........ 
Verspätete ‚Saat. 1757272 BASTs Eee ERIE Herren Ne 
Aussauern der Saaten "2 2 2m Be, Sr 
Versauern der Topfgewächse NR A 
Das ünvorsichtige Begielsen. IF Fra N 
Gebrauch der Topfuntersätze Hrn Eee ee 
Der Abbau der Kartoffeln TR ee ee 
Empfindlichkeit. 'der Sülskizachen! Ir Eee 
Die‘ Lohkrankheit .': 2 SAG EEE BE ET EI re 
Ringelkrankheit der Rotbucher... ENTER 2 Son 
Wurzelerkrankung der echten Kastanien (mal nero)... .... 
Wurzelbrand der Futter- und Zuckerrüben ... 2... 2... 
Tropenkulturen. .-. 22. ue we en 2 N Be Pe 

Wurzelfäule des. Zuckersohsu) % WI SEN WISE Er 
Krankheiten der Baumwolle ........ SCH DE 
Rieinuskulturendt: 1 2182307 Se 2 re 
Tabak, ./..,. N 20 ur Se a 
Kaffee... .....:,..- es ne BB 
Kakao und. Tee... » ws Zwang a 
Anderweitige -Tropenkülturen. „U. 7.7.2 „a 2. ee 
Mittel zur Beseitigung der Nachteile schwerer Böden . .. .». 
EBEN tet A A 
Kalken, Merseln, Gipsen ...: 2, Anne ee > 


3»..Die MNachtarle der Heideböden : ... . was sierknnk rn een vl 


MiessSäauren am. Boden :- 2"... are RE BO a ok ee 
oh hHUN US ne ER DI 


Inhalt. TR 


Seite 

RE SE EB en ee 244 
Bodenvergiftung durch Schwefelmetalle. . . ».. 2 22.222... 250 
Frostempfindlichkeit der Moorbodenvegetation. . . 2.2.2... 252 
Der@Nutzen®uorHRuchter u res 254 

Die Veränderung im Moorboden durch die Kultur. ....... 257 

rer lernen Fe a ae RESET URL ee es 259 

Die gärtnerischen Heideerdekulturen . . » 222. 222220. 260 

Das; Pleckio werdende, Orchideen gr un Se ea li. 2 ns 262 
Drittes Kapitel. Ungünstige chemische Bodenbeschaffenheit . ..... 264 
1. Verhalten der Nährstoffe zum Bodengerüst-.-.... 2... 2.2.22... 264 
A. Bodenabsorption infolge chemisch-physikalischer Vorgänge. . . . . 264 
B-Arbeit der Bodenoreanismen "3 ern RD 268 
2. Verhalten/der Nährstoffe. zu den’ Pflanzen‘; nz: 0420er 24 274 
As Wasser sung Nalırstoffmangel rar. NN er Re. 275 
DENIED HErBaNSPN. re TEE EBEN RTTETE a ar Duo 
Einflufs der verschiedenen Vegetationsdecken . . . »...... 275 

OR WERE. a a a REED >. 276 

Die Produktionsänderung durch Wassermangel ......... 277 
Berfarhunsen. ben Gelölzen. 2.2.2 3.2 Sr re neana 279 
006,088; Gebreides”. 5... Id AUDI ee dee 281 
Koterdes, Hopfenssa.4.,. , CE OT TR NENNT en 282 

Der Laubrausch der Reben. Rote Brenner. Seng ....... 283 
Vergilbung durch Veredlungsunterlage . . .... 2. n.2... 284 
Verfrühtes Vertrocknen des Laubes . . . „.. 2 ....2. a er A 

Das Aushbrennen. des. Rasens \g... Arena ae ae cn 285 
Nilchelamzr 7.0 a ee a a nat a ee 285 
Glastswerden. der. Apfel: . |... wa sn re ee rn ante 286 

b) Produktionsänderung durch Stickstoffmangel . . . 2. 2.2.2... 287 
Hungerzustände. bei. Kryptegamen. . ..... ...... naeh. 287 
Ranbbiitteker> Unfruchtbarkeit \. 2.02 2m. NND. 289 

IE Bes, KTIOHED, N een ee he ae a are ke ea ei 292 
erhelten! schwächlicher Samen....4 . #22 Use Hl. u 295 
Auwerfen. der/Prüchte... ts ae ee er ren 295 
Vertrocknen der Blütenstände bei Zierpflanzen . ........ 296 
Poruenhildunen ts su ale a2 N EN LES: 297 

ce) Broduktionsänderuwne dureh Kallmangeli 2 Zu sr ER 297 
Ar ealkıtanselW SER a a BE I a 302 
Su MaAEneSHmaBBel sr RT ET ZT TE N 305 
DORlomnaeal eg RN NEE, 306 
e) Kisenmaneel und Gelbsucht (Teteruspr = vn. Warn. 308 
bj -Mangelan: Phosphor und. Schwetel DI MEN 312 
PLSZUETSSOLLManSEN a ee nee urea anan 312 
Allsenlamprkrscheinuneen ti Nr entire karl Deinen eits ar sta 
Brusanp-Krankbeis des Reisen, an dee at en 315 
Erkrankung derssladtolen. use an er fan wen ar nice 316 

k) Kohlensäuremangel. . ... .... VE GET 2 PR Er er 316 
Be Wasser unduNäthsstotrüberschuls.. „0 0 een mo anne 319 
RI VASBERHDBEHETEIS A ke a N na ea 319 
ee re u ee Se an re an A Se y krar aa 319 
EEE ON HS NE Er SACK Eee EEE 319 
ENUSBERWACHBEHPar SG ELEeRdE en inne a een 2 320 
Antreisen tleischiser Planzentelle.\.: Wr. nahen nen 321 
Woellskeeseniin Aptelkernhaue nn. I RR I N 324 
Ringelkrankheit der Hyacinthenzwiebeln ....... 2.2... 326 
DENE ERNEST er 328 
Bindennbwurse age ae ee: TATRA SER 
NEBEN E  e EER ET BR BER. 77. 3al 
Verben e Re 332 
Zwanssdrehune (Spiralismus) „ru Bm las es ner IR 335 
Wassersucht (Oedema). . . . . a BE a Eee  .}2). 335 
arBanibeeranobkte 722 2. 0 wa m aa 395 


DeBenKernobst- 7. ur a U en RT ADTER 338 


4 Inhalt. 


Seite 

Geschwulst anlohannisbrot 2... = 27..We2 re ee 2 339 
Die rückschreitende Metamorphose (Verlaubung). ........ 340 
1)18 ‚Gelte des Hopfpne 3... 4 FABEL 2 343 
Gabelwuchs der: Beben - .: 2.0 PP 345 
DeriBlatttell 7,27: 7: TREE TEE RE Ei 346 
Die»Schüttekrankheiten.. 27 21.7 20 EMENIE BR ee 349 
Blattiall- bei Zimmerpflanzen... su Wo Ve 352 
Ablösungsprozefs der Blütenorgane . . .. 22 2 22 220. 353 
Abröhren der Weinblüten .. 72277 22 Ei, er or 354 
Abstofsen junger Blütentrauben bei den Hyaeinthen. ...... 356 
Yıweigabsprünge: '..- . eur De een uefle ei Le 357 

b) Erhöhung der Nährstoffkonzentration. . ..,.. » ze. „2 „ur 360 
Veränderungen der Wiesen ....... 2... „ neue „Re 362 
Bieselfelder 1 Rn Ze N ee re: 
Schorfkrankheiten:; +. a... 2 2 u 2 EN ee 367 
Die vorsehreitende” Metamorphose . ; .. 1... 2 sr We 372 
Knospendrang (Plastemama): 2. = 2% 20 2 a 377 
Kropfmasern der Baume. 72.72 2 u a 1 A re 378 

c) Einflufßs von Shckstorfüberschuls, 72,2%... alu: za ke 2.0 Se 387 
Überdüngtes. Dante: 2%. 222 Sr ee ee ee 387 
Überdüngte Rüben? .. >: 5. eat ER nu Da Tel ee 389 
Überdüngte Kartoffeln ; . 7.2 Eu 2202 ut Dar a Se 390 
Chilisalpeter 'bei Holzgewächsen.. .. 2... 2 Nun 202%, See 391 
Überdüngung bei Gemüsen und anderen Feldgewächsen. ... . 392 
Stickstoffüberschufs bei Zierpflanzen. .... .....2....5 393 
Kräuselkrankheit der Karteffeln. 7 >... 2. 2 er 395 

d) Kalk- ünd Magnesiaübersehuls ). 222... 1... . 2, SUeegre 399 
Kalküberschufs bei dem Weinstoek' .". . . .. ..:. . 2. Sr 402 

e) Kaliüberschuds . sul A re ee 403 
f) -Phosphorsäurehberschwis . .. . 9 2 nu... 1.02 ee ee 405 
s) Kohlensäureüibersehufs)‘. ._ 2 u 2 ame 0 je: ur, an Ne A 406 


Zweiter Abschnitt. Sehädliche atmosphärische Einflüsse. 


Viertes Kapitel. Zu trockne Tuft. ... u n.1.5 „ar a Bu ee 408 
Die Knospenbeschädigung. .... . „eure m mo ne alla ne 408 
Der Hitzelaubfall. 772... „ y Alla r G) e 4ll 
Der: Honietau.).... =. .2. en 00 20 De Bi ol Be en 412 
Herz- und Trockenfäule der Futter- und Zuckerrüben. . ......... 414 
Mangelhafte Blütenentfaltung '. . 2. - elmn.a se» #0 eöge el 2 20 Re 416 
Zimmerkulturen‘ . 2... „un. ea ta ne En a a 2 A 419 
Hartschaligkeit der Leguminosensamen. . . . x... v2 c ee. 0er.» 420 

Fünftes Kapitel. Ubermäfsige Luftfeuchtigkeit. . - . -...---... 422 
Wachstumsmodus bei anhaltender Luftfeuchtigkeit. . .... 2... 2... 422 
Einflufs feuchter Luft auf durch Trockenheit beschädigte Pflanzen. .. . 425 
Korkwueherungen .... 2... 7 (al re ee ar Er ee 425 
Korksuecht der Kakteen .. . 1 Be EEE 427 
Yıerfressene 'oder gefensterte Blätter 2 2 Ira nun man mon ee 430 
Köorkbildune an Prichten ; -- ... Sessel en. 2 ve u ee 432 
Belhsprenkelung (aurigo). ..s. “sr me ES 200 Pr 434 
Iikamesscanzen: » “na 2 02 REN EEE 2 1. 2 Fe 435 
Hautkrankheitt: der Hyacinthen .. Pr. un er 2 2 a Re 451 
Glasewerden;der Kakteen'... . . .. Zur oa! N PERS Fer 454 

Bechstes Kapitel. u Nebel’ 2: a An IL re 458 

Sıebantes Kapitel... Begenzüsse !. "2... Re De 460 

Achtes’Kapıtel.. Hagel... N ae 1a la a le ee 462 

Neuntes.Kapsıtel "Wind. .- 4:2... r2 0,5 er or 470 

Zehntes Kapitel. Elektrische Entladungen . ....... 2.2200 0. 479 
BlitzschlapE PR E02 702 ee ee ARE Eee 479 
Gipfeldarre"derNadelhölzer .. u 2... Ser sale eher Er 486 


Unterschied zwischen Blitz- und Frostwunden bei Nadelhölzern ..... 489 


Inhalt. 


Beschädigungen der städtischen Baumpflanzungen . ... 2.2.2.2... 
Wirkung von Streublitzen an Weinstöcken. .. . 22.2.2» 22200. 
Strenbliize aur, Bellern und Wiegen 2 00 ee ee. 
Baekralerbeu der, Blekorkeullpe ia 0 een lee 


Bitten Kapıtalz Warmemangel. 2 nn TE Nee te nn 


VE En eutenE DEI er ee ee: 
Lebensäufserungen bei niedrigen Temperaturen. ...» 2.2.2... 
De EIS SEE N Eee 
Fätrerer une Birtriorele 0,6 oe en er 
Theorien über das Wesen der Frostwirkung .. ..... 2.2... 
Denkaneen dureh Krkalbunoe ae N ee ae Fanta. | 


BZ Spezielle, Fälle. der Frostwirkungens an an. we Re ean le, ee 
Bübswerlon der Rartorkelu tn ar aekege aa nn. 
Seholerubens 2 Sr HE ee te en m 
Brostreschmaekl. des Weinheeren „.. „ u... u... Sonn... 
Veränderungen an Biütenorganen San). NIE ee 
Breker ank Krüchlonmge 2... 2 we ea ee Rene: 
Verhalten älterer Laubblätter bei akuter Frostwirkung. ..... . 
Mangelhafte Ergrünung jüngerer Blätter. ..... 2222.22... 
SUHEIE TEE ER er ER RT AERO ET 
Verhalten der Rüben und Kohlgewächse bei Frost. ....... : 
BEE RRBIH HEN Eee en 
Kammartige Zeischlitzung der Blätter... .. 2... 2.2.2.0. 
Atze Dass den BAR EAN EN EDER BESTER. 
Innere Verletzungen bei jungem Getreide. . ..... 2.2.2.2... 
Innere Verletzungen im Getreidehalme. . . ... 2.» 222.220. 
Eialınfeniekenn ee tn a ne ea ans 
Kahlabriekeit ee Sn ER REES ee ei 
Bewegungserscheinungen dureh Prost . „no. au. a. ul an. 
Abtrieren älterer: Zweisspitzen. „1. ll ee ae 
Wirschbaunsterben am Rhein. 2"... ‚2.0 Sa Er aan 
Zweisbrani hen Waldbäuman ya ala. m ee ers ans 
Abfrieren. von. Krühjahrstrieben.) a. am 2 een een 
Brimeren.der Murzeler. 2 EN ee 
IBLOSEEPaÄ DEE N A En er 
ron SUlEN re A RT EN ae 
BETOSUTIHZEIN a Na Ba ET RE HE ee 
Krastlappen; Korklöcken. ar a) Karel ra er 
Verfärbungserscheinungen im Achsenkörper . .. 2 2.2.2.2... 
BEE LO el ER a een 
Innere Zerklüftungen des Achsenkörpers. ..- -».- 2.2.2.0 0. 
(Mfene Erostrisse. 2. 3 ou. ER Er u WERNER DE ER 
RENNEN EN) N RR Ne A Ort EEE 

ENDE Ei 8 ce 
b) Astwurzelkrebs bei Obst- und Waldbäumen ......... 
Belt Tzschenikreneu 2 u re ln ana sn 
djDer Krebs (Grind). des Weimstockes. . . 2. 2» 2.2.00.» 
BBRTEbEr HEIDRUN En NE 
Er. Der Dosenerehsge In a u nenn 
SB -Brauhserkraben tt. 0 ee tee, ns SE 
Die übereinstimmenden Momente bei den Krebsgeschwülsten. . - » 
BerpbeandwSchaglusr ee nn ae. 
a holeaiee RE EREN EE  e B 2 Re ER 
Ealscher Jahrestınsa (Doppelrneplu. vn nenne nina 
Experimentelle Erzeugung von Parenchymholz durch Frostwirkung 
Die Theorie der mechanischen Frostwirkung . .. ........- 
ureurenloeprehewntren a nos 
NE en a ee AM vr 
Su Die ebneedeekor nen 
Brio VerwendnsdesWasers d Were 
ERBE wu sen Sun U ANIGER 
En ln te re ee a Re 
I re BE ne a Are 
BD roschäts ve VIBelBOrtetE 3 een ee nett sten Sale 


xXTl Inhalt. 


Zwölftes Kapıtel Wamnelbersehuls '.. Wi Rare a 


Der Hitztod N. SS Re RE SG ie EEE EB EN RER 
Mangelhafte Ausbildung unserer Gemüse in den Tropen . . . 2 ..... 
Die Verschiebung der gebräuchlichen Saatzeiten in unseren Breiten , 
Das .Verbrenıen der Blätter im Freien .. ... sr 20m anna een 
Die Brennflacke in den Gewächshäusern 7... .. ı wu eine aus un. ee 
Entlfobane Mas ne aan. Sun De a Ee u 
Bonnenhrand an Bititen und Frtichten „a 20 cr 
Die Beschädigung der Trauben durch Sonnenbrand. ... 2... 2... 
BERDERTISBEN EN elta fe ax us) ee et Er: SET ee 
Hinzlıis zu hoher Bodemwärme. . . . „ ,. .enup a we a 
Henischlagen der Ananas, . 6. un nn 2 gear ee 
Da asia werden" von Orchideen. .. Wr ee 2 
Fehlschläge bei der Blumenzwiebeltreiberei. . . . .. 2.222. 20% 
Saatgut, das durch Selbsterhitzung gelitten hat . ..... 222.220. 


Mreizehntes Kapıtel, Tächtimamgel2.7..:...2 0. “ren ee 


IE Weorspillene. u a Zus ee RERELE IET R) 1 
INSaBeschattunen, a ER TR sch, ra Eee Pe 
Bea sern: des Gethreides 2 ya. 2 we wo Rn ee Ih ER Br ee 
Lichtmangel als Krankheitsdisposition .. .». 22.2.2... ER 


Pasrzehntes Kapitel Hichtüberschufs 7.22: 1... 20... „U 72 Sr 


Dritter Abschnitt. Enzymatische Krankheiten. 


Fünfzehntes Kapitel. Verschiebungen der enzymatischen Funktionen . 


ANpermheines.. „ı, u nen  e  e e 
Die -Albicatio (Panachierung) - . .... 2 nn 2 he ie 
Die Mosaikkrankheit.des Tabaksr. . 1.IE7E Bar AN 
Die-Pockenkrankheit des Tabaks.- . „up. TEE ER De 
AWieilser .Bost ‚des-Vababs- . 7... EFR 2e  Ke 
Erkrankung der Erdnüsse in Deutsch-Ostafrika. ... »...o... 0.0. 
Die Schrumpfkrankheit des Maulbeerbaumess . .... 2. 22220200. 
Die -Serehkrankheit des Zuekerrohres a..n 
Die:@obb’sehe Zuckerröhrkrankheit: 2... 2 er 
Peach Yellow... 0 vol 00 ve a ne ie Re EN NE 
Der Gummitluls ‚der Kirschen». :.7.:0 020 Moss ee a 

Der- Gummitlufs bei anderen Gewächsen . 2 iv ne 


Die Dintenkrankheit der echten Kastanie; . ..". W727. 12 R WfErEzee 
Die 'Gummose: der’ Feigenbäume”.x.:-2 22.272, sus 2 WRien ee 
Der"Mannaflufs 2... a N 
Ber; Harziluls 22.2.2 Hr REN ER EB 
Härzbildung bei dicotylen:Gewächsen 47. En a 


Vierter Abschnitt. Einflufs schädlicher Gase 
und Flüssigkeiten. 


Sechzehntes Kapitel. Die Rauchgase) „2 . 2. 2.2... 20. ni 


Behwelliee Säure. 2.2.42 2 2.0 Sn se ee Ce ee Se 
Salzsaure, 2Chlor > 2 ee a a 
Eiufssäure. (Elgorwasserstoffsäufe) 72 MINEN ee 
Biekstorsäuren. Pi GO Me a a BE 9 1 9 RER 
W210 1 EEE N WE Bor ee BA a 
Meer nndmAsphaltdampie 4.7.0.2 TE ARE EN En Pe 0 
a en N a ee 1 TER 


Siebzehntes Kapitel. Feste Auswurfstoffe der Schornsteine und mit- 
Peiiihrto Desitllate ;.. 1.2... = 06 9224, jmmner Bil BE he ae ar 
SchwetelwasserstoffN 1.2 ee ED HIER En SE A re 
Sodastaub ss ae ee en ar ar DE EEE, 
Fanepflanzenrethode .. . .- . „us oa rnr r BHRTREN E STe 
Leuentzas und Apetylen. sr. = 1255 De 


Inhalt. XII 
Seite 

BVchrzekiiraseiapinele. AUWASSCHR en ee en 739 
VW EINEN nina. 2 nee a a 2 2 2 ee na 1 Ba er 739 
Chlorcaleium- und chlormagnesiumhaltige Abwässer . . . 2.2.2 2.2... 142 
EHlETbarv re En Se een ee. 743 
inksuliatchaliiee, Auwanser 3 u ee 743 
Bien aLhallızesu Wagon. Mae a ee nee en 744 
Kupfersulfat- und kupfernitrathaltige Abwässer . . . . 2 2 2222 00.. 745 

Neunzehntes Kapitel. Schädliche Wirkungen von Kulturhilfsmitteln 746 
IN TISEEPHBHIENELEEN ee A N a ana 746 
ERSTE PAIR ER EE EDIT THE De SEEN N A 756 
Behadısuneen. durch Hüngemitbal, „Ta een 757 

Fünfter Abschnitt. Wunden. 

Zwanzigstes Kapitel. Wunden des Achsenorganes. . ... 22.2... 762 
EINER INEINBSP A I are an ans A Pa Ana ige Sata Ehe Feel a ee ne 762 
ES EIT Op WURdes ee ned, han 0, Bee rl ee ae nah en 766 
Per Baer En ee RE TEE TE In 771 
UÜberwallung der Querwunde mehrjähriger Achsen... .. 2. ..2... 773 
Uberwallungsvorgänge bei einjährigen Zweigen . .. 2... 222.0... 775 
1 SE EN REF EEE, SS ge De Te Pre IT RE Aa BEE ie EEE 717 
INesSCHalwaHde rn mE u TE RE EI re 787 
Eieanoder Zweige. (rien weisen 2 een e RR ee ee 800 
Das Drchem der, Awpizer 2 4.l0 0 ar ec ende ne 805 
Werkungsdes) Einschnürens- der Acchnasn ur ae ae na 806 
ET T SS ER EEE ER sll 
Verwendung verschiedener Achsenorgane zu Stecklingen. ........ 814 
SWR Le er NA RE ER NER I ee 819 

DIERSOEIN AIR SE NL REN ET NEN FR EN 823 
Kopslkeren und -Prropienern 0. MER N EEE 20: 828 

Die Lebensdauer -veredelter Individuen .. N an ww ne. a 829 
Diesweattelichen, Verwachsungsprozesse ZN. IE AN 837 
Wiundschstayn: Kurt a an m ann dere een BR... 2 840 
DV nd an. Se a a A Eee De NR. 841 
Bierschlamntlisse,.der Bäume: El. Aa en Are el 844 

N erzelgerletaungen ı ..... 620.2 sr Sal Sr ee ee ee 845 
Maeneesllberwallunesrander....r. aa Sl De een table 849 
Bendenknalar en ha 2 a a ER a a BR tie 851 
EN EITEHZ UT ne EEE a en nt ade s61 
BIAUISBERKUTI REN San te en Pe ee en een 864 
Beschädigungen des Laubapparates ... ....... A Re 869 
ER RED 300 LE NE a te ee, 2 ya 871 


Verzeichnis der Abbildungen. 


Seite 
2. "Wurzeln zwischen Felsspalten >... „u 2 2 20 min Fe 76 
Fichtenwurzel mit £fleischiger Ersatzwurzel. ....... 22 .2.. Ei 
Stelzenfichte bei Schönmüinzach 7. 2.22 2 0 2 u. 2. Dee % 
6. Stelzenkiefern aus dem Grunewald... ....... wessen 92 
8. Harzgallen auf Stelzenwurzein „u. „nu vu we un nee 93 
Roggensämling bei tiefer Lage -. „nu ae an ne 110 


Querschnitt durch den untersten Knoten einer jungen Roggenpflanze 112 
Weizenkörner mit Wurzeln aus der dem Embryo gegenüberliegenden 


Spitze... nd eur nie, Ben BT ae ae 7 113 
13, 14. Mikroskopische Bilder von Fig. 11....... 114, 115, 116, 117 
Künstlicher Zwergwuchs bei Thuja obtusa .... 2». 2222000 140 
Fadenkranke Kärtoffel: . 2... 2l2,0 m 2.0.5 ae 2 al 160 
Kartoffelknolle mit Kindelbildung -!. .".. ..».. 2, "vos 161 
Zelle mit eigenartigen Inhaltsstoffen aus dem Fleische eines Apfels 167 
Birne an  Lithiasis erkrankt 2) 2 ae a 171 
Mikroskopisches Bild: von Fig.19 u. 54..." 40. :0= al AD 172 
22. Vergleichende Längsschnitte durch eine wilde und kultivierte 
Mohrrübe -. se... 0.00 2 er oe ee DV 150 
Apfelwurzel mit aufgebrochenen Lohstellen . ..».... 22... 210 
Querschnitt durch eine lohkranke Stelle der Apfelwurzel. ..... 211 
26. Lohkranke Rinde am Apfelstamm. ... - . »1. vulu u 212218 
Kirschenzweig mit Lohpolstern . . 2, anf. „002 R Rise 214 
Neubildungen auf der Schälwunde eines Kirschenstammes . . .. . 217 
30. Wurzeln von Kiefer und Eiche auf Ortstein. ....... 246, 247 
Moorkiefer aus der Lüneburger Heide» ».. . .. . u... 0 » 2 248 
Krebsartige Wundstelle einer Moorkiefer ..... 2.2.22... 0.. 249 
Fichtenfamilie durch natürliche Ableger entstanden ........ 255 
Eiche mit Senkerbildung.. - ...... -ı 2 ia. 20. aa 256 
Mulmige Kiefernborke. .-...% „we me. 260 
Kernlose. Birne. ..7%: 5 2.2 Wege ee re 293 
38. Querschnitt durch Zweig und Dorn von Rhamnus cathartica 298, 299 
Typische Blattbeschädigungen bei Kalimangel. .......... 301 
41. Normale und bei Chlormangel erwachsene Buchweizenpflanzen 306, 307 
Bohne durch Wasserüberschufs aufgeplatzt .... 22... .. 322 
44. Wolistreifen im Apfelkernhaus 7 .2.722. 2. „u. Bere 324, 325 
Ulmenborke mit polsterartigen Gewebeinseln ... 2»... .... 329 
Ulmenrinde in Wucherune rar. en 2 a 330 
48. Verbänderung 'bei Fichte; „27.0. u. u. a nm 1. 3933 
Verbänderung bei Erle 1. re ee ee 334 
Wassersucht bei Ribem aureum '. .. 22 1. mies cm. klun ea 2 336 
Verlaubte Hopfenkätzchen : 2... np wre u hun 2 ee re 343 
Tietschortkranke Zuckerrübe.. % 72 a nee. Sasae 2. 367 
Lenticellenwucherung an der Kartoffelknolle .... 2...» 369 
Zaptensuchtibei Kiefer +»... ». ul kon ehe. ua ua le a) de 0, u 373 
Sprossende Birnentrüchte 7... 0... 212 uw Tee en. re 374 


Durchwathsener Bärcehenzapfen N. 2... m. es 2 ee ee 375 


ec 


Verzeichnis der Abbildungen. XV 


Seite 
Hiskosetientriehr denKıietern m en an. ek 377 
33 Brerındete. Kropkmanen vom Ahornys. ara A ee 379 
59, 60, 61. Maserspiefs bei Malus sinensis . - . : 2: 2 2 22220. 380, 381 
62, 63, 64, 65. Perlartige Maserbildung bei der schwarzen Johannis- 
ET ee. en RER Be 2 CE Be 382, 383, 384 
66. Schema des Verhaltens der Düngemittel zueinander. ....... 400 
67, 68. Querschnitte durch Knospendecken von Quercus und Pinus . . 409 
69. Querschnitt durch die Spitzenregion einer noch nicht entfalteten 
Blume‘ yon: Hoppeasirun Tobustum.2 2 nr aaa 418 
70, 71. Korkwucherung bei Phyllooacus . - » 2... 2... .%. 428, 429 
ma Gerenstertes. Kartorielblauı Van a a et 31 
73, 74. Korkwarzen am Stiel einer Weinbeere . .. 2... 2 2.. 432, 433 
75. Intumescenz bei Cassia tomentosa - „u ar nenn 486 
76. Intumescenz bei Myrmecodia' echinata: . ... "2... . Dune... 437 
de. Intumeseonz. an Wembeerenen. u 0. ar ee ee 439 
78. Intumescenz am Knoten einer Haferpflanze. ..... 2. 22.. 441 
79, 80, 81, 82. Intumescenz am Zweig von Acacia pendula . . . . 442, 443 
83, 84. Intumescenz am Perigonzipfel von Oymbidium Lowi . . . . 444, 445 
eu -.0b., Intnimeschnz an- Erbeenhühke sa us: u liest. 446, 447 
87. Querschnitt durch ein Blattknötchen des Gummibaumes. . ... . 450 
88, 89. Hautkranke Hyacinthenzwiebel . .... 2... 2.22 00% 452, 453 
20... Glasıre !Stelle an Gefeus: nyetiealus. vs lu far te et, ... 456 
3% Hapelsehlagstelle am Roggenhaln. . „2 u 232 se Wil. 463 
92. 9. Weizenähre durch Hagelschlag beschädigt. .. . ..... 464, 465 
94.. Hagelschlagstelle an Tomatenfrucht.. . . .. 2 au... „en 466 
Se Windpescharse: Hiokten- LH. N Mn ER EN, 473 
96. Craspedodrome und camptodrome Nervatur. . ». 2.2 22.2... 477 
9. Nom Blitz ‚Selraftene Biehe u. 2... m AO SE EN 3 481 
38.-Uberwallte' Bliawunden 'am-Fichter., 2.2... 4 rd lan. 483 
99. Holzbildung der Fichte in einem Blitzjahre . . !..2...... 485 
100. Querschnitt einer gipfeldürren Fichte .... .: 2.2... v2... 487 
I Kiefer Mkinstlicher Hrostir ent a ee ER, 489 
BUS achte künstlicher Blitzspar Ha re as 490 
103. Durch künstlichen Frost beschädigtes Blumenblatt eines Apfels . . 519 
104. Junger Apfelfruchtknoten durch Frost beschädigt . ........ 520 
105. Junge Blütenknospe vom Apfel durch Frost verletzt ...... „ 921 
106. Herbstliche Trennungsschicht eines Kastanienblattes. ....... 527 
107. Frostblase am Apfelblatt ........ BE ur N SALE. 531 
108. Kammartig zerschlitztes Kastanienblatt ...:... 22.2 02.. 53 
109. Junges. Roggenblatt, frostbesehädigt. . . „ur. nein 37 
110. Natürliche Lückenbildung in Roggenblattscheide . ........ 5938 
ii Hosgenhalni) TrosiDesehädieb N SM 2 a era 59 
112, 113. Membranverquellungen an Blattscheide vom Roggen. . . . . 539 
114, 115, 116. Kahlahrigkeit bei Roggen sr Ara 2 u 542, 543, 544 
IT Hetkolzbildune ar Bichtenuse dh EEE re ee 590 
118, 1197 Rorbolz uud Zushoa br Hicha FEN II ee. 551 
120. Kirschenstamm mit Valsa leucostoma. . .. :. 2 ..n 2.00 556 
121. Künstlich frostbeschädigte Knospe der Kirsche .......... 559 
122 Wroskleisteran. Acer GumBesWer a Burn 565 
123. Eichenstamm durch Polyporus sulfureus zerklüftet . . ...:...- 967 
124. Stärkeranken im Weidenzweige . ». . 2.2.2... 2 2200er 0. 570 
125, 126. Frostbeule am Zweige einer Süßkirsche. ......... 571, 572 
ai Beneuaweie mil, Borklacken a2 2a an. Den ni ntneee 574 
128. Birnenzweig durch künstlichen Frost zerklüftet .. . 2.2... 576 
129. Membranquellung durch künstliche Frostwirkung . . .» .....- 578 
130. Kirschenzweig durch künstlichen Frost zerklüftet ......... 580 
131. Augenkissen eines Lärchenzweiges durch künstlichen Frost gesprengt 982 
132. Künstlicher Frostriß am Apfelzweig in Überwallung ....... 584 


Er Eee laser Pe I Er Br 585, 986 


Verzeichnis der Abbildungen. 


Seite 
136. Jugendzustände des Apielkrebses . . ....u.,... ni. GE 588 
137. Beschädigung der Zweigbasen durch Frost .. .. 2.2.2220. 589 
198, BARLwurzellreps vu... a a sea er 591 
Ba. MinschHeniktehsn 9. a ar A ee SE zu a Fe 595 
IN ANEmErebBe ie ee A: Se 594 
1412 Krebs an. Spraeamr2 2) 22 N EN De FE N EN NR. > 597 
IT2 FB 43 arroBenikrebst „ws. Sek. A 600, 601 
uNBrombeerkrebs‘.:. 1: 2.2.20 Re re 604 
145. Prostplatten' der Birnenrinde Sa ua rn ke ai 606 
146, 147: Brandstellen am Birnenstamm 2 .....In 2 ee Bee 607, 608 
148, 149. Innere Frostwunde eines Eichenzweiges . . ....... 615, 619 
150. -Nachtfrostkurve nach Dr. bang ar. I HT ee 628 
151. Durch Sonnenbrand getötete Blattstelle von Olivia nobllis .. .. . 639 
152, 153, 154. Licht- und Schattenblätter der Buche... ....... 655 
155. Süßkirschenzweig mit: Gummilücken nn „u m eve Se 695 
156. Zellkerne im gummibildenden Gewebe... . 2... 200 2 u 2... 698 
157. Tracheidalparenchym mit resinogener Schicht . ..'. ...... 706 
158, 159, 160, 161. Resinoseherde im Bernstein . ....... 707, 708, 709 
162. Haferblatt durch Salzsäuredämpfe getötet. . . .. 2. 2.2.2 22.0. 719 
163, 164. Durch Schweflige Säure beschädigte Buchen- und Birken- 
blätter -- . „2.0 nee AAO ME 720, 721 
165, 166, 167. Durch Salzsäure beschädigte Rosen-, Buchen- u. Birken- 
blätter.-. . .: 0.0 222 oe 2 10 ER  lk SP E 721, 722 
168. ‚Durch Teerdämpfe beschädigte Blätter: . 2... . zurser. ars 726 
169, 170, 171. Apfelfrüchte durch Bordeauxmischung geschädigt . . 753, 754 
172. Apfelblatt durch Bordeauxbespritzung durchlöchert . ....... 755 
175, .174, 175. Schröptwande cr Mil Eu IN. er Eee 767, 768 
E16. Ausgehöhlter Kiefernstamm .. 2.9.2. 4 in En an Er 769 
177. Stammscheibe von Fichte mit überwallten Harznutzungswunden. . 770 
178. Überwallte Schnittfläche eines Astes .... -: 2.2. 0.000 773 
179, 180, 181. Schnittfläche eines einjährigen Kirschenzweiges.. . .. . IB 
182, :188, 184, 185. GeringelteWeinreber. im ner ee 779— 1785 
186. Kallusbildung aus jungen Rindenzellen an einem geschälten Stamme. 792 
157, 188, 189. Neubildungen auf geschältem Kirschenstamm . . . . 795— 797 
190, 191, 192, 195, 194. Neubildungen an der Biegungsstelle eines Apfel- 
Zweiges . 22 Wa SR ee HERE IR 801, 802, 803 
195. Verwundung beim Drehen eines Zweiges . ... 2.2.2020... 805 
196. Schnürstelle eines durch Draht geschnürten Zweiges ....... 809 
19%. Kuchsiensteckling 4... „mie RAR ne TR ee 8l2 
198. + Rosensteckling - ........ 1. KA ne Ei 813 
139. -Bosenokulant 2 2 a sn ar a ee ee ee 823 
200. Rindenpfröpfling mit Adventivknospen (Aesculus) . » 2.2... 827 
201. Kiefer mit ablaktiertem zweiten Stamm. .... 2: 2.2.22 00a 838 
202. Wundfäule mit Gefäßverstopfung (Weinstock) . ..».. 2 ..... 843 
203. Erlenwurzel durch Fußtritte abgeschliffen. ..... 2... 2... 846 
204. Maserige Überwallungskappe eines Aststumpfes der Eiche. .... . 850 
205. Rindenknollen aus einem Apfelstamm. . ... 2. 2 2222 202.0. 856 
206. Isolierte Holzkörper in der Rinde eines Birmnenzweiges ...... 858 
207. Kallusbildung im Blatte von Leucojum vernum . . . 2... 2.0. 862 
208. Blattsteckling einer Begonie.” 2 2. an u 2 „Elr. als ee 865 


| Lieferung 1. (Erster Band, Bog. 1—7.) Preis: 3 Mark. 


Handbuch 


- Pflanzenkrankheiten 


h von 


Prof. Dr. Paul Sorauer. 


Dritte, vollständig neubearbeitete Auflage 


in Gemeinschaft mit 


Prof. Dr. G. Lindau, und Dr. L. Reh, 
Privatdozent an der Universität Berlin Assistent am Naturhistor. Museum in Hamburg 
herausgegeben 
von 
Prof. Dr. P. Sorauer, 
Berlin. 


® 


Mit zahlreichen Textabbildungen. 


BERLIN. 
VERLAGSBUCHHANDLUNG PAUL PAREY. 


Verlag für Landwirtschaft, Gartenbau und Forstwesen. 


SW., Hedemannstrasse 10. 


1905. 


Erscheint in 16—18 Lieferungen ä 3 Mark. 


Prospekt. 


Di soeben beginnende dritte Auflage des Handbuchs der Pflanzenkrankheiten 
weicht insofern wesentlich von der zweiten seit Jahren bereits vergriffenen ab, als” 
nicht mehr der Herausgeber allein die Bearbeitung übernommen, sondern in Ge- 
meinschaft mit zwei Spezialforschern durchgeführt hat. Der Grund für diese An- 
ordnung lag in dem Bestreben, das seit dem Erscheinen der zweiten Auflage in 
ungeahnter Weise angewachsene Material in kurzer Zeit zu bewältigen, um nicht 
den ersten Teil schon veraltet zu sehen, wenn der letzte erscheint. Ferner war 
dabei der Wunsch mafsgebend, die Arbeit so sorgsam wie möglich zu gestalten, 
und dies liefs sich eben dadurch am besten durchführen, dafs jeder Bearbeiter nur 
das Gebiet darstellt, auf dem er speziell auch forschend tätig gewesen ist. Dem- 
entsprechend ist die Gliederung des Werkes schärfer als in der zweiten Auflage 
dadurch zum Ausdruck gekommen, dals Dr. Reh die tierischen Feinde, Prof. Lindau 
die pflanzlichen Parasiten und Prof. Sorauer diejenigen Krankheitserscheinungen 
behandelt, die durch Witterungseinflüsse, Lage und Beschaffenheit des Bodens sowie 
durch die Eingriffe hervorgerufen werden, die der Mensch mit seinen Kultur- 
bestrebungen ausübt. 

Wie man daraus ersieht, ist die frühere Anordnung des Stoffes nach den 
Krankheitsursachen gegenüber anderweitig geäufserten Wünschen einer Anordnung 
nach den Nährpflanzen beibehalten worden. Der Herausgeber verkennt nicht die 
Vorteile der letzteren Methode, aber er hält dieselbe nur dort für angebracht, wo 
es sich um den rein praktischen Zweck handelt, dem Leser das Bestimmen einer 
Krankheitserscheinung und die Auffindung der Bekämpfungsmittel zu erleichtern. 
Auf das Wesen der Krankheiten, auf ihre Ursachen und ihren inneren Zusammen- 
hang, ihre organische Vereinigung zu Verwandtschaftsgruppen, kurz auf die wissen- 
schaftliche Basis der Phytopathologie könnte bei dieser-Methode nicht eingegangen 
werden, oder es mülsten sich fast bei jeder Nährpflanze die begründenden Er- 
klärungen wiederholen. 

Das Sorauersche Werk legt aber den Hauptnachdruck auf die wissenschaftliche 
Begründung und die Darstellung des organischen Zusammenhanges der zur Er- 
 krankung führenden Lebensvorgänge, also des eigentlichen Wesens der Krankheit. 
Nur dadurch ist es möglich, den Leser zu befähigen, aus der Empirie herauszu- 
treten und zu einer rationellen Beurteilung der einzelnen Krankheitsfälle zu gelangen. 

Von dieser Anschauung ausgehend, sind sämtliche Bearbeiter bestrebt gewesen, 
bei der Darstellung der einzelnen Krankheitsfälle auf die teils in der Witterung, 
teils in der Bodenbeschaffenheit oder Bewirtschaftungsweise, teils in der Konstitution 
der Nährpflanze selbst liegenden Nebenumstände, die für das Zustandekommen 
einer Krankheit notwendig sind, hinzuweisen und zu betonen, dafs in der Bekämpfung 
oder Vermeidung derartiger begünstigender Faktoren der Weg liegt, einer Er- 
krankung, auch einer parasitären, Herr zu werden. 

Mit dieser Betonung der Prädisposition stand bei Erscheinen der ersten Auf- 
lage des Handbuchs der Herausgeber allein; jetzt wird dieser Standpunkt von vielen 
der bedeutendsten Forscher geteilt. Damit hat sich aber auch eine Umwertung der 
krankeitserzeugenden Faktoren vollzogen. Es wird jetzt bei den parasitären Krank- 
heiten die Darstellung der Entwicklungsgeschichte des Parasiten und seine Angriffs- 
form nicht mehr die Hauptsache bilden, sondern diese wird in dem Nachweis zu 
suchen Sein, dafs der Parasit nur unter ganz bestimmten Umständen seinen Nähr- 
organismus zu erfassen und zu zerstören imstande ist. Dadurch unterscheidet sich 
das Sorauersche Werk von anderen, vorzugsweise nur die parasitären Krankheiten 
behandelnden Werken. 

Geleitet von dieser Idee hat die dritte Auflage des Handbuchs dieser Dar- 
stellung der Einflüsse, welche Bodenbeschaffenheit, Lage, Witterung und Kultur- 


(Fortsetzung auf Seite 3 des Umschlages.) 


uni 


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Einleitung. u 
wer nis ns 
Erster Abschnitt. ar 


Das Wesen der Krankheit. 


1. Umgrenzung des Krankheitsbegriffes. 


Als erste Aufgabe ergibt sich die Notwendigkeit, das von uns zu 
behandelnde Gebiet zu umgrenzen und darzulegen, was wir unter 
„Krankheit“ verstehen. 

Wenn wir nur alle diejenigen Fälle als „krank“ bezeichnen, bei 
denen der Organismus in seinen Funktionen eine derartige Störung 
erleidet, dafs seine Existenz bedroht erscheint, so. geraten wir bei Be- 
trachtung der wechselnden Entwicklungsformen unserer Kulturpflanzen 
in Verlegenheit, und wir machen die Erfahrung, dafs wir mit obiger 
Erklärung nicht auskommen. Wir wissen beispielsweise, dafs unsere 
Kohlarten, Kohlrabi und Blumenkohl von einer dem Hederich ähnlichen 
Pflanze abstammen, die in ihrer natürlichen Entwicklung als wilde Pflanze 
keinerlei Neigung zur Bildung grofser Blätterknospen m Form von 
Kohlköpfen oder von rübenartigen Stengelanschwellungen, wie bei 
Kohlrabi, erkennen läfst. Diese Gemüse sind erst durch die Kultur 
entstanden und charakterisieren sich durch einen Zustand, den wir als 
Parenchymatosis bezeichnen, weil durch die von Generation zu 
Generation fortgesetzte hochgradige Stickstoffzufuhr die verholzten 
Zellelemente durch weiches Parenchym ersetzt worden sind. In 
trocknen, heifsen Sommern auf nährstoffärmeren Bodenarten fangen 
bereits die jugendlichen Pflanzen an, stärker hervortretende Bereifung 
und damit in Verbindung einen rötlich-blauen Farbenton an ihren 
Blättern zu zeigen. Falls dabei Kohlrabi zu einer nennenswerten Ent- 
wicklung kommt, wird er „strähnig“, d. h. mit zähen, harten Fasern 
im Fleisch durchzogen oder direkt „holzig“. Die Untersuchung zeigt, 
dafs die Kohlrabipflanze durch die Einschränkung der Wasser- und 
Nährstoffzufuhr auf dem Wege ist, wieder einen Holzring mit prosen- 
chymatischen Elementen auszubilden, wie er bei der wilden Pflanze 
stets zu finden ist. Ganz ähnlich verhält es sich mit den Mohrrüben, 
bei denen unsere normale wilde Pflanze eine feste, holzige, stärke- 
reiche Wurzel besitzt. Unsere Kulturvarietäten dagegen sind dicke, 
fleischige Gebilde geworden, die in den besten Sorten gar keine Stärke, 
sondern äufserst grofsen Zuckerreichtum erkennen lassen und nur in den 
sog. Futtersorten, wie z. B. bei der weifsen Riesenmöhre, noch reichliche 

Sorauer, Handbuch. 3. Aufl. Erster Band. 1 


3 I. Das Wesen der Krankheit. 


Stärkespeicherung zeigen. Experimentell ist seinerzeit von HOFFMANN- 
(rielsen unsere Kulturmohrrübe zur wilden Pflanze zurückgebildet worden. 

Ist nun die von uns gezüchtete Kulturform ein Krankheitszustand, da 
sie tatsächlich gewissen Störungen gegenüber leichter erliegt? Oder ist der 
Rückgang der Kulturform zur normalen wilden Pflanze eine Krankheit? 
Jedenfalls ist dieser Rückschlag ein Zustand, der bekämpft werden mufs, 
weil er für unsere Kulturbestrebungen sich als unzweckmälsig erweist. 

Durch diese Beispiele wird uns zum Bewufstsein gebracht, dafs 
wir bei der Behandlung der Krankheitstrage zwei Richtungen zu berück- 
sichtigen haben. Wir haben natürlich zunächst den Selbstzweck 
des Organismus im Auge zu behalten. Und dieser Selbstzweck, den 
der Organismus durch seine Entstehung erhält, ist: zu leben, und zwar 
möglichst lange zu leben. Alles, was einmal entstanden ist, bleibt als 
Wirkung der die Entstehung veranlassenden Ursachen so lange be- 
stehen, bis ein stärkerer Faktor kommt, der das Gefüge stört und 
andere Stoff-, Form- und Funktionseruppierungen (eine untrennbare 
Dreieinheit) her beiführt. Aber bıs zum Eingreifen eines solchen 
stärkeren Faktors verteidigt das gewordene Individuum mit der Summe 
der seiner Substanz innewohnenden Kräfte sein bisheriges Gefüge, d.h. 
seine Individualität, zu der auch eine ım allgemeinen bestimmbare 
Altersgrenze gehört. Diese mechanisch notwendige Verteidigung seiner 
Individualität gegenüber den stets rüttelnden äulseren Faktoren dürfen 
wir als „Se Ibster haltungstrieb“ bezeichnen. 

Aufser dem Selbstzweck tritt uns nun zweitens der Kulturzweck 
entgegen, der sich aus dem Verhältnis der Pflanzen zu unsern mensch- 
lichen Bedürfnissen entwickelt. Zustände des pflanzlichen Organismus, 
die unsern Kulturbestrebungen zuwiderlaufen, werden wir als unzweck- 
mälsig zu bekämpfen suc hen. Aber solche Zustände brauchen in keiner 
Weise die Existenz des Individuums zu bedrohen, sind also nach unserer 
obigen Erklärung keine Krankheiten, und dennoch fallen sie in das 
Gebiet des Pathologen als Störungen, die bekämpft werden müssen. 

Ganz ähnlichen Sc hwierigkeiten bei der Umgrenzung des Krankheits- 
begriffes begegnen wir bei den gefüllten Blumen. soweit diese Füllung 
darauf beruht, dafs die Staubgefäfse sich in Blnmenblätter umwandeln 
und dabei auch die Griffel verkümmern. Dies führt zur vollständigen 
Unfruchtbarkeit des Individuums. Die Lebensdauer der einzelnen Pflanze 
wird dadurch keineswegs geschädigt, sondern im Gegenteil, wie z. B. 
bei den gefüllten Petunien, durch die Unfruchtbarkeit verlängert; wohl 
aber wird der Selbstzweck der Spezies beeinträchtigt. Denn derartig 
gefüllte Blüten vermögen nicht mehr Samen zu produzieren, und würde 
diese Art der Blütenfüllung ein allgemeines Vorkommnis werden, mülste 
eine solche Art beim Mangel vegetativer Vermehrungsorgane schliefslich 
aussterben. Diese die Existenz der Art bedrohende Abweichung der 
Bildungsrichtung aber wird von unserer Kultur direkt erstrebt und die 
Rückkehr zur normalen, samentragenden Form bekämpft. Es wider- 
spricht sogar hier der Kulturzweck dem Naturzweck, und die Pathologie 
ist bemüht, die der augenblicklichen Kulturrichtung sich entgegen- 
stellenden Unzweckmäfsiekeiten zu bekämpfen, obgleich sie damit die 
Existenz der Spezies geradezu bedroht. 

Solche Gegensätzlichkeiten sind äufserst zahlreich. In der Reihe 
der Fälle, bei denen nur einzelne Organe erkranken, kann eine der- 
artige lokale Störung den Gesamtorganismus schädlich beeinflussen ; 
sie kann aber auch dem Individuum nützlich sein. Wir erinnern hier 


l. Umgrenzung des Krankheitsbegriffes. 3 


an das Abwerfen der jungen Früchte durch Dürre. Der Kulturzweck 
ist natürlich geschädigt; aber die Ökonomie des Baumes hat insofern 
einen Vorteil, als der Baum. die Reservestoffe spart, die zur Ausbildung 
der Fruchtmenge erforderlich gewesen wäre. Infolge dieser Ersparnis 
ist der Baum in der Lage, nicht nur die nächsten Laubtriebe kräftig: 
zu entwickeln, sondern auch zahlreiche Fruchtknospen anzulegen, was 
unterblieben wäre, wenn eine volle Ernte den Stamm ersc höpft hätte. 

Wenn Spätfröste Blüten und junge Früchte beschädigen, so sind 
sicherlich die einzelnen Organe schwer erkrankt und fallen später 
ab; aber der Baum selbst kann einen Vorteil haben, weil er eine 
Menge Nahrungsmaterial spart. Der Kulturzweck kann in diesem häufig 
vorkommenden Falle ebenfalls einen Vorteil haben, weil die nach der 
Frostwirkung sich neuentfaltenden Blüten um so vollkommnere Früchte 
liefern, die eine erhöhte Rente geben. 

Hier dokumentiert sich der Unterschied zwischen der reinen und der 
angewandten Wissenschaft; erstere studiert den Krankheitsprozeis an 
sich und kann nur Oellularpathologie sein, letztere zieht den Effekt für 
das erkrankte Individuum und dessen wirtschaftliche Bedeutung in 
Betracht. Wir haben beide Richtungen zu vereinigen, indem wir in 
unserer Darstellung die rein wissenschaftlichen Studien als Basis für 
die Betrachtung und Erklärung der ökonomischen Wirkungen des Er- 
krankungsfalles benutzen. 

Die Berücksichtigung der Kulturerfordernisse zwingt uns somit zu 
folgender Einteilung unseres Arbeitsgebietes. Wir haben erstens alle 
Fälle zu betrachten, die den Selbstzweck des Organismus, also die 
möglichst lange Lebensdauer desselben, bedrohen; dies sind die abso- 
luten Krankheiten. Ferner müssen wir die Schädigungen be- 
sprechen, welche der augenblickliche Kulturzweck erfährt, und 
welche wir als relative Krankheiten bezeichnen. Die letzteren Fälle 
können sich ändern; denn was der Kultur heute erstrebenswert erscheint, 
kann morgen vernachlässiot werden. Wenn wir beispielsweise Wirsing 
bauen, wir rd uns jedes Hinüberschlagen der Pflanzen zur Rosenkohlform 


> 
eine Beine des Kulturzweckes sein, der wir durch Samenwechsel 


Le) o- 
abhelfen werden; beabsichtigen wir Rosenkohl zu züchten, ist jeder Über- 
gang der Pflanzen zur Wirsingform eine kulturschädigende Ausartung. 

Schiefslich verdienen auch diejenigen Fälle eine Beachtuug, bei 
denen es sich um wirtschaftlich meist bedeutungslose Mifsbildungen, 
d.h. um eine von dem gewohnten Gestaltunesvorgange abweichende 
Ausbildung von Organen handelt. Mit diesen natürlichen Vorkomm- 
nissen, welche, wie wir glauben, oftmals auf veränderte Druckverhält- 
nisse und andere mechanische Einflüsse bei der Anlage der Organe 
zurückzuführen sind, beschäftigt sich eine besondere Disziplin, die 
Teratologie. Dieselbe ist aber als ein Zweig der Pathologie auf- 
zufassen, und wir werden derartige Erscheinungen, soweit ihre Ursachen 
erkannt oder mit einiger Sicherheit vermutet werden können, ebenfalls 
zur Besprechung zu ziehen haben. 

Die Form der Behandlung des Stoffes, der in das Gebiet der 
Pflanzenkrankheitslehre oder Phytopatholoegie fällt, wird nach 
folgenden Gesichtspunkten stattfinden müssen. Zunächst beschäftigt 
uns die 

Pathographie oder Symptomatik, d.h. die Beschreibung der 

Krankheit nach ihren eimzelnen Anzeichen oder Symptomen. 
Dann folgt die 
le 


4 I. Das Wesen der Krankheit. 


Pathogenie oder Atiologie, nämlich die Untersuchung über 
die Entstehung der Krankheit. Erst nach Erkenntnis der Ursachen 
ist es möglich, die 

Therapie oder Heilmittellehre zur Anwendung zu bringen 
und die Möglichkeit einer 

Prophylaxis oder eines Vorbeugungsverfahrens in Er- 
wägung zu ziehen. 


2. Die Entstehung der Krankheit. 


Wenn wir gesagt haben, dafs wir bei der Beurteilung einer Er- 
krankung von der einzelnen Zelle ausgehen müssen, so haben wir zu- 
nächst uns bewufst zu werden, welch ein komplizierter Organismus die 
Zelle selbst ist und wie Aufbau und Funktion derselben von der 
Beschaffenheit, Lagerung und Wirkung der sie zusammensetzenden 
Micellen abhängen. 

Fassen wir beispielsweise einige Quellungsvorgänge ins Auge. 
Eine Zellmembran ist zu einer bestimmten Zeit in einem bestimmten 
Grade mit Imbibitionswasser durchtränkt, d.h. die durch die Kohäsion 
zusammengehaltenen Cellulosemicellen sind mit Wasserhüllen von ge- 
wisser Ausdehnung versehen. Je nach der Menge der Wasserzufuhr 
werden die Micellen bald weiter auseinanderrücken oder sich einander 
nähern, d.h. die Membran wird bald lockerer, bald dichter werden. 
Ebensolche Schwankungen erzielen wir im Plasmakörper der Zelle bei 
Einwirkung wasserentziehender Mittel. Gleiche Vorgänge beobachtet 
man am Chlorophylikorn, wenn man (z. B. bei einem (Gretreideblatt) in 
einem Fall schwache Salzsäuredämpfe, im andern Fall Schwefel- 
wasserstoff einwirken läfst. Bei jener sieht man den Chloroplasten 
schrumpfen, bei diesem wird das Chlorophylikorn zu einem bleich- 
grünen, teigigen, fast gallertartigen Körper. 

In der Membran einer Zelle können starke Lockerungserscheinungen 
manchmal auf einzelne Stellen beschränkt sein. Als Beispiel können 
die sog. „Perlzellen“ bei Lagergetreide gelten. Einzelne Zellgruppen 
in der Nähe stärkerer Gefäfsbündel zeigen auf der Innenseite ihrer 
Membranen, die später den Cellulosechar akter verlieren, perlartig hervor- 
tretende Lockerungsherde. Läfst man Frost auf junge, kräftie wachsende 
Kartoffelstengel einwirken, so findet man nachher einzelne Gruppen von 
Blattparenchymzellen . deren Wandungen streckenweise bis zum Vier- 
fachen ihrer normalen Dicke aufgequollen erscheinen; man beobachtet 
dabei einen Zerfall der dichteren Membranlamellen unter Braunfärbung 
in strichartige Bruchstücke, welche in einer gleichartigen, helleren 
Grundsubstanz eingebettet liegen. 

Beı den stark gelockerten Membranen werden durch die bedeutend 
erweiterten Micellarinterstitien nunmehr Moleküle einer andern Substanz 
hindurchdringen können, die früher wegen ihrer Gröfse am Durchtritt 
behindert gewesen sind. Wenn der Frost Veränderungen im Plasma- 
gefüge hervorruft, sehen wir Stoffe aus- und einwandern, denen früher der 
Plasmaleib die Wanderung verwehrte. Angefrorene rote Zuckerrüben 
(Beta) lassen ihren roten Farbstoff nebst Zucker aus dem Parenchym 
des Rübenkörpers reichlichst in das umgebende Wasser austreten, 
was die zerschnittene Rübe ohne vorhereegangene Frostwirkung nicht 
tut. Die Lockerung des Gefüges der organischen Substanz ist ein ganz 
normaler Vorgang, der von der Einwirkung äufserer Faktoren, wie 


2. Die Entstehung der Krankheit. 5 


Wasserzufuhr, Licht, Wärme usw., in seiner Intensität abhängig ist. 
Überschreiten diese normalen Vorgänge eine gewisse Grenze, so führen 
sie zu Störungen, die Gefüge und Funktion der Zelle derart alterieren. 
dafs sie zur Erhaltung des Lebens untauglich werden. Jeder andere 
Vorgang des Zelllebens verhält sich ebenso. Unter dem Einflufs der 
einzelnen Wachstumsfaktoren wird er bald gesteigert, bald verlangsamt, 
und wir wissen, dafs jede Funktion des Lebens je nach der Wirkung 
jedes einzelnen Vegetationsfaktors zwischen weiten Grenzen pendelt. 
Die Grenzwerte bezeichnen wir als Minimum und Maximum; die 
Funktionshöhe, in welcher ein Lebensvorgang die Entwicklung des 
Organismus am meisten fördert, bezeichnen wir als Optimum. 

Das Pendeln der Funktionen um das Optimum innerhalb der 
die Entwicklung fördernden Grenzen können wir als „Breite 
der Gesundheit“ ansprechen. Dieselbe ist nicht zu verwechseln 
mit der „Breite des Lebens“. Denn der Organismus kann noch 
leben jenseits der Breite der Gesundheit; nur sind seine Funktionen 
derart geschwächt, dafs seine Entwicklung einen Stillstand oder Rück- 
gang erleidet, und dies ist der Zustand des Siechtums. Ist dieses 
Authören der Funktion ein vorübergehendes, so fällt der Zustand in 
den Begriff der „Starre“, und wir sprechen von einer Dunkelstarre, 
Kältestarre usw. 

Aber wir müssen uns hüten, zu glauben, dafs der Eintritt des 
Siechtums, der Starrezustände und des Todes für eine Spezies an 
präzise Zahlenwerte der einzelnen Wachstumsfaktoren gebunden ist. 

Wenn wir beispielsweise zwei Stecklinge derselben Pflanze ent- 
nehmen und kultivieren dieselben in ausgeglühtem Sande mit demselben 
Nährstoffgquantum längere Zeit, wobei der eine Steckling stets im Warm- 
hause, der andere im Freien gehalten wird, so zeigen dieselben schliefs- 
lich eine ganz verschiedene Empfindlichkeit gegen Frost und andere 
Witterungsfaktoren. Das Warmhausexemplar erfriert nun leichter, 
d.h. seine Minimalgrenze für die Erhaltung des Lebens ist nach oben 
gerückt. Temperaturen, welche das Freilandexemplar noch innerhalb 
der Breite der Gesundheit zu erhalten vermögen, heben die Lebens- 
vorgänge bei dem Warmhausexemplar bereits auf. Ganz ähnliche Ver- 
schiebungen zeigen die Versuche betreffs der Maximal- und Minimal- 
grenzen bei andern Wachstumsfaktoren, so dafs wir zu dem Schluts 
kommen, dafs jede Pflanze für jeden Standort ihre eigene 
Skala der Bedürfnisse, ihr eigenes Optimum, Maximum 
und Minimum, also ihre spezifisch eigene Breite der 
Gesundheit besitzt. 

Beachtenswert ist ferner der Umstand, dafs die einzelnen Funk- 
tionen zu verschiedenen Zeiten erlöschen. 

Wenn wir beispielsweise Kartoffelknollen bei etwa —1° Ü. einige 
Zeit liegen lassen, zeigt sich, dafs der Atmungsprozefs früher nach- 
läfst als die Umwandlung der Stärke in Zucker, und es erfolgt eine 
Zuckeranhäufung in der Knolle, die wir als „Süfswerden der Kartoffeln“ 
bezeichnen. Bei langsamer Erhöhung der Temperatur auf etwa +10° 0. 
verschwindet der gespeicherte Zucker durch Hebung der Tätigkeit des 
Protoplasmas und des Veratmungsprozesses. 

Wenn Gurken, Tabak und andere wärmebedürftige Pflanzen längere 
Zeit eine Temperatur von +5 bis 8° C. zu ertragen haben, zeigen sie 
Gelblaubiekeit, die bei dauernder Wärmesteigerung wieder verschwindet. 
Die Pflanzen sterben nicht, aber Assimilation und Wachstum werden 


6 I. Das Wesen der Krankheit. 


derartig herabgedrückt, dafs sich nunmehr Vorgänge (Gummibildung) 
einleiten können, die zum vorzeitigen Tod des Individuums führen. 
Wie im vorliegenden Falle der Wärmemangel, wirken in andern Fällen 
Nährstoffmangel, Lichtmangel, kurz jede Herabminderung eines Vege- 
tationsfaktors derart retardierend auf die normale Richtung der Funk- 
tionen, dafs das richtige Ineinandergreifen derselben zum Zwecke eines 
förderlichen Stoffwechsels abgelenkt wird. Es entstehen nun andere 
Verbindungen und Funktionsrichtungen (z. B. Gärungen), die einen 
vorzeitigen Abschlufs des Lebens einleiten. Dieselbe Wirkung wird 
durch jeden Überschufs, jede Annäherung an die Maximalgrenze eines 
Vegetationsfaktors eintreten müssen. 

In sehr vielen Fällen deutet sich das eingetretene Siechtum durch 
eine Chlorose an, die unmerklich sich einstellt und langsam fortschreitet. 
Selbst wenn es der Beobachtung gelänge, den ersten Anfang einer 
Chlorose zu erkennen, so würde damit” keineswegs der Anfang des 
Siechtums gefunden worden sein: denn die ersten molekularen Um- 
wandlungen, die zur Vergilbung eines Chlorophylikorns geführt haben, 
sind uns doch unbekannt “geblieben. Experimentell läfst sich wohl eine 
Grenze zwischen der förderlichen und dem Beginn der hinderlichen 
Gröfse eines einzelnen Wachstumsfaktors feststellen, aber wir sehen 
dabei immer nur das Endresultat und nicht den Werdegang, d.h. die 
dieses Endergebnis einleitenden Prozesse. Für unser Wahrnehmungs- 
vermögen stellen sich Gesundheit und Krankheit als Zu- 
stände dar, die unmerklich ineinander übergehen. 


3. Die Beziehungen der Pflanze zu ihrer Umgebung. 


Bei dem im vorigen Abschnitt unternommenen Versuche, dar- 
zulegen, wie Gesundheit und Krankheit Zustände darstellen, die wie die 
Glieder einer Kette ineinandergreifen, hatten wir zunächst die sog. 
Konstitutionskr ankheiten im Auge. Wir verstehen darunter 
die den ganzen Organismus in Mitleidenschaft ziehenden Ernährungs- 
störungen infolge von Mangel oder Überschufs eines der notwendigen 
V egetationsfaktoren. Diesen Allgemeinerkrankungen gegen- 
überzustellen sind die Lokalerkrankun gen durch zufällige Eingriffe. 
Hier steht zunächst der Gesamtorganismus in voller Reaktionsfähiekeit 
einer nur an einem einzelnen Organ wirksam werdenden Störung gegen- 
über. Wenn bei den Konstitutionskrankheiten die Einwirkungen der 
notwendigen anorganischen Wachstumsfaktoren in Betracht kommen, 
treten bei den Lokalerkrankungen die Beeinflussungen in den Vorder- 
grund, die die Organismen gegenseitig aufeinander "ausüben. 

Teils sind es Tiere, die zur Befriedigung ihres Nahrungs- oder 
Wohnungsbedürfnisses die Pflanze aufsuchen, teils werden die Pflanzen 
gegenseitig einander beeinflussen. Als das nächstliegende Beispiel 
finden wir den Einflufs der Chausseebäume auf die jenseits des 
Chausseegrabens befindlichen Kulturen. Namentlich bei Trockenheit 
bemerken wir, dafs die im Bereich der Baumkrone befindlichen 
Getreide- und Kartoffelpflanzen nicht nur weniger kräftig entwickelt 
sind, sondern auch früher und stärker welken "als die übrige Feld- 
frucht. Hier sind es vorzugsweise die regenabhaltende Baumkrone 
und die wasserentziehenden Baumwurzeln, zelche sich nachteilig be- 
merkbar machen. Auf dem Felde selbst finden wir nicht selten einzelne 
Stellen, auf denen die Saat äufserst kümmerlich steht, weil der Wind- 


3. Die Beziehungen der Pflanze zu ihrer Umgebung. 7 


halm die Getreidepflanzen erstickt hat. Die Aussaat ist nicht mangel- 
haft gewesen, wohl aber sind die Keimung und Jugendentwicklung 
durch Kälte und Sauerstoffmangel zurückgehalten worden , weil der 
Acker undurchlässige Stellen besafs. Dort wird im Frühjahr die Nässe 
lange im Boden verbleiben; derselbe erwärmt sich dadurch schwerer 
und leidet Sauerstoffnot. Der Windhalm (Apera spica venti), der überall 
auf den Getreidefeldern vorhanden, ist weniger empfindlich und ent- 
wickelt sich unter solchen V erhältnissen schneller als die Gretreidesaat. 
Durch das erlangte Übergewicht erdrückt er die Getreideptlänzchen. 
Ganz ähnlich verhält es sich mit den andern Unkräutern, die durch ihre 
schnellere Entwicklung nicht nur den Kulturpflanzen Bodennährstoffe 
wegnehmen, sondern sie auch durch Beschattung schädigen. Eigentlich 
aber ist dieser Kampf um den Raum der erste gegebene Faktor 
jeder Pflanzengemeinschaft und kommt bei allen Feld- und Wald- 
kulturen zum Ausdruck. Auf dem Getreidefelde und in jedem Wald- 
bestande erdrückt das ursprünglich am kräftigsten wachsende Individuum 
die schwächlichere Umgebung. Es ist die "allgemein gültige Gewalt 
des Stärkeren, die bei jedem Zusammenleben der Organismen zum 
Ausdruck kommen muls. 

Dieses Zusammenleben in der soeben geschilderten Art und Weise 
in räumlicher Entfernung können wir als Nachbarschaft bezeichnen 
zur Unterscheidung von der gegenseitigen Beeinflussung der Organis- 
men bei räumlicher Vereinigung. Ein derartiges Verhältnis (Sym bios e) 
mufs intimer sein, da ein "Organismus auf dem andern lebt. Je nach- 
dem der Einflufs ein gegenseitig fördernder oder hemmender ist, unter- 
schied DE Bary (1866) eine mutualistische von einer antagonisti- 
schen Symbiose. Die von VUILLEMIN 1889 für diese Verhältnisse 
gewählte Bezeichnung „Symbiose“ und „Antibiose“* will uns 
weniger glücklich erscheinen. 

Beispiele einer mutualistischen Gemeinschaft, die von van Beneden 
1878 auch als Kommensalismus, als Tischgemeinschaft bezeichnet 
worden ist, finden wir in den in starrer, hexenbesenartiger Verzweigung 
über die Bodenoberfläche hervortretenden Wurzelbüscheln bei den 
Sagopalmen (Cycadeae), die in ihren grofsen Rindenlücken zahlreiche 
Ketten von Nostoc beherbergen. Ähnliches zeigt die Gattung Gumnera. 
Ferner findet sich mannigfach in der Literatur erwähnt der Fall, wo 
eine unserer Salvinia natans ähnliche Wasserpflanze, Azolla caroliniara, 
einer andern Nostocacee mit länglichen Gliedern (Anabaena) Unterkunft 
in den Achselhöhlen ihrer Blätter gewährt. 

Das zugänglichste Beispiel für Mutualismus bietet der Aufbau des 
Flechtenkörpers, in welchem Pilz und Alge in gegenseitiger Hilfeleistung 
dauernd verbunden bleiben: Lichenismus. 

Ähnlich gedeutet wird die Symbiose gewisser Pilzmycelien mit 
den Wurzeln von Fagus, Corylus, Castanea und mehreren Coniteren, 
die sog. Pilzwurzel oder Mycorhiza, die man für eine notwendige 
allgemeine Einrichtung anzusehen gewohnt ist. Anschliefsend an die 
Mycorhiza ist die von Hırmner!) und STörmErR als Bacteriorhiza 
bezeichnete Schutzvorrichtung zu erwähnen (bei Beta und Pisum). Es 
dringen vom Boden aus Bakterien in die äufseren Zellschichten der 


!) Hırrser und Perers, Untersuchungen über die Keimlingskrankheiten der 
Zucker- und Runkelrüben. Arbeiten d. Biolog. Abt. am Kais. Gesundheitsamte. 
Bd. IV. Heft 3. 1904. 


S I. Das Wesen der Krankheit. 


Wurzeln, die zwar eine Bräunung dieser Schichten verursachen, aber 
sonst die Gesundheit der Pflanze nicht besonders stören. Diese 
Bakterien verhindern (nach Hırryer) aber das Eindringen anderer, schäd- 
licher Organismen (Phoma usw.). 

Endlich gedenken wir noch der Einrichtung der Wurzel- 
knöllchen, die in verschiedener Gestalt und Gruppierung bei den 
Hülsenfrüchten an den Wurzeln zu finden sind und bei den Erlen jene 
bekannten traubenförmigen Körper darstellen, die als kugelige Nester 
kurzverzweigter Wurzeln nicht selten in Faustgröfse beobachtet werden. 
Die den Stickstoff der Luft der Pflanze nutzbar machenden Organismen 
in den Knöllchen, die als Rhizobium Leguminosarum Frank oder Bacillus 
radieicola Beijerinck bei den Hülsenfrüchtlern beschrieben worden sind, 
gehören ebenso wie die Erzeuger der silberweilsen Knöllchen bei Isopyrum 
biternatum, das nach Mac Dovsau!) sich auf nitratfreien Böden kräftig 
entwickelt, den Bakterien an. Dagegen scheinen die neuen Unter- 
suchungen von BJÖRKENHEIM?) zu beweisen, dafs bei den Erlen es sich 
um einen Hyphenpilz handelt. 

Bei der antagonistischen Symbiose hat pe Barry den Ausdruck 
Saprophytismus verwendet, und Jouow hat 1889 den Begriff 
spezialisiert, imdem er Holosaprophyten (chlorophylllose) von 
Hemisaprophyten (chlorophyllführende) unterschieden hat. 

Dem gegenübergestellt hat BıscHorr den Begriff Parasitismus. 
Der Ausdruck „Parasit“ ist nach Sarauw®) im Jahre 1729 von MIcHELI 
bei Balanophoreen zum ersten Male gebraucht worden *), und ent- 
sprechend der Einteilung der Saprophyten hat Sarauw die Holo- 
parasiten (ohne Chlorophyll) von Hemiparasiten (mit Chlorophyll 
versehen) unterschieden. 

Unter Saprophytismus versteht man die Fähigkeit eines Organis- 
mus, von der im Zersetzung begriffenen organischen Substanz sich er- 
nähren zu können, während der Parasit auf das im lebendigen Organis- 
mus dargebotene Material angewiesen ist. 

Prüfen wir diese Gliederung in den Ernährungsformen, so er- 
kennen wir, dafs eine solche scharfe systematische Scheidung, wie 
überall in der Wissenschaft, nur von der jugendlichen Disziplin vor- 
genommen wird, und, die ältere und erfahrungsreichere Wissenschaft 
überzeugt sich, dafs Übergänge zwischen den einzelnen Gruppen vor- 
handen sind. 

Vergleicht man das Verhältnis der Nachbarschaft zur Er- 
nährungsgenossenschaft (Symbiose), so zeigt uns eben jeder 
Wald und jedes Getreidefeld, wie beständig ein Organismus den andern 
beeinflufst, je nachdem der eine dem andern Nährstoffe, Wasser und 
Licht übrig läfst. Ebenso wie die räumliche Entfernung keine feste 
Schranke für die Ernährungsform bildet, kommt auch die Gliederung 
der Organismen in solche mit reiner Mineralernährung und in solche 
der auf organische Substanz angewiesenen in Wegfall. 

Der tatsächlich vorhandene Vorgang besteht darin, dafs die zur 


1) Minnesota Botanical Studies 1894. 

2) Bsörkexueim, Beiträge zur Kenntnis des Pilzes in den Wurzelanschwellungen 
von Alnus incana. Zeitschr f. Pflkr. 1904. S. 129 

3) Sırauw, G. F. L., Rodsymbiose og Mykorrhizer saerlig hos Skovträerne. 
Botanisk Tidsskrift 1893. Heft 3 u. 4. 

4) Aber Tounsrorr in Mem. Ac Paris 1705, p. 332, spricht schon von Pflanzen, 
welche auf andern Pflanzen wachsen. 


3. Die Beziehungen der Pflanze zu ihrer Umgebung. | 0) 


selbständigen Ernährung geeigneten Pflanzen ihr Nährstoffmaterial, 
obwohl sie es aus rein mineralischer Unterlage beziehen können, doch 
auch nebenbei den Humussubstanzen entnehmen, die durch die Tätio- 
keit einer reichen Bakterienflora im Boden die Nährstoffe in aufnehm- 
barer Form liefern. Man denke an die Vorteile der Bewirtschaftung 
unserer Äcker mit tierischem Dung. 

Ganz besonders stark aber hat die Neuzeit an der Grenzwand 
zwischen Saprophytismus und Parasitismus gerüttelt, indem sie immer 
reichlicher Beispiele dafür bringt, dafs die als obligate Parasiten an- 
gesprochenen Organismen in bestimmten Entwicklungsphasen einer 
saprophyten Ernährung zugänglich sind, und anderseits, dafs die in 
zahllosen Fällen uns begegnenden Saprophyten eine parasitäre Lebens- 
weise annehmen können. 

Einen Einblick ın die Art und Weise, wie solcher Wechsel in der 
Ernährungsweise zustande kommt, gewähren uns die Untersuchungen 
von Miyosar!. Die im Institut von PFEFFER in Leipzig vorgenom- 
menen Experimente zeigen, dafs Pilzhyphen chemisch reizbar sind und 
von ihrer Wachstumsrichtung entweder nach der reizenden Substanz 
hin (positiver Chemotropismus) oder von derselben fort 
(negativer Üh.) abgelenkt werden können. Ja, auch ihr Wachstums- 
modus kann sich ändern, indem z. B. bei hoher Konzentration der 
Lösung Neigung zur Sprofsbildung sich einstellt. Gerade unsere ge- 
wöhnlichsten Schimmelformen, die gelegentlich zu Parasiten werden 
(Mucor, Penicillium, Aspergillus), zeigen eine solche Reizbarkeit Stoffen 
gegenüber, die als Inhaltsstoffe der Zellen der phanerogamen Gewächse 
fast stets vorausgesetzt werden können. Aufser Dextrin und den neu- 
tralen phosphorsauren Salzen ist es besonders der Zucker, der in 
hervorragender Weise die Pilzhyphen anlockt, falls nicht zu hohe 
Konzentration vorhanden ist. So wirkt z. B. Traubenzucker bei 50 /oiger 
Lösung für den bei der Fäulnis des Obstes tätigen Mwucor stolonifer 
repulsivv. Säuren dagegen und Alkalien wirken von vornherein ab- 
stolsend. Die Keimschläuche der Sommersporen von Uredo linearis, 
einem Getreideroste, werden durch Pflaumen- und Weizenblattdekokt 
angelockt. Besonders interessant sind die Kulturergebnisse bei Penr- 
cillium glaucum, dessen Hyphen die Zellwände eines Blattes durch- 
bohrten, das mit einer zweiprozentigen Rohrzuckerlösung imprägniert 
war. Ebenso drangen sie in künstliche Cellulosemembranen und in 
die Epidermis von Zwiebelschalen ein, die auf einer Nährgelatine 
lagen. 

Dies sind äufserst wichtige Fingerzeige, welche die zahlreichen 
Fälle von Erkrankungen durch Penicillium zu erklären vermögen. Es 
ist bekannt, dafs dieser Schimmel, der häufigste Fäulniserreger bei dem 
Kernobst, sich erst auszubreiten beginnt, wenn der Reifeprozefs die 
Stärke in Zucker umgewandelt hat. Und betreffs des Eindringens von 
Penicillium in Zwiebelschalen finden wir reichlich Beispiele in den bis- 
weilen zu Prozessen führenden Fällen der Fäulnis von Tulpen-, 
Hyazinthen- und Lilienzwiebeln, die besonders dann stark auftritt, 
wenn nasse Jahre ein Ausreifen der Zwiebeln verhindern, und wenn 
dieselben mit aufsergewöhnlichem Zuckerreichtum auf Lager gebracht 
und dann frühzeitig zur Treiberei verwendet werden. 


1) Mıvosur Maxana, Über Chemotropismus der Pilze. Bot. Zeit. LIT, 189. 
Ss. 1—27. 


10 I. Das Wesen der Krankheit. 


So sehen wir, wie die Beschaffenheit des Zellinhalts 
und der Zellmembran der Nährpflanze ausschlaggebend 
für ein Einbohren von Pilzhyphen und für den Übergang 
des Saprophyten zum Parasiten werden kann. 


4. Die parasitären Krankheiten. 


(restützt auf die vereinzelten, sorgfältig studierten Fälle von 
Parasitismus, verallgemeinerten viele Beobachter den Begriff der 
parasitären Erkr ankung dahin, dafs sie eine solche überall da annahmen, 
wo Örganismen in Krankheitsherden sich angesammelt zeigten. In 
vielen Fällen stützte man sich auf das Experiment, indem man einem 
Nährorganismus die parasitären Lebewesen einimpfte und eine lokale 
Gewebeerkrankung zu erzeugen vermochte. 

Bei dieser Methode häuften sich die scheinbaren Nachweise 
parasitärer Krankheiten derart, dafs man zu der Annahme gedrängt 
wurde, es gäbe kaum eine Erkrankung, bei der Parasiten nicht "beteiligt 
wären. Diese Impfmethoden ım Laboratorium führten allmählich zu 
der Erkenntnis, dafs bei zahlreichen Krankheitserscheinungen keine 
spezifischen Parasiten, sondern allgemein verbreitete Mycelpilze 
und Bakterienformen die Ursache wären. Je weiter die Studien fort- 
schritten, desto mehr Fälle gelangten zur Kenntnis, bei denen durch 
Impfung von Sporen unserer häufigsten Schimmelpilzformen, wie .Dotrytis, 
Peniecillium, Cladosporium u. dgl., sowie der verbreitetsten Bodenbakterien, 
Bacillus subtilis und vulgatus, gesunde Gewebe zur Erkrankung gebracht 
worden sind. 

Damit wurde endlich die Frage nahegelest, woher es wohl 
kommen mag, dafs derartig allenthalben vorhandene Organismen nur 
in manchen Fällen parasitär ein Gewebe anzugreifen vermögen und 
ein anderes Mal sich saprophytisch mit bereits abgestorbener organischer 
Substanz begnügen? Zu dieser Frage gesellte sich eine zweite, die 
aus den äufserst schnell sich mehrenden Erfahrungen entsprang, dafs 
bei gleichen Impfmethoden gewisse Varietäten oder auch Individuen 
widerstandsfähig sich erwiesen, während andere mit Leichtigkeit dem 
parasitären Angriff erlagen. Was war die Ursache derartiger Ver- 
schiedenheiten ? 

Ein Teil der Forscher zog zur Erklärung solcher Fälle die 
Virulenztheorie herbei. Es wurde hervorgehoben, dafs der 
Parasitismus als Kampf zweier Organismen gegeneinander in jedem 
einzelnen Falle davon abhängen mülste, wer von den Kämpfenden der 
stärkere sei. Wenn die Angriffswaffe des Parasiten z.B. ein von dem- 
selben ausgeschiedenes Enzym sei, das die Fähigkeit habe, den Zell- 
stoff der Nährpflanze zu lösen, so sei erklärlich, dafs dieser Prozefs 
um so schneller stattfinden würde, je mehr in einer Zeiteinheit von 
einem derartig lösenden Ferment gebildet würde. Da man nun 
experimentell nachweisen konnte, dafs bei Kulturen auf verschiedenen 
Nährböden die Angriffskraft des Parasiten wechselte, so durfte man 
sich sagen, dafs dort, wo er zum Krankheitserreger wirklich wurde, 
seine Produktion an Enzymen eine besonders reichliche gewesen, er 
besonders giftig (virulent) gewesen sein muls. Die meisten Beispiele 
für die wechselnde Virulenz lieferten die Bakterienkulturen; doch 
wurden auch bei den Mycelpilzen solche Fälle festgestellt. Sehr be- 
kannt ist die Angabe von pE Bary über die überall anzutreffende, als 


4. Die parasitären Krankheiten. 1 


Botrytis einerea bezeichnete Schimmelform, deren Mycel sich durch die 
gewöhnliche saprophyte Ernährung erst zu einer gewissen Kräftigkeit 
entwickelt haben mufs, wenn es parasitär werden und lebendige 
Pflanzenteile mit Erfole- angreifen soll. Ich konnte für die Konidien 
dieses Pilzes oleichsinnige Resultate erlangen. Es wurden auf weiche 
Begonienblätter massenhaft Sporen ausgestre eut und die Aussaat reichlich 
feucht erhalten. Nach einigen Tagen liefs sich beobachten, dafs an 
denjenigen Blattstellen, wo die Sporen in dicken Haufen aufeinander- 
gelegen hatten, eine Erkrankung des Blattes unter Bräunung des Ge- 
webes eingetreten war; dort, wo die Sporen vereinzelt aufgelegen, ist 
ein Angriff nicht festzustellen gewesen. Die Wirkung der von der 
einzelnen Spore ausgeschiedenen Fermentmenge hatte sich demnach 
als ungenügend erwiesen, während die Häufune des Angriffsmaterials 
die Infektion zuwege gebracht hatte. 

Es wird nun leicht verständlich, dafs die Parasiten, wie jeder 
andere Organismus, sich dann am kräftigsten entwickeln, wenn die 
Ernährungsbedingungen am günstigsten sind, und dafs, je kräftiger 
und zahlreicher ihre vegetativen Organe ausgebildet w erden, ihre 
Enzymausscheidungen und demgemäls ihre Angriffsstärke sich steigern, 
also ihre Virulenz erhöht wird. 

Aber diese Vorgänge genügen nicht zur Erklärung der Tatsache, 
dafs auf einem Felde bei einer Anzahl nebeneinander angebauter 
Varietäten einzelne derselben völlig zerstört werden können, während 
danebenstehende wenig beschädigt werden oder vielleicht ganz unversehrt 
bleiben. Da ın Sl Fällen die Witterungsverhältnisse und sonstigen 
Vegetationsfaktoren gleich günstig für den Parasiten sind und trotzdem 
auf einer Varietät er sich schnell und kräftig ausbreitet und auf der 
andern nicht, so mufs in diesen beiden Fällen der Mutterboden selbst, 
d.h. also die spezifische Beschaffenheit der Nährpflanze, ausschlaggebend 
für die Erkrankung gewesen sein. Damit gelangen wir zur Erkenntnis, 
dafs für das Zustandekommen einer parasitären Krankheit nicht die 
Anwesenheit des Parasiten allein mafsgebend ist, sondern 
auch die Beschaffenheit des Nährorganismus mitsprechen kann. 

Die vielfachen Impfversuche haben auch dazu geführt, die sich 
auf andern Organismen ansiedelnden Lebewesen , die imstande sind, 
das Gewebe anzugreifen , derart zu klassifizieren , dafs man eine 
Gruppe als absolute Parasiten anspricht, wenn sie imstande 
ist, die Nährpflanze in allen Stadien ihrer normalen Entwicklung 
anzugreifen. Von dieser Gruppe hat man solche Organismen als 
Wundparasiten abgetrennt, welche den mit seinen normalen Schutz- 
vorrichtungen versehenen Organismus nicht angreifen können, sondern 
erst derjenigen Gewebeveränderung bedürfen, welche eine Wundfläche 
darbietet. Bei einer grofsen Anzahl parasitärer Vorkommnisse haben 
wir erkannt, dafs der Parasit erst dann den für seine Entwicklung 
nötigen Mutterboden bei einer Pflanze findet, wenn dieselbe in ihrer 
Produktion verändert und in ihren Funktionen bereits abgeschwächt 
ist. Hier werden Zustände eintreten, wie sie in den von MiıyosHı 
ausgeführten Experimenten (s. vor. Abschnitt) ausschlaggebend wurden. 
Diese Gruppe führt die Bezeichnung „Schwächeparasiten‘. 
Namentlich in diese letztere Gruppe g gehören die zahlreichen Arten, 
die in vielen Generationen auf abgestorbener organischer Substanz 
leben, also als Saprophyten angesprochen werden müssen und ge- 
gelegentlich parasitär werden (fakultative Parasiten). Hier ver- 


12 I. Das Wesen der Krankheit. 


wischt sich also die Grenze zwischen Parasitismus und Saprophytismus, 
und selbst bei denjenigen Gattungen, die zu den strengsten (obli- 
gaten) Parasiten gehören, wie z. B. bei den Branäarten, finden wir 
Entwicklungsphasen mit saprophyter Ernährung. 

Wenn wir nun aber die Familien unserer strengsten Parasiten 
unter den Mycelpilzen, nämlich die Brand- und Rostarten genauer in 
Augenschein nehmen, so finden wir durch die neuesten Untersuchungen 
in vielfacher Bestätigung besonders eine Tatsache in den Vordergrund 
gerückt, nämlich die Abhängigkeit der Wachstumsenergie des 
Parasiten von seiner Nährpflanze. Wir haben Beispiele, welche 
zeigen, dafs derselbe Pilz auf einzelnen Arten derselben Nährpflanzen- 
oattung an demselben Standort bald üppig in zahlreichen grofsen Herden, 
bald spärlich in kleinen Formen auftritt, je nachdem die eine Art 
fleischigere Blätter und die andere derbere besitzt. Ja, die Roste sind 
derart von ihren Nährpflanzen abhängig, dafs sich biologische Rassen 
(formae speciales) bilden, die bei aller gestaltlichen Übereinstimmung 
doch insofern Unterschiede zeigen, als sie sich einer bestimmten 
Nährpflanze anpassen und selbst bei sorgfältiger Impfung auf der ver- 
wandten Nährpflanze nicht mehr oder nur in geringem Grade zur Ent- 
wicklung gelangen. So haben wir von unserm gewöhnlichen Getreide- 
Schwarzrost eine Spezialform für Roggen, eine solche für Weizen und 
eine solche für Hafer usw. Und die Mykologen hegen die Überzeugung, 
dafs diese Ausbildung zu einzelnen Rassen durch Gewöhnung an 
spezielle Nährpflanzengeschlechter eine weitverbreitete, fortdauernd 
mehr zutage tretende Erscheinung ist. Was bedeutet nun eine der- 
artige Rassenbildung anders, als dafs die Parasiten mit ihren 
Ansprüchen äufserst eng an die Beschaffenheit der 
Unterlagen gebunden sind und sich ferner binden? Wenn aber der 
strengste Parasiıt erwiesenermafsen so abhängig von seiner Nährpflanze 
ist, dann sieht man, wie vollständig er mit den nicht - parasitären 
Pflanzen darin übereinstimmt, dafs er ganz bestimmte Ernährungs- 
verhältnisse beansprucht, und dafs mit dem Wechsel dieser entweder 
der Parasit seinen Charakter ändert und sich anpafst oder verschwindet. 

Wie wir uns diese Anpassungserscheinungen etwa zu denken haben, 
deuten die Beobachtungen von STAHL!) bei Myxomyceten- -Plasmodien 
an. Wenn in dem Kulturgefäfse das Wasser durch eine I bis 2'vige 
Traubenzuckerlösung ersetzt wurde, starben bei plötzlicher Einwirkung 
die Plasmodien ab oder flohen die Zuckerlösung. Allmählich aber ver- 
trugen sie diese, hatten sich also an eine konzentriertere Lösung ge- 
wöhnt (vielleicht durch einen gewissen Wasserverlust), und zwar derart, 
dafs sie, in reines Wasser zurückgebracht, nunmehr beträchtliche 
Schädigungen zeigten. 

Über die Rassenbildung äufsert sich PFEFFER?): „Die vorliegenden 
Erfahrungen ... lassen erkennen, dafs die tropistische Sensibilität der- 
selben Art von Bakterien, Flagellaten usw. je nach den vorausgegangenen 
Kulturbedingungen graduell verschieden ausfällt. So ist es zu ver- 
stehen, dafs man bei derselben Art, in der Natur und in künstlichen 
Kulturen, zuweilen eine sehr ansehnliche, zuweilen eine geringe oder 
verschwindende Reaktionsfähigkeit gegenüber einem bestimmten Tropis- 
ticum findet. Ja, es mufs nach anderweitigen Erfahrungen möglich 


!) Sraur in Bot. Z. 1884, S. 163—66. - 
?) Prerrer, Pflanzenphysiologie, 2. Aufl. Bd. II. S. 763. Leipig 1904. 


el 


4. Die parasitären Krankheiten. 13 


erscheinen, dafs Rassen gezüchtet werden können, bei welchen eine 
zuvor vorhandene, bestimmte tropistische Sensibilität theilweise oder 
gänzlich verloren gegangen ist.“ 

Der Parasitismus ist nichts Aufsergewöhnliches, nicht etwa ein 
innerhalb der Kulturzeit neu aufoetretener Faktor. Er ist als eine mit 
der Entwicklung des organischen Lebens allmählich in die Erscheinung 
getretene und nun gegebene notwendige Ernährungsform zu betrachten, 
die als das Endelied einer Kette von Beziehungen anzusehen ist, welche 
sich bei der gegenseitigen Beeinflussung der Organismen heraus- 
gebildet hat. 

Er ist das Endglied einer Kette, die mit denjenigen Organismen 
beginnt, welche die Fähigkeit haben, aus anorganischem Material durch 
die Arbeit des Lichtes organische Substanz zu bilden. Es schliefsen 
sich daran die Gewächse mit geringerem Lichtbedürfnis, wie wir sie 
bei den sog. Humusbewohnern vorfinden, wo eine Beigabe von der 
schneller zersetzbaren organischen Substanz eine wesentliche Er- 
leichterung des Ernährungsvorganges darstellt. Je mehr bei der 
wachsenden Zahl der Organismen der Kampf um das Licht an Be- 
deutung gewinnt, desto näherliegend wird die Ausbildung von Orga- 
nismenreihen mit äufserst schwachem Lichtbedürfnis und immer not- 
wendiger werdendem Bedürfnis nach einem Ernährungsmodus, bei dem 
das Rohmaterial schon in der Form organischer, leichter zu be- 
arbeitender Substanz geboten wird, wie wir es bei dem Saprophytismus 
vorfinden. 

Wenn bei dem Kampf um das Licht bei der ständig im Laufe der 
Zeiten wachsenden Individuenzahl sich notwendigerweise auch der 
Kampf um den Raum ausbildet, so führt schliefslich der Raummangel 
zu jenen Anpassungsformen der Pflanzenwelt, die nur anfangs oder 
überhaupt nicht mehr den Erdboden als Wohnstätte beanspruchen, 
sondern einen andern Organismus als Ansiedlungsherd sich ausersehen. 
Die unter solchen Verhältnissen sich ausbildenden gegenseitigen Be- 
ziehungen sind teils freundliche, teils feindliche, wie sie in der 
mutualistischen und antagonischen Symbiose zutage treten. 

Unter den einen andern Organismus als Wohnstätte benutzenden 
Pflanzenarten sehen wir dann die verschiedensten Hilfsvorrichtungen 
zur Ermöglichung der Ermährung sich ausbilden. Vom Lichenismus 
aus gewinnt die Beihilfe des Rhizinen-Apparates immer gröfsere Be- 
deutung bis zur Ausbildung eines Mycels. Dieses begnügt sich ent- 
weder mit dem abgestorbenen bez. im Absterben begriffenen Rinden- oder 
Blattmaterial seines Wirtes oder kann seine Existenz nur fristen, wenn es 
mit Hilfe seiner ausgeschiedenen Enzyme die lebendige organische Sub- 
stanz angreift und dann den Parasitismus in die Erscheinung ruft. 

Aber bei allen diesen Beziehungen tritt das eine Grundgesetz zutage, 
dafs jeder Organismus an eine bestimmte Beschaffenheit 
seines Substrates sebunden ist. Das Substrat mufs eben die 
Fähigkeit haben, alle Ansprüche des Organismus betreffs seiner Existenz 
zu befriedigen; sonst kann er nicht gedeihen. Also auch alle die 
Organismen, welche wir als Parasiten zu bezeichnen pflegen, stellen 
ihre ganz bestimmten Ansprüche an einen Nährorganismus. Wie eng 
manchmal diese Ansprüche umgrenzt sind, zeigen uns gerade die 
Bakterien, bei denen bisweilen schon geringe Schwankungen in der 
Wärmezufuhr, in der Acidität des Nährstoffeemisches u. dgl. zum Er- 
setzen bestimmter Arten durch andere, angepafstere führen. 


14 I. Das Wesen der Krankheit. 


Um nur einige neue Beispiele anzuführen, erwähnen wir die Unter- 
suchungen von THoMmas MiLBURN !), der sowohl Mycelpilze als auch 
Bakterien in Kultur nahm. Von ersteren fand er bei Hypocrea rufa, 
dafs eine Steigerung des osmotischen Druckes erst die Pigmentbildung 
in den Konidien und schliefslich auch die Konidienbildung überhaupt 
unterdrücke. Bei diesem Pilze ändert sich die Farbe der Konidien 
mit der Reaktion des Mediums. Bei saurer Reaktion werden grüne, 
beı alkalischer Reaktion gelbe Sporen gebildet. Gut ernährtes Mycel 
gibt im Dunkeln keine F ruktifikation, wohl aber zeigt sich bei schlochie 
Ernährung eine Konidienbildung. Die gelbe Farbe im Mycel von 
Asper gillus niger ist gegen Licht sehr empfindlich und wird binnen 
wenigen Stunden durch das Licht schwarz. Der auf Kartoffeln kulti- 
vierte Baeillus ruber balticus, der sog. „Kieler Bazillus* (s. BREuNIG, 
Untersuchungen des Trinkwassers der Stadt Kiel, 1888), der nach 
LaurENT auf gewissen Nährböden Säure, auf andern Alkalı bildet, wird 
in seiner Farbstoffproduktion durch den Nährboden dahin beeinflufst, 
dafs er bei saurer Beschaffenheit violette, bei alkalischer Reaktion 
orangerote Farbe entwickelt. 

Bei einer zweigbildenden streng aöroben Bakterie aus dem Sputum 
bei Pneumonia, Bacillus Berestnewi, beobachtete LEPESCHKIN?), dafs 
dieselbe sich auf stark alkalischem und stark saurem Boden entwickeln 
kann, aber das alkalische Substrat allmählich sauer macht. Bei An- 
wesenheit von Zucker (Dextrose) tritt unter Zerfall der Stäbchen in 
Oidien ein rosa Farbenton auf; bei Anwesenheit gröfserer Mengen 
stickstoffhaltiger Verbindungen (Asparagin, Lecithin, Peptone) färbt sich 
die Bakterienmasse orangegelb. Das Wachstumsoptimum liegt etwa 
bei 25° C. Schon bei 35° C. wächst die Bakterie sehr langsam, und 
bei 38° C. ist sie nicht mehr wachstumsfähig; bei 55° C. wird sie 
getötet. 

Wenn also für die Parasiten sich eine deutlich zu- 
tage tretende Abhängigkeit von der Beschaffenheit des 
Nährbodens erweisen läfst, so ıst natürlich das nächst- 
liegende Erfordernis, dafs wir bei Bekämpfung der- 
selben versuchen müssen, den günstigen Nährboden zu 
entziehen und in einen dem speziellen Parasiten un- 
günstigen zu verwandeln. 

Da nun die Kulturpflanze durch die Tatsache, dafs sie in empfäng- 
lichen und widerstandsfähigeren Varietäten existiert, den Beweis liefert, 
dafs es eine Möglichkeit gibt, den durch die lebendige Pflanze dar- 
gestellten Nährboden zu ändern, so ist die Herstellung solcher 
widerstandsfähiger Individuen durch die Kultur die erste 
Pflicht unserer Bestrebungen betreffs Bekämpfung parasitärer Krank- 
heiten. Sie ist wirksamer als die jetzt herrschende, aus einer engen 
Anschauungsweise hervorgegangene Methode der lokalen Bekämpfung 
oder Abhaltung der Parasiten, die höchstens für kleine Herde wirksam 
ausführbar, aber bei dem Betriebe im grofsen schon aus mechanischen 
Gründen undurchführbar ist. 

Von den hier entwickelten Gesichtspunkten aus ist der Parasitismus 
keine solche Gefahr, als welche er jetzt hingestellt wird. 


ee Mirsurs, Über Änderungen der Farben bei Pilzen und Bakterien. 
Centralbl. f. Bakteriologie usw. II. Abt. 1904. Bd. XIII. Nr. %11. 

?) Lersscnkıs, Zur Kenntnis der Erblichkeit bei den einzelnen Organismen usw. 
Centralbl. f. Bakteriologie usw. II. Abt. 1904. Bd. XII. Nr. 22/24. 


k 


5. Epidemien. 15 


Wenn der Parasitismus eine bestimmte, ın der natürlichen Ent- 
wicklung der Lebewesen im Laufe der Zeiten notwendig gewordene 
Ernährungsform für gewisse Gruppen von Organismen ist, so mufs er 
im Haushalt der Natur sein Gleichgewichtsstadium haben. Es müssen 
Einrichtungen existieren, welche dem Parasitismus das Gegengewicht 
halten. Er mufs an seiner Wirksamkeit behindert werden können 
durch gleichzeitig wirksame Faktoren; denn sonst könnten die Nähr- 
organismen überhaupt nicht mehr existieren. Dieses (Gregengewicht 
liest eben darin, dafs die Parasiten ganz bestimmte, häufig enggezogene 
Existenzgrenzen haben. Eine solche Grenze, die der Parasit unter 
normalen Verhältnissen nicht zu überschreiten vermag, ist derjenige 
Zustand eines Lebewesens, den wir als „gesund“ zu bezeichnen pflegen, 
ohne ihn bis jetzt präzisieren zu können. Denn da die Verteidiger 
der extremen Parasitentheorie auch solche Mikroorganismen als gefähr- 
liche Parasiten hingestellt haben, die allenthalben saprophytisch stets 
vorhanden sind, und die Wirtspflanzen in ihrer Gesamtheit bisher doch 
nicht erlegen sind, so müssen sie eben bei ihrer normalen, d.h. herkömm- 
lichen, von Generation zu Generation sich gleichsinnig wiederholenden 
Entwicklung Schutzvorrichtungen besitzen. Als solche sehen wir 
kontinuierliche Wachs- und Korküberzüge, bestimmte Acidität des Zell- 
inhalts u. del. auftreten. 

Dais wir jetzt mit unsern Anschauungen immer mehr Anhänger 
finden, beweisen die Angaben eines unserer bedeutendsten Parasito- 
logen, des am Pasteurschen Institut tätigen METSCHNIKoFF'). Er sagt, 
nachdem er eine Anzahl von Beispielen dafür angeführt hat, dafs das 
Zustandekommen der parasitären Krankheit durch zwei Ursachen, 
nämlich erstens den Parasiten und zweitens einen im Innern des 
Organismus gelegenen Empfänglichkeitszustand bedingt wird, folgendes 
(S. 7): „Sind diese innern Ursachen ohnmächtig, die Entwicklung 
der Krankheitserreger zu hemmen, so entsteht eine Krankheit; wenn 
sie aber dem Eindringen der Bakterien festen Widerstand leisten, so 
ist der betreffende Organismus geschützt und erweist sich so als immun.“ 
(S. 6): „Man kann nicht mehr der Ansicht sein, dafs jedesmal, wenn 
ein Krankheitserreger in einen für die betreffende Krankheit empfäng- 
lichen Organismus eindringt, die Gegenwart desselben unausbleiblich 
die spezifische Erkrankung hervorruft. Lörrter’s Entdeckung der 
Diphtheriebacillen im Rachen gesunder Kinder ist seitdem häufig be- 
stätigt worden, und dennoch ist es unmöglich, an der ätiologischen 
Bedeutung dieses Bacillus für die Diphtherie zu zweifeln. Anderseits 
hat es sich gezeigt, dafs der Kochsche Vibrio, obwohl er der wahre 
Erreger der asiatischen Cholera ist, dennoch im Verdauungstractus ge- 
sunder Personen vorkommen kann.“ 

Der gesunde Organismus besitzt eben eine natürliche Immunität, 
und eine Störung derselben bildet die Bedingung für den parasitären 
Angriff. 

5. Epidemien. 


Wenn wir Endemie als eine Lokalseuche bezeichnen können, 
deren Zustandekommen an bestimmte, örtlich engbegrenzte Verhältnisse 
gebunden ist, so wird Epidemie eine Landesseuche genannt werden 


.') Immunität bei Infektionskrankheiten von Erias Merscuxikorr, Professor am 
Institut Pasteur zu Paris. Autorisierte Übersetzung von Dr. Julius Meyer. Jena, 
Gustav Fischer, 1902. 


16 I. Das Wesen der Krankheit. 


können. Der Ausdruck „Seuche“ deutet die Vielheit der erkrankten 
Individuen im Gegensatz zum vereinzelt auftretenden Krankheitsfall 
an. Epidemie kennzeichnet somit die Erscheinung, dafs gemeinsames 
Erkranken zahlreicher Individuen unter übereinstimmenden Formen 
über weite Länderstrecken Platz gegriffen hat. 


Wenn eine Epidemie ausbricht, sind also Zustände vorhanden, 


welche den Organismus zahlreicher Individuen in seinen Funktionen 
so stark erschüttern, dais er mit einem vorzeitigen Abschlufs seines 
Lebens bedroht ist oder schliefslich diesem Abschlufs zugeführt wird. 
Die Erschütterung beruht auf äufseren Ursachen. Wenn dieselben in 
Form parasitärer Organismen auftreten, so sind sie in ihrer Existenz, 
wie wir im vorhergehenden Kapitel gezeigt, abhängig von den ihre 
übermäfsige Vermehrung begünstigenden Wachstumsfaktoren, zu denen 
eine Lockerung der Immunität des Nährorganismus gehört. 

Selbst bei der Annahme, dafs ein in den verseuchten Ländern nicht 
einheimischer Parasit durch Einwanderung die Epidemie hervorgerufen 
hätte, ändert dieser Umstand nichts an der Tatsache, dafs die vor- 
handenen Wachstumsfaktoren ausschlaggebend für das 
Zustandekommen der Epidemie sind. Denn es mag einwandern, 
was will, sei es Tier oder Mycelpilz oder Bakterie, so hat diese Ein- 
wanderung für das Zustandekommen einer Epidemie keine Bedeutung, 
wenn die Einwanderer keine Gelegenheit zu grofser Vermehrung und 
Ausbreitung finden. Wer erinnert sich beispielsweise nicht an die effekt- 
reichen Darstellungen über das Einschleppen des Koloradokäfers, als den 
Vernichter unseres Kartoffelbaues, über die massenhafte Einfuhr der San 
Jose-Schildlaus, der Vernichterin unserer Obstkulturen, u. dgl.? Ein- 
geweihtere wissen auch, wie vielfach Einfuhrverbote und Desinfektions- 
zwang: bereits gefordert und teilweise erlangt worden sind zum Schutze 
gegen die Einschleppung parasitärer Pilze (White-rot des Wein- 
stocks usw.). 

Die Erfahrung hat gelehrt, dafs nicht etwa eine theoretisch er- 
träumte, aber praktisch unmögliche vollständige Abtötung oder Fern- 
haltung derartiger Parasiten uns vor Epidemien bewahrt hat, sondern 
der Umstand, dafs die genannten Schädlinge nicht den entsprechenden 
klimatischen Boden für ihre Vermehrung fanden. Umgekehrt wolle 
man sich an die Reblausplage erinnern, die trotz aller menschen- 
möglichen Anstrengungen und Aufwendung vieler Millionen immer 
weiter sich ausbreitet. Die Reblaus findet eben in Europa ge- 
nügend günstige Existenzbedingungen und trotzt deshalb solchen 
Bekämpfungsmitteln wie Grenzsperren, Desinfektion, Exstinktions- 
verfahren usw. ’ 

Man wird sich bei ruhiger Überlegung wohl allmählich klar darüber 
werden, dafs kleine und kleinste Lebewesen, die durch Gegenstände 
des Handels eingeführt werden oder gar durch Staub und Wind mit 
Leichtigkeit verbreitet werden können, tatsächlich wohl von engen, 
abgeschlossenen Räumen, aber nicht von freiliegenden, ausgedehnten 
Örtlichkeiten fernzuhalten sind, und dafs man richtiger verfährt, eine 
allseitige Verbreitungsmöglichkeit derartiger Organismen vorauszusetzen, 
aber erst dann eine wirkliche Gefahr anerkennt, wenn eine leichte Ver- 
mehrungsfähigkeit derselben nachgewiesen worden ist. 

Wenn nun bei allen parasitären Einwanderungen nicht die Gegen- 
wart des Parasiten, sondern die seine Ausbreitung begünstigenden Um- 
stände ausschlaggebend für das Zustandekommen einer Epidemie sich 


ae Zr re 


d. Epidemien. 17 


erweisen, dann ist auch die Anderung dieser Umstände das gebotene 
Bekämpfungsmittel. 

Betreffs der Abhaltungs- und Vorbeugungsmafsregeln aber gibt 
uns die Epidemie insofern besondere Fingerzeige, als sie durch "ihr 
Auftreten über grofse Länderkomplexe alle die Faktoren als Ursachen 
ausschliefst, die in den einzelnen verseuchten Landstrichen voneinander 
abweichen. Denn da trotz der Abweichungen solcher Faktoren, wie 
z. B. Lage, Bodenbeschaffenheit, Bewirtschaftungsmethode u. dgl., die 
Erkrankung grofse Individuengruppen ergreift, können diese Faktoren 
nicht die Ursache sein; vielmehr ist dieselbe in denjenigen Einflüssen 
zu suchen, die eben in den sämtlichen Ländern gleich sind, und das 
ist tatsächlich nur die Witterung. 

Bei den endemischen Krankheiten dagegen pflegen meist Boden- 
verhältnisse ausschlaggebend zu wirken. Entweder sie sind als direkte 
Krankheitsursache zu betrachten, indem sie durch ungünstige chemische 
oder physikalische Eigenschaften die Funktionen der Pflanzen dauernd 
stören, oder sie wirken indirekt, die Vermehrung der Parasiten und ihre 

. Angriffsstärke begünstigend, wobei sie in der Regel die Wachstums- 
energie der Wirtspflanzen gleichzeitig herabdrücken. Das häufigste Vor- 
kommen in dieser Richtung ist Bodennässe. Bei starker wasserhaltender 
Kraft dichter, schwerer Böden in ebener oder muldenartiger Lage pflegt 
Anhäufung von Wasser sich einzustellen, das keinen Abflufs findet und 
Sauerstoffmangel mit Kohlensäureüberschufs erzeugt. Die Pflanzen zeigen 
die Funktionsstörung durch Veränderung des Chlorophyllapparates an; 
die allmählich gelb werdenden Blätter bilden ein bequemes Ansiedlungs- 
bett für gewisse Pilzgruppen. 

Bei den Endemien und Epidemien deutet das gleichzeitige Er- 
kranken grofser Mengen von Individuen auf ein längeres Stadium 
der Vorbereitung bis zum tatsächlichen Ausbruch der 
Seuche hin. 

Denn nach unserer Auffassung aller Erscheinungen des Lebens 
als dynamische Vorgänge charakterisiert sich jede Erkrankung als die 
mittelbare oder unmittelbare Folge mechanischer Stöfse, welche die 
einzelnen Wachstumsfaktoren auf die Zusammensetzung und Funktionen 
der Substanz ausüben. Das Leben einer Zelle ist ein beständiger 
Kampf der m den labilen organischen Substanzverbindungen augen- 
blicklich. vorhandenen Schwingungsformen mit den Stöfsen , die die 
Wachstumsfaktoren unausgesetzt auf sie ausüben. Eine Änderung der 
Substanz und damit auch ihrer Funktion tritt sofort ein, wenn der 
Stofs eines Wachstumfaktors so stark ist, dafs er die bisherige 
Schwingungsform zu ändern imstande ist. 

Solange die Stöfse in ihrer Gesamtheit den Effekt haben, dafs sie 
die Entwicklung des Gesamtorganismus, des pflanzlichen Individuums, 
fördern, bleibt dıe Pflanze innerhalb der Breite der Gesundheit. Wird 
die Zelle oder der Zellenkomplex derart verändert, dafs schliefslich 
der Gesamtaufbau leidet, erfolgt die Erkrankung. 

Nun haben wir aber in der jederzeit durch Beispiele zu erhärtenden 
Tatsache der bevorzugten Erkrankung einzelner Kulturvarietäten unter 
eleichen Wachstumsverhältnissen mit andern den Beweis vor uns, dafs 
die organische Substanz den gleichen Stöfsen in den verschiedenen 
Individuen verschieden grofsen Widerstand entgegenzusetzen vermag. 
Dies würde heifsen , dafs bei dem einen Individuum mehr Stölse not- 
wendig sind, damit es aus der Breite der Gesundheit herausgebracht 

Sorauer, Handbuch. 3. Aufl. Erster Band. 2 


18 I. Das Wesen der Krankheit. 


werde. Wenn nun bei der Epidemie stets grofse Individuenmengen plötz- 
lich erkranken, so müssen sich unter diesen neben den besonders hin- 
fälligen auch solche befinden, bei denen schon eine gröfsere Menge 
von Stöfsen, also eime längere Dauer der Einwirkung nötig; ist, damit 
sie krank werden. Es mufs also bis zum Ausbruch der Epidemie eine 
längere Zeitdauer der krankheiterzeugenden Einflüsse, die wir in den 
Witterungsfaktoren erblicken, vorangegangen sein. 

Somit ist nach unserer Auffassung jede Epidemie gleichsam die 
Explosion einer längere Zeit vorher langsam stattgefundenen Ladung. 
Ihre Ursache ist daher nicht oder doch nicht ausschliefslich in den 
augenblicklich vorhandenen Wachstumsfaktoren, sondern in der Häufung 
der schon längere Zeit vorher gleichsinnig wirksam gewesenen Stöfse 
zu suchen. Bei parasitären Epidemien ist das massenhafte Auftreten 
der Mikroorganismen durchaus nicht das erste Stadium der Erscheinung, 
sondern schon ein Schlufseftfekt langer Vorbereitungen. Und diese 
Vorbereitungen bestanden einerseits im der allmählichen Herstellung 
der für die enorme Vermehrung günstigen Lebensbedingungen der 
Mikroorganismen, anderseits in der, wie wir glauben, damit stets ver- 
bundenen allmählichen Schwächung einiger und korrelativer Steigerung 
anderer Funktionen des Nährorganismus. 

Wenn wir beispielsweise die bekannteste Pilzepidemie, die Kraut- 
fäule der Kartoffeln, ins Auge fassen, so lehrt die Beobachtung, dafs 
eine Periode warmer, trüber, schwüler Tage dem Ausbruch vorherzu- 
gehen pflegt. Der Pilz, Phytophthora infestans, ist stets vorhanden. 
Seine staunenswert schnelle Vermehrung aber kommt im Freien nur 
zustande, wenn reichliche Niederschläge und eine warme, unbewegte 
Luft die Entstehung und das Ausschlüpfen der Schwärmsporen fort- 
gesetzt begünstigen. Eine derartige Witterung regt die Kartoffelpflanze 
sowie alle andern Gewächse zur Steigerung der Zuckerbildung, zu 
schnellerem Wachstum der Stengel und der erhöhten Produktion Junger 
Blätter, d. h. zur Erzeugung eines besonders empfänglichen Mutter- 
bodens für den Pilz an, der die altgewordenen Organe verschmäht. 
Daher sehen wir die Erkrankung ganzer Felder binnen wenigen Tagen. 

Wir beobachten dagegen eine Phytophthora-Epidemie nicht, wenn 
dieselben Regenmengen in derselben Zeit bei kaltem Wetter fallen. Die 
Epidemie kommt auch nicht zustande, wenn bei hoher Wärme und 
bedecktem Himmel dauernd starke Winde wehen. Ein gleichartiges 
Verhalten zeigen die Rostepidemien des Getreides. Wie die Mehrzahl 
der Pilze lieben die Getreideroste die anhaltende Feuchtigkeit; aber 
wir haben keineswegs stets in feuchten Jahren Rostepidemien, obgleich 
es kaum ein Getreidefeld geben dürfte, auf dem nicht alljährlich der 
Rost vorhanden wäre. Die Epidemie bildet sich erst aus, wenn zur 
Zeit des Vorhandenseins jugendlicher Blätter Perioden warmer Tage 
mit häufigen, wenn auch an sich unerheblichen Regenfällen ein längeres 
Festhalten der Feuchtigkeit zwischen den Pflanzen ermöglichen. Kalte, 
nasse Sommer lassen keine Rostepidemien sich entwickeln. Ahnliches 
beobachten wir bei bakteriosen Epidemien. 

Also Epidemien sind Krankheitsformen, die nur durch weitgreifende 
Faktoren gezeitigst werden. Nur bestimmte Witterungskombinationen 
von längerer Dauer sind als die einleitende Ursache zu betrachten. 
Natürlich wird die Intensität der Epidemie lokal variieren, weil örtliche 
Faktoren spezielle Begünstigungen schaffen werden. Daraus erklärt 
sich das Auftreten von Nestern, in denen die Seuche zuerst erscheint 


u a 


5. Epidemien. 19 


und am spätesten verschwindet, falls nicht alle Individuen gemeinsam 
in kurzer Zeit abgetötet werden. Daraus erklärt sich ferner der Rück- 
gang der Epidemie zur Endemie, d.h. zu engbegrenzten Krankheits- 
herden. Unter den durch tierische Parasiten hervorgerufenen Epidemien 
sind die durch Getreidefliegen veranlafsten bei uns die häufigsten. Sie 
pflegen zustande zu kommen, wenn nach günstigen Überwinterungs- 
bedingungen für die vereinzelt in manchen Geg enden stets vorhandenen 
Getreidefliegen Perioden anhaltend warmer, trockner Witterung ein- 
treten. Soweit statistische Angaben bis jetzt reichen, lassen sich bereits 
mehrfach bevorzugte Herde und Ausgangspunkte der seuchenartigen 
Ausbreitung feststellen. So erweist sich beispielsweise die Provinz 
Posen für Getreidefliegen als besonders günstiger Boden, von dem aus 
eine Epidemie nach Brandenburg, Pommern und Westpreufsen aus- 
zustrahlen pflest. Der ganze Osten Deutschlands leidet mehr an 
Fliegenschäden als der Westen, Nordwesteuropa pflegt häufiger und 
intensiver von der Kartoffelfäule heimgesucht zu werden als der Süd- 
westen und Südosten usw. 

Nach den hier entwickelten Anschauungen mufs eine Behandlung 
der Epidemien durch die Bekämpfung der zutage tretenden Symptome 
die geringste Aussicht auf Erfolg bieten, weil diese Symptome eben 
nur Folgeerscheinungen von lange vorher liegenden Anfangsstadien sind. 
Wenn die Parasiten erst in ung ‚cheurer Vermehrung vorhanden, erweist 
es sich vergeblich, nun die Mikr« oorganismen abtöten zu wollen, weil kein 
Insekticid oder Fungicid sie auch nur annähernd der Hauptmasse nach 
erreicht und noch weniger sie zum Absterben bringt. So wie die 
Seuchen sich durch allgemeine, im grofsen wirkende Faktoren einleiten, 
müssen sie durch grofse Mittel bekämpft werden, welche bei Parasiten 
die Existenzbedingungen unterbinden und die Konstitution, d. h. die 
Funktionsrichtung® des Nährorganismus ändern. Wenn beispielsweise 
lange Nässeperioden die bakteriosen Kartoffelrotze, die wir als „Nafs- 
fäule“ zusammenfassen, in epidemischer Ausbreitung auftreten lassen, 
kann ein anderes Mittel als gesteigerte Bodendurchlüftung kaum zur 
Anwendung gelangen. Soweit es sich um spezifische Anaörobien 
handelt, wird durch die erhöhte Sauerstoffzufuhr denselben der be- 
eünstigende Wachstumsfaktor (Sauerstoffmangel bei Kohlensäureüber- 
schufs) entzogen und aufserdem ihnen sowie “den andern Bakterien die 
Grundbedingung reichlicher Vermehrung, der Wasserreichtum, ver- 
mindert. In dieser Weise arbeitet auch die Natur im grofsen. Wenn nach 
den Regenperioden trocknes, windiges Wetter längere Zeit anhält, 
so dafs der Boden abtrocknet und eine reichliche Luftzirkulation sich 
einstellt, kommen die Rotzerkrankungen von selbst zum Stillstand. Die 
Empfehlung aller Mafsnahmen zur speziellen Beseitigung von Infektions- 
material durch Entfernen rotziger Kartoffeln vom Acker oder tiefes 
Unterackern oder Verbrennen von pilzkrankem Stroh bei Getreide- 
epidemien halten wir für Arbeiten, deren Erfolg bedeutungslos gegen- 
über den Wirkungen der veränderten Lebensbedingungen für die 
Parasiten sind. Die Menge des Ansteckungsmaterials kommt bei Er- 
krankungen weiter Gebiete gar nicht in Betracht, zumal bei Rotz- 
krankheiten Bodenbakterien mitwirken, die einen eisernen Boden- 
bestand bilden. Wenn atmosphärische Einflüsse sich im bestimmten 
Böden derart geltend machen, dafs gewisse Bakteriengruppen die 
Kartoffeln oder andere Feldfrüchte anzugreifen vermögen, ist die Zahl 
der ursprünglich vorhandenen Krankheitser 'eger fast bedeutungslos. 

DE 


20 I. Das Wesen der Krankheit. 


Die letztgenannten Beispiele betreffs parasitärer Epidemien durch 
solche Mikroorganismen, die im Boden oder der Luft als stets vorhanden 
anzunehmen sind, machen uns aber klar, wie geringe Aussicht auf Erfolg 
jeglicher Bekämpfung einer einmal ausgebrochenen Epidemie sich 
bietet. Ein gröfserer Schutz unserer Kulturen liegt in der vor- 
beugenden Methode. Ein solches prophylaktisches Verfahren bei 
Epidemien kann sich, abgesehen von der Ausbildung der allgemeinen 
Pflanzenhygiene, aber dadurch einleiten lassen, dafs wir eine Topo- 
graphie der Seuchen, d. h. eine Zusammenstellung der Seuchen- 
herde für jede emzelne Epidemie schaffen. In der Übereinstimmung 
gewisser Merkmale bei einer Anzahl von Seuchenherden zeichnen sich 
dann einzelne Faktoren als grundlegend für das Zustandekommen einer 
Epidemie besonders aus, wie z. B. die Trockenheit bei leichten Boden- 
arten als begünstigend für die Fliegenepidemie bei Getreide oder für die 
Herzfäule bei Zuckerrüben sich erweist usw. Nach Feststellung der- 
artig gefährlicher Witterungs- und Bodenkombinationen für jede einzelne 
Epidemie wird man vorbeugend durch Kulturmafsnahmen eingreifen 
können, sobald die bedrohlichen Kombinationen einige Zeit anhalten. 
Direkt parasitentötende Mittel, wie Kupfervitriolbespritzungen oder 
Schwefelbestäubungen, werden nur dann epidemienhindernd wirken, 
wenn sie vorbeugend gebraucht werden. 


6. Künstliche Immunisierung und innere Therapie. 


Es ist naturgemäfs, dafs im der Phytopathologie sich derselbe 
Ideengang entwickelt wie in der Medizin, und demgemäfs nicht auf- 
fällig, dafs allmählich die Ansicht zutage tritt, die Pflanzen künstlich 
zu immunisieren, d. h. ihre Körperbeschaffenheit oder Säftemasse derart 
zu ändern, dafs die Parasiten nicht mehr den erforderlichen Nährboden 
zur Ansiedlung bezw. zu einer gröfseren Ausbreitung finden. 

Es liegen bereits mehrere Arbeiten in dieser Richtung vor, bei 
denen teils, der Serumtherapie folgend, Immunisierungsstoffe von 
den Parasiten selbst abgeleitet zur Verwendung gelangten, teils Mineral- 
salze benutzt wurden. Zur ersteren Richtung gehören die Versuche 
von BeAuVErIE!), der mit Botrytis cinered experimentierte, und von 
Rıy?), der die verschiedenartigsten Parasiten ın Angriff nahm und zu 
dem Resultate gelangte, dafs die parasitären Organismen sich in künst- 
lichen Kulturen durch das Nährmedium beeinflussen lassen. Dabei 
erweist sich ihre Virulenz stets geringer als unter natürlichen Verhält- 
nissen. Durch Auslaugen der Kulturen lassen sich Flüssigkeiten ge- 
winnen, die zur Immunisierung der Wirtspflanze des betreffenden 
Organismus verwendbar sind. Nun schliefst der Autor weiter: die 
infizierten Pflanzen bilden doch eigentlich auch Kulturen des betreffenden 
Parasiten; mithin müssen sich durch Zerreiben und Extrahieren der 
erkrankten Pflanzenteile Flüssigkeiten gewinnen lassen, die eine W irkung 
ähnlich der des Parasiten selbst auszuüben imstande sein werden. Wenn 
man sie durch erhöhte Temperatur modifiziert, kann man sie zum 
Immunisieren verwenden. 


!) Beauverie, J., Essai d’immunisation des vegetaux contre les maladies 
eryptogamiques. Compt. rend. Paris 1901. II, S. 107. 

2) Ray, J., Cultures et formes attenudes des maladies cryptogamiques. Compt. 
rend. Paris 1901. IL S. 307. 


ie 


6. Künstliche Immunisierung und innere Therapie. Di 

Als Vertreter der andern Richtung der Immunisierungsversuche 
ist besonders E. MarcHaAL!) zu nennen, der mit Mineralsubstanzen 
arbeitete, die teils zu den Nährstoffen gehören, teils als Gifte anzu- 
sprechen sind. Er säte Salat in Sıcas’scher Nährlösung unter Zugabe 
pilztötender Stoffe aus. Die jungen Pflänzchen wurden nach Ent- 
wicklung der ersten zwei bis drei Blättchen mit Zookonidien von 
Bremia Larctucae infiziert und dann in feuchter Luft erhalten. Die nicht 
durch pilztötende Stoffe in der Nährstofflösung immunisierten Pflanzen 
wurden alsbald vom Pilze angegriffen. Von den verwendeten Salzen 
erwies sich eine Beigabe von drei bis vier Zehntausendsteln Kupfer- 
vitriol zur Nährlösung als deutlich resistenzerhöhend. Eine Beigabe 
von Yıoooo Kupfervitriol zeigte keinerlei immunisierende Wirkung mehr. 
Mangansulfat wirkte weniger vollkommen, Eisenvitriol gar nicht. Auch 
Kalisalze (bis ?/ıvo) vermochten die Resistenz zu erhöhen, während Nitrate 
und merkwürdigerweise auch Phosphate sie verminderten. 

Die Idee, durch Anderung des Zellsaftes mittels Zufuhr fremder 
Substanzen die Empfänglichkeit des Individuums gegen pflanzliche 
Parasiten zu vermindern, wurde auch von Zoologen aufgegriffen, die 
von der Erfahrung ausgingen, dafs parasitäre Tiere, z. B. Schildläuse, 
namentlich gern geschwächte Pflanzen aufsuchen. 

Nunmehr war auch der Gedanke nahegelegt, allgemeine Schwäche- 
zustände bei Konstitutionskrankheiten sowie Empfänglichkeitszustände 
parasitären Angriffen gegenüber dadurch zu heilen, dafs man Salze be- 
stimmter Art dem Pflanzenkörper extra-radical zuführte. Diese nicht 
durch die Wurzeln besorgte Stoffaufnahme wurde „innere Therapie“ 
genannt und methodisch ausgebildet. 

. Im Jahre 1894 veröffentlichte J. ScHEwYRJ0Y?) einen Artikel: 
„Uber die Durchtränkung des Holzes lebender Bäume mit Farbstoff- 
lösungen“ und beschrieb dabei die von ihm dazu konstruierten Apparate, 
die wır hier als Nährröhre und Nährwanne bezeichnen. Die Röhre ist 
von Stahl, an einem Ende zugespitzt und wird mit diesem Ende in 
die Rinde eingetrieben, während das andere Ende derselben mittels 
eines Korkes verschlossen wird, durch dessen ‚Mitte ein Bohrer hin- 
durchgeht. Die Röhre wird durch besondere Öffnungen mittels eines 
Schlauches aus einem gröfseren Behälter mit der Versuchsflüssigkeit 
gefüllt. Hierauf wird der Bohrer langsam bis zu der gewünschten 
Tiefe in das Holz eingeführt, wobei in den so gebildeten Kanal un- 
mittelbar nach dem Bohrer Flüssigkeit (nicht aber Luft) eintreten kann. 
Der Verfasser, der auch noch andere Apparate konstruiert hat, erwähnt 
hierbei die Versuche Harrıe’s, die den Nachteil hatten, dafs Luft in die 
Wunde eintreten konnte. Er führt sodann Versuche an, die 1895, 1896 
und 1901 in der Krim von Gartenbesitzern zur Heilung der Chlorose aus- 
geführt worden sind. 

Später veröffentlichte Morrzeckı®) eine Anzahl nach derselben 
Methode ausgeführter, gelungener Versuche der Heilung der Chlorose 
an Obstbäumen, wobei er auch hervorhebt, dafs die Schildläuse von 
den geheilten Zweigen verschwunden wären. Er sowohl wie SCHEWYRJOV 


1) Marcnatv, E., De l’immunisation de la laitue contre le meunier. Compt. 
rend. 1902. CXXXV, S. 1067. ’ 

2?) Iwan Scuewyrsov, Berichtigung usw. Zeitschrift für Pflanzenkrankheiten. 
1904. S. 70. 5 

3) Morxzeokı, 8. A., Über die innere Therapie der Pflanzen. Zeitschr. f. 
Pflanzenkrankheiten. 1903. S. 257. 


22 I. Das Wesen der Krankheit. 


setzen grolse Hoffnungen auf dieses Verfahren nicht nur betreffs der 
Hebung konstitutioneller Ernährungsstörungen, sondern auch bezüglich 
der Vertreibung parasitärer Organısmen. 

Ich persönlich stehe der Frage kühler gegenüber und meine, dafs 
die Wirksamkeit der Methode eine sehr beschränkte sein wird. Nach 
meinen mit Giften ausgeführten Versuchen der Einführung von Lösungen 
in den Stamm bleibt die Wirkung immer lokal und strahlt von der Ein- 
führungsstelle im besten Falle auf eine Anzahl Aste und eine gröfsere 
Stammstrecke hin allmählich aus. Die durch die Wurzelernährung: be- 
dingte Konstitution der Pflanze wird dadurch nicht verändert. Ich 
sah bei meinen Versuchen mit Oxalsäure das Entstehen von Gummi- 
flufs an Kirschbäumen bei einer Anzahl von Ästen, die zum Teil später 
abstarben; aber im folgenden Jahre ging die Gummose nicht weiter, und 
die Bäume produzierten fernerhin wieder gesunde Triebe. Ebenso wie 
diese giftige Lösung wird auch jede Nährstoffmischung oder ein Heil- 
serum auf enge Grenzen beschränkt bleiben und im besten Falle einen 
vorübergehenden guten Einflufs ausüben; aber die physiologische 
Arbeitsrichtung der ganzen Pflanze wird nicht dauernd verändert 
werden können. 


7. Prädisposition. 


Als „Prädisposition“ bezeichnen wir diejenigen Zustände, welche 
gewisse Individuen leichter und schneller einer Krankheitsursache zu- 
gänglich machen als andere Individuen derselben Art. 

Dais derartige Fälle existieren, ja sogar die Regel bilden, beweisen 
die täglichen Erfahrungen bei dem Massenanbau einer Kulturpflanze. 
Diese Erfahrungen haben im Sprachgebrauch bereits ihren Ausdruck 
gefunden, da wir von zarten und harten Varietäten und von verzärtelten 
Individuen sprechen. Die Beobachtungen zeigen, dafs nicht nur die 
verschiedenen Kulturvarietäten derselben Pflanzenart, sondern auch 
die einzelnen Individuen derselben Varietät sowohl den Witterungs- 
extremen, wie z. B. Kälte und Hitze, als auch parasitären Angriffen 
gegenüber eine verschieden groise Widerstandskraft besitzen. In letz- 
terer Beziehung genügt der Hinweis, dafs die Praktiker und ebenso 
auch die wissenschaftlichen Forscher jetzt die Forderung aufstellen, 
widerstandsfähigere Varietäten zu züchten. 

In welcher Weise eine gröfsere individuelle Geneigtheit, einem 
parasitären Angriff zu erliegen, zustande kommt, darüber sind wir vor- 
läufig nur in der Lage, die Richtung anzudeuten. Wir haben in den 
vorigen Abschnitten bereits der Untersuchungen gedacht, welche zeigen, 
wie für bestimmte Mycelpilze einzelne Stoffgruppen, die in der Pflanzen- 
zelle produziert werden, wie z. B. Zucker, in gewisser Konzentration 
anlockend, in anderer repulsiv wirken. Die Menge dieser Stoffgruppen 
wird von den verschiedensten Faktoren bestimmt, wie wir im nächsten 
Kapitel noch eingehender zeigen wollen. ‚Je nachdem nun die Quantität 
derartiger Stoffwechselprodukte grofs oder klein ist, wird sie für die 
Ernährung eines Parasiten sich begünstigend, im andern Falle aber 
ungeeignet erweisen. 

Um in dieser Beziehung wenigstens ein Beispiel hier anzuführen, 
verweisen wir auf die Untersuchungen von Vrara und PAcorter!) 


1) Vıara, P., et Pacorrer, Sur la culture du black-rot. Compt. rend. Paris 
1904. T. CXXXVILL S. 306. 


8. Prädisposition und Immunität. 93 
über die Blackrot-Krankheit des Weinstocks. Die mit dem die Krank- 
heit erzeugenden Pilze Gwignardia Bidwellii unternommenen Kulturen 
stellten fest, dats die Entwicklung des Pilzes in erster Linie vom Gehalte 
des Nährsubstrats an Zucker und organischen Säuren abhängig ist. Nur 
junge Blätter wurden infiziert; sie enthielten 1,75 o Weinsäure und 

4,3%o Glukose, während die alten Blätter nur St der genannten 
hoffe erkennen liefsen. Die Beeren waren von der Zeit an empfäng- 
lich, wo sie zu schwellen begannen, und diese Empfänglichkeit hielt 
bis zum Beginn des Reifestadiums an. Während dieser Zeit besafsen 
sie 32 bis 24°0 Säure und „i bis 56° Zucker. Während der Reife 
sinkt der Säuregehalt auf 9 bis 2°o, der Zuckergehalt steigt aber 
dabei so bedeutend, dafs nunmehr der Pilz die Beeren nicht an- 
zugreifen vermag. Mit dem Weifsfäulepilz verhält es sich dagegen 
gerade umgekehrt. Aus diesem Verhalten erklärt sich die auffällig 
verschiedene Widerstandsfähigkeit der einzelnen Rebsorten. Ebenso 
erklärt sich der Umstand, dafs Blackrot-Epidemien im Sommer nach 
Kälteperioden mit nachfolgenden leichten Regenfällen aufzutreten pflegen. 
In dieser Zeit ist nämlich der Säuregehalt besonders grofs und die Zucker- 
bildung gering. 

Ahnliche Schwankungen in der Konzentration des Zellsaftes bilden 
im Verein mit den Lockerungserscheinungen der Membranen, den 
wechselnden Spannungsvorgängen in den Geweben und andern mecha- 
nischen Veränderungen auch die Zustände gröfserer Empfindlichkeit 
der Pflanzen gegen Witterungsextreme; und die neuere Forschung 
ist bemüht, immer mehr makro- und mikroskopische Merkmale aufzu- 
finden, welche die Stadien gröfserer Hinfälligkeit auch schädlichen 
parasitären Angriffen gegenüber charakterisieren. 

Die in dem vorliegenden Beispiele geschilderten Zustände der ge- 
steigerten Neigung des Weinstocks, dem Blackrot-Pilze zugänglich zu 
sein, sind ganz normale Entwicklungsphasen , die von der’ Witterung 
beeinflufst werden, und wir dürfen daher solche Zustände als nor- 
male Prädisposition ansprechen. Dieser gegenüber wäre als ab- 
norme Prädisposition der Fall zu unterscheiden, bei welchem die 
Pflanze oder ein Organ derselben durch andere Einflüsse bereits in 
einen Zustand der Schwäche oder des Siechtums geraten ist, und in 
dieser Verfassung erst einer Krankheitsursache die gewünschte Anoriffs- 
fläche bietet. Als Beispiel erinnern wir an die Besiedlung honietau- 
kranker Blätter durch die Schwärzepilze, an die Angriffe der sog. 
Schwächeparasiten und die Einwanderung holzzerstörender Schwämme 
von Wundflächen aus. 


8. Prädisposition und Immunität. 


Wir haben in einem früheren Kapitel bereits hervorgehoben, dafs 
unsere Anschauungen über das Zustandekommen parasitärer Er- 
krankungen eine Unterstützung von berufenster Seite erfahren haben. 
METSCHNIKOFF !), der als Professor am Pasteur’schen Institut für Infektions- 
krankheiten wohl unbestritten als genauer Kenner der pathogenen Mikro- 
organismen anzusehen ist, äufsert sich folgendermafsen: „. Exakte 
bakteriologische Untersuchungen haben zu dem Resultat geführt, dafs 
innerhalb der reichen Bakterienflora, welche der gesunde Mensch be- 


1) Merschsikorr, Immunität bei Infektionskrankheiten. Jena 1902. S. 6 


24 I. Das Wesen der Krankheit. 


herbergt, sich auch oft die Vertreter der pathogenen Bakterienarten 
finden. Abgesehen von dem Diphtheriebacillus und dem Choleravibrio, 
welche ja so häufig vollvirulent bei ganz gesunden Menschen nach- 
gewiesen worden sind, hat es sich gezeigt, dafs gewisse pathogene 
Mikroorganismen, der Pneumokokkus, die Staphylokokken, Strepto- 
kokken und Oolibacillen, sich regelmäfsig oder fast stets in der Mikroben- 
flora des gesunden Menschen vorfinden. 

Diese Entdeckung hat mit Notwendigkeit zu der Folgerung führen 
müssen, dafs aufser dem Krankheitserreger noch eine 
zweite Ursache für die Infektionskrankheiten besteht, nämlich 
die Disposition oder der Mangel an Immunität. Ein Individuum, 
welches eine der genannten pathogenen Bakterienarten beherbergt, be- 
thätigt gegenüber denselben eine dauernde oder vorübergehende Wider- 
standsfähigkeit. Aber sobald die Ursache dieser Immunität schwindet, 
ergreift der Krankheitserreger die Oberhand und ruft die spezifische 
Erkrankung hervor.“ 

Betreffs der Immunität der Pflanzen erinnert METSCHNIKOFF an die 
von uns bereits erwähnten Untersuchungen von DE Barry!) über Botrytis, 
deren Mycel die Zellwände zu durchbohren imstande ist, weil es eine 
Flüssigkeit absondert, „welche ein verdauendes Ferment und die für 
dies Ferment notwendige Oxalsäure enthält. Das Vorhandensein dieser 
Art von Toxin konnte pe BarY in der Mazeration des Mycels der 
Sclerotinia nachweisen .... Erhitzt man den Saft auf 52°, so vermag 
er die Cellulosemembranen nicht mehr zu verdauen, ist jedoch noch 
imstande, Plasmolyse hervorzurufen .... Die Resultate von DE Bary's 
Untersuchungen sind durch Laurent?) bestätigt und zum Theil ver- 
vollständigt worden.“ 

Wir haben diesee Tatsachen mit den Worten METSCHNIKOFFS wieder- 
gegeben, um dessen Anschauungsweise zu charakterisieren. Der hier 
in Betracht kommende Hauptfaktor, nämlich die Wirksamkeit des 
Fermentes gegen jugendliche, seine Unwirksamkeit gegen alte Mem- 
branen, gibt dem Verfasser Veranlassung zu dem Vergleich der Botrytis- 
Erkrankungen mit den Kinderkrankheiten bei Menschen (Masern, Schar- 
lach). Ahnlich den Membranveränderungen bei dem Altern der Zellen 
wirken in andern Fällen die verschiedenen Verkorkungs- und Kork- 
bildungsprozesse, wie sie beispielsweise bei Wunden gefunden werden. 
Betreffs dieser hebt METSCHNIKOFF, gestützt auf Untersuchungen von 
Massart®), hervor, dafs die Organe je nach ihrem Alter verschieden auf 
den traumatischen Reiz antworten. Junge Blätter von Oliwa z. B. 
reagieren durch Callusbildung, ältere mit einfachem Wundschlufs durch 
eine Korklage. Weitere Schutzmittel bilden Ole, Harze, Balsame, 
Milchsäfte und Gummiharze, die bei Verwundungen austreten. 

Eingehend behandelt der Verfasser die Studien von LAuRENT*®), 
welche im zweiten Teile dieses Werkes bei den Bakterien sich wieder 
erwähnt finden. An dieser Stelle wollen wir aber die Immunitäts- 
vorrichtungen gegen bakterielle Angriffe besonders betonen. Die Art 
des Colibacillus, mit der LAURENT arbeitete, scheidet ein die Cellulose 
der Kartoffelknollen lösendes Ferment aus und produziert anderseits 


!) De Barry, Bot. Zeit. 1866. 

2) Laurent, Annal. de l’Institut Pastreur. Bd. XIII, S. 44. 

3) Massarr, La cicatrisation chez les plantes. Brüssel 1897. 

*#) Laurent, Recherches experimentales sur les maladies des plantes. Annal. 
de l’Inst. Pısteur. Cit. Zeitschr. f. Pflanzenkr., 1900. S. 29. 


% 


: 


8. Prädisposition und Immunität. 35 


einen alkalisch reagierenden Saft, dessen Anwesenheit zum Zustande- 
kommen der Verdauung seitens der Bakterien nötig ist. Nun ist zwar 
Baeillus coli communis von Natur aus kein Pflanzenparasit; er läfst sich 
aber in einen solchen verwandeln. Dies geschieht, indem man ihn zuerst 
auf Kartoffeln kultiviert, deren Widerstandskraft durch Eintauchen in 
alkalische Lösungen geschwächt ist, und ihn dann auf dieselbe Kartottel- 
sorte überträgt. Der Kampf zwischen Colibacıllus und Kartoffel be- 
ruht also eigentlich auf der chemischen Wirkung der alkalischen 
Sekrete des ersteren gegen den sauren Zellsaft der Kartoffel. Nach 
einer Düngung mit Kalisalzen und Phosphaten widerstanden Möhren 
und Kartoffeln dem Bacillus. Dagegen zeigte eine Phosphatdüngung 
bei Topinambur, dafs diese nun empfindlicher gegen einen Mycelpilz, 
die Botrytisform der Selerotinia Libertinia, wurde. 

Ebenso deutlich zeigt sich der Einflufs starker Stickstoffdlüngung 
in einer Verminderung der Widerstandsfähigkeit der Kartoffeln nach 
unsern Beobachtungen gegenüber der Nafsfäule. BReichliche Düngung 
mit Nitraten, Ammoniaksalzen oder Stallmist läfst selbst die wider- 
standsfähigsten Sorten der Kartoffelfäule erliegen. Laurent erklärt sich 
das verschiedenartige Verhalten der Parasiten gegenüber derselben 
Düngung dadurch, dafs bei den Bakterien das ausgeschiedene Ferment 
die Zellmembran nur in alkalischen oder schwachsauren Säften an- 
zugreifen vermag. Eine gesteigerte Acidität des Zellsaftes, wie solche 
durch die Bildung saurer Salze infolge der Phosphatdüngung angeregt 
wird, macht die Pflanze diesen Spaltpilzen gegenüber nun immun. Die- 
selben Ergebnisse betreffs der schützenden Wirkung der Phosphorsäure 
erhielt ich bei Düngungsversuchen mit Zuckerrüben, bei denen Baeillus 
Betae stark verbreitet war und die bakteriose Gummosis oder Schwanz- 
fäule hervorrief. Das Uberhandnehmen der Bakteriosen bei reichlicher 
Anwendung von stickstoffhaltigen Düngemitteln liefse sich in der Weise 
erklären, dafs die Acidität des Zellsaftes dadurch verringert wird. Für 
die Sclerotinia liegen die Verhältnisse (nach pe Bary) gerade umgekehrt. 
Das Ferment derselben verdaut die Zellmembran nur in saurer Flüssig- 
keit. Ähnlich dürften sich die meisten Mycelpilze verhalten. 

Wenn im vorliegenden Beispiel in der wechselnden Beschaffenheit 
des Zellsaftes bald ein Immunitätsfaktor, bald ein zu parasitärer Er- 


 krankung: disponierender Umstand uns entgegentritt, so werden wir 


durch MerschniKorfr (a. a. O. S. 30) auf einen weiteren Vorgang hin- 
gewiesen. Er citiert die Untersuchungen von VAN RYSsELBERGHE!), der 
namentlich bei Epidermiszellen von Tradescantia fand, dafs dieselben, 
in eine konzentriertere als die bisher gewohnte Lösung gebracht, eine 
Steigerung des intracellularen Druckes zeigen; bei dem umgekehrt 
angestellten Versuch nimmt der Druck ab. Diese Veränderungen des 
osmotischen Druckes werden durch die Verschiedenheit der Kon- 
zentration des Zellsaftes verursacht, und diese ist wiederum als die 
Folge chemischer Veränderungen anzusehen. Kommt die Zelle mit 
einer zu hoch konzentrierten Lösung in Berührung, so bildet sıe 
Oxalsäure, welche stark osmotisch wirkt. Im normalen Safte wies 
van RYSSELBERGBE bei Tradescantia Apfelsäure und nur in seltenen 
Fällen Spuren von Oxalsäure nach. Nach mehrtägigem Liegen des 
Pflanzenteils in stark konzentrierter Rohrzuckerlösung fand sich Oxal- 


') Osmotische Reaktion der Pflanzenzellen. M&moires couronnes de l’Academie 
r. d. Belgique. Brüssel 1899. 


26 I. Das Wesen der Krankheit. 
säure in deutlich wägbaren Mengen. Demnach pafst sich die Pflanze 
der höhern Konzentration ihres Mediums an und produziert Oxalsäure, 
um den Druck des Zellsaftes zu steigern. Vermutlich hat sich die 
Säure auf Kosten des Traubenzuckers gebildet. Der gesteigerte Säure- 
gehalt wird als Schutzmittel gegen bakterielle Angriffe wirken; er 
wird seitens mehrerer Forscher auch als Abwehrmittel gegenüber den 
Angriffen von Schnecken und Blattläusen gedeutet. 

Sehr bedeutsam erscheinen uns die Versuche mit Tradescantia in 
umgekehrter Richtung. Wenn man Gewebe dieser Pflanze aus einer 
hochkonzentrierten Lösung in eine stark verdünnte brachte, so wurden 
im Zellsaft Niederschläge von Kalkoxalatkristallen beobachtet, wo- 
durch eine Verminderung des osmotischen Druckes eingeleitet wurde. 
Bei dem Zurückbringen des Pflanzenteils in eine stärkere Lösung sah 
man infolge erneuter Säurebildung die Oxalatkristalle sich wiederum 
lösen. Ich sah bei dem Austreiben der Kartoffelknollen einen Teil des 
Kalkoxalatsandes verschwinden, was wohl auch der gesteigerten Säure- 
bildung zugeschrieben werden darf. 

Diese Selbstregulierung des Säuregehaltes behandelt auch PFEFFER !), 
indem er darauf aufmerksam macht, dafs durch die an Basen gebundenen 
organischen Säuren doch vielfach der Turgor erzeugt wird. Da sich 
derselbe während und nach dem Wachstum konstant erhält, mufs mit 
der Volumzunahme der Zelle und der dadurch erzielten Verdünnung 
des Zellsaftes die Säurebildung in entsprechendem Mafse beschleunigt 
werden. ‚Jede auisergewöhnliche Turgorsteigerung, wie z. B. bei dem 
Arbeiten gegen Widerstände, wird dementsprechend eine Vermehrung 
der Säureproduktion in sich schliefsen. Umgekehrt ist z. B. bei Crassu- 
laceen eine Verminderung des Säuregehaltes bei Temperaturerhöhung 
und durch die Beleuchtung nachgewiesen worden. Gleichsinnig mit 
diesen Resultaten sind die von CHarABoT und HEBERT?) erlangten. Im 
Schatten wuchs die Menge der zusammengesetzten organischen Säuren 
sehr wesentlich. Auch die freien flüchtigen Säuren erfahren eine 
Steigerung. Der Gehalt an diesen ist in etiolierten Pflanzen gröfser 
als in andern. Die Unterdrückung der Inflorescenzen vermehrt ihn in 
den Blättern auf Kosten der andern Organe. 

Für unsere Betrachtungen über die Prädisposition und Immunität 
haben wir als Beispiel aufser dem Säuregehalt noch den Zuckergehalt 
herbeigezogen. Welchen Schwankungen derselbe schon durch den 
Temperaturwechsel ausgesetzt ist, geht am besten aus den von PFEFFER 
(Physiologie I, S. 514) citierten Untersuchungen von FISCHER?) hervor. 
Bei den sogenannten Stärkebäumen, wie Linde und Birke, sieht man 
bei dem Überführen von Zweigen im Winter aus dem Freien in das 
warme Zimmer, dafs sich binnen wenigen Stunden in der Rinde Stärke 
bildet, aus der in der Kälte wieder Zucker entsteht. Durch den Wechsel 
der Temperatur läfst sich diese Umwandlung wiederholt herbeiführen. 
Und eine derartige Zuckerbildung scheint bei vielen Pflanzen durch 
Temperaturerniedrigung einzutreten. Wenn nun durch irgendwelche 
Ursachen der aus der Stärke gebildete Zucker aus einem Organ ab- 
geführt wird, kann das gesamte Gewebe verarmen. Einen Beweis da- 


!) Pflanzenphysiologie, II. Aufl., I. Bd. S. 487. 

2) Cnarasor, Evc., et Hüserr, Recherches sur l’acidite vegetale.. Compt. rend. 
hebd. 1904. CXXXVIIL, 1714. 

3) A. Fıscner, Jahrb. f. wiss. Bot. 1891, Bd. 22. 


8. Prädisposition und Immunität. 237 
für liefert PFEFFER durch die in semem Institut ausgeführten Ver- 
suche von HansTEEN!) und Purikwitsch?). Es gelang nämlich, durch 
dauernde Entführung des diosmierenden Zuckers die isolierten Endo- 
sperme von Gräsern sowie die abgetrennten Kotyledonen von Phase- 
olus usw. zur Entleerung der Stärke, die einzelne Zwiebelschuppe von 
Allium Cepa zur Abgabe der Glykose zu bringen. Wenn nur wenig Wasser 
vorhanden war, in das der Zucker aus den Organen übergehen konnte, 
trat alsbald Stillstand in der Entleerung ein, weil schon eine zwei- bis 
dreiprozentige Zuckerlösung die Stärkeumwandlung sistiert. Es mufs 
also viel Wasser vorhanden sein oder sonstige Ableitung sich bieten, 
wenn die Entleerung vollständig sein soll. Wurde die Zuckerlösung 
noch konzentrierter den Organen dargeboten, konnte umgekehrt eine 
Wiederanfüllung derselben mit Stärke festgestellt werden. 

Diese Beispiele mögen genügen, um zu zeigen, wie im Pflanzen- 
leibe sämtliche Stoffwechselvorgänge und infolge derselben sämtliche 
Aufbauprozesse beständigen quantitativen Änderungen unterliegen, die 
von dem ersten Angriffspunkte eines die Anderung veranlassenden 
Faktors nach allen Seiten hin ausstrahlen. Jede lokal auftretende 
Änderung ist eine Störung des bisherigen Gleichgewichtszustandes in 
der molekularen Lagerung. Wenn die Störung sich in einer Zelle voll- 
zieht, mufs sie, soweit diffusible Stoffe in Betracht kommen, in die 
Nachbarschaft sich fortpflanzen, wie alle dynamischen Vorgänge. 

Jeder Ort, an dem ein Neubau sich vollzieht, ist ein Verbrauchs- 
zentrum; die Stoffzufuhr nach dem Neubau führt zur Entleerung 
anderer Örtlichkeiten. Jede lokale Steigerung in der Photosynthese 
übt ihre Wirkung auf die zunächst unbeteiligte Umgebung aus. — Und 
nun wirken ununterbrochen die einzelnen Wachstumsfaktoren auf den 
Pflanzenleib ein und stören die augenblickliche Gleichgewichtslage bald 
in dieser, bald in jener Richtung. Wir haben also ein fortwährendes 
Hin- und Herfluten aller Lebensvorgänge vor uns, das noch verstärkt 
wird durch die eiene Reaktionsfähigkeit des Individuums. Denn wir 
dürfen nicht vergessen, dafs zur Herstellung des gestörten Gleich- 
gewichts der Organismus bemüht sein wird, seine Produktion an 
einzelnen Stoffen zu steigern. Wenn z. B. eine durch die Ernährung 
bedingte Vermehrung basischer Verbindungen sich einstellt, wird em 
erhöhter Säuregehalt herbeigeführt werden müssen und umgekehrt. Und 
innerhalb dieser notwendig sich ergebenden fortdauernden Schwankungen 
liegen die Zustände, die wir als normale Prädisposition bezeichnen. 
Dabei kann derselbe Zustand, der ein Hinfälligkeitsstadium einer be- 
stimmten Krankheitsursache gegenüber darstellt, eimer andern Er- 
krankungsursache gegenüber sich als Immunitätsstadium betätigen. Be- 
weise dafür bieten die angeführten Beispiele einer Hyperacidität des 
Zellsaftes, die immunisierend gegenüber gewissen Bakterienangriffen 
und prädisponierend für Mycelpilze sich erwiesen hat. In dem ver- 
mehrten Zuckergehalt, verbunden mit dem turgorsteigernden Einflufs 
der Säure, erkennen wir einen prädisponierenden Zustand für Frost- 
beschädieungen und anderseits ein Vorbaumittel gegen die störenden 
Einwirkungen der Trockenheit usw. 

Wir haben also in der ganz natürlichen Entwicklung des Organis- 
mus fortwährend Prädispositions- und Immunitätszustände vor uns, Die- 


1) Hınsteen, Flora, 1894. Ergänzungsband. a 
2) Puriswrrsch, Ber. d. Deutsch. bot. Ges., 1896. S. 207. 


28 I. Das Wesen der Krankheit. 


selben sind in jedem Individuum in verschiedenem Grade vorhanden, 
da jeder Organismus spezielle Ernährungsverhältnisse hat und dieselben 
Wachstumsfaktoren verschieden verwertet. Daraus erklärt sich die 
Erscheinung, dafs einzelne Individuen mitten in einer Gesamtheit der- 
selben Art erkranken oder umgekehrt mitten in einem Erkrankungs- 
zentrum gesund bleiben !). 


9. Erblichkeit der Krankheiten und der Prädisposition. 


In den letzten vier Jahrzehnten sind von einer gröfseren Anzahl 
bedeutender Forscher weitere Versuche gemacht worden, das Wesen 
der Erblichkeit theoretisch zu erklären. Man hat dabei als Träger der 
Vererbungsfähigkeit die jugendlichsten Zustände, das „embryonale 
Plasma“, besonders ins Auge gefafst, und zum Teil in den Zellkernen 
eine Substanz gesucht, welche als bevorzugter Träger der Vererbungs- 
fähigkeit anzusprechen wäre. 

Die erwähnten Hypothesen der Biologen wurden besonders zur Er- 
klärung der Wiederholung der Gestaltungsvorgänge in den aufeinander- 
folgenden Generationen der Organismen aufgestellt. Wir erinnern nur 
an die Darwinschen „Gemmulae“, an die „Plastidulen“ von 
HAECcKEL, an das „Keimplasma“ von WeEIsMaNN, an ein Ahnen- 
plasma, an das Idioplasma von Näceni, an die Pangene von 
DE VRIES usw. 

Nach unserer Auffassung bedarf es zur Erklärung des Erblichkeits- 
vorganges weder einer besondern Lokalität, wie etwa der embryonalen 
Zellen, noch einer besondern Keim- oder Erbmasse oder eines Ahnen- 
plasmas; denn die Erblichkeit ist ein „mechanisches Mufs“, eine not- 
wendige, überall vorhandene mechanische Folge der Struktur der 
organischen Substanz. 

Sobald man die organische Substanz ebenso wie die anorganische‘ 
als eine Atomvereinigung betrachtet, die ihren Charakter, also ihre 
spezifischen Eigentümlichkeiten dadurch erhält, dafs die Atome in den 
Molekülen in verschiedenartiger Lagerung und Schwingungsform sich 


!) Die jetzt herrschende Parasitentheorie bleibt entweder eine Erklärung dieser 
Tatsachen schuldig oder beschränkt sich auf die Giftfestigkeit. Die verschiedene 
Widerstandsfähigkeit den Witterungsextremen und andern nichtparasitären Ein- 
flüssen gegenüber bleibt unberücksichtist. So erwähnt Arrkeo Fiscner *): „Freilich 
kommen individuelle Schwankungen genug vor, auch beim Menschen; eine persön- 
liche Immunität unerklärlicher Art, die zum Teil unter den Begriff der Dis- 
position fällt, scheint zu bestehen. Auch mit dem Alter ändert sich die natürliche 

mmunität, wie die Kinderkrankheiten zeigen. Ob diese selbst nicht als Immuni- 
sierungskrankheiten, die den jungen Erdenbürger für das bakterienumgebene Dasein 
vorbereiten und festigen sollen, aufzufassen wären, mag unerörtert bleiben.“ 

Dagegen erklärt Arrke» Worrr**): „Im wesentlichen geht die natürliche 
Widerstandsfähigkeit gegenüber Toxinen proportional der Fähigkeit der Organe, 
die Giftmoleküle an sich zu ketten und an der Einwirkung auf das Gehirn zu ver- 
hindern. Zwischen den scheinbar so diametral entgegengesetzten Phänomenen der 
angebornen Unempfindlichkeit und der hochgradigsten Empfänglichkeit einzelner 
Tierkörper bestehen somit nur quantitative, keine qualitativen Differenzen; diese 
beruhen allein in der verschiedenen Fähigkeit der Organe der einzelnen Tierspezies, 
Toxine zu binden und eventuell zu neutralisieren.“ 


*) A. Fıscher, Vorlesungen über Bakterien. II. Aufl. S. 347. Jena, Gustav 
Fischer. 1903. R 

**) ALrrep Worrr, Über Grundgesetze der Immunität. Üentralbl. f. Bakterio- 
logie, Parasitenkunde usw. I. Abt. Originale. Bd. XXXVII. Heft 3. S. 701. 1904. 


9. Erblichkeit der Krankheiten und der Prädisposition. 29 


vorfinden, dann stellt alle Substanz den Gleichgewichtszustand be- 
stimmter Bewegungsformen dar. Wenn man auch nicht die un- 
zähligen Kombinationen der molekularen Schwingungen präzisieren und 
nicht die aus den verschiedenen Lagerungsverhältnissen sich ergeben- 
den Spannungen und anderweitigen mechanischen Folgen konstruieren 
kann, so darf man doch jeden organischen Aufbau als die Folge einer 
Summe ganz bestimmter, einander bedingender Kombinationen moleku- 
larer Bewegungen bezeichnen. 

Demgemäis ist das Plasma einer Birne zwar ein Plasma, dessen 
einzelne Micellen die molekularen Schwingungsformen der plasmatischen 
Substanz im allgemeinen aufweisen, aber doch spezifische Schwingungs- 
und Lagerungsverhältnisse besitzen, welche sie von den gleichsituierten 
Micellen des Apfelplasmas unterscheiden. Also in jedem kleinsten 
Teilchen, in jedem Biogen irgend eines organischen 
Individuums ist ein individueller Charakter zu finden, 
der als der Ausdruck einer Summe bestimmter Bewegungsformen in- 
folge des Beharrungsvermögens konstant bleiben mufs. 

Diese Beständigkeit ist eine mechanische Notwendigkeit; denn 
eine jede Bewegung verharrt in der vorhandenen Form so lange, bis 
eine andere Kraftäufserung sie modifizieren wird, und jede Substanz, 
die doch der Ausdruck und Träger der Bewegung ist, verharrt in ihrer 

"Form und ihren Merkmalen, bis andere Einwirkungen molekulare Um- 
änderungen veranlassen !), 

Aber wenn wir z. B. vom Protoplasma sprechen, müssen wir uns 
bewuist werden, dafs wir damit nicht eine eimheitliche, chemisch fest 
charakterisierte Substanz, sondern eine grofse, zahlreiche Formen ent- 
haltende Stoffgeruppe bezeichnen. Dasselbe gilt für Cellulose, Zucker, 
Gerbsäure usw. usw. 

Die Annahme so zahlreicher Substanzvariationen als es Individuen 
gibt, verliert das Befremdliche, sobald wir uns erinnern, dafs wir 
täglich die gleiche Anzahl. Gestaltsvariationen um uns sehen; denn 
tatsächlich gleicht doch kein Individuum vollständig einem andern. 

Wenn aber jedes Biogen eine spezifische Einheit ist, so behält es 
(immer unter der Voraussetzung, dafs kein von aufsen kommender 
Stofs seine Molekulargruppierung ändert) seinen Charakter bei, gleich- 
viel wo es im Pflanzenkörper seinen Platz hat, und ob es als Oellulose- 
form oder als somatisches oder embryonales Plasma auftritt; denn alle 
diese Substanzen sind Ja nur auseinander hervorgehende Gruppierungs- 
formen. Die Biogene, welche bei dem Aufbau des Embryo, also dem 
Anfang der neuen Generation, Verwendung finden, bringen somit die 
Schwingungsformen , die sie repräsentieren, in dem neuen Individuum 
so gut zum Ausdruck wie in dem alten. Dieses Beibehalten der 
molekularen Bewegungsform in der neuen Generation ist Erblichkeit. 
Und wir sind auch keineswegs erstaunt, aus dem Mohrrübensamen 
wieder Mohrrübensubstanz hervorgehen zu sehen. Wir sind auch 
nicht erstaunt, aus der zuckerreichen Karotte wieder eine Karotte und 
nicht eine stärkereiche Futtermöhre entstehen zu sehen. Es über- 
tragen sich somit auch diejenigen Substanzkombinationen, welche die 


') Diese Anschauung von der Spezifität eines jeden Biogens von jeglichem 
Organismus hat bereits Nors ausgesprochen, indem er angibt, dafs die Eizelle 
einer Linde in ihrer Totalität eben schon eine Linde ist und nichts anderes sein 
und werden kann. — Norr, Beobachtungen und Betrachtungen über embryonale 
Substanz. Sond. „Biolog. Centralblatt“, Bd. XXIII, Leipzig 1903, S. 325. 


30 I. Das Wesen der Krankheit. 


charakteristischen Eigenschaften unserer Kulturvarietäten darstellen. 
Wenn wir im praktischen Betriebe die beiden genannten Möhren- 
varietäten nebeneinander anbauen würden, hätten wir Gelegenheit zu 
beobachten, dafs bei Eintritt gewisser Frostgrade die Karotten an- 
frieren, während die Futtermöhren noch unbeschädigt bleiben. 

Die Kälteempfindlichkeit der Substanz einzelner Varietäten der- 
selben Art ist das leichtest zu beobachtende Beispiel der Erblichkeit 
solcher Eigenschaften, welche eine Prädisposition für Erkrankungen 
darstellen. Jeder Obstzüchter ıst imstande, Obstsorten zu nennen, die 
bei ıhm durch den Frost beschädigt werden, während andere, daneben- 
stehende Sorten gesund bleiben. Unter den Florblumen zeigen sich 
dieselben Verhältnisse, und bei den Getreidearten ist es eine allgemeine 
Erfahrung, dafs z. B. unter den Weizensorten die Squarehead-Formen 
am leichtesten auswintern. 

Dieselbe verschiedene Widerstandsfähigkeit der einzelnen Kultur- 
varietäten finden wir auch andern Krankheitsursachen gegenüber, wie z.B. 
gegen Wärmeüberschufs und Trockenheit, gegen Wasserüberschuis usw. 
An den Kulturvarietäten ist ungemein viel zu lernen, und ihr Studium 
verdient gröfsere Beachtung, als ihm bisher zu teil geworden ist. 

So liefert die Kultur uns eine Zierpflanze, den Hahnenkamm 
(Celosia cristata), der einen Stengel besitzt, dessen Vegetationsscheitel 
eine breite, mannigfach gewundene Fläche darstellt. Diese bandartig 
breite Umformung des ursprünglich cylindrischen Stengels (fasciatio) 
ist samenbeständig geworden. Die gefüllten Blüten erhalten sich von 
einer Generation zur andern. Schwächliche oder einseitige Ausbildung 
von Sexualorganen kann zur erblichen Eigenschaft werden, wie z. B. 
bei der schwarzen Johannisbeere, bei den Erdbeerkulturen im Alten 
Lande bei Hamburg usw. 

Aus solchen Beispielen erkennt man, welche tiefgreifenden Ab- 
änderungen vom gewohnten Entwicklungsmodus durch den Samen 
übertragbar werden. ‚Jede Abänderung bedeutet einen Stofs auf eine 
bisherige Eigenschaft, der so stark gewesen ist, dafs er dieselbe dauernd 
zu erschüttern vermochte. Die Eigenschaften des Organismus besitzen 
eine verschieden grofse Stabilität, d. h. die Bewegungsform, die sie 
repräsentieren, ist manchmal durch einen schwachen Stofs zu irritieren, 
während sie in andern Fällen durch die stärksten Eingriffe der um- 
gebenden Wachstumsfaktoren nicht verändert werden kann. Zu den 
äufserst locker fixierten Eigenschaften gehören die Blütenfarbe, der 
Wasser- und Zuckergehalt, die Gröfsenverhältnisse der Organe, die schon 
mit dem Standort wechseln können. Am schwersten zu erschüttern 
sind die Stellungsverhältnisse der Organe und die Zusammensetzung der 
Biogene, d. h. der Substanztypus, welcher eben die Substanz eines 
Kohlkopfes oder eines Birnbaumes als solche unterscheidbar von der 
anderer Pflanzen machen. Als unerschütterlich ist keine Eigenschaft 
eines Organismus anzusehen; aber eine Anzahl Eigenschaften werden 
sich von Generation zu Generation in der bisherigen Form erhalten, 
weil kein Stofs von genügender Stärke zurzeit vorhanden ist, der an 
ihnen rüttelt. Diejenigen Eigenschaften aber, welche den in der 
‚Jetztzeit vorhandenen Faktoren zugänglich sind, werden je nach der 
Kräftigkeit des Eingriffs den Stölsen erliegen und sich ändern können, 
und diese Änderungen sind, eben weil sie molekulare Umlagerungen 
bedeuten, als Schwingungsformen so lange infolge des Beharrungs- 
vermögens konstant, bis neue Stöfse eine neue Bewegunssrichtung ein- 


10. Degeneration. 3l 


leiten. Sie erhalten sich auch in der Organform, die wir Samen nennen, 
und müssen demgemäfs in dem neuen Individuum sich fortsetzen, also 
erblich sein. Es werden mithin auch zweckwidrige Zustände, also 
solche, welche die Abkürzung der Lebensdauer des Individuums ein- 
leiten, wie z. B. geringere Festigkeit der Substanz, erblich sein, und 
in diesem Sinne wird man mit einer Erblichkeit der Krankheiten und der 
zu einer Erkrankung besonders geneigt machenden Zustände (Prä- 
disposition) rechnen müssen. 

Neben der Übertragung derartiger physiologischer, eine Erkrankung 
fördernder Eigenschaften des Wirtsorganismus von einer Generation auf 
die andere ist in neuerer Zeit noch die Möglichkeit einer Vererbung von 
Parasiten durch die Samen der Wirtspflanze diskutiert worden. ERIKSSON!), 
einer der hervorragendsten Forscher auf dem Gebiete der Rostkrank- 
heiten, beschreibt in seinen Arbeiten eine Anzahl Zustände bei rostigen 
Getreideblättern, welche ihn zu der Ansicht geführt haben, dafs 
bei den Rostpilzen embryonale Entwicklungsstadien existieren, in 
denen die Pilze als nacktes Plasma (Mykoplasma) mit dem Plasma 
der Wirtszelle vereinigt auftreten. Derartige symbiontische Zustände 
können bei der Ausbildung des Samens vorhanden sein und als ruhender 
Keim der Rostkrankheit in der nächsten Generation sich vorfinden. Bei 
Witterungsverhältnissen, welche der Pilzentwicklung günstig sind, 
kommt dann die Rosterkrankung durch die erblich übernommenen 
mykoplasmatischen Anlagen in der bisher bekannten Form zum Aus- 
bruch. 

Die aufserordentliche Schwierigkeit der Frage betreffs der Existenz 
von Parasiten in einem Mykoplasmastadium hat bisher verhindert, ein 
festes Urteil über die Erıkssonschen Ansichten zu gewinnen. Wenn 
auch die Möglichkeit mykoplasmatischer Zustände zugegeben werden 
muls, olauben wir persönlich doch, dafs die sicherlich "richtigen Be- 
obachtungen von Erıkssov auch noch eine andere Deutung zulassen, da 
die geschilderten Formen bisher immer nur in der Nähe ausgebildeter 
normaler Sporenlager gefunden worden sind. 


10. Degeneration. 


Von Zeit zu Zeit tritt, namentlich in praktischen Kreisen, die Be- 
hauptung allgemeiner hervor, dafs unsere Kulturpflanzen degenerieren, 
d.h. in der Quantität und Qualität ihres Ertrages nachlassen und in 
einzelnen Varietäten schliefslich aussterben. Der Tod derartiger, lange 
gepflegter Kulturformen, der gleichzeitig an den verschiedensten Örtlich- 
keiten eintreten soll, wird vielfach auf Altersschwäche zurück- 
geführt, indem man behauptet, dafs auch diejenigen Formenkreise, die 
wir als Sorten oder Varietäten zu bezeichnen pflegen, ein bestimmtes 
Alter wie die einzelnen Individuen nicht zu überschreiten vermögen. 
Die Anschauung stützt sich namentlich auf unsere Obstbäume , deren 
Sorten bekanntlich durch Veredlung fortdauernd ungeschlechtlich ver- 
mehrt werden. Solche Sorten stammen in der Regel von einem einzigen, 
in einer bestimmten Gegend: gezüchteten Individuum, dessen Zweige 
alsbald als Edelreiser in allen Ländern Verbreitung finden. Man meint 
nun, dafs alle durch ungeschlechtliche Vermehrung entstandenen Indi- 
viduen doch eigentlich nur die Fortsetzung des zuerst aus Samen 


OEsn Literatur in „Zeitschr. f. Pflanzenkrankh.“, Jahrg. 1903 u. 1904. 


392 I. Das Wesen der Krankheit. 


hervorgegangenen Baumes ‚darstellen; da nun jedes Individuum seine 
Lebensdauer habe, so müsse auch dieses vielköpfig gewordene Indi- 
viduum, das wir „Sorte“ nennen, nach einem bestimmten Zeitraum 
dem Tode verfallen. Daraus erkläre sich die überall gleichzeitige Er- 
krankung und das Aussterben mancher Sorte. Als Beispiele dieser 
Art werden angeführt: Gold-Pepping und Borsdorfer, zwei Apfelsorten, 
über deren Degeneration in den siebziger Jahren des vorigen Jahr- 
hunderts eine eingehende Literatur entstand). _ 

Auch andere alte Obstsorten (namentlich Apfel) sollen überall 
gleichzeitig an Unfruchtbarkeit leiden, krebsig werden und absterben. 
Kartoffelvarietäten, welche früher als vorzüglich allgemein anerkannt 
wurden, bewähren sich jetzt nicht mehr und verschwinden vom Markte. 
Die Orangenbäume, welche früher in den Gärten Europas in äufserst 
kräftigen, alten Exemplaren zu finden gewesen, kranken allerorts trotz 
der besten Pflege. Und die berühmten Orangerien von Sanssouci, 
Dresden, Kassel, Versailles usw. sind verschwunden oder nur noch 
durch wenige, oft kränkelnde Stämme vertreten. Ja, selbst in Italien 
sind weite Anpflanzungen von Citronen- und Orangenbäumen von vor- 
läufig unheilbar erscheinenden Krankheiten ergriffen. Ursache soll 
eine allmählich in zunehmendem Matse sich geltend machende Schwäche 
des Wuchses mit Erkrankung des Wurzelkörpers sein. Vom Wein- 
stock und Olbaum, der Granate, den Eriken des Kaplandes, den australi- 
schen Schmetterlingsblütlern und Myrtaceen, die früher als „Neu- 
holländer“ in besondern Glashäusern den Schmuck und Stolz der 
Gärten bildeten, läfst sich dasselbe behaupten. Und selbst bei unsern 
Getreidearten bemerkt man das Verschwinden der guten alten Sorten. 
So sprechen die Vertreter der Degenerationstheorie. 

Die Anschauung von der Kontinuität eines Individuums durch alle 
Edelreiser, denen dann die Unterlage oder der Mutterstamm gleichsam 
nur als Amme dient, hat als Basis die Voraussetzung, dafs dieses 
Individuum während der ganzen Dauer seiner Sortenexistenz in allen 
(Gegenden und auf den verschiedenen Veredlungsunterlagen alle seine 
Charaktere unverändert beibehält.e Denn ın dem Augenblick, wo 
zugegeben werden müfste, dafs der einzelne Standort oder die Art 
des Wildlings einige Eigenschaften ändere, müfste auch die Möglich- 
keit eingeräumt werden, dafs die Höhe des Lebensalters durch Ernährung 
geändert werden könnte. 

Darum behaupten auch die Verteidiger der Degeneration und der 
Theorie von den feststehenden Lebensaltern der Varietäten (unter den 
Botanikern namentlich Jessen) die Stabilität der Charaktere und 
stützen sich eben darauf, dafs der Sortencharakter durch Samen und 
durch Stecklinge, sowie durch Veredlung stets derselbe bleibe, Zu 
den beliebten Beweisen gehören die Fälle, wo bestimmte Zweig- 
abweichungen, die bei einem Exemplar entstanden sind (Buntblättrig- 
keit, Zerschlitztblättrigkeit, hängende Zweigformen, Verbänderungen usw.) 
stets in derselben Form durch Veredlung auf neue Wildlinge über- 
tragen werden können, 

Derartigen Angaben stehen in erster Linie die stets zahlreicher 


!) „Wearing out of varieties.“ Gardeners Chronicle 1875. „Varieties do the 
wear out?“ ibid. „Degeneration durch Altersschwäche“ in The Fruit Manual 1875. 
„Golden Pippin degenerated“ in Gard. Chronicle 1875. Vergl. Bericht über die 
Verhandl. d. Sektion für Weinbau in Trier 1875 usw. usw. 


FR 


10. Degeneration. 33 
werdenden Pfropfergebnisse gegenüber, welche die gegenseitioe Beein- 
flussung und Abänderung der durch Pfropfung miteinander ver Bundes 
Individuen zeigen. Man weifs, dafs eine Form der albicatio, also Weifs- 
laubigkeit, die wir etwa als „marmoriert“ bezeichnen können, vom 
kreis auf den Wildling übertragbar ist. Man kennt die Unterschiede 
in der Entwicklung eines ; Edelreises, je nachdem es auf Zwergunterlage 
oder Wildling: veredelt wird. Ebenso reichlich sind die Beispiele der 
Veränderungen der Früchte in Gröfse, Bau, Färbung und Geschmack 
je nach Standort und Klima. 

Endlich vergesse man nicht die Erfahrung, dafs unter grofsen Aus- 
saaten unserer Kulturvarietäten wir stets solche finden, die „sich nicht 
halten“, d.h. die von Geburt aus ein derartig sch ächliches Wachstum 
zeigen, dafs sie bald wieder aus der Kultur verschwinden. Das be- 
deutet ein Aussterben ganz junger Varietäten; hier fällt also die 
Senilität als Ursache gänzlich fort. 

Was nun die Behauptung anbetrifft, dafs hochgeschätzte Obstsorten 
früherer Zeiten jetzt nicht mehr gedeihen wollen und gleichzeitig aller- 
orts aussterben, so ist es interessant, einige Mitteilungen aus der Zeit, in 
welcher die Desenerationsfrage auf der Tagesordnung stand, gerade über 
einige als aussterbend bezeichnete Obstsorten zu erhalten. Hoca ver- 
öffentlichte im „The Fruit Manual“ 1875, dafs über den „Englischen Gold- 
pepping“ der berühmte Kniıchr schon als eine durch Altersschwäche 
ausartende Sorte geklagt habe. Von dem „Kentish Pippin“ habe 
MorTIMER schon fast 100 Jahre vor Knicnt in ähnlicher Weise ge- 
sprochen. Beide Sorten sind aber noch jetzt in gesunden Exemplaren 
in England vorhanden. Wie langlebig (sagt Hoss) und kräftig Kultur- 
sorten sein können, beweise die „ Winter- Pearmam“ welche als die 
älteste englische Apfelsorte anzusehen sei, da sie schon um das Jahr 
1200 in Schriften genannt werde. Sehr alt ist auch der Borsdorfer 
Apfel und die überall bekannte Pflaume „Reine Claude“, welche nach 
BOLLE (cit. OBERDIECK, Pomolog. Monatshefte 1875, S. 240, BouchHE 
und BoLLE, Monatsschrift d. Ver. z. Beförd. d. Gartenb. 1875, S. 484) 
aus dem 15. Jahrhundert stammen mufs, da sie zu Ehren der Claudia, 
der Gemahlin Ludwigs XII. (1490) ern wurde. 

Durch diese wenigen Beispiele bereits werden wir darauf hm- 
gewiesen, dafs die Theorie einer Degeneration durch Altersschwäche 
der einzelnen Kulturvarietäten oder durch andere Ursachen dadurch 
zustande gekommen ist, dafs zeitweise in vielen Lokalitäten sich ein 
anhaltender Rückgang in der Produktion und Gesundheit gezeigt hat, 
und dafs man derartige Beobachtungen verallgemeinert hat. Dafs in 
manchen Gegenden bisher bewährte Kulturformen eine gedeihliche Ent- 
wicklung nicht mehr zeigen und durch andere ersetzt werden müssen, 
ist eine Erscheinung, die sich nicht ableugnen läfst. Aber diese Tat- 
sache beweist nur, da eine jede Kulturform bestimmte Ansprüche an 
Boden und Klima stellt, dafs diese Ansprüche an einer Anzahl von 
Örtlichkeiten nicht mehr befriedigt werden können. Von einer 
Degeneration würde sich nur dann sprechen lassen, wenn in allen 
Orten , auch solchen, welche die bisher zusagenden Bedingungen bei- 
behalten haben, eine Kulturvarietät zugrunde ginge. Dafür fehlen aber 
die Beweise. 

Das Versagen der Varietäten nach langem Anbau kann zweierlei 
Ursachen haben: entweder haben sich die Anbauverhältnisse geändert, 
oder der Charakter der Varietät ist ein anderer geworden. 

Sorauer, Handbuch. 3. Aufl. Erster Band. 3 


34 I. Das Wesen der Krankheit. 


Dafs die Kulturverhältnisse an irgend einer Örtlichkeit in jedem 
‚Jahre andere sind, ist eme Tatsache, der wir uns meist zu wenig be- 
wufst werden. Abgesehen davon, dafs die Witterung des einen Jahres 
von der des Vorjahres stets abweicht, ist aber auch der Boden be- 
ständig ein anderer, und zwar einerseits dadurch, dafs Zeit und Modus 
der Bearbeitung, sowie Düngung, Vorfrucht an sich stets verändernd 
einwirken, anderseits, dafs diese veränderte Ackerkrume auch ver- 
änderten Witterungsverhältnissen sich gegenüber befindet, die sie 
physikalisch und chemisch derselben Kulturvarietät alljährlich in 
anderer Weise entgegentreten lassen. Wir werden im speziellen Teil 
des Werkes Beispiele für den Einflufs von Bestellung, Vorfrucht, 
mechanischer Bodenbeschaffenheit u. dgl. Faktoren in genügender An- 
zahl anführen und ersehen, wıe diese den Charakter und die Wider- 
standsfähigkeit z. B. gegen Fröste zu beeinflussen imstande sind. 

Zweitens meinten wir, dafs das Versagen einer Kulturvarietät 
auch davon herrühren kann, dafs die Varietät ihren Charakter ändert. 
Nach unserer Auffassung gibt es bei allen Organismen keine Stabilität, 
gibt es keine strikte stoffliche oder gestaltliche Wiederholung irgend 
eines Vorganges, weil der Organismus in der kleinsten Zeiteinheit 
sich ändert, in jedem Augenblick denselben Wachstumsfaktoren als ein 
anderer gegenübersteht, und auf dem Wege der Anpassung fortschreitet. 
Und jede Varietät ist für uns, wie jede andere Sippen- oder Gruppen- 
bezeichnung nur ein Rahmen aus gemeinsamen Merkmalen, in welchem 
die Individuen fortwährend durch kleinere Abweichungen schwanken. 

Stickstoffüberschufs bildet eine andere Pflanzensubstanz als eine 
mälsige Stickstoffnahrung, Kalimangel baut ein anderes Organ wie 
Kalireichtum, Lichtfülle baut die Zellwand in anderer Weise als 
Lichtmangel, viel Wärme produziert mehr Zucker als geringe Wärme- 
mengen usw. Präzise Beispiele bieten die entsprechenden Kapitel über 
die Wirkung der einzelnen Wachstumsfaktoren. Also der Organis- 
mus ist wıe Wachs, das durch die Stöfse der einzelnen 
Vegetationsfaktoren beständig in andere Substanz- 
formen geprefst wird. 

Die Substanzbeschaffenheit des Pflanzenleibes aber ändert sich 
nicht nur durch die molekularen Umlagerungen, die wir als chemische 
Anderungen bezeichnen, sondern auch durch die grobmechanischen, 
bei denen die chemische Zusammensetzung unberührt bleibt. Die 
mechanische Wassereinlagerung in die Gewebe, die mit dem Wasser 
eingeschobenen inkrustierenden Substanzen, die Spannungsverhältnisse 
in den Membranen und im Zellinhalt sind Faktoren, die ständig 
wechseln und einander beständig wechselnd beeinflussen. Die geringste 
Steigerung der Lichtzufuhr ist ein Stofs, der nicht nur den Assimilations- 
prozefs beeinflufst, sondern der indirekt auch auf alle andern Funktionen 
seine Wirkung ausüben mufs. Es kommt zunächst gar nicht darauf an, 
dafs wir derartige Wirkungen präzisieren können; es genügt der Nach- 
weis, dafs sie stattfinden müssen. 

Nun betrachten wir einmal die normale Form, in welcher die Stöfse 
der einzelnen Wachstumsfaktoren auf den Pflanzenkörper einwirken. 
Da bemerken wir eine eigenartige Abwechslung. Bei Anbruch des 
Tages tritt die Lichtwirkung in Kraft: Assimilation, Verdunstungsgröfse, 
Membranverdickung usw. werden gesteigert, und der Gesamtaufbau 
spiegelt alle die Erscheinungen der Lichtarbeit ab. Bei Beginn der 
Nacht treten, nachdem die Nachwirkungen des Lichtes ausgependelt 


10. Degeneration. 35 
haben, die Oxydationsvorgänge, die gesteigerten Turgorerscheinungen, 
die Stärkeumwandlung u. dgl. in den Vordergrund. Derselbe Wechsel 
läfst sich in den die Pflanze umgebenden Medien, in Luft und Boden, 
beobachten. Die Wärmeabnahme und Steigerung des Wassergehaltes 
müssen mächtig auf den Pflanzenkörper einwirken. Zu dem Wechsel 
zwischen Tag und Nacht gesellt sich der Einflufs der Jahreszeiten, der 
den Pflanzen nach der Produktionszeit die Periode der Ruhe aufzwingt. 
Wir finden also in der Natur eine „korrigierende Periodizität“. 
Und unter diesen regelmäfsig abwechselnden Schwankungen der Vege- 
tationsfaktoren balanciert die Planze mit ihren Wachstumserscheinungen 
und vollzieht ihren normalen Entwicklungsgang. 

Da Dauer und Wirkung dieser Perioden in jedem Jahrgange andere 
sind, ist auch die Produktion jeder Pflanze eine andere, und dadurch 
charakterisieren sich die einzelnen Jahrgänge. Wir sprechen von 
trocknen und nassen Jahrgängen, und wissen aus Erfahrung, dafs in 
ersteren beim Getreide der Körnergehalt reich, der Strohgehalt wegen 
der geringeren Halmlänge geringer ausfällt. In nassen Jahren ist es 
umgekehrt. Und während dann der Landmann darüber klagt, dafs die 
Backfähigkeit des Mehles leidet, betont er, dafs er in der ergiebigen 
Strohernte einen Ersatz findet. 

Dieses Beispiel aus der Praxis zeigt, wie gröfsere einseitige Ab- 
weichungen von der Durchschnittsperiodizität sich sofort bemerkbar 
dadurch machen, dafs nun einzelne Eigenschaften des Pflanzenkörpers 
bevorzugt werden. Solange derartige Einseitigkeiten der Ausbildung 
das pflanzliche Individuum in seiner Existenz nicht bedrohen, nehmen 


‘wir die Ernteergebnisse hin und suchen etwaige Schäden des Kultur- 


zweckes (wie z. B. das wenig backfähige Getreide, durch Vermischen mit 
kleberreichen Körnern aus trocknen, warmen Gegenden) auszugleichen. 
Aber das einseitige Vorherrschen eines bestimmten Witterungs- 
faktors kann auch zur direkten Erkrankung führen, indem sich die 
Wirkungen häufen (Akkumulation). Man kann eine derartige 
Anhäufung der Effekte mit der Zunahme der Geschwindigkeiten bei 
einem fallenden Körper vergleichen, wo sich die Fallräume wie die 
Quadrate der Fallzeiten verhalten. Wenn wir statt der Schwerkraft 
einen andern Faktor, z. B. eine nasse, trübe Witterung annehmen, dann 
wird die Wirkung derselben am ersten Tage sich derart geltend machen, 
dafs das Gewebe wasserreicher wird, wobei die Wandverdickung gegen 
das normale Mafs zurückbleibtt. Am nächsten Tage gesellt sich zu 
der Wirkung des ersten Tages die gleichgrofse des zweiten, und das 
bereits gelockerte Gewebe wird nun noch weiter gelockert, und auf 
diese Weise summieren sich die an sich nicht krankheiterzeugenden 
Stöfse auf den Pflanzenleib zu einer Gröfse, die schliefslich die 
Existenz desselben bedroht. Im praktischen Leben sehen wir dies 
schon innerhalb einer Vegetationsperiode, z. B. bei dem Lagern des 
Getreides in regenreichen Zeiten. Die Feuchtigkeit hat die Zell- 
streckung an der Halmbasis bedeutend gefördert, der Lichtmangel aber 
die Wandverdickung wesentlich gehemmt, und der Erfolg ist nun, 
dafs die geschwächte Halmbasis dem Hebelangriff des Windes keinen 
genügenden Widerstand zu leisten vermag und einknickt. Je nach 
der Dauer und den sich einstellenden Folgeerscheinungen dieser Halm- 
lagerung ist die Körnerausbildung geschwächt oder verhindert und der 
Halm einem vorzeitigen Tode geweiht. _ 
Entsprechend obigen mechanischen Änderungen der Zellwand ist 
32 


36 I. Das Wesen der Krankheit. 


bei andern einseitig sich häufenden Stöfsen seitens eines Vegetations- 
faktors der Zellinhalt Änderungen unterworfen, die zur Erkrankung 
führen. Wir finden in stark gedüngten Baumschulen ganze Quartiere 
üppig wachsender Süfskirschen mit offnen oder versteckten Gummi- 
herden, und in Forstkämpen gut aussehende Kiefernbeete, die im Holz- 
körper dıe Anfänge der Resinose tragen. Namentlich bei Gartenkulturen, 
in denen durchschnittlich mit den höchsten Stickstoffgaben gearbeitet 
wird, erkranken plötzlich ganze Kulturen und werden beiseite gelegt, 
weil „die Pflanzen nicht mehr wachsen wollen“. Mir sind genügend 
derartige Fälle zugegangen, bei denen einzelne Züchter meldeten, dafs 
Begonien, Primula sinensis fl. pl., Nelken, Maiblumen, Cyclamen u. del., 
die sie sonst stets in gröfster Vollkommenheit bei denselben Kultur- 
methoden erzogen haben, von Jahr zu Jahr mehr im Wachstum zurück- 
bleiben und „degenerieren“. R 

Bei unsern Feldkulturen läfst sich Ähnliches wahrnehmen. Kartoffel- 
sorten, welche früher tadellose Erträge gaben, werden jetzt felderweise 
leicht schwarzfleckig, Zuckerrüben auf den besten Rübenböden neigen 
zur Schwanzfäule. Bei dem Wurzelbrand der Rüben ist beobachtet 
worden, dafs besonders stark die Stecklingspflanzen erkranken, während 
die aus dem Samen von besten und schwersten Zuckerrüben erzogenen 
Pflänzchen fast gar keinen Wurzelbrand zeigten. Treibgurken in den 
Glashäusern, Feldgurken in nassen kalten Jahren gehen an Gummosis 
zugrunde u. del. 

Meine Erfahrungen bei der Heilung derartiger Vorkommnisse führen 
zu dem Schlusse, dafs wir es in solchen Fällen mit einseitiger Steige- 
rung einer bestimmten Entwicklungsrichtung, meistens hervorgerufen 
durch Stickstoff- und Wasserüberschufs, zu tun haben. Unsere beständig 
intensiver werdende Düngerwirtschaft führt nicht selten zu einer be- 
stechenden Uppigkeit der Pflanzen und dann zu einem plötzlichen 
Collapsus, wenn der das Gegengewicht haltende Faktor nicht in der 
entsprechenden Menge zur Wirksamkeit gelangt. In Fällen nach- 
gewiesener hochgradiger Stickstoffzufuhr fand ich dementsprechend 
die Anwendung von phosphorsaurem Kalk vorteilhaft. 

Solche einseitigen Entwicklungsrichtungen werden auch in der Aus- 
bildung des Samens zum Ausdruck kommen müssen. Wenn derartiges 
Saatgut unter denselben Ernährungsverhältnissen, unter denen es ent- 
standen ist, von Generation zu Generation weiter kultiviert wird, müssen 
bestimmte Eigenschaften eines Standorts durch Gewohnheit erblich 
werden. In unserer Auffassungsweise, dafs alle Eigenschaften eines 
Organismus dynamische Zustände, molekulare Schwingungsgruppierungen 
darstellen, würde die Gewohnheit als Beharrungsvermögen 
gedeutet werden müssen. Das Trägheitsvermögen aller Materie ver- 
anlafst dieselbe, genau in derselben Bewegungsrichtung und -geschwindig- 
keit zu bleiben, die sie zunächst empfangen hat. So, wie der Organismus 
einmal angestofsen ist, pendelt er weiter, bis irgend ein Vegetations- 
faktor seine Wachstumsgeschwindigekeit oder auch seine Wachstums- 
richtung: ändert. 

Die Praxis verwertet diesen Umstand bei dem „Samenwechsel‘“, 
d. h. bei der Verwendung von Saatgut aus Gegenden, die eine bestimmte 
wünschenswerte Eigenschaft ausgebildet haben. So ist der Bezug 
schwedischen Getreides seitens mitteleuropäischer Landwirte darum 
ein ausgedehnter, weil man die kürzere Vegetationszeit der nordischen 
Sorten ausnutzen will. Während der Typus des englischen Weizens 


II. Geschichtliches. 37 


besonders entwickelte Mehligkeit ist, produzieren die unter entgegen- 
gesetzten klimatischen Verhältnissen befindlichen Gegenden vorzugs- 
weise glasige Weizen usw. 

So wie diese nützlichen Typen des Getreides als Produkte lokaler 
Witterungs- und Bodenverhältnisse entstanden sind, so könen auch 
Schwächezustände der Kulturpflanzen lokal erzeugt und durch Samen 
übertragen werden. Wenn diese Schwächezustände durch Gleichbleiben 
der Ursachen sich von Generation zu Generation wiederholen und sich 
häufen, so können sie endlich zu vollständiger Hinfälligkeit und durch 
die Akkumulation zur Einleitung frühzeitigen Todes führen. 

Aber dies ist trotzdem keine Degeneration der Art oder Varietät; 
denn alle diese Eigenschaften können in andern Kulturverhältnissen 
wieder zurückkonstruiert werden. Das ersehen wir aus dem Umstande, 
dafs die nützlichen Sondereigenschaften, die wir bei dem Samenwechsel 
eingeführt haben, nur wenige Jahre vorhalten. Dann ändern sich die 
eingeführten Kulturformen und nehmen solche Eigenschaften an, welche 
der klimatische und der Bodencharakter der Anbaugegend züchtet. 

Auch dies sind Erfahrungen der Praxis, welche beständig versucht, 
die nach irgend einer Richtung hin hochproduktiven Arten fremder 
Klimate an irgend eine Kulturgegend zu gewöhnen (Akklimatisation). 

Will man obige Fälle einer Akkumulation von Eigenschaften, die 
zur Schwächung der Produktion und vorzeitigem Tode führen, als 
„Degeneration“ bezeichnen, so darf man höchstens von lokaler, vorüber- 
gehender Degeneration einer Anzahl von Individuen sprechen. Es ist 
aber eigentlich nur eine Depression der Entwicklungsrichtung, die durch 
äufsere Faktoren, wie Kultureingriffe, wieder behoben werden kann, 
Eine dauernde Depression im Wachstum infolge der Senilität einer ur- 
sprünglich langlebigen Varietät ist innerhalb einer bestimmten Erd- 
epoche nicht anzunehmen. Das Verschwinden von Kulturvarietäten 
erklärt sich durch ihre geringere Rentabilität infolge mangelnder An- 
passungsfähigkeit an unsere beständig intensiver werdende Bewirt- 
schaftungsweise. 


Zweiter Abschnitt. 
Geschichtliches. 


Bei einer so jungen Disziplin wie der Phytopathologie wird man 
kaum eine Geschichte der Wissenschaft voraussetzen. Und in der Tat 
ist der Zeitpunkt, seit welchem die Lehre von den Pflanzenkrankheiten 
als besonderer Wissenszweig von den Mutterdisziplinen sich losgelöst 
hat, uns so naheliegend, dafs wir seinen Entwicklungsgang noch voll- 
ständig zu übersehen vermögen. 

Wenn aber auch die Forschungsform noch neu ist, so ist doch 
das Material, nämlich die Meldungen über die Krankheiten der Pflanzen, 
ein sehr altes, in der Geschichte a zurückreichendes, und wir können 
nicht fehlgehen, wenn wir annehmen, dafs die or seit der 
Existenz der Pflanzen vorhanden und die Beobachtungen über dieselben 
zu der Zeit angefangen haben, in welcher eine Pflanzenkultur begonnen 


33 II. Geschichtliches. 


hat. Denn wir beobachten fortwährend, wie schwerwiegende Beschädi- 
gungen die Witterungsextreme hervorrufen, und zwar nicht nur solche, 
die augenblicklich die Pflanze töten, sondern mehr noch derartige 
Störungen, die das Individuum in Bau und Funktion schwächen und es 
langsam einem vorzeitigen Tode entgegenführen, also krank machen. 
Die Eingriffe schädigender Witterungsverhältnisse werden stets vor- 
handen gewesen sein und sich in verschiedenen Formen geäufsert haben. 

Eine der ältesten Bezeichnungen gewisser Krankheitsformen, die 
uns entgegentreten, ist der Name „Brand“, und deshalb wollen wir 
versuchen, an der Hand der unter diesem Namen zusammengefafsten 
Krankheitserscheinungen den Werdegang unserer Disziplin zu verfolgen. 

Wie die späteren Mitteilungen ersehen lassen, sind von den Autoren 
zunächst wohl alle Erscheinungen als „Brand“ bezeichnet worden, 
welche dem Auge in der Farbe des Verbrannten oder Verkohlten, also 
schwarz entgegentraten. Demgemäfs umfafst der „Brand“ einerseits 
die Krankheitsgruppen an Bäumen, bei denen die tote Rinde ein ge- 
schwärztes Aussehen annahm, anderseits auch die Beschädigungen des 
Getreides, deren Ursachen wir jetzt auf Brand- oder Rostpilze zurück- 
führen können. 

Wenn wir zunächst in der Bibel nach Angaben über Krankheiten 
und speziell über Brand suchen, so finden wir z.B. folgende Stelle'!): 
„Wenn eine Teuerung, oder Pestilenz, oder Dürre, oder Brand, oder 
Heuschrecken, oder Raupen im Lande sein wird, oder sein Feind im 
Lande seine Tore belagert ......*“ — Eine andere Stelle lautet: 
„Der Herr wird Dich schlagen mit Schwulst, Fieber, Hitze, Brunst, 
Dürre, giftiger Luft und Gelbsucht und wird Dich verfolgen, bis er 
Dich umbringe.“ ?) 

Aus diesen Stellen zieht Erıksson®) den Schlufs, dafs es sich 
bei diesen mehr als zweitausend Jahre alten Mitteilungen um Brand 
und Rost am Getreide gehandelt habe. Er zitiert das Wort Schidda- 
fön (Hitze) für Brand und Jerakön (Gelbheit) für Rost. 

Auf Brand im Getreide weisen auch folgende, bereits von 
PınnmeEL®) herbeigezogene Aussprüche hin: „Ich plagte Euch mit dürrer 
Zeit und mit Brandkorn; so frafsen auch die Raupen alles, was in 
Euren Gärten, Weinbergen, Feigenbäumen und Olbäumen wuchs.“ °) 
Und sehr bezeichnend für die Gröfse der Mifsernte ist die Stelle in 
HaGar®): „Wenn einer zum Kornhaüfen kam, der zwanzig Mafs haben 
sollte, so waren kaum zehn da; kam er zur Kelter und meinte fünfzig 
Eimer zu schöpfen, so waren kaum zwanzig da. Denn ich plagte Euch 
mit Dürre, Brandkorn und Hagel in aller Eurer Arbeit.“ 

Unter den griechischen Schriftstellern erwähnt ARISTOTELES (384 
bis 322 v. Chr.) bereits die Rostjahre, und T#rorHRAsT von Eresos 
(371 bis 286 v. Chr.) kennt schon die verschiedene Empfänglichkeit der 
einzelnen Gretreidevarietäten gegenüber den Rosterkrankungen”?). Er 


1) 1. Buch Könige, Kap. 8, 37. — 2. Buch Chronika, Kap. 6, 28. 

2) 5. Buch Mos., Kap. 28, 22. 

?) Erırssox, Die Getreideroste. Stockholm 1894. S. 8. (Hier eingehende ge- 
schichtliche Mitteilungen über Rost.) 

*) Pınuer, L. H., Weenus, J. B., und Lausox-Scrısxer, The grasses of Jowa. Des 
Moines, Jowa 1901. 

5) Amos, Kap. 4, 9. 

6) Hagai 2, 17. 18. 4 

?) Naturgeschichte der Gewächse. Übersetzt und erläutert von SPrrexGkr. 
Altona 1822. 


II. Geschichtliches. 39 


berichtet auch über die zweite Art der als Brand bezeichneten Er- 
scheinungen, nämlich über den Rindenbrand der Bäume, indem er 
(Buch IV, Kap. 14) sagt, dafs die zahmen Bäume an mehreren Krank- 
heiten leiden. Unter diesen sind einige allen Bäumen gemeinsam; 
andere suchen nur bestimmte Baumarten heim. Eine gemeinsame 
Krankheit ist es, dafs sie von Würmern oder vom Brande ergriffen 
werden. 

Speziell spricht Turop#rAsTt, dessen Angaben nach KIRCHNER!) 
sicherlich auf eignen Beobachtungen beruhen, vom Brand und Krebs 
der Feigenbäume, und erwähnt dabei, dafs sich die Krankheiten der 
Bäume nach dem Klima (wie bei den Tieren) zu richten scheinen, da 
in einigen Gegenden die Bäume gesund seien. Der Feigenbaum, sagt 
er dann weiter, wird am meisten vom Brand und Krebs ergriffen. 
Brand (Sphakelismos) aber nennt man, wenn die Wurzeln schwarz 
werden, Krebs (Krados), wenn es die Zweige werden. Der wilde 
Feigenbaum dagegen bekommt weder den Krebs noch 
den Brand. 

Uber eine Ursache des Brandes belehrt uns die Angabe, dafs einige 
verderbliche Zufälle durch den Einflufs der Witterung und des Stand- 
ortes entstehen. Man könne eigentlich derartige Zufälle nicht recht 
als Krankheit bezeichnen, wie z.B. das Gefrieren, und was emige den 
Brand heifsen. An einigen Orten töten und verbrennen auch gewisse 
Winde die Gewächse, wie bei Chalcis in Euböa, wo der Nordwest, 
wenn er kurz vor der Sonnenwende weht, kalt ist; er macht die Bäume 
so dürr und trocken, wie es kaum durch die Sonne geschehen könnte. 

Ob die als Krebs hier erwähnte Krankheit Ähnlichkeit mit den von 
uns jetzt als Krebs bezeichneten Wucherungen hat, bleibt zweifel- 
haft. Sicher aber ist, dafs Holzwucherungen ebenfalls beobachtet 
worden sind. Wenn es sich dabei nicht um wirkliche Krebsgeschwülste 
gehandelt hat, dürften wohl Erscheinungen damit gemeint sein, die 
wir jetzt als Knollenmaser ansprechen würden. Derartige Geschwülste 
sah TneorHrast bei dem Ölbaum und benennt sie Nagel oder Schorf 
(loxas — lopas), weil sie gleichsam napfförmige Nägel an den Bäumen 
darstellen. Von diesen Nägeln sagt SPRENGEL, dafs sie in neuerer 
Zeit sehr häufig bei den Oliven in Italien vorkämen. Sie zeigen sich 
als runde, warzige, in der Mitte napfförmig vertiefte Auswüchse der 
Rinde, unter denen sich auch ähnliche Anschwellungen des Holzkörpers 
vorfinden. 

Es ist kaum zu glauben, dafs die von dem scharf beobachtenden 
Schüler des Aristoteles geäufserten Ansichten über die hier erwähnten 
Krankheitserscheinungen sich im Laufe der nächsten Jahrhunderte 
wesentlich geändert haben; denn sonst würde der berühmte Ency- 
klopädist, der von 23 bis 79 n. Chr. lebende Prinıus SEcuNnDUS?), der 
eine reiche Quellenkenntnis besafs, weiteres Material beigebracht 
haben, zumal er gewissenhaft die von Caro (de re rustica) und andern 
Schriftstellern gemachten Angaben über er Einflufs der Gestirne und 
das Sterben der- Bäume infolge von Kälte, Hitze, ungünstiger Lage, 
Boden, Düngung, falschem Beschneiden u. de]. registriert. Betreffs des 
Einflusses der Witterungsfaktoren, der Kulturfehler, der zu Erkr ankungen 


1) Kırcnser, Die botanischen Schriften des Theophrast von Eresos. Sond. 
Jahrb. f. klassische Philologie. Leipzig 1874. E RR 
2) Prisu Secuxvı naturalis Historiae libri XXX VII edit. Janus. Buch 17, Kap. 37. 


40 II. Geschichtliches. 


disponierenden Umstände usw. enthalten die in seiner „Naturgeschichte* 
niedergelegten Erfahrungen äufserst viel Beachtenswertes. 

In der Ausgabe der „Römischen Prosaiker“ von ÖSIANDER und 
Schwaß hat der Übersetzer des Plinius (KüLs) eine Zusammenstellung 
der von diesem benutzten Quellen und spezielle Bemerkungen über 
die in der „Naturgeschichte“ angeführten Schriftsteller gegeben. Für 
eine vollständige Geschichte der Phytopathologie liegt hier ein reiches 
Material vor. Wir dürfen uns mit dem Hinweis auf diese sorgfältig ge- 
sammelten griechischen und römischen Quellen begnügen und vielleicht 
nur noch an einigen Citaten zeigen, wie weitgehende Erfahrungen 
bereits zu Beginn unserer Zeitrechnung vorhanden waren. 

Nach obiger Bearbeitung finden sich im siebzehnten Buch von 
Plinius’ Naturgeschichte, Abschnitt XXXVI, die Anschauungen des 
Verfassers über die Frostwirkungen. Er sagt: „Auch kommen nicht 
die schwächsten Bäume durch den Frost in Gefahr, sondern die gröfsten, 
und es werden also, wenn sie Not leiden, die höchsten Gipfel dürr, 
weil der von der Kälte gehemmte Saft nicht bis dahin gelangen kann.“ 
Über die Erscheinungen, welche wir jetzt als „Frostbrand“ bezeichnen 
würden, finden wir "folgende Notiz: „Der böse Einflufs der Gestirne 
beruht ganz auf dem Himmel; deshalb mufs man zu diesen Ein- 
wirkungen auch den Hagel sowie den Brand und den durch Reif ver- 
ursachten Schaden rechnen. Der Brand ergreift nämlich die zarten 
Pflanzen, wenn sie, durch die Frühlingswärme gelockt, hervorzubrechen 
wagen, und versengt die milchigen Augen der Keime, was man an der 
Blüte ‚Kohle‘ nennt.“ 

Betreffs der sorgfältig kultivierten Weinstöcke heifst es: „Ein 
anderer schlimmer Einflufs der Gestirne (Witterungsfaktoren) ist das 
Berieseln (roratio, das Auffallen kalten Taues, Übers.) während sie ver- 
blühen, oder wenn die Beeren, ehe sie wachsen , zu harten Körnern 
verdorren. Sie werden auch krank, wenn sie gefrieren, und der Brand 
nach dem Beschneiden die Augen verletzt. Dieselbe Folge hat auch 
eine unzeitige Hitze; denn alles hat sein bestimmtes Mafs und 
Ziel.“ Wir fassen jetzt diese Erfahrungen präziser in der Lehre vom 
Optimum, der Minimal- und Maximalerenze der Wachstumsfaktoren 
zusammen. 

Bezüglich der fehlerhaften Kulturmethoden wird angeführt, dafs 
Krankheiten entstehen, wenn der Winzer die Reben zu fest bindet 
oder beim Umgraben die Wurzeln verletzt und den Stamm entrindet 
oder quetscht. “Unter allen diesen Umständen ertragen sie (die Stöcke) 
weit schwerer Kälte und Hitze, weil jeder Nachteil von aufsen in die 
Wunde eindringt. 

Unter den Heilmitteln wird das Schröpfen empfohlen, weil die 
dickwerdende Rinde die Stämme zusammenschnürt und sie würgt. Als 
Schutz gegen die Winterfröste wird erwähnt, dafs man im Winter, 
wenn Schnee liegt, um die Weinstöcke Wassergräben ziehe, damit sie 
die Kälte nicht brandig mache. 

Die reichlichsten Aufschlüsse über die Kulturmethoden und die 
dabei auftretenden Übel dürften in der im zehnten Jahrhundert er- 
schienenen Sammlung von Excerpten aus alten Ackerbauschriftellern, 
der „@eoponika“, zu finden sein. Wir stützen uns auf die Bücher der 
bekannten vier römischen Geoponiker Marcus Caro, 'TERENTIUS VARRO, 
Parzapius und .‚Junıus MODERATUS COLUMELLA, in denen besonders der 
Düngerwirtschaft und dem Pfropfen Aufmerksamkeit geschenkt wird. 


II. Geschichtliches. 41 


Eine Zusammenstellung der Bücher über Landwirtschaft der genannten 
Autoren erschien zu Cöln im Jahre 1536). 

Diesem Werke entlehne ich auch diejenigen Stellen, welche zeigen, 
dafs die Bezeichnung „Rost“ als Krankheitsursache sehr frühen Ur- 
sprungs ist. So erwähnt Varro im ersten Kapitel unter den Gott- 
heiten „qui mazxime agricolarum duces sunt“ .... „Qmuarto Robigum, et 
Floram, quibus propitüs, neque rubigo frumenta, atque arbores, corrumptt, 
neque non tempestive florent. Itaque publicae Robigo feriae, robigalia, 
Florae ludi, floralia instituti.“ Wahrscheinlich galt der Ausdruck 
„Rost“ für alle rostfarbigen krankhaften Verfärbungen der Gewächse; 
denn wir finden das Wort Robigo bei CoLuMELLaA zur Bezeichnung 
einer Weinkrankheit gebraucht, die durch das Räuchern der Weinberge 
bei Frostgefahr vermieden werden kann. In seinem Buche „de arbori- 
bus“ behandelt Kapitel XIII: Ne rubigo vineam vexet. Es wird empfohlen: 
„Palearum aceruos inter ordines werno tempore positos habeto in winea: cum 
frigus contra temporis consuetudinem ne intellexeris, omneıs aceruos incendito, 
ita fumus nebulam et rubiginem remouebit.“ — Betreffs des wechselnden 
Gebrauches von „Robigo“ und „Rubigo“ findet sich in der „Enarratio 
priscarum vocum“ folgende Stelle: „Robigo, deus, quem putabant rubiginem 
auertere, est aute Rubigo morbus segetum“ ?). 

Von den Beobachtungen und Anschauungen der Römer, die im 
Plinius sich zusammengefafst finden, zehrten die nächsten anderthalb 
Jahrtausende. Denn E. Meyrr?) berichtet bei PETRUS DE ÜRESCENTIS, der 
1305 sein grofses Werk schrieb, welches im den ersten acht Büchern 
von der Landwirtschaft handelt, dafs seit Parrapıus niemand über 
Landwirtschaft in lateinischer Sprache geschrieben hätte. Aus der 
griechischen Sammlung der Geoponika besafs man nur Bruchstücke. 
Die älteren Werke Varro’s und ÜCoLumELLA’s pafsten nicht mehr zu 
den Verhältnissen der Zeit, so dafs ein zeitgemäfses Buch über Land- 
wirtschaft ein Bedürfnis war. Aber obgleich PEIRUS DE ÜRESCENTIIS 
eine wissenschaftliche Begründung der Landwirtschaft anstrebte und, 
der Liebhaberei des Altertums und des Mittelalters entsprechend, zahl- 
reiche Anweisungen zum Pfropfen der Bäume verschiedener Art gab, 
enthält sein Werk doch eigentlich weniger, als die Bücher der alten 
Autoren. Ebenso wiederholt im Jahre 1600 auch noch ÜoLErus®) nur 
die früheren Angaben über Rindenauftreibungen, „Schwulst der Bewne“, 
unter denen eine jauchige Flüssigkeit sich entwickle. Dabei erhält sich 
_ der Glaube an den Einflufs der Gestirne in unerschütterlicher Festigkeit. 

Beispielsweise erzählt uns noch der ehrenwerte Rostocker Professor 
PETER LAUREMBERG in seiner 1631 erschienenen „Horticultura“ ®), dats 
gewisse Gestirne, wie der Orion, Pleiaden u. a., besonders schädlichen 
Einflufs ausüben, und dafs infolge schädlicher Witterungseinflüsse die 
sogenannten „heimlichen Übel“ entstehen, zu denen Rost, Karbunkel 
und Brand gehören. 


1) De re rustica M. Catonis liber I, M. Terentii Varronis lib. III, Palladii 
lib. XIV et I. M. Columellae lib. XIII Priscarum vocum in libris de re rustica 
enarrationes, per Georgium Alexandrinum. Coloniae, ‚Joannes (Grymnicus. 
Anno MDXXXVI. j 

®) Hier wie bei den übrigen Citaten folgen wir in der Schreibweise genau 
unsern Quellen. 

3) Geschichte der Botanik. Bd. IV, S. 148. ; Di 

4) M. Jonannıs Corerr, Oeconomia und Haufsbuch usw. Ander Theil. Witten- 
berg 1600. Buch V. Kap. 12. i SRENBER:- 

5) Prrirı Laurengersu, Rostochiensis Horticultura. Francofurti 1631. Cap. XXXV. 


49 II. Geschichtliches. 


Einen Fortschritt in der Erkenntnis der Bedeutung der Krankheiten 
können wir natürlich nur bei den Praktikern erwarten, deren Be- 
mühungen bei der Kultur am empfindlichsten durch die sich geltend 
machenden Beschädigungen gestört werden. In dieser Beziehung 
interessant ist das seinerzeit berühmte Werk des „Kurfürstlichen Garten- 
vorstehers HEInkıcH Hesze“'). Er spricht über das Dürrwerden der 
Aste, das er den „kalten Brand“ nennt. „Sonsten hat man drey Haupt- 
Ursachen, um welcher willen die Bäume brandig werden. Erstlich 
wegen überflüssiger Feuchtigkeit, welche in Entzündung des Saftes 
zwischen Holtz und Rinde ersticket und alsdann die Rinde erhebet, 
brandig und dürre machet. Die andere Ursache ist diese, dafs offtmals 
unbedachtsamer Weise und mit Unverstand ein Baum anders gesetzet 
wird, als er vorher gestanden. Dieses ist ihnen hochschädlich, denn 
die Rinde, so braunfarbig ist und gegen Morgen oder Mittag: gestanden 
hat, ist daselbst viel härter, als an den Seiten, so gegen Nord oder 
Abend gestanden hat, als welche gemeiniglich grün, zart und unzeitig 
ist — alsdenn mufs ohnfehlbar ein Schade daraus entstehen, sintemalen 
die Nordseite der Mittags-Sonne gar nicht gewohnet und wird sie nicht 
allein von der grofsen Hitze gedörret, sondern auch im Frühling durch 
harte Nachtfröste erschrecket und die Rinde in die Höhe gezogen, her- 
nachmals durch die Sonne den Tag über ausgetrucknet und verbrennet, 
woraus alsbald der Brand entsteht, wie er denn gemeimiglich an der 
Seite, so gegen Mittag stehet, gemerket wird.“ — Hier haben wir 
positive eigne Beobachtungen vor uns. — Verfasser erzählt nun weiter, 
wie er derartig verkehrt gesetzte Bäume dennoch dadurch erhalten, 
dafs er in den ersten Jahren nach dem Versetzen auf der nach Mittag 
gewendeten falschen Seite des Baumes einen Umschlag von Kuhkot, 
Haferspreu, Leim und Asche angebracht habe. 

„Die dritte Ursache aber kommt daher, wenn ein Baum mit einem 
Brodmesser gepfropfet wird usw.“ Vielleicht hat Hrsze eine parasitäre 
Infektion dabei im Auge gehabt und zu erklären versucht. 

Über den Krebs äufsert sich dieser Autor (8. 312) folgendermafsen : 
„Dafs der Krebs eigentlich daher rühret, wenn ein Baum zu der Zeit, 
wenn der Mond im Zeichen des Krebses oder Skorpion läuft, gepfropfet 
wird . “ „Diese Krankheit kann man daran erkennen, dafs die 
Rinde hin und wieder Bücklein aufwürfet und unter derselben es 
gleichsam tod und schwartz ist, welches dann immer weiter umb sich 
greiffet, bis es endlich den ganzen Stamm einnimmt. Es werden zwar 
von ein und anderen weitläufftige Ursachen des Krebses angeführet, 
allein die oben angeführte ist doch die allerwahrhaftigste.“ 

Zu diesem Ausspruch des berühmten Gärtners macht der Heraus- 
geber folgenden Zusatz: „..... was den Krebs anlanget, so wird 
niemand läugnen können, dafs solcher offt oben auf den Bäumen, 
und zwar von dem Unflath, welcher zwischen dem Stamm und den 
Aesten auf denen Zwieseln sich sammlet, entstehet. Derowegen es 
höchst nöthig ist, dafs man die Zwiesel allezeit rein halte und sie von 
allem Unflath säubere. So entspringet auch der Krebs offt von eben 
demselben auffwallenden Saffte, aus welchem der Brand entstehet und 
haben diese zwey Krankheiten "oft einerley Ursache.“ 

Der Verfasser beschreibt hier deutlich die Erscheinung, die wir 


') Heinrich Heszens, Neue Gartenlust usw., vermehret und mit dreyen nütz- 
lichen Registern versehen durch Turovorum Puvronocus. 1690. Kap. 8. 


EL TEE. 


II. Geschichtliches. 43 


jetzt als Astwurzelkrebs bezeichnen, und wenn wir statt des „auff- 
wallenden Safftes“ die Frostbeschädigungen mit nachträglicher An- 
siedlung der Nectria ditissima setzen, so entspricht die Darstellung 
unserer jetzigen Auffassung über Brand und Krebs. 

Um dieselbe Zeit schrieb ın Frankreich DE LA QUINTINYE sein noch 
heute gesuchtes Buch: „Le parfait jardinier“!, Wir finden darin 
den Krebs kurz als eine Art Galle erwähnt (signifie une maniere de 
galle ou de pourriture seiche), welche sich in der Rinde und im Holze 
bildet, wie man dies häufig an den Birnen (Poire de Robine, Petit 
Muscat, Bergamotte), sowohl am Stamm als an den Zweigen, findet. 
Der Begriff der Holzgeschwülste bei der Bezeichnung „Krebs“ findet 
sich dann weiter bei späteren Gartenschriftstellern, wie z. B. bei FIscHEr?). 

Auf eigenen Füfsen, d.h. auf eigener vielfacher, praktischer Erfahrung 
steht der ruhmredige AsrıcoLa®) (geb. 1672), dessen wirkliche Verdienste 
in den zahlreichen, 1712 bis 1715 ausgeführten Versuchen über die un- 
geschlechtliche Vermehrung der Gewächse (namentlich auch Wurzel- 
vermehrung) zu finden sind. Er widmet das fünfte Kapitel „den Zu- 
fällen und Krankheiten“ usw. und äufsert sich z. B. folgendermafsen : 
„Es regieret aber der Mehlthau, Rubigo, zuweilen wie eine Seuche unter 
den Bäumen, der im Frühling, wann sich die Erde eröffnet und die 
verschlossenen Dämpfe anfangen über sich zu steigen, die meisten be- 
schädiget, und ist nichts anders, als ein sehr scharfer und beissender 
Thau, welcher von den Erddünsten, die sie übersich hat zusammen- 
gezogen, herrühret .... Drittens findet sich eine Krankheit bei den 
Bäumen ein, welche der Sonnenbrand, oder Brand, uredo, genennet wird. 
Dieser ist aber zweierlei. Erstlich wird er so genommen, wann ein 
subtiler Regen oder Thau anfällt, und die Sonnenstrahlen darzwischen 
scheinen, und legt sich auf die Blätter. Dadurch werden die Löcher 
und Fasern schlapp und erweitert; die Sonnenhitze aber ziehet selbige 
alsobalden zusammen. Damit werden die Blätter verbrennt, beginnen 
braun und schwarz zu werden und fallen ab. Vor das andere, so 
findet sich ein solcher uredo oder Brand, in den innerlichen Theilen des 
Baumes, in dem Mark .... Die wahre Ursach aber, warum der Brand 
in Versetzung eines Baumes das Mark brandig macht, mag wol diese 
sein, weil der gemeinen Gärtner Gewohnheit ist, dafs, wann sie einen 
Baum versetzen, sie auch gemeiniglich die Wurzel beschneiden, und 
wissen nicht, was sie dem Baume vor einen Schaden verursachen. 
Denn die kleinsten Würzlein ziehen den meisten Saft aus der Erden 
an sich, die schneiden sie weg .... Weil nun die Wurzel samt dem 
Mark offen und frei ist, so tritt die Feuchtigkeit hinein, und verletzet 
das: Mark, . .* 

Betreffs des Krebses finden wir den „aufwallenden Saft“ als Ursache 
betont in dem 1751 erschienenen Gartenlexikon von RiEDEL*). „Krebs, 
Baumkrebs, Kanker, Fresser. Also wird der schädliche Zufal an den 


1) Le parfait jardinier etc. Par feu Mr. de la Quintinye. Paris 1695. T.1, p. 31. 

2\B. b: Curisroruort Fıscuerı soc. j, Fleifsiges Herrenauge usw. Nürnberg 
1719. 5 Abt. I. S. 168. Es 

3) Georg Anpreä Acrıcorä, Philosophiae et Medicinae Doctoris und Physici 
Ordinarii in Regensburg. Versuch einer allgemeinen Vermehrung aller Bäume, 
Stauden und Blumengewächse anjetzo auf ein neues tbersehen usw. von 
C. G. Brausern. Regensburg 1772. Der Originaltitel lautete: „Neu und nie er- 
hörter, doch in der Natur und Vernunft uibserüadeter Versuch einer Uniyersal- 
vermehrung aller Bäume, Stauden und Blumengewächse,“ 1716. 

#) Rırper, Kurz abgefafstes Gartenlexikon usw. Nordhausen 1751. S. 420. 


44 II. Geschichtliches. 


Bäumen genannt, welcher sich an der Rinde derselben äusert, da solche 
hin und wieder Buckeln bekommt und aufspringet, worauf, wann dem 
fressenden Uebel nicht zeitig abgeholfen wird, ein Ast nach dem andern 
und endlich der ganze Baum verdirbet. .... Die wahre Ursach aber 
dieses schädlichen Zufals an den Bäumen ist entweder die böse Eigen- 
schaft des Erdreiches, und die daher entstehende oder aufwallende 
böse Säfte, so sich zwischen der Rinde entzünden, welche wenn man 
sie abnimmt, schwarz aussieht, oder der aufwallende überflüssige geile 
Saft, welcher wenn er im Aufwallen keinen Ausgang findet, erstikken 
und verderben mus, welches denn auch der Anlas zu der aufgeworfenen 
und aufgeborstenen Rinde ist.“ 

Die jetzigen Autoren setzen statt des aufwallenden Saftes den Aus- 
druck „Saftstockung“. 

Als Mittel gegen den Krebs empfiehlt der Autor das Ausschneiden 
der kranken Stelle und Verstreichen mit Baumwachs. Wenn der Boden 
die Ursache ist, sollte man diesen bis auf die Wurzeln wegnehmen 
und durch besseren ersetzen. Bei Saftüberfülle soll man im Februar 
den Stamm an der Basis anbohren und das Loch nach 1 bis 2 Tagen 
mit einem festen Holzpflock verkeilen oder eine starke Wurzel spalten, 
„da dann der überflüssige Saft unten abziehe“. 

Direkt auf Frost führt Prınıpp Mitter!) Krankheitserscheinungen 
zurück, die er mit dem Namen „Brand“ bezeichnet. Im wesentlichen 
sind die Mirter’schen Urteile eine Wiedergabe der Hauzs’schen An- 
sichten, der unter Brand (blast) nicht nur Frost, sondern auch Sonnen- 
brand u. dgl. versteht. Wichtig wird Hares?) durch die Erwähnung 
der Übertragbarkeit des Krebses durch Veredlung und der bisweiligen 
Heilung desselben durch Ausschneiden. Bemerkenswert ist die Be- 
obachtung des englischen Experimentators über den Einflufs der 
trocknen Frühjahrswinde, die das Laub versengen: „The considerable 
quantity of moisture which is perspired from the branches of trees, 
during the cold winter season, plainly shews the reason, why in a long 
series of cold northeasterly winds, the blossoms and tender young 
set fruit and leaves are in the early spring so frequently blasted, 
viz. by having the moisture exhaled faster than it can be suplied from 
the trees.“ 

Grofse Aufmerksamkeit wendet DuHamEL?) den Frostschäden zu 
und erwähnt, dafs die Bäume manchmal von Geschwülsten heimgesucht 
werden. Diese sind um so leichter zu heilen, je Jünger sie sind. Es 
löst sich an irgend einer Stelle des Stammes die Rinde vom Holze, 
und zwischen beide tritt eine fressende Eiterflüssigkeit. Diese Art 
fressender Geschwüre nennt man „Krebs“, der zu den durch Saft- 
überschufs erzeugten Krankheiten gezählt wird. 

Das Niedersächsische Gartenbuch*) sieht die Veranlassung zu 
Brand und Krebs in zu dichtem Stand der Bäume, nicht zusagendem 
Boden usw. 

Während das Altertum und das Mittelalter sich bei ihren Beobach- 


!) Das Englische Gartenbuch oder Pur Mirvers Gärtnerlexikon usw. Nach 
der fünften Ausgabe ins Deutsche übersetzt von Hursm. Nürnberg 1750. 8. 136. 

2) Statical Essais containing Vegetable Staticks etc. by Steph. Hales. 2nd edit. 
London 1731. I, 35£f., 147, 869; II, 265. 

2) La physique des arbres par Dumawer du Monceau. Paris 1758. S. 339. 

#4) Caspar Beenstepr, Vollständiges niedersächsisches Land- und Gartenbuch. 
Flensburg und Leipzig 1772. I, S. 151. 


II. Geschichtliches. 45 
tungen über Pflanzenkrankheiten meist auf die Wahrnehmung der dem 
bloisen Auge entgegentretenden ausgebildeten Erscheinungen be- 
schränkten und fast nur bei den Veredlungen durch den Versuch zur 
Lösung der Fragen des Pflanzenlebens schritten, sehen wir mit Haues 
und DunHameL das Experiment seine Wichtigkeit erlangen. 


Gleichzeitig mit der Experimentalphysiologie beginnt nun auch 
der weitere Ausbau der phytopathologischen Systeme. 

Die Geschichte der Systematik der Pflanzenkrankheiten behandelt 
SEETZEN !), dem wir hier folgen. 

Demnach finden wir bereis ein fertiges System bei ToURNEFORT?), 
dessen erste Klasse die Krankheiten aus innern Ursachen zusammen- 
fafst gegenüber der zweiten Klasse, der durch äufsere Ursachen hervor- 
gerufenen Krankheiten. Zur ersten Klasse rechnet er 1) La trop 
grande abondance du suc nourricier; 2) le defaut ou mangque de ce 
suc; 3) quelques mauvaises qualites qu’il peut acquerir; 4) la distribu- 
tion inegale dans les differentes parties des plantes. In der zweiten 
Klasse befinden sich: 1) La gräle; 2) la gelee; 3) la moisissure; 4) les 
plantes, qui naissent sur d’autres plantes; 5) la piqueure des insectes: 
6) differentes tailles ou incisions, que l’on fait aux plantes. 

Die Anschauungen TourNEFORT's finden wir in unsern heutigen 
Systemen wieder. Denn wir gruppieren die Krankheitsfälle nach 
Wasser- und Nährstoffüberschufs und -mangel, nach Schäden, die durch 
Witterungsextreme (Frost, Hagel) hervorgerufen werden, usw. Ebenso 
behandeln wir als gesonderten Abschnitt die Wunden und die hier 
bei TouRNEFORT zum ersten Male auftretenden parasitären Krank- 
heiten. 

Weniger glücklich ist das kurz nach dem Tovrnkrort'schen er- 
schienene System von ZWwinGer®?), das ebenfalls zwei Hauptgruppen 
annimmt: 1) Allgemeine, 2) spezielle Krankheiten. Die erste umfalst: 


La gangrene — le dessechement — la surabondance de suc — le 
branchage excessif — une espece de galle, qui manche l’ecorce. In 
der zweiten Hauptgruppe finden wir: Le dessechement des racines — 
la separation de leur ecorce — la grosseur excessive des racines, qui 
retienent tout le suc de la plante — les excroissances — les coups et 


les blessures. Aus der Sonderung der nahe verwandten Erscheinungen 
ersehen wir, dafs der Verfasser sein Material nicht beherrschte. 

Eine dem Laien leicht fafsliche Anordnung befolgt das Eysrarth’sche 
System *), das als Einteilungsmodus die verschiedenen Lebensalter der 
Pflanze benutzt. In der ersten Klasse werden die Krankheiten der 
Keimungsperiode, in der zweiten die der eigentlich vegetativen Zeit und 
in der dritten die Störungen der Sexualperiode abgehandelt. Inner- 
halb jeder Klasse werden die Einflüsse der Witterungsextreme, die 
Tierbeschädigungen und sonstigen Verwundungen besprochen, und es 
figuriert auch bereits ein Kapitel „a rubigine aut pruina“. Die ein- 


!) Systematum generaliorum de morbis plantarum brevis diiudicatio. Publico 
examini submittit Ulricus Jasrer Srrrzen. Gottingae MDCCLXXXIX. 

?) Observations sur les maladies des plantes par M. Tourserorr. M&m. de l’Ac. 
Roy. des Sciences ä Paris 1705, p. 332. 

3) Jo. Jac. Zwineerı, Diss. med. inauguralis de valetudine plantarum fecunda 


et adversa. Basileae 1708. ER N 
#) Christ. Sıcısuunv Eysrartu, Diss. phys. de morbis plantarum. Lipsiae 1723. 4°. 


46 II. Geschichtliches. 


gehende Klassifizierung zeigt, dafs der Verfasser die Materie gut durch- 
gearbeitet hat. 

Auf die Tournerort'sche Einteilung greift das System von 
Apanson!) zurück, indem es als erste Hauptgruppe die „maladies dües 
a des causes externes“, als zweite die „maladies dües A des causes 
internes“ aufstelt. Man merkt in der Einteilung bereits die Fort- 
schritte der mikroskopischen Untersuchungen und die steigende Auf- 
merksamkeit, die den parasitären Pilzen zugewendet wird. Denn in 
der ersten Hauptgruppe beschäftigen sich die einzelnen Kapitel z. B. 
bereits mit: Le givre ou Jivre (Erysiphe Fabricii) — la rouille 2evoupn 
Theophr., Rubigo) — le charbon (Ustilago) — la pourriture (Caries 
Fabr.) usw. 

Der Autor stützt sich vielfach auf die Terminologie von Fapkrıcıus, 
der wahrscheinlich schon vor Erscheinen des Gesamtsystems in einzelnen 
Abhandlungen seine Studien niedergelegt hatte. Denn das vollkommene 
System wurde erst im Jahre 1774?) publiziert. 

Faprıcıus stützt sich sicherlich auf eigene Beobachtungen. Man 
merkt dies weniger aus der Aufstellung der Hauptgruppen als aus 
den Unterabteilungen der einzelnen Kapitel, bei welchen unter der 
äufserlich gleichen Erscheinung eine Gliederung der Fälle nach den 
verschiedenen Ursachen bereits begonnen wird. So sehen wir beispiels- 
weise in der ersten Hauptgruppe: „Vfrugtbargiörende Sygdomme“, d.h. 
den zur Unfruchtbarkeit führenden Störungen, einen Abschnitt „Dovhed‘“, 
was wir mit Bleichsucht oder Gelbsucht übersetzen möchten. Dieselbe 
wird gegliedert in D. af Regn, af Kulde, af Rög usw. Bemerkenswert 
ist die Beobachtung, dafs aufser Regen, Kälte und andern Faktoren 
auch eine Gelbsucht durch Rauch hervorgebracht werden kann. In 
der zweiten Hauptgruppe: „Udtserende Sygd.“, also den Atrophien, 
findet sich im Abschnitt „Quzlelse“ die Verspillerung (Etiolement) 
durch „stedets Indslutning“ (dichter Stand) und durch Mangel „paa Lys“ 
(Lichtmangel), durch Schlingpflanzen und Insektenbeschädigungen. Von 
diesen Erscheinungen wird eine andere Gruppe: „Taring“ (Tabes, 
Jaunisse bei Apanson) abgetrennt, wo die Vergilbung durch Nähr- 
stoffmangel, durch ungeeignete Bodenverhältnisse, durch zu starke Ver- 
dunstung nach dem Verpflanzen usw. besprochen wird. Die dritte 
Hauptgruppe beschäftigt sich mit „Flydende Sygdomme‘“, also den Saft- 
flüssen, wozu der Honigtau gerechnet wird. In der vierten Gruppe 
befinden sich die „Raadnende Sygdomme‘“, was unserer Auffassung 
nach die Weichfäulen, die verjauchenden Bakteriosen oder Rotze be- 
zeichnen dürfte. Unter den Ursachen figurieren auch die „Snylte- 
Planterne‘, also die parasitären Pflanzen. In der fünften und sechsten 
Gruppe werden die Wunden, Frostspalten, Gallen und Monstrositäten 
abgehandelt. 2 

Im Jahre 1779 erschien in deutscher Übersetzung das ZALLINGER- 
sche?) System mit dem deutlichen Bestreben, die Terminologie der 
Medizin auf die Pflanzenpathologie zu übertragen. ZALLINGER nimmt 


') Avansox, Sur les maladies des plantes; in „Familles des plantes“. Tom. I, 
p- 42.  1763...89, 

?) Forsög til en Afhandling om Planternes Sygdomme ved Jon. Curıst. 
Fasrıcmws; ind der kongelige Norske Videnskabers Selskab skrifter femte Deel. 
Kiöbenh. 1774. Sid. 431 - 492. 

?) Abhandlung über die Krankheiten der Pflanzen, ihrer Kenntnis und Heilung; 
aus dem Latein übersetzt von Jon. Grafen v. Asvsrspere. Augsburg 1779. 8°. 


II. Geschichtliches. 47 


fünf Klassen an: 1) Phlegmasiae oder Entzündungskrankheiten:; 2) Para- 
Iyses seu debilitates, das sind die lähmenden Gichten oder Entkräftungen : 
3) Abflüsse und Ausleerungen; 4) Cachexiae, üble Leibesbeschaffenheit; 
5) Hauptmängel der Teile. 

Um die Auffassung des Autors zu kennzeichnen, suchen wir nach 
der Krankheit, die wir nebst Brand als leitendes Beispiel in unserer 
ganzen Darstellung benutzen, nämlich nach dem Krebs. ZALLınGER 
stellt denselben in die Klasse der Cachexien zur Unterabteilung der 
Beulengeschwüre, zu denen er die Rhachitis oder Unterwachs, die 
Leontiasis oder Rauhwarzen an der Haut u. a. rechnet. Den Brand, 
Gangraena s. Sphacelus, erwähnt er als anormale Cachexie neben 
Phthiriasis oder der Laussucht und der Vermiculatio, der Erzeugung 
von Würmern. Man kann aus dieser Gruppierung schliefsen, dafs der 
Autor sich dabei von dem häufig gemeinsamen Auftreten der Erschei- 
nungen hat leiten lassen; denn die toten Rindenstellen bieten einen 
bevorzugten Ansiedlungsherd für Insekten. Das, was wir jetzt als 
Getreidebrand bezeichnen, finden wir als Ustilago oder Mifsgeburt des 
Samens in der Klasse der Ausleerungen. Fapkrıicıus hatte den „Kraebs‘“, 
Cancer, in die Klasse der Fäulniskrankheiten gebracht. 

In seiner Anleitung zur Kenntnis der Pflanzen veröffentlichte 
Barsca!) auch eine Übersicht der Krankheiten, welche er in solche ein- 
teilt, die in „Verderbnis der festen und flüssigen Theile“, also in der 
Konstitution der Pflanze begründet sind, und in solche, welche „durch 
Thiere und Gewächse“ verursacht werden. 

Man würde sich aber täuschen, wenn man unsere kryptogamen 
Parasiten in letzterem Abschnitte suchen wollte. Dieselben finden sich 
vielmehr in der ersten Klasse, getreu der schon bei ZALLINGER deut- 
lich zutage tretenden Überzeugung (s. Ustilago), dafs die parasitären 
Organismen nichts Selbständiges, sondern nur Entwicklungsformen 
der höheren Pflanzen sind. So hat Barsch unter den Konstitutions- 
krankheiten eine Gruppe: „Brandige Veränderung des Wesens“, deren 
erste Familie die Erscheinungen umfafst, wo der Zerfall des Gewebes 
in ein Pulver „Brand, Ustilago“, stattfindet. Die zweite Familie ent- 
hält die Umformung der Gewebe in eine „schwammige Masse (Mutter- 
korn, Clavus)*. 

Diese Anschauungsweise gelangt nun für die nächste Zeit zur 
Herrschaft, wie wir im folgenden Abschnitt sehen werden. 


Durch die Arbeiten der erwähnten Autoren und die Erfahrungen 
auf dem Gebiete des praktischen Gartenbaues sowie durch das grofse 
Aufsehen, das der von Wırrıam Forsyta 1791 erfundene und allgemein 
überschätzte Baumkitt hervorgerufen, war die Überzeugung von der 
wirtschaftlichen Bedeutung der Pflanzenkrankheiten in so weite Kreise 
gedrungen, dafs nunmehr spezielle Bücher über diese Disziplin er- 
scheinen konnten. 

Schon das Jahr 1795 macht uns mit drei derartigen Werken be- 
kannt. Das erste, von PLEnk?) geschriebene, behandelt die Krank- 
heiten der sämtlichen damals wichtigen Kulturpflanzen und basiert 


1) A. J. G. C. Barscn, Versuch einer Anleitung zur Kenntniss und Geschichte 
der Pflanzen usw. I. Theil. Halle 1787. S. 284. Be; 
2) Prexk, Physiologie und Pathologie der Pflanzen. Wien 1795. 


48 II. Geschichtliches. 


auf eingehender Beobachtung. Betreffs unseres leitenden Beispiels, 
des Krebses, berichtet der Autor folgendes: „Ein schwammigter grofser 
Auswuchs an einer Stelle des Stammes, aus der auch bei der dörrsten 
Witterung eine ätzende Feuchtigkeit ausfliefst, die den ganzen Umfang 
der Geschwulst auffrifst. So wurde eine Pı yrus Cı ydonia,, an die ein 
Sumpf gerenzte, von dem Baumkrebs befallen, indefs die andern, an 
einem höhern Ort gepflanzten Quittenbäume gesund blieben. Der 
Nahrungssaft wird, wie es scheint, von der Schärfe des stehenden 
Wassers so ätzend, dafs er die Gefäfse des Baumes auffrifst. Die 
Arten des Baumkrebses sind nach Verschiedenheit des Sitzes zweierlei: 
1) Der offene Baumkrebs. Wenn die Krebsknoten an der äufsern 
Oberfläche der Rinde erscheinen. 2) Der verborgene Krebs, wenn 
sich zwischen der Rinde und dem Holze eine scharfe krebsartige 
Jauche ansammelt, aber nirgends aus der Rinde fliefst. In beiden 
Fällen fällt der Baum in eine unheilbare Schwindsucht, wofern man 
nicht sogleich die mit dem Krebs behaftete Stelle ausschneidet und 
die Wunde mit dem Wundkitt verklebt.“ Bei dem Brande unterscheidet 
PLENK einen trocknen und feuchten Brand; unter ersterem versteht er 
„eine schwarze und dürre Verwelkung der Blätter oder eines andern 
Theiles einer Pflanze“ und als „feuchten Brand“ bezeichnet er die 
„feuchte und weiche Ausartung der Pflanzen in eine fauligte Jauche* 

Fast denselben Wortlaut bei der Erklärung des Krebses finden 
wir in dem sonst viele eigene Beobachtungen aufweisenden Buche von 
SCHREGER !). Bezüglich der Branderscheinungen, wobei die Rinde oder 
andere Teile des Baumes schwarz und mürbe aussehen und sich ver- 
zehren, sagt er: „Dergleichen schwarze Flecken der Rinde fressen 
immer mehr um sich und greifen auch das Holz an, so dafs die erstere 
endlich als abgestorben abspringt und das letztere dürr , schwarz und 
wie verbrannt erscheint.“ — Diese Erklärung deckt sich genau mit 
den Erscheinungen, die wir jetzt w ahrnehmen, wenn der Frost stärkere 
Rindenbeschädigungen veranlafst, und in der Tat kommt dieser Be- 
obachter auch zu demselben Schlusse betreffs der Ursache: „Zu seiner 
Entstehung können die Quetschungen durch Schlossen Veranlassung 
geben; ferner kalte Nachtreife. Mehr schadet noch der Reif in tiefen 
und feuchten, als in hohen und trocknen Gegenden. Windige Nächte 
schaden daher weniger, als wann es reift. Wenn die Bäume durch 
starke Winterkälte erfrieren und eingehen, so ist die Ursache ihres 
Todes meistentheils ein daher entstandener Brand. Dies geschieht theils, 
wenn die strenge Kälte im Herbste zu zeitig kommt, wo der Saft m 
den Bäumen noch in lebhafter Bewegung ist, “theils im Frühjahr, wenn 
die Säfte schon, wie man sagt, eintreten. Der letztere Fall ist der ge- 
fährlichste. Mitten im Winter erfrieren sie auch bei sehr grofser Kälte 
selten, es sey denn, dafs es den Tag zuvor geregnet habe.“ — Seite 420 
und 500 wird von dem Apfel- und Birnbaum gesagt, dafs „das Über- 
mafs von fettem, oeligem Dünger leicht den Brand und Krebs erzeugt“, 
also eine Prädis sposition schafft. 

Das dritte der im Jahre 1795 erschienenen Bücher, von Ritter 
v. EHRENFELS?), spezialisiert sich noch mehr, indem es nur die Obst- 


!) Erfahrungsmälsige Anweisung zur richtigen Kenntniss der Krankheiten der 
Wald- und Gartenbäume. Leipzig 1795. 

®2) Ritter v. Eurexrers, Über die Krankheiten und Verletzungen der Frucht- 
und Gartenbäume. Bresslau, Hirschberg und Lissa 1795. 


Pe ey Ve 


II. Geschichtliches. 49 


bäume behandelt. Der Autor erklärt, dafs dem Brande alle Baumarten 
unterworfen wären, und dafs „diese Fäulung, welche sich zuerst in der 
Rinde und dann im Holze selbst offenbaret“, die gewöhnlichste Baum- 
krankheit sei, die in einigen Büchern auch als Krebs bezeichnet 
werde. Die Beschreibung, die v. EHRENFELS gibt, ist so deutlich, dafs 
sie mit der jetzt als Nectria-Krebs bekannten Erscheinung sofort 
identifiziert werden kann. Er sagt: „Die Zeichen dieses bösen Zufalls 
sind daher vor allem eine schwarze oder schwärzliche Rinde, welche 
oft schon 6 bis 8 Tage nach dieser Erscheinung aufspringt, kleine 
Rizen bildet und nach und nach ihren Zusammenhang mit dem Stamm 
des Baumes verliert, so dafs die Rinde an dem Schaft nur locker an- 
klebt. Nach einiger Zeit trennt sich die lockere Rinde ganz und gar 
vom Stamme los und entblöfst das Holz des Baumes. In dieser Epoche 
hilft sich freilich die Lebenskraft der kranken Pflanze, wie sie sich 
nur helfen kann, und stöfst unaufhörlich die feindlichen oder kranken 
Theile von sich; aber diese Kraft ermattet auch zuletzt, und der Baum 
stirbt. — Der Baum versucht eine neue Rinde zu bauen — diese Rinde 
windet sich in mehr oder weniger übereinanderliegen- 
den Falten heraus und sucht sich über die entblöfsten Stellen aus- 
zudehnen .....“ Als Ursache gibt Verfasser Verletzungen an, wie 
z. B. ein unverständiges Ausästen, Insektenbeschädigungen u. dgl.; „ja 
zuweilen liegt dieAnlage zum Brandin der Disposition des 
Baumes selbst; eine Disposition, die die Bäume von dem Boden, 
in dem sie aufleben, von ihrer Abstammung und von einer unklugen 
Kultur erhalten.“ — 

In dem zu Anfang des vorigen Jahrhunderts erschienenen Pomo- 
logischen Handwörterbuch ergänzt Carıst!) die obigen Mitteilungen 
durch die Angabe: der Brand „kommt auch vielmahls her vom Ver- 
frieren im Winter“. 

Auf eigene Beobachtungen stützt sich ferner BurpvacH?), der vom 
Brande sagt: „Diese Krankheit ist eine Folge indirekter Schwäche und 
entsteht gemeiniglich an solchen Bäumen, welche vorher durch starkes 
Treiben und Düngen in ihrem Wachsthum beschleunigt worden sind, 
oder welche man auf einem magern Gartenboden in ein nur oberwärts 
stark verbessertes Erdreich versetzt hat. Bei Kirschbäumen äufsert 
sich aus den nämlichen Ursachen auch noch ein anderes Uebel, der 
Harz- oder Gummiflufs.“ 

Die Theorie von dem Einflufs des Bodens und der Düngung als 
einer der hauptsächlichsten Ursachen der Pflanzenkrankheiten tritt nun- 
mehr für einige Zeit in den Hintergrund gegenüber der vielseitigen und 
ausgedehnten Forschung auf dem Gebiete des Pilzlebens. 


Wenn auch das Altertum bereits eine Anzahl efsbarer und giftiger 
Schwämme kannte, so begann eine aufmerksame Betrachtung und 
systematische Bearbeitung doch erst im Mittelalter mit der Aufstellung 
von Systemen des Pflanzenreichs. Nach den Angaben von Uorpa (An- 
leitung zum Studium der Mykologie) war es zuerst ANDREAS OAESALPINUS 
1583, welcher in seinem berühmten Buche „De plantis“ die Pilze 
zusammenstellt. Er beschreibt 16 Gattungen: Tuber, Peziza, Fungus, 


!) Pomologisches ee Handwörterbuch. Leipzig 1802. 
2) Systematisches Handbuch der Obstbaumkrankheiten. Berlin 1818. 


Sorauer, Handbuch. 3. Aufl. Erster Band. 4 


50 II. Geschichtliches. 


bBoletus, Suillus, Prunulus, Prateolus, Familiola, Scoroglia, Fungus 
marinus, Gallimaceus, Fungus panis similis, Lingua, Digitellus, Igniarius 
und Agaricum. Wie es scheint, sind hier auch Seetiere mit auf- 
genommen worden. 

Nach fast 100 Jahren erschien Joannis Rası, „Methodus plantarum“, 
Londini 1682; 1710 folgte BoERHAVE mit seinem „Index plantarum horti 
Lugdano-Batavi“, und 1719 trat TOoURNEFORT mit seinen „Institutiones 
Rei herbariae“ hervor. 

Das Hauptwerk, auf das die jetzige Mykologie noch zurückgreifen 
mufs, erschien 1729 in MicaeLi's „Nova plantarum genera“, in welchem 
auf mehr als 100 Seiten und zwölf Tafeln die Pilze sorgfältigst be- 
schrieben und abgebildet werden. MicHELI ging auch auf die Lebens- 
erscheinungen genauer ein und war der erste, welcher die Anheftung 
und Aussaat der Sporen beobachtete. Von den beschriebenen Gattungen 
seien die für die Pflanzenkrankheiten später in Betracht kommenden 
Namen Aspergillus, Botrytis, Puccinia (jetzt Gynmosporangium), Mucor 
und Zycogala genannt. 

In schneller Reihenfolge erscheinen dann: „Methodus fungorum* 
von GLeEpItsch (1753), die „Fungorum agri ariminensis historia“ von 
Barrara (1755), in welcher bereits ein besonderes Kapitel die Nützlich- 
keit und Schädlichkeit der Pilze behandelt. Die scharfe systematische 
Beschreibung der einzelnen Gattungen und Arten beginnt mit LinnE’s 
„Systema Naturae“ (1735), dem „Methodus sexualis*, den „Genera 
plantarum“, dem „Corollarium generum“ und der „Philosophia botanica“, 
deren dritte Ausgabe, 1790 von WILLDENOW besorgt, eine genaue Auf- 
zählung aller Botaniker bis 1788 enthält. In diesem Werke wird auch 
eine Anzahl Krankheiten (Fames, Polysarchia, Cancer usw.) genannt. In 
der uns vorliegenden WILLDENoW'schen Ausgabe finden sich S. 245 
folgende Bemerkungen über parasitäre Krankheiten: „Erysiphe Th. est 
Mucor albus, capitulis fuscis sessilibus, quo folia asperguntur, frequens 
in Humulo, Lamio, Acere“ usw. — „Rubigo est pulvis ferrugineus, 
folıis subtus adspersus, frequens in Alchemilla, Rubo saxatiliı ....“ 
„Ustilago, cum fructus loco seminum farımam nigram proferunt. Ustilago 
Hordei C. B. Ustilago Avenae ©. B.“ — Es folgen dann noch Notizen 
über Mutterkorn, Gallen und andere Deformationen, Farbenänderungen 
usw. — Wichtig für die Pathologie ist, dafs der scharfe Systematiker 
sich nicht verschweigen kann, dafs eigentlich kein Individuum dem 
andern gleicht und Klima wie Boden beständig modifizierend auf den 
Organismus einwirken. Es heifst nämlich in der Philosophia botanica: 
„Varietates tot sunt quot differentes plantae ex ejusdem speciei semina 
sunt productae. Varietas est planta mutata a causa accidentali: climate, 
solo, calore, ventis etc.; reducitur itaque in solo mutata.“ — 

Speziell mit den subterranen Pflanzen beschäftigt sich Scopour’s 
Werk „Dissertationes ad scientiam naturalem pertinentes“ (1772). Im 
Jahre 1780 begann die Herausgabe von BuLumrp’s „Herbier de la 
France“, Paris, in welchem auf 600 farbigen Tafeln die einzelnen 
Gattungen (darunter Mucor, Trichia, Sphaerocarpus, Nidularia, Hypoxylon) 
abgebildet werden. 

Nachdem 1783 in Jena BarscH’ „Elenchus fungorum“ und 1788 bis 
1791 Borrov’s „Historia fungorum, circa Halifax sponte nascentium* er- 
schienen waren, in welchen nur die Linn£’schen Gattungen sich wieder- 
finden, kam 1790 die wertvolle, an eigenen Beobachtungen reiche Arbeit 
Tope's: „Fungi mecklenburgenses selecti“, in Lüneburg heraus. Die 


II. Geschichtliches. 51 


äufserst sorgsamen Abbildungen umfassen unter anderem die Gattungen 
Acrospermum, Stilbum, Ascophora, Tubercularia, Helotium, Volutella, 
Hysterium, Vermicularia, Prlobolus, die wir jetzt bei den Krankheits- 
erregern wiederfinden. Auch A. v. HumsoLpt hat in seinem „Florae 
fribergensis specimen“ (1793) eine gröfsere Anzahl Gattungen beschrieben. 

Aber alle diese Arbeiten sind gleichsam nur als „Beiträge“ zu be- 
zeichnen. Eine zusammenfassende, methodische Systematik lieferte erst 
Persoon’s für lange Zeit mafsgebende „Synopsis methodica“ (Göttingen 
1801). In England erschien von 1797 bis 1809 ein 439 Tafeln geschätzter 
Abbildungen bietendes Werk von JAMES SOWERBY unter dem Titel 
„Coloured figures of english Fungi or Mushrooms“. 

Immer mehr neigen sich nun die Mykologen den mikroskopischen 
Pilzformen zu, wenn auch die damalige Optik genauere Studien noch 
versagte. Dies bezieht sich zunächst auf die in den „Schriften natur- 
forschender Freunde zu Berlin“ (3. Jahrgang 1809/10) veröffentlichte 
Arbeit von Lixck: „Observationes in Ordines plantarum naturales“ und 
auf das an Kopien aus früheren Büchern reiche Abbildungswerk von 
NEES Vv. EsENBECK: „System der Pilze und Schwämme“, Würzburg 1817, 
das eine Zusammenstellung „der Ansichten der tiefern Vegetations- 
stufen, in geschichtlichen Fragmenten“* enthält. Wir finden darin auch 
die Aussprüche der Forscher, welche für die Urzeugung eintreten, und 
der Autor selbst, wenn wir die schwülstige naturphilosophische Dar 
stellung recht verstehen, fafst die parasitären Pilze in ihren niedrigsten 
Gruppen als aus der Mutterpflanze selbst hervorgehende Gebilde auf. 
So sagt er beispielsweise von den Entophyten: „Ihr eigenster Charakter 
ist, dafs sie dem überfüllten oder erschöpften Leben angehören und 
sich, ohne aufs Ganze sich ausbreitende Entmischung, ursprünglich nur 
an einzelnen, aus dem Gesammtleben heraus in die Besonderheit ge- 
bildeten Stellen, gewöhnlich, doch nicht immer, zuerst unter der gemein- 
schaftlichen Bedeckung, entwickeln. Die Abhängiskeit der infusoriellen 
Zelle von dem höhern Organismus offenbart sich hier stets durch ihr 
Aufsitzen mittelst eines mehr oder minder verlängerten Stiels. Die 
Zelle wächst erst, ehe sie sich freimacht, und die Verlängerung an 
ihrem Grunde ist der Ausdruck des nicht plötzlich, sondern organisch 
aufgehobenen Polaritäts-Verhältnisses, das durch die Hauptpflanze in sie 
übertritt.*“ Bei der Gattung Cyathus (S. 141) heifst es: „Der ganze 
Stamm, den wir beschrieben, ist nur ein der Erde entsprossener Staub- 
faden. Der Staub des Staubpilzes erzeugt sich selbst... .“ 

Nunmehr erscheint das klassische Werk von Eis Frıes!), mit 
seinen für die damalige Zeit scharfen Gattungs- und Artdiagnosen die 
ganze bekannte Formenwelt des Pilzreichs umfassend. 

Die Literatur beginnt nun durch Einzelarbeiten und wissenschatft- 
liche sowie praktische, den Acker- und Gartenbau umfassende Hand- 
bücher und Schriften, welche die Krankheiten berühren (Tessıer, ‚JÄGER, 
Horkirk, Lehrbücher von WILLDENOW, NEES, DE CANDOLLE, WENDEROTH, 
REICHENBACH, RE, KiESER), derart zu wachsen, das wir nur noch die 
für die Geschichte der Pathologie markantesten Erscheinungen hervor- 
zuheben vermögen. 

Zu diesen gehört in erster Linie F. Unxser?), der das Ergebnis 


1) Systema mycologicum T. I bis III. Lundae 1821, Gryphiswaldiae 1829 bis 
1832. — Elenchus Fungorum. Gryph. 1828. 7 

2) Die Exantheme der Pflanzen und einige mit diesen verwandte Krankheiten 
der Gewächse. Wien 1833. A 


52 II. Geschichtliches. 


äufserst fleifsiger und gewissenhafter Studien in seinen „Exantheme 
der Pflanzen“ 1833 veröffentlichte. Der in einem kleinen abgelegenen 
Alpentale lebende Arzt gibt in einer Anzahl sehr sauber und natur- 
getreu selbstgezeichneter Abbildungen seine Beobachtungen wieder und 
baut auf dieselben seine Lehre von den Krankheiten aut. „Die meisten 
Krankheiten der Pflanzen spielen in den Säften .... Die fehlerhafte 
Ausbildung und die zahlreichen Abnormitäten im chemischen Vorgange 
des Nahrungssaftes, sowie ähnliche Fehler des höher belebten Lebens- 
saftes, sind die Ursache von unzähligen Krankheiten, die sich durch 
mangelhafte Ausbildung der Pflanzensubstanz, durch Anhäufung von 
Excretionsstoffen, durch Auflockerung des Parenchyms, durch ver- 
änderte Beschaffenheit der Sekreta usw. oder durch Zustände von 
entgegengesetztem Charakter äufsern. Uberhaupt dürfen die meisten 
quantitativ und qualitativ veränderten Vorgänge der pflanzlichen Chylo- 
poese als die Quelle von Krankheiten angesehen werden, die sich mehr 
durch veränderte Substanz als durch Alienation der Form zu erkennen 
geben. Der Culturstand, in den ein grofser Theil der Pflanzen ver- 
setzt wird, wirkt so nachtheilig auf den Organismus, dafs wenigstens 
der gröfste Theil solcher Pflanzen krank "genannt zu werden ver- 
dient . h 

Während wir nach diesen Darlegungen vermuten müssen, dafs der 
Autor die Krankheiten als Funktions- und Bildungsabweichungen im 
Haushalt des Organismus auffassen würde, kommt UNGER zu der An- 
sicht, dafs die Krankheit etwas F remdartiges sei. „Denn wie sıch das 
Kosmische, Elementarische als Älterliches oder Vorbildliches zu dem 
Örganischen, Kindlichen, Gegenbildlichen verhält, ebenso der Organis- 
mus zur Krankheit, die nichts anders als ein zweyter, 
niederer Organismusist, dessen Elemente schon in einem andern 
höhern verborgen liegen.“ In dieser Anschauung liegt die Fortbildung 
des von Bartsch geäufserten Gedankens über das Wesen der parasitären 
Organismen. 

„Zu den Krankheiten der Gewächse, sagt Unser, „die am wenigsten 
Selbstständigkeit verrathen, die in ihrer Wurzelgestalt noch so innig mit 
demjenigen Organismus, den sie befallen, verwebt sind, gehören ohn- 
streitig die Formen, die wir mit Bleichsucht (&tiolement), Wassersucht 
(anasarca), Gelbsucht (icterus), Windsucht (timpanitis), Tabescenz, Mifs- 
wachs, den Profluvien u. a. m. bezeichnen, und welche bei weitem die 
Mehrzahl ausmachen. Gröfsere Selbstständiekeit zeigt das ungeheure 
Heer von Mifsbildungen, denen immer Bellen der en En da- 
durch ein Verweilen auf tiefern Bildungsstufen zu Grunde liegt. Ueber 
diese erhebt sich der Honigthau (Saccharogenesis diabetica), dessen 
pathischen Prozess zuerst L. TRrEVIRANUS und seine universellere 
Bedeutung Dr. H. Schmipr erkannten. Verwandt mit diesem ist un- 
streitig der Mehlthau; das höhere Organisationsbestreben der aus- 
geschwitzten Säfte offenbart sich hier durch organische Bildungen, 
die dem Honigthau noch fehlen. Noch selbstständiger werden diese 
organischen Bildungen im Rufsthaue (Fuligo vagans). Endlich tritt der 
Krankheitsorganismus in den Exanthemen und den ihnen verwandten 
Formen als eigenartiges geschlossenes Ganzes hervor ..... Hierher 
gehören die Parasiten; die höchsten unter ihnen, wie einige Arten von 
en scheinen sich vom Mutterkörper gänzlich losgerissen zu 
aaben.“ 


II. Geschichtliches. 53 


Unger’s Anschauungen teilen auch NEES v. ESENBECK und A. Henry!) 
die betreffs der Staubpilze erklären: „.... die Pilze stehen hier deut- 
lich auf der tiefsten Stufe .....“ „Mit Recht betrachtet man sie als 
Krankheitsstoffe, als Exantheme der höheren Pflanzen.“ „Es bildet sich 
im allgemeinen der Blattpilz durch eine Coagulation der in die Inter- 
cellulargänge ergossenen Säfte.“ 

Unter dem Einflufs dieser Ansicht schrieb auch THeopor Harrıc 
seine Arbeit über die Rot- und Weifsfäule der Kiefer, bei der er zuerst 
die Mitwirkung von Pilzen (Nachtfasern, Nyctomyces) feststellte?). Die 
Entstehung: dieser Pilze führte er auf einen Zerfall der Zellwandungen 
zurück. 

Von den Werken, die mehr die allgemeinen Konstitutionskrank- 
heiten ins Auge fassen und die Pilze kaum berühren, nennen wir die 
von GEIGER?) und LINDLEY*), die im wesentlichen sich auf praktischen 
Erfahrungen aufbauen. Dagegen zeigt wiederum WIEGMANN?), dafs 
seine Angaben sich auf mikroskopische Studien stützen und hierbei 
auch die Chemie ihre Berücksichtigung findet. Beispielsweise gibt er 
an, dafs die Jauche des Brandes sowohl als des Krebses Gallert- und 
Humussäure, aber die des Brandes mehr Gallertsäure enthalte. Beide 
Krankheiten erscheinen ihm nicht parasitärer Natur, und der Krebs 
(Caries, Necrosis) entstehe immer „aus Stockung und Verderbniss der 
Säfte, selbst wenn dieselben nie im UÜberflufs vorhanden waren“. — 
Unter den Ursachen finden wir Wurzelverletzungen, Frostbeschädigungen 
und ungünstige Bodeneinflüsse, wie z. B. „wenn der Untergrund nafs, 
sauer, steinig oder sonst unfruchtbar ist, oder gar Raseneisenstein (Ort- 
stein) enthält“. 

Nachdem mittlerweile das grofse Pilzwerk von Corpa®) zu er- 
scheinen begonnen, tritt MryEn’s?) Pflanzenpathologie als mafsgebendes 
Buch, das auch jetzt noch zu Rate gezogen zu werden verdient, her- 
vor. Er teilt die Materie in „Aufsere Krankheiten“ und „Innere Krank- 
heiten“. 

Zu den ersteren rechnet er aufser den Verwundungen durch 
Menschen und Tiere, Maser- und Gallenbildungen auch die phanero- 
gamen und kryptogamen Parasiten, von denen Ustilagineen und Ure- 
dineen sowie andere Pilze nach dem damaligen Standpunkt ausführlich 
abgehandelt werden. MEYENn teilt nicht mehr den Unger’schen Stand- 
punkt, dafs die Parasiten als Afterorganismen das Produkt einer in 
jeder Pflanze ruhenden Bildungsrichtung, der Krankheit, seien und je 
nach der Beschaffenheit und Kraft des Nährorganismus in einer mehr 
oder weniger entwickelten Gestalt und Selbständigkeit zutage treten. 
Im Gegenteil hebt seine Pflanzenpathologie bei Besprechung der Brand- 
pilze speziell hervor: „Die Beobachtungen über die Entstehung des 


!) Das System der Pilze, I. Abt. Bonn 1837. 

2) Abhandlung über die Verwandlung der polycotylen Pflanzenzelle in Pilz- 
und Schwammgebilde und die daraus hervorgehende sogenannte Fäulniss des Holzes. 
Berlin 1833. 

3) Die Krankheiten und Feinde der Obstbäume. München 1825. 

*#) The Theory of Horticulture. London 1240. 

5) Die Krankheiten und krankhaften Mifsbildungen der Gewächse von Dr. 
A. F. Wiesmann sen. Braunschweig 1839. 

6) Icones Fungorum hucusque cognitorum. Prag 1837 bis 1854. 

o) Pflanzenpatholosie. Lehre von dem kranken Leben und Bilden der Pflanzen. 
Nach dem Tode des Verfassers herausgegeben von Dr. Gortrr. Nrrs v. Esenseer. 
Berlin 1841. 


54 II. Geschichtliches. 


Brandes zeigen auf das deutlichste, dafs wir es hier mit wahren Ento- 
phyten zu tun haben; wir werden sehen, wie sich einige Brandarten 
als eigne parasitische Gewächse ım Innern der Zellen der von ihnen 
befallenen Pflanzen zeigen und dafs man die Brandmasse nicht mit 
dem thierischen Eiter zu vergleichen hat.“ 


Der Haupttitel für Meven’s „Pflanzenpathologie“ lautet eigentlich: 
„Handbuch der Pflanzenpathologie und Pflanzenteratologie. Heraus- 
gegeben von Dr. UHR. GOTIFR. NEES V. EsEnBEck. I. Bd. Pflanzen- 
pathologie.“ Nach diesem Titel wäre ein zweiter Teil, nämlich eine 
Teratologie, noch zu erwarten gewesen. MEYEN selbst hatte die Ab- 
sicht, eine solche zu bearbeiten, aber nach den Mitteilungen des Heraus- 
gebers kein literarisches Material dafür hinterlassen. Als NeEs v. EsEn- 
BECK nun selbst eine Bearbeitung vornehmen wollte, erschienen die 
„Elements de Teratologie vegetale, ou Histoire abregee des anomalies 
de l’organisation dans les vegetaux; par A. Moqumın Tanpon, Doct. 
scienc. et med. etc., directeur du jardin des plantes de Toulouse. 
Paris 1841“. Als Vorgänger dieses Werkes sind zu nennen 0. F. ‚JARGER: 
„Uber die Mifsbildungen der Gewächse“‘. 1814, und Tom. Horkirk: 
„Flora anomala“, 1817. Wir ersehen aus, der deutschen Übersetzung 
von Mogviın Tanpon’s Werk!), dafs der Übersetzer, ©. SCHAUER, als 
Spezialist in der Lage war, manche Mifsverständnisse und Fehler 
des Autors, namentlich in den deutschen Citaten, zu berichtigen und 
Ergänzungen aus eigenen Beobachtungen zu ‚geben. Mogquın TanDoN 
sagt: „Unter dem Ausdruck Mifsbildungen, Monstrositäten (Monstra) 
versteht man meist angeborene, mehr oder weniger bedeutende und 
complicirte Abweichungen von dem Typus einer Art, welche fehler- 
hafte Entstellungen hervorrufen und dem regelmäfsigen Gange der 
Funktionen hinderlich oder hemmend entgegentreten.“ Besser würde 
uns die Definition von DE ÜANDOLLE (Theor. element. 1. ed. p. 406) 
gefallen, wonach Monstrosität jede Störung der Ökonomie eines Ge- 
wächses ist, welche eine Formveränderung der Organe nach sich zieht 
und aus einer inneren Anlage, fast niemals aus einer sichtbaren Ursache 
entspringt. 

Das Werk von Moquin Tanvon ist wegen seiner ausgezeichneten 
Literaturnachweise auch jetzt noch jedem Spezialisten unentbehrlich. — 


Um diese Zeit erhält die Lehre von den Infektionskrankheiten 
einen neuen ÄAnstofs durch das Uberhandnehmen der Kartoffelkrankheit, 
die auch jetzt noch als einer der gefürchtetsten Feinde unserer Land- 
wirtschaft eine besondere Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt und als 
Kraut- oder Phytophthorafäule in den Lehrbüchern beschrieben wird. 
Eine der ersten Publikationen darüber verdanken wir Marrıvs?), und ent- 
sprechend den äufserst schweren Schädigungen des Nationalvermögens 
durch diese Krankheit folgt von da ab eine Flut von Veröffentlichungen, 


!) Pflanzenteratologie. Lehre von dem regelwidrigen Wachsen und Bilden der 
Pflanzen. Von A. Moaum Tasvox. Übersetzt und mit Zusätzen von Dr. )J. 
C. Scuaver. Berlin 1842. 


?) Die Kartoffelepidemie der letzten Jahre. München 1842. 


0  \ 


II. Geschichtliches. 55 


von denen wir nur die von FOckE!), PaYEN ?), SCHACHT), SPEERSCHNEIDER ®), 
v. Hosze®), Künn®) und oE Barry”) hervorheben wollen. (Weitere 
Literaturnachweise finden sich bei der speziellen Besprechung der 
einzelnen Krankheiten.) 

Dafs eine derartige Erscheinung wie die Kartoffelepidemie die 
Pilzkrankheiten in den Vordergrund drängen und die gesamte Mykologie 
befruchten mufste, war selbstverständlich, zumal auch die ökonomische 
Wichtigkeit der Brandpilze immer gröfsere Beachtung zu finden begann. 
Schon früh hatten Tirzet®), Tessıer?) und Pr£vost!‘) den Getreide- 
brand studiert, und die neue Zeit hat durch ve Barr's!!) Untersuchungen 
und Brrreıp’s vieljährige Studien einen bedeutend erweiterten Einblick 
in das Wesen dieser Krankheiten und auch über die Mittel zu ihrer 
Bekämpfung erlangt. Von den Brandkrankheiten aus hat sich vornehm- 
lich die jetzt übliche Methode der Saatgutbeize entwickelt. 

Indem wir betreffs der überwältigend reichen mykologischen 
Arbeiten auf den speziellen Teil des Buches, der die parasitären Krank- 
heiten behandelt, verweisen, wollen wir hier nur zu einigen der haupt- 
sächlichsten, die gesamten Pilzfamilien behandelnden Arbeiten zurück- 
kehren. Des grofsen Werkes von Ems Fries, das 1832 vollendet 
wurde, ist bereits gedacht worden. Im Jahre 1831 erschien der erste, 
1833 der zweite Teil von Wautromm’s Kryptogamenflora!?), in welcher 
die Zellkryptogamen von MarH. Joc. Brurr und Cart Ant. FiInGER- 
HuUTH bearbeitet worden sind. Im Jahre 1842 begann RABENHORST'S 
Kryptogamenflora!?), 1851 Boxorpen’s Handbuch der Mykologie \*), das 
durch seine Abbildungen der mikroskopischen Pilzformen, obgleich 
dieselben in den Kupferwerken von SCHÄFFER, PERSOON, GREVILLE, 
SowERBY, StuURM, KROMBHOLZ und NEES sen. schon reichlich berück- 
sichtigt worden waren, sich dennoch seinerzeit sehr nützlich er- 
wies. Zwar existierten auch bereits die „Icones fungorum“ von ÜoRDA 
und seine mit sehr kleinen Zeichnungen versehene, früher erwähnte 
Anleitung zum Studium der Mykologie'’), allem, abgesehen von der 
Eigenart seines Systems, beschränkte sich Corpa mehr auf die bequem 
sichtbaren Entwicklungsstadien, während Bonxornen eingehender den 
Bau der Gewebe festzustellen suchte. Dieser Autor betont UNGER 
gegenüber, dafs die parasitären Pilze unbedingt selbständige Organıis- 


1) Die Krankheit der Kartoffeln im Jahre 1845. Bremen 1846. 

2) Les maladies des pommes de terre, des betteraves, des bles et des vignes, 
Paris 1859. n 

3) Scuachr, Bericht über die Kartoffelpflanze und deren Krankheiten. 
Berlin 1854. 

4) Das Faulen der Kartoffelknollen. Flora 1857. Bot. Z. 1857. 

5) Über den Kartoffelpilz. Bot. Zeit. 1858. 
6) Die Krankheiten der Kulturgewächse, ihre Ursachen und Verhütung. 
Berlin 1858. 

.‘) Die Kartoffelkrankheit. Leipzig 1861. 

8) Dissert. sur la cause qui corrompt les graines de ble, 1759. 

®) Traite des maladies des graines, 1785. 

10) Memoire sur la cause de la carie des bles, 1807. 

11) Untersuchungen über die Brandpilze. Berlin 1853. 

12) Flora cryptogamica Germaniae auctore Ferd. Guil. Wallrothio, Med. et 
Chir. Doctore etc. Norimbergae 1831—39. R 

12) Kryptogamenflora von Deutschland, Bd. I. Leipzig 1844. 2. Aufl. I—VII 
1884— 1903. 

14) Handbuch der Allgemeinen Mykologie usw. mit 12 Taf. Abb. Stuttgart 1851. 

15) Anleitung zum Studium der Mykologie nebst kritischer Beschreibung aller 
bekannten Gattungen. Prag 1842. 


56 II. Geschichtliches. 


men wären, behauptet aber, „dafs die Spaltöffnungen es sind, welche 
die Sporen aufnehmen und in den damit in Verbindung stehenden 
Lufthöhlen zur Entwicklung bringen“. Er sagt, dafs Algen, Flechten 
und Moose, welche keime Spaltöffnungen haben, und ebenso junge 
Zweige und Äste frei von Parasiten sind. Betreffs der Wirksamkeit 
der Parasiten äufsert er sich dahin, dafs sie „zunächst eine Hypertrophie 
und Degeneration der belasteten Theile verursachen; wo sie aber nur 
vereinzelt vorkommen, wird die Vegetation der Blätter dadurch gar 
nicht gestört“. Nach ihm ist trocknes Wetter der Verbreitung der 
Parasiten wesentlich förderlich, „weil dieses die Verstäubung der Sporen 
begünstigt, weshalb Caeoma und Phragmidium nie häufiger als m 
trocknen Sommern gefunden werden, auch das den Saaten so verderb- 
liche Caeoma cerealium, der gelbe Kornbrand, der im Jahre 1846 so 
vielen Schaden anrichtete.“ 

Mit Künn’s „Krankheiten der Kulturgewächse“ (Berlin 1858) vollzieht 
sich der von MEyENn bereits angestrebte Zweck der Verschmelzung wissen- 
schaftlicher Studien mit den praktischen Erfahrungen behufs Behand- 
lung der Pflanzenkrankheiten in der glücklichsten Weise. So not- 
wendig und so hervorragend die rein wissenschaftlichen Untersuchungen 
in den einzelnen Gebieten der Phytopathologie auch immer sein mögen, 
so erhalten sie doch erst ihre volle Bedeutung durch eime Prüfung im 
praktischen landwirtschaftlichen Betriebe. Nur m der praktischen 
Kultur kann man die Hauptfrage lösen, ob die Verhältnisse in der 
freien Natur dieselbe Entwicklung von Parasiten oder andern Krankheits- 
erregern ebenso zulassen, wie sie sich im Laboratorium gezeigt hat. 
Und darum ist es notwendig, dafs die Phytopathologie sich auf prak- 
tischen Kenntnissen des Acker- und Gartenbaues sowie der Forstwirt- 
schaft aufbaue. Die Unterschiede, die in der Medizin sich heraus- 
gebildet haben zwischen dem wissenschaftlichen Forscher und dem 
praktischen Arzte, müssen notgedrungen auch in der Disziplin der 
Pflanzenkrankheiten sich ausbilden. Die praktische Seite bezeichnen 
wir als die Lehre vom „Pflanzenschutz“. 


Die mykologischen Studien gehören zu en unentbehrlichen Grund- 


wissenschaften des Pflanzenschutzes, und daher haben wir dieselben in 
der Geschichte der Phytopathologie mit möglichster Aufmerksamkeit 
berücksichtigt. Fortfahrend in diesem Bestreben nennen wir zunächst 
das meisterhafte Tafelwerk der Gebrüder Turasne: „Selecta fungorum 
carpologia“, Paris, und das als Sammelwerk willkommene aber mit meist 
recht groben Abbildungen versehene englische Werk von BERKELEY: 
„Outlines of British Fungology“, London 1860. Von besonderem Werte 
bleiben die Arbeiten von DE BarY, deren hierhergehörende Ergebnisse 
sich in der „Morphologie und Physiologie der Pilze, Flechten und 
Myxomyceten‘, Leipzig 1860 zusammengefafst finden. 

Hervorragende Forschungen verdanken wir ferner O0. BREFELD 
durch seine „Untersuchungen über die Schimmelpilze“, Leipzig 1871, 
72 u. ff., und Conn durch seine „Biologischen Mitteilungen über 
Bakterien“, Schlesische Ges. f. vaterl. Kultur, 1873, sowie durch seine 

„Untersuchungen über Bakterien“, 1875, und durch andere im den „Bei- 
trägen zur Biologie der Pflanzen“ enthaltenen Studien. Con hat darin 
mit Glück die Entwicklungsgeschichte der Bakterien gefördert. Sein 
Schüler Zorr erweiterte diese Studien wesentlich bereits in dem Werke 
„Die Spaltpilze“, Breslau (3. Aufl. 1885). Von zusammenfassenden 
Werken aus dieser Zeit sind noch zu nennen: EıpaMm, „Der gegen- 


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II. Geschichtliches. 


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wärtige Standpunkt der Mykologie mit Rücksicht auf die Lehre von 
den Infektionskrankheiten“, Berlin (2. Aufl. 1872), und ferner Winter, 
„Die Pilze Deutschlands, Österreichs und der Schweiz“, Leipzig 1884. 
Eine weitere Vervollständigung bringt die RABENHORST’sche Krypto- 
gamenflora. 

Die umfassendste systematische Zusammenstellung der gesamten 
Pilze bietet P. A. Saccarvo’s „Sylloge fungorum‘, dessen XI. Band 
mit einem „Supplementum universale“, Patavii 1895, erschienen ist. 
Daran schliefst sich ım Jahre 1898 Sypow's „Index universalis et 
locupletissimus nominum plantarum hospitium specierumque omnium 
fungorum“, Berolini. Fratres Borntraeger. Das Buch enthält alle bis 
1397 bekannt gewordenen Pilze. Weitere Supplementbände (XIV bis 
XV]) erschienen 1899 bis 1902 und werden noch fortgesetzt. 

SaccarDo ergänzte sein grofses Pilzwerk durch 1500 Abbildungen, 
die von 1877—1886 unter dem Titel „Fungi italici autographice deli- 
neati“, Patavii, erschienen. 

An Stelle der skizzenhaften Zeichnungen dieses Werkes begann 
A. N. BERLESE eine Serie äufserst sauberer, farbiger Abbildungen unter 
dem Titel „Icones fungorum ad usum Sylloges Saccardianae adcommo- 
datae“, Abellini, zu veröffentlichen. Bis zu Heft IV—V, die 1894 er- 
schienen, waren die Sphaeriaceae Hyalophragmiae erledigt. Der Ver- 
fasser hat unseres Wissens das Werk nicht vollendet, weil ihn der Tod 
zu früh dahingerafft hat. 

Ebenfalls farbige Abbildungen finden wir in CoorE's „Mycographia 
seu Icones fungorum“ London; das erste Heft erschien 1879 mit Dar- 
stellung der Discomyceten. 

Das Anwachsen der Arbeiten auf dem Gebiete der Mycelpilze und 
Bakterien zu einer nicht mehr zu bewältigenden Fülle verbietet hier 
ein weiteres Eingehen auf die Materie und zwingt uns, auf den seit 
1873 erscheinenden „Botanischen Jahresber icht‘ zu verweisen. 

Dafs auch die Teratologie seit Mogumn Tanvon ihre weitere Ent- 
wicklung gefunden hat, ist selbstverständlich. Von Werken, die das 
Gesamtmaterial behandeln, sind hervorzuheben: M. Masters, „Vege- 
table Teratology“, London 1869, und O. Penxzig, „Pflanzenteratologie“, 
systematisch eeordnet, (Genua 1890-94, das als das vollständigste N Tach- 
schlagebuch auf diesem Gebiete bezeichnet werden darf. 

Ein weiteres Eingehen auf die mykologische Literatur müssen wir 
des beschränkten Raumes wegen unterlassen. Der Leser findet aber die 
gewünschte Ergänzung im zweiten Bande dieses Werkes. Notw endig: 
dagegen bei einer Darstellung des Entwicklungsganges der Disciplin 
erscheint noch ein kurzer Hinweis auf die zahlreichen Ausgaben natür- 
lichen getrockneten Materials in Herbarienform. Von den Exsikkaten- 
werken, die speziell sich mit Pflanzenkrankheiten befassen, seien hier 
ang eführt: Taünen, F. v., „Herbarium mycologicum @conomicum“ 
Teplitz 1873—179; RABENHoRsT, „Fungi europaei exsiccati‘, fortgesetzt 
von Winter und PATzscHKE; FuckEL , I. „2, Füngi rhenani exsiccati“, 
zweite Ausgabe, 1874; ERrIKSSON, Jak., „Fungi parasitici scandina- 
vici“, Stockholm 1882—1895; Briost, G., et Cavara, F., „J funghi 
parassiti delle piante coltivate ed utili essicati, delineati e deseritti“, 
Pavia, fasc. I—XII (1897); KRıesEer, W., _Schädliche Pilze unserer 
Kulturgewächse“, fasc. I, 1896; SEYMOUR, I B., and EarıE, F. 8, 
„Economic fungi“, Cambridge. An Ream’s seit vielen Jahren er- 
scheinende Ascomycetensammlung schliefsen sich noch viele neue, die 


58 II. Geschichtliches. 


allgemeine Pilzflora einzelner Länder darstellende Exsikkatenwerke an, 
wie z. B. die von SaccarDO, SYDoW, VESTERGREN, J. B. Eıris, JAaap, 
Bugik und Kaspar, Pösch usw. 


Während die Pllanzenkrankheitslehre die teratologischen Erschei- 
nungen nur so weit heranzuziehen versucht, als sie für die einzelnen 
Vorkommnisse eine bestimmte Störung in den Ernährungs- oder Bau- 
verhältnissen als Ursache nachweisen oder wenigstens vermuten kann, 
war sie gezwungen, immer eingehender die Tierwelt zu berücksichtigen. 
Als besonders verbreitete, das ganze Material oder gröfsere Gebiete zu- 
sammenfassende Werke, die als Unterlage dienen, sind zu nennen: 
RATZEBURG, „Die Forstinsekten“, Berlin 1839—1844, und: „Die Wald- 
verderbnis“, Berlin 1866—68: A. GERSTÄCKER, „Handbuch der Zoologie“, 
IH. Bd.: Arthropoden, Leipzig 1863; E. L. TAscHENBERG, „Entomologie 
für Gärtner und Gartenfreunde“, Leipzig 1871, und: „Die der Land- 
wirtschaft schädlichen Insekten und Würmer“, Leipzig 1865. Ferner: 
NÖRDLINGER, „Die kleinen Feinde der Landwirtschaft“, Stuttgart 1869. 
KALTENBACH, „Die Pflanzenfeinde aus der Klasse der Insekten“, Stutt- 
gart 1874, und Rırzema Bos, „Tierische Schädlinge und Nützlinge*, 
Berlin 1891. 

Weniger reichhaltig an Material,“ aber dem praktischen Bedürfnis 
des Tıaien mehr angepafst durch seine farbigen Tafeln ist das von 
C. French im Auftrage des Ackerbaudepartements von Viktoria heraus- 
gegebene „Handbook of the destructive insects“, Melbourne 1891. 

In demselben Jahre erschien eine kleinere Spezialarbeit über 
Gallenbildungen von H. R. v. SCHLECHTENDAL: „Die Gallbildungen 
(Zoocecidien) der deutschen Gefälspflanzen“, Zwickau 1891, und zehn 
Jahre später ein umfassendes systematisches Werk von G. DarBOUX 
und ©. Hovarp, „Catalogue systematique des Zooc&cidies de l’Europe et 
du Bassin mediterraneen“, Paris 1901. 

Durch viele sorgfältig ausgeführte Originalzeichnungen empfiehlt 
sich die „Forstliche Zoologie* von K. Eckstein, Berlin 1897. Speziell 
dem Gartenbau dienen die populären Schriften von H. v. SCHILLING, von 
denen wir hervorheben: „Die Schädlinge des Obst- und Weinbaues,“ 
„Die Schädlinge des Gemüsebaues,“ Frankfurt a. O. 1898, und den 
„Praktischer Ungezieferkalender,* Frankfurt a. O. 1902. Ebenfalls dem 
praktischen Bedürfnis angepafst ist der „Schutz der Obstbäume gegen 
feindliche Tiere* von E. L. TAscHENBERG (3. Aufl. von O. 'TAsCcHENBERG), 
Stuttgart 1901. 

Bei der weiteren Entwicklung der Disziplin des Pflanzenschutzes 
zeigt sich das Bestreben, für einzelne der hauptsächlichsten Kultur- 
pflanzen Hilfsbücher herzustellen. Als Beispiele führen wir an: EisBEiN, 
„Die kleinen Feinde des Rübenbaues“, 1882, mit sauber ausgeführten 
farbigen Tafeln, und ferner: Emiwe Lucet, „Les insectes nuisibles aux 
Rosiers sauvages et cultives en France“, Paris 1898, mit zahlreichen 
Tafeln in Schwarzdruck. Am ausgebildetsten ist die im Dienste des 
Pflanzenschutzes arbeitende Zoologie in den Vereinigten Staaten von 
Nordamerika, wo die Zoologen an den zahlreichen Versuchsstationen 
der Einzelstaaten, als auch speziell die „Division of Entomology“ des 
Department of Agriculture zu Washington teils durch neue Forschungen, 
teils durch Verbreitung populärer Abhandlungen die Lehre von den 
Feinden der Kulturpflanzen ungemein fördern. Eingehendere Hinweise 


Pe CHE HE Un. 


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II. Geschichtliches. 59 


auf die zoologische Literatur finden sich im dritten Bande dieses Hand- 
buches. 

Entsprechend dem immer mehr sich vertiefenden Verständnis für 
die nationalökonomische Bedeutung der Phytopathologie hat sich seit 
dem Erscheinen der Künn’'schen „Krankheiten der Kulturgewächse‘“ 
die Zahl der Lehr- und Handbücher der Phytopathologie allmählich 
vermehrt. Zunächst zu nennen sind die Schriften von ÖRSTEDT, „Om 
Sygdomme hos Planterne, som foraarsages af Snylteswampe, navnlig 
om Rust og Brand“, Kobenhavn 1863. Dem Werke folgten 1865 Mit- 
teilungen des Verfassers über Wirtswechsel der Rostpilze (Gymmo- 
sporangium Sabinae). Sodann erschien das Buch von HarLıer!), der 
wegen seines besondern Standpunktes in einer Geschichte der Pflanzen- 
krankheiten eingehender berücksichtigt werden mufs. Diese HALLIER- 
schen Anschauungen, die zu scharfen literarischen Auseinandersetzungen, 
namentlich mit pe Barry führten, finden sich im späteren Schriften ?) 
wiederholt und erweitert. In seinen „Pestkrankheiten der Kultur- 
gewächse“ liefert HALLıER eine Reihe von Untersuchungen über die 
Peronosporeen, und glaubt, damit die Richtigkeit seiner „Plastiden- 
theorie“ für alle Zeit begründet zu haben. Bei Gelegenheit der Cholera- 
Versammlung in Weimar (1868) trat HALLIER zum ersten Male mit der 
Behauptung auf, dafs die von Näceri als Spaltpilze (Schizomycetes) zu- 
sammengefafsten Formen keine selbständigen Organismen seien, sondern 
Erzeugnisse des Plasmas verschiedener Fadenpilzeruppen darstellen. Mit- 
hin sei die NisELi'sche Familie der Spaltpilze aus dem System zu streichen 
und die gesamten Infektionskrankheiten auf die Wirkung derartiger 
Plasmaprodukte (Plastiden) zurückzuführen. „Um also den Ursprung 
der Infektionskrankheiten aufzufinden, hat man bei jeder derselben zu 
untersuchen, welcher bestimmte Pilz aus seinem Plasma die Kontagions- 
zellen (Bakterien, Mikrokokkus usw.) erzeugt und auf welche Weise 
das geschieht.“ Betreffs der durch die Phytophthora erzeugten Kartottel- 
krankheit wird nicht bestritten, dafs dieser Pilz die Ursache der 
Krankheit sei, aber er sei es weniger direkt, als vielmehr durch die 
Bakterien. „Vor allen Dingen habe ich bewiesen, dafs die Bakterien, 
welche die absolute Ursache der Kartoffelpest sind, von den Plastiden der 
Phytophthora erzeugt werden, und dafs diese, sind sie erst einmal aus- 
gebildet, zur Erzeugung der Pest durchaus genügen, und es des Mycels 
und der Knospen der Phytophthora gar nicht mehr bedarf.“ Seine 
zahlreichen Untersuchungen führen schliefslich den Verfasser zu der 
Erkenntnis, dafs bei allen Infektionskrankheiten , +» menschlichen, 
tierischen und pflanzlichen, zweifellos drei Momente in Betracht 
kommen: „l) Absolute Ursache; 2) Aufsere oder allgemeine Begünsti- 
sung (Gelegenheitsursache oder Disposition): 3) Persönliche Be- 
günstigung, d. h. Empfänglichkeit des Erkrankenden.“ 

Die Anschauung, dafs bei allen Krankheiten nicht nur die direkte 
Ursache, sondern auch die früheren, vorbereitenden Stadien und bei 
den parasitären Angriffen die den Parasiten in seiner Entwicklung be- 
günstigenden Nebenumstände einschliefslich der Disposition des Nähr- 
organismus zu berücksichtigen sind, hatte zuerst SORAUER In seinem 
„Handbuch der Pflanzenkrankheiten“, I. Aufl.. Berlin, Paul Parey, 1874, 


1) Phytopathologie. Die Krankheiten der Kulturgewächse. Leipzig 1568. 
2) Die Plastiden der niederen Pflanzen. Leipzig 1895. — Die Pestkrankheiten 
(Infektionskrankheiten) der Kulturgewächse. Stuttgart 1895. 


60 II. Geschichtliches. 


in die Phytopathologie eingeführt. Eine weitere Begründung: lieferte 
die zweite Auflage des genannten Werkes (1886) und ein speziell für 
den Praktiker geschriebener Auszug: „Die Schäden der einheimischen 
Kulturpflanzen“ 1888. Nur langsam haben diese Ideen sich Bahn 
brechen können, wie dies die nächstfolgenden Handbücher erkennen 
lassen. Von diesen nennen wir das durch zahlreiche eigne Forschungen 
geschätzte: „Lehrbuch der Baumkrankheiten“ von ROBERT Harris, 
Berlin 1882 (II. Aufl. 1889). Die dritte Auflage, in welcher der Ver- 
fasser nunmehr rückhaltslos eine Prädisposition anerkennt und eine 
örtliche, zeitliche, individuelle, erworbene und krankhafte Prädisposition 
unterscheidet, erschien im Jahre 1900 unter dem Titel: „Lehrbuch der 
Pflanzenkrankheiten“, Berlin, Julius Springer. — Als Vorarbeit für 
diese Lehrbücher anzusprechen ist eine Studie über die Zersetzungs- 
erscheinungen des Holzes, die unter dem Titel: „Wichtige Krankheiten 
der Waldbäume‘“, Berlin 1874, erschienen war. 

Auf das Sorauer’sche Handbuch folgte zunächst eine ausführliche 
Bearbeitung von Frank: „Die Krankheiten der Pflanzen“, Breslau 
1880 (II. Aufl. 1895). Speziell den forstlichen Kulturpflanzen gewidmet 
ist das „Lehrbuch des Forstschutzes“ von H. NÖRDLINGER, Berlin 1884. 
Umfassender und mit einem Atlas versehen ist das Werk von SOLLA, 
„Note di Fitopatologia“, Firenze 1888, dem eine Arbeit von 
BRUNCHORST, „De vigtigste Plantesygdomme*, 1887, in Norwegen voran- 
ging. In dieses Jahrzehnt fallen auch eine Anzahl beachtenswerter 
Artikel von JENSEN, von denen (nach Rosırup) hier erwähnt sein mag: 
„Kartoffelsygen kan overvindes ved en let udforlig Dyrkningsmaade“. 
Kjöbenhavn 1882. 

Während die bisherigen Autoren die Krankheiten nach ihren er- 
wiesenen oder angenommenen Ursachen geordnet hatten, trat KIRCHNER 
mit einem speziell für den praktischen Gebrauch eingerichteten Werke: 
„Die Krankheiten und Beschädigungen unserer landwirtschaftlichen 
Kulturpflanzen“, Stuttgart 1890, hervor. Hier sind die Krankheiten 
nach den einzelnen Kulturpflanzen angeführt und nach ihrem dem 
blofsen Auge entgegentretenden Habitus geschildert. Systematische 
wissenschaftliche Ergänzungen werden am Ende des Buches zusammen- 
gestellt. 

Entsprechend der Forschungsrichtung des Verfassers erschien 1895 
ein reich illustriertes Werk, das nur die parasitären Krankheiten be- 
handelt: „Pflanzenkrankheiten, durch kryptogame Parasiten verursacht“, 
von KaRrL FREIHERR V. TuBEUF, Berlin, Julius Springer. Der Parasitis- 
mus wird hier als eine Form der Symbiose dem Verständnis des 
Lesers nähergebracht und dabei auf eine „innere und eine äufsere“ 
Disposition zur Erkrankung hingewiesen. Die innere hängt „von dem 
Zustande der Energie des lebenden Protoplasmas der Wirthszelle“ ab, 
während die äufsere Disposition „besonders auf anatomischen Ver- 
hältnissen basiert“. 

In demselben Jahre veröffentlichte PriLLIEux ein zweibändiges, 
an eignen Untersuchungen reiches Werk: „Maladies des plantes agri- 
coles et des arbres fruitiers et forestiers“, Paris. Dieses umfassendste 
Werk der französischen Literatur beschäftigt sich auch nur mit den 
parasitären Krankheiten. : Dieselben werden streng wissenschaftlich be- 
handelt; jedoch wird aufserdem dem praktischen Bedürfnis insofern 
Rechnung getragen, als die Bekämpfungsmittel berücksichtigt werden. 

Der ungeahnte Aufschwung, den die Studien über die Bakterien 


10 Keut ee 


II. Geschichtliches. 61 


infolge ihrer vielseitigen ökonomischen Bedeutung nahmen, machte es 
notwendig, dafs pE Barr's „Vorlesungen über Bakterien“ einer Neu- 
bearbeitung und Ergänzung unterzogen wurden. Eine dritte, von 
MisuLraA durch eigne Arbeiten erweiterte und mit genauen Literatur- 
angaben versehene Auflage erschien im Jahre 1900 in Leipzig. 

Mittlerweile hatte die stets fühlbarer werdende Notwendigkeit, die 
praktischen Kreise mit dem Wesen der Pflanzenkrankheiten vertraut 
zu machen, dahin geführt, dafs die grofse Deutsche Landwirtschafts- 
Gesellschaft die Herausgabe entsprechender Publikationen in die Hand 
nahm. Im Jahre 1892 erschien die erste, 1896 die zweite Auflage des 
„Pflanzenschutz“, bearbeitet von A. B. Frank und P. Soraver. Die 
Verfasser strebten die denkbar knappste Darstellung an, gliederten die 
Krankheiten nach den Nährpflanzen und behandelten jede Krankheit 
in drei Abschnitten: Erkennung, Entstehung und Bekämpfung. Der 
Text wurde durch zahlreiche Abbildungen auf farbigen Tafeln ergänzt. 

Nach derselben Methode veröffentlichten Frank eine ausführlichere 
Bearbeitung unter dem Titel: „Kampfbuch gegen die Schädlinge unserer 
Feldfrüchte“, Berlin 1897, und SORAUER ein mit zahlreichen Textfiguren 
versehenes Werk: „Schutz der Obstbäume gegen Krankheiten“, Stutt- 
gart 1900. 

Von fremdsprachigen Büchern fällt um diese Zeit die Herausgabe 
eines durch reichen Tafelschmuck sich empfehlenden Werkes: „De 
ziekten von het suikerriet op Java“ von H. WAxrKER und G. Went, 
Leiden 1898, nachdem 1896 bereits W. KrüsEr eine Abhandlung über 
die Zuckerrohrkrankheiten in den „Berichten der Versuchsstation für 
Zuckerrohr in West-Java, Kagok-Tegal“ geliefert hatte. Dieselbe be- 
schäftigt sich eingehend unter gewissenhafter Literaturbenutzung mit 
der Sereh-Krankheit. 

Die Kaffeekrankheiten speziell behandelt DELACROIX in seinem 1900 
in zweiter Auflage erschienenen Buche: „Les maladies et les ennemis 
des Cafeiers“, Paris. Zwei Jahre später erschien: „Fungus diseases of 
stone-fruit trees in Australia“ by D. Mc Arrıne, Melbourne. 

Während die letztgenannten Werke nur spezielle Kulturpflanzen 
im Auge haben, zeitigt das Bedürfnis nach einer umfassenden Be- 
arbeitung des gesamten Krankheitsgebietes nach langer Zwischenperiode 
endlich wieder ein Handbuch: „Plantepatologi“ Haandbog ı L&ren om 
plantesygdomme af E. Rosırup, Kobenhavn 1902. Dieses vornehm aus- 
gestattete, durch viele saubere Originalzeichnungen gewinnende Werk 
legt den Hauptschwerpunkt auf die Pilzkrankheiten, die der Verfasser 
durch viele eigne, seit 1871 publizierte Beobachtungen vermehrt hat. 
Zur Erleichterung des Auffindens der einzelnen Krankheiten ist eine Auf- 
zählung derselben, nach den Wirtspflanzen geordnet, am Schluts des 
Werkes beigegeben. 

Das neueste Werk, das als ein bedeutsamer Kulturfortschritt im 
allgemeinen zu bezeichnen ist, erschien 1903 in japanischer Sprache 
und legt uns mit deutschem Titel vor: „Lehrbuch der Pflanzen- 
krankkeiten in Japan“. Ein Handbuch für Land- und Forstwirte, 
Gärtner und Botaniker. Von Arırı Inrra. III. Aufl. Tokio 1903. Das 
mit einem Vokabularium der technischen Ausdrücke in deutscher, eng- 
lischer und japanischer Sprache versehene Werk ist mit 13 Tafeln und 
144 in feiner Linienzeichnung ausgeführten Textfiguren (meist nach 
deutschen Autoren) versehen. 

Bei einer Wissenschaft, die wie die Phytopathologie bestimmt ist, 


62 II. Geschichtliches. 


mit ihren Forschungsergebnissen im praktischen Betriebe Verwendung 
zu finden, machte sich alsbald das Bedürfnis geltend, durch farbige 
Abbildungen dem Laien das Erkennen der Krankheitsformen und -erreger 
zu erleichtern. Deshalb finden wir, abgesehen von den speziellen Pilz- 
werken, vielfach das Bestreben, durch farbige Habitusbilder den Text 
zu ergänzen. Der Versuch einer Darstellung der hauptsächlichsten 
Krankheiten in Form eines Atlas mit kurzen Beschreibungen der Tafel- 
figuren konnte erst gewagt werden, nachdem eine weiter ausgebreitete 
Erkenntnis der Wichtigkeit der Disziplin einen genügenden Abnehmer- 
kreis erhoffen liefs. Dementsprechend erschien im Verlag von Paul 
Parey in Berlin Soraver’s „Atlas der Planzenkrankheiten“, von welchem 
seit 1886 bis jetzt sechs Hefte in Folioformat ausgegeben worden sind. 
Die besondere Sorgfalt, welche auf die naturgetreue Wiedergabe der 
einzelnen Farbentöne verwendet worden ist, und der daraus resultierende 
Preis lieisen den Atlas weniger in den Kreisen der Praktiker, als in den 
wissenschaftlichen Instituten Verbreitung finden, und dementsprechend 
machte sich allmählich das Bedürfnis nach der Herausgabe eines weniger 
teuern Werkes geltend. Dasselbe erschien unter dem Titel: „Atlas der 
Krankheiten und Beschädigungen unserer landwirtschaftlichen Kultur- 
pflanzen“, herausgegeben von O. Kirchner und H. BoLtsHAauser, Verlag 
von ULMER, Stuttgart, und liest jetzt in sechs Heften vollständig vor. 
Die ermutigenden Erfahrungen, welche mittlerweile die Deutsche 
Landwirtschafts-Gesellschaft mit der Herausgabe des bereits erwähnten 
kleinen Buches „Pflanzenschutz“ gemacht, zeigten, dafs eine Ausbreitung 
der Kenntnisse über die Krankheiten zurzeit in den Kreisen der prak- 
tischen Landwirte am erfolgreichsten durch diesen kurzen Leitfaden 
durchgeführt werden kann, und sie gab denselben in neuer Bearbeitung 
von Soraver und Rörıg mit sieben sehr sorgfältig hergestellten Tafeln 
ım Jahre 1904 in dritter Auflage heraus. Speziell dem systematischen 
Studium der Krankheiten dienend ıst der „Atlas des Conferences de 
Pathologie vegetale“ von GEORGES DELACROIX, Paris 1901, zu nennen, 
der auf 56 Tafeln in schwarzen Abbildungen die hauptsächlichsten Er- 
krankungen der Kulturpflanzen dar stellt. Ergänzend veröffentlichte 
Deracroix im Jahre 1902 im Auftrage des französischen Landwirtschafts- 
ministeriums ein kleines Werk: „Maladies des plantes cultivees“, Paris, 
das hauptsächlich für die Praxis geschrieben ist. 

Der bedeutendste wissenschaftliche Fortschritt liegt selbstverständ- 
lich in der monographischen Bearbeitung der einzelnen Krankheits- 
gebiete, und auch diesen Weg hat die junge Disziplin der Pathologie 
bereits beschritten. Entsprechend der Wichtigkeit der Krankheiten 
sind es besonders die Rostpilze, namentlich die Getreideroste, denen 
eingehende Studien gewidmet worden sind. Im Jahre 1894/95 wurde 
die deutsche Ausgabe eines 463 Seiten umfassenden Werkes von JAKOB 
Erıksson und Erywst Hennıns veröffentlicht: „Die Getreideroste, ihre 
Geschichte und Natur, sowie Mafsregeln gegen dieselben“, Stockholm. 
Das Aufsehen erregende Werk, das als ein Band der „Meddelanden 
fran Kongl. Landtbruks-Akademiens Experimentalfält“ zunächst erschien, 
bringt die Getreiderosterkrankungen auf 13 farbigen Tafeln zur An- 
schanung und stellt besonders die Spezialisierung des Parasitismus bei 
den Getreiderostpilzen fest. Aufserdem geht das Werk auf die Be- 
sprechung der disponierenden Faktoren ein und prüft die Lage, physika- 
lische und chemische Bodenbeschaffenheit, Vorfrucht, Saatzeit usw. 

Mit erweitertem Programm erschien 1904 eine ebenso sorgfältige, 


0 5 ag Va 3 a u 2 Du N > 


II. Geschichtliches. 63 


auf eignen Studien fufsende Arbeit von H. KLEBAHN unter dem Titel: 
„Die wirtswechselnden Rostpilze“. Versuch einer Gesamtdarstellung 
ihrer biologischen Verhältnisse. Berlin 1904. Gebr. Bomträger. Eine 
Tabelle gibt in chronologischer Reihenfolge eine Aufzählung der 
heteröcischen Rostpilze seit den ersten, 1864 ausgeführten Versuchen 
von DE Bary mit Puccinia graminis. Der Text behandelt in möglichster 
Ausführlichkeit unter Hinweis auf die einschlägige Literatur die Ab- 
stufung der Unterschiede und die Umgrenzung der Arten, die Speziali- 
sierung und die Descendenztheorie, die Empfänglichkeitsfrage und die 
Frage der Ubertragbarkeit der Rostkrankheiten mittels der Samen. 
Dabei wird eingehend auch die seit 1897 von Erıksson aufgestellte 
Mycoplasma-Theorie besprochen. Uber diesen Punkt ist bereits 
früher berichtet worden (s. S. 31). Die neuesten Studien veröffentlichte 
Erıksson im Jahre 1904 in den Schriften der Schwed. Akad. d. Wissensch. 
unter dem Titel: „Das vegetative Leben der Getreiderostpilze‘“. 

Als ein weiterer bedeutsamer Fortschritt in der Beschaffung wissen- 
schaftlicher Grundlagen ist ferner die „Pathologische Pflanzenanatomie“ 
von ERNST Küster, Jena 1903, bei Gustav Fischer zu nennen. Von der 
Erfahrung geleitet, dafs eine scharfe Trennung der Naturformen in 
normale und anormale nicht durchführbar ist, prüft der Verfasser die 
Erscheinungen nach dem physiologischen Gesichtspunkte, also nach 
der Funktionstüchtigkeit der Gewebe. „Entweder werden die Gewebe 
durch Einflüsse irgend welcher Art gehindert, zu funktionstüchtigen, 
d. h. normalen, sich auszubilden, oder funktionstüchtige Gewebe erfahren 
nachträgliche Veränderungen, bei welchen sie ihre Funktionsfähigkeit 
ganz oder teilweise einbüfsen, oder es entstehen neue Gewebe am 
Pflanzenkörper, derart, dafs die erkrankten und verunstalteten Organe 
des letzteren entweder gar nichts für den Gesamtorganismus leisten, 
oder doch weniger als diejenigen, die wir als normale bezeichnen.“ 
Wir haben in dem vorliegenden Werke einen erfolgreichen Versuch 
zu sehen, die Entwicklun’gsmechahnik des pflanzlichen Organismus 
darzustellen. 


Die Ausbildung der periodischen Literatur hängt mit den Be- 
strebungen nach einer Organisation des Pflanzenschutzes zusammen. 
Das leitende Prinzip war die praktische Frage, wie sich die Aus- 
breitung der Krankheiten und Feinde der Kulturpflanzen am hesten 
verhindern und ihre direkte Bekämpfung sich am vorteilhaftesten be- 
werkstelligen lasse. 

Dieser Frage waren zuerst die Vereinigten Staaten von Nordamerika 
dadurch nähergetreten, dafs von seiten des Ackerbauministeriums 
(Department of Agriculture) im Jahre 1887 Institute zum Studium der 
Phytopathologie und der landwirtschaftlichen Insektenkunde geschaffen 
wurden. Diese äufserst tätigen Institute und Versuchsstationen gaben 
zunächst Jahresberichte und später aufserdem Spezialpublikationen 
über wissenschaftliche Untersuchungen heraus. Einen genaueren Ein- 
blick in die Organisation des Dienstes gewährt der Bericht aus dem 
Jahre 1889!1). Wir ersehen daraus, dafs die phytopathologische Ab- 
teilung ihre Untersuchungen in einer bestimmten Zeitschrift „The 
Journal of Mycology“ veröffentlichte und aufserdem populäre Be- 


!) Report of the chief of the section of vegetable pathology for the year 1889. 
Published by autority of secretary of agriculture. Washington 18%. 


64 II. Geschichtliches. 


schreibungen einzelner der hauptsächlichsten Krankheiten im Form 
von Flugblättern (Bulletin) verbreitete. Einen sehr grofsen Teil der 
Tätigkeit beanspruchte die Korrespondenz, die vorzugsweise in Be- 
antwortung von Anfragen aus den Kreisen der Praktiker bestand und 
die beispielsweise im Jahre 1889 bereits 2500 Briefe umfafste. Em 
Hauptaugenmerk wurde auf das Verfahren gerichtet, die Studien- 
ergebnisse im Laboratorium durch Feldversuche auf ihre praktische 
Brauchbarkeit zu prüfen. Behufs Ausführung derartiger praktischer 
Anbauversuche installierte die pathologische Abteilung bestimmte Persön- 
lichkeiten (Agents) zur Überwachung der Ausführung. Wenn die Resultate 
solcher Freilandversuche aus verschiedenen Gegenden übereinstimmend 
genug waren, um allgemeine Schlüsse ziehen und Mafsnahmen zur Be- 
kämpfung daraus ableiten zu können, wurde zur Veröffentlichung der 
Ergebnisse geschritten. 

In Deutschland zeigten sich die ersten Bestrebungen nach einer 
Organisation auf dem Ackerbaukongreis zu Wien im Jahre 1890, wo 
ErIKsson und SoRAUER den Antrag einbrachten, den Regierungen ähn- 
liche Mafsregeln zu empfehlen, wie sie in Nordamerika bereits durch- 
geführt wurden. Behufs Ausarbeitung eines speziellen Arbeitsplanes 
und Entfaltung einer werbenden Tätigkeit wurde eine „Internationale 
phytopathologische Kommission“ aus Vertretern aller europäischen 
Kulturländer gegründet und SoratER als Schriftführer derselben be- 
auftragt, die entsprechenden Publikationen zu veranlassen. Dies gab 
die Anregung zur Gründung der „Zeitschrift für Pflanzen- 
krankheiten‘“, deren erster Jahrgang 1891 erschien. Ebenso wurden 
nunmehr die Bestrebungen behufs Einrichtung von Versuchsstationen 
und ähnlichen Instituten zur speziellen Pflege des Pflanzenschutzes in 
verschiedenen Ländern intensiver und erfolgreicher. 

Speziell in Preufsen war schon im Jahre 1880!) ein sehr ein- 

ehendes Referat von Korn-Breslau: „Uber die Begründung einer wissen- 
schaftlichen Centralstelle behufs Beobachtung und Tilgung der Feinde 
der Landwirtschaft aus dem Reiche der Pilze und Insekten“, publiziert 
worden. Eine Anregung in diesem Sinne sollte bei der Reichsregierung 


seitens des Deutschen Landwirtschaftsrates erfolgen. Im Juni 1889 


brachte JuLivs Künn, durch dessen Bemühungen die Versuchsstation in 
Halle a. S. unter Hortrung’s Leitung gegründet wurde, denselben Gegen- 
stand bei der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft zur Sprache, und 
1890 gründete die Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft emen „Sonder- 
ausschufs für Pflanzenschutz“, dessen Vorstand von JuLivs KÜHN, A. 
B. Frank und P. SorauEr gebildet wurde. Der Sonderausschufs er- 
richtete ein Netz von Auskunftstellen für die praktischen Landwirte, 
welches das ganze Deutsche Reich umspannte, und veröffentlichte, 
nachdem SOoRAUER für die Aufstellung einer Statistik eingetreten und 
mit einer statistischen Bearbeitung über den Getreiderost im Jahre 
1891 begonnen hatte, fortlaufende „Jahresberichte des Sonder- 
ausschusses für Pflanzenschutz“. 

Im Jahre 1890 wurde auch das Phytopathologische Laboratorium 
zu Paris unter PRILLIEUX und DELACROIX eröffnet und am 11. Aprıl 1891 
zu Amsterdam die niederländische Sektion der Internationalen phyto- 
pathologischen Kommission gegründet, welche die Anregung gab, dafs 
Rırzma Bos 1895 als Leiter des „Phytopathologischen Laboratoriums 


!) Archiv des Deutschen Landwirtschaftsrates, Heft 8, S. 307. 


u u an 


II. Geschichtliches. 65 


Willie Commelin Scholten“ nach Amsterdam berufen wurde. Im Jahre 
1895 erschien auf Anregung des Niederländischen phytopathologischen 
Vereins und der Phytopathologischen Abteilung der Botanischen Ge- 
sellschaft Dodonaea die „Tijdschrift over plantenziekten‘“, heraus- 
gegeben von J. Rırzzma Bos und G. Stars. Mittlerweile war in dem 
Pasteur’schen Institut eine Versuchsstation behufs Bekämpfung schäd- 
licher Tiere durch ansteckende Krankheiten gegründet und 1894 unter 
die Leitung von METSCHNIKOFF gestellt worden. Rastlos tätig war Erıksson 
als Leiter des Experimentalfältet zu Albano bei Stockholm. Er gab 
1895 die Beweisexemplare für die spezialisierten Getreiderostformen 
heraus, nachdem ihm behufs dieser Studien im Februar 1901 eine Unter- 
stützung von 10000 Kronen staatlicherseits bewilligt worden war. Die 
Rostfrage, die auch für den Weizenbau Australiens die höchste Be- 
deutung besitzt, hatte seit 1888 zum jährlichen Zusammentritt einer 
Konferenz von Mitgliedern der australischen Kolonien geführt, die 
einen offiziellen Bericht: „Rust in wheat conference‘, für eine 
längere Reihe von Jahren veröffentlichte. 

In Deutschland folgte auf die „Zeitschrift für Pflanzenkrankheiten“ 
von SORAUER im Jahre 1892 die „Forstlich-naturwissenschaft- 
liche Zeitschrift“ von C. v. TuBEuUrF, welche den Krankheiten der 
Pflanzen ebenfalls besondere Aufmerksamkeit widmete. Im Jahre 1898 
wurde die „Kgl. bayrische Station für Pflanzenschutz“ gegründet und 
v. Tugeur’s Leitung unterstellt. Aufserdem wurden die Referate in dem 
seit 1873 erscheinenden Sammelwerke: „Jusr’s botanischer Jahresbericht“ 
wesentlich reichhaltiger, da nun eine gröfsere Anzahl von Zeitschriften 
das Gebiet der Pflanzenkrankheiten speziell in ihr Programm aufnahm. 
Zu diesen gehört in erster Linie das von UHLWORM und Hansen heraus- 
gegebene „Centralblatt für Bakteriologie, Parasitenkunde 
und Infektionskrankheiten“ sowie die von Hirronymvs und 
P. Hennines redigierte „Hedwigia“, das von Lorsy bearbeitete „Bota- 
nische Centralblatt“, ferner BIEDERMANN’s „Centralblatt für 
Agrikulturchemie‘“, redigiert von KELLNER, die „Naturwissen- 
schaftliche Zeitschrift für Land- und Forstwirtschaft“ 
von V. Tuseur und L. Hirıner und die „Praktischen Blätter für 
Pflanzenbau und Pflanzenschutz“ von L. Hirtser. Speziell 
über tropische Kulturpflanzen finden wir eingehende pathologische 
Mitteilungen im „Tropenpflanzer“, Zeitschrift f. tropische Land- 
wirtschaft von O. WARrBURG und F. WOHLTMANN, sowie in den dazu- 
gehörigen „Beiheften“, welche die Organe des „Kolonialwirtschaft- 
lichen Komitees zu Berlin“ sind. In den deutschen ostafrikanischen 
Kolonien ist besonders ZIMMERMANN auf pathologischem Gebiete tätıg, 
wie seine „Mitteilungen aus dem biologisch-landwirt- 
schaftlichen Institut Amani“ beweisen. In Österreich wurde 
im Jahre 1898 die „Zeitschrift für das landwirtschaftliche 
Versuchswesen in Österreich“ gegründet. Im folgenden Jahre 
begann P. Nyrers eine Reihe von Veröffentlichungen unter dem Titel: 
„Maladies des plantes cultivees“, Bruxelles, und v. Istvänrrı gab 1900 
den ersten Band der „Annales de l’Institut Central ampelologique Royal 
Hongrois“ als Mitteilung des seiner Leitung unterstellten Central- 
Weinbauinstituts heraus. Auch hier wird den Krankheiten besondere 
Aufmerksamkeit zuteil. Dasselbe gilt für die von GörHE und später 
von WORTMANN herausgegebenen „Jahresberichte der Kgl. Lehranstalt 
für Obst-, Wein- und Gartenbau“ zu Geisenheim a. Rh. und die von 


Sorauer, Handbuch. 3. Aufl. Erster Band. 5) 


66 II. Geschichtliches. 


MÜLLER-TAauRrGAU bearbeiteten Jahresberichte der „Deutsch-schweizeri- 
schen Versuchsstation für Obst-, Wein- und Gartenbau zu Wädensweil“, 
Zürich. 

Schon die Aufzählung der Zeitschriften, die teils die deutsche und 
fremdsprachliche Literatur referieren, teils Originalarbeiten bringen, 
gibt einen Einblick in das ungewöhnlich schnelle Anwachsen des 
Stoffes, das mit Notwendigkeit eine einheitliche Zusammenfassung in 
einem Sammelwerke erforderte. 

Der Bearbeitung eines solchen unterzog sich HorLLruNng, der seit 
1899 einen „Jahresbericht über die Neuerungen und Leistungen 
auf dem Gebiete der Pflanzenkrankheiten“, Berlin, Verlag von Paul 
Parey, herausgibt. 

Somit hat die junge Disziplin der Phytopathologie denselben 
literarischen Apparat erlangt, den die älteren Disziplinen besitzen, und 
der zum wissenschaftlichen Fortschritt unbedingt nötig ist. Aber auch 
die praktische Seite der Phytopathologie, nämlich der Pflanzenschutz, 
hat die erwünschte Fortentwicklung gefunden. 

Die 1880 von Korn angeregte, 1889 von Kühn wirksam befürwortete, 
von SORAUER auf den internationalen landwirtschaftlichen Kongressen 
und in der Zeitschrift für Pflanzenkrankheiten weiter ausgebaute 
Idee der Einrichtung spezieller Institute wurde 1891 ım Preufsischen 
Abgeordnetenhause von ScHurtz-Luriz in Form eines Antrages zur 
allgemeinen Kenntnis gebracht. Am 27. April desselben ‚Jahres ver- 
öffentlichte der Reichsanzeiger, dafs der Antrag ScHuLtz-Luriz der 
Kg]. Staatsregierung zur Erwägung überwiesen worden sei, und alsbald 
trat das Landwirtschaftliche Ministerium in die Prüfung der Frage 
ein, inwieweit durch Erweiterung der ihm unterstehenden wissen- 
schaftlichen Institute der Pflanzenschutz gefördert werden könne. Je 
eingehender und vielseitiger aber die Beratungen wurden, desto mehr 
kam der Gedanke zum Durchbruch, dafs wirksame Mafsnahmen im 
Interesse des Pflanzenschutzes nur durch ein Reichsinstitut erlangt 
werden können. Ein solches wurde nun durch Bewilligung sehr reicher 
Mittel in Form einer „Biologischen Abteilung für Land- und 
Forstwirtschaft“ dem Reichsgesundheitsamte angegliedert und ist 
von 1905 ab ein selbständiges Institut des Reiches. Die zurzeit unter 
ADERHOLD’s Leitung stehende Abteilung besitzt in Dahlem bei Berlin 
neben den entsprechenden Laboratorien ein sehr ausgedehntes Versuchs- 
feld und publiziert die Resultate ihrer Arbeiten in zwanglos er- 
scheinenden Heften, von denen das erste im Jahre 1900 ausgegeben 
wurde. Aufser diesen wissenschaftlichen Arbeiten veröffentlicht die 
Biologische Abteilung auch populäre Flugschriften und farbige Plakate 
und wirkt dadurch fördernd für die Ausbreitung der Kenntnisse über 
die häufigsten tierischen und pflanzlichen Schädlinge in den Kreisen der 
Praktiker, denen auch kostenlos direkt Auskunft in Angelegenheiten des 
Pflanzenschutzes erteilt wird. 

Neben der erwähnten Reichsanstalt, die nunmehr den Titel: „Kais. 
Biologische Anstalt für Land- und Forstwirtschaft‘ 
führt, finden wir in den deutschen Einzelstaaten noch vielfach Ein- 
richtungen zur Pflege des Pflanzenschutzes, die teils sich an bestehende 
Institute der Hochschulen und Versuchsstationen angliedern, teils selb- 
ständige Schöpfungen darstellen. Von letzteren ist aufser den bereits 
erwähnten Instituten zu Halle und Geisenheim noch die im Jahre 
1902 begründete, unter KircHxer’s Leitung stehende Anstalt für 


a Ze ee. 


II. Geschichtliches. 67 


Pflanzenschutz mn Hohenheim zu nennen. Auch in den übrigen 
europäischen Ländern finden wir eine eifrige Förderung des Studiums 
der Pflanzenkrankheiten, wie die Veröffentlichungen der Institute be- 
weisen. Zu diesen gehören: „Bulletin de la Station Acronomique de 
l’Etat & Gembloux“, Bruxelles (Em. MarcHAL), und „Travaux de la 
Station de pathologie vegetale“, par DerLacromx, Paris, die bereits ge- 
nannte „Tijdschrift over Plantenziekten“ (RitzEma- Bos) und die „Land- 
bouwkundig Tijdschrift“, die „Oversigt over Landbrugsplanternes Syg- 
domme“, Kjöbenhavn, in „Tidsskrift for Landbrugets Planteavl“, 
Kjöbenhavn (Rostrup), die „Uppsatser i praktisk Entomologi“, Stock- 
holm (Lampa), „Beretning om Skadeinsekter og Plantesygdomme“, 
Kristiania (SCHÖYEN), „Berättelse öfver skadeinsekters uppträdande i 
Finland“ (E. Reuter), in „Landbruksstyrelsens meddelanden“, Helsing- 
fors, „Annual report of the consulting botanist“ (CARRUTHERS), in „Journ, 
Royal Agric. Soc.“, London. 

Dais auch die aufsereuropäischen Staaten in den Bestrebungen zur 
Hebung des Pflanzenschutzes nicht zurückgeblieben, ist selbstverständ- 
lich. Die ausgedehnteste Förderung hat die Disziplin nach wie vor in 
Nordamerika erfahren, wo das Department of Agriculture zu Washington 
seine besondere Aufmerksamkeit nunmehr auch den tierischen Feinden 
zugewendet hat. Aufser der Errichtung der „Division of Entomology“, 
die durch gehaltvolle Untersuchungen wesentlich zur Kenntnis der 
tierischen Schädlinge beiträgt, ist die Einrichtung von Versamm- 
lungen landwirtschaftlicher Zoologen besonders beachtenswert, in denen 
durch mündlichen Austausch Fragen allgemeiner Bedeutung behandelt 
werden. Aufserdem bearbeiten zahlreiche Forscher an den Universitäten 
und Versuchsstationen das Gebiet mit erfreulichem Erfolge. Von letzteren 
erwähnen wir die Landwirtschaftliche Versuchsstation des Staates New 
York zu Geneva und die New Jersey Agricultural College Experiment 
Station. Weitere Angaben bietet der spezielle Teil unseres Buches, in 
welchem die verschiedenen Bulletins der den Pflanzenschutz pflegenden 
Institute citiert werden. 

Aufser den zahlreichen Publikationen in den Vereinigten Staaten 
von Nordamerika liefern auch die Zeitschriften anderer Länder be- 
achtenswerte Beiträge zur Kenntnis der Krankheiten tropischer Kultur- 
pflanzen. Dahin gehören die „Mededeelingen van het Proefstation voor 
Suikerriet in West-Java“, die Mitteilungen der „Proefstation voor 
Cacao te Salatiga“, Malang, das „Boletim da Agricultura“, S. Paulo, 
„Boletim del Instituto Fisico-Geographico de Costa Rica“, „Queens- 
land Agricultural Journal“, „Australian fungi* (Mc ALPpine), in „Proceed. 
Linnean Soc. of New South Wales*, „Administration Reports Royal 
Botanical Gardens“, Ceylon, „Report 'of the Department of land recor rds 
and agriculture*, Madras, und „The Journal of the College of science, 
Imperial University of Tokio‘, Japan. Betreffs der zahlreichen andern 
Institute und Einzelforscher müssen wir auf das „Botaniker- -Adrefsbuch*“ 
von J. DÖRFLER, Wien 1902, verweisen. 


Nachschrift. 


In den vorgeführten Mitteilungen haben wir versucht, nicht nur 
auf das literarische Material hinzuweisen, sondern auch die leitenden 
Ideen der einzelnen Zeitepochen zum Ausdruck zu bringen, um zu 
zeigen, wie unsere Wissenschaft sich allmählich auf ihren jetzigen 

5*F 


68 II. Geschichtliches. 


Standpunkt heraufgearbeitet hat. Gewifs nicht ohne Interesse sind die 
Wandlungen der Ansichten über das Wesen und die Rolle der para- 
sitären Organismen. Aber nicht minder interessant sind die als roter 
Faden durch alle Berichte zu verfolgenden Hinweise der Autoren auf 
den Einflufs der Gestirne, d.h. der Witterungsfaktoren. Gerade des- 
halb haben wir in oft längeren Citaten die Anschauung früherer Zeiten 
wiedergegeben. Und ın dieser Beziehung finden wir eine schlagende 
Übereinstimmung von den ältesten Zeiten an, indem stets die Ab- 
hängigkeit solcher Erscheinungen, die wir jetzt als parasitäre kennen 
gelernt haben, von den klimatischen und Bodenverhältnissen, zum Teil 
auch schon von den Kulturmafsregeln betont wird. 

Diese Idee, welche auch die leitende in dem hier vorliegenden 
Buche ist, hat den Verfasser seinerzeit veranlafst, die ersten Versuche 
zu einer Statistik der Pflanzenkrankheiten zu unternehmen. 
Diese Versuche, die, wie erwähnt, mit Hilfe der Deutschen Land- 
wirtschafts-Gesellschaft begonnen und durch deren „Sonderausschufs für 
Pflanzenschutz“ fortgesetzt worden sind, haben nun dadurch ihre An- 
erkennung oefunden., dafs vom Jahre 1905 ab die „Kais. Biologische 
Anstalt für Land- und Forstwirtschaft“ die Statistik der Pflanzen- 
krankheiten übernehmen wird. 

Die Wichtigkeit einer Statistik auf unserem Gebiete wird vielfach 
angezweifelt mit dem Hinweis, dafs gerade unsere gefährlichsten Krank- 
heiten stets vorhanden sind und die Angaben der sammelnden Persönlich- 
keiten über Intensität der Erkrankung und Gröfse des wirtschaftlichen 
Verlustes so individuell beeinflufst erscheinen, dafs sichere positive 
Zahlen niemals erhalten werden können. 

Diesen Einwendungen gegenüber ist zu betonen, dafs ich nicht 
deswegen die Statistik ın die Hand genommen habe, um präcise Zahlen 
über Ausbreitung und wirtschaftliche Wirkung der einzelnen Krank- 
heiten zu erlangen. (Übrigens wird auch in dieser Beziehung die 
Berichterstattung mit der zunehmenden Schulung des Beobachter- 
personals allmählich so genau wie auf allen Gebieten des orga- 
nischen Lebens werden.) Die Hauptaufgabe der Statistik liegt in 
dem Nachweis der Beziehungen, welche die einzelnen Krankheiten zu 
den lokal oder allgemein sich geltendmachenden klimatischen und 
Bodenverhältnissen sowie zu den Kulturfaktoren haben. Das Studium 
der leicht zu konstatierenden extremen Erkrankungsformen und die 
Feststellung, durch welche Faktoren dieses Extrem zustande gekommen 
ist, bildet das fruchtbringende Feld der Statistik. 

In diesen Studien liegt die Zukunft der Pathologie. 

So wertvoll an sich die Beobachtungen über die Formenkreise 
und Lebensansprüche der parasitären Mikroorganismen sind, so bilden 
sie doch immerhin nur ein Glied in der Kette der Forschungen und 
erlangen ihren Wert nur in der Feststellung ihres Verhaltens inner- 
halb der freien Natur und des üblichen Wirtschafts- 
betriebes. Und dies erkennen wir durch einen ausgebildeten statisti- 
schen Dienst, der uns lehrt, unter welchen Verhältnissen die Krank- 
heiten sich steigern oder vermindern. 

Diese Erkenntnis führt zur Vorbeugung der Krankheiten durch 
eine auszubildende Pflanzenhyegiene, und in dieser Richtung mufs 
die Pathologie sich in Zukunft weiterentwickeln. 


Spezieller Teil. 


Erster Abschnitt. 


Krankheiten durch ungünstige Boden- 
verhältnisse. 


Erstes Kapitel. 
Die Lage des Bodens. 


Wenn auch die Krankheiten, die bei ungünstiger Lage des Kultur- 
landes sich einstellen, besser bei den Einzelfaktoren, durch welche die 
Lage dem Pflanzenwachstum verderblich wird, besprochen werden, so 
haben wir doch für notwendig gehalten, im folgenden die allgemeinen 
Verhältnisse verschiedener Lagen zu skizzieren. Denn gerade für die 
leitende Idee in diesem Handbuch, für den Hinweis auf die sich heraus- 
bildende Disposition zu gewissen Erkrankungen, ist es von besonderer 
Wichtigkeit, zu zeigen, wie der stoffliche und gestaltliche Aufbau einer 
Pflanzenart sich mit den Standortsverhältnissen ändert, wie einzelne 
Funktionen bald herabgedrückt bald gefördert erscheinen, und wie 
demnach die einzelnen Lokalitäten ihren bestimmten Charakter den 
Pflanzen aufdrücken, welche dadurch den einzelnen Schädigungs- 
ursachen gegenüber sich ganz verschieden verhalten müssen. 


1. Die Erhebung über den Meeresspiegel. 
a) Allgemeine habituelle Änderungen. 
Bei krautartigen Gewächsen. 


Dafs mit der zunehmenden Höhe einer Kulturfläche über den 
Meeresspiegel die Wärme eine immer geringere wird, und dafs diese 
Wärmeabnahme der mafsgebende Faktor für die Begrenzung der 
Vegetation ist und somit die Ernte im Gebirge eine verspätete sein muls, 
bedarf keiner weiteren Ausführung. Dafs diese verspätete Ernte groise 
Schwierigkeiten für das Trocknen des Getreides bietet und besondere 
Vorrichtungen im Hochgebirge nicht selten erforderlich macht, und 
dafs trotzdem manchmal ein Schwarzwerden der Körner in- 


70 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


folge eintretender Pilzvegetation stattfindet, ist allgemein bekannt. Ein 
Beispiel in präzisen Zahlen liefert Ansor'!), nach dessen Beobachtungen 
sich die Ernte des Winterroggens in Frankreich durchschnittlich um 
vier Tage verzögert, wenn die Höhe um 100 m zunimmt. Aufmerksam 
zu machen ist aber dabei auf den Umstand, dafs mit der zunehmenden 
Höhe die Verdünnung der Luft die Wärme derselben vermindert, dafs 
also auch diese Verdünnung ganz wesentlich auf die Ausbildung der 
Vegetation wirken mufs. Dazu kommen die Feuchtigkeitsverhältnisse, 
welche, abgesehen von der physikalischen Bodenbeschaffenheit, für alpine 
Regionen niederer Breiten andere sind als für Pflanzen aus der Ebene 
der arktischen Zone. Innerhalb derselben Breite wird das Gebirge 
als kälterer Körper mehr Wasserdampf verdichten und daher reich- 
lichere Niederschläge erhalten als die Ebene. Es wird daher auch 
mehr Schnee fallen, und das zum Schmelzen dieser gröfseren Schnee- 
masse erforderliche Wärmequantum wird also der Vegetation entzogen. 
Selbst wenn der Schnee im Frühjahr geschmolzen, wird trotzdem 
noch die Pflanze im Gebirge zunächst weniger von der Sonnen- 
wärme Vorteil ziehen können als die in der Ebene, indem die Zer- 
rissenheit der Bodenoberfläche wirksam wird. Ein Quadratmeter Grund- 
fläche, der eine stark zerklüftete Bodendecke besitzt, hat eine viel 
gröfsere, in unendlich viele schiefe Ebenen zerspaltene Oberfläche; 
auf diese mufs sich dieselbe Wärmemenge verteilen wie auf ganz 
ebenem Lande, dessen einzelne Punkte somit stärker erwärmt werden. 
In diesem Falle befinden sich die Gebirgsketten gegenüber den Ebenen. 
Es erklärt sich aus den bisherigen Angaben, dafs mit der Erhebung 
über den Meeresspiegel sich die durch Wärme wesentlich beförderten 
Prozesse der Verwitterung und Verwesung verlangsamen müssen. Es 
erklärt sich ferner, dafs derartige eigentümliche Kombinationen der 
Wachstumsfaktoren charakteristische Formen erzeugen werden, bei 
denen der kurze, gedrungene Wuchs das bekannteste Merkmal ist. 
Solche Wuchsformen erhalten sich zunächst durch die Samen konstant. 
Derartig erblich gewordene klimatische Formen sind als „öko- 
logische Varietäten“?) bezeichnet worden. 

Wenn wir anfangs gesagt haben, dafs die Lufttemperatur in den 
Höhen geringer ist, so mufs anderseits betont werden, dafs mit der 
Höhe die Intensität der Bestrahlung zunimmt und allmählich höhere 
Bodenwärme erzeugt. Es würde deshalb das Gebirgsklima niederer 
und mittlerer Breiten sich durch gröfsere Lichtintensität und gröfsere 
Bodenwärme sehr günstig von dem der Ebenen in einer Polarzone, 
die dieselbe Lufttemperatur hat, unterscheiden. Der geringere Luft- 
druck auf den Bergen mufs eine Steigerung der Transpiration zur Folge 
haben, wie FRIEDAL?) angibt, und die erhöhte Lichtzufuhr eine Steigerung 
der Assimilationstätigkeit des Blattes; folglich arbeitet die typische 
Gebirgspflanze energischer, und daraus erklärt sich ihre verkürzte 
Vegetationszeit. 

Nach den Beobachtungen von BonsiEr®), der am Montblanc und 


1) Der Naturforscher, 1883, Nr. 24. 

2) Lebensgeschichte der Blütenpflanzen Mitteleuropas. Von Kırcnxer, Lorw 
und ©. Schröter. Stuttgart, Ulmer 1904. S. 116. 

3) Frıevan, Action de la pression totale sur l’assimilation chlorophyllienne. 
C. rend. 1901. Cit. Bot. Jahresb. 1901. Abt. II. S. 221. 

#) Boxsıer, Etude experimentale de l’influence du climat alpin sur la vege- 
tation etc. Bull. Soc. Bot. France. Tom. 35. 1888. 


E 
{ 


1. Die Erhebung über den Meeresspiegel. 71 


in den Pyrenäen Versuchsgärten angelegt hatte, trat im Alpenklima 
bei einer grofsen Anzahl krautiger Gewächse eine Verkürzung der 
Triebe ein, die zum Nanismus führte. Bei den Hochgebirgsexemplaren 
wird das Palisadenparenchym stärker entwickelt und chlorophyllreicher. 
Dementsprechend ist die assimilatorische Arbeit eine gesteigerte. Wenn 
man Blätter derselben Spezies von Exemplaren der Ebene und aus dem 
Gebirgsgarten, die gleichzeitig abgeschnitten wurden, prüfte, zeigten 
die Blätter aus dem Hochgebirge in der gleichen Zeit für gleichgrofse 
Flächen eine stärkere Sauerstoffentwicklung. Solchen alpinen Charakter 
soll man bei Pflanzen dadurch künstlich züchten können, dafs man sie 
während der Nacht in Eis packt, während man sie tagsüber in normalen 
Wachstumsverhältnissen beläfst !). 

In einer späteren Mitteilung?) macht BoNnnIEr speziell darauf auf- 
merksam, dafs sich durch die in den alpinen Regionen stattfindende 
Steigerung der Transpiration und Assimilation leicht erklären lasse, 
weshalb Pflanzen der Ebene, ins Alpenklima gebracht, eine relativ 
gröfsere Menge an Zucker, Stärke, ätherischen Ölen, Farbstoften, 
Alkaloiden und andern Produkten der Chlorophyllarbeit entwickeln. 

Wie sehr der spezifische klimatische Charakter sofort den Ent- 
wicklungsmodus einer Pflanzenspezies beeinflufst, zeigen die bekannten 
1875 bis 1880 ausgeführten Anbauversuche von KERNER v. MARILAUN?) 
mit Samen, die von derselben und zwar vor Fremdbestäubung ge- 
schützt erzogenen Mutterpflanze stammten. Ein Teil der Samen wurde 
in einem alpinen Versuchsgarten auf der Kuppe des Blasers in Tirol 
(2195 m Seehöhe), ein anderer Teil im Wiener botanischen Garten 
ausgesät. Auf der Kuppe des Blasers erfolgte das Keimen der Samen 
bald nach dem Abschmelzen der 1,5 m hochgewesenen Schneedecke 
in der Zeit vom 10. bis 25. Juni. Die Entwicklung der Sämlinge fiel 
somit in die Zeit des höchsten Sonnenstandes und der längsten Tage. 
Die Sämlinge waren sofort einer Temperatur ausgesetzt, welche ebenso 
hoch oder noch etwas höher war als die den Versuchspflanzen im 
Wiener botanischen Garten im März bei einer Tageslänge von zwölf 
Stunden zuteil gewordene. An den Pflanzen, welche nicht durch die 
einzelnen Fröste im Juni, Juli und selbst im August getötet worden 
waren, wurden Ende August und Anfang September Blüten beobachtet, 
also z. B. bei Satureja hortensis, Lepidium sativum, Agrostemma Githago, 
Centaurea Oyanus, Turgenia latifolia usw. 

Die im alpinen Versuchsgarten erwachsenen Pflanzen zeichneten 
sich den im Wiener botanischen Garten entwickelten Exemplaren gegen- 
über dadurch aus, dafs sie auffallend verkürzte und in geringerer Zahl 
entwickelte Stengelglieder besafsen. Ferner sah man, dafs an den 
alpinen Exemplaren, z. B. von Viola arvensis, schon aus der Achsel 
des dritten und vierten Laubblattes sich Blüten entwickelten, während 
in Wien dies erst bei dem siebenten und achten Laubblatt stattfand. 
Die Zahl der Blüten war geringer und die Blütenblätter, ähnlich den 
Laubblättern, durchschnittlich kleiner. Ein Teil der in der Ebene 
einjährigen Arten, die genügend Zeit und Wärme zur Samenaus- 


!) Pırravın, Influence des changements des temperatures sur la respiration 
des plantes. Revue gen. de Botanique, 1899. S. 242. 

2) Bonner, Gaston, Influence des hautes altitudes sur les fonctions des vegetaux. 
Compt. rend. de l’Acad. science. Paris. Tom. CXI. 1890. Cit. Bot. Centralbl. 
1891. Nr. 12. 

%) Pfianzenleben. Bd. II, S. 453ff. Wien. 1898. 


72 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


bildung gefunden hatten, wurde auf der Kuppe des Blasers langlebiger 
dadurch, dafs im folgenden Jahre aus dem untersten Teil des Stengels 
neue Sprosse sich entwickelten. Auch ein früheres Aufblühen konnte 
man beobachten. 

Entsprechend dem Umstande, dafs mit der zunehmenden Höhe 
die Intensität der Besonnung wächst, war auch die auf dem Anthocyan 
beruhende Blütenfärbung intensiver. Blumen, die in der Ebene weils 
waren, zeigten auf den Alpen eine violette Unterseite ihrer Blumen- 
blätter. Die Spelzen von Gräsern, die in der Ebene grün oder nur 
matt violett waren, wurden in der Alpenregion durch 'reichlichere Aus- 
bildung von Anthocyan dunkel braunviolett!). Die Blätter von Sedum 
acre, album und hexangulare wurden purpurrot. Dagegen vergilbten 
Blätter vom Orobus vermus, Valeriana Phu und Viola ceucullata durch 
den Lichtüberschufs im alpinen Versuchsgarten, die im Tal an schattigen 
Orten grünlaubig bleiben. 

Bei dem Einflufs des Gebirgsklimas handelt es sich nicht nur um 
die Wärmedifferenzen der Jahresmittel und der einzelnen Jahreszeiten, 
sondern namentlich auch um die Luftfeuchtigkeitsverhältnisse. 
Wärme und Luftfeuchtigkeit in ihrer Gesamtmenge und in ihrer zeit- 
lichen Verteilung sind neben der Lichtzufuhr ausschlaggebend für die 
Vegetation. Die Luftfeuchtigkeit beeinflufst, wie erwähnt, die für die 
Pflanzen verfügbare Lichtmenge; denn der Wasserdampf hat etwa die 
fünffache Absorptionsgröfse für die Lichtstrahlen gegenüber einer 
trocknen Luft. 

Da nun der absolute Gehalt der Luft an Wasserdampf mit der 
Höhe abnimmt, so wird auch weniger Licht im Gebirge absorbiert, 
namentlich da der Lichtstrahl einen kürzeren Weg zurückzulegen hat, 
um zum Erdboden zu kommen, gegenüber den Gegenden im Meeres- 
niveau. Dafs der absolute Feuchtigkeitsgehalt der Luft mit der Höhe 
abnimmt, ist selbstverständlich, denn die Temperatur wird eine immer 
geringere, und die Luft mufs ihren Wasserdampf kondensieren und ın 
flüssiger Form abgeben. Aber die relative Feuchtigkeit nimmt zunächst 
im Gebirge zu, und dies ist der Grund, weswegen wir das Gebirgs- 
klima als ein feuchtes und regnerisches zu bezeichnen pflegen. In 
Beziehung zur Luftfeuchtigkeit steht auch die Bewölkung. 

Diese Zunahme der relativen Feuchtigkeit und die abnehmende 
Lufttemperatur bilden die Ursachen für eine schnelle Begrenzung 
unserer Kulturbestrebungen, soweit dieselben sich auf die Gewinnung 
von Samen in Gebirgsregionen erstrecken. Wir wissen, dafs die 
Blüten- und Samenbildung eine Wärmesteigerung im Verhältnis zur 
Erhaltung der vegetativen Periode beansprucht. Deshalb sehen wir, 
dafs das Getreide im Gebirge, wie anfangs erwähnt, vielfach nicht 
ausreift und ebenso Klee und andere Leguminosen kein genügendes 
Saatgut liefern. Es kommt zu den erwähnten Verhältnissen noch ein 


!) Von namhaften Forschern wird die Ansicht vertreten, dafs das Anthocyan 
zum Schutz der Pflanze gegen zu starke Besonnung entwickelt werde. Kerxer 
(l. c. Bd. I, S. 508) vermutet, dafs in den bei Wärmemangel auftretenden Blumen- 
rötungen das, was an direkt zugeleiteter Wärme den Blüten abgeht, „durch jene 
Wärme ersetzt wird, welche durch Vermittlung des Anthocyans aus den Licht- 
strahlen gewonnen wird“. Wir glauben beobachtet zu haben, dafs zwar der rote 
Farbstoff sich häufig bei Wärmemangel entwickelt, aber auch bei Wärmereichtum 
sich dann einstellt, wenn im Verhältnis zur Wärme ein Lichtüberschufs bei zucker- 
führenden Geweben sich geltend macht. 


au: 14 


1.. Die Erhebung über den Meeresspiegel. 73 


anderer Umstand hinzu, auf welchen Pıx!) aufmerksam gemacht hat. 
Es ist nämlich der Insektenreichtum schon bei 2300 m nur halb so 
grofs wie in der Ebene; daher spielen Windblütler im Hochgebirge 
eine gröfsere Rolle; auch wird die vermehrte Schwierigkeit der Insekten- 
bestäubung dadurch teilweise ausgeglichen, dafs eine ungeschlechtliche 
Vermehrung dafür eintritt (Polygonum viviparum, Poa alpina, Saxifraga 
cernua); ferner sind zehn Elftel aller Arten Stauden, und selbst die 
bei uns einjährige Viola tricolor wird in den Alpen ausdauernd. 

Aufserdem ist noch darauf hinzuweisen, dafs bei fortgesetzten Kultur- 
versuchen im Höhenklima kurzlebige Gebirgsvarietäten sich ausbilden, 
die zwar quantitativ geringeres, aber qualitativ noch zufriedenstellendes 
Saatgut liefern. Solches bietet die gröfsere Möglichkeit, die Ernte im 
Gebirge noch glücklich einzubringen, und hat (nach ScHIEBLER)?) den 
Vorteil, in tieferen Lagen zunächst seine verkürzte Vegetationszeit bei- 
zubehalten, also in den nordischen Klimaten vorteilhafte Verwendung 
zu finden. 


Ausbildung der oberirdischen Achse der Holzpflanzen. 


Gegenüber einer vielverbreiteten Ansicht ist zu erwähnen, dafs 
Zwergwuchs im Hochgebirge nicht dem Schneedruck zuzuschreiben ist, 
da wir noch Baumgestalten in den Regionen haben, wo der meiste Schnee 
fällt. Die Schneedecke wird bekanntlich nicht etwa immer stärker, 
je gröfser die Erhebung des Hochgebirges sich gestaltet, sondern steigt 
nur etwa bei uns bis zur Höhe von 2500 m, also nur bis zur oberen 
Grenze der Zwergkiefer, des Zwergwacholders und der Alpenrosen. 
Höher hinauf nehmen die Niederschlagsmengen ab. Fichten, Lärchen- 
und Zirbelkiefern leiden weniger durch Schneedruck, wenn sie allein 
oder locker stehen, weil ihre elastischen, abschüssig gestellten älteren 
Zweige die angesammelten Schneemassen bei Wind leichter abgleiten 
lassen. Andere Gehölze, wie Salix serpyllifolia und Rhamnus pumila, 
entgehen übermäfsigem Schneedruck häufig durch ihre Ansiedlung an 
steilen Felswänden, von denen der Schnee schnell abstürzt. Aber auch 
die dem vollen Schneedruck ausgesetzten Gehölze werden schwerlich 
durch die Last des Schnees oder durch den Wind zum Anschmiegen 
an den Boden veranlafst. Vielmehr darf man mit KERNER annehmen, 
dafs es die Bodenwärme ist, die ihnen in direkter Nähe der Erde die 
‘besten Existenzbedingungen bietet. In den Hochalpenregionen ist der 
Boden viel wärmer als die Luft, die vermöge ıhrer zunehmenden 
Verdünnung und ihres schnell abnehmenden Wassergehaltes weniger 
Sonnenlicht absorbiert. Genannter Autor citiert, dafs z. B. auf dem 
Gipfel des Montblanc (4810 m) die Intensität des Sonnenlichtes um 
26 °/o gröfser ist als im Niveau von Paris. Auf dem Pic du Midi 
(2877 m) beobachtete man eine Temperatur des besonnten Bodens von 
33,8° C., während die Luft nur 10,1° zeigte. Diese Bodenwärme mit 
der Lichtintensität erklärt die beschleunigte Entwicklung und das 
frühe Blühen der alpinen Pflanzen. 

Im Gegensatz zu KERNER glaubt Vöchrins®) auf Grund seiner Be- 
obachtungen an Mimulus Tilingii, dessen junge Triebe von bestimmtem 


1) Das Leben der Alpenpflanzen. Zeitschr. d. d.-östr. Alpenvereins 1898. S. 61. 
2) Schiesser, Die Pflanzenwelt Norwegens. Allg. Teil. Christiania 1873. 
8) Vöcntise, H., Über den Einflufs niedriger Temperatur auf die Sprofsrichtung. 


Ber. Deutsch. Bot. Ges. XVI. 1898. 8. 37. 


74 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


Alter bei niedriger Temperatur im Frühling sich niederlegten, bei 
Wärmesteigerung sich aufrichteten, dafs das Hinkriechen der Alpen- 
pflanzen am Boden teilweise oder ganz dem Einflufs der niedrigen 
Temperaturen zuzuschreiben sein möchte. Wir vermögen diese Auf- 
fassung nicht zu teilen. 

Betreffs des Wachstumsmodus der Bäume in den alpinen Regionen 
liegen Untersuchungen von ROosENTHAL!) vor. Derselbe fand, dafs bei 
allen untersuchten Holzarten die Jahresringbreite im Hochgebirge ge- 
ringer als im Tieflande ist. Die Excentricität der Äste ist meist sehr 
stark, aber die Richtung des stärksten Zuwaches veränderlich. Das 
Wasserleitungssystem erfährt infolge der gesteigerten Verdunstung eine 
gröfsere Ausbildung. Bei den Dikotyledonen wird der höhere Anteil 
an Leitungsgewebe durch die Verschmälerung des Jahresringes erreicht; 
bei den Nadelhölzern wurde eine beträchtliche Verminderung des Spät- 
holzringes gefunden. 

Die im Gebirge fortwährend durch die Verwitterungserscheinungen 
sich vollziehenden Bodenrutschungen bewirken Schiefstellungen der 
Bäume und damit Anderungen in der Holzausbildung derselben. 
Harris?) wies nach, dafs bei Stämmen und Asten der Fichte, 
sobald sie zur Horizontalen sich neigen, auf der Unterseite breitere 
Jahresringe und sog. „Rotholz“ (Holz mit kurzen Tracheiden und 
starker Verholzung), auf der Oberseite schmale Jahresringe aus „Zug- 
holz“ (lange Tracheiden mit schwacher Verholzung) gebildet werden. 

Nach GiovAnozzı?) wird diese verschiedenartige Ausbildung des 
Holzringes der Coniferenzweige zu hygrometrischen Messungen von 
den Bewohnern der Piemonteser Alpen benutzt, da das kleinzellige, 
dickwandige Rotholz ganz andere hygroskopische Eigenschaften als 
das Zugholz besitzt. Die Rotholzseite eines geschälten Zweiges wird 
in trockner Luft konkav, in feuchter konvex. 

Nach den Untersuchungen von CIEsLar*) scheint der Ligningehalt 
des Fichtenholzes an der oberen Grenze des baumartigen Vorkommens 
geringer als in tieferen Lagen zu sein. 

Dafis der gedrungene Wuchs bei alpinen Formen erblich für die 
nächsten Generationen ist, geht aus den Beobachtungen von ÜIESLAR?) 
hervor, wonach Fichten aus Samen von Bäumen gebirgiger Standorte 
bei Kultur in der Ebene geringeren Zuwachs zeigten als die unter 
gleichen Bedingungen erzogenen Pflanzen von Bäumen der Ebene. 
ENnGLER hat dieselbe Beobachtung bei Aussaatversuchen in der forst- 
lichen Versuchsstation bei Zürich gemacht. Aus Keimversuchen mit 
Samen von Fichte, Kiefer und andern Waldbäumen schliefst M. KıEnıtz 6), 
dafs für die in niederen Regionen heimischen Fichtensamen die Minima, 
Optima und Maxima der Keimungstemperaturen höher liegen als für die 
aus höheren Lagen stammenden Samen. 

Bei den Kulturen im Höhenklima ist aber auch ferner zu berück- 


!) RosentHar, M., Über die Ausbildung der Jahresringe an der Grenze des 
Baumwuchses in den Alpen. Dissert. Berlin, eit. Bot. Centralbl. 1904. Nr. 43. 

2) Harrıc, R., Holzuntersuchungen. Berlin. Springer 1901. 

®) Gıovanozzı, Sul movimento igroscopico dei rami delle Conifere. Malpighia 
XV, cit. Bot. Jahresb. 1901.. Abt. T. S. 191. 

*) Cıestar, „A., Über den Ligningehalt einiger Nadelhölzer. Mitt. a. d. Forstl. 
Versuchswesen Österreichs, 1897. Heft XXI. 

5) Centralbl. f. d. gesamte Forstwesen, 1894, Bd. 20, S. 145. 

6) Kırsırz, Vergleichende Keimversuche mit Waldbaumsamen aus klimatisch 
verschieden gelegenen Orten Mitteleuropas. Ref. Bot. Zeit. 1879. S. 597. 


Br > Ri; 


1. Die Erhebung über den Meeresspiegel. 75 


sichtigen, dafs sich die Gebirgserhebungen verschieden verhalten, je 
nachdem sie isolierte Kegel oder Hochplateaus darstellen. Da Be- 
strahlung und Ausstrahlung des Bodens auf die Temperatur der ihn 
bedeckenden Luftschichten von bedeutendem Einflufs sind, so wird 
die Vegetation in denselben Höhen ganz verschiedenen Temperatur- 
differenzen gegenüberstehen. Auf dem Hochplateau ist während der 
Besonnungszeit die Wärmeabnahme mit der Höhe geringer als auf 
einem alleinstehenden Gebirgskegel; wenn aber die Sonne fortgeht 
und die Ausstrahlung ausschlaggebend wird, dann kühlen sich die 
unteren Luftschichten über dem Hochplateau auch mehr ab. Es sind 
also die täglichen Temperaturschwankungen dort viel gröfser und 
ebenso diejenigen der Jahreszeiten. Auf Hochplateaus kann die Ab- 
kühlung bis zum Frost herabsinken, während die isolierte Kuppe noch 
davor bewahrt bleibt. 

Dasselbe Verhalten zeigt sich zwischen Tal und Höhe, und wir 
haben erst kürzlich eine Anzahl Beispiele aus Italien kennen gelernt. 
Unter diesen ist eine Meldung von PassErını!) aus der Umgebung von 
Florenz besonders deutlich. In der Nacht vom 19./20. April 1903 sank 
die Temperatur, die am 15. noch +18,3° C. aufwies, auf —1,1° C., um 
nach neun Stunden wieder auf +12,2° ©. zu steigen. Während die 
Gemüse und das Getreide keinen Schaden erlitten, hatten die Bäume 
durch Erfrieren von Blättern und Blüten namhafte Verluste. Schon 
50 m höher waren Schädigungen nicht mehr wahrzunehmen. 

Als Schutz gegen Frostgefahr in den Bergregionen wirken Wolken 
und Nebel. Betreffs letzterer beobachtete THomas?) ın Thüringen, 
dafs auf den in Nebel gehüllten Höhen das junge Buchenlaub nicht 
litt, während in den Tälern und Schluchten die Blätter durch Frost 
beschädigt wurden. Auf der die scharfe Abkühlung verhindernden 
Eigenschaft der Nebel hat sich die künstliche Frostverhütung durch 
Erzeugung von Rauch aufgebaut. 


Anpassungen des Wurzelkörpers der Holzpflanzen. 


Besonders interessant sind im Gebirge die Anpassungserscheinungen 
des Wurzelkörpers an den Gesteinsboden und die dabei auftretenden 
Ersatzbildungen. In der nachstehenden Figur 1 sehen wir eine Eichen- 
wurzel, welche sich durch eine Gesteinsspalte ihren Weg gebahnt und 
bei ihrem fortgesetzten Diekenwachstum innerhalb der Spalte eine ab- 
geflachte, brettartige Gestalt angenommen hat. Nach dem Austritt aus 
dem Gestein ist der Wurzelkörper zur cylindrischen Form zurück- 
gekehrt. Es lehrt dieses Beispiel erstens, dafs trotz des Druckes, den 
die starke Wurzel so viele Jahre ausgehalten, die Leitungsfähigkeit für 
Wasser und plastisches Material in dem brettartigen Teile nicht unter- 
brochen worden ist. Zweitens bemerken wir oberhalb der brettartigen 
Abflachung ein Hervortreten adventiver Wurzeln. Beide Vorgänge 
entsprechen den durch künstliche Schnürungen veranlafsten Erschei- 
nungen. | 

Soweit wir Wurzeln haben untersuchen können, die sich in Gesteins- 
spalten abgeflacht hatten, konnten wir bemerken, dafs die brettartige 


1) Pısserrsı, Sui danni prodotti alle piante del ghiaceiato etc, Bull. Soc. Bot. 
ital. 1903. S. 308. 

2) Tuomas, Fr., Scharfe Horizontalgrenze der Frostwirkung an Buchen. Thür. 
Monatsblätter. April 1904. 


76 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


Abflachung des Wurzelkörpers dadurch zustande gekommen, dafs die 
alljährlich sich bildenden Holzringe an den Seiten, wo sie sich frei 
entwickeln konnten, also in der Richtung der Spaltfläche, sehr stark 
ausgebildet, dagegen an den Seiten, wo die Wurzel dem Gestein an- 
geprefst gewesen, auf ein Minimum reduziert und schliefslich unkennt- 
lich wurden. An den freien Seiten war das Holz gefäfsreich, in einzelnen 


Fig. 1. Fig. 2. 


“Wurzeln von Quercus pedunculata zwischen Felsspalten. 
(Nach DÖBNER-NOBBE.) 


Jahresringen sogar sehr breit und mit dicker Rinde versehen; an den 
unter Druck des Gesteins stehenden Wurzelseiten wurde das Holz 
gefäfslos, kurzzellig und aus schief aufsteigenden, statt vertikal ver- 
laufenden Holzfasern gebildet. Schliefslich erkennt man keine Jahresring- 
differenzierung mehr, und man sieht nur noch ein ganz schmales Kork- 
band auf dem bisweilen parenchymatisch kurzzelligen Holze ohne er- 
kennbare Markstrahldifferenzierung aufliegen. 

Trotzdem ist die cambiale Tätigkeit an der brettartigen Wurzel- 
stelle nicht erloschen, wie man dies bei dem Übergange des abgeflachten, 


1. Die Erhebung über den Meeresspiegel. 77 


in den cylindrisch weiter wachsenden Wurzelteil sieht. Die anatomi- 
schen Veränderungen in den zwischen Gestein einprelsten Wurzeln 
nähern sich so auffällig den durch künstliche Schnürung an ober- 
irdischen Achsen erlangten Resultaten, dafs wir in dieser” Beziehung 
auf unsere späteren Studien in dem Kapitel „Wunden“ verweisen 
können. 

In Fig. 2 finden wir eine andere, ebenfalls von Quercus pedunculata 
stammende Wurzel, die wahrscheinlich nur zwischen Steinen sich hin- 
durchgeprefst hat. Sie hat bei der Begegnung mit dem Hindernis ihres 
Längenwachstums sich gekrümmt und bei dem Weiterwachsen sich ab- 
geflacht. Mit zunehmendem Alter ist die geprefste Wurzelfläche ins 
Freie gelangt und hat an den freigewordenen Seiten eine erhöhte Aus- 
bildung der Holzringe erfahren, die sich nun ähnlich wie Überwallungs- 
ränder in grofser Üppiekeit entwickelt haben. Die Quetschung, welche 
die Wurzel erlitten hatte, dürfte ähnlich wie eine Ringelung gewirkt und 
wie bei dieser eine Art Ringelwulst oberhalb der Druckstelle erzeugt 
haben (s. Ringelung im Kapitel „Wunden‘“). 

Uber den anatomischen Befund in den Anfangsstadien derartiger 
Abflachungen des Wurzelkörpers können wir uns durch die Unter- 
suchungen von LoPRIoRE!) einen Begriff machen. Derselbe beobachtete 
Adventivwurzeln bei Keimpflanzen von Vicia Faba, die gezwungen 
waren, unter dem Seitendruck von nicht auseinanderweichenden 
Kotyledonen zu wachsen. Innerhalb der Drucksphäre erschienen diese 
zarten Wurzeln bandartig verbreitert, und nach Austritt aus der Druck- 
region wurden sie wieder normal cylindrisch, wie dies unsere alten 
abgebildeten Eichenwurzeln ebenfalls erkennen lassen. Bei den ganz 
jungen Wurzeln der Saubohne sah LorriorE an den nicht durch die 
Kotyledonen gedrückten Seiten die Epidermiszellen sich zu Wurzel- 
haaren verlängern. An den geprefsten Seiten dagegen waren nicht 
nur die Epidermiszellen tangential abgeplattet, sondern auch die zwei 
bis vier äufseren Rindenschichten bedeutend geprefst, so dafs sie eine 
Art peripherischen Gürtels um die Wurzel an diesen Seiten bildeten, 
wobei die radialen Wandungen dieser geprefsten Zellen zickzackförmig: 
gefaltet wie bei einem Blasebalge erschienen. Die unter dem Druck 
der Kotyledonen stehenden Zellen erwiesen sich auch stofflich ver- 
ändert, indem ihre Membranen entweder verkorkt oder „samt ihrem 
Lumen mit einer Art Schutzgummi imprägniert waren“. 

Bei Fig. 1 hatten wir bereits darauf aufmerksam gemacht, dafs vor 
der brettartigen Abflachung mehrere Adventivwurzeln sich gebildet 
haben. Wie man sieht, hat hier die Wurzel vor dem Eintritt ın die 
Gesteinsspalte eine Krümmung gemacht, und unter dem Einflufs der 
Krümmung hat an der freien, konvexen Aufsenseite die Neubildung von 
Adventivwurzeln sich eingeleitet. Wir erblicken darin eine Folge des 
Krümmungsreizes, den NoLL?) in seiner Arbeit ausführlich besprochen 
hat. Die Eigenheit, dafs bei Wurzeln, die infolge eines ihrem Längen- 
wachstum entgegentretenden Hindernisses sich krümmen müssen, an 
der Konvexseite der Krümmungsstelle neue Seitenwurzeln hervortr eten, 
ist leicht zu beobachten. Bei Wasserkulturen in Glasgefäfsen bemerkt 


1) G. Lorrıore, Verbänderung infolge des Köpfens. Ber. Deutsch. Bot. Ges. 
Bd. XXII. Heft 5. S. 309. 

2) Norr, Vergleichende Kulturversuche. Sitzungsber. d. Niederrhein. Ges. f. 
Naturkunde. Cit. Bot. Jahresber. 1900. II. S. 304. 


78 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


man diese Erscheinung, wenn kräftige Wurzeln den Boden des Glas- 
gefäfses erreichen und sich nun umlegen. 

Im Gebirge trifft man derartige Vorkommnisse bisweilen als Hilfs- 
vorrichtungen an flachstreichenden, jüngeren Baumwurzeln an, wenn 


die Spitze eines Wurzelastes durch Verletzung oder Vertrocknen auf 


dem Gestein verloren gegangen ist. In 
Fig. 3a sehen wir eine solche Ersatzwurzel, 
die oberhalb der abgestorbenen Spitze des 
Hauptastes (AA) sich entwickelt hat. Das 
Ersatzorgan ist viel kräftiger und fleischiger 
als die früher gebildeten Seitenwurzeln. 

Die Adventivwurzelbildung infolge des 
Krümmungsreizes oder einer Verletzung der 
Wurzel wird übrigens technisch in der Baum- 
zucht fortwährend verwertet. Bei dem Ver- 
pflanzen der Sämlinge unserer Wald- und 
Obstbäume wird entweder die Pfahlwurzel 
schneckenförmig gekrümmt in das Pflanzloch 
gebracht, oder sie wird um etwa ein Drittel 
verkürzt. Stärkeres Zurückschneiden ist 
Fig. 3. Ast einer Fichten- nicht empfehlenswert, weil die Adventiv- 
wurzel, an der sich oberhalb wurzelbildung immer schwächer wird, je 
ee Be ältere Regionen der Achse gekrümmt oder 

bildet hat. (Nach Nozer.) angeschnitten werden. 


b) Spezielle Erkrankungen. 
Rückgang in der Kultur der Lärche. 


Als ein schlagendes Beispiel für die Nachteile, die sich bei der 
Kultur von Pflanzen aus dem Gebirgsklima in der Ebene herausbilden, 
möchten wir den vielfach bemerkten Rückgang der Lärchenpflanzungen 
ansehen. KIRCHNER!) erwähnt bei der Schilderung der Lebensgeschichte 
dieses Waldbaumes, dafs derselbe ein echter Hochgebirgsbaum des 
europäischen Alpen- und Karpathensystems sei. Der natürliche Ver- 
breitungsbezirk erstreckt sich von der Dauphine durch die Schweiz 
über Vorarlberg, die Bayrischen und Salzburger Alpen nach dem 
Mährisch - Schlesischen Gesenke, den Karpathen bis zu dem Hügel- 
land Südpolens. Die obere Höhengrenze liegt für die Lärche etwa 
bei 2400 m, die untere in den Alpen bei 423 m, im Schlesischen 
Gesenke ungefähr bei 357 m. Während sie in Schottland, Schweden, 
Norwegen sehr gut gedeiht, kommt sie im mittlern und nördlichen 
Deutschland sowie in Frankreich nicht gut fort. Bei gemeinsamem 
Vorkommen pflegt mit Ausnahme der obersten Höhenregionen meist 
die Lärche von der Fichte zurückgedrängt zu werden, falls nicht letztere 
auf trocknem Boden steht und dann im Längenwachstum hinter der 
ersteren zurückbleibt. Von allen einheimischen Nadelhölzern ist die 
Lärche der am meisten lichtbedürftige Baum, der mit einer so starken 
Transpiration ausgestattet ist, dafs dieselbe nicht nur alle Nadelhölzer, 
sondern auch die meisten Laubbäume übertrifft. Wegen der Un- 


!) Lebensgeschichte der Blütenpflanzen Mitteleuropas. Bd. 1. Lief.2. S. 157. 
‘Stuttgart, Ulmer 1904. 


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1. Die Erhebung über den Meeresspiegel. 9 


empfindlichkeit, welche sie in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiete 
gegen die Winterkälte zeigt, ist die Lärche viel mehr in ihrem Ge- 
deihen von der ım Sommer herrschenden Wärme abhängig; sie liebt 
Gegenden mit einem beständig und gleichmäfsig warmen Sommer und 
ausgiebigen Luftwechsel, eine Winterruhe von mindestens vier Monaten, 
darauf einen kurzen Frühling und einen raschen Übergang vom Früh- 
ling zum Sommer. Bei ihrer äufserst frühen Belaubung vermag sie 
eine sehr kurze Vegetationszeit auszunutzen. 

Diese Angaben stützen sich auf die Beobachtungen zahlreicher 
Spezialisten und dürfen daher als durchaus zutreffend anerkannt werden. 
Betreffs der stofflichen Zusammensetzung erhalten wir einen Einblick 
durch die Arbeiten von WEBER!). Derselbe untersuchte Stammabschnitte 
und im Oktober gepflückte Nadeln von Lärchen der Bayrischen Alpen, 
aus dem Spessart, aus der Maintalebene usw. Trotz der Verschieden- 
artigkeit des Bodens ergaben sich doch übereinstimmende Resultate 
betreffs des Einflusses der Höhenlage, welche Verfasser folgendermafsen 
zusammenfafst: 

Die organische Substanz der Nadeln nimmt in einer bemerkens- 
werten Regelmäfsigkeit mit der absoluten Höhe der Standorte zu; 
umgekehrt stellt sich der Gehalt an Reinasche. Der Aschengehalt ist 
auch ein absolut gröfserer, wenn die Lärche im Flachlande oder Mittel- 
gebirge wächst, so dafs also zur Herstellung der gleichen 
Menge verbrennlicher Substanz immer mehr Mineral- 
stoffe von der Pflanze aufgenommen werden, je mehr 
ihr Anbau in die Ebene hinabsteigt. Gerade die wichtigsten 
Aschenbestandteile, Kalı und Phosphorsäure, zeigen gegenüber den 
Alpenlärchen bei den Exemplaren der Ebene eine regelmäfsige Zu- 
nahme. Betreffs des Kalkgehaltes steht zwar auch die Lärche der 
Ebene obenan, doch scheint hier die Bodenbeschaffenheit sehr mafs- 
gebend zu sein. Magnesia und Schwefelsäure zeigen unbedeutende, 
Eisenoxyd und Kieselsäure wiederum gröfsere Zunahme. 

Aus den Weper’schen Untersuchungen erkennt man, wie sehr sich 
die Lebensweise dieses Hochgebirgsbaumes und seine stoffliche Zu- 
sammensetzung mit dem Niedersteigen in die Ebene ändern, und es ist 
die Frage nunmehr nahegelegt, ob sich nicht auch der anatomische Bau 
bei den gänzlich abweichenden Lebensverhältnissen in der Ebene ändern 
wird. Vor allen Dingen bietet die Ebene die starken Kontraste der 
äufserst intensiven Sommerhitze mit starker Winterkälte; dazu kommen 
die langsamen Frühjahre mit ihren bisweilen im Februar, stets aber 
im März eintretenden sommerlichen Tagen und darauffolgenden Rück- 
fällen. Von ausschlaggebender Bedeutung aber dürften die Herbste 
der Ebene sein, bei denen eine relativ warme, feuchte Periode sich 
nicht selten bis in den Dezember hineinzieht und die Vegetation nicht 
zum Abschlufs kommen läfst. Man denke nur an unsere Eichen- und 
Apfelbäume, die das Laub an den Spitzen der Zweige häufig genug 
den ganzen Winter über behalten. Bei den Apfelbäumen, namentlich 
bei Spalier- und Schnurformen, bilden manche Sorten im Herbst gar 
keine Terminalknospe aus, sondern das jüngste Blatt bleibt einfach ım 
Winter auf einer jugendlichen Entfaltungsstufe stehen. 


') R. Weser, Einflufs des Standortes auf die Zusammensetzung der Asche von 
Lärchen. Allgem. Forst- u. Jagdzeitung 1873, S. 367, und in Bırveruans’s Centralbl. 
f. Agriculturchemie, 1875, S. 336. 


80 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


Bei der Lärche äufsern sich derartig lange feuchte, relativ warme 
Herbste in der Form, dafs nach dem normalen sommerlichen Abschlufs 
des ‚Jahresringes noch einmal einige Lagen Frühlingsholz gebildet 
werden, wie ich direkt zu beobachten mehrfach Gelegenheit gehabt 
habe. Also in der Ebene findet in solchen Fällen der Eintritt einer 
vollkommenen Ruheperiode, den KircHNEr als erforderlich zur normalen 
Entwicklung der Lärche betont, nicht statt, und die nächstliegende 
Folge wird häufig der Verlust der gerühmten Frostwiderstandskraft 
sein. Mit dem Eintritt der Frostwunden öffnen sich die Einfallspforten 
für alle Wundparasiten, die bei dem vielfach dichten Bestande der 
Lärche in der Ebene und der dadurch bedingten feuchten, unbewegten 
Luft die günstigste Gelegenheit zur Ansiedlung und Ausbreitung 
finden. Daher sehen wir so reichlich den Pilz des sog. Lärchenkrebses, 
die Dasysceypha (Peziza) Wellkommii, in unseren alten Beständen und die 
mit Flechten überzogenen Stämme des Stangenholzes. 

Aus diesen der Natur des Baumes gänzlich zuwiderlaufenden An- 
bauverhältnissen in der Ebene erklärt sich die Klage, dafs die Bäume 
in Nordwest- und Mitteldeutschland und in Frankreich durchschnittlich 
kein freudiges Gedeihen zeigen. Und dies ist der Grund für den Rück- 
schlag, der auf die allgemeine Begeisterung der Forstleute für den 
Lärchenanbau eingetreten ist. 

In neuester Zeit bricht sich die Erkenntnis von der Fehlerhaftigkeit 
unserer Kulturmethoden und der Haltlosigkeit der weitverbreiteten An- 
nahme, dafs die Lärche allenthalben angepflanzt werden könne, in 
forstlichen Kreisen mehr und mehr Bahn. Am bezeichnendsten ist das 
Erscheinen eines kleinen Schriftchens von dem Forstmeister BODEN in 
Hameln !), welcher beobachtete, dafs der Lärchenkrebs nur dort auf- 
tritt, wo der Baum in Unterdrückung gebaut wird oder allmählich 
durch den Einflufs anderer Bestände in Unterdrückung gerät. Der 
rote Faden in seinen beachtenswerten Darstellungen ist, „dafs die 
Sonne die Amme der Lärche ist“. — In Übereinstimmung mit dieser 
Erfahrung steht das Ergebnis einer Umfrage der englischen Dendro- 
logischen Gesellschaft, über welches SOMMERVILLE berichtet?). In Eng- 
land scheint der Lärchenkrebs danach in Zunahme begriffen zu sein 
und vorzugsweise Bäume von 7 bis 15 Jahren heimzusuchen. Feuch- 
tigkeit bei geschlossenen Lagen begünstigt die Krankheit, die auf den 
Höhen weniger als in den Niederungen auftritt. Viele praktische 
Forstleute behaupten, dafs eine Vererbung der Krankheit durch den 
Samen stattfinde; und wenn auch SOMMERVILLE diese Anschauung nicht 
teilt, so mag er doch die Annahme einer erblichen Disposition 
nicht von der Hand weisen. Auch sei die Behauptung, dafs die Baum- 
schulen die Krankheit verbreiten, nicht gänzlich zu verwerfen. 

Wir verstehen nunmehr vollkommen derartige Angaben, die auch 
in Deutschland nicht selten zu hören sind. Solche Dispositionen zur 
Erkrankung bestehen eben in dem veränderten Wachstumsmodus, der 
durch die Übertragung des Baumes aus der Gebirgsregion in die Ebene 
vielfach bedingt und wodurch seine natürliche Immunität gebrochen 
wird. Dafs die Baumschulen mit ihrer aus wirtschaftlichen Gründen 


!) Die Lärche, ihr leichter und sicherer Anbau in Mittel- und Norddeutschland 
durch die erfolgreiche Bekämpfung des Lärchenkrebses. Leipzig 1899. 

2) Report by Dr. Somuervirte on the inquiry conducted by the Society into 
the disease of the larch. Transact. of the English arboricultural Society. Vol. III. 
Part IV. 1893--94. 


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1. Die Erhebung über den Meeresspiegel. 81 
entschuldbaren schnellen Anzucht der Sämlinge in gedüngtem Boden 
diese Verweichlichung der Lärche begünstigen, ist verständlich ; Ähn- 
liches finden wir auch bei anderen Nadelhölzern. Wir haben beispiels- 
weise Gelegenheit gehabt, aus Baumschulen und forstlichen Saatkämpen 
Kiefernsämlinge zu untersuchen, die an der Schütte zu leiden begannen, 
und haben stets dann nachweisen können, dafs bereits im ersten 
Jahresringe die Anfänge von Resinosis vorhanden waren. 

Ahnliche Resultate betreffs der Differenz des Aschengehaltes wie 
bei der Lärche fand WEBER!) auch bei dem Buchenlaub. Bei Unter- 
suchungen aus 11 verschiedenen Standorten ergab sich, dafs das 
Aschenprozent in den Hochlagen über 1000 m Meereshöhe ein be- 
deutend niedrigeres war als bei Buchenlaub aus den Tieflagen. Letz- 
teres zeigte in seiner Asche aber einen geringen Teil an Kali, Phosphor- 
säure und Schwefelsäure, während die Blätter aus den Hochlagen so 
reich wie junges Laub an diesen Stoffen sich erwiesen; bei Kalk und 
Kieselsäure war die Verteilung umgekehrt. Die Gröfse und das Ge- 
wicht eines Durchschnittsblattes nehmen mit der Höhe ab. Betreffs 
gestaltlicher Anderungen gibt H. Horrmann (Rückblick auf meine 
Variationsversuche, Bot. Z., 1881, S. 431) das Beispiel an, dafs Salix 
herbacea und retieulata, vom Hochgebirge in die Niederung verpflanzt, 
sich mit ihren neuen.Sprossen aufrichten, statt am Boden zu liegen. 
Bei dem UÜbergange aus der Niederung ins Hochgebirge wird Solidago 
Virga aurea ein armblütiger Zwerg. Plantago alpina ist eine magere, 
nicht samenbeständige Gebirgsform der Pl. maritima mit kurzer Ähre. 
Die Länge der Ahre stieg in der Niederung in zweiter Generation von 15 
auf 15 mm; die Blätter wurden breiter und selbst gezähnt. Die Blüten 
wurden auf der Höhe weniger zahlreich, aber nicht kleiner. Hleracium 
alpinum brachte in der Niederung einzelne Exemplare mit hohen, stark 
verzweigten Stengeln; Aster alpinus wurde in einzelnen Exemplaren 
breitblättriger. Gnaphalium Leontopodium, das Edelweifs, lockert in der 
Ebene seine Blütenköpfchen und Behaarung. 

Die Erfahrungen, welche bei dem Übertragen der Lärchen aus dem 
Gebirge in die Ebene gemacht worden sind, erscheinen uns als sehr 
ernste Mahnungen, die natürlichen Ansprüche der Bäume mehr zu be- 
rücksichtigen und nicht, gestützt vielleicht auf eine Bodenanalyse, zu 
glauben, dafs jeder Baum dort gedeihen müsse, wo Nährstoffe für ihn 
reichlich vorhanden sind. Die grofsen physikalischen Bedingungen, 
wie Durchlüftungs-, Beleuchtungs- und Feuchtigkeitsverhältnisse, sind 
ausschlaggebende Faktoren, welche, entsprechend berücksichtigt, die 
natürliche Immunität des Baumes erhalten und die kleinliche lokale Be- 
kämpfung der Parasiten überflüssig machen. 


Mifserfolge bei unsern Tropenkulturen. 


Wie jede Nation mit Beginn ihrer Kolonialtätigkeit, müssen auch 
wir die Erfahrung machen, dafs bei den neueingerichteten tropischen 
Kulturen grofse Verluste eintreten. Ein wesentlicher Faktor für die 
Entstehung wirtschaftlicher Schäden ist, wie wir glauben, in der un- 


!) Weser, Einflufs des Standortes auf den Aschengehalt des Buchenlaubes. 
Allg. Forst- u. Jagdzeitung, 1875, 8.221, cit. in Bırveruanv’s Centralbl. f. Agrikultur- 
chemie, 1875, II, S. 325. — (Der prozentische Aschengehalt und namentlich Kalk 
und Kieselsäure steigen um so mehr, je langsamer die Pflanzen wachsen.) 


Sorauer, Handbuch. 3. Aufl. Erster Band. 6 


82 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


genügenden Berücksichtigung der heimatlichen Vegetationsverhältnisse 
zu suchen, aus denen die tropischen Nutzpflanzen in ihren verschiedenen 
Kulturformen stammen. Betreffs der Übertragung von Pflanzen aus der 
Ebene in ein Höhenklima ist nächst der abnehmenden Lufttemperatur 
die Zunahme der relativen Feuchtigkeit von besonderer Wichtigkeit. 
Diese Verhältnisse setzen z. B. dem Getreidebau eine schnelle Grenze. 
Nach Fesca’s Mitteilungen (l. c. p. 42) gedeihen unsere Getreidearten in 
den niederen Regionen der Tropen überhaupt nicht, und in den Höhen 
wird das Reifen der Samen unsicher. Auf Java und Ceylon wird der 
Anbau unserer Getreidearten und Hülsenfrüchtler behufs Samen- 
gewinnung schon in Höhenlagen von kaum 2000 m fraglich. 

Von besonderem Wert ist dagegen, namentlich für tropische 
Kulturen, die Verringerung der Gegensätze zwischen Sommer- und 
Wintertemperatur. Manche Pflanzen, denen es in der Ebene zu heifs 
ist, gedeihen in dem gleichmäfsigeren Höhenklima besser. So erwähnt 
Fesca'), dafs der Kakao am besten in tropischen Höhenlagen von etwa 
500 m gedeiht, der arabische Kaffee in 600 bis 1200 m Höhe und mehr, 
der Tee in 1000 bis 2000 m. Für das Zuckerrohr dagegen sind Lagen 
notwendig, in denen Perioden mit hohen Wärmegraden auftreten. Dem- 
entsprechend dehnt sich der Anbau des Zuckerrohrs in den subtropi- 
schen Ebenen vielfach bis zum 35. Breitengrade, im Mittelmeergebiet 
sogar bis zum 36. Breitengrade aus, wo das Temperaturmittel während 
zwei bis drei Sommermonaten über 25° C. steigt. Der Anbau von 
Fabrikrohr erfolgt aber selbst im engeren Tropengürtel selten höher als 
bis 300 m. Wohl wird es noch höher hinauf angepflanzt, aber nur 
noch zu Stecklingszwecken benutzt, weil der Zuckergehalt zu schnell 
abnimmt. In solchen Höhen entgeht aber das Rohr der jetzt so ge- 
fürchteten „Serehkrankheit*, und man hat deshalb auch vor- 
geschlagen, die Fabrikfelder derart zu regenerieren, dals man von 
ergiebigen Kultursorten Stecklingsfelder in Höhenlagen einrichtet und 
deren Material wieder zur Kultur in der Ebene benutzt. 

Auch bei anderen tropischen Kulturen ist nicht die Gleichmäfsigkeit 
des Klimas ausschlaggebend, sondern das Vorhandensein hoher Sommer- 
temperaturen, da dieselben zur Fruchtreife notwendig sind. So findet 
man wohl im engeren Tropengürtel noch Kokospalmen bis 1000 m 
Höhe, aber fruchttragende Exemplare sieht man schon in 900 m Höhe 
selten. Ebenso führt Fesca die Pompelmus an, die kühlere Winter- 
temperatur verträgt, aber zur Fruchtreife hohe Sommerwärme be- 
ansprucht. Deshalb gelangt dieselbe z.B. in Japan zwischen 31 und 
32° Br. mit einem Jahresmittel von 16,5° ©. noch zur Reife, während 
sie in Bandoeng auf Java bei 714 m Höhe und einem Jahresmittel 
von 22,7° ©. keine Früchte ausreift. Die Temperatur für die Frucht- 
reife liefert Japan in den Monaten Juli und August, wo das Monats- 
mittel über 26° ©. hinausgeht und noch im September über 24° C. 
beträgt. Solche Temperaturmittel werden aber in Bandoeng niemals 
erreicht. 

Vorteilhaft macht sich der Gebirgscharakter bei der Teekultur 
geltend. Der reichliche Niederschläge liebende Teestrauch ist seiner 
Heimat nach eine subtropische Pflanze. Durch Ausnutzung des Höhen- 
klimas kann er in den Tropen mit Vorteil gebaut werden. So findet 


!) Der Pflanzenbau in den Tropen und Subtropen von Prof. Dr. Fesca. T. I. 
Berlin, Süfserott, 1904. S. 41. 


2. Neigung der Bodenoberfläche. 83 


er sich auf Java, Ceylon und in Indien bis 2000 m Meereshöhe; die 
höchsten Pflanzungen im Himalaja finden sich etwa bei 2200 m. Der 
Tee aus höheren Lagen ist sogar der geschätztere; in den tropischen 
Ebenen werden zwar grölsere Blattmengen geerntet, aber die Qualität 
der Blätter ist eine geringere. 

Bei der Kaffeekultur sündigen wir vielfach durch Einführung der 
Pflanzen in schattenlose Ebenen. Der Kaffee ist eine tropische Höhen- 
pflanze, welche Gleichmätfsigkeit des Klimas liebt. Das Mifsraten in der 
Ebene wird oft genug auf die grofsen Temperatur- und Feuchtigkeits- 
schwankungen zurückzuführen sein, die sich in der Ebene um so stärker 
geltend machen müssen, je weniger für Beschattung Sorge getragen 
wird. In der subtropischen Zone wird die Sommertemperatur zu hoch 
und die Wintertemperatur zu gering, so dafs das Wachstum des Baumes, 
das normalerweise ununterbrochen vor sich gehen soll, zeitweise einen 
Stillstand erleidet. 

In noch höherem Grade beansprucht der Kakao, dem es kaum 
jemals zu warm werden kann, eine gleichmäfsige hohe Feuchtigkeit 
der Luft und des Bodens nebst Windschutz und Schatten. Innerhalb 
seines Anbaugebietes, des engeren Tropengürtels bis etwa 500 m Meeres- 
höhe, bildet er zahlreiche Formen, aber bei allen ökologischen Varie- 
täten machen sich dieselben Ansprüche an den Klimacharakter geltend, 
und Frsca (a. a. O0. S. 240) empfiehlt die Beachtung des Schatten. 
bedürfnisses namentlich für junge Kulturen. Eine hierhergehörige 
Krankheit beschreibt ZEHNTNER!). Dieselbe erscheint in Form brauner 
Flecke in der Rinde ein- bis zweijähriger Bäumchen. Nach dem Ver- 
pflanzen sind die Stämmchen mehr dem Winde und der Sonne aus- 
gesetzt, und nun platzen einzelne Rindenstellen auf. 


2. Neigung der Bodenoberfläche. 


Bei Prüfung der lokalen Abänderungen in den Einflüssen der 
geographischen Lage fällt ferner die Neigung der Bodenoberfläche ins 
Auge. Es handelt sich dabei hauptsächlich um eine Neigung von 1 bis 
10° und allenfalls bis 15° gegen den Horizont; denn die stärker ge- 
neigten Böden werden sich schon schwerer zu Acker eignen. Über 
einen vorteilhaften Einflufs der Neigung der Bodenoberfläche hat Nor?) 
berichtet. Seine Versuche zeigten, dafs auf künstlich hergerichtetem 
Wellenland eine Vergröfserung der Anbaufläche erzielt wurde, welche 
bei Salatkultur die Erntemenge um 31°/o steigerte. Aber selbst bei 
geringen Neigungen macht sich mit der Zeit doch auch ein bereits 
erwähnter störender Einflufs geltend. Die Regengüsse nämlich führen 
die Feinerde allmählich abwärts und lassen das Quarzskelett des Bodens 
zurück. 

Die Himmelsgegend, nach welcher hin das Kulturland geneigt ist, 
fällt aufserdem sehr ins Gewicht. Die südlichen oder südöstlichen 
Abdachungen sind wegen der grofsen Witterungsschwankungen die 
gefährlichsten. Die hier herrschende höhere Temperatur verursacht 
im Frühjahr eine schnellere Entwicklung, in Sommer eine gröfsere 
Gefahr des Vertrocknens der Vegetation; denn sie ist nicht nur für die 


1) Proefstation voor Cacao te Salatiga. Bull. 4. 
2) Norz, Vergleichende Kulturversuche. Cit. Bot. Jahresb. 1900. II, S. 304. 
6* 


4 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


[o #) 


Südwinde, sondern auch für die trocknen Ost- und Südostwinde und 
allerdings auch für die kühlen, feuchten Westwinde offen; nur vor dem 
Nordwinde ist sie geschützt. Da aber während des Frühjahrs, also 
der Hauptvegetationszeit die trocknen Winde vorherrschen, so trocknen 
die südlichen Abhänge ganz besonders aus, und an Bergen ist infolge- 
dessen die Südseite am schwersten wieder zu bepflanzen und findet 
sich daher meist kahl. 

Ein Vorteil der Südlage kann sich in kurzen, kühlen Sommern 
zeigen; hier kann durch solche Lage allein bisweilen die Fruchtreife 
kurzlebiger Pflanzen ermöglicht werden. Darum nutzt man am besten 
die Neigung nach Süden durch die Kultur solcher Gewächse aus, welche 
der Frucht wegen gebaut werden und deshalb einer erhöhten Wärme- 
und Lichtwirkung bedürfen. Eine kältere Lage dagegen wird besser 
für den Anbau solcher Gewächse Verwendung finden, deren Blatt- und 
Holzkörper zur Verwertung bestimmt ist. 

Bei der Kultur monocarper Gewächse, wie unsere Gemüse sind, 
kommt die Schädlichkeit der sonst so bevorzugten Lage, nämlich die 
leichte Beschädigung durch Frühjahrsfröste, nur dann zur Geltung, wenn 
die Bestellung mit Pflanzen zeitig im Frühjahr vorgenommen wird. 
Gröfser ist der Schaden bei empfindlichen polycarpen Pflanzen, wovon 
unsere Nufsbäume ein gutes Beispiel liefern. Hier finden wir in 
günstigen, warmen Lagen häufig eine Mifsernte, während in demselben 
Jahre die rauhen Lagen reichlich Nüsse liefern. Im ersteren Falle 
haben die durch stärkere Erwärmung früher herausgelockten jungen 
Triebe und Blütenknospen durch einen Nachtfrost gelitten, der an den 
in hohen, rauhen Lagen befindlichen Exemplaren, die in der Ent- 
wicklung noch zurück waren, schadlos vorübergegangen ist. 

In der Gartenkultur sucht man bei Benutzung der Vorteile solcher 
Lagen die Nachteile der Frühjahrsfröste zu vermeiden, indem man die 
Pflanzen künstlich zurückhält. Dies geschieht durch längere Bedeckung, 
indem entweder noch Schnee auf die zarten Pflanzen geschaufelt oder 
Matten und Streu noch vermehrt werden. Bei Obstbäumen häuft man 
Schnee, Eis und Deckmaterial um die Basis, um die Erwärmung des 
Bodens und die Erregung gröfserer Wurzeltätigkeit möglichst hinaus- 
zuschieben. 

Die kalte nördliche Lage wird sich zur Benutzung durch Wiese 
und Wald empfehlen. Ostabdachungen werden für sandige Boden- 
arten wegen ihres schnelleren Austrocknens gefährlich und daher 
bei schwerem Boden vorteilhafter; umgekehrt verhält sich die feuchte 
Westseite. 

Welche Wärmedifferenzen schon durch eine Neigung von 10° 
hervorgerufen werden können, wenn man alle übrigen Verhältnisse 
als gleich annimmt, berechnet HoLzser !) an einem Beispiel, in welchem 
er unter dem 50. n. B. eine um 10° südlich geneigte Fläche einer 
anderen mit 10° nördlicher Neigung gegenüberstellt. Die Summe 
der auffallenden Sonnenstrahlen verhält sich bei S. zu N. annähernd 
wie 3:2. 

Betreffs der Erwärmung des Ackerlandes sind die Untersuchungen 


!) Horzxer, Die Beobachtungen über die Schütte der Kiefer oder Föhre und 
die Winterfärbung immergrüner Gewächse. Freising 1877. 


EEE 


2. Neigung der Bodenoberfläche. 85 


von WorıxyY?!) besonders erwähnenswert. In dieser Arbeit finden sich 
Beobachtungen von KERNER?) über die verschiedene Erwärmung der 
einzelnen Seiten eines Hügels citiert, die an die vorhergehenden Be- 
merkungen sich zunächst anschliefsen. Das Mittel aus dreijährigen 
Beobachtungen ergab, dafs die Expositionen in abnehmender Wärme 
folgendermafsen sich gruppieren. Die wärmste Lage war SW.; dann 
folgten S., SO., W., O., NO., NW., N. Diese Skala zeigt, dafs in Wirk- 
lichkeit die einzelnen Lagen sich nicht so verhalten, wie man theoretisch 
anfänglich wohl vermuten sollte. Man möchte zunächst glauben, dafs 
für gleiche Abstände der Sonne vom Meridian auch die Insolation 
gleichstark wäre, also die Südostseite dieselbe Wärmemenge wie die 
Südwestseite erhalten müfste. Dafs dies tatsächlich nicht der Fall, 
erklärt sich KErNER damit, dafs nachmittags die Sonne in gleicher Höhe 
kräftiger wirke, weil die Saturation der Luft mit Wasserdampf nach- 
mittags niedriger und daher auch die Absorption der Sonnenstrahlen 
geringer sei als in den Vormittagsstunden. Ein weiterer Grund wird 
von LOoRENz®) citiert. Die Südwestseite hat nämlich länger Zeit als die 
Süd- und Südostseite gehabt, um von Tau und Regennässe zu trocknen: 
sie ist gleichsam vorgewärmt, und dasselbe Wärmequantum fällt auf 
einen trockneren Boden, den es demgemäfs mehr erwärmt. 

Wichtiger für die Kulturen als der Jahresdurchschnitt ist aber das 
Monatsmittel, eventuell das Wärmemaximum in den einzelnen Jahres- 
zeiten. In dieser Beziehung ergeben die Kerxer'schen Thermometer- 
beobachtungen, dafs nur im Winter (von November bis April) das 
Maximum der Bodentemperatur auf der Südwestseite 
liegt, dafs dagegen von Mai bis August die Südostseite 
die höchste Wärme zeigt; im September und Oktober ist 
die Südseite am höchsten erwärmt. Diese Wanderung des 
Maximums dürfte sich durch die im Hochsommer eintretenden trocknen 
Ost- und Südostwinde zwanglos erklären lassen, welche (immer gleiche 
physikalische Bodenbeschaffenheit vorausgesetzt) den Boden schneller 
abtrocknen und damit besser erwärmungsfähig machen. 

Während die Untersuchungen von KERNER in einem natürlichen, 
aus diluvialem Sande bestehenden, mit ziemlich steilen, grasbewachsenen 
Böschungen versehenen Hügel bei Innsbruck angestellt wurden, experi- 
mentierte WOLLNY mit einem künstlich aus gesiebtem, humosem Kalk- 
sandboden errichteten Hügel, dessen Mantel zur Horizontalebene einen 
Winkel von 15° bildete. Hier waren also die Verhältnisse den zum 
Ackerbau tatsächlich noch verwendbaren Steigungen des Landes an- 
gepafst. 

Die Worınvy'’schen Beobachtungen bestätigen zunächst die von 
KERNER erhaltenen Resultate betreffs der Wanderung des Wärme- 
maximums von Südost im Sommer nach Südwest im Winter. Ferner 
zeiet sich, dafs im allgemeinen die südlichen-Lagen (SW., S., 
SO.) gröfseren Temperaturschwankungen ausgesetzt sind 
gegenüber den anderen, von denen die nördliche Abdachung die ge- 


1) Worrsy, Untersuchungen über den Einflufs der Exposition auf die Er- 
wärmung des Bodens. Forschungen auf dem Gebiete der Agrikulturphysik. Bd. I, 
S. 263. 

2) Kerser, Über Wanderungen des Maximums der Bodentemperatur. Zeitschr. 
d. österr. Ges. f. Meteorologie. Bd. VI, Nr. 5, 1871, S. 65 ff. 

3) Lorenz und Rorse, Lehrbuch der Klimatologie. Wien 1874. S. 306. 


86 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


ringsten Schwankungen aufzuweisen hat. Bei einer anderen Versuchs- 
reihe zur Feststellung der Temperatur der Seitenflächen von Beeten 
bei verschiedener Lage gegen die Himmelsrichtung, im Vergleich zur 
Temperatur einer ebenen Ackerfläche in 15 cm Tiefe während der 
wärmeren . Jahreszeit ergab sich folgendes. Die Südseite ist am 
wärmsten; dann folgt im Mittel die ebene Ackerfläche, an dritter 
Stelle die Ost- und Westseite, während die nördliche Abdachung 
des Beetes als die kälteste erscheint. Wenn nun die Beete von Ost 
nach West gerichtet sind, kommt eine Längsfläche nach Süden, die 
andere nach Norden zu liegen, und so haben diese beiden Flächen 
die gröfsten Temperaturdifferenzen, die sich in der Vegetation wohl 
abspiegeln können. Es ist daher günstiger, wenn man überhaupt den 
Acker in Beete legen will oder mufs, dieselben von Nord nach Süd 
verlaufen zu lassen. Am vorteilhaftesten wegen der gleichmäfsigen 
und durchschnittlich höheren Erwärmung ist der Anbau in ebener 
Ackerfläche, deren Temperatur zwar niedriger als die eines nach 
Süden geneigten Abhanges ist, aber die sämtlicher anderen Exposi- 
tionen übersteigt. 

Die Vorteile der südlich geneigten Lage treten, wie spätere Ver- 
suche!) ergaben, aber auch nur dann in die Erscheinung, wenn stets 
genügende Feuchtigkeit vorhanden ist. Bei trockner Witterung oder 
unregelmäfsig verteilten Niederschlägen vermindern sich die Ernte- 
erträge. Ja, bei extrem trockner Witterung wurden auf der Nordseite, 
die sonst die geringsten Ernten liefert (und zwar um so geringere, je 
stärker der Neigungswinkel ist), die höchsten Erträge erzielt. Darauf 
folgten West- und Ostseite; die geringste Produktion zeigte sich auf 
der Südseite. 

Natürlich sprechen auch noch andere Verhältnisse stets mit, so 
z. B. wird bei hinreichender Feuchtigkeit und zusagender Feinkörnigkeit 
des Bodens auch die Bodenfarbe wirksam. Je dunkler die Erde, 
desto mehr wird das Pflanzenwachstum gefördert. Bodengemische er- 
geben bessere Ernten wie reine Torf-, Sand- oder Lehmböden. 


a) Zu steile Lage. 


Bodenflächen von mehr als 15 bis 20° Steigung auf kleinem Raume 
werden, soweit als möglich, als Wiese und Weideland benutzt werden 
müssen, wenn nicht der Garten- und Weinbau eine teure Terrassierung 
lohnen. Wenn die Steigung einer Fläche einem halben rechten Winkel 
nahekommt, ist dringend zu raten, jede vorhandene Vegetation zu 
belassen und in geeigneter Anpflanzung die Bewaldung zu versuchen 
oder zu vervollständigen. 

Es liegt in dieser Verwendung so stark geneigter Flächen nicht 
nur die beste Nutzung, sondern auch der beste Schutz der an diese 
Flächen sich anschliefsenden unteren Kulturländereien. Derartig steile 
Lagen, die nur das Gebirge bietet, haben selten, selbst bei Bewaldung, 
eine tiefe Krume. Dieselbe kann sich aber nur gegenüber starken 
Regengüssen oder (bei anhaltender Trockenheit und reichem Sand- 
gehalte) auch bei Stürmen erhalten, wenn sie von den Wurzelnetzen 


!) Worrsy, E., Untersuchungen über die physikal. Eigenschaften des Bodens 
auf das Produktionsvermögen der Nutzgewächse. Forsch. Geb. d. Agrikultur- 
physik XX, Heft 3, 1898, S. 291. 


Pa 4 u 


2. Neigung der Bodenoberfläche. 87 


der stark im Felsgestein verankerten Bäume durchsponnen ist. Die 
Moospolster der Waldungen erhalten die für weitere Zersetzungen der 
Gesteine so notwendige Feuchtigkeit und vermehren die Geneigtheit 
zur Quellenbildung, deren Segen in der Ebene erst zur Geltung kommt. 
Betreffs des Wachstumsmodus der Bäume in steilen Lagen ist leicht 
zu beobachten, dafs das Mark exzentrisch geworden ist. Mrr!) be- 
obachtete bei den Tannen und Fichten der Vogesen, dafs an steilen 
Abhängen die Jahresringe an der nach dem Aufstieg hin gerichteten 
Baumseite sich stärker entwickeln als nach dem Abhange zu, was 
namentlich an der Stammbasis hervortritt. An nach Norden und Osten 
gelegenen Abhängen werden die Tannen und Fichten nicht nur höher 
und stärker, sondern auch bei dem einzelnen Baume entwickeln sich 
nach den genannten Himmelsgegenden die Jahresringe kräftiger. Wenn 
die Bäume sich krümmen müssen, zeigen an der Krümmungsstelle die 
Jahresringe der konvexen Seite sich stärker entwickelt. 

Wir haben leider in unsern Kulturländern Beispiele genug, welche 
die traurigen Folgen der Abholzung steiler Abhänge zeigen. Die Be- 
waldung war hier das Produkt mehrhundertjähriger, ineinandergreifen- 
der Vorgänge, welche mit der Ansiedlung von Krustenflechten auf dem 
nackten Felsgestein wahrscheinlich begannen. Durch das Zurückhalten 
der Verwitterungsprodukte haben diese und allmählich gröfsere Pflänz- 
chen zur Bildung einer Bodenkrume den Anfang gemacht und mit ihren 
verwesenden Leibern die ersten Humussubstanzen geliefert, die zum 
Gedeihen höherer Pflanzen den Boden immer passender machten. Ein- 
mal der Vegetationsdecke beraubt, schwemmen die Regengüsse die 
Krume abwärts und legen in der Höhe den steinigen Boden nackt, 
während sie m der Ebene die Kulturen verschlämmen. Je gröfser 
die Entwaldung im Gebirge, . desto unregelmäfsiger wird der Wasser- 
reichtum der Gebirgsflüsse, desto häufiger Überschwemmungen und 
Versandungen im Frühjahr und Wasserarmut der Flufsläufe in dürren 
Sommern. 

Abgesehen von den direkten Verwundungen, die herabgeschlämmte 
Erdmassen durch die mitgeführten Steine hervorbringen, liegt die 
Hauptbeschädigung wesentlich in dem Bedecken der bisher der freien 
Luft ungehindert ausgesetzt gewesenen Pflanzenteile. Die meisten 
Pflanzen aber sterben ab, wenn sie dauernd tiefer gestellt werden, und 
nur diejenigen, welche die Fähigkeit besitzen, leicht Adventivwurzeln 
zu machen, vertragen Bodenaufschüttungen. Unter den krautartigen 
Pflanzen sind die Dünengräser (Arundo arenaria L., Elymus arenarius L. 
u. 2.) hervorzuheben; auch unsere Quecke (Agropyrum repens P. B.) 
arbeitet sich mit Leichtigkeit aus starker Verschüttung empor. Unter 
den Bäumen vertragen Weiden und Pappeln und namentlich der aut 
Kies und Sand vorkommende, an den Küsten Deutschlands, Frankreichs 
und Englands zu findende, mit seinen flachstreichenden Wurzeln zur 
Dünenbefestigung dienende Seekreuzdorn (Hippophaö rhammoides L.) 
ein Verschütten ohne grofsen Nachteil. Dagegen ist die Stamm- 
basis mancher Bäume, wie z. B. der Obstbäume, gegen starke Boden- 
aufschüttungen sehr empfindlich. Bisweilen wird auch unvorsichtiger- 
weise bei dem Verpflanzen der Bäume oder dem Planieren grofser 
Flächen die früher frei gewesene Stammbasis durch zu tiefes Pflanzen 


!) Mer, Des causes qui produisent l’excentricite de la moelle dans les Sapins. 
Compt. rend. t. CVI, 1888, S. 313. 


[0 6) 


I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


mit Erde umgeben. Die dadurch hervorgerufenen Krankheitserschei- 
nungen sind im folgenden ausführlicher behandelt. Unter den Topf- 
pflanzen vertragen die Ericaceen das zu tiefe Einpflanzen am wenigsten. 
Man mufs annehmen, dafs der Sauerstoffmangel für die durch Auf- 
lagerung groiser Erdmassen zu tief gelegten Wurzeln die Ursache des 
Absterbens ist. 

Aufser dem Verschlämmen der tiefliegenden Gelände verdient auch 
die Wurzelentblöfsung durch Nachrutschen des Bodens eine er- 
höhte Aufmerksamkeit. So lange der Waldbestand intakt bleibt, bilden 
die netzartig ineinandergewachsenen Wurzeln, wie gesagt, ein so eng- 
maschiges Geflecht, dafs der Boden innerhalb desselben festgehalten 
wird. Wenn aber einmal durch Menschenhand oder Stürme Lücken 
gerissen worden sind, so dafs Entwurzelung eingetreten, dann stellen 
sich um so schneller Nachschübe von Boden höher gelegener Stand- 
orte ein, je lockerer der Boden ist und je mehr der Wind Zugang in 
die Bestandeslücke erhält. Abgesehen von den im Hochgebirge unauf- 
haltsam sich abspielenden Vorgängen dieser Art, denen wir meist 
machtlos gegenüberstehen, vollziehen sich aber auch im Flachland be- 
ständig V eränder ungen des Waldbestandes, die das Blotfslegen der Wurzeln 
durch Bodennachschübe zur Folge haben. Ganz besonders ist dies 
der Fall in Waldungen auf hügelieem Terrain bei Durchlegung von 
Strafsen. Der Waldboden ist meist locker oder wird durch das Ab- 
trocknen gelockert, und sobald die Strafse einen mit gröfseren Bäumen 
bewachsenen Hügel durchschneidet, trifft man am Rande des Durch- 
stichs die stelzenartig freistehenden Wurzeln, zwischen denen der 
Boden herausgerutscht oder fortgespült worden ist. Da die blotfsgelegte 
Seite der Wurzelkrone die Verankerung des Baumes im Boden schwächt 
und die verminderte Wasserzufuhr die Kronenausbildung beeinträchtigt, 
so ist der Schaden ein doppelter. 

Wenn man gegenüber solchem rücksichtslosen Durchkreuzen der 
Waldbestände zugunsten möglichster Abkürzung der Wege geltend 
macht, dafs der durch die Freistellung der an den Wee erenzenden 
Waldflächen gesteigerte Holzzuwachs der Bäume den Schaden aufhebe, 
so ist dies als ein Irrtum zu bezeichnen. Allerdings bewirkt die Frei- 
stellung unter Umständen wesentlichen Zuwachs, wie beispielsweise 
Harrıe’ S2) Untersuchungen dartun. Er fand an drei seit 17 Jahren frei- 
stehenden 147 jährigen Kiefern, dafs der Zuwachs in den ersten zehn 
Jahren sich verdoppelt hatte, namentlich am unteren Stammteile, wo 
auch die Holzgüte, d. h. das Trockengewicht, zugenommen hatte. Aber 
es zeigte sich "auch, dafs der Zuwachs auf das frühere Mafs zurück- 
sank, als die Bodennahrung durch angepflanzte Fichten in Anspruch 
genommen wurde. Bei Bäumen mit einseitig freigelegten Wurzeln 
aber wird der geringere Wassergehalt des Bodens das an und für sich 
spärliche Nährstoffkapital des Sandes zu geringerer Verwendung kom- 
men lassen und somit die Lichtstellung den Zuwachs kaum steigern. 
Aber selbst, wenn durch die plötzliche” Lichtstellung eine bedeutende 
Zuwachssteigerung erzielt wird, ist damit doch noch nicht immer ein 
wirtschaftlicher Vorteil verbunden. Denn erstens vermehrt sich die 
Ästigkeit der Stämme, und zweitens wird das durch schnellen Zuwachs 
entstehende Holz orobfaserie. Dies geht aus den Beobachtungen von 


1) Hırrıc, Über den Lichtstandszuwachs der Kiefer. Allg. Forst- u. Jagd- 
zeitung LXIV, 1888, Januar. 


2. Neigung der Bodenoberfläche, 89 


CIESLAR und JAanka!) hervor, welche das nach weitständiger Kultur- 
methode erzogene Fichtenholz untersuchten. Bei sehr starker Massen- 
produktion zeigte das Holz ein auffällig geringes spezifisches a 
infolge schwacher Ausbildung des Herbstholzes und einer unge 
wöhnlichen Weite der Tracheiden im Hauptteil des Jahresringes. 
Dagegen rückt die Gefahr der Zopftrocknis oder Gipfeldürre 
vielfach nahe. Dies gilt auch für die im geschlossenen Bestand er- 
wachsenen Laubhölzer. Die plötzlich freigestellte Krone, deren Blätter 
nach Bau und Funktion einer mäfsigen Belichtung angepafst sind, ver- 
mag nicht die Transpirationssteigerung und den Lichtüberschufs zu 
ertragen, und die Zweigspitzen trocknen teilweise zurück. Es ist daher 
im Interesse der Erhaltung alter Baumbestände namentlich auf Sand- 
boden dringend zu raten, die Durchschneidung von Hügeln bei Wege- 
anlagen zu vermeiden und lieber den Weg um die Hügel herum zu 
legen. Plötzliche Freistellung kann aber nach Harris?) auch zu Schädi- 
gungen führen, wenn durch die erhöhte Lichtzufuhr das Gegenteil von 
Z opftrocknis, nämlich hochgradige Steigerung der Kronenentwicklung, 
eintritt. Dieselbe hält einige Jahre an, so lange das verfügbare Nährstoft- 
quantum im Boden ausreicht. Durch die infolge der hohen Licht- 
zufuhr sich vollziehende Vermehrung des Blattmaterials werden natür- 
lich viel gröfsere Mengen von Mineralstoffen nötig als bei Wachstum 
im geschlossenen Bestande. Durch den Einflufs der Atmosphärilien 
kann aber auf der Waldblöfse nicht so schnell die genügende Menge 
löslicher Mineralbestandteile beschafft werden, und darum folgt auf 
eine Reihe fetter Jahre ein Rückschlag im Zuwachs der freigestellten 
Bäume, der durch „Bodenvermagerung“ herbeigeführt wird. Bei 
Nährstoffmangel aber, gleichviel, ob derselbe durch wirkliches Fehlen 
des Materials oder durch ungenügende Aufnahme seitens des Baumes 
infolge von Wurzelbeschädieune oder Wassermangel herbeigeführt 
wird, verschlechtert sich mic nur die Zuwachsgröfse, sondern auch 
die Holzbeschaffenheit. Es wird, ähnlich wie bei zu beschleunigtem 
Wachstum, nur das dünnwandigere Frühjahrsholz, das Leitungs- 
gewebe gebildet, aber wenig oder gar kein Festigungsgewebe , wie 
wir es im Spätholz vor uns haben. 


Stelzenwuchs. 


Im Anschlufs an die vorstehenden Betrachtungen empfiehlt es sich, 
der Erscheinung noch näher zu treten, dafs grofse Waldbäume mit dem 
älteren Teil ihrer Wurzeläste aufserhalb des Bodens sich befinden, so 
dafs die Stammbasis von einer Anzahl von Stelzen getragen wird. Der 
Nachteil dieser Stellung ist die geringere Verankerung der Bäume, die 
dadurch dem Windwurf leichter unterlieg en. Teilweise kommt eine ge- 
ringere Wasserversorgung und eine eigenartige Wurzelempfindlichkeit 
hinzu. 

Man mufs bei solchem Stelzenwuchs zwei Typen unterscheiden, 
nämlich die namentlich bei Fichten beobachtete Erscheinung, dafs die 


1) Orsstar, A., und Janka, G., Studien über die Qualität rasch erwachsenen 
Fichtenholzes. Centralbl. f. d. gesamte Forstwesen. 1902. Heft 8. 

2) Harrıc, R., Über den Einflufs der Kronengröfse und der Nährstoffzufuhr aus 
dem Boden auf die Gröfse und Form des Zuw achses usw. Forstl. naturw. Zeit- 


schrift VII, 1898, S. 78. 


90 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


Stammbasis hoch über dem Bodenniveau erhaben ist und die starken 
Aste der Wurzelkrone überhaupt niemals im Erdboden gewesen sind. 

Der andere Fall, der bei Kiefern auf stark welligem Sandboden 
nicht selten, zeigt, dafs die Stammbasis früher vom Boden bedeckt 
gewesen und häufig auch jetzt noch auf dem Bodenniveau ruht; es 
bleibt dabei ein Teil der Wurzel- 
krone von Erde bedeckt, während 
der andere Teil durch Absturz ent- 
blöfst worden ist. In extremen 
Fällen rutscht der gesamte Boden 
unter der Stammbasis fort, so dafs 
der Baum gänzlich auf Stelzen steht. 

Beispiele für den ersten Typus 
finden wirvonL.KLEin?) beschrieben 
und abgebildet (Fig. 4). Er erklärt 
das Zustandekommen der Erschei- 
nung folgendermafsen: Wenn im 
Gebirge Fichten oder Tannen ge- 
schlagen werden, bleibt ein Stamm- 
stück (Stock) stehen. Ein solcher 
Stock verwittert nun allmählich an 
seiner Oberfläche, die sich mit Moos- 
vegetation bedeckt. Im Moospolster 
siedeln sich später Vaccinien und 
dergl. an, und so entsteht unter den- 
selben eine dünne Humusschicht. 
Wennnun durchnatürlichen Samen- 
anflug auf die bemooste Stockfläche 
Fichten oder Tannen gelangen, so 
kriechen die jungen Würzelchen bei 
fortschreitendem Wachstum unter 
der Moosdecke nach allen Seiten 
über die Oberfläche des Stockes 
und dann an dessen Seiten bis ın 
den natürlich gewachsenen Boden 
hinab, um sich dort, wie jede 
andere Wurzel, weiter zu ent- 


ISFLFR 


a 2277 a wickeln. Im Laufe der Jahrzehnte 


. # u D .. 
erstarken die Wurzeln, während der 


Fig. 4. Stelzenfichte bei Schönmünzach alte Stock langsam vermodert, Die 
beim Stübewasen. (Nach L. Kıeın.) Frage, weswegen man meist Fich- 
ten, viel seltener Tannen und gar 

keine Laubhölzer mit Stelzenwuchs findet, beantwortet sich KLEIN damit, 
dafs der Wasserbedarf der Laubhölzer etwa zehnmal so grofs sei, wie 
derjenige der Nadelhölzer, und dafs daher ein Laubholzsämling auf der 
Stammfläche für die Dauer nicht genügend Wasser zu seiner Weiter- 
entwicklung findet. Wenn auch nicht Stelzenwuchs, so doch ähnliche 
Vorkommnisse kann man bei Laubbäumen immerhin finden. Wir 
meinen den „Hülsenwuchs“, der besonders bei Weiden auftritt. 
Dort, wo noch alte Weiden an den Landwegen sich erhalten, begegnet 


1) Kırın, L., Die botanischen Naturdenkmäler des Grofsherzogtums Baden u. 
ihre Erhaltung. Festrede. Karlsruhe 1904. S. 13. Fig. 7. 


2. Neigung der Bodenoberfläche. 91 


man bisweilen der Erscheinung, dafs aus dem vermoderten Innern des 
hohlgewordenen alten Stammes ein neuer Stamm selbständig heraus- 
wächst, so dafs der Holzzylinder des alten Stammes wie eine weite 
Hülse den jungen Baum umgibt. Bei der Kopfhiebwirtschaft des 
Weidenbetriebes, bei welchem alljährlich oder in jedem zweiten Jahre 
die Krone gänzlich abgeschlagen wird, um möglichst zahlreich junge 
Ruten zu gewinnen, sind derartige Fälle erklärlich. Bei der schnellen 
Vermorschung des Weidenholzes an grofsen Hiebflächen bilden sich 
durch aufgewirbelten Strafsenstaub in den Vertiefungen der Wund- 
fläche sehr schnell Erdnester, die von den verschiedensten Unkräutern 
alsbald besät werden. Gelangt nun einmal keimfähiger Weidensame in 
ein derartiges Erdnest, so findet das junge Pflänzchen genügenden 
Raum zu seiner Entwicklung, und die Wurzeln gelangen durch den 
Mulm des alten Stammes endlich zum natürlich gewachsenen Boden. 
Auch sieht man den Fall, dafs eine Adventivwurzel von besonderer 
Stärke von der Hiebfläche in der Baumkrone innerhalb des hohlen 
Stammes abwärts wächst und das Bild eines jungen Stämmchens 
wiedergibt. 

Ein Fall, der in seiner Entstehung wahrscheinlich auf dieselben 
Verhältnisse wie bei dem Stelzenwuchs der Fichte zurückzuführen 
ist, wurde noch in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts in 
Kohlhasenbrück bei Neubabelsberg (Regierungsbez. Potsdam) gezeigt. Auf 
der Dorfstrafse stand ein etwa 75 cm hoher Stumpf einer alten Eiche, 
der durch Vermorschung des gesamten Kernholzes einen weiten Hohl- 
zylinder bildete; dieser war bis zur halben Höhe mit Holzmulm und 
Erde angefüllt, und darin stand eine etwa dreifsigjährige gesunde Eiche 
wie in einer Hülse. 

In Fichtenwaldungen begegnet man bisweilen den sog. „Harfen- 
bäumen“, bei denen aus eimem windgestürzten, aber mit einem 
Teil seiner Wurzeln im Boden befindlichen und daher lebend bleiben- 
den Stamme eine Anzahl Seitenäste senkrecht als besondere Stämme 
sich erheben. Ihre Ernährung wird dadurch ermöglicht, dafs sie 
Adventivwurzeln entwickeln. Die Fichte ist überhaupt dasjenige Nadel- 
holz, das am leichtesten durch Adventivorgane allerlei Beschädigungen 
zu überwinden imstande ist. 

Sie verträgt am besten das Schneideln und wird daher am be- 
quemsten zur Heckenbildung benutzt. Nur müssen die Hecken stets 
unter Schnitt gehalten werden, da sie sonst unten kahl werden. Die 
Leichtigkeit geköpfter Stämmchen, neue Gipfeltriebe zu bilden, die 
ebenso bei Araucaria zu finden ist, wird in der Gärtnerei bei der 
Stecklingsvermehrung mit Vorteil benutzt. 

Aufserst spröde in ihren Regenerationserscheinungen dagegen ist 
die ältere Kiefer, bei welcher der vorerwähnte zweite Typus von Stelzen- 
wuchs dadurch häufig zustande kommt, dafs bei hügeligem Standort 
durch Abstechen eines Hügels der lockere Sandboden abwärts rutscht. 
Im Kampfe um die Existenz aber kann die Kiefer, wenn sie aus Samen 
erwachsen, eine Blofslegung der Wurzeln wieder viel besser vertragen 
als Fichte und Tanne, und dies kommt von der spezifischen Neigung 
der Wurzeln, senkrecht in die Tiefe zu gehen. In den beiden Ab- 
bildungen, welche zwei Exemplare von Pinus silvestris aus dem 
Grunewald (hinter Paulsborn) bei Berlin darstellen, ist dieses senk- 
rechte Abwärtsstreben in schönster Weise auch bei den Seitenwurzeln 
sichtbar. 


I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


5. Stelzenkiefer aus dem Grunewald bei Berlin. (Orig.) 


6. Stelzenkiefer aus dem Grunewald bei Berlin. (Orig.) 


2. Neigung der Bodenoberfläche. 93 


Fig. 5 zeigt uns zwei hintereinander stehende Kiefern, welche ihre 
Stammbasis etwa 1 m hoch vom Boden entfernt tragen. Die starken 
Hauptäste der Wurzelkrone senden ihre 
Seitenäste, die sämtlich direkt auf der 
Unterseite entspringen, derartin dieErde, 
dafs dieselben parallel, und zwar fast senk- 
recht eindringen, was darauf hinweist, 
dafs die Kiefer ein Tiefwurzler ist. Das 
hinter diesem etwa 60jährigen Baume 
stehende Exemplar ist jünger. Es ist 
in Fig. 6 von einer anderen Seite auf- 
genommen und zeigt das im rechten 
Winkel erfolgte Austreten der Seiten- 
wurzeln von den ursprünglich hori- 
zontal ausgebreiteten Hauptästen der 
Wurzelkrone. Hier erkennt man aber 
in der Mitte des Stelzenapparates auch 
noch deutlich die ursprüngliche Pfahl- 
wurzel, die als die Hauptstütze senk- 
recht in die Erde gegangen ist und auch 
jetzt noch den wesentlichsten Anteil 
an der Verankerung des gut benadelten 
Stammes im Sandboden hat. 

Wir haben dieser Form des Stelzen- 
wuchses eine gröfsere Aufmerksamkeit 
zugewendet, weil noch ein anderes Vor- 
kommnis erwähnenswert ist. Es zeigen 


sich nämlich auf der Oberseite der star- 
ken, mit Borke dick bekleideten Wurzel- Fig.7. Har zgallen mit Maserwuchs 
E 3 2 : auf der Oberseite der Stelzenwurzel 
äste reihenweise zahlreiche Holzknollen. der Kiefer (nat. Gr.). (Orig.) 
Dieselben sind in Fig. 7 in natürlicher 
Gröfse dargestellt und bil- 
den halbkugelige, bis 1,5 cm 
hohe warzenähnliche Er- 
hebungen mit trichterförmig 
vertiefter Mitte ; ın Färbung 
und Borkenbedeckung stim- 
men sie mit dem übrigen 
Wurzelkörper überein. 
Man vermutet zunächst, 
dafs man es mit adventiver 
Sprofsbildung zu tun habe, 
wobei die jungen Sprosse als- 
bald abgestorben und über- 
wallt sind. Diese Vermutung 
liegt um so näher, da die 
Gebilde nur auf der Wurzel- 
oberseite zu beobachten sind. 
Und es ist bekannt, dafs bei Fig.8. Querschnitt durch eine Harzgalle auf der 
Stämmen, die zu Adventiv- Stelzenwurzel der Kiefer. (Örig.) 
bildungen geneigt sind, tat- 
sächlich stets auf der stärkst belichteten Seite die reiche, bis zur Kropf- 
maser sich steigernde Adventivknospenbildung gefunden wird (Tilia, 


94 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


Acer). Indes hat sich diese Vermutung meist nicht bestätigt, wie ein 
Querschnitt (Fig. 8) erkennen läfst. Derselbe zeigt die siebenjährige Über- 
wallung eines Krankheitsherdes, der durch eine gleichartige Harzmasse 
gebildet ist. Diese durch Resinose des Holzkörpers entstandene Harz- 
galle ist nach aufsen awfgerissen und im folgenden Jahre überwallt 
worden. Die UÜberwallungsränder, die in den ersten Jahren noch mit- 
einander verwachsen waren, sind in der späteren Zeit aber immer weiter 
voneinander zurückgetr eten, und auf diese Weise ist die trichterförmige 
Öffnung am Gipfel der Holzknolle entstanden. Die neuen Jahresringe 
verharzen alljährlich, und zwar stets im ersten Frühlingsholz, das zum 
Teil aus parenchymatisch gestalteten Zellen besteht. Durch das 
Zusammentrocknen der resinosen Gewebe, teilweise auch durch Harz- 
austritt, entstehen die Harzlücken (#), die immer schwieriger zu über- 
wallen sind, so dafs die letzten UÜberwallungsränder (U) schon weit 
voneinander entfernt bleiben. Dabei zeigen dieselben einen äufserst 
unregelmäfsigen Bau, der zwischen je zwei starken Markstrahlen inner- 
halb desselben Jahresringes oft wechselt. In der Zeichnung zeigt @ das 
normale Holz im Querschnitt und M den vollständig wimmerigen Ver- 
lauf der Tracheiden im Längsschnitt innerhalb desselben Jahresringes, 
wie bei den echten Masern. 

Wir müssen daher diese Gebilde den Harzgallen anreihen und 
können betreffs ihrer Entstehung nichts anderes annehmen, als dafs die 
bloisgelegte Wurzel an ihrer den Witterungsextremen am meisten aus- 
gesetzten Oberseite durch dieselben kleine Schädigungsherde erhalten 
hat, die das Gewebe zur Verharzung bezw. zur vollständigen resinosen 
Schmelzung veranlafsten. Als Schädigungsursache möchten wir den 
Frost, und zwar den Spätfrost, ansprechen. Denn die Schädigung zeigt 
sich, wie gesagt, stets an den Stellen des zuerst gebildeten Frühlings- 
holzes.. Die Entstehung dieser Harzgallen zeigt somit an, dafs die 
im Stelzenwuchs blofsgelegten Wurzeln eine gröfsere Empfindlichkeit 
besitzen. Wenn dies der Fall ist, werden aber auch weniger extreme 
Fälle zu berücksichtigen sein und eine weitere Mahnung bilden, den 
Wurzelkörper nach Möglichkeit vor gänzlicher Entblöfsung zu bewahren. 
Das teilweise Blofslegen der an der Bodenoberfläche verlaufenden 
starken Wurzeläste und selbst das Abschleifen des Holzkörpers durch 
den Fufstritt des Menschen an viel begangenen Wegen halten wir für 
wirtschaftlich bedeutungslos. Die oberseits an ihrem Holzkörper ge- 
schädigte Wurzel produziert dann um so stärkere Jahresringe auf der 
entgegengesetzten in der Erde befindlichen Seite. 

Am besten erkennt man die Verschiedenartigkeit der Bewurzelung bei 
unseren häufigsten Nadelhölzern, wenn man die Sämlingspflanzen unter 
ganz gleichen Verhältnissen nebeneinander erzieht. Dieser Versuch ist von 
NoBBE!) ausgeführt worden und hat folgende Resultate ergeben. Sechs 
Monate nach der Aussaat besafs die Kiefer 3135 Wurzelfasern in einer 
Gesamtlänge von 12 m, die Fichte 253 Fasern von zusammen 2 m 
Länge und die Tanne 134 Fasern von 1 m Gesamtlänge. In gedüngtem 
Sandboden vermochte der Kiefernsämling mit seiner Pfahlwurzel nahezu 
einen Meter tief binnen einem Jahre einzudringen, während Fichte und 
Tanne unter absolut gleichen Versuchsbedingungen nur ein Drittel so 
tief hinabgingen. Zugleich erzeugt die junge Kiefer fünf Wurzel- 


1) Dösxer’s Botanik für Forstmänner. IV. Aufl., neu bearbeitet von Fr. Nossr. 
Berlin. Paul Parey. 1882, S. 130. 


2. Neigung der Bodenoberfläche. 95 


ordnungen, die Fichte vier, die Tanne drei. Unter den Laubbäumen 
vermögen Eiche und Buche nach den Tharandter Versuchen ebenfalls 
im ersten Jahre ein weitverzweigtes Wurzelsystem mit einer fast meter- 
langen Pfahlwurzel zu bilden. 

Aus diesen Zahlen erklärt sich die verschiedene Wasserbedürftig- 
keit der Nadelholzsaat. Fichte und Tanne mit ihrem schwächeren und 
alsbald flach sich ausbreitenden Wurzelapparat brauchen feuchte Boden- 
krume, während die Kiefer derselben entbehren kann, ja, sogar leicht 
darunter leidet; sie bildet in den Saatkämpen, in denen Tanne und 
Fichte gut gedeihen, sehr häufig in dem jugendlichen Stämmchen patho- 
logische Harzeänge im Holz und schüttet. Der Tiefgang der Kiefer 
erklärt auch ihre sog. „Genügsamkeit“ und ihr gesundes Wachstum 
auf fast sterilem Sande. Wie die Lupine versteht sie aus den tiefen 
Bodenschichten ihren Wasser- und Nährstoffbedarf zu decken; aber sie 
verlangt eine gute Durchlüftung. 

Allerdings wird: dieser natürliche Vorteil einer sofort in grofse 
Tiefe gehenden Pfahlwurzel nur verwertet, wenn die Saatmethode und 
nicht die Aufzucht durch Verpflanzen zur Anwendung gelangt. Bei 
den in forstlichen Kreisen bestehenden Meinungsverschiedenheiten über 
die beste Anzuchtmethode würden wir betreffs der Kiefer uns stets auf 
Seite derer stellen, welche die Ansaat an Ort und Stelle befürworten. 
Bei Fichte und Tanne halten wir das Verpflanzen aus dem Saatkamp 
für vorteilhafter. Allerdings gibt die Aussaatmethode allein noch keine 
Garantie für gesunde Entwicklung, sondern, wie wir glauben, werden 
Boden und Lage oft ausschlaggebend sein. Das jetzige Bestreben, überall 
Kiefern zu pflanzen, weil diese die schnellste und darum beste Boden- 
rente geben, vermögen wir nicht gutzuheifsen. Wir dürfen nur in unsern 
Forsten die Bestände tiefgelegener oder mooriger Stellen mit denen 
freiliegender trockner Gegenden vergleichen, um zu sehen, wie an erst- 
genannten Lokalitäten ein dürftiger Wuchs mit häufig vorzeitigem Nadel- 
abwurf sich einstellt und wie auf hügeligem Sandboden mit tiefstehendem 
Grundwasser die Bäume in ihrer vollen Kräftigkeit sich entfalten, ja, 
selbst bei Wurzelentblöfsung bis zur Stelzigkeit sich gut erhalten. 

Ein Vorkommen von Stelzenwurzeln im Sumpfwald, in welchem 
Alnus glutinosa vorherrscht und vereinzelt Quercus pedunculata, Rhamnus 
Frangula und Salix cinerea auftreten, erwähnt RECHINGER!). 

Es ist übrigens noch eine dritte Ursache des Stelzenwuchses zu 
erwähnen, die sich dadurch unterscheidet, dafs die Bäume positiv 
emporgehoben werden, während bei den beiden bisher besprochenen 
Fällen die Stammbasis an ihrer Aussaatstelle verbleibt. Derartige Vor- 
kommnisse werden von White?) besprochen. Auf felsigem Boden, 
glaubt er, wo die Wurzeln gezwungen sind, flach zu streichen, können 
die besonders scharf zur Geltung gelangenden Frost- und Trocken- 
perioden allmählich ein Emporheben der Bäume einleiten. 


b) Zu tiefe Lage. 
Zu tiefes Pflanzen der Bäume. 
Fast alle unsere Bäume stehen in ihrem späteren Lebensalter nicht 
an der Stelle, an welcher sie ihre ersten jugendlichen Entwicklungs- 


1) Recumeer, Bot. Beobacht. in Schur. eit. Bot. Jahresber. 1902, I, S. 337. 
- 2) Wurre, Tueovorzr, Mechanical elevation of the roots of trees. The Asa 
Gray. Bull. Cit. Bot. Jahresb. 1897, I, S. 85. 


96 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


stadien durchgemacht haben. Bei der Obstkultur ist ein nochmaliges 
Verpflanzen der jugendlichen Stämme sogar Vorschrift, um eine reiche 
Verzweigung des Wurzelkörpers zu erhalten, und diese Vorschrift sagt 
auch, dafs man sich hüten solle, die Bäume wesentlich tiefer zu pflanzen, 
als sie bisher gestanden haben. Die Erfahrung lehrt nun auch, dafs 
in der Tat Bäume durch Nichtbeachtung dieser Warnung zugrunde 
gehen können. Viele Praktiker empfehlen sogar, einen jeden Baum 
an seinem neuen Pflanzorte genau auch wieder nach den Himmels- 
gegenden so zu orientieren, wie er vorher gestanden, indem sie meinen, 
dafs mannigfache Rindenbeschädigungen durch Hitze und Frost dadurch 
vermieden werden können. 

Die Frage, ob die Bäume ihre Zweige, die nach verschiedenen 
Himmelsgegenden gerichtet sind, auch verschieden ausbilden, hat Orro?) 
an Apfel-, Birn- und Kirschbäumen zu lösen versucht. Er fand bei der 
chemischen Analyse wesentliche Differenzen in der Zusammensetzung 
der verschieden orientierten einjährigen Zweige. Der Wasser- und 
Stickstoffgehalt ist am niedrigsten, der Trockensubstanzgehalt am 
höchsten auf der Ostseite; am höchsten ist der Wasser- und Stickstoff- 
gehalt auf der Nordseite, was andeuten würde, dafs dort die Zweige 
nicht so ausgereift wären wie auf den anderen Baumseiten. 

Kövzssr?) sieht in dem gröfseren Wasserreichtum und der geringeren 
Holzreife der Zweige die Ursache für einen verminderten Blütenansatz. 
Uberhaupt erweist sich die Anzahl der Blüten und Früchte von der 
Wasserzufuhr zum Baume im vorhergegangenen Jahre abhängig. Der 
Baum trägt reichlicher, wenn die Wasserzufuhr gering war. Anatomisch 
lassen sich die Unterschiede in der Ausbildung der Zweige je nach 
den Himmelsgegenden kaum feststellen, da der Bau desselben Jahres- 
ringes innerhalb der verschiedenen Internodien eines Zweiges zu sehr 
schwankt?). 

Auch über die bei einem Tieferpflanzen der Bäume sich einstellenden 
anatomischen Veränderungen, die sich im Stamm vorfinden, wissen wir 
wenig Positives; mindestens nichts allgemein Gültiges. In einigen Fällen 
ist Ausfüllung der Gefäfse durch braune, gummiartig erstarrte Massen, in 
anderen durch Thyllenbildung unter Braunfärbung der Wandungen be- 
obachtet worden; auch gummose Quellungen der Membranen sind nicht 
selten. Aber es sind dies sämtlich nur gelegentliche Beobachtungen, 
und ein experimentelles Studium der Frage fehlt noch. 

Wir beschränken uns deshalb auf die Wiedergabe der Erfahrungen, 
die über den Einflufs der beiden hauptsächlich bei zu tief gepflanzten 
Bäumen auftretenden Faktoren, dem Sauerstoffmangel und dem Kohlen- 
säureüberschufs, vorliegen. Wir wissen, dafs die Pflanzen ohne Sauerstoff- 
zufuhr allmählich absterben. Wenn die lebendige Zelle keinen Sauer- 
stoff aufnehmen kann, ändert sie die Richtung ihrer bisherigen Lebens- 
funktionen; später geht sie in einen Starrezustand über, indem die 
Bewegungserscheinungen des Plasmas aufhören, die Empfindlichkeit 
für Reize verloren geht und das Wachstum sistiert wird. Die Pflanze 
stirbt aber nicht gleich; sie atmet noch lange Zeit Kohlensäure weiter 


!) Orro, Arbeiten der Chemischen Versuchsstation zu Proskau. Cit. Bot. Central- 
blatt 1900, Bd. 82, Nr. 10/11. 

2) Kövsssı, F., Über die Beziehung des Wassers zur Reife der Holzpflanzen. 
Biedermann’s Centralbl. 1902, S. 161. 

?) Soraver, Beitrag zur Kenntnis der Zweige unserer Obstbäume. Forsch. a. 
d. Gebiete d. Agrikulturphysik, Bd. III, Heft 2. 


2. Neigung der Bodenoberfläche. 97 


aus und kann selbst nach längerem Scheintode durch erneute Sauerstoff- 
zufuhr wieder ihre gewohnten Funktionen aufnehmen. Dieses Fort- 
leben ohne Sauerstoftzufuhr (anaörobe), wobei also der für die Lebens- 
prozesse notwendige Sauerstoff von der Substanz der Pflanze selbst 
geliefert werden mufs, ist als intramolekulare Atmung bezeichnet 
worden. 

Betreffs der veränderten Stoffbildung im Pflanzenleibe ist von 
LECHARTIER und BerLamY!) durch eme Reihe von Versuchen nach- 
gewiesen worden, dafs nicht nur in unserm Kernobst und anderen 
Früchten, sondern auch ın Blättern und Wurzeln Alkohol m der ohne 
Sauerstoffzufuhr vegetierenden Parenchymzelle sich bildet. Srtocktasa 
hat in neuester Zeit auch Milchsäure nachgewiesen. Selbst bei Pilzen 
(Agaricus campestris) fand Müntz?) eine beträchtliche Menge von 
Alkohol und Wasserstoff bei längerem Aufenthalt ın sauerstofffreier 
Luft. Das Material zu diesem Alkohol kann nur die Zuckerart, die allein 
hier vorhanden, nämlich der Mannit, gegeben haben, während bei anderen 
Pilzen, die in einer Atmosphäre von Kohlensäure nur Alkohol (ohne 
Wasserstoff) produzieren, die Trehalose in Gärung übergegangen sein 
mufs. War der Aufenthalt in der sauerstofffreien Atmosphäre kein 
zu langdauernder, so kann der Pilz wieder seine normalen Lebens- 
funktionen ausüben, was neuerdings KRASNOSSELSKY?) für Mucor spinosus 
und Aspergillus niger nachgewiesen hat. Schon früher hatte AnoLr MAYER ®) 
für die durch Hefe erzeugte Gärung die Ansicht ausgesprochen, dafs 
dieser Vorgang eine Atmung bei Sauerstoffabschlufs sei. PASTEUR?) und 
Bönn‘) hatten eigentlich schon nachgewiesen, dafs sich in ganz gleicher 
Weise auch alle höher organisierten Land- und Wasserpflanzen ver- 
halten, indem sie in sauerstofffreien Medien einen Teil ihrer Substanz 
durch eine Gärung zu Kohlensäure und Alkohol, wie die Hefe bei 
der Selbstgärung, verbrennen. Grüne Pflanzenteile allerdings können 
sich bei hinreichend intensiver Beleuchtung durch Zerlegung der un- 
mittelbar vorher abgespaltenen Kohlensäure wieder eine für die normale 
Atmung geeignete Atmosphäre herstellen. Aörobe und anaörobe Atmung 
hängen zusammen; und der anaörobe Stoffwechsel vermag, wenn er 
auch. das Gedeihen nicht ermöglicht, doch einige Zeit hindurch das 
Zugrundegehen aufzuhalten, und diese Verzögerung wird um so gröfser 
sein, je niedriger die Temperatur ist. So citiert beispielsweise PFEFFER ') 
die Beobachtungen von UHUDIAKow, dafs das Erlöschen der Kohlensäure- 
produktion, also der Lebensfähigkeit, bei Keimlingen von Mais bei 
40° C. nach 12 Stunden, bei 18° C. nach 24 Stunden und bei tiefer 
Temperatur erst nach einigen Tagen sich einstellte.e Wenn ein Orga- 
nismus oder ein Glied sich überhaupt in geringer Lebenstätigkeit be- 
findet, wird es auch eine längere Lebensdauer im sauerstofffreien Raume 


!) De la fermentation des pommes et des poires. Compt. rend. t. LXXIX, 
p- 949. — De la fermentation des fruits ib. p. 1006. 

2) Comptes rend. LXXX I], p. 178. 

3) Krasxosserskv, Atmung und Gärung der Schimmelpilze usw. Centralbl. f. 
Bakteriologie usw., 1904, Bd. IH, Nr. 22/23. : 

4) A. Mayer, Untersuchungen über die alkoholische Gärung. Landwirtsch. 
Versuchsstationen, 1871. 

5) Faits nouveaux pour servir ä la conaissance de la theorie des fermentations 
proprement dites. Compt. rend. 1872, S. 784. ' 

6) Bönm, Über die ‚Respiration von Landpflanzen.. Sitzungsber. d. k. Akad. d. 
Wissensch. 67, I. Abt. 

?) Prerrer, Pflanzenphysiologie, 1897, Bd. I, S. 544. 


Sorauer, Handbuch. 3. Aufl. Erster Band. Xi 


98 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


bewahren. So haben sich in solchem Apfel und Birnen bei mäfsiger 
Temperatur monatelang erhalten lassen, während schnelllebige Schimmel- 
pilze und aörobe Bakterien bald zugrunde gingen. Bei Keimlingen 
phanerogamer Pflanzen (Vicia Faba, Khicinus usw.) zeigt sich eine 
Steigerung des intramolekularen Stoffumsatzes. 

Nach Stıch’s Untersuchungen!) lassen bisweilen einzelne Pflanzen 
oder Pflanzenteile zunächst gar keinen Einflufs des Sauerstoffgehaltes 
der Luft auf die Atmung erkennen, da sie in einer Wasserstoff- 
atmosphäre gerade so viel Kohlensäure bilden wie in atmosphärischer 
Luft. Bei 8°/o Sauerstoff in der Luft war der Atmungsquotient noch 
normal; bei geringerem Gehalt (2 bis 4°) wurde er zugunsten der 
Kohlensäure geändert, indem intramolekulare Atmung eintrat. Bei 
längerem Aufenthalt der Pflanzen in sauerstoffarmer Atmosphäre stellt 
sich allmählich der normale Atmungsquotient wieder her unter Ver- 
minderung der absoluten O- und ©O?-Mengen. Bei allmählicher Ent- 
ziehung des Sauerstoffs wird die intramolekulare Atmung erst bei 
beträchtlich niedrigerem Sauerstoffprozentsatz angeregt als bei plötz- 
licher Verkleinerung desselben. 

BREFELD’S?) Experimente führen zu dem Schlusse, dafs die Alkohol- 
gärung bei allen Pflanzen, von den niedrigsten bis zu den höchsten, 
stattfinden kann, sobald Sauerstoffabschlufs eintritt. Es zeigt sich 
aber eine sehr wesentliche Differenz bei den einzelnen Alkohol pro- 
duzierenden Organismen. Während bei der Hefe (Saccharonıyces) die 
Gärungserscheinung als Höhepunkt der normalen Leistung des Orga- 
nismus (der bei dem Vorgange der Zuckerzersetzung wirklich wächst) 
anzusehen ist, erscheint er bei den Zellen phanerogamer Pflanzen als 
abnormer, frühzeitig mit dem Tode der Zelle endigender Prozefs. Der- 
selbe unterscheidet sıch von der reinen, nur Alkohol und Kohlensäure 
produzierenden Gärung der Hefe wesentlich durch Auftreten weiterer 
Zersetzungsprodukte, unter denen Fuselöle und Säuren besonders 
auffällig sind. Unter den eine wirkliche Alkoholgärung noch ein- 
leitenden Pilzen ist aber auch schon ein grofser Unterschied betreffs 
ihrer Fähigkeit, Alkohol zu vertragen. Für Saccharomyces ist erst bei 
12 Gewichtsprozenten die Wachstums-, bei 14 die Gärungsgrenze. Bei 
Mucor racemosus, der auch ohne freien Sauerstoff vom Zucker lebt, 
findet sich schon bei 4'/s und 5!/2°/o Alkohol Wachstums- und Gärungs- 
grenze; Mucor stolonifer dagegen wächst gar nicht mehr und wirkt schon 
bei 1,5°/o Alkohol nicht mehr gärungserregend. Es ist aus diesen 
Resultaten zu schliefsen, dafs auch die phanerogamen Gewächse in 
sehr verschiedenem Grade unter denselben äufseren Verhältnissen zur 
Alkoholbildung gelangen und dieselben in verschiedenem Mafse er- 
tragen. 

Später spricht Müntz?) ganz allgemein den Alkohol als eines der 
Zersetzungsprodukte der organischen Substanzen an, der sich sowohl 
auf der Oberfläche der Erde als im Boden wie in der Meerestiefe bildet 
und sich nach den Gesetzen der Dampfspannung in der Atmosphäre 
verbreitet. 


1) Srıcon, ©, Die Atmung der Pflanzen bei verminderter Sauerstoffspannung 
und bei Verletzungen. Flora 1891, S. 1. 

2) Uber Gärung III, Vorkommen und Verbreitung der Alkoholgärung im 
Pflanzenreiche. Bot. Zeit. 1876, S. 381. 

3) Aus Compt. rend. t. LXXXXII, p. 499. cit. in Biedermann’s Oentralbl. 1831, 


S. 709. 


2. Neigung der Bodenoberfläche. 99 

Dafs bei Alkoholgärung auch organische Säuren und darunter 
Essigsäure auftreten, kann nicht auffallend erscheinen. Es ist nun sehr 
wahrscheinlich, dafs eine Anhäufung derartiger Säuren endlich als Gift 
auf den Organismus wirken mufs, und dafs bei Wurzeln, welche vom 
atmosphärischen Sauerstoff ganz oder nahezu gänzlich abgeschlossen 
sind, ein allmähliches Absterben sich einstellen wird. 

Bei den zu tief gepflanzten Bäumen wird der Sauerstoffmangel 
für die Wurzeln, bei denen ein sehr starkes, vielleicht das der ober- 
irdischen Pflanzenteile noch übersteigendes Atmungsbedürfnis nach- 
gewiesen werden konnte!), um so eher sich geltend machen, je grötser 
die wasserhaltende Kraft des Bodens ist, und je mehr die Bodenräume 
durch Wasser abgeschlossen sind. Dieses Wasser in der Umgebung 
der lebenden Wurzeln wird nun selbst immer gefährlicher für die 
stärkeren noch gesunden Wurzeln und für die eingesenkte Stammbasis, 
indem es sich immer mehr mit Kohlensäure beladet. Wenn man ge- 
sunde Pflanzen in kohlensäurereiches Wasser setzt, fangen sie an zu 
welken und ein Absterben der Blätter zu zeigen?). Von besonderem 
Interesse sind die Studien von Kosarorr®) über die Wasseraufnahme 
in nicht genügend durchlüfteten, also sauerstoffarmen und kohlensäure- 
reichen Böden. Durch die Kohlensäure erwiesen sich die Wasser- 
aufnahme und die Transpiration herabgedrückt. Pflanzen, deren 
Wurzeln in einer kohlensäurereichen Atmosphäre verweilten, verloren 
alsbald ihren Turgor und wurden schlaff; bei längerem Aufenthalt 
gingen sie zugrunde. Bei Versuchen in einer Wasserstoffatmosphäre, 
wo also nur der Sauerstoffmangel deprimierend wird, zeigte sich, dafs 
dieser Umstand bei weitem nicht so schädigend wirkt wie der Kohlen- 
säureüberschufs. 

Es wird also bei den zu tief liegenden Baumwurzeln ein Ver- 
giftungstod sich einstellen, der erst die zarten Organe, später die 
älteren Wurzelverzweigungen erfafst, und gleichzeitig werden die 
Jauchigen Zersetzungsprodukte auch den ganzen Erdboden zum Pflanzen- 
wachstum untauglich machen. Böhum®) führt ein Beispiel in den ab- 
sterbenden, zu tief gepflanzten Arlanthus der Ringstrafse in Wien an. 
Diese Bäume hatten schon seit Jahren im Wachstum nachgelassen; 
denn die Jahresringe, welche in den ersten Jahren nach der Pflanzung 
noch oft mehr als 3cm Breite aufwiesen, waren in den letzten Jahren 
vor dem Tode auf 0,5 cm zurückgegangen. Zur Zeit des Absterbens 
erwies sich die Erde der Wurzelballen so schädlich, dafs Samen ver- 
schiedener Pflanzen, welche teils offen, teils unter tubulierten Glas- 
glocken in solche verseuchte Erde eingelegt wurden, alsbald in Fäulnis 
übergingen. Die Samen entwickelten sich aber üppig, nachdem diese 
Erde, wiederholt mit Wasser befeuchtet, in dünnen Schichten während 
acht warmer Julitage dem Einflufs der Atmosphäre ausgesetzt worden 
war. Ahnliche Versuche unternahmen Maxcın°’), der schon früher das 


!) Mayer, Agrikulturchemie, 5. Aufl., 1901, Bd. I, S. 116. SE i 

2) Worr, W., Tageblatt der Naturforscher-Versammlung zu Leipzig, 1872, 
S. 209. 

3) Kosarorr, Einfluss verschiedener äusserer Faktoren auf die Wasseraufnahme 
der Pflanzen. Dissert. Leipzig 1897, cit. Naturw. Rundschau, 1897, Nr. 47. i 

4) Bönm, J., Über die Ursache des Absterbens der Götterbäume und über die 
Methode der Neubepflanzung der Ringstrasse in Wien. Faesy & Frick. 

5) Mancın, L., Sur la vegetation dans une Atmosphere viciee par la respiration. 
C. rend. 1896, S. 747. 


- 
f * 


100 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


kränkliche Aussehen der Alleebäume in Paris der schlechten Beschaffen- 
heit des Bodens zugeschrieben hatte. In solchem aus der Umgebung 
der kranken Wurzeln entnommenen Boden ausgesäte Samen und Knollen 
zeigten eine gestörte Entwicklung. 

Die Luftproben aus der Nähe der kränkelnden Wurzeln (Azlanthus) 
ergaben Sauerstoffmangel und Überwiegen der Kohlensäure, und Mancın !) 
vermutet, dais der Sauer stoffmangel auf Reduktion durch Sulfüre zurück- 
zuführen sei. Sicherlich werden bei dem Verjauchungsvorgang der 
Wurzeln zahlreiche Mikroorganismen mitwirken. Indes würde ein solches 
Eingreifen der entsprechenden Bakterien eben nicht stattfinden, wenn 
nicht Sauerstoffmangel im Boden sich eingestellt hätte. 

Betrachten wir jetzt die innerhalb des Erdbodens befindliche 
Stammbasis, an welcher bei zu tief gepflanzten Bäumen mit schwammi- 
ger Rinde, wie bei dem obenerwähnten Aılanthus in Wien, diese 
gänzlich vermorscht. Je nach dem Alter und dem Rindenbau des 
Baumes sowie nach der physikalischen Bodenbeschaffenheit wird früher 
oder später in dem verschütteten Stammstück eine Störung der absolut 
nötigen Luftzirkulation eintreten. Diese Störung wird sich auch 
in den beiden Durchlüftungssystemen des Stammes, nämlich in 
dem Gefäfssystem des Holzkörpers und dem durch keine gröfseren 
Hohlräume mit demselben kommunizierenden Rindensystem, geltend 
machen. Das von mehr oder weniger stark entwickeltem Korkkörper 
geschützte grüne Rindenparenchym wird von der atmosphärischen Luft 
umspült; dieselbe dringt durch die Lenticellen in die Intercellular- 
räume und zirkuliert in denselben. Die Luft in den Gefäfsen des Holz- 
körpers, die wohl zum Teil durch das Wasser aus den Wurzeln, zum 
grofsen Teil durch Diffusion von den Seiten her in die Gefäfse gelangt, 
zirkuliert auch, wie früher bereits erwähnt, ja, es findet wahrscheinlich, 
wie aus den Untersuchungen von O. Hönnkr, ?) hervorgeht, eine tägliche 
Periodieität bei dieser Durchlüftung statt. Die ursprünglich wasser- 
erfüllten Gefäfse leeren sich im Laufe des Tages teilweise oder gänzlich, 
da die überstehenden und umgebenden Gewebe das Wasser entziehen. 
Der verdunstende Blattkörper des Baumes bedarf sehr grofser Wasser- 
mengen und saugt dieselben aus dem Holzkörper der Aste, die ihren 
Verlust aus dem Stamme decken, in welchem also eine Saugwelle bis 
nach der Basis hin und von da bis in die Wurzeln fortschreitet. Da 
mehr Wasser den Gefäfsen entzogen wird, als augenblicklich nach- 
fliefsen kann, so entsteht ein luftverdünnter Raum in denselben, der 
einen um so gröfseren negativen Druck (Saugkraft) besitzt, je weniger 
Luft anfangs vorhanden oder langsam durch die Membranen diffundiert; 
denn um so mehr mufs sich das ursprünglich kleine Luftvolumen zur 
Ausfüllung des immer eröfser werdenden Hohlraumes ausdehnen. In 
der N acht, in welcher die Verdunstung gehemmt oder doch sehr herab- 
gedrückt ist, saugen die Gefäfse des Stammes wieder grofse Wasser- 
mengen auf, ja, es wird häufig dieses Saugbestreben noch durch einen 
von dem Wurzelkörper ausgehenden Druck verstärkt, der so viel Wasser 
in die Gefäfse pressen kann, dafs ein Teil durch die Wandungen in 
die umgebenden Zellen und Zwischenzellräume gelangen könnte. Ist 


!) Mancın, L., Sur.l’aöration du sol dans les promenades et plantations de 
Paris. C. rend. 1895, II, S. 1065. 

2) v. Hönser, Beitr! äge zur Luft- und Saftbewegung in der Pflanze. Pringsh. 
Jahrb. f. wissensch. Bot. Bd. XII, Heft 1, S. 120. 


2. Neigung der Bodenoberfläche. 101 


die aus dem Wurzelkörper heraufgesogene und -geprefste Flüssigkeit 
gesund, dann wird selbst eine gröfsere Infiltration der Intercellular- 
räume ohne Nachteil für den Pflanzenkörper vorübergehen, wie MorL!) 
gezeigt hat. Wenn aber die Wassermasse bereits mit Gärungsprodukten 
aus den verjauchenden Wurzelspitzen beladen ist, dann sehen wir 
durch diesen Vorgang Giftstoffe in den besonders empfindlichen Splint 
und Rindenkörper getrieben, und nun breitet sich auch hier leicht das 
Absterben aus. 

Die zu tief gepflanzten Bäume sterben aber meist nur in schwerem, 
mit Wasser dauernd überladenem Boden; in leichten Bodenarten 
kümmern sie wohl, bleiben aber am Leben. Wenn der schwere Boden 
mit seiner Wasserfüllung die Stammbasis umgibt und die durch die 
Lenticellen stattfindende Intercellulardurchlüftung verhindert, müssen 
aber auch selbständig Alkoholgeärung und Essigsäurebildung in den 
Rindenzellen auftreten und zu einem Absterben führen, das sıch radial 
auf die Kambiumzone und den jungen, bei der Wasserleitung besonders 
tätigen Splintkörper fortsetzt. 

Es bleibt dann von Jahr zu Jahr ein immer kleiner werdender 
Cylinder aus Kernholz in der Mitte des Stammes übrig, der das Wasser- 
bedürfnis des oberirdischen Teiles decken soll. Das wasserärmere 
Kernholz aber wird auch weniger zur Wasserleitung tauglich sein, und 
die toten Gewebe des Holzkörpers, die allerdings auch noch Wasser 
mechanisch leiten, werden durch ihre Hilfe nicht hinreichen, das Wasser- 
bedürfnis der Krone zu decken. Infolgedessen welkt endlich der Baum 
oder treibt im Frühjahr seine Knospen nicht mehr aus. 

Der Umstand, dafs die nicht parasitären Fäulnisprozesse im ver- 
schütteten Stammende ın der Nähe der Bodenoberfläche aufhören, führt 
zu der Vermutung, dafs die Zersetzungsprodukte nicht die gesunde 
Pflanzenzelle, sondern erst eine abnorm funktionierende, geschwächte 
anzugreifen vermögen. Eine solche Schwächung ist auch tatsächlich 
da. Es ist anfangs erwähnt worden, dafs die vom Sauerstoff der Luft 
abgeschlossene, lebenskräftige, stoffreiche Zelle alsbald anfängt, durch 
die Wirksamkeit von Fermenten (Alkoholase) Alkohol zu entwickeln, 
der vorher nicht da war und auch wieder verschwindet, wenn man 
atmosphärische Luft der Pflanze neu hinzuführt. Es ist ferner nach- 
gewiesen worden, dafs die Pflanze bei Sauerstoffabschlufs lange Zeit 
weiter Kohlensäure in beträchtlichen Mengen ausscheidet (intramole- 
kular atmet), aber dafs diese Kohlensäuremengen bei längerer Versuchs- 
dauer sich doch als kleiner herausstellen wie diejenigen der in sauerstofft- 
haltiger Luft atmenden Pflanzen ?). Da die Kohlehydrate (Stärke, Zucker) 
das Material zur Atmung abgeben, so ist aus den obigen Tatsachen zu 


entnehmen, dafs diese Inhaltsstoffe der Zellen in abnormer Weise bei 


!) Untersuchungen über Tropfenausscheidung und Infektion, 1850, 8.78. Sep. 
aus Verslag en Mededeeling d. Koninkligke Akad. Amsterdama, cit bei Prerrer, 
Pflanzenphysiologie, 1881, I, S. 159. 

2) Wortmann (Über die Beziehungen der intramolekularen zur normalen Atmung 
der Pflanzen. Inauguraldissertation. Würzburg 1879) gibt zwar an, dafs die Kohlen- 
‚säuremengen bei der intramolekularen und normalen Atmung gleich grofs sind; es 
will mir aber scheinen, dafs die kurze Dauer seiner Versuche ihn noch hat Nach- 
wirkungen der bisherigen normalen Funktionen mit beobachten lassen. Er gibt 
auch selbst zu (S. 31), dafs bei langer Zeitdauer von den angewendeten Versuchs- 
objekten ohne Zutritt von Sauerstoff eine geringere Quantität an Kohlensäure 

roduziert worden ist, als dieses bei fortdauernder Gegenwart von Sauerstoff der 
all gewesen wäre. 


102 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


Sanerstoffabschlufs verarbeitet werden. Man kann mit PF£rrer!) die 
Atmung als einen aus zwei ineinandergreifenden Vorgängen sich her- 
stellenden Prozefs auffassen. Der erste Vorgang ist die in Gärungs- 
erscheinungen sich kundgebende, intramolekulare Atmung, die Boropıx ?) 
auch innere Verbrennung nennt: der zweite, nur unter Sauerstoffzufuhr 
von aufsen mögliche Vorgang ist die sofortige weitere Verbrennung der 
Gärungsprodukte im Augenblick ihrer Entstehung. Wenn dieser 
letztere, für das Zellleben unbedingt notwendige Akt unterbleibt, dann 
verliert nicht nur die sauerstofflose Stammzone des zu tief gepflanzten 
Baumes ihr Atmungsmaterial, wird also an Reservestoffen immer ärmer, 
sondern sie bildet nun auch diejenigen Produkte, die zur Fäulnis und 
zum Tode der Zelle führen. Die ungenügende Atmung also ist die 
notwendige Vorbedingung für das Absterben, und in dem Mafse, als 
der verschüttete Teil, sich der Bodenoberfläche nähernd, allmählich 
immer mehr und mehr Sauerstoff bekommt, wird auch der Gärungs- 
prozefs sich abschwächen und in den normalen Verbrennungsprozefs 
übergehen, somit auch die Fäulnis allmählich ihre Grenze finden. Es 
handelt sich dann nur noch darum, dafs der Baum die Möglichkeit hat, 
oberhalb dieser Grenze im Erdboden neue Wurzeln zu bilden, um den 
durch die Transpiration des Laubkörpers entstehenden Wasserverlust 
zu decken. Die kümmerliche Produktion, welche man in dem ersten 
Jahre häufig wahrnimmt, verschwindet, je mehr plastisches Material 
abwärts wandern und zu Neubildungen am Holzringe des Stammes und 
Wurzelkörpers verwendet werden kann. Je schneller das Wachstum, 
desto gröfser die Energie der Atmung, wie schon SaussurE gezeigt, und 
je mehr der flach streichende, neue Wurzelkörper selbst auch vom Lichte 
berührt wird, desto mehr steigern sich seine Kohlehydrate und damit 
seine Sauerstoffabsorption und Kohlensäureabgabe ®). 

Das Verhalten der Bäume, die zu tief gepflanzt oder gar teil- 
weise verschüttet worden sind, hängst selbstverständlich von ihrem 
specifischen Charakter ab. Bei Weiden und Pappeln z. B. findet man 
zwar den in der Erde eingesenkten Teil abgestorben: aber in der Nähe 
der Bodenoberfläche erscheint die Fäulnis sistiert. Aus dem Stamme 
haben sich zahlreiche Adventivwurzeln gebildet, und diese rufen einige 
Zeit nach der Verschüttung wieder eine gesunde Entfaltung der Baum- 
krone hervor. Der Baum wird also gerettet, wenn er imstande ist, 
schnell neue Wurzeln in der Nähe der Erdoberfläche zu erzeugen. 

Bekannt als ganz besonders empfindlich gegen das zu tiefe Pflanzen 
sind die Ericaceen und Epacrideen, bei denen es vorkommt, dafs die 
Stammbasis abstirbt, ohne dafs der Wurzelkörper sehr gelitten. Wenn 
die Stämmchen Moos und Flechtenvegetation an der Basis zeigen, so 
hat man bereits allen Grund, vorsichtig zu sein. 

Bei der Baumzucht läfst sich nicht eine allgemein gültige Regel 
betreffs der Pflanzhöhe geben. Abgesehen von der Bodenart, deren 
physikalische Beschaffenheit hier ausschlaggebend ist, kommt es bei 
veredelten Bäumen auf die Unterlage an. Die auf Wildling veredelten 
Obstsorten pflanze man derart, dafs ihr Wurzelhals in der Ebene der 
Bodenoberfläche bleibt oder selbst etwas darüber hinausragt (bei Moor- 


!) Prerrer, Über das Wesen und die Bedeutung der Atmung. Landwirtsch. 
Jahrb. 1878. 

2) Boropın, Sur la respiration des plantes pendant leur germination. 

?) Boropı, Me&moires de l’Acad. imperiale des sciences de St. Petersbourg 
VI serie. 1881. 


be a Ge Irre in ans 


2. Neigung der Bodenoberfläche. 103 


boden mit grofser Nässe verwendet man sogar Hügelpflanzung). Die 
auf Zwergunterlage veredelten Birnen (auf Quitte) und Apfel (auf 
Doucin und Paradiesapfel) dagegen müssen mindestens so tief in den 
Boden, dafs die Veredlungsstelle im gleichen Niveau mit der Boden- 
oberfläche sich befindet, also die ganze Unterlage im Boden verbleibt. 
Es entwickeln sich aus dieser eine gröfsere Menge Adventivwurzeln, 
die der Ernährung sehr förderlich sind. 

Eine schöne Zusammenstellung praktischer Erfahrungen hat Bovcnß ') 
gegeben. Er weist zunächst darauf hin, dafs man an alten, gesunden 
Bäumen die starken Wurzeln über den Boden hervortreten sehe; dieses 
Heraustreten des Wurzelhalses sei der normale Fall. Manche Bäume 
vertragen in der Jugend ein tiefes Pflanzen, da sie aus der Stamm- 
basis dicht unter der Oberfläche neue Wurzeln treiben (Rüstern und 
Linden); andere dagegen sind sehr empfindlich, wie z. B. Birken, Ahorn, 
Eichen, die meisten Rosaceen, Platanen, Walnüsse, Rot- und Weits- 
buchen. Auch die meisten Nadelhölzer erfordern Aufmerksamkeit bei der 
Pflanzung, wie z. B. die Gattungen Pinus, Picea und Abies und teilweise 
auch Thuja, nämlich Thuja (Biota) orientalis und die damit verwandten 
Arten, während ein tiefes Pflanzen der Thuja occidentalis, Warreana 
und plecata zuträglich sich erweist. Selbst 5 bis 8 cm starke Stämme 
sah BoucH£ eine Menge neuer Wurzeln aus der verschütteten Stamm- 
basis treiben und sich dadurch sehr kräftigen. Juniperus communis will 
flach stehen; dagegen vertragen I. Sabina und Verwandte eine tiefe 
Pflanzung mit Vorteil. Von Pappeln und Weiden ist bereits erwähnt, 
dafs eine tiefe Pflanzung durch eine neue Wurzelbildung an der Erd- 
oberfläche sofort ihr Gegengewicht erhält; bei schwachen Stämmen 
findet man oft, dafs die dicht unter der Oberfläche gebildeten Wurzeln 
die Oberhand über die älteren, tieferen gewinnen. Für viele Sträucher 
ist es tatsächlich oft vorteilhafter, sie tiefer zu pflanzen, als sie früher 
standen, weil sie durch zahlreiche neue Wurzeln aus den verschütteten 
Stengelbasen sich um so mehr kräftigen. Dies bemerkt man beispielsweise 
bei Calycanthus, Cornus alba und sibirica, Ribes, manchen Arten von 
Spiraea, Viburnum Opulus, Aesculus macrostachya, Symphoria, Ligustrum, 
Rosa gallica u.a. Flach dagegen sind zu pflanzen Caragana, Berberis, 
Colutea, Cornus mascula und sanguinea, Corylus, Oytisus, Rhamnus, Sambueus. 

Bei Strafsenpflanzungen kann aufser den plötzlich notwendig 
werdenden Aufschüttungen auch das Asphaltieren und Zementieren 
der Strafsendämme für die Wurzeln der Bäume sehr gefährlich 
werden. Es ist nicht blofs das Absperren der atmosphärischen Lutft, 
sondern auch der Verlust der atmosphärischen Niederschläge, auf 
welche die Bäume in grofsen Städten um so mehr angewiesen werden, 
je tiefer durch Kanalisation und dergl. unterirdische Bauanlagen der 
Grundwasserspiegel gesenkt wird. 

Junge Bäume, welche nach der Senkung des Grundwasser- 
spiegels gepflanzt werden, suchen trotz der vermehrten Tiefe der 
Wasserquelle diese dennoch zu erreichen. Um dies zu erleichtern, 
müssen in solchen Ortlichkeiten die Baumpflanzlöcher wesentlich tiefer 
gemacht werden. In Berlin beträgt diese Vertiefung nach BoucHE 
60 cm, so dafs jetzt die Baumlöcher 1,5 m tief gegraben werden. 


1) Boucut, C., Über das Tiefpflanzen von Bäumen usw. Monatsschr. d. Ver. 
z. Förd. d. Gartenb., v. Wittmack, 1880, S. 212, und Wredow a. a. O., S. 75. 


104 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


Zu tiefe Lage der Saat. 


Die Erfahrung wird auch jetzt noch vielfach gemacht, dafs bei 
reicher Aussaat keimfähiger Samen eine verhältnismäfsig geringe Menge 
von Pflanzen erzogen wird. Häufiger, als man in der Regel glaubt, 
liegt die Ursache in einem zu tiefen Unterbringen der Samen. Bei 
dem Eineggen oder dem stellenweise bei Gerste üblichen Unterhacken !) 
ist es gar nicht zu vermeiden, dafs einzelne Samenkörner sehr tief, 
andere sehr flach zu liegen kommen. Gleichmäfsigkeit kann nur durch 
Bestellung mit der Drillmaschine erzielt werden. Aber auch der 
Gärtner, der bei Topfaussaaten eine sehr gleichmäfsige Bedeckung der 
Samen herstellen kann, erhält bei sehr feinen Sämereien nicht selten 
nur einen geringen Prozentsatz an Pflanzen, selbst wenn der Same gut 
und keimfähig: war. 

Die Vorgänge, welche die Verluste hervorrufen, sind aber nicht 
immer dieselben und finden auch nicht immer unter denselben Be- 
dingungen statt; deshalb ist es auch nicht möglich, allgemeine Regeln 
zu geben. Es bleibt nichts übrig, um sich vor Nachteilen in dieser 
Beziehung zu schützen, als sich den Einflufs der einzelnen Faktoren, 
welche bei der Aussaat zu beachten sind, klarzumachen und zu sehen, 
welche Kombinationen in jedem einzelnen Fall vorhanden sind. 

Die Keimung läfst eigentlich drei Phasen erkennen. Jede der- 
selben kann Störungen erleiden und Ursache für das Fehlschlagen der 
Pflanzen werden. Das erste Stadium umfafst die Quellung und kann 
als ein mechanischer Vorgang aufgefafst werden, bei welchem (wahr- 
scheinlich durch Wasserverdichtung) eine Temperatursteigerung be- 
obachtet worden ist. Er leitet das zweite Stadium, die Mobilisierung 
der Reservestoffe, eine Kette chemischer Erscheinungen, ein, 
und diese begleiten den dritten Akt, den der gestaltlichen Ent- 
wicklung. 

Störungen im Stadium der Quellung sind mehrfach beobachtet 
worden. Noste und HaEsLEIn ?) fanden ganz besonders bei Papilionaceen 
und Caesalpiniaceen die Samenschale bisweilen so undurchdringbar für 
tropfbar flüssiges Wasser, dafs die Samen jahrelang den Embryo ohne 
Regung, aber immer noch gesund behielten. Der Same keimte nicht, 
weil er nicht aufzuquellen vermochte. Bei den Kleesamen erweist sich 
die oberflächlich gelegene Stäbchen- oder Hartschicht, in deren Zellen 
der Farbstoff sitzt, so impermeabel für Wasser, dafs Kleesamen 
S bis 14 Tage lang in englischer Schwefelsäure und jahrelang in Wasser 
liegen können, ohne auch nur ihren an und für sich im Wasser lös- 
lichen Farbstoff aus den Stäbchenzellen zu verlieren. In solchen Fällen 
hilft nur mechanische Behandlung. GALTER und KLose?) ver- 
mischten die Samen von Luzerne und Kleearten mit feinem Sande und 
rieben ein solche Mischung enthaltendes Säckchen 10 Minuten lang 
unter den Füfsen. Ohne dafs die Samen sich wesentlich beschädigt 
zeigten, erwies sich nach dieser Behandlung die Luzerne um 13,4 %o, 


1) Essers-Gorow, Versuche über den Nutzen oder Nachteil einer flachen oder 
tiefen Bestellung der Gerstenkörner. Mecklenb. landw. Ann., 1874, Nr. 23. 


2) Norsr und Harsteıs, Über die Resistenz von Samen gegen die äufseren 
Faktoren der Keimung. Versuchsstationen 1877, S. 71. 


3) Garrer und Kıose, Quellungsunfähigkeit von Kleesamen. Wiener landw. 
Zeitschr., 1877, Nr. 17, cit. Jahresb. f. Agrikulturchemie, XX. Jahrg., 1877, S. 181. 


2. Neigung der Bodenoberfläche. 105 


Weifsklee um 10,2%, Hornklee um 37,8°o quellungsfähiger. NoBBE!) 
führt Beispiele von einer unerwartet langen Erhaltung der Keim- 
kraft an. Kiefernsaatgut von Pinus silvestris, aus dem Jahre 1869 
stammend, lieferte nach fünfjähriger Aufbewahrung in verschlossenen 
Gläsern innerhalb eines bewohnten Zimmers noch 32°, nach sieben 
Jahren noch 12 °/o keimungsfähige Samen. Rotklee (Trifolium pratense) 
zeigte bei derselben Aufbewahrung nach 12 Jahren noch 10,5 °/o, Erbse 
(Pisum sativum) nach 10 Jahren noch 47,70, Spergula arvensis nach 
12 Jahren noch 20%, Lein (Linum usitatissimum) nach 6 Jahren noch 
49°/o, nach 11 Jahren noch 3°/o keimender Samen. Von 400 Körnern 
der Akazie (Robinia Pseud-Acacia) waren nach 10 Tagen, nach welchen 
die für praktische Zwecke gültige Versuchszeit aufhört, 71 Körner, bis 
Ende des Jahres noch 55 Körner, im folgenden Jahre noch 18, im 
darauffolgenden noch 7 und nach 7 Jahren noch 1 Same gekeimt, 
und zwar bei steter Aufbewahrung derselben in zeitweise erneuertem, 
destilliertem Wasser. 

Nach diesen Erfahrungen wird es uns glaubhaft erscheinen, dafs 
manche verschüttete Samen, unbeschadet ihrer Lebenskraft, sehr grofse 
Zeiträume überdauern. Auch bei den vorerwähnten Akaziensamen war 
der nach sieben Jahren ungekeimt gebliebene Rest noch völlig gesund. 
Eine geringe Verletzung der Samenschale hatte nach wenigen Stunden 
Aufquellung und in der Regel auch baldige Keimung zur Folge. 

Störungen in der zweiten Phase des Keimungsprozesses, in welcher 
die chemische Aktion der Überführung der starren Reservestoffe in 
wanderungsfähiges Bildungsmaterial erfolgt, sind am häufigsten zu be- 
obachten. Nicht zu verwechseln mit wirklichen Störungen ist das bei 
vielen harten Samen vorkommende überjährige Liegen im Boden 
(Orataegus, Rosa, Iuglans, Prunus). Teils mag hier auch die schwere 
Quellbarkeit schuld haben; die Samen kommen während der trocknen 
Sommerzeit wieder in einen Zustand der Ruhe. Anderseits kann 
auch bereits:Wasser eingedrungen sein und zur Bildung von Fermenten, 
welche die Mobilisierung des anderen Reservematerials einleiten, Ver- 
anlassung gegeben haben; aber diese Fermentwirkung selbst ist eine 
bis zum Eintritt der trocknen Sommerperiode zu langsame, um eine 
genügende Ernährung des Embryo zu ermöglichen. Bei einzelnen In- 
dividuen und Varietäten aller schwerkeimenden Arten zeigt sich eine 
Keimung und Entwicklung schon bei Herbstsaat im folgenden Früh- 
jahr. Dies geschieht namentlich dann, wenn man die Samen bald nach 
der Ernte und womöglich mit ihrem Fruchtfleisch aussät. Noch wirk- 
samer erweist sich das „Stratifizieren“, d. h. das schichtenweise 
Einlegen der Samen in mit Sand gefüllte Gefäfse während des Winters. 

Die wirklichen Störungen zeigen sich bei Mangel der zur Keimung 
notwendigen äufseren Bedingungen. Dahin gehören aufser Feuchtigkeit 
und Wärme der ungehinderte Zutritt von Sauerstoff und die Inne- 
haltung der Zeit der Reaktionsfähigkeit des Samens. 

Die Zeit, innerhalb welcher der Same auf die Einwirkung der 
äufseren Keimungsbedingungen mit der normalen Mobilisierung der 
Reservestoffe und der Entwicklung des Embryo antwortet, ist für die 


einzelnen Pflanzengeschlechter und Arten, ja, selbst für die Individuen 


derselben Varietät ungemein verschieden. Bekannt ist, dafs man Weiden, 
Pappeln und Ulmen sofort nach der Ernte aussäen mufs, da sie nach 


1) Dösser’s Botanik für Forstmänner, ‘4. Aufl., bearb. v. Nossr, 1882, $.'382. 


106 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


wenigen Tagen oder Wochen ihre Keimkraft schon einbüfsen, während 
man bei Gurken und Melonen kräftigere, fruchtbarere Pflanzen oft 
erhält, wenn die Samen ein Jahr geruht haben. Die Samen mancher 
unserer Obst- und Waldbäume keimen zwar meist noch nach einem 
oder mehreren Jahren, aber dieZahl der langsam wachsenden, 
schwächlichen Exemplare nimmt mit dem Alter des Saat- 
gutes zu. 

Als der wichtigste Faktor neben dem Wasserzutritt, der für die 
Quellung notwendig, ist, wie erwähnt, der Sauerstoff anzusehen. Die 
Samen brauchen nicht einmal so viel Wasser zur Keimung, als ihre 
Substanz überhaupt bis zur Sättigung imbibieren kann; die vegetative 
Tätigkeit des Keimlings beginnt schon vor dieser Zeit!). Bei anfäng- 
lichem Mangel an tropfbar flüssigem Wasser, das endosmotisch auf- 
senommen werden kann, nimmt der Same auch aus der Atmosphäre 
hygeroskopisch Wasser auf?), verdichtet auch Wassergas auf der Ober- 
fläche, ja, nach Art der porösen Körper kondensiert er auch Wasser- 
stoff, Stickstoff, Sauerstoff und andere Gase. DEH£RAIN und LANDRIN®) 
fanden, dafs aus der atmosphärischen Luft der gequollene Same ver- 
hältnismäfsig mehr Sauerstoff als Stickstoff aufnimmt, so dafs in einem 
geschlossenen Raume mehr Stickstoff zurückbleibt; vom dritten Tage 
ab beginnt er, Kohlensäure dafür abzugeben, und diese Produktion 
steigert sich, so dafs bald mehr Kohlensäure vorhanden, als der in dem 
eingeschlossenen Luftvolumen befindlich gewesene und allmählich ganz 
verschwundene Sauerstoff hätte liefern können. Die übermäfsige 
Kohlensäureproduktion ist also als ein Produkt der Oxydationsvorgänge 
der im Samen sich einleitenden inneren Verbrennung zu betrachten. 

Die Verfasser stellen sich den Beginn der chemischen Aktionen 
ım Samen in der Weise vor, dafs dıe schnelle, bei den verschiedensten 
Samen anfangs konstatierte Gasverdichtung latente Wärme des Gases 
notwendig frei werden läfst, und diese Wärme steigert die Temperatur 
des eingeschlossenen Sauerstoffs genügend, um eine Oxydation be- 
ginnen zu lassen. 

Damit ist der Anstofs zur normalen Lösung des Reservematerlals 
des Samens gegeben; die durch die Oxydation frei werdende Wärme 
begünstigt immer mehr diese Vorgänge, welche sich nach aufsen hin 
durch die Produktion von Kohlensäure kundgeben. 

Die Erweckung des schlummernden Samens wird nach 
dieser Auffassung durch die Lockerung vorbereitet, welche die Samen- 
schale infolge ihrer Quellung durch Wasser erleidet; die gelockerten, 
für Gase durchlässig gewordenen Zellschichten gestatten nun ein 
schnelles Eindringen der Gase, die mit ihrer Kondensation also den 
ersten Anstofs zu denjenigen Verbrennungsprozessen geben, welche den 
Übertritt der Reservestoffe in eine diffusible, wanderungsfähige Form 
veranlassen. Da man bei Pflanzen mit Sameneiweifs beobachten kann, 
dafs die Lösung der Stärke vom jungen Pflänzchen, bei den Mono- 
kotylen von dem Samenlappen aus beginnt, so wird man annehmen 


!) Jahresb. f. Agrikulturchemie, 1880, S. 213. 

®) R. Horruann im Jahresbericht der agrikulturchemischen Untersuchungs- 
station in Böhmen, 1864, S. 6, und F. Haserranor in Zeitschrift für deutsche Land- 
wirte, 1863, S. 355. Beide Arbeiten im Auszuge in Jahresb. f. Agrikulturchemie, 
Jahrg. VII, 1864, S. 108 u. 111. 

») Compt. rend. 1874, t. LXXVIII, S. 1488, cit. in Biedermann’s Centralbl. f. 
Agrikulturchemie, 1874, II, S. 185. 


2. Neigung der Bodenoberfläche. 107 


können, dafs der stickstoffreichste Teil, nämlich das plasmastrotzende 
Gewebe des Embryo, zuerst zu Umsetzungserscheinungen durch den 
Sauerstoff angeregt wird und nun selbst durch Entwicklung reicher 
Enzyme anregend weiter auf die Umgebung wirkt. 

Die Störung in der zweiten Keimungsphase kann nur erfolgen 
durch Sauerstoffmangel oder auch durch Überschufs an Kohlensäure. 
Die grofse Schädlichkeit der letzteren geht aus den von DEH£ErRAmN und 
Lanprin bestätigten Angaben von TH. DE SaussuRE hervor, dafs kein 
Gas der Keimung so nachteilig sei, wie gerade die 
Kohlensäure. Samen, welche in einer Mischung von Sauerstoff 
und Wasserstoff gehalten werden, keimen wie in atmosphärischer Luft; 
es genügt jedoch, einer Atmosphäre von Sauerstoff einige Hundertstel 
Kohlensäure zuzuführen, um die Keimung still stehen zu sehen, sobald 
nur die Würzelchen herausgetreten sind. Ist die Kohlensäure sehr be- 
trächtlich, so gehen die Samen zugrunde, ohne zu keimen. 4 

Auch anderen ruhenden Pflanzenteilen ist die Kohlensäure im Über- 
schufs sehr schädlich. Van TiEGHEM und BonnIEr') fanden bei Zwiebeln 
und Knollen (Tulipa, Oxalis crenata), die in sauerstoffreicher Luft noch 
weiter atmeten, also Kohlensäure produzierten, dafs sie in einer Atmo- 
sphäre von reiner Kohlensäure Alkohol bildeten. Derartige Tulpen- 
zwiebeln, welche einen Monat hindurch in sauerstofffreier Luft gelegen, 
waren erstickt und blieben auch ferner ohne jede weitere Entwicklung. 

Solcher Kohlensäureüberschufs kann mit Sauerstoffmangel 
gemeinsam nun bei einer zu tiefen Lage der Saat auftreten. Diese 
schadenbringende Höhe der Bodendecke, welche die Keimung des 
Samens verhindert, läfst sich aber nicht durch bestimmte Zahlen aus- 
drücken. Abgesehen von den verschiedenen Ansprüchen der einzelnen 
Pflanzenarten differiert aber für dieselbe Art die zulässige Höhe 
der Bedeckung nach Bodenbeschaffenheit, Menge und Verteilung der 
Niederschläge usw. Daher weichen die Resultate der vielfach vor- 
genommenen Versuche über die beste Aussaattiefe auch voneinander 
ab, sobald sie auf bestimmte Zahlenangaben eingehen. Sie stimmen 
aber alle darin überein, dafs man in zweifelhaften Fällen lieber zu 
flach als zu tief säen soll. 

Der Zweck der Bedeckung ist die Befestigung der jungen 
Pflanze und die Erhaltung eines ausgiebigen Feuchtigkeitsgrades. Der 
Lichtabschlufs kommt weniger in Betracht. Vor allem ist die Er- 
haltung einer zum Keimen genügenden Feuchtigkeit ins Auge zu fassen. 
Ist eine solche vorhanden, dann werden die Wurzeln selbst bei ober- 
flächlicher Lage des Samens alsbald in den Boden eindringen. Somit 
würde eine ganz flache Saat aller Samen zu empfehlen sein, wenn nicht 
die trocknen Frühjahrsperioden kämen, welche die Bodenoberfläche so 
weit austrocknen können, dafs eine vorübergehende oder selbst dauernde 
Sistierung der Lebenstätigkeit im Keimling stattfindet. 

Je lockerer der Boden, desto leichter die Gefahr des Austrocknens, 
desto tiefer also mufs die Saat zu liegen kommen. In Gegenden mit 
trocknem Frühjahr wird schwerer Boden eine gleichmäfsigere Keimung 
zulassen, selbst bei geringer Saattiefe. Derselbe Boden und dieselbe 
Tiefe der Aussaat werden gefährlich, wenn starke Regengüsse und 
heifse Tage schnell abwechseln und auf der Oberfläche des Bodens 


I 


1) Bulletin de la societ& botanique de France, t. XXVU, 1880, S. 83, cit. m 
Worzxy’s Forschungen auf dem Gebiete der Agrikulturphysik. 


108 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


eine feste Kruste erzeugen, welche die Luftzufuhr zu den im regsten 
Stoffwechsel befindlichen Samen nahezu abschneidet. Die im Samen 
eingeschlossene Binnenluft hält nicht lange vor. Die Durchlüftung des 
Pflanzenkörpers ist aber unumgänglich nötig; selbst der ruhende Same 
leidet aufserordentlich, wenn ihm die Binnenluft entzogen wird. Die 
scharfe Krustenbildung des Bodens kann eine an und für sich 
nicht schädliche Saattiefe somit zur Ursache bedeutender Schädigung 
werden lassen. 

Wie sehr der Luftmangel die Keimfähigkeit der Saat beeinflufst, 
erhellt aus den Citaten von DE VrIES!). Hiernach injizierte HABERLANDT 
Runkelknäuel unter der Luftpumpe und beobachtete, dafs sie 71,13 %0 
Wasser aufnahmen; es keimten nun von diesen teilweise luftleer 
gemachten Samen nur 30®°/o, während von den zur Kontrolle aufge- 
stellten normalen Samen 90°/o keimten. Bei einem zweiten Versuche 
wurde die gesamte Luft durch Wasser unter der Luftpumpe ersetzt, 
und es keimten jetzt nur noch 8°/o gegenüber 720 bei der Kontroll- 
probe. 

Auch war die Zeit, welche die Samen zur Keimung brauchten, bei 
den normalen eine kürzere. Es ist wohl anzunehmen, dafs die Ent- 
fernung speziell des Sauerstoffs aus dem Samen und die Erschwerung 
einer Diffusion neuer Quantitäten dieses Gases ın die Intercellular- 
räume die Ursache der Erlöschung der Keimkraft sind. DWUTROCHET?) 
sah auch bei erwachsenen Pflanzenteilen den Tod häufig eintreten, 
wenn dieselben mit Wasser injiziert waren. Bei schnellem Auf- 
tauen gefrorener fleischiger Pflanzenteile, die infolge einer 
Infiltration der Intercellularräume mit Wasser ein glasiges durch- 
scheinendes Aussehen haben, dürfte der durch das Wasser bedingte 
Abschlufs der Zellen von der Luft wesentlich mit zu deren Tode bei- 
tragen. 

Von den mehrfach durchgeführten praktischen Versuchen präzise 
Zahlenwerte für die beste Saattiefe des Getreides zu gewinnen, 
sind die von ROESTELL, 'TITSCHERT, EKKERT und Worıny die eingehendsten. 
RoESTELL®) gibt für lockeren, kräftigen Ackerboden 2 bis 4,5 cm als 
günstigste Tiefe an. 

Die TiETSCHERT'schen Versuche *) bestreben sich, die in verschieden 
physikalisch konstruierten Bodenarten maximalen Grenzen der günstigen 
Saattiefe festzustellen. Für Sandboden ergab sich als rationelle Maximal- 
tiefe 10 cm, für humosen Boden 8 cm, für kalkhaltigen Ton- und Lehm- 
boden 5 cm. 

Letztere beide Bodenarten litten von der trocknen Witterung, so 
dais die seichtere Aussaat schlechtere Erfolge gab. Ein später im 
Jahre wiederholter Versuch (August bis September) ergab für alle Boden- 
arten eine Saattiefe von nur 2,5 cm als sehr ungünstig der Trocken- 
heit wegen; Tonboden erwies sich in diesem Falle bei 10 cm Saattiefe 
am günstigsten. Man sieht daraus, mit welcher Reserve die bestimmten 
Zahlen aufgenommen werden müssen. EKKERT?) experimentierte mit 


En 4 De Vrırs, Keimungsgeschichte der Zuckerrübe, Landwirtsch. Jahrb. v. Thiel, 
1879, 8. 20. 

2) Durrocuer, Me&moires etc. edition Bruxelles S. 211, eit. von ve Vrıss ]. c. 

3) Annalen der Landwirtschaft, Bd. 51, S. 1. 

#) Tıerscnerr, Keimungsversuche mit Roggen und Raps. Halle 1872. 

) Exkerr, Über Keimung, Bestockung und Bewurzelung der Getreidearten usw. 
Inauguraldissertation. Leipzig 1874. 


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2. Neigung der Bodenoberfläche. 109 


Roggen, Hafer und Gerste in Lehmboden, Teichschlamm, Sandboden 
und Gartenerde. Bei Aussaaten von Roggen in freistehende Holzkästen 
zeigte sich ein Unterschied zwischen 2 bis 8 cm Bedeckung im Aufgehen 
der Pflanzen (infolge der gleichmäfsigen allseitigen Durchlüftung) nicht. 
Bei Versuchen im Freien erschien die Bestockung um so günstiger, je 
geringer die Tieflage der Saat; doch bezieht sich dies mehr auf die Zeit 
des Erscheinens der Sprosse als auf die Qualität derselben. Hafer und 
Gerste vertragen eher eine tiefere Unterbringung als Roggen. Bei 
Sommerung; ist eine tiefere Lage der Saat zulässig als bei Winterung. 
Die Minimalsrenze für Getreide dürfte 1,5 bis 2 cm betragen, die 
Maximalgrenze für günstige Resultate wohl bei 6 cm liegen. 

Spätere Versuche desselben Verfassers!) ziehen einen anderen, sehr 
berücksichtigungswerten Faktor in Betracht, der für denselben Boden 
wiederum modifizierend auf die zulässige Saattiefe einwirkt. Die 
Qualität des Saatgutes ist bisweilen ausschlaggebend. Auf die 
Keimfähigkeit schien die Qualität des Saatweizens, mit dem zuerst 
experimentiert wurde, allerdings ohne Einflufs, aber die Entwicklung 
der jungen Pflanze war bei gleicher Saattiefe um so günstiger, je besser 
das Saatkorn war. Bei einer mittleren Saattiefe (es handelt sich um 
Versuche im Sandboden) von 5 cm ergaben alle Qualitäten das längste 
Stroh; bei derselben Tiefe waren auch die Ahren am längsten. Das 
Verhältnis des Gewichtes des Körnerertrages zu dem des Strohertrages 
ist um so ungünstiger ausgefallen, je schlechter das Saatgut und je 
tiefer die Aussaat gemacht worden war. Die Versuche mit Gerste be- 
stätigten die Ergebnisse, welche bei Weizen gewonnen worden waren: 
je geringer die Saattiefe und je besser die Qualität bei derselben Tiefe, 
desto früher ging die Saat auf. Die Summe der aufgelaufenen Pflanzen 
war bei dem geringeren Saatgute keine geringere, aber der Einflufs der 
Saattiefe machte sich bei dieser Qualität darin geltend, dafs das Stroh 
um so länger war, je seichter die Unterbringung. Im allgemeinen wird 
man sich sagen müssen, dafs die Saattiefe bei sonst gleich gedachten 
Verhältnissen zunächst auf alle diejenigen Entwicklungsstadien von 
Einflufs sein wird, die mit dem Jugendstadium zusammenhängen. Es 
ist aber auch die Quantität der Körnerernte durch die Anzahl der 
Sprossen und die Länge der Ahren sowie die Ausbildung der Ahrchen 
von der jugendlichen Entwicklung abhängig und wird somit von der 
Saattiefe beeinflufst. Dagegen hängt die Qualität der geernteten Körner 
von dem Ernährungszustande und den Witterungsverhältnissen des 
laufenden Jahres ab, wird also kaum mehr durch die Jugendentwicklung 
oder die angeerbten Eigenschaften des Kornes beeinflufst werden. 

Vorquellen der Samen, das mehrfach bei anhaltend trockner 
Saatzeit für leichten Boden empfohlen worden ist, hat seine grofsen 
Bedenken. Wenn nämlich die Witterung trocken bleibt, reicht das 
aufgenommene Quellungswasser nicht aus, um ein Eindringen der 
primären Würzelchen des Getreides in Bodenschichten mit genügender 
Feuchtigkeit zu gestatten, und es ist dann eine Vegetationsunterbrechung 
unvermeidlich. Daraus erklärt sich die Erfahrung von WorınY?), dafs 
Vorquellen später ausreifende Pflanzen liefert. 

Die eingehendsten Studien über die passende Saattiefe verdanken 


1) Erkert, Kulturversuch mit Weizen und Gerste verschiedener Qualität usw. 
Fühling’s Landw. Zeit., 1875, Heft 1; 1876, Heft 1 u. 2 
2) Bot. Centralbl., Bd. XXX, Nr. 15 (1887), S. 48. 


110 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


wir WoLııyY!), der für Getreide feststellte, dafs 2 bis etwa 3 cm tiefe 

Aussaat die besten Ernteresultate liefert. Darüber hinaus fand sich, 

wie ‚JÖRGENSEN ?) bereits besonders hervorgehoben, ein merklicher Rück- 

gang. Letztgenannter Autor sah auch, dafs der Roggen dabei am 

empfindlichsten, der Weizen am wenigsten litt. Bei den Hülsenfrüchten 

ist die Saattiefe bedeutungsloser; dagegen erwiesen sich Kleearten, 

Rüben und Raps sehr abhängig von der Höhe der Samenbedeckung, die 

noch geringer als bei dem Ge- 

\ treide (0,5 bis 2,6 cm) wün- 

schenswert erscheint. Die 

Worıxy'schen Versuche zeig- 

ten, dafs ın den trocknen 

N | Jahren die stärkere, in den 

\ | feuchten die schwächere Erd- 

| N Y7 deckung am vorteilhaftesten 

Q \ | "gewesen. Übereinstimmend bei 

Ro / feuchter und trockner Witte- 

N N | N rung bemerkte man eine Ver- 

\ | spätung der Erntezeit mit zu- 

nehmender Saattiefe, eine Ab- 

nahme der Zahl der überhaupt 

aufgelaufenen und noch mehr 

der bis zur Ernte sich erhalten- 
| den Pflanzen. 

Aber es mufs immer wieder 
betont werden, dafs präzise 
Zahlen für die günstigste Saat- 
tiefe in den einzelnen bestimm- 
ten Lokalitäten nur direkt vom 
Landwirt gesammelt werden 
können, da nicht nur Boden- 
beschaffenheit und Witterung, 
sondern auch der Sorten- 
charakter mitsprechen, wie 
STÖSSNER?) gezeigt hat. 

Dasselbe gilt für Knollen, 
Zwiebeln und Wurzelstücke, 
die zur Aussaat benutzt wer- 
den. Hier sprechen ganz be- 
sonders die Cohärescenzver- 
Fig. 9. Roggensämling bei tiefer Lage des hältnisse des Bodens mit, weil 


Samenkorns. Emporhebung des Bestockungs- Jiese wasserreichen , fleischi- 


knotens in die 2 Tr Bodenoberfläche. gen Organe von der Sauerstoff- 
g- 


zufuhr im Boden wesentlich 
und schnell beeinflufst werden. Für Kartoffeln haben schon die Ver- 
suche von NoBBE*) und KÜHN?) ergeben, dafs in fraglichen Fällen das 


1) Worrxy, Saat und Pflege der landwirtschaftl. Culturpflanzen. Berlin 1885. 

2) Jörgensen, S., Versuche über das Unterbringen der Saat usw. Annalen d. 
Landw. in d. Kgl. Preuss. Staaten. Wochenblatt 1873, Nr. 11. j 

3) Srössser, Untersuchungen über den Einflufs verschiedener Aussaattiefen usw. 
Landwirtsch. Jahrbücher 1887. 

4) Nosse, Handbuch der Samenkunde, 1376, S. 184. 

5) Küns, Berichte aus dem physiolog. Laborat. Halle, Heft I, S. 43. 


2. Neigung der Bodenoberfläche. 173 


seichtere Auslegen das vorteilhafteste sein wird. Bei der Treiberei der 
Blumenzwiebeln entstehen bisweilen namhafte Verluste dadurch, dafs 
die Zwiebeln (Hyacinthen) zu tief in die Töpfe gepflanzt oder mit den 
Töpfen zu hoch bis zum Stadium der Durchwurzelung mit Erde be- 
deckt werden. Namentlich wenn der Deckboden schwer und feucht 
und die Zwiebeln im Vorjahr bei feuchter Witterung nicht genügend 
ausgereift sind, pflegt leicht der „Rotz“ (s. d. Bd. II) sich einzustellen. 

Interessant ist der Vorgang der Selbstregulierung der 
Saattiefe seitens einzelner Pflanzengeschlechter. Bei den Gräsern, 
und zwar am besten erkennbar bei unseren Getreidearten, ıst das erste 
Internodium der Apparat, der dazu bestimmt ist, bei zu tiefer Lage 
des Samenkorns den die Stengelanlage und die Seitenknospen bergen- 
den zweiten Knoten, den Bestockungsknoten, in die lockere, stark 
durchlüftete obere Bodenschicht hinaufzuschieben. In beistehender 
Fig. 9 erblicken wir das bereits nahezu entleerte Samenkorn mit seinen 
schwach gebliebenen, bereits im Korn angelegt gewesenen (primären) 
Wurzeln. Aus dem Samenkorn hat das erste (überverlängerte) Inter- 
nodıum den zweiten Knoten bis in die Nähe der Erdoberfläche hinauf- 
geschoben, und erst in dieser günstigen Lage haben sich die nunmehr 
auf Lebenszeit verbleibenden sekundären Wurzeln entwickelt und 
kommen die Anlagen der Seitentriebe zu weiterer Ausbildung. Bei 
flacher Aussaat bleiben beide Knoten dicht beieinander und geben im 
Querschnitt umstehendes Bild (Fig. 10). Das Gewebe des Knotens erscheint 
durch gebräunte Gefäfsstränge radial gefächert. Diese Gefäfsbündel- 
cylinder gehören den primären Wurzeln an und erkranken bereits 
während oder bald nach der Ausbildung der secundären Wurzeln. Das 
Grundgewebe des Knotens zeigt dicht an der wenig zelligen Markscheibe 
(m) den ersten Gefäfsbündelkreis (9) des jungen Halmes. Aste dieser 
Bündel, kenntlich an den weiten Gefäfsen (g’), sind bereits weiter aufsen 
im Achsencylinder zu finden. Dieser junge Halm besitzt auf der mit V 
bezeichneten Seite noch gleichmäfsig zusammenhängendes Rinden- 
gewebe; nach der entgegengesetzten Seite D zu aber haben sich bereits 
das erste, farblos bleibende, scheidenförmige Blatt (sch) und die Anlage 
des nächsthöheren, sich später vollkommen ausbildenden ersten grünen 
Blattes (bl) vom Rindengewebe abgetrennt. In der Achsel dieses 
ersten Blattes erkennt man schon die meristematische Anlage der 
ersten Seitenknospe (kn), welche das vor ihr liegende grüne Blatt mit 
bereits deutlich entwickelter Epidermis (e') vorwölbt; e ist die Epidermis 
des sich eben von der Achse differenzierenden Scheidenblattes. Ver- 
folet man das (punktierte) Gewebe der Anlage des ersten grünen 
Blattes (bl) im umstehenden Querschnitt rückwärts nach der mit V be- 
zeichneten Seite hin, so sieht man, dafs dasselbe in einen farblosen, 
aber durch seine verhältnismäfsig grofsen, Luft führenden Intercellular- 
räume (i) gekennzeichneten Gewebering übergeht. Es ist dies das 
Rindengewebe des jungen Halmes, und man erkennt somit, dafs jedes 
Getreideblatt eine direkte Fortsetzung der Halmrinde ist. F 

Dieser Rindenring hängt auch auf der Seite V noch mit dem Ge- 
webe des Scheidenblattes zusammen, und es ist bemerkenswert, dafs 
diese Scheide schon in einem so jungen Stadium der Halmdifferen- 
zierung ihre Arbeit geleistet haben mufs, da das Gewebe vollständig 
verarmt ist und lückig (!) zu werden beginnt. 

Während bei den Gramineen also der Hilfsapparat, der bei zu 
tiefer Saat den Vegetationskegel in die reichdurchlüftete Bodenkrume 


112 


I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


führen soll, in der (bis 9 em beobachteten) Streckung des untersten 
und im Notfall auch noch des nächsthöheren Internodiums besteht, finden 
wir bei den Legsuminosen und anderen Dikotyledonen eine andere Ein- 
richtung. Bei Bohnen z.B. bemerken wir zunächst auch eine den Bedürf- 
nissen entsprechende vermehrte Verlängerung des hypokotylen Gliedes, so 


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Fig. 10. 


Querschnitt durch den untersten Knoten einer jungen Roggenpflanze. 
Buchstabenerklärung im Text (Orig.). 


dafs bei ganz verschiedener Saattiefe schliefslich die wachsende Stengel- 
spitze bei allen Pflanzen in annähernd derselben. Höhe sich befindet. 
Natürlich wird die Kräftigkeit der Pflanzen bei gleichem Saatgut durch 
die grölsere Saattiefe vermindert. Je mehr sich das hypokotyle Glied 
verlängern mufs, damit sein, dem gekrümmten Rücken des Lastträgers 
vergleichbarer, oberer Teil die Erdlast durchbrechen und die Koty- 
ledonen ans Licht bringen kann, desto mehr Reservestoffe werden 
verbraucht. Es ist daher ganz erklärlich, dafs aus grofser Tiefe kom- 
mende Pflanzen schwächlieher sind, selbst wenn sie nicht erst im 


eingriffe auf die Entwicklung der Pflanze ausüben, einen noch grölseren Raum wie 
früher eingeräumt. Sie ist bestrebt, immer darauf hinzuweisen, wie die Pflanze das 
Produkt ihres speziellen Standorts ist, wie bei derselben Art die einzelnen Individuen 
stofflich und gestaltlich je nach den vorhandenen Ernährungsbedingungen von- 
einander abweichen, und wie die verschiedenen Individuen den einzelnen Krankheits- 
ursachen gegenüber sich in ganz verschiedenem Grade widerstandsfähig erweisen. 
Deshalb mufs nicht auf die lokale Bekämpfung oder Abhaltung des Parasiten, 
sondern auf die Stärkung der natürlichen Immunität und Anzucht widerstands- 
fähiger Varietäten das Hauptgewicht gelegt werden. 


Erster Band. 


Diese Anschauungen finden sich nun in dem allgemeinen Teile des ersten 
Bandes in der Einleitung ausführlicher auseinandergesetzt. Es wird zunächst er- 
örtert, was als Krankheit behandelt werden muls, und dabei darauf hingewiesen, 
‘dafs auch die Abweichungen vom Kulturzweck zur Besprechung gelangen müssen, 
obwohl sie oftmals gar keine eigentlichen Krankheiten darstellen. Dies gibt Ver- 
anlassung, die Abhängigkeit des Organismus von der Umgebung speziell zu er- 
örtern und die Fragen über die Entstehung einer Krankheit und das Wesen des 
Parasitismus sowie über Krankheitsvererbung und Degeneration zu besprechen. 

Aus diesen Betrachtungen ergibt sich die Notwendigkeit, denjenigen, der sich 
wissenschaftlich mit der Pathologie beschäftigen will, auf die früheren Anschauungen 
über das Wesen der Krankheiten und ihr Zustandekommen aufmerksam zu machen, 
und dies geschieht in einem zweiten, neu hinzugekommenen Abschnitt, der die 
geschichtliche Entwicklung behandelt. | 

In dem nun folgenden speziellen Teile wird im ersten Abschnitt auf die Er- 
scheinungen eingegangen, die durch ungünstige Bodenverhältnisse veranlalst 
werden. Das erste Kapitel behandelt die Lage, das zweite die ungünstige physi- 
kalische Bodenbeschaffenheit. Die chemischen Verhältnisse werden in den Kapiteln 
«Wasser» und «Nährstoffmangel und -überschuls» eingehend besprochen. 

Im zweiten Abschnitt finden wir eine eingehendere Darlegung der Wirkungen 
schädlicher atmosphärischer Einflüsse, wobei die neueren Untersuchungen Sorauers 
über die Frostschäden einen breiteren Raum einnehmen und durch zahlreiche Ab- 
bildungen erläutert werden. Dem Kapitel über Wärmemangel folgen die über 
Wärmeüberschufs, Lichtmangel und -überschuls, Blitz, Sturm, Hagel usw. 

So wie die vorigen Abschnitte hat auch der Abschnitt über schädliche Gase 
eine wesentliche Erweiterung in Rücksicht auf die sich beständig steigernden Prozesse 
zwischen Landwirtschaft und Industrie erfahren. In gleicher Weise ist bei der 
Wundbehandlung besondere Rücksicht auf die im praktischen Leben vorkommenden 
Fälle genommen worden, indem die Kapitel über Schröpfen und Schälen der Bäume 
sowie Veredlung und Stecklingszucht unter Zuhilfenahme zahlreicher anatomischer 
Bilder auf wissenschaftlicher Basis ausführlich behandelt worden sind. 


Zweiter Band. 


Im zweiten Bande beginnt Prof. Lindau seine Darstellung der durch pflanz- 
liche Schmarotzer hervorgerufenen Krankheiten mit der Schilderung der parasitischen 
Pilze und behandelt in einem zweiten Abschnitt die parasitären Algen, im dritten 
die phanerogamen Schmarotzer. 

Unter Übernahme der Abbildungen der vorigen Auflage und reichlicher 
Vermehrung derselben werden nach Besprechung der Schleimpilze (Myxomycetes) 
schon im ersten Hefte die bereits sehr zahlreich gewordenen Bakterienkrankheiten 
dargestellt. Die nächsten Hefte werden die Mycelpilze (Eumycetes) in der dem 
Standpunkt des Verfassers entsprechenden Anordnung bringen, und zwar zunächst 
die Algenpilze (Phycomycetes) in ihren Unterabteilungen der Eisporenpilze (Oomy- 
cetes) und Jochpilze (Zygomycetes). Es werden sich daran die Schlauchpilze (Ascomy- 
cetes) und Basidienpilze (Basidiomycetes) sowie die Fungi imperfecti anschlielsen. 


Dritter Band. 


Im dritten Bande falst Dr. Reh alle praktisch wichtigen Beschädigungen 
durch Tiere zusammen. 

Nach einem einleitenden Abschnitt, der über die Biologie der schädlichen 
Tiere, ihre Verbreitung und Schädigungsform handelt, wendet sich Dr. Reh zur ° 
systematischen Übersicht und beginnt im zweiten Abschnitt seine Darstellung mit 
den Würmern und pflanzenschädlichen Crustaceen. An diese Kapitel gliedern sich 
die Tausendfülse, Spinnen und Milben, Insekten und schliefslich die Wirbeltiere,. 
Der dritte Abschnitt beschäftigt sich mit der Bekämpfung, bei der im ersten Kapitel 
die natürlichen Feinde aus dem Tierreiche, im zweiten Kapitel die Feinde aus dem 
Pflanzenreiche, nämlich die insektentötenden Pilze, besprochen werden. Es folgen 
sodann die Kapitel über die mechanischen und chemischen Bekämpfungsmittel und 
die dazu gehörigen Apparate. Der letzte Abschnitt wird die Bedeutung der Dis- 
position, für tierische Angriffe behandeln. 

Übereinstimmend bei allen Bearbeitern ist das Bestreben gewesen, wissenschaft- 
liches Material zu geben, aber dieses Material so darzustellen, dais sich auch der 
keine speziellen Vorkenntnisse besitzende Leser in den Stoff einarbeiten kann. Aus 
diesem Grunde sind bei dem Gebrauch der technischen Ausdrücke erklärende Um- 
schreibungen eingeflochten worden. Durch die Einrichtung, nach einer allgemeinen 
Einleitung bei jedem Kapitel die einzelnen Krankheitsfälle in knapper Darstellung 
vorzuführen, ist nicht nur Raum gewonnen, sondern auch die Verwandtschaft der 
einzelnen Krankheiten angedeutet. Wo es nötig erschien, sind synoptische Tafel- 
bilder beigegeben. 

Bei allen diesen Erweiterungen des wissenschaftlichen Teils des Handbuchs 
ist aber die in den früheren Auflagen bereits zum Ausdruck gebrachte Methode 
beibehalten worden, bei jeder Gelegenheit auf das praktische Bedürfnis der leichten, 
Erkennung und der möglichen Bekämpfung oder Vorbeugung der Krankheiten 
hinzuweisen, so dafs das Handbuch in seiner neuen Form als das umfassendste aller 
bis jetzt existierenden Werke auf dem Gebiete der Phytopathologie bezeichnet werden 
darf und hoffentlich auch von seiten gebildeter Praktiker diejenige freundliche Auf- 
nahme finden wird, die den früheren Auflagen zu teil geworden ist. 


Die dritte Auflage des Handbuchs der Pflanzenkrankheiten, die nach dem im 
vorstehenden Gesagten gegenüber den früheren Auflagen ein vollständig neues Werk 
sein wird, wird in 16—18 Lieferungen zum Preise von je 3 Mark erscheinen und 
soll bis Ende 1906 vollständig vorliegen. Der Gesamtumfang wird etwa 90—96 Druck- 
bogen mit zahlreichen Textabbildungen betragen. Das Werk ist in drei Bände ein- 
geteilt und das Erscheinen der Lieferungen so geregelt, dais abwechselnd Lieferungen 
aus den verschiedenen Bänden zur Ausgabe gelangen. Einzelne Bände und Lieferungen 
werden nicht apart abgegeben. Einbanddecken erscheinen mit der Schluislieferung. 

Seiner ganzen Anlage nach ist Sorauers Handbuch der Pflanzenkrankheiten in 
seiner dritten Auflage als das zur Zeit umfassendste Werk des mächtig sich ent- 
wickelnden Gebietes der Phytopathologie zu bezeichnen. 

Zu einer Subskription auf dasselbe sei hiermit höflichst eingeladen ; die Lieferung 
kann durch die Buchhandlung erfolgen, die vorliegendes Heft übersandt hat. 


Pierersche Hofbuchdruckerei Stephan Geibel & Co. in Altenburg, S.-A. 


Lieferung 4. (Erster Band, Bog. 8—13.) Preis: 3 Mark. 


Handbuch 


renkinnkheilen 


von 


| Dritte, vollständig neubearbeitete Auflage 


Prof. Dr. Paul Sorauer. 


in Gemeinschaft ‘mit 


Prof. Dr. G. Lindau, und Dr. L. Reh, 
Privatdozent an der Universität Berlin Assistent am Naturhistor. Museum in Hamburg 
herausgegeben 


von 


Prof. Dr. P. Sorauer, 


Berlin. 


® 


Mit zahlreichen Textabbildungen. 


BERLIN. 
VERLAGSBUCHHANDLUNG PAUL PAREY. 


Verlag für Landwirtschaft, Gartenbau und Forstwesen. 


SW., Hedemannstrasse 10. 


1905. 


Erscheint in 16—18 Lieferungen ä& 3 Mark. 


2. Neigung der Bodenoberfläche. 113 


Samen Reservestoffe durch starke intramolekulare Atmung verlieren. 
Solches wird aber aufserdem der Fall sein, wenn nach der zu tiefen 
Einsaat sich andauernd nasses Wetter einstellt, so dafs Sauerstoffmangel 
entsteht. 

Welche Mengen von Reservestoffen durch intramolekulare Atmung 
und Alkoholbildung verloren gehen können, zeigen die Versuche von 
(GODLEWSKI und POLzEnıuszt). Sterilisierte Erbsen im evacuierten Raume 
produzierten in der ersten Zeit fast so viel Kohlensäure wie bei der 
normalen Atmung in Luft. Die Gesamtmenge betrug über 200 der 
ursprünglichen Trockensubstanz der Samen. Die Menge des gebildeten 
Alkohols entsprach der Menge der Kohlensäure. Erst in der sechsten 
Woche hörte die Kohlensäureproduktion der in sterilisiertem Wasser 
liegenden Erbsen ganz auf, und bis dahm waren etwa 40 °/o der 
vorhandenen Trockensubstanz in Alkohol und Kohlensäure gespalten 
worden. Das ist auch bei dem Getreide der Fall. Diese Schwächung 
wird bei letzterem durch die Arbeit der sekundären Wurzeln am Be- 
stockungsknoten wieder beseitigt. Bei den Hülsenfrüchten kann nun 
ein ähnlicher Vorgang der Selbsthilfe eintreten, indem, wie WoLLıY 
nachgewiesen, an dem überverlängerten hypokotylen Gliede Adventiv- 
wurzeln gebildet werden. Er beobachtete solche an dem erdbedeckten 
Stengelteile aufser bei den Ackerbohnen auch bei Erbsen, Wicken, 
Linsen, Lupinen, und von Pflanzen anderer Familien noch bei Raps 
und Sonnenblumen. Aber die Leguminosen kommen häufig gar nicht 
in die Lage, von einem derartigen Hilfsapparat Gebrauch zu machen, 
da sie, selbst bei normaler Saattiefe und Keimfähigkeit, leicht anderen 
Fährlichkeiten erliegen, wie in dem Abschnitt über „Hartschalig- 


keit“ besprochen werden soll. LIBRARY 
: NEW YORK 
Wurzeln aus der Spitze von Getreidekörnern. BOTANICAL 


1 2 . Te r ARDEN 
Wir glauben hier am besten einen Fall anschlieisen zu können &** 


der durch seine Eigentümlichkeit und Seltenheit verdient, der Wissen- 
schaft erhalten zu bleiben. 

Herr Landwirtschaftslehrer Worres in Dargun (Mecklenburg- 
Schwerin) übersandte mir im Jahre 1876 14 Weizenkörner, welche 


\ 
Fig. 11. Weizenkörner mit Wurzeln, welche nicht vom Embryo stammen, sondern 
aus der hypertrophierten Fruchthaut an der Spitze des Samenkorns entspringen. 


durch Hypertrophie den Embryo nicht seitlich am Sameneiweils, 
sondern mitten im Endosperm eingeschlossen zeigten. Die Körner 
waren im Herbst gesät und, zum Teil mit Wurzeln aber ohne Triebe, 
im Frühjahr im Boden wieder aufgefunden worden. Ihre Gestalt 
(Fig. 11 u. 12) war entweder schlank birnenförmig oder auch an einem 


!) Goprewskı und Porzexwsz, Über Alkoholbildung bei der intramolekularen 
Atmung, höherer Pflanzen. Anzeig. Akad. d. Wiss. Krakau, eit. Bot. Jahresb. 1897, 
S. .142. 


Sorauer, Handbuch. 3. Aufl. Erster Band. 8 


114 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


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Fig. 12. Weizenkorn mit hypertrophierter Fruchthaut und Wurzelbildung an 
seiner Spitze. Embryo zentral statt lateral. Buchstabenerklärung im Text (Orig.). 


2. Neigung der Bodenoberfläche. 115 


Ende cylindrisch und am anderen, sich schnell verjüngenden, die Form 
eines Geigenhalses annehmend. Bei manchen Körnern (Fig. 11 u. 12) 
war die Verlängerung des schmalen, dem Embryo entgegengesetzten 
Endes so bedeutend, dafs dadurch ein 2 bis 3,5 mm langer, nach oben 
gekrümmter Hals gebildet wurde. 

Bei 12 Körnern, deren Länge von ®/s bis 11/« cm schwankte, trug 
der Hals eine grofse Anzahl von 1 bis 2 cm langen, sehr dünnen, 
fädigen, dicht büschelig gestellten Wurzeln, welche fast ihrer ganzen 
Länge nach behaart waren. 

Wenn man die hier und da gesprengte, stellenweise runzelige 
Fruchtschale von dem Korn vorsichtig mit der Nadel abzuheben suchte, 
fand man, dafs dieselbe an einzelnen Stellen noch dicht auf dem Korn 
aufgekittet war und in der Umgebung dieser meist etwas dunkler ge- 
färbten Stellen abbrach; dagegen blieb ihr oberer Teil fast stets in 
festem Zusammenhange mit dem schnabelförmigen Fortsatze, der sich 
dann im ganzen wie eine strohige Kappe von dem eigentlichen Samen- 
korn abheben liefs (Fig. 12). Der Hals stand also zur Zeit der Unter- 
suchung mit dem eigentlichen Samenkorn in keiner anderen Verbindung 
als durch die Fruchtschale, aus deren Substanz er auch gebildet zu 
sein schien. Im frischen Zustande des Kornes hat derselbe sicher fest 
auf dem Samen aufgesessen, da einzelne konkave Stellen, welche man 
mit der Lupe an der inneren Kappenwand wahrnahm, zu den kleinen, 
konvexen Erhabenheiten pafsten, welche auf dem Samenkorne sichtbar 
waren. 

Aufser dem merkwürdigen, schnabelförmigen Fortsatze mit seinen 
Wurzeln war aber noch der Umstand auffallend, dafs die sonst überall 
vorhandene Furche diesen Weizenkörnern fehlte; ebensowenig war der 
Keimling, welcher an der Basis des normalen Kornes sitzt und durch 
die Fruchtschale hindurch sofort kenntlich ist, bei den aufgefundenen 
Körnern bemerkbar. Der Mehlkörper selbst endlich zeigte bei dem 
Zerschneiden nur zum kleinen Teil jene weifse Farbe des gesunden 
Kornes; er war namentlich vom Rande her auf weite Strecken glasig 
durchscheinend und gelblich. Der Geruch war ranzig. Die für den 
Stärkenachweis mafsgebende Blaufärbung bei Zutritt von Jod trat nur 
in denjenigen Gewebepartien des Kornes intensiv auf, welche auf dem 
frischen Schnitte weifs und mehlartig sich zeigten, während die glasigen 
Stellen meist nur leicht hellblauen Zellinhalt aufwiesen. 

Die Kleberschicht war bei den aus Mecklenburg eingesandten 
Körnern gar nicht und die dünne Samenschale nur unvollkommen 
entwickelt. An Stelle der Kleberschicht (Fig. 12%) befand sich tatel- 
förmiges Parenchym, dessen Inhalt nicht wesentlich von dem des 
darunterliesenden Gewebes abwich. 

Das Auffallendste an den so abweichend gebauten Weizenkörnern 
war aber jedenfalls die Lage des Embryo am entgegengesetzten Ende 
von demjenigen, welches die Wurzeln (Fig. 12w) trug, genau in der 
Mitte des Kornes (ähnlich wie bei den Typhaceen) gleichmäfsig von 
allen Seiten von stärkeführendem Gewebe des Mehlkörpers (Endo- 
sperm) eingeschlossen. Während bei den normal gebauten Weizen- 
körnern der Keimling aufsen an der Basis des Kornes sitzt und mit 
dem Mehlkörper durch ein besonderes Organ, das Scutellum (den 
Samenlappen) verbunden ist, liegt hier der Keimling (Fig. 12e) ohne 
Samenlappen in einer zentralen Höhlung (Fig. 12%) des Kornes. 

Diese Höhlung ist bei einigen Körnern ellipsoidisch, bei anderen 


en 
d 


116 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


dreiseitig; bei einigen geht sie etwa bis in die Mitte des Kornes, bei 
anderen erstreckt sie sich, nach oben immer enger werdend, bis an die 
Spitze, Ja bis in das Gewebe der Kappe hinem. Auf der Innenseite 
ist sie mit einer, aus zwei tafelförmigen Zellreihen mit kleberähnlichem 
Inhalt gebildeten Schicht (Fig. 12a) ausgekleidet, welche deutlich an 
die sonst bei gesunden Körnern aufsen auf dem Mehlkörper aufgelagerte 
Kleberschicht erinnert. 

Die tütenförmig übereinandergeschachtelten jungen Blätter des 
Keimlings zeigen keine wesentliche Abweichung; dagegen ist die Zahl 
der kranzförmig fast in gleicher Höhe entspringenden Keimwurzeln 

(Fig. 12r) stets auf 6 bis 8 

a vermehrt, und diese Wur- 

—S ae OOS=S : zeln erscheinen von einer 

Ver Ir! „oo... nach Art der Korkzellen 

@ ((i\ ID u Kr U geordneten, 6 bis 8 Zellen- 
4 


TOR reihen starken, stärkefreien 
DU X Parenchymschicht bedeckt. 
——7 


Auf diesem Gewebe ruht 
die vereinigte und verän- 
derte Samen- und Frucht- 
schale (Fig. 12sf), welche 
am trocknen Korn nach der 
Spitze hin immer dicker, 
derbwandiger, zellenreicher 
wird und unmerklich sich 
zu der Kappe ausbildet, die 

NEE ’ an ihrer Spitze die Wurzeln 
MM SE (Fig. 120) trägt. 
\( j Von den Wurzeln aus 


E setzt sich rückwärts der Ge- 
\ fälsbündelstrangin die Kappe 
u hinein fort. Hier findet man 


Y N oft mehrere Stränge an der 

Spitze der Kappe zu einem 

horizontal laufenden, ring- 

Fig. 13. Myceldurchzogene, hypertrophierte förmigen, dickeren Gefäls- 
Fruchthaut. netze, an einen Halmknoten 


erinnernd, vereinigt. 

Noch weiter von der Spitze abwärts sieht man die Gefäfsbündel- 
stränge (Fig. 12g) isoliert in der Nähe des äufsern Umfanges innerhalb 
der Kappe abwärts laufen, ja sie lassen sich in den Mehlkörper des 
Kornes hinein verfolgen (Fig. 1299). Das normale Korn hat keine aus- 
gebildeten Gefäfsbündel im Endosperm und nur eine Anlage dazu im 
Samenlappen. Hier aber ziehen sich die Gefäfsbündel in mehrfach 
unregelmäfsigem Verlauf durch den Mehlkörper und umgeben selbst 
bei einzelnen Körnern halbkreisförmig den Keimling, welcher, trotzdem 
die Körner vom Herbst bis zum Frühjahr in der Erde gelegen, sich 
nicht entwickelt hatte. 

Bei Zerlegung der kranken Körner in einzelne, zur mikroskopischen 
Untersuchung geeignete Querschnitte konnte man nun die wahrschein- 
liche Ursache dieser auffallenden Verbildung alsbald auffinden. An den- 
jJenigen Stellen des Kornes, an welchen die Fruchtschale sich durchaus 
nicht vom Korn lösen wollte, sondern eine zusammenhängende, feste, 


2. Neigung der Bodenoberfläche. 117 


gleichmätsige, etwas dunkle Masse bildete (Fig. 13), liefsen sich dicke, 
reichverzweigte, oft mit kurzen, knäuelartigen Astanhäufungen ver- 
sehene Mycelfäden nachweisen. Die Fäden des farblosen, stark licht- 
brechenden Mycels wuchsen quer durch die sehr dicken Wandungen 
(Fig. 13m) der Zellen der miteinander verschmolzenen Frucht- und 
Samenschale. Da, wo die Zellen inhaltsreicher und dünnwandiger 
wurden, im Gewebe des Mehlkörpers, häuften sich die Mycelfäden und 
tüllten einzelne Zellen ganz aus (Fig. 13mm). 

In der Umgebung solcher Stellen war die Stärke gelöst, der 
plasmatische Inhalt erhalten, aber fest, wie nach dem Eintrocknen. 
In anderen Zellen zeigte sich das feine Netz plasmatischer Substanz, 
das bei Anwesenheit der Stärkekörner kaum merklich war, allein vor- 
handen; es besafs genau die Anordnung, als wenn es sich noch um 
die Stärkekörner herumlagerte; aber statt der Körner waren meist nur 
noch die entsprechenden Hohlräume vorhanden. Daher die gelbliche, 
durchscheinende Beschaffenheit der betreffenden Stellen, zwischen 
welchen, mehr nach der Mitte des Kornes zu, inselartige Zellgruppen 
mit starkem Stärkegehalt eingestreut 
lagen. Diese gemischten Regionen er- 
wiesen sich bei Jodzusatz unter schwa- 
cher Vergröfserung hellblau. 

Wie abweichend an diesen Stellen 
das kranke Korn gebaut war, zeigt am 
besten der Vergleich von Fig. 13 mit 
Fig. 14. Letztere stellt einen Schnitt 
aus der entsprechenden Stelle eines ge- 
sunden Kornes dar. Die aus der Frucht- 
und Samenhaut gemeimschaftlich ge- 
bildete Schale des Kornes (Fig. 13 u. 
14 fs) hat bei dem kranken Korn mehr Fig. 14. Normale Frucht- und Samen- 
als die dreifache Dicke der gesunden haut nebst Kleberschicht. 
Schale. Bei g sehen wir in der krank- 
haft entwickelten Fruchthaut ein ausgebildetes Gefäfsbündel mit ziem- 
lich deutlich kenntlicher Gefäfsbündelscheide gs. Bei dem kranken 
Korne geht die wuchernde Fruchthaut direkt in den Mehlkörper e über, 
während bei dem gesunden die eiweifsreiche Kleberschicht (Fig. 14%) 
zwischen beiden Gewebeformen liegt. 

Dies ist im wesentlichen der Befund gewesen, der sich bei Unter- 
suchung der eingesandten Körner ergeben hat. Die Körner erscheinen 
somit total verbildet, und da die Verbildung sowohl in der Lage des 
Keimlings als auch in der Ausbildung des Mehlkörpers und namentlich 
in einer Wucherung der Fruchtschale sich geltend macht, so liest 
darin der Beweis, dafs diese Deformation zur Zeit der Anlage des 
Kornes auf dem Halme sich vollzogen haben mufs. Die Befruchtung 
hat noch normal stattgefunden, da der Embryo sowohl Blätter und 
Vegetationskegel als auch Wurzeln (letztere in erhöhter Anzahl) auf- 
weist. Aber alsbald mufs ein lokaler Reiz auf das Gewebe der Frucht- 
haut dieselbe zur Zellvermehrung angeregt und dabei die Verschiebung 
des Embryo von der Seite nach der Mitte des Endosperms veranlafst 
haben. Dieser Reiz ist während der ganzen Ausbildung des Kornes 
tätig gewesen und hat die Neigung zur vegetativen Tätigkeit derart 
gesteigert, dafs bereits der Charakter des Endosperm eine Anderung 
erfahren, indem sich Gefäfsbündel wie in einer vegetativen Achse aus- 


118 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


bildeten. Die hauptsächlichste Steigerung der Zellvermehrung erblicken 
wir in der Spitze des Samenkorns, welche den Charakter einer vege- 
tativen Achse annimmt und durch die Verschlingung der Gefäfsbündel 
das Bild eines Halmknotens darstellt. Aus diesem Halmknoten sind 
reichlich Wurzeln hervorgegangen, und es wäre nicht unwahrscheinlich, 
dais bei einer gröfseren Durchlüftung der Bodenschichten die Anlage 
von Blattknospen stattgefunden hätte. Wir würden dann einen ähn- 
lichen Fall wie bei dikotyledonen Gewächsen vor uns gehabt haben, 
wenn sich bei diesen, wie mehrfach beobachtet worden, vegetative 
Achsen aus dem Fruchtknoten entwickeln. 

Für derartige Vorgänge aber lag die Saat zu tief. Es fehlte der 
Hilfsapparat zur Hebung des Kornes an die Bodenoberfläche, nämlich 
die Streckung des ersten Internodiums am Keimling. Infolgedessen er- 
folgte bakteriose Verjauchung bei Sauerstoffmangel, die sich durch den 
ranzigen Geruch nach Buttersäure anzeigte. 

Dieser Verlauf ist der Grund, weswegen der vorliegende Fall an 
dieser Stelle erwähnt wird. Wäre es möglich gewesen, den Pilz, der 
sicher als die Ursache des Reizes zur vegetativen Verbildung angesehen 
werden darf, näher zu bestimmen, dürfte der Fall besser bei den 
parasitären Krankheiten untergebracht worden sein. Die Unmöglichkeit 
aber, das ursprüngliche Pilzmycel an den von Bakterien und Schimmel- 
pilzen durchsetzten Fruchtknoten weiter zur Entwicklung zu bringen, 
läfst nur Vermutungen über die Natur des Parasiten zu. Nur das eine 
ist sicher, dafs das den Reiz ausübende Mycel nicht zu den Schwärze- 
pilzen (Cladosporium usw.) gehörte. Nach BrEFELD's neuen Untersuchungen 
über das Eindringen der Brandkeime in die Blüten des Getreides liegt 
jetzt die Vermutung am nächsten, dafs die noch während der Blüte 
eingewanderten Brandsporen bald nach der Befruchtung des Kornes 
gekeimt und durch das langsame Vordringen ihres Mycels den Reiz 
auf die Fruchthaut ausgeübt haben. 


3. Grofse horizontale Differenzen. 


Die individuelle Entwicklung innerhalb derselben Pflanzenspezies 
wird ebenso wie durch die vertikalen Erhebungen des Standorts auch 
durch die horizontalen Verschiebungen ihrer Kulturstätten von Nord 
nach Süd oder Ost nach West beeinflufst. DE CanpoLL£!) stellte den 
Satz auf, dafs unter annähernd gleichen Breitengraden und Höhen die 
'Temperatursummen über 0° im Schatten für dieselbe Entwicklungs- 
phase (Blütezeit, Laubfall usw.) in den westlichen Gegenden Europas 
höher sind als in den östlichen. Die Beobachtungen zeigen, dafs inner- 
halb des europäischen Klimacharakters die Dauer der Vegetations- 
periode nach Nordosten hin ab-, nach Südwesten zunimmt. Westeuropa 
läfst wegen der vielen Gebirgszüge und plateauartigen Unterbrechungen 
die Erscheinung weniger deutlich zum Ausdruck kommen wie die 
groisen ebenen Landflächen Rufslands, über welche eine sehr be- 
merkenswerte Arbeit von Kowauewsk1?) berichtet. Dieselbe stützt sich 
auf Angaben von 2200 in allen Gegenden des europäischen Rufslands 


!) Sur la methode de sommes de temperature appliqu&e aux phenomenes de 
vegetation. Separatabzug der Bibliotheque universelle de Geneve, 1875 

2) W: Kowanewskı, Über die Dauer der Vegetationsperiode der Kulturpflanzen 
in ihrer Abhängigkeit von der geographischen Breite und Länge. Arb. d. St. Peters- 
burger Naturforscherges., XV, 1884 (russisch), eit. Bot. Oentralbl., 1884, Nr. 51, S. 367. 


3. Grofse horizontale Differenzen. 119 


zerstreut wohnenden Landwirten, welche den Zeitpunkt der Saat und 
Ernte ihres Getreides gemeldet haben. Da die Kultur sich den klima- 
tischen Verhältnissen anpassen mufs, so geben die üblichen Saat- und 
Erntezeiten ein Bild der vorhandenen Vegetationsbedingungen. 

Es findet nun die Aussaat des Winterroggens im südlichen Teile 
des Cherson’schen Gouvernements am 15. September statt!), um 
Archangelsk dagegen schon am 1. August. Die Streifen der gleich- 
zeitigen mittleren Aussaat von Winterroggen verlaufen nicht parallel 
den Breitengraden, sondern von NW nach SO gesenkt, laufen also fast 
in derselben Richtung wie die Isochimenen. Die Differenz der Ernte- 
zeiten von Winterroggen im hohen Norden (Archangelsk) und im Süden 
(Cherson) erstreckt sich, wie die Saatzeit, auf anderthalb Monat. Die 
Dauer der Saatperiode von Sommergetreide ist im hohen Norden um 
drei- bis viermal kürzer als an den Südgrenzen; an der westlichen 
Grenze ist dieselbe zwei- bis zweieinhalbmal länger als im Osten. Die 
Ernteperiode ist im Norden ebenfalls dreimal kürzer als im Süden, im 
Westen anderthalb- bis zweimal so lang als im Osten. Die Streifen 
gleichzeitiger Reife des Sommergetreides sind von SW nach NO ee- 
richtet, stimmen also in ihrer Richtung mit den Isotheren überein. 

Die Dauer der Vegetationsperiode beträgt im Süden und Südwesten 
Rufslands nur 85 bis 110 Tage bei Roggen, Buchweizen, Lein und 
Gerste, dagegen bereits 110 bis 125 Tage bei Sommerweizen, Hirse, 
Hafer und Erbse; die längste Vegetationsperiode (150 bis 165 Tage) 
besitzen Zuckerrübe, Mais und Kartoffeln. Somit übersteigt im Süden 
die längste Vegetationsperiode die kürzeste fast um das Doppelte. Da- 
gegen sind im Norden die betreffenden Perioden nicht nur überhaupt 
kürzer, sondern auch stärker zusammengedrängt. Im hohen Norden 
und Nordosten übersteigt die Differenz zwischen der längsten und 
der kürzesten Vegetationsperiode nicht 10 bis 20 Tage. 

Bei derselben Kulturpflanze innerhalb des europäischen Rufslands 
nimmt die Schnelligkeit der Entwicklung durchschnittlich mit der Breite 
zu. So besitzt beispielsweise der Hafer im Gouvernement Cherson 
(Süden) eine Vegetationsperiode von 123 Tagen, Weizen und Gerste 
eine solche von 110 Tagen; im Norden dagegen vermindert sich die 
Vegetationsdauer des Hafers auf 98 (Archangelsk), des Weizens auf 
88, der Gerste auf 98 Tage. Innerhalb derselben geographischen Breite 
findet man im Westen eine längere Vegetationsdauer als im Osten. 

Die Ursachen der Verkürzung der Vegetationsperioden können also 
nicht in der Wärmesumme liegen, welche die Pflanzen unter dem ent- 
sprechenden Breitengrade empfangen; denn sonst müfsten die Pflanzen 
eben im Süden bedeutend schneller ihre Entwicklung durchlaufen als 
ım Norden, zumal sich die südliche Schwarzerde viel stärker erwärmt 
als der schwerere, oft tonige und feuchte Boden des Nordens. Aulser- 
dem drängt auch der im Süden vorhandene Mangel an Feuchtigkeit noch 
schneller zum Abschlufs der Vegetation. Es mufs also ein anderer Faktor 
mafsgebend sein, und diesen erblickt Kowaukwskı in der Insolations- 
dauer. Er nimmt nun als mittlere Aussaatzeit des Hafers den 5. Mai, 
als mittlere Erntezeit desselben den 20. August an und findet somit 
für die 98tägige Vegetationsperiode in Archangelsk eine Insolationsdauer 
von 2000 Stunden; rechnet man noch die Periode der hellen Nächte 
dazu, so steigt diese Gröfse bis auf 2240 Stunden. In Cherson wird 


!) Alle Daten nach dem in Rufsland üblichen alten Stil. 


120 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


der Hafer am 20. März gesät und am 20. Juli geerntet. In dieser 
123tägigen Vegetationsepoche finden sich aber nur 1850 Insolations- 
stunden. Aufserdem, sagt KOwaALEwsKI, mufs bemerkt werden, dafs die 
Kultursorten des Nordens an kleinere Wärmemengen angepafst sind 
und daher, in den Süden übertragen, verhältnismäfsig früher reifen. 

Dieses Resultat stimmt mit demjenigen, später zu erwähnenden 
überein, das SCHÜBELER (Die Pflanzenwelt Norwegens) gefunden. Auch 
von Canada sollen ähnliche Beobachtungen vorliegen. 

Zur ferneren Erklärung der Veränderung der Vegetationsdauer zieht 
KOwaALEWSKkI die gröfsere Intensität der Beleuchtung, die geringere Wolken- 
menge und gröfsere Feuchtigkeit der Atmosphäre herbei und glaubt, ge- 
stützt auf Famintzin’s Untersuchungen, dafs im Süden z. B. das Licht- 
optimum der Assimilation überschritten wird und daher hemmend wirkt. 
Dies entspräche dem bei den vertikalen Erhebungen erwähnten Ver- 
gilben schattenliebender Pflanzen der Ebene bei dem Anbau im Hoch- 
gebirge. Indes braucht man nicht auf eine hemmende Wirkung des süd- 
lichen Lichtüberschusses zurückzugreifen, wenn man die WiıEsser’schen 
Anschauungen acceptiert. Zur Erklärung der Lichtverwertung seitens 
der Pflanzen im hohen Norden betont WIESNER!) nach seinen Unter- 
suchungen, dafs im hochnordischen Gebiete (Tromsö) bei gleicher 
Sonnenhöhe und gleicher Himmelsbedeckung die chemische Intensität 
des gesamten Tageslichtes gröfser als in Wien und Kairo, dagegen 
kleiner als in Buitenzorg auf Java sich erweist. Das Lichtklima des 
hochnordischen Gebietes ist durch eine relativ gerofse Gleichmäfsigkeit 
der Lichtstärke ausgezeichnet, welche in keinem andern Vegetations- 
gebiete erreicht wird. Die Pflanzen der arktischen Vegetationsgrenze 
erhalten die gröfste Menge des Gesamtlichtes. Hier fällt bei der nied- 
rigen Wuchsform jede Selbstbeschattung durch das eigene Laub fort, 
und selbst die Holzgewächse in benachbarten südlicheren Gebieten 
zeigen nur eine minimale schattengebende Verzweigung. 

Uber das Verhalten der Pflanzen bei künstlicher horizontaler Ver- 
schiebung durch die Kultur liegen schon frühere Anbauversuche mit 
Getreide nordischer Abstammung vor?), über welche Wirrmack referiert 
hat. Derselbe kam zu folgenden Schlüssen: Pflanzen aus dem Norden 
entwickeln sich in Mitteleuropa zwar etwas langsamer, holen aber später 
die einheimischen ein oder eilen ihnen sogar voraus. Man sieht also, 
dafs die im Norden angewöhnte kurze Vegetationsdaner manchmal 
durch die erhöhte Wärme des südlicheren Standortes noch mehr ab- 
gekürzt wird, vorausgesetzt, dafs man es auch mit trocknem Klima zu 
tun hat. Das feuchte Klima Englands mit den niedrigen Maximal- 
temperaturen verzögert die Reife. Der Feuchtigkeitsgehalt der 
Luft ist sehr mafsgebend und kann überall Verzögerung der Reife ver- 
anlassen; ebenso wie umgekehrt Gegenden mit grofsen Trockenperioden, 
Steppenklima und ähnlichen, von den Breitengraden nicht abhängigen 
Verhältnissen abgegrenzte Herde mit frühzeitig reifenden Pflanzen- 
formen bilden können. Allzu grofse Trockenheit verzögert allerdings 
die Entwicklung, wie dies experimentell festgestellt worden ist. Wir 
verweisen betreffs der Bodentrockenheit auf die Versuche von STAHL- 


'!) Wissen, J., Beiträge zur Kenntnis des photo-chemischen Klimas im arktischen 
Gebiete., Sitz. Akad. d. Wiss., Wien CVII, eit. Bot. Jahresb. 1898, I, S. 586. 

°) Über vergleichende Kulturen mit nordischem Getreide. Von Deeiscn, Körnıcke, 
Kraus, Vırmorıs u. a., ref. von Wırrmack. Landwirthsch. Jahrb. 1875, S. 479, und 
1876, S. 613 ff. 


3. Grofse horizontale Differenzen. 121 


SCHRÖDER, die in dem Kapitel „Wasserüberschufs“ angeführt werden. 
Dafs der Zeitpunkt der Einwirkung der Wärme sehr wichtig, ist wohl 
erklärlich. Wärme im Juli und August ist vorteilhafter als im Mai und 
Juni; bei dem Regen ist es umgekehrt. 

Auf die Bedeutung der physikalischen Bodenbeschaffenheit, näm- 
lich auf die Beschleunigung der Reife durch lockere Böden, wird 
man auch durch die Wiırrmack'sche Zusammenstellung hingewiesen, 
ebenso wie auf den Umstand, dafs im allgemeinen für dieselbe Getreide- 
sorte die Vegetationszeit in östlichen Gegenden kürzer als in den west- 
lichen ist. 

Gestützt auf die Erfahrungen, dafs die Kultursorten nördlicher 
Klimate ihre kürzere Vegetationsdauer in der nächsten Entwicklungs- 
periode beibehalten, hat sich ein schwungvoller Handel mit nordischem 
Saatgut ausgebildet. Indes ist nicht zu vergessen, dafs man dabei die 
Quantität der Ernte ım Auge behalten mufs. Dieselbe hängt, reich- 
liche Nährstoffzufuhr gleichmäfsig vorausgesetzt, doch stets von der 
Dauer der vegetativen Periode, also der Bestockungszeit ab. Je länger 
das Getreide Zeit hat, vegetative Organe anzulegen (und dies geschieht 
innerhalb einer feuchten, kühlen Jahreszeit), desto reichlicher erfolgt 
die Bestockung und damit die Ausbildung eimer gröfseren Anzahl von 
Ahren aus dem einzelnen Samenkorn. 

Wenn man sich verleiten läfst, im Westen entstandene, langlebige, 
durch Produktionsreichtum ausgezeichnete Sorten nach dem Osten zu 
übertragen, läuft man Gefahr, dafs dieselben ım Osten den Frösten er- 
liegen. Das schlagendste Beispiel finden wir bei den englischen Weizen- 
sorten aus der Gruppe des Squarehead, die immer unsicherer nach 
Osten hin werden, weil sie auswintern. Betreffs der Frostwiderstands- 
fähigkeit liegen Erfahrungen vor, dafs die Samen nordischer Gegenden 
in südlichen Breiten Pflanzen ergeben, welche nicht nur bisweilen, trotz 
anfänglicher Verlangsamung der Entwicklung, früher reifen, sondern auch 
den Frösten besser widerstehen. 

Aus den Ergebnissen langjähriger Beobachtungen SCHÜBELER'S!) ist 
hervorzuheben, dafs die durch eine kurze Vegetationszeit in nordischen 
oder alpinen Klimaten zur Gewohnheit gewordene Schnellwüchsigkeit 
nach vier- bis fünfjährigem Anbau in niederen Breiten wieder verloren 
geht. Umgekehrt gewöhnen sich langlebige Sorten in einigen Jahren 
eine kurze Vegetationszeit an. Gelber Hühnermais von Hohenheim 
z. B., der im Jahre 1852 zu Christiania in 120 Tagen reifte, verkürzte 
bei wiederholter Aussaat seine Vegetationszeit bis 1857 um 30 Tage. 
In Christiania beträgt die Entwicklungszeit der Gerste 90 Tage; das aus 
Alten (70°) stammende Saatgut brauchte nur 55 Tage (s. KOwALEWSKI). 

Von den durch die nördliche Lage verursachten stofflichen Eigen- 
tümlichkeiten, welche vielfach mit den Änderungen der Pflanzen bei 
dem Aufsteigen auf das Hochgebirge übereinstimmen, ist besonders 
wichtig, dafs der Zuckergehalt der Früchte nach Norden hin ab-, das 
Aroma dagegen zunimmt. Bonnier und FraHaust behaupten auch, dafs 
nicht nur die Gröfse, sondern auch die grüne Farbe der Blätter an 
Dunkelheit im Norden zunimmt?). Eine Zusammenstellung ?), welche 


1) Schüserer, Die Pflanzenwelt Norwegens, 1873, S. 77T u. ff. a 
2) Bonnıer et Franaunn, Observations sur les modifications des vegetaux sulvant 
les conditions physiques du milieu. Annal. d. sc. nat. Botanique, t. VII, Paris 


1879, p. 93. n 
N The effects of Uninterrupted Sunlight on Plants. Gard. Chron., 1880, I, S. 272. 


122 l. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


SCHÜBELER sche Versuche behandelt, führt folgende specielle Beispiele 
an. Bei Weizen, dessen Samen aus Ohio und Bessarabien bezogen 
war, stellte sich eine jährlich zunehmende dunkle Färbung der Körner 
ein, bis diese die gelbbraune Farbe des einheimischen norwegischen 
Winterweizens erhalten hatten. Ahnliche Resultate waren mit Mais, 
Bohnen, Erbsen, Sellerie u. a. erlangt worden. Sellerie, der vom 
Kaukasus bis Vorderindien, in Afrıka (Agypten, Habesch, Algier) wächst 
und in Europa vom Mittelmeer bis zur Ostsee zu finden ist, geht jetzt 
in Finnland bis 69°; dort bilden sich aber die Wurzelknollen schlecht 
aus; die Würzhaftigkeit wird jedoch im Norden schärfer !). Die bereits er- 
wähnte gröfsere Intensität der Blütenfarben, die parallel der Steigerung 
dieser Eigenschaft mit zunehmender Erhebung über den Meeresspiegel 
sich zeigt, erschien bei den meisten Gartenblumen auch bei dem Fort- 
schreiten nach Norden. Betreffs der Bildung aromatischer Stoffe ist 
als Beispiel aufser Sellerie noch der Wacholder anzuführen, der ın 
Norwegen viel reicher an Ol als in Centraleuropa ist; auch Zwiebel 
und Knoblauch sind in Norwegen ungemein scharf. Die Erdbeeren 
sind sauer, aber aromatisch, während diese Früchte nach GöTzE in 
Coimbra ausgezeichnet süfs, aber fast ohne jedes Aroma sind. Die 
Pflaumen bleiben oft so sauer, dafs sie den aus südlicheren Gegenden 
stammenden Früchten gegenüber als unreif anzusehen sind. Bei dem 
Wein läfst sich eine ähnliche Beobachtung machen: Man vergleiche den 
süfsen portugiesischen Wein mit dem weniger süfsen, aber blume- 
reichen Rheinwein. 

Bei Betrachtung der horizontalen Differenzen, die sich in der Ab- 
nahme der Regenmenge, in der Zunahme der Klarheit der Luft, von 
Westen nach Osten, in den Beleuchtungsverhältnissen zwischen südlichen 
und nördlichen Gegenden usw. äufsern, dürfen wir einen Umstand nicht 
vergessen, auf welchen DE CANDOLLE ?) bereits aufmerksam gemacht hat. 
Derselbe ist zwar experimentell noch nicht genügend gefestigt, findet 
aber in der praktischen Erfahrung seine vielfache Bestätigung. Es ist 
nämlich die gröfsere, vollkommnere Winterruhe der Pflanzen. 
Nach Iax£®) tritt die Belaubung der in Mitteleuropa und Coimbra normal 
gedeihenden Bäume in Coimbra etwa einen Monat früher und deren Laub- 
verfärbung ungefähr anderthalb Wochen später ein als bei uns. Somit 
ist die Winterruhe dort etwa sechs Wochen kürzer. Die Dauer und Voll- 
kommenheit der Winterruhe muifs aber für die Schnelligkeit der nach- 
herigen Entwicklung einflufsreich werden. Man kann wohl annehmen, 
dafs bei Andauer einer Temperatur, welche die Funktionen nicht 
sämtlich zum Stillstand bringt, sich eine Anzahl vegetativer Prozesse 
mit langsamem, aber stetigem Stoffverbrauch (Oxydationsprozesse) voll- 
zieht, ohne dafs die Pflanze Ersatz durch neu assimiliertes Material 
erhält. Aufserdem scheint es, dafs manche Enzyme, welche die 
Energie des Stoffwechsels bedingen, erst während einer vollkommnen 
Winterruhe in der nötigen Menge zur Entwicklung gelangen oder vor- 
bereitet werden. Tritt keine vollkommne Ruhe ein, so dürfte dies nament- 
lich bei zwei- und mehrjährigen Stauden und den Knospen der Zweige 
an Holzgewächsen fühlbar werden; dieselben werden früher treiben, 


!) Hansen, C., Der Sellerie. Gartenflora, 1902, S. 18. 

®) A. v= Canvorrr, Sur la methode des sommes de temperature appliquee aux 
henomenes de la vegetation. Archiv. des sc. physiques etc. Nouv. ser. LIT. 
IV. Genf 1875, eit. Bot. Jahresber., 1875. S. 595. 

®) Inxe, Phänologische Mitteilungen. Cit. Bot. Jahresb., 1898, II, S. 409. 


3. Grofse horizontale Differenzen. 123 


aber schwächere Organe produzieren (kleinere Blätter, gröfsere Anzahl 
unfruchtbarer Blumen). 

Des zunehmenden Gewichtes der Samen in den nördlichen Breiten 
ist im vorhergehenden schon gedacht worden; es liegen aber auch 
Untersuchungen von PETERMAXN!) vor, welche eine hohe Keimkraft 
schwedischer Samen von Kleearten, Lieschgras (Phleum pratense L.), 
von Fichte und Kiefer gegenüber deutschen, französischen und belgi- 
schen Samen beweisen. Die in der Tat durchschnittlich ein gröfseres 
Gewicht besitzenden schwedischen Samen betätigen ihre gröfsere Keim- 
kraft nicht nur durch die Zahl der keimfähigen Körner, sondern auch 
durch die Energie, mit welcher die Keimung von statten geht. Diese 
Ergebnisse lassen sich recht gut durch eine gröfsere Entwicklungsenergie 
der Pflanze infolge vollkommnerer Winterruhe erklären. 

Die Beobachtungen haben ihre sehr beachtenswerte praktische 
Seite insofern, als sie klärend auf die Kulturmethode des Samenwechsels 
wirken. Es wird nicht genügend sein, überhaupt nur Saatgut aus 
anderen Gegenden einzuführen, sondern es wird notwendig erscheinen, vor 
allen Dingen sich zu fragen, welche Eigenschaften man an der Kultur- 
pflanze zu verbessern wünscht, und in welchen Klimaten diese gesuchten 
Eigenschaften zu höherer Ausbildung gelangen. Von dorther bezogen, 
wird das Saatgut dann den gewünschten Erfolg zeigen. 

Die Kulturerfolge, welche durch Benutzung von Pflanzen anderer 
Klimate erlangt werden, halten aber, wie erwähnt, in der Regel nur 
für sehr wenige Vegetationsperioden vor. Manchmal tritt der Einflufs 
des jetzigen Standortes schon in der zweiten Vegetationsepoche auf 
und stempelt die Pflanzen der fremden Klimate schnell wieder zu ein- 
heimischen Produkten. Obstbäume, aus Angers bezogen, trieben und 
blühten auf Malorka schon zu Ende der Monats Februar, während die 
einheimischen erst einen Monat später blühten ?). Eine zwei Jahre später 
wiederum aus Angers eingetroffene Sendung zeigte dieselbe Erscheinung. 
Die Obstbäume der ersten Sendung blühten jetzt aber bereits später, 
nämlich gleichzeitig mit den einheimischen. Selten vollzieht sich der 
Ubergang von dem bisher erblichen zu einem neuen, klimatisch bedingten 
Entwicklungsmodus so schnell, als er sich bei der Rückkehr verliert; 
doch haben wir bei unseren Gemüsen auch Beispiele schneller Anderung 
der bisherigen Eigenschaften. Im Tropenklima behalten dieselben nur im 
ersten Jahre annähernd ihren Charakter; aber schon im zweiten Jahre 
geben die Samen dieser eingeführten Pflanzen gestreckte, verholzende 
Exemplare®). Das sind eben unsere ins Varlieren gekommenen Kultur- 
formen. Von schnellen Anderungen wildwachsender Species ist nichts 
bemerklich, wie die Horrmann’schen Versuche mit Parallelsaaten ge- 
wisser Formen von Phaseolus und Triticum in Gieisen, Genua, Mont- 
pellier, Portici und Palermo) gezeigt haben. Dagegen erwähnt Horr- 
MANN langsame, im Laufe vieler Generationen erst zustande gekommene 
Änderungen; so wird Ricinus communis in den Tropen baumartig und 
perennierend; ebenso wird Reseda odorata in Neu-Seeland mehr oder 


1) Prreruans, Recherches sur les graines originaires des hautes latitudes. Extrait 
du t. XX VIII. des M&emoires couronnes et autres Memoires publies par l’Acad. royale 
de Belgique, Bruxelles 1377. 

2) Gartenzeitung von Wiırrmack, 1882, S. 374. 

3) Deutsche Gärtnerzeitung, 1883, Nr. 17. { 
| 4, H. Horrvann, Rückblick auf meine Variationsversuche von 1855 bis 1880. 
Bot. Z., 1881, S. 450. 


124 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


weniger ausdauernd und anderseits Bellis perennis in Petersburg ein- 
Jährig. hr 

Zu den langsam sich vollziehenden Anderungen im Wachtums- 
modus gehört die Ausbildung der ‚Jahresringe bei unseren Bäumen. 
Allerdings schwankt die Verteilung zwischen gefäfsreichem Frühlings- 
holz und gefäfsarmem Sommerholz innerhalb desselben Breitengrades 
in jedem Jahre je nach Zahl und Verteilung der Niederschläge; aber 
bei der durch die horizontalen Differenzen der Lage gegebenen Ver- 
änderung der Durchschnittswitterung werden derartige Verschieden- 
heiten konstant, und es bilden sich dadurch ökologische Varietäten. Auf 
solche anatomischen Unterschiede in der Entwicklung derselben Spezies 
in südlicher und nördlicherer Lage geht Bonnier!) ein. Er verglich 
Exemplare der Linde, Rotbuche, Akazie u. a. aus der Gegend von 
Toulon (mit 260 tägiger Vegetationszeit) mit solchen bei Fontainebleau 
(Vegetationszeit 175 Tage) und fand, dafs das Frühjahrsholz im Süden 
besser entwickelt und reicher an vielfach weiteren Gefäfsen ist. Hier 
kommt allerdings der Reichtum an Frühjahrsniederschlägen im Mittel- 
meergebiet in Betracht. Das Sommerholz des Südens dagegen ist 
reicher an Libriformfasern und besteht oft nur aus solchen, während 
bei Fontainebleau sich auch im Sommer noch zahlreiche Gefäfse bilden. 
Die Blätter der Toulon-Pflanzen erwiesen sich um Y/s oder !/g mal dicker 
und mit mehr Schichten von (längerem) Palisadenparenchym versehen 
gegenüber den nördlicher erwachsenen Pflanzen. Die Spaltöffnungen 
sind zahlreicher, das Sclerenchym kräftiger und die Cuticula verstärkt. 
Die Toulon-Pflanzen repräsentieren den Charakter der Mediterranflora 
im allgemeinen. 

Der gröfseren Intensität der Blütenfarben bei dem Aufsteigen der 
Pflanzen von der Ebene nach dem Gebirge und dem Übergang aus 
niederen Breiten in die nordischen Regionen ist bereits gedacht worden. 
Neuerdings ist auch die Aufmerksamkeit auf die sich ändernde Färbung 
der Laubblätter in erhöhtem Mafse hingelenkt worden und hat eine 
eigenartige Deutung als Schutzvorrichtung erfahren. Sehr ausführlich 
behandelt Mac MitLan?) diese Verhältnisse. Er spricht von „wärmen- 
den Farben“ (warming-up colours) und meint dabei besonders die rote 
Farbstoffreihe, die in kälteren Regionen reichlicher vertreten sei. Alpine 
und Polarpflanzen sind häufiger mit blauen oder violetten Blumen als 
mit gelben zu finden, die Zweigenden oftmals gerötet. Durch den 
roten Farbstoff werde die Temperatur etwas erhöht und der Ein- 
flufs der Kälte dadurch etwas abgeschwächt. Wenn man von zwei 
übereinstimmenden Thermometern die Kugel des einen mit einem 
grünen, die des anderen mit einem purpurfarbigen Blatt umbindet, so 
macht sich nach kurzer Zeit bei Sonnenbeleuchtung am purpurfarbigen 
Blatt eine Temperaturerhöhung von 6 bis 10° geltend. Ebenso fand 
er, dafs ein Thermometer, in ein Bund Veilchen gesteckt, höhere 
Temperatur anzeigt als in einem Bunde Schlüsselblumen, nachdem beide 
einige Zeit in der Sonne gelegen. 

Die herbstliche Färbung könne als eine entschiedene Reaktion 
der Pflanze auf die erniedrigte Temperatur aufgefafst werden. Durch 
den roten Farbstoff bilde die Pflanze sich eine Wärmequelle. 


!) Boxster, Cultures experimentales dans la region mediterraneenne etc. Cit. 
Bot. Jahresb. 1902, II, S. 299. j ' 

2} Conwar Mac Mirrax, Minnesota Plant Life. Saint Paul, Minnesota, 1899, 
S. 417. 


3. Grofse horizontale Differenzen. 125 


Darum sind so viele Frühlingsblumen rot und violett und Herbst- 
blumen blau oder rot. 

In den warmen Klimaten nehmen die Gewächse oft Eigenschaften 
an, welche das direkte Gegenteil von denen der Polar- oder Gebirgs- 
pflanzen sind. In den Tropenpflanzen sind die Reservestoffbehälter 
weniger stark entwickelt als in verwandten Arten kälterer Gegenden. 
Die Knospen sind weniger geschützt, filzige Überzüge auf Blättern und 
Zweigen (mit Ausnahme der Wüstenpflanzen) seltener. Viele winter- 
liche Gewohnheiten fallen fort; es gibt weniger zweijährige Pflanzen. 
Die wärmenden Farben treten mehr zurück, indem weifse, gelbe und 
gefleckte Blumen (Orchideen) vorherrschen. 

Die Natur bilde den roten Farbstoff aus, um das überschüssige 
Licht nicht verloren gehen zu lassen und es in Wärme umzusetzen 
und es als wachstumfördernde Kraft auszunutzen. 

Wir können uns mit dieser Theorie vorausbedachter Nützlichkeit des 
roten Farbstoffs als eines wärmeerzeugenden und lichtabschwächenden 
Apparates nicht befreunden, wenn wir auch gern gelten lassen wollen, 
dafs, wenn der rote Farbstoff einmal erzeugt worden ist, er in der an- 
gegebenen Weise wirksam sein wird. Dafs die Pflanze ihn zum Schutze 
gegen Kälte erzeugt, wenn die Temperaturen niedrig werden, ist schon 
darum nicht glaubhaft, weil man es in der Hand hat, eine Rötung der 
Blätter bei den heifsesten Sommertemperaturen hervorzurufen. Bei den 
gerbstoffreichen Rosifloren (z. B. bei Crataegus) habe ich die rote 
Herbstfärbung der Zweige mitten im Sommer durch Ringelung der- 
selben binnen wenigen Wochen zu erzeugen vermocht. Und der Um- 
stand, dafs im Sommer innerhalb weniger Tage die Unterseite vieler 
Blätter sich rot färbt, sobald man sie nach oben kehrt, ist allgemein 
bekannt. Fernere Beispiele liefern die Parasiten. An demselben Kirsch- 
baum z. B. werden die Blätter der von Exoaseus Cerasi befallenen Aste 
leuchtend rot, während die gesunden grün bleiben. Bei vielen Flecken- 
krankheiten erscheinen die kreisrunden Pilzherde rot umsäumt. Ama- 
ryllideen, deren Blätter im Sommer absterben (Hippeastrum u. a.), 
bekommen carminrote Flecke und Streifen. 

Somit glauben wir, dafs der rote Farbstoff als eine notwendige, 
an eine relativ überreiche Lichtzufuhr gebundene Reaktion der Zelle 
auf den Einflufs verschiedener Faktoren anzusehen ist. Einer dieser 
Faktoren kann auch die Temperaturerniedrigung sein, die sich bei hori- 
zontalen oder vertikalen Verschiebungen des Standorts einstellen wird. 

Blicken wir auf die vielfachen Veränderungen zurück, welche 
die Pflanzen im gestaltlichen und stofflichen Aufbau durch die horizon- 
talen Verschiebungen ihres Standorts erfahren, so werden wir uns der 
Überzeugung nicht verschliefsen können, dafs in diesen Verschie- 
bungen nicht selten der Grund für eine Disposition zur 
leichteren Erkrankung oder anderseits zu gröfserer 
Immunität zu suchen sein wird. 

Wir haben bereits auf die gröfsere Frostempfindlichkeit westlicher 
Squarehead -Weizen in östlichen Gegenden hingewiesen und erinnern 
jetzt daran, dafs auch parasitäre Erkrankungen von dem im Saatgut 
erblich mitgebrachten verschiedenen Entwicklungsmodus der Wirts- 
pflanzen abhängig sein können. Man denke beispielsweise an die Tat- 
sache, dafs manche parasitäre Pilze zu bestimmten Jahreszeiten auf- 
treten oder sich doch besonders reichlich verbreiten. Falls solche Pilze 
nur den jungen Blättern gefährlich werden, wird für eine epidemische 


126 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


Ausbreitung es ausschlaggebend sein, ob zur Zeit der reichsten Sporen- 
ausstreuung viel junge Blätter vorhanden sind. Dieser Umstand hängt 
aber davon ab, wie schnell eine Pflanze in einem bestimmten Klima 
ihren Entwicklungscyklus durchläuft. 

Hat sie eine langsame Entwicklung, so ist die Periode, in der sie 
junge Blätter darbietet, eine langdauernde und damit die Gefahr der 
Pilzinfektion eine sehr nahegerückte. Reift eine (z. B. aus nördlicheren 
oder östlichen Gegenden eingeführte) Varietät schnell, dann kann zur 
Zeit der hauptsächlichsten Sporenverbreitung: der ganze Blattapparat 
schon ausgereift und damit widerstandsfähig gegen viele Parasiten sein. 

Solche Umstände verdienen grölsere Beachtung, als ihnen bisher zu 
teil geworden. Sie werden auch bei der Erklärung der „Biologischen 
Rassen“ einzelner Parasiten in Erwägung gezogen werden müssen; 
denn es ist durchaus nicht unwahrschemlich, dafs manchmal Infektionen 
nächstverwandter Wirtsspezies nur darum nicht gelingen, weil eine 
Nährpflanze sich zur Infektionszeit schon in einem fortgeschrittenen 
Entwicklungsstadium befindet, bei welchem der Blattapparat abgereifter, 
d.h. derbwandiger und inhaltsärmer ist. Dafs die Pilzinfektion an ein 
bestimmtes Entwicklungsstadium der Nährpflanze gebunden, zeigt sich 
beispielsweise bei den Rostpilzen des Getreides. Erıksson !) erwähnt, 
dafs bei frühreifen Sorten auch der Rost früher auftrete, und die neuen 
Beobachtungen liefern Beispiele, wie die Puccinia-Arten des Getreides 
ihre bestimmte Zeit des Auftretens haben. So zeigte sich?) im ‚Jahre 
1904, dafs hauptsächlich und zuerst Puccinia glumarum bei Weizen 
aufgetreten ist; darauf folgte P. dispersa, die sich aber nur noch der- 
jenigen Organe und Sorten bemächtigte, welche noch nicht abgereift 
waren. Daher sah man späte, langsam reifende Weizensorten reich- 
lichst mit P. dispersa und spärlich mit P. glumarum, die frühreifenden 
Varietäten aber in entgegengesetzter Weise besiedelt. Bei Lagergetreide 
fand sich Pıec. graminis. 

Als ein Produkt klimatischer Einflüsse anzusehen sind 


Glasige Getreidekörner. 


Glasig nennt man diejenigen Getreidekörner, deren Endosperm hart, 
fast durchscheinend und im Querschnitt grau oder rötlich gefärbt ist, 
während bei den gewöhnlichen mehligen Körnern das Endosperm 
weich, weifs, porös und leichter zerreiblich erscheint. 

Das Glasigwerden der Körner pflegt häufiger im Norden und Osten 
Europas als in den westlicheren Teilen aufzutreten, was auf einen 
Einflufs der Lufttrockenheit bei hoher Lichtintensität hinweist. In 
den feuchteren westlichen Regionen erlangen die vegetativen Organe 
ein gröfseres Übergewicht. So "eibt beispielsweise LIEBENBERG®) an, dafs 
die sonst ausgezeichnete nordische (erste zwei Nachteile besitze, 
nämlich einen zu grofsen Prozentsatz glasiger Körner und eine zu 
dunkle Färbung, die vom Beregnen des erntereifen Getreides herrühre. 
Diese Regengüsse zur Erntezeit beeinflussen natürlich nicht mehr die 


') Erızssox, J., Sur l’origine et la propagation de la rouille des cereales par 
la semence. Ann. sciene. nat. Bot. VIII ser., tom. XIV und XV. Paris 1902. 

2) Jahresb. d. Sonderausschusses f. Pflanzenschutz. Deutsche Landw. Ges. 
1905. Getreiderost. 

®) v. Liesengerg, Bericht über die allgemeine nordische Samenausstellung usw., 
1882, cit. Bot. Centralbl., 1882, Nr. 43, S. 115. 


3. Grofse horizontale Differenzen. 197 


Kornausbildung, welche in eine meist trockne Periode langer Tage 
fällt. Bei der langen Lichtwirkung werden auch die Roggensorten 
intensiv gefärbt. Derselbe Autor berichtet, dafs bei der Getreide- 
ausstellung in Schweden die Haferproben durchschnittlich nur 22,66 bis 
32,04 /o Spelzengewicht besafsen, während dasselbe bei österreichischen 
und französischen zwischen 25,230 und 38,37°/o schwankte. Im all- 
gemeinen kann die Ansicht von HaBerLanpt!) als gültig anerkannt 
werden; derselbe spricht aus, dafs ein kontinentales Klima glasige 
Körner erzeuge, dafs dagegen kühle, feuchte Sommer oder künstlicher 
Nährstoff- und Wasserreichtum mehlige, spezifisch leichtere und stick- 
stoffärmere Getreidekörner produzieren. 

Der glasige Zustand des Getreidekornes besteht nach 
den von GRröNLUND?) an mehliger und glasiger Gerste angestellten 
Untersuchungen darin, dafs die stärkehaltigen Zellen des Samen- 
eiweiflses bei dem mehligen Korne die Zwischenräume zwischen den 
einzelnen Stärkekörnchen mit Zellsaft erfüllt zeigen, während die 
glasigen Körner diese Zwischenräume mit Protoplasma ausgefüllt be- 
sitzen. Die Arbeit von JoHANNsEN (Allg. Brauer- und Hopfenzeitung, 1884, 
Nr. 78 und 79) nimmt einen grölseren Luftgehalt in der ganzen Masse 
des Kornes und nicht blofs zwischen den Wänden bei den mehligen 
Körnern an. Bei der Keimung wird das glasige Korn zu einem mehligen. 
Nach GRöNLUND, der übrigens keine Beziehung zwischen Witterung 
und Entstehung des glasigen Zustandes anerkennt, keimen glasige Körner 
leichter und besser und geben kräftigere Pflanzen. Obgleich der Verfasser 
auch von stark stickstoffhaltigsem Boden glasige Körner als unbestreitbar 
annimmt, so glaubt er doch, dafs magerer, sandiger, schlecht kultivierter 
Boden diese eigentümliche Bildung viel sicherer erzeugt. Bei reiner 
Kalidüngung sah er ein mehliges Korn entstehen. Übrigens kommen 
beide Formen in verschiedenen UÜbergängen in derselben Ahre bis- 
weilen vor. Bei der Entstehung glasiger Körner möchte ich annehmen, 
dafs im sandigen, schnell trocknenden Boden der Prozefs der Stärke- 
bildung abgekürzt wird, und da Kali das Korn mehlig macht, so möchte 
ich viel eher glauben, dafs die Leistung des Kalı zu früh beschränkt 
wird, und zwar dadurch, dafs andere Prozesse, nämlich die Reife- 
vorgänge, zu früh und intensiv eintreten. Dies wird bei starker Licht- 
und Wärmewirkung um so früher geschehen, je weniger Wasser vor- 
handen ist. Für die Ansicht eines Überwiegens des Reifeprozesses 
zur Zeit, wo noch Mehlbereitung stattfinden sollte, spricht auch die 
Mitteilung von Sanıo3), dafs man in Ostpreufsen das Glasigwerden des 
Weizens dem Umstande zuschreibt, dafs er überreif auf dem Halme 
wird. Analytisch gestützt findet sich diese Ansicht durch die Unter- 
suchungsergebnisse von R. Porr*), der bei vier glasigen Weizensorten 
einen durchschnittlich höheren Prozentsatz an Asche fand als bei 
mehligen Körnern. Die Körner haben durch die schnelle Reife eben 
ihre Mineralstoffe nicht vollkommen zur Bildung der organischen Sub- 
stanz ausgenutzt. Man vergleiche auch die hohen Prozentsätze der 


!) Hıgerranor, Die Abhängigkeit der Ernten von der Gröfse und Verteilung 
der Niederschläge. Österr. landw. Wochenbl., 1875, S. 352. 

2) Nach einer Preisschrift des Verf. eit. im Jahresbericht f. Agrikulturchemie, 
XXIII (1880), S. 214. 

3) Botanisches Centralbl., 1880, S. 310. 

#), Jahresbericht f. Agrikulturchemie, 1870—72, II, S. 5. 


128 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


Körner an Stickstoff bei Haferpflanzen, die durch Wassermangel oder 
Wasserüberschufs verkümmerten (s. Kap. „Wasserüberschutfs‘). 

Man dürfte über die Natur der glasigen Körner sich am leich- 
testen klar werden, wenn man die Untersuchungen von PETIRT und von 
JOHANNSEN !) berücksichtigt. Ersterer gab bereits im ‚Jahre 1870 an, 
dafs glasige Körner durch Aufweichen in Wasser mehlis werden 
können; letzterer bestätigt diese Beobachtung. Es wurden 200 Kilo 
Gerste zur Hälfte mit Wasser befeuchtet, bis sie 15°/o aufgenommen 
hatten, darauf getrocknet, ausgebreitet und gewendet, bis wieder das 
ursprüngliche Gewicht erreicht war. Der Prozentsatz an mehligen 
Körnern war jetzt 50, während er im ursprünglichen Material nur 19 
betrug. Bei Kulturversuchen wurde gefunden, dafs bei früher Aussaat 
eine stickstoffärmere, mehligere Gerste sich ausbildete, während bei 
späterer Saat das Ernteprodukt stickstoffreicher ausfiel. Diese Er- 
fahrung: weist darauf hin, dafs man im Glasigwerden der Körner nur 
eine mechanische Verschiedenheit zu erblicken hat, die sich ausbildet, 
wenn die Zeit der Komreife durch Wassermangel bei Licht- und 
Wärmeüberschufs sehr abgekürzt wird. Ein allmählicher Reifeprozetis 
läfst dem Korn längere Zeit zur Ausbildung eines vermehrten Stärke- 
vorrats unter Beibehaltung eines gröfseren Wassergehaltes der Substanz, 
der später durch Luft teilweise ersetzt wird. Dies bezieht sich nament- 
lich auf das Protoplasma in den Endospermzellen. In diesem liegen 
die Stärkekörner eingebettet. Bei schnellem Reifen kittet das Plasma 
sich dicht um die Körner, und das Korn erscheint glasig. Bei lang- 
samerer Reife und gröfserem Wassergehalt baut sich die Zelle lockerer, 
indem zwischen den Stärkekörnern mehr Zellsaft und später Luft vor- 
handen ist: und dann ist bei eröfseren, lufterfüllten Intercellularräumen 
das Korn undurchscheinend und mehlig. ‚Je mehr das Protoplasma 
überwiegt, desto mehr Neigung zur Glasigkeit, und deshalb sind auch 
normalerweise, wie z. B. bei dem Maiskorn, die äufseren Lagen des 
Samenkorns glasig und die inneren mehlig. Diese Verhältnisse erklären 
die Beobachtungen von SCHINDLER?), dals im Weizenkorn mehlige und 
glasıge Partien abwechseln können. 

Die oben mitgeteilte Erklärung für das Zustandekommen der Glasig- 
keit erhält eine Bestätigung durch die Versuchsresultate, die von der 
Deutschen Laandwirtschafts-Gesellschaft erhalten worden sind®). Der 
Bericht teilt mit: Die Glasigkeit der Körner hängt mehr von den 
Wachstumsbedingungen als der Sorte ab. Glasiger sind die Sorten 
mit kürzerer Vegetationsdauer, wie Lupitzer, Strube’s begrannter 
und Galizischer Kolben- im Vergleich zu Schlanstedter- und Noe- Weizen. 
Die Ertragsfähigkeit der Sorten steht im allgemeinen im umgekehrten 
Verhältnis zur Glasigkeit ihrer Körner. 


4. Kontinental- und Seeklima. 


Das charakteristische Merkmal der von dem Meere beeinflufsten 
(Gegenden besteht in den geringeren Schwankungen zwischen Sommer- 
und Wintertemperaturen, da die Sommer länger und kühler, die Winter 

!) Jonanssen, Bemerkungen über mehlige und glasige Gerste (Ugeskrift for 
Landsmand), 1887, cit. Bırperv. Centralbl., 1888, S. 551. ; ' 

2) Scnispuer, Lehre vom Pflanzenbau auf physiologischer Grundlage. Wien 1896. 

3) Mitteilungen der Saatzuchtstelle über wichtige Sortenversuche. Saatliste 
vom 6. Dez. 1904. Deutsche Landwirtsch.-Ges. 


4. Kontinental- und Seeklima. 129 


wärmer sind. Unter dem Einflufs des Atlantischen Ozeans sehen wir 
das Frühjahr zeitiger eintreten, den Herbst länger währen als in den 
Gegenden mit Kontinentalklima. Doch ist der Effekt auf die Vegetation 
trotz des früheren Anfangs nicht der erwartete; denn die Blütezeit der 
Gehölze ist bei der geringeren Frühjahrswärme höchstens wenige Wochen 
früher und die Fruchtreife ist kaum früher, ja, verzögert sich sogar 
manchmal und findet bisweilen gar nicht statt. Man denke an den in 
England im Freien nicht mehr reifenden Wein. Die Luft ist das ganze 
Jahr feuchter, und in den Übergangszeiten herrschen oft längerdauernde, 
starke Nebel. 

Es ist schon früher der Ansicht von HABERLANDT gedacht worden, wo- 
nach Frühreife der Pflanzen sowohl in nördlichen als in südlichen Breiten 
mit derselben Leichtigkeit eintreten und Veranlassung zur Bildung ent- 
sprechender Varietäten werden kann. Es spielen eben hierbei die 
Feuchtigkeitsverhältnisse malsgebend mit, und solche kommen nun in 
grofsen Schwankungen bei dem Kontinentalklima gegenüber einem 
gleichmäfsig feuchten Küstenklima zum Ausdruck. Die von HABERLANDT 
ausgeführten Anbauversuche!) ergaben in dieser Beziehung folgende 
Erfahrungen. Das aus feuchten Klimaten bezogene Saatgut liefert ver- 
hältnismäfsig mehr Stroh, aber weniger Körner; das Getreide ist auch 
leichter dem Lagern unterworfen. Dagegen kann man bei Saatgut aus 
trocknen Gegenden mit kurzem Frühjahr und heifsem, trocknem Sommer 
die Produktion geringerer Stroh-, aber reicherer Körnererträge be- 
obachten, und Pflanzen von solchem Saatgut widerstehen besser der 
Trockenheit. Bei Samenwechsel ist der Bezug aus Ländern mit 
kontinentalem Klima vorteilhafter; die dort herrschenden harten Winter 
beeinflussen das Körnerprodukt in der Weise, dafs die aus demselben 
entstandenen Pflanzen weniger der Gefahr des Auswinterns ausgesetzt 
sind als solche, die aus dem feuchteren Westen mit seinem milderen 
Winter nach Osten verpflanzt werden. 

Das Kontinentalklima bringt kleine, aber spezifisch schwere Körner 
hervor, während ein kühler und feuchter Sommer oder künstliche, 
reiche Wasser- und Nährstoffzufuhr zwar das Korn vergröfsern, aber 
den Inhalt gleichsam lockern, indem an Stelle der glasigen Beschaffen- 
heit die mehlige, verbunden mit abnehmendem spezifischem Gewicht 
und abnehmendem Stickstoffgehalt, auftritt. 

Wichtig für den Samenwechsel ist endlich die Beobachtung, dafs 
Wintergetreide, aus Gegenden über dem 45. Breitengrade stammend, 
bei uns im Frühjahr angebaut, in demselben Jahre nicht mehr zum 
Schossen gelangt, dafs dagegen solches, aus niederen Breiten bezogen, 
bei uns sich wie Sommergetreide verhält. 

Bei dem groisen Interesse, das sich allseitig den Kolonien zu- 
wendet, ist es nötig, die tropischen Verhältnisse näher in Betracht zu 
ziehen. Hier erlangen die Temperaturdifferenzen auf dem Lande und 
zwischen Land und See eine erhöhte Bedeutung. So berichtet beispiels- 
weise FEsca?) betreffs der starken Erwärmung des Landes bei direkter 
Bestrahlung gegenüber dem Meer, dafs die Temperatur der tropischen 
Meere selten mehr als 30° ©. beträgt, während das Gestein sich auf 
60 bis 70° ©. erhitzt. PrcHuEL-LoEscHE beobachtete an der Westküste 


!) Fr. Hasertasor, Über die Akklimatisation und den Samenwechsel. Österr. 
landw. Wochenbl., 1875, Nr. 1. ER 
?) Pflanzenbau in den Tropen und Subtropen. S. 23. 


Sorauer, Handbuch, 3. Aufl. Erster Band. ) 


130 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


von Afrika in 5° s. Breite zwischen 1. Januar und 4. März nicht 
weniger als 365mal eine Bodentemperatur über 75° ©. Demgegenüber 
aber stehen nächtliche Abkühlungen auf 15° C. und weniger. Tages- 
schwankungen der Bodentemperatur von 30 bis 40° CO. werden in den 
Tropen häufig sein, wogegen die Tagesschwankungen des Meeres 
höchstens 1° C. betragen dürften. 

Infolge der verschiedenen Erwärmung von Land und Meer muls 
am Tage bei der intensiven Bestrahlung über Land ein Minimum ent- 
stehen, welchem die Luft vom Meere her zuströmt; umgekehrt in der 
Nacht. Diese See- und Landwinde sind bei den stärkeren Gegensätzen 
der Erwärmung von Land und Meer in den Tropen und Subtropen be- 
deutend intensiver und ein Faktor, mit dem zu rechnen ist. Die Luft 
über dem Meere ist nach Sao!) beinahe frei von Schimmelpilz-, 
Bakterien- und Hefekeimen, während die Luft über dem Lande (unter- 
sucht wurde Strafsen- und Gartenluft in Tokyo) namentlich in feuch- 
ten und warmen Perioden besonders keimreich ist. Der Seewind wirkt 
somit luftreinigend. Nach den Polen hin nehmen die Seewinde ab, da 
das Meer allmählich eine höhere mittlere Wärme annimmt wie das Land 
und auch die Tagesschwankungen des Bodens geringer werden. 

Den periodischen Tageswinden entsprechen durch die starke Er- 
wärmung der grofsen Kontinente aus demselben Grunde die wechselnden 
Jahreswinde, die Monsune, denen die Vegetation sich anpassen mulfs. 

Von der Lage zum Meer und der Höhe der Temperatur sind auch 
die als Regen auftretenden Niederschlagsmengen abhängig und dem- 
entsprechend sind diese im warmen Seeklima am stärksten, im Kontinental- 
klima am geringsten. Den deutschen Nordseeküsten entspricht ungefähr 
ein Jahresmittel von 9° ©. Bei 80% Sättigung würde die Luft 7,26 g 
Wasserdampf im Kubikmeter enthalten. Wenn sich die Luft auf 4°C. ab- 
kühlt, so vermag sie nur noch 6,9 & Wasserdampf pro Kubikmeter zu halten, 
und es mufs sich also die Differenz als Niederschlag ausscheiden. Wenn 
eine Tropenluft von 25° ©. bei derselben Sättigung (80/0) sich be- 
findet, enthält sie 18,48 & Wasserdampf und scheidet bei einer Ab- 
kühlung um 5° C. 1,18 & Wasser pro Kubikmeter aus. Diese Nieder- 
schlagsmenge beträgt also mehr als das Dreifache von der bei der- 
selben Temperaturerniedrigung betroffenen Luft von 9°C. an den 
Nordseeküsten. Daraus erklären sich die starken tropischen Regen- 
fälle und namentlich die starke Taubildung, die stellenweis als 
einzige Wasserquelle für eine gewisse Zeit in heifsen Klimaten aus- 
reichen mufs. 

So wenig bei Anbauversuchen die Bodenanalysen und die Tempe- 
raturmittel einen irgend genügenden Einblick in eine etwaige Nährstoff- 
verwertung seitens der Kulturpflanzen bieten, ebensowenig kann der 
jährliche Regenfall einen Anhalt über die Feuchtigkeitsverhältnisse 
einer Gegend geben. Denn es kommt wesentlich auf die Boden- 
verhältnisse und die Verteilung der Niederschläge auf die einzelnen 
Monate an. Die Wüste Sahara empfängt (s. Frsca) in einem grofsen 
Teile ihres Gebietes die gleiche und eine gröfsere Regenmenge, die 
für Deutschlands Ackerbau als ausreichend gilt (60 cm), ohne dafs dort 
ein wesentliches Ergebnis erzielt würde. Denn auf einem stark er- 
hitzten Boden verdunstet die gröfste Menge der Feuchtigkeit sofort. Die 


1) Sımo, Untersuchungen über die atmosphärischen Pilzkeime. Journ. College 
of Science, Tokyo. Vol. XVII. 


4. Kontinental- und Seeklima.; 131 
erwünschteste Verteilung der Regen in den Tropen ist nicht die gleich- 
mäfsig über das ganze Jahr sich erstreckende, sondern diejenige, die bei 
uns besteht, nämlich dafs zu Beginn der Vegetationszeit eine Periode 
reichlicher Niederschläge sich einstellt und dann eine Zeit der Trocken 
heit. folgt. Die in der Regenzeit reichliche Bewölkung trägt zur Her 
stellung der kühleren Temperatur, die zur Entfaltung der vegetativen 
Organe besonders günstig ist, wesentlich bei. 

Im Seeklima ist die Bewölkung stärker als im Kontinentalklima. 
In den Gebieten grofser Lufttrockenheit, wie z. B. am Mittelmeer- 
becken, sind mehrfach im Jahresmittel nur 20%, in den trockensten 
Monaten oft nur 10° des Himmels bewölkt, in den feuchten Tropen 
nicht selten mehr als 80%. Da aber die Bewölkung die Bestrah- 
lung und Ausstrahlung vermindert, so mufs in den niederen Breiten 
eine Erniedrigung, in den höhern Breiten eine Erhöhung der Temperatur 
stattfinden. Diese Temperaturerniedrigung und Bewölkung sind für 
manche Kulturen ein Bedürfnis und dürfen nicht aufser acht gelassen 
werden, und wir glauben beispielsweise mit ZIMMERMANN!), dats manche 
Erkrankungen in den Kaffeeplantagen, namentlich das übermäfsige 
Fruchttragen, auf die mangelnde Berücksichtigung des Schattenbedürf- 
nisses zurückzuführen sind. Ebenso möchten wir glauben, dafs die 
reichlichen Pilzkrankheiten, die seit Beginn der Teekultur im Kaukasus 
in einem Zeitraum von 15 Jahren aufgetreten), zum Teil in den Ab- 
weichungen des kaukasischen Klimas von dem der Heimat des Tees 
ihren Grund haben. 

Dafs sich die Entwicklung des Pflanzenleibes den einzelnen Kom- 
binationen der klimatischen Wachstumsfaktoren anpalst, ist selbstver- 
ständlich, und die neuere Biologie berücksichtigt nunmehr auch. diese 
Umstände, wie z. B. die Arbeit von Hanssıra®?) zeigt, der von steno- 
phyllen Windblättern (wie bei dem Weidentypus), von Leder- und 
Windblättern (Palmentypus), von xerophilen Lederblättern (Myrtus, 
Laurus), von Taublättertypen (Bromeliaceen, Pandaneen), Dickblättern 
(Crassula- und Mesembryanthemumtypus) usw. spricht. Das am meisten 
in die Augen springende Beispiel bildet die Strandvegetation mit ihrem 
Halophytencharakter. Die fleischige und glasige Beschaffenheit der 
Vegetationsorgane führt Brick *) auf die reichlichen Natronsalze zurück, 
die einen äufserst starken Turgor im Parenchym veranlassen. 

Je mehr wir Beweise dafür sammeln, dafs der Organismus sich 
den klimatischen Faktoren anpafst, desto mehr werden wir von der 
Fehlerhaftigkeit der Anschauung überzeugt werden, dafs man straflos 
die klimatischen Sippen, die sich bei jeder Kultursorte bilden, 
beliebig verschieben könne. Wenn auch die Gesamtsummen der 
klimatischen Faktoren in zwei räumlich weit entfernten Örtlichkeiten 
übereinstimmen mögen, so ist damit noch keine Garantie für das gleich- 
gute Gedeihen in der neuen Heimat gegeben, da die Verteilung von 


1) Zimmermann, Sonderberichte über Land- und Forstwirtschaft in Deutsch- 
Ostafrika. Bd. I, Heft 5. 1903. 

2) Spescunew, Travaux du jardin bot. de Tiflis VII, 1. Verhandl. d. Internat. 
landwirtsch. Congresses in Rom 1903. 

3) Hanscıre, A., Phyllobiologie nebst Übersicht der biologischen Blatttypen usw. 
Leipzig, Bornträger, 1903. 

+) Brick, Beiträge zur Biologie und vergleichenden Anatomie der baltischen 
Strandpflanzen. Cit. Bot. Jahresb. 1888, I, S. 765. 


9* 


132 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


Licht, Wärme und Feuchtigkeit auf die einzelnen Wachstumsperioden 
sich ganz verschieden erweisen kann. Die zahlreichsten Beweise liefern 
die Erkrankungen derjenigen Neuholländer- und Kappflanzen, die, einem 
trocknen Klima angepafst, ihr Leben in unseren sonnenarmen, feuchten 
Glashäusern zubringen müssen. Stamm- und Wurzelfäule, Zweigsterben 
durch Botrytis usw. schädigen die Kulturen in jedem Winter bedenk- 
lich. Das sog. Abstocken der Triebe von Pimelea, Chorizema, Pulte- 
naea, Correa, Boronia, Agathosma und Borosma, von Helichrysum, Humea 
u. del. ist eine Folge der nicht zu überwindenden grofsen Luftfeuchtig- 
keit in unseren Vegetationshäusern. 


5. Einflufs des Waldes. 


Der Einflufs der Lage und Bodenbeschaffenheit auf die Vegetation 
wird lokal modifiziert durch die Bewaldung, und diesem Punkte hat 
die Pathologie eine erhöhte Aufmerksamkeit zuzuwenden. Der Wald 
ähnelt in seinem Einflufs gröfseren Wasserflächen; denn da die orga- 
nische Substanz eine höhere specifische Wärme als die Mineralsubstanz 
besitzt, wird der bewachsene Boden bei gleicher Besonnung sich weniger 
stark erwärmen als das nackte Gestein oder der Sand. Die Sommer- 
hitze wird also durch Wald gemildert. Bei der reichlichen Verdunstung 
des Laubkörpers der Bäume wird die Luft eine um so feuchtere sein, 
je dichter der Bestand und je geringer die Luftbewegung ist. Ent- 
sprechend der stärkeren Verdunstung dürfte über den Wäldern leichter 
Wolkenbildung erfolgen, und dieselbe wird auch nicht so leicht zer- 
streut werden. Da der relative Feuchtigkeitsgehalt der Luft m und 
über dem Walde gröfser ist, wird leichtere und reichlichere Taubildung 
eintreten. Die Wucht der Regengüsse wird vermindert. Da die 
scharfen Regen, namentlich bei geneigter Lage, vom Erdreich nicht so 
schnell aufgenommen werden können, rinnen die Wassermassen vom 
nackten Boden ab und spülen dabei die feinen humosen Teile der 
Felder von der Höhe in die tieferen Lagen. Der Feldbestand wird bei 
jährlicher Wiederholung dieses Vorganges derartig geändert, dafs die 
hohen Lagen verarmen und ein nur wenig fruchtbares Bodenskelett 
zurückbehalten, während in der Niederung die Humusschichten an- 
wachsen. Mit der Verarmung an Humus sinkt die wasserhaltende Kraft 
des Bodens, und der Rücken des Feldes zeigt allmählich Schädigungen 
durch Wassermangel. Bei schweren Böden führt das beständige Auf- 
schlagen der Tropfen bei starken Regen langsam zur Verkrustung. 

Allen diesen Übelständen begegnet der Wald, dessen Baumkronen 
den Regen auffangen und teilweis behalten. Trotzdem dringt genügend 
Wasser hindurch und rinnt an den Stämmen abwärts, wird vom Moos 
oder selbst vom dürren Laub des Laubwaldes an der Bodenoberfläche 
oder der Krume zurückgehalten und kommt der Vegetation zugute. 
Einige positive Zahlen über die hier theoretisch erörterten Verhältnisse 
entnehmen wir dem „Dlustrierten Forst- und Jagdlexikon* von Fürst!). 
Gestützt auf die Beobachtungen der forstlichen meteorologischen 
Stationen wird angegeben, dafs die Lufttemperatur im Jahresdurch- 
schnitt unter dem geschlossenen Kronendach der Bestände etwa 0,8% C. 
niedriger als im Freien ist. Die Differenz ist im Sommer am grölsten 


1) Illustriertes Forst- und Jagdlexikon, II. Aufl. Herausg. Dr. Hermann Fürst. 
Berlin 1904, Paul Parey. S. 384. 


5. Einflufs des Waldes. 133 


(bis 3° C.), während sie im Frühling und Herbst dem Jahresdurchschnitt 
eleichkommt und im Winter fast verschwindend ist. „Die Temperatur- 
schwankungen sind unter dem Kronenschirm geringer als im Freien.“ 

Die Temperatur des bewaldeten Bodens ist zu allen Jahreszeiten 
um 1 bis 3° C, niedriger als diejenige im Freilande. Die absolute 
Feuchtigkeit ist im Walde und im Freien nicht verschieden, dagegen 
wegen der niedrigeren Temperatur die relative Feuchtigkeit im Walde 
während des Winters, Frühjahrs und Herbstes um 4 bis 8°/o, im Sommer 
um 12 bis 20°'o höher als im Freien. Die Verdunstung einer freien 
Wasserfläche ist im Walde um 50 bis 60:%/0 geringer als im freien Lande; 
„die Verdunstung des Wassers aus dem Boden wird um 80 bis 90 %o 
herabgesetzt.“ Von den Niederschlägen werden je nach Holzart, Alter 
und Schlufs der Bestände sowie der Stärke des Niederschlages 10 bis 
50° von den Baumkronen zurückgehalten, bei schwachem Regen viel- 
fach 100 %0; im allgemeinen gelangen 60 bis 80% an den Waldboden. 
„Im mittleren Europa wird durch den Bestandesschlufs die Jahres- und 
die Sommertemperatur um 1 bezw. 2 bis 3° ©. erniedrigt, die relative 
Feuchtigkeit um ca. 5°o bezw. 15/0 erhöht.“ 

Da man die Gröfse der Fernwirkung von ausgedehnten Waldungen 
noch nicht festgestellt hat, so bleibt die Frage des Einflusses der. Be- 
waldung auf das Klima eine offene; aber eine Wirkung des Waldes 
auf seine unmittelbare Umgebung wird nicht abzuleugnen sein, und 
gerade diese kommt vom Standpunkt der Phytopathologie in Betracht. 

Der Unterschied in der Insolation, die im Walde sehr gering, im 
freien Felde sehr schnell und stark durch Erwärmung des Bodens und 
seiner darüberliegenden Luftschichten sich geltend machen mutfs, wird 
eine ausgleichende Luftströmung erzeugen müssen, die namentlich im 
Frühjahr, zur Zeit des Erwachens der Baumvegetation, von grofser 
Bedeutung werden kann. 

Einen Einblick in das Leben der Waldvegetation geben die Unter- 
suchungen von HESSELMANN!). Er beobachtete das innerhalb der Baum- 
kronen sich vollziehende regelmäfsige Absterben der Zweige und fand, 
dafs deren Blätter bei Esche, Birke und Eberesche noch stark, bei 
Haselnufs merklich weniger in assimilatorischer Tätigkeit begriffen 
waren. Wenn gut beleuchtete Zweige absterben, sind. Korrelations- 
erscheinungen dabei im Spiele. Die schattenertragenden Bäume bilden 
ausgeprägte Licht- und Schattenblätter aus; die lichtbedürftigen Bäume 
zeigen diese Differenz nicht. Die Assimilationstätigkeit der Bodenflora 
ist in den unbelaubten Baum- und Strauchbeständen im Frühling sehr 
lebhaft und sinkt mit der Belaubung — bei den Schattenpflanzen infolge 
der Blattstruktur langsamer als bei Sonnenpflanzen — bis zum gänz- 
lichen Aufhören. Mit dem verminderten „Nahrungskonsum“ sinkt auch 
die Atmungsintensität. Abgeschnittene Schattenblätter von Convallaria 
majalis u. a. bilden sowohl in der Sonne wie im Schatten mehr Stärke 
als ebenso behandelte Sonnenblätter und zersetzen bei demselben 
Lichtgenufs rascher Kohlensäure als diese. Übrigens erwies sich bei 
Convallaria die Stärkespeicherung um so geringer, je trockner der 
Boden war. Gleichgrofse Blattflächen von Blättern mit Palisaden- 
zellen transpirieren weit stärker als diejenigen, deren Blätter die 
Schattenblattstruktur besitzen. 

!) Hesser.vans, Hexorıx, Zur Kenntnis des Pflanzenlebens schwedischer Laub- 
wiesen. Jena, Fischer, 1904. Cit. Bot. Centralbl. v. Lorsv, 1904, Nr. 49. 


134 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


Aus diesen Angaben geht deutlich hervor, welche tiefeingreifenden 
Änderungen in der Ökonomie der stehenbleibenden an den Schatten 
bisher gewöhnten Bäume durch ihre plötzliche Lichtstellung bei dem 
Niederschlagen von Waldpartien sich vollziehen müssen. In Park- 
anlagen yächt sich eine zu starke plötzliche Auslichtung durch Ent- 
fernung zahlreicher Bäume nicht selten durch teilweises oder sänzliches 
Absterben der Baumkronen bei den stehengebliebenen Exemplaren. 

Wir müssen unsere Aufmerksamkeit auch noch auf einen anderen 
Punkt lenken: 

Man betrachte einmal die mit Obstbäumen bepflanzten Chausseen 
in der Ebene, namentlich die Kirschalleen, und man wird Beispiele 
genug finden, bei denen die Stämme auf der Süd- oder Südwestseite 
aufgesprungen , mit Fetzen abgeplatzter Ringelborke bedeckt sind und 
häufig auch noch Gummiklumpen an den Wundstellen erkennen lassen. 
Die Untersuchung ergibt alle Merkmale der Frostbeschädigungen, und 
diese erklären wir damit, dafs die von Wald entblöfste Ebene gefähr- 
lich werdenden Temperaturextremen im Frühjahr ausgesetzt ist. Die 
Februar- und Märzsonne mobilisiert frühzeitig die Reservestoffe, indem 
sie sich in ihrer ganzen Intensität an die Stämme anlegt und durch 
die Bodenreflexion in ihrer Wirkung verstärkt wird, und das wasser- 
und zuckerreichere Gewebe erliegt sodann einer Frostwirkung. Eine 
feuchtere Atmosphäre in der Umgebung von Wasser- oder Waldflächen 
ist temperaturausgleichend und trostschützend. 

Selbstverständlich wirken in Gegenden mit gröiseren Boden- 
erhebungen, wo sich die Differenzen zwischen Tal und Berg bereits 
bemerklich machen, diese bestimmend und oft ausschlaggebend mit; 
aber in der Ebene wird die Bewaldung zum sehr beachtenswerten 
Faktor. Das Niederschlagen gröfserer Waldbestände in weiten Ebenen 
rächt sich nicht nur vielfach am Besitzer allein, sondern auch in der 
weiteren Umgebung, indem es die Gefährdung durch die Spätfröste 
steigert. In dieser Beziehung glauben wir, dals namentlich viele kleine 
Waldbestände, durch eine grofse Ebene verteilt, von Nutzen sein werden; 
denn auf eine bedeutende Fernwirkung eines einzigen groisen Waldes 
dürfte kaum zu rechnen sein. 

Anerkannt ist ferner der Nutzen des Waldes als Windschutz, falls 
nicht Gebirgsrücken denselben übernehmen. Wie jede Lichtseite aber 
auch ihre Schattenseite mit sich bringt, so finden wir auch schädigende 
Einflüsse des Waldes auf die angrenzende Feldflur. Je nach seiner Lage 
zum Felde kann der Wald die meist von Westen kommenden sommer- 
lichen Regengüsse abhalten, so dafs wir trockne, windstille Feldstreifen 
in der unmittelbaren Nähe eines Waldes erhalten ; oder der Wald läfst im 

segenteil den Feldstreifen für die Regen zugänglich und verhindert 
eine erwünschte schnelle Abtrocknung der Saaten. Im ersteren Falle 
kann der Waldsaum ein schützender Zufluchtsherd für schädliche In- 
sekten werden. So ist mehrfach beobachtet worden, dafs die Zwerg- 
cikade von trocknen Waldrändern aus ihre Überflutung der Äcker be- 
gonnen hat. Als Beispiel der Begünstigung von Krankheitserregern 
durch eine lange sich haltende Feuchtigkeit in der Nähe des Wald- 
saumes dienen die Meldungen über gröfsere Intensität der Erkrankung 
des Getreides durch Fuceinia, Ophiobolus und Leptosphaeria herpo- 
trichoides. Ferner sind die Erfahrungen von GOFTHE!) über die Be- 


!) Ruvonen Gorinz, Über den Krebs der Obstbäume. Berlin 1904, Paul Parey. 


1. Beschränkter Bodenraum. 135 


günstigung anzuführen, welche der durch Nectria ditissima hervor- 
gerufene Pilzkrebs der Obstbäume durch den Standort erfährt. Die 
Neigung zur Krebserkrankung wird durch einen erhöhten Feuchtigkeits- 
gehalt der Luft begünstigt, wie ihn die oberen Lagen gebirgiger 
Gegenden oder auch kalte Talböden darbieten. „Die Bäume zeigen 
an solchen Stellen dürftiges Wachstum und sind mit Moosen und 
Flechten bedeckt. Ahnliches beobachtet man in der Nähe von aus- 
gedehnten Wäldern, aus denen bis in den Sommer hinein kühle, feuchte 
Luft strömt.“ 


Zweites Kapitel. 
Ungünstige physikalische Bodenbeschaffenheit. 


1. Beschränkter Bodenraum. 
Die Wurzelkrümmungen. 


Für den praktischen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb spielt 
die Frage der Beschränkung des Bodenraumes, wenn damit nicht 
Nährstoffmangel verbunden ist, eine untergeordnete Rolle; denn die 
Ernährungsstörungen, die durch Überwachsen und Reiben dicht an- 
einandergeprefster Wurzeln oder deren Einwachsen zwischen Gesteins- 
spalten entstehen, erlangen keine wirtschaftliche Bedeutung. Anders 
dagegen liegt die Sache bei dem gärtnerischen Betriebe und der 
Zimmerkultur der Pflanzenliebhaber. 

In diesen Kreisen sind aber die Meinungen über einen Einflufs des 
allzugeringen Bodenraumes für die Wurzelausbreitung sehr geteilt. 
Vorherrschend und auch seitens mancher Agrikulturchemiker aus- 
gesprochen ist die Ansicht, dafs die mechanischen Wirkungen bei 
dicht aneinandergeprefsten und in mannigfachen Krümmungen durch- 
einandergewirrten Wurzeln ohne Einflufs auf das Gedeihen der Pflanzen 
sind. Es könne sich bei beschränktem Bodenraum immer nur darum 
handeln, dafs ein Nährstoffmangel sich schnell geltend mache, und diesem 
sei mit Vorteil durch Düngung abzuhelfen. Der beste Beweis liege in 
der Anzucht der sog. „Marktpflanzen“ der Gärtner in grolsen 
Städten, die, dem Geschmack des Publikums entsprechend, äufserst 
kräftige Büsche von Blütenpflanzen (Fuchsien, Pelargonien, Begonien usw.) 
in relativ sehr kleinen Blumentöpfen heranzuziehen wissen. 

Die Tatsache ist richtig, die Deutung aber unzutreffend. 

Die Beschränkung einer grofsen Wurzelmasse auf einen kleinen 
Raum hat zunächst die Vermehrung der Wurzelkrümmungen zur Folge, 
und diese Krümmung bildet die Veranlassung zur gesteigerten Pro- 
duktion von Seitenwurzeln. Diese Erscheinung läfst sich leicht bei Wasser- 
kulturen beobachten. Wenn eine stärkere Wurzel den Boden des Glas- 
gefäfses erreicht, und die Spitze sich nun umzulegen gezwungen Ist, 
entstehen alsbald neue Seitenwurzeln. NorL!) hat diesem Umstande 
ein besonderes Studium gewidmet. Er fand, dafs an gekrümmten 
Wurzelstrecken die Seitenwurzeln einseitig auf der Konvexflanke an- 


1). Nort, #'., Über den bestimmenden Einflufs der Wurzelkrümmungen auf Ent- 
stehung und Anordnung der Seitenwurzeln. Landwirtsch. Jahrbücher XXIX (1900). 
S:o6l: 


136 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


gelegt werden. Die Konkavflanke bleibt frei; dies trifft für Haupt- und 
Nebenwurzeln zu, und zwar nicht blofs bei mechanischen Einflüssen, 
sondern auch bei geotropischen und hydrotropischen Reizwirkungen. 
Portock'} wies dabei nach, dafs die gekrümmten Wurzeln auf der kon- 
vexen Seite in ihren Zellen mehr Wasser als auf der konkaven Seite 
enthalten. 

NorL schreibt dieses Hervortreten nener Seitenwurzeln an der 
Krümmungsstelle einem Empfindungsvermögen der Pflanze für Form- 
verhältnisse des eigenen Körpers (Morphästhesie) zu. Man kann 
diesen Ausdruck annehmen, wenn man darunter eine mechanische Stoft- 
verschiebung versteht, die infolge des Krümmungsreizes in den ge- 
reizten Geweben sich einstellt. Der Vorgang dürfte ähnlich dem bei 
direkter Verwundung eintretenden verlaufen, bei welchem eine Plasma- 
anhäufung in den der Wundfläche benachbarten Zellen sich nachweisen 
läfst. Selbstverständlich begegnet man auch Seitensprossungen an 
konkaven Stellen gekrümmter Wurzeln; aber in solchen Fällen war die 
Anlage des Seitenorgans schon vorhanden, bevor die Krümmung der 
Mutterwurzel stattgefunden hatte. 

Bei dem Wachstum der Bäume im Freien kann der Umstand der 
Entwicklung von Seitenwurzeln an der Konvexseite praktischen Vorteil 
haben, indem die Pflanze fester verankert wird und sich Bodenräume 
zur Nährstoffausnutzung aussucht, die sonst vielleicht von Wurzelästen 
nicht durchzogen worden wären. Aber in dem Falle, wo der Gesamt- 
wurzelballen nur einen bestimmt zugewiesenen engen Bodenraum zur 
Verfügung hat, wie bei den Topfkulturen, entstehen Nachteile, die in 
der Produktion der organischen Substanz zum Ausdruck kommen müssen. 
Dieser Nachteile können wir uns schon bewufst werden, wenn wir 
einen sog. durchgewurzelten Topfballen näher betrachten. Die gröfste 
Menge der jungen Wurzeln ist nach der Peripherie gedrängt und derart 
der porösen Wandung des Blumentopfes angeprefst, dafs bei dem Ab- 
heben des Topfes zahlreiche Fasern abreifsen. Ein Teil der Wurzel- 
fasern ist band- oder hautartig verklebt und abgestorben. Letzterer 
Umstand fällt namentlich bei Palmen und Dracaenen ins Auge, bei 
denen die toten Wurzeln nur noch aus der Stele, dem Achsenzylinder, 
und dem wie eine papierartige Hülse zusammengetrockneten äufseren 
Rindenkörper bestehen. 

Das Hinstreben der Wurzeln nach der Topfwandung ist dem Sauer-: 
stoffbedürfnis des Wurzelkörpers zuzuschreiben. Dasselbe kann natürlich 
um so weniger befriedigt werden, je dichter das Wurzelnetz den 
Erdballen durchsponnen hat. Dazu kommen nun die eigenen Aus- 
scheidungen des Wurzelkörpers. Betreffs derselben stellte 
ÜUzapeX?) fest, dafs sie sowohl in feuchter Luft als auch bei Wasser- 
kulturen nachweisbar sind. Im dampfgesättigten Raume bemerkt man 
dieselben nicht selten in Gestalt von Tröpfehen an den Wurzelhaaren 
infolge starken Innendruckes der Zellen. 

Ausgeschieden werden minimale Mengen von Kali, Kalk, Magnesia, 
Salzsäure, Schwefelsäure und Phosphorsäure, von denen das Kalium- 
phosphat, das die bekannte Rötung des Lackmuspapiers veranlafst, etwas 


!) Porrock, James, The mecanismn of root curvature. Botan. Gaz. Chicago, 
XXIX, 1900. S. 1#£. 

2) Czarek, Fr., Zur Lehre von den Wurzelausscheidungen. Jahrb. für wiss. 
Bot. 1896. Bd. 29. Heft III. 


1. Beschränkter Bodenraum. 137 


reichlicher hervortritt. Bezüglich der Säuren fand Czarek, dafs Milch- 
säure und Essigsäure sich nicht nachweisen liefsen; dagegen war 
Ameisensäure in Form des Kaliumsalzes als Diffusionsprodukt der 
lebenden jüngsten Wurzelpartien nicht selten aufzufinden. Bei der 
Hyazinthe wurde Kaliumoxalat ausgeschieden. Vor allem aber kommt 
die Kohlensäure in Betracht, welche auch .das Anätzen der Gesteine 
vorzugsweise übernimmt, indem sie entweder in dem Membranwasser 
der Wurzelhaarzellen oder im Wasser der Bodeninterstitien gelöst 
auftritt. 

Mit diesen Wurzelausscheidungen, namentlich dem Monokalium- 
phosphat, und der Kohlensäure ist nun zu rechnen. Bei den Topt- 
kulturen handelt es sich besonders um die letztere, die in grofsen 
Mengen um so mehr im Wurzelballen zurückgehalten wird, je dichter 
derselbe verfilzt und je nasser derselbe von dem Züchter gehalten wird. 
Die Kohlensäureproduktion wird aufserdem bedeutend durch den Atmungs- 
prozefs der Mikroorganismen im Boden vermehrt, welche zum Aufbau 
ihres Leibes die Kohlenhydrate und andere organische Substanzen zer- 
setzen. StokLass!) fand z. B. im Waldboden Alkohol, Essigsäure und 
Ameisensäure, bis schliefslich Kohlendioxyd nebst Wasserstoff gebildet 
wird; letzterer oxydiert wohl gröfstenteils zu Wasser. Das Absterben 
eines Teils der Wurzeln durch Sauerstoffmangel und Kohlensänure- 
überschufs ist also ein allmählich zur Geltung kommender Prozefs bei 
der Kultur der Pflanzen in kleinen Töpfen, auch wenn man den- 
selben durch Düngung überreichlich Nährstoffmaterial zuführt. Wird 
aber mit einer fruchtbaren Erde allein ohne nachträgliche Zufuhr von 
Dungstoffen gearbeitet, so kommt der Umstand hinzu, dafs die an den 
Topfwänden sich dicht verfilzenden Wurzeln tatsächlich gar nicht mehr 
an den Erdballen herankommen, weil sie über ältere gelagert sind. In 
solchen Fällen können sie das Bodenkapital für den Haushalt der Pflanze 
nicht mehr nutzbar machen. 

Dafs der übermäfsig beschränkte Bodenraum an sich die Produktion 
herabdrückt, beweisen die alten Versuche von HELLRIEGEL?). Diese Ver- 
suche wurden in der Art ausgeführt, dafs mannigfache, sowohl ein- 
jährige wie mehrjährige, landwirtschaftliche Kulturgewächse (Gerste, 
Erbsen, Buchweizen, Klee usw.) in verschieden hohe Glasgefälse in 
möslichst gleichmäfsige Gartenerde gesät wurden und unter Beobachtung 
aller für die Sand- und Wasserkulturen geltenden Kautelen auf dem 
Vegetationswagen gepflegt wurden. Um den Vorwurf auszuschliefsen, 
dafs bei den erlangten Resultaten nicht das verschiedene Bodenvolumen, 
sondern das durch dasselbe repräsentierte gelöste verschiedene Nähr- 
stoffguantum den Ausschlag gegeben habe, wurden Parallelversuche mit 
reicher Düngergabe unter sonst ganz gleichen Verhältnissen angestellt. 
Das Ergebnis dieser Versuche war. dafs sich gar kein Unterschied in 
der Produktion zugunsten der gedüngten Pflanzen zeigte, dafs somit 
die nicht gedüngten alles, was sie an Nährstoffen für ihre Produktion 
brauchten, in der ungedüngten Gartenerde vorgefunden haben mutsten. 
Ein indirekter Beweis lag auch noch in den Versuchsresultaten, welche 
die ungedüngten Pflanzen bei Vergleich miteinander lieferten. 


1) Srokrasa und Erxesı, Über den Ursprung, die Menge und die Bedeutung des 
Kohlendioxyds im Boden. Centralbl. f. Bakteriologie usw. II. Abt. Ba. XIV. 
1905. S. 723. 


2) Herırıeser, Beiträge zu den naturwissenschaftlichen Grundlagen des Acker 
baues. Braunschweig, Vieweg, 1883. S. 184—224. 


138 H. Krankheiten’durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


Die Ernte zeigte nämlich, dais der Klee in seinem ersten Lebens- 
Jahre ungefähr ebensoviel Trockensubstanz produziert hatte wie die 
übrigen Pflanzenarten. Dies hinderte aber nicht, dafs derselbe im 
zweiten Jahre auf demselben Boden eine zweite, und zwar eine zwei-, 
resp. dreimal so grofse Ernte erzeugte und selbst in einem dritten 
Jahre noch so viel Pflanzensubstanz produzierte wie im ersten Jahre. 
Man sieht daraus, dafs bei keinem der Versuchstöpfe die Nährstoff- 
menge eine Rolle spielen konnte, da überall Nährstoffe im Überschufs 
vorhanden waren. 

Wenn nun dennoch die Ernte an Trockensubstanz eine mit der 
Getäfsgröfse steigende war, so war dieses Ergebnis lediglich dem Ein- 
tlufs des Bodenvolumens zuzuschreiben. 

Die Versuchspflanzen standen in Glaszylindern von unten bezeich- 
neten Dimensionen und Inhalt. erhielten stets an Wasser zwischen 30 
bis 60°%/o der wasserhaltenden Kraft des Bodens und ergaben: Klee: 


Höhe des lichten Erdinhalt Erntetrockensubstanz 
Zylinders Durchmesser’? lufttrocken ganz trocken in den Jahren 1872, 1873, 1874 
1.96—99cm 14 cm 19,500 g = 18,600 g 417,2 g mit 6,92°/0 Reinasche 
11.65—67 „ 14.,% 13.000 g= 12,400 g 254,6 5 6,970 R 
III. 34—35 „ 14 „ 6,500 g — 6.200 Ri 173,0 & „ 808% a 
17. 18,07, Pit, 3,250 g = .3,100 & 16,8 9%, 8,450) ; 


Da bei den Gefäfsen mit sehr grofsem Bodenvolumen durch das 
zu Anfang stattfindende plötzliche Zuführen der grofsen Wassermengen, 
die den Boden auf 60° seiner Wasserkapazität sättigen sollten, ein zu 
groises Festsetzen und daher ein etwas abnormes Verhalten einiger 
Pflanzen eingetreten war, so hat HELLRIEGEL in seinen Emntetabellen 
besonders die Ergebnisse von Gröfse III und IV herangezogen. Dabei 
stellte sich heraus, dafs bei den Erbsen eine Bodenmenge von 


3100 & an Trockensubstanz 29,97 
6200 © ö 47.94 


Erbsen, also Verhältnis des Bodens 1:2, 
Ss a . der Ernte 1:1,6 
Bohnen, „ z des Bodens 1:2, 
h s h der Ernte 1:1,8. 


Bei Gerste aus dem Jahre 1872 fanden sich genau dieselben Ver- 
hältnisse in dem Ernteergebnisse wie bei den Bohnen. Wir unterlassen 
die Wiedergabe der anderen Zahlen, da die hier angeführten deutlich 
genug zeigen, dafs, wenn bei zwei gleich weiten, aber verschieden 
hohen Gefäfsen , die beide Nährmaterial im Überflufs hatten und stets 
die zusagende Menge Wasser erhielten, die Bodenmenge sich wie 1:2 
verhielt, die Ernte sich wie 1:1,6 bis 1,83 herausstellte. Es ist also 
ein in die Augen springender Einflufs des Bodenvolumens konstatierbar, 
und es ist nun die Frage, wie sich dieser Einflufs erklären läfst. 

HELLRIEGEL fand, dafs die Höhe des Ertrages im umgekehrten 
Verhältnis zu der Summe der mechanischen Widerstände, 
welche der Entwicklung des Wurzelnetzes der Versuchspflanzen ent- 
gegentraten, stand. 

Wenn die Gärtner bei ihren Marktkulturen scheinbar das Gegenteil 
erzielen, nämlich trotz der kleinen Blumentöpfe sehr schnell gewachsene, 
hoch ausgebildete, oberirdische Achsen, so erklärt sich dies auf folgende 
einfache Weise. Die Gärtner geben äufserst nahrhafte Erden, so dafs 
hochkonzentrierte Lösungen im Boden sich vorfinden. Vergleichende 


im Durchschnitt ergab 


il. Beschränkter Bodenraum. 139 


Messungen aber zeigten mir, dafs der Wurzelapparat in reichen Nährstoff- 
lösungen aus wesentlich kürzeren Asten sich aufbaut als in schwach kon- 
zentrierten; mithin ist tatsächlich also weniger gegenseitige Belästigung 
der Wurzelfasern untereinander vorhanden. Auiserdem aber arbeitet 
der Wurzelkörper in derselben Zeiteinheit bei seinem Aufenthalte im 
Glashause oder Mistbeetkasten weit stärker als dort, wo die Pflanzen 
sich selbst überlassen sind, im Freien; denn diese Glaskästen haben 
sämtlich Bodenwärme. Nun kommt schliefslich noch hinzu, dafs auch 
die oberirdische Achse in Verhältnissen sich befindet, die eine ganz 
besonders schnelle und reiche Ausbildung ermöglichen. Die an Wasser- 
dampf und Kohlensäure reiche Atmosphäre veranlafst eine möglichst 
starke Vergröfserung der einzelnen Zellen unter verhältnismäfsig geringer 
Transpiration; daher die Turgescenz und bedeutende Streckung des 
Laubkörpers, die sich namentlich bei Blattpflanzen geltend machen. Es 
wird also bei den gärtnerischen Kulturen in kleinen Töpfen der 
Wurzelapparat früher und besser aufgebaut und ausgenützt, so dafs die 
Schädigungen der Wurzelkrümmungen und Quetschungen erst zu einer 
Zeit sich geltend machen, in welcher die oberirdische Achse schon eine 
erhebliche Produktion hinter sich hat. Dafs aber die Gärtner die Nach- 
teile der kleinen Töpfe sehr gut kennen und, wenn nötig, auch zu ver- 
meiden wissen, geht aus den sog. „‚Mastkulturen“ hervor. Hierbei 
werden die Exemplare immer wieder in gröflsere Töpfe verpflanzt, 
sobald die Wurzeläste nur einigermafsen zahlreich die Wand des Ge- 
fäfses erreicht haben. 


Der Zwergwuchs (Nanismus). 


Als eine interessante Verwertung des Einfiusses keschränkten 
Bodenraumes möchten wir die im Handel unter der Bezeichnung 
„Japanische oder chinesische Lebensbäume“ befindlichen 
Zweregkoniferen anführen. Die umstehende Figur bringt die Ansıcht von 
einem lebenden Exemplar, das von der altbekannten Firma J. ©. SchaipT 
(Berlin) als Thuja obtusa bezeichnet und uns freundlichst zur Ver- 
fügung gestellt worden ist. Der Baum hat mit dem Topf eine Höhe 
von 86 cm und von der Erdoberfläche an von 60 cm. Die gröfste 
Breite der Krone beträgt 80 cm. Die in mehrfache vorspringende 
Leisten sich teilende Stammbasıs hat 19 cm, der Stamm ın der Kronen- 
höhe, wo die erste Verästelung sich zeigt, 12 cm Durchmesser. Das mit 
dichter Krone versehene gesunde Exemplar, dessen Alter auf 100 Jahr 
geschätzt wurde, sollte 350 Mk. kosten. 

In der Literatur finden sich mehrfach Notizen, welche auf die von 
Japanern und Chinesen geübte Kunst hinweisen, hundertjährige Zwerg- 
exemplare von Bäumen als Tafelschmuck zu ziehen'). 


) In eınem Artikel über „Zwergbildung im Pflanzenreich“ (Gartenwelt 1904 
Nr. 49) zitiert Grusz einen Bericht von Sir Grorgz Sıauxıox aus dem Werke „Des Grafen 
Macartney Gesandtschaftsreise nach China“, Berlin 1798. Sıaunıox sah auf den Tischen 
im Audienzsaale zu Ting-hai Fichten, Eichen und Pommeranzenbäume, deren keiner 
höher als zwei Fufs war und die oft reich mit Früchten besetzt erschienen. Auf 
der Erde des Topfes um die Stammbasis waren Steine aufgeschichtet, die ver- 
wittert und mit Moos überzogen waren, um dem Topfe das Aussehen hohen Alters 
zu geben. „An diesen künstlichen Zwergen aus dem Pflanzenreiche schien man in 
China durchgehends sehr viel Geschmack zu finden: denn wir fanden sie in der 
Folge in jedem einigermafsen angesehenen Hause.“ Es wird dann weiter erzählt, 
dafs die „liliputischen“ Bäume dadurch vermehrt würden. dals man um einzelne 
Zweige Lehm oder Gartenerde befestigt und dieselbe feucht hält, bis die Zweige 


140 Il. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


Unsere Untersuchuug eines Stammstückes von einem abgestorbenen 
Baum zerstört den Nimbus des Wunderbaren, mit dem diese Züchtungen 
Japanischer und chinesischer Gartenkunst bisher umgeben gewesen. 
Eine Holzplatte von Scm Längs- und 6 cm gröfstem Querdurchmesser 
gab das Bild äufserst exzentrischer Jahresringe. Die Entfernung des 
Markkörpers vom Rindenteil betrug auf der einen Stammseite 1,5 em, 
auf der entgegengesetzten 6,5 cm. Die Zählung mit der Lupe liefs auf. 
dieser Stammseite 30 Jahresringe, auf der schmalen nur 15 erkennen. 


FE 


Fig. 15. Zwergexemplar von Thuja obtusa von 60 cm 
Höhe und 80 cm Breite. (Orig.) 


Man sieht an der Stammbasis die Spaltung der oberirdischen Achse 
in eine Anzahl aus dem Topf hervorıagender Wurzeläste. 


Auf der im Wachstum begünstigten Seite fiel es auf, dafs die Breite 
der einzelnen Jahresringe sehr wechselte. Man konnte vier Zonen 


in den Erdballen hinein neue Wurzeln entwickeln und nun abgeschnitten werden. 
Das Verfahren wird nach Unterbinden eines Zweiges oder Gipfeltriebes und Ein- 
hüllung der Schnürstelle mit Moos auch in einzelnen Fällen jetzt noch bei uns 
geübt. Es geschah in China, weil man beobachtet hatte, dafs der künstlich herbei- 

eführte Zwergcharakter erblich werde. Unterstützt wird diese erblich gewordene 

eigung allerdings bei dem neuen Individuum noch dadurch, dafs man die End- 
knospe des Haupttriebes abdreht und denselben durch Draht in verschiedene 
Richtungen biegt. „Will man den Zwergbäumchen das Ansehen eines alten, bereits 
halb abgestorbenen Baumes verschaffen, so bestreicht man den Stamm oft mit Sirup- 
dadurch werden Ameisen herbeigelockt, die, indem sie die Süfsigkeit aufzehren, zu 


1. Beschränkter Bodenraum. 141 


unterscheiden. Jede derselben endete mit sehr schmalen Ringen, 
deren Tracheiden äufserst englumig und durch Verkienung braunwandig 
waren. Sonst war das Holz gesund. Der Rindenkörper entsprach in 
seinen Dimensionen der Holzscheibe, d. h. er war an der engringigen 
Seite 1,5 mm, an der weitringigen 4 mm dick. An einer Schmalseite 
fand sich eine eingebuchtete Stelle, bei der eine geringere Entwicklung 
des Holzkörpers durch eine stärkere, bis 5!/g mm dicke Borkenbildung 
ausgeglichen war. Hier verrät sich in den einzelnen Borkenschuppen 
zwischen den Tafelkorklagen eine Neigung zu Füllkork ähnlicher 
Lockerung. 

Aus dem vorstehenden Befunde ist zunächst ersichtlich , dafs die 
Angaben über das hohe Alter der Bäume irrtümlich sind. Mehr wie einige 
dreifsig Jahre dürften derartige Bäume nicht alt sein, und ihr Zwerg- 
wuchs wird nach unserem Dafürhalten dadurch erzielt, dafs die Pflanzen 
in äufserst kleinen Töpfen bis zur völligen Durchwurzelung derselben ge- 
halten werden. Dann folgt ein Verpflanzen in ein gröfseres Gefäts, 
wobei die Wurzelkrone über den Topf emporgehoben wird, um dem 
Wurzelballen möglichst viel Erde zur Ausnutzung zu gewähren. Nach 
dem Jahre des Verpflanzens entstehen zunächst weite Jahresringe, 
und diese verengern sich dann wieder in dem Mafse, als der Topf 
durchwurzelt wird, bis der Zuwachs ein äufserst geringer geworden ist, 
und der letztgebildete Jahresring nur aus wenigen, gebräunten Herbst- 
holz-Tracheiden sich aufbaut. Auf diese Weise entsteht die stelzen- 
artige, von den frei herausragenden Wurzelästen getragene Stammbasis. 
Wahrscheinlich wird die Krone dadurch dicht erhalten, dafs man die 
Zweigspitzen leicht beschneidet und hiermit eine stärkere Verzweigung 
erzielt. Ebenso dürfte bei dem jedesmaligen Verpflanzen der Wurzel- 
ballen beschnitten werden. Dafs die Bäume feuchtgehalten wurden, 
schliefsen wir aus den vereinzelt auftretenden Füllkorklockerungen in 
der Borke. Jedenfalls dürfte es auch bei uns keine Schwierigkeiten 
haben, Bäume aus den Gattungen Thuja, Thujopsis, Biota, Cupressus 
und ähnlichen durch Beschränkung des Bodenraumes zu derartigen 
zierlichen Zwergformen heranzuziehen. 

Ein entsprechendes Verfahren wird hier und da schon für Laub- 
gehölze empfohlen. Bei der Treiberei der holzigen Blütensträucher ist es 
wünschenswert, kleine, möglichst reichblütige Exemplare zum Verkauf 


gleich die Rinde beschädigen und ihr dadurch ein bräunliches, halbverwittertes 
Ansehen geben.“ 

Ein etwas anderes Verfahren schildert Reın') bei den Japanern, welche die Ver- 
zwergung oder „Nanisation“ als „Tsukurimono“ bezeichnen. Wir finden diesen 
Ausdruck in dem neuen Lehrbuch der Pflanzenkrankheiten von Inrra?) nicht. 
Nach Rxzıy wird schon durch die Auswahl besonders kleiner Samen aus wenig ent- 
wiekelten Individuen auf den Zwergwuchs hingearbeitet. Es kommt hinzu ein 
häufiges Beschneiden und Verpflanzen der Bäumchen in kleine Töpfe, wie wir dies 
aus dem oben im Text beschriebenen Querschnitt erschlossen haben. Ferner werden 
Stamm und Äste gedreht und zur Horizontalen Eu Auch Abkühlung 
des Wurzelballens soll zur Anwendung gebracht werden. Als in Japan zur Zwerg- 
anzucht besonders verwendete Pflanzen werden genannt: die Spielarten von Acer 
palmatum, die durch Einspitzen oder Anplatten „greffe par approche“ veredelt 
werden, ferner Pinus massoniana und P. densiflora, Podocarpus Nageia, Sciadopytis 
vertieillata. Von Obstbäumen eignet sich dazu die Kaki-Pflaume, Diospyros Kaki, 
die Mume-Pflaume, Prunus Mume, und Sakura, Prunus Pseudocerasus, sowle Amygdalus 
Persica. Von Ziergehölzen werden Evonymus japonica und Bambusrohr genannt. 


1) REın, J. J., Japan nach Reisen und Studien. Leipzig, Engelmann, 1886. Bd. II. S. 315. 
2) Arata IperA. Lehrbuch der Pflanzenkrankheiten in Japan. 3. Aufl. Tokio, Shökwabo, 1908. 


142 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


zu haben. Zur Erreichung dieses Zweckes werden die Sträucher in 
kleine Töpfe gepflanzt, zurückgeschnitten und bis zum Frühjahr mög- 
lichst lange in kühlen, dunklen Kellern gehalten, um das Erwachen der 
Vegetation über die natürliche Grenze hinauszuschieben. Eiskeller 
leisten in dieser Beziehung grofse Dienste. Wenn die Vegetation sich 
bereits im Freien bedeutend entwickelt hat, werden die Blüten- 
sträucher herausgebracht. Sie haben dann zur Ausbildung der Triebe 
eine ganz andere Kombination der Vegetationsfaktoren. An Stelle der 
feuchten Frühjahrsluft, der verhältnismäfsig geringeren Sonnenwärme 
und der längeren, kühlen Nächte, erhält die Pflanze trockene, licht- 
reichere, lange Tage mit wenig Niederschlägen. Infolgedessen bleiben 
die Zweige kurz, und die Augen bilden sich leicht zu Blütenknospen aus. 

Nicht überflüssig wird es sein, darauf aufmerksam zu machen, dafs 
man bei Aufbewahrung der Sträucher in warmen Kellern das Gegen- 
teil erreicht, nämlich vollständige Unbrauchbarkeit zum Treiben. Der 
warme, dunkle Aufbewahrungsort erzeugt verspillerte, sehr zeitige 
Triebe, die bei dem endlichen Transport der Pflanzen ins Freie ent- 
weder durch Vertrocknen zugrunde gehen oder allmählich langsam zu 
peitschenförmigen, blütenlosen Ruten erstarken. Das gespeichert ge- 
wesene Material ist im Keller zur Bildung der verspillerten Triebe ver- 
schwendet worden. 

Das häufigste Vorkommnis ist die Verzwergung aus Wasser- 
mangel. Wie jeder Organismus hat auch die Pflanze die Fähigkeit, 
den verschiedenen Verhältnissen innerhalb weiter Grenzen sich anzu- 
passen. Ein Individuum kann, wenn es von Jugend auf an sehr ge- 
ringe Wassermengen gewöhnt wird, mit der Hälfte der Wassersumme 
auskommen, die eine unter Wasserüberschufs sich entwickelnde Pflanze 
derselben Art und Varietät braucht. Natürlich ist der Aufbau des 
ganzen Individuums diesen Verhältnissen angemessen. Eingehendere 
Untersuchungen liegen bei der Gerstenpflanze vor!), welche bei ver- 
schiedenem Wassergehalt des Bodens (10, 20, 40 und 60 °/o der wasser- 
haltenden Kraft) kultiviert worden war. Der günstigste Wassergehalt 
für die Kultur dürfte etwa bei 50—60°/o der Wasserkapazität eines 
Bodens zu suchen sein. 

Im Versuch zeigte sich, dafs die Pflanze selbst bei nur 10 %/o Wasser 
sich mit ihrer Organisation eingerichtet hatte; es war absolut wenig 
Blatt- und Wurzelsubstanz gebildet worden, aber das Verhältnis zwischen 
Körnern und Stroh war das normale: also etwa ebensoviel Trocken- 
substanz in der Form von Körnern als in Form von Stroh. Bei der- 
selben Menge an Nährstoffen im Boden wuchs die Trockensubstanz, je 
mehr die Pflanzenwurzel Wasser zugeführt erhielt. Bei zuviel Wasser 
(also über 60 %0 der wasserhaltenden Kraft hinaus) wurde absolut weniger 
Trockensubstanz produziert, und diese geringere Menge wurde noch 
wertloser, da das Verhältnis zwischen Stroh und Körnern sich zu un- 
gunsten der letzteren änderte. Eine Messung der Blätter ergab, dafs 
dieselben um so länger und breiter wurden, je inehr Wasser gleichmäfsig 
zugeführt worden war. Diese gröfseren Blätter bei stärkerer Wasser- 
zufuhr werden teilweise durch Vermehrung der Zellen, teilweise durch 
eröfsere Ausdehnung derselben bedingt. Wenn die einzelnen Ober- 
hautzellen sröfser sind, dann ist von vornherein anzunehmen, dafs auch 


1) Soraver, Einflufs der Wasserzufuhr auf die Ausbildung der Gerstenpflanze. 
Bot. Zeitung 1873. S. 145. 


l. Beschränkter Bodenraum. 143 


die der Oberhaut angehörenden Atmungsapparate, die Spaltöffnungs- 
zellen, an der gröfseren Streckung teilnehmen, also gröfser sein werden, 
dafs sie aber auch durch die gröfsere Streckung der Oberhautzellen 
weiter voneinander gerückt erscheinen werden. Die direkte Messung 
bestätigte diese Annahme, so dafs also pro Quadratzentimeter eines im 
Wasserreichtum gewachsenen Blattes weniger, aber grölsere Spalt- 
öffnungen zu finden sein werden, als bei den unter Wasserarmut des 
Bodens erwachsenen Pflanzen. Die Untersuchungen von H. MÖLLER!) 
haben festgestellt, dafs solche Pflanzen, welche infolge von Wasser- 
mangel verzwergen (Nanismus), sich in ihrem Aufbau anders ver- 
halten als solche, bei denen eine Verzwergung durch Mangel sämtlicher 
Mineralstoffe in ungenügend konzentrierter Lösung hervorgebracht wird. 
Bei letzteren wird die geringere Breite der Blätter nicht durch ge- 
ringere Breite der Zellen, wie bei Wassermangel, sondern durch ge- 
ringere Menge der Zellen wahrscheinlich veranlafst, da die Messungen 
dieselbe Zellenbreite und dieselbe Gröfse der Spaltöffnungen bei 
Pflanzen aus genügender Nährstofflösung und aus ungenügend konzen- 
trierter Lösung nachwiesen. Diese Differenzen sind erklärlich: es wird 
bei mangelhafter Zufuhr der Gesamtmineralstoffe die Zellvermehrung 
leiden, bei Wassermangel allein dagegen die verminderte Zellstreckung 
in den Vordergrund treten. Wie einige Versuche von MÖLLER mit 
Bromus mollis zeigen, ist dieser Nanismus nicht erblich, da aus Samen 
von Zwergpflanzen Riesenexemplare gezogen werden können. Indes 
erzeugen bei gleichen Vegetationsbedingungen die von normalen Pflanzen 
abstammenden Samen doch kräftisere Exemplare als das von verzwergten 
Pfanzen herrührende Saatgut. 

Der von MÖLtER studierte Fall des Nanısmus aus Nährstoffmangel 
ist auf sandigem Boden nicht selten: dabei spielt der Mangel an Stick- 
stoff die Hauptrolle. Hier pflegt der Nanismus sich dadurch zu 
charakterisieren, dafs sich aufser der allgemeinen Reduktion die Ver- 
hältnisse der einzelnen produzierten Organe zueinander verschieben. 
Im Verhältnis zur Gesamtproduktion erlangt der Wurzelkörper gröfsere 
Ausdehnung, aber die Organe der sexualen Sphäre erleiden einen 
gröfseren Rückgang. Die Anzahl der Blütenanlagen ist äufserst gering. 
An Stelle einer Traube oder Rispe finden wir manchmal nur eine 
einzige Blume, und da, wo eine gröfsere Menge von Blumen angelegt 
ist, produzieren nur einzelne wirklich keimfähige Samen. Daifs die 
Blattformen dabei auch vereinfacht werden, ist leicht zu verstehen. 

Bei Besprechung des Zwergwuchses mufs hier auch derjenigen 
Fälle gedacht werden, die nicht nachweisbar mit den Bodenverhältnissen 
oder sonstigen äufseren Vegetationsfaktoren in Verbindung stehen, 
sondern durch Knospenvariation zustande kommen. Der bisherige 
Wachstumsmodus wird durch einen Stofs oder Reiz, der vorübergehend 
oder dauernd wirkt, derart verändert, dafs die organische Substanz an- 
statt in schlanken, dünnen, grofsblätterigen Zweigen von geringerer 
Zahl in Form von zahlreicheren kürzeren, meist dickeren, kurzlaubigen 
Zweigen Verwendung findet und auf diese Weise Hexenbesen dar- 
stell. In manchen Fällen ist die Anregung zu derartig veränderter 
Wachstumsrichtung in parasitären Eingriffen gefunden worden. Nament- 
lich die Pilzgattung Taphrina (Erxoascus) übt auf die Zweige verschiedener 


') H. Mörver, Beiträge zur Kenntnis der Verzwergung (Nanismus). Landwirt- 
schaftliche Jahrbücher von Thiel. 1883. S. 167. 


144 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


Laubbäume einen Reiz aus, der zur Hexenbesenbildung führt (s. Bd. II, 
S. 179); ın anderen Fällen finden wir Rostpilze oder Milben aus der 
Gattung Phytoptus. Aufser diesen parasitären Formen existieren aber 
sicher solche, bei denen andere Organismen nicht im Spiele sind. Wir 
sahen manchmal, namentlich bei krautartigen, schnellwüchsigen Pflanzen 
(Campanula, Pelargonium), ene Knospensucht (Polycladie) als 
Korrelationserseheinung auftreten. N 

Bei Siechtum oder Verlust der blühenden Aste bilden sich bisweilen 
an der Basis der Stengel kleine fleischige Kuchen aus dichtgedrängten 
Knospenanlagen, von denen einzelne sich zu schwächlichen Zweigen ver- 
längern. Bei kränkelnden Gehölzen erschöpft sich manchmal das Wachs- 
tum durch fortdauernde Neubildung von kurzen Zweigen, weil die Blüten- 
achse sich nicht weiter verlängert, sondern unter Vergilbung zum Still- 
stand kommt. Bei Calluna vulgaris fanden wir an Stelle langer, blüten- 
tragender Aste blütenlose Zweignester von pyramidaler Form, die 
auch als Hexenbesen anzusprechen wären. 

In anderen Fällen entsteht Polycladie und Buschform durch Ent- 
wicklung normal angelegter, aber bisher schlafend gebliebener Seiten- 
augen bei Verletzung der Gipfelknospen. Dies findet z. B. bei dem 
Verbeifsen durch Wild statt. Bei Kiefern entstehen durch Entwicklung 
der Scheidenknospen die sog. „Rosettentriebe“, welche die Krone 
buschförmig machen; ähnlich erscheinen die sog. „Kuhbüsche“ bei 
Verletzung von Buchen, Erlen usw. durch Weidevieh. 

Zahlreich sind die reinen Knospenvariationen, bei denen 
ohne jede erkennbare Ursache in einzelnen Zweigen das Längenwachstum 
beschränkt wird und dafür eine reichere und schnellere Entwicklung 
von Seitenzweigen sich einstellt. Von den eigentlichen Hexenbesen- 
formen ist man zurzeit geneigt, die zahlreichen kugeligen Büsche der 
Fichtenhexenbesen hierher zu rechnen !). Die meisten Beispiele liefern 
die vielen Kulturvarietäten unserer Gärten in den sog. Kugelformen 
der Nadelhölzer und in den Zwergformen der Blütensträucher. . Bei 
den kurzlebigen Sommergewächsen (Ageratum, Zinnia, Tagetes usw.) 
sehen wir, dafs der Zwergwuchs zur samenbeständigen, erblichen Eigen- 
schaft werden kann. 


Die Dichtsaat. 


Eine Beschränkung des Bodenraumes und ein Kampf um Wasser 
und Nährstoffmaterial »kommt bei einer zu dichten Saat stets zustande. 
Der Kampf der Pflanzen miteinander um ihre Nahrung tritt am frühesten 
und schärfsten in den sandigen Böden ein. Autser der Verzwergung 
der einzelnen Exemplare kommt die Schwächung des Re- 
produktionsaktes besonders in Betracht. Derselbe äufsert sich 
nicht blofs in der Verminderung des Blütenansatzes, sondern auch in 
der Veränderung des Blütencharakters und wird für die Kultur nament- 
lich dadurch empfindlich, dafs statt der weiblichen Blüten vorherrschend 
männliche entstehen. Hier spricht besonders der unvermeidliche Stick- 
stoffmangel mit. ‚Je gröfser die Stiekstoffzufuhr, desto reichlicher die 
plasmareichen Meristeme. 

HorFrmann?) gibt die Resultate vielfacher Anbauversuche, welche 


ı) Tuseur und Schröter, Naturwissensch. Zeitschr. f. Land- u. Forstwirtschaft. 
1905. 8. 254. 
®2) H. Horrwass, Über Sexualität. Bot. Zeitung 1855. Nr. 16. 


2. Unpassende Bodenstruktur. 145 


sowohl in Töpfen, als auch im freien Lande behufs Feststellung des 
Einflusses der Dichtsaat bei verschiedenen Pflanzen ausgeführt worden 
sind. Es kamen dabei auf 100 Weibehen zur Entwicklung an Männchen: 
bei lockerem Stande 


von bei dichter Saat DS PDrlanzen 
Ichnis. diuEnan.n en ten iamte 233 125 
2 ’ EEE EEE 200 Fi 
Lychmis vespertma - - .» 2. 150 13 
Mercurialis anmua - -. . : .. 100 90 
unmers Agetasella m... 2 152 sl 
Spinacia oleracea im Mittel von 
mehreren Aussaaten . . » » 283 76 


Bei Cannabis erhielt er widersprechende Resultate, was seine 
Erklärung finden würde, wenn man die Angaben von Fisch!) berück- 
sichtigt, dafs die Geschlechtsverhältnisse bei Hanf schon im Saatgut 
vorher fixiert seien, also äufsere Einflüsse keine Anderungen mehr 
hervorzurufen vermögen. BELHONME behauptet, dafs die Form der 
Hanfsamen schon einen Schlufs auf das Geschlecht der späteren 
Pflanzen zulasse, indem die länglichere oder kugeligere Gestalt, wie bei 
den Vogeleiern, auf ein männliches oder weibliches Individuum hinweise. 

Da die bei Dichtsaat sich einstellenden Erscheinungen im wesent- 
lichen sich auf Nährstoffmangel zurückführen lassen, werden wir weitere 
Beispiele bei Besprechung des Stickstoffmangels herbeiziehen. 


N 


2. Unpassende Bodenstruktur. 
a) Leichte Böden. 


Nachteile des Sandbodens. 


Die Art der Aneinanderfügung der einzelnen Bodengemengteile 
bezeichnen wir als Strukturverhältnisse. Wenn einfach die Boden- 
bestandteile in einzelnen Körnern übereinandergelagert sind, werden 
wir von einer Einzelkornstruktur sprechen; bei unsern Kultur- 
böden jedoch finden sich die einzelnen Bodenteilchen zu verschieden- 
artigen Aggregaten vereinigt, und dann bezeichnen wir den Zustand als 
Krümelstruktur. Während im ersteren Falle jedes Bodenkorn eine 
einheitliche Beschaffenheit hat, sind die Bodenkörner im zweiten Falle 
porös und nicht einheitlich zusammengesetzt, daher leichter umzuändern. 
Dafs sich bei verschiedenartiger Beschaffenheit des Bodens Krümel- 
bildung einstellt, beruht auf dem Gehalt an löslichen Salzen, auf der 
Tätigkeit der Tierwelt im Boden und der Wirkung der Pflanzenwurzeln 
und ihrer Ausscheidungen, sowie auf den physikalischen Prozessen der 
Bodenbearbeitung. Je nach der Gröfse der einzelnen Bodenkörner und der 
Form ihrer Lagerung werden die Zwischenräume verschieden grofs sein. 
Ramann berechnet die Gröfse des Porenvolumens gleichgrofser Boden- 
partikelchen, je nachdem sie gleichmäfsig reihenweise übereinander oder 
zwischeneinander gelagert sind, schwankend zwischen 47,64 0 (lockerste 
Lagerung) und 25,95 %/o des Gesamtvolumens (dichtestes Gefüge)?). 

Während bei der Krümelstruktur wegen der verschiedenen Einzel- 
bestandteile, welche die Krümel zusammensetzen, durch mechanische 


') Fıscn, Ber. der Deutsch. Bot. Gesellsch. 1887. Bd. V, Heft 3. 
2) Rıuans, Bodenkunde, II. Aufl., S. 222. Berlin, J. Springer, 1905. 
Sorauer, Handbuch, 3. Aufl. Erster Band. 10 


146 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


und chemische Einflüsse eine fortwährende Veränderung in Gröfse und 
Lagerung stattfindet, ist bei der Einzelkornstruktur, die im Stein- und 
Sandboden am schärfsten ausgeprägt ist, das physikalische Verhalten 
ein gleichmäfsigeres und daher für die Kultur am bedeutungsvollsten. 

Über den Einflufs wirklicher Steinböden und die Veränderungen, 
welche die Wurzeln durch Hineinwachsen in Gesteinsspalten erleiden 
können, ist bereits früher gesprochen worden. Die Schädigungen der 
Vegetation, welche durch das zu lockere Gefüge des für den Wurzel- 
körper zur Verfügung stehenden Steinbodens veranlafst werden, er- 
scheinen gemildert, wenn die Steinblöcke durch Verwitterung zu Geröll- 
böden werden. Es entstehen, namentlich bei leicht zersetzbaren 
Gesteinen (manche Granite, Gneise, Syenit usw.) feinerdige Bestandteile, 
welche den Wurzeln reichere Nahrung und gröfsere Befestigung bieten. 
Der schädlichst wirkende Faktor ist neben der starken Erwärmbarkeit 
die grofse Trockenheit, welche die Zersetzung der organischen Sub- 
stanzen verhindert und zur Bildung von Rohhumus und unter Um- 
ständen später zur Moorbildung führen kann. Mit diesen Verhältnissen 
hat namentlich die Waldkultur im Gebirge zu rechnen. Für die Feld- 
kulturen in der Ebene kommen die Sandböden in Betracht. Sobald 
dieselben gröfsere Beimengungen von tonigen Stoffen haben (lehmige 
Sande) oder von Humus besitzen (humose Sande), werden sie zu unsern 
bestproduzierenden Kulturböden und finden daher hier keine weitere 
Berücksichtigung. Die sandigen Bodenarten werden nur dann der 
Kultur feindlich, wenn der Sand wirklicher Quarzsand ist und entweder 
rein oder in einem extrem hohen Prozentsatz (70—90%o) vorhanden ist. 

In solchen Fällen ist in erster Linie das geringe Absorptions- 
vermögen als Kulturhindernis zu nennen. Die Krankheiten, welche 
durch Wasser- und Nährstoffmangel hervorgerufen werden, sind dem 
Sandboden vorzugsweise eigen. Je mehr tonige und humushaltige Bei- 
mengungen sich vorfinden, desto mehr schwindet die Gefahr, soweit sie 
nicht durch Auswaschen erheblicher Mengen leicht löslicher Mineral- 
stoffe in anderer Weise wieder hervorgerufen wird. 

Ein solches Auswaschen wird um so schneller erfolgen, je mehr 
die an sich bei der starken Erwärmbarkeit und Durchlüftung leichte 
Zersetzung der organischen Substanzen noch durch andere Umstände 
gesteigert wird. Daher mufs man besonders vorsichtig mit der Frei- 
stellung und Streuentnahme in Waldungen sein. Bei dichten Sand- 
böden straft sich die Fortführung der die Feuchtigkeit zurückhaltenden 
Streu oftmals dadurch, dafs die noch vorhandene organische Substanz 
nur noch sehr wenig durch atmosphärische Einflüsse und Bakterien zer- 
setzt wird und als Rohhumus sıch ansammelt, der schliefslich zur Ort- 
steinbildung Veranlassung geben kann. Nach Ramann können in tieferen 
Lagen die Rohhumusablagerungen allmählich zur völligen Versumpfung 
führen, wie die grofsen Moore Norddeutschlands zeigen, die fast aus- 
nahmslos aus der Versumpfung ursprünglich von Wald bestandener 
Flächen hervorgegangen sind. Der Humus wird erst wohltätig durch 
seine Mischung mit dem Sande, indem dann die Krümelung des Bodens 
und sein Wassergehalt gesteigert, seine Erwärmungsfähigkeit herab- 
gedrückt wird. 

Eine wesentliche gefahrdrohende Eigenschaft der sandreichen Boden- 
arten ist eben die starke Erwärmbarkeit und Ausstrahlungsfähigkeit. 
Reiner Sand besitzt das stärkste Wärmeausstrahlungsvermögen und 
infolgedessen auch die gröfste Betauungsfähigkeit. Wärme- 


2. Unpassende Bodenstruktur. 147 


aufnahme sowie -ausstrahlung werden geringer, je feinkörniger und 
weifser der Sand ist. Sand der letzteren Art ist solcher, der z. B. reich 
an Kalkkörnchen ist, während unter den gefärbten Sandarten diejenigen, 
welche reich an Eisenoxydhydrat sind, sehr warm werden und langsam 
abkühlen, also sich ähnlich wie tonhaltige Sande verhalten. 

Mit den grofsen, dem Sande eigenen Temperaturschwankungen 
verbindet sich die schlechte Leitungsfähigkeit für Wärme. Infolge der 
schwierigen Ausgleichung hält er zwar seinen Untergrund bei gleich- 
mäfsigerer Temperatur, indem er ihn im Winter wärmer, im Sommer 
kühler als unter bindigerer Bodendecke läfst; allein er selbst schadet 
um so mehr durch vergröfserte Frostgefahr. Die schnelle Erwärm- 
barkeit in den Frühlingstagen lockt die Vegetation zeitig heraus, und 
die nächtliche starke Abkühlung schadet, während die später erwachende 
Pflanzenwelt auf wasserhaltenden, tonreichen Bodenstellen unversehrt 
bleibt. 

Die gröfste Beschädigung erwächst den Kulturen aber da, wo die 
mangelhafte Kohärenz des Sandes mit sehr feiner Beschaffenheit des- 
selben zusammenfällt. Wir haben es dann mit Flugsand zu tun, 
dessen regelmäfsige Schädigungen man an den Dünen wahrnehmen kann. 
Wenn auch die Dünen die scharfen Seewinde für den Pflanzenbestand 
in der Nähe der Küsten weniger empfindlich machen, so schaden sie 
doch dadurch, dafs sie immer mehr landeinwärts, die Kulturen ver- 
sandend, fortschreiten. Dafs der nachts herrschende Landwind den Sand, 
den der am Tage wehende Seewind übergefegt hat, nicht zurückjagen 
kann, erklärt sich dadurch, dafs bei der starken Betauungsfähigkeit der 
Sand gegen Abend bald feucht wird. Wenn bei der Gefahr des Ver- 
sandens künstliche Schutzvorrichtungen zu kostspielig sind, mufs man 
sehen, die beweglichen Sandberge auf natürliche Weise zu festigen. Hier 
sind die Sandgräser in erster Linie schätzenswert, da sie durch die 
schnelle Wurzelentwicklung an den Knoten der verschütteten Stolonen 
immer wieder an die Oberfläche kommen und diese Oberfläche zu- 
sammenhalten. Arundo arenaria L. und Elymus arenarius L. dürften am 
häufigsten anzutreffen sein; aufserdem empfehlen sich Arundo baltica 
Schrad., Carex arenaria L. und, bei genügender Feuchtigkeit, wohl auch 
unsere Quecke. Unter den Dikotyledonen ist Hippophad rhammordes L. 
ganz vorzüglich; je nach den Beimengungen im Sandboden darf man 
auch mit Salix arenaria L., Lycium barbarum L., Ulex europaeus L. und 
den kalkliebenden Genista- Arten Versuche wagen. 

Gleichviel, ob wir es mit Sandflächen im Binnenlande, wie in der 
Mark, Oldenburg und Hannover oder mit Dünensand zu tun haben, so 
mufs doch immer die erste Anpflanzung behufs Festigung mit niedrigem, 
schnellwachsendem Material stattfinden. Dort, wo die Natur im Laufe 
der Jahre selbst eine dünne Vegetationsdecke übergelegt hat, schone 
man dieselbe mit allen nur möglichen Mitteln; denn man hat für das 
endliche Hauptziel aller Kulturbestrebungen, nämlich die Errichtung emes 
Schutzwaldes, eine nicht hoch genug zu schätzende Basis. Mag die 
Vegetationsdecke noch so mager sein, so hält sie doch den Sand und 
gestattet die Anpflanzung junger Kiefern, die durch ihre tiefgehenden 
Wurzeln mit den magern Ernährungsverhältnissen am besten fürlieb 
nehmen. Anfangs sehe man nur auf die Erzielung von Strauchvegetation 
und gehe erst hinter dieser landeinwärts zur Anzucht der Baumtorm 
über. Stets werden sich auf der Seeseite bei allen Holzgewächsen eine 
Menge Zweige zeigen, die durch den Wind absterben. Das wichtigste 

10 * 


148 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse.' 


Kulturmittel ist, diese toten Zweige stehen zu lassen. An ihnen 
bricht sich der Seewind und sie bilden eine natürliche Schutzwehr, 
hinter welcher das Laub sich dann lebensfähig erhält. 


Senkung des Grundwasserspiegels. 


Zu den Erscheinungen, die sich in den Sandböden am verhängnis- 
vollsten erweisen, gehört die durch Kanalbauten und Flufsregulierungen 
stets häufiger eintretende Senkung des Grundwasserspiegels. Im Gegen- 
satz zu der in den oberen Erdmassen festgehaltenen „Bodenfeuchtig- 
keit“ bildet das in die Tiefe absickernde und auf undurchlässigen Boden- 
schichten sich ansammelnde Grundwasser den Reservevorrat für die 
Wurzeln in Zeiten anhaltender Trockenheit. 

In solchen Gegenden, die, wie das Alpengebiet und die bayrische 
Hochebene, eine hohe absolute Menge der Niederschläge und geringere 
Verdunstung haben, erlangen die von dem Verlauf der jährlichen Nieder- 
schläge beherrschten Schwankungen des Grundwasserspiegels für die 
Vegetation nur geringe Bedeutung. In Gegenden aber mit geringen 
absoluten Niederschlagsmengen und hoher Verdunstung, wo die jähr- 
lichen Grundwasserschwankungen von der Verdunstungsgröfse abhängig: 
sind, wie z. B. im norddeutschen Flachlande, und wo der gleichmäfsige 
Abfall der Grundwasserkurve auf ein allmähliches Abfliefsen durch 
Quellen und Flüsse hindeutet (s. Ramann a. a. O. 8. 275), wird eine 
Tieferlagerung des Wasserspiegels von Kanälen und Flüssen von äufserst 
schwerwiegendem Einflufs. Der Boden trocknet gegen den Herbst hin 
stark aus, und die Vegetation ist auf das kapillar festgehaltene 
Wasser angewiesen, das um so geringer wird, je sandiger und grob- 
kömiger das Erdreich ist. Ohne den Zuschufs des Grundwassers kann 
sich dauernd der Baumwuchs nicht halten. 

Wenn auch der Grundwasserspiegel im Laufe der Jahre in seiner 
durchschnittlichen Höhe etwa um einen halben Meter schwankt, so 
gleicht sich doch ein Tiefstand alsbald wieder aus, und die Vegetation 
hat sich diesen Verhältnissen angepaist. Der Wassergehalt und das 
Wasserbedürfnis der Pflanzen stehen im Zusammenhang mit den 
Feuchtigkeitsverhältnissen des Bodens, wie Hrpnscock!) durch Vereleichs- 
kulturen m Quarzsand, Lehm, Salzboden, Humus usw. gezeigt hat. 

Von dem Wassergehalt des Bodens und der Pflanze hängt auch 
die Wurzeltätigkeit ab, und diese Tätigkeit ist keineswegs nur eine 
passive, sondern wie SacHs?) und spezieller noch MorıscH®) gezeigt 
haben, durch die Wurzelausscheidungen auch eine wesentlich 
aktive, das anorganische und das organische Bodenmaterial zersetzende. 
Letztgenannter Forscher macht in dieser Hinsicht auf den Umstand 
aufmerksam, dafs unverletzte Wurzeln in Berührung mit einer ver- 
dünnten Lösung von übermangansaurem Kali sich mit einem Nieder- 
schlag von Braunstein bedecken, also der Lösung den Sauerstoff 
entreifsen. Mit Stengeln und Blättern gelingt der Versuch nicht. Auf 
leicht oxydable Körper, wie z. B. Guajak, Pyrogallussäure und Humns, 


!) Hevacock, G. G., The Relation of the Water Content of the Soil to certain 
Plants etc. Botanical Survey of Nebraska. V1. Studies in the Vegetation of the 
State. 1902. 

?) Experimentalphysiologie S. 189. Bot. Zeit. 1860, S. 188. 


») Morısch, H., Über Wurzelausscheidungen und deren Einwirkungen auf 
organische Substanzen. Sitzb. Kais. Akad. d. Wiss., Wien I. Abt., Okt. 1887. 


2. Unpassende Bodenstruktur. 149 


wirkt das Wurzelsekret oxydierend. Eine Guajakemulsion wird dadurch 
gebläut. Das Wurzelsekret betrachtet Morısch als einen Autoxydator, 
der durch passiven molekularen Sauerstoff oxydiert wird, hierbei Sauer- 
stoff aktiviert und damit die Verbrennung leicht oxydabler Körper 
veranlafst. In Gegenwart von Gerbstoffen (Pyrogallussäure, Gallus- 
säure, Tannin), die leichter oxydabel sind als das Guajakharz, erfolgt 
die Bläuung nicht; ebenso unterbleibt sie bei Anwesenheit der sauer- 
stoffgierigen Humussubstanzen. Wurden vollständig unversehrte 
Wurzeln in verdünnte Rohrzuckerlösungen eingetaucht, zeigte sich nach 
einigen Stunden reduzierender Zucker; wahrscheinlich wird diese Um- 
wandlung durch ein von der Wurzel ausgeschiedenes Ferment ver- 
anlafst. Stärkekleister, auf wachsende Wurzeln von Keimlingen gebracht, 
zeigte nach wenigen Stunden nicht mehr die Stärkereaktion, sondern 
färbte sich durch Jod rotviolett; es war also durch die Berührung mit 
der Wurzel die Stärke zunächst in Erythrodextrin übergeführt worden 
und konnte in reduzierenden Zucker übergehen. 

Die an der Spitze der Wurzelhaare wahrnehmbaren Wurzel- 
ausscheidungen durchtränken nicht nur die Membranen der Zellen, 
sondern können bei reicher Wasserzufuhr und herabgedrückter Tran- 
spiration in Tröpfehenform in die Umgebung der Wurzel übertreten 
und mit ihren Säuren (sie röten die blaue Lackmuslösung) die Mineralien 
anätzen und die organischen Stoffe zersetzen. Diese Wurzelarbeit lätlst 
mit der steigenden Trockenheit nach. Wurzeln, die an einen durch- 
feuchteten Standort gewöhnt, in einen trockenen gebracht werden, 
arbeiten, wenn die Pflanze einmal bis zum Welken gekommen ist, auch 
nach Wasserzufuhr nicht mehr so energisch betreffs ihrer Wasser- 
aufnahme als solche, welche eine Welkperiode nicht durchzumachen 
hatten. Hepscock meint, dafs die Wurzelhaare sogar absterben. 

Wie erofs die Energiemenge ist, welche zur Wasserhebung, zum 
Einbohren in den Boden und zu den andern Lebensäufserungen bei 
einer Wurzel erzeugt wird, kann man aus der Kohlensäureproduktion 
schliefsen. Kossowirsch!) hat darüber quantitative Bestimmungen ge- 
liefert. Er fand bei Wasserkulturen von Senfpflanzen, dafs dieselben 
für die in ihren Wurzeln vor sich gehenden Lebensprozesse ungefähr 
dreimal so viel Kohlenstoff assimilieren mufsten, als zur Bildung des 
Wurzelapparates selbst nötig war. 

Die Stärke der Wurzeltätigkeit, namentlich ihre Arbeit des Wasser- 
hebens, dürfte auch von den Temperaturdifferenzen zwischen den 
Medien abhängen, in denen die oberirdischen und die in der Erde 
befindlichen Pflanzenteile sich befinden. Je gröfser diese Differenz, 
desto energischer die Arbeitsleistung. Und wie grofs solche Unterschiede 
sein können, beweisen die Messungen von MacpousaL?) im Botanischen 
Garten zu New-York. Er fand im Juni die Bodentemperatur in 30 cm 
Tiefe zeitweise um 20° ©. geringer als die der Luft. Natürlich wird 
der Wassergehalt des Bodens dabei ausschlaggebend, und die Differenzen 
schwächen sich in dem Mafse ab, als der Boden trockner und der Luft 
zugänglicher wird. Die wasserhaltende Kraft, und bei Sandboden damit 


1, Kossowirscn, P., Die quantitative Bestimmung der Kohlensäure, die von 
Pflanzenwurzeln während ihrer Entwicklung ausgeschieden wird. (Russ. ‚Journal 
f. experim. Landwirtschaft, 1904, Bd. V, eit. Centralbl. f. Agrikulturchemie, 1905, 
Heft 6, S. 367.) , 

2) Macvovcar, D., Soil temperatures and vegetation. Repr. Monthly Weather 
Review for August 1903, eit. Just, Bot. Jahresb. 1903, II, S. 


150 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


auch die Produktionsgröfse, wird bei gleichem Bodenmaterial von der 
Körnerstruktur abhängen und um so oröfser sein, je feinkörniger der 
Sand ist. Wir haben darüber Versuche von Livinastox ?) und JENSEN, 
welche verschiedene Pflanzenspezies unter sonst gleichartigen Ver- 
hältnissen in einem Boden kultivierten, der verschieden grofse Quarz- 
körner in den einzelnen Versuchsreihen beigemengt erhielt. Es zeigte 
sich, dafs das beste Wachstum stets dort emtrat, wo der Quarzsand 
sehr feinkörnig war, 

Durch die vorstehenden Beobachtungen gewinnen wir einen Ein- 
blick in die Störungen, die sich in der Tätigkeit der Pflanzenwurzel 
einstellen müssen, wenn das Wasserkapital einer Gegend dadurch sinkt, 
dafs der Grundwasserspiegel tiefer gelegt wird. Ein alter Baumbestand 
lebt davon, dafs ein Teil seiner tiefgehenden Wurzeln in dem Grund- 
wasserniveau sich befindet, und den Verdunstungsverlust der Kronen 
in Zeiten zu decken vermag, wo das Bodenwasser durch längere Trocken- 
perioden auf ein Minimum reduziert ist. Die in den von Grundwasser 
durchzogenen Erdschichten entstandenen Wurzeln sind diesen Verhält- 
nissen angepalst und gehen zugrunde oder funktionieren nur mühsam 
weiter, wenn sie der Trockenheit dauernd ausgesetzt sind. Es leidet 
nicht nur die Ökonomie des Baumes durch ungenügende Wasser- und 
Nährstoffzufuhr, sondern auch der Boden selbst, indem, ganz abgesehen 
von der Lahmlegung der Bakterienarbeit, die die Versetzung des Boden- 
kapitals bewirkende Ausscheidungsfähigkeit der Wurzelhaare und Wurzel- 
spitzen aufhört. Der Boden „verhagert“, und die Bäume beginnen an 
der Peripherie ihrer Kronen tote Aste zu zeigen. Da auf den absterbenden 
Teilen Parasiten sich ansiedeln, welche die Zerstörung der Gewebe ver- 
vollständigen, so wird in der Mehrzahl der Fälle diese Gipfeldürre als 
eine rein parasitäre Krankheit erklärt und dementsprechend behandelt. 


Das Absterben der Erlen. 


Am empfindlichsten gegen Grundwassersenkungen erweisen sich die 
Erlen, und es ist unschwer, in der Nähe neugezogener Kanäle oder 
regulierter Flutsläufe kranke Erlenbestände zu finden. Eine sehr be- 
achtenswerte Studie über das Erlensterben hat ArpeL?) in den Arbeiten 
der K. Biologischen Anstalt für Land- und Forstwirtschaft zu Dahlem 
bei Berlin (1905) geliefert. Er fand auf den absterbenden Zweigen 
eine Art aus der als Bewohner siecher oder toter Zweige bekannten 
Gattung Valsa, nämlich Valsa oxystoma, und erkannte, dafs dieser Pilz 
nur dann parasitär wird, wenn die Erlen durch abnorme Umstände zu 
einer empfänglichen Unterlage werden. Nachgewiesenermaisen ist der 
hauptsächlichste disponierende Faktor die Trockenheit. Auch andere 
Ernährungsstörungen (Wurzelverletzungen, Ringelung usw.) vermögen 
eine Disposition für die Angriffe des Pilzes zu schaffen; aber eine 
Kräftigung der Erle in ihren Funktionen führt die Heilung der Krank- 
heit herbei. Wenn man eim Erlensterben auf anscheinend nassen, 
undurchlässigen, eisenschüssigen Böden findet, so ist dennoch die 
Trockenheit als Ursache zu bezeichnen. Auf derartigen Böden kann 
die Erle mit ihren Wurzeln nur sehr flach streichen, und bei anhaltend 


!) Livınsstox, B., und Jessen, G., An Experiment on the Relation of Soil 
ns sics to Plant Growth. Bot. Gaz. vol. X XVIII, cit. Bot. Centralbl. 1904, 
Nr. 30,8: 917. 

®) Vorläufige Mitteilung in d. Naturwiss. Zeitschr. f. Land- u. Forstwirtschaft. 
2. Jahrg. 1904. 


2. Unpassende Bodenstruktur. 151 


trockener Witterung stellt sich in den oberen Bodenschichten ein gänz- 
licher Wassermangel ein, auf den die Erle sofort mit Vertrocknen des 
Laubes antwortet. Ein weiteres reiches Beweismaterial liefert bedauer- 
licherweise der Tiergarten bei Berlin, dessen schöner Baumbestand, 
darunter namentlich die Eichen, einen unaufhaltsamen Rückgang zeigt. 

Natürlich brauchen nicht immer Kanal- und Flufsregulierungen die 
Senkung des Grundwasserspiegels zu veranlassen. Für den Alten 
Botanischen Garten in Berlin beispielsweise war die Anlage der Unter- 
erundbahn die Ursache des Versiegens des Wassers in den Teichen 
und der nunmehr schnell fortschreitenden Gipfeldürre. In anderen 
Fällen sahen wir mit dem Anwachsen der Ziegeleien und Tongräbereien 
in der Nähe von Waldbeständen das Absterben der Erlen zunehmen, 
weil die tiefen Tongruben das Wasser aus dem Walde gezogen hatten. 

Man verschliefst sich vielfach noch dem Hinweise auf die gefähr- 
lichen Folgen der Senkung des Grundwasserspiegels für unsere Baum- 
bestände und betont, dafs dieselben Baumarten, die auf entwässerten 
Böden an Gipfeldürre leiden, doch in sehr trocknen Lagen gut gedeihen. 
Bei diesen Einwänden vergifst man aber, dais nicht die Wasserarmut 
an sich das Eingehen der Bäume bedingt, sondern der schroffe 
Übergang von bisher reichlicher Bewässerung zu grofser Trockenheit 
in den tieferen Bodenlagen. Wir können alle unsere Bätme auf sehr 
trockenen Böden anpflanzen, und der Organismus entwickelt sich dann 
den entsprechenden Vegetationsfaktoren gemäfs, indem die Blätter 
klein und derb und die Internodien kurz werden; aber wir können 
meist nicht ungestraft plötzliche grofse Anderungen in den Wachstums- 
faktoren vornehmen. Lassen sich derartige Störungen nicht vermeiden, 
ist unserer Ansicht nach die Regeneration des Baumbestandes das 
einzig wirksame Mitte. Junge Bäume zwischen die alten 
gepflanzt passen sich den veränderten Vegetationsbedingungen an. 


Die Stralsenpflanzungen. 


Für die Hygiene der Städte ist die Erhaltung des Baumbestandes 
an Straisen und Plätzen von höchster Bedeutung. Die gröfste Schwierig- 
keit bietet die immer sorgfältiger werdende Pflasterung der Strafsen, 
bei denen die Zwischenräume zwischen den Steinen mit bindendem 
Material ausgegossen werden, falls nicht gar eine zusammenhängende 
Asphaltdecke den Boden abschliefst. Der Schaden für die Bäume liegt 
einerseits im Luftabschlufs, andererseits in der nicht hinreichenden 
Bewässerung, sobald es sich um ältere Bäume handelt. Für junge 
Pflanzungen ist die Baumscheibe, namentlich wenn sie durch über- 
gelegte Eisengitter vor dem Festtreten geschützt ist, ausreichend. Alte 
Bäume sehen wir um so schneller absterben, je mehr sich zur Vervoll- 
kommnung des Strafsenpflasters eine Regulierung der Fuflsgängerbahnen 
und Senkung des Grundwasserspiegels gesellt. Dazu kommt in den 
erofsen Städten die Durchwühlung des Bodens durch die Gas- und 
elektrischen Leitungen sowie durch die Kanalisationsröhren. Bei allen 
diesen Arbeiten ist ein Abhacken stärkerer Wurzeläste unvermeidlich. 

Es wird also nicht nur durch die manniefachen Röhrenleitungen 
der Raum für die Wurzelausbreitung beschränkt und der Boden noch 
mehr ausgetrocknet, sondern auch der Aufnahmeapparat der Bäume für 
Wasser verringert. Deshalb sehen wir die alten Bäume an den Strafsen 
allmählich unter Absterben der Astspitzen zugrunde gehen. 


152 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


Die einzelnen Baumarten leiden nun in verschiedenem Mafse, und 
gerade die beliebteste, am meisten angepflanzte Baumart, die Linde, 
gehört zu den empfindlichsten Bäumen. Bei ihr äufsert sich der Ein- 
flufs der Trockenheit des Bodens, zu der sich noch die Lufttrockenheit 
gesellt, in vorzeitiger Entlaubung. Die grofsblättrige Linde leidet noch 
schneller als die kleinblättrige Linde, und es ist eine ganz bekannte 
Erscheinung, dafs in den Sommermonaten, wo der Bewohner der Stadt 
am meisten den Schatten sucht, Linden und Kastanien oft eine Zeitlane 
nur die äufsersten Zweigspitzen noch beblättert haben; die älteren Blätter 
sind, von der roten Spinne überdeckt, vertrocknet und abgefallen. Die 
Stadtverwaltungen suchen durch reichliche Bewässerung der Baum- 
scheiben dem Übelstande abzuhelfen und begünstigen damit den bei 
vorzeitiger Entlaubung vom Baum auch ohne künstliche Bewässerung 
eingeleiteten Prozefs der Neubelaubung im Spätsommer. Dabei werden 
Knospen zur Entfaltung gebracht, die eigentlich erst im nächsten Jahre 
sich entwickeln sollten, und es kommt unter solchen Umständen manch- 
mal (Aesculus, Robinia) eine zweite Blütezeit zustande. 

Viele der durch die Bewässerung hervorgerufenen Triebe reifen 
ihren Holzkörper nicht genügend aus und werden durch einen stärkeren 
Frost beschädigt. Daher finden wir in einzelnen Jahrgängen mitten im 
günstigen Frühsommer manchmal ein Zweigsterben unter Beteiligung 
von Pilzen. Der Winter nämlich hat solche wenig ausgereiften Zweige 
nicht getötet, wohl aber für die Pilzeinwanderung vorbereitet und die 
erste Veranlassung zu einem späteren Absterben gegeben. Verwandt 
mit den hier berührten Erscheinungen ist unserer Ansicht nach auch 
das in den letzten Jahren vielfach die Forscher beschäftigende Kirsch- 
baumsterben am Rhein‘). Wie bei den Erlen spielt auch hier 
eine Valsa (V. leucostoma) eine Rolle. Wir kommen auf diesen Fall 
in dem Kapitel über Frostbeschädigungen wieder zurück. 

Derartigen Übelständen bei der Strafsenbepflanzung versucht man 
durch die Wahl weniger empfindlicher Baumarten vorzubeugen. In 
erster Linie sind als solche die Ulmen zu empfehlen, die auch den Vor- 
teil haben, gegen die sauren Rauchgase sehr widerstandsfähig zu sein. 
Je nach der Bodenart sieht man auch Eichen und Platanen mit Vorteil 
verwendet. In breiten und luftigen Strafsen zeigt auch Acer platanoides 
ein gutes Gedeihen, leidet aber öfter an Honigtau. Die Robinie, 
namentlich die Form der sog. Kugelakazie, bleibt bei grofser Trocken- 
heit noch gut belaubt, bietet aber wenig Schatten, belaubt sich spät und 
entlaubt sich meist schnell im Herbst. Alsdann ist eine Erweiterung 
der Bewässerungsvorrichtungen ins Auge zu fassen, indem man in der- 
Jenigen Entfernung von den Stämmen, in welcher die jüngeren Wurzeln 
zu finden sind, Drainröhren etwa "/» m unter dem Pflaster hinzieht und 
bei Bedürfnis aus Hydranten speist. Dabei ist jedoch aufmerksam zu 
machen, dafs die Bewässerung durch Drainstränge nur in den heifsen 
Sommermonaten zur Anwendung gelangen darf, weil sonst Wasser- 
überflufs im Boden sich einstellen dürfte, dessen Folgen viel verhängnis- 
voller als die des Wassermangels werden. Endlich glauben wir nament- 
lich da, wo nur Bewässerung durch Baumscheiben ausführbar ist, das 
nächtliche Spritzen der Baumkronen empfehlen zu sollen. 

Auf die in Aussicht genommene Bewässerung durch Drainstränge 
kommen wir nochmals zurück, indem wir betonen, dafs wir dieselbe 


') S. Deutsche Landwirtschaftl. Presse 1899, Nr. 83, 86, 99, und 1900, Nr. 18. 


2. Unpassende Bodenstruktur. 153 


nur für leichte Böden mit durchlässigem Untergrunde empfehlen. Bei 
schweren Böden wird das mechanisch funktionierende Arbeiterpersonal 
ständig weiter bewässern, wenn der Boden noch mit Wasser beladen 
ist, und es treten dann unfehlbar die an anderer Stelle geschilderten 
Nachteile des Sauerstoffmangels und Kohlensäureüberschusses ein, wo- 
durch die Baumwurzeln zur Fäulnis gebracht werden. Als ein einziges 
warnendes Beispiel sei an dieser Stelle nur das Ergebnis der Studien von 
Mansın!) angeführt, der sich speziell mit dem mangelhaften Gedeihen der 
Bäume in den städtischen Anlagen beschäftigt hat. Er sah bei solchen 
verschlämmten Böden den Kohlensäuregehalt der Bodenluft von 1/0 bis 
auf 5 und 8, ja sogar bis 24°/o gesteigert und den Sauerstoffgehalt auf 
15, 10, 6 und selbst auf 0% zurückgehen. Dafs unter solchen Um- 
ständen alle Bäume absterben, ist selbstverständlich. (Vergl. „Zu tiefes 
Pflanzen der Bäume“, S. 95.) 


Wirkungen der Dürre bei den Feldfrüchten. 


Die gerade auf Sandböden am schnellsten sich geltend machenden 
Folgen eines anhaltenden Wassermangels bei grofser Hitze richten sich 
natürlich nach dem Zeitpunkt des Eintritts der Trockenperiode. Die- 
selbe ist am gefährlichsten, wenn sie sich, wie im Jahre 1904, schon 
im Mai, also zur Zeit der Entwicklung der vegetativen Organe, ein- 
stellt, weil dann der Apparat, der das Material für die Fruchtausbildung 
liefern soll, in seiner Tätigkeit herabgedrückt wird. 

Bei Getreide leidet unter unseren Kulturverhältnissen bei den 
üblichen Bestellungszeiten am meisten die Sommerung. Dies wird ver- 
ständlich, wenn man bedenkt, dafs die im Herbst hergerichteten Winter- 
saaten die ganze Herbstzeit und den ersten Frühling benutzen können, 
um ihren Wurzelapparat reichlich auszubilden und eine genügende 
Bestockung zu erlangen; sie geniefsen dabei die ungestörte Tätigkeit 
ihrer unteren Blätter. Mithin tritt die Wintersaat kräftig und wohl- 
vorbereitet der Trockenperiode entgegen, während die Sommersaat selbst 
dort, wo sie normal aufgehen konnte, in viel jugendlicherer Entwicklung 
in die heifse, wasserlose Periode hineinkommt. Demgemäfs reifen die 
Blätter vorzeitig ab; ihre Arbeitszeit ist also eine beschränkte, und 
wenn die Pflanzen ihre Blüten entwickeln und ihre Fruchtknoten 
wirklich ausbilden, so ist doch verhältnismäfsig nur spärlich organische 
Substanz zum Füllen des Kornes vorhanden. Das Endosperm ist nur 
mangelhaft mit Stärke gefüllt: die Körner sind schmal und leicht. 

Der zweite wirtschaftliche Schaden ist die Kürze des Strohes. 
Am meisten zeigt sich dies bei dem Sommerhafer, der auf leichten 
Böden rothalmig und kaum fufshoch wird und statt der vollen Rispen nur 
wenige Ährchen zur Ausbildung bringt. Geringere Schädigungen weist 
die Gerste auf; dann folet Weizen und schliefslich der Roggen, der 
am widerstandsfähigsten ist. Wenn die Trockenperiode schon zur Zeit 
der Einsaat sich geltend macht, erfolgt ein verspätetes und ungleich- 
mäfsiges Aufgehen der Saat, das zu „Zwiewuchs“, d.h. einem ganz 
unregelmäfsigen Ausreifen des Getreides führt. Zur Erntezeit finden 
sich dann zwischen den ausgereiften viele noch grüne Halme. Letztere 
stammen von den bei der Saat obenauf liegen gebliebenen Körnern, 


1) Maneın, L., Vegetation und Durchlüftung des Bodens. Annal. scienc. agronom. 
2. ser., 1896; cit. Centralbl. f. Agrikulturchemie, 1898, S. 638. 


154 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse, 


die zunächst regungslos sich verhielten, während die tiefer ein- 
gebrachten noch Bodenfeuchtigkeit genug zur baldigen Keimung fanden. 

Hierbei kommen manchmal äufserst begrenzte lokale Verhältnisse 
zur Wirksamkeit. So kann. beispielsweise eine Vorfrucht dem Boden 
schon mehr Wasser entzogen haben als eine andere, oder aber eine Kali- 
düngung verteilt sich ungleichmäfsig und erhält an den Stellen, wo 
sich Salz angehäuft hat, den Boden feuchter. Auch die ganze Ent- 
wicklung der Pflanze wird dadurch geändert. Mit der Konzentration 
der Nährstofflösung sah ich unter sonst gleichen Verhältnissen den 
Wurzelapparat sich verkürzen und den Wasserbedarf der Pflanze 
geringer werden, was bei den durch Trockenheit gefährdeten Böden 
von groflser Bedeutung ist. 

Bei dem Zuckerrübenbau und bei allen den Gemüsen, die als 
Sämlinge in kleinen Räumen angezogen und dann auf das Feld ge- 
pflanzt werden, macht sich in erster Linie die Bodentrockenheit durch 
Erschwerung oder Verhinderung des Anwachsens der Pflänzlinge geltend, 
da sich bei der Trockenheit keine neuen Würzelchen zu bilden ver- 
mögen. Sodann kommt das Vertrocknen des Laubkörpers in Betracht, 
wodurch die Ausbildung der Rübe zum Stillstand gelangt. Die Er- 
fahrung!) lehrt, dafs, wie bei dem Getreide, gut gedüngte Felder 
die Trockenheit besser überstehen. Auch die Varietäten scheinen dabei 
mitzusprechen; es wurde beobachtet, dafs bei den Zuckerrüben die 
Sorten mit flach ausgebreitetem Laube mehr welken als die mit steil 
aufsteigenden Blattstielen. 

Der Einflufs langanhaltender Dürre bei den Kartoffeln kommt nicht 
so sehr bei dem Ansatz der Knollen als bei deren Ausbildung zur Geltung. 
Die Knollen bleiben klein und werden notreif. In der Regel kommt 
die Notreife bei den Frühkartoffeln wirtschaftlich weniger in Betracht, 
weil diese ihrer Natur nach auf eine kürzere Vegetationsperiode ein- 
gerichtet sind und weil zweitens sie schnell konsumiert werden. Nur 
die Notreife der Spätkartoffeln ist verhängnisvoll, weil die Füllung des 
Knollenkörpers mit Stärke mangelhaft und dadurch die Haltbarkeit der 
Knolle sehr beeinträchtigt wird. 

Schwere wirtschaftliche Nachteile erzeugt die anhaltende Boden- 
dürre bei den Leguminosen, soweit sie als Futterpflanzen angebaut 
werden. Klee und Luzerne brennen teilweise aus oder versagen den 
zweiten Schnitt. Bei den Obstbäumen sind die Notreife und geringe 
Haltbarkeit der Früchte sowie vorzeitige Entlaubung die häufigsten 
Vorkommnisse. 

Unter den speziellen Schädigungsformen, welche bei langdauernder, 
intensiver Trockenheit, namentlich in leichtem Boden, sich einstellen 
können, verdient eine eingehendere Besprechung die 


Durch Trockenheit unterbrochene Keimung. 


Der Fall, dais Wassermangel eintritt, nachdem das Samenkorn 
bereits die ersten Stadien der Keimung durchlaufen, ist seltener bei 
der Aussaat der trockenen Samen ins freie Land zu fürchten, als viel- 
mehr dort, wo vor dem Gebrauch ein Einquellen des Saatgutes 
stattgefunden hat. Die Nachteile einer solchen Störung in der Ent- 


') Jahresberichte d. Sonderausschusses für Pflanzenschutz. Deutsche Landw. 
Ges. 1904. 


2. Unpassende Bodenstruktur. 155 


wicklung des jungen Individuums sind je nach der Samenart und je 
nach dem Entwicklungsstadium, in welchem die Unterbrechung erfolgt, 
verschieden. Nach Wırr's!) mehrfachen Aussaatversuchen mit Samen 
von Monokotyledonen und Dikotyledonen scheinen die Samen der 
ersteren im allgemeinen etwas widerstandsfähiger zu sein. Namentlich 
sind die unbespelzten Cerealien (Weizen und Roggen) gegen eine 
während der Keimung eintretende Trockenheitsperiode wenig empfind- 
lich; Gerste und Hafer sind dagegen schon leichter zu Schaden zu 
bringen, und sehr wenig Widerstandskra&& gegen eine Unterbrechung 
der Keimung zeigt der Pferdezahnmais. Schon Saussur£?) fand, dafs 
der Mais eine Austrocknung während der Keimperiode schlecht verträgt, 
und dafs die Bohnen, der Mohn und die Rapunzel sich ebenso ver- 
halten. Nowoczek®), der seine Versuche in der Art ausführte, dafs er 
die Unterbrechung der Wasserzufuhr mehrmals an demselben Samen 
eintreten liefs, bis dessen Keimkraft ganz erloschen war, fand, dafs die 
Samen der Getreidearten sich gegen die wechselnden Einflüsse von 
Feuchtigkeit und Trockenheit resistenter verhalten als Raps, Lein, Klee 
und Erbsen, die ihre Keimkraft früher einbüfsten, aber immerhin doch 
einer Wiedererweckung ihrer Tätigkeit nach Austrocknung noch fähig 
waren. Bei den Gramineen vorzugsweise zeigte sich, dafs nach dem 
jedesmaligen Austrocknen die bereits gebildeten Würzelchen abstarben 
und die äufseren Blätter abtrockneten, dafs aber bei erneuter Wasser- 
zufuhr sich neue Adventivwurzeln aus dem ersten Knoten (s. Bd. I, S. 102) 
bildeten und die jüngsten Blätter sich weiter entwickelten. Haupt- 
sächlich gilt dies für Hafer, mehr oder weniger auch für Gerste, Weizen 
und Mais. 

Als allgemein feststehend ist anzusehen, dafs eingequellte und 
nachher vorsichtig getrocknete Samen, die wiederum in Wasser 
gebracht werden, dasselbe rascher aufnehmen als lufttrockene, nicht 
aufgequellte Körner derselben Gröfse. Solche Samen entwickeln sich 
anfangs wohl auch um einige Tage schneller. 

Durch die Versuche von TAurpHöus*) und von EHRAARDT?) wird das 
von vorherein zu erwartende Resultat experimentell festgestellt, dafs 
die Pflanzen um so mehr leiden, je weiter fortgeschritten bei Eintritt 
der Trockenperiode der Keimungsprozefs ist, d. h. je mehr entwickelt 
bereits die Plumula erscheint. Die Erbsensamen fand WırL zum Teil 
ganz besonders empfindlich gegen das Austrocknen. Die Samenschale 
bekam viele kleine Risse, die sich in den meisten Fällen auf die inneren 
Schichten fortsetzten. Bei dem wiederholten Einquellen löste sich die 
Stäbchenschicht in gröfseren und kleineren Stücken ab, die Samenschale 
wurde schleimig, und es stellten sich binnen sehr kurzer Zeit Zer- 
setzungserscheinungen an den Kotyledonen ein, welche die Entwicklung 
der Keimpflänzchen hemmten. Die Entstehung der Risse bei dem 
Trocknen der geqauollenen Samen erklärt sich durch die mehr als 100 %o 


1) Wir, Über den Einflufs des Einquellens und Wiederaustrocknens auf die 
Entwicklungsfähigkeit der Samen, sowie über den Gebrauchswert „ausgewachsener“ 
Samen als Saatgut. Landwirtsch. Versuchsstationen XXVIII, Heft I u. 2 (1882). 

?®) Annales des sciences nat. Bot. 1827. Janv. i 

?) Über die Widerstandsfähigkeit junger Keimlinge. Wissensch. prakt. Unter- 
suchungen usw. von F. Haserranor, Bd. I, S. 122; cit. Biedermann’s Centralbl. I, 
S. 344, 1876. 

4) Fremere vos Tavırnöus, Die Keimung der Samen bei verschiedener Be- 
schaffenheit derselben. München 1876; cit. Bot. Jahresber. 1876, S. 882. 

5) Deutsche landw. Presse, Jahrg. VIII, Nr. 76; cit. von Will. 


156 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


betragende (NoßBBE, Handbuch, S. 122) Volumzunahme der Samen, die auf 
ihre Schale einen Druck ausüben und dieselbe passiv dehnen und lockern. 
Diese Lockerung kann bei dem Trocknen bis zur Brüchigkeit führen. 
Durch die Risse in der Samenschale erhält erstens das wieder befeuchtete 
Samenkorn viel mehr atmosphärischen Sauerstoff zu den bereits in Zer- 
setzung begriffenen Reservestoffen und zweitens auch schneller grofse 
Wasserquantitäten; es können ferner die gelösten, organischen Stoffe viel 
leichter osmotisch austreten, was alles zuungunsten der Weiterentwicklung 
wirksam werden kann. Eine Samenschale, die sich langsam gleichmäfsig 
dehnt und unverletzt bleibt, wird also wahrscheinlich eine vollständigere 
Ausnutzung der Reservestoffe der Kotyledonen ermöglichen und viel- 
leicht sogar durch den bei der Quellung hervorgerufenen Spannungs- 
zustand ein Einpressen von Flüssigkeiten in das Gewebe der Kotyledonen 
und von gelösten Reservestoffen in den Embryo veranlassen. Auf die bei 
der Keimung: auftretenden Enzyme und ihre Wirkung kann hier nicht 
näher eingegangen werden. Wir verweisen in dieser Beziehung auf die 
Arbeiten von NEWCOMBE!) und «srüss?). 

Nach den genannten Versuchsergebnissen kann man mit Sicherheit 
aussprechen, dafs eine Benutzung angequollenen oder gar schon aus- 
gewachsenen und nachher trocken gewordenen Saatgutes nach 
Kräften zu vermeiden ist. Ich bin aber auch der Meinung, dals die 
Verwendung von gequelltem Saatgut überhaupt möglichst zu beschränken 
und namentlich in trocknen Lagen mit grofser Vorsicht auszuführen 
ist. Erstens können sich in trockenen Lagen am leichtesten die Zu- 
stände, wie sie künstlich durch Austrocknen gequellter Samen herbei- 
geführt wurden, in der Natur von selbst bei anhaltender Hitze und 
Dürre wiederholen und viel schädlicher wirken, als wenn der Same 
bei solchem Wetter ungekeimt im Boden liegt. Zweitens werden die 
Pflanzen aber auch durch die von Anfang an hohe Wasserzufuhr ver- 
wöhnt. Das Gewebe wird lockerer, wasserreicher und wasserbedürftiger 
und vertrocknet viel früher bei Eintritt grofser Trockenperioden als 
bei solchen Pflanzen, die von Anfang an bei spärlicher Wassergabe 
sich entwickelt haben. Die Verdunstung ist bei ersteren Pflanzen 
gröfser als bei letzteren. Deshalb wird in der Praxis vielfach die 
Regel befolgt, dafs man bei schnell sich entwickelnden Gemüsepflanzen 
(Gurken, Bohnen, Kohlarten) das Begiefsen nicht aussetzen darf, wenn 
man in der Jugend der Pflanzen damit sehr freigebig gewesen ist. Ich 
habe auch mehrfach schlechtere Pflanzen nach dem Quellen des Saat- 
gutes sich entwickeln gesehen, gegenüber den aus demselben Saat- 
material hervorgegangenen, von Anfang an nur auf die natürliche 
Bodenteuchtigkeit angewiesenen Pflanzen. 


Die Behandlung der Gehölzsamen. 


Schwerwiegende Nachteile treten besonders bei den Gehölzsamen 
hervor, wenn der Keimungsvorgang durch Trockenheit unterbrochen 
wird. Am meisten fühlbar wird dies bei Aussaat derjenigen Gehölze, deren 


") Newcouse, F. ©., Cellulose-Enzymes. Annals of Botany 1899, Nr. 49; cit. 
Bot. Jahresb. 1899, II, S. 179. 

?) Grüss, J., Beiträge zur Enzymologie. Berlin 1899. Festschr. f. SchnwexpEnxer, 
Über Zucker- nd Stärkebildung in Gerste und Malz. III u. IV. Wochenschr. £. 
Brauerei 1897, 1898. 


2. Unpassende Bodenstruktur. 157 


Samen nur kurze Zeit überhaupt ihre Keimkraft behalten. NoBBE!) 
fand, dafs die Samen von Weiden schon 5 bis 6 Tage nach dem Ab- 
flug ihre Keimkraft verlieren. Sehr kurzlebig erweisen sich auch die 
Samen von Pappel und Ulme. Eicheln bleiben in der Regel nur bis 
zum nächsten Frühjahr keimfähig, ebenso wie die Bucheln. Ähnlich 
durchschnittlich verhalten sich Esche, Ahorn und Tanne. Dagegen 
keimen Fichten- und Kiefernsamen noch nach 3 bis 5 Jahren in ziemlicher 
Menge, wenn auch die Pflänzchen dann bereits schwächlicher sich ent- 
wickeln. Natürlich spielen die Ausbildung des Samens auf seiner Mutter- 
pflanze und die Art der Aufbewahrung eine grofse Rolle, und Nossk 
fand z. B., dafs Samen von Pinus silwestris. die im Wohnzimmer in ver- 
schlossenen Gläsern gestanden hatten, nach 5 Jahren zu ungefähr 30 %o 
und nach 7 Jahren noch zu 12°/o keimten; ja selbst nach 10 bis 
11 Jahren fanden sich einzelne Samen noch entwicklungsfähig. Unter 
denselben Umständen aufbewahrt, zeigte Saatgut von Trifolium pratense 
nach 12 Jahren noch 10/0, Pisum sativum nach 10 Jahren 47 ®'o und Sper- 
gula arvensis einmal 250 und aus einem anderen Jahrgange sogar 67 %'0 
keimfähige Körner. Von Zedern und Pinien wird angegeben, dafs sie 
nach 30 Jahren noch gekeimt haben ?). Indes empfiehlt es sich, feinsamige 
Coniferen doch bald nach der Reife auszusäen. Praktisch wichtig ist die 
Frage. ob man im Sommer, Herbst oder Frühjahr die Aussaat vornehmen 
soll. Der Sommer ist wegen der grofsen Feuchtigkeitsschwankungen 
im Boden die gefährlichste Zeit; darum umgeht man bei den Gehölzen, 
die ein sofortiges Unterbringen der Saat notwendig machen, wie Weiden 
und Pappeln, die Gefahr, indem man Stecklingsvermehrung anwendet. 
Besser ıst die Herbstsaat, die bei Eichen, Kastanien, Haselnüssen und 
dergl. zur Notwendigkeit wird, bei den sehr hartschaligen Samen wie 
von Urataegus, Prunus, lex, Sorbus, Rosa, Cornus, Berberis, Ribes, 
Carpinus, Staphylea, Clematis u. a. empfehlenswert ist. Die letztgenannten 
Arten bleiben namentlich in sandigen Böden, die vorübergehend wieder 
austrockenen, oft 2 bis 3 Jahre ungekeimt liegen. Am besten ist die 
Frühjahrssaat, weil das Saatgut dabei allen Fährlichkeiten des Winters 
und der Tierbeschädigungen entzogen ist. Um die Zeit vom Herbst 
zum Frühjahr nicht zu verlieren, findet das „Stratifizieren“ der 
Samen, d.h. das schichtenweise Einlegen der Körner in feucht erhaltenen 
Sand, seine Anwendung. 

Bei dem jetzt lebhaft entwickelten Bezuge von Sämereien ge- 
schätzter Ziergehölze aus dem Vaterlande ist es wichtig, die Erfahrungen 
zu kennen, welche betreffs des Verlustes der Keimfähigkeit während des 
Transportes gemacht worden sind. Graf v.SCHWERIN®) hat in der Deutschen 
Dendrologischen Gesellschaft darauf aufmerksam gemacht, dafs Ahorn- 
arten einen längeren Transport nicht vertragen, so dafs z. B. seit Jahren 
die aus dem Himalaja bezogenen Ahornsamen keine einzige Keimpflanze 
ergeben hatten. Indes darf man nicht zu früh die Saatbeete umbrechen, 
da manche Samen sehr lange gesund in der Erde liegen bleiben; so 
liest beispielsweise O’hamaecyparis Lawsoniana manchmal 4 Jahre in 
der Erde, namentlich in trockenen Jahren. Bei dem Bezuge von 
Magnolia hypoleuca aus Japan wurde jahrelang entweder überhaupt 
keine Pflanze erzielt oder doch so wenige, dafs die Transportkosten 
nicht gedeckt wurden. Die Samen vertrockneten unterwegs. Seitdem 


!) Dösser-Noser, Botanik f. Forstmänner, 4. Aufl., 1882, S. 382. 
2) u.?) Uber das Keimen von Gehölzsamen. Der Handelsgärtner 1905, Nr. 14. 


158 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


neuerdings diese Samen in ihrem natürlichen Fruchtfleisch belassen, 
und so in Holzkohlenpulver gepackt ankommen, liegen sehr ermutigende 
Resultate vor. 

Wenn vorhin gesagt worden ist, dafs die Acer-Arten nur bis zum 
nächsten Frühjahr keimfähie bleiben, so ist noch zu ergänzen, dafs die 
Ahornarten aus der Campestre- (Gruppe (Acer obtusatum, italum u. a.) ın der 
Regel erst im zweiten Jahre keimen. Nur vereinzelt findet man schon 
Keimlinge nach einem Jahre. In manchen botanischen Gärten sollen 
aber die Bäume der Uampestre-Reihe regelmäfsig meist frühkeimende 
Samen liefern, und man erklärt dies daraus, dafs dort bei der Aussaat 
die zuerst aufgegangenen Pflänzchen zur Aufzucht benutzt worden sind. 
Daraus ergäbe sich der Schlufs, dafs man die Eigenschaft, schnell 
keimende Samen zu produzieren , durch Selektion beständig machen 
kann. Dieser Punkt, bei grofsen Aussaaten die am frühesten hervor- 
tretenden Keimlinge gesondert zu Samenträgern heranzuziehen, dürfte 
der Aufmerksamkeit der Züchter zu empfehlen sein. 


Das Verscheinen bei Getreide und Hülsenfrüchten. 


Bei dieser Wachstumsstörung unterbleibt die Ausbildung der Samen- 
körner dadurch, da!s die Pflanze nicht genügend Wasserzufuhr erhält. 
Ein solches hochgradiges Durststadium wird natürlich auf den Böden 
mit sehr lockerem Gefüge, bei denen die Verdunstung sehr grofs und 
die kapillare Leitung des Wassers aus dem Untergrunde gering ist, am 
häufigsten zutage treten. 

Doch nicht jeder intensive Wassermangel wird ein Verscheinen 
der Blüten hervorrufen. Es kommt hierbei wesentlich, wie HELLRIEGEL'S 
Versuche bei dem Getreide zeigen, auf das Entwicklungsstadium an, 
in welchem die Pflanze sich ger ade zur Zeit des Eintritts der Wassernot 
befindet. Wenn, wie in den Versuchen!) ausgeführt wurde, eine 
(retreideptlanze von erster Jugend an nur ein geringes Wasserquantum 
zur Verfügung hat, so bildet sie alle ihre Organe in derselben, vielleicht 
sogar in noch etwas längerer Zeit aus, wie die mit reicher Bewässerung 
versehene Pflanze; jedoch ist die ganze Produktion schwach. Das 
Verhältnis der geernteten Körner zur Gesamttrockensubstanz ist aber 
immer das normale, d.h. die Hälfte Trockensubstanz ungefähr wird in 
Form von Körnern geerntet. Wie bei allen Vegetationsbedingungen 
ist auch hier eine unterste Grenze; hält sich die Wasserzufuhr unter 
derselben, findet überhaupt keine nennenswerte Produktion statt. 

Tritt ein bedeutender Wassermangel gleich nach den ersten 
Keimungsstadien ein, so bleiben die Körner lange (im Versuch bis sechs 
Wochen, lang;) lebendig und entwickeln sich nach dieser Zeit kräftig, 
sobald reichliche Wasserzufuhr sich wieder einstellt. Noch weniger 
schädlich erscheint eine Durstperiode, wenn die Körner milchreif sind, 
also ihre normale Gröfse erreicht, aber ihren inneren Ausbau noch 
nicht beendet haben. Die Arbeit der Pflanze, welche zu dieser Zeit 
überhaupt keine neue Trockensubstanz mehr bildet, besteht in der 
Umwandlung und der Fortführung der im Blatt erzeugten Substanz 
nach den Reservestoffbehältern, den Samen, hin. 

In allen zwischen der Saat- und Reifeperiode liegenden Entwicklungs- 


') Herreieser, Beiträge zu den naturwissenschaftl. Grundlagen des Ackerbaues. 
Braunschweig, Vieweg 1883, S. 598 bis 620. 


2. Unpassende Bodenstruktur. 159 


phasen wirkt längerer Wassermangel schädlich, und die Folgen sind um 
so tiefer eingreifend, je jugendlicher noch die Pflanze bei Eintritt der 
Durstperiode ist. en in der Zeit des kräftigsten Schossens eine 
längere Trockenperiode eintritt, so kann die Pflanze diesen Schaden 
nicht mehr ausgleichen. Die Folgen anhaltender Trockenheit sind um 
so empfindlicher, je mehr Wasser die Pflanze in der Jugend gehabt hat. 
Wenn sich eine Pflanze bei reichlicher Bodenfeuchtigkeit bis zum 
Blütenansatz üppig entwickelt hat und es folgt jetzt eine eröfsere 
Durstperiode, dann geht die Körneranlage zugrunde; es kann ein mehr 
oder weniger umfangreiches Fehlschlagen der Körnerernte eintreten, 
was wir dann als „Verscheinen“ des Getreides bezeichnen. Ein 
recht interessantes Beispiel hat RırzEma Bos!) bezüglich der „Maartegerst“ 
veröffentlicht. Maartegerst ist Wintergerste, die im März gesät wird. 
Dieselbe war auf Ackerflächen gebracht worden, bei denen die Winter- 
gerste der Herbstsaat ausgefroren war. Nur eine Anzahl der im Herbst 
gesäten Pflanzen war durch den Winter gekommen und ging gut bestockt 
in den Sommer, so dafs dasselbe Feld Wintergerste "und Märzgerste 
hatte. Letztere litt nun im heifsen Sommer durch Verscheinen, während 
die dazwischen stehenden Pflanzen der Herbstsaat vollkommene Körner- 
ernten brachten. Aufser dem Getreide leiden bei uns am häufigsten noch 
die Erbsen. Selbstverständlich kann auch bei anderen Pflanzen ein 
Fehlschlagen der Samenernte durch Verscheinen der Blütenteile statt- 
finden. 
Die Fadenbildung der Kartoffeln (Filositas). 


Die Krankheit („mules“ der Franzosen) besteht in einer Verkümme- 
rung der Augen; aus denselben entwickeln sich schlanke, fadenartige 
Stengel von der Dicke eines mittleren Wollfadens. Nicht selten treiben 
die Augen der übrigens verhältnismäfsig sehr stärkereichen Knollen 
überhaupt nicht aus, oder die schwachen Triebe vermögen selbst bei 
geringer Bodenbedeckung nicht an die Oberfläche zu kommen, und die 
Knollen gehen meist unter den Erscheinungen der Trockenfäule zu- 
grunde. Die Krankheit ist bisher nur dort reichlich aufgetreten, wo 
leicht erhitzbare Böden grofse Trockenperioden zu überstehen hatten. 

Fig. 16 stellt den Basalteil eines in Wasserkultur gezüchteten 
Stecklings von einer fadenkranken Kartoffel dar. Die Dimensionen 
von Stengel, Blättern und Knollen entsprechen der natürlichen Gröfse, 
und man ersieht, wie tatsächlich die Stengel nur die Dicke eines starken 
Wollfadens besitzen. Die Stolonen (st) sind auch schmächtiger und 
haben bereits Knöllchen (k) angesetzt, von denen einzelne sich an der 
Spitze verlängert haben und zu grünen Trieben (b) ausgewachsen sind, 
oder schuppenförmige, grüne Blättchen eh (d). 

Der abgebildete Steckling stammt aus einer Versuchskultur, deren 
Resultate in der zweiten Auflage dieses Handbuchs in präzisen Zahlen 
wiedergegeben sich finden und zu dem Schlusse führen, dafs wir in der 
Fadenkrankheit der Kartoffeln erblich gewordene Zustände einer 
Notreife vor uns haben. Die Mitteilungen aus den Örtlichkeiten, 
in denen die Krankheit aufgetreten, namentlich aus dem Marchfelde 
bei Wien?), über die daselbst befolgte Kulturmethode bestätigen diese 
Ansicht. Es werden dort nämlich die Kartoffeln, welche meist zu den 


') Zeitschr. f. Pflanzenkrankh., 1894, S. 94. k f 
2) Anıvarrer, Das Marchfeld und seine Bewässerung. Österr. Landw. Wochenbl. 
1875. Nr. 51. 


160 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


frühesten Sorten gehören, möglichst zeitig ausgelegt, nachdem” sie !vor- 
her noch künstlich angetrieben worden sind. Bei der steigenden 


= 


Fig. 16. Basalteil eines in Wasserkultur gezüchteten Stecklings von einer faden- 
kranken Kartoffelknolle, nat. Gr. (Orig.) 


Sommertemperatur und der flachen Lage in den oberen Schichten eines 
nur mit geringer wasserhaltender Kraft begabten, stark erhitzbaren 
Bodens (Sandboden auf dem Marchfelde bei Wien, Kalkboden bei 


2. Umpassende Bodenstruktur. _ 161 


Poitiers)!) erleidet. das Wachstum der oberirdischen Achsen alsbald einen 
Stillstand, und die um diese Zeit angelegten, noch lange nicht aus- 
gewachsenen Knollen füllen sich mit Stärke, so dafs sie sehr zeitig auf 
den Markt gebracht werden können und hohe Preise erzielen. 

Wenn die Knollen im jugendlichen Zustande durch Notreife einen 
Wachstumsstillstand erleiden und dann geerntet werden, so hat auch 
die Ausbildung ihrer Augen noch nicht die normale Gröfse erreicht. 
Die aus diesen sich entwickelnden Triebe müssen naturgemäfs schwächlich 
sein. Wenn solche Knollen im nächsten Jahre als Saatgut zu gleicher 
Kultur verwendet werden, müssen allmählich diese Schwächeerschei- 
nungen sich steigern und zu dem Resultate führen, dafs schliefslich 
nur fadendünne Stengel hervorwachsen. Demgemäfs ist die Krankheit 
die Folge eines fortgesetzten Kulturfehlers, nämlich einer unzulässigen 
Abkürzung der Vegetationszeit. Ein Wechsel des Saatgutes wird hier 
allein ins Auge zu fassen sein, da der Kulturzweck die Rückkehr zur 
normalen Bestellung verbietet. 


Durchwachsen der Kartoffeln. 


In den regenarmen Sommern, wie z. B. im Jahre 1904, war eine 
der häufigsten Klagen, dafs die Kartoffeln klein geblieben oder bei an- 
nähernd normaler Gröfse ungemein viel „Kindelbildung“ gezeigt 


Fig. 17. Durchwachsene Kartoffel; links Anlage vollständiger Nebenknollen (Kindel- 
bildung), rechts nachträgliche Streckung des Gipfelendes (Wasserenden). (Orig.) 


haben. In vorstehender Fig. 17 ist eine der bizarrsten Formen wieder- 
gegeben worden, welche zwei Arten der Durchwachsung zeigt, nämlich 
die wirkliche „Kindelbildung“ und die „Wasserenden‘. Das 
Stielende der Knolle (linke Seite der Zeichnung) zeigt zwei, wie die 
Lehnen eines Armstuhles seitlich in annähernd gleicher Höhe stehende 
Tochterknollen, und von da aus nach der Knollenspitze hin sehen wir die 
Tochterknollen immer kleiner werden, bis sie in der Nähe des jüngsten 
1) Journal d’Agrieulture pratique; eit. Biedermann’s Centralbl. f. Agrikultur- 
chemie, 1873, Nr. 10, und Annalen d. Landwirtsch., 1873, Wochenbl. Nr. 16. 
Sorauer, Handbuch. 3. Aufl. Erster Band. 11 


162 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


kegelförmig vorgezogenen Endes der Knolle (rechte Seite des Bildes) 
nur noch als schwach halbkuglige Vorsprünge kenntlich sind. 

Die Verbildung der Knolle beruht auf Prolepsis, d.h. vorzeitiger 
Entwicklung der Augen. Die Erklärung für diese Erscheinung liegt 
sehr nahe. Die Kartoffelstaude entwickelt, nachdem sie einige Zeit 
kräftiges Laub gebildet, allmählich die Spitzen oder Seitenaugen der 
unterirdischen Triebe zu Knollen, welche die erarbeitete Stärke auf- 
speichern. Je trockener die Sommerzeit, um so schneller reift die 
Knolle aus, indem sie bei mäfsiger Vergröfserung und Vermehrung ihrer 
Zellen auch die Stärkekörner in den Zellen vergröfsert und die Zell- 
wände verdickt. Allmählich verlieren die Zellwände mit Ausnahme der 
jJugendlichsten am Auge die Fähigkeit, sich bedeutend zu strecken. 

Wenn nun nach längerer Trockenheit und vorgeschrittener Reife 
ein bedeutender Wasserauftrieb in die Knolle gelangt, wird der Druck 
des durch reichliche Wasseraufnahme vermehrten Zellinhalts sich 
namentlich in den jungen Zellen des Auges geltend machen .und ihre 
noch leicht dehnbaren Wandungen strecken, d. h. das Auge beginnt 
zu wachsen. Aus den Augen w verden Junge Zweige, welche sich ver- 
längern, bis sie die Bodenoberfläche erreichen. Dies ist der seltenere, 
nur bei anhaltend feuchter Witterung eintretende Fall. In der Regel 
sind es vorübergehende Regenperioden, welche einen kurz dauernden 
Wasserauftrieb in der Knolle hervorrufen; dann bleibt der Trieb kurz 
und verdickt sich zur sekundären Knolle (Kindel). 

Dats die Zellen mit der Reife der Knolle ihre Dehubarkeit ver- 
verlieren, sieht man recht deutlich an der Korkschale, die bei jungen 
Knollen immer glatt ist. Wenn die Knollen recht reif sind, ist die 
Schale bei der Mehrzahl der Kartoffelsorten, namentlich den roten, 
rauh. Die zuerst dicht miteinander verbundenen Zellen der Korkschale 
können schliefslich dem Druck des sich ausdehnenden Parenchyms der 
Knolle nicht mehr durch Dehnung der Wandungen folgen, sondern werden 
an zahlreichen Stellen auseinandergesprengt, “wodurch die Rinde rissig 
wird. Unter den Rıfsstellen haben sich neue Korkzellen gebildet. Das 
Eintreten des Rissigwerdens der Schale hängt natürlich von der Sorte 
ab. ‚Je rissiger bei sonst glattschaligen Sorten eine Knolle ist, um so 
reifer und stärkereicher ist dieselbe. 

Das Durchwachsen der Knollen hat nun in vielen Fällen insofern 
einen schädlichen Einflufs, als sich dadurch die Quantität Stärke, die. 
wir als Bodenrente entnehmen, in minder leicht gewinnbarer Form 
darstellt. Man erhält neben den grofsen Knollen eine Menge kleiner, 
die weniger reif und daher stärkeärmer sind. Die bereits vorhandenen 
Knollen werden nach den Untersuchungen von KÜHn!) und WEIDNER?) 
durch das Kindelbilden nicht ärmer an Stärke. Diejenige, welche in 
den sekundären Knollen sich vorfindet, stammt nicht aus den Mutter- 
knollen, sondern ist in den Blattorganen neugebildete und von dort 
herabgewanderte. Nur bei den Stöcken, deren Kraut schon abgestorben 
ist, bringt plötzlich erneute Wasserzufuhr die Kindelbildung auf Kosten 
des Stärkegehaltes der alten Knolle hervor. Beide, Mutter und Kind, 
haben erst den Stärkegehalt einer nicht durchwachsenen Knolle. 

Die sog. „W asserenden“ sind nichts anderes als die durch eine 
nachträgliche Wasserzufuhr zu erneutem Wachstum angeregten Giptel- 


I!) Zeitschr. d. landw. Centralver. der Prov. Sachsen 1868, S. 322. 
2) Annalen des Mecklenb. patriot. Ver. 1868, Nr. 39 


2. Unpassende Bodenstruktur. 163 


teile der Knollen, die sich dadurch kegelförmig verlängern und mit neuer 
Stärke füllen (s. die rechte Seite der Figur 17). Die Füllung ist ebenso 
mangelhaft wie bei den eigentlichen „Kindeln“. 


Knollenbildung ohne Laub. 


Wenn man Knollen zur Zeit ihres natürlichen Austreibens nicht in 
Erde bringt, sondern in einem trockenen, wenig belichteten Raume bis 
zur nächsten Ernteperiode aufbewahrt, erntet man bisweilen eine Anzahl 
kleiner Knollen. Dieselben stehen entweder dicht an der Mutterknolle 
oder hängen an kurzen Stolonen, die sich aus den Augen entwickelt 
haben. Während bei rechtzeitiger Wasser- und Lichtzufuhr dieselben 
Augen zu beblätterten grünen Trieben geworden wären, hat bei der 
trockenen dunkeln Aufbewahrung das austreibende Auge sich zu dem 
fadenartigen nur mit Schuppen statt der Blätter besetzten Ausläufer 
(stolo) ausgebildet, und dessen Spitze hat alsbald wieder zur Knolle sich 
verdickt. 


Oberirdische Kartoffelknollen.! 


Es kommt vor, dafs bei flach gelegten nicht gehäufelten Knollen 
das Kraut noch grün bleibt, während der Wurzelapparat durch die 
Trockenheit oder Tiere stark beschädigt wird. Wenn ein nachfolgen- 
der Regen den geschwächten Wurzelkörper so weit in Funktion erhält, 
dafs die oberirdischen Achsen am Leben bleiben, entwickeln sich an 
ihnen aus den Seitenaugen kleine gefärbte Knollen. Auch unter anderen 
Verhältnissen ist dieser Vorgang möglich; doch stimmen die Verhält- 
nisse stets darin überein, dafs der Wurzelapparat erkrankt ist und nur 
sehr geringe Wassermengen aus dem Boden den belaubten Stengeln 
zuführen kann. Man kann selbst Stecklinge aus älteren Stengelteilen 
dazu bringen, in ihren Blattachseln Knollen anzusetzen. 


Notreife des Obstes. 


In Jahren mit anhaltender Trockenheit, wie z. B. 1904, treten 
äufserst häufig die Klagen auf, dafs das Kernobst nicht haltbar seı. 
Das Sommerobst ist zwar schneller reif und kann 8 bis 14 Tage früher 
auf den Markt gebracht werden, aber der Geschmack läfst zu wünschen 
übrig. Das Winterobst bleibt in der Regel kleiner, ist weniger saftig 
und aromatisch und geht entweder schneller in Fäulnis über, oder aber 
es braucht viel längere Zeit auf dem Lager, um verkaufsfähig zu werden. 
Der erstere Fall läfst sich auf den leichten Böden beobachten; der 
letztere ist dann gefunden worden), wenn auf schwerem Boden nach 
der Trockenperiode noch Regen eintritt, der ein Weiterwachsen der 
bisher durch den Wassermangel zurückgehaltenen Früchte veranlafst. 

Das geschilderte Verhalten findet seine Erklärung bei Erwägung 
des Umstandes, dafs Güte und Haltbarkeit der Früchte von zwei Faktoren 
abhängig sind. Zunächst mufs jede Frucht eine genügende Zeit zur 
Einwanderung des zu ihrer Ausbildung nötigen Wassers und Nährstoft- 
materials haben, was in die Zeit der Schwellungsperiode fällt. All- 
mählich stellen sich dann die Oxydationsvorgänge des Reifeprozesses 


1) Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau von Oswrvısck und 
Luxas, 1869, S. 272. 
11* 


154 l. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


ein, bei welchen das bisher in Form von Stärke gespeicherte Reserve- 
material veratmet wird. Je länger die Frucht Zeit hat, das aus den 
Blättern einwandernde Material zu speichern, desto reichlicher ist sie 
für die Reifevorgänge ausgestattet und desto langlebiger ist sie. Wird 
dieser Füllungsprozefs durch die Trockenheit vorzeitig unterbrochen, 
finden die Reifungsprozesse der Umwandlung von Stärke in Zucker ver- 
hältnismäfsig wenig Material vor. Bei normaler, d. h. abwechselnd 
Sonnenschein und Regen bietender Sommerwitterung nimmt auch die 
Frucht während des Reifevorganges aufser Wasser noch Mineral- 
bestandteile auf, wie PFEIFFER und ich festgestellt haben. Es findet bis 
kurz vor der Vollreife eine absolute Zunahme an Mineralstoffen statt; 
relativ erscheint dieselbe bei der gröfseren Zunahme an organischer 
Substanz natürlich kleiner. Bei ständigem Wassermangel unterbleibt 
diese Zufuhr, und die Früchte veratmen nun schnell das spärliche 
Material. Der Säurevorrat ist gering und die Zuckerbildung spärlicher ; 
daher der fade Geschmack und die geringere Haltbarkeit. 

Bei dem Winterobst vollziehen sich die Reifevorgänge erst auf dem 
Lager. Es gelten aber sonst dieselben Gesichtspunkte. War die Witterung 
während des Sommers für die Einwanderung reicher Reservestoffmengen 
günstig, geht die Frucht wohl vorbereitet auf das Winterlager und 
erhält sich lange gesund. Bei geringer Menge von Reservestoffen lebt 
sie sich eben schnell aus. In Jahren, in denen nach einer langen 
Trockenperiode eine anhaltend kühle, trübe Zeit eintritt, fängt das 
Winterobst, nachdem es in seinem Wachstum durch die Trockenheit 
einen langen Stillstand erlitten, von neuem zu wachsen und Material 
zu speichern an. Wenn es im Herbst geerntet werden mufs, geht es 
verhältnismäfsig unreifer auf das Lager und braucht nun länger Zeit, 
um reif zu werden. Das sind nachher die (im ganzen selteneren) Fälle, 
in denen die Früchte unverhältnismäfsig lange auf dem Lager liegen 
müssen und nicht mürbe werden wollen, sondern zähfleischig verbleiben. 


Fuchsige Pflaumen. 


Als eine Erscheinung der Notreife ist die mehrere Wochen vor der 
normalen Reifezeit eintretende fuchsig-rote Verfärbung der Pflaumen zu 
nennen; die Früchte sind dabei noch vollständig hart und durchschnittlich 
halb so grofs als die normal ausgereiften. In der Regel fallen die 
fuchsigen Pflaumen vorzeitig ab. Die Erscheinung tritt nur in an- 
dauernd heifsen, trockenen Perioden auf und zeigt sich namentlich auf 
Sandböden. Die bei den einzelnen Sorten zu verschiedenen Zeiten 
eintretende Verfärbung erinnert an die vorzeitige Annahme der Reife- 
färbung madiger oder sonstig verletzter Früchte des Kernobstes. Auch 
bei dem Fuchsigwerden der Pflaumen ist zu betonen, dafs nicht der 
trockene Standort an sich die Ursache ist, sondern eine intensive 
Wasserarmut des Bodens nach vorangegangener Periode mit normalen 
reichlichen Niederschlägen. Bäume, welche beständig nur knappe 
Wasserzufuhr erhalten, passen sich der geringen Feuchtigkeit dadurch 
an, dafs sie die Früchte, welche sie nicht ernähren können, kurz nach 
der Blüte abwerfen. Nur bei den Bäumen, die reichen Frucht- 
behang infolge günstiger Bewässerungsverhältnisse bis zum Sommer 
hin behalten haben, wirkt die längere Sommertrocknis. verhäng- 
nisvoll. 

Als Vorbeugungsmittel kann die rechtzeitige Fortsetzung der 


2. Unpassende Bodenstruktur. 105 


Wasserzufuhr durch Begiefsen angesehen werden. Man warte nicht 
zu lange mit der Nachhilfe durch reiches Begieilsen. Fängt man zu 
spät mit der Bewässerung an, fallen häufig nicht nur die "fuchsigen, 
sondern alle Früchte ab. 


Weitere Erscheinungen der Notreife. 


Selbstverständlich können bei allen Fruchtgattungen die Folgen 
einer andauernden Trockenheit des Bodens nach normaler Frühlings- 
feuchtigkeit sich geltend machen. Das Abwerfen von Blättern und 
Früchten ist ein häufiges Vorkommnis; die mangelhafte Ausbildung der 
an der Pflanze verbleibenden Organe die minder in die Augen ‚springende 
Erscheinung. Bei Obst und Kartoffeln resultiert daraus eine geringe 
Haltbarkeit in den Aufbewahrungsräumen, bei dem Getreide eine 
Schmächtigkeit der Körner. Wir kommen auf andere Fälle noch später 
zu sprechen, wenn wir der Folgen ungewöhnlicher Lufttrockenheit ge- 
denken. 


Mehligwerden der Früchte. 


Bei Kernobst, namentlich den frühen Sorten, zeigt sıch in besonders 
heifsen Sommern auf sandigen Böden die Erscheinung, dafs das Frucht- 
fleisch nicht saftig und knackend, sondern mürbe, saftarm, mehr fade, 
wie aromatisch schmeckend und bei Druck zu mehligem Brei leicht 
zerfallend sich darstellt. Dieselben Sorten sind in kühleren Jahren 
oder an anderen Standorten, ja selbst von demselben Baume bei früh- 
zeitigerer Ernte nicht mehlig, sondern gehen von dem festen durch 
den schmelzenden direkt in den weinig-teigigen oder in den fauligen 
Zustand über. 

Spezielle Untersuchungen sind mir über den vorliegenden Fall 
nicht bekannt geworden. Es kann daher nur vermutungswe ise aus- 
gesprochen werden, dafs das Mehligwerden der Früchte auf einem durch 
Wassermangel in andere Bahnen selenkten Akt des Reifungsprozesses 
beruht. Diese Ablenkung dürfte nicht mehr an den Zusammenhang 
der Frucht mit dem Baume gebunden sein, sondern spät im Leben der 
Frucht, etwa zur Zeit der allgemeinen Lösung der Intercellularsubstanz 
des Fruchtfleisches sich einstellen. Bei der normalen Fruchtreife tritt 
nach Überschreitung des Stadiums der gröfsten Süfsigkeit, bei welchem 
die Früchte bereits” „schmelzend*, d.h. die Zellen ihres Fruchtfleisches 
leicht voneinander trennbar sind, auf Kosten des Zuckers die Alkohol- 
und schliefslich wohl die Essigsäuregärung ein. Die Früchte werden 
weinig-teigig unter stetig fortschreitender Bräunung. Ein Teil des ge- 
bildeten Alkohols verbindet sich nach Frewy!) mit den Fruchtsäuren zu 
den Äthern, welche das Aroma der Früchte bedingen. Kühle Temperatur 
verhindert das schnelle Verbrennen des Zuckers. Die mit der Reife gering 
werdende Wasserzufuhr zur Frucht aus dem Zweige erklärt, dafs bei 
grofser Sommerhitze die Frucht aufserordentlich schnell auslebt und da- 
bei stark Kohlensäure und Wasser abgibt. In dem wasserärmeren, hoch- 
durchwärmten Fruchtfleische dürfte aber die Lösung der Intercellular- 
substanz, die wir zu den Pektinen rechnen, nicht in der gewöhnlichen 
Weise stattfinden. A. Mayer?) fafst die Pektine als Kondensationsprodukte 


!) Compt. rend. LVIII, S. 656. 
?2) Agrikulturchemie 5. Aufl., Bd. I, S. 141. Heidelberg 1901. 


156 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


von (ralaktose und der Pentose Arabinose auf und macht auf die 
Eigentümlichkeit aufmerksam, dafs sie durch ein besonderes Enzym 
gelatinieren und durch ein anderes zu obigen Pentosen hydralisiert 
werden. Man darf wohl annehmen, dafs diese Prozesse quantitativ oder 
qualitativ bei dem Mehligwerden der Frucht verändert werden. Es 
deutet darauf der Umstand, dafs bei der mehligen Frucht stets ein fester 
Zusammenhang zwischen Oberhaut und Fruchtfleisch vorhanden ist, 
während bei dem normalen weinig-teigigen Zustande die Oberhaut vom 
Fruchtfleisch sich leicht abheben läfst, also die Intercellularsubstanz sich 
löst. Der fade Geschmack der mehligen Frucht erklärt sich durch ge- 
ringen Säuregehalt und schnelles Veratmen des Zuckers. 

Zur Begründung der Ansicht, dafs Wärmeüberschufs einen rela- 
tiven Mangel an organischen Säuren in einer Frucht veranlassen kann, 
mufs an die Tatsache erinnert werden, dafs ın den Blättern die nächtlich 
gebildeten Säuren am folgenden Tage grofsenteils wieder veratmet 
werden. Dieser Verbrennungsprozefs dürfte auch in der grünen Frucht 
stattfinden, und es ist wohl denkbar, dafs derselbe in den langen, 
heifsen Sommertagen so intensiv ist, dafs ein grofser Teil der ent- 
standenen Säuren verschwindet. Unter solchen Umständen kommt die 
weinige Gärung gar nicht zustande. 

Für die Anschauung, dafs das Mehligwerden der Früchte bei 
Wasserarmut der Zellen unter breiartigem Zerfall der Intercellular- 
substanz eintritt, wenn die Bedingungen für eine weinige Gärung nicht 
gegeben sind, spricht der Umstand, dafs ich künstlich an Apfeln den 
Vorgang hervorzurufen vermochte. Es wurden Früchte verschiedener 
Sorten nach normaler Baumreife in trocknen Sand eingeschichtet und 
vom Herbst bis zum nächsten Sommer in einem kühlen, hellen Keller 
aufbewahrt, um das Ausleben der Frucht möglichst langsam eintreten 
zu lassen. Dabei zeigte sich, dafs einzelne Früchte mit vollkommen 
unverletzter Wachsglasur im August noch gesund, aber vollständig 
fade im Geschmack und von mehliger Beschaffenheit waren). 


Die Stippflecke. 


Im Fleisch des Kernobstes, vorzugsweise der Apfel, entstehen 
braune, zähe, mitunter bitter schmeckende, zerstreute Flecke. Befinden 
sich dieselben in unmittelbarer Nähe der Schale, machen sie sich als 
etwas eingesunkene, matter gefärbte, schliefslich braune, zähe Stellen 
bemerkbar. Auf lockeren Böden in trockenen Jahren, wie das Jahr 
1904 gewesen, ist die Erscheinung am häufigsten. Die festfleischigen 
Sorten leiden weniger. Obgleich von einzelnen Forschern ein Pilz, 
Spilocaea pomi Fr., als Ursache angegeben wird, möchte ich doch die 
Erscheinung als eine Folge zu schnellen Auslebens einzelner Zell- 
gruppen des Fruchtfleisches ansehen. Bei jeder Frucht erscheint das 


!) Sowohl bei mehligen als auch bei normal saftigen Früchten kennzeichnet 
sich das Stadium der Reife durch das Erscheinen eigenartiger Stoffgruppen, die 
nach sofortigem Einlegen der Schnitte in unverdünntes Glycerin sichtbar werden. 

Umstehende Figur stellt eine Zelle aus dem Fleische eines Apfels (Gloria mundi) 
nach. sofortigem Einlegen des Schnittes in Glycerin dar. Der zarte plasmatische 
Wandbelag, der faltig zusammengezogen, ist in der Zeichnung teilweise fort- 
gelassen; er drängt die hier dargestellten Inhaltsmassen mehr oder weniger zu- 
sammen. Auch die in den meisten Zellen sofort in die Augen springende, meist 
in einer Ecke liegende, sehr grofse Vakuole, welche ich als Säurevakuole ansprechen 
möchte, fehlt, um die Stoffe deutlicher zu zeigen, welche bei der Glycerinreaktion 


EEE 


2. Unpassende Bodenstruktur. 167 


Gewebe des Fruchtfleisches ungleichmäflsig mit Reservestoffen gefüllt. 
Wenn vorzeitige Bodentrockenheit die Leitung der zur vollen Aus- 
bildung der Frucht notwendigen Menge organischen Materials ver- 
hindert, werden einzelne Gewebegruppen besonders arm an Inhalts- 
stoffen bleiben und dann schneller sich ausleben. Die Anfänge der 


hervortreten. Es sei hier bald betont, dafs nicht alle Zellen die dargestellte Kom- 
bination zeigen; schön fand ich sie im Aufsenfleisch bei reifen Apfeln, Birnen und Pfir- 
sichen. Die Untersuchungen weisen darauf hin, dafs eine dem Zucker nahestehende 
Substanz in verschiedenen Übergangsformen in den Zellen vorhanden ist. Zwischen 
einzelnen gröfseren oder zahlreichen, sehr kleinen Vakuolen findet sich diese Sub- 
stanz, dem Plasmaleibe eingebettet oder frei im Zellsafte, entweder als vereinzelte 
trübe Tropfen oder als mehr geradlinige Massen, die 
dem Aussehen nach etwa von teigiger Beschaffenheit 
sein dürften. Manchmal findet man sie in noch stärker 
lichtbrechender und noch festerer Form als knollige, 
warzige, unregelmäfsige Anhäufungen. Diese festeste 
Form scheint auch in ‘Gestalt kleinster sandartiger, 
dem Wandbelage eingebetteter Körnchen vorzukommen, 
auf welche man erst aufmerksam wird, wenn dieselben 
zu Tropfen oder (durch Vakuolenbildung) zu kleinen 
Bläschen im Glycerin aufquellen. Allen drei Formen 
kommt eine Quellungsfähigkeit in Glycerin zu. Bei Be- 
obachtung unter Wasser werden die Tropfen leicht un- 
deutlich und verschwinden, aber im ausgepreisten 
Apfelsafte bleiben sie kenntlich und von den verschie- 
denen Vakuolen unterscheidbar. Das Quellungsprodukt 
in seiner ausgebildetsten Form auf der Höhe der Ent- 
wieklung ist nun durch die strahlige Mittelfigur in 
unserer Abbildung dargestellt, während der teigartige 
Zustand der Substanz durch die darunterliegende 
schraffierte Fläche mit geschweiften Konturen an- 
gedeutet ist. Die wolkige Umhüllung ist der in der- 
selben Ebene liegende Teil des Plasmasackes, welcher 
ee und zwei nn en 
er Quellungsvorgang ist bei den oben geschilder- 2 : = 

ten drei Massen I een tritt aber in verschiedener un nen 
Intensität ein. Am schnellsten und ausgebildetsten er- Anfels nach Behandl 

- : er 2 pfels nac ehandlung 
scheint er bei der Tropfenform; er nimmt ab, je fester mit unverdünnt. @lvcerin 
die Substanzen werden. Bei Wasserzutritt verschwinden (Orig) ; 
zuerst die Tropfen; an ihrer Stelle bleibt bisweilen ein 5: 
feinkörniger Rückstand am Rande der Plasmahülle; etwas später werden die 
teigigen Massen unsichtbar, und die durch das Plasma gebildete Grenzlinie wird 
kreisrund; die polypenartigen Formen werden langsam durchscheinender, die 
warzigen Massen graugekörnelt und trübe, ohne sich an einem Tage ganz zu lösen. 
Wenn man die gern der Wandung anliegenden, zwischen Vakuolen eingebetteten, 
trüben Kugeln bei Beginn des Wassereintritts betrachtet, bemerkt man häufig eine 
von innen heraus beginnende Quellung einzelner Inhaltsgruppen, die bis zur Vakuolen- 
bildung sich steigert. Ähnliches findet man bei Glycerin, bei welchem der Vorgang 
langsamer sich einstellt und die veränderten Zustände sich länger erhalten. Durch 
diesen Quellungsvorgang der in den trüben Tropfen eingebetteten Substanzen er- 
scheint deren Inneres bisweilen derart von einer oder mehreren Vakuolen angefüllt, 
dafs die eigentliche trübe Masse nur noch als schmaler Umfassungsring der Vakuole 
auftritt, der in Wasser immer durchscheinender wird, bis er überhaupt nicht mehr 
kenntlich ist. Eine eigentliche Lösung der Substanz wurde nicht beobachtet. Wenn 
die frischen Schnitte erst in Wasser liegen, treten die trüben Tropfen nicht mehr auf, 
woraus zu schliefsen, dafs die Substanz vom Wasser aufgenommen wird. Wohl 
aber wurde in mehreren Fällen beobachtet (bei Reinetten), dafs, wenn nach einer 
schnell vorübergehenden Wassereinwirkung die Tropfen verschwunden waren, ein 
feinkörniger Rückstand blieb. Bei Glycerinzusatz quollen diese soliden Körnchen 
entweder zu Tropfen oder zu einzelnen fadenförmigen Schläuchen auf. Vielleicht 
sind es nur diese Körnchen, welche in den Tropfen und den übrigen, obenerwähnten, 
als verschiedene Aggregatzustände einer Grundsubstanz angesprochenen Formen 
eingebettet, zu polypenartigen Ausstrahlungen aufquellen. Man sieht nämlich an 
solchen Tropfen, welche durch eine Vakuole zu einem dickwandigen Bläschen er- 


168 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


Erkrankung müssen in einem ziemlich frühen Stadium der Frucht- 
entwicklung gesucht werden. Ich fand mehrfach in erkrankten, durch 
gebräunte und verkorkte Membranen kenntlichen Zellgeruppen an die 
Zellwand angelagerte Körner, die sich durch Jod langsam blau färbten 
und also als Stärke angesprochen werden mulfsten. Einzelne dieser Körner 
zeigten einen weifslich bleibenden, verquollenen Saum. Ferner be- 
obachtet man manchmal an den zum Stippigwerden am meisten geneigten 
mürbfleischigen, frühen Apfelsorten ein Zerreifsen des gebräunten Ge- 
webes. Da diese Lücken nur dadurch zu erklären sind, dafs zur Zeit, 
als die Frucht noch im Schwellungsprozefs begriffen war, das stippige 
Gewebe bereits verkorkte, nicht mehr genügend dehnbare Membranen 
besafs, so mufs die Erkrankung schon früh vorhanden gewesen sein. 
Ein derartiges Absterben einzelner Gewebegruppen infolge un- 
genügender Einlagerung von Reservestoffen wird um so leichter statt- 
finden, wenn die Stärkeablagerung durch einseitig gesteigerte Stickstoff- 


weitert sind, dafs nur einzelne Punkte aus der stark lichtbrechenden, gallertartig 
aussehenden Wandung sich schlauchartig verlängern. Indes sind solche festere 
Körnchen vor der Quellung nicht in der Wand beobachtet worden. Die quellenden 
Stellen stülpen sich entweder zu gleichmälsigen, cylindrischen Schläuchen oder 
perlschnurartigen Ketten aus, welche in einzelnen Fällen den Wandbelag erreichen 
können und dann als knotige Bänder die Zelle quer durchspannen. Durch die 
fortgesetzte, langsame Quellung verändern sich die Figuren fortwährend in Glycerin, 
wobei die immer teigiger, schwächer lichtbrechend und fadenziehend werdende 
Substanz das Bestreben bekundet, zur Tropfenform zurückzukehren. Entweder 
nehmen einige der Hauptarme der oben dargestellten Polypenfigur immer mehr 
Substanz auf und werden zu breiten Bändern, die schliefslich zu kugligen Tropfen sich 
zusammenziehen, oder es zeigen einzelne Glieder der Perlschnurketten unter steter 
Volumzunahme und Abnahme der Lichtbrechung ein stärkeres Wachstum, wobei 
die kleineren kugligen Kettenglieder und die sie etwa verbindende Fadensubstanz 
immer schmaler werden, endlich zerreifsen und in die gröfseren Tropfen hinein- 
gezogen werden. Diese Tropfen waren in den ausgeprägtesten Fällen noch nach 
‘96 Stunden kenntlich, später aber nicht mehr aufzufinden und durch Reagentien 
auch nicht mehr hervorzurufen. 

Was mich veranlafst, die erwähnten Substanzen in die Zuckerreihe oder zwischen 
die Zucker- und Gerbstoffreihe zu stellen, ist ihr Vorkommen in denselben Zellen, 
welche durch Glycerin zusammenziehbare, stark lichtbrechende, durch Alkohol aus- 
ziehbare, die Kupferreduktion zeigende, grofse Tropfen enthalten, in welche die 
kleinen, obenerwähnten Tropfenformen, wie mir scheint, übergehen. Die grofsen, in 
besonderen Teilen des Plasmasackes durch Glycerin zusammenziehbaren Siruptropfen, 
die allmählich wieder verschwinden, lassen sich durch Anwendung von doppelt- 
chromsaurem Kali zum Teil fixieren, da sich in ihnen ein bleibender, braunkörniger 
Niederschlag bildet. Bei Birnen sah ich dieselbe Erscheinung nach Einwirkung ver- 
dünnter Schwefelsäure auf das Glycerinpräparat, wobei die Wandungen der Stein- 
zellen weinrot wurden. Eisenchlorid gibt keine besondere Farbenreaktion. Wenn man 
zum Glycerinpräparat ein Stückchen Atzkali bringt, färben sich die Sirupkugeln 
intensiv gelb und der übrige Zellinhalt matter. Chemisch reiner Traubenzucker ver- 
hielt sich ebenso, während er bei Lösung in reinem Wasser nur eine schwach gelb- 
liche Flüssigkeit ergab. Etwas länger kann man die Tropfen auch durch Zusatz von 
Chlorcalcium oder salpetersaurem Kalk erhalten; sie bewahren dann zwei bis vier 
Tage ihre starke Lichtbrechung. Bei Anwendung von salpetersaurem Silber ent- 
steht in vielen Sirupkugeln em braunkörniger Niederschlag, der entweder aus 
vielen, sehr kleinen, oder weniger zahlreichen, aber gröfseren knolligen Körpern 
besteht. Ein Teil der Tropfen verschwindet, ohne Niederschläge zu geben. 

Mir scheint, dafs man es hier mit einer aufserordentlich leicht veränderlichen, 
in Wasser und Alkohol leicht, in Glycerin schwerer löslichen Substanz zu tun hat, 
die in derselben Zelle in verschiedenen Umwandlungsstadien vorkommt und daher 
verschiedene Reaktionen zeigt. Schon das offene Liegen an der Luft bewirkt eine 
Veränderung, da ein Apfel, der an der frischen Schnittfläche die Sirupkugeln in 
Masse aufwies, nach wenigen Stunden an derselben Schnittfläche durch Glycerin 
keine Tropfen mehr zeigte, sondern solche erst tiefer im Gewebe wieder auf- 
finden liefs. 


2. -Unpassende Bodenstruktur. 159 


düngung erschwert wird. Tatsächlich haben auch praktische Obstzüchter 
beobachtet, dafs das Stippigwerden besonders häufig sich zeigte, wenn 
die Bäume mit Malzkeimen, Hornspänen u. dgl. in “überreichem Mafse 
gedüngt worden waren. | 
WORTMANN!) bestätigt unsere Anschauung betreffs na nicht para- 
sitären Charakters der "Stippflecke und deren Auftreten bei Wasser- 
mangel. Er schreibt das Auftreten der toten, verkorkten Zellgruppen 
einem Säureüberschufs zu, der dadurch zustande kommt, dafs infolge 
eines nicht zu deckenden "Verdunstungsverlustes der Frucht der Zell- 
saft allmählich konzentrierter wird. Der absolute Säuregehalt nimmt 
bei der Reife der Früchte allerdings ab, aber der relative kann 
durch den Wassermangel in den Zellen sich steigern. Dafs gröfsere 
Früchte mehr verdunsten als kleinere und die stippigen Sorten (Rötliche 
Reinette, Goldgunderling, Winter-Goldparmäne, Landsberger Reinette, 
grüner Stettiner, Danziger Kantapfel) mehr verdunsten als die nicht zur 
Stippigkeit geneigten Sorten, schliefst WORTManN aus der Untersuchung 
der Epidermis. " fand eine stärkere Verdickung der Aufsenwände 
der ie 2 nicht stippigen Sorten, deren geschälte Exemplare 
mehr verdunsten als geschälte stippige Apfel. Wenn Früchte nicht 
stippiger Sorten mit einer Nadel angestochen und in sauere oder al- 
kalische Lösungen (Kalitartarat, Kalkwasser) gelegt wurden, entstanden 
Stippflecke, die von den natürlichen nicht zu unterscheiden waren. 
Nicht zu verwechseln ist die Erscheinung mit den sog. „Fliegen- 
flecken“. Es finden sich dann auf der Apfelschale sehr feine, schwarze, 
gruppenweise vereinigte Pünktchen, die für das blofse Auge einen 
wolkigen Anflug darstellen und unter der Lupe wie Anhäufungen von 
Fliegenschmutz aussehen. Als Ursache werden Pilze, nämlich Zeptothyrium 
pomi Mntg. et. Fr. und Phyllachora pomigena (Schw.) Sacc. angegeben. 
Manchmal findet man auch wirkliche aufgespritzte Insektenexkremente, 
in denen diese Pilze vegetieren. Da die Schale sich unter den Fliegen- 
Hecken in keiner Weise angegriffen erweist, genügt das Abreiben mit 
einem nassen Tuche, um die Früchte wieder verkaufsfähig zu machen. 
Eine andere, manchmal als Stippflecke bezeichnete Erscheinung ist das 
„Rostigwerden der Schale“. Die Bezeichnung rührt von der Farben- 
veränderung her, welche die Oberhaut der Frucht annimmt. Dieselbe be- 
kommt während des Schwellungsprozesses sternförmige oder dendritisch 
verzweigte Rifsstellen, welche durch Korkbildung geschlossen werden. 


Das Stein'gwerden der Birnen und die Lithiasis. 


Es ist eine häufig zu beobachtende Tatsache, dafs Birnen aut 
magerem Boden in trockenen Jahren ein festes Fleisch behalten und 
beim Genufs durch die aufserordentliche Menge steiniger Körnchen 
zwischen den Zähnen knirschen. In feuchten Jahren sind dieselben 
Birnensorten weichfleischig, und von den Steinen ist wenig zu bemerken, 
so dafs die Praktiker häufig die Ansicht vertreten, die Bildung der Steine 
in den Birnen sei die direkte Folge grofser Trockenheit. 

Die Untersuchung jugendlicher Früchte zeigt aber bereits, dafs bei 
jeder Birnensorte in normaler Entwicklung stets Nester von derb- 
wandigeren, sklerenchymatischen Zellen in "ungleicher Verteilung sich 
vorfinden. Diese Steinzellen sind sogar ein "unterscheidendes, ana- 


1) Worrwass, Jur., Über die sog. Stippen der Äpfel. Landwirtsch. Jahrbücher 
1892, Heft 3 u. 4. 


170 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


tomisches Merkmal zwischen Birne und Apfel!). Es ist also nicht das 
Auftreten der Steinzellen, sondern nur die stärkere Wandverdickung der 
stets vorhandenen, aber in manchen Sorten relativ schwachwandig 
bleibenden Elemente, welche durch die Trockenheit bedingt ist. Dazu 
kommt, dafs ıhr Zusammenhang mit dem umgebenden in trockenen 
Jahren zäheren Gewebe des Fruchtfleisches ein festerer bleibt. 

Während bei dem sog. Steinigwerden der Birnen es sich nur um 
die gesteigerte Wandverdickung?) der normal angelegten Sklerenchym- 
zellennester handelt, also nicht um eine Vermehrung der Elemente, 
sehen wir bei der Zithiasis eine durch Zellvermehrung nachträglich 
zustande kommende Anhäufung von Steinzellelementen. Diese treten 
auch schliefislich über die Oberfläche der Frucht hervor und bilden 
dann entweder gleichmäfsig verteilte oder auf der Sonnenseite gehäufte 
hellbraune, kreisrunde Flecke oder durch Verschmelzung landkarten- 
artige Zeichnungen (Fig. 19), deren Obertläche krümelige Beschaffenheit 
zeigt. Nicht selten leiden dieselben Birnsorten auch von Fusicladium 
(s. II. Bd.); jedoch lassen sich die Lithiasisflecke leicht durch ihre 
krümelige Beschaffenheit und die aufgeworfenen Wundränder von den 
glatten, meist geschwärzten Pilzflecken unterscheiden. 

So weit bis jetzt die Beobachtungen reichen, leiden nur einzelne 
Sorten an Lithiasis, und zwar bilden manche vorherrschend rundliche 
Flecke, während bei anderen hauptsächlich zickzackartige klaffende 
Risse entstehen. Nicht immer sind die Steinnester vertieft; manchmal 
treten sie als schwach korkfarbige Polster über die Oberfläche hervor. 


') Turrın, Memoire sur la difference qu’offrent les tissus cellulaires de la pomme 
et de la poire ete. Paris. Compt. rend. 1838, I, S. 711ff. 


”) Der Stoff, aus welchem die schichtig verdickten Wände der Steinzellen be- 
stehen, hat von Erpwanx’) den Namen Glykodrupose erhalten. Der Name wurde des- 
halb gegeben, weil der Forscher glaubte, dafs die chemische Zusammensetzung dieser 
Zellen die gleiche wie in dem Gewebe ist, das den Stein der Pflaumen und Kirschen 
(Drupaceen) bildet. Die durch mäfsig konzentrierte Salzsäure zerlegte Substanz 
ergab zur Hälfte des Gewichtes Traubenzucker in Lösung; die ungelöst zurück- 
bleibende Hälfte führt nun den Namen Drupose; diese hinterläfst bei dem Kochen 
mit Salpetersäure und Auswaschen mit Wasser, Ammoniak und Alkohol eine 
gelblichweifse Cellulose. Ervmansw schliefst aus seinen Untersuchungen, dafs die 
Substanz der Steinzellen aus einem Kohlenhydrat entstanden sei, und zwar durch 
Austritt von Wasser und Sauerstoff aus Stärke oder Gummi, während bei dem 
normalen Reifungsprozefs zur Bildung des Zuckers Wasser aufgenommen werden muls. 

Der Ansicht, dafs Zucker- und Cellulosebildung miteinander in innigem 
Zusammenhange stehen, gibt ve Vrırs (Wachstumsgeschichte der Zuckerrübe, in den 
Landw. Jahrb. 1879, S. 438) Ausdruck. Er sagt, dafs man ganz gewöhnlich in den- 
jenigen jungen Zellen eine Anhäufung von Traubenzucker findet, welche später 
ihre Wand stark verdicken. Beispielsweise sind die Bastfasern des Klees sowohl 
wie die Fasern der inneren Strangscheide der Gefäfsbündel, die im ausgewachsenen 
Zustande sehr dickwandig erscheinen, in ihrem jüngeren, noch dünnwandigen Stadium 
reich an Traubenzucker, während das umgebende Gewebe aım oder leer an Zucker 
ist. Dieselben Verhältnisse fand ve Vrıers bei den jungen Bastfasern der Kartoffel- 
pflanze und des Maises. Selbst in den später dickwandigen Haaren findet eine 
Akkumulation des Zuckers vor der Wandverdickung statt, so z B. in den Haaren 
der jungen Kleeblätter, in deren Blattparenchym selbst kein Zucker nachgewiesen 
werden konnte. Ebenso ist nach ve Vrızs im Wurzelparenchym derselben Pflanze 
der Zucker nicht zu finden, während er in den jungen Wurzelhaaren reichlich 
auftritt. Bekannt ist die durch Einwirkung verdünnter Schwefelsäure nach Er- 
hitzung mögliche Überführung der Cellulose in Dextrin und Zucker. Man vergleiche 
auch die neueren Untersuchungen über die Hemicellulosen: Mannan, Galactan und 
Araban. 


®, Liesıs’s Annalen, Bd. 138, S. 101; eit. im Jahresbericht f. Agrikulturchemie 
1866, S. 99. 


-findet man bei den stets noch grünen und 


2. Unpassende Bodenstruktur. 173 
An den gesunden Stellen der steinkranken Birne ist ein ganz 
normaler Bau zu finden, d. h. unterhalb der schmalzelligen, nicht sehr 
dickwandigen, farblosen Epidermis (Fig. 20e) liegen drei bis vier 
Schichten meist tangential gestreckter oder kubischer Parenchymzellen 
(p), die plasmareicher als die tieferliegenden Gewebe sind und Chloro- 
phyll, aber keine Stärke führen. Die Stärke findet sich erst in dem 
Innenfleische allmählich ein, und ihre Körner pflegen an Gröfse nach 
dem Samengehäuse hin zuzunehmen. Unterhalb der äufseren chlorophyll- 
reichen Zelllagen beginnt die Einlagerung der Steinzellennester (st), 
die im normalen Fleisch wenigzellige Gruppen bilden und bei den derb- 
tleischigen Früchten nur durch kleine 
Zwischenfelder von zartem Parenchym 
(zp) geschieden sind. Von der Peripherie 
nach dem Innern der Frucht fortschrei- 
tend, werden die Steinzellengruppen 
spärlicher, und das umgebende Paren- 
chym nimmt eime sternförmige Anord- 
nung an. 
In den ersten Stadien der Erkrankung 


harten Früchten, dafs unterhalb der un- 
verletzten und farblosen Epidermis ein- 
zelne Zellen keine Chlorophylikörper be- 
sitzen, sondern einen braunen, stark 
lichtbrechenden, klumpig zusammen- 
geballten Inhalt haben. Allmählich ver- 
mehrt sich die Zahl dieser gebräunten 
Zellen, und nun bricht die Oberhaut auf. 
Unter der aufgebrochenen Stelle, die sich 
durch Zusammentrocknen und krüme- 
ligen Zerfall der Gewebe zu einer Grube 
(gr) zunächst vertieft, findet man auch 
mitten im Fruchtfleisch braunwandiges 
absterbendes Gewebe (br), das später 
bisweilen zerreifst und Lücken bildet. 
Bisweilen in diesen Lücken, stets aber 
in den offenen peripherischen Gruben 
(yr) ist farbloses schlankes Mycel zu 
finden, das eine nachträgliche Einwande- Fig. 19. Birne an Lithiasis 
rung darstellt und den Gewebezerfall be- erkrankt. (Orig.) 
schleunigen dürfte. 

Die auffälligste Erscheinung besteht nun darin, dafs nach Ent- 
stehung der Grube das dieselbe veranlassende Absterben des Frucht- 
tleisches aufhört und sich nun geschlossene Massen neugebildeter, 
sklerenchymatischer Elemente in fächerförmiger Anordnung polsterartig 
vorzuwölben beginnen (/). Diese Kissen aus Steinzellen treiben das 
abgestorbene Rindengewebe (f) vor sich her und stoisen dasselbe ab. 

Die einzelnen Elemente der Steinzellenpolster sind ım Querschnitt 
quadratisch oder quer rechteckig und liegen nahezu lückenlos an- 
einander: sie färben sich schon in früher Jugend durch Anilin sulph. 
leuchtend gelb und lösen sich auch im spätesten Alter leicht in 
Schwefelsäure. ohne dafs eine Ausscheidung von Gipskristallen be- 
obachtet werden konnte. Während die normalen Steinzellennester bei 


SR LODGTEN: 
AR IRPSRE 
= > X 


Ister nach einiger Zeit 


Membranlamellen blau. 


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S. 
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> 


an Lithiasis erkrankten 


& im Text. 


Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


röfstenteils gelb bleiben. färben sich die 


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gewachsenen Sklerenchympo 


entweder gänzlich oder doch in den innersten 


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sters bei einer 


gurenerklärun 


Steinzellenpol 


(Orig.) Fi 


Birne. 


Querschnitt eines 


Fig. %. 


2. Unpassende Bodenstruktur. 173 


Das Wachstum dieser Sklerenchympolster erfolgt durch eine 
Meristemschicht (m), die sich unterhalb der abgestorbenen Rinden- 
lagen bildet und zunächst aussieht, als ob sie zu einer den Krankheits- 
herd abschliefsenden Tafelkorklage werden wollte, wie dies bei den 
Fusicladiumpolstern zu beobachten ist. Dies ist jedoch nicht der 
Fall, sondern die Meristemlage bleibt, solange die Frucht noch grün 
und krautartig ist, in Tätigkeit. Nach aufsenhin bildet sie (meist 
spärlich) neue dünnwandige Rindenzellen, die allmählich der Zerstörung 
durch Bakterien und Mycelpilze wiederum anheimfallen, während sie 
auf ihrer inneren, dem (meist samenlosen) Kernhause zugewendeten 
Seite die dickwandigen Elemente der Steinzellpolster vermehrt. 

Die fächerartige Anordnung der Zellreihen bei denselben erklärt 
sich durch die Gewebespannung, welche der Schwellungsprozeis der 
unreifen Frucht veranlafst. Wenn dabei die Neubildung der Stein- 
zellen stärker ist, als die Ausdehnung des parenchymatischen Frucht- 
fleisches, dann wölben sich die Stemzellgruppen polsterartig vor. In 
der Regel halten aber beide Vorgänge gleichen Schritt, und dadurch, 
dafs schliefslich das pathogene Meristem abstirbt und die äufseren Stein- 
zellen sich in ihrem Verbande lockern, entsteht die krümelige Be- 
schaffenheit der Steinflecke. 

Dafs solche an der Lithiasis erkrankten Früchte ungeniefsbar sind, 
ist selbstverständlich. 

Da die Erscheinung nicht bei allen Sorten zu finden ist und selbst 
bei denselben Sorten nicht alljährlich, sondern nur auf trockenen Böden 
in trockenen Jahren zu störender Entwicklung gelangt, so liegt die 
Vermutung nahe, dafs die Veredlungsunterlage mitspricht. Schwach- 
wüchsige Unterlagen, die einem trockenen Boden mit ihrem geringen 
Wurzelvermögen nur ungenügende Wassermengen für eine schnell- 
wüchsige Krone entnehmen können, werden besonders das Steinigwerden 
begünstigen. Sollte daher die Krankheit sich öfter wiederholen, so 
versuche man bei Zwergbäumen auf leichtem Boden ein Veredeln der 
Birnen auf möglichst schnellwüchsige Quittenvarietäten. Bei Stand- 
bäumen suche man durch Auffrischen des Bodens, durch Düngung des 
Untergrundes und reichliche Bewässerung und in — hartnäckigen Fällen — 
selbst durch Verjüngung der Krone nach der Düngung einzugreifen. 
Ein möglichst schnell vor sich gehender Schwellungsprozels der Frucht 
dürfte dieselbe am besten gegen die übermäfsige Stemzellenbildung 
schützen. 


E Für trockene Böden geeignete Obstsorten. 


Gemäfs der leitenden Idee unseres Handbuches, dafs man vielen 
Krankheiten vorbeugen könne, wenn man für unsere Kulturpflanzen 
stets die ihrem Charakter entsprechenden Lebensverhältnisse ein- 
gehender berücksichtigen würde, geben wir hier bei den durch 
Trockenheit begünstigten Krankheiten des Obstes eine Aufzählung be- 
kannterer Kultursorten, welche speziell für trockene Böden geeignet 
sind }): 

Virginischer Rosenapfel, Ende Juli. L. Str. Scharlachrote Parmäne, 
Herbst. L. Str. Landsberger Reinette, Herbst. L. Str. Danziger Kant- 


1) Oserviecr, Deutschlands beste Obstsorten. Leipzig, Voigt, 1881. L. bedeutet 
empfehlenswert für den Landwirt; Str. geeignet zur Anpflanzung an Strafsen. Die 
Monatsbezeichnung hinter dem Sortennamen weist auf die Zeit der Vollreife hin. 


174 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


apfel, Herbst. L. Winter-Goldparmäne, Winter. L. Str. Reinette 
von Orleans, Winter. Str. (Für den Landwirt da, wo besserer Boden 
ist.) Gelber Bellefleur, Winter. L. Str. Alantapfel, L. Deutscher 
Goldpepping, Winter. L. Mufs bis Mitte oder Ende Oktober am 
Baume sitzen. Grofse Kasseler Reinette, Winter bis Sommer haltbar. 
L. Str. Purpurroter Cousinot, Winter bis Sommer. 

Birnen für trockene Böden: Hannoversche Jakobsbirne, Ende 
Juli. L. Str. Clapp’s Lieblingsbirne, August. L. Erzherzogsbirne, 
August. L. Gute Graue, Anfang September. L. Str. Kuhfufs, Anfang 
September. L. Str. Madame Tre eyve, September. Esperen’s Herren- 
birne, Ende September. L. Str. Bosc’s Flaschenbirne, Ende Oktober. 
L. Marie Luise. Anfang November. L. Str. Josephine von Mecheln, 
Dezember. Madame Korte, Januar. Kampervenus, Kochbirne für den 
ganzen Winter. L. Str. 

Bei Kirschen ist bekannt, dafs dieselben einen gut durchlüfteten, 
trockenen Boden durchgängig lieben. Dagegen ist es bei Pflaumen, 
die durchschnittlich auf einem feuchten, schweren Boden besser ge- 
deihen und meist auch süfsere Früchte liefern, wünschenswert, eine 
Anzahl der weniger Wasser beanspruchenden Sorten kennen zu lernen. 

Biondecks Frühzwetsche, Anfang August. Frühe Aprikosenpflaume, 
Mitte August. Anna Lawson, Ende "August. Bunter Perdrigon, Ende 
August. Grofse Reineclaude, Anfang "September. Althann's Reine- 
claude, Anfang September. Violette Jerusalemspflaume, Anfang Sep- 
tember. Anna Späth, Mitte September. Hauszwetsche, Ende Sep- 
tember. Als Strafsenbaum empfiehlt sich die Pflaume schon ihrer 
Wuchsform wegen nicht sehr. 

Als Sorten, die auf trocknen, leichten Böden im Küstenklima sich 
bewähren, sind zu nennen): 1. Apfel: Landsberger Reinette, Purpur- 
roter Cousinot, Charlamowsky, Geflammter Kardinal, Baumanns Reinette; 
für die Provinzen an der Ostsee und Nordsee eignet sich ganz be- 
sonders der Prinzenapfel. 2. Birnen: Gute Graue, Bosc's Flaschen- 
birne, Rote Bergamotte, Juli-Dechantsbirne. 3. Pflaumen: Gr. blaue 
Hauszwetsche. 4. Kirschen: Gewöhnliche Sauerkirsche. 


Stauchlinge. 


Wie fast überall in der Natur werden dieselben Effekte durch ver- 
schiedenartige Mittel erzielt. Auch bei dem Zwergwuchs ist der be- 
schränkte Bodenraum nur eine der Ursachen; eine andere ist Nähr- 
stoffmangel, der entweder durch geringe Zufuhr roher Bodenlösung 
zum Wurzelkörper oder auch durch Verminderung von organischer 
Reservenahrung hervorgerufen werden kann. Letzteren Fall werden wir 
später noch zu berücksichtigen haben bei dem „Pincement Grin“, d.h. 
dem Abstutzen von Blättern zur Verhinderung des Austreibens der in 
ihren Achseln befindlichen Augen, und bei der Entstehung zwerghafter 
Pflänzchen durch Abschneiden nährstoffreicher Kotyledonen. 

Bei dem durch physikalisch ungünstige Bodenbeschaffenheit, näm- 
lich zu grofse Lockerheit, veranlafsten Nanismus kann aber auch der 
Wassermangel allein in Betracht kommen. Man darf sich nur ver- 
gegenwärtigen, dafs selbst bei reichlichem Gehalt des Bodens an 


'!) Nach brieflicher Mitteilung von Herrn Baumschulbesitzer Kurzıse in 
Ludwig slust. 


EIER 


2. Unpassende Bodenstruktur. 175 


mineralischen und organischen Nährstoffen die Gröfse der Pflanze von 
der Streckung der einzelnen Zellen abhängt und diese durch den von 
der Wasserzufuhr aus der Wurzel beeinflulsten Turgor reguliert wird, 
und man kommt alsbald zu dem Schlusse, dafs eine geringe Wasser- 
zufuhr während der Vegetationszeit kleine, zwerghafte Exemplare er- 
zeugen mufs. Jede Exkursion über sandige Strecken, denen ein feuchter 
Untergrund fehlt oder doch sehr entfernt liegt, gibt Beispiele genus. 
Über die Verkürzung der Zellen bei Wassermangel habe ich aus- 
führliche Messungen veröffentlicht!), Für die Verzwergung bei Maneel 
an den anderen Nährstoffen unter Überschufs an Wasser hat MÖLLER?) 
den experimentellen Nachweis geliefert und auch den Satz bestätigt, 
dafs bei gering konzentrierten Nährlösungen der Wurzelapparat relativ 
an Masse zunimmt. Zu demselben Resultat ist Mößıus®) bei seinen 
vergleichenden Kulturen von Xanthium in Sand- und Lehmboden oe- 
langt. Er fand bei den Sandpflanzen stärkere Verzweigung des Wurzel- 
und Stammkörpers, kleinere schmalere Blätter und eine geringere Anzahl 
von Drüsenhaaren gegenüber den in Lehmboden erzogenen Exemplaren. 
Bei letzteren schien dagegen der Gehalt an Kalkoxalatkristallen ge- 
ringer zu sein. Die Dornen wurden auf Sandboden kleiner, aber die 
Membranen aller verholzten Elemente, wie es schien, wesentlich dicker. 

Vergleichende Studien über den Einflufs trockner und feuchter 
Standorte "finden wir auch bei Duvar-JouvE®), der feststellte, dafs auf 
trocknen, heifsen Standorten besonders die Ausbildung der Hartbast- 
bündel gefördert, in schattigen, feuchten Lagen aber zurückgehalten 
wird. Sehr eingehend sind die Beobachtungen von VoLKkEns’) an Poly- 
gonum amphrbium in seiner Sand- und Heideform und der Wasserform. 
Bei der Sandform ist der Stengelumfang auf Kosten des zentralen 
Luftkanals geringer; die Rindenzellen sind stärker verdickt, und zwischen 
Rinde und Phloöm schiebt sich ein ziemlich breiter Ring ungemein 
verdickter, mechanischer Zellen ein. Es bildet sich ein geschlossener 
Holzzylinder, dessen Gefäfssystem fast zwei- bis dreimal so stark ent- 
wickelt ist als bei dem der Wasserstengel:; bei letzteren erleichtert 
das Fehlen diekwandiger Elemente und das Auftreten starker Luft- 
lücken das Schwimmen. Die Blattstiele der Wasserform, welche ohne 
jede mechanische Verstärkung, sind bis sechsmal so lang, als die der 
Landform, deren Mittelrippen durch starke Collenchymstränge verstärkt 
sind. Die Palisadenzellen der Blätter sind in den Wassersprossen 
stärker entwickelt; dagegen fehlen ihnen die stark entwickelten Borsten 
auf der Oberfläche und aufserdem die etwas gröfseren Epidermiszellen 
der Oberseite, welche bei der Landform einen schleimigen Inhalt 
bergen, der von VOLKENS als Wasserreservoir in Zeiten grofser Trocken- 
heit gedeutet wird. Bei der bekannten Rose von Jericho (Anastatica 
hierochuntica), dieser sich bei Tröckenheit kopfartig zusammenschliefsen- 
den Wüstenpflanze, beruht das Zusammenneigen der Zweige darauf, 


1) Sorauer, Bot. Zeit. 1873. TA Sr 

?) Mörrer, Beiträge zur Kenntnis d. Verzwergung. Landw. Jahrb. 1883, S. 167. 

®) Mösıus, M., Uber den Einflufs des Bodens auf die Struktur von Xanthrum 
spinosum usw. Ber. d. Deutsch. Bot. Ges. 1905, Bd. XXII, Heft 10. 

*) Duvar-Jouve, Anordnung der Gewebe im Blatte der Gräser. Bot. Jahresb. 
v. Just 1875, S. 432. 

5) Vorkexs, Beziehungen zwischen Standort und anatomischem Bau der 
Vegetationsorgane Jahrb. d. Kgl. Bot. Gartens zu Berlin. Bd. III, 1884, S. 46; 
eit. Bot. Centralbl. 1884, Nr. 46. 


176 I. Krankheiten, durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


dals die Holzzellen auf den verschiedenen Zweigseiten eine verschiedene 
(uellungsfähigkeit in der Längsrichtung besitzen, welche mit einer 
ungleichen Verholzung Hand in Hand geht. 

Von vornherein wird man sich sagen müssen, dafs jede beschränkte 
Nährstoffzufuhr, die zum Nanismus führt, sich in der Zuwachsgröfse, 
also in der Bildung der sekundären Gewebe am meisten ausprägen 
mufs. Den anatomischen Nachweis hat GaucHERY !) geliefert, der Fälle 
anführt, bei denen das Cambium nur wenige Zellreihen neu gebildet 
hat. Manchmal konnte er zwischen Phlosm und Xylem überhaupt gar 
keine meristematische Zone mehr feststellen; es mufs also der ursprüng- 
liche Cambiummantel infolge mangelhafter Ernährung alsbald in Dauer- 
gewebe übergegangen sein. 

Bei den Pflanzen, die auf sandigem oder steinigem Boden unter 
vielfachem Wassermangel zu wachsen gezwungen sind, kommt eine 
andere Form der Hypoplasıe?) (Hemmungsbildung) zur Erscheinung. 
Es ist nicht so sehr die Zahl der Zellelemente, welche vermindert er- 
scheint, als deren Grölse ; es bilden sich nämlich Exemplare aus, die 
wir als „Stauchlinge“ bezeichnen möchten. Wir verstehen darunter 
Holzpflanzen, die nicht bis zur Verzwergung in ihrem Wachstum zurück- 
gehalten werden, wohl aber durch die auffällige Verkürzung ihrer Achsen- 
organe einen gedrückten, knorrigen Habitus zeigen. 

Bei diesem Habitus gilt als charakteristisches Merkmal die scharf 
hervortretende gesteigerte spiralige Drehung der Holzelemente des 
Stammes. Die schönsten Beispiele sehen wir bei Syringa und Crataegus. 
Wir können uns das Zustandekommen der verstärkten Spiralwindung 
erklären, wenn wir die Richtung der Holzzellen als die Diagonale eines 
Parallelogramms zweier Kräfte auffassen. 

Am Scheitel jeder sich streckenden Achse wirkt einerseits das 
Streben nach Längenwachstum, bei dem als Schwellfaktor die Streckung 
des Markkörpers ausschlaggebend wird. Anderseits wirkt die allseitige 
Vergrötfserung der jugendlichen Zellen auch als Ursache für die radiale 
Ausweitung des Stammkörpers. Wenn wir uns eine in der Längsstreckung 
begriffene, ganz jugendliche Holzzelle im Cambiummantel einer Stamm- 
spitze denken, so wird dieselbe um so weniger aus ihrer ursprünglichen 
Längsrichtung abgelenkt, je mehr das Längenwachstum des Stamm- 
scheitels im Verhältnis zum Dickenwachstum überwiegt. Je mehr aber 
die reichlich angelegten jungen Holzzellen, während sie sich verlängern, 
durch das Diekenwachstum des Markzylinders in der Richtung des 
Stammradius nach aufsen gedrückt werden, desto schärfer wird ihre 
spiralige Drehung. Deshalb sehen wir bei Pflanzen auf feuchtem, nahr- 
haftem Boden schlanke, lange Triebe mit geringer Spiraldrehung und 
auf wasserarmen Sandböden oder bei sonstigen Behinderungen des 
Längenwachstums kurze Achsen mit starker Drehung. 

"Unsere Auffassung findet ihre Bestätigung bei der später zu er- 
wähnenden „Zwan esdrehung*: : Je mehr die Stengel tonnenförmig auf- 
getrieben sind, desto schärfer die spiralige Drehung der Blattspur stränge. 

Wir erwähnen diesen Punkt deshalb, weil das Auftreten derartig: 
stark gedrehter Stauchlinge als Symptom für die Beurteilung der Boden- 
verhältnisse wertvoll wird. 


1) Gavonenr, Recherches sur le nanisme vegetal. Ann. sc. nat. Bot. 1899. 
VIII ser., t..IX. 

®) Küsten, E., Pathologische Pflanzenanatomie. Jena 1903. S. 21. Hier reich- 
liche Literatur. 


2. Unpassende Bodenstruktur. 17 


=! 


Verhaarung (Pilosis). 


Pflanzen auf trockenem Boden erhalten schon ein behaarteres Aus- 
sehen , selbst wenn sich nicht mehr Haare als auf feucht stehenden 
Exemplaren derselben Art ausbilden. Wenn eine bestimmte Menge 
Haare auf einem Blatte gebildet wird, so rücken diese Haare auf einen 
kleineren Raum dadurch mehr zusammen, dafs die sie trennenden 
Epidermiszellen kürzer bleiben. Hieraus erklärt sich teilweis schon die 
Beobachtung, dafs Hochgebirgspflanzen bei der Kultur in der Ebene 
weniger behaart erscheinen; diese Pflanzen werden üppiger, die 
Dimensionen ihrer Organe gröfser, die Haare rücken weiter auseinander. 
Aber es findet in der Tat auch auf trockenen Standorten eine ver- 
mehrte Neubildung von Haaren statt. So zitiert Moquin-Tanpon!) Be- 
obachtungen von Linn£, dafs der Pfirsichblättrige Knöterich (Polygonum 
Persicaria L.) an Wasserrändern ganz kahl, an trockenen Stellen mit 
Haaren besetzt erscheint; unser Feldquendel (Thymus Serpyllum L.) ver- 
liert am Meeresstrande seine Kahlheit und erhält einen kurzhaarigen 
Überzug. Unser Türkenbund (Zilium Martagon L.), der seit langer Zeit 
in Gärten kultiviert wird, ist kahl: er wird aber wieder behaart wie 
die wilde Pflanze, wenn er auf‘ schlechteren Boden kommt usw. Solche 
Erscheinungen lassen sich auch bei Gartenpflanzen beobachten, die 
durch Selbstaussaat auf sandigen Feldstellen sich entwickeln. 

Eine ungewöhnliche Haarbildung findet ferner bei manchen Pflanzen - 
teilen statt, die sich nicht mehr zu ihrer bestimmten Gestalt ausbilden. 
Nach Mogqvin-Tanvon bedecken sich die Staubfäden der dreimännigen 
Winde mit dicken Wollhaaren: ähnlich verhalten sich die Staubfäden 
mehrerer Arten von Wollkraut ( Verbascum), wenn die Staubbeutel ver- 
kümmern. Die Blütenstiele des Perückenbaumes (Rhus Cotinus) sind 
vor der Blüte und, wenn sie Früchte tragen, kaum behaart; wenn da- 
oegen die Früchte sich nicht ausbilden, so werden die unfruchtbaren 
Blütenstiele länger, und es kommen jetzt zahlreiche lange, violette 
Haare an ihnen zum Vorschein. Letztgenannte Haarbildungen gehören 
nicht zu den mit der Trockenheit in Verbindung stehenden Erschei- 
nungen, sondern sind als Korrelationsvorgang aufzufassen. Das Wasser 
und Nährstoffmaterial, das bei der Ausbildung von Staubbeuteln oder 
Früchten Verwendung finden sollte, kommt bei Zerstörung der Sexual- 
organe anderen Organteilen in erhöhtem Mafse zugute. Teilweise gehören 
vielleicht auch die neuerdings bei der Parthenogenesis beobachteten 
Erscheinungen hierher, dafs die Mikropyle infolge haarartig verlängerter 
Zellen des Griffelgewebes oder der Integumente verstopft wird’). 

Auch bei dem Wurzelapparate sehen wir, je nach dem Aufenthalt 
der Wurzel, die Behaarung wechseln. Bei denselben Arten kann sich 
der Apparat in Form langer, schlanker, peitschenförmiger, wenig ver- 
zweigter, kahler oder fast kahler Äste entwickeln, wenn die Wurzel in 
Wasser oder in einen lockeren, mit Wasser gesättigten Sand taucht. 
Die Wurzeläste werden um so kürzer, knorriger, verzweigter und be- 
haarter, je trockener im allgemeinen der Boden, je mehr also die 
Wurzel nur die feuchte Luft der Bodenzwischenräume zur Verfügung 


1) Pflanzen-Teratologie, übersetzt von Scuaver, 1842, S. 61. 
2) Winkuer, H., Über Parthenogenesis bei Wikstroemia. Ber. d. D. Bot. Ges., 
Jahrg. 1904, Bd. XXI, S. 573. 


Sorauer, Handbuch. 3. Aufl. Erster Band. 12 


178 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


hat. In ganz trockener Luft entwickeln (nach PERSECKE)!) die Wurzeln 
auch keine Haare mehr. Schliefst man Wurzeln in feuchte Luft ein, 
so entwickeln sich die jungen Wurzelspitzen kurz unterhalb ihres fort- 
wachsenden Endes ganz bärtig, da fast jede Oberhautzelle sich zu einem 
Haare ausstülpt. 

Bei den oberirdischen Pilanzenteilen, welche an trockene Luft ge- 
wöhnt sind, mufs der Feuchtigkeitsgrad der Luft auffallend gering 
sein, wenn die Haarbildung intensiv hervorgerufen werden soll, wie 
C. Kraus?) bei Kartoffelkeimen angibt. In sehr feuchter Luft sind die 
Kartoffelkeime derselben Sorte haarlos oder nur mit wenigen und 
kürzeren Haaren besetzt. Es ist also bei den oberirdischen Organen 
der Einflufs der feuchten Luft gegenüber der trockenen, welche die 
Behaarung verhindert; bei den auf tropfbar flüssiges Wasser meist an- 
gewiesenen Wurzeln wird derselbe Effekt durch dauernde Wasserzufuhr 
erzielt, gegenüber dem haarbefördernden Einflufs der feuchten Luft. 

Die extreme Haarbildung ist daher bei der ober- und unterirdischen 
Achse die Folge gleichsinnie wirkender Ursachen; es wird den Organen 
die gewohnheitsgemäfs notwendige Wassermenge in dem Stadium, in 
welchem sie sich entwickeln, vorenthalten. 

Zur Erklärung der Tatsache, dafs gröfsere Trockenheit des um- 
gebenden Mediums die Haarbildung befördert, haben Kraus?) und Mer?) 
die Erscheinung herbeigezogen , dafs mit der beförderten Haarbildung 
in trockenen Medien das Längenw achstum des Organs gemäfsigt oder 
gehemmt ist. Beide Forscher meinen nun, dafs das” Material, das durch 
die verhinderte Längsstreckung der Zellen des Achsenzylinders erspart 
wird, zur Ausbildung der Haare verwendet wird. Aufser den oben 
angeführten Beispielen von Ahus u. a. stützen auch Beobachtungen von 
HEcKEL die Ansicht, dafs mit der überreichen Haarentwicklung mangel- 
hafte Ausbildung anderer Teile Hand in Hand gehe. HECKEL ) "sah 
Exemplare von Lilium Mar tagon L. und Genista aspalathordes Lam. mit 
ungewöhnlicher Behaarung unter Reduktion der Blütenteile. Kraus be- 
tont, dafs mit der Abnahme des Längenwachstums eine Erhöhung: des 
Turgors in der Querrichtung des ganzen Organs stattfinde (wie wir bei der 
Ansl bildung des Markkörpers der „Stauchlinge“ angenommen haben), 
der sich auch auf die Epidermiszellen er strecke und dieselben zur Aus- 
stülpung von Haaren anrege. VersquE?) schreibt, wie MEr und Kraus, 
der vermehrten Transpiration die Beförderung der Haarbildung zu. 

Die Anregung für die Epidermiszellen zur massenhaften Haar- 
bildung erfolot häufig auch von seiten parasitärer Tiere, wie z. B. von 
Milben. die mit ihren Mandibeln die Jugendlichen Blätter verwunden und 
dadurch die sog. Filzkrankheit erzeugen. Es finden diese Haar- 
bildungen bei den Gallen ihre Beschreibung. In der älteren Mykologie 
sind solche durch den Saugreiz von Milben entstandenen Haarfilze als 
Pilze (Erineum Pers., Taphrina Fr., Phyllerium Fr.) beschrieben. 


!) Prrseck£, Über die Formveränderung der Wurzel in Erde und Wasser. 
Inauguraldissertation, Leipzig 1377. 

-) Kraus, Beobachtungen über Haarbildungen, zunächst an Kartoffelkeimen. 
Flora 1876, 8. 155, 

®) Mer, Recherches experimentales sur les conditions de developpement des 
poils radicaux. Compt. rend. LXXXVIII (1879), S. 665. 

*) Hecker, Du pilosisme deformant dans quelques vegetaux. Compt. rend. 
t. XCI, 1880, p. 348. 

°) Sur les causes et sur I a des variations de structure des vegetaux. 
Cit. Bot. Centralbl. 1884, Nr. 22, S. 259. 


2. Unpassende Bodenstruktur. 179 


Das Verholzen der Wurzeln. 


Das Verholzen der Wurzelfrüchte besteht darin, dats die Zell- 
elemente der Gefäfsbündel, welche durch die Kultur parenchymatisch 
geworden waren, zur prosenchymatischen, holzigen Beschaffenheit der 
Stammform zurückkehren. Die Mohrrübe z. B., die uns zur Speise 
dient, hat eine Mutterpflanze, deren Wurzel aus einem starken, harten 
Holzkörper und einer dünnen, weichen Rinde besteht. Die Zellen des 
Holzkörpers sind wie alle übrigen Holzzellen dickwandig, spindelförmig, 
zwischen einander gekeilt. In der kultivierten Wurzel sind statt dieser 
Holzzellen dünnwandige, wenig langgestreckte, fast stumpf aufeinander- 
gesetzte Zellen vorhanden und die Gefäfse selbst, die jetzt in zer- 
streuten Gruppen zwischen den parenchymatischen Zellen liegen, sind 
wenig verholzt. Die Milchsaftgetäfse, welche sich in der Rinde bilden, 
wenn die schraubigen, porösen Gefäfse im Holzkörper entstehen, sind, 
ebenso wie sämtliche Zellelemente der Rinde, weiter geworden. An 
Stelle der Stärke, die in der wilden Mohrrübe das ganze Rindengewebe 
anfüllt, auch im Holzkörper hier und da auftritt und bis auf 70°%/o des 
Trockengewichtes steigt, ist in den guten Speiserüben der Zucker 
getreten, so dafs dort nur Spuren von Stärke zu finden sind. Je feiner die 
Sorte, um so mehr schwindet der Stärkegehalt, wi> bei der holländischen, 
blafsgelben und der Duwicker Karotte. Von diesen finden sich allmählich 
Übergänge nach der wilden Pflanze hin in anderen Kulturvarietäten, die 
als Futter benutzt werden, wie die Altringham -Möhre und die weilse 
Pferdemöhre.. Von allen Sorten zeigen sich auf magerem Boden 
Exemplare, die in der Regel im Herbst in Samen schiefsen und sich 
durch eine dünne, oft geteilte, durch ihre Verholzung sehr deutlich an 
die wilde Mohrrübe erinnernde Wurzel auszeichnen. Ebenso verhält 
es sich mit Wrucken, Steckrüben, Rettichen, Kohlrabi usw. 

Am besten werden die Unterschiede durch einen Vergleich der 
anatomischen Bilder klar. In Fig. 21 sehen wir den Längsschnitt durch 
eine zweijährige wilde Mohrrübe. «a ist das vertikal gestreckte Parenchym 
des markartigen Zentralteils mit zerstreut stehenden spiralig-porösen 
Gefäfsen; db der Holzkörper aus spindelförmigen Holzzellen nebst Ge- 
fäfsen und einem Teil der nach der sekundären Rinde hin verlaufenden 
Markstrahlen; c das zum langgestreckten dünnwandigen Parenchym 
gewordene Cambium; d sekundäre Rinde mit ihren dem Verlauf der 
Milchsaftgefäfse folgenden Resorptionsstellen; e primäre Rinde: f Kork. 

Fig. 22 ist die entsprechende Partie aus einer zweijährigen kulti- 
vierten Mohrrübe. Die Buchstaben bedeuten in beiden Figuren die- 
selben Teile, und bei Vergleich der gleichbezeichneten Gewebe tritt 
die Veränderung des Holzkörpers b und die Zunahme in den Dimensionen 
der sekundären Rinde bei der kultivierten Möhre klar vor Augen. 

Bei allen Wurzelgemüsen tritt das Verholzen auch normal auf, wenn 
sie zu alt werden, und dann ist dieser Prozefs, wie in den vorzeitig 
verholzenden Exemplaren, von einem teilweisen Verschwinden des 
Zuckers begleitet. g 

Bekannt ist die Erfahrung, dafs manche unserer Gemüsepflanzen 
in den heifsen Klimaten alsbald verholzen. Gegen letzteren Umstand 
wird schwerlich Abhilfe zu schaffen sein, da der tropische Wärme- und 
Lichtüberschufs die schnelle Verholzung ermöglichen. Bei den Kulturen 
in den gemäfsigten Klimaten kann das Verholzen durch reichliche Be- 


wässerune und Düngung bestimmt vermieden werden: nur ist dabei zu 
12* 


180 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


beachten, dafs das Land tiefgründig und der Same gut ist. Auf die 
Auswahl des Saatgutes ist besondere Aufmerksamkeit zu verwenden, 
weil Same aus trockenen Lokalitäten eine gröfsere Neigung zur Ver- 
holzung und zur Vielschwänzigkeit der Wurzeln mitbrinet. 


—, 


2. 1A 


VaquaLyomn Spa ostıyeltomz sur yomp gyTuyossSugrf 


VANLIUOM SYIOTAIITHY sTıyeliomz ou yaamp yıuyossZuwr] 


(FLUG) 


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I 


Q 4 


(STIO) 


Ballentrocknis der Ericaceen. 


Eine eigenartige Empfindlichkeit des Wurzelkörpers gegen Trocken- 
heit ist bei der Kultur der zahlreichen Arten und Varietäten aus den 
Gattungen „Erica, Azalea, Rhododendron und andern Ericaceen zu 
berücksichtigen. Genannte Pflanzen vertragen kein vollständiges Aus- 


2. Unpassende Bodenstruktur. 181 


trocknen des Wurzelballens. Während andere Pflanzen einen Wasser- 
mangel bis zum oftmaligen Welken ohne jede bemerkbare Schädigung 
an sich vorübergehen lassen und nach Wasserzufuhr weiter wachsen, 
scheinen die einmal gänzlich trocken gewordenen feinen Wurzeläste der 
Ericaceen ihre Funktion nicht mehr aufnehmen zu können. Ich unter- 
suchte in einem Falle die Wurzeln einer ballentrocken gewesenen und 
nachher 24 Stunden in Wasser untergetauchten Erica gracilis und fand die 
feinen Wurzelenden trotz des Aufenthaltes im Wasser noch geschrumpft. 
Der Charakter der meisten Ericaceen als Moor- und Heidepflanzen 
kommt darin zum Vorschein, dafs sie (mit Ausnahme einzelner Arten) 
in einem reichlich bewässerten, leicht durchlüftbaren Boden am besten 
gedeihen. Dem reichen Luftbedürfnis der Wurzeln mufs man durch 
Kultur der Pflanzen in kleinen Töpfen möglichst Rechnung tragen. 
Die Eriken wurzeln dann schnell durch. In grofisen Töpfen ver- 
sauern die Pflanzen leicht. Auf Ballentrocknis antworten die Eriken 
und Azaleen mit Blattabwurf. Es ist aber falsch, das begangene Ver- 
sehen dadurch gut machen zu wollen, dafs man nun den Toptballen 
in Wasser steckt und nach Vollsaugen der Erde die Pflanzen in ge- 
schlossene Kästen stellt, um die Verdunstung möglichst herabzudrücken 
und die Pflanzen zur Turgescenz zu bringen. Man lasse sie im Gegen- 
teil an ihrem bisherigen Standort, aber jbeschatte sie stärker in den 
Mittagsstunden. 


Mittel gegen den Wassermangel im Boden. 


Wenn sich Wassermangel im Boden durch Rückgang der Vegetation 
kenntlich macht, was auf sandigen Böden am häufigsten einzutreten 
pflegt, wird man naturgemäfs, wo es möglich ist, zur Berieselung 
schreiten. Mit solcher Wasserzufuhr erzielt man nicht nur die Er- 
frischung der Gewebe, sondern bringt auch eine Auflösung, Zufuhr 
und neue Verteilung der Bodennährstoffe zuwege. 


Berieselung. 


Bei der häufigen Senkung’*des Grundwasserspiegels bildet die Be- 
rieselung eine Lebensfrage, und es ist interessant, die Ergebnisse der 
Untersuchungen von Könıs!) über die Wirkungen des Rieselwassers 
kennen zu lernen. Danach sieht man, dafs das Wasser während des Be- 
rieselns einer Wiese sehr viel Nährstoffe verliert, und zwar während der 
wärmeren Jahreszeit erheblich mehr als in der kalten. Die Abnahme 
betrifft jedoch nicht alle Nährstoffe. Wenn sich der Kohlensäuregehalt 
des Rieselwassers steigert, nehmen sogar fast immer Kalk und Magnesia 
zu, anstatt ab. Ihre Menge scheint, wie die der Kohlensäure, mit der 
Intensität der Oxydationsvorgänge im Boden zu steigen und zu fallen. 
Im Gegensatz zu den vorgenannten Nährstoffen scheint das Kali zu 
jeder Zeit vom Boden absorbiert zu werden, da auch im Winter bei 
der Berieselung sich eine geringe Abnahme dieses wichtigen Minerals 
im Wasser nachweisen liefs. Das Natrium, resp. Chlornatrium zeigte 
während der Winterrieselung,; ebenso wie Salpeter- und Schwefelsäure, 
fast immer eine geringe Zunahme, während sie in der Vegetationszeit 
sich vermindern, also wahrscheinlich direkt von den Pflanzen auf- 
genommen werden. 


») 


!) Journal für Landwirtschaft. Jahrg. 1880, Bd. 28, Heft 2. 


» 


182 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 

Der Sauerstoffgehalt des Wassers, der, wie der Verfasser schliefst, 
durch Oxydation der organischen Bodensäuren auch bodenreinigend 
wirkt, ist je nach der Art des Berieselungswassers und je nach der 
Jahreszeit verschieden. Könıs fand, dafs dieser Gehalt im Frühjahr 
am höchsten, im Sommer am geringsten und im Herbste wieder zu- 
nehmend sich zeigt. Quellwasser ist sauerstoffreicher als ein schon 
durch bewohnte Ortschaften gegangenes Flufswasser, und umgekehrt 
verhalten sich die suspendierten, organischen Stoffe, die von dem noch 
armen Quellwasser daher aus dem Boden aufgenommen, von dem reich- 
lich gesättigten Flufswasser dagegen abgesetzt werden. 

Temperaturbeobachtungen bei 40 cm Tiefe ergaben während der 
kälteren Jahreszeit eine Differenz in der Wärme bis zu 2,8° C., zu- 
gunsten des berieselten Landes, und dieser Temperaturerhöhung dürfte 
es zuzuschreiben sein, dafs berieselte Wiesen eher ergrünen und später 
im Herbst vergilben. 

Wie schnell wirkend die Bodenabsorption ist, wenn der Boden 
nicht gesättigt und das Wasser zum Rieseln hochgradig mit Dung- 
stotfen beladen ist, zeigte Könıs durch einen Versuch, bei welchem er 
künstlich Latrinenstoffe dem Rieselwasser beigemengt hatte. Nach 
einmaliger Benutzung des Wassers liefs sich nachweisen, dafs der 
Boden 84,5 % der organischen Stoffe, 74,2 °/o des Ammoniaks, 81 ‚6 00 
des Kalıs er S6,8 %0 der Phosphorsäure bereits aufgenommen hatte. 
Nach der dritten Benutzung desselben Wassers konnten diese Stoffe 
im abfliefsenden Wasser überhaupt nicht mehr nachgewiesen werden. 
Natürlich sind diese Zahlen nur für den im Versuch gegebenen Fall 
gültig und ändern sich je nach der Sättigung des Bodens und Wassers, 
haben also z. B. keine Gültigkeit für die Spüljau chenberieselung, 
bei welcher die Böden in verhältnismäfsig kurzer Zeit mit Nährstoffen 
überladen sein müssen. Dennoch zeigen die Versuche, welche viel- 
seitigen Vorteile man bei richtiger Anwendung der Berieselung erreichen 
kann. Die Wichtigkeit einer künstlichen Bodenbewässerung wird Jetzt 
immer mehr anerkannt. Der beste Beweis findet sich in den Verhand- 
lungen der Landeskultur-Abteilung der Deutschen Landwirtschafts- 
(Gesellschaft!), in welcher die Fragen direkter Wasserzufuhr oder 
Hebung des Grundwasser spiegels bereits ventiliert und die 
bisher bekannten Systeme durch Abbildungen teilweise erläutert wurden. 
Die Verhandlungen haben zu einem direkten Antrag bei dem Vorstand 
der Gesellschaft geführt, „dafs derselbe die Fr: age der Ackerbewässerung 
mit möglichster Tatkraft in die Hand nehme* 


Bodenbearbeitung. 


Vorläufig ist man indes bei grofsen Landkomplexen doch nur in den 
seltensten Fällen imstande, ohne "bedeutende Kosten Berieselungsanlagen 
einzurichten, und es werden deshalb billigere, wenn auch weniger durch- 
ereifende Mittel häufiger zur Anwendung gelangen. Solche Hilfsmittel 
bietet die Bodenbearbeitung. Am empfehlensw ertesten dürfte die 
Bodenlockerung sem. Es fehlt nicht an Praktikern, welche 
behaupten, dafs das Lockern der Ackerkrume doch unmöglich em 
Mittel sein könne, die Feuchtigkeit dem Boden zu erhalten, und dafs 


!) Die Möglichkeit der Ackerbewässerung in Deutschland. Arbeiten d. Deutsch. 
Landwirtsch.-Ges., Heft 97, 1904, S. 75. 


2. Unpassende Bodenstruktur. 183 


diese Manipulation vielmehr als der kürzeste Wege angesehen werden 
müsse, dem Boden noch mehr Wasser zu entziehen. Diese Anschauung 
ist irrtümlich, wie viele Versuche dartun. Die eingehendsten sind die- 
jenigen von WorıxyY'), der genau vergleichsweise vorgegangen ist und 
zu dem Resultate kommt, dafs, wenn die obersten Bodenschichten 
gelockert werden, sie allerdings schneller abtrocknen, aber dadurch den 
Wasservorrat der unteren Bodenschichten mehr schonen. 

Die Erwärmung der Ackererde durch Insolation, die Durchlüftung, 
wenn Winde über die Bodenfläche streichen, und derel. Einflüsse ent- 
ziehen den oberen Bodenlagen das Wasser in um so höherem Grade. 
als dieselben in der Lage sind, den Verlust durch kapillare Zufuhr 
aus den tieferen Bodenschichten möglichst reichlich wieder zu decken. 
Wenn nun durch die Lockerung der Krume die Zwischenräume zwischen 
ihren Bodenteilchen bedeutend vergröfsert werden, so wird die Haar- 
röhrchenanziehung vermindert, und das Wasser steigt in den gröfseren 
Zwischenräumen des nun bröckeligen Bodens nicht mehr in die Höhe. 
Je schneller der Boden durch Behacken, Eggen und Schälen zu 
einer grobbröckeligen Krume gelangt, desto mehr wird ein Austrocknen 
der tieferen Schichten, in denen die Wurzeln sich befinden, verlangsamt. 

Das entgegengesetzte Itesultat wird durch das Festdrücken 
(Walzen) des Ackerlandes erzielt’. Da hierbei die meisten nicht 
kapillaren Hohlräume in kapillare übergeführt werden, so wird die 
Hebung des Wassers von unten her beschleunigt und die Oberfläche 
länger feucht gehalten. Unter Umständen ist aber auch das Walzen 
als Mittel zur Erhaltung der Bodenfeuchtigkeit zu empfehlen. Dies 
wird nämlich auf allen sehr lockeren Bodenarten von geringer Wasser- 
kapazıtät und reichlicher Untergrundsfeuchtiekeit am Platze sein, da 
mit dem Festwerden die Verdunstung der Oberfläche herabgedrückt 
und die Zuleitung von unten vermehrt wird. Bei bindigen Böden mit 
grofser Wasserkapazität wäre natürlich das Walzen geradezu schädlich. 


Bodenbedeckung. 


Man kann an Stelle der Bodenlockerung auch ein Überdecken 
der Krume mit einem lockeren Material anwenden. In dieser Be- 
ziehung kann selbst von dem UÜberfahren der Krume mit Sand vorteil- 
hafter Gebrauch gemacht werden. Es werden nicht blofs die Feuchtig- 
keits-, sondern gleichzeitig die Wärmeverhältnisse günstig geändert: 
denn nach Worıxy's Versuchen?) wird durch die Lockerung des Bodens 
die Temperatur desselben herabgedrückt, weil die Wärmeleitung der 
selockerten Schicht wegen gröfserer Mengen eingeschlossener Luft 
vermindert wird. Ebenso ist der mit einer Sanddecke versehene Boden 
innerhalb der wärmeren Jahreszeit kälter als der unbedeckte, weil die 
helle Farbe der Oberfläche die Absorption der Wärmestrahlen ver- 
mindert und die zurückgehaltene gröfsere Wassermenge unter dem 


1) Worıxy, Einflufs der Bearbeitung und Düngung auf die Wasserverdunstung 
aus dem Boden. Österr. landw. Wochenbl. 1880, S. 151. 

* 2), Woruxsv in Österr. landw. Wochenbl. 1880, S. 214. — Nesswer, Bad. Landw. 
Correspondenzblatt 1860, S 230. — P. Wasxer, Versuche über das Austrocknen des 
Bodens bei verschiedenen Dichtigkeitsverhältnissen der Ackerkrume. Bericht der 
Versuchsstation Darmstadt 1874, S. 87ff. — v. Kırxze, Landw. Jahrb. 1877. 

°) Einflufs der Abtrocknung des Bodens auf dessen Temperatur- und 
Feuchtigkeitsverhältnisse. Forschungen a. d. Geb. d. Agrikulturphysik, 1880, 3. 34. 


184 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


Sande schwerer erwärmbar ıst. Würde der Boden selbst an seiner 
Oberfläche abtrocknen, so müfste sich seine Temperatur erhöhen, weil 
die Wärme konsumierende Verdunstung alsdann vermindert würde. 

Die Bodenlockerung und Bedeckung mildern also die Temperatur- 
extreme; aber sie sind auch noch in anderer Weise nützlich. Es zeigt 
sich nämlich nach Worrny (a. a. O. S. 337), dafs von derselben Nieder- 
schlagsmenge durch den mit einer Sanddecke versehenen Boden während 
der wärmeren Jahreszeit bedeutend mehr Wasser durchsickert als durch 
den unbedeckten. Es kommt dies daher, dafs der mit einer (selbst 
nur 1 cm dicken) Sandschicht bedeckte Boden wasserreicher bleibt, 
also schneller gesättigt ist und daher mehr in tiefere Lagen des Unter- 
grundes abfliefsen läfst. Dasselbe Resultat zeigt jede andere Bedeckung 
mit leblosen Gegenständen, also mit Stalldünger, Stroh, Lohe, selbst mit 
Steinen. Weniger als der nackte Acker läfst der mit einer vegetierenden 
Pflanzendecke versehene Boden durch. 

Von praktischer Seite liegen auch Angaben vor, welche den Nutzen 
der Torferde auf Sandböden hervorheben. So benutzte Warz!) 
die obere. 6 bis Scm hohe, als Brenntorf nicht verwertbare Schicht 
eines Torflagers, um ein Ackerfeld aus geringem Sandboden im Februar 
2 cm hoch damit zu überdecken. Später erhielten diese getorfte und 
eine daranstofsende nicht getorfte Fläche reichliche Stalldüngung. 
Bei der im Sommer eintretenden Hitze und Trockenheit zeigte der im 
Mai gepflanzte Mais auf dem getorften Felde einen besseren Stand und 
lieferte einen höheren Ertrag: ebenso zeigten spätere Ernten sich auf 
dem getorften Stücke ausgiebiger. 

Die Wirkung des Torfes, welche in präziseren Ernteergebnissen 
auch durch NERLINGER?) nachgewiesen, beruht auf seiner Fähigkeit, die 
Dungstoffe aufzusaugen und festzuhalten, die sonst im Sandboden fort- 
gespült würden. Da aber Düngung, wie ich experimentell festgestellt ®), 
die Pflanzen befähigt, mit weniger Wasser bessere Ernten zu bringen, 
so erklärt sich hiermit auch das günstigere Verhalten bei Trockenheit. 


Mit Pflanzen bestandener Boden. 


Es ist oben schon gesagt worden, dafs der mit lebenden Pflanzen 
bestandene Boden am wenigsten Wasser durchsickern läfst. Die Sache 
ist ganz erklärlich, da die Pflanzenwurzeln das Wasser aufsaugen. Ver- 
oleichende Untersuchungen *) ergaben, dafs der Boden um so mehr 
an Wasser erschöpft wird, je dichter die Pflanzen stehen, wenn auch 
die Wassererschöpfung nicht proportional der Dichte des Pflanzen- 
standes zunimmt. 

Nach diesen Resultaten kann man ermessen, welche Differenz im 
Wassergehalt zwischen einem nackten, gelockerten und einem mit 
dichtem Rasen bestandenen Boden sich bei heifser, anhaltend trockner 
Witterung herausbilden mufs. Es ist also in den Baumschulen auf 
lockerem Boden durchaus nicht gleichgültig, ob oft gehackt oder Rasen 


1) Zeitschrift d. landw. Ver. in Bayern 1882; eit. in Biedermann’s Centralbl. 
1883, S. 136. 

2) Fühling’s landw. Zeit. 1878, Heft 8. 

3) Soraver, Nachtrag zu den Studien über Verdunstung. Forsch. auf d. Geb. 
d. Agrikulturphysik, Bd. VI, Heft 1/2. 

+) Worusy, Der Einflufs der Pflanzendecke und Beschattung auf die Pueen 
lischen Eigenschaften und die Fruchtbarkeit des Bodens. Berlin, Parey, 1877, 8. 128. 


2. Unpassende Bodenstruktur. 185 


und Unkraut bis zur Bildung einer zusammenhängenden Dacke belassen 
werden. Dais lediglich durch die Aufsaugung des geringen Wasser- 
vorrats durch Unkräuter und die Rasennarbe bei Obstbäumen Not- 
reife und Unfruchtbarkeit erzeugt werden, ist nicht nur theo- 
retische Schlufsfolgerung, sondern mehrfach gemachte Erfahrung. 

Bei forstlichen Kulturen zeigen sich, wie bei den Baumsaaten der 
Gärtner, diejenigen Ländereien am gefährdetsten, auf welchen die 
Pflanzen den Bestand noch nicht geschlossen haben. Kiesböden ohne 
genügenden Humusgehalt sind auch für ältere Bestände bis zu 10 bis 
15jährigem Alter gefährlich, namentlich wenn nach keiner Seite hin 
Schutz durch gröfsere Anpflanzungen zu finden ist. Berasten Boden 
sieht der Forstmann als Beförderungsmittel der Dürre an, da derselbe 
die Niederschläge festhält und durch seine starke Verdunstung das 
aus dem Untergrunde aufsteigende Wasser schnell dem Boden entführt. 
Bei Waldbäumen beobachtet man bisweilen fast kreisförmige Stellen 
um die Stammbasis, auf denen kein Nachwuchs sich erhält. Es wird 
dieser Umstand der Reflexion von Sonnenstrahlen an den glattrindigen, 
astreinen Stämmen (Buchen, Birken, Tannen) zugeschrieben. Die von 
solcher Spiegelrinde abprallenden Sonnenstrahlen dörren den Boden 
in erhöhtem Maifse aus. Unter den Vorbeugungsmafsregeln empfiehlt 
sich die Anzucht der Pflanzen durch natürliche Besamung, da die an Ort 
und Stelle entstandenen Pflanzen am besten sich den trocknen Lokali- 
täten anpassen werden. Da, wo gepflanzt werden mufs, benutze man 
Material, das schon einmal in der Schule verpflanzt worden ist, und 
bedecke nachher möglichst sorgfältig den Boden. Aulserdem kommen alle 
die Einrichtungen in Bstracht, die zur Hebung des Wassermangels im 
allgemeinen empfehlenswert sind, wie bei Saatbeeten ein Schutz durch 
Mauer, Zaun oder Baumreihen, Bestecken mit Reisern, Anhäufeln der' 
Pflanzen und überhaupt Bodenlockerung, namentlich aber auch Düngung, 
da die letztere eine Wasserersparnis bedeutet. Das Bagiefsen ist nur im 
alleräufsersten Notfalle anzuraten. Bei dem Bastecken der Beete mit 
Reisig vom Rande aus ist Nadelholz, und unter diesem das Gezweig 
unserer Kiefer oder auch der Weymouthskiefer am meisten zu empfehlen: 
denn Fichtenreisig läfst die Nadeln zu schnell fallen, und diese erwärmen 
sich sehr bedeutend. Tanne wird leicht zu dicht, und Laubholzzweige 
haben zu schnell welke und verdorrte Blätter, unter denen der Boden 
ebenfalls zu wenig seine Feuchtigkeit erhält. 

Dafs ferner auch an sich ein Ausbrennen der Saaten und des 
Rasens bei dichtem Bestande sich einstellen kann, während dieselbe 
Parzelle bei lockerem Saatstande unversehrt bleibt, ist durch WOoLLnY's 
Versuche sehr nahe gelegt. Denn derselbe fand, dafs bei Drillsaat dem 
Boden zwischen den Reihen geringere Mengen von Wasser entzogen 
werden als dem in der Reihe selbst, und dafs der Boden um so gröfsere 
Mengen von Wasser enthält, sowohl zwischen als in den Reihen, je 
weiter die Pflanzen voneinander entfernt sind!). Es wird also auch 
eine richtige Bemessung des Aussaatquantums auf wasser- 
armen Böden ein Mittel zur Verhütung von Beschädigungen durch 
Trockenheit sein. 

Nur in ganz bestimmten Fällen kann sich der bestandene Boden 
nützlicher erweisen als der nackte. Bei dem lockeren Anbau schnell- 
lebiger Pflanzen als Überfrucht kann auf Sandböden Wasser für 


1) Österr. landw. Wochenbl. 1880, S. 233. 


186 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


spätere Samen zurückgehalten werden. Wenn nämlich die Aussaat 
der schnelllebigen Gewächse im Herbst oder ersten Frühjahr erfolgt, 
dann fällt die Zeit des gröfsten Wasserbedarfes dieser Pflanzen in die 
Herbst- oder Frühjahrsfeuchtigkeit, und wenn die trockne Jahreszeit 
eintritt, neigen dieselben zum Fruchtansatz und beanspruchen relativ 
wenig Wasser. Nunmehr erhalten sie den oberflächlichsten Bodenlagen 
durch ihre Beschattung und Taubildung eine ziemlich gleichmäfsige 
Feuchtigkeit, in welcher spät gesäte Samen und zarte Pflänzchen sich 
entwickeln können, während diese auf nacktem Boden vertrocknen 
würden. 
Waldstreu. 

Freilich darf nicht vergessen werden, dafs jede Decke die Durch- 
lüftungsfähigkeit des Bodens hemmt, und dafs also dort, wo es zur 
Erhaltung der Fruchtbarkeit darauf ankäme, die Kohlensäure im Boden 
zur Zersetzung und Löslichmachung der Gesteinsfragmente benutzen 
zu müssen, man in der Auswahl der Bodenbedeckung vorsichtig sein 
muls. Wie sehr die Bodendecke die Luftzirkulation stört, geht aus 
AuMmons!) Versuchen hervor. Bei 40 mm Wasserdruck gingen durch 
eime Erdschicht von 19,6 gem Querschnitt und 0,50 m Höhe innerhalb 
eimer Stunde folgende Luftmengen hindurch: 


Bei Grasdecke Bei Strohdecke Unbedeckt 
1,60 6,30 7.32 Liter 


Im besser durchlüfteten Boden wird auch mehr Kohlensäure erzeugt, 
und diese wird trotz der gröfseren Abgabe an die Luft auch in er- 
höhtem Mafse im Boden zur Geltung kommen. Die Wirkung der Brache 
besteht gerade in der zum grofsen Teil durch Mikroorganismen ein- 
geleiteten gröfseren Kohlensäureerzeugung und stärkeren Zersetzung 
der Gesteinstrümmer. 

Ein anderer Nachteil der Bodenbedeckung ist die geringere Ver- 
wendbarkeit der meteorischen Niederschläge für den bedeckten Boden. 
Je nach der Art der Decke wird dieser Nachteil verschieden grols 
sein; er wird um so mehr wachsen, je mehr sich die Substanz der Decke 
wie ein Schwamm vollzusaugen imstande ist. Als Beispiel für diese 
Verschiedenartigkeit mögen die Angaben von RIEGLER?) dienen, der 
Waldstreu und Torfmoos (Sphagnum) auf ihre Durchlässigkeit geprüft 
hat. Von den in feinem Strahl auf lufttrockne Spreu täglich auf- 
gebrachten 500 & Wasser wurden aufgesogen und sickerten durch 


Buchenstreu Tannenstreu Sphagnumrasen 
durchgesick. aufges. durchges. aufges. durchgesick. aufges. 
am 1. Tage 400,3 99,7 441,3 58,7 216,0 284,0 g 
am 8. Tage 487,6 12,4 499,6 0,4 493,5 0,58 
Die Bespritzung entsprach einem Regen von 10 mm Höhe und 


demnach wurden in der Buchenstreu etwa 20%, in der Tannenstreu 
etwa 12°/o und im Moosrasen 57 0 des aufgefallenen Wassers zurück- 
gehalten. Die Streudecke war überall Scm hoch. Aus den übrigen 
Tabellen ergibt sich, dafs in den nächsten drei bis vier Tagen noch 
grölsere Mengen täglich von der Streu aufgesogen wurden, die erst 
allmählich bis zum neunten Tage so weit mit Feuchtigkeit gesättigt 


') Biedermann’s Centralbl. 1880, S. 405. 
®) Forsch. auf d. Geb. d. Agrikulturphysik, 1880, S. S0—96. 


2. Unpassende Bodenstruktur. 187 


war, dafs fast alles nunmehr auffallende Wasser abflofs. Ein nach 
heifser, anhaltend trockner Witterung sich einstellender Regen von 
10 mm Höhe käme dem Boden unter Buchenstreu nur in Höhe von 
S mm, bei der Tannenstreu von 8,3 mm, und unter der Moosstreu nur 
in Höhe von 4,3 mm zur Verfügung. Ubrigens ändern sich die Ver- 
hältnisse je nach der Kraft, mit der das Wasser auf die Streu auf- 
schlägt. Wenn das Wasser fein verstäubt auf das Moospolster gegeben 
wurde, sog letzteres 70° der gegebenen Feuchtigkeit auf, während 
dieselbe Wassermenge, in Form eines feinen Strahls zugeführt, zum 
eröfsten Teil durchflofs und nur zu 14°'o zurückgehalten wurde. 


Die Wälder. 

Als Mittel zur Schonung der Bodenfeuchtigkeit im Ackerlande 
mufs auch die Nähe von gröfseren Baumkomplexen, namentlich Wäldern, 
angesehen werden. Nach den von MartHiet!) neun bis elf Jahre lang 
durchgeführten Beobachtungen ist die Luft im Walde in 1,5 m Höhe 
durchschnittlich kälter als über dem freien Felde, und zwar ist die 
Differenz im Sommer am stärksten. Einen ebenso deprimierenden 
Einflufs, wie der Wald auf die mittlere Lufttemperatur ausübt, besitzt 
er auch für die Temperaturextreme, die im Walde geringer sind. Wenn 
auch die Temperaturdifferenzen vielleicht nur 0,5°C. betragen, so werden 
sie immerhin sich geltend machen, wenn eine Regenwolke über die 
(segend hinzieht; es mufs über dem Walde der Sättigungspunkt der 
Luft eher erreicht werden und somit der Regen früher anfangen, also 
reichlicher sein, als auf dem unbestandenen Lande. Tatsächlich er- 
gaben die Messungen MarTHIEuU's und FautrarTs?) eine gröfsere Regen- 
menge über dem Walde. Hygrometrische Bestimmungen stellten fest, 
dais die Wasserdampfgewichte in 1 cbm Luft durchschnittlich oberhalb 
eines Fichtenwaldes 8,66 & betrugen, während sie über einem Laub- 
walde 8,46 &g, über unbedecktem Boden in derselben Höhe (104 bis 
122 m hoch) bei 100 m horizontaler Entfernung vom Nadelwalde 7,39 g, 
in demselben Horizontalabstande vom Laubwalde 8,04 & betrugen. So 
wie in vertikaler Richtung die Waldnähe die Luft feuchter erhält, so 
dürfte auch in horizontaler Entfernung ein derartiger Einflufs existieren. 


Die Brache. 

Weniger zur Erhaltung oder Erhöhung des Weasservorrates im 
Boden, als vielmehr zur Ansammlung des übrigen Nährstoffmaterials 
ist die „Brache“ in Betracht zu ziehen. Nach Worıxy's®?) Angaben 
lassen sich die Eigentümlichkeiten der Brache dahin zusammenfassen, 
dafs der brachliegende Boden im Sommer wärmer, im Winter kälter, 
die Temperaturschwankungen überhaupt im Brachlande gröfser als in 
dem mit Pflanzen bestandenen Boden sind. Während der Vegetations- 
zeit ist der mit einer Pflanzendecke überzogene Boden stets von ge- 
ringerem Wassergehalt als im nackten Zustande. Dieser gröfsere 
Feuchtigkeitsgehalt erhält sich im kahlen Boden auch bei öfterer Be- 


1) Marımızv, Meteorologie comparee agricole et forestiere. Paris 1878; cit. in 
Forschungen auf d. Geb. d. Agrikulturphysik, 1879, S. 422—429. 

2) Favmar, Über den Einflufs der Wälder auf den sie berührenden Regenfall 
und die Anziehung der Wasserdämpfe durch die Fichten. Aus Compt. rend. 1879, 
Bd. 89, Nr. 24; eit. Biedermann’s Centralbl. f. Agrikulturchenie, 1880, S. 241. 

?) Worusy, Die Wirkung der Brache. Allgem. Hopfenzeitung 1879, Nr. 55/56. 


188 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


arbeitung noch. Letzterer profitiert auch von den atmosphärischen 
Niederschlägen mehr, indem während der Vegetationszeit durch den 
brachliegenden Boden bedeutend gröfsere Wassermengen absickern 
als aus dem mit einer vegetierenden Pfanzendecke versehenen Felde. 
Der für das Nährstoffkapital des Bodens am meisten in Betracht 
kommende Punkt ist aber der Kohlensäuregehalt des Brachlandes, 
dessen Luft nach Wortxy’s Untersuchungen ungefähr viermal soviel 
Kohlensäure, als die des Graslandes enthält. Also das Lösungsmittel 
für die mineralischen Bodenbestandteile ist um so vieles reichlicher 
vorhanden, woraus sich teilweise schon die gröfsere Ansammlung von 
Pflanzennährstoffen im Brachboden erklärt; teilweise hängt die gröfsere 
Bereicherung auch von der schnelleren Zersetzung der organischen 
Substanzen durch die stärkeren Temperaturschwankungen, die gröfsere 
Feuchtigkeit und die regere Tätigkeit der Mikroorganismen ab. Es 
ist jedoch schliefslich darauf hinzuweisen, dafs Böden mit geringer 
wasserfassender Kraft und in grofser Mächtigkeit (Sandböden) bei 
ihrer grofsen Durchlässigkeit einen bedeutenden Teil der Pflanzen- 
nährstoffe in den Untergrund nutzlos abwaschen lassen können. Solche 
Böden müssen also gerade umgekehrt unter Pflanzendecke gehalten 
werden. 

Welches von diesen Mitteln gegen den Wassermangel zur An- 
wendung gelangen kann, müssen die lokalen Verhältnisse lehren. Jeden- 
falls ist ersichtlich, dafs wir der Trockenheit nicht machtlos gegenüber 
stehen. 

ib) Lehmboden. 
Allgemeine Charakteristik. 


Für die Betrachtungen der schädlichen physikalischen Einflüsse auf 
die Pflanzenwelt haben wir nicht nötig, Lehm- und Tonböden von- 
einander zu unterscheiden. Wir haben es stets mit Mischungen von 
Ton und Sand zu tun, und nur das Mischungsverhältnis dieser beiden 
Bestandteile ist verschieden. Vom sandigen oder „milden“ Lehm an 
schwächt sich der Sandgehalt immer mehr ab bis zum „strengen“ 
Lehm und zu den im feuchten Zustande plastischen Tonböden, bei 
denen die feinen abschlämmbaren Teile überwiegen. Bei unseren 
Kulturländereien werden die Beimengungen von Kalk und Humus noch 
modifizierend ins Gewicht fallen. Kalk wird die schweren Böden durch 
Erhöhung der Krümelbildung lockerer machen. 

Die Fruchtbarkeit ist von der Krümelung direkt abhängige, und 
plastische Tone sind unfruchtbar. Die nicht gekrümelten Tonböden 
sind für Wasser undurchlässig und geben daher in ebenen Lagen leicht 
Gelegenheit zur Versumpfung. ‚Je geringer die Korngröfse des Bodens, 
desto gröfser wird die Aufnahmefähigkeit für Wasser, so dafs bei 
schnellfolgenden starken Differenzen der Wasserzufuhr ganz bedeutende 
Volumenveränderungen vorkommen. Darauf beruht das starke Auf- 
reifsen der Tonböden bei dem Austrocknen. Lösliche Salze 
werden nur schwer ausgewaschen werden können. 

Das Austrocknen ist um so gefährlicher, je mehr eine Bodenart 
sich dem reinen Tonboden nähert, der, einmal trocken geworden, nur 
sehr langsam wieder Wasser aufnimmt, da sich dasselbe nur schwer 
zwischen die dicht gelagerten Bodenpartikelchen eindrängen kann. 
Diese Eigenschaften schwächen sich in dem Maifse ab, als die Sand- 
beimengungen sich steigern. Bei den strengen Böden wird die Aus- 


2. Unpassende Bodenstruktur. 189 
trocknung im Sommer bisweilen gefährlicher als bei den Sandböden, 
namentlich wenn eine starke Baumvegetation in Gegenden sich ent- 
wickelt hat, die überhaupt arm an Niederschlägen sind. Die Sommer- 
regen genügen dann nicht, den Wasserverlust zu decken. Diese Böden 
sind somit auf die Winterfeuchtigkeit angewiesen und können in 
Jahren, in denen dieselbe gering gewesen und auch die Schneedecke 
gefehlt hat, bei trockenen Frühlingen den Pflanzenwuchs mehr schädigen 
als die Sandböden. Daraus erklärt sich, dafs nach heifsen , trockenen 
Sommern und niederschlagsarmen Wintern bei alten Bäumen Gipfel- 
dürre, d. h. Zweigtrocknis, aus Wassermangel sich einstellen kann, 
selbst wenn das Frühjahr regenreich ist. Sandböden können bei mäfsigen 
Frühjahrsregen sich schneller sättigen und ihr Wasser den Wurzeln 
zur Verfügung stellen. 

Die schweren Böden werden „kalt“ genannt. Dies erklärt sich 
aus dem hohen Wassergehalt, der mit der Feinkörnigkeit der Struktur 
wächst. In manchen Gegenden sterben ausländische Coniferen (Abies 
Pinsapo, Biota orientalis aurea, Taxus hibernica, Picca orientalis) schnell 
ab. Man schreibt dies dem Winterfrost zu, findet aber bei ein- 
gehenderer Beobachtung, dafs nur bei grofser Nässe des Bodens die 
niederen Temperaturen gefährlich werden). 

Die meisten Störungen werden aber, wie wir im folgenden sehen 
können, durch die geringe Durchlüftbarkeit verursacht, die bei der Zer- 
setzung organischer Massen zu Fäulniserscheinungen führt. Daher 
kommen bei Beurteilung der Lehmböden auf ihre Fruchtbarkeit nicht 
nur der Grad der Krümelung, sondern auch die Tiefe, bis zu welcher 
sich dieselbe erstreckt, ausschlaggebend zur Geltung. Da die festen 
Lehmschichten des Untergrundes sehr schwer durchlüftbar sind, so 
erfolgt die Ausbreitung des vorwiegend nur ın den 
gekrümelten Schichten. Auf die Erhaltung der Krümelung ist daher 
besonderer Wert zu legen, und dies ist namentlich auch bei Wäldern 
zu berücksichtigen, die einem fortwährenden Streurechen unter- 
worfen sind. Nach Ramanss?) Untersuchungen ist dann die durch 
Streuentnahme hervorgerufene Bodenverdichtung so stark, dafs ein be- 
denklicher Rückgang des Waldbestandes unausbleiblich ist. 

Die Vorgänge der Bodenverdichtung und die Notwendigkeit der 
Bodenlockerung sind auch bei unseren Tropenkulturen sehr ın 
Betracht zu ziehen, wie VOSSELER?) zeigt. Er bespricht die von KoErTS 
als „Älterer Rotlehm“ bezeichneten Böden und speziell die Urwaldböden 
Ostusambaras folgendermafsen: „Der rote Boden besteht der Haupt- 
sache nach aus feinem Lehm bezw. Ton, der wohl durchlässig, aber 
zu fein porös zur Aufnahme feiner Humuspartikelchen ist, der zudem 
chemisch gelöste Stoffe vielleicht nur an der Oberfläche zu binden ver- 
mag und ihr Eindringen in die Tiefe verhindert. Da er selbst schon das 
Endprodukt einer Zersetzung ist, fehlt ihm der Vorteil während eines 
solchen Prozesses etwa auftretender Auflockerungsvorgänge.“ Auch hier 
ergibt sich also als erste Vorbedingung erfolgreicher Kultur die Boden- 
lockerung. 


1) Cornes, W., Beitrag zum Verhalten der Coniferen gegen Witterungseinflüsse. 
Hamburg 1897. 

2) Rımans, E., Untersuchung streuberechter Böden. Sond. 7. f. Forst- u. Jagd- 
wesen, XXX. Jahre.: ; cit. Bot. Jahresb. 1900, II, S. 415. \ 

2) V OSSELER, Über einige Eigentümlichkeiten der Urwaldböden Ostusambaras. 
Mitteil. a. d. Biol. Landwirtsch. Institut Amani, 1904, Nr. 33. 


190 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


Je toniger ein Boden ist, desto langsamer werden sich infolge 
seiner niederen Temperatur die Pflanzenreste zersetzen. Während in 
hinreichend gekrümelten Bodenarten normale Verwesung stattfindet, 
sammeln sich auf dichten Tonböden Massen von Rohhumus, also 
Pflanzenresten, an, die, wenig zersetzbar, auf dem Boden aufgelagert 
bleiben, weil die Bedingungen für die Verwesung ungünstig sind. 
Wenn sehr feinkörnige Bodenarten mit grolser Wasserkapazität, 
also der Fähigkeit, orofse Mengen von Wasser zurückzuhalten, ohne 
es tropfenweis wieder abzugeben, so viel Wasser bekommen, dafs das 
sich zwischendrängende Wasser den Zusammenhalt der Substanz- 
partikelchen untereinander überwindet und dieselben auseinandertreibt, 
dann erweicht der Boden. Den strengen Ton- und Lettenböden ist 
dieser Zustand besonders eigentümlich: seltener kommt ein derartiges 
„Aergehen“ bei Lehmboden vor. 

Solches Erweichen des Bodens ist in doppelter Beziehung 
gefährlich, wenn es im Herbst oder Frühjahr sich emstellt. Einerseits 
fliefst der Boden gleichsam ab und die Saaten sind bald dem Ver- 
trocknen oder, bei Wintersaaten, auch dem Ausfrieren mehr ausgesetzt. 
Änderseits verlangsamt dieser Zustand die Bearbeitung und Be- 
stellung der Felder und wird Ursache geringer Ernten. Es ist 
nämlich wohl zu berücksichtigen, dafs bei unseren sämtlichen Kultur- 
gewächsen die usuelle Bestellzeit durch die Beobachtung des Verhaltens 
der Pdanzen in unserm Klima sich herausgebildet hat. Man kann jeder- 
zeit die Erfahrung machen, dafs eine Ver le gung der Kulturzeiten 
Anderungen im Charakter der Pflanzen hervorruft (Überführung von 
Winter- in Sommergetreide). Solche Verlegung der Saatzeit wirkt oft 
schädlich. Erinnert sei hier beispielsweise an die Erbsen. Dasselbe 
Saatgut, das bei Aussaat im zeitigen Frühjahr eine schöne Ernte von 
gesunden Pflanzen liefert, bringt bei Aussaat im Sommer sehr häufig 
kurze, durch den Meltau arg eeschädigte Pfanzen mit kleinen Hülsen 
hervor. Kohlrabi, zu spät im Frühjahr gepflanzt, werden leicht holzig usw. 

Ähnliche Erscheinungen sind bei feınsandigen Heideböden (Flott - 
lehm) zu beobachten. GRAEBNER! ) char ee diese Bodenform als eine 
aus fast mehlfeinen Sandkörnern mit nur geringen Tonbeimengungen 
bestehende. Die ganze Masse sieht im feuchten Zustande lehmartig: 
aus: im trockenen Zustande aber unterscheidet sie sich vom richtigen 
Lehm durch ihre Porosität. Dabei kann infolge der äufserst feinen 
Kornstruktur Flottlehm so hart wie Stein werden. Bei Kulturen, die 
dauernd unter dem Pfuge stehen und durch tierischen Dung locker 
erhalten werden, ist solcher Boden oft vorteilhaft, aber bei den Forst- 
kulturen äufserst schädlich. Denn nach der üblichen einmaligen Locke- 
rung setzt sich durch den Regen der feine Sand alsbald wieder fest 
zusammen und läfst den Luftsauerstoff zu wenig zu den Baumwurzeln 
gelangen. 


Das Verschlämmen des Bodens. 


Bei heftigen Regengüssen und Überschwemmungen werden Boden- 
arten mit gr ofsem Gehalt an sehr fein zerkleinerten Teilchen zusammen- 
geschwemmt und bei dem Abdunsten des Wassers in Form einer dichten 
abschliefsenden Kruste zurückgelassen. Mit der Feinheit seiner Zer- 
kleinerung wächst die wasserfassende Kraft eines Bodenbestandteils 


!) Grägser, Handbuch der Heidekultur, 1904, S. 200. 


1 et en A 


2. Unpassende Bodenstruktur. 191 
ungemein, wie bereits erwähnt worden ist. Die Oberfläche wird durch 
die zunehmende Zerkleinerung immer mehr vergröfsert, und die wasser- 
haltende Kraft beruht auf Oberflächenanziehung. Durch Zerkleinerung 
einer aus groben Quarzstücken von 1 bis 27 mm Gröfse bestehenden 
Bodenmasse, die eine absolute Wasserkapazität von 7°'o besafs, liets 
sich die kapillare Aufsaugungskraft für Wasser derart vermehren, dafs 
ein aus dem Quarz hergestellter feiner Sand mit einer Korngröfse von 
0,3 mm mehr als sechsmal so viel Wasser zurückhielt. Man sieht, dats 
unter Umständen die Art des Minerals ganz gleichgültig sem kann und 
nur die mechanische Beschaffenheit ins Gewicht fällt, dafs also auch 
einmal Quarzstaub die Rolle des Tones übernehmen kann. Natürlich 
besitzt der staubfeine Sand immerhin keine Kohärenz, kann also nie- 
mals für sich allein die Rolle eines Bindemittels übernehmen, wie 
solche der Ton hat. Hauptsächlich sind es aber die Tonböden, welche 
an Verschlämmen leiden und durch Bildung luftabschliefsender Schichten 
Samen und Pflanzenwurzeln zur Fäulnis bringen. Bisweilen bilden sich 
die Pflanzenwurzeln Hilfsorgane, um in Sumpfböden die nötige Durch- 
lüftung zu finden. Erinnert sei in dieser Beziehung an die der Boden- 
oberfläche zustrebenden, knieförmigen Auswüchse der Wurzeln 
von Taxodium distichum und von Pinus serotina, die auf trockenen Böden 
nicht gebildet werden und von Wırson!) direkt als Atmungsorgane an- 
gesprochen werden. 

Ein Beispiel für die Schädigung der Vegetation durch direkte 
Schlammablagerung liefert Roginer?’) aus Toulouse, wo die Baum- 
schulen nur zwei Tage hindurch unter Wasser gestanden hatten. Die- 
jenigen Pflanzen, an deren Basis sich nicht viel Schlamm abgelagert, 
blieben gesund; dagegen litten solche Individuen beträchtlich, bei denen 
die Stammbasis etwa 10 bis 12 cm hoch mit Schlamm umgeben war. 
Mandeln, Akazıen, Kirschen (auch die Weichselkirschen), Ebereschen, 
Ligustrum, Mahonia, Evonymus und die meisten Coniferen gingen gänz- 
lich zugrunde. Von Crataegus, Pirus communis (wobei die auf Qnitte 
veredelten weniger litten), Pirus Malus, Castanea, Mespilus, Catalpa 
u.a. welche 8 bis 10 Tage unter Wasser gestanden hatten, schwärzten 
sich nur diejenigen Exemplare an der Basis und starben ab, bei denen 
der Schlamm nicht entfernt worden war. Platanus. Alnus, Ulmus hatten 
nicht gelitten, und Populus sowie Saliv (Trauerweiden) entwickelten 
sogar aus der Stammbasis reichliche Wurzeln in den Schlamm hinein. 
Von Sophora, Fraxinus, Carpinus, Fagus und Betula starben nicht alle 
Exemplare, so wenig wie von Robinia: die Überlebenden erhielten aber 

selbes Laub. Linden und Kastanien verloren sogar gänzlich ihre 
Blätter. Immergrüne Pflanzen, auch ein Teil der C oniferen, verloren ihre 
Blätter, soweit sie vom Wasser bedeckt gewesen waren. 

Doppelt ins Gewicht fallend ist diese” Änderung der physikalischen 
Bodenbeschaffenheit in Gegenden, die öfteren Ü berschwemmungen aus- 
gesetzt sind, und unter diesen leiden solche, die von Seewasser über- 
schwemmt werden, am meisten. Abgesehen von dem Schaden, den die 
Vegetation durch den hohen Seesalzgehalt der Ackerkrume erleidet, 
zeiot zn nach A. Mayer?) als Folgeerscheinung des erst im zweiten 


2) w ırsox, W. P., The production of aerating organs on the roots of swamp 
and other plants; eit. Bot. Jahresber. 1889, I, S. 632. 

2) Revue horticole; eit. Wiener Obst- u. Gartenzeitung 1876, S. 37. 

’) A. Marer, Über die Einwirkung von Salzlösungen auf die Absetzungs- 
verhältnisse toniger Erden. (Forsch. auf dem Gebiete d. Agrik.-Physik, 1879, S. 251.) 


192 l, Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


Jahre bisweilen bemerkbaren Dichtschlemmens die Bilduug einer 
schwarzen, stark mit Schwefeleisen imprägnierten Schicht, die als 
weiterer Schädiger der Vegetation anzusehen ist. 

Auch v. GOHREN!) hebt die Bildung derartiger eisenschüssiger, 
ın Westfriesland „Knick“ genannter Schiehten in humusreichen, 
lehmigen und tonigen Schlickablagerungen der Meeres- und Flufs- 
marschen hervor und erklärt deren Entstehung damit, dafs das Eisen- 
oxyd des Liehmes bei Abschlufs der Luft durch die organische Sub- 
stanz zu Eisenoxydul reduziert wird, das sich mit der Quellsäure zu 
quellsaurem Eisenoxydul verbindet. Das sich nach allen Richtungen 
hin verbreitende quellsaure Eisenoxydul oxydiert sich allmählich wieder, 
verkittet als Eisenoxydhydrat alle Bodenteile fest und wirkt mit bei 
der Bildung des verrufenen Ortsteins. Wir kommen auf die ÖOrt- 
steinbildung bei Besprechung der Eigenheiten des Moorbodens zurück 
und wenden uns jetzt zunächst zu den Verschlämmungserscheinungen 
unter dem Einflufs von Salzlösungen, wie sie bei Anwendung von 
Düngesalzen sich einstellen. 

Nach den Mayer'schen Versuchen zeigt sich, dafs ın Wasser 
suspendierte Tonteilchen sich in verschiedener Weise niederschlagen, 
je nachdem sie in reinem Wasser oder solchem, welches Kochsalz und 
andere Beimengungen enthält, sich schwebend befinden. In reinem 
Wasser fallen die Teilchen nach ihrer Gröfse (genauer nach dem Ver- 
hältnis ihrer Oberflächen zu ihren Massen) nieder. Die feinsten Teilchen 
bleiben ungemein lange im Wasser schwebend, da sie mit einer beinahe 
der chemischen Auflösung zu vergleichenden Anziehungskraft von dem 
Wasser festgehalten werden. Dieser Anziehungskraft gegenüber ist die 
Schwerkraft dieser Teilchen belanglos. Setzt sich der Ton aus einer 
Salzlösung nieder, so kann man, wenn man solchen Ton versuchsweise in 
einem Glaszylinder aufgeschlämmt hat, beobachten, dafs sich von oben 
herab eine aus dichteren, feineren Tonteilchen gebildete Grenzschicht 
in dem Zylinder kenntlich macht, oberhalb welcher eine verhältnismälsig 
sehr klare Flüssigkeit steht. Durch die Anwesenheit. des Kochsalzes 
werden die feinen Tonteilchen mehr als Ganzes niedergeschlagen 
(koaguliert nach ScHrösıne). Es entsteht „Flockung‘“. Die etwas 
eröberen Teile unter ihnen scheinen im Sinken verzögert zu werden; 
die feineren werden etwas beschleunigt. Man hat angenommen, dafs 
durch die Anwesenheit des Salzes wahrscheinlich die Anziehung zwischen 
Ton und Wasser vermindert wird, da dieses den Ton vollständiger 
sinken läfst. Dagegen mufs die Anziehung von Ton zu Ton vermehrt, 
derselbe also verdichtet werden. DurHAM?) erklärt den Vorgang auch 
derart, dafs die Anziehungskraft des Wassers, die sonst gänzlich zur 
Suspension des Tones in Anspruch genommen ist, durch das Salz der 
Lösung bis auf den letzten Rest gesättigt wird. Nach DurHam ver- 
halten sich Schwefelsäure, nach Mayer die Mineralsäuren überhaupt, wıe 
Kochsalzlösung; ebenso ist es mit deren Salzen selbst bei einem 
Überschufs von fixem Alkali oder Ammoniak. 

Nach den jetzt herrschenden Anschauungen wirken alle Elektro- 
Iyte, also alle Körper, welche in wässeriger Lösung zum Teil in 
„lonen“ gespalten werden, flockend. Nichtelektrolyte sind wirkungs- 


!) vos Gourexn: Boden und Atmosphäre. Leipzig 1377, S. 56. 
2) Biedermann’s Centralbl. 1883, Nov., S. 786. 
?) Chem. News.; cit. „Naturforscher“ 1878, S. 112. 


2. Unpassende Bodenstruktur. 193 


los. Der elektrische Strom fällt die Flocken ebenfalls aus: es ist daher 
anzunehmen, dafs die im Wasser verteilten Partikel elektrisch ge- 
laden smd und man in der Ladung die Ursache der Schwingungen 
zu suchen hat), 

Das wesentlichste Moment, das für alle tonigen Kulturböden be- 
achtenswert ist, liegt in dem Nachweis, dafs die salpetersauren Salze 
sich betreffs der Aufschlämmbarkeit des Tones den salzsauren nähern 
und wegen ihrer leichten Auswaschbarkeit den Boden rasch zum 
Dichterwerden bringen. Dadurch erklärt sich das mechanische 
Verderben tonreicher Bodenarten durch wiederholte einseitige 
Salpeterdüngung. Nachdem anfangs sich schöne Ernten ergeben, 
erfolet später ein Rückgang. Dieselbe Schattenseite hat selbstver- 
ständlich die für einzelne Pflanzen zur Verwendung gebrachte Koch- 
salzdüngung. 

Auf wesentliche Nachteile überreicher Gaben von Dungsalzen macht 
BEHRENS?) aufmerksam. Es kommt nämlich deren osmotische Wirkung 
in Betracht. Durch diese osmotische Wirkung löslicher Salze im Boden 
wird die Deckung des Wasserbedarfs der Pflanze erschwert, und die 
Pflanze antwortet darauf durch eine zweckentsprechende Modifikation 
ihrer Organe. Dem physiologischen Wassermangel entsprechend, drückt 
die Pflanze ihre Verdunstung herab durch den Bau fleischigerer Blätter 
mit kleineren Intercellularräumen, wie bei den Pflanzen der Salzquellen 
und des Meeresstrandes. 

Von unseren Kulturpflanzen leidet am meisten der Tabak, der 
sich dann gerade so verhält wie in heifsen, trockenen Sommern. Er 
bildet fleischigere Blätter, deren Brennbarkeit herabgesetzt wird. In 
Bestätigung dieser in Europa gemachten Beobachtungen erwähnt 
Hunger?) von den Kulturen des Deli-Tabaks auf Sumatra, dafs das 
am meisten geschätzte und durch Auslese immer hochgradiger ge- 
züchtete, groflse dünne, ölarme Blatt nur bei Wasserreichtum wie bei 
anhaltendem Regenwetter sich entwickelt, während bei trockner 
Witterung sich kleine dicke, mit viel Drüsenhaaren versehene, minder- 
wertige Blätter ausbilden. 


Die Verbesserung der sich verdichtenden Böden. 


Die Verbesserung der leicht schliefsenden Tonböden wird in der 
Erhöhung ihrer Bearbeitungsfähigkeit bestehen müssen. Die 
schweren Böden sind ungefüge, d. h. sie setzen den Ackerwerkzeugen 
durch ıhr Anhaften im feuchten Zustande, durch ihre Härte im trockenen 
Zustande grofse Schwierigkeiten entgegen. Es entstehen grofse Schollen. 
die, wenn der Ton- oder Lettenboden sehr arm an Humus ist, auch 
nicht leicht zerfallen. Bekanntlich ist die vorteilhafteste Bearbeitung 
für die Frühjahrsbestellung das Umbrechen im Herbst und Liegenlassen 
in rauher Furche; die während des Winters erfolgende Lockerung 
durch das Gefrieren des Wassers in den Bodenzwischenräumen macht 
aus den zähen Schollen eine mürbe, krümelige Masse, 


I) Rauans, E., Bodenkunde II. Aufl., Berlin, J. Springer, 1905, S. 225. 
2) J. Beuress, Über Düngungsversuche. Jahresb. d. Vertreter d. angewandten 
Botanik, II. Jahrg. Berlin, Gebr. Bornträger, 1905, S. 28. 


. ®) Husser, F. W. T., Untersuchungen und Betrachtungen über die Mosaik- 
krankheit der Tabakpflanze. Zeitschr. f. Pflanzenkrankh., 1905, Heft V. 


Sorauer, Handbuch. 3. Aufl. Erster Band. 13 


194 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


Diese Vorteile aber sind nur für die Frühjahrsbestellung vorhanden 
und verschwinden nach starken Regengüssen im Laufe des Sommers: 
Man mufs also gegen die Zähigkeit durch Zufuhr von Humus oder 
Moorerde sorgen. Das Düngen mit langem, strohigem Mist ist hier 
aufserordentlich angebracht. Ganz besonders wirksam aber zeigt sich 
das Kalken und Mergeln des Bodens. Durch die Zufuhr von Kalk. 
der im Boden als doppelt kohlensaurer z. T. in Lösung ist, wird das 
Verschlämmen verhindert, wie die praktische Erfahrung lehrt. 

Es mufs von allen Salzen, auch von den am besten wirksamen 
Kalk- und Maenesiasalzen eine bestimmte Menge in der Flüssigkeit 
enthalten sein (der Schwellenwert der Wirkungen mufs überschritten 
werden), wenn ein Absetzen der Tonteile eintreten soll. Auch in den 
Flüssen macht sich die Hockende Wirkung gelöster Salze geltend, in- 
dem sich z. B. Sinkstoffe ın Flüssen aus Kalkgebieten schneller ab- 
setzen als aus kalkarmen Gegenden!). Für die Landwirtschaft direkt 
wird die Krümelung dadurch wichtig, dafs auf ihr die Gare des 
Ackers beruht. Die Krümel des Bodens verhalten sich ähnlich wie 
die Tonflocken. Die Wirkung des Kalkes zeigte Hırcırp dadurch, dafs 
er festen Tonboden mit 1% Atzkalk knetete. Während der ursprüng- 
liche Tonboden nach dem Trocknen steinhart wurde, erwies sich der 
mit Kalk versetzte bröckelig und mürbe. Da neben der andauernden 
mechanischen Bodenbearbeitung die Salze die Lockerheit des Acker- 
bodens bedingen, so wird dies auch bei Waldboden in gleichem Mafse 
der Fall sein. Wenn die die Krümelstruktur bedingenden löslichen 
Salze vermindert werden, wie durch übermäfsige Streunutzung, 
Bedeckung mit Rohhumus, Auswaschen aus den oberen Schichten 
u. del.., mufs eine Bodenverdichtung eintreten. 

Bei der Rübenkultur ist vielfach die Zufuhr von Scheideschlamm 
aus den Zuckerfabriken in Gebrauch. Der mechanische Einflufs macht 
sich hier nicht selten dadurch geltend, dafs infolge gesteigerter Erhitz- 
barkeit und Wasserarmut diese Böden nachher Herz- und Trocken- 
fäule hervorrufen. 

Von grolsem Interesse erscheinen die in einer Arbeit von HırsarD ?) 
niedergelesten Angaben über die „Alkaliböden“ Kaliforniens. Die 
oft mitten zwischen vorzüglichem Kulturlande eingesprengten Alkali- 
stellen enthalten so viel Salze, dafs dieselben sich durch Efflorescenz 
auf der Oberfläche bemerkbar machen. Diejenigen, welche alkalische 
Karbonate (und teilweise auch Borate) enthalten, zeichnen sich durch 
die Schwierigkeit oder fast Unmöglichkeit aus, zur Herstellung einer 
eigentlichen Ackerkrume gebracht zu werden. Nach jedem Regen steht 
auf diesen, durch ihre niedrigere Lage kenntlichen Stellen von auf- 
gelöstem Humus gefärbtes, kaffeebraunes Tonwasser zuweilen wochen- 
lang. Dieselbe Bearbeitung, welche den danebenliegenden guten Boden 
zu einer aschenartig lockeren Beschaffenheit bringt, macht das Alkalı- 
land zu einem Haufwerk abgerundeter Schollen von der Gröfse eimer 
Erbse bis zu einer Billardkugel. 

Die von dem Alkaliboden ausgelaugte, schwarzbraune Lösung gab 
nach dem Abdampfen, Glühen und Sättigen mit Kohlensäure 0,251 %o 


1), Ramann. a.ta. ©. S: 226. 


2) Hırcarn, Über die Flockung kleiner Teilchen und die physikalischen und 
technischen Beziehungen dieser Erscheinung. American Journal of sciences and 
arts XVII March 1879. ‚Forsch. auf d Gebiete d. Agrikulturphysik, 1879, S. 441. 


Li 


2. Unpassende Bodenstruktur. 19 


( 


unverbrennlichen Rückstand; hiervon waren 0,158°/o wieder in Wasser 
löslich, und dieser lösliche Teil bestand aus Natriumkarbonat 52,740, 
Natriumchlorid 33,08%o, Natriumsulphat 13,260, Natriumtriphosphat 
1,83 9/0. 

Die 0,093 wunlöslichen Rückstandes des geglühten Wasser- 
extraktes enthielten Calciumkarbonat 14,020, Calciumtriphosphat 5,37%, 
Magnesiumtriphosphat 5,77 °/o, Kieselerde m Na?CO? löslich 24,37 %s, 
Eisenoxyd, Tonerde und etwas Ton 50,47 %o. 

In diesem Falle sowie auch bei vielen anderen alkalischen Boden- 
arten Kaliforniens bringt die Zutat einer hinlänglichen Menge Gips 
eine auffällige Wirkung hervor. Die kaustische Wirkung des Alkali- 
karbonates auf Samen und Pflanzen wird sofort aufgehoben, so dafs 
dort, wo vorher nur „Alkaligras“ (Brizopyrum) und COhenopodiaceen 
wuchsen, bald Mais und Weizen ohne. Schwierigkeit fortkommen. Zur 
mechanischen Anderung der Bodenkrume, zur gröfseren Lockerung 
derselben bedarf der Gips natürlich längerer Zeit. 


Die Überflutungen. 


Gegenüber der vielfach verbreiteten Angstlichkeit bei Einbruch 
von Wassermassen in Kulturländereien dürfte hervorzuheben sein, 
dafs, abgesehen natürlich von Auswaschung von Nährstoffen und den 
mechanischen Schädigungen durch den Wellendruck, die Vegetation 
nicht übermäfsig empfindlich gegen eine längere Bedeckung des Bodens 
mit Wasser ist. Namentlich die Holzpflanzen besitzen, wie UÜber- 
schwemmungen zeigen. eine grofse Widerstandsfähigkeit, die um so 
länger anhält, je länger die Wassermassen in Bewegung bleiben. 

Die Nachteile stellen sich erst hochgradig ein, wenn es sich um 
stagnierendes Wasser handelt, das lange Zeit über der Bodenoberfläche 
verbleibt. Für kürzere Zeit gehört die UÜberflutung in der Form der 
UÜberstauung zu den nützlichen Kulturmafsregeln. Allerdings wird 
sie immer gefährlicher als jene Bewässerungsmethoden sein, bei welchen 
der Boden der Luft stets zugänglich bleibt (Berieselung). Der m dem 
Rieselwasser enthaltene Sauerstoff ruft Oxydationen in den Wiesen- 
böden hervor, da das unterirdisch abfliefsende Drainwasser eine ge- 
ringere Menge Sauerstoff und gleichzeitig eine gesteigerte Menge 
Kohlensäure und Schwefelsäure im Vergleich zu dem aufrieselnden 
Wasser aufweist!). Solange sich genügend Sauerstoff vorfindet, voll- 
ziehen sich die langsamen Verbrennungserscheinungen der organischen 
Substanz, die wir als Verwesung bezeichnen, hauptsächlich durch 
die Arbeit der Mikroorganismen zu Kohlensäure, Wasser, Ammoniak 
und Salpetersäure. Tritt dagegen durch andauernde Überstauung Sauer- 
stoffmangel ein, so beginnt jener Zersetzungsvorgang teils rein chemi- 
scher Natur, teils unter Mitwirkung von Bakterien, den wir als Fäul- 
nis bezeichnen, und dessen Endprodukte in Verbindungen bestehen, 
die noch oxydierbar sind. 

Finden die Wasseransammlungen in Lagen statt, in denen gänz- 
lich undurchlässige Bodenschichten den vertikalen Wasserabflufs ver- 
hindern und auch der horizontale Abflufs erschwert ist, tritt Ver- 
sumpfung ein. 


1) Worısv, E., Die Zersetzung der organischen Stoffe und die Humusbildungen. 
Heidelberg 1897, Carl Winter, S. 351. 
13 * 


196 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


Mit der Bodenvernässung beginnen diejenigen Symptome sich zu 
zeigen, die bei Wurzelfäulnis allmählich einzutreten pflegen. Bei 
Laubbäumen, namentlich den Obstbäumen und dem Weinstock, macht 
sich vorzeitige Gelblaubigkeit bemerkbar, die an den Zweigen von 
unten nach oben fortschreitet. Dieser fortschreitende Gang des Aus- 
lebens und Abfalls der Blätter von der Zweigbasis nach der Spitze 
hin spricht dafür, dafs die fortwachsenden Zweige zur Ausbildung 
ihrer jungen Blätter die älteren entleeren, wie dies auch beim allmählichen 
Vertrocknen der Fall ist. Dadurch unterscheidet sich diese Blattver- 
gilbung von der Bleichlaubigkeit infolge von Frostwirkungen, bei 
denen der jugendliche Blattapparat gestört und in seiner normalen 
Chlorophyllarbeit behindert wird. 


Die Versumpfung. 


Am verhängnisvollsten wird das Stagnieren der Nässe im Forst- 
betriebe, wo die Frostempfindlichkeit der Bäume nach R. Harrıe’s ') 
Beobachtungen gesteigert wird und das Ausfrieren und Aufziehen in 
den Saatbeeten stattfindet. In den jungen Kiefernbeständen Nord- 
deutschlands beobachtete Harrıc?) die Wurzelfäule in verheerendem 
Grade. Sie beginnt zwischen dem zwanzigsten und dreifsigsten Jahre, 
indem nach kurzer Zeit kümmerlichen Wachstums die noch völlig 
grün benadelten Bäume umfallen, sobald Schneedruck oder Wind auf 
sie einwirken. Es erweist sich dann die Pfahlwurzel (s. Stelzenwuchs 
S. 92) bis an die Stammbasis hinauf nafsfaul, während die meisten 
flachstreichenden Wurzeln gesund erscheinen. In Fichtenbeständen ist 
solche Wurzelfäulnis wohl auch zu finden, macht sich aber weniger 
bemerkbar, weil das oberflächlich verlaufende Wurzelsystem den Baum 
unabhängiger von den wenigen in die Tiefe hinabsteigenden Wurzeln 
macht. 

Besonders in der Mark Brandenburg läfst sich beobachten, wie die 
Gesundheit der Kiefern dann aufhört, wenn die ihr am meisten zu- 
sagenden Sandflächen von Bodenmulden unterbrochen werden, in denen 
Wasseransammlungen sich zu Moortümpeln ausbilden. Bis an den 
Rand der moorigen Stellen sind die Bäume geradschäftig und verhältnis- 
mäfsig langnadelig; in dem Augenblick, wo das schwarze Moor be- 
ginnt, wird der Wuchs krüppelhaft, werden die Nadeln kurz, und der 
Baum zeigt ganz schmale, nicht selten auskeilende ‚Jahresringe. 

Gerade in der von den Behörden wohl gewünschten, weil ren- 
tabelsten, Ausdehnung der Kiefernanpflanzung auf nasse Bodenlagen 
ist es nicht zu verwundern, dafs die Erscheinungen der Wurzelfäule 
bei diesem Nadelholz in so grofser Ausdehnung zu finden sind. Es 
empfiehlt sich durchaus, die Kiefernkultur auf die sandigen, freien Lagen 
zu beschränken und bei schweren, nassen Böden solche Holzarten zu 
wählen, welche erfahrungsgemäfs die Nässe am besten vertragen. An 
Orten, wo ein bestimmtes Wirtschaftssystem die Bestände nicht regelt, 
finden sich im Laufe der ‚Jahre durch die gröfsere Widerstands- 
fähigkeit im Kampfe ums Dasein von selbst die entsprechenden Holz- 
arten ein. Es ist ungefähr dasselbe wie das allmähliche Platzgreifen 


!) Harrıs, R., Lehrbuch der Pflanzenkrankheiten, III. Aufl., Berlin, Springer 
1900, S. 263. 

's) Die Wurzelfäule, Zersetzungserscheinungen des Holzes. Berlin, Jul. Springer, 
1878. 8. 75. 


2. Unpassende Bodenstruktur. 197 


frostharter Holzarten (Hainbuche, Birke, Zitterpappel) in Frost- 
löchern. Am besten verträgt die Roterle die stagnierende Nässe; 
aufserdem sieht man Schwarz- und Silberpappel sowie die meisten 
Weiden und die Ruchbirke auf nassem Boden gedeihen. Manchmal 
findet man auch Eschen; dieselben haben aber dann ganz moosbesetzte 
Stämme und krebsartiee (Geschwürstellen. 

Um den Schäden der Versumpfung zu begegnen, wird man deren 
Ursache genau feststellen müssen. Bisweilen ist es nur Mangel an 
Luftzug, “und dann kann eine teilweise Befreiung des Landes vom 
Baumwuchs durch Entfernung von Unterholz und unteren Ästen der 
Bäume, Durchforstung usw. schon helfen. Manchmal bei geringer Ver- 
sumpfung, und zwar besonders im Gebirge, dürfte durch Bepflanzung 
mit Nadelhölzern (Fichte) abgeholfen werden können; es sind dies 
solche Fälle, in denen eine vermehrte verdunstende Oberfläche genügt, 
um Wasseransammlungen im Boden zu vermeiden. Durch Heran- 
wachsen der Bäume und deren dichten Schlufs wird nicht nur die 
verdunstende Oberfläche immer gröfser, sondern es kann durch das 
dichte Laubdach auch immer weniger Wasser auf den Boden hinab. 

Das radikalste Mittel, die Entwässerung durch Drainage oder 
Gräben, ist gerade bei Forsten erst nach reiflicher Er wägung aller ört- 
lichen Verhältnisse in Anwendung zu bringen, da das Verfahren bis- 
weilen gröfsere Nachteile als Vorteile bringt. Dies ist vorzugsweise in 
Gebirgsforsten der Fall, wo leicht die Erniedrigung des Wasserstandes 
eines Bezirkes weitergreifende Folgen für die Umgebung hat, und 
Strecken, namentlich Hänge mit starkem Baumwuchs, die keinen Über- 
schufs an Wasser hatten, trockner gelegt werden. Die an das bisherige 
Mafs von Feuchtigkeit gewohnten "Bäume gehen zurück und dürften 
zum Teil absterben. In der Ebene sind derartige schroffe Schwankungen 
durch die Drainage weniger zu fürchten. 

Wir würden auf die Sumpfbildung hier nicht weiter einzugehen 
haben, wenn nicht, abgesehen von den Gasexhalationen, dadurch 
Schädigungen der Kulturflächen hervorgerufen würden, dafs solche 
Sumpf- und Bruchwässer zeitweise zum Abflufs gelangen. Vorzugs- 
weise ist hier die Wiesenschädigung im Auge zu behalten, da manch- 
mal schädliches Sumpf- und Bruchwasser zur Berieselung Verwendung 
findet. Der Versumpfung von Rieselwiesen durch UÜberfüllung mit 
Senkstoffen mag nur nebenbei gedacht werden. 

Betreffs der Gasexhalationen sind die Angaben von BiscHor und 
Pororr anzuführen !). Die entstehenden Gase sind oft reich an Kohlen- 
wasserstoffen, namentlich Methylwasserstoff (Sumpfgas CH). PoPorr 
untersuchte das Gas. das sich in einem Kolben entwickelte, in welchem 
eine Schlammmasse mit Küchenabfällen u. dergl. sich befand. Die 
Schlammmasse blieb 3V/sz Woche bei anfangs 17, später 7 bis 10° C. 
im Kolben und ergab bei den aufeinanderfolgenden, meist nach Zwischen- 
räumen von zwei bis vier Tagen stattfindenden Untersuc :hungen Gras- 
gsemische von folgender prozentischer Zusammensetzung: 


1175.60: 348 CH 14710. 8106 N 
a CH 5.68, 1,70 
3. 34,99 


203, , 0,00 35,98 N 


” 


1) Bıscnor's Lehrbuch der chemischen und physikalischen Geologie, II. Aufl. 
Pororr in Pflüger’s Archiv, f. Physiologie, Bd. X, S. 113. 


108 I. Krankheiten durch unglinstige Bodenverhältnisse, 
4, 55,81 C0? 42,54 CH‘ 0,00 165 N 
0, "DRUU: /„ 42/0 , AA 1,00, 
0. MB 54,1 4 00, 0,0 
1. 483 A 36,6 A lee 0,1 


Man ersieht aus diesen Zahlen, dafs zu Anfang des Versuchs die 
im Kolben befindliche atmosphärische Luft zum Teil ausgetrieben, zum 
Teil verbraucht wird, indem der Sauerstoff zur Oxydation der orga- 
nischen Reste im Schlamme diente. Solange freier Sauerstoff vor- 
handen war, überwog die Bildung von Kohlensäure diejenige des 
Sumpfgases; dagegen drehte sich dieses Verhältnis um, sobald der 
Sauerstoff verzehrt war, 

Von der Ansicht ausgehend, dafs es wesentlich die in Schlamme 
befindliche Cellulose ist, welche unter Mitwirkung niederer Orga- 
nisinen zersetzt wird, brachte Pororr reines Filtrierpapier mit einer 
geringen Schlammmasse in einen Kolben und fand bei Untersuchung 
des nach einiger Zeit gebildeten Gases die Zusammensetzung desselben 
aus 34,07 0/6 Kohlensäure, 37,12"/0 Sumpfgas, 1,06°/6 Wasserstoff, 27,75 °/o 
Stickstoff, 

In der Nähe der Süimpfe riechen wir aber nicht selten auch deutlich 
Schwefelwasserstoff, Derselbe rührt zum Teil von den faulenden 
Kiweifskörpern her, die Leuein, Tyrosin und andre Stoffe bei ihrer 
Versetzung bilden und schliefslich in Kohlensäure, Sumpfgas, Ammoniak 
mw, zerfallen. Die von Drrmer citierten Beobachtungen von Ekıs- 
MANN!) gestatten einen Kinblick in die quantitative Zusammensetzung 
der in 24 Stunden abgegebenen Gasmenge von 18 cbm Exkrementen, 
die in einer wenig ventilierten Abtrittgrube sich befanden. 

Die Masse ergab 11,144 k&x Kohlensäure, 2,040 kg Ammoniak, 
0,033 kg Schwefelwasserstoff, 7,464 kg Sumpfgas. Bei dieser auch 
Wasserstoff und Stickstoff entwickelnden Fäulnis sollen von den 18 cbm 
in 24 Stunden 13,85 kg Sauerstoff aufgenommen worden sein. 

lüs zeigt sich hierbei eine verhältnismälsig sehr geringe Fintwick- 
lung von M?S, und man mufs daher annehmen, dafs, wenn sich in 
Stimpfen und anderen Orten so grolse Mengen von Schwefelwasserstoff 
ausbilden, diese ihren Ursprung einer durch die organische Substanz 
bedingten Reduktion schwefelsaurer Salze im Boden verdanken. 

Über solche Reduktionsvorgänge in der Moorsubstanz fassen PAsEL ?) 
und Oswasp die Resultate ihrer Untersuchungen dahin zusammen, dafs 
hei Iuuftabschluls aufser Schwefelwasserstoff noch Schwefelmetalle auf- 
treten, und dafs neben dieser Reduktion der schwefelsauren Salze auch 
Ammoniak sich aus den stickstoffhaltigen Substanzen des Moores bildet. 
In der Entstehung dieser Stoffe, von denen die Verfasser es unbestimmt 
lassen, ob dieselbe nur bei Luftabschlufs erfolgt, dürfte die Schädlich- 
keit des staenierenden Wassers ebenfalls zu suchen sein. 


Das Verbrennen der Pflanzen im nassen Boden. 


In Sommern, welche sich durch starke Temperaturextreme aus- 
zeichnen , findet man in Kulturen von schnell Br Na: orolsblätt- 
rigen Pflanzen, wie z. B. bei dem Hopfen, dafs an recht heifsen, hellen, 
windigen Tagen besonders die Pflanzen feuchter Standorte ‚welken. 


') Zeitschr, f. Biologie, Bd. XI, 8. 233 HM. 
”) Landwirtsch. Jahrb., Bd. VI., Supplementheft S, 351. 


2, Unpassende Bodenstruktur. 199 


In nassen Löchern sieht man bisweilen die unteren und mittleren 
Blätter gelb- und braunrandig werden und zum Teil derartig zusammen- 
trocknen, dafs sie in der Hand zu Pulver zerrieben werden können. 
Die Exemplare sind teilweise von der Sonne verbrannt. Das Auf- 
fallende der Erscheinung liegt nur darin, dafs gerade an denjenigen 
Ackerstellen, an welchen das ganze J ahr über hinreichende Feuchtig- 
keit vorhanden, das Verbrennen sich einstellt, während in höheren, 
trockenen Lagen, die dem Winde noch mehr ausgesetzt sind, die Planzen 
weniger zu leiden pflegen. Die vom Verfasser ausgeführten vergleichen- 
den Kulturversuche !) geben über derartige Fälle eenügenden Anufschlufs. 
Sie haben gezeigt, dafs Pflanzen, welche von Jugend auf ihren Wurzel- 
apparat in einem sehr wasserreichen Boden oder in Wasser entwickeln, 
derart organisiert sind, dafs sie pro Quadratcentimeter Blattfläche viel 
mehr Wasser verdunsten als Exemplare derselben Abstammung mit 
demselben Nährstoffguantum und genau denselben übrigen Vegetations- 
bedingungen, aber geringerer Wasserzufuhr zum Boden. Es ist eine 
interessante , vorläufig noch nicht gewürdigte Erscheinung, dafs sehr 
viele unserer Kulturpflanzen aus den verschiedensten Familien zur 
Produktion von 1 & ausgereifter Trockensubstanz unter den ihnen 
optimalen Lebensbedingungen annähernd gleiche Summen von Wasser 
verdunsten, und zwar bewegt sich die Menge des ausgehauchten Wassers 
zwischen 300 und 400 g Wenn die Pflanzen an Standorte gelangen, 
die, wie in Böden mit undurchlassendem Untergrunde, dauernd viel 
Wasser zur Verfügung haben, so wird sich in den Bodenzwischenräumen 
eine ständige Nährstofflösung vorfinden, welche je nach dem löslichen 
Bodenkapital eine mehr oder : weniger hoch konzentrierte ist. Steigt die 
Konzentration über das der Pflanzenart zusagende Mais, dann wächst 
die Pflanze kümmerlicher, bleibt kurzgliedrig, kleinlaubig, aber meist 
dunkelgrün. Ist die Konzentration gerade passend, dann ist das Wachs- 
tum ein sehr reiches und üppiges, und der Wasserverbrauch ist dabei 
absolut sehr grofs, aber berechnet pro Gramm produzierter Trocken- 
substanz klein. Die Pflanze verwendet unter solchen Umständen das 
Bodenwasser am nützlichsten. An übermäfsig nassen Stellen aber ist 
der Fall nicht selten, dafs die Bodenlösung arm an einzelnen Nähr- 
stoffen ist. 

In solchen Verhältnissen sieht man den grölsten Wasserverbrauch, 
gleichsam als ob die Pflanze die gröfsten Anstrengungen mache, um von 
den am sparsamsten vorhandenen Nährstoffen möglichst viel herbei- 
zuschaffen. Die Blätter, welche unter solchen Verhältnissen gebildet 
werden, sind zwar grofs und schön ausgebreitet, aber sehr wenig 
widerstandsfähig sowohl gegen Kälte als auch gegen Hitze; sie er- 
leiden schon Störungen durch Einflüsse, welche an anderen Pflanzen 
spurlos vorübergehen. 

Nun treten bei Pflanzen feuchter Standorte solche Störungen auch 
früher ein. An heifsen und namentlich auch noch windigen Tagen 
ist die Verdunstung eine enorm gesteigerte; die ausgehauchte Wasser- 
menge ist dann wesentlich gröfser als die durch die , Achsenorgane zu- 
geführte. Infolgedessen sehen wir ein Welken der Blätter bei sehr 
vielen Pflanzen. ‚Je weniger eine Pflanze pro Quadratcentimeter Fläche 
gewohnheitsgemäfs aushaucht, desto länger genügt selbst bei extrem 


!) Soraver, Studien über Verdunstung. Forschungen auf dem Gebiete der 
Acrikulturphysik, Bd. III, Heft 4 u. 5, S. 23 HE. 


200 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


heifsen Tagen die vom Stengel zugeführte Wassermenge zum Ersatz 
des Transpirationsverlustes. Die Pflanzen nasser Standorte, die, wie 
experimentell festgestellt, in derselben Zeiteinheit viel mehr verdunsten 
als die Exemplare von trockenen Bodenlagen, sind somit zuerst an der 
Grenze angelangt, bei welcher ein Wassermangel in der Zelle schäd- 
lich wirkt. Bei ihnen vertrocknen die Blätter zuerst, und zwar sind 
es weder die allerjüngsten, noch die dem normalen Lebensende am 
nächsten stehenden ältesten Blätter, sondern in der Regel die kräftigst 
arbeitenden und zum Teil noch in der Streckung begriffenen. 

Die Entwässerung der betreffenden Bodenstücke bleibt das sicherste 
Mittel. 


Verspätete Saat. 


Zu den Nachteilen der nassen Böden gehört als häufiges Vorkomm- 
nis eine Verspätung in der Bestellzeit. Die Folgen sind durch Ver- 
suche von Fr. HABERLANDT!) und H. TuıeL?) gezeigt worden. Der aus- 
führlichste ist der von HABERLANDT im Jahre 1876 mit den vier Sommer- 
getreidearten angestellte, bei welchem an jedem 1. und 15. der Monate 
April, Mai und Juni eine Aussaat auf ein 3 qm groises Beet erfolgte. 
Die Resultate lassen sich folgendermafsen zusammenfassen: Das Ernte- 
quantum nahm bei allen Sommergetreidearten um so mehr ab, je später 
die Aussaat vorgenommen worden war. Dies war zunächst begründet 
in der wesentlich schwächeren Bestockung der spät gesäten Körner 
und prägte sich am meisten in der geringeren Zahl der wirklich frucht- 
baren Halme aus. Nicht nur in quantitativer Beziehung, sondern auch 
der Qualität nach war eine Abnahme sehr in die Augen springend. Das 
Strohgewicht stieg mit der Verspätung der Saat; es erhöhte sich über- 
haupt gegenüber dem Körnergewicht der Anteil der Ernte an Stoppeln 
und Wurzeln unverhältvismäfsig. Auch die Qualität der Körner selbst 
nahm sehr ab; Grerste- und Haferkörner besafsen bei Ernten von später 
Aussaat einen gröfseren Grewichtsanteil an Spelzen; je kleiner die ein- 
zelnen Früchte waren, desto mehr zeigte sich dieses Mifsverhältnis. 

Die späteren Saaten wurden in höherem Grade von 
Mutterkorn, Meltau, Rost, namentlich auch’ von Blatt- 
läusen befallen. Sie nahmen übrigens sowohl bis zum Schossen 
als auch bis zur Blüte- und Reifezeit eine höhere Wärmesumme in 
Anspruch als die früheren Aussaaten. Selbst das Keimungsvermögen 
der geernteten Körner war ein verschiedenes, und zwar ein ungünstigeres 
bei denjenigen, die von Pflanzen später Saat abstammten. Erstens war 
der Prozentsatz an keimenden Körnern ein geringerer; zweitens brauchten 
die Körner von den spät gesäten und spät geernteten Pflanzen auch 
längere Zeit bis zur Keimung. 

Aus den früher von HaBerLannT angestellten Versuchen in dieser 
Richtung, bei denen sich ebenfalls eine geringere Entwicklung der 
Körner sowohl dem Volumen als auch dem absoluten und spezifischen 
Gewicht nach beobachten liefs, geht auch hervor, dafs die Ursache 
der Differenz zwischen späten und frühen Saaten nicht die Boden- 
feuchtigkeit allein ist. In diesen Versuchen hatten die Pflanzen 'von 


1) Fr. Haservasor, Die Beziehungen zwischen dem Zeitpunkt der Aussaat und 
der Ernte beim Sommergetreide. Österr. landw. Wochenbl. 1876, Nr. 3; 1877, Nr. 2. 

2) H. Tuıst, Über den Einflufs der Zeit der Aussaat auf die Entwicklung des 
Getreides. Ref. in Biederm. Centralbl. f. Agrikulturchemie. 1873. 8. 47. 


2. Unpassende Bodenstruktur 201 


Anfang an genügende Wasserzufuhr und zeigten doch das abweichende 
Verhalten. 

Die Versuche von THıeEL beschäftigen sich mit der verschieden 
späten Aussaat im Herbste. Die Erntezeit war für alle Pflanzen selbst 
von weit auseinanderliegender Saatzeit nahezu dieselbe; aber der Er- 
trag war bei spät gesäten sehr gering, soweit sie überhaupt am Leben 
geblieben waren. Wohl mit Recht macht Taıeı, hier aufmerksam, dafs 
die spät gesäten Pflanzen bei der entsprechenden Frühjahrswitterung 
gleichzeitig mit den früh gesäten schofsten, ohne dafs sie Zeit gehabt 
hatten, wie die aus früher Saat stammenden Pflanzen, genügendes Material 
für reichliche Entwicklung zu sammeln. Natürlich spielt hierbei die 
Beschaffenheit des Saatgutes auch eine wesentliche Rolle. Je älter 
das Saatgut ist, desto langsamer lassen sich die Reservestoffe mobi- 
lisieren. Bei der Reife und Nachreife gehen die Zucker- und Amyd- 
stickstoffmengen zurück'), und diese müssen bei der Keimung erst 
wieder in den Vordergrund treten. Von dem Alter der Samen und der 
Beschaffenheit des Bodens hängt das mehr oder weniger günstige Auf- 
gehen ab. Bei dieser Gelegenheit wollen wir die Warnung einflechten, 
dafs man sich nicht auf die Ergebnisse anderweitiger Keimproben 
verlassen darf, sondern man mufs seine eignen Böden auf ıhr Verhalten 
zu den verschiedenen Samen selbst direkt prüfen. Saatgut, das nach den 
üblichen Keimproben sich bewährt, kann, namentlich in schweren Böden, 
schlechte Resultate geben, und umgekehrt vermag ein leichter Boden 
einem im Keimbett mittelmäfsig sich erweisenden Samen zu gutem 
Aufgehen oft zu verhelfen. Hırzoyer °) berichtet beispielsweise von frisch 
geerntetem Roggen, der durch einen Gewitterregen gelitten hatte; er 
lief auf verschiedenen Feldern gut auf, versagte "auf schwerem Boden 
aber eänzlich. In einem anderen Falle verschimmelte Roggen, der bei 
der Keimprobe 97/0 Pflänzchen entwickelte, auf einem Felde fast voll- 
ständig, während er auf dem danebenliegenden einen normalen Bestand 
ergab. 

Aussauern der Saaten. 


In dem Abschnitt über zu tiefe Lage der Saat (S. 104) haben wir 
schon der Nachteile gedacht, welchen das Saatgut auf schweren oder 
verkrusteten Böden bei grofsem Wassergehalt manchmal ausgesetzt ist. 
Auch die aufgelaufene Saat hat mit Schwierigkeiten zu kämpfen , die 
von der physikalischen Bodenbeschaffenheit, namentlich von dem 
Überflufs an Wasser bei schweren Böden, herrühren. Hierzu gehört 
das Aussauern der Saaten, das allerdings auch bei leichten Böden ein- 
treten kann, aber tatsächlich meist nur bei schweren, zähen Böden be- 
obachtet wird. 

Das Aussauern ist ein Abfaulen der Wurzeln durch längere Be- 
rührung mit stehendem Wasser in Gegenwart organischer Bestandte le. 
Die meisten Wurzeln vertragen einen dauernden Aufenthalt in fliefsen- 
dem oder solchem stehenden Wasser recht gut, das frei von ab- 
gestorbenen organischen Substanzen ist, was wir bei der Methode der 
Wasserkulturen sehen können. Es wird aber hier auch ängstlich ver- 
mieden, tote Pflanzenreste in den Kulturgefäfsen zu belassen: denn 


!) Jonanssex, W., Studier over Planternes periodiske Livs yttringer, I; eit. 


Bot. Jahresb. 1897, I, 8. 148. 
2), L. Hırıser in Prakt. Blätter f. Pflanzenbau u. Pflanzenschutz, 1903, Heft I. 


202 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


die sich zersetzende organische Substanz beansprucht allen Sauerstoff, 
der bei der geringen Zufuhr noch vorhanden ist; die Wurzel der 
wachsenden Pflanze mufs dann durch Sauerstoffmangel und Überschufs 
an Kohlensäure zugrunde gehen. Auch in gewönlichen Verhältnissen 
können Saaten oft eine wochenlange Berührung mit Wasser aushalten, 
wenn die Temperatur eine niedrige 186.080 berichtet FEiIcE }), dafs 
Weizen, welcher fünf Wochen unter 5°C. kaltem Wasser gestanden, 
dennoch erhalten geblieben ist. Dagegen war ein Weizen. welcher 
acht Wochen unter Wasser war, dessen Temperatur bis auf 7°C, stieg, 
spurlos verschwunden. Korn, welches vordem gesund war, vertrug 
vier bis fünf Wochen lang Wasser von 3° C., war jedoch ne etwas 
angegriffener als der obenerwähnte Weizen. Luzerne und Klee hielten 
ebenfalls im Wasser besser aus als Korn. 

Durch Aussauern leidet nach Künn der Roggen besonders stark, 
während unter denselben Verhältnissen andere Gräser, wie die Trespe, 
sich sehr üppig entwickeln können. Dieser Umstand hat den hier und 
dla noch immer auftretenden Irrglauben hervorgerufen, dafs Roggen 
sich in Trespe verwandeln könne. Hierher gehört nach unserer Auf- 
fassung auch die „Arrabbiaticcio® des Weizens in den Marennen und 
der römischen Campagna. Preuiox?) erklärt die Erscheinung als ein 
allgemeines Zurückgehen der Pflanzen durch Überwucherung seitens 
der Unkräuter, die auf dem unzuträglichen Boden besser als der Weizen 
gedeihen. In Süditalien bezeichnet man die Erkrankung als „calda 
fredda“ und „secca molla“. 

Am allerschädlichsten wird das Aussauern bei der Winterölsaat, 
speziell bei dem Raps. Die Wurzeln desselben verfaulen bei an- 
dlauernder Nässe von der Spitze aus, so dafs im Frühjahr nur noch 
der Wurzelhals und die Blattrosette übriebleiben, die so lange gesund 
erscheinen, als die feuchte Frühjahrswitterung das Austrocknen ver- 
langsamt. Gar bald indes werden die Pflanzen braun und lassen sich 
an einem Blatte aus dem Boden ziehen. 

Zur Erklärung des Umstandes, dafs bei dauernder Bodennässe die 
Vegetationsdecke sich ändert, dafs also Erscheinungen eintreten, wie 
vorerwähnte Ausbreitung der Trespe bei Roggensaat, dient eine Unter- 
suchung von E. F'REIBERG und A. MaYER?). Dierains ergab, dafs das 
Sauerstoffbedürfnis bei den Wurzeln der Sumpfpflanzen ein viel ge- 
ringeres als bei denen unserer Kulturpflanzen ist. Damit zeigt sich, 
wie von vornherein zu vermuten, dafs die einzelnen Pflanzenspezies ganz 
verschiedene Ansprüche an den Sauerstoffgehalt der Bodenluft stellen 
und sich demnach mit ihrer Ansiedlung nach den gebotenen Verhält- 
nissen richten müssen. Aus den Versuchsergebnissen läfst sich aber 
noch eine Andentung entnehmen, die im allgemeinen zur Beurteilung 
der Ansprüche dienen kann, welche die verschiedenen Pflanzen mit 
dem Luftbedürfnis ihres Wurzelkörpers an die Bodenart stellen. Es 
zeigt sich nämlich, dafs das Sauerstoffbedürfnis der Pflanze für ihre 
Atmungsfähigkeit um so grölser ist, je gröfser der Stickstoffgehalt 
der Pflanze. Die Sumpfpflanzen zeigen einen auffallend geringen 
Stickstoffgehalt und lockeren inneren Bau, der das Speichern groiser 


2) Aus Österr. lJandw. Wochenbl. eit. in Biedermann’s Centralbl. 1877, S. 76. 

2) Prenıos, V., Sull’ arrabbiaticcio e calda fredda. Annuwar. d. R. Stazione di 
Patol. veget. Roma. Vol. 1. 1901... S. 37. 

®) E. Freisere und A. Mayer, Über die Atmungsgröfse bei Sumpf- und Wasser- 
pflanzen. Landwirtsch. Versuchsstationen 1879, S. 469. 


2. Unpassende Bodenstruktur. 203 


Luftquantitäten im Innern des Leibes gestattet und auf eine Erleichterung 
der internen Atmung schliefsen läfst. Die eigentlichen Wasserpflanzen 
atmen in geringerer Intensität wie die Landpflanzen, wie Bönu bei 
Versuchen in einer Wasserstoffatmosphäre durch Messung der infolge 
innerer Verbrennung gebildeten Kohlensäure gefunden. Da man 
wohl annehmen kann, dafs die Atmungsgröfse der Pflanze von der 
Menge Eiweifs bestimmt wird, die zur Verbrennung im Körper ge- 
langt, so wird bei unseren stickstoffreichen Kulturpflanzen das Sauer- 
stoffbedürfnis des Wurzelkörpers am gröfsten sein und diejenigen 
Bodenarten daher die geeignetsten, welche diesem Bedürfnis neben 
den anderen Anforderungen am vollkommensten genügen. Dies sind 
die nährstoffreichen lockeren oder gelockerten Acker. 

Denjenigen Ländereien also, welche durch Krustenbildung bei 
Regen oder Verschlämmung bei Uberschwemmungen immer wieder 
dem Sauerstoffmangel ausgesetzt sind, wird durch entsprechende Ande- 
rung ihrer physikalischen Eigenschaften aufgeholfen werden müssen. 
In denjenigen Fällen von Versauern dagegen, bei denen der Lutft- 
abschlufs nicht durch die physikalische Beschaffenheit zur Notwendig- 
keit wird, sondern bei denen nur übermäfsige Wasserzufuhr die an 
sich grofsen Bodenräume füllt, wird man an Entfernung des Wassers 
sehen müssen. Hier sind dann tiefe Drainage oder mindestens 120 cm 
tiefe Abzugsgräben, die den Grundwasserspiegel so weit senken, die 
empfehlenswertesten Vorbeugungsmafsregeln. Die Herstellung einer so 
tiefen . durchlassenden Schicht wird darum notwendig, weil manche 
Hülsenfrüchte, wie Luzerne und Esparsette, mit ihren tiefgehenden, 
nur spärlich mit Fibrillen besetzten Wurzeln gern absterben, sobald 
sie auf Grundwasser kommen. 


Das Versauern der Topfgewächse. 


Das Versauern der Topfgewächse zeigt sich vorzugsweise auch 
nur bei Anwendung lehmiger oder mooriger Erden. Wenn das Abzugs- 
loch des Blumentopfes verstopft ist und übermäfsiges Begiefsen durch 
ungeübte Arbeiter stattfindet, sterben auch die Wurzeln der Topt- 
gewächse vollständig ab, indem sie braun und weich werden. 

Die versauerte Erde läfst sich durch ihren eigentümlichen Geruch 
sofort erkennen; es tritt ein ganz anderer Zersetzungsprozels der reich- 
lich vorhandenen organischen Reste, welche nahrhafte Topferden immer 
enthalten, ein. Es entstehen wahrscheinlich saure Verbindungen aus 
der immer noch wenig gekannten Reihe der Humuskörper und jeden- 
falls auch freie Säuren. Ist Eisen im Boden, so können die unschäd- 
lichen Eisenoxydsalze zu den schädlichen Oxydulsalzen reduziert 
werden, da bei der Überfüllung der Bodenräume mit Wasser empfind- 
licher Sauerstoffmangel eintreten muls. | 

Das sowohl durch die Wurzelausscheidung wie durch die Zer- 
zetzung der organischen Bodenreste mit Kohlensäure überfüllte Wasser 
reicht bei dauernder Einwirkung allein schon hin, die Pflanzen zu töten. 
W. WoLr?) zeigte experimentell, dafs gesunde Pflanzen, in kohlen- 
säurehaltiges Wasser versetzt, alsbald in ihrer Kohlensäureausscheidung 


1) Bönu, Über die Respiration von Wasserpflanzen. Sitzungsber. d. Kais, Akad. 
d. Wiss. zu Wien, 1875, Maihett. 
2) Tagebl. d. Naturf.. Vers. zu Leipzig 1872, S. 209. 


2304 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


ganz bedeutend nachlassen. Die Folge davon ist en Welken und 
später ein Absterben der Blätter. Wenn wir auch die Mechanik des 
hier stattfindenden Welkens noch nicht mit Sicherheit erklären können 
(die von W. Worr!) gegebene Erklärung erscheint nicht ausreichend), 
so werden wir eh kaum fehlgehen bei der Annahme, dafs infolge 
der übermäfsigen Kohlensäureanhäufung im Bodenwasser zunächst die 
normale Kohlensäureausscheidung der Wurzeln, die bei kräftigem 
Wachstum nicht unbeträchtlich, aufgehoben wird. Es mufs im Innern 
der Pflanze ein aufsergewöhnlich hoher Gasdruck entstehen, der bis 
zum Auftreten positiver Drucke in den Gefälsen gesteigert, die Fähig- 
keit derselben, Wasser nach den oberirdischen Teilen zu leiten, reduziert. 
Die Leitungsfähiekeit der Gefäfse für Wasser wird um diejenige 
Leistung vermindert, die der negative Druck in den Gefäfsen über- 
nımmt. "Wenn somit dıe Zuleitung” des Wassers geschwächt, ohne dafs 
der Verbrauch der Blätter vermindert wird, so ist das Welken die 
nächste Folge. Wenn, wie bei den Versuchen von Worr, die Pflanzen 
in destilliertes Wasser zurückversetzt werden, stellen sich ein normales 
Aussehen und normale Funktionen wieder ein. Das destillierte Wasser 
ist in diesem Falle gleichsam ein Schwamm, der die Kohlensäure und 
die übrigen Wurzelausscheidungen mit Begierde aufnimmt. 

Für die Pflanzenwurzel wird schliefslich der Effekt derselbe sein, 
ob die Kohlensäure im Wasser gelöst oder gasförmig infolge mangeln- 
der Bodenabsorption die Wurzelfasern umspült. Bei den oberirdischen 
Pflanzenteilen ist es allerdings anders und sehr ins Gewicht fallend, 
ob sie mit kohlensäurereichem Wasser oder mit derartiger Luft ın 
Berührung kommen. Wenigstens ist dies durch Bönm’s Versuche für 
die Blätter grüner Landpflanzen anschaulich gemacht worden?). BÖHM 
tauchte Blätter verschiedener Landpflanzen” in kohlensäurehaltiges 
Wasser und fand, dafs die Sauerstoffabscheidung aufhörte, wenn man 
den Pflanzenteil verhinderte, sich erst mit einer Kohlensäureatmosphäre 
zu umgeben und sich dadurch vor der direkten Berührung mit dem 
Wasser abzuschliefsen. 

Die Erscheinungen bei dem übermätfsigen Begiefsen verstopfter 
Töpfe und der daraus resultierenden Stoc kung der Boden- und Pflanzen- 
tätigkeit lassen sich am besten ermessen, wenn man einmal den Boden 
eines mit einer gesunden Pflanze versehenen Blumentopfes während der 
Vegetationszeit mikroskopisch betrachtet. Was für ein reges Wirtschaften 
entfaltet sich da ım Boden. Von der Krume aus bis (bei Laub- und 
Heideerde) auf den Topferund begegnet man Resten von Blättern und 
Stengeln, an denen vielfache Arten der sog. Schimmelformen in sterilen 
Mycelrasen oder mit ausgebildeten Konidienformen ihr Z ersetzungs- 
werk ausüben. ‚Je nach der Natur der Pflanzenreste findet man ab- 
wechselnd Sepedonium (chrysospermum?), Vertieillium ruberrimum oder 
Penieillium glaucum, Acremonium, Acrocylindrium , Cladosporium peni- 
eillioides, verschiedene Arten von Fusarium u. a. m. Auf der Ober- 
fläche kommen bisweilen noch viele andere, namentlich die luftbedürf- 
tigeren Gattungen gemeinschaftlich mit lebenden Diatomaceen und 
anderen Algenformen vor. Am tiefsten hinein gehen die Schizo- 
myceten. Man findet Stärkekörnchen und Plasmareste von strahlig 
angeordneten Kolonien von Stäbchenbakterien umgeben, und auch auf 


') Jahresber. f. Agrik.-Chemie, 1870/72, II, S. 134. 
?) Anzeigen der Wien. Akad.,d. Wiss., 1872, Nr. 24, 25, S. 163. 


u ee 


2. Unpassende Bodenstruktur. 205 


kristallinischen Splittern sind manchmal Bakterienkolonien angesiedelt. 
All dies rege Leben arbeitet an der Zerstörung der Pflanzensubstanz 
und befördert die Sauerstoff beanspruchenden Prozesse, die wir als 
Verwesung bezeichnen, und all dies rege Leben wird durch den 
Abschlufs der Bodenporen mit Wasser entweder aufgehoben oder in 
andere, schädliche Bahnen geleitet, die in die Reihe der Fäulnis- 
erscheinungen, also der Zersetzung bei Sauerstoffabschlufs, ge- 
hören. Jeder Boden hat aufser seinem Bakterienbestande auch seine 
mykologische Flora, die an der Zersetzung der organischen Substanzen 
arbeitet und, wie es nach OuDEMANS und Konin@!) scheint, annähernd 
typisch für bestimmte Bodenarten ist. 

Man kann bei den Topfkulturen den Beginn einer Stagnation schon 
voraussetzen, wenn man sieht, dafs die Oberfläche des Bodens sich 
mit einer auch dem Topfrande fest ansitzenden, harten, weilsen oder 
rötlich gefärbten Kalkkruste überzieht. Dafs die Inkrustierung 
der obersten Bodenschicht der Töpfe und des Topfrandes 
vorzugsweise durch kohlensauren Kalk erfolgt, ersieht man aus der 
ungemein reichen Kohlensäure-Entwicklung bei Zusatz von Essigsäure. 

Auch kohlensaure Magnesia und kohlensaures Eisenoxydul, das 
später durch Oxydation als Eisenoxydhydrat verschiedene Färbungen der 
Krusten erzeugt, werden angetroffen. Nach dem mikroskopischen Be- 
funde scheinen auch schwalbenschwanzförmige Kristalle des Gipses und 
Oktaeder des oxalsauren Kalkes sowie in Essigsäure lösliche rhombische 
Formen von phosphorsaurem Kalke aufzutreten. Diese letztgenannten 
Salze sind nicht immer und nie in grofsen Mengen nachweisbar; dagegen 
sind der kohlensaure Kalk und wohl auch die kohlensaure Maonesia 
nebst feinsten Quarzsandkörnchen die steten Materialien der Kan 
zwischen denen anfangs noch eine reiche Pilzvegetation mit Konidien- 
bildung auf den Humusbestandteilen wahrnehmbar ist. Die Entstehung 
dieser Krusten ist dadurch zu erklären, dafs das bei dem Begiefsen 
in gerofsen Quantitäten gegebene Wasser sich mit der durch den Ver- 
wesungsprozefs reichlich erzeugten Kohlensäure innerhalb der Boden- 
zwischenräume beladet. Dadurch wird das Wasser ein ausgezeichnetes 
Lösungsmittel für den ım Boden vorhandenen einfach kohlensauren 
Kalk und die Magnesia, für phosphorsaures und kieselsaures Eisen- 
oxyd usw. 

Je schneller bei gutem Abzuge des Blumentoptes das überschüssige 
Wasser ablaufen kann, desto weniger Mineralien werden gelöst und 
fortgeschwemmt. Bleibt dagegen das Wasser im Topfe, und ist es ein- 
mal mit dem Kalk, der als "doppeltkohlensaurer gelöst ist, reichlich 
versehen, so ist kein anderer Weg zur Entfernung vorhanden als der 
der Verdunstung. Es verdunstet nun von der wassergesättigten Ober- 
fläche des Topfes und, falls die Poren der Topfwände nicht durch 
grüne, schleimige Alsenvegetation verschlossen, auch durch die Topf- 
wandungen hindurch langsam diese Wassermasse, wobei sie die gelösten 
Stoffe zurückläfst. Die Töpfe beschlagen“. Der Kalk bleibt als 
einfach kohlensaurer Kalk zurück, wie am Rande eines Koc htopfes, ın 
welchem kalkhaltiges Wasser zum Kochen gebracht worden ist. 

Hiermit ist die Nützlichkeit der beiden in der Praxis angewendeten 


1) Ouvemass, C. A. J., et Koxise, C. J., Prodrome d’une flore mycologique 
obtenue de la terre, lee du Spandersw oud ete. Extr. Archiv. neerland.; cit. Z. f. 
Pflanzenkr. 1903, 


206 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


Vorgänge des häufigen Abwaschens der Blumentöpfe und des 
Auflockerns der Bodenoberfläche erwiesen. 

Man hat bei der zunehmenden Sucht, alles durch Düngung zu er- 
zielen, auch vielfach versucht, den in vergossenen Töpfen stehenden 
Pfanzen durch Zuführung verschiedenartiger Düngungsmittel wiederum 
aufzuhelfen, ohne die Hauptaufgabe, nämlich die Herstellung genügen- 
der Bodenventilation, zu erfüllen. Die Pflanzen haben sich dabei nicht 
verbessert. Umpflanzen der Gewächse zur Zeit der beginnenden Vege- 
tation und Anregung der geschwächten Pflanze zu erhöhter Produktion 
durch Zuführung von Wärme zu den Wurzeln bleiben die besten Mittel. 

Dafs eine Düngung bei saurer Erde, also bei Gegenwart freier 
Humussäure, eher schädlich wie nützlich wirken kann, ceht aus EiıcH- 
HORN’S Untersuchungen hervor'). Humusreiche Erden, sagt der Ver- 
fasser, welche freie Humussäuren enthalten, machen aus Lösungen 
neutraler Salze Säure frei. Die hierdurch entstehende Säuerung ist 
stärker als ohne die Mitwirkung dieser Salze. Düngungen mit neu- 
tralen Salzen werden daher in solchen Bodenarten die Säuren ver- 
mehren. Dasselbe findet statt mit phosphorsaurem Kalk oder einem 
Phosphate überhaupt, wobei Phosphorsäure oder phosphorsaurer Kalk in 
Lösung gehen; Zusätze von neutralen Kalisalzen, besonders schwefel- 
sauren Alkalien, begünstigen die Zersetzung. Ist die Humussäure an 
Basen gebunden, so tritt eine solche Säuerung nicht ein. Zufuhr von 
Mist, Jauche usw. werden bei derartigen Aufschlieisungen nur Nachteile 
bringen und sind ebenso zu vermeiden wie mergelige Erden. 

In Rücksicht auf das häufige Absterben der Pflanzen bei der Zimmer- 
kultur soll hier auf 


Das unvorsichtige Begieflsen 


hingewiesen werden. Ein übermäfsiges Begiefsen wird zum Teil dadurch 
veranlafst, dafs der Ungeübte jederzeit einen Wassermangel im Boden 
voraussetzt, sobald die Pflanzen welken. Bestärkt wird er in diesem 
Glauben durch die Erscheinung, dafs häufig nach dem Giefsen im Laufe 
des Tages ein Straffwerden der Pflanzen eintritt. Folgt nun diesem 
Zustande der Turgescenz wiederum ein Welken, so wird die Wasser- 
gabe erneuert, bis sich die Pflanze als dauernd welk und die Wurzel 
als verfault erweist. Solche Vorgänge zeigen sich namentlich im Herbst 
bei dem Einräumen zarterer Pflanzen in die Glashäuser, die noch wenig 
geheizt werden. Der Grund des Welkens ist dann die Kälte des Bodens. 
Wir wissen aus einer Anzahl von Fällen, welche Saıcas?) anführt, dafs 
die verschiedenen Pflanzen eine bestimmte Temperatur für ihre Wurzeln 
brauchen, damit dieselben arbeiten, also auch Wasser aufnehmen können. 
Tabak und Kürbis welken in einem Boden von 3 bis 5°C.; wurde 
derselbe Boden auf 12 bis 18° C. erwärmt, war die Wurzeltätickeit 
wiederhergestellt. Wenn, wie in dem angeführten Beispiele, nun be- 
gossene, welke Pflanzen im Laufe des Tages ihre Blätter hoben, wurde 
dies dem Einflufs des Giefsens zugeschrieben. Der. wirkliche Grund 
aber war die während des Tages durch die Sonne veranlatfste Erhöhung 
der Temperatur der Luft und somit des Bodens im Topfe, wodurch 
die Wurzeln zur Wasseraufnahme wieder angeregt wurden. Bei Ein- 
tritt der Nacht und Sinken der Temperatur unter die Grenze, bis zu 


1) Landwirtsch. Jahrbücher 1877, S. 957. 
?2) Lehrbuch der Botanik, I. Aufl., S. 559. 


2. Unpassende?Bodenstruktur. 207 


welcher die Wurzel überhaupt noch zur Aufnahme von Wasser fähig, 
wiederholt sich das Welken. Die Pflanze kann also bei gröfster Boden- 
nässe dennoch verdursten, wenn der Boden zu kalt ist. Anderseits 
kann die Pflanze in feuchter Luft mit total faulen Wurzeln noch lange 
Zeit leben, wie sich bei Wasserkulturen zeigt. Dies ist auch der Grund, 
dafs man bei Wurzelerkrankungen meist erst sehr spät Symptome von 
Störungen am oberirdischen Teile wahrnimmt. 

Eine andere Ursache des Welkens macht sich im Hochsommer 
bemerkbar. Wenn stark verdunstende Pflanzen der heifsen Sonne und 
bewegten Luft längere Zeit ausgesetzt sind, beginnen sie trotz ge- 
nügender Bodenfeuchtigkeit zu welken, weil die Wassermenge, welche 
durch die Blätter verdunstet, nicht schnell genug von der Wurzel er- 
setzt werden kann. Zwar wird durch die bei stärkerem Sonnenschein 
gleichzeitig eintretende Temperaturerhöhung auch die Wasserzufuhr 
sich vermehren: es steigert sich nach pe VrIES!) die Imbibition der Zell- 
wände und damit ihre Fähigkeit der Fortleitung des Wassers, aber die 
erhöhte Zufuhr kann trotzdem nicht den Verdunstungsverlust decken, 
und die Blätter müssen erschlaffen. Werden die Töpfe dann ungeprüft 
weiter gegossen, so versauert die Erde ebenfalls. 

Dasselbe Resultat. zeigt sich bei den sogenannten Neuholländer- 
und Cappflanzen aus den Familien der Epacrideen, Ericaceen, Papi- 
lionaceen, Rutaceen u. dgl. Die lockere, feine, sandige, wenig zer- 
setzte Erde, die als Heideerde im Handel ist, kann zwar in die Töpte 
nicht sehr fest gedrückt werden, weıl die unverwesten Wurzel- und 
Blattreste eine sehr lockeres Gefüge bilden. Durch zu scharfes Be- 
giefsen werden aber die feinen Sand- und Tonteilchen erst auf- 
gewirbelt und dann nach unten gespült, so dafs nur lange, lockere, 
faserige Bestandteile auf der Topfoberfläche zurückbleiben. Dieselben 
können natürlich nur sehr wenig Wasser zwischen sich zurückhalten 
und lassen dasselbe schnell nach unten durch. Die Topfoberfläche ist 
deshalb stets fast halbtrocken. Wenn sich nun der Gärtner verleiten 
läfst, unter solchen Umständen zu giefsen, und wenn die Töpfe 
keinen guten Abzug haben, dann faulen die sehr feinen Wurzeln. 
(Nebenbei bemerkt sei, dafs bei den sogenannten versauerten Töpten 
nicht selten alkalische Reaktion sich zeigt. Ich sah bei wurzelfaulen 
Topfpflanzen feuchtes rotes Lackmuspapier sich bläuen, soweit es über 
der Topffläche lag.) 

Als Hilfsmittel ist bereits oben das Verpflanzen in sehr sandreiche 
Erde und Einsenken der versauerten Pflanzen in Beete mit Boden- 
wärme empfohlen worden. Dafs bei dem Umpflanzen die Wurzeln bis 
auf die gesunden Teile zurückgeschnitten werden müssen, darf als selbst- 
verständlich gelten. Als Vorbeugungsmittel ist das Einfüttern der 
Töpfe in die Erde u. dergl. zu empfehlen. Dazu mufs man sich aber 
eines Stockes oder eines kegelförmig gedrehten Holzes bedienen, um 
ein tiefes, trichterförmiges Loch herzustellen, dessen oberer Rand 
gerade so grofs wie der Topfrand ist. Der Topf hängt dann gleich- 
sam in dem Loche; der Topfboden hat unter sich den übrigen Teil 
des kegelförmigen Loches, wodurch das Einkriechen der Regen- 
würmer durch das Abzuesloch und das Verstopfen desselben ver- 
hindert wird. 

Bei frei im Zimmer oder auf Tabletten stehenden Blumentöpten 


!) Bot. Zeitung 1872, S. 781. 


08 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


darf bei nur einiger Aufmerksamkeit kein Versauern vorkommen. Es 
läfst sich nämlich durch Anklopfen an den Topf mit ziemlicher Sicher- 
heit der Wassergehalt der Erde beurteilen. Wenn diese reich an 
Feuchtigkeit ist, befindet sich auch Wasser zwischen den einzelnen 
Bodenpartikelchen und der Wandung des Topfes, und der Ton des- 
selben ist ähnlich dem einer dichten Masse; bei Wasserarmut dagegen 
klinet der Topf hohl. 

Nach den Vorstehenden ist also nicht nur zu erwägen, wieviel ge- 
gossen wird, sondern auch, in welcher Art und Weise die Toptpflanzen 
begossen werden. Um das Aufwirbeln der feinsten Ton- und Sand- 
partikelchen und damit die Krustenbildung oder das Verschlämmen der 
Abzugskanäle des Topfes zu vermeiden, wird man also nie scharf aus 
der Tülle der Gieiskanne gieisen dürfen. Entweder bediene man sich 
bei beetweise gestellten, eingesenkten Pflanzen der Brause oder bei 
Töpten auf Stellagen in Glashäusern einer lang und eng ausgezogenen 
Tülle, die nur einen schwachen Wasserstrahl gibt. Auch vermeide 
man, den Wasserstrahl auf die Stammbasis zu halten, die nicht selten 
ganz weils von Kalkinkrustationen ist. $ 


Gebrauch der Topfuntersätze. 


Bei der Zimmerkultur ıst der Gebrauch von Topfuntersätzen all- 
gemein. Betretfs Erhaltung der Reinlichkeit der Fensterbretter und 
Blumentische ist der Topfunter ‘satz notwendig; für die Kultur ist er 
meistens schädlich. Gleichviel ob man die Töpfe von oben begieist 
oder sie durch Einfüllen von Wasser ın den Untersatz von unten be- 
wässert, so wird doch eine Ansammlung von überflüssigem Wasser fast 
stets die Folge sein. Viele Liebhaber halten diesen Zustand sogar für 
erspriefslich. Die Folgen aber sind ein Ersticken der Wurzeln am "Boden 
des Blumentopfes. Die Wurzelfäulnis setzt sich allmählich nach oben fort 
und macht sich schliefslich im Absterben der Blätter vom Rande her 
kenntlich. Wenn diese Symptome auftreten, ist in der Regel die Pflanze 
für den Liebhaber verloren. Der Gärtner kann die erkrankte Pflanze oft- 
mals erhalten. Für den Liebhaber, der ein Warmbeet nicht zur Ver- 
fügung hat, empfiehlt sich das Einpflanzen des kranken Stockes in reinen 

Sand und Aufstellen desselben in w arme, halbschattige Lage. 


Der Abbau der Kartoffeln. 


Bei Besprechung der Nachteile schwerer Böden sei der ın prak- 
tischen Kreisen neuerdings wiederum stark hervorgetreten Ansicht ge- 
dacht, dafs unsere Kartoffeln sich „abbauen‘, d. h. ihre guten Eigen- 
schaften allmählich verlieren und degenerieren. Man will dies damit 
erklären, dafs bei der üblichen Fortpflanzungsmethode durch Auslegen 
von Knollen man eigentlich unausgesetzt ein einmal aus Samen er- 
zogenes Individuum ungeschlechtlich fortpflanze, und dafs somit ein 
derart langlebiger Organismus doch auch endlich einmal die Schwäche- 
zustände des Alters zeigen müsse. Beweis dafür sei der Rückgang im 
Stärkegehalt bei unseren beliebtesten älteren Sorten, wie z. B. bei der 
Daber’schen. 

Unserer Ansicht nach liegt die Ursache des vermeintlichen Abbaues 
in der Unvorsichtigkeit des Landwirts, Sorten, die auf leichtem Boden 
entstanden sind, auf schweren Böden zu kultivieren. Wir verweisen 


= et ee 


Verlag von Paul Parey in Berlin S.W., Hedemannstralse 10. 


Jahresbericht 


über die Neuerungen und Leistungen 


auf dem Gebiete der 


Pflanzenkrankheiten. 


Unter Mitwirkung 
von 


Dr. K. Braun-Amani (Deutsch-Ostafrika), Dr. M. Fabricius- München, 
Di. Küster-Halle a. S., Dr. E. Reuter-Helsingfors und A. Stift- Wien 


herausgegeben von 


Professor Dr. M. Hollrung, 


Vorsteher der Versuchsstation für Pflanzenkrankheiten der Landwirtschaftskammer für die Provinz Sachsen. 


Erster Band. Das Jahr 1898. Preis 5 M. | Fünfter Band. Das Jahr 1902. Preis 15 M. 
Zweiter Band. Das Jahr 1899. Preis 10 M. | Sechster Band. Das Jahr 1903. Preis 15 M. 


Dritter Band. Das Jahr 1900. Preis 10 M. | Siebenter Band. Das Jahr 1904. Preis 15 M. 


Vierter Band. Das Jahr 1901. Preis 12 M. |. (Soeben erschienen.) 


Hollrungs Jahresberichte haben sich in den sieben Jahren ihres Bestehens 
als ein ganz unentbehrliches Hilfsmittel für alle, die mit dem Studium und der 
Bekämpfung von Pflanzenkrankheiten zu tun haben, erwiesen. Insbesondere 
seien alle landwirtschaftlichen Versuchsstationen, Bibliotheken von landwirt- 
schaftlichen Instituten und Lehranstalten, botanischen Institute und größere 
wissenschaftliche Bibliotheken auf den Jahresbericht hingewiesen, dessen frühere 
Bände zurzeit noch nachbezogen werden können, aber zum Teil bald ver- 
griffen sein dürften. 


Zu beziehen durch jede Buchhandlung. 


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ieferung 7. 


(Erster Band, Bog. 14—18.) Preis: 3 Mark. 


Handbuch 


der 


lanzenkrankheiten 


von 


Prof. Dr. Paul Sorauer. 


Dritte, vollständig neubearbeitete Auflage 


in Gemeinschaft mit 


Prof. Dr. G. Lindau, und Dr. L. Reh, 


Privatdozent an der Universität Berlin Assistent am Nalurhistor. Museum in Hamburg 


herausgegeben 
von 


Prof. Dr. P. Sorauer, 


Berlin. 


Mit zahlreichen Textabbildungen. 


BERLIN. 
VERLAGSBUCHHANDLUNG PAUL PAREY. 


Verlag für Landwirtschaft, Gartenbau und Forstwesen 


SW., Hedemannstrasse 10. 


1906. 


Erscheint in 16—18 Lieferungen a 3 Mark. 


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SEP 10 1906 


2. Unpassende Bodenstruktur. 209 


in dieser Beziehung auf eine Arbeit von EHRENBERG!) über die Ergeb- 
nisse fünfzehnjähriger Versuche der „Deutschen Kertoffelkultureiükon®: 
Der Durchschnittsertrag von sämtlichen angebauten Sorten erwies sich 
von 1888 bis 1903 beständig steigend. Betreffs der „Daber’schen“ 
fallen die Erträge nur aut schwerem Boden, was erklärlich wird, da in 
Daber selbst ein ‚ leichter, trockener Sandboden vorherrscht. Wurde nen- 
bezogenes Saatgut davon in schweren bindigen Boden gebracht. lieferte 
dasselbe bessere Erträge, als die seit lange dort kultivierte Form. Das- 
selbe neue Saatgut aber auf Sandboden gebracht, ergab meist ein 
minder gutes Resultat der eingebürgerten Rasse gegenüber. Wir 
finden in diesen Versuchen den Hinweis, dafs neu eingeführtes Saat- 
gut zunächst den Charakter seines bisherigen Anzuchtsortes beibehält. 
Wenn also ein schwerer Boden den Stärkegehalt herabdrückt, so ge- 
schieht dies bei neuem Saatgut nicht gleich im ersten Jahre, und des- 
halb ist dasselbe stärkereicher als die einheimische Frucht. Auf Sand- 
boden aber hatte sich eine Rasse gezüchtet, die den für die Verhält- 
nisse möglichen reichsten Stärkegehalt besafs; die Neueinführungen mit 
ihren mitgebrachten Eigenschaften aber hatten sich diesen Verhältnissen 
noch nicht genügend angepafst, gaben also eine geringere Ausbeute. 
Ein Abbau oder eine Degeneration wird somit nur dort stattfinden, wo 
eine Sorte nicht die von ihr beanspruchten Kulturverhältnisse findet. 
Ähnlich dürfte es sich mit allen Erscheinungen eines vermeint- 
lichen Abbaues oder einer Degeneration verhalten. Unsere Kultur- 
rassen sind eben Züchtungsprodukte ganz bestimmter Lage-, Boden- 
und Witterungsverhältnisse und erhalten sich nur rein, wenn sie ähn- 
liche Bedingungen wie an ihrem Entstehungsorte wiederfinden. Will 
man schätzbare Eigenschaften einer bestimmten Sorte an einer andern 
Örtlichkeit verwerten, so geht dies nur durch öftere Erneuerung des Saat- 
gutes aus der Heimat dieser Sorte oder aus ähnlich situierten Gegenden. 


Die Empfindlichkeit der Süfskirschen. 


Die Klagen in einzelnen Gegenden, dafs die Süfskirschen alljährlich 
zunehmende Beschädigungen durch Frost, Gummiflufs, Pilzbefall usw. 
erleiden, beruhen vielfach auf Nichtbeachtung des Umstandes, dafs die 
Kirsche keinen schweren Boden liebt. Dieser Umstand ist neuerdings 
von EwerT?) besonders hervorgehoben worden und verdient den Obst- 
züchtern immer wieder vor Augen geführt zu werden. 

Natürlich sind auch hier einzelne Kultursorten befähigt, sich 
schwereren Böden mehr anzupassen; aber im allgemeinen gilt die 
Regel, dafs die Süfskirsche einen leichten, tiefgründigen Boden gern 
hat und auf diluvialen Sanden und Löfsböden besonders gut gedeiht. 
Der Nährstoffreichtum des Bodens ist weit weniger ausschlaggebend 
als die physikalische Bodenbeschaffenheit, und zwar besonders die 
Körnung. 

Vielfach wird Kalkmangel als Ursache des schlechten Gedeihens 
angegeben, und wir erzielen auch Heilungserfolge durch Kalkzufuhr. 
Die Verbesserung im Wachstum der Bäume ist aber dabei nicht immer 
auf die Wirkung des Kalkes als Nährstoff zurückzuführen, sondern auf 


1) Eurexgere, B., Der Abbau der Kartoffeln. Landw. Jahrb. Bd. XXXIIT; 


cit. Centralbl. £. Agrikulturchemie, 1905, S. 235. 
2) Ewerr, Das "Gedeihen der Süfskirschen auf einigen in Oberschlesien häufigen 
Bodenarten. Landw. Jahrb. 1902, Bd. XXXI, S. 129. 


Sorauer, Handbuch. 3. Aufl, Erster Band. 14 


210 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


die dadurch erzielte Veränderung der physikalischen Bodenverhältnisse, 
nämlich auf die gröfsere Krümelung und dadurch gesteigerte Durch- 
lüftbarkeit. Betreffs des Kalkes als Nährstoff erhalten wir durch die 
Ewerr'schen Angaben einen Einblick. Demnach gedeiht die Sülfs- 
kirsche noch bei einem Kalkgehalt von 0,04 bis 0,1500. Boden mit etwa 
S0°/e abschlämmbaren Teilen ist selbst bei 40 bis 45" CaCO? für 
Kirschenkultur nicht geeignet, wenn der 
Kalk hauptsächlich in abschlämmbarer 
Feinheit vorhanden ist. Gegen Grund- 
wasser ist die Kirsche sehr empfindlich, 
und ihr Anbau rentiert am besten auf 
trockenen Böden in freien Lagen. 


Die Lohkrankheit. 


Vorzugsweise bei älteren Bäumen, 
die in nassem Grunde stehen, aber bis- 
her kräftiges Wachstum gezeigt haben, 
leitet sich ein Rückgang in der Produk- 
tion dadurch ein, dafs die Stammrinde 
der alten Teile aufreifst oder nach Ab- 
blätterung der äufseren Korkschichten 
blasige oder flach schwielige Auftrei- 
bungen zutage treten läfst, die später 
eine staubig oder wollig aussehende 
Oberfläche erhalten. Wenn die Stelle 
etwas trocken wird, läfst sich von der- 
selben ein rotgelbes bis braungelbes 
Pulver abwischen, das im Farbenton der 
frischen Lohe ähnlich ist und die Ver- 
anlassung zur Bezeichnung „Lohkrank- 
heit“ gegeben haben mag. Ich habe 
bei Einführung dieser Krankheit in die 
Wissenschaft den von den praktischen 
Züchtern gebrauchten Namen beibe- 
halten. 

Derselbe Vorgang stellt sich auch an 
Wurzeln und jüngeren Zweigen ein. Junge 
Zweige mit knötchenartigen Lohpusteln 
treten bei Kirschen auf. Die Erkrankung 
der älteren Stamm- und Wurzelrinde ist 
Pia Apr bisher am häufigsten bei Apfeln beobach- 
gebrochenen Lohstellen, nat. Gr. tet worden. Pflaumen leiden seltener. 

(Orig. Ähnliche Vorgänge, die ein Abplatzen 

grofser Borkenschuppen zur Folge haben, 

sind bei Ulmen und Rüstern gefunden worden und werden bei den 
Wachstumsstörungen der Moorböden abgehandelt werden. 

In Figur 23 sehen wir ein Stück Apfelwurzel in natürlicher Gröfse. 
Dessen Rinde ist durch verschiedene grofse Querrisse mit zurück- 
geschlagenen Rändern zerklüftet, und die aufgebrochenen Stellen sind 
mit ockerfarbigem Pulver oder (bei frischem Herausnehmen aus der 
Erde) mit weichen, feuchten, braunen Massen bedeckt. 

Figur 24 stellt den Querschnitt durch eine solche Schwiele dar. 


2. Unpassende Bodenstruktur. 311 


Wir finden den Holzkörper (ce ist die Cambiumzone) von meist normalem 
Bau, durchzogen von den Markstrahlen (m), die der Mehrzahl nach 
keinerlei Abweichung zeigen. Nur bei einzelnen (m) fällt es auf, dafs 
sich dieselben in ihrem jüngeren Teile zu verbreitern beginnen und 
dadurch einen lockerern Bau einleiten. Dieser Lockerungsvorgang 
findet aber erst in der Rinde seinen deutlichen Ausdruck, indem dort 
die Reihen der Markstrahlzellen ösenartig auseinanderweichen können. 


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Fig. 24. Querschnitt durch eine lohkranke Stelle der Apfelwurzel. (Orig.) 


Während die junge Innenrinde mit ihren Hartbaststrängen noch keine 
Anderung des normalen Baues zeigt, lassen die älteren Schichten (auf 
der linken Seite des Bildes) eine Verarmung des Zellinhalts und radiale 
Streckung (k') erkennen. Die Überverlängerung des Rindenparenchyms 
wird um so stärker, je weiter die Zellen nach aufsen liegen, und sie 
steigert sich innerhalb der Korkzone derart, dafs die frei an der Ober- 
fläche liegenden Zellen eine schlauchartige Gestalt (s) annehmen und 
nur noch ganz lose miteinander in Verband stehen. 

Wenn die Wurzeloberfläche abtrocknet, schrumpfen die Zell- 
schläuche und lösen sich dabei in ihren äufseren Schichten gänzlich 
voneinander. Dann bildet sich die lohfarbige, pulverige Masse, welche 
mit dem Finger abwischbar ist. Auch die Lamellen von Tafelkork (t), 
welche an der Peripherie in dicken (bei normalem Verhalten gleich- 

14* 


2 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


mäfsigen) Schichten vorhanden sind und von aufsen her allmählich ab- 
sterben und zerfallen (v), werden au der lohkranken Stelle in den 
Lockerungsprozefs hineingezogen. Sie spalten sich, indem einzelne 
Mittelschichten ihre Zellen abrunden und die Neigung zeigen, den Bau 
des Füllkorks anzunehmen, wie später bei der Kirsche eingehender be- 
schrieben werden soll. 

Wenn die Rindenwucherung an der Peripherie und die Entleerung 
des Zellinhalts ihren höchsten Grad erreicht haben, treten die be- 
kannten uhrglasförmigen Tafelkorklagen auf (f), welche das schliefs- 
lich verkorkende hypertrophierte Rinden- 
parenchym abschneiden und zum Bestand- 
tel der Borkenschuppe werden lassen. 
Der Zellstreckungsvorgang schreitet mittler- 
weile seitlich und nach innen hin weiter fort. 
So sehen wir bei w bereits die ersten An- 
fänge, indem die normalerweise tangential 
gestreckten Rindenzellen im Querschnitt 
quadratisch werden und durch Teilung an 
Zahl zunehmen, um sich nach der kranken 
Seite hin mehr abzurunden, durch Ver- 
gröfserung der Intercellularräume sich zu 
lockern (r) und schliefslich in die Radial- 
streckung überzugehen, die bis zum schlauch- 
artigen Auswachsen sich steigert. - 

Durch dieses Zurückgreifen des Über- 
verlängerungsvorganges in immer jüngere 
Rindenparenchymlagen wird endlich die 
Tätigkeit der Wurzel an den lohkranken 
Stellen erschöpft. 

An den oberirdischen Achsen ist die 
Beschädigung nicht so intensiv. Bei stärke- 
ren Stämmen wird man bisweilen auf die 
Erscheinung erst aufmerksam, wenn man die 
Borke genauer betrachtet und findet, dafs 
einzelne Borkenschuppen sparrig abstehen. 
Hebt man dieselben ab, was auffällig leicht 
Fig. 25. Rindenstück eines yonstatten geht, dann bemerkt man, dafs 
lohkranken Apfelstammes. ae h She. Rindanas ne 
a die Schwielen der Lohkränkheit, = nor Sun >e enls ber ‚seınen 
» Rest der trockenen, das Ganze äulsersten Lagen unregelmäfsige, blasige Er- 
ee Pe  hebungen bildet, welche später aufreifsen und 

in staubförmige, bei trockenem Wetter ab- 
wischbare Massen zerfallen. Figur 25 stellt die frische Rindenfläche 
eines Apfelbaumes dar, die durch Abheben der äufseren Borkenschuppen b 
bloisgelegst worden ist. 

Auf der grünbraunen saftigen Fläche treten nun die halbkugeligen 
oder gestreckten, schwielenartigen Erhebungen (a) deutlich hervor. 
Figur 26 stellt den Querschnitt einer solchen beuligen Auftreibung 
dar, bei welcher aber Holzkörper, Cambium und jüngste Innenrinde 
nicht gezeichnet worden sind. Wir erkennen auf den ersten Blick die 
Übereinstimmung im Bau mit der Lohstelle der Wurzel. An dem 
unteren Teil der Figur finden wir das Rindenparenchym mit den drei 
Hartbaststrängen noch in normaler Ausbildung und Lagerung; aber 
schon dicht über den Hartbastbündeln wird eine Umlagerung bemerk- 


2. Unpassende Bodenstruktur. 213 
bar, indem die tangential gestreckten, chlorophyllreichen Rindenzellen 
anfangen, sich radial zu verlängern (r), sich zu teilen und in parallelen, 
durch grolse Intercellularräume (2) gelockerten Längsreihen sich anzu- 
ordnen. Dafs diese Gewebeveränderung schon sehr früh, sogleich bei 
dem Heraustreten aus der Cambiumzone stattgefunden haben mufs, 
geht daraus hervor, dafs sich die Dauergewebeform des Collenchyms 
(el) nur einschichtig innerhalb des Wuchergewebes hat ausbilden 


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Fig. 26. Lohkranke Stelle am Apfelstamm. (Orig.) Buchstabenerklärung im Text. 


können. Den Hauptanteil an der Auftreibung aber haben die peripheri- 
schen Schichten, die sich zu Polstern (ww) gestreckter, schliefslich 
schlauchförmiger (s) Zellen ausgebildet und die tafelkorkartigen Zell- 
lagen (t) in die Höhe gehoben und endlich zersprengt haben. 

Bei der Deutung dieser Erscheinung dürfen wir nicht vergessen, 
dafs diese Lohstellen unterhalb der alten Borkenschuppen entstehen 
und unter Ausbildung von Füllkork selbst wieder durch Verkorkung 
zu Borkenschuppen werden. Dabei sehen wir, dafs die Gliederung 
der Rinde in abgeschnürte und abschnürende Zelllagen, wie sie m den 
Borken abwechseln, schon im jugendlichen Rindengewebe angelegt wird. 


_ 


214 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


Denn wir finden, dafs sich im jungen, frischen Rindengewebe Quer- 
bänder tafelförmiger, in Inhalt und Bau der Wandung abweichender 
Zellen in geschwungenen Linien (np), durch das hypertrophierte, an- 
fangs stärkeführende Gewebe hindurchziehen. 

Diese gestaltliche und funktio- 
nelle, die Borkenschuppenbildung 
bedingende Gliederung des Rinden- 
parenchyms ist auch bei anderen 
Baumrinden zu finden, tritt aber, 
soweit ich beobachtet, erst ın den 
älteren Achsen auf, hei denen das 
Rindenparenchym durch den Druck 
der aufgelagerten Borkenschuppen 
bereits beeinflufst wird. Ich habe 
deshalb diese Streifen tangentialer 
Zellen (np), die später verkorken, 
manchmal auch noch Tafelkork ent- 
wickeln und die Borkenschuppen 

herausschneiden, als „Druck- 
bänder“ bezeichnet. 

Die Lohkrankheit an jungen 
Zweigen hatte ich Gelegenheit, bei 
Kirschen zu studieren, und zwar ın 
einem nassen Sommer an jungen, 
sehr kräftigen Bäumen einer Baum- 
schule. Fig. 27 zeigt, dafs an diesen 
Kirschzweigen die Oberhaut zer- 
schlitzt oder in breiten, unregelmäfsi- 
gen Streifen (e) aufgerissen ist. An 
den aufgeplatzten Stellen war eine 
intensiv ockergelb gefärbte Masse (f) 
erkennbar, die bei stärkerer Erschüt- 
terung durch Anschnellen pulverig 
verstäubte. Der Gesamteindruck dieser 
Triebe war so, als ob dieselben 
äufserst stark mit einem Rostpilze 
bedeckt wären. 

Die ersten Anzeichen der Er- 
krankung traten im Juli auf, indem 
mitten zwischen normal wachsenden 
Stämmen einzelne Exemplare ihre 
Blätter gelb färbten und abwarfen. 
Trotzdem entwickelte die Endknospe 
der Zweige einen kräftigen August- 
De: z en a trieb, der bis zum Herbst den gröfs- 
Kirscheuzweig mit Lohpoltem ew ten Meil seines Laubes behielt. Im 

(Orig.) September zeigte sich, am ältesten 

Teil des Triebes beginnend und nach 

der Spitze hin an Intensität abnehmend, das vorerwähnte Aufplatzen 
der äufseren Rindenumkleidung und das Hervortreten der ockergelben 
sammetartigen Flächen. Bemerkenswert ist ferner der Umstand, dafs 
fast nur die üppigen Wildlinge erkrankt erschienen; bei veredelten 
Exemplaren waren die Erscheinungen der Lohe nur spärlich bemerk- 


2. Unpassende Bodenstruktur. 215 


bar. Sodann zeigte sich, dafs die Zweige, soweit sie noch ihre Blätter 
behalten hatten, wenig aufgerissene Rindenstellen, sondern nur ge- 
schlossene, schwielige Auftreibungen , also jüngere Stadien besafsen. 
An den zwei- und mehrjährigen Achsenteilen erkrankter Bäume kamen 
aufgerissene Rindenstellen (r) seltener vor; meist traten dort die 
einzelnen Herde als sehr breite, querverlaufende, auffallend hohe, ocker- 
gelb gefärbte Lenticellenpolster hervor. 

Die Untersuchung dieser Polster und der breiten, aufgerissenen, 
abfärbenden Flächen am einjährigen Zweige liels sofort eine erofse 
Übereinstimmung mit den älteren erkennen; nur konnte nicht beobachtet 
werden, dais die Lenticellenpolster stäubten. Die abfärbenden Massen 
erwiesen sich als hellbraune, zylindrische, faltige Korkzellen mit ab- 
gerundeten Ecken, die einzeln oder in kleineren Gruppen sich ablösten. 

Die stäubenden Zweige zeigen sich mit wenigen Ausnahmen sonst ge- 
sund; nur ıst ihre Primärrinde durch beträchtliches Auseinanderweichen 
der Parenchymzellen sehr gelockert. Ebenso wie in der Rinde finden 
sich auch im Holzkörper Stellen von gelockertem Bau. In der Region, 
die ungefähr gegen Mitte des Sommers entstanden ist, bemerkt man 
Querbinden von gefäfslosem Parenchymholz, das mit Stärke voll- 
gepfropft ist, während das normal gebaute Holz mit Ausnahme der 
Markstrahlen stärkelos ıst. Innerhalb der Querbinden sind die Mark- 
strahlen erweitert und zeigen hier Gummiherde. 

Die ersten Anfänge der Lohbildung findet man bereits dicht unter 
der Gipfelknospe am obersten Z /Zweiggliede, wo die Epidermis noch un- 
verletzt, aber doch schon durch eine etwa fünfschichtige Korklamelle 
unterlagert ist. Diese aus verhältnismäfsig dickwandigen Zellen be- 
stehende, dem Tafelkork entsprechende Schutzschicht zeigt gleich bei 
ihrer ersten Anlage stellenweise insofern eine Anderung, als die un- 
mittelbar unter der Epidermis liegenden Zellen sich zu parallel gestellten 
Reihen zylindrischer, radial gestreckter, braunwandiger Füllkorkzellen 
ausgebildet haben. Es liegt also hier der Charakter des Lenticellen- 
baues vor, den StaHL!) bei der Kirsche bereits eingehend beschrieben 
hat, und der nur insofern von der Staur'schen Beschreibung abweicht, 
als hier die Füllkorkpolster selten unter einer Spaltöffnung entstehen. 

Dafs eine Peiohluche Füllkorkbildung bei der Anlage einer Tafel- 
korkschicht unabhängig von den Spaltöffnungen erfolgen kann, sieht 
man hier, indem nun mehrschichtige Lenticellen entstehen, bei denen 
die Korkbildung tief in die Primär- und sogar in die Sekundärrinde 
rückwärts hineingreift. 

Mit dem Alterwerden des diesjährigen Triebes tritt ganz normal 
eine zweite Tafelkorklage unmittelbar unter der erstentstandenen auf; 
sie ist ebenso stark (nämlich 5—7 Zellen hoch) gefunden worden wie 
die erstangelegte, deren Zellen allmählich unter "anscheinend geringer 
Quellung und Bräunung der Membranen zusammensinken. Durch diesen 
Vorgang erscheint die normale Korkbekleidung des Kirschzweiges in zwei 
Schichten differenziert. Die obere, ältere ist sehr dicht, da die Zellen 
meist derart zusammengesunken sind, dafs ihr Innenraum nur als feiner 
Strich erkennbar ist; diese Schicht eeht allmählich in die zweite, nach- 
gebildete Korklage über. Bei letzterer sind die tafelförmigen Zellen sehr 
gleichartig und ihr weites Lumen mit wässerigem Inhalt oder auch mit 


1) Sraut, Entwicklungsgeschichte und Anatomie der Lenticelle Bot. Z. 1873 
Nr. 36. 


216 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


Luft erfüllt; sie grenzen an eine gebräunt erscheinende Zelllage mit deut- 
lich plasmatischem Wandbelag, welche als Korkcambium die stellenweise 
eintretende Fortbildung der Korkschicht übernimmt. Die älteste, zu- 
sammengesunkene, braune Korklage wird bei Behandlung mit Schwefel- 
säure deutlicher in ihrer Zusammensetzung erkennbar, da sich vielfach 
die Zellen dehnen und stellenweis ihre ursprüngliche Höhe und Weite, 
bisweilen fast quadratischen Querschnitt zeigen, während die Füllkork- 
zellen sich nicht verändern. Die später entstandene Schicht wölbt bei 
dieser Behandlung nach Zerstörung des Korkcambiums ihre jüngsten 
Korkzellen halbkuglig: vor. 

Bei der Anlage der mehrschichtigen Lenticellen wiederholt sich 
nun unterhalb des ersten Füllkorkherdes die Bildung derartiger Elemente 
in der sekundären Korklage. 

Der zweite Fall der Lenticellenbildung ohne Zusammenhang mit 
Spaltöffnungen ist hier in Fig. 28 abgebildet. Dieselbe stellt den Quer- 
schnitt einer Neubildung auf einem geschälten Kirschenstamm dar. Wir 
haben uns vorzustellen, dafs das ganze hier dargestellte Gewebe in 
Form einer berindeten Schwiele dem alten, von der Rinde entblöfsten 
Holzzylinder aufsitzt. 

Indem wir betreffs der anatomischen Vorgänge, welche zur Bildung 
dieses neuen Gewebes auf dem blofsgelegten Holzkörper führen, auf 
das Kapitel „Wunden“ (Schälwunden) verweisen, erwähnen wir hier nur 
die Tatsache, dafs, wenn man zu bestimmter Zeit einem Baume die 
Rinde fortnimmt, das nunmehr freigelegte, jüngste Splintholz wieder in 
Vermehrung treten und die Wundfläche mit einer parenchymatischen Ge- 
webeschicht bekleiden kann. Dieser Parenchymmantel vermehrt sich 
durch späteres Auftreten einer ständigen Meristemschicht im Innern, 
und diese wird zum normalen Cambium, das nach innen Holz und nach 
aufsen Rindenelemente anlegt. 

Fig. 28 ist eine mehrere Monate alte Neubildung, die in Form einer 
breiten, lappigen Schwiele auf dem Splintholz eines experimentell ge- 
schälten Süfskirschenstammes sich angesetzt hat. Der alte Holzkörper 
des geschälten Stammes ist in der Zeichnung fortgelassen worden; er 
würde an hp anstofsen. Das aus seinem Splint hervorgegangene Gewebe 
hat sich durch Auftreten der Cambiumzone c scharf in einen Holz- und 
Rindenkörper differenziert. Der Holzkörper ist an der Stelle, an welcher 
er dem alten Stamme aufsitzt, parenchymatisch gebaut; erst später geht 
dieses Parenchymholz hp in gefäfsführendes, Libriformfasern aus- 
bildendes Neuholz nh über. Entsprechend der erst allmählich zum 
normalen Bau gelangenden Holzbildung ist auch der Rindenaufbau 
anfangs unregelmäfsig, indem die Hartbastkörper zunächst in Form 
einzelner, weitlumiger, kurzer Elemente hb angelegt werden und erst 
später aus dem Cambium als zusammenhängende Gruppen faserartig 
gestreckter Elemente Ab’ hervorgehen!). 


!) Nebenbei sei auf die mit der Lohkrankheit in keinerlei Verbindung stehende, 
aber in der Zeichnung wiedergegebene Bildung von Knollenmaseranfängen 
(B) hingewiesen. Es entstehen nämlich bei lokaler Anhäufung plastischen Materials, 
wie z.B. bei Neubildungen in der Nähe von Wunden bei verschiedenen Bäumen 
(Kirsche, Apfel, Birne, Kiefer) isolierte Holzkörper in der Rinde. Als Zentrum 
derartiger Holzbildungen von kuglig-schwielenförmigem Bau erkennt man sehr 
häufig eine oder mehrere Hartbastzellen. 

Der Fall, dafs (namentlich erkrankte) Hartbastzellen umwallt werden, ist bei 
Verwundungen des verschiedensten Ursprungs ein sehr häufiges Vorkommnis. Die 
Umwallung besteht meistens nur aus einem mehrschichtigen Mantel tafelförmiger 


2. Unpassende Bodenstruktur. 217 


Der Rindenkörper der Neubildung hat in seinen peripherischen 
Parenchymschichten eine schützende Korklage % ausgebildet, die all- 
mählich zu gröfserer Mächtigkeit gelangt ist. Anfangs war nur Tafel- 
kork angelegt worden; später haben sich an einzelnen Stellen Füll- 
korkmassen !% statt der Tafelkorkzellen entwickelt, welche die aus’ 
letzterer Zellform gebildete Decke %k zersprengt und durch ihre rück- 
wärtsgreifende Vermehrung das Korkcambium k% tief nach innen ge- 
drückt haben. 

Der Beginn der Füllkorkbildung fiel in die Zeit, in der die ganze 
Schälstelle zwecks anderweitiger Untersuchungen in einen Glaszylinder 


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Fig. 23. Neugebildeter Holz- und Rindenkörper auf einer Schälwunde eines 
Kirschenstammes. Die Rinde zeigt Lenticellenwucherung. (Orig.) 


mit Wasser eingeschlossen wurde. Während diese aus dem Phellogen 
hervorgegangene Lenticellenwucherung bei dem in der Luft belassenen 
Teile der Schälstelle nur schwach bemerkbar war, hatte sie unter 
Wasserverschlufs eine ungewöhnliche Uppigkeit erlangt. 

Die Lohkrankheit der Kirsche ist also eine abnorme Steigerung 
des normalen Lenticellenbildungsvorganges; es entstehen so zahlreiche 


Korkzellen. In einzelnen Fällen aber bildet sich an Stelle eines bald erlöschenden 
Korkcambiums eine dauernd tätige Cambiumlage aus, welche nach innen Holz- 
elemente, nach aufsen Rindenelemente anlegt. Ein solcher Fall ist in der schwielen- 
artigen Gewebewucherung B bei w’ dargestellt, während bei « im linken Teil der 
Figur (4) nur eine Korkumwallung um eine der erstentstandenen, isolierten 
Hartbastzellen zu sehen ist. Um diese Neubildungen weichen die Rindenstrahlen 
"st wie um einen fremden Körper zu beiden Seiten aus. 


218 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


und ausgebreitete Füllkorkpolster dicht nebeneinander, dafs dieselben 
miteinander verschmelzen, die Epidermis in zusammenhängenden, 
gröfseren Fetzen abstofsen und als gleichmäfsige, einen grofsen Teil 
des Zweigumfanges bekleidende, sammtige Fläche zutage treten. Die 
äufseren Lagen der Füllkorkpolster sind so locker, dafs die periphe- 
rischen Zellen bei trockner Luft durch geringe Stölse aus ihrem Ver- 
bande sich lösen; daher das Abfärben der lohkranken Stellen bei Be- 
rührung mit dem Finger und das Stäuben der Zweige bei stärkerer 
Erschütterung. Die Verstäubung ist um so gröfser, je mehr Füllkork- 
zellen übereinanderliegen, und es sind Polster beobachtet worden, die 
aus 20 Zellen hohen Parallelreihen von Füllkork bestanden. In 
diesem Falle hatte der Streckungsvorgang die primäre Phelloderm- 
schicht in ihrer ganzen Dicke erfafst, so dafs die später gebildete, 
zweite Füllkorklage sich unmittelbar darunter anschlofs, also eine 
trennende Tafelkorklamelle zwischen den einzelnen Generationen nicht 
übrig blieb. 

Die Entstehung der Lohkrankheit wird auf grofsen Wasserreich- 
tum des Rindenkörpers zurückgeführt werden müssen. Dieser 
lokale Wasserüberschufs wird einerseits durch reichliche Wasserzufuhr 
zu den Wurzeln besonders kräftig wachsender Individuen, anderseits 
durch geringere Verdunstungsfähiekeit der Rinde infolge gröfserer 
Luftfeuchtigkeit hervorgebracht werden können. Dafs solche Verhält- 
nisse bei der Kirsche zur Lenticellenwucherung führen, beweist einer- 
seits die experimentell erzeugte Füllkorkanhäufung bei der unter Wasser 
gehaltenen Schälstelle und ferner eine Beobachtung an den natürlich 
erkrankten Exemplaren. Dort fand sich an den jüngsten, noch be- 
blätterten Internodien, dafs gerade diejenigen Stellen, in denen die 
Rinde Falten bildete, bevorzugte Herde für die Korkwucherungen waren. 
Solche Falten entstanden z. B. an den Orten, wo die Gefäfsbündel für 
das Blatt aus dem Achsenzylinder heraustraten und die Rinde bei dem 
Übergang in den Blattstiel” vorwölbten. 

Es liegen aufserdem noch einige andere Beobachtungen vor, welche 
für die Begünstigung der Lenticellenbildung durch oröfsere Feuchtig- 
keit infolge verminderter Verdunstung sprechen. So erwähnt Srapr ! ) 
bei seinen Studien über die Kartoffelpflanze, dafs sich die Spaltöffnungen 
zu Lenticellen entwickeln, wenn die Transpiration aufgehoben wird. 
Ferner fand HABERLANDT?), dafs bei horizontalen Zweigen “verschiedener 
Bäume (Linde, Ulme, Gleditschie u. a.) die Lenticellen an der Unter- 
seite stets zahlreicher als an der Oberseite auftraten, obgleich eine 
Zählung der Spaltöffnungen auf beiden Seiten annähernd dieselbe 
Menge "erkennen liefs. Die dem Erdboden zugeneigte Zweigunterseite 
wird sicherlich bei der gröfseren Nähe des Erdbodens und der ge- 
ringeren Luftzufuhr eine geringere Transpiration als die Oberseite be- 
sitzen. 

Die Lohpolster bei den Pflaumenbäumen stimmen im wesent- 
lichen mit den bei Kirschbäumen beobachteten überein. Sie sind bis- 
her nur an alten, wurzelkranken Exemplaren beobachtet worden. Von 
Aprikosen sind mir nur Anfangsstadien bekannt geworden. Bei allen 


1) Srarr, Beiträge zur Kenntnis des Einflusses geänderter Vegetations- 
bedingungen usw. Verh. d. Zool.-Bot. Ges. Wien; eit. Bot. Jahresb., VI. Jahrg., 
Abt. I, 8. 214. 

2) Hıserranr, Beiträge zur Kenntnis der Lenticellen. Sitzungsber. d. Akad. 
d. Wiss. in Wien, Bd. LXXII, Abt. I, Juliheft 1875. 


2. Unpassende Bodenstruktur. 219 


Steinobstsorten waren die Korkwucherungen von starken Lockerungs- 
vorgängen in der Rinde, die zum Teil Verschiebungen der Baststränge 
nach aufsen zur Folge hatten, begleitet. Im jungen Holz bemerkte 
man mehrfach auch da, wo die Lohkrankheit nicht zum ‚Ausbruch ge- 
kommen, einen schwach ausgebildeten Holzring und Reduktion der 
Hartbastbündel auf einzelne weite, mit braunrotem, gummösem Inhalt 
erfüllte Bastzellen. Spuren von Gummosis fehlten nirgends; bisweilen 
fanden sich reichliche Gummiherde. Bei Kirschen liefs sich von neben- 
einander gebauten verschiedenen Sorten eine besondere Neigung ein- 
zelner Sorten zur Lohkrankheit erkennen, so z. B. bei der „Schwarzen 
Herzkirsche“ und bei „WınkLEr’s weılser Herzkirsche“ 

Sämtliche Fälle, die ich kennen gelernt, stammen von schweren 
Böden oder moorigen Wiesen; bei einzelnen erklärten die Einsender, 
dafs die erkrankten Bäume eine Stallmist oder Jauchedüngung erhalten 
hatten. Diese Angaben im Vereine mit dem anatomischen Befunde 
veranlassen mich, die Lohkrankheit als eine Folge übermäfsiger Wasser- 
zufuhr aus dem Boden zu erklären bei Bäumen, die, in kräftigem Wachs- 
tum begriffen, eine Störung derart erleiden, dafs die Verdunstung der 
Krone zur Fortschaffung des Wasserüberschusses nicht mehr ausreicht. 
Eine Depression der Laubtätigkeit oder ein teilweiser Laubverlust durch 
atmosphärische Einflüsse oder Baumschnitt werden vorzugsweise in Be- 
tracht kommen. Diese Korkwucherungen und Lockerungserscheinungen 
im Rinden- und Holzkörper treten auch bei gesunden Bäumen in ent- 
sprechenden Standortsverhältnissen auf, steigern sich aber in der Loh- 
krankheit zur extremen Aufserung. 

Die Gegenmittel ergeben sich von selbst. Hauptsächlich wird aus- 
siebige Bodendurchlüftung einen Erfolg versprechen. 


Die Ringelkrankheit der Rotbuche. 


Nach der Schilderung, welche Tr. Harrıc!) gibt, ist die in der 
Überschrift genannte Krankheit, die ich aus eigner Anschauung nicht 
kenne, hierher zu ziehen. In einem Buchenorte von 20 jährigem Alter 
sah Hartıc viele Stangen von 1—2 m über dem Boden bis zum Gipfel in 
Abständen von 30 bis 100 cm mit einem fast ringförmigen, etwas spiralig 
auseinanderlaufenden Wulste von der Dicke einer Federspule umgeben. 
Diese Wülste erwiesen sıch als ÜUberwallungserscheinungen von Wunden, 
welche ursprünglich durch Lenticellenwucherung veranlafst worden 
waren. Die Korkbildung hatte dabei rückwärts immer tiefer ın die 
Rinde hinein um sich gegriffen, bis sie den Holzkörper erreicht hatte. 
Dadurch war für ein bis zwei Jahre die Holzbildung an diesen Stellen 
vollständig unterbrochen worden. Ein erkennbarer Schaden der Krank- 
heit, welche nur in sehr gutwüchsigen Stangenorten und dort wieder 
besonders an Stämmen erster und zweiter Klasse aufgetreten, liefs sich 
nicht konstatieren. 


Wurzelerkrankung der echten Kastanien. (Mal nero.) 


Die in Frankreich häufige Krankheit äufsert sich nach DELACROIX ?) 
am auffallendsten in nassem, undurchlässigsem Boden und bei ge- 


!) Harrıc, Tu., Vollständige Naturgeschichte der forstlichen Kulturpflanzen, 
S. 211. Berlin 1852. 

2) Deracroıx, G., La maladie des chätaigniers en France. Bull. soc. mycol. de 
France XIII, 1897, S. 242. 


220 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


pfropften Bäumen. Die Blätter verlieren ihre dunkelgrüne Farbe, und 
die Zweige beginnen an den Spitzen zu vertrocknen. Die Früchte 
werden nur unvollkommen reif und bleiben in der sich öffnenden 
Cupula sitzen. Deracroix fand die Mykorhizen an den feinen Wurzeln 
krankhaft verändert, und zwar nehmen dieselben, wie er glaubt, aus 
Mangel an Humus einen parasitären Charakter an. Das Mycel steigt 
‚dann in den stärkeren Wurzeln in die Höhe bis zum Wurzelhals und 
im Stamm aufwärts bis zu den Zweigen. Aus den Wurzel- und Stamm- 
wunden erfolgt ein gerbstoffhaltiger Ausflufs. In diesem Schwäche- 
zustande bieten die Bäume einen geeigneten Ansiedlungsherd für andere 
Parasiten, wie z. B. Polyporus sulfureus und Armillaria mellea sowie 
Sphaerella maculiformis. 

Der Grund, weswegen ich die Krankheit an dieser Stelle einreihe, 
lieot in den Ergebnissen einer eingehenderen Untersuchung, die ich mit 
Material aus Rennes anzustellen Gelegenheit hatte. In dem von Herrn 
Crı£ gesandten Begleitschreiben wird mitgeteilt, dais das absterbende 
Astholz beim Zerbrechen oder Ablösen der Rinde einen Gärung an- 
zeigenden Geruch habe, und er vermute eine Umsetzung des Tannins, 
wobei Glykose und Alkoholgärung auftreten. Die eingesandten Zweig- 
proben waren reich mit Flechten besetzt, und die Blätter zeigten tief ın 
die Intercostalfelder hineingreifende, vom Rande ausgehende Bräunung. 

Mafsgebend werden die Wurzeln, die ein holperiges Aussehen 
haben, da sehr zahlreiche, verschieden grofse, abgeflacht halbkuglige, 
schwarze, harte Polster die Oberfläche bedecken. Nach Behandlung 
mit Kalilauge, wobei das austretende flockige Tannin weinrot bis 
braun gefärbt wird, zeigen die Querschnitte, dafs es sich um Rinden- 
auftreibungen handelt, die noch von der normalen Korklage gedeckt 
sind. Die Primärrinde hat parenchymatische Wucherungen entwickelt, 
deren in fächerförmigen Reihen angeordnete Zellen farblose, in Schwefel- 
säure anscheinend schwer lösliche " Wandungen und einen braunen, sehr 
festen Inhalt besitzen. Diese Rindenauftreibungen werden später von 
einer uhrglasförmigen, von der äufseren Korkschicht abgehenden 
Tafelkorklamelle abgeschnitten und durch die nachwachsende Innen- 
rinde über die Wurzeloberfläche als Schwiele emporgetrieben. Die 
gesunde Rinde ist vollgepfropft mit Stärke. 

Bei dem eingesandten Material hatten auch die Zweige etwa !a 
bis Ye mm breite, abgeflachte, halbkugelige, nur sehr wenig hervor- 
tretende Erhebungen der Rinde. In diesen zeigte sich der Anfang von 
mehrschichtiger Lenticellenwucherung , wie solche in ausgedehntem 
Mafse bei den lohkranken Kirschen zu beobachten gewesen. Die an 
den Zweigen noch festsitzenden Blätter deuteten in "ihrer Beschaffen- 
heit bereits die Wurzelerkrankung an. Sie zeigten eine vom Rande 
nach der Mittelrippe hin in den Intercostalfeldern fortschreitende Bräu- 
nung und Vertrocknung des Parenchyms. Dasselbe war schliefslich 
nur in der nächsten Nähe der Rippen noch grün. Die auf den kranken 
Blättern auftretenden schwarzen, gelb umsäumten, zerstreut stehenden, 
rundlichen Flecke, welche verschiedene Pilzansiedlungen enthielten, 
müssen als sekundäre Erscheinungen betrachtet werden. Der Befund an 
den Zweigen im Verein mit den Anftreibungen des Wurzelkörpers bringt 
die Krankheit, die uns von Crıt als „Mal nero“ bezeichnet wurde, ın die 
Gruppe der Lohkrankheiten. Demgemäfs würde die Auswahl faseriger 
oder gut gekrümelter Böden, welche beständig reichliche Bodendurch- 
lüftung eewähren, das beste Vorbeugungsmittel ! gegen die Krankheit sein. 


2. Unpassende Bodenstruktur. 221 


Der Wurzelbrand der Zucker- und Futterrüben. 


Als Wurzelbrand bezeichnen wir eine Gewebeerkrankung, die sich 
schon einstellen kann, wenn die jungen Pflänzchen die Kotyledonen ent- 
falten oder die ersten Blättchen auszubreiten beginnen. Es erscheint 
unterhalb der Keimblätter am Stengelchen eine schwarze Stelle, die 
nach dem Wurzelende hin (weniger nach den Kotyledonen zu) an 
Ausdehnung gewinnt und einsinkt. Selbst wenn die junge Keimpflanze 
noch nicht einmal die Bodenoberfläche erreicht hat, kann die Er- 
krankung in den ersten Anfängen bereits kenntlich werden. VanHa 
beobachtete dabei ein Glasigwerden des Gewebes, bevor dasselbe in 
Bräunung überging. Die Pflänzchen beginnen zu welken und knicken 
meist an der kranken Stelle um. Alsbald erfolgt dann der Tod. Wenn 
die Krankheit auf eine kurze Stengelstrecke des hypokotylen Gliedes 
beschränkt bleibt und das Plänzchen nicht umfällt, kann sich die ein- 
gesunkene Stelle ausheilen und ein normales Weiterwachsen eintreten. 
Wegen der Schwärzung der kranken, oftmals fadendünn zusammen- 
schrumpfenden Stelle unterhalb der Keimblätter bezeichnen die Praktiker 
die Erscheinung auch als „schwarze Beine“ oder „Zwirn“. Die- 
selbe Bezeichnung wird bei dem Schwarzwerden und Erweichen des 
hypokotylen Gliedes unserer Kohlgewächse ebenfalls angewandt, beruht 
aber auf anderen Verhältnissen. 

Bemerkenswert ist, dafs bei ausgelegten Rübensamen zwar oft 
ganze Büschel von Pflänzchen erkrankt sich zeigen, dafs aber doch der 
Fall gar nicht selten ist, dicht neben den erkrankten auch ganz gesunde 
und gesund bleibende Sämlinge zu finden. Ferner ist hervorzuheben, 
dafs die Krankheit gleichzeitig auf allen Stellen eines Feldes ge- 
funden wird, welche überhaupt die Erkrankung zur Entwicklung gelangen 
lassen, und dafs in der Regel mitten in erkrankten Ackern einzelne 
Flecke verschont bleiben. Mit dem Alterwerden der Pflanzen hört der 
Wurzelbrand auf. Die ausgeheilten Pflanzen pflegen allerdings gegen- 
über den gesund gebliebenen an Gröfse und Zuckergehalt nachzustehen 
und Neigung zu Vielschwänzigkeit und anderweitigen Verkrüppelungen 
zu zeigen. SToKLASA!) hebt hervor, dafs nicht alle Sorten gleich 
empfänglich für Wurzelbrand sind. 

Die Krankheit kennt man seit Ausbreitung des Rübenbaues in den 
dreifsiger Jahren des vorigen Jahrhunderts und, nach Stmrr?), begann 
1858 bereits auf einer Versammlung der Rübenzuckerfabrikanten des 
Zollvereins die Diskussion über die Ursache der Erscheinung. Von 
seiten praktischer Rübenzüchter wurde damals die Ansicht ausgesprochen, 
dals die physikalische Bodenbeschaftenheit, nämlich die zu grofse 
Festigkeit der Erde die Schuld trage. Man hob hervor, dafs der 
Wurzelbrand nur da gefunden wird, wo der Boden oberflächlich fest 
geworden und nicht gelockert wurde; daher wäre fleifsiges Hacken zu 
empfehlen. 

Als die Wissenschaft sich der Frage bemächtigte, war die Parasiten- 
theorie bereits im aufsteigenden Aste ihrer Entwicklung. Zunächst gab 
JuLius Kinn 1859 der Ansicht Ausdruck, dafs der Moosknopfkäfer 
(Atomaria linearis Stephn.) Frafsstellen erzeuge, welche den Wurzel- 


1) Sroxrasa, Jur., Wurzelbrand der Zuckerrübe. Centralbl. f. Bakteriolosgie. 
II. Abt., 1898, S. 687. 

2) Srırr, Awrox, Die Krankheiten der Zuckerrübe. Wien 1900. Verlag des 
Centralver. f. Rübenzuckerindustrie. 


2232 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


brand einleiteten. Ich habe Ähnliches beobachtet!). Auch die Tausend- 
füfsler und ähnliche Tiere wurden als Ursache herangezogen. Diese für 
eine längere Reihe von Jahren herrschende Ansicht wurde erst er- 
schüttert, als Hertrieeer fand, dafs die Krankheit ohne tierische Be- 
schädigungen entstehen könne und in vielen Fällen schon von den 
Knäueln ausginge. Infolgedessen empfahl dieser Forscher ein zwanzig- 
stündiges Einweichen der Rübenknäule in eine einprozentige Karbol- 
säurelösung?). Als eine spezielle Pilzkrankheit spricht zu ungefähr 
derselben Zeit Karıson die Erscheinung an und hebt dabei hervor, dafs 
nur schwächliche Exemplare dem Wurzelbrande erliegen. Pflänzchen 
aus sehr gutem Saatgut oder durch energisches Wachstum sich kräfti- 
gende Sämlinge würden von den schon im Samenknäuel mitgebrachten 
Pilzen nicht bewältigt?). Die aufser mit Karbolsäure auch mit Kupfer- 
vitriol vorgenommenen Beizversuche lieisen eine Verminderung des 
Wurzelbrandes erkennen. Trotz dieser nicht ungünstigen Erfahrungen 
mit dem Beizen legt Karrson doch das Hauptgewicht auf die Anzucht 
besonders kräftiger Sämlinge und macht unsere jetzige Kulturmethode, 
die nur auf die Gewinnung grofser Mengen von Samen hinziele und die 
Qualität vernachlässige, für die Ausbreitung des Wurzelbrandes ver- 
antwortlich ®). 

Die Theorie der Samenbeize wurde von WIMMER, dem Mitarbeiter 
HELLRIEGEL’S, weiter ausgebildet. Von den verschiedenen, zur Beizung 
benutzten Stoffen erwies sich die Karbolsäure am vorteilhaftesten, und 
zwar bei Benutzung einer einprozentigen Lösung des „Acidum carboli- 
cum crudum 100° Pharm. Germ. I.“ Auf einen Gewichtsteil Samen 
rechne man ungefähr 6 bis S Gewichtsteile Flüssigkeit. 

Günstig erwies sich auch eine Warm- sowie eine Kaltwasserbeize?). 

Während Wimmer die Frage betreffs des Einflusses von Witterung 
und Bodenbeschaffenheit unentschieden läfst, trıtt HoLDEFLEISS ent- 
schieden dafür ein, dafs nicht Parasitismus, sondern Bodenbeschaffen- 
heit den Wurzelbrand veranlasse. Bei den die Krankheit begünsti- 
genden Böden fand er meistens eine reichliche Menge von Eisenoxydul, 
aber verhältnismäfsig wenig Kalk. Dabei war eine Neigung zum 
Verschlämmen und Verkrusten der Böden unverkennbar, und 
dementsprechend war auch die Erfahrung, dafs nach reichlichem Hacken 
der Wurzelbrand sich ausheilte. Daraufhin empfiehlt dieser Forscher 
aufser dem fortdauernden Öffenhalten der Rübenböden eine reiche Zu- 
fuhr von gebranntem Kalk (12 bis 15 Zentner pro Morgen), der am vorteil- 
haftesten zu den Vorfrüchten und nicht direkt zu den Rüben gegeben 
werde. Gute Erfolge einer Zufuhr von 7 Zentnern Atzkalk pro Morgen 
sah auch Loses®). Als weiteres begünstigendes Moment hebt HOLLRUNG 
eine niedere Temperatur hervor und gedenkt dabei des Umstandes, 
dafs die Wurzelbranderkrankung niemals über die Erddecke hinaus auf 
die dem Luftzuge ausgesetzten oberirdischen Achsenteile hinübergreife. 
Er tritt mit Entschiedenheit dafür ein, dafs physikalische und chemische 


1) Zeitschr. f. Pflanzenkr., 1892, S 278. 

2) Herorıegen, Über die Schädigung junger Rüben durch Wurzelbrand usw. 
Deutsche Zuckerindustrie, Jahrg. XV, S. 745. Biedermann’s Centralbl. 13%. S. 647. 

3) Auch Horırung fand bei Aussaat von grofsen Rübenknäueln einen geringeren 
Grad der Erkrankung. Dritt. Jahresb. d. Versuchsstat. f. Nematodenvertilgung. 1892. 

4) Blätter für Zuckerrübenbau, 1900, Nr. 17. 

5) Houwnung in Zeitschr. f. Rübenzuckerindustrie i. D. R., Bd. 46, Heft 482. 

6) Bericht d. Landw. Versuchsstation Posen. 1891. 


2. Unpassende Bodenstruktur. 2323 


Ursachen, welche bei kalten, luftabschliefsenden Ackern sich geltend 
machen, den Wurzelbrand veranlassen. 

Die Ansicht, dafs die Böden, auf welchen die schwarzen Beine der 
Rüben sich einstellen, gern verschlämmen und abbinden, wird nach 
Stirt's Mitteilung (a. a. OÖ. S. 10 und 20) von MAREK und KRrAWCZYNSKI 
bestätigt; man fand in einem solchen Boden 77,25 °/o Feinsand. 

Diesen, noch von manchen anderen Beobachtern geteilten Anschau- 
ungen gegenüber blieb die Parasitentheorie, die in FRANK ihren eifriesten 
Vorkämpter fand, bestehen. Frank, der mit KrÜGER seit 1892 eingehende 
Versuche ausführte, stellte fest, dafs aufser dem von LoHDeE aufgefundenen, 
bei vielen Erkrankungen von Keimlingspflanzen aus sehr verschiedenen 
Gattungen vorkommenden Pythium de Baryanım und aufser der von Eıpım 
erwähnten Rhizoctonia violacea es einen spezifischen Rübenpilz, Phoma 
Betae Frank, gäbe, „welcher nicht nur die Herz- und Trockenfäule der 
erwachsenen, sondern auch den Wurzelbrand der jungen Rüben ver- 
ursacht“ !J, Die mannigfachen Erfahrungen bei Feldversuchen liefsen 
selbst diesen Forscher jedoch bald erkennen, dafs Wetter und Boden- 
verhältnisse einen bestimmenden Einflufs ausüben. „Es bleibt dahin- 
gestellt, ob dadurch das Pflänzchen für den Pilzbefall empfindlicher wird 
oder ob sich dies nicht genügend dadurch erklärt, dafs das Wachstum 
durch das kalte Wetter verlangsamt und das Pflänzchen ungewöhnlich 
lange in dem Jugendzustande zurückgehalten wird, der an und für sich 
der krankheitsempfängliche ist, während eine Keimpflanze, die durch 
Wärme rasch zur Entwicklung gebracht wird, eben dadurch rasch dem 
empfänglichen Zustande entwächst und der Gefahr schneller entgeht.“ 

In dieser Erklärung kommt nach mehrfachen Modifikationen der ur- 
sprünglichen Darstellungen bei Frank der Standpunkt zum Ausdruck, 
dafs aulser diesem spezifischen Krankheitserreger, dem Phoma, doch 
noch zum Zustandekommen des Wurzelbrandes ein bestimmtes Empfäng- 
lichkeitsstadium des Rübenpflänzchens gehört. Dieser Standpunkt wurde 
von SORAUER schon früher vertreten, wobei er nachwies, dafs Wurzelbrand 
auch ohne das Vorhandensein des Phoma zu finden sei, und dafs statt 
dessen Bakterienvegetation die Krankheitserscheinungen begleite. Die 
eingehendsten Untersuchungen über die Bakterien des Wurzelbrandes 
verdanken wir HirtnEr, auf dessen neue Studien wir im folgenden be- 
sonders eingehen werden, nachdem wir noch den Standpunkt von 
STOKLASA skizziert haben. Nach Srırr's Mitteilungen (a. a. OÖ. S. 17) be- 
kennt sich auch StokLasaı zu der Tatsache, dafs Bakterien den Wurzel- 
brand der Rüben zu erzeugen vermögen, und er hält dazu folgende Arten 
für befähigt: Bacillus subtilis, B. liquefaciens, B. fluorescens liquefaciens, 
B. mesentericus vulgatus und B. mycoides; letzteren erklärt LuinHARDT 
für den wesentlichsten Schädiger. Neuerdings ist auch Pseudomonas 
campestris genannt worden. Die von den vorgenannten Forschern als 
schädlich bezeichneten Witterungs- und Bodenverhältnisse hält SroK- 
LSA für die Ursachen, welche eine Prädisposition im Rüben- 
pflänzchen erzeugen. Er wendet seine Aufmerksamkeit speziell der 
Oxalsäure zu, die durch den Lebensprozefs der Pflanze normal ge- 
bildet wird und als Kaliumoxalat vorhanden ist. Die giftig wirkenden 
löslichen Oxalate werden, wenn Calciumoxyd von den Wurzelhaaren 
aus dem Boden aufgenommen werden kann, zu dem unlöslichen 


1) Frank, A. B., Kampfbuch gegen die Schädlinge unserer Feldfrüchte. Berlin, 
Paul Parey, 1897, S. 117. 


294 Il. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


Calciumoxalat umgesetzt. Durch diese Unschädlichmachung der Oxal- 
säure hört die lähmende Wirkung derselben auf den Assimilations- 
prozeis auf, und die Pflanze gesundet. Wenn viel Salpetersäure im 
Boden vorhanden oder gar im Überschufs zugeführt wird (starke 
Chilisalpeterdüngung), tritt allerdings eine Beschleunigung der 
Entwicklung, aber oleichzeitig auch eine Steigerung des Oxal- 
säuregehaltes ein. In solchem Falle wird die Junge Rübenpflanze, 
falls sie nicht genügend Kalk aufnehmen kann, disponiert zum Wurzel- 
brande. 

Die eingehendste Studie über das Verhältnis der Bakterien zu der 
Krankheit verdanken wir, wie bereits erwähnt, Hırıner und PErErs?), 

Die Verfasser haben eine Anzahl von Versuchen angestellt und 
gefunden, dafs es Erden gibt, die fast niemals Wurzelbrand aufkommen 
lassen und umgekehrt auch solche, bei denen die Krankheit kaum zu 
vermeiden ist. Sie schliefsen daraus, dafs manche Erden eine gewisse 
Schutzkraft zu verleihen imstande sind und erblicken diese schützende 
Eigenschaft in der Fähigkeit der immunisierenden Erden, die Wurzeln 
der Rübenpflänzchen in Ihren äufseren Zellschichten mit solchen Mikro- 
organismen zu versehen, welche den Wurzelbrand erzeugenden Pilzen 
und Bakterien das Eindringen verwehren. Diese Schutzscheide, die 
Hittner und PETERS schon früher bei Erbsen ebenfalls beobachtet, 
nennen sie „Bakteriorhiza“. Wurde die Bildung dieser Schutz- 
scheide durch Sterilisieren der immunisierenden Erde und Abtöten der 
schützenden Bodenorganısmen verhindert, so konnten die den Wurzel- 
brand veranlassenden Pilze und Bakterien, falls die Samen nicht vor- 
her gebeizt wurden, auf die junge Keimpflanze übergehen und die- 
selbe zerstören. 

Wie wenig aber die Organismen an sich zu fürchten und wie die 
Hauptsache für die Erkrankung in den Umständen zu suchen ist, 
welche die Pflanze erst empfäng glich für jene Zerstörer machen, 
geht am besten aus den eigenen Worten der genannten Verfasser her- 
vor. Sie sagen (a. a. 0. 8. 249) von dem Resultat ihrer Versuche: 
„Dieses Ergebnis aber lautet, dafs die Entstehung kranker Keime im 
Keimbett eine ziemlich komplizierte Erscheinung darstellt. Sie ist 
nicht, wie man bisher fast allgemein angenommen hat, ausschliefslich 
darauf zurückzuführen, dafs “parasitische Pilze oder Bakterien den 
Knäulen anhaften und von diesen aus auf die Wurzeln übergehen; 
denn diese Organismen haben an sich nicht die Fähig- 
keit, die Rübenwurzeln zur Erkrankung zu bringen. Erst 
dadurch, dafs die Wurzeln durch den Einflufs bestimmter Stoffe, 
namentlich von Oxalaten, in ihrer Widerstandsfähigkeit geschwächt 
worden, werden sie sonst harmlosen Parasiten zugänglich.“ 

Nach Hiırmer’s Anschauung werden nun die disponierenden Stoffe 
oder Zustände durch Zersetzungen der Gewebe an den Samenknäueln 
entweder auf‘ dem Felde infolge ungünstiger Witterung oder später auf 
dem Lager durch zu starke Erwärmung erzeugt. 

Über die Förderung, welche das Auftreten des Wurzelbrandes da- 
durch findet, dafs die dabei vorzugsweise beteiligten Mikroorganismen 
(Phoma und Bacillus mycoides) ın ihrer Nährflüssigkeit bestimmte 


!) Hırıner, L., und Perers, L., Untersuchungen über die Keimlingskrankheiten 
der Zucker- und Runkelrüben. Arb. d. Biolog. “Abt. f. Land- u. Forstwirtsch. am 
Kais. Gesundheitsamt, IV. Bd, Heft 3, 1904, S. 207. 


2. Unpassende Bodenstruktur. 2 295 


organische Verbindungen vorfinden, berichtet eine Arbeit von Sıcmunn!), 
Nachdem Verfasser hervorgehoben, dafs genannte Parasiten allein die 
Krankheit nicht zu steigern vermögen, erwähnt er, dafs die Zahl der 
kranken Rübenkeime aber erhöht "wird, wenn Glykokoll, Harnsäure, 
Asparaginsäure, Hippursäure, Leucin usw. sich in den Nährlösungen 
genannter Mikrooreanismen finden und die Rübenknäule in diese N ähr- 
lösungen eingequellt werden. 


Wir haben bei dieser wichtigen Krankheit zunächst die An- 
schauungen und Beobachtungsresultate, wie sie im Laufe der Zeit 
hervorgetreten, einfach registriert, um zu zeigen, wie bei allen Be- 
obachtern trotz ihres ganz verschiedenen Standpunktes doch eine An- 
gabe als roter Faden sich hindurchzieht, nämlich der Einflufs des 
Bodens). Dieser kommt am schärfsten bei den schweren, abbindenden 
Böden zum Ausdruck; er kann sich auch bei anderen Äckern ein- 
stellen, wenn dieselben durch irgendwelche Umstände verkrusten. Der 


‘Faktor, der vor allen Dingen unter solchen Verhältnissen sich geltend 


machen mufs, ist der Sauerstoffmangel. Welche Vorgänge im Boden, 
im Samen und in der jungen Pflanze dadurch eingeleitet werden, 
wagen wir vorläufig noch nicht zu präzisieren. Ebensowenig ist ein 
abschliefsendes Urteil darüber erlaubt, ob der Wurzelbrand eine 
Konstitutionskrankheit, also eine zur Gewebezersetzung führende Ab- 
lenkung der normalen Lebensfunktionen ist, oder ein parasitärer, d.h. 
einer dasselbe Resultat hervorrufender, aber durch notwendige Mit- 
wirkung von Mikroorganismen bedingter Vorgang ist. Wenn letzteres 
zutreffen sollte, was wir für die Mehrzahl der Fälle glauben, so kommt 
dabei aber die allseitio gefundene Tatsache ausschlaggebend in Be- 
tracht, dafs diese Organismen, gleichviel ob Mycelpilze oder Bakterien, 
nur zur zerstörenden Tätiekeit gelangen, wenn die Pflänzchen eine 
Disposition zur Aufnahme dieser Organismen erlangen. Und diese 
Disposition ist ein Produkt des Standortes unter bestimmten 
Witterungsverhältnissen. 

Also ist in erster Linie doch immer der Boden die nächste Ver- 
anlassung zu einer den Wurzelbrand einleitenden Abwegigkeit des 
Assimilationsprozesses. Ob diese Ablenkung stets in dem Überschufs 
freier Oxalsäure zum Ausdruck kommt, und ob das Übermafs der giftig 
wirkenden Säure dadurch hervorgebracht wird, dafs der Pflanzen- 
leib mehr Säure bildet oder dafs weniger bei Sauerstoffmangel davon 
verbrannt wird, kann späteren Forschungen vorbehalten bleiben. Für 
unsere Zwecke genügt, zu wissen, die Krankheit ist ein Produkt 
bindiger Bodenbeschaffenheit unter ungünstigen Witterungsverhält- 
nissen, namentlich bei nassem, kaltem Wetter. 

Damit kommen wir auf die Angaben der Praktiker zurück, die 
von Anfang an bis auf die neueste Zeit behaupten, dafs in den Boden- 
verhältnissen die Ursache des Wurzelbrandes liegt. 

Indem wir ein Beispiel dieser Äufserungen anführen, gelangen wir 
zu den sich von selbst ergebenden Bekämpfungsmafsregeln. BRIEM 


1) Wırn. Sıcuuxp, Beiträge zur Kenntnis des Wurzelbrandes der Rübe. Natur- 


wissensch. Zeitschr. f. Land- u. Forstwirtschaft, 1905, S. 212. 
2) Weiteres Material aus praktischen Kreisen findet sich in den Jahresberichten 
des Sonderausschusses für Pflanzenschutz. Deutsch. Landw.-Gesellsch. 1892 bis 1905. 


Sorauer, Handbuch. 3. Aufl. Erster Band. 15 


226 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


berichtet über einen Fall aus den Jahren 1904 und 1905!). Auf einem 
klargestürzten Felde bei Prag wurden 1904 bei kalter, feuchter 
Witterung und langsamem Wachstum die Fabrikrüben massenhaft 
wurzelbrandig, obgleich bisher dort die Erscheinung selten gewesen. 
Auch heilten sich später die Rüben vollkommen aus. Dasselbe Feld 
trug im folgenden Jahre nach reicher Kali-, Stickstoff- und Phosphor- 
säuredüngung wiederum Fabrikrüben. Infolge der sehr nafskalten 
Witterung ging die Saat erst nach 14 Tagen (am 24. April) auf. Die 
Befürchtung, dafs bei dem schwächlichen Wachstum infolge der kalten 
Nächte Wurzelbrand wiederum sich einstellen würde, blieb glücklicher- 
weise unbegründet, und die Anfang Mai eintretenden warmen Tage 
brachten das erste Blattpaar zu schneller, kräftiger Entfaltung. Als 
aber am 20. Mai ein heftiger Regengufs das Feld ungemein fest- 
geschlagen hatte und das Wasser nur langsam einziehen konnte, 
zeigten viele Pflänzchen nach fünf Tagen die Anfänge von Wurzelbrand. 

Dieses Beispiel der Folgen des plötzlich eingetretenen Luft- 
abschlusses in der vom Regen festgeschlagenen Erde zeigt, dafs in 
erster Linie das ständige Offenhalten der Bodenoberfläche durch Hacken 
geboten ist. In zweiter Linie wird die Zufuhr von gebranntem Kalk 
empfohlen werden müssen, selbst wenn der Boden kalkhaltig ist. Die 
Wirkung des Kalkes wird nicht immer als Nährstoff in Betracht kommen, 
sondern als mechanisches Bodenverbesserungsmittel, indem er die 
Krümelung erhöht. Auch Superphosphat hat gute Erfolge gezeigt?). 
Der Benutzung eines möglichst kräftigen Saatgutes ist in den ge- 
fährdeten Ackern erhöhte Aufmerksamkeit zuzuwenden. 

Will man zur Samenbeize schreiten, was unserer Anschauung nach 
von zu geringem Vorteil ist”), so bediene man sich der Karbolsäure- 
lösung. Zum Beizen von "/s dz Rübensamen löst man 1,5 kg Karbol- 
säure (Acidum carbolicum liquwidum crudum 100°/o) oder auch die teurere, 
reine, kristallisierte in 3 hl Wasser. Zur Prüfung der gewünschten 
Löslichkeit schüttele man 0,5 & in 1 1 Wasser wiederholt durch; die 
Lösung mufs ın 5 bis 10 Minuten erfolgt sein. Wenn nunmehr die 
ganze Beizflüssigkeit hergestellt ist, werden die Samen hineingeschüttet 
und im Verlaufe der nächsten Stunden wiederholt und kräftig um- 
gerührt. Sodann beschwert man die Samen mit Brettern und Ge- 
wichten, so dafs sie gänzlich von der Flüssigkeit bedeckt bleiben. 
Nach etwa 20 Stunden nimmt man die Samen heraus und breitet sie 
in dünner Schicht in einem recht luftigen Raume aus, wobei sie mehr- 
mals umzuharken sind. Sobald das Saatgut genügend abgetrocknet 
ist, kann es gedrillt werden, kann aber auch, wenn es vollkommen 
abgetrocknet ist, lange Zeit liegen bleiben, ohne zu leiden. 

Will man die Beizflüssigkeit mehrmals benutzen, braucht man nur 
den jJedesmaligen Verlust durch Nachgiefsen der gleichen Lösung zu 
ergänzen; doch tut man bei der Billiskeit des Mittels gut, dieselbe 
lösung nicht zu oft zu verwenden). 


') Brrem, H., Wurzelbrandentdeckung und kein Ende. Blätter f. Zuckerrüben- 
bau v. 15. Juni 1905. 

?) Zeitschr. f. Pflanzenkrankh., 1896, S. 54 u. 340. Landwirt, 1896, Nr. 15, 17, 
2l. Jahresber. d. Sonderausschusses f. Pflanzenschutz, 1902. 

®) Hırrser in Mitteil. d. pflanzenphysiolog. Versuchsstat. Tharand. Sächs. 
landw. Zeit. 1904, Nr. 16-18. 

*) Wırrarru, H., und Wiınuer, G., Die Bekämpfung des Wurzelbrandes der 
Rüben durch Samenbeizung. Zeitschr. d. Vereins d. Deutschen Zuckerindustrie, 
Bd. 50, Heft 529. 


2. Unpassende Bodenstruktur. 2397 


Statt der Beize erscheint uns das Kandieren des Saatgutes mit 
kohlensaurem Kalk vorteilhaft. 

Die Hauptsache bleibt die Bodenbearbeitung; denn 
auch das vorsichtigst behandelte, bei den Keimproben tadellos be- 
fundene Saatgut kann erkranken. In dieser Beziehung gibt HiLTser in 
seiner vorerwähnten Arbeit sehr beachtenswerte Winke. Es wird 
bisher im Handel nach vereinbarter Methode die Güte des Samens 
nach seinem Verhalten im Keimbett geprüft. Nun zeigt sich, dafs die 
Menge der kranken Keime um so höher steigt, je länger man die 
Knäule im Keimbett beläfst. Die Versuche ergaben, dafs wenn man z.B. 
die Keime am neunten Tage dem Sandkeimbett entnahm, man oft mehr 
als zehnmal so viel kranke feststellen konnte als am sechsten Tage. Dazu 
kommt, dafs wenn die Knäule dicht beieinander liegen, die gegenseitige 
Ansteckung eine beträchtliche ist. Aufserdem ist die Zahl der er- 
krankenden Keime ganz verschieden, je nachdem man sie vorquellt oder 
nicht und je nachdem man zum Vorquellen destilliertes oder kalkfreies 
oder kalkhaltiges Leitungswasser benutzt. Zieht man schliefslich in 
Betracht, dafs die Bodenbeschaffenheit ausschlaggebend für das spätere 
Verhalten der Keime wird, so kommt man zu dem Schlufs, dafs die 
jetzt üblichen Methoden der Saatgutbeurteilung keinen Schutz und 
keinen Mafsstab für den Rübensamen gewähren. Um einen Einblick 
in die Keimfähigkeit des Saatgutes zu erhalten, werden die Rüben- 
knäule in möglichst verschiedenen Keimbetten und nach verschiedenen 
Methoden geprüft werden müssen!). Aber die besten Keimresultate 
geben in keiner Weise eine Garantie betreffs des Wurzelbrandes. Dieser 
hängt in seinem Auftreten davon ab, ob die in den vertrockneten 
Blütenhüllen der Samen vorhandenen Mikroorganismen im Boden 
Gelegenheit finden, sich derart zu entwickeln, dafs sie die Jungen 
Pflänzchen anzugreifen vermögen. 


Tropenkulturen. 


In Rücksicht auf den von mir vertretenen Standpunkt, dafs bei 
vielen unserer Kulturen den Bodenverhältnissen, namentlich der physi- 
kalischen Bodenbeschaffenheit zu wenig Rechnung getragen wird, glaube 
ich auch auf die Ansprüche der tropischen Kulturpflanzen an die 
physikalischen Eigenschaften der Kulturländereien hinweisen zu 
müssen. Betreffs der tropischen Kultur stütze ich mich auf die Angaben 
von Fesca®?), der mehrfach eigne Erfahrungen mitzuteilen weils, und 
ferner auf die neuen Publikationen des Biologisch-Landwirtschaftlichen 
Instituts Amanı?). 


1) Über Verschiedenartigkeit der Keimung gleichbehandelten Saatgutes in 
Sand und Erde vergl. die Mitteilung von Marex im Jahrb. d. Deutsch. Landwirtsch. 
Gres., 1892. 

2) Frsca, Der Pflanzenbau in den Tropen und Subtropen. Berlin, Süsserott. 
Bd. I, 1904. A 

3) Wie oben gesagt, dienen die Angaben über die Krankheitserscheinungen 
tropischer Kulturpflanzen hauptsächlich als Hinweis auf die Beachtung der Boden- 
und Witterungsverhältnisse als Krankheitsursache. Wir können uns bei den 
Schilderungen um so kürzer fassen, da eine reichhaltige Literatur spezielle Studien 
leicht ermöglicht. Aufser den bereits S. 65 bis 67 erwähnten Zeitschriften bieten 
die neuen Publikationen der Usambara-Post wertvolles Material: „Der Pflanzer“, 
Ratgeber für tropische Landwirtschaft unter Mitwirkung des Biologisch-Landwirt- 
schaftlichen Institutes Amani, herausgegeben durch die Usambara-Post, 1905. 


nx* 
.) 


D 
DV 


28 I. Krankheiten duıch ungünstige Bodenverhältnisse. 


Wie wir sehen werden, handelt es sich bei den Schädigungen, 
ähnlich wie in den gemäfsigten Klimaten, vielfach um Erscheinungen 
des Sauerstoffmangels, den schwere oder bei der Kultur sich verdichtende 
Böden zutage treten lassen. Manche Pflanzen der Tropen sind in der 
Lage, Hilfsorgane bei Sauerstoffnot zu entwickeln. Ahnlich den Ad- 
ventivwurzeln aus den Stammorganen verschütteter oder verschlämmter 
Bäume können die Palmen (Phoenix, Kentia, Chamaerops usw.) senk- 
recht aus der Erde hervorwachsende Wurzelzweige entwickeln, die 
eine eigenartige Atmungsvorrichtung besitzen (Pneu umatho den); die- 
selbe erscheint als ein mehliger Überzug, der von der Spitze der Wurzel 
aus sich auf eine gewisse Strecke abwärts zieht. Diese mehlige Be- 
schaffenheit entsteht durch Vermehrung, Vergröfserung und Lockerung 
der äufseren Lagen der Wurzelrinde unter Sprengung der Epidermis 
und fast eänzlichem Fortfall des Sclerenchymringes. 

Jost!) stellte experimentell bei Phoenix fest, dafs diese Pneu- 
mathoden im Boden verbleiben, wenn derselbe out durchlüftet wird; 
dagegen erheben sie sich über die Topfoberfläche, wenn der Topf 
unter Wasser gesenkt wird. Ahnliche Einrichtungen wurden auch bei 
Pandanus, Saccharum und Cyperus gefunden. 


Die Wurzelfäule des Zuckerrohrs. 


Unter den zahlreichen Krankheiten des Zuckerrohrs spielt die 
Wurzelfäule eine hervorragende Rolle. Auf Java gilt sie als der 
schlimmste Feind der Zuckerrohrkultur. Es hat natürlich: nicht daran 
gefehlt, die auf kranken Wurzeln sich ansiedelnden Mikroorganismen 
(Ver tieillium (Hypocrea) Sacchuri, Cladosporium javanicum Wakker, Allan- 
tospora radiercola Wakker, Pythium usw.) als Ursache heranzuziehen: indes 
haben die neuen Untersuchungen von KaMmERLING?) die schon früher 
von ihm und SURINGAR®) ausgesprochene Vermutung, dafs es sich um 
eine Konstitutionskrankheit infolge von Bodenverdichtung handele, nun- 
mehr aufser Zweifel gesetzt. Schon Racıporskı hat erwiesen, dafs durch 
Verpflanzen des Zuckerrohrs, das an dieser als Dongkellanziekte 
bekannten Wurzelkrankheit lıtt, in ein anderes Erdreich die PHanzen 
gesund wurden. Die Krankheit tritt vorzugsweise auf schweren Ton- 
böden auf und zeigt sich auf Java in einem akuten Absterben der 
Pflanzen bei Beginn des Ostmonsuns, nachdem dieselben eine abnorme 
Verzweigung des W urzelkörpers und Verkümmerung der Wurzelhaare 
schon lange” vorher haben erkennen lassen. Verfasser untersuchte die 
Böden, auf denen die Krankheit sich einstellte, und fand, dafs die 
Krümelstruktur des Bodens gering war und derselbe sich leicht schlots. 
Die Durchlässigkeit der Böden kann durch Humuszufuhr verbessert 
werden, da Humus ebenso wie Ferrihydroxyd oder ferrireiche Sılikate 
die Krümelbildung begünstigen. Da sich der Humus durch Oxydation 
allmählich verliert, so ıst durch erneute Zufuhr von Stallmist, Reis- 


!) Jost, Ein Beitrag zur Kenntnis der Atmungsorgane der Pflanzen. Bot. 
Zeit. 1887, Nr. 37. 

2) Be Z., Verslag van het Wortelrot-Oenderzoek, Soerabaia, 1903, 209 S. 
mit 19 Tafeln. 

3) Kawerueing, Z., en Surıncar, H., Oenderzoekingen over onvoldoenden groei 
en ontijdig Afsterven van het riet als gevolg van wortelziekten. Mededeelingen 
van het Proefstation IR ‚Suikerriet en West-Java, Nr. 48; cit. Zeitschr. f. Pflanzenkr., 
1901, S. 274, und 1904, S. 88. 


2. Unpassende Bodenstruktur. 329 


stroh oder Gründüngung dafür zu sorgen, dafs die Bodenlockerheit 
erhalten bleibt. 

Nach den Studien von WAKkKER!) scheinen auch manche Blatt- 
fleckenkrankheiten entweder direkt von Bodennässe erzeugt oder 
(bei parasitärer Natur) doch durch die Nässe begünstigt zu erden, Der 
Verfasser fand in der Umgegend von Malang eine „gelbe Streifenkrank- 
heit“, „Rost“, „Ringfleckenkrankheit“, sowie ‚ die rote und gelbe Flecken- 
krankheit. Während er die erstgenannten für parasitäre, durch die Nässe 
begünstigte Erscheinungen ansieht, erklärt er die gelbe Fleckenkrankheit, 
bei der die Blätter etwas langeezogene, miteinander verschmelzende, 
grüngelbe Flecke erhalten, für eine erbliche Konstitutionskrankheit. 


Krankheiten der Baumwolle. 


Die Mehrzahl der Baumwollkrankheiten ist zurzeit unter den para- 
sitären Erscheinungen zu suchen. Ob dies immer so bleiben wird, be- 
zweifele ich. Mit der Überzeugung, dafs viele der gefundenen Mikro- 
organısmen als Schwächeparasiten anzusehen sind, mufs natürlich der 
erst existierende Faktor als ausschlaggebend betrachtet werden, nämlich 
die die Schwächung: veranlassende Ernährungsstörung, welche erst die 
Möglichkeit für die Pilzansiedlung bietet. Und diese wird in erster 
Linie in den Witterungs- und Bodenverhältnissen gesucht werden 
müssen. 

Beispiele von Krankheiten, bei denen der Boden allein bei der nassen 
Jahreszeit als Ursache angesehen wird, werden aus unseren ostafrika® 
nischen Kolonien durch VosseLer?) gemeldet. Im Jahre 1904 trat im 
Bezirk Kelwa eine „Stengelbräune“ auf, welche der dortigen Gegend 
mehr als alle bis dahin "aufgetretenen Krankheiten Schaden zugefügt 
hat. Es entstehen braunschwarze Rindenflecke unterhalb des Gipfels 
am Hauptsprofs; infolgedessen erfolgt ein Absterben dieses Teils sowie 
der oberen Nebensprossen. Die Krankheit erschien aber nur auf so- 
genanntem sauren Boden. 

Eine zweite, längs der ganzen Küste verheerend auftretende Er- 
scheinung war die Blattrotfleckenkrankheit. Die Blätter bekommen 
einen blassen, mit zackiger Grenze scharf gegen die Innenfläche ab- 
stechenden Rand. Dann erhält das ganze Blatt erst dunkelrote Flecke 
oder gleichmäfsige rote Färbung, womit oft eine Verkrümmung der Blatt- 
fläche verbunden ist. Das Verschwinden des Übels bei eintretender 
Trockenheit deutet darauf hin, dafs bei der herrschenden nassen Witte- 
rung der Boden die Baumwollkultur ungünstig beeinflufst hatte. 

VOSSELER scheint auch zu vermuten, dafs die gefürchtete „Welk- 
krankheit“ (Welt disease) zu den klimatischen Krankheiten zu ziehen 
sel, und weist darauf hin, dafs durch Anzucht von Pflanzen aus Samen 
gesunder Stöcke in erkrankten Feldern immune Rassen erzogen werden 
könnten. Nach ScHELLMAnN?) verträgt die Baumwolle keine steifen 
Tonböden und keine sauren Humusböden. 


') Warker, J. H., De Bladziekten te Malang. Archiev voor de Java-Suiker- 
industrie, 1893, Aflevering 1. 

?) Vossener, Zwei Baumwollkrankheiten. Immune Baumwollsorten. Mitteil. 
Biolog.-Landwirtsch. Institut Amani. 1904, Nr. 32. 

3) Der Pflanzer, Usambara-Post 1905, Nr. 1. Daselbst auch die ältere 
Literatur. 


230 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


Die Ricinuskulturen. 


Obgleich Ricinus in der subtropischen und selbst in der gemäfsigten 
Zone noch gedeiht, kommt derselbe nach ZIMMERMANN!) doch als Kultur- 
pflanze betreffs Gewinnung ölreicher Samen nur für die Tropen in 
Betracht, wo er von der Meeresküste bis zu einer Höhe von etwa 
1600 m wächst. Ausschlaggebend ist für Ricinus allerdings ein reicher 
Nährstoffvorrat, da er sehr starke Ansprüche an den Boden stellt. 
Demnächst verlangt die Pflanze grofse Wassermengen, solange sie in 
der vegetativen Periode sich befindet. Später aber spricht die physi- 
kalısche Bodenbeschaffenheit mit, indem alle Böden, die nicht drainiert 
sind und dauernd feucht bleiben, die Kultur nicht gedeihen lassen. 
Diese Beobachtungen in den Tropen stimmen mit den Erfahrungen, die 
wir bei der Kultur von Ricinus als Zierpflanze machen, überein. Zur 
reichen Entfaltung kommen die Pflanzen nur, wenn sie einen grofsen 
Bodenraum und lockere, nährstoffreiche Erde zur Verfügung haben. 
Bei der Anzucht in Töpfen, denen man durch Düngesalze viel Nahrung 
zuführen will, verschlämmt die Erde, und die Pflanzen bleiben klein 


und schwächlich. 
Der Tabak 


Ein sehr lehrreiches Beispiel über den ausschlaggebenden Einflufs 
des Bodens liefern die Beobachtungen von HunGer?) über die Ent- 
wicklung des Deli-Tabaks und sein verschiedenartiges Verhalten gegen- 
über der „Mosaikkrankheit“, über welche in dem Abschnitt über 
die enzymatischen Krankheiten ausführlicher berichtet werden soll. 

Ein Boden aus weifsem Klei, sagt Hunger, der viel Sand bei- 
gemengt enthält, ist bei günstigen Niederschlagsverhältnissen der beste 
für dünnblätterigen Tabak, aber zugleich auch für das reichliche Auf- 
treten der Mosaikkrankheit in der Form des sogenannten „Kopfbunt“. 
Hier macht die Pflanze den Eindruck des „Uberwachsens“: lange 
Internodien, gelbgrünes Laub, nach dem Köpfen zahlreiche Seiten- 
sprossen, welche sämtlich erkranken. 

Fehlt dem Kleiboden jedoch der Sand und wird er lehmartig, 
dann wird er für die Tabakkultur unbrauchbar. Der Wurzelkörper 
der Pflanze ist gering entwickelt und häufig verkrümmt; die Blätter 
zeigen unrichtige Längenverhältnisse und besitzen geringe Qualität. 
Die Mosaikkrankheit tritt hier schon ein bis zwei Wochen nach dem 
Verpflanzen auf. Die roten Verwitterungsböden von Ober -Langkat 
sind ziemlich fest; die Pflanzen sind hier gedrungen; die dicht über- 
einanderstehenden Blätter sind nicht besonders dünn, und die Mosaik- 
krankheit kommt wenig vor; sie erscheint nur ausnahmsweise auf den 
nach dem Köpfen nur spärlich entwickelten Trieben. 

Auf den schwarzen humusreichen Böden zeigt der Tabak eine 
enorme, wohl proportionierte Entwicklung; die sehr grofsen Blätter 
sind dunkelgrün und dünn. Mosaikkrankheit häufig. 

Auf dem torfähnlichen, porösen, mit grofser Wasserkapazität ver- 


') Ziumerwann, A., Die Rieinus-Kultur. Der Pflanzer, Ratgeber für tropische 
Landwirtschaft unter Mitwirkung des Biologisch-Landwirtsch. Institutes Amani, 


herausg. durch d. Usambara-Post. | 
2) Zeitschr. f. Pflanzenkrankh., 1905, Heft 5. Hüuncer hat als Botaniker der 


Versuchsstation für Deli-Tabak (VIII. Abt. d. Bot. Gart. zu Buitenzorg) das um- 
fassendste Beobachtungsmaterial zur Verfügung gehabt. 


2. Unpassende Bodenstruktur. 231 
sehenen Paja-Boden tritt die Mosaikkrankheit fast gar nicht auf. 
Die enormen Blätter welken fast niemals in dem wasserhaltenden 
Boden, sind aber sehr dick und ölreich, werden bei dem Fermen- 
tieren immer dunkelfarbig und sind daher nicht sehr preiswert. Auf 
neuem Paja-Boden kann man auch durch Köpfen keine Mosaikkrank- 
heit hervorrufen. 


Kaffee. 


Der am meisten Beachtung verdienende Baum unserer Tropen- 
kultur, der Kaffee, ist besonders empfindlich gegen extreme Boden- 
beschaffenheit. Obgleich ihm Trockenperioden nicht zusagen und er 
am liebsten in einem Erdreich steht, das auch zu Zeiten der Dürre sich 
frisch erhält, so verträgt er doch Trockenheit noch besser wie Boden- 
nässe. Wenn er während der Regenzeit nur wenige Tage versumpft, 
soll er unrettbar dem Tode verfallen. Hinreichende Wasserkapazität 
des Erdreichs verbunden mit reichlicher Durchlüftung sind somit Haupt- 
erfordernisse. Ein frisch gerodeter Waldboden wird als besonders 
günstig für die Kaffeekultur bezeichnet. Wahrscheinlich sind der 
schwarze Rost (swarte roest) und die Krebskrankheiten (Natal- 
krebs und Javakrebs) (Djamoer oepas) mit ihren Cambium-Erkrankungen 
physiologische Störungen, die durch unpassende Boden- und Witterungs- 
verhältnisse eingeleitet werden und spätere Pilzansiedlungen zur Folge 
haben. Gegen undurchlässigen Boden soll der Liberiakaffee nicht so 
empfindlich wie der arabische sein und noch dort gedeihen, wo der 
letztere versagt). 

Die als „Blorokziekte* von ZIMMERMANN?) beschriebene Blatt- 
krankheit scheint mir auch hierher zu gehören. Die Blätter bekommen 
wolkige, gelbe Flecke, an denen die Oberhaut später einsinkt und der 
Zellinhalt sich bräunt. Die Bäume auf Java werden zwar nicht davon 
getötet, aber in ihrer Fruchtbarkeit aufserordentlich herabgedrückt. 
Als eine Folge übermäfsiger Wasserzufuhr betrachtet ZIMMERMANN®) die 
bei Coffea liberica selten, bei ©. arabica häufiger auftretenden sogen. 
„Sternchen“, d. h. vorzeitig sich öffnende, noch nicht vollkommen 
entwickelte und daher unfruchtbar bleibende Blüten. Die Erschei- 
nung ist nicht mit der unter gleicher Bezeichnung gehenden Schwarz- 
färbung der PBlütenknospen, die schliefslich ungeöffnet abfallen, 
zu verwechseln. Verschiedene Arten von Wurzelschimmel sind be- 
schrieben und als Ursache von Wurzelfäule angesprochen worden ®); 
ich glaube, dafs man auch hier zu studieren haben wird, ob diese 
parasitären Pilzformen nicht erst dann schädlich eingreifen, wenn die 
Wurzeln bereits durch ungünstige Ernährungsverhältnisse geschädigt 
worden sind. 


Kakao und Tee. 


Betreffs des Kakaobaumes sagt Fesca: „Extreme Bodenarten, 
sowohl magerer Sand, wie zäher Ton sagen dem Kakaobaume nicht 
zu. Hinsichtlich Tiefgründigkeit, Frische, ohne an Grundwasser zu 


1) Deracroıx, G., Les maladies et les ennemis des cafeiers. II edit. Paris, 
Chalamel, 1900, S. 8. 

2) Teysmannia 1901, S. 419. f . 

3) Eenige Pathologische en Physiologische Waarnemingen over Koffie. Mede- 
deelingen uit S’Lands Plantentuin. LXVII. 

+) Bolletim del Instituto Fisico-Geographico de Costa Rica, 1901. 


232 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


leiden, sowie ,an Humus- und Nährstoffgehalt stellt derselbe noch 
höhere Ansprüche als der Kaffee.“ Uber den Tee änfsert sich der- 
selbe Autor, der in Japan selbst gute Teeböden analysiert hat, dafs 
er im gesetzterem Zustande derselben 30 bis 400 Wasser bei kapi- 
larer Sättigung gefunden habe. Der Tee verlangt einen hinreichend 
tiefgründigen Boden, der frei von stagnierendem Grundwasser ist; 
gegen letzteres ist er sehr empfindlich. Auch hier wird ein noch nicht 
näher bekannter Pilz als Ursache einer Wurzelkrankheit beschrieben ; 
er soll, besonders auf nassem Boden, ein frühes Absterben der Sträucher 
zur Folge haben; jedoch versichert Frsca!), dafs die Krankheit auf 
gut durchlüfteten Böden nicht von ihm jemals gesehen worden sei. 
Auf unzusagenden Standort möchten wir auch die von ZIMMERMANN ?) be- 
schriebene Erkrankung junger Teepflanzen zurückführen, obwohl ein mit 
gelappten Haustorien versehenes Mycel in den Krankheitsherden be- 
obachtet worden ist. Die Blätter erschlaffen und werden mifsfarbig; der 
Stengel bräunt sich an der Basis oder an höheren Stellen, während das 
Wurzelwerk gesund erscheint. Manchmal zeigen nur die Blätter, nament- 
lich am Hauptnerv, braune Flecke. Die von den kranken Stengelteilen zur 
Entwicklung gebrachten Pilze (Nectrieen) konnten bei Impfversuchen 
die Krankheit nicht hervorrufen. Bei trockner Witterung liefs die 
Krankheit bedeutend nach. Auch das Verpflanzen der Keimlinge von 
den dichten Saatbeeten führte zu einem Stillstand der Krankheits- 
erscheinungen. . Wenn hier in möglichster Kürze der Bodenansprüche 
unserer hauptsächlichsten tropischen Kulturpflanzen gedacht worden 
ist, so muls noch hinzugefügt werden, dafs natürlich das Klima der 
ausschlaggebende Faktor bleibt. Unter diesen klimatischen Faktoren 
wird auch der Luftfeuchtigkeit besondere Aufmerksamkeit gewidmet 
werden müssen, da die Güte der Ernte oftmals wesentlich davon ab- 
hängig ist. Bei den Kakaokulturen in Kamerun z. B. läfst sich be- 
obachten, dafs die quantitative Produktion der Bäume eine ungewöhnlich 
reiche ist, aber die Qualität der Früchte infolge der grofsen Feuchtig- 
keit nur mittelmäfsig ist. Hier leben sich die Bäume auch schnell aus. 


Anderweitige Tropenkulturen. 


Von den Getreidegräsern ist es zunächst der Mais, der einen tief- 
gründigen, mürben, von Grundwasser freien Boden verlangt und zähen 
Ton nicht verträgt. Ebenso verhält sich Sorghum, das noch empfind- 
licher gegen kalte Nässe ist als der Mais und wegen seiner tiefen Be- 
wurzelung sehr widerstandsfähig gegen Dürre sich zeigt. Daher der 
Anbau in der tropischen und subtropischen Steppe. Ganz ungeeignet 
für feste Böden, vorzüglich aber in lockeren Bodenarten an dürren 
Ortlichkeiten ist die Neger- oder Pinselhirse (Pennisetum spicatum). Die 
anderen Hirsearten verhalten sich ähnlich. 

Die Leguminosen, die wegen ihrer meist kurzen Vegetations- 
dauer zum Anbau als Nachfrucht sich besonders eigenen, dürften für 
die Tropen und Subtropen nicht nur als Stickstoffsammler und als 
ausgezeichnetes Nährmaterial grofse Bedeutung beanspruchen, sondern 
auch wertvoll durch ihre geschlossene, vor Verhärtung schützende 


!) A. a. 0, 8. 273. 
?) Zimmermann, Untersuchungen über tropische Pflanzenkrankheiten. Sonder- 
berichte über Land- und Forstwirtschaft in Deutsch-Ostafrika, Bd. II, Heft 1, 1904. 


2. Unpassende Bodenstruktur. 233 


Bodenbeschattung und als lockernde Gründüngungspflanzen werden. 
Ein gutes Gedeihen zeigen die Pflanzen in trocknen Böden, und dem- 
gemäfs werden ihnen in Gegenden mit reichen Niederschlägen schwere 
Böden verderblich. Eingehendere Studien über Sorghum-Krankheiten 
und ihre Beziehungen zu Witterungsverhältnissen hat neuerdings Bussz 
geliefert !). 

Von den Knollengewächsen beansprucht die Batate etwa die- 
selben Kulturbedingungen, wie bei uns die Kartoffel. Auch die 
Cassaven (Manniok) verlangen tiefgründigen, losen, trocknen, aber 
humusreichen Boden. Die Feuchtigkeit lebenden, Arrowroot liefern- 
den Maranta-Arten beanspruchen ebenfalls Liockerheit des Bodens; 
daher erweist sich jungfräulicher Boden wegen seiner Festigkeit wenig 
geeignet. Selbst Taro, die Knollen der verschiedenen Colocasia- 
Arten, welche sehr viel Feuchtigkeit beanspruchen, gedeihen doch nur 
gut, wenn der Boden durchlässig ist. Dasselbe eilt für die Yams- 
wurzel, die von verschiedenen Arten der Gattung Dioscorea gewonnen 
wird. Betreffs der Mohnkultur und Opiumgewinnung sei auf die Arbeit 
von K. Braun?) und bezüglich der Kautschukpflanzen und zwar speziell 
des Lianen-, Wurzel- und Kräuterkautschuks auf die Studien von 
ZIMMERMANN®) verwiesen. 


Mittel zur Beseitigung der Nachteile schwerer Böden. 


Drainage. Wir haben hierbei nicht nur die tonreichen Böden 
ins Auge zu fassen, sondern auch diejenigen sandigen, deren Korn- 
struktur eine so feine ist, dafs sie so dicht wie Tonboden werden können. 

Von den Mitteln, welche die Praxis zur Erhöhung der Boden- 
lüftung anwendet, verdient in erster Linie die Drainage genannt zu 
werden, welche ebenso nützlich durch die Erleichterung des Luftaus- 
tausches in den Bodenzwischenräumen wie durch die Entfernung 
stagnierender Wassermassen wirkt. Der Drainstrang wirkt nach jedem 
Regen wie ein Luftsaugapparat. Wenn der Regen kommt und die 
Bodenräume ausfüllt, nimmt er die gegenüber der Atmosphäre sauer- 
stoffärmere, aber kohlensäurereichere Luft fort. Da aber der Regen 
durch die Drainstränge schnell aufgesogen wird, strömt ebenso schnell 
sauerstoffreiche Luft von der Oberfläche her in die Poren hinein und 
erhöht somit die Oxydationsvorgänge im Boden und die Tätigkeit der 
sauerstoffbedürftigen Wurzeln und der Mikroorganismen. 

Die Befürchtung, dafs durch die Drainage die Felder an Nähr- 
stoffen verarmen, ist wohl nur selten zutreffend, da die zahlreichen 
Untersuchungen von Drainwässern nur geringe Spuren von durch 
die Krume absorbiertem Kali und Ammoniak sowie von Phorphorsäure 
aufweisen. Salpetersaure Salze allerdings gehen in gröfserer Menge 
verloren; aber dieselben werden bei ihrer leichten Löslichkeit ım nicht 
drainierten Boden ebenfalls teilweis in den Untergrund gewaschen 
werden. 

Nicht zu unterschätzen ist ferner die durch die Drainage an- 
wachsende Erwärmbarkeit der Böden und die dadurch erzeugte Ver- 


1) Warrer Busse, Untersuchungen über die Krankheiten der Sorghum-Hirse. 
Arb. d. Biolog. Abt. f. Land- u. Forstwirtschaft a. Kais. Gesundheitsamte, Bd. IV, 
Heft 4. 1904. 

2) Der Pflanzer, 1905, Nr. 11, 12. 

3) Derselbe 1905, Nr. S—10. 


934 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


besserung der Ernte, von welcher man im allgemeinen sagen kann, 
dafs der nasse ad deshalb kalte Boden nährstoffärmere Produkte 
liefert. Warum der nasse Boden ein kalter ist, ergibt die Betrach- 
tung, dafs, wenn das Wasser eine spez. Wärme —= ] hat, die höchste 
spez. Wärme, die ein Boden überhaupt zeigt, nur —= 0,5 ist, also höch- 
stens die Hälfte derjenigen des Wassers beträgt. Entfernt man also 
durch Drainage den schwierigst zu erwärmenden Körper, so mufs der 
Boden wärmer werden. Vor der Drainage bleibt der Boden im Früh- 
jahr lange kalt, was ein späteres Erwachen der Vegetation, ein späteres 
Keimen der Samen veranlafst. Ein kalter Standort für die j Junge Pflanze 
wirkt doppelt störend, da er eine Verzögerung der Ausbildung gerade 
in einer für die ganze spätere Pflanze matsgebenden Entwicklungsphase 
hervorruft. Die Bewurzelung wird dürftig, das Aussehen siech, und 
spätere günstige Temperaturverhältnisse vermögen den Schaden "nicht 
mehr auszubessern. Als Beispiel mag einer der mit Winterroggen von 
STÖKHARDT!) ausgeführten Versuche dienen. Die Versuchsparzellen unter- 
schieden sich durch Drainage und Bodenlockerung. Eine Parzelle 
war durch etwa 2,5 cm weite Driams in geringer Tiefe durchzogen, und 
zwar derart, dafs an einem Ende des Stranges die knieförmig gebogene 
Röhre schornsteinartig nach der Bodenoberfläche mündete. Diese, 
sowie eine zweite Parzelle ohne Drains waren 50 cm tief eelockert, 
während eine dritte nur 25 cm tief gegraben und nicht drainiert war. 
In Bestätigung früherer, mit Lupinen, "Hafer u. dergl. erhaltener Resultate 
ergab die Ernte, obgleich die Jungen Pflanzen bis zum Frühjahr keine 
Unterschiede zeigten, ein erhebliches Plus auf der drainierten Parzelle. 
Pro Morgen berechnet, betrug die Ernte 


Stroh und In 
Körner Spreu Summa 
kg kg kg 
Parz. I drainiert und 50 cm tief umgegraben 539 1470 2009 
„ lI undrainiert, 50 cm tief gegraben 411 928,5 1339,5 
„ HI undrainiert, 25 cm tief gegraben 338 859,5 1197, 
Körnergehalt Stickstoffgehalt 
pro Schetfel der Körner 
kg 0/0 
Parzelle I 40,80 2,18 
II 39,85 1,83 
III 37,70 1,83 


” 

Über den Nutzen der Drainage zur Entfernung von Eisen 
aus Neubrüchen sagt Pärz?): „Gewöhnlich findet man das Eisen 
unmittelbar unter der Ackerkrume und zwar in der Höhe des gewöhn- 
lichen Grundwasserstandes. Das Grundwasser bringt das Eisen mit 
nach oben und verkittet in vielen Fällen in der gewönlichen Höhe des 
Grundwasserstandes die Sandkörnchen ım Boden derart, dafs man sehr 
oft bei Ansführung einer Drainage einen harten, steinähnlichen, roten 
Boden findet. Durch Herstellung einer richtig systematisch angelegten 
Drainage, wobei die Horizontalen von den Saugdrains rechtwinklig 
durchschnitten, die letzteren mindestens eine Tiefe von 1,2 m haben 
und die Entfernung zwischen je zwei Drains auf das Zehnfache der 


!) Chemische Ackersmann, 1859, S. 232; 1861, S. 100; 1864, S. 22. 
2) Hannoversche landw. Zeit. 1880, Nr. 45; cit. Biederm. Oentralbl. f. Agrik.- 
Chemie, 1880, S. 911. 


2. Unpassende Bodenstruktur. 235 


Tiefe angenommen ist, wird der Grundwasserstand bis zur Tiefe der 
Drains niedriger gestellt und dem Boden oberhalb der Stränge kein 
Eisen mehr zugeführt. Das bereits vorhandene Eisen wird durch die 
atmosphärischen Niederschläge gelöst und den Drainsträngen zugeführt, 
oder es verbleibt dem Boden als unschädliches Oxyd.*“ 

Bodenbearbeitung. Da, wo es sich nicht um die Fortschaffung 
überflüssigen Wassers handelt, werden statt der Drainage das Rigolen 
und Tiefpflügen oft am Platze sein. Dabei wird dann Vorsicht 
geboten erscheinen, wenn auf eine fruchtbare Ackerkrume ein durch 
das Rigolen oder Pflügen an die Oberfläche zu bringender toter Unter- 
grund in Aussicht steht. Aufser jedesmaliger Düngung darf dann mur 
allmähliches Vertiefen der Krume im Laufe mehrerer Jahre stattfinden. 
Da mit einer Vertiefung der Krume die Erweiterung des Wurzelnetzes 
jeder Pflanze und demgemäfs die Erhöhung der Ernte eintritt, also 
auch eine gröfsere Ausnutzung des Bodens stattfindet, so ist eine zu- 
nehmende Düngerzufuhr mit der zunehmenden Bodenlockerung geboten. 

Bei den zur Krustenbildung geneigten, sonst physikalisch nicht 
ungünstig gebauten Böden genügt zur Erhöhung der Bodenventilation 
das Hacken und Behäufeln. Diese dem Landwirt und Gärtner 
kaum genug zu empfehlende Manipulation, die auf jedem Boden Ver- 
wendung finden kann, reguliert die Bodenfeuchtigkeit. 

Manche schöne, praktische Erfahrung über den Vorteil der Boden- 
lockerung finden wir in den Berichten des Sonderausschusses für 
Pflanzenschutz bei der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft. Wir 
entnehmen ein einziges Beispiel, das sich auf vergleichende Versuchs- 
kulturen stützt. MeNxTzeL in Skollmen!) (Östpreufsen) teilte einen mit 
schwedischem Weizen, Eppweizen und Koströmer Weizen im Ge- 
menge bestellten Acker in zwei Teile und hielt eine Hälfte desselben 
durch Aufeggen nach jedem Regen bez. durch Aufgrubbern mit dem 
Federzinken-Kultivator gelockert, während bei der andern Hälfte diese 
Bearbeitung unterblieb. Letztere ergab, obgleich der Boden ein besserer 
war, pro Hektar 21®/; dz, erstere dagegen 26!/a dz. 

Gleichsinnig, wie derartige Lockerung der Bodenoberfläche wirkt 
auch eine Gründüngung, die auf leichtem Boden tief, auf schweren 
Bodenarten flach untergebracht zu werden pflegt. Durch die Grün- 
düngung wird nämlich der kapillare Aufstieg des Wassers aus den 
darunter liegenden Bodenschichten unterbrochen ?). Einerseits wird 
die Erhaltung der Feuchtigkeit in den tieferen Schichten leichterer 
Böden erhalten; andererseits wird bei schweren, nassen Böden für 
eine Aussaat eine gut durchlüftete Krume geschaffen, so dafs die Samen 
normal keimen können. Die aus dem gefährlichsten Keimungsstadium 
herausgetretenen gekräftigten Pflanzen vermögen dann die nach Zer- 
setzung des Gründungs wieder kapillar stärker aufsteigende Boden- 
nässe besser zu überwinden. 

Durchfrieren. Von höchster Bedeutung für die Kultur schwerer 
Böden ist ihre winterliche Lockerung durch gehöriges Durchfrieren. 
Bedenken wir, dafs das Wasser beim Übergang zu Eis eine Vermeh- 
rung seines Volumens um nahezu ein Elftel erfährt, so wird uns klar, 


1) Jahresb. d. Sond.-Aussch. f. Pflanzenschutz. Arb. d. Deutsch. Landwirtsch.- 


Ges., Heft 107, 1905, S. 64. ? R { 
?) Kıse, F. H., Tenth Annual Report of the Agric. Exper. Stat. of Wisconsin, 


1884, S. 194. 


230 l. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


dafs durch die Eiskristalle die dichter liegenden Bodenpartikelchen aus- 
einandergedrängt werden. Da aufserdem die Gesteine von einem Netz 
feiner Spalten überzogen sind, in welche Wasser sich allmählich hinein- 
zieht, so arbeitet der Frost auch beständig an dem Zerfall der festen 
Gesteine und zwar um so intensiver, je öfter Auftauen und Gefrieren 
im Laufe des Winters miteinander abwechseln. Natürlich wird die 
Schnelligkeit der Wirkung von der Bodenbeschaffenheit, bez. dem 
Wassergehalt abhängen; je geringer derselbe ist, desto schneller und 
tiefer werden die Frosttemperaturen eindringen. Somit werden die 
schweren und die Humusböden am langsamsten gefrieren und auftauen. 
Welchen Vorteil die Bodenlockerung durch Frostwirkung gewährt, zeigen 
die Versuche von Worrxy !). Der selbe liefs im Herbst von drei Parzellen 
zwei auflockern und in rauher Furche liegen, während die dritte 
nicht bearbeitet wurde. Diese und eine der beiden anderen wurden im 
Frühjahr umgegraben, während die dritte blofs oberflächlich bearbeitet 
wurde. Es zeigte sich nun, dafs bei den verschiedensten Kultur- 
gewächsen die Erträge der im Herbst nicht in rauhe Furche gelegten 
Parzelle am gering sten waren, während die im Winter in rauher Furche 
durchgefrorene und im Frühjahr noch einmal gelockerte die reichste 
Ernte "gab. 

Bedec kung der Krume. Wir kommen jetzt zu den Vorteilen, 
welche schwere Böden durch das Bedecken der Krume mit 
Streumaterialien erlangen, nachdem wir früher des Schutzes 
solcher Bodenbedeckung bei leichten Böden bereits gedacht haben. 
Der nächstliegende Vorteil ist der, dafs die Deckmaterialien dadurch, 
dafs sie den Schlag der Regentropfen auffangen und das Wasser nur 
leitend der Bodenoberfläche mitteilen, das” Zusammenschlagen der 
Bodenteilchen verhüten und infolgedessen die Krume lockerer halten. 
In Baumschulen keimt die Saat auch gleichmäfsiger auf bedeckten 
Beeten. Das Unkraut wuchert nicht so stark und kann, da es ober- 
tlächlicher im lockeren Boden wurzelt, leichter und vollständiger ver- 
tilget werden. 

In dem porösen Material der Decke erzeugen die starken Luft- 
schwankungen zwischen Tag und Nacht starke Taubildung; der ab- 
fliefsende Tau kommt dem darunterliegenden Boden zugute und be- 
fördert seine Gare. Benutzt man Lohe in 1 bis 1Ys Zoll Höhe, so 
bietet dieselbe im Winter den Saatbeeten eine Decke und im Frühjahr 
Schutz vor dem Eindringen der Fröste und vor dem Zerklüften des 
Bodens. 

Bei Samen- und kleinen Pflanzbeeten wird man gut tun, im Juni 
oder Juli zu begiefsen. Im August wird behackt, und wenn die Lohe 
zu tief unter die Erde kommen sollte, werden nachher die Blöfsen mit 
neuer Lohe bedeckt. Gegen die dabei unvermeidlichen Maikäfer helfen 
Lockhaufen aus aufgeschichteter, sich erwärmender, feuchter Lohe. In 
diese Haufen legen die Maikäfer ihre Eier, und diese Haufen werden 
mit einem Teil der darunterliegenden Erde auf den Wagen geladen 
und mit Braunkohlenasche, Kalk, Gips und organischen Abfällen zu 
einem Komposthaufen verarbeitet, der nach ein bis zwei Jahren auch 
die Engerlinge zum Absterben bringt. — Ein Verfahren, das schliefslich 
hier noch Erwähnung finden dürfte, ist das 


1) Worwsv, E, Über den Einflufs des Winterfrostes auf die Fruchtbarkeit der 
Ackererden. Biedermann’s Centralbl. 1902, S. 301. 


2. Unpassende Bodenstruktur. er 


Aufeggen. 


Über das Aufeggen der Wiesen teilt Anveresa!) sehr beachtens- 
werte Ergebnisse mit. Eine Wiese von gleichmäfsiger Bodenbeschaffen- 
heit und Benarbung wurde in vier gleich grofse Parzellen geteilt: die- 
selben ergaben 

l. nicht geeget und nicht gedüngt 377 kg Heu 


Zen 3 aber gedüngt ae. 
3. geeggt und nicht gedünst ee 
; = > gedüngt Tabus, 9, 


Das Aufeggen der Wintersaaten öffnet nicht nur den ver- 
krusteten Boden wieder, sondern erhöht auch wesentlich die Bestockung. 
Direktor Conkapı?) weist jedoch mit Recht darauf hin, dafs die Egee 
nur dann ‚brauchbar sein wird, wenn die Kruste nicht allzu dick ist 
und der Boden nicht zu bindig erscheint. Auch mufs man, wenn eine 
Verkrustung im Frühjahr vorauszusehen ist, eine verstärkte Aussaat 
eintreten lassen, da das Aufeggen Pflanzen vernichtet, also der Pflanzen- 
bestand verdünnt wird. Darum ist das Aufeggen auch lediglich zur 
Auflichtung von Saaten sehr anwendbar. Die Vergröfserung des Stand- 
raumes für die stehengebliebenen Pflanzen bedingt eine erhöhte Licht- 
zufuhr zu den Basalknoten und die Erweckung der Seitentriebe, sobald 
diese Knoten durch die von der Egge angehäufelte Erde auch feucht 
erhalten und vor zu schneller Verholzung geschützt werden. Wenn die 
Erde bei dem Eggen nicht genügend krümelt, mufs die Walze, am 
besten die Ringelwalze, nachhelfen. Die Walze wird sogar in der 
Mehrzahl der Fälle der Egge folgen müssen, einerseits darum, weil bei 
bindigeren Böden die vollständige Krümelung durch die Egge nicht 
gelingt und anderseits, weil es erforderlich ist, dafs die aufgerissene 
Erde an die Basis der Pflanzen wieder angedrückt werde. Der günstigste 
Zeitpunkt für diese Eggenarbeit hängt von der Entwicklung der Pflanze 
und dem Wassergehalt des Bodens ab. Sind die Pflanzen schon zu 
weit herangewachsen oder herrscht anhaltend trockne Witterung, dann 
sollte das Eggsen unterbleiben oder im letzteren Falle doch niemals 
ohne nachfolgendes Walzen ausgeführt werden. 

Es dürften hier auch einige Worte über die Bedeutung der 
Steine im Boden am Platze sein. Die Untersuchungen von WOLLXNY?) 
haben in dieser Beziehung gezeigt, dafs bei hoher und konstant bleiben- 
der Lufttemperatur (während der wärmeren Jahreszeit) der mit Steinen 
bedeckte und gemischte Boden um ein Geringes wärmer als der von 
Steinen befreite ist. Bei sinkender Temperatur findet ein umgekehrtes 
Verhältnis statt. Während des täglichen Minimums der Bodentempe- 
ratur ist der steinhaltige Boden meistenteils kälter und während des 
Maximums wärmer als der steinfreie Boden. Betreffs der Feuchtig- 
keitsverhältnisse erwies sich die mit Steinen bedeckte Ackererde w ährend 
der wärmeren ‚Jahreszeit feuchter als unbedeckter Boden von sonst 
gleicher Beschaffenheit; der mit Steinen bedeckte Boden läfst grölsere 
Wassermengen hindurchsickern als der unbedeckte. 


ı) Illustr. landw. Vereinsblatt 1880, Nr. 8; eit. in Biederm. Centralbl. f. Agrik - 
Chemie, 1880, S. 693. 

2) Aus „Der praktische Landwirt“ in Fühling’s landw. Zeit., 18>0, S. 151. 

3) Worıxy, Fühlings landw. Zeit. 1880, S. 314. 


238 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


Kalken, Mergeln, Gipsen. 


Die Bedeutung des Kalkes beruht sowohl in seiner chemischen 
Wirkung als direkter Nährstoff, als auch in den die mechanische Boden- 
beschaffenheit ändernden Eigenschaften. Abgesehen von der Be- 
günstigung der Krümelstruktur ist hervorzuheben, dafs in Tonböden 
der Kalk die Silikate angreift und lösliche Kaliumverbindungen frei 
macht. Durch schnellere Zerstörung der organischen Substanzen bringt 
er die Humusstoffe besser zur Verwesung. 

Betrefts der technischen Ausführung des Kalkens wird empfohlen, 
den gebrannten Kalk in Körben so lange unter Wasser zu halten, bis 
keine Luftblasen mehr aufsteigen (etwa drei bis vier Minuten) und dann 
die Stücke auf einen Haufen zu schichten. Sie zerfallen (löschen sich) 
von selbst — und der Kalkstein, der durch das vorhergegangene Brennen 
seine Kohlensäure verloren, wird nun ein weilses Pulver aus Calcium- 
hydroxyd (Ca(OH),) und stellt als solches den gelöschten Kalk dar, der 
sich in 730 Teilen kalten, aber erst in 1300 Teilen kochenden Wassers 
löst (Kalkwasser). 100 Teile gebrannter Kalk entsprechen 132 Teilen 
gelöschten Kalkes, 

Das Kalkpulver ist bei windstillem Wetter recht regelmäfsig mit 
der Hand oder einer passenden Schaufel über den Acker zu verteilen. 
Man tut gut, es im Herbste auf die Stoppel zu streuen und dann flach 
unterzuackern; mufs man bis zum Frühjahr warten, dann streue man 
möglichst zeitig vor der Saat, sobald der Boden abgetrocknet ist. 
Schwächere Dosen (15 bis 30 Zentner pro Hektar) in etwa fünfjähriger 
Wiederholung empfehlen sich mehr als einmalige starke Kalkung, 
weil durch letztere die Humuszersetzung eine so heftige wird, dafs 
die nachfolgende Erntesteigerung auf Kosten späterer Produktion 
stattfindet. Man sagt in der Praxis, Kalkboden sei ein zehrender 
Boden, weil er wegen seiner die Verwesung begünstigenden Eigen- 
schaften den tierischen Dünger schnell verzehrt. 

Natürlich hängt das Quantum des Kalkes vom Boden ab; am 
meisten wird der zähe Tonboden vertragen, während man auf einem 
armen Sandboden am vorsichtigsten sein mufs. Ganz kraftlose oder 
an stehender Nässe leidende Böden darf man nicht kalken. Die am 
schnellsten in die Augen springenden Resultate wird ein kalkarmer 
aber humoser Boden liefern, auf dem Sauerampfer (Itumex acetosella) 
auf Kalkmangel hinweist. Hier wird der Kalk vorzüglich als Pflanzen- 
nährstoff wirken. 

Wenn man örtliche Kalklager verwendet, also etwa Wiesenkalk 
oder Ton- und Leehmmergel oder sogenannte Abfallkalke (Gaskalk, 
Kalkschlamm, Kalkasche), ist es unbedingt empfehlenswert, die Massen 
vor der Anwendung zum Zerfallen durchlüften oder besser noch durch- 
frieren zu lassen. Bei Abfallkalken überzeuge man sich vorher durch 
einen kleinen Versuch, ob sich keine schädlichen Nebenwirkungen 
herausstellen. Nach den Versuchen von Horrmann!) ist zu berück- 
sichtigen, dafs Kalidüngung um so weniger vernachlässigt werden darf, 
je mehr man Kalk zuführt. Bei Stallmistdüngung ist es gut, den Kalk 
längere Zeit vor dieser in den Boden zu bringen. Knochenmehl ver- 
meide man auf kalkhaltigen Böden; desgleichen ist es auch nicht rat- 
sam, Ammoniak und Superphosphat- Ammoniak zu gleicher Zeit mit 


') Mitteilungen der Deutsch. Landwirtschafts-Ges. 1905, S. 367. 


2. Unpassende Bodenstruktur. 239 


Kalk unterzubringen. Auf bindige, tonige Böden gehört gebrannter, 
gemahlener Kalk, auf die besseren Lehmböden Stück- oder gelöschter 
Kalk. 

Betreffs des Kalkbedürfnisses der einzelnen Fruchtgattungen er- 
wähnt Horrmann, dafs zwar die Hülsenfrüchte im allgemeinen als die 
für Kalkdüngung dankbarsten zu bezeichnen sind, dafs aber Lupinen 
und Serradella als kalkfeindlich gelten; auch Wicken vertragen nicht 
gut eine unmittelbare Kalkung oder Mergelung. 

Auch bei dem Mergeln ist der Kalk das wirksamste Prinzip, und 
daraus ergibt sich schon, dafs ein toniger und humusreicher Boden 
das Mergeln besser verträgt als magerer Sandboden, der wiederum 
von Tonmergel mehr als von Kalk- oder Sandmergel bekommen kann. 
Das zum Teil gefürchtete „Ausmergeln“ wird nur dann eintreten, 
wenn man mit der Stallmistdüngung in Rückstand bleibt. Letztere 
ist aber für alle Bodenarten und speziell für die schweren Böden un- 
erläfslich zur Erhaltung leistungsfähiger Acker. Keine Mineraldüngung 
kann Stallmist ersetzen. 

Der Einflufs, den der im Mergel auf den Acker gebrachte kohlen- 
saure Kalk auf die Verwesung der humosen Stoffe ausübt, wird sehr 
deutlich durch die Versuche von PETERSEN!) illustriert. Derselbe be- 
stimmte die durch den Verwesungsprozefs in verschiedenen Bodenarten 
entstehende Kohlensäure ohne und mit Zusatz von kohlensaurem Kalk. 
Bei Anwendung eines als vollkommen unfruchtbar bezeichneten, 
schweren Tonbodens mit 1,930 Humus und 36°/o seiner wasserfassen- 
den Kraft an Wassergehalt erhielt er in 16 Tagen 0,070 vom Gewicht 
des trockenen Bodens an Kohlensäure; dagegen ergab derselbe Boden 
unter denselben Verhältnissen bei Zusatz von !i2 '/o kohlensauren Kalkes, 
der als Mergel dem Ton beigemischt worden war, 0,20% Kohlen- 
säure oder 


pro Liter trocknen Bodens ohne Zusatz von Kalk 0,9153 & 

mit 2 ao In 22610, 
Eine Laubholzerde von stark saurer Reaktion mit 58°%o Humus 
und 30% der wasserhaltenden Kraft an augenblicklichem Wassergehalt 
ergab ohne und mit Zusatz von 1°/o kohlensaurem Kalk (wobei die 
Erde noch sauer reagierte) nach 16 Tagen: ohne Kalkzusatz pro Liter 
trockenen Bodens 0,8911 &, mit Zusatz von 1°/o kohlensaurem Kalk 
3,386 o&. Bei Zusatz von 3°/o kohlensauren Kalkes lieferte der Boden 
5,3476 © Kohlensäure, während die dazu gehörige kalklose Vergleichs- 
reihe nur 0,9664 & CO, erzeugte. Der Kalkzusatz hatte somit eine drei- 
bis viermal so grofse Kohlensäureproduktion, also Humuszersetzung 

hervorgerufen, gegenüber dem Boden im ungemergelten Zustande. 
HEıDden in Pommritz fafst die Wirkung des Mergelns dahin zu- 
sammen: Die chemische Wirkung des Mergels beruht vor allem in 
dem Gehalte desselben an kohlensaurem Kalke und besteht in be- 
schleunigter Zersetzung der organischen Bodenbestandteile, in der 
Bindung der dem Pflanzenwachstum so schädlichen freien Säuren, in 
Verwandlung: des Eisenoxyduls in Oxyd, in Vermittlung der Absorption 
der basischen Nährstoffe durch den Boden. Die Basen werden im 
Boden als wasserhaltige Silikate und als humussaure Salze festgehalten; 
bei der Absorption der Basen durch die Humuskörper müssen diese 


1) Jahresbericht f. Agrik. 1570/72 Landwirtsch. Versuchsstationen, Bd. 13, S 155. 


240 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


Basen an Kohlensäure gebunden vorhanden sein. Die Vermittlung der 
Bildung von kohlensauren Salzen bewirkt der Kalk. Es werden ferner 
die mineralischen Bestandteile des Bodens zersetzt, wodurch die ba- 
sischen Nährstoffe frei und für die Pflanze aufnehmbar gemacht werden. 
Nicht jeder Mergel pafst auf jeden Boden; der Tonboden mufs wo- 
möglich einen Kalk- oder Sandmergel erhalten. 

(Gegenüber diesen indirekten Vorteilen zeigt sich die direkte 
Wirkung des Mergelns in der Zufuhr von Kali, löslicher Kiesel- 
säure, Magnesia, Phosphorsäure, die aufser Kalk in jedem Mergel vor- 
handen sind. 

Einige Worte seien hier auch über das Gipsen angeführt. Bekannt 
sind die Worte FRANKLIN’S „this has.been plastered“, die derselbe mit 
Gips auf das Kleefeld schrieb, um seinen Landsleuten das übrigens schon 
den Römern (Knor, Kreislauf des Stoffes) und Griechen als vorteilhaft 
bekannte Verfahren zu empfehlen. Nach den Versuchen von Kxor, 
DEHERAIN und LiEBIG macht eine Gipslösung in Böden, die absorbiertes 
Kalı enthalten, dasselbe als schwefelsaures Salz frei, während sich 
Kalk niederschlägt. Die von der Praxis empfohlene Methode, den 
Gips auf frisch betaute oder beregnete Kleepflanzen aufzustreuen, er- 
klärt sich dadurch als vorteilhaft, dafs auf den nassen Pflanzen schon 
eine Gipslösung entsteht, die von der Pflanze abtropft und sofort in 
der nächsten Nähe der Wurzeln wirksam werden kann. Sie wird dann 
schnell für die Bakterienflora vorteilhaft, da die Untersuchungen von 
PıcHarn!) u.a. dartun, dafs Gips und andere Sulfate (von Kalium und 
Natrium) auf den Nitrifikationsprozetis einen höchst günstigen Einflufs 
ausüben. Gips ist in ungebranntem Zustande zu verwenden, und zwar 
für Klee oder auch für Lupinen zu 2—5 Zentner pro Morgen im 
Frühjahr. 

Wenn oben von dem die Verwesung begünstigenden Einflusse des 
Kalkhydrats oder Kalkkarbonats gesproc chen worden ist, so mufs noch 
hervorgehoben werden, dafs nach den Arbeiten von WorLxY?) dieser 
Vorteil nur bei dem bereits in Zersetzung übergegangenen und schon 
Humussäuren enthaltenden Material aufzutreten scheint, während der 
Kalkzusatz auf unzersetzte organische Substanz die Verwesung eher 
verzögert. Dies gilt speziell auch für das Caleiumsulfat (Gips), das 
als Konserv ierungsmittel für tierischen Dung in Betracht kommt. In 
einem Gemisch aus Quarzsand (300 g), Torfpulver (5 g) und 60 ccm 
Wasser fand WOLLNY°): 

Volumen Kohlensäure in 1000 Volumen Bodenluft 
ohne Gipszusatz mit 
0,05 & 0,1 
CO, 3,194 3,029 2,71: 


Die Beigabe von Gips hatte sonach den Verlust an organischer 
Substanz und auch an Stickstoff herabgedrückt, also einen hemmenden 
Einflufs auf die Verwesung ausgeübt. Über die Anwendung von Kalk- 
verbindungen als Gegenmittel gegen Krankheiten, bei denen Stickstoff- 
überschufs in Betracht kommt, wird bei den einzelnen Krankheitsfällen 
gesprochen werden. 


'!) Annales agronomiques X, p. 302. 

2) Worıxy, B., Die Zersetzung der organischen Stoffe usw. Heidelberg, Carl 
W inter, I8I977..8: 13: otf. 

=) Journal 1% Tandwitschß, 1886, S. 263. 


3. Die Nachteile der Heideböden. 241 


3. Die Nachteile der Heideböden. 
Die Säuren im Boden. 


Als Heiden erklärt Ramann!) die Formationen feuchterer Gebiete 
der gemäfsigten Zonen, in denen nährstoffarme, sauer rea- 
gierende Böden von zwerghaften Sträuchern, Halbsträuchern, 
Gräsern, Moosen und Torfmoosen, sowie Flechten bedeckt sind. 

Es handelt sich hier um die freien Humussäuren, welche die saure 
Reaktion des Bodens verursachen. Bei der Zersetzung der organischen 
Substanz im Boden, wobei auiser Bakterien auch Mycelpilze sicher 
einen Teil der Arbeit übernehmen (Cephalosporium, Trichoderma usw. 
nach Koxtmg)?), werden Säuren gebildet. Es entstehen Ameisensäure, 
Essigsäure, Buttersäure usw., die in gut durchlüfteten Böden bald 
wieder zersetzt werden. Aufserdem aber bilden die Humussubstanzen 
die noch wenig erkannte Quellsäure mit ihren Salzen (Krenate), die 
in Böden und Wässern reichlich verbreitet, eine gelb gefärbte, stark 
sauere Lösung darstellt und zu einer amorphen Masse eintrocknet. 
Während die Salze der Alkalien und alkalischen Erden löslich sind, 
bleibt ihr Eisenoxydsalz unlöslich. Bei Luftzutritt entsteht aus ihr 
Quellsatzsäure (Apokrensäure), deren Salze schwer- oder unlöslich 
sind. Diesen Säuren und ihren Verbindungen darf man einen grofsen 
Einflufs auf die Verwitterung und den Transport der angreifbaren 
Mineralstoffe zuschreiben®). Rohhumus, Torf und andere stark sauer 
reagierende Bodensubstanzen verlieren auch nach längerem Lagern an 
der Luft nur einen Teil ihrer Säure. Da auch gut durchlüftete Wald- 
böden oft saure Reaktion zeigen, so geht daraus hervor, dals eine 
mangelhafte Oxydation nicht oder doch nur manchmal die Entstehung 
der Bodensäuren veranlafst. Wir werden wohl auch hier die Arbeit 
bestimmter Bakterien als Ursache dieser Säurebildung anzusehen haben. 
Freie Säuren fehlen oft in reichen Böden; ärmere Heideböden sind 
reich daran und verarmen noch mehr. weil durch die freien Säuren 
weitgehende Auswaschungen und Verwitterungsprozesse fortwährend 
stattfinden. 

Betreffs der Empfindlichkeit unserer Kulturpflanzen gegen freie 
Säuren zitiert Ramann die Versuche von MAxwELL*), der mit Y/ıo und 
Y/soprozentiger Lösung von Citronensäure experimentierte. Er fand, 
dafs alle Cruciferen schnell, die Papilionaceen langsamer zugrunde 
eingen. Die Getreidearten litten stark; nur Perlhirse und Mais wider- 
standen. Bezüglich der Humussäuren liegen Erfahrungen von Torr vor, 
wonach die Keimlinge im sauren Moorboden leiden. Im sauren Moor 
wird die Diffusion der Salzlösungen stark aufgehoben. Nach REINITZER 
und Nikıtınsk sind reine Humussäuren zur Ernährung von Bakterien 
und Fadenpilzen ungeeignet; dagegen vermögen die meisten höheren 
Pflanzen einen mäfsigen Gehalt an diesen Säuren zu ertragen. Aus 
unseren Kulturen von Eriken, Azaleen, Rhododendron und anderen 
Ericaceen in Heideerde erfahren wir, dafs eine Anzahl von Pflanzen 
an saure Böden sogar direkt angepafst erscheint. 

Die dunkel gefärbten Humusteile bestehen überwiegend aus Humin 


1) Raıuans, Bodenkunde, II. Aufl. Jul. Springer. 1905. 

2) Koxıns, Arch. neerland. sc. ex. et nat. 1902 II), 9, S. 34. 
3) Rımann, a. a. O. 8. 144. 

#4) Journ. amer. Chem. Soc. 1898, 20, S. 103. 


Sorauer, Handbuch. 3. Aufl. Erster Band. 16 


242 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


und Huminsäure (Ulmin nach Murper). Die Humusstoffe mufs 
man als ein Gemenge einander nahestehender Körper mit und ohne 
Stickstoff ansprechen, die man nach ihrem Verhalten zu Alkalien in 
zwei Gruppen scheiden kann: die braunen, in den verschiedensten 
Lösungsmitteln unlöslichen Huminstoffe quellen mit alkalischen Flüssig- 
keiten auf und gehen allmählich in Humussäuren über. Die in ihrer 
chemischen Zusammensetzung ungenügend bekannten, etwa 59 bis 
63° C und 4,4 bis 4,6°%« H, sowie 35 bis 360 O enthaltenden Humus- 
säuren lösen sich leicht in Alkalien und werden aus ihren Lösungen 
durch stärkere Mineralsäuren wieder ausgefällt. Wenn man sie aus 
sauren Böden (Moorböden) mit Alkalien oder Ammoniak auszieht und 
mit Salzsäure ausfällt, erhält man eine voluminöse gallertartige Masse, 
welche beim Trocknen braune oder schwarze, amorphe Stücke bildet. 
Beim Gefrieren werden die Humussäuren aus ihrer Lösung als dunkel- 
gefärbtes Pulver abgeschieden, das allmählich wieder in Lösung über- 
seht. Ramann betont, dafs die Humussäuren in reinem Wasser etwas 
löslich sind, nicht aber in salzhaltigem. Die Salze der Alkalien und 
des Ammoniaks mit den Humussäuren sind in Wasser löslich, aber 
nicht die der alkalischen Erden (Kalk und Magnesia); doch scheinen 
letztere bei Gegenwart überschüssiger Säuren auch löslich zu werden. 
Humussaurer Kalk wird schnell durch Verwe sung in kohlensauren Kalk 
übergeführt, der neue Mengen von Humussäuren zu binden vermag. 
Der Stickstoffgehalt der humosen Substanzen ist durchschnittlich 
in trockenen Gebieten gröfser als in feuchten. Durch die fortschreitende 
Verwesung wird der in organischer Bindung den Pflanzen schwer zu- 
gängliche Stickstoff in leichter aufnehmbare Verbindungen übergeführt. 


Rohhumus. 


Vorteilhaft und unentbehrlich ist der Humus nur dann, wenn er 
in seinen reinen Lagern oder seinen Mischungen mit dem mineralischen 
Bodengerüst einer ständigen Durchlüftung neben genügender 
Befeuchtung zugänglich ist. Seine Haupteinwirkung auf das Pflanzen- 
wachstum besteht nicht in seinem Nährstoffgehalt und der mineralien- 
lösenden Kohlensäure bei seiner Verwesung, sondern in seinen physi- 
kalischen Eigenschaften. 

Wenn man den Humus mit festen Bodenarten vermengt, lockert 
man sie und macht sie wärmer und leichter bearbeitbar. In Sand- 
böden wirkt der Humus festigend und steigert die Wasserkapazität, 
wodurch die Temperaturschwankungen weniger schroff werden. Diese 
fördernden Eigenschaften, die sich bei der Mischune mit den mine- 
ralischen Bodenbestandteilen ergeben, schwinden, sobald der Humnus 
in einer geschlossenen Schicht dem Boden auflagert, also nicht 
durch reichliche Verwesung und die Arbeit von Mikroorganismen ge- 
krümelt ist. In geschlossen auflagernden Humusdecken ist der Gehalt 
an freien Säuren fast immer ein bedeutender. Diejenigen Waldböden 
sind die besten, in denen die Humussubstanzen am schnellsten zer- 
setzt und verarbeitet werden. In warmen Klimaten geht die Arbeit 
am lebhaftesten vor sich. 

Bei günstiger Humuszersetzung sehen wir in Waldböden die lockeren 
Waldabfälle , welche die Streuschicht darstellen, von geringer 
Mächtigkeit ‘und in unmerklichem Übergange zu einer gekrümelten, 
stärker zersetzten, strukturlosen Humuslage. Fehlen in einer Gegend 


3. Die Nachteile der Heideböden. 943 


die die Verwesung begünstigenden Faktoren, dann erhalten sich die 
Streuschichten, ok nur allmählich zusammen und werden zu einer 
festen, faserigen, humosen Masse, die dem Unterboden aufgelagert und 
mehr oder weniger scharf von ihm getrennt bleibt. Solche Fälle 
lassen sich in armen, namentlich Ortstein führenden Sandböden be- 
obachten. 

Dieser Prozeis, bei dem also die organische Substanz keine erdige 
Beschaffenheit erlangt, wird überall da Auftreten, wo ungünstige Ver- 
wesungsbedingungen” vorhanden sind, also z. B. rs Abschlufs der Luft 
durch Wasser oder umgekehrt durch zu erofse Trockenheit in der 
heifsen Jahreszeit oder in dauernd starken Winden ausgesetzten Lagen. 

Am meisten geneigt zur Bildung derartig faseriger und wenig 
erdiger Humusschichten, deren unzersetzte Bestandteile in dichter 
Masse dem Boden sich auflagern und auf diese Weise den sog. 
„Rohhumus“ darstellen, sind unsere Waldbestände, wo Heidekraut 
(Calluna vulgaris), Preifsel- und Heidelbeeren (Vacernium), die Pteris- 
und Aspidiumbüsche und die polsterbildenden Moose wachsen. Die 
obere Schicht solcher Rohhumuslagen zeigt noch die in ihrer Struktur 
erhaltenen Pflanzenabfälle miteinander verwebt: die tiefere Lage, bei 
der die Pflanzenteile nur noch wenig im einzelnen unterscheidbar sind, 
stellt eine faserige, dunkle, von Wurzeln durchsponnene, humose 
Substanz dar. In feuchten Buchen-, Kiefern- und Fichtenbeständen 
kann solcher Rohhumns torfartig wer den 

Über die Veränderung des” Bodens unter einer Rohhumusdecke 
äufsert sich RaMmann (a. a. 0.8 S. 162) dahm, dafs aufser dem Luftabschlufs 
namentlich die en den schädlichen Faktor bilden. Diese 
wirken auf die unverwitterten Sılikate energisch zersetzend, bringen 
Alkalien und alkalische Erden in Lösung en geben, da zugleich die 
Absorption des Bodens in sauren Lösungen gering ist, Veranlassung 
zur Auswaschu ng des Bodens, also zur Wegführung der löslichen 
Stoffe in gröfsere Tiefen. Wenn Rohhumus auf Sandböden liegt, er- 
scheinen die Körner der obersten Schicht stark ausgebleicht und "milch- 
weils, die eingemischten Silikatgesteine stark verwittert und meist in 
weilses Kaolin umgewandelt. Die an der Öberlläche noch reichlich 
vorhandenen humosen Beimischungen nehmen nach der Tiefe hin immer 
mehr ab, so dafs der Boden eine hellorane Farbe zeigt und nach dieser 
Färbung als Grau- oder Bleisand bezeichnet wird. 

Unterhalb dieser hellgefärbten Schicht findet man in scharfer 
Trennung von derselben einen gelb bis braun aussehenden Boden, der 
llmählich in den tieferen Lagen heller wird. Hier zeigen die Sand- 
körner Beimengungen von Eisenoxyd oder Eisenoxydhydrat. Darauf 
folgt der hoch” wenig durch Verwitterung angegriffene w eilse, rohe 
Sand. Die oberste humose Bodenschicht erweist sich nun als die am 
stärksten verwitterte und durch Auswaschung verarmte Lage. Wenn 
die Auswaschung einer solchen obersten Bodenlage durch den Einflufs 
des aufselagerten Rohhumus bis zu einem gewissen Grade vollendet 
ist, mufs die Einwirkung der Bodensalze auf die löslichen Humus- 
säuren aufhören; die Säuren bleiben nun in Lösung und können in 
tiefere Bedenschichten vordringen. Kommen sie dann wieder in Be- 
rührung mit löslichen Salzen, werden sie zur Ausfällung gebracht und 
überziehen zunächst die einzelnen Bodenkörner mit einer strukturlosen 
Schicht organischer Stoffe. Unter dem Mikroskop fand ich die Sand- 
körner mit. braunen, landkartenähnlichen Zeichnungen bedeckt. Wenn 

16 * 


244 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


dieser Vorgang andauert, verkitten schliefslich die ausgeschiedenen 
organischen Substanzen die einzelnen Sandkörner zu zusammen- 
hängenden Schichten unterhalb des Bleisandes: es ist Ortstein ent- 
standen, 

Ortstein. 

Nach der im vorigen Abschnitt gegebenen Erklärung Ramann’s über 
die Entstehung des Ortsteins ist dieser also en Humussandstein. 
Derselbe kommt in verschiedenen Formen vor, und zwar zunächst als 
„Branderde“ oder „Orterde“, die eine weiche, zerreibliche Form 
darstellt und grofsen Gehalt an organischen Massen aufweist; sie bildet 
sich in reichen Böden, welche noch wenig ungünstig verändert sind. Der 
eigentliche Ortstein ist eine feste, steinartie harte Masse, die auf noch 
zerreiblichen oder losen Bodenschichten auflagert, einen mittleren Ge- 
halt an organischen Stoffen und eine braune "bis schwarze Farbe be- 
sitzt. Es ist dies die in Norddeutschland verbreitetste Form (Lüne- 
burger Heide). Aufserdem gibt es noch heller braun gefärbten Ort- 
stein, der sehr fest und zähe ist und nur geringe Mengen von organi- 
schen Stoffen besitzt. Diese ist die härteste, der Bodenbearbeitung 
am meisten Widerstand leistende und nicht selten in grofser Mächtig- 
keit auftretende Form. 

Zur Beurteilung der Auslaugungsvorgänge diene eine Analyse, 
welche GRAEBNER!) aus RAMANN'S Arbeit (Die Waldstreu, Berlin 1890, 
S. 30) entlehnt hat. Der Ortsteinboden in der Oberförsterei Hohen- 
brück in Pommern enthielt in seinen verschiedenen Schichten: 

a) Bleisand, der 15 bis 20 em Mächtiekeit besafs und 1,05 °/o 
organischer Stoffe enthielt): Der Ruckstundee 

in Salzsäure löslich Salzsäure unlöslich 


Kali. 45... 7m %- 90.0076 Prozentdes Bodens 0.613 


(Natron 0,0111 0,167) 
Kalk 0,0110 0,060 
Magnesia > 0,0026 0,020 

(Mane: anoxyduloxy ad 0,0032 0,060) 
Eisenoxyd 0,0964 0,450 
Tonerde 0,0268 1.650 
Phosphorsäure 1120,0058 0,043 
(resamtgehalt ausschliefs- 

lich Kieselsäure . 0,1646 2,068 


b) Ortstein, 5 bis 8 cm mächtig 


ee 7.280) ) or Stoffe: 


Kali 0,0178 0,754 
(Natron . 0,0033 0,360) 
Kalk 0,0194 0,170 
Magnesia 0,0137 0,028 
( Mang SanoXxy duloxy d 0,0044 0,047) 
Eisenoxyd. 0,1936 0,690 
Tonerde 1.5266 et 
Phosphorsäure ; 0.2956 0 

Mineralstoffe ausschlie: 
lich Kieselsäure . 2,0744 4,411 


1) Pıun Grarsser, Handbuch der Heidekultur. 


1904. S. 194. 


Leipzig, Wilh. Engelmann, 


2) Rıuann gibt in seiner „Bodenkunde“ 1905, S. 16€, dieselben Analysen ohne 


die hier in Klammer gestellten Bestandteile wieder. 


3. Die Nachteile der Heideböden. 945 
c) Der unter dem Ortstein liegende gelbbraune Sand: 


Der Rückstand in 
in Salzsäure löslich Salzsäure unlöslich 


Kal en er ER 0085 Prozentdes Bodens 1,103 
Brom ee OS Re cs en 0,028) 
ee 4 s 0,225 
Meemestar u eat a UM er... 0,064 
(Maasanoxyduloxydı 220. .000B87 er... 0,026) 
Bisenuzyd ae Dean re Mey. 0760 
merder #2 EAODEe ,  3,210 
Phosphorsaure?. . ,. 7. 290, 0Sa Te re "0,043 
Mineralstoffe ausschliefs- 

heh Kıeselsaure,. '. .. U0DBOR Re. 9,988 


Wir ersehen aus vorstehenden Zahlen, dafs der Bleisand nicht nur 
seinen Gehalt an löslichen Stoffen durch Auslaugung verloren hat, 
sondern dafs auch der eröfste Teil der überhaupt Nährstoffe ent- 
haltenden Gesteinsreste durch Verwitterung zersetzt und abwärts ge- 
spült worden ist. 

Es ist also Tatsache, dafs gewisse Bodenschichten in Wäldern 
und (den meist aus solchen Bodenschichten hervorgegangenen) offenen 
Heiden verarmen. Wirtschaftlich bedeutungsvoll wird dieser Vorgang, 
wenn der Verarmungsprozefs die Nährstoffzufuhr übersteigt, welche 
durch die Verwitterung und den jährlichen Laubfall geliefert wird. 

Vom eigentlichen Ortstein zu unterscheiden ist der Raseneisen- 
stein; letzterer ist in einer Säurelösung, namentlich Salzsäure, un- 
löslich, während Ortstein sich reichlich auflöst. 

Namentlich in den humosen Heideböden, wo die Rohhumus- 
ablagerung zur Ortsteinbildung führt, werden zwei Hauptschädigungs- 
faktoren in Betracht kommen: der Sauerstoffmangel durch die Boden- 
verdichtung und der Gehalt an Humussäuren. Uber die Vorgänge bei 
Sauerstoffabschlufs ist bereits an anderer Stelle (z. B. S. 99) berichtet 
worden. Hier haben wir nur noch die Humussäuren in Betracht zu ziehen. 
Diesem Punkte widmet GRAEBNER!) die erwünschte Aufmerksamkeit. 
Anknüpfend an die Untersuchungen von Worr?), der das Welken der 
Blätter und deren schliefslichen Tod infolge des Aufenthaltes der 
Pflanzenwurzeln in einem mit Kohlensäure übermäfsig beladenen Wasser 
beobachtete, citiert er die zu gleichen Resultaten führenden Versuche 
von Mıxwern®) über die Citronensäure und von Torr und Brank über 
die Humussäuren; daran schliefst eine Äufserung von Ramann über die 
Ursache, weshalb eine verlangsamte Diffusion in sauren Böden stattfindet. 
Es kann nämlich entweder die colloidale Beschaffenheit der Moor- 
substanzen die Diffusionsfähigkeit herabdrücken, und es werden durch 
Neutralisieren mit Kalk die colloidalen Stoffe ausgefällt, oder es liegt 
eine direkte Wirkung der Humussäuren vor. Bedenkt man die Er- 
fahrungen über den Einflufs geringer Steigerungen von Säuren auf das 
Protoplasma®), dessen Strömung dadurch sistiert wird, so wird man 
als Hauptsache wohl die direkte Säurewirkung betrachten müssen. Es 
liegen auch spezielle Beweise darüber vor, dafs die Transpiration durch 


1).A. a. O. S. 228. 

2) Tagebl. Naturf. Vers., Leipzig 1872. 

3) Journ. Ann. Chem. Soc. XX (189), S. 103. 
4) Pierrer, Pflanzenphysiologie II. Bd., 1904, S. 798. 


246 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


Säuren (Weinsäure, Oxalsäure, Salpeter- und Kohlensäure usw.) ver- 
langsamt, durch Alkalien (Kali, Natron, Ammoniak) beschleunigt wird '). 
Man kann also mit ScHIMPER sagen, dafs die Pflanzen in stark saurem 
Boden an physiologischer Trocknis leiden werden, selbst wenn 
viel Wasser vorhanden ist. Nun kommt hinzu, dafs die grofse, wasser- 
haltende Kraft des Humus das mechanische Abreifsen des Wassers von 
den Bodenpartikelchen weit mehr der Wurzel erschwert, als wenn 
sie in Sandboden wüchse. Man sieht Pflanzen in Torfboden oder Lehm- 
boden schon bei einem Pro- 
zentsatz an Wasser welken, 
bei welchem sie in Sand- 
boden noch vollständig 
frisch bleiben, wie die Ver- 
suche von Sachs ?) bereits 
dargetan haben. 

Zum Ausdruck gelangen 
alle diese Bodenschädigun- 
gen am meisten bei den 

Kiefernkulturen, welche 
(GRAEBNER besonders ein- 
gehend behandelt?). 

Er sah in Kiefernscho- 
nungen, welche einige Jahre 
leidlich gediehen waren, zu- 
nächst den Maitrieb noch 
normal sıch entwickeln, dann 
aber plötzlich bei Eintritt 
der Sommertrocknis eine 
graugrüne Färbung anneh- 
men. Wenn die Trocken- 
periode anhielt, begannen 
die Triebe sich zu krümmen; 
auch die vorjährigen Nadeln 
wurden stumpf und braun, 
und in vielen Fällen ver- 
Fig. 29. Ortsteinkiefer aus der Lüneburger Heide, trockneten die Bäumchen in 
nach der Bildung des Ortsteins erwachsen. wenigen Wochen. Bei dem 
ah ind och ann Nachgrabon im Boden zeigte 

sich, dafs unter den Wur- 
zeln oder um die noch ziemlich dünnen Wurzeln herum sich Ortstein 
gebildet hatte. 

In Ergänzung seiner Beschreibung gibt GRAEBNER in den beistehenden 
Figuren ein Bild der Wurzelentwicklung auf Ortsteinböden. Wir sehen bei 
der in Figur 29 dargestellten Kiefer die kräftigsten und längsten Wurzeln 
unweit der Bodenoberfläche parallel zu derselben ausgebreitet, so dafs 
die Ernährung durch den Rohhumus und den nährstoffarmen Bleisand 
erfolgen mufs. Die Folge ist — da in nährstoffarmen Lösungen die 
Wurzelentwicklung gröfser als in konzentrierteren ist — ein weites 


!) Prerrer, Pflanzenphysiologie I. Bd., S. 231. 
?2) Sacns, Handb. d. Exp.-Physiol., Leipzig 1865, S. 173. 
®) GRAEBNER, R., Handbuch der Heidekultur, Leipzig 1904, W. Engelmann, S. 231 


3. Die Nachteile der Heideböden. 247 


Ausgreifen der Wurzeläste, die im vorliegenden Falle, wie GRAEBNER 
beobachtet hat, mehrere Meter lang und wenig verzweigt erscheinen: 
die oberirdische Achse ist dabei kaum einen Meter hoch. Die Nähr- 
stoffarmut im Verein mit dem im Bleisande leicht hochgradig 
werdenden Wassermangel sind die Ursache einer schliefslich ein- 
tretenden Gipfeldürre. 

Fig. 30 zeigt das Wurzelwachstum einer Eiche. Die Eiche war, 
nachdem man die Ortsteinschicht künstlich durchbrochen hatte, ge- 
pflanzt worden. Aber die Ortsteinlage hatte sich später wieder ge- 
schlossen, und der von der Luftzufuhr nahezu abgeschlossene Wurzelteil 
in g hatte sein Wachs- 
tum fast eingestellt. An 
diesem Teile konnten 
keine oder fast keine 
Mykorhizen gefunden 
werden. 

An solche Erschei- 
nungen knüpft GRAEB- 
NER folgende Betrach- 
tung. Wenn der Ort- 
stein unterhalb der 
Wurzeln lagert, ist die 
über ihm liegende Erd- 
schicht selbstverständ- 
lich grofsen Feuch- 
tigkeitsschwan- 
kungen ausgesetzt 
und dorrt in Trocken- 
perioden so stark aus, 
dafs die Pflanzen aus 
Wassermangel zu- 
runde gehen. In der- 
artigen Fällen zeigen 


aber die = flanzen, die Fig. 30. Eiche aus der Lüneburger Heide nach Durch- 
ganz in dem Bleisande brechung des Ortsteins gepflanzt. Die Ortsteinschicht 


DS 


1% 


ech ch + Ve AN 
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j fi PR a 17 
BEREITETE N ' FE 
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ERTRBENIERT FEINEN REN DD ERNREE a 


wurzeln, ein allmählich hat sich später wieder a 
n r Rohhumus, 5b eine 20 cm mächtige Bleisandlage, o Ortstein, 
durch kurze, gelbe 9 gelber Sand. (Nach GRAEBNER.) 


Nadeln sich kenntlich 

machendes, kümmerliches Wachstum. Wenn sich der Ortstein aber direkt 
um die etwa stricknadeldicken Wurzeln, die in den besseren Boden ein- 
gedrungen waren, herumlegt, dann prefst er sie und veranlafst knotige 
Anschwellungen. Dasselbe findet statt, wenn die Wurzeln durch eine 
Spalte in der Ortsteinlage in den besseren Untergrund gelangen. Solche 
mechanischen Einschnürungen stören das Weiterwachsen dieser Wurzeln. 
Der Baum ist also im wesentlichen auf den oberhalb der Ortsteinschicht 
liegenden Wurzelapparat angewiesen. , Derselbe arbeitet während der 
Frühjahrsfeuchtigkeit normal und gestattet einen günstigen Frühjahrs- 
trieb, mufs aber seine Arbeit einstellen, wenn ein heifser Sommer den 
Boden austrocknet. GRAEBNER sah die Wurzelspitzen schrumpfen 
und verharzen oder gänzlich absterben. Bei stärkeren Bäumen mufs nach 
Wiedereintritt von Feuchtigkeit Zeit und Material zur Neubildung von 
Wurzeln verwendet werden; dieser Zeit- und Stoffverlust macht sich 
bei dem Wachstum der oberirdischen Achse bemerkbar und veranlafst 


248 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


im Verein mit den Folgen der Trockenperiode zum grofsen Teil das 
kümmerliche Wachstum der Heidekiefern. Sobald die Feuchtigkeits- 
verhältnisse nicht mehr so extremen Schwankungen unterworfen sind, 
was schon durch ein Vermengen des aufliegenden Rohhumus mit dem 
unterliegenden Sande geschieht, werden die Kulturen besser. 


a abgestorbene 
spitzen, 

k scharfwinklig gewach- 
sene Zweigstelle, 

k' bogig gekrümmte 
Zweigstelle, 

f Frostwunde am Ast- 
ablauf, 

f Frostwunde in Form 
des offnen Krebses mit 
gezontem Holzkörper, 

hı auf die Ortsteinschicht 
aufgestolseneWurzeln. 


Zweig- 


Fig. 31. Moorkiefer mit flachstreichenden Wurzeln aus der Lüneburger 
Heide. (Orig.). 


Meist bildet sich bei Kiefern auf Hochmoorboden eine Krumm- 
schäftigkeit aus!). Doch geben diese Krüppelkiefern Samen, die nach 
Trockenlegung der Moore geradwüchsige Stämme liefern. Auch über Pinus 


1) y. Sırvers, Über die Vererbung von Wuchsfehlern bei Pinus silvestris. Forstl.- 
naturwiss. Zeitschr. 1896, Heft 5. 


3. Die Nachteile der Heideböden. 249 


montana äufsern sich SCHRÖTER und KircHNER?!), dafs dieselbe auf allzu 
nassen Stellen des Hochmoors in reduzierten Krüppelformen (Kusseln) 
auftrete, aber nach Bodenentwässerung sich erhole. Solche „Kusseln‘“ 
bildet unsere Kiefer auch auf nassen Wiesen. In den von mir beobach- 
teten Fällen kam diese Wuchsform dadurch 
zustande, dafs die Gipfelknospe der Haupt- 
triebe unter Insekten- und Pilzbeschädigung 
verharzt und nun unterhalb derselben sich 
eine Anzahl kurzbleibender Triebe (zum 
Teil Rosettentriebe) entwickelt. 

Fig. 31 stellt eine 48 jährige Kiefer dar, 
welche aus der Lüneburger Heide stammt 
und Herr Dr. GRAEBNER mir freundlichst zur 
Verfügung gestellt hat. Die Höhe des ganzen 
Baumes einschliefslich der Krone betrug, 
vom Wurzelhals gemessen, 74 cm; Stamm- 
höhe bis zum ersten Astansatz 39 cm; 
Stammumfang unterhalb des untersten 
Astes 8,3 cm; durchschnittliche Länge der 
Nadeln 2 cm. 

Die Benadelung des ganzen Baumes 
ist eine äufserst spärliche. Es sind nur 
noch die Nadeln des letzten Triebes vor- 
handen; die älteren sind alle abgefallen. 
Die Zweige sind stellenweise stark ver- 
dickt und infolge von Frostbeschädigungen 
aufgeplatzt. Die senkrecht absteigende 
Pfahlwurzel ist bis zu ihrer horizontalen 
Umbiesung 8 em, der stärkste horizontale 
Wurzelast 15 cm lang. Der Astwuchs ist 
sparrig, und die Zweige zeigen scharfe 
Knickstellen (4) und vielfach abgestorbene 
Spitzen (a). Die Knickstellen oder bogen- 
artigen Krümmungen (/’) kommen dadurch 
zustande, dafs die Aste sowie der Haupt- 
stamm einseitig krebsartige Frostwunden 
erhalten haben, und diesen auf der 
Gegenseite vermehrte Holzbildung und 
Streckung entspricht. Intensivere, mehr als 
halben Achsenumfang umfassende Frost- mW 
wunden finden sich bei f und f’. In der Fig. 32. Krebsartige Wund- 
Figur 32 ist die Stelle f' am Hauptstamm stelle der Moorkiefer. 
in natürlicher Gröfse wiedergegeben, um c das (tiefstliegende) Wundcentrum ; 

1 = t terassenförmig ansteigende Wund- 
zu zeigen, wie, entsprechend dem „offnen ränder, wobei die jüngsten, j, am 
Krebs“, die Wundfläche aus vielen, äufserst stärksten gewulstet sind und die 


r 


S sie deckende alte Rinde, r, in spar- 
schmalen, terrassenartig zurücktretenden rigen Stücken abspreneen; m an 
n = = ster äulsers I R 
Überwallungsrändern der einzelnen Jahr- 1 Flechtenansiedlungen. (Orig.) 


gänge besteht. 3 4 
Dem sparrigen, dürftigen Zweigwuchs bei Fig. 31 entspricht ein 

ebenso sparriger Wurzelkörper, der seinem natürlichen Streben, mit der 

Hauptpfahlwurzel senkrecht abwärts zu gehen (vergl. Fig. 5 u. 6, 8. 92), 


1) Lebensgeschichte der Blütenpflanzen Mitteleuropas, Heft III, 1905, S. 222. 


250 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 
nicht folgen konnte, sondern die Wurzeläste flach in den oberen Boden- 
schichten und den Moospolstern ausbreiten mufste. Die untersten 
Wurzeläste sind im scharfen Knick zum Teil aufwärts gebogen, wahr- 
scheinlich weil sie anf eine Bodenschicht von Ortstein oder ähnlicher 
Undurchdringbarkeit gestofsen sind. 

Sehr interessante Abbildungen von Krüppelformen der Kiefern, 
welche der Pinus silvestris f. turfosa Willk. entsprechen, gibt WEBER!) 
in seiner eingehenden Studie über das Hochmoor von Augstumal im 
Memeldelta. Bei dieser Gelegenheit werden auch die Krüppelbirken 
beschrieben, deren Wurzeln wie diejenigen der Föhren stets eine vor- 
züglich entwickelte Mykorhiza erkennen liefsen. Der gewöhnlich nur 
wenige Uentimeter dicke Stamm ist meist knorrig verbogen und unten 
mit einer rissigen Borke versehen, was bei so kleinen Bäumchen 
sehr auffällig ist. Dazu kommt, dafs diese kleinen, meist nur etwa 
1,5 m hohen Birken eine gut abgesetzte Krone bilden. Die Haupt- 
wurzel dringt durchschnittlich nur 15—20 cm tief in den Boden ein 
und biegt dann zur Seite, um parallel mit der Bodenoberfläche zu 
laufen. Die seitwärts ausstreichenden Wurzeln erreichen das Drei- bis 
Vierfache der Länge des Stammes. Am besten gekennzeichnet wird 
das Wachstum auf dem Hochmoor durch ein Beispiel von Betula 
pubescens, das WEBER?) beschreibt. Der oberwärts weifsfaule Stamm war 
1,5 m hoch; der entrindete Holzkörper über dem Wurzelhalse hatte 
etwa 34mm Durchmesser und zeigte 5l Jahresringe, von denen die letzten 
ll zusammen nur 0,9 bis 2,6 mm breit waren. Das Bäumchen fing 
eben an, wipfeldürr zu werden, und war bis 30 cm hoch über dem 
Wurzelhalse mit Sphagnum medium und aecutifolium überwachsen, 

Für die Kultur handelt es sich nun darum, nicht nur die Ortstein- 
schichten zu durchbrechen, sondern dieselben auch an die Boden- 
oberfläche zu bringen. An der Luft zerfallen sie zunächst zu einem 
braunen, durch Verwitterung der organischen Bestandteile allmählich 
heller werdenden Sande. Durchfrieren des Ortsteins beschleunigt diesen 
Vorgang aufserordentlich. Der Zerfall pflegt um so rascher einzutreten, 
je höher der Gehalt an organischen Stoffen ist. Braungefärbte (humus- 
reiche) Ortsteine sind meist in Jahresfrist, hellgefärbte (humusarme) 
dagegen oft erst in 2 bis 4 Jahren zerstört. 


Die Bodenvergiftung durch Schwefelmetalle. 


Als Schädigungsfaktor für das Pflanzenwachstum kommt in erster 
Linie das Schwefeleisen als Schwefelkies (und rhombisch 
kristallisiert als Markasiıt) in Betracht, da es eine der verbreitetsten 
Ausscheidungen bei Moorbildung ist. In den Mooren selbst ist das 
Schwefeleisen weniger anzutreffen, als in dem unterliegenden Sande 
und an der Grenze zwischen organischer Ablagerung und Untergrund. 
Wenn Schwefelkies verwittert, entsteht unter Oxydation und Aufnahme 
von Wasser schwefelsaures Eisenoxydul (Eisenvitriol) und freie 
Schwefelsäure (FeS? + 07 + H?O = FeS0* + H?SOt.) 

Der Eisenvitriol oxydiert unter Bildung basischer Salze zu Eisen- 
oxyd; bei Gegenwart genügender Mengen von kohlensaurem Kalk ent- 


') C. A. Weser, Über die Vegetation und Entstehung des Hochmoors von 
Augstumal im Memeldelta usw. Berlin. Paul Parey, 1902, S. 40 ff. 
A) ara ODE 


3. Die Nachteile der Heideböden. 251 


steht schwefelsaurer Kalk (Gips). Wenn kohlensaures Eisenoxydul 
auftritt, geht dieses unter Verlust der Kohlensäure und Aufnahme von 
Sauerstoff in Eisenoxyd oder Eisenoxydhydrat über. Die Eisenoxyd- 
hydrate veranlassen bekanntlich die gelbe bis braune Farbe der Böden 
und zeichnen sich durch eine starke Absorption für Gase (Kohlen- 
säure, Stickstoff usw.) aus. Zu ihnen gehört der Brauneisenstein, 
(Fe’[OH]®), der den umliegenden Sand verkittet!. In den Moor- 


be) er . 
gegenden werden aber die schwefelkieshaltigen Schichten durch Wasser 


o- 
und die stark reduzierende Wirkung der Moorsubstanz oftmals gar nicht 
zum Oxydieren kommen, weil sie keinen Sauerstoff erhalten können. 

Die hauptsächlichste Schädigung, die vom Schwefeleisen zu fürchten 
ist, wird darin zu suchen sein, dafs die bei der Verwitterung sich 
bildende freie Schwefelsäure durch vorhandene Basen nicht gebunden 
werden kann. In der Regel ist kohlensaurer Kalk im Boden, so dafs 
sich Gips bilden kann; manchmal entsteht wohl auch Alaun oder 
schwefelsaure Magnesia. Letztere im Übermafs können ebenfalls schäd- 
lich wirken. Ich sah bei Versuchen durch überreiche Zufuhr von 
Alaun die Fleckennekrose bei Gerste auftreten. Wenn aber die Basen 
fehlen, wird die freie Schwefelsäure direkt als Pflanzengift zur Wirk- 
samkeit gelangen. 

Wird bei den Meliorationsarbeiten die schwefelkieshaltige Schicht 
an die Bodenoberfläche gebracht, mufs dieselbe zunächst unfruchtbar 
bleiben. 

Bisweilen können auch schon die oberen Lagen der Moore Schwefel- 
eisen enthalten, wie aus einer Arbeit von Mınssen?) hervorgeht. Er 
fand in einer Probe aus Schlesien an wasserlöslicher Schwefelsäure 
7.286 %/o der Trockensubstanz, und zwar 3,040°%o als schwefelsaures 
Eisenoxydul und 3,346%0 als freie Schwefelsäure an der Oberfläche 
und annähernd doppelt so viel in den tieferen Schichten, abgesehen 
von grofsen Mengen noch unverwittertem zweifach Schwefeleisen. 
Die hier charakterisierte Fläche war später auf 62 cm Tiefe abgetorft 
worden, so dafs die reich mit Schwefeleisen durchsetzten unteren 
Schichten freigelegt wurden. Die Oxydation des Schwefelkieses hatts 
zur Bildung so grofser Mengen pflanzenschädlicher Verbindungen ge- 
führt, dafs eine landwirtschaftliche Nutzung des Moores auf absehbare 
Zeit unmöglich erschien. Ein solcher Fall mahnt zur Vorsicht bei 
Abtorfung von Niederungsmooren. 

Die Frage über die Schädlichkeit des schwarzgefärbten, aus 
Ellerbrüchen der Forsten auf die Wiesen abfliefsenden Wassers 
ist durch KLIrn®) in eingehender Weise behandelt worden. In einem 
speziellen Falle, der zu Beschwerden gegen den Forstfiskus Ver- 
anlassung gab, war das aus dem Forst kommende Wasser braun, dick- 
flüssig und teilweis übelriechend. Es enthielt in 100000 Teilen, 31,25 
Teile organische Substanzen (Humussäuren usw.) und 17,59 Teile Mineral- 
substanzen, darunter 7,81 Teile Kalkerde, 3,07 Teile Eisenoxyd usw. 
Hier waren die Humussäuren der verderbliche Faktor. Es wird nun in 


1) Rıumans, Bodenkunde, 1905, S. 87. 1 / 
\ 2) Mitteilungen d. Ver. z. Förderung der Moorkultur im Deutsch, Reich, 1904, 
El, 
®) Ku, Die nachteilige Einwirkung des aus Eller-Brüchen und Torfmooren 
koınmenden schwarzen Wassers auf die Wiesen. Königsberger land- und forst- 
wirtschaftliche Zeitung 1879, Nr. 28; eit. in Biedermann’s Centralbl. f. Agrik.- 
Chemie, 1880, S. 568. 


259 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


ähnlichen Fällen darauf ankommen, auf welche Bodenart solche Bruch- 
wässer abtliefsen. Gelangen dieselben auf eisenschüssige Böden oder 
solche mit Tonuntergrund, werden sie besonders schädlich sein, während 
ein kalkreicher Boden durch die ihm eigene beschleunigte Zersetzung 
des Humus eher eine Überflutung aus den Erlenbrüchen, wie solche im 
Frühjahr bei Hochwasser vorkommt, vertragen kann. Immerhin sind 
solche Wasser als Berieselungs- und Stauwasser zu vermeiden. 

Die Bildung eisenschüssigen Sandes beruht auf Ausscheidung 
von Eisenoxydhydrat und Eisensilikaten. Gemische von Eisenoxyd- 
hydraten mit wechselnden Mengen von kieselsauren und phosphor- 
sauren Eisenoxyden stellen auch das sogenannte Wiesenerz oder den 
Raseneisenstein dar. Die Verbindung entsteht in Mooren, stehen- 
den Gewässern und anderen Orten, wo eisenhaltige Wasser mit der 
Luft in Berührung kommen, unter Mitwirkung von Bakterien (Eisen- 
bakterien nach WıINoGrADSKI!). Neuerdings ist man geneigt, die Mit- 
wirkung von Mikroorganismen geringer anzuschlagen ?). 


Die Frostempfindlichkeit der Moorbodenvegetation. 


Bei den in Kultur genommenen Moorböden ist die besondere Frost- 
empfindlichkeit gegenüber den anderen Bodenarten durch vielfache Er- 
fahrungen erwiesen. Dabei zeigen sich wesentliche Unterschiede, je 
nachdem der Moorboden eine Sanddecke erhalten oder mit Sand ge- 
mischt ist. Wortxy?) fand bei seinen Versuchen, dafs letzterer bessere 
Produktion zeigte als ersterer, bei dem der Grundwasserstand höher 
war. Statt des Sandes hat sich auch eine Bedeckung mit Ton vorteil- 
haft erwiesen. Bei Wiesenkulturen empfiehlt FLEISCHER ®), falls zu starke 
Entwässerung eingetreten, eine Bedeckung mit feldspatreichem Sand 
oder Lehm oder Klei zur Vermeidung eines allzustarken Austrocknens. 

JUNGNER?) führt mehrere Beispiele aus der Provinz Posen an, bei 
denen solche Moorfelder, die nicht mit tonhaltigem Boden bedeckt 
worden waren, ein zweimaliges gänzliches Abfrieren der Kartoffeln 
und der Sommerung zeigten, während die bedeckten keinen besonderen 
Schaden erlitten hatten. 

Diese Erfahrung weist schon darauf hin, dafs wir die Haupt- 
schädigungsperiode betreffs der Frosterscheinungen bei Moorböden ım 
Frühjahr zu suchen haben. Für Baumkulturen wird dies erklärlich, wenn 
wir bedenken, dafs die Humusböden in der kalten Jahreszeit meist einen 
Überschufs an Feuchtigkeit haben. Der feinporige Humus wird, mit 
Wasser gesättigt, sich im Herbst langsamer abkühlen als minder wasser- 
reiche Böden, sich aber im Frühjahr auch viel langsamer erwärmen. 
Je länger die Wurzeln aber ein warmes Medium finden, desto länger 
bleiben sie in Tätigkeit und pressen um so mehr Wasser in die ober- 
irdische Achse. Die auf Moorboden mit ihrer verdünnten Nährstoff- 


1) Winosrapskt, Über Eisenbakterien. Bot. Zeit. 1888. S. 260. 

®) E. Rorn, Die Moore der Schweiz, unter Berücksichtigung der gesamten 
Moorfrage. Leopoldina 1905, Nr. 3, S. 34. 

3) Worrsy, Untersuchungen über die Beeinflussung der physikalischen Eigen- 
schaften des Moorbodens durch Mischung und Bedeckung mit Sand. II. Mitteil. 
Forsch. a. d. Geb. d. Agrik.-Physik, 20, 1897/98, S. 187. 

*) Freıscher, M., Uber die zweckmäfsige Behandlung von Moorwiesen; cit. 
Biederm. Centralbl. f. Agrik.-Chemie, 1883, S. 137. 

5) Zweiter Jahresber. d. Sond.-Aussch. f. Pflanzenschutz für 1904. Arbeit. d. 
Deutsch. Landw.-Ges, Heft 107, Berlin 1905, S. 61. 


3. Die Nachteile der Heideböden. 253 
lösung an und für sich schon schlecht wachsenden Bäume gehen mit 
grolsem Wassergehalt ihrer Gewebe in den Winter. Je wasserreicher 
und plasmaärmer die Gewebe sind, desto frostempfindlicher sind sie, 
gleichviel ob es sich um die Wirkungen von Winterfrost oder Früh- 
Jahrsfrost handelt. Daher die häufige und starke Frostbeschädigung 
bei Moorkiefern, wie sie oben bei dem Exemplar aus der Lüneburger 
Heide sich dargestellt findet. 

Für die kurzlebigen Feldgewächse werden diejenigen Frühjahrs- 
fröste am gefährlichsten, welche durch Strahlung entstehen, was man 
leicht dadurch erkennen kann, dafs die durch die "Kälte her vorgerufenen 
Verfärbungserscheinungen an Blättern und Stengeln scharf abschneiden, 
wenn ein solcher Pflanzenteil durch darüberliegende Blätter teilweis 
gedeckt ist. 

Es fragt sich nun, wo die Strahlungskälte am meisten sich entwickeln 
wird und inwiefern dabei die Verdunstungskälte mitspricht. Kommen 
beide Faktoren hochgradig zur Wirkung, werden die Luftschichten 
dicht oberhalb der Bodenoberfläche merklich kälter als die durchschnitt- 
liche Temperatur sein. Über einer Schneedecke hat Porıs!) eine solche 
Temperaturerniedrigung der angrenzenden Luftschichten nachgewiesen ; 
dieselbe wird um so gröfser sein, je geringer die Luftbeweeung ist. 
Daher die Maifröste in windstillen klaren Nächten. Die moorigen und 
anmoorigen Böden mit ihrem Wasserreichtum werden im ersten 
Frühjahr, wo Boden und Untergrund noch nicht durchwärmt sind, eine 
starke Verdunstung haben, selbst wenn sie als Kulturland bereits mit 
Sand gemischt sind und dementsprechend sich stärker abkühlen. Die 
Verdunstung wird auch noch durch die dunkle Bodenfarbe gesteigert, 
wie aus Worrny’s?) Versuchen hervorgeht. Vorbeugend wirkt das 
Decken mit einer Sandlage von 6—10 cm; dann kann nur wenig Wasser 
aus der Humusschicht in den Sand gelangen, und es werden demg emäls 
nur geringe Mengen verdunsten. Aus demselben Grunde wirkt die 
Sandschicht auch schützend gegen Trockenheit. Ein Nachteil 
des Übersandens zeigt sich bei Ansaat feiner, lachwurzelnder Gräser, 
die leicht in dem nahrungsarmen Sande verkümmern?). 

Wenn es sich um Obstbaumkulturen auf Moorböden handelt, dürfen 
als Frostschutzmittel empfohlen werden: 1. Baumpflanzungen auf der 
West- und Südwestseite der Obstanlage zur Milderung der Temperatur- 
differenzen im Frühjahr. Die Rinde platzt fast ausnahmslos auf den nach 
diesen Himmelssesenden orientierten Flächen, und auch die normalen 
Ablösungserscheinungen der Borkenschuppen (z. B. Platane) beginnen 
früher und intensiver auf diesen Baumseiten. 2. Starke Kalkune und 
Zufuhr von Thomasmehl bei genügendem Vorhandensein der übrigen 
Nährstoffe. 3. Vor allem aber suche man die Obstsorten heraus, die 
Moorböden vertragen. HUNTEMANN®) empfiehlt auf Grund praktischer 
Erfahrungen von Pflaumen die gewöhnliche Hauszwetsche. Von Apfeln 
haben sich bewährt: Schöner von Boskoop, Golden noble, Doppel Pigeon, 
Weilser Wintertaubenapfel, Orleansreinette, Parkers Pepping, Purpur- 
roter Cousinot. Nicht brauchbar sind Wintergoldparmäne, Graven- 
steiner, Prinzen- und Alantapfel, da sie, zu frostempfindlich, vom Krebs 


B, Meteorologische Zeitschr. 1896, Heft I. 

2) Blätter für Zuckerrübenbau, 1299, Nr. 9. 

3) Mitteil. d. Ver. z. Förd. d. Moorkultur, 1895, Nr. 5 u. 6. 

+) Huxremass, Das Erkranken der Obstbäume auf Moorboden, Mitt. d. Ver. z. 
Förd. d. Moorkultur, 1898, Nr. 7. 


254 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


leiden. Nach den Erfahrungen des Herrn Baumschulbesitzers KLirzinG 
eignen sich zum Anbau auf Moorböden folgende Apfelsorten: Roter 
Eiserapfel, Burchardts Reinette und Oludius’ "Herbstapfel. Von Birnen 
werden empfohlen: Köstliche von Charneux, St. Germain und Neue 
Poiteau. Will man Kirschenkulturen überhaupt versuchen, so wähle 
man eher noch Sauerkirschen als Süfskirschen. 


Der Nutzen der Fichte. 


Betreffs der forstlichen Kulturen auf Moorboden wollen wir nur 
unsere Ansicht wiederholen, dafs die jetzt so beliebte Verwendung der 
Kiefer ein Mifsgriff ist. Das S. 248 vorgeführte Exemplar aus der 
Lüneburger Heide zeigt deutlich genug, welche Nachteile entstehen. 
Wenn dieselben auch an anderen Orten nicht in der schroffen Weise 
bemerkbar sind, und namentlich die Frostbeschädigungen nicht so 
scharf hervortreten, so wird doch immer ein krüppelhafter Wuchs em- 
geleitet, der früher oder später zutage tritt. 

Für das norddeutsche Flachland ist auf die Fichte zurückzugreifen, 
Wir sagen: „zurückgreifen“; denn tatsächlich hat Coxwenxtz!) nun 
nachgewiesen, dafs vielfach in moorigen Gegenden der Fichtenbestand 
der ursprüngliche , natürliche gewesen ist. Auch jetzt sind noch in 
Pommern und Hannover, selbst” in der Lüneburger Heide mehrfach ur- 
sprüngliche Fichtenbestände vorhanden, und die von CONWENTZ speziell 
studierten Einzelfälle geben vortreffliche Beläge dafür, dafs die Fichte 
noch in urwaldähnlicher Entwicklung in Böden sich zeigt, wo weite 
Strecken mit Torfmoos bedeckt sind und die Nässe in sewöhnlichen 
Jahren einen Zugang unmöglich macht. 

Bei dieser Gelegenheit sei der Senkerbildungen der Fichte ge- 
dacht, welche allerdings nur in den von der Forstkultur nicht berührten 
Wäldern noch zu finden sein werden, und es ist deshalb angezeigt, hervor- 

ragende Beispiele einer Vermehrung durch Absenker in der Literatur 

zu erhalten. Deshalb sei hier noch Abbildung und Beschreibung einer 
Fichtenfamilie gegeben, welche in der Nähe der Stadt Kragerö an der 
südöstlichen Küste Norwegens beobachtet worden ist (Ss. Fie. 33). 

SCHÜBELER?) gibt darüber folgende Mitteilung. Der Mutterstamm, 
der am Fufse eines Hügels steht, hat eine Höhe von ungefähr 9,4 m 
und etwa 6,06 cm vom Boden einen Umfang von 94 cm. In einer Höhe 
von 31 bis 35 cm gehen drei Äste vom Hauptstamm ab, die an mehreren 
Stellen festgewurzelt sind. Aus diesen sind allmählich in einer Ent- 
fernung von 1,5 bis 2,5 m vom Mutterstamm sechs regelmäfsige Fichten 
hervorgewachsen, welche eine Höhe von 2,5 bıs 4,7 m a 

Die Fichte steht mit ihrer leichten Adventivknospenbildung, die 
zu Maserkröpfen Veranlassung geben kann, und der schnellen Be- 
wurzelungsfähigkeit oberirdischer Nehsenteile einzig da. Zwar hat 
SCHÜBELER (]. c. Ss, 103) eine Bewurzelung bei tiefstehenden, zum Boden 
herabgebogenen Ästen auch bei Juniperus und Taxus baccata beobachtet, 
und sicherlich wird auch bei anderen Coniferen, die gut durch Steck- 
linge wachsen, solche Vermehrung vorkommen; allein derartige Fälle 
werden stets vereinzelt bleiben. 


!) Coxnwentz, H., Die Fichte im norddeutschen Flachland. Berichte d. Deutsch. 
Bot. Gesellschaft 1905, Heft 5, S. 220. 
?) ScnüseLer, F. C., Die Pflanzenwelt Norwegens. Christiania 1873—75. 8.164. 


3. Die Nachteile der Heideböden. 955 

Die hier durch ein Beispiel erläuterte Vermehrungsfähigkeit gewinnt 

eine erhöhte Bedeutung in jenen Moorgegenden, wo die Fichte als der 
einzig mögliche Waldbildner zur Kultur herangezogen werden mufs. 

Nur die wenigsten Nadelhölzer besitzen eine solche Leichtigkeit 

der Senkerbildung und der Entwicklung neuer regelmäfsiger Gipfeltriebe 


Fig. 33. Eine Fichtenfamilie, die durch natürliche Ableger entstanden ist. Drei 

an der Stammbasis vorhandene Äste haben an einzelnen Zweigstellen sich neu 

bewurzelt und dort ihre Knospen zu sekundären Stämmen ausgebildet. (Nach 
SCHÜBELER.) 


aus Seitensprossen. Diese Eigenschaft benutzen die Gärtner reichlich 
zur Anzucht junger Individuen aus Stecklingen. Bei anderen Coniferen 
behalten die Stecklinge von Seitenzweigen den Bau der Seitenachse bei 
und bilden keine schönen Stämme. Auch die Gattung Araucaria besitzt 
erofse Neigung zur Bildung von Kopftrieben, und solche äufsert sich 


256 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


manchmal schon bei einzelnen an der Mutterpflanze verbleibenden Seiten- 
zweigen, wenn der Gipfeltrieb verloren gegangen ist. 

Im Anschlufs an diese auf nassen Böden hervortretende Senker- 
bildung der Fichte geben wir in Figur 34 die Zeichnung eines nur 
einmal beobachteten Falles von Wurzelbildung aus einem Ast der Eiche. 


In den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts hatte ich Gelegen- 
heit, in dem Schlofspark zu Rogau (Oberschlesien) einen alten, inwendie 
schon stark ausgehöhlten Eichenstamm zu sehen, der auf einer tiefliegen- 


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Fig. 34. Eiche aus Rogau (Oberschlesien) mit Senkerbildung. (Orig.) 


den, bei Hochwasser der Überschwemmung durch die Oder ausgesetzten 
und sumpfig gewordenen Wiese stand. Der Baum war an den unteren 
Ästen bereits laubarm. Die beiden untersten, wahrscheinlich einmal 
absichtlich herabgebogenen Aste lagen mit ihrem oberen Teil tief im 
Boden, und ihre Spitzen hatten sich aufwärts gerichtet. An der 
Krümmungsstelle des Astes (rechte Seite der Figur) ’ "war eine starke 
Wurzel nachw eisbar, die zu der Zeit entstanden sein dürfte, als die 
noch jugendliche Zweiespitze durch die ersten Überflutungen von an- 
geschwemmtem Boden überdeckt worden war. Die durch diese Wurzel 
herbeigeführte Unterstützung der Ernährung machte sich dadurch kennt- 


=u 


3. Die Nachteile der Heideböden. 957 


lich, dafs eine grölsere Anzahl von jüngeren Zweigen wie selbständiges 
Buschwerk sich entwickelte. An den in einiger Entfernung stehenden 
kräftigen Fichtenpflanzungen war mir nichts Besonderes aufgefallen. 


Die Veränderungen im Moorboden durch die Kultur. 


Notwendig ist es schliefslich noch, einen Einblick zu gewinnen, 
inwiefern die schädlichen Faktoren der Humusböden bei der Kultur 
sich geltend machen und durch die Kultur eine Anderung erfahren. 
Über die „Besandung“ ist im Vorhergehenden bereits gesprochen 
worden. Es käme somit die Düngung zur Erörterung, da der Nähr- 
stoffgehalt, namentlich im Hochmoor, so gering ist, dafs nur spezielle 
Pflanzen mit geringem Nährstoffbedürfnis und hoher Anpassungsfähig- 
keit an Humussäuren zu gedeihen vermögen (Sphagnum, Eriophorum, 
viele Carex-Arten, Calluna usw.). Alle Düngemittel müssen zunächst 
dahin wirken, die die Zersetzung übernehmenden Mikroorganismen im 
Moor zu vermehren; denn in dem humussauren Boden ist die Bak- 
terienflora äufserst dürftig. Uber den Eimflufs der Kulturmats- 
nahmen auf die Zunahme der Bakterienvegetation im Moorboden finden 
wir eine beachtenswerte Arbeit von FapkrIcıus und v. FEILITZEN !), welche 
die früheren Versuchsergebnisse von StaLström?) bedeutend erweitern. 
Letzterer stellte bereits fest, dafs der im natürlichen Zustande an Bak- 
terien äufserst arme Moorboden durch Entwässerung schon an 
Mikroorganismen reicher wird. Dies wird besonders für Hochmoore 
bedeutungsvoll, da sie viel ärmer als Niederungsmoore an Bakterien 
sind, was wohl mit dem geringen Stickstoffgehalt der ersteren zusammen- 
hängt. Die mit Ton gemischten oder durch Düngung verbesserten 
Moore haben höheren Bakteriengehalt. Die Bakterienflora hält sich 
dabei fast ausschliefslich in der oberen 15—25 cm dicken Bodenlage 
auf. Fagrıicıus und v. FEILITZEN prüften auch den Feuchtigkeitsgehalt ın 
der oberen Bodenlage und fanden, dafs derselbe bei unkultiviertem Hoch- 
moor durch Entwässerung etwa nur von 90 auf 87 °/o herabgegangen 
war, dagegen durch andere Kulturmatisnahmen bis auf etwa 64o sinken 
konnte. Letztere bestanden in einer Mischung der Krume mit Sand, in- 
folgedessen sich ein anderer Pflanzencharakter entwickelte. Die Boden- 
temperatur war auf dem jungfräulichen Moor am niedrigsten. Blofse 
Entwässerung übte wenig Einflufs (+ 0,3° C.), aber die kultivierten 
Beete zeigten eine anhaltende Steigerung von beinahe 2°C. Betrefts 
der chemischen Zusammensetzung ergab sich, wie zu erwarten, im 
natürlichen Hochmoor der Kalkgehalt sehr gering; ebenso war der 
Stickstoffgehalt gering, während er im den Niederungsmooren sich be- 
friedigend erwies. Interessant ist der Rückgang der Humussäuren durch 
die Kultur: der Gehalt betrug im natürlichen Hochmoor mehr als 2° und 
einge durch Besandung, Kalkung und Düngung auf etwa 0,30 zurück. 

Die Bakterienflora fanden die genannten Forscher infolge der 
sauren Reaktion des Bodens im Hochmoor nur spärlich entwickelt und 
auch durch Entwässerung wenig gehoben; dagegen zeigte sich eine 


1) Fasrıcıus, O., und Hsarmar von Feiuıtzen, Über den Gehalt an Bakterien in 
jungfräulichem und kultiviertem Hochmoorboden auf dem Versuchsfelde des 
Schwedischen Moorkulturvereins bei Flahult. Centralbl. f. Bakteriologie usw. 
U. Abt., Bd. XIV, S. 161. 1905. 4 a 

2) Om lerslagningens betydelse. Finska Mosskulturföreningens arsbok. 189. 


Ss. 44 
Sorauer, Handbuch. 3. Aufl. Erster Band. 17 


258 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


grofse Steigerung durch Besandung, Kalkung und Düngung und die 
damit zusammenhängende Bearbeitung des Bodens. Sand führte neue 
Bakterien zu, Stallmist gewährte eine derartig reiche Ernährung, dafs 
der Bakteriengehalt so hoch wurde, wie in einem Niederungsmoor bei 
denselben Kulturbedingung en. In beiden steigt und fällt der . Bakterien- 
gehalt parallel mit der Bodentemperatur. 

Bezüglich des Stalldüngers gehen die Erfahrungen der Praktiker 
sehr auseinander. Es ist vielseitig ein Mitfserfole “dabei beobachtet 
worden. Andererseits finden sich Berichte, welche selbst in Mooren 
mit grofsem Stickstoffgehalt eine äuiserst vorteilhafte Wirkung des 
Stalldüngers feststellen, wie GraF SCHWERIN!) berichtet. 

Man könnte sich diesen Widerspruch folgendermafsen erklären: 
Selbst in Mooren, die Stickstoff im Uberflufs enthalten, kann eine Stall- 
mistdüngung von sehr günstiger Wirkung sein, wenn das Moor wenig 
zersetzt ist, der Stickstoff darin also wahrscheinlich noch in wenig 
aufnehmbarer Form (z. B. in organischen Verbindungen) vorhanden ist. 
Auf zersetzten Mooren aber sind die Erträge nach Stalldung tatsächlich 
schwach, und das Unkraut wuchert in erdrückender Menge, weil durch 
die Dunezufuhr vermutlich einseitiger Stickstoffüberschufs ohne ge- 
nügendes Gegengewicht von Phosphat- und Kalkzufuhr sich geltend 
macht. 

Bei der Moorkultur handelt es sich in erster Linie um das Kalı. 
Dies gilt auch für Moorwiesen, bei denen eine gute Heuernte aber 
nach M. FLEIiscHEr?) aufser Kalı auch Phosphorsäurezufuhr verlangt 
(Thomasphosphatmehl). (Verfasser warnt bei dieser Gelegenheit vor 
dem UÜbererdungsverfahren, wenn das Grundwasser nicht tiefer 
als 20—40 cm steht.) Die Form, in welcher das Kali gegeben wird, 
dürfte auch in der Mehrzahl der Fälle mafsgebend sein; denn TAckE?) 
erwähnt, dafs er bei Kartoffeln den besten Erfole bei Chlorkalium 
erzielt habe. Knollenmenge und Stärkegehalt waren dabei am höchsten. 
Während die Knollen ohne Kalidüngung 17,67 °/o Stärke enthielten, be- 
safsen sie bei Kainitdüngung nur 17 02%, bei Karnallitzufuhr sogar nur 
16,48 %/0, dagegen bei Chlorkalium 18,02°/0. Die Düngemittel wurden im 
Herbst gegeben: Frühjahrsdüngung setzte Quantität und Qualität der 
Knollen herab. HeEnsELE *) fand bei seinen Kartoffelanbauversuchen, dafs 
Kainit auf Wiesenmoorboden den Stärkegehalt der Kartoffel bedeutend 
zurückdrückte. Bei Vergleichskulturen auf Mineralboden und Moorboden 
waren die Erträge des ersteren gröfser, und der Stärkegehalt der Moor- 
kartoffeln ereichte niemals den der Knollen auf Mineralboden oder den 
des Saatgutes. 

Bezüglich der Schädlichkeit der Frühjahrsdüngung sei auf die 
Berichte der Generalversammlung des ers zur Förderung der Moor- 
kultur verwiesen’). Dort findet man besonders betont, dafs Kainit und 
Thomasmehl im Herbst auf das Moor gestreut werden müssen, weil die 
Frühjahrsdüngung bei Hackfrucht den Zucker- und Stärkegehalt herab- 
drücke. Für Thomasmehl sei die Herbstdüngung auch darum günstiger, 
weil die Säure des Moores viel länger lösend einwirken könne. Chil- 


!) Mitt. d. Ver. z. Förd. d. Moorkultur, 1895, Heft 6. 

?) Milchzeitung 1837, Nr. 8. 

3) Mitt. d. Ver. z. Förd. d. Moorkultur, 1895, Nr. 6. 

4) HrnseLe, J. A., Bericht der Me mriation „Erdinger Moos“ 1900/01. 
Centralbl. f. Agrik.- Chemie, 1903, Heft 3 

*) Jahrg. 1895, S. 123. 


3. Die Nachteile der Heideböden. 259 


salpeter hatte bei den Versuchskulturen den Zuckergehalt der Rüben 
um 1,50 vermindert. Auch die Vorfrucht scheint bei den Moorkulturen 
eine Rolle zu spielen, wie ein Fall aus der Provinz Posen zeigt!). 
Dort waren nur diejenigen Zucker- und nachgebauten Futterrüben er- 
krankt, welche nach Senf angebaut worden waren. Betreffs der Rüben- 
kultur kommt Horırung?) zu dem Resultat, dafs reines Moorland am 
besten ganz vermieden werden müsse und selbst besandetes nur bei 
grofser Vorsicht verwendbar sei. 


Der Rindenmulm. 


Wenn wir bisher das Charakteristische des sauren Heidebodens in 
der Produktion von Hungertypen kennen gelernt haben, zu deren Ent- 
stehen nicht nur die Nährstoffarmut, sondern auch bei den grofsen 
Feuchtigkeitsschwankungen der Wassermangel Veranlassung geben kann, 
so können doch auch Erscheinungen von Wasserüberschufs auftreten. 
Dieselben äufsern sich an älteren Bäumen mit starker Borkenbildung dann, 
wenn Heidekraut und Moos in hohen Polstern die Stammbasis umgeben. 
Diese dichten Polster sind Wasserspeicher, die teils das Wasser des 
moorigen Bodens festhalten, teils das atmosphärische ansammeln und 
auf diese Weise einen an der Stammbasis stets höher hinaufwachsenden 
feuchten Filz bilden. Solche feuchten Polster mindern die Temperatur- 
schwankungen, welche dem Abstofsen der alten Borkenschuppen förder- 
lich sind. Sie hindern aber auch wesentlich den Luftzutritt und ver- 
anlassen die Zersetzung derjenigen Zelllagen der Borkenschuppen, welche 
besonders locker gebaut sind, zu einer tief braunen, im trocknen Zustande 
pulverigen, bei stärkerer Feuchtiekeit schmierigen Masse, die als 

„Mulm“ bezeichnet wird. Derartige Mulmnester "bilden die Brutstätte 
zahlreicher tierischer und pflanzlicher, die Zersetzung beschleunigender 
und übertragender Organismen. 

Über das Zustandekommen der Mulmnester gibt die Untersuchung 
der jüngeren Schichten unterhalb der alten Borkenschuppen Aufschlufs. 

Eines der zur Untersuchung von Herrn Dr. GRAEBNER aus der Lüne- 
burger Heide mir übergebenen "Borkenstücke hatte 3,5 em Durchmesser 
und unterschied sich von einer ebenso alten, vesunden Borke dadurch, 
dafs dieses Stück ungemein leicht in einzelne Lagen von verschiedener 
Dicke auseinanderblätterte. Die Oberfläche der einzelnen auseinander- 
fallenden Borkenschichten war reliefkartenartig uneben und stellen- 
weise mit breitkegelförmigen, bis 2,5 mm hohen harten, oft kraterförmig; 
vertieften holzigen Vorsprüngen versehen. Solche Vorsprünge, ebenso 
wie die schwielig in weichen Linien hervortretenden Gewebepolster 
der einzelnen auseinanderblätternden Borkenlagen befanden sich stets 
auf der Innenseite der sich abhebenden Schicht und hatten genau das 
Aussehen, wie wir es später in dem Abschnitte über „Rind enab wurf“ 
bei Ulmus abbilden. Es ist daher dort nachzuschlagen. 

Die leichteste Lösbarkeit der Lamellen von einander fand sich da, wo 
eine mulmige, d.h. in Humifikation befindliche, zerfallende Gewebeschicht 
die Trennungsfläche bildete. Der Mulm bestand aus Korkzellen, wie im 


1) Elfter Jahresber. d. Sonderausschusses f. Pflanzsrschutz. Arb, d. Deutsch 
Landw. Ges, Heft 71, S. 130. 

ze Horırusg, Die verschiedenen Bodenarten und ihre Eignung für den Rüban- 
bau. Blätter f. Zuckerrübenbau, 1905, Nr. 14, S. 217. 


Ihr 


260 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


beiliegenden Querschnitt (Fig. 35) die obere Seite (B) zeigt, während 
H diejenige Borkenseite bezeichnet, welche dem Holzkörper näher liegt, 
also jünger ist. rp ist verkorktes, festes, dagegen % füllkorkartig ge- 
lockertes Rindenparenchym, t Tafelkork. Die Borkenschuppen setzen 
sich also aus immer tiefer nach der frischen Rinde und dem Cambium 
hin fortschreitenden Abgliederungen von Rindenparenchym zusammen, 
das von Tafelkorklagen abgeschnitten wird und verkorkt; aufserdem 
finden wir Nester von losen Zellen, die um so üppiger sind, je tiefer 
die Stammbasis im Moos gestanden hat. Die schwammige Beschaffenheit 
der Unterseite der einzelnen Borkenlamellen rührt von der krankhaften 


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Fig. 35. Mulmige Borkenschuppe einer Kiefer aus der Lüneburger Heide. (Orig.) 


Üppigkeit der Parenchym- und Füllkorkmassen her. Infolge der Nässe 
und der geringen Sauerstoffzufuhr werden diese Wuchergewebe humı- 
fiziert und bilden den die Trennung der Lamellen erleichternden Mulm. 
Die starke Beteiligung des abnorme Streckungserscheinungen 
zeigenden Rindenparenchyms an der Borkenbildung setzt diese Mulm- 
entwicklung bei der Moorkiefer in die Nähe des „Rindenabwurfs‘ 
der Rüster und unterscheidet beide Fälle von der eigentlichen Loh- 
krankheit (s. S. 210), bei der die Füllkorkbildung, wie bei den/mehr- 
schichtigen Lenticellen, die Oberhand behält. 


Die gärtnerischen Heideerdekulturen. 


- Vermutlich durch die Beobachtung des natürlichen Standortes 
unserer Heidekrautgewächse angeregt, hat man bei der Kultur der aus- 


3. Die Nachteile der Heideböden. 261 


ländischen Ericaceen denjenigen Boden herbeigeholt, in welchem unsere 
Calluna vorzugsweise wächst, also Heidemoor. Die dabei bekannt ge- 
wordenen Eigenschaften des Sphagnumtorfes haben denselben zu 
einem gesuchten Handelsartikel gemacht. Die Vorteile des Materials be- 
stehen in seinen lockernden Eigenschaften. Die Erfolge bei der Kultur 
der Ericaceen veranlafsten, die sogenannte Heideerde als lockernde Sub- 
stanz den schwereren nahrhaften Bodenarten beizumischen, und auf 
diese Weise ist die Heideerde als notwendiger Bestandteil der Erd- 
mischungen für die Mehrzahl der feineren gärtnerischen Kulturpflanzen 
eingeführt worden. Da man aber kein Kriterium für eine gute Heideerde 
kannte, kamen bei dem wachsenden Bedarf viele Erden in den Handel, 
die entweder noch überreich an Rohhumus waren oder in den Charakter 
des Wiesenmoors schlugen. Dabei verführte die dunkle Farbe des 
letzteren zu der Meinung, eine recht nahrhafte Erde vor sich zu 
haben. Die Folgen des Fehlgriffs sind auch nicht ausgeblieben. Die 
Klagen der Gärtner über saure Heideerden sind fast allgemein und 
der Rückgang einer Anzahl beliebter Kulturen, wie z. B. der sogenannten 
Neuholländer oder „Kappflanzen“, unaufhaltsam. 

Dort, wo Wiesenmoor als Beimengung zur Erdmischung für Topf- 
gewächse benutzt wurde, machten sich dessen Eigenschaften schnell 
kenntlich. Im trocknen Zustande erscheint dieser Moorboden leicht 
zerreiblich und zerfällt pulverig oder bleibt auch krustig; bei Befeuchtung 
aber wird er schmierig und verkittet die andern Erdpartikelchen zu luft- 
armen Massen. Da Wiesenmoor sich stark erwärmt, so trocknen die 
obersten Schichten der Blumentöpfe leicht aus; sie werden heller und er- 
wecken bei dem Gärtner die Meinung, dafs der ganze Topfballen trocken 
sei und begossen werden müsse. Darin liegt das Verhängnisvolle. Denn 
gerade Wiesenmoor täuscht wie kein andrer Boden. Wenn man im 
Freien solche Moore untersucht, findet man unter der staubigen Ober- 
fläche in einer Tiefe von wenigen Centimetern bereits den schmierigen 
Zustand wieder, da die äufserst bindige Substanz das Wasser ungemein 
festhält. Die Topfkulturen gehen deshalb schon aus Sauerstoffmangel 
der Wurzeln zugrunde, selbst wenn man die Humussäuren nicht in 
Betracht ziehen wollte. Letztere spielen aber eine verhängnisvolle Rolle, 
und sie sind es, die auch die Verwendung von lockerem, faserigem 
Heidemoor in vielen Fällen schädigend wirken lassen. Am vorteil- 
haftesten ist Sphagnumtorf, weil der anatomische Bau des Sphagnum- 
blattes eine grofse Lockerheit, schnelle Durchtränkung mit Wasser und 
ebenso schnelle Durchlüftung des Topfballens bedingt. Bekannt sind 
die vorzüglichen Kulturerfolge mit Sphagnum bei Orchideen. Von den 
faserigen, mit Resten von Vaceinium und anderen Heidepflanzen durch- 
zogenen, dem Waldboden entnommenen Heideerden wird man nur dann 
gute Erfolge erzielen, wenn man den Rohhumus entfernt und die ver- 
westen Schichten verwendet, und selbst da empfiehlt sich eine Beigabe 
von Kalk oder besser noch von phosphorsaurem Kalk. 

Ich habe in einem besonderen Abschnitt die Mifsstände der Heide- 
erdekulturen erwähnt, weil ich der Meinung bin, dafs eine ganz be- 
deutende Anzahl von Krankheitserschemungen auf die Säuren im Boden 
— der Gärtner sagt, die Erde rieche sauer — zurückzuführen ist. 
Selbst die spezifischen Heideerdepflanzen, wie Rhododendron, Azalea 
usw. gedeihen nur dann, wenn sie, wie an ihren natürlichen Standorten, 
in faseriger Erde, die immer wieder leicht durchlüftet, stehen. In dem 
Augenblicke, wo eine Mischung der Heideerde mit nahrhafteren, festeren 


262 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


Erden zur Topfkultur verwendet wird, finden wir Wurzelfäulnis, die 
sich durch Braunrandigkeit, der Blätter anzeigt. Die Ansicht von der 
Notwendigkeit einer Beimengung von Heideerde bei der Kultur der 
Mehrzahl unserer feineren Topfgewächse halte ich für ırrig. Soweit 
meine Erfahrungen reichen, vermag der Sand als Lockerungsmittel 
ungleich bessere Dienste zu leisten. Man arbeite mit sut verwesten 
Laub- oder Mistbeeterden und gebe reichliche Mengen von Sand dazu. 
Wenn wir aufserdem für guten "Topfabzug sorgen , "werden wir in Zu- 
kunft weniger über W urzelerkrankungen zu klagen haben. 


Das Fleckigwerden der Orchideen. 


Eine spezielle Illustration der im vorigen Abschnitt geschilderten 
Vorteile der Sphagnum-Verwendung finden wir bei einer "eigenartigen 
Schwarzfleckigkeit der Blätter epiphyter Orchideen. In unseren Glas- 
häusern gibt es reichliche Blatterkrankungen, die häufig auf Pilz- 
ansiedlung beruhen (Gloeosporium und Colletotrichum, Phoma, Phyllo- 
sticta) usw.). Wir haben aber auch mehrfache Fälle, in denen Pilze 
nicht beteiligt sind oder erst sekundär auftreten, und unter diesen 
ist em Vorkommnis besonders hervorzuheben, das bei (attleya, 
Laelia, Dendrobium und den Gliedern aus der Gruppe der Vandeen zu 
finden ist. 

Der Erkrankungsvorgang wird am besten durch Beschreibung eines 
speziellen Falles klar, der kürzlich beı Phalaenopsis amabrlis var. Rimen- 
stadiana genauer studiert worden ist!). 

Die in durchbrochenen Töpfen in Lauberde kultivierten und mit 
Flufswasser begossenen Pflanzen zeigten alle Blätter mit Ausnahme 
des jüngsten gelb bis schwarzfleckig. Die Krankheit schritt augen- 
scheinlich von den älteren nach den jüngeren Blättern hin fort und 
äufserte sich in ihren Anfängen durch das Auftreten unregelmäfsig 
kreisrunder oder ovaler, bleicher, durchscheinender Flecke. Dieselben 
sind über die ganze Blattfläche verteilt, pflegen aber an der Spitze 
zuerst und am reichlichsten aufzutreten. Wenn derartige Blätter ab- 
geschnitten werden und durch Verdunstung Wasser verlieren, fühlt 
man, dafs die bei Beginn der Erkrankung verbleichenden Stellen etwas 
schwielig über den gesunden Blatteil hervortreten. 

Bei dem Fortschreiten der Krankheit aber ändert sich dieses Ver- 
hältnis, indem alsbald die gelben Flecke ein weifsliches Aussehen be- 
kommen und schüsselförmig eimsinken. Dabei sieht man, dafs einzelne 
benachbarte Krankheitsherde miteinander verschmelzen und zusammen- 
hängende dünne, schliefslich tief schwarzbraun sich färbende Flächen 
bilden, die nunmehr wallartig von dem gesunden Gewebe eingeschlossen 
werden. Nach der Braunfärbung vergröfsern sich aber die Flecke nicht 
mehr. Es sind also Krankheitsherde, die in ihrer Anlage auf bestimmte 
(rewebegruppen beschränkt bleiben. 

Durchschneidet man eine bereits gebräunte, durch die dunklere 
Nervatur mit Längsstreifen versehene Stelle, so findet man, dafs die 
papierdünne Beschaffenheit nicht etwa durch Gewebeschwund infolge 
von Insektenbeschädigung oder Bakteriosis entstanden ist, sondern 
lediglich durch Zusammentrocknen der ihres Inhalts fast gänzlich be- 


1) Soraver, Erkrankung von Phalaenoysis amabilis. Zeitschr. f. Pflanzenkrankh., 
1904, Heft V. 


3. Die Nachteile der Heideböden. 263 


raubten Mesophylizellen hervorgerufen wird. Die Grenze zwischen 
dem toten und dem wallartig vorspringenden, angrenzenden, gesunden 
Gewebe ist scharf, ohne Übergänge. Das zusammengefallene braun- oder 
(meist) hellwandige Gewebe zeigt mit Jod nur noch einzelne Flocken 
plasmatischen Inhalts nebst spärlichen Tröpfchen farbloser oder gold- 
gelber Substanz. Bei Wasserzutritt heben sich die harmonikaartie ge- 
knitterten Zellwandungen etwas auseinander, ohne dafs jedoch die 
Zellen auf ihr früheres Volumen gebracht würden. In dem gänzlich ab- 
gestorbenen Gewebe findet man bisweilen vereinzelte farblose, schlanke 
Mycelfäden. 

Wenn man auf die frischen Schnitte, die übrigens auch an den 
kranken Stellen stark. sauer reagieren und mit Guajak und Wasser- 
stoffsuperoxyd keine Oxydasen und Peroxydasen erkennen lassen, 
Glycerin einwirken läfst, so zieht dasselbe im Zellinhalt grofise un- 
gefärbte, unregelmäfsige "oder meist kuglige Massen zusammen. Man 
findet diese Erscheinung vielfach bei zuckerreichem, besonders saftigem 
Gewebe. An der Peripherie dieser Massen liegen die Chlor oplasten. 
In dem stärker erkrankten Teile sind diese Stoffgruppen nicht mehr 
zu finden, sondern nur zahlreiche kleinste oder gröfsere Tröpfchen. 
Ebensowenie ist diese Zusammenziehung des Zellinhalts zu stark licht- 
brechenden Tropfen, die wir, weil sie stellenweise bei der TromMEr'schen 
Probe Niederschläge von Kupferoxydul zeigen, in die Glykosereihe 
verweisen möchten, in dem gesunden Blatteil nachweisbar. 

Die weiteren anatomischen Untersuchungen führten zu dem Er- 
gebnis, dafs in den einzelnen vergilbten Gewebeherden der Zellinhalt 
zu stark verbraucht wird, wobei sich die Mesophylizellen ausweiten. 
Dadurch wird die erkrankte Stelle etwas über die gesunde Fläche vor- 
gewölbt; alsbald aber fällt das kranke Gewebe, das durch Auftreten 
von Karotintropfen sein schnelles Ausleben anzeigt, zusammen, bräunt 
sich und vertrocknet. Dieser Vorgang des Auslebens bleibt aber in En 
bisher beobachteten Fällen auf die durch die Vergilbung anfang 
bereits gekennzeichnete Blattregion beschränkt, Se 
sich die Erscheinung von Pilzerkrankungen unterscheidet. Da nun 
eine abnorm gesteigerte Zuckerbildung nachgewiesen und das Fehlen 
von Parasiten in der Mehrzahl der Flecke festgestellt werden konnte, 
so haben wir eine Konstitutionskrankheit vor uns, die dort sich einstellt, 
wo die genannten Orchideen in Lanberde kultiviert werden. 

Diese Kulturmethode ist in den letzten ‚Jahren namentlich von 
belgischen und englischen Gärtnern .empfohlen und in Deutschland zum 
Teil unter Benutzung von flandrischer Lauberde eingeführt worden. 
Nach dem Überhandnehmen der Erkrankung griff man nun zu dem 
alten Verfahren der Anzucht der Pflanzen in einem Gemisch von 
Sphagnum mit Heideerde-Brocken zurück und erzielte wieder die 
früheren Erfolge. Daraus geht hervor, dafs die Lauberde, die für die 
meisten anderen Pflanzen ein äufserst zusagendes Substrat ist und in 
der anfangs auch die genannten Orchideen sehr kräftig wachsen, bei 
dem reichlichen Begiefsen (namentlich mit aleenhaltigem Wasser) all- 
mählich verschlämmt und den Orchideenwurzeln nicht mehr die nötige 
Sauerstoffzufuhr zuteil werden läfst. 

Viel bessere Erfolge sind mit der sogenannten Jadoo-fibre, einem 
mit Nährsalzen durchtränkten, äufserst lockeren Moostorf erzielt worden; 
indes rechtfertigt der Erfolg nicht die gröfseren Kosten, und es erweist sich 
die alte Sphagnumkultur stets noch als die vorteilhafteste. Das moderne 


3654 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


Streben der Züchter, durch reiche Nährstoffzufuhr, hohe Temperatur 
und grofse Feuchtigkeit die Orchideen zu schnellerer und üppigerer 
Entfaltung zu bringen, hat nur für eine beschränkte Zeit wirkliche 
Erfolge; meistens stellt sich ein Rückschlag bei den überreizten Pflanzen 
ein, dem nur durch eine Ruheperiode an einem relativ kühleren, trock- 
neren Standort vorzubeugen ist. 

Der kühlere, trocknere Stand ist ın vielen Fällen auch das beste 
Mittel gegen die Pilzfäulen. Ein sehr lehrreiches Beispiel beobachtete 
Kuirzing bei einer durch Gloeosporium hervorgerufenen, jetzt ziemlich 
allgemein auf dem Festlande und in England, sowie selbst im Vater- 
lande vorhandenen Fleckenkrankheit von Vanda coerulea. Aus den Mit- 
teilungen des Sammlers geht hervor, dafs diese Vanda im Himalaja 
auf Gordonia gefunden wird, die an mäfsig warmen, windigen Stand- 
orten wächst. Hier in unseren Glashäusern werden die Pflanzen durch- 
schnittlich mehr als 10°C. wärmer kultiviert und in der geschlossenen 
feuchten Glashausluft jahraus, jahrein festgehalten. Natürlich werden 
dadurch die Pflanzen zarter und erliegen bei künstlicher Impfung dem 
Gloeosporium binnen wenigen Tagen, während im Vaterlande der Pilz 
beschränkt bleibt und die Pflanzen trotz seiner Anwesenheit sich weiter 
entwickeln und vermehren. 


Drittes Kapitel. 
Ungünstige chemische Bodenbeschaffenheit. 


1. Verhalten der Nährstoffe zum Bodengerüst. 
A. Bodenabsorption infolge chemisch-physikalischer Vorgänge. 


Die Schädigungen der Vegetation können entweder dadurch er- 
folgen, dafs das Nährstoffkapital im Boden quantitativ oder qualitativ 
ungünstig für die Ernährung der Pflanzen sich gestaltet oder dafs bei 
reichlichem Vorhandensein und normaler Zusammensetzung des Nähr- 
stoffmaterials durch anderweitige Wachstumsfaktoren die Aufnahme- 
tätigkeit seitens der Pflanze irritiert wird. 

Es kann dann Mangel oder Überflufs der Nährstoffe sich geltend 
machen oder durch die modifizierten Aufnahmebedingungen ein einziger 
Nährstoff in zu geringen oder zu grofsen Mengen zur Wirksamkeit ge- 
langen und das Gleichgewicht im Haushalt des Organismus stören. 
Dieser zweite Teil der Ernährungsstörungen soll im folgenden Abschnitt 
behandelt werden, und zwar unter den Rubriken „Wasser- und Nährstoft- 
mangel“ und „Wasser- und Nährstoffüberschufs“. 

Dafs in diesen Bezeichnungen neben den Nährstoffen auch der 
Wasserzufuhr gedacht wird, rechtfertigt sich durch den Umstand, dafs 
das Wasser nicht nur bei seiner Zersetzung im Pflanzenleibe selbst 
Nährstoffe liefert, sondern auch als Transportmittel je nach der vor- 
handenen Menge bald schwache, bald starke Konzentrationen der Nähr- 
lösung veranlafst und dadurch den Ernährungsmodus vorteilhaft oder 
nachteilig beeinflufst. 

In Rücksicht auf die beständig wechselnden Konzentrationen mufs 
also auch hier bei der Betrachtung des Verhaltens der Nährstoffe zum 
Bodengerüst der Wassereinflufs berücksichtigt werden. 


1. Verhalten der Nährstoffe zum Bodengerüst. 265 

Die löslichen Salze, welche bei der Zersetzung der Mineralien ent- 
stehen oder durch Düngung zugeführt werden, unterliegen der Boden- 
absorption. Das Festhalten und Abgeben sowie die andauernd im 
Boden sich vollziehenden Umsetzungen der Salze hat man anfangs 
vorwiegend als physikalische Vorgänge angesprochen, während sie jetzt 
der Hauptsache nach als chemische Prozesse aufgefafst werden). Aller- 
dings ist es schwierig, die Grenze zwischen physikalischer (Adsorption) 
und chemischer Bindung zu ziehen. 

Die Adsorption wird nur dort von Bedeutung, wo grofse Anziehungs- 
flächen geboten werden, wie bei den organischen Substanzen und auch 
bei gewissen anorganischen Stoffen, zu denen‘die colloidale Kieselsäure 
und das colloidale Eisenoxyd der tropischen Roterden gehören. Am be- 
deutungsvollsten für unsere Kultur erscheinen die aufquellbaren Humus- 
stoffe, die in nährstoftreichen Böden wohl als salzartige Verbindungen 
ausgefällt werden, in verarmten aber grofsenteils in Lösung verbleiben. 
Betreffs der Absorption der Humusstoffe spielt ihre Aufnahmefähigkeit 
für freie Basen und deren Karbonate die erste Rolle. Für das im 
Boden befindliche Ammoniak und kohlensaure Ammon sind namentlich 
die sauren Humusstoffe wirksam, und wir verwerten diesen Umstand 
besonders bei Anwendung der Torfstreu. 

Neben den colloidalen Stoffen sind die feinverteilten Mineral- 
bestandteile als Träger der Absorption ins Auge zu fassen. Von Mine- 
ralien sind jedoch Quarz stets und Kaolin, wenn letzteres nicht mit 
Alkalisilikaten sich zu absorbierenden Doppelsilikaten etwa verbindet, 
ohne Absorptionsfähigkeit. Die hauptsächlichsten Träger sind die 
wasserhaltigen Silikate, namentlich die Doppelsilikate der Tonerde, die 
kristallisiert sich als Zeolithe in den Gesteinen finden, und des Eisen- 
oxyds. Sie vermitteln den im Boden zu beobachtenden Basenaustausch. 

Dieser kommt bei der Verarmung des Bodens an löslichen Nähr- 
stoffen zur Wirksamkeit, wie folgender von LoMBErG (Zeitschr. d. Geol. 
Ges. 1576, S. 318) ausgeführte Versuch deutlich macht. Es wurde em 
wasserhaltiges Silikat drei Wochen lang mit kohlensäurehaltigem Wasser 
in Verbindung gehalten und nach dieser Zeit gefunden: 


1: II. 
ursprüngliches nach Behandlung 
Silikat mit kohlensäurehaltigem Wasser 
Kieselsäurs in: EA 2N146,64101e 54,03 %/o 
Fonerdeiserirhftsing 2238 Ne 39,65 %0 
Kali. ae % 5,94 lo 
Natron er ehr ee 0,00 0 


Wurde dieses ausgelaugte Silikat II wieder mit Kalilauge behandelt, 
zeigte es folgende Zusammensetzung: Kieselsäure 46,60 °o, Tonerde 
35,67 °/o, Kalı 17,73 %o. Es war also in das Silikatgerüst der gröfste 
Teil des Kaliums wieder aufgenommen worden, so dafs ein Zustand 
chemischen Gleichgewichts sich wieder herausgestellt hatte. 

Wenn dem ursprünglichen Silikat I Chlorammonium zugefügt wurde, 
bekam es folgende Form: Kieselsäure 56,17 °/o, Tonerde 34,59 ®/o, Kali 
0,89 °0, Ammoniak (NH?) 8,37 °o. Würde statt des Ammoniaks ein 
sehr grofser Überschufs von Kalksalzen vorhanden gewesen sein, hätte 
}) s. Ramann, Bodenkunde, II. Aufl., S. 21. Berlin 1905. Jul. Springer. Auch 
im übrigen Teile dieses Abschnittes stützen wir uns, falls nicht andere Autoren 
angeführt sind, hauptsächlich auf das genannte Werk. 


2656 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


der Kalk das Kalı aus dem Silikate gänzlich verdrängen können, wie 
die Versuche von RÜMPLER und später von SCHLÖSZING tatsächlich gezeigt 
haben. Derartige Vorgänge sind nun fortwährend vorhanden und zeigen, 
wie schnell ein Boden bei andauernden, reichen Niederschlägen aus- 
gewaschen werden kann oder bei einseitiger Düngerzufuhr an "anderen 
wertvollen Nährstoffen verarmen kann. 

Eine weitere Enttäuschung zeigt sich bisweilen in dem Umstande, 
dafs man von einer Vermehrung des Nährstoffkapitals durch Dünenng 
nicht die erhoffte Ertragssteigerung erhält. Dies tritt besonders bei reichen 
Böden manchmal hervor und erklärt sich dadurch, dafs solcher Boden 
gerade infolge seines Nährstoffreichtums nicht mehr zu absorbieren im- 
stande ist. Namentlich tonarme Böden mit ihrer geringen Absorptions- 
kraft werden derartige Erscheinungen bringen können. 

Weitere schmerzliche Überraschungen, “die mit der Absorption zu- 
sammenhängen, sind die Bodenvergiftungen durch Metallsalze. 
Alle Schwermetalle werden stark gebunden, und es ist daher z. B. in 
der Nähe von Hütten der zu beobachtende Mifswachs nicht immer der 
schwefeligen Säure des Feuerungsmaterials allein zuzuschreiben, sondern 
manchmal auch den grofsen Anhäufungen von Metallverbindungen. Der 
Umstand, dafs erfahrungsgemäfs kleine Quantitäten von Kupfer, Blei, 
Zink u. del. im Boden von den Pflanzen schadlos vertragen werden, 
hat bisher verhindert, dieser Art von Bodenvergiftung die nötige Auf- 
merksamkeit zu schenken. 

Bei Kalium und Ammon, die beide stark gebunden werden, erfolgt 
die Absorption vielfach durch Austausch in äquivalenter Menge (3 Teile 
K?O gegen 1 Teil NH®); dabei gehen Natrium, Calcium und Maenesium 
in Lösung über. Nur schwach absorbiert wird das leichtlösliche, Salze 
bildende Natrium und in noch geringerem Grade das als Humat, Kar- 
bonat oder Phosphat vorhandene Calcium, das in den Silikaten leicht 
durch andere Basen ersetzt werden kann. Ähnlich verhält sich Mag- 
nesium. Säuren werden nur gebunden, wenn sie unlösliche Salze bilden. 
Dies ist namentlich der Fall bei Phosphorsäure, die mit Calcium, Mag- 
nesium, Eisen- und Tonerde unlösliche Verbindungen eingeht. Sehr 
schwach wird die Schwefelsäure, gar nicht die Salpetersäure und das 
Chlor absorbiert. Letzterer Fall verdient Beachtung bei den Chlor- 
vergiftungen in der Nähe der Salzsäurefabriken. 

Durch die verschiedene Absorptionsfähigkeit und den steten Aus- 
tausch der Nährstoffe erklärt sich die teils aufschliefsende und damit 
die Pflanzenernährung fördernde, teils erschöpfende Wirkung 
mancher Düngungen. So erschöpfen die reichen Zufuhren von 
Kalisalzen und Chilisalpeter die Böden an Kalk und Maonesia. Der 
Ausdruck „ausgemergelter Boden“ deutet darauf hin, dafs der 
Mergel, ebenso wie der Gips, durch seine aufschliefsende Wirkung das 
Nährstoffkapital des Bodens frühzeitig erschöpfen kann. In seiner auf- 
schliefsenden Wirkung liegt auch der Wert des Kochsalzes. In 
dem Säuregehalte, namentlich im Reichtum an Humussäuren, die die 
Absorption stark schwächen und alle Bodenbestandteile zu lösen im- 
stande sind, liegt eine weitere Quelle mangelhafter Produktion. Dieser 
Gegenstand ist bei den Nachteilen der Moorböden und bei der Ort- 
steinbildung bereits eingehender behandelt worden. 

Je weniger die einzelnen Nährstoffe festgehalten ‘und je löslicher 
sie in ihren Verbindungen sind, desto leichter erfolgt ihre Auswaschung. 
Im besten Falle gelangen sie in tiefere Bodenschichten; in Gegenden 


1. Verhalten der Nährstoffe zum Bodengerüst. 367 


mit starken plötzlichen Niederschlägen können sie fortgeführt werden. 
Am leichtesten beweglich sind die wohl in den meisten Böden in kleinen 
Mengen vorhandenen Chloride; dann folgen die Nitrate, später die Sul- 
fate; langsam geht es mit den Karbonaten von Kalk und Magnesia, und 
am dauerhaftesten sind die Phosphate. Gefährlich für die Kultur werden 
die Chloride in Gegenden mit sehr geringen Niederschlägen, wo sie 
sich an tiefliegenden Stellen ansammeln können und hochkonzentrierte 
Bodenlösungen erzeugen. Unter denselben Bedingungen kommen durch 
die Karbonate und Sulfate der Alkalien die sog. „Alkaliböden‘“ zu- 
stande. 

Am schwerstwiegenden ist die Stickstofffrage, und bei der 
äufserst leichten Löslichkeit der Nitrate kann eine Ausmagerung der 
oberen, Flachwurzler tragenden Bodenschichten stattfinden, wenn der 
Untergrund noch reichlich Stickstoff enthält. Dessen Nutzbarmachung 
kann dann nur durch Tiefwurzler erfolgen. Dafs bei schlechter Dünger- 
behandlung auf dem Acker noch grofse Verluste eintreten, kann der 
Praxis gegenüber nicht genug hervorgehoben werden. Betreffs der 
Kalksalze kommt der Gips als Träger der Schwefelsäure in Betracht. 
Bei den Kalkkarbonaten kann der Fall eintreten, dafs in feuchten Kli- 
maten selbst auf Verwitterungsböden der Kalkgesteine der Boden kalk- 
arm sein kann, weil das Karbonat langsam ausgewaschen wird. Dagegen 
gehören die Kalkphosphate sowie die Phosphorsäureverbindungen über- 
haupt (mit Ausnahme der Alkalien) zu den widerstandsfähigsten Mine- 
ralien. Eine Ausnahme findet nur in den Böden mit freien Humussäuren 
statt. Hier werden Phosphate, auch Eisenverbindungen löslich, und 
selbst die widerstandsfähigen Silikate werden zersetzt und in lösliche 
Form übergeführt. Daher die ungemeine Verarmung an allen Mineral- 
bestandteilen mit Ausnahme des Quarzes bei den Heideböden. 

Der natürliche Anreicherungsprozefs des Bodens durch Verwitterung, 
durch Anwehen neuer Bodenmassen, durch Fäulnis der organischen 
Substanz u. dgl., welcher der Auswaschung wirksam entgegenarbeitet, 
dürfte nur bei langlebigen Pflanzenbeständen ins Gewicht fallen. Hier 
ist der Umstand, dafs die tiefgehenden Wurzeln das Nährstoffmaterial 
aus dem Untergrunde holen und der Laubfall dasselbe den oberen 
Bodenlagen wieder zugänglich macht, sicher von grofser Wichtigkeit. 
Bei unseren Kulturen von ein- und zweijährigen Pflanzen finden wir 
diese Hilfe nur durch die Gründüngung. 

Nicht zu übergehen ist schliefslich auch die Bodenverarmung durch 
Drainage. So nützlich diese Einrichtung ist, wie wir bereits früher bei 
der Bodendurchlüftung anerkannt, läfst sich doch nicht verkennen, dafs 
sie auch ihre grofsen Schattenseiten hat und stellenweise schädlich wirken 
kann. Dies bezieht sich namentlich auf die Auslaugung des Bodens 
an salpetersauren Salzen in Örtlichkeiten, in denen intensive Dünger- 
zufuhr nicht ausführbar ist. Dort natürlich, wo reiche Stickstoffzufuhr 
vorhanden, steigert sich der Verlust zu bedeutender Höhe, wie bei- 
spielsweise die Analysen L£vy’s von den Drainwässern der Pariser 
Rieselfelder beweisen!). In einem Liter der abfliefsenden Drainflüssig- 
keit waren enthalten an Ammoniakstickstoff 0,8—0,9 mg, an Salpeter- 
stickstoff zwischen 19,1—27,1 mg. Das zur Berieselung verwendete 
Kloakenwasser enthielt 24,9 Ammoniakstickstoff und 0,9 Salpeterstick- 
stoff. Der Vergleich dieser Zahlen zeigt dabei, dafs der in Form von 


1) Worusy, E., Die Zersetzung der organischen Stoffe usw. Heidelberg 1897 S.4. 


23658 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


Ammoniak zugeführte Düngerstickstoff bei seiner Durchwanderung des 
Bodens fast gänzlich zu Salpetersäure oxydiert wird. Die Untersuchungen 
von War!) zeigen, dafs durchschnittlich von den Mineralbestandteilen 
sich keine sehr gerofsen Mengen im Drainwasser nachweisen lassen. 
Er fand in 1000 Teilen an Kalı nur bis zu 0,003, an Kalk bis 0,186, an 
Schwefelsäure bis 0,138, an Phosphorsäure bis 0,002 Teile usw. Indes 
dürfen wir aber nicht vergessen, dafs es sich um dauernde Verminde- 
rungen handelt, die sich summieren, falls die Drainage reichlich läuft. 

Eine übersichtliche Zusammenstellung 35 jähriger Lysimeterversuche 
in Rothamsted und neuerer Untersuchungen in Holland ?) läfst erkennen, 
wie schnell in der Regel die Nitrifikation von Düngemitteln, wie den 
Ammoniaksalzen vor sich geht. Selbst im Herbst und Winter ist die 
Nitrifikation so lebhaft, dals grofse Stickstoffverluste zu erwarten sind, 
weshalb es sich empfiehlt, Ammoniaksalze als Kopfdüngung 
im Frühjahr zu verwenden, 

Bei Verwendung von Sulfaten und Chloriden des Ammoniaks wird 
der Kalk in Verbindung mit der Schwefel- und Salzsäure in grofsen 
Mengen in das Drainwasser gespült. Dieser Vorgang ist die notwendige 
Einleitung zur Bindung des Ammoniaks im Boden und der darauf- 
folgenden Nitrifikation. Reicht der kohlensaure Kalk für diese Um- 
setzung nicht aus, so werden leicht die Ammoniaksalze den Pflanzen 
gefährlich. Da auch die Sulfate und Chloride des Kaliums wie die des 
Ammoniaks Gips und Chlorkalk bilden, die nicht vom Boden absorbiert 
werden, so sieht man, wie notwendig eine periodische Kalkung ist. 


B. Die Arbeit der Bodenorganismen, 


Der Tätigkeit der Tiere in bezug auf die Veränderung des Bodens 
ist im dritten Bande unseres Werkes Erwähnung getan; hier handelt 
es sich in erster Linie um die Arbeit der Bodenbakterien, deren land- 
wirtschaftliche Bedeutung in sehr übersichtlicher kurzer Zusammen- 
fassung von BEHRENS?) und Hiwrser*) dargelegt worden ist. 

Nach ihrer hauptsächlichsten Arbeitsleistung könnten wir bei den 
Bakterien von solchen, die die Stickstoffwanderung auslösen, und 
anderen, welche die kohlenstoffhaltigen Verbindungen angreifen (wie 
z.B. die Pektin- und Cellulosevergärer), und endlich von Humusbildnern 
und Humuszersetzern sprechen. Aber die Tätigkeit dieser Organismen 
an ihrem Nährsubstrat ıst hier nicht allein zu würdigen, sondern, und 
zum Teil vorzugsweise, ihre gegenseitige Beeinflussung. Einzelne Gat- 
tungen oder Arten schliefsen einander aus, andere unterstützen einander. 

Als ein hervorragendes Beispiel dient der Einflufs des Schwefel- 
kohlenstoffes, von welchem man neben einer Giftwirkung auch 
eine direkt wachstumfördernde Reizwirkung angenommen hat. Letztere 
glaubte man in der Tatsache zu erkennen, dafs nach Verschwinden des 
Schwefelkohlenstoffes und seines wachstumhemmenden Einflusses eine 
deutlich erkennbare Erhöhung der Fruchtbarkeit eintrat. HiLTser gelang 


!) Weitere Analysen bei A. Marer, Agrikulturchemie. 5. Aufl. 1902 Bd. 2 
Abt. 1S. 118. 

2) Beleuchtung der Bodennitrifikation durch Drainwasseruntersuchungen. 
Mitteil. d. D. Landw. Ges. 1906 Stück 13. 

?) Beurens, Die durch Bakterien hervorgerufenen Vorgänge im Boden und 
Dünger. Arb. d. Deutsch. Landwirtsch.-Ges. 1901 Heft 64. 

4) Hırrser, L., Über neuere Erfahrungen und Probleme auf dem Gebiete der 
Bodenbakteriologie usw. Arb. d. Deutsch. Landwirtsch.-Ges. 1904 Heft 98. 


1. Verhalten der Nährstoffe zum Bodengerüst. 269 


nun der Nachweis, dafs der Schwefelkohlenstoff hauptsächlich dadurch 
die wechselnden Erscheinungen bedingt, dafs er den Gleichgewichts- 
zustand der Bodenbakterienflora stört. Durch seine tettlösende 
Eigenschaft drängt er gerade die bis dahin vorherrschenden Bakterien 
plötzlich zurück, sowie er überhaupt die Vermehrung der sämtlichen 
Arten aufhebt, solange er im Boden unverändert vorhanden ist. Ver- 
Aunstet nun das Gift oder verschwindet durch Umsetzung, dann steigert 
sich die so lange zurückgehaltene Vermehrung der Bodenorganismen 
derart, dafs z. B. in einem Falle eine Vermehrung von 9 Millionen der 
auf Fleischpeptongelatine wachsenden Arten auf 50 Millionen in 1 g 
Erde nachgewiesen wurde. Von Moritz und ScHERPE konnte dabei 
chemisch eine Erhöhung der Stickstoffproduktion und damit der Kartottel- 
ernte festgestellt werden. 

Unter Hinweis auf das über die Bodenbakterien bereits im zweiten 
Bande (S. 89) geschilderte Verhalten der Stickstoffbakterien ergänzen 
wir hier nur die dort angeführten Tatsachen. Nachdem nämlich Wıno- 
GRADSKY die Umwandlung des Ammoniakstickstoffs zu Salpeterstickstoff als 
aufeinanderfolgende Arbeitsleistungen zweier verschiedener Bakterien- 
gruppen (Nitrit- und Nitratbildner) nachgewiesen hatte, wurde von 
ÖMELIANSKY festgestellt, dafs der Stickstoff der organischen Substanzen 
vorerst wieder durch andere Bakterien in Ammoniak verwandelt werden 
mufs. Bei dieser Arbeit können nun leicht Störungen eintreten, da die 
hier in Betracht kommenden Bakterien äufserst empfindlich gegen ge- 
löste Stoffe sind. So wird beispielsweise der Salpetersäure bildende 
Organismus an seiner Tätigkeit vollständig gehindert, wenn noch 
Spuren von Ammoniak vorhanden sind. 

Zahlreichen anderen Bakterienarten (man kennt deren bereits mehr 
als zwanzig) kommt im Gegensatz zu obigen die Fähigkeit der Deni- 
trifikation, also der Reduktion des Salpeterstickstofts bis zum freien 
in die Luft entweichenden Stickstoff zu. Auf diesen Vorgang hat man 
die Tatsache zurückführen wollen, dafs frischer Stallmist unter 
Umständen im Boden enthaltenen Salpeter schädigt und dafs Stroh- 
düngung nachteilig wirkt. Jetzt erklärt man diese Erscheinung haupt- 
sächlich dadurch, dafs eiweifsbildende Organismen den aufnehmbaren 
Bodenstickstoff festgelegt haben (PreEirfEr und LEMMERMANN, sowie 
GERLACH und VoczL). Diese Bakterien führen den Salpeter zunächst 
in Nitrit und dann in eiweifsartige Verbindungen über. Dafs dazu aber 
bestimmte Nebenbedingungen gehören, zeigt ein Hırrner’scher Versuch, 
bei dem die Strohdüngung bei Topfkulturen ganz ungemein schädlich 
sich erwies, während sie in gleichen Gaben in freiem Lande eine günstige 
Wirkung ausübte. Wahrscheinlich ist dieser Widerspruch darauf zurück- 
zuführen, dafs die entstandenen eiweifsartigen Produkte im Freiland 
schneller in wieder aufnehmbare Produkte verwandelt werden können. 

Für die Betrachtung der Nährstoffwanderung und -wandlung durch 
die Bodenbakterien kommt schliefslich auch noch der Vorgang der 
Stickstoffsammlune, d. h. der Assimilation des freien Stickstotis 
durch Bakterien in Betracht. Aufser dem von WixogkapskY vor langer Zeit 
bereits festgestellten anaöroben Clostridium Pastorianum (Pasteurianum), 
das bei genügenden Mengen von Kohlenhydraten den elementaren 
Luftstickstoff zu seiner Ernährung verwenden kann, sind durch Beı- 
JERINCK auch sauerstoffliebende Arten, wie Azotobacter chroococeum, auf- 
gefunden worden. Diese in jedem Ackerboden vorhandene Art konsu- 
miert äufserst grofse Mengen von Kohlenhydraten bei ihrer Stickstofl- 


270 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


assimilation (nach GErLACH und VosEL 8,9 mg Stickstoff bei 1 g Trauben- 
zucker). 

Hierher zu rechnen sind auch die Veränderungen der Waldstreu, 
bei der die Stickstoffanreicherung von Hexky!) berechnet worden ist. 
Er hebt hervor, dafs bei der auf feuchtem Boden im Sommer sehr lebhaften 
(im Winter kaum bemerkbaren) Zersetzung abgestorbener Eichen- und 
Buchenblätter und Fichtennadeln allein oder im Gemisch mit Erde 
Stickstoff gespeichert wird. Nach seinen Berechnungen können ab- 
gefallene Eichenblätter binnen Jahresfrist 20 kg Stickstoff pro Hektar 
sammeln. Auf trockenem Boden bereicherte sich das tote Laub entweder 
gar nicht (Rotbuche) oder doch nur ganz unbedeutend (Weifsbuche, 
Fichte). Ein Stickstoffverlust wurde jedoch in keinem Falle beobachtet. 

Indirekt mitwirkend, und zwar speziell bei der Stickstoffanreicherung 
des Bodens, reihen sich hier auch die Knöllchenbakterien an, die im 
Nitragin?) als Handelsware eingeführt sind, während ein rein ge- 
züchtetes Material von frei lebenden Stickstoffsammlern als „Alınit“ 
verkauft wird. Die neueren Untersuchungen weisen darauf hin, dafs 
nicht blofs für einzelne Nährpflanzen angepafste Rassen derselben 
Bakterienspezies anzunehmen sind, sondern dafs verschiedene Arten 
zu unterscheiden sind. Hirrtxer hält hauptsächlich wegen ihrer morpho- 
logischen und physiologischen Verschiedenheit zwei Arten einander ent- 
gegen, nämlich Ahrzobium radieicola und Rh. Beijerinckü. Dafs die 
Knöllchenbakterien nicht ernährend für die Leguminosenpflanzen wirken 
können, so lange noch Salpeter im Boden den Wurzeln zur Verfügung 
steht, und die Wirksamkeit dieser Organismen erst beginnt, wenn die 
Leguminosen einige Zeit hindurch an Stickstoffhunger leiden, sei 
hier nur nebenbei erwähnt, um die Abhängigkeit des Bakterienlebens 
von den verschiedenen Faktoren weiter zu illustrieren. Als ein solcher 
Faktor wird auch die Wurzelausscheidung einer jeden Pflanze 
gelten müssen. Ja auch die ganz gesunden Samen, welche in den Boden 
kommen, und die grünen Teile gesunder Keimpflanzen besitzen 
ihre spezifische Bakterienflora, die sich stark vermehren und in den 
Boden ausschwärmen kann. Dabei können andere Mikroorganismen 
verdrängt werden®). Aus derartigen Ungleichheiten der Vegetations- 
bedingungen im Boden müssen notwendigerweise bedeutende Schwan- 
kungen in der Individuenzahl jeder Bakterienart und damit in der 
Gesamtarbeitsleistung betreffs Herstellung des für unsere Kulturpflanzen 
zuträglichen Nährstoffmaterials entstehen. Wenn nun durch einzelne 
Umstände, wie z.B. durch spezifische Wurzelausscheidungen, einer be- 
stimmten Pflanzenart Bakterienarten angelockt und zu starker Vermehrung 
veranlafst werden, welche einzelne Nährstoffe, vor allem aber den Stick- 
stoff, in eme für die Kulturpflanzen ungünstige Form überführen, dann 
kann der Fall eintreten, dafs die Chemie den Gesamtnährstoffvorrat 
als genügend, ja vielleicht als überreich nachweist und die Pflanzen doch 
in ıhrer Produktion zurückgehen. Wir stehen dann vor den Er- 


!) Hesey, E., Über die Zersetzung der abgefallenen Blätter im Walde usw. 
(Annal. Sc agron. franc. VIII). cit Centralbl. Agrik. Chem. 1904 S. 798. 2 

?) Betreffs der Bodenimpfung mufs man berücksichtigen, dafs die Bakterien, 
wie alle Pflanzen, nur gedeihen werden, wenn der Boden so beschaffen ist, dafs 
er ihre Vermehrung begünstigt Sie müssen, wie Reur sehr bezeichnend dies aus- 
drückt, ihr richtiges „Bodenklima“ finden. 

”) Düsserı, M., Die Bakterienflora gesunder Samen usw. Centralbl. f. Bakt. 
II, 1904, Bd. XIII S. 198. 


1. Verhalten der Nährstoffe zum Bodengerüst. 271 
scheinungen der Bodenmüdigkeit. Darauf bezügliche Versuche er- 
wähnt Hiıtıner, der bei Erbsen, welche im Laufe von drei Jahren sieben- 
mal in derselben, nur verschieden gedüngten Erde in Töpfen erzogen 
worden waren, in der dritten Generation ausgesprochene Anzeichen der 
Bodenmüdigkeit wahrnahm. „Die Pflanzen kränkelten, neigten leicht zu 
Befall, vergilbten vorzeitig und gaben schlechte Ernten.“ In den späteren 
Generationen wurde bei diesem Versuch die Erkrankung überwunden. 
„Die Wurzeln der Erbsenpflanzen waren jetzt auffallend gebräunt, 
innerlich aber ganz weifs und gesund, und es liefs sich nachweisen, 
dafs nunmehr eine regelrechte Dakteriorhiza vorhanden war, die, ge- 
bildet durch angepafste nützliche Bakterien, das weitere Eindringen 
der schädlichen Organismen verhinderte !).“ 

Bezüglich der Rebenmüdigkeit zitiert BEHRENS (a. a. O.S. 110) die 
Beobachtungen von A. Koch, wonach dieselbe durch eine Anhäufung 
schädlicher Mikroorganismen hervorgerufen wird. Nach dem Sterilisieren 
des kranken Bodens (nicht des gesunden) wurde das Rebenwachstum 
ein besseres. 

Wenn eine solche Verschiebung in der Zusammensetzung der 
Bakterienflora nach der kulturschädlichen Richtung hin stattfindet, dann 
erklärt sich auch die Steigerung der Bodenmüdigkeit durch eine in 
kurzen Zwischenräumen vor sich gehende Wiederholung des Anbaues 
derselben Pflanze auf einem bestimmten Ackerstück. Und diese An- 
sammlung feindlicher Elemente wird nicht blofs für die Bakterien ihre 
Gültigkeit haben, sondern auch für andere pflanzliche und tierische 
Feinde, welche Bodenmüdigkeit veranlassen können. 

Unter den Bakterien, welche. bei mehrmaligem Anbau von Legu- 
minosen im Boden sich anhäufen, fand Hırıner, dafs die Pektin- 
vergärer in Wirksamkeit treten. Er fand, dafs in stark erbsenmüden 
Böden vollkommen gesunde Erbsensamen besonders durch diese als 
starke Säurebildner bekannten Bakterien verfaulten. 

Eine anderweitige Abweichung der normalen Bakterienarbeit im 
Boden ist die Vertorfung des Düngers. Man findet in schweren 
Böden oft noch nach Jahren den eingebrachten Dung ziemlich unzersetzt 
wieder. Ebenso vertorft bisweilen eine zu tief untergebrachte Grün- 
düngung. Es vollziehen sich infolge des zu beschränkten Luftzutritts 
die Rohhumusbildungen. Die Herstellung einer richtigen krümeligen 
Humusdecke ist aber das Endziel unserer Bodenbearbeitung; denn 
durch den Humus erhalten wir die Ausgleichung der Extreme von 
Hitze und Kälte, Nässe und Trockenheit und den richtigen Nährboden, 
der den meisten Bodenbakterien erst die Existenzmöglichkeit liefert. 
Ist diese vorhanden, dann entwickelt die Ackerkrume ihr eigentliches 
Leben, das bis zu einem gewissen Grade durch die Kohlensäureproduktion 
mefsbar ist. Wie dabei die Bakterien mitwirken, zeigen einige An- 
gaben von SrorLasa und Ernest?), welche die Atmungsintensität von 
100 & Trockensubstanz des Bacterium Hartlebi, einer Denitrifikations- 
bakterie, auf 2,5 & Kohlendioxyd pro Stunde berechneten; bei derselben 
Menge Trockensubstanz von Clostridium gelatinosum, einem Ammonıiak- 
bildner, ergab die Kultur 2,0 & Kohlensäure. Dafs die Kohlensäure- 
produktion eines Ackers wirklich vom Bakterienleben in erster Linie 


') Bodenpflege und Pflanzenbau. _Arb. d. D. Landwirtsch.-Ges. Heft 98 S. 74. 

:) Srorrasa, J., und Ensesı, A., Über den Ursprung, die Menge und die Be- 
deutung des Kohlendioxyds im Boden. Centralbl. für Bakteriologie usw. II. Abt. 
1905 Bd. XIV Nr. 22/23 S. 725. 


272 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


abhängig ist, beweist der Umstand, dafs nach Sterilisation des Versuchs- 
bodens keine Kohlendioxydproduktion zu beobachten war. 

Über den Einflufs der Durchlüftung finden wir bei den genannten 
Autoren folgende Mitteilungen: Ein Waldboden aus tiefer Lage lieferte 
binnen 24 Stunden pro Kilo in Ae&robiose 59, in Anaörobiose 0 mg, ein 
Torfboden in Aörobiose 41 mg in Anaörobiose 7 mg Kohlensäure. 
Natürlich sprechen Wärme und Feuchtigkeit ausschlaggebend mit. Je 
reicher auf einem Acker die Kohlensäureproduktion, desto vollständiger 
vollzieht sich der chemische Prozefs der Bindung des flüchtigen 
Ammoniaks, wie SCHNEIDEWIND!) beobachtet hat. Diese Frage kommt 
hier insofern in Betracht, als die Stickstoffverluste bei Zufuhr tierischen 
Dunges eine Verarmung des Bodenkapitals darstellen. Wurde Stall- 
dünger in gewöhnlicher Behandlung in einer Düngergrube belassen, 
so zeigte er nach dreimonatiger Lagerung einen Stickstoffverlust von 
30,310; lagerte er aber auf einer Unterlage von stark Kohlensäure‘ 
produzierenden altem Dünger, betrug der Verlust nur 16,94%. Hier 
mufste also die reichliche Kohlensäure das flüchtige Ammoniak ge- 
bunden oder doch die Dissoziation des gebildeten kohlensauren Am- 
moniaks verhindert haben. 

Zu den empfindlichsten, weil häufigsten Schädigungen gehört der 
sogenannte „ungare Boden“. Derselbe unterscheidet sich durch 
seinen Mangel an Elastizität von dem garen, der unter dem Einflufs der 
löslichen Bodensalze und Mikroorganismen die bereits früher be- 
sprochene Krümelstruktur annimmt. In Rücksicht auf den vorwiegen- 
den Anteil der Bakterien an den Zersetzungserscheinungen können wir 
die Gare des Ackers als eine Arbeit derselben bezeichnen. Wenn wir 
auch noch lange nicht alle sich im gärenden Boden vollziehenden 
Prozesse kennen, so wissen wir doch, dafs wir die Gare bis zu einem 
bestimmten Grade als wirkliche Gärung auffassen dürfen. Erinnert sei 
nur an die speziellen Pektinvergärer (Plectridien), die bei der Keimung 
der Leguminosensamen von Bedeutung erscheinen, ferner an die Cellulose- 
vergärer mit vorwiegender Bildung von Wasserstoff und Methan 
(Sumpfgas CH). Weiter kommen die Streptothrix-Arten als Humus- 
vergärer in Betracht, besonders aber die Säure bildenden Granulose- 
organısmen?), die vorwiegend Buttersäure und Kohlendioxyd produzieren, 
wobei die Plectridien die Hauptarbeit bei der Mineralisierung der 
organischen Substanz übernehmen. Der Stickstoffsammler (Bacillus 
radierceola und megaterium, Olostridium Pasteurianum, Azotobacter), sowie 
der Ammoniakbildner (Baeillus ureae, albuminis, proteus vulgaris®), butyricus, 
mycoides, subtilis, mesentericus vulgatus, foetidus, Bacterium coprophilum usw.), 
der nitrifizierenden (Bacterium nitrobacter usw.) und denitrifizierenden 
Gattungen (Bacillus myecoides, subtilis, liquidus, nubilus, vulgaris, coli, 
prodigiosus, liquefaciens, Bacterium fuscum, Clostridium gelatinosum usw.) 
ist bereits gedacht worden, und nun erinnere man sich noch an die 


!) Scuseiewisp, Zur Frage der Stalldüngerkonservierung. Deutsche landw. 
Presse 1904 Nr. 73. . 

:) Lönsıs, F., Über die Zersetzung des Kalkstickstoffs. Centralbl. f. Bakt. II 
1905 Nr. 3/4 S. 87. _ 

?) Srokrasa, J., Über die Schicksale des Chilisalpeters im Boden usw. Blätter 
f. Zuckerrübenbau 1904 Nr. 21. 


1. Verhalten der Nährstoffe zum Bodengerüst. 2373 


Aufser den Bakterien hat man auch grüne Algen, deren Erscheinen 
als Zeichen einer guten Gare oilt, als Stickstoffsammler angesprochen. 
Nach Koch!) ist aber dies wohl nicht der Fall, sondern ihr Wert darin 
zu suchen, dafs sie durch ihre Chlorophylitätigkeit den stickstoft- 
bindenden Bodenbakterien kohlenstoffhaltige Nahrung liefern. Von 
den blaugrünen Aloen behaupteten BEIERINCK, SCHLÖSING und LAURENT 
die Fähigkeit, freien Stickstoff zu assimilieren, und ebenso sollen nach 
Sama?) eine Anzahl Schimmelpilze (Mucor stolonifer „und Aspergillus 
niger) diese Fähigkeit besitzen. 

Wenn TRrEBOUX®?) neuerdings hervorhebt, dafs die Tätigkeit der 
Nitrit- und Nitratbakterien häufig versagen dürfte, dafs aber das im 
Boden zurückgehaltene Ammoniak den Pflanzen stets zur Verfügung 
ist und verarbeitet wird, so ist dies für viele Fälle zuzugeben. Auch 
andere Forscher haben die Nützlichkeit der Ammoniakernährung nach- 
gewiesen. Aber schliefslich beruht die Ammoniakbildung im Boden doch 
auf Verwesung, an der Bakterien beteiligt sind. 

Das Wachstum der Mehrzahl der die Fruchtbarkeit des Bodens 
bedingenden Mikroorganismen ist an einen reichlichen Wechsel von 
Feuchtigkeit und abtrocknender Durchlüftung bei genügender Wärme 
gebunden, und diese Verhältnisse fehlen bei schweren Böden in nassen 
Perioden: der Boden bleibt ungar. Hier läfst sich die Pflege der 
nützlichen Bodenbakterien nur durch fortgesetzte Bodenbearbeitung 
erzielen, und anerkannte Praktiker empfehlen möglichst schnellen Um- 
bruch der Getreidestoppeln auf Lehmböden zur Erzielung eines gröfseren 
Stickstoffgewinns durch früher beginnende Gare. In der ‚Lauchstädter 
Versuchswirtschaft wurden nahezu dieselben Erfolge durch früh- 
zeitiges Pflügen wie durch eine Gründüngung erzielt. Auf allen 
schweren Böden ist das Herbstpflügen für die Frühjahrsbestellung das 
wesentlichste Vorbeugungsmittel gegen ungaren Boden. 

Neuerdings wieder zu Ehren kommt die Brache) bei schweren 
Böden. Bei leichten Bodenarten wird sie als Verschwendung anzusehen 
sein. Das Wohltätige der Brache ist ihre aufschliefsende Wirkung, 
über deren Zustandekommen ein endgültiges Urteil noch aussteht. Wir 
glauben, dafs physikalische, chemische und bodenbakteriologische Vor- 
gänge dabei ergänzend ineinander greifen. Der Winter wirkt um so 
besser lockernd, je öfter der Boden auftaut und wieder durchfriert; da- 
durch wird das Eingreifen des Verwitterungsprozesses begünstigt und 
der Boden für die nützlichen Arten der Bodenbakterien geöffnet. Zu 
welchen Gattungen dieselben gehören, ist noch nicht sicher festgestellt. 
Hirıner hat zunächst nachgewiesen, dafs es nicht die Alinitbakterien 
sind. In letzter Linie wird es stets darauf ankommen, den Nitrifikations- 
bakterien die höchste Arbeitsleistung zu ermöglichen; denn nach Reır- 
MAIR?) setzt in guten, milden Böden bei genügender Wärme gleich 
nach der herbstlichen Ernte die Nitrifikation des Bodens sofort derartig 


1) Kocu, A., Bodenbakterien- und Stickstofffrage. Verh. d. Gesellsch. deutscher 
Naturf. zu Karlsbad. 1903. Teil I S. 182. \ h 

2) s. Vocer, J., Die Assimilation des freien elementaren Stickstoffs durch Mikro- 
organismen. Centralbl. f. Bakteriol. II, 1905, Bd. XV S. 174. 

?) Tresoux, O., Zur Stickstoffernährung der grünen Pflanzen. Ber. d. botan. 
Gesellsch. 1905. S. 570. \ 

#) s. Hırımanx, Bedeutung der Agrikulturphysik usw. Nachrichten aus dem 
Klub der Landwirte, 1902 Nr. 453, und Mitteil. d. D. Landw.-Ges. i 

5) Rerrmaır, O., Die Stellung der Brache und der Gründüngung in unsern 
modernen Fruchtfolgen. D. Landw. Presse. Sond. 1903. 

Sorauer, Handbuch. 3. Aufl. Erster Band. 15 


274 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse, 


wieder ein, dafs der Bedarf einer folgenden Halmfrucht an Nitraten 
bis zum nächsten Frühjahr wieder gedeckt wird. Voraussetzung ist 
dabei aber die richtige Krümelung und ein gewisser Kalkgehalt !). (Siehe 
auch das bei Drainwässern Gesagte.) 

Natürlich wird man mit STuTzEr?) betonen müssen, dafs nur unter 
bestimmten Umständen die Brache zur Anwendung gelangen kann. Wir 
glauben, dafs sie dann angebracht ist, wenn es dem Landwirt rechnerisch 
am vorteilhaftesten erscheint, den Acker lieber für die lange Zeit der 
Brache zu entbehren, als die schneller wirkende Gründüngung und 
Stallmistzufuhr anzuwenden. Auf diese allein ist wegen ihrer mechanisch 
lockernden Eigenschaften bei zur Ungare neigenden Bodenarten Gewicht 
zu legen und nicht auf die Düngesalze. Der Stickstoff der organischen 
Dungmassen erscheint, wie PFEIFFER®) besonders betont, im Boden fest- 
gelegt, gleichsam kapitalisiert und zeigt daher eine lange Nachwirkung. 
Dieser Autor ist übrigens ein Gegner der Brache, die er als Raubbau 
betreffs des Stickstoffkapitals bezeichnet. Er versteht darunter einen 
unvollständigen Ersatz der den Ackern durch die Ernten entzogenen 
Nährstoffmengen. Die bei der Brachhaltung gewonnenen löslichen 
Stickstoffverbindungen gingen nach PFEirFrer's Ansicht dem unbebauten 
Boden gröfstenteils durch die Sickerwässer wieder verloren. Solche 
Bedenken sind unserer Ansicht nach vollständig gerechtfertigt für leichte 
Böden, fallen aber bei schweren, durch Ton mit reicher Absorptions- 
kraft versehenen, durch die Ernten geschwächten Bodenarten fort. 


3, Verhalten der Nährstoffe zu den Pflanzen. 


Die Erscheinungen, welche in diesem und dem folgenden Abschnitt 
zu behandeln sind, dürfen nur selten als alleinige Folgen eines Mangels 
oder Überschusses des Nährstoffkapitals im Boden aufgefafst werden. 
Sie sind meist das Ergebnis des Zusammenwirkens zahlreicher 
Faktoren, unter denen der Feuchtigkeitsgehalt der Luft eine besonders 
mafsgebende Rolle spielt. Wir wollen nicht vergessen, dafs fast alle 
Krankheiten nur durch eine unpassende Kombination der nor- 
malen Vegetationsfaktoren zustande kommen und eine Störung des 
Gleichgewichtes der ineinandergreifenden Ernährungsvorgänge sind, 
wodurch bestimmte Prozesse zurückgedrückt werden und andere in 
störender Weise ein Übergewicht erlangen. 

Wenn wir jetzt von Krankheiten durch Wasser- und Nährstoff- 
mangel oder -überschufs sprechen, so ziehen wir dabei auch die Er- 
scheinungen hinein, bei denen an einzelnen Stellen des Pflanzenkörpers 
Atrophien und Hypertrophien, eintreten. Diese brauchen nicht auf 
einem wirklichen Mangel oder Überschufs von Wasser und Nährmaterial 
im Boden zu beruhen, sondern können einfach dadurch zustande kommen, 
dafs der Organismus durch die Kombination der Wachstumsfaktoren 
nicht imstande ist, alle Organe in einer für die Gesamtentwicklung 


1) Wonunsmasn, F., Fıscner, H., und Schseiper, Ph, Bodenbakteriologische und 
bodenchemische Studien aus dem Poppelsdorfer Versuchsfelde. Journ. f. Land- 
wirtschaft 1904 S. 97. 


2) Sıurzer, A., Die Nutzbarmachung des Stickstoffs der Luft für die Pflanzen. 
D. Landw. Presse 1904 Nr. 10—19. 


?) Preirrer-Breslau, Stickstoffsammelnde Bakterien, Brache und Raubbau. 
Berlin, P. Parey, 1904. cit. Centralbl. f. Agrik. Chem. 1905 S. 599. 


3, Verhalten der Nährstoffe zu den Pflanzen. 275 


vorteilhaften Weise zu ernähren. Zu den absoluten Mangel- und 
Überschufserscheinungen treten daher die relativen in Form von 
Störungen des lokalen Gleichgewichts. 


A. Wasser- und Nährstoffmangel, 


a. Wassermangel, 
Einfluls der verschiedenen Vegetationsdecken. 


Nachdem wir bereits früher der physikalischen Vorgänge, welche 
zu Wassermangel im Boden führen, gedacht und eine Anzahl davon 
herrührender Krankheitserscheinungen besprochen haben, müssen wir 
ergänzend noch des Einflusses gedenken, den die Vegetationsdecke 
selbst auf den Wassergehalt des Bodens ausübt. Auf demselben Boden 
bei denselben Witterungsverhältnissen findet eine Kulturpflanze auf 
einem Teile des Ackers genügenden Wasservorrat zu ihrer Entwicklung 
und auf einem anderen Teile nicht, wenn auf ersterem eine anspruchs- 
losere Art kultiviert worden ist, welche geringere Mengen Wasser dem 
Boden entzogen hat. Also die Vorfrucht wird für jede Bestellung 
von Bedeutung. 

Der Wassergehalt ist, wie Worısy!) festgestellt, in der Wurzelregion 
eines mit Pflanzen bestandenen Ackers geringer als in der korrespon- 
dierenden Schicht des nackten Bodens. Je üppiger der Pflanzenbestand, 
je dichter und langlebiger derselbe ist, desto mehr verliert der Boden an 
Wasser. Die Versuche lassen zwar keine feste Skala des Wasserverbrauchs 
feststellen, doch weisen sie darauf hin, dafs durchschnittlich die immer- 
erünen Nadelhölzer die gröfsten Wassermengen beanspruchen, worauf 
in absteigender Linie die Laubhölzer und perennierenden Futterpflanzen 
folgen, während die flachwurzelnden Ackergewächse den Gesamtvorrat 
an Wasser im Acker weniger in Anspruch nehmen. Am meisten 
scheinen von letzterer Gruppe die blattreichen, aufrechtstehenden 
Schmetterlingsblütler, wie Acker- und Buschbohnen, Wasser in ihrer 
Hauptentwicklungszeit zu verlangen, während die bei weitem Stande 
angebauten Wurzel- und Knollengewächse an letzter Stelle zu nennen 
sind. Im Sommer brauchen die perennierenden Futtergewächse etwas 
gröfsere Mengen als die Ackerpflanzen und Nadelhölzer; im Frühjahr 
und Herbst ist es umgekehrt. Im Winter gleichen sich die Ansprüche 
der verschiedenen Gewächse aus mit Ausnahme der Nadelhölzer, ‚welche 
bei milder Witterung immer noch gewisse Mengen Wasser dem Boden 
entziehen. 

Denselben Gegenstand behandelt v. SEELHORST?), der zu dem Schlusse 
kommt, dafs Roggen den Acker in bezug auf die Feuchtigkeit bedeutend 
weniger erschöptt als Weizen. Dieser Umstand wird sehr wesentlich 
für eine etwa nachfolgende Gründüngungspflanze; denn nach dem 
später das Feld räumenden Weizen kommt diese nicht nur später ım 
den Boden, sondern findet nun auch einen viel trockneren Standort. 
Der Klee erschöpft das Land äufserst stark an Wasser, so dais ın 
trockenen Jahren die ihm foleende Winterung, abgesehen davon, dafs 


1) Worısv, E., Über den Einflufs der Pflanzendecken auf die Wasserführung 
der Flüsse. Vierteljahrsschr. d. Bayer. Landwirtschaftsrates 1900 S. 339. 

2) v. Serrmorsı, Untersuchungen über die Feuchtigkeitsverhältnisse eines Lehm- 
bodens unter verschiedenen Früchten. Journ. f. Landwirtsch. 1902 Bd. 50. eit. 
Centralbl. f. Agr. Chemie 1903 Heft 6. re 


n 


276 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 
durch den Kleestoppel der Boden leicht sperrig wird, sich wegen 
Wassermangel nur langsam und ungleich entwickeln kann. 

Dagegen scheint die Kartoffel, wenigstens die mittelfrühe, eine 
gute Vorfrucht zu bilden, da sie das Land ziemlich feucht zurückläfst. 
Auch Erbsen bilden eine gute Vorfrucht für die Winterung. Begonders 
ungünstig wird von v. SEELHORST der Hafer beurteilt, und zwar nicht 
so sehr wegen der Nährstofferschöpfung, als wegen der starken Wasser- 
entziehung. 

Im Anschlufs an die Feldgewächse ist auch des schädlichen 
Einflusses einer Rasennarbe zu gedenken. Dais eine ge- 
schlossene Narbe den Wurzeln der holzartigen Gewächse, namentlich 
der Obstbäume, das Wasser wegfängt und die Krume verarmen macht, 
ist leicht verständlich; aber neuerdings hat man eine direkte Gift- 
wirkung des Rasens behauptet!), die vielleicht darin zu suchen sei, 
dafs durch die Grasnarbe nützliche Bakterienarten unterdrückt und 
schädliche begünstigt würden. In dem gemeldeten Falle waren die 
Wurzeln der Bäume (Apfelbäume) lang, abnorm dünn und gebräunt, 
das Laub war sehr hell und fiel 14 Tage früher ab. Die Belaubung 
war spärlich, der Holzzuwachs gering. Sobald die Wurzeln oder auch 
nur ein gröfserer Teil derselben in den nicht von Rasen gedeckten 
Grund kamen, verschwanden die Krankheitserscheinungen. Diese 
stimmen im wesentlichen mit den auf schweren, undurchlässigen 
Böden durch Sauerstoffmangel erzeugten überein, so dafs es keines- 
wegs notwendig erscheint, eine Giftwirkung anzunehmen. Wir sehen, 
dafs in vielen Fällen, namentlich auf leichten Böden, die Rasennarbe 
nicht schadet, wenn für Nährstoffe im Bereiche der Baumwurzeln Sorge 
getragen wird. Auf schliefsenden Tonböden wird der Rasen sich von 
dem kapillar aufsteigenden Wasser des Untergrundes lange grün er- 
halten und dem Untergrunde viel Feuchtigkeit entziehen, ohne ihm 
solche während der Vegetationszeit in nennenswerter Menge zurück- 
zugeben, weil er die atmosphärischen Niederschläge für sich verbraucht. 


Das Welken. 


Dafs die Erscheinungen des Welkens auch bei Wasserreichtum im 
Boden eintreten können, indem die Wurzeln unvollkommen funktionieren, 
ist bereits bei Besprechung des „physiologischen Welkens“ erwähnt 
worden. In Böden mit hohem Gehalt an löslichen Salzen wird unter 
Umständen das Wasser so festgehalten, dafs die Wurzel nur mühsam ihren 
Bedarf decken kann. Es treten dann die Erscheinungen zutage, welche man 
beiAnwendung hochkonzentrierter Nährstofflösungen auch experimentell 
hervorrufen kann: kurze Internodien, kleinere Blätter, kürzere Wurzeln, 
die grofse Neigung zur Fäulnis zeigen, Herabminderung der Produktion 
und Transpiration. — Eine weitere Ursache des Welkens ist die 
Temperaturerniedrigung des Bodens. Wird die Wärme nicht erreicht, 
welche eine bestimmte Pflanze braucht, damit ihre Wurzel das Geschäft 
der Wasseraufnahme beginnen kann (Kältestarre), während die Luft- 
temperatur die Verdunstung seitens des Blattapparates zuläfst, macht 
sich diese Störung des Gleichgewichtes zwischen Wasserverbrauch und 
-zufuhr alsbald durch Welken bemerkbar. 

Ein spezieller nicht seltener Fall ist das Welken von Warmhaus- 


1) Beprorp, Duke of, and Pickering, Srexcer, U., The effect of grass on trees. 
Third report of the Woburn exper. fruit farm. London 1905. 


2. Verhalten der Nährstoffe zu den Pflanzen. 977 


pflanzen bei Abkühlung der Töpfe während des Umarbeitens der 
"Warmbeete oder bei dem Verpflanzen usw. Unerfahrene Gärtner 
giefsen dann häufig und sehen einen Erfolg, wenn das vorgewärmte 
Wasser die Wurzeltätigkeit weckt. Bei Wiederholung der Abkühlung 
wird dasselbe Experiment ausgeführt, bis schliefslich der Topf mit 
Wasser überladen ist und die Wurzeln durch Sauerstoffmangel. zu- 
grunde gehen. 

Ein anderer Fall des Welkens der Topfkulturen wurde von HErr- 
RIEGEL beobachtet. Er fand, dafs Pflanzen in grofsen Töpfen welkten, 
die einen mehr als dreimal so grofsen Wasservorrat führten als kleine 
Töpfe mit Pflanzen derselben Spezies, die nicht welkten. Dieser Um- 
stand erklärt sich aus dem relativen Wassergehalt der Erde, der in 
den kleinen Gefäfsen noch 14—20°o betrug, während die absolut 
gröfsere Wassermenge bei der gröfseren Erdmasse der grofsen Gefäfse 
so verteilt war, dafs sie nur noch 11—15°/o Bodenfeuchtigkeit re- 
präsentierte. In diesem Falle war durch die schwierigere Bewegung 
des fester gehaltenen Wassers in den Bodenkapillaren den Wurzeln 
in den grölseren Gefäfsen die Aufnahme erschwert, so dafs die Ver- 
dunstung das Übergewicht erlangte. 

Gegenüber diesem physiologischen Welken möchten wir die Welk- 
erscheinungen bei wirklichem Wassermangel im Boden als mechanisches 
Welken bezeichnen, weil der mechanische Wassertransport in den 
Gefäfsen nachläfst. Natürlich mufs bei starkem Wasserverbrauch der 
Blätter und geringem Nachschub in den Gefäfsen der Luftgehalt 
steigen, und in dieser Steigerung des Luftgehaltes über ein 
gewisses Mafs hinaus ist, wie STRASBURGER !) betont, die Behinderung: der 
Wasserbewegung in den Achsenorganen zu erblicken. Dabei wird auch die 
Luft in den trachealen Elementen um so mehr verdünnt, je stärker an 
warmen Tagen Transpiration und Assimilation sind?), und die Folge 
ist, dafs eine Befeuchtung des Bodens um so schneller zur Wirksamkeit 
gelangt. Im allgemeinen übt das Begiefsen einen um so geringeren 
Einflufs aus, je turgescenter die Pflanze ist?), Die grofse tracheale 
Luftverdünnung kommt auch bei der bekannten Tatsache in Betracht, 
dafs die bei heifsem Wetter schnell welkenden Feldgewächse von der 
Betauung des Bodens in der Nacht schon Nutzen ziehen werden, 
namentlich da die Verdunstung durch die Blätter zu dieser Zeit herab- 
gedrückt ist. 


Die Produktionsänderung durch Wassermangel. 


Auch des verschiedenartigen Ernteertrages infolge von Wasser- 
mangel ist bereits in früheren Abschnitten gedacht worden, so dals 
wir hier nur ergänzend einige weitere Fälle anzuführen brauchen. Am 
schlagendsten sind die HELLRIEGEL’schen *) Versuche. Zwei Proben von 
Kleeblättern wurden einem Felde entnommen, bei dem sich stellenweise 
ein Welken der Pflanzen kundgab. Es wurde gefunden: 


!) Srrasgunger, Ed, Über den Bau und die Verrichtungen der Leitungsbahnen 
in den Pflanzen. Jena 1891. cit Bot. Zeit. 1892 S. 261. . 

2) Norz, Über die Luftverdünnung in den Wasserleitungsbahnen der höheren 
Pflanzen. Sitzungsber. d. Niederrheinischen Ges. f. Natur- und Heilkunde Bonn 
1897. II. 8.148, . 

3) CHAMBERLAIN, Hovsrox Stewart, Recherches sur la seve ascendante. cit. Bot. 
Jahresb. 1897 8. 73. 

ı) a. a. 0. S. 544. 


378 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


an welken Pflanzen: Blätter 71,0%o Wasser, Blattstiele 78,4°/o, 
” 71,1 "0 ” ” 80,8 %/o, 
an straffen Blättern zwischen 
den welken: 82,5% o r & 90,0 %0 
An Trockensubstanz hatten die welken Blätter ın den Blattflächen 
ca. 29°, in den Blattstielen 19—21°/o; dagegen die straffen Pflanzen 
in den Blattflächen 17,5°o und in den Blattstielen 10°o, also fast nur 
die Hälite von jener der welken Pflanzen. 

Ein Beispiel für die Beeinflussung des Getreides durch Trockenheit 
liefern die Untersuchungen von PRIANISCHNIKOW!), wonach der Stickstoft- 
gehalt im Korn zunimmt, wenn die Feuchtigkeit sich verringert. Ein 
ausführlicheres Bild über den Einflufs der Nährstoffaufnahme und -ver- 
arbeitung in trockenen Jahren gewähren die Studien von STAHL- 
SCHROEDER?). Nach Erwähnung der bekannten Tatsache, dats Phosphor- 
säure das Reifen beschleunigt, Stickstoff und Kalı dasselbe verzögern, 
wird betont, dafs für die Nährstoffaufnahme die Monate vor der Blüte 
die bedeutungsvollsten sind. Herrscht in dieser Zeit Wassermangel im 
Boden, so w ird eine geringere Menge organischer Substanz entstehen. 
Aber die leicht dur ch die Zellwände , dringende Salpetersäure kann doch 
ihren Wege: in die Pflanzen finden und ihrerseits wieder zur Phosphor- 
säureaufnahme anregen, um die Bildung von Proteinstoffen zu bewirken. 
Auf diese Weise kommen in trockenen Jahren geringe Ernten mit 
hohem N- und P-Gehalt zustande. Die Stickstoffsteigerung tritt auch 
mehr zutage, da bei der Trockenheit die Stärkefüllung des Korns sehr 
erschwert wird. Der umgekehrte Fall läfst sich bei den norwegischen 
Kornproben feststellen , deren hohes absolutes Gewicht durch reiche 
Stärkeeinlagerung bedingt ist. Diese erklärt sich durch das Wachstum 
des Getreides bei reichlicher Feuchtigkeit unter dem Einflufs der 
langen Tage. 

In direkten Zahlen ausgedrückt finden wir das Sinken der Produktion 
mit dem Rückgang des den Pflanzen zur Verfügung stehenden Wassers 
bei Versuchen von HELLRIEGEL mit Gerste in mit Sand gefüllten Töpfen. 


Bodenfeuchtigkeit 
in Prozenten der - 
wasserfassenden Kraft in Stroh und Spreu in Körnern 


Trockensubstanz 


80—60 7394 Mg 4896 M& | Durchschnitt 
60—40 5988 „ 4193. —,, von je 
40—20 4842 „ 1942 _, 3 Pflanzen. 


Die Töpfe mit einer Bodenfeuchtigkeit unter 20 %0 der Wasserkapazität 
des Sandes litten durch die Sommerhitze derart, dafs die Ahren in 
den obersten Blattscheiden sitzen blieben, ohne zur Körnerbildung zu 
gelangen. 

In scheinbarem Widerspruch mit solchen Ergebnissen steht die 
Beobachtung der Praktiker, dafs in vollkommen ausgetrockneten, so- 
genannten staubtrockenen Böden die Pflanzen weiterwachsen können, 
obgleich der Untergrund ganz steril ist. Solche Fälle finden ihre Er- 
klärung, sobald der sterile Untergrund nur wasserhaltig ist und die 


!) Prrantscunikow, Über den Einflufs der Bodenfeuchtigkeit auf die Entwicklung 
der Pflanzen. Journ. f. experim. Landw. 1900 Bd. IS. 19. 

?) Sraur-ScHrorper, Kann die Pflanzenanalyse uns Aufschlufs über den Gehalt 
an assimilierenden Nährstoffen geben? Journ. f. Landw. 1904. cit. Biepermann’s 
Centralbl. f. Agr. Chem. 1905 Heft 2. 


2. Verhalten der Nährstoffe zu den Pflanzen. 379 


Wurzeln in der Feuchtigkeit bleiben. Experimentell hat diesen Fall 
HABERLANDT!) studiert, der den unteren Teil der Wurzeln seiner Versuchs- 
pflanzen in destilliertes Wasser tauchen liefs, während die oberen 
Wurzeln in Bodenschichten verharrten, die, wie Kontrollversuche er- 
gaben, so trocken waren, dafs die Pflanzen darin verwelkten. Die mit 
ihren äufsersten Wurzeln in destilliertes Wasser tauchenden Pflanzen 
zeigten eine nicht unbeträchtliche Zunahme an Trockensubstanz, woraus 
hervorgeht, dafs die im Trockenen befindlichen Wurzeln die Mineral- 
substanzen aufgenommen haben müssen. Aus dieser Arbeitsteilung der 
Wurzeln erklärt sich das Wachstum unserer Kulturpflanzen mit tief in 
einen sterilen, aber feuchten Untergrund hineinreichenden Wurzeln trotz 
trockener Ackerkrume. Wi 

Diese vorzugsweise bei Getreide dargestellten Anderungen in der 
Produktion erfolgen nach Hertrıeser bei anderen Kulturpflanzen gleich- 
sinnig. 

Verfärbungen bei Gehölzen. 


Das Typische bei Wassermangel und reicher Belichtung ist die 
kräftige Entwicklung der mechanischen Gewebe. Wir haben nur nötig, 
auf die Befunde in trockenen Klimaten hinzuweisen. Beispielsweise 
meldet Jöxsson?) unter den Charakteren der Wüstenpflanzen, dafs die 
Wände der Epidermiszellen vielfach verschleimt sind. Bei Haloxylon, 
Eurotia, Calligonum, Halimodendron wechselt Schleimkork schichtenweise 
mit gewöhnlichem Kork ab. Der Schleimkork ist sehr quellungsfähig 
und wird nach Sprengung des Schutzkorkes blofsgelegt, so dals er 
Wasser anziehen und festhalten kann. Auch in den Assimilations- 
geweben finden sich schleimführende Zellen. Bei Halimodendron wird 
die sekundäre Rinde sehr mächtig und spongiös, wodurch sie die 
Temperaturextreme abschwächt und leicht Wasser speichern kann. In 
den peripherischen Teilen bilden reichliche Salzausscheidungen einen 
Schutz. Diese Merkmale ändern sich in Gegenden, die reich an Wasser- 
gehalt im Boden und in der Luft sind. So wurde beispielsweise bei 
Halimodendron in Kopenhagen kein Schleimkork gefunden. 

Aus Neu-Amsterdam berichtet Swantunn®) über die äufserst dicke 
Aufsenwand der Epidermen, die häufige Einsenkung der Spaltöffnungen, 
die Einrollung der Blätter und dadurch bedingte Einschränkung der 
Transpiration. Wir haben diesen Gegenstand schon früher in dem Ab- 
schnitt über horizontale Differenzen und bei den Fehlern der Sandböden 
berührt und dabei auch des Merkmals der Rotfärbung gedacht. Man 
kann auch durch künstliche Eingriffe lokalen Wassermangel und 
Anthocyanbildung damit hervorrufen, indem man Pflanzen, welchen 
eine rote Herbstfärbung eigen ist, an ihren Blättern einknickt oder ihre 
Zweige ringelt. Es tritt dann an den oberen Teilen über der Wund- 
stelle mitten im Sommer Rotfärbung ein. | 

Betreffs der durch Hitze und Trockenheit hervorgerufenen Ver- 
färbungserscheinungen gebe ich einige Beobachtungen aus dem Jahre 
1892, das im August bei dem Auftreten heifser Winde ungewöhnlich 
hohe Temperaturen aufwies. Ich fand am 19. August auf besonders 


1) eit. B:eoermanv’s Centralbl. f. Agr. Chera. 1878 S. 314. aA 

:) Jönsson, B., Zur Kenntnis des anatomischen Baues der W üstenpflanzen. 
Lunds Univ.-Arsskrift XXXVIII. Bot. Jahresb. 1902 II S. 292. Ne Aatae 

3) Swastuxn, J., Die Vegetation Neu-Amsterdam’s und St. Pauli’s in ihren Be- 


ziehungen zum Klima. Dissert. Basel 1901. 


380 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


schwerem Lehmboden eine Temperatur von 52,7°0. Sämtliche Gehölze 
welkten und die Mehrzahl entlaubte sich allmählich. Natürlich waren 
auch hierbei grofse individuelle Unterschiede bemerkbar. 

Verfärbung und Blattfall gingen fast immer von den untersten 
Blättern der Zweige aus. 

Bei der Erle fielen die Blätter unter Erhaltung der grünen Farbe. 

Acer Pseudoplatanus var. Schwedleri mit roter Blattunterseite. Blätter 
wurden von den Spitzen der Zipfel her rötlichbraun bis lederfarbig 
in den Intercostalfeldern. Aufserdem auf der Blattfläche zerstreut 
unregelmäfsige tiefer gebräunte, vollkommen dürre Brandflecke. Be- 
schädigte Blätter sitzenbleibend. 

Acer Negundo. Obere Blätter etwas schlaf. Ränder der Teil- 
blättchen nach oben gehoben. Die nächst unteren Blätter bleich 
gelbgrün, die untersten hellgelb, gleichmäfsig an den dürren Rändern 
nach oben gerollt. 

Acer platanoides. Blätter zeigen unter schwacher Vergilbung un- 
regelmäfsige, kleine verfliefsende, zwischen den Rippen verlaufende 
Brandflecke: die vertrockneten Spitzen biegen sich hakenförmig 
nach oben. 

Fagus silwatica. Einzelne, aber nicht immer die untersten, sondern 
die exponiertesten Blätter erhielten unregelmäfsige, in den Intercostal- 
feldern auftretende, mit gelbem, verwaschenem Rande versehene, dürre 
Stellen. Bisweilen ist die ganze Oberfläche gleichmäfsig leicht gebräunt. 
Niemals Randzeichnungen. 

Vitis vinifera. Bei Beginn der Trockenheit zeigen sich einzelne, 
ganz unregelmäfsig zwischen grünbleibenden stehende Blätter gelb. 
Die citronengelbe, bei anderen Varietäten rote Verfärbung beginnt an 
einer Stelle des Randes und schreitet in den Intercostalfeldern fort, 
bis nur noch die Rippen grün erscheinen. Trotz der Trockenheit fand 
ich damals an einzelnen unteren Blättern die den Rippen folgenden 
trockenen, eckigen Flecke der Plasmopara viticola. 

Prunus Persica. Sämtliche Blätter etwas erschlafft; manche (aber 
nicht immer die untersten) von der Spitze aus vergilbend. An ein- 
zelnen Bäumen schreitet die Verfärbung an den Rippen schneller fort, 
so dafs zuerst die Nervatur und dann die übrige Blattfläche gelbrot 
bis weinrot sich färben; darauf fällt das Blatt ab. (Eigenschaft der 
Sorte.) 

Prunus domestica. Sämtliche Blätter schlaff, Mehrzahl aber noch 
gleichmäfsig grün mit Ausnahme der untersten, die an vielen Zweigen 
weifsgelb geworden sind und schmale, braune, zurückgeschlagene, dürre 
Randflecke besitzen. Leicht bei Wind sich ablösend. | 

Prunus avium. Untere Blätter, namentlich der Kurztriebe, gleich- 
mäfsig citronengelb und abfallend. 

Prunus Cerasus. Nur wenige Blätter vergilbt, sonst die gesamte 
Belaubung noch frisch: ein Beweis, dafs die Kirschen Trocken- 
heit lieben. 

Pirus communis. Je nach Exposition mehr oder weniger Brand- 
flecke, aber keine Vergilbung zeigend. Bisweilen dürre Randzonen, 
dagegen häufiger solche Blätter, deren ganze Blattfläche tief umbra- 
braun ist (Unterseite heller mit noch frisch grüner oder leicht gebräunter 
Mittelrippe), Ränder stark nach oben gerollt. Wegen der grün bleibenden 
Blattstiele fallen die beschädigten Blätter nicht oder spät ab. 

Aus diesen und zahlreichen anderen Beobachtungen ergibt sich, 


2. Verhalten der Nährstoffe zu den Pflanzen. 381 


dafs durchschnittlich die von der Nervatur entferntesten Teile der 
Blätter zuerst und am meisten sich verfärben und vertrocknen; dabei 
Hebung der Ränder nach oben. Bei schnell eintretenden Hitzeperioden 
mit starker Sonnenwirkung traten die Brandflecke in den Vordergrund, 
bei geringerer Intensität des Sonnenscheins herrscht die allgemeine 
fleckenförmige Verfärbung vor. 

Hierher gehört auch die besonders kräftige Entwicklung von 
Anthocyan auf dürren, mageren Lokalitäten, die selbst in den arktischen 
Regionen, wo die Rotfärbung bei der starken Belichtung eine vor- 
herrschende Erscheinung ist, auffällig wird. Wurrr!) führt ein sehr 
bezeichnendes Beispiel an. Er sah an Orten, die durch Vogelexkremente 
gedüngt waren, bei Pflanzen, die in ariden Gegenden in ihren vege- 
tativen Organen stark gerötet erschienen, stets die Anthocyanbildung 
verschwinden. 

Schliefslich sei auch noch an die Verminderung der Beweglichkeit 
der Kleeblättchen und verwandter Organe bei anhaltendem Wasser- 
mangel gedacht. Bei Mimosa pudica geht die periodische Reizbarkeit 
verloren, und die Blättchen bleiben offen stehen: „Trockenstarre‘. 


Röte des Getreides. 


Die Rotfärbung des Getreides bei anhaltend trockener heifser 
Sommerzeit hat vielfach die Vermutung hervorgerufen, dafs parasitäre 
Einflüsse dabei im Spiele wären. KLEBanNn?) hat einen speziellen Fall, 
der durch seine weite Verbreitung und Intensität allgemein auffiel, 
genauer geprüft und gefunden, dafs der rote Farbstoff allmählich an 
Stelle des Chlorophylis auftritt. Während der alkoholische Auszug 
normaler Blätter grün erscheint, wird derselbe bei roten Blättern, bei 
denen das Chlorophyll zerstört wurde, nur schwach gelblich gefärbt. 
Der rote Farbstoff ist in Wasser und Glycerin löslich, in Alkohol und 
Terpentin unlöslich, färbt sich mit Kali und Ammoniak blau und mit 
Säuren wieder rot. Er ist an den Zellsaft gebunden, und zwar teils 
in der Epidermis, teils im Assimilationsgewebe. Bei Hafer erwies sich 
die Entwicklung der geröteten Pflanzen und ihre Körnerproduktion 
geringer als bei den grünen Halmen. Wir haben die Rötung bei Ge- 
treide ebenfalls studiert?) und kommen in Übereinstimmung mit KLEBAHN 


1) Wurer, TuorıLn, Botanische Beobachtungen aus Spitzbergen. Lund. 1902. 
Betreffs der jetzt herrschenden Anschauung, dafs das Anthocyan eine Schutz- 
vorrichtung für das Chlorophyll gegen Lichtüberschufs bilden soll, macht Wurrr 
(S. 67) auf die Untersuchungen von Exaermanw aufmerksam, woraus hervorgeht, 
dafs die Lichtabsorption des roten Anthocyans zu der des Chlorophylis komplementär 
ist und demgemäfs die Kohlensäurezerlegung nicht beeinträchtigt. „Diese Tatsache 
hat ja nunmehr die Unhaltbarkeit der Prixasneim-Kny-Kerner’schen Lichtschirm- 
theorie zu voller Evidenz dargetan.“ Wvrrr sieht den Vorteil des Anthocyans in 
seiner gröfseren Wärmespeicherung. Wie ich bereits früher erwähnt, vermag 
ich vorbedachte Nützlichkeitseinric tungen oder Äufserungen einer „Finalität“ im 
Organismus nicht anzunehmen. Ich erblicke überall notwendige Folgeerscheinungen 
bestimmter Kombinationen der Wachstumsfaktoren. Die Anthocyanbildung er- 
scheint mir als Folge von Lichtüberschufs auf einen an freien Säuren reichen 
Zellinhalt, dem nicht genügend stickstoffhaltige Assimilate zur Verfügung stehen. 
Dieser Zustand kann, wie bei den Pflanzen der kalten Regionen durch Wärme- 
mangel, in anderen Fällen durch Wassermangel, verringerte Nährstoffzufuhr usw. 
herbeigeführt werden. : 

?2) Kırsans, H, Einige Wirkungen der Dürre des Frühjahrs 1893. Zeitschr. f. 
Pflanzenkrankh. 1894 S. 262. ; 

3) Soraver, P., Beitrag zur anatomischen Analyse rauchbeschädigter Pflanzen. 
Landw. Jahrb. 1904 S. 596, Taf. XV— XVII. 


2382 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


zu dem Schlusse, dafs in der Röte nur Erscheinungen der Notreife 
bei Wassermangel unter grofser Lichtintensität zu erblicken sind. In 
unserer Abhandlung finden sich auch anatomische Einzelheiten über 
das Verscheinen und das Auftreten sogenannter „Trockenflecke‘“. 
Bemerkenswert ist eine bis zum Braungelb sich steigernde Gelbfärbung 
der Wandungen der Baststränge und das Erstarren des Zellinhalts in 
einzelnen Gruppen des Assimilationsgewebes. 


Von den durch normale Senilität absterbenden Blättern unter- 
scheidet sich das durch plötzliche Hitze und Trockenperioden zu- 
erunde gehende Organ dadurch, dafs es nicht oder doch nur stellen- 
weise so stark zusammenschrumpfen kann wie das normal ausgereifte, 
also an festen Inhaltsstoffen nahezu erschöpite Blatt. Bei letzterem 
befinden sich zwischen der Epidermis der Ober- und Unterseite nur 
die gänzlich verarmten und daher zu einer welligfaltigen Schicht 
zusammenfallenden Zellen des Blattfleisches, während bei ersteren 
eben der restierende reichlichere Inhalt durch sein Austrocknen die 
Wandungen steift und dadurch das Zusammensinken mehr oder weniger 
verhindert. 

Ich fand dieselben Verfärbungserscheinungen auch bei wilden 
Gräsern (Arrhenatherum) und warnte vor Täuschungen bei der anatoml- 
schen Untersuchung. Es traten nämlich eckige oder kugelige Inhalts- 
massen auf, die ähnlich wie Stärke mit Jod reagierten und somit den 
Schein von noch vorhandener gröfserer Assimilationstätigkeit erwecken 
können. Die übrigen Reaktionen weisen indes nach, dafs es sich um 
„Restkörper“ von der Chlorophylizersetzung handelt, welche in die 
Carotingruppe gehören. Man könnte sie mit dem Leichenfett ver- 
gleichen. 


Die „Röte“ des Hopfens. 


Die von den praktischen Züchtern auch als „Sommerbrand‘, 
„Fuchs“ oder „Rote Lohe“ bezeichnete Krankheit besteht in einem 
von der Basis her fortschreitenden Fleckigwerden der Blätter. Die 
Flecke erfassen sowohl die Randpartien als auch die zwischen den 
einzelnen Nerven liegenden Gewebegruppen. Durch teilweise Zer- 
störung des Chlorophylis erscheinen die erkrankten Stellen anfangs 
gelblich, später rötlich und endlich trocken und gebräunt. Das Blatt 
fängt mittlerweile an, immer länger im Zustande des Welkens zu ver- 
bleiben; schliefslich schrumpft es und fällt auch wohl ab, während die 
oberen jüngeren Teile der Rebe noch freudig grünen und sich weiter 
entwickeln. Nur die Gröfsenverhältnisse der während dieser Zeit ent- 
standenen Neubildungen sind geringere gegenüber denjenigen an anderen 
Pflanzen, welche den Verlust der unteren Blätter nicht zu beklagen 
haben. Bleibt die Krankheit auf die unteren Partien beschränkt, so 
ist der Schaden nicht bedeutend; erfafst sie dagegen auch die oberen 
Teile mit den Blütenkätzchen, so wird das Ernteprodukt ein sehr 
leichtes, und es empfiehlt sich dann, alsbald zu ernten. 

Die Krankheit ist leicht mit dem. durch die Webermilbe ver- 
ursachten „Kupferbrande“ zu verwechseln, unterscheidet sich aber 
habituell dadurch, dafs Kupferbrand die Blätter an den oberen Teilen 
der Reben rötlichgelb färbt und durch feine Gespinstfäden auf der 
Blattunterseite erkannt wird, während der Sommerbrand von der Basis 
der Rebe her ein Vergilben und Vertrocknen der Blätter veranlafst. 


2. Verhalten der Nährstoffe zu den Pflanzen. 283 
Es ist ein Aussaugen der älteren Organe durch die jüngeren, die zu ihrer 
Fortentwicklung das vorhandene organische Material beanspruchen. 

Das, sogenannte „Stangenrot“ scheint dem „Verscheinen“ des 
Getreides zu entsprechen und die Folge plötzlichen Eintritts einer 
Trockenperiode zur Zeit der Kätzchenausbildung zu sein. 

Bei dieser und den verwandten Rötungskrankheiten spielt übrigens 
der Wassermangel in der Luft eine ausschlaggebende Rolle; weil eine 
Bodenbewässerung allein selten Abhilfe schafft. Besser ist, wenn ein 
fortgesetztes abendliches Bespritzen stattfinden kann. Aber bei grofsen 
Flächen ist schwerlich im praktischen Betriebe das nötige Arbeiter- 
personal und die grofse Wassermasse zur Verfügung. Am günstigsten 
sind die Vorbeugungsmafsregeln, indem man entweder durch mäfsige 
Schattenanlagen für die Hopfenplantagen die exzessive Ver- 
dunstung herabdrückt oder durch Zufuhr von Düngesalzen (nicht 
tierischem Dung) die Wasserkapazität des Bodens erhöht. Ein Bei- 
spiel für letzteren Fall führt Fr. Wasser!) an. Er fand bei seinen 
Kulturen, dafs die Hopfenpflanzen ohne Salpetergaben der Trockenheit 
sowie pflanzlichen und tierischen Parasiten weniger gut widerstanden 
und die unteren Blätter früher vergilbt zeigten als bei den mit Chilisalpeter 
gedüngten. Ebenso ist mehrfach im praktischen Betriebe. beobachtet 
worden, dafs Futter- und Zuckerrüben die Trockenheit besser über- 
wunden hatten, wenn der Boden mit Kalisalzen oder Chilisalpeter oder 
auch mit reichlichem Stallmist gedüngt worden war (s. z. B. Jahresb. 
d. Sonderausschusses f. Pflanzenschutz für das Jahr 1904.“ Arb. d. 
Deutsch. Landw.-Ges. 1905, S. 91). 

Ahnliche Verfärbungen infolge von Wassermangel sind bei Lein 
beobachtet worden; sie werden teils als „Röte“ (le rouge), teils und 
zwar bei vorzeitigem Vergilben der Stengelspitzen als „Gelbsucht‘ 
(le jaune) beschrieben. 


Der „Laubrauseh“ der Reben. ‚Rote Brenner.“ „Seng.“ 


Die obigen Namen sind Kollektivbezeichnungen für eine Gruppe 
schwer auseinander zu haltender Erscheinungen, die das Gemeinsame 
einer Rotfärbung der Blätter haben. In der Regel folot der Verfärbung 
stellenweises oder gänzliches Vertrocknen des Laubes, das dann vor- 
zeitig abzufallen beginnt. Neuerdings hat MÜLLEr-Tuurcau?) für eine 
bestimmte Rötungsform eine parasitäre Ursache festgestellt?) und sich 
bemüht, die dem blofsen Auge wahrnehmbaren Merkmale, die diesen 
Erkrankungsfall von anderen unterscheiden, hervorzuheben. Unter 
Hinweis auf die im zweiten Bande unseres Handbuchs besprochene, 
durch Pseudopeziza tracheiphila verursachte Form des „Roten Brenners“ 
(s. Bd. II S. 278), bei der die Verfärbung häufig in Form von Flecken 
in den Nervenwinkeln beginnt, ist hier hervorzuheben, dafs der infolge 
von Wassermangel bei starkem Sonnenschein sich kenntlich machende 
Laubrausch in der Regel mit einer vom Rande ausgehenden Verfärbung 
der Intercostalfelder anfängt. Je nach Sorte und Standort wechseln 


') Wasser, Fr., Salpeterdüngungsversuche des Deutschen Hopfenbau-Vereins 
Wochenbl. d. Landw. Ver. in Bayern 1904 S. 182. : 

?2) Mürzer-Tuursav, H., Der rote Brenner des Weinstocks. Centralbl. f. Bakt. 
II, 1903, Heft 1—4. 

®2) Eine andere, mit Botrytis-Vegetation verbundene Form vom Roten Brenner 
beschreibt Berurexs (Untersuchungen über den Rotbrenner der Reben) in Ber. d. 
Grofsh. Bad. Versuchsanstalt zu Augustenburg 1902 S. 43. 


284 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


die Bilder ungemein, und man findet statt der Rötung nur bisweilen 
eine leuchtende Gelbfärbung. Manchmal trocknen die Blattränder ab. 
Die Art der Verfärbung läuft parallel mit dem Vorgange der Sommer- 
dürre bei anderen Gehölzen, wobei man meist beobachten kann, wie 
die mangelnde Wasserzufuhr sich zuerst an den von dem Blattstiel 
und der Mittelrippe am weitesten entfernt liegenden Teilen bemerkbar 
macht und nachher fortschreitet, bis schliefslich nur die nächste Um- 
gebung der Nerven noch grün bleibt (s. habituelle Anderungen), 

Betrefts der physiologischen Arbeit hat MürrEer-Tuurcau schon 
früher nachgewiesen, dafs Stärkebildung und -lösung um so langsamer 
vor sich gehen, je geringer der Wassergehalt der Blätter ist!); be- 
gossene Reben bildeten mehr Zucker. 

Eine ähnlich dem parasitären Brenner sich äufsernde Erscheinung 
ist von SauVAGEAU und PerrRAuUD?) als Pektinkrankheit (maladie 
peetique) als Folge anhaltender Trockenheit beschrieben worden. Hier 
lösten sich die Blattspreiten vom Blattstiel ab. 


Vergilbung durch die Veredlungsunterlage. 


Bei unseren Obstarten stellt sich ein Wassermangel manchmal 
dadurch ein, dafs eine schnellwüchsige Sorte auf eine Zwergunterlage 
veredelt wird, die nicht imstande ist, in Zeiten starker Verdunstung 
das nötige Wasser dem Edelstamm zuzuführen. 

Auf gutem Boden werden manchmal Birnen, die auf Quitte ver- 
edelt sind, gelb, während die auf Wildling gesetzten Exemplare kräftig 
gedeihen. Bei solchen Zwergstämmen sah ich in trockenen Sommern, 
dafs später in die Rinde eingespitzte, gut gewachsene Edelreiser 
kräftige, aber gelbliche Triebe machten, während die ältere Krone grün 
war. Auch hierin sehe ich Erscheinungen des Wassermangels durch 
die Quittenunterlage, die (namentlich wenn sie hoch gepflanzt ist) nicht 
das nötige Wasser beschaffen kann. Birnen auf‘ hochgepflanzten 
Quitten reifen daher ihr Laub schneller und werfen es früher. 


Verfrühtes Vertrocknen des Laubes. 


Wenn infolge der Sommerdürre das Laub abstirbt, wobei es meist 
wegen des F rischbleibens der Blattstiele am Z weige hängen bleibt, ist 
der Schaden, den der Baum erleidet, ein weit oröfserer, als man in 
der Regel annimmt. 

Man glaubte, es bestehe vorzugsweise die Schädigung in dem vor- 
zeitigen Aufhören der Blattarbeit und der damit verbundenen geringeren 
Holzbildung usw. Es hat sich aber durch die Untersuchungen von 
Kraus?) erwiesen, dafs neben diesem Mangel an Zuwachs auch ein 
positiver Substanzverlust eintritt, der viel gröfser ist als bei einer 
normalen herbstlichen Entlaubung. Die durch Dürre getöteten Blätter 
verhalten sich nämlich nicht so wie die im Herbst abfallenden Organe. 
Letztere haben die Mehrzahl der für den Pflanzenkörper noch ver- 
wendbaren Stoffe allmählich an den Stamm abgegeben und sich end- 
lich durch eine rundzellige Trennungsschicht losgelöst; die verdorrten 
Blätter, bei denen sich keine Trennungsschicht bildet, behalten ihre 


*) III. Jahresber. d. Versuchsstat. Wädensweil. Zürich 1894 S. 56. 

?) Sauvaszau, O., et Perraun, J., La maladie pectique de la vigne. Revue de 
vitieulture 1894 p. 9. 

°) Bot. Zeit. 1873, Nr. 26 und 27. 


2. Verhalten der Nährstoffe zu den Pflanzen. 285 


stickstoffhaltigen Bestandteile nebst der Phosphorsäure, und nur die 
Stärke samt dem Kalı gelangt vor dem Tode des Blattes in den Stamm 
zurück. Durch das verfrühte Vertrocknen des Laubes gehen den 
Pflanzen nahezu doppelt so viel Stickstoff und Phosphorsäure verloren 
als durch den herbstlichen Laubfall.e. Dies beweist eine von MAERKER 
ausgeführte Analyse von Blättern einer Syringa. 


Es enthielten an Prozenten der Trockensubstanz 
Sommerdürre Blätter Herbstliche Blätter 


Stieletols un an 0, 1 115947 1,370 
Phosphorsäure . - . .. 0,2 0,373 
Balder 2028.26: ie 102998 3,831 
BR Sei 2,416 
Mineralstoffe überhaupt 

(kohlensäurefrei) . . 8,028 9,636 


Obige Mengen in Prozenten der Gesamtasche ausgedrückt, würden 
sich folgendermafsen stellen: 
Sommerdürre Blätter Herbstliche Blätter 


Shieksw , . u... . 2,080 14,0 %/o 
Phosphorsäure  . .... ,69°0 3,8 lo 
N SE TREE 323, 39,7 lo 


Das Ausbrennen des Rasens. 


Bei dem Vertrocknen der Grasnarbe infolge sommerlicher Hitze- 
perioden kommt für Wiesen natürlich der Verlust an Futtersubstanz 
schwerwiegend in Rechnung. Wo Berieselungsanlagen fehlen, hat man 
keine Möglichkeit, den Schaden zu verhüten. Bei Schmuckanlagen 
dagegen läfst sich der Schaden vermeiden, wenn man rechtzeitig durch 
Überstreuen von Heu oder anderem leichten Schattenmaterial die Licht- 
wirkung und damit die Verdunstung herabdrückt. Das Spritzen der 
Rasenflächen ist nur dort von Erfolg, wo dasselbe wiederholt am Tage 
ausgeführt werden kann. Andernfalls mufs man zur Beschattung 
greifen. 

Milchglanz. 


Zu den Erscheinungen, die experimentell bezüglich ihrer Ent- 
stehungsursachen noch nicht geprüft.sind und daher nur vorläufig ein- 
gereiht werden können, gehört der Milchglanz der Blätter. 

Die Krankheit äufsert sich in der Weise an Fruchtbäumen, dais 
die sonst normal ausgebildeten Blätter ihr dunkelgrünes Ansehen ver- 
lieren und einen silberartig weifslichen Reflex zeigen. In der Regel 
leiden nur einzelne Äste und zwar etwa vom Juni oder Juli an. Im 
folgenden oder im zweiten, höchstens dritten Jahre nach Auftreten des 
Milchelanzes stirbt der Ast ab. Bei den Exemplaren, die ich nach 
Jahresfrist wieder besichtigen konnte, zeigte sich mehrfach nach. Ent- 
fernung des abgestorbenen Astes die Erscheinung an anderen Asten, 
so dafs ich vorläufig mir die Meinung gebildet habe, der Milchglanz 
sei ein absolut sicherer Vorläufer des Todes eines Zweiges. 

Am ausgebreitetsten liefs sich der Milchglanz bei Aprikosen am 
Spalier auffinden; aufserdem begegnete ich der Erschemung an 
Pflaumen und Apfeln. 

Die Veränderung beginnt bei den älteren Blättern des Frühjahrs- 


286 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse, 


triebes; die jüngsten bleiben öfters verschont; ebenso die aus Proventiv- 
augen sich plötzlich am alten Holze entwickelnden Spättriebe, 

Zunächst findet man nur eine gewisse Stumpfheit der Farbe, ein 
stellenweises Nachlassen des Glanzes und, wie mir scheint, eine ver- 
mehrte Luftmenge in den Intercellularräumen zwischen einzelnen 
Palisadenzellen oder auch zwischen diesen und den Epidermiszellen. 
Allmählich werden die stumpfen Stellen weifslich, und zwar durch 
drüsige Lockerung der Epidermiszellen zwischen den grünbleibenden, 
feinsten Nervenverzweigungen. Die Lockerung besteht in einem stellen- 
weisen Lösen des Verbandes zwischen Epidermis und Palisaden- 
parenchym. 

ÄADERHOLD !), der die Krankheit auch an Kirschen beobachtete und 
sah, dafs die Zellen der Epidermis sich gegenseitig lockern, konnte 
nachweisen, dafs in der Löslichkeit der Intercellularsubstanz (Mittel- 
lamelle) sich bei den Milchglanz zeigenden Stellen Abweichungen vom 
gesunden Blatte zeigten. Daraufhin vermutet er, dafs die Inter- 
cellularsubstanz in den kranken Organen in löslicheren Pektinverbin- 
dungen besteht als bei dem gesunden Blatte, und da die Kalkverbindungen 
der Pektinsäure unlösliche Zustände darstellen, so liegt die Vermutung 
nahe, dafs Kalkmangel die Ursache der Krankheit sei. 

Auch nach dieser Anschauung würde’die Krankheit in die Gruppe 
der durch Wasser- und Nährstoffmangel veranlafsten Erscheinungen 
gehören; nur mufs dabei hervorgehoben werden, dafs der Wasser- und 
Nährstoffgehalt des Bodens hierbei nicht in Betracht kommt, sondern 
nur in der Pflanze selbst sich lokal geltend macht. Und dieser Umstand 
deutet auf Störungen im Zuleitungssystem. Dafür spricht auch die 
Tatsache, dafs die Zweige mit milchkranken Blättern vorzeitig ab- 
sterben. 

Die von mir beobachteten Aprikosen und Pflaumen zeigten Gum- 
mosis, und die Apfelbäume litten an Borkenkäferfrafs. Es wäre mög- 
lich, dafs man durch Verjüngen der kranken Bäume und Kalkzufuhr 
den gesamten Organismus stärken könnte. 


Glasigwerden der Aepfel. 


Ebenfalls auf lokale Leitungsstörungen dürfte die Erscheinung 
zurückzuführen sein, dafs einzelne Früchte eines Baumes teilweise oder 
gänzlich hart bleiben und glasig durchscheinend werden, minder gefärbt 
und im Geschmack fade sich ausbilden. 

Bei der Untersuchung einer nur teilweise glasigen Apfelfrucht sah 
ich im Längsschnitt, dafs die Rindenpartie am intensivsten glasig war, 
und dafs im Innern der Frucht das weifse, normale Fleisch von der 
Basis bis ziemlich zur Kelchhöhle hinaufstieg. Die glasige Mantelzone 
war hier und da weifslich marmoriert von eingesprengten Gruppen 
normalen Fleisches. Die Samen waren meist verkümmert, unreif und 
noch weifs. Der gesunde Teil besafs reichlich Stärke und stark luft- 
führende Intercellularen. Letztere waren im glasigen Teile luftärmer, 
und Stärke fehlte gänzlich mit Ausnahme einzelner eingesprengter 
Zelleruppen. Der glasige Teil wurde an der Luft schneller braun; 
neben reichlichem Traubenzucker war etwas Dextrin nachweisbar. An 
Trockensubstanz ergab: 


') Aneruorp, R., Notizen über einige im vorigen Sommer beobachtete Pflanzen-- 
krankheiten. Zeitschr. f. Pflanzenkrankh, 1895 S. 86. 


2. Verhalten der Nährstoffe zu den Pflanzen. 387 
gesunde Hälfte glasige Hälfte 
mu Dehale...,;7 2,00 2AS%/e 19,43 %/o 
ohmer Dehale=...... 7,200 00120, 17,97 %0 


ADERHOLD!) fand 
gesundes Fruchtfleisch glasiges Fruchtfleisch 


Spezifisches Gewicht . . . 0,718 0,925 
Trockensubstanzin Prozenten 

des Frischgewichtes. . . 14,44°%0 12,60 %/o 
Asche ın Prozenten der 

Trockensubstanz . . . 72,093 9le 1,76 90 
in 100 cem Saft an Apfel: 
EiNBaUrE a ee 10,928 0,53 ©. 


Die neuesten Bestimmungen rühren von BEHRENS?) her. Er fand 
in 100 ccm von 
Wasser Invertzucker Säure 
Prefssaft des normalen Apfels . . 87,38 8 8,05 & 0,56 
Prefssaft des teilweis glasigen Apfels 88,06 „ 4,40 „ 0,47 


In Übereinstimmung mit meinen Angaben zeigen die vorstehen- 
den Zahlen, dafs das glasige Apfelfleisch bedeutend ärmer an Säure, 
Trockensubstanz und Asche ist. Dadurch, dafs die Intercellularräume 
des glasigen Teiles mit Wasser gefüllt und die Zellen kleiner sind, er- 
klärt sich das glasige Aussehen und die geringere Ausdehnung desselben. 

Praktische Züchter wollen beobachtet haben, dafs die folgenden 
Sorten besonders zur Erzeugung glasiger Früchte neigen: Züricher 
Transparentapfel, Gloria mundi, weifser Astrachan und Virginischer 
Sommer-Rosenapfel. Im ersten Jahre ihrer Fruchtbarkeit wären durch- 
schnittlich die Bäumchen eher zur Produktion solcher Früchte ver- 
anlagt als in späteren Jahren. 


b. Produktionsänderung durch Stickstoffmangel. 


Hungerzustände bei Kryptogamen, 


Zum Hinweis des Parallelismus der Erscheinungen bei niederen 
und hochorganisierten Pflanzen mag zunächst ein Beispiel aus dem Ge- 
biete der Fadenpilze aufgeführt werden. FrLiorow®) prüfte den Einflutfs 
des Hungers auf die Atmung bei Mucor und Psalliota campestris. Bei 
Mucor sinkt die Atmung sofort stark herab, weil bei diesem Pilz kein 
Reservestoffspeicher im Mycel vorhanden ist. Der Fruchtkörper des 
Hutpilzes aber besitzt in seiner Körpermasse viel Reservematerial und 
erweist sich deshalb in hohem Grade unabhängig von der Verarmung 
des Nährsubstrates, so dafs seine Atmung beim Hungern nur sehr 
langsam fällt. Betreffs des Umsatzes der Eiweifsstoffe schliefst Verf. 
aus Versuchen mit Amanita muscaria, dafs der Gesamtstickstoft 
während des Hungerns prozentisc ch zunimmt, weil vorzugs- 
weise die stickstoffrreien Substanzen durch die Atmung verloren gehen. 
Es findet eine Neubildung von Eiweifs und Nuclein statt, die mit der 


!) Apernorn 2.2.0. 8.8. 
2) Beurens, J., Bericht d. Grofsh Bad. Landes-Versuchsanstalt Augustonburs 
.. J. 1904 8. 53. Karlsruhe 1905. 
°) Friorow, A., Der Einflufs der Ernährung auf die Atmung der Pilze. Bot. 
Centralbl. 1901 Bd. 87 8. 274. 


288 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


Periode der Sporenbildung und -reifung zusammenfällt. Sodann folgt 
schneller Eiweifszerfall. 


Bei dem Hungern der Pilze gehen zwar Kohlensäureproduktion und 
Sauerstoffaufnahme allmählich zurück, aber in ungleichem Verhältnis, 
wie PurJewicz !) bei Aspergillus niger beobachtete. Die Kohlensäureaus- 
scheidung sank schneller. 

Sehr schöne experimentelle Beobachtungen lieferte PrantL?) an Farn- 
prothallien. Die Erfahrung zeigt nämlich, dafs bei Aussaaten von Farn- 
sporen die mannigfachsten Variationen unter den Prothallien auftreten. 
Manche von ihnen besitzen ein fortbildungsfähiges Gewebe (Meristem), 
während andere desselben entbehren, also „ameristisch* sind. 
Frühere Untersuchungen?) zeigten dem Forscher, dafs die Ameristie 
sowohl bei zu geringem Luftzutritt als auch bei mangelhafter Wasser- 
und wohl auch Mineralstoffzufuhr eintreten kann. Die Beobachtung, 
dafs unter den günstigsten Beleuchtungsverhältnissen bei zu dichtem 
Stande der Prothallien ameristische Individuen erscheinen, führte zu 
dem Versuch, den Einflufs der Stickstoffzufuhr direkt zu prüfen. Es 
wurden Sporen der schnell keimenden Osmunda regalis und der Üera- 
topteris thalictroides in verschiedene Nährstofflösungen ausgesäet. Dabei 
zeigte sich nun, dafs die in destilliertem Wasser gekeimten Sporen 
ameristische Prothallien hervorbrachten; sie bildeten Flächen von 15 
bis 25 Zellen von ziemlich gleicher Gröfse und gleichem Inhalt; die 
Chlorophylikörner waren arm an Stärke. Dagegen zeichneten sich die 
in einer sonst normalen, aber stickstofffreien Nährlösung erwachsenen 
Prothallien durch ungemein grofsen Stärkegehalt aus, glichen aber 
sonst den in destilliertem Wasser gezogenen Individuen. Nur die in 
Nährlösung mit Stickstoffbeigabe (0,64 °/o0 salpeters. Ammon) erzogenen 
Exemplare waren meristisch. Wurden Exemplare von meristischen 
Prothallien in stickstofffreie Nährlösung übertragen, so war nach 14 
Tagen das Meristem verschwunden, indem die Zellen sich sämtlich 
vergröfsert, ab und zu sich auch geteilt und mit Stärke gefüllt hatten. 
Wenn dagegen ameristische Prothallien in eine vollständige Nährlösung 
gebracht wurden, bildete sich alsbald am Vorderrande ein Meristem 
durch wiederholte Teilung der Zellen, während die Stärkevorräte sich 
verringerten. 

Je nach den Ernährungsverhältnissen variiert nun auch die Ver- 
teilung der Sexualorgane. Ameristische Prothallien tragen nur 
Antheridien, niemals Archegonien, welche an die Gegenwart eines 
Meristems gebunden sind. Besonders wichtig ist nun die Beobachtung 
Prantv's, dafs ameristische Prothallien von Osmunda, welche vereinzelte 
Antheridien getragen hatten, nach Stickstoffzufuhr reichlich Arche- 
gonien entwickelten, wobei aufser diesen auch noch Antheridien auf- 
traten. 

Aus diesen, durch Nährstoffe herbeigeführten Veränderungen er- 
klärt sich ungezwungen die von verschiedenen Autoren bei manchen 
Farnen angegebene „Neigung zur Diöcie“, die von MILLARDET für 


1) Pursewicz, K., Physiolog. Untersuch. über die Atmung der Pflanzen. eit. 
Biederm. Centralbl. 1902 S. 180. 


?) PrantL, Beobachtungen über die Ernährung der Farnprothallien und die 
Verteilung der Sexualorgane. Bot. Zeit. 1881 S. 753. 


®) Flora: 1878 S. 499. 


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2. Verhalten der Nährstoffe zu den Pflanzen. 289 


Osmunda ausgesprochen, von BAUkE!) für die Cyatheaceen und für Platy- 
cerium?), von JONKMANN®) für die Marattiaceen angegeben worden ist. 
Weitere hierher gehörige Notizen citiert H. HorFmann*) zunächst 
von HornkIster, welcher annımmt, dafs bei Kquwisetum die Prothallien am 
Lichte und an trocknem Standort entschieden mehr Antheridien pro- 
duzieren, also (da die Vorkeime fast ganz zweihäusig sind), mehr männ- 
liche Pflanzen bringen. Boropın fand, dafs keimende Sporen von Allo- 
surus sagittatus, in die Dunkelheit gebracht, Antheridien entwickelten. 


Die Taubblütigkeit. Unfruchtbarkeit. 


Die Taubblütigkeit bei den Phanerogamen beruht vorherrschend 
auf Stickstoffmangel. Derselbe kann sich in sehr verschiedener Form 
äufsern. Wie bei dem „Verscheinen des Getreides“ bereits erwähnt, 
kann genügender Stickstoffvorrat im Boden sein, aber es fehlt infolge 
Eintritts einer anhaltenden, intensiven Trockenperiode das Transport- 
mittel, das Wasser, um die normal angelegten Sexualorgane zur weiteren 
Ausbildung zu bringen. Andererseits kann bei Dichtsaat ein Kampf um 
den Stickstoff stattfinden, wobei die zuerst vegetativ am kräftigsten 
sich entwickelnden Pflanzen den minder kräftigen das Nährmaterial 
wegnehmen. Für die Unfruchtbarkeit kommen ferner die Fälle in Be- 
tracht, in denen das vorhandene Nährstoffmaterial nach anderer Rich- 
tung hin verbraucht wird, indem einseitige Steigerung oder Ver- 
minderung eines Vegetationsfaktors die vegetative Verwendung des er- 
arbeiteten organischen Materials derart begünstigt, dafs zur Ausbildung 
der Sexualorgane zu wenig Stickstoff übrig bleibt. Endlich ist der Fall 
nicht selten, dafs das Material in der Anlage der stickstoffanspruchs- 
loseren männlichen Organe reichlich Verwendung findet, aber für die 
Ausbildung des Fruchtknotens nicht mehr ausreicht. Nicht in Wider- 
spruch damit stehen die Fälle, dafs bei den Phanerogamen Hunger- 
zustände Veranlassung zur Blütenbildung sind. Bei unseren 
Obstbäumen kommen Beispiele vor, in denen kranke Exemplare mit 
bedeutend zurückgehender Triebbildung „sich tot blühen“. In der 
gärtnerischen Praxis läfst man Pflanzen absichtlich hungern, um Blüten- 
ansatz zu erzielen (Kantua dependens, Correa usw.). Kakteenliebhaber 
reifsen bisweilen ihre Pflanzen im Winter aus den Töpfen und lassen 
sie schrumpfen, damit sie williger blühen. Hier ist nicht Stickstoff- 
mangel vorhanden, sondern eine Wasserarmut, welche die Pflanzen 
veranlafst, die Assimilate zur Blütenbildung zu verwenden. 

Bezüglich einer Taubblütigkeit durch mangelnde Wasserzufuhr be- 
richtet ÖBERDIECK?), dafs infolge von Trockenheit grofsblumige Stief- 
mütterchen die Blüten taub abfallen lassen, während sie bei genügender 
Feuchtigkeit Samenkapseln entwickeln; ebenso verhalten sich die ge- 
füllten Zinnien, der rote Lein und manchmal sogar Phlox Drummondit. 
Auch Gartenbohnen setzen in trockenen Jahren wenig an. Himbeeren 
und Erdbeeren geben kleine, armsamige Früchte. Bei der Monats- 
erdbeere stellt sich bei fortgesetzter Trockenheit eine Ausartung eın, 
welche die Pflanzen den „Vierlander Erdbeeren“ ähnlich macht, 


!) Pringsheims Jahrbücher X. S. 97. 

2) Bot. Zeit. 1878 S. 757. ’ 

3) Extrait des Actes du Congr&s international. Amsterdam 1877. 

+) Horruann, H., Zur Geschlechtsbestimmung. Bot. Zeit. 1871, Nr. 6 und 7. 
5) Oserviecr, Deutschlands beste Obstsorten, S. 9, Anmerkung. Leipzig 1881. 


Sorauer, Handbuch. 3. Aufl. Erster Band. 19 


290 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


indem sie keine fruchtbaren Blüten mehr entwickeln. Letztere Erd- 
beerensorte bezeichnet ZacHarIas!) als eine solche, die meist entweder 
nur männlich oder nur weiblich, selten monöcisch auftritt. Er ist der 
Ansicht, da auf den Feldern wenig männliche sogenannte „wilde 
Pflanzen“ vorhanden sind, die sich durch einen schwächeren Wuchs, 
schwächere Ausläufer und niedrigere Blütenstände mit gröfseren Blumen 
auszeichnen, so falle die Befruchtung. unvollkommen aus. Es wird 
hervorgehoben, dafs stets wenig Pistille sich ausbilden, so dafs sie 
nur einen Teil des angeschwollenen Fruchtbodens bedecken. Wir legen 
auf letzteren Punkt das Hauptgewicht und raten zu Land- und Sorten- 
wechsel. ZAcHARIAS empfiehlt, mehr männliche Pflanzen zwischen den 
weiblichen zu erhalten. 

Ahnliche Erscheinungen wie bei der Vierlander Erdbeere sind auch 
bei der schwarzen Johannisbeere beobachtet worden?). Die Unfrucht- 
barkeit soll weder durch Bodentrockenheit noch schattigen Standort 
bedingt sein, sondern wird von den Praktikern als Sorteneigenschaft 
angesprochen. Ebenso liegen Klagen über mangelnden Fruchtansatz 
bei den Schattenmorellen vor. Der „Praktische Ratgeber“ empfiehlt, 
dafs man nur von erfahrungsgemäfs uw tragenden Bäumen Edel- 
reiser zur Veredlung nehmen soll. Es werden uns noch vielfach 
solche Hinweise auf die Erblichkeit Be Eigenschaften 
entgegentreten. 

Zahlreiche Angaben finden wir betreffs des wachsenden Übergewichts 
der männlichen Blumen gegenüber den weiblichen. Eine der frühesten 
ist die von Knıcht, dafs Melonen und Gurken bei hoher Temperatur 
ohne genügende Lichtzufuhr fast nur männliche Organe hervorbringen. 
Manz?) kommt bei seinen Versuchen zu dem Resultate, dafs sowohl bei 
monöcischen als auch diöcischen Pflanzen die Entwicklung des männ- 
lichen Geschlechts durch Trockenheit, dagegen die des weiblichen durch 
Feuchtigkeit und gute Düngung begünstigt, wird. Auch sollen männ- 
liche Pflanzen durch Abschneiden ganzer Aste in fruchtbare Zwitter 
verwandelt werden können. Letzterer Fall wäre dahın zu deuten, dafs 
das von den Wurzeln aufgenommene Stickstoffmaterial nun auf eine 
geringere Menge von Blüten sich verteilt und daher diese besser ernährt. 

Ahnlich ist es mit unseren Obstbäumen, von denen die Mehrzahl 
ein Ruhejahr, d. h. eines mit geringer Fruchtproduktion aufweist, bevor 
wieder eine vollkommene Ernte eintritt. Nach einer reichen Frucht- 
ernte sind die Bäume meist so erschöpft, dafs sie ein folgendes Jahr 
brauchen, um genügenden Nährstoffreichtum für die nächste Ernte zu 
speichern. Horrmann*) erwähnt ferner, dafs manche Gehölze (Rofs- 
kastanıe und Kiefer) einen normalen Geschlechtswechsel erkennen 
lassen, indem sie in einem Jahr männlich, im folgenden zwitterig 
blühen. Die Fruchtblattvermehrung bei dem monströsen Mohn (Pa- 
paver somniferum forma polycarpica monstrosa) tritt nur bei den kräftigsten 
Pflanzen ein. Auf seinen Reisen fand Karsten’), dafs die in Sümpfen 
und feuchten Wäldern wachsenden Palmen in der Regel Zwitterblumen 
tragen, aber durch Nährstoffmangel polygam werden. Die an trockenen 


1) ZacHarss, B., Über den mangelhaften Ertrag der Vierlander Erdbeeren. 
Verh. d. Naturw. Vereins Hamburg 1903. 3. Folge. x, S. 26. 

2) Prakt. Ratgeber im Obst- und Gartenbau. Frankfurt a. Ö 1904 a 10. 

3) Vierte Beilage zur Flora 1822, Bd. V (nach Horruann a.a. 0) 

4) Bot. Zeit, 1882 S. 508. 

5) Linnaea, 1857 S. 259. 


2. Verhalten der Nährstoffe zu den Pflanzen. 291 


Abhängen oder in wasserarmen Ebenen wachsenden Gattungen sind 
„regelmäfsig (nicht gesetzmäfsig) getrennten Geschlechts“ und tragen 
männliche und weibliche Blumen in getrennten Ahren. Bei Beginn 
der trockenen Jahresperiode tritt die viel Nährstoffmaterial bean- 
spruchende Fruchtreife ein, und es entfalten sich dann nur männliche 
Blumen, während nach der Ruhepause am Anfang der Regenzeit vor- 
herrschend die Anlage weiblicher Blüten stattfindet. 

Cusint!) fand bei Mangelpflanzen von Mais, die er durch Dichtsaat 
erzielte, dafs einzelne Exemplare nur noch männliche Blüten trugen. 
Bei dem Mais konnte pE Vrıes?) auch die Erblichkeit der Un- 
fruchtbarkeit nachweisen. Von Pflanzen, bei denen die weiblichen 
Blütenstände ganz fehlten oder äufserst schwächlich waren, nahm er 
von einem Exemplar letztgenannter Art Samen zur Aussaat. Er erhielt 
im ersten Jahre 12°/o derartiger Schwächlinge. Die Aussaat des folgen- 
den Jahres lieferte bereits 19° steriler Pflanzen. 

Dafs die Unfruchtbarkeit aufser auf Stickstoffmangel manch- 
mal allein auf Wassermangel beruhen kann, beweist ein von MÜLLER- 
Tuureau®) geschilderter Fall. Er fand die Narben bei den Obstbäumen 
zu trocken, so dafs die Pollenkörner nicht auskeimen konnten. Bei 
vergleichenden Versuchen mit Birnen zeigten die Bäume, welche 
während der Blütezeit reichlich begossen wurden, eine deutliche Er- 
tragssteigerung. An den nicht bewässerten Bäumen lösten sich nicht 
nur zahlreiche Blüten kurz nach dem Abblühen ab, sondern es fielen 
auch die jungen Früchte, wenn sie etwa Kirschgröfse erlangt, in auf- 
fallend grofser Zahl. Von den trocken stehenden Bäumen erhielt sich 
meist nur eine Frucht an der Blütendolde, während bei den bewässerten 
Bäumen durchschnittlich deren drei sich weiter entwickelten. 

Aber auch bei gutem Pollen und günstigen Keimungsbedingungen 
auf der Narbe kann sich Unfruchtbarkeit einstellen. Warme) hielt bei 
seinen Versuchen über Pear-blight bei Birnbäumen den Insektenbesuch 
von den Blüten ab und fand nun den Fruchtansatz fehlend oder doch 
sehr mangelhaft. Weitere Beobachtungen brachten ihn zu der Über- 
zeugung, dais gewisse Birnen- und Apfelsorten überhaupt nicht 
durch den eigenen Pollen (auch nicht durch den von anderen 
Individuen derselben Varietät) befruchtet werden können, sondern dafs 
der Pollen einer anderen Varietät dazu notwendig sei. Daraus erkläre 
sich die beobachtete Erscheinung der Unfruchtbarkeit grofser Obstbaum- 
pflanzungen, die aus einer einzigen Sorte bestehen. 

Ewert°’) erkennt zwar an, dafs eine Selbststerilität bei vielen 
Obstsorten festgestellt worden sei, aber ist doch der Meinung, dafs die 
sortenreinen, grofsen Anpflanzungen nicht hinter den aus gemischten 
Sorten bestehenden zurückbleiben, weil die Fremdbestäubung pünktlich 
von Bienen und Hummeln besorgt werde. Nur wenn der Insektenflug 
durch ungünstige Witterung dauernd behindert werde, bleibe der 
Fruchtansatz aus. 


1) Cveısı, Intorno ad un anomalia della Zea Mays, cit. Bot. Centralbl. 1830 
S. 1130. 

2) pe Vrıes, H., Steriele Mais als erfelijk Ras. Bot. Jarbook II p. 109. 

3) III. Jahresber. d. Versuchsstat. Wädensweil. Zürich 1894. S. 56. 

4) eit. Gaunowar, B. T., Bemerkenswertes Auftreten einiger Pflanzenkrankheiten 
in Amerika. Zeitschr. f. Pflanzenkrankh. 1894 S. 172. 

5) Ewert, Welche Erfahrungen sind gemacht in bezug auf geringere Frucht- 
barkeit usw. Proskauer Obstbau-Zeitung 1902. er 


292 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


Nach unserer Anschauung mufs hier auch der Wechsel zwischen 
chasmogamen (unfruchtbar mit grofsen Blumenblättern) und kleisto- 
gamen (fruchtbar mit verkümmerten Petalen) Blumen erwähnt werden. 
Wir erblicken mit E. Lorw'!) in diesen Verhältnissen keine Mutationen 
im Sinne von DE VRIEs, sondern einfache Variationen, welche von der 
Ernährungsform abhängen. GoEBEL fand die kleistogamen Blüten früher 
angelegt und konnte Veilchen, die vorher kleistogam geblüht hatten, 
durch Trockenhalten und reichliche Besonnung im Juli zur Bildung 
der in dieser ‚Jahreszeit ganz ungewöhnlichen chasmogamen Blüten 
zwingen. Der Wechsel wird durch die Verschiebung in der Ver- 
wendung des vorhandenen plastischen Materials hervorgerufen. Bei 
Wassermangel und Lichtreichtum kann die Anlage der kleistogamen 
Blüte sich nicht ausbilden und es bleiben daher die plastischen Baustoffe 
den später entstehenden Blüten zur Verfügung. Da beı diesen das 
weibliche Sexualorgan mangelhaft ist und sich nicht ausbildet, wird 
das Material zur besonders kräftigen Entwicklung der lichtbedürftigen 
Blumenblätter frei. 


Kernlose Früchte. 


Im Zusammenhang mit der Taubblütigkeit steht oft das Auftreten 
kernloser Früchte, das ebenfalls zur Sorteneigenschaft werden kann. 

Man hat neuerdings diesen Umstand bei einer amerikanischen Neu- 
züchtung, einem Apfel, der als „the wonder of horticulture“ bezeichnet 
wird, als besondere Empfehlung der Sorte hervorgehoben?) und als 
wertvoll betont, dafs die Blüten Früchte bringen, ohne befruchtet zu 
werden. Damit seien auch die üblen Einflüsse ausgeschlossen, die bei 
anderen Sorten durch Frost, Nebel, Regen, Dürre, schlechten Insekten- 
besuch usw. während der Blütezeit drohen. Der neuen Sorte sollen 
auch die Blumenblätter fehlen, und daran knüpft man die Hoffnung, 
dafs Blütenstecher und andere Insekten, die durch die Petalen angelockt 
würden, derartige Blüten verschonen dürften. 

Kernlose Obstsorten d. h. solche, bei denen man wenig gut aus- 
gebildete Samen findet, sind schon von früher her bekannt, wie z. B. die 
Birne „Rihas Kernlose“ und der „Vaterapfel ohne Kern“. Bei Aus- 
saaten von Mostobst soll es mehrfach vorkommen, dafs kernfreie Sorten 
auftreten, die sich jedoch durch geringe Gröfse und grofse Härte der 
Früchte unangenehm auszeichnen. 

Das Entstehen der kernlosen Früchte wird in den neueren Arbeiten 
mehrfach berührt. KiırcHxer®?), der auch die Beobachtungen von WAITE ?) 
heranzieht, erklärt, dafs typische und normal entwickelte Früchte nur 
durch Kreuzung mit dem Pollen einer anderen Sorte erlangt werden; 
die gröfsten Früchte eines Baumes entstehen immer durch Kreuz- 
befruchtung. Durch Selbstbestäubung hervorgebrachte Birnen ent- 
wickelten zum Teil fast gar keine Samen; die dem Bienenbesuch aus- 
gesetzten oder künstlich mit fremdem Pollen bestäubten Blüten brachten 
dagegen Früchte mit reichlichen, gesunden Samen hervor. Daher 
empfehle es sich, Sorten im Gemisch anzubauen. 


!) E. Lorw, Bemerkungen zu W. Burck’s Abhandlung über die Mutation als 
Ursache der Kleistogamie. Biol. Centralbl. Bd. XXVI, 1906, Nr. 5—7. 

2) Janson, A., Der kernlose Apfel. Gartenflora 1905 S. 490. 

®) Kırcuser, OÖ, Das Blühen und die Befruchtung der Obstbäume. Vortrag. 
Ref. Zeitschr. f. Pflanzenkrankh. 1900 S. 297. 

#) Ware, Merrox, B., The Pollination of the pear flowers. Washington 1894. 
U. 5. Dep. Agric. Bull. 5. 


2. Verhalten der Nährstoffe zu den Pflanzen. 293 


2 

Gegenüber dieser Ansicht bleibt EwerT!) auch in seiner neuesten 
Arbeit aus praktischen Gründen auf seinem Standpunkt stehen, den 
Massenanbau einer einzigen Sorte zu befürworten. 

Betreffs der kernlosen Weinbeeren verweisen wir auf die Unter- 
suchungen von MÜLLER-THURGAU?). EWERT betont bezüglich des Kern- 
.obstes, dafs für den Fruchtansatz besonders die Menge des der 
einzelnen Blüte zur Verfügung stehenden organischen Baumaterials in 
Betracht komme. In einzelnen Fällen kann man künstlich durch 
Ringeln einen besseren Ernährungszustand für die einzelnen Blüten er- 
zwingen, da sie in ihrer Ausbildung verschieden sind. Die Griffel sind 
entweder stark entwickelt und ragen bis zu 1 cm über die Antheren 
hinaus (Protogynie), oder beide Ge- 
schlechtsorgane sind gleichlang (Ho- 
mogamie), oder die Griffel sind kürzer 
wie die Staubgefäfse (Protandrie). 
Der Schlufs, dafs je stärker die 
Protogynie entwickelt ist, die Blüte 
desto mehr den Pollen einer anderen 
Sorte verlange, also selbststeril ist 
und umgekehrt, je mehr Homogamıe 
und Protandrie sich geltend machen, 
desto mehr Selbstfertilität möglich 
sei, wird durch Ewerr's Versuche 
nicht ausnahmslos bestätigt. Er- 
sichtlich ist, dafs die organische Nah- 
rung zunächst denjenigen Frucht- 
anlagen zuströmt, bei denen Fremd- 
bestäubung die Kernbildung ermög- 
licht. Im Wettbewerb mit kern- 
haltigen Früchten bleiben kernlose 
von demselben Baume am kleinsten 
und sind oft mifsgestaltet. Werden 
an einem Baume durch Abhalten 
fremden Pollens nur kernlose 
Früchte erzielt, so erlangen diese 
die gleiche Gröfse wie kernreiche 
Früchte. Wahrscheinlich können Fig. 36. Kernlose Birne. 
auch Früchte ohne Einwirkung von 
Pollen entstehen. 

In einzelnen Fällen kann man Früchte beobachten, bei denen so- 
gar das Kernhaus nicht vorhanden oder doch kaum angelegt ist. In 
ersterer Hinsichteberichtet Bursıngr®), dafs Birnen ohne Samen und 
Kernhaus ganz solide parenchymatische Früchte darstellten, die grölser, 
wohlschmeckender und haltbarer gewesen sein sollen wie die samen- 
tragenden Birnen. 

Ich selbst erhielt vor Jahren einige Birnenzweige, von denen eın 
Exemplar durch Fig. 36 in halber Gröfse wiedergegeben ıst. Die 
Früchte waren vollkommen hart und gesund bis auf Beschädigungen, 


!) Ewerr, Blütenbiologie und Tragbarkeit unserer Obstbäume. Landwirtsch. 
Jahrbücher 1906 S. 259. ‚ R 

2) Mürser-Tuursav, Folgen der Bestäubung bei Obst- und Rebenblüten. 
VIII. Ber. d. Züricher Bot. Ges. 1900 —1903. 3 . 

3 Royal. horticult. Soc. of London. cit. Bot. Centralbl. 1881 Bd. VIII S. 319. 


294 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


welche die Herbstfröste veranlafst hatten. In A sehen wir einen 
normalen Holzzweig, in B einen Zweig, dessen Terminalknospe zur 
kernlosen Frucht angeschwollen ist, in Ü zeigt sich eine mit Kernhaus- 
anlage versehene, aus einer Seitenknospe hervorgegangene Frucht, n ist 
die Narbe eines abgefallenen Blattes, s eine unentwickelt gebliebene 
Seitenknospe, k eine vollkommen ausgebildete Laubknospe am Frucht- 
stiel, sch ein schuppenförmiges Blatt an demselben; g sind die normal 
verlaufenden, um die mit Eirudimenten versehenen Kernhausfächer (f) 
sich herumziehenden Gefäfsbündelstränge. Bei c sind vertrocknete Reste 
der Kelchzipfel und bei st die Griffeläste sichtbar. 

Vorstehender Fall weicht von dem von BurgivgGE beschriebenen und 
den meisten bisher abgebildeten Beispielen dadurch ab, dafs die 
Fruchtanschwellungen hier nicht Produktionen vorjähriger, sondern 
diesjähriger Knospen sind. Bei Birnen ist es gerade nicht selten, dafs 
einzelne Herbstblüten auftreten. Dieselben können wohl, wie manch- 
mal angegeben ist, aus vorjährigen Knospen hervorgehen; indes habe 
ich bisher nur solche Blüten zu beobachten Gelegenheit gehabt, welche 
an den diesjährigen, im Sommer bereits ausgereiften Zweigen ent- 
standen waren, was leicht aus dem Holzringe des fruchttragenden 
Zweiges ersehen werden konnte. Die proleptischen Blüten haben bei 
dem relativ geringen Nährvorrat und der kurzen Zeit, die ihnen der 
Herbst noch zur Entwicklung bietet, natürlich wenig Gelegenheit, den 
Rindenkörper noch zu wohlschmeckendem Fruchtfleisch auszubilden, 
und daraus erklärt sich einerseits die geringe Gröfse und andererseits 
die Geschmacklosigkeit der hier beschriebenen Birnen. Wären die 
Fruchtknospen nicht durch die aufserordentlich gesteigerte Wasser- 
zufuhr der damaligen Herbstperiode geweckt worden, hätten sie im 
folgenden Jahre wahrscheinlich ganz normale Früchte geliefert. 

Während hier die Frucht kernlos geblieben, weil "bei der prolep- 
tischen Entwicklung die gespeicherten organischen Baustoffe nicht aus- 
reichten, kommen andererseits auch Fälle vor, bei denen Material genug: 
vorhanden, aber dieses durch Zerstörung der normalen Kernanlagen nun 
anderweitige Verwendung findet. So berichtet MüLtEr-Taursau!) von 
Birnen, deren Fruc htblattanlagen durch Spätfrost vernichtet worden waren; 
es entstanden dann Früchte, die an Stelle des Fruchtgehäuses einen 
Hohlraum zeigten, in den von der Seitenwand aus Gewebewucherungen 
hineinwuchsen. 

Das Anftreten kernloser Früchte ist also zunächst hauptsächlich 
als eine Materialfrage zu behandeln. Die organischen Baustoffe reichen 
eben nicht aus, um die Kernanlagen genügend zu ernähren, gleichviel 
ob dies durch Fehlen des Befruchtungsreizes, durch schlechte Stellung 
der einzelnen Blüte, durch Erschöpfung des Baumes infolge einer voran- 
gegangenen reichen Ernte oder durch proleptische Entwicklung einer 
F ruchtknospe zustande kommt. In Rücksicht darauf, dafs kernhaltige 
Früchte desselben Baumes sich vorteilhafter entwickeln, wird es wirt- 
schaftlich doch geratener sein, so lange man nicht absolut sichere kernlose 
Sorten anbauen kann, die Möglichkeit der Kernbildung zu begünstigen. 

Wenn nun EwerT auch nachgewiesen hat, dafs bei Obstpflanzungen 
im reinen Satz, obgleich die Zahl der kernlosen und kernarmen Früchte 
grofs ist, doch noch die Zahl der kernhaltigen Früchte überwiegt und 


!) Mürrer-Tuurcarv, H., Eigentümliche Frostschäden an Obstbäumen und Reben. 
xX.—XII. Jahresb. der Deutsch- schweizer. Versuchsstat. Wädensweil, 1902. S. 66. 


2. Verhalten der Nährstoffe zu den Pflanzen. 295 


deshalb den „reinen Satz“ empfiehlt, so möchten wir doch dem 
gemischten Satz vorläufig den Vorzug geben. Die praktischen Nachteile 
betreffs des Schutzes und der Ernte bei verschieden wachsenden und 
reifenden Sorten dürften sich dadurch vermindern lassen, dafs man 
streckenweise die gleiche Sorte anbaut. An Chausseen wird jedesmal 
diejenige Sorte besonders überwacht, welche der Reife am nächsten ist. 


Das Verhalten schwächlicher Samen. 


Die Ursachen, welche bei den kernlosen Früchten auf das Fehl- 
schlagen oder die kümmerliche Ausbildung der Samen hingewirkt 
haben, werden auch bei anderen Kulturgewächsen mehr oder weniger 
zur Geltung kommen, so dafs wir das Verhalten schwächlich aus- 
gebildeter Samen ins Auge fassen müssen. Die mangelhafte Ernährung 
mufs sich im spezifischen Gewicht zeigen, und in dieser Beziehung 
ergeben die Untersuchungen von ÜLark!), dafs Samen von zu 
geringem spezifischen Gewicht überhaupt nicht keimen; die 
etwas schwereren keimen spärlich und erzeugen vielfach schwächliche 
Pflanzen. Die höchsten Keimprozente finden sich bei Samen mit 
höchstem spezifischen Gewicht. 

Nach den Versuchen von Hosarus?) kann man wohl aus unreifen, 
also spezifisch leichten Samen mit vorsichtiger Darbietung recht 
günstiger Bedingungen normale Pflanzen ziehen; aber die Sterblich- 
keitsprozente sind gegenüber denen aus normalem Saatgut bedeutend 
gröfser. Das bezieht sich z. B. auf Verwendung von Getreide, das in 
der Milchreife hat geerntet werden müssen. Manchmal erfahren die 
unreifen Samen aufserhalb ihrer Fruchthülle eine genügende Nachreife 
und können unter Umständen dann schneller keimen wie unvollkommen 
ausgereifte. Dieser Umstand tritt nach KınzEL?) bei unseren schma- 
rotzenden Seidearten ein und ist sehr beachtenswert bei deren Be- 
kämpfuns 

Bisweilen hilft man sich bei schlechter Samenbeschaffenheit durch 
vorsichtiges Vorquellen, um den Aufenthalt des Samenkorns im Boden 
bis zur Keimung möglichst abzukürzen. Die unreifen Samen faulen näm- 
lich viel leichter, namentlich in schweren Böden. Aber dieses Vor- 
quellen hat den Nachteil, dafs die Saat, wenn Trockenperioden ein- 
treten, länger liegen bleibt, als wenn von vornherein sie sich selbst 
überlassen bleibt. Für Gurken hat dies Zawonny*) experimentell nach- 
gewiesen. In dieser Beziehung sei auf die früher schon besprochene 
durch Trockenheit unterbrochene Keimung verwiesen. 


Abwerfen der Früchte. 


Aufser dem erwähnten Abwerfen der Birnen, das MÜLLER-THURGAU 
infolge von Trockenheit in der Blütezeit beobachtete, gibt es ein all- 
jährlich sich einstellendes „Reinigen“ der fruchttragenden Bäume da- 
durch, dafs schlecht ernährte Blüten oder junge Früchte abgestofsen 


1) Crank, A., Seed Selection according to specific gravity. New York Exper. 
Stat. Bull. 256. 1904. 

2) Deutsche Landwirtsch. Presse 1875 Nr. 4. J 

®) Kınzen, W., Über die Keimung halbreifer und reifer Samen der Gattung 
Cuscuta. Landwirtsch. Versuchsstat. 1900. Bd. 54. S. 125. h 

4) Zawonsy, J., Keimung der Znaimer Gurke. cit. Bot. Jahresber. 1901. Teil II 
S. 236. 


296 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


werden. Am meisten findet dies bei den an den Spitzen eines Blüten- 
standes zuletzt zur Entwicklung gelangenden Blumen und den am Ende 
eines Zweiges stehenden Blütenbüscheln statt. Es ist nicht plastisches 
Nährmaterial genug zur Ausbildung vorhanden. Die der zuleitenden 
Stammachse zunächst stehenden Früchte beanspruchen die Nährstoffe 
auf Kosten der mehr peripherisch gestellten Organe. Bei der Spalier- 
zucht regelt man diese Ernährungsverhältnisse künstlich, indem man 
bald nach dem Fruchtansatz einen grofsen Teil der ungünstig gestellten 
Exemplare mit der Schere wegnimmt. 

Bei der Treiberei ist aut das Wasserbedürfnis der Früchte be- 
sonders genau Rücksicht zu nehmen, namentlich bei Pfirsich und Apri- 
kose. Wenn der Stein zu erhärten beginnt, ist das Wasserbedürfnis 
am gröfsten und das Abwerfen manchmal durch eine einzige Trocken- 
periode veranlafst. Vor und nach dem bezeichneten Entwicklungsstadium 
hat man aber sparsamer mit dem Begiefsen zu sein, da man sonst vor- 
zeitige Triebe erzeugt, welche das zur Ausbildung der Früchte nötige 
Material an sich ziehen. Dann können noch in emer späteren Epoche 
die Früchte aus Nahrungsmangel fallen oder wenigstens verkümmern. 

Dafs alte Früchte durch spät eintretende Trockenperioden ab- 
geworfen werden, haben wir bereits in früheren Abschnitten erwähnt, 
und es ist nur noch daran zu erinnern, dafs durch Frostwirkung im 
Frühjahr beschädigtes Obst manchmal massenhaft am Erdboden zu 
finden ist. Alle Ursachen, die zur plötzlichen Funktionslosigkeit 
eines Organes führen, bewirken schliefslich ein Abstofsen desselben. 


Das Vertrocknen der Blütenstände bei Zierpflanzen. 


Diese Erscheinung ist namentlich bei den Topfkulturen der Lieb- 
haber oft anzutreffen. Abgesehen von dem Einflufs der trocknen Luft, 
der später behandelt werden soll, und der bereits erwähnten Boden- 
trockenheit sind es zwei Umstände, die hier in Betracht kommen. 
Beide stellen ein Verhungern der Blumenanlagen dar. In einem Falle 
ist es tatsächlich Stickstoffmangel, der in den Töpfen sich einstellt, 
wenn die Pflanzen zu lange in denselben stehen; im andern Falle ist 
es Ernährungsmangel für die Blütenorgane dadurch, dafs andere Organe 
ihnen das Material wegnehmen. 

Für den letzteren Fall dienen unsere Azaleen und Kamelien als 
häufigstes Beispiel. Liebhaber klagen ungemein häufig, dafs sie Pflanzen 
mit grofsem Knospenreichtum nicht zur Blumenentfaltung im Zimmer 
kommen sehen: bei Azaleen vertrocknen die Knospen, bei Kamelien 
werden dieselben abgestofsen. In beiden Fällen entwickeln sich vor-. 
zeitig unmittelbar unter den Blütenknospen frische, schnell und kräftig 
wachsende Triebe. In diesem vorzeitigen Hervorbrechen junger Zweige 
liegt die Veranlassung zum „Verkommen der Blüten“. Der Fehler in 
der Behandlung liegt darin, dafs die Pflanzen für den augenblicklichen 
Stand ihrer Entwicklung zu warm und feucht und lichtarm gehalten 
werden. Während die Blume zu ihrer Entfaltung zwar Wärme und 
Luftfeuchtigkeit braucht, ist ihr grofse Bodenfeuchtigkeit schädlich. 
Letztere weckt dagegen die neben den Blumen stehenden Laubknospen 
zu vorzeitigem Hervorbrechen, und diese ziehen nun den Nährstoffstrom 
an sich und drängen die funktionsschwache Blütenknospe ab. 

Solche Zustände des Verhungerns einer Blütenanlage infolge zu 
starker Entfaltung der vegetativen Organe finden wir auch bei der 


2. Verhalten der Nährstoffe zu den Pflanzen. 297 


Treiberei der Blumenzwiebeln, namentlich der Tulpen. Bei 
den neueren Kultursorten finden wir mehrfach, dafs der Blütenschatt 
nicht blattlos, sondern mit ein bis zwei Blättern versehen ist, die auf 
deutlich ausgeprägten Knoten stehen. Bei derartigen Exemplaren ist 
die Blumenanlage so schwächlich, dafs sie bei der Wintertreiberei durch 
das Übergewicht, das die Blattentfaltung infolge des Wasser- und 
Wärmeüberschusses erlangt, gar nicht zur Entfaltung kommt, sondern 
vertrocknet. 

Als Beispiel des Vertrocknens der Blütenanlagen infolge von 
Stickstoffmangel möge ein Versuch mit Veltheimia glauca angeführt 
werden. Eine starke Zwillingszwiebel war vor mehreren Jahren geteilt 
worden, und jede Tochterzwiebel hatte seit dieser Zeit regelmälsig im 
Winter geblüht. Als später die eine Zwiebel nicht umgepflanzt wurde, 
während die andere neue, kräftige Erde bekam, entwickelte sich bei 
der ersteren der Blütenstand zwar früher und schlanker, aber die Blumen 
vertrockneten vor der vollen Ausbildung. Dieser Pflanze wurden nun 
Hornspäne als Stickstoffquelle gegeben, ohne den Erdboden im Topfe 
zu wechseln. Im folgenden Jahre erschien der Blütenstand kräftiger, 
die Blumen zahlreicher, und ein Teil kam zur Entfaltung, färbte sich 
aber noch nicht so kräftig, wie bei der alljährlich verpflanzten Zwiebel. 

Die Steigerung der Produktion durch Stickstoffzufuhr bei den land- 
wirtschaftlichen Kulturpflanzen ist bekannt. 


Die Dornenbildung. 


Als Zeichen von Stickstoffmangel darf die Dornenbildung, d. h. 
der Ersatz einer Knospe am Ende eines Triebes durch eine verholzte, 
stechende Spitze aufgefafst werden. Welche Veränderungen dabei 
stattfinden, zeigt der Vergleich von Fig. 37 mit Fig. 38 (Querschnitte 
von Rhamnus cathartica). Man vergleiche in beiden Figuren die Ge- 
webe, die durch denselben Buchstaben bezeichnet sind. Wir sehen, 
wie bei der Dornenbildung die derbwandigen Elemente die Oberhand 
gewinnen und wie selbst die Parenchymzellen der Rinde und des 
Markkörpers ihre Membranen ungewöhnlich verdicken. In der Jugend 
kann der zum Dorn werdende Zweig an seiner Basis bisweilen Seiten- 
augen bilden, wenn so viel Stickstoff noch zur Anlage von Meristem- 
herden vorhanden ist. Aber auch diese Seitenachsen pflegen bald nach 
ihrer Anlage zu verdornen. So lange man Blattansätze an den Dornen 
erkennen kann, und auch noch eine Strecke über diese hinaus, findet 
man noch Gefäfse; in der Spitzenregion pflegen dieselben zu ver- 
schwinden. 

Die Beseitigung der Dornen ist im Interesse des gärtnerischen 
Betriebes erwünscht, weil z. B. das Pflanzen von Crataegus, Pirus 
communis, Prumus spinosa usw. leicht zu Verletzungen Veranlassung 
gibt. Die Umwandlung der Dornen in normal beblätterte, mit einer 
Gipfelknospe abschliefsende Zweige erfolgt durch Zurückschneiden und 
Verpflanzen der Wildlinge in stickstoffreiche, lockere. gut zu „be- 
wässernde Böden. 


c. Produktionsänderung durch Kalimangel. 


Einleitend sei noch einmal darauf hingewiesen, dafs Kalimangel im 
Boden eine gröfsere Wasserarmut desselben bedingt. Neuere \ ersuche 


298 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


----a von Hortrung !) haben erwiesen, 
&--b dafs eine Erde, welche mit Kalı- 
ze salzen vermischt war, viel mehr 
Feuchtigkeit enthielt, als unter 
sonst gleichen Verhältnissen der- 
selbe Boden ohne Kalızusatz. 

Der Eintritt des Kalis in 
die Pflanze erfolgt in der Form 
von salpetersaurem, schwefel- 
und phosphorsaurem, salzsaurem 
und wohl auch von kieselsaurem 
Kali. In der Pflanze ist es mit 
organischen und anorganischen 
Säuren verbunden anzutreffen, 
und zwar vorzugsweise in den 
Geweben, in denen Kohlen- 
hydrate wandern oder gebildet 
werden. HELLRIEGEL und WIL- 
FARTH wiesen direkt nach, dafs 
die Menge der als Reservestoffe 

niedergeschlagenen Kohlen- 

hydrate (Stärke, Zucker) bei 
Kartoffeln, Getreide und Zucker- 
rüben direkt abhängig von der 
gegebenen Kalimenge ist. So- 
mit erkennt man, dafs Kalı- 
mangel sich in Spärlichkeit der 
Reservestoffe ausdrücken mufs; 
aufserdem erklärt sich die be- 
obachtete Tatsache, dafs die 
Triebbildung nachläfst; denn die 
zur Ausbildung des Parenchyms 
nötige Cellulose ıst doch eben- 
falls ein Kohlenhydrat. 

Ohne Kalium ergrünt zwar 
die Pflanze, wächst aber über 
das Mails des vom Samen ge- 
lieferten Materials nicht viel 
hinaus. Alles übrige Nährstoff- 
material kann also nicht ver- 
wertet werden (Gesetz des 


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') Horırung. Vortrag im An- 
haltinischen Zweigverein für Zucker- 
rübenkultur. Blätter f. Zuckerrüben- 
bau 1905 S. 76. 


Fig. 37. Querschnitt 
durch den einjährigen Zweig von 
Rhamnus cathartica. 


a Cuticula, b Epidermis, ce Korkschicht, 
d Phellogen (Korkkambium), e Collenchym, 
f und f’ Rindenparenchym, g und g’ Bast- 
bündel, 4 sekundäre Rinde, : Holzkörper und 
an dessen Peripherie die cambiale Zone, 
k Markkrone, ın Markscheibe. (Nach DÖBNER- 
NOBBE.) 


2. Verhalten der Nährstoffe zu den Pflanzen. 299 


Minimums). Nach den Studien von NoBBE rief ein Zusatz von Chlor- 
kalıum, einer sehr günstigen Verbindung, bei der seit Monaten ruhenden 
kalihungrigen Pflanze nach zwei bis drei Tagen schon eine Zuwachs- 
steigerung hervor; darauf begann die Stärkebildung®!). Eine 
Kalizufuhr kommt aber erst zur vollen Wirksamkeit, wenn sie nicht 
durch Kalk paralysiert wird. 
An. MryER?) hebt die besonders 
günstige Wirkung des Chlor- 
kalıums hervor, sah aber solche 
bedeutend abgeschwächt, sobald 
gleichzeitig Bicalciumphosphat 
vorhanden war. Bei Zuckerrüben 
wirkten sowohl Chlorkalium als 
auch Kalk in alleiniger Anwen- 
dung sehr gut, aber nicht bei 
gleichzeitiger Zufuhr. 

Bei Getreide sah HELLRIEGEL, 
dafs sich bei zu geringem Kali- EN 
vorrat die grünen Teile aufKosten > 
der Körner ausbildeten. Dies ist 
nicht so bei Stickstoffmangel, bei 
welchem sich die Pflanzen voll- 
ständig entwickeln, aber klein 
bleiben. Bei Bäumen führt ein 
anhaltender Kalimangel zu immer 
schwächlicherer Entwicklung der 
Endtriebe und schliefslich zur 
„Spitzendürre“, und Janson?®) 
führt an, dafs er diese Krankheit 
durch direkte Zufuhr von 40 %o 
Kalisalz geheilt habe. Natürlich 
kann Spitzendürre durch sehr 
verschiedene Ursachen zustande 
kommen, und namentlich auf 
Lehmboden wird man in erster 
Linie nach anderen Ursachen 
suchen müssen. 

Wissenschaftlich beachtens- 
wert ist die experimentell fest- Fig- 38. Querschnitt durch den Dorn von 
IE i 4 LITE: Rhamnus cathartica. 
gestellte Tatsache ); dafs bei Kalı- Buchstabenerklärung wie bei Fig. 37; es fehlen hier 
mangel, gegenüber einer vollen nur das Phellogen (7) und die sekundäre Rinde (N), 
Ernährung, ein gröfserer Teil der die in ee erscheinen. (Nach 
aufgenommenen Nährstoffe (mit 
Ausnahme der Phosphorsäure) zur Zeit der Reife wieder in den Boden 
zurückwandert. Wenigstens wurde dies bei Sommerweizen, Gerste, 
Erbsen und Senf beobachtet. Kartoffeln machten eine Ausnahme. 


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!) Nossge, Scuröver und Erpwann, Die organische Leistung des Kaliums in der 
Pflanze. Landwirtsch. Versuchsstat. XIII S. 321. 

?) Jahresber. f. Agrik. Chemie 1880 S. 269. 

3) Jansox, A., Kalidüngung gegen die Spitzendürre. Prakt. Ratg. f. Obst- und 
Gartenbau 1905 Nr. 38. r 

4) Wırraurtr, Römer und Wimmer, Über die Nährstoffaufnahme der Pflanzen in 
verschiedenen Zeiten ihres Wachstums. cit. Centralbl. f. Agrik.-Chemie 1906 S. 263. 


300 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


Interessant ist die Aufserung des Kalimangels bei Pilzen. MorLıarD 
und Coupin!) sahen bei Sterigmatocystis nigra eine Mifsbildung der 
Konidienköpfchen, die überhaupt nur noch ausnahmsweise entstanden 
und sich unvollkommen ausbildeten. Wie bei anderen Hungerzuständen 
keimen die Konidien sofort, aber ihr Inhalt wandert in eine Chlamydo- 
sporenform. 

Die wichtigste Frage für die Kultur ist, ob sich äufsere. sichere 
Merkmale auffinden lassen, welche den Kalimangel mit Bestimmtheit 
anzeigen ? 

Die wesentlichsten darauf gerichteten Versuche verdanken wir 
WILFARTH und WIMMER ?), die mit Zuckerrüben, Kartoffeln, Buchweizen usw. 
vergleichende Kulturen angestellt haben. Sie prüften auch den Stick- 
stoff- und Phosphorsäuremangel und fanden, dafs bei Stick- 
stoffmangel die Blätter eine hellgrüne bis gelbliche Färbung annehmen 
und schliefslich mit heller, bräunlichgelber Farbe vertrocknen. Bei 
Phosphorsäuremangel färben sie sich entsprechend dem jeweilig vor- 
handenen Stickstoffüberschufs tief dunkelgrün, und es bilden sich in 
extremen Fällen zuerst an den Rändern, später über dae ganze Blatt- 
fläche verbreitete schwarzbraune Stellen, welche anfangs bisweilen röt- 
lich gefärbt sind. Schliefslich folgt Vertrocknen unter dunkelgrüner 
bis schwarzbrauner Färbung. Steht derartigen Mangelpflanzen aber 
Kali genügend zur Verfügung, so werden trotzdem reichliche Mengen 
von Stärke und Zucker gebildet, ja bei Stickstoffmangel scheint dieser 
Prozefs eher vermehrt als vermindert zu werden. Wenn aber Kali 
bei sonst normalem Nährstoffvorrat fehlt, dann tritt bei Körnerfrüchten 
die oben erwähnte vermehrte Strohbildung gegenüber der Körnerbildung 
zutage und bei Rüben- oder Knollengewächsen steigert sich die Kraut- 
menge gegenüber den Reservestoffbehältern, die erheblich weniger 
Kohlenhydrate als bei Stickstoff- und Phosphorsäuremangel besitzen. 

Da die Pflanzen zunächst den Kalivorrat zum Aufbau des vegeta- 
tiven Gerüstes verwenden, so behalten sie in ihrem Habitus länger das 
Aussehen der normal ernährten Pflanzen, als bei Stickstoff- oder Phos- 
phorsäuremangel; dann aber verkürzen sich die Internodien und 
krümmen sich die Blätter konvex nach oben. Es treten vorerst in 
der Nähe der Blattränder, später aber über die ganze Blattfläche 
verbreitet gelbliche, schnell braunwerdende oder manchmal auch noch 
in Weifs übergehende Flecke auf, während Blattstiele und Nervatur 
mit deren nächster Umgebung grün bleiben. Endlich vertrocknen, 
meist vom Rande her, die Blätter mit dunkelbrauner Farbe (s. neben- 
stehende Fig. 39). Blüte und Fruchtbildung sind gering. Bei Kalı- 
mangel gehen nicht selten einzelne Pflanzen vorzeitig?) zugrunde, 
während bei Stickstoff- und Phosphorsäuremangel auch die kleinste 
Pflanze bis zum Ende der Vegetationszeit erhalten bleibt. 

Von besonderer Wichtigkeit ist noch die Beobachtung der ge- 
nannten Autoren, dafs Kalimangelptlanzen sehr leicht in ihren Wurzel- 
bezw. Knollenkörpern zur Fäulnis neigen, und dafs überhaupt alle 


1) Morwıann et Covris, Sur les formes teratologiques du Sterigmatoeystis nigra 
prive de Potassium. Compt. rend. 1903. CXXXVI S. 1659. 

2) Wirrarın, H. W. und Wımser, G. (Ref.), Die Kennzeichen des Kalimangels 
an den Blättern der Pflanzen. Zeitschr. f. Pflanzenkrankh. 1903 S. 82. 

3) Vergl. auch: v. Serrnorsı, Die durch Kalimangel bei Vietsbohnen (Phaseolus 
vulgaris nanus) hervorgerufenen Erscheinungen. Zeitschr. f. Pflanzenkr. 1906 S. 2. 


2. Verhalten der Nährstoffe zu den Pflanzen. 301 


Fig. 39. Kalimangel. 
1 Tabakblatt infolge von Kalimangel gekrümmt mit braunen zum Teil eingerissenen Rändern; nur 
die Nervatur ist noch grün, während die Intereostalfelder gelb bis weils verfärbt erscheinen. 2 Blatt 
einer normal ernährten, 3einer kalihungrigen Kartoffelpflanze: bei letzterem stehen die Blattfiederchen 
dichter beieinander und sind nach unten gekrümmt. Die hell gezeichneten Stellen sind gelblich, 
die Intercostalfelder sind braunfleckig, ebenso wie die Blattränder. 4 und 5 Blätter der Buchweizen- 
pflanze mit gelblichen, dann gebräunten, schliefslich weilsen Flecken. (Nach WILFARTH und WImMrR.) 


302 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


Pflanzen, die Mangel an einem Nährstoff haben, für den Befall durch 
tierische und pflanzliche Parasiten mehr disponiert sind. 

Dieselbe Beobachtung machte bei Moorkulturen \oN FEILITZEN!) an 
Timotheegras, das erst von einem Pilze befallen wurde, nachdem es 
durch Kalimangel geschwächt worden war. Bei Klee bemerkte er, 
dafs die ohne oder mit schwerlöslichem Kali bestellten Parzellen so 
„verbrannt“ aussahen, wie auf magerem Sandboden nach langen 
Trockenperioden. 

Bei Düngungsversuchen an Kiefern fand MörtEr, dafs bei Kali- 
mangel die Sämlingspflanzen eine geringere Wuchskraft und fahlere 
Nadelfärbung zeigten. 

So schätzenswert die Bestrebungen sind, habituelle sichere Merk- 
male für Kalimangel aufzufinden, so glaube ich doch, dafs wir für lange 
Zeit hinaus noch mit Vorsicht diese Merkmale zur Diagnose benutzen 
müssen. Erstens wissen wir nicht, ob bei derselben Spezies stets, d. h. 
bei allen Variationen der Wachstumsfaktoren dieselben Merkmale sicht- 
bar werden. Zweitens kennen wir noch viel zu wenig die Hunger- 
.erscheinungen, die bei anderen Nährstoffen sich geltend machen werden. 
Drittens täuschen Eimflüsse schädlicher Gase bisweilen so ähnliche 
Bilder vor, abgesehen von parasitären Eingriffen, dafs es schwer sein 
dürfte, aus den habituellen Veränderungen allein bestimmte Schlüsse zu 
ziehen. Man mufs nur bedenken, dafs fast alle das Blattleben be- 
treffenden Schädigungen an den von den wasserleitenden Nervensträngen 
am entferntest liegenden Regionen zuerst sich äufsern. Daher der 
häufige Anfang der Erkrankung vom Blattrande her oder in der Mitte 
.der zwischen den stärkeren Rippen vorgewölbten Intercostalfelder. 


d. Kalkmangel. 


Die Verwendung des Kalkes in der Pflanze als Festigungsmittel 
für die Membranen und als Bindungsmittel der entstehenden giftigen 
Oxalsäure ist bekannt. Für die Erkrankungserscheinungen von Belang 
ist der Umstand, dafs ein Überschufs von Oxalsäure geringe Kalkoxalat- 
mengen wieder lösen kann?). Der entstandene oxalsaure Kalk löst 
sich nur in wenigen Fällen wieder auf®). Meist besitzt der Organis- 
mus nicht die Fähigkeit, den schon anderweitig in alten Geweben 
niedergelegten Kalk in genügender Menge noch einmal aufzulösen und 
dorthin zu transportieren, wo er bei der Kalknot augenblicklich für 
die Neubildungen von neuem wirksam sein könnte. Wenigstens lehren 
die Versuche von BöHnm*), RAUMER und KELLERMANN?), und von BENECKE®), 
dafs aus den Reservestoffbehältern kein oder nur wenig Kalk nach den 


1) v. Feinitzex-Jöskörine, Wie zeigt sich der Kalimangel bei Klee und Timothee- 
gras? Mitt. d. Ver. z. Förd. d. Moorkultur. 1904. Nr. 4. S. 41. 

2) Würtz, Dictionaire de chimie II S. 647, cit. von ve Vrıss in Landwirtsch. 
Jahrb. 1881 S. 81. 

3) Soraver, P., Beiträge zur Keimungsgeschichte der Kartoffelknolle. Berlin. 
Wiegandt & Hempel. 1868. S. 27, und ve Vrıes, H., Über die Bedeutung der Kalk- 
ablagerungen in den Pflanzen. Landwirtsch. Jahrb. v. Thiel. 1881 S. &0. 

*) Bönm, Über den vegetabilischen Nährwert der Kalksalze. Sitzungsber. d. k. 
Akad. d. Wissensch., Bd. 71, 1875, S. 287 ff. 

5) v. Raumer und Kerrervmans, Über die Funktion des Kalks im Leben der 
Pflanze. Landwirtsch. Versuchsstationen XXV, 1880, Heft 1 u. 2. 

6) Bexeckr, W., Über Oxalsäurebildung in grünen Pflanzen. Bot. Zeit. 1903 Heft 5. 


2. Verhalten der Nährstoffe zu den Pflanzen. 303 


Jugendlichen Geweben auswandert, wenn Pflanzen in destilliertem 
Wasser oder kalkfreien Lösungen oder in Quarzsand gezogen werden. 
Zur Bildung der Stärke selbst ist, wie BöHm an stärkefreien Primordial- 
blättern mit schon schrumpfenden Stielen gezeigt hat, kein Kalk nötig. 
da diese sich ohne Kalkzufuhr wieder mit Stärke unter sonst günstigen 
Verhältnissen füllten. Aber bei der Lösung und dem Transport des 
Reservestoffes mufs eine Kalkverbindung schon notwendig werden, da 
die Untersuchung der in kalklosen Medien gezogenen Pflanzen ergab, 
dafs die Organe (Blätter, Cotyledonen) sich nicht gänzlich entstärkten. 
sondern gröfsere Mengen im Blattkörper selbst oder in den nächst- 
liegenden Internodien zurückhielten und der junge Pflanzenteil un- 
geachtet seines Zuckergehaltes verhungerte. Auch meine eigenen Ver- 
suche !) führten zu dem Ergebnis, dafs die Pflanze selbst zu der Zeit, 
in der sie vorzugsweise das Reservematerial zu Cellulose und dergl. 
verarbeitet, neue, aus der Bodenlösung stammende Mineralstoffe br aucht. 

So wirkt schon bei der Keimung der Samen frische Kalkzufuhr 
günstig, Ja sie erscheint manchmal notwendig. Die Angaben, dafs Kalk 
den keimenden Samen unzuträglich sei?), dürften auf "der Anwendung 
zu hoch konzentrierter Lösungen beruhen. Low und Mar erklären. 
dafs ein bestimmter Überschufs von Kalk im Boden über den Magonesia- 
gehalt bei der Pflanze Hungersymptome hervorrufe (s . Maonesiamangel). 
Eine frühere Behauptung von Drn£raın und BREAL?), dafs bei Kalkmangel 
die Pflanzen den in ihrem Körper gespeicherten Kalk besser verwenden, 
wenn die Temperatur erhöht wird, hat sich nicht bestätigt). Atıfapr 
Morısch hat auch Porrnzim das Irrige dieser Angaben nachgewiesen). 

Von den älteren Beobachtern schildert NoBB£ 6) die Erscheinungen 
des Kalkmangels bei Wasserkulturen. Buchweizen, Erbsen, Robinie usw. 
kamen nur wenig über das Keimungsstadium hinaus. Die falben 
Blätter zeigten Flecke, welche den durch Säurewirkung entstandenen 
ähnlich waren und vertrockneten allmählich, wobei die Blattstiele häufig 
einknickten. An Nadelhölzern bekamen schon die erstjährigen Nadeln 
gelbe bis braune Spitzen. 

Neuere Kulturversuche in kalkfreien Nährlösungen mit Getreide, 
Buchweizen und Klodea canadensis') zeigten, dafs schon nach fünf- 
tägigem Aufenthalt in kalkfreier Lösung das Wurzelwachstum nach- 
lieis und später ganz aufhörte. Die Wurzeln bräunten sich, und die 
Wurzelhaube starb ab; auf den Blättern, die bald zugrunde gingen, 
fanden sich eigenartige, bräunliche Flecke. Der Gehalt an sauerem 
Kaliumoxalat und an Stärke war gröfser als bei normalen Pflanzen. Das 
Absterben der ohne Kalk ernährten Pflanzen ist von LoEw auf eine Gift- 
wirkung der Magnesiasalze zurückgeführt worden. Bruch's Kulturver- 


!) SoravEr, Studien über Verdunstung. Forsch. auf d. Gebiete d. Agrikultur- 
physik. 1880, S. 429. 

2) Wispisch, R., Über die Einwirkung des Kalkhydrates auf die Keimung. 
Landwirtsch. Versuchsstationen. 1900, S. 283. 

3) Annales agronomiques Bd. IX, 1883, Nr. 52. 

#) Krüser, W., und ee, WE Zersetzungen und Umsetzungen von 
N ann im Boden durch niedere Organismen usw. Landwirtsch. 
Jahrbücher 1901, S. 633 ff. 

5) Porrueim, L. v., Über die Notwendigkeit des Kalkes für Keimlinge usw. 
eit. Bot. Jahresber. 1901, Abt. II, S. 141. j 

6) Döpner-NoBer, Botanik für Forstmänner. 1882, $. 314. 

?) Brucn, P., Zur physiologischen Bedeutung des Calciums in der Pflanze. 


Landwirtsch. Jahrb. 1901, Suppl. III, S. 127. 


304 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


suche in wässerigen Lösungen mit Magnesiumsulphat, -nitrat, -carbonat, 
und -phosphat zeigten, dafs zwar die Wurzeln bald ihr Wachstum ein- 
stellten, aber die oberirdischen Teile sich völlig normal weiter ent- 
wickelten und sogar zur Blüte gelangten. Weizenpflanzen in kalk- 
und magnesiafreien Lösungen starben weit schneller ab als solche ın 
nur kalkfreien Lösungen. 

Amar!) beobachtete das Fehlen der Kalkoxalatkristalle in den Blättern, 
welche nach Einbringen der Pflanzen in eine kalkfreie Lösung ge- 
bildet worden waren. 

Einen weiteren Einblick in die Wirkung des Kalkmangels geben 
KRÜGER und SCHNEIDEWIND durch die Mitteilung von SCHIMPER, dafs die 
Folgen einer Kalkentziehung alle Symptome der Vergiftung zeigen 
infolge eines enorm grofsen Gehaltes an saurem oxalsaurem Kalı. Bei 
Phaseolus konnten die Verfasser zwar keine besondere Steigerung einer 
starken organischen Säure nachweisen, aber es gelang ihnen, durch 
Bestreichen absterbender Keimlinge mit einer Kalklösung am hypo- 
kotylen Teile oder an der Stelle, wo das Absterben zu beginnen pflegte, 
die Pflanzen bis zum vollständigen Verbrauch aller Reservestoffe zu 
erhalten. Dies bestätigt die BorHrm’sche Beobachtung, dafs Keimpflanzen 
der Feuerbohne mittels der Oberhaut von Stengeln und Blättern aufser 
Wasser auch Kalk aufnehmen. 

Eine Bestätigung vorstehender Beobachtungen bieten die Versuche 
von Moisescu ?). Derselbe sah bei verschiedenen Kulturen in Nährlösungen 
diejenigen Pflänzchen am frühesten und stärksten erkranken, welche in 
kalkfreier Lösung standen. Bei Platanus orientalis, dessen Blätter teilweise 
längs der Nerven braun und trocken wurden, zeigte sich, dafs die er- 
krankten gegenüber den gesunden einen doppelt so hohen Säuregehalt be- 
safsen. Aut den kranken Blättern siedelte sich Gloeosporium nervisequum an. 
Man muls deshalb annehmen, dafs der genannte Parasit nur geschwächte 
Blätter heimsucht. Diese Schwäche bestände hier in „Calcipenuria“, 
also in Kalkmangel. Nach Ansicht des Verfassers ist eben zu wenig 
Kalk dagewesen, um das im Überschufs vorhandene oxalsaure Kalı in 
oxalsauren Kalk umzuwandeln. 

Aufser derartigen Kulturversuchen liegen eine grofse Anzahl von 
praktischen Erfahrungen vor, welche auf die Schädlichkeit einer Kalk- 
armut hinweisen. Wenigstens sahen wir in vielen Fällen ein Auf- 
hören der Krankheitserscheinungen nach Kalkzufuhr. Vielfach mag da- 
bei der Kalk günstig auf die Bodenbeschaffenheit wirken, oft aber auch 
direkt auf die Zusammensetzung des Zellsaftes. Nach unserer Auf- 
fassung existiert eine bedeutende Anzahl von Erkrankungen, die 
direkt durch Stickstoffüberschufs hervorgerufen werden, bei denen Zu- 
fuhr von Kalk und Phosphorsäure das einzig wirksame Hilfs- 
mittel bleibt. Auch werden wir in dem Abschnitt „Enzymatische 
Krankheiten“ der günstigen Wirkung der Kalkdüngung zu gedenken 
haben. Dort werden wir auch den Punkt der überreichen Säurebildung 
in der Pflanze berühren, die sicherlich manchmal den Produktionsmodus 
ungünstig beeinflussen wird. So enthält z. B. bei Kalkmangel im Boden 
das Zuckerrohr im Saft reichlich Säure und wenig Zucker?). Spezielle 
Fälle von Oxalsäurevergiftung werden wir später erwähnen. 


2. Verhalten der Nährstoffe zu den Pflanzen, 305 


e. Magnesiamangel. 


In Nährlösungen ohne Magnesia erzogene Getreidepflanzen zeigten 
mehrfach eine gröfsere Langlebigkeit als bei Kalkmangel. Es wäre 
daraus zu schliefsen , dafs die Pflanze imstande ist, ihre im Gewebe 
bereits festgelegten Magnesiaverbindungen leichter zu remobilisieren 
und den jungen Organen wieder teilweise zugänglich zu machen. Wenn 
das Getreide langsam durch Magnesiahunger erkrankt, zeigen die Blätter 
ein hellgrünes, schlaffes, aber nicht direkt welkes Aussehen. Ein ganz 
bedeutender Einflufs läfst sich von vornherein bei der Samenbildung 
vermuten, wenn man bedenkt, dafs z. B. die in den Proteinkörnern ein- 
geschlossenen Globoide als Kalk- und Magnesiaverbindung mit einer ge- 
paarten Phosphorsäure anzusehen sind. Tatsächlich zeigte sich auch 
bei Magnesiamangel eine Verminderung der Fruchtbildung, wie NOBek !) 
angibt. Er führt folgende Symptome auf. Die Blätter nehmen einen 
bläfslichen, hier und da durch gelbe bis orangerote Flecke unterbrochenen 
Farbenton an; die Blattenttaltung wird gehemmt, die Internodien werden 
verkürzt. Die Chlorophylikörner sind blafsgelbgrün und enthalten in der 
Regel spärliche Stärkeeinschlüsse. In der Epidermis ist eine geringere 
Zellteilung bemerkbar. Mit den Pflanzen der stickstofffreien Nähr- 
lösungen fand NoBBE die Magnesiamangelpflanzen darin übereinstimmend, 
dafs rotfleckige Stengel vorhanden waren und dafs die Blätter vor- 
zeitig von der Basis aus abfielen. Letzteres Merkmal dürfte wohl bei 
allen Hungerpflanzen vorhanden sein, da die jungen Organe bei un- 
genügender Nährstoffzufuhr durch die Wurzel die älteren aussaugen. 

Eine orangerote Färbung konnte auch MÖLLER?) bei seinen Magnesia- 
mangelkulturen mit Kiefernsämlingen beobachten. Er sagt, dafs die 
Nadeln im Oktober leuchtend orangegelbe Spitzen zeigten und weiter 
abwärts durch ein leuchtendes Rot in das normale Grün übergingen. 
Die Färbung verschwand, als die Sämlinge im zweiten Jahre Magnesia 
erhielten. Ramann hatte die orangespitzigen Nadeln zweijähriger Kiefern 
analysiert und gefunden, dafs dieselben 0,2791 °/o Magnesia (auf Trocken- 
substanz berechnet) enthielten, während die danebenstehenden normal 
grünen Exemplare einen Gehalt von 0,6069 °/0 aufwiesen. 

Betreffs der Magnesiawirkung haben Lorw und May?) der Ansicht 
Ausdruck gegeben, dafs für ein günstiges Pflanzenwachstum ein 
bestimmtes Mengenverhältnis zwischen löslichen Kalk- und Magnesia- 
verbindungen notwendig sei (ungefähr dem molekularen Gewicht, also 
5 zu 4 entsprechend). Magnesia in einem Boden in grofsem UÜber- 
schufs über Kalk ist schädlich. Pflanzen, die insofern Magnesiamangel 
haben, als Kalk im Überschufs vorhanden ist, zeigen Hungersymptome. 
Ein kleiner Überschufs an Kalk hebt die giftigen Wirkungen der 
Magnesia auf. Bei Anwendung magnesiahaltiger Düngemittel sollte zu- 
gleich mit Kalken vorgegangen werden. Dieser Rat ist sehr zu 
beherzigen. Wenn auch die Pflanzen Magnesia sehr gut vertragen, Ja 
notwendig brauchen, so ist der Überschufs sicherlich schädlich, wie 
die Düngungen mit Kalirohsalzen vielfach beweisen. 


1) Dösser’s Botanik für Forstmänner, bearbeitet von Nossr. 4. Aufl., S. 315. 

2) Mörter, A., Karenzerscheinungen bei der Kiefer. Sond. Z. f. Forst- und 
Jagdwesen 1904, S. 745. 

3) Lozw, O., und May, W., The relation of lime and magnesia to plant growth. 
U. S. Departm. of agric. Bull. I. eit. Bot. Jahresber. 1901, II, S. 141. 


Sorauer, Handbuch. 3. Aufl. Erster Band. 20 


306 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


f, Chlormangel. 


Es ist vielleicht anzunehmen, das 
Chlor und Kalk in antagonistischem 
Verhältnis zueinander in der Pflanze 
stehen. Die bei dem Kalium er- 
wähnten Ergebnisse von MayEr, dals 
die Wirkung des Chlorkaliums ge- 
schwächt wird durch Kalk und um- 
gekehrt, weisen darauf hin. Ebenso 
tand Knop!), dafs die Kalkaufnahme 
bei Chlorgehalt der Nährstofflösung 
geringer wird, ohne dafs der Kalk 
in entsprechender Weise von Kali 
oder einer anderen Base vertreten 
erscheint. Somit veranlassen die 
Chlorverbindungen (durch Zurück- 
bleiben des Kalkes) ein wesentliches 
Steigen des Säuregehaltes im Pflan- 
zensafte. Da unter den aufgenom- 
menen Säuren die Phosphorsäure 
überwiegt, so glaubt Knop dieser 
Säure die von NoBBE beobachtete, 
gröfsere Fruchtbarkeit bei Anwen- 
dung von chlorhaltigen Nährstoff- 
lösungen zuschreiben zu dürfen. 
Man möchte sich demnach den 
Vorgang so erklären, dafs das Chlor, 
das übrigens je nach den der Wurzel 
dargebotenen Mengen in enorm ver- 
schiedenen Quantitäten sich ım 
Pflanzenkörper anhäufen?) kann, die 


!) Chemisch -physiologische Unter- 
suchungen über die Ernährung der Pflanze 
von Knor und Dworzar. Aus Berichte d. 

Kgl. sächs. Gesellsch. d. Wissensch. vom 

23. April 1875, cit. Jahresber. f. Agri- 
kulturchemie 
1875, S. 267. 

2) PAGNOUL, 
Sur le röle 
exerce par les 
sels alcalins 
sur la vegeta- 
tion de la bet- 
terave et de 
la pomme de 
terre. Compt. 
rend. 1875, t. 
LXXX, 8.1010. 

Fünfjährig 
fortgesetzte 
Düngungsver- 
suche mit 

Fig.40. Blühende, in normaler Chlorüren 
Nährstofflösung erzogene Buch- zeigten in den 
a weizenpflanze. (Nach Nossr.) Rüben eine 


2. Verhalten der Nährstoffe zu den Pflanzen. 307 


Transportfähigkeit der Phosphorsäure erhöht, indem es die Kalk- 
aufnahme vermindert und dadurch verhütet, dafs die Phosphorsäure 
in der schwerlöslichen Form des phosphorsauren Kalkes auftrete. 
Kommt die bei der Bildung der Eiweifsstoffe mitwirkende Phosphor- 
säure sehr leicht in die meristematischen Gewebezonen der fort- 
wachsenden Spitzen, dann tritt reiche Plasmabildung und Zell- 
vermehrung und damit in Verbindung reiches Abströmen der Kohlen- 
hydrate zur Eiweifsregeneration ein. Demgemäfs werden sich stark fort- 
wachsende Triebe und wenig gespeicherte Reservestoffe in den mit 
Chlor gedüngten Pflanzen finden müssen. Tatsächlich zeigen die vielen 
Düngungsversuche ein Herabgehen der Stärke und des Reservezuckers 
in den üppig wachsen- 
den Kulturpflanzen. 
Aufser der wahr- 
scheinlichen Erhöhung 
der Transportfähigkeit 
der Phosphorsäure hat 
das Chlor nachweisbar 
einen befördernden Ein- 
Hufs auf die Fortleitung 
der in den Blättern be- 
reiteten Stärke. Nach 
Nogge’s Versuchen wächst 
die chlordarbende Pflan- 
ze unter ganz dunkel- 
grüner Färbung fort und 
zeigt eine bedeutende 
Produktionstärkereicher 
Substanz; aber es tritt 
früher oder später, 
jedenfalls vor der Blüte 
eine eigenartige Ge- 
staltsänderung ein. Die 
dunklen, abnorm dick- 
fleischigen, stärke- 
strotzenden Blätter sah 


NoBBE (bei Eiche und 2 

cha ich Fig. 41. In chlorfreier Lösung erzogene 
He weizen) Sa nelDE Buchweizenpflanze. (Nach Nosee.) 

rollen, brüchig und hin- 


fällig werden. Die Stengel und Blattstiele erscheinen wulstig dick, die 
Internodien der Stengel immer kürzer, und schliefslich vertrocknen 
manche derselben von der Spitze aus. Wenn die Pflanze bis zur Blüte 
kommt, entwickeln sich trotz des reichen Stärkematerials ın den 
Blättern doch nur vereinzelte ungemein dürftige Früchtchen. Der 
Einflufs des Chlormangels wird am besten durch den Vergleich einer 
normalen mit einer bei Chlormangel erzogenen Buchweizenpflanze 
erkennbar (Fig. 40 und 41). 


Schwankung im Gehalt von 1—50. Bei Kartoffeln fiel der geringste Ertrag an 
Knollen mit der geringsten Menge der Asche an kohlensaurem Kali, aber deren 
gröfstem Reichtum an Chlorüren zusammen. 


20 * 


308 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


g. Eisenmangel und Gelbsucht (Icterus). 


Die Ausdrücke „Gelbsucht*, „Bleichsucht‘, Weifs- 
blätterigkeit*, „Panachure‘“, „Chlorosis“, „Albiecs#io‘, 
„Etiolement“ sind die geläufigsten Bezeichnungen für die Zustände, 
bei denen ein Blatt stellenweise oder in seiner gesamten Flächen- 
ausdehnung den grünen Farbstoff verliert. Die Ursachen für diese 
Farbenänderung sind äufserst verschieden, stellen aber stets Schwäche- 
zustände dar. 

Um einen Überblick über die mannigfachen Erkrankungsfälle zu 
gewinnen, versuchen wir dieselben zu gruppieren in 

1. Nicht angeborene und nicht übertragbare Zustände. 

a) Die Verfärbung ergreift die gesamte Fläche des im Lichte 
ausgewachsenen Blattes. Dasselbe nimmt, nachdem es in 
der Jugend grün gewesen, in seiner ganzen Fläche einen 
gelblichen, gelben bis gelbweifsen Farbenton an: Icterus 
oder Gelbsucht. Ursache: meistens Nährstoffmangel. 

b) Die bleiche Verfärbung ist im jugendlichen Organ bereits 
vorhanden, und die Blätter verharren in einem der Jugend 
ähnlichen Zustande bis zu ihrem vorzeitigen Ende: Chlo- 
rosis, Bleichsucht oder Etiolement. Ursache: Licht-, 
bisweilen Wärmemangel (s. diese). 


2. Angeborene und übertragbare Zustände. 


Die Pflanzenteile zeigen gelbe bis reinweilse Flecke oder Streifen. 
Vorzugsweise leiden die Pflanzen, bei denen rein weifse Blätter 
neben grün gefleckten oder gänzlich grünen auftreten. Flecke meist 
mit scharfer Abgrenzung: Weifsblätterigkeit, Albicatio, 
Panachure. Manchmal übertragbar durch Samen oder durch Ver- 
edlung. Ursache: Wahrscheinlich Enzymatische Störungen (s. diese‘, 

Selbstverständlich gibt es Mittelstufen zwischen den genannten 
Typen, da mehrfach ein Zusammenwirken der einzelnen Ursachen 
stattfindet: 

Im vorliegenden Abschnitt fassen wir nur die icterischen Zustände 
ins Auge und führen sie unter Eisenmangel auf, weil man sich seit den 
Untersuchungen von Gris!), Vater und Sohn, gewöhnt hat, die Gelb- 
sucht als vorzugsweise auf Eisenmangel beruhend zu betrachten. Die 
genannten Autoren sahen gelbsüchtige Blätter an den Stellen ergrünen, 
die sie mit einem löslichen Eisensalze bestrichen hatten. Auch wenn 
solche Pflanzen für ihre Wurzeln eine verdünnte Eisenlösung zur 
Verfügung hatten, konnte ein Ergrünen beobachtet werden. Die Ver- 
suche über die Wirksamkeit der Eisenlösung wurden vielfach wieder- 
holt, wie z. B. von Knop?) und SachHs®), die bei Kulturen von Mais in 
eisenfreien Nährstofflösungen wahrnahmen, dafs die Pflanzen nur so lange 


1) Gris, A., Ann. science. nat. 1857, VIser. Bd. VII, S. 201. 

®) Kxor (Jahresbericht f. Agrikulturchemie 1868/69, S. 288) beobachtete bei 
solchen Versuchen, dafs das in die Pflanze kommende Eisen in dem Zellsafte nicht 
nachgewiesen werden konnte, also in einer gebundenen Form vorhanden ist. Im 
Jahre 1860 (Bot. Z. S. 357) stellten Weiss und Wıirsser fest, dafs Eisen nur in un- 
löslichen Verbindungen vorkommt, tnd zwar sowohl im Inhalt als auch in der 
Wandung älterer Zellen. 

*) Experimentalphysiologie S. 144. 


2. Verhalten der Nährstoffe zu den Pflanzen. 309 


grün blieben, als sie vom Samen her noch Reservestoffe erhielten. Nach 
dieser Zeit entwickelten sich Blätter, die nur noch an der Spitze grün 
und an der Basis schon gelblich waren, bis die nächsten Blätter gleich- 
mäfsig icterisch erschienen. Ahnliche, zuerst streifenweise auftretende 
Verfärbungen zeigten erwachsene Pflanzen, die erst normal sich entwickelt 
hatten und dann in eisenfreie Nährlösung gebracht wurden. Es trat 
dabei Taubblütigkeit ein, und die Produktion an Trockensubstanz war eine 
wesentlich geringere. Frank!) beobachtete bei Eisenmangel die überall 
bemerkbare Hungererscheinung, dafs die neu entstehenden Blätter die 
älteren aussaugten, die unter Entfärbung abstarben. Bei den icterischen 
Organen sind die Chlorophylikörner von normaler Gestalt, aber 
vielleicht an Zahl und Gröfse etwas geringer; ihre Farbe aber ist 
bleich. Wenn auch der Chlorophylifarbstoff an sich kein Eisen ent- 
hält?), so wird doch durch das Fehlen desselben der ganze Ernährungs- 
zustand des Chlorophylikorns geschwächt. Aber zunächst ist der Chloro- 
plast normal geformt vorhanden und wird erst später zerstört. Dadurch 
unterscheiden sich die Hungererscheinungen von der enzymatischen 
Albicatio. 

Um nun die durch ähnliche Symptome zu Verwechslung Veran- 
lassung gebenden Erscheinungen nicht trennen zu müssen, erwähnen 
wir hier noch den Icterus durch Kälte. Wir sehen ın kalten, 
nassen Perioden bei den meisten unserer Kulturpflanzen ein allmähliches 
Vergilben, das mit dem Steigen der Temperatur von selbst verschwindet. 
Oftmals kommen im Frühjahr die Blattkegel unserer Blumenzwiebeln 
gelb aus der Erde, und erst, wenn es wärmer wird, schieben sich die 
Jüngeren Blatteile in normaler Grünfärbung allmählich nach. 

Von dieser vorübergehenden Gelbsucht ist die chronische zu unter- 
scheiden, bei welcher die gelb hervorgetretenen Blattteile auch gelb 
bleiben. Dieser Fall ist zu beobachten, wenn eine plötzliche, stärkere 
Kältewirkung die jugendlichen Zellen trifft und die Chloroplasten zer- 
stört. Man sieht dann an Stelle derselben nur noch feinkörnige, gelb- 
liche Gruppen bisweilen neben gelben Tropfen, und diese Partien er- 
holen sich später nicht mehr. An den Übergangsstellen in die von der 
Erde geschützt gewesenen ergrünenden Blatteile erkennt man farblose, 
verquollene und hellgrüne Chlorophylikörner, die später zum Teil nach- 
grünen. 

Bei Einwirkung plötzlicher, mehrstündiger Kälte sah HaBErLAnDT?) 
erst bei — 4 bis 6° ©. eine merkliche Veränderung und erst bei — 12 bis 
15° C. eine totale Zerstörung der Chlorophyllkörner (mit Ausnahme 
derer bei immergrünen Pflanzen) eintreten. Es entstand bei Vacuolen- 
bildung eine Verzerrung der Form der entweder in die Seiten- 
stellung (Apostrophe) übergehenden oder sich klumpig ballenden 
Körner, von denen übrigens die mit Stärkeeinschlüssen versehenen 
schneller zerstört wurden als die stärkelosen. Bei den Blättern von 
Viola odorata konnte ein durch das Alter des Blattes erzeugter Unter- 
schied betreffs der Zerstörbarkeit des Chlorophylis nicht wahrgenommen 
werden. 

Wir werden diesen Gegenstand noch einmal bei der Herbstfärbung 


!) Krankheiten der Pflanzen. 1895. I. S. 2%. | . 

2) Morıscn, Die Pflanzen in ihren Beziehungen zum Eisen. 1892. S. 31. 
. 3) Hasertanor, Über den Einflufs des Frostes auf die Chlorophyllikörner. 
Österr. Bot. Zeit., cit. Bot. Jahresbericht 1876, S. 718. 


310 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


berühren. Gelblaubigkeit ım Frühjahr als Nachwirkung von Frost- 
störungen findet man in Baumschulen häufig bei Birnen. 

Sehr geneigt zum Icterus ist der Weinstock. Hier sind ver- 
schiedene Faktoren als Ursache erkannt worden. Beı Fällen, die von 
Mach und Kürmann!) in den Weinbergen Tirols beobachtet worden 
sind, ergab die Analyse dicht nebeneinanderstehender grüner und 
icterischer Stöcke: 

Wassergehalt der gelben Blätter. . 77,97 %o 
Wassergehalt der grünen Blätter . 79,170 


An organischer Substanz und in dieser an Stickstoff besafsen die 
grünen Blätter einen gröfseren Prozentsatz der Trockensubstanz, an 
Asche dagegen einen bedeutend geringeren. In der Asche der gelben 
Blätter zeigten sich sechsmal so viel in Salzsäure unlösliche Mineral- 
bestandteile als in jener der grünen; dagegen war der Kaligehalt in 
den ersteren geringer. Ein Begiefsen mit Stalljauche wirkte günstig. 
Einen ähnlichen Fall beschreibt E. Schuzze ?). Blätter und Rebholz der 
kranken Stöcke enthielten nur halb so viel Kali wie die der gesunden 
Stöcke, welche dagegen sich ärmer an Kalk und Magnesia erwiesen. 
Aufser diesem Icterus aus Kalimangel wird auch durch zahlreiche 
Beobachtungen eine Gelbsucht des Weines infolge von Kalküberschufs 
festgestellt. Mir scheint, dafs nicht die Kalkmenge an sich der 
schädigende Faktor ist, sondern hauptsächlich der Kalimangel, da 
Kalkböden in der Regel arm an Kali sind. Wir kommen auf diesen 
Fall im Abschnitt vom Kalküberschufs zurück. 

Eine häufige Ursache ist ferner der Stickstoffhunger. Der- 
selbe äufsert sich, abweichend von Erscheinungen des Mangels an 
anderen Nährstoffen, nicht im Absterben der Pflanze im Jjugend- 
lichen Alter, sondern nur in einer Verlangsamung des Wachstums und 
Reduktion sämtlicher Organe auf ein Minimum. 

Die vielfach wiederholten Versuche mit der Kultur von nicht- 
schmetterlingsblütigen Pflanzen in Nährstoffgemischen ohne Stickstoff- 
beigabe haben gezeigt, dafs aus einem Samen unter sonst günstigen 
Verhältnissen bei einzelnen Pflanzengeschlechtern eine neue, selbst bis 
zur Produktion einiger Blüten und neuer Samen sich herausbildende 
Miniaturpflanze entstehen kann. Der Gesamtstickstoffgehalt dieser 
ganzen Pflanze erreicht aber nicht denjenigen des ursprünglichen 
Samens. Aus diesem Umstande geht erstens hervor, dafs die Pflanze 
nicht imstande ist, durch ihre Blätter nennenswerte Mengen von Luft- 
stickstoff zu verwerten, zweitens aber ersehen wir daraus, dafs die ın 
den Samen gespeicherte Stickstoffsubstanz einzelnen Individuen ermög- 
licht, ihren oanzen Entwicklungszyklus zu durchlaufen, also alle 
Lebensprozesse in minimalem Umfange durchzumachen. Dies führt 
zu der ferneren Erkenntnis, dafs der im Samen gespeicherte Stickstoff 
leicht mobilisierbar und wanderungsfähig, ja dafs dasselbe Molekül 
wahrscheinlich zu denselben Zwecken des Aufbaues von Zellenplasma 
mehrmals verwendbar ist. Auch die Betrachtung des Wachstums der 
Stickstoffmangelpflanzen weist auf ein solches Verhältnis hin; denn 
man sieht, dafs in dem Mafse, als die Stengelspitze weiter wächst, 


1) Biedermanns Centralbl. 1877, S. 58. : 
?) Zeitschr. d. landwirtsch. Centralver. für das Grofsherzogtum Hessen. eit. 
Centralbl. f. Agrikulturchem. 1872, S. 99. 


2. Verhalten der Nährstoffe zu den Pflanzen. 311 


die untersten Blätter ausgesogen werden und vom Rande oder der 
Spitze her zu vertrocknen beginnen. 


Bei der schnellen Verwertbarkeit und Wanderungsfähigkeit des 
Stickstoffs kann eben sehr schnell Mangel an diesem Nährstoff ein- 
treten und sich durch Gelbsucht ankündigen. Bei unseren Kulturen 
können auch solche Fälle eintreten, wenn reicher Stickstoffvorrat noch 
ım Boden ist, aber in einer für spezielle Ansprüche der bestimmten 
Kulturpflanze nicht zusagenden Form existiert. Das hervorragendste 
Beispiel liefern unsere Zuckerrüben, denen der Stickstoff aufser in 
Stallmist namentlich in Form von Chilisalpeter bisher zugeführt 
worden ist. Die vielfachen, äufserst günstigen Erfolge der Düngung mit 
schwefelsaurem Ammoniak bei verschiedenen anderen Kulturgewächsen 
haben nun auch zur Verwendung dieses Düngemittels bei der Rüben- 
kultur geführt. Aber die Praxis hat dabei zum Teil üble Er- 
fahrungen gemacht, da die Rüben in der Polarisation sehr schlecht 
ausfielen. 


In einer eingehenden Besprechung dieses Punktes!) heben Horr- 
RUNG, KRÜGER und SCHNEIDEWIND hervor, dafs die Zuckerrübe eine aus- 
gesprochene Nitratpflanze sei; da das Ammoniak aber nicht so schnell 
und direkt durch die Mikroorganismen des Bodens zu Salpetersäure 
umgewandelt werde, könne Mangel an salpetersauren Verbindungen 
eintreten und die Rübe Not leiden, obgleich Stickstoff genug als Ammoniak 
vorhanden sei. Etwaige Erscheinungen der Gelblaubigkeit werden 
somit erklärlich durch eine für Rüben ungeeignete Beschaffenheit des 
Stickstoffdüngers, die aber für Getreide und Kartoffeln günstig sich 
erweist. 


Schon eine ältere Notiz weist auf den Unterschied der Wirkung 
je nach der gebotenen Stickstoffform hin. Die Analysen von LaGrAuse ?) 
nämlich ergaben, dafs in den mit schwefelsaurem Ammoniak gedüngten 
Rüben ein doppelt so grofser Ammoniakgehalt nachweisbar war als in 
den mit Natronsalpeter gedüngten. 


Dafs auch durch die Trockenheit allein eine Gelbfärbung der 
Rübenblätter verursacht werden kann, ist eine bekannte Tatsache, so dafs 
wir nur ein recht bezeichnendes Beispiel anzuführen brauchen. Im Jahre 
1896 litten (nach TroupE?) die Rüben in Frankreich, namentlich im 
nördlichen, in ausgedehntem Mafse an Gelblaubigkeit. Die Erscheinung 
trat ım Juni nach längerer Periode intensiver Trockenheit auf und 
breitete sich besonders in sonnigen Lagen und auf leichten Böden aus, 
während Gegenden mit feuchtem, maritimem Klima nur geringe Er- 
krankung zeigten. Der Zuckergehalt des langsam wachsenden Rüben- 
körpers war um 2—3°/o geringer als bei den gesunden Exemplaren. 

Bei einem Rückblick auf die soeben angeführten Einzelfälle kommen 
wir zu der Überzeugung, dafs der Icterus eines der weitestverbreiteten 
Symptome bei Assimilationsstörungen ist. Einen Schlufs auf eine be- 
stimmte Ursache läfst aber das Auftreten der Gelbsucht zurzeit nicht zu. 


!) Horırung, Inwieweit ist eine Düngung mit schwefelsaurem Ammoniak 
an bei den Zuckerrüben eine Schädigung hervorzurufen? Vortrag. Blätter 
ür Zuckerrübenbau 1906, S. 70. 

?2) Biedermann’s Centralbl. 1876. I. S. 258, 

3) cit. Zeitschr. f. Pflanzenkrankh. 1897, S. 55. 


312 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


h. Mangel an Phosphor und Schwefel. 


Die früher durch die makrochemischen Arbeiten von Ri1THAUSEN 
festgestellte Verteilung des Phosphors in der Pflanze ist später durch 
LiLIENFELD und Montı sowie durch Porraccı!) mikrochemisch nach- 
gewiesen worden. Letzterer fand, dafs im allgemeinen die Zellwände 
frei von Phosphor sind, dafs dagegen das Protoplasma, namentlich aber 
der Zellkern samt den Chromatinkörpern reichlich dieses Element ent- 
hält. Die Kristalloide und Globoide der Aleuronkörner sind gleich- 
falls phosphorhaltig. Somit $ind die Proteinsubstanzen ganz besonders 
abhängig von den vorhandenen Phosphorsäuremengen, und deren Mangel 
wird sich namentlich bei der Blütenanlage und Samenausbildung zur 
Geltung bringen. Nach den Nopseschen Vegetationsversuchen ?) er- 
scheint der Phosphor bei der Bildung des Chlorophylifarbstoffs un- 
beteiligt; es zeigte sich bei Eichen, die seit drei Jahren in phosphorsäure- 
freier Nährlösung standen, das Laub noch tieferün. Bei anderen 
Pflanzen sah NoßrE schliefslich eine tief orangerote Farbe der Blätter 
und Stengel eintreten. Eine Produktion von neuer Trockensubstanz 
findet nicht oder nur äufserst minimal statt. An seinen Kiefernaus- 
saaten bemerkte MÖLLER?) bei Phosphorsäuremangel eine blaurote (stumpf- 
violette) Nadelfärbung. Bei zweijährigen Pflanzen war das Violett mehr 
zum Olivenbraun neigend. 

Bei den Mitteilungen über Verfärbungserscheinungen, welche bei 
Mangel einzelner Nährstoffe sich einstellen, darf man nicht die bei 
einer Pflanzenspezies erhaltenen Resultate auf eine andere Spezies 
übertragen, da die Verfärbung nicht überall dieselbe ist. Betreffs der 
Phosphorsäure sah ich bei Mangelpflanzen von Rüben, Erbsen und 
Seradella, dafs sie in graugrüner Farbe vertrockneten, wobei sie vorher 
fahlgrün, aber nicht gelb geworden waren. Bei Stickstoffmangel ver- 
färbten sich dieselben Arten rein quittengelb. 

Bei dem Mangel an Schwefel in einer Nährlösung sah NoBBE eine 
etwas bessere Entwicklung; doch erreichten seine Versuchspflanzen kaum 
die Hälfte der normalen Höhe, und die gelberünen Blattflächen zeigten 
dementsprechend geringe Entwicklung. Stärke wenig und kleinkörnig. 
Die Zellteilung wird wesentlich beeinträchtigt. Die Fruchtbildung 
kommt nicht oder nur sehr mangelhaft zustande. 


i. Sauerstoffmangel. 


Allgemeine Erscheinungen. 


Als bekannt vorauszusetzen ist, dafs bei Aufhören der Sauerstoff- 
zufuhr die Protoplasmabewegung allmählich stillsteht (Sauerstoff- 
starre). Küuns*) beobachtete, dafs in einer Wasserstoffatmosphäre 
die Bewegung in den Staubfadenhaaren von Tradescantia virginica nach 
15—20 Minuten aufhörte. Wortmann?) sah die Pflanzenteile in sauer- 


1) Pornacer, G., Sulla distribuzione del fosforo nei tessuti vegetali. Malpighia. 
vol. VIII. eit. Zeitschr. f. Pflanzenkrankh. 1895, S. 299. 

2) Dösxer-Noser, Botanik für Forstmänner. IV. Aufl. S. 317. 

3) Karenzerscheinungen usw. Zeitschr. f. Forst- u. Jagdwesen 1904, S. 745. 

*) Untersuchungen über das Protoplasma. 1864, S. 89 und 106. 

5) Worrmans, Über die Beziehungen der intramolekularen zur normalen 
Atmung. Inauguraldissertation, Würzburg 1879. 


2. Verhalten der Nährstoffe zu den Pflanzen. 313 
stofffreier Luft anfangs gerade so viel Kohlensäure aushauchen als die 
bei ungehinderter Sauerstoffzufuhr; später machte sich ein Unterschied 
zugunsten der letzteren geltend. Dieser allmähliche Kohlensäurerückgang 
bei Sauerstoffabschluis (intramolekulare Atmung) deutet wie das 
allmähliche Aufhören der Plasmabewegung darauf hin, dafs zunächst noch 
der im Pflanzenleibe gespeicherte Sauerstoff verbraucht wird. Der Er- 
stickungstod erfolgt also langsam, namentlich da die grüne Pflanze 
unter genügender Beleuchtung noch Kohlensäure und Wasser zersetzt 
und sich noch Sauerstoff für einige Zeit selbst bildet. Böum!) wies 
eine geringe Menge Sauerstoff in dem Gasvolumen nach, wenn er 
grüne Blätter von Landpflanzen bei genügender Beleuchtung in Wasser- 
stoffatmosphäre einschlofs. 

Abgesehen von den Fällen, welche in den Abschnitten über „Lehm- 
boden“ und das „Tiefe Pflanzen der Bäume“ bereits besprochen worden 
sind, gedenken wir einiger Vorkommnisse schlechter Durchlüftung infolge 
Verstopfung der die Hauptwasserleitung ausführenden Gefäfslumina. 
Solche Verstopfung ist besondes für das Splintholz gefahrbringend ’?). 
Mit Bönm?) möchten wir uns den Durchlüftungsvorgang folgender- 
mafsen vorstellen. Es ist nicht blofs eine Druckdifferenz zwischen der 
Aufsenluft und der verdünnten Luft im Innern der Gefäfse, sondern 
auch ein stofflicher Unterschied. Die Binnenluft wird ihren Sauerstoff 
bei den Respirationsprozessen schneller hergeben und die entstehende 
Kohlensäure aufnehmen. Diese wird entweder bei einer Füllung der 
Gefäfse mit Wasser aufgesogen und mit dem aufsteigenden Saftstrome 
fortgeführt oder aber, da sie die feuchten Wandungen ziemlich leicht 
durchdringt, durch Diffusion in radialer Richtung nach aufsen ge- 
schafft. Der neue notwendige Sauerstoff, der in geringerer Menge wohl 
auch mit der im Wasser gelösten sauerstoffreicheren Luft durch die 
Wurzeln eintritt, wird jedoch der Hauptsache nach unter normalen 
Verhältnissen durch transversale Leitung nach innen gelangen. Derselbe 
diffundiert durch die feuchten Membranen leichter als der Stickstoff 
der Luft, weil das Wasser für ihn eine gröfsere Absorptionsfähigkeit 
hat als für den Stickstoff. Da nun der Sauerstoff im Innern des 
Pflanzenleibes am meisten verbraucht wird, aber auch am leichtesten 
wanderungsfähig ist, so wird sich ein vorherrschender Diffusionsstrom 
von Sauerstoffgas von aufsen nach innen in jeder Horizontalebene eines 
Stammes ergeben. 

Weitere Beobachtungen über den Gasaustausch gibt WIESNER ®). 
Derselbe zeigt, dafs das Periderm, der Korküberzug, selbst bei grofsen 
Druckdifferenzen für Luft völlig undurchdringlich ist; der Austausch 
findet nur durch die auch im Winter durchlässigen Lenticellen statt. 
In gefäfslosem Holze erfolgt der Ausgleich durch die Membranen hindurch, 
namentlich durch die zarte Tüpfelhaut, wobei neben der Effusion auch 
die Absorption durch colloidale Wände ins Spiel kommt. Bei gefäls- 
reichen Holzkörpern ist aufserdem noch die Transpiration und der 


1) Bönm, Über die Respiration von Landpflanzen. Sitzungsber. d. Kais. Akad. 
d. Wissensch. in, Wien, Bd. 67 (1873). 

2) Errving, Über die Wasserleitung im Holze. Bot. Z. 1882, Nr. 42. 

3) Bönm, J., Über die Zusammensetzung der in den Zellen und Gefäfsen des 
Holzes enthaltenen Luft. Landwirtsch. Versuchsstationen Bd. XXI S. 373. 

4) Wiesner, Versuche über den Ausgleich des Gasdruckes in den Geweben der 
Pflanzen. Sitz. d. Kais. Akad. d. Wissensch. zu Wien am 17. April, eit. in Österr. 
Bot. Zeit. 1879, S. 202. 


314 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


Durchgang der Gase durch die als Kapillaren fungierenden Gefälse zu 
berücksichtigen. Axıal findet der Druckausgleich schneller statt als 
in den Querrichtungen. ‚Je stärker eine Parenchym- oder Holzzelle mit 
Wasser imbibiert ist, desto langsamer tritt Druckausgleich ein. -Dieses 
Verhältnis kehrt sich bei der Peridermzelle um; wenn dieselbe ihres 
wässerigen Inhalts verlustig geht und sich mit Luft füllt, wobei die Wand 
eintrocknet, verliert die Zelle die Durchlässigkeit für Gase. In luftführen- 
dem Parenchym strömt bei Druckausgleich ein Teil der Luft durch die 
Intercellulargänge, ein anderer geht durch die geschlossenen Mem- 
branen, und zwar am leichtesten durch die unverdickt gebliebenen 
Stellen. 

Über ‘die Vorgänge, welche sich in den Bäumen bei schlechter 
Bodendurchlüftung abspielen, gibt eine Mitteilung von ManGın!) Kennt- 
nis. Derselbe fand, dafs die Gefälse bei Adlanthus sich mit Thyllen 
verstopften, und erklärt den Vorgang dadurch, dafs bei dem Luftmangel 
im Boden auch die Gefäfse an ihrer Luftzufuhr Mangel leiden. Infolge- 
dessen wird die Gefälsluft über eine zulässige Grenze hinaus verdünnt, 
und nun stülpen sich aus der Nachbarschaft die Thyllen in das Ge- 
fäfsrohr hinein und behindern ihrerseits wieder die Wasserleitung. 

Bezüglich des Einflusses von Sauerstoffmangel auf Samen sei zu- 
nächst der Untersuchungen von BErT?) gedacht, wonach die Keimung 
um so langsamer vor sich geht, je geringer der Luftdruck ist. Den 
hemmenden Einflufs der Lutftverdünnung auf die Plasmaströmung 
hat schon vor vielen ‚Jahren Cortı?) beobachtet. Da aber bei nor- 
malem Luftdruck und nur vermindertem Sauerstoffgehalt ebenfalls die 
Keimung langsamer erfolgt und umgekehrt bei erniedrigtem Luftdruck, 
aber erhöhter Sauerstoffzufuhr die Samen schneller keimen, so ergibt 
sich, dafs eben nur der Partialdruck des Sauerstoffs der mafsgebende 
Faktor ist. 

Auch bei den Erscheinungen des Sanerstoffmangels bietet sich 
wieder die Gelegenheit, darauf hinzuweisen, dafs plötzliche Ver- 
änderungen störender sind, als allmählich sich ein- 
stellende. Srtica*) fand, dafs in sauerstoffarmer Atmosphäre der 
normale Atmungsquotient sich wieder herstellt unter Verminderung 
der absoluten Sauerstoff- und Kohlensäuremengen. Bei allmählicher 
Entziehung des Sauerstoffs wird die intramolekulare Atmung erst bei 
beträchtlich niedererem Sauerstoffprozentsatz angeregt, als bei plötz- 
licher Verkleinerung desselben. 

Für den praküschen Betrieb beherzigenswert ist die Erfahrung, 
dafs bei Samen auch Erstickungserscheinungen auftreten, wenn ihr 
Gewebe gänzlich mit Wasser angefüllt ist. Bei der gewöhnlichen 
(Quellung der Samen erhält der Inhalt das zur Keimung notwendige 
Wasser, ohne dafs alle Luft aus den Zwischenräumen verdrängt wird; 
wenn man dagegen die Samen zu lange Zeit im Wasser behält, tritt 
Fäulnis ein, bei der sich häufig ein deutlicher Buttersäuregeruch, die 


!) Maxcın, Influence de la rarefaction produite dans la tige sur la formation 
des thylles gommeuses. Compt. rend. 1901. II, S. 305. 

2) Berr, Recherches experimentales sur l’influence que les changements dans 
la pression barometrique exercent sur les phenomenes de la vie. Compt. rend. 
LXXVI et LXXVL. 

®) Meyen, Pflanzenphysiologie. 1838, II, S. 224. 

#4) Srıca, C., Die Aacm der Pflanzen bei verminderter Sauerstoffspannung 
und bei Verletzungen. Flora 1891, S. 1. 


2. Verhalten der Nährstoffe zu den Pflanzen. 315 


Bakterienfäule, in hohem Mafse geltend macht. Ebenso zeigen Ver- 
suche, wie z.B. die von Just!), dafs eine gänzliche Anfüllung der Luft 
führenden Gewebe mit Wasser (durch Auspumpen der Luft unter der 
Luftpumpe) die Keimprozente aufserordentlich verringert. 

Bei nafs aufeinandergeschichteten Samen ist es nicht der Über- 
schufs an Wasser, der die Keimkraft so schnell zerstört, sondern über- 
mäfsige Erwärmung und Kohlensäurebildung. WıEsNER?) fand übrigens, 
dafs die Kohlensäurebildung später als die Wärmeentwicklung auftritt: 
erstere kann also nicht die einzige Wärmequelle sein, sondern es ist 
eine solche auch in der Wasseraufnahme selbst zu suchen. Die mit 
Wasser in Berührung kommenden Samen verdichten das in ihre Gewebe 
eintretende Wasser, wobei Wärme frei wird. 


Dafs Sauerstoffüberschufs ebenso schädlich wie -mangel wirkt, 
ist natürlich. Bert fand, dafs durch zu hohe Spannung des Sauerstotts 
die Oxydationsvorgänge in den Pflanzen gehemmt wurden. Bei 
6 Atmosphären starb eine Mimosa, welche bei Sauerstoffmangel ihre 
Reizbarkeit verliert, in gewöhnlicher Luft. Wurde die Luft sauerstoff- 
reicher gemacht, genügte zur Tötung schon ein Druck von 2 Atmo- 
sphären. 


Die Brusone-Krankheit des Reises. 


Die durch das Auftreten rostfarbiger Flecke auf den Blättern nebst 
Schwärzung und Erschlaffung der Halme sich kenntlich machende all- 
gemein gefürchtete Brusone-Krankheit ist, seitdem 1874 GAROVAGLIO die 
Untersuchungen begonnen hatte, vielfach der Gegenstand eifriger 
Studien gewesen. Die Mehrzahl der Forscher sprach die Erscheinung 
als parasıtär an. Teils glaubte man, Bakterien als Ursache annehmen 
zu müssen, teils machte man verschiedene Mycelpilze, unter denen 
Piricularia Oryzae Br. et Cav. besonders oft genannt wurde, für die 
Krankheit verantwortlich. 


Neuerdings hat aber Brızı?) vergleichende Kulturversuche angestellt, 
aus denen hervorgeht, dafs ein Luftabschlufs von den Wurzeln bei 
hohen Temperaturen in Wasserkulturen zur Erkrankung der Pflanzen 
unter den Erscheinungen der Brusone-Krankheit führt. Mit diesen 
Versuchsergebnissen stimmen die Erfahrungen, die man in Italien und 
Japan gemacht hat, sehr gut überein. Es ist nämlich beobachtet 
worden, dafs die Brusone-Krankheit dann einzutreten pflegt, wenn hohe 
Erwärmung kompakter, wenig durchlässiger Böden und schneller 
Temperaturwechsel sich einstellen. Es folgt dann ein Wurzelsiechtum, 
das eine Halmerkrankung nach sich zieht: erst später siedeln sich 
auf den erkrankten Teilen parasitäre Organismen an. | 

Wir halten die Experimente Brızı's für ausschlaggebend und 
glauben, dafs ein Ersticken der Wurzeln bei hohen Temperaturen, 
welche die Blatttätigkeit hochgradig steigern, den ersten Anstofls zur 
Erkrankung darstellt. Bodendurchlüftung wäre demnach in erster 
Linie ins Auge zu fassen. 


1) Bot. Z. 1880, S. 143. 
2), Landwirtsch. Versuchsstationen 1872, Nr. 2 S. 133. 


3) Brızı, U., Ricerche sulla malattia del riso detta Brusone. Ann. Istituto 
agrar. Ponti. 1905. Milano. cit. Zeitschr. f. Pflanzenkrankh. 1906. 


316 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


Erkrankung der Gladiolen. 


Auf Sanerstoffmangel im Boden ist eine Krankheitserscheinung 
zurückzuführen, die in Gladiolenkulturen auf schweren Böden oder 
Grundstücken mit leichterer Bodenart, aber hohem Grundwasserstande 
in feuchten Jahren nicht selten ist. Die Krankheit äufsert sich in 
einem oft plötzlichen Absterben der Pflanzen zur Zeit, in der der 
Blütenstand bereits entwickelt ist. Zunächst erscheinen (anfangs nur 
bei durchfallendem Lichte bemerkbar) die unteren Blätter gelb marmoriert. 
Der Chlorophylikörper zerfällt und läfst ölartig aussehende gelbe Tropfen 
zurück. Während dieser Vorgang in den oberirdischen Teilen der 
Blätter streifenweise zwischen den Rippen fortschreitet, zeigen sich an 
den in der Erde befindlichen Blattbasen braune, eingesunkene Stellen, 
die eine gänzliche Zersetzung des Blattparenchyms einleiten. Eigent- 
liche Erweichung tritt nicht ein, sondern die Zersetzung stellt einen 
Humifikationsvorgang dar; in den humusartig sauer riechenden Geweben 
finden sich stets Bakterien, häufig auch Mycelpilze, Anguillen, Milben 
usw. Die oberirdischen Blattteile trocknen schnell ab und bedecken 
sich mit schwarzen Tupfen von Cladosporium und Alternaria. 

Trotz des Reichtums an parasitären Organismen ist die Erkrankung 
doch nicht als parasitär zu bezeichnen, da die ersten Anfangsstadien, 
nämlich die Braunfärbung der Gefäfse und des dicht anstofsenden 
Parenchyms, mitten in einem gesunden Gewebe ohne Mitwirkung von 
Organismen entstehen. Später füllt sich meist eine Anzahl der 
Gefäfsröhren mit einer trüben, braunen, gummiartig fest werdenden 
Masse. Letztere Erscheinung ist auch bei anderen Gewächsen, deren 
Wurzeln durch anhaltende Bodennässe und den dadurch künstlich 
hervorgerufenen Sauerstoffmangel beschädigt waren, beobachtet worden. 

Die Gladiolen vertragen sehr gut eine starke Bodenfeuchtigkeit; 
aber dieselbe darf nicht von langer Dauer sein. In trocknen Jahren 
wird vielfach der Fehler begangen, die Zwiebel- und Knollengewächse 
täglich zu bewässern. Dies ist falsch; man mufs dem übermäfsigen Aus- 
trocknen des Bodens durch Bedeckung mit Streumaterial vorbeugen. 


k. Kohlensäuremangel. 


Trotz des geringen Gehaltes von etwa 0,036—0,040 Volumprozenten, 
den die aus annähernd 79 Teilen Stickstoff und 21 Teilen Sauer- 
stoff!) bestehende Luft an Kohlensäure besitzt, reicht dieselbe doch 
überall aus, um eine hochgesteigerte Produktion zuzulassen. Wenn 
dieser wichtige Nährstoff gänzlich fehlt, wie man dies im Experiment 
durch Aufstellung von Gefäfsen mit Kalilauge unter geschlossenen 
Glocken beobachten kann, so nützen die übrigen Faktoren des Wachs- 
tums in günstigster Zusammensetzung nichts. CORENWINDER?) sah, dafs 
Knospen und junge Blätter sich in kohlensäurefreier Luft nicht weiter- 
entwickelten. Bei Boussinsaurt®) bildeten sich aus zwei Maiskörnern 


') Nach den Untersuchungen von Jorıy (cit. in Forsch. a. d. Gebiete der 
Agrikulturphysik 1379, S. 325) schwankt der Sauerstoffgehalt der Luft nicht un- 
beträchtlich (zwischen 20,53—20,86°/0). Der gröfste Sauerstoffgehalt zeigte sich bei 
herrschendem Polarstrom und der kleinste unter herrschendem Aquatorialstrom. 

2) Recherches chimiques sur la vegetation. Fonctions des feuilles. Compt. 
rend. t. LXXXII, 1876, Nr. 20, S. 1159. 

3) Bovssiscaurı, Vegetation du Mays, commenc£e dans une atmosphere excempte 
d’acide carbonique. Compt. rend. t. LXXXII, Nr. 15, S. 788. 


2. Verhalten der Nährstoffe zu den Pflanzen. 317 


junge Pflanzen, deren Trockensubstanz, Kohlenstoff- und Sauerstoff- 
gehalt geringer, deren Stickstoffgehalt ebenso grois wie in den Samen- 
körnern war. Wasserstoff und Asche hatten eine geringe Zunahme 
erfahren. Bönm!) fand bei noch im Wachstum begriffenen, ab- 
geschnittenen Blättern der Feuerbohne, welche durch Dunkelheit ent- 
stärkt worden waren, dafs dieselben bei vollem Tageslichte in kohlen- 
säurehaltiger Atmosphäre nicht nur Wurzeln aus den Blattstielen 
bildeten, sondern sich auch im Querdurchmesser vergröfserten, selbst 
wenn sie blofs mit destilliertem Wasser begossen waren. Dagegen 
zeigten die in destilliertem Wasser gezogenen, unter dem Einflufs des 
vollen Tageslichtes unter Glasglocken stehenden, aber über Kalilauge 
befindlichen Keimpflanzen der Feuerbohne nur eine Längenzunahme 
bis 10 cm, und dann verschrumpften die Stengel unterhalb der in der 
Regel ganz stärkefreien Primordialblätter. Keimpflanzen von Feuer- 
bohnen, die in humusreicher Gartenerde gezogen, aber durch schwache 
Beleuchtung ihrer Stärke bis auf geringe Mengen beraubt worden 
waren, bildeten bei späterer intensiver Beleuchtung in einer ihrer 
Kohlensäure beraubten Atmosphäre keine neue Stärke und gingen zu- 
grunde. Es nützten ihnen also die Kohlensäure im Boden und die 
übrigen günstigen Vegetationsbedingungen nichts. GODLEWSKI?) sah die 
Stärke auch in den dem vollen Tageslichte ausgesetzten Pflanzen ver- 
schwinden, wenn denselben die Kohlensäure der Luft genommen wurde. 

Einen weiteren Einblick in den Wachstumsmodus der Pflanzen, 
denen die Kohlensäure der Luft entzogen, geben meine eigenen Ver- 
suche?). Junge Kohlptlänzchen, in 0,5 /o Nährstofflösung, wurden teils 
unter Glasglocken mit Kalilauge, teils unter solche ohne Kalilauge gebracht 
und ein Rest frei zwischen den Glasglocken belassen. Die Ernte nach 
zehn Tagen ergab: 


Freistehende Pflanze Kaliglocke Kalilose Glocke 


—— mn — mu —— —— 

Telanre, Ne,» T IT; ERDE AN v VL ENERSE NIIT IX: 
Frischgewicht der 
Wurzelu.Stengel 0,457 0,367 0,414 0,470 0,175 0,2505 0,297 0,313 0,232 
Frischgewicht der 

Blätter. ..77,5/.5398 14919. 1,5641-.1,682 .0,763;. 5011. 4,786: 1,712: 1,850 
Oberfläche der 

Blätter ingem. 506 475 501 473 25,4 26,6 50,4 541 371 
Gesamttrocken- 

substanz . . . 0,2755 0,2510 0,2685 0,2760 0,0760 0,0985 0,1705 0,1740 0,1765 
Prozentsatz des 

Frischgewichtes 

an Trockensub- 

Stanz. tr 8,413, N 718,5, 12,8 8,4 9 8, | 8,6 8,4 
Gesamt- 

verdunstunging 6938 744 825 750 274 344 431 404 483,3 
Verdunstung pro & 

Trockensubstanz 251,5 296,4 307,2 271,7 360,6 349,2 252,8 232,2 245,8 


Die Tabelle zeigt, dafs die Produktion an Frisch- und Trocken- 
substanz in der Kaliglocke am geringsten war. Je nach der Menge 
von neu produzierter Trockensubstanz ist die absolute Verdunstungs- 


1) Bönm in Sitzungsber. d. Wiener Akad. 1876, cit. Bot. Zeit. 1876, S. 808. 

2) Bibliographische Berichte über die Publikationen der Akademie der Wissen- 
schaften in Krakau. Heft I, cit. Bot Zeit. 1876, S. 828. 

3) Soraver, Studien über Verdunstung. Forschungen auf dem Gebiete der 
Asgrikulturphysik, Bd. III, Heft 4/5. 


Sl I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


gröfse eine mehr oder weniger beträchtliche; am kleinsten ist sie bei 
den Pflanzen unter der Kaliglocke. Natürlich ist der Einflufs der 
Glocken, also die in denselben herrschende Luftfeuchtigkeit, in Anschlag 
zu bringen. Dieser Faktor macht sich gegenüber den freistehenden 
Exemplaren durch einen geringeren Prozentsatz der Pflanzen an 
Trockensubstanz, also durch lockeren Bau und längere Blattstiele, 
bemerkbar. 

Vergleicht man blofs die Exemplare der Kaliglocke mit denen der 
anderen Glocke, so ist das Resultat sicherer. Der Kohlensäuremangel 
macht sich durch die geringere Gesamtproduktion, namentlich im Blatt- 
apparat, am meisten kenntlich; die Oberfläche ist nur etwa halb so 
grofs. Das Auffallendste ist die Verdunstungsgröfse, die pro Gramm 
der vorhandenen Trockensubstanz berechnet wird. Diese ist bei den 
der Kohlensäurezufuhr beraubten Pflanzen am grölsten; dasselbe zeigt 
sich bei der Berechnung der Verdunstung pro Quadratzentimeter 
Fläche von den unter den beiden Glocken gewachsenen Pflanzen. Diese 
Tatsache ist mit anderen Versuchsergebnissen in Verbindung zu setzen, 
wonach sich ergibt, dafs die relative Verdunstungsgröfse sich 
auch bei Pflanzen steigert, die andere Ernährungsmängel zu 
erdulden haben. Setzt man z. B. Pflanzen aus normaler, zusagender 
Nährstofflösung in eine solche von zu geringer Konzentration oder 
in destilliertes Wasser, so steigert sich die relative Verdunstung; 
ebenso wächst dieselbe bei Sämlingen durch Entfernung der Reserve- 
stoffbehälter, der Kotyledonen. Man möchte annehmen, dafs die 
Pflanze sich zu gröfserem Wassertransport durch die Wurzel, also zu 
gröfserer einseitiger Arbeitsleistung anstrengen müfste, um den Verlust 
der Reservestoffe durch vermehrte Aufnahme aus dem Wurzelmedium 
zu decken. 

Für die Praxis ergibt sich aus den vorstehenden Untersuchungen 
der Wink, zu versuchen, durch vermehrte Kohlensäurezufuhr die 
Produktion zu heben. Tatsächlich zeigen die Experimente, dals man 
mit Vermehrung der Kohlensäure eine viel schnellere Stärkebildung 
erzielt. Für manche Pflanzen war eine Steigerung bis auf 6—8°o zu- 
lässig. Selbstverständlich ist für jede Pflanze und bei derselben für 
jede andere Kombination der Vegetationsfaktoren ein anderes absolutes 
Mafs von Kohlensäure nötig, um eine optimale Produktion zu erzielen. 
Die Wachstumskräftigung durch die Kohlensäurezufuhr äufsert sich in 
gedrungenerem Wuchs und dickeren Blättern'). 

Während die bisherigen Versuche sich mit den Folgen des Kohlen- 
säuremangels für die ganze Pflanze beschäftigen, hat Vöchrns?) das 
Verhalten einzelner Zweige geprüft, die an der normal wachsenden 
Pflanze verblieben, aber in eine kohlensäurefreie Atmosphäre eingeführt 
wurden. Es zeigte sich dabei, wie jeder Zweig und jedes Blatt sich 
durch eigene Arbeit erhalten müssen und wie ihre Lebenstätigkeit all- 
mählich erlischt, wenn sie durch Kohlensäuremangel an dieser Arbeit 
verhindert werden. Die Pflanze kann ihre in der kohlensäurefreien 
Atmosphäre befindlichen Zweige wohl zu weiterem Wachstum bringen, 
aber die sich entwickelnden Blätter sind fahlgrün und bilden keine 


1) Feovoresco, E., Einflufs der Kohlensäure auf Form und Struktur der Pflanzen. 
cit. Centralbl. f. Agrikulturchemie 1900. S. 137. 

2) Vöcnrise, H., Über die Abhängigkeit des Laubblattes von seiner Assimilations- 
tätigkeit. Bot. Zeit. 1891 Nr. 8 u. 9. 


2. Verhalten der Nährstoffe zu den Pflanzen. 319 


‚Stärke; sie erholen sich auch nicht mehr, wenn der Zweig in normale 
Luft zurückgebracht wird, sondern gehen nach kurzer Zeit zugrunde. 
Daraus geht hervor, dais jedes Blatt seine selbständige Existenz hat 
und eine Störung derselben nicht durch den Gesamtorganismus aus- 
geglichen werden kann. Das funktionslos gewordene Organ wird vom 
Körper abgestolsen. 


B. Wasser- und Nährstoffüberschuls. 
a. Wasserüberschufs. 
Nässe. 


Der bei stagnierender Nässe sich einstellenden Vergilbungs- und 
Zersetzungserscheinungen ist schon bei Besprechung der Nachteile 
schwerer Böden gedacht worden. Es handelt sich hier nur darum, 
durch ein Beispiel darauf hinzuweisen, wie der Wasserüberschufs ähn- 
lich wie Wassermangel retardierend auf die Produktion wirkt. So 
zeigen die Versuche von STAHL -SCHROEDER!) mit Hafer in Gefäfsen 
mit sterilem Dünensande, dem Nährstofflösung zugesetzt worden war, 
folgendes Resultat. : 

Es produzierten bei Wassergaben: 


Strob-u. | Mittlere. | Phos- | 


%/o der vollen | 17r.. Ä f 
ı Kör- Gewicht von Er: Stick- 
Wasser- = Spreu- | Länged. Asche | phor- 

kapazität | hl 1000, Bäumer echt | Hasen are en 

des Sandes | en & & cm |. % 0), 0/g 
35 ' 84 | 15,5 (berechnet) 6,2 49 RaeN ? 3,752 
50 | 1723 21,6 | 713,9 102 2,933 | 1,144 2,915 
70 2074 | 18,5 1,401,8, 5 AQ 2.712; \,1:1,090 2,501 
90 | 1827 | 16,3 | 11.0: 18T 3,007 | 1,207 ! 2,407 
95 ' 469 | 11,1(berechnet) | ER 162,7 29,899 1,847 | 3,444 


Es zeigten also nur die Gefäflse mit mittlerem Wassergehalt gute 
Körnerernten. Bei gröfserem Wassergehalt sinkt die Körnerernte, 
während der Strohertrag weiter steigt. Bei Wassermangel (35 0) und 
Wasserüberschufs (95/0) im Sande kamen die Körner überhaupt nicht 
zur Reife. Je schlechter das Wachstum der Pflanzen, desto gröfser 
ihr prozentischer Aschengehalt, ihr Phosphorsäure- und Stickstoft- 
reichtum, 


Drainzöpfe. 


Überall, wo flachstreichende Drains sich durch das Wurzelwerk 
perennierender Pflanzen hinziehen, kann der Fall eintreten, dafs eine 
Verstopfung der Drainstränge durch ungewöhnlich üppige Wurzel- 
wucherung sich einstellt. Die peitschenförmig langen, sehr schlanken, 
verhältnismäfsig dünnen und strangartig aneinander gelegten Wurzel- 
äste bilden auf diese Weise Zöpfe von 10 und mehr Metern Länge und 
einer Dicke, die durch die Weite der Röhren gegeben ist. Der ge- 
fährlichste Baum scheint die Weide zu sein; denn von ihr dürften die 
meisten Drainzöpfe herrühren; indes mag keine Pflanze von der Be- 
teiligung ganz auszuschliefsen sein, und Macnus?) fand beispielsweise 


!)s. Biedermanns Centralbl. f. Agrikulturchem. 1905, Heft 2. 
2) Sitzungsber. d. Bot. Vereins vom 26. Mai 1876, Bd. XVIII, S. 72. 


320 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


einmal sehr üppig vegetierend das Rhizom vom Schachtelhalm ( Egquwise- 
tum palustre 1.) in einem solchen Zopfe. Conn!) erhielt einen Drain- 
zopf, der aus einer 125 cm tief gelegten Röhre stammte und ganz aus 
den Verzweigungen des Wurzelstockes eines einzigen Equisetum be- 
stand, von dem ein 12 m langes Stück freigelegt werden konnte. 

Durch die Versuche von MüÜrrer-Thurgau, der einzelne Wurzeläste 
derselben Pflanze teils in Nährlösung, teils in destilliertes Wasser 
tauchen liefs und in ersterer jedesmal ein stärkeres Wachstum wahr- 
nahm, ist konstatiert, dafs eine lokale Wachstumsteigerung der Wurzel 
dort angeregt werden kann, wo dieselbe mit Nährstoffen bereicherte 
Lokalitäten trifft. 

Praktisch empfehlenswert erscheint bei wiederholtem Auftreten von 
Drainzöpfen das sorgfältige Entfernen der gefahrbringenden Gehölze 
mit ihren Wurzeln, und zwar durch Ausroden und nicht durch Abhauen. 
Müssen Bäume stehen bleiben, so ist (namentlich bei Doppeldrainage) 
die Vertiefung der flach (m der Regel zwischen S0O—90 cm) gelegenen 
Stränge auf das Niveau des tiefer (1,5 m) laufenden Strangsystems 
ratsam. 


Ausgewachsenes Getreide. 


Bei den nunmehr anzuführenden mit Wasserüberschufs zusammen- 
hängenden Erscheinungen kommt eine Schädigung entweder dadurch 
zustande, dafs Wasser zu ungeeigneter Zeit von aufsen mechanisch 
auf die Gewebe einwirkt, oder aber es kann das von der Wurzel auf- 
genommene Wasser nicht in entsprechender Menge Verwendung und 
Ableitung finden. Zur ersteren Gruppe gehört das Getreide, das auf 
dem Felde durch Regen in der Ernte zum Auswachsen veranlaist wird. 
Der Nachteil ist um so empfindlicher, da das ausgewachsene Samenkorn 
weder zu Nahrungszwecken, noch auch zur Saat taugliche Verwendung 
finden kann. Selbstverständlich leidet die Keimfähigkeit bei späterer 
Verwendung als Saatgut um so mehr, je länger bereits die Körner 
ausgetrieben hatten. EHrHARDT?) fand, dafs die Schwäche und daher 
die Sterblichkeit der Pflänzchen in dem Maise zunahm, in dem ihre 
Entwicklung bereits durch das vorzeitige Auswachsen Fortschritte ge- 
macht hatte. Eingehende Beobachtungen über die Veränderungen des 
Samenkorns durch das Auswachsen verdanken wir MÄrCkErR und Kopus?). 
Ersterer untersuchte Gerste, welche bei der Ernte zur Hälfte un- 
geschädigt eingebracht worden war, zur anderen Hälfte aber fast 
14 Tage lang durchnäfst infolge von Regenwetter stehen ‘geblieben 
war. Die Unterschiede zeigten sich bei Bestimmung der in Wasser 
löslichen Bestandteile; denn es betrugen bei 


ausgewachsener und bei gut eingebrachter Gerste 


die lösliche Stärke . . 1,17% 1,76 P/o 
Dextrin?®; 7. wa HARD 1,107 
Dextrosei et rt ae 0,00, 
Maltose . . ae 3.12, 
sonstige lösliche Stoffe 5,28, 5:04, 

18,64 °/0 11,62 %o 


!) Verh. d. schles. Gesellsch. f. vaterl. Kultur, 25. Oktober 1883. 

e Deutsche landwirtsch. Presse, 1881, Nr. 76. 

3) Aus Braunschweiger landw. Z., 1882, Nr. 22, cit. in Biedermann’s Oentralbl. 
f. Agrikulturchemie, 1883, S. 326. 


2. Verhalten der Nährstoffe zu den Pflanzen, 3931 


Wir sehen somit, dafs sich infolge energischer Diastasewirkung aus 
Stärke und Dextrin eine sehr reichliche Zuckerbildung eingeleitet hatte. 
Der Gehalt an Stärkemehl war durch das Auswachsen von 64,10% auf 
57,98°/0 gesunken. Die bedeutende Menge von Diastase würde nun, 
wenn man die Körner auf Stärke verarbeiten würde, voraussichtlich 
beim Einweichen weitere Stärkequantitäten in Dextrin und Zucker 
überführen und empfindliche Fabrikationsverluste veranlassen. Die 
grölsten Veränderungen haben aber durch das Auswachsen die stick- 
stoffhaltigen Bestandteile der Körner erlitten. Während nämlich der 
Ammoniakgehalt unverändert geblieben war (Salpetersäure fand sich 
in nennenswerter Menge in keiner von beiden Körnersorten vor), hatte 
das lösliche Eiweils eine starke, das unlösliche eine etwas weniger 
grofse Verminderung erfahren. Diese Verminderung erklärt sich durch die 
relativ aufserordentlich grofse Steigerung des Gehaltes an Amiden. 
Es war somit bei dem Auswachsen zuerst das lösliche, später auch 
bereits ein Teil des unlöslichen Eiweifses zur Amidbildung verbraucht 
worden. 

Zu denselben Resultaten kam Ko»sus bei der Untersuchung von 
ausgewachsenem Weizen, dessen Klebergehalt beim Auswachsen eine 
Verminderung um 20—25°o erfahren hatte. Aus diesem Umstande 
erklärt sich die bekannte Verringerung der Backfähigkeit eines 
Mehles von ausgewachsenen Körnern. 

Die Keimfähigkeit war in den von MÄRCckER ausgeführten Versuchen 
von 98°/o auf 45/0 gesunken. 

Man ersieht hieraus, wie sehr sich selbst die gröfstenKraftanstrengungen 
belohnen, die eventuell zur trocknen Einbringung der Ernte gemacht 
werden müssen. Ähnliche Verluste werden auch anderen Feldtrüchten, 
wie z.B. den Lupinen, Raps, Runkeln drohen. Interessant, aber wirt- 
schaftlich bedeutungslos sind die Fälle, in denen innerhalb der Frucht 
und äufserlich nicht bemerkbar eine Keimung der Samen stattfindet. Ich 
sah solche Fälle bei Birne, Apfel, Melone und Kürbis. Andere Beobachter 
fanden derartige ‚in der Frucht keimende Samen“ aufser bei 
Kürbis auch bei Orangen, und zwar sowohl bei solchen Früchten, die 
sehr lange auf dem Baume geblieben waren, als auch bei solchen, die 
sich kürzlich erst gefärbt hatten. Weitere auf diesen Gegenstand be- 
zügliche Mitteilungen finden sich in dem Abschnitt über eine durch 
Trockenheit unterbrochene Keimung. 


Das Aufreifsen fleischiger Pflanzenteile. 


Die Erscheinung, dafs fleischige Wurzeln, Stengel und Früchte 
klaffend aufspringen, ist in langen Feuchtigkeitsperioden ein häufiges 
Vorkommnis. Von Gemüsen leiden besonders Kohlrabi, Mohrrüben und 
Petersilie. Dafs übermäfsige Wasserzufuhr die Ursache des Auf- 
springens ist, bewies HAtLIER!), indem er Petersilienwurzeln in Brunnen- 
wasser hing; nach drei Tagen fand er den ganzen in Wasser befind- 
lichen Teil aufgesprungen. Boussinsauit?) beobachtete das Aufreilsen 
von Kirschen, Mirabellen, Birnen, Wein und Blaubeeren nach Ein- 
hängen der Früchte in Wasser; durch Einbetten derselben in nassen 
Sand erzielte ich die gleichen Erfolge. Von krautartigen Stengeln platzen 
gern die des Rapses oft kurz vor der Blütezeit. Umstehende Figur 


!) Hıruıer, E., Phytopathologie S. 87. 
2) Vergl. Bot. Jahresbericht 1873 8. 259. 


Sorauer, Handbuch. 3. Aufl. Erster Band. 21 


gibt die Veränderung einer 
u Y YA Bohne wieder, welche ich zu 
\mm, tief in nassem Sande kulti- 
A viert hatte. Im Juli 1882 sah 
NW ich in Proskau aufgerissene 
19 Kartoffelstengel und Wurzeln 
von Beta vulgaris. Es folgte 
damals ein sehr regenreicher 
Juli auf ein trocknes Früh- 
jahr nach geringer Winter- 
feuchtigkeit. Die Erscheinung 
war zuerst auf den leichten 
Bodenstellen und an den 
bestentwickelten Pflanzen be- 
merkbar. Ähnliche Fälle sah 
ich bei Rosen und bei Pflau- 
mensämlingen, die aus dem 
Sande in Nährstofflösung ge- 
bracht worden waren und 
tiefer in diese eintauchten, als 
sie früher im Sande gestanden 
hatten. Die Stammbasis barst 
bei denjenigen Exemplaren, 
welche vorher an diesem Teile 
der Luft ausgesetzt gewesen. 
Bei dem Aussauern der 
Saaten auf Feldern, die mit 
Pferdebohnen, Erbsen, 

Wicken u. dgl. bestellt sind, 
ist oberhalb der Stellen, wo 
die (fauligen) Wurzeln ent- 
springen, bisweilen die Sten- 
gelbasis aufgerissen, und man 
sieht aus der Rifsstelle ein 
schwammartig lockeres Ge- 
webe hervorbrechen, wie bei 
der hier abgebildeten Bohne. 

Alle diese Erscheinungen 
haben das gemeinsame Merk- 
mal, dafs sie nur dann ein- 
treten, wenn nach einer 
gröfseren Periode normaler 
Entwicklung oder mehr noch 

nach vorhergegangener 

Trockenperiode plötzlich un- 
gewöhnliche Wasserzufuhr 
sich geltend macht. Wenn 
die Pflanzen vom Beginn 
ihrer Entwicklung mit Wasser 


M.> A in Berührung sind, passen sie 
x 2 a 
A EAN 
A v Fig. 42. Bohnenpflanze, die durch Wasserüberschufs an der 
| 


Basis aufgeplatzt ist. Rifsstelle vernarbt. 


2. Verhalten der Nährstoffe zu den Pflanzen. 393 


sich diesem Medium an. Derartige Anpassungserscheinungen kann man 
namentlich bei solchen Arten beobachten, die sowohl im Wasser als 
auch auf trocknem Lande sich entwickeln können. Als Beispiel dienen 
die Untersuchungen von LEVAKOFFsKL!) an Eprlobium hirsutum, Lycopus 
europaeus und Lythrum. Der Vergleich von Wasser- und Landexemplaren 
lehrt, dafs bei den Wasserpflanzen zwischen Cambium und Rinden- 
parenchym zwei Reihen farbloser, chlorophyllloser Zellen, die 3—4 mal 
länger als breit sind, existieren, welche bei den Landexemplaren fehlen. 
Dieser Unterschied schärft sich um so mehr zu, je ältere Pflanzenteile 
man miteinander vergleicht. Unterhalb des Wasserspiegels werden 
diese Zellreihen zu einem dicken, lakunösen Gewebe. Epidermis und 
Rinde gehen hier bald zugrunde. Die Zellen, welche dieses besondere 
Gewebe darstellen, bilden sich aus dem Cambium. 

Der plötzliche Eintritt von Wasserüberschuts, der das Aufspringen 
der Pflanzenteile veranlafst, stört das Gleichgewicht in der Ausdehnung 
der Epidermis bez. der statt dieser bereits vorhandenen Korklage 
und des fleischigen Parenchymkörpers. Namentlich aber nach vor- 
ausgegangener Trockenperiode sind die Elemente der Oberhaut derb- 
wandiger und weniger streckungsfähig geworden und vermögen dem 
schwellenden Innengewebe nicht schnell genug zu folgen. 

Findet das Aufreifsen bei saftigen Organen ohne vorhergegangene 
Trockenperiode durch langandauernde Wasserzufuhr bei feuchter Um- 
gebung statt, dann sind die Rifsstellen in der Regel dadurch von den 
Rissen durch Trockenheit verschieden, dafs bei letzteren die Wund- 
fläche verkorkt oder durch neu sich bildende Korklagen sich abschliefst; 
bei ersteren sieht man dagegen die durch den Rifs blofsgelegsten 
Parenchymzellen dünnwandig bleiben, bisweilen sich schlauchförmig 
strecken und leicht in Fäulnis übergehen. BoussinsauLt fand, dafs die 
Früchte Zucker an das Wasser abgaben. Diese Abgabe nebst der 
vermehrten Aufnahme von Wasser mag den wässerigen Geschmack 
der Früchte nach langem Regenwetter erklären. Einige unter- 
getauchte Blüten lielsen ebenfalls Zucker austreten; dagegen konnte bei 
Zuckerrüben, Rübsen und den Keimwurzeln von Weizen, Gerste und 
Mais keine Abgabe von Zucker bemerkt werden, obgleich die Gewebe 
zuckerreich waren. 

Es gibt eine sehr empfehlenswerte Aufbewahrungsmethode 
für Winteräpfel, nämlich das schichtenweise Einlegen der Früchte 
in Sand. Wenn man unvorsichtigerweise den Sand zu nals wählt, 
verliert ein bisweilen grofser Prozentsatz der Früchte seinen Verkaufs- 
wert durch Aufreifsen der Schale. 

MÜtLLEr-TaurGau?) machte bei darauf bezüglichen Versuchen ähn- 
liche Erfahrungen. Nach achtmonatiger Lagerung von Äpfeln in 
Kisten mit Erde fand er die Früchte nafs und teils aufgesprungen, 
teils mehlig und ihren Säure- und Zuckergehalt stark zurückgegangen. 
Der Prozentsatz an faulenden Äpfeln war aber geringer als bei den 
frei im Keller liegenden Früchten. 

Soweit das Aufreifsen von Früchten und Gemüsen an der Auf- 
bewahrungsmethode liegt, wird man demselben durch einen trocknen, 
gut durchlüfteten Lagerungsort abhelfen können. Bei Früchten auf 


1) Levarorsskı, De l’influence de l’eau sur la croissance de la tige etc. cit. 
Bot. Zeit. 1875, S. 696. 
2) Fünfter Jahresb. d. deutsch-schweizerischen Versuchsstation zu Wädensweil. 
Zürich 1896. 
21* 


394 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


dem Baume, namentlich bei Eierpflaumen, die sehr empfindlich sind, 
empfiehlt sich bei Eintritt längerer Regenperioden das Abschütteln des 
Wassers von den Baumkronen. 

Schliefslich mufs noch darauf aufmerksam gemacht werden, dafs 
die Neigung zum Aufspringen auch erblich werden kann. Es 
lieet eine Beobachtung darüber bei Gurken vor!). Bei der Treiberei 
wählte der Besitzer stets die schönsten Exemplare einer Sorte, die leicht 
aufplatzte, zur Samengewinnung und mufste bemerken, dafs dieser Übel- 
stand von Jahr zu Jahr reichlicher und früher sich geltend machte. 
Er bepflanzte nun die Hälfte seines Glashauses mit der bisher benutzten 
Treibsorte und die andere Hälfte mit einer Freilandsorte. Diese letztere 
ergab gesunde Früchte bis zum Herbst, während die mit der bisherigen 
Treibsorte bepflanzte Hälfte von Mitte Mai ab aufgesprungene Früchte 
zeiote. Solche Wahrnehmungen geben beherzigenswerte Winke für 
die Answahl der Samen von Gemüsen, die zum Aufspringen neigen. 


Fig. 43. Aufgeschnittener Apfel, dessen Kernhaus Wollstreifen (w) zeigt. 
F der fleischige Teil am Fruchtblatt. (Orig.) 


Die Wollstreifen im Apfelkernhaus. 


Bei Beschreibungen der Apfelsorten findet sich als Merkmal hier und 
da der Ausdruck: „Kernhauskammern zerrissen“. Den beigefügten Ab- 
bilduneen nach soll damit ein Zustand der pergamentnen Fruchtblätter 
angedeutet werden, bei welchem die Innenwände der Kammern des Kern- 
hauses nicht eine oleichmäfsig glatte und feste, sondern eine von 
weifswollig erscheinenden, schräg von innen nach aufsen aufsteigenden 
Streifen durchzogene Fläche darstellen. Die Erscheinung ist häufig und 
wird für eine normale gehalten, welche Ansicht ich jedoch nicht teilen 
möchte. Abgesehen davon, dafs unter Umständen bei derselben Sorte 


1) Zeitschr. f. Pflanzenkrankh. 1899, S. 183. 


2. Verhalten der Nährstoffe zu den Pflanzen. 395 
nicht alle Früchte solche Wollstreifen zeigen, und dafs die verschiedenen 
Jahrgänge dieselben in verschiedener Häufigkeit entwickeln, ja auch 
vereinzelt bei Sorten auftreten lassen, welche in der Regel ein glattes 
Kernhaus zeigen, ist für die abnorme Natur dieser Streifen vorzugs- 
weise der mikroskopische Befund beweisend. 

Durchschneidet man nämlich ein Fruchtblatt mit solchen Streifen, 
wie sie in Fig. 43 bei w dargestellt sind, so bietet sich das in Fig. 44 
gegebene Bild. In diesem ist die durch X bezeichnete Seite die Innen- 
wand des Kernhauses, wogegen F' die an das Fruchtfleisch grenzende 
Aufsenseite skizziert. Bei den Apfelsorten mit glatten Kernhaus- 
kammern ist die innere Auskleidung derselben lediglich aus Zell- 


Fig.44. Durchbruch des Wuchergewebes eines Wollstreifens durch die pergament- 
artige Fruchtwand des Apfels. (Orig.) 


elementen gebildet, wie sie bei p dargestellt sind. Es sind sehr lang- 
gestreckte, aufserordentlich dickwandige, von vıelen, oft verzweigten 
Porenkanälen durchzogene, mit Chlorzinkjod gelb werdende Zellen, 
deren einzelne Schichten einen einander kreuzenden Verlauf zeigen. 
Infolgedessen weist derselbe Horizontalschnitt neben solchen Zellen, 
die ihrer ganzen Länge nach kenntlich sind (p), auch Streifen von quer- 
durchschnittenen Elementen auf (g). Es ist ersichtlich, dafs durch die 
dichte Lagerung der Zellen einerseits, durch die sehr starke Wandung 
derselben anderseits eine sehr grofse Festigkeit des Kernhausgewebes 
erzielt wird, welche noch durch den sich kreuzenden Verlauf der 
Zellen sich erhöht. Es ist ferner ersichtlich, dafs bei den Früchten 
mit weiter Kelchhöhle, durch welche ein Hineinwachsen von Pilzen in 


326 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


das Kernhaus leicht stattfinden kann, diese Fäulnis erzeugenden Pilze 
eine Grenze ihrer Ausbreitung an den pergamentartig-festen Wänden 
des Kernhauses finden. 

Dieser Schutz des Fleisches gegen eine von innen heraus drohende 
Fäulnis wird nun durch die Wollstreifen (Fig. 44 W) zerstört, denn 
dieselben bestehen aus einem ganz lockeren Gewebe, das in wuchernder 
Üppigkeit die feste Wandung unterbricht. 

Wir sehen, dafs diese Wollstreifen aus dichten Büscheln faden- 
artig verlängerter Zellreihen gebildet sind, die durch ihre dünnere 
Wandung auffallend von der Umgebung abstechen und ganz allmählich 
in das Gewebe des Fruchtfleisches (F') übergehen, während dasselbe 
sich unterhalb der pergamentartig verbliebenen Kernhausstellen ziem- 
lich scharf und plötzlich von den dickwandigen Zellen p abhebt. Nur 
an der Basis dieser Fadenbüschel erinnern kurze, sklerenchymatische, 
vereinzelt oder nesterweise beieinander liegende Zellen s# an die in 
der normalen Wand zu findenden Elemente p. Obgleich nun diese 
dünnwandigen Zellreihen sich ihrer Gestalt nach und durch ihre blaue 
Färbung mit Chlorzinkjod mehr dem Gewebe des Fruchtfleisches nähern, 
stimmen sie doch nicht ganz mit demselben überein. Der Unterschied 
besteht nämlich in einer warzenartigen Verdickung der Zellwand w, 
die an den äufseren Zellen des Fadenbüschels am stärksten entwickelt 
ist, bei den inneren Zellen oft nur schwach angedeutet und bei den 
sklerenchymatischen Elementen meist gar nicht vorhanden ist. Diese 
nach aufisen vorspringenden, knopfförmig erscheinenden Zellwand- 
verdickungen zeigen bei Chlorzinkjod-Einwirkung entweder eine matt- 
blaue Färbung, oder bleiben ungefärbt, oder erscheinen auch gelb. 
Letzterer Fall findet sich am deutlichsten bei den sehr dickwandigen 
Zellen sk, bei denen sich die ganze Membran ebenfalls gelb färbt. 
Fig. 44 links ist ein stärker vergröfsertes Stück einer Zellreihe des 
Fadenbüschels; man erkennt hier, dafs die warzenartigen Vorsprünge 
der Membran, die ich übrigens für Quellungserschemungen einzelner 
Punkte einer feinen Zwischenlamelle halten möchte, manchmal gestielte 
Knöpfchen kn darstellen '). 

Es ist somit anzunehmen, dafs in der Periode des hauptsächlichsten 
Schwellens der Frucht die Spannung der Gewebe in dem Fruchtblatte 
durch plötzliche, starke Wasserzufuhr eine so grofse geworden ist, dafs 
der Verband in der pergamentartigen Gewebelage sich streifenweise 
lockerte und löste und die nun von dem Druck befreiten, nicht dick- 
wandigen Elemente sich schlauchförmig in die Höhle des Kernhauses 
hinein verlängerten. 

Sorten, welche zur Wollstreifigkeit neigen, werden in feuchten Jahren 
besonders leicht den Schimmelbildungen bez. Fäulniserscheinungen im 
Kernhause ausgesetzt sein. Es empfiehlt sich daher, derartige Früchte 
bald zu verbrauchen. 


Die Ringelkrankheit der Hyaeinthenzwiebeln. 


Die für die Züchter von Hyacinthenzwiebeln bekanntlich sehr ge- 
fährliche Krankheit äufsert sich durch Bräunung und Auflösung einer 
Schuppe mitten zwischen gesunden Zwiebelschalen; die Zersetzung 


!) Gleichartige oder ähnliche Erscheinungen sind in letzter Zeit von ver- 
schiedenen Beobachtern erwähnt worden. Ich fand sie auch an den haarartigen 
Zellen, welche das Innere hohl gewordener Rübenköpfe auskleiden, in Blatt- 
parenchymzellen gelagerter Haferpflanzen usw. 


2. Verhalten der Nährstoffe zu den Pflanzen. 327 


des Gewebes steigt vom Zwiebelhals aus abwärts in den Zwiebelboden. 
Ist sie dort angelangt, gilt die Zwiebel als verloren. Die Krankheit 
geht auch oft auf die Brutzwiebeln über. Alle kranken Teile bekleiden 
sich mit Penieilkium, das hier tatsächlich parasitären Charakter an- 
genommen hat. Der Grund für die überaus schnelle Ausbreitung des 
Pilzes ist in der für ihn ungewöhnlich günstig sich gestaltenden Ver- 
änderung seines Mutterbodens zu sehen. Es ergaben nämlich die Analysen, 
dafs die frische, gesunde Substanz der ringelkranken Zwiebeln mehr 
Zucker besitzt als die der nicht erkrankten Exemplare; erstere gleichen 
darin den jüngeren Schuppen gegenüber den älteren. Da nun eine 
Abnahme des Zuckers mit Zunahme der Reife der Zwiebel stattfindet, 
so wird man aus dem gröfseren Zuckerreichtum auf eine geringere 
Reife der erkrankenden Zwiebeln schliefsen müssen. 

Tatsächlich läfst sich nun nachweisen, dafs die Kulturmethoden 
unserer Zwiebelzüchter vielfach die Gefahr in sich bergen, unreife 
Zwiebeln zu ernten. Man wartet einesteils mit dem Herausnehmen der 
Zwiebeln nicht, bis deren Blätter vollständig im Sommer abgetrocknet 
sind. Dies gilt in erster Linie überall dort, wo die Hyacinthen als Schmuck- 
pflanzen in Gärten und öffentlichen Anlagen dienen. Dort würde ein 
Beet mit verblühten Blumen und langsam vergilbenden Blättern einen 
sehr unangenehmen Anblick bieten. Infolgedessen hebt man die 
Zwiebeln aus und läfst sie an einem anderen Orte nachreifen. Die 
damit verbundene hochgradige Verletzung des Wurzelkörpers bringt 
einen vorzeitigen Stillstand in der Vegetation der Zwiebel hervor. Die 
Blätter vertrocknen, ehe sie normal ausgelebt haben, und ihre Blatt- 
basen, also die Zwiebelschuppen, bleiben unreif und zuckerreich und 
sind somit nun der erwünschte Herd zur bequemen Ansiedlung des 
Schimmelpilzes. 

Bei den grofsen feldmäfsigen Handelskulturen kommt die Dünger- 
zufuhr ins Spiel, da man recht kräftige Zwiebeln in möglichst kurzer 
Zeit erzielen will. Der Dünger verlängert die Vegetationszeit so, dafs 
manche Sorten zu der festgesetzten Erntezeit ihr Wachstum noch nicht 
fertig abgeschlossen haben. Die noch grünen Blätter besitzen dann 
ebenfalls unreife Schuppen, und während der Aufbewahrung der 
geernteten Zwiebeln auf den „Zwiebelböden“ bis zur Zeit des herbst- 
lichen Verkaufs hat das Penicillium Zeit, in die zuckerreich gebliebenen 
Schuppen sich einzugraben und dieselben zu zerstören. Dafs besonders 
spätreifende Sorten diesen Übelstand zeigen werden, ist selbstverständlich, 
und darum sprechen auch die Züchter von „ringelkranken Stämmen‘. 

Die Prüfung der Zwiebeln erfolgt durch flaches Anschneiden der 
Spitzen (des Halses) während der Ruheperiode. Zeigt der Querschnitt 
einen braunen Ring zwischen den weifsen Zwiebelschuppen, sollte eine 
derartige Zwiebel nicht verkauft werden. 

Die Heilung ringelkranker Stämme kann dadurch erfolgen, dafs 
die Zwiebeln in sandigen, nicht frisch gedüngten Boden mit tiefliegendem 
Grundwasserspiegel gebracht werden, wo sie bei der Nährstoff- und 
Wasserarmut früh ausreifen können. 

Zu erwähnen bleibt noch, dafs man eine dem Habitus nach der 
eigentlichen Ringelkrankheit sehr ähnliche Erscheinung mit derselben 
verwechselt hat!). Die Ursache dieser letzteren ist in einem Alchen 


!) Journal de la Soc. nat. et centrale d’Horticulture de France. April 1881. 
Soraver, Zur Klärung der Frage über die Ringelkrankheit der Hyacinthen. Wiener 
illustrierte Gartenzeitung 1882. Aprilheft S. 177. 


3238 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


(Tylenchus Hyacinthi Pr.) erkannt worden, das von den Blättern in 
die Schuppen hinabwandern kann. Bei der Alchenkrankheit aber 
kommen gallenartige Zellstreckungen, inselartige Korkumwallungen und 
andere Unterschiede vor, wie wir in der zweiten Auflage unseres 
Handbuchs ausführlicher besprochen haben. 


Rindensprünge. 


Schon in der Abbildung der Bohnenpflanze (Fig. 42) bemerken 
wir, dafs aus dem klaffenden Spalt des aufgeplatzten Stengels eine 
weiche Gewebemasse hervorgetreten ist. Es sind dies Neubildungen 
des Rindengewebes, welche als eine Reaktion des Organs auf den 
Wundreiz und die verminderte Spannung aufzufassen sind. Nun können 
aber auch Fälle eintreten, bei denen der Sachverhalt umgekehrt ist, 
nämlich dafs die Gewebevermehrung in der Rinde der primäre und 
das Aufplatzen der sekundäre Vorgang ist. Eine solche Wachstums- 
zunahme kann auf verschiedenen Ursachen beruhen. Als eine der- 
selben betrachtet Harrıs!) die Zuwachssteigerung, die durch plötzliche 
Freistellung von Waldbäumen hervorgerufen wird. Er beschreibt 
Fälle von Hainbuchen in einem Buchenbestande, wo durch Freistellung 
der Zuwachs in Brusthöhe von 1,2 gem Querflächenzuwachs in wenigen 
Jahren auf 13,7 cm jährlich stieg?). Der Korkmantel wurde dadurch an 
zahlreichen Stellen gesprengt, und die Folge davon war ein Aufreifsen 
und sogar stellenweises Abheben des Rindenkörpers vom Holzzylinder. 
Ähnliches fand H. bei Eichen und erklärte dies durch eine infolge der 
Freistellung eintretende gröfsere Bodentätigkeit und die vermehrte 
Lichtwirkung. (Unters. Bd. I. 1880 S. 45.) 

Derartige Erscheinungen lassen sich auch bei anderen Baumarten 
namentlich in Garten- und Parkanlagen auffinden. 


Rindenabwurf. 


Während in dem von Harrıs beschriebenen Falle das Reifsen der 
‘ Rinde durch gesteigerte Vermehrung des normalen Zuwachses erfolgt 
ist, wurde von mir ein Reifsen und Abwerfen der Rinde infolge ab- 
normer Zellstreckung des Rindenparenchyms beobachtet. Im Jahre 1904 
fand ich in einer Ulmenallee eine Reihe nebeneinanderstehender Bäume, 
an deren Basis eine grofse Menge kleiner oder auch handlanger Rinden- 
schuppen zerstreut lag. Bei genauer Besichtigung fand man am unteren 
Stammende locker hängende 25—50 cm lange Borkenstreifen, die mit 
Leichtigkeit abgenommen werden konnten. Der blofsgelegte Stamm- 
körper war mit grünlichen Gewebeinseln bekleidet, die sich als neue 
Rindenbildungen erwiesen. Die abgelösten Borkenstücke, Fig. 45, 
zeigten auf ihrer Innenseite flache, hellbraune Polster in unregelmäfsiger 
Verteilung und von verschiedener Gröfse und Dicke; sie gaben bei 
ihrer schwammigen Beschaffenheit dem Nageldruck leicht nach. Hier 
und da bemerkte man dazwischen kraterförmige, härtere, kleinere Er- 
hebungen. Die Oberfläche der Polster war vorherrschend glatt; nur 
stellenweise war sie rauh und zum Teil wollig durch hervorragende 
haarartige Ausstülpungen. Der an dem Baume verbliebene Rindenteil 


') Harrıc, R., Das Zerspringen der Hainbuchenrinde nach plötzlicher 
Zuwachssteigerung. Untersuch. forstbot. Inst. Bd. III S. 141. 
?2) Lehrbuch der Pflanzenkrankh. 1900, S. 261. 


en 


‚schmaler Zellen (!), die wir 


-Lohkrankheit erwähnt 


2. Verhalten der Nährstoffe zu den Pflanzen. 399 
erschien gelbgrün und saftig; er bestand aus Rindenparenchym, das 
aus einem gesunden Cambium hervorgegangen war. 

Die umstehende Figur 46 gibt ein Bild von der zum Abwerfen 
sich vorbereitenden Rinde. Bei h ist der alte Holzkörper, bei nh das 
letztentstandene Neuholz angedeutet; g sind Gefäfse, ce ist Cambium; 
daran stöfst die normale Jungrinde, die allmählich nach aufsen hin in die 
gelockerte ältere Rinde übergeht. In Wirklichkeit ist die Ausdehnung 
des gelockerten Teiles im Verhältnis zu der normalen Jungrinde viel 


‚bedeutender, als in der Zeichnung der Raumersparnis wegen angegeben 


worden ist. In der normalen Innenrinde zeigt sich ein äufserst regel- 
mäfsiger Bau, indem Schichten von lockerem Rindenparenchym regel- 
mäfsig mit flachen Bändern 


als „Leistenzellen* 
unterscheiden wollen, ab- 
wechseln. Es würden diese 
schmalzelligen Bänder den 
„Druckleisten“ ent- 
sprechen, die wir bei der 


haben. Die Zellen, welche 
diese Leisten bilden, er- 
scheinen im Längsschnitt 
ebenso lang wie im Quer- 
schnitt, nahezu farblos mit 
eigenartigen weitmaschi- 
genWandverdickungen,die 
wie unregelmäfsige Leisten 
aussehen. Das zwischen 
je zwei solchen schmalen 
Bändern von Leistenzellen 
liegende Parenchym ist ver- 
hältnismäfsig grofszellig, 
locker, stärkereich; in ihm 
eingelagert sind die grofsen 
Hartbastbündel (db) mit den 
sie begleitenden Reihen 
von Kalkoxalatkristallen (0) 


und n ud nn Fig. 45. Innenfläche eines abgestofsenen Borken- 
iese abwechselnden stückes einer Ulme mit polsterartig vortretenden 
Gewebelagen werden von Gewebeinseln. (Orig.) 


breiten, verbogenen Mark- 

strahlen (mst) gefächert, die auch in der ganz gesunden Rinde schon 
welligen Verlauf zeigen können, in der kranken sich aber bis zum 
horizontalen Verlauf oftmals verschieben. Die Ursache der scharfen 
Verbiegungen ist das Auseinanderweichen der sich schlauchförmig 
streckenden, zwischen den schmalen Bändern von Leistenzellen 
liegenden, lange Zeit stärkereichen, chlorophyllführenden Parenchym- 
zellen, welche auch die Hartbastbündel und Oxalatkristallreihen nach 
aufsenhin drücken. Diese mächtige Lockerungsschicht wird nun ge- 
deckt von einer unregelmäfsig in das Gewebe hineingreifenden, von 
Füllkork mehrfach begleiteten Tafelkorklage (tl) und dem von ihr 
abgeschnittenen, nunmehr verkorkten Rindengewebe der früheren 


330 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse, 


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Fig. 46. Ulmenrinde mit Rindenwucherung. (Orig.) 


Vegetationsperiode (k). 
Manchmal wölbt sich die 
Korkschicht in kugelförmi- 
ger Gestalt in das schlauch- 
artige Schwammgewebe 
hinein (sp) und bildet die 
anfangs erwähnten, krater- 
förmigen, harten Spitzen 
auf der Innenseite der ab- 
gelösten Borkenschuppen. 

An der Grenze zwischen 
dem harten Gewebedervor- 
jährigen verkorkten Bor- 
kenlage und dem weichen, 
schlauchförmigen Paren- 
chym vollzieht sich der Ab- 
lösungsprozefs des Rinden- 
fetzens, und je nachdem 
noch an der Trennungs- 
fläche schlauchartiges Par- 
enchym mehr oder weniger 
festhaftet, erscheint die 
Oberfläche des Trennungs- 
polsters wollig-rauh oder 
glatt. 

Durch die Streckung 
des Rindenparenchyms 
unterscheiden sich diese 
Auftreibungen von der 
Lohkrankheit, bei der es 
sich im wesentlichen um 
Korkwucherungen handelt. 

Einen ganz ähnlichen 
Fall wie von Ulmus be- 
schreibt v. TußEur!) von 
der Weymonuthskiefer; nur 
konnte, der glatten Rinde 
entsprechend, ein Abwurf 
von Borkenschuppen nicht 
beobachtet werden. Die 
Kiefer war krank und mit 
Polstern von Xanthoria 
parietina bedeckt. Unter 
diesen Flechtenpolstern 
zeigten sich beulenförmige 
Auftreibungen, die teil- 
weise aufgerissen erschie- 
nen und durch Streckung 
des Rindengewebes ent- 


standen waren. Die Harzkanäle waren vergröfsert und die tieferen 
Rindenparenchymzellen schlauchförmig gestreckt und chlorophyllarm. 


1) v, Tuseur, Intumescenzenbildung der Baumrinde unter Flechten. Naturw. 


Zeitschr. f. Land- u. Forstwirtsch. 1906 S. 60. 


2. Verhalten der Nährstoffe zu den Pflanzen. 33] 


Dafls wir in den geschilderten Fällen Wirkungen lokalen Wasser- 
überschusses zu sehen haben, ist aus der Angabe von v. TuBEUF zu 
entnehmen, dafs er durch Aufbinden und stetes Feuchthalten von 
Watte auf einen Zweig ganz ähnliche buckelförmige Auftreibungen er- 
zeugt habe. 

Auch bei Wurzeln sind derartige Auftreibungen der Rinde be- 
obachtet worden. Aus der Umgebung von Lindau wurde vor einigen 
Jahren von einer bedenklichen Krankheit der Weinstöcke berichtet), 
welche ähnliche Folgen, wie die durch den Wurzelpilz verursachten, hatte, 
aber nicht parasitär sich erwies. Die unterirdischen Stammteile und 
die älteren Wurzeln zeigten Längsrisse von 1—3 cm, aus denen anfangs 
weifse, später schokoladenbraune Schwielen hervorragten. Die in der 
Nähe derselben befindlichen Seitenwurzeln starben ab. Die Schwielen 
bestanden aus den in radialer Richtung abnorm verlängerten, kaum 
mehr zusammenhängenden Zellen des Rindenparenchyms. Mitten unter 
den erkrankten europäischen Reben fanden sich amerikanische Sorten 
in bester Gesundheit. Bekanntlich verbrauchen die ungemein üppig 
wachsenden amerikanischen Reben viel gröfsere Wassermengen. 

Derartige Gewebeschwielen sind viel häufiger, als man gewöhn- 
lich annimmt, und kommen auch bei Zierpflanzen vor?). Sie sind 
Reaktionen des Pflanzenteiles auf Wundreize oder innere Gleichgewichts- 
störungen in der Wasser- und Nährstoffzufuhr. 


Woasserreiser. 


Man versteht unter Wasserreisern, Wasserloden oder Räubern 
ungemein kräftige, mit langen Internodien versehene, senkrecht auf- 
wärts strebende Laubtriebe, die aus alten Asten oder Stämmen ent- 
springen. Häufig zeichnen sich die mit Flechten überzogenen 
Stämme durch reichliche Räuberbildung aus. Da die Räuber in die 
Mitte der Krone hineinwachsen, so erzeugen sie gerade an denjenigen 
Stellen Holz und zwar unfruchtbares Holz, die man möglichst astfrei 
haben möchte, damit genügend Licht und Luft dem Innern der Baum- 
krone zuteil werden könne. Räuber zu entfernen wird aber nicht rat- 
sam erscheinen, wenn die Ursache dieser Bildungen nicht gleichzeitig 
gehoben wird. Die Ursache wird in manchen Fällen in einem undurch- 
lassenden Untererunde zu suchen sein. Die Wurzeln des starken 
Baumes gelangen früher oder später auf diese undurchdringliche Schicht, 
die sich nicht selten als eine Ader eisenschüssigen, sehr fest verkitteten 
Sandes erweist. Dadurch wird die Nahrungsaufnahme beschränkt; der 
Baum macht kurze Triebe, kleinere Blätter, trägt aber dabei noch 
Früchte. In einem warmen und feuchten Frühjahr, in welchem alle 
Bäume starke Laubtriebe machen, erscheint die Energie des geschwächten 
Baumes durch die günstigen Vegetationsbedingungen ebenfalls gesteigert. 
Der starke Wasserauftrieb veranlafst Adventivknospenbildung oder reizt 
schlafende Augen und zwar solche, die nicht allzuweit von der Mittel- 
linie des Stammes entfernt sind: denn der Wasserauftrieb und damit 
die Ernährung ist in der senkrechten Richtung viel energischer als ın 
der geneigten Lage. Dies weifs der Gärtner bekanntlich bei der Spalier- 
zucht zu verwerten, indem er Horizontaläste auf der einen Seite des 


1) Kerrervmann im Jahresber. d. Sonderausschusses f. Pflanzenschutz. Arb. d. 


Deutsch. Landw.-Ges 1892/33. } 5 
2) Soraver, P., Über Rosenkrankheiten. Zeitschr. f. Pflanzenkrankh. 1898 S. 220. 


332 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


Stammes, die schwächer sind als die korrespondierenden auf der anderen 
Seite, ein ganzes Jahr hindurch in eine senkrechtere Lage bringt und 
dadurch eine viel orölsere und schnellere Kräftigung und Ausbildung 
derselben erzielt. Mit der Ausbildung von Wasserschossen richtet sich 
allmählich eine immer gröfser werdende Ungleichheit in der Ernährung 
auf Kosten der älteren horizontaleren Zweige ein, welche nun Mangel 
leiden. Daraus erklärt sich das bei dem Auftreten der Wasserloden 
beginnende Absterben der Zweigspitzen älterer Seitenäste. Ein Teil 
des Baumes verhungert bei üppiger Entfaltung eines anderen Teiles. 

Wie gesagt, ist bei solcher Störung im Gleichgewicht der Ernährung 
es kaum geraten, die Wasserreiser zu entfernen; vielmehr wird es 
vorteilhafter sein, bei älteren Bäumen die Wasserschosse mit wertvollen 
Sorten zu veredeln und mit der Säge gleichzeitig eine Partie älterer 
Aste zu entfernen, so dafs der Baum auf diese Weise verjüngt wird. 
Wenn man an Stellen, deren Untergrund sich ohne grofsen Kosten- 
aufwand nicht öffnen läfst, durch eine Düngung in einiger Entfernung 
vom Stamme dafür sorgt, dafs der Baum seitlich eine neue kräftige 
Wurzelentwicklung erlangt, so dürfte für eine längere Reihe von 
Jahren hindurch dem Übel gesteuert sein. Junge Bäume wird man 
durch Verpflanzen gänzlich heilen können. 

Es mufs übrigens hervorgehoben werden, dafs von selbst die Räuber- 
bildung an vielen Bäumen "wieder nach einigen ‚Jahren verschwindet. 
Dies ist nämlich dort der Fall, wo solche Wasserschosse durch un- 
mäfsiges Zurückschneiden der Baumkronen oder plötzliches Ausputzen 
der Stämme hervorgelockt worden sind. Namentlich in Baumalleen, 
an Strafsen mit Telegraphenleitungen, in Baumpflanzungen, durch welche 
eine Strafse oder Eisenbahnlinie hindurchgezogen worden ist, zeigt sich 
auf den dem Verkehrswege zugewandten Baumseiten sehr häufig eine 
starke Entwicklung von Räubern. 

In solchen Fällen werden starke Äste an der Strafsenseite oft einfach 
abgehauen. Da der Wurzelapparat unbehelligt bleibt, so pumpt derselbe 
bei beginnender Vegetationszeit ebensoviel "Wasser in die Höhe wie 
vor der V erminderung der Baumkrone. Durch die Fortnahme der Äste 
ist aber ein kleinerer Verbrauchsherd geschaffen, und infolgedessen 
werden schlafende Augen geweckt und zu so schlanken Trieben aus- 
gebildet, dafs dieselben zu Wasserschossen werden, deren Seitenaugen 
manchmal noch im Jahre der Entstehung wieder austreiben. Dafs diese 
verfrühten Triebe keine Basalaugen entwickeln, hat schon Ta. Harrıc !) 
beobachtet. £ 

Wenn Räuber durch plötzliche Entnahme starker Aste aus der 
Baumkrone entstehen, dann läfst sich ihre Ausbildung verlangsamen, 
wenn man durch Schröpfen andere Ableitungsherde schafft. Bei Aus- 
ästungsarbeiten im Frühjahr wird Schröpfen sogar die Wasserloden- 
bildung verhindern können; ebenso dürfte ein Einhauen in einen starken 
Warzelast in der Nähe der Stammbasis an der Seite, an welcher die 
Baumkrone stark ausgedünnt worden ist, den Wasserzuflufs mindern und 
die Räuberbildung verhüten. 


Verbänderung (faseiatio). 


Ebenfalls als eine lokale Überernährung ist der Zustand aufzu- 
fassen, dafs eine zylindrische Achse breit bandartig wird. Es sieht 


') Vollständige Naturgeschichte d. forstl. Kulturpflanzen, S. 176. 


2. Verhalten der Nährstoffe zu den Pflanzen. 3353 


dann so aus, als ob eine Menge Zweige miteinander verwachsen wäre: 
indes ist dies nur selten der Fall, sondern fast immer handelt es sich 
um einen eimzigen Zweig, der durch Verbreiterung seines Vegetations- 
punktes an der Spitze nicht einen Vegetationskegel besitzt, sondern 
eine kammartige Vegetationsfläche ausbildet !). 

In der beistehenden Abbildung einer Fichtenfasciation (Fig. 47) 
erkennen wir die Einheitlichkeit der verbreiterten Achse erstens in der 
fortlaufenden Spirale der Nadelstellung, namentlich bei 7 und 2 und ferner 
in den Querschnitten A und B (Fig. 48), deren Mark- und Holzkörper eine 


Fig. 47. Verbänderter Ast von Picea esxcelsa. 
Der ursprüngliche, bereits bandartige Trieb (7) hat in demselben Jahre drei neu auseinander hervor- 
sprossende Etagen (2, 3, 4) gebildet. a Knospenschuppen. (!/a nat. Gr. Nach NoBeke.) 


Fig. 48. Querschnitt der verbänderten Fichtenzweige, 4 aus dem oberen, 


B aus dem unteren Zweigteile. 
« Rinde mit Blattkissen, $% Holzkörper, y Mark. (Nat. Gr. Nach Nopser.) 


einzige zusammenhängende, gleichmäfsige Fläche bilden und nicht etwa 
eine Verschmelzung von vielen nebeneinanderstehenden Einzelringen 
zeigen, wie dies der Fall sein müfste, wenn eine Verbänderung durch 
Verwachsung vieler ursprünglich getrennt gewesener Achsen entstanden 
wäre. Diese Anschauung ändert sich auch nicht bei Betrachtung der 
Fasciation der Erle (Fig. 49), bei der wir aufser der überall vor- 
kommenden charakteristischen Krummstabbiegung der Zweige infolge 
einseitiger Wachstumssteigerung auch die bei Laubhölzern häufigere 
Abspaltung zylindrischer Zweige von dem Bandkörper wahrnehmen 
können. Es liest eben im fasciierten Stengel das Material gehäuft für 
viele Achsen, die sich isolieren können; aber er selbst ıst eine Einheit. 


1) Über Pflanzen-Verbänderung. Referat in Bot. Zeit. 1867, S. 232, 


334 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


Über das Zustandekommen der Verbänderungen, die durch die 
grofse Vermehrung ihrer Blätter und Blattspurstränge sich als Hyper- 
trophie kennzeichnen, können wir nur Vermutungen aussprechen. 
Ursprünglich muts eine Achse, die später verbändert, eine Hemmung 
erlitten haben. Dafs ein Druck von zwei entgegengesetzten Seiten die 
Achse bandartig machen kann, haben wir bereits früher bei den zwischen 
Felsspalten eingeklemmten Wurzeln gesehen. Unter Umständen kann 
eine solche veränderte Wachstumsrichtung anhalten, wenn die Hemmung 
selbst bereits verschwunden ist. So zitiert Treviranus eine Beobachtung 
über einen durch Druck an der 
Mauer bandförmig gewordenen 
Stengel von Tecoma radicans, 
der noch bandartig blieb, als 
er weit über die Mauer hinaus 
gewachsen war. Dabei wurden 
auch die weiter sich ent- 
wickelnden Zweige noch teil- 
weise bandförmig. 

Auiser solchem seitlichen 
Drucke kann in anderen Fällen 
auch ein vorübergehender 
Druck von oben eine Ver- 
breiterung des Vegetations- 
punktes zu einer Vegetations- 
fläche wahrscheinlich veran- 
lassen, und ein solcher Druck 
kann möglicherweise durch 

abnormes Verhalten der 
Knospenschuppen (verzögerte 
Lockerung durch Verharzung, 
Vertrocknung u. dgl.) schon 
zustande kommen. Falls nicht 
abnorme Drucksteigerung vor- 
handen, können direkte Ver- 
letzungen der Vegetationsspitze 
Veranlassung zur Vermehrung 
der Vegetationspunkte geben. 

Ist die Verbänderung ein- 
mal zustande gekommen, kann 
sie durch Stecklinge fortge- 
pflanzt werden, ja unter Um- 
ständen samenbeständig sich 
erweisen, wie wir dies bei unserer beliebten Gartenpflanze Celosia 
cristata, dem Hahnenkamm, sehen. Die Fähigkeit zur Fasciation ist 
bei allen Pflanzen vorauszusetzen, und wirklich beobachtete Fälle 
wurden schon von Masters!) in grofser Anzahl (150) gemeldet. Wie 
erwähnt, ist von der eigentlichen Fasciation die fasciierte Verwachsung 
zu unterscheiden, die durch bandartiges Verkleben isolierter Achsen 
zustande kommt. LioPRIORE?) hat derartige Fälle bei Wurzeln künstlich 
hervorgerufen. 


Fig. 49. Fasciation von Alnus glutinosa. 
(/a nat. Gr. Nach NoBeE). 


!) Masters, Vegetable Teratology 1869, S. 20 (vergl. Pexzıs und die Einzel- 
fälle in den Bot. Jahresberichten). 
?) Lorrıore, G., Die Anatomie bandartiger Wurzeln. cit. Zeitschr. f. Pflanzen- 
krankheiten 1904, S. 226. 


2. Verhalten der Nährstoffe zu den Pflanzen. 335 


Zwangsdrehung (Spiralismus Mor.). 


Mit obigem Namen bezeichnet A. Braun!) diejenigen Stengelmitfs- 
bildungen , welche in tonnenförmig aufgeblasenen Stellen bestehen, an 
denen die Riefen, welche von den Blättern herablaufen und die zu 
ihnen gehörenden Getälsbündel darstellen, eine extreme, spiralige 
Windung zeigen. Bisweilen ist die tonnenförmige Anschwellung so 
stark, dafs der Stengel in der Richtung der Spiraldrehung reifst und 
sich an diesen kranken Stellen in eine Anzahl Spiralbänder spaltet. Von 
SCHIMPER ist die Wachstumsstörung „Strophomanie“ genannt worden. 
Die meisten Fälle sind aus den Familien der Dipsaceen, Oompositen 
und Rubiaceen bekannt geworden. Einzelne Vorkommnisse werden 
auch von Labiaten, Scrophulariaceen, Cruciferen und unter den Mono- 
kotyledonen von Asparagus, Lilium, Orchis, Triticum usw., aufserdem 
auch von Egquwisetum beschrieben. 

Wir glauben, dafs es kein unzutreffendes Bild ist, wenn wir die 
Zwangsdrehung als eine tonnenförmig aufgeblasene Fasciation ansehen. 
Wirtschaftliche Bedeutung kommt den Fällen nicht zu. 

Von ihnen verschieden ist die verstärkte Spiraldrehung normal ge- 
bauter Holzstämme, die wir auf Hemmungen im Längenwachstum (meist 
infolge von Wasser- und Nährstoffmangel) zurückführen. 


Wassersucht (Oedema). 
a) Bei Beerenobst. 


Seitdem die Anzucht der hochstämmigen Stachel- und Johannis- 
beeren durch Veredlung auf kräftige Triebe von Ribes aureum weitere 
Verbreitung gefunden, haben sich die Klagen über eine Krankheit der 
Unterlage, welche das Gelingen der Veredlung in Frage stellt, sehr 
vermehrt. 

Diese Krankheit ist von den Züchtern als „Wassersucht“ bezeichnet 
worden; sie besteht in dem Auftreten geschlossener, d. h. von der 
äufseren Korkschicht bedeckt bleibender oder aber auch aufreifsender 
Rindenbeulen (Fig. 50 A). Die Rindenauftreibungen sind bald nur klein, 
bald erreichen sie eine Ausdehnung von mehreren Centimetern Länge; 
sie stehen entweder einseitig am Stamm oder umgeben denselben, mit- 
einander verfliefsend, ringsum. Am häufigsten erscheinen sie an zwei- 
und mehrjährigem Holze: doch können sie auch sehr intensiv an ein- 
jährigen Zweigen auftreten und deren Tod unmittelbar nach sich ziehen, 
während das ältere Zweigholz zwar kränkelt, aber nicht direkt abstirbt. 

Bei dem jetzigen Verfahren der Frühjahrsveredlung von Kibes im 
Hause zeigen sich häufig aufbrechende Beulen unmittelbar unter der 
Veredlungsstelle, und in solchen Fällen wächst die Veredlung nicht. 
Aber auch weiter rückwärts von der Veredlungsstelle sind in intensiven 
Fällen derartige Auftreibungen sowohl am Stamme zwischen j je zwei Augen 
als auch namentlich dicht in der Nähe der Augen bez. der aus ihnen 
bereits entwickelten Zweige zu finden. Man. beobachtet Fälle, in 
denen am zweijährigen Holze die Basis eines stehen gebliebenen Triebes 
tonnenförmig geschwollen und an dieser Stelle mit aufgerissenen 
Rindenfetzen bedeckt ist. Der Zweig oberhalb dieser Stelle ist ab- 
gestorben. 


1) Sitzungsberichte naturf. Freunde z. Berlin, eit. Bot. Zeit. 1873, S.11 u. 30. 


336 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


Die frische Geschwulst zeigt, sobald die dieselbe deckende Kork- 
hülle, welche die Oberhaut des Zweiges darstellt, entzweigesprengt ist, 
unter dieser Hülle hervorquellend eine gelbliche, schwammigweiche, 
callusähnliche Gewebemasse aus schlauchartig verlängerten, sehr inhalts- 
armen, wasserreichen Zellen (Fig. 50 B s). Es ist die ehemalige normale 
Rinde, deren Zellen, in den Regionen zwischen je zwei Bastzellgruppen 
(Fig. 50 Bb) beginnend, auf Kosten ihres sonst an grünem Farbstoff 


Fig. 50. Wassersucht bei Ribes aureum. (Orig.) 


reichen Inhalts sich in der Richtung des Stammradius aufserordentlich 
stark gestreckt haben.. Sie sind zum Teil auseinandergewichen und 
haben bei ihrem stets zunehmenden Umfang endlich die äufsersten ältesten 
Rindenlagen (Fig. 50 Bek), die an der Veränderung nicht mehr teil- 
genommen und frühzeitig durch Korkschichten (k) von dem darunter- 
liegenden Gewebe abgetrennt worden sind, entzweigesprengt!). 


') Vergl. Soraver in „Freihoff’s Deutsche Gärtnerzeitung* 1. August 1880, und 
GöscHkE 5 Mönstsschnikt d. Ver. z. Beförd. d. Gartenb., Oktober 1880, S. 451 


EEE 


3. Verhalten der Nährstoffe zu den Pflanzen. 337 


Nicht immer ist die Rinde in ihrem ganzen Querdurchmesser von 
der schlauchförmigen Streckung ergriffen; in sehr intensiven Fällen 
aber gewahrt man schon eine Deformation der Zellen in der Cambial- 
region (ce). Dann ist auch das Holz nicht mehr normal; an Stelle des 
bisher gebildeten, aus dickwandigen, langgestreckten Holzzellen und 
Gefäfsen mit leiterartig durchbrochenen Querwänden bestehenden, 
normalen Holzes entsteht ein aus kurzen, weiten, verhältnismäfsig 
dünnwandigen, parenchymatischen Zellen (hp) zusammengesetztes 
Holz. Der Querschnitt (Fig. 50 B) stellt den Übergang der gesunden 
Zweigseite N in die wassersüchtige W dar; h ist das normale Holz. 
Zur Zeit, als die Lage st entstand, machte sich die Krankheit in der 
Cambiumregion bemerklich, und die Folge davon war, dafs von da ab 
auf der kranken Seite Parenchymholz hp gebildet wurde, welches 
nach links bei einem Markstrahl m abbrach; noch weiter nach links 
entstand in derselben Zeit normales Holz. Ganz derselbe Unterschied 
macht sich in dem jüngsten Rindenparenchym rp bemerkbar. Durch 
die gerofse, radiale Streckung der Zellen auf der wassersüchtigen 
Seite W werden die Hartbaststränge b bogenförmig nach aufsen gedrängt, 
und demgemäfs sind auch die den Bastkörper begleitenden Zellreihen 
mit oxalsaurem Kalk o in steil ansteigende, unregelmäfsige Reihen ver- 
schoben; chl sind chlorophyllreich gebliebene Parenchymgruppen. Bei 
diesem lockeren, wasserreichen Bau des Gewebes, welches die Ge- 
schwulst darstellt, ist es erklärlich, dafs es keine lange Dauer hat. An 
trocknem Standort der Pflanzen und zunehmender Lufttrockenheit bräunt 
es sich rasch, schrumpft, fällt zusammen und stellt eine mürbe, braune 
Masse dar, die teils auf dem Holzkörper aufgelagert bleibt, teils den 
äufseren, bei Trockenheit sich zurückrollenden, klaffend auseinander- 
weichenden Rindenlappen anhaftet. Solche Stämme erhalten ein 
brandiges Aussehen und sind von der Kultur am besten ganz aus- 
zuschliefsen. Bei der Leichtigkeit, mit der solche Unterlagen auf 
kräftigem Boden wieder herangezogen werden können, wäre der Ver- 
lust durch die Krankheit minder empfindlich, wenn er nicht gerade 
die Topfexemplare, die veredelt worden sind, beträfe und wenn nicht 
dadurch die Anzahl der Veredlungen bedeutend verringert würde. 

Ich bin nicht der Ansicht, die in der Praxis ausgesprochen wird, 
dafs eine überreiche Ernährung der Pflanze die Schuld trage, sondern 
glaube, dafs an einzelnen Stellen der Achse ein Wasserüberschufs sich 
geltend macht. Wäre hier gleichzeitig eine Anhäufung von plastischem 
Material, so würde sich dieselbe durch reiche Zellvermehrung vorzugs- 
weise äufsern; das ist aber nicht der Fall. Zählt man die Zellen ın 
derselben Stammhöhe an der gesunden und kranken Seite, dann findet 
man nur ein unbedeutendes Übergewicht an letzterer. Es handelt sich 
demnach vorzugsweise hier um eine abnorme Zellstreckung. 

Dieselbe erklärt sich durch die Behandlung der Frbes-Stämmchen 
bei der Vorbereitung zur Veredlung Um schlanke, schnell in die 
Höhe gehende Stämmchen zu erzielen, mufs man die anderen, seitlich 
entspringenden Schöfslinge wegnehmen und an den jungen Stämmchen 
selbst die Seitenzweige zurückschneiden. 

Sind nun die Stämmcehen gut angewurzelt, werden sie im Warm- 
hause schnell angetrieben und die durch das frühere Zurückschneiden 
schon spärlich vorhandenen Augen noch dadurch vermindert, dafs man 
die aus ihnen sich entwickelnden Triebe einstutzt oder gänzlich ent- 
fernt. Durch das Abschneiden der Zweige steigert sich die durch den 

Sorauer, Handbuch. 3. Aufl. Erster Band. 22 


338 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


Wasserdruck emporgetriebene Wassermenge in der Hauptachse und 
macht sich in einer schlauchförmigen Verlängerung der jüngeren 
Rindenzellen und der Bildung beulenartiger, schliefslich aufreifsender 
Auftreibungen geltend. 

Direkte Versuche, durch reiches Giefsen und schnelles Antreiben 
gut bewurzelter Exemplare im Warmhause unter fortgesetztem Stutzen 
der sich entwickelnden Seitentriebe die Wassersucht hervorzurufen, er- 
gaben mir äufserst günstige Resultate. 

Vermeidung des zu schnellen Antreibens der Veredlungsunterlagen 
und vorsichtiges Einstutzen (nicht gänzliches Entfernen) der hervor- 
brechenden Triebe werden der Krankheit vorbeugen. MAukER!) hat die 
Verwendung von FKibes nigrum statt R. aureum als Veredlungsunterlage 
empfohlen. Aber mir sind auch Fälle von Wucherungen der Achse 
bei der schwarzen ‚Johannisbeere bekannt geworden, namentlich nach 
dem Verpflanzen solcher Stöcke, die zur Unfruchtbarkeit neigen. 


b) Bei Kernobst. 


Es ist vorauszusehen, dafs bei unserer Kulturrichtung ähnliche 

Erscheinungen wie die bei Ribes beobachteten auch an anderen Obst- 
arten auftreten werden. Denn durch die hochgradige Steigerung der 
Nährstoffzufuhr werden unsere Obstgehölze immer weichlicher: die 
Masse der parenchymätichen Zweigsubstanz steigt beständig gegenüber 
den prosenchymatischen Geweben. Zwischen Wildlingen und Edel- 
sorten sind in dieser Beziehung schon bedeutende Differenzen. Direkte 
Messungen haben mir gezeigt, dafs die Zweige der Kulturvarietäten 
eine fleischigere Rinde bekommen und der Holzring bedeutend an Dicke 
abnimmt?). Diese zunehmende Neigung unserer Obstbäume, weiche, 
reservestoffspeichernde, parenchymatische Gewebe auf Kosten der Aus- 
dehnung des Holzringes zu bilden, habe ich als „Parenchymatosis“ 
bezeichnet. 
.. In besonderen Fällen erreicht diese Bildungsrichtung so extremes 
Übergewicht, dafs Krankheiten entstehen. Solche beobachtete ich be- 
sonders am Fruchtholz der Birnen, das sich zu tonnenförmigen, 
fleischigen Anschwellungen verkürzen kann, welche die Züchter als 
„Fruchtkuchen“ bezeichnen. Die krankhaften Störungen bestanden 
entweder darin, dafs die Korklagen und äufseren Rindenschichten an 
einer Zweigseite schildartig abgeplatzt waren und eine grünlichgelbe 
callusartige Gewebemasse zum Vorschein kommen liefsen, oder dafs 
fast am ganzen Zweigumfang ringförmig, bei ähnlicher Gewebe- 
veränderung, die Rinde in steifen, bröckeligen Schuppen sich abhob. 
Im letzteren Falle waren alle oberhalb einer derartigen Stelle befind- 
lichen Zweige tot. 

Wenn die Erkrankung an dem minder üppig entwickelten Frucht- 
holz, das als „Fruchtspiefse* von den Fruchtkuchen unterschieden 
wird, sich geltend machte, sah man mehrfach eine vollständige Ab- 
gliederung dieser Zweigchen, ähnlich der von normalen Zweig- 
abwürfen, wie sie bei den Pappeln alljährlich beobachtet werden. Bei 
dem vorliegenden abnormen Abwurf der Birne war die Bruchfläche 
aber nicht glatt, sondern uneben und wollig, dabei aber hellfarbig: wie 
der Querschnitt des gesunden Holzes. 


1) Der Obstgarten 1879, S. 182. 
2) SORAUER, P., Nachweis der Verweichlichung unserer Obstbäume durch die 
Kultur. Zeitschr. f. Pflanzenkrankh. 1892, S. 66. 


2. Verhalten der Nährstoffe zu den Pflanzen. 339 


Der Querschnitt durch eine im Anfangsstadium der Erkrankung be- 
findliche Zweigstelle zeigt, dafs der Rindenkörper einseitig eine starke 
Entwicklung, vorzugsweise innerhalb der Primärrinde erfahren hat. 
Sein Parenchym ist dünnwandig, teilweise blasig oder schlauchförmig 
aufgetrieben und ungemein gelockert. 

Ein Vergleich der Markkörper zwischen einem geplatzten und gleich- 
alterigen gesunden Zweige ergibt, dafs ersterer um ein Drittel gröfser als 
der andere, der Holzring dagegen nur ein Drittel so breit wie bei letzterem 
ist. Zu diesem Mifsverhältnis gesellen sich noch bedeutende Struktur- 
differenzen. Während ein gesunder Trieb die normalen Libriformfasern 
und ein reichlich entwickeltes Gefälssystem zeigt, ist der Holzkörper 
des erkrankten Zweiges fast ausschliefslich aus parenchymatisch dünnen 
Zellen aufgebaut, zwischen denen die Grefäfsstränge eingelagert sind. 
Bei normalen Bäumen kann unter Umständen die Schwäche des Holz- 
ringes durch sklerenchymatische Elemente in der Rinde ausgeglichen 
werden !!). 

Die wassersüchtigen Zweige der Birne unterscheiden sich somit 
von denen bei Ribes insofern, als hier der Holzkörper mit in die Par- 
enchymatose hineingezogen und gänzlich gelockert wird. Dadurch, dafs 
die parenchymatisch gewordenen Holzzellen sich abrunden und aufblähen, 
werden die Gefäfse allmählich verbogen, verschoben und schlietslich 
zerrissen. Sobald der Liockerungsprozeis den ganzen Umfang eines 
Fruchtspiefses oder Fruchtkuchens erfatst, erfolgt die Abgliederung. 

Die kranken Zweige stammten von Spalierbäumen aus einem gut 
bewässerten, mit Kuhdung reichlich versehenen Garten. 

Wenn auch derartig extreme Fälle zu den selteneren Vorkomm- 
nissen gehören, so sind doch Anfangsstadien, die in Erweiterungen 
und Wucherungen der Markstrahlen und Streckungsvorgängen bei 
einzelnen Rindenzellgruppen bestehen, gar vielfach zu beobachtende 
Erscheinungen. 

Geschwulst an Johannisbrot. 

Manchmal treten Anschwellungen infolge von Zellstreckung und 
Zellvermehrung als Korrelationsvorgänge auf. So berichtet beispiels- 
weise SAVASTANO?) über Auswüchse an Zweigen von Ceratonia Stliqua. 
Es bilden sich tanninreiche, konische Auftreibungen an der Spitze der 
Blütenachsen, wodurch die Blüten atrophieren. In einer früheren 
Arbeit beschreibt Savasıano®?) das Zustandekommen gröfserer Ge- 
schwülste am Johannisbrotbaum. An den normal angelegten 
Fruchtzweigen bemerkt man in solchen Fällen bei Beginn der Krankheit, 
dafs dieselben die Früchte in den ersten Stadien ihrer Ausbildung ab- 
werfen, und dafs nunmehr der zurückbleibende Basalteil des Achsen- 
kegels anzuschwellen beginnt. Durch Wiederholung dieses Vorganges 
in den folgenden Jahren entsteht eine knotige Geschwulst, die einen 
ganz beträchtlichen Umfang und eine Höhe von 6—L10 cm erreichen kann. 
Diese hypertrophierte Spitze des Fruchtzweiges besitzt eine mehrmals 
dickere Rinde als das normale Fruchtholz, und der Holzkörper besteht 
aus gefäfslosem Holzparenchym. In der fast markigen Rinde erscheinen 


1) Pırrers, A., The influence of Fruit-bearing on the development of mechanical 
tissue in some Fruit-trees. Ann. of Bot. V. 10. London 1896 S. 511. 
2) Sıvasrano, L., Tumori nei coni gemmarii del carubo. Boll. d. Societä d. 
Naturalisti in Napoli. 1888. Vol. II, S. 247. } 
8) Sıvasıano, L., Hypertrophie des cönes A bourgeons (maladie de la loupe) 
du Caroubier. Compt. rend. 12. Janv. 1885. 
22 * 


340 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


die Bastfasern weitlumiger und von unordentlichem Verlauf; die Mark- 
strahlen sind gekrümmt, der Holzring mannigfach verbogen. Im Parenchym 
sind einzelne Zellgruppen mit gefärbten Wandungen und gummosem 
Inhalt kenntlich. Von Beginn der Krankheit an steigert sich der 
Gerbstoffgehalt der Geschwulst, wobei eine deutliche Störung des Ver- 
holzungsprozesses in die Augen springt. 

Hierher gehört auch wahrscheinlich ein Fall, den Vöchtine!) bei 
Kohlrabipflanzen beschreibt. Wenn alle Vegetationspunkte entfernt 
worden waren, schwollen die Blattkissen zu umfangreichen Gebilden 
an. Im normalen Holzkörper der Achse war, wie in den Blattkissen, 
das Cambium zur Entwicklung dünnwandiger Xylemelemente angeregt 
worden. Bei ähnlichen Versuchen mit Helianthus annuus sah Verfasser an 
den Wurzeln kleine Knöllchen entstehen. Ich beobachtete an geknickten 
Wurzeln von Süfskirschen tonnenförmige Verdickungen. 

Auch die Anschwellungen, welche WARBURG ?) "bei dem Astkrebs 
der Kinabäume in feuchten Gründen beschreibt, dürften solche 
Korrelationserscheinungen darstellen. 


Die rückschreitende Metamorphose (Verlaubung). 


Wenn die Organe einer morphologisch höheren Entwicklungsstufe 
in eine niedrigere umgewandelt erscheinen, sprechen wir von einer 
rückschreitenden Metamorphose. Pathologisch ın Betracht kommt nur 
die Umwandlung der Blütenorgane insofern, als der Sexualapparat 
durch Veränderung in vegetative Organkreise- seiner Bestimmung ent- 
zogen und dadurch eine Unfruchtbarkeit eingeleitet wird. 

Dafs wir diese Fälle in die Gruppe der durch Wasser- und Nährstoff- 
überschufs veranlafsten Erscheinungen einreihen, beruht auf folgender 
Anschauung. Die Ausbildung des pflanzlichen Organismus hängt von 
zwei Faktoren ab: der Beschaffung des organischen Baumaterials und 
der Art der Verwendung desselben. Unter der Voraussetzung, dafs 
die erste Arbeitsleistung des Organismus, die Assimilation, also die 
Bildung neuer Trockensubstanz, in normaler Weise sich vollzieht, 
wird die Ausbildung des Pflanzenleibes davon abhängen, nach welcher 
Richtung hin dieses organische Baumaterial Verwendung findet. Dabei 
erkennen wir zwei Richtungen, die wir als die vegetative und sexuelle 
Periode auseinanderhalten. Letztere sehen wır meistenteils sich damit 
einleiten, dafs der Organismus eine vielfach deutlich erkennbare Ruhe- 
periode in der Produktion seiner vegetativen Apparate eintreten läfst. 
Neue Blätter werden zu dieser Zeit in der Regel nicht ausgebildet, 
und das Spitzenwachstum der Zweige ruht. Dafür tritt der Vorgang 
der Speicherung von Reservebaustoffen in den Vordergrund. 

Diesen Speicherungsvorgang sehen wir eingeleitet und begünstigt 
durch ein Nachlassen in der Wasseraufnahme "bei zunehmender Be- 
leuchtung und Erwärmung. Wenn sich Reservestoffe z. B. in der Form 
von Stärke niederschlagen , gehört dazu eine erhöhte Konzentration 
des Zellsaftes. Kann eine solche durch irgendwelche Umstände nicht 
erzielt werden und bleiben die Baustoffe in einer diluierteren Form, 
z. B. als Zucker, so bedarf es nur eines geringen Anstofses, um die 
rn Tätigkeit wiederzuerwecken. Es herrscht somit ein gewisser 


1) en H., Zur experimentellen Anatomie, cit. Bot. Jahresb. 1902. II. S. 300. 
2) WARBURG, Ö., Beitrag zur Kenntnis des Krebses der Kinabäume auf Java, 
cit. Bot. Centralbl. 1888, Bd. XXXVJ, S. 14. 


2. Verhalten der Nährstoffe zu den Pflanzen. 341 


Antagonismus zwischen diesen beiden Entwicklungsphasen, die wir als 
erblich gewordene Anpassungen an die Witterungsverhältnisse auffassen 
können. Nach einer kühleren, wasserreicheren Zeit, in welcher die 
Pflanze vorzugsweise die Mineralsubstanzen des Bodens aufnimmt und 
den Chlorophyllapparat in der Produktion von Blättern zur möglichst 
reichen Ausbildung gelangen läfst, folgt eine wärmere, trockenere, den 
gröfsten Lichtreichtum aufweisende Periode, in welcher die Sexual- 
organe aus dem in den Blättern bereiteten, fertigen, plastischen Bau- 
material angelegt und nach kurzer oder längerer Ruhezeit weiter ent- 
wickelt werden. 


Je mehr die Blätter plastisches Baumaterial erarbeitet haben, desto 
zahlreicher und vollkommener werden die Sexualorgane innerhalb dieser 
Ruheperiode angelegt werden. Wie diese Anlagen sich später aus- 
bilden, hängt von der Art ihrer weiteren Ernährung ab. Machen sich 
Einwirkungen geltend, welche zur Ausbildung vegetativer Organe 
nötigen, dann entwickeln sich Laubblätter, und zwar entweder aus 
neu angelegten Herden oder aus den bereits vorhandenen Anlagen der 
Sexualsphäre. Es tritt „Verlaubung“ ein. 


Durch die Erfahrungen bei unseren gärtnerischen Züchtungen 
wissen wir, dafs reiche Nährstoffzufuhr unter gleichzeitiger Steigerung 
von Wärme und Feuchtigkeit, meist zu Zeiten geringerer Lichtwirkung, 
diejenigen Bedingungen sind, welche den Verlaubungsvorgang einleiten 
und begünstigen. Besonders deutlich tritt dies in die Erscheinung bei 
der Entstehung solcher gefüllten Blumen, deren Staubgefätse zu Blumen- 
blättern umgewandelt werden. 


Da dieser Vorgang, wie alle Anderungen in der Wachstumsrichtung, 
unter gleichbleibenden Bedingungen erblich werden kann und Accumu- 
lationen erfährt, so ist es erklärlich, dafs wir Beispiele finden, in denen 
die Neigung zum Rückgang der Sexualorgane in morphologisch 
niedrigere Ausbildungsformen alle Kreise einer Blüte ergriffen hat und 
damit vollständige Vergrünung eintritt. 


Selbstverständlich sind nur selten die Bodeneinflüsse direkt die 
Ursache einer Verlaubung. Diese wird vielmehr durch bestimmte 
Kombinationen der gesamten Wachstumsfaktoren eingeleitet, wie wir 
bereits erwähnt haben, und tritt auch nicht selten als Korrelations- 
erscheinung infolge Unterdrückung anderer Wachstumsvorgänge auf. 
So entstehen durch Verwundungen der vegetativen Achsen, durch 
pflanzliche und tierische Eingriffe (Milben) Verlaubungen einzelner 
Blüten und Blütenstände. Beispielsweise hat Ü©. Kraus!) Pflanzen 
verschiedenen Alters von Helianthus annuus fortgesetzt entblättert und 
nur die Deckblätter der Blütenkörbchen belassen. Bei älteren Pflanzen 
trat nun frühzeitig ein Zurückkrümmen und Vergröfsern der Deckblätter 
ein. Von den jüngeren Pflanzen zeigten 25/0 eine wirkliche Verlaubung, 
indem die Deckblätter mehr oder weniger die Gestalt von Laub- 
blättern annahmen. 

Die Umwandlung von Knospenschuppen zu krautigen, blattartigen 
Organen nach Zerstörung des Vegetationskegels durch Frost habe ich 
bei meinen Erfrierungsversuchen mehrfach beobachtet. Ahnliche 


1) Kraus, C., Untersuchungen über künstliche Herbeiführung der Verlaubung 
usw. durch abnorme Drucksteigerung. Forsch. auf d. Geb. d. Agrikulturphysik. 


1880, S. 32. 


342 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


Resultate erhielt GOEBEL!) durch Entlaubung und Enteipfelung junger 
Pflanzen von Prunus Padus, Aesculus, Rosa, Syringa und Quercus. 

Die Teratologie hat die Vorkommnisse systematisiert. Der 
einfachste Fall ist die „virescentia“*, die Grünfärbung, bei der ein 
Organ der Blütenkreise im wesentlichen seine Gestalt behält, aber eine 
grüne Färbung annimmt. Mit diesem Auftreten des Chlorophyllfarbstoffs 
wird in der Regel das Organ fleischiger. Bei der eigentlichen Verlaubung 
(Phyllodie, Phyllomorphie) nähert sich das Organ auch seiner 
Gestalt nach dem Laubblatt. Brakteen werden zu normalen Stengel- 
blättern, die Kelchblätter werden durch wirkliche Laubblätter ersetzt. 
Die Blumenblätter werden grün und fleischig, die Stempel werden zu 
Staubgefäfsen (Staminodie) oder Staubgefäfse und Stempel nehmen 
den Charakter von Blumenblättern oder grünen, fleischigen, laubartigen 
Gebilden an, wie z. B. bei der gefüllten Kirsche, den gefüllten Ranunkeln 
usw. Bei der Reseda können durch Phyllodie der Ovula kleine be- 
blätterte Achsen in dem urnenförmig offenen Fruchtknoten gebildet 
werden. Bei den beliebten Knollenbegonien sah ich den Samenträger 
aus dem Fruchtknoten hervorwachsen und die Ovula auf die blumen- 
blattartig umgebildeten Stempeläste übertreten usw. 

Es gibt Fälle, in denen sämtliche Blattkreise einer Blüte zu gleichartig 
grünen Blättchen umgebildet sind, also vollständige Grünblütigkeit 
(Chloranthie) entsteht. Eines der schönsten Beispiele dieser Art 
ist die seinerzeit mit grofsem Enthusiasmus begrüfste grüne Rose (Rosa 
chinensis Jaqu.), deren Umbildungsvorgänge von ÜELAKOWSKY ?) eingehend 
geschildert worden sind. 

Selbst die in neuerer Zeit durch vielseitige Studien mehrfach als 
konstantes Vorkommnis nachgewiesene Parthenogenese möchte ich 
hier anschliefsen. KIRCHNER?) sieht in ihr eine Einrichtung, „welche 
in einer andersartigen Weise, als es die viel weiter verbreitete spontane 
Selbstbestäubung tut, dazu dient, um die Ausbildung von keimfähigen 
Samen in solchen Fällen sicherzustellen, wo aus irgend einem Grunde 
der Eintritt von Befruchtung ungewifs oder schwierig geworden ist“. 
Man kann eben Samenanlagen von somatischem Charakter annehmen, 
bei denen zur Zeit der Entstehung des Embryosackes die Reduktions- 
teilung unterblieb und die Eizelle einen vegetativen Charakter behielt. 

Bei den kryptogamen Gewächsen entspricht die Apogamie dem 
Verlaubungsprozefs der Phanerogamen, indem an Stelle der Geschlechts- 
produkte vegetative Keime auftreten wie bei Athyrrum Filix femina var. 
cristatum, Aspidium falcatum und Pteris cretica. Bei letzterer Pflanze 
sollen überhaupt keine weiblichen Geschlechtsorgane mehr gebildet 
werden, sondern das junge Pflänzchen geht vielmehr durch vegetative 
Sprossung genau aus denjenigen Stellen am Prothallium hervor, wo 
die Archegonien stehen müfsten ®). 

Solche „lebendig gebärende“ (vivipare) Pflanzen liefern reich- 
lich Materiel zur Vermehrung ebenso wie z. B. die Zwiebeln mancher 
Liliaceen, die durch Umwandlung einer Blüte entstehen. 


1) Gorsrr, Beiträge zur Morphologie und Physiologie des Blattes. Bot. Zeit. 
1880, S. 803. 

2) CrLarowskY, Beiträge zur morphologischen Deutung des Staubgefälses. 
Pringsheims Jahrb. 1878, S. 124. 

3) Kırcnner, O., Parthenogenesis bei Blütenpflanzen. Ber. d. Deutsch. Bot. 
Ges. 1904, Bd. XXII. Generalversammlungsheft. Hier auch die betreffende Literatur. 

*) NorL in Srraszsurger’s Lehrbuch der Bot. 1894, S. 243. 


3. Verhalten der Nährstoffe zu den Pflanzen. 343 
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Fig.51. Verschiedene Übergangsstadien der normalen Hopfenkätzchen in verlaubte. 


Die Gelte des Hopfens. 


Ein spezieller, für die Kultur hochbedeutungsvoller Vorgang der 
Verlaubung ist die Gelte, das Blindsein, die Lupel- oder 
Narrenkopfbildung des Hopfens. Die Namen bezeichnen nur ver- 


344 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


schiedene Grade einer Mitsbildung, welche mit einer einfachen, ab- 
normen Verlängerung des Hopfenkätzchens anfängt und sich bis zur 
Bildung flatteriger, dunkelgrüner Fruchtstände entwickelt, aus denen 
verschieden grofse Laubblätter in wechselnder Zahl hervorbrechen. 

Die Hopfenzüchter wissen, dafs in dem Maise, als das Kätzchen 
sich verlängert und die Schuppen sich vergröfsern, auch die Qualität 
des Hopfens sinkt. Die für den technischen Gebrauch vorteilhafteste 
Ausbildung der Kätzchen ist an eine kurze, gedrungene Gestalt des 
ganzen Blütenstandes und an kurze, breite, papierartig dünne Beschaffen- 
heit der Schuppen gebunden, wie sie in vorstehender Fig. 51 Nr. 1 
und 2 dargestellt sind. Nr. 2 ist halb entblättert, um die kurzgeknickte 
Spindel des Kätzchens zu zeigen. In Nr. 3 und Nr. 4 ist die abnorme 
Überverlängerung der Kätzchen dargestellt, die unter der Bezeichnung 
„brausche Hopfen“ bei den Züchtern bekannt ist und als erstes 
Stadium einer beginnenden Verlaubung gelten mufs. Solche brausche 
Hopfen sind grob, weniger gehaltreich, etwas später reifend und in 
den Schtippen krautiger. Von diesem Zustande ausgehend, steigern 
sich die Verlaubungserscheinungen bis zu dem Stadium, das in Nr. 5 
vorgeführt ist. Die grünen, hier sichtbar gewordenen Laubblätter er- 
langen bisweilen die Gröfse eines normalen Blattes; b ist die Blatt- 
fläche, die sich rückwärts in den Blattstiel verfolgen läfst. Am Grunde 
dieses Blattstiels stehen die zwei grünen Nebenblättchen n, », welche 
im vorstehenden Basalteil des Kätzchens sehr klein sind, aber nach oben 
hin an Gröfse zunehmen. Nr. 6 stammt aus einer höheren Region des 
Blütenstandes und zeigt die Nebenblättchen » n von der Gröfse der 
übrigen Schuppen, dagegen den Blattkörper b schon viel kleiner. 
Die anderen Schuppen und Vorblätter sehen wir bei Nr.5v; sie um- 
schliefsen je eine Blume f. 

Die Nebenblätter, welche in der Entwicklung dem übrigen Blatt- 
körper vorauseilen und in dem normalen weiblichen Blütenstande des 
Hopfens allein entwickelt sind, besitzen dieselbe schuppenartige Be- 
schaffenheit wie die Vorblätter, so dafs das ganze Kätzchen aus gleich- 
mäfsig gebildeten Schuppen zusammengesetzt erscheint; alle Schuppen 
sind kurzlebig und werden bald trockenhäutig, wobei sie fest dachziegel- 
artig aufeinander gelagert bleiben. 

Die Gelte besteht also in der Ausbildung der sonst unterdrückten 
Blattfläche zwischen je zwei schuppenförmigen Nebenblättern. Eine 
vielseitige Erfahrung lehrt nun !), dafs die feuchten Jahrgänge in stark 
mit stickstoffhaltigen Substanzen gedüngten Böden es sind, welche das 
Auftreten der Gelte in gröfserer Ausdehnung bedingen. Häufige Sommer- 
regen, welche trübe Tage im Gefolge haben, schädigen manchmal auch, 
ohne die Gelte gerade zu erzeugen. Es strecken sich dann die Zellen 
des Laubkörpers sowohl als der Achse, und selbst, wenn eine günstige 
Erntewitterung eimtritt, reifen die Kätzchen nur oberflächlich ab; sie 
gelangen mit viel mehr Vegetationswasser in die Aufbewahrungsräume 
und bedingen dadurch ein sehr schnelles Erhitzen des ganzen 
Haufens. Infolgedessen tritt selbst bei den gut entwickelten Kätzchen 
ein schneller Verlust des eigentümlichen Glanzes und der lichtgrünen 
Färbung und damit eine wesentliche Entwertung des ganzen Ernte- 
produktes ein. 


!) Beobachtungen über die Kultur der Hopfenpflanze. Herausgegeben vom 
Deutschen Hopfenbauverein, Jahrg. 1879—82. 


2. Verhalten der Nährstoffe zu den Pflanzen. 345 


Als Mittel gegen die Gelte wird die Entfernung oder Lahmlegung 
der Ursachen zu versuchen sein, falls dieselben in Form von Wasser- 
oder Stickstoffüberschufs sich im Boden vorfinden. Ist die Ursache in 
trüber, feuchter Luft zu suchen, dann sind alle diejenigen Mittel anzu- 
wenden, welche eine möglichst starke Durchlüftung und Durchleuchtung 
der Hopfenplantage befördern. Ist Stickstoffüberschufs im Boden, so 
empfiehlt sich eine Nachdüngung mit Superphosphat. 


Gabelwuchs der Reben. 


In emzelnen Lokalitäten läfst sich bemerken, dafs verschiedene 
Rebsorten die Neigung zu übermäfsiger Verästelung annehmen und 
erblich behalten. Die Art der Verästelung erscheint in Form von 
Gabelung der Reben, und solche gabelsüchtigen Stöcke sind meist wenig 
oder gar nicht fruchtbar, wie RaruayY!), der die eingehendsten Be- 
obachtungen darüber veröffentlichte, in Nieder-Österreich vielfach ge- 
funden hat. Die dortigen Winzer, welche diese zweigsüchtigen 
Rebstöcke als „Gabler“ oder „Zwiewipfler“ bezeichnen, geben an, 
dafs die Gabelbildung in sehr verschiedenen Lagen sich einstellen kann. 
Die Stöcke, die meist in gröfserer Anzahl nebeneinander anfangen, 
diese abnorme Wachstumsrichtung zu zeigen, entwickeln zuerst einzelne 
gabelige Verzweigungen und stellen auf diese Weise „unechte Gabler“ 
vor, wie sie in üppigen Weinbergen allenthalben anzutreffen sein 
dürften. Dieses Anfangsstadium der Krankheit ist nicht gefährlich, da 
häufig die Stöcke wieder zur normalen Produktion zurückkehren. Die 
Gefahr tritt erst durch die Ausbreitung der Zweigsucht über den ganzen 
Stock und die damit Hand in Hand gehende Erblichkeit der Erschei- 
nung auf. Die Erblichkeit dokumentiert sich bei Stecklingen und Ab- 
senkern gabelsüchtiger Reben. 

Eine Ursache dieser Erscheinung ist bis jetzt nicht mit Sicherheit 
anzugeben. RärtkHay überzeugte sich, dafs Parasiten nicht vorhanden 
sind; die Meinungen der Praktiker gehen weit auseinander. Einzelne 
glauben, dafs Bodenerschöpfung durch intensiven Weinbau die Ursache 
sei, während andere meinen, dafs ein Anschwemmen von Erde durch 
heftige Regengüsse oder die Bearbeitung des Bodens während und 
kurz nach einem Regen einen verderblichen Einflufs ausüben. 

Meiner Meinung nach ist diese Krankheit eine Vergrünungs- 
erscheinung, also ein krankhaftes Uberhandnehmen der vegetativen 
Wachstumsrichtung. 

Für diese Auffassung sprechen zunächst die Angaben von KASERER?), 
dafs die ersten Anzeichen der Krankheit in der Umwandlung der Deck- 
schuppe an der Ranke zu einem kleinen Blatte, der höchste Grad in 
der Umbildung sämtlicher Ranken zu belaubten Sprossen sich kenn- 
zeichnet. Die Ranken beim Weinstock sind Achsenorgane, deren Aus- 
bildung von der Menge und Beschaffenheit des vorhandenen organischen 
Baumaterials abhängt; bei jüngeren Reben werden sie zum krautartigen 
Triebe, bei älteren bilden sie sich an den unteren Augen zu Blüten- 
ständen aus. Wenn nun alle Ranken zu beblätterten Trieben werden, 
mufs die vegetative Bildungsrichtung krankhaft überwiegen. Das vor- 


!) Eurrıcn Riruay, Über die in Nieder-Österreich als „Gabler“ oder Zwiewipfler 
bekannten Reben. Klosterneuburg 1833. es 

2) Kıserer, H., Über die sogenannte Gablerkrankheit des Weinstocks. Mitteil. 
d. k. k. chemisch-physiol. V ersuchsstation Klosterneuburg 1902, Heft 6. 


346 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


handene Baumaterial wird falsch verwendet. Diejenige Konzentration 
des Zellsaftes, welche für die Anlage der Sexualorgane notwendig ist, 
tritt eben nicht ein. Insofern kann man Krasser!) beipflichten, der 
von einer Erkrankung des Protoplasmas bestimmter Regionen als 
Ursache des „Krauterns“ spricht. 

Wenn Krasser unter Berufung auf die Arbeiten von KoBER und 
von (AUNERSDORFER (1901) betont, es können bei dem „Krautern“, das 
eben nur ein Verlauben einzelner Knospen darstellt, keine Leitungs- 
störungen und kein Nährstoffmangel als Ursache angesehen werden, 
sondern es sei eine ganz lokale Erkrankung der Zellen einzelner 
Knospen vorhanden, so widerstreitet dies gar nicht unseren An- 
schauungen über Verlaubung. Es ist selbstverständlich, dafs jede 
Organanlage unter bestimmten Ernährungsverhältnissen erfolgt. Dafs 
dieselben beständig wechselnde und das Produkt der augenblick- 
lichen Kombination sämtlicher Wachstumsfaktoren sind, haben wir 
schon in den einleitenden Kapiteln zu dieser Auflage besonders hervor- 
gehoben. Wir vermögen aber diese Kombinationen noch zu wenig 
festzustellen. Wir haben eben vorläufig nur einzelne Erfahrungen 
darüber, dafs z. B. Kali- und Stickstoffüberschufs im Verhältnis zur 
Verarbeitung der anderen Nährstoffe die vegetative Tätigkeit einseitig 
auf Kosten der sexuellen Periode steigern. Wasserüberschufs bei ver- 
hältnismäfsig geringer Lichtzufuhr kann in ähnlicher Weise die 
Wachstumsrichtung beeinflussen usw. Wie derartige Gleichgewichts- 
störungen für jede einzelne Organanlage zustande kommen, ob augen- 
blickliche Hemmungen in der Nährstoffaufnahme oder -leitung die Ver- 
anlassung bilden, können wir nicht präzisieren. 

Wir können daher eben nur ganz allgemein aussprechen, dafs die 
Verlaubungen durch ein Übergewicht der die grünen Blätter hervor- 
rufenden Wachstumsrichtung gegenüber dem die Sexualorgane be- 
günstigenden Wachstumsmodus zustande kommen. Die sogenannten 
„Wechsler“ oder unechten Gabler sind Stöcke, welche teilweise noch 
fruchtbar sind. Unter den Umständen, welche die Neigung zur Ver- 
laubung begünstigen können, führt KAsERER eine ungünstige Lage an, 
in welcher Regenwasser aus höher gelegenen Grundstücken sich an- 
sammelt. Gesunde Reben in ein Gablernest gepflanzt, sollen schnell 
zu gabeln beginnen. Superphosphat scheint die Rückkehr zur Frucht- 
barkeit zu vermitteln. 

Als empfehlenswertestes Mittel betrachten wir den Ersatz der kranken 
Stöcke durch gesunde von solchen Sorten, welche reichere Wasser- 
zufuhr und schwerere Böden vertragen. Die sogen. Gablernester wären 
durch Drainage und Sandzufuhr nebst Beigabe von phosphorsaurem Kalk 
zu verbessern. 

Der Blattfall. 


Der Blattfall, diese normale Folge des Alters?), erlangt nur dadurch 
pathologische Bedeutung, dafs er unter Umständen vorzeitig in die 
Erscheinung treten kann. 

Die Ursachen, welche solch vorzeitigen Abwurf der Organe herbei- 
führen können, sind verschiedenartig, und die entgegengesetzten 
Witterungsextreme können eime Veranlassung bilden. Demgemäfs 


1) Krasser, Frivonıy, Über eine eigentümliche Erkrankung der Weinstöcke. 
II. Jahresb. d. Ver. d. Vertreter d. angewandten Botanik. 1905, S. 73. 

2) Dıssrer, H., Versuche und Gedanken zum herbstlichen Laubfall. Ber. nl. 
Deutschen Bot. Ges. Bd. XXIII (1905), S. 463. 


2. Verhalten der Nährstoffe zu den Pflanzen. 347 
könnten die Erscheinungen auch in anderen Abschnitten des Buches 
behandelt werden. Indes ziehen wir vor, der Ablösungsvorgänge in 
ihrer Gesamtheit hier zu gedenken, weil sie mit Gewebeveränderungen 
verbunden sind, bei denen Turgescenzsteigerungen ausschlagebend ein- 
treten, nachdem die Organe aus irgend einer Ursache funktions- 
schwach geworden sind. Betreffs der Ablösung der Blätter z. B. 
unterscheidet WIESNER!) einen Sommerlaubfall, Treiblaubfall, 
Hitzelaubfall und Frostlaubfall. Einen Einblick in die Ver- 
schiedenartigkeit der Ursachen gewährt uns PFEFFER?): „Eine solche 
Beschleunigung des Blattfalls wird z.B. durch unzureichende Beleuch- 
tung, aber auch durch ungenügende Wasserversorgung und durch zu 
hohe Temperatur herbeigeführt. Nicht selten wird aber besonders durch 
den plötzlichen Wechsel der Aufsenbedingungen ein frühzeitiges 
Abwerfen der Blätter hervorgerufen, das aus naheliegenden Gründen 
zuerst die älteren Blätter trifft.“ Als Beispiele für den schädlichen 
Einflufs eines plötzlichen Wechsels in der Transpirationsgröfse führt 
PFEFFER den plötzlichen Blattverlust einer Anzahl von Pflanzen an, 
sobald dieselben aus der feuchten Treibhausluft in ein trockenes Zimmer 
kommen; in gleicher Weise können schroffe Übergänge der Temperatur, 
der Beleuchtung usw. wirken. 

Die anatomischen Vorgänge bei den normalen Abgliederungs- 
prozessen sind von v. Mont?) sehr eingehend studiert worden. 

Bei den Blättern erfolgt eine Abgliederung dadurch, dafs sich an 
der Basis des Blattstiels, in der Regel noch innerhalb des Blattkissens, 
und zwar meist dort, wo der Kork der Rinde in die Epidermis des 
Blattstiels übergeht, im Innern des Blattstielgewebes durch neu auf- 
tretende Zellteilung eine quer durchgehende Parenchymschicht ausbildet, 
deren Zellen in einer Ebene voneinanderweichen. 

v. Mout nennt die Zone, in welcher sich die Trennungsschicht 
bildet, die „rundzellige Schicht“, weil sie aus sehr kurzem, 
parenchymartigem Gewebe besteht, das nach dem Blattkörper hin all- 
mählich in die langgestreckten Zellen des Blattstiels übergeht, nach der 
Rinde des Zweiges hin aber scharf abgegrenzt ist. 

In sehr vielen Fällen ist die grüne, chlorophyll- und stärkereiche 
Rinde des Zweiges von diesem kurzen, meist stärkelosen, chlorophyll- 
armen, an der Basis zur Zeit des Blattfalls sich bräunenden Parenchym 
der rundzelligen Schicht des Blattkissens durch eine aus tafelförmigen 
Zellen gebildete Korklage getrennt. Diese Korkplatte, welche an den 
Seiten in die inneren Korkschichten der Zweigrinde übergeht, ist von 
Schacht*) als die Ursache der Abgliederung der Blätter angesehen 
worden. In der Tat kann man vermuten, dafs, wenn sich eine Kork- 
platte zwischen das Gewebe der Rinde und das des Blattstiels ein- 
schiebt, das Blatt in seiner Nährstoffzufuhr verarmt und allmählich 
zugrunde geht. Dennoch ist die Korkschicht nicht die Veranlassung 
zum Blattfall; denn v. Monu hat gezeigt, dafs sie bei vielen Pflanzen 
mit abfallendem Laube sich gar nicht bildet. So z. B. ist keine Kork 
schicht zu finden bei den Farnkräutern mit abfallenden Wedeln (Poly- 


1) Wissxer, Jur., Ber. d. Deutschen Bot. Ges. Bd. XXII (1904), S. 64, 316, 501. 
Bd. XXIII, S. 49. 

2) Prerrer, Pflanzenphysiologie. II. Aufl., 2. Bd. (1904), S. 278. 

®) v. Mour, Über die anatomischen Veränderungen des Blattgelenkes, welche 
das Abfallen der Blätter herbeiführen. Bot. Zeit. 1860, Nr. 1 u. 2. 

#) Scnacnt, Anatomie und Physiologie, II, 136. 


348 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


podium, Davallia), ferner bei Gingko biloba, Fagus silwatica, einigen 
Quercus-Arten, Ulmus campestris, Morus alba, Frasxinus eaxcelsior, 
Syringa vulgaris, Atropa BDelladonna, Liriodendron tulipifera, usw. Da- 
gegen bildet sich die Korklage aus bei Populus canadensis und dilatata, 
Alnus glutinosa, Juglans nigra, Daphne Mezereum, Sambucus racemosa, 
Viburnum Lantana, Lonicera alpigena, Vitis vinifera, Ampelopsis qwinque- 
folia, Aesculus macrostachya, Pavia rubra und lutea, Acer platanoides, 
Prunus Padus, Robinia Pseudacacia. Die Korkschicht ist also nur als eine 
Schutzschicht des durch den Blattfall blofsgelegten Rindengewebes zu 
betrachten, die sich häufig schon ausbildet, bevor das Blatt abgefallen ist. 

Die eigentliche Trennungsschicht bildet sich über der Korklage in 
dem fast isodiametrischen Parenchym der rundzelligen Schicht und 
zwar auch noch nicht in dem direkt an den Kork grenzenden, braun- 
wandigen, sondern in dem auf diesen folgenden, hellwandigen, gesunden 
Teile. Dort zeigt sich kurz vor dem Blattfall eine quer vor dem Auge 
nach der Aufsenseite des Blattstiels verlaufende Zone jugendlicher, 
zartwandiger Zellen mit weniger lufthaltigen Intercellularräumen und 
kleinen, sonst im Blattstielwulste nicht vorkommenden Stärkekörnern. 
In dieser neugebildeten Gewebezone weichen die Zellen, ohne zu zer- 
reifsen, lediglich durch Abrundung, wie schon Inmann !) beobachtet, aus- 
einander. Ein Teil verbleibt dem abknickenden Blattstiel, ein anderer der 
Blattnarbe, an welcher er bald vertrocknet. Der Blattfall ist demnach ein 
vitaler und kein mechanischer Akt. An den Veränderungen, welche 
das Zellgewebe des Blattstielwulstes erfährt, nehmen die Gefäfsbündel 
vor dem Abfallen des Blattes gar keinen Anteil. Diese laufen, ohne ihre 
Organisation zu ändern, ja ohne sich zunächst braun zu färben , durch 
die rundzellige Schicht und die Korklage hindurch. Der Bruch der- 
selben tritt, nachdem der Rifs durch das parenchymatische Gewebe er- 
folgt ist, auf rein mechanische Weise ein. 

Bei manchen Pflanzen (Nuphar, vielen Monokotyledonen, krautartigen 
Farnkräutern?), bei denen keine Korkbildung an der Blattnarbe vor- 
kommt, gehen die äulseren, vertrockneten Zellschichten der Blattnarbe 
unmittelbar in das esunde Rindenparenchym über und werden durch 
Weiterentwicklung desselben ebenfalls abgestofsen. 

v. BRETFELD®) kommt zu dem Resultate, dafs der Ablösungsvorgang 
der Blattorgane bei den Mono- und Dikotyledonen derselbe ist; nur 
der Schlufs der Ablösungsfläche ist bei verschiedenen Gattungen ein 
verschiedener. Ein wesentlicher Unterschied besteht aber in der Zeit 
der Bildung der Gewebezone, in welcher die Trennungsschicht entsteht. 
Während bei den Dikotylen der Ablösungsprozefs das Produkt einer 
kurz vor dem Abfall eintretenden Lebenstätigkeit ist, zeigt sich dieser 
Vorgang bei den baumartigen Monokotyledonen, Orchideen und Aroideen 
als ein, durch Anlage einer bestimmten Schicht vorbereiteter, mit 
der allgemeinen Gewebedifferenzierung fortschreitender Akt. 

Von den durch Wasserüberschufs veranlafsten Fällen des Blatt- 
abwurts wären die bei Glashauskulturen vorkommenden Entblätterungen 
von kraut- oder strauchartigen Begonien, von Cistus-Arten, sowie von 
manchen neuholländischen Myrtaceen und Leguminosen zu nennen. Der 
Wasserauftrieb wird durch reichliches Begiefsen der Pflanzen zu einer 


1) Bot. Zeit. 1850, S. 198. 
2) v. Mont, Über den Vernarbungsprozefs bei der Pflanze. Bot. Zeit. 1849, S. 645. 


3%) v. Brerrern, Über den Ablösungsprozefs saftiger Pflanzenorgane. Bot. Zeit. 
1860, S. 273. 


9, Verhalten der Nährstoffe zu den Pflanzen. 349 


Zeit minimalster Blatttätigkeit übermäfsig gesteigert. Die Bruchflächen 
der abfallenden Blätter sind bisweilen ganz mehlig durch die gänzlich 
gelockerten Zellen der Trennungsfläche. 


Die Schüttekrankheiten. 


Den bedeutsamsten Fall vorzeitigen Blattabwurfs bilden die Schütte- 
krankheiten. Wir sprechen hier von der Mehrzahl, obwohl man 
vorzugsweise einen plötzlichen Nadelabfall junger Kiefern als „Schütte“ 
zu bezeichnen pflegt. Es können alle Pflanzen „schütten“, welche 
überhaupt ihren sterbenden Blattapparat abzugliedern imstande sind. 
Es handelt sich eben nur darum, ob der Blattkörper in seiner Gesamt- 
heit plötzlich funktionsschwach oder funktionslos wird. Nur weil bei der 
Kiefer der Fall so ungemein häufig und von schweren Folgen begleitet 
erscheint, hat man die Kiefernschütte speziell oft als „Schütte“ 
angeführt. 

Diese Krankheitsform äufsert sich am häufigsten und schwersten 
an zwei- bis vierjährigen Sämlingen, deren Nadeln im Frühjahr plötz- 
lich braungelb oder braunrot werden und nach kurzer Zeit abtallen. 
Die gröfsere Verbreitung dieser Erscheinung datiert erst von einer all- 
gemeiner gewordenen Änderung der früheren Kulturmethode der Samen- 
schläge und des Femelbetriebes, an deren Stelle jetzt die Erziehung 
der Pflanzen in Saatbeeten getreten ist. 

Seit dieser Zeit ist beobachtet worden, dafs in den Monaten März 
bis Mai manchmal binnen wenigen Tagen grofse Flächen von Sämlings- 
pflanzen wie verbrannt aussehen. Dabei aber kann man bemerken, dafs 
junge Pflanzen unter dem Schutze eines nicht sehr geschlossenen 
Nadelwaldes oder gemischten Bestandes oder auf von alten Samen- 
bäumen beschirmten Schlägen nicht schütten, während kahle Flächen 
im Freien oder in geschlossenen Lagen von der Krankheit aufserordent- 
lich heftig heimgesucht werden. Gestutztwurzelige Exemplare leiden 
mehr als solche mit langen, kräftigen Wurzeln, und Pflanzen auf nassem 
Boden am intensivsten. Gebirgslagen sind weniger heimgesucht als 
die Ebene, und die Nordseiten scheinen fast vollständig verschont zu 
bleiben, während Süd- und Westseiten stark leiden. 

Die Krankheit zeigt sich nicht alljährlich, sondern meist nur nach 
nafskalten, schneearmen Wintern mit abwechselnden scharfen Frösten. 
Am stärksten schütten die Pflanzen in trocknen Frühjahren, wo März 
und April durch helle, warme Tage und darauffolgende kalte Nächte 
ausgezeichnet sind. Manchmal tritt die Erscheinung strich- oder flecken- 
weise auf. Es wurde ferner beobachtet, dafs Pflanzen, welche durch 
einen benachbarten Holzbestand u. dgl. vor der Mittagssonne geschützt 
waren, meist nicht erkrankten. Saatbeete, welche bis über die Zeit 
der Frühjahrsfröste hinaus bedeckt blieben, schütteten nicht, während 
nebenan liegende, schutzlose Saaten schütteten. Samenpflanzen, welche 
zwischen älteren Ballenpflanzen oder zwischen Besenpfriemen auf- 
wuchsen, selbst solche, die unter hohem Grase geschützt standen, er- 
krankten nicht, während sie da, wo z. B. die Besenpfriemen im Früh- 
jahr herausgehauen waren, von der Schütte befallen wurden. 

Alle diese Tatsachen erklärt EBERMAYER!) ungezwungen durch die 


1) Esermaver, Die physikalischen Einwirkungen des Waldes auf Luft und 
Boden usw. Resultate der forstl. Versuchsstat. in Bayern. Aschaffenburg 1873. 
Bd. I, S. 251. 


350 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


mehrjährigen Beobachtungen der forstlichen Versuchsstationen, dafs im 
März und April die Bodentemperatur bis zu 1'/k Meter Tiefe kaum 
4° R. beträgt, während die Lufttemperatur im Schatten nicht selten 
um 15—18° R. höher ist. 

Die unmittelbare Folge solcher Temperaturdifferenzen zwischen 
Luft und Boden ist die, dafs die oberirdischen Pflanzenteile stark ver- 
dunsten, während die Wurzeln, durch die Bodenkälte noch in Untätig- 
keit zurückgehalten, nicht imstande sind, das Bodenwasser aufzunehmen 
oder doch nicht im gehörigen Mafse aufzunehmen, um den oberirdischen 
Wasserverlust zu ersetzen. Somit vertrocknen die jungen Kiefern selbst 
bei reichlicher Bodenfeuchtigkeit. 

Je gröfser nun der Unterschied zwischen Boden- und Lufttemperatur 
im direkten Sonnenlichte, desto häufiger und verheerender die Schütte. 
Je mehr dagegen Umstände eintreten, welche die Bodentemperatur er- 
höhen, wie warme Frühjahrsregen, oder die stärkere Abkühlung vor- 
her verhindern, wie lange liegenbleibende Schneemassen oder Streu- 
deckung, desto weniger wird die Krankheit auftreten. Dasselbe wird 
stattfinden, wenn die Lufttemperatur und die Intensität des Sonnen- 
lichtes vermindert werden, wie z. B. durch häufig bedeckten Himmel, 
Lage an Nordabhängen, unter dem Schutze von Oberholz, hohen Gräsern 
oder Sträuchern oder bei künstlicher Beschirmung der Saatbeete während 
des Tages. 

Dais ältere Pflanzen von der Schütte seltener leiden, erklärt sich 
einmal aus dem stärker entwickelten Holzkörper, der für alle Pflanzen 
als Wasserreservoir anzusehen ist, zweitens aus dem reichlicher ent- 
wickelten, tiefer gehenden Wurzelkörper, welcher in der grölseren An- 
zahl Faserwurzeln mehr Aufnahmeorgane besitzt. 

Gegen diese Ansicht hat sich Hotzner!) mit dem Einwurf gewendet, 
dafs die Verfärbung bei der Schütte binnen 2—3 Tagen eintritt, während 
bei einem eigentlichen Vertrocknungsprozefs die Kiefernadeln nur all- 
mählich sich röten. Er hält eine direkte Frostwirkung für die Ursache. 
Dafs Frost auch eine Veranlassung zur Schütte abgeben kann, ist fest- 
stehend. BaupiscH?) hatte Sämlinge durch Auflegen von Reisig auf lm 
von der Bodenoberfläche entfernte Rahmen geschützt. Die bis dahin 
gesund gebliebenen Pflanzen litten nach Entfernung des Schutzes durch 
die Aprilfröste. 

Manche Autoren schreiben auch schon den Herbstfrösten einen 
schädigenden Einflufs zu®). Die zurzeit verbreitetste Theorie ist, die 
Krankheit als eine parasitäre anzusprechen und demgemäfs mit fungiciden 
Mitteln zu behandeln. Dafs es auch parasitäre Schütten gibt, ist nach 
den Versuchen von v. TuBEuF*) nicht anzuzweifeln (s. Bd. I, S. 268). 
Nur ist dabei die Tatsache zu berücksichtigen, dafs die Schüttepilze auf 
Kiefernarten, Tannen, Fichten und Lärchen, an älteren Bäumen häufig 
vorhanden sind, ohne die spezifischen Erscheinungen der Schütte hervor- 
zurufen; es müssen also bei der so gefürchteten Jugenderkrankung 


!) Horzser, GEorG, Die Beobachtungen über die Schütte der Kiefer oder Föhre 
und die Winterfärbung immergrüner Gewächse. Freising 1877. Hier Literatur- 
notizen von 145 Arbeiten über die Schütte. 

2) Centralbl. f. d. ges. Forstwesen VII, 1881, S. 362. 

3) Arzrs in Centralbl. f. d. ges. Forstw. 1878, S. 132. NörprLinger ebenda S. 389. 
Dauuss u. a., Jahrbuch d. schles. Forstvereins 1878, S. 40 ff. 

4) v. Tuseur, Studien über die Schüttekrankheit der Kiefer. Arb. d. Biolog. 
Abt. am Kais. Gesundheitsamt. II. Heft. 1901. 


2. Verhalten der Nährstoffe zu den Pflanzen. 351 


noch speziell begünstigende Umstände hinzutreten, ohne welche die 
Epidemie nicht zustande kommt. 

Die sämtlichen als Ursache der Schütte angeführten Faktoren 
stimmen darin überein, dafs die Nadeln darum fallen, weil sie funktions- 
schwach geworden oder infolge der winterlichen Ruhe normalerweise 
es noch sind. Nun beruht aber der Abgliederungsprozefls auf Aus- 
bildung der Trennungsschicht, die sine aktive Lebensäufserung und 
Turgorsteigerung voraussetzt. Somit ergibt sich ein Antagonısmus: 
Das Blattorgan ist zurzeit aufserstande, als normales Anziehungs- und 
Verbrauchszentrum zu funktionieren. Nur der Basalteil, die Region 
der späteren Trennungsschicht, ist vermöge seines anatomischen Baues 
erregbar und wird zur Ausbildung dieser Schicht vorzeitig angeregt, weil 
die Turgorsteigerung, die durch zeitige Besonnung im Frühjhar neu 
eintritt oder von früher noch erhalten ist, keinen Ausgleich findet, in- 
dem eben der untätige Laminarteil des Blattes ihm das Wasser nicht 
abnimmt. Diese Gleichgewichtsstörung in der Turgor- 
verteilung ist die Ursache alles vorzeitigen Blattabwurfs. 

Im speziellen Fall der Kiefernschütte glaube ich, dafs die von 
EBERMAYER geschilderten Gegensätze und zwar gerade die schroffen 
Gegensätze die häufigste Veranlassung für die Schütte darstellen. 
Nur in der Erklärung weiche ich insofern von ihm ab, als ich statt 
übermäfsig gesteigerter Nadelverdunstung eben noch die winterliche 
Untätigkeit, die sich auch in der Beschaffenheit des Chlorophyllkörpers 
zeigen wird, annehme. Nur die Nadelbasis wird erregt und bildet die 
Trennungsschicht aus, die, wie wir bei den Blumenblättern erwähnen 
werden, unter Umständen in äufserst kurzer Zeit entstehen kann. Ich 
meine, die Nadel verdurstet nicht, sondern wird eben durch die 
Trennungsschicht aus dem Betriebe ausgeschaltet. Dafs nicht 
ein Vertrocknen der Nadeln infolge übermäfsig gesteigerter Verdunstung 
die Veranlassung zu Verfärbung und Nadelfall darstellt, möchte ich 
aus der absolut geringen Wasserabgabe der Kiefer im Winter ent- 
nehmen. Ein Wasserkulturversuch mit einjährigen Sämlingen zeigte 
mir, dafs eine Kiefer am 17. November ihre Verdunstung einstellte, 
trotzdem noch Tage mit +3, 4,7, 9° ©. folgten; sie verdunstete bis 
zum 22. Dezember nicht ein einziges Gramm Wasser mehr, obgleich 
die Wurzel in Wasser stand!). Es ist also kaum anzunehmen, dafs 
die Frühjahrstemperatur in einigen Tagen einen grofsen Wasserverlust 
anregen sollte, zumal die Kiefer eine der am geringsten verdunstenden 
Baumarten ist?). 

Da zwar nicht ein Vertrocknen der Nadel, sondern der mangelnde 
Ausgleich der Wasserzufuhr infolge des schroffen Gegensatzes zwischen 
der assimilationsschwachen Nadelfläche und ihrer bereits tätıgen Basis 
mir als Ursache der Schütte erscheint, so möchte ich in der Ver- 
meidung solcher schroffen Gegensätze die besten Vorbeugungsmittel 
sehen. Ich schliefse mich deshalb den Vorschlägen von EBERMAYER an, 
welcher empfiehlt: 

A. Erhöhung der Bodentemperatur: 1. durch Verhütung einer zu 
starken Erkältung während des Winters. mit Hilfe von Laub-, Reisig- 
oder Moosdecken; 2. bei nassem Boden durch Entwässerung; 3. bei 


1) Soraver, Studien über Verdunstung. Forschungen auf d. Gebiete der Agri- 
De Bd. III, Heft 4/5, S. 10. 
2) Hönner, v., a. a.O. Bd. II, S.411l. 


392 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


festen Bodenarten durch Lockerung und Beimischung humusreicher 
Erde, wodurch die Luftwärme leichter eindringen kann. 

B. Verminderung der scharfen Kontraste durch Beschattung: 1. durch 
Besteckung der Saatbeete mit Nadelholzzweigen, die auch an warmen 
Tagen nicht zu entfernen sind; 2. durch Anlage der Saatbeete an 
Stellen, welche auf der Mittagsseite Schutz durch Holzbestand haben. 

„Bei den Kiefern-Verjüngungen im grofsen wird das radikalste 
Mittel darin bestehen, von der ausgedehnten Kahlhiebwirtschaft wieder 
mehr zur Schlagwirtschaft zurückzukehren, damit die jungen Pflanzen 
durch Oberholz (mäfsige Uberschirmung) den nötigen Schutz gegen 
das direkte Sonnenlicht erhalten, aber doch so viel Licht empfangen 
können, als zu ihrer kräftigen Entwicklung nötig ist. Derselbe Zweck 
wird erreicht durch die von NO. nach SW. vorrückenden, schmalen 
Absäumungen, welche gegenwärtig bei den Verjüngungen der Kiefern- 
bestände vielfach in Anwendung kommen. — Bei der Kultivierung aus- 
gedehnter Blöfsen kann die Beschattung auch erzielt werden durch 
den Vorbau solcher Pflanzen, für deren Gedeihen der betreffende Stand- 
ort günstig ist, z. B. von Birken usw. oder durch vorausgehende Fichten- 
pflanzung.* 

„In solchen Fällen, wo ein Vorbau aus lokalen Gründen nicht an- 
geht, ist die Pflanzung der Saat vorzuziehen (einjährige Pflanzen mit 
gutem Wurzelsystem scheinen sich dazu am besten zu eignen), immer- 
hin werden aber die beiden ersteren Kulturmethoden weit sicherer zum 
Ziele führen.“ 

Schliefslich wird noch zu betonen sein, dafs alle Aufmerksamkeit 
auf Erreichung eines guten Wurzelkörpers zu richten ist; demnach sind 
zu dichte Saaten, schwerer, ungelockerter Boden, bedeutende Ver- 
letzungen bei dem Verpflanzen u. dergl. zu vermeiden. 

Eine Schütte bei älteren Bäumen kommt auch vor. Bei Pflanzen, 
die auf moorigem Boden in Nebellöchern stehen oder in extremen 
Frostlagen sich befinden, fallen vorzeitig die älteren Nadelbüschel. Aber 
diese hängen dann schon vergilbend oder vertrocknend im Herbst an 
den Bäumen und unterscheiden sich dadurch von den spezifisch schütte- 
kranken Sämlingspflanzen. Auf strengen Böden stirbt überhaupt die 
Kiefer leicht ab'). 


Der Blattfall bei Zimmerpflanzen. 


Zu den Schmerzenskindern bei der Zimmerkultur gehören die 
Azaleen, weil sie in der Regel plötzlich im Sommer oder Herbst das 
Laub fallen lassen; die besenartig aussehenden Bäumchen bringen 
höchstens einige kümmerliche Blumen. Auch hier handelt es sich um 
plötzlich auftretende schroffe Gegensätze. Entweder werden im Sommer 
einmal die (meist in Heideerde stehenden) Pflanzen trocken im Ballen, 
und es erfolgt dann eine sehr reichliche Bewässerung, oder die Pflanzen 
werden im Herbst zu plötzlich in das warme Zimmer gebracht. In 
beiden Fällen sind die Blätter funktionsschwach und erhalten nun 
durch den erhöhten Wasserauftrieb einen Anstofs zu gesteigerter Funktion. 
Würde der Übergang allmählich erfolgen können, so dafs die untätigen 
Blattflächen Zeit hätten, durch allgemeine langsame Turgescenzsteigerung 
ihren normalen Betrieb wieder aufzunehmen, würden dieselben Ver- 


!) Ruxseraun, A., Das Absterben und die Bewirtschaftung der Kiefer im 
Stangenholzalter usw. Zeitschr. f. Forst- u. Jagdwesen 1892, S. 43. 


2. Verhalten der Nährstoffe zu den Pflanzen. 353 


hältnisse schadlos vorübergehen; aber bei der Plötzlichkeit des Wasser- 
auftriebs wird nur die Basalregion erregt und zur Ausbildung der 
Trennungsschicht veranlafst. 

Bei den Blattbesonien, bei dem Gummibaum, bei Kamellien und 
vielen anderen Gewächsen stellt sich im Herbst und Winter ein Ab- 
lösen der Blätter ein. Hier ist der Blattapparat in der natürlich ein- 
getretenen Vegetationsruhe. Reiches Begiefsen im warmen Zimmer 
veranlafst ein Zuströmen von Wasser, das die Blätter nicht zu ver- 
arbeiten vermögen. 

Hier in Kürze noch einige eigene Erfahrungen. Begonia fuchsioides, 
die den Winter über im sehr warmen Zimmer getrieben hatte, kam 
Ende März in eine ungeheizte, aber sonnigere Stube und warf binnen 
wenigen Tagen sämtliche Blätter mit Ausnahme der jüngsten ab. 
Libonia floribunda, die bisher sehr kalt gestanden, kam plötzlich zum 
Treiben schon im Dezember ins Warmhaus, und die Exemplare warfen 
alle älteren Blätter, während bei den im Kalthause verbliebenen Pflanzen 
keine Entblätterung eintrat. Von einer gefüllten, weilsen Fuchsie waren 
einzelne Exemplare im Herbst ins Zimmer genommen worden, um früh- 
zeitig Triebe tür Stecklinge zu erzielen; andere Exemplare derselben 
Varietät verblieben im Keller und trieben bis Anfang März. Zu dieser 
Zeit wurden die Spitzen sämtlicher Pflanzen als Stecklinge in einen 
Kasten mit 25° Bodenwärme gebracht. Nach wenigen Tagen waren 
die aus dem Keller stammenden Stecklinge bis auf die Spitze entlaubt, 
während die anderen noch nicht einmal das Blatt an der Schnittfläche 
abgestofsen hatten. Die Spitzen eines wenige Tage später von einer 
Kellerpflanze abgebrochenen Astes wurden ohne besondere Rücksicht 
im Keller in Sand gesteckt und zeigten sich im Mai bewurzelt, während 
die von den Kellerpflanzen kommenden Zweigspitzen im warmen Kasten 
zugrunde gegangen waren. 

Für die Zimmerkultur darf als Grundgesetz empfohlen werden, dafs 
man die Pflanzen nur allmählich an andere Vegetationsbedingungen 
gewöhnen soll und die Zeit der Vegetationsruhe, in die jede Pflanze 
eintritt, nicht durch Steigerung von Wärme- und Wasserzufuhr unter- 
brechen darf. 


Der Ablösungsprozels der Blütenorgane 


erfolgt in derselben Weise wie der der Laubblätter‘). Die zusammen- 
gesetzte Achse des Blütenstandes bei Aesculus und Pavia zergliedert 
sich bekanntlich in ihre einzelnen Teile, die mit glatter Bruchfläche 
auseinanderweichen; ebenso löst sich oft, wenn viele Früchte an- 
gesetzt werden, eine Menge halberwachsener Früchte in einem Gelenke 
ab, welches sich ım Fruchtstielchen befindet. Die männlichen Blumen 
der Oucurbitaceen lösen sich in einer Trennungsschicht ab, welche sich 
an der Grenze zwischen Blütenstiel und Blüte bildet und die von Ricinus 
communis in einer Trennungslinie, welche in einem, im unteren Teile 
des Blütenstieles liegenden Gelenke entsteht. Die unbefruchtet ge- 
bliebenen, hermaphroditen Blumen von Hemerocallis fulva und flava 
lösen sich in einer Trennungsschicht, die unter der Basis der Blüte 
durch den oberen Teil des Blütenstiels verläuft. Die Zellen der 
Trennungsfläche runden sich ab und weichen auseinander. 


1) v. Monr, H., Über den Ablösungsprozefs saftiger Pflanzenorgane. Bot. Zeit. 
1860, S. 273. 


Sorauer, Handbuch. 3. Aufl. Erster Band. 23 


354 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


Auf gleiche Weise zeigt sich eine deutlich ausgebildete Trennungs- 
schicht zurzeit des Abfallens bei den Kelchblättern von Papaver somni- 
ferum, Liriodendron tulipifera, bei dem abfallenden Teile des Kelches 
von Mirabilis Jalapa, Datura Stramonium, bei den Blumenblättern von 
Rosa canina, Papaver, der einblättrigen Blumenkrone von Lonicera 
Caprifolium, Rhododendron ponticum, Datura Stramonium, bei den Staub- 
fäden von Lilum bulbiferum und Martagon, Dictamnus Fraxinella, 
Liriodendron, bei dem Griffel von Lonicera Caprifolium, Mirabilis Jalapa 
und Zilium Martagon. 

In den meisten Fällen enthalten hier die Zellen der Trennungs- 
schicht keine oder wenigstens nicht mehr Stärke als die Umgebung, 
während bei den Laubblättern und bei den derben Kelch- und Blumen- 
blättern von Ziriodendron reichlich Stärke vorhanden ist. Dieses Fehlen 
der Reservenahrung erklärt sich durch die schnelle Bildung der 
Trennungsschicht bei den Blüten, für die das augenblicklich bewegliche 
Nährstoffmaterial ausreicht. Bei den Kelchblättern von Papaver somni- 
ferum entsteht die Trennungsschicht in einer einzigen Nacht, bei den 
Blumenblättern nicht gefüllter Rosen in den Nachmittagsstunden. Während 
bei den Laubblättern in der Trennungsschicht noch eine Zellvermehrung 
einzutreten scheint, findet diese bei den Blumenblättern wohl kaum 
statt, sondern es bestehen die hier sichtbaren Vorgänge nur im Auf- 
treten einer reichlicheren Menge von Protoplasma, in Lockerung und 
gegenseitiger Trennung unter Abrundung und bisweilen schlauchartiger 
Vergröfserung der Zellen, wodurch die Trennungsfläche das sammet- 
artige Ansehen erhält. Je besser die Organe ernährt werden, desto 
später tritt die Trennungsschicht auf. 


Das Abröhren der Weinblüten. 


Unter „Abröhren“ oder „Durchfallen“ verstehen die Wein- 
bauer ein Abfallen der Blüten bald nach der Blütezeit. In einzelnen 
Gegenden ist die Erscheinung eine jährlich wiederkehrende, während 
sie in anderen Lokalitäten sich nur in einzelnen ‚Jahren zeigt, wie z.B. 
in solchen, in denen die Traubenblüte durch nafskalte Witterung gestört 
wird. Nach den Untersuchungen von MÜLLER-THAURGAU !) zeigten sich bei 
niedriger Temperatur zur Blütezeit schon vor dem Abheben der Blüten- 
hülle die Zellen der Narbe in beginnender Bräunung, was auf ein Ab- 
sterben oder wenigstens eine starke Behinderung des Befruchtungs- 
vorganges hindeutete. Tatsächlich wuchsen die Pollenkörner auf solchen 
Narben gar nicht oder nur mangelhaft zu Pollenschläuchen aus. Das 
Abwerfen der Blumenblattkappe ging sehr langsam vor sich oder unter- 
blieb gänzlich. Die Fruchtknoten solcher Blüten blieben zwar noch 
einige Zeit, manchmal sogar lange stehen, aber vergröfserten sich kaum. 
Da nun aber nach Mürrer’s Erfahrungen das Ringeln der Reben 
gröfstenteils hilft, so ist wohl meist nicht die niedrige Temperatur der 
direkte Grund, dafs sich der Befruchtungsakt und die Ausbildung des 
Samens gar nicht vollziehen können. Das trübe, kühle Wetter während 
der Blüte ist besonders günstig für das Wachstum der beblätterten 
Triebe, welche daher das für die Ausbildung des Blütenstandes vorrätige 
Material für sich beanspruchen werden, so dafs ein Nährstoffmangel für 
die Blumen eintritt. Ein solches Verhungern der Blütentraube 


!) Mürver-Tuursar, Über das Abfallen der Rebenblüten und die Entstehung 
kernloser Traubenbeeren, Der Weinbau, 1883, Nr. 22. 


2. Verhalten der Nährstoffe zu den Pflanzen. 355 


und demzufolge ein mehr oder weniger starkes Abröhren der Blüten wird 
auch bei günstiger Blütenwitterung eintreten, wenn reiche Stickstoff- 
nahrung im Boden ist oder wenn überhaupt ein jungfräulicher Boden 
mit reichem Nährstoffvorrat und Wassergehalt zur Weinkultur verwendet 
wird, wobei die üppige Entwicklung vegetativer Organe die Weiter- 
bildung des Sexualapparates einschränkt. 

Tätsächlich liefert MÜLLER Beispiele für diese Fälle und teilt gleich- 
zeitig Erfahrungen mit, dafs bald das Auslassen der Düngung, bald ein 
langer Schnitt der Reben dem Übel abgeholfen haben. 

Denselben Ursachen schreibt MÜLLER auch das Auftreten kern- 
loser Beeren an der Traube zu, welches in der Regel mit einem 
teilweisen Abröhren Hand in Hand geht. Die kernlosen Beeren sind 
gröfser als die unbefruchtet gebliebenen, die bisweilen auch bis in den 
Herbst hinein an der Traube verbleiben; erstere sind aber nicht so grofs, 
wie die kernhaltigen, normalen Beeren, obwohl sie wie diese sich 
färben und süfs werden. Ja, es stellte sich heraus, dafs sie früher 
reiften und süfser wurden wie die Beeren mit ausgebildeten Samen- 
kernen. 

Da die Samenanlage in den kernlosen Beeren nicht viel gröfser 
erscheint, als sie zur Zeit der Blüte bereits gewesen, so mufs man an- 
nehmen, dafs in der Blütezeit schon eine Störung stattgefunden hat. 
Es ist wahrscheinlich, dafs in solchen Fällen die Befruchtung wohl 
vor sich gegangen ist, dafs aber entweder augenblicklicher Mangel an 
passendem Ernährungsmaterial oder eine andere Störung die weitere 
Entwicklung der Eizelle verhindert hat. Der Reiz, den die Befruchtung 
auf die Fruchtknotenwand ausübt, ist vorhanden, und demgemäfs ent- 
wickelt sich auch die Beere; da dieselbe nun nichts von dem ihr zu- 
strömenden Nahrungsmaterial zur Ausbildung der Kerne zu verwenden 
braucht, so schreitet sie den kernhaltigen Beeren anfangs in der Ent- 
wicklung voraus. Dafs der Same als Stoffanziehungszentrum bei seiner 
Ausbildung funktioniert, beweisen die Wägungen kernloser und kern- 
haltiger Beeren. Mürter-Taursav fand!) das Gewicht des Fruchtfleisches 
von 100 Beeren bei Riesling: 


kernlos einkernig zweikernig normal vierkernig 
25,08 58.28 iTn2e 112 g 


Als Beispiele für die Unterschiede in der stofflichen Entwicklung mag 
hier ein Untersuchungsergebnis von Müırr bei Riesling angeführt werden. 
Es hatten am 25. September 1000 Beeren: 


kernlose ein Gewicht von 208,9 g, und Zucker 10,63 °/o, Säure 18,2 %/oo 
kernhaltige Nr 7, , Adam 


” ” 


am 12. Oktober: 


kernlose ein Gewicht von 231,0 g, und Zucker 14,7 °/o, Säure 11,0 %/oo 
kernhaltige „ 5 AL SUBRT, R 1230: 0. 207 2lag 


Betreffs des Einflusses des Ringelns lehrte ein Versuch, dafs die 
nicht geringelten Reben nur unbefruchtete Beeren besafsen, welche 


!) Mürrer-Tuurecav, Einflufs der Kerne auf die Ausbildung des Fruchtfleisches 
bei Traubenbeeren und Kernobst. II. Jahresbericht d. Versuchsstat. Wädensweil. 
Zürich 1893. S. 52. 

233 


356 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


bald abfielen, während diejenigen Tragreben, welche kurz vor der 
Blüte geringelt waren, verhältnismäfsig lange Trauben mit einer über- 
mäfsig groisen Zahl kernloser Früchte lieferten, zwischen denen nur 
vereinzelt normale Beeren sich befanden. 

Diese Bildung kernloser Beeren ist für unsere Verhältnisse eine 
orofse Schädigung, da die vorzeitig reifen Beeren bis zur allgemeinen 
Weinlese schrumpfen und abfallen oder faulen, also keine Verwendung 
finden. Wenn dagegen diese Ausartung allgemein wird, läfst sich die- 
selbe als ein Vorteil bezeichnen. Wahrscheinlich sind unsere Korinthen 
und Sultanrosinen, bei denen auch Beeren mit Kernen vereinzelt vor- 
kommen, die Produkte solcher Stöcke, an welchen die Kernlosigkeit der 
Beeren zur Regel geworden ist. Setzholz von Korinthen soll in anderen 
Gegenden kernhaltige Beeren liefern. 

Einen sehr beachtenswerten Rat erteilt EGER!), der vielfach Studien 
über die Individualität bei den einzelnen Weinsorten gemacht hat. Er 
fand, dafs einzelne Stöcke derselben Sorte die Trauben stets früher 
zur Reife bringen und manche unter sonst gleichen Bedingungen eine 
geringere Neigung zum Durchfallen der Blüten zeigen, was namentlich 
bei Riesling sehr in Betracht kommt. Demgemäls mufs man in jeder 
Schule und jedem Weinberg die einzelnen alljährlich durch günstige 
Entwicklung hervorragend bleibenden Individuen bezeichnen und nur 
von diesen das Setzholz zur Vermehrung wählen. 

Andere Vorgänge zeigen sich bei unseren Steinobstgehölzen während 
der Treiberei. Wenn das Holz zu viel ausgedünnt wird, d. h. zu 
viel Laubzweige weggeschnitten werden, um den Blüten und jungen 
Früchten Licht zu schaffen, dann können Knospen, Blüten und Junge 
Früchte abgestofsen werden. Durch die plötzliche Verminderung der 
verdunstenden Blattfläche stellt sich ein erhöhter Wurzeldruck für die 
anderen Organe ein, die die vergrölserte Wassermenge nicht aufnehmen 
können. Es lockert sich infolgedessen die Trennungsschicht. Das Abwerfen 
wird natürlich auch durch andere Ursachen eingeleitet werden können). 


Das Abstofsen junger Blütentrauben bei den Hyaecinthen. 


Bei Hyacinthenzwiebeln haben mir mehrfache Einsendungen aus 
verschiedenen Gärtnereien gezeigt, dafs der Fall einer Ablösung der 
ganzen noch unentwickelten Blütentraube nicht selten ist. Aus voll- 
kommen gesunden Zwiebeln mit bereits weit entwickeltem, ja häufig 
übermäfsig gestrecktem Laubkörper läfst sich die noch ziemlich kurze 
ungefärbte, ebenfalls ganz gesunde Blütentraube herausheben. Bei 
der sehr üppigen, aus Holland stammenden Sorte Baron van Thuyll 
fand ich die sonst normal entwickelten Blätter stellenweise gelblich und 
an diesen Stellen schwach geschwollen, ja hier und da sogar geplatzt. 
Die Blütentraube war stark, vollkommen gesund, etwa 8 cm lang, mit 
einem ebenso langen, ganz gesundem Schaft versehen und fast noch 
vollkommen farblos. 

Der Schaft hatte sich vom Zwiebelboden losgelöst; die Zellen des- 
selben erwiesen sich mehr oder weniger schlauchförmig aufgetrieben, 
und diese Auftreibung liefs sich von’ der Bruchstelle aus in wechselnde 


1) Eser, E., Untersuchungen über die Methoden der Schädlingsbekämpfung 
und über neue Vorschläge zu Kulturmafsregeln für den Weinbau. Berlin. P. Parey. 
1905, 8. 63. 

?2) The Dropping of the Buds of Peaches. Gard. Chron. XIII, 1893, S. 574. 


2. Verhalten der Nährstoffe zu den Pflanzen. 357 


Tiefe hinein verfolgen. Auch die procambialen Zellen der Gefäfsstränge 
waren blasig erweitert. 

Die Gefäfse an den Bruchflächen waren einfach abgebrochen und 
besafsen zunächst ebenso wie die übrige Bruchfläche vollkommen un- 
gefärbte Wandungen. 

Der Beginn der Lösung zeigt sich darin, dafs einzelne Zellen im 
Basalgewebe des Blütenschaftes meist in geringer Entfernung vom 
Zwiebelboden anfangen, sich abzurunden und vorzuwölben. Gleich- 
zeitig mit der beginnenden Wölbung ist eine Quellung der Membranen 
dieser Zellen an der Seite erkennbar, an der die Wölbung sich ein- 
stellt; es ist eine streifige Mittellamelle der Membranen, welche in 
Quellung gerät. Auch erfolgt die Quellung nicht in der ganzen 
Membranschicht gleichmätfsig, sondern an einzelnen Stellen in höherem 
Grade als an anderen, wodurch der gequollene Membranstreifen einen 
knotigen, stellenweise Einschnürungen zeigenden Verlauf erhält. 

Bemerkenswert erscheint noch an den der Bruchfläche naheliegenden 
Zellen eine häufig auftretende, perlig unregelmäfsige Beschaffenheit 
der Aufsenfläche der Zellmembranen. Die halbkugeligen bis zitzenförmig- 
kugeligen Auftreibungen entsprechen denjenigen bei der Wollstreifigkeit 
der Apfel und zeigen mit Chlorzinkjod eine rein goldgelbe Färbung, 
während die übrige Membran intensiv blau wird. Diese Störung stellt 
sich ein, wenn bei Beginn der Hyacinthentreiberei die Zwiebeln zu 
früh hohe Wärme und starke Bewässerung erhalten. Die noch nicht 
in Streckung begriffene Blütentraube kann das durch gesteigerten 
Wurzeldruck zugeführte Wasser nicht verarbeiten und aufnehmen. 
Damit kommt ein Wasserüberschufs an der Basis des Blütenschaftes 
zustande, dessen Zellen sich strecken und aus ihrem Verbande lösen. 

Langsames Antreiben der Hyacinthen dürfte dem UÜbelstande 
vorbeugen. 


Zweigabsprünge. 


Als „Absprünge* werden diejenigen kleinen Zweige bezeichnet, 
welche sich durch einen organischen Prozefs meist samt ihrer aus- 
gebildeten Belaubung von der Mutterachse abgliedern. Die Ab- 
gliederung erfolgt vorzugsweise im Herbst; doch liegen auch Be- 
obachtungen von einem Abwerfen von Zweigen im Sommer (Juli) vor, 
und wir haben gerade ebenso wie bei der Schütte verschiedene Ur- 
sachen für dasselbe Phänomen zu berücksichtigen. Nicht alle Gehölze 
zeigen diese Eigentümlichkeit, und diejenigen, bei denen sie auftritt, 
werfen nicht alle Jahre!) und nicht in allen Exemplaren. ‚Junge, 
kräftige Bäume zeigen manchmal keine Absprünge, während ältere 
oder auf magerem Boden stehende Exemplare im Herbst den Boden 
unter sich mit ihren Zweigen bedecken. 

Das bekannteste Beispiel liefern die Pappeln?), deren oft meter- 
langen Zweige mit ihren gelenkkopfartigen, angeschwollenen, halb- 
kugelig-hervorgewölbten, glatten, bei feuchter Witterung sammetartig 
schillernden Bruchflächen am deutlichsten auch zeigen, dafs der Zweig 
nicht durch gewaltsames Zerreilsen seiner Elemente, sondern ‚durch 
eine von organischen Vorgängen im Innern vorbereitete Lösung gewisser 
(Gewebezonen sich ablöst. 


1) BorkuAusen, Forstbotanik I, S. 294. { 
2) K. Mürrer, Hal., Der Pflanzenstaat, S. 532, gibt eine Abbildung davon. 


358 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


Neben den Pappeln werden vorzugsweise die Absprünge der 
Eichen!) erwähnt; bei den Fichten kommen aufser den häufig zu 
findenden, von den Eichhörnchen abgebissenen Zweigen?) (Abbisse) 
wirkliche Absprünge wahrscheinlich nicht vor. 

Beobachtet ist ferner noch eine Ablösung der Zweige (Phyllocladien) 
bei Xylophylla und Phyllocladus®), bei allen Dammara-Arten, vorzüglich 
schön nach A. Braun bei Dammara australis, bei mehreren Podocarpus- 
Arten, bei Guajaceen, Piperaceen, vielen strauchartigen Acanthaceen, bei 
Laurus Camphora, COrassula arborescens, Portulacaria afra, Taxodium dis- 
tichum*), bei Tilia?), bei Ulmus pendula, Evonymus, Prunus Padus, Erica, 
Salix usw.*). 

Diesen Absprüngen verdanken die Bäume teilweise ihren charakte- 
ristischen Habitus. Aber der Ablösungsvorgang wechselt nach Stand- 
ort, Witterung und anderen Einwirkungen. So hebt Rösz beispielsweise 
hervor, dafs bei anhaltender Dürre die Absprünge häufiger sind, dafs 
in der Mehrzahl der Fälle Seitentriebe abgeworfen werden, bei manchen 
Pflanzen aber auch der Gipfeltrieb. Letzterer Fall wird am häufigsten 
bei jungen, in fruchtbarem Boden erwachsenen Bäumen beobachtet. NÖrD- 
LINGER?) hebt hervor, dafs vorwiegend schwachwüchsige Zweige sich 
abgliedern. 

Sowie wir einen Sommerlaubfall haben, finden wir bisweilen auch 
sommerliche Absprünge. Gymmocladus, Catalpa bignonioides, Gleditschia, 
Tilia und besonders Atlanthus glandulosa zeigen die gleiche Bildung 
einer Trennungsschicht und das Auseinanderweichen der Zellen wie 
die Blätter. Bei den jungen Trieben von Ailanthus lälst sich gut 
beobachten, dafs an der Bildung der Trennungsschicht neben dem 
Parenchym auch die noch nicht verholzten Zellen der Gefäfsbündel 
sich beteiligen. Kork ist um diese Zeit weder in der Nähe der 
Ablösungsstelle noch an der Oberfläche der Zweigrinde entwickelt, 
wodurch wir wiederum bestätigt sehen, dafs der Ablösungsprozefs nicht 
auf der Bildung einer Korkschicht beruht; diese ist nur als eine bald 
sehr früh (vor der Ablösung), bald später auftretende Schutzschicht 
des freigelegten, parenchymatischen Gewebes zu betrachten. 

Sehr ausgedehnte Untersuchungen über die Zweigabsprünge ver- 
danken wir v. HÖRNEL®), der besonders auch Coniferen in den Kreis 
seiner Studien gezogen hat und dabei zu dem Schlusse kommt, dafs 
man bei den Nadelhölzern nicht von Zweigabsprüngen reden darf, so- 
bald man darunter das Abwerfen lebensfrischer und saftiger Zweige 
versteht. Bei den Coniferen stirbt nämlich der abzuwerfende Zweig 


!) Tu. Harrıc, Naturgeschichte d. forstl. Kulturpflanzen, S. 119. Preır., Deutsche 
Holzzucht, 1860, S. 136. Wıcanp, Der Baum, 1854, S. 67. Scnachr, Der Baum, 1853, 
S. 305, Lehrbuch d. Anatomie usw., 1859, LI, S. 19. 

2) Rarzesung, Waldverderbnis, I, 1866, S. 219 (Tafel 28, Fig. 3); s. dagegen 
Bering und ferner Roru (Über Absprünge bei Fichten), Bot. Jahresbericht von Just, 
II, S. 968, 971, and v. Hönser, Bot. Jahresb. VI. Goxsermann, Über die Abbisse der 
Tannen und Fichten. Bot. Zeit. von v. Mohl und Schlechtendal, 1865, Nr. 34. Röse, 
Bot. Zeit. 1865, Nr. 41. 

3) v. Mour, Über den Ablösungsprozefs saftiger Pflanzenorgane. Bot. Zeit. 1860, 
S. 274 u. 275. 

*) Röse, Über die „Absprünge“ der Bäume. Bot. Zeit. 1865, S. 109 (Nr. 14). 

5) Nörpuinger, Deutsche Forstbotanik. 1874, I, S. 199. i 

6) v. Hönsen, Über den Ablösungsvorgang der Zweige einiger Holzgewächse 
und seine anatomischen Ursachen. Mitteilungen aus dem forstlichen Versuchs- 
wesen Österreichs von v. Seckendorff, III, 1878, S. 255. Weitere Untersuchungen 
über den Ablösungsvorgang von verholzten Zweigen. Bot. Centralbl. 1880, S. 177. 


2. Verhalten der Nährstoffe zu den Pflanzen. 359 


zunächst am Stamme ab und wird gelb oder braun; erst nachdem er 
schon tot ist, wird er auf gesetzmäfsige Weise und immer durch Ver- 
mittlung einer Korkschicht abgeworfen, wobei der Holzkörper an einer 
bestimmten Stelle bricht. Die Zweigabsprünge der Laubhölzer werden 
im lebenden und saftigen Zustande durch Vermittlung einer den dicken 
Holzkörper quer durchsetzenden Parenchymzone ohne Mithilfe einer 
Korkschicht abgeworfen. 

Das Alter der normalen Abwürfe ist sehr verschieden. Bei Taxo- 
dium sind sie immer einjährig, bei Pinus Strobus immer dreijährig, bei 
Pinus Laricio 2—7 jJährig, bei Pinus silvestris 2—6 jährig, bei den Zweigen 
von Thuja oceidentalis 3—l1ljährig. Dafs Fichte und Tanne keine Ab- 
sprünge machen sollen, ist bereits anfangs erwähnt worden. Indes 
erinnere ich mich, auch einmal frische Fichtentriebe mit gelenkkopf- 
artiger Abgliederung gesehen zu haben. 

Beı den Laubhölzern kann man deutlich bemerken, dafs meist die 
aus Seitenknospen oder Adventivaugen hervorgegangenen, oft schwäch- 
lichen Triebe abgestofsen werden, die sich blofs zu Kurztrieben ent- 
wickelt haben. Langtriebe werden nur reichlich bei Pappeln und Weiden, 
bisweilen auch bei Eichen abgestofsen, und zwar ältere (bis 6 jährige 
Aste). In seltenen Fällen beobachtet man den Vorgang auch bei Prunus 
Padus und Evonymus europaea, während bei den anderen Gehölzen meist 
nur einjährige Triebe abgeworfen werden. 

Für uns beachtenswert ist die Beobachtung von v. HÖHRNEL bei 
Thuja occidentalis, dafs der Holzkörper an der späteren Abschnürungs- 
stelle bedeutend schwächer entwickelt ist als ober- oder unterhalb der- 
selben. An der späteren Bruchstelle ist derselbe besonders stark ein- 
geschnürt. Die Zellen des Rindenparenchyms vergröfsern sich stark, 
so dafs eine namhafte Lockerung entsteht. Bei Thuja orientalis fehlt 
das fleischige Zweigkissen, und es zeigt sich hier kein regelmäfsiger 
Abwurf. Bei Ampelopsis quinquefolia sah MEEHAN !), dafs das basale Inter- 
nodıum stehen bleibt und im nächsten Jahre neue Triebe bringt, welche 
sich bei Eintritt kalter Witterung wiederum abgliedern. 

Für die Zweigabsprünge ergibt sich dasselbe Gesetz, das wir für 
den Laubfall aufgestellt haben: der Verbrauchsherd, also hier der 
Zweig, bildet aus irgend einer Ursache nicht mehr das normale 
Anzıiehungszentrum für das ungeschwächt zuströmende Wasser, 
und es tritt infolgedessen Wasserüberfüllung in der noch reaktions- 
fähigen, anatomisch abweichend gebauten Basalzone ein. Entweder 
sind die Zweige von vornherein schwächlich angelegt, oder sie kommen 
durch ungünstigen Standort zu geringer Entwicklung oder werden durch 
grofse Sommertrockenheit vorzeitig reif oder sind durch Kälte aktions- 
unfähig geworden usw. Erst auf das lebensschwache Organ macht 
sich der relative Wasserüberschufs an dessen Basis geltend. Entwickelt 
sich dasselbe von Anfang an bei grofser Wasserzufuhr, erfolgt kein 
Abwurf. Feuchte Jahre zeigen wenig oder keine Absprünge. Die bei 
Forstmännern vorhandene ‘Ansicht, dafs Jahre mit viel Absprüngen 
gute Samenjahre einleiten, hat eben ihre Begründung darin, dafs dies 
trockne Jahrgänge sind, in denen die Ausbildung von Blütenanlagen 
begünstigt wird. Tı 

Wenn die Absprünge im Forstbetriebe auch wenig wirtschaftliche 


1) Mesuan, On disarticulating branches in Ampelopsis. Aus „Proceed. of the 
americ. Acad. of Philadelphia. Part. I, 1880, im Bot. Centralbl. 1880, S. 1005. 


360 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


Bedeutung haben, so erlangen sie bei dem Gartenbau aber eine Wichtie- 
keit als Symptom. Namentlich zur Herbstzeit gliedern sich bei vielen 
unserer Glashauskulturen die Stengelglieder ab, wie namentlich bei 
den strauchartigen Begonien, Melastomaceen, Acanthaceen usw. Das 
sind sichere Anzeichen von Wasserüberschufs, und ein scharfes 
Trockenhalten der Töpfe allein ist imstande, die Pflanzen vor Erkrankung 
zu bewahren. 


b. Erhöhung der Nährstoffkonzentration. 


Unter den in diesem Abschnitt zu besprechenden Krankheits- 
erscheinungen müssen wir auch noch einige Fälle behandeln, bei denen 
ein Wasserüberschufs im Pflanzenleibe nur stellenweise zum Ausdruck 
gelangt. Die Wurzeltätigkeit braucht dabei keine erhöhte zu sein; die 
Wasseranhäufung kommt vielmehr dadurch zustande, dafs die Ver- 
dunstungstätigkeit der Blätter herabgedrückt wird. Es müssen Turgor- 
steigerungen in einzelnen Organen oder ÖOrganteilen sich einstellen, 
wie man solche auch künstlich an abgeschnittenen Blättern durch 
gesteigerte Wasserzufuhr erzeugt. Mithin bleibt zu beachten, dafs 
vielfach die Luftfeuchtigkeit ausschlaggebend mitspricht. Umgekehrt 
ist in anderen Fällen, bei denen es sich um Nährstoffüberschufs handelt, 
darauf aufmerksam zu machen, dafs derselbe nicht immer eine absolute 
Anhänfung im Boden voraussetzt, sondern auch dann eintritt, wenn 
das Lösungsmittel, das Wasser, vorübergehend in zu geringer Menge 
vorhanden ist und dadurch eine schädlich hohe Konzentration der 
Bodenlösung zustande kommt. 

Gemäfs den verschiedenen Mengenverhältnissen, in welchen die 
einzelnen Nährstoffe und übrigen Wachstumsfaktoren bei der Herstellung 
von ] g Trockensubstanz einer Pllanzenspezies beteiligt sind, erscheinen 
auch die Ansprüche jeder Spezies an die Bodenlösung verschieden. 
Bei Pflanzen z. B., die zur Herstellung ihrer Substanz viel Kali oder 
viel Stickstoff verlangen, wird der Wurzel eine hochprozentige Lösung 
dieser Stoffe notwendig sein. Die Pflanzen sterben nicht, wenn ihnen 
die gewünschte, hohe Konzentration nicht geboten wird, aber sie ändern 
ihren Wachstumsmodus:; sie beanspruchen dann, wie früher gezeigt 
worden ist, viel mehr Wasser, gleichsam als ob sie bestrebt wären, 
durch vermehrte Aufnahme der verdünnten Lösung das nötige Quantum 
eines bestimmten Nährstoffs dennoch herbeizuschaffen. Trotz des vielen 
Wassers und der sonst gebotenen Stoffe ist die Gesamtproduktion eine 
ärmliche. Ein gleicher Wachstumsstillstand zeigt sich, wenn die 
Pflanzen in eine zu hoch konzentrierte Bodenlösung gebracht werden. 
Die Wasseraufnahme ist relativ gering, die Aschenmenge aber grofs 
und die Produktion an Trockensubstanz eine kleine. Es kommt dann 
der Überschufs wohl zur Aufnahme, aber nicht zur Verwendung; die 
Mineralsubstanzen werden einfach im Pflanzenkörper abgelagert und 
sind teilweise wieder mit Wasser auslaugbar. Bei Wasserkulturen mit 
hohen Nährstoffkonzentrationen kann man bisweilen wahrnehmen, dafs 
die kurzen, knorrigen Wurzelhaare mit kristallinischen Blättchen bedeckt 
sind. So kann beispielsweise Salpeteranhäufung in der Pflanze statt- 
finden, wenn übermäfsig mit Kalisalpeter gedüngt wird. Für die dabei 
stattfindenden Vorgänge gibt Emmeruing!) durch seine Versuche eine 


!) A. Emmeruins, Beiträge zur Kenntnis der chemischen Vorgänge in der Pflanze. 
Landwirtsch. Versuchsstationen, Bd. XXX, Heft 2, 1884, S. 109. 


2. Verhalten der Nährstoffe zu den Pflanzen. 361 


sehr acceptable Erklärung. Er zeigt nämlich, dafs grade so, wie bei 
der Verwendung von salpetersaurem Kalk auch das Kaliumnitrat durch 
Oxalsäure selbst in sehr verdünnten Lösungen derartig zersetzt wird, 
dafs oxalsaures Kali und freie Salpetersäure entstehen, während Oxal- 
säure den kohlensauren Kalk nicht stark angreift, da sie denselben mit 
einer undurchdringlichen, dünnen Schicht von Calciumoxalat überzieht. 
Wenn nun im Verhältnis zur Quantität der Säure, die eine Pflanzen- 
spezies zu bilden vermag, sich sehr viel Salpeter im Boden findet, 
so wird derselbe zwar aufgenommen, aber nur im Verhältnis der vor- 
handenen Oxalsäure zersetzt werden und die freie Salpetersäure zur 
Bildung der Eiweifsstoffe Verwendung finden; der übrige Salpeter häuft 
sich unzerlegt in der Pflanze an. 

Für unsere Kulturpflanzen gilt sicher das Gesetz, dafs sie alle das- 
selbe Nährmaterial beanspruchen, aber in verschiedener Konzentration, 
und dafs auch ihre Fähigkeit, Anhäufungen einzelner Stoffe zu ertragen, 
ausschlaggebend für das Gelingen der Kulturen ist. Dabei ist nicht zu 
vergessen, dafs weder die absolute Menge eines Nährstoffes, welche 
überhaupt schadlos ertragen werden kann, noch auch diejenige Quantität 
eines Nährstoffes, welche sich als die für die Produktion beste (optimale) 
erweist, für eine bestimmte Pflanze absolut feststehende Gröfsen dar- 
stellen. Vielmehr ist anzunehmen, dafs je nach der Kombination, in 
welcher die übrigen Vegetationsbedingungen augenblicklich vorhanden 
sind, das Bedürfnis nach einem bestimmten Nährstoff sich beständig 
ändert. Daher gibt es immer nur relative Optima und 
Maxima für jeden Vegetationsfaktor. Je nach der augenblick- 
lichen Kombination der Vegetationsfaktoren ändert sich der Produktions- 
modus und das Produkt, nämlich der Pflanzenleib; daher ergibt die 
morphologische, anatomische und chemische Analyse für jedes Individuum 
andere Werte. 

Jede Konzentrationsänderung in demselben Nährstoffgemisch ändert 
schon den Wachstumsmodus und spricht sich unter Umständen direkt 
im Verhalten der Wurzelhärchen aus, wie STIELER!) angibt. Bei den 
noch im Wachstum begriffenen Wurzelhärchen sah er bei jedem Wechsel 
der Lösung eine Veränderung (Verstärkung) der Membran an der Kuppe 
der Wurzelhärchen; unter Umständen kann sogar Wachstumsstillstand 
eintreten. In wässerigen Lösungen der Elektrolyte bilden bei manchen 
Pflanzen die Wurzelhärchen blasenartige, unregelmäfsige Erweiterungen, 
ja sie können selbst an der Kuppe oder (selten) an der Seite zerplatzen. 
Die Nichtelektrolyte üben nur dann einen schädlichen Einflufs aus, 
wenn sie giftig wirken oder in zu hoher Konzentration vorhanden sind, 
wobei Plasmolyse eintritt. Besonders beachtenswert ist die Beobachtung, 
dafs konzentrierte Magnesiumverbindungen sich direkt giftig 
erweisen können, was bei anderen Nährsalzen selbst bei hoher Kon- 
zentration nicht wahrzunehmen war. 

Es finden durch diese Untersuchungen meine eigenen Beobachtungen 
eine Bestätigung, dafs bei hochkonzentrierter Nährstoftlösung „knorrige 
oder aufgeblasene* Wurzelhaare auftreten und diese somit ein Symptom 
dafür bilden, dafs die Pflanze mit Schwierigkeiten bei der Nahrungs- 
aufnahme zu kämpfen hat. 

Betreffs der Getreidearten weisen die Versuche darauf hin, dafs 


1) Stwter, G., Über das Verhalten der Wurzelhärchen gegen Lösungen. 
Dissertation. Kiel 1903.- eit. Bot. Centralbl. v. Lotsy 1904, Nr. 47, S. 541. 


362 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


z. B. Hafer schon durch Nährstoffmengen leiden zann, die für Weizen 
erst eine volle Produktion zulassen. Daher versagt manchmal der 
Hafer auf Parzellen, die allmählich in zu hohen Düngungszustand ge- 
langt sind. Die Messungen der Transpirationsgröfse zeigten, dafs die 
Pflanze zur Produktion von 1 & Trockensubstanz in konzentrierteren 
Lösungen weniger Wasser als in sehr verdünnten braucht. Daraus er- 
gibt sich, dafs bis zu einem bestimmten Grade die Düngung eine 
Wasserersparnis bedeutet!). 

Entsprechend der erwähnten Veränderung der Wurzelhaare ändern 
sich durch die Konzentration allmählich auch der Bau und die Menge 
des ganzen Wurzelapparates. Sehr bezeichnend sind dafür die Ver- 
suche von SCHWARZ?) mit Kiefern. Es zeigte sich auch bei dem Nadel- 
holz eine bei anderen Pflanzen schon früher festgestellte allmähliche 
Abnahme des Wurzelumfangs bei Steigerung des Salzgehaltes im 
Boden. Damit verschiebt sich das Verhältnis zwischen oberirdischer und 
unterirdischer Achse. Während im ungedüngten Sande das Gewicht 
des Wurzelsystems der Kiefernsämlinge gröfser als das der oberirdischen 
Teile war, betrug bei reichlicher Nährsalzzufuhr das Gewicht des 
Wurzelkörpers nur ein Fünftel von dem der oberirdischen Achse. 

Selbst bei den Kohlgewächsen, die man durch die Kultur allmäh- 
lich zur Verwertung der höchst zulässigen Konzentrationen gewöhnt 
hat, findet schliefslich eine Überfütterung und damit ein Rückgang der 
Produktion statt. So erwiesen sich die Kohlrabipflanzen besonders 
empfindlich gegen starke Phosphorgaben, während sie hohe Stickstoff- 
und Kalidüngung neben der entsprechenden Kalkgabe geradezu haben 
müssen ?). 


Veränderungen der Wiesen. 


Die Methode, saure und sandige Wiesen durch Düngung zu ver- 
bessern, beruht im wesentlichen auf einer Erhöhung der Nährstoff- 
konzentration. Es fliehen dann die sauren Gräser oder die des sterilen 
Bodens, die nur schwach konzentrierte Lösungen vertragen, und es 
siedeln sich unsere guten Futtergräser mit höherem Nährstoffbedürfnis 
und reicherer Produktion an Trockensubstanz an. Sehr instruktive 
Versuche über permanente Wiesen liegen von LAwEs und GILBERT*) vor. 
Wir entnehmen daraus nur ein Beispiel, um zu zeigen, wie die einzelnen 
Grasspezies in denjenigen Nährlösungen, von denen sie eine höhere 
Konzentration vertragen, allmählich an Übergewicht gewinnen. Es fand 
sich bei nachstehenden Düngungen folgender Prozentsatz der einzelnen 
Grasarten bei 100 Pflanzen Heu (s. die Tabelle auf folgender Seite). 

Aus der umstehenden Gräsertabelle sehen wir, wie die auf sterilem 
Sandboden schnell sich ausbreitende Festuca duriuscula verschwindet, 
wenn die Konzentration der Stickstofflösung und gleichzeitig die der 
Mineralsubstanzen zunimmt. Dasselbe Verhalten zeigen Agrostis vulgaris 
und Anthoxanthum odoratum, während umgekehrt die Mastpflanzen 


1) Soraver, P., Über Mifsernten bei Hafer. Österr. Landwirtsch. Wochenblatt 
Nr. 2/3. 1888. 

2) Scnwarz, F., Über den Einflufs des Wasser- und Nährstoffgehaltes des Sand- 
bodens auf die Wurzelentw icklung von Pinus silvestris im ersten Jahre. Zeitschr. 
f. Forst- u. Jagdwesen. Januar 189. 

„) Orro, R., Vegetationsversuche mit Kohlrabi etc. Gartenflora 1902. S. 39. 

*) Nach „Journal of the Royal Agric. Soc. of England“ und „Proceedings of 
the Royal Hort. Soc. 1870“, eit. in Biedermann’s Centralbl. 1876, Tin S. 405. 


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2. Verhalten der Nährstoffe zu den Pflanzen. 363 
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Grasarten = 5 o | = Er g :E g BE 5| allein | moniak- 
A Er | 55° er | düngung 
| | 
Festuca duriuscula, | 13,04 | 21,42 | 12,00 2,98 0,79 0,22 | 0,19 
Agrostis vulgaris . 8,62 | 21,29 2,76 11,55 | 9,15 15332. 078 
Lolium perenne. . 8,62 339 | 83,08 11,894, 760 ,,11.,,..259 2,73 
Holcus lanatus . . 4,97 968 | 4,86 | 11,06 | 8,82 2,14 2,01 
Dactylis glomerata .. 1,76 Dal 219 | 5,04 2383,58 4,85 | 16,86 
og trivialis .%°. 1,50 161.1 3,77 | 123,00 | 715,47 27,48 | 29,34 
Bromus mollis . . 0,08 0,15 | 0,63 2.21 0:93 7739164 12,53 
Anthoxanthum odo- | | 
| li „0:10 | 0,19 | 0,06 


RUE en re aan 329 | 241 0,80 0,49 


unserer Rieselwiesen, Dactylis glomerata und Poa trivialis, in den 
5 Versuchsjahren, deren Ergebnis die Tabelle darstellt, sich immer reich- 
licher auf den stark mit Stickstoff gedüngten Parzellen ansiedeln und 
die anderen verdrängen. Das Gras der Dorfstrafsen, Bromus mollis, be- 
teiligt sich in hohen Prozentsätzen nur dort, wo Stallmistdüngung statt- 
gefunden hat, während Lolium perenne und Holcus lanatus zwar überall 
vorkommen, aber da, wo reiche Stallmistdüngung ist, nur wenig sich 
ausbreiten. 

Von den übrigen, interessanten Beobachtungen der Verfasser mag 
noch angeführt werden, dafs die Wiesenparzelle, welche ungedüngt ge- 
blieben war, eine grofse Mannigfaltigkeit in den darauf vegetierenden 
Familien und Arten zeigte. Das Gras war kurz, stengellos und bei der 
Schnittperiode verhältnismäfsig sehr grün. Bei Mineraldünger gewinnen 
die Leguminosen die Oberhand; bei den Gramineen, die übrigens 
nicht eine besonders vorherrschende Gattung erkennen lassen, ist die 
Neigung zur Blütenentwicklung mehr ausgesprochen als im ungedüngten 
Lande. Umgekehrt schliefsen die ohne andere Beidüngung verabreichten 
Ammonsalze die Leguminosen fast gänzlich aus und die Gramineen 
werden herrschender, Festuca und Agrostis erreichen ihren höchsten 
Prozentsatz; üppig gedeihen Rumex, Carum und Achillea. 

Wenn Chilisalpeter allein angewendet wurde, zeigte sich im all- 
gemeinen derselbe Effekt wie bei den Ammonsalzen; indes war bei 
den Gräsern besonders Alopecurus pratensis vorherrschend; auch machte 
sich eine überwiegende Neigung zur Blattproduktion gegenüber der 
Entwicklung der Blütenstengel bemerklich. Neben den sich etwas besser 
entwickelnden Leguminosen fand sich eine üppige Entfaltung der wenig 
nützlichen Plantago, Centaurea, Ranunculus und Taraxacum. 

Die höchsten Erträge und beste Entwicklung der Gräser sah 
man bei Stallmist mit stickstoffhaltigem Beidünger. Die Leguminosen 
und andere Pflanzen wurden von den leichter als bei alleiniger Stick- 
stoffzufuhr reifenden Gräsern überwuchert und verschwanden. Der 
Stalldünger allein, der auch eine beträchtliche Ernte lieferte, bei der 
namentlich Bromus mollis und Poa trivialis, weniger aber die Schmetter- 
lingsblütler sich beteiligten, liefs an Feinheit und Gleichartigkeit des 
Heues zu wünschen übrig. 


!) Unter Mineraldüngung verstehen d. Verf eine Mischung von Superphosphat 
mit schwefelsaurem Kali, schwefelsaurem Natron und schwefelsaurer Magnesia. 


364 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


Wenn moosige Wiesen in Kultur genommen werden, so findet 
sich, dafs das Moos eben gar keine konzentrierten Nährstofflösungen 
verträgt oder mindestens keine hohe Konzentration einzelner noch 
näher zu erforschender Nährsalze. Daraus erklärt sich das Verschwinden 
des Mooses von Wiesen nach Kalidüngung. Dasselbe Verhältnis wird 
für den Schachtelhalm Gültigkeit haben, welcher nach Chlorcalciumlösung 
unbedingt verschwinden soll und deshalb gegen hohe Kalkkonzentration 
besonders empfindlich zu sein scheint. 

Der extremen Ausmagerung der Wiese, die sich durch die Moos- 
vegetation ankündigt, steht die übermächtige Grasentwicklung an den 
sog. Geilstellen gegenüber. Es tritt durch das Harnlassen der Tiere 
eine vorzugsweise reiche Stickstofflüngung ein, und dieselbe macht sich 
durch üppigere Laubentfaltung geltend. Die Pflanzen hatten nach 
Weısk£!) nahezu doppelt so viel Proteinsubstanzen, aber etwa !/ı weniger 
von stickstofffreien Stoffen als die daneben stehenden, nicht über- 
düngten Pflanzen. Demgemäfs fanden sich in der Asche der ersteren 
mehr Alkalien, Magnesia und Schwefelsäure. Die Pflanzen solcher 
Geilstellen bleiben trotz ihres gröfseren Volumens in einem zu jugend- 
lichen Zustande und würden bei grofser Ausdehnung solcher über- 
düngter Stellen mehr Schaden als Nutzen gewähren. Darin gleichen 
sie dem Bestande der Rieselwiesen. 


Rieselfelder. 


Die Ausdehnung der Rieselfeldwirtschaft in der Nähe grofser 
Städte erfordert, dafs wir die bei diesem Betriebe unvermeidlichen 
Schädigungen speziell besprechen. EHRENBERG?) hat kürzlich seine Er- 
fahrungen betretfs der Berliner Rieselfelder mitgeteilt. 

Abgesehen von der durch schnell sich wiederholenden Anbau der 
Kohlarten hochgradig gesteigerten Entwicklung der Plasmodiophora 
Brassicae finden sich auch Tierschäden ungemein begünstigt. Am meisten 
trat die aufsergewöhnliche Vermehrung von Silpha atrata hervor, wo- 
durch grofse Rübenflächen vollständig zerstört worden sind. Der 
Schädling findet in den faulenden organischen Stoffen der Spüljauche 
überreichliche Nahrung und in den Dämmen und Kanälen willkommene 
Schlupfwinkel gegen Kälte und Feinde. Der grofse Nährstoffvorrat zieht 
auch die Krähen aus weiter Umgebung nach den Rieselfeldern, deren 
Saatgut wie z. B. Mais und Weizen reihenweis ausgewühlt wird. Eine 
fernere Plage bilden die Ratten. 

Zu diesen pflanzlichen und tierischen Schädigern gesellt sich der 
Wind, der hier verderblicher als auf anderem Ackerlande wirkt. 
Auf den Berliner Rieselfeldern wurde eine grofse Anzahl völlig be- 
laubter Obstbäume trotz ihrer starken Baumpfähle umgeworfen, weil 
die durchnäfste Erde den ohnehin nicht tiefgehenden Wurzeln zu wenig 
Halt gewährte. Beobachtet wurde dieser Fall besonders dann, wenn 
ein Feldstück mit den umgebenden Obstbaumalleen durch Spüljauche 
überschwemmt wurde. 

Bei den Berieselungen während der Vegetationszeit bemerkte man 
bei den herangewachsenen Exemplaren von Zucker- und Futterrüben 
sowie von Mohrrüben und ähnlichen Wurzelgewächsen, dafs dieselben 


!) Annalen d. Landwirtsch. 1871. Wochenblatt, S. 310. 
2) Eurengers, Paur, Einige Beobachtungen über Pflanzenbeschädigungen durch 
Spüljauchenberieselung. Zeitschr. f. Pflanzenkrankh. 1906. 


2. Verhalten der Nährstoffe zu den Pflanzen, 365 


es nicht vertragen, wenn die Spüljauche einige Zeit am Wurzelhalse 
steht. Es trat nach wenigen Stunden ein Welken der Blätter 
und gegen Abend sogar ein Erschlaffen der Blattstiele ein. Halm- 
früchte, Gras, Alk sche und andere Gewächse ohne fleischigen 
Wurzelkörper zeigten die Erscheinung nicht. Wahrscheinlich handelt 
es sich hier um ein physiologisches” Welken, indem der bei jeder 
fleischigen Wurzel spärliche Wurzelfaserapparat aus der hoch- 
konzentrierten Bodenlösung nicht imstande ist, genügend Wasser 
loszureifsen, um den Verdunstungsverlust zu decken. Wenn durch 
die Absorption der Erde die Bodenlösung an Konzentration verlor, 
verschwand das Welken wiederum. 

Zur Vermeidung dieses UÜbelstandes wird der Anbau auf meter- 
breiten Dämmen vorgenommen, oder man häufelt die Rüben mit fort- 
schreitender Entwicklung an und rieselt in den dadurch entstandenen 
Furchen. 

Auf die Veränderung des Graswuchses ist schon an anderer Stelle 
aufmerksam gemacht worden. Auf den Berliner Rieselteldern handelt 
es sich vorzugsweise um Lobum italicum, das namentlich bei Winter- 
berieselung: vielfach gänzlich auswintert. 

Die Weichheit des Grases, die sich schon durch das leichte Faulen 
anzeigt, wird vorzugsweise auch durch den Stickstoffüberschuf's 
bedingt. Im Durchschnitt der Jahre 1900—1902 erhielt der Hektar 
Berliner Rieselland 800—1200 kg N!). Trotz der sehr geringen 
Aussaatmengen und des weiten Standes neigen die mastigen Getreide- 
pflanzen ungemein zur Lagerung. Die Vorgänge, die sich bei dem 
Lagern abspielen, habe ich Gelegenheit gehabt, bei Hafer von Berliner 
Rieselfeldern zu studieren?). Es ist dabei eine eigenartige Zermürbung 
des Blattgewebes infolge vori Bakterienarbeit auffällig. Betreffs des 
Verhaltens junger Saat bei Überdüngung beobachtete ich bei Gerste, 
dafs, gegenüber den normal ernährten Pflanzen, die überdüngten dunkler 
orün wurden, aber ım Wachstum zurückblieben. Dann bekamen die 
Blattspitzen graugelbe Flecke und verfärbten sich schlietslich gänzlich 
grau, wobei eine Anzahl der Sämlinge umknickte. Bald nach dem 
Umknicken begann der oberhalb der Knickstelle befindliche Teil zu 
vertrocknen. Während aber normal vertrocknende Pflanzen schliefslich 
eine Strohfarbe annehmen, war dies hier nur bei den unteren Blättern 
der Fall; die oberen vertrockneten in heugrüner Färbung. Wichtig 
ist dabei auch die Erkrankung der Gefäfsbündel und die groilse Neigung 
der Pflanzen zur Verpilzung°). 

Aufser der bekannten Verzögerung der Reife des Getreides 
auf Rieselfeldern erwähnt EHRENBERG auch das Mifsverhältnis zwischen 
Stroh- und Körnerernte. Bei berieseltem Hafer war das Verhältnis 
von Korn zu Stroh wie 1:3,33, bei unberieseltem wie 1: 2,88. 

Solche „Strohwüchsigkeit‘ stellt sich allmählich als typische 
Eigenschaft heraus; denn es ergaben sieben neu bezogene Gerstensorten 
ein Verhältnis von "Korn zu Stroh im Derehschnitt 1:1,75, während 
die auf den Rieselfeldern seit langer Zeit angebaute Sorte 1: 2,88 zeigte. 
Weizen und Roggen verhielten sich ähnlich. Welche Reifever zögerung in 


I EENEN Landwirtschaftl. Versuche auf den Rieselgütern der Stadt Berlin 
im Jahre 1904. 

2) Sorauer, P., Beitrag zur anatomischen Analyse rauchbeschädigter Pflanzen. 
Landw. Jahrbücher von Thiel. 1904, S. 593. 

3) 2.2. 0. S. 646. 


366 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


extremen Fällen eintreten kann, fand man bei Rotem Gebirgsweizen, 
der am 19. April ausgesät worden war und auf dem berieselten Felde 
am 13. September, auf dem unberieselten am 24. August reif war; es 
ergab sich also ein Unterschied von 20 Tagen. 

Dafs die Chlorverbindungen auf den Stärkegehalt der Kartoffeln 
und auch anderweitig nachteilig einwirken, findet sich an anderer Stelle 
erwähnt. 

Als die bedeutsamste Schädigung auf den Rieselfeldern ist die 
„Verschlickung“ zu bezeichnen. Die Spüljauche enthält neben 
den groisen Mengen von Kochsalz und anderen Salzen sehr viel 
organische Substanz, besonders Papierreste, Kaffeesatz und dergl. Im 
Durchschnitt ergaben sechs Untersuchungen der Berliner Spühjauche 
im Jahre 1902: 

Organische Substanz . . 0,030 %o, 
Kal re RO 
Naar WW eat 
Schwefelsäure . . . . 0,006 %o, 
Chlor 2%: „nal. must N 


Die Papierreste mit der organischen Substanz trocknen auf den 
Feldern zu zähen, dünnen Fladen zusammen, welche wegen ihres Fett- 
gehaltes sich nur schwer zersetzen, und mit den Salzen und organischen 
Stoffen durchtränkt, den Schlick darstellen, der bodenverschlechternd 
wirkt. Der hohe Gehalt an Salzen wird durch Basenaustausch leicht 
ein Auswaschen des Kalkes verursachen. 

Dafs auf verschlickten Rieselfeldern tatsächlich Kalk in die Tiefe 
wandert, bestätigen die Analysen!). Es betrug der Kalkgehalt in 


Öberkrume Untergrund 
bei normalem Boden . .- Q,1080 0,0310, 
bei gleichem aber verschlicktem Boden . 0,122 0/0 0,048 Po. 


Kalkzufuhr ist also bei verschlicktem Boden erwünscht, da er physi- 
kalisch verbessernd wirkt. 

Die Beseitigung der erwähnten papierartigen Fladen, durch welche 
junge Pflanzen, namentlich die (srassaat, ersticken können, wird man 
zunächst durch Aufeggen, Zerreiflsen und Fortschaffen der Fetzen in 
Angriff zu nehmen haben. Trotzdem kommen bei der Ackerbestellung 
reichliche Mengen in die Erde und üben dort einen schädigenden Ein- 
flufs aus. Die Anreicherung an organischer Substanz durch den Schlick 
läfst sich aus dem Glühverlust erkennen. 


Normaler Boden enthielt ın der Krume. 1,994 /o, 
der gleiche Boden verschlickt . . . . 2,418. 


Vegetationsversuche in Töpfen erwiesen, dafs die Schlickbeigabe stets 
hemmend auf das Wachstum wirkte und eine Zufuhr von Atzkalk die 
Wachstumsverzögerung nicht zu beseitigen vermochte. Die Hemmung 
in der Entwicklung bestand nicht in dem Auftreten positiver Krankheits- 
symptome, sondern nur in verspätetem Aufgang des Samens und all- 
gemeiner Depression des Wachstums. Die Erklärung der Erscheinung 
ist auf physikalischem Gebiete zu suchen. Die durch ihre festverklebten 


1) Backmats a. a. 0. S.69 u. 114. 


2. Verhalten der Nährstoffe zu den Pflanzen. 


Bestandteile und ihren Fettgehalt 
für Wasser und Luft sehr undurch- 
lässigen Schlickstücke hemmen die 
Wurzeln in ihrer Ausbreitung und 
bilden grofse Hindernisse für das 
herabsinkende und aufsteigende 
Wasser. 


Die Schorfkrankheiten. 


Von den vielen Krankheits- 
formen, in deren Ursachen wir noch 
keinen genügenden Einblick haben, 
reihen wir die Schorfe hier unter die 
Überschufskrankheiten ein. Der 
Grund dafür ist die vielseitig ge- 
machte Wahrnehmung, dafs nach 
Zufuhr von Stoffen, welche die 
Alkalität eines Bodens zu 
vermehren vermögen, die Schorf- 
erscheinungen im reichlicherem 
Mafse aufzutreten pflegen. 

Bei dem Schorf oder der 
„Räude“ bilden sich vorzugsweise 
flach ausgebreitete, borkig zerklüf- 
tete, korkfarbige Stellen auf den 
fleischigen, unter- 
irdischen, rüben- 
oder knollenartigen 


PR 


Mi u) 


Reservestoft- = j 
behältern. Solange (SM AN“; 
eine solche borken- IE IN 
artige Zerklüftung [8 ‘ 


I, 


oberflächlich bleibt, 
spricht man von 
OÖberflächen- 
schorf. Erfolgt da- 
gegen eine schnelle 
Vertiefung der 
Wundstellen, so dafs 


Ss N 4 0 A 
NN Stef i Er 
EDEN er 
N, etz, 2, 2 


A 


5 FE 


7 


dieselben zu Gruben 
oder Löchern wer- 
den, bezeichnet man 
die Erkrankung als 
Tiefschorf‘, bei 
dem in gewissen 
Fällen warzenartige 
Wucherungen die 


Fig. 52. Tiefschorfkranke Rübe von der stärkst erkrankten 
Seite der Wurzelrillen gesehen. 


Fig. A: it, {! und #2 die terrassenartig vortretenden Gefälsbündelringe; 
9 Gewebelücken mit zunderigen Rändern; k knollige Parenchym- 
wucherungen am Rübenkopfe, die als Uberwallungsgewebe der Schorf- 
wunde zu deuten sind; s flache Schorfanfänge, die an der Wurzelrille W 
abwärts sich ziehen; r äufserster Rand der Schorfmulde; c tiefste Stelle 
derselben. Fig. B: Rübenquerschnitt in der Nähe des Tiefschorfzentrums 
c; die vom Schorf zerstörten Gefälsbündelringe £, f! und #?treten terrassen- 
artig von (der tiefsten Wundstelle aus zurück; ! zeigt die schwache 
Ausbildung der äufsersten Gefälsringe. (Orig.) 


Wundfläche verändern können. Letzterer Fall ist als „Buckelschorf“ 
unterschieden worden. 
Aufser Zucker- und Futterrunkeln leiden am häufigsten die Kartoffeln, 


zeitweise die Rübenkörper 


der Umbelliferen, wıe Sellerie, Mohr- 


rübe, Petersilie usw., seltener die Rübenkörper der Kohlgewächse. Das 


368 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


Charakteristische ist die Zerstörung von Korklagen, die sich aus den 
darunterliegenden Geweben längere Zeit hindurch immer wieder ergänzen, 
Um sich eine Vorstellung von der schwersten Schädigungsform der 
Schorfkrankheit machen zu können, geben wir die Abbildung einer 
Zuckerrübe, die an „gezontem Tiefschort“ oder „Gürtelschortf“ leidet 
(Fig. 52). Die Rübe hat am Kopfende eine Dicke von 7—-8cm, ist 
aber nur oben kreisrund, zeigt dagegen an den beiden Seiten, welche 
die Wurzelreihen tragen, eine beträchtliche Abflachung, welche sich 
nach dem Schwanzende hin wieder verliert. Die abgeflachten Seiten 
sind muldenartig vertieft, und das Zentrum der Mulde ist etwa 6 cm 
von der Schnittfläche am Rübenkopfe entfernt. Die Oberfläche der 
Mulde ist dadurch wellig, dafs über einem tiefstliegenden Zentrum sich 
die einzelnen Ringe des Rübenkörpers, terrassenartig nach aufsen an- 
steigend, in mehr oder weniger deutlich hervortretenden Zonen erheben. 

Die Beschaffenheit des Gewebes der Muldenränder ist zunderig- 
schorfig, d. h. zerklüftet, und die Klüfte von röhrenartigen Gängen 
durchsetzt, welche einen faserigen Zerfall der Substanz einleiten. Die 
Auskleidung der gangartigen Klüfte besteht aus braunen, verkorkten, 
zackenartig vorspringenden Geweberesten, deren Oberfläche einen eigen- 
artig körnigen Zerfall erkennen lälst. Trotz des tiefgehenden Zerfalls 
an der Schorfstelle sehen wir, dals der Rübenkörper seine Reaktions- 
fähigkeit behält; denn die Ränder der einzelnen Gefäfsbündelringe 
wölben sich nach der Verletzung durch Neubildung von Zellen wall- 
artig vor. 

Datfs der Rübenkörper an den schorfigen Stellen schon vorher eine 
Wachstumshemmung erlitten haben dürfte, geht daraus hervor, dafs 
an der beschädigten sowohl wie an der gegenüberliegenden Rübenseite 
die einzelnen Geweberinge schmaler als an den anderen Rübenseiten sind. 
Bei Behandlung von Querschnitten der erkrankten Stellen mit Schwefel- 
säure sieht man, dafs unterhalb der braunen, spröden, allmählich zer- 
fallenden Gewebelagen, die verkorkt sind, im anscheinend gesunden 
Rübenfleisch die Intercellularsubstanz einen gelblichen, weinroten bis 
leuchtend karminroten Farbenton annimmt. Manchmal erscheinen auch 
einzelne Gefäfsgruppen mit festen Ballen oder Pfropfen versehen, 
welche dieselbe Färbung mit Schwefelsäure annehmen. Die Inter- 
cellularsubstanz erweist sich später gelockert und beginnt schliefslich, 
körnig-schleimig zu zerfallen. Dem blofsen Auge erscheint der ganze 
Vorgang als ein trockener Zersetzungsprozefs. 

Wie erwähnt, ist diese Schorfform, welche so tief in das Fleisch 
des Rübenkörpers eindringt, die seltenere; meist finden wir viel flachere 
borkige Zerklüftungsstellen, die in kreisförmigen Herden auftreten und 
vielfach erkennen lassen, dafs sie in einer ziemlich frühen Entwicklungs- 
phase der Rübe aufgetreten sind und später an Ausbreitung nach- 
gelassen haben. Bemerkenswert ist, dafs bei dem gezonten Tiefschorf 
nicht der Kopf der Rübe angegriffen erscheint, sondern die Erkrankung 
erst in gewisser Entfernung von demselben innerhalb des Bodens sichtbar 
wird. Bei tiefgeflanzten Rüben findet man manchmal Schorfanfänge an 
den Blattstielbasen. Ganz ähnliche Erscheinungen bemerkt man auch bei 
den Kartoffeln, Mohrrüben usw. Bei der Kartoffel ist der Ausgang der 
Schorfbildung von den Lenticellen aus beobachtet worden, und es ist 
unschwer ersichtlich, wie leicht schädigende Einflüsse einen Angriffs- 
punkt finden, wenn wir eine solche Lenticelle betrachten. Hier sehen 
wir unter der aus tafelförmigen Korkzellen aufgebauten Schale % (in 


” ni 
- u PIE « ‘ ? h 


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JAN 3 U 1907 


2. Verhalten der Nährstoffe zu den Pflanzen. 359 


untenstehender Fig. 53) die ersten Anfänge der Lenticellenbildung 
unterhalb der Spaltöffnungen in Form unregelmäfsiger, inhaltsarmer 
Zellen (a). Indem diese Zellenbildung immer weiter rückwärts greift 
und die zuerst gebildeten Zellen Wasser aufnehmen, quellen und da- 
durch die Korkrinde sprengen, entsteht die nun zur Schorfbildung 
Veranlassung gebende Lenticelle, aus welcher die sich lockernden 
Füllzellen (f) in Form eines weifslichen, feuchten Mehles hervortreten. 
Diese Zellen vermodern; der Vermoderungsprozels greift weiter nach 
innen und die dichtgedrängten, noch zusammenhaftenden Reihen der 
jugendlichen Füllzellen (v) sind immer tiefer im Innern des Fleisches 
zu suchen, wo fortgesetzt die Stärke (st) aug dem die Füllzellen um- 
gebenden Gewebe verschwindet. Ganz ähnliche Vorgänge spielen sich 
unter dem Einflufs anhaltender Feuchtigkeit auch bei anderen unter- 
irdischen Pflanzenteilen ab. Der bisher schützend wirkende Korkmantel 
erfährt somit eine gefährliche Lockerung. 


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EL EISEN 3: 


Fig. 53. Lenticellenbildung an der Kartoffelschale. (Orig.) 


Die Schorfkrankheit ist neuerdings als eine parasitäre aufgefatlst 
und meist als eine bakteriöse Erscheinung beschrieben worden. Sie 
findet sich daher bereits im zweiten Bande unseres Handbuchs ab- 
gehandelt (s. Rübenschorf S. 46 und Kartoffelschorf S. 75). Aber es 
ist dort schon hervorgehoben worden, dafs als Ursache recht ver- 
schiedene Organismen angegeben werden. Teils sind es Bakterien, 
teils Mycelpilze. Einerseits wird erwähnt, dafs die gefundenen Organis- 
men als Wundparasiten zu betrachten seien, welche die unverletzte 
Korkhaut nicht anzugreifen vermögen (KrÜser), andererseits liegen ge- 
lungene Impfversuche vor, welche unter besonderen Umständen an 
jugendlichen Organen ausgeführt worden sind (Boszey). Dazu kommt, 
dafs eine grofse Reihe praktischer Erfahrungen unbedingt feststellt, 
dafs, wie erwähnt, gewisse Substanzen, dem Acker einverleibt, schorf- 
begünstigend wirken. Daraus ergibt sich, dafs der Verlauf des Schorfes 
wohl an parasitäre Organismen gebunden sein kann, ohne dafs diese 

Sorauer, Handbuch. 3. Aufl. Erster Band. 94 


370 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


aber spezifische Schorforganismen wären. Viel wahrscheinlicher ist 
es, dafs in den Rübenböden meist vorhandene saprophyte Arten durch 
bestimmte Anderungen der Bodenbeschaffenheit den geschwächten, alten 
oder zarten jugendlichen Rübenkörper anzugreifen imstande sind. Dafs 
der Rübenkörper zur Zeit der Schorfkrankheit schon eine Hemmung 
erfahren hat, zeigt der Umstand, dafs die gesunden Gefäfsbündelringe 
dort, wo der Schorf einsetzt, schmaler sind, also ihr Dickenwachstum 
beschränkter gewesen ist. 

Gestützt auf die BorreyY'schen Impfversuche !), welche den Rüben- 
und Kartoftelschorf auf gleiche Ursachen zurückführen, wenden wir 
uns der Hauptfrage zu, welche Umstände als schorfbegünstigend oder 
-veranlassend durch die praktische Erfahrung festgestellt worden sind. 
Ganz bekannt ist unter Landwirten, dafs das Mergeln des Ackers 
die häufigste Veranlassung zum Schorfigwerden der Kartoffeln darstellt. 
Besonders soll es der gelbe Mergel sein. welcher Eisenoxyduloxyd 
enthält. Frank?) hat betreffs dieser Frage direkte Kulturversuche an- 
gestellt. Auf unsterilisiertem Boden entstand Schorf und unterblieb 
auf sterilisiertem, auch wenn demselben Lehmmergel zugesetzt worden 
war. Erfahrungsgemäfs wirken ferner als schorfbegünstigend Rasen- 
eisenstein, Straisenkehricht, Kloakenkot, frischer tierischer Dung, 
Jauche und Chilisalpeter, so dafs man zu der Vermutung gedrängt 
wird, die alkalische Reaktion sei die hauptsächlichste Ursache 
der Begünstigung der Schorforganismen. Zu diesem Schlufs kommt 
auch BorreY?), dessen Versuche ergeben, dafs seine Schorfbakterien 
sich am schnellsten auf neutralem oder basischem Nährboden ent- 
wickeln. Dafs die Nässe fördernd wirkt, haben Frank’s vergleichende 
Versuche erwiesen, und BoLLeY hebt hervor, dafs leichte sandige Böden 
in der Regel glatte Knollen liefern. Frank’s Resultate scheinen der 
Erfahrung zu widersprechen, dafs man in heifsen, trockenen Jahren 
stellenweise viel Schorf finden kann. 

Die Widersprüche lösen sich, wenn man die Untersuchungen von 
THAXTER *) herbeizieht, der für Tief- und Flachschorfformen verschiedene 
Organismen unterscheidet und hervorhebt, dafs für den von ihm kulti- 
vierten Organismus neutrale Reaktion am förderlichsten, leichte Alkalität 
aber wie leichte Ansäuerung verzögernd zu wirken scheinen. Bei seinen 
Versuchen wurden junge Knollen an jeder Stelle, ältere noch mit Erfolge 
an Wundstellen und namentlich Lenticellen angegriffen, während an- 
nähernd reife Knollen gänzlich versagten. 

Die Schorforganismen erscheinen also in ihren Ansprüchen nicht 
übereinstimmend. Nur das ist ihnen gemeinsam, dafs sie die Lenti- 
cellen bevorzugen; aufserdem sind die jugendlichen Organe mit zarter 
Korkbekleidung und bei Rüben die Stellen, wo die Würzelchen ent- 
springen, besonders geeignet zu Angriffspunkten für die Mikroorganismen. 
Diese Stellen werden aber wesentlich gelockert durch nassen Boden, 
und daher wird die Behauptung erklärt, dafs Nässe die Schorf- 
erkrankung begünstigen kann. Aber nasse, schwere Böden sind auch 
der Durchlüftung schwer zugänglich, und wenn sich im Boden Sub- 


') Borzer, H. L., A disease of beets, identical with Deep Scab of potatoes. 
Gov. Agric. Exp Stat f. North Dakota. Bull 4, 1891. 

2) Kampfbuch gegen die Schädlinge unserer Feldfrüchte. 1897, S. 177. 

?) Zeitschr. f. Pflanzenkrankh. 1901, S. 49. 

4) Tuaxrer, Rorano, The Potato Scab. Fourtheenth Annual Report of the 
Connecticut Agric. Exp. Stat. 1890. 


2. Verhalten der Nährstoffe zu den Pflanzen. 371 


stanzen befinden, welche bedeutende Sauerstoffmengen beanspruchen, 
so nehmen sie, wenn derselbe von aufsen her dem Boden nicht ge- 
nügend zugeführt wird, ihn von der lebendigen Pflanzensubstanz. Als 
solche stark Sauerstoff beanspruchende Massen müssen die Abfallstoffe, 
Kloakeninhalt, tierischer Dung, Eisenoxydulverbindungen usw. angesehen 
werden. Wir finden Beispiele, dafs ein gedüngtes Ackerstück schorfige 
Kartoffeln brachte, während die ohne Stalldung gebliebene Umgebung 
schorffreie Ernteprodukte lieferte !). 

Bei der Zersetzung des Kloakeninhalts und anderer tierischer 
Abfallstoffe entstehen aber schädliche Schwefelverbindungen im Boden, 
und diese werden selbstverständlich giftig auf den Wurzelapparat, 
fördernd aber auf gewisse Bakteriengruppen wirken können. Sobald 
solche Vorgänge sich einstellen, können die Schorfbakterien, die neutralen 
oder alkalischen Boden bevorzugen, besonders gedeihen. 

Nun dürften solche Verhältnisse in Tonböden auch bei intensiver 
Hitze und Trockenheit entstehen; sie können durch Zufuhr von eisen- 
haltigem Mergel sich bilden, und damit würde sich das Erscheinen 
und oftmals alljährliche Wiederholen des Schorfes erklären, der nach 
Mergeln eintreten kann, aber nicht immer sich einstellt. Alle die genannten 
schorfbegünstigenden Faktoren können in bestimmten Fällen wirklich 
Schorf hervorbringen und in anderen Fällen nicht. Die gute Wirkung 
des Kalkes, die bei mehreren Anbauversuchen beobachtet worden ist ?), 
wird sich durch seine flockende Eigenschaft, die er auf schliefige 
Böden ausübt, erklären lassen. Der Boden wird wärmer, lockerer, der 
Durchlüftung zugänglicher und der tierische Dung vor abwegigen Zer- 
setzungen geschützter. Die leicht durchlüftbaren Sandböden, in denen 
sich hochkonzentrierte Bodenlösungen nicht lange halten können, sind 
meist schorffrei. Also die einzelnen sogenannten schorffördernden 
Substanzen an sich sind nicht schädlich, sondern erst gewisse Kom- 
binationen, die die Bodenzersetzung in ungesunde Bahnen leiten. 

Zu der hier geäufserten Anschauung sind wir durch eigne Versuche?) 
geführt worden, welche die Frage beantworten sollten, ob der Schorf 
sich stets im Acker erhalten und ausbreiten kann. Das Ergebnis war 
ein negatives. In zwei aufeinanderfolgenden Versuchsjahren waren 
nämlich nicht nur die von gesundem Saatgut kommenden, sondern auch 
die von schorfigen Kartoffeln stammenden Knollen mit ganz geringen 
Ausnahmen gesund. Daraus geht hervor, dafs für die Ausbreitung der 
Schorfkrankheit im freien Felde die Beschaffenheit des Saatgutes 
weniger ausschlaggebend ist und die vielfach empfohlenen Beizverfahren 
überflüssig sind. Die Bekämpfungsmafsnahmen müssen auf eine 
Anderung der Bodenbeschaffenheit gerichtet sein, namentlich auf Ver- 
meidung der schorfbegünstigenden Substanzen. Betreffs der oft be- 
haupteten Schädlichkeit des Kalkes haben meine Versuche ergeben, 
dafs Knollen, die teilweise direkt mit Kalk in Berührung gebracht 
worden waren, gänzlich glattschalig und gesund geblieben sind. In 
neuerer Zeit sind Mittel. welche die saure Reaktion des Bodens er- 
höhen sollen, in den Handel gebracht werden (z. B. Sulfarin). 

Im Anschlufs an die Schorfkrankheiten der Wurzelgewächse 


!) Arb. d. D. Landw.-Ges. Jahresbericht d. Sonderausschusses f. Pflanzen- 
schutz 1904. - 

2) Krüger, Fr., Untersuchungen über den Gürtelschorf der Zuckerrüben, Zeit- 
schrift d Ver. d. Deutsch. Zuckerindustrie. Nov. 1904. 

®) Zeitschr. f. Pflanzenkrankh. 1899, S. 182. 


24* 


372 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


möchten wir auf ähnliche, noch nicht studierte Erscheinungen an glatt- 
rindigen, jungen Bäumen aufmerksam machen. Linden, Ulmen; 
Eichen usw. zeigen auf gewissen Böden (z. B. bei moorigem Unter- 
grund), in der Umgebung von Adventivaugen oder -trieben runde, sich 
vergröfsernde, borkig zerklüftende Rindenstellen. Dieser Rinden- 
schorf ist in der Umgebung grofser Städte, wo die Bäume häufig 
Bauschutt und Abfuhrstoffe im Untergrunde finden, nicht selten. 

Eine andere in diese Gruppe zu ziehende Erscheinung bei Gersten- 
und Weizensaat ist die „Fleckennekrose*, d. h. das Auftreten 
tief dunkelrotbrauner, absterbender Flecke an der Spitze und am Rande 
der Getreideblätter. Ich habe die Krankheit am intensivsten bisher auf 
schweren, tonigen oder moorigen Ackern, die dauernd reiche Kalidüngung 
erhielten und in Flugaschenregionen sich befanden, angetroffen. 


Die vorschreitende Metamorphose. 


Während wir bei den bisher in diesem Abschnitt besprochenen 
Fällen mehrfach deutlich das Gemeinsame der Erscheinungen darin er- 
kannt haben, dafs es sich im wesentlichen um den Einflufs von un- 
zweckmäfsiger Konzentration der Bodenlösung handelt, durch welche 
der Organismus leidet, wollen wir jetzt der Fälle gedenken, bei denen 
die plastischen. Baustoffe unzw eckmäfsig gesteigert werden. Auch hier 
braucht nicht immer ein übermäfsiger Vorrat von Nährstoffen im Boden 
die Veranlassung zu geben, sondern es kann auch durch verschiedene 
Ursachen nur eine Gleichgewichtsstörung in der Bildungsrichtung des 
Individuums, eine Verän der ung der Verwendu ng des plastischen 
organischen Materials eintreten. 

Beispiele dafür sind diejenigen Erscheinungen, welche als vor- 
schreitende Metamorphose angesprochen” werden. Es handelt 
sich hier um den Übergang von Blattorganen im eine morphologisch 
höhere Ausbildungsform. “Die Teratologie ‚klassifiziert solche Um- 
bildungen unter den Namen „Petalo die“ und „Pistillod3es 
d.h.;in Fälle, bei denen die Deckblätter oder der Kelch blumenblattartig 
werden oder Teile der Corolla dem Charakter der Staubgefäfse sich 
nähern oder diese sowie wirklich dem Staubblattkreise angehörige 
Organe sich in Fruchtblätter umwandeln. Für die Petalodie bieten die 
Kulturformen unserer Primen und Ranunkeln zahlreiche Beispiele. 
Für die Pistillodie finden wir die schönsten Beläge bei unserem Mohn 
(Papaver somniferum), der als eine alte Kulturpflanze, ähnlich unsern 
Kohlgewächsen, in seinem morphologischen Baugesetze schon derart 
erschüttert ist, dafs er zu Umbildungen seiner Organe sehr leicht neigt. 
Der interessanteste Fall dürften solche Mohnköpfe sein, die kranzartig an 
ihrer Basis viele kleine verholzende Anlagen von Köpfchen (in Frucht- 
blätter übergegangene Staubgefäfse) tragen. Bei gefüllten Knollen- 
begonien, Tulpen "und anderen Liliaceen wurden Exemplare gefunden, 
bei denen die Staubgefäfse zu Fruchtblättern mit Samenknospen sich 
umgewandelt hatten. Verwandt damit sind die Erscheinungen der 

„Zapfensucht“ bei den Nadelhölzern, namentlich den Kiefern, wie 
een Figur 54 veranschaulicht. 

In der Mehrzahl der Fälle stehen die Zapfen am Grunde eines Jahres- 
triebes dicht gedrängt und bleiben kleiner als normale, liefern aber keim- 
fähige Samen. Ihre Entstehung an Stelle von männlichen Blüten deutet 
auf einen lokalen Überschufs an konzentriertem, plastischem Material. 


2. Verhalten der Nährstoffe zu den Pflanzen. 


Es spricht dafür auch eine Be: 
obachtung von BORGGREVE I), 
der nach dem Verpflanzen 
mehrerer etwa 15 jähriger 
Fichten in dem Botanischen 
Garten zu Bonn fand, dafs 
im folgenden Jahre der Ter- 
minaltrieb sich in einen weib- 
lichen Blütenstand umge- 
wandelt hatte. 

Wenn der Überschufs an 
plastischen Baustoffen sich 
darin betätigt, dafs zwar die 
einzelnen Blattkreise einer 
Blüte in ihrer Gestalt erhal- 
ten bleiben, aber die Achse 
sich verlängert, sprechen wir 
von Auseinanderhebungen 
(apostasis) der Blüten. 
Es erscheint dann z.B. der 
Kelch durch ein langes Inter- 
nodium von der Blumen- 
krone und diese von den 
Staubgefäfsen getrennt, usw. 

Die vollkommenste Form 
der Uberernährung der Blü- 
ten tritt uns in den sogen. 
„Rosenkönigen“ ent- 
gegen, d. h. bei solchen 
Rosen, bei denen aus der 
Mitte einer Blume eine neue 
hervorspriefst oder seitlich 
neue Blumen heraustreten. 
Wir bezeichnen derartige 
Fälle als Ubersprossung 
oder Proliferatio. Es 
entstehen innerhalb einer 
Blüte oder eines Blüten- 
standes aufsergewöhnliche 
Knospen. 

Solche Knospen können 
nun bald zu Blüten, bald zu 
beblätterten Trieben sich 
entwickeln. Steht eine solche 
Adventivknospe im Zentrum 
einer Blume, so dafs dadurch 
deren Achse geschlossen und 
erst durch Entwicklung die- 
ser Knospe fortgesetzt er- 
scheint, so nennen wir eine 


1) Forstliche Blätter 1880. 
Bd. 17, S. 245. 


Fig. 54. Zapfensucht bei Kiefer, 


379 


(Nach Nossr.) 


374 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


solche Proliferation eine Durchwachsung (diaphysis). Erscheinen 
dacegen die Adventivknospen in der Achsel irgend eines Gliedes der 
Blütenkreise oder der Deckblätter, führt die Bildungsabweichung den 
Namen Achselversprossung (ecblastesis). Die mittelständigen 


DIN 
N 


Fig. 55. Sprossende Birnen. 


Versprossungen sind häufiger als die achselständigen, was wahrscheinlich 
mit dem Umstande zusammenhängt, dafs alle Triebe, welche die direkte 
Fortsetzung der aufsteigenden Achse bilden, leichter Wasser- und 
Nahrungszufuhr erhalten als die seitlichen Verzweigungen. Hierfür 
spricht auch das äufserst seltene Vorkommen von Proliferationen bei 
Blumen, die einzeln in der Achsel von Blättern stehen. 


2, Verhalten der Nährstoffe zu den Pflanzen. 


Die Füllung der Blumen bei Compositen besteht 
bekanntlich häufig darin, dafs die normal röhrenförmigen 
Scheibenblumen zu leuchtend gefärbten Zungenblumen 
werden. Eine Proliferation bei Compositen ist vielfach in 
der Weise beobachtet worden, dafs an Stelle des einzelnen 
Blütchens sich vom allgemeinen Blütenboden ein ganzes 
Köpfchen erhebt. So berichtet Masnus!) über Exemplare 
von Bellis perennis, die an der Peripherie ihrer Köpfchen 
zahlreiche, gestielte Sekundärköpfchen besafsen. Die- 
selbe Erscheinung wurde bisweilen aufser an Crepes 
biennis L. auch noch an Üirsium arvense Scop. beobachtet. 
Überall waren die einzelnen Blütchen derart durch- 
gewachsen, dafs sie zu einer mehr oder weniger lang- 
gestielten, oft mit trockenhäutigen Blättchen versehenen, 
von einem ganzen Blütenköpfchen gekrönten Achse wurden. 
An der Peripherie eines jeden Sekundärköpfchens können 
sogar Tertiärköpfchen und mehr Generationen sich ent- 
wickeln. 

Sprossungen von phanerogamen Früchten sind 
ebenfalls keine Seltenheiten. Die bekanntesten Beispiele 
finden wir an unseren Kernobstfrüchten, und zwar bei Birnen 
mehr als bei Apfeln. Wir geben in Fig. 55 eine Abbildung 
sprossender Birnen, bei denen aus einer Frucht eine andere 
oder auch mehrere hervorbrechen. Die Erklärung dieser 
Erscheinung ergibt sich von selbst bei der Betrachtung, 
dafs die Frucht unseres Kernobstes ein Zweig ist, dessen 
Rinde aufsergewöhnlich stark sich entwickelt. Gewöhnlich 
ist der Zweig durch die Fruchtblätter an seiner Spitze 
abgeschlossen; diese entwickeln sich zum Kernhause und 
tragen in dessem Innern die Samen. Dabei wölbt sich 
die Rinde des Zweiges, an dessen Gipfel die Blume em- 
gesenkt ist, immer mehr über den Samenanlagen zusammen 
und wird durch stoffliche Veränderungen und Streckungen 
ihrer Zellen zum Fruchtfleischh Wie bei den Durch- 
wachsungen der Rosen kann nun auch eine Birnenblüte 
durchwachsen, indem der kleine Achsenscheitel zwischen 
den Fruchtblattanlagen sich wieder streckt, die Frucht- 
blätter auseinanderdrängt oder gar nicht zur Entwicklung 
kommen läfst und sich zu einem aus der ersten Birne 
hervorsprossenden Zweige ausbildet. Derselbe entwickelt 
an seiner Spitze entweder eine Blüte oder schwillt auch 
ohne eine solche kreiselförmig auf und stellt so eine zweite 
Birne in der ersten dar. Entwickeln diese Zweige keine 
Geschlechtsorgane, dann zeigen die monströsen Birnen im 
Innern gar kein Kernhaus. Wenn sich die durchwachsende 
Achse der Birnenfrucht verzweigt, dann sprossen neben 
der zentralen Birne noch seitliche, kleinere Birnen hervor. 

Bei Apfeln erstreckt sich manchmal die Sprofskraft 
nur auf einzelne Gefäfsbündeläste in der Frucht; es wölbt 
sich dann aus derselben seitlich ein Buckel, der sich bis 


1) Sitzungsber. d. Bot. Ver. d. Prov. Brandenburg XXI. 1879, 
Sitz. v. 28. Nov. 


Järchenzapfen 
mit durch- 
wachsender 

Achse. (Nach 

NOBBE.) 


376 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


zu einer kleinen Nebenfrucht steigern kann, hervor. Bildet sich die 
Seitensprossung bis zur Produktion einer wirklichen Knospe aus, so 
erhalten wir zwei schräg übereinanderstehende Kerngehäuse. Der Fall 
hat dann grofse Ähnlichkeit mit den Doppelfrüchten, welche durch 
Verschmelzung zweier getrennter, seitlich stehender Blütenanlagen 
entstehen. Ein einfacher Fall ist die Entwicklung einer ruhenden 
Laubknospe am noch unverdickten Zweigteile der Frucht, nämlich am 
Fruchtstiele. 

Bei den Nadelhölzern zeigt sich die Proliferation im Fortwachsen 
der Zapfenachse zu einem beblätterten Zweige, was am häufigsten bei 
den Lärchen (s. Fig. 56) zu finden ist. i 

Zu den Erscheinungen, bei welchen sich ein UÜberschufs von 
plastischem Material geltend macht, gehört auch das Auftreten von 
Blattorganen an Stellen der Achse, die normalerweise blattlos sein 
sollen (Chorise) und die Vermehrung der Blattorgane in einem Knoten 
(Verdopplung, Dedoublement), sowie die Vervielfältigung der 
Teile eines zusammengesetzten Blattes (Pleophyllie). Das häufigste 
Beispiel für letzteren Fall sind die vierblätterigen Kleeblätter, 
über welche eine neue Studie von Tamımzs !) zunächst erwähnt, dafs DE VRIES 
durch fortgesetzte Selektion bereits eine Rasse geschaffen habe, deren 
Individuen sehr reich an vier- bis siebenscheibigen Blättern sind. Es 
liegt hier wieder ein sehr hübsches Beispiel vor, wie einmal zufällig 
entstandene Überernährungserscheinungen erblich werden können. Wir 
haben auf diesen Punkt auch bei den Verbänderungsvorgängen hingewiesen. 
Bei dem Klee erscheinen einzelne Nervenäste kräftiger und gespalten 
oder auch der Mittelnerv, und zwar bisweilen über den Blattstiel noch 
hinaus. Dann trägt jeder Teil des gespaltenen Blattstiels an seiner 
Spitze einige Blättchen. An den Zweigen zweiter, dritter und vierter 
Ordnung, bei denen die Nährstoffzufuhr schon nachläfst gegenüber 
den erstentstandenen, kräftigen Achsen, läfst auch die Pleophyllie 
nach. Weniger in die Augen springende Beispiele finden wir bei allen 
Pflanzen; überall zeigen sich in den für die Nahrungszufuhr am 
günstigsten gestellten Zweigen solche Blätter, die besonders stark ent- 
wickelte Blattflächen und dann Gabelungen einzelner Rippenäste er- 
kennen lassen. 

Am häufigsten begegnet man solch üppig ausgebildeten Blattformen 
bei dem sogen. Stockausschlag, also den aus schlafenden und 
adventiv gebildeten Augen hervorgehenden Trieben an den Stümpfen 
gefällter Bäume (z. B. Populus und Morus). Die Gröfsenverhältnisse 
pflegen weit über das Durchschnittsmafs hinauszugehen, und die Blatt- 
formen weichen bis zur Unkenntlichkeit oftmals vom Typus ab. In 
diesen Fällen haben die neuentstehenden Triebe das gesamte gespeicherte 
Reservematerial des Baumstumpfes zur Verfügung, und daher die enorme 
Steigerung ihrer Produktion. 

Als verwandte Erscheinungen nennen wir hier auch die Hexen- 
besen, die wirals „Zweigsucht“ ansprechen können. Die Häufung 
des plastischen Materials an einzelnen Aststellen, die sich allmählich 
durch proleptische, nestartige Zweigbildung zu verwerten sucht, dürfte in 
der Mehrzahl der Fälle durch parasitäre Reizung zustande kommen. 


!) Tanmes, Tıne, Ein Beitrag zur Kenntnis von Trifolium pratense quinquefolium 
de Vries. Bot. Zeit. 1904, Heft XI, S. 211. 5 


2, Verhalten der Nährstoffe zu den Pflanzen. 377 


In der Regel weichen die abnorm gebildeten Achsen in ihrem Bau von 
den normalen ab). 

Hierher gehört ferner der Rückgang auf die Jugendformen?) 
bei Gehölzen. die nach starken Verletzungen frisch und kräftig aus- 
treiben. Auch die sogen. Rosettentriebe, wie sie Fig.57 von der 
Kiefer darstellt, sind Folgen lokaler Uberernährung, die dadurch zu- 
stande kommt, dafs die Bäume äufserst starke Verluste an ihrem Laub- 
körper (meist durch Raupenfrafs) vorher erlitten haben. Die mobilisierten 
Baustoffe, welche dadurch ihr Ernährungsgebiet verloren haben, strömen 
nun den ruhenden Augen, die zwischen den normalen Nadelbüscheln 
angelegt oder in Form schwächlicher Quirlknospen deutlicher erkennbar 
sind, zu und veranlassen dieselben zum Austreiben. An Stelle von 
Nadelbüscheln entstehen dann einfache, breit schwertförmige Nadeln 
mit gezähntem Rande; in deren Achseln können dann, wie unsere Figur 
es zeigt, wieder normale Kurztriebe (Nadelbüschel) gebildet werden. 

Betrachten wir die geschilderten 
Fälle in ihrer Gesamtheit, ergibt sich 
sofort der übereinstimmende Zug m 
denselben. Es ist überschüssiges Bau- 
material in einem Teil der Achse, vor- 
handen. Und zwar ist durch Über- 
ernährung wirklich neu vom Blattapparat 
gebildete organische Substanz einem 
Achsenteil zur Verfügung gestellt, oder 
es kommt eine Anhäufung der Baustoffe 
lokal dadurch zustande, dafsmobilisiertes 
Reservematerial nicht sein bisheriges 
Verbrauchsgebiet findet, indem dasselbe 
durch Verletzungen (Raupenfrafs, Ver- Fig. 57. Rosettentrieb einer Kiefer. 
bifs, Schneidelung, Sturm usw.) ver- In der Achsel der einfachen schwert- 
loren gegangen ist. Wirft sich dieses !ormieen Nadeln zeigen sich die Kurziriebe 
überschüssige Material auf bereits vor- (Vergrölsert.) 
handene Organanlagen, kommt dasselbe 
in erhöhter Ausbildung der normalen Form oder im Rahmen der 
vorschreitenden Metamorphose in anderer Organform zum Ausdruck. 
Gelangen die Baustoffe an einen Vegetationspunkt, werden mehr Organe 
angelegt. Jeder Vegetationspunkt ist stets das Produkt der ıhm zu 
Gebote stehenden Nahrung; er hält sich nur so lange innerhalb seiner 
morphologischen Gesetzmäfsigkeit, als der Ernährungsvorgang der bis- 
her übliche war. Steigert sich die Menge der Baustoffe, bildet er mehr 
Organanlagen, und damit können sich die erblich gefestigten Blatt- 
stellungsgesetze ändern und abnorme neue Vegetationspunkte in Form 
von Knospen sich bilden. Es gibt eben keine unerschütterlichen Merk- 
male am Organismus, und die Kultur rüttelt fortwährend an dem er- 
erbten Bautypus. 


Knospendrang (Blastomania A. Br.). 


Es ist bereits im vorigen Abschnitt des sogen. „Stockausschlags“ 
gedacht worden. Die Erscheinungen sind überall zu beobachten, wo 


1) Vergl Zune, Wirm., Untersuch. über die Entstehung des Kiefernhexenbesens. 
Ber. d. Kgl. Lehranstalt f. Weinbau usw. Geisenheim 1905, S. 235. Ferner bietet die 
naturwiss. Zeitschr. f. Land- u. Forstwirtschaft neuerdings reichliches Material. 

2) Diers, L., Jugendformen und Blütenreife im Pflanzenreich. Berlin 1906. 
Gebr. Bornträger. 


378 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


alte Stämme von Pappeln, Eichen, Buchen, Kastanien usw. gefällt 
worden sind. An der Schnittfläche des Stammstumpfes erhebt sich 
aus der cambialen Zone ein Überwallungsrand, in welchem zahlreiche 
Adventivknospen gebildet werden. Dafs auch an Wundflächen kraut- 
artiger Stengel und Blätter neue Knospen entstehen, zeigen die viel- 
fachen Vermehrungsvorgänge durch „Blattstecklinge* von Bego- 
nien, Gesnerien usw. Als ebenso bekannt vorauszusetzen ist die 
Eigenschaft der „Viviparität“, d.h. der Entwicklung neuer vegetativer 
Knospen aus einer unverletzten Blattlläche innerhalb des normalen 
Entwicklungsganges (Asplenium, Bryophyllum usw.). Oft beobachtete, 
nicht normale Fälle sind solche Knospenbildungen bei Cardamine pra- 
tensis, Drosera intermedia, Arabis pumila usw. DUCHARTRE sah aus den 
Blättern von Solanum Lycopersicum kleine beblätterte Zweige hervor- 
gehen. Braun beobachtete an den Blättern und namentlich an den 
Stengeln der Kulturformen von Calliopsis tinctoria so überreiche 
Adventivknospenbildung, dafs er z. B. auf einem etwa 20 cm langen 
Stengelstück gegen 300 zählen konnte'). Auch bei anderen Pflanzen 
sind derartige Fälle beobachtet worden’), und ich sah Exemplare von 
Pelargonium zonale und peltatum mit kuchenförmigem, fleischigem Stengel- 
auswuchs an der Basis, der gänzlich mit kleinen Knöspchen bedeckt 
war. Einzelne kräftigere Exemplare derselben entwickelten sich so weit, 
dafs man äufserst kleine Blättchen unterscheiden konnte; die Mehrzahl 
der Knospen ging zugrunde durch gegenseitigen Druck. Ein gleiches 
fleischiges Polster bildete einmal Dahlia variabilis, die im Vermehrungs- 
kasten angetrieben worden war, um aus der Stengelbasis neue Augen 
zu entwickeln. Die Triebe wurden sofort zu Stecklingen abgeschnitten, 
worauf aus den Basalaugen der krautigen Zweigstumpfe sich neue 
Seitentriebe entwickelten, die immer zahlreicher, aber auch immer 
schwächlicher wurden. Es entstand auf diese Weise eine krautartige 
Kropfmaser. 


Die Kropfmasern der Bäume. 


An die vorerwähnte, selten vorkommende Knospenhäufung bei 
krautartigen Pflanzen schliefst sich naturgemäfs die Kropfmaserbildung 
bei Bäumen, die (mit spärlichen Ausnahmen) dadurch zustande kommt, 
dafs normale Zweiganlagen verhindert werden, ihr Längenwachstum fort- 
zusetzen und statt dessen neue Seitenaugen austreiben. Die aus solchen 
hervorgehenden Triebe stehen um so dichter, je näher sie der Basis des 
Mutterzweiges entspringen, weil dort die Internodien am kürzesten 
sind. Wenn derartige Zweiganlagen durch Verwundungen oder andere 
Ursachen, wie z. B. gegenseitigen Druck, in ihrem Spitzenwachstum 
eine Beschränkung finden, treiben auch sie wieder seitliche Sprosse. 

Als Beispiel einer ausgezeichneten Kropfmaserbildung, deren Holz- 
körper nach Entfernung der auffallend dicken Rinde die spiefsigen 
Fortsätze abgestorbener Knospenkegel zeigt, geben wir die Abbildung 
(Fig. 58) eines Stammstückes von Acer campestre; bei a finden wir die 
Flächenansicht, bei 5 den Querschnitt der spiefsigen Holzkegel, deren 
Markparenchym durch die dunkleren Innenkreise angedeutet ist. 


!) Braun, A , Über abnorme Bildung von Adventivknospen am krautartigen 
Stengel von Calliopsis tinctoria Dec. Verh. d. Bot. Ver. d. Prov. Brandenburg, 
XL, S. 151. 

2) Macnus, P., Verh. d. Bot. Ver. d. Prov. Brandenburg, XII, S. 161. 


2, Verhalten der Nährstoffe zu den Pflanzen. 


Fie. 58. Entrindete Kropfmaser von Ahorn 


379 


380 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


Ähnliche Bildungen treten bei sehr verschiedenen Baumgattungen 
auf, und zwar sowohl an beliebigen Stellen der oberirdischen Achse 
als auch, obwohl viel seltener, bei Wurzelstockknospen. Besonders 
bevorzugt sind diejenigen Stellen, an denen Aste abgeschnitten worden 
sind. Hier beginnen dann die am Astgrunde gehäuften Proventiv- und 
Adventivknospen sich zu kleinen Trieben zu entwickeln. Die aus dem 
Cambium des Mutterstammes hervorgehenden Holzelemente nehmen 
durch die vielfachen Hindernisse, te diese durchbrechenden Knospen- 
kegel bieten, einen um dieselben herum sich schlängelnden Verlauf. 
Dadurch mufs eine Verlangsamung in der Leitung des plastischen 


Fig. 60. Querschnitt durch ein Maserpolster. 


. Es . ET Man sieht, dafs die Centralpartie der einzelnen Maser- 
Fig. 59. Maserbildung an Zw en spie[se aus einer Markstrahlerweiterung der Zweigachse 
von Malus sinensis. (Nach Kıssa.) hervorgeht. (Nach Kıssa.) 


Materials nach der Stammbasıs stattfinden. Da aber die Masergeschwulst 
meist einseitig an der Achse auftritt, so dafs die gegenüberliegende 
Seite frei und der normalen Ernährung dauernd zugänglich bleibt, so 
leidet die Ökonomie des Baumes wenig. 

Nicht immer jedoch ist eine normale Zweiganlage als der Ausgangs- 
punkt von Kropfmaserbildungen vorauszusetzen. Es gibt auch Fälle, 
bei denen die Maserspiefse aus Markstrahlwucherungen hervor- 
gehen. Einen solchen Fall behandelt eine unter meiner Leitung ent- 
standene Arbeit von Kıssa!) über Maserbildung bei Malus sinensis. 
Die beistehende Fig. 59 zeigt einen Zweig mit Maserpolstern, die 


) a N. W., Kropfmaserbildung bei Pirus Malus sinensis. Zeitschr. für 
Pflanzenkrankh. 1900, S. 129. 


mit eigner Rinde bekleidet, 


2. Verhalten der Nährstoffe zu den Pflanzen. 381 


vorzugsweise aus der parenchymreichen Basis kleiner Fruchttriebe 
hervorgesprofst sind. 

Im Querschnitt erkannte man, dafs die kegelförmigen Spiefse Holz- 
zylinder darstellen, deren Zentralkörper aus verbreiterten Markstrahlen 
hervorgegangen sind. Derartige Markstrahlen (Fig. 60) sind entweder 
primäre oder entspringen erst aus einem späteren Jahresringe. Der 
Holzmantel des Spiesses besteht aus der Fortsetzung des Holzringes 
des Mutterzweiges. Wie bei einer normalen Seitenachse ist der Maser- 
spiefs mit einer eignen Rinde umgeben und weist auch einen gut aus- 
gebildeten Cambiummantel auf. Ebenso wie ein normaler Zweig 
verästelt sich der Maser- 
spiefs (Fig. 60 hm’) und ver- 
längert sich durch Spitzen- 
wachstum; aber keine dieser 
Achsen zeigt jemals die 
Anlage von Blättern oder 
Knospen. 

Die Differenzierung der 
Gewebe des Maserspiefses 
erfolgt schon in den ersten 
Entwicklungsstadien inner- vag9: an N 
halb der Rinde des Mutter- EEE 
zweiges, der zunächst nur N ir ROBBE NE 
etwas angeschwollen er- | 
scheint. Diese Anschwellung 

wird dadurch hervor- 
gebracht, dafs die Rinde 


durch eine Anzahl besonders 2 At nogüng>aranaigde ER 
stark entwickelter, mit me- BEE TRSNTTR B are 
ristematischer Kappe OD HUT ji) EEORM 

| g Ai 5 LAs 213% 


versehener Markstrahlen auf- 
getrieben wird. Durch das 
weitere Spitzenwachstum 
dieser Neubildungen wird 
die Rinde des Mutterzweiges 
schliefslich durchbrochen. 
Nun tritt der Maserspiefs, 


als selbständiges Gebilde Fig. 61. Längsschnitt durch einen Maserspiefs. 
hervor. Aber das Längen- (Nach Kıssa.) 

wachstum desselben findet 

seinen baldigen Abschlufs, da die Rindenkappe und die darunter liegende 
Meristemschicht vertrocknen. Statt des Spitzenwachstums tritt nun 
eine basale Seitensprossung bei den einzelnen Maserspiefsen im Innern 
der Rinde des Mutterzweiges ein. 

In Fig. 60, dem Querschnitt eines mit Masern bedeckten Zweiges, 
sehen wir, dafs die den Markkörper des Maserspieises bildenden Mark- 
strahlen meist primäre sind, also vom Markkörper des Mutterzweiges 
ausgehen. sp bedeutet Maserspiels, m Mark, A Holzteil, » Rinde, 
c Cambium, mst Markstrahlen des Mutterzweiges, Am Holzmantel, 
rm Rindenmantel des Maserspiefses, n Meristemkappe des Maserspiefses, 
hm’, rm’ Holz- und Rindenteil der Seitensprossungen des Maserkegels, 
h’ zweiter, h” dritter Jahresring. 


382 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


Fig. 61 ist der stark vergröfserte Längsschnitt durch einen Maser- 
spiefs, “der noch innerhalb der Rinde des "Mutterzweiges sich befindet, 
Ph ist Phellogen, k Korkschicht, Pe collenchymatisch verdickte Zellen, 
Pr Parenchym der Primärrinde des Mutterzweiges, welches sich in seinen 
inneren Lagen mit Stärke zu füllen beginnt, St Stärke, Abp abgestorbene 
Lage von Parenchymzellen der primären Zweigrinde, M meristematische 
Spitze des Maserspieises, A Zellen des Holzmantels des Maserkegels 
mit ihren Poren (Por), ce Cambium, 5 Eigenrinde des Maserspieises. 

Also der Kegelmantel Abp aus schratfierten 
Zellen bildet die Grenze zwischen der Maserspiefs- 
anlage und der Mutterrinde des Zweiges. Erstere 
gibt "sich deutlich als Achsenzylinder zu erkennen, 
indem ein Holzmantel A bekleidet ist mit eignem 
Rindengewebe B, wobei zwischen beiden sich die 
Cambiumzone c kenntlich macht. Der Holzzylinder 
zeigt sich vorzugsweise aus stark porösem Par- 
enchymholz zusammengesetzt (Por). Das Rinden- 
gewebe ist reichlich mit Stärke angefüllt. Der 
junge Maserspiefs verlängert sich durch Spitzen- 
wachstum mittels seiner Meristemkappe und prefst 
allmählich die angrenzenden Zellen der Mutter- 
rinde zu einer gelblichen verquollenen Schicht 
(Abp) zusammen. Oberhalb dieser abgestorbenen 
Zelllage ist die Mutterrinde noch ganz gesund; 
erst wenn der Maserkegel durchbricht, wird sie 
abgetötet. 

Wenn wir im vorhergehenden der Struktur 
des fertigen Maserkegels besondere Aufmerksam- 
keit oeschenkt haben, so wenden wir uns jetzt 
ergänzend zu den Vorgängen der Markstrahl- 
erweiterung , welche die Maserkegelbildung ein- 
leitet. Ein solcher Fall ist von mir bei Ribes 
nigrum!) studiert worden. 

Fig. 62 h zeigt die gehäuften, perligen bis 
1 mm hohen Maserbildungen neben- und zum 
Teil übereinander. Im Quer schnitt Fig. 63 bemerkt 
man, wie der Holzring des Zweiges in fächer- 


an Rs ed artiger oder fiederiger Verä ästelung in den Maser- 


Schwarzen Johannis. körper ausstrahlt, der hier nicht, wie bei Malus 
beere. (Orig.) sinensis kegelförmig, sondern kugelie- warzenförmig 
erscheint. 


Fig. 63 stellt in D die Längsansicht, in A den Querschnitt einer 
Maserwarze dar. D ist die normale Zweigachse mit ihrem Markkörper m 
und Holzringe A, der nun durch wuchernde Markstrahlen »nst geklüftet 
erscheint. Diese Markstrahlen bilden den Ausgangspunkt für die sich 
fächerartig verzweigenden Maserbildungen (sp), die bei weiterer Aus* 
bildung einen centralen Holzkörper (Ah) und deutlichen Rindenmantel (r) 
erkennen lassen. 

Der Querschnitt durch den Zweig an einer solchen warzigen Stelle 
lälst erkennen (Fig. 64), dafs die Warze eine kegelförmige Wucherung 
(k) der inneren Rinde darstellt, welche die äufseren Rindenschichten 


I) SoRAUER, P., Krebs an Ribes nigrum. Zeitschr. f. Pflanzenkrankh. 1891, S. 77. 


2. Verhalten der Nährstoffe zu den Pflanzen. 383 


gesprengt hat und von ihnen noch lippenartig (/) gedeckt wird. Die 
Ränder der Lippen sind abgestorben; ın der Vertiefung ist meist Mycel 
kenntlich, das auch auf die äufseren, gebräunten und im Absterben 
bepriffenen oder bereits toten Zellen des primären Maserkegels (p) 
übergeht. Verfolet man das Wucher- 
gewebe, das nach seiner Basis hin 
einen aus schmalen, netzartig ver- 
dickten Gefäfszellen bestehenden, in 
den normalen Holzring übergehenden 
Holzmantel besitzt, rückwärts, so 
bemerkt man, dafs man eine einfache 
Markstrahlwucherung vor sich hat. 

In Fig. 64, die eine am weitesten 
fortgeschritteneMarkstrahlwucherung 
am Ende des ersten (Entstehungs-) 
Jahres eines Zweiges darstellt, zeigt 
die linke Seite noch den normalen 
Rindenbau: ak sind die verkorkten 
Reste der im Laufe des Entstehungs- 
Jahres bereits abblätternden, äufser- 
sten Rindenlagen mit einzelnen Kalk- 
oxalatkristallen. Diese hängen stellenweise noch mit den gefärbten, un- 
verletzten Korklamellen (9%) zusammen, welche als fester, gleichmäfsiger 
Gürtel den Zweig umschliefsen. Unter der Korkschicht liegen die 
collenchymatisch verdickten Rindenschichten (co), und diese grenzen 


Fig. 63. Querschnitt durch einen mit 
Masern bedeckten Zweigteil. (Orig.) 


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Fig. 64. Querschnitt durch die Rinde der Schwarzen Johannisbeere; linke Seite 
gesund, rechte Seite mit zunehmender Wucherung der Markstrahlen. (Orig.) 


an das Chlorophyll führende Parenchym (chl), das sich durch tangentiale 
Kalkoxalatbinden (0, 0!, 0?) in Zonen geteilt darstellt. An diesen Kristall- 
binden zeigt auch die normale Rinde des gesunden Zweiges nicht selten 
tangentiale Lücken, welche dadurch entstehen, dals die dünnwandig 


384 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


bleibenden Zellen, welche die kleinen Drusen von Kalkoxalat führen, 
sehr leicht zerreiisen, so dafs die Kristalle zum Teil freiliegend an den 
Rändern der Lücke auftreten. 


Im Herbst des ersten Jahres sieht man die Phloömstrahlen bis an 
die erste Oxalatbinde (0) reichen. In diesen Strahlen wölbt sich, wie 
dies bei unseren Holzgewächsen die Regel ist, die Cambiumzone (e) 
nach aufsen und sinkt über dem Holzkörper (h) wieder bogenförmig 
zurück. Daraus läfst sich erkennen, dafs der Markstrahl als Schwell- 
körper für die radiale Ausdehnung der Achse funktioniert, sowie der 
Markzylinder selbst die longitudinale Streckung unterhält. 


Der normale Markstrahl (m) behält innerhalb der Rinde seine im 
Holzkörper zuletzt erlangte Zellenzahl durchschnittlich bei, und seine 
Verbreiterung in der Rinde beruht dann 
nur auf der gröfseren Ausdehnung der 
einzelnen Zellen. In der Nähe der 
Wucherung dagegen findet man nicht 
selten schon Markstrahlen, deren Zellen 
an Zahl gewachsen sind (m!), aber im 
wesentlichen noch ihre radiale normale 
Längsstreckung bewahrt haben. Im 
Wucherstrahl endlich tritt eine aufser- 
ordentliche Zellvermehrung ein, und die 
Cambiumzone wölbt sich steil nach 
aufsen. 


Man sieht dies am besten in den 
verhältnismäfsig seltenen Fällen, in 
denen Markstrahlen einseitig mit der 
Wuchergewebebildung anfangen, wie 
Fig. 65. Markstrahl in den Anfangs- dies in Fig. 65 dargestellt ist. In dieser 
stadien der Maserbildung. (Orig) Fio, 65 deutet m die Markstrahlzellen 

innerhalb des Holzkörpers an, ec ist die 
Cambiumzone, die an der rechten Seite ansteigt, linkerseits über dem 
Holz h zurücksinkt; nr ist die normale Seite des Rindenstrahls, der an das 
derbwandige Rindenparenchym » anstöfst und sich in Kalilauge durch 
die gelbere Färbung deutlich von der Umgebung abhebt. In o sind die 
sehr zartwandigen, kleinen Zellreihen mit oxalsaurem Kalk angedeutet; 
schon hier, in der Nähe der Cambiumzone, lassen die Wandungen dieser 
Zellen eine eigentümliche körnige Beschaffenheit als Zeichen ihres 
baldigen Zerfalls erkennen. Auch in der normalen Rinde findet sich ein 
solcher körnigschleimiger Zerfall dieser Zellbinden und das Heraustreten 
der Kalkdrusen an die Ränder der entstehenden Lücken. In der wuchern- 
den Seite (wr) des Rindenstrahls, dessen Zellen nach Behandlung mit 
Kalilauge noch dunkler gelb als die auf der normalen Seite werden 
und nicht selten eine deutlich knötchenartige Aufquellung der Wandung 
zeigen, richtet sich die Cambiumzone steil auswärts, ec’, und deutet schon 
an, dafs sie kappenartig im fertigen Wuchergewebe sich vorwölbt. 

Dieses kegelförmige Aufsteigen der Cambiumzone ist in Fig. 64 we 
ersichtlich. Hier erkennt man, dafs sie sich zu einer Spitzenregion 
hinzieht, die aber nicht am äufsersten Gipfel des Wuchergewebes liegt, 
sondern immer gedeckt vom Rindengewebe bleibt; dasselbe stirbt von 
aulsen nach innen fortschreitend ab, bis auch die meristematische 
Spitze des Wucherkegels erreicht ist. 


en nn 


2. Verhalten der Nährstoffe zu den Pflanzen, 385 


Die Meristemzone des Maserkegels beginnt im nächsten Jahre 
sowohl in der Spitzenregion als auch im basalen Teile Sprossungen 
zu bilden. Glücklich geführte Schnitte, welche einen Markstrahl in 
seinem ganzen Verlaufe blofslegen, zeigen, dafs die Bildung der sekun- 
dären Achsen wiederum in derselben Weise erfolgt, wie der primäre 
Maserkegel entstanden ist, nämlich durch Wucherung des in der Rinde 
verlaufenden Markstrahlteils. 

Verfolgt man von einer bereits deutlich als Maseranlage kenntlichen 
Stelle aus den Bau der Internodien nach immer jüngeren Teilen des 
Zweiges hin, so sieht man schon in dem noch ganz schwach angelegten 
Holzringe der Achse, welche die zur diesjährigen Verlängerung des 
Zweiges bestimmte Terminalknospe trägt, eine Ungleichmäfsigkeit im 
Markstrahlbau. An der Basis der diesjährigen Knospen, in denen der 
Jugendliche Holzzylinder erst die Spiralgefäfse der Markkrone und 
einige Libriformfasern nebst vereinzelten netzförmigen oder porösen 
(Gefäfsen besitzt, bemerkt man hier und da einen Markstrahl, der durch 
die etwas gröfsere Weite der Zellen, etwas stärkere Lichtbrechung 
seiner Zellwände, seinen ausgeprägteren, geraden Verlauf und seine 
tiefere Fortsetzung in die Rinde hinein von den anderen Strahlen ab- 
weicht. Dabei ist bemerkenswert, dafs die am weitesten ın die Rinde 
hineinragende Endzelle des Phloömstrahls nicht, wie bei den anderen, 
schmäler als die vorhergehenden, sondern breiter und zwar am breitesten 
von allen den Strahl zusammensetzenden Zellen ist. Während also die 
gewöhnlichen Markstrahlen deutlich kegelförmig endigen, hat dieser 
seine breiteste Seite nach der Peripherie gerichtet. Es ist dieselbe 
Wachstumstendenz, die sich bei den älteren, bereits als ausgesprochene 
Wucherstrahlen auftretenden Stadien kenntlich macht. Eime solche 
Differenzierung im jüngsten Zweigstadium zeigt, wie diese Art der 
Kropfmaserbildung schon in den ersten Jugendphasen der Achse 
vorbereitet ist. 

Aufser den Markstrahlwucherungen gibt es noch andere Faktoren 
für Rindenauftreibungen, die bei der Einkapselung erkrankter Gewebe- 
herde entstehen. Wir kommen in dem Abschnitt über die „Knollen- 
maser“, die besser bei den Wundheilungsvorgängen abgehandelt wird, 
auf diese Punkte zurück. 

Kropfmaserbildungen mit hexenbesenartiger Verzweigung hatte ich 
Gelegenheit an Prunus Padus zu beobachten. Ähnliche Gebilde fand 
ich bei Stachelbeeren !. Warzenartige, den beschriebenen bei Ribes 
ähnliche Masern sah ich bei Oydonia vulgaris?). Auch bei Stachelbeer- 
sträuchern in der Nähe von Komposthaufen konnte ich später Maser- 
bildungen in ähnlicher Form wie bei der schwarzen Johannisbeere 
feststellen®). In einem erst kürzlich mir bekannt gewordenen Falle 
bei der roten Kirschjohannisbeere entwickelten sich aus einem kropf- 
artigen Maserknoten lange beblätterte Triebe, die in den Blatt- 
achseln keine ausgebildeten Augen besafsen. An den Stellen, an denen 
die Markbrücke im Zweignodus sonst zur Knospe führt, war entweder 
gar keine Meristemlage zu finden, oder dieselbe blieb von einer Rinden- 
kappe bedeckt und gestaltete sich zu einem kleinen Maserspiefs. An 


1) Jahresbericht des Sonderausschusses für Pflanzenschutz. Arb. d, Deutsch. 
Landw.-Ges. 1898, S. 145. 

2) Ibid. 1899, S. 188. 

3) Ibid. 1900, S. 213. 


Sorauer, Handbuch. 3, Aufl. Erster Band. 


DD 
a 


386 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


Stelle der Gipfelknospe fanden sich Maserspiefsanlagen gehäuft und 
wurden wiederum im nächsten Jahre zur wirklichen Kropfmaser, aus 
welcher, wie bei Acer und Tila, später schwächere, beblätterte Zweige 
hervorsprofsten. 

Soweit man aus der Beschreibung ersehen kann, dürften auch die 
merkwürdigen „Zylindermasern“ (chichi, nipple) an Gingko biloba 
zu den Kropfmasern zu rechnen sein. Nach Kenxsıro FuJı1!) zeigen 
sich diese chichi oder Zitzen als zylindrische oder kugelförmige Aus- 
wüchse, welche in der Regel von älteren Zweigen aus senkreckt nach 
unten wachsen. Ihre Grölse wechselt von der Länge eines Fingers 
bis zu 2 m bei 30 cm Dicke. Sie gleichen normalen Zweigen, denen 
die Blätter fehlen. Am Boden angelangt, schlagen sie Wurzeln, und 
dann vermögen sie auch Blätter zu entwickeln. Auch an den Wurzeln 
sollen ähnliche Bildungen auftreten. 

Ich habe derjenigen Form der Kropfmaserbildung, bei der normale 
Augenanlagen nicht beteiligt sind, eine eingehendere Darstellung ge- 
widmet, weil sie die Wichtigkeit des Markstrahlgewebes in einer 
Richtung dartut, die bisher nicht die geringste Beachtung gefunden 
hat. Dankenswerte Hinweise finden wir allerdings bei Frank ?), der 
auch die früheren Beobachtungen über Maserbildungen bespricht; aber 
es handelt sich hier vorzugsweise um die Erklärung des wimmerigen 
Verlaufes der Holzfaser bei gemasertem Holze. Wir legen das Haupt- 
gewicht auf die Ursachen, die eine Verbreiterung der Markstrahlen 
bedingen. Die letztgeschilderte Kropfmaserform ist nur das Extrem 
einer Neigung zur Markstrahlwucherung, welche uns zu gewissen Krebs- 
geschwülsten hinüberführt. Bei diesen handelt es sich aber um Vor- 
eänge, die durch Wunden veranlafst sind, während wir hier keine 
äufseren Eingriffe auffinden können, sondern auf innere Störungen im 
Gleichgewicht der Wachstumsvorgänge hingewiesen werden. 

Wir haben es mit lokalen, durch den Ernährungsmodus emgeleiteten 
Steigerungen der Druck- und Turgorverhältnisse zu tun, und in dieser 
Beziehung geben uns die Untersuchungen von Kny?) einen erwünschten 
Hinweis. Derselbe fand bei Einwirkung mechanischen Druckes, dafs in 
den Markstrahlmeristemzellen die Teilungswände eine andere Richtung 
annehmen und zweireihige Markstrahlen zustande kommen. Was hier 
ein mechanischer, von aufsen zugeführter Druck tut, mufs nach unserer 
Auffassung auch der gegenseitige durch Turgorsteigerung zustande 
kommende Druck der Gewebe aufeinander veranlassen können. Da 
aber der Turgor — genügende Wasserzufuhr vorausgesetzt — von der 
Beschaffenheit des Zellinhalts, von seinem Reichtum an wasseranziehenden 
Verbindungen abhängt, so wird jede gesteigerte Zufuhr an plastischem 
Material eine Turgorsteigerung und Verschiebung der bisherigen Druck- 
verhältnisse der einzelnen Gewebeformen zueinander veranlassen. 

Solche vermehrte Zufuhr von plastischem Material stellt sich ein, 
wenn in der normalen Ökonomie des Pflanzenteils eine Störung durch 
Entfernung von Verbrauchsherden stattfindet. Bei den Kropfmaser- 
bildungen handelt es sich vorzugsweise um das Abschneiden von 
Zweigen, was bei dem Ausputzen der Stämme und der mannig- 


1) Kessıro Fusır, On the nature and origin of socalled „chichi“ (nipple) of 
Gingko biloba. Bot. Magazine vol. IX, No. 105. 

2) Frank, A. B., Die Krankheiten der Pflanzen. II. Aufl, I. Teil, S. 82. 

3) Ksyv, L, Über den Einflufs von Druck und Zug usw. Pringsheims Jahrb. 
. wiss. Bot. 1901. Bd. XXXVIJ, S. 55. 


2. Verhalten der Nährstoffe zu den Pflanzen. 387 


fachen Arten des Kulturschnittes zur Notwendigkeit wird. Beredte 
Beispiele dafür finden wir bei unseren Linden, Pappeln, Ahorn usw. 
in den Alleen in den immer mehr sich vergröfsernden. Augenkolonien 
an denjenigen Stellen der Stämme, an denen ehemals Zweige fort- 
geschnitten worden waren. Stehen solche Maserkolonien an besonders 
bevorzugten, für die Assimilationsarbeit hervorragend geeigneten Stellen, 
dann erlangen einzelne Schossen aus diesen Polstern ein Übergewicht 
und nähern sich den Wasserreisern. 


c. Einflufs von Stickstoffüberschufs. 


Wie wir gesehen, sind die Störungen der gestaltlichen Ent- 
wicklung des Pflanzenkörpers durch lokale Anhäufung des fertigen 
Baumaterials zwar wissenschaftlich interessant, aber ohne grofse wirt- 
schaftliche Nachteile. Ja, wir finden sogar, dafs die Kultur derartige 
Bildungsabweichungen, wie die Füllung der Blumen, absichtlich zu 
fördern bestrebt ist. Anders aber liegen die Verhältnisse, wenn durch 
das Rohmaterial die stofflichen Vorgänge einseitig beeinflufst werden. 
Hier kommt die Düngungsfrage in erster Linie in Betracht, und vor allem 
handelt es sich um die Störungen, welche durch Stickstoffüberschuis 
und einseitige Steigerung der Kalizufuhr hervorgerufen werden. 

Dafs physikalisch der Boden durch überreiche Zufuhr von löslichen 
Düngesalzen schädlich beeinflufst wird, haben wir schon erwähnt. 
Wenn auch die Salze den Boden feuchter halten, so lange atmo- 
sphärische Niederschläge ausreichend vorhanden sind, so bilden sie doch 
eine stete Gefahr für die Pflanzen zu Zeiten der Trockenheit, weil 
leicht eine zu. hoch konzentrierte Bodenlösung entstehen kann, 
welche den Übertritt des Wassers in die Pflanzenwurzel erschwert!). 
Der Einflufs auf die Pflanzenentwicklung kann nicht ausbleiben. Einen 
Einblick gewährt die Arbeit von GERNEcK?), der bei Triticum beobachtete, 
dafs bei Zufuhr von Ca(NO?°), eine reichere Wurzelhaarbildung eintrat als bei 
KNO?, Bei der Ernährung mit Nitraten fand die Halm- und Ahren- 
bildung spät, dagegen mit Chloriden und Phosphaten früh statt; beı 
letzteren erschienen die Wurzelzellen stärker verdickt als bei ersteren, 
bei denen auch die Epidermiszellen und das Blattsclerenchym am 
wenigsten verholzt waren. 


Wir besprechen nun einige Einzelfälle: 


Überdüngtes Saatgut. 


Die irrtümliche Anschauung, dafs man durch reiche Düngung die 
Pflanzen zu unbegrenzter Vervollkommnung führen könne, hat das Be- 
streben erzeugt, dem Samen schon bei der Aussaat eine Nachhilfe 
durch Dünger zu geben. Man hat entweder den Weg des „Kandierens“ 
der Samen, d.h. des Überziehens der einzelnen Samenkörner mit einer 
Nährstoffkruste gewählt oder sich des Einquellens in mehr oder weniger 
hochkonzentrierte Nährsalzlösungen bedient. Hierbei liefs sich denn 


1) Worıxy, L., Untersuchungen über den Einflufs der Salze auf die Boden- 
feuchtigkeit. Vierteljahrsschr. d. Bayer. Landwirtschaftsrates 1899. Ergänzungs- 
heft S. 437. 

2) Gerneck, R, Über die Bedeutung anorganischer Salze für die Entwicklung 
und den Bau der höheren Pflanzen. Göttinger Dissertation. cit. Just, Bot. Jahresber. 
1902, II, S. 301. 


25* 


388 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


alsbald die Erfahrung machen, dafs solche Unterstützung teils nutzlos, 
teils schädlich ist. 

Die Düngungsversuche mit Rüben, welche von FrEMmY und DEHERAIN 
ausgeführt wurden, geben schon einigen Aufschlufs über diesen Punkt. 
Es zeigt> sich, dafs schwefelsaures Ammoniak und die Kalisalze einen 
schädlichen Einflufs auf den Keimungsvorgang ausüben. Schon bei einer 
Konzentration von 2°%oo sahen die Versuchsansteller die Keimung ganz 
ausbleiben. Mit Bohnen, Erbsen, Mais, Raps, Roggen und Weizen vor- 
genommene Einquellungsversuche von Tautpnöus!) ergaben als Resultat, 
dafs die in destilliertem Wasser eingequellten Samen am besten keimten 
und dafs die Keimfähigkeit um so mehr herabgedrückt wurde, je kon- 
zentrierter die Salzlösungen (Chlorkalium, Chlornatrium, Natronsalpeter, 
schwefelsaures Kali, phosphorsaures Kali und salpetersaurer Kalk in 
Lösung von 0,5—5,0°%0) wurden. Raps keimte in einer 2°/oigen Lösung 
fast noch ebenso gut, wie in destilliertem Wasser, während die übrigen 
Samen schon in einer 0,5 '/oigen Lösung wesentliche Beeinträchtigung 
zeigten. Auffallenderweise war die Entwicklung der Keimpflänzchen 
in 30/oiger Kochsalzlösung eine bedeutend üppigere als in destilliertem 
Wasser. 

FLEISCHER ?) berichtet über einen in Ostpreufsen ausgeführten Saat- 
düngungsversuch mit Kainit und Superphosphat bei Kartoffeln, von 
denen ein bedeutender Prozentsatz nicht ausgetrieben hatte, sondern noch 
als unverändertes Saatgut zur Zeit der Ernte im Boden zu finden war. 
Die Analyse dieser Knollen ergab im Verhältnis zu den in den WOLFF- 
schen Aschen-Analysen gegebenen Durchschnittswerten einen mehr als 
doppelt so grofsen Gehalt an Reinasche; das Kali verhielt sich auf tausend 
Teile Trockensubstanz bei den nicht gekeimten wie 37 gegenüber 22 bei 
den normalen. Während der Kalkgehalt fast gleich in den kranken 
und normalen Knollen war, erschien die Magnesia in ersteren doppelt 
so grofs, die Phosphorsäure fast doppelt so grofs und der Chlorgehalt 
dreizehnmal so hoch, als in den normalen Knollen. Auch die Schwefel- 
säure war auf das Vierfache in tausend Teilen Trockensubstanz ge- 
stiegen, so dafs man sieht, dafs gerade die Bestandteile des Kainit’s. 
(Kalı, Natron, Magnesia, Schwefelsäure und Chlor) in der Asche der 
nicht gekeimten Knollen eine ungewöhnliche Zunahme erfahren hatten. 
Im vorliegenden Falle war die Düngung im Frühjahr unmittelbar 
vor dem Liegen der Kartoffeln erfolgt, statt dafs nach Vorschrift der 
Kainit längerer Zeit vor der Einsaat in den Boden gebracht worden wäre, 

In den Fiırrpogen'schen Feldversuchen?) mit Hafer, der vor der 
Aussaat in Superphosphatbrei eingerührt worden war, zeigte die Parzelle 
mit kandiertem Samen weniger Ertrag als die ungedüngte Parzelle. 
Wurde dagegen das Superphosphat mit Sägespänen verdünnt, ergab 
sich die höchste Ernte. Wahrscheinlich wirkt bei der direkten Be- 
rührung mit dem Superphosphat neben dem Phosphorsäurehydrat auch 
das nicht selten auftretende Schwefelsäurehydrat schädlich. Auch 
BrücMmann®) berichtet über die schädliche Wirkung der mit Schwefel- 
säure aufgeschlossenen Düngemittel; diese Wirkung war in trockenen 


1) Taurenöus, v., Die Keimung der Samen bei verschiedener Beschaffenheit 
derselben. cit. Bot. Jahresber. 1876, II, S. 117. 

2) Beobachtungen über den schädlichen Einflufs der Kainit- und Superphosphat- 
düngung auf die Keimfähigkeit der Kartoffeln. Biedermann’s Centralbl. 1830, S. 765. 

3) Deutsche landwirtschaftl. Presse 1877, Nr. 81. 

4) Hannover’sche landwirtsch. Zeit. 1881, Nr. 12. 


2. Verhalten der Nährstoffe zu den Pflanzen. 389 


Frühjahren recht ersichtlich und zwar sowohl bei Wiesen- als bei 
anderen Kulturpflanzen. 

Bei Samen wird sich der schädliche Einflufs des „Kandierens“ um 
so weniger geltend machen, je längere Zeit dieselben im Boden liegen 
müssen, bevor sie aufgehen; denn dann kann ein öfterer Regen das 
Dungsalz in den umgebenden Erdboden besser abspülen, wie schon bei 
älteren Versuchen in Salzmünde!) gefunden wurde. 


Überdüngte Rüben. 


Bei der bekannten Intensität des Rübenbaues ist die Erfahrung 
eine allgemeine geworden, dafs gesteigerte Stickstoffzufuhr zwar 
die Erntesubstanz bedeutend erhöht, aber den Zuckergehalt herab- 
drückt. Wir begnügen uns deshalb mit einem Hinweis, dafs es auch 
keinesweges gleichgültig ist, in welcher Form der Stickstoff gegeben 
wird. PıcnouL?) analysierte drei Rüben, von denen die erste (H) mit 
einer Lösung von Natronsalpeter, die zweite (J) mit schwefelsaurem 
Ammon mehrmals begossen wurde, während die dritte (K) eine gleich- 
zeitig geerntete, normale Rübe darstellte. 


Es betrug 


Hi. J. K: 
das Erntegewicht 4145 2670 7858 
Saftdichtigkeit 1,026 1,040 1,046 
Zuckerprozent der Rübensubstanz 3,9 6,3 8,9 
Kohlensäure und Chloralkalien auf 
100 Teile Rübensubstanz 1,991 0,924 0,814 
es kommen davon auf 100 Zucker 8,0 14,6 98 


Man sieht, dafs die Erntequantität an Frischsubstanz durch die 
Stickstoffdünsung um 3,5 bis 5,0 mal so hoch geworden als bei 
normaler Kultur, aber der Zuckergehalt auf die Hälfte gesunken ist. 
Besonders interessant ist der Vergleich der Wirkung des Salpeter- 
stickstoffs mit dem Ammoniakstickstoff; dafs letzterer einen bedeutend 
eröfseren Ammoniakgehalt in der Rübensubstanz veranlafst, ist bereits 
erwähnt worden. 

Neuere Versuche von MÜLLER-TaurGAU®) ergaben, dafs die Stick- 
stoffpflanzen eine erhöhte Atmung haben, was wohl die Folge einer 
erhöhten Umwandlung von Rohrzucker in direkt reduzierenden sein 
dürfte. Es enthielten je 6 Rüben im Durchschnitt 


direkt reduzierenden Zucker Rohrzucker 
die stickstoffreichen 0,34 Po 8,27 0/0 
die stickstoffärmeren 0,04 Po 14,39 %o 


Eine Vorstellung über die Vorgänge, die sich bei überreichen 
Stickstoffgaben einleiten, erhalten wir durch die Angaben von PFEIFFER- 
WENDESSEN®), welcher der Ansicht ist, dafs allerdings der Stickstoff zu 
Eiweifs umgearbeitet werde, dafs dasselbe aber in Verbindung mit 

1) Jahresber. f. Agrikulturchemie 1863, S. 60. 

2) Annales agronomiques 1876, S. 321. 

3) s. Überdüngte Kartoffeln. S. 390. 

4) Bericht über die Generalversammlung d. landwirtschaftl. Centralver. f£. d. 
Herzogtum Braunschweig. Blätter f. Zuckerrübenbau 1896, Nr. 8. 


390 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


Kalk in Asparagin, Glutamin und entsprechende organische Säuren zersetzt 
wird und dafs diese mit Kalk lösliche Salze bilden, die sich in der 
Melasse wiederfinden. SchuLtzE bezeichnet auch die nicht vollständig 
verarbeiteten, intermediären Stickstoffverbindungen als wesentliche 
Melassebildner, welche die Kristallisation des Zuckers beeinträchtigen. 
Wie bei der Fabrikation dürften auch in der Pflanze selbst die ge- 
nannten Verbindungen das Niederschlagen des Zuckers verhindern, so 
dafs sich dadurch der Zustand der Unreife und Zuckerarmut der über- 
düngten Rüben erklären liefse. Aufser der Verzögerung der Reife 
kommt noch die geringe Haltbarkeit der Rüben in den Mieten ın 
Betracht. Phosphorsäure wirkt qualitätsverbessernd; der Saft von 
Rüben, die sogar mit Phosphorsäure überdüngt waren und schlecht 
polarisierten, zeigte aber doch die wenigsten die Kristallisation des Zuckers 
verhindernden Bestandteile. 

Über die Kopfdüngung mit Chilisalpeter stehen gute und 
schlechte Versuchsresultate einander gegenüber. Diese Erfahrung 
machen wir fast bei allen Versuchen. Das Resultat hängt eben aufser 
vom Düngerquantum auch von der Form der Verarbeitung durch die 
Pflanze ab, und dieser Arbeitsmodus ist je nach Varietät, Bodendichtigkeit, 
Bearbeitung, Lage und Wetter sehr verschieden. Immerhin mufs 
betreffs der Kopfdüngung auf die Bemerkung von KuNTtzE-DELITScH !) 
hingewiesen werden, dafs der Boden leicht verkrustet und junge Rüben 
aus Sauerstoffmangel dann stellenweise ganz absterben, ältere aber sich 
schlechter entwickeln. Jedenfalls sollte nach Ausstreuen von Chili- 
salpeter unmittelbar die Hacke folgen ?). 

Auch die Frage der Stickstoffdüngung der Samenrüben erhält 
widersprechende Beantwortung. Während einerseits behauptet wird, 
dafs die Qualität der Nachkommen leide, widerspricht WILFARTH?) auf 
Grund seiner Versuche dieser Ansicht. 


Überdüngte Kartoffeln. 


Die Folgen überreicher Stickstoffzufuhr bei den Kartoffeln sind 
mit den bei den Rüben gefundenen gleichsinnig. Die Resultate, welche 
MÜLtER-TaurGau*®) erhalten, lassen sich für beide Feldfrüchte dahin zu- 
sammenfassen, dafs bei reichlicher Stickstoffnahrung eine stärkere Ent- 
wicklung der Blattflächen und ein gröfserer Chlorophyligehalt sich ein- 
stellen. Damit verbunden aber ist eine Erschwerung der Stärkebildung 
und schnellere Auflösung derselben in den Blättern, sowie verminderte 
Speicherung in den Reservestoffbehältern. Die Organe zeigen grölseren 
Glykosegehalt, raschere Lösung der Reservestoffe, ausgiebigeren Um- 
satz der Stickstoffverbindungen, erhöhte Atmung und gesteigertes 
Wachstum. 

Mit dem geringeren Vorrat an Reservestoffen und der schnelleren 
Veratmung derselben wird auch die geringere Haltbarkeit der Knollen 
in den Mieten zusammenhängen. Aber der Stickstoffüberschufs wirkt 
direkt auch fäulnisfördernd, während phosphorsaurer Kalk das Gegen- 


1) eit. Zeitschr. f. Pflanzenkrankh. 1896, S. 310. 

2) Auf die Perchloratwirkung bei Chilisalpeterverwendung wird im Abschnitt 
der schädlichen Gase und Flüssigkeiten eingegangen werden. 

3) Wirrarıu, H, Wirkt eine Stickstoffdüngung der Samenrüben schädlich usw. 
Zeitschr. d. Ver. Deutsch. Zuckerindustrie. Bd. 50, Heft 528, S. 59. 

4) Mürver-Tuurcau, Dritter Jahresbericht des pflanzenphysiol. Laboratoriums d. 
Versuchsstat. Wädensweil. Zürich 1894. S. 52. 


2. Verhalten der Nährstoffe zu den Pflanzen. 391 


teil hervorruft. Ich legte von drei möglichst verschiedenen Sorten in 
abwechselnden Reihen Knollenstücke gesunder Exemplare und solcher 
Knollen, diean der schwarzen Trockenfäule!) litten, in sandigen 
Acker. Derselbe wurde in zwei ganz gleich bestellte Hälften geteilt, 
von denen die eine in sämtlichen Reihen starke Gaben von Chilisalpeter, 
die andere von Thomasmehl erhielt. Bei dem gesunden Saatgut machte 
sich in der Chilihälfte ein lückenhaftes Aufgehen der Knollen bemerk- 
bar; von dem kranken Saatgut war fast alles verfault. Ganz scharf 
abgeschnitten zeigte sich aber, dafs genau dasselbe kranke Saatgut in 
dem Augenblicke, wo es in die Thomasmehlparzelle eintrat, einen ganz 
gleichmätfsigen Bestand an gesunden Stauden geliefert hatte. 

Gesundes wie krankes Saatgut sämtlicher Sorten hatte in der letzt- 
genannten Parzelle kürzere Stauden mit hellerem Laube und früherer 
Reife entwickelt, und die Ernte war nahezu doppelt so grofs als bei 
der Chilisalpeter-Parzelle ?). 

Hierher zu rechnen dürfte auch die Erscheinung sein, welche in den 
praktischen Kreisen als Eisenfleckigkeit oder Buntwerden der 
Kartoffeln bekannt ist. Aulserlich normal aussehende Knollen zeigen 
auf dem frischen Querschnitt braune oder braungraue Gewebestellen. 
Dabei kann das übrige Fleisch vollkommen gesund sein und weifs bleiben 
oder aber auch schnell an der Luft eine rostrote Färbung annehmen. 
Die ursprünglich schon verfärbten Stellen zeigen braune, abgestorbene 
Zellwände und vielfach noch Stärke. Manchmal und zwar dann, wenn die 
Schnittläche nachträglich sich an der Luft rötet, kann man an den 
Krankheitsherden nur noch Spuren von Stärke, dafür aber Zucker nach- 
weisen. 

Während einzelne Beobachter glauben, die Eisenfleckigkeit auf 
einen Reichtum des Bodens an sauren Eisenverbindungen zurückführen 
zu müssen, sind andere geneigt, der Nässe die Schuld beizumessen. 
Nun liegen aber mehrfach Erfahrungen vor, dafs starke Stallmist- 
düngung bestimmte Sorten eisenfleckig gemacht hat, die in demselben 
Jahre bei Mineraldüngung gesund geblieben sind®?). Auch begegnet 
man den bei dem Zerschneiden sich rötenden Knollen gerade dort am 
häufigsten, wo reiche Stickstoffdüngung zur Anwendung kommt. In- 
folgedessen ist man berechtigt, im Buntwerden des Fleisches Anzeichen 
einer Überdüngung zu erblicken. Eisenfleckige Knollen geben übrigens 
in der Regel im nächsten Jahre gesunde Pflanzen. 


Chilisalpeter bei Holzgewächsen. 


Ein Versuch von JANnoRSCHKE*) kennzeichnet die Erscheinungen 
für den Fall, dafs die Stickstoffzufuhr ohne Beigabe von Kalk und 
Phosphorsäure erfolgt. Buntblätterige Gehölze wurden für 1—2 Jahre 
grüner. Bei Zwergobst trieben die Zweige fast ohne Unterbrechung 
bis August und: noch länger, wodurch der Ansatz der Blütenknospen 
verhindert wurde. Übrigens sei darauf aufmerksam gemacht, dafs die 
Wirkung bei den Bäumen sich erst in dem der Düngung folgenden 
Jahre bemerkbar macht, aber dann auch bis zum dritten Jahre nach- 


1) Zeitschr. f. Pflanzenkrankh. 1894, S. 126, und 1895, S. 98. 

2) Zeitschr. d. Landwirtschaftskammer f. d. Prov. Schlesien 1899. 

3) s. Jahresberichte des Sonderausschusses für Pflanzenschutz, herausgegeben 
v d. Deutsch. Landw.-Ges. 

4) Zeitschr. d. Landwirtschaftskammer f. Schlesien 1898, Nr. 34. 


392 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


wirkt. Nach eignen Versuchen, bei denen Latrinendünger gegeben war, 
möchte ich eine erhöhte Neigung der Früchte zur Fäulnis, namentlich 
einer vom Kernhause ausgehenden, sowie eine grötfsere Frostempfindlich- 
keit als Folgen einseitiger Stickstoffüberdüngung bezeichnen. Phosphor- 
saurer Kalk arbeitet diesem ubel entgegen. Versuche mit Apfelbäumen, 
die reiche Salpeterdüngung erhalten hatten, zeigten, dafs die ge- 
düngten Bäume stärker von der Blutlaus zu leiden hatten wie 
andere Exemplare !). 

Ein anderer Fall ist mir bei Arlanthus glandulosa in wohlgepflegten 
Anlagen vorgekommen. Die Bäume wurden gelblaubig und zweigdürr. 
An den Schnittflächen frischer Aste entwickelte sich reichliche 
Penicilliumvegetation. Hier fand sich im Gewebe ein auffälliger 
Zuckerreichtum. 

Bei den Orangenkulturen neigen die gedüngten Bäume zur 
Gummosis, und die als „Diec-back“ bezeichnete Krankheit in Florida 
wird direkt auf Überfütterung mit organischen Stickstoffverbindungen 
zurückgeführt. Auch sollen derartige Orangenbäume mehr den Insekten- 
angriffen ausgesetzt sein ?). 


Überdüngung bei Gemüsen und anderen Feldgewächsen. 


Trotzdem unsere Gemüse sämtlich in ihrer jetzigen Form Produkte 
hochgradiger Kultur sind und reicher Düngung sich angepafst haben, 
finden wir doch vielfach Fälle von Erkrankung, namentlich bei Anwendung 
von Fäkalstoffen. Es läfst sich dann eine Vermehrung der leicht 
oxydablen, an der Luft sich bräunenden Substanzen beobachten. Da- 
bei tritt stets Bräunung der Gefäfswandungen, nicht selten auch Aus- 
füllung einzelner Gefäfse mit tintenartiger Flüssigkeit auf. Gerade bei 
überdüngten Pflanzen ist bakteriose Fäulnis eine häufige Erscheinung. 
Am wenigsten vertragen den Stickstoffüberschufs die Erbsen und 
andere Hülsenfrüchte; dagegen sehen wir ein hohes Anpassungs- 
vermögen bei einigen Umbelliferen, wie z. B. bei Sellerie. Aber 
auch hier wird, namentlich bei den Rieselfeldkulturen, häufig genug 
das zulässige Mafs überschritten. Wenn die fleischigen Wurzelknollen 
bei dem Durchschneiden ihre Schnittfläche schnell und intensiv rostfarbig 
werden lassen, sind sie schon in der Regel weniger wohlschmeckend. 
Das stärkere Stadium, das in der Marktware groiser Städte häufig zu 
finden, besteht in der vermehrten Schwammigkeit des Gewebes und 
reichlicher Braunfleckigkeit desselben. Selbst bei den an die höchsten 
Konzentrationen der. Nährlösung gewöhnten Kohlgewächsen lassen sich 
bisweilen solche Zustände und damit in Verbindung bakteriose Fäulnis- 
erscheinungen auffinden. Hier erweist sich neben der Zufuhr von 
phosphorsaurem Kalk der fortwährende Gebrauch der Hacke als be- 
sonders empfehlenswert. 

Der zunehmende Verbrauch der Blattstiele von Rhabarber zu 
Frühjahrskompott hat den Anbau der Pflanzen auf Rieselfeldern ver- 
anlafst. Ich konnte dabei Fälle beobachten, bei welchen ungewöhnlich 
dicke Stiele gänzlich fade im Geschmack sich erwiesen. Es hängt somit 
hier eine mangelhafte Produktion oder ein völliger Aufbrauch der orga- 
nischen Säuren mit der Überdüngung zusammen. Meiner Annahme nach ist 


!) Fünfter Jahresber. d. Grofsherzogl. Obstbauschule zu Friedberg i. d. W. 
2) Weserr, H., Fertilization of the soil ete. Yearbook U. S. Depart. Agric. 
for 1894. Washington 1895. S. 19. 


2, Verhalten der Nährstoffe zu den Pflanzen. 393 


dieser Rückgang der Säure bei Stickstoffüberschufs auch 
anderweitig zu finden und die Ursache des schnellen Eintritts bakterieller 
Fäulniserscheinungen. (S. Wirkung der Oxalsäure. S. 361.) 

Bei den Cucurbitaceen (Gurken und Melonen) kann eine an sich 
noch nicht gefährliche Konzentration der Nährlösung schädlich wirken, 
wenn die Temperatur dauernd nicht genügend hoch ist. In diesem 
Falle sind gummose Erscheinungen in den Früchten am häufigsten, 
und man bemerkt dabei Schwärzung der Gefäfse. 

Bei der Tabakkultur macht sich Stickstoffüberschufs durch rauhere 
Blätter und gsröfseren Nikotingehalt kenntlich '). 

Dafs bei Getreide die Fäkaldüngung Lagerung und, namentlich bei 
Hater, Taubheit veranlassen kann, ist bereits früher erwähnt worden. 


Stickstoffüberschuls bei Zierpflanzen. 


Hier liegen äufserst zahlreiche Fälle vor. Neben Pakuldanzer und 
Chilisalpeter oder schwefelsaurem Ammoniak kommen, besonders bei 
den gärtnerischen Kulturen, die Hornspäne in Betracht. Wir können 
natürlich nur einzelne Beispiele anführen. Von einer Reihe Pflanzen 
der Begonia semperflorens gab ich einigen schwefelsaures Ammoniak im 
UÜberschufs. Vier Tage nach der Düngung wurden die jungen Triebe 
an ihrer Basis mifsfarbig und begannen sich schlaff umzulegen. Die 
Blattränder fingen an, schmutzig grüne, später braun werdende und 
vertrocknende Stellen zu bekommen, die durch eine durchscheinendere 
Übergangszone mit dem gesunden mittleren Blattgewebe verbunden 
waren. In der Sonne trat schnelleres Welken ein. Mark und Rinde 
erwiesen sich mit Kalkoxalatdrusen durchsetzt, deren Einzelkristalle nicht 
so scharfkantig wie bei den gesunden Exemplaren, sondern mehr knollig 
abgerundet waren. In den erkrankten Geweben fehlte die Stärke, und die 
Chlorophyllkörper wurden zu kleinen eckigen Körnchen reduziert. Ge- 
fäfse häufig mit braunem, körnigem Inhalt gefüllt. Wandungen des ge- 
sammten Gewebes braun. Inhalt der Blattepidermiszellen braunkörnig. 
Vor dem Zerfall der Chlorophylikörner zeigten sich im Inhalt der 
Mesophylizellen oftmals braune Tropfen. 

Bei Begonien sowohl wie bei Pelargonium zonale, dessen Blätter sich 
ebenso verfärbten und leicht nach dem Vertrocknen abfielen, fand ich 
in der Achse der erkrankten Pflanzen im Mark und der Jungrinde autf- 
fällig viel Kristalle von Kalkoxalat. Die Stengel der kranken Pelar- 
gonien zeigten durchgängig spärlichere und kleinere Stärkekörner; sie 
fehlten im Rindenparenchym fast ganz, während die nicht überdüngten 
Pflanzen dieselben sehr reichlich besafsen. 

Es kommt also hier die gleiche Erscheinung wie bei Kartoffeln und 
Rüben zum Ausdruck, nämlich die Armut an "festen Kohlenhydraten. 

Bei eben bewurzelten Pelargonienstecklingen verursachte eine 
Chilisalpetergabe, die an und für sich klein war, aber durch ihre 
häufige Wiederholung verhängnisvoll wurde, zunächst ein äufserst 
üppiges Blattwachstum : dann aber senkten sich die Blätter abwärts, 
und an der Achse entstanden, stets dicht über dem Blattansatz, braune 
Faulstellen, die in kurzer Zeit den ganzen Stengel umfafsten. Darauf 
fielen die Blätter, und die ganze oberirdische Achse starb bis auf einen 
kurzen Basalstumpf ab. Aus diesem begannen neue kümmerliche 


1) ScherLmann, W., Der Tabak und seine Nahrungsansprüche. „Der Pflanzer“. 
Herausg. Usambara-Post 1905, Nr. 5. 


394 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


Triebe hervorzubrechen. — Wir haben dieses Beispiel angeführt, um da- 
rauf hinzuweisen, dafs die Wirkung der Überdüngung, obgleich die- 
selbe vom Boden ausgeht, sich nicht an der Basis der Achsen zuerst 
bemerkbar macht, sondern an den peripherischen Teilen, den Blättern. 

Bei vergleichenden Kulturen mit Fuchsienstecklingen!) ergab eine 
fo rtgesetzte Düngung mit schwachen Gaben von schwetelsaurem 
Ammoniak eine merkliche Wachstumsteigerung und wesentliche Ver- 
gröfserung der Blätter; aber dieselben besafsen Epidermiszellen mit 
dünnerer Wandung, und der Holzring der Zweige war schwächer aus- 
gebildet. Stärkegehalt geringer, Chlorophyligehalt gröfser, Vegetations- 
zeit verlängert. Nachdem die Fuchsien durch Überführung in ein Glas- 
haus vor den Herbstfrösten geschützt worden waren und Zeit gehabt 
hatten, ihre Entwicklung normal abzuschliefsen , verschwanden die 
Unterschiede gegenüber den ungedüngten Pflanzen, und die gedüngten 
hatten nunmehr den Vorteil der gröfseren Produktion für sich. Hier 
haben wir einen Erfolg, wie ihn die Landwirte namentlich bei den Futter- 
rübenkulturen wahrnehmen. Die Wirkung der starken Stickstoffgaben 
macht sich in einer Verzögerung des Reifevorganges bemerk- 
bar. Finden unsere Kulturen noch vor Eintritt der Frostperiode Zeit 
genug, ihren Entwicklungsgang abzuschliefsen, so dafs die Blätter sich 
normal ausleben können, dann haben wir den gewünschten Vorteil 
von der Düngung durch Erzielung gröfserer Substanzmengen mit 
normalem Reservestoffvorrat. Aber in der Regel verbieten die klima- 
tischen Verhältnisse den Abschlufs der Vegetation, und die Organe 
gelangen in unreifem Zustande in den Winter. 

Der Nachteil, den das Einbringen ungenügend ausgereifter Organe 
in die Winterquartiere hat, ist bei den landwirtschaftlichen Ernte- 
produkten bereits hervorgehoben worden: sie besitzen gröfsere Neigung: 
zur Fäulnis. 

Dasselbe Resultat zeigte ein vergleichender Düngungsversuch bei 
Erica. Rotblühende Arten entwickelten in den Versuchsreihen mit ein- 
seitiger Stickstoffdüngung weniger lebhaft rote, fast blaurote Blumen ; ihr 
Habitus war schlaffer und der Blütenansatz spärlicher. Die gedüngten 
Exemplare litten im Winter so stark von Botrytis cinerea, dafs sie meist 
zugrunde gingen, während die nicht gedüngten Pflanzen derselben 
Sorten an demselben Standort schadlos durch den Winter kamen. 
Ein anderer Versuch, der den Einflufs hochkonzentrierter Lösung der 
gesamten Nährstoffe dartun sollte, wurde von BLuTH ?) ausgeführt. Die im 
zweiten Kulturjahr befindlichen Eriken erhielten in fortgesetzten Gaben 
Wascner’sches Nährsalz in 1°/ooiger Lösung. Nach 10—12 Tagen trat 
dunklere Laubfärbung und stärkere Wachstum ein, aber jetzt schon 
zeigten diese Pflanzen eine gröfsere Empfindlichkeit gegen 
Sonnenwirkung und Trockenheit im Vergleich zu den vielen 
hundert ungedüngten Exemplaren derselben Sorte. Gewisse weiche Sorten 
(E. hiemalis, congesta usw.) entwickelten ihre neuen Seitentriebe schlaffer 
und mannigfach verbogen. Hartnadelige Arten (E. blanda, mediterranea, 
verticillata, mammosa) behielten zwar ihren aufrechten Habitus, aber der 
Knospenansatz war auffallend gering oder blieb ganz aus, während 
die Zweige weiter wuchsen. Auch hier starben die gedüngten Pflanzen 


!) Soraver, P., Einflufs einseitiger Stickstoffdlüngung. Zeitschr. f. Pflanzen- 
krankheiten 1897, 8. 287. 
?) Zeitschr. f. Pflanzenkrankh. 1895, S. 186. 


2. Verhalten der Nährstoffe zu den Pflanzen. 395 


während der Winterzeit durch Botrytis gröfstenteils ab. Bei ander- 
weitig mit Hornspänen durchgeführten Düngungsversuchen konnte eben- 
falls eine üppige Laubentwicklung auf Kosten des Blüten- 
ansatzes der Eriken festgestellt werden; aber es zeigte sich keine 
gröfsere Hinfälliskeit der gedüngten Pflanzen während des Winters. 

Nach den mehrfach gemachten Erfahrungen mufs ich die sich 
häufenden Klagen über „Versagen der Maiblumen“ bei der 
Treiberei auf Stickstoffüberdüngung zurückführen. Bei der zweijährigen 
Anzucht der Pflanzen auf dem Felde wird jetzt vielfach Chilisalpeter 
oder schwefelsaures Ammoniak angewendet. 

Die Pflanzen wachsen üppiger und bestechen durch ihre sehr starken 
(meist blauspitzigen) „Keime“ (Knospenkegel) den Käufer; aber die 
Blütenstände sind in der Anlage schwach. Solche Pflanzen lassen sich 
schwerer treiben und geben häufig Blütentrauben, bei denen einzelne 
Glocken nicht zur Ausbildung kommen. Vergleichende Versuche von 
KoopMmann?!) lieferten sehr interessante Unterschiede bei der Treiberei. 
Bei Anzucht der Pflanzen mit Kainitdüngung entwickelten sich zuerst 
die Blütentrauben und die Blätter folgten sehr langsam; dagegen war 
durch Ammoniakdüngung die Blattvegetation so üppig, dafs die Blüten- 
trauben ganz im Laub versteckt safsen. Im allgemeinen wird man 
für Maiblumen eine Kalidüngung: empfehlen dürfen. 

Eine weitere schädliche Wirkung konnte bei Rosen festgestellt 
werden. Es liegen mir Beobachtungen vor, dafs Teerosen, darunter 
Marechal Niel und Nyphetos in den Glashäusern nach starker Düngung 
ihre Knospen abwarfen oder an der Übergangsstelle des Kelchbechers 
in den Blumenstiel abfaulen liefsen. Ein Verpflanzen von eingesandten 
kranken Topfexemplaren in eine sandige, nährstoffarme Erde hatte zur 
Folge, dafs ım nächsten Jahre sich normale Blumen entwickelten, 
Ahnliche Fäulniserscheinungen beobachtete ich bei Bourbon- und 
Remontantrosen im freien Lande nach Fäkaldüngung. Hier hatte das 
Unterhacken von Gips ein allmähliches Nachlassen der Krankheit zur 
Folge. 

Auch bei anderen gärtnerischen Kulturpflanzen, ja selbst bei Efeu 
hatte ich Gelegenheit, Fäulniserscheinungen nach Stickstoffüberschufs 
(meist in Form von Fäkaldünger, Jauche, Chilisalpeter und schwefel- 
saurem Ammoniak) zu beobachten. Ich habe dann in der Mehrzahl 
der Fälle das Umsetzen der Pflanzen in reinen Sand oder sehr sandige 
Lauberde für ein Jahr empfohlen und mehrfach selbst mit Vorteil 
erprobt. 


Die Kräuselkrankheit der Kartoffeln. 


Wir reihen hier diese in den Kreisen der Kartoffelzüchter so wohl 
bekannte und von wissenschaftlicher Seite so vielfach studierte, aber 
in ihren Ursachen noch nicht erkannte Krankheit ein. Der Grund, 
weshalb wir der Kräuselkrankheit an dieser Stelle gedenken, ist die 
auf eigne Beobachtung gegründete Anschauung, dafs die kräuselkranken 
Triebe die Merkmale einseitiger Stickstoffdüngung erkennen lassen. 
Nur handelt es sich hier nicht um die direkte Folge derselben, sondern 
um die Nachwirkung im folgenden Jahre. Die Mutterknolle ist ent- 
weder gänzlich oder in einzelnen Augen nicht vollständig ausgereift 
und zeigt nun bei der Entwicklung im folgenden Jahre eine Erkrankung 


!) Zeitschr. f. Pflanzenkrankh. 1894, S. 314. 


396 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


sämtlicher oder auch nur einzelner Triebe. Dieser Punkt ist zu be- 
tonen, weil die bisherigen Beobachter bisweilen besonders hervorheben, 
dafs alle Stengel an einer Knolle erkranken, also die Krankheitsursache 
in der ganzen Knolle liegen mufs, während meine eigenen Beobachtungen 
mit Sicherheit das Resultat ergeben haben, dafs die Erkrankung auch 
an einzelne Augen gebunden sein kann. 

Die Krankheit, welche nach Kühn!) zuerst im Jahre 1770 in Eng- 
land, 1776 in Deutschland epidemisch auftrat und aufserordentlichen 
Schaden verursachte, besteht zunächst in einer Verfärbung des Laubes, 
das nicht mehr das frische Aussehen wie an der gesunden Pflanze besitzt. 
Der Hauptblattstiel zeigt sich meist nach unten gebogen oder voll- 
ständig emmgerollt; die einzelnen Blattabschnitte sind gefaltet, wellig hin 
und her gebogen, mit braunen, meist länglichen Flecken versehen. Letztere 
dehnen sich auf die Hauptrippe des Blattes und endlich auf den Stengel 
aus. Zuerst sind nur die oberflächlichen Zellen der Flecke braun; 
später geht die Erkrankung des Gewebes tiefer ins Innere und im 
Stengel bis auf den Markkörper. Dabei ändert sich die Stengel- 
beschaffenheit von der normalen Biegsamkeit bis zur glasartigen 
Sprödigkeit.e. Dazu zeigt sich nach ScHacHt?) eine sehr reichliche 
Zuckerbildung in den kranken Zellen. Wenn sich solche Pflanzen bis 
zur Ernte wirklich lebendig erhalten, haben sie doch gar keinen oder 
höchst spärlichen Knollenansatz. 

Betreffs der früheren Literatur, in der die verschiedensten Ursachen 
(auch parasitäre Pilze) angegeben werden, verweisen wir auf die vorige 
Auflage unseres Handbuches. Neuere Anschauungen finden wir bei 
Frank®), der eine Anzahl verschiedener Formen der Krankheit unter- 
scheidet und in Übereinstimmung mit mir ausspricht, dafs die ersten 
Anfänge der Erkrankung eine Beteiligung von Pilzen nicht erkennen 
lassen. Die Ursache des Absterbens des Protoplamas in den einzelnen 
braunen Gewebeherden ist nicht bekannt. Abweichend von meinen 
Beobachtungen betont aber Frank, „dafs alle Triebe einer Staude zu- 
sammen erkranken.“ (Kampfbuch S. 222. 

Speziell auf die Kräuselkrankheit gerichtete ausgedehntere Anbau- 
versuche mit mehreren Sorten zeigten mir, dafs die Krankheits- 
erscheinungen anfangs bei einer Sorte (Early Puritan) allein aufgetreten 
waren. Die kranken vereinzeit zwischen den gesunden stehenden Pflanzen 
besafsen nur ein Drittel der Höhe der gesunden Exemplare und wiesen 
die bekannten Merkmale, besonders das Knacken der gekräuselten Blätter, 
auf. An den Blattstielen fanden sich mehrfach verkorkte kleine Rifs- 
stellen. Die ersten Erkrankungsanfänge an den Stengeln fand man an 
einem der unteren in der Erde befindlichen Internodien, wobei stets 
eine Schwärzung der Gefäfswandung festzustellen war. Dieses Merk- 
mal läfst sich rückwärts mehr oder weniger tief ausstrahlend in die 
sonst gesund aussehende Mutterknolle hinein verfolgen. Das zeigt, dafs 
nicht die Knolle dem Triebe das Krankheitsmaterial gebracht hat, 
sondern umgekehrt. Ebenso strahlt die Gefäfsbräunung aus dem er- 


!) Küns, Jur., Krankheiten d Kulturgewächse. 1858. S. 200. — Ber. aus d. 
physiolog. Laborat. d. landwirtsch. Instituts zu Halle. 1872, Heft I, S. %. 

?2) Bericht an das Kgl. Landesökonomiekollegium über die Kartoffelpflanze 
und deren Krankheiten. 1854. 8.11. 

3») Frank, A. B., Die pilzparasitären Krankheiten der Pflanzen. Breslau 1896. 
De sah gegen die Schädlinge unserer Feldfrüchte. Berlin, Parey, 


2. Verhalten der Nährstoffe zu den Pflanzen. 397 


krankten Stengelknoten in die dort entspringenden Wurzeln aus und 
ist im ganzen äuiserlich noch grün erscheinenden Achsenteil bis zu den 
Rippen der jüngsten Blätter hinauf zu finden. 

Besonders auffällig ist das Saftstrotzende der ganz gesund aus- 
sehenden Mutterknolle, welche einzelne Zellen mit grofsen, unversehrten 
Stärkekörnern aufweist. Die stärkeführenden Gruppen liegen zerstreut 
in dem äufserst turgescenten, aber kaum Spuren fester Inhaltsstoffe auf- 
weisenden, groise Zellkerne besitzenden, übrigen Parenchym der Knolle, 

Bemerkenswert ist ferner, dafs, ebenso wie gesunde und kranke 
Triebe aus einer Mutterknolle entspringen können, auch die Krankheits- 
merkmale an demselben Stengel manchmal auf bestimmte Regionen 
sich beschränken. Man sieht aus kranken Stengeln gesunde Augen 
sich entwickeln und findet kranke Stengel, bei denen nur eine Hälfte 
des Gefäfsbündelringes geschwärzt ist. | 

So wie andere mit Gefäfsbräunung verbundene Krankheiten 
beginnt auch die Kräuselkrankheit die ersten Symptome an der Peri- 
pherie zu zeigen. Es schwärzt sich zumeist die Outiculardecke der 
Epidermiszellen, deren Inhalt dann schwach tintenartig sich zu ver- 
färben beginnt, bis Wandung und Inhalt gleichmäfsig braun geworden 
sind, und nun die Epidermiszelle zusammensinkt. 

Dort, wo die Epidermis an das collenchymatische Gewebe grenzt, 
sieht man die Verfärbung in den Wandungen desselben fortschreiten ; 
diese werden erst schwach gelblich, dann rotgelb (bei einzelnen Sorten 
eigenartig blutrot) und schliefslich braun. Diese Wandfärbungen, welche 
tangential sich schnell auszudehnen scheinen, erinnern an enzymatische 
Einflüsse. 

Der weitere Verlauf der Krankheit stimmt bei den einzelnen Sorten 
nicht überein, weil wahrscheinlich die Zellwandungen bald lockerer, 
bald fester gebaut sind. Bei Early Puritan wurde beobachtet, dafs die 
gebräunten Zellwandungen in körnigen Zerfall geraten können, wobei 
wahrscheinlich stäbchenförmige Bakterien zur Mitwirkung gelangen. In 
solchen Fällen schwindet das Gewebe; es entstehen Lücken und Ein- 
senkungen im Rindengewebe des Stengels, und nunmehr findet man meist 
Mycel. Die Einsenkungen vertieften sich bei obengenannter Sorte bis- 
weilen bis auf den Holzring und waren im späteren Stadium der Krankheit 
auch schon an den noch grünen Stengelspitzen nachweisbar. Von 
ihnen aus geht aber die Gefäfsbräunung nicht; dieselbe beginnt an der 
Stengelbasis und pflanzt sich nur im Röhrensystem selbst fort. An 
den Rifsstellen bemerkt man manchmal Heilungsvorgänge durch 
schlauchartiges Vorstrecken benachbarter, gesunder Rindenparenchym- 
zellen. 

Wenn oben gesagt worden ist, dafs die Krankheitssymptome nicht 
überall gleich erscheinen, so bezieht sich das z. B. auf das Auftreten 
brauner Stippflecke an nicht gekräuselten Blättern. Diese Blätter 
aber besitzen in ihren Blattstielen genau dieselbe schwach tintenfarbige, 
in einigen Fällen schleimig-kömig sich verdichtende Ausfüllung der 
Gefäfse, deren Wandung auch gebräunt erscheint. 

Die hier geschilderten Merkmale kommen einzeln auch bei anderen 
Pflanzen mit Stickstoffüberschufs vor. Hält man nun diese Merkmale 
zusammen mit den Ergebnissen früherer Beobachtungen, so charakterisiert 
sich die Kräuselkrankheit folgendermafsen. Die Erkrankung tritt be- 
sonders gern und stark an zarten, frühen Sorten auf. Ferner besitzen 
die geernteten Knollen den Charakter der Jugendentwicklung, indem 


398 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


sie sich durch glattere Schale, schwächeren Stärkegehalt und einen 
bedeutend höheren Kaligehalt auszeichnen. Hierzu kommt noch eine 
geringere Gröfse und ein geringerer Gehalt an Trockensubstanz. Aus 
derartigen Knollen sind mehrfach unter günstigen Umständen wieder 
gesunde Pflanzen gezogen worden. 

Unter den angegebenen Merkmalen haben wir die lange Dauer der 
saftstrotzenden, noch Stärke führenden Mutterknolle hervorgehoben, 
und zwar deshalb, weil neuerdings HILTnEr') einen hierhergehörigen Fall 
von Erhaltung, ja sogar teilweiser nachträglicher Vergröfserung 
der Mutter knolle zur Sprache gebracht hat. Von verschiedenen 
Seiten sind dieselben Erfahrungen gemacht worden. In dem von HiLrnEr 
beschriebenen Falle kam hinzu, dafs diese aus prall gebliebenen Mutter- 
knollen entstandenen Stöcke gar keine unterirdischen, an Stolonen 
hängenden Knollen entwickelt hatten, sondern solche direkt an den 
unteren Internodien der grünen Stengel trugen. Diese Stengel waren 
aber um die Hälfte kürzer als bei normalen Pflanzen und trugen zu- 
sammengerollte Blätter, die Hınıyer an die Kräuselkrankheit erinnerten. 
Er olaubt, dafs diese Vorgänge eine Folge davon sind, dafs man unreife 
Knollen als Saatgut benutzt hat. Diese Saatknollen haben, nachdem sie 
Stengel entwickelt, das vom Blattkörper erarbeitete Material zunächst 
dazu benutzt, um selbst noch weiter zu wachsen. Natürlich sei dann 
zu wenig organische Substanz für die diesjährigen Knollen übrig ge- 
blieben. 

Wenn wir die Anschauung von Hırıner über das Zustandekommen 
solcher straffbleibenden Knollen acceptieren, werden wir darauf hin- 
gewiesen, in der Kräuselkrankheit eine Folge ungeeigneten Saatguts zu 
sehen. Die Mutterknollen sind im Vorjahr nicht genügend aus- 
gereift. Dieser Umstand mufs auch in der Ausbildung der einzelnen 
Augen zur Geltung kommen. Während die Mehrzahl derselben noch Zeit 
gefunden, sich normal zu entwickeln, können einige im Jugendzustande 
zum Stillstand gekommen sein, und werden demnach den J ugendcharakter 
bei dem Austreiben im folgenden Jahre beibehalten. Somit würde sich 
erklären, dafs man manchmal nur einzelne Triebe kräuselkrank findet. 
Der Charakter der Jugend ist das Vorherrschen des Kalıs und der 
gröfsere Reichtum an Stickstoffverbindungen bei geringem Nieder- 
schlagen von Kohlehydraten als Reservestoffe. Derartige Zustände 
sehen wir begünstigt, wenn frischer Dung bei frühen Sorten zur An- 
wendung gelangt und Trockenheit dem Knollenwachstum ein vor- 
schnelles Ende bereitet. 

Wenn die Kräuselkrankheit der Kartoffeln, ähnlich der Schrumpf- 
krankheit der Maulbeerbäume und in Übereinstimmung mit anderen 
Fällen, die wir bei den „enzymatischen Krankheiten“ erwähnen werden, 
auf einem Überwiegen von Stickstoffverbindungen, die nicht normal 
verarbeitet werden, beruht, dann würden sich auch die gefundenen 
Symptome der Schwärzung der Gefäfse und der schnellen Ansiedlung 
von Bakterien leicht erklären lassen. 

Diese Anschauung erhält eine weitere Stütze durch eine Studie 
von APpPEL?), der unter dem Namen „Bakterien-Ringkrankheit‘ 


!) Hırıser, L., Zur Frage des Abbaues der Kartoffeln. Prakt. Bl. f. Pflanzen- 
bau und Pflanzenschutz 1905, Heft 12. 

2) Arrer, O. Die Bakterien-Ringkrankheit der Kartoffel. Flugblatt 36 d. Kais. 
Biolog. Anst. Dahlem. 1906. 


2. Verhalten der Nährstoffe zu den Pflanzen. 399 


Erscheinungen beschreibt, die vielfach an die Kräuselkrankheit erinnern. 
Er macht für die Ringkrankheit Bakterien verantwortlich, und „zwar 
ist es, ebenso wie bei der Schwarzbeinigkeit, nicht eine einzelne Art, 
sondern einige sich verwandtschaftlich nahestehende Formen“. „Diese 
Bakterien sind in manchen Böden zweifellos normalerweise vorhanden...“ 
Nach diesen Äufserungen möchte ich die Bakterien-Ringkrankheit auch in 
den Kreis derjenigen Erscheinungen ziehen, bei denen der Parasit nicht 
das Ausschlaggebende ist, sondern die Beschaffenheit der Mutterpflanze, 
die den Bakterien den erst zu ihrer Ausbreitung besonders günstigen 
Mutterboden bereitet. Und solche Zustände werden ähnliche sein können, 
wie die bei der Kräuselkrankheit geschilderten, bei welcher ich ebenfalls 
einen weiteren Zerfall der Gewebe durch Bakterien beobachtet habe. 

Es scheint somit, dafs wir eine ganze Gruppe von Kartoffel- 
krankheiten vor uns haben, die das gemeinsame Merkmal der Schwärzung 
der Gefäfse besitzt und darauf zurückzuführen wäre, dafs unvoll- 
kommen verarbeitete Stickstoffverbindungen bei ungenügender Aus- 
bildung der Kohlehydrate ihren Einflufs geltend machen. 

Diesem Mangel werden wir nach Möglichkeit vorzubeugen suchen, 
indem wir alle Mafsregeln durchführen, welche eine allmähliche voll- 
kommene Reife der Knollen am Stocke zulassen. 


d. Kalk- und Magnesiaüberschufs. 


Unter Hinweis auf die in früheren Abschnitten bereits über die 
Wirkung: des Kalkes erwähnten Beobachtungen heben wir hier zunächst 
die Mahnung von Orr!) hervor, an Stelle einer einzigen sehr starken 
Kalkzufuhr lieber öfter kleinere Mengen auf den Acker zu bringen. 

Selbstverständlich kann ein Kalküberschufs nicht durch bestimmte 
Zahlen präzisiert werden, da jede Pflanze und jeder Acker ein anderes 
Kalkbedürfnis haben. Auch kommt es gar nicht auf die absolute Menge 
bei der Kalkzufuhr an, sondern auf das Verhältnis zu den anderen 
Nährstoffen, welche durch den Kalk in ihrer Löslichkeit und Wanderungs- 
fähigkeit beeinflufst werden. Endlich kommt aber auch die Witterung 
zur Zeit des Kalkens in Betracht. 

Für die Praxis namentlich beherzigenswert sind die Warnungen, 
welche HorrMmann?) auf Grund vielseitiger Erfahrungen ausspricht. Kalk 
wirkt schädlich, wenn er in gröfseren Mengen auf kraftlosen Böden zur 
Verwendung gelangt; auf humusarmen, leichteren, tätigen Böden erweist 
er sich in trockenen Frühjahren zu stark lockernd und austrocknend 
und stört die Bakterienarbeit. Kommt er als Mergel zur Verwendung, 
ist darauf zu sehen, dafs dieser vorher an der Luft gut zerfallen ist, 
damit etwaige schädliche Bestandteile rechtzeitig oxydiert werden können. 
Ebenso wie bei anhaltender Trockenheit wird Kalk auch bei stauender 
Nässe gefährlich, namentlich wenn er als sogen. „Wasserkalk“ mit 
viel Kieselsäure, Eisenoxyd und Tonerde vermischt ist. Derselbe wird 
bei feuchtem Wetter leicht zementartig hart. 

Aber auch unter normalen Verhältnissen kann der Kalk gefährlich 
werden; man darf nicht vergessen, dafs bei seiner erwünschten 
Leistung der Zersetzung der organischen stickstoffhaltigen Substanzen 


1) Orrn, A., Kalk- und Mergeldüngung. Anleitung, im Auftrage d. Deutsch. 
Landw.-Ges. Berlin 1896. . 
2) Horrmans, M., Düngungsversuche mit Kalk. Arb.d. D. Landw.-Ges. Heft 106. 


400 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


und der Umformung des entstehenden Ammoniaks in salpetersauren 
Kalk auch Ammoniakverbindungen verflüchtigt werden. Kommt salz- 
saures oder schwefelsaures Ammoniak mit kohlensaurem oder phosphor- 
saurem Kalk zusammen, entstehen das äufserst leicht lösliche Chlor- 
calcıum und Gips und andererseits kohlensaures bez. phosphorsaures 
Ammon. Bei Versuchen von WAGNER!) (Darmstadt) beobachtete man 
einen durch Ammoniakverdunstung entstandenen Stickstoffverlust von 
30%/o gegenüber einer Salpeterdüngung. Besonders leicht entstehen 
derartige Verluste, wenn der Boden reich an kohlensaurem Kalk ist, 
wenn das Ammoniaksalz nur flach untergebracht ist und Sonne und Wind 
reichlich Zutritt haben; dann kann das durch die Umwandlung des 
nicht flüchtigen schwefelsauren Ammoniaks entstehende flüchtige kohlen- 
saure Ammon sehr schnell dem Acker entführt werden. 


Superphosphat 


Schwefelsaures 


Ammoniak >) Stailmist u. Guano 


Chilisalpeter 


Fig. 66. Schematische Darstellung der günstigen und ungünstigen Beziehungen 
der Düngemittel zueinander. 


Sandige und zugleich kalkreiche Böden werden deshalb nicht für 
Ammoniakdüngung, namentlich nicht für Kopfdüngung geeignet sein. 
Aufserdem wird jetzt verständlich, warum man nicht Atzkalk direkt 
mit Stallmist oder anderen ammoniakhaltigen Dungstoffen in Berührung 
bringen soll. 

Aufser den genannten Beziehungen hat der Kalk auch seine nicht 
zu unterschätzende Wirkung auf die Phosphorsäure. Die wasserlösliche 
Phosphorsäure im Superphosphat wird durch gleichzeitige Kalkung in 
ihrer Wirkung beeinträchtigt, allerdings nicht so sehr wie die der 
citronensäurelöslichen Thomasmehlphosphorsäure;: am stärksten ist die 
Behinderung bei der des Knochenmehls. 

Es dürfte hier der Ort sein, auf die Beziehungen der Dünger zu- 
einander hinzuweisen, um zu vermeiden, dafs sie gegenseitig einander 
schädigen, d. h. in ihrer Wirkung beeinträchtigen. An Stelle längerer 


!) Zeitschr. der Landwirtschaftskammer f. d. Prov. Schlesien. 1904, S. 1683. 


2. Verhalten der Nährstoffe zu den Pflanzen. 401 


Beschreibungen geben wir eine dem „Praktischen Ratgeber im Obst- 
und Gartenbau“ 1906 Nr. 17 entlehnte Figur wieder. 

In diesem Schema bedeuten die dünnen Verbindungslinien für die 
einzelnen Düngerarten, dafs man dieselben immer zusammenmischen 
darf. Die Dünger, welche mit Doppellinien verbunden erscheinen, 
dürfen nur kurz vor dem Ausstreuen miteinander gemengt werden; da- 
gegen darf man niemals diejenigen Dünger miteinander mischen, welche 
in der Figur mit dicken Strichen verbunden sind. 

Der Vergiftungserscheinungen durch Magnesiaüberschufs und 
der daran sich knüpfenden Theorie von Lorw über ein bestimmtes Mengen- 
verhältnis zwischen Kalk und Magnesia im Boden zur Erzielung guter 
Ernten ist schon in dem Abschnitt über Kalkmangel (S. 302) gedacht 
worden. Neuerdings hat Lorw!) seine früheren Mitteilungen ergänzt, 
indem er darauf aufmerksam macht, dafs das günstige Mengenverhältnis 
zwischen Kalk und Magnesia im Boden durch keine bestimmten Zahlen 
stets fixiert werden kann; es ändert sich, sobald die beiden Basen der 
Aufnahme durch die Pflanze in verschiedenem Grade zugänglich sind. 

Gegen die Lorw’sche Anschauung sprechen die Versuche von 
MEYER?), von denen wir hier nur hervorheben, dafs sowohl starke Kalk- 
als auch Magnesiagaben die Ernten sehr beeinträchtigen. Natürlich 
verhalten sich die verschiedenen Pflanzenarten zu derselben Düngung 
ganz verschieden; bei derselben Magnesiagabe zeigte beispielsweise 
Hafer schon einen Rückgang in der Körner- und Strohernte, während 
bei Roggen dies nicht der Fall war. 

Auch GösseL®) hält auf Grund seiner Versuche die Lorw’sche An- 
sicht für nicht richtig; indes glauben wir, dafs trotzdem dieselbe be- 
achtenswert bleibt. Man darf sich nur nicht an bestimmte Zahlen 
binden, weil jeder Kulturversuch andere Verhältnisse bietet. Die 
Paralysierung der mit den Düngesalzen massenhaft in den Boden 
gebrachten schädlichen Magnesiaverbindungen wird man stets im Auge 
behalten müssen. Vor allem handelt es sich um die grofsen Mengen 
von Chlormagnesium, die mit den sogenannten „Abraumsalzen‘ 
dem Acker zugeführt werden und die den Zuckergehalt der Rüben, 
den Stärkegehalt der Kartoffeln usw. herabdrücken. Unser Bestreben 
mufs sein, das nicht absorbierbare Chlor an eine Base, also namentlich 
an Kalk zu binden, durch die es leicht in den Untergrund gewaschen 
werden kann. 

Schliefslich mufs darauf aufmerksam gemacht werden, dafs dieselbe 
Kalkmenge einmal schädigend, ein anderes Mal fördernd wirkt, je nach- 
dem dieselbe als kohlensaurer oder schwefelsaurer Kalk gegeben wird. 
So fand z. B. Suzukı*) bei Vegetationsversuchen mit Bergreis, dafs 
durch eine übermäfsige Gabe von kohlensaurem Kalk (das Verhältnis 
von Kalk zu Magnesia war 3:1) die Ernte beträchtlich herabgedrückt 
wurde, selbst wenn die Phosphorsäure in leicht löslicher Form vor- 


1) Lorw, O., und Aso, K., Über verschiedene Grade der Aufnahmefähigkeit von 
Pflanzennährstoffen durch die Pflanzen. Bull. College of Agric. Tokyo, Imp. Univ. 
vol. VI. No. 4, eit. Centralbl. f. Agrik.-Chemie 1905, S. 594. 3 

2) Meyer, D., Untersuchungen über die Wirkung verschiedener Kalk- und 
Magnesiaformen. Landw. Jahrbücher Bd. XXXIII, 1904, SPS j 

3) Gössen, Fr., Bedeutung der Kalk- und Magnesiasalze für die Pflanzen- 
ernährung, Vortrag auf d. 75. Naturf. Vers. (s. Chemikerz. 1903, Nr. 78) 

4) Suzuxı, S., Über die schädliche Wirkung, einer zu starken Kalkung. des 
Bodens. Bull. College of Agric. Tokyo, Imp. University vol. VI. ecit. Centralbl. 
f. Agrik.-Chem. 1905, S. 588. 

Sorauer, Handbuch. 3. Aufl. Erster Band. 26 


402 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse, 


handen war. Dagegen zeigte die Zufuhr einer äquivalenten Menge Gips 
eine ungewöhnliche Erntesteigerung namentlich an Körnern. Aus 
diesem Versuch aber ergibt sich auch, dafs die schädliche Wirkung 
des Kalküberschusses nicht immer in einer Verminderung des Auf- 
schliefsungsvermögens eines Bodens gegenüber schwer löslichen 
Phosphorsäureverbindungen zu suchen ist, sondern wahrscheinlich auch 
ihren Grund in der Neutralisierung der Wurzelsäuren hat. 

Durch Abstumpfung der Säuren der Pflanzenwurzeln 
kann die Aufnahme der verfügbaren Phosphorsäure beeinträchtigt werden. 
Der grofse Unterschied zwischen der Wirkung des Calciumkarbonats 
und derjenigen des Gipses erklärt sich leicht dadurch, dafs der Gips 
aus dem Boden nur so weit, als er in Wasser löslich ist (also in 
äufserst geringer Menge), aufgenommen wird, während die Aufnahme 
des Karbonats durch die Pflanzen hauptsächlich von der Säure der 
Wurzeln abhängt. 


Der Kalküberschuls bei dem Weinstock. 


Seit der Einführung des Weinbaues mit veredelten amerikanischen 
Reben sind die Klagen über die Gelbsucht des Weinstockes 
besonders in den Vordergrund getreten. Beschrieben wird die Krank- 
heit meist als „Chlorose“; nach unserer Anschauung müfste sie als 
„Leterus“ bezeichnet werden. 

Selbstverständlich sind die Ursachen für die Gelblaubigkeit, wie 
bei den anderen Pflanzen, äufserst verschiedener Art; sehr häufig spielt 
dabei die mit oder ohne Mycelpilze sich einstellende Wurzelfäulnis auf 
schweren Böden eine Rolle. Namentlich Vitis Riparia und rupestris 
mit ihrem feineren Wurzelsystem erweisen sich gegen solche Böden 
empfindlich, während Sorten mit starken Wurzeln (Jacquez, Herbemont 
usw.) sich besser anpassen!). Besonders schwer aber ist es, die 
amerikanischen Reben auf solchen Böden zu erziehen, die viel Kalk 
in leicht aufnehmbarer Form enthalten und nicht sehr reich an Nähr- 
stoffen sind. Die meisten Erfahrungen darüber hatte man in Frankreich 
Gelegenheit zu sammeln. LurpeckE?) gibt die Resultate von Boden- 
untersuchungen wieder, welche der landwirtschaftliche Verein zu 
Cadillac 1890 vornehmen liefs. Es enthielt der Boden, der 


keine Gelbsucht und der, welcher Gelbsucht 
der Stöcke zeigte 


Phosphorsäure 0,07 Po, 0,06 %/o, 
Kalı 0,39 %/o, 0,37 Io, 
Kalk 1,81 lo, 18,93 Io, 
Eisenoxyd 5,90 %/o, 3,02 9/0, 
Stickstoff 0,10 °/o, 0,10 %o, 


Der Gehalt der Böden an Stickstoff, Kali und Phosphorsäure ist 
also gleich, Eisenoxyd in beiden hoch, aber der Kalkgehalt des Gelb- 
sucht erzeugenden Bodens nahezu zehnmal gröfser. Bei den nunmehr 
vorgenommenen Düngungsversuchen mit Chilisalpeter, Ammoniak, 


!) Eger, E., Untersuchungen über die Methoden der Schädlingsbekämpfung 
usw. Berlin, Paul Parey, 1905. 

2) Lveveere in Zeitschr. f. d. landw., Ver. d. Grofsherz. Hessen 1892, Nr. 41, 
1893, Nr. 2, 


2, Verhalten der Nährstoffe zu den Pflanzen, 403 


Superphosphat, Chlorkalium, schwefelsaurer Magnesia und Eisen- 
vitriol zeigte nur der letztere einen hervorstechenden Erfolge. Auf 
dieser Versuchsparzelle hatten die Stöcke besonders viel neue Wurzeln 
gebildet. Dieselben Resultate wurden unter ähnlichen Verhältnissen 
anderweitig auf Böden erzielt, die ebenfalls sehr reich an Eisen von 
vornherein waren, bei denen also die Eisenvitrioldüngung in ihrer 
günstigen Wirkung nicht einem vorher dagewesenen Eisenmangel zu- 
geschrieben werden konnte. 

Derartige Resultate, die auf den hohen Kalkgehalt der Böden als 
Ursache der Gelbsucht des Weinstocks hinweisen, liegen vielfach vor!), 
und ebenso zahlreich sind die Beobachtungen über die Wirksamkeit 
des Eisenvitriols. 

Es fragt sich nun, wie man den schädlichen Einflufs des Kalkes 
und die günstige Wirkung der genannten Eisenverbindung erklären 
soll? LuEDEcKE fand die aus dem Kalkboden von Rheinhessen kommenden 
Wässer alkalisch reagierend und sah bei Zusatz eines Eisensalzes 
(Eisenvitriol, Eisenchlorid), dafs das Eisen ausgefällt wurde. Er zog 
daraus den Schlufs, dafs, da die Pflanzen nur Eisen in aufgelöster 
Form aufzunehmen vermögen, das alkalische Wasser aber die Lösung 
des Eisens verhindert, trotz des vielen Eisens im Boden die Weinstöcke 
doch Mangel daran leiden und daher icterisch würden. Vrara und 
Ravaz erblicken die schädliche Wirkung des Kalkes in einer Neutrali- 
sation des Zellsaftes der Wurzeln (s. EGEr). 

In Ermangelung: weiterer experimenteller Studien müssen wir uns zu- 
nächst mit der Tatsache begnügen, dafs grofse Mengen leicht löslicher 
Kalkverbindungen den Icterus am Weinstock hervorzurufen vermögen 
und reichliche Gaben von Eisenvitriol sich vielfach nützlich gezeigt 
haben. Es liegt nun am nächsten, daran zu denken, dafs die Schwefel- 
säure der Eisenverbindung an den Kalk geht und denselben in den nur 
sehr wenig sich lösenden Gips überführt, der sich unschädlich oder 
sogar wachstumsfördernd erweist. 

Tatsächlich führt Eerr (a. a. ©. S. 84) Versuchsergebnisse von 
ÖOBERLIN-BEBLENHEIM an, aus denen sich eine wesentliche Ertragssteigerung 
nach Gipsdüngung auf reichen Böden ergibt. Da eine gleichzeitig 
ausgeführte Gipszufuhr zu mageren Böden vollständig erfolglos blieb, 
so ist wahrscheinlich die günstige Wirkung des Gipses seiner auf- 
schliefsenden Kraft zuzuschreiben. 


e. Kaliüberschufs. 


‚Auf die Gefahren, die fortgesetzte reiche Kalidüngung für die 
Bodenbeschaffenheit hat, ist schon hingewiesen und dabei betont worden, 
dafs die leichteren und die Moorböden am dankbarsten sich für Kali- 
zufuhr erweisen. In letzterer Zeit hat aber HoLLrunG auf einen anderen 
Nachteil der Mineralsalzdüngung überhaupt, also auch der Kalısalze, 
aufmerksam gemacht. Er weist auf Versuche von Harz hin, welche 
ergeben haben, dafs sich der Wasserbestand in den Böden völlig 
ändert. Harz stellte seit 1866 fest, in wieviel Tagen des Jahres die 
Drainage auf einem ungedüngten gegenüber einem beständig mit Chili- 
salpeter gedüngten Felde gelaufen hat. Je mehr die Drainage läuft, 
um so mehr Wasser wird dem Felde entzogen. Obgleich das Ergebnis 


1) s.v. Bavo u. Macn, Handbuch des Weinbaues und der Kellerwirtschaft (s. Eskn). 
26 * 


404 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenyverhältnisse. 


in den einzelnen fünfjährigen Perioden, die zum Vergleich kamen, ein 
schwankendes war, deutete das Gesamtresultat für den ganzen Zeitraum 
doch darauf hin, dafs der „gesalzene Boden“ weit gröfsere Mengen 
Wasser durch den Untergrund in die Drainage entlassen hatte, was 
auf eine ungünstige Umgestaltung des Bodens schliefsen läfst. 

Bei dem Einflufs der Kalisalze auf den Pflanzenkörper kommt es 
darauf an, in welcher Form und auf welchem Boden das Düngesalz 
zur Anwendung gelangt!). Denn es handelt sich wesentlich um die 
Wirkungen der Nebensalze, die bei der Kalizufuhr dem Boden ein- 
verleibt werden. Zurzeit finden der Kainit und das 40° sige Kalisalz 
die reichlichste Verwendung. Bei Kainit braucht man 34 Zentner, 
wenn man so viel Kalı zuführen will, wie in einem Zentner 40 '/oigen 
Kalisalzes enthalten ist. Unter den im Kainit zugeführten Nebensalzen 
spielt das Kochsalz eine hervorragende Rolle. Aufserdem kommen 
schwefelsaure Magnesia und Chlormagnesium in Betracht. Die einzelnen 
Pflanzen verhalten sich nun sehr verschieden zum Kochsalz: während 
Zuckerrüben dankbar sich erweisen, ist die Kartoffel sehr empfindlich ?). 
Allerdings ist auch bei den Zuckerrüben der Erfolg ein ziemlich 
trügerischer, da zwar (nach den Versuchen von Anucco und WOHLTMANN) 
die Masse der geernteten Rübensubstanz vergröfsert wird, aber der 
Reinheitsquotient und der Zuckergehalt zurückgehen. 

Wegen der Nebensalze prüften SCHNEIDEWIND und RINGLEBEN?) die 
Kalirohsalze gegenüber den hochkonzentrierten Formen bei verschiedenen 
Kalkgaben. Bei Kleegrasgemisch, Hafer, Zuckerrüben und Kartoffeln 
zeigte sich, dafs der Kainit sich dem Chlorkalıum und schwefelsauren 
Kalı überlegen zeigte, wenn ausreichende Mengen von kohlensaurem 
Kalk vorhanden waren; fehlten diese, trat der entgegengesetzte Fall 
ein. Nahm man den schwerlöslichen Gips statt des kohlensauren Kalkes. 
erwies sich der Kainit schädlich, besonders für Kleegrasgemisch, weniger 
für Hafer. Bei Kartoffeln war die Wirkung günstig, sofern die Böden 
kaliarm waren; bei gröfserem Kalireichtum derselben kam die Überschufs- 
wirkung, nämlich Erniedrigung des Stärkegehaltes, zum Vorschein. Die 
durch die Chloride bewirkte Stärkedepression, die mit einem gröfseren 
Wasserreichtum verbunden ist, fand SzoLLEMA*) bei den stärkereichen 
Kartoffelsorten etwas gröfser als bei den stärkeärmeren. 

Bei den Pflanzen, welche gegen die Chlorverbindungen der Kali- 
rohsalze, wie z. B. des Kainits, sehr empfindlich sind, erweist sich 
manchmal der Nachteil, dafs das Kalı während des Herbstes und 
Winters aus dem Boden teilweise ausgewaschen wird, insofern als 
vorteilhaft, als dabei auch reichlich die gefährlichen Nebensalze (Koch- 
salz und Chlormagnesium) ausgewaschen werden, also dem Boden zwar 
absolut weniger Kali verbleibt, aber dasselbe in reinerer Form zur 
Geltung kommt. Das Auswaschen von Kali fällt übrigens blofs bei 
Böden in die Wagschale, welche nur geringe Mengen Kalk und der- 


!) Blätter für Zuckerrübenbau 1905, S. 62. 

2) Blätter für Zuckerrübenbau 1905, S. 89, 

3) Scuxeivewinp, W., und Rınsregen, O., Die Wirkung der Kalirohstoffe und 
der reinen Kalisalze bei verschiedenen Kalkformen. Landwirtsch. Jahrb. 1904. 
Bd. XXXIIL, S. 353. 

#4) Szouuema, D., Über den Einflufs von Chlor- und anderen in den Stafsfurter 


en vorkommenden Verbindungen etc. ceit. Centralbl. f. Agrikultur-Chemie 
1901, S. 516. 


2. Verhalten der Nährstoffe zu den Pflanzen. 405 


artig absorbierende Bestandteile besitzen, wie z. B. bei leichten Sand- 
und Moorböden!). 

Von den nachteiligen Wirkungen der Kalidüngung bei andern als 
den bereits genannten Kulturpflanzen erwähnen wir noch diejenigen 
die BEHRENS?) bei Tabak beobachtet hat. Seine Versuche ergaben 
nämlich, dafs der Wassergehalt der Blätter beträchtlich stieg, wenn 
schwefelsaures Kali als Beidünger zu Stallmist gegeben wurde, und 
dafs damit eine gröfsere Leichtigkeit des Faulens der an der Luft 
schwerer trocknenden Blätter verbunden war. Dies hängt wahrschein- 
lich mit der von CopeLanp beobachteten Turgorsteigerung durch Kali- 
salze (Pottasche) zusammen®). Natronsalze (Soda) zeigten diese 
physiologische Wirkung nicht. 

Beachtenswert ist die Klage der Landwirte, dafs bei fortgesetzter 
Kalidüngung die Qualität der Wiesenpflanzen so verschlechtert 
werde, dafs die mit dem Heu gefütterten Tiere abmagern. Wenn auch 
diese hochgradige Wirkung noch anzuzweifeln ist, so steht doch fest, 
dafs häufig eine geringere Schmackhaftigkeit des Heues solcher Wiesen 
beobachtet worden ist, welche mit Kainit oder Kainit und Thomas- 
schlacke wiederholt gedüngt worden sind). 

Die bei verschiedenen Feldfrüchten und Obstbäumen hier und da 
hervorgetretenen Schädigungen beruhen meist auf unzweckmäfsiger 
Anwendung der Kalisalze und äufsern sich dann vielfach auch in Nach- 
wirkungen’). Man wird denselben am besten vorbeugen durch Ver- 
meidung starker Kaligaben auf schweren Böden, durch Unterlassen der 
Einbringung des Salzes mit dem Saatgut, durch wiederholte kleinere 
Kalkgaben und (bei den besonders chlorempfindlichen Pflanzen wie z.B. 
Kartoffeln) durch Verwendung des 40°%oigen Kalısalzes und anderer 
gereinigter hochkonzentrierter Verbindungen an Stelle der Rohsalze. 

Die wiederholte Zufuhr kleiner Kalkmengen erweist sich darum 
nützlich, weil der Kalk im kohlensäurehaltigen Bodenwasser um so 
mehr ausgewaschen wird, je mehr Kalisalze dem Boden zugeführt 
werden, da er sich, wie bereits erwähnt, mit ihnen zu löslichen Ver- 
bindungen umsetzt. Horrmann®) empfiehlt, sich womöglich eines hoch- 
prozentigen Handelsmergels zu bedienen und davon mindestens 
5—7!/2 dz pro Morgen zu geben. Droht einem Boden die Gefahr der 
Verkrustung (das „Abbinden‘), so bringe man im Herbst mindestens 
31/; dz Ätzkalk flach unter und wiederhole dies nach etwa vier Jahren. 


f. Phosphorsäure-Überschufs. 


Schädieungen durch einen Überschufs an Phosphorsäure sind selten. 
Sie können wohl nur dort erwartet werden, wo reichlich Superphosphate 
zur Verwendung gelangen, also eine wasserlösliche Phosphorsäure vor- 
handen ist. Die citratlösliche des Thomasmehls ist schon schwerer 


1) Schseipewino, Auswaschen des Kalis im Winter. Zeitschr. d. Landwirtschafts- 
kammer f. Schlesien 1904, Nr. 14, S. 471. 

2) Beurens, J., Weitere Beiträge zur Kenntnis der Tabakspflanze. Landw. 
Versuchsstationen 1899, S. 214. 

®) Bot. Jahresber. 1897, I, S. 72. 

#4) Mitteilungen d. Deutsch. Landw.-Ges. vom 11. März 1905. 

5) Orausen, Resultate von Obstbaumdüngungen. Landwirtschaftl. Jahrbücher 
Bd. XXXIII, S. 939. 

6) Horrwans, M., Die Kalisalze. Anleitung. Herausg. v. d. Deutsch. Landw 
Gesellsch. III. Aufl., 1905. 


406 I. Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse. 


beweglich. Aber auch die wasserlösliche Phosphorsäure geht alsbald. 
wieder in den unlöslichen Zustand dadurch über, dafs sich im Boden 
Diphosphate des Calciums, Magnesiums, Aluminiums und Eisens bilden, 
die nur langsam von der Kohlensäure des Bodens und den sauren 
Ausscheidungen der Wurzeln gelöst werden. Eine Schädigung durch 
Superphosphat wird daher selbst bei reicher Gabe nur auf Böden zu 
befürchten sein, die arm an kohlensaurem Kalk, Eisen und Tonerde 
sind. Versuche liegen nur in geringer Anzahl vor. Die sorgfältigen 
Untersuchungen der Versuchsstation Bernburg mit Zuckerrüben !), die 
einbasisches Calciumphosphat, also wasserlösliche Phosphorsäure im 
Überschufs erhalten hatten, haben gezeigt, dafs ein Rückgang im 
Zuckergehalt nicht eingetreten ist und auch die Mengen der Rüben- 
substanz und des Nichtzuckers dieselben wie in normal gedüngten 
Rüben geblieben sind. 

Soweit meine eigenen Erfahrungen reichen, kann sich der Phosphor- 
säureüberschufs in einer Verkürzung des Wurzelsystems äufsern, wie 
dies bei allen hochkonzentrierten Lösungen einzutreten pflegt. Aufser- 
dem wird ein vorschneller Abschlufs der vegetativen Periode (Frühreife) 
eingeleitet. Die Pflanzen kommen nicht zur vollständigen Ausnutzung 
ihres Laubapparates, der vorzeitig zu vergilben pflegt. Dementsprechend 
ist die Ernte weniger ausgiebig. 


Kohlensäure-Überschufs. 


Die Versuche über den Einflufs eines Gehaltes der Luft und 
des Bodens an Kohlensäure, der weit über das unter den gewöhnlichen 
Wachstumsverhältnissen vorhandene Mais hinaus geht, führen zu wider- 
sprechenden Resultaten. Während ein Teil der Beobachter nur 
schädigende Wirkungen ‘erkannt hat, berichtet ein anderer Teil über 
vorteilhafte Entwicklung. Diese Gegensätze dürften ihre Erklärung 
dadurch finden, dafs bei der Kohlensäure wie bei allen anderen Nähr- 
stoffen die Wirkung davon abhängt, wie gleichzeitig alle sonstigen 
Wachstumsfaktoren in Tätigkeit sind. Die Pflanzen sind im allgemeinen 
auf den geringen normalen Kohlensäuregehalt der Luft in ihrer Tätig- 
keit abgestimmt?). Sie werden eine stärkere Steigerung bald durch 
Hemmungserscheinungen, bald durch Wachstumsförderung beantworten, 
je nachdem die Steigerung plötzlich oder allmählich eintritt und je 
nachdem der Reichtum an Licht und Wärme, an Wasser und anderen 
Nährstoffen dem Individuum gestattet, die vergröfserte Kohlensäure- 
menge noch zu verarbeiten. Experimentell finden wir diese Anschauung 
durch GoptEwsKk1®?) bestätigt. 

Über die fördernde Wirkung liefern unsere Mistbeetkulturen 
reichliches Beweismaterial. Nach den Untersuchungen von E. DEMoussY *) 
ist es nicht nur die erhöhte Wärme, sondern tatsächlich auch die 
Steigerung des Kohlensäuregehaltes der Luft in den Mistbeetkästen, 
die bisweilen mehr als zwei Tausendstel beträgt. Bei den vergleichen- 


!) s. Vortrag von H. Roruer; eit. Blätter f. Zuckerrübenbau 1905, S. 229. 

2) Brown, F., u. Escomse, F., Der Einflufs wechselnden Kohlensäuregehaltes 
der Luft auf den photosynthetischen Prozefs der Blätter und auf den Wachstums- 
modus der Pflanzen. — Farmer, J., u. Cuasorer, $S., Über den Einflufs eines Über- 
schusses von Kohlensäure in der Luft auf die Form und den inneren Bau der 
Pflanzen. Proceed. R. Soc. LXX. eit. Centralbl. f. Agrik.-Chemie 1903, S. 586. 

°) s. Sacns, Arbeit. d. Bot. Instituts zu Würzburg. Heft II. 

*“) Compt. rend. de l’Acad. d. sciences 1904. cit. Centralbl. f. Agrik.-Chemie 
1904, Heft 11, S. 745. 


2. Verhalten der Nährstoffe zu den Pflanzen. 407 


den Kulturen hatte die Mistbeetluft, die nach sorgfältiger Prüfung kein 
Ammoniak erkennen liefs, nahezu das dreifache Erntegewicht gegenüber 
den in gewöhnlicher Luft unter sonst gleichen Umständen erwachsenen 
Pflanzen geliefert. 

Datfs die Versuche in sterilisiertem Boden gegenüber dem nicht 
sterilisierten viel geringere Erntemengen erkennen lassen, schreibt der 
Verfasser der Abtötung der Mikroorganismen zu, die durch ihre Tätig- 
keit bei der Zersetzung zur Kohlensäureproduktion beitragen. Und es 
ist auch wahrscheinlich, dafs die dicht am Boden bleibenden Gewächse 
eine Wachstumsbegünstigung durch die aus der Erde beständig ent- 
weichende Kohlensäure erfahren, da mehrfach festgestellt ist, dafs die 
Luft an der Oberfläche der Erde mehr als drei zehntausendstel Kohlen- 
säure enthält. 

In einer Luft, in der die Kohlensäure eine fünfmal höhere Spannung 
als normalerweise hatte, nahmen eine grofse Anzahl verschiedener 
Pflanzen um etwa 60°o mehr an Gewicht zu als in gewöhnlicher Luft; 
auch blühten dieselben früher und reichlicher!). 

Vermögen die Pflanzen, die selbstverständlich je nach Art und 
Individualität sich verschieden verhalten, die gebotene Kohlensäure- 
menge nicht mehr zu bewältigen, mufs Funktionsstockung eintreten. 
KosAarorF?) unterscheidet eine spezifisch schädigende Wirkung und eine 
indirekte durch Verminderung des Partialdruckes bezw. Entziehung des 
Sauerstoffes. Infolge der Depression des Transpirationsstromes zeigt 
sich ein Welken der Pflanzen. Bönum®?) beobachtete ebenso wie SAUSSURE 
eine Verzögerung der Keimung, indem mit zunehmender Kohlensäure- 
menge die Wurzeln und Stengel immer kürzer wurden. Chlorophyll- 
ausbildung und Assimilation waren wesentlich vermindert. 

In einer Kohlensäureatmosphäre kann bei Gelenkpflanzen (Grami- 
neen, Commelinaceen usw.) weder der Schwerkraftreiz perzipiert werden, 
noch vermag ein in Luft perzipierter Reiz eine Krümmung einzuleiten ®). 

Schliefslich sei noch darauf hingewiesen, dafs bei Eintritt von 
Kohlensäureüberschufs erst eine fördernde und allmählich später die 
störende Wirkung sich einstellen kann. In diesem Sinne sind die 
Versuchsergebnisse von BROWN und von FARMER?) zu deuten, welche be- 
obachteten, dafs bei vermehrtem Kohlensäuregehalt der Luft sich nach 
acht bis zehn Tagen in mehreren Fällen eine tiefer grüne Färbung aller 
Chlorophyll führenden Pflanzenteile geltend machte und der Stärke- 
gehalt vermehrt wurde. Aber aufserdem trat eine Verkürzung und 
Verdiekung der Internodien, Einrollung der Blätter bis zur gänzlichen 
Verkümmerung und Abstofsen der Blütenknospen bezw. gänzlicher 
Ausfall der Blütenanlagen ein. 

In der Praxis sind derartige Verhältnisse, wie sie im Experiment 
geboten worden sind, kaum jemals zu fürchten. Am häufigsten dürften 
solche Fälle vorkommen, dafs bei der Mistbeetkultur der Dünger zum 
Erwärmen der Kästen zu viel Kohlensäure entwickelt. Hier wird vor- 
sichtiges Lüften (auch bei Frosttagen) die Gefahr beseitigen. 


1) Demoussy, E., Sur la vegetation dans des atmospheres riches en acide 
carbonique. Compt. rend. OXXXIX, S. 883. i 

2) Kosarorr, P., Die Wirkung der Kohlensäure auf den Wassertransport in 
den Pflanzen. Bot. Centralbl. 1900, Bd. 83, S.138. 

3) Sitzungsber. d. Wiener Acad. 1873 vom 24. Juli. 

#, Kour, Die paratonischen Wachstumskrümmungen der Gelenkpflanzen. Bot. 
Zeit. LVIII, 1900, 8.1. 

dB) 9.2. 0. 


408 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


Zweiter Abschnitt. 
Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


Viertes Kapitel. 
Zu trockene Luft. 


Die Knospenbeschädigung. 


Der Mangel einer genügenden Luftfeuchtigkeit ist ein bisher 
äufserst wenig berücksichtigter Faktor bei der Entstehung von Krank- 
heitserscheinungen, trotzdem wir demselben z.B. bei den Zimmerkulturen 
beständig begegnen. 

In welcher Richtung sich eine anhaltende, grofse Armut der Luft 
an Feuchtigkeit geltend machen wird, ersieht man aus den Eigenschaften 
der xerophilen Gewächse. Als Beispiel erwähnen wir die Beobachtungen 
von GREVILLIUS!), der bei den Pflanzen eines baumlosen Kalkplateaus 
fand, dafs sich namentlich eine Verdickung der Epidermis mit ihrem 
Wa chsüberzuge oder als Ersatz eine stärkere Behaarung bemerkbar 
machten. Diese Merkmale treten an den Blättern um so stärker hervor, 
Je höher dieselben am Stengel stehen. Die Epidermiszellen sind gegenüber 
den Normalformen gewöhnlich etwas klemlumiger, die Palisaden breiter - 
und dichter aneinander geschlossen, Intercellularräume geringer. Die 
mechanischen Gewebe in Achsen und Blattstielen sind stärker entwickelt, 
Markkörper minder kräftig, kleinzelliger, aber stärkereicher. Diese 
Veränderungen treten freilich fast immer in Verbindung mit grofsem 
Wassermangel im Boden auf, wodurch das Urteil darüber, welchen 
Einflufs die Trockenheit der Luft und die dadurch bedingte übermäfsige 
Transpiration allein ausüben, schwer zu fällen ist. Einzelne Vorgänge 
aber sehen wir sich einstellen, wenn bei genügendem Wasservorrat im 
Boden die Luft anhaltend heifs und trocken ist, und diese werden hier 
zu erörtern sein. Es sind teils Hemmungserscheinungen im Knospen- 
leben oder in den Keimungszuständen, teils Störungen in ausgewachsenen 
Blättern, welche zum sommerlichen Laubfall führen. 

Betreffs des Knospenlebens haben wir zwei Zustände auseinander- 
zuhalten: die Offnung der Knospen und ferner das Hervorbrechen des 
jungen Triebes kurz nach Entfaltung der Knospen. Setzt eine längere 
Trockenperiode im zeitigen Frühjahr ein, wo sie in der Regel bei an- 
dauerndem Ostwind sich erhält, so wird der auf abwechselnder Wirkung 
von Sonnenschein und Regen beruhende Offnungsvorgang der Knospe be- 
hindert. Die in dem Knospenschuppengewebe vieler Baumarten meist 
durch Membranschmelzung entstehenden Gummimassen müssen zur Er- 
leichterung der Knospenentfaltung durch Regen erweicht sein, während 
die harzartigen und teilweise balsamischen Schmelzungsprodukte in den 
Knospenschuppen, durch den Sonnenschein erwärmt und erweicht, dem 
Druck der schwellenden Knospe gleichzeitig nachgeben. Bei anhaltend 
trockner, meist windiger Frühjahrswitterung wird die Knospenentfaltung 


!) Geevizrıus, Morphologisch-anatomische Studien üb.d xer ee Phanerogamen- 
Vegetation der Insel Oeland. Englers Jahrbücher 1897, XXIII, S. 24. 


Zu trockene Luft. 409 


nun dadurch gestört, dafs die Innenseite der Knospenschuppe an ihrem 
notwendigen Wachstum verhindert wird und sich nicht genügend 
zurückschlagen kann. 

Bei der zweiten Art der Schädigung wird die 

* hervortretende, junge Triebspitze plötzlich den scharfen 
Sonnenstrahlen und der hochgradigen Verdunstung ın 
abnorm trockner Luft ausgesetzt, nachdem sie bereits 
den vor zu starker Verdunstung schützenden Mantel 
der Knospenschuppen abgestreift hat. Zum Verständnis 
dieser Vorgänge geben wir nach 
Grüss!) einige Abbildungen. 

In Fig. 67 finden wir den Quer- 
schnitt durch die Knospendecke der 
Eiche, bei Fig. 68 den von Pinus 
Mughus. Man unterscheidet leicht 
die einzelnen Schuppen, die fest 
übereinandergeschachtelt erscheinen, 
an der stark entwickelten Epidermis 
der Aufsenseite und findet bei Ver- 
gleich der beiden Knospenhüllen die 
Steigerung der Schutzvorrichtungen 
bei dem Nadelbaum durch Ein- 
lagerung der Harzmassen (h). An 
dem Querschnitt der einzelnen Deck- 
schuppe bemerkt man, dafs ihre 
Aufsen- oder spätere Unterseite be- 
sonders stark verdickte Elemente 
besitzt. Bei Pinus sind die Epi- 
dermiszellen in hohem Grade 
sklerenchymatisch verdickt. Bei der 
Wintereiche, deren Knospendecke 
im vorliegenden Falle aus acht ein- 
zelnen Schuppen zusammengesetzt 
ist, sind die unterhalb der Epi- 
dermis befindlichen Zelllagen die 
stark verdickten, so dafs das Lumen 
fast ganz verschwindet. Die Sommer- 
eiche @u. pedunculata Ehrh. verhält 
sich etwas abweichend. Infolge der 
sklerotischen Elemente in den Deck- 
schuppen behalten dieselben, wenn 
sie ım Frühjahr sich durch Basal- 
wachstum vergröfsern, eine gewisse 
Steifheit und bleiben dem hervor- 
brechenden Triebe länger angelegt. 
Dadurch beschützen sie ihn länger \ 
vor den gefährlichen Temperatur- Fig.67. Querschnitt Fig.68. Querschnitt 
schwankungen. Die Eiche in den AurchdieKnsspen. durshdieKnagpet 
wärmeren Mittelmeerländern, Quercus sessiliflora Sm.  MughusScop.(Nach 
Ilex L., hat die sklerotischen Elemente (Nach Gküss.) Grüss.) 


1) Grüss, J., Beiträge zur Biologie der Knospe. Pringsheims Jahrb. f. wissen- 
schaftliche Bot. Bd. XXIII, Heft 4, S. 637 ff. 


410 II. Schädliche atmosphärische Eınflüsse. 


in ihren spärlicheren Knospendecken nicht oder kaum angedeutet. Hier 
handelt es sich um Schutz gegen die sommerliche Trockenperiode und 
dazu dienen ein Haarapparat, der sich aus der Epidermis, und eine 
Korklage, welche sich aus dem subepidermalen Gewebe entwickelt. 

Zur Zeit des Laubausbruchs wächst nun die Innenseite der dach- 
artig bisher zusammengeneigten Schuppen, die bekanntlich nichts anderes 
wie reduzierte, auf ihren Stipularteil beschränkte Blätter sind, an der 
Basis weiter, während die sklerotisierte Aufsenseite dies nicht tut. 
Folglich wird die Basis der nunmehr vom Rand her vertrocknenden 
Schuppe Heischig, polsterförmig und drückt sie somit gespreizt nach 
aufsen. Dies ist der Zeitpunkt der Gefahr; denn nun ist der zarte 
Vegetationskegel nahezu schutzlos den Temperaturschwankungen. aus- 
gesetzt. Daher finden wir im Frühjahr bei Eichentrieben bisweilen 
durch Frosteinwirkung hervorgerufene innere Zerklüftungen (siehe Kapitel 
Frostwirkungen) oder Schrumpfungserscheinungen durch Trockenheit 
infolge anhaltender scharfer Ostwinde. 

Gleichviel auf welche Weise bei den einzelnen Baumarten der Schutz- 
apparat der Knospenschuppen gebildet wird, ob aus sklerotischen Zell- 
lagen oder aus Korkschichten, Haarfilzen oder Harzmassen, so steht die 
eine Tatsache fest, dafs diese Apparate je nach der Witterung und 
Nahrungszufuhr zur Zeit ihrer Anlage sich in den verschiedenen Jahren 
verschieden ausbilden und demnach im folgenden Frühjahr von ver- 
schiedener Schutzkraft sind. Wenn z, B. der Sommer feucht und trübe 
gewesen, neigen die Deckschuppen in ihrer Entwicklung mehr zur Natur 
des grünen Laubblattes, und die Zellen werden gröfser, aber weniger ver- 
dickt; sie reagieren im Frühjahr schneller auf die Turgescenzsteigerung 
der Gewebe und werden schneller auseinanderweichen. Damit wird der 
Vegetationskegel frühzeitig den Unbilden der Frühjahrswitterung aus- 
gesetzt und dabei zu schnell seines Transpirationsschutzes beraubt. 

Dieser Faktor ist nicht zu unterschätzen; denn Grüss (l. c. 8. 649) 
berichtet, dafs, als er von einer Eichenknospe die äufseren stärkeren 
Deckschuppen entfernte, er fast regelmäfsig ein Zugrundegehen- der 
Knospe bemerkte, selbst wenn die Temperatur nicht sank und Feuchtig- 
keit ın genügendem Mafse vorhanden war. Auch die inneren, zart- 
häutigeren Tegmente vertrockneten, da sie an die Transpirationssteigerung 
nicht gewöhnt waren. Die unter gleichen Bedingungen (auf ab- 
geschnittenen Zweigen) gehaltenen, unverletzten Knospen entwickelten 
sich weiter. 

Der Versuch bei Buchenknospen, denen die ganze Knospendecke 
genommen worden war, zeigte, dafs die jungen, bloisgelegten Blätter 
viel länger frisch blieben als bei der Eiche, und man darf dieses Ver- 
halten dem Umstande zuschreiben, dafs die jungen Buchenblättchen 
durch ihre Behaarung vor zu starker Transpiration und dem Ver- 
trocknen geschützt werden. Dafür spricht auch die Beobachtung von 
Grüss, dafs bei Aesculus Hippocastanum die jungen, bekanntlich äufserst 
dicht behaarten Blätter nach der Entfernung der Knospendecken sich 
doch noch normal entfalteten. Die Wirksamkeit des Harzschutzes er- 
gibt sich aus einem Beispiel bei Abres Pinsapo Boiss. Hier vertrockneten 
diejenigen Knospen, deren Harz durch Schwefelkohlenstoff entfernt 
worden war. 

Es fragt sich nun, inwieweit man im praktischen Betriebe solchen 
Unregelmäfsigkeiten in der Knospenentfaltung entgegenarbeiten kann’? 

Die Ausbildung der Knospendecken kann man nicht beeinflussen, 


Zu trockene Luft. 411 


und die gefährlichen Schwankungen in der Temperatur und dem 
Feuchtigkeitsgehalte der Luft während der Frühjahrszeit kann man 
nicht beseitigen. Dennoch glauben wir, lieise sich sogar bei dem Wald- 
bau ein vorbeugndeos Verfahren einschlagen, um die Transpirations- 
extreme zu mildern. In erster Linie muis dem Boden seine natürliche 
Moos- bezw. Streudecke erhalten bleiben, weıl damit die Boden- 
feuchtigkeit geschont und eine feuchte Atmosphäre bedingt wird. Aus 
demselben Grunde wäre die Vermeidung der Kahlhiebe zu empfehlen, 
Endlich aber, und zwar namentlich bei jüngeren Kulturen, dürfte das 
Stehenlassen von Waldmänteln an den Seiten, an denen die Sonne im 
Frühjahr besonders stark auf die Stämme wirkt, sich vorteilhaft er- 
weisen. Wir denken bei derartigen Schutzbäumen besonders an die 
schnellwüchsige und locker sich aufbauende Birke. 

Bei Gartenkulturen hat man natürlich die Vorbeugung besser in 
der Hand. Es sei in dieser Beziehung vorläufig hier nur darauf auf- 
merksam gemacht, dafs man nicht versuchen soll, den übermäfsig 
starken Transpirationsverlust durch gesteigerte, reichlicheWurzelbewässe- 
rung zu ersetzen. Dies geht nicht, und man sieht Pflanzen vertrocknen, 
die Wasserüberflufs an den Wurzeln haben. Das einzig rationelle 
Mittel bildet künstliche Beschattung. 


Der Hitzelaubfall. 


Die Beobachtung zeigt, dafs alljährlich vom Frühjahr an bei unseren 
sommergrünen Bäumen Laub abgeworfen ‘wird. Bei städtischen An- 
pflanzungen fällt dies namentlich an Acer Negundo auf; aufserdem gesellen 
sich gern alsbald die wenig entwickelten Blütenstände der Linden lange Zeit 
vor der „Lindenblüte“ hinzu. Weniger auffällig, aber stets vorhanden ist 
der Vorgang auch bei anderen sommergrünen Baumarten. WVIESNER !) 
nennt dieses ständige Abfallen einzelner vergilbter Blätter speziell 
den „Sommerlaubfall“ und sieht die Ursache desselben in der Ab- 
nahme des höchsten Sonnenstandes. Ich glaube, dafs auch andere Ur- 
sachen dabei wirksam sein können; denn während nach WiESNEr’S An- 
gaben die sommerliche Entblätterung sich vorzugsweise nach dem 
21. Juni einzustellen pflegt, lehrt die Beobachtung, dafs z. B. bei Acer 
Negundo, Acer californicum und verwandten Arten schon im Mai und 
Junianfang ein Abwerfen der erstgebildeten Blätter stattfinden kann. 

Solange dieser Blattverlust im Verhältnis zur Gesamtbelaubung eines 
Baumes geringfügig ist, hat er keine pathologische Bedeutung. Es ist 
eine ganz normale Erscheinung, dafs die Blätter eines Zweiges sich zu 
verschiedener Zeit ausleben und daher auch bald früher, bald später 
fallen. Die erstentstehenden im Frühjahr sind ihrer ganzen Anlage 
nach schwächlich; sie erreichen geringere Gröfse und Masse und geraten 
bald in eine ihre Assimilationsarbeit hemmende Lage dadurch, dafs die 
später entstehenden kräftigeren Blätter ihnen das Licht entziehen. Als- 
dann entledigt sich der Baum der arbeitsunfähigen Organe. 

Als Krankheitserscheinung aber ins Auge zu fassen sind die 
sommerlichen Entblätterungen, welche massenhaft und plötzlich sich 
einstellen und das kräftig entwickelte, im vollen Lichtgenufs befindliche 
Laub erfassen. Dahin gehören als Ursache die Spätfröste, am häufigsten 
aber eine längere, mit grofser Hitze verbundene Trockenperiode. Den 


1) Wiesser, Jur., Über Laubfall infolge Sinkens des absoluten Lichtgenusses 
(Sommerlaubfall). Ber. d. D. Bot. Ges. 1904, S, 64. 


412 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


hierdurch eingeleiteten Blattabwurf unterscheidet WIEsxEr als „Hitze- 
laubfall‘“, „offenbar in erster Linie infolge einer übermäfsigen Tran- 
spiration, mit welcher die Zufuhr des Wassers vom Stamme her nicht 
mehr gleichen Schritt hält.“ 

Einen derartigen „Hitzelaubfall* sah ich in den Strafsenpflanzungen, 
namentlich bei Linden eintreten, trotzdem reichlich bewässert worden 
war. Daraus geht hervor, dafs tatsächlich die trockene Luft bei reichem 
Sonnenschein als der schädigende Faktor anzusehen ist. Bei allemigem 
Wassermangel im Boden stirbt das Laub an Sommerdürre, aber bleibt 
meist am Zweige hängen. 

Wegen der besonderen Empfindlichkeit der Linden sind dieselben 
als Strafsenbäume trotz ihrer Schönheit nicht zu empfehlen. Die 
Sommerlinde leidet früher und stärker als die Winterlinde und zeigt 
sich nach Eintritt der sommerlichen Hitze fast ausnahmslos mit den 
feinen Spinnfäden der Webermilbe (Tetranychus telarius) bedeckt. Bei 
vielen Gehölzen treten die Blattläuse in Unmengen auf. Mit der Ent- 
laubung, von der nur die Zweigspitzen ausgenommen sind, tritt eine 
vorzeitige Ruheperiode bei den Bäumen ein, Sobald das Wetter kühler 
wird ( - oder bei reichlicher Strafsenbewässerung auch noch innerhalb der 
heifsen Zeit —) beginnt ein zweiter Trieb, wobei die sich entwickelnden 
Seitenknospen auch noch etwa sitzengebliebene Blätter abstofsen 
können (Treiblaubfall nach WIEsxer). Dieser zweite Trieb erlangt bei 
nassen Herbsten nicht die gehörige Holzreife und leidet dann leicht 
durch winterliche Fröste. + 

Um allen diesen Folgeerscheinungen vorzubeugen, empfiehlt sich 
bei Strafsenpflanzungen der Ersatz der Linde durch die Ulme. Handelt 
es sich um ältere Alleen, die geschont werden müssen, so dürfte aufser 
den möglichst häufigen Strafisenbesprengungen ein Überbrausen der 
Bäume mit scharfem Wasserstrahl zur späten Abendzeit sich besonders 
nützlich erweisen. Ich halte die konsequente Durchführung dieser 
Mafsregel auch für das wirksamste Mittel gegen das Ungeziefer. 


Der Honigtau. 


Nach den bisherigen Beobachtungen mufs eine Krankheit hierher 
gezogen werden, die unter dem Namen „Honigtau“ (Melligo, Mel 
acris, Ros mellis) mehrfach!) beschrieben und dabei auf sehr ver- 
schiedene Ursachen zurückgeführt worden ist. Sie besteht im Auf- 
treten eines zuckerigen Überzuges auf Blättern, Blüten und jungen 
Zweigen holziger und krautiger Pflanzen bald als glänzender, gleich- 
mäfsiger Firnis, bald in Form gelblicher, zäher Tropfen, meist die Ober- 
fläche der Organe überziehend. MEyEN?) erzählt darüber, dafs eine Zeit 
hindurch die von Prinius ausgesprochene Ansicht Geltung gehabt, wo- 
nach der Honigtau als wirklicher aus der Luft fallender Tau anzusehen 
sei, der besonders in den Hundstagen auftrete und nicht blofs die Pflanzen, 
sondern auch die Kleider der Menschen überziehe. Dieser Ansicht 
widersprach .J. Baunm, der darauf aufmerksam machte, dafs nur einzelne 
Pflanzen oder Arten in einer Gegend krank würden. Nachdem man 
die Abscheidung eines süfsen Saftes aus dem After oder aus den Hinter- 

!) Saccharogenesis diabetica; Uxser, Exanth. p. 3. — Honning Dugen, Fabricius 
Kiobenh. 1774. — Le Givre, Adans, cit. bei Serrzex: Sistematarum generaliorum de 


morbis plantarum. Göttingae 1789. 
2) Pflanzenpathologie, 1841, S. 217. 


Zu trockene Luft. 413 


leibsröhren der Blattläuse beobachtet hatte, wurden diese als die Ur- 
sache der Krankheit angesehen, zumal man bemerkte, dafs Blattläuse 
und Honigtau sehr häufig gemeinschaftlich gefunden werden. Dem 
wurde aber zunächst entgegengestellt, dafs die Blattläuse meist nur auf 
der Unterseite der Blätter, der Honigtau dagegen vorzugsweise auf 
der Oberseite auftrete; jedoch ist dies allerdings kein sehr sicherer 
Beweis, da die Blattläuse von der Unterseite des nächst höheren 
Blattes die Oberseite des darunterliegenden bespritzen können. 
Aber allmählich mehrten sich die Beobachtungen von Honigtau an 
isolierten Pflanzen im Freien und im Zimmer, an denen keine Blatt- 
läuse sich vorfanden oder doch erst einige Zeit nachher auftraten. In 
dieser Beziehung interessant ist eine Beobachtung von Harrıc im Jahre 
1834. Ein Rosenstock, der nicht aus dem Zimmer gekommen, sonderte 
auf der unteren Epidermis der Blätter kleine Tröpfchen ab, aus denen 
der Zucker in rautenförmigen oder kubischen Kristallen sich ausschied. 
Dabei veränderte sich die grüne Farbe des Blattes in eine graue, was 
durch Verschwinden des Chlorophylis im Mesophyll der secernierenden 
Stellen und durch Auftreten heller Tropfen in den Zellen bedingt 
wurde. TRrEvIRAanUs!) fand ebenfalls mehrfach solche zuckerige Aus- 
scheidungen bei warmer, anhaltend trockner Luftbeschaffenheit, sowohl 
im Freien wie in Gewächshäusern, an Weifspappeln, Linden, Orangen- 
bäumen, Disteln (Carduus arctioides) und führt noch ältere Beobach- 
tungen von LoßEL, Prna, TOURNEFORT u. a. an, wonach Honigtau auf 
Ölbäumen, Ahornarten, Walnüssen, Weiden, Ulmen und Fichten vor- 
kommt. Er und nach ihm Meryrn haben sich überzeugt, dafs die 
zuckerhaltigen Tropfen direkt von den Epidermiszellen ausgeschieden 
werden, wobei der erstere Beobachter noch hinzufügt, dafs die Spalt- 
öffnungen bei dieser Sekretion nicht beteiligt sind. Weitere Be- 
merkungen über Honigtau auf sehr verschiedenen Pflanzen, namentlich 
auf Eichen, lieferte später GASPARRINI?). 

Der Honigtau an den Linden ist von Boussinsaust und bei der 
Traubenkirsche (Prunus Padus) von ZÖLLErR?) chemisch untersucht 
worden. Bovssineaust fand dabei den zu zwei verschiedenen Zeiten ge- 
sammelten Honigtau in den Mengenverhältnissen der einzelnen Stoffe 
verschieden, woraus ersichtlich ist, dafs das Sekret nicht immer gleiche 
prozentische Zusammensetzung hat. Aber auch die Natur der Stoffe scheint 
sich zu verändern; denn während Boussixsaurt nur Rohrzucker (48 —55°/o), 
Invertzucker (23—24°/0) und Dextrin (22— 190) fand, gıbt LianGLoIs 
im Honigtau der Linde aufserdem noch Mannit als Bestandteil an. 
Die Resultate neuerer Untersuchungen wurden von CzaPpEk *) gesammelt. 
Es geht daraus hervor, dafs bei den verschiedenen Pflanzen die Zu- 
sammensetzung des Honigtaues verschieden ist. 

Eine Übereinstimmung der Ansichten über die Ursachen der Er- 
scheinung hat sich bis jetzt nicht erzielen lassen. Während BüssEn °) 
in eingehenden Studien über das Einstechen der Blattläuse in den 


1) Physiologie der Gewächse, 1838, Bd. II, Teil 1, S. 35—37. 

2) Sopra la melata o trasudamento di aspetto gommoso etc. 
S. 324. 

3) Ökonom. Fortschr. 1872, Nr. 2, S. 39. 

4) Czarer, Fr., Biochemie der Pflanzen. Jena. 


S. 408. Kr 
5) Büsgen, M., Der Honigtau. Biolog. Studien an Pflanzen u. Pflanzenläusen. 


Sond. Biologisches Centralbl. Bd. XI, Nr. 7 u. 8, 1891. 


Bot. Zeit. 1864, 


Gustav Fischer. 1905, Bd. I, 


414 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


Pflanzenteil nachweist, dafs die Tiere durch den After viel gröfsere 
Mengen Honigtau ausscheiden (durch die Hinterleibsröhren wird nur 
ein 'wachsartiges Sekret geliefert) als man gewöhnlich annımmt und 
daher zu dem Schlusse kommt, dafs echter Honigtau nur von Pflanzen- 
läusen herrührt, haben wir von BonnIer!) Versuche über künstliche 
Hervorrufung der Erscheinung ohne Mitwirkung von Tieren. 

BÜSGEN sagt: „Die Eigenschaften der Cuticula gestatten weder ein 
Ausschwitzen von Zuckersäften aus dem Zellinnern. noch, wie WILSON 
annahm, ein osmotisches Heraussaugen von Flüssigkeiten durch auf der 
Blattfläche befindliche Zuckertröpfehen, wie solche die Blattlaus- 
exkremente darstellen.“ Dieser Ausspruch läfst aber die Umstände 
unberücksichtigt, dafs die Outicularglasur Sprünge bekommen kann, 
und dafs Ausscheidungen in einzelnen Fällen doch wohl durch 
die Spaltöffnungen ihren Weg finden können. Beweis für letzteren 
Fall bieten die von BoNnnIEr erhaltenen Resultate. Blätter, die gröfseren 
Temperaturdifferenzen ausgesetzt waren (Nadelhölzer, Eichen, Ahorn etc.) 
liefsen bei auffallendem Lichte unter dem Mikroskope das Hervortreten 
von nektarähnlichen Tröpfchen aus den Spaltöffnungen direkt erkennen. 

Meine eigenen Beobachtungen bestätigen das Auftreten von Honig- 
tau ohne Mitwirkung von Blattläusen. In einem Falle sah ich bei 
Wasserkulturen auf'älteren Blättern von Birnensämlingen, die ungeschützt 
der heifsen Julisonne ausgesetzt waren, reichlich Honigtaubildung. 
Diese Beobachtung zeigt, dafs der Wassermangel im Boden nicht mit- 
zuwirken braucht. Ich glaube, dafs dann Honigtau zustande kommt, 
wenn bei kräftig vegetierenden, nicht zu alten Blättern eine plötzliche, 
übermäfsige Tr anspirationssteigerung bei starkem Lichtreiz sich einstellt 
und eine zu hohe Konzentration des Zellsaftes herbeiführt. Dauert die 
Störung über ein gewisses Mafs hinaus fort, leidet das Blatt dauernd und 
fällt vorzeitig ab. Im anderen Falle wäscht der Regen allmählich den zuck- 
rigen Überzug, der zur Ansiedelung von Schwärzepilzen (Rufstau) leicht 
Vv eranlassung gibt, wiederab. Es handelt sich bei der Entstehung des Honig- 
taues nicht immer um absolut hohe Wärme- und Lichtreize, sondern mehr 
um eine plötzliche, groise Differenz, die z. B. sich einstellt, wenn nach 
sehr kühlen Frühlingsnächten das in seiner Tätigkeit herabgedrückte 
Organ plötzlich den "Reiz der intensiven Morgensonne bekommt. 

Beschattung würde das beste Vorbeugungsmittel, häufiges Bespritzen 
ein wirksames Heilmittel sein. 

Wahrscheinlich gehört hierher die gefürchtete Mafuta-Krank- 
heit der Sorghum - Hirse (Andropogon Sorghum) in Deutsch - Ostafrika. 
Auf Blättern und Stengeln zeigen sich honigartige Ausschwitzungen 
(Mafuta heifst Öl), die zur Entstehung rufsartiger Überzüge Ver an Ser 
geben?). Auch andere Pflanzen leiden, namentlich bei Dürre. 


Die Herz- und Trockenfäule der Futter- und Zuckerrüben’). 


Als eine dem Honigtau ihren Ursachen nach verwandte Erscheinung 
ist die Herzfäule der Zuckerrüben zu betrachten. Sie zeigt sich meist 
in der heifsen Julizeit in regenlosen Perioden und äufsert sich in einem 


1) Boxsıer, G., Sur la miellee des feuilles. Compt. rend. 1896, p. 335, eit. Zeit- 
schrift f. Pflanzenkrankh. 1896, S. 347. 

?) Busse, W., Weitere Untersuchungen über die Mafuta-Krankheit der Sorghum- 
Hirse. Aus „Tropenpflanzer“, eit. Zeitschr. f. Pflanzenkrankh. 1902, S. 82. 

2) 8..Bd. 11:8. 2, 


Zu trockene Luft. 415 


Absterben der Herzblätter, soweit dieselben noch nicht ihre halbe Grötse 
erreicht haben. Das absterbende Laub wird fast plötzlich schwarz. 
In schweren Fällen sieht man den gesamten Blattapparat zugrunde 
gehen; aber in der Regel sterben die Pflanzen nicht gänzlich, sondern 
treiben in der nächsten Regenperiode wieder neues Laub. Neben der Er- 
krankung des Blattapparates kann eine Zersetzung des Rübenkörpers 
sich einstellen (Trockenfäule). Derselbe bekommt in der Nähe des 
Kopfendes graue Flecke, die sich unter Zersetzung des Gewebes ver- 
tiefen und schliefslich die Rübe zerstören können. Von grofser wirt- 
schaftlicher Bedeutung ist dabei, dafs aus der Rübe ein Teil des nicht 
reduzierenden Zuckers verschwindet und ein anderer Teil in redu- 
zierenden (Trauben-) Zucker umgewandelt wird!). Tritt rechtzeitig 
Regen ein, kann durch Korkbildung das tote Gewebe abgestofsen 
werden. 

Tritt der Heilungsprozefs nicht schnell genug ein, so dafs eine 
lange Herbstfeuchtigkeit ihren Einflufs auf die Faulstelle ausüben kann, 
setzt sich der Zerstörungsprozefs der zuckerärmeren Rübe auch noch 
innerhalb der Mieten fort. 

Die Mehrzahl der Beobachter ist geneigt, die Ursache der Er- 
scheinung in Pilzeinwirkungen zu suchen‘, da man in den erkrankten 
Herzblättern vielfach Mycel findet?). Namentlich war es Frank, der die 
Pilztheorie verteidigte und zwei Arten: Phoma Betae?) Frank und 
Fusarium beticola Frank dafür verantwortlich machen wollte. Sicher 
ist jedoch, dafs die ersten Anfänge der Herzblatterkrankung ohne 
Mycelpilze und Bakterien sich zeigen und die Parasiten später bei feuchter 
Witterung eine Fortsetzung der Gewebezerstörung veranlassen. Solange 
indes die Rübenpflanzen gesund sind, vermögen ihnen die Pilze nichts 
anzuhaben. Erst wenn die Verdunstung durch den Blattapparat sich 
hochgradig steigert und die Wasseraufnahme durch den Wurzelkörper 
eine wesentliche Beschränkung erleidet, treten disponierende Umstände 
für eine Pilzansiedlung ein. 

Als ein besonderes Förderungsmittel für Eintritt der Krankheit 

wird von den Praktikern die Zufuhr von Kalk, auch in der Form von 
Scheideschlamm angegeben, und wir haben nach dieser Richtung 
sehr instruktive Feldversuche *), bei denen auf gekalkten Feldern einzelne 
Parzellen ausgespart wurden. Die mit Kalk behandelten Acker gaben 
kranke Rüben, die ungekalkten aber gesunde Ernte. 
Auch die Lage an sich hat sich vielfach als mafsgebend für das 
Auftreten der Krankheit gezeigt, insofern als Ackerkuppen mit kiesigem 
Untergrund oder Abhänge, von denen das Wasser schnell abläuft, 
manchmal allein trockenfaule Rüben hervorbringen. Die einzelnen Sorten 
erweisen sich dabei von verschiedener Empfänglichkeit; die Vilmorin- 
Zuckerrübe soll besonders schnell erkranken. Sorten mit glattem, flach 
ausgebreitetem Laube und langen Wurzeln verdienen in gefährdeten 
Gegenden den Vorzug). 


!) Frask, A. B., Kampfbuch. 1897, S. 131. 

2) Priruıeux et Deracroı, Complöment & l’tude de la maladie du caur de la 
Betterave. Bull. Soc. mycologique. VII, 1891, p. 23. 

3) syn. Phoma sphaerosperma Rostr., Phoma Betae Rostr., Phyllostieta tabifiea 
Prill. et Del. 

#) Zeitschr. f. Pflanzenkrankh. 1895, S. 250, 1896 S. 339. 

5) Barros, W., Einige Beobachtungen über die Herz- und Trockenfäule, eit. 
Centralbl. f. Bakteriologie 1899, S. 562. 


416 ll. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


Sehr eingehende Feldversuche hat Sasse!) angestellt und dabei 
gefunden, dafs die Dampftiefkultur den Ausbruch der Trockenfäule zu 
verhindern imstande gewesen ist. Betreffs des Einflusses der Düngung 
gehen die Meinungen weit auseinander. Dies kommt unserer Meinung 
nach daher, dafs die Wirkung desselben Dungmittels auf verschiedenen 
Äckern und je nach der Witterung verschieden ist. Betreffs der 
Trockenfäule werden diejenigen Düngungen gefährlich erscheinen, welche 
leichte Böden noch mehr lockern, ıhre Erwärmbarkeit vermehren und 
ihre wasserhaltende Kraft vermindern, wie dies bei Scheideschlamm 
eintreten kann?). Dieselben Mittel sind bei schwerem Boden günstig. 
Am meisten streitig ist der Punkt der Kalidüngung. Es wird betont, 
dafs eigentlich der Boden durch die Salzdüngung das Wasser besser 
zurückhalte, also dem Einflufs der Trockenheit gröfseren Widerstand 
leiste, und dennoch fände man nicht selten bei reicher Kainitdüngung 
gerade dort zuerst herzfaule Rüben. 

Ein solches Ergebnis findet nach unserer Anschauung aber seine 
naturgemäfse Erklärung: die Kainitdüngung befördert aufserordentlich 
die Entwicklung der Blätter, und es ist erklärlich, dafs bei Eintritt einer 
anhaltenden Trockenperiode der umfangreiche Laubapparat dem Rüben- 
körper am schnellsten Wasser entzieht und eine schädliche Konzentration 
des Zellsaftes veranlafst. Analysen haben gezeigt, dafs bei hohem 
Kaligehalt in den Blättern die Trockenfäule um so stärker auftrat, je 
geringer im Verhältnis dazu der Gehalt an Phosphorsäure war. 

Geboten sind also bei dieser Krankheit als Vorbeugungsmafsregeln 
die Vermeidung solcher Lagen, die schneller und starker Austrocknung 
ausgesetzt sind. Bei leichten Böden werden die den Boden hitzenden 
Materialien (Kalk, Scheideschlamm) nicht direkt zu den Rüben gegeben 
werden dürfen. Bei Eintritt gefährlicher Trockenperioden suche man 
die Drainage zu vermindern, da in den meisten Fällen eine Bewässerung 
der Rüben nicht ausführbar sein dürfte. Zu erwägen ist, ob man durch 
Abschneiden der älteren Blätter oder durch Beschattung mittelst Über- 
streuen von Langstroh die Verdunstung der Pflanzen herabdrücken kann. 


Mangelhafte Blütenentfaltung. 


Viel häufiger, als man allgemein annimmt, machen sich die Folgen 
erofser Lufttrockenheit bei den Blumen, und zwar namentlich den ge- 
füllten, bemerkbar. Wenn man die Entwicklung von Exemplaren der- 
selben Spezies mit einfachen und gefüllten Blüten an demselben Stand- 
ort vergleicht (Fuchsien, Petunien, Knollenbegonien, Rosen u. dgl.), so 
wird man ausnahmslos eine schnellere und leichtere Entfaltung der 
nicht, gefüllten Blumen beobachten. Das langsamere und schwerere 
Aufblühen gefüllter Blüten dürfte sich darauf zurückführen lassen, dafs 
die durch den Blütenstiel zugeführte Wasser- und Nährstoffmenge sich 
auf ein weit bedeutenderes Blattmaterial verteilen mufs. Der durch 
die vermehrte Zahl der Blumenblätter hervorgerufene Transpirations- 
verlust ist ein gewaltiger, und derselbe ist keineswegs durch Begiefsen 
der Wurzeln zu ersetzen. Infolgedessen leben sich die Organe schneller 
aus; sie werden notreif und sterben in ihrer Wachstumsregion schon 


1) Sısse, Orro, Einige Beobachtungen aus dem praktischen Betriebe betreffs 
Auftretens der Herz- oder Trockenfäule. Zeitschr. f. Pflanzenkrankh. 1894, S. 359. 

2) Rıcnrer, W., Über die Beziehungen des Scheideschlamms zum Auftreten 
der Herzfäule der Rüben. Zeitschr. f. Pflanzenkrankh. 1895, S. 51. 


Zu trockene Luft. 417 


ab, bevor die Blume sich noch vollständig entfaltet hat. Daher findet 
man bei grofser Trockenheit der Luft vielfach ein Abfallen halb- 
geöffneter Blüten, das nicht zu verwechseln ist mit dem Abwerfen 
der Blüten bei Wasserüberschufs. In letzterem Falle läfst sich mehr- 
fach beobachten, dafs die Blüte samt ihrem Stiel sich abgliedert, 
während bei übermäfsiger Transpiration in einer äufserst trockenen 
Atmosphäre die Blumenblätter an der Ansatzstelle am Blütenstiel sich 
lösen, nachdem sie sich dort gebräunt haben. 

Wenn bei gärtnerischen Glashauskulturen oft versucht wird, durch 
reichliches Spritzen der ganzen Pflanzen künstlich eine feuchte Atmo- 
sphäre zu erzeugen, so hilft dies nur dann, wenn die Blumentöpfe 
auf einer Erdfläche stehen und nun die verdampfende Feuchtigkeit aus 
dem Erdboden eine beständig feuchte Atmosphäre schafft. Stehen die 
Pflanzen dagegen auf Stellagen von Holz, Eisen oder Mauerwerk, dann 
verkümmern die Blüten trotzdem, und es findet sich dabei an 
der Ablösungsstelle der Blütenblätter leicht Botrytis-Vegetation ein. 
Diese führt nachher zu irrigen Schlüssen, da Botrytis- Erkrankungen 
vorherrschend bei grofser Luftfeuchtigkeit sich einzustellen pflegen. 

Eine der auffälliesten Schädigungen durch übermäfsige Luft- 
trockenheit ist das Abfallen der gefüllten männlichen Blumen 
bei Knollenbegonien. Hier beobachtete ich die Erscheinung viel- 
fach in dem trockenen Sommer 1904 an Stellen, die niemals direktes 
Sonnenlicht erhielten. Dafs die Trockenheit der Luft tatsächlich der 
schädigende Faktor war, ergab sich aus dem Umstande, dafs solche 
Pflanzen, die ihre Blumen gerade während ihres Erschlieisens abfallen 
liefsen, dieselben behielten und entfalteten, wenn sie über weite, mit 
Wasser gefüllte Bassins gestellt wurden. 

Das Abfallen der männlichen Blüten (die weiblichen kamen stets 
zur Entfaltung) kündigt sich dadurch an, dafs die Blume die nickende 
Stellung der Knospe beibehält. Mit der Lupe erkennt man an der 
Ansatzstelle der Blütenblätter einen schmalen, braunen Ring. Dort 
erweist sich das jugendliche Gewebe in Wandung und Inhalt tief 
braun und zusammengefallen. Zwischen der Basis der Petalen und der 
sie tragenden Achse bilden sich grofse Lücken durch Schrumpfen 
und Zerreifsen des Gewebes der Petalenbasis, bis schliefslich die 
Blumenblätter nur noch an wenigen Geweberesten festhängen. In den 
einzelnen Petalen erscheinen die Gefäfsbündel auch an den Stellen, die 
noch unverfärbt und anscheinend frisch sind, bereits tief gebräunt. 
Das Absterben des Basalteils erweist sich als ein vorzeitiges Ausleben; 
denn man findet in dem Gewebe nur noch spärliche plasmatische 
Flocken als Zellinhalt. In der Nachbarschaft der abgestorbenen Ge- 
webe zeigt sich eine abnorme Häufung von (teilweise schlecht aus- 
gebildeten) Einzelkristallen des oxalsauren Kalkes als letzte Reste der 
veratmeten organischen Substanz. 

Eine zweite Art mangelhafter Blütenentfaltung infolge der Luft- 
trockenheit wurde bei Liliaceen und Amaryllideen beobachtet und be- 
stand darin, dafs die Perigonzipfel an den Spitzen verklebt blieben. 
Während der übrige Teil der Blume normal gestaltet und gefärbt war, 
vergilbten die verklebt bleibenden Perigonzipfel, schrumpften und 
trockneten zu einer schliefslich brüchig werdenden Masse zusammen. 
Der wirtschaftliche Schaden ist nur dann von Bedeutung, wenn es sich 
bei der Blumentreiberei um die Entfaltung grofser Einzelblüten wie bei 
Lilium aureum und longiflorum und Hippeastrum robustum Dietr. ete. handelt. 

Sorauer, Handbuch. 3. Aufl. Erster Band, 27 


418 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


An letzterer Spezies, die bei den Gärtnern auch als Amaryllis Tettaui 
bekannt ist und wegen ihres leichten Blühens als Zimmerpflanze viel- 
fach kultiviert wird, beobachtete ich die Öffnungsmechanik und deren 
unvollkommenes Funktionieren bei Trockenheit etwas eingehender. 

Die drei äufseren Zipfel des ziegelroten Perigons beginnen am 
vorletzten Tage vor der vollen Entfaltung der Blumen an ihren Basal- 
teilen sich voneinander zu trennen, so dafs die grofse kegelförmige 
Blumenknospe zunächst drei Schlitze zeigt. Die Spitzen dieser drei 
äufseren Blumenblätter aber bleiben noch fest miteinander verklebt, 
selbst wenn der Vorgang des Auseinanderweichens sich durch bevor- 
zugtes Wachstum der Innenseite der Perigonbasis so verstärkt, dafs 
dieselbe bauchartig nach aufsen vorgewölbt wird. In dieser immer 
stärker werdenden Konvexität liegt eine grofse Federkraft, welche die 
verklebten Spitzen voneinan- 
der trennen möchte und in 
normalen Fällen auch tat- 
sächlich endlich voneinander- 
reifst. Wie grofs diese fe- 
dernde, durch basale Epinastie 
des einzelnen Perigonzipfels 
erzeugte Kraft ist, zeigt sich, 
wenn man dienoch verklebten 
Spitzen der drei Zipfel un- 
gefähr 48 Stunden vor der 
normalen Öffnungszeit ab- 
schneidet, Es sind dann 
binnen 10 Minuten die ein- 
zelnen Zipfel um 1,5 bis 2cm 
auseinandergewichen, d.h.die 
Blumenkrone hat sich so weit 
geöffnet. Der Apparat, welcher 
imstande ist, einer so stark 
federnden Kraft derartigen 
Widerstand zu leisten, be- 


Fig. 69. Q RE N . steht darin, dafs die noch 
ig. 69. Querschnitt durch die Spitzenregion vollständio er ; 
einer noch nicht entfalteten Blume von Hippe- roleiineie De en, izen 
astrum robustum. (Orig.) Buchstabenerklärung (eT drei auliseren Ferlgon- 
im Text. zipfel zu einem festen, bis- 


weilen fingerhutähnlichen 
Kegel von etwa 5 mm Länge verankert sind. ‚Jeder Zipfel erscheint 
nämlich auf der Innenseite dickfleischig durch starkes Wachstum des 
der Mittelrippe entsprechenden kielartig vorgewölbten Teiles. 

In der vorstehenden Fig. 69 sehen wir, wie die drei Perigonzipfel in 
der Mittellinie mit ihren kielartigen Leisten (a) einander berühren. 
Diese Leisten besitzen keine Gefäfsbündel; letztere (g) liegen vielmehr 
zu drei bis vier peripherisch in dem eigentlichen Laminarteil. Die 
einzelnen Laminarhälften zu beiden Seiten der fleischigen medianen 
Leiste sind nach innen gekrümmt und berühren die benachbarten 
Perigonzipfel mit den Rändern (r); diese sind grün, während die 
tleischigen, im Zentrum (c) die weitesten Parenchymzellen besitzenden 
Polster farblos erscheinen. Die Polster weisen nur spärlich grofse 
Stärkekörner gegenüber den zahlreichen kleinkörnigen Stärkemengen 
im übrigen Gewebe auf. Die Epidermis ist normal flachwandig an 


Zu trockene Lutt, 419 


den Aufsenseiten der Perigonzipfel; die Innenseite derselben zeigt 
unter beginnender Entwicklung von rotem Farbstoff ein papillöses 
Auswachsen der Epidermiszellen. Während dieselben schon zu deut- 
lichen, zahnradartig gegenseitig ineinandergreifenden Papillen an den 
polsterartigen Erhebungen ausgewachsen sind (a), zeigen sie an dem 
tlachen Laminarteil noch kaum eine Streckung. 

In diesem dichten Ineinandergreifen der Papillen eines Perigon- 
ziptels zwischen diejenigen der anderen ist die Ursache zu erblicken, 
weswegen diese Zipfel so fest miteinander verankert bleiben. Ihre 
Loslösung voneinander unter Hilfe des federnden Zuges erfolgt dadurch, 
dafs diese Papillen schnell zu keulenförmigen Haaren auswachsen und 
auf diese Weise den Verband lockern. In den Höhlen (A), welche die 
äufseren Perigonblätter frei lassen, liegen die Spitzen der drei inneren, 
deren Epidermis aber früher zu Papillen auswächst, als dies bei den 
äufseren der Fall ist. Diese inneren Perigonzipfel werden jedenfalls 
durch das gegenseitige Aneinanderstemmen ihrer auswachsenden Papillen 
das Auseinanderweichen, also das Aufblühen begünstigen. 

Bei trockner Luft bemerkt man nun zwar die Anlage der Papillen, 
aber nicht ihr Auswachsen zu kenligen Haaren, und deshalb bleiben die 
Spitzen der Perigonblätter vereinigt und schrumpfen allmählich. 


Die Zimmerkulturen. 


Das typische Bild, das uns bei den Zimmerpflanzen entgegentritt, 
ist die Braunfärbung und das Abtrocknen der Blattspitzen. In den 
Wohnungen, in welchen Gas gebrannt wird, ist man in der Regel 
geneigt, diesem Umstande die Schuld beizumessen; tatsächlich ist die 
Trockenheit der Zimmerluft die Ursache, und die Erscheinung zeigt 
sich ebenso intensiv in Wohnungen ohne Gasbeleuchtung. Dafs nach 
diesen Anzeichen der Erkrankung so häufig der Tod der Gewächse, 
namentlich der sogenannten Blattpflanzen eintritt, hängt nicht mehr mit 
der Trockenheit der Luft, sondern dem Bestreben der Blumenliebhaber 
zusammen, durch recht häufiges Begiefsen eine gröfsere Luftfeuchtigkeit 
zu erzeugen. Die Pflanze hat aber von dieser erhöhten Wasserzufuhr 
keinen Vorteil; sie.kann nur dann mehr Wasser verbrauchen und aus- 
hauchen, wenn sie stärker neue Substanz produziert, also kräftiger 
assimiliert und junge Blätter bildet. Die Trockenheit der Luft aber 
behindert gerade die Blattentfaltung. 

Brinst man Blattpflanzen tropischer Klimate (manche Blattbegonien, 
Hoffmannien, Ruellien, Maranten usw.) aus dem feuchten Warmhause 
in ebenso warme Zimmer, bemerkt man alsbald einen Stillstand in der 
Entwicklung. Die älteren Blätter beginnen, sich zurückzukrümmen, 
die Jüngeren rollen mehr oder weniger ihre Ränder und bleiben kleiner 
als die bisher gebildeten. Das Spitzenwachstum der Triebe wird ver- 
langsamt, alle Streckungsvorgänge herabgedrückt, Eigenartig ist, dafs 
bei manchen Pflanzen, z. B. bei vielen strauchartigen Begonien, selbst 
die in der trocknen Luft entstandenen Blumen nicht oder nur un- 
vollkommen sich öffnen und schliefslich, ohne zu erkranken, abfallen. 
Dieser Vorgang ist auch im Freien zu beobachten. Die Ruheperiode 
der Pflanze tritt schneller ein, und bei Beginn der neuen Vegetations- 
epoche wird das Austreiben der Knospen verzögert und vielfach ganz 
verhindert. Wenn bei einer derartigen Untätigkeit der oberirdischen 
Achsen die Wurzeln zu reich begossen werden, verfaulen sie. 

27* 


420 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


Man hat verschiedene Mittel vorgeschlagen, um den schädlichen 
Einflufs der trocknen Zimmerluft abzuschwächen, wie häufiges Über- 
brausen oder nächtliches Überdecken der Pflanzen mit feuchten Gaze- 
tüchern und dergleichen; indes haben sich derartige Hilfsmittel nicht 
ausreichend erwiesen. Den besten Erfolg sah ich in Warpschen Kästen 
oder bei dem Aufstellen der Pflanzen über Wasserflächen. Neuerdings 
hat man Blumentische, in denen die Pflanzen auf einem mit Wasser 
gefüllten Zinkkasten stehen, dessen oberer Boden reichlich durch- 
löchert ist. Dadurch steigt fortwährend Wasserdampf zwischen den 
Pflanzen in die Höhe. 


Hartschaligkeit der Leguminosensamen. 


Die Hartschaligkeit der Leguminosensamen und zwar nicht nur die 
der Papilionaceen, sondern auch der Mimoseen und Caesalpinia- 
ceen kann als eine natürliche Schutzvorrichtung der im Quellungsstadium 
höchst anfälligen Samenkörner gegen Mikroorganismen angesehen werden. 
Alle unsere wildwachsenden Schmetterlingsblütler zeigen dasselbe Bau- 
prinzip, und erst bei unseren Kulturen wird die Hartschaligkeit zum 
schädigenden Faktor, sobald sie das Keimen des Saatguts verhindert. 

Die Hartschaligkeit beruht auf der besonderen Verstärkung der 
Palisadenschicht des Samenkorns, welche mit ihrer Cuticula die äufserste 
Lage der Samenschale bildet. Diese säulenförmigen, äufserst dicht an- 
einandergefügten Palisaden zeigen im Querschnitt stark lichtbrechende 
Querlinien (Lichtlinien) von besonders dichtgebauter Substanz. Der 
Zellinhalt enthält jene Stoffe, welche die Färbung der Samenschale 
veranlassen und denen als Schutzstoffe gegen parasitäre Angriffe eine 
hervorragende Bedeutung zugeschrieben wird. An die von NopBE als 
‚„‚Hartschicht“ angesprochene Palisadenschicht schliefst sich nach 
innen eine Lage von sogenannten Sanduhrzellen, worauf dünnwandige 
Zelllagen mit grofsen Intercellularen folgen, die bei der Quellung des 
Samens besonders beteiligt sind. Entsprechend der Kleberschicht bei dem 
Getreidekorn finden wir bei der Mehrzahl der Leguminosensamen mit 
Ausnahme der Phaseoleen und Vicieen und einiger anderer Arten nach 
Harz (Landwirtschaftliche Samenkunde) ein Endosperm in Form einer 
harten, hornigen, im Wasser schleimig werdenden Lage. In der Nabel- 
gegend pflegen Palisaden und runde Sanduhrzellen zweireihig auf- 
zutreten. 

Dafis die Hartschaligkeit, welche die schnelle Quellung des Samen- 
korns verhindert, wirklich einen Schutz gegen Mikroorganismen bildet, 
beweist ein Versuch von Hırıyser, dem wir in der vorliegenden Dar- 
stellung folgen!). Altere Lupinensamen, die nicht absolut hartschalig, 
sondern nur schwer quellbar waren, wurden in Wasser zum Aufquellen 
gebracht. Die an jedem Tage aufgequollenen Samen wurden gesondert 
in den Keimapparat gelegt, und es liefs sich feststellen, dafs die zuerst 
aufgequollenen, also gar nicht hartschaligen Lupinenkörner fast sämtlich 
verfaulten, während der Prozentsatz der zur Keimung gelangenden 
Samen um so höher wurde, je später die Aufquellung erfolgte, je höher 
also der Grad der Hartschaligkeit war. 


‚') Hıneser, L., Die Keimungsverhältnisse der Leguminosensamen und ihre 
Beeinflussung durch Organismenwirkung. Arbeiten d. Biolog. Abteil. f. Land- u. 
Forstwirtsch. am Kaiser]. Gesundheitsamte. Bd. III, Heft 1. Berlin 1902. 


Zu trockene Luft. 42] 


Aus Versuchen mit achtjährigem Kleesamen, der durch das Alter 
teilweise schon nachgedunkelt, Ja selbst bisweilen braun und geschrumpft 
erschien, und der nun nach seiner Färbung sortiert zur Aussaat gelangte, 
ging hervor, dafs die Körner, die noch das Aussehen völlig frischer 
Saat zeigten, die höchsten Keimprozente aufwiesen. Von den bereits 
verfärbten Samen waren die braungewordenen die schlechtesten und 
zeigten mehr als 90% faulige Körner. Bei den nur leicht nach- 
gedunkelten Samen ergab sich das bemerkenswerte Resultat, dafs die 
hellen Körner einen bedeutend gröfseren Ausfall durch Fäulnis auf- 
wiesen als die violetten Samen, was zu der Anschauung führte, in dem 
violetten Farbstoff der Samenschale einen Schutzstoff gegen bakterielle 
Angriffe anzuerkennen. 

Dafs die Hartschaligkeit von der Witterung abhängig ist, geht aus 
dem verschiedenen Prozentsatz von Keimlingen, den eine bestimmte 
Art in den einzelnen Jahrgängen liefert, deutlich hervor. Durch welche 
Art der Witterungseinflüsse diese unliebsame Beschaffenheit des Saat- 
gutes veranlafst wird, läfst sich daraus erkennen, dafs HiLTner bei 
künstlicher Austrocknung der Samen (durch eine Temperatur von 35° ©. 
oder über Schwefelsäure) den Prozentsatz an hartschaligen Körnern 
erhöhen konnte. Es wird also ähnlich wie bei dem Glasigwerden des 
Getreides sein: je schneller der Trocknungsvorgang bei der Reife sich 
vollzieht, desto mehr hartschalige Samen dürften sich bilden. 

In der Praxis zeigen sich nun aber mannigfach einander wider- 
sprechende Erfahrungen. Bei trockener Lagerung beobachtete man, 
dafs die Samen von Lupinen, Wicken, Inkarnat- und Wundklee mit der 
Zeit hartschaliger wurden, während die feineren Kleesämereien eher 
das Gegenteil zeigten. Der Widerspruch löst sich aber durch die Be- 
obachtung von HıLrtser an künstlich getrockneten Samen. Derselbe 
Einflufs, der bei dickwandigen Samen eine erhöhte Zähigkeit der Schale 
hervorruft, bewirkt dies zwar auch bei den dünnwandigen; aber bei 
diesen treten infolgedessen Spaltungen in der Schale auf, welche die 
Unquellbarkeit vermindern. Übrigens soll auch die Kälte, wie RODEWALD 
meldet, eine Verminderung der Hartschaligkeit bei Leguminosensamen 
herbeiführen. 

Wenn man sich vergegenwärtigt, dafs die sehr stark hartschaligen 
Samen Jahrelang im Boden liegen können, ohne zu keimen, und selbst 
die minder quellungsunfähigen so spät zur Keimung gelangen, dafs sie 
zwei- und mehrwüchsigen Bestand veranlassen, so wird man einsehen, 
dafs der Landwirt zur künstlichen Beseitigung der Hartschaligkeit oreifen 
mufs. Es sind nun im Laufe der Jahre vielfache Mittel empfohlen 
worden. So sollte man beispielsweise die Samen in eine 1 bis 2%oige 
Lösung von kohlensaurem Natron legen, um die Kieselsäure in der 
Schale in Lösung zu bringen. Von anderer Seite wurde der Vorschlag 
gemacht, die hartschaligen Samen einfach abzusieben, weil sie etwas 
kleiner wie die quellbaren befunden worden sind. Auch die Heifs- 
wasserbehandlung ist, und zwar mehrfach mit Erfolg, zum Teil aber auch 
mit Mifserfolgen zur Anwendung gebracht worden. Eintauchen in 
kochendes Wasser für eine Minute hat schon geschadet, dagegen sich 
bei der Dauer von fünf Sekunden bewährt. Eine richtige Einhaltung 
so kurzer Zeitperioden aber darf man den Arbeitern nicht zutrauen. 
Kaliumpermanganat, verdünnte Schwefelsäure, Kupferoxy dammoniak 
haben sich ebensowenig wie Sodalösung bewährt; dagegen fand HiLıner 
in der konzentrierten Schwefelsäure ein "wirksames Mittel. 


492 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


Dieselbe hat selbst bei längerer Einwirkung sich nur für solche Samen 
schädlich erwiesen, die Verletzungen der Schale beim Drusch erlitten 
hatten. Im allgemeinen wird "/s bis 1 Stunde Beizdauer hinreichend 
sein, wenn die Samen durch ein Rührwerk auch tatsächlich alle benetzt 
werden. Nach vollendeter Beizung entferne man zunächst die Säure 
durch Nachspülen mit Wasser und setze dann möglichst bald etwas 
Kalkmilch zu, die 5—20 Minuten lang einwirken mufs. Die mikro- 
skopische Untersuchung derartig gebeizter Samen ergab, dafs (bei Acacia 
Lophanta) die Schwefelsäure nicht nur die Cuticula, sondern auch den 
gröfsten Teil der Palisadenzellen weggenommen, aber vor der Licht- 
linie Halt gemacht hatte. Jedoch erst, wenn diese Lichtschicht selbst 
an einigen Stellen von der Säure durchbrochen war, wurden die Samen 
in Wasser quelliähig!). Es ist deshalb diese in der Samenschale 
sämtlicher Leguminosen vorhandene Zellschicht, die nach MarriroLo ?) 
aus einer besonders dichten Cellulose besteht, welche den Samen vor 
schneller Wasseraufnahme und -abgabe schützt. 

An die angeborene Hartschaliekeit schliefst sich das Verhärten 
der Samenhaut während der “Keimung. Bei solchen Sämereien, 
welche im Keimprozefs die Kotyledonen über die Erde emporheben, 
streifen diese allmählich die kappenförmig aufsitzende Samenschale ab, 
wenn dieselbe die aufgenommene Feuchtigkeit lange genug behält und 
dehnbar bleibt. Tritt dagegen plötzlich eine heitse, regenlose Periode 
ein, trocknet die Kappe auf den Kotyledonen zusammen und verhindert 
deren Entfaltung, sowie das Hervorbrechen des jungen Stengelchens. 
Dasselbe zwängt sich, falls es nicht erstickt, schliefslich unter Ver- 
krümmung seitlich hervor. LoPrIorRE®) erwähnt hierhergehörige Er- 
scheinungen bei keimenden Bohnen; ich beobachtete sie bei Gurken, 
Kürbissen, Melonen und Steinobstsaaten. Am störendsten erwies sich 
das Sitzenbleiben der abgetrockneten Steinfruchtschalen bei Sämlingen 
von Pflaumen, Pfirsichen und anderen Amygdalaceen. Ein Überbrausen 
der Saatbeete zur Abendzeit ist daher eine nicht zu umgehende Vorsichts- 
mafsregel. 


Fünftes Kapitel. 


Übermäfsige Luftfeuchtigkeit. 


Der Wachstumsmodus bei anhaltender Luftfeuchtigkeit. 


Altere Arbeiten haben darauf hingewiesen, dafs Bau und Funktionen 
der Individuen durch den Einflufs hochgradig feuchter Luft in dem 
gleichen Sinne alteriert werden, wie dies durch Lichtentziehung ge- 
schieht. Nach den Versuchen von VESQUE und VIET?) haben die in 
feuchter Luft erzogenen Pflanzen längere, weniger verzweigte Wurzeln, 
schmächtigere Stengel, Blätter mit längeren Blattstielen und kleineren 


1) Hıyıyer und Kınzer, Über die Ursachen und die Beseitigung der Keimungs- 
hemmungen bei verschiedenen praktisch wichtigeren Samenarten. Naturwissensch. 
Zeitschr. f. Land- u. Forstwirtschaft 1906, S. 199. 

2) La linea lucida nelle cellule malpighiane degli integumenti seminale. Torino 
1885, eit. von Hırıser und Kınzkı. 

3) Berichte d. Deutch. Bot. Ges. 1904, Heft 5, S. 307. 

4) Vesque et Vırr, Influence du Milieu sur les vegetaux. Annales des scienc. 
nat. Sixieme serie. Botanique t. XII, 1881, p. 167. 


Übermälsige Luftfeuchtigkeit. 423 


Flächen. Die Wandungen der Epidermiszellen sind weniger unduliert, 
die Zellreihen des Mesophylls etwas minder zahlreich und ohne 
Differenzierung zu Palisadenparenchym. Überhaupt war das ganze 
Gewebe des Blattes aus feuchter Luft gleichmäfsiger, während man in 
trockner Luft die Unterschiede zwischen Palisaden- und Schwamm- 
parenchym deutlich hervortreten sah. Die Gefäfsbündel in den Internodien 
sind in der trocknen Luft viel stärker entwickelt; dies bezieht sich 
nicht blofs auf den Durchmesser des ganzen Bündels, auf die Zahl der 
Gefäfse und deren Durchmesser, sondern vorzugsweise auf die Hart- 
bastfasern, die in trockner Luft reichlich vorhanden und in der feuchten 
Luft gänzlich fehlen können. DuvaL-JouvE') beobachtete bei Gräsern, 
dafs trockne und heifse Standorte die Entwicklung der Bastbündel be- 
günstigen, während im Feuchten diese Entwicklung zurückgehalten 
wird. Die Verfasser zitieren RAUWENHOFF?), der auch in dieser Weise 
die etiolierten Pflanzen charakterisiert. Bei vergleichenden Versuchen 
in trockner und feuchter Luft, sowohl unter heller als dunkler Glocke, 
zeigte sich, dafs in der Dunkelheit, aber in trockner Luft, die Pflanzen 
weniger verspillert waren als diejenigen, welche bei Beleuchtung in 
feuchter Luft gewachsen waren, woraus die Verfasser schliefsen, dafs 
die Gestalt der etiolierten Pflanzen in erster Linie durch den 
Mangel an Transpiration bedingt wird. 

Die gleiche Ansicht äufsert BRENNER®). Bei seinen Untersuchungen 
an Fettpflanzen beobachtete er eine Neigung, in feuchter Luft die 
Succeulenz der Blätter zu vermindern, aber die Oberfläche zu ver- 
eröfsern. Die Zellen des Stengels dehnten sich hauptsächlich m der 
Längsrichtung. Auch WiEsner®*) sah bei Sempervivum tectorum im 
absolut feuchten Raume die Blätter bedeutend sich vergröfsern und 
stark epinastisch werden. Die Blattrosetten lösen sich dabei auf, indem 
die Internodien zur Entwicklung gelangen. W. Worıny?) fand, dafs 
bei Ulex europaeus eine Rückbildung der Stacheln in normale Blätter 
infolge dauernder Luftfeuchtigkeit eintrat. Er beobachtete aber auch, 
dafs mit der Vergröfserung der Blätter eine Verminderung des Chloro- 
phyligehaltes Hand in Hand ging. Auch EBErHARDT®) gibt an, dafs die 
Zahl der Chlorophylikörner sich verringere, wenn die Stengel länger 
und die Blätter gröfser werden. In einer späteren Arbeit”) fafst dieser 
Forscher die Ergebnisse seiner Versuche dahin zusammen, dafs die 
feuchte Luft mit der Streckung der Blätter und Stengel eine Abnahme 
in den Dickendimensionen dieser Organe verbindet. Die Haarbildung 
wird verringert, die Blüten- und Fruchtbildung werden verzögert. 
Epidermis-, Rinden- und Markzellen werden länger, die Intercellularräume 
gröfser, die Zahl von Sekretionskanälen geringer und die Entwicklung 
des Holzes weniger stark. Am Wurzelkörper bemerkt man eine geringere 
Produktion von Nebenwurzeln. 


1) Botan. Jahresbericht 1875, S. 432. 

2) Annal. d. science. nat. 6 ser. V, p. 267. 

3) Brenxer, W., Untersuchungen an einigen Fettpflanzen. Just’s Bot. Jahresb. 
1900, S. 306. 

4) Wırsxer, Jur., Formveränderungen von Pflanzen bei Kultur in absolut 
feuchten Räumen. Ber. d. Deutsch. Bot. Ges. 1891, S. 46. 

5) Worısv, W., Untersuchungen über den Einflufs der Luftfeuchtigkeit auf 
das Wachstum der Pflanzen. Inaugural-Dissertation. Halle 1898. 

6) Eseruarpr, M., Action de l’air sec et de l’air humide sur les vegetaux. 
Compt. rend. 1900, t. 131, p. 114. 

') eit. Centralbl. f. Agrik.-Chem. 1904, Heft 8. 


424 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


Die Verzögerung der Blüte- und Reifezeit wird auch von E. WoLLny!) 
angegeben, der den vorauszusehenden Umstand durch zahlreiche Ver- 
suche bekräftigte, dafs die Verdunstung von Pflanzen und Boden unter 
sonst gleichen Umständen um so geringer sich erweist, je gröfser der 
Feuchtigkeitsgehalt der Luft ist. Dafs ın zahlreichen Fällen bei Herab- 
drückung der Transpiration reichliche Wasserausscheidung in Tropfen- 
form stattfindet, und zwar bei den einzelnen Pflanzen durch verschiedene 
Vorrichtungen, sei nur kurz erwähnt?). Wir finden die Erscheinung 
häufig bei Topfgewächsen, welche im Herbst in noch ungeheizte Glas- 
häuser gebracht werden oder als Zimmerpflanzen mit ihren Blättern 
die stark sich abkühlenden Fensterscheiben berühren. 

Schliefslich erwähne ich noch die Resultate eigener Versuche?). 

Bei Bäumen (Birnen) fanden sich die gesamten Triebe und ebenso 
deren einzelne Internodien in trockner Luft kürzer, die Blattstiele eben- 
falls kürzer, die Blattlächen schmäler als in feuchter Luft. Bei Getreide- 
aussaat erwies sich in feuchter Luft die Bestockung etwas geringer; 
die Blattzahl war darin etwas vermindert, aber die Gröfse der einzelnen 
Blätter vermehrt, und zwar in der Längenausdehnung, während sie in 
der Breite etwas abgenommen hatte. Dieselbe Dimensionsänderung 
zeigten auch die einzelnen Zellen des Blattes. Der Einflufs der feuchten 
Luft veranlafste ganz besonders eine Streckung der Blattscheiden und 
auch der einzelnen Halmglieder sowie selbst der Wurzeln, obgleich 
die sämtlichen (auch die der trocknen Luft ausgesetzten) Pflanzen in 
Nährstofflösung standen. 

Dafs auch die Substanz neben der Form der Pflanzen bei ver- 
schiedener Luftfeuchtigkeit sich ändern wird, ist von vornherein zu 
vermuten. In der Tat ergaben meine Versuche, dafs in feuchter Luft 
eine geringere Menge von Frischsubstanz produziert worden ist, und 
dafs von dieser Frischsubstanz bei den Pflanzen in feuchter Luft ein 
gröfserer Prozentsatz auf die Wurzel entfiel. Dabei waren die ober- 
irdischen Teile auch wasserreicher. Betreffs der Funktionen lieis sich 
feststellen, dafs die Verdunstung in feuchter Luft eine absolut geringere 
ist; sie ist aber auch pro Gramm produzierter Frisch- und Trocken- 
substanz eine geringere, d. h. die Pflanze braucht zur Herstellung von 

g Substanz in feuchter Luft weniger Wasser, und dies dürfte daher 
kommen, dals sie unter diesen Umständen ihre Substanz mit weniger 
Mineralstoffen aufbaut. 

Ein weiterer Versuch mit Erbsen*) beweist, dafs wirklich die 
neuproduzierte Substanz prozentisch ärmer an Asche ist. Die durch 
stärkere Verdunstung in trockner Luft vermehrte Wasseraufnahme der 
Pflanze zur Folge hat, dafs dieselbe in der Zeiteinheit nur eine halb 
so konzentrierte Lösung aufnimmt als die mit geschwächter Verdunstung 
in feuchter Luft stehende Pflanze. 

Aus diesen Resultaten ergibt sich zur er eine Erklärung, wes- 
wegen Pflanzen in feuchter Luft den Krankheiten häufig leichter erliegen 
als die in trockner Atmosphäre gewachsenen Individuen. Man sieht, 


!) Woruxy, E., Untersuchungen über die Verdunstung und das Produktions- 
vermögen der Kulturpflanzen bei verschiedenem Feuchtigkeitsgehalt der Luft. 
Forsch. auf d. Geb. d. Agrikulturphysik Bd. XX, 1893, Heft 5. 

2) s. Bot. Jahresber. 25. Jahrg., Merl E78. 10: Abh. von NestLer und GoEBEL. 

?) Soraver, Studien über Verdunstung. Forsch. auf d. Geb. d. Agrikulturphysik, 
Bd. III. Heft 4/5, > 55 ff. 

aaO SM 


Übermäfsige Luftfeuchtigkeit. 425 


dafs die Exemplare schmächtiger, wasserreicher und ascheärmer sich auf- 
bauen. Und noch haben wir keinen Einblick in die Verschiedenartig- 
keit der organischen Bestandteile des Pflanzenleibes; es ist sehr wahr- 
scheinlich, dafs die in feuchter Atmosphäre erwachsenen Pflanzen 
zuckerreicher, stärkeärmer sowie reicher an Asparagin und ärmer an 
wirklichem Eiweits sind. 


Einflufs feuchter Luft auf durch Trockenheit beschädigte Pflanzen. 


Man wird der Meinung sein, dafs man Pflanzen, die durch intensive 
Trockenheit gelitten haben, am schnellsten wieder zur früheren Tätig- 
keit zurückführen kann, wenn man sie zunächst in eine recht feuchte 
Atmosphäre bringt. In dieser Beziehung erhalten wir durch folgenden 
Versuch eine Warnung. 

Kirschbaumsämlinge, welche bei Sandkulturen eine lange Durst- 
periode ausgehalten hatten, zeigten alsbald eine Akkomodation an die 
verminderte Wasserzufuhr zu den Wurzeln. Sie verdunsteten, zunächst 
ohne ihren Habitus zu verändern, allmählich abnehmende Mengen von 
Wasser, bis der Sand etwa nur noch 4°/o seiner wasserhaltenden Kraft 
an Feuchtigkeit besafs. Von da ab begannen die Pflanzen zu welken; 
dabei hörte ihre Verdunstung aber auch fast ganz auf. Beispielsweise 
verdunstete bei einer Temperatur von 30° ©. und reichlicher Sonnen- 
beleuchtung ein Pflänzchen, das bisher etwa 8 g Wasser täglich ver- 
braucht hatte, nur noch ein Decigramm. Nach geeigneter Wasser- 
zufuhr steigerte sich auch wieder langsam die Verdunstung. Wenn 
dagegen der Durstzustand zu lange anhielt, vertrockneten die Blätter, 
anfangs ohne sich zu verfärben, von den Spitzen herab. 

Wurden nun die Pflanzen, nachdem sie begossen, in feuchte Luft 
gebracht, so erholten sie sich nicht, wie ich anfänglich geglaubt, 
während die unter der trocknen Glocke ihre oberen ausgebildeten 
Blätter wieder hoben und auch die noch nicht ganz vertrockneten 
Basalteile der älteren Blätter von neuem turgescent werden liefsen. 
Die Verdunstung richtete sich auch wieder langsam ein. 

Bei Topfkulturen der Gärtner wird diese Beobachtung nützliche 
Anwendung finden. Man mufs übermäfsig trockne Töpfe nach dem 
Begiefsen an ihrem Standort belassen und nur etwas beschatten, aber 
nicht die Pflanze durch Überführung in eine mit Feuchtigkeit fast ge- 
sättigte Luft zu gänzlicher Untätigkeit herabstimmen. 


Korkwucherungen. 


Überall da, wo Kork als normale Gewebeform gebildet wird, kann 
durch besondere Umstände eine abnorme Steigerung, also Wucherung 
auftreten. Auch die reguläre Korkbildung ist im den verschiedenen 
Jahreszeiten in wechselnder Stärke zu beobachten. Erinnert sei an die 
gewöhnlichen Rindenporen mit ihren abgerundeten, durch Intercellularen 
getrennten Füllkorkzellen; diese Zellen, welche lange Cellulosereaktion be- 
halten, werden während der Vegetationszeit aus einer Verjüngungsschicht 
stets neu erzeugt. Im Winter, wo der Gasaustausch der ruhenden Rinde 
ein minimaler ist, wird die Produktion des Füllgewebes sistiert; es 
hat sich im Herbst aus der Verjüngungsschicht statt der rundlichen 
Füllkorkzellen ein Verschlufs von normalem Tafelkork gebildet. Bei dem 
Erwachen der Rindentätigkeit im Frühjahr bildet das Korkcambium 


426 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


wieder Füllkork, der die winterliche Verschlufsschicht der Lenticelle 
sprengt, gerade so, wie er bei der ersten Anlage der Rindenporen die 
Epidermis gesprengt hatte, unter der er zuerst gebildet worden war. 
Je feuchter die Luft wird, desto mehr treten die wasseranziehenden, 
sich streckenden Füllzellen über die Oberfläche der Rinde hervor. 
Bekannt sind die strichförmigen, mehlartigen, abwischbaren, weifsen 
Polster, die an feuchten Standorten bei gesteigerter Luftfeuchtigkeit 
und Verminderung der Transpiration der Laubkrone an den glattrindigen 
Stämmen der Kirschen und Erlen hervorquellen. 

An der Basis starker Blattstiele von Juglans regia, Sambucus nigra, 
Ailanthus glandulosa, Paulownia imperialis und anderen Bäumen lassen 
sich im Herbst den Lenticellen äufserst ähnliche Gebilde beobachten; 
nur fehlt bei ihnen die Verjüngungsschicht (StauL)!). Spätere Unter- 
suchungen?) haben gezeigt, dafs nicht nur die Blattstielbasis, sondern 
bei manchen Pflanzen die Nerven auf der Blattunterseite (Freus stipulata), 
ja schliefslich auch die Blattflächen, Korkpolster entwickeln können. 

Obgleich nun diese Korkbildung auf der Blattfläche eine 
fast ebenso verbreitete Erscheinung wie die auf den Blattstielen ist, 
mit welcher sie in Bau und Entwicklung sehr viel Übereinstimmendes 
hat, so ist trotz der weiten Verbreitung doch in diesen Bildungen ein 
pathologisches Moment nicht zu verkennen. 

Man kann bei diesen Korkwucherungen auf Blättern zwei Typen 
unterscheiden®). Entweder liegt die Korkfläche mit ihren Teilungs- 
wänden und ihrem meist einschichtigen Phellogen parallel zur Blatt- 
fläche in derselben Ebene, und dann erheben sich die Korkpolster über 
die Blattfläche in Form von Schwielen usw.; oder aber die Korkschicht 
und speziell ihr Phellogen liegt in Form einer uhrglasförmig eingesenkten, 
meist sich immer mehr vertiefenden Zone im Blattinnern. Manche Pflanzen 
haben beide Bildungen auf demselben Blatte. Gegenüber der Konstanz, 
die sich in betreff des Ortes seiner Entstehung und seiner Ausbildung 
bei dem Stengelkorke geltend macht, ist hier bei den Blattkork- 
wucherungen das Zufällige hervorzuheben. Abgesehen davon, dafs 
die beiden vorerwähnten Typen auf demselben Blatte vorkommen 
können, gibt es auch zwischen beiden Typen noch Übergänge; ja die 
Korkwucherungen können auf demselben Blatte in verschiedenen 
Schichten entstehen (meist beginnen sie in der subepidermalen Lage) 
und verschiedenen Entwicklungsgang haben (BacHMAnNN). 

Das äufsere Aussehen dieser Korkbildungen auf Blättern, die bei 
Gymnospermen, Mono- und Dikotyledonen auftreten können, ist sehr 
verschieden. Bald sind es kleine Hügel, bald Korkplatten oder Streifen 
von gröfserer Ausdehnung. Bisweilen führen die Korkwucherungen aber 
auch zur Bildung von Löchern, die das ganze Blatt durchbohren 
können (Ilex, Zamia, Ruscus, Camellia azillaris, Peperomia obtusifolia, 
Eucalyptus Gunni und Globulus ete.). Die Anfänge der Durchlochung 
zeigen sich in Form gelblicher Punkte. Bei Blättern mit grofsen 
Intercellularräumen geht der Korkbildung ein Wachstum der Parenchym- 
zellen vorher, derart, dafs die Intercellularräume durch die Zellwand- 
ausstülpungen ausgefüllt werden. Wenn Zellen mit etwas dickeren 


!) Sraut, Entwicklungsgeschichte und Anatomie der Lenticellen. Bot. Zeit. 
1873, Nr. 36. 

2) Poursen, Om Korkdannelse paa Blade. Kjöbenhavn 1875. 

3) Bacumann, Über Korkwucherungen auf Blättern. Pringsheim’s Jahrb. 1880, 
Bd. XII, Heft 2, S. 191. 


Übermäfsige Luftfeuchtigkeit. 497 


Wandungen durch wiederholte Teilungen in Korkzellreihen umgewandelt 
werden, so verlieren die Zellwände ihre ursprüngliche Dicke. Häufig 
erfahren auch die Korkzellen, wenn sie erst die Epidermis gesprengt 
haben, noch eine nachträgliche Streckung; die äufseren strecken sich 
zuerst. 

Bei Zamia integrifolia sieht man braune, den Nerven parallel ver- 
laufende Streifen auf den einzelnen Fiederchen, die später in diesen 
“ Streifen stückweise oder der ganzen Länge nach einreifsen. Die 
Streifen sind Korkgewebe, die nicht etwa nach dem Zerreifsen der 
Fiedern entstehen und also Wundkork darstellen, sondern sie sind schon 
im jüngeren Blatte angelegte Bildungen. Auf älteren Blättern von 
Dammara robusta sind die Unter- und mehr noch die Oberseite mit 
Korkwucherungen bedeckt, welche in der Regel klein und niedrig 
bleiben. Im Jugendzustande stellen sie kleine, rote Flecke auf der 
grünen Blattfläche dar und werden später, wenn sie sich hügelartig 
erheben, braun; zuletzt finden in der Epidermis und den nächstfolgenden 
Korkschichten Aufreifsungen statt. Bei Araucaria Cunninghami und 
seltener bei A. Didwilli finden sich an älteren, vorjährigen Blättern. 
kleine Korkhügel, die zu Leisten miteinander verschmelzen können. 
Bei Sciadopytis verticillata und Uryptomeria japonica treten an älteren 
Blättern auch bisweilen kleine Korkwärzchen auf; häufiger (aber meist 
nur auf der Unterseite) lassen sich solche Bildungen an den breiten 
Blättern der ‚Seguoja sempervirens erkennen. Störend sind in den 
Handelsgärtnereien kleine punktförmige Korkwärzchen bei Cyelamen 
persicum und die landkartenähnlichen Zeichnungen auf der Blattober- 
seite bei Pelargonium peltatum und bei verschiedenen Arten von Blatt- 
begonien usw. Alle diese Korkwucherungen haben sich bis jetzt nur 
in den feuchten Warmhäusern und Mistbeetkästen auffinden lassen. 

Von.den Monokotylen zeigen Korkbildungen, die in das Blatt hinein- 
dringen: Olivia Gardeni Hook. und Olivia nobilis Lindl., Pandanus reflexus, 
Dichorisandra oxypetala, Billbergia iridifolia Vanilla planifolia, und andere 
Orchideen. Die beobachteten Korkwucherungen auf den Blättern finden 
sich nicht bei allen Exemplaren in gleicher Menge, nicht auf allen 
Blättern derselben Pflanze in gleicher Ausdehnung und nicht in allen 
Jahren in derselben Entwicklung. Man mufs daher schliefsen, dafs 
besondere Umstände derartige Korkbildungen veranlassen. Soweit die 
Erfahrung reicht, ist es ein Überschufs an Feuchtigkeit in der Luft 
bei anhaltender hochgradiger Wasserzufuhr durch die Wurzeln und 
abnehmender Lichtintensität. Einen Einblick ın das Zustandekommen 
dieser Erscheinungen finden wir bei der 


Korksucht der Kakteen. 


Diese Krankheit, die bei importierten Kakteen manchmal zu finden. 
ist, bei den in Europa gezogenen Pflanzen aber zur ständigen Sorge der 
Züchter geworden ist, besteht an den verschiedensten Kaktusarten in 
dem Auftreten trockner, papierartig aussehender Stellen. Sie beginnen 
in Form bald rostgelber, bald grün bleibender, etwas glasig aussehender 
Flecke und breiten sich entweder zu grofsen, korkfarbigen Flächen aus 
oder werden zu Vertiefungen, die wie vernarbte Frafsstellen erscheinen. 
Speziellere Studien machte ich zunächst an Cereus flagelliformis. Bei 
schwerer Erkrankung erschienen zwar die Stengelspitzen noch frisch 
und grün, aber in kurzer Entfernung von der Spitze begann eine Zone 


428 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


rostfarbiger Flecke, die meist unterhalb eines Stachelpolsters ihren An- 
fang nahm. Die Flecke verschmolzen allmählich zu einer rostigen 
Fläche, die hier und da schülferig aufrifs. 

An dem gesunden Teil bestand das Öberhautgewebe aus zwei 
Lagen von unregelmäfsig vier- bis sechsseitigen Zellen mit verdickter, 
stark cuticularisierter Aufsenwand. Unter dieser Doppelschicht lag 
eine einzige Reihe tangential gestreckter, collenchymatisch verdickter 
Zellen, auf welche das chlorophyllführende Rindengewebe mit äufserst 
zahlreichen Kristallen von oxalsaurem Kalk folgte. An den rostfarbigen 
Stengelstellen hatte sich in den Oberhautzellen Korkbildung eingefunden. 
Die teils mauerförmig, teils unregelmäfsig gelagerten Korkzellen traten 
allmählich kappenartig hervor und rissen schliefslich am Gipfel des 
Hügels entzwei, wobei die cuticularisierte Aufsenwand der oberen 
Epidermislage gesprengt wurde. | 


ET 
BR se 


LIE 


Fig. 70. Stammstück eines Phyllocactus, das unterseits Korkwucherungen in Schwielen 
zeigt, während auf der Gegenseite der Durchlöcherungsprozefs beginnt. (Orig.) 


Bei andern Cereusarten erschienen einzelne Seiten des Stengels 
auf gröfseren Strecken weifslich und trocken. Hier hatten sich in den 
an den Stengelkanten papillös vorgezogenen, an den Stengelflächen ebenen 
Epidermiszellen Korklagen gebildet. An jungen Flecken bemerkte man 
eine Veränderung des Rindenparenchyms; die äufseren Zellen waren 
nicht mehr ausgeprägt collenchymatisch und tangential gestreckt, sondern 
mehr in radialer Richtung verlängert, dünnwandig, chlorophyllarm und 
teilweise gefächert. Durch diese Streckung drückten die Zellen der 
Rinde das Korkgewebe nach aufsen hervor und verursachten auf diese 
Weise weifslich aussehende Blasen oder Schwielen. 

Bei den Gattungen Opumntia und Phyllocactus tritt die zweite Art 
der Korkwucherung, welche zur Bildung vertiefter Stellen oder 
zur gänzlichen Durchlöcherung führt, mehr in den Vordergrund. 
Die beistehende, von einem Phyllocactus stammende Figur 70 läfst beide 
Vorgänge der Korkwucherung erkennen. Auf der Unterseite sehen 
wir die schwieligen Vorwölbungen, auf der Oberseite die beginnende 
Durchlöcherung. 


Übermäfsige Luftfeuchtigkeit. - 429 


Der flache Stengel zeigt im Querschnitt aufserhalb des Gefäfsbündel- 
körpers den fleischigen Rindenkörper, der an den gesunden Stellen 
mit Stärke (st) erfüllt ist und zahlreiche Schleimzellen (s) und Kalkoxalat- 
‚prismen und Drusen (0) enthält. Bei Beginn der Schwielenbildung ist 
ein Teil des Rindenparenchyms unter Verbrauch der Stärke in Streckung 
und Fächerung eingetreten und hat die Epidermis vorgewölbt. Die 
inhaltsarmen, peripherischen Gewebe (‘) beginnen abzusterben, und eine 
Tatelkorklage (f) grenzt das tote, in den Intercellularen stark lufterfüllte 
(Gewebe von dem noch saftigen ab. Damit kommt der Krankheitsprozefs 
zur Ruhe, und der Stengel erscheint mit papierartig-trocknen Flecken 
besetzt. Wenn dagegen der Faktor, der die Entstärkung und Streckung 
des Rindenparenchyms einleitet, nicht in seiner Wirksamkeit erlischt 
und gröfsere Partien absterben, reifst schliefslich die Oberfläche des 
abgestorbenen Gewebes entzwei, und es bilden sich Löcher (T), die all- 
mählich sich immer mehr ver- 
tiefen, indem die Tafelkork- 
bilung (£) immer weiter nach 
innen zu fortschreitet. Bei r 
ist die Veränderung des Inhalts 
der Rindenzellen, die zur Kork- 
bildung Veranlassung gegeben 
hat, am frühesten und intensiv- 
sten aufgetreten und schreitet 
dort auch am schnellsten in das 
Blattinnere hinein fort. 

Der Korkbildungsprozefs an 
sich ıst bei den Kakteen ein 
normaler Vorgang, wenn die 
Stengel ein gewisses Alter er- 
reicht haben. An der Basis alter 
Stämme zeigt sich eine Borken- 
bildung wie bei unseren Ge- 
hölzen. Das Pathologische ist 
die im jugendlichen Teile 
bereits sich einstellende Bildung Fig. 71. Anfangsstadium der Kork- 
von Tafelkorklagen auf Kosten wucherungen bei Phyllocactus. (Orig.) 
des Rindengewebes. Und die 
Veranlassung dazu wird in dem Vorgang zu suchen sein, dafs sich 
Gewebeherde in der Rinde bilden, deren Zellen unter Auflösung der 
Stärke und allmählicher gänzlicher Verarmung des Inhalts sich strecken. 

In Figur 71 lernen wir die ersten Veränderungen der Gewebe 
kennen, welche sowohl die Korkschwielen als auch die Durchlöcherungen 
einleiten. Wir haben ein Stück Rindengewebe von Phyllocactus vor 
uns, das sich durch eine kaum merkliche Verfärbung ins Gelbe und 
äufserst schwache Vorwölbung von der gesunden Umgebung unter- 
scheidet. Es bedeutet e die Epidermis, / die collenchymatisch ver- 
dickten Zellen, o Kalkoxalatkristalle. Die Veränderung beginnt in der 
unmittelbaren Nähe der Gefäfse g an dem zarten Nervenstrange, welcher 
das saftige Parenchym durchzieht. Die dunkleren Tupfen in dem 
Parenchym deuten die Chlorophylikörner an, welche entweder in 
normaler, wandständiger Lagerung sich befinden oder innerhalb grofser, 
stark lichtbrechender Inhaltstropfen (0') zusammengezogen liegen. Der 
Erkrankungsprozefs beginnt damit, dafs (wahrscheinlich infolge einer 


430 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse, 


Häufung abbauender Enzyme und Steigerung des Säuregehaltes) die 
Zellen der Gefäfsbündelscheide (gs) und dann der weiteren Umgebung (?) 
an Inhaltsstoffen verarmen und dabei sich strecken. Es entsteht somit 
eine „innere Intumuscenz“, die, wenn sie bis in die Nähe der 
Oberfläche fortgeschritten ist, die Korkbildung einleitet. Greift die 
Verarmung des Zellinhalts weiter nach rückwärts in die innere Rinde 
hinein, so wird immer mehr Kork gebildet. Da derselbe bei dem 
Wachstum des Organs der Streckung nicht folgen kann, so mufs er 
zerreifsen. Bei der Bildung oberflächlicher Schwielen werden die- 
selben schliefslich gesprengt. Bei der nach der Tiefe fortschreitenden 
Korkbildung aber reifst der Korkzylinder lochartig auf und es entstehen 
tiefe Gruben, wie beı dem Tıefschorf der Kartoffeln, die zur 
vollkommenen Durchlöcherung führen können. 

Eine erfolgreiche Bekämpfung der den Kakteenzüchtern uu- 
angenehmen und zu Verlusten führenden Erscheinung wird durch 
Nachlassen des Begiefsens und reiche Luftzufuhr eingeleitet. Unter 
Umständen, namentlich bei mehrjähriger Wiederholung der Erkrankung, 
mufis ein Trockenhalten der Pflanzen bis zur Schrumpfung eintreten, 


Zerfressene oder gefensterte Blätter. 


Sowohl bei krautartigen Pflanzen als auch bei Bäumen ist in 
einzelnen Lokalitäten der Umstand befremdlich, dais die Blätter viel- 
tach durchlöchert sind, als ob ein Tier die Substanz zwischen den 
Rippen herausgefressen hätte, ohne dafs aber ein tierischer Schädiger 
autzufinden wäre. Die Beobachter werden in der Regel um so ängst- 
licher, je länger der Vorgang anhält, weil er sich in seiner Intensität 
zu steigern pflegt. Es können dann derartig extreme Fälle eintreten, 
dais einzelne Blätter fensterartig durchbrochen erscheinen, indem nur 
das Rippennetz mit schwachen Säumen von Blattparenchym noch übrig 
bleibt. Derartige Blätter sind nicht selten verbogen und gekräuselt, 
sterben aber nicht vorzeitig ab. Die Triebe selbst lassen keine Er- 
krankung erkennen und entwickeln häufig in den Achseln der ge- 
fensterten Blätter neue Sprosse mit normaler Belaubung. 

Der extremste Fall, den ich zu beobachten Gelegenheit hatte, be- 
traf Kartoffeln, deren Triebe zu Anfang des Monats Juli an einzelnen 
Stauden nur durchlöcherte Blätter zeigten (s. Fig. 72), Während meist 
die unteren nur vereinzelte Löcher besafsen, waren die oberen in den 
Intercostalfeldern lang zerspalten und durch Zerstörung der Randpartien 
mannigfach zerschlitzt. Manchmal sahen die jüngeren Blätter federartig 
aus, da die einzelnen Teilblättehen nur aus den Rippen mit ganz 
schmalem Saum bestanden. 

Zwischen den Durchlöcherungen bemerkte man in den Blattflächen 
bei durchfallendem Lichte vergilbte Punkte, und diese erwiesen sich als 
die Anfangsstadien eines Verkorkungsprozesses, der mit Durch- 
bohrung der Blattfläche endete. Die Korkbildung erfolgte in der Art, 
wie sie im vorhergehenden allgemeinen Abschnitt beschrieben worden 
ist. Sie erwies sich aber nicht als das Primäre, sondern war erst eine 
Folgeerscheinung. Die ersten Anzeichen der Erkrankung bestanden in 
dem Verblassen einzelner Mesophyllgruppen, meist in der Nähe feiner 
Nervenäste. Das Palisadenparenchym war häufiger als das Schwamm- 
parenchym beteiligt. In einzelnen Fällen bemerkte man an Stelle des 
Verbleichens eine Braunfärbung des Zellinhalts, begleitet von Ver- 


Übermäfsige Luftfeuchtigkeit. 431 


korkung der Wandungen. Die Epidermis folgte in ihren Veränderungen 
den Mesophyllgruppen, und es entstanden kleine abgestorbene Gewebe- 
herde, die sich nicht weiter veränderten. 

In den Gruppen von Zellen, welche durch Auflösung ihres 
Chlorophylikörpers die durchscheinenden Blattstellen verursacht hatten, 
zeigte sich eine Vergröfserung, durch welche die unbeteiligt bleibende 
Epidermis vorgewölbt wurde. In den vergröfserten Mesophylizellen 
stellte sich nun Korkbildung ein. Dabei brach die verkorkte Stelle auf. 
Durch das Fortschreiten dieser Vorgänge rückwärts in das Blattfleisch 
hinein vertieften sich die Korkherde bis zur vollständigen Durch- 
löcherung. Dieselbe wird verständlich, da es sich um jugendliche 
Blätter handelt, die durch ihr Wachstum alle Gewebe spannen und 


Fig. 72, Kartoffelblatt infolge krankhafter Korkbildung durchlöchert. (Orig.) 


diejenigen, die durch Verkorkung der Ausdehnung nicht folgen können, 
zum Zerreifsen veranlassen, 

Der Vorgang ist also im Prinzip derselbe wie bei den Stämmen 
der Kakteen. _ 

Auch beı den anderen Pflanzen, welche Durchlöcherungen der 
Blätter aufweisen, lassen sich als Anfangsstadien die Verarmung und 
Vergröfserung einzelner Zellgruppen erkennen, und es reihen sich 
daher diese Fälle naturgemäfs an die Erscheinungen an, die im Folgenden 
als Intumeszenzen beschrieben werden sollen. Dort wird auch auf 
die Ursachen noch einmal näher eingegangen werden. 

Bei dem Zustandekommen der Durchlöcherungen spielt die indi- 
viduelle Ernährung eine Hauptrolle; denn man findet an denselben 
Standorten Exemplare, die gänzlich „zerfressen“ aussehen neben nahezu 


432 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


normal bleibenden Pflanzen. Bisweilen leiden nur einzelne Arten. So 
sah ich beispielsweise in Gruppen aus verschiedenen Ahornspezies nur 
eine einzige sehr kräftig wachsende mitten zwischen anderen gesund 
sich entwickelnden Arten erkrankt. 


Korkbildung an Früchten. 


Bekannt sind die sogenannten Rostzeichnungen auf Apfeln 
und Birnen, d.h. braune, stumpfe, nicht selten schülferige Fleckchen 
oder Linien auf der glatten Fruchtoberfläche. Einzelne Sorten zeigen 
die Erscheinung alljährlich, sodafs sie in die Beschreibung des Sorten- 
charakters aufgenommen worden ist. Es sind Korkbildungen, die in 
der Regel von Spaltöffnungen ausgehen. Abnorm wird der Vorgang 
in einzelnen Jahren dadurch, dafs nicht nur die „rostfleckigen Sorten*, 
sondern auch gewöhnlich olattschalie bleibende Früchte zur Hälfte oder 
gänzlich eine korkfarbige Oberfläche erhalten und vielfach später 
klaffend aufspringen. 

Es liegen hier Verletzungen der Epidermis zur Zeit der ersten 
Schwellungsperiode der Früchte zugrunde. 
In den mir bekanntgewordenen Fällen 
(Äpfeln, Birnen, Pflaumen, Weinbeeren) 
liefs sich nachweisen, dafs ein leichter 
Spätfrost die Outiculardecke der jungen 
Frucht durch unzählige kleine Risse zer- 
klüftet hatte. Unterhalb der mikroskopisch 
kleinen Sprünge bildete die Frucht sofort 
Korklagen aus. Stellenweise vertrocknen 
die Epidermiszellen und bleiben nebst den 
erstgebildeten Korkzellen als Schülfern auf 
der nunmehr stumpf lederfarbigen Frucht- 
oberfläche sitzen. 

Fig. 73. Weinbeeren mit Kork- Überall da, wo die verkorkten Stellen 
warzen (W)am Fruchtstiel.(Orig.) eine zusammenhängende Fläche bilden, wird 

der fortschreitende Schwellungsprozefs der 
Frucht behindert, und die Folge ist, dafs die Frucht klaffende Sprünge 
bekommt. In diese wandert besonders gern die Monilia hinein und 
mumifiziert die Früchte. 

Allein diese Erscheinungen gehören, streng genommen, nicht hier- 
her; sie haben nur insofern einen , Zusammenhang ı mit Wasserüberschufs, 
als die Zerklüftungen um so leichter auftreten, je schneller bei an- 
haltender Feuchtigkeit die Schwellung der Früchte erfolgt. 

Dagegen möchte ich das Auftreten von Korkwarzen an Beeren- 
stielen der Weintrauben als einen nur bei feuchter Luft sich be- 
merkbar machenden Vorgang bezeichnen. In Fig. 73 finden wir zwei 
Beeren, deren Stiele ein gebräuntes, holperiges Aussehen durch das 
Auftreten vieler korkfarbiger, dichtgestellter Wärzchen zeigen. Die Er- 
scheinung tritt schon auf, ehe die Beeren ihre normale Gröfse erreicht 
haben. 

Die Warzen sind an der Ansatzstelle der Beeren am reichlichsten 
entwickelt; stärkere Aste der Fruchtspindel pflegen glatt zu bleiben, 
und es zeigen in der Regel auch nur einzelne Trauben eines Stockes 
die Erkrankung. Dieselbe ist, solange warme, trockene Witterung 
herrscht, bedeutungslos; sie wird erst gefährlich, wenn bei anhaltend 


Übermäfsige Luftfeuchtigkeit. - 433 


feucht-warmem Wetter Parasiten sich einnisten. Folgt dann eine scharfe 
Trockenperiode, schrumpfen einzelne stark warzige Stielchen und die 
dazu gehörigen Beeren. 

In Fig. 74 sehen wir den Querschnitt durch einen warzigen Beeren- 
stiel, der den gewöhnlichen Bau der Achse zeigt, aber einzelne auf- 
fällige weite Markstrahlen (ms) besitzt, die den Holzring (Rh) zerklüften. 
Im Rindenkörper bemerken wir in regelmäfsiger Verteilung die Hart- 
bastgruppen (b) und vor ihnen die Siebelemente (s) mit oftmals dick 
verquollenen Wandungen. Bei o sind die reichlich vorhandenen Kalk- 
oxalatkristalle angedeutet; dieselben treten teils als kleine Drusen, teils 
als Raphidenbündel auf. Die verschiedenen Stadien der Korkwarzen- 
bildung sind mit W bezeichnet. Die warzigen, den Lenticellen ähn- 
lichen Auftreibungen entstehen 
dadurch, ‘ dafs einige direkt 
unterhalb der Epidermis oder 
etwas tiefer liegende Rinden- 
parenchymzellen sich radial 
vergröfsern und die Oberhaut 
leicht vorwölben. Durch Steige- 
rung dieses Vorganges, wobei 
Fächerung.dergestrecktenZellen 
nicht ausgeschlossen ist, entsteht 
ein Gewebehügel, dessen ver- 
korkende Kappe sich schliefslich 
bräunt und entzweireifst. Durch 
die Vermehrung des Rinden- 
parenchyms und Absterben der 
äufseren braunen, verkorkten 
Elemente entstehen die gröfseren 
Warzen, deren peripherische 
Zelllagen schalenförmig aus- 
einanderweichen. Es bildet sich 
dabei ein deutliches Korkcam- 
bıum aus, das mit dem Absterben 
der äufseren Schichten rück- 
wärts immer tiefer in die Rinde 
des Beerenstiels hineingreift. yie. 74. i en. 
Bleibt die Witterung dauernd ec aan ankere (Örie)n 
trübe, warm und feucht, oder 
sind die Trauben zu stark unter dem Laube versteckt, so ist für die 
Ansiedlung von Mycelpilzen, unter denen Botrytis cinerea in erster 
Linie bemerkbar wird, die günstige Gelegenheit geschaffen. 

Die Erscheinung ist namentlich in den Treibhäusern zu finden, und 
hier mufs die geschlossene, feuchte Atmosphäre durch Lüften bei gleich- 
zeitigem Heizen verbessert werden. Zeigen sich warzige Beerenstiele im 
Freien, lichte man das vor den Trauben befindliche Laubwerk stärker 
aus und schüttle nach jedem Regen das von demselben festgehaltene 
Wasser sorgfältig ab. 

Als Begleiterscheinung der Korkwarzen beobachtete ich einmal bei 
jungen Weinblättern am Grunde zwischen stärkeren Seitenrippen lippen- 
artio einander gegenüberstehende Flügel der Blattfläche. Diese 
Auswüchse (Emergenzen) waren durch Aufbrechen der Blattfläche 
(meist über einem Gefäfsbündel) entstanden. 

Sorauer, Handbuch. 3. Aufl. Erster Band. 28 


434 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


Anhangsweise sei hier noch das Chagrinieren der Rosen- 
stämme angeführt. Die hochstämmigen Rosen werden bekanntlich 
über Winter niedergelegt und mit Reisig oder Erde zugedeckt. An 
jungen, noch glattrindigen Stämmen findet man bisweilen im Früh- 
jahr bei dem Herausheben aus der Erde dieselben mit kleinen Warzen 
besät, von denen eine Anzahl in der Regel mit einem bleichen oder 
braunroten Hof umsäumt ist. Die Warzen sind Lenticellenwucherungen. 
Dieselben beginnen unterhalb der Spaltöffnungen und treiben die Schliefs- 
zellen auseinander. Dort, wo ein verfärbter Hof sich vorfindet, ist Mycel 
nachweisbar. 


Gelbsprenkelung (aurigo). 


Bei Monokotyledonen mehr als bei Dikotyledonen erscheinen die 
Blätter bisweilen mit gelben oder rötlich- braunen Fleckchen übersät. 
Die Sprenkelung beginnt von der Spitze aus, und die Zahl der Flecke, 
die in der Regel durch eine blasse Randzone in die sonst normal grün- 
bleibende Blattfläche übergehen, kann sich bei Beginn der Krankheit 
dadurch vermehren, dafs zwischen den erst entstandenen noch neue 
kleine Fleckchen sich ausbilden. Ein Verschmelzen derselben ist seltener. 
Bisweilen ist mit der Verfärbung eine Auftreibung des Gewebes ver- 
bunden, und es zeigt sich dann ein deutlicher Übergang zu den eigent- 
lichen Intumescenzen !}), 

Die Gelbsprenkelung tritt besonders bei Glashaus- und Zimmer- 
pflanzen auf, und unter diesen begegnen wir der Erscheinung am 
häufigsten bei Dracänen, Palmen und Pandanusarten. 

Um ein Beispiel zu geben, wie diese Flecke sich ausbilden und 
unter Umständen bis zur Blattdurchlöcherung fortschreiten können, führe 
ich einige Beobachtungen an Pandanus javanicus an. 

Die Flecke entstehen stets in einer zwischen zwei Rippen liegenden 
Mesophylipartie, die nach der Blattoberseite hin den Charakter des 
Palisadenparenchyms, an der Unterseite den des Schwammparenchyms 
aufweist, in der Mitte aber aus sehr zartwandigen, nahezu isodiametrischen, 
mit farblosem, wässerigem Inhalt erfüllten, etwa sechsseitigen Zellen 
besteht. 

Von dieser innersten, farblosen Gewebegruppe beginnen die periphe- 
rischen, also dem chlorophyllführenden Mesophyll angrenzenden Zellen 
sich nach der Seite des geringsten Widerstandes, d.h. nach dem Zentrum 
hin, übermäfsig zu strecken, wobei sie häufig die centralen Zellen 
zusammendrücken. Nicht selten erfolgt die Streckung nur in den direkt 
nach oben und nach unten gerichteten, aber nicht in den seitlichen 
Zellen der zartwandigen Gruppe, und es entsteht dadurch eine eigen- 
tümliche Lagerung. Die centrale Partie des Gewebes besteht dann aus 
radıal gestellten, schlauchförmig ausgezogenen, oft durch Quellung dick- 
wandiger gewordenen, inhaltslosen Zellen, die später braun werden und 
verkorken. Bei zunehmender Intensität wird das Schwammparenchym 
unter Auflösung seines Chlorophylikörpers in diesen Streckungsprozels 
hineingezogen; sein Inhalt zerfällt zu braunkörniger Substanz, und 
damit wird die gelbe Färbung intensiver. Mit dem Hineinziehen des 
chlorophyllreichen Gewebes in den abnormen Streckungsprozefs erhebt 
sich die Blattoberfläche oft schwielenartig. 


!) Sorausr, P., Über Gelbfleckigkeit. Forsch. auf d. Geb. d. Agrikulturphysik 
Bd. IX, Heft 5. 


Übermäfsige Luftfeuchtigkeit. 435 


Häufig bleibt mit der Verkorkung der gestreckten Zellelemente 
der Krankheitsprozefs stehen, und wir haben dann eben nur gelbe, im 
Jugendlichen Stadium sogar erst bei durchfallendem Lichte erkennbare 
Flecke. Der ganze Erkrankungsherd kann dabei durch eine Zone wirk- 
licher Korkzellen vom gesunden Gewebe abgeschnitten werden. Bei 
fortschreitender Intensität der Erkrankung, bei welcher schliefslich sogar 
die Zellen der Gefäfsbündelscheide unter Quellung ihrer Wandungen mit 
nachfolgender Bräunung an der Überverlängerung teilnehmen können, 
sprengen die sich streckenden Mesophylizellen die darüberliegende 
Epidermis. Es folgen dann die Vorgänge, welche bei den Durchlöcherungs- 
erscheinungen bereits beschrieben worden sind. Aufserlich ähnlich 
aussehende Pilzerkrankungen lassen sich bei Pandanus leicht unter- 
scheiden, da dabei die Zellstreckungen fehlen. Bei Dracaena rubra 
und Draco beschränkt sich der Krankheitsprozefs bisweilen nur auf 
den Zerfall des Chlorophylis in den inneren Zellgruppen; hier wurden 
mehrfach Membranen mit perlig in das Zellinnere vorspringenden 
Quellungsstellen wahrgenommen. Bei Dracaena indivisa beobachtete 
ich während der Verfärbung der Krankheitsherde, dafs bei der Auflösung 
des Chlorophylis reichlich Zucker in den Zellen nachweisbar war, der 
im gesunden Gewebe sich nicht zeigte und in dem Krankheitsherde 
verschwand, sobald Bräunung und Verkorkung der Wandungen eintrat. 

Die Gelbsprenklichkeit erweist sich somit in vielen Fällen als 
Vorstadium der eigentlichen Intumescenzen, in andern aber, wie z.B. 
bei den Draeänen, bleibt sie meist als selbständiges Krankheitsbild 
bestehen, und hier weisen das vorübergehende Auftreten von Zucker 
und die perligen Membranquellungen auf dieselben Ursachen hin, welche 
bei der Überverlängerung von Zellen zur Wirkung gelangen. Bei der 
praktischen Behandlung hat man sich zu vergegenwärtigen, dafs die 
Pflanzen, welche Aurigo zeigen, unter einer Wasserzufuhr leiden, die 
sie nicht bewältigen können. Die Wassergaben brauchen gar nicht 
stärker wie früher zu sein; aber sie werden den Pflanzen in der Ruhe- 
periode verabreicht, in der ihre Assimilationstätigkeit herabgedrückt 
ist und die äufsern Verhältnisse nicht dazu angetan sind, dieselbe zu 
heben. Die Flecke treten nämlich vorzugsweise im Herbst und Winter 
auf, wenn die Pflanzen in warme Räume gebracht werden. Sie haben 
dann wohl Wärme und Wasser nebst mineralischen Nährstoffen, aber 
nicht Licht genug. Man mufs deshalb die einseitige Reizung entfernen 
und die Pflanze kühler, trockner und möglichst hell stellen. 


Intumescenzen. 


Noch nicht genügend von den. praktischen Pathologen gewürdigt 
sind die meist gruppenweise auftretenden, knötchenförmigen oder 
pustelartigen Gewebeauftreibungen, die ich seinerzeit als „Intumescentia“ 
eingeführt habe. Sie sind vorherrschend an Blättern gefunden worden, 
sind aber auch an Stengeln nicht selten; spärlich waren bisher die 
Beobachtungen über Intumescenzen an Blumen und Früchten. 

Den besten Einblick in die Entwicklung solcher Gebilde, deren 
Wert in ihrer symptomatischen Bedeutung liegt, erlangen wir durch 
Betrachtung eines bestimmten Falles. Bei Cassia tomentosa fand ich 
im Januar 1879 in einem Warmhause die jungen Triebe mit Blättern 
besetzt, deren Fiederchen nach unten gekrümmte Ränder aufwiesen, 
Die Krümmung erschien durch ein gesteigertes Wachstum der Oberseite 

28 * 


436 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


hervorgerufen, welche pustelartige Auftreibungen bemerken liefs. Je 
weniger Auftreibungen, desto flacher das Blattfiedercken und desto 
mehr fanden sich die Erhabenheiten in der Nähe der Mittelrippe: wenn 
dieselben sehr reichlich und gleichmäfsig über die ganze Fläche ver- 
teilt waren, erschien das Blatt fast blasig. Wirklich blasig konnte man 
es aber nicht nennen, weil den Auftreibungen der Oberseite keine 
gleichgrofse Vertiefung der Unterseite entsprach. 

Die Auftreibung ist kegelförmig, anfangs mit derselben Färbung 
und matten Oberfläche versehen wie das übrige Blatt; später wird die 
Spitze des Kegels heller, straffer und glänzender. Noch später wird 
die Spitze gelb, verbreitert sich, reilst (Fig. 75 ze) endlich auf (wenn nicht 
vorher das ganze Fiederchen vergilbt), und die Auftreibung erscheint 
nun in der Mitte trichterförmig vertieft und gebräunt. 

Die Ursache der Erscheinung ist das stellenweise schlauchartige 
Auswachsen des Palisadenparenchyms (p) der Blattoberseite, das an 


EZ, 


\) 
N) 


Fig 75. Blattintumescenz bei Cassia tomentosa. (Orig.) 


den normalen Stellen chlorophyllreich, dicht aneinandergelagert und 
nur nach dem Schwammparenchym (s) hin mit schmalen, spaltenförmigen, 
lufterfüllten Intercellularräumen versehen sich erweist. 

Sobald die Anschwellung beginnt, fangen die Chlorophylikörner 
an, von der Spitze der Zelle aus zu verschwinden, und die Zellen ver- 
längern sich derart, dafs zuerst nur wenige die Streckung beginnen, 
allmählich aber die Umgebung mit in den Streckungsprozefs hinein- 
gezogen wird. In dem Mafse, als die Verlängerung fortschreitet, 
wird immer mehr Chlorophyll gelöst, so dafs schliefslich die schlauch- 
förmig: gewordenen Palisadenzellen fast ganz farblos oder mit wenigen 
kleinen, gelblichen, im ganzen Zellraum zerstreuten Körnern versehen 
erscheinen. Mit der Verlängerung der Zellen, die die Epidermis m 
die Höhe stülpen, ist auch eine geringe Breitenzunahme verbunden, 
wodurch die Zellen seitlich sehr fest aneinandergeprefst erscheinen 
und nur nach dem Schwammparenchym hin noch schwache Intercellular- 
räume zeigen. Sobald der Druck des sich vorwölbenden Gewebes die 


Übermäfsige Luftfeuchtigkeit. 437 


Epidermis (e) an der höchsten Stelle der Auftreibung entzweigesprengt 
hat (ze), schwellen die nun freigewordenen Enden des Palisadenparenchyms 
keulig auf (kp) und verdicken unter Bräunung mehr oder minder tiet 
abwärts ihre Wandungen. An der Durchbruchstelle und deren Um- 
gebung bräunen sich auch die Epidermiszellen und fallen teilweise 
zusammen. 

Derselbe Vorgang der Auftreibung kann auch auf der Unterseite 
des Blattes eintreten; dabei werden die direkt unter der mit Haaren (%) 
versehenen Epidermis liegenden, sonst etwa isodiametrischen Zellen des 
Schwammparenchyms auch lang-zylindrisch. 

In einzelnen Epidermiszellen, sowohl der Ober- als Unterseite des 
Blattes und auch in manchen der schlauchförmig ausgewachsenen 
Parenchymzellen zieht Glycerin 
einzelne grofse oder mehrere kleine 
Glykosetropfen zusammen. 

Ahnliche Blattauftreibungen 
fand ich bei gelbfleckigen und auch 
bei noch normalgrünen Blättern 
von Acacia longifolia und micro- 
botrya. 

Als Beispiel für das gemein- 
same Vorkommen der Intumescenz 
mit Korkblattern führe ich Myr- 
mecodia echinata an, deren Blätter 
die Intumescenzen meist auf der 

Blattunterseite, die Kork- 


wucherungen aber vorherrschend BESSER ee. 
auf der Oberseite entwickeln. In a VIE > 
Fig. 76 erkennen wir, dafs haupt- HIER 
sächlich an der Bildung der zart- \ 

drüsigen Gewebeauftreibung de Er SE 

beiden der Epidermis zunächst- nel N ES LEE 


liegenden Parenchymschichten be- 
teiligt sind. Die Epidermis mit 
ihren unverändert gebliebenen 

” Fig. 76. Blattstück von Myrmecodia echinata 


Spaltöffnungen (e) ist in die Höhe mit aufbrechender Korkwarze aufder Ober- 
getrieben und an der Grenze des seite und drüsiger Intumescenz auf der 


normalen Gewebes abgesprengt Unterseite. (Orig.) 

worden: sie erscheint aber, was 

bemerkenswert, noch ungebräunt und turgescent, also wie die schlauch- 
förmigen Mesophyllzellen (a) noch vollständig ausreichend ernährt. Erst 
in einem weit vorgeschrittenen Altersstadium des Blattes sah ich die 
Auftreibungen zusammentrocknen und durch Bildung einer Tafelkorklage 
an ihrer Basis (b) vom gesunden Parenchym abgeschnitten. 

Die teils blasig, teils warzig auftretenden Korkwucherungen finden 
sich am häufigsten ohne die Begleitung von Intumescenzen. Sie sınd 
unregelmäfsig: über die ganze Blattfläche als rostfarbige, bisweilen silberig 
glänzende Fleckchen verteilt. Bevorzugt ist die Gegend der Mittelrippe. 

Die Korkbildung beginnt hier innerhalb der Epidermiszellen und 
schreitet von da aus in das Mesophyll hinein fort, indem zunächst die 
zwei anstofsenden Lagen des aus 4—5 Reihen farbloser, inhaltsarmer, 
sehr weitlumiger Zellen gebildeten Hypoderms ergriffen werden (d). Das 
darunterliesende Palisadenparenchym, das in kegelförmigen Strebe- 


438 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


pfeilern (e) in das Hypoderm hineinreicht, wird meist nicht irritiert, 
zeigt aber, ebenso wie das chlorophyllarme Schwammparenchym, zur 
Zeit der Korkbildung in jeder Zelle einen stark lichtbrechenden, oft 
grün gefärbten Tropfen. 

Manchmal ähneln derartige Korkpolster in hohem Grade gewissen 
Pilzerkrankungen, wie ich Gelegenheit hatte, an Pelargonium zonale zu 
beobachten. 

An dieser Pflanze waren die Blätter unterseits mit einzelnen oder zu 
gröfseren Gruppen vereinigten, weifsen, cystopusähnlichen Polstern be- 
deckt. Dieselben erwiesen sich als halbkugelige, später manchmal 
fächerig auseinandergehende, lufterfüllte Korkwucherungen. Letztere 
begannen mit einer Vergröfserung des Schwammparenchyms, wobei 
alle Intercellularräume ausgefüllt wurden. Die Epidermis blieb in der 
Regel unverändert, während die daranstofsenden Mesophyllizellen sich 
senkrecht zu derselben streckten und unter allmählichem Verlust des 
Chlorophylis sich durch Korkwände fächerten. Die Korkzellen verloren 
teilweise durch unregelmäfsige Vergröfserung ihre parallele Anordnung 
und wölbten sich stark in die Höhe, bis die Epidermis rifs. Dieselbe 
machte aber vorher ihren hemmenden Einflufs dadurch geltend, dafs sie 
die Korkzellen drückte, wodurch die Wandungen zerknittert erschienen. 
Der Streckungs- und Korkbildungsprozefs griff immer tiefer rückwärts 
in das Mesophyll hinein, wodurch die Wucherungen bis zur vierfachen 
Ausdehnung der Blattdicke bisweilen gelangten. In die Spaltöffnungen 
und später “in die Wunden der aufreilsenden Korkwucherungen wuchs 
ein braunes gewundenes Mycel (vielleicht ein Cladosporium) hinein. 


Reichlich von Intumescenzen hat der Weinstock zu leiden und 
namentlich die Exemplare, die in Glashäusern behufs Frühtreiberei 
im freien Grunde ausgepflanzt sind. Es wurden aufser den Blatt- 
auftreibungen auch an den Beerenstielen Knötchenbildungen bisweilen 
beobachtet, und da diese eine von den vorher geschilderten Warzen 
abweichende Bauart zeigen, mögen sie hier eingehender beschrieben 
werden. 

Beistehende Fig. 77 ist der Querschnitt durch ein solches Knötchen. 
Die den Holzring des Beerenstiels bildenden Gefäfsbündel sind mit h 
bezeichnet; m ist der Markkörper, h b der Hartbast, bis zu welchem die 
abnorme Veränderung des Rindenparenchyms zurückgreift. Dieselbe zeigt 
sich in einer Ausweitung und schliefslichen radialen Überverlängerung 
des unterhalb der collenchymatischen Elemente liegenden Parenchyms, 
dessen Zellen sich nachträglich gefächert haben. Durch diese Über- 
verlängerung wird das Collenchym (c) zusammengedrückt und, ohne 
vorher an der Streckung teilgenommen zu haben, samt der Epidermis 
zum Absterben gebracht. Die normale Epidermis erkennt man bei e; 
k ist die an der Grenze des absterbenden Gewebes sich bildende Kork- 
zone. Letztere ist übrigens nicht immer zu finden; manchmal geht das 
absterbende unmerklich in das sehr dünnwandige, noch lebende Gewebe 
über, das an der Übergangsstelle schwach verkorkte Wandungen zeigt. 
eg normales, hier gruppenweise und nicht in zusammenhängendem Ringe 
auftretendes Collenchym. Die Fächerung und Überverlängerung des 
Rindenparenchyms und das Fehlen von Korkwucherungen unterscheidet 
diese knötchenförmigen Intumescenzen von den früher geschilderten 
Korkwarzen, die im Jugendstadium grofse Ähnlichkeit mit jenen haben. 


Übermäfsige Luftfeuchtigkeit. - 439 


Die auf.den Weinblättern bemerkbaren Intumescenzen erscheinen 
auf der Unterseite in Form drüsiger Erhabenheiten, die oftmals 
zusammenfliefsen und auf der Blattoberfläche durch gelblich verfärbte, 
bisweilen auch etwas erhabene Stellen angedeutet werden. Sie ent- 
stehen durch schlauchförmiges Auswachsen des unter der Epidermis 
liegenden Schwammparenchyms, dessen Zellen sehr verarmt an festen 
Inhaltsstoffen und durch Ausweitung dicht aneinandergeprefst erschemen. 
Mit ihrer zunehmenden Überverlängerung wird die sie deckende Epidermis 
gebräunt und entzweigesprengt. 

Anfangs sind nur die direkt unter der Epidermis liegenden Zellen 
irritiert; aber kurz nach Beginn der Auftreibung wird auch die nächst- 
innere Zellschicht ergriffen, und diese ist es in der Regel, welche 
später die gröfste Streckung erfährt, und deren Zellen sich nicht selten 
durch nachträgliche Querwände teilen. Die das Zentrum der Auf- 
treibung einnehmenden Zellen sind am längsten und schmälsten und 


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Fig. 77. Teil einer knötchenförmigen Intumescenz am Stiel einer Weinbeere. (Orig.) 


stehen genau senkrecht zur Oberfläche des Blattes, während die seitlich 
anstofsenden schief fächerförmig gelagert sind, an Länge ab- und an 
Breite zunehmen. Stärke ist nicht nachweisbar. In den extremsten, 
zur Beobachtung gelangten Fällen sind sämtliche Zellen des Mesophylis 
bis zum Palisadenparenchym der Oberseite hin in die Streckung hinein- 
gezogen; das letztere selbst jedoch sah ich nicht ergriffen. 

Wie gesagt, sind diese Erscheinungen bei der Weintreiberei gar 
nicht selten, und hierbei finden sich Fälle, welche auf die Ursachen 
der Intumescenzen mit grofser Deutlichkeit hinweisen. Aus dem im 
Laufe der Jahre mir häufig zur Verfügung gewesenen Material greife 
ich als Beispiel eine Mitteilung des Herrn Hofgärtner RoEsE heraus. 

Derselbe hatte ein Weinhaus, das mit 14 Stöcken besetzt war; von 
diesen gehörten 6 Stück der Sorte Black Hamburgh (Blauer Franken- 
thaler) an, und einer derselben stand an derjenigen Seite des Glashauses, 
an welcher die Wasserheizungsröhren aus dem Vorhause eintraten. 
Hier war also erhöhte Wärme bei reichster Luftfeuchtigkeit vorhanden, 


440 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


und dieser Stock alleın entwickelte derart Intumescenzen, dafs die 
Blätter unterseits nahezu filzig aussahen. Ein gegenüber, an der andern 
Wand des Glashauses, angepflanzter Stock von Royal Muscardine ver- 
mischte im den oberen Regionen des Hauses sein Laub mit dem des 
befallenen Stockes, ohne eine Spur von Erkrankung zu zeigen. 

Dieser Fall läfst erkennen, wie verschieden sich die einzelnen 
Sorten an demselben Standort verhalten und wie bei derselben Sorte 
individuelle Erkrankungen ihre Erklärung finden. 

Betreffs des verschiedenartigen Verhaltens der einzelnen Reben ist 
auf eine Studie von Fr. Murn!) zu verweisen, der das Entstehen von 
Intumescenzen nach der Kupferung der Blätter beobachtete. 
Während beispielsweise Frühroter Veltliner und Muscat St. Laurent 
keine Auftreibungen erkennen liefsen, waren Morillon panache, Made- 
leine Angevine und blaues Ochsenauge äufserst stark erkrankt. 

In einem dem obigen, von mir beobachteten, ähnlichen Falle sah 
Noack?) die Erkrankung nachlassen, als in dem Weinhause nicht mehr 
so viel gespritzt wurde. 

Das beschriebene Vorkommnis ist nicht mit den Erscheinungen, die 
an Ampelopsis hederacea gefunden wurden®), übereinstimmend. Bei 
dieser Pflanze sah TomascHEK an jungen Zweigen, Blattstielen und Blatt- 
nerven, besonders aber an der Aufsenseite der Nebenblätter perlen- 
artige Bildungen. Die Perlen, die bei Liechtmangel besonders grofs 
waren und im Herbst vertrockneten, bildeten sich unterhalb einer Spalt- 
öffnung, schon an ganz jungen Teilen, indem die eine Atemhöhle um- 
gebenden Zellen in dieselbe hineinwuchsen und bei ihrer fortschreitenden 
Vermehrung die Epidermis auftrieben. Im Herbst und Winter zeigten 
sich an Stelle dieser Auswüchse wirkliche Lenticellen mit Korkbildung. 


Während die bisher geschilderten Fälle ebenso wie die später 
noch zu erwähnenden nur Glashauskulturen betreffen, möchten wir nun 
über ein im Freien und zwar bei einem Grase beobachtetes Vor- 
kommnis berichten. 

Bei äufserst starkwüchsigem Hafer von der Insel Rügen fanden 
sich Pflanzen, deren unterster, von der Erde gedeckter Halmknoten 
im Querschnitt das nebenstehende Bild (Fig. 78) aufwies. Der zentrale 
Teil des Halmknotens zeigt den bekannten wirren Verlauf der Gefäfs- 
bündel (g) und die Anlage einer Wurzel (ww), welche im Begriff ist, die 
aufgetriebene Rinde des Halmknotens zu durchbrechen. In diesem 
Rindenmantel bezeichnet r den normal gebauten Teil, während bei r’ 
die subepidermalen Parenchymzellen bereits beginnen, sich radial zu 
strecken. Die Überverlängerung steigert sich bei s zum ausgesprochen 
schlauchförmigen Charakter und ergreift in der Nähe der durch- 
brechenden Wurzel alle Schichten des Rindenkörpers. Die dadurch 
übermäfsig gespannte, an dem Streckungsvorgang nicht aktiv beteiligte 
Epidermis beginnt schliefslich an einzelnen Stellen (c) entzweizureifsen. 
Der Halm zeigt bei z eine starke Frafsbeschädigung, deren Einflufs tief 
in den Halmknoten hineinreicht, in dem eine starke Gewebebräunung 


!) Muru, Fr., Über die Beschädigung der Rebenblätter durch Kupferspritzmittel. 
Mitteil. d. Deutsch. Weinbau-Vereins 1906. 

2) Noack, Fr, Eine Treibhauskrankheit der Weinrebe. Gartenflora 1901, S. 619. 

®) TomascHer, Über pathogene Emergenzen auf Ampelopsis hederacea. Österr. 
Bot. Zeit. 1879, S. 87. 


Übermäfsige Luftfeuchtigkeit. - 441 


mit zum Teil gummös ausgefüllten Gefäfsen sich bis zur Mitte des 
Knotens hinzieht. Es liest nun nahe, diese Verwundungals Ver- 
anlassung zur Intumescenzbildung aufzufassen, zumal benach- 
barte andere, nicht angefressene Halme die Gewebewucherung nicht 
zeigen. Man würde sich dann den Zusammenhang in der Weise vor- 
stellen können, dafs bei der reichlichen Wasser- und Nährstoffzufuhr 
durch die Wurzeln und der geringen Verdunstung des Knotens inner- 
halb der Bodenkrume die Entfernung eines Teils des Gewebes durch 
den Tierfrafs hingereicht hat, den Turgor im restierenden Gewebe bis 
zur Intumescenzbildung zu steigern. 

Ahnliche Korrelationserscheinungen beobachtete ich bereits früher 
bei Einwirkung von Kupfermitteln auf die Kartoffelblätter!). Bei stark- 


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7 


Fig. 78. Intumescenz an dem unteren Knoten einer Haferpflanze. (Orig.) 


wüchsigen Sorten erwies sich eine Anzahl von Blättern durch das Be- 
spritzungsmittel beschädigt; in der Nähe der abgestorbenen Gewebeflecke 
erschienen später Intumescenzen. Dafs auch andere Ursachen der- 
gleichen Erscheinungen veranlassen können, ergibt sich aus dem Umstande, 
dafs Wärzchen auf Kartoffelblättern schon zu einer Zeit beobachtet 
worden sind, als die Kupferbehandlung noch nicht eingeführt worden 
war?). Neuere Resultate in dieser Richtung hat v. SCHRENK?) geliefert. 
An Kohlpflanzen, die in einem Glashause mit Kupfer-Ammon-Üarbonat 
bespritzt worden waren, zeigten sich nach wenigen Tagen auf der Blatt- 
unterseite blasse, allmählich fast weifs werdende Knötchen, die sich als 


!) Sorauer, P., Einige Beobachtungen bei der Anwendung von Kupfermitteln 
gegen die Kartoffelkrankheit. Zeitschr. f. Pflanzenkrankh. 189, S. 32. 

2) Masters, Leaves of Potatoes with warts. Gard. Chron. 1878, I, S. 802. 

3) SCHRENK, H. v., Intumescences formed as a result of chemical stimulation. 
Sixteenth ann. report Missouri Bot. Gard. May 1905. 


442 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


Intumescenzen ihrem anatomischen Bau nach erwiesen. Auf ungespritzten 
Pflanzen in demselben Glashause waren keine Auftreibungen zu finden; 
wohl aber entstanden solche durch Bespritzung ‘der Blätter mit 
schwachen Lösungen von Kupferchlorid, Kupferacetat, -nitrat und -sulfat. 
v. SCHRENK betrachtet aber diese Intumescenzen nicht als Korrelations- 
erscheinungen, sondern als Reaktionen des Blattgewebes auf den 
chemischen Reiz der Gifte. 

Hierher rechne ich ferner den Fall, welchen HaBErRLANDT!) bei einer 
Liane, Conocephalus, beschreibt. Er schildert die Bildung von Ersatz- 
Hydathoden nach Vergiftung der normalen Organe an den Blättern. 


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Fig. 79. Imtumeseierter Stengel 
von Lavatera trimestris. (Orig.) 


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Fig. 80. Intumescierter Zweig von Acacıa Fig. 81. Vergröfsertes Stück von 
pendula. _(Orig.) Fig. 80. (Orig.) 


Die ungemein reiche nächtliche Wasserausscheidung erfolgt am Grunde 
flacher Grübchen auf der Blattoberseite durch scharf differenzierte 
Epithem-Hydathoden mit Wasserspalten, die stets über den Treffpunkten 
von Gefäfsbündeln liegen. Nach Vereiftung dieser Organe durch Be- 
pinseln des Blattes mit 0,5 prozentiger alkoholischer Sublimatlösung 
bildeten sich über den Gefäfsbündeln kleine Knötchen, an denen jeden 
Morgen grofse Wassertropfen auftraten. Diese Knötchen, welche also 
die Funktion der getöteten Hydathoden übernommen hatten, erschienen 


!) Haservanpr in „Festschrift für Schwendener“, eit. in Naturwiss. W ochenschr. 
1899, S. 287. 


Übermäfsige Luftfeuchtigkeit. . 443 


aus langen schlauchartigen Zellen zusammengesetzt, die in ihrem unteren, 
durch Querwände gefächerten Teile lückenlos aneinanderschlossen, am 
‚oberen, keulenförmig angeschwollenen Ende aber pinselartig auseinander- 
wichen. Sie waren durch Streckung der Leitparenchymzellen, oft auch 
der Palisadenzellen entstanden und hatten die Epidermis durchbrochen. 


Als Beispiele wuchernder Zellstreckung an Stengeln gebe 
ich die Habitusbilder eines Stengelstückes von Lavatera trimestris Fig. 79 
und von Acacia pendula Fig. 80, deren aufgerissene Rinde in der Ver- 
gröfserung Fig. Sl noch deutlicher zu sehen ist. 

Bei Malope grandiflora und Lavatera trimestris bemerkt man Stengel 
und Zweige auf der Sonnenseite dicht mit Längsschwielen besetzt. 


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Fig. 82. Querschnitt durch einen intumescierten einjährigen Zweig von 
Acacia pendula'). (Orig.) 


Diese Schwielen werden durch bedeutende Längs- und Querstreckung 
der Zellen des Rinden- und auch des Holzkörpers veranlafst. Wenn 
die Schwiele noch jung ist, leitet sich der Vorgang meist dadurch ein, dafs 
in der Höhe der primären Hartbastbündel die zwischen zwei Bündeln 
liegenden, chlorophyllführenden Parenchymzellen sich radial und stärker 
noch tangential strecken und bei dieser Vergröfserung sich bogenförmig 
nach aufsen wölben. Der mechanische Ring erscheint dadurch gelockert, 
dafs die Bastbündel weit auseinandergerückt werden und die Collenchym- 
schichten weniger entwickelt sind. Bei stärkeren Intumescenzen erweist 
sich die gelockerte Stelle tiefer gehend, indem auch der Holzkörper 
seine prosenchymatischen Elemente und Markstrahlzellen zu einem 
weitmaschigen Parenchym umändert. | 

R A 2) Soraver, P., Über Intumescenzen. Ber. d. Deutsch. Bot. Ges. 1899, Bd. XVII, 

+ 90, 


444 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


Über die Vorgänge, die sich bei der Bildung der moosartig 
zusammenstehenden Intumescenzen bei Acacia pendula abspielen, gibt 
die beistehende Figur 82 hinreichend Aufschlufs. Es bedeutet m Mark- 
körper, » Holzring, e Cambium, b Hartbastgruppen, e Epidermis, s be- 
ginnende Streckung innerhalb der Primärrinde, w' die in gewundenen 
Parallelreihen aufsteigenden, schlauchförmig gewordenen Rinden- 
parenchymzellen, welche bei ww nach Durchbruch der Epidermis garben- 
artig auseinanderweichen. h 

In Fällen hochgradiger Intumescenz greift der Vorgang der Über- 
verlängerung rückwärts in die Sekundärrinde hinein und weitet die 


Fig. 83. Blume von Cymbidium Lowi mit drüsenartigen Intumescenzen (a auf den 
Perigonzipfeln. (Orig.) 


Zellen der Phloömstrahlen (q) aus. ‚Ja es kommen sogar Fälle vor, im 
denen der Holzring in seinen letztgebildeten Lagen irritiert erscheint, 
indem die äufsersten Splintschichten aus Parenchymholz sich aufbauen. 
Nicht selten beobachtet man, ebenso wie bei Intumescenzen an ver- 
schiedenen Arten von Kucalyptus, das Vorherrschen und bisweilen 
ausschliefsliche Auftreten der Intumescenzen auf der dem Lichte zu- 
gewandten Zweigseite. Nach den in früher angeführten Fällen ge- 
gebenen Erklärungen erübrigt sich hier eine eingehendere Besprechung. 


Am seltensten sind die Intumescenzen an Blütenorganen. Ich be- 
obachtete einen derartigen Fall bei Oymbidium Lowi. Die nermal 


Übermäfsige Luftfeuchtigkeit. . 445 


srofsen, sonst gut ausgebildeten Blüten zeigten an den Perigonblättern 
unterseits quittengelbe oder gelbgrüne, halbkugelige Höcker (Fig. 83 a); 
ebensolche Gebilde waren auch auf dem Fruchtknoten zu finden. In 
der Jugend besafsen sie eine glatte Oberfläche, später platzten sie in der 
Gipfelregion und vertieften sich trichterartig. An den alten Knötchen 
war die Vertiefung bis zur vollständigen Durchlöcherung der 
Perigonzipfel fortgeschritten. Die Blumen wurden dadurch un- 
verkäuflich. In der beistehenden Figur 84 sieht man die unterhalb der 
Epidermis (e) der Unterseite eines Perigonblattes befindliche Zellschicht 
zu aufrechtstehenden, anfangs kuppenartig zusammengeneigten, keuligen 
Schläuchen ausgewachsen (s), die zunächst von der an der Streckung 
unbeteilisten braunwandigen, verquollenen 
Epidermis zusammengehalten werden. Nach 
Sprengung der Oberhaut weichen die nun- 
mehr selbst derbwandig, tiefbraun und in- 
haltsarm werdenden Schläuche garbenartig 


I Elestwonsssse 


Fig. 84. Querschnitt durch eine Intumescenz des Perigonzipfels von Cymbidium Lowi. 
Obere Figur Jugendstadium, untere Figur ausgewachsener Zustand. (Orig.) 


0 Oberseite, U Unterseite, e Epidermis, s (obere Figur) Anfang der Streckung der subepidermalen 
Zellen, s (untere Figur) Auseinanderreilsen der keulig überverlängerten Zellen, g Gefäfsbündel, 
w fortgeschrittener Durchlöcherungszustand. 


auseinander. Der Vorgang der Überverlängerung ergreift allmählich 
immer tiefer liegende Zellpartien und kann sich schliefslich bis direkt 
unter die Epidermis der Oberseite fortsetzen (w), worauf eine Zerreifsung 
dieser Epidermis und eine Durchlöcherung des Perigonzipfels zustande 
kommen!), 

Die Anfangsstadien der Intumescenzen wurden am Fruchtknoten 
studiert. Man bemerkt zunächst, dafs an einer Stelle einige Oberhaut- 
zellen eine gelbbraune, verquollene Wandung bekommen und ganz un- 
merklich über die Oberfläche hervortreten. Unterhalb derartiger Stellen 
ist das Gewebe noch vollkommen farblos, aber dichter gedrängt und 
1) Soraver, P., Intumescenzen an Blüten. Ber. d. Deutsch. Bot. Ges. 1901, 
Bd. Z1X, 9-19; 


446 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


reichlicher mit Plasma und ölig aussehenden Tropfen erfüllt. Bei 
einigen dieser Zellen hat bereits eine radiale Streckung stattgefunden, 
die bis zur steilen Aufrichtung und einer Querfächerung derselben sich 
steigert. Der Vorgang greift allmählich auf die Umgebung, namentlich 
auf die dicht unterhalb der Epidermis liegenden Zellen über. Die sich 
überverlängernde Schicht wird auffällig dickwandig und färbt sich 
kaffeebraun, während die zusammensinkende, verquellende Epidermis 
eine hell gelbbraune Kappe bildet. Die Verfärbung ist von einem Ver- 
korkungsprozesse begleitet, und diesem ist es wahrscheinlich zu- 
zuschreiben, dafs an den noch nicht vollständig entwickelten und daher 
noch in Streckung begriffenen Organen die spröde gewordenen Zell- 
partien zerreilsen und abbröckeln. Dadurch wird die trichterförmige 
Vertiefung am Gipfel der Intumescenz ein- 
geleitet. 

Von den auf Früchten auftretenden Intumes- 
cenzen sind mir am häufigsten solche auf un- 
reifen Hülsen von Bohnen und Erbsen zu- 
gegangen und zwar mehrfach mit der Bemerkung, 
dafs reiche Pilzrasen sich auf den Hülsen an- 
gesiedelt hätten. Die Früchte erscheinen, 
namentlich wenn sie in der Nähe der Erdober- 
fläche sich befinden, stark mit Warzen bedeckt 
und erwecken den Verdacht starker Verpilzung, 
wie beistehende Erbsenhülsen (Fig. 85) erkennen 
lassen. 

Auf Querschnitten gewahrt man an ein- 
zelnen, dem blofsen Auge noch glatt erscheinen- 
den Stellen, dafs einige Epidermiszellen sich 
bereits zu strecken beginnen. Dieselben liegen 
oftmals unmittelbar neben einer Spaltöffnung, 
ohne dafs aber sonst dieser Apparat bei der 
Entstehung der Intumescenzen mitwirkte. All- 
mählich beteiligen sich auch die darunter- 
liegenden Parenchymzellen an dem Streckungs- 
vorgang. Die gestreckten Elemente fächern 
sich durch Querwände, und es entstehen nun 

Fie FERN feste, aus anfangs oft säulenförmig aneinander- 
ig.85. Erbsenhülsen . ; . 2 
ni drüsig- aufgetriebener gereihten Zellreihen gebildete Warzen, die über 
Aufsenfläche. (Orig.) l mm Höhe erreichen. Sie werden später durch 
Absterben der peripherischen Schichten braun, 
und ihre Zellreihen weichen nach Zerklüftung der Decke garbenartig; 
auseinander. 

Das Stadium der höchsten Entwicklung stellt sich in Fig. 86 dar. 
Es bezeichnet fr den noch normalen Teil der Fruchtwand; e Epi- 
dermis, p sind die z. T. sich kreuzenden Lagen dickwandiger Ele- 
mente der inneren pergamentartigen Fruchthaut. Im Zentrum der 
Wnucherung (w) erkennt man die langgestreckten, säulenartig gestellten 
Parenchymzellen, die nach aufsen hin unregelmäfsig fächerartig aus- 
einandergehen. Die in aer Zeichnung dunkel gehaltenen Randzonen (2, 2) 
deuten das im Absterben begriffene Gewebe an. Die Wandungen 
dieser zusammengesunkenen, zu sich kräuselnden Zipfeln oftmals ver- 
schrumpfenden. Parenchymgruppen erscheinen gelb bis. braun und 
verleihen den Warzen eine erdartige Färbung. Durch die. vielfache 


Übermäfsige Luftfeuchtigkeit. 447 


Zerklüftung der Intumescenzen, die manchmal so dicht stehen, dafs 
nur wenige normale Epidermiszellen sie trennen, erhält die ganze 
Fruchtwand stellenweise eine moosartige Oberfläche. 

Auch die pergamentartige Innenwand der Hülsen kann intumes- 
eieren, und zwar ist dies sogar häufiger der Fall als bei der Aufsen- 
wand. Bei manchen Erbsensorten mit sehr markigen Hülsen findet 
man fast alljährlich auf der festen, glatten Innenseite weifse, wie 
Schimmelrasen aussehende Gewebefilze. In einem Falle fand ich im 
intumescierten Gewebe zahlreiche Oosporen, die vermutlich zu Peronospora 
Vieiae gehört haben. 

Aus den bisher angeführten Beispielen ergibt sich, dafs auf allen 
oberirdischen Organen der Pflanze die Intumescenzen auftreten können. 
Sie bilden nur ein Glied in emer Kette von Erscheinungen, die z. T. 
gemeinsam miteinander auftreten, z. T. sogar ineinander übergehen. 
Die einfachsten Störungen haben wir als „Aurigo“ angesprochen; sie 
charakterisierten sich durch 
Verarmung einzelner Gewebe- 
gruppen im Blattinnern unter 
Zerstörung des Chlorophylil- 
apparates meist unter Zurück- 
lassung von Carotinkörpern. 
Während des Verschwindens 
desChlorophylis bemerkt man 
ein Bestreben der Zellen sich 
auszudehnen; sie füllen die 
Intercellularen aus, wobei sie 
auf die Umgebung einen 
Druck ausüben, und sterben 
schliefslich unter Verkorkung 
der Zellwandungen. Man 
kann derartige Nester über- 
verlängerter Zellen auch als 
„innere Intumescenzen“ 
bezeichnen. Bei den eigent- Fig. 86. Querschnitt durch die intumescierte 
liehen- Intumescenzen : :be- Aufsenseite einer Erbsenhülse. (Orig.) 
ginnen die Vorgänge der Ver- 
armung und Zellstreckung in den peripherischen Schichten des Organs, 
und zwar meist in den subepidermalen Zelllagen, seltener in der Epi- 
dermis selbst. Der Vorgang der Überverlängerung ist hier unbehinderter, 
und häufig schreitet er in die tiefer liegenden Gewebeschichten fort, so 
dafs wir Fälle von Intumescenzen haben, die an der Unterseite des 
Blattes beginnen und allmählich das gesamte Mesophyll bis zur oberen 
Epidermis umfassen. Wenn sich in dem intumescierenden Gewebe Kork- 
bildung einstellt, sehen wir schwielige oder grubige Korkherde auftreten, 
welche bis zur vollständigen Durchlöcherung eines Blattes führen können. 

Am Achsenkörper äufsert sich die Intumescenz in Hypertrophie 
des Rindenparenchyms, das in abgeschlossenen Einzelherden in Form 
von Warzen mit elatter oder mannigfach zerschlitzter Oberfläche aus 
der Rinde hervorbricht. Bleiben die Vorgänge der uberverlängerung 
nicht auf kleine, isolierte Einzelherde beschränkt, sondern ergreifen das 
parenchymatische Gewebe in grofsen, zusammenhängenden Flächen, so 
reifsen die Organe auf und stellen dann jene Zustände dar, die wir 
bei der „Wassersucht“ kennen gelernt haben. 


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448 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


Obgleich somit die genannten Erscheinungen innerlich zusammen- 
gehören, haben wir sie doch getrennt behandelt, weil zu ihrem Zustande- 
kommen bald die eine, bald die andere Ursache vorwiegend sich 
geltend macht. Für die Intumescenzen erweist sich das Vorhandensein 
einer mit Feuchtigkeit reichlich versehenen Atmosphäre als ausschlag- 
gebend, wie sich aus den Beobachtungen zahlreicher Forscher ergibt. 

Indem ich betreffs meiner eignen und anderweitigen älteren Unter- 
suchungen auf die Literaturangaben in Küster’s pathologischer Anatomie!) 
verweise, führe ich hier nur einige besonders eingehende Arbeiten an. 
Ein Teil derselben beschäftigt sich mit der Frage des Lichteinflusses 
bei dem Zustandekommen einer Intumescenz. In dieser Beziehung 
erklärt Arkınson?), dafs eine Erhöhung der Turgescenz in den Blättern 
durch die herabgedrückte Transpiration zustande kommen wird, wenn 
die Glashäuser schwach beleuchtet sind. Tatsächlich fand ich in der 
Mehrzahl der Fälle Intumescenzen zur Herbst- und Winterzeit, wenn 
die Glashäuser nach der Überführung der Pflanzen aus dem Freien bei 
dem kühlen, trüben Wetter geheizt werden mufsten. TROTTER?) spricht 
direkt aus, dafs Halbdunkel die Bildung von Intumescenzen begünstige, 
ja STEINER*) sah solche sogar im Dunkeln entstehen, aber nur in den 
ersten Tagen der Verdunkelung, so dafs man eine Nachwirkung der 
vorangegangenen Lichtarbeit vermuten darf. Dieser Autor beobachtete 
auch bei Rxellia und Aphelandra, dafs die Pflanzen bei gleicher Luft- 
feuchtigkeit nach einigen Wochen aufhörten, Intumescenzen zu bilden, 
sich also der hochgradig feuchten Atmosphäre angepafst hatten. Dafs 
der schroffe Ubergang von trockner zu feuchter Luft wirklich 
ausschlaggebend ist, geht daraus hervor, dafs die genannten Pflanzen 
wieder anfingen, Intumescenzen zu bilden, nachdem sie drei Wochen 
hindurch in trockner Luft gehalten und dann in die feuchte wieder 
zurückgebracht wurden. 

Unter Wasser sah STEINER keine Intumescenzen entstehen, wohl 
aber konnte Küster’) solche an Pappelblättern wahrnehmen, die er 
auf Wasser oder Nährlösungen schwimmen liefs, und zwar im Dunkeln 
wie im Licht. Nur bei allzu intensiver Beleuchtung unterblieb dieser 
Vorgang, wahrscheinlich infolge der geförderten Transpiration. Im 
Gegensatz hierzu stehen die Angaben von VıaLa und PacotrEr®), welche 
bei der Beschreibung von Intumescenzen auf Weinblättern in Glashäusern 
angeben, sie hätten durch direkte Versuche festgestellt, dafs die In- 
tumescenzen durch Lichtüberschufs in feuchter Atmosphäre erzeugt 
werden. Nur unmittelbar unter dem Glase sind solche entstanden. 
Dieselbe Beobachtung wird aus dem Missouri Botanical Garden ge- 
meldet. 

Die eingehendsten experimentellen Studien finden wir in den Ar- 

1) Küster, Erssr, Pathologische Anatomie. Jena 1903. Gustav Fischer. 

2) Arkınson, G. F., Oedema of the tomato. Bull. Cornell Agric. Exp. Station 
1893, No. 53. 


3) Trorrer, A., Intumescenze fogliari di Ipomea Batatas. Annali di Botanica. 
1904, No. 1. 


*) Steiner, Runorr, Über Intumescenzen bei Ruellia formosa und Aphelandra. 
Porteana. Ber. d. Deutsch. Bot. Ges. 1905, Bd. XXIII, S. 105. 

5) Küster, E., Über experimentell erzeugte Intumescenzen. Ber. der Deutsch. 
Bot. Ges. 1903, Bd. XXI, S. 452. 


6) Vıara et Pacorıer, Sur les verrues des feuilles de la vigne. Compt. rend. 
Acad. d. sciences 1904, No. 138. 


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Bi. el 


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Verlag von Paul Parey in Berlin SW., Hedemannstrafse 10. 


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Heft II. Mit 2 Tafeln. Preis? M. Inhalt: Frank, Bekämpfung des Unkrautes durch Metall- 


salze. — Hiltner, Wurzelknöllchen der Leguminosen. — Jacobi, Aufnahme von Steinen 


durch Vögel. — Rörig, Bekämpfung des Schwammspinners. 
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krankheit der Kiefer, 


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Übermäfsige Luftfeuchtigkeit. 449 


beiten von Mifs DatE !), welche bei Hibiseus vitifolius beobachtete, dafs die 
selben und roten Strahlen besonders wirksam zur Hervorrufung von 
Intumescenzen sich erweisen.. Betreffs der Wirkung der plötzlichen 
Änderungen in den Vegetationsbedingungen sind: ihre Versuche mit 
Kartoffeln sehr lehrreich. Die Pflanzen wurden im Kalthause heran- 
gezogen und dann im Warmhause bei ungefähr 21° ©. unter einer hell 
beleuchteten Glasglocke aufgestellt. Bereits nach 48 Stunden waren NEW voRk 
der Stengel und fast alle Blätter auf ihrer, Oberseite mit einer Unmenge BOTANIC=ı 
von blafisgrünen Erhabenheiten bedeckt. Wurden die Pflanzen darauf a4rnen. 
in trockne Luft gebracht, schrumpften die. Bläschen zu schwarzen 
Flecken zusammen, oder es entstanden Durchlöcherungen der 
Blätter. Fielen bei längerem Aufenthalt unter der feuchten Glocke 
einzelne Blätter ab, so entstand an der Blattnarbe ein grofses Polster 
von Intumescenzen, das Ähnlichkeit mit Wundkallus hatte. Altere Pflanzen 
entwickelten unter gleichen Bedingungen nicht so schnell und auch 
nicht so zahlreiche, ganz alte Blätter überhaupt keine Intumescenzen. 
Blattstücke, auf feuchte Baumwolle gelegt, waren nach etwa zwei Tagen 
dicht mit Auftreibungen bedeckt. Schnell gewachsene Pflanzen reagierten 
am leichtesten auf den Reiz des plötzlichen Feuchtigkeitswechsels. 

Die angeführten Beobachtungen stützen unsere Anschauungen, dafs 
die Intumescenzbildung die Reaktion des Organs auf einen Stofs ist, 
den dasselbe durch eine plötzliche Erhöhung der Luftfeuchtigkeit er- 
halten hat. Nur das jugendliche Organ ist reaktionsfähig. Wenn ältere 
Blätter, wie wır dies z. B. bei Solanum Warscewiezii zu beobachten 
(Grelegenheit hatten, nach dem Transport aus dem Freien in ein feuchtes 
Glashaus noch mit Intumescenzbildung antworten, so sind dies Ausnahme- 
fälle von besonderer Erregbarkeit der Spezies. Solche Fälle kommen 
bei verschiedenen Pflanzengattungen vor. 

Abweichend von andern Forschern erblicken wir in der Intumescenz- 
bildung stets die Folge einer Hemmung in der Assimilationsenergie. 
Dieselbe kann sowohl durch Lichtmangel als durch Lichtüberschufs 
herbeigeführt werden; sie äufsert sich aber stets durch geringe Neu- 
bildung fester Reservestoffe, meist sogar durch Lösung der vorhandenen 
geformten Inhaltskörper der Zellen. Die Abwegigkeit in der Assimi- 
lationsarbeit kann sehr gut, wie DALE annimmt, mit einer Steigerung 
des Oxalsäuregehaltes in den Zellen zusammenhängen und in der 
abnormen Turgorsteigerung zum Ausdruck kommen. Ebenso kann der 
Wurzeldruck dabei ausgeschaltet sein, wie die Experimente mit einzelnen 
Blättern und Blattstücken beweisen. 

Die von mir behauptete Unzulänglichkeit der Assimilationsarbeit, 
die sich in der Intumescenzenbildung kundgibt, kann selbstverständlich 
durch verschiedene Kombination der Vegetationsfaktoren eingeleitet 
werden. In der Mehrzahl der von mir beobachteten Fälle glaube ich 
die Veranlassung in einer Steigerung von Wärme und Feuchtigkeit 
während einer Periode der Pflanze zu erblicken, in welcher sie ın 
natürlichem Ruhezustande sich befindet oder durch äufsere Umstände 
zu einer Assimilationsruhe gezwungen worden ist. Uber Verhütungs- 
mafsregeln gibt der folgende Abschnitt Aufschlufs. 


LIBRARY 


nm 
— 1) Darz, E., Investigations on the abnormal outgrowths or intumescences on 
—Hibiscus vitifolius. Phil. Trans. R. Soc. of London. 'ser. B. 1901, vol. 194. — 
«m Pau, E., Further experiments and histological investigations on intumescences, 

with some observations on nuclear division in pathological tissues. Phil. Trans. 
OR. Soc. of London 1906, ser. B. vol. 198. 


_ Sorauer, Handbuch. 3. Aufl, Erster Band, 29 


’ 


450 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


Die Knötchenkrankheit der Gummibäume. 


Die Blätter zeigen auf der Unterseite zahlreiche, sehr kleine, drüsige 
oder knötchenartige, halbkugelige Auftreibungen. Dieselben werden 
durch schlauchförmige Streckung (Fig. 87 int) von Zellen des Blatt- 
fleisches hervorgerufen, welche im normalen Zustande Gestalt und Ge- 
füge wie auf der mit m bezeichneten Seite des Bildes besitzen, also 
durch mehr oder weniger grofse Intercellularräume (?) gelockert sind. 
Das krankhaft überverlängerte Gewebe (int) der Blattunterseite nähert 
sich somit dem normalen, aus Palisadenparenchym (p) gebildeten Blatt- 
tleisch der Oberseite, die mit einer dreifachen Epidermis (e) versehen 


Fig. 87. Querschnitt durch ein Blattknötchen des Gummibaumes. (Orig.) 


ist. Von diesen drei Schichten ist die äufserste kleinzellig und mit 
einer sehr starken Cuticularglasur versehen. Die innerste Zelllage der 
Oberhaut zeigt dünnwandigere, verhältnismäfsig sehr weite Zellen (z), 
welche als wasserspeichernde Schutzschicht angesprochen wird. Einzelne 
sackartig ausgeweitete Zellen dieser Schicht bergen jene eigenartigen 
traubenförmigen mit Kalk inkrustierten Zellstoffkörper (c), welche als 
Cystolithen bekannt sind. 

Der feste Abschlufs der Blattoberseite mufs ungünstig für den 
Durchlüftungsprozefs des Blattes sich erweisen; aber dafür besitzt die 
Blattunterseite die förderlichen Einrichtungen. Das Schwammparenchym 
zeigt grofse Intercellularen (7), deren Binnenluft durch die Atemhöhle (a) 


Übermäfsige Luftfeuchtigkeit, 451 


und den Spaltöffnungskanal (st) nach aufsen entweichen und frisch ein- 
tretender Aufsenluft Platz machen kann. Die Wasserzuleitung erfolgt 
durch die Blattnerven, von denen einer bei g durchschnitten zu sehen 
ist und bei r die grofsen Gefäfsröhren zeigt. Der Weg für die im 
Blatte erzeugten, nach dem Stamme abflieisenden organisierten Bau- 
stoffe ist in sch, der Gefäfsbündelscheide, angedeutet; % bezeichnet die 
Stelle, bei der die Zellen durch übermäfsig gesteigerten Turgor sich zu 
vergröflsern beginnen und damit die Intercellularräume ausfüllen, also 
zunächst „innere Intumescenzen“ bilden. Der überreiche Wassergehalt 
kommt noch mehr in dem peripherischen Gewebe zum Ausdruck, da 
dasselbe, nur unter dem Druck der Epidermis stehend, sich schlauch- 
förmig verlängern und samt der Oberhaut emporwölben kann (int). 

Tatsächlich ist also die Knötchenkrankheit des Gummibaumes eine 
regelrechte Intumescenz, die in den vorigen Abschnitt gehört. Wir 
haben die Krankheitserscheinung aber deshalb abgegliedert, weil sie 
bei der Anzucht von Ficus als Marktpflanze eine wesentliche prak- 
tische Bedeutung erlangt. 

Die Krankheit tritt seltener bei den gärtnerischen Kulturen als bei 
denen der Liebhaber auf und führt zur vorzeitigen Entblätterung. Sie 
kommt, wie ich experimentell nachweisen konnte, dadurch zustande, 
dafs die Pflanzen zur Zeit, in der sie ihren Trieb abgeschlossen haben, 
und ihre Transpirationsgröfse zurückgeht, durch übermäfsige Wärme 
und reichliche Bodenfeuchtigkeit zu erneuter Tätigkeit gereizt werden. 
Ich erzielte die Intumescenzen dadurch, dafs ich einen Gummibaum, 
der im Sommer kräftig getrieben hatte und dann in normale Ruhe 
übergegangen war, im Winter nicht kühler und trockner hielt, sondern 
in einem stark geheizten Zimmer am Fenster aufstellte und reichlich 
begofs. Die älteren Blätter fielen darauf ab, während auf den jüngeren 
sich Intumescenzen einstellten. Nachdem der Baum hell, aber kühler 
gestellt wurde, blieben die intumescierten Blätter bis zum nächsten 
Sommer am Stamme, und derselbe trieb wieder gesund, wenn auch 
schwächlich, weiter. 

Diese Erkrankungsart und ihre Heilung dürften als Norm für alle 
derartigen Fälle anzusehen sein. Die Intumescenzen sind also hoch- 
bedeutsame Symptome einer abnormen Turgescenz bei allen 
Kulturen. Sobald sie sich zeigen, ist es Zeit, die Pflanzen möglichst 
hell, aber kühler zu stellen und mit dem Bewässern nachzulassen. 


Die Hautkrankheit der Hyaecinthen, 


Unbeachtet, obgleich sehr häufig ist die Erscheinung, die in Fig. 88 
sich darstellt. Anstatt dafs wie bei gesunden Zwiebeln die äufseren 
Schuppen glatt sind und, die Zwiebel fest umschliefsend, bis an den 
Zwiebelhals hinauf zu reichen pflegen, erscheinen bei der Hautkrankheit 
die äufsersten Schuppen kurz und mit vertrocknenden Rändern zurück- 
sterbend. Nicht selten sind derartige Hyacinthen geplatzt und besonders 
in der Nähe der Rifsstelle mit trocknen Blattern dicht besetzt. An den 
noch fleischigen äufseren Zwiebelteilen sind Ansiedlungen des blau- 
grünen Pinselschimmels (Penieillium glaucum) ein häufiges Vorkommnis, 

Die einzeln stehenden oder miteinander verschmolzenen Blattern 
sind oberseits abgeflacht und nicht selten spaltenförmig eingerissen. 
Auch in dem gefärbten Teile normal abgetrockneter Zwiebelschuppen 
sieht man oft reichlich solche geschwürartig aufgetriebenen, gelben 

29° 


452 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


Stellen, welche fast immer Mycel erkennen lassen; dasselbe erweist 
sich bei der Kultur als zu Penieillium gehörig. Das Gewebe solcher 
Stellen unterscheidet sich von dem gesunden Teile der Schuppe durch 
die gelben, ungemein spröden, in schartkantige Stücke zerspringenden 
Wandungen und durch das weite Lumen der Zellen, während die- 
jenigen des gesunden Teiles mit ihren etwas gequollenen, dicken, farb- 
losen Wandungen bis zum Verschwinden des Lumens zusammen- 
gesunken sind. Die Stärke ist nicht nur in dem gelbwandigen, bis- 
weilen quer die Schuppe durchsetzenden, verkorkten und durch nach- 
träglich entstandene Korkzellen aufgetriebenen Gewebe, sondern auch 
in der farblosen Umgebung bis auf Spuren verschwunden. 

Nach Entfernung der erkrankten trocknen Zwiebelschalen bemerkt 
man auf den noch vollständig weilsen, saftigen, bis an den Zwiebel- 
hals normal hinaufreichenden Schuppen ein von oben her beginnendes 
Abtrocknen derselben. Hier verliert das Gewebe den natürlichen Glanz 
und den Turgor, so dafs 
allmählich der Schuppen- 
teil durch Zusammensinken 
der Zellen zwischen den 
nunmehr deutlicherhervor- 
tretenden Grefäfsbündeln 
ein faltıges Aussehen be- 
kommt. Aufserdem pflegt 
der Rand gelblich zu 
werden. Dabei erscheinen 
an tieferen Stellen des 
fleischigen,, weifsen, vor 

Straffheit glänzenden 
Schuppenteils kleine, läng- 
liche, glasig durchschei- 
nende, gelbliche, schon 
schwach über die Ober- 

fläche hervortretende 


Fig. 88. Hyacinthenzwiebel mit den Blattern der Flecke. Dieselben a: 

Hautkrankheit behaftet. (Orig.) gröfsern sich in wenigen 

s Schuppe, welche glanzlos wird. b Blatterbildung, Tagen und werden durch 

r abtrocknender Rand, k junge Zwiebel. . . 

ö einen lehmgelben, saftigen 

Rand alsbald mehr in die Augen springend. Dann aber schreitet die 

Veränderung langsamer fort, indem die Auftreibung nur allmählich 

deutlicher hervortritt und ihre Mitte weifslich, trockenhäutig und 

längsfaltig wird. Mit zunehmendem Alter sinkt die Mitte ein, und 

schliefslich erscheint sie durchlocht. Bei Behandlung mit Schwefelsäure 

sieht man die obere, unmittelbar unter der Outicula liegende Lamelle 

(Fig. 89 !) der etwas mehr verdickten Epidermiszellen sehr stark auf- 
quellen, und dann erkennt man darin bisweilen Mycelfäden. 

Der Querschnitt durch die erkrankte Schuppe (Fig. 89) zeigt bei 

b eine ältere, links davon eine jüngere Blatter. Man erkennt, dafs in 

der verfärbten Epidermis die Wandungen verquollen sind, und dieser 

Quellungs- und Verkorkungsprozefls (vk) sich in der älteren Blatter be- 

reits durch die ganze Dicke der Schuppe fortgesetzt hat. Dort ist das 

fleischige, stärkelose Parenchym, das anfangs (p) noch farblos und in 

normaler Lagerung sich zeigte, schon strangweise zusammengesunken 
und bildet erhärtende Stellen mit unregelmäfsigen Lücken (2). 


Übermäfsige Luftfeuchtigkeit. 459 


In den Zellen unmittelbar unter der aufgetriebenen Epidermis 
sieht man keinen Zellkern mehr, während die nächst inneren denselben 
noch besitzen, aber braungefärbt zeigen. In der Epidermis entstehen 
Korkzellen, während das darunterliegende Parenchym mit der 
Trommerschen Probe Zucker erkennen läfst. In diesem zuckerreichen 
Gewebe schreitet die Korkbildung fort, und da die verkorkten Zellen 
nicht zusammenfallen, erheben sie sich allmählich mehr und mehr 
über das andere Gewebe der Zwiebelschuppe, dessen Wandungen die 
Cellulosereaktion behalten und zusammensinken. 


Die Analysen ergaben an Trockensubstanz 


; gesunde Zwiebeln kranke Zwiebeln 
in den äufseren Schuppen . 34,60%/0 51,82 0/0 36,7 0/0 59,43 %/o 
in den inneren Schuppen, . 22,4%o 33,50 %o 82,6% 40,16 90° 


Demnach sind die kranken Zwiebeln reicher an Trockensubstanz, 
was nicht auffallen kann, da bei ihnen der Abtrocknungsprozefs der 
äulseren Schuppen viel weiter fortgeschritten ist. 


= eh ; 
N Tr ae Er o: 
ET a | ——, % en R 
—> m ST em m Pas Sa N Be En nid wen 
>= m h nd 


mann 


Fig. 89. Querschnitt durch eine hautkranke Zwiebelschuppe der Hyacinthe. (Orig.) 


Es enthielten nach Entfernung aller braungefärbten Schuppen an 
Zucker (als Traubenzucker bestimmt und auf Trockensubstanz berechnet) 


gesunde Zwiebeln kranke Zwiebeln 


in den äufseren Schuppen . . 0:71°!0 0,82 9/0, 
in den inneren Schuppen . . 1,23 9/0 1,66 Jo. 


Das heifst, es sind die Zwiebeln in den inneren Jüngeren Schuppen 
zuckerreicher als ın den älteren, und bei der Krankheit sind innere 
und äufsere Schuppen zuckerreicher als im gesunden Zustande. 

Wir erhalten somit dieselben Resultate, welche bei der Ringel- 
krankheit gefunden worden sind. Tatsächlich kommen beide Krank- 
heiten häufig gemeinsam vor, und diese Blattern, die als Intumescenzen 
zu bezeichnen sind, erweisen sich als Symptom für eine geringere Reife 
der Zwiebeln, das grade bei sehr üppigen, geplatzten Exemplaren zu 
finden ist. Dafs sich das Penicillium auf solchem Boden schnell und 
häufig ansiedelt, ist selbstverständlich. Die Hautkrankheit verdient 
daher als Symptom eine grofse Beachtung und weist darauf hin, dafs 
die Zwiebeln in einem sandigen, nicht zu humusreichen und zu 
feuchten Boden kultiviert werden sollen. 


454 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


Das Glasigwerden der Kakteen. 


An verschiedenen Kakteen beobachtet und an Cereus nyeticalus Lk. 
näher von mir untersucht wurde ein Krankheitszustand, der sich durch 
das Auftreten glasiger, später sich schwärzender Stellen charakterisiert. 
Bei den weicheren Cereen führt eine gröfsere Ausdehnung dieser 
Gewebeveränderung zum Absterben des darüberstehenden Stammteils. 
Der Tod erfolgt entweder durch Zusammentrocknen des geschwärzten, 
in seiner Struktur verbleibenden Gewebes oder (bei Mitwirkung von 
Bakterien) durch Eintritt eines breiartigen Zustandes, wobei die Ober- 
haut durch geringen Fingerdruck sich ablösen läfst. Bleibt der 
Krankheitsherd auf eine Seite des Stengels beschränkt, vermag sich 
derselbe unter Zurücklassung tiefer schüsselartiger Wundstellen aus- 
zuheilen. 

Das Habitusbild auf Seite 456 stellt ein Stammstück von Cereus 
nycticalus dar, das am oberen Ende geschwärzt und breiartig erweicht 
ist. Von dem erweichten Teile ist durch schiefen Druck des Fingers 
ein Oberhautfetzen abgelöst worden. An der Basis des Stammstückes 
befinden sich ausgeheilte Wundstellen, die bis auf den Holzring des 
Achsenzylinders reichen. 

Bei Durchmusterung sehr stark erkrankter Exemplare bemerkt man, 
dafs eine Anzahl glasiger Stellen schwielig über die Oberfläche hervor- 
tritt. Der Querschnitt zeigt, dafs zwar die äufsere Rindenpartie des 
Stammteils noch dunkelgrün und normal gebaut sich erweist, aber 
die darunterliegenden Rindenschichten chlorophylllos und stärkearm 
sind und stark vergröfserte Zellen besitzen, welche die Ursache der 
schwieligen Auftreibung sind. Im Gegensatz zu den gewöhnlichen 
Intumescenzen, bei welchen die schwielige, oftmals berstende Gewebe- 
wucherung durch Streckung der subepidermalen Lagen eingeleitet wird, 
habe ich die abnorme Vergröfserung der tiefer im Gewebe eingesenkt 
liegenden Zellnester als „innere Intumescenzen“ bezeichnet. Da- 
mit reihen sich diese Vorkommnisse an die Erscheinungen der vorher 
beschriebenen Gelbsprenklichkeit an. Auch hier bestehen die An- 
fangsstadien der Erkrankung in dem Auftreten imhaltsarmer, sich 
bräunender und verkorkender Zellnester mitten im grünen Gewebe; 
nur leiden bei den Kakteen die Stengel, während bei Pandanus die 
Umänderungen in den Blättern sich abspielen. 

Die Nester der meist nach einer Richtung hin sich vergröfsernden 
Zellen fallen zusammen, während nunmehr in der Kaktusrinde die 
hellwandig bleibenden Zellen in der Umgebung dieser Nester sich 
schlauchartig zu strecken pflegen und sternartige Anordnungen bilden. 


Von diesen inneren, erkrankten Gewebeherden greift der Vorgang der . 


Verarmung und Überverlängerung des Rindenparenchyms rückwärts 
nach dem Holzring und seitlich in der Richtung des Rindenumfangs 
beständig weiter um sich, bis ein gröfserer Teil des Stengels gebräunt 
oder geschwärzt ist. Schliefslich werden auch die äufsersten Zelllagen 
von der Verfärbung ergriffen, ohne dafs dabei eine Überverlängerung 
noch einzutreten pflegt, und nunmehr erscheint der Stengel auch dem 
blofsen Auge tief tintenschwarz. 

Der Schwärzungsvorgang tritt schon an den glasig erscheinenden 
Krankheitsanfängen fast augenblicklich nach Ausführung des Schnittes 
ein, so dafs man anfangs an das Vorhandensein übergrofser Mengen 
von Gerbsäure glaubt, die mit dem Eisen des Messers sich verbinden. 


Übermäfsige Luftfeuchtigkeit. 455 


Da aber die Verfärbung auch bei Verletzungen durch ein Hornmesser 
oder einen Platinspatel sich einstellt, so mufs man eine empfindliche, 
durch den Sauerstoff der Luft sich schnell verfärbende Substanz 
voraussetzen. Aber Guajaktinktur allein oder mit Wasserstoffsuperoxyd 
geben keine Blaufärbung. Auf Lackmuspapier zeigt das gesamte Rinden- 
parenchym scharf saure Reaktion. 

Als Faktor, der die Überverlängerung der Zellen einleiten dürfte, 
ist eine Glykoseanhäufung anzusehen; denn bei Behandlung der 
Schnitte nach der Trommer'schen Zuckerprobe erfolgt in dem gesamten 
glasigen Gewebe äufsert reicher Niederschlag von Kupferoxydul, das 
ın dem Mafse spärlicher wird, als man sich dem gesunden Gewebe 
nähert. Umgekehrt verhält sich der Stärkegehalt, der in dem schwerst- 
erkrankten Gewebe gleich Null ist, während die gesündere Umgebung 
reichliche Stärkemengen zeigt. Auffällig ist das Verhalten des oxal- 
sauren Kalkes, der nebst dem Inhalt der Schleimgänge ungemein reich- 
lich auftritt. Im gesunden noch grünen Rindengewebe zeigt er sich 
vorwiegend in Form von Raphiden, während er in dem erkrankten 
Teile meist als kurze Oktaederform und bisweilen in langen Säulen zu 
finden ist. Wahrscheinlich sind verschiedene Mengen von Kristallisations- 
wasser ausschlaggebend. 

Über den Heilungsprozefs belehrt uns die obere Figur der umstehenden 
Abbildung 90; sie stellt ein Stück des Querschnitts durch einen Zweig 
mit vertiefter Wundstelle dar, wıe solche an der Basis des Habitusbildes 
zu sehen ist. M ist der Markkörper mit seinen Schleimzellen, H das 
normale alte Holz, R der Rindenkörper. An der Wundstelle erkennt 
man, dafs der Gewebeschwund ursprünglich die gesamte Rinde (AR) 
erfafst hatte. Der Holzzylinder (4) war aber nicht angegriffen worden. 
Die Wundränder (wr) des Rindenkörpers waren abgestorben und durch 
eine Tafelkorklage (ft) vom gesunden, seitwärts belegenen Rinden- 
parenchym getrennt. In dem stehengebliebenen Rindenteil war neues 
Dickenwachstum eingetreten, das sich durch die Anlage neuer Hartbast- 
bündel (b’) kenntlich machte. Die alten Hartbaststränge in der Wund- 
nähe waren erkrankt und erwiesen sich durch einen Korkmantel ein- 
gekapselt (b). \ 

Die ganze Gewebezone b’- b’ ist nachträglich neu gebildet worden, 
und zwar an den Teilen, welche vom Rindenkörper bedeckt geblieben 
waren, durch eine normale Cambialtätigkeit, dagegen an der Wundstelle 
selbst durch eine Vermehrung des jüngsten Splintes. Denn in der 
Wunde war das Cambium zerstört, und daraufhin ist die letztgebildete 
noch cambiale Holzlage in erneute Zellvermehrung eingetreten und 
hat callusartiges Gewebe gebildet. Die zur Zeit der Neubelebung der 
jüngsten Splintschicht bereits derbwandig gewordenen Gefäfsanlagen 
haben aber an der Vermehrung nicht teilgenommen, sondern sind 
passiv von dem neugebildeten Callus nach aufsen geschoben worden. 
Man erkennt dies daran, dafs diese Gefäfsanlagen (g’), die im Quer- 
schnitt den Gefäfsen (g) im normalen Holzkörper (H) gleichen, sich 
nun isoliert in dem callösen Gewebe vorfinden. 

Genauer kenntlich wird der Heilungsvorgang in der untenstehenden 
anatomischen Figur, die ein Stück Gewebe aus der Lücke des oberen 
Querschnitts darstellt. H bedeutet wiederum den alten Holzkörper mit 
einigen Gefäfsen (g). Dort, wo die diekwandig gezeichneten Elemente 
aufhören, war die tiefste Stelle der Wundfläche. Es verblieben auf 
derselben die jungen Elemente des Splintes, welche nach Aufhören der 


456 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 
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Übermäfsige Luftfeuchtigkeit. 457 


Fig. 90. Das Habitusbild auf der rechten Seite ist ein verkleinertes Stammstück 

von Cereus nycticalus, das, an der Spitze geschwärzt und erweicht, einen durch 

Fingerdruck abgelösten Rindenfetzen zeigt; am unteren Teil befinden sich verheilte, 

tief schüsselartige Wunden. Das obenstehende anatomische Bild gibt den Quer- 

schnitt einer schüsselartigen, verheilenden Wunde wieder. Die untere anatomische 

Zeichnung stellt die Neubildungen und Gewebedifferenzierungen dar, welche bei 
dem Heilungsprozefs der Wunden sich einstellen. 


M Markkörper, H Holzkörper. R Rindenkörper. g normal gelagerte Gefälse. 9’ vorgeschobene 

Gefälse. db durch Kork eingekapselte, tote Hartbastgruppen der Aufsenrinde. b’ junge Hartbast- 

gruppen der Aulsenrinde. wr abgestorbener Wundrand der alten Rinde AR, Das alte Gewebe ist 

durch eine Tafelkorklage (f) vom gesunden abgegrenzt. » und » aus dem Wundcallus differenzierte 
neue Rinde. (Orig.) 


Fäulniserscheinungen sich vergröfserten und vermehrten. Der bereits 
differenzierte jugendliche Splint bildete seine Elemente in lockerer, dünn- 
wandiger Form weiter aus, und daher kommt es, dafs man dünnwandige 
Gefäfse (g’) in einem zarten Parenchymholz wiederfindet. Das ganze 
mit n bezeichnete Gewebe ist Neubildung, deren Entstehung mit der 
Neuberindung geschälter Baumstämme übereinstimmt. Das neue, aus 
Callus hervorgegangene Gewebe weist bereits eine Differenzierung auf, 
welche anzeigt, dafs der Stamm eine neue Rinde an der Wundstelle zu 
bilden im Begriff ist; denn wir finden in der Region unmittelbar vor 
den dünnwandigen Gefäfsen (g’) die ersten parallelen Zellteilungen, die 
auf die Ausbildung einer neuen Cambiumzone hindeuten. Autserhalb 
derselben erkennt man bereits die Anlage von sekundären Hartbast- 
elementen (b’) in einem zwar plasmatischen Inhalt, aber noch keine 
Chloroplasten führenden parenchymatischen Gewebe, das später zur 
normalen Rinde wird. 

Dieser Heilungsvorgang ist aber nur dann beobachtet worden, wenn 
die Pflanzen direktes Sonnenlicht und frische, bewegte Luft zugeführt 
bekamen. Die ganze Erscheinung habe ich bis jetzt nur als eine 
Krankheit in Gewächshäusern kennen gelernt, und zwar in solchen, die 
wegen der Kultur anderer Gewächse wärmerer Zonen eine geschlossene, 
sehr feuchte Luft behalten mufsten. In einem speziellen Falle sah ich 
die Krankheit durch reichliche Lüftung des Gewächshauses zum Still- 
stand kommen und im folgenden Jahre bei neuer Besetzung mit Blatt- 
pflanzen und demgemäfs gesteigerter Luftfeuchtigkeit in verstärktem 
Mafse wiederum auftreten. Daher möchte ich die Erscheinung als eine 
direkte Folge übermäfsiger Luftfeuchtigkeit ansprechen. 

Die Bekämpfungsmafsregeln ergeben sich von selbst. In einem 
Falle hat neben der gesteigerten Licht- und Luftzufuhr auch eine Bei- 
gabe von Gips zur Erde sich vorteilhaft erwiesen. 


Wir haben den Intumescenzen und verwandten Erscheinungen 
einen bedeutenden Raum gewidmet, um dadurch auf deren Bedeutung 
hinzuweisen. Vorzugsweise kommen die Glashauskulturen in Betracht, 
und vielfache Beobachtungen haben mir gezeigt, dafs äufserst zahlreiche 
Krankheiten darauf zurückzuführen sind, dafs man die natürliche 
Ruheperiode der Pflanzen nicht beachtet und sie durch 
hohe Wärme und Feuchtigkeit zu unzeitiger und daher abwegiger 
Produktion reizt. 


458 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


Sechstes Kapitel. 
Nebel. 


In den gemäfsigten Klimaten hört man selten über Beschädigungen 
durch Nebel klagen. Im Gebirge hat sich die Vegetation den reichen 
Niederschlagsmengen angepafst, und der Verzögerung in der Reife der 
Halmfrüchte und im Trocknen der übrigen pflanzlichen Produkte hat 
man durch Kulturmafsregeln nach Möglichkeit abzuhelfen gesucht. 

Dafs in der Ebene sogenannte „Nebellöcher“, auch „Frostlöcher“, 
sind. welche durch starke Flechtenvegetation an den Baumstämmen 
sich auszeichnen, dürfte bekannt sein. 

In den warmen Gegenden wird der Nebel bedeutungsvoller als 
schädigender Faktor, weil er hier als wesentlicher Förderer saprophyter 
und parasitärer Pilze sich geltend machen kann. Den häufigsten Klagen 
begegnen wir bei den Baumwollkulturen, und eingehende 
Schilderungen liegen aus Agypten vor. Davıp!) schreibt aus der 
Baumwollversuchsstation zu Zagazig, dafs an jedem Morgen im Oktober 
in Unterägypten der Boden von schweren, dichten Ausdünstungen 
oder niedrigen Nebeln bedeckt erscheint. Eine allgemeine Folge ist 
zunächst die, dafs die Kapseln sich nicht öffnen, weil die Frucht- 
blätter zu zähe bleiben. Die Laubblätter bekommen rote Flecke, die 
man der Einwirkung der Sonne auf die Tautröpfchen zuschreibt; letztere 
wirken als Brennlinsen. Die Baumwollhaare in den Kapseln faulen 
oder werden durch die Einwirkung eines Schwärzepilzes entwertet. 
Neben der Baumwolle leiden auch Hibiscus esculentus und cannabınus, 
ja selbst junge Maispflanzen. Die wesentlichste Veranlassung zu dieser 
verhängnisvollen Nebelbildung, die von den englischen und Gebirgs- 
nebeln vollständig verschieden ist, gibt das Einsickern des Wassers 
vom Nil her und die während der Brache erfolgende Unterwassersetzung 
des Landes, so dafs der Boden nafs, dicht und schlammig wird. 

Die Empfindlichkeit der Baumwolle erklärt sich aus ihren speziellen 
Ansprüchen an Boden und Klima. Dieselben werden besonders eingehend 
in der Spezialarbeit von OrreEn?) geschildert. Danach verträgt die Baum- 
wolle als Tieflandpflanze keinen steinigen Boden und keine schroffen 
Temperaturübergänge ; sie verlangt in ihrer sechsmonatlichen Wachstums- 
zeit 18—20° C Mittelwärme und ausgiebige Feuchtigkeit, aber erweist 
sich gegen anhaltende Regenzeit sehr empfindlich. „Hohe Luftwärme, 
orofse Bodenwärme, heiterer Himmel bei Tage und reichlicher Taufall 
bei Nacht sind Hauptbedingungen.“ Nach Aufbrechen der Blüten mufs 
trockenes, warmes Wetter herrschen. Sandiger Boden ist besonders 
zusagend; auf humusreichen Böden schiefst die Pflanze zu sehr ins 
Kraut. Tonboden ist gänzlich untauglich, da er die Feuchtigkeit nicht 
durchläfst. 

Übrigens liegen auch Beispiele von Anpassung an das Klima vor. 
So berichten WEBBER und BessryY?), dafs die Baumwolle bei ihrer Über- 
führung von Bahamas nach Georgien anfangs zugrunde ging, doch all- 
mählich sich dem gemäfsigten Klima anpafste. 


') Davıp, Nebel und Erdausdünstungen und ihr Einflufs auf ägyptische Baum- 
wolle. Zeitschr. f. Pflanzenkrankh. 1897, S. 143. 

2) Orren, Die Baumwolle nach Geschichte, Anbau usw. Leipzig. cit. Bot. 
Jahresber. 1902, I, S. 374 

3) Yearbook of the Depart. of Agricult. 1899, p. 469. 


Nebel. 459 


Aber auch die Nebel von der Art der englischen können ver- 
hängnisvoll werden, und zwar in grofsen Städten mit vielen Fabriken. 
Die umfassendsten Studien über Londoner Nebel hat auf Veranlassung 
der Royal Horticultural Society in London F. W. OLiver!) veröffentlicht. 
Die lästigste Beimengung ist der Rauch, dessen Bestandteile als rufsige 
Überzüge nicht nur die Pflanzen, sondern auch die Scheiben usw. über- 
ziehen. Eine Analyse dieser Rufsüberzüge ergab: 


Kahlensteft ; .: (VS mahanseeret 39.0000 
Kohlenwasserstoffe: 4 8 Zettel 
Dreanische ‚Basen A SU Ver ae ar nd aan 2.200 Sin 
Schwetelsäaure ..r. Pan RS ar A Bote 
Balasaure.. 2. en er ea en er Aato 


Anuroialkr a wre HN er line nahe 
Metallisches Eisen und magnetisches Oxyd . 2,63 /o 
Silikate, Eisenoxyd u. a. Mineralstoffe . . . 31,24% 


Je nach der Empfindlichkeit der einzelnen Arten sind die Be- 
schädigungen der Pflanzen entweder nur Verfärbungserscheinungen oder 
führen zum Blattabwurf. Bei ersterer Art sind Blattspitzen und -ränder 
gebräunt, aber die übrige Blattfläche noch arbeitsfähig (Pteris, Odonto- 
glossum etec.). Blattabwurf unter gänzlicher Vergilbung und Bräunung 
oder aber auch ohne äufsere Zeichen einer Beschädigung ist der 
häufigere Fall. Als Ursache der Blattzerstörung wird die Schwefelsäure 
angesehen; aufserdem schreibt OLIVER auch dem metallischen Eisen 
einen schädigenden Einflufs zu. Bei den blattabwerfenden Pflanzen, 
die übrigens vor dem Abfall eine Entleerung der Blätter an Stärke 
erkennen lassen, dürfte die schwefelige Säure in erster Linie ver- 
antwortlich zu machen sein. Die Versuche, welche ein schnelles 
Herabgehen der Transpiration feststellten, ergaben jedoch erst dann 
ähnliche Wirkungen wie bei dem Nebel, wenn gleichzeitig eine Ver- 
minderung des Lichtes eintrat. Diesem Lichtmangel möchte ich auch 
die Entleerung der Zellen zuschreiben; denn bei alleiniger Einwirkung 
der Säure sah ich bei meinen Versuchen den gesamten Zellinhalt 
schnell sterben und der Wandung auftrocknen. 

Von Teersubstanzen war namentlich Pyridin in grofser Menge im 
Nebel enthalten. Bei Versuchen mit Dämpfen von diesem Körper zeigte 
sich, dafs die Blätter nach einiger Zeit schlaff und dunkler grün wurden. 
Die Zellen erwiesen sich als plasmolysiert; das Plasma der Epidermis 
wurde gebräunt, das Chlorophyll aber nicht verändert. Wo Braun- 
färbung eintrat, war in der Regel Tannin in den Zellen. Das Ein- 
dringen des Pyridins erfolgt ähnlich dem der schwefeligen Säure vor- 
herrschend durch die Spaltöffnungen. Ganz ähnliche Wirkungen zeigten 
auch die dem Pyridin verwandten Körper, wie Picolin, Lutidin, 
Nicotin, Thiophen etc. 

Sehr heftig griff Phenol sowohl in wässeriger Lösung als auch 
namentlich in Dampfform das Laub an: starke Plasmolyse, Braunfärbung 
des Plasmas und der Chloroplasten. 

Die Blüten verhielten sich dem Nebel gegenüber ungemein ver- 
schieden; bisweilen zeigten sich wesentliche Unterschiede bei zwei 


!) Orıver, F. W., On the effects of urban fog upon cultivated plants. Journ. 
Hortic. Soc. Vol. XVI, 1893; cit. Zeitschr. f. Pflanzenkrankh. 1893, S. 224, und Gard. 
Chron. XII, 1892, S. 21, 594, 648 usw. 


460 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


Arten derselben Gattung und sogar bei den einzelnen Petalen derselben 
Blüte. Tulpen, Hyacinthen und Narzissen waren sehr widerstandsfähig. 

Von Interesse ist es, dafs infolge des mit dem Nebel verbundenen 
Lichtmangels, wodurch die Assimilation, Transpiration und Respiration 
zurückgedrückt werden, sich manchmal eine eigenartige Gelbfleckigkeit 
einstellte. Dabei schien eine Häufung des Säuregehaltes (weil bei der 
verminderten Atmung weniger organische Säuren verbrennen) ein- 
zutreten und eine damit verbundene Turgescenzsteigerung zu Zell- 
streckungen im Mesophyll zu führen (aur:go). 

Wir haben somit bei dem Nebel in den Städten zwei schädigende 
Faktoren ins Auge zu fassen: die Lichtverminderung und die Gift- 
wirkung der beigemengten Stoffe, welche um so gefährlicher ist, je 
lichtbedürftiger die Pflanzen sind. Die einer geringeren Lichtzufuhr 
angepafsten Gewächse (Farne) haben sich weniger empfindlich erwiesen, 

Eine Verminderung der schädlichen Wirkungen derartiger Nebel 
wird nur bei Glashauskulturen möglich sein und ist in England auch 
erzielt worden. Man bediente sich spezieller Reinigungsapparate (Fog- 
annihilator), bei denen die in die Glashäuser eintretende Luft über stark 
absorbierende Substanzen (Holzkohle) geführt wurde. Für Freiland- 
pflanzungen kann nur die Auswahl widerstandsfähiger Arten in Betracht 
kommen. . 


Sıebentes Kapitel. 


Regengüsse. 


Von den schädigenden Einwirkungen, die sogenannte Schlagregen 
auf den Boden ausüben, indem sie die Oberfläche desselben festschlagen 
oder grofse Erdmengen zusammenschwemmen, ist bereits früher ge- 
sprochen worden. Die nächstliegenden Folgen sind die Erscheinungen 
des Sauerstoffmangels für die Wurzeln. Betreffs der Einwirkung der 
Regengüsse direkt auf den Pflanzenkörper kommt zunächst die mecha- 
nische Wirkung in Betracht. Dafs nicht häufiger Pflanzenblätter von 
Platzregen zerschlagen werden oder bei anhaltend sanftem Regen durch 
eine zu gerofse Wasseransammlung leiden, erklärt sich daraus, dafs 
viele Pflanzen Einrichtungen zeigen, durch welche sie befähigt werden, 
derartigen Schädigungen auszuweichen. Eine eingehende Darstellung 
solcher Verhältnisse finden wir bei StauL!) und JunGNER?), welche auf 
die Ausbildung von Träufelspitzen, auf die Stellung und vielfache 
Teilung der Blattflächen usw. aufmerksam machen. 

Weniger in Betracht gezogen sind bisher die mittelbaren Folgen 
des Regens, die durch Verminderung der Transpiration in Verbindung 
mit der starken Wasseraufnahme durch die Wurzeln zustande kommen. 
Dahin gehört das Anschwellen des Holzkörpers bei den Bäumen. 
Nach den Untersuchungen von FRIEDRICH®) findet durch die Herab- 
minderung der Transpiration während der Nachtzeit ein ständiges An- 


!) Sranı., E., Regenfall und Blattgestalt. Ein Beitrag zur Pflanzenbiologie. 
Annal. de Buitenzorg.; cit. Bot. Jahresber. 1893, I, S. 49. 

2) Jus@xer, J. R., Om regnblad, daggblad och snöblad. Bot. Not.; cit. Botan. 
Jahresber. 1893, S. 49. > 

3) Frisprıch, Joser, Über den Einflufs der Witterung auf den Baumzuwachs. 
Mitteil. üb. d. forstl. Versuchswesen Österreichs, Wien 1897, Heft XXII. 


Regengüsse, 461 


schwellen des Baumstammes (abgesehen vom direkten Zuwachs) durch 
Quellung des Holzkörpers statt, während tagsüber .ein Abschwellen 
sich einstellt. Die Differenzen werden zur Zeit der gröfsten Zuwachs- 
tätigkeit am stärksten sein und die Quellung des Holzkörpers bei Eintritt 
von Regen nach längerer Trockenheit besonders scharf hervortreten. 
Rinde und Borke sind dabei mehr passiv beteiligt. Zuwachs und 
Quellung des Holzzylinders werden durch die Luftfeuchtigkeit in ihrem 
Einflufs auf die Baumkrone geregelt. 

Es ist nun leicht ersichtlich, dafs bei Bäumen, solange sie glatt- 
rindig sind, durch starke und plötzliche Schwellungs- und Zuwachs- 
steigerungen die Rinde stellenweise platzen wird. Derartige Wunden 
können in Lagen mit reicher Boden- und Luftfeuchtigkeit zu offenen 
Wunden werden, die, wie ich glaube, durch Bakterienansiedlung sich 
dauernd vergröfsern. Es entstehen dann jene Grindstellen der 
jugendlichen Baumstämme, die man z. B. bei Linden, Ulmen, 
Eschen, Ahorn usw. an nassen Gräben und Dorfteichen beobachten 
kann. 
Mehr noch als bei den holzigen äufsert sich bei den krautartigen 
Gewächsen der Einflufs einer längeren Regenperiode in Erscheinungen 
des Aufplatzens von Früchten und Stengeln. Das bedeutsamste Vor- 
kommnis bei unseren Gemüsekulturen nach dieser Richtung ist das 
Aufreifsen der Gurken; am meisten leiden die Früchte, stellen- 
weise auch die Stengel. Die mit anhaltend regnerischem Wetter viel- 
fach verbundene Depression der Temperatur ist nicht selten die Ursache 
gänzlicher Mifsernten, da die Gurken dann an Gummosis und ver- 
schiedenen Schwärzepilzen leiden. 

Lange, kühle Regenperioden können ferner auch vorzeitigen Blatt- 
fall, schlecht ausgebildete Ahren bei Getreide, geringen Zucker- und 
Stärkegehalt an Rüben und Knollen usw. hervorrufen. 

Mit Recht fürchtet man den Einflufs wiederholter Regenschauer 
zur Blütezeit der Obstbäume und der zur Samengewinnung angebauten 
Feldgewächse. Erstens werden die zur Bestäubung notwendigen Insekten 
von reichlichem Fläg abgehalten und zweitens auch das Aufspringen 
der Staubbeutel und Festhaften der Pollenkörner auf der Narbe 
erschwert. 

Dagegen ist die Anschauung, dafs die Vermehrung der Bakterien 
und Mycelpilze stets durch Regenzeiten gefördert werde, nicht durch- 
gängig zutreffend. Nur wenn die Regenperioden von Wärme begleitet 
werden, steigern sich meistens die parasitären Erkrankungen; dagegen 
hält kalte, nasse Witterung das Wachstum der hervorragendsten Parasiten 
(Roste, Falscher Meltau etc.) zurück. 

In den Tropengegenden erweisen sich die regenreichen Jahrgänge 
daher meist als Begünstiger der Pilzkrankheiten, und um wenigstens ein 
Beispiel anzuführen, nennen wir die Beobachtungen von Busse !), der die 
Phytophthorafäule der Kakaofrüchte besonders stark in regen- 
reichen Jahren auftreten sah. Nicht die Regenmenge, sondern mehr 
die Form der Wiederholung der Regen ist ausschlaggebend. Wuchtige 
Regengüsse scheinen die Ansiedlung der Pilzsporen auf den glatt- 
schaligen Früchten eher zu verhindern; aber die feineren häufigen 
Regen, die in Bodenmulden und Gebieten mit mangelhaftem Wasser- 


1) Busse, W., Reisebericht der pflanzenpathologischen Expedition d. kolonial-' 
wirtschaftl. Komitees nach Westafrika. Tropenpflanzer 1905, S. 25. _. an 


462 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


abflufs stagnierende Feuchtigkeit leicht erzeugen können, erweisen sich 
pilzbegünstigend. Weniger leiden die Gegenden, in denen die frische 
Seebrise oder überhaupt der Wind ungehindert Zutritt hat. 

Auch für unsere Kulturen ist in regenreichen Zeiten der Wind ein 
bisher unterschätzter Bundesgenosse im Kampfe gegen Parasiten, und 
in dichtgepflanzten Obstgärten sollte man namentlich in warmen Regen- 
perioden die Baumkronen durch öfteres Schütteln von dem über- 
schüssigen Wasser befreien. 


Achtes Kapitel. 


Hagel, 


Alle Hagelschäden stellen Wunden mit Substanzverlust dar; eine 
chemische Einwirkung infolge der Kälte des Hagelkorns ist nicht nach- 
weisbar, sondern nur eben der mechanische Schlag, der entweder 
einzelne Partien des Gewebes quetscht und durch Vertrocknung 
zugrunde gehen läfst oder der Blätter und Achsen zerfetzt, indem er 
mehr oder weniger grofse Partien abschlägt. 

Um einen Einblick in die verschiedenen Wirkungen des Hagel- 
schlages zu erlangen, sei hier ein kleines Stück eines Roggenhalmes 
vorgeführt, der an den Stellen g, z und v» vom Hagel getroffen worden 
ist. Bei Betrachtung eines solchen Halmes nach einem Hagelschauer, 
der nicht so stark gewesen, dafs Blätter oder Ahren abgeschlagen oder 
gar die ganzen Halme geknickt worden wären, bemerken wir bekanntlich 
weifsliche oder weifse Flecke auf der grünstreifigen Oberfläche. Die 
Streifung entsteht durch abwechselnde Lagerung von dunkelgrünen 
Furchen und helleren Linien. Im Querschnitt erkennt man, dafs diese 
Furchen aus einem weichen, Chlorophyll führenden Rindenparenchym 
bestehen, während die helleren Streifen aus diekwandigen, faserartigen 
Zellen (p) zusammengesetzt sind. Diese Faserstränge geben dem Halme 
seine Festigkeit; je diekwandiger dieselben. desto widerstandsfähiger 
und weniger zum Lagern geneigt zeigt sich der Halm. In vorliegender 
Zeichnung (Fig. 91) erweisen sich die grünen Partien am meisten 
verändert. Während bei g die Zellen unversehrt erscheinen, zeigen sich 
bei znur noch gerüstartig untereinander verbundene, trockene Zellhäute, 
die weiter nach der inneren Halmwandung zu in noch grünes, lebendes 
Gewebe u übergehen. Hier hat also der Schlag des Hagelkorns in der 
Weise gewirkt, dafs die Oberhaut des Halmes e gar nicht zerstört worden 
ist, wohl aber hat das weichere, darunterliegende Rindenparenchym 
derartige Quetschungen davongetragen, dafs ein Teil der Zellen all- 
mählich abgestorben ist. Das dahinterliegende, chlorophyllhaltige 
(Gewebe zeigt aber, dafs der Schlag hier an dieser Stelle nicht so heftig 
war wie bei ®. Dort verblieben nur noch wenige Reste von Zell- 
wandungen des ehemaligen saftigen Rindengewebes, und an dieser 
Stelle hat das Hagelkorn solche Gewalt gehabt, dafs es die derbwandige 
zähe Oberhaut bei o entzweigeschlagen hat. Durch die dadurch ent- 
standene Öffnung ist die Luft in die Wunde getreten, und infolgedessen 
erscheint ein solcher Hagelfleck für das blofse Auge weifs, wärend bei « 
immer noch ein grünlicher Farbenton bemerkbar sein wird. 


Hagel. 463 


In ähnlicher Weise wird sich der Gewebeverlust bei anderen 
parenchymatischen Pflanzenteilen gestalten, und je nach der Gröfse 
dieses Verlustes wird die assimilatorische Tätigkeit sinken. Indes dürfte 
dieses Herabdrücken der Lebenstätigkeit nur dann von hervorragendem 
Einflufs werden, wenn das Hagelwetter zu einer Zeit sich einstellt, in 
welcher die Bildung des vegetativen Apparates bereits beendet worden 
und die Pflanze in die Reproduktionsepoche eintritt, in welcher sie die 
plastischen Stoffe aus den Blättern herauszieht. 

Den Einflufs des Hagels auf die Getreideähren schildert ©. Kraus!) 
nach Beobachtungen, die er hauptsächlich bei Gerste angestellt hat. 
Er fand viele Ähren stark abwärts gekrümmt und gedreht, weil es den 
wenigsten Ahren gelungen war, ihre Grannenspitzen aus der obersten, vom 
Hagel getroffenen Blattscheide loszumachen. Die direkt getroffenen 


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“ 


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Fig. 91. Hagelschlag am Roggenhalm. 


9 gesundes, grünes Gewebe, = von einem Hagelkorn verletztes, u anstofsendes gesundes Parenchym, 
» völlig zerstörte Halmrinde mit gesprengter Oberhaut 0; A Halmparenchym, b Gefälsbündel, p Stränge 
bastfaserähnlicher Zellen, (Orig.) 


Ähren blieben in ihrer gesamten Ausbildung zurück. Die Körner er- 
wiesen sich leichter, ungleichmäfsiger und vielfach schwarzspitzig. 
Das Ahrengewicht blieb um 38/0, das Körnergewicht um 43/0 zurück. 
Ähnliches fand Kraus bei zwei unbegrannten Weizensorten, bei denen 
sich aber wegen des Fehlens der Grannen die Ahren leichter aus der 
obersten Blattscheide hatten herausarbeiten können. Demgemäfs war das 
Ahrengewicht der verhagelten Weizenhalme nur um 24 bez. 15°, das 
Körnergewicht um 27, bez. um 17% geringer als das der nicht vom 
Hagel getroffenen Pflanzen. re 
Wenn zeitig im Jahre, also etwa im Mai, Hagelschlag eintritt, be- 
merkt man später nicht selten zwischen den von Hagelflecken bedeckten 


1) Kraus, C., Wirkung von Hagelschlägen. Deutsche Landwirtschaftl. Presse 
1899, Nr. 14/15. 


4654 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


reifenden, aufrechten viele kürzere, grüne, an der Basis gekniete Halme. 
Hier hat wahrscheinlich das Hagelkorn die Pflanze geknickt, und der 


Fie. 92. Weizenähre 


durch Hagelschlag ge- 
knickt. Knickstelle kahl. 


(Orig.) 


Halm hat zum Emporrichten mehr Zeit ge- 
braucht, was die Reife verzögerte. 

Der Weizen scheint am robustesten zu 
sein. Ich beobachtete nach einem Hagelwetter 
im Juni 1905, dafs die Roggenhalme, die in 
Fig. 91 dargestellten Beschädigungen aufwiesen; 


‘ während in den entsprechenden Zellgruppen bei 


Weizen das innere Gewebe nur durch. einen 
Rifs zerklüftet oder unbeschädigt war. Die 
Epidermis war nicht zerrissen, sondern nur in 
Wandung und Inhalt gebräunt. 3 

Sehr auffällig war die Knickung der Ahren, 
von der die beistehende Fig. 92 nur eine milde 
Form darstellt, bei der die Spindel einen 
stumpfen Winkel macht (k). Bei den stärkst 
beschädigten Ahren war die Spindel zwei- bis 
dreimal derartig geknickt und an den Knick- 
stellen fast gänzlich kahl. 

Fig. 93 gibt ein Bild von der Beschaffen- 
heit der Spindel an der Knickstelle. Es be- 
zeichnet g die Gefälse, z das zerrissene Par- 
enchym, ® die Stelle, an der ein Gefäfsbündel. 
zum Absterben gebracht worden ist. Seitlich 
davon, bei br, erschien das gesamte Gewebe 
tief gebräunt. An anderen Ahren fand man an 
der Schlagstelle die Epidermis aufgerissen, das 
angrenzende Gewebe zusammengefallen, ver- 
zerrt und gebräunt. Einzelne Gefäfsbündel er- 
wiesen sich fast gänzlich isoliert, indem das 
gerissene oder gezerrte Parenchym abgeplatzt 
war. Es dürfte dies eine Folge der- Spannung 
sein, da die noch grüne Ähre später weiter 
wächst. Je nachdem das Hagelkorn aufschlägt, 
variieren die Beschädigungen sehr mannigfach. 
Stellenweise konnte auch das von ©. Kraus ge- 
meldete Vorkommnis beobachtet werden, dafs 
nach dem Anufschlagen des Hagelkorns auf 
Ähren, die noch in der Blattscheide gesteckt 
hatten, die Grannen sitzen blieben. Dadurch 
kam die Ahre bogig verkrümmt zum Vorschein. 
An der Ansatzstelle der Ahrchen waren die 
Beschädigungen meist intensiver als in den 
Spindelinternodien zu finden. 

Schwere Schädigungen kann der Hafer 
erleiden, wenn die Rispen noch in der oberen 
Blattscheide zur Zeit des Hagelwetters einge- 
schlossen sind. Es können gänzlich taube Ahrchen 


„entstehen, und die Pflanzen ähneln dann zum 


Verwechseln den durch Blasenfüfse beschädigten. 


Ährenverkrümmungen durch das Saugen von Thrips habe ich bei Gerste 


in manchen ‚Jahren häufig gefunden. 


Sehr instruktive Abbildusgen 


Hagel. 465 


liefert PuppeL!), der auch mehrfach versucht hat, die Wirkungen me- 
chanischer Stöfse zu studieren. Er liefs z. B. ein Stück noch nicht 
geschofsten Winterroggens ‚mit einer, schweren glatten Walze nieder- 
walzen. Bei dem Ausschossen der Ahren fand er ein ähnliches Bild 
wie nach Hagelschlag. 

Eine eigenartige Erscheinung zeigte sich bei Weizen, der am 
4. Juni verhagelt war. Aufser den bekannten Hagelwunden an allen 
Halmen fanden sich, zerstreut im ganzen Felde, Pflanzen von grünerem 
Aussehen mit fast körnerlosen Ähren. Was an Körnern vorhanden 
war, erwies sich im Juli noch grün und milchig. Die Ahren in ihrer 
Gesamtheit erschienen hell lederbraun durch Bräunung fast aller 
Spelzen. Zwischen diesen sah man kurze, frisch grüne Spelzenspitzen 
hervortreten, welche durchwachsenen AÄhrchenangehörten. Diese 
enthielten 6—8 Blütenanlagen, von denen keine einzige ausgebildet war 


Fig. 93. Querschnitt durch die Spindel der Weizenähre an der Hagelschlagstelle (R) 
der vorigen Figur. (Orig.) 


und die obersten nur noch Anfänge der Staubbeutel erzennen liefsen. 
Die Spelzen waren lanzettlich, dunkelgrün und krautartig weich, so dafs 
ein deutlicher Übergang zum Laubblattcharakter erkennbar war. In einem 
andern Falle waren tatsächlich junge Pflänzchen aus dem Grunde 
einzelner Ährchen hervorgesprofst. | 
Etwas Ähnliches beobachtete BEHRENS?) nach einem am 1. Juli 
eingetretenen Hagelwetter bei Hopfen, bei dem bereits vier Wochen 
später die Blütenkätzchen vollkommen verlaubt waren. Dafs diese 
Umbildun& der Blütenstände wirklich mit der Zerstörung der Blätter 
durch den Hagel zusammenhängt, geht aus des Verfassers Versuchen 
hervor. Er erzielte nämlich .bei fortgesetzt künstlich entlaubten Ranken 
die sog. „brauschen Hopfen‘ (s. S. 343), während die nicht ıhrer 
Blätter beraubten Stengel desselben Stockes normale Kätzchen lieferten. 


!) Purrer, Max, Hagel- und Insektenschäden. 40 Tafeln nach Original- 
photographien. Berlin 1904, P. Parey. 
2) Zeitschr. f. Pflanzenkrankh. 18%, S. 111. 


Sorauer, Handbuch. Erster Band. 30 


466 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


Bei den Kartoffeln ist ein Rückgang im Stärkegehalt der Knollen 
durch Verhageln des Krautes beobachtet worden). Bedeutenden Schaden 
kann der Raps durch Verletzung der Schoten erleiden, und es ist 
selbstverständlich, dafs bei allen unsern krautartigen Kulturgewächsen 
die Zerstörung des Laubkörpers einen Ernteausfall bedingen muls. 
Ein Fehler wäre es aber, das vom Hagel zerfetzte Laub zu ent- 
fernen. Versuche bei Kohlpflanzen zeigten, dafs man bessere Köpfe 
auf derjenigen Ackerparzelle erhielt, bei welcher man das zerschlagene 
Laub belassen hatte gegenüber einer solchen, auf welcher den Pflanzen 
die verletzten Blätter fortgenommen worden waren. 


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Fig. 94. Querschnitt durch die Fruchtwand einer vom Hagel getroffenen 
Tomatenfrucht. (Orig.) 


e Epidermis der Aufsenseite der Frucht, e’ Epidermis der Innenseite der Fruchtwand, ı abgestorbener 

Wundrand, durch Tafelkork t vom lebenden Gewebe abgegrenzt; r radial sich streckende, teilweise 

sich fächernde Zellen, m normale Zellen des Fruchttleisches, f beginnende Bildung von Tafelkork, 

9 Gefälsbündel. A Gefälsbündelscheide, n Fächerung der radial zum Getälsbündel sich überverlängernden 

Zellen, k verkorkte Gewebezone, st Stärke, = zerknitterte Zellen mit verquollenen, verkorkten 
Wandungen. 


Interessant sind die inneren Beschädigungen, die nach Hagelschlag 
an saftigen Früchten vorkommen. Fig. 94 stellt den Querschnitt der 
Fruchtwand einer vom Hagel getroffenen Tomate dar. Wir erblicken 
links die eigentliche Schlagstelle in Form einer trocknen, harten, dunkel- 
braunen Auftreibung mit nicht zerstörter Epidermis (e). Durch den 
Schlag des Hagelkorns ist das zartere subepidermale Gewebe tödlich 
gequetscht worden und infolgedessen gebräunt und vertrocknet (£). Infolge 
des weiteren Schwellungsprozesses der noch nicht ausgereiften Frucht ist 
das Gewebe zerrissen und zu einer harten Blase umgebildet worden. 

Neben dieser äufserlich scharf in die Augen springenden Verletzung 
aber zeigt sich mitten im saftigen Fruchtfleisch eine zweite harte Stelle 


!) Jahresber. d. Sonderausschusses f. Pflanzenschutz 1903, S. 94. 


Hagel. 467 


im Umkreise eines Gefäfsbündels (g). Die Härte des Gewebes kommt 
hier von dem Verkorkungsvorgange, dem die ganze Stelle verfallen ist, 
nachdem sich zunächst eine reichliche Zellstreckung und -fächerung 
in der Umgebung des Bündels eingestellt hatte. Diese wird wahr- 
scheinlich dadurch eingeleitet worden sein, dafs durch den Hagelschlag 
oder dessen Nachwirkung eine rinsförmige Zone (2) in einer bestimmten 
Entfernung vom Gefäfsbündel sich verändert hat. Einzelne Zellen 
sind unter Verquellung und Verkorkung der Wandungen zusammen- 
gefallen; andere haben nur verquollene Wandungen bekommen und 
die anstofsenden Zellwände sind ohne sonstige Anderung nur verkorkt. 
Zu der Zeit, als der Hagel fiel, war die Frucht noch grün und stärke- 
reich, und durch die Gewebeverkorkung ist die Stärke in der irritierten 
Gewebezone erhalten geblieben, während sie bei der nachträglich fort- 
schreitenden Reife aus dem übrigen Fruchtfleisch verschwunden ist. 
Deshalb sehen wir einen Ring aus tief gebräuntem, mit Stärke (st) an- 
gefülltem Gewebe um das Gefäfsbündel gezogen. 

Durch die Abtötung und das teilweise Zusammenfallen dieser 
Zellen haben die direkt an dem Gefäfsbündel liegenden und von 
diesem noch reichlich mit Wasser versehenen Zellen Raum zur 
Streckung bekommen. Sie haben sich, von der Gefäfsbündelscheide (A) 
beginnend, in annähernd radialer Richtung überverlängert und durch 
parallele Querwände (n) gefächert. Auch aufserhalb der eigentlichen 
Wundstelle hat das Parenchym der Fruchtwand an der radialen 
Streckung (r) sich beteiligt, und nur das Innenfruchtfleisch (m) ist 
normal geblieben. An der Grenze zwischen dem normalen und über- 
verlängerten Gewebe begann zur Zeit der Untersuchung eine Tafel- 
korkbildung (f) sich einzustellen, die, sich an die verkorkte Innenstelle 
anschliefsend, eine zusammenhängende zähe Masse bildete. 

Ahnlichen Korkstellen begegnen wir bei den Früchten von Kern- 
obst, namentlich bei Apfeln. Auch hier macht der Hagelschlag; viel- 
fach keine offenen Wunden, namentlich bei unreifen Früchten. Wir 
finden nur vertiefte, teilweise später sich bräunende Stellen. Die Ver- 
tiefung kommt dadurch zustande, dafs das unter der unverletzt bleibenden 
Epidermis liegende Parenchym der Apfelrinde gequetscht worden ist, 
infolgedessen vertrocknet und, meist in radialen Rissen, zerklüftet. 
Auch hier bleibt, wie bei der Tomate, die Stärke in dem verkorkenden 
Gewebe der Umgebung der Hagelwunde erhalten, falls der Apfel zur 
Zeit des Hagelschlages noch unreif war. Es bilden sich in diesem 
Falle später oftmals auch unregelmäfsig uhrglasförmige Zonen von 
Korkzellen aus, welche die gesamte innere Hagelwunde vom gesunden 
Fruchtfleisch abgrenzen. 

Hoch bedeutsam sind die durch Hagelschlag hervorgerufenen 
Rindenwunden, welche, an sich in der Regel von geringer Aus- 
dehnung, durch ihre Häufigkeit aber wesentliche Schädigungen re- 
präsentieren. Soweit ich derartige Verletzungen an Obstbäumen zu 
sehen Gelegenheit hatte, habe ich gefunden, dafs die Störung im 
Gewebe sich nicht blofs auf die Hagelstelle selbst erstreckt, sondern 
auch seitlich noch sich fortpflanzt. Bei Hagelwunden an den dies- 
jährigen Zweigen, an denen sie relativ den beträchtlichsten Schaden 
verursachen, pflanzt sich die Störung von der eigentlichen Wundstelle 
in der Form einer Rindenlockerung seitlich fort. In Folge davon sehen 
wir im Querschnitt von der toten Zone aus Streifen von meist stärke- 
gefülltem Parenchymholz sich in das normale Holz einschieben und 

30 * 


4658 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


dasselbe lockern. Es wird dadurch spröde und brüchig, und dies 
dürfte besonders bei solchen Baumarten ins Gewicht fallen, deren 
Zweige als Bind- und Flechtmaterial Verwendung finden (Weide, Birke). 
Unterscheiden läfst sich die Hagelwunde von der Frostbeschädigung 
oft durch ihre Lage im JJahresringe. Da Hagel meist in der heifsen 
Zeit auftritt, so liegt die Wunde nahe dem Abschlufs des Jahresringes, 
während die Frostbeschädigung in der Frühlingsholzzone sich vorfindet. 
Auffallend ist, dafs unter den Hagelstellen diesjähriger Zweige, auf 
welche ein Frost überhaupt noch gar nicht eingewirkt haben kann, 
man bisweilen in dem Radius der Wundstelle die Markkrone gebräunt, 
namentlich aber den Spiralgefäfsteil des Gefäfsbündels stark verfärbt 
findet. Da das zwischen der Wundstelle und der Markkrone liegende 
Holz des Gefäfsbündels gesund ist, so bleibt nur der Schlufs, dais 
(vielleicht durch die Markstrahlen) eine Fortpflanzung der Störung 
nach dem Marke hin erfolst. 

Oftmals lassen sich auch die Hagelwunden von Frostwunden da- 
durch unterscheiden, dafs bei ersteren sehr bald wieder geradlinig 
gefächertes, gefäfsreiches, normales Holz auftritt, während bei, den 
verheilenden Frostrissen durch die gröfsere Ausdehnung der Über- 
wallungsränder breitere Zonen von Parenchymholz zu finden sind. 
Bei schwachem Hagelschlag erfolgt die Tötung der Rinde innerhalb 
der Schlagfläche nicht gleichmäfsig, und das Cambium wächst lücken- 
haft weiter. 

Bei der Unregelmäfsigkeit der Heilung löst sich an den Wund- 
stellen die Rinde schlecht und unregelmäfsig vom Holze, und dies gibt 
im Eichenschälwaldbetriebe Veranlassung, dafs die verhagelten Eichen- 
schossen sich schlecht schälen lassen. 

Vielfach sind die Hagelwunden Ausgangsstellen für andere Krankheits- 
erscheinungen. Wenn feuchte Witterung längere Zeit nach dem Hagel- 
schlag anhält, zeigen sich nicht selten Anfänge von Wundfäule, Pilz- 
fäule und dergleichen. Bei Amygdalaceen bürgert sich leicht Gummi- 
Alufs ein. Solche Folgekrankheiten können nachher Veranlassung zum 
Absterben von Zweigen geben. Betrifft dieses Absterben die Gipfel- 
triebe junger Bäume, so sind verkrüppelte Kronen oder (bei Sämlingen) 
krüppelhafte Stämme die nicht seltene Folge. 

In Obstbaumschulen wird nach heftigem Hagel, der die glattrindigen 
Stämme stark beschädigt hat, sich oft als das beste Mittel das Zurück- 
schneiden derselben über der Veredelungsstelle empfehlen, um einen 
ganz neuen Stamm zu erzielen. Auch bei älteren Stämmen mit stark 
verhagelter Krone, die ja oftmals auch noch durch die vom Sturm ab- 
verissenen Äste deformiert ist, wird man im folgenden Frühjahr durch 
zweckmäfsiges, tiefes Zurückschneiden die Krone zum Teil neu zu 
bilden suchen müssen. Obgleich die Reproduktionskraft zur Zeit der 
Hagelschäden in der Regel eine grofse im Baume ist, so dals die 
Wunden leicht überheilen können, so wird man doch bei glattrindigen 
Stämmen, die eröfsere Partien von Rinde durch die dicht neben- 
einander aufgeschlagenen Körner losgeplatzt zeigen, zum Verschliefsen 
der Wunde durch eine Baumsalbe schreiten müssen. Nachdem die 
Quetschwunden der Hagelkörner durch Ausschneiden mit einem scharfen 
Messer in leichter heilende Flachwunden umgewandelt worden sind, 
verwende man eine Mischung von Lehm und strohfreiem Rindsdung 
mit Asche oder Schieferstaub, die zur Salbenform zusammengeknetet 
sind. 


Hagel. 46° 


I) 


Bei der augenblicklich herrschenden Manie, alles durch Düngung 
kurieren zu wollen, ist es nicht zu verwundern, dais auch bei starken 
Beschädigungen mit Substanzverlust, wie Sturm und Hagel hervorbringen 
können, sofort zum Düngen eeschritten wird. Wir raten aber davon 
ab; selbst auf magerem Boden dünge man erst dann, wenn der Baum 
bereits wieder neue Triebe gemacht hat. Gröfsere Wundflächen,, die 
längere Zeit zur Überwallung brauchen, schliefst man am besten durch 
Überstreichen mit kaltflüssigem Baumwachs, also einer Harzmischung, 
welche dem Wasser den Eintritt verwehrt. Billiger ist ein Überstreichen 
der Wunde mit heifsem Steinkohlenteer. 

Der Warnung, welche wir betreffs Erhaltung des verhagelten Blatt- 
apparates bei den Gemüsepflanzen ausgesprochen, schlieist sich MÜOLLER- 
Thaursau auch in Beziehung auf die Obstbäume und den Weinstock an). 

Bei dem Weine wird von einem „Hagelgeschmack“ gesprochen ?); 
dies ist vermutlich eine Folge von Pilzansiedlung an den Wund- 
stellen der durch Hagelschlag beschädigten Beeren. Es ist empfehlens- 
wert, dieselben auszuschneiden, obgleich die Arbeit sehr mühsam ist. 
Die eelockerte Traube schliefst sich wieder vollkommen, da die stehen- 
gebliebenen Beeren um so gröfser werden Wenn man die verhagelten 
Weinstöcke durch den Schnitt regulieren will, fange man frühestens 
eine Woche nach dem Hagelwetter mit dem Schneiden an, um zu 
sehen, wie weit die Stöcke sich erholt haben; dabei mufs soviel als 
möglich von dem diesjährigen Holze erhalten bleiben. Besonders 
wichtig ist es, die unteren, Früchte versprechenden Augen an den 
Reben in Ruhe zu lassen, d. h. sie vor vorzeitigem Austreiben zu 
bewahren. Dies geschieht dadurch®), dafs man mindestens noch einmal 
soviel Augen, als man im nächsten ‚Jahre nötig hat, über den eigent- 
lichen Fruchtaugen an der Rebe stehen läfst. 

Unter den Vorbeugungsmitteln gegen Hagelschäden ist weiterer Prüfung 
ein in Piemont üblich sein sollendes Verfahren zu empfehlen. Es werden 
nämlich Netze von verzinktem Eisendraht über die Stöcke gespannt ®). 

In neuerer Zeit hat das „Hagelschiefsen“ zu zahlreichen Ver- 
suchen geführt. Die Theorie, welche zur Anwendung des Mittels führt, 
wird von NoriBoIs?) entwickelt. Die von der Erde aufsteigenden Wasser- 
dämpfe verdichten sich zu Wolken, deren dichteste Lagen am tiefsten 
liegen. Wenn diese untersten Schichten, veranlafst durch die starke 
Wärmeausstrahlung des Erdbodens, sehr stark verdampfen, wird die 
unmittelbar darüber liegende Wolkenschicht in hohem Mafse abgekühlt 
und gelegentlich sogar bis unter den Nullpunkt. Irgendein Anstofs 
genügt nunmehr, um den überkälteten Nebel zum Gefrieren und Nieder- 
fallen zu bringen. Der Prozefs setzt sich unter beständiger Abschwächung 
der Kältewirkung in die höheren Wolkenschichten fort und gelangt 
endlich bei der Regenbildung an. 

Nach dieser Theorie wären Abhänge dem Hagel mehr ausgesetzt , 
als Flachland, kalkiger und sandiger Boden mehr als feuchter Alluvial- 


!) Mürrer-Tuurcau, Beobachtungen über Hagelschäden an Obstbäumen und 
Reben. VII. Jahresber. d. Versuchsstation zu Wädensweil. 

a Chronique agricole du Canton de Vaud vom 10. August 1895. 

2) en Weinzeitung 1896, Nr. 34. 

4) Ruo, @., Le reti metalliche a difesa delle viti dalla sragnuola. Bollet. d. 
Soc. dei Viticoltori. Roma 1892; ceit. Zeitschr. f. Pflanzenkrankh. 1894, S. 168. 

5) Norısoıs, P., Theorie de la formation de la grele; cit. Hollrungs Jahresber. 
f. Pflanzenkrankh. 1904, S. 73. 


470 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


boden, nackter Boden mehr wie bewaldeter, das feste Land mehr wie 
die Seen oder das Meer. Wenn man nun die übereinanderlagernden 
Wolkenschichten miteinander vermengen könnte, so dafs eine gröfsere 
Temperaturausgleichung erfolgte und eine Überkältung verhindert würde, 
so dürfte der Hagelbildung vorgebeugt werden können. Eine solche 
Bewegung der den Wolken benachbarten Luftschichten sucht man nun 
durch die Erschütterung infolge von Kanonenschüssen herbeizuführen. 

Eine andere Theorie, die von der Entstehung von Wirbelstürmen 
infolge Nachfliefsens kalter Luft von den Bergen in den heils auf- 
steigenden Talstrom ausgeht!), kommt ebenfalls zur Empfehlung des 
Hagelschiefsens. In Italien haben sich bereits zahlreiche Schiefsstationen 
gebildet: doch lauten deren Meldungen sehr widersprechend; günstiger 
wird er das Wetterschiefsen aus Frankreich berichtet ?). 


Neuntes Kapitel. 


Wind. 


Bei den plötzlichen Beschädigungen durch stark bewegte Luft 
begegnen wir in den Wäldern entweder dem „Windwurf“ oder 
„Windbruch“. Unter ersterem verstehen wir das Stürzen des Stammes 
mit einseitigem Ausheben der Wurzelkrone. Windbruch, der wirt- 
schaftlich schädlicher ist, zeigt den Stamm in einer gewissen Höhe 
abgebrochen. 

In welcher Weise sich die Sturmwirkung äufsert, hängt von Baumart, 
individueller Stammfestigkeit und vom Standort ab. Betreffs der Baumart 
läfst sich bemerken, dafs zähholzige Gattungen, wie Birke, Fichte, 
Hain- und Rotbuche öfter geworfen als gebrochen werden; Kiefer und 
Eiche brechen lieber. Auch die Art der Bruchwunde dürfte je nach 
den Gattungen verschieden sein; es scheint, als brächen die Kiefern 
kürzer ab, wogegen die Eiche länger einreifst und die spröde Akazie 
von der Bruchfläche aus tiefgehende Längsklüftungen des Stammstumpfes 
oft zeigt. Inbezug auf die individuelle Stammfestigkeit innerhalb 
derselben Art bemerkt man leicht, dafs kernfaule Bäume am leichtesten 
brechen. Der individuelle Bau der Baumkrone, die den Haupt- 
angriffspunkt am Hebelarm des Stammes bildet, ist ebenfalls sehr 
berücksichtigenswert. Die Lage und die lokalen Standortsverhältnisse, 
welche den Bau des hier so wesentlich in Betracht kommenden Wurzel- 
körpers beeinflussen, sind vom weitgehendsten Einflufs. Auf tief- 
gründigem Terrain werden gesäte Bäume in der Regel besser aus- 
halten als gepflanzte, denen man zwecks leichterer Verpflanzbarkeit die 
Pfahlwurzel abgeschnitten hatte, und die deshalb flacher stehen. Bei 
. NHachgründigem Boden fällt der Vorteil der Pfahlwurzel weg und tritt 
die Ausbildung der Krone in den Vordergrund. Je höher dieselbe am 
sonst glatten Stamme beginnt, desto höher rückt der Schwerpunkt, 
desto gefährdeter wird der Baum. Pyramidale Kronen sind darum 
wahrscheinlich günstiger als dicht kugelförmige. Die selbstverständ- 
liche Erscheinung, dafs die Gefahr der Beschädigung um so gröfser, 


x !) Borviea, O., Grandine e spari. Atti del R. Istituto d’incorraggiamento, Napoli, 
vol. Il, 5 ser. 
®) Praktische Blätter f. Pflanzenschutz, herausg. von Hirrxer, 1905, Nr. 11. 


Wind. 471 


je exponierter die Stellung des Baumes, erleidet Ausnahmen. An 
Gebirgsabhängen bemerkt man manchmal, dafs der Sturmschaden, 
namentlich der Windwurf, an der Windseite weit geringer ist, als 
an den Abhängen, an denen der Sturm abwärts geht. Ferner werden 
manchmal mitten in einem gleichmäfsigen, alten Bestande ganze Kom- 
plexe umgelegt. Erstere Erscheinung wird darauf zurückzuführen sein, 
dafs der Wind, der bergaufwärts weht, dadurch mehr in seiner Wirkung 
gebrochen wird, dafs er die Krone eines Stammes immer nur zum 
kleinen Teil fassen kann, weil davor eine andere der tiefer am Abhange 
stehenden Bäume sich befindet. Dieses etagenmälsige Ansteigen der 
Baumkronen kann man auch manchmal an bewaldeten und ebenen 
Küstengegenden wahrnehmen. Nur wird hierbei die Terrassierung der 
Baumkronen nicht durch die Bodenunebenheit bei gleichhohen Stämmen 
hervorgerufen, sondern durch die Verschiedenheit der Stammhöhe bei 
gleicher Bodenebene. Man wird bemerken, dafs die Küstenwinde da, 
wo der Baumwuchs ihnen entgegentritt, die ersten Bäume nicht auf- 
kommen lassen, sondern buschartig niederhalten. Erst in einiger 
Entfernung dahinter strecken sich, mit der Entfernung zunehmend, die 
Stämme bis zum Hochwald. Das Umstürzen ganzer Baumkomplexe im 
Innern eines gleichmäfsigen Bestandes ist auf Wirbelwind zurückzu- 
führen. Eine andere Form des natürlich sich ausbildenden Windschutzes 
erwähnt ScHÜBELER!) von Fichtenfamilien (s. S. 255) aus dem Gudbrandsdal 
in einer Höhe über dem Meere, wo die Fichte sich bereits ihrer Höhen- 
orenze nähert. Die Bäume ordnen sich dort an exponierten Stellen 
gern in Reihen, und zwar so, dafs der Mutterstamm auf der Seite zu 
stehen kommt, welche gegen den ‚herrschenden Wind gerichtet ist, 
während die durch Absenker der Aste entstandenen Tochterstämme 
eine ziemlich gerade Linie hinter dem Mutterbaum bilden. Also nur 
soweit der letztere den Wind abgehalten, war die Möglichkeit vor- 
handen, dafs die jungen Senkerstämmchen in die Höhe kommen konnten. 

Unter den mannigfachen Windbeschädigungen in den Tropen hat 
man bei der Kakaokultur vielfach mit Windbruch zu tun. Abgesehen 
von indirekten Verlusten durch Sturz der Schattenbäume, bricht auch 
der Wind direkt die Gabelungen der Hauptäste auseinander. Nach den 
Berichten von L. Kınpr hat man nun versucht, aus dem Rest der wind- 
beschädigten Buschformen Hochstämme zu erziehen, indem man 
einen der vielen sich bildenden Wasserschossen in die Höhe gehen 
liefs und dann durch Köpfen zur Astbildung zwang. Dieses Verfahren 
ist teilweise als vorzüglich sich bewährend hingestellt worden, wird 
aber von Kınpr auf Grund eigener Erfahrung durchaus verworfen. Er 
fand, dafs bei derartiger künstlicher, der Natur des Baumes zuwider- 
laufender Stammbildung nur eine spärliche, aus kurzen, wagrecht ab- 
stehenden Ästen gebildete, schwachbeblätterte Krone entsteht, bei der 
vorzeitig reifende Früchte nur am Stamm gebildet werden. Die Ernte 
ist nieht nur im ersten Jahr, sondern auch in den folgenden Jahren 
quantitativ und qualitativ ungenügend. 

Berücksichtigenswert sind die Zeitdauer und der Zeitpunkt der 
Sturmwirkung sowie die herrschende Witterung. In Regenperioden wird 
durchweichter Boden leichter nachgeben und zum Windwurf disponieren 
(s. Rieselfelder), während Frühjahrsstürme über gefrorenem Boden den 
Baum viel fester verankert finden und bei zunehmender Stärke mehr 
Windbruch veranlassen. 


!) Scnügener, Die Pflanzenwelt Norwegens. Christiania 1873—75, S. 169. 


472 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


Aufser diesen gröbsten, augenblicklich eintretenden Beschädigungen 
sind aber auch solche zu registrieren, welche die Existenz des Individuums 
nicht vernichten, sondern nur vorübergehend oder dauernd schwächen. 

Zu diesen Windwirkungen gehört die schiefe Richtung der 
Stämme. Die auffälligsten und häufigsten Erscheinungen bieten die 
Strafsenpflanzungen, namentlich dann, wenn Gräben zu beiden Seiten 
der Chausseen oder Landwege laufen. Es läfst sich dort die auf- 
fällige Erfahrung machen, dafs, wenn sich die Strafse senkrecht 
zur herrschenden Windrichtung (bei uns meistens West) hinzieht, 
diejenige Baumreihe, welche dem Windeinflusse zunächst steht, ziemlich 
geradestehende Stämme behält, während die andere Seite mehr oder 
weniger tief geneigte, über den Graben überhängende, manchmal Säbel- 
wuchs zeigende Bäume besitzt. Man ersieht daraus, wie ungleich die 
Wurzelstütze wirkt. Auf der Windseite einer solchen Strafse, wo der 
Wind bei seinem Angriff zunächst die Grabenfläche trifft, ist der Wurzel- 
apparat in anderer Weise entwickelt; auf dieser Seite kann sich das 
Wurzelgeflecht weniger ausdehnen, dagegen ist es innerhalb des Strafsen- 
dammes stark befestigt. Der Winddruck findet durch diese Stütze ein 
genügend starkes Gegengewicht. Auf der anderen Seite der Strafse 
liegen die Verhältnisse umgekehrt; dort sind zwar auch die Wurzeln auf 
dem Strafsenteil besser entwickelt als am Grabenteil, aber diese ersteren 
bilden hier die verankernden Apparate, welche den Zug des sich 
neigenden Stammes auszuhalten haben. Die stützende Seite ist hier 
die nach dem Graben zu liegende Wurzelseite, und ihre schwache 
Entwicklung veranlafst das Überneigen des Baumes nach dieser Rich- 
tung. Es scheint daher, dafs der wirksamste Schutz bei Obstbäumen 
der gegen die Windrichtung schräg gesteckte Pfahl, der den Baum 
stützt, sein wird; die jetzt häufiger in Anwendung kommenden 
Drähte vor der Windseite, welche also den Zug des Baumes auszuhalten 
haben, möchten sich als minder gut erweisen. 

Der „Säbelwuchs“ wird verständlich, wenn man bedenkt, dafs 
der Baum alljährlich in der Frühjahrs- und Sommerzeit, in welcher die 
Triebe sich ausbilden, durch den Wind geneigt wird. Die zu dieser 
Zeit fortwachsende Spitze des jungen Stammes strebt, sich immer in 
der Senkrechten zu erhalten, und krümmt sich um so mehr, je schneller 
der Baum zur Horizontalen gedrückt wird. Was hier von der Haupt- 
achse gesagt ist, bezieht sich auch auf alle Zweige, welche in scharfen 
Windlagen tatsächlich einseitig fahnenartige Kronen darstellen. 
. Der fahnenartige Charakter liegt nicht nur in der Biegung der 
Äste nach der Seite, wohin der Wind weht (bei uns nach Ost), sondern 
auch in der Verzweigung, welche bei gröfserer Länge der Haupttriebe 
spärlicher zu sein scheint. Die Zweige, welche dem Wind entgegen 
wachsen müssen, bleiben kürzer und sterben bisweilen ab. 

Sehr instruktive Beispiele liefert Lupwis KLein!) m zwei Fichten 
vom Weidfeld oberhalb des Weges Haldenwirtshaus-Wiedenereck. Die 
Bäume sind auf der Windseite nahezu ihrer Aste beraubt, geradeso 
als ob eine Hälfte der Krone mit der Schere abgeschnitten wäre 
(scherende Wirkung des Windes). Dieses Abtöten der Aste 
schiebt Ktein auf die austrocknende Wirkung des Windes. Unterstützt 
wird die Windwirkung durch eine erheblich stärkere Erwärmung und 
dadurch gesteigerte Transpiration. 


1) Kırın, L., Die botanischen Naturdenkmäler des Grofsherzogtums Baden usw. 
Karlsruhe 1904, Fig. 26. 


Wind. 473 


Bei den Obstbäumen tragen die fahnenartigen Kronen manchmal nur 
an der Peripherie Früchte, weil das Innere der Krone leicht zu dicht wird. 
Sobald der Stamm in hohem Grade aus der Lotlinie herausgerückt ist, 
macht sich eine Ernährungsdifferenz zwischen der Ober- und Unterseite 
der Achse geltend, welche in der Erzeugung üppiger Laubtriebe auf der 
dem Zenit zugewendeten Hälfte zum Ausdruck gelangt. In dem Mafse 
wie die üppigen Holztriebe in ihrer Entwicklung fortschreiten, erhöht 


Fig. 95. Zwei windgedrückte und windgescherte Fichten. Die linke Pflanze 
besitzt zwei Hexenbesen und drei Sekundärwipfel. (Nach Krim). 


sich “ihre Macht als Anziehungsherd für das rohe Bodennährmaterial, 
das die Wurzeln zuführen. Je mehr Bodenlösung sie absorbieren, desto 
mehr geht der horizontalliegenden Partie der Baumkrone von dieser 
Lösung verloren, und einzelne, abwärts gedrückte Aste beginnen infolge- 
dessen abzusterben, während die neuen Laubachsen senkrecht aufwärts 
schiefsen und sich zu Wasserreisern ausbilden. Damit ist eine 
langjährige Unfruchtbarkeit angebahnt. Auch bei Waldpflanzungen in 
der Nähe der Küsten ist die einseitige Kronenentwicklung bemerkbar. 
Das Vertrocknen der Zweige wird zum Teil jedenfalls auf die stete 


474 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


Reibung durch den Wind zurückzuführen sein. Die Schwierigkeit in 
der Neubewaldung von Küstenstrichen ist nicht, wie wohl vielfach an- 
genommen), durch den Salzgehalt der Seewinde, sondern einfach durch 
deren mechanische Wirkung zu erklären. 

Die Krüppelformen der Bäume an den Küsten und an den 
Höhegrenzen des Baumwuchses verdanken in den meisten Fällen auch 
dem Winde ihre Entstehung. Die Wipfel werden zum Teil vertrocknen und 
vom Winde abgebrochen; ein hier wesentlich mitwirkender Faktor dürfte 
allerdings Schneebruch sein. In der nächsten Vegetationsepoche ver- 
suchen die Bäume eines der obersten Seitenaugen zu einem neuen Gipfel- 
triebe auszubilden, was bei Nadelhölzern selbst unter geschützten Verhält- 
nissen nur einigen Gattungen gelingt, in Sturmgegenden aber noch weniger 
vorkommt. Die Folgen der Entspitzung machen sich durch vermehrtes 
Wachstum von Seitenzweigen bemerkbar, welche, oft gut benadelt, 
schlangenartig im Gestrüpp des Bodens dahinkriechen. Ein schönes 
Beispiel schildert Prepa?) von der livorneser Küste. Aufser den schief 
gestellten Stämmen der Kiefernarten und der Stecheiche sieht man 
Juniperus phoenicea und Tamarıxz gallica schlangenartig verbogen und 
die Zweige von Phillyrea und anderen Sträuchern miteinander verstrickt 
am Boden entlang kriechen. 

Eine äufserst ähnliche Schilderung entwirft Hansen?) von der 
Insel St. Honorat bei Cannes. 

BERNHARDT*) bezeichnet für Deutschland gewisse Gegenden als be- 
sonders oft heimgesuchte Sturmherde. Beispielsweise seien Schwedt a. O., 
das schlesische Gebirge, der bayrische und Oberpfälzer Wald, der 
Frankenwald und in beschränkter Weise auch das norddeutsche Küsten- 
land (Mecklenburg, Holstein) zu nennen. In diesem Küstenlande 
herrschen im allgemeinen Nordoststürme ebenso häufig wie West- und 
Nordweststürme, während für Süddeutschland West- und Südwestwinde, 
im ganzen Norddeutschland aber West- und Nordwestwinde ein aus- 
gesprochenes Übergewicht besitzen. 

Dafs die Verteilung der Pflanzen sich den Windverhältnissen an- 
passen wird, ist sicher, indem die windfesteren Arten am besten aus- 
halten werden. SCHRÖTER und KIRCHNER?) zitieren beispielsweise eine 
Erklärung von MüÜrLLer über die Verbreitung der baumartigen Bergkiefer 
(Pinus montano) in den Alpen, die früher einen gröfseren Verbreitungs- 
bezirk gehabt hat, aber durch ihr langsames Wachstum, ihr Licht- 
bedürfnis und ihre Genügsamkeit sich auf Stellen zurückgezogen hat, 
wo eine andere Waldvegetation sich nicht mehr entwickeln will, nämlich 
an die windgefegten Stellen mit geringer Luftfeuchtigkeit oberhalb der 
Höhengrenze des Waldes. Diese Widerstandsfähigkeit der Kiefer gegen 
Wind hängt wahrscheinlich mit dem anatomischen Bau der Nadel zu- 
sammen. Zaxe erblickt mit ScHkit in dem sogenannten Transfusions- 
oewebe der Gefäfsbündel (s. ScHEIT, die Tracheidensäume ım Blattbündel 


') Axvereıno, Leo, Bericht über die Wirkung des Salzgehaltes der Luft auf 
die Seestrandskiefer (Pinus Pinaster). Forstl.-naturwiss. Zeitschr. 1897, Heft 6. 

2) Preva, L., Effeti del libeceio etc. Bollet. Soc. Bot. ital. 1901; cit. Zeitschr. 
f. Pflanzenkrankh. 1902, S. 160. 

3) Hassen, A.. Flora oder Allgem. Bot. Zeitung 1904, Bd. 93, Heft I, S. 44. 

#) Die Waldbeschädigungen durch Sturm und Schneebruch usw.; cit. Forsch. 
auf dem Geb. d. Agrikulturphysik 1830, S. 527. 

5) Kırenser, Loew und Schrorrer, Lebensgeschichte der Blütenpflanzen Mittel- 
europas. Bd. I, Lief. 3, S. 207. 


Wind. 475 
der Coniferen. Jenaische Zeitschr. f. Naturwiss. XVI. 1883) eine Vor- 
richtung, welche durch ihren steten Wassergehalt die Existenz der 
Nadel in anhaltend trockner Luft ermöglicht. Trotzdem darf natürlich 
eine gewisse Grenze nicht überschritten werden, und als Wind- 
beschädigung gibt Zana!) ein Vergilben und Vertrocknen der Nadel- 
spitzen an. 

Sicherlich erhöhen bei den Coniferennadeln die starke Wachsglasur 
der Epidermis und die sclerenchymatische, subepidermale Zellreihe 
ähnlich wie bei Kakteen, sukkulenten Euphorbiaceen und Crassulaceen 
die Widerstandskraft gegen den Windeinflufs. Für die Kapflora betont 
(FERHARD?) als weitere Schutzmittel die Reduktion der Intercellularen 
und Einsenkung der Spaltöffnungen. Als eine mechanische Wirkung 
des Windes, die sich trotz der Bodenfeuchtigkeit zeigt, hebt der Ver- 
fasser die Ausbildung von sclerotischen Hypodermfasern und die Ver- 
stärkung der Blattränder durch Collenchym oder Bastbündel hervor. 

Für die Erklärung des Säbelwuchses und anderer durch Wind be- 
dingten Baumformen sind die sehr interessanten Untersuchungsergebnisse 
von G. Kraus?) von Wichtigkeit. Schüttelt man nämlich einen frischen, 
wachsenden 'Sprofs einer krautartigen oder holzigen Pflanze, so dais er 
sich schliefslich bogenförmig mit überhängender Spitze krümmt, dann 
ist sofort die Konzentration des Zellsaftes auf der konkaven und kon- 
vexen Seite nicht mehr gleich; der Saft auf der konvexen Seite ist 
konzentrierter geworden. Die höhere Saftkonzentration der konvexen Seite 
ist mit einem wesentlich höheren Zuckergehalt verknüpft. Dieser Zucker 
ist eine Neubildung im Momente der Erschütterung. Die bemerkens- 
werte Eigentümlichkeit bezieht sich nun nicht blofs auf die Achsenorgane 
allein, sondern auch die halbwüchsigen und ausgewachsenen Blattstiele 
zeigen das gleiche Verhalten. Die Zuckerbildung ist übrigens nicht 
an die Krümmung gebunden, sondern von der Bewegung an sich ab- 
hängig, und mit der Zuckerbildung geht häufig ein Verschwinden der 
freien Säure Hand in Hand. Dafs Erschütterungen die Transpirations- 
gröfse vermehren, beobachtete FErRUZA*) an Palmen und Sukkulenten, 
nachdem schon früher WIEsnErR?) und EBERDT®) gezeigt hatten, dafs der 
Wind eine Transpirationsbeschleunigung veranlafst. Dafs selbst sehr 
geringe Erschütterungen schon die Verdunstungsgröfse steigern, wurde 
von KonaL?) und BaranETzkY°) gefunden. Betrefts der weiteren Literatur 
sei auf BURGERSTEIN verwiesen’). 

Da man nun aus der örtlichen Verteilung des Zuckers in den Ge- 
weben schliefsen kann, dafs er in dem Stoffwechselprozesse des Pflanzen- 


!) Zange, W., Die Anatomie der Kiefernadel usw. Dissertation. Giefisen 1904. 

2) Geruarp, G., Beiträge zur Blattanatomie usw. Dissertation, Basel; cit. Bot. 
Jahresber. 1902, II. S. 293. 

3) Kraus, G., Über die Wasserverteilung in der Pflanze, !I. Der Zellsaft und 
seine Inhalte. Sep.-Abdr. aus d. Abbandl. d. Naturf.-Ges. zu Halle, Bd. XV; eit. 
Bot. Zeit. 1881, S. 389. 

*#) Ferruzza, G., Sulla traspirazione di aleune palmi ete.; cit. Bot. Jahresber. 
1899, II, S. 124. 

5) Wiesxer, Jur., Grundversuche über den Einflufs der Luftbewegungen auf 
die Transpiration der Pflanzen. K.K. Akad.d. Wissensch., Wien, 1837, Bd. XCVI. 

6) Eseror, O., Transpiration der Pflanzen und ihre Abhängigkeit von äufseren 
Bedingungen. Marburg 1889, S. 82. 

?) Kost, F. G., Die Transpiration der Pflanzen. Braunschweig 1886. 

%) Bıranerzkv, Über den Einflufs einiger Bedingungen auf die Transpiration 
der Pflanzen. Bot. Zeit. 1872. 

®) Burserstein, Transpiration der Pflanzen. 1904. 


476 II. Schädlliche atmosphärische Einflüsse. 


leibes eine (wenn auch nicht unmittelbare) Vorstufe der Oellulosebildung 
ist, so wird man sich sagen müssen, dafs mit der Erhöhung der Zucker- 
bildung im windbewegten Pflanzenteil die Cellulosebildung und Zellwand- 
ausbildung beschleunigt werden. Es ist verhältnismäfsig selten, dafs 
Pflanzenteile auf der Zuckerbildungsstufe in ihrer Entwicklung stehen 
bleiben; viel häufiger ist der Prozefs, namentlich am wachsenden Sprofs, 
dafs der Zucker in dem Mafse verschwindet, als die Zellen dickwandiger 
werden. Wir werden also in der Deutung kaum fehlgehen, dafs die 
Krümmungen durch den Wind schneller insofern fixiert werden, als die 
konvexe Seite der Krümmung leichter Zucker und Cellulose bildet und mit 
ihrem Wachstum schneller fertig wird, als bei einem nicht vom Winde 
bewegten Achsenteil. Bedenken wir, dafs für Licht- und Wärmewirkung 
sich die Biegungsstelle günstiger stellt, so ist das frühere Abschliefsen 
der Zellstreckungsperiode eigentlich selbstverständlich. Der Zweig er- 
härtet früher und wird nicht so lang; daher also der gedrungene Bau 
auf der Windseite und die schlanke bis peitschenförmige Zweigbildung 
der windgeschützten Seite. 

Dafs Saatbeete und junge Pflanzungen bei leichten Bodenarten 
bisweilen verweht werden können, dafs flache Ackerkrumen durch 
plötzliche unvorsichtige Entfernung schützender Waldstreifen manchmal 
abgeweht und unfruchtbar werden, und dafs man gegen alle die ver- 
schiedenen Windbeschädigungen am besten durch den Verhältnissen 
angepafste Schutzpflanzungen vorbauen wird, bedarf keiner eingehenderen 
Besprechung. 


Wir kommen nunmehr zu den Blattbeschädigungen, die 
durch Wind hervorgerufen werden. Dafs dort, wo der Wind sich 
häufig zum Sturm steigert, Blätter zerfetzt werden oder teilweise ver- 
trocknen und dürr an den Zweigen hängen bleiben, ist eine, namentlich 
in Küstengegenden so häufige Erscheinung, dafs hier nicht darauf ein- 
zugehen ist. Ebensowenig brauchen die Verletzungen weiter berührt 
zu werden, die beider Reibung der vorstehenden Blattkanten!) 
an sich eben entfaltenden Blättern entstehen. Besonders häufig sind 
derartig durchgeriebene Stellen bei den gefaltet aufbrechenden Blättern 
der Rofskastanie und Buche zu finden. Auch jugendliche Zweige leiden 
durch Reibung, wie man dies bei jungen Trieben von Birnen und 
Trauerweiden (Salöix babylonica), nach Sturmtagen im Sommer beob- 
achten kann. Hierher gehört ferner das Peitschen der Hopfenranken, 
wodurch die Hopfenkätzchen bisweilen notreif und rot werden). 
Wichtiger, und bisher wenig beachtet, sind die dürren Blattränder. 
Man mufs dabei, weil viele Ursachen Blattranddürre hervorzurufen ver- 
mögen, unterscheiden, ob der vertrocknete und verfärbte Rand nur 
eine zusammenhängende oder auch stellenweis unterbrochene Saumlinie 
bildet oder ob noch von der abgestorbenen Randpartie dürre, verfärbte 
Stellen (häufig: keilförmig zwischen den Hauptnerven) in die Blattfläche 
hinein sich fortsetzen. 


Nur die trockne, sich bräunende oder schwärzende Saumlinie ist 
als reine Windbeschädigung aufzufassen, wie Hansen experimentell 


1) Casrarv, Bot. Zeit. 1869, Sp. 201. — Macxus, Verh. d. Bot. Ver. f. d. Prov. 
Brandenburg. XVIII, S. IX. 

?2) Beobachtungen über die Kultur des Hopfens. 1880. Herausgeg. v. Deutsch. 
Hopfenbauverein. 


I) 


Wind. 477 


festgestellt hat!). Dieser Forscher hat sich einen eignen Apparat zur 
Erzeugung von Wind konstruiert?), um die bei den im Freien auf- 
tretenden Windbeschädigungen mitwirkenden Nebenfaktoren (Licht 
und Wärmeüberschufs, Trockenheit) auszuschalten. 

Aus den Versuchen ergab sich zunächst als Resultat, dafs das 
Vorbeiströmen der Luft für die Austrocknungserscheinungen die 
günstigste Bedingung ist. Blofser Stofs des Windes auf eine an fester 
Wand wachsende Pflanze ist häufig unschädlicher, unter Umständen 
sogar wirkungslos, weil die Wand den Windstrom sofort zurückwirft. 

Bei den mit dem Apparat durchgeführten Versuchen kam eine Tag 
und Nacht anhaltende Windstärke zwischen 1 und 2 der Beaurortschen 
Skala zur Anwendung. Die in Töpfen stehenden Tabakpflanzen zeigten 
an einzelnen Blättern bereits nach 24 Stunden leichte Bräunungen der 
Ränder, während der übrige Teil der Blattspreite völlig gesund blieb 
und keine Spur von Welken erkennen liefs. Durchschnittlich litten 
die ausgebildeten Blätter eher als die jüngsten. Stets begann die Ver- 
trocknung der Gewebe in der Nähe 
der dünnsten Randnerven. Das 
Mesophyll collabierte, wurde aber 
nicht lufthaltig, sondern sah vielmehr 
durchsichtig „wie injiziert“ aus. Der 
Zellinhalt war deformiert: die Chloro- 
phylikörner waren nicht mehr deut- 
lich zu erkennen. In manchen Zellen 
zeigte das Protoplasma schwach 
bräunliche Körnchen. Die Leitbündel 
erwiesen sich stark gebräunt. Die 
Grenze zwischen vertrocknetem und 
esundem Gewebe war scharf und 


die Gefäfsbündel unverfärbt. Hanse ‘ i 

klä * :h d : zZ 5 d k Fig. 96. 
erklärt BICH. ‚GAS ustandekommen Craspedodrome Camptodrome 
der Beschädigung in der Weise, Nervatur. Nervatur. 
„dafs dıe dünnen Gefälsbündel durch (Nach Bruck). 


den Luftstrom zuerst ihres Wassers 

beraubt und dadurch so verändert werden, dafs sie das Wasser nicht 
mehr leiten. Dadurch vertrocknet an dieser Stelle das Mesophyll*“. 
Dies wäre also der sekundäre und das Absterben des Leitungsstranges 
der primäre Vorgang, während man bis jetzt wohl meist das Vertrocknen 
des Randparenchyms als direkte Wirkung aufgefafst hat. Demgegen- 
über sagt Hansen: „Wollte man annehmen, der Wind griffe das Meso- 
phyll direkt an, dann wäre nicht zu verstehen, warum der Vertrocknungs- 
prozefs nicht auch mitten auf der Lamina beginnen sollte“. 

In derselben Anschauungsweise bewegt sich die Arbeit von Bruck ?) 
welcher beobachtet hat, dafs im allgemeinen nur diejenigen Blätter die 
Randbeschädigungen erleiden, „deren Sekundärnerven bis zum Rande 
verlaufen, sogenannte craspedodrome oder cheilodrome (randläufige) 
Blätter“ (Fig. 96). Diejenigen Blätter von Gehölzen derselben Gegend, 
welche die Beschädigung nicht zeigten, hatten „mehr oder weniger 


!) Hıssex, A., Experimentelle Untersuchungen über die Beschädigung der 
Blätter durch Wind. Men oder Allgem. Bot. Zeit. 1904, Bd. 93, Heft 1. 

2) Ber. d. Deutsch. Bot. Ges. 1904, Bd. XXII, Heft 7, S. 371. 

?) Bruck, W. F., Zur Frage der Windbeschädigungen an Blättern. Beihefte 
z. Bot. Centralbl. Bd. XX, Abt. 2, Sep. 


478 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


camptodrome, resp. brochidodrome Nervatur; sie verlaufen bogenläufig 
oder schlingläufig, ohne im Blattrande zu endigen.“ In letzterer Anordnung 
der Nervatur erblickt Bruck einen entschiedenen Schutz der Blätter 
vor Austrocknung durch Winde. Die Braunfärbung der Gefäfsbündel 
ist der durch Frost hervorgerufenen sehr ähnlich. 

Nach den Studien, die ich über das Entstehen dürrer Saumlinien 
an Blättern infolge der Einwirkung saurer Gase gemacht habe, wäre 
der Vorgang des Sterbens dabei ein anderer. Bei Einwirkung der Rauch- 
gase wird das Gewebe nicht vorher durchsichtig, und es färben sich die 
Wandungen der Bastelemente gelb bis braun; der Zellinhalt trocknet als 
nahezu gleichmäfsige Substanz in seiner Gesamtheit zusammen. Die Gefäls- 
bündel der Randzone sind auch alteriert, aber ich erkläre mir das frühere 
Absterben des Blattmesophylls an den Rändern dadurch, dafs selbst, wenn 
die feinen Gefäfsbündelendigungen noch Wasser in der normalen Menge 
zuführten, dies doch nicht genügte, den durch die Säurewirkung ge- 
steigerten Wasserverlust zu decken. Ebenso dürfte es bei den trockenen 
Saumlinien der Windbeschädigung sein. Es kann sehr wohl die bei Wind 
gesteigerte Verdunstung des Mesophylis der primäre Vorgang sein. Am 
Blattrande ist der Wasserverlust darum relativ gröfser, weilim Verhältnis 
zur Gewebemasse die Oberfläche zu grofs ist und das wasserleitende 
System aus zu wenig Elementen besteht, also zu gering ist. An den 
Stellen, wo das Blatt dicker und die Nervatur stärker entwickelt ist, 
werden die Gewebe erstens mehr Wasser empfangen und zweitens mehr 
behalten, da hier dieselbe verdunstende Oberfläche wie am Blattrande 
viel mehr saftiges Parenchym hinter sich hat. Daher sehen wir die 
Gewebestreifen dicht an den stärkeren Blattnerven zuletzt sich verfärben 
und vertrocknen. 

Nachdem man den Windbeschädigungen gröfsere Aufmerksamkeit 
zuwendet, erheben sich auch Stimmen, welche eine Anzahl auffälliger, 
bisher nicht genügend aufgeklärter Erscheinungen als Windschaden 
bezeichnen. So führt beispielsweise Lüsıner!) die sogenannte Mom- 
bacher Aprikosenkrankheit auf den Einflufs des Windes zurück. 
Die in Mombach bei Mainz endemische Krankheit äufsert sich darin, 
dafs die Blätter der Aprikosenbäume von der Spitze oder dem Rande 
her vertrocknen und abfallen. Bisweilen wird der allein vertrocknete 
Blattrand abgestofsen und der Rest des Blattes bleibt am Baume. 
Bruck ?) fafst die Krankheit als Folge von Sonnenbrand auf. 

Bei Gartenkulturen ist oft der Schutz gegen die rauhen Früh- 
jJahrswinde notwendiger als gegen Frost. Beispielsweise beob- 
achtete man im April 1905, dafs junge Rhabarberblätter, die den 
Frost vertragen, wenn sie unberührt langsam auftauen, sich stark 
beschädigt zeigten, soweit die gefrorenen Blätter vom Winde ge- 
troffen worden waren. Ebenso wurden junge Rosentriebe nur dort 
verletzt, wo der Wind sie hatte fassen können. Während in wind- 
stillen Lagen junge Gemüse und Blumenpflanzen tadellos standen, 
waren sie dort verdorben, wo der Wind freien Zutritt gehabt?). Aufser 
der Steigerung der Verdunstungsgröfse spricht hier sicherlich die gegen- 
seitige mechanische Reibung der noch zarten Organe ausschlaggebend mit. 


1) Lüstser, Beobachtungen über die sogen. Mombacher Aprikosenkrankheit. 
Ber. d. Kgl. Lehranstalt zu Geisenheim am Khein. Berlin 1904, 8. 222. Paul Parey. 

2) Bruck a. a. 0. S. 74. 

3) Börrxer, Jon, Rauhe Winde. Prakt. Ratgeber im Obst- und Gartenbau 
1905, Nr. 8. 


Elektrische Entladungen. 479 


Als bedeutender Schädiger wirkt ferner der Wind durch Abwehen 
der Schneedecken. Saaten der verschiedensten Art erhalten sich m 
Furchen auf der dem Winde abgekehrten Seite, selbst bei minimaler 
Schneebedeckung, während sie auf der Windseite zugrunde gehen. 

Zur Milderung der Windschäden kann nur eine richtig aufgebaute 
Schutzpflanzung dienen. Unter dem richtigen Aufbau meinen wir 
erstens die Nachahmung des Systems, das die Natur an den Strand- 
gebieten selbst befolgt, und zweitens die richtige Auswahl der Gehölze. 

Das natürliche System besteht darin, dafs bei Hecken die niedrigst 
bleibenden Gesträuche nach der Windseite hin gepflanzt werden; sie 
kümmern oder sterben zwar auch in ihrem Zweigwerk auf der Angriffs- 
seite ab; aber diese dürren Aste brechen dann schon die Gewalt des 
Windes und lassen die abgewendete Seite zur Entwicklung kommen. 
Wenn nun dahinter höhere Sträucher gepflanzt werden, so bleiben die- 
selben schon so lange geschützt, als die Höhe der ersten Vorpflanzung 
reicht. Kommen sie darüber hinaus, wird ihr Wachstum kümmerlich 
und einseitig, aber immerhin erheben sie sich etwas höher und gewähren 
einer dahinter gepflanzten Baumart wiederum Schutz, bis hohe Bäume 
endlich zur Entwicklung kommen können. 

Dort, wo Versandung mit in Betracht gezogen werden muls, 
empfiehlt H. NEuEr!) vor allen Populus alba und nigra und Arten von 
Salix. Als Zwischenpflanzen gedeihen noch Aslanthus glandulosa und 
Rhus Cotinus. Von Sträuchern sind besonders Ligustrum vulgare, 
Cotoneaster buzxifolia, Speraea opulifolia, Tamarix und Ribes sanguineum zu 
empfehlen. Von Zierpflanzen verwende man in erster Linie Pelargonien, 
Chrysanthemen und Levkoyen. 


Zehntes Kapitel. 
Elektrische Entladungen.. 


Blitzschläge. 


Trotz zahlreicher Beschreibungen von Zerstörungen der Pflanzen- 
welt durch Blitzschläge sind wir zu einer genauen Kenntnis über die 
Wirkungsweise des Blitzes noch nicht gelangt. Wir werden, wie bei 
den Frostbeschädigungen, mit denen die vom Blitz hervorgerufenen 
Verletzungen vielfach Ahnlichkeit zeigen, eine mechanische und 
eine chemische Wirkung auseinander zu halten haben, und bei 
dem Blitzschlag dürfte die mechanische Wirkung die weitaus vor- 
herrschende sein. CoHN?), dem wir eine Zusammenstellung von 41 Blitz- 
schlägen und reiche Literaturangaben verdanken, ist der Meinung, dafs, 
wenn der Blitz in einen Baum gelangt ist, der Hauptstrom der Elek- 
trizität nach Durchbrechung der Rinde in der gut leitenden Cambial- 
schicht weitergeht; die „hierdurch sich entwickelnde Erwärmung ver- 
dampft augenblicklich die in den Cambiumzellen enthaltene Flüssiekeit 
ganz oder zum Teil; der gespannte Dampf wirft die Rinde mit der 


1!) Never, H., Neue Erfahrungen über Anlagen und Pflanzungen an der Nordsee- 
küste. Die Gartenwelt 1904, Nr. 49. ! 

?2) Coun, Ein interessanter Blitzschlag. Verh. d. Kais. Leop. Carol. Akad. d. 
Naturf. Vol. XXVI, P. I. — Über die Einwirkung des Blitzes auf Bäume. Denk- 
schrift d. Schles. Ges. f. vat. Kultur 1853, S. 267 Ho 


480 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


daran hängenden Bastschicht ganz oder in einzelnen Fetzen oder Streifen 
ab“. Die Bruchstücke findet man häufig auf große Entfernungen hin 
fortgeschleudert. Neben diesem Hauptstrome wäre ein Nebenstrom 
durch den schlechter leitenden Holzkörper die Veranlassung der Holz- 
spaltungen, die an den Orten der geringsten Festigkeit und zwar infolge 
einer plötzlichen Austrocknung durch Verdunstung des Saftes entstehen. 
Somit wären nach der Conn schen Anschauung weder Holzspalt noch 
der abgelöste Rindenstreifen als Zeichen für die Bahn des Blitzes an- 
zusehen, sondern lediglich als die Region der geringsten Widerstände 
zu deuten. Ich möchte dagegen mit Oaspary glauben, dafs der 
Schmetterstreifen die tatsächliche Blitzspur ist. 

Die Vermutung von CoHn, dafs eine starke, plötzliche Dampfbildung 
durch Verdunstung der vom Blitz getroffenen Gewebe das explosive Fort- 
schleudern der Rinden- und Holzsplitter veranlasse, war ihm durch man- 
cherlei Erscheinungen nahe gelegt worden. Zunächst findet man wirklich 
stark ausgetrocknete Splitter; sie gelangen nur darum wohl selten zur Be- 
obachtung, weil die Gewitter in der Regel von Regengüssen begleitet 
sind, die die ausgetrockneten Späne sofort wieder nässen. Auch die 
Erscheinung, dafs Bäume durch den Blitz entzündet werden, spricht 
für die austrocknende Wirkung desselben. Es mufs hierbei jedoch 
oleich bemerkt werden, dafs bisher kein Fall mit Sicherheit konstatiert 
worden ist!), in welchem durchaus gesunde Bäume in Brand geraten 
wären; vielmehr zeigen die meisten Beobachtungen, dafs eine Entzündung 
nur bei kernfaulen Stämmen zustande gekommen ist. 

Für die Art und Weise der Blitzbeschädigung ist neben der Inten- 
sität des Strahles jedenfalls die Individualität des Baumes von grofsem 
Einflufs. Man findet, dafs die einzelnen Baumarten vielfach überein- 
stimmende Verletzungen zeigen, und dafs gewisse Arten ganz besonders, 
andere sehr selten dem Blitzschlag ausgesetzt sind. 

Betreffs der Charakteristik der Verletzungen läßt sich zunächst an- 
geben, dafs zwar die Mehrzahl der Fälle eine Bloislegung des Holz- 
körpers durch abgesprengte Rinde zeigt, daß aber bei gut leitenden 
Arten und jungen Exemplaren Blitzschläge vorkommen, die gar keine 
sichtbare Verletzung hinterlassen. Bei den Pyramidenpappeln schlägt 
der Blitz in der Regel nicht in die Spitze, sondern tiefer abwärts am 
Stamm ein, so dafs der eröfste Teil der Krone unverletzt bleibt, und geht 
in einem graden oder nur wenig spiralig gewundenen Schmetter- 
streifen stammabwärts. Holz- und Rindensplitter werden abgesprengt; 
an den Rändern des Schmetterstreifens ist die Rinde vom Holze ab- 
gehoben, die Ränder selbst sind unverfärbt. Bei den Eichen dagegen 
wird öfter der Wipfel getroffen, und es werden häufig aus der Krone starke 
Äste getötet und abgeschlagen. Der Schmetterstreifen zeigt meist stark 
spiralige Drehung?) am Stamme, dessen Holzkörper eine mehr rinnen- 
artieg auseehöhlte Blitzspur zeigt, während bei der Pappel scharfkantige 
Spalten den Verlauf des Strahles andeuten. Namentlich bei Eichen 
erzeugt der Blitzschlag neben radialen auch viele tangentiale Zer- 
klüftungen in der Richtung des Jahresringes. Jedenfalls hängt die 
Richtung und Gestalt des Schmetterstreifens vom Holzbau ab. Je 


!) Casrarv, Mitteilungen über vom Blitz getroffene Bäume und Telegraphen- 
stangen. Schriften d. phys. ökonom. Ges. zu Königsberg 1871; cit. Bot. Z. 1873, 
S. 410. Bever, Blitzschlae. Verh. d. bot. V. d. Prov. Brandenb., 28. Jan. 1876. 

2) BucHEnAU, Abhandl. d. naturwiss. Ver. zu Bremen, Bd. VI. — Schriften d. 
Leopold. Akad. d. Naturf., Bd. XXXIII, 1867. 


Elektrische Entladungen. 481 


spiraliger der Verlauf der Holzfaser, desto mehr dreht sich auch der 
Streiten, was sich daraus erklärt, dafs der Blitzstrahl dem Wege der besten 
Leitung folgt. Bei der nebenstehenden, von F. BUCHENAU beobachteten, 


Po 


Fig. 97. Vom Blitz getroffene 23 m hohe Eiche. 


a, Ansatzstelle des herabgeschmetterten Astes; b, e, d an ihrer Basis verletzte, später vertrocknete 
Aste; e unverletzt gebliebener Ast: /I und, /II herabhängende Holzfetzen; x und y im Splint be- 
schädigte Astehen. (Nach NoBBE.) 


von NoBBE!) wiedergegebenen Eiche (Fig. 97) zeigt sich der spiralige 
Verlauf des Schmetterstreifens besonders schön. Bei CasparyY's Ver- 
suchen über die Wirkung des Entladungsfunkens einer mit 50 Um- 


!) Dösxer-Nossr, Botanik f. Forstmänner. 4. Aufl. Berlin, P. Parey, 1882, S. 34. 
Sorauer, Handbuch. 3. Aufl, Erster Band. 31 


482 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


drehungen geladenen Leidener Flasche bestätigt sich die von VILLARI 
gefundene Tatsache, dafs der elektrische Funke im Holz in longitu- 
dinaler Richtung eine viel längere Strecke durchschlägt als in trans- 
versaler. Aufserdem zeigt sich, dafs das Holz in tangentialer Richtung 
dem Funken gröfseren Widerstand leistet als in radialer. Das Ver- 
hältnis der Schlagweite in longitudinaler, radialer und tangentialer 
Richtung betrug nach Caspary bei frischem Lindenholz 19:2:1, bei 
trocknem Fichtenholz 7:2:1. Immer zerrifs das Gewebe in der Bahn 
des Funkens und wurde eine weitgehende Zerstörung des Zellinhaltes 
infolge der Hitze wahrgenommen. 

Diese Folge des Blitzschlages dürfte überall nachweisbar sein, und 
in den Fällen, in denen äufserlich keine Verletzung erkennbar, dürften 
doch eng begrenzte, leicht übersehbare Eintrittsstellen des Blitzstrahls 
niemals fehlen. Corzanon!) beobachtete auch z. B. bei einer Pappel 
und Fichte auf den von der Rinde entblöfsten Flächen besonders 
charakteristische, kreisrunde Stellen, die infolge sehr starker lokaler 
Austrocknung des jungen Holzes entstanden zu sein schienen und durch 
konzentrische, dunkelgelbe und braune Ringe gefärbt waren. Es sind 
auch noch eine Anzahl anderer Fälle bekannt geworden, in denen 
kreisrunde, kleine Flecke auf Eintritt- oder Austrittstellen des Blitz- 
strahls hindeuten. 

Besonders anschauliche Abbildungen der verschiedenen Arten der 
Blitzbeschädigungen gibt R. Harrıs in seinem Lehrbuche?). Er führt 
die Verschiedenartigkeit der Blitzspuren auf die ungleiche Leitungs- 
fähigkeit der Gewebe und auf den Grad der vorhandenen Befeuchtung 
derselben zurück. Wenn ein Baum beregnet ist, „dringen schwache 
Blitze gar nicht in dessen Inneres ein, sondern reifsen nur Borken- 
schuppen, Flechten und trockene Äste ab. Bäume, die eine ganz zarte 
Korkhaut haben, wie z. B. die Weifstanne, lassen nur in den äufseren 
Rindengeweben zum Teil höchst merkwürdige Blitzspuren erkennen. Es 
werden oft nur kleine, rundliche, isolierte oder in Ziekzacklinien 
verbundene Rindenstellen getötet, die sich später, oft nach vor- 
gängiger Korkbildung, von der lebenden Rinde des Baumes loslösen.“ Bei 
Bäumen mit starker Borke mufs der Blitz erst diese schlecht leitende 
Hülle durchschlagen, um in die gut leitende Rinde zu gelangen; als 
besonders gut leitend sieht Harrıs die äußere Rindenschicht an, die 
„arm an Fett ist“, während das protoplasmareiche, in der Regel viel 
Fett enthaltende Gewebe der jüngsten Rindenlagen, wegen seines Fett- 
gehaltes sehr schlecht leitet und oft vom Blitz ganz verschont bleibt. 
Das beste Leitungsgewebe ist das nur noch schwachen Plasmabelag 
zeieende Jungholz, das auch gegen Frostbeschädigung sehr empfindlich 
sich erweist. Wenn (bei kräftigen Entladungen) der Cambiummantel 
mit geschädigt wird, erfolgt eine „innere Überwallung“. 

Die Anschauung von der Beeinflussung der Leitungsfähigkeit der 
Gewebe durch ihren Fettgehalt stützt sich auf die Arbeiten von 
Joxescu®). Dieser fand, dafs der elektrische Funke durch frisches Holz 


1) Corzavos, Die Wirkung des Blitzes auf Bäume; eit. Biedermanns Centbl. 
1873, S. 153. Bot. Z. 1873, S. 686. 

2) R. Harrıc, Lehrbuch d. Pflanzenkrankheiten. III. Aufl. 1900. Berlin, 
J. Springer. Ü 

3) Joxescv, Diumrrrie, Über die Ursachen der Blitzschläge in Bäumen. Jahresb. 
d. Ver. f. vaterl. Naturkunde in Württemberg. 1892. Schweizerbartsche Verl. — 
Weitere Untersuchungen über die Blitzschläge in Bäumen. Ber. d. Deutschen Bot. 
G. 1894, S. 129. 


Elektrische Entladungen. 483 


um so schlechter durchschlug, je reicher dasselbe an fettem Ol war. 
Die Unterschiede z. B., die sich auf gleichem Standort zwischen der 
selten vom Blitz getroffenen Buche und der äufserst häufig heim- 
gesuchten Eiche ergaben, erklärte, der mikroskopische Befund: die 
Holzzellen der ersteren waren mit Ol versehen, die bei der Eiche nahe- 
zu ölfrei. Andere „Fettbäume“* (bei denen sich im Winter und 
Frühjahr die gesamte Stärke in Ol verwandelt), wie z. B. Juglans regia, 


Fig. 98. Querschnitt durch eine Fichte mit zahlreichen überwallten Blitzwunden. 
(Nach R. Harrıc.) 


Tilia parvifolia, Betula, Pinus erwiesen sich auch als schlechte Leiter 
gegenüber den Stärkebäumen (Acer, Corylus, Fraxinus, Ulmus, Oratae- 
gus usw.). Wurde aus Fettbäumen das Ol mit Ather ausgezogen, so 
durchschlug der Funke die frischen Holzstücke ebenso leicht als bei 
typischen Stärkebäumen. Man darf bei der Beurteilung dieser Ver- 
hältnisse aber nicht vergessen, dafs der Olgehalt bei den einzelnen 
Baumarten je nach .der Jahreszeit sich ändert; daraus ergibt sich, dafs 
auch die elektrische Leitungsfähigkeit wechselt. Bei gleichgrofsen 


31* 


484 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


Stammstücken von Tilia parvifolia fand Joxescu, dab im Februar, wo 
Holz und Rinde ölreich sind, eine viel höhere elektrische Spannung 
nötig war, als Ende März, wo das junge Holz mit Stärke und Glykose 
angefüllt sich zeigte. Umgekehrt war es bei der Buche, die im Januar 
bis April stärkereich, im Mai dagegen ölreich sich erwies, ebenso wie 
Kiefer, Rottanne, Hainbuche und Stieleiche. Die Kiefer wird bei 
unsern Sommergewittern ziemlich oft getroffen; sie enthält zu dieser 
Zeit in Holz, Rinde und Mark Glykose, in den Markstrahlen Stärke. 
Aber im Winter besitzt der Baum viel fein zerteiltes Ol, und es zeigt 
sich, dafs in Ländern mit Wintergewittern (Irland, Norwegen) der Blitz 
fast nie in Kiefern einschlägt. Diese Differenzen in der Zusammen- 
setzung des Zellinhaltes aber treten in den Hintergrund, wenn der 
Standort eine hohe elektrische Spannung veranlafst, wie z. B. wenn 
ein Baum auf undurchlässiger Bodenschicht steht, wo sich Wasser an- 
gesammelt hat, oder an Flufsufern, Teichen usw. 

Dem Wassergehalt des Holzes ist nur wenig Bedeutung für die 
Häufigkeit der Blitzschläge beizumessen. 

Der elektrische Funke sucht bei hoher Spannung sich den kürzesten 
Weg und schlägt dann auch durch schlechtere Leiter. 

Manchmal wird ein Baum im Laufe der Jahre wiederholt vom 


Blitz getroffen, und es kommen dann Fälle vor, dafs ein Stamm auf‘ 


der ganzen Aufsenseite ringsherum kleine, rundliche oder längliche 
Blitzspuren zeigt, so dafs man Hagelschlag vermuten könnte. Harrıs 
(a. a. 0. S. 241) meint aber, dafs die charakteristische Gestalt der Blitz- 
gewebe im ‚Jungholz jeden Zweifel heben kann. Ein solches Bild 
wiederholt erfolgter und geheilter Blitzwunden zeigt die umstehende 
Fig. 98. Eine ähnliche Stammbeschaffenheit könnte auch auf Frost- 
wunden hindeuten; nur fehlen hier die vorspringenden Frostleisten. 
Sonst zeigen aber auch die anatomischen Gewebeveränderungen, die 
bei der Heilung von Blitzwunden im Splinte sich einstellen, eine äufserst 
grofse Ähnlichkeit mit jener Parenchymholzbildung, welche nach Frost- 
beschädigung sich einzustellen pflegt. Indem wir bei letzterer näher 
darauf eingehen werden, geben wir hier nur für späteren Vergleich die 
Kopie einer von R. Harris gezeichneten geheilten Blitzwunde, welche 
v. TuBEUF neuerdings reproduziert hat!). Wir erblicken in der untersten 
derbwandigen Tracheidenschicht (Fig. 99) den Abschlufs des vorjährigen 
Jahresringes. Der neue Jahresring hat mit der Bildung dünnwandiger 
Elemente begonnen und ist zurzeit, als die zehnten bis zwölften Sommer- 
tracheiden angelegt worden waren, vom Blitzstrahl getroffen worden. Die 
Wirkung desselben bestand darin, dafs die jüngsten Holzelemente, wie 
durch eine tangentiale Zerrung, schief verschoben, zusammengedrückt 
und zum Teil getötet worden sind, während die lebensfähig gebliebene 
Zelllage sich zu Parenchymholz ausgebildet hat und erst allmählich 
wieder in kleinzelliges normales Holz übergegangen ist. 

Dieselben Vorgänge zeigen die verheilten Frostwunden; nur findet 
sich in der Regel die abnorme Parenchymholzlage näher am 
alten Jahresring. Dieser Unterschied ist erklärlich, da die Störung 
durch die Spätfröste schon zu einer Zeit aufzutreten pflegt, in welcher 
die Bäume noch wenig neues Holz gebildet haben, während die Blitz- 
beschädigungen erst später im Jahre durch die Sommergewitter entstehen. 


I) yv. Tusevr, Über sogenannte Blitzlöcher im Walde. Naturw. Zeitschr. f. 
Land- u. Forstwirtsch. 1906, S. 349. 


Elektrische Entladungen. 485 


R. Harrıc betrachtet das Zustandekommen des zusammengefallenen 
Gewebestreifens nicht als direkte Folge der Blitzwirkung; denn er 
sagt!): „Wenn der Blitz seinen Weg im Jungholz ganz oder teilweise 
genommen, so erkennt man dies daran, dafs die Zellen unverholzt bleiben 
und durch die später entstehenden Gewebsbildungen zusammengedrückt 
werden“. Er macht sodann, wie auch Beuins?), Angaben über das Ab- 
sterben ganzer Baumgruppen und fand®), dafs an den vom Blitzstrahl 
getroffenen Kiefern und an zahlreichen Nachbarstämmen der Bastkörper 
getötet erschien. Derselbe Beobachter erwähnt auch emen Fall, bei 
welchem in einem gemischten Fichten- und Eichenforste mit vor- 
wüchsigen Fichten nur die unterdrückten (12) Eichen Blitzschläge er- 


3 So0x0= 


Marz 


Te 


) 


Fig.99. Querschnitt durch den Jahresring des Blitzjahres bei einer Fichte. 
Die zerknitterte Zellschicht zeigt die Blitzwirkung. (Nach v. Tvervr.) 


kennen liefsen, während die Fichten völlig verschont geblieben waren. 
Dafs in gemischten Beständen die Eichen besonders häufig vom Blitze 
leiden, ist öfter ausgesprochen worden; ebenso dafs auch andere, nicht 
etwa durch ihre Höhe ausgezeichnete Bäume und Gebäude in gewissen 
Lokalitäten dem Blitzstrahl vorzugsweise zum Opfer fallen ®). 

Das horstweise Absterben, von dem R. Harrıc hervorhebt, daß er bei 
Kiefernbeständen im Laufe von fünf Jahren ein radiales Fortschreiten 
der Erscheinung beobachtet habe, ist neuerdings von v. TuBEUF studiert 


!) R. Hırrıc, Lehrbuch der Pflanzenkrankheiten. III. Aufl. 1900, S. 242. 
?) Zeitschr. f. Forst- u. Jagdwesen, Nov. 1873. 
a Bot. Jahresbericht v. Jusr, 1875, S. 956. — Lehrbuch d. Baumkrankh. 1882, 
Ss. 191. 
*) Landwirt 1875, S. 400 u. 513. — Gard. Chronicle 1878, II, S. 667. 


486 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


worden!). Er beschreibt einen Fall, in welchem nur eine Lärche 
sichtlich vom Blitz getroffen worden war und dennoch eine gröfsere 
Anzahl der sie umgebenden Kiefern und Fichten abzusterben begann. 
Die Lärche zeigte einen am Stamm herablaufenden, unterbrochenen 
Schmetterstreifen, die Krone blieb grün. Die Bäume der Umgebung 
wiesen keine örtlichen Verletzungen auf, waren aber in einem Halb- 
kreis von 25 m abgestorben. Derartige Fälle sind vielfach bekannt 
geworden. In einer früheren Veröffentlichung?) spricht v. TUBEUF die 
Vermutung aus, dafs ein solches Absterben grofser Baumgruppen durch 
„Streublitze“ veranlafst werde, also durch Zerstreuung des Blitzes in 
eine Anzahl Strahlenbüschel, während EBERMAYER?) die Erscheinung auf 
das Zustandekommen eines inneren Blitzschlages durch plötzliche 
Vereinigung getrennt gewesener Elektrizitäten zurückführt. Die Ge- 
witterwolke trennt durch Influenz die entgegengesetzten Elektrizitäten 
ım Baume; die ungleichnamige zieht in den oberen Teil, während die 
andere (gleichnamige) in die unteren Teile hinabdringt. „Sobald nun 
der Blitz einschlägt, fällt die Ursache der Scheidung beider Elektri- 
zitäten innerhalb der in der Nähe befindlichen Körper weg, und es 
verbinden sich diese in demselben Augenblick plötzlich wieder mit- 
einander“. Auf Grund seiner künstlichen Blitzversuche vermag 
v. Tugeur sich dieser Ansicht nicht anzuschliefsen. Bei der Unter- 
suchung von Bäumen aus Blitzlöchern fand er doch an einem oder 
dem anderen Stamme „grobe Blitzverletzungen“, und da andere Ursachen 
des Absterbens (tierische und pilzliche Feinde) ausgeschlossen sich er- 
wiesen, kam er eben zu der Anschauung, dafs „Streublitze“ existieren 
müssen. Eine Zweiteilung des Blitzes wurde von dem Forstmeister 
PETzoLp im Forstamt Sachsenried beobachtet ®). 


Gipfeldürre der Nadelhölzer. 


Im Jahre 1903 beschrieb v. TusEur?) unter Beifügung zahl- 
reicher Abbildungen einen Fall von sehr ausgedehnter Wipfeldürre bei 
Nadelhölzern in Oberbayern. Die Beobachtung führte zu dem Schlusse, 
dafs nur eine einmalig wirkende Ursache im Winter 1901,02 vorhanden 
gewesen sein kann, und dafs sie in dem elektrischen Ausgleich bei 
Wintergewittern gesucht werden mufs. Das charakteristische Merk- 
mal ist die Art des Absterbens. In der oberen Region des Baumwipfels 
sind Rinde, Bast und Cambium tot, weiter abwärts nur Rindenteile 
aufserhalb des Cambiums abgestorben, so dals dieses während des 
Sommers noch Bast und Jungholz bilden konnte. „Der weifse, weiche 
Bast liefs sich demnach leicht vom saftigen Holze ablösen wie an ge- 
sunden Bäumen. An den neugebildeten Bast schlofs sich die tote 
Rindenzone, und aufserhalb derselben war die grüne Rinde wieder 
lebend. In dieser grünen Rinde verliefen vielfach von Kork einge- 
kapselte Streifen toten Gewebes. Noch weiter nach unten waren die 


I) v. Tuseur, Über sogenannte Blitzlöcher im Walde. Naturwiss. Z. f. Land- 
u. Forstwirtsch. 1906, S. 344. 

2) Absterben ganzer Baumgruppen durch den Blitz. Naturwiss. Z. f. Land- 
u. Forstwirtsch. 1905, S. 493. Dort auch weitere Literaturangaben. 

3) Epervarer, Wald und Blitzgefahr Naturwiss. Rundschau. 1889. 

4) Beobachtungen über elektrische Erscheinungen im Walde. Naturwiss. Z. 
f. Land- u. Forstwirtsch. 1905, S. 308. 

5) v. Tuseur, Die Gipfeldürre der Fichten. Naturwiss. Z. f. Land- u. Forst- 
wirtschaft. 1903, No. 1. Fortsetzung ibid. No. 7, 8. - 


u a 


Elektrische Entladungen. 487 


getöteten Bast- und Rindenteile nicht mehr stammumfassende Bänder, 
sondern sie zerteilten sich in Streifen; endlich fanden sich nur noch 
tote Flecke, und einige Meter unter der Baumspitze verlor sich jedes 
Krankheitszeichen, der freie Stamm und die Wurzel waren vollkommen 
gesund.“ (Fig. 100.) In der beistehend abgebildeten Scheibe einer gipfel- 
dürren Fichte ist die Rinde schliefslich blofs an einigen Stellen in zu- 
sammenhängenden Streifen von aufsen herein getötet. Sonst finden sich 
im Rindenmantel nur noch zerstreut kleinere Herde von gebräuntem 
Gewebe. Da dieselben mitten in der lebenden Rinde liegen, sind sie 
ringsum von einem weifsen Korkmantel eingekapselt. Der Bastring er- 
scheint gebräunt, aber an einzelnen Stellen von gesundem Gewebe 
unterbrochen. 


Die Übereinstimmung dieser Merkmale mit den von R. Harrıc als 
„Blitzspuren“ beschriebenen Veränderungen begründeten bei v. TUBEUF 
die Ansicht, dafs diese weitver- 
breitete, plötzlich an vielen Indi- 
viduen aufgetretene Wipfeldürre 
eine Folge elektrischer Einwirkung 
sein müsse. Das Bedenkliche, auf 
das der Autor selbst aufmerksam 
machte, ist, dafs die Blitzschläge 
meist unterhalb der Krone einsetzen 
und den Stamm verletzen, aber die 
Krone unverletzt lassen; in anderen 
Fällen hat man wohl ganze Bäume 
absterben gesehen, aber niemals die 
Krone allein. Gegenüber den ander- 
weitig erhobenen Einwendungen, 
dais diese Wipfeldürre durch Borken- 

käferfrafs oder Wicklerraupen 
(Grapholitha ypactolana) veranlafst 
worden sei!), betont v. TUBEUF, dafs 
die Bäume die Krankheitsmerkmale 
auch ohne Borkenkäfer zeigen und Fig. 100. Querschnitt durch eine gipfel- 
diese, wohl angelockt durch den dürre Fichte aus dem Forstamt Starnberg. 
Terpentingeruch, erst sekundär auf- (Nach v. Tusevr.) 
treten. Einzelne Kiefern und 
Lärchen verhielten sich wie die Fichten. Das bei den blitz- 
beschädigten Fichten auftretende Ausstrahlen des Absterbens in Form 
brauner Rindenstreifen mit Korkumwallungen innerhalb der sonst grün 
und frisch bleibenden Rinde unterhalb des abgestorbenen Wipfels 
konnte v. Tugeur weder an Bäumen finden (Fichten und Kiefern), die 
mechanisch abgebrochen, geknickt oder abgebissen, noch an solchen, 
die erfroren oder von einem Insekt getötet worden waren. 


Weitere Untersuchungen?) ergaben die Identität der anatomischen 
Merkmale der wipfeldürren Fichten mit denen, welche bei Bäumen 
gefunden werden, an denen der Blitz äufsere Verletzungen hervorgerufen 
hat. Die Hauptstütze aber liegt in der Tatsache, dafs v. TuBEUF und 


1) s. Mörzer in Zeitschr. f. Forst- u. Jagdwesen. 1904, Heft 8. 


2) v. Tuseur, Über den aa Befund bei gipfeldürren 
Nadelhölzern. Naturwiss. Z. £. Land- u. Forstwirtsch. 1903, No. 9, 10, 11. 


488 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


ZEHNDER!) durch experimentell erzeugte Funkenströme imstande gewesen 
sind, sowohl die äufsere Erscheinung der Wipfeldürre als auch ganz 
die gleichen anatomisch-pathologischen Folgeerscheinungen, namentlich 
die toten „Rindenaugen“, die von einem weifsen Korkmantel eingekapselt 
sind, am lebenden Stamme hervorzurufen. So lange also nicht nach- 
gewiesen werden kann, dafs andere Ursachen dieselben Symptome er- 
zeugen, wird man daran festzuhalten haben, dafs die beschriebene Art 
der Gipfeldürre eine Folge elektrischer Entladungen ist. Dieselben 
dürften an und für sich schwach sein. 

Dagegen zeigten Laubhölzer (wie Herr v. Tugrur mir vorläufig brief- 
lich mitteilte), weder in der Natur noch bei seinen Versuchen jene weit 
in das gesunde Gewebe hinein ausstrahlenden Beschädigungen. Bei 
dem künstlichen Anblitzen starben sie oben nur bis zu einer bestimmten 
Stelle ab. 

Zur Erleichterung der Vorstellung elektrischer Ausgleichungen er- 
innert v. TugBEur an die Elmsfeuer?) und hat dieselben auch 
experimentell hervorgerufen. Er verweist dabei auf die früheren Ver- 
suche von MorıscH®), der (angeregt durch die Beobachtungen von 
Linne’s Tochter und Sohn über ein Blitzen der Blüten) em 
Büschellicht, also eine leuchtende, aber stille elektrische Ausgleichung 
erzielte. 

Bei den v. Tugeur'schen Versuchen wurden Topfexemplare auf einen 
Wachsklotz gestellt und dadurch isoliert. Ihre Erde wurde durch einen 
Kupferdraht mit der einen Konduktorkugel einer Influenzmaschine ver- 
bunden, und an der Kugel des anderen Konduktors wurde ebenfalls 
ein Draht befestigt. Sobald die Influenzmaschine in Bewegung gesetzt 
wurde, lud sich der Blumentopf nebst der Pflanze mit Elektrizität. 
„Bringt man den anderen Draht in die Nähe der Pflanze, dann sieht 
man ein Ausströmen der positiven und der negativen Elektrizität, welche 
sich in den beiden Konduktorkugeln und demnach in den beiden 
Drähten getrennt hatten. Die positive Elektrizität strömt in Form 
eines Lichtbüschels aus, die negative erscheint wie kleine Licht- 
perlen an den Spitzen.“ Die Versuche mit Fichten und Kiefern er- 
gaben, dafs an den negativ geladenen Pflanzen bei Annäherung des 
positiv geladenen Drahtes eine gröfsere Zahl von Nadelspitzen die 
Elektrizität in Form von Lichtperlen ausstrahlen liefs. Lädt man 
aber positiv, so strömt die Elektrizität aus den Nadelspitzen lichtlos 
aus.*) 

Bei zarten Pflanzen (Begonien) wurde beobachtet, dafs, wenn man 
den positiv geladenen Draht so hoch über die Pflanze hielt, dafs am 
Rande der Blüten kleine Lichtperlen sich zeigten, ohne dafs ein Funke 
übersprang, eine schädliche Wirkung sich nicht einstellte..e Wurde 
diese Vorsicht nicht beobachtet, trat schon nach wenigen Minuten ein 
Welken der Blumenstiele und darunter befindlicher Sprofsteile ein; 
diese erschienen dunkelglasig wie nach Frostwirkung. Es ist aus diesen 


!) v. Tuseur u. Zeunper, Über die pathologische Wirkung künstlich erzeugter 
elektrischer Funkenströme auf Leben u. Gesundheit der Nadelhölzer. Sonderabdruck. 

2) v. Tuseur, Elmsfeuer-Versuche. Naturwiss. Z. f. Land- u. Forstwirtsch 
1905, Heft 5. 

3) Morısch, Leuchtende Pflanzen. Jena 1904, G. Fischer. 

*#) Über die Unterschiede in der Wirkung der positiven und negativen 
Elektrizität. Vergl. Prowwan, Elektrotropism of roots. Americ. Journ. Sc. 1904. 
eit. Bot. Centralbl. 1905, No. 40, S. 342. 


WE Fr 


Elektrische Entladungen. 489 


Versuchen zu folgern, dafs stille elektrische Ausgleichungen (Büschel- 
licht) eine direkte Beschädigung nicht hervorrufen, jedoch eine solche 
sich sofort geltend macht, wenn eine Funkenentladung eintritt. 


I 
Unterschied zwischen Blitz- und Frostwunden bei Nadelhölzern. 


Bis jetzt fehlt den von v. TußEur veröffentlichten Ergebnissen seiner 
experimentellen Studien eine Abbildung des anatomischen Befundes 
jener Blitzspuren, die sich als augenförmige Flecke in der Rinde zeigen 
(s. Fig. 100). Obwohl wir in den am Anfang dieses Abschnittes er- 
wähnten Arbeiten von CoLrLanon und von R. Harrıc ebenfalls Angaben 


Fig. 101. Kiefer, künstlicher Frost. (Orig.) 


z Einzelne abgetötete Rindenzellen mit braunem, gleichmäfsigem Inhalt; % Höhlung ım 

abgestorbenen Gewebekern; u wenig gefärbte oder fast farblose Umkleidung der zen- 

tralen Höhlung, welche in Bau und Lagerung deutlich noch die Struktur der Auskleidung 

eines Harzganges erkennen lälst; p vollständig verharzte, braune Rindenparenchym- 

zellen aus der Umgebung des Harzganges; w tafelförmig gestrecktes, stärkeführendes 
Parenchym; rp normales Rindenparenchym. 


über isolierte, ringförmige Blitzspuren finden, erschien es mir doch 
notwendig, die Frage zu prüfen, ob nicht derartige Beschädigungen 
durch Frost hervorgerufen sein könnten. Der Verdacht lag um so näher, 
als ich bei Laubbäumen um frostbeschädigte Bastgruppen in der Nähe 
von Augen ähnliche Erscheinungen zu beobachten Gelegenheit gehabt 
hatte. 

Um zuverlässiges Vergleichsmaterial zu bekommen, erbat ich von 
Herrn v. TußEur Proben seiner künstlich angeblitzten Fichten und be- 
schaffte mir Frostwunden dadurch, dafs ich eine gesunde fünfjährige 
Kiefer (v. Tugeur hatte die charakteristischen Blitzwunden auch bei 


Elektrische Entladungen. 491 


Kiefern und Lärchen gefunden) im Mai während einer Nacht im Gefrier- 
zylinder einer Kälte bis zu —7° C aussetzte. Der anscheinend un- 
beschädigt aus dem Gefrierapparat hervorgegangene Baum ‚kam Ende 
des folgenden Jahres zur Untersuchung, um ihm Zeit zu lassen, etwaige 
innere Beschädigungen auszuheilen, wie dies bei den Blitzwunden eben- 
falls stattgefunden haben mulfste. 


Innere Beschädigungen zeigte die Kiefer nur an einer Seite der 
Stammbasis im Rindenteil, und zwar teils in Form einzelner ab- 
gestorbener Zellen mit braunem, verquollenem Inhalt mitten im gesunden 
Parenchym, teils in Gestalt gröfserer toter Zellgruppen, die ringförmig 
von einem lebenden, mauerförmig angeordneten Parenchym umschlossen 
waren und dadurch eine augenähnliche Figur darstellten (s. Fig. 101). Das 
Zentrum dieser augenförmigen Figur wurde häufig durch eine Höhlung 
(h) gebildet, welche von schwach gebräunten, bisweilen fast farblosen 
Zellen (u) ausgekleidet war. Bei Vergleich der mit jedem Schnitte 
wechselnden Bilder kam man zu der Überzeugung, dafs diese den Hohl- 
raum umschliefsenden Zellen der Auskleidung eines Harzganges ent- 
sprachen und bisweilen blasig in denselben hinein vorgewölbt gewesen 
waren. Daran grenzte nach aufsen ein abgestorbenes Rindenparenchym (p), 
dessen Zellen nur selten zusammengefallen waren und meist in ihrer 
natürlichen Gröfse in Inhalt und Wandung verharzt sich erwiesen. 
Bei Aufhellung der Schnitte erkannte man in dem abgestorbenen 
Parenchym noch einzelne Oxalatgruppen und Zellen mit Körnern, die 
als verharzte Stärkekörner anzusehen sind. An das tote Gewebe grenzte 
nach aufsen jene oben erwähnte ringförmige Zone tafelförmiger Zellen, 
die ihrer Anordnung nach einer Korkumwallung glichen, aber mit Chlor- 
zinkjod Zellulosereaktion in ihren Wandungen zeigten und vielfach 
reichlich mit Stärke und Harztröpfchen angefüllt waren (w). Diese 
Umwallung des toten Gewebekernes, welche das augenförmige Aussehen 
der Frostwunde bedingte, ging dann in das normale Rindenparenchym (»p) 
über, das hier und da noch Spuren von Stärke erkennen liefs. 


Der Querschnitt durch die Rinde des von künstlichen Blitzen 
beschädigten Fichtenstämmchens ergab das in Fig. 102 vorgeführte Bild. 


Die Blitzspur (b) zeigt zunächst einen zentralen braunen, streifen- 
artigen Kern aus verquollenem Parenchym. Derselbe wird von einer 
breiten, hellen Zone (k) umgeben, die aus radial angeordneten Reihen 
sehr dünnwandiger, nahezu inhaltsloser, oft luftführender Zellen besteht. 


Nach aufsen stöfst diese Zone an einen Gewebering (Ak) aus tafel- 
förmigen, plasmareichen, in ihren Wandungen die Zellulosereaktion 
zeigenden Zellen, die allmählich in das normale, grofslumige Rinden- 
‚ parenchym (rp) übergehen. Die aufserhalb, aber ziemlich nahe der 
Blitzspur liegenden Harzgänge (g) sind in der Regel nicht verändert; 
die bisweilen blasig in den Harzgang hinein sich vorwölbenden Zellen . 
der Auskleidung sind hellwandig. Auch diese blasige Auftreibung der 
Wandungszellen ist eine normale Erscheinung; denn man findet an 
Zweigen gesunder Fichten im Winter manchmal die Harzgänge voll- 
kommen ausgefüllt durch thyllenartige Erweiterungen der Wandungs- 
zellen. Vereinzelt treten in unmittelbarer Nähe der Blitzspur auch 
Harzgänge auf, bei denen die ausfüllenden Zellen zu braunen, verquollenen, 
harzigen Massen umgewandelt sind. 


Der tote Gewebekern im Zentrum der Blitzspur besteht häufig nur 
aus abgetötetem Rindenparenchym; manchmal jedoch erkennt man 


492 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


auch, dafs einzelne Bastgruppen (A!) dabei beteiligt sind. Hervorzu- 
heben ist der Umstand, dafs die abgetöteten Parenchymzellen vielfach 
gänzlich zusammengefallen und vertrocknet erscheinen. Dieses Zu- 
sammentrocknen erkläre ich mir als die Ursache für die Entstehung 
der hellen Ringzonen aus weitlumigen, dünnwandigen Zellen, welche 
sich als wirkliche Korkzellen erweisen und den Unterschied von der 
Frostwunde bedingen. 

Ich mache mir nun folgende Vorstellung von dem Zustandekommen 
dieses Unterschiedes in den beiden Wundformen. Der elektrische 
Funken bedingt ein schnelles Austrocknen des abgetöteten Ge- 
webes. Da er ebenso wie der Frost kein langsam verlaufendes, nach- 
trägliches Absterben des anstolsenden Gewebes veranlafst, so grenzen 
an die abgetöteten Gewebeherde unmittelbar lebenskräftige, reaktions- 
fähige Zellen. Eine Reaktion auf den Wundreiz stellt sich sofort ein, 
wenn die vegetative Tätigkeit in der Rinde sich geltend macht. Das 
Parenchym an der Grenze des toten Gewebes antwortet auf den Wund- 
reiz durch Zellstreckung und Zellvermehrung. Die durch den Blitz 
zusammengetrockneten Zellpartien bieten der Umgebung Raum zu be- 
deutender Streckung und Fächerung. Je schneller der Vorgang statt- 
findet, desto mehr Material wird verbraucht. Ist dasselbe zurzeit nicht 
in genügender Menge vorrätig, findet nur Korkbildung statt, und damit 
erklärt sich, dafs nach der elektrischen Entladung das die zusammen- 
trocknende Gewebeinsel umgebende Rindenparenchym, welches eine viel 
schnellere Streckung und Fächerung zur Ausfüllung des gröfseren 
Raumes erfahren mufs, mit Korkbildung antwortet. 

Bei der Abtötung einer mitten im Rindenparenchym liegenden 
Gewebeinsel durch den Frost erfolgt zunächst kein Vertrocknen des 
Gewebes. Die abgetöteten, verquollenen Zellen behalten ihren Umfang 
infolge der noch vorhandenen Turgescenz. Somit wird auch der Druck 
des frostbeschädigten, sterbenden Gewebes auf die gesund und reaktions- 
fähig gebliebene Umgebung nicht wesentlich vermindert. Damit fällt 
aber für die umgebenden Zellen auch die Veranlassung fort, sich so 
stark zu verlängern und zu fächern, wie dies beim Vertrocknen der 
Blitzspur notwendig war. Es wird also um den toten Kern der Frost- 
wunde die infolge des Wundreizes entstehende Neubildung in Form 
einer Ringzone aus spärlicheren und kleineren Zellen auftreten. Das 
zuströmende plastische Material kann nicht mehr zur Zellvermehrung 
verbraucht werden, da der Bedarf gedeckt ist, und wird daher in Form 
von Reservestoffen sich niederschlagen. Daher die direkt um die Frost- 
wunde bemerkbare Stärkeanhäufung. 

Als positives Ergebnis der Untersuchung wäre anzuführen, dafs bei 
den Nadelhölzern ein bestimmter Unterschied zwischen künstlich er- 
zeugten augenförmigen Blitz- und Frostwunden besteht. Bei der Blitz- 
wunde trocknet das abgetötete Rindengewebe schnell zusammen und 
wird zunächst von einem lockeren Korkmantel umgeben, der einen 
hellen Aufsenring darstellt. Bei der Frostwunde behalten die abge- 
töteten Zellen im Innern des Rindenparenchyms zunächst ihren früheren 
Umfang; sie werden zwar ebenfalls eingeschlossen von einer Ringzone 
neugebildeter Zellen, aber diese entwickeln sich nicht zu einem lockeren 
Korkmantel, sondern bilden eine schmale Zone englumigen Parenchyms, 
das reicher an Reservestoffen wie das normale Rindenparenchym zu 
sein pflegt. Diese Zone stellt sich bei der Blitzwunde erst nach der 
Korkzone ein. 


Elektrische Entladungen. 493 


Hinzu kommt noch der von v. TuBEur angegebene Unterschied, 
dafs bei der Blitzwunde der abgetötete Rindenring in immer schmaler 
werdenden Bändern abwärts in das gesunde Gewebe hinein ausstrahlt, 
während eine derartige langsame Abnahme der Frostwirkung und ein 
streifenartiges Ausstrahlen der toten Gewebezone in die gesunde Rinde 
hinein bei Nadelhölzern bisher nicht beobachtet worden ist. 

Betreffs der Theorie der Blitzwirkung stellen die vorstehenden 
anatomischen Beobachtungen fest, dais der elektrische Funken in erster 
Linie ein Vertrocknen des Gewebes hervorruft. 


Die Beschädigungen der städtischen Baumpflanzungen. 


Bei der Zunahme der elektrischen Anlagen in den Städten ist auf 
die Gefährdung der Baumpflanzungen hinzuweisen. Nach den Unter- 
suchungen von Sroxe!) sind es die Wechsel- und direkten Ströme, 
welche durch örtliche Verbrennungen schaden. Bei trocknem Wetter 
ist weniger zu fürchten, wesentlich mehr aber, wenn die Rinde nafs ıst. Es 
kommen hier namentlich die direkten Ströme der Strafsenbahnen in 
Betracht. Aufser der Abtötung des Gewebes ist auch die Reizwirkung 
schwacher Ströme ins Auge zu fassen. Erdentladungen bei Gewittern 
sind nach Sıone’s Beobachtungen häufiger als man vermutet und erklären 
mancherlei Schädigungen der Bäume, die vielfach auch noch durch 
rücksichtsloses Ausschneiden der Aste zur Isolierung der Drähte mifs- 
handelt werden. 


Wirkung von Streublitzen an Weinstöcken. 


Unter den zahlreichen Beobachtungen, welche CorLanon?) über die 
Blitzwirkung veröffentlicht hat, findet sich eine Angabe, dafs in einem 
Weinberge die getroffene Bodenoberfläche einen regelmäßigen scharf 
abgegrenzten Kreis darstellte, in dessen Mitte die stärkste Wirkung 
wahrzunehmen war. Die Weinstöcke zeigten auf den Blättern eine 
Menge Flecke, die anfangs dunkler grün erschienen und erst nach 
einigen Tagen sich ziegelrot färbten. An den jüngeren, saftigen 
Stengeln war namentlich das Cambium gebräunt, während der Holz- 
körper unversehrt sich erwies. In den verletzten Geweben blieben die 
Zellwandungen unverändert, aber das Protoplasma war zusammen- 
gezogen und getötet. Die gleiche Beobachtung von der Ausbreitung 
der Blitzwirkung auf zahlreiche Individuen hat Ratsar?) beschrieben 
und nach Erwähnung früherer Fälle auch darauf hingewiesen, dafs die- 
selbe Erscheinung der Ausbreitung des Blitzstrahls bei den Schafherden 
zu beobachten ist, wo ebenfalls stets mehrere Individuen getroffen 
werden. 

Ebenso wie CorrLapon nahm RarHay auch ein Rotwerden der Blätter 
an getroffenen Reben wahr, soweit die Sorten rote Herbstfärbung 
zeigen. Die Enden der Zweige starben gänzlich ab. Der Vorgang der 
Rotfärbung von Blättern ist von WIESNER und mir schon früher infolge 
von Ringelungs- und Knickungsversuchen festgestellt worden. RaTHAY 


1) Sıoxe, G. E., Injuries to Shade Trees from Electricity. Hatch Exper. Stat. 
Massachusetts Agric. Coll. Bull. 91. Amherst, 1903. 

2) Corvanon, Danıer, Effets de la foudre sur les arbres et les plantes ligneuses. 
Mem. de la soc. de phys. et d’histoire nat. de Geneve 1872, S. 548—52. 

2) Rıruay, Euerıcn, Über eine merkwürdige durch den Blitz an Vitis vinifera 
hervorgerufene Erscheinung. Denkschr. d. math.-naturwiss. Klasse d. kais. Akad. 
d. Wissensch. Wien 1891. Hier auch reichliche Literaturangaben. 


494 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


ergänzt diese Tatsache durch die Beobachtung, dafs die geröteten Blätter 
viel weniger transpirieren als die normal grünen. Die nach Blitzschlag 
geröteten Blätter gleichen in allen geprüften Beziehungen den durch 
Ringelung der Zweige sich rotfärbenden, und tatsächlich ähnelt die 
Blitzbeschädigung in vielen Punkten der mechanischen Ringelung, da 
hier die aufserhalb des Cambiums liegende Rindenschicht getötet wird. 
„Das Cambium der vom Blitz getroffenen Lotten bleibt lebend und 
erzeugt innerhalb der getöteten Gewebe nach aufsen einen von Wund- 
kork umhüllten Callus und nach innen einen Holzring, der von dem 
älteren Holze durch eine dünne gebräunte Schicht geschieden ist.“ 
Die Trauben an den vom Blitz getroffenen Reben vertrocknen voll- 
ständig. 

Einzelne Punkte von Wichtigkeit, welche einen Parallelismus 
zwischen den Blitzwirkungen am Weinstock und an Nadelhölzern er- 
kennen lassen, finden wir in einer Arbeit von Ravaz und BOnNET®). 
Nachdem darauf aufmerksam gemacht worden, dafs das Blitzloch, welches 
50—100 Stöcke umfafste, gerade die kräftigsten Pflanzen am meisten 
beschädigt zeigte, wird hervorgehoben, dafs infolge des am 20. Mai er- 
folgten Blitzschlages die Spitzen der Triebe sich zu Boden neigten 
und vertrockneten. Die Knoten blieben längere Zeit grün, während 
die Internodien schon wie verbrüht aussahen. Nach unten nahmen 
die Krankheitserscheinungen allmählich ab. Unterhalb der vertrockneten 
Spitze war in den beschädigten jungen Trieben der Markkörper zer- 
rissen und dem Holzringe angepreist. Wurzeln blieben unbeschädigt. 
Einige Wochen nach dem Blitzschlage erschienen die getroffenen 
Internodien rotbraun, geschrumpft und der Länge nach aufgeplatzt. 
Die Risse zeigten Vernarbungsgewebe. Die dazwischen liegenden 
Knoten schwollen auffällig an. Zweige, deren Spitzen nicht getroffen 
wurden, wuchsen weiter, behielten aber sehr kurze Internodien. Das 
junge Holzgewebe erschien braun, seine Zellen entleert und mit un- 
verdickten Wandungen. Die beschädigten Rindenpartien waren von 
Kork inselartig eingeschlossen (vergl. Fig. 102). Das Cambıum bildete 
zunächst ein unregelmäfsiges Gewebe, das erst allmählich wieder in 
normales Holz übergegangen war (vergl. Fig. 99). 

Wir gelangen nach diesen Angaben zu der Anschauung, daß der Blitz 
(wie der Frost) wesentlich auch durch sene mechanische Wirkung 
schädigt, und zwar infolge plötzlicher übergrofser Spannungsdifferenzen. 
Je nach dem Alter der blitzbeschädigten Achse reagiert dieselbe in 
verschiedenem Grade. Dort wo die Rinde nicht mehr in ihrem ganzen 
Umfange geschädigt wird, kapseln sich die toten Stellen durch einen 
Korkmantel ein. Wird das Jungholz nicht mehr gänzlich getötet, 
sondern nur noch geprefst und gezerrt, bildet sich später ein Paren- 
chymholz aus, das langsam nach aufsen hin in normales Holz übergeht, 
so dafs falsche Jahresringe entstehen können. Alle Erscheinungen 
strahlen nach der Basis der Achse hin allmählich aus, d. h. sie ver- 
schwinden schließlich. 

Daß in Blitzwunden sich häufig Mikroorganismen ansiedeln, ist 
selbstverständlich, und es ist daher leicht erklärlich, dafs man der- 
artige Fälle als parasitäre Krankheiten beschrieben hat. Ein Beispiel 
bietet die „Gelivure“ des Weinstocks, welche als Bakteriose be- 


4) Rıvaz, L. et Boxer, Effets de la foudre sur la vigne. Extr. des annales de 
l’ecole nationale d’agricult. de Montpellier; cit Bot. Jahresb. 1900, II, S. 417. 


Elektrische Entladungen. 495 


schrieben worden, aber nach Ravaz und Bonner nichts anderes als eine 
durch Bakterien besiedelte Blitzwunde ist!). 


Streublitze auf Feldern und Wiesen. 


STEGLICH?) beobachtete im Juli einen Blitzschlag im Kartoffel- 
acker. Der Blitz schlug an zwei Stellen ein, und die Pflanzen wurden 
infolgedessen gelb und starben ab; die Stengel erschienen auf- 
geschlitzt und durchbohrt, wobei die Wundränder ein zerrissenes Aus- 
sehen hatten. 


v. SEELHORST®) .beschreibt Rübenbeschädigungen durch Blitz. In 
einem Falle bildete das Blitzloch eine Kreisfläche von ca. 15 m Durch- 
messer. In der Mitte des Kreises waren die Rüben total abgestorben; 
bei den peripherisch angrenzenden Pflanzen erschienen die Blätter 
welk und verfärbt. Manchmal standen zwischen stark verletzten 
Pflanzen einzelne Exemplare von geringer Beschädigung. Im Rüben- 
körper waren bisweilen kleine Hohlräume bemerkbar, namentlich im 
Kopfteil. In andern, von Praktikern beobachteten Fällen wird von 
Verfärbung und Erweichung der Rübenköpfe und ähnlichen Erscheinungen 
gesprochen, indessen dürften hier schon sekundäre, parasitäre Einflüsse 
sich geltend gemacht haben. Auch CorLapon*) berichtet von einem 
Blitzloch auf einem Rübenfelde. Die beschädigten Pflanzen hatten 
Blätter, die rötlich verfärbt, geschrumpft oder stellenweis zerrissen 
waren und deren Randpartien teilweis vertrocknet erschienen. Auf 
einem Kartoffelacker fand sich die Mehrzahl der Pflanzen in der 
aufgewühlten Erde gesund; nur an einer Stelle sah die Basis der 
Kartoffelstengel zerrissen und wie verbrannt aus. In dem 6m Durch- 
messer zeigenden Blitzloch einer Wiese waren die höchst empor- 
ragenden Distelköpfe abgetötet, während die niederen Teile und die 
Grasnarbe gesund geblieben waren, obwohl hier und da die Erde auf- 
gewühlt gefunden wurde. 


Zur Erklärung des Umstandes, dafs stets auf gleichbestellten 
Ländereien viele Individuen getroffen werden, weist RatHAY auf die 
photographischen Blitzaufnahmen hin, aus denen sich ergibt, dafs der 
Blitz meist keine einfache Entladung zwischen zwei Punkten ist, sondern 
sich zerstreut und in vielen Punkten endet. Kommt dann 
(bei Weinstöcken) hinzu, dafs die Stöcke in Drahtanlagen erzogen 
werden, so bildet der Draht eine noch besser leitende Verbindung, 
welche die Ausbreitung der Schädigung begünstigt. 


Von Bedeutung sind auch die Angaben von v. BEZOLD?), dafs nach den 
Akten der Brandversicherungsanstalt in Bayern die Gefährdung durch 
Blitz von 1833 bis 1882 sich geradezu verdreifacht hat. Vermutlich 
spielen die ausgedehnten Entwaldungen und Entwässerungen und die 
rapide Vermehrung der Schienen und elektrischen Drahtleitungen dabei 
eine Rolle. 


!) Ravaz, L. et Bonser, A., Les effets de la foudre et la gelivure. Compt. 
rend. 1901, I, S. 805. 


?) Jahrb. d. D. Landw.-Ges. 1892. 
®) v. Serrnorst, Rübenbeschädigung durch Blitz. D. Landw. Presse 1904, S. 515. 
Aland OS..099. 


5) v. Bezorp, W., Über zündende Blitze im Königreich Bayern während des 
Zeitraums 1833 bis 1882. Abh. d. Kgl. Bayer. Akad. d. Wiss. II. GEBR 


496 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


Nachteile bei der Elektrokultur. 


Das anerkennenswerte Bestreben, dıe Elektrizität bei der Pflanzen- 
kultur direkt zu verwerten, hat nach drei Richtungen zu Versuchen ge- 
führt. Einesteils will man durch Beleuchtung mit elektrischem Licht die 
Assimilationstätigkeit vermehren. Andernteils hat man begonnen, einen 
elektrischen Strom durch die Erde gehen zu lassen, indem man zwei 
Metallplatten in den Boden versenkte und dieselben mit einer Strom- 
quelle verband. Drittens hat man versucht, einen Strom durch eine 
Pflanze (Baum) direkt gehen zu lassen. 

Die Resultate sind bisher sehr widersprechender Natur, so dafs ein 
Urteil sich nicht fällen läfst. Grofse Hoffnungen setzt man mehrfach 
auf den Einflufs der dunklen elektrischen Entladung. Dieselbe 
kommt zustande, wenn man z. B. ein Netz von Drähten über ein 
Feld zieht, ohne dafs es den Erdboden berührt, und einen Pol einer 
Elektrisiermaschine mit dem Drahtnetz und den andern mit dem Erd- 
boden verbindet. In solchem Falle dienen die Pflanzen als Leiter, und 
durch sie hindurch wird vermittels der dunklen elektrischen Entladung 
ein Ausströmen der Elektrizität aus den Spitzen der Kulturgewächse 
erfolgen. Ein derartiges Ausströmen mufs eigentlich fortwährend im 
der freien Natur stattfinden, da der Erdboden eine andere elektrische 
Ladung zeigt als die darüber befindlichen Luftschichten. Die be- 
kanntesten Versuche dürften die von Lemström!) und von PRINGSHEIM ?) 
sein. Ältere Arbeiten über Versuche, bei denen der elektrische Strom 
durch die Erde geleitet wird, finden sich von WOLLNY?) zusammen- 
gestellt und durch eigene Versuche erweitert. 

Die Resultate der PrinssHeim’schen Versuche, bei denen die Elek- 
trizität durch Influenzmaschinen erzeugt wurde, lauten ungemein günstig, 
da bei Kartoffeln, Zuckerrüben, Gerste, Bohnen, Erdbeeren eine 
quantitativ und qualitativ bessere Ernte erzielt wurde. Da, wie gesagt, 
andrerseits aber viele ungünstige Erfahrungen vorliegen, so ist vorläufig 
dieses Gebiet als noch nicht genug geklärt hier nicht weiter zu berück- 
sichtigen. Wohl aber mufs hier einer Arbeit von LÖwENBERZ*) gedacht 
werden, weil dieselbe mit wissenschaftlicher Genauigkeit durchgeführt 
ist und neue Gesichtspunkte eröffnet. 

Die Versuche wurden mit Chevaliergerste angestellt; zur An- 
wendung gelangte ein Gleichstrom, der durch die Erde geleitet wurde. 
Die Körner wurden sorefältig derartig ausgelegt, dafs bei der Hälfte 
der Versuchstöpfe die Samen mit ihrer Längsachse parallel zur Strom- 
richtung lagen und daher der Länge nach vom Strom durchflossen 
wurden, während bei der anderen Topfreihe die Körner rechtwinklig 
zur Stromrichtung lagen. Es zeigte sich nun, dafs die verschiedene 
Lage der Körner zur Stromrichtung einen ganz unerwartet grofsen 
Unterschied in der Wirkung der Elektrizität zur Folge hatte. 

Bei der angewandten Stromstärke (U,015—0,030 Ampere) war überall 
eine Benachteiligung des Keimungsvorganges bemerkbar gewesen; aber 
es war stets zu erkennen, dafs die Körner, welche der Länge nach 


1) Leusrrön, Elektrokultur. Übersetzt von O. Pringsheim. Berlin 1902, 
W. Junk. al 

2) Prisasueım, Orro, Neue Elektrokulturversuche. Österr. Jandw. Wochenbl. 
1904, No. 24: cit. Centralbl. f. Agrikvlturch. 1905, Heft 6. 

3) Forschungen auf dem Gebiete der Agrikulturphysik. Bd. 11, 1883, S. 88. 

4) Löwexuerz, Rıcnarn, Versuche über Elektrokultur. 7. f. Pflanzenkrankh. 
1905, S. 137. 


Wärmemangel. 497 


vom Strom durchflossen wurden, schlechter keimten als die, bei denen 
der Strom quer hindurchging. Doch auch in der erstgenannten Ab- 
teilung machte sich ein Unterschied insofern geltend, als bei den parallel 
zur Stromrichtung liegenden Körnern diejenigen am schlechtesten sich ent- 
wickelten, bei denen der positive Strom an der Spitze der Körner eintrat 
und an dem Ende, wo der Embryo liest, austrat. Wenn innerhalb 
24 Stunden die Stromrichtung zwei- bis dreimal umgekehrt wurde, 
konnte eine Anderung des Resultates nicht erzielt werden; dagegen 
wurde eine solche deutlich sichtbar, wenn der Strom zweimal pro 
Minute wechselte. Die rechtwinklig zur Stromrichtung gelegten Körner 
waren dann ebenso gut, wie die nicht elektrisierten Samen aufgegangen 
und bei den der Länge nach von der Elektrizität durchflossenen machte 
sich der Nachteil nur noch dadurch bemerkbar, dafs die Körner etwa 
12—24 Stunden später keimten. Dieser beachtenswerte Versuch zeigt 
deutlich, wie mannigfache Bedingungen bei der Elektrokultur beachtet 
werden müssen. j 
Anhangsweise sei hier noch der Bestrebungen über die Elektrisierung 
von Wurzelreben und Blindholz des Weinstocks durch Ströme hoher 
Spannung gedacht!). Im Auftrage des Kais. Landwirtschaftvereins zu 
Moskau wurden, angeregt durch Berichte über Bekämpfung der Reblaus 
durch elektrische Ströme, Versuche eingeleitet, indem man Kisten mit 
Wurzelreben und Stecklingen 10 Minuten hindurch einer elektrischen 
Entladung aussetzte. Einige Wurzelreben wurden dann auch noch 
durch Funkenentladung elektrisiert. Es wurde gefunden, dafs Ströme 
von hoher Spannung eine frühere und günstigere Entwicklung der 
Reben veranlassen. Wurzelreben aber, welche direkt durch Verbindung 
mit dem Induktor elektrisiert worden waren, zeigten Beschädigungen, 
indem die oberirdischen Teile nicht austrieben; es waren nur bei den 
unterirdischen Knoten Triebe zum Vorschein gekommen. 


Elftes Kapitel. 
Wärmemangel. 
A. Allgemeiner Teil. 


Lebensäuflserungen bei niedrigen Temperaturen. 


Weit abhängiger als von der Temperatur der Ackerkrume ist die 
Pflanze von der Lufttemperatur. Ehe noch der Boden den Schwankungen 
der Luftwärme folgen kann, hat die letztere bereits das Pflanzenleben 
geweckt und bisweilen schon zu bedeutender Entwicklung gebracht. 
Die einzelnen Pflanzenteile folgen natürlich mit verschiedener Schnellig- 
keit den Temperaturschwankungen. Während Blätter und dünne Stengel 
in kürzester Zeit ihre Wärme parallel derjenigen der Luft steigern oder 
vermindern, werden dicke Stämme einer bedeutend längeren Zeit dazu 
bedürfen, zumal da alle Pflanzengewebe schlechte Wärmeleiter sind. 
Aus diesem letzteren Umstande erklärt es sich, dafs dicke Stämme bald 
wärmer, bald kälter als die umgebende Luft sind, und zwar sind sie 


!) Nach einem Referat der „Weinlaube“ 1904, No. 34; eit. Centralbl. für Agri- 
kulturchemie 1905, S. 394. 


Sorauer, Handbuch. 3. Aufl. Erster Band. 32 


498 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


durchschnittlich am Tage kälter, in der Nachtzeit wärmer als die Luft. 
Aber auch die dünnen Pflanzenteile, die in die Luft hinausragen, sind 
am Tage kälter. Die Abkühlung der Blätter rührt von ihrer Aus- 
strahlung her; solche wird um so gröfser sein, je mehr Oberfläche der 
Pflanzenteil im Verhältnis zu seiner Masse besitzt. Als weitere Ursache 
der Abkühlung ist aber auch die Verdunstung zu betrachten, welche 
auf Kosten der Wärme des Pflanzenteils vor sich geht, und diese beiden 
Ursachen erklären die Erscheinung, dafs in hellen Nächten das Thermo- 
meter unmittelbar zwischen dicht stehenden Pflanzen mit dünnen 
Blättern, wie im Rasen einer Wiese, eine um mehrere Grade geringere 
Temperatur anzeigt als in der Luftschicht über denselben. Ist die 
Luftwärme selbst nahe dem Gefrierpunkte des Wassers, so können 
durch Strahlung die Pflanzenteile selbst schon unter 0° erkältet 
sein und infolgedessen zugrunde gehen oder wenigstens einzelne ihrer 
Funktionen zeitweilig einstellen. Nach den Beobachtungen von SAcHs 
(Lehrbuch II. Aufl. S. 636) können die Feuerbohne und der Mais 
(Phaseolus multiflorus und Zea Mays) nicht ihre Chlorophylikörner grün 
färben, wenn dıe Temperatur nicht wenigstens + 6° © beträgt. Ebenso 
verhält sich der Raps. Die Pinie (Pinus Pinea) braucht wenigstens 
7° C. Die Kohlensäurezersetzung zeigt sich bei Potamogeton erst 
zwischen 10—15° C; dagegen bei Vallisneria schon oberhalb 6° ©, bei 
den Blättern der Lärche bei 0,5-2,5° C und bei den Wiesengräsern 
bei 1,5—3,5° C. Die Bewegung der Blätter der Sinnpflanze (Mimosa 
pudica) tritt erst ein, wenn die Temperatur der umgebenden Luft 15° C 
übersteigt usw. 

Wie verschieden die Wärmeansprüche der einzelnen Pflanzen sind, 
zeigen am besten die Beobachtungen, welche über das Keimen der 
Samen in Eis gemacht worden sind. UrorH!) fand beispielsweise, 
dafs Samen von Weizen und Ahorn (Acer platanoides) in Eıs keimten 
und sich tief in das Eis eingruben, das sie durch die bei der Keimung 
zunächst entwickelte Wärme auftauten. Die feinen Nebenwurzeln des 
Weizens hatten Eisstücke von !s m Dicke durchbohrt. Spätere Ver- 
suche?) zeigten demselben Beobachter, dafs auch mehrere Cruciferen 
(Lepidium ruderale und sativum, Sinapis alba und Brassica Napus), Hafer, 
Gerste, Roggen sowie andere Gräser, in grofsen Prozentsätzen gekeimt 
hatten. Bei Gerste und Hafer waren die Keimprozente aber merklich 
geringer als bei Weizen und Roggen. Von Schmetterlingsblütlern 
hatten im Eiskeller Erbsen zu 80°, Linsen zu 12°%0 gekeimt. Von 
Petersilie zeigten 60° der ausgesäten Körner eine Keimung. An- 
geregt durch diese Beobachtungen, unternahm später HABERLANDT?) 
weitere Versuche mit Aussaat der gebräuchlichsten landwirtschaftlichen 
Sämereien in Kästen, welche durch Eis konstant bei einer Temperatur 
von 0° bis 1° C gehalten wurden. Nach 1'/s Monaten zeigten Roggen, 
Hanf, Leindotter, Rotklee, Luzerne, Wicke, Erbsen und Bastardklee 
einen Anfang der Keimung; eine weitere Entwicklung der Würzelchen 
aber liefs sich nach vier Monaten nur bei Senf, Leindotter, Bastard- 
klee, Rotklee und Luzerne konstatieren, während Weizen, Gerste, 
Hafer, Raygras, Buchweizen, Runkelrübe, Raps, Mohn, Weifsklee, 


1) Fünuıse’s Neue landwirtsch. Z. 1871, S. 875. 
2, Flora 1875, S. 266. 


3) Wissenschaftl. praktische Untersuchungen auf d. Gebiete d. Pflanzenbaues. 
Wien 1875, I, S. 109ff., 117. 


Wärmemangel. 499 


Bohne u. a. gar nicht zum Keimen gelangt waren. Am günstigsten 
von allen Pflanzen hatte sich auffallenderweise die Luzerne gezeigt. 

Diese Resultate stehen betreffs der Getreidearten in sehr auf- 
fallendem Widerspruch mit den Uror#’'schen Ergebnissen und ebenso 
mit den Resultaten von Versuchen, welche HELLRIEGEL!) veröffentlicht 
hat. Hier zeigte der Winterroggen sich entschieden als die anspruchs- 
loseste der geprüften Pflanzen betreffs des Wärmebedürfnisses.. Er 
entwickelte bei einer fast konstanten Temperatur von 0° (nur wenige 
kurze Überschreitungen bis + 1° C kamen innerhalb der sechswöchigen 
Versuchsdauer vor) Blatt- und Wurzelapparat ganz normal. Schon 
etwas wärmebedürftiger erwiesen sich durch die geringere Gröfse der 
Keimpflanzen der Winterweizen und, übereinstimmend mit ULoTH, in 
noch höherem Mafse die Gerste und der Hafer, welche bei 0° nur die 
Würzelchen zu einiger Entwicklung brachten, den Blattkegel aber nicht 
aus dem Korne hervorzutreiben vermochten. Bei +2°C dagegen war 
die Streckung schon eine recht vollkommene. Mais regte sich bei 
+5°C noch nicht und keimte selbst bei + 8,7°C sehr träge und un- 
vollkommen. Bei 0° waren noch gekeimt und zu nennenswerter Ent- 
wicklung des Blattkeims gelangt die Wicke und der Rübsen, während 
Erbsen in gröfserer, Lupinen und Bohnen in geringerer Anzahl zwar 
den Wurzelkörper gestreckt, aber den oberirdischen Achsenteil nicht 
entwickelt hatten. Von den bei +2° C gekeimten Samen war der 
Lein empfindlicher als der Rübsen, der bei nahezu 0° noch keimte, 
aber in der Entwicklung stehen blieb und erst bei merklich höherer 
Temperatur (87° C) erwähnenswertes Wachstum zeigte. Den Wicken 
am nächsten stehend erwiesen sich Erbsen und Klee, welche bei einer 
Durchschnittswärme von +2° C den Wurzel- und Blatteil hervortrieben, 
während Bohnen und Lupinen dazu mindestens +3° C brauchten. 
Der Spörgel entwickelte sich bei +2° C auch langsam weiter. Für 
die Mohrrübe scheinen zur Keimung ungefähr + 3°C und für die Runkel- 
rübe sogar etwa +5° C nötig zu sein. 

Es gehört nicht mehr hierher, darauf einzugehen, dafs natürlich 
die Länge der Keimdauer in dem Grade zunimmt, als die Temperatur 
von dem Keimungsoptimum entfernt ist; wohl aber dürfte darauf auf- 
merksam zu machen sein, dafs solche Keimungsversuche ‚bei möglichst 
niederen Temperaturen dazu führen könnten, frostharte Varietäten 
zu züchten. Bei allen Aussaatversuchen zeigt sich ein ungleich- 
mäfsiges Aufgehen. Es wäre möglich, dafs diejenigen Samen, welche 
zuerst bei so niederer Temperatur keimen, Pflanzen ergeben, welche 
für alle Lebensprozesse ein geringeres Wärmebedürfnis haben als 
andere Individuen derselben Art. 


Dafs nicht blofs die ersten Stadien der Keimung bei so niederen 
Temperaturen normal verlaufen, sondern auch ein weiteres Längen- 
wachstum ermöglicht ist, zeigen die Versuche von KIRCHNER?), der 
Senf, Roggen, Weizen, Erbsen und Hanf als Keimpflanzen längere Zeit 
bei Temperaturen, die wenig über 0° lagen, vegetieren sah. Zwar 
weisen auch Pflanzen mit einem höheren Wärmebedürfnis bei Über- 
führung in niedere Temperatur noch Längenwachstum auf; aber das- 


!) Beiträge zu den naturwissenschaftl. Grundlagen des Ackerbaues. Braun- 
schweig, Vieweg 1833, S. 2834—304. R 
2) 54. Vers. deutscher Naturforscher u. Ärzte zu Salzburg, 8.75 d. Berichtes. 
32 * 


500 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


selbe ist nur als das allmähliche Auspendeln der unter den früheren 
günstigen Verhältnissen erhaltenen Wachstumsenergie zu deuten. 

Bei Alpenpflanzen ist von KERNER!) beobachtet worden, dafs solche 
bei 0° auch blühen können. Das von den Schneefeldern in den Boden 
einsickernde Schmelzwasser vermag bereits die Lebenstätigkeit solcher 
Pflanzen derart anzuregen, dafs ihre bei der Atmung erzeugte Wärme 
die oft 2-5 cm dicke Eiskruste zu schmelzen imstande ist, so dafs 
die grünen Organe ins Freie gelangen (Soldanella). 


Die Herbstfärbung. 


Die Verfärbung der Blätter im Herbste ist bei derselben Baumart 
nicht immer dieselbe. Es scheint, dafs die Verschiedenheit durch den 
Standort eines Individuums bedingt wird. Im allgemeinen kann man 
zwei Typen unterscheiden. Entweder zeigt sich ein ganz normal vom 
Blattrande aus beginnender Vergilbungsprozefs, dem, nach der Blatt- 
mitte fortschreitend, eine Vertrocknung des Gewebes folgt. Oder Ver- 
gilbung und Vertrocknung gehen nicht parallelen, sondern entgegen- 
gesetzten Weg, d. h. der Vergilbungsprozefs geht vom Blattstiel und 
den starken Blattrippen aus und schreitet nach der Peripherie hin fort, 
so dafs der Rand zuletzt verfärbt wird, aber dennoch nachträglich 
zuerst vertrocknet. Letzteren Gang beobachtete ich besonders schön 
bei Acer platanoides, weniger konstant bei Acer Pseudoplatanus. Die 
Mittelfläche wies ein gleichmäfsiges, leuchtendes Quittengelb auf, wäh- 
rend die Randzone noch grün war. Bei fortschreitender Temperatur- 
erniedrigung zeigten viele Blätter ein Braunwerden und Absterben de- 
äufsersten Saumlinie der noch grünen Randpartie, während das gelbe 
Mittelfeld noch keine toten Gewebestellen erkennen liefs. 

Dieser Fall kann auch bei Tilia eintreten, und zwar meist einseitig, 
indem nur eine Blatthälfte den Vorgang zeigt; jedoch ist bei der Linde 
die vom Rande nach der Mitte hin fortschreitende Verfärbung häufiger. 
Die Untersuchung zahlreicher Fälle lehrt, dafs die Unregelmäfsigkeiten 
der Verfärbung mit dem ungleichmäfsigen Absterben der Gefäfsbündel 
zusammenhängen. 

Die normale Autolyse im Herbst stellt sich ein, wenn der gesamte 
Gefäfsbündelkörper seitens der Wurzel in seiner Funktion noch er- 
halten wird und nur langsam von den feinsten Nervenendigungen des 
Blattrandes her abstirbt. Dann verfärbt sich und vertrocknet das Blatt 
an der Randzone zuerst, und die Verfärbung schreitet in den Inter- 
costalfeldern zwischen den schwächeren und schliefslich auch zwischen 
den stärkeren Nervenästen nach der Blattmittelrippe und dem Blatt- 
stiel hin allmählich fort. Wird dagegen die Gefäfsfunktion im Achsen- 
körper oder den Blattstielen vorzeitig gestört, was man aus der Bräunung 
der Bündel ersehen kann, dann beginnt die Verfärbung am Blattstiel 
oder den stärkeren Rippen und breitet sich nun unregelmäfsig nach 
der Peripherie hin weiter aus. 

Das Absterben durch andauernde Sommertrockenheit gleicht 
in seinem Gange insofern der herbstlichen normalen Autolyse, als auch 
bei jener die am wenigsten Wasserzufuhr erhaltenden Partien des 
Blattes sich zunächst verfärben. Neben der Randtrocknis tritt aber 
hier mehr das Austrocknen der Mittelregion der gröfseren Intercostal- 


1) Berichte d. naturwissenschaftl.-mediz. Vereins zu Innsbruck, Sitzung vom 
15. Mai 1873, eit. Bot. Z. 1873, S. 438. 


Wärmemangel. 501 


felder in den Vordergrund, weil diese von den starken Zuleitungssträngen 
am entferntesten liegen und durch den Licht- und Wärmeüberschufs 
besonders stark in Anspruch genommen werden. 

Die Herbstfärbung beginnt mit einer Veränderung des Chlorophyll- 
' körpers, welche vielfach von dem Auftreten eines roten Farbstofts be- 
gleitet wird. Zunächst bemerkt man eine Veränderung der Lage der 
Chlorophylikörner und ein Bestreben, miteinander zu verschmelzen. 
Bei der Fichte sah ich, dafs das einzelne Chlorophylikorn strahlige 
Fortsätze bildet, die sich mit denen des Nachbarkörpers vereinigen. Die 
Rotfärbung wird durch das Auftreten von Substanzen aus der Gerb- 
stoffreihe und damit verwandten Körpern bedingt. Manche immer- 
grünen Pflanzen werden schmutzig braungrün. Nach Kraus!) kommt 
diese Färbung dadurch zustande, dafs im Palisadenparenchym fein- 
körnige, lebhaft rotbraun bis kupferrot gefärbte Protoplasmamassen an 
Stelle der verschwundenen Chlorophyllkörper auftreten. Je weiter die 
Zellen des Blattfleisches von der braunen Oberseite entfernt liegen, 
desto mehr bemerkt man Übergänge von diesen geröteten Plasma- 
massen zu den normalen Chlorophyllkörnern. 

Alle diese Veränderungen lassen sich in vielen Fällen wieder auf 
normale Färbung zurückführen, wenn man abgeschnittene Zweige in 
die Wärme bringt. Dabei wird aber die Lichtintensität nicht erhöht, 
und es ergibt sich daraus, dafs nur die Temperaturerniedrigung als 
die Ursache der Herbstfärbung im allgemeinen angesehen werden 
mufis. Ein weiterer Beweis liest darin, dafs bei den herbstlichen, 
nächtlichen Reifen nur die bereiften, also die durch Strahlung am 
meisten abgekühlten Stellen sich verfärben, während die im Innern der 
Krone befindlichen, irgendwie durch andere Blätter gedeckten Teile 
keine Farbenänderung zeigen. - 

Was nun die Veränderung des Chlorophyllfarbstoffes anbetrifft, s 
ist durch Frank?) und WIESNER?) nachgewiesen worden, dafs bei der 
herbstlichen Verfärbung das Chlorophyll in eine von PRINGsHEIM?) 
„Hypochlorin“ genannte Substanz übergeht. Es ist dies ein meist 
dunkelgefärbter, ölartiger Körper, der bei Einwirkung anorganischer 
und organischer Säuren auf das Chlorophylikorn entsteht und schliefs- 
lich in nadel- oder peitschenartigen, braunen Kristallen anschiefst. 
Von diesem Hypochlorin hat nun TscHircH) nachgewiesen, dafs es mit 
dem „Chlorophyllan“ von Hoprr-SEyLEr identisch ist, und dafs es 
als das erste Oxydationsprodukt des Chlorophylis (und zwar nur eines 
Teiles des Rohchlorophylis, nämlich des Oyanophylis von G. Kravs) 
aufzufassen ist, welches auch schon von selbst sich bildet, wenn eine 
Chlorophyllösung längere Zeit stehen bleibt ®). 

Die Bildung des Chlorophyllans oder Hypochlorins fand TscHırcH 
in dem Maße zunehmend, je mehr Säure (durch Normalalkali titrimetrisch 


) Kraus, Über die winterliche Färbung immergrüner Gewächse. Sitzungsber. 
d. phys.-med. Soc. Erlangen; eit. in Ökonomische Fortschritte 1872, Nr. 1 u. 2. 

2) Sitzungsber. d. Bot. Ver. d. Prov. Brandenburg XXIII, v. 24. Febr. 1882. 

®) Bemerk. über d. Natur d. Hypochlorins. Bot. Centralbl. 1882, Bd. X, S. 260. 

*) Untersuchungen über Lichtwirkung. Pringsheims Jahrbücher 1880, Bd. XII. 

5) Sitzungsber. d. Bot. Ver. d. Prov. Brandenburg XXIII, v. 28. April 1882. 

€) Konzentrierte Salzsäure spaltet das Chlorophyllan in einen in Salzsäure mit 
blauer Farbe löslichen Körper, das „Phyllocyanin“ der Autoren und einen in 
dieser unlöslichen, in Ather löslichen, braunen Körper, das „Kanthin“ von ©. Kraus. 
(Tseurrcn, Untersuchungen über das Chlorophyll III. Ber. d. deutschen Bot. Ges., 
Bd. I, Heft 3 und 4; eit. Bot. Centralbl. 1883, Bd. XIV, Nr. 25, S. 356. 


502 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


bestimmt) in den Pflanzenteilen nachweisbar war. Außer Wasser- 
pflanzen dürften nur wenig Pflanzen existieren, deren Zellsaft nicht 
deutlich sauer reagiert. Bei Gattungen, welche wenig Säure enthalten, 
wird die Chlorophyllanbildung eine geringe sein, und der gemachte 
Auszug wird lange stehen müssen, während bei stark sauren Pflanzen 
(Aesculus, Rumex) die Oxydation so schnell vor sich geht, dafs man 
überhaupt keinen rein grünen Auszug machen kann, da derselbe sofort 
die Eigenschaften des modifizierten Chlorophylis zeigt und schon bei 
dem Erkalten Chlorophyllan absetzt. 

Für unsere Betrachtung erwähnenswert ist, dafs nach TscHIRcH 
selbst schon die Kohlensäure imstande ist, das Chlorophyll in Chloro- 
phyllan umzuwandeln. Auch die Substanzen der Gerbstoffreihe, mit 
welchen der rote Farbstoff sicher verwandt ist, werden wir zu den 
sauer reagierenden, das Chlorophylikorn angreifenden Körpern zu 
rechnen haben, und es fragt sich jetzt nur, woher es kommt, dafs erst 
im Herbst dieser entfärbende Einflufs des sauren Zellsaftes auf das 
Chlorophylikorn sich geltend macht. Dies kann nun entweder darin 
seinen Grund haben, dafs im Laufe des Sommers so wenig freie Säure 
im Verhältnis zum übrigen Material in der Blattzelle disponibel ist, 
dafs das zur Chlorophyllanbildung verbrauchte Chlorophyll stets und 
schnell durch den überwiegenden Assimilationsprozeis ersetzt wird und 
wir daher in gewöhnlichen Fällen nichts von einer Gelbfärbung der 
Chlorophylikörper merken, oder zweitens könnten auch die Chlorophyll- 
körper durch eine Substanz, welche die Säuren nicht durchläfst, geschützt 
sein und erst im Herbst diesen Schutz allmählich verlieren. Es könnten 
aber auch beide Vorgänge stattfinden, und dieses ist nach den vor- 
liegenden Untersuchungen das Wahrscheinlichste. 

Auf das tatsächliche Vorhandensein einer Schutzvorrichtung der 
Chloroplasten gegen die Angriffe der Säuren des Zellsaftes weisen 
FRANK und WiESNER hin, welche betonen, dafs die grünen Körner im 
für Säuren undurchdringlichen Protoplasma eingebettet liegen. Auch 
hat TscHirch erwähnt, dafs jedes Chlorophylikorn von einer farblosen 
Plasmamembran (Hyaloplasma-Schicht), dienamentlich beiWasserpflanzen 
leicht nachweisbar, umgeben ist und auf diese Weise einen speziellen 
Schutz gegen den sauren Zellsaft besitzt. 

Wenn nun die Blattzelle im Herbste ihrem Lebensende sich nähert, 
ist das Protoplasma in derselben nicht mehr sehr reichlich vorhanden. 
Aber selbst da, wo es noch reichlicher sich vorfindet, erleidet es bei 
der Herbstkälte eine (durch Wärme wieder reparierbare) Alteration, 
vermöge welcher es permeabel für Säuren wird. Frank sah die durch 
Säurewirkung erzeugte Gelbfärbung des Chlorophylikorns bereits ein- 
treten, wenn dasselbe nebst dem Zellkern noch dicht in der wand- 
ständigen Plasmaschicht eingebettet lag. Eine solche Anderung in den 
diosmotischen Eigenschaften des Protoplasmas läßt auch in den winter- 
grünen Gehölzen die Säure zur Wirksamkeit kommen. Die organischen 
Säuren vermehren sich aber im herbstlichen Blatte, und auf diese 
Weise ist die Verfärbung eine um so leichtere. 

Betreffs der Rotfärbung ist von C. Kraus!) nachgewiesen worden, 
dafs das von GoRrUP-BESANEZ?) im wilden Wein zuerst aufgefundene Brenz- 


1) Über die Herbstfärbung der Blätter und die Bildung der Pflanzensäuren. 
Biedermanns Centralbl. 1874, I, S. 126. 
2) Annalen der Chemie und Pharmacie 1872, Bd. CLXI, Heft 2 und 3. 


Wärmemangel. 503 


catechin (Oxyphensäure) in allen sich herbstlich verfärbenden 
Blättern, ja auch (soweit die teilweise Untersuchung reichte) in allen 
noch kräftig vegetierenden Blättern vorkommt. Diese Substanz wird durch 
Eisenchlorid grün, mit Pflanzensäuren schön rot. Die Extrakte der 
Blätter geben die Reaktionen der Oxyphensäure, und es ist deshalb 
der Schlufs nahe geleet, dafs der rote Farbstoff bei den jungen und 
herbstlich gefärbten Blättern aus der durch gesteigerte Säurebildung 
vermehrten Einwirkung auf das Brenzcatechin hervorgeht. 

Das bisher Gesagte zusammenfassend, können wir den Vorgang 
der Herbstverfärbung als einen gegenüber dem Assimilations- 
prozefs gesteigerten, auf Lichtwirkung angewiesenen 
Oxydationsprozefls auffassen. 

Derselbe äußert sich auf die in den Zellen der verschiedenen 
Pflanzen quantitativ sehr verschieden vorhandenen Stoffe derart, dab 
aus dem Chlorophyllfarbstoff das Chlorophyllan entsteht und dadurch 
das Blatt gelb wird.!) Wenn das künstlich aus Kohlehydraten her- 
stellbare, in opalisierenden Tropfen wahrscheinlich vorhandene Brenz- 
catechin durch die herbstliche, reiche Säurebildung in einen roten 
Farbstoff umgewandelt wird, tritt neben der Gelbfärbung die Rötung der 
Blätter auf. Überwiegt dagegen die unter Formzerstörung der Chloro- 
phyllkörner von G. Kraus?) und HaBerLanpr®?) beobachtete Bildung 
braungelber Massen, die ©. Kraus als Oxydations- und Humifikations- 
produkte der Kohlenhydrate betrachtet und die, wie ich glaube, auch 
durch Zerfall der Chloroplasten direkt entstehen können, so färben sich 
die Blätter braun. 

Die häufigste, aber durchaus nicht die einzige Ursache der Rot- 
färbung: ist die Temperaturerniedrigung, wodurch die Lichtwirkung in 
relativen Überschufs gelangt. Es sind nicht die absoluten Licht- und 
Wärmewerte, welche hierbei ausschlaggebend sind, sondern die re- 
lativen, also in Beziehung zueinander in Betracht kommenden Werte. 
Die Temperaturerniedrigung wirkt herabstimmend auf den Chlorophyll- 
bildungsprozefs, während sie noch den Brenzcatechin bildenden, etwas 
. mehr Licht beanspruchenden ®), die Rotfärbung einleitenden Oxydations- 
vorgang in voller Tätigkeit unterhält. Wenn die Tätigkeit des Chloro- 
phyllapparates erhöht, also mehr Kohlehydrate gebildet werden, reicht 
der zugängliche Sauerstoff zu so hochgradiger Oxydation nicht mehr 
aus, und der Prozefs der Rotfärbung- unterbleibt. Wenn man aber die 
Chlorophyllarbeit durch Mangel an Nährstoff- und Wasserzufuhr künst- 
lich herabstimmt, dann kann der in der Zelle disponible Sauerstoff 
genügen, das spärlicher gewordene Material wieder hochgradig zu 
oxydieren, und dann tritt die Herbstfärbung schon im Sommer ein. 

Bei Ringelungsversuchen an Orataegus im August bemerkte ich, wie 
früher bereits erwähnt, den Eintritt der Herbstfärbung in der gröfsten 
Sommerhitze, und bisweilen gelingt es, an etwas konsistenteren Blättern 
durch Einbrechen der Mittelrippe an dem am Baume belassenen Blatte die 
Spitze zur hochroten Herbsttärbung zu bringen, während die unterhalb 


') Der Chlorophyllanauszug herbstlich toter Blätter zeigt dieselben „bandes 
accidentelles permanentes“ wie Onaxtarn (Oentralbl. f. Agrikulturchemie 1874, S. 40) 
schon früher hervorgehoben hat. 

2) Ökonom. Fortschritte 1872, No. 1 und 2. 

?) Biedermanns Centralbl. 1876, II, S. 48. 

4) Barauın, Über die Einwirkung des Lichtes auf die Bildung des roten Pig- 
ınentes. Acta Hort. Petrop. VI. 


504 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


der scharfen Knickungsstelle gelegene Blattbasis ihre normale, tiefgrüne 
Färbung behält. Aufserdem sehen wir im Laufe des Sommers bei 
vielen Pflanzen die erstgebildeten Blätter des Jahrestriebes, die schnell 
sich ausgelebt haben, im heifsen Sommer die Herbstfärbung annehmen 
(Ampelopsis). Bedeckte Stellen an jungen, roten Blättern bleiben grüner. 

ir kommen auf diese Verhältnisse bei dem „Frostlaubfall“ noch einmal 
zu sprechen. Auf die winterlichen Vorbereitungen der immergrünen 
Pflanzen wird in dem Abschnitt über die Theorien der Frostwirkung 
eingegangen werden. 


Gefrieren und Erfrieren. 


Betreffs der Bezeichnung „Erfrieren“ finden wir in der Literatur 
verschiedene Auffassungen. Teils erklärt man jedes Absterben, das 
allmählich sich bei einer Pflanze einstellt, weil sie zur Durchführung 
ihrer normalen Funktionen nicht die nötige Wärme erhält, schon als 
ein Erfrieren; andererseits will man nur den plötzlich eintretenden 
Tod infolge des Eingriffs einer unter die Minimalgrenze der Wärme- 
ansprüche herabgehenden, in der Regel mit Eisbildung verbundenen 
Temperaturerniedrigung als „Erfrieren“ gelten lassen. 

Wir können diese Differenz am besten dadurch überwinden, dafs 
wir die erstere Art der Wirkung des Wärmemangels als „chronische 
Schäden“ von dem plötzlichen Tode als einer akuten Schädigung 
bei der Betrachtung trennen. 

Beispiele für chronische Schäden bieten vielfach zarte Pflanzen der 
Tropen, die in unseren Glashäusern nicht dauernd die Wärme für alle 
ihre Entwicklungsphasen finden. Bekannt sind die Mifserfolge bei der 
Kultur der indischen Anoectochilus-Arten und anderer zartlaubiger 
Orchideen, Begoniaceen, Gesneriaceen, Marantaceen usw., deren Blätter 
ich braunfleckig werden, sich krümmen und absterben sah, wenn sie 
längere Zeit einer Temperatur von +3—5° Ü ausgesetzt waren'). In 
nassen kalten Jahren erkranken auch Freilandkulturen von Melonen, 
Gurken, Tabak und Bohnen bei anhaltendem Wärmemangel. 

Bei den akuten Schäden ist man unwillkürlich geneigt, dieselben 
der Eisbildung zuzuschreiben. Dafs dieselbe an sich nicht totbringend 
ist, beweisen in vielen Fällen unsere winterharten Gewächse, die oft- 
mals steif gefroren und spröde wie Glas sind und doch nach dem 
Verschwinden des Frostes wieder fortwachsen. 

Über die Eisbildung im Gewebe machen wir uns folgende Vor- 
stellung. Ist die Temperatur des Pflanzenteils auf den Eispunkt oder 
etwas tiefer gesunken, dann schiefsen auf der Aufsenseite der Zellhaut 
kleine Eiskristalle an. Diese, wohl zuerst aus dem Absorptions- später 
aus dem Imbibitionswasser der Zellhaut entstandenen Kristalle werden 
immer gröfser, indem sich an ihrer Basis immer mehr Wasser aus den 
Micellarinterstitien der Zetilwand heraus zu Eis verwandelt. Schliefslich 
sind die sämtlichen feinen Eisprismen zu einer Eiskruste vereinigt. 
Die Zellwand hat den erlittenen Wasserverlust zu decken gesucht, in- 
dem sie aus dem Zellinhalte neue Wassermengen aufnahm. 

So wird der Protoplasmakörper der Zelle wasserärmer, und es 
beginnen stoffliche Umlagerungen, die endlich eine solche Intensität 


!) Vgl. auch: Morıscn, Hass, Das Erfrieren der Pflanzen bei Temperaturen 
über dem Eispunkte. Sep. Sitzungsber. d. K. Akad. d. Wiss. Wien. Mat.-naturw. 
Klasse, Bd. CV, Abt. 1; eit. Z. f. Pflanzenkrankh. 1897, S. 23. 


u A 


Wärmemangel. 905 


erreichen, dafs die einzelnen Micellen der Zellwand und des Proto- 
plasmas dauernd in ihrer Gleichgewichtslage gestört, sich auf eine 
Weise verändern, die keine Lebenstätigkeit mehr gestattet. Die durch 
Frost getötete Zelle zeigt dann, dafs ihre Wandung keinen Widerstand 
gegen den Druck des Zellsaftes leistet und läfst letzteren allmählıg 
ausfliefsen. In unmittelbarer Berührung mit der Luft geht derselbe 
in Zersetzung über, und die Zelle selbst fällt zusammen: der erfrorene 
Pfianzenteil sieht welk aus und vertrocknet oder verfault schnell. 
Dieser heraustretende Zellsaft, welcher die Fäulnis einleitet, dringt 
durch die Micellarinterstitien und nicht etwa durch Risse der Zellwand, 
welche durch den Frost entstanden wären. Wohl kann in einem 
gefrorenen Pflanzenteile das Gewebe durch das Eis in einzelne Gruppen 
zersprengt werden und, was häufig zu beobachten ist, können die Öberhaut- 
zellen von dem darunter liegenden Parenchym sich abgehoben haben; 
aber ein Zerreilsen der einzelnen Zellen durch das Gefrieren des 
Wassers ist bisher selten beobachtet worden. Es fällt somit die früher 
allgemein und jetzt auch von Praktikern häufig genug ausgesprochene 
Ansicht, dafs der Frost die Pflanze durch Zerreifsen der Zellen tötet, 
als haltlos zusammen. 

Derselbe Kältegrad kann bei derselben Pflanze einmal unschädlich, 
ein andermal tödlich sein, je nachdem das Auftauen einmal allmählich 
und ein zweites Mal plötzlich erfolgt. Dieser letztere Fall läfst sich 
beobachten, wenn man gefrorene Blätter oder krautartige Stengel von 
weichlaubigen Pflanzen mit der warmen Hand anfafst. Die Berührungs- 
stellen werden häufig nach dem Auftauen schwarz und sterben ab. 
Wir kommen im folgenden auf diese Erscheinungen zurück. 

Auch schnelle, starke Temperaturschwankungen innerhalb 
einer Skala über 0° werden nicht wirkunkslos bleiben. SacHs!) hat 
nachgewiesen, dafs jeder schnell eintretenden Hebung oder Senkung 
der Temperatur auch eine Hebung oder Herabstimmung der Wachstums- 


‚geschwindigkeit folgt. Während ve Vrıes keine nachteiligen Folgen 


von derartigen Schwankungen beobachten konnte, sah ich in extremeren 
Fällen Blattabwurf eintreten, namentlich wenn die Schwankungen in 
einer Skala stattfanden, die mehrere Grade unter 0° begann und be- 
deutend über 0° stieg. Dieselben Pflanzen sterben sogar, wenn sich 
in kurzer Zeit der Temperaturwechsel mehrmals wiederholt, wie aus 
den Versuchen von GöPPpERT ?) hervorgeht. Wolfsmilchpflanzen (Kuphorbia 
Lathyris) wurden aus einer Temperatur von — 4° in ein Zimmer von 
+ 18° gebracht. Die durch den Frost mit ihrer Spitze abwärts ge- 
bogenen, an den Stengel angelegten Blätter erhoben sich alsbald und 
nahmen ihre normale, wagerechte Stellung wieder ein. Derselbe Vor- 
gang zeigte sich bei einer innerhalb zweier Tage stattfindenden fünf- 
maligen Wiederholung des Versuches. Am dritten Tage begann das 
Aufrichten der Blätter nachzulassen, und nach acht Tagen waren die 
Pflanzen tot. Die Pflanze war hier also infolge wiederholter Einwirkung 
geringerer Frostgrade vernichtet, während sie im Freien in unbedecktem 
Zustande 10—12° Kälte längere Zeit hindurch schadlos erträgt. Ahn- 
liche Resultate ergaben dieselben Versuche mit vielen anderen Pflanzen. 
Daraus erklären sich die Wahrnehmungen der Praxis, dafs geringere 
Kältegrade an manchen Orten Pflanzen töten, welche gleichzeitig an 


!) Lehrbuch d. Bot., 3. Aufl., S. 638. e 9 
?) Über die Wärmeentwicklung in den Pflanzen usw. 1830, S. 62. 


506 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


anderen Orten mit konstanteren Temperaturen eine viel gröfsere Kälte 
vertragen. 

GÖPPERT macht noch auf einen anderen Umstand aufmerksam, welcher 
zur Erklärung der vielen Widersprüche dienen kann, die sich bei Be- 
obachtungen über die tötliche Wirkung geringer Frostgrade an solchen 
Pflanzen ergeben, welche stärkerer Kälte gewöhnlich trotzen. Es kommt 
nämlich auch darauf an, in welchen Verhältnissen sich die Pflanzen 
vor Eintritt des Frostes befunden haben, wie ein Versuch mit dem 
gewöhnlichen Kreuzkraut (Senecio vulgaris) und dem Strafsenrispengras 
(Poa annua) zeigt. Töpfe mit diesen Pflanzen, welche bereits eine 
Kälte von 9° überstanden hatten, wurden für 15 Tage in ein Gewächs- 
haus von 12 18° Wärme gebracht. Nach dieser Zeit erfroren sie 
schon bei einer Kälte von 7°, während andere Exemplare derselben 
Arten, welche während dieser Zeit im Freien geblieben waren, sich 
bei schnellem Auftauen vollkommen unversehrt erwiesen. Die getöteten 
Pflanzen waren durch den Aufenthalt im Warmhause verzärtelt worden. 
Zu demselben Schlusse kommt auch KörnıckE!) bei der Beobachtung, 
dafs französische Getreidevarietäten durchschnittlich weit mehr dem 
Froste erlegen sind als Sorten, die aus den Provinzen Preufsen und 
Schlesien stammten. Die längere Kultur in einem Lande mit mildem 
Winter hat die Varietäten weniger widerstandsfähig gemacht. 

Bei sonst gleichen Verhältnissen fand HasrrLannr?), dafs die im 
Warmhause bei 20—24° C erzogenen Sämlinge von Ackerbohne, Futter- 
wicke, Möhre, Gerste, Erbse, Raps, Mohn, Rotklee, Luzerne und Lein 
schon bei — 6° C, Roggen und Weizen bei — 10 bis 12° erfroren, 
während gleichzeitig im Kalthause erzogene Pflanzen derselben Arten 
erst bei — 9 bis 12° C zugrunde gingen, ja Roggen und Weizen erst 
bei — 20 bis 24° © erfroren. 

Am wenigsten leiden durchschnittlich diejenigen Pflanzen und 
Pflanzenteile, deren Wachstum in eine Ruheperiode eingetreten ist, und 
es ist bekannt, dafs trockene Samen bedeutende Kältegrade schadlos 
überdauern, während sie im angekeimten Zustande bei viel geringerem 
Frost zugrunde gehen. 

Während der vegetativen Entwicklung ändert sich die Frost- 
empfindlichkeit mit den einzelnen Phasen des Zelllebens 

In aufbrechenden Blütenknospen von Apfelbäumen, die durch einen 
Frühjahrsfrost gelitten, fand ich nicht die jüngsten, plasmareichsten 
Zellen beschädigt, sondern die etwas älteren, im Stadium energischer 
Streckung befindlichen gebräunt, während noch ältere Parenchymzellen 
wiederum gesund erschienen. 

Aus den bisher angeführten Fällen ersieht man, dafs es schwierig 
ist, bestimmte Thermometergrade als die festen Minimal- und Maximal- 
grenzen für die Entwicklungsfähigkeit einer Spezies angeben zu wollen. 
Im grofsen und ganzen ist gewifs jede Pflanze an eine bestimmte 
Wärmeskala gebunden, aber um einzelne Grade sind die Grenz- 
und Optimalwerte verschiebbar, je nach der Kombination 
der übrigen Vegetationsfaktoren, welche augenblicklich vor- 
handen ist und früher zum Aufbau des Individuums beigetragen hat. 


!) Annalen d. Landw.; eit. in Neue landw. Zeitung v. Fühling 1871, Heft 8, 
S. 586 ff. a 

2) Hasertasor, Über die Widerstandsfähigkeit verschiedener Saaten. Wissensch. 
praktisch. Untersuchungen, Bd. I. 


Ze me een u. 


Wärmemangel. 507 


Andererseits ist daran festzuhalten, dafs trotz aller die Frost- 
empfindlichkeit steigernden Vegetationsbedingungen viele Pflanzen 
(namentlich zahlreiche Flechten sowie Moose und Alpinen) niemals 
Frostbeschädigungen erkennen lassen. Wir haben diese Erscheinung 
damit zu erklären, dafs das Wärmebedürfnis solcher Pflanzen ein der- 
artig geringes ist, dafs die grölsten Temperaturerniedrigungen nicht im- 
stande sind, jene molekularen Umänderungen der Gewebe hervor- 
zurufen, welche eine Wiederaufnahme der normalen Lebensfunktionen 
verhindern. 


Theorien über das Wesen der Frostwirkung. 


Nachdem wir bisher die Umstände besprochen haben, die bei dem 
Erfrieren der Pflanzenteile modifizierend wirken, möchten wir der 
Theorien gedenken, welche über das Wesen der Frostwirkung 
aufgestellt worden sind. 

Dabei kommen nicht mehr die Lähmungserscheinungen der 
chronischen Kältewirkungen in Betracht; denn diese sind zunächst 
doch normale Funktionen, die nur allmählich durch Wärmemangel sich 
verlangsamen, bis das Leben erlischt!). Anders liegt die Sache bei 
den akuten Fällen, bei denen wir den Tod der Kältewirkung unmittelbar 
folgen sehen. 

Bei den akuten Frosterscheinungen wird die Eisbildung ein 
wesentlicher Faktor. Dieselbe tritt aber nicht bei der Temperatur ein, 
bei welcher das reine Wasser gefriert, sondern erst unterhalb 0°, 
weil der Zellsaft eine Salzlösung darstellt. Aufserdem ergaben die 
Beobachtungen, von denen namentlich die von MÜLLER-TrurGAU?) an- 
zuführen sind, dafs Eis erst nach einer bestimmten Überschreitung des 
Gefrierpunktes, einer Überkältung oder Unterkühlung entsteht. 
Als Beispiel, wie manchmal der Unterkühlungspunkt erheblich tiefer 
als der Gefrierpunkt liegt, mögen einige Angaben des vorgenannten 
Forschers dienen. 

Bei Weinbeeren erwies sich der Gefrierpunkt (@) bei — 3,1° C, 
der Überkältungspunkt (Ü) bei — 6,8 bis 7,8°C, bei Apfeln und Birnen 
— 1,4 bis 1,9 (G) und — 2,1 bis 5,1 (U); Kartoffel — 1,0 bis 1,6° (@) 
und — 2,8° bis 5,6° C (U) usw. 

Die Eisbildung tritt plötzlich ein; es erfolgt also in den Fällen, 
wo eine Überkältung stattgefunden hat, ein plötzlicher Temperatur- 
sprung. Dafs die Eisbildung nur bei bestimmten Pflanzen tötlich wirkt, 
zeigen unsere winterharten Pflanzen, welche, nachdem sie spröde von 
Eis gewesen, doch später ungehindert weiter wachsen. In anderen 
Fällen aber ist beobachtet worden, dafs Pflanzenteile unter bestimmten 
Umständen auf eine tiefere Temperatur abgekühlt werden können und 
am Leben bleiben, während sie bei geringerer Kälte sich erfroren 
zeigen, sobald Eisbildung dabei stattgefunden hat. 

Dieser Eisbildung, deren Aufbau wir eingangs bereits geschildert 
haben, schreiben nun MÜLLEr-Tuurcau®) und Morisch *) einen derartigen 
Wasserentzug aus der Zelle zu, dafs dieselbe daran zugrunde geht. 


1) Vgl.! Kvsiscan, H., Über die tötliche Wirkung niederer Temperaturen auf 
die Pflanzen. Inauguraldissertation. Breslau 1880. — Sacus, Landw. Versuchs- 
stationen 1860, S. 196. 

2) Landwirtschaftl. Jahrbücher 1886, S. 490. 

®) A. a. O. S. 534 


#) Mouiscn, Über das Erfrieren der Pflanzen. Jena 1897. 


508 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


Es wäre demgemäfs der Frosttod em einfacher Vertrocknungs- 
vorgang. Die Forscher stützen sich dabei auf den physikalischen 
Prozefs, dafs beim Gefrieren gequollener Colloide reines Wasser aus- 
kristallisiert und das dadurch stark austrocknende Oolloid erstarrt. 

Obiger Anschauung gegenüber steht unsere Ansicht, dafs der Frosttod 
kein spezifischer Austrocknungsprozefs ist, sondern in einer molekularen, 
irreparablen Zertrimmerung des Protoplasmagefüges zu 
suchen ist; dieselbe äufsert sich sowohl in mechanischer als auch in 
chemischer Form. Die Zertriimmerungstemperatur ist für Jede Art, jedes 
Individuum, jeden Pflanzenteil und jeden Wachstumsmodus eines Pflanzen- 
teils spezifisch, hängt aber mit der Eisbildung nicht direkt zusammen, 
was wir bereits aus der Menge derjenigen Pflanzen ersehen, welche 
Eisbildung in ihren Geweben schadlos ertragen. Man nennt diese Ge- 
wächse „eisbeständig“, und diese erfrieren erst, wenn ihre steif- 
gefrorenen Teile unter das spezifische Minimum abgekühlt werden. 

Dieses spezifische Minimum ist keine feste Grölse, sondern steigt 
mit der Menge ‘des Zellsaftes, d. h. der Kältetod tritt bei höherer 
Temperatur ein, und umgekehrt wird der Wasserverlust eine Steigerung 
der Resistenz gegen alle Faktoren zuwege bringen'), also bei Frost 
den Tod erst bei niedrigerer Temperatur eintreten lassen. 

An diese Vorgänge schliefst Mez?) folgende Betrachtungen an: 
Jede Lösung einer Substanz in Wasser muls unter den Gefrierpunkt 
des Wassers abgekühlt werden, bevor sich Eis ausscheidet. Für ver- 
dünnte Lösungen, wie sie unter normalen Umständen im Zellsaft 
existieren, ist die Erniedrigung des Gefrierpunktes proportional der 
molekularen Konzentration (RaouLt’sches Gesetz; cit. NERNST, Theoretische 
Chemie, 4. Aufl., 1903, S. 152). Betreffs der Lösungen osmotischer 
Substanzen, welche mehrere Stoffe gelöst enthalten, gilt das Darron’sche 
Gesetz, wonach die Gefrierpunkterniedrigung gleich ist der Summe der 
Erniedrigungen, welche jeder Stoff für sich allein erzeugen würde. 

Da nun jede Zelle in demselben Pflanzenteil einen von dem der 
anderen graduell verschiedenen Inhalt haben dürfte, so wird auch der 
Unterkältungspunkt des Zellsaftes ein stets wechselnder sein. Da die 
Zusammensetzung des Zellsaftes innerhalb der Breite der für jede 
Pflanzenspezies spezifischen Grenzen je nach der Ernährung schwankend 
ist, so wird verständlich, dafs die einzelnen Individuen verschiedene 
Resistenz besitzen. Auch erklärt sich damit das verschiedene Ver- 
halten trockener Pflanzenteile gegenüber den sehr saftigen. Dafs der 
Tod bei den austrocknungsfähigen Samen nun auch durch die Wasser- 
entziehung erfolgen soll, erklären sich H. Mürter und MoriscH in der 
Weise, dafs sie annehmen, es erfolge die Tötung durch die plötzliche 
Eisbildung in der überkälteten Pflanze, indem hierdurch eine sehr 
schnelle Wasserentziehung stattfände Gegen diese Hypothese spricht 
bereits PFEFFER3), bei dem wir die betreffende Literatur sehr eingehend 
behandelt finden, seine Bedenken aus. Unterstützt werden diese 
Zweifel durch die bereits erwähnten Studien von Mez. Denn die 
Untersuchungen desselben führen zu folgenden Resultaten. Der die 


!) Prerrer, Pflanzenphysiologie, 2. Aufl., S. 315, Anmerk. 
®) Mez, Car, Neue Unlersuchngen über das Erfrieren eisbeständiger Pflanzen. 
Sond. Flora oder Allgem. Bot. Z. 1905, Bd. 94, Heft 1. 

3) S. das Kapitel über „Die Ursachen des Erfrierens“ in „Pflanzenphysiologie“, 


II. Bä., 1904, S. 314. 


Wärmemangel. 509 


keinem der geprüften Objekte unterhalb — 6° ©. (Die Versuche 
wurden mit Blattstielen von Helleborus, Saxifraga und Strelitzia, mit 
Blättern von Sempervivum und Sprossen von Opeumtia, Aspardgus, 
Begonia, Prperomia usw. angestellt.) 

„Aller erstarrungsfähige (nicht absorbierte) Zellsaft erstarrt zwischen 
0° und — 5°C. Dementsprechend tritt bei — 30° keine stärkere Aus- 
trocknung der Protoplasten infolge von Wasserentziehung bei der Eis- 
bildung ein als bei —6° Eine Pflanze, welche die Eisbildung in 
ihren Geweben überhaupt erträgt, stirbt also nicht infolge von Aus- 
trocknung der Protoplasten, sondern infolge der Abkühlnng unter das 
spezifische Minimum.“ 

Wir sehen somit unseren früheren Standpunkt bestätigt, dafs nicht 
ein einfacher Wasserausscheidungsprozefs, sondern eine Stoffdissoziation 
durch die Kältewirkung hervorgebracht wird, welche die Funktionen 
des Lebens unmöglich macht. Es sind aber neben diesen wesentlich 
mechanischen Vorgängen vielfach chemische Zersetzungen im Spiele. 
Diese werden bald nach Unterkältung, bald ohne eine solche eingeleitet. 
Es braucht nicht jede Pflanze erst unterkältet zu werden, um zu gefrieren; 
sie erfriert aber wahrscheinlich rascher, d. h. wird zu ultraminimaler 
Temperatur abgekühlt, wenn das Gefrieren mit Unterkältung eintritt. 
Wenigstens ergibt sich dies aus Versuchen von Mez mit Stammstücken 
von Impatiens parviflora. Aus diesen Versuchen erfahren wir auch, wie 
sehr die Unterkühlung von der Beschaffenheit des Zellsaftes abhängig 
ist. Gase, gelöste Luft verhindern oder vermindern ebenso wie emul- 
giertes Ol, Gummi oder Pflanzenschleim die Unterkühlung. Auch sieht 
man, dafs in Wasser abgekühlte Pflanzenteile stets ohne oder wenigstens 
ohne wesentliche Unterkühlung erfrieren. Es kommt vor, dafs man 
Pllanzenstengel, die teilweise im Wasser stehen, so weit erfroren findet, 
als sie in die Luft hineinragen. MorıscH prüfte die Frage experimentell, 
indem er Zweige von Tradescantia zebrina zur Hälfte in Wasser tauchen 
liefs; über Nacht wirkten 5° © Kälte ein. Nach langsamem Auftauen 
im kühlen Zimmer erwies sich die in der Luft befindliche Sprofshälfte 
erfroren, während die untere, in Eis steckende unbeschädigt geblieben 
war. Die obere, von Luft umgebene Hälfte wird sich mit Unter- 
kältung rasch abgekühlt haben und dadurch erfroren sein. Soweit 
die Pflanze dagegen im Wasser steckte, ging wegen der hohen 
spezifischen Wärme desselben die Abkühlung langsam vor sich, und 
sowohl durch das gefrierende Wasser ringsum wie auch durch das 
Eis in den bereits gefrorenen, in der Luft befindlichen Geweben wird 
die Unterkühlung verhindert worden sein. 

Eine Beobachtung von MÜLLER-THurGAU, dafs in einer Miete die 
äufseren gefrorenen Rüben die inneren vor dem Gefrieren schützen, 
leitet die Aufmerksamkeit auf den speziell günstigen Einflufs 
der Eisbildung. Dieser Punkt wird von Mrz hervorgehoben, indem 
er allgemein ausspricht, dafs der Übergang des Zellsaftes in den festen 
Aggregatzustand ohne weiteres die ım der Pflanze noch erhaltenen 
Energien vor allzu raschem Abströmen schützt. Die Wärmeleitung in 
Eis ist eine viel langsamere als in Wasser, in welchem sich die Wärme 
durch Strömung verbreitet. 

Die Gefahr des Erfrierens, also einer Temperaturerniedrigung auf 
das spezifische totbringende Minimum kann somit durch die Neben- 
umstände teils gefördert, teils gemindert werden. Die Minderung 
liegt in der Benutzung der spezifischen Wärme des Wassers, wie wir 


510 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


bei den Frostschutzmitteln noch erwähnen werden, ferner in der Eis- 
bildung selbst, welche doch schon beim Nullpunkt oder dicht unter 
demselben eintritt, während der Tod erst bei tieferer Temperatur sich 
einstellt, endlich aber in der Anderung des Zellsaftes, indem ein 
eröfserer Reichtum an Ol, Gummi und Schleim verzögernd wirkt. 

Die Steigerung der Gefahr des Erfrierens liest in allen Umständen, 
die das Eintreten der tötlichen Unterkühlung beschleunigen. 

So kann beispielsweise der von der Kräftigkeit der Ernährung ab- 
hängige anatomische Bau des Individuums schon mitsprechen. Bei 
sehr üppigem Wachstum sind die Lumina der Zellen und Gefäfse weiter 
und die Intercellularen gröfser. Je weiter aber ein Gefäfsrohr gebaut, 
desto mehr kommt die Gefrierpunkterniedrigung durch die Kapillarität 
in Wegfall. Diesen Umstand finden wir von Brvisning !) hervorgehoben. 
Derselbe fand, dafs Taxusblätterextrakt in engen Kapillaren seinen 
Gefrierpunkt bei — 8,8° C habe, während derselbe im offenen Reagens- 
glase bei — 1,3° gefror. 

Aufser dem gröfseren Wasserreichtum des Gewebes kommen noch 
die Luftbeschaffenheit (Feuchtigkeitsgehalt) und Luftbewegung in Be- 
tracht. In letzterer Beziehung sei an die vielfache Erfahrung erinnert, 
dafs in geschützten Lagen (geschlossenen Tälern, waldumgebenen 
Feldern usw.) Pflanzen erfrieren, die in der windzugänglichen Umgebung 
unbeschädigt bleiben. 

Zur Erklärung dieses Umstandes werden wir daran zu denken 
haben, dafs die bewegte Luft die Verdunstung steigert und den Zell- 
saft konzentrierter macht. Bei stärkerer Verdunstung wird schneller 
Eisbildung eintreten, also die Unterkältung vermieden und gleichzeitig 
der Schutz des freien Wärmerestes in den Geweben herbeigeführt. 

In der Verhinderung der Unterkühlung durch aufgelagertes Eis 
dürfte auch der Vorteil der „rauhen Furche‘, die den Schnee 
länger hält, für das Wintergetreide zu suchen sein. 

Auch Nebel werden schützend wirken. Ein neueres Beispiel dafür 
finden wir in der Beobachtung von THowmas?), der in Thüringen auf 
den in Nebel gehüllten Höhen das junge Buchenlaub unbeschädigt 
fand, während dasselbe in den Tälern infolge der Frostwirkung sich ge- 
bräunt und welk erwies. Es war in diesem Falle eine deutliche Grenz- 
linie bemerkbar. Die Wolkenbedeckung in den Bergwäldern ist ein 
nicht zu unterschätzendes Frostschutzmittel. 

Wir wollen nun noch einmal darauf zurückkommen, dafs in manchen 
Fällen ein schnelles Auftauen gefrorener Pflanzenteile den Tod 
herbeiführt, während eine langsame Erwärmung das Leben erhält. 
Über die Richtigkeit dieser Behauptung wird vielfach gestritten. Spricht 
man dieselbe als allgemeine Regel aus, so erscheint sie unzutreffend, 
beschränkt man sie dagegen auf gewisse Fälle, dann hat sie sicherlich 
ihre Gültigkeit. Ein älteres, sehr lehrreiches Beispiel liefert KArstEn?®). 
Eine gröfsere Sendung von Baumfarnen (Balantium) hatte auf der Reise 
20° Kälte zu überstehen. Die bei der Ankunft in noch gefrorenem 


1) Brusssing, F. F., Zur Kenntnis der Ursache des Frostschadens. Sond. 
Wollny’s Forschungen auf dem Gebiete d. Agrikulturphys. 1896; eit. Centralbl. f. 
Agrikulturchemie 1898, S. 173. 

2) Tuouas, Fr., Scharfe Horizontalgrenze der Frostwirkung an Buchen. Thüringer 
Monatsbhlätter 1904, 12. Jahrg., No. 1. 

3) Über die Wirkung plötzlicher bedeutender Temperaturänderung usw. Bot. 
Z. 1861, Nr. 40. 


Wärmemangel. ol] 


Zustande ins warme Haus gebrachten Pflanzen waren getötet, während 
die zuerst in kaltes Wasser zum Auftauen gelegten Stämme, die nachher 
in ein kaltes Haus kamen, fast alle am Leben blieben. Daraus geht 
hervor, dafs nicht der Frost, sondern das schnelle Auftauen die Todes- 
ursache gewesen ist. 

Für reife Kernobstfrüchte hat MÜLLER-THurRGAU, für das Blatt von 
Agave americana hat Morısch erwähnt, dafs diese Objekte nach 
mälsigem Gefrieren bei sehr langsamem Auftauen am Leben erhalten 
worden sind, während sie bei raschem Auftauen absterben können. 


Gefrorene Blätter der krautigen Cinerarien fafste ich mit der Hand 
derartig an, dafs nur die Fingerspitzen auf der Blattfläche lagen. Die 
an ihrem Standort belassenen Pflanzen zeigten nach dem Auftauen nur 
die Fingerdruckstellen erfroren. Nach den Erfahrungen der Gärtner 
sind es besonders die zartlaubigen, saftreichen, in den Glashäusern 
herangezogenen Frühjahrsblüher (Cinerarien, krautige Oalceolarien usw.), 
welche nach einer Frostnacht durch möglichste Verlangsamung des 
Auftauens gerettet werden können. 


Bei völlig eisbeständigen Pflanzen scheint dagegen die Schnellig- 
keit des Getrierens und Auftauens keinen Einflufs auf das Leben 
auszuüben. 


Zur Erklärung des Sachverhaltes werden zwei Punkte heranzuziehen 
sein. Erstens werden bei dem schnellen Auftauen sich dieselben Vor- 
gänge abspielen, die z. B. bei dem Verdunsten der flüssigen Kohlen- 
säure eintreten, wobei bekanntlich die Bildung fester Kohlensäure statt- 
findet. Die Schmelzwärme wird bei schnellem Auftauen nicht nur der 
Umgebung, sondern auch den tieferen Schichten des Pflanzenteils ent- 
nommen, und diese werden dadurch noch mehr abgekühlt. Bei solchen 
Gewächsen, bei denen der kritische Punkt, d. h. das spezifische 
Minimum, nahe unterhalb des Gefrierpunktes liegt, kann dieser bei 
schnellem Auftauen gesteigerte Wärmeentzug den Tod herbeiführen. 

Der zweite zu berücksichtigende Vorgang besteht in der Unmöglich- 
keit der Zellmembranen, aus denen Eis herauskristallisiert ist, die 
plötzlich durch schnelles Auftauen entstandenen grofsen Mengen von 
Schmelzwasser aufzusaugen. Das Wasser bleibt in den Intercellularen 
und verdunstet, ohne dafs es der Zelle des Blattes gelingt, den nötigen 
Turgescenzzustand wieder zu erlangen. Daher die Methode der Gärtner, 
die vom Spätfrost getroffenen Pflanzen vor der aufgehenden Sonne zu 
schützen. 

Betrachten wir schliefslich vom Standpunkt der hier vorgetragenen 
Mrz’schen Theorie die natürlichen Vorgänge der herbstlichen Stoff- 
umwandlungen. Wenn sich die Pflanzen für den Winter vorbereiten, 
sammeln sie die gröfste Menge der Reservestoffe und erreichen, je nach 
ihrer Individualität, zu verschiedenen Zeiten ein Maximum. Bei Pinus 
austriaca fand beispielsweise LECLERC DU SaBLoX!) dasselbe im Mai, 
bei dem früher wieder austreibenden Spindelbaum im März; bei den 
laubabwerfenden Gehölzen ist das Maximum bereits im Herbst vor- 
handen. Bei den immergrünen Pflanzen verbleiben die Reservekohle- 


1) Leererc vu SasLox, Über die Reservekohlehydrate der Bäume mit aus- 
dauernden Blättern. Compt. rend. 1905, S. 1608: cit. Öentralbl. f. Aegriculturchemie 
1906, 3.322. — Faskıcıvs, L., Untersuchungen über Stärke- und Fettgehalt der Fichte 
usw. Naturwiss. Z. f. Land- u. Forstwirtschaft 1905, S. 137. 


518% "II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


hydrate reichlich in den Blättern!), deren Tätigkeit auf ein Minimum 
reduziert erscheint, da ihre Spaltöffnungen dauernd sich schliefsen. 
Diese Reservestoffe werden tunlichst gegen Frostgefahr geschützt. 
Teils wandert die Stärke in die geschützten zentralen Teile der Achse 
(Markkörper, Markstrahlen, Parenchymholz), teils verwandelt sie sich in 
Zucker, oder es tritt fettes Ol an ihre Stelle. Bei den Fichtennadeln 
im Gebirge sieht man die Substanz der Chloroplasten verfliefsen, und 
der Zellinhalt bildet im Winter eine gleichartige plasmatische Masse 
mit reichlichen Oltröpfchen. Diese Umwandlung hat Liprorss?) für alle 
grünen Zellen wintergrüner Gewächse nachgewiesen; im Frühling erfolgt 
Rückbildung der Stärke. 

Dieses Fortschaffen fester Körper aus der Zelle bei Eintritt des 
Winters stellt sich nach Mrz als eine vorteilhafte Einrichtung bei den 
eisbeständigen Pflanzen dar. Er nennt die flüssigen Stoffe „thermisch 
aktive“, denn sie lassen bei der Kristallisation Wärme frei werden. 
Die festen Bestandteile dagegen folgen retardierend der Temperatur 
der Flüssigkeiten; sie sind „thermisch passiv“ und wärmezehrend, da 
sie bei Eintritt der Eisbildung, die durch den Temperatursprung vom 
Unterkühlungspunkt nach dem Nullpunkt hin angezeigt wird, ihre 
Wärme relativ rasch abgeben. Dieser Umstand bewirkt, dafs bei An- 
häufung fester Körper in den Zellen die Schmelztemperatur des Zell- 
saftes nach stattgehabter Unterkühlung nicht erreicht werden kann. 
Eine grofse Menge thermisch passiver Bestandteile bildet daher eine 
Gefahr für die Pflanze, während die flüssigen, thermisch aktiven Körper 
als Wärmeerzeuger sich vorteilhaft erweisen. Wir unterscheiden seit 
den Untersuchungen von A. Fischer (Jahrb. f. wiss. Bot. 1891, S. 155; 
cit. von PFEFFER a. a. O. 8.317) Öl- und Stärkebäume, je nachdem die- 
selben ihre Stärke in Öl verwandeln oder sie in das Innere ihrer Achse 
wandern lassen und in der Rinde in Zucker umsetzen. Das fette Öl 
der Fettbäume (Nadelhölzer, Birke), das wir durch Joxescu als Schutz- 
mittel gegen Blitzschlag kennen gelernt haben, wirkt neben seiner 
Eigenschaft, die Unterkühlung zu vermindern, ebenso wie der Zucker 
thermisch aktiv, d. h. als Wärmespeicher für den Fall der Kristallisation. 
Die Bäume, welche nun ihre gesamte Stärke in Ol umsetzen, dürften 
höhere Kältegrade zu ertragen geeignet sein (Nadelhölzer) als die, bei 
denen ein Teil Stärke zurückbleibt und nur in der Rinde zu Zucker 
wird (Mehrzahl der Laubhölzer.. Dieser Umstand spricht sicherlich 
bei der Erscheinung mit, dafs Nadelhölzer und Birke am weitesten in 
die kalten Regionen hineinreichen. 


Störungen durch Erkältung. 


Bei den Topfkulturen in den Gewächshäusern kommen Fälle vor, 
dafs Pflanzen durch den Transport aus einem Glashause in ein anderes 
leiden, falls sie dabei eine kurze Zeit, bisweilen nur wenige Minuten, 
einer Temperatur unter Null ausgesetzt worden sind. Die praktischen 
Gärtner behaupten, dafs „die Pflanzen sich erkältet haben‘. 

In neuester Zeit ist Morsıus?) dieser Angabe näher getreten und 


!) Simon, Der Bau des Holzkörpers sommer- und wintergrüner Gewächse usw. 
Ber. d. D. Bot. Ges. 1902, S. 229. 
?) Lıprorss, Zur Phy siologie und Biologie der wintergrünen Flora. Bot. 
Centralbl. 1896, S. 33. 
es Re 'M,, Die Erkältung der Pflanzen. Ber. d. D. Bot. Ges. 1907, Bd. XXV, 
2,8201. 


Wärmemangel. 513 


hat durch Versuche obige Behauptung bestätigen können. Er nahm z.B. 
eine Begonia metallica aus dem Warmhause, trug die Pflanze 1 bis 
2 Minuten im Freien bei einer Temperatur von — 5° ©. umher und 
stellte sie dann wieder an ihren früheren Ort. Noch an demselben 
Tage bemerkte er auf einigen älteren Blättern neuentstandene braune 
Flecke; später bekamen diese Blätter „ein glasiges dunkles Aussehen, 
hingen herab und vertrockneten“. ‚Junge Blätter litten nicht. Derartige 
Verfärbungs- und Welkerscheinungen wurden bei anderen ähnlichen 
Versuchen beobachtet und sind auch im wesentlichen die Merkmale, 
welche von den Praktikern als Folgen der Erkältung angegeben worden 
sind. Dafs es sich hier nicht um eine Eisbildung in den Geweben handeln 
kann, hebt Moegıus bereits hervor. Ich kann den Beweis dafür durch 
einen Versuch erbringen, den ich mit begonia argyrostigma angestellt 
habe; von derselben wurde ein Topf aus dem Warmhause erst ins Freie 
gebracht, nachdem die Temperatur auf 0,5° C über Null gestiegen 
war. Binnen kurzer Zeit sah ich auf einigen Blättern glasige Flecke 
auftreten. 

Nach den im vorliegenden Kapitel an verschiedenen Stellen nieder- 
gelegten Versuchsergebnissen sehe ich in dem Welken und Glasig- 
werden einzelner Blätter bei scharfen Temperatursprüngen die Folgen 
plötzlicher Spannungsdifferenzen in den Geweben. Die Zusammen- 
ziehung der Zellen infolge der starken Abkühlung wird stellenweis ein 
Herauspressen von Wasser in die Intercellularräume veranlassen; 
aufserdem wird der Unterschied der im Blattorgan vereinigten ver- 
schiedenen Gewebeformen zur Geltung kommen. Wir verweisen in 
dieser Beziehung auf den späteren Abschnitt über Frostblasen, wo 
Epidermisabhebungen und Gewebeablösungen verschiedener Art be- 
schrieben werden. 

Der praktische Züchter hat jedenfalls im Auge zu behalten, dafs 
bei einem Transport von Pflanzen aus warmen Häusern die Möglichkeit 
einer Erkältung selbst dann gegeben ist, wenn die Pflanzen nur wenige 
Minuten einer Frosttemperatur dabei ausgesetzt werden. Da der schroffe 
Temperaturwechsel vermieden werden mufs, so wird eine Umhüllung 
der Töpfe mit Leinwand oder Papier für alle Fälle anzuraten sein. 


B. Spezielle Fälle der Frostwirkungen. 
Süfswerden der Kartoffeln. 


Bei der bekannten Erscheinung, dafs Kartoffeln bei Eintritt 
schwacher Kältegrade süfs werden, beobachteten bereits GÖPPERT!) und 
Eın#ör?), dafs sich individuelle Verschiedenheiten geltend machten. 
Unter denselben Verhältnissen wurde nur ein Teil der Knollen süfs, 
und diese blieben weich, während die anderen erstarrten. Brachte man 
Kartoffeln schnell in gröfsere Kälte (etwa 10°), so gefroren sie sämtlich, 
ohne Zuckerbildung zu zeigen. Nur bei Temperaturen, die wenig 
unterhalb des Gefrierpunktes lagen, liefs sich ein Süfswerden beobachten. 
MÜLLER-TuurGAaU fand, dafs diese Veränderung sich nur bei Kartoffeln 
einstellte, die schon mindestens einen Monat aus der Erde genommen 
worden waren; bei frisch geernteten Knollen liefs sie sich nicht hervor- 


!) Wärmeentwicklung, S. 38. 
2) Neues allgem. Journ. f. Chemie. Berlin 1805, 8. 473. 
Sorauer, Handbuch. 3. Aufl. Erster Band. 33 


514 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


rufen. Wahrscheinlich ähnliche Erfahrungen führten Payen!) zu dem 
Schlusse, dafs schon vor der Frosteinwirkung die Knollen bereits wieder 
in Vegetation eingetreten sein dürften, wenn sie Zuckerbildung auf- 
weisen. 

Die von EınHOF und GÖPPERT gefundene Tatsache, dafs bei höheren 
Kältegraden die Kartoffeln erfrieren, ohne süfs zu werden und die 
süfs gewordenen weich geblieben waren, erklärt sich nach den Ex- 
perimenten von MÜLLER-THURGAU?) in einfacher Weise. Dieser Forscher 
fand, dafs die Kartoffelknolle erst bei — 3° erfriert. Allerdings liegt 
ihr eigentlicher Gefrierpunkt schon -etwa bei — 1° Ü; aber die Zell- 
säfte müssen erst bis auf 2—3° unter den Gefrierpunkt abgekühlt, d. h. 
„überkältet“ werden, bevor zwischen den Zellen die ersten Eiskristalle 
sich bilden können. Natürlich aber wirkt eine Tamperaturerniedrigung 
auf 0 bis — 2° auch schon lähmend auf viele Lebensprozesse ein. 
Unter diesen sind es zwei, welche hier wesentlich in Betracht kommen, 
nämlich ein Vorgang, bei welchem Stärke in Zucker umgewandelt wird 
und ein Zuckerverbrauchsprozefs. Man kann annehmen, dais der Zucker 
von dem Protoplasma der Zelle teils veratmet, teils (während der Vege- 
tationszeit) zur Regeneration des Plasmas und zur Stärkerückbildung ver- 
braucht wird. MÜLLER-TRuRGAU fand in der Tat?), dafs süfse Kartoffeln 
nach einem Aufenthalte in Temperaturen von 20—30° ihren Stärke- 
gehalt auf Kosten des verschwundenen Zuckers erhöht hatten. Bei 
einer Temperaturerniedrigung auf 0° bis herab auf — 2° nimmt der 
Veratmungsprozeis (und höchstwahrscheinlich auch der Regenerations- 
prozeis des Protoplasmas) ab, während die Umwandlung der Stärke 
in Zucker nicht so schnell zurück geht. Infolgedessen wird der Zucker 
in der Knolle angehäuft und diese Ansammlung auch durch den Ge- 
schmack bemerkbar; sie beträgt etwa 2,5°/o der Frischsubstanz; doch 
sind verhältnismäfsig orofse Schwankungen bei verschiedenen Indi- 
viduen derselben Varietät vorhanden. Eın höherer Wassergehalt der 
Knollen begünstigt das Süfswerden. Dieser Zuckerzunahme entspricht 
eine Stärkeabnahme; jedoch ist nach den Analysen von CzugarTa*) kein 
entsprechendes Verhältnis zwischen beiden Vorgängen nachweisbar. 
Nach Czupata geht ein Teil der Eiweifsstoffe aus dem unlöslichen Zu- 
stande in den löslichen während des Gefrierens über. MÜLLER nimmt 
an, dafs das betreffende Ferment bei niedriger Temperatur sich vermehrt. 

Werden Kartoffeln, welche süfs geworden sind, einige Tage m 
einen Raum gebracht, der mehr als 10° Wärme hat, dann hebt sich 
der Atmungsprozefs, und der Zucker wird verbrannt, d. h. die Kartoffeln 
werden entsüfst und auf diese Weise für den Haushalt wieder brauchbar. 
Andere vorgeschlagene Mittel, wie z. B. das Auslaugen der Knollen 
durch Wasser, führen nicht zum Ziel. Aufserdem ist aber noch hervor- 
zuheben, dafs man süfs gewordene Kartoffeln auch unbesorgt zur Aus- 
saat benutzen kann. Süfs gewordene Kartoffeln erfrieren erst bei 
höheren Kältegraden als nicht süfs gewordene Knollen). 


1) s. Özarer, Fr., Biochemie der Pflanzen. Fischer, Jena, T. I, S. 371. Dort auch 
Notizen über ältere Literatur. 

?) Mürrer-Thurgau, Ein Beitrag zur Kenntnis des Stoffwechsels in stärke- 
haltigen Pflanzenorganen. Botanisches COentralbl. 1882, Nr. 6. 

?) Landwirtsch. Jahrb. 1883, S. 807. 

#) Czusara, Die chemischen Veränderungen der Kartoffeln beim Frieren und 
an ster.-Ungar. Brennerei-Zeitung 1879; cit. in Biedermanns Oentralbl. 1880, 
8.472, 

5) Mürrer-Tuurgav, Landwirtsch. Jahrb. 1383, S. 826. 


Wärmemangel. 515 


Anhangsweise möchte ich hierbei noch eine mir mündlich gemachte 
Mitteilung anschliefsen, dafs in Reinerz ein im Gestein liegender 
Keller existieren soll, in welchem die Kartoffeln auch ohne Frostein- 
wirkung süfs werden. Man schreibt diese Erscheinung einer starken 
Exhalation von Kohlensäure zu. Experimentell ist es mir nicht gelungen, 
binnen zwei Tagen eine Zuckervermehrung durch Aufenthalt der Knollen 
in einer Kohlensäure-Atmosphäre nachzuweisen; indes wäre es wohl 
möglich, dafs nach längerer Zeit sich erst ein Einflufs geltend machen 
dürfte. Die Angabe gewinnt an Wahrscheinlichkeit durch eine Arbeit 
von BAcHET!) und SAVALLE, wonach durch die Anwendung von Kohlen- 
säure bei etwas erhöhter Temperatur und gröfserem Druck Stärkemehl 
schnell in Dextrin und Traubenzucker umgewandelt wurde, namentlich 
wenn man den Prozeis der Saccharifikation durch Beigabe von 
Kleber erleichterte.e. Man kann annehmen, dafs durch reiche Kohlen- 
säurezufuhr zu den Kartoffelknollen in dem vorerwähnten Falle aus 
Reinerz der natürliche Atmungsprozefs ebenfalls wie durch niedere 
Temperatur herabgedrückt worden ist und der nach MÜLLER noch bis 
zu einer Temperaturhöhe von + 10° nachweisbare Zuckerbildungs- 
prozeis eine langsame Anhäufung des Zuckers verursacht hat. Die 
Entstehung von Saccharose bei der Keimung nach einer Temperatur- 
erhöhung beweisen die Versuche von Marcaccı?) mit Kartoffelscheiben, 
die an der Sonne und im Ofen getrocknet wurden. Bei dem Aus- 
treiben der Knollen findet sich in den jungen Trieben und später in 
den Blättern Saccharose (wahrscheinlich durch Hydratation der Stärke). 

Dafs die Verwendungsmethoden für süfse Kartoffeln, die im äufseren 
Ansehen von den gesunden, nicht süfsen selten unterscheidbar sind, 
durchaus nicht auf gefrorene, also vereiste anzuwenden sind, ergibt 
sich aus dem Vorstehenden von selbst. Eine Knolle, die einmal hart 
gefroren gewesen, ist tot und fällt bei dem Auftauen sofort hochgradiger 
Zersetzung anheim. Die Knolle wird weich, läfst Wasser austreten, 
wird an der Schnittfläche sofort braun, falls dieselbe nicht alsbald mit 
einer Säure überstrichen wird. Die Schale löst sich bald blasig unter 
Gasentwicklung vom Fleische, dessen Rindenzellen unterhalb der Kork- 
schale durch Auflösung der Intercellularsubstanz sich lockern. Das 
Plasma ist braun und körnig und von der Zellwand zurückgezogen, 
die Proteinkristalle sind dunkelbraun; der Saft ist stark sauer. 


Schofsrüben. 


Mit diesem Namen bezeichnet man solche Exemplare von Zucker- 
und Futterrüben, welche bereits im ersten Sommer in Samen schiefsen. 
Die Erscheinung ist in mancher Jahren sehr häufig und bei der Ernte 
und Verarbeitung des Rübenkörpers störend, da der Wurzelkörper 
holziger als bei den zweijährigen Rüben ist. Uber die Ursache der 
Erscheinung gehen die Meinungen auseinander. Sie bewegen sich in 
zwei Richtungen, indem einerseits die Beschaffenheit des Saatgutes, 
andrerseits die Witterungsverhältnisse und namentlich Frühjahrströste 
dafür verantwortlich gemacht werden. In Rücksicht darauf, dafs man 
tatsächlich in Jahren, in denen Spätfröste die jungen Rübenpflanzen 
getroffen haben, besonders viele „Schosser“ oder „Trotzer“ findet, 


) Nach Compt. rend. 1878; cit. in Biedermanns Centralbl. 1879, S. 554. 
) Marcaccr, A., Sui prodotti della transformazione dell’ amido. cit. Bot. Jahresb. 
1891, I, S. 47. 


Hi 
2 


33 * 


516 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


und gestützt auf die nachher zu erwähnenden Versuche von ADERHOLD 
mit Kohlrabi, reihen wir vorliegenden Kulturrückschlag an dieser 
Stelle ein. 

Aus der reichen Literatur über Zuckerrüben führen wir nur eine 
Arbeit an, da dieselbe neuere wissenschaftliche Untersuchungen bringt 
und kurz referierend die älteren Erfahrungen aufzählt. ANDRLIK und 
Mysık!) kommen auf Grund zahlreicher Analysen zu dem Ergebnis, 
dafs das Gewicht einer Schofsrübe bald kleiner bald gröfser als das 
der normalen Rübe sein kann. Die Wurzel der Schofsrübe ist ärmer 
an Kali, Phosphor- und Schwefelsäure sowie an Ammoniak- und Amid- 
stickstoff. Der Saft ıst reiner. Von der durch die Schofsrübe ge- 
bildeten organischen Substanz betrug der Zuckergehalt nur 45—50 /o, 


bei der normalen Rübe 54—69°/0. „Der gröfste Teil der zucker- 
freien organischen Substanz entfiel auf das Mark, also die das feste 
Gerippe der Pflanze bildenden Bestandteile .... “. „Die Markbildung 


erfolgte wahrscheinlich auf Kosten des Zuckers.“ 

Wir ersehen, dafs die Rübenpflanze ihren angezüchteten Wachstums- 
modus, im ersten Jahre nur Reservestoffe im Wurzelkörper zu speichern 
und dieselben im folgenden Jahre zur Samenbildung zu verwerten, 
geändert hat und die durch den Blattapparat erarbeitete organische 
Substanz sofort weiter verwendet. 

Dieser Umstand weist darauf hin, dafs der bei der Kulturrübe 
normale Vorgang: der unausgesetzten Bildung neuer Blätter eine Störung 
erfahren hat. Die Vegetation hat für einige Zeit einen Stillstand er- 
litten, gleichsam eine Ruheperiode durchgemacht, die der winterlichen 
Ruhe eines normal ausgereiften Rübenkörpers entsprechen würde. Das 
neu mobilisierte Reservematerial wird hier wie dort nach dem Wachs- 
tumsstillstand zur Produktion des Blütenstandes verwendet. Dafs 
Spätfröste einen solchen Wachstumsstillstand hervorzurufen vermögen, 
ist wohl begreiflich; sie werden um so mehr eine Samenstengelbildung 
anregen, je später im Jahre sie eintreten, und je mehr die nachfolgende 
Witterung die Ausbildung eines Blütenstandes begünstigt. Ist das der 
Frostnacht folgende Wetter dagegen ganz besonders für die Laub- 
entwicklung geeignet, kann die begonnene Streckung der Achse zum 
Stillstand kommen und die Ausbildung des Rübenkörpers fortschreiten. 
In grofsen Zuckerrübenfeldern findet man in der Regel Schofser und 
derartige Mittelformen. Sicherlich kann diese Neigung zum Schossen 
durch Samen vererbt, vielleicht auch schon im Saatgut von normalen 
Rüben vorbereitet werden, wenn dasselbe nicht genügend ausgebildet, 
also z. B. unreif geerntet worden ist. 

Den experimentellen Beweis über die Bildung von „Schossern* 
infolge von Frostwirkung hat AperHoLp?) bei Kohlrabi geliefert. Er 
hatte Sämlingspflanzen in Töpfen 8—12 Stunden in einen Gefrierraum 
gebracht und dann dieselben mit anderen nicht vom Frost beeinflufsten 
ausgepflanzt. Bei einem Versuch erhielt er z. B. von 18 unbehandelten 
Pflanzen zwei Schosser und von derselben Anzahl von Exemplaren, 
welche im Mai 10 Stunden hindurch einer Kälte von — 2° bis — 6,5° © 
ausgesetzt gewesen war, sieben Schosser. In beiden Fällen überwanden 


!) Schofsrübe und normale Rübe. Blätter f. d. Zuckerrübenbau 1905, Nr. 24, 
374 


2) Avernorv, R., Über das Schiefsen des Kohlrabis. Mitt. d. K. Biolog. Anst. 
1906, Nr. 2, S. 16. 


Wärmemangel. 517 


später einzelne Kohlrabi den Stofs der Frostwirkung und setzten noch 
einen Rübenkörper an. 

Dafs solche vorzeitige Blütenstengelentwicklung auch bei anderen, 
fleischige Reservestoffbehälter bildenden Pflanzen (Sellerie, Mohr- 
rüben, Rettichen) in manchen Jahren reichlich auftritt, ist bekannt. 
Dafs dabei nicht immer der Frost, sondern auch andere Hemmungs- 
voreänge wirksam sein können, ist sehr wahrscheinlich. 


Frostgeschmack der Weinbeeren; 


Die Vorgänge, welche bei dem Süfswerden der Kartoffeln eintreten, 
vollziehen sich auch bei den Holzgewächsen. PFEFFER!) erwähnt in 
dieser Beziehung: die Untersuchungen von FiscHEr?) über die Schwan- 
kungen zwischen Stärke und Zucker bei den sogenannten Stärkebäumen 
wie Linde und Birke?). Bei der Überführung von Zweigen im Winter 
aus dem Freien in das warme Zimmer bildet sich binnen wenigen 
Stunden in den Rindenparenchymen Stärke aus, welche in der Kälte 
wieder in Zucker übergeht. Eine ähnliche Zuckerbildung verbunden 
mit Abnahme der organischen Säuren sehen wir nach Frostwirkung 
bei den Weintrauben eintreten. 

Selbst solche Trauben, die noch nicht ausgereift waren, und die 
zwar in ihrem Hauptstiel vom Frost angegriffen, aber im Kamm noch 
grün und in den Beeren noch klar waren, zeigten eine bedeutende 
Säureabnahme und Steigen des Zuckergehaltes*). Betreffs der Ver- 
minderung der Säuren ergab eine Untersuchung von Rieslingtrauben am 
Stocke, die vom 19. Oktober bis 9. November einer Kälte bis zu 5° C 
ausgesetzt gewesen, eine Säureabnahme um 4°/o. Abgeschnittene, halb- 
reife, vom Frost stark beschädigte Trauben zeigten vom 1.—11. Oktober 
einen Verlust von 4,5°/o an Säure. 

Der Frostgeschmack scheint aber nicht auf der Zuckerzunahme 
und Säureabnahme allein zu beruhen, sondern es werden vielleicht noch 
Stoffverbindungen aus den Beerenstielen diffundieren, die das Proto- 
plasma der Zellen ohne die Frostwirkung nicht hindurchgelassen hätte. 
Es dürfte durch diese Veränderungen die Empfänglichkeit der Trauben 
für den Weifsfäulepilz gesteigert werden, da Vıara und PacorrEr?) nach- 
gewiesen haben, dafs dieser Pilz nur bei hohem Zucker- und geringem 
Säuregehalt die Beeren zu infizieren vermag. Der Black-rot verhält 
sich gerade umgekehrt. 


Veränderungen an Blütenorganen. 


Bei der Einwirkung: des Frostes treten bald die chemischen, bald 
die mechanischen Vorgänge in den Vordergrund. Bei den ersteren ist 
es schwierig zu entscheiden, inwieweit dieselben sich schon während 
des Gefrierens einleiten oder erst bei dem Auftauen beginnen. So 
hat beispielsweise GöpreErT®) bei den Blumen von Phajus und Calanthe 


1) Physiologie, 2. Aufl., I, S. 514. 

2) Jahrb. f. d. wiss. Bot. 1891, Bd. 22. 

®) Über die Periodizität der Stärkezu- und abnahme in den Bäumen. Vergl. 
Mer, E. in Bot. Jahresb. 1891, I, S. 46. 

4) Biedermanns Centralbl. 1879, I, S. 233. : 

5) Vıara, P. et Pacorrer, Sur la culture du black-rot. Compt. rend. 1904, 
CXXXVIIJ, S. 306. 

6) Über Einwirkung des Frostes auf die Gewächse. Sitzungsber. d. Schles. 
Ges. f. vaterl. Kultur 1874 cit. Bot. Zeit. 1875, S. 609. 


518 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


ein Blauwerden derselben beim Gefrieren beobachtet und diese Farben- 
änderung dadurch erklärt, dafs durch die Frostwirkung eine Oxydation 
des in den sonst farblosen Zellen enthaltenen, namentlich um die 
Gefäfsbündel herum reichlichen Indicans zu Indigo stattfinde. PRILLIEUX !) 
gibt an, dafs diese Veränderung erst bei dem Auftauen eintrete. In 
ähnlicher Weise schwankend sind auch anderweitige Angaben über das 
Verhalten der Blütenfarbstoffe, und man kann im allgemeinen nur 
sagen, dafs der rote Farbstoff zu den widerstandsfähigsten gehört, j& 
nach GÖPPERT?), der- viele Beobachtungen über die durch Frost hervor- 
gerufenen Farbenerscheinungen gesammelt hat, sich an Blättern und 
Blüten durch schwache Frostwirkungen noch steigern kann. 

Am häufigsten und darum am bedeutsamsten sind die Froststörungen 
an den Blüten unserer Obstgehölze. Für die Praxis ist es allerdings 
gleichgültig, in welcher Weise der Verfärbungsvorgang verläuft. Wissen- 
schaftlich aber dürfte es von Interesse sein, die Frostwirkung genauer 
kennen zu lernen. Da wir aber bei den natürlichen Frühjahrsfrösten 
nicht feststellen können, welches die ersten Frostwirkungen und 
welches nachträgliche Veränderungen sind, habe ich künstliche Fröste 
auf Apfelblüten einwirken lassen. 

Nachdem ein blühender Apfelzweig während zwei Stunden einer 
Temperatur von — 4° © ausgesetzt worden war, ergab die sofort nach 
dem Abheben des Gefrierzylinders vorgenommene Untersuchung, dafs 
die sämtlichen Blumenblätter wie einzelne Stellen der Laubblätter eine 
glasige Beschaffenheit angenommen hatten. 

Bereits nach wenigen Minuten (die Lufttemperatur betrug + 11° C) 
begann ein Erschlaffen und Braunwerden der glasig gewesenen Teile. 
Die Braunfärbung der Blattorgane ist also nicht direkte Wirkung der 
Kälte, sondern eine erst bei dem Auftauen sich geltend machende Er- 
scheinung. Die in ihrer natürlichen Färbung unterseits rötlich an- 
gehauchten Blumenblätter wurden braunadrig und fleckig. Der Rand 
fing alsbald an zusammenzusinken und zu vertrocknen. Der Quer- 
schnitt zeigte, dafs die Verfärbung weniger auf einer Bräunung der 
Zellwandungen als des Zellinhaltes beruhte, indem dieser rotgelbe bis 
braungelbe, zusammenhängende, meist in der Längsrichtung der Zellen 
sich lagernde Massen ausscheidet, die an Karotin erinnern. Die einzelnen 
Zellschichten des Blumenblattes zeigten ein verschiedenes Verhalten. Die 
ausgeschiedenen gelben Massen waren namentlich reichlich unterhalb 
der farblos und in ihrer natürlichen Höhe verbliebenen Epidermis zu 
finden. Aufserdem zeigten die Parenchymzellen, welche die Gefäls- 
bündel der feinen Nerven begleiten, diese Ausscheidungen besonders 
ausgeprägt. Durch letzteren Umstand kam es, dals gerade die Aderung 
des feinen Blumenblattes dem blofsen Auge auffällig braun erschien. 
Bei dem schnell fortschreitenden Vertrocknungsprozesse sanken die 
Zellen des Mittelfleisches zusammen, während die Oberhautzellen in 
ihrer natürlichen Höhe verblieben. 

Fig. 103 gibt ein Bild von einem Teile des Blumenblattes bald nach 
dem Herausnehmen aus dem Gefrierzylinder. Wir sehen das Blatt 
noch in seinen natürlichen Dimensionen mit den grofsen Intercellular- 
räumen (i) zwischen den äufserst zartwandigen Blattfleischzellen und 


1) Bot. Zeit. 1871, No. 24. — Bull. de la Soc. bot. de France 1872, S. 152. 
2) Kunsısch, H., Über die tödliche Wirkung niederer Temperaturen auf die 
Pflanzen. Inauguraldissertation, S. 29. Breslau 1880. 


Wärmemangel. 519 


mit der unveränderten Epidermis (e). Die Verfärbung durch die gelb- 
braunen, zusammengezogenen Inhaltsmassen (b) ist am intensivsten in 
der Umgebung des Gefäfsbündels (9) und zwar besonders auf der Unter- 
seite des Blumenblattes. Im Gefäfsbündel sind die engen Spiralgefäfse 
gebräunt. 

In anderer Weise war der Bräunungsvorgang bei den Staubgefälsen 
verlaufen. Nach dem Herausnehmen aus dem Gefrierzylinder erhielten 
sie sich noch anscheinend unverändert, als die Blumenblätter schon 
zu welken anfingen. Erst später wurden die Staubfäden gelbbraun und 
die Staubbeutel bleichgelb. Der Querschnitt durch den Staubfaden 
zeigte, dafs die Braunfärbung wesentlich durch die inhaltsreiche Epi- 
dermis bedingt wurde. Zwar erschien in allen Geweben der Zellinhalt 
tropfig bis klumpig zusammengezogen und braun, aber die Substanz- 
menge in den inneren Zellen war so gering, dafs die Färbung des 
gesamten Gewebes eine mattere blieb. Die Spiralgefälse waren wie 
bei den Blumenblättern leicht braunwandig. Bei den Staubbeuteln 
hing die Verfärbung ebenfalls von der Menge des Zellinhaltes ab. 
Derselbe fand sich im Connektiv am reichlichsten, und dieses erschien 


Fig. 103. Durch künstlichen Frost beschädigtes Blumenblatt eines Apfels. (Orig.) 


daher am tiefsten gebräunt, während die Staubbeutel selbst in ihrer 
Epidermis und den darunter liegenden palisadenartig geordneten Faser- 
zellen nur äufserst spärlich feste Inhaltsmassen aufwiesen und daher 
nahezu farblos erschienen. Die Reste des Grundgewebes in der Nähe 
des Connektivs waren etwas dunkler. 

Die schwersten Beschädigungen zeigten die Griffel, die schon bei 
dem Verlassen des Gefrierzylinders tiefbraun und verbogen aussahen. 
Ein Zusammensinken des Gewebes war zunächst nirgends bemerkbar. 
Die Narbenpapillen erschienen straff und mit gebräuntem, plasmatischem 
Inhalt angefüllt. Sie hielten auch noch, wie im frischen Zustande, die 
etwas gequollenen und daher verschieden gestalteten, mit trübem, 
oleichmäfsigem Inhalt erfüllten Pollenkörner fest. Am Griffel waren 
wie bei den Staubfäden die peripherischen Schichten am inhaltreichsten 
und daher in Inhalt und Wandung am tiefsten braun gefärbt. 

Von mechanischen Störungen bemerkte man hier und da im Griffel- 
wie im Staubfadengewebe tangentiale Lücken, die teils durch Aus- 
einanderweichen, teils aber auch durch Zerreifsung von Zellen ent- 
standen waren. Nach dem behaarten Griffelfufs hin, dessen inhaltsarme 
Haare eine Bräunung der Wandung erkennen liefsen, nahm die Zahl 


520 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


und Gröfse der Gewebelücken zu. Hier erweitert sich das Gewebe 
des Griffelfufses bereits zu fünf auseinanderweichenden, mit ihrer Spitze 
nach dem Zentrum gerichteten, stumpf kegelförmigen, parenchymatischen 
Gruppen als Übergangsstelle in die fünf Fruchtblätter. Jedes derselben 
läfst eine epidermale Umkleidung und ein parenchymatisches Innen- 
fleisch unterscheiden. In dem Fig. 104 dargestellten Querschnitt eines 
Apfelfruchtbechers sehen wir das zukünftige Apfelfruchtfleisch bereits 
von zahlreichen, regelmäfsig gestellten Gefäfsbündeln (g) durchzogen. 
Der mit einer festen Epidermis (e) umkleidete Fruchtbecher setzt sich 


ST 
IIIY 

=®, > N 

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CFÄIS 


Fig. 104. Querschnitt durch einen jungen, frostbeschädigten Fruchtbecher 
des Apfels. (Orig.) 


nach innen in fünf ankerförmige Aste (a) fort. Es sind dies die fünf 
Fruchtblätter, zu welchen sich die Griffel erweitern; an ihren um- 
geschlagenen Rändern, die im Querschnitt wie Ankerarme erscheinen (r), 
bilden sich im unteren Teil des Fruchtbechers die Samenknospen, die 
ihre Ernährung durch die Gefäfsbündel (ge) finden. Die Samenfächer 
(sf) und der Hohlraum (A), der ın der Mitte durch die nicht ver- 
wachsenden Fruchtblattränder frei gelassen wird, finden sich mit regel- 
rechter Epidermis ausgekleidet (e). Die Zellen der Epidermis erweisen 
sich sowohl an der Achsenseite (br) als auch innerhalb des Frucht- 


Pa 
ec re 


Wärmemangel. 921 


bechers am inhaltreichsten und daher am tiefsten gebräunt, während 
die zentrale, zunächst noch meristematische Partie jedes Fruchtblattes 
nur schwach verfärbt ist. 

. Eine Zerklüftung des Gewebes, die sich im Auftreten tangentialer 
Lücken (!) durch Trennung der collenchymatischen Schichten (ce) vom 
innern Fruchtfleisch (m) kundgibt, ist in der Übergangszone’vom Griffel 
zum Fruchtknoten schon bei 
schwachen Vergröfserungen 
bemerkbar. Es ist hervor- 
zuheben, dafs dabei tatsäch- 
lich auch, wie in den Staub- 
gefäfsen ein Zerreifsen von 
Zellen (z) stattfindet, wäh- 
rend bei derberen Geweben 
nur das gewöhnliche Aus- 
einanderweichen der Zell- 
lagen vor sich geht. Diese 
mechanischen Störungen, 
die bei den vegetativen 
Organen, wie wir später 
sehen werden, so bedeu- 
tungsvoll sind, haben bei 
den Blütenorganen geringe- 
ren Einflufs. Die Blüten 
sterben schon durch die 
chemische Veränderung des 
Zellinhalts und werden nur 
schneller abgeworfen, wenn 
gleichzeitig Zerklüftungen 
vorhanden sind. Der ex- 
perimentelle Befund deckt 
sich mit den Erscheinungen 
nach natürlichen Frühjahrs- 
frösten. 

Wie sehr von der Be- 
schaffenheit des Zellsaftes 
die Frostempfindlichkeit ab- 
hängt, mag die neben- 
stehende Abbildung einer 
jungen, von scharfem Frost 

getroffenen Apfelblüte 
zeigen (Fig. 105). Die da- 
selbst einseitig ausgeführten 
Schattierungen u. sonstigen 
Bezeichnungen gelten selbst- Fig. 105. Die in der Knospe durch Frost be- 
verständlich für beide Hälf- schädigte Anlage einer Apfelblüte. (Orig.) 
ten. Alle schraffierten Stellen 
- bezeichnen Gewebe mit bereits deutlich luftführenden Intercellularräumen;; 
bei r ist durch die Glyzerinreaktion Zucker nachweisbar; die Kreuze be- 
zeichnen die Gegenden mit bereits soweit fortgeschrittenem Stoffwechsel, 
dafs reichlich oxalsaurer Kalk abgelagert wird. Die Ringe f sollen 
die einzelnen frostgebräunten Zellen andeuten; alle jüngeren, plasma- 
reicheren Innenteile sind gesund geblieben; die dunkle Linie ist ein 
Gefäfsbündelstrang. 


[dr 
ID 
ID 


II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


Dais auiser den beschriebenen akuten Kältewirkungen auch 
chronische, nur auf Verlangsamung der normalen Lebensvorgänge be- 
ruhende Störungen des Blütenlebens vorkommen, sei hier nur anhangs- 
weise erwähnt. Das bekannteste Beispiel dürfte das Unterbleiben 
des Öffnens der Blüten von Crocus vernus und Tulipa Gesneriana sein. 
Durch die niedrige Temperatur findet kein genügend starkes Wachs- 
tum der Innenseite der Perigonblätter statt, so dafs ein Herausbiegen 
derselben, also ein Aufblühen unterbleibt. Ahnlich, aber schwächer 
reagieren die Blumen von Ornithogalum umbellatum, Colchicum autummale, 
Adonis vernalis u. a. Dafs auch grüne Blätter durch Einflufs niederer 
Temperaturen thermonastisch reagieren, beweisen die Vorgänge bei 
Mimosa pudica, Oxalis acetosella usw. Hierher gehöriges Material findet 
sich noch in den späteren Abschnitten, welche die mechanischen Frost- 
wirkungen behandeln. 


Die Rostringe an Früchten. 


Als Folgen leichter Frostbeschädigungen an jungen Früchten treten 
die sogenannten Rostringe auf. Man versteht darunter verschieden- 
artige, namentlich bei Kernobst in ringförmigen Zonen sich ausbreitende 
Korkbildungen der Fruchtschale. Bei manchen Sorten ist das Er- 
scheinen korkfarbiger Zeichnungen ein ganz normaler Vorgang. Unsere 
Reinetten besitzen beispielsweise vielfach sternförmige, kleine Rost- 
punkte. Die sogenannten „gestrickten Reinetten“ zeigen linien- 
artige Korkzeichnungen auf der Fruchtoberhaut, und manchmal erlangen 
solche Korkbildungen auch eine flächenartige Ausdehnung, wie z. B. 
bei der französischen Reinette, Parkers grauem Pepping, bei der grauen 
Herbstbutterbirne, der Mispel usw. Krankhaft ist nur die in manchen 
Jahren (z.B. 1900) hochgradig gesteigerte Ausdehnung der Erscheinung 
auf viele sonst glattbleibende Sorten und die Ausbreitung der Kork- 
bildung über den gröfsten Teil der Frucht. Die Anfangsstadien zeigen 
sich in früher Jugend. Man bemerkt zunächst nach Eintritt sehr 
später Maifröste, dafs einzelne Gruppen von Oberhautzellen braunen 
Inhalt bekommen und abzusterben beginnen. Unterhalb solcher Stellen 
bildet sich Tafelkork, wodurch die absterbende Epidermis etwas vor- 
gewölbt wird. Während des Schwellungsprozesses der jungen, grünen 
Frucht schreitet die Korkbildung rückwärts in das Fruchtfleisch hinein 
weiter fort, so dafs gröfsere Gruppen von parallelen Reihen senkrecht 
zur Oberfläche angeordneter Zellen entstehen. In einem speziellen, bei 
„Amanlis Butterbirne“ beobachteten Falle zeigten diese reihenweis an- 
geordneten Zellen dieseibe Ausdehnung wie die ÖOberhautzellen; sie 
erwiesen sich aber nur in ihren peripherischen Lagen wirklich verkorkt, 
während die hellen dicken Wandungen der tiefer liegenden Zellen 
Cellulosereaktion zeigten .Je stärker die Neubildung ist, desto mehr 
werden die über ihnen liegenden, absterbenden Zelllagen zersprengt, 
und die Fruchtoberfläche wird schuppig-rauh. 

Bei flaschenförmigen Birnen erscheint manchmal der die Kelchzipfel 
tragende, bauchige Teil der Frucht rostig-grauschuppig und die Stielhälfte 
glatt und grün. In anderen Fällen zeigt sich ein breites korkfarbiges Band 
in der Nähe der Kelchhöhle usw. Bisweilen ist mit diesem Einreifsen 
der Wachsglasur und Absterben der Oberhautzellen eine Ausbildung 
des neu darunter entstandenen Gewebes zu Steinzellen verbunden, und 
diese treten später in kreisförmigen Herden an die Fruchtoberfläche, 
so dafs die Zustände entstehen, die wir bei der „Lithiasıs“ (8.171) 


Wärmemangel. 523 


beschrieben haben („Diels Butterbirne“ „Gute Luise von Avranches‘). 
Da solche Veränderungen sich meist einseitig zeigen, so bleibt die 
korkfarbige, steinzellige Fruchtseite vielfach im Wachstum zurück, und 
es entstehen Krüppelfrüchte. 

Nachdem es mir gelungen, durch Einwirkung künstlicher Fröste 
das Zersprengen der Cuticulardecke bei derben Blättern hervorzurufen, 
stehe ich nicht an, auch die Beschädigung der Wachsglasur an jungen 
Früchten auf Frostwirkung zurückzuführen, zumal die Bildung solcher 
„Rostringe“ bisher nur in Jahren mit Spätfrösten beobachtet worden 
ist. Die frostempfindlichen Birnen leiden am häufigsten und stärksten 
und zwar meist an einer Seite und in bestimmter Höhe des Baumes. 


Das Verhalten älterer Laubblätter bei akuter Frostwirkung. 


Während des Frostes sind Änderungen an den Chlorophylikörnern 
insofern bemerkbar, als sie sich in den saftärmer gewordenen Zellen 
meist klumpig zusammenballen. Eine chemische Veränderung des 
Chlorophyllfarbstoffs durch den Frost allein wird, soweit Angaben über 
gefrorene Chlorophyllösungen vorliegen, von der Mehrzahl der Forscher 
nicht angenommen. Bei einer Temperatur von — 30°, der eine Chloro- 
phylllösung in Olivenöl ausgesetzt worden, fand WIEsxer!) keinen 
Unterschied von einer frischen Lösung; dagegen gibt Kunssch?) an, 
dafs der alkoholische Chlorophyllauszug von bei — 7° gefrorenen 
Hyazinthenblättern sich abweichend von dem der nicht gefrorenen 
Blätter gezeigt habe. Manchmal sieht man beim Gefrieren der Blätter 
stumpfweifsliche Flecke auftreten, die von Eisdrusen herrühren können, 
welche in die Intercellularräume ausschiefsen. Horrmann sah bei Ceratonca, 
Laurus und Camphora blasiges Abheben der Epidermis und bezeichnet 
diese Erscheinung als „Frostblasen“°). Bei starken Frösten werden 
die gänzlich durchfrorenen Blätter glasartig spröde und durchscheinend. 
Bei dem Auftauen derartiger Blätter hängt die Farbenänderung davon 
ab, ob das Protoplasma der Zellen getötet ist oder nicht. Im ersteren 
Falle ist es für die Säuren in der Zelle durchlässig, und diese dringen 
an die Chlorophylikörner, deren Zersetzung sie einleiten (Chlorophyllan- 
bildung): das Plasma bräunt sich; der Zellsaft tritt schnell nach 
aufsen, das Blatt trocknet zu einer spröden, braunen Masse zusammen. 
GÖPPERT®), der die verschiedenen Färbungen der Laubblätter beschreibt, 
erwähnt auch noch einen überaus starken Krautgeruch bei erfrorenen 
Pflanzen, und bei Farnkräutern erhält sich der der ganzen Familie eigen- 
tümliche Geruch in den erfrorenen und getrockneten Exemplaren in un- 
eewöhnlicher Intensität. Bei künstlich erfrorenen Süfskirschenzweigen 
fand ich ausgesprochenen Bittermandelgeruch. Es sind dies Folge- 
erscheinungen des Chemismus, der sich bei dem Auftauen sofort energisch 
geltend macht. Eine andere Wirkung hat FLückıser®) an erfrorenen 
Kirschlorbeerblättern beobachtet. Dieselben gaben bei der Destillation 


1) Wiesxer, Die natürlichen Erscheinungen zum Schutze des Chlorophylis etc 
Festschrift d. k. k. zoolog.-bot. Ges. zu Wien 1876, S. 25 

2) Kuxısch, H., Über die tödtliche Wirkung niederer Temperaturen auf die 
Pflanzen. Inauguraldissertation. Breslau 1880. 

8) KuniscH a. a. O., S. 22. 

#) Görrert, Über Einwirkung des Frostes auf die Gewächse. Sitzungsb. d. 
Schles. Ges. f. vaterl. Kultur 1874; cit. Bot. Z 1875, S. 609. f 

5) The effect of intense cold on cherry-laurel.; cit. Bot. Centralbl. 1880, S. 887. 


524 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


ein von dem der frischen abweichendes Ol und keine Blausäure, während 
mit Eis bedeckte, aber nicht erfrorene Blätter beide Substanzen im 
normalen Zustande lieferten. 

Wichtig ist es, auf das Verhalten der Mineralstoffe in den durch 
Frost getöteten Blättern hinzuweisen, weil wir dadurch einen Einblick 
in die Stoffverluste erlangen, welche eine Laubzerstörung durch Früh- 
jahrsfröste veranlatst. 

SCHROEDER’S!) Analysen von Rotbuchenlaub, das ein Maifrost getötet 
hatte und das vier Wochen später im vertrockneten Zustande der 
Untersuchung unterzogen wurde, ergaben Folgendes: In dem erfrorenen 
Laube ist der ganze Stickstoffgehalt (3,56°/o) der frischen Maiblätter 
vorhanden, während in den Herbstblättern nur etwa noch 1,33 °/o vor- 
handen sind, so dafs also der Pflanze durch den Verlust des Mailaubes 
fast dreimal soviel Stickstoff verloren geht als durch den herbstlichen 
Laubfall. Die Trockensubstanz ergab 3,01°o Asche. Von dieser Asche 
waren 22% Phosphorsäure, also soviel wiederum, wie in frischen Mai- 
blättern, während die Juliblätter nur 5°/o besafsen. Von Kali waren 
in den Maiblättern normal etwa 30%, in den erfrorenen dagegen nur 
5° vorhanden. Kalk war natürlich im jungen Laube noch wenig (6,78 ®/o 
im gesunden, 4,70°%0 im erfrorenen Laube) vorhanden, während die 
vegetierenden Juliblätter schon dreimal so viel (20,340) besafsen, die 
abgestorbenen Novemberblätter sogar 37,60 °/o aufwiesen. 

Gegenüber der Meinung, dafs das vom Frühjahrsfrost abgetötete 
Laub am Baume hängen bleibt und somit dessen wertvolle Mineral- 
bestandteile Zeit zur Rückwanderung in die Achse finden, ist auf die 
Untersuchungen von RaManN?) zu verweisen. Derselbe zeigte, dafs das 
von der Kälte getötete Blattwerk bei Eiche, Fichte und Tanne aller- 
dings zunächst dieselbe Zusammensetzung besafs, wie das frische Laub, 
sofern es noch vor einem Regen analysiert wurde, aber durch den 
Regen eine sehr wesentliche Veränderung erlitt; denn Ramann fand, dafs 
binnen 72 Stunden Wasser nicht weniger als 19,219°/o der Gesamtasche 
der Rotbuchenblätter und bei der Eiche sogar 26,46 °/o auszog. Dafs diese 
leichte Diffusibilität der Aschenbestandteile nicht etwa als eine Folge 
späterer Zersetzung angesehen werden darf, geht daraus hervor, dafs die 
eröfsten Mengen, nämlich bei der Buche 15,42 /o, bei der Eiche 19,66 °o, 
schon in den ersten 24 Stunden ausgelaugt worden waren. Diese 
letzteren Mengen ergaben an Reinasche für die Buche 11,15°/o, für die 
Eiche 14,18°/o des Auszuges. 

Wie sehr der Laubverlust den Achsenkörper schädigt, ergibt sich 
aus einer andern Arbeit von SCHROEDER®) über „die Wanderung des Stick- 
stoffs und der Mineralbestandteile während der ersten Entwicklung der 
Triebe in der Frühjahrsperiode“. Die Erschöpfung der Achse durch 
die Produktion der jungen Triebe ist am weitestgehenden bei der 
Phosphorsäure, nämlich 46%; dann folgt Kali, das zu 32/0 auswandert; 
Stickstoff und Magmesia gehen etwa zu 26° aus der Achse heraus. 
Dafür treten bis zu Ende dieser Periode 12% Kalk und 84°/o der 
Anfanesmenge an Kieselsäure hinzu. Von der Gesamtmenge des in die 
jungen Triebe einwandernden Stickstoffs, Kalis und der Phosphorsäure 


1) Schrosper, Untersuchung erfrorenen Buchenlaubes. Forstchemische u. 
pflanzenphysiologische Untersuchungen, Heft I, 1878, Dresden, 8. 87. 

2) Rauans, Aschenanalysen ertrorener Blätter und Triebe. Bot. Centralbl. 1380, 
S. 1274. 

Be OR einen? 


Wärmemangel. 525 


stammt etwa "/s aus der oberirdischen Achse, */s aus der Wurzel und 
dem Boden. Diese Verhältnisse sprechen dafür, dafs der Wurzelkörper 
in noch höherem Grade als die oberirdischen Achsenorgane von seinem 
aufgespeicherten Vorrat an Stickstoff, Phosphorsäure und Kali abgibt. 


Mangelhafte Ergrünung jüngerer Blätter. 


Eine besondere Form der Aufserung niederer Temperaturen auf 
die Färbung des Pflanzenkörpers ist das Gelbbleiben wachsender 
Organe aus Mangel der nötigen Ergrünungstemperatur. Bei ver- 
spillerten Keimpflanzen, die, kurze Zeit dem Lichte ausgesetzt, gelber 
wurden als die in Dunkelheit verbliebenen Exemplare, fand Erving !), 
dafs sich Etiolin gebildet bei Temperaturen, die für die Chlorophyll- 
bildung noch zu niedrig waren. Im ersten Frühjahr, wenn Pflanzen 
ihrer Schutzdecken entledigt werden, finden sich zahlreiche Beispiele, 
dafs die unter der Decke entstandenen, etiolierten Triebe trotz der 
bisweilen reichen Beleuchtung ihre gelbe Farbe nicht oder nur langsam 
und unregelmäfsig, nämlich stellenweis verlieren. Das häufigste Beispiel 
liefern die Hyazinthen in den Gärten. Wenn dieselben zu zeitig im 
Frühjahr aufgedeckt werden, und der Frost die jungen, noch nicht 
ergrünten Blattkegel überrascht, entwickeln sich wohl später die Blätter 
in normal grüner Färbung weiter, aber ihre jungen Spitzen bleiben 
weifs oder gelb. 

In den gelb erscheinenden Teilen sehen wir meist die Chlorophyll- 
körner in Gestalt und Anordnung wie in der normal ergrünten Zelle, 
also den freiliegenden oder an Intercellulargänge grenzenden Teilen 
der Zellwand angelagert (Epistrophe); jedoch ist der Farbstoff nur ein 
mehr oder weniger intensives Gelb. Von diesem Stadium bis zum 
völligen Fehlen der Körner in der gänzlich gebleichten Spitze des Blattes 
finden sich alle möglichen Übergänge; diese sind aber keine Lösungs- 
zustände, sondern Hemmungsbildungen. In den weifsesten Partien des 
Mesophylis erscheinen die Zellen mit wässrigem Zellsaft erfüllt, der 
von Plasmasträngen durchzogen ist, ohne dafs im plasmatischen Wand- 
belage irgendwelche Chlorophyllkörper angelegt wären. In anderen 
Zellen der gelblicher aussehenden Partien ist die Differenzierung des 
Inhalts bis zur Anlage der Chloroplasten fortgeschritten; aber diese 
erscheinen weifslicher, weicher, ich möchte sagen, bisweilen wolkiger, 
minder dicht und minder scharf konturiert. In den nach der Frost- 
wirkung aus der Erde herausgetretenen Teilen der Blätter findet man 
endlich normal ausgebildete, intensiv grüne Chloroplasten. Bisweilen 
ist der Ergrünungsmangel mit Auftreten von rotem Farbstoff verbunden. 
Ein Beispiel liefert CHARGUERAND?), der Phalaris arundinacea piecta 
beobachtete, deren junge Blattspitzen mit ihren bekannten, weifsen 
Streifen frostgerötet hervortraten; die rosenrote Färbung verschwand 
bei Eintritt warmer Witterung. Eine Bestätigung für den Eintritt 
der Rotfärbung bei Kälte liefert ScHELL®), der im Frühjahr Pflanzen 
mit rotgefärbten, jungen Blättern in drei Partien in verschiedene 
Temperaturen brachte und beobachtete, dafs die im Zimmer bei + 15°C 
befindlichen Exemplare binnen 18 Stunden grün wurden, während die 


1) Arbeiten d. Bot. Instituts zu Würzburg, Bd. II, Heft 3; cit. Bot. Centralbl. 
1880, S. 835. 

2) Revue horticole, Paris 1874, S. 249. 

?) Botanischer Jahresbericht 1876, S. 717. 


526 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


bei + 85° © gehaltenen Individuen erst nach 5 Tagen ergrünten und 
die im Freien bei einem Maximum von etwa +4° © belassenen 
Pflanzen erst nach 20 Tagen grün wurden, als die Lufttemperatur sich 
erhöhte. Es sprechen diese Beobachtungen für die von mir geäufserte 
Ansicht, dafs die Rotfärbung durch ein Überwiegen eines an die Licht- 
wirkung gebundenen Oxydationsprozesses über den Assimilationsprozets 
bedingt wird. Bei gleicher Lichtmenge steigert eine Temperatur- 
erhöhung die Assıimilation derart, dais der Ergrünungsprozefs überwiegt. 

Zur Vermeidung einer Fixierung des krankhaften, gelblichen Aus- 
sehens frostgebleichter Blattspitzen ist anzuempfehlen, die Winterdecke 
allmählich wegzunehmen oder eine leichte Reisigschicht für die 
ersten Tage über die Pflanzen auszubreiten. 


Der Frostlaubfall. 


Das plötzliche Abfallen des Laubes während und nach Eintritt der 
ersten Herbstfröste ist nur eine Form des herbstlichen Laubfalls, 
der (im Gegensatz zu den bereits beschriebenen Fällen abnormer 
Entblätterung nach übermäfsiger Hitze, Trockenheit, Lichtmangel, 
Wasserüberschufs und anderen, eine plötzliche Funktionslosigkeit des 
Organs hervorrufenden Ursachen) als seniler Tod zu bezeichnen 
ist. Das Blatt hat sich eben ausgelebt und ein derartig normaler Tod 
desselben hat für die lebendig bleibende Achse die wenigst nachteiligen 
Folgen. Aus dem senilen Blattapparate wandern allmählich viele 
plastische sowie wichtige mineralische Stoffe in den Stamm zurück und 
kommen bei der nächsten Vegetationsperiode zu neuer Verwendung. 
Das bei den plötzlich im Jugendzustande sterbenden Blättern so 
nachteilige Verbleiben reichlicher Mengen organischer Bausubstanz, 
die dadurch für die Achse verloren gehen und das Auswaschen leicht 
löslicher Nährstoffe durch Beregnen sind bei dem senilen Ausleben 
nur von geringer Bedeutung. In letzterem Falle ist, wie neuerdings 
B. ScHuLtzE !) wiederum hervorgehoben hat, bis zum letzten Augen- 
blicke noch die Assimilation von Kohlensäure, wenn auch natürlich 
mit erlahmender Kraft nachweisbar. Durch das UÜberwiegen der Vor- 
gänge des Zerfalls über diejenigen des Aufbaues verarmt das Blatt 
namentlich an leichtlöslichen Eiweifsstoffen. Mit der zunehmenden 
Verdickung und Verkalkung der Membranen wird die Zuleitung neuen 
Nährmaterials stets schwieriger, so dafs dadurch schon die nachweisbare 
Abnahme?) von Stickstoff, Phosphorsäure und Kali erklärlich wird, 
selbst wenn man nicht einen bedeutenden Rückwanderungsvorgang 
annehmen will. = 

Nach dem, was bereits in früheren Abschnitten über den Einflufs 
von Lage, Bodenbeschaffenheit und Witterung gesagt worden ist, 
braucht hier nicht noch besonders betont zu werden, dafs die Lebens- 
dauer der Blätter bei derselben Pflanzenspezies ganz verschieden sich 
erweist und somit der Frost auch stets auf ganz verschieden alte 
Blätter wirkt. Demgemäts ist der Vorgang des Blattabwurfs nicht immer 
derselbe. Der häufigste Fall besteht in der Ausbildung einer Gewebe- 


!) ScuuLtzze, B., Studien über die Stoffwandlungen der Blätter von Acer Negundo L., 
76. Versammlung d. Ges Deutsch. Naturf.; eit. Centralbl. f. Agrikulturchemie 1906, S.35. 

?) Fruwırrn, C. und Zıerstorr, W., Die herbstliche Rückwanderung von Stoffen 
n der Hopfenpflanze. Landw. Versuchsstat. 1901; cit. Bot. Jahresb. 1901, T. I, 
S. 161. 


Wärmemangel. 527 
zone am Blattgrunde zu einer charakteristischen Trennungsschicht. 
Wir geben hier die Abbildung der herbstlichen Trennungsschicht eines 
Blattes von Aesculus Hippocastanum wieder (s. Fig. 106). Das Bild stellt 
einen Schnitt dar, welcher in der Richtung der Länge des Blattstiels 
durch die Gelenkstelle an der Basis geführt worden ist. a ist das Rinden- 
parenchym des Zweiges, b die Lage von Tafelkork, welche zurückbleibt, 
wenn der Blattstiel sich abgegliedert hat und den Schutz für das Rinden- 
gewebe bildet. ce sind die Zellen des Blattstielgrundes, die bei e in das 
festere, mit reichlichen Kalkoxalatdrusen versehene Parenchym der ver- 
breiterten Blattstielbasis übergehen. Zwischen c und e findet der 
Lockerungsvorgang statt, indem bei d die Zellen sich abrunden und 
auseinander zu weichen beginnen. Wenn nun die Hebelwirkung des 
windbewegten Blattes sich geltend macht, knickt der Blattstiel in der 
gelockerten Zellschicht ab. 


Fig. 106. Herbstliche Trennungsschicht eines Blattes der Rofskastanie. 
(Nach Dösxer-Nosee ) 


Je reifer das Blatt zur Zeit der ersten Herbstfröste ist, desto leichter 
fällt es ab; daher sieht man die alten Blätter der Zweige im Herbst 
zuerst vom Winde abgeknickt. Die gröfsere Lebensenergie, der gröfsere 
Reichtum an plastischem Material lassen das jugendlichere Blatt bei 
Frostwirkungen, welche nicht tödlich sind, widerstandsfähiger erscheinen. 

Treten tötliche Frostgrade im Herbste zu einer Zeit auf, in welcher 
das Blatt seine Trennungsschicht noch nicht weit genug ausgebildet 
hat, der Baum also von seiner Vegetationsruhe noch weit entfernt ist, 
dann bleibt das tote Laub über Winter an den Zweigen (Buche, Eiche). 
Die Buchen, bei denen das Laub hängen bleibt, belauben sich vielfach 
später im Frühjahr, als normal ausgereifte Exemplare.) 

Zur Zeit des ersten Nachtfrostes sieht man frühmorgens, wenn 
der Reif noch liegt, selbst bei windstillem Wetter, sobald die Sonne 
heraufkommt, die einfachen Blätter der Bäume abbrechen und die 
Fiederchen zusammengesetzter Blätter sich von der gemeinsamen Spindel 
lösen. v. Mona?) fand in solchen Fällen die Blattnarben der abgefallenen 
oder gerade in der Ablösung begriffenen Blätter bei einer Anzahl von 


1) A. ve Canvorre in Centralbl. f. Agrikulturchemie 1879, I, S. 159. 
2) Bot. Zeitung 1860, S. 16. 


528 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


Pflanzen mit einer dünnen Eisschicht bedeckt. Paulownia z. B. zeigte 
eine besonders dicke Eiskruste. Manchmal waren die Blätter nur noch 
durch die Eiskristalle mit ihrer Narbe verbunden. Diese Eiskristalle 
haben sich in der Trennungsschicht der Blätter gebildet. Die säulen- 
förmige Beschaffenheit der Kristalle, ihre über den Gefäfsbündeln durch 
Luftbläschen hervorgebrachte Trübung, ihre scharf mit der Umgrenzung 
der Blattnarbe abschneidende Auflagerung sprechen dafür, dafs nicht 
gröfsere Mengen etwa ausgeflossenen Saftes gefroren sind, sondern 
dafs kleine Partien Wasser durch die Zellwände genau am Orte, wo sie 
beobachtet wurden, ausgetreten und zu Eis erstarrt sind. 

Die Eisbildung kann manchmal sehr früh auftreten und dadurch 
Ursache werden, dafs Blätter, die sonst noch längere Zeit am Baume 
verblieben wären, ja bisweilen noch ganz grün sind, bei dem Auftauen 
abfallen. Aufser dieser Wirkung der Eislamelle kann ein vorzeitiger 
Herbstlaubfall dadurch eintreten, dafs das Blatt gänzlich oder teilweis 
erfriert, also plötzlich funktionslos und dann abgestofsen wird. 

Bei dem Frostlaubfall erfolgt die Ablösung des Blattes stets in 
der Trennungsschicht, die nach WIESNER’'s !) Beobachtungen nicht immer 
aus einem Folgemeristem hervorgeht, sondern manchmal sich auch als 
ein Rest des primären Meristems darstellt. In anderen Fällen von 
Blattabwurf kann der Ablösungsprozefs in verschiedenen Geweben sich 
vollziehen. 

Betrachtet man den Abgliederungsvorgang innerhalb der Trennungs- 
schicht im allgemeinen, so findet man nach WIEsNEr?) folgende Modi- 
fikationen: Es kann in den Zellen der Trennungsschicht ein so starker 
osmotischer Druck zustande kommen, dafs die Gewebe mit glatten 
Wänden auseinanderweichen. Dies finden wir bei einer Entblätterung 
infolge von Wasserüberschufs auch in den Fällen, wo derselbe nur 
durch reichliches Begiefsen nach langer Trockenperiode sich einstellt. 
Die bei den Gärtnern bekannte Erscheinung des Abwerfens der Blätter 
bei Azaleen, Eriken und Neuholländern nach Ballentrocknis gehört 
hierher, sowie die sommerliche Entlaubung bei Eintritt von Regen 
nach langer Trockenheit. 

Bei dem herbstlichen Laubfall' kommt nach WIEsner ganz besonders 
die mazerierende Wirkung organischer Säuren in Betracht. Er nimmt an, 
dafs die Trennungsflächen beim Frosttod in der Regel sauer reagieren 
und erklärt sich diesen Umstand dadurch, dafs der Frost das Zellplasma 
töte und es dadurch durchlässig für die im Zellinhalt vorhandenen 
Säuren mache, die sodann auf die Membranen wirken können. Wahr- 
scheinlich dürfte dabei die Oxalsäure eine grofse Rolle spielen. Ge- 
nannter Forscher legte Stengel verschiedener sommergrüner Gewächse 
in eine 2,5 prozentige Oxalsäurelösung und sah binnen wenigen Tagen 
die Blätter sich ablösen. Auch Stengel von Pflanzen, die an den Inter- 
nodialgliedern Trennungsschichten anlegen, zerfielen schon binnen kurzer 
Zeit in ihre Glieder. 

Wenn die Blattfläche durch Frost beschädigt wird, aber die unter- 
halb der Trennungsfläche gelegene Partie des Blattes, also der Blatt- 
stumpf, lebendig geblieben ist, dann wird der erfrorene Blattteil 
zusammentrocknen, aber die Blattbasis intakt und turgescent sich 


1) Wiesxer, JuLius, Über Frostlaubfall nebst Bemerkungen über die Mechanik 
der Blattablösung. Ber. d. D. Bot. Ges. 1905, Heft I, S. 49. 
2). 3 0,3894: 


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Mit zahlreichen Textabbildungen. 


BERLIN. 
VERLAGSBUCHHANDLUNG PAUL PAR EY. 


Verlag für Landwirtschaft, Gartenbau und Forstwesen. 
SW., Hedemannstrasse 10, 


| 1907. 


en in etwa 20 Lieferungen ä 3 Mark. 


Wärmemangel. 599 


erweisen. Zwischen letzterem und dem vertrocknenden Teile müssen 
a etzen entstehen, die zur Ablösung des Blattkörpers 
ühren. 

Wie schnell die vom Frost getroffenen Teile austrocknen , zeigen Eee 
die Versuche von Pruner!). Ein angefrorener Rebenzweig mit vier 
Blättern, in Wasser gestellt, verdunstete während zwei Stunden 475 mor 
Wasser; sein Gewichtsverlust betrug dabei 14,46 °/o. Unter denselben 
Bedingungen verdunstete ein nicht durch Kälte beschädigter ähnlicher 
Zweig nur 132 mgr Wasser und hatte wegen der stattgefundenen 
Wasserabsorption um 0,26 °/o seines Gewichtes zugenommen. 

Experimentell hat WiIEsner auch gezeigt, wie bei Pflanzen, die ihr 
erfrorenes Laub lange, oft über Winter, festhalten, dies lediglich im 
schnellen Vertrocknen begründet ist. Er nahm Zweige von Ligustrum 
ovalifolium mit erfrorenem Laube und stellte sie im Warmhause derart 
auf, dafs die Sprosse beständig Wasser aufsaugten. Diese liefsen nach 
6—12 Tagen die Blätter fallen, während an den nicht mit Wasser ver- 
sorgten Sprossen die Blätter fest sitzen blieben. Bei den im Freien 
vorkommenden Fällen festsitzenden toten Laubes an den Zweigen wird 
die Ablösung erst durch Zersetzung des Gewebes erfolgen. Es wird 
die Vermoderung der Membranen innerhalb der toten Trennungsschicht 
allmählich so fortschreiten, dafs Wind oder andere mechanische Ursachen 
schliefslich das Blatt zum Abknicken bringen. Bei dem Vermoderungs- 
prozesse werden Mikroorganismen zweifellos sich beteiligen. 

Aus dem Gesagten ergibt sich, dafs die Mechanik der Ablösung 
bei dem herbstlichen, senilen sowohl wie bei dem Frostlaubfall 
manchmal selbst bei demselben Individuum verschieden sein kann je 
nach dem Alter der Blätter und den vorhandenen Nebenumständen. 
Aufser der Abgliederung des ganzen Blattes von der Achse kommt 
auch bei manchen Pflanzen (Weinstock) ein Ablösen der Blattfläche 
vom Blattstiel vor. Diese Region ist auch bei anderen Störungen be- 
sonders empfindlich und kennzeichnet ihre Ähnlichkeit mit der Blatt- 
stielbasis bisweilen durch gleiche Verfärbung. Bei Pappeln z. B. kann 
man beobachten, dafs im Herbst Basis und Spitze des Blattstieles rot 
werden, während der ganze übrige Teil gelb bleibt. 

Der Unterschied in der Zeit, in welcher diese Prozesse bei ver- 
schiedenen Individuen und bei demselben Individuum in verschiedenen 
Höhen des einzelnen Zweiges sich einstellen, hängt mit dem physio- 
logischen Alter jedes Blattes zusammen. Je jünger dasselbe ist, 
desto später fällt es unter sonst gleichen Verhältnissen vom Zweige, 
wie experimentell von Din@Ler ?) durch Schneidelungsversuche fest- 
gestellt worden ist. Derselbe beobachtete eine gröfsere Widerstands- 
fähigkeit der jungen Blätter speziell gegenüber den Herbstfrösten. Die 
jungen Blätter von Carpinus Betulus erfroren nicht nach tagelang 
währenden Frostperioden, die älteren hatten gelitten und vertrockneten 
schliefslich am Zweige. Ahnliches sah ich bei Platanen, bei denen 
sich in gleicher Weise das Alter der Bäume geltend machte. Bei 
Strafsenpflanzungen waren zwischen alten Bäumen junge Exemplare 


NEW Y(C 


BOTANGG 


!) Pruxer, A., Sur les modifications de l’absorption et de la transpiration, qui 
> surviennent dans les plantes atteintes par la gelee.e Compt.-Rend. d. l’Acad. des 
— Sciences 1892, IL, S. 964. 

I: 2) Dinger, Hermann, Versuche und Gedanken zum herbstlichen Laubfall. Ber. 
d. D. Bot. Ges. 1905, Heft 9, S. 469. 


Sorauer, Handbuch. 3. Aufl. Erster Band. 34 


FP 10 IC 


. 
a 
im 


530 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


angepflanzt worden. Letztere hielten, obwohl nicht unter dem Schutze 
der älteren Bäume stehend, ihr bedeutend kräftigeres Laub noch fest, 
als das der alten Stämme zum gröfsten Teil schon am Boden lag. 


Verhalten der Rüben und Kohlgewächse bei Frost. 


Bei der Aufbewahrung von Zuckerrüben kann man nur durch 
möglichst kühle Temperatur den Zuckerverlust, der durch die Atmung 
des Rübenkörpers innerhalb der Mieten eintritt, vermindern). Bei 
Zuckerrüben, die wirklich gefroren gewesen, zeigt sich durch das Aus- 
frieren des Wassers sogar eine Erhöhung des Zuckergehaltes, der von 
NINGER auf 0,39°%/0 berechnet worden ist?). 

Eine Neubildung von Saccharose aber findet ebensowenig wie eine 
Zerstörung derselben durch den Gefrierprozefs statt. Auch die Menge 
der Stickstoffsubstanzen und das Verhältnis von Eiweifs zum Nicht- 
eiweifs bleiben dabei unverändert. Sobald aber das Wiederauftauen 
beginnt, scheint letzteres auf Kosten des ersteren sich zu vermehren. 
Die Bestandteile der Rohfaser (Cellulose und verwandte Stoffe) werden 
schon durch den Gefrierprozefs für Säuren und Alkalien löslicher®) 
und teilweise auch wasserlöslicher. Dadurch wird eine Erhöhung des 
Nichtzuckers im Safte hervorgebracht. Ich beobachtete bei dem Ge- 
frieren der Rüben teilweise Membranquellungen, was als der sichtbare 
Ausdruck der chemischen Veränderungen der Cellulose gedeutet werden 
darf. STROHMER und STIrt fanden eine auffallende Zunahme des Säure- 
gehaltes. 

Der gröfsere, durch Wasseraustritt hervorgebrachte Zuckergehalt 
und der dadurch konzentrierter gewordene Zellsaft werden übrigens 
das wirkliche Erfrieren des Rübenkör pers verzögern. Aufserdem werden 
in Mieten die äufseren, gefrorenen Rüben die inneren vor dem Gefrieren 
schützen, worauf namentlich MüLLER-TaurGAU hingewiesen hat, und was 
MEz®) dadurch erklärt, dafs der Übergang des Zellsaftes in den festen 
Aggregatzustand die in der Zelle noch vorhandene Energie vor allzu 
schnellem Abströmen bewahrt. Die Wärmeleitung in Eis vollzieht sich 
viel langsamer als in Wasser, in welchem sich die Wärme durch Strömung 
verbreitet. 

Die Angaben der Gemüsegärtner, dafs Braunkohl (Brassica oleracea 
acephala) erst nach Frösten die gewünschte Süfsigkeit erlangt, dürfte 
in der Zuckeranhäufung durch die niedrige Temper atur ihre genügende 
Erklärung finden. Nach den Analysen von MÄrKER und PaGEL?) liefs 
sich aus erfrorenen Kohlpflanzen eine 68,66°0 der Pflanzenreste betragende 
Saftmenge abpressen, während der oleiche Druck bei den nicht er- 
frorenen Exemplaren nur 7,1% Saft ergab. Es enthielten 100 ccm 
Saft von 


!) Heıyrz, Atmung der Rübenwurzeln. Zeitschrift d. Ver. f. d. Rübenzucker- 
industrie d. deutsch. Reiches 1873, Bd. XXIII; cit. Bot. Jahresb., I, S. 358. 

?) Bot. Jahresber. 1880, S. 665. 

3) STROHMER, F'., u. Stirr, A., Über den Einflufs des Gefrierens auf die Zusammen- 
setzung der Zuckerrübenwurzel. Österr. -Ung. Z. f. Zuckerindustrie und Land- 
wirtsch. 1904, Heft VI. 

+) Mez, Cart, Neue Untersuchungen über das Erfrieren eisbeständiger Pflanzen. 
Sond. Flora od. Allgem. Bot. Zeit. 1905, S. 109. 

e) MäRrkEr u. Paokt, Über den Einflufs des Frostes auf Kohlpflanzen. Bieder- 
mann’s Oentralbl. 1877, Bd. XI, S. 263—66. 


Wärmemangel. 531 


erfrorenen nicht erfrorenen Pflanzen 
Trockensubstanz . . 7,96 g 4,04 © 
Behasche,..: .. 2 an 0,945 
Traubenzucker... „#417. ma 
Dextrin (2)... 0a 0,98, 
N-haltige Substanz . 0,86 „ 03% ;, 
N-freie Extraktivstoffe 0,50 „ 0,54 „ 


Man sieht, dafs die löslichen Bestandteile im Saft eine erhebliche Ver- 
mehrung erfahren haben, und dafs an dieser Vermehrung der Trauben- 
zucker in erster Linie beteiligt ist. Es findet hier also eine ebenso 
bedeutende Zuckerbildung wie bei der Kartoffel statt, die von ScHMIDT 
auf 21,85 /0!) angegeben worden ist. 


Frostblasen. 


Von geringer wirtschaftlicher Bedeutung, wohl aber wissenschaftlich 
beachtenswert ın Rücksicht auf das Zustandekommen mechanischer 


Fig. 107. Querschnitt durch eine Frostblase am Apfelblatt. (Orig.) 


(Gewebestörungen im Innern lebend bleibender Organe sind die Frost- 
blasen. Dieselben äufsern sich im Auftreten von meist kleinen, blasigen 
Abhebungen der Epidermis und bisweilen auch der subepidermalen 
Schichten von dem zartwandigen Parenchym des Blattfleisches oder 
dem derberen der Blattrippen. An Stelle einer weitläufigen Beschreibung 
geben wir in Fig. 107 die Abbildung?) des Querschnittes einer Frost- 
blase am Apfelblatt. O zeigt die Oberseite, U die Unterseite an. M ist 
die Mittelrippe, s eine stärkere Seitenrippe. 

In der Rippe bildet der halbmondförmige Holzkörper mit seinen 
zahlreichen Gefäfsen (g) den Hauptbestandteil. ÖOberseits grenzt dann 
eine chlorophylllose, dem Markkörper der Achse entsprechende, dünn- 
wandige Parenchymschicht (m) an, welche von derbwandigen, coll- 


!) Nach Rırmavsex; s. „Der Landwirt“ 1875, S. 501. 
2) Soraver, P., Frostblasen an Blättern. Z. f. Pflanzenkrankh. 1902, S. 44. 
34 * 


Hz II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


enchymatischen Zellen (c) gedeckt wird; diese sind um so reichlicher 
entwickelt, je stärker die Rippe ist. Das Collenchym tritt als feste 
Leiste über den nur aus Blatttleisch bestehenden Teil der Blattfläche 
etwas hervor. Das Blattfleisch zeigt die gewöhnliche Gliederung in 
Palisaden- (p) und Schwammparenchym (sp). Von diesen chlorophyll- 
führenden Schichten reicht das Palisadenparenchym nicht über das 
Gefäfsbündel oberseits hinweg, sondern keilt sich beiderseits aus, so dafs 
es in kurzer, einschichtig werdender Zelllage (br) zwischen dem Collenchym 
und Parenchym des Rippenkörpers ausmündet. Das Schwammparenchym 
dagegen läutt auf der Unterseite über dem Gefäfsbündelkörper fort und 
bildet den Rindenteil der Rippe, in welchem, wie in der Zweigrinde, 
Oxalatkristalle (0) in halbmondförmiger Reihe zu finden sind. Die 
Epidermis (e) deckt zunächst gleichmäfsig das ganze Blatt. 

Die mechanischen Frostwirkungen zeigen sich hier in der für die 
Mehrzahl unserer Pflanzen typischen Form, indem auf der Blattoberseite 
über dem Gefäfsbündel der stärkeren Rippen das collenchymatische 
Gewebe vom parenchymatischen sich abhebt, und dadurch eine Lücke 
() gebildet wird. Auf der Blattunterseite hat sich an den Böschungen 
des stark hervortretenden Rippenkörpers das Schwammparenchym von 
dem Rindenkörper der Rippe abgelöst, so dafs zu beiden Seiten derselben 
luftführende Hohlräume (4) entstehen. Wir erklären uns die Bildung 
der Hohlräume dadurch, dafs das jugendliche noch hyponastische, mit 
den Rändern nach oben gehobene Blatt bei der Frostwirkung sowohl 
von oben nach unten als auch tangential sich zu beiden Seiten der 
Mittelrippe zusammenzieht. Wenn das muldenförmig nach oben ge- 
bogene Blatt sich zusammenzieht, mufs die muldenförmige Krümmung 
stärker, d. h. die Spannung der Unterseite gröfser werden. Dieselbe 
äufsert sich in einer Zerrung nach den emporgehobenen Rändern hin, 
(siehe die Pfeilrichtung in der Abbildung). An den Böschungen der 
Rippen mufs die Zerrung am stärksten sein und kann unter Umständen 
bis zum Zerreifsen der Epidermis (e) führen. 

Wenn nun das Auftauen stattfindet, bleibt die Folge der Frost- 
wirkung in einer Überverlängerung der gezerrt gewesenen Gewebe 
bestehen. Denn die Gewebe sind wohl dehnbar, aber nicht vollkommen 
elastisch; sie erreichen nicht wieder ihre frühere Gröfse und Lagerung. 
Namentlich die am meisten gespannt gewesene untere Epidermis ist länger 
geworden und übt nun nicht mehr den Druck auf das darunter liegende 
Schwammparenchym in derselben Stärke wie früher aus. Der Epidermis- 
druck ist gelockert, und das Schwammparenchym antwortet sofort auf 
diese Lockerung dadurch, dafs es sich schlauchförmig streckt. Wenn 
die Epidermis zur Zeit der stärksten Spannung entzwei gerissen ist, 
bilden die überverlängerten Rifsbänder (e') eine kraterförmige Öffnung, 
nach welcher hin die tfadenartig sich ausbildenden Schwammparenchym- 
reihen (f) wachsen. 

Weitere Untersuchungen über Frostblasen finden wir in einer 
Arbeit von Noack’), der zu dem Schlusse kommt, dafs die Frostblasen 
dadurch entstehen, „dafs sich aus den Zellen Wasser in die Intercellular- 
räume ergiefst und dort zu Eis erstarrt, sobald die Temperatur bis 
zu einem gewissen, für die einzelnen Pflanzenarten verschiedenen 
Grade unter den Gefrierpunkt sinkt“. Das Anschiefsen der Eiskristalle 


1) Noack, Fr., Über Frostblasen und ihre Entstehung. Z. f. Pflanzenkrankh. 
1905, S. 29. 


Wärmemangel. . 588 


sah Noack am stärksten an der Stelle, wo später die Ablösung der 
Epidermis sichtbar wurde. Eine kurz vorher erschienene Studie verdanken 
wir SOLEREDER !), der bei Blättern von Duxus dasselbe haarartige Aus- 
wachsen der Mesophyllzellreihen beobachten konnte, wie ich es bei 
Apfeln, Kirschen, Aprikosen gesehen und in Fig. 107 abgebildet habe. 
Dafs diese UÜberverlängerung der Zellen des Blattfleisches eine bei 
reichlicher Wasserzufuhr auftretende Folgeerscheinung ist, hat SOLEREDER 
experimentell bewiesen, indem er die Blattunterseite entfernte und 
die Pflanzen in feuchtem Raume aufstellte. Er fand dabei auch die 
Entstehung von Cuticularwarzen an den Zellmembranen, ähnlich denen, 
die ich von den Wollstreifen des Apfelkernhauses (S. 325) abgebildet 
und auch bei Frostblasen der Kirschblätter beobachtet habe. Der An- 
fang der haarartigen Überverlängerung der Zellen zeigt sich in den 
Gefäfsbündelscheiden, also an denselben Stellen, die sich bei der Kork- 
sucht der Kakteen (S. 429, Fig. 71) als die Ausgangspunkte der krank- 
haften ee erkennen liefsen. Wir sehen darin einen 
experimentellen Beweis für unsere Anschauung, dafs die genannten 
Störungen auf Wasserüberschufs zurückzuführen sind. 

Die Frage, ob die Frostblasen durch das ausgeschiedene Eis ent- 
stehen oder schon vorher durch Spannungsdifferenzen bei der Kälte 
sich bilden und nur den Eisbildungen den bequemsten Raum zur Ab- 
lagerung bieten, werden wir später im Zusammenhang mit anderen 
mechanischen Froststörungen noch einmal besprechen. Hier sei vor- 
läufig nur hervorgehoben, dafs die bei dem Apfelblatt abgebildeten 
Gewebelücken (auf der Oberseite der Rippen und unterseits an deren 
Böschungen) ein typisches Frostmerkmal darstellen, das bei den ver- 
schiedensten, auch überwinternden grünen Blättern häufig zu finden ist. 


Kammartige Zerschlitzung der Blätter. 


In einzelnen Jahren mit Spätfrösten ist die Erscheinung nicht 
selten zu finden, dafs die sonst zusammenhängenden Flächen von 
Baumblättern mannigfach zerschlitzt erscheinen, und damit denjenigen 
Formen sich nähern, die als „folia laciniata“ bezeichnet werden. 
Während aber bei den ım Handel befindlichen Gehölzarten die ge- 
schlitzte Blattform ein im Entwicklungsgange des Individuums fixierter, 
durch Veredlung übertragbarer Zustand ist, bildet die Frostzerschlitzung 
ein vorübergehendes Stadium, das noch in demselben Sommer zur 
normalen Blattform zurückkehrt. 

Das häufigste Auftreten der Erscheinung hatte ich Gelegenheit 
bei Aesculus Hippocastanım ım Frühjahr 1903 zu beobachten. Die in 
Fig. 108 dargestellte Erscheinung war auf die unteren, also zuerst aus 
der Knospe "hervorgetretenen Blätter eines jeden Triebes beschränkt. 
An demselben Teilblättchen fanden sich Übergänge von den tiefen, zur 
Mittelrippe reichenden Einschnitten (Fig. 108 e) bis zur normalen un- 
geteilten Blattfläche (Fig. 108 f). An derartigen Übergangsstellen be- 
merkte man, dafs genau in der Mittellinie eines jeden, zwischen zwei 
parallelen Seitenrippen ausgespannten Intercostalfeldes sich ein hellerer, 
durchscheinender Streifen vorfand, an welchem stellenweise das Gewebe 
eingebrochen war (Fig. 1089). Die Randzone einer solchen Einbruchs- 


1) Sorerever, H., Über Frostblasen und Frostflecken an Blättern. Centralbl. 


f. Bakteriol., II. Abt., Bd. XII, 1904, Nr. 6/8. 
2) Sorauer, P., Kammartige Kastanienblätter. Z. f. Pflanzenkrankh. 1903, S. 214, 


II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


wu 
wen 


stelle zeigte ebenso wie der Saum der einzelnen fiederigen Schlitzzipfel 
vielfach eine etwas gelbliche, härtere, manchmal ein wenig schwielig 
hervortretende Linie. Dieser schwielige Saum bestand aus tafelförmigen 
Korkzellen, denen nach aufsen hin nicht selten Fetzen von abgestorbenen 
Mesophylizellen anhafteten. Man ersieht daraus, dafs die kammartigen 
Einschnitte nicht bereits in der Knospe angelegt gewesen, sondern erst 
später entstanden sind. 


Fig. 108. In der Knospenlage durch Frost beschädigtes und bei der Streckung 
kammartig zerrissenes Blatt der Rofskastanie. (Orig.) 


In den vorerwähnten durchscheinenden Linien, die erst stellenweise 
eingebrochen waren, fand man am unverletzten Teile das Mesophyll 
abgestorben. Der Zellinhalt war noch reichlich vorhanden, aber braun 
und zusammengeballt. Die Gefäfsbündel zeigten die bekannten Frost- 
bräunungen. Dafs gerade stets die Mittellinie der Intercostalfelder vom 
Frost beschädigt worden ist, erklärt sich durch die eigenartige Faltung 
der Blattflächen in der Knospenlage. 

Dieselben Erscheinungen fand ich noch bei Acer Pseudoplatanus 
und einzelnen derbblätterigen anderen Ahornarten, bei letzteren jedoch 


Wärmemangel. 535 


nur in Form unregelmäfsiger Durchlöcherungen. LauBErT!) beobachtete 
fiederige Zerschlitzung bei Blättern von Birke und Weitsbuche. 
Tuomas?) deutet die Schlitzblätterigkeit hauptsächlich als eine Folge 
der Windwirkung. Es ist seit A. Braun und Caspary hinlänglich be- 
kannt, dafs Kastanienblätter durch gegenseitige Reibung der Blatt- 
flächen durchlöchert und stellenweise zerschlitzt werden können; aber 
die hier geschilderte Erscheinung hat nichts mit der Windwirkung zu 
tun. Ich habe die Anfänge der Schlitzblätterigkeit bei Bäumchen ent- 
stehen gesehen, welche bald nach der Frostwirkung ins Zimmer ge- 
bracht worden waren). 


Das Aufziehen der Saaten. 


Abgesehen von den Schädigungen, welche die überwinternden kraut- 
artigen Pflanzen durch ein zu langes Liegenbleiben der Schneedecke 
erleiden können, indem sie vielfach ersticken, haben wir eine andere 
Erscheinung in Betracht zu ziehen, welche namentlich dem Getreide 
verhänegnisvoll wird, nämlich das Aufziehen der jungen Pflänzchen. 

Grade die stark wasserhaltenden Bodenarten sind es, welche das 
Aufziehen der Saaten durch Frost zeigen. Nach unbeständiger Winter- 
witterung, bei welcher auf nasse Tage scharfe Fröste plötzlich folgen, 
sieht man im ersten Frühjahr nicht selten eine Menge junger Pflänz- 
chen mit blofsgelegten Wurzeln auf der Oberfläche des Ackers. Ein 
Teil der Wurzeln ruht auch wohl noch mit seinen Spitzen in der 
Erde und fristet den Pflänzchen ein kümmerliches Dasein, während 
andere Würzelchen, vollkommen frei, mit abgerissenen Spitzen dem 
Vertrocknen durch Wind und Sonne entgegengehen. Die Erklärung 
des Vorganges liegt sehr nahe. Der schwere Boden hält grofse Quanti- 
täten Wasser zurück; dieselben gefrieren, schiefsen als lange, nadel- 
förmige Eiskristalle an und heben dadurch die oberen Bodenschichten 
samt der jungen Saat in die Höhe. Wenn ein Teil der feinen Wurzeln 
bereits in gröfsere Tiefe gegangen ist, werden diese abgerissen. Bei 
dem nachfolgenden Auftauen kann sich zwar der Boden setzen, die 
jungen Pflänzchen aber können nicht mehr zurück. Die Wiederholung 
des Vorganges bringt endlich obiges Resultat und, wenn man mit der 
Hilfe nicht schnell bei der Hand ist, namhafte Verluste zuwege. 
Die Hilfe beruht hier wohl meist in der Anwendung einer schweren 
Walze zu einer Zeit, wo das Feld schon einigermafsen abgetrocknet 
ist, aber die Pflanzen durch die wenigen, im Boden befindlichen 
Wurzeln sich noch frisch zeigen. Durch das Andrücken einer in Be- 
stockung: begriffenen Saat erhalten die untersten Stengelknoten Schutz 
und Feuchtigkeit genug, um neue Adventivwurzeln zu treiben und auf 
diese Weise den Schaden an Befestigungs- und Ernährungsorganen 
wieder allmählich zu ersetzen. Namentlich bei Getreidepflanzen wird 
das Walzen günstig wirken, und es lassen sich bei feuchter Frühjahrs- 
witterung aus solchen aufgezogenen Pflanzen noch kräftige Halme 
heranziehen. 


!) Lavzert, R., Regelwidrige Kastanienblätter. Gartenflora, 52. Jahrg., 1903, 
Oktober. 


2) Tuomas, Fr., Die meteorologischen Ursachen der Schlitzblätterigkeit von 
Aesculus Hippocastanum. Mitt. d. Thüring. Bot. Ver. 1904, Heft XIX, S. 10. 


3) Siehe Z. f. Pflanzenkrankh. 1905, S. 234, Anmerk. 


536 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


Als Vorbeugungsmittel wird selbstverständlich die Drainage wirken. 
Günstig mag sich auch ein Lockern mooriger Erde durch UÜberfahren 
mit Sand zeigen. Künn!) fand aufserdem in dieser Beziehung die 
Drillkultur wirksam, indem man hierbei die Saaten behackt. Zwischen 
diesen entstehen dadurch „kleine Rillen, in die sich die Nässe vorzugs- 
weise zieht, und so beobachtet man unter den angeführten Umständen 
in den Zwischenräumen ein Aufziehen des Bodens, während die 
Pflanzenreihen selbst unberührt bleiben“. Hepwıs?) empfiehlt frühe 
Bestellung der Saat, um möglichst reichlich recht tiefgehende Wurzeln 
zu erzielen und dadurch die Pflanzen mehr im Boden zu befestigen. 

EKKERT?) empfiehlt eine flache Saat, hauptsächlich aber die Anzucht 
kräftiger Pflanzen. Zur Befürwortung der flachen Saat scheint EXRKERT 
durch den Ausspruch des Grafen Pınto-MErTkAU bewogen worden zu 
sein, welcher angibt, dafs nur tiefliegende Saaten aufgezogen werden 
und bei diesem Aufziehen an der Basis des primären Internodiums 
reifsen, also an dem nur bei tiefer Saat sich stark streckenden Stengel- 
gliede, welches den Bestockungsknoten in die Nähe der Bodenober- 
tläche hebt. Diese Ansicht wird auch von BREYMANN ) geteilt. Die Unter- 
suchungen von Ekkekt über die Festigkeit und Elastizität dieses untersten 
Stengelgliedes und der Wurzeln sprechen dafür, dafs die Wurzeln bei 
dem Aufziehen eher reifsen werden als das Internodium. Bei der 
flachen Saat ergibt sich die Möglichkeit, dafs nur die Wurzeln abreifsen 
und das flachliegende Korn also mitgehoben, der verletzten Pflanze 
somit als möglicher Reservestoffbehälter noch erhalten bleibt. Die Be- 
schädigung würde somit geringer und bei Nachhilfe durch eine schnell- 
wirkende Frühjahrsdüngung leichter zu überwinden sein 

Als widerstandsfähige Art ist der Johannisroggen empfohlen 
worden. Unter den Weizensorten findet sich eine russische Sorte, der 
Urtoba-Weizen, als besonders widerstandsfähig angegeben. Übrigens 
werden weder Sorte noch Saattiefe den Ausschlag geben, sondern wohl 
vorzugsweise die Beschaffenheit des Bodens, dessen wasserhaltende 
Kraft dabei besonders ins Gewicht fällt. 

Bei den jungen Gehölzkulturen kommt bei Barfrösten auch ein 
Aufziehen der Saaten vor. Die mit kräftigen, langen Pfahlwurzeln ver- 
sehenen Kiefern- und Eichensämlinge leiden nicht, wohl aber die flach- 
wurzeligen Fichten und Tannen und von Laubbäumen die Schwarzerle 
in moorigen Böden. 


Innere Verletzungen bei jungem Getreide. 


Unbeachtet ist es bis jetzt geblieben, dafs die Getreidepflanzen bei 
Barfrösten, auch wenn sie nicht aus dem Boden gezogen werden, 
innere Verletzungen erleiden, die bei anhaltend nasser Witterung 
bequeme Einfallspforten für parasitäre Pilze bilden. Aufser den gewöhn- 
lichen Schwärzepilzen finden wir den Schneeschimmel, den Roggenhalm- 
brecher, den Weizenhalmtöter u.a., welche die weitere Zerstörung der 
Pflanze übernehmen. Die für Pilzerkrankungen disponierenden Frost- 


!) Krankheiten der Kulturpflanzen 1859, S. 11. 
?) eit. bei Görrerr, Wärmeentwicklung usw. S. 236. 
?) Exkerı, Über Keimung, Bestockung und Bewurzelung der Getreidearten etc. 
Inauguraldissertation, Leipzig 1874; cit. in Biedermann’s Centralbl. 1875, S. 204. 
*) Uber das Auswintern. des Weizens, des Rapses und des Rotklees. Biedermann’s 
Centralbl. f. Agrikulturchemie 1881, S. 829. 


Wärmemangel. 937 


beschädigungen bestehen aufser in einer Bräunung der Gefäfsbündel 
innerhalb des Bestockungsknotens namentlich in dem blasigen Abheben 
der Oberhaut an bestimmten Stellen des Getreideblattes. Solche Ab- 
hebungen zeigen sich selbst an ganz jugendlichen, noch in der Knospen- 
lage befindlichen Blättern, wie die beistehende Fig. 109 uns vorführt. 
Wir finden, dafs das junge Blatt an seinem äufseren Rande (B) derartig 
vom Frost beschädigt ist, dafs die Zellen braunen, geballten Inhalt 
bekommen haben und zusammengesunken sind, also in kurzer Zeit ab- 
sterben werden (gs). Dagegen erscheint der übrige, noch schneckenförmig 
eingerollte Blattteil (A) vollkommen frisch und fortentwicklungsfähig. 


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Fig. 109. Junges. frostbeschädigtes Roggenblatt mit Abhebungen der Epidermis. 
(Orig.) 

Das während der Knospenlage sich oberseits bogig vorwölbende 
Blatt besitzt aufser den Hauptgefäfsbündeln (g), über denen auf der 
Aufsenseite Hartbaststränge (b) angelegt sind, noch die erst in der 
mittleren, breiteren Blattregion zur Ernährung des vermehrten Meso- 
phylis sich abzweigenden schwächeren Bündel (g). Von den durch 
Frost hervorgerufenen Gewebeveränderungen ist hervorzuheben, dafs 
sich radial gestreckte (r) zum Teil unregelmäfsig gezerrte (2), ver- 
gröfserte Zellen mit stark verbogener Wandung nach dem Auftauen 
bemerkbar machen. Dieser Befund beweist, dafs sich abnorme Spannungs- 
verhältnisse entwickelt haben müssen. Diesen ist auch die am meisten 
augenfällige Erscheinung der Entstehung regelmäfsig gestellter Lücken 


598 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


(D) zuzuschreiben. Die Lücken entstehen durch die blasige Abhebung 
der Epidermis vom eigentlichen Blattfleisch meist auf der Oberseite 
zwischen den Spaltöffnungsreihen (sp). Die Blattunter- oder Aufsen- 
seite zeigt nur spärliche Lücken von geringer Ausdehnung. Für das 
Zustandekommen der Lücken bieten die stellenweise bemerkbaren tangen- 
tialen Streckungen einzelner, dabei zusammenfallender Epidermiszellen 
(ep und ez) eimen bedeutsamen Hinweis. Der Epidermisbogen ist 
länger geworden, als er vor der Frostwirkung gewesen ist, und diese 
Verlängerung erfolgte durch die Zerrung einzelner Zellen. Aufser 
diesen Blattabhebungen ist eine bei 7 angedeutete radiale Zerklüftung 
des Gefäfsbündels ein sehr charakteristisches Merkmal für Frost- 
beschädigung; dieselbe wird im Achsenkörper besonders bedeutungsvoll. 

Betreffs einer Unterscheidung der Lückenbildung durch Frost- 
wirkung von den senilen Gewebezerreilsungen geben wir in Fig. 110 
den Querschnitt des ersten scheidenförmigen Blattes einer Roggenpflanze 
wieder, dessen Innengewebe im Laufe der normalen Entwicklung bei 
dem Ableben zerreifst; die dadurch entstehenden Lücken (h) sind 
stets tangential. 


Fig. 110. Natürliche Lückenbildung im scheidenförmigen Roggenblatt 
bei zunehmendem Alter. (Orig.) 


Innere Verletzungen im Getreidehalme. 


Viel wichtiger aber, als die Blattbeschädigungen sind die Frost- 
wirkungen im Halme, von denen wir meist keine Ahnung haben, da 
mit blofsem Auge eine Veränderung an der Pflanze nicht bemerkbar 
wird. Fig. 111 gibt die Abbildung eines frostbeschädigten unteren Halm- 
knotens vom Roggen. 

Das Gewebe des Halmes (H) ist fest umschlossen von der Scheide 
(Sch), deren äufsere Epidermis mit e, deren innere mit € bezeichnet 
ist, während e” die Oberhautzellen des Halmes zeigt. Die bei allen 
Frosterscheinungen auftretende Bräunung der Gefäfse in den einzelnen 
Bündeln ist bei « und « angedeutet, wo zwischen den weiten Ring- 
gefälsen die engeren Spiralröhren am meisten geschädigt erscheinen. 
Bei br befinden sich Nester gebräunter Parenchymzellen in der Scheide, 
bei br’ solche ım Halm selbst; bei v und v zeigen sich gebräunte 
Zellpartien in der Scheide und im Halm, deren Wandungen äufserst 
stark aufgequollen sind, so datls die ganze Zelle zu einer gleich- 
artigen gelben, gummiähnlichen Masse umgebildet erscheint. An anderen 


939 


Wärmemangel. 


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ı eines Roggenhalmes. 


guren). 


Halmknoten aus einer frostbeschädi 
gten Blattscheideı 


112 und 113 (untere Fi 
beschädi 


Fig. 111 (obere Figur). 


Fig. 


540 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


Stellen (r) ist das Parenchym im Innenteil der Scheide zerrissen oder 
durch Abheben der Epidermis mit peripherischen Lücken versehen. 
In der Nähe derartiger Lücken oder manchmal an Stelle derselben 
treten gestreckte Zellen auf, welche darauf hindeuten, dafs bei dem 
Gefrieren sich der Halm überwiegend i in tangentialer Richtung zusammen- 
gezogen und die Epidermis gezerrt hat. Dadurch, dafs die Epidermis, 
nicht so elastisch wie das übrige Rindengewebe, infolge der Zerrung 
dauernd verlängert bleibt, mufs sie bei dem Nachlassen des Frostes sich 
stellenweise bh (dl und !) oder doch lockern, so dafs das darunter 
liegende Parenchym durch den verminderten Epidermisdruck nun 
schlauchförmig sich streckt (rd). Die vergröfserten Zellen, die meist 
unter der äufseren Epidermis liegen (z), seltener auf der Innenseite 
sich finden (z’), besitzen manchmal stark verbogene oder gezerrte 
Wandungen. 

Diese Zustände sind in Fig. 112 und 113 vergröfsert dargestellt. Hier 
erscheinen die Quellungsvorgänge an den Wandungen so stark, dafs 
man nur undeutlich die Grenzen der einzelnen Zellen noch zu unter- 
scheiden vermag und manche Zelllumina fast gänzlich verschwinden (v). 
Die mit den Quellungserscheinungen im vorliegenden Falle verbundene 
Lockerung des Epidermisdruckes hat nun die Überverlängerung des 
darunter liegenden Gewebes zugelassen, so dafs teils gröfsere Gruppen 
(rd), teils vereinzelte verbogene, abnorm veroröfserte Zellen (z), sich 
ausbilden konnten. 

Höchst beachtenswert sind endlich die Zerklüftungserscheinungen 
innerhalb der Gefäfsbündel und um dieselben. In den Gefafsbündeln 
findet die Zerklüftung meist in radialer Richtung (Fig. 111 k) statt, und 
zwar derartig, dafs "das zartere Gewebe zwisehen den beiden weiten 
Gefäfsen zerreifst. Die Umgebung der Gefäfsbündel kann stellenweise 
so stark zerrissen sein (r), dafs das Bündel halbinselförmig in der Lücke 
liegt. Diese Erscheinung macht den Eindruck, als hätte sich das 
Parenchym infolge der Frostwirkung so heftig zusammengezogen, dafs 
es von den nicht nachgebenden Bündeln abgeplatzt ist. Falls derartige 
Spannungsdifferenzen weniger extrem sich geltend machen. wird das 
Parenchym in der Umgebung der Bündel nur stark gezerrt, so dafs 
nachher vergröfserte Parenchymzellen mit verbogenen Wandungen ent- 
stehen (2'). 

Von hervorragender Wichtigkeit für das Leben der Pflanze sind 
die Beschädigungen der Gefäfsbündel, deren Elemente unbedingt an 
Leitungsfähigkeit einbüfsen müssen. Es ist daher erklärlich, dafs 
frostbeschädigte Pflanzen in ihrer Entwicklung zurückbleiben, und dafs 
sie, selbst ohne Mitwirkung parasitärer Organismen, die besonders 
gern geschwächte Saaten aufsuchen, weniger Stroh und namentlich 
schlecht ernährte Körner liefern. In der Regel kommt aber noch eine 
parasitäre Beschädigung durch Rost, Schwärzepilze und andere Blatt- 
und Spelzenbewohner "hinzu. Denn da niemals alle Pflanzen eines 
Feldes gleich stark leiden (weil aufser der individuell verschiedenen 
Widerstandsfähigkeit die Bodenunebenheiten bald frostfördernd, bald 
frostschützend wirken), so ist auch die Entwicklung der Halme eine 
unregelmäfsige. Zwischen kräftig fortwachsenden Exemplaren stehen 
die stärker beschädigten im Schatten und Druck der ersteren. Licht- 
und Luftmangel und Steigerung der Feuchtigkeit zwischen den unter- 
drückten Pflanzen begünstigen die Ansiedlung und massenhafte Aus- 
breitung der Pilze. 


Wärmemangel. 541 


Halmknicken. 


Die vorstehend geschilderten Veränderungen in frostbeschädigten 
Halmen haben nun, je nach den Stellen, wo der Frostangriff am inten- 
sivsten war, verschiedene Folgeerscheinungen aufzuweisen. Der 
häufigste Fall ist, dafs bei Spätfrösten die Halmbasis angegriffen wird. 
Meistens treten diese Schädigungen nesterweise im Acker auf, weil 
die kalte Luft sich in tiefliegenden Bodenmulden anhäuft. Hier sammelt 
sich aber auch am meisten die Feuchtigkeit von den atmosphärischen 
Niederschlägen, so dafs zu den Froststörungen die parasitäre Ansiedlung 
kommt. Die Halmbasıs kann dann vermorschen und der Halm um- 
knicken. Viele der als durch Leptosphaeria und Ophiobolus veranlafst 
dargestellten Fälle von Halmknicken erweisen sich als kombinierte Er- 
scheinungen, zu denen der Frost die erste Veranlassung gegeben hat. 

Es kommen aber auch andere Fälle vor, bei denen die Halme nicht 
an der Basis, sondern in verschiedener Höhe umknicken. Die Er- 
scheinung tritt nicht immer in einzelnen Nestern auf, sondern ist bis- 
weilen streifenweise zu finden und zeigt sich so, dafs gesunde und kranke 
Halme gemischt stehen. Derartige Fälle geben nicht selten zu Streitig- 
keiten Veranlassung, indem sie grofse Ahnlichkeit mit Hagelschäden 
haben. Eine Entschädigung wird aber dann seitens der Hagel- 
versicherungsgesellschaften abgelehnt, da sich keine Anschlagsstellen 
der Hagelkörner nachweisen lassen. 

Bei dem basalen Halmbruch erweist sich der Halmgrund braun, 
und die Bestockungstriebe sind fast sämtlich abgestorben, vielfach sogar 
erweicht und stets von Mycelpilzen, bei anhaltender Feuchtigkeit auch 
von Bakterien, Milben und Anguillen besiedelt. Bei dem Umknicken 
in höheren Halmregionen erscheint der Halmgrund fest und grün; 
die Bestockungstriebe sind nur vereinzelt abgestorben und mehrfach 
ohne Verpilzung. Am häufigsten zeigt sich die culmale Knickstelle 
am zweiten oder dritten Internodium oberhalb der Bodenoberfläche 
und charakterisiert sich als teils einseitige, teils ringsherum verlaufende 
braune Zone, deren Färbung nach dem nächst höheren Knoten hin 
an Intensität zunimmt. Demnach erscheint die dicht unterhalb eines 
Knotens belegene Region eines Halmes als die am meisten empfindliche. 
Dennoch vermag der an das tiefgebräunte Gewebe oberhalb anstofsende 
Knoten häufig noch eine Aufwärtsbiegung des umgelesten Halmes aus- 
zuführen, so dafs derselbe mit einem Knie wieder aufrecht zu stehen 
kommt. Aber die Ahre an solchen Pflanzen ist schwach und lückig. 
Die Wurzeln erscheinen gesund, der gebräunte Halmteil fast stets ohne 
irgendeine Pilzvegetation. 


Die Kahlährigkeit. 


Die scheinbar am wenigsten mit Frostschäden Beziehungen be- 
sitzende Erkrankung ist die Kahlährigkeit, wie sie m Fig. 114 A 
und BD uns entgegentritt. Die Erscheinung ist bisher von mir nur bei 
Roggen gefunden worden, und ich schildere nunmehr einen Spezial- 
fall, den ich im Juni 1900 zu beobachten Gelegenheit hatte!). Hier 
zeigten sich die Halme meist von normaler Gröfse und kräftigem Wuchs, 
aber besafsen im obersten oder nächstunteren Gliede bleichgelbe, später 


!) Sorauer, P., Über Frostbeschädigungen am Getreide und damit in Ver- 
bindung stehende Pilzkrankheiten. Landw. Jahrbücher 1903, S. 1. 


542 


Fig. 114. 


II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


Verschiedene Formen der Kahlährigkeit. 
(Orig.) 


strohfarbige bis braun- 
gelbe, oft dunkler um- 
säumte Flecke, die oft 
zu einer den Halm um- 
fassenden Binde sich 
erweiterten. In anderen 
Fällen erwies sich der 
Halm bis zum obersten 
Internodium ganz gesund. 
Oberste Blattscheiden 
und Blätter aber waren 
strohfarbig gefleckt 
(Fig. 114 Bt) oder ge- 
tupft; höchster Teil des 
Halmes nebst Basis der 
Ahrenspindel rötlich- 
strohfarbig, Ahrenspindel 
selbst braungliedrig, 
lachsfarbig punktiert, am 
Grunde ganz kahl (k) und 
weiter aufwärts mit an- 
fangs fädigen, später et- 
was breiter werdenden 
papierartigen Spelzen be- 
deckt (sp). Die Spitze der 
Ähre kann dabei noch zur 
vollständigen Entwick- 
lung kommen, wie 
Fig. 114 B zeigt, und in 
dem Maise, wie man sich 
dem grünen Gipfelteil der 
Ahre nähert, sieht man, 
wie die fadenartigen, 
weifsen Spelzen derber 
und gröfser werden und 
sich in ihrer Beschaffen- 
heit dem normalen Zu- 
stande nähern. Bisweilen 
findet man Gruppen be- 
reits ergrünter und 
fleischiger Spelzen im 
Verlaufe des kahlbleiben- 
den Spindelteils (Fig. Bg). 
In Fig. A ist ein Fall 
dargestellt, bei welchem 
die unteren Spelzen nor- 
mal und grün, die ober- 
sten zwar normal in 
Gröfse und Gestalt sind, 
aber ein rosa- 
strohfarbiges Aussehen 
haben. Zwischen Gipfel 
und Basis ist die Ahren- 


Wärmemangel. 543 


spindel nackt. In den intensivsten Fällen der Beschädigung ist an 
Stelle der Ahre nur eine kahle, braungliedrige, lachsfarbig punktierte 
Ährenspindel übrig, geblieben. Die lachsfarbigen Punkte sind die 
Ansatzstellen der Ahrchen, die durch üppig entwickelte Pilzrasen 
gefärbt sind. 

Fast bei allen Formen der Kahlährigkeit biegt sich durch Vertrocknen 
des kahlen Spindelteils die Ahrenachse krummstabförmig (Fig. 114 B 9). 
An den im Bilde vorgeführten Beispielen erkennt man deutlich, dafs 
die Kahlährigkeit ganz lokal wirkenden Ursachen ihre Entstehung ver- 
danken mufs. Wenn man diese Erscheinungen auf einem Felde studierte, 
auf welchem besonders zahlreiche Pflanzen an Kahlährigkeit litten, be- 
merkte man, dafs die Beschädigungszonen in annähernd gleicher Ent- 
fernung vom Boden zu finden waren. Es mufste somit die schädigende 
Ursache für die Kahlährigkeit in einer Luftschicht sich befunden haben, 
die ausschliefslich in einer gewissen Entfernung vom Boden vorhanden 
gewesen ist. Je nachdem nun die nach ihrer individuellen Entwicklung 


Fig. 115. Querschnitt durch ein Internodium der Ährenspindel eines an Kahl- 
ährigkeit leidenden Roggenhalmes. (Orig.) 


in verschiedenen Stadien befindlichen Roggenpflanzen in diese schädi- 
gende Luftschicht hineingereicht haben, sind sie verschieden beschädigt 
worden. Daraus erklärt sich, dafs bald der untere, bald der obere 
Teil der Ähre kahl geworden ist. Bei den bestentwickelten,, höchsten 
Pflanzen, bei denen die auf den längsten Halmen stehenden Ahren sich 
bereits oberhalb der schädigenden Luftschicht befanden, sind die Ahren 
selbst gänzlich unverletzt geblieben; nur das oberste Halmglied hat 
eine bleiche Binde erhalten. 

Bei Erwäeung der Ursache der Kahlährigkeit liegt die Vermutung 
am nächsten, dafs der an den Binden und namentlich an der Ahren- 
spindel erkennbare und an den Ansatzstellen der Blüten in lachsrosa 
Räschen auftretende Pilz die Krankheit veranlafst habe. Diese An- 
nahme ist jedoch irrig, da auch schwere Beschädigungen der Spindel 
beobachtet worden sind, ohne dafs die Gegenwart von Pilzen nach- 
gewiesen werden konnte. Es ist deshalb dieser Pilz, der zur Gattung 
Acremonium gehört, als eine sekundäre Ansiedlung, ebenso wie das 
selten fehlende Oladosporium anzusprechen. 


544 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 3 

Untersuchte man nun die geschädigte Spindel an solchen Stellen, 
an denen Acremonium sich nicht angesiedelt hatte, so bekam man die 
Bilder, die in Fig. 115 und 116 dargestellt sind. Fig. 115 stellt den 
Querschnitt durch ein Internodium, Fig. 116 den durch einen Knoten 
der Ahrenspindel dar. Mit e ist die Epidermis, mit % deren Haare 
bezeichnet, g gesunde Gefäfsbündel, y ein Bündel mit gequollenen, 
gebräunten Wandungen, ys Gefäfsbündelscheide, b Bastteil, hg Holzteil 
des Bündels, « tiefbraunes Gewebe zwischen den beiden grofsen Ge- 
fäfsen, welches am empfindlichsten ist und bei verschiedenen anderen 
Ursachen sich auch zuerst geschädigt erweist: pr gesunde Prosenchym- 
zellen, pr! solche mit gesunder Wandung, aber braun ausgefülltem 
Lumen, pr" Prosenchym mit farblosem Innenraum, aber tief gebräunten 
Wandungen, v® Parenchymzellen in Epidermis und Rindengewebe mit 


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Fig. 116. Querschnitt durch den Nodus einer kahlährigen Spindel. (Orig.) 


gelben, dick verquollenen Wandungen und schwer oder nicht mehr 
erkennbarem Lumen, z gezerrte Zellen in der Umgebung der gummi- 
ähnlich verquollenen Gewebeherde, bl Basalteil eines Ahrchens, das 
hier vom Knoten abgeht. h. 

Man findet somit an den kahlen Stellen der Ahrenspindel alle die- 
jenigen Beschädigungsformen wieder, die in den unteren Halmknoten 
frostbeschädigten Getreides bemerkbar sind; nur sind an Stelle der 
Gewebezerklüftungen die Membranquellungen vorherrschend. Dieselben 
sind besonders ausgedehnt an den Ansatzstellen der Ährchen, weil 
dort viel reichlicher parenchymatisches, also frostempfindliches Gewebe 
vorhanden ist. Und solche gummiähnlich verguollenen Gewebeherde 
liegen tiefim Innern der Spindel. Durch diesen anatomischen 
Befund unterscheidet sich die Kahlährigkeit durch Frost von den ähn- 
lichen, lange bekannten Ährenbeschädigungen durch die Getreideblasen- 


Wärmemangel. F 545 


füfse (Thrips), deren Saugstellen oberflächlich bleiben. Allerdings findet 
man auch nicht selten an den frostbeschädigten Ahren Blasenfüfse, da 
diese Tiere geschwächte Organe mit Vorliebe aufsuchen; aber ihre meist 
geringe Zahl und die Veränderung des Gewebes der Spindel lassen 
keinen Zweifel, dafs es sich hier um eine sekundäre Besiedlung handelt. 

Ausschlaggebend ist der Umstand, dafs es mir gelungen ist, durch 
künstlichen Frost alle hier geschilderten Blatt-, Halm- 
und Ahrenbeschädigungen hervorzurufen. Auch alle ver- 
schiedenen Formen der Körnerschrumpfung konnten experimentell er- 
zeugt werden. 

Die Kahlährigkeit durch Frost tritt nur in einzelnen Jahren und 
in gröfserer Ausdehnung blofs an bestimmten Lokalitäten auf. 

Der Gedanke, dafs nur einzelne Regionen des Halmes durch Frost 
beschädigt werden, wie dies bei der Kahlährigkeit vorausgesetzt werden 
mufs, hat anfänglich etwas Befremdliches. Aber man wird sofort ver- 
trauter damit, wenn man die Regionen ins Auge fafst, die gelitten 
haben. Entweder ist es der zuletzt aus der Scheide herausgetretene 
Basalteil der Ahre, samt dem anstofsenden obersten Teile des Halmes, 
oder es ist der unmittelbar unter einem Knoten belegene Teil eines 
Internodiums, der dann die Frostbinde zeigt. Diese genannten Regionen - 
sind aber die weichsten und empfindlichsten am ganzen Halme, und 
analoge Erscheinungen finden wir auch bei dikotylen Gewächsen, bei 
denen wir Blüten- und Fruchtstiele nur an der Stelle verletzt und ge- 
schwärzt sehen, die unmittelbar an den Blütengrund angrenzt, während 
der ältere Teil gesund bleibt. 

Wie die Witterungsverhältnisse sich gestalten müssen, um bei dem 
Getreide die lückigen Ahren oder die Halmbinden hervorzurufen, 
konnte durch Beobachtung nicht festgestellt werden, weil man doch erst 
längere Zeit nach der Frostwirkung auf die Erscheinung aufmerksam 
geworden war. Einzelne der zu Rate gezogenen Meteorologen neigen 
zu der Ansicht, dafs der Tau dabei eine Rolle spiele. 

Die Frostnächte im Mai sind meist windstill, und die Beschädigung der 
Pflanzenteile erfolgt durch Abkühlung der Organe infolge von Strahlung. 
Die Bodenoberfläche selbst kann sich bei einem bestandenen Roggen- 
felde nicht sehr stark abkühlen, da sie ihre Tageswärme durch den 
Mantel, den die zwischen den Halmen befindliche, schwer bewegliche 
Luft bildet, lange behält. Die stärkste Abkühlung durch Strahlung _ 
kann nur in den oberen Halmregionen erfolgen. Diese sind aber von 
dem nächtlichen Tau bedeckt. Wenn sich nun plötzlich der Morgen- 
wind bei Sonnenaufgang erhebt und schnelle Verdunstung des Taues 
einleitet, kann diese Verdunstungskälte bis unter den Gefrierpunkt 
kommen. Alle Stellen mit geringerer Taumenge, sowie die Teile, die 
durch vorliegende andere Halme geschützt werden, bleiben dann vor dieser 
bis auf den Gefrierpunkt sinkenden Abkühlung bewahrt. Die Verteilung 
des Taues auf denselben Pflanzenteil wird aber auch verschieden sein 
insofern, als die Stellen, welche durch Biegung des Organes horizon- 
taler als andere geneigt sind, gröfsere Taumengen festhalten werden, 
Unter den der Frosttemperatur ausgesetzten Organen werden jedoch auch 
nur wieder die besonders zarten leiden, und so erklärt sich, dafs an 
einer Ähre blofs einzelne Stellen beschädigt werden können. Für die 
Tatsache, dafs vorzugsweise die Ährenbasis geschädigt sich erweist, 
kommt der Umstand erklärend hinzu, dafs der Frost nicht die plasma- 
reichsten, sondern die plasmaarmen Organe unter sonst gleichen Ver- 

Sorauer, Handbuch. 3. Aufl. Erster Band. 35 


546 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


hältnissen zuerst beschädigt. Die Ahrchen an der Basis der Ahre sind 
aber die schlechtest ernährten und plasmaärmsten, wie jede gesunde 
Getreideähre erkennen läfst. 

Infolge einer Unterhaltung mit dem Direktor der Deutschen See- 
warte, Herrn Admiral Herz, liefs mir derselbe in liebenswürdiger Weise 
später folgende Erklärung zugehen. „In Pflanzendickichten, sie mögen 
hoch oder niedrig sein, wird einerseits der Boden durch Beschirmune 
gegen die nächtliche Ausstrahlung geschützt, andrerseits geht diese 
Ausstrahlung von der Oberfläche des Dickichts kräftig und, wegen der 
schlechten Wärmeleitung, sehr wirksam vor sich. Aber die an den 
Blättern erkaltete Luft sinkt in das Sieb des Dickichts herab, wie sie 
an den Hängen in die Mulden des Bodens hinabsinkt. Es ist deshalb 
sehr wohl denkbar, dafs die niedrigsten Lufttemperaturen etwas unter 
der Oberfläche eines solchen Dickichts sich emstellen, besonders wenn 
einerseits seine Dichte nach unten zunimmt und andererseits die Wipfel 
auch durch emen leichten Wind vor allzuweit gehender Erkältune 
geschützt werden.“ 

In welcher Weise tatsächlich im Freien sich die Vorgänge abspielen, 
welche die schädigende Abkühlung einzelner horizontaler Luftschichten 
in gröfserer Entferı nung von der Bodenoberfläche zuwege bringen, bleibt 
weiterer Beobachtung “überlassen. Aber dafs Kahlähriekeit durch der- 
artige Frostwirkungen hervorgerufen wird, zeigt eben das Experiment, 
bei welchem ein Hohlzy linder mit einem die Kältemischung enthaltenden 
Mantel über den oberen Teil blühender Roggenhalme oestülpt worden 
war. Bei der Unmöglichkeit für die einzelnen horizontalen Luftschichten 
innerhalb des Gefrierzylinders, sich schnell zu vermischen, erwies sich 
auch nur eine bestimmte Zone derart abgekühlt, dafs sie die ceschilderten 
Ährenbeschädigungen zuwege brachte. 

Dafs auch bei Waldbäumen sich Beschädigungen einstellen, welche 
auf das Vorhandensein einer den Frosttod herbeiführenden Luftschicht 
oberhalb der warmen Bodenoberfläche hinweisen, schliefsen wir z, B. 
aus den Beobachtungen von NÖRDLINGER!). Er sah im ‚Juni 1862 im 
Hohenheimer Oberen Walde junge Schosse von Sale, Eichen und 
Aspen, im August 1833 mehrere Wejdenarten, namentlich Salix fragilis, 
am Grunde der Blattstiele erfroren, ohne dafs eine Frostnacht eingetreten 
gewesen wäre. 


Bewegungserscheinungen durch Frost. 


Bei manchen den Frost überlebenden Pflanzen erfolgen bei dem 
Gefrieren eigentümliche Bewegungserscheinungen, welche bei 
dem Auftauen wieder verschwinden. GÖPrkR1 (Wärmeentwieklung in 
den Pflanzen S. 12) erwähnt die Beobachtung von Linne, dafs die 
Blätter einer Wolfsmilch (Euphorbia Lathyris) sich mit der Spitze ab- 
wärts neigen, bis das Blatt dem Stengel anliegt. Die Blätter vom 
Goldlack (Cheir anthus Cheiri) sehen im gefrorenen Zustande wie ver- 
welkt und mannigfach gekrümmt aus und erlangen nach dem Auftauen 
wieder ihre frühere Beschaffenheit und Stellung. 

Wirrrock?) erblickt in den Bewegungserscheinungen einen Schutz 
gegen Winterkälte. Beispielsweise biegen sich die immergrünen Wurzel- 


!) Nörpriseer, H., Lehrbuch des Forstschutzes. Berlin, P. Parey 1884, S. 347. 


2) Bot. Ges. zu Stockholm, Sitz. v. 24. Oktob. 1883; eit. Bot. Gentralbl, 1883, 
Nr. 50, S, 350. 


Wärmemangel. 547 


blätter zahlreicher Kräuter rückwärts und abwärts, so dafs wenigstens 
der äufsere Teil der unteren Blattfläche gegen den Boden gedrückt 
erscheint; im Sommer stehen sie schräg aufrecht. Besonders deutlich 
bemerkbar ist dies bei Hypochoeris maculata L., Geum urbanum L., 
Cerefolium sativum L. u. a. Auch einige zeitige Frühlingspflanzen, 
wie Ranunculus Ficaria L., zeigen dasselbe Verhalten. Harrıs erkennt 
in diesen Erscheinungen gleichsam en Welken der Pflanzenteile 
infolge der Schlaffheit der Zellen, aus denen Wasser in die Intercellular- 
räume herausgefroren ist. Da je nach der Jugend und Ausbildung des 
Gewebes das Ausfrieren des Wassers in verschiedenen Regionen des 
Organes verschieden sein wird, so dürfte sich dadurch auch die Ver- 
schiedenartigkeit der Bewegung bei Frost erklären. 

Derartige Bewegungserscheinungen sind aber keineswegs an die 
Eisbildung gebunden und sind nur extreme Fälle thermonastischer 
Reaktion, die, wie PFEFFER!) erwähnt, schon in den abendlichen 
Senkungen von Blüten, Blättern und Sprossen zum Ausdruck kommt. 
VöcHting ?) beobachtete an Mimulus Tilingii Rel., dafs im Frühling 
Sprosse bestimmten Alters bei hoher Temperatur emporwachsen, bei 
niedriger dagegen eine horizontale Richtung behalten oder, falls sie 
bereits aufrecht sich entwickelt haben, die horizontale wieder annehmen. 
Beleuchtung und Luftfeuchtigkeit sind dabei ohne Einflufs. Er meint, 
dafs bei andauernd geringen Wärmegraden die Pflanze nur kriechende 
Triebe entwickeln dürfte, an denen niemals Blüten entstehen. Mit 
dem Blühen hört diese Empfindlichkeit auf, die als Psychroklinie 
bezeichnet wird. Dafs es sich bei derartigen Bewegungen nicht blois 
um Turgoränderungen handelt, sondern wirklich auch Reizwirkungen vor- 
liegen, schliefst Liprorss®) aus zahlreichen Beobachtungen an Holosteum, 
Lamium, Veronica usw. mit denen auch Klinostatenversuche angestellt 
wurden. Bei höherer Temperatur sind die Stengel negativ geotropisch, 
bei Temperaturen unter + 6° dagegen diageotropisch und epinastisch. 
Hier wirkt aber das Licht modifizierend, indem bei Lichtabschlufs die 
Stengel trotz der niederen Temperatur nicht mehr dia-, sondern negativ 
geotropisch sind. 

Rein thermonastischer Natur sind dagegen die Bewegungen der 
'Blütenstiele von Anemone nemorosa, die bei niederer Temperatur ab- 
wärts gekrümmt sind, bei höherer aber aufrecht stehen. 

Bei den Blattstielen und Blattlächen bemerkt man vielfach die 
Annahme einer Horizontalstellung oder, an höheren aufrechten Achsen, 
das Zurückbiegen unter die Horizontalebene. Hervorheben möchten 
wir dabei aber den Umstand, dafs die Bewegungen sich meist in den 
Gelenken vollziehen und bei derselben Pflanze nicht immer gleichsinnig 
sich zeigen. Es kann vorkommen, dafs bei zusammengesetzten Blättern 
ein Teil der Foliola nach oben geschlagen ist, während die Mehrzahl 
nach unten sich zurückbiegt, dafs also einmal die morphologische Ober- 
seite der Gelenkpolster sich verkürzt, ein andermal die Unterseite. 
Unter den Krümmungen, die bei Eisbildung besonders deutlich in die 
Erscheinung treten, ist das Rollen der Blattflächen hervorzuheben. 
Ein sehr leicht zu beobachtendes Beispiel bieten unsere winterharten 


!) Prerrer, Pflanzenphysiologie, II. Aufl., 2. Bd. (1904), S. 495. 

2) Bot. Jahresb. 1898, I. S. 582. 

3) Livrorss, Bengr, Über den Geotropismus einiger Frühjahrspflanzen. Jahrb. 
f. wiss. Bot., 38 Bd., 1902, 8. 343. (Z. £. Pflanzenkrank., 1903, S. 277.) 


35 * 


548 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


Rhododendron. HaRSHBERGER !) beschreibt einen Fall bei Rrhododendron 
maximum, bei welchem sich die Blattstiele bis um 70° senkten und 
die Blattränder sich stark rückwärts rollten, so dafs die Oberseite vor- 
gewölbt erschien. Wurden die Pflanzen ins warme Zimmer gebracht, 
hatten schon nach 5 Minuten ihre Blätter in normale Stellung sich be- 
geben. Als Grund dieses Vorganges vermutet H. eine eigenartige 
Reizbarkeit des Plasmas, während ich Spannungsdifferenzen zwischen 
den verschieden gebauten Gewebeschichten annehme. 

Bei mehreren holzigen Pflanzen sieht man eine Bewegung der Zweige 
und Aste und zwar proportional der Kälte. Nach CasparY?) richten 
Acer Negundo und Pterocarya caucasica ihre Beastung auf, während 
Larix, Pinus Strobus sowie Tilia parvifolia die Aste senken; Aesculus 
Hippocastanum und rubra sowie Carpinus Betulus senken die Äste bei 
geringen Frostgraden und richten sie bei stärkerer Kälte wieder auf. 
Bei dieser Hebung oder Senkung vollzieht sich gleichzeitig eine seit- 
liche Bewegung, die bei einzelnen Arten nach rechts, bei anderen nach 
links hin erfolgt. An Cornus sanguinea sah FRANK®) die ein- bis drei- 
jährigen Astchen stark wellenförmig geschlängelt und umeinander 
gewunden. Die meisten Krümmungen zeigten sich deutlich nach einer 
und derselben Himmelsgegend orientiert, so dafs von Frank auf die 
Wirkung eines aus bestimmter Richtung kommenden kalten Luftstromes 
geschlossen wurde. 

Die Ursache für die genannten Bewegungsvorgänge an Blättern und 
Blattstielen sowohl als auch bei Zweigen möchten wir, wie gesagt, in 
Spannungsdifferenzen suchen, welche teils durch Turgescenzänderungen, 
teils durch ungleiche Zusammenziehung verschiedener Gewebeformen 
innerhalb desselben Organs bei Eintritt der Kälte zustande kommen. 

Dats eine Steigerung der Turgescenz der parenchymatischen Gewebe 
bei der „Frostwelke“ der Blätter unter Umständen die Straffheit 
derselben wieder herstellen kann, beweist ein Versuch, den ich bei 
Aesculus Hippocastanum ausgeführt habe. 

Ein dreijähriges Topfexemplar wurde im Februar in ein Warmhaus 
gestellt. Es entwickelte sich sehr kräftig bis Mitte März, so dafs der 
Terminaltrieb bei 14 cm Länge sechs Blätter zur Entwicklung brachte. 
Das gröfste Blattfiederchen der beiden jüngsten Blätter besafs eine 
Länge von 2,5 cm und bei den unteren, älteren von 5 cm bei 9 cm 
Blattstiellänge. 

Die Pflanze kam am 14. März ins Freie. In der folgenden Nacht 
sank die Temperatur auf — 2,5° ©, und am nächsten Morgen bemerkte 
man an vier der ältesten Blätter ein scharfes Einknicken der Blattstiele 
etwa in ihrer Mitte oder etwas unterhalb derselben. Die Knickstelle 
war flach zusammengedrückt und begann alsbald schlaff zu werden. 
Die Spitzen der Teilblättchen, die sonst kein welkes Aussehen hatten, 
waren an den geknickten Blättern schlaff und fingen an, sich braun zu 
verfärben. 

Da ein solches Knicken der Blattstiele bisher nicht beobachtet 
worden war, wurde dieselbe Pflanze in der Nacht vom 21.—22. März 
wiederum ins Freie gestellt. Die Temperatur sank bis — 7° C, und 


!) HarsuBerGer, Jons, Thermotropic movements of the leaves of Rhododendron 
maximum; cit. Bot. Jahresb. 1899, II, S. 141. 

?) Report of the international Horticultural Exhibition ete., London 1866; eit 
bei Nördlinger, Forstbotanik, I, S. 201. 

?) Frank, A. B., Krankheiten d. Pflanzen. Breslau 1895, Bd. I, S. 187. 


Wärmemangel. 549 


am nächsten Morgen hingen die Fiederchen sämtlicher Blätter im 
scharfen Winkel abwärts. Die jüngsten Blättchen zeigten die Er- 
scheinung im geringsten Grade. Selbst in noch gefrorenem Zustande 
erschien kein Teil der jungen Triebe spröde oder von glasiger Be- 
schaffenheit, so dafs auf eine Bildung von Eiskrusten im Gewebe kaum 
geschlossen werden konnte. Die Blättchen waren weich und schlaff und 
von graugrüner Färbung, und die Blattstiele, solange die Pflanze im 
Freien stand, im starken Bogen nach abwärts gerichtet, aber noch 
nicht geknickt. Die Knickung trat erst nach einigen Stunden im 
Zimmer ein, und zwar, wie bei der erst beobachteten Beschädigung, 
wiederum etwa in der Mitte der ganzen Länge. Diese Stelle schrumpfte 
alsbald und bräunte sich. Gleichzeitig begannen sämtliche Teilblättchen 
mit Ausnahme der jüngsten, von ihrer Ansatzstelle aus sich zu schwärzen, 
wobei die Spitzen sich nach oben krümmten und trocken wurden. 

Die Knickungsvorgänge müssen auf Hebelwirkung bei verminderter 
Turgescenz zurückgeführt werden. Denn sobald man einzelne der bei 
der schwachen Frostwirkung eingeknickten Blätter abschnitt und in 
Wasser stellte, verschwanden trotz der Knickstelle die Welk- 
erscheinungen, und es trat eine grofse Straffheit der Gewebe ein. Zwar 
behielten die Teilblättehen ihre dem Jugendstadium eigene Abwärts- 
neigung, aber ihre Intercostalfelder wölbten sich stark zwischen den 
Rippen hervor, und ihre Seitenränder begannen sich nach unten zu 
richten. 

Das Welken und Umknicken erklärte sich durch die inneren Zer- 
klüftungserscheinungen im Markkörper des Blattstieles. Bei der Kastanie 
hat der Blattstiel insofern eine der Achse ähnliche Struktur, als er 
einen geschlossenen’ Gefäfsbündelkreis besitzt, der die breite, farb- 
lose Markscheibe vollständig gleichmäfsig umgibt und in einer der 
Markkrone ähnlichen Abstufung in dieselbe übergeht. Schon nach 
der schwächsten Frostwirkung bemerkte man an den Blattstielen, die 
noch nicht eingeknickt waren, aber durch Erschlaffung der ent- 
sprechenden Stelle als zur Einknickung vorbereitet sich erwiesen, dafs 
dort der Markkörper Lücken in meist radialer Richtung besafs. Das- 
selbe zeigte sich an der Blattstielbasis. Dadurch, dafs der hier im 
Zentrum der Markscheibe verlaufende, aus ein bis zwei Bündeln be- 
stehende Gefäfskörper unberührt blieb und die Risse im Markparenchym 
allseitig radial verliefen, fand man bisweilen eine eigenartige, stern- 
förmige Zerklüftungsfigur. Bei den Blättern, welche erst nach der 
zweiten, stärkeren Frostwirkung eingeknickt waren, erschien die Zer- 
klüftung der Markscheibe bisweilen so stark, dafs der zentrale Gefäfs- 
bündelstrang nur noch durch einen schmalen Parenchymstreifen mit 
den peripherischen Gefäfsbündeln zusammenhing, und die ganze übrige 
Markscheibe sich losgelöst hatte. Die Lücken setzten sich nicht selten 
in oder zwischen den peripheren Gefäfsbündeln fort und bildeten dann 
Zerklüftungen, welche bis zur Rinde reichten. Innerhalb derselben 
können sich noch tangentiale Abhebungen der zwei bis vier äufseren 
collenchymatischen Zelllagen vom zarten, inneren Gewebe hinzugesellen. 
Letzteres erwies sich chlorophyllreich und zeigte bisweilen sogar noch 
geformte Chlorophylikörper. Ähnliche Störungen liefsen sich auch in 
den Mittelrippen stärker geschädigter Teilblättchen nachweisen. 

Hier wurden Bräunungserscheinungen zuerst an den Gefäfswandungen 
wahrgenommen und dann traten sie in einzelnen Parenchymgruppen der 
Rinde auf. 


550 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


Bei der Frostwelke im Freien kann natürlich eine so gesteigerte 
Wasserzufuhr, wie hier im Versuche durch Einstellen der abgeschnittenen 
Blätter in Wasser erzielt wurde, nicht Platz greifen, und deshalb bleiben 
die welken Organe lange Zeit oder auch dauernd im Welkzustande, 
namentlich wenn Gewebezerklüftungen und Veränderungen der Gefäfse 
die Leitungsfähigkeit herabdrücken. Dies kann nicht nur bei den 
einzelnen Arten und Individuen, sondern selbst an den einzelnen Zweigen 
desselben Exemplares verschieden sich gestalten. Ein Beispiel lieferte 
eine Ulme, die in einem Topfe stand und im Winter in einem Warm- 
hause zum Austreiben gebracht worden war. Das Bäumchen, das einer 
Frostnacht mit nur 1°C Kälte ausgesetzt worden war, hatte an seiner 
Spitze gabelartig zwei Triebe entwickelt, welche in Länge, Blattzahl 
und Blattgröfse nahezu übereinstimmten. In der Frostnacht hatte aber 
nur ein Trieb zu welken angefangen 
und zeigte auch einzelne welkende, 
aber keine Farbenänderung auf- 
weisende Blätter. Die erschlafften 
Organe erholten sich bei mehrtägigem 
Aufenthalt im Zimmer nicht mehr, 
verrieten aber auch kein Fortschreiten 
im Welken. Es geht daraus hervor, 
dafs die Frostwelke eine ganz 
lokale mit dem Wasserauftrieb seitens 
der Wurzel nicht in direkter Be- 
ziehung stehende Erscheinung ist. 

Bei den Bewegungserschei- 
nungen der Zweige wird sich die 
Verschiedenartigkeit der Bewegungen 
leicht erklären lassen, wenn man den 
Bau der einzelnen Achsen genauer be- 
trachtet und sieht, wie die Ausbildung 

Fig. 117. Querschnitt durch einen der Jahresringe betrefts der Menge 
Fichtenast, der das feste Rotholz im des dünnwandigen Frühlingsholzes 
inneren Teile der Holzscheibe auf der (Fig. 118) zum derbwandigen eng- 
Zweigoberseite, in den äufseren Jahres- . Ar” 
ringen aber auf der Zweigunterseite lumigen Herbstholze ständig wech- 
zeigt. (Nach R. Harrıc). sell. Man vergleiche in dieser Be- 
ziehung die Studien von R. Harrıe!) 
über den Wechsel von dickwandigem Rotholz zum hellen lockeren 
Zugholz innerhalb desselben Querschnittes eines Fichtenastes. In 
beistehender Fig. 117 zeigt sich das Rotholz in den ersten Jahres- 
perioden auf der Oberseite des Astes besonders stark ausgebildet; die 
späteren Jahrgänge weisen dann einen plötzlichen Wechsel auf, indem 
nunmehr die Astunterseite dunkel durch die dichte Rotholzbildung er- 
scheint. Wie verschieden die Elemente von „Rotholz“ und „Zug- 
holz“ gebaut sind, ersehen wir aus den anatomischen Bildern (Fig. 118 
und Fig. 119). 

Uber das Zustandekommen derartiger Verschiedenheiten erlangen 
wir von R. Hartıc sehr beachtenswerte Mitteilungen. Er gibt an, dafs z.B. 
bei Stämmen mit exzentrischem Wuchse die Jahresringbildung auf der 
beasteten Seite besonders stark entwickelt ist. Die Rotholzbildung erweist 
sich vielfach von der herrschenden Windrichtung abhängig, indem die vom 


') R. Harrıc, Holzuntersuchungen. Berlin, Springer, 1901, S. 50. 


Wärmemangel. 551 


UNITS 


Fig. 118. Rotholz von der Unterseite eines Fichtenastes (Querschnitt). 
Die oberste Zellreihe gehört noch dem Frühjahrsholze an, die unteren vier Reihen 
sind Rotholz, das linksseitig grofse Intercellularräume besitzt. (Nach R. Harrıc.) 


Fig. 119. Querschnitt durch Zugholz von der Oberseite eines Fichtenastes. 
(Nach R. Harrıc.) 


552 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


Winde abgekehrte Seite in der Rotholzbildung begünstigt wird. Hier wird, 
wenn der Westwind beispielsweise dauernd eine Fichte fafst, die West- 
seite gezogen und die Ostseite, nach welcher hin der Baum gebogen 
wird, stärker gedrückt und zur stärkeren Rotholzbildung veranlafst, 
während die bei der Biegung des Stammes gedehnte Windseite Zug- 
holz produziert. Jeder Ast wird eine ebensolche Differenzierung auf- 
weisen, denn durch das Gewicht der Benadlung wird der Ast nach unten 
gezogen; seine morphologische Oberseite steht also unter einem fort- 
währenden Zuge, der einen Reiz auf das Cambium ausübt, welches 
infolgedessen dünnwandigere, weniger verholzte, aber längere Tracheiden 
ausbildet, die das „Zugholz“ darstellen. 

Abgesehen von der Windwirkung wird die Holzausbildung eines 
jeden Astes durch seine Umgebung beeinflufst: die Beschattung durch 
andere Bäume, die Nähe von Felsen oder Mauern, die einseitige 
Wirkung gröfserer Feuchtigkeit, teilweise Entlaubung durch Tierfrafs 
oder sonstige einseitige Anderungen in der Ernährung der 
Achse werden Ungleichheiten in der Quantität und Qualität des 
Jahresringes herbeiführen. Daraus ergibt sich, dafs bei Kältewirkung 
die Zusammenziehung der Gewebe eine sehr wechselnde und die Senkung 
der Aste je nach Verteilung von Zug- und Rotholz eine sehr mannigfache 
sein mufs, also die von den einzelnen Forschern gemachten Beobach- 
tungen keine allgemeine Gültigkeit haben können, sondern nur als 
Einzelfälle vorläufig zu registrieren sind. 

Auf die Spannungsdifferenzen kommen wir in dem Abschnitt über 
die inneren Zerklüftungen eingehend zu sprechen. 


Abfrieren älterer Zweigspitzen. 


Fast so regelmäfsig wie der Blattabfall zeigt sich bei einzelnen 
unserer Holzgewächse ein Abfrieren der Zweigspitzen. Maulbeer- 
bäume, Akazien und Himbeeren liefern die häufigsten Beispiele hiervon. 
(Genauere Studien über diesen Punkt verdanken wir v. MonL!), der 
darauf hinwies, in wie verschiedenen Stadien sich unsere Holzgewächse 
bei Eintritt des Winters befinden. 

Bei manchen dauert das Wachstum der Zweige ungestört fort, so 
lange die Bedingungen für die Weiterentwicklung überhaupt günstig 
sind; dasselbe erleidet nur durch die Frostperiode einen Stillstand und 
fährt sogleich wieder fort an der Stelle, wo es im Herbst aufgehört hat, 
sobald die Temperatur es gestattet. Dies ist bei dem Efeu (Hedera 
Helix) und beim Sadebaum (Juniperus Sabina) der Fall. Bei vielen 
Bäumen schliefst die Entwicklungsperiode eines Zweiges gegen Ende 
des Sommers von selbst dadurch, dafs sich eine Endknospe bildet, 
welche im nächsten Frühjahr die unmittelbare Fortsetzung des Zweiges 
übernimmt, wie bei den Obstbäumen, bei Eichen, Eschen, Fichten und 
Tannen. Bei unseren Kulturen tritt sehr häufig der Fall ein, dafs ein 
zweiter Trieb im Jahre, der Johannistrieb, hervorgelockt wird; der- 
selbe gibt nun nicht selten unreifes Holz, welches im Winter leicht erfriert, 
während das Holz des Frühjahrstriebes stets vollkommen ausreift. 
Eine dritte grofse Gruppe läfst im Laufe des Sommers bei einer ganz 
normalen Entwicklung die mitten in ihrer Entfaltung begriffene Spitze des 
Zweiges auf einmal abfallen. Die Fortsetzung des Zweiges übernimmt 


!) Bot. Zeitung 1848, 8. 6. 


Wärmemangel. 553 


dann im nächsten Jahre die oberste Seitenknospe, wie dies Gymnocladus 
canadensis und Acdlanthus glandulosa zeigen. Weitere Beispiele bieten 
die Linde, Ulme, Platane, Haselnufs. Nun wies v. Mont nach, dafs die 
Bäume, deren Zweigspitzen fast regelmäfsig bei uns erfrieren, zu dieser 
letzten Gruppe gehören, deren Vertreter z. B. in Rom im Oktober 
bereits ebenfalls ihre Zweigspitzen so regelmäfsig abgeworfen und ihre 
Vegetationsperiode damit faktisch beendet haben, wie bei uns die 
Linde. Bei den Bäumen dieser Gruppe, die wir in den Anlagen 
kultivieren, erfolgt ein solcher normaler Vegetationsabschlufs in der 
Mehrzahl der Fälle nicht, und dies zeigt, dafs unsere Sommer für sie 
zu kurz und zu kalt sind, um sie ihre vollständige Entwicklung beenden 
zu lassen. 

Der Frost trifft deshalb immer unreife Triebe. Hierher ge- 
hören Robinia Pseudacacia, Gleditschia, Sophora japonica, Broussonetia 
papyrifera, Morus alba, Salix babylonica und Vitis vinifera. Hier würde 
sich, wenn die Zweige erhalten werden sollen, das vorzeitige Entlauben 
derselben empfehlen. So sind beispielsweise nach den Beobachtungen 
von LAwrRENcE!) im Winter 1708—V unter allen Fruchtbäumen nur die 
Maulbeerbäume erhalten worden, weil man ihre Blätter schon längere 
Zeit vor Eintritt der Kälte zu Futter für die Seidenraupen abgepflückt 
hatte. 

Bei unseren Obstbäumen pflegt man das Absterben der Zweig- 
spitzen infolge der Winterkälte als „Spitzenbrand“ zu bezeichnen. 
Damit in Verbindung steht aber nicht selten eine Folgeerscheinung, die 
erst im Sommer sich geltend macht. Wenn nämlich bei manchen 
Zweigen der Fall eintritt, dafs nur die besonders empfindlichen basalen 
Astringe beschädigt werden, treiben in der Regel diese Zweige noch 
aus und die angelegt gewesenen Blüten entwickeln sich. Aber ungefähr 
im Juni zeigt sich Vergilbung des Laubes, Abwerfen der etwa 
angelegt gewesenen Früchte und Vertrocknen der Zweige. Infolge 
der Beschädigung des Astringes ist die Leitung des Nährmaterials 
gestört. Die Zweige selbst leben noch, solange Reservestoffe vorhanden 
sind. Nach Verbrauch derselben stirbt die Achse. 

Bei Weinstöcken verdient der Fall, dafs die Stöcke bis auf das 
alte Holz herabfrieren, besonderer Erwähnung. Es entwickeln sich 
dann aus der Stammbasis ungemein üppige Reben, von denen man 
früher meist annahm, dafs sie unfruchtbar im folgenden Jahre wären 
und erst im zweiten Jahre Fruchtholz trügen. Dieser Ansicht gegen- 
über haben die Untersuchungen von MÜLLER-TAursau?) erg>ben, dafs 
solches Holz doch schon im Herbst (August) seines Entstehungsjahres 
Fruchtaugen anlegen kann, und dafs demgemäfs die Behandlung des 
Stockes einzurichten ist. 


Das Kirschbaumsterben am Rhein. 


Als einen speziellen Fall der vorhergehend geschilderten Er- 
scheinungen betrachten wir die seit Ende des vorigen Jahrhunderts 
viel besprochene Erkrankung der Süfskirschen in den Kreisen St. Goar, 
St. Goarshausen und Unterlahn. 


!) Görrert, Wärmeentwicklung, 8. 5. 
2) Mürrer-Tuurecau, Über die Fruchtbarkeit der aus den älteren Teilen der 
ee hervorgehenden Triebe, sowie der sog. Nebentriebe. Der Weinbau 1882. 
r. 28. 


554 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


Nach dem mir aus dortiger Gegend zugegangenen Material!) und 
nach anderweitig von mir beobachteten Fällen äuisert sich die Erschei- 
nung in der Weise, dafs ziemlich plötzlich ein Gelbwerden des Laubes 
einzelner Zweige oder der gesamten Krone sich einstellt und, meist 
unter Auftreten reichlichen Gummiflusses, die Zweige oder selbst der 
ganze Stamm absterben. Manchmal treiben auch die Zweige noch an 
der Spitze weiter, während sie am übrigen Teile kahl bleiben. Die 
mikroskopische Untersuchung stellte hochgradige Gummosis fest; selbst 
in den Jüngsten Trieben waren bereits Gummilücken zu finden. Im Holz- 
und Rindenkörper fanden sich vielfach jene Bräunungserscheinungen, 
die wir später bei der Beschreibung der Wirkungen künstlicher Fröste 
noch schildern werden, und zwar waren dieselben selbst bei an- 
scheinend noch gesunden Trieben, Blättern und Fruchtstielen nach- 
weisbar. In älterem Holze sah man mehrfach bestimmte Formen von 
Gewebezerklüftungen, die mit den durch künstliche Fröste hervor- 
gerufenen übereinstimmen. Auf Grund dieses Befundes bin ich der 
Ansicht, dafs nicht nur bei dem „Rheimischen Kirschbaumsterben‘“, 
sondern auch bei den vielfach, aber meist in geringerer Ausdehnung 
sich zeigenden ähnlichen Fällen eine Frostwirkung zur Zeit des 
Frühlingstriebes als hauptsächlichste Ursache anzusehen ist. 

Für die am Rhein belegenen Lokalitäten schildert GörRE?), der 
unserer Ansicht beitritt, die Witterungsverhältnisse im Jahre des Er- 
scheinens der Krankheit folgendermafsen: Die Kirschen standen schon 
in Blüte, als sie am 22. März von einer Kälte von — 9,7° C überrascht 
wurden; es zeigten sich im Laufe des Frühjahrs abnorm starke 
Schwankungen zwischen streuger Kälte und hohen Wärmegraden. — 
Solche Witterungskontraste halte ich für die Ursache äufserst zahl- 
reicher Fälle von Nachwirkungskrankheiten, die bei den Steinobst- 
gehölzen fast stets mit starker Gummosis verbunden sind und von der 
Ansiedlung von Wund- oder Schwächeparasiten begleitet werden. Auch 
für den speziellen Fall am Rhein hat man anfangs einen derartigen 
Pilz, Valsa leucostoma, verantwortlich gemacht?). Bald darauf wies 
aber schon WEHMER*) darauf hin, dafs dieser Pilz, der von Frank als 
Cytospora rubescens zunächst beschrieben worden war, nicht imstande 
sei, die Krankheit hervorzurufen, sondern nur ebenso, wie das gleich- 
zeitige Auftreten von Bakterien, als sekundäre Erscheinung zu betrachten 

1. Den experimentellen Beweis dafür, dafs die Valsa nicht imstande sei, 
in gesundes Gewebe sofort einzudringen, führte zunächst ADERHOLD?). 
Dieser Forscher fand bei seinen künstlichen Gefrierversuchen, dafs 
eine Mitwirkung von Spätfrösten für das Wuchern des Pilzes un- 
verkennbar wäre. 

Betreffs des genannten Pilzes ist AnErRHOLD der Ansicht, dafs, wenn 
der Pilz auch zunächst die durch Frost oder andere Ursachen hervor- 
gerutene Verwundung nötig habe, um sich anzusiedeln, er später aber 


!) Soravzr, P., Das Kirschbaumsterben am Rhein. D. Landwirtsch. Presse 
1900, S. 201. 

2) Görur, R., Das Absterben der Kirschenbäume in den Kreisen St. Goar, 
St. Goarshausen u. Unterlahn. D. Landwirtsch. Presse 1899, S. 1111. 

) Frank, A. B. in D. Landwirtsch. Presse 1899, Nr. 83, S. 949. 

4) Wenwmer, Zum Kirschbaumsterben am Rhein. D. Landwirtsch. Presse 1899, 
Nr. 9. 

5) Aperuorp, R., Über das Kirschbaumsterben am Rhein, seine Ursachen und 
seine Bekämpfung. Arb. d. Biolog. Abt. f. Land- u. Forstw. am Kais. Gesundheits- 
amte. Berlin 1905, P. Parey u. J. Springer. Bd. III, Heft 4. 


Wärmemangel. 555 


sich so kräftigen könne, dafs er parasitär sich weiter ausbreite. Diese 
Anschauung deckt sich mit der von VUILLEMIN !) betreffs der 1887 in 
Lothringen beobachteten Kirschenkrankheit, die grofse Ahnlichkeit mit 
der vorliegenden zeigt. Als Ursache wird Coryneum beijerinckü be- 
zeichnet, zu der der Verfasser Ascospora Beijerinckii als Schlauchform 
zieht. Als Ansicht der genannten Forscher würde sich also ergeben, dafs 
klimatische Ursachen den Krankheitsboden geschaffen haben, aber der 
Pilz immerhin die Krankheit erzeuge. Demgemäfs müsse bei der Be- 
kämpfung alles mit Valsa oder deren Konidienform, der Cyptospora, 
besetzte Holz sorgfältig vernichtet werden. 

Über das richtige Verhältnis dieses Pilzes zur Krankheit erlangen 
wir aber erst einen Einblick durch die neuesten Impfversuche, welche 
Lüstxer ?) ausgeführt hat. Er nahm unter anderem zwei Kirschbäumchen 
von verschiedenen Sorten und knickte ihnen die Kronen ab. Das ab- 
geknickte Ende und das stehengebliebene Stammstück wurden mit den 
Konidien des Pilzes geimpft und aufserdem nachher noch mit konidien- 
haltigem Wasser bestrichen. Da die Krone infolge der Knickung nicht 
absterben wollte, wurde sie später abgeschnitten und an ihren Stamm 
angebunden. Bis Ende Oktober hatte sich der Pilz, wie Fig. 120 an 
den mit >= bezeichneten Stellen zeigt, über das abgeknickte und ab- 
gestorbene Gipfelende ausgebreitet, während der übrige Teil des Stammes, 
obgleich in derselben Weise geimpft, vollständig gesund 
blieb und wieder austrieb. Die Impfwunde war dort normal aus- 
geheilt. 

Ähnliche Ergebnisse citiert Lüüsıner von BEIWERINCK und Ranr 
(Centralblatt für Bakteriologie und Parasitenkunde, II. Abt. Bd. XV, 
S. 374), die mit einer Cytospora auf Pfirsichen und Kirschen Gummi- 
flufs nicht _hervorrufen konnten und nichts über ein Eingehen der 
geimpften Aste berichten. 

Gestützt auf diese Versuche und meine eigenen Beobachtungen 
betrachte ich nicht nur die vorliegende Erkrankung, sondern auch die 
anderen durch Valsa-Arten bzw. deren Pyknidenformen hervorgerufenen 
Erkrankungen als Vorkommnisse unter Mitwirkung von Schwäche- 
parasiten, bei denen nur das Krankheitsbild durch den Pilz be- 
stimmt wird. Die Pilze kommen erst zur Ansiedlung, wenn der Ast 
infolge von Ernährungsstörungen durch Witterungs- oder Bodeneinflüsse 
u. dgl. erkrankt oder mindestens geschwächt ist. Auf solchem Mutter- 
boden bedarf es nachher gar nicht mehr einer Wunde zur Einwanderung 
der Pilze; diese kann auch durch die Lenticellen erfolgen. Die zur 
Ansiedlung derartiger Schwächeparasiten notwendig vorher vorhandene 
Ernährungsstörung braucht durchaus nicht immer durch Frost verursacht 
zu werden; es können ebenso ungeeigneter Standort, Wasserüberschufs, 
Trockenheit u. dgl. den ersten Anstofs geben. Letztgenannten Faktor 
betrachtet nun Lüstner als Schwächungsursache für die Kirschbäume 
am Rhein, während ich an der Ansicht festhalten möchte, dafs in der 
Mehrzahl der Fälle Frostbeschädigungen, und zwar solche, die im 
Frühjahr zustande kommen, die erste Veranlassung darstellen. 

Demnach sehe ich in einer ängstlichen Vernichtung der pilz- 


1) Vurtremis, Paur, Titres et travaux scientifiques. Paris, Typographie, A. Davy 
1890, 4°. 

2) Lüsrtser, G., Beobachtungen über das rheinische Kirschbaumsterben. Bericht 
d. Kgl. Lehranstalt für Wein-, Obst- und Gartenbau zu Geisenheim a. Rh. f. d. Jahr 
1905, von Prof. Wortmann. Berlin, Paul Parey 1906, S. 122. 


556 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


Fig. 120. Mit den Konidien von Valsa leucostoma an zwei Stellen geimpftes 
Kirschenstämmchen, dessen Krone nach der Impfung unterhalb der oberen Impf- 
wunde abgeschnitten wurde. Bei O die normal geheilte Wunde, bei X Pykniden 

der Valsa leucostoma. (Nach Lüsrtxer.) 


Wärmemangel. 997 


befallenen Teile nur einen sehr schwachen Trost. Man vergesse näm- 
lich nicht die Ubiquität der Cytosporeen und ähnlicher Pilzgruppen. 
Die Hauptsache ıst der Anbau von Sorten, die einer bestimmten 
Lokalität sich angepafst haben. Aufserdem aber ist zu versuchen, ob 
die Frostempfindlichkeit nicht durch Kalkzufuhr in humusreichen Böden 
vermindert werden könne. 


Zweigbrand bei Waldbäumen. 


In derselben Weise wie das Kirschensterben beurteile ich eine 
Krankheit, die Fuck£eL bei Aprikosen und Pfirsichen beobachtet hat. 
Das charakteristische Vergilben und Verwelken des Laubes mit nach- 
folgendem Absterben einzelner Aste begann im Juni. Als Ursache sieht 
FUcKEL Cytospora rubescens an, zu der als reife Fruchtform von ihm 
Valsa prunastri Fr. angegeben wird. 

Von den bekannteren Vorkommnissen desselben Krankheitscharakters 
reihe ich hier noch an den „Schwarzen Brand der Rotbuchen- 
triebe“. Nach Wırrkomm!) soll die Ursache des Absterbens der an 
der Basis sich schwärzenden Triebe in einem Pilz zu suchen sein, der 
eine Konidienform wie Fusisporium candidum Lk. entwickelt und zu 
Libertella faginea Desm. zu ziehen sei. Die vollkommene Fruchtform 
wäre demnach @uaternaria Persooniü Tul.?). 

Viel von sich reden machte zu Anfang der achtziger Jahre des 
vorigen Jahrhunderts das Absterben der Pyramidenpappeln, 
das in verschiedener Intensität durch Nord- und Mitteldeutschland zu 
finden war. Ein ähnliches Vorkommnis wurde schon zwischen 1820 
bis 1840 in England beobachtet?). Jüngere Zweige hatten gebräunte 
Rindenstellen, unter denen der Holzkörper meist auch angegriffen er- 
schien. Die Blätter wurden gelblich und schlaff und der Zweig starb ab. 

Unter den verschiedenen Theorien, die zur Erklärung der Erschei- 
nung herangezogen wurden, spielt die Degeneration der Art durch 
fortgesetzte ungeschlechtliche Vermehrung eine Hauptrolle. Obwohl 
von vielen Seiten von Anfang an darauf hingewiesen wurde, dafs ein 
Spätfrost als Ursache anzusehen sei, der die im Vorjahr wenig aus- 
gereiften Zweige beschädigt habe*), siegte schliefslich die Anschauung, 


1) Wırrkomm, Die mikroskopischen Feinde des Waldes. 1866, Heft I, S. 101. 

?) Selecta fung. carp. II, S 105. 

3) Biolog. Centralbl. XI, 1891, S. 129. 

#) In neuerer Zeit hat die Erklärung dieser Krankheit als eine Folge von Frösten 
eine wesentliche Stütze durch die Beobachtungen des Grafen vox Schwerin erhalten 
(Gartenflora 1905, Heft 15, S. 400). Bei einer Reise nach Italien liefs sich feststellen, 
dafs südlich der a keine Erkrankung der Pyramidenpappeln vorhanden war, 
also in der jetzigen Heimat des Baumes von einer Degeneration nichts zu bemerken 
war. Das in Deutschland strichweise hervorgetretene Absterben erklärt sich ein- 
fach als Folgeerscheinung der Ende der 70er Jahre wiederholt nach langen, 
feuchten und milden Herbsten auftretenden Frühjahrsfröste. Von den früheren 
Beobachtern machte Hauvsskxecnr (Bot. Ver. f. Gesamtthüringen; cit. Bot. Centralbl. 
1884, S. 275) bereits darauf aufmerksam, dafs das Absterben sich fast nur in Flufs- 
tälern und Niederungen zeigte, höhere Lagen aber verschont blieben. Eine andere 
beachtenswerte Notiz finden wir von Prrrscn in Petersburg (Deutsche Gärtner- 
zeitung 1884, Nr. 10). Derselbe sah bei einer Reise durch Nord-, West- und 
Mitteldeutschland, dafs die Länge der abgestorbenen Zweigspitzen immer geringer 
wurde, je mehr er nach Süden kam. Dafs gerade Populus pyramidalis frostempfind- 
licher ist als die meisten anderen Pappeln, geht daraus hervor, dafs dieselbe in 
Petersburg nicht mehr fortkommt, während P. alba, laurifolia, suaveolens, balsamea 
u. a. sehr gut dort noch gedeihen. 


558 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


dafs ein Scheibenpilz, Dothiora sphaeroides Fr. das Absterben hervor- 
rufe !). Anderwärts machte man einen Kernpilz, Didymosphaeria populina, 
dafür verantwortlich?). VuILLEMIN®?) führt bei einem Zweigabsterben 
der Hainbuchen Maminia fimbriata und als Zerstörer von Weiden- 
anlagen Didymosporium salicinum an. Schliefslich erinnern wir noch 
einmal an das von AprrEeL*) beschriebene Absterben der Roterlen 
durch Valsa oxystoma, welcher Pilz sein Zerstörungswerk nur bei den 
durch Ernährungsstörungen geschwächten Exemplaren vollziehen kann. 


Abfrieren von Frühjahrstrieben. 


Wenn die Spätfröste den Baum zu einer Zeit überraschen, in 
welcher die Laubknospen sich zu strecken begonnen oder auch zu 
kurzen Trieben sich schon entwickelt haben, dann treten mannigfache 
Beschädigungen und Regenerationserscheinungen ein. Ein bei Kirschen 
mir mehrfach vorgekommener Fall stellt das Absterben des jüngsten 
Vegetationskegels in der sich erschliefsenden Laubknospe dar. Antangs 
ist der Schaden nicht bemerkbar, da die sämtlichen Knospenschuppen 
intakt geblieben sind; nach einiger Zeit aber gibt eine eigentümliche 
Spreizung, hervorgerufen durch Rückwärtsschlagen der sehr turgescenten 
Schuppen und das Ausbleiben des Triebes Veranlassung zur Unter- 
suchung. Später kommen aus den unverletzt gebliebenen Seitenaugen 
schwächlichere Nebentriebe und bisweilen ger ade nach solchen Fr ühjahrs- 
verletzungen auch verbänderte Tr iebe. 

Es ist mir unlängst gelungen, derartige Störungen durch künstliche 
Frostwirkungen hervorzurufen. Fi ig. 121 stellt einen Kirschenzweig dar, 
an welchem die drei Augen durch den Frost ihren Vegetationskegel 
verloren haben. Die ım “Frühling so äufserst energische vegetative 
Tätigkeit hat sich bei den beiden oberen Augen in der Weise geltend 
gemacht, dafs die schuppenartigen Erstlingsblätter grölser, dunkelerüner 
und tleischiger geworden sind und sich nahezu wagerecht auseinander 
gespreizt haben. Am untersten Auge beginnt sogar eine Bildung von 
zwei seitlichen Ersatztrieben. 

In Fig. 121 B findet sich der Zustand einer Knospe mit erfrorenem 
Vegetationskegel genauer dargestellt. Der Vegetationskegel a ist ge- 
schwärzt und vertrocknet und wird durch eine Korkschicht innerhalb 
des angrenzenden, lebendig gebliebenen Gewebes abgestofsen. In dem 
lebendie gebliebenen Teile des Achsenzylinders aber zeigen sich auch 
noch Frostwirkung en in Gestalt horizontaler Markzerklüftungen (Fig. DB, !) 
und -bräunungen, welche notwendigerweise die Funktion des Markes 
als Schwellkörper beeinträchtigen müssen und die Ursache sind, dafs 
die Achse sich nicht so bald wieder in die Länge streckt. Die Spiral- 
gefäfse (g), welche in die Blätter (bl) abgehen, erscheinen ebenfalls 
stark gebräunt; dagegen ist das Parenchym (p) des Rindenkörpers 
wenig beschädigt und von ungemeiner Straffheit. Hier und da fanden 
sich zur Zeit der Untersuchung (21. Juni) bereits Spuren von Stärke. 
Es ist erklärlich, dafs der fast fleischige Rindenkörper einen Überschufs 


1) Rosırur, Pyramidepoplens Undergang. Tillaeg til Nationaltidende 13. No- 
vember 1883. 

2) Vuıwremis, P., Remarques £tiologiques sur la maladie du Peuplier pyramidal. 
Revue mycol. 1892, S. 2. 

3) VUILLEMIN, PT Titres et travaux scientifiques. Paris 1890. 

4) Arreı, O., Über bestandweises Absterben von Roterlen. Naturwiss. Z. f. 
Land- u. Forstw. 1904. 


Wärmemangel. 559 


an Wasser und Nährmaterial erhält und demgemäls eine erhöhte 
Arbeitsleistung übernehmen wird. Der hochgradig gesteigerte Wasser- 
auftrieb ist auch als die Ursache des sparrigen Abstehens der durch den 
Chlorophyligehalt ihrer inneren Gewebeschichten langlebiger gewordenen 
Knospenschuppen (bs) und schuppenartigen Blätter anzusehen. 


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Fig. 121. A: Zweig einer Süfskirsche. Die durch künstlichen Frost beschädigten 

Augen zeigen ihre Schuppenblätter fleischig verdickt und vergröfsert und spreizend 

auseinander gebogen. B: Längsschnitt durch eine frostbeschädigte Knospe des 
nebenstehenden Zweiges. (Orig.) 


Bei den in manchen Jahren innerhalb einzelner Lokalitäten häufigen 
Vorkommnissen dieser Art bemerkt man, dafs in der Regel die bereits 
am weitesten in der Entwicklung fortgeschrittene Gipfelknospe un- 
gestört weiter wächst. Dann erhalten die Zweige ein peitschenartiges 
Ansehen, indem ihre Spitze reich belaubt ist, während die unteren Inter- 
nodien kahl bleiben. Eine andere bei älteren Birnentrieben mir be- 
kannt gewordene Erscheinung bestand in der Schwärzung und dem 


550 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


Absterben der Basalpartie der jungen Triebe, die im übrigen noch 
grün erschienen und erst später vertrockneten. 

Ein spezielles Studium hat Poroxı£ den Erscheinungen des Wieder- 
ersatzes der durch Frost verlorenen Frühlingstriebe gewidmet). Die 
einzelnen Baumarten verhalten sich verschieden. Bei manchen Arten 
scheinen aus den unverletzt gebliebenen Basalaugen der erfrorenen 
Zweige seitliche Triebe hervorzukommen, wie z. B. bei Castanea sativa 
Mill., sowie bei Celtis- und Platanus-Arten. Wenn der junge Trieb 
ganz zerstört ist, erfolgt bei vielen Pflanzen die Neubelaubung durch 
Austreiben „accessorischer Sprosse“. Manche Holzarten legen 
nämlich bei zunehmend kräftiger Zweigernährung in der Achsel eines 
Blattes nicht eine, sondern durch Sprossen des inneren Knospen- 
stammes mehrere Knospen in einer Längsreihe an („Unterknospen‘). 
Diese Unter- oder „Beiknospen“ kommen unter normalen Verhält- 
nissen nur bei kräftigen Trieben einzelner Gehölze (Cercis) zur Ent- 
wicklung; bei Störungen aber, wie z. B. bei starkem Beschneiden, bei 
Verbeifsen und bei Frost, der den aus der Hauptknospe entstandenen 
Trieb vernichtet, bilden sie auch bei anderen Gehölzen das Ersatzmaterial, 
wie z. B. bei Calycanthus floridus, Cercis Siliquastrum, Gymnocladus, 
Liriodendron tulipifera und Robinia Pseudacacia, welche bis vier in der 
Blattstielbasis versteckte Unterknospen entwickelt. Andrerseits kann 
auch der Ersatz aus andern, ebenfalls schon vorjährig angelegten, den 
sogenannten „Säumaugen“ beschafft werden. Es sind dies in den 
Achseln basaler Knospenschuppen bisweilen regelmäfsig zur Ausbildung 
gelangende Augen, wie man bei manchen Weidenarten deutlich wahr- 
nimmt. Wenn die aus zwei Schuppen verwachsene Knospendecke ab- 
fällt, sieht man jeder Schuppenhälfte entsprechend eine Achselknospe, 
die bei Verunglücken des Hauptzweiges zunächst Ersatz bilden kann. 

In andern Fällen greift der Baum zum Ersatz auf seine schlafenden 
Augen vorjähriger Triebe zurück, wie sich bei Rhus, Carya glabra Mill. 
und Juglans rupestris Engelm. vorzugsweise beobachten liefs, während 
Carya amara Mich. und Pterocarya fraxinifolia Lam. vorwiegend Unter- 
knospen zur Entfaltung brachten. Die Koniferen pflegen die erfrorenen 
Sprossen sowohl durch ein Erwecken bisher schlafender Augen als 
auch selbst durch Neubildung von Knospenanlagen in bisher knospen- 
losen Blattachseln, namentlich aus den Achseln der Schuppen an der 
Basis des Jahrestriebes zu ersetzen. . 

Eine besondere Begrenzung in der Art des Ersatzes erfrorener Triebe 
bei den einzelnen Baumarten läfst sich aber nicht ziehen, da die Stärke 
der Frostbeschädigung: einerseits und der bisherige Ernährungszustand 
des Baumes andrerseits im Verein mit der jeder Art charakteristischen, 
sröfseren oder geringeren Leichtigkeit der Adventivknospenbildung in 
verschiedenen Fällen auch verschiedene Ersatztriebe hervorrufen. Je 
üppiger eine Baumart wächst, desto mehr neigt sie zur Bildung von 
Unterknospen, wie man bei Stockausschlägen häufig beobachten kann. 

Bei Weinstöcken erfolgt die Regeneration, wenn der Frost das 
Hauptauge getötet hat, aus den Nebenaugen. Hier kommt es nun sehr 
auf die Zeit der Frostwirkung an. Ist der Tod des Hauptauges schon 
so früh ım Jahre erfolgt, dafs es zu seiner Streckung noch sehr wenig 
Reservestoffe verbraucht hat, dann reicht häufig das in der Rebe vor- 


1) Poroxit, Über den Ersatz erfrorener Frühlingstriebe durch accessorische 
und andere Sprosse. Sitzungsber. d. bot. Ver. d. Prov. Brandenb. XXII, 1880, S. 81. 


Wärmemangel. 561 


handene Reservematerial noch aus, die Nebenaugen derartig: zu kräftigen, 
dafs noch Blütenknospen angelegt werden können. Stirbt das Haupt- 
auge jedoch erst durch Maifröste, dann entwickeln sich die Triebe aus 
den Nebenaugen zwar kräftig, aber ohne Blütenansatz und können erst 
im nächsten ‚Jahre allenfalls zur Fruchtbarkeit gelangen. 


Das Erfrieren der Wurzeln. 


Nach schneelosen Wintern finden sich. namentlich in nassen Lagen, 
nicht selten bei den verschiedenartigsten Gehölzen die Wurzeln er- 
froren, während die oberirdischen Achsenteile am Leben geblieben 
sind. Die Erschemung erklärt sich dadurch, dafs das Wurzelholz 
weicher und lockerer als das Stammholz gebaut ist. Die Weichheit 
liegt einerseits darin, dals zur Zeit, in welcher die Kälte am tiefsten 
in den Boden dringt, das Wachstum der Wurzel noch nicht abgeschlossen 
ist, also der Frost noch junge, unverdickte Elemente trifft; andrerseits 
aber sind auch die fertig ausgebildeten Elemente des Holzkörpers nicht 
so dickwandig wie die entsprechenden Lagen des oberirdischen Achsen- 
körpers. Dies gilt ohne Rücksicht auf den Nährstoff- und Wassergehalt 
des Bodens für alle Lagen. Dafs der Grad der üppigen Entwicklung 
auch einen Einflufs auf die Frostempfindlichkeit ausüben wird, ist nicht 
in Abrede zu stellen; allein dieser Einflufs äufsert sich nach den 
v. Monr’schen Untersuchungen !) in anderer Weise. 

Betreffs des ersten Punktes, des Eintreffens der Frostwelle auf 
noch nicht in Ruhe befindliche Wurzeln, wird eine Betrachtung des 
Ganges der JJahrestemperatur den nötigen Aufschlufs geben. Voraus- 
geschickt sei dabei, dafs die Messungen der Baumtemperatur die Ab- 
hängigkeit derselben innerhalb der Krone von den Wärmeschwankungen 
des Luftmeeres nachweisen, dafs aber die Stammtemperatur, namentlich 
an der Basis und bei dickborkigen Baumarten, sehr wesentlich von 
der Bodenwärme beeinflufst wird?), indem das durch die Verdunstung 
des Laubes notwendig nachsteigende Wasser die Temperatur der Boden- 
schichten mitbringt?). Einen sehr in die Augen springenden Beweis 
liefert R. Harrıs*t). Es wurde von zwei gleichen, von der Sonne be- 
schienenen Bäumen der eine entästet, so dafs der Verdunstungsstrom 


!) v. Mont, Einige anatomische und physiologische Bemerkungen über das 
Holz der Baumwurzeln. Bot. Zeit. 1862, Nr. 29, 33, 34 ff. 

2) BrEITENLoHNER und Bornm (Sitz. d. Kais. Akad. d. Wiss. zu Wien, 17. Mai 
1877) fanden, dafs die Temperatur der unteren Stammpartie ganz unter dem Ein- 
flufs der Bodenwärme steht; wenn aber die Transpiration aufgehoben ist, hängt 
die Baumtemperatur lediglich von der Lufttemperatur ab. 

3) Esermarer, Die physikalischen Einwirkungen des Waldes auf Luft und 
Boden. I, Aschaffenburg 1873, S. 119—139. — Die en zeigten, dafs zwischen 
der Temperatur der Bäume (in Brusthöhe) und des Waldbodens kein wesentlicher 
Unterschied besteht. Mit zunehmender Bodentiefe und Baumhöhe aber werden 
die Unterschiede grofs. Im allgemeinen ergibt sich, dafs vom Oktober bis März 
die Waldbäume kälter sind als der Waldboden. „Die Wurzeln sind in dieser 
Periode die wärmsten Teile des Baumes; mit steigender Höhe nimmt die mittlere 
Baumtemperatur successive ab und ist am tiefsten an den Ästen und Zweigen.“ 
„Im Sommerhalbjahr (vom April bis inkl. September) sind umgekehrt die Wald- 
bäume wärmer als der Boden, d. h. die Temperatur der Bäume nimmt von oben 
nach unten ab und ist während des Tages am höchsten in den Zweigen und Ästen, 
am tiefsten in den Wurzeln.“ Die mittlere Jahrestemperatur der Bäume schwankt 
zwischen 3,9 und 6,7° je nach der Höhe des Standortes über dem Meeresspiegel; 
sie ist geringer als die mittlere Luft- und höher als die mittlere Bodentemperatur 
des Waldes. 

4) Lehrbuch der Paumkrankheiten 1882, S. 177. 


Soraner, Handbuch. 3. Aufl. Erster Band. 36 


562 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 

fast ganz zum Stillstand kam. Das Thermometer wies nun in dem 
belaubt gelassenen Exemplare eine um 10° niedrigere Temperatur auf 
als in dem entästeten. Nach Entfernung der Aste bei diesem zweiten 
Exemplar stieg dessen Temperatur alsbald um 10°. 

Da sich nun im Frühjahr das Luftmeer schnell erwärmt, unterstützt 
es sehr bald die direkte Einwirkung der Sonnenstrahlen auf die Zweige!) 
und erhält dieselben auf der Temperatur, bei der sie wachsen können. 
Je intensiver und länger anhaltend die Luftwärme, um so mehr geht 
das Erwachen des Cambiumringes und seine Produktion neuer Holz- 
und Rindenelemente von der Krone aus stammabwärts, bis es im April 
und Mai die Wurzeläste erreicht und dort nun endlich auch die Pro- 
duktion eines neuen Holzringes einleitet. Die Zeit des Erwachens, die 
Dicke des neuen Holzringes und seine Ausbildung sind bei den ein- 
zelnen Baumarten und Varietäten verschieden. ‚Ja, es zeigt sich auch 
oft eine individuelle Verschiedenheit insofern, als nicht alle Exemplare 
alljährlich imstande sind, soviel plastisches Material in der Baumkrone 
zu produzieren, dafs dasselbe noch zur Ernährung des Cambiummantels 
der Wurzel ausreicht. Es tritt dann der Fall ein, dafs sich der 
Verdickungsring in einem solchen Mangeljahre von der Krone nur bis 
zur Stammbasis erstreckt und sich dann auskeilt, so dafs die Wurzeln 
in diesem Jahre gar nicht dicker werden. 

In derselben Weise, wie die Wärmewelle und damit die Tätigkeit 
des Cambiumringes von oben nach unten fortschreitet, erlischt sie auch 
im Herbst. Da der Boden länger warm bleibt, hat auch die Wurzel 
noch Gelegenheit, ihr wenn auch nicht mehr sehr intensives Wachstum 
fortzusetzen, und somit wird die v. Monr’sche Beobachtung erklärlich, 
dafs die Wurzeln im Dezember, Januar und Februar noch an der Ver- 
dickung der Zellwände ihres letztangelesten Jahresringes arbeiten. 

Positive Zahlen werden hierbei das anschaulichste Bild geben. 
v. Monr fand im Winter 1861/62 an einem Süfskirschhaume die Bildung 
des Wurzelholzes am 4. April noch nicht beendigt. Dabei hatten sich 
die Zweigknospen bereits bis über 2 em Länge entwickelt, und der 
neue Holzring an dem Mutterzweige hatte schon neue Gefäfse soweit 
ausgebildet, dafs ihre Tüpfelung erkennbar war. Die zwischen den 
Gefäfsen liegenden Holzzellen waren noch dünnwandig und besafsen 
erst die Hälfte ihrer typischen Gröfse. An der Wurzel waren aber 
die äufsersten Holzzellen des vorjährigen Jahresringes 
noch nicht einmal verdickt. Nachdem der Baum am 11. April 
bereits geblüht hatte, zeigte die Untersuchung zu dieser Zeit noch 
immer keinen vollständigen Abschlufs des vorjährigen Jahresringes in 
der Wurzel, und erst am 26. April war für die Wurzeln die Ruhe ein- 
getreten. 

An den vorjährigen Zweigen war zu dieser Zeit der neue Jahres- 
ring bereits vollkommen verholzt und schon so dick, dafs man in radialer 
Richtung sechs Gefäfse hintereinander zählen konnte. Im untersten Teil 
des Stammes war dagegen erst eine einzige Reihe von Gefäfsen aus- 
gebildet, und es zeigten sich nur die innersten Holzzellen verdickt. In 
der Hauptwurzel war der vorjährige ‚Jahresring fertig und das Cambium 
auch gleich zu neuer Tätigkeit vorbereitet, da die Rinde sich leicht 
vom Holzkörper trennen liefs; jedoch von einem neuen Holzringe war 


!) Vergl. Krurscn, Untersuchung über die Temperatur der Bäume etc. Jahrb. 
d. Kgl. Sächsischen Akad. zu Tharand, Bd. X, 1854. 


Wärmemangel. 563 


noch keine Spur zu sehen. In den Nebenwurzeln von der Dicke eines 
kleinen Fingers löste sich die Rinde noch nicht; hier war also voll- 
kommene Winterruhe. Sie verharrten auch am 30. April noch in diesem 
Zustande, als die Blätter zum Teil bereits ausgewachsen waren und an 
der Hauptwurzel der neue Holzring durch junge, noch unverdickte 
Gefäfse seine Ausbildung begann. 

Betreffs des zweiten der oben erwähnten Punkte, nämlich der eine 
geringere Widerstandsfähigkeit bedingenden, anatomisch abweichenden 
Bauart der Wurzeln, werden wir einen Einblick gewinnen, wenn wir 
uns erinnern, zu welcher Zeit die Jahresringe im Stamm gegenüber 
denen der Wurzel ausgebildet werden. 

Bei der Stammproduktion wird der fertige Abschlufs des Jahres- 
ringes um so früher in das Jahr fallen, je höher er in der Krone liegt, 
mithin wird dort seine Ausbildung überwiegend aus Frühjahrsholz be- 
stehen. Ehe die Herstellung des Jahresringes bis zur Stammbasis fort- 
schreitet, ist es schon Sommer geworden und daher nicht mehr viel 
Zeit zur Ausbildung von Frühjahrsholz. Somit mus die Differenzierung 
des Jahresringes in der Weise vor sich gehen, dafs (gleichviel ob ein 
Jahresring dick oder dünn ist) die relative Menge vom Frühjahrs- 
holz zum Herbstholz von oben nach unten abnimmt, also relativ 
das Herbstholz immer nach der Stammbasis hin zunimmt. Diese Vor- 
aussetzung ist durch direkte Messung von v. MoaL!) sowohl als von 
Harrıc?) und Sanıo®) tatsächlich bestätigt worden. Es kommt hinzu, 
dais der Baumteil, je dicker er ist, ein desto höheres Wärmemaximum 
erreicht ®). 

Auf der überwiegenden Herbstholzbildung beruht die Festigkeit der 
Stammbasis. 

Für die Ausbildung des Wurzelholzes kommt der Charakter der 
Holzart in Betracht. Bei den Koniferen mit ihrem frühen Abschlufs 
des Wurzelwachstums fällt die Ausbildung noch in die Zeit gröfserer 
Bodenwärme und Trockenheit, und demgemäfs wird sich meistens 
Herbstholz bilden. Ist viel Material da, also der JJahresring breit, 
dann ist ein starker Herbstholzring vorhanden (v. Most). Bei den Laub- 
bäumen, bei denen sich die Ausbildung des Wurzelholzes bis zum 
nächsten Jahre hinzieht, ja, wie oben gezeigt worden, manchmal erst 
zur Blütezeit des neuen Triebes abschliefst, sind alle Differenzierungen 
schwächer und die Grenzen der ‚Jahresringe verwaschener. Da es in 
den Bodenschichten erst Frühling wird, wenn es oben schon Sommer, 
ist die Bildung von Frühlingsholz immer vorhanden. Bei weiterem 
Fortschreiten des Jahresringes hängt dessen Ausbildung von dem Grade 
und der Dauer der Bodenwärme und Trockenheit ab. Bringt ein Jahr- 
gang eine lange trockene Periode, wird sich Herbstholz vorfinden; ist 
dies nicht der Fall, beschränkt sich die Ausbildung auf das Frühlings- 
holz und zeigt nur einen schwachen Ansatz von Herbstholz. Daher 
der lockere Bau bei schmalringigen Wurzeln. 

In kurzer Wiederholung des Dargestellten können wir den Unter- 
schied zwischen Wurzel und Stamm bei den Laubbäumen dahin 


1) a. a. O. 

14a a, 0: 

3) Jahrbücher f. wissensch. Bot. IX, S. 115 ff. 

4) Inxe, Über Baumtemperatur unter dem Einflufs der Insolation. Bot. Central- 
‚blatt 1883, Nr. 34, S. 234. Vonnausen, Untersuchungen über den Rindenbrand. 


Allg. Forst- und Jagdzeitung 1873. ER 


564 1I. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


zusammenfassen, dafs erstens alle Jahresringe in der Wurzel weit 
schmäler als die entsprechenden des Stammes sind, und dafs bei der 
steten Ausbildung des porösen Frühjahrsholzes diese schmalen Schichten 
überwiegend porös sind. Bei den Koniferen findet sich betreffs der 
geringen Breite der Jahresringe derselbe Unterschied zwischen Stamm 
und Wurzel, und ebenso nimmt, je dünner der Jahresring ist, desto 
mehr das Herbstholz im Verhältnis zum Frühlingsholz ab. Überall 
sind die Holzzellen länger und weiter und deren Wandungen dünner 
in der Wurzel als in den entsprechenden Stammteilen. 

Dem Erfrieren der Wurzeln ist darum eine gröfsere Aufmerksamkeit 
zu widmen, weil dadurch zahlreiche Fälle sommerlichen Absterbens 
einzelner Baumindividuen. oder -gruppen mitten unter Altersgenossen 
derselben Art ihre Erklärung finden. Die Bäume mit erfrorenen 
Wurzeln pflegen nämlich, wie die gesunden, im Frühjahr auszutreiben 
und entwickeln auch noch normale, wenn auch in der Regel mit 
kleineren Blättern versehene Triebe. Erst im Sommer, und dann aller- 
dings schnell fortschreitend, tritt Vergilbung des Laubes und Vertrocknen 
der Zweige ein. Der Wasservorrat der Achse ist dann durch die 
Transpiration der Blätter aufgebraucht. 

Selbst in Gegenden und bei Varietäten, wo eine Beschädigung der 
oberirdischen Achse durch Winterfröste nicht zu befürchten, wird man, 
in Rücksicht auf die Empfindlichkeit der Wurzeln, Topfobstbäume in 
geschützte Räume zu bringen haben und bei Freilandkulturen den 
natürlichen Schutz durch Laub und Schnee nicht nur belassen, sondern 
womöglich erhöhen. Bei Anlage von Gehölzkomplexen wird man nur 
dann die sonst vorteilhafte Herbstpflanzung unbedenklich ausführen 
können, wenn es sich um absolut frostharte Gehölze handelt, oder wenn 
man so früh im Herbste mit der Pflanzung vorgeht, dafs, tüchtiges 
Einschlämmen der Wurzeln vorausgesetzt, man noch ein Anwurzeln 
und dichtes Anlegen der Erde annehmen darf. Dafs eine Bildung 
feiner Haarwurzeln noch im Winter stattfinden kann, beobachtete schon 
DuHaMEL!) und wurde später von LinpLry bestätigt. Bei Baumanlagen 
von geringerer Ausdehnung wird sich durch Bedeckung des gelockerten 
Bodens das tiefere Eindringen der Kälte in denselben abschwächen 
lassen. Dafs frisch verpflanzte Bäume durch Winterfrost an ihren 
Wurzeln leichter leiden als auf ihrem Standort belassene Exemplare, 
ist eine vielfach gemachte aber nicht ausnahmslose Erfahrung. 


Frostspalten. 


Die Temperatur im Innern starker Baumstämme kann nur langsam 
der Aufsentemperatur folgen, und darum ist das Stamminnere vom Morgen 
bis Mittag kälter, am Abend aber wärmer als die umgebende Luft ?). 
Die Zusammenziehung der Gewebe bei Eintritt von Kälte wird somit 
in den äufseren Stammschichten sich schon geltend machen, während 
der Kern noch seine frühere Ausdehnung beibehält. Auf diese Weise 
kommen Spannungsdifferenzen zustande, die um so gröfser sein werden, 
je schroffer der Temperaturwechsel eintritt. Nun zieht sich bei 
Temperaturerniedrigung der Holzkörper in der Richtung des Umfanges, 
also tangential stärker zusammen als in radialer Richtung, so dafs der 
peripherische Mantel für den noch wärmeren Stammkern eigentlich zu 


!) Des semis et plantations des arbres. S. 155. 
2) Rov W. Squıres, Minnesota Bot. Studies. Bull. 9, 1895. 


Wärmemangel. 565 


eng wird. Er mufs demgemäfs tangential gespannt werden, wenn er 
den Kern noch vollkommen umschlossen halten soll. Kann er sich bei 
zunehmender Kälte nicht mehr genügend dehnen, so mufs er reifsen. 
Auf diese Weise müssen Risse in der Baumrinde zustande kommen, die 
um so tiefer in das Holz sich fortsetzen werden, je strenger die Kälte 
und je gröfser die Differenz zwischen den abgekühlten peripherischen 
und den wärmeren zentralen Geweben des Stammes ist. Bei plötzlich 
sich einstellender starker Kälte hat man nun wahrgenommen, dafs unter 
beträchtlichem Knall einzelne Baumstämme der Länge nach einen tief 


Fig. 122. Frostleiste an einem Stamm von Acer campestre. (Nach Frank-Schwarz.) 


klaffenden, der Drehung der Holzfaser folgenden Spalt bekommen. 
Einzelne Baumarten zeigen diese Erscheinung besonders häufig. In 
erster Linie leidet die Rofskastanie; aufserdem sind Eiche, Pappel und 
Kirsche hervorzuheben. Der Spalt bleibt nur klaffend offen, solange 
die strenge Kälte anhält. Bei Eintritt wärmeren Wetters werden die 
Spaltränder einander genähert, und zwar bis zum gänzlichen Schlufs 
der Wunde, welche aber kaum jemals gut verheilt und meist in den 
folgenden Wintern ‚wieder aufbricht. Der Heilungsvorgang ist der 
normale, indem aus dem Cambium, dem Jungholz und der Jungrinde 
Überwallungswülste gebildet werden, die miteinander zu verkleben be- 
strebt sind. Diese hervorquellenden UÜberwallungsränder finden aber 


566 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


nicht, wie bei jeder anderen Verletzung mit freiliegender Wundfläche, 
den notwendigen Raum zu ihrer Ausbreitung, sondern sind gezwungen, 
steil gegeneinander zu wachsen und sich über die Spaltwunde empor- 
zuheben. Sie bilden daher durch den gegenseitigen Druck nach aufsen 
vorspringende, in der Mitte lippenartig vertiefte Wülste, die als „Frost- 
leisten“ bezeichnet werden. 

In Fig. 122 sehen wir eine derartige Frostleiste an einem starken 
Stamme von Acer campestre, der eine Anzahl radialer Zerklüftungen 
zeigt. Einer dieser radialen Risse hat den Stamm in seiner ganzen 
Dicke zersprengt, so dafs ein äufserlich sichtbarer, anfangs weit klaffender, 
bei Eintritt wärmerer Witterung sehr eng gewordener Spalt entstanden 
ist. Als der Baum im Frühjahr von, seiner Cambiumschicht aus den 
Spalt schliefsen wollte, fanden die Überwallungsränder keinen Platz, 
sich in den Spalt hineinzulegen und mufsten daher nach aufsen sich 
biegen. Daher die lippenartigen Vorsprünge, die der Querschnitt er- 
kennen läfst. Ein derartiger Wundheilungsvorgang ist bisher bei keiner 
anderen Stammverletzung beobachtet worden, so dafs sein Auftreten 
als unbedingt sicheres Merkmal für Frostwirkung bezeichnet werden darf. 

Caspary !) ist dieser Erscheinung experimentell näher getreten. 
Er wies durch direkte Messung nach, dafs der Ausdehnungskoeffizient 
des frischen Holzes sowohl in der Richtung des Umfanges als auch 
des Radius den aller festen Körper, auch denjenigen des Eises, beträcht- 
lich übersteigt und nur von der Luft übertroffen wird. Dies erklärt 
die plötzliche Entstehung tiefer Spalten. 

Wie weit der Spalt sich öffnet, ist bei derselben Baumspezies und 
Stammstärke individuell verschieden; aber darin stimmen alle Fälle 
überein, dafs, wenn die Frostspalten einmal entstanden sind, nach 
ihrem Zusammengehen bei Tauwetter ein sehr geringer Kältegrad hin- 
reicht, um sie wieder zu öffnen. Dies erklärt sich daraus, dafs zur 
Entstehung der Spalten eine Kraftmenge nötig ist, welche die Kohäsion 
der Zellelemente in der ganzen Länge des Stammradius zu überwinden 
hat, während bei dem Eintritt erneuter Kälte zum Wiederöffnen des 
Spaltes in demselben Jahre nunmehr gar kein Widerstand und im 
nächsten Winter nur der des letztjährigen, neugebildeten Wundschlusses 
zu überwinden ist. 

Alle im Winter entstehenden Frostspalten gehen meist tief in das 
Stamminnere hinein. Im alten Holzkörper aber ist der Baum unfähig, 
neues Vernarbungsgewebe zu bilden; infolgedessen stellt jede Frost- 
spalte eine dauernde, wohl äufserlich zu überdeckende, aber im Innern 
stets unverheilte Wunde dar. Dieselbe wird um so bedeutungsvoller, 
je mehr zu dem radialen, grofsen Froststpalt sich noch seitliche 
tangentiale Sprünge gesellen. Diese laufen meist in den Lagen des 
Frühlingsholzes und können durch radiale Querrisse untereinander ver- 
bunden werden. Es tritt dann eine gefelderte Zerklüftung ein, welche 
den Holzkörper technisch vollkommen unbrauchbar macht und durch 
Erleichterung der Ausbreitung holzzerstörender Pilze den Tod des 
Baumes beschleunigt. 

Wir erhalten dann Bilder wie in Fig. 123, welche den Querschnitt 
eines Eichenstammes darstellt, der durch Polyporus sulfureus von einer 
Astwunde aus besiedelt und zerklüftet worden ist. 


1) Casrany, Neue Untersuchungen über Frostspalten, Bot. Zeit. 1857, No. 20—22. 
In einer früheren Abhandlung, Bot. Zeit. 1855, S. 449, hat Verf. auch die ältere 
Literatur angegeben. 


Wärmemangel. 567 


Während die Zerklüftungen der Stämme durch lange, den gröfsten 
Teil des Baumschaftes durchziehende Spalten vielfach beschrieben 
worden sind!), ist der Entstehung kurzer, weniger tief gehender und 
leichter sich schliefsender Spalten nicht genügend Beachtung geschenkt 
worden. R. Harrıs?) gedenkt derselben bei der Weilstanne, wo sie oft 
nur ganz kurz sind, in den höheren Schaftteilen auftreten und meist 
sehr bald verwachsen, ohne Frostleisten zu bilden. Auch sie verlaufen 
in der Richtung der Holzfaser, also meist etwas schräg. Aufser bei 
der Tanne sah ich derartig ‘kurze Frostspalten, und zwar oft mit 


Fig. 123. Eichenstamm durch Polyporus sulfureus zerklüftet. (Nach Frank Schwarz.) 


lippenartiger Verwallung, namentlich bei der Rotbuche, der Kirsche 
ınd Platane. Bemerkenswerterweise sind diese Baumarten durch eine 
lange Zeit glatt bleibende Rinde ausgezeichnet. Hier bemerkt man 
auch am leichtesten die Bevorzugung gewisser Baumseiten bei der 
Entstehung der Frostrisse. Wenn die Bäume nicht zufällig durch ihre 
Nachbarschaft geschützt sind, sondern frei stehen, wird man bei der 


') Görrerr, Über die Folgen äufserer Verletzungen der Bäume, S. 30. Breslau 
1373. Verf. hat an 76 verschiedenen Gehölzarten Frostrisse kennen gelernt. 

2), R. Hırrıc, Lehrbuch der Pflanzenkrankheiten, 3. Aufl., S. 214. Berlin 1900, 
Julius Springer. 


968 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


Mehrzahl derselben feststellen können, dafs die West- und Südwest- 
seiten die reichlichsten Frostverletzungen zeigen. Wie verschieden sich 
die einzelnen Baumseiten verhalten, lehren z. B. die Strafsenpflanzungen 
von Platanen. Zur Zeit, wenn das bekannte normale Abschuppen der 
Stämme beginnt, wird man sehen, dafs die meisten Borkenschuppen 
zunächst auf den zwischen West und Süd gelegenen Stammseiten -ab- 
gestofsen werden. 

Bisweilen werden „Trockenrisse“ als Frostrisse angesprochen, 
worauf NÖRDLINGER !) besonders aufmerksam gemacht hat. Die Trocken- 
risse, welche namentlich bei kräftigen Bäumen sich einstellen, die auf 
eine undurchlassende Bodenschicht gelangen oder sonst plötzlich starken 
Wassermangel zu erleiden haben, charakterisieren sich dadurch, dafs 
sie entweder in ihrem radialen Verlauf wiederholt absetzen, also in 
den älteren Jahresringen in einem anderen Radius verlaufen als in den 
Jüngeren, oder überhaupt nur kurz mitten in der Holzscheibe einen 
oder zwei ‚Jahresringe radial spalten. Derartige innere Spalten er- 
scheinen dann in Form einer Lanzenspitze, d. h. in der Mitte am 
meisten verbreitert. Da bei den bis zur Rinde gehenden Spalten die 
Wunde offen bleibt, neigen sich auch die Überwallungsränder in den 
Spalt hinein, bilden also keine vorspringenden Leisten wie die Frost- 
spalten. 


Frostbeulen. 


Im Anschlufs an die Frostspalten wäre der sogenannten ‚inneren 
Frostrisse“ zu gedenken, welche R. Harrıg?) an Eichen und Tannen 
beobachtet hat. 

„Wenn bei starker Kälte der Baum schwindet°), sagt er, so können 
zwar im Holzkörper in der Spaltungsfläche Risse entstehen, die aber 
nur bis zum Rindenmantel verlaufen, ohne letzteren zu zer- 
sprengen. Die Rinde, welche ja keine radialen Spaltflächen besitzt, 
hält den Holzkörper zusammen. Allerdings wird die elastisch dehn- 
same Tannenrinde da, wo innerlich ein Frostrifs mündet, auseinander- 
gezogen und verliert dadurch einen Teil ihrer Elastizität. Wenn dann 
in der Folge der Baum dicker wird, so übt die Rinde hier einen 
geringeren Druck auf das Cambium aus, und der Zuwachs wird dadurch 
lokal gesteigert. Der Stamm erscheint äufserlich nicht rund, sondern 
mit leistenförmigen Vorsprüngen versehen.“ 

Einen ganz ähnlichen Vorgang nahm ich bei der Entstehung der 
Gebilde an, welche ich als Frostbeulen bezeichne. Es sind dies 
breitkegelförmige, aber meist abgeflachte, bisweilen Il cm hohe Auf- 
treibungen an glattrindigen zwei- bis mehrjährigen Stämmen oder 
Zweigen. 

Nicht zu verwechseln sind diese Beulen mit den bei üppigen 
Kulturvarietäten gar nicht selten vorkommenden, kegelförmigen Buckeln, 
die unter der Rinde sofort einen harten, holzigen Kern erkennen 
lassen, während die Frostbeulen zum Teil stets, zum Teil wenigstens 
im Jahre ihrer Entstehung aus einer‘ weichen, mit dem Nagel leicht 
zerdrückbaren Gewebemasse bestehen. 


!) Nörpuisnger, Trockenrisse (falsche Frostrisse) an der Fichte. Auch ein Grund 
der Rotfäule. Centralbl. f. d. gesamte Forstwesen. Wien 1878, Heft 6. 

>) R. Harrıc, Innere Frostspalten. Forstl.-naturwiss. Zeitschr. 1896, S. 483. 

®) Lehrbuch der Pflanzenkrankheiten 1900, S. 214. 


Wärmemangel. 569 


Die von Anfang an hart verholzten Erhebungen, für welche ich 
den Namen „Gefäfsbuckel“ in Vorschlag bringen möchte, haben 
fast immer eine bestimmte Stellung zum Auge, während die Frost- 
beulen an beliebigen Stellen des jungen Stammes oder des Zweig- 
internodiums sich zeigen. Die „Gefätfsbuckel“ sind einspitzige oder 
zweispitzige, berindete Holzanschwellungen, welche wie Maseranfänge 
über die Peripherie des übrigen Holzkörpers hervortreten; sie ver- 
danken ihre Entstehung der übermäfsigen Entwicklung der beiden Gefäls- 
bündel, welche normalerweise in jedes Augenkissen gehen und sich 
mit dem zentralen, stärksten Bündel zur Bildung des Gefäfsbündel- 
körpers im Blattstiel vereinigen. 

Bei den (weichen) Frostbeulen finden wir keine Beziehungen zu 
den Blattspursträngen. Sie zeigen sich an beliebigen Stellen und ent- 
stehen durch blasenartiges Abheben des Rindenkörpers vom Holz- 
zylinder. Das auf letzterem stehen gebliebene Jungholz tritt, da die 
Abhebungen nur bei Spätfrösten, also zur Zeit reicher vegetativer Tätigkeit 
sich einfinden, sofort in Zellvermehrung und füllt den Hohlraum mit 
zartwandigem Parenchymholz, das an der Peripherie allmählich in 
normales Holz übergeht. 

Der ganze hier stattfindende Prozefs ist derselbe, welcher bei der 
Neuberindung einer künstlich hervorgerufenen Schälwunde eintritt. Der 
Unterschied liegt bei der Beulenbildung nur darin, dafs die Rinde 
nicht abgeschält, sondern nur stellenweise durch Frost abgehoben und 
dafs somit die vom Holzkörper ausgehende Neuproduktion dem Auge 
zunächst nicht sichtbar wird. Man kann sie bisweilen in ihrer un- 
gemeinen Uppigkeit sehr klar erkennen, wenn man bei groisen Frost- 
beulen die Rinde aufschneidet. Es gelingt dann, hier und da eine 
mehrere Zentimeter lange und 0,5—1,0 cm hohe gekrösartige Wucherung, 
die gar nicht mit der alten Rinde zusammenhängt und nur auf dem 
Holzkörper ruht, blofszulegen. In einem Falle (bei der Birne Bonne 
Louise d’Avranche) hatte die Wucherung den Rindenmantel gesprengt 
‘ und war als unregelmäfsig konturierte, etwa kegelförmige Masse mit 
warzig-krümeliger Oberfläche weit über den Stammumfang hervorgetreten. 

Ältere Zustände verheilter Frostbeulen konnte ich bei Ahorn, 
Kirsche und Apfel beobachten. Bei Ahorn sind sie bisher am schönsten 
anzutreffen gewesen, und zwar an zweijährigen, über 1’; m Länge be- 
sitzenden Trieben. Manche derselben zeigten in ihrem ganzen Ver- 
laufe mit Ausnahme der Spitzenregion kleine, flache, etwa '/s mm hohe, 
allseitig sanft verlaufende, vollkommen berindete Buckel, welche mehr 
durch das Gefühl als durch das Auge bemerkbar waren. Die äufsere 
Rinde erschien durchaus normal und als die direkte Fortsetzung der 
übrigen, nicht erhabenen Partie des Zweiges. Im Querschnitt läfst sich 
die Ursache der Rindenauftreibung in einer Anschwellung des Holz- 
körpers erkennen, welcher im Anfange des zweiten Jahresringes ein 
Nest holzparenchymatischer, sehr weiter, stärkereicher Zellen gebildet hat. 
In der Regel findet sich ein solches Parenchymholznest genau zwischen 
zwei Markstrahlen, so dafs der seitliche Übergang von diesem krank- 
haften Holzgewebe zum gesunden ein ziemlich plötzlicher ist, während 
diese abnormen Holzelemente in radialer Richtung ganz allmählich die 
normalen Dimensionen und Verdickungen annehmen. Nur zeigen sich 
noch in dem radial angrenzenden sowohl wie in dem seitlich an- 
stofsenden, regulär gebauten Holze einzelne stark erweiterte und ver- 
kürzte, mit Stärke (im März untersucht) erfüllte Holzzellen. 


570 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 

In dem Holzparenchymneste finden sich unregelmäfsig verlaufende 
gelbe Streifen; die gelbe Färbung rührt von gequollenen Zellwandungen 
her, die bei Frostschädigungen allgemein vorkommen. Auch andere 
Merkmale einer bestimmten Gruppe von Frostschäden sind vorhanden, 
wie z. B. die Zerrung der Markstrahlzellen an der Froststelle 
nach einer Seite hin und die tonnenförmige Erweiterung des Mark- 
strahles bei seinem Eintritt in das Parenchymnest. Diese tonnenförmige 
Erweiterung des Markstrahles wird weniger oft durch Vermehrung seiner 
Zellen hervorgerufen als durch Verbreiterung derselben auf Kosten ihrer 
Länge; dabei bemerkt man nicht selten eine in die Augen springende Ver- 
diekung der sekundären Membran. Eine Zellvermehrung zeigt sich am 
häufigsten bei den einzelligen Markstrahlen, die von der Froststelle 
aus zweizellig werden. Je weiter sich ein solcher Markstrahl in das 
Parenchymnest hinein fortsetzt, desto breiter und kürzer erscheinen 
im Querschnitt seine einzelnen Zellen und mit desto schiefer stehenden 
Wandungen greifen sie keilförmig: ineinander, anstatt stumpf aneinander 
gefügt zu bleiben; endlich werden alle Zellen in dem Parenchymneste, 
dessen Elemente im Zentrum des Nestes am weitesten sind, gleich- 
gestaltet, so dafs man überhaupt eine Differenzierung der Markstrahlen 
nicht mehr erkennt. . 

Dem gelb- bis braunstreifigen Neste von Parenchymholz entspricht 
in demselben Radius eine ehemals damit zusammenhängende, jetzt aber 
durch dazwischengeschobenes, neues Holz getrennte, braune Rinden- 
zone, die tangential gestreckt ist. 

Bei dem Färben der Schnitte mit Campecheholzextrakt zeigten 
sich oft sehr hübsche Bilder, wenn konzentrierte Chlorzinkjodlösung 
hinzutrat. Die Holzzellwandungen in ihrer verschiedenartigen Ver- 
dickung traten deutlicher hervor. Einzelne Gruppen von Holzzellen 
färbten ihre Wandungen intensiver gelb und zeigten sich mehr ge- 
quollen; es waren dies die Wände der die Gefäfise umgebenden, 
stärkeführenden, gefächerten Holzzellen!), welche somit 


!) Aus diesen gefächerten Holzzellen kann man zur Zeit des Erwachens der 
Vegetation bei Behandlung der Schnitte von Acer, Salixz viminalis und anderen 
Gehölzen mit stark sau- 
rer, konzentrierter Chlor- 


7 ek grofse, 
u. [97 yL > .. 
380% UN 2295 dunkelblaue tärke- 
Ze RE ranken austreten sehen 
N (vergl. Fig. 124 r). Die 


(@\ 
AD 


Struktur der Ranken ist 
verschieden. Bald er- 
kennt man ihre Zu- 
sammensetzung aus den 
einzelnen, unregelmäfsig 
gequollenen Stärkekör- 
nern noch sehr deutlich, 
indem ein fester ge- 
bliebener Kern der Kör- 
ner über die Oberfläche 
der glatten, durch Ver- 
schmelzung der periphe- 
rischen Schichten der 
Stärkekörner entstan- 
denen Wandung der 


Fig. 124. Stärkeranken bei Behandlung der Schnitte junger 
Weidenzweige mit Chlorzinkjod. Die Ranken treten aus 
den angeschnittenen gefächerten Holzzellen hervor und 
krümmen sich vielfach in die Gefäfslumina hinein. (Orig.) 


schlauchförmigen Ranke 
höckerig hervortritt; 

bald jedoch ist die Sub- 

stanz der hohlen Ranke 


Wärmemangel. 571 


empfindlicher sein dürften als die anderen Elemente des 
Gefäfsbündels. 

Bei Frostbeulen der Kirsche, die in Fig. 125 und 126 skizziert 
sind, zeigt sich das anatomische Bild insofern etwas abweichend von 
den Frostbeulen des Ahornzweiges, als hier meist der Gummiflufs infolge 


Fig. 125. Frostbeule am Zweige einer Süfskirsche. Medianer Schnitt. (Orig.) 


der Verletzung sich hinzugesellt. Fig. 125 ist der Querschnitt aus dem 
Zentrum einer Beule, Fig. 126 ein seitlich der Mediane der Wunde ent- 
nommener Längsschnitt. r ist der braune Streifen aus totem Gewebe, 
welcher den die Beule veranlassenden, inneren, feinen Rıifs zunächst 


gleichmäfsig hautartig und die Oberfläche glatt; die Spitze erscheint oft zackig. Bei 
älterem Holze treten die Stärkeranken im Herbstholze des letzten und vorletzten 
Jahresringes am zahlreichsten auf. Glycerin hellt die Ranken oder, besser gesagt, 
Stärkeschläuche auf, die übrigens sowohl auf der Oberseite als auf der Unterseite des 
Schnittes hervortreten. Alkohol läfst sie schärfer konturiert und dunkler erscheinen; 
Kalilauge entfärbt sie und zeigt die körnigen Bestandteile der Wandung besser. 
Die Bildung der Ranke scheint zu erfolgen durch Quellung der Stärkekörner, die 
dann platzen und ihren Inhalt mit dem Reagenz zu einer Membran umformen, an. 
der man bisweilen helle kreisrunde Stellen erkennt, gleichsam als ob Vakuolen bei 
der Bildung angelegen hätten. Die zackige Beschaffenheit der Spitze wird durch 
unregelmäfsiges Hervortreten der einzelnen äufsersten Stärkekörnchen bedingt. 
Diese Ranken möchte ich für Traubesche Zellen halten; stark saures Chlorzink 
mit Kali allein zeigte hautartige Niederschläge. Zinnchlorid (neutral) und Eisen- 
chlorid (sauer) erzeugen keine Ranken, die übrigens durch Schwefelsäure oder Salz- 
säure nicht zerstört werden; ein Eintrocknen der Zweige, die vorher viele Ranken 
zeigten, vermindert die Ausbildung derselben oder hebt sie ganz auf. Überhaupt 
ist diese Erscheinung nicht immer hervorzurufen; sie scheint an eine besondere 
Beschaffenheit der Stärke kurz vor ihrer Auflösung im ersten Frühjahr gebunden 
zu sein. 


372 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


begrenzte. Dieser Rifs war äufserlich gar nicht sichtbar; denn die 
äufsersten Rindenschichten e sind unverletzt geblieben, obwohl die 
Wunde ziemlich tief war und bis in das alte Holz h hineinreichte; sie 
mufs aber von Anfang an sehr eng gewesen und zu einer Zeit ent- 
standen sein, in der eine Überwallung sofort möglich war, denn es 
senkte sich das überwallende Gewebe alsbald in die Wunde r, ohne 
dafs erst gröfsere Gewebepartien zum Absterben gekommen wären. 
Dieses junge, weiche Überwallungsgewebe sowie die an die erkrankten 
Partien der Rinde angrenzenden Zellen erzeugten alsbald dicke Kork- 
lagen ku, welche das tote Gewebe vollständig einhüllten und von dem 
gesunden isolierten. Die Hartbastbündel b, welche mitten im gesunden 
Rindengewebe in der nächsten Nähe der Wunde erkrankten, sind durch 
isolierte Korkumwallungen (Fig. 125 «) eingeschlossen, so dafs von ihnen 
aus eine weitere Zersetzung des umgebenden chlorophylihaltigen Rinden- 
parenchyms nicht stattfinden kann. 


Fig. 126. Dieselbe Wunde wie bei Fig. 125 dargestellt. Seitlich geführter Schnitt. 
(Orig.) 


Bei dem Heilungsvorgange bemühten sich nun das neue Holz n h 
und die neue Rinde nr, die Wunde von den Seiten her zu überdecken. 
In der Mitte der Wunde, wo die klaffenden Ränder am weitesten ab- 
stehen, Fig. 125 »nh, ist ein Schlufs noch nicht erreicht; dagegen ist 
an den Seitenpartien dieser Fall bereits eingetreten; es haben sich von 
oben und unten her die beiden neuen Holzlagen Fig. 126 nh, nh’ mit 
ihren Rändern vereinigt und das tote Rindenstück, Fig. 126 «, von dem 
toten Holzteil schon getrennt. Je älter und dicker die neuen Holz- 
und Rindenlagen werden, desto mehr wird die tote Rinde nach aufsen 
gedrängt und endlich ganz abgestofsen. Das abgestorbene Holz hp, 
welches parenchymatischer Natur war und die augenblicklich noch 
frischen Wundränder, Fig. 125 hp’, die ebenfalls aus Parenchymholz 
gebildet sind, gehen erst ganz allmählich in festeres, normales Gewebe 
über. Das erst gebildete, zur UÜberwallung sich anschickende Neuholz 
trägt in der mittleren Wundgegend den Todeskeim schon in sich, indem 
zahlreiche Gummiherde (Fig. 125 g) sich gebildet haben, welche. das 
wenig widerstandsfähige Gewebe ın kurzer Zeit auflösen werden. 

Bei älteren Überwallungen an einem durchaus nicht üppigen Ahorn- 
zweige wurde auch einmal eine Spaltung des Jahresringes be- 


Wärmemangel. 573 


merkt, indem die Herbstholzregion auf einer Seite des Zweiges sich 
durch eine bedeutend diekere, gefäfsreiche Frühjahrsholzzone in zwei 
Blätter spaltete und dann wieder mit der erst gebildeten Zone ver- 
schmolz, so dafs auf einer Zweigseite ein Jahresring mehr zu zählen 
war als auf der anderen. 


Wenn man an bisher gesunden Stämmen zum ersten Male derartige 
Auftreibungen bemerkt und dies in den ersten Sommermonaten der Fall 
ist, wird es sich empfehlen, den Baum stark zu schröpfen. Dies mufs ın 
der Weise geschehen, dafs man oberhalb der Auftreibungen das Messer 
einsetzt und mehrere Längsschnitte durch die Beulen bis unter dieselben 
in das gesunde Gewebe hinein vollführt. Durch den Wundreiz, den 
man auf das gesunde Gewebe in der Umgebung der Beule ausübt, 
wird erstens dieses Gewebe zu erhöhter Überwallungstätigkeit angeregt, 
zweitens wird der Zudrang an plastischem Material von dem krank- 
haften Wuchergewebe abgelenkt. 


Frostrunzeln. 


Während bei den Frostbeulen die stellenweise stattfindende Ab- 
hebung des gesamten Rindenkörpers vom Holzzylinder als Ursache 
nachgewiesen werden konnte, handelt es sich bei den Frostrunzeln um 
Ablösungen der äufseren, derben Rindenlagen von der zarten Innen- 
rinde. Die Erscheinung ist bisher nur an diesjährigen Kirschzweigen 
im ‚Juni beobachtet worden. Die Zweige waren dadurch auffällig, dafs 
die sonst glatte Rinde auf einer Seite quergerunzelt erschien. Das 
Cambium war nicht gestört, das Mark etwas gebräunt. 

Nachgewiesenermafsen entstehen durch den eindringenden Frost 
erofse Spannungsdifferenzen in der Achse. Der Frost zieht, auch ohne 
dafs es bis zur Ausscheidung von Eiskristallen in den Intercellular- 
räumen kommt, das Gewebe zusammen, und zwar um so stärker, je 
dünnwandiger es ist. Die Rinde leidet bedeutend mehr als der später 
erreichbare, schwerer abkühlbare und weniger sich zusammenziehende 
Holzkörper. Die Zusammenziehung erfolgt in der, Richtung der 
Tangente stärker als in radialer Richtung. Dieser Überschufs wirkt 
wie eine alleinvorhandene, in der Richtung des Stammumfanges statt- 
findende Zerrung, der auch die einzelnen Rindenlagen bei grofser 
Jugend der ganzen Rinde in verschiedenem Mafse folgen werden. Bei 
gleicher Stärke der Zusammenziehung an allen Punkten der Rinde 
werden diejenigen Zellen, welche der Peripherie am nächsten liegen 
und am meisten in der Richtung des Stammumfanges gestreckt sind, 
auch am meisten gezerrt werden. Wenn man erwägt, dafs die äufseren 
Zellen der primären Rinde bei ihrer gröfseren Derbwandigkeit nicht 
mehr so elastisch wie die darunterliegenden, dünnwanderigeren sind, 
so sieht man ein, dafs nach Aufhören der Zerrung bei ihnen die durch 
die unvollkommene Elastizität bewirkte, dauernde Vergröfserung am 
bedeutendsten sein wird. 

Nach dem Verschwinden der bei Spätfrösten doch nur kurz 
dauernden Frostwirkung wird der gesteigerte Turgor die Zellen in der 
gedehnten Gestalt erhalten; da die äufseren Rindenlagen nach der 
stärkeren Dehnung nicht mehr Platz in der bisherigen Tangentialebene 
haben, werden sie sich runzelig oder blasig über die bisherige Ebene 
des Stammumfanges erheben und auf diese Weise die „Frostrunzeln“ 


bilden. 


974 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


Aufser der tangentialen und radialen Zusammenziehung kommt 
bei den jungen, noch krautartigen Zweigen die longitudinale Ver- 
änderung hinzu, die bei der durch die Frostwirkung bedingten Krümmung 
des Achsenkörpers entstehen mufs. Man kann künstlich an einjährigen 
Trieben durch Biegen leicht Querrunzeln erzeugen. Betreffs der bei 
gebogenen, krautartigen Stengeln sich 
entwickelnden Spannungsverhältnisse sei 
auf die Arbeit von URSPRUNG!) verwiesen. 


Frostlappen, Korklocken. 


Viel häufiger als die in Form von 
Frostrunzeln und Frostbeulen auftreten- 
den Abhebungserscheinungen im lebenden 
Rindengewebe sind die Ablösungsvor- 
gänge, die sich durch Vertrocknen der 
äufseren Gewebelagen einstellen, wenn 
Zweige durch den Frost getötet werden. 
In Fig. 127 sehen wir einen Zweig mit 
lockenartig zurückgerollten, flatternden, 
trockenen Rindenfetzen von der Herbst- 
sylvesterbirne. Auch bei weichholzigen 
Apfeln (Morgenduftapfel) wurde an 
Zweigen und jungen, noch glattrindigen 
Baumschulstämmen im Mai und Juni die 
Erscheinung aufgefunden. Man sieht zu- 
nächst das Periderm blasig abgehoben ; 
später reifsen die Blasen durch einen 
Längsspalt auf. Das gesamte Rinden- 
parenchym erscheint unterhalb des Risses 
geschwärzt und trocknet schnell zu- 
sammen. In dem Mafse, als sich der 
Rifs erweitert, schreitet das Absterben 
des Rindengewebes weiter fort, indem 
es zunächst gelbgrün und weich wird, 
dann nachdunkelt, zusammensinkt und 
schliefslich vertrocknet. 

Mit der Zeit werden diese toten 
Stellen auch ganz blofsgelegt, indem der 
Längsrifs in der Peridermblase sich ver- 
längert und neu auftretende Querrisse 
die ganze abgehobene Korkhaut in 
mehrere Lappen teilen. Bei dem Zu- 
sammentrocknen rollen sich dann die 
einzelnen Lappen rückwärts ein und 


Fig. 127. Flatterig aufgerissene 
Torklä 1l frostbeschädiet .. . 
nl a an ae du Le entblöfsen dadurch das bisher bedeckt 


Zweigen. s j 
gewesene Rindenparenchym. Es bleibt 


zu bemerken, dafs gerade an der Basis der jungen, noch glattrindigen 
Stämme am meisten derartige Korklappen zu finden sind, während die 
Jüngeren Zweige äufserlich unversehrt erscheinen und auch frisch aus- 
treiben, aber allerdings nach einiger Zeit gelbe und welke Blätter erhalten. 


1) Ursprung, A., Beitrag zur Erklärung des exzentrischen Dickenwachstums an 
Krautpflanzen. Ber. d. D. Bot. G. 1906, Heft 9, S. 498. 


Wärmemangel. 575 


Von der Ausdehnung und Häufigkeit solcher Korklocken, die 
immer wieder durch gesund gebliebene Stellen voneinander getrennt 
gefunden werden, hängt es ab, ob der Baum am Leben bleibt. Meist 
stirbt derselbe, da das Cambium unter den geschwärzten Rindenstellen 
tot ist. Die Gegend in der Umgebung der Augen oder fortgeschnittener 
Zweige erscheint zu derartigen Frostbeschädigungen besonders geneigt. 


Die Verfärbungserscheinungen im Achsenkörper. 


Die Obstzüchter pflegen, wenn sie im Frühjahr ihre Bäume 
schneiden, aus der Betrachtung der Schnittfläche Schlüsse zu ziehen, 
ob eine Obstsorte frosthart für eine bestimmte Gegend sich erwiesen 
hat oder durch die Kälte beschädigt worden ist. Man urteilt danach, 
ob die Schnittfläche gleichmäfsig weils oder stellenweise gebräunt er- 
scheint. Die Bräunung tritt teils in ringförmigen Zonen, teils in 
tlächenartiger Ausbreitung auf. Im ersteren Falle ist (oft einseitig am 
Zweige) die cambiale Region oder die Peripherie der Markscheibe, die 
sogenannte Markkrone, wo die innersten Gefäfse des Holzringes ın 
das Markparenchym hineinragen, der Herd der Verfärbung. Bei 
flächenartiger Bräunung pflegt ein Teil der Holzfläche nebst Markkörper 
an derjenigen Zweigseite ergriffen zu sein, an welcher die dazugehörige 
Knospe sitzt. Die Braunfärbung ist ein Zeichen der Humifikation, welche 
allmählich bei dem Auftrocknen des Zellinhaltes an die Wandungen sich 
einstellt. Bei den braunen Zellwänden bemerkt man nicht selten 
Quellungserscheinungen. 

Wenn einzelne Stammteile erfroren sind, sieht man bisweilen von 
denjenigen Teilen, welche im ganzen Querdurchmesser gebräunt sind, 
braune Streifen im Holzkörper bis zu verschiedener Tiefe sich stamm- 
abwärts ziehen, und diese Streifen haben manchmal eine symmetrische 
Anordnung, so dafs ein Querschnitt durch den halb gesunden Stammteil 
eine regelmäfsige, gebräunte Figur aufweist. Am bekanntesten ist das 
„Landwehrkreuz“ bei Acer; bei Cytisus und Fraxinus kommen 
ähnliche Bilder vor. COytisus und andere Papilionaceen zeigen zuweilen 
sehr ansprechende Buntfärbung derartiger Querscheiben, welche wohl 
eine technische Verwendung verdienen. Die Buntfärbung ist durch 
den verschiedenen Grad der Bräunung in den Zonen des Kernholzes 
und des Splintes bedingt. 

Doch sind derartig regelmäfsige flächenartige Verfärbungen seltene 
Vorkommnisse. Die häufigste Erscheinung besteht in unregelmäfsiger 
Bräunung derjenigen Rindenpartie, die ein Auge umgibt, und derjenigen 
Markausbuchtung, welche nach dem Auge hinführt. Der Grad der 
Gewebeerkrankung hängt natürlich von der Zeit und Intensität der 
Kältewirkung sowie der spezifischen Empfindlichkeit der Baumart und, 
bei gleicher Intensität, von dem Alter der Achse ab. Je jünger ein 
Zweig ist, desto ausgebreiteter sind in der Regel die Gewebebräunungen. 

Einen Einblick in die Verschiedenartigkeit der Frostbräunung bietet 
der in Fig. 128 wiedergegebene Querschnitt eines durch künstlichen Frost 
beschädigten Birnenzweiges. Hier bedeutet m den Markkörper, mk die 
Markkrone, mb die als Markbrücke bezeichnete Ausbuchtung der 
Markscheibe, welche nach dem kurz oberhalb dieses Schnittes liegenden, 
also hier noch nicht sichtbaren Auge führt. An der Stelle, wo das 
Auge (die Knospe) sitzt, ist jeder Zweig mehr oder weniger verdickt 
und baucht sich aus zum „Augenkissen“. In diesem verlaufen die 


576 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


Gefäfsbündel g und g", welche in den Blattstiel abgehen, in dessen 
Achsel das Auge sich befindet. Die Gewebekappe, welche über dem 
zentralen Blattspurstrange dem Rindenkörper des Zweiges in der 


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Fig. 128. Durch künstlichen Frost hervorgerufene Bräunung und Zerklüftung der 
Gewebe eines Birnenzweiges. (Orig.) 


Zeichnung aufgesetzt erscheint, stellt das Vernarbungsgewebe dar, das 
nach dem Abfallen des Blattes im Vorjahre sich gebildet hat. Die 
einzelnen Gefäfse in den Blattspursträngen und im Holzringe sind mit g/, 


Wärmemangel. 577 


g' und g bezeichnet. Der Holzring A mit den Markstrahlen ms zeigt 
mannigfache, vorherrschend radiale Zerklüftungen, während die Gewebe- 
lücken ! im Rindengewebe meistens tangential verlaufen. Bemerkens- 
wert ist die durch einen klaffenden Längsspalt gesprengte Markbrücke, 
die durch die Stärke der Verwundung erkennen läfst, dafs sie die 
frostempfindlichste Stelle des Zweiges darstellt. 

Bei vielen Laubhölzern gibt es noch eine zweite Region grofser 
Frostempfindlichkeit, nämlich die Hartbastzellen und deren äufsere 
parenchymatische Umkleidung. Bei meinen künstlichen Erfrierungs- 
versuchen zeichneten sich dadurch namentlich Kirsche, Pflaume, Rot- 
buche und Apfel aus, während die Birne gröfsere Widerstandskraft auf- 
wies. Auch im vorstehenden Bilde zeigen sich die Bastbündel (db) nicht 
angegriffen, ebensowenig wie das Collenchym (el). Die Cambiumzone c, 
welche den Baumzüchtern bei dem Frühjahrsschnitt der Obstbäume 
durch ihre Braunfärbung anzeigt, dafs die Zweige durch den Frost 
beschädigt worden sind, ist hier nicht durchgängig gebräunt. Bei der 
mikroskopischen Untersuchung zeigt sich, dafs am meisten das noch 
cambial zartwandige Jungholz und die gleichalterige, innerste Jungrinde 
gebräunt sind, während die zwischen beiden Regionen liegende plasma- 
reiche Meristemlage farblos und unversehrt erscheint. 

Bei einem Überblick über den gesamten Querschnitt, welcher 
betreffs der Frostverfärbungen als Beispiel für alle Gehölze gelten 
kann, sehen wir also als die empfindlichste Stelle des Zweiges 
die Region des Augenkissens, in welcher der Zweig den 
schmalsten Holzring und die meiste Parenchymanhäufung besitzt. Die 
in der Zeichnung dunkel gehaltenen Zellen stellen die gebräunten 
Partien dar. Sodann folgt betreffs der Frostempfindlichkeit die Mark- 
krone mit den Markstrahlen. Der Markkörper selbst leidet meist erst 
später und wird um so weniger beschädigt, je älter der Zweig ist. 
Im vorliegenden Falle war der Versuch gegen Mitte Mai ausgeführt 
worden, zu welcher Zeit in Mark und Rinde bereits Stärkespeicherung 
stattgefunden hatte. Die Markbeschädigung beschränkte sich hier auf 
eine schachbrettartige Zeichnung der Markscheibe, indem einzelne der 
stärkeführenden Zellen ihren Inhalt gebräunt hatten. Die Untersuchung 
zeigte, dafs nicht die Stärkekörner selbst, sondern ihre plasmatische 
Einbettungsmasse verfärbt war. 

Die unregelmäfsige Verteilung der vom Frost gebräunten Zellen 
in allen Geweben kann nur durch den verschiedenen Zellinhalt erklärt 
werden. Wahrscheinlich sind die zuckerreichen Zellen die empfindlicheren. 
Der plasmatische Inhalt leidet bereits, wenn die Zellmembran noch 
hell ist. Bei den Beschädigungen der Markkrone zeigen sich zuerst 
die engen Spiralgefäfse gebräunt. 


Die Frostlinie. 


Es ist im vorigen Abschnitt erwähnt worden, dafs die Obstzüchter 
die gebräunte Cainbialregion als Zeichen einer Frostbeschädigung an- 
zusehen pflegen. Man findet nun vielfach diese Zone als „Frostlinie* 
bezeichnet. Selbst einfache Waldarbeiter zeigten mir einmal die 
braunen, nach Frühjahrsfrösten sich einstellenden ringförmigen Zonen 
zwischen älteren Jahresringen, die wir später bei der Besprechung der 
„falschen Jahresringe“ und „Mondringe“ näher kennen lernen werden, 
als Frostlinien. Wir verstehen unter diesem Ausdruck die bei mikro- 


Sorauer, Handbuch. 3. Aufl. Erster Band. 37 


978 


Il. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


skopischer Prüfung frostbeschädigter Gewebe sich zeigenden braunen, 
ringförmigen oder in Zickzacklinien auftretenden Streifen zusammen- 
gesunkener, verquollener parenchymatischer Zellen, die sehr 
häufig vorkommen, aber bisher kaum beachtet worden sind. Genauer 
untersucht habe ich die Erscheinung an Zweigen eines Apfelbaumes, 
der vorher schon im Glashause angetrieben und ım Mai nur für 


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Fig. 129. Quellung der 
Zellmembranen nach künstlicher 
Frostwirkung. (Orig.) 


stranges (Gefäfsbündels) nach sich zog. 


22 Minuten einer Kälte von — 4° © aus- 
gesetzt worden war. 

Bei der Mitte Juni ausgeführten 
Untersuchung eines Zweiges, dessen 
Spitze erfroren war, zeigte sich äufser- 
lich eine scharfe Grenze zwischen dem 
abgestorbenen und lebendig gebliebenen 
Teile. Diese Wahrnehmung macht man 
bei allen Frostschäden. Es macht sich 
nicht eine allmähliche Ausdehnung 
der Schädigungszone nachträglich be- 
merkbar, wenn nicht sekundäre Faktoren, 
z. B. holzzerstörende Pilze, zur Mit- 
wirkung gelangen. Wohl aber kann die 
Frostwirkung selbst in das gesunde Ge- 
webe hinein durch Abtöten bestimmter 
Gewebepartien ausstrahlen, wie dies im 
vorliegenden Versuche der Fall war. 
Zerschnitt man nämlich den an seiner 
Spitze erfrorenen und abgestorbenen 
Zweig unmittelbar neben dem an das 
tote Gewebe anstofsenden gesund ge- 
bliebenen und austreibenden Auge, so 
sah man einen braunen, scharf ab- 
gegrenzten Streifen von den toten Stellen 
aus in den gesunden Achsenteil hinein 
an drei gesunden Augen vorbei sich 
fortsetzen. Er durchlief die Achse von 
aufsen nach innen in diagonaler Richtung. 

Die scharfe Umgrenzung, welche der 
braune Streifen zeigte, und sein dia- 
gonaler Verlauf erklärten sich bei der 
mikroskopischen Betrachtung, welche 
nachwies, dafs wir es mit dem Haupt- 
gefäfsbündel des untersten, toten Auges 
der erfrorenen Spitze zu tun hatten. Es 
war also hier der Fall eingetreten, dafs 
der Tod des Auges allmählich 
auch das Absterben des im ge- 
sunden und gesund bleibenden 
Gewebe verlaufenden Zuleitungs- 
Dies wäre also die 


einzige Nachwirkung, die bei Frostbeschädigungen eintreten kann, falls 
nicht nachträglich Parasiten eingreifen. 

Um zu erfahren, welches wohl die allererste Frostwirkung auf das 
Gewebe des Baumes sein möge, also welche Beschädigung bei dem 
Auftreten ganz geringer Fröste sich einstellt, wurde eine ganze An- 


Wärmemangel. 579 


zahl Versuche über die Einwirkung sehr geringer Kältegrade gemacht, 
ohne zum Ziele zu führen. Es zeigte sich entweder überhaupt kein Ein- 
flufs, oder es traten die oben gemeldeten Anfangsstadien gleichzeitig auf. 
Es wurde nun von dem völlig: erfrorenen Gewebe aus mit dem Schneiden 
immer mehr abwärts in den gesunden Basalteil des Zweiges hinab- 
gegangen und beobachtet, welche Störung am weitesten von dem Frost- 
herde aus sich in das gesunde Gewebe hinein fortgepflanzt hatte. 

Als solche am weitesten in das gesunde Holz hinab verfolgbare 
Frostwirkung zeigte sich die Quellung der Intercellular- 
substanz bzw. Mittellamelle (Fig. 129, ;). 

Dieses streifenweise Aufquellen und Braunwerden der Intercellular- 
substanz sah ich im allgemeinen häufiger in der Richtung der Tangente 
als in der der Markstrahlen, namentlich oft in der Nähe des alten 
Herbstholzes, also in den ersten gefäfsreichen Lagen des Frühjahrs- 
holzes. Aber man trifft diesen Zustand der Intercellularsubstanz selten 
allein; meist ist er schon verbunden mit einer leicht gelblichen Färbung 
und Quellung der sekundären Membran der anliegenden Holzzellen 
(Fig. 129, h). Diese Veränderung wird in einzelnen Fällen derartig 
intensiv, dafs das ganze Lumen der Zelle bis auf einen engen, spalten- 
förmigen Hohlraum ausgefüllt wird (Ah). 

Mit der Quellung wird die Lichtbrechung aufserordentlich schwach ; 
nur die äufserste Membran und die festere Innenauskleidung behalten 
ihr starkes Lichtbrechungsvermögen. Die Quellung kann so stark 
werden, dafs auch die äufserste Membran zerreifst (p), und dieses Zer- 
reifsen trifft in der Regel mehrere nebeneinanderliegende Zellen , so 
dafs die veränderte, sekundäre Membran mit der gequollenen Inter- 
cellularsubstanz zu einem gleichmäfsigen, gelben bis braunen Streifen 
verschmilzt, in welchem parallel gelagerte Reste der primären Membran 
kenntlich bleiben (st). 

Es ist somit experimentell erwiesen, dafs durch den Frost 
Lockerungsvorgänge in den Zellmembranen eingeleitet 
werden. Diese kommen in den sogenannten „Frostlinien* zum Aus- 


druck. 


Innere Zerklüftungen des Achsenkörpers. 


Es ist in dem Abschnitt über die Frostbeulen bereits der Störungen 
gedacht worden, welche sich an glattrindigen Zweigen und Stämmen 
einstellen können, ohne dafs äufserlich eine Wunde zunächst bemerkbar 
wäre. Erst im nächsten Jahre nach der Entstehung der Beulen kann 
der Fall eintreten, dafs durch eine sich nachträglich vergröfsernde 
Beule die sie deckenden primären Rindenschichten platzen und als 
vertrocknete Ränder die hervortretende Neubildung umsäumen. Hier 
war die Ursache aber stets nur in Abhebungen der Rindenlagen zu 
sehen, ohne dafs der Holzkörper zersprengt worden wäre. 

Wenn man aber die Vorkommnisse im Freien, in sogenannten 
Frostlöchern, also an Stellen, an denen Spätfröste fast alljährlich und 
sehr intensiv auftreten, genauer durchmustert, findet man beulige Auf- 
treibungen an Zweigen und Stämmen, die in ihrem Innern mannigfache 
Zerklüftungen des Holzringes erkennen lassen. 

Es ist nun zufällig gelungen, auch derartige Beulen künstlich 
hervorzurufen, indem ich Zweige, an denen der diesjährige Holzring 
schon eine namhafte Breite erlangt hatte, einer kurzen, scharfen Frost- 
wirkung aussetzte. Die beistehende Fig. 130 stellt eine verheilte innere 


Bar u 
O4 


580 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


Zerklüftungswunde an einem Kirschenzweige dar. Die Frostwunde ist 
durch einseitiges Abheben der Rinde vom jungen Holze entstanden ; 
a ist das alte Holz des Vorjahres, b das diesjährige, bis Juni gebildete 
Frühlingsholz. g ist die Splintregion mit der normalen Cambiumzone. 
Um diese Zeit wurde der Zweig in den Kältezylinder gebracht, und 
bei der Untersuchung zeigte sich, dafs die Rinde im weiten Bogen (sp) 
vom Splinte losgeplatzt war, und dafs auch das junge Holz b radial 
zerklüftet erschien. Die Zerklüftung erfolgt entlang den Markstrahlen d, 
welche seltener selbst zerreifsen, als vielmehr sich an einer Seite von 
den prosenchymatischen Zellen und Gefäfsen loslösen und dann teil- 
weise zusammentrocknen. Eine in der Zeichnung bei o dargestellte 
radiale Erweiterung der Lücke stellt sich in einzelnen Fällen durch 


os p.oden 


Fig. 130. Durch künstlichen Frost erzeugte innere Zerklüftung bei einem 
Kirschenzweige. (Orig.) 


weitergreifendes Vertrocknen der prosenchymatischen, noch teilweise 
dünnwandigen Splintelemente ein. Doch bleiben im allgemeinen die 
radialen Holzspalten schmal, und es kräunen sich nur die Wandungen 
der auseinanderweichenden Elemente tief. 

In der Nähe der durchbrechenden Augen, bei denen also eine 
Markbrücke den ganzen Holzkörper vom Mark bis zur Rinde durchzieht, 
ist bei allen Bäumen das Gewebe weicher, die Zahl der schon dickwandigen 
Holzzellen geringer; es haben sich erst die den Markstrahlen zunächst 
liegenden Elemente zu Holzzellen mit stark lichtbrechender Wandung 
ausgebildet, während die weiter entfernt von zwei Markstrahlen befind- 
lichen Zellformen noch dünnwandiger und inhaltsreicher sind, auch 
zwischen sich noch keine weiten Gefäfse erkennen lassen. In solchen, 
einem Auge nahe liegenden Splintschichten zeigt sich als Fortsetzung 


Wärmemangel. 581 


radialer Sprünge bisweilen auch eine tangentiale Gewebezerklüftung an 
der Grenze des vorjährigen und diesjährigen Holzes. 

Den Zerklüftungen des Holzkörpers entsprechen radiale Lücken [, 
im Gewebe der sekundären Rinde », während die primäre, »n, mit ihren 
Hartbastbündeln A keinerlei Zerreifsungen, sondern nur teilweise Bräu- 
nung des Inhalts und der Wandungen einzelner Hartbast- und Rinden- 
parenchymzellen erkennen läfst (r). Auch hier entstehen die Lücken 
vielfach durch Auseinanderweichen der einzelnen Gewebekomplexe und 
weniger durch Zerreifsen der Membranen der einzelnen Zellen. Es 
trennen sich nämlich die zartwandigen Zellgruppen, welche in der 
sekundären Rinde dem Bastparenchym der Primärrinde entsprechen, 
von den in ihrer Entwicklung bereits weiter forteeschrittenen und 
deshalb dickwandigeren Rindenstrahlen, an deren Seiten die die Hart- 
baststränge begleitenden Reihen von Zellen mit oxalsaurem Kalk, x, 
in die Augen springen. 

Die radialen Spalten und Klüfte sind aber nur nebensächliche Er- 
scheinungen gegenüber der grofsen tangentialen Spalte sp, welche die 
Rinde vom Holze trennt. Die Trennungslinie verläuft unregelmäfsig 
bald in den noch cambialen Schichten der Rinde, bald in denen des 
Splintes. Da man annehmen kann, dafs an allen Stellen des Gewebes 
der Trennungslinie eine gleich grofse Kraft bei der Erzeugung des Risses 
tätig war, so geht aus der Unregelmäfsigkeit der Trennungslinie hervor, 
dafs das Gewebe in demselben radialen Abstande vom Mittelpunkte 
des Zweiges nicht überall dieselbe Festigkeit besitzt. Eine solche Un- 
regelmäfsigkeit ist durch den auf dem Splinte sitzen gebliebenen und 
später abgestorbenen Gewebelappen % neben dem Holzvorsprunge f 
angedeutet. 

Mit Ausnahme dieses Lappens findet sich in der Rifsstelle wenig 
zusammengefallenes Gewebe; selbst die Zellen der jüngsten Rinde, n, 
sind zum Teil zwar tief gebräunt und inhaltsarm, aber nicht zusammen- 
gesunken, sondern steif und in ihren Wandungen gegen Schwefelsäure 
viel widerstandsfähiger geworden (?). 

Die Heilung solcher Wunden erfolgt in der Regel nicht durch 
seitliche Überwallung. Man sieht bei ähnlichen Stellen vielmehr zu- 
nächst eine Streckung des älteren Rindenparenchyms in radialer 
Richtung; später entstehen in der Rinde zwischen den Rindenstrahlen 
anfangs isolierte Meristemherde, welche neue Holzelemente hervor- 
gehen lassen. Das Neuholz drängt allmählich die in diesem Falle 
nicht veränderten Gewebeschichten n gegen den zerklüfteten Splint in 
der Richtung f, o, e und bildet aus den toten Geweberesten einen 
braunen Streifen, der um so schmäler wird, je mehr Holz sich über 
der Rifsstelle anhäuft, also der Druck anwächst. Die isolierten 
Meristemzonen der in dem abgehobenen Rindenlappen ent- 
stehenden Holzbündel vereinigen sich später seitlich miteinander 
und schliefslich auch mit der Cambiumzone f’ an der unverletzt ge- 
bliebenen Zweigseite. Eine solche durch tangentiale Abhebung und 
radiale Holzringzerklüftung hervorgerufene Beule bleibt für mehrere 
Jahre äufserlich kenntlich. 


Offene F'rostrisse. 


Eine anscheinend ganz unwesentliche, in Baumschulen bei kräftig 
wachsenden Exemplaren am leichtesten aufzufindende Erscheinung ist 
das Auftreten kleiner überwallter Rifsstellen. Dieselben treten auch 


582 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


meist mehr oder weniger beulenartig etwas über die glatte Rinde her- 
vor, unterscheiden sich aber von den bisher beschriebenen Beulen da- 
durch, dafs sie an ihrer Oberfläche eine Längsfurche zeigen. Daraus 
ergibt sich, dafs sie durch Verwachsung von zwei lippenartig hervor- 
getretenen Wundrändern entstanden sind. Diese Erhebungen gleichen 
sich bei späterem Wachstum meist wieder aus und haben dann für das 
Leben der Achse keine weitere Bedeutung. 


DE 
ZEN 


& ) h IR 
li 
RR 


Fig. 131. Querschnitt durch das Augenkissen eines Lärchenzweiges, welches’durch 
künstlichen Frost beschädigt worden ist. (Orig.) 


Aber sie erlangen eine ungemeine theoretische Wichtigkeit für die 
Erklärung der Entstehung der als Frostkrebs später vorgeführten 
Gewebewucherungen. Soweit meine Untersuchungen reichen, stützen 
sie die Anschauung, dafs die Geschwülste des Frostkrebses ihren An- 
fang von derartigen kleinen Rissen nehmen, die zur Zeit der üppigsten 
cambialen Tätigkeit der Achse im Frühjahr entstehen. Man findet 
solche Risse meist in unmittelbarer Nähe der Augen und kann nun 
zunächst deren Auftreten auf lokale Zuwachssteigerung zurückführen. 


Wärmemangel. 989 


Es ist auch nicht zu leugnen, dafs dies die nächstliegende Erklärung 
ist, aber der Wundbefund in manchen Fällen wies doch auf Frost- 
wirkung hin. 

Es gelang endlich, diesen Zweifeln dadurch ein Ende zu machen, 
dafs bei künstlichen Erfrierungsversuchen solche Frostrisse erzielt wurden. 
Fig. 131 stellt das anatomische Bild einer solchen Wunde dar, die durch 
die Einwirkung künstlicher Kälte auf einen 1Ys Jahr alten Lärchen- 
zweig erzeugt worden ist. Der Zweig ist an einem Augenkissen durch- 
schnitten. Das Holz h, welches sonst einen gleichmäfsigen Ring um 
das Mark m bilden würde, erscheint durch die breite parenchymatische 
Markbrücke m—mtr unterbrochen. 

Dieses Gewebe ist durch den Frost getötet worden und bei dem 
Zusammentrocknen zerrissen. Das in der Richtung v»—va liegende 
Parenchym war zur Zeit der Frostwirkung (am 18. Mai) noch nicht 
vorhanden, sondern der Spalt der Markbrücke setzte sich durch die 
Rinde nach aufsen fort. Letztere war in der damaligen Cambiumzone 
auch tangential zu beiden Seiten des Risses vom Splint abgeplatzt und 
bildete die Spalte sp. Aber nur die unmittelbar an den Wundrändern 
liegenden Zellen sind abgestorben und teilweise zusammengetrocknet. 
Die ursprünglich getrennt gewesenen beiden Rindenseiten über der 
Spalte sp bildeten sofort in der bei allen Überwallungsvorgängen sich 
einstellenden Weise durch Vorwölben der peripherischen, gesunden 
Zellen und Teilung derselben die Anfänge von Überwallungsrändern, 
die gegeneinander hin sich immer weiter ausbildeten und in kurzer Zeit 
miteinander verschmolzen. E 

Die Verschmelzungsstelle der UÜberwallungsränder nr ist an der 
seichten Einbuchtung va kenntlich, namentlich aber auch an der Lage der 
Hartbastzellen b, welche gegeneinander geneigt erscheinen. Das ganze 
Gewebe, welches die Spalte deckt, ist im Laufe von sechs Wochen (die 
Wunde wurde am 4. Juli untersucht) neu gebildet worden. Die alte 
Rinde, welche der Frostrifs gespalten hatte, ist durch die lippenförmig 
hervorgewölbten Überwallungsränder zurückgedrückt worden und, um- 
gibt jetzt die Neubildung als ein scharfer, trockener Rand {. Der Über- 
wallungsrand hat in dieser Zeit auch schon Holz gebildet; die ganze 
derbwandige Zone hp ıst Neuholz. Dasselbe ist aber unter einem so 
geringen Rindendrucke entstanden, dafs es parenchymatisch kurzzellig 
geworden ist. Erst später würde die Cambiumzone c—<, die durch Ver- 
schmelzung der in beiden Hälften isoliert gewesenen Zonen entstanden 
ist, normale Holzelemente gebildet und immer festere Schichten über 
die Frostwunde gelagert haben. 

Ähnlich der Beschädigung an der Lärche ist die an einem Apfel- 
zweige durch Einwirkung einer Kälte von 3° während 25 Minuten im 
Monat Juli hervorgerufene Wunde (Fig. 132). Es bedeutet a das alte 
Holz des Vorjahres, b das bis zum Juli gebildete Neuholz, ce die Region, 
in welcher die Kälte das Gewebe getötet hatte. In den sich über die 
Wundfläche wölbenden sehr üppigen UÜberwallungsrändern hat die 
schneckenförmig sich krümmende Cambiumzone f eine dicke neue 
Rinde g und einen neuen, durch die Markstrahlen d sich fächernden 
Holzkörper e erzeugt. Aber diese Holzbildung aus prosenchymatischen 
Elementen beginnt erst ziemlich weit rückwärts im Überwallungsrande; 
der davorliegende lippenförmige Teil dieses Randes besteht aus 
Parenchymholz, an dessen Peripherie sich allmählich einzelne pros- 
enchymatische Zellgruppen h kenntlich machen. In demselben Radius, 


584 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


in welchem die ersten derbwandigen Holzzellen auftreten, erscheinen 
in der Rinde die Anfänge von Hartbastzellen hb. 

Die UÜberwallungsränder treten als Buckel mit anfangs lippen- 
förmiger Spalte über die Rinde hervor. Dasselbe Bild gewähren nun 
natürliche Anschwellungen, die bisweilen an Apfel-, Buchen-, Eschen- 
und Kirschenzweigen krebsiger Stämme angetroffen werden, und die 
ich für die Anfangsstadien der geschlossenen Krebsgeschwülste halte 
(s. Fig. 135 im folgenden Abschnitt). 


Fig. 132. Durch künstliche Kälte erzeugter Frostrifs an einem Apfelzweige. 
In Überwallung. (Orig.) 


Der Krebs (carcinoma). 


Als „Krebs“ spreche ich solche Wunden an, deren UÜberwallungs- 
ränder zu wuchernden Holzgeschwülsten sich ausbilden. Der Charakter 
der Wucherung liegt in der ausschliefslichen oder überwiegenden 
Bildung von Parenchymholz an Stelle der normalen pros- 
enchymatischen Holzelemente. Die Krebsgeschwülste haben für jede 
Gehölzart typische Gestalt. 


a) Der Apfelkrebs. 


Der Krebs an den Apfelbäumen tritt in zwei Formen auf, von 
denen die eine, häufigere sich durch eine breite zentrale, blofsliegende 


Wärmemangel. 585 
Wundfläche, gebildet aus dem frei hervortretenden, geschwärzten Holz- 
körper, auszeichnet , welche von wulstigen, sehr starken , nach auisen 
terrassenartig alljährlich zurücktretenden Überwallungsrändern umgeben 
wird. Im Mittelpunkte der Wunde ist häufig der Rest eines kleinen 
Zweigstumpfes kenntlich. Derselbe ist in Fig. 133 mit 2 bezeichnet, 
während der nächste Überwallungsrand durch u! kenntlich gemacht 
worden ist. Wir sehen, wie die Wundfläche sich allmählich vergröfsert, 
indem der erstgebildete, noch ziemlich flache Überwallungsrand abstirbt 
und sich schwärzt, während der nächstjährige u?°, terrassenförmig 
zurücktretende zur Ausbildung gelangt. Der Vorgang wiederholt sich 
von Jahr zu Jahr (s. «® und «*), bis die Achse nahezu in ihrem ganzen 


Fig. 133. Offener Apfelkrebs. Fig. 134. Geschlossener Apfelkrebs. 
(Orig.) (Orig.) 


Umfange von der Krebswucherung erfafst wird und abstirbt. Solche 
Stellen mit offenliegender, immer breiter werdender Wundfläche be- 
zeichnet man als offenen Krebs. “ 

Die nach aufsen hin zunehmende Dicke der Überwallungsränder 
erklärt sich dadurch, dafs das von oben herabkommende plastische 
Material des noch lebenden belaubten Zweiges in jedem folgenden 
Jahre durch das Zurücktreten des Überwallungsrandes sich auf einen 
kleineren Teil des Zweig- oder Stammumfanges zu verteilen hat und 
demgemäfs die immer kürzer werdende Cambiumzone mit relativ reich- 
licherer Nährstoffmenge zu Neubildungen versieht. 

Der geschlossene Krebs (Fig. 134) stellt bei vollkommener Aus- 
bildung annähernd eine kugelige, bisweilen den Zweigdurchmesser um 


986 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


das Drei- bis Vierfache übersteigende, knotige, meist vollkommen be- 
rindete Holzwucherung dar (w), welche an ihrem Gipfel abgeflacht und ım 
Zentrum der Gipfelfläche trichterförmig vertieft ist (2). Im Gegensatz zu 
dem offenen Krebs umfafst diese Geschwulst einen viel geringeren Teil 
der sie tragenden Achse, ersetzt aber die geringere Breitenausdehnung 
durch bedeutend gröfsere radiale Erhebung, also gröfsere Höhe. 

An denselben Zweigen und Ästen, an denen Krebsgeschwäülste auf- 
treten, läfst sich häufig auch Brand konstatieren. Bei allen drei Arten 
von Verletzungen trifft man im Winter nicht selten in den abgestorbenen, 
zerklüfteten Wundrändern die leuchtend roten bis braunen, stumpf- 
kegelförmigen oder auch ovalen Kapseln der Nectria ditissima. 

Macht man einen Querschnitt durch die Geschwulst des geschlossenen 
Krebses, so zeigt sich ungefähr folgendes Bild. Wir sehen (Fig. 135) 


DD 


Ki, 


aa 


Fig. 135. Querschnitt durch einen Apfelzweig mit einem Knoten 
des „geschlossenen Krebses“. (Orig.) 


die ganze grofse Anschwellung radial in zwei Gruppen zerklüftet durch 
einen Spalt (sp) mit wulstigen Rändern, der die innere Fortsetzung 
der äufserlich erkennbaren, trichterförmigen Vertiefung am abgeflachten 
Gipfel der Krebsgeschwulst bildet (Fig. 134 und 135, f). Am Grunde des 
Spaltes liegt meist eine braune, mehlartige oder kittartige Masse, die sich 
als aus humifizierten Zellresten bestehend erweist. Die Ränder (r) des 
Spaltes sind ebenfalls stark gebräunt; sie werden durch braunwandige, 
mit totem, braunem Inhalt versehene, parenchymatisch gestaltete, derb- 
wandige, poröse Zellen gebildet. ‚Je weiter man von diesen im Absterben 
begriffenen Spalträndern rückwärts nach dem gesunden Teile des Stamm- 
umfanges hin fortschreitet, desto mehr verliert sich die braune Färbung. 
Das Gewebe wird weifs; es ist aus Parenchymholz gebildet, das aufser- 


Wärmemangel. 587 


ordentlich viel Stärke besitzt. Allmählich treten Gruppen stark licht- 
brechender Zellen in diesen Parenchymholzmassen auf; dies sind bereits 
deutlich langgestreckte, dıckwandige Holzzellen, die bisweilen vereinzelt 
oder in kleinen Gruppen, anscheinend unregelmälsig verstreut im 
parenchymatischen Holze erscheinen (Fig. 135, A; vergl. den in Fig. 132 
dargestellten Querschnitt durch einen künstlich erzeugten Frostrifs am 
Apfelzweige). Mit dem Auftreten der ersten Holzzellen parallel geht das 
Erscheinen der Hartbastzellen (Fig. 132, Ab) in der Rinde. Diese pros- 
enchymatischen Elemente in dem aus Parenchymholz gebildeten Wund- 
rande sind die ersten Anfänge normaler Jahresringbildung und laufen 
von dem Wundrande aus nach rückwärts immer näher zusammen, bis sie 
sich in einem normalen Jahresringe auf der gesunden Seite vereinigt 
haben. Wenn wir von der normalen Jahresringzone der gesunden 
Stammseite ausgehen, können wir diese Bildung so auffassen, als ob 
das prosenchymatische Gewebe eines gesunden Jahresringes (Fig. 135, n h) 
sich innerhalb der Krebsgeschwulst, die der Hauptmasse nach aus hier 
und da grofse Kristalle von oxalsaurem Kalk führendem, stärkereichem 
Parenchymholz besteht, in mehrere, fächerartig auseinandergehende 
Äste spaltet (Fig. 135, h). (Fächerung des Jahresringes.) 

Die Wundränder selbst findet man nicht vereinigt, den Spalt also 
trotz seiner Enge niemals ganz verwachsen, da die äufseren, den Spalt 
begrenzenden Zellen immer wieder absterben. 

Im Verhältnis zu der ungemein üppigen Neubildung ist die Masse 
der absterbenden Zellen bei dem „geschlossenen Krebs“ eine sehr 
geringe; daher bildet hier die tote Stelle immer nur einen engen, ge- 
wundenen Spalt, während bei dem „offenen Krebs“ das ursprünglich 
getötete Gewebe eine derartig breite Fläche darstellt und das Absterben 
der Wundränder ein so weitgreifendes ist, dafs nicht nur die gleich 
anfangs abgestorbene Holzfläche ungedeckt bleibt, sondern auch jeder 
Überwallungsrand durch den folgenden nicht mehr vollkommen gedeckt 
wird. 

Die charakteristische Fächerung bzw. Spaltung eines Jahresringes 
(Fig. 135, nh, h) innerhalb der holzparenchymatischen Wucherränder ist 
bei dem offenen Krebs minder deutlich und kann in dem Falle völlig 
verschwinden, dafs der ganze, gesund gebliebene Achsenteil in der 
Höhe der Krebswunde an der exorbitanten Verdickung teilnimmt, also 
eine einseitige Hypertrophie der Achse ausschlietst. 

Einen Beweis für die Weichheit des Gewebes der Krebsgeschwulst 
gibt die Trockensubstanzbestimmung von normalem und krebskrankem 
Wundholz bei Kirsche. Das normale Holz zeigte 66,90 Trocken- 
substanz, das darüberstehende Krebsholz nur 45,1 o. 

Aus dem Umstande, dafs die Krebsgeschwulst häufig die Dicke des 
sie tragenden zwei- bis dreijährigen Zweiges bedeutend übertrifft, ist 
zu schliefsen, dafs die Geschwulst, die auf einem diesjährigen, noch 
grünen Triebe nie zu finden ist, also erst im verholzten Zweige ihren 
Anfang nimmt, sehr schnell wachsen mufs. Bei dieser schnellen Ent- 
wicklung des Gewebes ist es nicht zu verwundern, dafs die Schwankungen 
zwischen trüber, feuchter Witterung und Trockenperioden dadurch zum 
Ausdruck kommen, dafs innerhalb eines Sommers abwechselnd Zonen 
von dünnwandigem und dickwandigem Holz in der Krebswucherung 
entstehen. Dies sieht man, wenn man in Fig. 135 vom Mark m aus- 
gehend die dunklere Zonung verfolgt, welche den derbwandigen Holz- 
elementen entspricht und in dem normalen Achsenteile das Herbstholz 


588 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


gegenüber dem reichlicheren Frühjahrsholz, innerhalb der Krebs- 
geschwulst aber überhaupt Prosenchym gegenüber dem Parenchymholz 
andeutet. Die Figur zeigt, wie die letztgebildeten, dunklen Ringe im 
gesunden Teile nach dem kranken hin sich fächerartig teilen. « bedeutet 
einen schräg angeschnittenen, abgestorbenen Ast. 

Diese Uppigkeit des Wachstums, 
welche sich durch Bildung der ge- 
fächerten Krebsgeschwulst kundgibt, 
darf aber durchaus nicht zu dem 
Schlusse führen, dafs das Wachstum 
des ganzen Baumes stets ein üppiges 
sei; man findet im Gegenteil bei 
mageren, schmachtenden Bäumen an 
gewissen Ürtlichkeiten ein regel- 
mälsiges Auftreten von Krebsknoten. 

Die krebsigen und auch brandigen 
Bäume zeigen meistens eine sehr 
üppige Flechtenvegetation. An 
der zentralen Haftstelle eines solchen 
Flechtenpolsters läfst sich oft kon- 
statieren, dafs die Korklagen des 
Zweiges schief aufgeblättert sind und 
die Thallusstränge sich dazwischen 
geschoben haben. Ja, ich konnte 
Fälle beobachten, ın denen der 
Flechtenthallus die ganze schützende 
Korklage eines Zweiges durchsetzte 
und auf den teilweise noch Chloro- 
phyll führenden, collenchymatischen 
Rindenzellen angelangt war. So 
schadlos also, als man im allgemeinen 
die gelben und grauen Flechten- 
kolonien erklärt, dürften dieselben 
nicht sein. Wie sehr aber die Aus- 
breitung der Flechten von einer uns 
noch unbekannten Beschaffenheit des 

Baumes (wahrscheimlich eimer 
gröfseren Weichheit, Lockerheit und 
Rissigkeit der Rinde) abhängt, be- 
weist eine Beobachtung an veredelten, 
älteren Stämmen von Fraxinus. Die 
etwa 1 bis 1/2 m hohe Unterlage 
erschien nur sparsam mit Flechten- 
polstern bekleidet, während der auf- 
gesetzte Edelstamm, der bisweilen 
Fig. 136. Jugendzustände des Apfel- schon eme 12—15 Jährige Krone trug, 

krebses. (Orig.) mit Flechtenvegetation dicht über- 

zogen war. Krebsstellen an alten 

Eschen auf nassem Boden sind in der Regel mit Flechtenpolstern 
überdeckt. 

Betreffs der Jugendzustände der Krebsstellen ist bei den Frost- 
rissen bereits erwähnt worden, dafs ich derartige kleine Rifswunden für 
die Ausgangspunkte der Krebswucherungen halte. In nebenstehender 


Wärmemangel. 589 


Figur gebe ich die Abbildung zweier Zweige in natürlicher Gröfse, wie 
ich sie an einem krebskranken Apfelbaum gefunden habe. Bei Fig. 136, «a 
findet sich eine ovale, eingesunkene Rindenstelle in der Nähe eines 
Auges. Der seit der Verletzung stattgehabte Zuwachs hat die Spannung 
an der toten Stelle so vermehrt, dafs in der Mitte derselben sich ein 
Sprung in der aufgetrockneten Rinde eingestellt hat. Bei b sehen wir 
ein etwas fortgeschritteneres Stadium; die tote Rinde in der Mitte der 
Wunde wird bereits durch seitlich hervorgetretene und schon miteinander 
verschmolzene UÜberwallungsränder emporgehoben. Die im Fig. 136, 
ce und c! bezeichneten Stellen weisen nun schon stark hervortretende 
Höcker mit gleichmäfsiger neuer Rindenbekleidung auf; r sind die 
trockenen, schorfartig etwas vorspringenden Ränder der primären Zweig- 
rinde, welche durch den Frost auseinandergeborsten war. Hier sind 
die Stellen nicht in der unmittelbaren Nähe 
des Auges; c ıst mitten im Internodium und 
c! auf der entgegengesetzten Seite eines Auges. 
Bei Fig. 136, d hat die Wunde das Gewebe 
rings um ein Auge erfalst. Das Auge ist ge- 
storben und die Umgebung eingesunken. 

Die Wundfläche ist hier sehr grofs; die 
Rinde r!, unter welche Luft eingetreten, ist 
mit der gesunden Umgebung noch im Zu- 
sammenhang, und die Neuproduktion an der 
Grenze der toten Stelle hat eine Verbreiterung 
des Zweiges hervorgerufen, wie sie bei Brand- 
wunden sehr häufig ist. 

Die Abbildungen des offenen sowohl als 
des geschlossenen Apfelkrebses zeigen, dafs die 
(Gegend der Achse, in welcher Augen oder 
jugendliche Zweige sitzen, zur Krebsbildung 
bevorzugt wird. Eine solche Bevorzugung der 
Region unterhalb eines kurzen Zweischens 
zeigt die Abbildung des nebenstehenden Birnen- 
ästchens (Fig. 137). Unmittelbar unter dem 
kurzen Zweigchen bei a sehen wir einen tiefen, 
bereits überwallten Frostrifs; bei b, der Gegend 
des sogenannten Astringes mit seinen kurzen fie. 137. Bevorzugung 
Internodien und vielen schwachen Augen ist der Zweigbasen seitens des 
die Rinde durch viele kleine Sprünge zer- Frostes. (Orig.) 
klüftet und schuppenförmig aufgetrocknet. Ge- 
rade der jüngere obere Teil c des Zweiges ist aber gesund geblieben. 
Bei solchen Rindenspalten findet man die stärksten Überwallungsränder, 
die manchmal einen einzigen, geschlossenen, mit gleichmätfsiger Rinde 
bekleideten Buckel, oft aber zwei einander berührende lippenförmige, 
meist der Länge nach verlaufende Auftreibungen darstellen. Derartige 
Wundränder erscheinen bisweilen faltig nach der gewundenen Mittel- 
spalte, dem ehemaligen Rindenrisse, hin abfallend und ahmen dann 
die Krebswunde nach. Aber nicht immer stellen, die Rindenrisse 
Längsspalten dar, und demgemäfs ist dann die UÜberwallung auch 
nicht in.Form von zwei wulstig aufgeworfenen Lippen anzutreffen, 
sondern mehr als knollige, kugelige Erhebung mit kraterförmiger, 
zentraler Vertiefung. An 9 mm dicken Zweigen fand ich bereits Krebs- 
knoten von 13 mm Höhe und 35-45 mm Breite. Andere, ebenso 


590 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


dicke, zweijährige Zweige zeigten aber auch bisweilen nur sehr schwache, 
schwielige, mit neuer Rinde versehene, gleichmälsig geschlossene Auf- 
treibungen, welche aus einem Spalt der alten Rinde hervorbrachen. 


Die hier vorgeführten Studien stellen fest: Jede Krebsstelle 
zeigt als Anfangsstadium eine Wunde, welche als schmaler radialer 
Rils bis auf das Cambium geht und dasselbe in geringer Ausdehnung 
zu beiden Seiten des radialen Risses abtötet. Diese Wunde mufs kurz 
vor oder zu einer Zeit entstanden sein, in welcher der Baum seine 
höchste vegetative Tätigkeit in der Achse entfaltet, da die Wundfläche 
sofort durch äufserst üppige Überwallungsränder zu decken gesucht 
wird. Die Üppigkeit der Überwallungswülste gibt sich dadurch kund, 
dafs, namentlich bei der geschlossenen Krebstorm, eine Fächerung des 
Jahresringes, der vorzugsweise an seinen Randpartien aus Parenchym- 
holz besteht, einzutreten pflegt. Dieser gelockerte Bau macht die 
Wundränder äufserst hinfällig, so dafs sie schädlichen Eingriffen mit 
Leichtigkeit erliegen. 

_ Als Ursache dieser Erkrankungsformen müssen wir den Frost an- 
sehen, weil es gelungen ist, durch Einwirkung künstlicher Fröste 
solche Anfangsstadien zu erzeugen, wie sie bei den Krebswunden ge- 
funden werden. 

Eine Anzahl sehr zuverlässiger Beobachter hat andererseits aber 
festgestellt, dafs man dürch Impfung eines Kapselpilzes, Nectria 
ditissima, Wunden zu erzeugen imstande ist !), welche den Formen des 
offenen Apfelkrebses vollkommen gleichen. Diese Angaben kann ich 
durch eigene Versuche bestätigen. Man hat wohl ein Recht, von 
einem Pilzkrebs zu sprechen, aber der genannte Parasit ist nicht 
imstande, eine unverletzte Achse anzugreifen; er vermag 
nur dann zerstörend weiter sich auszubreiten, wenn er in eine Rinden- 
wunde gebracht wird. Darin stimmen sämtliche Impfversuche über- 
ein. Andererseits trifft man dieselbe Nectria auf Apfelbäumen, auf 
Buchen und anderen Laubholzarten an, ohne dafs der Pilz irgend- 
welche krebsige Wucherungen veranlafst. Als spezifischer Erreger 
von Krebsgeschwülsten kann er daher nicht bezeichnet werden, sondern 
wird nur gelegentlich dazu Veranlassung geben, wenn ganz bestimmte 
Nebenumstände gleichzeitig mitwirken. Aufser dem Vorhandensein einer 
frischen Wundfläche ist es die spezifische Eigenart der Baumspezies 
bzw. der Kultursorte, welche die Fähigkeit besitzen mufs, mit schnell 
sich ausbildenden Überwallungen von groiser Uppigkeit auf den Wund- 
reiz zu antworten. 

Diese Fähigkeit ist so typisch, dafs man in der Praxis von „krebs- 
süchtigen Sorten“ spricht. Aufserdem hat die Erfahrung aber 
auch gewisse Lagen und Bodenarten kennen gelehrt, in denen die 
Bäume leicht krebsig werden. Es sind dies sogenannte Frostlagen, 
eine moorige Bodenbeschaffenheit, undurchlässiger Untergrund usw. 

Dies sind feststehende Tatsachen. Wenn man nun im Auge behält, 
dafs die Nectria ditissima unbedingt eine Wunde zur Ansiedlung braucht, 
so mufs man fragen, woher denn die Wunden kommen. Nach den 
Beobachtungen im Freien und den Ergebnissen der künstlichen Er- 
frierungsversuche mufs man zu der Überzeugung gelangen, dafs die 
häufigste Gelegenheit die Frostbeschädigungen liefern werden. Für 


!) s. Literatur im zweiten Bande dieses Handbuchs, S. 209. 


Wärmemangel. 591 


den Birnenkrebs steht Pararozzı auf demselben Standpunkt'). Sind 
die Frostwunden flächenartig ausgebreitet, wie wir sie später bei dem 
„Brand“ kennen lernen werden, so siedelt sich die Nectria an, ohne dafs 
der Baum üppige Überwallungsränder bildet. Wenn aber enge, bis auf 
das Cambium gehende Frostrisse entstehen, und die Nectria findet 
Eintritt in dieselben, dann antwortet der Baum. falls er durch Witterung, 
Standort oder Sortencharakter dazu befähigt ist, mit der Bildung von 
Krebswucherungen. 

Demnach erscheint auch der Pilzkrebs im wesentlichen abhängig 
von den Frostbeschädigungen, und seine Bekämpfung oder Vermeidung 
wird übereinstimmend mit der Frostgefahr zu behandeln sein. 


b) Astwurzelkrebs beı Obst- und Waldbäumen. 


Als eine besondere Form des Krebses wird der „Astwurzel- 
krebs“ genannt, der bei Wald- und Obstbäumen eine häufige Er- 
scheinung ist. Er besteht darin, dafs Zweige 
und Aste an ihrer Basıs Frostwunden zeigen, 
welche in die Gruppe der offenen Krebse ge- 
hören und aus verschieden grofsen, schwarzen, 
toten Holzflächen mit üppigen, unregelmäfsigen 
Überwallungsrändern gebildet werden. . Gerade der 
Astwinkel ist bei manchen Baumarten besonders 
heimgesucht, und bei den sogenannten „Zwie- 
seln“ oder Gabelungen, bei denen also der 
Unterschied zwischen Haupt- und Nebenachse 
verschwindet und zwei gleich starke Aste von 
einem Punkte aus abgehen, zieht sich die ent- 
blöfste und geschwärzte Holzstelle meist an 
beiden Seiten in die Höhe, und der Über- 
wallungsrand wird demgemäfs durch das Material 
beider Aste ‘gebildet (s. Fig. 138). Abgesehen 
von den empfindlicheren, eingeführten Hölzern 
sind nach NÖRDLINGER?) auch unsere einheimischen 
Waldbäume den Astwurzelschäden ausgesetzt, 
namentlich in der Jugend. So z. B. die Buche 
in schattigen Lagen und schlechten Böden, wo- 
bei sich übrigens sehr häufig auch die von den Fig.138. Astwurzelkrebs. 
Astwurzeln entfernten Internodien mit Frost- 
platten bedecken; auch die jährigen Ausschläge der Eichen auf mageren 
Bodenarten leiden, und bei Eschen zeigt sich die Beschädigung, wenn 
die Bäume in Einsenkungen mit strengem Tonboden stehen. In solchen 
nassen Lagen sah ich die Überwallune aufserordentlich üppig, aber 
durch dicke, rissige, mit Flechten überzogene Borke bis zur Unkenntlich- 
keit verdeckt. 

Entgegengesetzt der von Harrıc vertretenen Ansicht, dafs der 
Astwurzelkrebs durch Frühlingsfröste bedingt sei, meint NÖRDLINGER, 
dafs die Fröste im Vorwinter die Ursache wären. Er stützt sich dabei 
auf die Untersuchung der Holzringe und auf den Umstand, dafs der 
Astwurzelkrebs in Tausenden von Fällen hoch in der Krone und in 


!) Pararozzı, G., Il cancro del pero. Roma, ÖOffizina poligrafica; cit. Bot. 
Centralbl. 1904, Bd. XXVIIL, S. 94. 

2) Die Septemberfröste 1877 und der Astwurzelschaden (Astwurzelkrebs) an 
Bäumen. Centralbl. f. das ges. Forstwesen. Wien 1878, Heft 10. 


5923 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


schattigen, also den Frühjahrsfrösten weniger unterworfenen Lagen so 
häufig ist. 

Dafs die Astbasen ganz besonders frostempfindlich sind, erklärt 
sich aus dem Umstande, dafs wegen der dort ursprünglich angelegten 
srölseren Anzahl von Knospen mehr parenchymatische den Holzring 
durchquerende Markbrücken vorhanden sind. Das parenchymatische 
Holz ist aber weicher und stärkereicher. Diesem Umstande ist auch 
zuzuschreiben, dafs Borkenkäfer sich gern an Astwurzeln ansiedeln, 
und dafs Waldmäuse, wie NÖRDLINGER angibt, bei Pappelabsprüngen 
(Populus monilifera) häufig nur die Basis der Seitenzweige befressen. 
Der Frost, auch der Frühjahrsfrost, tötet also am leichtesten die 
Zwweigbasen. 2 

Bei alten, schwachwüchsigen Stämmen vermindert sich die Uppig- 
keit des Uberwallungsrandes bedeutend, und sie kann in der Weise 
herabsinken, dafs wir überhaupt nur schmalringige, langsam unter die 
tote Rinde sich hinschiebende Überwallungsränder des Brandes erhalten, 
mit dem der Astwurzelschaden als offener Krebs darin übereinstimmt, 
dafs die erste Anlage kein Spalt, sondern eine einsinkende, auftrocknende, 
tote Rindenfläche ist. Daher der bei manchen Praktikern geläufige 
Ausdruck „Zwieselbrand‘. 


c) Der Kirschenkrebs. 


An Sülskirschen zeigen sich meist halbseitig tonnenförmige Auf- 
treibungen der Zweige oder älteren Aste. Die Rückseite der oft mehr 
als faustdicken Anschwellungen erscheint nicht selten brandig ein- 
gesunken, wobei die tote Rinde von dem geschwärzten Holzkörper ab- 
geplatzt und teilweise abgeblättert ist, teils aber auch in gröfseren 
Platten mit aufwärts gerollten Rändern noch festsitzt (s. Fig. 139). 

Die tonnenförmige Zweiggeschwulst stellt sich als eine abnorme 
Ausbildung von Überwallungsrändern (u und «) einer sich* nicht 
gänzlich schliefsenden Wunde (sp) dar, wie dies bei dem „geschlossenen 
Apfelkrebs“ ebenfalls getunden wird. Bei diesem ist aber das Über- 
wallungsgewebe eine plötzliche, in ungemeiner Üppigkeit auftretende 
Erweiterung des Jahresringes, während bei der Kirsche die Anschwellung 
der normalen Zweigseite zum wuchernden Uberwallungsrande einen 
allmählichen Übergang erkennen läfst. Daher stellt sich der geschlossene 
Apfelkrebs als Knoten, der vollkommen ausgebildete Kirschenkrebs als 
sanft ansteigende tonnenförmige Verdickung dar. Neben dieser 
typischen Form findet man die verschiedenen Übergänge einerseits bis 
zum geschlossenen Krebsknoten, andererseits bis zu den Flachwunden, 
welche als Brand von uns bezeichnet werden. 

Bei älteren Zweigen krebskranker Bäume erkennt man bisweilen an 
ihrer Basis kegelförmige Anschwellungen, die alle Übergangsformen 
bis zur typischen Krebsgeschwulst bieten können. Die Anfangsstadien 
zeigen sich an einer Zweigseite in Form einer kleinen Frostwunde am 
ersten Jahresringe. Was hier besonders hervorgehoben zu werden 
verdient, ist, dafs man das enorme Überwallungsgewebe oft von einer 
Markbrücke aus sich entwickeln sieht. Dies weist also auf eine 
direkte Beschädigung einer Knospe hin. Die Ausbildung der Über- 
wallungsränder setzt sich in den nächsten Jahren fort, wobei stets nur 
Parenchymholz angelegt wird, in welchem sich schnell und reichlich 
Stärke ablagert. Wenn die Krebsgeschwulst einen gröfseren Umfang 


Wärmemangel. 593 


erreicht hat, stirbt in der Regel oberhalb derselben der Ast ab, wobei 
stromabildende Pilze (meist aus der Familie der Valseen), die in 
Form kleiner Wärzchen hervortreten, reichlich mitwirken. 

Wenn man jugendliche (ein- und zweijährige) Zweige krebskranker 
Bäume durchmustert, findet man brandartige, oft mehrere Uentimeter 
lange Stellen, an denen statt der einzelnen Augen lippige Überwallungen 
sich zeigen, während an den darüber und darunter befindlichen Zweig- 
teen die Augen sich zu kurzen Trieben entwickelt haben. Daraus 
geht hervor, dafs die Beschädigung des Zweiges vor dem Austreiben 
der Augen erfolgt sein mufs. _ 

Da man aber in dem Jahre, in 
welchem der Zweig gebildet wird, 
keinerlei Beschädigung wahrnehmen 
kann, solche jedoch im nächsten Früh- 
jahr gefunden wird, so mufs sie im 
Winter oder Frühjahrsanfang entstanden 
sein. Es ist also das Nächstliegende, 
zu vermuten, dafs das sich zum Aus- 
treiben öffnende Auge vom Froste ge- 
tötetwird und nun das gehäufte plastische 
Material zur Bildung wuchernder Wund- 
ränder Verwendung findet. Da das Ge- 
webe dieser Überwallungsränder par- 
enchymatisch weich bleibt und fast 
stets vollgepfropft mit Stärke gefunden 
wird, so ist es erklärlich, dafs es ım 
folgenden Winter der Frostbeschädigung 
an seinen Rändern sehr leicht erliegt 
und aus den gesund bleibenden tiefer 
liegenden Zonen neue Wucherungen 
produziert. 

Der ganze Vorgang wird bei Be- 
trachtung der @Querschnittfläche von 
Fig. 139 deutlich. Man bemerkt hier, 
das die Zerklüftung der Achse in kurzer 
Entfernung vom Markkörper (m), und 
zwar im zweiten Jahresringe begonnen 
hat. Der dritte Jahresring hat schon 
üppige Überwallungsränder (f) geliefert, > 

O' = 
lan el Diese vokundären Fi8,130. Kirschenkrebs. Frostspalt 
mit Überwallungsrändern in es 
Spalten veranlassen sekundäre Über- ansicht und Querschnitt. (Orig.) 
ln (f). Die tonnenförmige Krebs- 
anschwellung aber wird hauptsächlich durch die wuchernden Wund- 
ränder des Hauptspaltes geliefert, die in fächerförmiger Zonung (%) 
auftreten. Es teilt sich somit ein Jahresring innerhalb der Krebs- 
geschwulst in mehrere, wie bei dem geschlossenen Apfelkrebs. Dem- 
entsprechend wuchert auch der Rindenkörper (r) und bildet stellenweise 
dicke Borkenschuppen aus. 

Wie bei allen Krebserkrankungen, findet man auch bei dem Kirschen- 
krebs mitten in grofsen Pflanzungen nur einzelne Individuen erkrankt. 
Bei diesen krebssüchtigen Exemplaren fand ich in gesunden Trieben viel- 
fach abnorm verbreiterte Markstrahlen, eine Erscheinung, die auch bei 

Sorauer, Handbuch. 3. Aufl. Erster Band, 38 


594 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


anderen Baumarten zu beobachten ist. Ich habe daher die Vermutung, 
dafs die Anlage zur Krebssüchtigkeit in der individuellen 
Neigung zu Markstr ahlerweiterungen zu suchen ist. 


d) Der Krebs (Grind) des 


Weinstockes. 


An älterem Rebholze sieht man in 
der Nähe des Erdbodens, ungefähr 10 bis 
50 cm von der Bodenebene entfernt, ein- 
zelne kleine, kugelige oder grofse, tonnen- 
förmige Holzauftreibungen von perlartie 
unregelmäfsiger Oberfläche aus der der 
Länge nach faserig zerschlitzenden Rinde 
hervortreten. Fig. 140 zeigt zwischen 
den weifs gezeichneten Rindenstreifen 
die perlartigen Krebsgeschwülste. Bei 
kleinen, isolierten Wucherungen erkennt 
man deutlich, nach GörHr's Unter- 
suchungen !), ihre Entstehung als Über- 
wallungsgewebe von längsverlaufenden 
Holzspalten. Es erscheinen die Spalten 
an der Grenze eines Jahresringes, so 
dafs daraus geschlossen werden muts, 
sie seien zur Zeit der beginnenden 
Bildung des neuen Jahresringes durch 
stellenweises Abtöten der Cambiumzone 
im Frühjahr entstanden. DBetreffs der 
Entstehung der Wucherungen habe ich 
einige abweichende eigene Beobachtungen 
bei der folgenden Krankheit, dem Spirae- 
enkrebs, niedergeleot. 

Die Beschädigung, welche das Cam- 
bium getötet, hat auch den alten Holz- 
körper in einem gröfseren Kreis- 
ausschnitt tief gebräunt. Die von 
den gesunden Stellen her eingeleitete 
Überwallung, welche die Spalten” manch- 
mal schnell schliefst, zeichnet sich durch 
wuchernde Üppiekeit des Holz- und 
Rindenkörpers aus. Die sich gegen- 
einander vorwölbenden Holzränder be- 
stehen aus weichem, gefäfslosem Par- 
enchymholz ohne eigentliche prosenchy- 

NITPIP IMG matische Elemente, zeigen also den 
Fig. 140. Krebswucherungen an charakteristischen Bau des wuchernden 

der Weinrebe. Wundholzes.. Wenn die Überwallungs- 

ränder sich zu einem zusammenhängenden 

Jahresringe wieder vereinigt haben, wächst derselbe in der Weise weiter, 
dafs er sich auch wieder durch Markstrahlen fächert, und zwar bilden 
diese Markstrahlen -in ihrer Richtung die Fortsetzung derjenigen des 


nn über den schwarzen Brenner und den Grind der Reben. Berlin 
und Leipzig, H. Voigt, 1878, S. 28 ff. 


Wärmemangel. 595 


vorjährigen Holzes; dasselbe hat also durch das braune, getötete 
Gewebe nur eine vorübergehende Unterbrechung erlitten. 

Nie zeigen sich die beschriebenen Störungen und Gewebe- 
wucherungen am diesjährigen Holze. 

Das perlartige Hervortreten der Gewebebuckel, welche durch ihre 
grofse radiale Ausdehnung: die alte Rinde sprengen, erklärt sich nach 
GÖTHE durch ein vollständiges „übereinander Hineinwachsen“* der Über- 
wallungswülste, die am üppigsten an denjenigen Rebstellen sich vor- 
finden, welche etwa 30 cm von der Bodenoberfläche entfernt liegen. 
Von da ab sieht man in der Regel sowohl nach oben als nach der 
Erde zu die Geschwülste an Zahl und Ausdehnung abnehmen, und 
ganz dicht am Boden sowie etwa bei 1 m Entfernung von demselben 
sind sie nur noch selten zu finden. Bei geringer Entwicklung der 
Krankheitserscheinung vegetieren die befallenen Schenkel noch mehrere 
Jahre und können auch noch Tragholz produzieren. Bei stärkerer Ent- 
wicklung der Krebsgeschwülste stirbt das Holz oberhalb derselben ab. 

Wie schnell die Krebsgeschwulst entsteht, zeigt der Umstand, dafs 
man einmal am 8. August Stöcke gefunden hat, bei denen das Ver- 
edlungsband ®/ı cm tief in der Gewebewucherung eingebettet lag. Es 
kann also die ganze, 2,5 cm Höhe besitzende Krebsgeschwulst erst nach 
der Veredlungszeit (im Mai) entstanden sein, da man nicht annehmen 
kann, dafs man ein Edelreis auf eine schon erkrankte Rebe gebracht 
haben wird. 

Dafs die Beschädigungen des Cambiumringes im Frühjahr statt- 
finden, hat GöTHE durch folgenden Versuch bewiesen. Im April, bei 
Gelegenheit des Rebschnittes wurden 12 kräftige Tragreben je zwischen 
zwei Knoten mit einem stumpfen Eisen derartig geklopft, dafs eine 
. Verletzung der Cambiumschicht angenommen werden konnte. Sodann 
wurden Glasröhren über die beschädigten Stellen geschoben und die 
Öffnungen verstopft. Schon am 8. Juni konnten die ersten Spuren 
der Anschwellungen konstatiert werden, während an den spezifisch 
grindkranken Reben die Gewebewucherungen erst am 20. Juni er- 
schienen. Bis zum Herbst hin fanden sich in den Glasröhren voll- 
kommen normale Grinderscheinungen ein, die auch denselben ana- 
tomischen Bau wie die natürlich gebildeten Wucherränder zeigten. 

Als Ursache dieser Wucherungen im Freien ist der Frost im Frühjahr 
anzusehen. Es sprechen dafür die meisten Literaturangaben, welche 
ein Auftreten des Weinkrebses nach Frühjahrsfrösten konstatieren. 
GÖTHE ceitiert: v. BaBo, Weinbau, S. 305; DoRNFELD, Weinbauschule, 
S. 129; KöHLER, Der Weinstock und der Wem, S. 205: pu BkEUIL, 
Les Vignobles. Ferner spricht für diese Annahme die Erfahrung, 
dafs der Weinkrebs nur in den sogenannten Frostlagen auftritt. GÖTHE 
führt in dieser Beziehung ein Beispiel von einer Weinpflanzung an, 
die an einem kleinen Abhange begann, sich durch eine Mulde hinzog 
und an einem gegenüberliegenden Abhange sich wieder emporhob. 
An beiden Abhängen standen die Reben gesund, während sie in der 
Mulde vom Krebs befallen erschienen. Bei einer weiteren Prüfung sah 
der Beobachter auch noch an 20 anderen Rebstöcken, die in Boden- 
tiefen standen, dafs Erkrankung aufgetreten war. 

Die Tatsache, dafs der Weinkrebs in bestimmter Höhe an der 
Rebe erscheint, erklärt sich durch die verschieden grofsen Differenzen 
zwischen Wärmemaximum und -minimum, denen die Rebe in ihren 
verschiedenen Höhen zur Zeit der Frühjahrsfröste vielfach ausgesetzt ist. 


38 * 


596 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


Bodenentwässerung dürfte sich als das wirksamste Mittel erweisen. 
Günstige Resultate davon meldet bereits KÖHLER in seinem vor- 
erwähnten Werke. Daneben wird man vorzugsweise auf die An- 
pflanzung härterer Sorten Bedacht zu nehmen haben und namentlich 
richtige Weinlagen (mäfsig feuchte, lockere und warme Bodenlagen) 
zur Anpflanzung auswählen müssen. 

Dais der Grind auch ohne Frostwirkung, lediglich durch Stauung 
des plastischen Materials entstehen kann, wie BLANKENHORN und MÜRL- 
HÄUSER infolge eines zu kurzen Schnittes beobachtet haben wollen (s. 
Würzburger "Weinbaukongrefs) ist nicht unglaublich. Sicher ist, dafs 
die in Form von Markstrahlwucherungen sich zeigenden Anfänge der 
Geschwülste an Reben auftreten können, bei denen im Frühjahr eine 
stellenweise Abhebung der Rinde vom vorjährigen Holz stattgefunden 
hat. Solche krebsartigen Wucherungen mögen, wie gesagt, ohne Frost- 
beschädigung sich ausbilden können, ebenso wie man bei üppigen 
Kernobstsorten krebsartig wuchernde Überwallungsränder findet; allein 
es fehlt in diesen Fällen die tiefgehende Bräunung des Holzkörpers. 


c) Krebs an Spiraea. 


Eine von anderer Seite noch nicht beschriebene, mit dem Weim- 
krebs grofse Verwandtschaft zeigende Krankheitserscheinung existiert 
an den Stengelbasen von Spiraea opulifolia. Die Krankheit scheint nur 
in Gegenden mit sehr kalten Wintern häufiger vorzukommen; mein 
Beobachtungsmaterial stammte aus Ostpreufsen. 

Älteres, mindestens zweijähriges Holz mit starken Jahresringen 
zeigt an der Basis aufserordentlich zahlreiche, isolierte oder perlartig 
aneinandergereihte oder auch gehäufte, weiche, halbkugelige Holz- 
anschwellungen (Fig. 141 A, k, kk), deren Gröfse von wenigen Millimetern 
bis zu 15 und 2cm Durchmesser schwankt. Die Anschwellungen sind 
gebräunt, dunkler als die von ihnen durchbrochenen, flatternd sich ab- 
lösenden, äufseren Rindenlagen, manchmal zerklüftet oder in der Mitte 
trichterförmig vertieft und mit grob chagrinierter , rissiger Oberfläche 
versehen. Eine Rindenlage ist nicht abhebbar, da die Substanz der 
Geschwulst bröckelig ist und in Stücken leicht ausbricht. 

Bei dem Zerschneiden einer gröfseren Geschwulst oder, wie man 
mit aller Berechtigung sagen kann, eines Krebsknotens, sieht man, dafs 
Lamellen festeren Gewebes fächerartig von einer mehr oder weniger 
breiten Basis ausstrahlen; jedoch sind die Lamellen weder durch die 
ganze Breite eines Krebsknotens gehend, noch auch scharf von dem 
zunderartig mürben, dunkleren Grundgewebe getrennt. Dieses selbst 
ist als eine nach der Peripherie hin immer weicher werdende, 
wuchernde Fortsetzung des letzten Jahresringes anzusehen. 

In Fig. 141 B, welche den Querschnitt des Krebsknotens k von 
Fig. 141 A darstellt, bedeutet m den Markkörper, a den unverletzten 
Jahresring des ersten, b den gespaltenen des zweiten Jahres, ce das 
zur Krebseeschwulst k auswuchernde Holz des dritten Jahres; i sind 
die festeren Gewebeinseln und -streifen in der zunderartig 'nürben 
Grundsubstanz. 

In den bisher zur Beobachtung gelangten Fällen erwies sich der 
Krebsknoten seiner Hauptmasse nach als die Produktion eines einzigen 
Jahres, und zwar als eine einseitige Holzwucherung über einer Stelle, 
welche schon im vorhergehenden Jahre eine keilföürmig nach innen 


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598 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


zugespitzte Zone von gelockertem, parenchymatischem Holzgewebe 
gebildet hatte. Insofern gehören allerdings zwei ‚Jahre zur vollkommenen 
Herstellung des Krebsknotens. Verfolgt man die erwähnte, keilförmige 
Zone des Vorjahres rückwärts, bis auf den vorhergehenden Jahresring, 
so sieht man, dafs sie ihren Ursprung von einer gebräunten, schmalen 
Stelle im ersten Frühlingsholze nimmt. 

Das beigegebene anatomische Bild, Fig. 141 (©, wird die Darstellung 
erleichtern. Die ganze Fig. C ist der radiale Ausschnitt aus dem 
zweiten Jahresringe eines Spiraeastengels und enthält die die eigentliche 
Krebsgeschwulst vorbereitende Gewebezone. Die Linie f bis /f stellt 
den Streifen veränderten Gewebes dar, welcher bei seiner Weiter- 
entwicklung im folgenden Jahre zum vollkommenen Krebsknoten ge- 
worden wäre. Das Gewebe unterhalb a deutet das Herbstholz des ersten 
Jahresringes an. Im Holzkörper dieses ersten Jahresringes ist nie 
eine Störung beobachtet worden, gradeso wie bei dem Weinkrebs der 
erste Jahresring ebenfalls ganz normal gebaut ist. Das Holz des 
zweiten Jahresringes b fing zunächst auch mit normaler Entwicklung 
an und setzte sich in derselben Weise bis b’ fort. 

Zu dieser Zeit kam eine Störung, welche den Spalt d erzeugte 
und dessen Ränder ce’ bräunte. Die Entstehungszeit dieses Spaltes mufs 
die der kräftigsten Neubildung gewesen sein; denn schon wenige Zell- 
reihen später, bei h, sehen wir den Spalt geschlossen und den Jahres- 
ring unter Bildung von Gruppen normaler Prosenchymelemente p» 
weiter wachsen. Nur eine einzige Zellreihe k bildet einen radialen 
Streifen aus kürzeren, weitlumigeren Holzzellen. Anstatt dafs nun mit 
dem Älterwerden des Jahresringes und dessen zunehmender Dicke 
sich der abnorme Holzstreifen verlieren sollte, nimmt derselbe an 
Breite zu, indem immer mehr Zellen an der veränderten Bauart teil- 
nehmen k%k. So schreitet die Störung bis zum Abschlufs des zweiten 
Jahresringes fort und beginnt in verstärktem Mafse in der Frühlingszone 
des dritten Jahresringes c—«. 

Schon bei Abschlufs des zweiten ‚Jahresringes sieht man den 
Streifen des Krebsanfanges als schwachen Hügel über die Peripherie 
des übrigen Holzringes hervorragen. Im Frühjahr des dritten Jahres 
ist die Neubildung an dieser Stelle eine so üppige, dafs der schnell 
anwachsende, durch eine ebenso wuchernde Rindenpartie kl verstärkte 
Krebsknoten die normale Rinde r durchbricht (bei sp) und nun als 
gleichsam fremdes Gebilde weiter wächst, um nach wenigen Wochen 
als fertiger 1—2 cm hoher Krebsknoten sein Wachstum zu beschliefsen. 

Bei dem Weinkrebs zeigen sich ähnliche Bildungen. Nur habe 
ich bisher gefunden, dafs die zu Anfang des zweiten Jahres sich ein- 
stellende Störung, der Lücke d entsprechend, ın einer breiteren, 
tangentialen Abhebung von ringförmiger Gestalt besteht. Es macht 
den Eindruck, als ob bei Beginn der Vegetationsperiode die Rinde 
vom Holzkörper auf eine gröfsere Strecke hin abgehoben worden sei. 
Meine vielfachen Versuche mit künstlichen Frösten zeigen, dafs dieser 
Vorgang tatsächlich eintreten kann und sogar bei den verschiedenen 
Gehölzen ziemlich häufig anzutreffen ist. Infolge dieser Abhebung ent- 
steht bei dem Wein meist an der Stelle, wo bei Spiraea die schmale 
radiale Spalte sich befindet, eine tangentiale Lücke. Die abgehobene 
Rinde bildet zunächst Holzparenchym, und dieser weiche Holzkörper 
geht ganz allmählich im Laufe des folgenden Sommers in normales Holz 
über. Hier sind es aber einzelne der breiten Markstrahlen über 


u 


Wärmemangel. 399 


der abgehoben gewesenen Stelle, welche eine bevorzugte Entwicklung 
zeigen und am Ende des Jahres als weiche Gewebekappen vorspringen. 

Bei Wein wie bei Spiraea müssen es also bei der Krebsbildung 
nicht notwendigerweise Überwallungsränder sein, wie dies bei dem 
Apfelkrebs stets der Fall ist; bei ersteren können vielmehr unverletzt 
erscheinende, allerdings durch eine frühere Störung ver- 
anlafste Gewebepolster eines parenchymatisch gewordenen Holz- 
körpers zu Krebsknoten sich ausbilden. Damit erklärt sich die von 
BLANKENHORN über den Weinkrebs geäufserte Ansicht, dafs Stauung von 
plastischem Material (z. B. nach zu starkem Schnitt) die Krebsgeschwulst 
veranlassen kann. 

Die Bildung der Krebsgeschwulst erleidet insofern manchmal eine 
Modifikation, als die schon im ersten Jahre der Vorbereitung entstandenen 
Krebspolster durch den Frost teilweise getötet werden; es leidet dann 
die zentrale, weichste Partie, dıe nun einen schwarzen, vertrockneten 
Kern darstellt. Im folgenden Frühjahr wachsen dann nur die Rand- 
partien nach Art der UÜberwallungsränder wuchernd weiter und um- 
kleiden einen Spalt, wie er in Fig. 141 B dargestellt ist. Es ist gesagt 
worden, dafs die Randpartien des angehenden Krebsknotens „nach Art“ 
der Überwallungsränder fortwachsen; wirkliche Überwallungsränder mit 
schneckenförmig übergebogenen Rändern sind nur selten zu finden 
(auch bei dem Weinkrebs). 

Wie Fig. 141 B zeigt, geht der Holzring des dritten Jahres unmerklich 
in die Krebsgeschwulst über. Tatsächlich ist also der Krebsknoten 
eine Holzbildung; aber dieses Holz ist bei der enormen Schnellig- 
keit der Gewebebildung ein so weiches, dem ebenfalls wuchernden 
und von aufsen her leicht absterbenden Rindengewebe so ähnliches 
Gebilde, dafs es manchmal schwer fällt, die Grenze zu finden. Dieses 
lockere, mir in solcher Weichheit nur noch bei dem Rosenkrebs vor- 
gekommene Holz bildet in der fertigen abgestorbenen Geschwulst die 
braune, zunderartige Grundmasse, von der anfangs die Rede war; die 
festeren, helleren Teile sind die an der Peripherie an Breite und Stärke 
zunehmenden Inseln von dickwandigen Holzzellen und Gefäfsen 
(Fig. 141 B, i). Bei Krebsknoten von verschiedener Stärke finden sich die 
Gefäfsgruppen { bald in Form keilförmiger, nach aufsen diekerwerdender 
Lamellen, bald (wie in Fig. 141 B) in Form kugeliger Gruppen mit schalen- 
förmiger Anordnung ihrer Elemente. Die Gruppen verschmelzen nicht 
selten miteinander und bedingen auf diese Weise eine gröfsere Festig- 
keit; aber ein zusammenschliefsender Holzring ist nie beobachtet 
worden. Diese isolierten Prosenchym- und Gefäfsgruppen sind es, 
welche bei dem Zerschneiden dem Messer einen so grofsen Widerstand 
entgegensetzen, dafs sie sich schon aus dem Verbande mit dem übrigen 
Gewebe lösen, ehe sie durchschnitten sind. Daher das leichte Zer- 
bröckeln des trocknen Krebsknotens. 


f) Der Rosenkrebs. 


Durch die Kultur der neueren Rankrosen, die (nach Crfrın-Brüssel) 
aus einer Kreuzung von Rosa indica X multiflora hervorgegangen sind 
und als Polyantha-Arten bezeichnet werden, sind wir mit einer Er- 
scheinung bekannt geworden, welche in das Gebiet der Krebswucherungen 
fällt. Die beistehenden Fig. 142 A und B stellen solche Krebsgeschwülste 
dar, wie sie an der Basis der starken Stämme von Crimson Rambler in 


600 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


Deutschland aufgefunden worden sind. Ihr Auftreten am unteren Teile 
dieser bekanntlich auch bei uns äufserst üppig wachsenden Rosenstämme 
erinnert an die gleichen Vorkommnisse bei dem Weinkrebs. Wie bei 
allen Krebsbildungen finden wir auch hier diejenige Region der Achse 
bevorzugt, an welcher Zweige (A, a) entspringen, und an diesen selbst 
die Basis stark verdickt oder in gekrösartigen Wucherungen auf- 
gebrochen (B, üb). Zur Erklärung dieser Erscheinung darf man sich nur 


Fig. 142. Rosenkrebs. (Orig.) Man erkennt terrassenförmig nach aufsen ansteigende 
konzentrische Überwallungsränder um eine zentrale tote Holzfläche. 


daran erinnern, dafs an jeder Stelle der normalen Achse, von welcher 
ein Zweig abgeht, der Holzring gelockert und für Störungen besonders 
empfindlich ist. Denn der Markkörper erweitert sich an den Zweig- 
ansatzstellen zu einer den Holzring quer durchsetzenden Markbrücke, 
die in die Seitenzweige abgeht. An jedem sich entwickelnden Aste 
stehen die Augen an der Basis am engsten beieinander; sie sind zwar 
oftmals wenig ausgebildet, weil auch die Blätter noch schuppenförmig 
oder doch unvollkommen sind, aber die parenchymatischen Markbrücken, 
welche den Holzring durchqueren, sind vorhanden. 


Wärmemangel. 601 


Die Krebsstelle an der Hauptachse läfst im vorliegenden Falle wie 
bei dem „offnen Apfelkrebs“ eine zentrale Wundfläche mit blofsgelegtem 
gebräunten Holzkörper (Fig. 142 A und B, w) erkennen, welche durch 
terrassenförmig nach aufsen aufsteigende wulstige UÜberwallungsränder (ö) 
umkränzt wird. Aber diese Wundränder behalten nicht, wie bei dem 
Apfelkrebs, ihren eleichartigen, wallähnlichen Charakter, sondern bilden 
sich zu unregelmäfsig höckerigen oder perlig übereinandergetürmten 


Fig. 143. Anfangsstadien des Rosenkrebses. (Orig.) 


Gewebemassen aus. In anderen Fällen tritt der Rosenkrebs ähnlich 
wie die Krebsknoten bei Spiraea in geschwürartigen, verflossenen, lang- 
gestreckten Wundrändern auf, welche einen vom Astablauf ausgehenden 
Längsspalt bekleiden. Alle Wuchergewebe sprengen schlietislich die 
Rinde (r) entzwei. % 

Einen Einblick in das Zustandekommen dieser an Uppigkeit von 
keiner anderen Krebsgeschwulst übertroffenen Wucherungen erlangt 
man durch den obenstehenden Querschnitt des Rosenstammes an einer 
Stelle, wo er eine kleine, isoliert hervortretende, perlartige Erhabenheit 


602 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


' gebildet hat (s. Fig. 143). Wir erkennen, dafs der Stamm im ersten Jahre 

seine normale Ausbildung erlangt hatte: um den Markkörper ist ein 
normaler Holzring (h) mit breiten Markstrahlen (mst) vorhanden, der später 
zerklüftete (v). Im zweiten Jahre, als die ersten Zellreihen (gr) des neuen 
Holzringes in der Ausbildung begriffen waren, mufs sich eine Störung in 
Form einer Lockerung geltend gemacht haben, denn der neue Holzring (hp) 
hat zum grofsen Teil den Charakter des Parenchymholzes angenommen 
und nur stellenweis (4) den durch Ausbildung von Gefäfsen und dick- 
wandigen Holzzellen gekennzeichneten normalen Holzbau beibehalten. 
Die Ursache dieser Lockerung ist ein Rindenrifs gewesen, dessen Spuren 
man in der lippenförmigen Einbuchtung am oberen Teile der Figur 
erkennt. Die deckenden Korkschichten (%) der Rinde sind entzwei ge- 
sprengt worden, und das beiderseits hervorquellende Überwallungs- 
gewebe (zw), das sich wiederum mit einem Korkmantel bekleidet hatte, 
ist zu einer geschlossenen Masse in unmittelbarer Nähe des (nicht ge- 
zeichneten) Risses verschmolzen. Wenn man von der üppigsten Stelle 
des Wuchergewebes (?r) ausgehend dasselbe rückwärts nach der gesunden 
(oberen) Zweigseite hin verfolgt, sieht man, dafs es sich allmählich auskeilt 
und innerhalb der Rinde normalen Charakter (fg) anzunehmen beginnt. 
Hier ist die Lagerung der Hartbaststränge (b) noch nahezu normal, 
aber ihre Beschaffenheit ist stark verändert. Die Mehrzahl der Bast- 
zellen zeigt gelben, verquollenen Inhalt und leicht gebräunte Wandung. 
Dennoch aber treten sie als leuchtend helle Gruppen aus dem tiefbraun 
gefärbten Rindenparenchym hervor, das durch eine nachträglich ent- 
standene Tafelkorklage (/’) von den äufseren collenchymatischen Rinden- 
schichten abgegrenzt ist. 

Die Zeichnung zeigt aber, dais der Ring von Bastzellen (B) in dem 
Mafse sich weiter vom Holzzylinder entfernt, als er weiter in das 
Wuchergewebe eintritt; er ist also durch die Vermehrung desselben 
vom Holzkörper abgedrängt worden. Gleichzeitig sieht man, dafs der 
Bastring auch von den äufseren, collenchymatischen Schichten weiter 
abgerückt ist. Es mufs deshalb auch eine Zellvermehrung in der 
Primärrinde eingetreten sein. 

Es fragt sich nun, ob das Gewebe, welches den Bastring vom Holz- 
körper abdrängt, ausschliefslich ein Produkt der sekundären Rinde ist, 
oder ob auch der Holzzylinder selbst dazu beigetragen hat. Die Ant- 
wort erhalten wir durch die Gewebegruppe (hp), welche Parenchym- 
holz darstellt. Wir finden derartige Gruppen parenchymatischen Holzes 
innerhalb eines weichen, dünnwandigen Gewebes bei der Heilung von 
Schälwunden, bei denen sich aus den jüngsten auf dem Holzkörper 
stehengebliebenen Splintlagen neues Gewebe bildet. Wir lernen ferner 
bei dem Studium der falschen Jahresringe (s. diese) und bei den Heilungs- 
vorgängen der inneren Frostrisse die Bildung von Parenchymholz aus 
der gelockerten Splintholzschicht kennen. Auch bei den Veredlungs- 
vorgängen, namentlich der Okulation und dem Rindenpfropfen, sehen 
wir Vernarbungsgewebe vom jüngsten Splintholz neu gebildet werden, 
wenn die eigentliche Cambiumzone verletzt worden ist. Bleibt das 
Cambium bei einer Verwundung erhalten, so entwickelt sich dieses im 
Falle einer Lockerung des Korkgürtels der Rinde durch einen Rifs zu 
einem zunächst parenchymatischen Gewebe, das an seiner Peripherie 
allmählich in den normalen Holzbau in dem Mafse übergeht, als sich 
der normale Rindendruck wieder herstellt (s. Wundheilung). 

Aber dieselben Neubildungen können auch auf der Innenseite der 


Wärmemangel. 603 


Rinde entstehen, wenn man dieselbe vom Holzzylinder abhebt, ohne 
dafs ihre Ernährung gänzlich unterbunden wird. Ich habe die Ver- 
suche bei Kirschen in der Art ausgeführt, dafs ich die noch glatte 
Rinde jugendlicher Stämme in Streifen ablöste, welche an ihrem oberen 
Ende mit dem unverletzt auf dem Achsenzylinder stehengebliebenen 
Rindenmantel in Verbindung geblieben waren. An dieser Übergangsstelle 
der unverletzten Rinde in den abgehobenen Streifen sah ich auf der 
Innenseite desselben Callus sich bilden, der sich später in Rinden- und 
Holzkörper differenzierte. Es ist also experimentell festgestellt, 
dafs ein blofsgelegter Holzkörper neue Rinde und ein 
abgehobener, aber am oberen Ende auf dem Holzkörper noch fest- 
sitzender Rindenlappen neues Holz erzeugen kann. 

Dadurch wird uns der Vorgang bei dem Rosenkrebs verständlich. 
Im ersten Frühjahr entstand ein Rindenrifs, der bis auf das bereits ın 
einzelnen Zellreihen angelegte Frühjahrsholz des neuen Jahresringes 
reichte und auch seitliche Abhebungen der Rinde vom Splinte zur 
Folge hatte, wie die Lücken (!) erkennen lassen. 

Durch diesen radialen Spalt war der schnürende Einflufs, den 
der Korkgürtel (k) auf Rinde und Jungholz auszuüben pflegt, zunächst 
gänzlich aufgehoben, und die Folge war nun die luxuriierende Ver- 
mehrung des Jungholzes (auf der unteren Seite der Figur), dort wo die 
cambiale Zone nicht gestört worden war, und andererseits die üppige 
Vermehrung des Parenchyms der Innenrinde dort, wo dieselbe vom 
Jungholz abgehoben worden war (bei / auf der oberen Seite der 
Figur). Die Neubildungen sind, gleichviel ob vom abgehobenen Rinden- 
lappen oder vom Jungholz ausgehend, gleichmäfsig callusartig und 
verschmelzen unmerklich miteinander. Sie sind es, welche den ehe- 
mals zusammenhängenden Bastring (b, b’) entzwei gesprengt, den stärkst- 
beschädigten Teil desselben (D’) nach aufsen gedrängt und nach seiner 
Abklüftung von der Aufsenrinde zum Absterben gebracht haben. 

Die Hauptfrage ist, auf welche Weise die erste radiale Zerklüftung 
zustande gekommen sein mag? Und darauf kann die Antwort nur lauten: 
durch den Frost. Denn wir finden jene Bräunung der Markkrone, 
jene Zerrungen und Erweiterungen der Markstrahlen, jene Abhebungs- 
erscheinungen und Gewebezerklüftungen hier wieder, die ich experi- 
mentell durch Einwirkurg künstlicher Fröste habe erzeugen können. 
Nur die Folgeerscheinungen, nämlich die luxuriierende Gewebevermehrung 
habe ich künstlich bisher noch nicht hervorzurufen vermocht. Es liegt 
dies wahrscheinlich darin begründet, dafs ich noch nicht den richtigen 
jugendlichen Entwicklungszustand bei der Einwirkung der künstlichen 
Fröste getroffen habe. Es mufs dies die Zeit sein, in welcher die cambiale 
Tätiekeit eben beginnt, wie man aus den wenigen Zelllagen ersieht, die 
der neue Jahresring erst gebildet hat. Treten die Störungen später ein, 
so ist die Reaktionsfähigkeit der Gewebe geringer, und die wuchernde 
Zellvermehrung unterbleibt. Wie sehr der Zeitpunkt der Verletzung 
ausschlaggebend ist, beweisen die Versuche von GÖTHE, welcher, wie 
bereits erwähnt, durch fortgesstztes Klopfen an einer Weinrebe im 
ersten Frühjahr Wucherungen erzeugt hat, die dem Weinkrebs glichen ; 
der Weinkrebs ist in seiner Entwicklung dem Rosenkrebs nahestehend. 


g) Der Brombeerkrebs. 


Es ist eine bemerkenswerte Erscheinung, dafs mit Ausnahme des 
Weinkrebses alle übrigen Krebswucherungen in der Familie 


604 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. L) 


der Rosaceen gefunden werden. Bei dem Brombeerkrebs entstehen 
am älteren Holze blumenkohlartig gehäufte, harte, weifslich schimmernde 
Gewebemassen mit perlartiger warziger Oberfläche (s. Fig. 144 k), die 


Fig. 144. Krebs bei der wilden Brombeere. 
(Orig.) 


bald einzelne Kugeln, bald, 
wie bei Spiraea, wallartig ge- 
häufte, langgestreckte Polster 
bilden. Die Augengegend ist 
der bevorzugte Entstehungs- 
ort. Die Rinde wird gesprengt 
und teilweise flügelartig zu- 
rückgeschlagen. 

Beireichlichem Vorhanden- 
sein der Krebsgeschwülste ver- 
gilbt zunächst das Laub; dann 
beginnt langsam der Stengel 
von den gebräunten Augen- 
stellen aus abzusterben. Bis 
Juli sind in der Regel die er- 
krankten Zweige, die an dem- 
selben Stocke neben freudig 
grünenden vorkommen, gänz- 
lich abgestorben. 

Wenn man an den ge- 
sunden Trieben solcher kreb- 
sig erkrankten Stöcke nach- 
sucht, findet man entweder 
kleine, rötliche oder braune 
Längsschwielen oder auch bis 
l cm lange, klaffende Rils- 
stellen. Dieselbe Erscheinung 
bemerkte ich auch an manchen 
Blattstielen. Die Böschungen 
derartiger Rifswunden sind mit 
Kork bekleidet. An diesen 
Böschungen treten stellenweis 
kleine, perlige Wucherungen 
hervor, die aus Parenchym 
bestehen und dicht an der 

Aufsenseite der Hartbast- 
stränge von der Primärrinde 
gebildet werden. 

Diese Geweberegion er- 
weist sich bei den Rosaceen 
als eine sehr leicht erregbare. 
Nach den verschiedenartigsten 
Rindenbeschädigungen, die 
nicht bis an den Hartbast reich- 
ten, sah ich kräftige Zweige 


durch Parenchymvermehrung dicht aufserhalb der Hartbaststränge auf 
den Wundreiz antworten. Auch bei dem Brombeerkrebs bemerkt man 
eine Voranlage für die Krebsbildung; denn an den Stellen, wo 
eine warzenartige Wucherung hervorgetreten war, erwies sich schon 
bei der jugendlichen Zweiganlage der aus Hartbaststrängen und deren 


Wärmemangel. 605 


derbwandigen Verbindungselementen gebildete mechanische Ring un- 
verdickt, indem zartwandiges Parenchym an Stelle der prosenchyma- 
tischen und sclerenchymatischsn Gewebe getreten war. 

Das parenchymatische Wuchergewebe in der Primärrinde vermehrt 
sich äufserst schnell und durchbricht die deckenden normalen Rinden- 
lagen. Im Innern der Krebswarze bildet sich ein lockerer gefäfsreicher 
Holzkörper; die Bildung von Holzelementen wiederholt sich in den 
peripherischen Parenchymlagen des erstentstandenen Wucherkegels, 
indem Meristemherde entstehen, aus denen tracheale Holzelemente in 
schalenförmiger oder muschelartiger Anordnung hervorgehen. 

Bei dem Brombeerkrebs ist also der Anfang eine Parenchym- 
wucherung im primären Rindenkörper, die in blumenkohlartiger Ver- 
zweigung nach aufsen wächst... Erst später greift die Neigung zur 
Hypertrophie rückwärts in die Innenrinde hinein und erfafst schliets- 
lich auch den Holzring, der anfangs von normaler Ausbildung erscheint. 
Sobald die Geschwülste älter werden und der Holzkörper sich an deren 
Bildung beteiligt, verstärkt sich dieser um das Drei- bis Vierfache seiner 
normalen Ausdehnung. Wir haben ähnliche Vorgänge bei der Wasser- 
sucht, bei der Knollenmaserbildung usw. Der Krebs bei Rubus ist 
selten; ich habe ihn bisher nur in vier Fällen kennen gelernt und zwar 
stets in engbegrenzten Lokalitäten. 


Die übereinstimmenden Momente bei den Krebsgeschwülsten. 


Bei einem Überblick über das gesamte Beobachtungsmaterial betreffs 
der geschlossenen Krebse (der „offene Krebs“ bildet eine Übergangs- 
form zum Brande und scheidet hier aus) findet man übereinstimmende 
Züge. Überall bildet die Entstehung einer kleinen Rifswunde den 
Anfang; überall läfst sich erkennen, dafs die Verwundung im zeitigen 
Frühjahr stattgefunden haben mufs, und dafs das reichlich mobilisierte 
Material die Umgebung der Wunde zu äufserst schnell zustandekommen- 
den, enormen Wucherungen befähigt. Durch den parenchymatischen 
Charakter der Neubildungen wird eine grofse Empfindlichkeit gegen 
schädliche Witterungseinflüsse und namentlich dem Frost gegenüber 
bedingt. Geringe Frostgrade sind daher imstande, das Krebsgewebe 
in der nächsten Wachstumsperiode zu verletzen. Der verletzte Gewebe- 
komplex kann darum wiederum mit Wuchergewebe antworten, weil er 
bei seiner parenchymatischen Natur in der vorangegangenen Vegetations- 
periode reichlichst Reservestoffe in Form von Stärke gespeichert hat. 

Die Krebsformen bei den einzelnen Gattungen der Rosaceen unter- 
scheiden sich nur durch die Art der Reaktion auf den Wundreiz, 
stimmen aber darin wieder überein, dafs sie das Auge und dessen 
nächste Umgebung als Entstehungsort bevorzugen. Der Grund dafür 
ist in der Lockerung des Achsenkörpers an der Ansatzstelle einer 
Knospe zu suchen. Hier ist stets der Holzring schmaler und wird 
schliefslich von der parenchymatischen Markbrücke quer durchsetzt. 

Die bisher beobachteten Anfangsstadien der Krebsknoten, nämlich 
die kleinen, meist in der Nähe der Augen entstehenden Rifswunden, 
haben sich durch künstliche Fröste erzeugen lassen; die üppigen Über- 
wallungserscheinungen aber noch nicht. Dieser Umstand dürfte darauf 
zurückzuführen sein, dafs ein zu später Zeitpunkt im Frühjahr für die 
Einwirkung der künstlichen Fröste gewählt worden ist. 

Bei krebsigen Bäumen ist in den gesunden Zweigen mehrfach 


606 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


eine abnorm gesteigerte Ausbildung der Markstrahlen beobachtet worden, 
und dies dürfte ein Fingerzeig sein, um die Neigung gewisser Kultur- 
sorten oder einzelner Individuen an bestimmten Standorten zu Krebs- 
wucherungen zu erklären, indem derartige Exemplare, deren Mark- 
strahlen bzw. Rindenstrahlen schon im gesunden Zustande luxuriieren, 
am leichtesten durch Hypertrophie auf einen Wundreiz antworten werden. 


Der Brand (Sphacelus). 


Im Gegensatz zur Bezeichnung „Krebs“, 
welche in den Kreisen der Praktiker für die 
heterogensten Erscheinungen einer allmählich 
sich ausbreitenden Erkrankung Verwendung 
findet, versteht man unter „Brand“ ziemlich 
allgemein das Auftreten toter, schwärzlich 
verfärbter, dem Holzkörper aufgetrockneter 
Rindenstellen von gröfserer Ausdehnung. Bei 
glattrindigen Stämmen bemerkt man auch an 
Stelle gröfserer zusammenhängender Brand- 
flächen oft einseitig am Baum erscheinende 
kleine, zahlreiche, eingesunkene, einem Finger- 
eindruck ähnliche Rindenflecke, die man als 
„Frostplatten“ zu bezeichnen pflegt. Diese 
Beschädigungen sind je nach der Frost- 
empfindlichkeit der Baumarten und den 
Standortsverhältnissen bald häufig, bald spär- 
lich. Branderscheinungen dürften vom Stein- 
obst am häufigsten bei Kirschen und Pflaumen 
zu finden sein; bei den empfindlicheren Pfir- 
sichen und Aprikosen pflegt meist der Achsen- 
körper in seiner Gesamtheit zu leiden. 

Bei dem Kernobst sind unzweifelhaft die 
Birnen zu Brandbeschädigungen am leichtesten 
geneigt. Von den Waldbäumen gelten als 
besonders empfindlich Buche und Eiche, an 
feuchten Standorten auch Esche und Akazie. 
Edelkastanie erhält sich überhaupt im mitt- 
leren Deutschland nur an einzelnen Lokalitäten. 
Unter den Nadelhölzern erscheint die Tanne 
frostempfindlicher als die Fichte. Lärche 
leidet, sobald sie nicht genügend Licht und 
Luftzirkulation hat. Selten beschädigt zeigen 
sich Linde und Ahorn. Am wenigsten findet 
Fig. 145. Frostplatten an man Brandstellen bei Erle, Birke, Ulme, 

Birnenrinde. (Orig.) Weide, Pappel, Hainbuche und namentlich 
Kiefer. 

Das Absterben der Rinde ist als direkte Frostwirkung anzusehen, 
welche bis zu verschiedener Tiefe eindringt und demgemäfs ein ver- 
schiedenartiges Aussehen der Brandwunden hervorrufen kann. So er- 
greift z. B. häufig der Frost nur die jüngsten Rinden- und Splint- 
schichten einschliefslich des eigentlichen Cambiums; die älteren, äufseren 
Rindenlagen sterben dann nur aus Mangel an Ernährung ab. Da die 
vom Frost getötete Rinde sich kurze Zeit nach dem Auftauen dunkel 


Wärmemangel. 


607 


verfärbt, so sehen wir im Frühjahr (besonders oft bei Birnen) zunächst 
an einzelnen Baumseiten oder Zweigen eingesunkene, scharf umgrenzte, 
oft nur sehr geringe Ausdehnung besitzende Stellen, die bald trocken 


werden und dem Holzkörper fest anhaften (Fig. 145,p). 
Es sind dies die oben erwähnten „Frostplatten“ 
mancher Obstbaumzüchter. Im Laufe des Sommers 
entstehtan der Grenze zwischen dem aufgetrockneten 
und dem gesunden, durch das Dickenwachstum des 
Stammes sich hebenden Teil der Rinde eine Rıfs- 
stelle, durch welche der abgestorbene Teil nun von 
der Umgebung isoliert wird und seinen hemmenden 
Einflufs verliert (Fig. 145, r). 

Die Hemmung, welche eine solche tote Rinden- 
stelle ausübt, liegt in der Druckerhöhung des übrigen 
Rindenmantels, so lange derselbe mit dem toten, 
trockenen, dehnungsunfähigen Gewebe noch ver- 
bunden ist. In der Nähe der toten Stelle wird der 
Rindendruck am gröfsten, die Zahl derneugebildeten 
Elemente am geringsten sein. 

Dies sehen wir bei Beginn der Heilungsvorgänge. 
Der Baum sucht die tote Stelle durch Bildung von 
Überwallungsrändern von den gesunden Rinden- 
teilen aus zu decken. Dies kann nun je nach der 
Art des Brandschadens in zwei Formen geschehen. 
Wenn nämlich der Zweig zur Zeit des Frosteintritts 
schon älteres Holz besitzt, das auf der Brandseite 
wohl gebräunt, aber nicht, gespalten wird, dann 
schieben sich oftmals die Uberwallungsränder all- 
mählich zwischen die tote Rinde und den Holz- 
körper und heben langsam die schorfartig 
trockene, braune Rindenmasse ab. Mit jedem 
folgenden Jahre rücken die UÜberwallungsränder 
von den Seiten her aufeinander mehr und mehr 
zu, bis sie sich endlich vereinigen, die geschwärzte 
Holzstelle decken und dabei die ehemals auf- 
gelagerte Rinde nach aufsen drängen und abstofsen. 

In Fig. 146, die einen brandigen, jungen Birnen- 
stamm darstellt, sehen wir oben den alten, ge- 
schwärzten, blofsgelesten Holzkörper, welcher 
ursprünglich von der hier hellgezeichneten Rinde 
im frischen Zustande bedeckt war. Die Rinde ist 
an der ganzen Baumseite vom Froste getötet, auf- 
getrocknet und durch die nach dem Frost hervor- 
gekommenen Überwallungsränder von den gesunden 
Baumteilen abgeplatzt worden. Die buckelförmige 
Erhöhung an der Basis der Zeichnung zeigt die 
bei Brandstellen häufige Verbreiterung des ab- 
geflachten Stammes durch vermehrte Holzbildung 
der unbeschädigten Umgebung. 


un! 


i y 
al I! 


Fig. 146. Junger 
Birnenstamm mit ver- 
schiedenartigen Brand- 

stellen. 


An dünnen Zweigen besitzen die Frostplatten manchmal eine nur 
geringe Ausdehnung; dafür aber zeigt sich der Holzkörper unter der 
auftrocknenden Rinde radial gespalten. Der beim Nachlassen des Frostes 
sich schliefsende Spalt wird nun schnell überwallt, die getötete Rinde 


VOR Il, Schädliche atmonphärische Binflunse, 


alsbald abgehoben, und die Überwallungsränder verschmelzen mit- 
oinander, Hierbei erfolgt nun die Vereinieung nach Art der Prostleisten, 
d.h. die Ränder springen loistonarbig über die normale Jahresringobene 
hervor, während sie bei den breiteren, nur langsam sich schlielsenden 
Wunden den Achsenzylinder an der erfrorenen Stelle abgeflacht er- 
scheinen lasson, 

In beiden Müllen aber zeichnen sich die Überwallungsränder da- 
durch aus, dafs sio unter dem hohen Druck der toten Rinde entstehen, 
daher an ihren Aufsorsten linden 
am schmalsten sind, sich also 
keilförmig  zuspitzen. Diese 
koilförmiee  Verjingung 
der sich über die tote 
Klüche ausbreitenden Über 
wallungsränder ist das 
charakteristische Merkmal 
des Brandes im Gegensatz 
zum Krebse, dessen Über- 
wallungsränder nach der 
Wundstelle hin an Dicke 
zunehmen und sich wulst 
artig in den offenen Spalt, 
der den Krebsanfang bil 
det, hineinsenken. h 

Dals die Gewebe der Über 
wallungsränder je nach den 
Druckverhältnissen, unter denen 
sio entstehen, verschieden sind, 
ist leicht zu ermessen und ist bei 
dom Krebs ausführlicher be- 
sprochen worden, 

In der Kig, 147 entspricht die 
dunkle Stelle PB einer Krostplatte 
p in Fig. 145; ft ist ein Rest der 
toten Rinde, deren gesunder 
Teil A, dureh die weilsglänzen- 
den Hartbastbündel Ab kenntlich, 
von dem toten Gewebe durch 
eine schräg verlaufende, sich an 
die normale Korkbekleidung X 


\ > h 4 ler N ‘ . . 
bei BD anlegende Korkzone g0- Fig. 147. Querschnitt durch einen 
trennt ist, Der nach dem Frost  Birnenstamm an einer durch Frost erzeugten 
entstandene ‚Jahresring ist mit «J Brandstelle. (Orig, 


bezeichnet. Wenn man denselben 
nach der Wundstelle hin verfolgt, sieht man, wie er sich spitz aus- 
keilt und unter der aufgetrockneten, toten Rindenstelle !t noch ganz 
fehlt, Kirst der nächstjährige Ring würde sich dazwischenschieben. 
Dar Bau dieses zugespitzten Überwallungsrandes ähnelt durch das nur 
sohr gering ausgebildete Parenchymholz und die bald auftretenden, 
diekwandigen Holzzellen nebst Getäfsen viel mehr dem normalen Holze 
als die lippenförmig sich aufwulstenden, holzparenchymatischen Über- 
wallungsränder des Krebses (s. „offenen Krebs‘). 

Wir schen in beistehender Fig, 147 über der Markbrücke (m) die 


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Wärmemangel. 609 


normalen Jahresringe durch minder helle, hier grau erscheinende, 
sichelförmige Zonen pz, die fein keilförmig nach den Seiten hin aus- L/BRAR) 
strahlen, unterbrochen. Diese Zonen bestehen aus dünnwandigerem, NEW vYoRK 
bisweilen gefäfslosem, verkürztem Prosenchym, bisweilen sogar der BOTANICcA! 
Hauptsache nach aus stärkereichem Holzparenchym. Die hier geraden aarne 
Radien der Markstrahlen erscheinen bei üppig wachsenden Sorten Een 
geknickt und die longitudinal gestreckten Holzzellen und Gefäfse 

diagonal bis horizontal verschoben. 

Es ist vorhin gesagt worden, dafs die Frostplatten als engbegrenzte, 
in allen Richtungen relativ geringe Ausdehnung zeigende Brandschäden 
anzusehen sind, die bis zu grolsen, ganze Baumseiten umfassenden 
Brandflächen alle Übergänge aufweisen. Aufser bei Birne lassen sich 
auch bei Rotbuche leicht solche Frostplatten auffiinden. An reichlich 
mit derartigen Platten besetzten Zweigen einer Buche lietfs sich als die 
in das gesunde Gewebe am weitesten hineingehende, letzte Aus- 
strahlung der Frostwirkung die Bräunung des Inhalts einzelner, 
durch das Mark zerstreuter Zellen nachweisen; diese Zellen haben un- 
zweifelhaft einen anderen Inhalt als die übrigen, farblos gebliebenen 
Markzellen und nähern sich betreffs des Zellinhalts wahrscheinlich 
denen der Markkrone, die ebenfalls leicht gebräunt wird. 

Die Bräunung teilt sich nicht, wie bei der Wundfäule, 
der Umgebung mit; denn die schon vorhandenen sowohl als die 
sich später noch bildenden Zellen in der nächsten Nähe der frost- 
gebräunten Gewebe bleiben hellwandig und gesund. Die gebräunten 
Markzellen enthalten ebensogut Stärke wie die nicht angegriffenen, so 
dafs die braune Färbung nicht von veränderter Stärke, sondern von 
einem anderen Stoffe herrühren muls. Nicht in allen Fällen leidet das 
Mark. Manchmal ist bei zwei- bis dreijährigen Zweigen der Holzkörper 
in der Weise gebräunt, dafs die gelbe, gummiartig aussehende Ausfüllung 
der Gefäfse bis zur Markkrone hin stattgefunden hat und auch die 
Markstrahlen bis nahe zum Zentrum gebräunt erscheinen, der Mark- 
körper selbst aber ohne jede krankhafte Verfärbung ist. Solche Diffe- 
renzen finden in demselben Zweige an verschiedenen Internodien statt. 
Indes bleibt als Regel, dafs die ersten Anfänge der Bräunung sich 
durchschnittlich an einzelnen Zellen des Markes, namentlich auch der 
Markkrone zeigen, dafs zunächst nur der Inhalt und später erst die 
Wandung sich verfärbt, und dafs diese Inhaltsfärbung auf einer Bräunung 
und Erstarrung der Zellflüssigkeit zu beruhen scheint. Die gummiartig 
festgewordene Masse kann beim Schneiden scharfkantig brechen. Ebenso 
glaube ich, die Ausfüllung der Gefäfse zum Teil auf das Erstarren des 
flüssigen bereits vorhandenen Inhalts zurückführen zu müssen und 
dadurch mit Leichtigkeit die oft tropfenartige Formierung der 
Ausfüllungsmasse erklären zu können. 

Der Bräunung im Markkörper folgt bei zunehmender Kältewirkung 
in der Regel die Verfärbung einzelner Markstrahlen und einzelner Bast- 
parenchymgruppen in der Rinde. An den Rotbuchenzweigen liefs sich 
auch eine auf einzelne Gefäfsbündel beschränkte Frostwirkung manch- 

oc mal erkennen; die Verfärbung hält sich dann innerhalb zweier Haupt- 
markstrahlen, ergreift zunächst den Markkronenteil des Bündels und 
“= schliefst oft plötzlich mit einer Jahresringgrenze ab. 

N Man sieht bisweilen eine Gefäfswand noch gar nicht oder einseitig 
N gebräunt, wenn der Inhalt schon gänzlich verfärbt erscheint. Es wurde 
£-erwähnt, dafs an der Ausfüllung der Gefäfse und Holzzellen sich auch die 
L Sorauer, Handbuch. 3. Aufl. Erster Band. 39 


610 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


sekundäre Membran beteiligen kann: diese quillt zunächst auf, und zwar 
zuweilen bis zur Ausfüllung des Lumens einer Holzzelle oder eines 
engen Gefäfses, welche dann noch farblos und gleichmäfsig lichtbrechend 
erscheinen. Daneben findet man Zellen und Gefäfse in tiefer Bräunung;; 
ihre auskleidende Masse liegt oft tropfenförmig der Wand an oder ist 
ringartig und scharf von der Membran abgegrenzt. In anderen Fällen 
ist zwischen der Auskleidungsmasse und der Zellhaut keine Grenze 
und hierbei die Beteiligung der Membran zweifellos. Es kommt 
auch vor, dafs nur eine innere Lage der Zellmembran sich bräunt und 
quillt und schliefslich erstarrt. Diese gequollene Lage hat dann am 
Innenumfange der Zelle oder des Gefälses nicht mehr Platz und faltet 
sich nach innen, so dafs ein farbloser Hohlraum zwischen der nach 
innen ausgestülpten, braunen Membranlamelle und dem äufseren, un- 
verändert gebliebenen Teile der Wandung sich zeigt. 

Bei der meist einseitig vorhandenen Bräunung des Cambiums 
ist in geringeren Stadien auch nur der Inhalt gebräunt und erst nach- 
träglich verfärbt sich die Wandung. Das direkt an das Herbstholz 
angrenzende Frühlingsholz scheint am empfindlichsten zu sein. Im 
Rindenkörper erkennt man, dafs die bogenförmig von Rindenstrahl zu 
Rindenstrahl sich spannenden, in der Streckung voraneilenden 
Parenchymzellen weniger leiden als das von ihnen begrenzte klein- 
zellige Innengewebe. 

Die hier erwähnten Beobachtungen repräsentieren häufige Einzelfälle, 
aber nicht durchgängig anzutreffende Erscheinungen. Erwähnt sei 
schliefslich ein Fall bei Süfskirsche als besonders bemerkenswert. Der 
Markkörper des einjährigen Zweiges erschien an einer Seite bis über 
die Mitte hinaus zerklüftet, und in die entstandene Lücke wucherten 
fadenartig, wie bei den Wollstreifen des Apfelkernhauses, die 
Zellen der Markperipherie. Gummosis war nicht vorhanden. 
Der Fall wurde bei den sogenannten „Frostrunzeln“ beobachtet; er ist 
deshalb interessant, weil er die nachträglich im Mark wieder erwachte 
Wachstumstätigkeit zeigt, was im allgemeinen nur bei weichen Hölzern 
(Tika) vorkommt. 

Auch bei den obenerwähnten Branderscheinungen findet sich als 
Regel, gerade so wie bei Krebs, mit der Zunahme der Parenchym- 
massen (Fig. 147, pz) zwischen den normalen Teilen des Jahresringes 
auch eine Zunahme der Gummiherde bei den Amygdalaceen und der 
Harzherde bei den Coniferen. Bei dem Krebs kann man aufserdem 
wahrnehmen, dafs der Lockerung des Holzkörpers durch Parenchym- 
holz eine Lockerung des Rindenkörpers in demselben Radius durch 
Schwächung des mechanischen Ringes entspricht; es fehlen 
nämlich die Hartbastbündel in der Rinde der Überwallungsränder so 
weit, als ım Holzkörper der letzteren die eigentlichen dickwandigen 
Holzzellen fehlen. 


Parenchymholznester. 


Bei den Krebswucherungen haben wir gesehen, welche Weichheit 
und Hinfälligkeit der Holzring erlangt, sobald er zur Bildung des 
Überwallungsrandes einer engen Spaltwunde zurzeit der gröfsten Zu- 
wachstätigkeit im Frühjahr plötzlich übergeht. Bei der Schnelligkeit 
der Entstehung derartig grofser Gewebemassen hat der Holzring nicht 
Zeit, prosenchymatische Elemente auszubilden, sondern baut sich an- 
fangs aus parenchymatischen, dünnwandigen Elementen auf, die als 


Wärmemangel. 611 


Speicherungsgewebe für Reservestoffe zwar Vorteile bieten, aber den 
Parasiten und Witterungseinflüssen gegenüber sehr geringe Widerstands- 
kraft zeigen. Es ist daher leicht verständlich, dafs auch bei gesunden 
Bäumen das Auftreten parenchymatischen Holzes an Stelle des pros- 
enchymatischen vom pathologischen Standpunkt aus eine besondere Auf- 
merksamkeit verdient. Derartige Fälle sind überall zu finden. 

Die Herde von Parenchymholz können in Form eingestreuter 
Nester oder in ringförmisen Binden von verschiedener Länge und 
Breite im Stammkörper auftreten. Sie sind mannigfach benannt worden. 
Eine Aufzählung derartiger Fälle finden wir bei Dr Barry), der in ihnen 
eine Hypertrophie der Markstrahlen sieht. RossmÄssLER nennt sie 
„Markwiederholungen“, NÖRDLINGER bezeichnet sie als „Mark- 
flecke“, und Tu. Harris?) spricht von „Zellgängen“ Die aus- 
gebildetste Form finden wir bei den sog. „Mondringen“ Es sind 
dies braune oder weifse, meist ringförmig um einen Teil oder auch um 
den ganzen Stammumfang herumreichende Binden von Parenchymholz, 
das bisweilen schon zunderartig zermürbt erscheint. Diese mürben 
(rewebemassen zeigen nicht selten bereits die Oellulosereaktion. Viel- 
fach findet man dieses Gewebe von Mycel durchzogen. T#. Harrıc 
beschrieb die Pilze als Nyetomyces candidus und utilis. Ro. Harrıc 
zog das bei Eichen beobachtete Mycel zu Stereum hirsutum Willd.®). 
Bei anderen Baumgattungen finden sich andere holzzerstörende Pilze, 
die im zweiten Bande S. 385 ff. eingehender behandelt werden. 

Die als „Markflecke“ bezeichneten Bildungen erscheinen im Quer- 
schnitte des Holzkörpers als isolierte, zerstreut auftretende, scharf be- 
grenzte, etwa halbmondförmige, gebräunte, mürbe Stellen, welche sich 
gangartig auf verschiedene Länge hin stammabwärts verfolgen lassen. 
Eine eingehende Studie darüber verdanken wir KIENITZ-GERLOFF *), der 
als Entstehungsursache bei Weiden, Ebereschen und Birken den Frafs 
einer Insektenlarve beobachtete. Nach einem Referat von Karsch’’) 
soll es sich um Tipula suspecta Rtzb. handeln. Diese Larve nährt sich 
„von den Zellen des Cambiums und des Jungzuwachses zur Zeit der 
Jahrringbildung“. Die Frafsgänge werden in folgender Weise ge- 
schlossen: „Die den Wundrand durchbrechenden Zellen wachsen schnell 
und teilen sich weiter durch zarte Querwände; gleichzeitig: findet eine 
vollständige Schlieisung des cambialen Ringes statt, und von nun ab 
wird wieder normales Holz und normale Rinde über der Wundfläche 
gebildet, während ganz unabhängig von dem neuen Cambium der Hohl- 
raum durch die Zellenwucherungen geschlossen wird.“ (Bot. Jahresber. 
1883, Bd. I, S. 182.) Diese Beschädigungen durch fadenförmige Dipteren- 
larven, welche in der Cambiumzone, namentlich an Stammbasis und 
Wurzelhals, bisweilen auch an höheren Schaftteilen und Wasserreisern 
im Mai und Juni ihre Gänge graben, werden zunächst nur für die ge- 
nannten Baumarten als Erzeuger von Markflecken oder „Braunketten“ 
anzusehen sein. Kırnırz selbst bemerkt, dafs ähnliche Bildungen bei 
anderen Bäumen, namentlich bei Nadelhölzern, nicht von den erwähnten 
Dipterenlarven herrühren. 


!) Ds Barry, Vergleichende Anatomie der Vegetationsorgane. 1877, S. 567. 

?) Tu. Harrıc, Vollständige Naturgeschichte der forstlichen Kulturpflanzen. 
1852, S. 211. 

®) Ro. Harrıc. Zersetzungserscheinungen des Holzes. S. 129. 

#) M. Kırstzz, Die Entstehung der Markflecke. Bot. Centralbl. 1833, Bd. XIV, 
S. 21ff. Hier auch die ältere Literatur. 

5) Bot. Jahresbericht. Jahrg. XI, Teil 2, S. 518. aa) 

6 > 


612 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


Betreffs der Markflecke der Birke bestätigt v. Tugeur !) die Unter- 
suchungen von Kiıenıtz und erwähnt dabei, dafs G. Kraus diese Zellnester 
sogar für normale Bildungen erklärt. DE Bıary spricht, wie erwähnt, 
von Hypertrophien der Markstrahlen, und bei dem ersten Überblick 
gewinnt man auch den Eindruck, dais die Markflecke durch eine Er- 
weiterung der Markstrahlen hervorgebracht werden. Man sieht wirklich 
letztere, bevor sie in die Parenchymholznester eintreten, allmählich 
breiter werden und ihre Zellen das polyedrische, derbwandige, stark 
getüpfelte Aussehen der mit Stärke und braunem Gerbstoff bisweilen 
erfüllten Zellen der Markflecke annehmen. Ja, man sieht sogar manch- 
mal, dafs die Markstrahlen bei dem Eintritt in den Markfleck sich er- 
weitern und seitlich zusammenfliefsen ; aber ich halte trotzdem, gestützt 
auf meine „Schälversuche“, das neugebildete Füllgewebe für ein Produkt 
einer Zellvermehrung, an der nicht nur die Markstrahlen, sondern 
sämtliche den Jahresring aufbauenden Gewebeformen sich beteiligen 
können. Die Mark- bezw. Rindenstrahlen eilen nur bei allen 
Wundheilungsvorgängen dem übrigen Gewebe im Wachs- 
tum voraus und erlangen dadurch einen überwiegenden Einflufs. 

Auch wenn man bei den oben erwähnten „Mondringen“ die 
Grenzen zwischen dem bereits zerstörten Parenchymholz der ring- 
förmigen Binden und dem gesund gebliebenen Gewebe untersucht, 
findet man nicht selten eine hervorragende Erweiterung der Mark- 
strahlen, namentlich bei Eichen. 

Bei Nadelhölzern und besonders bei Kiefern begegnet man einer 
noch extremeren Form von Zerstörung, der sog. Ringschäle. Bei 
dem Spalten der Stämme löst sich nämlich bisweilen ein Vollzylinder, 
aus dem gesunden, zentralen Stammteil bestehend, von einem ebenfalls 
gesund erscheinenden peripherischen Holzmantel, wie aus einer Hülse, 
von selbst heraus. Die Lösung erfolgt dadurch, dafs in einem Jahres- 
ringe, und zwar nur in diesem einzigen, das Gewebe zerstört, mulmig 
und myceldurchzogen ist. 

Diese Form der Ringschäle unterscheidet sich durch ihren festen, 
gesunden Kern von der durch RoßeErT Harrıc ?) bei der Kiefer studierten, 
bei welcher ein Wundparasit, Trametes Pini (Brot.) Fr. die Zerstörung 
des ganzen Kernes veranlafst, aber nicht in das gesunde Splint- 
holz übergeht. Harrıc beschreibt das schnelle Fortschreiten des Mycels 
in den Markstrahlen und sagt, nachdem er die durch das Mycel ver- 
ursachte Holzzerstörung, das Auflösen der inkrustierenden Substanzen und 
Zurückbleiben der Cellulose in den Holzfasern dargelegt hat: „Infolge 
der Zusammenziehung des Holzkörpers, welche mit der Fäulnis und 
dem Wasserverlust desselben verbunden ist, bilden sich nicht allein 
radial verlaufende Spalten, sondern es lösen sich sehr oft die äufseren 
Jahresschichten als Mantel von einem dickeren oder schwächeren Kerne. 
Es entstehen so Ringspalten, die wohl den Namen der Ringschäle ver- 
anlafst haben mögen.“ Wir haben es also hier mit einer Form der 
sehr verbreiteten Rotfäule oder Kernfäule zu tun. Der Pilz tritt 
nach v. Tugeur auch an Fichten auf und ist aufserdem an Lärchen 
und Weifstannen und in Amerika an Douglastannen beobachtet worden. 
Hervorzuheben ist der Umstand, dafs sein Mycel sich „besonders leicht 


1) v. Tuseur, Die Zellgänge der Birke und anderer Laubhölzer. Forstl. natur- 
wiss. Zeitschr. 1397, S. 314. £ 
2) R. Hırrıc, Wichtige Krankheiten der Waldbäume. Berlin 1874, S. 55. 


Wärmemangel. 613 


in einer bestimmten Jahresringzone!)“ verbreitet, und die kranken, nur 
noch aus Cellulose bestehenden, weifsen Gewebeherde gerade im Früh- 
jahrsholz reichlich zu finden sind). Dies scheint mir anzudeuten, dafs 
der Pilz in den benachbarten Jahresringen zunächst gröfseren Wider- 
stand findet, also der befallene Jahresring von vornherein lockerer 
gebaut gewesen ist. Demnach dürften Parenchymholzbinden nicht nur 
der Einwanderung von Trametes und anderen Holzzerstörern an Ast- 
Eungen, sondern auch deren Ausbreitung im Stamm besonders förder- 
ich sein. 


Falsche Jahresringe, Doppelringe. 


Dafs die Gröfse und Beschaffenheit eines jeden Jahresringes bei 
den Holzpflanzen von der Menge und Art der Blattarbeit abhängig, 
ist genügend bekannt?) und namentlich in der forstlichen Literatur 
eingehend behandelt. Jede längere Unterbrechung der Arbeit des Laub- 
apparates macht sich im Holzkörper geltend und kann zum Aussetzen 
der Holzbildung an einer Baumseite oder an der Stammbasis und dem 
Wurzelkörper führen. Wenn das im Frühjahr tätig gewesene Cambium 
nach einer Periode der Untätigkeit zu neuer Vermehrung in demselben 
Jahre angeregt wird, beginnt es mit der Bildung eines neuen Frühlings- 
holzes, das bald langsamer, bald schneller in das Herbstholz übergeht, 
und es entsteht auf diese Weise das Bild eines neuen normalen Jahres- 
ringes. In solchen Fällen zeigen sich halbseitige oder den ganzen 
Stammumfang umfassende Doppelringe. 

Genaue Studien darüber verdanken wir Knyr®), der besonders klar 
bei Tilia parvifolia feststellen konnte, dafs nach dem Austreiben der 
Knospen an Trieben, die durch Raupenfrafs völlig entlaubt worden 
waren, ein zweiter Holzring sich bildete. Die Grenze zwischen dem 
neugebildeten Frühlingsholz und dem vor der Entblätterung entstandenen 
Holzringe war scharf. Mehrfache Beispiele über die Abhängigkeit der 
Jahresringbildung von der Zeit der Entblätterung finden wir bei RATzr- 
BURG?). Da verschiedene Insekten zu verschiedenen Zeiten im Jahre 
Kahlfrafs verursachen, sieht man bald in demselben Jahre, bald aber 
auch erst im folgenden (bei mangelhafter Ablagerung der Reservestofte) 
die Schwächung ım Holzzuwachs. 

Zu den Ursachen, welche die Bildung falscher Jahresringe ver- 
anlassen können, konnte ich im Jahre 1886 die Frostwirkungen hinzu- 
fügen. Im Jahre 1895 veröffentlichte R. Harrıc®) eine Abhandlung, in 
welcher er Frostringe bei Kiefer und Fichte beschrieb. Er gedenkt dabei 
auch einer anderen mechanischen Wirkung, nämlich einer durch Turgor- 
verlust hervorgerufenen Erschlaffung der Triebe, wodurch eine 
Krümmung verursacht wird. Diese Krümmung der Zweige bleibt be- 
stehen, so dafs man sie im folgenden Jahre wiederfindet. Die Er- 
schlaffung kann auch infolge der Zerstörung des Markparenchyms ein- 


!) y. Tussur, Pflanzenkrankheiten durch kryptogame Parasiten verursacht. 
Berlin 1895, S. 471. : 

2), R. Hırrıc, Lehrbuch der Pflanzenkrankheiten. Berlin 1900, Sl 

°) Küster, E., Pathologische Pflanzenanatomie. Jena 1903, S. 25 und an anderen 
Orten. Hier auch die betreffende Literatur. 

#, L. Ksyv, Über die Verdoppelung des Jahresringes. Sep. Verhandl. d. Bot. 
Ver. d. Prov. Brandenburg 1879. Hier auch Besprechung der früheren Ansichten. 

5) Rarzegurg, Waldverderbnis I, S. 160, 234, II, S. 154, 190. 

6) Harrıc, R., Doppelringe als Folge von Spätfrost. Forstl. naturw. Zeitschrift 
1895, 8. 1—8. 


614 | II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


treten. In der letzten Auflage seines Lehrbuches!) wird von ihm ein 
Frostring aus dem Holze einer Kiefer und einer Fichte abgebildet und dazu 
bemerkt: „An älteren Stammteilen der Kiefern zeigte sich, dafs in jedem 
Spätfrostjahre ein sogen. Doppelring entstanden war. Ich habe später 
auch an Fichten und anderen Nadelhölzern dieselbe Tatsache konstatiert, 
dafs ein Spätfrost nicht die jüngsten Triebe allein schädigt, sondern 
oft noch ın den zehnjährigen Stammteilen ‚Doppelringbildung‘ her- 
vorruft.“ 

Eine gleiche Störung im Bau des Jahresringes beschreibt und 
zeichnet OÖ. G. PETERSEN?) von Buchen, die am 17.18. Maı 1901 in 
Mittel-Seeland stark vom Frost gelitten hatten. Schon früher hatte 
NÖRDLINGER?) eine ringförmige Unterbrechung in der normalen Holz- 
bildung als eine rötliche Gewebelinie beobachtet. Auch anderweitig 
finden sich entsprechende Mitteilungen und Beobachtungen, die neue 
(Gesichtspunkte aber nicht enthalten. Eine Erweiterung unserer Kennt- 
nis der Störungen in der Jahresringbildung brachten die Studien über 
die Krebserscheinungen. Bei dem Apfelkrebs habe ich nachgewiesen, dats 
ein Jahresring, der auf der gesunden Zweigseite einfach und normal ist, 
auf der krebsigen sich fächerförmig in mehrere Ringzonen spaltet. 
Wie solche Lockerungen zustande kommen, beweisen meine neueren 
Studien bei Eichen. 


Experimentelle Erzeugung von Parenchymholz durch Frostwirkung. 


Die in den vorhergegangenen Kapiteln als „Markflecke“, „Par- 
enchymholzbinden“, „Ringschäle“ usw. beschriebenen Fälle einer Bildung 
von parenchymatischem Holzgewebe an Stelle normalen Prosenchyms 
beruhen auf mannigfachen Ursachen, die aber sämtlich darin überein- 
stimmen, dafs das Cambium an einzelnen Teilen oder am gesamten 
Umfang eines Jahresringes vom Druck des darüber gespannten Rinden- 
gürtels mehr oder weniger befreit wird. Dais der Frost und namentlich 
der Frühjahrsfrost eine der wesentlichsten und häufigsten Ursachen 
solcher Lockerungen des Rindengürtels abgibt, dürfte aus nachstehenden 
Beobachtungen hervorgehen. 

Im Jahre 1904 hatte ein Maifrost die jungen Eichentriebe am Rande 
einzelner Waldkomplexe —, dort wo dieselben an Wiesen grenzten — 
derartig stark beschädigt, dafs eine Anzahl Zweigspitzen gänzlich er- 
troren war, während andere nur geschwärzte, vertrocknende Blätter 
aufwiesen, aber an den Spitzen später weiterwuchsen. Nachdem der- 
artige Triebe innerhalb einiger Wochen wieder neue Blätter gebildet 
hatten, wurden sie zur Untersuchung abgeschnitten. Sie lieferten in 
verschiedenen Höhen sehr verschiedenartige Bilder und unter diesen 
auch das in Fig. 148 dargestellte. 

Wir erkennen einen unregelmälsig fünfseitigen Markkörper (m), um- 
geben von einem schmalen, einseitig stärker ausgebildeten Holzringe (A). 
Dieser Holzring schliefst aber nach aufsen hin nicht mit einer regel- 
mäfsigen Cambiumzone ab, wie dies im normalen Zweige der Fall ist, 
sondern geht plötzlich in ein lockeres, weitzelliges Parenchymholz (pk) 


!) Lehrbuch der Pflanzenkrankheiten. Berlin, Springer 1900, S. 220, 221. 

2) Prrersen, OÖ. G., Natterfrostens virkning paa Bögens ved. — Sep. Det forst- 
lige Forsögsvaesen, I, 1904. 

?) Nörpuinger, Die fetten und die mageren Jahre der Bäume. Kritische Blätter 
f. Forst- und Jagdwissenschaft 1865, Bd. 47, H. 2. 


Wärmemangel. 615 
über, das nach der Rinde zu derbwandiger wird und nur selten eine 
cambiale Grenzzone zwischen sich und der Rinde erkennen läfst. Dafs 
dieser aus Lockerungsgewebe gebildete Gürtel (ph) wirklich zum Holzring 
noch gehört und von demselben ausgegangen ist, beweisen die in der 


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Fig. 148. Ausheilung einer inneren Frostwunde am jungen Eichenzweige 
nach Maifrostbeschädigung. (Orig.) 

c Cambiumzone, z Ziekzacklinie mit gequollenen Wandungen, 9 Gefälse im normalen Holz. 

Erklärung der übrigen Buchstaben befindet sich im Text. 


616 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


Lockerungszone zerstreuten kurzzelligen Gefäfselemente (g)), die im 
Bau ihrer Verdickungsschichten denen der Gefäfse im normalen, erst- 
gebildeten Holzringe ähnlich sehen oder gleichen. Dieses Vorhanden- 
sein kurzer Gefälse oder Gefäfszellen und die Verdichtung der ganzen 
Lockerungszone an ihrer Peripherie durch Auftreten von derbwandigen, 
den echten Holzzellen ähnlichen Elementen zeigen somit, dafs dieser 
frostbeschädigte Zweig kurze Zeit nach Aufhören der Frostwirkung und 
Bildung des Parenchymholzes sich angeschickt hat, zur normalen Holz- 
ringbildung zurückzukehren. 

Wir würden, wenn dieser Zweig Gelegenheit gehabt hätte, bis zum 
Herbst fortzuwachsen, dann einen zweiten (falschen) Jahresring erhalten 
haben, wie er von früheren Forschern bereits beobachtet und im vor- 
hergehenden Kapitel besprochen worden ist. 

Der Bastring (b) ist wenig irritiert worden; nur der Inhalt der jungen 
Bastzellen erweist sich meistens gebräunt, entsprechend der Ausfüllung 
einzelner Gefäfse des Holzringes mit rotgelber, gummiähnlicher Substanz. 
Das Rindenparenchym besitzt einzelne gebräunte Gruppen. Die coll- 
enchymatische Aufsenschicht der Rinde (cl!) zeigt keine besonderen 
Verfärbungserscheinungen, wohl aber ist dies bei der Markkrone der 
Fall, welche gänzlich gebräunt erscheint. Diese Bräunung läfst in 
dem Mafse nach, als die Schnitte nach der gesünderen Zweigbasis hin 
entnommen werden; dort finden sich nur noch einzelne Zellen mit 
gselbem, verquollenem Inhalt. 

Bei den reichlich vorhandenen Zerklüftungen macht sich ein Unter- 
schied in der Richtung der entstandenen Lücken bemerkbar. Inner- 
halb der Markscheibe ist die gröfste Ausdehnung der Lücken in der 
Richtung des Radius zu finden, und wir sehen, dafs dies mit der eigen- 
artigen strahligen Ausbildung des Markkörpers zusammenhängt. Der- 
selbe zeigt sich fünfeckig ausgebuchtet, und die Ausbuchtungen kommen 
dadurch zustande, dafs die den Holzring zusammensetzenden Gefäfs- 
bündel sich teilweise anschicken, aus dem Ringe herauszutreten. Wie 
vorher angedeutet, liegt der Grund für dieses Ausweichen einzelner 
Bündel darin, dafs an jeder der fünf Ecken der Markscheibe die für die 
fünf nächsthöheren Blätter bestimmten Leitungssysteme im Begriff sind, 
nach aufsen ihren Weg durch die Rinde zu den Blättern anzutreten. 
Für das der hier abgebildeten Zweigstelle nächstliegende Blatt ist der 
Markkörper natürlich schon am weitesten ausgebuchtet und schickt sich 
an, als Markbrücke (mb) m die nächste Knospe überzugehen. Die 
beiden höheren Blätter, die nur ein und zwei Internodien von unserem 
Querschnitt entfernt stehen, haben ihre Bündel noch innerhalb des ge- 
schlossenen Holzringes; aber dieselben bilden bereits merkliche Aus- 
buchtungen des festen Achsenzylinders (rechte Seite der Figur). Für 
das der Blattstellungsspirale folgende vierte und fünfte höherstehende 
Blatt liegen die Bündel noch ganz innerhalb des Holzringes und deuten 
ihren späteren Austritt nur durch schwache Vorwölbung nach aufsen 
an (linke Seite der Figur). Zwischen ihnen ist der Markkörper nur in 
Form eines verbreiterten Markstrahls fortgesetzt und noch nicht zu 
einer wirklichen Markbrücke erweitert. 

Die durch Zerreifsung des Gewebes entstandenen Lücken (l) ent- 
sprechen nun in ihrer Gröfse der Mächtiekeit der Markausbuchtungen: 
je breiter dieselben sind, je näher sie also schon den ihnen zugehörigen 
Knospen stehen, desto stärker erweist sich die radiale Zerklüftung. Im 
Gegensatz zum Markkörper sehen wir die Lücken (7) in der Rinde sich 


Wärmemangel. 617 


tangential hinziehen. Sie entstehen teils durch Abheben der peripherischen 
collenchymatischen Schichten von dem chlorophyllreichen Parenchym, 
teils aber auch durch Zerreifsen einzelner Parenchymzellen. Bemerkens- 
wert ist, dafs sowohl die Lückenbildung in der Rinde als auch die Aus- 
bildung des Lockerungsgewebes (ph und Ig g) auf derjenigen Zweigseite, 
welche die weitest herausgetretenen Bündel aufweist, viel mächtiger 
sind als auf der Gegenseite. Nunmehr erklärt sich auch der Umstand, 
dafs man bei der Untersuchung frostbeschädigter Zweige in der Regel 
eine Seite stärker angegriffen findet als die anderen. Der 
nächstliegende Schlufs, dafs der Frost einseitig stärker gewesen, ist 
meist irrtümlich. Denn wenn man in Serienschnitten eine Anzahl über- 
einanderstehender Internodien untersucht, wird ıman sich überzeugen, 
dafs bald die eine, bald die andere Seite desselben Zweiges stärkere 
Frostbeschädigung aufweist, je nach der Stellung des Auges, in 
dessen Nähe der Schnitt ausgeführt worden ist. Je näher einem Auge, 
desto stärker die Frostwirkung in der Achse. 

Die im Vorstehenden geschilderten Gewebestörungen und Heilungs- 
vorgänge konnten nach mehrfach vergeblichen Versuchen endlich im 
Frühjahr 1905 auch künstlich dadurch hervorgerufen werden, dafs Topt- 
exemplare von 4—5 jährigen Eichen in einem Glashause schon im 
April zum Austreiben gebracht wurden und diese weichen Triebe im 
Mai in einem Gefrierzylinder während einer Nacht einer Kälte bis 
— 4° C ausgesetzt blieben. Die Töpfe wurden darauf im Freien be- 
lassen und Mitte Juni untersucht. Gerade so wie bei den im Vorjahre 
gemachten Beobachtungen an natürlich erfrorenen Eichen zeigten auch 
hier die frostverletzten Zweige die verschiedenartigsten Störunesformen 
und darunter auch solche, welche typisch den oben geschilderten 
natürlichen Beschädigungen glichen. Nur waren die Heilungsvoreänge, 
die hier deutlich von den Markstrahlen aus ihren Anfang nahmen, von 
viel geringerer Mächtigkeit, was wohl darauf zurückzuführen ist, dafs 
Topfexemplare sich stets schwächlicher und langsamer entwickeln als 
im freien Grunde wachsende Waldbäume. Auch wurde die Beobachtung 
gemacht, dafs die Gewebezerklüftungen um so geringer erschienen, je 
älter und stärker der Zweig bereits zur Zeit der Frostwirkung war. 
Ich schliefse daraus, dafs nur dann die Frostbeschädieungen zur 
Parenchymholzbildung innerhalb eines Jahresringes führen, wenn sie 
ganz jugendliche, weiche Zweige zur Zeit des kräftigsten Längen- 
wachstums treffen; aufserdem mutfs nach der Frostnacht günstige warme 
Witterung vorhanden sein, so dafs die Zellvermehrung in der früheren 
Intensität vor sich gehen kann. Das Baumaterial in Form der mobili- 
sierten Reservestoffe ist im frostbeschädigten Zweig in derselben Menge 
wie vor der Frostwirkung vorhanden; aber die neu entstehenden Zell- 
elemente erlangen dadurch eine andere Ausbildung, dafs durch die 
Lockerungserscheinungen infolge der Frostnacht die Spannungsverhält- 
nisse ın der Achse und damit der Druck auf das Cambium andere 
geworden sind. 


Die Theorie der mechanischen Frostwirkung. 


Die bei den bisher geschilderten natürlichen und künstlichen Frost- 
beschädigungen junger Zweige zutage getretenen Erscheinungen 
lassen, so wechselvoll sie sind, sich auf einfache, mechanische Vor- 
gänge zurückführen. Wir halten uns dabei an die vorige Abbildung 


618 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


des Eichenzweiges, an der wir sehen, dais der fünfseitige Holzring, 
der die Markscheibe umkränzt, plötzlich in eine helle Zone weichen 
Gewebes (lg) übergeht, und dieses nach der Peripherie hin allmählich 
wieder derbere Elemente bildet, dıe den Charakter des normalen 
Holzes (h) besitzen. 

Zur Orientierung über den Ursprung des Lockerungsgewebes dienen 
die Abbildungen 2-6 in Fig. 149, welche vergröfserte, Zelle für Zelle 
gezeichnete Partien von der rechten Seite der vorigen Figur (148) aus 
der zwischen !g und b gelegenen Region des Schnittes darstellen. Bei 
allen Bildern ist die obere Kante die markwärts gerichtete, die untere 
ist die nach der Rinde hin gewendete und teilweise sogar (Fig. 149, 
Abb. 2, 4, 6) schon Rindenelemente selbst aufweisende. Die obersten, 
teilweise mit h bezeichneten Zellgruppen bilden die Grenze des vor der 
Frostwirkung vorhanden gewesenen Holzringes, und diese gehen un- 
vermittelt in das dünnwandige Gewebe (/g) des Lockerungsstreifens über 
(Fig. 149, 2, 3). Dabei werden die im normalen Holz nur 1-2 Zellen 
breiten Markstrahlen (Fig. 149, 5 ms) ausgeweitet und unregelmäfsig 
vielzellig und ziehen sich erst wieder zu ihrer früheren Breite zusammen, 
wenn das lockere Gewebe in das sekundäre Holz (Abb. 2, 3, h‘) mit 
regulären Gefäfsen g’ übergeht. Dann bildet sich auch wieder eine 
normale Cambiumzone (Fig. 149 ‚2c) aus, welche in der Zeit, in der die 
Markstrahlen wuchernd sich verbreiterten, unkenntlich geworden war, 
da die Zellteilungen gänzlich unregelmäfsig in verschiedenen Regionen 
des Lockerungsringes stattfanden. Sobald wieder eine reguläre Cambium- 
zone sich einzurichten beginnt, differenziert sich auch das gelockerte 
Rindengewebe derart, dafs nun jugendliche Bastgruppen (Pig. 149,4 b, 
und 6 db, b’) wieder erkennbar werden. 

Durch den Umstand, dafs zwischen dem vor der Frostwirkung 
ausgebildeten Holze (A) und dem Lockerungsgewebe (/g) keinerlei tote 
Gewebestellen sich vorfinden, wird bewiesen, dafs das jugendliche 
Holz, der Splintring, direkt in das Parenchymholz des Lockerungs- 
ringes übergegangen ist. Dieses Parenchym hat also immerhin seine 
Zugehörigkeit zum Holzkörper bewahrt, und daher ist es nicht er- 
staunlich,, dafs nach dem Aufhören der Ursachen, welche diese par- 
enchymatische Holzbildung veranlafst hatten, das Gewebe allmählich 
wieder den normalen Holzcharakter annimmt und sich zur Bildung eines 
sekundären Holzringes (Abb. 2 und 3 h) anschickt. Ja, einzelne Elemente 
des Splintes, die zurzeit der beginnenden Parenchymholzbildung schon 
in ihrer Verdickung etwas weiter vorgeschritten waren, haben ihre 
Wandverdickung weiter fortgesetzt, und daher finden wir einzelne 
tracheale Elemente (Fig. 149, 4 tr) mitten in dem Parenchymholze. 

Die Lockerungszone (lg) im Querschnitt des Eichenzweiges 
(Fig. 148) ist also nur ein modifizierter Holzring, der in übermälsig 
reichliche Neubildung von Zellen übergegangen ist. Da eine solche 
Zellvermehrung ledielich von Elementen ausgehen kann, die noch ihre 
cambiale Natur besitzen, mufs notwendig geschlossen werden, dafs die 
allerjüngsten cambialen Holzelemente, also der Splint, das Parenchym- 
holz hervorgebracht haben. Selbstverständlich haben das eigentliche 
anatomische Cambium nebst der Jungrinde an dieser Zellvermehrung 
teilgenommen, und auf diese Weise ist ein so profuses Gewebe ent- 
standen, bei welchem man nicht zu unterscheiden vermag, wo der 
Übergang vom Holz zur Rinde sich befindet. 

Wir fragen nun, was die Veranlassung zur Bildung dieser profusen 


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Fig. 149. Zellgruppen aus der Übergangsregion des normalen Holzringes in den 

durch Frost hervorgerufenen Lockerungsstreifen aus Parenchymholz. Entnommen 

aus der Zone Iy—b von Fig. 148. z in Abb. 2 und 5 zeigt die Zickzacklinien mit 
ihren verquollenen Zellwandungen. (Orig.) 


620 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


Gewebezone gewesen sein mag? Die Antwort kann nur lauten, dafs 
der schnürende, pressende Einflufs, den der Rindengürtel ın seiner 
Gesamtheit auf die jüngsten Gewebe, also die cambiale Region normaler- 
weise ausüben mufs, durch irgendeine Ursache aufgehoben oder doch 
äufserst geschwächt worden ist. 

Auf diese Ursache werden wir durch die Lücken im Rindengewebe 
(Fig. 148 7, rechts) hingewiesen. Solche tangentiale Lücken ım gesunden 
Gewebe kommen dadurch zustande, dafs das oberhalb der Lücke liegende 
Gewebe sich von dem unteren abgehoben hat. Es kann sich aber nur 
abheben, wenn es auf diesem darunter befindlichen Parenchym nicht 
mehr Platz hat, also tangential eine gröfsere Ausdehnung wie früher 
erlangt hat. Mithin hat in diesen äufseren Gewebelagen ein stärkerer 
tangentialer Zug stattgefunden, als in den nächst inneren Rindenschichten, 

Nun erinnere man sich an die CasparvY'schen Messungen beim Ge- 
frieren. Es ziehen sich die peripherischen Schichten früher und stärker 
zusammen als die zentralen. Dieses Zusammenziehen bei der Kälte 
ist in der Richtung der Tangente stärker als in der des Radius und 
in dem weichen Parenchym stärker als im prosenchymatischen Holz- 
körper. Mithin mufs bei der Frostwirkung überall innerhalb einer 
holzigen Achse ein Überwiegen des tangentialen Zuges über das radiale 
Zusammenziehen stattfinden und unter Umständen sich bis zur radialen 
Zerklüftung des Gewebes steigern. 

Wenn der Holzring zunächst isoliert gedacht wird, so mufs dieses 
überwiegend tangentiale Zusammenziehen notwendig an den Stellert des 
geringsten Widerstandes zu solchen Zerklüftungen führen, die den 
klaffenden Frostspalten an alten Stämmen entsprechen. Es müssen 
also aus rein mechanischen Gründen innere radiale Zerklüftungen zu- 
stande kommen, und zwar in den Markstrahlen und Markbrücken. 
Solche zeigt tatsächlich die Abbildung des durch natürlichen Frost 
beschädigten Eichenzweiges (Fig. 148). 

Betrachten wir jetzt den primären Holzring in seinem Verhältnis 
zu dem ihm anliegenden Rindengürtel, so haben wir auf die Tatsache 
zurückzuweisen, dafs der Rindengürtel, dessen peripherische Zellen 
schon an sich in der tangentialen Richtung gröfser sind als |in der 
radialen, sich nun tangential auch stärker zusammenzieht, also in dieser 
Richtung während der Frostwirkung stark gezerrt wird. Läfst der 
Frost nach, hört zwar diese Zerrung auf, aber ihre Folgen bleiben. 
Denn das Gewebe ist zwar dehnbar, aber nicht absolut elastisch, und 
geht daher nicht vollkommen auf sein früheres Volumen zurück. Da- 
durch hinterläfst jede Frostwirkung eine Überverlängerung 
der peripherischen Gewebelagen gegenüber den benachbarten 
mehr nach innen liegenden Schichten. Der Rindenkörper in seiner 
Gesamtheit ist also länger geworden und hat entweder auf dem Holz- 
zylinder nicht mehr Platz und hebt sich stellenweise von demselben 
ab. oder aber er wölbt sich wenigstens mehr nach aufsen vor, d. h. 
vermindert seinen schnürenden Einflufs auf die cambialen 
Elemente des Holzzylinders. 

Darauf antwortet die cambiale Zone durch Parenchymholzbildung, 
wie wir bei jeder Wunde sehen, bei der die Rinde gelüftet wird. 
Schliefst sich der Rindengürtel wieder zu einer zusammenhängenden 
Schicht, hat auch der Cambiumzylinder des Zweiges bei seinem Dicken- 
wachstum den schnürenden Einflufs der Rinde wieder zu überwinden 
und bildet daher wiederum normale Holzelemente. 


Wärmemangel. 621 


So fällt also die Bildung parenchymatischer Holzbinden innerhalb 
der jugendlichen Achse unter dasselbe Gesetz der ungleichen Zusammen- 
ziehung, das bei alten Stämmen zur Entstehung der klaffenden Frost- 
spalten führt. 


Die Cuticeularsprengungen. 


Bei den im vorigen Abschnitt erwähnten Versuchen mit Topf- 
exemplaren von früh angetriebenen Eichen wurde die bisher unbekannte 
Tatsache festgestellt, dafs an oberflächlich leicht gebräunten oder auch 
noch grünen, also sicherlich noch wenig irritierten Blättern unterseits 
eine vielfach unterbrochene, schwarze, äufserst zarte Saumlinie sich 
einstellt, die den Eindruck macht, als ob stellenweise feinste Rufs- 
teilchen sich angesetzt hätten. Bei stärkerer Vergröiserung erkennt 
man nun, dafs diese Saumlinie aus kleinen Abschülferungen der äufsersten 
Cuticulardecke besteht, welche durch ihren körnigen Zerfall die Luft 
festhält und dadurch schwarz erscheint. Wurde das Blatt durch 
Schwefelsäure zerstört, wobei es wurmförmig sich krümmte und die 
Epidermis der Oberseite sich stellenweise blasig abhob, dann blieben 
die körnigen Häufchen zurück. 

Es stimmt dieser Befund mit den Wahrnehmungen überein, die 
wir bei der Buche früher nach natürlichen Spätfrösten beobachtet 
hatten und auch bei Eichen im Freien nachweisen konnten. Zum 
Zustandekommen derartiger kaum merkbarer Outicularsprengungen 
müssen übrigens noch besondere Umstände mitwirken, die hier im 
Versuch zufällig vorhanden gewesen, aber bei anderen Versuchen und 
in der freien Natur nicht immer wirksam zu sein scheinen. Denn in 
manchen Lokalitäten konnte man bald nach Spätfrösten solche ver- 
letzte Eichenblätter finden, in anderen aber nicht. Wahrscheinlich 
gehört ein bestimmter Turgescenzzustand des Blattes dazu, und dieser 
wird wieder von der jedesmaligen Beschaffenheit des Zellinhaltes ab- 
hängig sein. 

Einen Begriff von den feinen Unterschieden, welche bei Frost- 
beschädigungen ausschlaggebend sind, erhält man schon durch die 
Beobachtung, dafs mitten in dem sonst wenig oder nicht erkennbar 
beschädigten Mesophyll eines Blattes sich frostverletzte, absterbende 
Gewebeinseln bisweilen vorfinden. Dafs im Versuch nur auf der Unterseite 
der Blätter diese Cuticularbrüche aufgetreten, ist vielleicht auf eine 
abweichende Beschaffenheit gegenüber der oberseitigen Outiculardecke 
zurückzuführen; denn man sah bei Einwirkung von Schwefelsäure die 
obere Decke sich leuchtend zitronengelb färben, während dieser Farben- 
ton bei der unterseitigen Cuticula kaum wahrnehmbar war. 


Ich möchte der Entdeckung, dafs durch leichten Frost unter Um- 
ständen Sprengungen der Cuticularglasur entstehen können, einen be- 
sonderen Wert zuweisen. Bei anderweitigen Brüchen der Cuticula 
(an Kernobstfrüchten) sah ich in der Bruchfurche Pilzsporen liegen, 
und es dürfte daher sehr nahe liegen, anzunehmen, dafs solche Pilz- 
sporen in dieser geschützten Lage am besten Gelegenheit haben, zu 
keimen und ihre Keimschläuche in das Organ einzusenken. Auf diese 
Weise würde sich also erklären, weswegen gänzlich 
gesund aussehende Blätter und Früchte nach leichten 
Frühjahrsfrösten später einer Pilzinfektion anheim- 


622 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


fallen. Hierher zu ziehen wären Mitteilungen von VocLıno!), der 
1903 nach Aprilfrösten gerade an den frostbeschädigten Pflanzen die 
pilzlichen Parasiten in besonders starker Ausdehnung auftreten sah. 

Es erklärt sich nun auch die Erscheinung der sogenannten Rost- 
zeichnungen in zusammenhängenden Ringen und wunregelmäfsigen 
Flächen auf unserem Obste. Es sind Korkbildungen, welche infolge 
der Heilungsvorgänge bei Cuticularbrüchen sich eingestellt haben, 
während die normalen Korkzeichnungen der Früchte von den Spalt- 
öffnungen bzw. Lenticellen auszugehen pflegen. 


Frostsehutzmittel. 


a) Die Schneedecke. 


Das allgemein angewendete Verfahren, Pflanzen gegen Frost zu 
schützen, besteht darin, dafs man dieselben mit möglichst schlechten 
Wärmeleitern umgibt. Man bedeckt die Weinstöcke, Rosen usw. mit 
Erde oder Laub oder bindet die Stämme in Moos, Stroh u. dgl. ein. 
Alle diese Mittel sind gut. Man versäume aber nicht, in kalten Wintern 
mit mälsigem Schneefall auch den Schnee aus den Wegen auf die 
eingebundenen Pflanzen zu werfen. Es ist allseitig bekannt, dafs ein- 
gebundene Stämme, z. B. von Rosen, oft erfrieren, und dieser Umstand 
wird erklärlich, wenn man mit einem Thermometer die Temperatur 
unter dem Deckmaterial untersucht; diese ist nur wenig von der 
äufseren Lufttemperatur abweichend. Untersucht man dagegen den 
Boden unter einer vielleicht nur 15 cm hohen Schneedecke, so findet 
man denselben ganz bedeutend wärmer. GÖPPERT's Untersuchungen?) 
geben auch über diesen Gegenstand die schönsten Belege. Im 
Februar 1870 war die Temperatur sehr niedrig; das Thermometer sank 
am 4. auf durchschnittlich — 12,6°, und dabei war die Temperatur 
unter einer 1D cm hohen Schneedecke — 3°. Der Lufttemperatur 


von — 14,7° am 5./2. entsprach eine Temperatur unter dem Schnee von — 4,6° 


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Der Boden selbst war unter der Schneedecke 36 cm tief gefroren, 
aber die Temperatur desselben selbst an dem kalten 5. Februar in 
5 cm Tiefe nur — 1°. 

Sprechendere Beweise für den Nutzen der Schneedecke dürften 
kaum zu finden sein. Es erklärt sich daraus die Möglichkeit der Polar- 
vegetation. Die höchsten bis jetzt beobachteten Kältegrade der Polar- 
zone (— 40 bis 47°) wirken nur auf die über den Schnee hervorragenden 
Stämme der Bäume, nicht auf die Wurzeln dieser Stämme und ebenso- 
wenig auf die perennierenden, krautartigen Gewächse. Diese befinden 
sich im Boden in einer nur einige Grade unter 0° betragenden Temperatur 
der Schneedecke, welche zwar nicht das Gefrieren, wohl aber den 


1) Vosrıno, P., L’azione del freddo sulle ran coltivate, en in rela- 
zione col parassitismo dei funghi. Atti Accad. di Torino XLVI. 
2). Bot: Zeit. 1871, NE 4,8254. 


Wärmemangel. 623 


Wärmeverlust durch Strahlung, das Eindringen hoher Kältegrade und 
eine schnelle Abwechslung der Temperatur verhindert. Aber auch bei 
uns ist öfter, als wir denken, die Existenz mancher Kulturen an die 
Schneedecke gebunden. Das Erfrieren der Saaten würde viel häufiger 
eintreten, sobald ein langer, feuchter und warmer Herbst die Pflanzen- 
entwicklung begünstigt, wenn nicht die Schneedecke sich auflegte, 
welche die Strahlung und die in unseren Breiten so häufigen starken 
Temperaturschwankungen abhält. Wir sehen oft genug, wie leicht die 
ungenügend geschützten oder blofsliegenden Pflanzenteile dadurch er- 
frieren, dafs plötzlich auftretender starker Sonnenschein sie trifft. Der 
in der Kältestarre befindliche, von der Wandung zurückgezogene, wasser- 
ärmere Zellinhalt gewinnt nicht Zeit, sich durch Wasseraufnahme wieder 
auszudehnen, in normale Wechselwirkung mit der Zellwand und dadurch 
mit der Umgebung zu treten, und damit ist die Desorganisation der 
Zelle eingeleitet. Das sind die Vorgänge, die namentlich bei Frühjahrs- 
frösten eintreten und die Kulturen der Gärtner besonders benachteiligen. 


b) Die Verwendung des Wassers. 


Namentlich bei krautartigen Gewächsen, die plötzlich vom Frost 
überrascht werden, hilft man sich durch Begiefsen der hartgefrorenen 
Pflanzenteile mit recht kalteın Wasser und Einrichtung einer Beschattung. 
Das Wasser auf den Pflanzen gefriert dann zu einer Eiskruste; hier- 
durch wird die Temperatur der Pflanze selbst langsam auf 0° erhöht 
und kann nun von dieser Temperatur an nach dem Auftauen der Kruste 
sich allmählich weiter erwärmen. 

Auf demselben Prinzip der allmählichen Erwärmung beruht das 
Einschütten angefrorener Kartoffeln und Rüben in Bottiche mit kaltem 
Wasser und das Zusammenwerfen gefrorener Kohlköpfe in Haufen, die 
mit Strohmatten bedeckt werden. 

Gegen die Nachtfröste im Frühling und Herbst, wo es vorkommen 
kann, dafs die Lufttemperatur gar nicht bis auf 0° sinkt, die Pflanzen 
aber durch Ausstrahlung gegen den heiteren Himmel unter 0° erkalten, 
sich mit Reif bedecken und erfrieren, schützt man dieselben durch Mittel, 
welche die Strahlung hemmen. Man spannt Decken und Matten über 
die Pflanzen; auch sehr dünne Tücher sind hier schon von Wirkung, 
und bei Mangel an Deckmaterial ist das dünne Belegen mit Reisig 
hier ganz am Platze. Auch senkrechte Wände erweisen sich häufig 
als vortreffliches Frostschutzmittel; sie wirken einerseits dadurch, dafs 
sie die Winde abhalten und andrerseits dadurch, dafs sie die Aus- 
strahlung der Pflanzen vermindern. Bei Spalierbäumen an Mauern 
oder Holzwänden kommt aus der ganz bedeutend verminderten Aus- 
strahlung des Baumes auf der der Wand anliegenden Seite auch noch 
hinzu, dafs die Wand selbst ihre gespeicherte Wärme allmählich abgibt. 

Weniger wirksam, jedoch nicht ganz zu verwerfen, ist ein von 
alten Schriftstellern empfohlenes, bei Gartenkulturen anwendbares Frost- 
schutzmittel im Frühjahr. Der Stamm von Bäumen wird mit einem 
Strohseil umwickelt, dessen eines Ende in Wasser taucht. Uber Beete 
blühender Frühjahrsblumen werden kreuz und quer in einiger Ent- 
fernung von der Bodenoberfläche Stroh- und Wergseile gezogen, deren 
Enden in einem Gefäfs mit Wasser durch einen Stein festgehalten 
werden. 

Zur Erklärung einer günstigen Wirkung dieses Verfahrens wird 


624 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


man an die grofse latente Wärme des Wassers denken müssen. Wenn 
das Wasser in den vollgesogenen Strohseilen gefriert, wird Wärme 
frei, die den darunter liegenden Pflanzenteilen insofern zum Vorteil 
gereicht, als dadurch das Vordringen der Kälte zu den Pflanzen 
verzögert wird. So gefrieren auch die Pflanzen in der Nähe gröfserer 
Wasserflächen weniger leicht. Ein Mittel, welches Gärtner mit Erfolg 
bei Topfkulturen zur Zeit, wo Nachtfröste zu befürchten sind, anwenden, 
besteht in der Verminderung des Giefsens, damit das Gewebe der 
Pflanze weniger wasserreich dem Frost entgegentritt. Eine reichlichere 
Verdunstung entzieht der Pflanze mehr Wärme, und somit werden 
stark begossene Pflanzen sich mehr abkühlen als weniger turgescente. 


c) Die Windwirkungen. 


Auch Winde können günstig wirken, insofern als ein Sturm bei 
warmer Witterung beginnt, somit die Verdunstung sehr stark beschleunigt 
und das Gewebe wasserärmer macht. Umgekehrt werden windarme 
Regenperioden die Gefahr des Erfrierens steigern. Experimentelle 
Beweise liefern die von ADERHOLD!) ausgeführten Versuche mit künst- 
licher Beregnung. Von je sechs Exemplaren von Birnen, die mehrere 
Monate im Sommer in einer Regenzelle aufgestellt waren, erwiesen 
sich nach einem Winterfrost fünf Exemplare völlig und eines teilweise 
erfroren, während bei den Vergleichstöpfen, die in einer Trockenzelle 
gestanden hatten, nur zwei erfroren und vier unbeschädigt waren. 

Indes lassen sich betreffs der Windwirkung keine allgemeinen Regeln 
aufstellen. Jede Lokalität hat ihre besonderen Ansprüche. Wenn 
beispielsweise gesagt worden ist, dafs Winde günstig wirken, so bezieht 
sich dies nur auf solche Fälle, wo es sich nicht um dauernde Wind- 
wirkung handelt, wie sie an sandigen Küsten auftritt. Dort wird das 
Verhalten der Wurzeln ausschlaggebend, die, selbst wenn sie nicht 
erfrieren, doch kein Wasser mehr aufnehmen, wenn die oberirdischen 
Teile noch stark verdunsten. Es können dann Gehölze geradezu ver- 
trocknen. In dieser Beziehung sind die Erfahrungen von HöFkEr-Dort- 
mund?) sehr beachtenswert. Derselbe schützt weniger die oberirdischen 
Teile, aber bedeckt den im Herbst um seine Gehölze gelockerten Boden 
mit Dünger oder feuchtem Torfmull und begiefst sogar die immergrünen 
Sträucher an sonnigen Frosttagen. Durch die Deckschicht tritt der 
Frost nicht tief ein, “und die Wurzeln können den oberirdischen Teilen 
stets Wasser zuführen. In Schmuckanlagen, wo man reichlich die 
feineren Coniferen verwendet, scheint es in stark windigen Lagen vor- 
teilhafter zu sein, die blaugrünen Formen zu verwenden anstatt der 
reingrünen Stammarten. Es wird nämlich behauptet, dafs erstere wider- 
standsfähiger sind. 

Ferner wende man seine Aufmerksamkeit dem Umstande zu, dafs 
die Basis der Gehölze, die vielleicht durch Moosvegetation, Laub- 
anhäufung, Waldstreu und dergl. das ganze Jahr über oeschützt ge- 
wesen ist, nicht im Herbst durch Säuberungsarbeiten und dergl. frei- 
gelegt wird. Man hat nämlich gefunden, dafs Pflanzenteile, welche 


!) AnerHuorv, R., Versuche über den Einflufs häufigen Regens auf die VacnıE 
zur Erkrankung von Kulturpflanzen. Arb. aus der Kais. Biol. Anst. f. Land- u 
Forstwirtschaft. Bd. V, Heft 6 (1907) 

2) Hörker, Windschutz und Winterschutz. Prakt. Ratgeber i. Obst- u. Garten- 
bau 1907, S. 61. 


Wärmemangel. 025 


geschützt (durch Boden oder Laubwerk) erwachsen sind, Säfte besitzen, 
die leichter erfrieren als die von dauernd in der Luft befindlichen Teilen. 
Für Sellerie, Möhre, das Herz der Kohlköpfe hat dies SuTHERST!) nach- 
gewiesen. Auiserdem wird, selbst wenn die Beschaffenheit des Zell- 
saftes nicht mitspricht, mindestens der Wassertransport in den ihrer 
schützenden Umgebung beraubten und daher schneller sich abkühlenden 
nahen und Stammkörpern vermindert und die Gefahr des Vertrocknens 
erhöht“). 

Das Belassen toter Pflanzenreste (Laub, Grasbüschel, vorjährige 
Blütenstiele und dergl.) auf Saatbeeten und Stauden bis zum späten 
Frühjahr hin ist eine Mafsregel, deren Wichtigkeit nicht genügend 
gewürdigt wird. Es handelt sich nämlich dabei nicht nur um deren 
Einflufs als Frostschutzmittel, sondern auch als Schutz gegen das Ver- 
trocknen durch Frühjahrswinde. Wir können fast alljährlich 
die Erfahrung machen, dafs Pflanzen gut durch schwere Winter ge- 
kommen sind und wintergrüne Gewächse ihr Laub behalten haben. 
Wenn aber wenige Tage nach der Entfernung des Schnees windiges, 
helles Wetter eintritt, vertrocknen die bis dahin noch saftig gewesenen 
Blätter. Möglicherweise tritt bei dieser schnellen Austrocknung der 
Gewebe eine ähnliche Veränderung der Eiweilsstoffe im Protoplasma 
ein, wie sie neuerdings GoRKE®) als Frostwirkung nachgewiesen hat. 
Die Folge ist bei manchen Gewächsen eine vollständige Schütte- 
krankheit, die dort unterbleibt, wo durch vorjährige Vegetationsreste 
ein Schutz geboten wird. Unsere gewöhnlichsten überwinternden 
Blütenstauden, Getreidesaaten, Gehölzsaaten usw. gehen manchmal erst 
im Frühjahr durch Vertrocknen zugrunde. 


d) Die Schmauchfeuer. 


Alle diese Vorbeugungsmethoden lassen sich in der Landwirtschaft im 
grofsen nicht anwenden, wohl aber dürfte das Mittel noch mehr Beachtung 
des Landwirts verdienen, welches MavEr*) aus der Vergessenheit her- 
vorgezogen hat, nachdem es früher von GÖPPERT?) und MEYEN®) schon 
wiederholt anempfohlen und durch Beispiele gestützt worden war. 
Man zündet nämlich mehrere Feuer, die recht viel Rauch entwickeln, 
auf den Grundstücken, bei denen man Frostbeschädigungen fürchtet, 


!) Surserst, W. F., Der Gefrierpunkt von Pflanzensäften. Biedermanns Centralbl. 
1902, S. 401. 

2) Kosarorr, P., Einflufs verschiedener äufserer Faktoren auf die Wasser- 
aufnahme der Pflanzen; cit. Just’s Jahresbericht 1897, I, S. 75. . 

3) Gorke, H., Über chemische Vorgänge beim Erfrieren der Pflanzen. Land- 
wirtschaftliche Versuchsstationen LXV, 1906, S. 149; cit. Bot. Centralbl. 1907, Bd. 104, 
S. 358. — Der Verfasser sieht die Ursache des Kältetodes darin, dafs durch 
die Eisausscheidungen der Zelle der Saft eine so konzentrierte Salzlösung allmählich 
darstellt, dafs eine Aussalzung der löslichen a erfolgt. Er stützt seine 
Ansicht auf Versuche mit Prefssäften aus gesunden und erfrorenen Pflanzenteilen. 
Frischer Pflanzensaft enthielt wesentlich mehr filtrierbare Eiweifsstoffe als gefroren 
gewesener. Der Kältegrad, bei dem im Prefssaft eine Eiweifsfällung eintritt, ist 
bei den einzelnen Pflanzenarten ungemein verschieden; bei Sommergerste und 
-roggen schwankt er zwischen — 7 bis — 9°, bei Wintergerste und -roggen zwischen 
— D bis — 15°, bei Nadeln von Picea excelsa beträgt er —40° Auch Reaktions- 
änderungen können beim Erfrieren mitwirken. Die Phosphorsäure beispielsweise 
ist als Säure schwächer bei höherer Temperatur, stärker bei Abkühlung. 

*) Lehrbuch der Agrikulturchemie 1871, I, S. 382. 

5) Wärmeentwicklung 1830, S. 230. 

6) Pflanzenpathologie 1841, S. 323. 

Sorauer, Handbuch. 3. Aufl. Erster Band. 40 


626 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


an. Das Verfahren, das nach Boussinsaurt in Oberperu von den alten 
Inka’s eifrig ausgeübt worden sein und bei den alten Völkern mehrfach 
ausgedehntere Anwendung gefunden haben soll, wird jetzt auch wieder 
mehr zum Schutz der Weinpllanzung en benutzt. Nach GöPpert bestrebten 
sich OLIVIER DE SERRES ım Jahre 1639 und später PErEr Hocström im 
Jahre 1757 die Wirksamkeit des Verfahrens durch Versuche festzustellen. 
In Württemberg existieren Verordnungen bereits vom Jahre 1796 und 
im Würzburgischen von 1803, nach welchen im Herbst bei eintretender 
Frostgefahr tür die Weinberge Rauchfeuer angezündet werden müssen. 
In Schlesien wurde längere Zeit hindurch in Grünberg von diesem 
Mittel Gebrauch gemacht; es wurde aber, trotzdem es 30 Jahre hin- 
durch von einem Besitzer mit Erfolg angewendet worden, aus Mangel 
an allgemeiner Beteiligung wieder "aufgegeben. Die allgemeine Be- 
teiligune einer Gegend ist aber nötig, da sonst häufig ein einzelner 
dem. Nachbar, auf dessen Felder der Wind den Rauch hintreibt, einen 
Dienst erweist, ohne Gegendienste zu erhalten. Besondere Vorschriften 
für diese Schmauchfeuer sind nicht nötig. In klaren Nächten, nament- 
lich gegen Morgen vor Sonnenaufgang, "werden die Feuer angezündet 
und durch feuchte Abfälle, Moos, Stroh usw. genährt, wobei man eben 
Sorge trägt, dafs möglichst dichter Rauch über die Felder hinziehe, 
Natürlich wirkt hier nicht die durch das Feuer erzeugte Wärme, 
welche schon in geringer Entfernung vom Herde der Flamme nicht 
nachweisbar sein wird, wohl aber wirkt der Rauch, wie bei dem Gärtner 
die über die Pflanzen gebreitete Bastmatte, oder wie eine Wolkendecke, 
indem er die zu grofse Abkühlung durch Strahlung verhindert. Durch 
Tynvar’s Entdeckungen wissen wir, dafs eine Anzahl Stoffe, wie Kohlen- 
oxydgas, Kohlensäure, Sumpfsas, "Ammoniak, Schwefelwasserstoff und 
ätherische Öle in äufserst feiner Verteilung in der Luft die Fähigkeit 
derselben, Wärmestrahlen durchzulassen, auf ein oft sehr geringes Mais 
reduzieren. Dieselbe Fähigkeit besitzt nun auch der Wasserdampf), 
von dem Tyxpar feststellte, dafs er eine 1l5mal grölsere Wärmemenge 
auffing als von der ganzen (unreinen) Luft, in der er verteilt war, auf- 
gehalten wurde. Der Vo organg; ist also folgender: Am Tage sendet uns 
die Sonne ihre Wärme in leuchtenden und dunklen Wärmestrahlen, 
die der Boden teilweise reflektiert, gröfsenteils aber absorbiert und so 
lange hält, bis die Luft kälter wird wie er selbst. Tritt dieser Zustand 
ein, sucht sich das Gleichgewicht der Wärme dadurch herzustellen, 
dafs die Erde nun ihre Wärme in der Form dunkler Wärmestrahlen 
an den kalten Luftraum abgibt. Sind nun aber die unteren Luftschichten 
mit einem der obenerwähnten Gase oder mit Wasserdampf stark be- 
laden, so nimmt der Wasserdampf die vom Boden ausstrahlende Wärme 
in sich auf, anstatt sie durch sich hindurch in die oberen Regionen 
der Luft zu leiten. Wie grofs diese Wärmemenge ist, die von den 
unteren Luftschichten aufgefangen wird, zeigt Tynpar: „Betrachten wir 
die Erde als eine Wärmequelle, so werden zum wenigsten 10° ihrer 
Wärme innerhalb zehn Fufs von der Oberfläche aufgefangen.“ Durch 
diese Absorption der dunklen Wärmestrahlen bilden die unteren, wasser- 
reichen Luft schichten einen schützenden Mantel um die Erde, die in- 
folgedessen nicht so tief erkaltet. Der durch das Feuer erzeugte Rauch 
ist somit ein künstlicher Mantel voll Wasserdampf, der in Verbindung 


1) Tyxpar, Die Wärme betrachtet als eine Art der Bewegung. Deutsche Aus- 
gabe von Helmholtz und Wiedemann 1867. r 


Wärmemangel. 627 


mit zum Teil noch unbekannten Destillationsprodukten die Durchlässig- 
keit der Atmosphäre für die von der Ackerfläche ausgestrahlte dunkle 
Wärme vermindert. 

Eine spezielle Aufzählung der in neuerer Zeit zum Zwecke der 
Raucherzeugung bei Frostgefahr zusammengesetzten käuflichen Räucher- 
kerzen und -ziegel übergehen wir, da mit der fortschreitenden Technik 
immer neue Kombinationen auftreten werden. Es genügt der Hinweis 
auf die Existenz derartiger Artikel. Erwähnt werden mag nur, dafs 
neuerdings bei den Räucherungen der Weinberge man zur Vermeidung 
des Fortziehens der Rauchschlangen bei plötzlich umschlagendem Winde 
das Räuchermaterial auf Karren packt!). Am ausgebreitesten soll die 
Anwendung der Räucherkarren in der Stadt Colmar sein, die einen 
seit 1884 wohl organisierten Räucherdienst ausgebildet hat. Colmar 
liest in einer Ebene, und in Ebenen ist die Frostgefahr gröfser als in 
den höheren Lagen, wie sich beispielsweise 1903 bei den Frühjahrs- 
frösten in Fiorenz gezeigt hat, wo Passerinı?) in 40 m Meereshöhe 
Obstbäume und Spargel stark beschädigt, aber 100 m höher ganz gesund 
fand. In Colmar werden eiserne Karren mit etwa 16 Liter flüssigem 
Teer beschickt und der Karren nach Anzünden des Teers auf den 
Feldwegen bis zum nächsten Posten (etwa 150 m Entfernung) hin und 
her gefahren. Bei + 1° wird die Räuchermannschaft alarmiert und bei 
0° mittels Flintenschusses das Signal zum Anzünden gegeben. In der 
Regel wird nachts zwischen 2 und 3 Uhr begonnen. Die allerdings 
hohen Kosten, welche der Stadtverwaltung durch den Räucherdienst 
erwachsen, werden durch eine Abgabe von den geernteten Trauben 
gedeckt. 

Wir haben diesen speziellen Fall angeführt, weil wir glauben, dafs 
nur eine derartige Organisation durchgreifenden Erfolg haben kann. 


Die Voraussage der Fröste. 


Bei der Kostspieligkeit der Erzeugung von Schmauchfeuern 
zum Schutze der durch Spätfröste bedrohten Pflanzungen ist es natürlich 
von gröfster Wichtigkeit, annähernd vorher beurteilen zu können, ob 
Nachtfrost eintreten wird. 

Es empfiehlt sich daher die Benutzung der von Lane (München) 
konstruierten Nachtfrostkurve, die auf Psychrometerbeobachtung 
beruht (s. Fig. 150). Wenn in den Nachmittagsstunden im Frühjahr die 
Temperatur sinkt und bei Windstille der Himmel klar wird, steigert sich 
die Wahrscheinlichkeit eines Nachtfrostes. Zur Benutzung beistehender 
Figur sind zwei empfindliche, genau übereinstimmende Thermometer not- 
wendig. Die Quecksilberkugel des einen wird derart mit Gaze umwickelt, 
dafs das untere Ende der Umhüllung in Wasser taucht, also die Kugel stets 
eine nasse Decke hat. Dieses Thermometer wird infolge der ständigen 
Wasserverdunstung tiefer stehen als das daneben befindliche Instrument, 
welches die gewöhnliche Lufttemperatur anzeigt. Aus der Differenz 
dieser Temperaturen kann man die relative Feuchtigkeit und die Lage 
des Taupunktes berechnen, d.h. derjenigen Temperatur, bei deren Eıin- 
tritt der in der Luft zurzeit enthaltene Wasserdampf als Tau, Nebel 


1) Burger, Räucherkarren. Prakt. Ratg. im Obst- u. Gartenbau 1906, S. 128. 


2) Passerisı, N., Sui danni prodotti alle piante dal ghiacciato dei giorni 19/20 
aprile 1903. Bull. soc. botan. ital. 1903, S. 308. 


40* 


628 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


oder Regen ausgeschieden wird. Damit aber diese Wasserdampf- 
niederschläge als ein schützender Mantel gegen die durch Ausstrahlung 
erzeugte Frostgefahr wirksam werden, mufs die Tau- und Nebelbildung 
bei Temperaturen über Null erfolgen, also der Taupunkt über Null 
liegen. Ist dies nicht der Fall und die Luft trocken, so ist Nachtfrost 
zu erwarten. 

Die mechanische Handhabung würde also folgende sein. Man 
lese zunächst den Stand des trockenen Thermometers ab und berechne 
den Unterschied desselben von dem mit der nassen Kugel. Der Stand 
des trockenen Thermometers wird auf der wagerechten Linie und die 
gefundene Differenzzahl auf der senkrechten Skala aufgesucht. Schneiden 


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Stand des trocknen Thermormeters. 


Fig. 150. Nachtfrostkurve nach Dr. Lane, München. 


sich nun die beiden von den betreffenden Skalenpunkten ausgehenden 
Linien rechts von dem gebogenen Strich, welcher die Nachtfrostkurve 
darstellt, also noch innerhalb des Gitterwerks der Skalenlinien, so ist. 
kein Nachtfrost zu befürchten. Wenn aber der Schnittpunkt erst links 
von der Hypotenuse des Dreiecks, also aufserhalb des Gitterwerkes 
auftreten würde, ist mit Bestimmtheit Nachtfrost zu erwarten, falls 
nicht plötzlich die Witterung umspringt und warme Luftströmungen, 
Nebel- oder Wolkenbildung veranlassen. Finden wir beispielsweise 
nachmittags am trockenen Instrument 8° C und am feuchten Thermo- 
meter 4° CO, so ergibt sich eine Differenz von 4°. Der Schnittpunkt 
der senkrechten Temperaturlinie (8) mit der wagrechten Linie der 
Differenz von 4 würde aufserhalb des Gitterwerkes, nämlich links von 
der Nachtfrostlinie liegen, also wäre Nachtfrost wahrscheinlich. 


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Wärmemangel.' 


Frosthärtere Obstsorten. 


Je mehr wir erkennen, wie mannigfach die oft äufserlich unbemerk- 
baren und erst in ihren Nachwirkungen zur Geltung gelangenden Frost- 
störungen sind, desto gröfseren Wert erlangt die Frage nach frost- 
widerstandsfähigen Obstsorten. Wenn wir aber die Erfahrungen der 
Obstzüchter miteinander vergleichen, stellt sich die Tatsache heraus, 
dafs die klimatischen Verhältnisse der einzelnen Gegenden den Charakter 
der Sorte derart zu modifizieren imstande sind, dafs eine hier als frost- 
hart empfohlene Sorte dort durch frühere Entwicklung oder geringeres 
Ausreifen der Zweige frostempfindlich wird. Deshalb ziehen wir vor, die 
als frosthart empfohlenen Sorten für einzelne Gegenden zu nennen, 
wobei wir die Gegenden derart auswählen, dafs sie teils unter kon- 
tinentalem Klima stehen, teils vom Meere beeinflufst werden. Ausschlag- 
gebend ist für diese Aufzählung die Blütenbeschädigung durch die 
Maifröste, weniger das Verhalten des Holzes, weil letztere Be- 
schädigungen meist nur bei den selteneren strengen Winterfrösten in 
Betracht kommen, während die Blüten alljährlich der Gefahr des Er- 
frierens ausgesetzt sind. ; 

Für die deutschen Kulturen beachtenswert ist der Unterschied 
zwischen Nordost- und Nordwestdeutschland. Im Osten macht sich 
der Einflufs von Rufsland durch die hereinbrechenden Spätfrostperioden 
ganz besonders in der Provinz Posen und in Oberschlesien geltend. 
Dennoch haben wir Erfahrungen zu registrieren, welche dartun, dafs 
selbst die empfindlicheren Birnen in gewissen Sorten noch in Posen 
gutes Tafelobst liefern. Rapowskı!) nennt von Winterbirnen, die sich 
selbst in ungünstigen Jahren noch bewährt haben: Josephine von 
Mecheln, Rıhas Kernlose, Madame Verte, Winter Nelis, Neue Fulvie, 
Winter William und Dechantsbirne von Alencon. 

In Oberschlesien haben sich bewährt?): Amanlis Butterbirne, 
Williams Christbirne, Gute Louise v. Avranches, Rote Bergamotte, 
Englische Sommerbutterbirne, Köstliche v. Charneu, Esperine, Napoleons 
Butterbirne, Neue Poiteau, Pastorenbirne und Diels Butterbirne. 

Von Apfelsorten, die im Kreise Rybnik gut gediehen sind, werden 
hervorgehoben: Roter Astrachan, Charlamowsky, Kaiser Alexander, 
Weifser Klar-Apfel, Danziger Kantapfel, Hawthornden, Winter-Gold- 
parmäne, Landsberger Reinette, Baumanns Reinette, London Pepping 
und Grofse Kasseler Reinette. 

. Ganz besonders warm empfohlen werden aus der Umgegend von 
Kosel die englischen Züchtungen: Lord Derby, The Queen, Lord 
Grovenor, Lane’s Prince Albert, sowie Cellini, Hawthornden und 
Bismarck-Apfel. Geeignet für rauhe Lagen und Sandboden sind der 
Braunschweiger Milchapfel, Rote Astrachan und Charlamowski. Für 
die klimatischen Verhältnisse Mitteldeutschlands gut geeignet sind nach 
MatHıev: Weifser Astrachan, Charlamowski, Roter Eiserapfel, Kaiser 
Alexander, Roter Kardinal und in zweiter Linie: Roter Astrachan, Prinzen- 
apfel, Baumanns Reinette und Boikenapfel. Bewährt haben sich von 
Birnen: Winter-Apothekerbirne, Barons B., Punktierter Sommerdorn, 
Grüne Magdalene, Kleine lange Sommermuskateller, Römische Schmalz- 


1) Rapowskı-Schrimm, Winterbirnen für den Osten Deutschlands. Prakt. Ratg. 


i. Obst- u. Gartenb. 17. Dez. 1905. i | 
?) Langer, G. A., Die Bedeutung der Obstsortenwahl für die örtlichen und 


klimatischen Verhältnisse. Deutsche Gärtnerz. 1905, Nr. 38 


630 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


birne, Sparbirne, Gute Graue und Erzherzogsbirne'). Obgleich bei Birnen 
die Gefahr der Frostbeschädigung besonders grofs ist, so darf man 
nicht nach einem Maifrost, der in die Blüte fällt, sofort verzagen. Die 
Erfahrung lehrt, dafs noch gute Ernten trotzdem manchmal erzielt 
worden sind, weil nur die offenen Blumen zu leiden pflegen und dann 
die später sich entwickelnden um so schönere Früchte bringen. Bei 
der Obstblüte ist aufser dem Frost ein anhaltender Regen besonders 
zu fürchten. 

Im deutschen Klima durchschnittlich am besten sich bewährende 
Pflaumensorten sind: Königin Viktoria, Gelbe Mirabelle (von Metz), 
Doppelte Mirabelle von Nancy, unsere gewöhnliche Zwetsche und die 
Grüne Reineclaude. 

Von Kirschen kommen trotz der frühen Blüte gut durch die Frost- 
tage des Frühjahrs: Unsere gewöhnliche Sauerkirsche, Ostheimer 
Weichsel, Doppelte Glaskirsche, Grofse lange Lothkirsche und die 
Rote Mafskirsche. 

Für das feuchtere Klima dürften in erster Linie solche Sorten in 
Betracht kommen, die in Schleswig-Holstein sich bewähren. Als solche 
werden genannt: der pfirsichrote Sommerapfel, Degener Apfel, Schöner 
v. Bath, Roter Juniapfel, Sommer-Gewürzapfel, Weifser Sommerkalvill, 
Williams Liebling, der aus den Ostseeprovinzen Rufslands stammende 
Weifse Klar-Apfel und die englischen Züchtungen Mr. Gladstone und 
Irish Peach (Sommer-Pfirsichapfel) ?). 

Die Mehrzahl der genannten Sorten gehören zu den Frühäpfeln, 
und wir glauben, dafs wir für die norddeutschen Verhältnisse besonders 
die Kultur der frühen Sorten empfehlen müssen. Sie stellen zwar 
meist nicht erstklassiges Obst dar, aber sie haben bei ihrer kürzeren 
Vegetationsdauer den Vorteil, ihr Zweigwachstum schneller abzuschliefsen 
und mit reiferem, also frosthärterem Holze in den Winter zu gehen. 
Bei der Neuanlange von Obstpflanzungen berücksichtige man vor allen 
Dingen diejenigen Sorten, die im verwandten Klima und ähnlichen 
Bodenverhältnissen sich bereits bewährt haben. Man vergesse z. B. 
nicht, dafs die für trocknes Klima passenden Sorten sich in solchen 
Gegenden schlecht zu entwickeln pflegen, welche unter dem Einflufs 
der See stehen, und umgekehrt. 

Betreffs der Bodenverhältnisse ist darauf hinzuweisen, dafs solche 
Sorten, die sowohl auf leichten als auf schweren Böden gedeihen, doch 
am vorteilhaftesten aus Baumschulen bezogen werden, welche dieselbe 
physikalische Bodenbeschaffenheit haben wie die Örtlichkeit, auf welche 
die Bäume dauernd zu stehen kommen. Eine grofse Differenz zwischen 
dem Anzuchtsorte und der definitiven Auspflanzungslokalität bedingt 
leicht einen Stillstand im Wachstum, bis das Exemplar sich an die 
neuen Bodenverhältnisse gewöhnt hat. Am schwierigsten liegen die 
Verhältnisse für Moorböden, selbst wenn dieselben bereits durch 
Kalkung und Zufuhr von Asche oder Kainit und Thomasmehl ver- 
bessert worden sind. SrtorL?) empfiehlt von Steinobst unsere ge- 
wöhnliche Sauerkirsche und (bei guter Kalkung) die Hauszwetsche. 
Von Äpfeln gedeihen: Schöner von Boskoop, Gelber Edelapfel, Doppel- 


1) Jahresbericht d. Sonderausschusses für Pflanzenschutz 1900. Arb. d. D. 
Landw. Ges, Heft 60, S. 247. 
2) Soraver, Schutz der Obstbäume gegen Krankheiten. Stuttgart, Eugen 


Ulmer, 1900. x 
3) Store, Obstbau auf Moorboden. Proskauer Obstbauzeitung 1906, S. 182. 


Wärmemangel. 631 


pigeon, Weifser Wintertaubenapfel, Boikenapfel, Orleans Reinette, Graue 
holländische Reinette, Parkers Pepping und Purpurroter Cousinot.- 
Gravensteiner, Prinzenapfel und Goldparmäne gedeihen wohl, aber 
neigen sehr zum Krebs. 

Von Birnensorten wären nur zu nennen: die Gute Graue, Köstliche 
von Charneu und Grofser Katzenkopf. Von Beerenobst findet man 
Anpflanzungen von Stachel- und Johannisbeeren auf Moorboden. 


Schneedruck und Eisanhang. 


Wie es bei dem Hagel gewisse Gegenden gibt, die besonders häufig 
heimgesucht werden, so existieren auch, wenngleich aus anderen Ur- 
sachen, namentlich in Gebirgen, bestimmte Gürtel, in denen Verletzungen 
durch Schneedruck fast alljährlich sich einstellen. Aufserdem werden 
einzelne Lokalitäten in allen Gegenden mit reichlichem Schneefall als 
besonders gefährdet betrachtet werden müssen; es sind dies die Boden- 
senkungen, in welche der Schnee von oben oder den Seiten hinein- 
geweht werden kann. Die gleichen Schneemassen wirken aber auch 
verschieden, je nach der Witterung, bei welcher sie fallen. Ist es sehr 
kalt und windig, dann sammelt sich selten so viel Schnee in dem Ge- 
zweige, dafs er Schaden bringen könnte; die Kristalle sind zu fein 
und kalt, um sich aneinander zu kitten. Wenn dagegen bei weichem, 
windstillem Wetter der Schnee in grofsen Flocken fällt und leicht 
zusammenballt, dann haftet er in grofsen Massen in den Baumkronen 
und biegt oder bricht die Aste. 

Wenn die Bäume auf Abhängen stehen, bemerkt man zahlreichere 
Schäden auf den der Windseite entgegengesetzten Abhängen, in denen 
dann ganze Streifen von Bäumen geworfen werden können. Dies zeigt 
sich als einfache Folge des Schneedruckes, namentlich bei mildem Winter- 
wetter und noch weichem, offenem Boden, während bei stärkerer Kälte 
der spröde Stamm eher gebrochen wird (Schneebruch). Verpflanzte 
Bäume mit flacher Wurzelkrone werden leichter als gut durch Pfahl- 
wurzeln verankerte Exemplare geworfen. Vorzugsweise der Gefahr des 
Brechens ausgesetzt sind die wintergrünen Bäume, und unter diesen, wie 
es scheint, die Kiefer ganz besonders; die zäheren Holzarten, wie Tannen 
und Fichten, biegen sich mehr unter der Last und richten sich später 
wieder auf. Günstiger stehen die Laubhölzer dann da, wenn der 
Schnee zu einer Zeit massenhaft eintritt, in der sie ihr Laub verloren 
haben; Eiche und Buche, welche oft das Laub den ganzen Winter 
über halten, sind gefährdeter wie die anderen Hölzer, vorausgesetzt, 
dafs letztere nicht durch einen vorhergegangenen nassen und kühlen 
Sommer verhindert worden sind, in die Ruheperiode einzutreten und 
das Laub zu werfen. Auch hier wird die Sprödigkeit des Holzes für 
die Art der Beschädigung mafsgebend. Bei der Akazie sieht man an 
älteren Bäumen fast immer Ast- oder Stammbruch; auch Birke und 
Erle dürften öfter Bruch als Niederdrücken zeigen. BERNHARDT!) macht 
auch darauf aufmerksam, dafs sich die Widerstandsfähigkeit der Baum- 
arten ändert, je nachdem sie einen ihren Ansprüchen angemessenen 
Standort haben. Für unsere Obstbäume kommt auch die Kronen- 
bildung sehr in Betracht; namentlich bei Apfeln mit ihren flachen, 
ausgebreiteten Ästen findet man ein förmliches Auseinanderspalten der 


') Waldbeschädigungen durch Wind-, Schnee-, Eis- und Duftbruch. Centralbl. 
f. d. gesamte Forstwesen 1878, S. 29. 


632 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


Kronen. Da, wo der natürliche Habitus des Baumes eine pyramidale 
Kronenbildung nicht zeigt, wird es sich empfehlen, durch künstliche 
Einwirkung die Entwicklung eines starken Mittelastes anzubahnen. 

Bei dem in Hochgebirgen häufigen Lawinensturz ändert sich 
das Bild nach Baumart und Alter der Stämme. Dort, wo nur altes 
Holz steht, wird dasselbe in verschiedener Höhe gebrochen und wild 
und regellos durcheinander geworfen. In Waldungen mit Stämmen 
verschiedenen Alters werden die jungen Bäume teilweise nur 'nieder- 
gedrückt und eine Zeitlang im Schnee vergraben. Nach der Schnee- 
schmelze richten sich derartige Bäume wieder etwas in die Höhe, bleiben 
aber in talabwärts geneigter Stellung und wachsen langsam weiter; 
sie haben meist nur noch auf der nach dem Tale hin gerichteten Seite 
fortwachsendes Gezweig, da die der rollenden Schneemasse entgegen- 
stehenden Äste abgebrochen werden. In Laubwäldern entwickeln sich 
durch Wurzel- oder Stockausschlag krüppelige Büsche, welche das 
Aussehen haben, als ob sie durch Wildverbifs entstanden wären. 

Des Eimflusses der Schneedecke und des dieselbe begleitenden 
Frostes auf die Saaten ist in den früheren Kapiteln bereits Erwähnung 
geschehen; bezüglich der Temperaturänderungen des Bodens ist auf 
die Arbeiten von Wırp und von WOoLLxY!) zu verweisen. Das bei der 
Schneeschmelze entstehende Eiswasser wird, sobald es bereits ergrünte 
Wiesen und Saaten trifft, nicht ohne Einflufs bleiben können; denn 
Küster?) hat beispielsweise nachgewiesen, dafs bei Blättern von Funaria 
infolge Abkühlung durch Eiswasser eine Vakuolisation in den Chlorophyll- 
körnern eintritt, wobei die grüne Pigmentsubstanz in mondsichelartiger 
Form an die Peripherie der Vakuole zu liegen kommt. 

Eisanhang. Die Schädigungen durch Eis, das sich an den Bäumen 
ansetzt, sind seltener. Eine schnell vorübergehende Inkrustierung durch 
Glatteis wird meist für ungefährlich gehalten; indes sind in der Praxis 
manche Stimmen laut geworden, welche der Auflagerung von Eis auf 
glattrindigen Zweigen und Stämmen die Entstehung von Brandflecken 
zuschreiben. Wenn man sich mit NovEL die Entstehung des Glatteises 
in der Weise vorstellt, dafs Regen, dessen Tropfen bereits unter 0° 
abgekühlt waren, bei dem Auffallen auf die Bäume durch die Er- 
schütterung erstarren, so wird man nicht annehmen können, dafs die 
Kältewirkung des Eises störend wirkt. Nach den bei künstlichen Frost- 
versuchen gesammelten Erfahrungen bin ich der Meinung, dafs der 
Glatteisüberzug durch Spannungsänderungen im beeisten Gewebe 
schädlich wirken kann. Bei ganz leichten Frühjahrsfrösten läfst sich 
konstatieren, dafs bei den krautartigen Trieben im Rindengewebe Spalten 
entstehen, ohne dafs tiefgehende Bräunung der Zellen stattgefunden 
hätte, also ohne dafs die chemische Wirkung des Frostes zur Geltung 
gekommen wäre. Solche Gewebeverletzungen sind auch bei Glatteis 
möglich, wenn dasselbe längere Zeit am Pflanzenteil fest haften bleibt 
und namentlich die bei Eintritt von Glatteis häufigen Temperatur- 
schwankungen überdauert. 

Von den gewöhnlichen Glatteisbildungen dürften zu unterscheiden 
sein, weil auf verschiedenen Bildungsprozessen beruhend, der Eis- 
und Duftanhang, der mit dem Schneedruck zu vergleichen ist. Zur 


1) Bot. Jahresber. 1898, I, S. 584 u. 585. 
?) Küster, E., Beiträge zur Physiologie u. Pathologie der Pflanzenzelle. Z.£. 
allgem. Physiologie 1904, Bd. 4. 


Wärmemangel. 633 


Charakteristik der Erscheinung halten wir uns an eine Darstellung von 
BREITENLOHNER!), der eingehendere Beobachtungen gemacht hat. Am 
27. Januar 1879 stellte sich im Wiener Walde bei völliger Windstille 
und nebligem Wetter zur Mittagszeit unter zunehmendem Luftdruck 
und negativer Temperatur bei Wien ein Niederschlag ein, der die 
Mitte zwischen Sprühregen und Nebelreif hielt und der bald zu Glatteis 
erstarrte. An den Bäumen, deren Temperatur in allen Teilen unter 
Null lag, entstand ein einseitiger Eisbelag von 3—5 mm Dicke. Die 
Periode des stillen Frostes währte im Wiener Walde 5—6 Tage; der 
Eisanhang blieb 9 Tage und vermehrte sich derart, dafs die dünnsten 
Zweige zur Dicke eines Schiffstaues heranwuchsen und die Buchen- 
stämme brachen, während die Stangenhölzer zu Boden gebogen waren. 
Da der Boden nur oberflächlich getroren war, wurden auch Bäume ge- 
worfen. Bei Koniferen war die Benadelung der Eisablagerung besonders 
günstig, und Tannen bildeten Eispyramiden, indem die oft 20 cm 
Länge messenden Anhänge der oberen Aste an die unteren angefroren 
waren. 

In den Tieflagen war der Besatz wirkliches, transparentes Glatteis ; 
auf den Höhen dagegen bestand die Hauptmasse mehr aus einem Ge- 
menge von Eis und Duft. Ebenso nahm die Eispartie vom Waldrande 
nach dem Innern hin allmählich ab, wo der Beschlag weder Eis noch 
Duft war und ein festes, strahliges Gefüge besais, um endlich noch 
tiefer im Walde als typischer Duftanhang aufzutreten, der immer kürzer 
wurde, je tiefer man in den Wald hineinging. Um sich einen Begriff 
von der so entstandenen Eisbildung zu machen, welche gleichzeitig 
auch in Deutschland und Frankreich auftrat, bestimmte man das Gewicht 
des Eises, das an einzelnen Zweigen hing, und es ergab sich dabei, 
dafs auf einen Gewichtsteil eines blattlosen Zweiges an Eis bei 
Kirsche 36,7, bei Zerreiche 44,1, bei Rotbuche 85,3, bei der Tanne 31,1, 
bei Fichte 51,3, bei Kiefer sogar 99,0 Gewichtsteile kamen. 

BREITENLORNER macht betreffs Erklärung der Erscheinung darauf 
aufmerksam, dafs die Beobachtungen der meteorologischen Stationen 
zur Zeit des Eisanhanges die Wirksamkeit emes Föhnwindes kon- 
statierten: es lief also ein feuchtwarmer Aquatorialstrom über einen 
kalten, die Täler ausfüllenden Polarstrom. Dieser Kontakt der äquato- 
rialen mit den polaren Luftwellen führte zu der auffallenden Niederschlags- 
form, die nur darum flüssig blieb, weil der untere, kalte Luftstrom 
eine sehr geringe vertikale Ausdehnung besafs, so dafs der aus dem 
warmen Strome kommende Niederschlag nur einen kurzen Weg durch 
die kalte Luft zu machen brauchte. 

Da, wo die kalte Luftschicht eine gröfsere vertikale Erhebung 
zeigte, nahm auch der Niederschlag bereits eine feste Form an und 
setzte sich als Rauhreif (Haarfrost) fest. 

Der Nebel, der nach Berührung zweier nach Temperatur und 
Feuchtigkeit verschiedener Luftschichten sich bildet, kann auch unter 
0° seine Konstitution als tropfbar flüssiges Wasser beibehalten, da 
feuchte Winde ausgezeichnete Caloriferen sind und im Wasserdunste 
eine Menge Wärme latent mit sich führen, welche bei der fortwährenden 
Kondensation entbunden wird. Erst wenn das erkältende Agens ein 
gewisses Mafs übersteigt, verwandelt sich der Nebel in Frostdampf, 


1) BrertenLonser, Der Eis- und Duftanhang im Wiener Walde. Forsch. auf d. 
Gebiete d. Agrikulturphysik 1879, S. 497. 


634 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


indem die Dunstausscheidung nun aus Eisnadeln besteht. Die dem 
freien Luftzuge ausgesetzten Randbäume wirken als Dunstfang, während 
im Innern der Schläge die stockende Luft blofs den typischen Dunst- 
anhang sich ausbilden läfst. 

Dies wäre also eine Analogie mit dem bei Spät- oder Frühfrost 
auftretenden Reife, der also nicht als gefrorener Tau aufzufassen ist. 
Tau ist das kondensierte Wassergas, das sich an den unter dem Tau- 
punkt der Luft durch Strahlung abgekühlten Pflanzenteilen in zusammen- 
flieisenden Tröpfchen niederschlägt. Das Wassergas ist meist schon 
reichlich in der Luft vorhanden; es kann zum Teil, wie STOCKBRIDGE !) 
nachweist, während der Sommermonate aus dem in der Nacht wärmer 
als die Luft sich zeigenden Erdboden ausdampfen. Ist einmal ein 
starker Tauüberzug vorhanden, so kann derselbe eher als ein Schutz- 
mittel gegen das Erfrieren der Pflanzenteile angesehen werden. Gefriert 
dieser Tau, so entsteht eine kristallinische Rinde, die identisch mit dem 
Eisanhange ist. Der Reif dagegen entsteht, wenn der Taupunkt der Luft 
bereits unter 0° liest und dieser Temperaturgrad durch Strahlung und 
Verdunstung der Pflanzenteile erreicht wird. Es fügen sich also die 
Dunstmoleküle schon in fester, kristallinıscher Form aneinander 
(Boden- oder Sommerreif). Der Duftanhang oder Winterreif 
entsteht durch Einströmen des Aquatorialstromes in den langsam 
weichenden Polarstrom, und dieser Kampf ist darum so gefährlich, 
weil bei langer Dauer so viel Duftanhang erzeugt werden kann, dafs 
unter seiner Last die stärksten Bäume brechen. 

In den Baumgärten wird rechtzeitiges und vorsichtiges Anschlagen 
mit Stangen an die Äste einer solchen schädlichen Anhäufung des Duftes 
vorbeugen; im Walde ist dieser Schutz natürlich nicht durchzuführen. 

Betreffs des Sommerreifes werden häufig die Kulturverhältnisse 
von ausschlaggebender Bedeutung. Bei bestelltem Boden ist zu be- 
rücksichtigen, dafs die Abkühlung des Pflanzenkörpers schneller vor 
sich geht als die des Bodens, der während der Nacht als ausgleichende 
Wärmequelle dient und mehr oder weniger die Reifbildung verhindert. 
Diese Wirksamkeit wird um so gröfser sein, je gröfser der die Ab- 
kühlung verlangsamende Wassergehalt des Bodens ist. Auf feuchten 
Feldern bildet sich auch der die Abkühlung der Blätter mäfsigende 
Tau früher und reichlicher als auf trockenen Böden. Alle Kultur- 
malsregeln, welche das Aufsteigen der Wärme aus den tieferen Boden- 
schichten vermindern, wie Bodenlockerung oder strohiger Dünger, 
werden dagegen reifbegünstigend wirken ?). 


Zwölftes Kapitel. 


Wärmeüberschufs. 
Der Hitztcd. 


Gestützt auf zahlreiche physiologische Arbeiten?) kommen wir zu 
der Anschauung, dafs bei der Beurteilung der durch Wärmeüberschufs 
hervorgerufenen Beschädigungen dieselben Gesichtspunkte wie bei 


!) Journal of science vol. 1, p. 471; cit. Naturforscher 1879, Nr. 32. 

®) Prrır, M., Einflufs einiger Kulturverfahren auf die Bildung von Reif. Annal. 
agron. 1902 Nr.7; cit. Centralbl. f. Agrikulturchemie 1903, S. 577. 

?) Prerrer, W., Pflanzenphysiologie, 2. Aufl., Bd. II. Leipzig 1904. 


Wärmeüberschufs. 635 


Wärmemangel gelten. Wir stehen bei unseren Kulturpflanzen fort- 
dauernd wechselnden Organisationen gegenüber. Nicht nur jede Spezies 
hat ihre besonderen Ansprüche betreffs der ihr zuträglichen Wärme- 
menge, sondern auch innerhalb der weiten Wärmeskala der Spezies 
verhalten sich die einzelnen Individuen, ja selbst die einzelnen 
Entwicklungsstadien ganz verschieden. Die individuelle Empfindlich- 
keit gegen eine das Optimalmafls übersteigende Wärme schwankt je 
nach dem Standort, der Wasser- und Nährstoffzufuhr und der Ein- 
wirkung der übrigen Vegetationsfaktoren, so dafs bestimmte Zahlen- 
angaben über zulässige Temperaturwerte immer nur bedingte Gültigkeit 
haben können. 

Wir ersehen dies daraus, dafs bei unseren Kulturen sich die 
Pflanzen bis zu einem gewissen Grade an höhere Wärmesummen ge- 
wöhnen können; ihr Aufbau wird ein anderer, ihre Entwicklung eine 
beschleunigtere, aber ihre gesamten Lebensprozesse vollziehen sich 
noch innerhalb der Breite der Gesundheit. Betreffs der verschiedenen 
Empfindlichkeit der einzelnen Organe je nach ihrem augenblicklichen 
Entwicklungsstadium vertreten wir die Anschauung, dafs der Pflanzen- 
teil um so widerstandsfähiger gegen Wärmeüberschufs ist, je plasma- 
reicher und relativ wasserärmer noch die Gewebe sind. Der Hitztod 
kommt ebenso wie der Frosttod dadurch zustande, dafs die Molekular- 
struktur des Plasmaleibes irreparabel zertrümmert wird. In welcher 
Weise dies stattfindet und wie weit dabei ein Gerinnen gewisser Eiweifs- 
körper mitspricht, wissen wir nicht. Je lockerer der Plasmaleib inner- 
halb seiner spezifischen Zusammensetzung gebaut ist dadurch, dafs 
schon reichlich Wasser eingelagert ist, desto leichter wird eine solche 
Zertrümmerung vor sich gehen. Darum sehen wir, dafs wasserreichere 
Organe schneller an Hitztod zugrunde gehen. Vielfach geht dem 
Hitztod eine „Hitzestarre“ voran, aus der die Pflanzen bei Nach- 
lassen der supramaximalen Temperatur heraustreten und ihr Wachstum 
wieder beginnen können. Je länger die Pflanze im Starrezustand ver- 
blieben ist, desto langsamer erlangt sie ihre Tätigkeit wieder!). 
Weitere Momente über die verschiedene Empfindlichkeit werden wir 
bei den folgenden praktischen Vorkommnissen kennen lernen. 


Mangelhafte Ausbildung unserer Gemüse in den Tropen. 


Bei Übertragung der Kulturpflanzen aus der gemäfsigten Zone in 
die Tropengegenden machen sich bisweilen sehr unliebsame Störungen 
im Entwicklungsgange der Pflanzen bemerkbar, die den Kulturzweck 
are schädigen. Es liegt dies in der unerwünschten Abkürzung der 
einzelnen Vegetationsphasen, namentlich in der Verkürzung der Periode 
der Blattentwicklung und der Produktion der Reservestoffe, welche zu 
früh zur Ausbildung des Reproduktionsapparates verwendet werden. Es 
leiden darunter namentlich diejenigen Gewächse, bei denen wir durch 
fortgesetzte Kultur in nährstoffreichem, namentlich stickstoffreichem 
Boden die vegetative Periode verlängert und den Blattapparat zur 
üppigen Entfaltung gebracht haben (Kohlarten, Salate usw.). Fälle 
dieser Art finden wir bereits in älteren Arbeiten. So führt beispiels- 


1) Hınzrıs, H., Über den Einflufs supramaximaler Temperatur auf das Wachs- 
tum der Pflanzen. Inauguraldissertation. Leipzig 1900. Cit. Just, Bot. Jahresber. 
1901, LI, S. 203. 


636 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


weise solche Dvurnie aus Saharanpur!) an, dessen Anbauversuche lin 
Indien mit wenigen Ausnahmen eine zu schnelle Samenreife europäischer 
Gewächse ergaben. Während die Runkelrübe z. B. in England zum 
Durchlaufen ihrer Entwicklungsstadien 18 Monate nötig hat, braucht 
sie in Indien nur 8 Monate. Bei den Kulturformen der deutschen 
Astern äufsert sich der Klimawechsel darin, dafs kein Same reift. 
Brachycome und Petunia verändern ihre Blumen und erhalten dieselben 
in weifser Farbe. Der Vorgang scheint mir den Gegensatz zu dem 
Prozefs der Rötung der Pflanzenteile im Frühjahr bei Wärmemangel 
darzustellen. 

Über ähnliche Erscheinungen wird aus dem tropischen Amerika 
berichtet: LEHMANN?) fand im westlichen Kolumbien, dafs Kohl, Salate, 
Zwiebeln, Mohrrüben sich in einer dem Kulturzweck nicht genügenden 
Weise ausbilden. Während die aus Europa bezogenen Samen im ersten 
Jahre in entsprechenden Örtlichkeiten ausgezeichnete, zarte Gemüse in 
gewünschter Ausbildung liefern, bringen die nun von diesen Individuen 
geernteten Samen Pflanzen hervor, die bei Kohl und Salat nur noch 
Spuren von Kopfbildung zeigen und bei Zwiebeln zu fingerstarken 
Strünken ohne Zartheit und Schmackhaftigkeit sich ausbilden. Die 
Pflanzen kommen hier in keine Ruheperiode. 

In den flachen Aquatorialgegenden tritt diese Erscheinung schneller 
und stärker auf als in den höheren Bergregionen und bei 10—15 ® Breite. 


Die Verschiebung der gebräuchlichen Saatzeiten in unseren Breiten. 


Hierher zu rechnen sind die bei uns nicht selten zu beobachtenden 
Erscheinungen, dafs Gemüsepflanzen, welche zu spät im Jahre aus- 
gesäet werden, mit der Entwicklung ihrer vegetativen Organe zu schnell 
in die heifse, trockne ‚Jahreszeit kommen. Der Laubkörper wird hart, 
und die rübenartigen Anschwellungen werden schnell holzig. Annuelle 
Samenträger (Getreide, Sommerblumen) werden notreif. Erbsen 
werden bei zu später Aussaat sehr leicht vom Rost (Uromyces) über- 
wältigt. Dafs die Turgescenz der Gewebe bei zu hoher Temperatur 
abnimmt, hat bereits Kraus?) ausgesprochen. 

Für den Einflufs der Trockenhsit auf den Befall der Pflanzen 
durch Pilze hat HaBErLanpt bei seinen Versuchskulturen ein schönes 
Beispiel beigebracht. Von drei mit Weizen besäeten, während der 
ganzen Vegetationszeit dicht beieinander stehenden Töpfen war der- 
jenige, dessen Pflanzen nur gerade so viel Wasser empfingen, um sich 
am Leben zu erhalten, vom Meltau (Erysiphe graminis) derart heim- 
gesucht, dafs dem Pilz jedenfalls ein grofser Teil der Schuld für die 
gänzliche Mifsernte zugeschrieben werden mufste. Der danebenstehende, 
reichlich bewässerte Topf war fast gänzlich von dem Schmarotzer ver- 
schont*). Noch schlagender ist ein von mir beobachteter Fall mit 
Podosphaera leucotricha Salm. Von einer Anzahl junger Apfelbäume in 
Töpfen stand die Hälfte in einem Glashause, die andere hinter demselben 
im Freien. Alle Exemplare hatten über Winter ihre Oidienform vom Vor- 
jahre behalten. Die im Glashaus der Sommerhitze ungeschützt aus- 


!) Gardener’s Chronicle 1881, I, S. 627. 

2) Lenmans, Über eine physiologische Erscheinung bei der Gemüsekultur im 
tropischen Amerika. Deutsche Gärtnerzeitung 1853, S. 260. 

3) Molekularkonstitution des Protoplasmas. Flora 1877, 8. 534. 

4) Biedermann’s Oentralbl. 1875, II, S. 402. 


Wärmeüberschufs. 637 


gesetzten Pflanzen verkümmerten durch die Uberhandnahme des Mel- 
taues, der sich bis zur Kapselfrucht entwickelte. Die hinter dem 
Glashause im Halbschatten und in bewegter Luft stehenden Apfelbäume 
verloren den Meltau. Wie sehr auch ohne Mitwirkung parasitischer 
Feinde die Produktion der Pflanzen bei falscher Aussaatzeit leidet, 
beweisen die HELLRIEGEL'schen Experimente !). Gerste in den Monaten 
April, Mai, Juni, August und September in Töpfe mit gleicher 
Nährstoffmischung und Bodenfeuchtigkeit unter sonst ganz gleichen 
Verhältnissen ausgesäet, verhielt sich vollkommen verschieden. Die 
Aussaat im April brachte sehr gleichmäfsig ausgebildete, vorzügliche, 
reife Samen tragende Pflanzen nach 88 Tagen. Die zu Ende Mai 
vollzogene Aussaat zeigte Pflanzen, die anfangs auch sehr kräftig sich 
entwickelten. Als aber gegen Mitte Juli, zur Zeit des Hervortreibens 
der Ahren aus den obersten Blattscheiden, eine dauernde Hitzeperiode 
eintrat, blieben die Halme im Längenwachstum zurück. Die Körner er- 
reichten bis zu dem verfrühten Absterben der Pflanzen (nach 77 Tagen) 
nur eine unvollkommene Ausbildung und blieben flach, waren also 
notreif geworden. Die späteren Aussaaten zeigten eine steigende Ver- 
längerung der Vegetationsperiode (die Septemberaussaat brauchte z. B. 
240 Tage) und ergaben sämtlich unvollständig ausgereifte Körner. 

Betreffs der forstlichen Kulturen liegen auch Erfahrungen vor, dafs 
die Verluste beim Verpflanzen der jungen Waldbäume je nach der Zeit 
der Ausführung schwanken. Die Versuche in Mariabrunn ?) zeigten 
den geringsten Ausfall bei der Frühjahrsverpflanzung. Bei der Fichte ° 
steigerte sich die Zahl der absterbenden Exemplare von der April- bıs 
zur Junipflanzung, um dann bei der Herbstpflanzung (September, 
Oktober) wieder wesentlich zurückzugehen. Dasselbe Verhalten zeigte 
sich bei der Kiefer, die noch bedeutendere Verlustprozente aufwies. 
Bei den Laubhölzern wird bekanntlich die Herbstpflanzung mit Vorliebe 
angewendet. 


Das Verbrennen der Blätter im Freien. 


Man bezeichnet damit den Tod der Gewebe infolge der Einwirkung 
der Sonne. Dabei wirken aber Licht und Wärme zusammen. Wieviel 
bei den Todeserscheinungen einem jeden Faktor zugeschrieben werden 
mufs, wissen wir nicht. Die Meinung bedeutender Forscher, dafs das 
gesamte Licht in der Pflanzenzelle in die Kraftform der Wärme über- 
gehe und in dieser Form wirksam sei, ist nicht wahrscheinlich ; vielmehr 
deuten meine Verdunstungsversuche bei Lichtverminderung unter gleich- 
zeitiger Temperaturerhöhung an, dafs das Licht als solches mindestens 
zu einem Teile wirksam sein und den Assimilationsprozefs beeinflussen 
wird; ein Teil wird zweifelsohne auch in Wärme umgewandelt und 
derart verwendet werden. Unter dieser Voraussetzung ist es auch 
wahrscheinlich, dafs eine Pflanze sich gegen dieselbe Wärmemenge 
verschieden verhalten wird, je nachdem sie dieselbe im dunkeln oder 
im erleuchteten Raume empfängt. 

Im allgemeinen sind Temperaturen zwischen 40 und 50° C 
tödlich; doch ist bei Fettpflanzen von AskEnasY?) beobachtet worden, 


') Grundlagen des Ackerbaues 1883, S. 352. 

2) Deutsche Forstzeitung 1892 vom 13. November. 

3) Askexasy, Über die Temperatur, welche Pflanzen im Sonnenlichte annehmen. 
Bot. Zeit. 1875, S. 441. 


638 Il. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


dafs dieselben solche Wärmemengen schadlos ertragen. AsKENAsY über- 
zeugte sich im Hochsommer, dafs Sempervivum bei einer Lufttemperatur 
von 31° © im Schatten eine Erwärmung im Innern bis 48 und 51° C 
erlitten hatte. Die Wärme im Innern der Pflanzen war bei einigen 
Arten etwas höher, bei anderen etwas niedriger als an ihrer Oberfläche. 
Die Temperatur an der Oberfläche des Blattes stand in keinem direkten 
Verhältnis zur Lufttemperatur an verschiedenen Tagen. Es zeigte z.B. 
Sempervivum arenarium 


bei 31,0°C am 15. Juli um 3 Uhr nachmittags 48,7° C, 
” 28,2° C 2) 16. ” 2) 3 ” ” 46,0° C, 
„ 28100. „18 ,-,.1330 Uhr mitaos 74900 


Dicht danebenstehende, dünnblättrige Pflanzen besafsen eine viel 
niedrigere Temperatur. 

Am häufigsten zeigen sich die Erscheinungen des Verbrennens bei 
Glashauspflanzen, die im Frühjahr ins freie Land gebracht werden. 
Nicht immer wird das Blatt getötet, sondern manchmal nur gerötet 
oder gebräunt. Bei gewölbten Blättern ist oft nur die Wölbung an 
der Oberseite verfärbt, und anstatt grün ist sie kupferig gerötet (Rosen). 
Im Laufe einiger Wochen kann sich eine solche Pflanze selbst unter 
Verbleiben an ihrem Standort wieder ausheilen. 

Experimentell prüfte ich einen derartigen Fall bei Topfexemplaren 
von Canna indica, von denen die gröfste Anzahl bei trübem Wetter 
aus dem Glashause, in welchem sie bis zur Entfaltung der ersten 
Blumen angetrieben worden war, ins Freie gebracht wurde. Einige 
Töpfe blieben zwei Tage länger im Glashause und wurden dann in 
der Mittagsstunde neben die früher freigestellten Exemplare eingesenkt. 
Die oberen Blätter erschienen nun schon am Nachmittag weifsstreifig, 
indem die von den wasserleitenden Nerven am weitesten entfernten 
Partien eines jeden Intercostalfeldes abgestorbenes Gewebe zeigten. 
Am breitesten waren die weifsen Streifen am Blattrande und keilten 
sich nach der Mittelrippe hin allmählich aus, so dafs man deutlich 
wahrnehmen konnte, wie das Verbrennen des Blattes in denjenigen 
Regionen am frühesten und stärksten auftrat, die von dem Wasserleitungs- 
system der starken Gefäfsbündel am weitesten entfernt lagen. 

An den weifsen Stellen erschien die Epidermis nicht wesentlich 
alteriert, wohl aber das Palisadenparenchym, das keine Chloroplasten 
mehr besafs, während eine Übergangszone nach dem mit grofsen wand- 
ständigen Chlorophylikörpern versehenen gesunden Gewebe hin zwar 
noch grüngefärbten. aber wolkigen Inhalt zeigte. In dem weifsgewordenen 
Gewebe, dessen Zellwandungen hell verblieben waren, zog Glyzerin 
nur noch geringe Inhaltsmassen zusammen, so dafs man schliefsen 
mulste, dafs ein grofser Teil derselben in der kurzen Zeit veratmet 
war. An den stärkst beschädigten Stellen war die Epidermis vom 
Blattfleisch hier und da blasenartig abgehoben (Brandblasen), und 
die Zerstörung des Chlorophylikörpers war bis zur Blattunterseite vor- 
gedrungen. Nach einigen Wochen konnte man bei den verbrannten 
Blättern im den oben erwähnten Übergangszonen übrigens eine Re- 
generation der Chloroplasten beobachten. Es hatte also gerade so wie 
nach schwächeren Frostbeschädigungen ein Ausheilungsprozefs statt- 
gefunden. Unterhalb der Brandblasen, bei denen die Epidermiszellen 


teilweise zusammengesunken erschienen, war nunmehr Pilzmycel nach- 
zuweisen. 


Wärmeüberschufs. 639 


Ein Kollabieren der Epidermiszellen beobachtete RowLEeE!) auch 
nach achtstündiger Einwirkung von elektrischem Bogenlicht, das in 
einem Meter Entfernung auf Blätter von Heliotrop wirkte. Andere 
Pflanzen (z. B. Ficus elastica) blieben unter gleichen Umständen un- 
verändert. 

Bei fleischigen, langlebigen Blättern grenzt sich das gesunde Ge- 
webe von dem verbrannten durch eine Korkzone ab, wie die bei- 
stehende Abbildung eines im August durch Sonnenbrand beschädigten 
Cliviablattes zeigt. Man konnte beobachten, wie die Lage des Blattes 
den Ausschlag für den Ort der Entstehung der Brandflecke gab, indem 
nur die senkrecht zur Wärmequelle orientierten Stellen sich gelbgrau 
verfärbten und zusammensanken. Am folgenden Tage war der Brand- 
fleck vollständig braun und brüchig. Die jüngsten Blätter hatten nicht 
gelitten. Die Grenze zwischen totem und lebendem Gewebe ist, sobald 
der Brandfleck durch die ganze Blattdicke hindurchgeht, scharf; wenn 
aber nur die Blattoberseite beschädigt ist, zeigt sich eine verwaschene 
Übergangszone. In derselben bemerkt man, dafs die Chloroplasten 


Un EDIT DEE 
SEN 


Fig. 151. Durch Sonnenbrand abgetötete Stelle eines Blattes von Olivia nobilis. (Orig.) 


spangrün werden, während der übrige Zellinhalt gelbgrün erscheint; 
es dürfte hier zunächst also ein Austritt des Xanthophylis erfolgen, 
während das Cyanophyll an den Chloroplasten gebunden bleibt. Sodann 
wird die anfangs gleichmäfsig stark lichtbrechende Masse des Chlorophyll- 
korns in ihren Konturen weniger scharf, und eine grofse Menge feinster 
Körnchen :geben demselben eine sandige Beschaffenheit. Schliefslich 
bilden die Chloroplasten schmutzig-teegrüne bis schwarzgrüne Gruppen, 
die dadurch eine strangartige Gestalt annehmen, dafs die Zelle zu- 
sammensinkt. Diese Inhaltsmassen, welche einer Wand anliegen, 
bleichen ungemein schnell durch die Sonne aus und veranlassen nun- 
mehr die gelbgraue Färbung der Brandflecke. Die Zellwandungen 
verlieren nicht ihren Cellulosecharakter, wie die Prüfung mit Chlor- 
zinkjod zeigt. 

Das gesunde Gewebe beginnt alsbald, sich durch eine Korkzone (%) 
von dem beschädigten abzuschliefsen, wobei auch die inhaltsreich ver- 
bleibenden Zellen der UÜbergangszone (br), die sich zunächst noch 


1) Rowrer, W., Effect of electric light upon the tissues of leaves. Just’s bot. 
Jahresber. 1900, II, S. 287. 


640 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


etwas unter Wellung ihrer Membranen vergröfsern (h, z) und gröfsere 
Intercellularräume aufweisen, allmählich sterben. 

Wenn der Brandfleck etwas älter wird, verfärbt er sich tiefer 
braun, wobei auch die nicht zusammensinkenden Epidermiszellen (e) 
bis an das gesunde Gewebe heran beteiligt sind. Die Korkzone (k) 
entsteht durch Fächerung der an der Grenze des Brandfleckes lebendig 
bleibenden, sich streckenden Mesophylizellen, deren rückwärts an- 
stofsende normale Zellen (p) etwas ärmer an Chlorophyll zu bleiben 
pflegen. Bemerkenswert ist das schwielige Hervortreten der Rand- 
zone (w) des normalen Blatteils an der Grenze der Brandstelle; dieses 
Verhalten erklärt sich durch die Streckung der die Korkzone liefernden 
Zellen und des davorliegenden, beschädigten, aber nicht sofort ge- 
töteten (h) Mesophylis. 


Die Brennflecke in den Gewächshäusern. 


Namentlich im Frühjahr "häufen sich die Klagen über die Ent- 
stehung von Brandflecken auf den Blättern zarter Pflanzen in den 
Glashäusern. Uber die Entstehung derselben gingen die Meinungen 
auseinander. Teils machte man die Blasen im Glase der Gewächshaus- 
scheiben dafür verantwortlich, teils glaubte man, dafs die Wasser- 
tropfen, die beim Spritzen der Pflanzen an der Blattoberseite haften 
bleiben, als Brennlinsen wirken oder sich durch Insolation so stark er- 
wärmen, dafs sie dadurch das Gewebe schädigen. Durch die Experi- 
mente von ‚Jönsson!) ist nachgewiesen worden, dafs tatsächlich die 
Blasen im Glase die Ursache sind. Er beobachtete das durch solche 
Blasen auf dem Blatte hervorgebrachte Lichtbild der Sonnenstrahlen 
und das Fortschreiten desselben infolge der veränderten Sonnenstellung. 
Daraus erklärt sich auch die nicht selten wahrnehmbare Erscheinung, 
dafs solche Brennflecke in reihenförmiger Anordnung auftreten. 

Dafs das Spritzen aber auch gefährlich wirken kann, geht aus 
einem Versuch hervor, bei welchem ein Wassertropfen an der Unter- 
seite eines in einiger Entfernung von der Blattfläche aufgekitteten 
Deckglases hing. Hierbei liefsen sich auch Spuren von Brennflecken 
erzeugen, während direkt aufliegende Wassertropfen keine Beschädigung 
hervorbrachten. 

Zur Vermeidung derartiger Unzuträglichkeiten wird man im prak- 
tischen Betriebe wenigstens in denjenigen Gewächshäusern, welche 
wertvolle Blattpflanzen bergen, zur Bedachung bessere Glassorten 
wählen müssen. 

Entlaubung. 


Hier handelt es sich nicht um Verbrennungserscheinungen, sondern 
um überstürztes Ausleben der Gewebe. Bei den in der freien Natur 
zu beobachtenden Fällen pflegt sich der direkten Sonnenwirkung eine 
erofse Bodentrockenheit zuzugesellen; bei speziellen Versuchen mit 
Brennlinsen aber erkennt man, dafs auch in feuchtem Boden die stärker 
durch Brandflecke beschädigten Blätter abgeworfen werden. WIESNER?) 
fand, dafs bei dem „Hitzelaubfall“ von den Baumkronen weniger 
die peripherischen Blätter als vielmehr die im Innern der Krone be- 
findlichen abzufallen pflegen und meint, dafs die ersteren infolge der 


1) Jönsson, Bener, Om Brännfläkar pa växtblad. Botaniska Notiser 1891. 
Zeitschr. f. Pflanzenkrankh. 1892, S. 358. 
2) Wiesser, Jur., Über den Hitzelaubfall. Ber. d.D. Bot. &es. 1904, Bd. XXII, S.501 


Wärmeüberschufs. 641 


gröfseren Wärmeausstrahlung sich nicht so sehr erhitzen wie die in 
geschlossener Lage befindlichen Blätter. Wir möchten den Grund in 
der verschiedenen Kräftigkeit der Organe suchen. Die der gröfsten 
Lichtzufuhr ausgesetzten Organe produzieren mehr Substanz, und ihre 
Zellen sind reicher an plastischem Material; sie haben daher bei abnorm 
gesteigerter Verdunstungs- und Atmungstätigkeit mehr Reservestoffe 
und sind daher langlebiger gegenüber den im Innern einer Baumkrone 
befindlichen gleichalterigen Blättern. Die jungen Organe sind an und 
für sich widerstandsfähiger. 

Bei den im Freien vorkommenden Fällen spricht der Standort mit 
seiner Wasserzufuhr ausschlaggebend mit. Man sieht dies bei Wald- 
bäumen am besten an Eichen und Lärchen in Schonungen, wo zwischen 
grünen unbeschädigten oder doch wenig alterierten Pflanzen stets ein- 
zelne Exemplare zu finden sind, die bereits völlig vertrocknete Laub- 
gruppen aufweisen. 

In einer Lärchenschonung sah ich die stärkst geschädigten Exemplare 
im oberen Teil fast völlig entnadelt; nur die ganz jungen Triebe, deren 
Spitzen gekrümmt und fuchsrot erschienen, trugen noch Nadeln, die 
wie rote gefärbte Quasten abwärts hingen. Die allerjüngsten Nadeln 
erschienen fahl und papierartig fach zusammengetrocknet; ihr äufserst 
spärlicher Zellinhalt bildete einen farblosen, mit Jod sich gelb färbenden 
Ballen frei im Zellinnern. In den älteren Nadeln, deren Zellwandungen 
gänzlich farblos geblieben waren, erschien der reichliche Zellinhalt in 
Form blafs graurötlicher oder gelbbrauner, gleichartiger Massen, den 
Wandungen anliegend. Die Bilder ähnelten den bei Einflufs saurer 
Gase entstehenden. Auch bei Fichten sind die durch intensive Sommer- 
dürre sich einstellenden Nadelverfärbungen den durch schweflige 
Säure erzeugten ungemein ähnlich. 

Ahnliche Hitze- und Trockenschütten dürften auch, namentlich 
nach plötzlicher Freistellung, bei anderen Nadelhölzern nicht selten 
sein. Betreffs des Entnadelungsvorganges zeigten mir Versuche bei 
Fichten, dafs die an ihrer Basis durch den Strahlenkegel einer Linse 
getroffenen Nadeln sich bei geringem Druck sofort ablösten, auch wenn 
sie keine Verfärbung wahrnehmen lieisen. Bei Beschädigungen an 
höheren Stellen der Nadeln blieben dieselben sitzen. In den Brand- 
flecken hatte sich der Zellinhalt zu einer bandartigen grünen bis 
braungrünen Masse in der Mitte zusammengezogen, wobei man mehr- 
fach noch die Körnerstruktur wahrnehmen konnte. Die zusammen- 
gezogenen Inhaltsmassen lagen in den einzelnen Zellen meist gleich- 
sinnig, nämlich in der Richtung des grofsen Querdurchmessers der 
Nadel. 

Verhältnismäfsig selten sind Knospenbeschädigungen durch 
Sonnenbrand. Es wird dies teils auf den Schutz der vielfach durch 
Haarfilz, Gummi, Harz, Korklagen oder dgl. besonders zweckmäfsig sich 
erweisenden Knospendecken, teils auf den plasmareichen, also schwerer 
zu alterierenden Inhalt der jugendlichen Gewebe zurückzuführen sein. 
In den Tropen sind noch besondere Schirmvorrichtungen manchmal 
wahrzunehmen. Nach Porter!) werden z. B. bei Artocarpus, Hepta- 
pleurum, Canarium ceylanicum u. a. die Nebenblätter der älteren Blatt- 


1) Porrer, M. C., Observations on the Protection of Buds in the Tropics. 
Journ. Linn. Soc. XX VIII, 1891, S. 343. 


Sorauer, Handbuch. 3. Aufl. Erster Band. 41 


642 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


organe als Schutz der jugendlichen Blätter bis zu deren Erstarkung 
verwendet, oder das ganze ältere Blatt bildet zunächst ein Schutzdach 
für das Jüngere (Uraria purpurea, Gossypium UsSw.). 

In England ist ein Abwerfen der Pfirsichknospen bei der 
Treiberei beobachtet worden. Dort, wo ein genälstes Tuch gegen die 
Sonnenwirkung über die Stöcke gespannt worden war, wurde kein 
Knospenabwurf wahrgenommen !). 


Sonnenbrand an Blüten und Früchten. 


Zu Beschädigungen an Blumen bedarf es häufig gar nicht absolut 
hoher Wärmegrade, sondern es können bei ungünstigem Standort die 
gewöhnlichen Temperaturen schon schattenliebenden Pflanzen schädlich 
werden. Die bekanntesten Beispiele bilden die Knollenbegonien, deren 
Blüten leicht braune Saumlinien bekommen, wenn die Pflanzen nicht 
die Verdunstung des feuchten Erdbodens geniefsen können. 

Bei den Früchten macht sich ungewöhnlicher Wärmeüberschufs in 
zwei Richtungen geltend. Einerseits erzeugt er Notreife, d. h. das 
Eintreten der Reifevorgänge zu einer Zeit, in welcher die Frucht 
eigentlich noch Reservestoffe speichern sollte. Die Folge ist die, 
dafs die nur ungenügend mit Reservematerial ausgestatteten Zellen des 
Fruchtfleisches sich vorzeitig ausleben, was Stippfleckigkeit und vor- 
schnelle Lagerfäule zur Folge hat. Bei Getreide bewirkt ein vorzeitiges 
Abreifen der Halme eine empfindliche Schädigung des Kornes durch 
ungenügende Stärkebildung ?). 

Die andere Beschädigungsform besteht in einem direkten Abtöten 
der Gewebe durch Sonnenbrand an den exponiertesten Stellen saftiger 
Früchte. Solche Brandflecke ähneln häufig den Hagelschlagstellen, 
weil das abgetötete Gewebe während des Schwellungsvorganges der 
Frucht sich nicht entsprechend dehnen kann und entzweireifst. Bei 
der zunehmenden Tomatenkultur finden wir jetzt reichlich Beispiele, 
die nur dadurch verdeckt werden, dafs sich an den Brandstellen der 
Früchte Mycelpilze anzusiedeln pflegen. Die Fälle werden dann als 
parasitäre Erkrankungen beschrieben. Von wirtschaftlicher Bedeutung ist 


die Beschädigung der Trauben durch Sonnenbrand. 


Eine Beschädigung der Trauben wird nach den Beobachtungen 
von MÜLLER-TnuuRrGAaU®?) dann wahrgenommen, wenn nach längerer, feucht- 
kalter Witterung plötzlich heifse, klare Sonnentage eintreten; es zeigt 
sich dann an treihängenden Trauben fast regelmäfsig, dafs die den 
direkten Sonnenstrahlen ausgesetzten Beeren ihre grüne Farbe verlieren, 
bleich werden, dann sich bräunen und schliefslich zu schrumpfen be- 
ginnen. Auch der Traubenstiel kann an solchen Stellen, an denen er 
direkt von der Sonne getroffen wird, leiden, und es schrumpfen dann 
die dazu gehörigen Beeren ebenfalls ein, verlieren jedoch in diesem 
Falle nicht ihre grüne Farbe. Bei blauen Sorten werden die von der 
Sonne getroffenen, noch grünen Beeren dunkler als die der weifsen 
Sorten und nehmen eine fast schwarze Färbung an. In einzelnen Jahren 


1) Gardener’s Chronicle 1893, XIII, S. 693. 


2) Denerarıs et Duroxr, Über den Ursprung der Stärke des Weizenkorns. Cit. 
Biedermann’s Centralbl. 1902, S. 324. 


3) Der Weinbau 1883, Nr. 35. 


Der 


Wärmeüberschufs, 643 


findet man ganze Trauben wie Rosinen verschrumpft, und dadurch wird 
stellenweis bedeutender Schaden hervorgebracht!). Dafs wirklich hier 
es Wärmeüberschuts ist, der die Beeren tötet, geht daraus hervor, dafs 
Trauben, die in einem Blechkasten auf 50° C erwärmt wurden, genau 
dasselbe Aussehen annahmen wie die vom Sonnenbrande im Freien 
betroffenen Exemplare. Auf das Verbrennen übt der Reifezustand so- 
wie überhaupt der Wassergehalt der Organe und auch der Feuchtigkeits- 
gehalt der umgebenden Luft einen mafsgebenden Einflufs aus. Unreife 
Beeren von Riesling und Sylvaner wurden durch eine zwei Stunden 
währende Erwärmung auf 42° C nicht beschädigt, wohl aber bei 44° C 
nach gleichlanger Einwirkung. 

Dais die besonnten Beeren wärmer sind als die umgebende Luft, 
zeigten direkte Messungen. Während ein Luftthermometer im Schatten 
24° C, ein anderes in der Sonne 36° © zeigte, stieg in der besonnten 
Weinbeere die Temperatur auf 40° C. 

Es zeigte sich ferner, dafs Rieslingsbeeren aus guter, warmer Lage, 
welche nachgewiesenermafsen an Wasser ärmer waren als solche aus 
geringen Weinbergen, weniger vom Sonnenbrande litten als letztere. 
Neben dem geringen Wassergehalt ist die fortgeschrittene Reife der 
Beere ein Umstand, der schützend gegen den Sonnenbrand wirkt. Der 
frühe Malinger und Frühburgunder, welche Mitte August schon reif 
sind, zeigten beispielsweise durch die heilse Augustsonne keinerlei 
Beschädigung, während über 50 verschiedene, dicht danebenstehende 
Rebsorten, die später reiften, also im August noch hart und grün 
waren, mehr oder weniger gelitten hatten. Eine Temperaturmessung 
in grünen, unreifen, harten Beeren von Riesling, Sylvaner, Elbling und 
Spätburgunder ergab schon eine Schädigung bei 43° C, während die 
ziemlich reifen Beeren von frühem Malinger und Frühburgunder längere 
Zeit ohne Schaden auf 55° C erwärmt werden konnten und das 
Fruchtfleisch der Malinger Trauben erst bei etwas über 02° © getötet 
wurde. | 

Die Erfahrung der Praktiker, dafs Sonnenbrand am meisten dann 
sich zeigt, wenn nafskalte Witterung den heifsen Tagen vorhergeht, 
erklärt sich einerseits durch den gröfseren Wassergehalt der Beeren 
und andererseits durch die geringere Verdunstung und demgemäfs auch 
geringere Abkühlung in feuchter Luft. Betreffs des Einflusses der 
Trockenheit wurde ein Versuch von MÜLLER mit zwei Rieslingstrauben 
angestellt, von denen die eine in einem mit feuchtem Fliefspapier- aus- 
tapezierten Glase, die andere in einem mit Chlorkalcium versehenen 
Glase in den heizbaren Blechkasten gebracht wurde; bei 41,5° C war 
die in feuchter Luft befindliche Traube vollständig getötet, während 
die in der mit Chlorkalcium getrockneten Luft befindliche Traube kaum 
beschädigt war. Zwei Thermometer, von denen der eine frei hing, der 
andere mit seiner Kugel in eine Weinbeere gesteckt worden war, kamen 
in einen heizbaren Blechkasten, der auf 40° © erwärmt wurde. Der 
mit der Beere umkleidete Thermometer stand sowohl bei dem lang- 
samen Steigen der Temperatur als auch bei dem Sinken derselben 
stets etwa 4° tiefer als der andere, was wohl nur durch die Verdunstung 
der Beere bedingt sein konnte. 

Als Folge von Sonnenbrand können auch die Erscheinungen des 
„Samenbruches“ sich einstellen. Da aber für diesen Vorgang ver- 

') Jahresber. d. Sonderaussch. f. Pflanzenschutz 1892. Arb. d. D. Landw. G. 

41 * 


644 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


schiedene Ursachen existieren, so ist es besser, ihn später gesondert 
zu betrachten. 

Bisweilen findet man sog. „rostige Beeren“, d.h. solche, deren 
Haut feine Korklamellen gebildet hat. Man hat darin ein Schutzmittel 
gegen Sonnenbrand!) erblickt. 

Das beste Vorbeugungsmittel wird der Schutz der Trauben durch 
Blätter sein, und es ist irrig, zu glauben, man nütze den Trauben, wenn 
man die Blätter vor denselben entfernt. 


Sonnenrisse. 


Bei Wald- und Obstbäumen reifst im Frühjahr bisweilen die Rinde 
auf. Diese Erscheinung ist von DE .JONGHE als Sonnenrisse (sunstrokes) 
bezeichnet worden, während sie CasparyY?) als Frostwirkungen ansieht. 
Flächenförmiges Absterben der Rinde wird als Sonnenbrand von 
den einfachen Rifswunden unterschieden. Abbildungen finden wir bei 
R. Harrıg®) und NÖRDLINGER*). Letzterer Autor unterscheidet auch noch 
einen „Wintersonnenbrand?), bei welchem die Stammbeschädigung 
nur an der Basis zu finden ist und man den Reflex der Sonnenstrahlen 
von der Bodenoberfläche als Ursache annimmt. R. Harrıc bildet das 
untere Stammende eines Rotbuchenstämmchens mit Sonnenrifs ab®). 
Da diese Erscheinungen bisher nur im Nachwinter beobachtet worden 
sind und strikte experimentelle Beweise noch fehlen, so halten wir an 
unserer früher geäufserten Meinung fest, dafs Risse durch Spannungs- 
differenzen entstehen, die bei plötzlichem starkem Temperaturwechsel 
zustandekommen, ohne dafs eine Erwärmung des Gewebes durch die 
Sonne bis zum Absterben desselben nötig wäre, wie dies bei den 
Sonnenbrandstellen der Fall ist. Wie sehr sich die Pflanzenteile über 
die Lufttemperatur erhitzen, zeigt eine Messung von Harrıc?) an einer 
Fichte im August. Er fand bei einer Lufttemperatur von 37° C in 
der Cambialregion der Südwestseite 55° C, auf der Südseite nur 45°, 
auf der Ostseite 39°, auf der Nordseite 37° C. Die Messungen fanden 
nachmittags nach 4 Uhr statt. 


Einflufs zu hoher Bodenwärme. 


Schon Sıcas®) liefert reichliches Material betreffs der Bestimmung 
der Temperaturansprüche einzelner Pflanzen und bezüglich der Erhaltung 
der Keimfähigkeit von Samen, die einer hohen Temperatur in Luft 
oder Wasser ausgesetzt worden sind. In letzterer Beziehung ergibt 
sich, dafs trockene Samen höhere Temperaturen vertragen, ohne 
Schaden zu nehmen, als bereits angekeimte, und dafs wahrscheinlich 
das Pflanzengewebe (innerhalb der für die Spezies zulässigen Grenzen) 
überhaupt um so widerstandsfähiger gegen Hitze ist, je geringer der 
Wassergehalt der Zellen sich erweist. Bestätigende Arbeiten lieferten 


1) Zeitschr. f. Pflanzenkrankh. 1902, S. 111. 

2) Bot. Zeit. 1857, Nr. 10: „Bewirkt die Sonne Risse in Rinde und Holz der 
Bäume?“ 

3) Lehrbuch der Baumkrankheiten, I. Aufl, S. 188. 

4) Lehrbuch des Forstschutzes, 1884, S. 332. 

5) Baumphysiologische Bedeutung des kalten Winters 1879/80. Cit Illustrierte 
Gartenzeitung 1831. 

6) Lehrbuch der Pflanzenkrankheiten, 3. Aufl., 1900, S. 230. 

7) Ibid. S. 228. 

8) Experimental-Pbysiologie S. 64 ff. 


Wärmeüberschufs. 645 


HABERLANDT, WIESNER, FIEDLER, KRASAN, JUST, NOBBE, HOEHNEL und neuere 
Autoren, betreffs deren auf Pr£rrEr’s Physiologie verwiesen werden mufs, 

Dais man durch Erhöhung der Temperatur über das für eine be- 
stimmte Art gegebene Optimum hinaus schon bei keimenden Samen 
üble Erfahrungen machen kann, zeigen beispielsweise die Versuche 
von Jusrt!), aus denen sich ergab, dafs, ähnlich wie bei Samen von zu 
hohem Alter, auch durch zu hohe Temperatur eine Verlängerung der 
Keimzeit und langsamere Entwicklung der Keimlinge hervorgerufen wird. 

Betreffs der anatomischen Veränderungen ist eine ältere Studie 
von PRILLIEUX?) von Bedeutung. Bei Samen von Bohnen und Kürbissen, 
die in Töpfe gesäet wurden, welche durch erhitzte Drähte eine hohe 
Bodenwärme erhielten, ergab sich folgendes Resultat. Die jungen 
Keimpflanzen verlängerten sich nur wenig und schwer, erhielten aber 
ein geschwollenes Ansehen. Dort, wo die Schwellung des Stengelchens 
am intensivsten war, zeigten sich klaffende, bis auf das Mark gehende, 
meist horizontale Risse. Gegenüber den gleichalterigen, normalen 
Pflanzen waren die des überheizten Bodens nur halb so lang, aber von 
nahezu drei- bis vierfachem Dickendurchmesser an der Stelle der stärksten 
Schwellung. Dort waren auch die Epidermiszellen zwei- bis dreimal 
breiter als bei den normalen Pflanzen; die Spaltöffnungen zeigten den- 
selben Unterschied, nur in geringerem Maise. Die Haare waren nicht 
verschieden. Das Rindenparenchym war zwar viermal dicker; eine Ver- 
mehrung der Zellen hatte aber nicht stattgefunden. Noch gröfsere, 
radiale Ausweitung zeigten die Zellen des Markparenchyms; nur im 
Bastparenchym liefs sich wirkliche Zellvermehrung nachweisen. PRILLIEUX 
führt ferner an, dafs die Zellkerne sich dabei ähnlich den Zellen selbst 
verhalten; sie hypertrophieren und vermehren sich derart, dafs oft drei 
bis vier in einer einzigen Zelle zu finden sind. Die Kernteilung erfolgt 
durch Fragmentation. Man nimmt eine solche Zellvermehrung auch ın 
den kurzen, gebogenen und verkrümmten, aber nicht geschwollenen 
Wurzeln der alterierten Pflanzen wahr. Die grofsen, deformierten Zell- 
kerne zeigen meist auch ganz unregelmäfsige und zu mehreren auftretende 
Nucleolen, welche durch Schwarzfärbung mit Osmiumsäure nicht selten 
Vakuolen erkennen lassen. Bei der Fragmentierung der Kerne erscheint 
meist einseitig vorher eine Falte, welche den Kern einzuschnüren sucht; 
später bildet sich eine Plasmawand zwischen zwei Nucleolen; die beiden 
entstandenen Hälften blähen sich auf und suchen sich zu separieren, 
welche Trennung sich aber nicht immer wirklich vollzieht. Übrigens 
scheint es, dafs die Kernzerklüftung innerhalb einer dem ursprünglichen 
Kern angehörenden, schon vorhandenen Plasmahülle stattfindet, die erst 
später zerreifst. 

In dieser Vermehrung der Zellkerne und der Weichbastelemente 
kann man wohl eine Andeutung sehen, in welcher Weise eine dem 
Optimum näherstehende Erhöhung der Bodenwärme begünstigend wirkt. 
Es dürfte die Zellvermehrung und die Zuleitung des plastischen 
Materials beschleunigt werden. Den wohltätigen Einflufs erhöhter 
Bodenwärme nutzt die Gärtnerei bekanntlich in hohem Mafse durch 
die Mistbeetkästen aus. Aber gerade dort läfst sich auch die Be- 
obachtung machen, dafs manchen Pflanzen kühlerer Klimate eine zu 


!) Conn’s Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Bd. II, S. 311. 
?) Prıruızux, Alterations produites dans les plantes par la culture dans un sol 
surchauffe. Ann. sc. nat. ser. VI Botanique t. X, p. 347. 


646 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


hohe Bodenwärme nicht zusagt; sie wachsen nicht schneller, sondern 
faulen leicht. Die Assimilationsenergie läfst nach, und der geschwächte 
Organismus wird jetzt von Spalt- und Mycelpilzen besiegt. 

Wie sehr die Assimilation sinkt, wenn die Bodentemperatur zu 
hoch wird, zeigen die HELLRIEGEL'schen Versuche!). Vergleichende 
Kulturen in ausgeglühtem Quarzsande ergaben als Ernteresultat bei 


Roggen: 
bei 8 10° 15° 20° 25° 30° 40° G konst. Bodentemp: 
Frischgewicht 191,5 176,3 269,4 456,6 376,0 408,0 240,1 
Trockensubstanz 239 28 324 495 424 470 312 


Weizen: 
Frischgewicht 98,6 130,38 241,0 260,5 342,0 402,2 296,0 
Trockensubstanz 158 208 295 308 83,9 46,9 40,3 
Gerste: 


Frischgewicht 151,9 156,0 383,4 4085 435,2 365,0 230,5 
Trockensubstanz 17,1 180 344..3672 420 35,0: 26,3 


Die Resultate beziehen sich auf jugendliche Pflanzen und zeigen 
deutlich, wie von einer Optimaltemperatur für die Wurzeln aus nach 
einer oberen und unteren Grenze hin die Produktion abnimmt. Gleich- 
zeitig geben die Zahlen aber auch einen Aufschlufs über die Ver- 
schiedenartigkeit des Wärmebedürfnisses der verschiedenen Getreide- 
arten. Die höchste Bodentemperatur (wenigstens in der Jugend) be- 
ansprucht sonach der Weizen. Die energischste Assimilationstätigkeit 
entwickelte der Weizen bei 30°C Bodenwärme, während Roggen sich 
bei 20°, Gerste bei 25° © am besten entwickelten. 

Auch in diesem jugendlichen, der Akkomodation zugänglichsten 
Lebensalter zeigten die Pflanzen deutlich den störenden Einflufs zu 
hoher Bodenwärme. Abgesehen von einer Verzögerung der Keimung 
zeigte sich im Habitus der Pflänzchen ein wesentlicher Unterschied 
darin, dafs dieselben bei hohen Temperaturen in Stengeln und Blättern 
dünn und schmächtig wurden, während bei niederer Bodenwärme die 
Exemplare kurz, dick und fleischiger erschienen. 

Die Versuche von v. BiatogLock1?) ergaben dieselben Resultate 
und zeigten auch namhafte Unterschiede in der Ausbildung des Wurzel- 
apparates. Die Gerstenpflanzen, welche konstant bei 10° C Boden- 
wärme wachsen mufsten, hatten ihre Wurzeln aus wenigen grofsen, 
auffallend starken, schön weifsen Ästen erster und zweiter Ordnung 
gebildet, von denen die letzteren ungewöhnlich kurz und mit kleinen, 
warzenförmigen Erhöhungen (Zweiganlagen dritter Ordnung) bedeckt 
waren. Die in einem Boden von 30° konstanter Temperatur stehenden 
Individuen hatten fadendünne, aufserordentlich reichlich verzweigte und 
zu einem dichten Nest verfilzte, braune Wurzelfasern getrieben. Bei 
40°C war der Charakter des Wurzelballens derselbe, aber die Aus- 
dehnung desselben überhaupt ungemein gering; es war ein kleiner Filz 
in den oberen Bodenlagen gebildet worden. 

Auch TorskY®) fand bei Hafer die Entwicklung der einzelnen Wurzeln 


1) Beitr. zu den naturwissenschaftlichen Grundlagen des Ackerbaues. Braun- 
schweig 1883. Vieweg & Sohn. 


2) Landwirtschaftliche Versuchsstationen 1871, Bd, XIII; S. 424. 
3) Journ. f. experim. Landwirtschaft 1901, S. 730. 


Wärmeüberschufs. 647 


bei niederer Temperatur stärker, und neuerdings bestätigt Kossowitsch !) 
diese Resultate. Die Schnelligkeit des Eindringens der Haferwurzeln 
in den Boden wird dabei verlangsamt. Eine Bodenschicht von ungefähr 
30 cm wurde bei erhöhter Temperatur 14 Tage nach der Aussaat, bei 
niedrigen Wärmegraden erst nach 30 Tagen durchdrungen. 

Auch bei anderen Versuchspflanzen (Senf, Lein) war das Gewicht 
der lufttrockenen Wurzeln bei niedriger Bodentemperatur am höchsten. 
Die Verdunstungsgröfse der in derartigen Verhältnissen erzogenen 
Pflanzen war geringer als bei den Exemplaren von gleicher Entwicklung, 
die bei normaler oder erhöhter Temperatur erwachsen waren. 


Fehlschlagen der Ananas. 


Der Umstand, dats die in Europa in Glashäusern kultivierten 
Ananas durch das grölsere Aroma die importierten Früchte übertreffen, 
erhält die Kultur in vornehmen Privatgärtnereien in einzelnen Gegenden 
(z. B. Schlesien) noch in namhafter Ausdehnung. Die gröfste Gefahr 
bei dieser Kultur liegt in dem „Durchtreiben“, d. h. dem fortgesetzten 
Blattwachstum zu einer Zeit, in der die Pflanze in eine Ruheperiode 
treten mufs, um einen Fruchtstand anzulegen. Die Ursache liegt in 
der unzeitigen Wärme- und Wasserzufuhr während der Ruheperiode 
der Pflanze, die drei Jahre zu ihrer Entwicklung braucht. Nachdem 
die Pflanzen aus den Sprossen (Kindel) früherer Fruchtpflanzen auf 
Warmbeeten zwei ‚Jahre hindurch herangezogen worden sind, werden 
sie ım Herbst des dritten Jahres in eigens für die Ananastreiberei er- 
baute flache Glashäuser dicht unter der Glasfläche in Beete gepflanzt, 
die durch Kanalheizung eine hohe Bodentemperatur erhalten. Wenn 
die Pflanzen bei einer Temperatur, die etwa 25—27° © betragen soll, 
gut angewurzelt sind, mufs nunmehr die Wärme um mindestens 10 bis 
12° C ermäfsigt werden und eime starke Trockenperiode eintreten. 
Erst wenn die Pflanzen dadurch zu vollständiger Ruhe gezwungen 
worden sind, darf im Februar das Antreiben beginnen, indem man so- 
fort die früheren Wärmegrade im Boden wieder einwirken läfst und 
bald darauf die Erde stark mit warmem Wasser begiefst. Wenn nach 
vier bis sechs Wochen die Blätter der Pflanzen sich auszubreiten be- 
einnen und im Herzen sıch färben, darf man schliefsen, dafs der Frucht- 
stand durchbricht. Aus Besorgnis, dafs die Temperaturerniedrigung 
der Ananas schaden könne, werden vielfach Feuchtigkeit und Wärme 
nicht genügend herabgedrückt, und die Folge ist ein Fortwachsen der 
Pflanzen unter ausschliefslicher Blattproduktion. 

Nach den Mitteilungen von Üousims?) zeigen sich bei der Kultur 
der Ananas in den Tropen dieselben Erscheinungen. 


Das Glasigwerden von Orchideen. 


Kurz erwähnt mögen hier zwei Fälle werden, in denen Pflanzen 
von Onecidium fast nur junge Triebe von glasig-durchscheinender Be- 
schaffenheit entwickelten. Wenige Tage nach Erscheinen der glasigen 
Stellen an der Basis der Bulben fielen die Triebe um und verjauchten. 
Da Parasiten in den Anfangsstadien der Erkrankung nicht gefunden 


!) Kossowrrscn, P., Die Entwickelung der Wurzeln in Abhängigkeit von der 
Bodentemperatur in der ersten Wachstumsperiode der Pflanzen. Journ. f. experim. 
Landw. 1903; eit. Centralbl. f. Agrikulturchemie 1904, S. 451. 

?) Revue cult. colon. 1902, No. 92. 


648 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


werden konnten und die Schlankheit der älteren Triebe auf grofse 
Wärme und Feuchtigkeit hindeutete, so wurden die Pflanzen ohne 
jegliche weitere Behandlung in ein kühleres, helleres Gewächshaus 
gebracht. Nach einigen Wochen war die Erscheinung verschwunden. 


Fehlschläge bei der Blumenzwiebeltreiberei. 


Nach sehr heifsen Sommern klagen in manchen Jahren die Gärtner, 
dafs, entgegen allen Erwartungen, die Blumenzwiebeln sich schlecht 
treiben lassen, dafs bei Anwendung der üblichen Wärmegrade die 
Blumen sich nur ungenügend aus der Zwiebel hervorschieben und 
letztere zu faulen beginnt. Dieselben Zwiebeln später als gewöhnlich 
zur Treiberei aufgesetzt und bei geringerer Wärme kultiviert, geben 
aber vollkommene Blumen. 

Aus den mir bekannt gewordenen Einzelfällen habe ich folgende 
Anschauung gewonnen. Wenn eine heifse Witterungsperiode bereits im 
Frühsommer eintritt, wo die Blumenzwiebelfelder mitten in der kräftigsten 
Entwicklung sich befinden, wird das Laub durch die Hitze vorzeitig 
abgetötet und die Zwiebel notreif. Unter diesen Umständen scheint 
das Material, das später bei der Treiberei die stärkelösenden Enzyme 
liefern soll, in ungenügender Menge gebildet zu werden. Wenn nun 
bei der Treiberei der Zwiebeln im Winter die übliche hohe Temperatur 
zur üblichen Zeit zur Anwendung gebracht wird, so ist bei diesen not- 
reifen Zwiebeln der Wärmereiz zu grofs, da sie diesmal langsameres, 
allmählicheres Antreiben bei geringeren Wärmegraden verlangen. Wird 
diese Forderung nicht berücksichtigt, so findet das Reservematerial 
nicht die normale Verwendung zur Ernährung des Blütenschaftes, und 
die Zwiebeln faulen. 

Ein anderer Fall, bei welchem ebenfalls die gewohnte Treibmethode 
dadurch versagt, dals die sonst üblichen und bewährt befundenen 
Temperaturen sich als zu hoch erweisen, besteht in dem „Umfallen 
der Tulpen“. Bei bestimmten frühen Sorten (rosablühenden) wurde 
beobachtet, dafs die Blütenschäfte vor der Entfaltung der Blume um- 
knickten. Unterhalb des Knotens, aus dem bei diesen Sorten (mehrere 
Zentimeter über dem Zwiebelhalse) die Blätter entspringen, zeigte sich 
eine glasige, 1—2 cm lange Stelle, die durch ihr allmähliches Ein- 
schrumpfen das Umknicken veranlafste. 

Die Untersuchung ergab reichliche Stärkefüllung des gesamten 
Zwiebelkörpers bei ungewöhnlicher Menge von Peroxydasen. Bei der 
Treiberei erwies sich aber, dafs bei der hohen Wärmesteigerung die 
Stärke nur ungenügend gelöst, also zu wenig Baumaterial den auf- 
geschossenen oberirdischen Teilen zugeführt wurde. Das inhaltsarme 
Markgewebe des Schaftes war bei der schnellen Streckung an den 
elasigen Stellen zerrissen, und somit hatte der Schaft seine Steifung 
verloren. — Zwiebeln derselben Sendung, welche einige Wochen später, 
also der natürlichen Entwicklungszeit näher, unter denselben Wärme- 
graden zum Treiben aufgestellt wurden, entfalteten sich normal. Man 
sieht also, wie je nach der Witterung des Vorjahres und der Beschaffen- 
heit der Zwiebeln dieselbe Treibhaustemperatur einmal günstig, ein 
anderes Mal ungünstig wirken kann, und es empfiehlt sich, zu Anfang 
der Treibperiode zunächst kleinere Proben warm zu stellen. 

Bei Maiblumen äufsert sich derselbe Zustand ungewöhnlich reicher 
Stärkeschoppung bei unzulänglichem Vorrat an stärkelösenden Enzymen 
in mangelhafter Entfaltung der Blütentranben. Es entwickeln sich zu- 


Lichtmangel. 6549 


nächst nur einzelne der untersten Blumen der Blütentraube, und erst 
wenn diese verblüht sind, entfalten sich die oberen Glocken. Dadurch 
werden die getriebenen Maiblumen als Marktpflanzen unverkäuflich. 
Für derartige Fälle empfiehlt sich das von dem Garteninspektor WEBER!)- 
Spindlersfeld angewendete Verfahren, die Maiblumenkeime vor dem 
Einpflanzen mit Wasser von 35° R zu begiefsen. Jedenfalls wird da- 
durch die Lösung der Reservestoffe beschleunigt. 

Man ersieht aus diesen Beispielen, dafs zum Gelingen der Treiberei 
der ruhende Pflanzenteil einen bestimmten Reifezustand erreicht haben 
mufs, der durch einen hinreichenden Vorrat von stärkelösenden Enzymen 
sich kennzeichnet. 


Saatgut, das durch Selbsterhitzung gelitten hat. 


Ohne auf die Streitfrage einzugehen, ob die Selbsterhitzung von 
unreif oder feucht auf Lager gebrachten Samen durch Oxydasewirkung 
oder durch Mikroorganismen, wie bei dem Heu?), oder durch beide 
Vorgänge zugleich erfolgt, betrachten wir hier nur den Gebrauchswert 
des erhitzten Saatgutes. Wir erwähnen als Beispiel eine Beobachtung 
von BoLLEY?), der sowohl bei dem im Schober (stack burned) als auch 
im Samenhaufen (bin burned) überhitzten Weizen fand, dafs der Embryo 
gebräunt oder gänzlich abgestorben war. Entwickeln sich die Körner 
überhaupt, so pflegen die Blattspitzen abzusterben und die Wurzeln 
ohne Haarbekleidung zu sein. Die geschädigten Körner haben ihre 
helle Farbe verloren und erscheinen bleich oder schon gebräunt. Die 
Samenschale ist blafs und runzelig. Der Geschmack der Körner ist 
in der Regel süfslich; die Keimkraft, selbst bei den gut aussehenden, 
geschwächt. 

Die Schädigung der Keimkraft findet um so schneller statt, je 
weniger ausgereift die Samen eingebracht werden, oder je weniger 
Luftzug an den Aufbewahrungsorten herrscht, der den Wasserdampf 
entfernen könnte. Nach den Versuchen von Jopin*) erweist sich die 
Anwendung eines austrocknenden Mittels (gebrannter Kalk) als vorteilhaft. 


Dreizehntes Kapitel. 


Lichtmangel. 


Das Verspillern. 


Die Krankheit, welche durch mangelhafte Beleuchtung oder gänzliches 
Fehlen des Lichtes hervorgerufen wird, heifst das Verspillern (etiole- 
ment). Die einzelnen Stengelglieder der Mehrzahl der grünen Pflanzen 
werden ungemein lang und schwach. Die Blätter werden je nach der 
Pflanzenart, der sie angehören, entweder ebenso wie die Stengelinter- 
nodien sehr lang, schmal und schlaff (Mehrzahl der Monocotyledonen), 


!) „Gartenflora“, Berlin 1907, Heft 2, S. 26. 

2) Mırne, H., Über die Selbsterhitzung des Heues. Arb. d. Deutsch. Landw. 
Ges. Heft 111, 1905, S. 76. F 

3) Borzey, H. L., Conditions affecting the value of wheat for seed. Agric. 
Exp. stat. North Dakota; cit. Zeitschr. f. Pflanzenkrankh. 1894, S. 22, 

#4) Jonın, V., Sur la resistance des graines aux temperatures &lev6es. Compt. 
rend. 1899 cit. Bot. Jahresber. 1900, II, S. 420. 


050 Il. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


oder aber bilden sich überhaupt nur sehr wenig aus und bleiben ihr 
ganzes Leben hindurch in einem ähnlichen Zustande, wie sie in der 
Knospe gewesen (die meisten Dicotyledonen). 

Mit der ae ist eine Verbleichung der grünen Pflanzen- 
teile, also verhinderte Ausbildung oder Zerfall vorhandener Chloroplasten 
verbunden. Ausnahmen finden wir nur bei den (Gymnospermen, von denen 
die Mehrzahl aufserordentlich wenig empfindlich gegen Lichtentziehung 
ist. Allerdings erfolgt nach Bur6ERSTEIN!) die Absorption des Endosperms 
langsamer, die epinastische Ausbreitung der Cotylen träger und unvoll- 
kommener als im Lichte, aber — mit Ausnahme von Gingko biloba 
und Ephedra — ergrünen die Keimlinge doch. Cycas und Zamia dagegen 
können auch bei günstiger Temperatur kein Chlorophyll in völliger 
Dunkelheit bilden. Unter den Coniferen sind die Larixarten die licht- 
bedürftigsten, da sie nur schwach bei Lichtabschlufs ergrünen, während 
dies vollständig bei den Cupressineen eintritt. 

Die verschiedenartige Ausbildung der Blätter von verspillerten 
Pflanzen wird erklärt durch den Umstand, dafs das Blatt sich selbst 
erolsenteils ernähren mufs und dafs das Cellulosematerial, welches es 
zur Neubildung und Ausbildung der Blattzellen braucht, sich nur durch 
die Einwirkung des Lichtes an Ort und Stelle bilden kann. Wenn die 
Ernährung unterbleibt, so werden sich die in der Knospe angelegten 
Blattzellen durch Wasseraufnahme strecken und das Blatt wird sich 
dadurch etwas vergröfsern können; aber jedes weitere Wachstum, das 
auf Zellvermehrung beruht, wird unmöglich sein. Je mehr ein Blatt 
bei seiner späteren Vergröfserung am Licht auf die Zellvermehrung 
angewiesen ist, um so kleiner wird es bei Lichtabschlufs bleiben. Es wird 
sich ferner um so weniger entwickeln, je weniger Zellen ursprünglich 
als Blattanlage an der Stengelspitze sich bilden; ein stengelumfassendes 
Blatt wird sich darum mehr entwickeln können als ein "quirlständiges, 
weil bei der Anlage des ersteren der ganze Stengelumfang tätig ist, bei 
Anlage des zweiten sich die Zellen in gleicher Stammhöhe auf so viel 
Blätter verteilen müssen, als der Quirl solche zählt. Ein weiterer Punkt, 
der auf die Ausbildung des Blattes auch im Finstern von Einflufs sein 
mufs, ist die Entfernung der Blattanlage von der Reservestoffquelle. 
Die erst entstehenden, einem Reservestoftbehälter zunächst liegenden 
schöpfen reichlicher aus dem Vorrat, werden daher gröfser als die 
später am verspillerten Stengel höher hinauf entstehenden Blätter. Es 
wird somit die Entwicklung des verspillerten Blattes von der indivi- 
dAuellen Anlage und von dem in unmittelbarer Nähe befindlichen Nähr- 
material abhängig sein. 

Die Anlage der Monocotyledonenblätter erfolgt in der Mehrzahl 
der Fälle als stengelumfassender Wulst unter dem Vegetationskegel 
und zwar dort, wo Reservestoffbehälter vorhanden sind, in unmittel- 
barer Nähe dieser Behälter, aus denen das gelöste Baumaterial nur 
kurze Wege durch die verkürzte Achse zu machen hat (Gräser). 

Nach den Erörterungen über die Verspillerungserscheinungen des 
Blattes bleibt die ungewöhnliche Streckung der etiolierten Stengelglieder 
zu erklären. Wir folgen hierin den Angaben von Kraus?).. In der 
Regel sind die verspillerten Stengel dünner als normale, was von einer 


') Bursenrstein, A., Über das Verhalten der Gymnospermen-Keimlinge im Lichte 
und im Dunkeln. "Tust' s bot. Jahresb. 1900, II, S. 250. 

2) Kraus, C., Über die Ursachen d. Formveränderungen etiolierender Pflanzen. 
Pringsheim’s Jahrb. f. wiss. Bot., Bd. VII, Heft 1 u. 2, S. 209 ff. 


Lichtmangel. 651 


geringeren Anzahl von Zellen herrührt, und diese mangelnde Tätigkeit 
im Cambium des Stengels wird ihre Erklärung in der Annahme finden, 
dafs die vom Blatt erarbeiteten Nahrungsstoffe, die durch den Blatt- 
stiel mn den Stengel eintreten, in radialer Richtung zunächst teilweis 
weiterwandern und das Cambium des Stengelinternodiums ernähren 
helfen. Fehlt diese Nahrungsquelle, d.h. ist das im Finstern schuppen- 
förmig bleibende Blatt nicht im stande, Material für die Zellvermehrung 
zu schaffen, so bleibt das Stengelglied ohne wesentlich neue Zell- 
bildung. Aber auch die Verdickung der Zellwandungen wird unter- 
bleiben. Im normalen Stengel verdicken sich die Parenchymzellen der 
Rinde und die Prosenchymzellen des Holzes während ıhrer Längs- 
streckung. Die Markzellen fangen aber erst an, sich zu verdicken, 
wenn ihre Streckung nahezu beendet ist, also am spätesten, da sie 
von dem aus dem Blatt in radialer Richtung nach dem Stamminnern 
wandernden Cellulosemicell erst dann erreicht werden, wenn dasselbe 
nicht mehr zur Verdickung der Holz- und Rindenzellen verbraucht 
wird. Im verspillerten Stengel ist aus Nahrungsmangel die Verdickung 
der Zellen nur angedeutet, so dafs sie oft bei Zellen, welche zwischen 
den einzelnen Getäfsbündeln liegen und sich im normalen Zustande 
zu Holzzellen ausbilden, fast fehlt; daher findet man in etiolierten 
Pflanzen häufig nicht einmal einen geschlossenen Holzring. Was solchen 
Zellen an Verdickung abgeht, ersetzen sie durch gröfsere Länge, welche 
die der normalen Zelle um das Zwei- bis Vielfache übersteigt. Diese 
Überverlängerung findet ihre Erklärung in den modifizierten Spannungs- 
verhältnissen der Stengelglieder. 

Wenn man von einem noch fortwachsenden Stengelgliede den Rinden- 
körper ablöst, verkürzt sich derselbe; der isolierte Markkörper dagegen 
verlängert sich bedeutend. Man sieht daraus, dafs im Stengel das 
Mark eigentlich der streckende Faktor ist, während das übrige Gewebe 
den zurückhaltenden Faktor darstellt. Nur wenn der Stengel noch ganz 
jung ist, kann das Mark sein Ausdehnungsstreben befriedigen, weil die 
umgebenden Gewebe noch dünnwandig und sehr leicht dehnbar sind, 
also der Zugkraft, welche das Mark ausübt, leichter passiv folgen können. 
Allmählich aber erlischt die Dehnbarkeit der äufseren Gewebe gänz- 
lich, und das längere Mark wird jetzt durch die nunmehr, dickwandigen 
Rinden- und Holzelemente zurückgehalten. Im letzteren Entwicklungs- 
stadium, kurz bevor das Stengelglied zu wachsen aufhört, gleicht sich der 
Unterschied in den Geweben wieder aus; denn nun wachsen die Markzellen 
mehr in die Breite als in die Länge infolge des zurückziehenden Ein- 
tlusses der Rindenschichten, und in dieser Form werden die Markzellen 
stabil, da nun ihre Wandung die porösen Verdickungsschichten erhält. 

Je länger also die Rindenelemente dehnbar bleiben. um so länger 
kann das Mark seinem Streben nach Verlängerung folgen und die 
übrigen Gewebe mit sich in die Höhe ziehen. | 

Die verspillernden Pflanzen haben vielfach Ähnlichkeit mit jugend- 
lichen Organen, und man kann den Zustand des Verspillerns bis zu 
einem gewissen Grade als permanente Kindheitsform bezeichnen. 

Nach der Besprechung der gestaltlichen Veränderungen haben wir 
noch einiger stofflicher Vorgänge zu gedenken. Wir erwähnen zunächst 
die Untersuchungen von E. ScHuLzE und N. Castoro!) bei Zupinus albus. 


!) E. Scnuurze u. N. Castoro, Beiträge zur Kenntnis der Zusammensetzung und 
des Stoffwechsels der Keimpflanzen. Zeitschr. f. phys. Chemie Bd. XXXVIII; eit 
Botan. Centralbl. 1904, Nr. 47, S. 540. 


652 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


In verspillerten Keimlingen nimmt der Gehalt an Proteinstoffen be- 
ständig ab, der Gehalt an Asparagin zu; Tyrosin und Leucin nehmen 
ab. Allerdings bewahren auch die am Licht erwachsenen Keimpflanzen 
lange einen hohen Asparagingehalt, enthalten aber sehr wenig Amino- 
säuren. 

Die Versuche von Parsanın !) lassen erkennen, dafs der verminderte 
Transpirationsstrom bei etiolierten Pflanzen eine zu geringe Aufnahme 
von Mineralbestandteilen, namentlich Kalk, veranlafst. Der Mangel an 
Kalksalzen läfst aber selbst bei eiweifsreichen Blättern keine weitere 
Entwicklung zu. 

Dafs im Dunkeln erwachsene Pflanzen weniger widerstandsfähig 
gegen atmosphärische Einflüsse sind, hat WiIEsnErR?) durch mehrfache 
Versuche gezeigt. Er fand beispielsweise, dafs im Lichte erzogene 
Keimlinge der Einwirkung des Regens und überhaupt des Wassers gegen- 
über viel resistenter sind als die im Dunkeln entwickelten Keimlinge. 

Wie diese stofflichen Verschiedenheiten zum Ausdruck beim Wachs- 
tum kommen, zeigen die Beobachtungen von MaıGE?) an Ampelopsis 
und @lechoma. Diffuses Licht befördert die Bildung der Laubtriebe 
und kann sogar die Umbildung einer Infloreszenzknospe in einen 
kletternden Zweig veranlassen. Direktes Sonnenlicht bewirkt das 
Gegenteil. 

Besonders wichtig für die Pathologie und namentlich den von uns 
vertretenen Standpunkt, dafs eine ganze Reihe von Krankheiten durch 
Verschiebung der enzymatischen Funktionen zustande kommt, sind die 
Untersuchungen von ÜGREEN*). Derselbe bestätigt die Beobachtungen 
von Brown und Morris, dafs nach einer Periode heller Beleuchtung 
der Vorrat an Diastase in den Laubblättern vermindert wird. Besonders 
sind es die ultravioletten und anstofsenden sichtbaren Strahlen, die 
eine solche Enzymverminderung hervorrufen. Eine solche Enzym- 
zerstörung durch das Licht ist mit der bekannten Bakterienabtötung 
durch Licht zu vergleichen. 


Die Beschattung. 


Im wirtschaftlichen Leben sind die Schäden, die durch direktes 
Verspillern hervorgerufen werden, viel seltener und daher bedeutungs- 
loser als die minder hochgradigen Vorkommnisse, die durch ungenügende 
Lichtzufuhr, also zu starke Beschattung entstehen und in einer 
Verminderung der Produktion an nutzbarer Substanz sich geltend 
machen. Uber den Lichtentzug, den verschiedene Bäume ausüben, 
haben STERLER und VOLKART?) Messungen vorgenommen. Sie fanden bei 
bedecktem Himmel eine Lichtverminderung bei der Kiefer um 50 %o, 
bei der Birke 56, bei der Kirsche 78, bei Eiche, Birne und Apfel 82, 
bei der Buche sogar um 95 o. 


!) Parravın, W., Eiweifsgehalt der grünen und etiolierten Blätter. Ber. d 
Deutsch. Bot. Ges. Bd. IX, S. 194. — Ergrünen und Wachstum der etiolierten 
Blätter. Ibid. S. 229. 

2) Wiesser, J., Der Lichtgenufs der Pflanzen. Leipzig 1907, W. Engelmann. S. 260. 

3) Maıce, Influence de la lumiere etc. Compt. rend. 1898, p. 420; cit. Bot. 
Jahresber. 1898, I, S. 587. 

#4) Green, J. ReyxsorLos, On the action of light on diastase. Phil. Trans. of the 
R. Soc. of London. Ser. B., vol. 188; cit. Bot. Jahresber. 1897, I, S. 89. 

5) Srester, F. G., u. Vorkarı, A., Der Einflufs der Beschattung auf den Rasen. 
Landwirtsch. Jahrbücher d. Schweiz. Bern 1904; cit. Bot. Centralbl. 1906, Bd. 101, S. 60. 


Lichtmangel. 653 


Da jede Pflanze ihr bestimmtes Lichtbedürfnis hat, so kommen 
auch Fälle vor, bei denen die Kultur Lichtüberschufs bietet, während 
der natürliche Standort nur gedämpftes Licht den Pflanzen zuteil werden 
läfst. Dieser Fall zeigt sich bei vielen unserer Hopfenfelder und bei 
manchen unserer Erdbeerkulturen!), In solchen Fällen bewirkt der 
Schatten eine Produktionssteigerung, aber in der Mehrzahl der Fälle 
drückt er die Menge der Trockensubstanz herab und schwächt die 
Färbung von Blatt und Blütenorganen. Für unsere Kolonialkulturen 
dürfte die Beschattungsfrage eine besondere Wichtigkeit erlangen. Auf 
Java sowohl wie in unseren ostafrikanischen Kolonien leiden nämlich 
häufig die Kaffeekulturen, und ZIMMERMANN?) schiebt dies auf einen Mangel 
an Schattenbäumen, welche verhindern, dafs dıe Kaffeebäume sich 
übertragen, was z. B. in Usambara schon grofsen Schaden angerichtet 
hat. Es ist wahrscheinlich, dafs aufser Windschutz und Herabminderung 
der Temperatur namentlich eine geringere Lichtstärke dem Gedeihen 
des Kaffees förderlich ist. 

Die verminderte Ernte bei unseren lichtbedürftigen Kulturen unter 
dem Einflufs des Baumschattens beruht nicht nur auf der be- 
schränkten Lichtzufuhr, sondern auch auf geringerer Bodenerwärmung. 
Wie grofs die Unterschiede sein können, zeigen Versuche von E. v. OvEN®), 
der innerhalb von 10 Augusttagen morgens 9 Uhr im freibesonnten Boden 
im Durchschnitt + 22,26° C, daneben unter einem Kirschbaume + 19,06 
beobachtete. Bereits 1384 hatte Woırny*) den Einflufs der Boden- 
beschattung durch die Unkräuter bei einem Kartoffelfelde gemessen 
und in einer Bodentiefe von 10 cm die Temperatur durchschnittlich 
um 2,6 C geringer auf dem verunkrauteten Acker gefunden. 

Nächst der Temperatur spricht der Wassergehalt des Bodens mit. 
Wie sehr die Bodenteuchtigkeit die Blattgröfse beeinflufst, zeigen die 
Messungen von Gain’), der, die Länge der Organe auf trockenem Stand- 
ort = 100 gesetzt, die Dimensionen auf feuchtem Boden bei Gerste 
— 240, bei Mohn = 550, bei Kartoffeln = 150 berechnete. 

Wenn die Pflanzen dauernd zu wenig Wasser haben, wird ihr Aus- 
leben verzögert und natürlich auch ihre Produktion wesentlich herab- 
gedrückt. In dieser Beziehung sind die Versuche von BIMEr®) zu er- 
wähnen, der bei Kartoffeln in einem Boden mit 40 bis 30 °/o der Wasser- 
kapazität die Reife der Stauden um 8 Tage, bei 30 bis 10% um 18 Tage 
sich verspäten sah gegenüber den Stauden mit reichlicher Boden- 
feuchtigkeit (80 ?o der Wasserkapazität). Bei demselben hohen 
Feuchtigkeitsgehalt des Bodens erntete Worıny bei Topfkulturen 80 g 
an Knollen, während er bei dem halben Wassergehalt der Erde nur 
39 & und bei 20% der Wasserkapazität nur 19,5 g an Knollengewicht 
erhielt. 

Bei der Kultur krautartiger Pflanzen mit flach streichenden Wurzeln 
wird der Ertrae; durch die tiefer liegenden Baumwurzeln merklich 


1) Taytor, ©. M., u. Crark, V. A, An experiment in shading strawberries. 
New York Agric. Exp. stat. Geneva Bull. 246, 1904. 

2) Zimmermann, A., Einige Bemerkungen zu dem Aufsatze von Fr. Wontımann 
usw. Berichte über Land- u. Forstwirtschaftin Deutsch-Ostafrika. Bd. I, Heft 5, 1903. 

3) v. Oven, Über den Einflufs des Baumschattens auf den Ertrag der Kartoffel- 
pflanze. Naturw. Zeitschr. f. Land- u. Forstwirtschaft 1904, S. 469. 

+) Woruny, Forschungen auf dem Gebiete der Agrikulturphysik Bd. VII, S. 349. 

5) Bot. Centralbl., Beihefte, Bd. IV, S. 418. 

6) Bıner in Biedermann’s Centralbl. 1881, S. 154. 


654 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


geschmälert. Bei den v. Ovrn’schen Versuchen betrug der Wasser- 
eehalt unter einem Kirschbaum 20,24° o, in der unbeschatteten Nachbar- 
schaft aber 21,78%. Durch das Unkraut wurde einem Kartoffelfelde 
(nach Worıny) 2,86%/o Wasser mehr entzogen als durch die Kartoffeln 
allein. 

Den Einflufs des Schattens auf die Pflanze selbst schildert v. OvEN 
nach eignen und anderen Beobachtungen. Die Stengelglieder werden 
länger, die Blätter schmäler, das Ausreifen wird verlangsamt. Epi- 
dermis, Gefäfsbündelscheide, die Wandungen der Ringgefäfse und des 
Markparenchyms sind weniger verdickt und die Verholzung geringer. 

Die Ursache der verlängerten Vegetationszeit der Schattenpfanzen 
mufs in der geringeren Intensität des Stoffwechsels gesucht werden, die 
sich durch die schwächere Atmung kund gibt. Da unseren Versuchen 
nach, unter sonst gleichen Verhältnissen die Gröfse der Assimilations- 
tätiekeit die Höhe der Transpiration bestimmt, so erklärt sich auch 
die wesentlich geringere Verdunstung und daher ein höherer Wasser- 
gehalt der Schattenpflanzen. 


Von den zahlreichen Untersuchungen, welche eine Depression der 
Ernte durch die Beschattung feststellen, und die v. OvEn aufser seinen 
eioenen anführt, interessiert die von WEISKE an einem Weizenfelde. 
Die Pflanzen, die einen grofsen Teil des Tages durch Obstbäume be- 
schattet waren, zeigten einen um 30°/o verminderten Körnerertrag und 
eine um 32°/o geringere Strohmenge gegenüber den unbeschatteten 
Pflanzen desselben Feldes. 


Besonders bemerkenswert sind die Ergebnisse, die Pa6nouL!) er- 
zielte. Er fand bei Versuchen mit Zuckerrüben einen starken Rück- 
gang des Zuckergehaltes unter Anwachsen der Blattmenge pro Gramm 
Rübenkörper und bei Kartoffeln einen geringeren Knollenertrag mit be- 
deutendem Rückgang an Trockensubstanz. Aufserdem aber wies er 
nach, dafs der Nitratgehalt in den unter geschwärztem Glase kultı- 
vierten Rüben und Kartoffeln in Blättern und Wurzeln mehr wie zehn- 
mal so grofs als bei den in freier Besonnung erwachsenen Pflanzen 
war. Die physiologische Arbeit wurde also im Schatten geändert, in- 
dem die salpetersauren Salze nicht genügend verarbeitet 
wurden. 

Einige der v. Oven’schen Versuche beschäftigten sich auch mit der 
Messung der Lichtstärke, die nach Durchgang der Sonnenstrahlen unter 
einer Baumkrone noch vorhanden war. Es stellte sich nach der BuNseEn- 
Roscor’schen Methode heraus, dafs das Verhältnis des vollen Tages- 
lichtes zur Lichtmenge unter den Obstbäumen etwa wie 1:0,3 sich er- 
wies. Der Schatten der Apfelbäume setzte die Lichtintensität durch- 
schnittlich von 1 auf 0,234, der Schatten der Birnbäume von 1 auf 
0,233, derjenige der Kirschbäume von 1 auf 0,345 herab. 

Für den praktischen Betrieb dürfte aus den vorliegenden Beob- 
achtungen sich die Lehre ziehen lassen, dafs der so vielseitig emp- 
fohlene gemischte Anbau von Obstbäumen zwischen Feldkulturen für 
die nördlichen Gegenden unrentabel ist. Für südliche Länder, bei 
denen ein Licht- und Wärmeüberschufs zeitweise die Kulturen schädigt, 
wird die Methode vorteilhaft sein. Bestätigt sehen wir diese Ansicht 
dadurch, dafs Italien seine Felder mit Streifen von Maulbeer- und 


') Annales agronomiques Bd. VII, 1891 (cit. v. Ovun). 


Lichtmangel. 655 


Olbäumen sowie mit Weinstöcken durchzieht. Nach LinsBauer !) beruht 
die Kultur des Weinstocks in Italien (Pergolaform) und in den öster- 
reichischen Ländern (niedrige Pfahlform) auf der Anpassung an die 
Lichtverhältnisse. In den südlichen Gegenden gestattet die längere 
Sonnenscheindauer die schattige Kulturmethode in Lauben, während 
die nördlicheren Länder bei kürzerer Zeit des Sonnenscheins denselben 
mehr ausnutzen müssen. 

Über die Struktur der Schattenblätter liegen die bekannten Studien 
von STAHL vor, von denen wir nach FRAnK-SCHWARZ Abbildungen von 
Buchenblättern wiedergeben. In Fig. 152 sehen wir ein in der Sonnen- 
beleuchtung gewachsenes, in Fig. 153 ein ım Halbschatten, in Fig. 154 ein 
in sehr starkem Schatten erwachsenes Buchenblatt. " Wir erkennen da- 
raus, wie das Blatt an Masse mit der mangelnden Beleuchtung abnimmt. 


1 - I 


TE N REELN BERN 
NR a LE Be eng 


Preussen ee 
Fig. 152. Querschnitt durch ein in der Fig. 153. Querschnitt durch ein 
Sonne erwachsenes Buchenblatt. (Nach Buchenblatt aus halbschattiger 

Sant.) Lage. (Nach Sranr..) 


Fig. 154. Querschnitt durch ein Buchenblatt von sehr schattigem Standort. 
(Nach Srant..) 
pp Palisadenparenchym, sch Schwammparenchym. 


Die Palisadenzellen (pp) werden in weniger charakteristischer Weise 
ausgebildet, das Schwammparenchym (schp) wird wesentlich reduziert 
und die Gefäfsbündelstränge werden schwächer. Der geringeren Blatt- 
entwicklung entspricht eine schwächlichere Knospe. 

Die Ausbildung des Gewebes, namentlich die Differenzierung in 
den parenchymatischen Gewebeformen ?), hängt von der Belichtungs- 
intensität im Frühjahr ab. HesseLmann®) fand, dafs Pflanzen, die 
ihre Entwicklung bei einem stets herabgesetzten, jedoch nicht besonders 


') Wıesser, Lichtgenufs der Pflanzen. 1907. 
?2) Mac Dovsar., D. F., The influence of Light and Darkness etc.; cit. Bot. 
Centralbl. 1903, Bd. XCII, S. 296. 

3) Hessermans, H., Zur Kenntnis des Pflanzenlebens schwedischer Laubwiesen. 
Beih. Bot. Centralbl. Bd. 17, 1904, S. 311. 


656 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


niedrigen Lichtgenufs vollziehen, eine weit geringere Ausbildung des 
Assimilationsgewebes aufweisen, als solche Exemplare, welche im 
Frühling viel Licht geniefsen, im Sommer aber stark beschattet sind. 
Bei gleicher Gröfse der Blattfläche transpirieren die Sonnenpflanzen 
mit ihrem ausgebildeten Palisadenparenchym bedeutend stärker als die 
Schattenpflanzen!). Nach RıcömE?) sollen die Palisadenzellen höher, 
aber enger, die Gefäfsbündel in den Blattstielen zahlreicher sein. Der- 
selbe Unterschied besteht zwischen Exemplaren im Freien und in 
Gewächshäusern ’?). 

Betreffs der Arbeitsleistung von Licht- und Schattenblättern ge- 
währen uns die Untersuchungen von GRAF ZU LEININGEN*) einen ge- 
nügenden Einblick. Er fand bei Buche auf dieselbe Blattfläche be- 
rechnet den Gehalt an Reinasche (mit Ausnahme der Kieselsäure) bei 
den Sonnenblättern bedeutend geringer als bei den Schattenblättern ; 
ebenso verhielt sich der Stickstoffgehalt. Wir erklären uns den Sach- 
verhalt folgendermafsen. Der Wurzelapparat versorgt die Blattanlagen 
mit gleichen Mengen von Mineralstoffen. Es kommt nun darauf an, 
wie dieselben ausgenutzt werden. Je kräftiger eine Pflanze 
vegetiert, desto mehr organische Substanz produziert 
sie pro Gramm Aschenbestandteile. Es wird also jedesmal 
auf eine geringere Assimilationstätigkeit geschlossen werden müssen, 
wenn die Analyse einen in Beziehung zur Trockensubstanz hohen Aschen- 
gehalt nachweist. Im vorliegenden Falle ist die geringe Lichtmenge 
der die Produktion herabdrückende Faktor. 

Die Schattenempfindlichkeit ist für jede Pflanzenart allerdings auch 
an bestimmte Grenzwerte gebunden, aber diese Werte sind, wie bei 
allen Wachstumsfaktoren individuell bis zu einem gewissen Grade ver- 
schiebbar, so dafs es innerhalb derselben Spezies schattenempfindlichere 
Rassen gibt, bei denen, wie NORDHAUSEN?) meint, gewisse Reduktions- 
erscheinungen erblich werden. 

Jedes Blatt an einer Pflanze hat seine besondere Schattenempfindlich- 
keit je nach den Belichtungsverhältnissen, unter denen es entstanden 
ist, und je nach seiner Stellung an der Achse. Am meisten spricht 
dabei die Beschattung mit, welche darüberstehende Blätter ausüben. 
Assımilations- und Atmungsgröfse sowie die Transpirationsgröfse werden 
dadurch bestimmt. Bei den Versuchen von GRIFFON®) beispielsweise 
zeigte sich, dafs ein so dickes Blatt wie das von Prumus Laurocerasus 
noch nicht imstande war, bei direktem Sonnenlichte die Kohlensäure- 
zersetzung eines Blattes von Ligustrum ovalifolium gänzlich zu ver- 
hindern. Hinter zwei solchen Blättern dagegen fand nur noch Ent- 


!) Bergen, J., Transpiration of sun leaves and shade leaves of Olea europaea 
and other Orval- leaves evergreens. Bot. Gaz. Bd. 38, 1904, S. 285. 

?) Rıcöur, R., Action de la lumiere sur des plantes etiolees. Rev. gen. de 
Bot. 1902, t. XIV, pP. 26. 

3) Küsrer’s Referat über „Bevensan, Influence de la culture en serre ete.“ in 
Hollrung’s Jahresber. über Leistungen auf d. Geb. der Pflanzenkrankh. Bd. VII, 
1905, S. 7. (Weitere Notizen über Sonnen- und Schattenblätter s. Küster, E. 
Pathologische Pflanzenanatomie 1903, S. 24 usw.) 

4) WILHELM GRAF zu LEiningEn, Licht- und Schattenblätter der Buche. Naturw. 
Zeitschr. f. Land- u. Forstwirtsch. 1905, III. Jahrg., Heft 5. 

5) Norpnausen, M., Über Sonnen- und Schattenblätter. Ber. d. Deutsch. Bot. 
Ges. Bd. XXI, 1903, S. 30. 

6) Grirron, Eov., L’assimilation chlorophyllienne dans la lumiere solaire, qui a 
travers&e des feuilles. Compt. rend. CXXIX, Paris 1899, S. 1276. 


Lichtmangel. 657 


wicklung von Kohlensäure statt. Unter solchen Verhältnissen war also 
der Assimilationsprozefs bereits derart herabgedrückt, dafs der Atmungs- 
prozeis ihn übertraf. 

Es kommt natürlich auch darauf an, wie die beschattenden Pflanzen- 
teile gefärbt sind, also welche Lichtfarben noch hindurchgehen können. 

Nach Teovoresco !) entwickeln sich die Blattgewebe am schlechtesten 
im grünen Licht; im roten Licht zeigen sie bessere, im blauen aber 
die beste Ausbildung, also gröfste Streckung. Auch die Chlorophyll- 
körner sind im grünen Licht kleiner, weniger zahlreich und nicht so 
regelmäfsig verteilt als im roten und blauen Licht. 

Entsprechend der Ausbildung der Chloroplasten erweist sich auch 
das Arbeitsprodukt derselben bei den stärkst brechbaren Strahlen be- 
sonders günstig. PALLADIN?) setzte etiolierte Cotyledonen von Vicia 
auf Zuckerlösungen dem weifsen und farbigen Lichte aus und fand, 
dafs sowohl die Assimilation des Zuckers als auch die Bildung aktiver 
Proteide durch die stärker brechbaren Lichtstrahlen am wirksamsten 
vor sich ging; auch die Atmung war intensiver. 

Wenn das Blatt durch mangelhaften Lichtgenufs nicht mehr arbeiten 
kann, fällt es ab, wie bei Einwirkung aller anderen Faktoren, die seine 
Assimilationstätigkeit aufheben®). Daraus erklärt sich der regelmäfsige 
„Sommerlaubfall‘, der vom „Hitzelaubfall“ natürlich verschieden 
ist. WIESNER ®) erklärt den Sommerlaubfall damit, „dafs das dem Sommer- 
beginn folgende Sinken der täglichen Lichtstärke ein Sinken des (ab- 
soluten) Lichtgenusses der betreffenden Pflanze unter das Minimum 
herbeiführt, wodurch alsbald ein Loslösen der Blätter herbeigeführt 
wird“. 

Es ist selbstverständlich, dals bei jeder Pflanze von der Ausgiebig- 
keit der Kohlenstoffassimilation die Menge der Blüten abhängig ist, 
also beschattete Exemplare weniger blühen. Ausschliefslich diffuses 
Licht verzögert die Blütezeit und kann die völlige Reife der Früchte 
verhindern, so dafs die Samen gänzlich atrophieren können’). 

Es kommen nun auch Fälle vor, wo Pflanzen mit bisheriger reich- 
licher Assimilation vor ihrer Blütenbildung verdunkelt werden. Im 
Dunklen erscheinen die Blüten in der Regel später, ihre Farbe wird 
blasser, bisweilen weifs, ihre Gröfse und Substanzmenge geringer, die 
Blütenstiele nicht selten länger®). Wenn aber die Blätter im Licht 
verweilen und nur die Blütenknospen tragenden Aste verdunkelt werden, 
dann entwickeln sich nach Krats?) mit wenigen Ausnahmen die Blumen 
vollkommen. 

Wir haben bereits im vorhergehenden Abschnitt der Dünnwandig- 
keit der Zellelemente bei etiolierten Pflanzen gedacht. 


1) Teopvoresco, E., Influence des differentes radiations etc.; cit. Bot. Jahresber. 
27. Jahrg., 1901, Tl. II, S. 133. 

2) Parranıs, W., Influence de la lumiere ete.; cit. Bot. Jahresber. Jahrg. 1899, 
IL, S. 134. h 

3) Vöchrise, H., Über die Abhängigkeit des Laubfalls von seiner Assimilations- 
tätigkeit. Bot. Zeit. 1891, Nr. 8 u. 9. 

4) Wiesner, Jur., Über Laubfall infolge Sinkens des absoluten Lichtgenusses 
(Sommerlaubfall. Ber. d. Deutsch. Bot. Ges. Jahrg. XXII, Heft I, 1904, S. 64. 

5) Passerını, N., Sopra la vegetazione di alcune piante alla luce solare diretta 
e diffusa. 8. Just’s Jahresber. 1902, II, S. 628. 

6) Beuravyeur, Einflufs der Dunkelheit [auf, die Entwicklung der Blüten. Bieder- 
manns Centralbl. 1902, S. 102. 

?) Kraus, Über die Ursachen der Formveränderungen etiolierender Pflanzen. 
Pringsheim’s Jahrb. f. wiss. Bot, Bd. VII, S, 209. 


Sorauer, Handbuch. 3. Aufl. Erster Band. 49 


658 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


Das Lagern des Getreides. 


Halmsenkungen von längerer Dauer bewirken einen Rückgang in 
Quantität und Qualität der Ernte. Sie sind um so gefährlicher, je 
mehr die Biegung des Halmes in eine wirkliche Knickung übergeht. 
Man war früher geneigt, eine einzige Ursache des Lagerns anzunehmen, 
bis die späteren Beobachtungen feststellten, dals sehr verschiedenartige 
Faktoren dabei zur Wirksamkeit kommen können, und je nach diesen 
Ursachen das Umlegen der Halme bald an der Basıs im Erdboden 
oder dicht über demselben oder in einer höheren Halmregion erfolgt. 

So wissen wir jetzt, dafs vielfach Frostschäden Schwächungen des 
Halmes herbeiführen, die ohne oder (meistens) unter späterer Mitwirkung 
von Pilzen ein Umknicken einleiten. Ferner sind Insektenfrafs, Wind- 
bruch, Hagelschlag, lang andauernder Regen nicht selten Veranlassung 
zu einem direkten Umknicken der Halme. 

Während aber die Mehrzahl der genannten Faktoren ein gruppen- 
artiges Umlegen des Getreides veranlafst, so dafs dazwischen aufrecht- 
stehende Halme verbleiben, ist das eigentliche, vom Landwirt am meisten 
gefürchtete Lagern ein in zusammenhängenden Flächen auftretendes 
Umknicken infolge zu schwacher Ausbildung der Halmbasıs. 

Dafs dasselbe durch Lichtmangel hervorgerufen wird, hat L. Koc# ) 
experimentell genau nachgewiesen, indem er künstlich die Erscheinungen 
des Lagerns dadurch zustande gebracht hat, dafs er die Halme be- 
schattete. Es werden dadurch die bereits früher von (GRONEMEYER?) ge- 
machten Angaben bestätigt. Die Schwäche des Halmes, die das Knicken 
bei dem Lagern bedingt, zeigt sich wesentlich in den unteren Stengel- 
gliedern, und besonders ist es das zweite Internodium (von der Halm- 
basis aus gerechnet), welches dem Einknicken am meisten unter- 
worfen ist. 

Das erste, unterste Stengelglied ist zwar ebenfalls schwach, aber 
in der Regel zu kurz: dagegen ist das zweite am meisten gestreckt und 
am wenigsten verdickt. Die Zellen dieses Internodiums zeigen beim 
Lagergetreide im Verhältnis zu den entsprechenden des normalen 
Stengels eine bedeutende UÜberverlängerung und mangelhafte Ver- 
dickung. Letztere ist besonders bei denjenigen Zellen in die Augen 
springend, welche am Halm den Raum zwischen Oberhaut und Gefäfs- 
bündelscheide einnehmen und im wesentlichen durch ıhre Verdickung 
die Festigkeit des Halmes bedingen. 

Das Lagergetreide entsteht also, wenn bei dichtem Stand der Saaten 
eine genügende Beleuchtung der unteren Internodien unterbleibt. Die 
zu starke Beschattung wirkt auch in ganz frühen Entwicklungsstadien 
der Pflanze schon nachteilig durch UÜberverlängerung der Zellen und 
geringe Verdickung der Wandungen, was, wie gesagt, vorzugsweise 
im zweiten Internodium von unten stattfindet. Diese Übelstände werden 
an derjenigen Stelle des Internodiums um so stärker auftreten, wo 
die Blattscheide den Halm am dichtesten umschliefst; dies findet in 
der Nähe der Basis des Stengelgliedes statt, und hier zeigen sich denn 
auch die Verspillerungserscheinungen am klarsten und intensivsten. 

Früher wurde als Grund für das Lagern des Getreides Mangel an 
Kieselsäure angenommen; dies ist jetzt als irrig zu erklären, da sich beı 


!) Luvwise Koch, Abnorme Änderungen wachsender Pflanzenorgane durch 
3eschattung. 


2) Groxemeyer in Agronom. Zeit. 1867, Nr. 34. 


Lichtmangel. 659 


den Wasserkulturen der Getreidepflanzen herausstellte, dafs die Kiesel- 
säure in minimalen Mengen genügt, eine normale Pflanze zu erzeugen, 
und da die Analysen von gelagertem Getreide gegenüber einem nicht 
gelagerten wenig Unterschied im Kieselsäuregehalt gezeigt haben. Auch 
in den normalen Pflanzen sind, wie PIERRE am Weizen, ARENDT an der 
Haferpflanze nachgewiesen haben, die untersten Internodien des Halmes 
am ärmsten an Kieselsäure, von welcher überhaupt das gröfste Quantum 
in den Blättern sich vorfindet. Dieselben können 7—18 mal reicher 
an Kieselsäure sein wie die unteren Stengelglieder. 

In Verbindung mit dem Lichtmangel steht der zweite als Grund 
des Lagerns angegebene Punkt, dafs die Krankheit auf zu reiche 
Stickstoffzufuhr im Boden zurückzuführen sei. Allerdings kann diese 
eine Veranlassung abgeben, insofern dadurch eine zu üppige Entwicklung 
des Blattapparates hervorgerufen und die Beschattung wesentlich ver- 
mehrt wird; eine ebensolche Veranlassung wird aber überhaupt jeder 
Umstand geben, der zu dichten Stand der Saaten bedingt, also z.B. zu 
starke Aussaat, reiche Wasserzufuhr usw. 

Wie sehr die Ausbildung der Frucht sich durch verschiedene Stick- 
stoffdüngung ändern und die Pflanze zum Lagern geneigt gemacht 
werden kann, erfahren wir aus den Untersuchungen von RITTHAUSEN und 
Porr!). Während die Körner des Sommerweizens bei reicher Stick- 
stoffzufuhr zwar gut ausgebildet, aber klein, hart und glasig wie das 
Saatgut sich zeigten, erwiesen sich die Samen der nicht mit Stickstoff 
gedüngten Parzellen gröfser, halbmehlig und hellfarbig. Die Pflanzen 
der Stickstoffparzellen lagerten nach wenigen starken Regengüssen. 
KREUSLER und KERN bestätigen die obigen Angaben”). In der reinen 
Phosphorsäuredüngung dürften wir ein Mittel haben, die Gefahren 
einer zu hohen Stickstoffzufuhr zu mildern. Wenigstens ergaben die 
bei Weizen und Gerste von vorgenannten Autoren erhaltenen Resultate, 
dafs eine Düngung mit Phosphorsäure allein (Bakerguano mit 18,97 %0 
löslicher P,0,) eine Depression des Stickstoffgehalts der Körner zur 
Folge u 

Aber abgesehen von der Zusammensetzung der Körner, die durch 
erhöhte Stickstoffzufuhr geändert wird, muls “doch auch die Gesamt- 
menge der Ernte ın Betracht gezogen werden, welche bei zu üppigem 
und dadurch zu dichtem und dunklem Stande der Pflanzen nicht wenig 
leidet. Versuche, welche sich an die im praktischen Betriebe vor- 
kommenden Verhältnisse am meisten anlehnen, indem sie den Einflufs 
seitlicher Beschattung dartun, sind von FiTTBogen 3) ausgeführt worden. 
Derselbe beschattete Gerstenpflanzen unter sonst vollkommen gleichen 
Ernährungsverhältnissen durch einen um dieselben angebrachten Zylinder 
von nebeneinander befestigten Roggenhalmen, der in dem Mafse in die 
Höhe geschoben wurde, als die an der Spitze immer beleuchtete Ver- 
suchspflanze selbst sich verlängerte. Die Pflanzen hatten also Licht 
zur Produktion, aber doch nicht genügend; sie brachten daher nur etwa 
?2/s von der Trockensubstanzmenge der allseitig beleuchteten Pflanzen 
hervor, trotz ihres 4—6 Wochen längeren Wachstums, das sie bis zur 
völligen Reife brauchten. Die Trockensubstanz war aber auch noch 
viel ineünstiger auf die einzelnen Ernteprodukte verteilt. Während 


!) Landwirtsch. Versuchsstationen 1875, S. 384. 
°) Centralbl. f. Agrikulturchemie 1876, I, S. 401. 
?) Vortrag aus dem Klub der Landwirte am 14. Dez. 187 


6650 II Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


nämlich unter normaler Beleuchtung bei der kleinen Gerste von der 
Gesamttrockensubstanz 47 /o auf die Körner und 53°/o auf Stroh und 
Spreu kamen, wurden bei den beschatteten Pflanzen auf 61 Gewichts- 
teile Stroh und Spreu nur 39°/o Körner geerntet, die auch qualitativ ge- 
ringer waren. Betreffs des Wasserverbrauchs ergab sich, dafs die seit- 
lich beschatteten Pflanzen trotz ihrer mindestens 6 Wochen längeren 
Vegetationszeit innerhalb der heifsesten Monate Juli und August doch 
nur etwa "ıo mehr Wasser verbraucht hatten; in derselben Zeiteinheit 
also verdunsteten sie absolut bedeutend weniger als die 
normal beleuchteten Exemplare, entsprechend der geringeren Produktion 
an Trockensubstanz. Relativ dagegen wird die Pflanze viel Wasser ver- 
dunstet haben: so sehen wir denn bei den beschatteten Pflanzen über 
500 g Wasser pro Gramm Trockensubstanz verbraucht, während die 
normal beleuchteten Exemplare nur etwas über 300 & auf dieselbe 
Trockensubstanzmenge ausgehaucht haben. Also auch bei diesem 
Vegetationsfaktor sehen wir denselben Einflufs auf die Transpiration 
wie bei den anderen (Bodenlösung, Kohlensänregehalt der Luft usw.). 
Eine unterhalb des Optimums beharrende Zufuhr eines 
Vegetationsfaktorserhöhtdenrelativen Wasserverbrauch 
pro Gramm produzierter Trockensubstanz. 

Der durch Lager hervorgerufene Schaden wird in vielen Fällen 
bei Getreide dadurch vermindert, dafs dasselbe die Fähigkeit besitzt, 
sich wieder aufzurichten. Der Vorgang des Aufrichtens beruht in der 
Fähigkeit der Halmknoten, noch zu einer Zeit Wachstumserscheinungen 
zu zeigen, in der die Zwischenglieder bereits verholzt sind. Nach der 
Erklärung von DE VrIES!) erfolgt dadurch, dafs der Halm mit seinen Knoten 
nun zur Horizontalen geneigt ist, auf der der Erde zugewendeten Hälfte 
des die Biegung ausführenden Knotens durch den Einflufs der Schwer- 
kraft eine Neubildung von osmotisch wirksamen Stoffen in den Parenchym- 
zellen. Diese ziehen Wasser an, dehnen sich mehr aus und heben auf 
diese Weise das über dem Knoten sitzende Halmglied. 

Wir möchten aber auf Grund der Forschungen von G. Kraus?) 
annehmen, dafs nicht eine gröfsere Neubildung von osmotisch wirk- 
samen Stoffen (Säuren), sondern ein längeres Verbleiben derselben auf 
der konvexen Seite infolge verminderter Verbrennung der organischen 
Säuren zu Kohlensäure erfolgt. Wenigstens konstatiert Kraus bei Ein- 
tritt geotropischer und heliotropischer Krümmungen auf der konvexen 
Seite ebensoviel Säure wie auf der konkaven. 

Das einzige, wirklich erfolgreiche Vorbeugungsmittel liegt in 
dünnerer Saat, deren Quantum nach der Bodenbeschaffenheit aber 
modifiziert werden mufs, Auf sandigem Boden wird dichter gesät 
werden müssen als auf lehmigem, und bei magerer Düngung dichter 
als bei reichlicher Stickstoffzufuhr. Vor allem nützlich wird sich das 
Drillen erweisen, weil dadurch ein möglichst lockerer Stand der Pflanzen 
erzielt wird. 

Wenn aber die Aussaat bereits geschehen ist und ein dichter 
Pflanzenbestand, üppige Entwicklung und feuchte Witterung ein späteres 
Lagern befürchten lassen, dann mufs man, durch scharfes Eggen, 
Walzen oder vorsichtiges Abweiden und Schröpfen einen Teil des 


!) pr Vrıes, Über die Aufrichtung des gelagerten Getreides. Landwirtschaftl. 
Jahrbücher von Thiel, IX, 1880, Heft 2. 
?) Sitzungsber. d. naturf. Ges. zu Halle 1880; eit. Bot. Centralbl. 1882, I, S. 107. 


Lichtmangel. 661 


Blattapparates zu entfernen suchen, um dem Lichte möglichst genügenden 
Zutritt zu verschaffen. 

Betreffs der Kulturmafsnahmen müssen wir auf die soeben er- 
schienene, höchst eingehende, auf experimentelle Studien gestützte 
Arbeit von ©. Kraus!) verweisen, weil nach den hier erwähnten ver- 
schiedenen Ursachen des Lagerns auch die Verhütungsmafsregeln 
mannigfaltig sein müssen. Im Prinzip handelt es sich nicht allein darum, 
kräftige, gegen Gleichgewichtsstörungen möglichst widerstandsfähige 
Pflanzen zu züchten, sondern auch dafür Sorge zu tragen, dafs die 
ober- und unterirdisch mechanisch gut ausgebildeten Pflanzen inner- 
halb der Erde durch einen zweckmäfsig entwickelten Wurzelapparat 
ihre unentbehrliche Stützung finden. Nach diesen beiden Richtungen 
hin wird jetzt auch die Zuchtauslese betrieben. Selbst das Wetter 
bei der Saatzeit wirkt schon bestimmend für die Lage des die Ver- 
ankerung der Pflanze im Boden vorzugsweise regelnden Bestockungs- 
knotens mit. Nach SCHELLENBERG ?) liegen die Bestockungsknoten höher, 
wenn die Saat bei trübem Wetter sich entwickelt; es ist daher vorteil- 
hafter (auch für die Überwinterung), wenn die Saat bei hellem Wetter 
aufgeht. 

Bei an und für sich zum Lagern geneigten, schwachstengeligen 
Pflanzen tritt bisweilen neben dem Lagern ein Faulen der dem Licht 
gänzlich entzogenen Partien auf, was besonders verlustbringend bei 
dem Lagern der Futterwicken ist. Als Vorbeugungsmittel wird 
angeraten, etwas Pferdezahnmais mit auszusäen, an dessen Stengeln 
sich die Wicken hinaufwinden können und dessen Blätter ein gutes 
Futter darbieten. 

‚Gegen das Lagern der Erbsen, Wicken u. dergl. wird auch emp- 
fohlen, Leindotter (Camelina sativa) etwa 6 l pro Hektar zwischen- 
zusäen. Diese ganz frostharte Pflanze wird ungefähr gleichzeitig mit 
den Erbsen reif, und die Körner lassen sich leicht durch Siebe von den 
Erbsen trennen, während das in der Regel dazwischen gebaute 
(retreide (Sommerroggen, Hafer) viel schwieriger auszuscheiden ist und 
den Boden für die folgende Winterfrucht mehr aussaugt. 

Auch hier, wie bei dem Getreide, richtet die Züchtung jetzt ihr 
Augenmerk auf die Lagerfestigkeit. Sehr vorteilhaft erweisen sich nach 
dieser Richtung die von der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft 
herausgegebenen Flugblätter?), welche die neusten Ergebnisse von 
Anbauversuchen mit den einzelnen Sorten unserer Kulturpflanzen ent- 
halten. 


Licehtmangel als Krankheitsdisposition. 


Wenn es sich um die Einwanderung von Parasiten handelt, so 
wird der mechanische Widerstand der Membran bei den verspillerten 
Pflanzen ein geringer sein. Es werden aber auch alle atmosphärischen 
Einflüsse leichter und deren Schwankungen unmittelbarer zum plasma- 
tischen Zellleibe gelangen und dessen Funktionen stören können, selbst 
wenn eine verspillerte Pflanze ganz in derselben Weise und mit der- 
selben Energie wie eine genügend beleuchtete arbeiten würde. 

Letzteres ist nun aber keineswegs der Fall. 


') Kraus, C., Die Lagerung der Getreide. Stuttgart 1908, Eugen Ulmer. 

®2) SchELLenBERG, H. C., Untersuchungen über die Lage des Bestockungsknotens 
beim Getreide. Forsch. auf d Gebiete d. Landwirtsch. Frauenfeld 1902. 
3) Mitteil. der Saatzuchtstelle über wichtige Sortenversuche 1905—1907 usw 


662 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


Die erste Andeutung für eine Veränderung der Funktionen finden 
wir schon in einer Wanderung der Chlorophyllkörper an die Seiten- 
wände bei Verdunklung. Gleichzeitig leitet sich auch eine andere be- 
deutungsvolle Anderung, nämlich das Schliefsen der Spalt- 
öffnungen, ein. Diese schon früher bei vollkommener Dunkelheit 
beobachtete Erscheinung stellt sich aber nach SCHWENDENER !) auch schon 
bei plötzlicher Abnahme der Beleuchtungsintensität ein. Und das ist 
nicht etwa eine Folge der mit der Lichtabnahme verbundenen Wärme- 
erniedrigung; denn eine Temperaturerhöhung innerhalb der gewöhnlichen 
Schwankungen bewirkt kein Offnen dieser Apparate. Dafs eine längere 
Unterdrückung oder doch Herabminderung des Gasaustausches Ver- 
änderungen des Zellinhaltes durch Sauerstoffmangel, also z. B. Neigung 
zur Alkoholbildung, herbeiführen kann, ist naheliegend. Diese Störungen 
werden um so leichter eintreten, je intensiver die Wachstumsfähigkeit 
und je gröfser das Durchlüftungsbedürfnis ist. Also gerade junge Organe 
werden dies empfinden, während alte, mehrjährige Blätter mit ihrem 
geringeren Lichtbedarf länger eine Beschränkung ım Gasaustausch er- 
tragen. Dies deutet die Natur auch schon durch die mit zunehmendem 
Alter gesteigerte Wandverdickung der Schliefszellen an, welche nach 
SCHWENDENER bisweilen so stark ist. dafs ein Offnen der Spaltöffnungen 
überhaupt nicht mehr möglich ist. 

Betreffs der geringeren Transpiration fand ich bei jungen, auf ihre 
Cotyledonen angewiesenen Keimpflanzen von Phaseolus den Unterschied 
zwischen etiolierten und normalen Pflanzen derart, dafs erstere pro 
Quadratzentimeter Blattfläche 0,21 g, letztere 0,29 & im Durchschnitt in 
derselben Zeiteinheit verdunsteten?). Parallel mit der Verdunstung 
geht unter sonst gleichen Verhältnissen die Produktion von Trocken- 
substanz einer Pflanze. Die Untersuchung ergab, dafs nicht nur die 
absolute Produktion der jungen Pflanzen eine wesentlich energischere am 
Lichte war, sondern dafs auch der Quadratzentimeter Blattfläche substanz- 
reicher sich aufbaute. Ahnlich wie Lichtentziehung durch Verdunklung, 
wirkt auch Lichtschwächung durch Anwendung von gefärbten Medien, 
welche die Lichtstrahlen passieren müssen. Im gelben Lichte sind 
Assimilation und Transpiration energischer als im blauen Lichte; 
wenigstens spricht die Mehrzahl der Versuche dafür?). 

Die Produktionsenergie und auch der Produktionsmodus der Pflanzen 
ändern sich mit der Lichtabnahme, und diese Veränderung äufsert 
sich nicht blofs in der gestaltlichen, sondern auch in der stoff- 
lichen Zusammensetzung. 

Der bekannte Versuch, beleuchtete Blätter durch eine Schablone 
zu bedecken, die irgendeine etwas grofsflächige Figur zeigt, diese 
Blätter nach einigen Tagen durch Alkohol zu entgrünen und dann mit 
Jodlösung zu begiefsen, ist das einfachste Beispiel für die Veranschau- 
lichung der Lichtarbeit. Man sieht dann die beleuchtet gebliebenen 
Blattstellen blau durch die gefärbte Stärke, die im Lichte gebildet 
worden ist. Dieser Versuch ist auch insofern von Interesse, als er 
zeigt, wie örtlich beschränkt zunächst die Beleuchtung wirkt. Nur der 


’) Schwexvener, Über Bau und Mechanik der Spaltöffnungen. Monatsber. d. 
Kgl. Akad. d. Wiss. zu Berlin, Juli 1831: eit. Bot. Zeit. 1882, S. 234. 

?) Soraver, Studien über Verdunstung. Aus Wollny’s „Forschungen auf dem 
Gebiete der Agrikulturphysik“. Bd. I, Heft 4/5, S. 116. 

°) Vergl. Hrırrıeser, Beiträge S. 378. — Nossr, Versuchsstationen XXVI, 
S. 354. — Franaurr, Bot. Centralbl. 1880, S. 932. — Drn£ram, Bot. Zeit. 1873, S. 494. 


Lichtmangel. 663 


beleuchtet gewesene Teil hat Stärke gebildet, und auf die verdunkelte 
Umgebung ist keine Stärke übergegangen. Man sieht daraus, dafs grüne 
Pflanzenteile sich ihr Baumaterial der Hauptsache nach selbst erarbeiten 
müssen, wenn sie dauernd bestehen sollen. 

Dafs aus Knollen und Samen die mobilisierten Reservestoffe bis 
auf eine gewisse Länge in die jungen, gänzlich verdunkelten Triebe 
wandern, ist früher bereits erwähnt worden. Bei zu langem Wege 
gehen schliefslich aber doch die Triebe zugrunde, weil sie verhungern; 
sie veratmen mehr, als sie Atmungsmaterial in Form von Zucker und 
dergl. zugeführt erhalten. Dafs die Stärke bei ihrer Auflösung in Zucker 
übergeht und dieser teils zum Aufbau, teils zur Unterhaltung der 
Atmung Verwendung findet, lehren beispielsweise einige Versuche von 
MÜLLER-TRURGAU!). Weinblätter, welche 2° Zucker und ebensoviel 
Stärke enthielten, wurden abgeschnitten und mit dem Stiel in Wasser 
gesetzt; das Gefäfs kam in einen Raum von 0°. Nach 9 Tagen war 
die Stärke bis auf Spuren verschwunden. Da die Atmung des Wein- 
stocks jedoch bei 0° eine sehr geringe ist, so konnte der durch Lösung 
der Stärke in der Dunkelheit entstandene Zucker nicht veratmet werden 
und mulste sich demgemäfs im Blatte anhäufen. Tatsächlich stellte 
die Untersuchung nun 4°o Zucker in den Blättern fest. 

Somit wird die Verdunklung die Zuckerbildung in den Organen 
gegenüber der Stärkebildung in den Vordergrund treten lassen. Wenn, 
wie dies bei dem Wachstum der Pflanzen im Freien häufig der Fall 
ist, mit der Lichtabnahme gleichzeitig eine wesentliche Temperatur- 
abnahme stattfindet, so bedeutet dies eine Stauung von Zucker in 
den assimilierenden (reweben. 

Jeder, der sich mit Kultur von Pilzen in Nährlösungen beschäftigt 
hat, weils aber auch, wie günstig gerade eine Zuckerzufuhr auf die Ent- 
wicklung mancher parasitischer Pilze wirkt. 

Trübe, kühle Tage werden also nicht nur die Assimilations- 
arbeit der grünen Pflanzenteile schwächen, sondern gleichzeitig durch 
Herabdrücken des Atmungsprozesses eine Zuckeranhäu- 
fung in den Blattzellen herbeiführen und somit die Her- 
stellung eines günstigeren Mutterbodens für Parasiten 
ermöglichen. 

Auch der Säuregehalt der Pflanzenteile ist bei Verdunklung ein 
wesentlich anderer als bei zusagender Beleuchtung des Organs. 

Die Beobachtung ist schon alt, dafs manche Pflanzen (Orassulaceen) 
in der Nacht sauer schmecken ?), während dies am Tage nicht bemerk- 
bar ist?), Bei verspillerten Pflanzen konnte WiIEsNER erkennen, dals 
die Blätter vieler monocotyler Gewächse äufserst reich an organı- 
schen Säuren seien®), und später machte pe Vrıes die Beobachtung), 
dafs auch die Stengel etiolierter Dicotylen stark sauer sind Bei Be- 


1) Mürrer-Tuurcav, Über den Einflufs der Belaubung auf das Reifen der 
Trauben. Weinbaukongrefs zu Dürkheim a. d. H. 1882. 

2) Hryse und Lis« in Jahrbuch der Gewächskunde von Sprengel, Schrader und 
Link, 1819, S. 70 u. 73. 

3) An. Maver, Über Sauerstoffausscheidung usw. Verhandl. d. Heidelberger 
naturf. Gesellsch. 4./8. 1875. — Landwirtsch. Versuchsstat. 1875, Bd XVII, S. 410, 
Bd. XXI, S. 277. 

#4) Wiesser, Sitzungsber. d. K. K. Akad. d. Wissensch. I, April 1874, Bd. 69; 
eit. Bot. Zeit. 1874, S. 116 

5) pe Vrıes, Über die Bedeutung der Pflanzensäuren für den Turgor der Zellen. 
Bot. Zeit. 1879, S. 852. — Über die periodische Säurebildung der Fettpflanzen. Bot. 
Zeit. 1884, Nr. 22 u. 23. 


664 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


leuchtung: verschwindet der reiche Säuregehalt, was wenigstens speziell 
für die Crassulaceen nachgewiesen worden, bei denen in der Nacht von 
DE VRIES nur dann eine reiche Säurebildung konstatiert werden konnte, 
wenn am Tage reichliche Beleuchtung der Pflanzen stattgefunden hatte. 
War die Lichtzufuhr am Tage nur auf einige Stunden beschränkt, so 
war auch der Säuregehalt in der Nacht entsprechend niedriger. 

Steigerung der Wärme steigert auch die Säurezersetzung im Dunkeln. 
Kühlere Nächte führen zur Säurespeicherung. 

Direkt nachgewiesen wird dies durch die Versuche von DE VRIES?). 
Es geht aus dem mit jedem folgenden Tage der Verdunklung sich 
steigernden Geringerwerden des Säureverlustes aber auch hervor, dafs 
das Verschwinden der Säure an den Vorrat des im Lichte erarbeitet 
gewesenen Materials zur Säurebildung gebunden. ist. 

Die Pflanzen produzieren also fortwährend Säuren und zwar um 
so energischer, je wachstumskräftiger ihre Organe sich erweisen. Bei 
Beleuchtung werden die Säuren in dem Mafse, wie sie entstehen, ver- 
brannt; im Finstern speichern sich die Säuren, und verspillerte Pflanzen 
sind darum relativ säurereich. Die Unterdrückung der Inflorescenzen 
vermehrt den Gehalt an flüchtigen Säuren in den Blättern. Auch der 
Säuregehalt in den Wurzeln ist grofsen Schwankungen unterworfen und 
soll nach CHAaraBoT?) bei Pflanzen, die im Schatten kultiviert werden, 
sogar gröfser als in den Blättern sein. Im allgemeinen ist er in etiolierten 
Pflanzen gröfser. 

Diese Anhäufung von Säure kann an und für sich schon solchen 
Pilzen, die Säuren zersetzen, die Möglichkeit der Ansiedlung und üppigen 
Entwicklung bieten; es kann aber auch noch eine übermäfsige Turgescenz- 
steigerung des Gewebes hinzukommen, da nach DE Vrırs die Pflanzen- 
säuren es vorzugsweise sind, welche die Turgorkraft der Zelle bedingen. 

Wie sehr der Säuregehalt manchmal mafsgebend sein kann, be- 
weisen die Untersuchungen von Vıara und Pacorter?) über den Black 
tot (Guignardia Bidwellii). Die Impfversuche ergaben nur Erfolg bei 
jungen Beeren, solange der Säuregehalt den Zuckergehalt überwiegt. 
Nicht blofs der Gehalt an organischen Säuren steigert sich, sondern 
auch das indifferente Aschenmaterial wird durch veränderte Nährstoff- 
aufnahme ein anderes. Dies geht aus den Versuchen von ANDRE®) 
hervor, der etiolierte Pflanzen durch erhöhte Temperatur (30°) zu be- 
sonderer Tätigkeit anregen wollte. Er fand aber nur eine aufserordent- 
liche Steigerung der Kieselsäureaufnahme unter Ausschlufs anderer 
Mineralbestandteile. 

Im engsten Zusammenhange mit den geschilderten Vorgängen der 
Bildung und Verbrennung der Kohlenhydrate steht auch die Eiweifs- 
zersetzung und -rückbildung in der Pflanzenzelle°). 

Bei der Keimung und bei dem Austreiben der Knospen an Zweigen, 
Wurzeln und Knollen sehen wir die Produkte des Eiweifszerfalles, 


!) Bot. Zeit. 1884, S. 340. 

2) Cuarawor, E., et Hesert, A., Recherches sur l’acidite vegetale. Compt. rend. 
1904, CXXXVIII, p. 1714. 

3) Vıara, P., et Pacorrer, P., Sur le developpement du Black Rot. Compt. 
rend. 1904, OXXXIX, p. 152. 

%) Axpee, G., Wirkung der Temperatur auf die Absorption der Mineralstoffe 
bei etiolierten Pflanzen. Compt. rend. 1902; cit. Biedermann’s Centralbl. f. Agri- 
kulturchemie 1903, Heft. 2. 

5) Prerrer in Jahrb. f. wissensch. Bot. 1872, Bd. 8, S. 248. — Tagebl. d. Naturf.- 
Vers. z. Wiesbaden. 


Lichtmangel. 665 


welche denen der künstlichen Eiweifszersetzung gleich sind, also Asparagin, 
Glutamin, Leucin, Tyrosin in gröfster Menge auftreten. Nach Boronın’s 
Untersuchungen !) treten diese Amidoverbindungen nun um so reich- 
licher auf, je weniger stickstofffreie Bestandteile (namentlich wohl Trauben- 
zucker) vorhanden, welche zur Rückbildung von Eiweifs verwendet 
werden können. 

Da nun bei verspillerten ebenso wie bei beleuchteten, aber in kohlen- 
säurefreier Luft erzogenen Pflanzen die Neuproduktion von Kohlen- 
hydraten unterbleibt und dieselben durch Veratmung von Tag zu Tag 
mehr verbraucht werden, so wird nun eine Anhäufung des Asparagins 
stattfinden. Von neueren Beobachtern erwähnen wir Zareskt (s. tolg. S.), 
der bei Keimlingspflanzen von Allium Cepa Vermehrung des Asparagins 
wahrnahm. Namentlich aber ist die schon erwähnte Arbeit von SCHULZE 
und Castoro?) zu beachten, aus der hervorgeht, dafs z. B. bei etiolierten 
Keimpflanzen von Lupinus albus der Gehalt an Proteinstoffen ab-, 
der Asparagingehalt aber beständig zunimmt. Tyrosin und Leucin 
nehmen ab. 

Tatsächlich fand E. ScHuLzE mehr als die Hälfte des Gesamt- 
stickstoffs bei zwanzigtägigen, verspillerten Lupinenkeimlingen in der 
Form von Asparagin wieder®). Wenn nun fortdauernd der N -freie 
Teil des Eiweifsmoleküls veratmet wird und keine neuen N-losen 
Bestandteile vorhanden sind, um normales Eiweifs im Protoplasma- 
körper aufzubauen, so wird der Zellenleib die tiefgehendsten Störungen 
erfahren; es ist wahrscheinlich, dafs ein weiterer Zerfall nun Fäulnis- 
erscheinungen einleitet, welche den üppigsten Nährboden für Parasiten 
und Saprophyten herstellen. Das Asparagin wird von Pilzen bei Gegen- 
. wart von Zucker sehr gut verarbeitet. Bei Keimung von angefeuchtetem 
Kressesamen sah VoGEL*) im Dunkeln Schwefelwasserstoff entstehen, 
während in den Parallelversuchen mit beleuchteten Flaschen das Blei- 
papier nahezu keine Veränderung zeigte. 

Bei den Blättern kann im Blattparenchym ein anderer Vorgang 
herrschen als in den Blattnerven. Bei jungen Dahliapflanzen wies 
Boropın®) in den Blattnerven und im Blattstiel Salpeter nach. in dem 
Blattparenchym aber grofse Mengen von Tyrosin und keinen Salpeter. 
Es mag hier das Tyrosin kein Spaltungsprodukt, sondern ein synthetisches 
Produkt sein; denn wenn die jungen Triebe der Dahlia etiolieren, 
bildet sich kein Tyrosin, sondern Asparagin, das bei Wachstum unter 
Beleuchtung nicht zum Vorschein kommt. 

Bisweilen findet man allerdings noch eine Zunahme an Eiweils- 
stoffen im Dunkeln, aber dann liegt die Ursache darin, dafs sehr reich- 
lich Kohlenhydrate in Reservestoffbehältern zunächst noch zur Ver- 
fügung stehen, wie z.B. bei Allium Cepa von Iwanorr®) angegeben wird. 
Sind Kohlenhydrate vorhanden, so können selbst Blätter im Dunkeln 


) Bot. Zeit. 1878, S. 802 ff. 

2) Schvrze, E., und Casroro, N., Beiträge zur Kenntnis der Zusammensetzung 
u. des Stoffwechsels der Keimpflanzen; cit. Bot. Centralbl. 1904, Bd. XCVI S. 540. 

3) Scnunze, E., Über den Eiweifsumsatz im Pflanzenorganismus. Landwirtsch. 
Jahrbücher 1880, S. 1-60. i j 

#), Voger, Ein auffälliger Unterschied zwischen Keimen am Tageslicht und im 
Dunkeln; cit. Bot. Jahresber. 1877. S. 675. 

5) Sitzungsber. d. Bot. Sekt Petersburg. Naturf. Ges. 1881; cit. Botan. Zeit. 
1882, S. 589. 

6) Iwaxorr, M., Versuche über die Frage, ob in den Pflanzen bei Lichtabschlufs 
Eiweifsstoffe sich bilden. Landw. Versuchsstationen 1901, S. 78. 


666 II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


den Nitratstickstoff in Eiweifsstickstoff umwandeln, wie ZaLEsk1!) bei 
Helianthusblättern fand, die in eine Nährlösung mit Nitraten und Zucker 
eingesetzt worden waren. 

Wir haben hier einfach eine Summe von Tatsachen vorgeführt, 
welche die stofflichen Anderungen im Pflanzenleibe bei Lichtmangel 
dartun. Diese erklären zur Genüge die geringere Widerstandskraft der 
verdunkelten Pflanzenteile gegenüber atmosphärischen Einflüssen als 
auch parasitären Angriffen. 


Vierzehntes Kapitel. 


Liehtübersehufs. 


Nach den Erfahrungen, die über den Einflufs der Wärme auf die 
einzelnen Vegetationsvorgänge in grofser Anzahl bereits vorliegen, ist 
von vornherein zu vermuten, dafs auch für die Lichtwirkung nicht nur 
eine Minimalgrenze vorhanden ist, sondern dafs auch ein bei jeder 
Pflanze für jeden Vorgang und für jede Kombination der 
Vegetationsfaktoren besonderer Beleuchtungsgrad existiert, der 
als der optimale bezeichnet werden kann und dessen Überschreitung 
einen Produktionsrückgang einleitet. In der Tat ist bereits bei 
einer Anzahl von Pflanzen die Beobachtung gemacht worden, dais, 
wenn das Licht über ein gewisses Mafs hinaus gesteigert wird, die 
Assimilation, kenntlich durch die Sauerstoffausscheidung, nicht mehr 
fortschreitet, sondern stehen bleibt?) oder sogar zurückgeht?). Vor- 
ausgesetzt ist dabei ein normaler Kohlensäuregehalt der Luft; denn auch 
bei einem zu hohen Gehalt der Luft an diesem Bestandteil geht die 
Sauerstoffausscheidung zurück, wie schon Bouvssinsausr und nach ihm 
PFEFFER*) dargetan haben. Ein optimaler Beleuchtungszustand macht 
sich im Aussehen der Pflanze kenntlich, indem dieselbe eine tiefgrüne 
Färbung erhält, welche sie bei gröfserer Steigerung der Lichtintensität 
über das Optimum hinaus verliert und dafür einen gelben Farbenton 
annımmt. 

Bekannt ist die Erscheinung, dafs die dunkelgrünen Blätter der 
Kamelien nach dem Transport aus dem Glashause ins Freie an sonnigen 
Stellen Gelblaubigkeit zeigen. |Die Kamelie ist eine japanische 
Unterholzpflanze, die mit geringeren Lichtquantitäten schon zufrieden 
ist und bei den grellen Strahlen unserer Sommersonne mehr Chloro- 
phyll durch Oxydation verliert, als durch den Reduktionsprozeis ge- 
bildet wird. Die Zersetzung des Chlorophylis durch Sauerstoffaufnahme 
(die übrigens auch bei Gegenwart von Körpern, die leicht Sauerstoff 
aus der Luft aufnehmen und ozonisieren [Terpentinöl] im Dunkeln statt- 
findet) ist bekanntlich an bestimmte Strahlengattungen gebunden. Nach 
WIESNER zeigen die gelben und die beiderseits benachbarten grünen 
und orangen Strahlen die gröfste Energie in der Zerstörung des Chloro- 
phylis am Lichte. 


') Zaneskı, W, Die Bedingungen der Eiweifsbildung in den Pflanzen. Charkow 
1900 (russisch); cit. Bot. Centralbl. 1901, Bd. 87, S. 277. 
} 2) Reısee, L., Untersuchungen über die Einwirkungen des Lichtes auf die 
Sauerstoffausscheidung der Pflanzen. Bot. Zeit. 1883, Nr. 42 ff. 

3) Fanıyızıs, Etffet de l’intensit& de la lumiere ete.; cit. Bot. Centralbl. 1880, S. 1460. 

4) Prerrer, Arbeiten d. Bot. Instituts zu Würzburg, herausgeg. v. Sachs. Heft I. 


Lichtüberschufs. 667 


Ein anderes Beispiel von Gelblaubigkeit bei hoher Lichtintensität 
bieten einzelne gelbbunte Coleusvarietäten, welche sich anfangs grün 
entfaltende Blätter produzieren, die erst beim Alterwerden leuchtend 
gelbe Stellen annehmen. Ebenso werden manche gelbbunte Garten- 
varietäten von Gehölzen erst bei starker Belichtung leuchtend gelb; 
im Schatten bleiben sie grüner. 

Bei Tropenpflanzen beobachtete EwaArr!) ein völliges Bleichen 
des Chlorophylikorns infolge von Lichtüberschufs. Wenn der Licht- 
reiz über das spezifische Optimum sich steigert, hält zunächst noch die 
optimale und maximale Gasentwicklung kurze Zeit an; aber dann tritt 
ein Ermüdungszustand ein?). Dauert diese Überreizung nicht zu lange, 
kann die Pflanze wieder ihre normale Tätigkeit zurückerhalten. Die 
Überreizung kann auch schon bei unsern gewönlichen Lichtverhältnissen 
eintreten, wenn eine Pflanze ihrer Natur nach zu den Schatten- 
pflanzen gehört. Ein hübsches Beispiel dafür bringt Weıss®) bei Poly- 
podium vulgare, einer ausgesprochenen Schattenpflanze gegenüber Oeno- 
thera biennis, die eine ausgeprägte Sonnenpflanze ist. Letztere pro- 
duzierte bei günstiger Temperatur im direkten Sonnenlicht ungefähr 
dreimal so viel Kohlensäure als im diffusen Licht, während erstere ım 
diffusen Licht energischer assimilierte. Für die Wurzeln, die an Dunkel- 
keit gewöhnt sind, wird diffuses Tageslicht schon wachstumshemmend 
wirken können, wie dies Kny bei Lupinen, Saubohnen und Brunnen- 
kresse fand*). Dabei beobachtete er an Lupinen gewöhnlich eine Ver- 
minderung des Dickenwachstums und eine Verzögerung in der Aus- 
bildung des Zentralzylinders, wenn das Längenwachstum sich steigerte. 

Eine sehr ausgesprochene Wachstumshemmung bei Anwendung 
von Röntgen- und Radiumstrahlen geht aus den Arbeiten von 
Dixon, Dixon and Wi6HAM, ‚JOSEPH und PROWAZER, Max KOERNICKE und 
von Hans MorıscH hervor?). 

Bei Erbsenwurzeln wurde eine abnorme Verdickung und eine runz- 
liche Oberfläche beobachtet, die augenscheinlich auf innere Spannungs- 
differenzen zurückzuführen sind. Es kommen Kontraktionen dadurch 
zustande, dafs die Zellen des inneren Rindenparenchyms ihren radialen 
Durchmesser vergröfsern, während sie in longitudinaler Richtung kürzer 
werden. , Bei anderen Versuchen mit Wicken und Saubohnen sah man 
die Wurzeln sich braun färben und auch im Wachstum still stehen. 
Aber nach 8-10 Tagen wuchsen sie weiter, nachdem sie die äufserste 
Spitze in Form einer braunen Kappe abgestofsen und unmittelbar da- 
hinter eine neue Wurzelspitze gebildet hatten. Darauf entstanden nor- 
male Seitenwurzeln. An den chlorophyliführenden Organen sind die 
Wachstumshemmungen geringer; es ist bei Keimpflanzen ein Stillstand 
in der Verlängerung, aber kein Absterben beobachtet worden; die 
Blätter wurden etwas kleiner als bei normalen Exemplaren. Heliotropische 


1) Ewarr, A. J., The effects of tropical insolation; eit. Just's Jahresber. 1899, 
L8. 81. 

2) Paxtansıuı, Enrico, Abhängigkeit der Sauerstoffausscheidung belichteter 
Pflanzen von äufseren Faktoren. Jahrb. f. wiss. Bot. 1903, Bd. XXXIV, 8. 167. 

®) Weiss, Fr., Sur le rapport entre l'intensite Jumineuse et l’energie assimi- 
latrice chez les plantes appartenant A des types biologiques differents. Compt. rend. 
Paris CXXXVIL, 1903, p. 801. 

4) Ksv, L., Über den Einflufs des Lichtes auf das Wachstum der Bodenwurzeln. 
Jahrb. f. wiss. Bot. 1902, Bd. 38, S. 421. 

5) Szcxr, Hıss, Die Wirkung der Röntgen- und Radiumstrahlen auf die Pflanze. 
Sammelreferat. Naturwiss. Wochenschrift 1906, Nr. 24. 


668 ; II. Schädliche atmosphärische Einflüsse. 


Krümmungen konnte Diıxox!) bei Jungen Kressenkeimlingen in 1 cm 
Entfernung von einer Glasröhre mit 5 & Radiumbromid nicht wahr- 
nehmen. 

Bei greller Sonnenbeleuchtung sehen wir die Pflanzenteile manch- 
mal nicht blofs vergilben, sondern auch sich bräunen und absterben ?). 
Dafs dieses Absterben eine spezifische Lichtwirkung und nicht eine Folge 
zu grofser Temperaturerhöhung ist, geht daraus hervor, dafs Chloro- 
phyll unverändert?) bei Temperaturen von — 30 bis + 100° bleibt und 
andrerseits, dafs die Zerstörung stattfindet bei Strahlen kürzerer Wellen- 
länge, welche auch auf die Wachstumsvorgänge und Protoplasma- 
bewegungen am meisten influieren. 

Die durch Kupferoxydammoniak gegangenen Strahlen eines kon- 
zentrierten Sonnenbildes töten manchmal schon nach wenigen Minuten, 
während dasselbe Lichtquantum nach dem Durchgange durch eine (nur 
das äufserste Rot durchlassende) Lösung von Jod in Schwefelkohlen- 
stoff kaum oder erst sehr spät eine Störung hervorbringt®). In diesem 
roten Lichte aber tritt gerade eine intensive Erwärmung hervor, in dem 
blauen nicht. 

Zu den auf Lichtüberschufs beruhenden Erscheinungen gehört auch 
die Entstehung der Schattenbilder, d. h. von intensiv grünen 
Zeichnungen beschattender Organe auf einer grell beleuchteten Blatt- 
fläche. Es braucht hierbei keine Zerstörung des Chlorophyllapparates 
stattzufinden, sondern es vollzieht sich nur eine Veränderung der Lage 
der Chlöroplasten. 

Die Beobachtungen von Böhm, Fanmintzin, BORODIN, StaRL und FRANK 
beweisen, dafs bei einer für das spezielle Bedürfnis einer Pflanze zu 
hohen Sonnenbeleuchtung eine Wanderung der Chlorophylikörner von 
der der Oberfläche des Blattes parallelen Zellwand nach den recht- 
winklig dazu stehenden Wänden sich einstellt. Die Chloroplasten gehen 
von der Epistrophe in die Apostrophe über und bewirken da- 
durch die lichtere Färbung des zu stark besonnten Teiles. 

Eine weitere, leicht zu machende Beobachtung ist das Auftreten 
einer Rotfärbung bei zu starker Belichtung, wenn man grüne Blätter 
von Pflanzen mit roter Herbstfärbung, z.B. Süfskirschen mit der Unter- 
seite nach oben kehrt. Ebenso sieht man bei vielen Pflanzen, nament- 
lich solchen mit tleischigen Blättern, eine ausgeprägte Braunrotfärbung 
auftreten, wenn sie im Frühjahr aus den beschatteten Glashäusern an 
einen freien, sonnigen Standort gebracht werden. Morısc#) hat solche Fälle 
untersucht. Bei Aloe und Selaginılla wies er nach, dafs nicht etwa 
Anthocyan in den Zellen ausgebildet wird, sondern dafs die Chloro- 
plasten selbst sich rot färben und bei Verdunkelung wieder grün werden. 
Bei Selaginellaarten wurden ebenfalls durch Carotin gefärbte, rote 
oder rotbraune Uhromoplasten beobachtet, namentlich oberhalb einer 
Knickstelle. 

Der wirtschaftlich wichtigste, für die Hygiene bedeutsamste Vor- 


') Dıxox, Hexeyv, Radium and plants. Nature, London LXIX; ceit. Just’s Bot. 
Jahresber. 1903, II, S. 567. 

*) Bönm, Versuchsstationen 1877, S. 463. 

‘) Wıesser, Die natürlichen Einrichtungen zum Schutze des Chlorophylis. 
Festschrift; ceit. Bot. Jahresber. 1876, S. 728. 

*) Prıxssueim, Jahrb. f. wiss Bot. 1879, Bd. 12, S. 336, 

°), Morısch, H., Über vorübergehende Rotfärbung der Chlorophyllkörner in 
Laubblättern. Ber. d. Deutsch. Bot. Ges. 1902, Bd. XX, S. 442. 


Ill. Enzymatische Krankheiten. 669 


gang aber besteht in der zerstörenden Wirkung des Sonnenlichtes auf 
pathogene Pilze und namentlich auf Bakterien. PFEFFER!) sagt: „es 
scheint, dafs sämtliche pathogenen Bakterien durch eine genügende 
Insolation getötet werden.“ 

Dafs ähnlich dem Sonnenlichte auch das künstliche Licht wirkt, 
zeigen beispielsweise die Versuche von Dixon und WiıcHam?) mit 
Radiumstrahlen. Die mit Baecillus pyocyaneus, B. typhosus, DB. prodigiosus, 
und B. anthracis angestellten Kulturen liefsen erkennen, dafs die %-Strahlen 
des Radiumbromides eine deutliche Wachstumshemmung hervorriefen. 
Nachdem 5 mg Radiumbromid 4 Tage hindurch in der Entfernung von 
4!/g mm auf die Bakterien eingewirkt hatten, war ihr Wachstum auf- 
gehoben, wenn sie auch noch nicht getötet waren. 


Dritter Abschnitt. 
Enzymatische Krankheiten. 


Fünfzehntes Kapitel. 


Verschiebungen der enzymatischen Funktionen. 


Allgemeines. 


Die jetzigen Forschungen drängen zu der Anschauung, in der 
Mehrzahl der Stoffwechselvorgänge Enzymwirkungen zu erblicken. 
Diese Enzyme möchten wir ihrer Tätigkeit nach in zwei Gruppen 
gliedern, die sich als aufbauende und abbauende bezeichnen lassen. Im 
Werdegang des pflanzlichen Organismus bemerken wir bei der Keimung, 
also bei der Vorbereitung zur vegetativen Entfaltung, das Vorherrschen 
der abbauenden Tätigkeit, indem die Reservestoffe gelöst und in meist 
labile, wanderungsfähige Stoffgruppen übergeführt werden. Die Tätig- 
keit des vegetativen Apparates führt allmählich zum Niederschlage von 
Reservestoffen, und diese Tätigkeit sprechen wir als aufbauende an; 
diese läfst ihren Endpunkt in der Ausbildung des Samens erkennen. 

Daraus ergibt sich ein Antagonismus im Auftreten der haupt- 
sächlichsten Stofferuppen, der sich in der Weise präzisieren läfst, dafs 
bei reichem Stärkeniederschlag der Zuckergehalt sowie die Menge des 
Gerbstoffes und der organischen Säuren zurückgehen. Sind dagegen 
Zucker, Gerbstoffe und Säuren sehr reichlich vorhanden, bleibt der 
Stärkeniederschlag gering. Wenn der Stärkereichtum ein hoher ist, 
wird auch die Bildung der Fiweifsstoffe in der Zelle aus Asparagin 
oder anderen Stickstoffverbindungen eine reichliche sein. Bei dem 
Vorherrschen von Zucker und Säuren bleiben auch die Stickstoff- 
verbindungen in labiler Form, und ich möchte diesen Zustand eines 
Pflanzenteils als „Unreife“ dem durch Reichtum an Reservematerial 
ausgezeichneten „Reifezustand“ gegenüberstellen. 

Die einzelnen Wachstumsfaktoren beeinflussen nun beständig den 
Pflanzenleib und lassen bald diese, bald jene Gruppe von Enzymen 


1) Pflanzenphysiologie, 2. Aufl., II. Teil, S. 319. l 
2) Dıxos, Hexey, H., and Wicnam, J., Action of Radium on Bacteria. Nature, 
London LXIX; cit. Just’s Jahresber. 1903, II, S. 567. 


670 Ill. Enzymatische Krankheiten. 


zur Vorherrschaft kommen. Es ist dabei nicht nötig, dafs Enzyme 
zerstört werden; sie können auch in ihrer Wirkung nur vorübergehend 
gehemmt werden. Ein Beispiel liefert Pozzı-Escor!) bei Gelegenheit 
der Besprechung des Philothion. „Reduktasen‘“, meint er, die bei 
den Pflanzen mit Lorws Katalase identisch, sind ebenso wie die 
Oxydasen überall verbreitet und wirken antagonistisch. Dr REy-PaıLHaDE 
hat gezeigt, dafs Reduktasen schnell durch eine Oxydase bei Gegenwart 
von freiem Sauerstoff zerstört werden, und umgekehrt weist nun P0zz1- 
Escor nach, dafs unter bestimmten Umständen “bei orolsem Überschufs 
an Reduktase eine Oxydase in ihrer Wirkung „paralisiert“ werden 
kann. So kann in vorübergehenden Schwankungen des Zellinhalts 
eine Reduktase die Oxydase augenblicklich unwirksam machen und 
umgekehrt. Die wichtigste Rolle der Reduktasen erblickt Pozzı-Escor 
in ihrer Wirksamkeit auf H,O, sowohl in den Prozessen der Respiration 
als auch bei der Photosynthese. 

In anderen Fällen treten Antifermente auf, wie beispielsweise 
UzapEr ?) gefunden hat. Er sah eine Hemmung in der Weiteroxydation 
der aus dem Tyrosin stammenden Homogentisinsäure in geotropisch 
oder heliotropisch gereizten Organen durch Auftreten eines Anti- 
fermentes. 

Im allgemeinen erkennen wir aus den Ergebnissen der Kultur und 
einzelnen experimentellen Forschungen, dafs Licht und Wärme die 
aufbauende Tätigkeit, also den Niederschlag fester Reservestoffgruppen 
begünstigen, während Dunkelheit und Kälte die kolloidalen Zustände 
im Zellenleibe erhalten oder vermehren. 

Bei normalem Witterungsverlauf liegen tatsächlich die Perioden 
des vorherrschend kolloidalen Zustandes des Zellinhalts, der die ab- 
bauende Tätigkeit charakterisiert, in der kälteren Jahreszeit; wir finden 
die Keimungsvorgänge namentlich im Herbst und Frühjahr, dagegen die 
aufbauende Wirksamkeit, also den Niederschlag der Reservestoffe, ım 
Sommer. 

Die notwendige, regelmäfsige Folge dieser Perioden hängt aber nicht 
nur von der Witterung ab, sondern auch von allen Ernährungsfaktoren, 
wie z.B. der Wasserzufuhr, der Menge und Beschaffenheit des Nährstoff- 
materials und aufserdem von den verschiedenartigen Kultureingriffen, 
wie z. B. dem künstlichen Beschneiden. Betreffs des letzteren Punktes 
bietet eine Anzahl von Krankheiten uns Beispiele, wie durch die 
plötzliche Entfernung einer grölseren Menge von Gliedern des Pflanzen- 
leibes (Aste und Blätter) der Organismus zu einer Zeit, in der die 
Periode der Stoffspeicherung bereits vorherrschend ist, nunmehr ge- 
zwungen wird, das gespeicherte Material wieder zu mobilisieren und 
durch Bildung von Ersatztrieben in die vegetative Periode zurück- 
zutreten. Bezüglich der Nährstoffzufuhr schen wir beispielsweise, dafs 
übermäfsige Stickstoffeaben die Periode der Reservestoffspeicherung 
hinausschieben , indem die Neubildung vegetativer Organe über die 
normale Zeit hinaus fortgesetzt wird. 

Dadurch wird die enzymatische Arbeitsleistung verschoben; es 
herrschen nun die mobilisierenden Enzyme vor, und die Pflanze tritt 


!) Pozzı-Escor, E., The Redueing Enzymes. American. Chem. Journ. Vol. XXIX, 
1905, p. 517; eit. Bot. Centralbl. 1504, Nr. 49. 


*) Ce F., Antifermente im Pflanzenorganismus. Ber. d. Deutsch. Bot. Ges. 
1903, Bd. XXI, S. 229. 


Verschiebungen der enzymatischen Funktionen. 671 


mit jugendlichen Organen in eine Witterungsperiode, die im normalen 
Verlauf ausgewachsene, reservestoffreiche Teile erfordert. Sie wird 
dadurch für parasitäre und nichtparasitäre Angriffe empfänglich. 

Es ist aber nicht nur die augenblickliche Verschiebung der 
enzymatischen Funktionen, die nachteilig auf den Organismus wirken 
kann, sondern es müssen sich notwendigerweise daran auch eine Reihe 
von Folgeerscheinungen knüpfen, die in der nächsten Generation sich 
erst zeigen werden. Wenn wir beispielsweise die Verlängerung der 
vegetativen Periode im Auge behalten, wie sie durch Stickstoffüberschufs 
erfahrungsgemäfs eingeleitet wird, so ist die unmittelbare Folge die, 
dafs die Samenproduktion, die normal in die Periode der höchsten 
Wärme- und Lichtzufuhr fallen sollte, in eine kühlere, lichtärmere 
Zeit hinausgerückt wird. Das entstehende Samenkorn hat also nicht 
mehr die genügende Zeit und entsprechende Witterung, um alle Pro- 
zesse des Aufbaues der Reservestoffe zu durchlaufen. Das Samenkorn 
wird in einem Zustande geerntet, in welchem die mobilisierenden 
Enzyme noch in gröfserer Tätigkeit sind, und es wird dadurch für 
Parasiten angriffsfähig, die ein vollkommen reifes Korn nicht anzu- 
greifen vermögen. Es ist experimentell erwiesen, dafs unreifes Saatgut 
schneller durch Schimmelpilze zugrunde geht. 

Aber selbst wenn das weniger ausgereifte Saatgut nicht zugrunde 
geht, sondern in der nächsten Vegetationsperiode sich entwickelt, wird 
die entstehende Pflanze durch den gröfseren Wassergehalt und die 
geringere Menge von Reservestoffen des Samens zunächst in der ‚Jugend 
beeinflufst werden müssen, und in dieser Beziehung ist die nächste 
Generation das Produkt der vorhergehenden und wird somit Schwäche- 
zustände durch Erblichkeit fortpflanzen. 

Was von den Samen gilt, mufs auch für alle anderen ausdauernden 
Organe seine Gültigkeit haben: die Knospe und die Ausbildung des 
Zweiges sind ebensogut das Produkt der vorhergegangenen Vegetations- 
periode, und die Art ihrer Weiterentwicklung hängt zunächst von dem 
Reifezustande ab, den sie im Vorjahre erlangt haben. 

Verschiebungen in den enzymatischen Funktionen setzen sich also 
von einer Vegetationsperiode auf die andere fort, und die nachfolgend 
beschriebenen Krankheiten sind Beispiele für die Erblichkeit physio- 
logischer Störungen. 


Die Albicatio (Panachierung). 


Die von den Gärtnern gesuchte und durch Veredelung fortpflanz- 
bare (teilweise sogar auf die Unterlage übertragbare) Erscheinung zeigt 
sich darin, dafs einzelne Stellen, die bald kreisförmig im Diachym, 
bald als keilförmige Streifen zwischen den Rippen, bald als zusammen- 
hängende Zone längs des Blattrandes auftreten, weifsgefärbt erscheinen. 
Der Grad der weifsen Farbe ist verschieden. Vom reinsten Weifs bis 
zum Quittengelb zeigen sich die mannigfachsten Übergänge, welche bei 
manchen Pflanzen noch weitere Farbennüancen durch Auftreten roter 
Farbentöne liefern; dadurch wird dann die eigentliche Bunt- 
blätterigkeit (coloratio, Chromatismus) erzeugt. 

Ein sehr bekanntes Beispiel für die Weifsfleckigkeit ist das Band- 
gras unserer Gärten (Phalarıs arundinacea L., Ph. pieta L.), bei dem 
die weifsen Partien abwechselnd als Streifen zwischen den Rippen auf- 
treten. Noch auffallender ist eine Spielart des eschenblätterigen Ahorns 
(Acer Negundo L.), welche bisweilen eine ganz weilse Belaubung 


672 III. Enzymatische Krankheiten. 


zeigt. Als Beispiel für das Auftreten der Buntfärbung sowie der 
Weifsfärbung sei die Familie der Aroideen genannt; unter diesen zeigt 
der häufig im Zimmer kultivierte Aronskelch (Zantedeschia  [Calla] 
aethiopica) Blätter, die oft so blendend weifs sind wie die dütenförmige 
Blütenscheide; an die Zantedeschia schliefsen sich die bunten Caladien, 
die Lieblinge unserer Warmhäuser an, von denen einige nur weils- 
gefleckt, andere weifs und rot und endlich manche nur rotgefleckt sind. 
 — Schwerlich zu trennen ist davon die Weifsfleckigkeit der Blüten 
und die seltenere Panachierung der Früchte, von denen Durour') 
interessante Fälle bei Weintrauben beschreibt. 

Es herrschen teilweise noch namentlich in praktischen Kreisen 
ernste Bedenken gegen die Anschauung, in den weifsbunten Blättern 
Krankheitserscheinungen anzusprechen; indes glauben wir doch, diese 
Meinung verteidigen zu müssen. Wenn wir eine gröfsere Anzahl von 
buntblätterigen Ptlanzen untersuchen, so finden wir in den Zellen alle 
Abstufungen vom normalen Chlorophylikorn bis zum gänzlichen Ver- 
schwinden der geballten Träger des Uhlorophyllifarbstoffes. Die gelb- 
erscheinenden Pflanzenteile zeigen häufig noch die Chlorophylikörper 
als gelbe, schwammig aussehende Ballen oder Scheiben in den Zellen; 
je reiner weils die Pflanzenteile erscheinen, desto weniger ist selbst 
von ungefärbten Chiorophylikörnern noch zu entdecken und desto mehr 
nimmt das Plasma die Beschaffenheit einer weichen, gleichmäfsigen 
Wandauskleidung an. Die Intercellularräume sind luftreicher und bis- 
weılen gröfser. 

Mit dem Schwinden des Chlorophylikörpers hört auch die Kohlen- 
säurezersetzung des Blattes auf. Cro&z?) und später auch ENGELMANN?) 
fanden, dafs die Blätter nur im Verhältnis ihres Chlorophyligehaltes 
Kohlensäure zersetzen. Die verschiedenen Abstufungen der gelben 
Panachierung beruhen auf geringeren Quantitäten derselben Chloro- 
phylline und Xanthophylle, wie sie im normalen grünen Blatte vor- 
kommen*), und dementsprechend wird auch ihre assimilatorische 
Tätigkeit sein. 

Bei den reinweifsen Blättern kommt es vor, dafs der Zellinhalt 
überhaupt nicht bis zur Bildung des Chlorophylis gekommen ist, 
sondern dafs das Material des Chlorophylikorns im jugendlichen 
Entwicklungsstadium stehen geblieben ist. Bei den gelben Formen 
findet man Chloroplasten zwar mindestens noch in der Knospe, viel- 
fach auch später, aber in dem Mafse, wie sie der reinweilsen Zone 
sich nähern, schwinden die geformten Inhaltskörper der Zelle. Die 
von CHurcH?) ausgeführten Analysen können als eine gute Bestätigung 
dienen. Zur Verwendung kamen weilsfleckige Varietäten von Maple 
(Acer Negundo), Ivy (Hedera Helix) und Holly (Tlex aquifolium); sie 

Acer Jlex Hedera 
weifsbl. grünblätterig weifsbl. grünbl. weiflsbl. grünbl. 
besafsen an Wasser. 82,83% 72,70 %0 74,14 %/o 62,83 %/o 78,88 %0 66,13 %0 
organische Substanz 15,15 „ 2422, 23,66 „ 35,41 „ 18,14 „: Lee 
Asche, © a oe 250... 047” 238, 24, 


») Durour, J., Panachierte Trauben. Extr. Chronique agric. du canton de 
Vaud; eit. Zeitschr. f. Pflanzenkrankh. 1904, S. 286. 

2) Compt. rend. LVII, p. 834. 

3) Exermans, Farbe und Assimilation, Bot. Zeit. 1883, Nr. 1 u. 2. 

#) Kräxzuın, G., Anatomische und farbstoffanalytische Untersuchungen an 
panachierten Pflanzen. Inaug.-Diss. Berlin 1908. 

5) Cuurcn, Variegated leaves. Gardeners Chronicle 1877, II, S. 586. 


Verschiebungen der enzymatischen Funktionen. 673 


Die grünen Blätter zeigen also, gegenüber den weifsfleckigen, be- 
trächtlich gröfsere Trockensubstanzmengen, und die Aschenbestandteile 
bilden bei letzteren (wie überall wo Ernährungsstörungen sich geltend 
machen), einen gröfseren Prozentsatz der Trockensubstanz. Der Stick- 
stoffgehalt bei Efeu und Stechpalme war bei den weifsen Blättern 
reicher im Verhältnis zur Trockensubstanz. Auch dieses Resultat ist 
erklärlich; denn wenn der Chlorophyllapparat, dessen Notwendigkeit 
zur Erzeugung des Stärkekorns und anderer Kohlenhydrate aufser 
Zweifel ist, nur spärlich vorhanden ist, so wird die Trockensubstanz- 
menge herabgedrückt und die absolut geringere Menge stickstoffhaltiger 
Substanz relativ erhöht erscheinen. Dafs die in Alkohol und Äther 
löslichen Substanzen bei den weifsen Blättern von Efeu und Stech- 
palme nur ungefähr die Hälfte der Menge betrugen, als bei den grünen 
Blättern, darf ebenfalls nicht wundernehmen. 

Sehr wichtig ist die prozentische Zusammensetzung der Asche: es 


fand sich bei 


Äcer Jlex Hedera 
weils grün weils grün weifs grün 
an Ralle 1.0 Ir 45,09 9/02. 19,61% 0 35,30 u 16,22 9/0 47,20 %/o 17,91% 
Balky 3.23% 1089.2,3995 ; 21,50 „ 34,43 „ 12,92 „ 48,55 „ 
Magnesia. . . 3,9 „ 4,75 „ 3,23 „ 2,43 „ ER a 1.04% 
Phosphorsäure 14,57 „ 8,80 „ Jahr, 129, 10,68 „ 3,01 „ 
Eisenoxyd . 2 ? Kl, hl, 2:62, 2,31 „ 


Aus diesen Zahlen ist ersichtlich, dafs die rein albikaten Organe 
sich dem Jugendzustand der grünen Blätter nähern, also gleichsam auf 
Jugendlichem Entwicklungsstadium stehen geblieben sind. Gkirrox !) 
kommt zu dem Schlusse, dafs panachierte Pflanzen sich im allgemeinen 
wie etiolierte verhalten, die wir auch mit dem permanenten Jugend- 
zustande verglichen haben. In den gelben Übergangsstadien ist der 
Befund sehr verschiedenartig. Bei Abutilor Thompsoni fand ich in 
manchen Bättern den Zellinhalt noch derartig gruppiert wie im rein 
grünen Teile, d. h. mit Chloroplasten versehen, die in ihren Umrissen 
rundlich-eckig, in ihrer Lagerung normal wandständig sich erwiesen, 
aber blafsgelb oder farblos waren und stark gekörnelten Inhalt führten. 
In anderen Zellen war die Substanz der Ohloroplasten zu unregel- 
mäfsigen, körnigen Ballen vereinigt, die mit Jodglycerin und teilweise 
auch mit Schwefelsäure sich blau färbten und als Carotin anzusprechen 
sein dürften. Auch Kos?) gibt bei der Untersuchung goldgelber Blätter 
neben %-Xanthophyll und Phyllofuscin das Carotin (Etiolin) an. 

Der Unterschied im Dickendurchmesser des Blattes, d.h. die auf- 
fällig geringere Dicke der reinweifsen Teile gegenüber den reingrünen 
Blattstellen, nimmt um so mehr ab, je mehr sich der Farbenton vom 
reinen Weifs entfernt, die Blattstellen also gelber werden. Diesen 
Umstand hebt auch TımpE®) hervor und betont, dafs bei Pflanzen mit 
Schleimzellen (Ulmus, Orataegus) die albikaten Teile ärmer an solchen 
Zellen sind. Dagegen erwies sich der Gerbstoffgehalt in den weifsen 
Teilen meist grölser. Stärke ist selten, soll aber nach Tımpe auf Zucker- 
lösung von den albikaten Stellen oftmals reichlicher als von den grünen 


I) Grirrox, Ep., L’assimilation chlorophyllienne et la coloration des plantes. 
Annal. sc. nat. VIII, 1899; cit. Bot. Jahresber. 1899, I, S. 151. 

2) Kont, F. G., Untersuchungen über das Carotin und seine physiologische 
Bedeutung in der Pflanze. Leipzig, Bornträger, 1902, IX. 

3) Tıvee, H., Beiträge zur Kenntnis der Panachierung. Dissertat., Göttingen 1900. 


Sorauer, Handbuch. 3. Aufl. Erster Band, 43 


674 III. Enzymatische Krankheiten. 


gebildet werden. Monocotyledonen speichern auf Zuckerlösung keine 
Stärke. 

Von anderen Autoren wird angegeben, dafs die reinweifsen Stellen 
keine Stärke führen, da sie nicht assimilieren. Die Widersprüche er- 
klären sich durch die Übergangsstufen zur goldgelben Färbung, welche 
zwar kein Chlorophyll, wohl aber ein Xanthophyll und Carotin ent- 
halten und im Lichte (wie etiolierte Blätter) Sauerstoff ausscheiden 
(Koau, 1. c.). 

Interessant ist die Tatsache, dafs bei manchen Pflanzen die reine 
Albicatio durch Veredelung aut die Unterlage überzugehen vermag. 
Versuche dieser Art mit positivem Erfolge meldet bereits MEyEn!) aus 
dem Jahre 1700 bzw. 1710 von Jasminum officinale. „Wenn ein Zweig 
des Jasmins mit gesprenkelten Blättern auf ein gesundes Stämmchen 
desselben Jasmins gepfropft wird, so bekommen auch die übrigen, 
oberhalb und unterhalb des Pfropfreises sitzenden Zweige gleichfalls 
gesprenkelte Blätter.“ Später haben besonders LinDEMUTA ?) und neuer- 
dings auch Baur®) sich mit der Frage beschäftigt. Letzterer hat die 
Theorie aufgestellt, dafs die gelbbunten Formen als Spielarten oder 
Mutationen, die zum Teil samenbeständig sind, zu betrachten wären, 
die reinweifsen aber als durch Infektion erkrankte Exemplare davon 
abzutrennen seien. Allerdings sei der Infektionskörper kein Lebe- 
wesen, sondern ein unbekanntes stoffliches Etwas, ein Virus, das 
innerhalb der kranken Pflanze an Menge zunehmen kann. Dieses Virus 
kann ein Stoffwechselprodukt der kranken Pflanze sein, das imstande 
ist, die jungen Chlorophylikörner so zu affizieren, dafs sie sich nicht 
zu normalen Organen entwickeln, sondern zu Mifsbildungen, in denen 
dann dasselbe Virus immer neu gebildet wird. Oder aber es kann ein 
Stoffwechselprodukt der kranken Pflanze sein, das in gewissem Sinne 
die Fähigkeit des Wachsens hat, d.h. Stoffe, die mit ihm identisch sind, 
aus anderen Verbindungen abspalten oder Stoffe dieser Art synthetisch 
neu aufbauen kann ®). 

Dieser Gedankengang ist bereits früher von PANTANELLI?) in präziserer 
Form zum Ausdruck gebracht und später ergänzt worden. Genannter 
Autor sagt‘): „Der Albinismus ist keine Infektionskrankheit, sondern 
eine konstitutionelle Krankheit, deren erste Zeichen als abnorme An- 
häufung von abbauenden, vor allem von oxydierenden Enzymen auf- 
treten.“ „Durch die Leptombündel verbreiten sich die zerstörung- 
bringenden Stoffe, sei es durch energetische Beeinflussung benachbarter 
und kommunizierender Protoplasten, sei es durch materiellen Transport 
durch Siebröhren und analoge Elemente über den ganzen Körper und 
gelangen in die sich streckenden Blattstiele, dann in die Hauptrippen 


!) Meyen, F. J. F., Pflanzenpathologie. Berlin 1841, S. 288. 

2) Lıxpemurn, Vegetative Bastarderzeugung durch Impfung. Landwirtschaftl. 
Jahrbücher 1878, Heft 6. — Gartenflora 1901, 1902, 1904. 

3) Baur, Erwin, Zur Ätiologie der infektiösen Panachierung. Ber. d. Deutsch. 
Bot. Ges. 1904, Bd. XXII, S. 453. — Weitere Mitteilungen über die infektiöse 
Chlorose der Malvaceen und über einige analoge Erscheinungen bei Ligustrum und 
Laburnum. Ber. d. Deutsch. Bot. Ges. 1906, Heft 8, S. 416. 

#) Baur, E., Über die infektiöse Chlorose der Malvaceen. Sitzungsber. d. Kgl. 
Preufs. Akad. d. Wiss. 11. Januar 1906. 

5) Pansaneruı, E., Studii su l’albinismo nel regno vegetale. Malpighia. 
Bd. XV—XIX (1902—05). 

6) Pıntaneruı, E., Über Albinismus im Pflanzenreich. Zeitschr. f. Pflanzen- 
krankheiten 1905, S, 1. 


g Verschiebungen der enzymatischen Funktionen, 675 


der Blätter. Hier beeinflussen sie alle Parenchymzellen, womit sie in 
Verbindung treten, offenbar mehr energetisch oder durch schlechte 
Nahrungsversorgung und -ableitung.“ Die Übertragung der Er- 
scheinungen von dem Edelreis auf die Unterlage kommt also dann zu- 
stande, wenn bei der Veredelung die Leptomverbindung zwischen 
beiden Componenten sich hergestellt hat. 

Diese Anschauung beruht auf experimentellen Studien. Es ist 
durch die chemische Untersuchung nachgewiesen, dafs das „Protoplasma 
und seine Plastiden durch abnorme Bildung von starken abbauenden 
Enzymen allmählich angegriffen und verdaut werden“. In den inten- 
siveren Fällen von Albinismus ist überhaupt keine Anhäufung von 
mineralischen oder organischen Salzen oder Zuckerarten nachzuweisen. 

Über das Verhalten der Stickstoffverbindungen gibt eine Bestimmung 
von PAnTaneLLı bei Ulmusblättern Aufschlufs. Er zerrieb grüne und 
panachierte Blätter mit den nötigen Vorsichtsmafsregeln und liefs den 
Brei in einem Kolben acht Tage stehen. Der ursprüngliche Wasser- 
gehalt bei den grünen Blättern betrug durchschnittlich 60,67 0, bei 
den panachierten Blättern desselben Baumes zu derselben Zeit 73,8 /o. 


Grüne Blätter enthielten (in Prozenten des Trockengewichtes): 
beim Ansetzen nach acht Tagen 


Gesamtstickstoff . . . -. 3,355 Yo 3,3250 lo 
Proteinstickstoff . .. 3,324 „ 0,9212 „ 
Nichteiweifsstickstoff . 0,031 „ 2,4050 „ 


Panachierte Blätter enthielten (in Prozenten des Trockengewichtes) : 
beim Ansetzen nach acht Tagen 


Gesamtstickstoff . . . 2,681 lo 2,976 °/o 
Proteinstickstoff . . . 23,274 „ 0,604 „ 
Nichteiweifsstickstoff . 0,407 „ 1,972, 


Die Autolyse im Saft von panachierten Blättern ist also verhältnis- 
mäfsig tiefergehend als in grünen. Der Stickstoffgehalt ist in albikaten 
Organen bedeutend geringer, aber der prozentische Gehalt an nicht- 
eiweifsartigen Stickstoffverbindungen gröfser. Dabei kann die reichlich 
vorhandene Phosphorsäure doch in einer Form gebunden sein, dafs 
sich Lecithin nicht bilden und der Chloroplast sich nicht aufbauen 
kann. Auch ein stärkespaltendes Enzym scheint nach PANTANELLTI'S 
Untersuchungen in den panachierten Blättern reichlicher als in den 
grünen vorhanden zu sein, wenigstens in der Jugend. 

Ich habe bereits in der zweiten Auflage dieses Handbuches (S. 195) 
auf die Stoffarmut der albikaten Teile hingewiesen und folgende Ansicht 
ausgesprochen: Bei der normal ernährten Blattzelle ist soviel Plasma 
vorhanden, dafs nicht nur das Material zum Ausbau der Zellwand ge- 
liefert werden kann, sondern auch noch reichlich die Chlorophylikörner 
erzeugt werden können. Wird die Zufuhr zur jungen Zelle zu früh 
abgeschnitten, indem das das Protoplasma vermehrende Material zu 
spärlich zufliefst und die Zellwand zu früh alt wird, so hat die Zelle 
nur den ersten Teil ihrer Arbeit, die Ausbildung der Wand, tun können, 
und sie hat nichts erübrigt, um die Apparate für den Reduktionsprozets 
und die Vermehrung der Trockensubstanz herzustellen oder zu erhalten. 
Derselbe Mangelzustand mufs bei der normal ausgebildeten Zelle ein- 
treten, wenn sie in Wachstumsverhältnisse gerät, die eine Anhäufung 

43 * 


676 III. Enzymatische Krankheiten. 


abbauender, namentlich amylolytischer Enzyme bedingen, wodurch sie 
den Jugendstadien wieder näher gerückt wird. Bringt man die Pflanzen 
in Verhältnisse, welche die normale vegetative Tätigkeit begünstigen 
(Schatten, Feuchtigkeit und Wärme), so werden die albikaten Achsen- 
teile geneigt, grüne Blätter zu produzieren. Diese Beobachtung wird 
durch eine Erfahrung von LinDEMUTH gestützt, der eine wesentliche 
Begünstigung der Weilsfleckigkeit durch intensive Lichtwirkung kon- 
statierte. Ernst!) in Uaracas erwähnt, dafs das in dortiger Gegend 
gewöhnliche Solanum alig gerum Schlecht. sich nicht selten buntblätterie 
findet. Diese Erscheinung tritt jedoch nur auf magerem Boden auf. 
Stark buntblätterige Exemplare in besseren Boden ver- 
pflanzt, wurden grün. Bei Urtica dioica konnte BEISERINCK ?) schon 
in einem Jahre aus der bunten Form wieder die grüne durch Steck- 
linge zurückerlangen. 

Die Gewebe aber mit geringer konzentriertem Zellsaft sind weniger 
widerstandsfähig. Tatsächlich sind die weifsblätterigen Pflanzenteile 
empfindlicher gegen Hitze, Frost und Trockenheit und sterben früher 
ab. Die häufigsten Beispiele finden wir bei dem weifsblätterigen Acer 
Negundo, bei dem auch die Rinde der Zweige albikat wird. Sonnen- 
brand im Sommer und Winterfrost töten fast alljährlich die exponiertesten 
Zweige. Auch bei Koniferen kommen derartige Fälle vor®?). Ebenso 
gehen Sämlinge mit weifsen Cotyledonen und Plumularblättern sehr 
leicht zugrunde; ich habe bei gröfseren Aussaaten von Obstsorten ver- 
schiedener Art nicht selten rein weilse oder weilse mit rötlichem An- 
fluge versehene Sämlinge gefunden; dieselben wurden stets mit be- 
sonderer Aufmerksamkeit behandelt, gingen aber nach einiger Zeit 
zugrunde, falls sie nicht anfingen, grüne Blattteile zu produzieren. 
Dergleichen Beobachtungen liegen auch von anderer Seite vor, wie 
z. B. bei Phormium tenax (DE Swen), Passiflora quadrangularis, sowie 
bei Dahlia variabilis, Dianthus Caryophyllus und Liliaceen (LinvEmuTA). 
Bei dem Mangel an Reservestoffen in den albikaten Zweigen ist 
auch die weitere Beobachtung erklärlich, dafs deren Stecklinge schwerer 
wachsen als die von den grünen Teilen desselben Individuums; man denke 
beispielsweise an Hortensien mit reinweilsen Blättern, an Pelargonien 
aus der Gruppe der „Mifs Pollack“. 

LiNDEMUTH beobachtete auch bei Abutilon, dafs albikate Blätter meist 
kleiner und von kürzerer Lebensdauer sind. Wir erinnern in dieser 
Beziehung an die auch bei unseren wilden Pflanzen nicht selten vor- 
kommende Erscheinung, dafs da, wo die eine Blatthälfte weifs, die andere 
grün ist, die erstere kürzer bleibt und die letztere deshalb in gröfserem 
Bogen um die weise Hälfte sichelförmig sich herumkrümmt (Cichorium, 
Beta). Bei marmorierten Blättern erscheinen die weifsen Felder eines 
Blattes oft gespannt, die grünen runzelig bis blasig; auch die Achsen 
zeigen bisweilen im albikaten Teile eine Verkürzung, wie die bunte 
Kerria japonica beweist, deren grüne Triebe desselben Stockes und 
Alters bisweilen um einen Meter höher sind als die weilsbunten; ebenso. 
verhalten sich Sambucus, Weigelia u. a. 

Die Albicatio ist meiner Auffassung nach eine Hemmungsbildung, 


!) Botanische Miscellaneen. Bot. Zeit. 1876, S. 37. 


2) Besserınck, M. W., Chlorella variegator, ein bunter Mikrobe; cit. Bot. 
Centralbl. G. Fischer, 1907, S. 338. 


3) Zeitschr. f. Pflanzenkrankh. 1896, S. 361. 


Verschiebungen der enzymatischen Funktionen. 677 


die bei wilden Pflanzen seltener, bei der Kultur in zunehmender Menge 
auftritt und sich darin äufsert, dafs einzelne Gewebepartien schlechter 
ernährt werden. Diese geringere Ernährung hat zur Folge, dafs ent- 
weder der Chlorophyllapparat gar nicht zur Ausbildung kommt oder 
bald den abbauenden Enzymen zum Opfer fällt. Damit ist der Mangel 
oder höchst spärliche Niederschlag von Reservestoffen verbunden und 
die grölsere Hinfälliskeit der Gewebe erklärt. 

Von den Ursachen, welche die Albicatio hervorrufen, kämen zunächst 
Druckverhältnisse in der Knospe in Betracht, welche die Ausbildung des 
leitenden Strangsystems hemmen und damit die genügende Füllung der 
Zellen mit plastischem Material bereits in der Anlage verhindern. Dies 
würde die Erscheinung erklären, dafs plötzlich aus einer Knospe der 
bisher grünen Pflanze ein albikater Zweig gebildet wird. Betreffs der 
Kultureinflüsse lehrt die Erfahrung, dafs relativer Lichtüberschufs un- 
bedingt begünstigend wirkt. Denn wir sehen, dafs vielfach die reine 
Weifsblätterigkeit bei direkter starker Beleuchtung am intensivsten 
auftritt und am längsten sich erhält, dagegen aber zurückgeht, wenn 
Schatten und genügende Wasser- und Stickstoffzufuhr dem Blatte Zeit 
zu langsamerer Entwicklung und längerer Betätigung seiner vegetativen 
Funktionen belassen, also das vorschnelle Ausleben verhindern. 

Eine experimentell wiederholt geprüfte Erscheinung führt TımpE') 
in seiner neuesten Arbeit an. Er hat die von Mouisch?) zuerst be- 
schriebenen Versuche mit der weifsgrün panachierten Varietät von 
Brassica oleracea acephala wieder aufgenommen und dasselbe Resultat 
gefunden, nämlich dafs die leuchtend weifse Färbung der Blattflächen, 
die im Winter im Kalthause bis Februar ihre höchste Ausbildung erhält, 
alsbald nachläfst und schliefslich verschwindet, wenn die Pflanzen in 
ein Warmhaus gebracht werden. Morisch schaffte weifsbunte Pflanzen 
aus einem Kalthause mit +47 ° C in ein Warmhaus von + 12-15° C. 
Dort ergrünten die schon vorhandenen Blätter nach 8—14 Tagen; die 
neu gebildeten erschienen sogleich grün. Abermals ins Kalthaus gebracht, 
bildeten die Exemplare wieder weifsbunte Blätter. Hierher gehört 
auch die Mitteilung von WerıpuıcH?), dafs Selaginella Watsoniana nur bei 
+10°C kultiviert werden darf, wenn sie weilse Spitzen bilden soll. In 
diesen Fällen ist also die den Verlust der Albicatio hervorrufende 
Steigerung der vegetativen Funktionen durch die Erhöhung 
der Wärme bedingt, während die albikaten Blätter je nach der Natur 
der Pflanzen und ihrem lokalen Ernährungszustande in anderen Fällen 
durch Licht- und Wärmeabnahme, durch die die Vegetationszeit ver- 
längernde Steigerung der Stickstoff- oder Kalızufuhr wieder auf das 
Optimum ihrer Funktionen und zur normalen Chlorophylibildung zurück- 
geführt werden können. 

Mangelhafte Stoffzufuhr, häufig zum Ausdruck kommend durch 
Steigerung von Gerbstoffen und Abwesenheit von Stärke, Kleinwerden 
der Zellen und Vergröfserung der Intercellularen, betont auch TımpE 
bei seinen sorgfältig ausgeführten Versuchen. Eine Erscheinung, die 
ihm selbst befremdlich vorkommt, aber gerade der beste Beweis für 
unsere Anschauung ist, beschreibt er bei Ulmus, bei der sich der üppige 


!) Tınpe, Heıyrıcn, Panachierung und Transplantation. Jahrbuch d. Hamburg. 
wiss. Anstalten XXIV, 1906, Beiheft 3. 


2) Ber. d. Deutsch. Bot. Ges. XIX, 1, S. 32. 
3) Gartenflora 1904, S. 585. 


075 III. Enzymatische Krankheiten. 


Frühjahrstrieb weifsbunter Reiser nach dem Auspflanzen des Baumes 
völlig grünblätterig entwickelte, der Hochsommertrieb mit seinem 
Wassermangel und Licht- und Wärmeüberschufs aber wieder die richtige 
Panachierung zeigte (l. c. S. 68). 

Wenn nun die Albicatio in einem vorschnellen Ausleben, also in 
einer Unterdrückung oder Hemmung der Arbeit des Chlorophyllapparates 
besteht, dann werden die abbauenden Enzyme, selbst wenn sie ın 
ihrer absoluten Menge gar nicht gesteigert sind, doch ein Übergewicht 
in der Zelle erlangen, weil die die Reservestoffe niederschlagenden 
aus Mangel an Chlorophylitätigkeit zu wenig entwickelt werden. Das 
sonst übliche in der chlorophyllführenden Zelle sich einstellende Gleich- 
gewicht ist gestört. 

Wir brauchen also gar nicht die Annahme eines „Virus“, 
einer giftig wirkenden Stoffgruppe, die sich in der Pflanze erzeugen 
und vermehren mufs, um die Albicatio und die mit ihr verwandten 
Krankheitserscheinungen (Mosaikkrankheit, Schrumpfkrankheit usw.) zu 
erklären. Es ist einfach eine Abwegigkeit der Funktionen, also eine 
andere Richtung in der molekularen Bewegung, auf welche wir doch 
alle Stoffwechselvorgänge zurückführen müssen. Wenn die abwegige 
Stoffbildung eine Bewegung ist, so wird sie sich so lange fort- 
pflanzen, bis eine andere molekulare Bewegungsform ihr Stillstand 
gebietet. Der albikate Pflanzenteil ist also der Träger einer abnormen 
Stoffbewegung, und daher ist es nicht auffällig, wenn diese Bewegung 
sich fortpflanzt, sobald die Wege, also die Gefäfsbündel (nach PANTANELLI 
die Lieptomteile) zweier getrennter Individuen sich vereinigen, wie es 
bei der Veredelung der Fall ist. 

Betrachten wir die Albicatio nicht als eine aus dem Rahmen der 
übrigen Erscheinungen der Buntblätterigkeit heraustretende, sondern 
nur als den extremsten Fall eines die Verminderung der Chlorophyll- 
menge repräsentierenden Vorgangs, so kann es auch nicht mehr auf- 
fällig erscheinen, dafs die gelbbunten, also minder irritierten Pflanzen 
es noch zur Produktion von Samen bringen, in denen dieselbe 
Bewegungsrichtung des Stoffwechsels fortdauert, d. h., dafs die Samen 
wiederum gelbbunte Pflanzen liefern können. 


Die Mosaikkrankheit des Tabaks. 


Die neueren Autoren, welche über die Albicatio geschrieben haben, 
erwähnen bereits die Verwandtschaft dieser Erscheinung mit der Mosaik- 
krankheit des Tabaks. 

Dieser Name stammt von ADpoLF MAYER, der im Juli 1879, zu 
welcher Zeit die Krankheit in Holland bereits in besorgniserregender 
Weise aufgetreten war, kranke Pflanzen vom Verein für Landwirtschaft 
(Abteilung Wijk bij Duurstede) zur Untersuchung zugeschickt bekam 
und 1885 seine Untersuchungsergebnisse in einem holländischen Journal, 
im folgenden Jahre in den „Landwirtschaftlichen Versuchsstationen“ !) 
veröffentlichte. Nach F. W.T. Hunser?) hat van SWIETEN im Jahre 1857 
die Aufmerksamkeit auf die mosaikartige Buntblättrigkeit des Tabaks 
in den holländischen Kulturen zuerst gelenkt, erwähnt aber bei seinen 
späteren Studien der Tabakkultur in Cuba die Krankheit, die damals 


!) Mayer, Avorr, Die Mosaikkrankheit des Tabaks. Landw. Versuchsstat. 1886, 
Bd. RRXRITESFAS0ENar Do 

2) Hunser, F. W., Untersuchungen und Betrachtungen über die Mosaikkrankheit 
der Tabakspflanzen. Zeitschr. f. Pflanzenkrankh. 1905, S. 257. 


Verschiebungen der enzymatischen Funktionen. 679 


„Rost“ genannt wurde, noch nicht. Jetzt dürfte die Erscheinung in 
allen tabakbauenden Ländern vorhanden sein und hat demgemäfs eine 
Menge Namen erhalten. So erwähnt Hunger, dafs sie in Holland nicht 
nur als „Rost“, sondern stellenweis als „Bunt“ oder „Fäule“ be- 
zeichnet wird. In Deutschland gilt der Name „Mosaikkrankheit‘; 
stellenweis geht sie als „Mauche“; in Frankreich heifst sie „La Mosa- 
ique“ oder „Nielle“ oder „Rouille blanche*; in Ungarn be- 
zeichnet man sie „Mozaikbetegsege“ und die Tataren in Südrufsland 
nennen sie „Bosuch“ In Italien wird sie beschrieben unter den 
Namen „Mal de Mosaico“ oder „Mal della bolla“*. In Amerika 
heifst sie in den nördlichen Staaten „Calico* oder „Frenching 
disease“, in den Südstaaten dagegen „Brindle“ oder „Mongrel 
disease“. Schwer leiden auch die Kulturen in Java, Borneo und 
Sumatra. Die Javaner nennen die Krankheit „Poetih“, während sie 
in Deli unter dem chinesischen Namen „Peh-sem“ bekannt ist!). 

Man darf die Mosaikkrankheit als die zurzeit gefährlichste Er- 
krankung der Tabakpflanze bezeichnen, und daraus erklärt sich, dafs 
sie in neuerer Zeit von mehreren Seiten eingehend studiert worden ist. 
Aber die Ergebnisse sind einander vielfach widersprechend. Während 
einzelne Forscher, mit grofser Zähigkeit der alten Theorie folgend, 
durchaus Mikroben finden wollen und gefunden zu haben glauben, ver- 
teidigen andre die Ansicht, dafs hier eine ansteckende Krankheit vor- 
liegt, deren Ursache in unzweckmäfsiger enzymatischer Tätigkeit ge- 
sucht werden mufs. 

Diese Verschiedenartigkeit der Anschauungen erklärt sich teilweise 
daraus, dafs man als Mosaikkrankheit verschiedene Erscheinungen 
zusammengefafst hat, die nicht zusammengehören, andererseits kann aber 
die Krankheit auch tatsächlich unter wechselnden Formen auftreten. 

Betreffs der Schilderung der Krankheitssymptome folgen wir 
DELACROIX ?), der zwei Stadien unterscheidet: 1. Verfärbungen, 2. Gestalt- 
änderungen der erkrankten Blätter. Bei dem ersten Symptomenkomplex 
zeigt der Blattrand scharf abgegrenzte verschiedenfarbige Flecke von 
einem fahlen Grün, das ins Weifsliche spielt, aber nicht in das Gelb- 
grüne wie bei der C’hlorose. Die blafsgrünen Regionen sind vermischt 
mit Flecken von dunkelgrüner Farbe, und dieses Grün ist dunkler als 
das des normalen Blattes. Bei durchfallendem Lichte werden die 
Farbenunterschiede noch deutlicher und bei dem Befühlen des Blattes 
bemerkt man, dafs die dunkelgrünen Stellen etwas dicker als die bleichen 
sind. Vor Deracroix hatte schon Iwanowsk1®) hervorgehoben, dafs die 
Seitentriebe, die sich aus den Achseln erkrankter Blätter entwickeln, 
wiederum mosaikkrank werden. Dieser Umstand ist sehr wichtig und 
bezeichnend für die Krankheit, bei der stets die Verfärbungen im Jugend- 
zustande der Blätter entstehen. Ausgewachsene Blätter erkranken in 
der Regel nicht mehr. Manchmal werden die dunkelgrünen Stellen 
etwas vorgewölbt, so dafs das Blatt eine krause Oberfläche annımmt, 
in anderen seltneren Fällen tritt Reduktion der Blattfläche ein, die sich 
derart steigern kann, dafs an der ganzen Pflanze statt mancher Blätter 


1) Hunger a. a. 0. 

2) Der.acroıx, Grorees, Recherches sur quelques maladies du Tabac en France. 
Paris 1906, p. 18. Extrait des Annales de I’Institut national agronomique. 2 ser. 
tome V. 2 

3) Twanowskı, D., Über die Mosaikkrankheit der Tabakspflanze. Zeitschr. f£. 
Pflanzenkrankh. 1903, S. 1 ff. 


680 III. Enzymatische Krankheiten. 


nur Blattmittelrippen vorhanden sind. Letzteres Merkmal ist von 
HEInTzEL!) und Iwanowskı erwähnt worden, aber es ist nach Hunger 
(a. a. ©. S. 274) nicht typisch für die Krankheit, sondern von ihm auch 
in Deli bei gesunden Pflanzen auf freiem Felde beobachtet worden. 

Wir sehen also bei der Mosaikkrankheit dieselben Merkmale wie 
bei der Albicatio: scharfe Grenzen der Flecke, gröfsere Dicke der 
grünen Stellen, und bisweilen Reduktion der Blattflächen, die im bunten 
Teile kleiner bleiben. Auch die künstliche Übertragbarkeit ist vor- 
handen und geht wahrscheinlich dieselben Wege, nämlich mittels der 
Leptombündel. Nur insofern ist ein Unterschied, als bei der Mosaik- 
krankheit eine noch bedeutend leichtere Übertragbarkeit vorhanden ist. 
Jede kleinste Saftmenge, die von einer kranken Pflanze auf die Wunde 
einer gesunden gelangt, genügt unter Umständen zur Ansteckung. 
Wir geben als Beispiel die Beschreibung eines Impfversuches, den 
Koniss?) ausgeführt hat, indem er in eine vollkommen gesunde Pflanze 
am 5. Juli einen Einschnitt in den Stengel bis an die Gefäfsbündel 
machte und in den Einschnitt ein kleines Stück des gefleckten Blattes 
einer kranken Pflanze brachte. Am 20. Juli begann sich am Rande eines 
jungen Blattes zwischen den schwachen Nerven ein dunkles Fleckchen 
zu zeigen. Im Verlauf der folgenden Tage erschienen an den anderen 
jungen Blättern ebenfalls Fleckchen, während das Blatt selbst durch 
„Vergröfserung des Palisadengewebes ein unebenes, unregelmäfsiges 
Aussehen bekam.“ Der Blattrand erschien stellenweis eingeschnürt oder 
eingebuchtet. Später nun vertrockneten diese Flecke, nachdem sie eine 
rotbraune Färbung angenommen hatten. Bei den gröfseren Flecken 
nahm Koning eine konzentrische Zonung wahr, von der die äufsersten 
Zonen am dunkelsten waren. Nicht selten sah er ganze Blattstücke 
herausfallen. Letztere Merkmale werden von anderen Beobachtern nicht 
erwähnt, was unsere Ansicht stützt, dafs die Krankheit an verschiedenen 
Orten und bei verschiedenen Tabaksorten abweichende Bilder liefern kann. 

Über die anatomische Beschaffenheit der kranken Blätter gibt Konıns 
nur spärliche Notizen. Im allerjüngsten Zustande der Flecke, wo eme 
Differenzierung von Palisaden- und Schwammparenchym noch nicht 
eingetreten ist, zeigen sich dunkle Streifen zwischen den Zellen, die 
auffällig grofse lufterfüllte Intercellularräume darstellen; dieselben er- 
halten sich auch bei fortschreitender Gewebeausbildung. An der Epi- 
dermis ist zunächst keine Veränderung zu beobachten; später schrumpft 
sie, wird braun und vertrocknet, wenn das Chlorophyll in dem darunter- 
liegenden Gewebe desorganisiert wird und die Zellen zusammen- 
trocknen. 

Im groisen Betriebe erfolgt die Ansteckung der Pflanzen meist 
durch die Arbeiter, die bei dem Ausgeizen der Pflanzen und anderen 
Verrichtungen Wundstellen erzeugen. Die Berührung solcher Stelle 
mit Fingern, an denen der Saft kranker Pflanzen haftet, genügt, um 
die Mehrzahl der gesunden Pflanzen zu infizieren. Der Vorgang ist 
experimentell mehrtach geprüft worden; bei einem speziell zu diesem 
Zwecke im grofsen angestellten Versuche in Holland konnte Konın« 
80 °o Erkrankungen feststellen. 


1) Heisızen, Kurt, Kontagiöse Pflanzenkrankheiten ohne Mikroben mit be- 
sonderer Berücksichtigung der Mosaikkrankheit der Tabaksblätter. Inaug.-Dissert. 
Erlangen 1900. 

2) Koninc, ©. J., Die Flecken- oder Mosaikkrankheit des holländischen Tabaks. 
Zeitschr. f. Pflanzenkrankh. 1899, S. 65. 


Verschiebungen der enzymatischen Funktionen. 681 


Die Krankheit ist übrigens nicht auf den Tabak beschränkt, denn 
Woops!) teilt schon mit, dafs er durch das Abschneiden von Tomaten 
ähnliche Erscheinungen habe hervorrufen können. Dafs bei derselben 
Pflanzenspezies die einzelnen Varietäten je nach ihrer Herkunft sich 
verschieden verhalten, zeigte beispielsweise Hunger ?). Er hat bei direkten 
Versuchen mit dem Köpfen der Pflanzen in Buitenzorg von 50 Exemplaren 
aus amerikanischen Samen sämtliche Geize (Nebentriebe) mosaikkrank 
gefunden. Von den gleichzeitig angebauten 25 Pflanzen aus deutschem 
Samen waren 9 erkrankt; dagegen zeigten die 25 Exemplare aus indischem 
Samen keine Veränderungen an den Geizen. 

Was nun die Ursache dieser Krankheit anbetrifft, so haben wir 
bereits erwähnt, dafs ein Teil der Beobachter Mikroorganismen annimmt, 
ohne sie gesehen zu haben. Iwanowskı beschreibt allerdings eine spe- 
zifische Bakterie, aber bei der Nachuntersuchung fand Hunger, dafs 
der vermeintliche Organismus mit Phenolchlorathydrat aus den Zellen 
verschwand. Wir können also sagen, dafs ein parasitärer Organismus 
bei der typischen Mosaikkrankheit noch nicht bekannt ist: vielmehr 
drängt die Mehrzahl der exakten Beobachtungen zu der Ansicht, dafs es 
sich um eine physiologische Erkrankung handele, bei welcher die Über- 
tragung durch eine abwegige Stoffgruppe erfolgt, die im geimpften 
Organismus fortschreitend in den vorhandenen normalen Stotfgruppen 
nun dieselben krankheitserzeugenden Umlagerungen hervorruft und auf 
diese Weise die Ausbreitung der Krankheit veranlafst. Dafs eine 
Prädisposition vorhanden sein mufs, beweist der verschiedene 
Grad der Empfänglichkeit der einzelnen Sorten, von denen die mit 
fetten Blättern viel widerstandsfähiger als die mit dünnen Blättern sind. 
Die geschätztesten Delitabake (die mit den zartesten Blättern) leiden 
am meisten. Der Einflufs der Kultur zeigt sich in dem Umstande, dais 
Jungfräuliche Böden entschieden geringere Prozente an kranken 
Pflanzen liefern als solche, die schon oftmals zur Tabakkultur benutzt 
worden sind (s. Anbauversuche von HuxseEr°). 

Von den Forschern, welche Mikroben als Ursache der Mosaik- 
krankheit nicht anerkennen, werden nun zwei Meinungen vertreten. 
Die eine Richtung glaubt, dafs die Pflanze ein Gift, ein Virus, produ- 
ziere, das die Fähigkeit hat, in dem vorhandenen Zellinhalt einer ge- 
impften Pflanze denselben Giftstoff zu erzeugen und damit die Krank- 
heit hervorzurufen. Mit dieser Anschauung trat BEIJERINCK +) zuerst 
hervor, der 1898 ein „Contagium vivum fluidum“ als Ursache 
ansprach. Ferner sagt Hunser (a. a. O.S. 296) „Das Virus der Mosaik- 
krankheit betrachte ich als ein Toxin, welches in der Tabakpflanze 
stets beim Stoffwechsel in den Zellen ausgeschieden wird, aber in 
normalen Fällen keine Wirkung ausübt, während es sich bei zu stark 
gesteigertem Stoffwechsel anhäuft und dann Störungen verursacht, wie 
bei der mosaikartigen Buntblättrigkeit.“ „Ich nehme an, dafs das Toxin 
der Mosaikkrankheit, welches primär durch äufsere Reize produziert 


!) Woons, A. F., Observations on the Mosaik disease of Tobacco. U. S. Dept. 
of Agriculture. Bull. No. 18, May 1902. 

2) u.a. O. 8. 287. 

3) Zeitschr. f. Pflanzenkrankh. 1905, S. 289. 

#) Bewserınck, M. W., Over een contagium vivum fluidum als oorzaak van de 
Vlekziekte der tabaksbladen. Koninkl. Akad. van Wetenschappen te Amsterdam. 
Nov. 1898. — Über ein Contagium vivum fluidum als Ursache der Fleckenkrankheit 
der Tabakblätter. Centralbl. f. Bakteriologie 1899, Abt. II, Nr. 2, S. 27. 


682 III. Enzymatische Krankheiten. 
wird, fähig ist, beim Eindringen in normale Zellen eine physiologische 
Kontaktwirkung auszuüben mit dem Erfolg, dafs sich dort sekundär 
dasselbe Toxin bildet, mit andern Worten, das Mosaikkrankheits- 
toxin besitzt die Eigenschaft, physiologisch-autokata- 
lytisch zu wirken.“ Auf diese Weise kann das Virus selbständig 
einen Weg durch die Tabakpflanze machen und auf die Bahnen ge- 
langen, die nach den Meristemen führen, um dort seinen Einflufs auf 
die jungen Bildungen auszuüben. Und zugleich erklärt sich daraus die 
Vermehrungsfähigkeit des Krankheitsstoffes, „welche nicht auf aktiver 
Reproduktivität des Virus selbst beruht, sondern blofs aus der passiven 
reproduktiven Kraft der belebten Zellensubstanz hervorgeht.“ 

Gegenüber der Gifttheorie vertreten wir eine zweite Richtung, in- 
dem wir an die Untersuchungen von PANTANELLI u. a. erinnern, die eine 
Verschiebung in den Enzymmengen und -wirkungen nachgewiesen 
haben. HEINTzEL!) sagt (1899 S.45) „das Enzym, welches die Mosaik- 
krankheit verursacht, ist demnach als eine Oxydase anzusprechen.“ Dem- 
gemäfs wäre also die Ursache der Mosaikkrankheit in der gesunden 
Pflanze vorhanden, und käme nur durch besondere Umstände zu ab- 
normer Wirkung. Genau dieselbe Ansicht spricht Woons?) aus, indem 
er meint, es handle sich nur um gewisse Bedingungen, unter denen 
die oxydierenden Enzyme wirksam werden: „either become more active 
or else are produced in abnormally large quantities.“ Genauer auf die 
Verhältnisse einzugehen, verbietet die augenblicklich noch ungeklärte 
Sachlage; für die von uns vertretene, im ersten Abschnitt dieses Kapitels 
ausgesprochene Ansicht kommt es weniger in Betracht, ob eine Ver- 
mehrung der Oxydasen tatsächlich stattfindet, oder eine Verminderung 
der die Oxydasen stets begleitenden reduzierenden Stoffe (u. a. Gerb- 
stoft) vorhanden ist, wodurch die gleiche Menge Oxydase eine erhöhte 
Wirksamkeit erlangt. Tatsächlich hat Huxeer nachgewiesen, dafs das 
mosaikkranke Blatt weniger reduzierende Stoffe, auch Gerbstoff, enthält 
als gesunde Tabakblätter®). Entsprechend dem Chlorophylimangel ist 
auch geringerer Zuckergehalt im kranken Blatte nachgewiesen worden; 
aufserdem finden sich weniger freie organische Säuren *). Es fehlt dem- 
gemäfs dem mosaikkranken Teile an der Möglichkeit, genügend Reserve- 
stoffe zu bilden, und damit gliedert sich die Mosaikkrankheit, die nach 
Hunger?) auch ohne Verwundung, allein schon durch die Berührung mit 
der Hand übertragbar ist, und durch Veredlung sich auch auf die 
Unterlage fortpflanzt, der Albicatio an. 

Während wir bei letztgenannter Erscheinung noch keinen Grund 
zur Einschränkung derselben haben, weil die weifsbunten Gehölze trotz 
ihrer gröfseren Empfindlichkeit gesuchte Artikel für unsere Gärten 
bilden, so ist bei der Mosaikkrankheit die Notwendigkeit ernster Be- 
kämpfungsmafsnahmen unbedingt geboten und sind diese auch vielfach 


') Heisızen, Kurt, Kontagiöse Pflanzenkrankheiten ohne Mikroben, mit be- 
sonderer Berücksichtigung der Mosaikkrankheit der Tabaksblätter. Inaug.-Dissert. 
Erlangen 1900; cit. v. Huncer a. a. O. S. 269. 

®) Woops, A. F., The destruction of chlorophyll by oxidizing Enzymes. 
Centralbl. f. Bakt. 1899, Abt. II, Bd. V, Nr. 22 S. 745. 

®) Huscer, F. W. T., Bemerkungen zur Wood’schen Theorie über die Mosaik- 
krankheit des Tabaks. Bull. de l’Inst. Bot. de Buitenzorg 1903 No. XVII. 

*) Huxser, De Mozaik-Ziekte bij Deli-Tabak. Deel I. Mededeelingen uit S’Lands 
Plantentuin LXIII, Batavia 1902. 

5) Huxeer, On the spreading of the Mosaik-disease (Oalico) on a tobaccofield. 
Extr. Bull. de l’Institut Bot. de Buitenzorg 1903, Nr. XV1. 


Verschiebungen der enzymatischen Funktionen. 683 


versucht worden. Als das beste Mittel hat sich nach Konıng die Kalk- 
zufuhr zum Boden erwiesen. Hunser konstatierte auch einen guten 
Erfolg bei der Düngung mit Knochenmehl und warnt vor allen Dingen 
vor übertriebener chemischer Düngung. Nach meiner Anschauung ist 
die Krankheit ein Ergebnis der Hochzucht, der durch Verminderung 
der Stickstoffzufuhr und Erhöhung des Kalkens erfolgreich entgegen- 
gearbeitet werden kann. 

Woons sagt (Observations on the Mosaic disease of Tobacco, 
Washington 1902. S. 24): „Overfeeding with nitrogen favors the de- 
velopment of the disease, and there is some evidence that excess of 
nitrates in the cells may cause the excessive development of the fer- 
ments causing the disease.“ 

Besondere Berücksichtigung verdient auch die Auswahl des Samens, 
wie aus den Angaben von BOoUYGERES und PERREAU!) hervorgeht. Diese 
Forscher entnahmen von einzelnen Pflanzen, die mitten in einem ver- 
seuchten Felde bis zur Ernte von der Mosaikkrankheit frei blieben, 
das Saatgut und erhielten 980 gesunde Pflanzen; dieselben waren 
allerdings wieder ansteckbar von Wunden aus, die mit mosaikkranken 
Teilen in Verbindung gebracht wurden. Vor allem ist auf den Boden 
besondere Rücksicht zu nehmen. In Erde, die schon längere Zeit 
Tabak getragen hat, erkrankt gesunde Saat sehr leicht ?). 


Die Pockenkrankheit des Tabaks, 


Wir erwähnten bereits bei der Mosaikkrankheit, dafs andere Ver- 
färbungserscheinungen vielfach zu Verwechslungen Veranlassung ge- 
geben haben. Ein Beispiel für letzteren Fall bietet die Pockenkrank- 
heit, auf deren Verschiedenartigkeit von der Mosaikkrankheit IwanowskI 
und PoLoFTzoFF?) aufmerksam machen, die im Auftrage des russischen 
Ackerbauministeriums die Krankheit drei Jahre hindurch in Bessarabien 
studiert hatten. Die Krankheit äufsert sich nach Hunger *) im Auftreten 
zahlreicher, kleiner, weifser Fleckchen zu Zeiten grofser Trockenheit, 
während in Deli die Mosaikkrankheit gerade nach Eintritt scharfer 
Regengüsse zu beobachten ist. Die Ursache wird in ähnlichen Um- 
ständen wie bei der Mosaikkrankheit gesucht. 


Weisser Rost des Tabaks. 


Ferner ist mit der Mosaikkrankheit eine Erscheinung verwechselt 
worden, die als Weifser Rost bezeichnet wird. DELACROIX?) hat darauf 
aufmerksam gemacht, dafs hierbei nicht die jungen, sondern die aus- 
gewachsenen Blätter zuerst erkranken, die Flecke auch zahlreicher, 
aber kleiner sind und sich scharf abheben; schliefslich werden dieselben 
durch eine Korkschicht abgegrenzt. Die Veranlassung soll ein Mikro- 
organismus, Bacillus maculicola, sein. 


!) Bouyeeres et Perreau, Contributions & l’etude de la nielle des feuilles du 
tabac. Compt. rend. 1904, OXXXIX, p. 309. 

?) Brurens, J., Weitere Beiträge zur Kenntnis der Tabakpflanze. Landwirtsch. 
Versuchsstat. 1899, S. 214ff. u. 482ff. 

®) Iwanowskı und Pororızorr, Die Pockenkrankheit der Tabakspflanzen. Mem. 
de l’Acad. Imp. de St. Petersbourg 1890, ser. VII, t. XXXVII. 

*) Huxser, Zeitschr. f. Pflanzenkrankh. 1905, S. 297. Hier auch die betreffende 
Literatur. 

5) Der.acrorıx, G., La rouille blanche du tabac et la nielle etc. Compt. rend. 
1905, CXL, p. 675. 


684 III. Enzymatische Krankheiten. 


Erkrankung der Erdnüsse in Deutsch-Ostafrika. 


Nach Karosek!) ist Arachis hypogaea, eine der wichtigsten Kultur- 
pflanzen der Kolonie, im allgemeinen nur wenig von Krankheiten heim- 
gesucht. Um Tanga und Lindi ist nun im gröfseren Mafsstabe eine 
Erscheinung aufgetreten, die an die Mosaikkrankheit erinnert. Blätter, 
Blüten und Früchte bleiben klein, der Fruchtansatz gering. An den 
Blättern zeigen sich weifsliche, unregelmäfsige Flecke, wodurch das 
Blatt etwas verkrüppelt. Die Blätter werden schliefslich braun und 
sterben ab. Pilze sind nicht gefunden worden. Nährstoffmangel ist 
ausgeschlossen. 


Die Schrumpfkrankheit des Maulbeerbaumes. 


Die durch ganz Japan jetzt verbreitete Krankheit, welche in Europa 
sicherlich auch zu finden sein wird, ist erst seit vielleicht 20 bis 30 
Jahren genauerer Beobachtung gewürdigt und erst im letzten Jahrzehnt 
ernstem Studium unterzogen worden. Nach Suzukı?), dem wir in der 
Darstellung folgen, heifst die Krankheit in Japan Jshikubyo oder 
Shikuyobyo. Gerade so wie die Mosaikkrankheit tritt auch die 
Schrumpfkrankheit am intensivsten bei den zartblättrigen und schnell- 
wüchsigen Sorten auf. Innerhalb derselben Kulturvarietät leiden die 
Individuen am stärksten, welche zu viel flüssigen Dünger erhalten, 
während die in magerem Boden oder in Berggegenden angepflanzten 
Bäume beinahe frei von der Krankheit sind. 

Von besonderer Wichtigkeit ist, dafs die Krankheit ungefähr gleich- 
zeitig mit der allgemeinen Einführung der sogenannten Schnitt- 
Methode in Japan sich bemerkbar machte. Diese besteht darin, dafs 
die Stämme oder Zweige zur Zeit der üppigsten Blattentwieklung (Mai- 
Juni) kurz über dem Boden abgeschnitten werden, wenn die Pflanze 
drei Jahre alt ist. Darauf produziert der Stock sofort wieder neue 
üppige Triebe, die bis September noch fünf bis sechs Fufs hoch werden. 
Diese Zweige werden im folgenden Sommer wieder geschnitten und 
zwar entweder kurz über dem Boden oder mehrere Fufs über der 
Bodenoberfläche. Die lang geschnittenen Exemplare leiden weniger 
von der Krankheit, und in denjenigen Gegenden, in welchen die Pflanzen 
nach der alten Kulturmethode gar nicht geschnitten werden, ist die 
Krankheit überhaupt unbekannt, so dafs man mit Sicherheit behaupten 
darf, dafs es sich auch hier wiederum um eine Folgeerscheinung der 
Hochkultur handelt. Für die Ansicht, dafs namentlich dieses Schneiden 
während der Triebzeit die Ursache der Schrumpfkrankheit ist, spricht 
auch der Umstand, dafs die im Herbst oder ersten Frühjahr vor dem 
Laubausbruch geschnittenen Pflanzen gesund bleiben. Kranke 
Pflanzen können geheilt werden, wenn sie einige Jahre vom Schnitt 
verschont bleiben. 

Das erste Zeichen der Krankheit erscheint gewöhnlich an jungen, 
aus dem Stammstumpfe hervorbrechenden Zweigen, wenn dieselben 
etwa einen Fufs Höhe erreicht haben. Zunächst schrumpfen die obersten 
Blätter oder zeigen andere Schwächeerscheinungen, und diese Ver- 


1) Kıroser, A., Eine neue Krankheit der Erdnüsse in Deutsch - Ostafrika. 
Gartenflora 1904, S. 611. 

2) Suzurı, U., Chemische und physiologische Studien über die Schrumpf- 
krankheit des Maulbeerbaumes, eine in Japan sehr weit verbreitete Krankheit. 
Zeitschr. f. Pflanzenkrankh. 1902, S. 203. 


Verschiebungen der enzymatischen Funktionen, 685 


änderung schreitet allmählich abwärts fort, wobei die Blätter sich gelb- 
lich oder schmutziggrün färben oder aber auch ihre normale Färbung 
behalten können. Meist finden sich diese Veränderungen langsam ein, 
indem im ersten Jahre nur die oberen Blätter einzelner Triebe er- 
kranken und der Zustand sich im Laufe der Jahre derart ausbreitet, dafs 
der Baum abstirbt. Es gibt aber auch akute Fälle, in denen alle Blätter 
gleichzeitig in einem Jahre schrumpfen. Die Aste der erkrankten 
Pflanzen sind gewöhnlich sehr dünn und entwickeln sehr zahlreiche 
Seitenzweige und Blätter; die Zweige erschlaffen bisweilen und verlieren 
ihre Festigkeit; die Wurzeln beginnen zu faulen. 

Man hat natürlich vielfach Parasiten für die Erkrankung verant- 
wortlich gemacht und namentlich die Erscheinung als Folge einer 
parasitären Wurzelfäule hingestellt; aber nachweislich sind die Wurzeln 
in den ersten Stadien der Erkrankung der oberirdischen Teile noch 
gesund; aufserdem erscheint es von vornherein sehr bemerkenswert, 
dafs ein Parasit immer nur die nach der Schnitt-Methode behandelten 
' Bäume aufsucht. 

Unter Berücksichtigung der vorstehenden Tatsachen wird man zu 
dem Schlufs gedrängt, dafs hier eine fortgesetzte Störung des Gleich- 
gewichts in den Ernährungsvorgängen die Ursache sein mufs. Dies 
wird durch die zahlreichen Analysen Suzukr's bestätigt. Er fand z. B. 
im Durchschnitt von zehn Untersuchungen bei den Blättern der schrumpf- 
kranken Pflanzen, wenn der Gehalt der gesunden Blätter = 100 ge- 
setzt wird: 

Wassergehalt 94,7 %/o, Trockensubstanz 116°. In hundert Teilen 
der Trockensubstanz sind enthalten 


(normal mit 100 in Ansatz gebracht): 


ER ObET  R ae Pace ee a re ee kl Re 0 
EI ee LS LE ar pa Selli® 
Era ERS I en Ve 
Stickstofffreie Extraktivstoffe . . . . .10 „ 
Eee ea IRRE TE, ERREGER 
Gesamtsackeroit Ser ea un SE 
Biweilsatiekstoft we Ma ER 
Nichterweilsstiekstoft ie, 2 m ve A ZUNENNGBO „ 


In 100 Teilen Asche sind enthalten 
(normal mit 100 in Ansatz gebracht): 


SHas 12%, 5 118,00 KORD N 2.10 
SR en da0ad er 
Er N M20.24 22.120,08, 


Also: grofser Aschereichtum im Verhältnis zur produzierten organi- 
schen Substanz, wie wir dies als typisch für alle Mangelpflanzen be- 
reits betont haben. 

Was nun die Schrumpfkrankheit der Maulbeerbäume charakterisiert, 
ist eme Anschoppung von Stärke in den kranken Blättern und eine 
sehr mangelhafte Ausbildung des Holzkörpers, namentlich der stoff- 
leitenden Bahnen, des Siebröhrenkörpers. Durch die geringe Zahl und 
Lumenbreite dieser Elemente kann nur eine langsame Wegführung 
der Assimilate (hier speziell des Zuckers) stattfinden; infolgedessen 


686 : III. Enzymatische Krankheiten, 


wird die weitere Lösung der Assimilationsstärke gehindert!). Neben 
diesen anatomischen Verhältnissen weist nun die Chemie eine abnorm 
grofse Quantität von Oxydasen und Peroxydasen nach. Nach Wooos ist 
es sehr wahrscheinlich, dais die Oxydasen nicht nur Chlorophyll zerstören, 
sondern auch die diastatische und proteolytische Wirkung verhindern, 
und deshalb würden sıe die Ursache der Verzögerung in der Wanderung 
der Stärke und der Stickstoffverbindungen sein können. Allerdings be- 
hauptet SHißata?) auf Grund seiner Studien, dafs die Diastasewirkung 
nicht durch die Oxydase verhindert wird und dafs die Mehrproduktion 
der Enzyme durch die gesamte Entleerung der Assimilate hervorgerufen 
würde. Welche von diesen Ansichten die richtige ist, müssen spätere 
Untersuchungen klarstellen. Uns genügt hier die Tatsache, dafs die 
Gesamtmenge der Reservestoffe bei den kranken Pflanzen 
erschöpft wird (Suzuki a. a. O. S. 277). Dies kommt auch in der 
mangelhaften Füllung der Zweig- und Wurzelrinde und der ruhenden 
Knospen mit Stärke zum Ausdruck und äufsert sich aufserdem im 
Nachlassen des Wurzeldruckes und der Transpirationsintensität (Mrvosaı). 
Es ist nun erklärlich, dafs, wenn eine Pflanze durch Fortnahme ıhres 
Laubkörpers fortgesetzt gezwungen wird, ihr Reservematerial zu ver- 
brauchen, sie nicht Zeit hat genügend die Ersatzorgane auszureifen, 
d. h. hinreichend Stärke, Eiweifs und Cellulose in ıhnen niederzu- 
schlagen. : 

Die Heilung der Krankheit wird in der Rückkehr zum normalen 
Herbstschnitt bestehen. Sobald man Aste erkrankter Pflanzen durch 
Absenken zu selbständiger Bewurzelung bringt, entwickeln sich die- 
selben normal, wie Suzuki experimentell gezeigt hat. 

Übrigens kommen ganz ähnliche Krankheitserscheinungen auch 
bei dem Teestrauch vor, sobald das Abpflücken der Blätter unrationell 
betrieben wird. 


Die Serehkrankheit des Zuckerrohres. 


Die auf Java zuerst in den achtziger Jahren des vorigen ‚Jahr- 
hunderts aufgetretene und von Westen nach Osten fortschreitende Sereh 
ist zur Zeit wohl die gefürchtetste Krankheit des Zuckerrohres; sie ist 
jetzt auch auf Reunion, Sumatra, Borneo, Malakka, den maskarenischen 
Inseln und in Australien beobachtet worden®?). Der Name stammt 
nach KrÜügErR*), dem wir hier zunächst folgen, von der javanischen 
Bezeichnung des auf Java häufig in Gärten angebauten Andro- 
pogon Schoenanthus (jav. Sereh), welches Gras aufserordentlich reich 
verzweigte Büsche bildet. In ihrer ausgebildetsten Form tritt nun 
die Krankheit des Zuckerrohrs auch in einer übermäfsigen Bildung 
kurzer Seitentriebe, welche die Pflanze buschig machen, auf. Der 
Wurzelkörper zeigt geringe Ausdehnung, weil nur wenig schlanke 
Aste sich im Boden ausbreiten; die Mehrzahl der Wurzeln bleibt 
kurz und buschig, da ihre Spitzen absterben und die Neubildungen 


!) Mıvosm, M., Untersuchungen über die Schrumpfkrankheit („Ishikubyo“) des 
Maulbeerbaumes. II. Journ. Coll. Sc. Tokio 1901, vol. XV. 

2) Sumara, K., Die Enzymbildung in schrumpfkranken Maulbeerbäumen. The 
Botanical Magazine XVII, 1903. 

3) Cit. Zeitschr. f. Pflanzenkrankh. 1901 S. 297. 

4) Krüger, W., Über Krankheiten u. Feinde des Zuckerrohrs. Ber. d. Versuchs- 
u f. Zuckerrohr in West-Java, Kagok-Tegal. Dresden, Schönfeld’s Verlag, 
1890, S. 126. 


Verschiebungen der enzymatischen Funktionen. 687 


demselben Schicksal verfallen. In dem abgestorbenen Gewebe finden 
sich reichlich Parasiten, unter denen auf Java ZTylenchus sacchari 
Soltw. am meisten vorhanden ist. Die Internodien der Stengel bleiben 
kurz, die Augen in den Blattachseln schwellen halbkugelig an, während 
sie (mit Ausnahme einzelner Sorten) bei dem normalen Rohr flach 
muschelförmig: in kleinen Vertiefungen des Stengels liegen. Das Wachs- 
tum des Haupttriebes bleibt zurück und dafür entwickeln sich schnell 
die unteren, namentlich die in der Erde befindlichen Augen. Bei diesen 
neuen Trieben aber wiederholt sich alsbald derselbe Vorgang des 
Zurückbleibens des Spitzenwachstums und Hervorbrechens sekundärer 
Achsen, wodurch der ganze Stock eine abnorme Buschbildung erhält. 
Das javanische Material, das ich zur Untersuchung zugeschickt be- 
kommen habe, zeigte an oberen, hochgelegenen Punkten des Stengels 
bisweilen eine derartige Verästelung der Seitenachsen, dafs sich hexen- 
besenartige Nester bildeten. Zwischen dieser büschelartigen Ver- 
zwergung und dem schlanken normalen Zustande finden sich in den 
verschiedenen Krankheitsstadien alle möglichen Übergänge. 

Infolge der starken Verkürzung der Internodien stehen die Blätter 
fächerartig beieinander; die Blattscheiden sind wie ineinander ge- 
schachtelt. Ihr Absterben erfolgt in vielen Fällen nicht, wie normal, 
vom Rande aus nach dem Mittelnerv hin fortschreitend, sondern um- 
gekehrt, und die Folge ist, dafs sie lange am Stengel sitzen bleiben 
und Niststätten für Mikroorganismen bilden. Ihre Farbe ist meist dunkler 
als die der normal abgestorbenen Blätter, und während diese zähe sind, 
zeigen sich jene spröder und unterliegen leicht dem Zerfall. 

In dem Querschnitt durch einen Knoten des kranken Rohres fallen 
sofort die intensiv rotgefärbten Gefäfsbündel auf, deren Farbstoff mit 
Alkohol ausziehbar ist. Die Zellmembranen sind häufig verquollen 
und teilweis zerstört. 

Diese Rotfärbung der Bündel tritt schon in Stecklingen und bei 
älteren Pflanzen in den ersten Krankheitsstadien auf, so dafs man 
glaubte, sie als ein besonders beachtenswertes Merkmal hervorheben 
zu müssen. 

Wir haben die Rotfärbung der Zellmembranen bei vielen nicht 
parasitären Erkrankungen von Monocotylen beobachtet, und Busse !) hat 
dieselbe bei der Sorghum-Hirse in Deutsch-Ostafrika künstlich dadurch 
hervorrufen können, dafs er die Blattspreiten mit Vaselin oder Paraffinöl 
bestrich. Die Färbung leitete sich in den Stereombelägen der Gefäfsbündel 
weiter fort und wird von Busse auf eine Störung des Atmungsprozesses 
zurückgeführt. Wir halten die Rotfärbung für eine Oxydationserscheinung, 
die bei den verschiedensten Ursachen, namentlich aber bei Wurzel- 
erkrankungen eine Funktionsstörung im Leitungssystem anzeigt. Sehr 
deutlich tritt sie auch bei der Ananaskrankheit, einer parasitären, durch 
Thielaviopsis ethaceticus erzeugten Krankheit des Zuckerrohrs auf, die durch 
Stecklinge fortpflanzbar ist. ‚Je gröfser der Zuckerreichtum des Stengels 
— er nimmt von der Basis bis ungefähr zur Mitte hin ständig zu — desto 
leichter erkranken die Stecklinge durch den Pilz?). Die Rotfärbung 
erscheint bei der Serehkrankheit bisweilen ganz isoliert in einzelnen 


!) Busse, Warser, Untersuchungen über die Krankheiten der Sorghum-Hirse. 
Arb. d. Biol. Abt. f. Land- u. Forstw. am Kaiserl. Gesundheitsamte 1904, Bd. IV, 
Heft 4, S. 319. 

2) Coss, N. A., Fungus Maladies of the Sugar Cane. Rep. Exp. Stat. of the 
Hawaijan Sugar Planters’ Association. Bull. 5, Honolulu 1906, Pl. 1, p. 218. 


688 III. Enzymatische Krankheiten. 


Knoten, während das darunterliegende Internodium noch unverfärbte 
Fibrovasalstränge besitzt. Dies läfst darauf schliefsen, dafs die Krank- 
heit ein Allgemeinleiden, eine Konstitutionskrankheit darstellt, die ihre 
ersten sichtbaren Symptome bald hier bald dortan besonders geschwächten 
- Stellen in die Erscheinung treten läfst. 

Man hat die Ursache der Krankheit in den verschiedenartigsten 
Einflüssen gesucht: Bodenerschöpfung, Degeneration durch fortgesetzte 
ungeschlechtliche Vermehrung, abnorme Witterungsverhältnisse, un- 
passende Düngung, namentlich mit Erdnufskuchen (Bungkil), zu tiefes 
Pflanzen bezw. zu hohes Anerden, zu frühe oder zu späte Pflanzung 
und endlich Parasiten. Von letzteren kommen Nematoden, Fadenpilze 
und Bakterien in Betracht. 

Nun widersprechen die Untersuchungen des einen Forschers den- 
jenigen eines anderen. So gibt beispielsweise KrÜsEr an, dafs er als 
steten Begleiter der Krankheit Bakterien in den Gefäfsen gefunden 
habe, während TschircH !) die Bakterien als Krankheitsursache für aus- 
geschlossen hält und die ersten Anfänge in einer Wurzelverletzung 
erblickt. BENEcKE?) steht auf der Seite von KrÜGER; Möpıus?) wendet 
sich gegen die Behauptung einer vorliegenden Degeneration und sucht 
die Ursache auch in parasitären Organismen. OHt®) sieht die Ursache der 
Serehkrankheit und der Blattfallkrankheit des Kaffeebaumes in Java in der 
Entwaldung derBerge und der daraus hervorgehenden Trockenheit. Eben- 
falls aut Wassermangel führt Jans£?) die Krankheit zurück, insofern als er 
glaubt, dafs die gummiartige Verstopfung der Gefäfse die Leitung be- 
hindert. Die Bildung der gummiartigen Substanz bringt er mit Bakterien 
in Verbindung (.Bacillus Sacchari). WENT®) betrachtet die Sereh direkt 
als eine Gummose, die durch das Zusammenwirken einer parasitären 
Wurzel- und Blattscheidenerkrankung: zustande kommt und sich durch 
Stecklinge fortpflanzt. 

Als nicht parasitäre Gummose talst WARKER?) die Krankheit auf, 
die damit zusammenhängt, dafs die während des trocknen Monsuns 
entwickelten Stecklinge in der folgenden Regenzeit Wasserüberschufs 
bekommen. 

So wogt der Kampf der Meinungen bis in die neuste Zeit fort°), 
ohne dais er zu positiver Einigung geführt hätte. Der Grund ist wahr- 
scheinlich darin zu suchen, dafs die bei der Serehkrankheit angegebenen 
Merkmale auch bei anderen Krankheitserscheinungen vorkommen, wie 
beispielsweise der folgende Abschnitt zeigen wird, und dafs daher ver- 


!) Tscaiecn, A., Über Sereh, die wichtigste aller Krankheiten des Zuckerrohres 
in Java. Schweiz. Wochenschrift f. Pharmazie 1891. 

?) Benecke, Franz, Proefnemingen ter Bestrijding der „Sereh“. Samarang 18%. 
Weitere Abhandlungen desselben Autors s. Zeitschr. f. Pflanzenkr. 1891, S. 354, 361. 

®2) Mörıus, M., Over de gevolgen van voortdurende vermenigvuldiging der 
Phanerogamen langs geslachteloosen weg. Mededeelingen van het Proefstation 
„Midden Java“ te Samarang. 1890. 

ä 2 en A.E., Eene Waterstudie. Batavia 1891; cit. Zeitschr. f. Pflanzenkrankh. 

Bad. I, S. 365. 

5) Cit. Zeitschr. f. Pflanzenkrankh. 1893, S. 238. 

6) Went, F. A., Die Serehkrankheit; cit. Zeitschr. f. Pflanzenkrankh. 1894, S. 235 
und 1901, S. 297. 

1) ee J. H., De Sereh-Ziekte S. A. Archief voor de Java-Suikerindustrie. 
1897; Afl. 3. 

8) Hrıs, A. S. A., Hypothesen en Ervaring omtrent de Sereh ziekte. De 
Indische Mercuur. Amsterdam 1905; cit. Jahresber. £f Pflanzenkrankh. v. Horrrung, 
Ba. VIII, 1906, S. 245. 


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| vere el DI in Berlin SW., Hedemannstralse 10. 


Berichte über Landwirtschaft 


herausgegeben im 


Reichsamte des Innern. 


Heft 5. 


Krankheiten und Beschädigungen 
der Kulturpflanzen im Jahre 1905. 


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Pflanzenkrankheiten 


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Verschiebungen der enzymatischen Funktionen. 689 


schiedene Untersucher auch verschiedene Krankheitsformen unter den 
Händen gehabt haben dürften. 

Von den positiven Ergebnissen heben wir einige Tatsachen heraus, 
nämlich, dafs gesundes Rohr mitten in serehkranken Pflanzungen sich 
gesund erhalten kann, und dais zweitens krankes Rohr in gesunden 
Feldern krank bleibt. Es kommt ferner hinzu, dafs manchmal tiete 
Feldränder zuerst oder allein erkrankt sich zeigen, und dafs das stark 
zur Erkrankung neigende Uheribon-Rohr im Gebirge angepflanzt, ge- 


sunde Stecklinge ergeben hat. Bekannt ist aufserdem, dafs einzelne ' 


Varietäten nahezu immun, andere sehr hinfällig sind. Ja, Stecklinge 
derselben Varietät aus serehfreien Ortlichkeiten halten sich auch 
in infizierten (segenden zunächst gesund. Daraus geht hervor, dafs 
die Krankheit schwerlich parasitär ist, sondern in die Gruppe der Gum- 
mosen fällt. Es wird dabei gar nicht bestritten, dafs auch bakteriöse 
Gummosezustände bei der Sereh existieren, ähnlich wie bei der Schwanz- 
fäule unserer Zuckerrüben, aber auch diese Formen hängen von gewissen 
Schwächezuständen des Pflanzenleibes ab, die wir als Verschiebungen 
der enzymatischen Funktionen bezeichnen. 

Wir erblicken in der rücksichtslosen Kultur des Zuckerrohrs bei 
gesteigerter Dünger- und Wasserzufuhr auf schwerem Boden in ge- 
schlossenen Lagen usw. die Ursache, dafs das Rohr nicht genügend 
ausreifen, d. h. Reservestoffe, also hier Rohrzucker ablagern kann. Tat- 
sächlich ist der Rückgang im Zuckergehalt bei der Sereh ungemein grotis. 

Wir sind nicht in der Lage, den Vorgang zu präzisieren, der den 
Mangel an Reservestoffen veranlaist. Es ist aber für die Beurteilung 
der Krankheit gleichgültig, ob dabei ein Überschufs abbauender oder 
eine Lähmung aufbauender Enzyme vorhanden ist. Die Stoffwechsel- 
vorgänge, welche zu diesem Rohrzuckermangel führen, sind natürlich 
in der ganzen Pflanze vorhanden, gleichviel wo sie sich symptomatisch 
geltend machen. Also jeder kleinste Teil des kranken Rohres, auch 
wenn er keine Symptome von Sereh erkennen läfst, ist tatsächlich 
prädisponiert und enthält eben die abwegigen Stoffwechselvorgänge. 
Mithin ist jeder Bibit (Steckling) einer serehkranken Pflanze ein Todes- 
kandıdat, sobald er ın Verhältnisse kommt, welche der Krankheit 
günstig sind; er heilt sich aber aus und kommt zu normaler Enzym- 
tätigkeit zurück auf Ländereien, wo Sereh nicht zum Ausbruch kommt. 

Daraus ergibt sich als bestes Mittel die Auswahl serehfester Sorten 
oder wenigstens die Anzucht von Bibits in freien Gebirgslagen und 
sonstigen Ortlichkeiten, welche die Krankheit nicht aufkommen lassen. 
Wahrscheinlich wird eine Kulturänderung in der Richtung, dafs nur 
schwache Düngungen und lockerer Boden sowie freie Lagen zur Rohr- 
kultur zur Verwendung kommen, auch in ausgesprochenen Krankheits- 
herden die Sereh zum Stillstand kommen lassen. 

Wir glauben, dafs auch die als Rotze des Zuckerrohrs be- 
schriebenen Krankheiten hierher gehören. Desgleichen ziehen wir hier- 
her die von SpEsazzını!) beschriebene Pulverkrankheit, die auch 
mit roten Flecken und Gummiausscheidung auftritt, aber sich durch 
unangenehmen Geruch bemerkbar macht. Es leidet namentlich die 
Stengelbasis. Aus dem Gummischleim liefs sich ein Bazillus isolieren 
(Bacillus Sacchari), der einen sauren Nährboden braucht und eine 


') Spesazzını, La gangrena humida o polvillo de la canna de zucchero. Rivista 
azucarera 1895. 


Sorauer, Handbuch. 3. Aufl. Erster Band. 44 


LIBRAR\ 
NEW YOtL 
BOTANIG, 


uvARI 


EN 


690 III. Enzymatische Krankheiten. 


Eiweifsfäulnis hervorruft, welche die Veranlassung zu dem ekelhaften 
Geruch des kranken Rohres gibt. Dieselbe Krankheit kommt auch bei 
Andropoyon nutans vor. Betreffs des Zustandekommens der Rotfärbung 
der Gefäfsbündel und des Gummis beim Zuckerrohr durch Mikro- 
organismen ist eine Arbeit von GrEIG SMit#H ') von besonderer Wichtig- 
keit. Er fand rote Gefäfsbündel sowohl an sonst gesundem Rohr als 
auch an den von Baeillus vascularım Cobb gummos gewordenen 
Stengeln. Die rote Färbung war durch die Ausfüllung der grofsen 
Gefäfse durch ein rotes Gummi entstanden, wie bei der Sereh und 
anderen Zuckerrohrkrankheiten. Er fand ferner einen Fadenpilz, der auf 
Nährmedien mit Dextrose eine glänzende, hoch scharlachrote Färbung, 
aber kein Gummi erzeugte und in den erkrankten Gefäfsen Gummi- 
bakterien, nämlich Bacillus pseudarabinus n. sp., bact. Sacchari 
(„diese Art bewohnt normalerweise das Zuckerrohr“) und aufserdem 
Bact. vascularum. Auf Platten von Nähragar mit Laevulose pro- 
duzierte der Pilz keinen Farbstoff, aber in Kombination mit Bact. 
pseudarabinus wurde ein leuchtend scharlachroter, mit Bact. Sacchari 
ein rostbrauner erzeugt. 

Aus diesen Beispielen ersieht man, wie die Beschaffenheit des 
Mutterbodens die parasitäre Tätigkeit zu modifizieren imstande ist, und 
auf welche Weise daher wechselnde Krankheitsbilder entstehen. Vor- 
bedingung für das Zustandekommen der Krankheit ist aber eine 
Abwegigkeit der normalen Stoffwechselvorgänge im bisher gesunden 
Rohre, welche die Vermehrung von (wahrscheinlich stets vorhandenen) 
Bakterien begünstigt und die bei den verschieden empfänglichen Rohr- 
sorten bald früher, bald später eintritt, bei den immunen Sorten aber 
unterbleibt. 


Die Cobb’sche Zuckerrohrkrankheit. 


Nach Erwım SmiıtH?) hat die Serehkrankheit viel Ahnlichkeit mit 
der von ihm beschriebenen Cobb’schen Krankheit des Zuckerrohres 
in Australien (und wahrscheinlich auch auf Mauritius, Java und Brasilien). 
Die letztere charakterisiert sich auch durch Zwerghaftigkeit des Wuchses, 
Verkürzung der Internodien, Albicatio, vorzeitiges Aussprossen der 
Knospen und Fortpflanzung durch infizierte Stecklinge. Sie unterscheidet 
sich aber wesentlich dadurch, dafs das Herz des Rohrstengels rotzig 
wird und dafs beständig in den (blutroten) Bündeln des Stammes massen- 
haft ein gelber Schleim (gum) auftritt. Durch sorgfältige Impfversuche 
ist nachgewiesen, dafs die Ursache der Erkrankung Pseudomonas (‚Ba- 
cillus CogB) vascularum ist. 

Die Rotfärbung der Bündel (entsprechend der Braunfärbung bei 
anderen bakteriösen Gummosen) hält S. für eine Reaktion der Pflanze. 
Nach PRINSEN GEERLINGS existiert in der Cellulose des normalen Zucker- 
rohres ein neutraler, schwer löslicher ungefärbter Stoff, welcher bei 
Einwirkung von Alkali ins Gelbe übergeht (wie Gerbstoffe, Ref.), aber 
bei Durchlüftung rot und später braun wird. 

Das interessante Resultat ist der Nachweis, dafs bestimmte Rohr- 
varietäten (Common Green Cane) bei Impfversuchen eine aufser- 
ordentlich grofse Empfänglichkeit zeigten, während andere Varietäten 


) R. Greie Surmm, Sidney. Bakteriolog. Laboratorium der Linnean Soc. of 
New South Wales. Centralbl. f. Bakt. usw. 1906, Bd. XV, Nr. 25, S. 733. 

2) Surrm, Erwın, Ursache der Cobb’schen Krankheit des Zuckerrohres. Central- 
blatt f. Bakteriologie usw. 1904, Bd. XIII, Heft 22/23. 


Verschiebungen der enzymatischen Funktionen. 691 


(z. B. Common Purple Cane) nur ganz leicht erkrankten. Letztere 
zeigten nahezu den doppelten Säuregehalt des Saftes, und SmiItH 
vermutet, dafs die hohe Empfänglichkeit für den Parasiten „nur auf 
der schwachen Acidität oder dem minimalen Auftreten einer spezifisch 
hindernden Säure“ beruht. CoßB berichtet, dafs dort, wo solche wider- 
standsfähigen Sorten angebaut wurden, die Krankheit verschwunden sei. 

Zu derselben Krankheitsgruppe gehört die von mir als „bakteriöse 
Gummosis“ zuerst beschriebene, später als „Rübenschwanz- 
fäule“ bekannt gewordene Krankheit der Zuckerrüben (s. II. Teil des 
Handbuches S. 42). Soweit Versuche erkennen lassen, gelangen die 
Bakterien nur dann zur epidemischen Ausbreitung, wenn bei reicher 
Stickstoffdlüngung anhaltende Hitze und Trockenheit die Vegetation 
der Rüben schwächen. Tritt bei derselben UÜberdüngung teuchtes 
Wetter ein, geht, zwar der Zuckerertrag bedeutend zurück, aber 
bakteriöse Gummosis bleibt aus !!). 


Peach Yellow. 


Seit 1887 ıst eine Krankheit der Pfirsichen ın den Ver. Staaten von 
Nordamerika dem ernsteren Studium unterzogen worden, welche den 
ausgedehnten Kulturen ungemein grofsen Schaden zufügt. Es handelt 
sich um eine durch Veredlung übertragbare Gelbsucht?). Dadurch 
unterscheidet sich diese Gelblaubiskeit von den ähnlichen, durch Nähr- 
stoffmangel, Frost usw. veranlafsten Erscheinungen. Bei der Krankheit, 
die seit zwanzig Jahren in steter Zunahme begriffen ist und in manchen 
Landschaften (Delaware und Chesapeake Region) den Pfirsichbau un- 
lohnend gemacht hat, gilt als charakteristisch zunächst eine eigenartige 
Rotfleckigkeit und vorzeitige Reife der Früchte. Hierzu kommt die 
vorzeitige Entwicklung der Winterknospen und reichliche Proventiv- 
und Adventivaugenausbildung. Also krankhafte Verzweigung wie bei 
der Sereh. Während die bisweilen auch ım Fleisch rotstreifigen Früchte 
im ersten Jahre noch normale Gröfse haben, verkleinern sie sich in 
den folgenden Erkrankungsjahren und werden seschmacklos oder gar 
bitter. Die Erscheinung ist zunächst auf einige Äste beschränkt, breitet 
sich aber allmählich über den ganzen Baum aus. Dabei fängt das 
Laub an stellenweis gelbgrün zu werden, und schwächliche, bleiche 
Sprosse brechen aus der Rinde hervor. Die nächste Frühjahrsbelaubung 
tritt dann schon gelb oder rötlichgrün heraus; die neuen Triebe 
verbutten und ihre Blätter rollen und verkrümmen sich. Bisweilen 
zeigen alle gesunden schlanken Triebe plötzlich an ihrer Spitze eine 
sich fortwährend wiederholende Bildung von immer schwächlicher 
werdenden Seitenachsen, und es entstehen (meist im Herbst) ganze 
Sprofsnester. Früher oder später tritt der Tod ein. Bei Okulation von 
gesunden Augen erkrankier Bäume zeigte sich ein grofser Prozentsatz 
der Okulanten erkrankt, und zwar nicht blofs der aus dem Auge sich 
entwickelnde Trieb, sondern auch die Unterlage, ähnlich der Pana- 
chierung in der Albicatio. 

Zunächst als eine Varietät der geschilderten Krankheit galt die 
Peachrosette, die auch an Pflaumen auftritt und nunmehr von SMmitH 


!) s. Zeitschr. f. Pflanzenkrankh. 1892, S. 230, 1896, S. 296 und 1897, S. 66. — 
Blätter f. Zuckerrübenbau 1894, 8.1. 

?) Sum, E. F., in Report of the chief of the Section of Vegetable Pathology. 
Washington 1890. — Surru, Erwıs F., Additional evidence on the communicability 
of peach yellows and peach rosette. Washington 1891, Bull. 1. 


44 * 


692 III. Enzymatische Krankheiten. 


als besondere Krankheit angesprochen wird. Ihr Verlauf ist ungemein 
schnell, so dafs schon in demselben oder spätestens im folgenden Jahre 
der Tod eintritt. Auch hier entstehen Blattrosetten durch auffällig 
reichliche Entwicklung schlafender Augen und Aussprossung normaler 
Seitentriebe, die aber kaum ein Sechstel der Länge gesunder Triebe 
erreichen und sofort wieder Seitensprosse entwickeln, die wiederum 
sich verzweigen. Solche Zweignester enthalten manchmal 200 bis 4uU 
kleine Blättchen und milsgestaltete Nebenblätter. An der Basis der 
Triebe sind die Blätter gröfser und besser ausgebildet, aber eigentümlich 
an den Rändern eingerollt und durch eine gewisse Starrheit der Mittel- 
rippe auffällig steif. Diese Blätter werden schon im Frühsommer gelb 
und fallen ab: im Laufe des Sommers trocknen die ganzen Rosetten 
ein. Die Blumen an den erkrankten Trieben entwickeln sich hier 
aber nicht früher, sondern eher etwas später als bei.den gesunden; da- 
gegen fallen die gummos werdenden Früchte ab, wenn sie noch grün 
sind und zeigen niemals die roten Flecke, wie bei der Peach Yellow- 
Krankheit. In beiden Krankheiten erweisen sich die feinen Seiten- 
wurzeln geschrumpft und abgestorben, und die Rosettenkrankheit ist 
vielfach mit reichlichen Gummiherden vergesellschaftet gefunden worden. 
Auch die Rosettenkrankheit ist durch Okulation auf die Unterlage über- 
tragbar. Nur entwickeln sich in der Regel viel mehr normale Seiten- 
augen an einem Zweige zu Rosetten, und dadurch wird die Büschel- 
bildung eine dichtere als bei der Peach Yellow. 

Betreffs der Ursache sind die Meinungen geteilt; doch kommt 
hier die Bakterientheorie weniger zum Ausdruck, nachdem anerkannt 
worden ist, dafs Mycel und Bakterien in vielen Fällen nicht zu finden 
gewesen sind. Man kommt also hier viel allgemeiner zu der Anschauung 
dafs es sich um eine Konstitutionskrankheit handelt, bei der die abwegigen 
Stoffgruppen, wie bei der Albicatio und der Mosaikkrankheit sich durch 
Veredlung übertragen lassen; hier ist sogar die Übertragung durch den 
Pollen wahrscheinlich. da Morss ! ) beobachtet hat, dafs von drei Pfirsich- 
sorten zwei erkrankten, eine dritte aber, White Magdalene, gesund blieb. 
Diese liefs sich mit anderen nicht kreuzen. 

Von den aufserordentlich zahlreichen praktischen Versuchen, die 
namentlich SmitH?) angestellt hat, kann als Resultat nur gemeldet 
werden, dafs dadurch kein Hinweis auf die Ursache erlangt worden ist. 
Nährstoffmangel und -überschufs können in gewöhnlichen Jahren nicht 
als Grund einer Erkrankung angesehen werden: doch läfst sich beob- 
achten, dafs regenreiche und kühle Sommer eine Abnahme, grofse Trocken- 
perioden eine Zunahme der Erkrankungen zeigen. Bei der Rosetten- 
krankheit wurde durch Veredlung auf “Mariannenpflaume anscheinend 
ein Schutzmittel gefunden, da die vom kranken Pfirsich stammenden 
Augen sich zu gesunden Trieben entwickelten. Infektionsversuche mit 
etwa 20 verschiedenen Bakterien- und Hefearten aus dem Gewebe 
kranker Pfirsiche zeigten keinen anderen Erfolg, als dafs in einigen Fällen 
an der Impftstelle Anschwellungen oder Gummiflufs entstanden?). 


') Morse, E. W., On the power of some peach trees to resist the disease called 
„yellows“. Bull. Bussey Institution, Cambridge 1901; cit. Zeitschr. f. Pflanzenkr. 
1902, S. 58. 

” Sur, E. F., Experiments with fertilizers ete.; cit. Zeitschr. f. Pflanzenkr. 
1894, 177. 

Surm, E. F., Additional notes on peach rosette. The Journal of Myceology. 
Vol. VII, Nr. 3, 1893. 


Verschiebungen der enzymatischen Funktionen. 693 


Mandelbäume leiden von beiden Krankheiten, von der Gelbsucht 
auch die Aprikosen und die japanische Pflaume !). 

Unserer Anschauung nach handelt es sich hier auch um Schäden, 
die durch intensive Kultur und Nichtberücksichtigung der Bodenansprüche 
des Pfirsichbaumes hervorgebracht werden. Alle schweren und sehr 
dungreichen Böden sind der Pfirsich für die Dauer gefährlich. Anbau 
aut lockeren Bodenarten und freier Standort dürften bei der Bekämpfung 
in erster Linie zu berücksichtigen sein. 


Der Gummifluss der Kirschen. 


Der Gummiflufs ist als eine weitverbreitete Erscheinung, namentlich 
in der Familie der Steinobstgehölze bekannt, die durch sehr verschieden- 
artige Ursachen hervorgerufen werden kann. 

Hauptsächlich sind es bei uns die Kirschen und Pfirsiche, welche am 
häufigsten an Gummiflufs leiden. Wir sehen bald hellgelbe, durchsichtige, 
bald braune, trübe, feste Massen über einen Teil der Rinde eines Zweiges, 
oder Stammes ergossen. Diese Massen sind in kochendem Wasser 
löslich, in Weingeist unlöslich, unkristallisierbar, geben mit verdünnter 
Schwefelsäure gekocht einen gärungsfähigen Zucker und liefern, mit 
Salpetersäure behandelt, Schleimsäure, sind also ein Glied jener Gruppe, 
welche die organische Chemie mit Gummi bezeichnet. Je nach ihrer 
Quellbarkeit im Wasser hat man verschiedene Arten von Gummi unter- 
schieden; das in kaltem Wasser vollständig lösliche Gummi hat man 
als Arabin eingeführt, das die Eigenschaften einer Säure hat?); das 
in Wasser zu einer klebenden Gallerte aufquellende Tragantgummi ist 
ein Repräsentant der Bassoringruppe, und als Üerasin wurde die 
Modifikation des Bassorin angesprochen, die in kochendem Wasser 
löslich ist. Das Gummi der Kirschen und Pflaumen ist ein Gemisch von 
Arabin und Cerasin. Wir dürfen annehmen, dafs das bei der Gummose 
gebildete Gummi je nach der Zeit seiner Entstehung und je nach 
Charakter der Gewebe, aus denen es entsteht, in seiner Zusammen- 
setzung wechselt. Es dürfte Verwandtschaft mit den Pektinsubstanzen 
besitzen. Das arabische Gummi trägt den Charakter eines organischen 
Kalksalzes. 

Den besten Einblick in das Wesen der Krankheit erlangen wir bei 
Betrachtung eines jungen, stark gummosen Kirschenzweises, wie er in 
Fig. 155 1 u. 2 dargestellt wird. Hier zeigen sich zunächst mitten im 
normalen Holzkörper einzelne Gefälse, welche gänzlich mit Gummi an- 
gefüllt sind (Fig. 155 2a), und zwar hat sich dasselbe zum Teil schon 
aus der sekundären Gefälsmembran gebildet. Durch Behandlung mit 
Salzsäure, welche die Holzzellen- und Gefäfswandungen, sowie die 
eigentlichen Bastzellen leuchtend karminrot färbt, erkennt man den 
Übergang der noch roten Gefäfswand in das gelbe, hier tropfenförmig 
aufsitzende Gummi sehr leicht. Diese Erscheinung ist häufig nur Vor- 
läufer oder Begleiter einer viel tiefer eingreifenden Gummibildung, 
wodurch grofse Gummidrusen im Holz und in der Rinde entstehen. 

Schon an einjährigen Zweigen gelingt es, die ersten Spuren des 
Gummiflusses zu entdecken. Bei Durchmusterung von Querschnitten 
Jugendlicher Zweige, an denen sich die Gummosis nur durch Auftreten 
eines äufserst kleinen, schwarzen Punktes dem blofsen Auge kenntlich 


1) Cit. Zeitschr. f. Pflanzenkrankh. 1396, S. 156. 
2) Özarer, Fr., Biochemie d. Pflanzen. Leipzig 1905. Bd. I, S. 554. 


694 III. Enzymatische Krankheiten. 


macht, zeigen sich bisweilen hellere Stellen im Holzkörper, die bei 
genauerer Untersuchung aus parenchymatischen anstatt aus pros- 
enchymatischen Zellen zusammengesetzt sind. Dieses abnorme Holz- 
parenchym (Fig. 155 2p) ist meist von dem normalen Holzkörper 
eingeschlossen, der es auch vom Cambium (2c) abgrenzt. In der 
Regel sind diese helleren Stellen, welche parallel Ps Peripherie und 
meist getrennt durch dünne, radiale Streifen normalen Holzes neben- 
einander gelagert sind, in verschiedenen Entwicklungsstadien. Einige 
sind vollständig unversehrt, andere zeigen bereits die Zellen in der 
Mitte zu Gummi umgewandelt; in einzelnen Fällen ist schon das 
ganze abnorme Parenchym und ebenso das feste, normale Holz in 
vollständigem Übergange zu Gummi (Fig. 155 2d). Es wird dabei die 
Intercellularsubstanz zuerst aufgelöst; dann folgt die primäre und endlich 
die sekundäre Membran der Gefäfse und Holzzellen. In solchen grölseren 
Gummilücken tritt ein eigentümlicher Vorgang von Wachstum einzelner 
Zellelemente neben der gleichzeitigen Auflösung der übrigen ein. 
Während nämlich die Holzzellen und Gefäfse der Gummifizierung unter- 
liegen, wachsen zunächst einzelne Markstrahlzellen etwas in die "Länge; 
die Stärke, welche sie enthalten, wird aufgelöst; in emigen bemerkt 
man hier und da zwei neue Zellen, die sich in divergierenden 
Richtungen verlängern. Die mehr nach innen liegenden, vom Gummi- 
herde etwas entfernteren Markstrahlzellen runden sich ab und ‚verlängern 
sich ebenfalls, und so entstehen zahlreiche Fäden, welche Ähnlichkeit 
mit manchen Algen (Trentepohlia) haben (Fig. 155 m) und welche frei in 
die Gummimasse hineinwachsen. Allmählich verfallen auch diese Fäden 
der Gummosis; auch sie werden von aufsen nach innen aufgelöst, was 
jedoch nicht in bestimmter Reihenfolge stattfindet. Manchmal sieht 
man die Zellen an der Spitze des Fadens bis auf einen dünnen Über- 
rest der Wandung verflüssigt; in anderen Fällen sind Zellen an der 
Basis aufgelöst, und es liegt dann das freigewordene Fadenstück 1so- 
liert in der Gummimasse. 

Ganz ähnliche Vorgänge zeigen sich in der Rinde, deren dick- 
wandige Bastzellen (Fig. 155 b) sehr leicht der Gummosis unterliegen. 
Die Gummiherde sind ın der Rinde häufiger anzutreffen als ım Holze; 
in seltenen Fällen habe ich die ersten Anfänge nur im Cambium selbst 
gefunden, und zwar bei Pfirsich mehr als bei Kirsche. 

Wo aber auch immer die ersten Anfänge sich zeigen mögen, stets 
ist das Übel bei weiterem Umsichgreifen gefährlich. Im Holz entstandene 
Gummifizierung teilt sich bald dem Cambium und der Rinde mit; bei 
grölserer Ausdehnung in der Rinde, die wohl den gröfsten Teil des 
nach aufsen tretenden Gummis liefern mag, bleibt für die Folge auch 
das Cambium nicht unversehrt. Die Behauptung, dafs die Gummose 
stets im Cambium beginne, ist nur dann richtig, wenn damit die 
Anlage unvollkommen ausgebildeter Zellen, die später der 
Schmelzung verfallen, gemeint ist. Der Verflüssiennesprozefs selbst 
kann an jeder Stelle der Achse und viel später beginnen, als die An- 
lage dieser Gewebe stattgefunden hat. Daher sehen wir Gummilücken 
mitten im Holzkörper. 

Das Endresultat ist im wesentlichen dasselbe. An einer Stelle 
des Stammumfanges ist schliefslich das Cambium vernichtet und der 
schon gebildete Holzkörper mehr oder minder krank. Eine sich weiter 
ausbreitende Wunde ist vorhanden; dieselbe ist aber äufserlich nicht 
immer kenntlich; denn nicht immer wird eine kranke Stelle durch nach 


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jähriger Zweig einer Süfs 
parenchymatischen Gewebegrupp 


Fig. 155. Ein 


696 III. Enzymatische Krankheiten. 


aufsen getretenes Gummi bezeichnet. Selten oder doch erst sehr spät 
tritt Gummi nach aufsen, wenn das Cambium zuerst von der Gummosis 
ergriffen ist. Es stirbt dann das feste, vorher gebildete Holz nur lang- 
sam ab, und zwar allmählich mehr nach der Tiefe des Stammes, nach 
dem Markkörper (Fig. 155 2%) hin, als in der Richtung des Stamm- 
umfanges, was von “den gleichzeitig mit der Krankheit auftretenden 
Überwallungsbestrebungen herkommt. Ein Fall, der in der Zeichnung 
(Fig. 155 19) dargestellt worden ist und nicht selten vorkommt, besteht 
darin, dafs der Rindenkörper mit Ausnahme einiger Bastbündel über 
dem gummosen Holze nicht aufgelöst wird, sondern zusammentrocknet. 
Dort ist der in der Fig. 1552 mit W markierte Raum durch die Rinden- 
elemente (Fig. 2r) überspannt. Die Gummibildung ist dann keine sehr 
reiche; aber um so reicher tritt das Streben des Baumes hervor, die 
Wunde zu heilen, was am einjährigen Zweige schon deutlich wahr- 
nehmbar wird. Fig. 155 7, die einen älteren gummosen Stammteil dar- 
stellt, zeigt in « die mehrjährigen Überwallungsversuche des Baumes; 
a ist ein abgehender Zweig. 

Reichlichere Holz- und Rindenbildung an den der Wunde zunächst 
liegenden gesunden Stammteilen (Fig. 155 2h) machen den Stamm an 
der Wundseite dicker als an der gesunden Seite /’ und ober- und 
unterhalb der Wunde. Wenn die Rinde über der Wunde erhalten 
bleibt, heben die Überwallungsränder (Fig. 155 «) die trockne Rinde 
von dem kranken Holzkörper ab, und es bildet sich auf diese Weise 
eine Höhle, deren hintere Wand von dem der Gummose teilweise an- 
heimfallenden Holz- und Markkörper, deren vordere Wand von der 
vertrockneten (in unserer Figur nicht gezeichneten) Rinde und deren 
Seiten von den frischen Überwallungsrändern «u gebildet werden. 
Die dadurch entstehende Höhle ist ein Aufenthalt von Insekten und 
Pilzen. a 

Aber auch die neugebildeten UÜberwallungsränder bleiben selten 
intakt. In den meisten Fällen sieht man in dem üppig entwickelten, 
neuen Gewebe kleine Gummiherde (Fig. 155 2d'). Zwar sucht die 
lebendige Rinde die kranke Stelle durch Schichten von Lederkork ein- 
zuschlieisen; allein eme Heilung habe ich nicht bemerken können. 
Durch dieses Auftreten neuer Gummiherde im Überwallungsgewebe 
erklärt sich das schwere Schliefsen der Wunde. 

Aus der Betrachtung des abgebildeten me Kirschenzweiges 
haben wir folgende Punkte hervorzuheben: 1. die Entstehung: parenchy- 
matischer Ken zwischen den des Holz- 
körpers; 2. die Lage dieser Gruppen zwischen zwei Markstrahlen, welche 
um diese Parenchymnester herumbiegen können und (seltener) sich 
auch an deren Bildung zu beteiligen vermögen; 3. die Entstehung dieser 
Gruppen unabhängig von Wunden; 4. die Schmelzung dieser Gewebe- 
nester zu Gummilücken, in welche die resistenten Markstrahlzellen faden- 
artig hineinwachsen. Letzterer Umstand erklärt sich dadurch, dafs 
in derselben cambialen Ringzone eines Zweiges oder Stammes die 
Markstrahlzellen dem zwischen ihnen liegenden Gewebe in der Ent- 
wicklung vorauseilen, also radial schon weiter in den Rindenkörper 
hinein verlängert sind und als Schwellgewebe funktionieren. Zur Zeit 
des Anfangs des Schmelzungsprozesses "sind somit die Markstrahlzellen 
derber und widerstandsfähiger, und dadurch entstehen bei der nicht 
durch Wunden veranlafsten Gummosis die ersten Gummiherde als Lücken 
zwischen zwei Markstrahlen. 


I 


Verschiebungen der enzymatischen Funktionen. 697 


Die neueren Erklärungsversuche über das Zustandekommen des 
Gummiflusses — über die älteren Anschauungen vergleiche man die 
zweite Auflage dieses Handbuchs — gehen von den Erscheinungen der 
Verwundung aus. In einer sehr ausführlichen Arbeit behaupten BEIJERINCK 
und Rant!), dafs der Gummiflufs „auf einer durch Wundreiz ver- 
ursachten abnormen Entwicklung des embryonalen Holzgewebes“ beruhe. 

BEIJERINCK stellt sich die Sache so vor: Die normale Pflanze bildet 
eytolytische Substanzen, welche sich an der Gefäfs- und Tracheiden- 
bildung beteiligen. Das dabei erzeugte physiologische Gummi wird 
zwar gewöhnlich gänzlich resorbiert, bleibt jedoch unter Umständen 
als solches selbst in der Höhlung der erwachsenen Gefäfse nachweis- 
bar. Der „Gummiflufs beruht nun auf abnormaler Steigerung der 
Wirkung jener eytolytischen Substanzen unter dem Einflufs absterbender 
Zellen, vielleicht dadurch, dais bei der Nekrobiose eine besonders grofse 
Menge davon erzeugt wird. Unter Nekrobiose ist die Zelltätigkeit 
zu verstehen, nach Tötung des Protoplasma, aber bei dem Aktivbleiben 
der enzymartigen Körper“. 

(Gegen diese Anschauung wendet sich RuHLAND?), der zunächst dar- 
auf aufmerksam macht, dafs Gummifikation in Samen, Früchten®), Blättern 
und, worauf er besonders Gewicht legt, auch im Phellogen stattfinden 
kann. Er fand im jüngsten Phellogen bei Prunus Cerasus bedeutende 
Gummimassen und glaubt, dafs es sich „bei der gummosen Auflösung 
um eine allgemeine Eigenschaft embryonaler Zellen handelt, die aber 
im normalen Leben nicht zur Auslösung kommt, sondern erst auf einen 
weiteren Anstofs hin“. Rustsnp untersuchte die abnormen Gewebe- 
gruppen, welche bei Entstehung des Gummikanals zu beobachten sind. 
und fand blasenartig vergröfserte Zellen mit zwei ausgebildeten Kernen, 
ohne dafs zwischen ihnen eine Zellwand gebildet worden wäre. Der 
Vorgang wird durch die umstehende Fig. 156 erläutert. 

Also die Zellfäden, welche in eine Gummidruse hineinragen, 
kommen dadurch zustande, dafs „eine nicht kranke, an der Basis des 
Fadens liegende Zelle sich wiederholt teilt, die entstehenden Tochter- 
zellen aber nur noch sich vergröfsern, ohne sich zu teilen.“ Es wird 
der normale Wandbildungsvorgang in den embryonalen Zellen gehemmt 
und die zur Querwandbildung bestimmten Kohlenhydrate in Gummi- 
substanzen übergeführt. Die Ursache dieser Anderung sei darin zu 
suchen, dafs durch eine Verwundung die embryonalen Gewebe dem 
Sauerstoff der Luft zugänglich gemacht werden; die eigentlich zur Quer- 
wandbildung bestimmten Kohlenhydrate (also Pektine) werden dann in 
das sauerstoffreichere Gummi übergehen. Grüss®) erklärt sich die 


!) Beiserıneck, M. W., und Rast, A., Wundreiz, Parasitismus und Gummiflufs 
bei den Amygdalaceen. Centralbl. f. Bakteriol. usw. 1905, XV, Nr. 12. — Rant, A., 
Die Gummosis der Amygdalaceen. Dissertation, Amsterdam 1906. 

?) Ruurasp, W., Zur Physiologie der Gummibildung bei den Amygdalaceen. 
Ber. d Deutsch. Bot. Ges. 1907, Bd. XXV, S. 302. 

*) Besonders häufig kommt in nassen Jahren der Gummiflufs bei den Früchten 
der Pflaumen zum Vorschein. In der Regel sind es wasserklare Gummitröpfchen, 
die an dem Fruchtfleisch aus Wunden, die von Insekten herrühren, hervortreten. 
Manchmal kann man keine Insektenverletzung erkennen; es sind dann härter ge- 
bliebene, meist etwas abgeflachte Stellen, welche ein Gummitröpfchen tragen. Im 
Innern der Frucht erkennt man unter der Abflachung einen gröfseren Gummiherd. 
Bei Pflaumen sah ich auch Gummifikation des Steines an der Nahtfläche auftreten, 
so dafs bei geringem Druck die Hälften auseinanderfielen. 

*) Grüss, Über Lösung u. Bildung d. aus Hemicellulose bestehenden Zellwände 
und ihre Beziehung zur Gummosis. Bibl. bot. Heft 39, Stuttgart 1896. Erwin Naegele. 


698 III. Enzymatische Krankheiten. 


Oxydation durch O-Überträger, welche sich bei dem Austreiben im 
Gewebe bilden. Schon früher nahm WiEsxEr!) ein Ferment an, das, 
gleich der Diastase, die Guajakemulsion bläut und durch Kochen zer- 
stört wird. Bei der Behandlung mit Orcin und Salzsäure tritt nach 
kurzem Kochen eine rote oder violette Färbung auf, und es scheidet 
sich ein blauer Niederschlag aus. Im Anfangsstadium der Gummose 
sieht man nur die Inhalte der Parenchymzellen sich derart färben, 
woraus zu schliefsen ist, dafs das Ferment im Protoplasma seinen Sitz 
hat. Das Ferment ist im Gummi der Stein- und Kernobstbäume, in 
arabischen und anderen Gummiarten nachgewiesen worden. Dafs die 
Sauerstoffzufuhr ein unbedingtes Erfordernis zu sein scheint, zeigen 
Runranp’s Versuche mit Sauerstoffabschlufs, wobei die Entstehung von 
Gummiherden unterblieb. 

Nach unserer Anschauung ist die BEIJERINcK-Rantsche Theorie von 
der Nekrobiose unhaltbar, da Gummosis ohne vorheriges Vorhandensein 
toter Zellen in ganz jungen Zweigen und einjährigen Sämlingspflanzen 
an solchen Stellen zu finden ist, die, wie bei Fig. 155 2p, noch intakte 


Fig. 156. Schnitte durch das gummibildende Gewebe (fixiert mit Chromessigsäure. 
gefärbt mit Safranin-Gentianaviolett-Orange-G.). (Nach Runraxn.) 
A ein konfervenartiger Zellfaden, B eine junge Gummilücke; bei a und b je eine zweikernige Zelle. 


Zıellennester darstellen. Also der Wundreiz kommt hier gar nicht ins Spiel. 
Wir glauben vielmehr, dafs alle embryonalen und ausgewachsenen Zellen 
zur Gummibildung befähigt sind, sobald gewisse Vorgänge der Zellwand- 
bildung oder -ausbildung unterbleiben. Diese Verhinderung der nor- 
malen Zellwandausbildung kann sehr gut durch erhöhte Sauerstoffzufuhr 
veranlafst werden. Dieser Sauerstoff wird aber nur bei Verwundungen 
der atmosphärische Sauerstoff direkt sein können, aber wahrscheinlich 
nur selten tatsächlich sein, sondern durch sauerstoffübertragende Sub- 
stanzen geliefert werden, wie Grüss erklärt. Derartige Substanzen sind 
bei dem normalen Austreiben der Bäume vorhanden. Es handelt sich 
bei dem Gummiflufs nur um eine abnorme Steigerung in der 
Menge oder der Wirkungsdauer derselben?). Diese Steigerung 


1) Wiesser, Über ein Ferment, welches in der Pflanze die Umwandlung der 
Cellulose in Gummi und Schleim bewirkt. Bot. Zeit. 1885, Nr. 37. 

2) Diese Substanzen sind in wechselnder Menge je nach Individuum, Standort, 
Jahreszeit usw. im Baume zu finden; daher erklärt sich der verschiedenartige 
Erfolg bei der Hervorrufung des Gummiflusses durch Verwundung. So sind bei- 


Verschiebungen der enzymatischen Funktionen. 699 
kann durch den Wundreiz stattfinden, sie kann auch durch verschiedene 
Parasiten hervorgerufen und endlich durch anorganische Gifte erzeugt 
werden. In letzterer Beziehung erwähne ich meine Versuche über 
Einführung einer schwachen Oxalsäurelösung unter die Rinde ganz ge- 
sunder Kirschbäume. Es entstanden profuse Gummiergüsse im Laufe 
des Sommers, welche allmählich durch das Erlöschen der Oxalsäure- 
wirkung aufhörten und sich z. B. nicht auf Wunden fortsetzten, die 
statt der Oxalsäure nur destilliertes Wasser zugeführt erhalten hatten. 

Betreffs der Art und Weise, in welcher Gummiflufs sich entwickeln 
kann, legen wir die Anschauungen von Grüss (l. c.) zugrunde. Dieser 
Forscher kommt bei seinen Untersuchungen zu dem Ergebnis, dafs die 
Hemicellulosen Mannan, Galactan und Araban direkt oder indirekt als 
Reservestoffe angelegt werden. Direkt geschieht dies in Form von 
verdickten Zellwänden im Endosperm der Samen (Phoenix, Phytelephas) 
oder in Form von sekundären Verdickungsschichten in Libriform- oder 
Holzparenchymzellen (Astragalus-, Prunus-, Acacia- Arten u. a.). Als 
indirekte Reservestoffe können sie gelten, wenn sie, wie im Endosperm 
der Gramineen, die Zellwände der stärkeführenden Zellen zusammen- 
setzen. Die Hemicellulosen Galactan und Araban werden durch Enzyme 
in die Gummiarten Galactin und Arabin übergeführt und können, 
noch bevor sie in die Zuckerarten Galaktose und Arabinose umgewandelt 
sind, im Gewebe wandern. 

Nun sind die gummibildenden Sauerstoffüberträger in der Form 
von Enzymen, die bei dem Austreiben der Knospen entstehen, tat- 
sächlich nachgewiesen, und zwar sind dieselben noch vor der Diastase 
vorhanden. Die letztere wird dann die Hemicellulosen oder deren 
Gummis lösen, wie dies Grüss bei dem Tragant nachgewiesen hat. 

Werden derartige Enzyme im Übermais erzeugt oder ihre Anti- 
körper in zu geringern Mafise entwickelt, dann verhindern sie bei den 
embryonalen Zellen die normale Ausbildung der Zellwand oder beginnen 
bei den fertigen Zellen des ausgewachsenen Holzes den Schmelzungs- 
prozeis, so dafs pathologische Gummiherde zustande kommen. 

Es ist gar nicht unwahrscheinlich, dafs Oxalsäureüberschufs ähnlich 
der hydrolisierenden Schwefelsäure und anderen Mineralsäuren so wirkt, 
wie die natürlich gebildeten Fermente und dadurch Gummiflufs ein- 
leitet. Eine solche Steigerung der Oxalsäurewirkung kann entweder 
dadurch zustande kommen, dafs sie reichlicher gebildet oder spärlicher 
durch Kalk gebunden wird. So macht beispielsweise Mıkosch !) dar- 
auf aufmerksam, dafs sich in den der Umbildung anheimfallenden 
(reweben fast gar keine Kalkoxalatkristalle vorfinden. Dafs der Gehalt 
an diesen Kristallen mit der Ernährung zusammenhängt, geht aus den 
Arbeiten von BErneckE?) hervor, der bei seinen Kulturen fand, dafs 
Zufuhr von Nitraten die Kalkoxalatbildung befördert, Ernährune mit 
Ammon dieselbe verringert. 


spielsweise nicht die jüngsten Zweigspitzen die gefährdetsten, sondern die Region, 
in der das Gewebe sich am meisten streckt, also die unterhalb der Gipfelregion. 
Betreffs des Einflusses der Baumseiten und Jahreszeiten fand ich durch allmonatlich 
ausgeführte Einschnitte, dafs die Zeit des späten Frühjahrs und die südlichen bis 
westlichen Baumseiten am förderlichsten für die Ausbildung der Gummose sind. 


') Mixoscn, K., Untersuchungen über die Entstehung des Kirschgummi. 
Sitzungsber. d. Akad. d. Wiss. Wien; cit. Bot. Centralbl. 1907, XXVIII, Nr. 27. 


2) Bexecke, W., Über Oxalsäurebildung in grünen Pflanzen. Bot. Zeit. 1903, 
Bd. EXT; cit: Bot. Centralbl. (Lotsy) 1903, Nr. 27, S. 16. 


700 III. Enzymatische Krankheiten. 


Von den Parasiten, welche Gummiflufs erzeugen, ist in erster Linie 
das Olasterosporium carpophilum ( (Lev.) Aderh. (Corymeum Betjerinckii Oud.) 
zu nennen. Indes gehört selbst hier eine bestimmte Disposition des Organs 
dazu, wenn der Be wirksam sein soll; denn AnpERHOLD!) fand bei seinen 
Impfversuchen an Blättern, dafs Pilzflecke ohne Gummibildung auftraten, 
wie auch umgekehrt Wunden mit reichlicher Gummibildung in der Mittel- 
rippe des Blattes und im Cambium der Zweige zu finden waren, bei 
denen der Pilz fehlte. So verhalten sich auch die übrigen Parasiten: 
Oytospora leucostoma; Monilia fructigena und cinerea, Botrytis cinerea une 
mancherlei Bakterienarten ?). 

Bei einigen der genannten Parasiten ist es sehr wohl möglich, dafs 
Oxalsäure das von ihnen produzierte Gift ist, welches die Gummose 
veranlafst. 

Bevor wir die Frage nach der Heilung des Gummiflusses berühren, 
ist es nötig, die Aufmerksamkeit auf die Bedingungen zu richten, unter 
denen die Krankheit auftritt. Am häufigsten findet man in der pomo- 
logischen Literatur die Ansicht DUHANEL'S bestätigt, dafs Kirschbäume, 
welche in eine zu kr äftige Erde gepflanzt sind, am meisten der Krankheit 
unterworfen scheinen. Beweise finden wir namentlich bei Pfirsich und 
Kirsche, wenn man unter einer zu kräftigen Erde eine tonige verstehen 
will; auf lockerem, warmem Boden, der sehr reich sein kann, findet 
sich Gummiflufs seltener. Reichlich begegnen wir ferner der Gummi- 
bildung bei gröfseren, ungeschlossenen Ästwunden. Ebenso schen wir 
dieselbe namentlich bei jungen Pfirsichzweigen auftreten, deren Rinde 
durch Quetschung oder Reibung stärker verletzt worden ist. 

Bei meinen Versuchen, bei “denen von einer gröfseren Anzahl von 
Kirschbäumen ım Frühjahr die sämtlichen Augen entfernt worden 
waren, trat mit sehr wenigen Ausnahmen Gummiflufs ein. Beı anderen 
Versuchen, bei welchen die Stämme auf eine gröfsere Länge geschält 
worden waren, erschien an denjenigen oberen “Ringelschnittstellen, an 
denen sich keine Neubildungen in Form von Überwallungsrändern ge- 
bildet hatten. die Gummosis in der Rinde. Bekannt ist endlich, dafs 
starke Wurzel- oder Kronenbeschädigung bei dem Verpflanzen sowie 
auch schlechte Veredlung Veranlassung zur Gummibildung geben. 

Alle diese V erwundungen wirken unserer Ansicht nach nicht durch 
Nekrobiose, sondern durch einfachen Wundreiz, der ein übermäfsiges 
Zuströmen von Baumaterial veranlafst, welches nicht normale V erwendung 
finden kann. Es stellt sich gleichsam eine Überstürzung in der Neubildung 
von Zellen ein, die sich in der Anlage parenchymatischer Elemente an 
Stelle prosenchymatischer Zellen kundeibt, wie bei allen sonstigen 
Wundheilungsvorgängen. Es wird also die Tätigkeit der Zellneubildung 
übermäfsig gefördert : zu einer Zeit, in welcher "bereits die aufbauenden 
Enzyme vorherrschen und die Wandverdickungen sowie das Ablagern 
von Reservestoffen übernehmen sollten. Dieses Vorherrschen der Enzyme 
des Jugendzustandes führt zur Verflüssigung der abwegig gebildeten 
Gewebegruppen. Eine solche Verschiebung der Enzymtätigkeit ist in 
ihrer Wirkung wie eine Welle aufzufassen, die sich im Baume so lange 
fortpflanzt, bis ihr durch eine andere Bildungsrichtung Halt geboten 


') Anvsrnorp, R., Über Olasterosporium carpophilum (Lev.) Aderh. und die Be- 
ziehungen desselben zum Gummifluls des Steinobstes. Arb. d. Biol. Abt. d. Kais. 
Gesundheitsamtes 1902, Bd. II, Heft V. 

2) Runtann, W., Über Arabinbildung durch Bakterien und deren Beziehung 
zum Gummi der Amyedalaceen. Ber. d. Deutsch. Bot. Ges. 1906, Heft 7. 


Verschiebungen der enzymatischen Funktionen. 701 


wird. Nach den Erfahrungen der Praxis wird ihr ein solches Halt ge- 
boten durch alle diejenigen Faktoren, welche normale Holzreife und 
rechtzeitige Niederschlagung reicher Reservestoffmengen bedingen: 
lockerer Boden, sonniger freier Standort und Kalkzufuhr, Vermeidung 
überreicher Stickstoffdüngung. 

Zur Behandlung der gummiflüssigen Wunden wird von mehreren 
Seiten die Anwendung von Weinessig warm empfohlen; mir fehlen 
darüber persönliche Erfahrungen. 


Der Gummifluss bei anderen Gewächsen. 
Gummiflufs der Akazıen. 


Dafs die Bildung des Akaziengummis auf ähnlichen Metamorphosen 
wie die des Kirschgummis beruht, bestätigt MÖLLER!), der ganz allgemein 
ausspricht, dafs das Gummi der Akazıen immer durch Umwandlung der 
Zellmembran, von aufsen nach innen fortschreitend, entsteht. Zunächst 
sind es die Membranen des Parenchyms und der Siebröhren, welche 
der Autlösung verfallen. (Die zusammengesunkenen Siebröhren bilden 
Wicanv’s Hornprosenchym). MÖLLER beobachtete das Gummi stets 
als Rindenprodukt und fand, dais dasselbe je nach der Zone, in welcher 
es entsteht, verschieden ist. Durch die Lösung der Innenrinde ent- 
steht Arabisches Gummi, während eine dem Kirschgummi ähnliche, 
weniger lösliche Form in der Mittelrinde auftritt, was wohl von dem 
Alterszustande der metamorphosierten Gewebe abhängen möchte ?). 

Als eine der Ursachen, welche den Ausfluis von Senegalgummi aus 
Acacia Verek veranlassen, erwähnt Marrıns®) die Einwirkung trockener 
Wüstenwinde, welche ım Herbst und Winter wehen und die durch die 
August- und Septemberregen gelockerte Rinde der Akazie zum Auf- 
reilsen bringen. Andere Wundstellen, welche die Ergieisung von Gummi 
zur Folge haben, werden durch einen Schmarotzer, den Marrıns als 
Loranthus senegalensis bezeichnet, veranlaist. Auch kryptogame Parasiten 
werden imstande sein, ein ständiges Oftenhalten von Wunden zu ver- 
anlassen und damit einen Reiz zur Gummibildung auszuüben. Wie 
das Coryneum Beijerinckii bei den Amygdalaceen wirkt Corymeum gummi- 
parum Oud., das OUDEMANS als Knospenform von Pleospora gummipara Oud. 
betrachtet. 


Gummiflufs der Pomeranzen!*). 


Die italienischen Kulturen von Pomeranzen- ( Crtrus vulgaris), Zitronen- 
(©. Limonum) und Apfelsinenbäumen (©. Aurantium) leiden seit vielen 
Jahren an einer immer mehr an Ausdehnung gewinnenden Krankheit, 


') Mörxer, Über die Entstehung des Acacien-Gummi. Sitzungsber. d. Akad. d. 
Wissenschaften. Wien 1375, Juniheft. 

2) Über das verschiedene Verhältnis von Cellulose und Gummi zueinander bei 
verschiedenen Schleimen vgl. Torrens und Kırcnser, Untersuchungen über den 
Pflanzenschleim; cit. Biedermann’s Centralbl. 1875, II, S. 28. — Betreffs der Bildung 
der als Galaktose bekannten Zuckerart, aus allen in Wasser löslichen Schleimen 
bei Behandlung mit verdünnter Säure s. Girzaup, tude comparative des gommes 
et des mucilages. Compt. rend. LXXX, 8. 477. — Prrer Craßssen, Über Arabinose; 
eit. Jahresber. f. Agrikulturchemie 1881, 8. 88. 

3) Marrıss, Sur un mode particulier d’excretion de la gomme arabique produite 
par l’Acacia Verek du Senegal. Compt. rend. 1875, I, p. 607. — Kırını, Über 
arabisches Gummi. Berl. chem. Ges.; cit. Jahresber. f. Agrikulturchemie 1882, S. 88. 

#) Saıvasıano, L., Note di patologia arborea. Napoli 1907. Die Arbeit enthält 
verschiedene Beiträge zur Gummose, die wir leider nicht mehr benutzen und nur 
bei der letzten Korrektur noch erwähnen können. 


702 III. Enzymatische Krankheiten. 


dem „mal della gomma“ der Italiener, welcher derartige Beschädigungen 
verursacht, dafs nach NoverLuıs!) das italienische Ministerium für Acker- 
bau und Handel vor Jahren eine Prämie von 25000 Lire für ein be- 
währtes Heilmittel ausgesetzt hatte. 

Die Krankheit beginnt mit dem Auftreten schwarzer, schnell sich 
vergröfsernder Rindentleckchen am Stamme und an den Asten, nament- 
lich an den Gabelenden. Nach einiger Zeit platzt die geschwärzte 
Rindenstelle, und aus der Wundfläche ergiefst sich eine gelblichweilse 
Flüssigkeit, die allmählich konsistenter und klebriger wird und schlief‘ - 
lich zu gelben Perlen oder einem glasurartigen Überzuge erstarrt. Dis 
Holz unter der Rindenöffnung ist braun und im Zustande gummöser 
Auflösung. Wenn das Gummi auf andere Regionen des Baumes durch 
den Regen geschwemmt wird, soll es neue Krankheitsherde erzeugen. 
Ahnliche Behauptungen finden wir auch betreffs des Akaziengummis, 
und es ist gar nicht unmöglich, dafs solche Fälle vorkommen. Sie 
würden sich, wie bei der Mosaikkrankheit des Tabaks, in der Weise 
erklären lassen, dafs die abwegige Enzymkombination, die in der Gummi- 
bildung ihren Ausdruck findet, den Anstofs zu ähnlicher Umlagerung 
in disponierten gesunden Exemplaren gibt und sich wie eine Wellen- 
bewegung weiter fortpflanzt. 

Die Gummose wird für den Baum tödlich, wenn die Gummiherde 
einen gröfseren Teil des Stammumfanges einnehmen. Nach FLÜHLER ”) 
leiden die Zitronen am meisten, die Pomeranzen am wenigsten. Steck- 
linge scheinen die Krankheitsanlage beizubehalten und ebenso veredelte 
Exemplare einen gröfseren Prozentsatz an Kranken zu geben als un- 
veredelt gebliebene Sämlinge. Reichliche Düngung, starke Bewässerung, 
toniger Boden vermehren das Übel, das auch zunehmen soll, wenn 
Zwischenfrüchte, wie Kürbis, Bohne, Liebesapfel, Tabak u. dergl., welche 
starke Düngung verlangen, gebaut werden. 

Nach dem mir bisher zugänglich gewesenen Material halte ich die 
Krankheit der Agrumen für genau dieselbe Erscheinung wie den Gummi- 
flufs bei den Amygdalaceen. Als eine der augenblicklich häufigsten 
Ursachen, welche auch in Deutschland bei den Steinobstfrüchten in 
den Baumschulen eine grofse Rolle spielt, sehe ich die übermäfsige 
Zufuhr stickstoffreichen Düngers an. 

Von den italienischen Autoren teilt namentlich PesLion®) dıe hier 
geäufserte Ansicht. Er macht darauf aufmerksam, dafs der Unterbau 
von Pflanzen, die eine reiche Düngung: bedürfen, schädlich sei. Stall- 
dünger ist wenig geeignet für die Agrumen; die Früchte werden zwar 
grofs, aber bleiben dickschalig und sauer. 


Die Dintenkrankheit der echten Kastanie. 


Nach GißELLı*) zeichnet sich die Krankheit durch das Auftreten 
welker, gelber Blätter und kleiner, zuckerärmerer Früchte aus. An 
jungen Bäumen vertrocknet die Stammbasis unter Braunfärbung der 


1) Noveruiıs, Errore pe, Il male della gomma degli agrumi; cit. Bot. Central- 
blatt 1880, S. 469. 

2) Frünter, Die Krankheit der Agrumen in Sicilien. Biedermann’s Centralbl. 
1874, S. 368. 

3) Preuion, V., La concimazione e le malattie nella coltura degli agrumi. Boll. 
di Entomol. agrar. ete. 1901 in Bot. Jahresber. 1901, I, S. 479. 

4) Gisernı, La Malattia del Castagno; cit. Bot. Jahresber. 1879, II, S. 375. — 
Giserzı ed G. Anroxierıı, Sopra una nuova malattia dei Castagni, ibid. — Cvaunı, 
Sopra una malattia che devasta i castagneti italiani, ibid. 


Verschiebungen der enzymatischen Funktionen. 703 


Rinde, deren Gewebe bis stecknadelkopfgrofse Tanninkonkretionen auf- 
weist. Die Analysen zeigen das Charakteristikum schlecht wachsender 
Pflanzen, nämlich grofsen Aschengehalt im Verhältnis zur Trocken- 
substanz; in der Asche erkennt man Mangel an Kali und Phosphor- 
säure und bedeutende Zunahme an Eisenoxyd. 

Betreffs der kugeligen Abscheidungen, welche Tanninreaktion zeigen, 
scheint mir die Krankheit verwandt mit einer Form des Mal nero beim 
Weinstock (s. S. 219). Diese Form wird von Couwes!) direkt als Gum- 
mosis angesprochen. Nach Cusını?) zeigt sich die Krankheit, durch 
welche im Frühjahr die Entwicklung der Knospen ganz verhindert oder 
doch gestört wird, durch das Erscheinen schwarzer Streifen und Flecke 
an Zweigen, Blattstielen und Rippen, Ranken und Traubenstielen an. 
Die Flecke erstrecken sich auf das Innere der Organe, und zwar im 
Stamme sogar bis auf das Kernholz. Anufserdem charakterisiert sich 
die Krankheit durch das in den parenchymatischen Elementen des 
Achsenkörpers erfolgende Auftreten gelbbrauner Granulationen, die oft 
das ganze Zelllumen ausfüllen und weder aus eiweilshaltiger Substanz 
noch aus Cellulose bestehen. Cusını, der übrigens die Erscheinung doch 
für parasitär hält, konstatierte auch das Auftreten von Vergrünungen 
der Blüten und bringt diese Erscheinungen mit der Krankheit in 
Zusammenhang. Unter den Pathologen, welche Parasiten gefunden 
haben, herrscht aber wiederum Meinungsverschiedenheit. PRILLIEUX °) 
hält Roesleria hypogaea für die Ursache, während Harrıc*) diesen Pilz 
als Begleiterscheinung und einen anderen, Dematophora necatrix, für den 
eigentlichen Parasiten erklärt. 

Spätere Untersuchungen, namentlich von Pırorra?) ausgeführt, tun 
dar, dafs die angegebenen Körnchen in den Zellen die Gerbstoffreaktion 
zeigen und direkt aus den Stärkekörnern hervorgehen. Er fand sehr 
häufig, aber doch nicht immer, Rhizomorphen an den kranken Wurzeln ; 
dennoch glaubt er diese Tatsache nicht zwingend genug, um die Krank- 
heit als Pilzerkrankung ansprechen zu müssen. ÜoMmes zeigte, dafs die 
fraglichen Körner keine Gerbstoffanhäufungen darstellen, sondern aus 
einer anderen Grundsubstanz (Gummi) bestehen, die nur mit Tannın 
getränkt ist. 

Die Gummose der Feigenbäume. 


Die schon seit den Zeiten des Theophrast bekannte Krankheit des 
Feigenbaames („Marciume del Fico“ der Italiener) hat durch Sava- 
STANO®) eine eingehende Bearbeitung erfahren und ist von diesem Be- 
obachter als eine Gummosis erkannt worden. 


t) Coxes, Il Mal nero della vite. Portici 1882. — Primi risultati degli esperi- 
menti fatti per la cura della Gommosi o Mal nero della vite. Portiei 1882. — Sul 
preteso tannino scoperto nelle viti affette da Mal nero. Bot. Jahresber. 1882. 

2) Cueısı, Ricerche sul Mal nero della Vite. Bot. Centralbl. 1881, Bd. VIII, 
S. 147. — Nuovo indagini sul Mal nero della Vite. Bologna 1882. — Il Mal nero 
della Vite. Firenze 1833. 

3) Prıruwux, La pourridie des vignes de la Haute-Marne, produit par le 
Roesleria hypogaea. Paris 1832. 

‚*) Harsıc, R., Rhizomorpha (Dematophora) necatrix. Der Wurzelpilz des 
Weinstocks. Untersuchungen aus dem forstbotanischen Institute zu München. 
1883, III, S. 95; eit. Bot. Centralbl. 1883, Nr. 46 (Bd. XVI), S. 208. 

5) Pırorra, Primi studii sul Mal nero o Mal dello Spaceo nelle viti 1882; cit. 
Bot. Jahresber. 1882, 

6) Savasrano, L., Il Marciume del Fico. Annuario della R. Scuola Sup. 
d’Agricult. Portici, Vol. III, fasc. V, 1884 con 4. tav. cromot. (nach brieflicher 
Mitteilung). 


704 III. Enzymatische Krankheiten. 


Am deutlichsten zeigt sich die Krankheit, der die alten Pflanzen mehr 
als die Jungen ausgesetzt sind, in den Monaten Juli bis September, wo die 
Blätter gelb werden und abfallen, ebenso wie die Früchte. Obgleich man 
auf den welken und toten Blättern zahlreiche Pilze und auch Insekten 
findet (Fumago salicina Tul., Uredo Freus Cast., Phyllostieta sycophila 
Thüm., Sporodesmium, Coceus caricae Fab.), so sind diese Parasiten doch 
nicht als die Ursache der Krankheit anzusehen. An den Stämmen und 
Ästen findet man meist keine Veränderung, wohl aber an der Wurzel, 
in welcher der Hauptsitz der Krankheit zu suchen ist. Im hochgradigen 
Stadium erscheinen die Wurzeläste bis an den Wurzelhals schwärzlich, 
teilweise aufgespalten oder schon geradezu verfault. 

An den durch Sprossen erzogenen jungen Pflanzen bemerkt man, 
dafs der Sitz der Krankheit in den Wurzelzweigen der Mutterpflanzen 
zu finden ist, von wo aus die weitere Verbreitung allseitig, besonders 
aber in aufsteigender Richtung, stattfindet. Die meist erkrankte Schicht 
ist die äufserste; nur zuweilen ist das Innere hochgradiger zerstört. 
Hat die Zersetzung den Wurzelhals erreicht, geht die Pflanze unbedingt 
dem Tode entgegen. 

Bei dem ersten Erscheinen der Krankheit findet man Zellen und 
(refälse mit einer Substanz erfüllt, welche anfangs zitronengelb und 
später dunkelbernsteingelb erscheint. Zuerst sind die Zellwände damit 
tapeziert und später das ganze Lumen ausgefüllt; mit der Zunahme 
dieser Füllmasse verschwindet die Stärke. Schon bei Sämlingen be- 
obachtete Sıvastano die Entstehung von Gummiherden an der Über- 
gangsstelle der jungen Würzelchen in die oberirdischen Achsen. Ahn- 
liches sah ich bei Süfskirschen, welche äufserlich keine Spur von Er- 
krankung auffinden liefsen. 

Auch an Stamm und Zweigen sah Savastano die Gummosis auf- 
treten ; in deren Gummi fand er eine Substanz, die ähnlich dem bei der 
Gummose des Olbaumes auftretenden Olivile zu sein scheint. Die 
Gummose der oberirdischen Achse wird von den schon bei Sämlingen 
in den Wurzeln sich vorändenden Gummidrusen abgeleitet. Erst nach- 
dem die Pflanzen gummikrank geworden, liefs sich die Rhizomorpha, 
die von anderen Forschern für die Ursache der Erkrankung angesprochen 
wird, nachweisen. Unter Rotfärbung der Wandungen gehen die Paren- 
chymzellen der Wurzeln einen Humifikationsprozeis ein, bei dem durch 
Verschwinden der organischen Substanz das spezifische Gewicht des 
(rewebes immer geringer wird. 

Eine spätere Arbeit von Savasrtano !) gibt die Resultate vergleichender 
Untersuchungen gummoser Exemplare von Amygdalus Persica und com- 
munis, Prunus Cerasus, domestica, insititia, Mahaleb und Armeniaca, sowie 
von Citrus Aurantium, Limonum, vulgaris und nobilis und auch von ‚Olca 
europaea. Die Ergebnisse zeigen, dafs die Gummose der genannten 
Pflanzen mit der von Ficus Carica viel Gemeinschaftliches hat. Bei 
allen erfolgt die Bildung der Gummiherde entweder infolge von Ver- 
wundungen oder ohne jede äufsere Veranlassung, Wenn die Wunde 
schnell und vollkommen überwallt wird, trocknet in der Regel das ge- 
bildete Gummi zu spröden Massen zusammen und bleibt für die Um- 
gebung schadlos. Tritt dagegen Feuchtigkeit an die Wundstellen, dann 
wird das Gummi weich erhalten, leicht in die Umgebung der Wund- 
fläche gebracht und auch diese der Gummose unterworfen. 


!) Gommose caulinaire dans les Aurantiacdes, Amygdaldes, le Figuier, l’Olivier 
et noircissement du Noyer. Compt. rend. I, Decembre 1884. Separatabzug. 


Verschiebungen der enzymatischen Funktionen. 705 


Der Mannafluss. 


An Stelle des Gummi treten bei manchen Pflanzen zuckerhaltige, 
erhärtende, helle Massen aus der Rinde junger Stämme und Zweige, 
die als „Manna“ im Handel vorkommen. Das austretende Verflüssi- 
gungsprodukt enthält Mannit, der durch Ausziehen mit Weingeist in 
feinen, schwach süfsschmeckenden, weifsen, seideglänzenden Kristallen 
erhalten werden kann und auch künstlich sich aus einzelnen Zucker- 
arten darstellen läfst. Untersuchungen über Mannaflufs rühren bereits 
von MEyENn!) her. Nach diesem Forscher werden die grofsen Mengen 
Manna, welche aus Italien kommen, künstlich einer Eschenart, der 
Manna-Esche entlockt, indem man gegen Ende Juli Einschnitte in die 
Rinde macht. Aus diesen Einschnitten fliefst allmählich das Manna als 
dicker, süfser, an der Luft erhärtender Saft aus. 


Der Harzfluss. 


Das, was der Gummiflufs bei Amygdalaceen und der Mannaflufs 
bei Oleaceen, ist der Harzflufs (Resinosis) bei den Koniferen. Derselbe 
tritt bald im Holzkörper auf, bald ergreift er Parenchym und Bastzellen 
der Rinde. Die ersten Zustände der Krankheit zeigen sich im Kienig- 
werden des Holzes; der ausgebildete Zustand besteht in Bildung grofser 
Mengen gleichmäfsiger Harzmassen in verschieden grofsen Hohlräumen 
der Achse, die gewöhnlich Harzbeulen genannt werden. Bekannt 
ist, dafs Harz normalerweise als Zellinhalt in Tropfenform oder, wie 
bei den Leimzotten mancher Gehölzknospen, in Gestalt von Zwischen- 
lamellen der Zellwand oder endlich, wie bei unsern Kiefern und Fichten, 
in bestimmt verteilten, eigentümlichen Harzgängen vorkommt. In der 
Umgegend des Harzganges zeigt der Inhalt vieler Parenchymzellen 
Harztropfen und Stärkekörner, von denen nicht selten einzelne mit 
Harzüberzug versehen sind. Das Material zur Füllung der grofsen 
Harzbehälter mufs notwendig zunächst die Umgebung liefern. Ob dieses 
Material in Form von Harz wandert, wie N. J. C. MÜLLER?) annimmt, oder 
in Form einer anderen Verbindung und sich dort erst zu Harz um- 
bildet, wo es als solches aufgefunden wird, wie HAnstEin®?) anzunehmen 
geneigt ist, das fällt für unsere Betrachtung wenig ins Gewicht, da 
wir festzuhalten haben, dafs die Bildung gröfserer Harz- und Gummi- 
massen nur möglich ist durch Umwandlung zuströmender, plastischer 
Nahrung zu den Orten, wo die Verflüssigung stattfindet, also positiver 
Säfteverlust ist. Dazu kommt für die Resinose wie bei der Gummose, dafs 
auch die geformte Pflanzensubstanz in Gestalt von Holz- und Rinden- 
gewebe und von Stärkekörnern der Verflüssigung verfällt, und dafs auf 


!) Pflanzenpathologie S. 228. N N 

2) Mürzer (Über die Verteilung der Harze usw. in Pringsheim’s Jahrb. f. wiss. 
Bot. 1866-67, S. 387 ff.) sagt, die grofsen Massen Harz in den Harzgängen können 
nicht anders hineingelangen als durch Wanderung durch viele Zellmembranen. 
Mürrer findet die Zellmembranen permeabel für die Harze. Längeres Liegen von 
dünnen Kienholzquerschnitten in Wasser macht, dafs alles Harz in der Zellwand 
durch Wasser ersetzt wird. t 

3) Hassıeın (Über die Organe der Harz- und Sohlelsuahson run 2 den Laub- 
knospen. Bot. Zeit. 1868, Nr. 43 ff.) spricht über das Auftreten von Harz zuerst ın 
den Fugen von Sekretionszellen als schmales Band zwischen Cuticula und 
Cellulosehaut. Dies sind unzweifelhaft gewichtige Gründe für die Annahme, „dafs 
auch das Harz, welches zuerst in Gestalt von Zwischenwandschichten auftritt, 
seine eigentliche Natur erst annimmt, nachdem es noch in anderer Gestalt die 
Zellwand durchsetzt hat und als Zwischenschicht abgelagert ist“. 

Sorauer, Handbuch. 3. Aufl. Erster Band, 45 


607 III. Enzymatische Krankheiten. 


diese Weise bedeutendes Material verloren geht. Nach den Untersuchungen 
von KARSTEN!) und Wisanp ?) erscheint das Holz zunächst kienig, d.h. mit 
Harz und Balsam durchtränkt. Innerhalb der meisten Zellen dieses 
harzgetränkten Gewebes zeigt sich das Harz als Wandbekleidung oder 
in Tropfen zusammengeflossen, während andere Zellen schon vollständig 
mit dieser Masse angefüllt sind. In dem Maise, als der Harzreichtum 
im Innern der Zelle zunimmt, werden die ursprünglich dicken Wandungen 
der Zelle immer dünner, bis schliefslich nur noch eine feine Umgrenzung 
übrig bleibt, die sich in die Harzmasse allmählich verliert. 

Wie bei dem Gummiflufs erscheinen auch hier die Markstrahlen 
länger widerstandsfähig, da man dieselben noch deutlich in die gleich- 
artige, sie umgebende Harzmasse der aufgelösten Holzzellen hinein- 
ragen sieht; es fehlt zur vollkommenen Analogie beider Vorgänge nur 
der Nachweis, dafs bei dem Harzflufs auch ein abnormes Holzparen- 
chym gebildet werde, das unbedingt der Verharzung verfällt. 

Dafs, geradeso wie bei der 
Gummosis, die Stärkekörner bei 
der Resinosis der Verflüssigung 
erliegen, ist mehrfach beobachtet 
worden. Stärke liefert sicherlich 
einen grofsen Teil des Harzes bei 
dem Harzflufs. WIESNER (Sitzungs- 
bericht d. Akad. d. Wissensch. zu 
Wien, Bd.51) gibt z.B. an, dafs 
im Innern der Markstrahlzellen 
der Laubbäume sich Harzkörper 
vorfinden, die den Bau des Stärke- 
mehlkornes besitzen. Dieselben 
werden selten durch Jod allein 
blau, öfter durch Jod und 
Fig. 157. Zellen des Tracheidalparenchyms Schwefelsäure. Mit Cuoxam 
von Pinus Strobus mit der resinogenen 5 3 Re S 
Schicht rsq; ht Harztröpfehen. (Nach Zeigen sıe die Zellstoffreaktion ; 

NorTBere.) gegen Eisenchlorid reagieren sie 

wie Gerbstoff. Daher schliefst 

WIESNER aus seinen Untersuchungen, dafs eine grofse Menge des in der 

Natur vorkommenden Harzes aus Stärkekörnern oder aus in Gerbmehl 

sich umwandelnden Stärkekörnern besteht. Er hält den Gerbstoff für 
das Zwischenglied zwischen Cellulose und Harz. 

Den Beweis, dafs auch bei dem Harzflufs ein abnormes Parenchym- 
holz gebildet wird, das der Verharzung und Schmelzung verfällt, finden 
wir in einer sehr eingehenden Studie von NOTTBERG°) über die Harzgallen. 
NOTTBERG weist nun nach, dafs infolge irgendeiner Verwundung, die bis 
auf das Cambium geht, dieses mit der Produktion eines „Tracheidal- 
parenchyms“ antwortet, das allmählich zu den normalen Tracheiden 
wieder übergeht. Die infolge der Verwundung mit der Aufsenwelt in 
Berührung kommenden Tracheiden des Splintes verstopfen ihre Lumina 


!) Karsten, H., Über die Entstehung des Harzes, Wachses, Gummi und 
Schleims durch die assimilierende Tätigkeit der Zellmembranen. Bot. Z. 1857, S. 316. 

?2) Wıcanp, Über die Desorganisation der Pflanzenzelle. Pringsheim’s Jahrb. 
f. wiss. Bot. Bd. III, S. 165. 

%) Norıgere, P., Experimental-Untersuchungen über die Entstehung von Harz- 
gallen und verwandter Gebilde bei unseren Abietineen. Zeitschr. f. Pflanzenkr. 
1897, S. 131ff. Hier auch weitere Literatur. 


Verschiebungen der enzymatischen Funktionen. 707 


mit einer wundgummiähnlichen Masse, welche in Weingeist unlöslich 
ist, aber nach der Behandlung mit dem Schultzeschen Gemisch sich 
löst. Gleichzeitig tritt im Holzkörper meist Verkienung ein. Die ein- 
zelnen Zellen des pathologischen Parenchyms beginnen unmittelbar 
nach ihrer Entstehung im Innern Harz zu bilden (Harzzellen). Die 
Membranen der Zellen des Tracheidalparenchyms verholzen sehr früh- 


er 


ae 


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= Suse 

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Be 7! 


Essens 


© 
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E @.2 De ® | 
H a» me = 


Fig. 158. Verkienungsprozefs, beginnend mit der Bildung eines lysigenen Harz- 
ganges im Holz. 205:1. (Nach ÜCoxwenzz.) 


Fig. 159. Horizontalschliff. Im sommerholz eines Jahresringes liegt eine Gruppe 
von abnormem Holzparenchym (P). 56:1. Die Lücken im Gewebe sind durch 
Herausfallen einzelner Teile beim Schleifen entstanden. (Nach Coxwentz.) 


zeitig; die unverdickten Elemente dagegen zeigen, solange sie erhalten 
bleiben, stets nur die Cellulosereaktion. In den Harzzellen erkennt man 
eine bestimmte Schicht, in welcher sich das Harz bildet (resinogene 
Schicht) (Fig. 157). NoTTBERs, dem wir die genannte Figur entnehmen, 
läfst es unbestimmt, ob diese resinogene Schicht ein „Bildungsprodukt 
der Membran oder des Plasmas ist“. 


45* 


708 III. Enzymatische Krankheiten. 


Die pathologische Harzbildung darf als der von jeher verbreitetste 
Verflüssigungsvorgang bezeichnet werden, den wir im Pflanzenreiche 
kennen, und der in der Tertiärzeit ebenso vorhanden war wie jetzt. 
Denn Conwextz gibt in seiner durch vortreffliche Abbildungen aus- 
gezeichneten Monographie der baltischen Bernsteinbäume (Pinus suceint- 
fera Conw.) an: „Es gab kaum einen gesunden Baum im ganzen 
Bernsteinwald — das Pathologische war die Regel, das Normale die 
Ausnahme.“ !) Wir können die Vorgänge der Resinose gar nicht besser 
zur Darstellung bringen als durch die Kopien von Bernsteinschliffen, 
die ConwEntz abgebildet hat (Fig. 158—161). 

Wie in der Jetztzeit sehen wir den Verkienungsprozefs in der 
Weise beginnen, dafs Verharzung und Schmelzung der Membranen 
und schliefslich der ganzen Zelle samt Inhalt an einzelnen Gruppen 
zwischen zwei Markstrahlen sich einstellt (Fig. 158). Hier braucht 
noch kein anatomisch abweichendes Gewebe zu bestehen; aber in der 
Mehrzahl der Fälle ist solches vorhanden, und zwar in Form von 


TEEN I 
w@lek: age 


En 
ww 
\.R 


Fig. 160. Horizontalschliff mit abnormem Parenchymholz P, das in Succinose be- 
griffen ist. Das abnorme Gewebe liegt im Sommerholz. J ist die Grenze des 
Jahresringes. 210:1. (Nach Coxwenrtz.) 


Parenchymholz, das in tangentialen Binden angelegt wird. ÜONWENTZ 
beschreibt diese Binden (Fig. 159) im Sommerholz. Ich habe sie bei 
unseren Hölzern bisher vorherrschend im Frühjahrsholz gefunden, so 
dafs der neue Jahresring sofort oder nach wenigen Zellreihen mit dem 
abnormen Holz begann. Die Entstehung dieser Binden führe ich auf 
vorübergehende Lockerung in der Rindenspannung zurück (s. Frost- 
erscheinungen). Dieses abnorme parenchymatische Holz zeigt sich in 
vollständigster Verharzung in Fig. 160. Die entstandenen Harz- bzw. 
Bernsteinmassen können die Rinde gänzlich vom ältesten Holzzylinder 
abdrängen. Solche Rindenelemente fand ConwEntz noch so gut erhalten, 
dafs er die Zellkerne nachweisen konnte (Fig. 161). 

Bei der Verflüssigung des festen Tracheidalparenchyms sah NOTTBERG 
die tertiäre Membran am längsten erhalten, wie dies bei der Ausbreitung 
der Gummiherde der Kirsche ebenfalls zu beobachten ist. 

Je nachdem eine Wunde alsbald ausheilt oder ständig weiter um 
sich greift, unterscheidet NOTIBERG gutartige und bösartige Wunden. 
Bemerkenswert ist noch, dafs auch die Bäume, welche normalerweise 


!) Coxwexız, Monographie der baltischen Bernsteinbäume. Danzig 1890, S. 145. 


Verschiebungen der enzymatischen Funktionen. 709 


gar keine Sekretbehälter im Holze führen (Edeltanne) nach Verwundungen 
reich an Harzgängen, namentlich in den Uberwallungsrändern, sich 
erweisen. Diese Untersuchungen werden von v. FABER!) bestätigt, der 
noch hervorhebt, dafs die pathologischen Harzkanäle schizogen gebildet 
werden; sie anastomosieren in der Tangentialebene, bilden ein zusammen- 
hängendes Netz und ragen mit ihren offenen Enden in die Wunde hinein. 
Oberhalb derselben sind die Harzkanäle zahlreicher und länger als 
unterhalb derselben. 

Gegenüber den Angaben, dafs die Veranlassung zur Resinosis stets 
in Wunden zu suchen sei, mufs ich, wie bei der Gummosis, behaupten, 
datis der Verflüssigungsprozets auch autochthon, ohne Wundreiz entstehen 
kann. Ich beobachtete dies bei Sämlingspflanzen von Kiefern aus 
starkgedüngten Baumschulen; ebenso fand ich derartige Vorkommnisse 
bei älteren Pflanzen von Pseudotsuga Douglasi, Abies Frraseri und Abies 
concolor, welche Rindenauftrei- 
bungen zeigten, die sich als eine 
lysigene Erweiterung schizogener 
Harzgänge erwiesen. Die Bäume 
standen auf feuchtem, moorigem 
Boden, der in Intervallen von 
2 bis 3 Jahren kräftig gedüngt 
wurde. 

Neuerdings habe ich die 
Resinose als Konstitutionskrank- 
heit, also als Aufserung einer im 
gesamten Pflanzenkörper sich 
verbreitenden Neigung zur über- 
mäfsigen Harzbildung auch an 
alten Bäumen zu beobachten 
Gelegenheit gehabt. Diese All- 
gemeinerkrankung habe ich als 
„chronische Resinose* von Fig. 161. Gruppe von Parenchymzellen der 
der örtlich infolge von Wundreiz Aufsenrinde, welche durch Verharzung einer 
entstehenden und lokalisiert blei- ringförmigen abnormen Holzparenchym- 


benden, mit Austritt profuser 20ne_ vom zentralen Holzzylinder voll- 


DE ET Re CME. SRo ständig getrennt worden ist. In den Rinden- 
; 5 SE) = zellen erkennt man noch die Zellkerne. 
ten Resinose“ unterschieden ?). (Nach  Coxwentz.) 


Dementsprechend würde man in 

Zukunft auch eine chronische und akute Gummose auseinanderzuhalten 
haben, und bei letzterer könnte die empfohlene Wundbehandlung mit 
Essig auch Erfolg haben. 


Harzbildung bei dieotylen Gewächsen. 


Parallel mit den im vorigen Abschnitt geschilderten Vorgängen 
zeigt sich auch die Entstehung von Harzen und Gummiharzen bei den 
dikotylen Gewächsen. SvENDSEN?) fand, dafs die Gummiharze bei Styraz, 
Liquidambar, Toluifera u. a. pathologische Produkte sind, die infolge 


!) v. Figer, E., Experimentaluntersuchungen über die Entstehung d. Harzflusses 
bei Abietineen. Dissertation, Bern 1901. 

2) Landwirtschaftliche Jahrbücher 1908. 

3) Svenosen, Cart Jonan, Über den Harzflufs bei den Dicotylen, speziell bei 
Styrax, Canarium, Shorea, Toluifera und Liqwidambar. Archif for Mathematik og 
Naturvidenskab. Kristiania 1905, Bd. XXVI, Nr. 13. 


710 III. Enzymatische Krankheiten. 


von Verwundungen entstehen. Nach jeder bis an das Cambium gehenden 
Verletzung bildet sich en Wundholz, das sich durch seinen tracheidal- 
parenchymartigen Charakter auszeichnet und allmählich wieder in 
normales Holz übergeht. Die Vorgänge sind überall also dieselben, 
wie wir sie bei den Frostwunden beschrieben und abgebildet haben. 
Der Wundreiz macht sich ım Altholz durch Verstopfung der Gefälse 
mit Thyllen oder Bassorinverschlufs geltend. Das um die Wunde sich 
bildende zunächst parenchymatische Neuholz weist schizogen ent- 
stehende, lysigen sich erweiternde Harzkanäle auf; die Verharzung 
ergreift dann das Parenchymholz mit Ausnahme gröfserer Teile der 
Markstrahlen und setzt sich später auf die Rinde fort, wo sie, was 
hervorzuheben ist, innerhalb der Rindenstrahlen bemerkt wird. Wie 
bei den Nadelhölzern ist auch bei den Dikotylen die pathologische 
Harzbildung von der Anwesenheit normaler Harzkanäle vollständig un- 
abhängig. Bei dem Peru- und Tolubalsam scheinen die Verhältnisse 
komplizierter zu sein. 

Also, soweit wir die pathologische Harzbildung überschauen können, 
entspricht sie vollkommen der Gummose, und somit gelten für die Resi- 
nose dieselben Gesichtspunkte, die wir früher ausgesprochen: nicht der 
Wundreiz an sich ist das zur Verflüssigung der festen Gewebe anregende 
Prinzip, sondern enzymatische Wirkungen, die wir vorläufig nicht prä- 
zisieren können, die aber im Erfolg sich darin äufsern, dafs einzelne Ge- 
webegruppen im jugendlichen Zustande verharren und durch Oxydation 
schmelzen. Diese Vorgänge können durch Wunden eingeleitet werden, 
aber auch selbständig durch abwegige Ernährung entstehen. Sie sind 
abhängig von einer gewissen Entwicklungsphase, namentlich der Zeit 
des Austreibens der Gehölze. Vorhandene Schmelzungsherde vermögen 
durch Übertragung ihrer Enzyme auf normales Dauergewebe sich zu 
vergrölsern. 

Anhangsweise ziehen wir noch eine Anzahl von Erscheinungen 
hierher, die teils direkt zu gummosen Entartungen gehören, teils darum 
sich hier anschliefsen, weil wir sie als Folgen enzymatischer Gleich- 
gewichtsstörungen auffassen. 

Dem Gummiflufs analog ist das namentlich an Wundstellen ein- 
tretende Ausfliefsen durchsichtiger, gummöser Massen bei Elaeagnus 
camadensis, das FRANK genauer beschrieben hat. Ich sah Gummibildung 
bei Palmen, Gurken, Kakteen, Hyazinthenzwiebeln ?). 

Enzymatische Abwegigkeit nehme ich an bei der Kernfäule und 
Schwarzringigkeit des Meerrettichs (s. Zeitschr. f. Pflkr. 1899, 
S.132), dem Glasigwerden der Kakteen, Orchideen, Nelken usw. Es 
werden dadurch Schwächezustände geschaffen, welche die Pflanzen für 
parasitäre Angriffe empfänglich machen. Auf diesen Punkt hat Woops 
mit besonderer Schärfe hingewiesen: „J called special attention to the 
fact, that plants rich in oxidizing enzyms were more sensitive to un- 
favorable conditions of temperature, moisture, and especially to insect 
enemies than plants poor in these enzyms“ (l. c. S. 22). 


!) Nach Conuss ist die „Brusca der Oliven“ eine ausgesprochene Gummosis. 


IV. Einflufs schädlicher Gase und Flüssigkeiten. 711 


Vierter Abschnitt. 
Einflufs schädlicher Gase und Flüssigkeiten. 


Sechzehntes Kapitel. 


Die Rauchgase. 


Schweflige Säure. 


Bei der beständig zunehmenden Ausbreitung gewerblicher Betriebe 
sind die Beschädigungen der Vegetation durch Rauchgase so zahlreich 
und vielseitig geworden, dafs das Studium derselben einen eignen 
Zweig der Pathologie zu bilden beginnt, an welchem Chemie und 
Botanik in gleicher Weise beteiligt sind. Es ist daher erklärlich, dafs 
dieser Wissenszweig Spezialwerke erfordert. Die umfassendste Be- 
arbeitung hat der Gegenstand in einem Buche von HaAsELHOFF und 
Linpau!) und später von WIELER?) gefunden; wir müssen bei der Fülle 
des Materials bezüglich der Rauchschäden auf diese Werke verweisen 
und können nur solche Punkte eingehender hier noch behandeln, welche 
in den genannten Werken nur geringere Berücksichtigung finden konnten. 

Lange Zeit ist man im Unklaren gewesen, welcher der schädliche 
Bestandteil des Rauches sei, bis durch die Untersuchungen von MORREN?), 
STÖCKHARDT*) und namentlich von v. ScHRÖDER>) der Feind in der Schwef- 
ligen Säure erkannt worden ist. Die metallischen Gifte, wie Arsen, 
Zink und Blei, die man früher vorzugsweise bei der Beschädigung 
durch den Rauch der Hüttenwerke im Auge gehabt hat, sind experimentell 
als minder schädlich für unsere Kulturpflanzen nachgewiesen worden, 
während die Schweflige Säure schon in sehr geringer Beimengung zur 

Luft den Tod der Versuchspflanzen herbeizuführen imstande ist. Wie 
gering eine solche Beimischung zur Luft zu sein braucht, geht aus 
den Beobachtungen von MOoRREN®) hervor, der die charakteristischen 
Spuren der Zerstörung an den Blättern schon wahrnehmen konnte, 
wenn die Luft nur "/50000 ihres Volumens an Schwefliger Säure enthielt, 
SCHRÖDER?) gibt an, dafs schon ein Millionstel sich schädlich erweist, 
sobald eine längere Einwirkung stattfindet. Und so geringe Bei 
menrgungen enthält sicherlich mancher Rauch, der durch die Ver 
brennung schwefelhaltiger Steinkohle gebildet wird. Da aber Schwefe 


1) Hısernorr, E., und Lisvauv, G., Die Beschädigung der Vegetation durch 
Rauch. Berlin 1903, Gebr. Bornträger. 412 S. mit 27 Textabb. 

2) Wırrer, A., Untersuchungen über die Einwirkung schwefliger Säure auf 
die Pflanzen Berlin 1905, Gebr. Bornträger. 
j 3) Recherches experimentales pour determiner l’influence de certains gaz 
industriels, specialement du gaz acide sulfureux, sur la vegetation. Extracted from 
the Report of the International Horticultural Exhibition ete. London 1866. 

+) Untersuchungen über die schädliche Einwirkung des Hütten- u. Steinkohlen- 
rauches auf das Wachstum der Pflanzen. Tharandter forstl. Jahrb. Bd. 21, Heft 3. 

’) Die Einwirkung der schwefligen Säure auf die Pflanzen, in Landw. Ver- 
suchsstationen 1872. 

6) a. a. 0. S. 224. 

?) Schröver, J. v., und Reuss, ©., Die Beschädigung der Vegetation durch 
Rauch usw. Berlin 1883, P. Parey. 


712 IV. Einflufs schädlicher Gase und Flüssigkeiten. 


in der Form von Schwefeleisen ein häufiger Bestandteil der Steinkohle 
ist, so ist anzunehmen, dafs wir, wie MORREN sagt, mit jedem Schorn- 
stein die Anlage zu einem Vergiftungsherd der Pflanzen errichten. 

Nun darf man allerdings auch nicht zu weit in den Befürchtungen 
gehen. Die Experimente, welche zum Nachweis der Schädlichkeit so 
geringer Gasmengen angestellt worden sind, bestanden in der meist 
mehrstündigen Einwirkung des Gases in einem durch eine Glasglocke 
abgeschlossenen Raume. 

Diesem Zustande entspricht im gewöhnlichen Leben nur etwa die 
Luftbeschaffenheit in unmittelbarer Nähe eines industriellen Etablisse- 
ments, wie einer Hütte, eines Koksofens u. dgl. in geschlossenen Tälern, 
in denen der Rauch in grofsen Massen Tag und Nacht sich über die 
Vegetation lagert. In der Mehrzahl der Fälle dienen die Luftbewegung, 
namentlich der Wind und die Eigentümlichkeit der Schwefligen Säure, 
in Berührung mit Wasser zu Schwefelsäure zu oxydieren, als Schutz- 
mittel gegen die extremsten Wirkungen des Giftes, gegen das baldige 
Absterben. ‚Jedenfalls aber wird man guttun, in denjenigen Gegenden, 
wo mit Steinkohlen oder Torf!) gefeuert wird, bei der Anlage von viel 
Rauch produzierenden Etablissements solche Orte zu wählen, die mög- 
lichst entfernt von grofsen Kulturen, namentlich von Baumanlagen, sind. 

Die gasförmigen Produkte, welche bei der Verbrennung einer 
schwefelfreien Steinkohle erzeugt werden, sind für die Vegetation 
unschädlich?). Enthält dagegen die Kohle einen Teil Schwefel und 
entweicht die Schweflige Säure in die Luft, so wird dieses Gas von 
den Blattorganen der Nadel- und Laubhölzer aufgenommen; dabei 
wird es (nach v. ScHRÖDER) in diesen Organen gröfstenteils fest- 
gehalten und nur zu einem geringen Teile in den Holzkörper der 
Pflanze geleitet. Auch die von Freitas®) in dieser Beziehung direkt 
angestellten Versuche deuten darauf hin, dafs wir die Blätter als die 
Hauptorgane zur Aufnahme des Giftes anzusehen haben. Nicht alle 
Blätter aber nehmen gleichviel von dem gebotenen Gifte auf, und in 
dieser Beziehung unterscheiden sich die Nadelhölzer merklich von den 
Laubhölzern. Erstere nehmen unter sonst gleichen äufseren Verhält- 
nissen mit der gleichgrofsen Blattfläche weniger Schweflige Säure auf 
als letztere; jedoch ist mit dem Nachweis einer gröfseren Menge auf- 
genommenen Gases noch nicht gesagt, dafs dadurch auch eine Pflanze 
mehr leidet. Die Widerstandsfähigkeit hängt vielmehr von der speziellen 
Organisation der Pflanze ab. In dieser Beziehung lag die Vermutung 
nahe, dafs der anatomische Bau, namentlich die Zahl der Spaltöffnungen, 
für die Empfänglichkeit einer Pflanze mafsgebend sein möchte; diese 
Vermutung, welche von MorREN wiederholt ausgesprochen worden, hat 
sich aber als irrig erwiesen, da SCHRÖDER gefunden hat, dafs die 
Schweflige Säure nicht nur durch die Spaltöffnungen, sondern gleich- 
mäfsig von der ganzen Oberfläche des Blattes aufgenommen wird. Er 
sah von der spaltöffnungslosen Oberseite eines Blattes ebensoviel Gas 


1) Nach Sröckuarpr ist auch Braunkohlen- und Torfrauch schädlich, wenn 
dieses Feuerungsmaterial Schwefelkies enthält. Der Rauch der Kalköfen zeigt 
sich am mindesten nachteilig, weil der Kalk die gebildete Schweflige Säure zurück- 
hält, ebenso wie bei Ziegelöfen der häufig vorhandene Magnesiagehalt des Tones 
durch Zurückhalten der Schwefligen Säure günstig wirkt. Chemischer Ackers- 
mann 1872, Heft II, S. 111 u. £. 

2) Nachgewiesen an Pflaumen- und Birnbäumen. 

3) Mitteilung der landwirtsch. Akad. Poppelsdorf. Bd. II, 1369, S. 34; eit. bei 
Schröder a. a. O., S. 321. 


Die Rauchgase. 713 


aufnehmen als von der an Atmungsorganen reichen Unterseite; nur 
war die Wirkung des von letzterer Seite eingedrungenen Gases viel 
schneller und energischer. Diese Erscheinung findet ihre Erklärung in 
dem Umstande, dais die Schweflige Säure begierig vom Wasser ab- 
sorbiert wird und sich in Berührung mit demselben leicht oxydiert; 
da nun durch die locker gebaute, an Spaltöffnungen reichere Unterseite 
die Wasserabgabe des Blattes an die Luft vorzugsweise erfolgt, so 
macht sich hier die Einwirkung des Giftes um so mehr geltend. Wird 
das Wasser in den Micellarinterstitien der Zellwände von der Säure 
in gröfserem Mafse gebunden, als ein Zuströmen erfolgen kann, dann 
werden die Zellwände wasserarm, werden endlich austrocknen und 
somit ihre Fähigkeit für die Wasserleitung verlieren. 

Es werden dann nur noch diejenigen Zellpartien, welche direkt 
an dem schnellleitenden Gewebe der Gefäfsbündel liegen, stark wasser- 
haltig bleiben und ihre normale Färbung behalten, während der 
trockene Teil zwischen den Gefäfsbündeln (den Blattnerven) eine fahle, 
bräunliche Färbung annimmt. Diese Erscheinung einer hellgrünen 
Nervatur in der fahlen Blattmasse ist als ein Merkmal für die Er- 
kennung einer Vergiftung des Blattes durch Schweflige Säure be- 
zeichnet worden. Später ist von Harrıc!) behauptet worden, dafs die 
Rotfärbung der Schliefszellen der Spaltöffnungen bei Nadelhölzern 
ein sicheres Merkmal für Säurebeschädigung sei. Diese Angabe aber 
hat alsbald seitens anderer Beobachter ihre Widerlegung gefunden. 
WIELER ?) und SORAUER?) haben nachgewiesen, dafs ein langsames Ab- 
sterben unter dem Einflufs des Lichtes bei Einwirkung sehr ver- 
schiedener Faktoren die Rotfärbung veranlafst. Unmittelbar im Zu- 
sammenhang mit diesem für das Auge erkennbaren Merkmal steht die 
durch Wägung von v. SCHRÖDER gefundene Tatsache einer verminderten 
Wasserverdunstung der vergifteten Blätter. Die Transpirationsgröfse 
läfst sich aber als Ausdruck der Produktion gebrauchen, und somit 
läfst sich schliefsen, dafs das Blatt weniger assimiliert. Die allgemeine 
Wirkung der Vergiftung auf den Pflanzenkörper wird also ähnlich der 
einer frühzeitigen Entlaubung sein, und zwar wird die Wirkung um so 
schneller eintreten, je grölsere Mengen von Schwefliger Säure vor- 
handen sind, je trockner die Luft ist, je höher die Temperatur und je 
stärker die Beleuchtung ist, durch welche Faktoren das Blatt zu 
intensiverer Tätigkeit angerest wird. Durch diese experimentell fest- 
gestellte Tatsache wird die Vermutung nahe gelegt, dafs der Hütten- 
und Steinkohlenrauch in der Nacht weniger schädlich als am Tage wirkt, 
und wir werden diese Vermutung später bestätigt finden. 

Betreffs des Merkmals der grünbleibenden Nervatur bei vertrock- 
nenden Mittelfeldern eines Blattes ist aber Vorsicht bei der Beurteilung 
geboten. Fast alle schädlichen Einflüsse des Luftmeeres äufsern sich 
in der Weise, dafs die von den wasserleitenden Nerven am weitesten 
entfernt liegenden Partien eines Blattes, also die Zwischenrippenfelder 
(Intercostalfelder), am ersten und stärksten leiden (Frost, Sonnen- 
brand usw... Bei Einwirkung von Säuren im Rauch sind aber die 


1) Harııc, Ros., Über die Einwirkung des Hütten- und Steinkohlenrauches 
auf die Gesundheit der Nadelholzbäume. ünchen 1896, Rieger’sche Buchhandl. 
2) Wiener, Über unsichtbare Rauchschäden bei Nadelbäumen. Zeitschrift für 
Forst- u. Jagdwesen 1897, Sept. 
3) Sorauer, P., Über die Rotfärbung von Spaltöffnungen bei Picea. Notizbl. 
d. Bot. Gart. Berlin 189, Nr. 16. 


714 IV. Einflufs schädlicher Gase und Flüssigkeiten. 


Grenzen zwischen totem und gesundem Gewebe meist scharf, bei Ein- 
Hufs der Witterungsfaktoren dagegen mehr verwaschen durch allmähliche 
Ubergangsstadien. 

Auch sind in ausgesprochenen Rauchbezirken die Schädigungsbilder 
verschieden, weil neben der Schwefligen Säure auch andere Säuren, 
wie Schwefelsäure, Salzsäure, Fluorwasserstoffsäure usw., zur Wirksam- 
keit gelangen können. Diese stark wasserlöslichen (hygrophilen) Säuren 
beschränken sich aber in ihrer Wirkung auf die nähere Umgebung der 
Erzeugungsherde, wo sie allerdings auch viel intensiver und auf das 
Gewebe schnell abtötend wirken, während die Schweflige Säure, die in 
gasförmiger Gestalt sich über weite Gebiete ausbreitet, langsam aber 
permanent von der Pflanze eingeatmet zu werden pflegt. Erstere, schnell 
und ätzend auftretende Wirkungen unterscheidet man als „akute“ von 
den langsam vergiftend sich geltend machenden Erscheinungen, die als 
„chronische Rauchschäden“ bezeichnet werden. Selbstverständlich 
müssen letztere sich schon im Innern einer Pflanze geltend machen, wenn 
äufsere Merkmale noch nicht vorliegen. Der Chlorophyllapparat wird 
schon alteriert (was spektroskopisch von WisLıcEnus!), mikroskopisch 
von SORAUER nachgewiesen wurde), wenn auch die Pflanzen noch ganz 
normal aussehen, und man spricht dann von „unsichtbaren Rauch- 
schäden“. Natürlich sind derartige Störungen auch am leichtesten 
zu beseitigen, und die Pflanze ist nachgewiesenermafsen in der Lage, 
nach Fortfall schwächerer Raucheinwirkungen sich selbst auszuheilen ?). 

Solche Fälle werden auch im natürlichen Forstbetriebe vorkommen, 
wenn Situationsänderungen eintreten, welche eine Rauchschlange ab- 
lenken oder bis zur Unschädlichkeitsgrenze verdünnen. WISLICENUS®), 
dem wir besonders eingehende, gewissenhafte Untersuchungen neuer- 
dings verdanken, gibt die Unschädlichkeitsgrenze auf 0,0005 
Volumprozente an. 

Dieser Autor hebt auch hervor, dafs, abgesehen von der äufserst 
verschiedenen individuellen Empfindlichkeit,' das Entwicklungsstadium 
der Pflanze von ausschlaggebender Bedeutung ist. Die Zeit der Ent- 
faltung der neuen Blätter und Nadeln ist die gefährlichste; hier leiden 
die Pflanzen am meisten, weıl die Cuticulardecke der Epidermis noch 
nicht genügend ausgebildet ist. Der schon oben erwähnte, von 
v. ScHRÖDER und Harrtıs beobachtete schädlichkeitsfördernde Einflufs 
des Lichtes ist experimentell von WisLicEnus®) geprüft worden. Er 
fand, dafs sichtbare Beschädigungen bei jungen Fichten im Dunkeln 
und im Winter nicht auftraten, obgleich eine Steigerung des Schwefel- 
gehaltes nachweisbar war. Rımann und SORAUER haben ebenfalls be- 
obachtet (s. a. a. O.), dafs die Menge des nachweisbaren Schwefels in 
einem Organ nicht ausschlaggebend für den Grad der Schädigung ist, 
und GRAF zu LEININGEN?) macht auf einen Faktor aufmerksam, der bei 


!) Wistiorxus, Resistenz der Fichte gegen saure Rauchgase bei ruhender und 
tätiger Assimilation. Tharandter Forstl. Jahrbücher 1898, Sept. 

2) Soraver, P., u. Rauass, E., Sogenannte unsichtbare Rauchbeschädigungen. 
Bot. Centralbl. 1899, Bd. LXXX. — s. auch Berızı in Zeitschr. f. Pflanzenkrankh. 
1904, S. 160. 

3) Wisticzxus, H., Mafsnahmen gegen die Ausbreitung von Hüttenrauchschäden 
im Walde. Referat 5 der Sektion VIII d. internat. landw. Kongresses in Wien 1907. 

4, Tharandter Forstl. Jahrbücher 1898, S. 152. 

5) Grar zu Leisingen, W., Licht- und Schattenblätter der Buche. Naturwiss, 
Z. f. Land- u. Forstw. III. Jahrg., Heft 5. 


Die Rauchgase. 715 


der Probeentnahme behufs Begutachtung von Säureschäden von aus- 
schlaggebender Wichtigkeit ist, nämlich auf den ganz verschiedenen 
Gehalt an Schwefel und Chlor bei Schattenblättern gegenüber den 
Sonnenblättern. Bei Buche fand er auf je 1 qm Blattsubstanz 


bei Lichtblättern bei Schattenblättern 
a VEN. 2730 0,3004 & 
SU 0,0190 & 0,0347 & 


Also je ungenügender die Produktion an organischer Substanz, 
desto höher wird relativ der Gehalt an Schwetelsäure und Chlor. 
Gleichsinnig verhalten sich die Angaben von WiIsLicExnus. „Geringe 
Bodenbonitäten, d.h. physikalisch und chemisch minderwertige Boden- 
beschaffenheit, für die Pflanzengattung spezifisch ungeeigneter Boden, 
vor allem aber ungenügender, übermäfsiger oder abnorm wechselnder 
Wassergehalt des Bodens, schaffen eine Prädisposition für 
Raucherkrankung, darunter am meisten der Wassermangel.“ 

Dafs der Habitus des Waldes durch Entnadelung und Absterben der 
Zweige ein anderer wird, ja dafs auch in Laubwäldern sich das Aus- 
sehen dadurch ändert, dafs die Stämme fast gänzlich frei von Flechten 
werden [Lixpau!)] und bei den Buchen die Stammrinde einen eigen- 
artigen grauen Farbenton annimmt, sei nur nebenbei erwähnt. Direkt 
auf die Anderung der Bodenbeschaffenheit weisen die Angaben von 
v. SCHRÖDER und Reuss hin, dafs eine Anhäufung unzersetzter Nadeln 
unter den chronisch beschädigten Fichten stattfindet und, soweit die 
Traufe des Baumes geht, auch eine gänzliche Entblöfsung von jeder 
lebenden Vegetation bemerkbar ist. Dieser Umstand deutet auf 
„Bodenvergiftung“. Bewiesen wird dies durch das Reuss’sche 
Experiment, bei welchem Boden aus einer Rauchgegend in eine rauch- 
freie Zone übergeführt und bestellt worden war. Nach drei Jahren 
betrug der Verlust an ein- und zweijährigen Sämlingen von Esche 
100°/o, Ahorn 92°, Buche 72°/o, Fichte und Kiefer 8°/o, Eiche 0%. 

WIELER?) hat nun speziell die Frage der Bodenvergiftung in die 
Hand genommen und nachgewiesen, dafs sich in Rauchgegenden mit 
anhaltender Rauchüberflutung unter Umständen noch Schweflige Säure 
in 30 cm Tiefe nachweisen liefs, diese also noch nicht in Schwefelsäure 
übergegangen war. Letztere wird auch nur so lange unschädlich sein, 
als sie an Basen gebunden werden kann. Wenn aber diese Basen zur 
Neutralisation verbraucht sind und durch Regen ausgewaschen werden, 
findet die vorhandene Humussäure kein Bindemittel mehr. Tatsächlich 
zeigten alle von WIELER untersuchten Bodenproben aus Rauchschaden- 
gebieten grofse Mengen von Humussäure. Es fehlte diesen Böden 
also an Kalk, um die entstehende Humussäure zu binden. Es mufsten 
aber auch die anderen Basen, mit denen die Humussäure lösliche Ver- 
bindungen eingeht (Magnesium und Eisen), aus dem Boden verschwunden 
sein. Damit verschlechtert sich naturgemäfs das Absorptionsvermögen 
des Bodens für andere mineralische Nährstoffe; dies bezieht sich auch 
auf die mit Humussäure lösliche Verbindungen eingehenden Alkalien, 
welche gleichfalls in den Untergrund wandern. Der Kalkmangel er- 
schwert die Zersetzung der Humusstoffe, und der in ihnen eingeschlossene 


I) a. a. O0. 8.120. 
?) Wıeter, Neuere Untersuchungen usw. S. 314. 


716 IV. Einflufs schädlicher Gase und Flüssigkeiten. 


Stickstoff bleibt dem Pflanzenbestande unzugänglich, zumal die Bakterien- 
flora in dem sauren Boden gering ist. Die freie Schweflige Säure und 
die Schwefelsäure werden auch auf tierische Organismen, wie z.B. die 
Regenwürmer, schädlich einwirken können. Durch alle diese Faktoren 
wird der Rauchboden ausgemagert bzw. vergiftet werden. 


Der geringeren Wasserkapazität des durch Schwefelsäure (oder auch 
durch Salzsäure) vergifteten und ausgemagerten Bodens schreibt nun 
WiELER das Absterben der Bestände und überhaupt die chronischen 
Beschädigungen zu. Er geht sicherlich darin viel zu weit; denn alle 
Versuche lehren, dafs der direkte Rauchangriff die Hauptursache 
des Absterbens der oberirdischen Organe bildet; auch ergeben die 
vergleichenden chemischen Analysen von Laub und dem dasselbe 
produzierenden Boden durchaus nicht immer eine Verarmung an Basen, 
sondern bisweilen sogar ein starkes Anwachsen von Kalk und Magnesia!). 
Aber immerhin bleibt diese Seite der Wirkung der sauren Rauchgase 
höchst beachtenswert, und die Aufmerksamkeit der praktischen Kreise 
ist auf eine periodisch sich wiederholende Kalkdüngung zu lenken. 

Betreffs des Einflusses der Luftströmungen und ihrer Beschaffenheit, 
namentlich ihres Wassergehaltes, sowie betreffs des Nachweises der 
Säuren in der Luft und der Mafisnahmen zur Abschwächung der Rauch- 
schäden müssen wir auf die Spezialwerke verweisen. Erwähnen möchten 
wir nur, dafs Ost?) eine einfache Methode zur Bestimmung des Gehaltes 
der Luft an Schwefelsäure eingeführt hat. Es werden nämlich kleine 
Zeuglappen mit Atzbaryt getränkt und getrocknet; sodann werden sie 
an den Untersuchungsorten in exponierter Lage aufgehängt und nach 
einer bestimmten Zeit auf ihren Schwefelsäuregehalt untersucht. Auch 
die reine Gebirgsluft zeigte bei dieser Methode als normale Beimengung 
noch einen gewissen Gehalt an Schwefelsäure, der in der Nähe von 
Dörfern sofort bedeutend anstieg. Eine Zusammenstellung der Forde- 
rungen des Forstmannes zum Schutze des Waldes gegen Rauch- 
beschädigungen finden wir neuerdings in einem Vortrage des Ober- 
forstrats Reuss?). Derselbe weist darauf hin, dafs es notwendig sei, 
da, wo viele Fabriken beisammen liegen, Schadenersatzgenossenschaften 
zu errichten. 


Nicht aufser acht zu lassen ist, dafs bei den Schadenersatzforderungen 
nicht selten der Einwand seitens der schädigenden Hütten und Fabriken 
gemacht wird, dafs Insektenfrafs die Hauptursache abgäbe. In dieser 
Beziehung macht GERLACH*) darauf aufmerksam, dafs die rauchkranken 
Fichtenbestände von den Harzrüsselkäfern bevorzugt werden. Nicht 
nur Pissodes Herciniae und scabrieollis, sondern auch andere Insekten, 
wie Grapholitha pactolana und Chermes zeigen in rauchbeschädigten 
Forsten ein verheerendes Anwachsen. 


1) Die landwirtschaftliche Versuchsstation in Münster i. W. Denkschrift von 
J. Köxıs. Münster 1896, S. 191 ff. 

2) Osı, H., Die Verbreitung der Schwefelsäure in der Atmosphäre. Die chem. 
Industrie 1900; eit. Zeitschr. f. Pflanzenkrankh. 1901, S. 248. 

3) Reuss. Kar, Mafsnahmen gegen die Ausbreitung von Hüttenrauchschäden 
im Walde. Internat. Landw. Kongrefs zu Wien 1907, Sektion 8, Ref. 5. 

#) Gernacn, Beobachtungen und Erfahrungen über charakteristische Beweis- 
mittel bzw. Merkmale von Rauchschäden. Österr. Forst- u. Jagdzeitung; cit. Bot. 
Centralbl. 1907, Nr. 40, S. 360. 


Die Rauchgase. (Ay 


Salzsäure, Chlor. 


Die Steinkohlen enthalten neben dem Schwefel auch Chlor in 
Form von Chlornatrium !); der Chlorgehalt schwankt zwischen 0,1 bis 
2,000. LEEADBETTER fand in der Steinkohle 0,009 bis 0,0280 an Chlor ’?); 
dasselbe war aber in der Asche nicht mehr nachweisbar, mufste also 
mit den flüchtigen Substanzen ausgetrieben worden sein; MEINECKE hat 
nun auch in den Hochofengasen das Chlor direkt nachgewiesen ?), und 
Swıra *) macht auf den Chlorgehalt von Regenwasser in Gegenden auf- 
merksam, wo Steinkohle in Menge gebrannt wird. Nach diesen Angaben 
müssen wir also nicht einen einzigen schädlichen Faktor im Steinkohlen- 
rauche, sondern mehrere in verschiedener Kombination annehmen. Die 
Verschiedenartigkeit wird auf der Zusammensetzung der Steinkohle 
einerseits und auf ihrer Verwendung im technischen Betriebe anderer- 
seits beruhen. , 

Bei dem schnellen Übergange von Chlor in Salzsäure in Gegenwart 
von Feuchtigkeit und Licht müssen beide Faktoren gemeinsam ab- 
gehandelt werden. Über die durch fortgesetzte Einwirkung von Salz- 
säure im Boden möglicherweise entstehende Verarmung ist bereits bei 
der Schwefligen Säure gesprochen worden. Von der Wirkung direkter 
Lösungen von Chloralkalien wird bei Gelegenheit von Kochsalz noch 
die Rede sein. Das Verhalten der Pflanzen ist je nach Spezies, Jahres- 
zeit, Standort und individueller Entwicklung verschieden. Im allgemeinen 
erfolgt Ausbleichen und Vertrocknen der Blattränder oder auch der 
Intereostalfelder, wobei Chlordämpfe schneller wirken als salzsaure 
Gase. Gegenüber der Schwefligen Säure herrschen aber hier die 
trocknen Blattränder (Saumlinien) vor. Bei den von RaMmann und 
SORAUER (s. Schweflige Säure) ausgeführten Versuchen wurde beobachtet, 
dafs die mit Wasser besprengten Fichten durchschnittlich weniger Chlor 
absorbierten als die nicht benetzten Pflanzen. 

Die bisherigen Arbeiten über die anatomischen Veränderungen 
haben zu widersprechenden Resultaten geführt. So beobachtete Lixpau 
(a. a. 0. 8.244) bei Abies bei den Spaltöffnungen und deren Nachbarschaft 
nur eine Alteration, während KinpERMAnN?) die Untersuchungen von 
LEıtGEB und von Morısch bestätigt, dafs gerade die Schliefszellen die 
gröfste Widerstandskraft gegen alle schädlichen Einflüsse (darunter 
auch Salzsäure) besitzen, was wahrscheinlich auf einer besonderen 
Konstitution des Plasmas beruhe. 

Bei der Unsicherheit der bisherigen Resultate gebe ich hier kurz 
die Ergebnisse eigner Studien‘) am Getreide und bei der Fichte 
wieder. Zunächst wurde der grofse allgemeine Produktionsrückgang, 
welchen die Pflanzen durch die Salzsäuredämpfe erleiden und der sich 
in den Gröfsenverhältnissen und der Kornausbildung kennzeichnet, ın 
Bestätigung der Untersuchungen von WIELER und HARrTLEB?) sehr aus- 


1) Hasexcrever, Über die Beschädigung der Vegetation durch saure Gase. 1879 
S. 9. Berlin, Springer. 

?2) Chemical News 1860, No. 46 

2) Dingler’s Journal 1875, S. 217. 

*) Bericht über die Entwicklung der chem. Industrie von A. W. Horuasn, 1875. 

5) Kınpermans, V., Über die auffallende Widerstandskraft der Schliefszellen 
gegen schädliche Einflüsse; eit. Just, Bot. Jahresber. 1902, II, S. 653. 

6) Soraver, P., Beitrag zur anatomischen Analyse rauchbeschädigter Pflanzen. 
Landwirtsch. Jahrbücher 1904, S. 587. f 

7) Wierer, A., und Hartıes, R., Über Einwirkung der Salzsäure auf die Assi- 
milation der Pflanzen. Ber. d. Deutsch. Bot. Ges. 1900, S. 348. 


“ 


718 IV, Einflufs schädlicher Gase und Flüssigkeiten. 


geprägt gefunden. Eine solche Wirkung kann eintreten, ohne dafs 
auffällige äufsere Merkmale die Wachstumsstörung anzeigen. In der 
Regel aber ist dieselbe von einer Entfärbung mit nachfolgender 
Ballung der Chloroplasten begleitet. Es folgt dann eine Zusammen- 
ziehung des Primordialschlauches und Schrumpfung der Chlorophyll- 
körner. Je nach Stärke und Dauer der Salzsäuregaswirkung hat das 
so geschädigte Blatt bisweilen noch die Möglichkeit eines normalen 
Auslebens; meist aber stirbt es teilweise oder gänzlich vorzeitig ab. 
Im letzteren Falle umfafst das Absterben vorzugsweise diejenigen Blatt- 
teile, die vermöge ihrer Lage und ihrer geringeren Mesophyll- und 
Gefäfsbündelentwicklung eine schwierigere und geringere Wasserzufuhr 
haben, und dies sind die Spitzen und Ränder der Blätter. Daher die 
trocknen, verfärbten Blattspitzen beim Getreide und die schmalen 
trocknen Saumlinien zu beiden Seiten des noch grün verbleibenden 
unteren Teiles der Blattfläche. Als Folge des schnellen Todes zeigt 
sich dann in diesen abgestorbenen Teilen ein verhältnismäfsig 
bedeutender Bestand an Zellinhalt. Das Zusammentrocknen unter 
Festhaltung der Luft im Gewebe erfolgt unter Schrumpfung der Zellen, 
jedoch so, dafs die Wände einer jeden Zelle einander nicht berühren. 
Der natürliche Vertrocknungsprozeis dagegen, der erst nach voll- 
ständiger Verarmung des Zellinhaltes eintritt, charakterisiert 
sich durch ein gänzliches Zusammenfallen der Mesophylizellen, wobei 
die Oberwand auf die Unterwand sinkt und das ganze ehemals grüne 
Blattfleisch einen matt -strohgelben, dichten Gewebestreifen aus wellig 
verbogenen, schichtenweise aufeinanderliegenden Wandungen darstellt. 
Das Zusammensinken der Zellen erstreckt sich bei den Getreidearten 
mit Ausnahme der Gerste während des natürlichen Vertrocknungs- 
prozesses fast nur auf das Mesophyll, während die Epidermiszellen 
nahezu in ihrer natürlichen Höhe verbleiben. Bei der — schon von 
den Praktikern als „weich“ bezeichneten — Gerste sinken allerdings 
auch die Epidermiszellen bei dem natürlichen Tode zusammen, wobei 
aber einzelne der weitesten Oberhautzellen nach aufsen hin eine Falte 
bilden. Dieselbe erscheint bei einem Querschnitt durch das tote Blatt 
als kegelförmige Erhebung, die einem Haar gleicht und dem ganzen 
Querschnitt das ‘Aussehen eines dünnen, knotigen und stacheligen 
Stranges verleiht. 

Bei der Wichtigkeit der Unterscheidung eines Blattes, das natür- 
lichen Todes gestorben, von einem durch saure Gase vorzeitig zugrunde 
gegangenen Organe geben wir nebenstehend die Abbildung eines säure- 
beschädigten und eines normal gestorbenen Blattes. Fig. 162, 7 ist der 
Querschnitt durch eine unter dem Einflufs von Salzsäure bzw. Chlor- 
dämpfen abtrocknende Randpartie eines Haferblattes. Man sieht, das 
Gewebe schrumpft namentlich in der Zwischenrippenregion (Intercostal- 
felder) scharf zusammen, ohne dafs das Mesophyll Zeit gehabt 
hätte, sich zu entleeren. Der Zellinhalt erscheint schmutziggrün 
bis braungrün und mannigfach geballt. Die Membranen der Bastbeläge 
an der Blattkante (B) und unterhalb der Gefäfsbündel (b) sind, wie die 
der Epidermis, rotgelb bis braungelb gefärbt, und die Epidermis- 
zellen stellenweise (s) derart zusammengetrocknet, dafs die Oberwand 
die Unterwand berührt. Fig. 162, 2 ist eine vergröfserte noch den 
reichlichen Zellinhalt zeigende Zellgruppe aus Fig. 162, 1. 

Fig. 162, 3 stellt den Querschnitt durch ein normal vertrocknetes 
Haferblatt aus rauchfreier Gegend dar. Das Blatt erscheint im Quer- 


ED u 
re Tte 8 Yon 
EIAC VASEN 
) Y 


Fig. 162. Unterschied zwischen einem durch Salzsäure- bzw. Chlordämpfe ab- 
trocknenden und einem natürlichen Todes gestorbenen Haferblatte. (Orig.) 


720 VI. Einflufs schädlicher Gase und Flüssigkeiten. 


schnitt strangartig dünn, weil das Mesophyll (V) nahezu ganz entleert 
ist und die Zellwände aufeinander gesunken sind. Nur um die stärkeren 
Gefäfsbündel herum vermag das Blatt nicht derartig zu schrumpfen, 
weil die starken Bastbeläge als Steifen dienen und als Knoten in der 
Strangform stehen bleiben. Trotz der scharfen Vertrocknung des Blattes 
bleibt die Epidermis in ihrer natürlichen Höhe und wird höchstens 


p 


Fig. 163. Durch Schwetlige Säure angegriffene Blätter einer Rotbuche. 
(Nach Schröper und Reuss.) 


matt quittengelb gefärbt, wie die Baststränge, wodurch sie sich von 
der säurebeschädigten ebenfalls unterscheidet. Fig. 162, 4 ist eine ver- 
gröfserte Zellgruppe aus Fig. 162,3. E bezeichnet die Epidermis, darunter 
die zusammengefallenen Mesophylizellen, bei denen durch Einlegen des 
Schnittes in Wasser die spärlichen plasmatischen Inhaltsreste kenntlich 
gemacht worden sind. Auch von einem bei dauernd nassem Wetter 
langsam ausreifenden Haferblatt unterscheidet sich das säurebeschädigte 


Die Rauchgase. 721 


in der Farbe, da ersteres in den Wandungen seiner Bastbeläge und 
Epidermiszellen eine citronengelbe Farbe annimmt. Die Intensität 
der Verfärbung hängt mit dem Reichtum an Gerbstoffen zusammen. Bei 
der Beobachtung der Farbenunterschiede mufs man schnell vorgehen, 
da der Farbstoff in Wasser löslich ist. 

Was hier vom Getreide beschrieben worden ist, läfst sich nicht 
ohne weiteres auf andere Pflanzen übertragen. Nur das ist als all- 


Fig. 165. Rosenblatt und Fig. 166. Buchenblätter : 
durch Salzsäure- bzw. Chlordämpfe beschädigt. (Nach v. Schröver und Reuss.) 


gemeines Vorkommnis zu betrachten, dafs bei allen plötzlichen 
Todesarten reichlich Inhalt in den Zellen erhalten bleibt, während 
derselbe bei dem natürlichen Ausleben des Blattes gröfstenteils ver- 
atmet wird. 

Um die habituellen Unterschiede in der Angriffsweise von Dämpfen 
der Schweflisen und der Salzsäure hervorzuheben, geben wir hier die 
Kopien beschädigter Blätter aus dem mehrfach citierten Werke von 
v. SCHRÖDER und Reuss. 

Sorauer, Handbuch. 3. Aufl, Erster Band. 46 


122 IV. Einflufs schädlicher Gase und Flüssigkeiten. 


In Fig. 163 sehen wir das durch SO? angegriffene Blatt einer Rot- 
buche aus der Nähe einer Silberhütte. Fig. 164 ist ein von SO? ge- 
schädigtes Birkenblatt aus der Nähe einer Kupferhammerhütte. Das 
gemeinsame Merkmal besteht in mehr oder weniger scharf umschriebenen 
gebräunten Flecken in den Intercostalfeldern. Die Flecke sind meist 
mit einem Rande umgeben, der bald dunkler, bald heller braun sein 
kann. Bei manchen Gehölzen (z. B. der Rotbuche) findet man auch 
noch häufig um die Randzone einen durchscheinenden gelblich-grünen 
Saum von erkranktem aber noch nicht abgestorbenem Gewebe. 

Fig. 165, 166 und 167 sind Blätter einer Rose, einer Buche und 
einer Birke, die künstlich durch Salzsäure beschädigt worden sind; sie 
zeigen die dürren Saumlinien, die man meist nach Einwirkung reiner 
Salzsäuredämpfe beobachten kann. Indessen ist zu betonen, dafs man 
bei der Rauchexpertise aus 
solchen Habitusbildern keine 
sicheren Schlüsse ziehen 
darf, weil einerseits je nach 
dem individuellen Standort 

und Entwicklung des 
Baumes die Beschädigungs- 
formen wechseln und weil 
andererseits auch andere 
Faktoren ähnliche Beschä- 
digungen hervorzubringen 
vermögen. 


Flufssäure (Fluorwasserstoff- 
säure). 

Viel mehr als man früher 
vermutet, hat sich die durch 
den Betrieb von Super- 
phosphat-, Glas- und chemi- 
schen Fabriken erzeugte 
Flufssäure als Feind der 
Vegetation entpuppt. Durch 


Fig. 167. Durch Salzsäure bzw. Chlordämpfe be- ee 2 ne a 
schädigte Birkenblätter. (Nach v. Scuröper u. Reuss.) Pelünd geklart worden, dals 
Rauch aus Ziegeleien und 


Tonwarenfabriken manchmal hochgradig schädlich, in anderen Fällen 
unschädlich sich erweist. Dies hängt eben von dem Vorhandensein und 
der Menge der Fluorverbindungen ab, welche in den Tonen und Roh- 
phosphaten vorhanden sind., N ach Osr äufserte sich die Wirkung in dem 
Auftreten kleiner, brauner Ätzflecke, welche bei manchen Pflanzen mit 
einer gelblichen Zone umgeben waren. Von anderen Forschern aus- 
geführte Räucherungen liefsen bei der Eiche schmale, gelbbraune, scharf 
abgegrenzte Randverfärbungen erkennen; ähnliche Randzeichnung zeigte 
ein Spitzahorn, dessen Blattfläche später aber ebenfalls sich bräunte. 
Linpau!) beschreibt den anatomischen Befund bei der Eiche. Er fand 
die beiden Epidermisschichten intakt und den Inhalt der Mesophyll- 
zellen leicht gebräunt; die einzelnen Chloroplasten sind noch erkennbar, 
„aber der übrige Inhalt hat ein öliges Aussehen erhalten“. 


) a. 2. 0. S. 250, 


Die Rauchgase. 723 


Über den am meisten in Betracht kommenden Waldbaum, die 
Fichte, finden wir die Notiz, dafs dieselbe bereits einen Tag nach der 
künstlichen Räucherung einzelne Triebe mit weifslich-grauer Verfärbung 
zeigte, die sogar welkten. Nach einer zweiten Räucherung wurden 
die Bäumchen ins Freie gestellt, und nun ging der anfangs weifsliche, 
gelblich-graue Farbenton durch alle Abstufungen von Gelb und Gelb- 
rot in „das charakteristische Rot der Säurebeschädigung über“. 

So wie die Fichten sah man in der Nähe einer Phosphoritfabrik, 
die durch Aufschliefsen des Fluorcaleium enthaltenden Phosphorites 
mit Schwefelsäure Flufssäuredämpfe entwickelte, auch Kiefern, Lärchen 
und Akazien sich verfärben !). MAYRHOFER ?) konnte einen auffallend hohen 
Fluorgehalt der Nadeln und Blätter noch auf 500—600 m Entfernung 
von der Fabrik nachweisen. Auf das Getreide kann die Wirkung einer 
solchen Exhalation geradezu vernichtend sein. So beobachtete RHopr?°), 
dafs Roggen auf einzelnen Parzellen gar keine oder nur verkümmerte 
Körner entwickelt hatte. 

Meine eigenen Untersuchungen erstrecken sich nur auf Spiritus- 
material von abgestorbenen Fichtennadeln, das ich von Herrn Professor 
Ramann erhalten hatte, und bestätigen der Hauptsache nach die Über- 
einstimmung des Befundes mit den bei Schwefliger Säure erhaltenen 
Bildern. Nur fand ich bei den Fluorwasserstoffnadeln noch eine 
Gewebefaltung, die auf einem Schrumpfen der Zellmembranen beruhte. 
Man mufs daraus schliefsen, dafs das bei Schwefliger Säure so schnell 
eintretende Austrocknen der Nadeln hier erst erfolgt, nachdem die direkte 
Säurewirkung bereits eine Gestaltveränderung der Gewebe hervorgerufen 
hat. Auch war der Inhalt den Wandungen nicht fest angetrocknet, 
wie bei Wirkung der Schwefligen Säure und konnte deshalb nicht zur 
Steifung der Wandungen beitragen. 


Stickstoffsäuren. 


Über den Einflufs von Salpetersäure (bzw. Untersalpetersäure) 
haben wir nur eine Notiz von Könıs®) gefunden. Er sah bei 5 g 
Stickstoffsäuren (auf Untersalpetersäure berechnet) auf 100000 1 Luft 
oder 0,05 g Untersalpetersäure in 1 cbm Luft bei Bäumen Merkmale 
auftreten, die denen glichen, welche bei Schwefliger Säure und Salz- 
säure sich einstellen. Die gewöhnliche Luft enthält nur 0,00003 g 
Salpetersäure im Kubikmeter. 


Ammoniak. 


Weit über den gewöhnlichen Gehalt der Luft hinausgehend, der 
höchstens zu 0,056 mg pro Kubikmeter anzunehmen ist, erweist sich 
das Ammoniak und kohlensaure Ammoniak als wachstumsfördernd. 
Nur bei Fabrikbetrieben (Ammoniak-Soda-Verfahren u. dgl.) kommen 
so grolse Mengen ins Freie, dafs Schäden entstehen, obgleich die 
Pflanzen sich im allgemeinen sehr widerstandsfähig erweisen. Die 


1) Allgem. Forst- u. Jagdzeitung 1391, S. 220. 

2) Mayrnorer, J., Über Pflanzenbeschädigung, veranlafst durch den Betrieb 
einer Superphosphatfabrik. Freie Vereinigung d. Bayr. Vertreter für angewandte 
Chemie. Bi. x, 8.127. 

3) Ruope, A., Schädigung von Roggenfeldern durch die einer Superphosphat- 
fabrik entströmenden Gase. Zeitschr. f. Pflanzenkrankh. 1895, S. 135. 

4) Könıs, Denkschrift 1896, S. 202. 


46* 


724 IV. Einflufs schädlicher Gase und Flüssigkeiten. 


Empfindlichkeit der einzelnen Arten schwankt ungemein, aber die Art 
der Beschädigung zeigt srofse Übereinstimmung, nämlich vorzugsweise 
eine fleckenartig oder flächenförmig auftretende Schwarzfärbung. 

Die Versuche von BÖRNER, HAsELHOFF und Könıs!) ergaben bei der 
Eiche das Auftreten dunkler Flecke oder vollständige Schwarzfärbung 
der Blätter. Bei der Kirsche ist anfangs Braunfärbung und später 
Schwärzung beobachtet worden. Die Gerste zeigte nach kurzer Zeit 
der Einwirkung an der der Sonne zugewendeten Seite Blätter und 
Halme weitis gefärbt, Roggen und Weizen bekamen rostfarbige Flecke 
und Ränder. 

Zu den in der Literatur bereits bekannten Fällen füge ich hier 
einige eigne Beobachtungen. Bei Gerste sah ich die Blattspitzen weifs 
werden. Bei jungen Kastanienblättern wurden zuerst die Intercostal- 
felder dunkel, am nächsten Tage schwarz und später dürr. Ähnlich 
verhielten sich die Laubblätter von Azalea indica bei einzelnen rot- 
blühenden Sorten, während eine danebenstehende weifsblühende Varietät 
nur Bräunung der Blattspitzen und -ränder erkennen liefs. Die Blume 
der roten Varietät zeigte auf dem Saume der äufseren Zipfel weifse, 
nahezu kreisrunde oder keilförmige, eine natürliche Panachierung nach- 
ahmende Flecke, während die weifse Varietät innerhalb derselben Zeit 
die Blumenkrone mit Ausnahme vereinzelter kleiner brauner Tupfen 
unverändert lieis. Eine Nachwirkung nach Entfernung der Pflanzen aus 
der Ammoniakatmosphäre wurde nicht wahrgenommen, wohl aber eine 
Gegenreaktion bei dem Blütenkörbehen einer Cinerarie; die roten, 
durch das Ammoniak blau gewordenen Randblumen erschienen einige 
Zeit nach Verlassen der Ammoniakatmosphäre wieder rot gefärbt. 

Uber den Einflufs des Entwicklungszustandes auf die Stärke der 
Beschädigung liefert die Fichte ein Beispiel, deren alte Nadeln eine 
pechschwarze Färbung annahmen und dauernd behielten, während bei 
den jungen, weichen Nadeln der anfangs schmutziggrüne Farbenton später 
in ein fahles Rotgelb überging. Aufserst scharf kam bei einem Versuche 
die individuelle Widerstandskraft der einzelnen Nadeln zur Geltung, da 
man an allen Zweigen zwischen den pechbraunen Nadeln auch solche 
beobachten konnte, die keine Verfärbung oder höchstens ein dunkleres 
Grün zeigten. Die schwarze Färbung rührte hauptsächlich von dem 
pechbraunen Farbenton her, den das Protoplasma der Epidermis- und 
Mesophyllzellen angenommen hatte. Die Membranen waren nur leicht 
gebräunt. In den intensivst geschädigten Zellen war der Inhalt eine 
zusammenhängende, körnig-teigige Masse geworden, die sich bisweilen 
von der Wandung zurückgezogen hatte. Der Inhalt der Schliefszellen 
der Spaltöffnungen war ebenfalls pechbraun, niemals rot, wie bei 
Säurebeschädigungen. An den Übergangsstellen zwischen gesund ge- 
bliebenem und geschwärztem Gewebe bemerkte man, dafs die proto- 
plasmatische Einbettungsmasse für die Chloroplasten sich bereits 
schwärzte, während diese selbst in Gestalt und Lagerung noch un- 
verändert erschienen. Erst später fand man den grünen Farbstoff in 
das Plasma übergetreten und schmutzig braungrün geworden. Dann 


1) Zeitschr. f. Pflanzenkrankh. 1893, S. 100. — Lixvau (a. a. 0. S. 286) beschreibt 
die Wirkung des Ammoniakgases bei starker Konzentration auf die Pflanzenzelle: 
Im Innern des Blattes zeigen die Zellen meist sehr starke Plasmolyse; die Inhalts- 
stoffe werden undeutlich, und bisweilen werden Öltropfen ausgeschieden. Dabei wird 
ein brauner bis schwarzer Farbstoff abgesondert, der den ganzen kontrahierten 
Inhalt gleichmäfsig tingiert. Derselbe erweist sich später als Gerbstoff. 


Die Rauchgase. 725 
verschmolz auch die Grundsubstanz der Chloroplasten mit dem übrigen 
Zellinhalt anscheinend unter Zurücklassung körniger Reste. 

Das Ammoniak dürfte eine spezifische Giftwirkung auf den Zell- 
inhalt ausüben und nicht nur die Säure binden, wie anderweitig an- 
genommen worden ist. Kxy!) hat schon darauf aufmerksam gemacht, 
dafs nach den in der Literatur vorliegenden Angaben das Protoplasma 
in den verschiedensten Pflanzenteilen alkalische Reaktion besitzt, ohne 
dafs die Chloroplasten beeinflufst werden. Derselbe Autor zeigte auch, 
dafs sehr verdünnte Ammoniaklösung eine Schädigung der Assimilations- 
tätigkeit hervorruft. 

Auf welche Weise manchmal Ammoniakvergiftung zustande kommt, 
zeigte mir ein Fall, wo die Mauer eines Pferdestalles als Rückwand 
für ein Gewächshaus benutzt worden war. Als im Herbst das Heizen 
begann, entwickelte sich aus dem Mauerwerk kohlensaures Ammoniak, 
das binnen kurzer Zeit die Blätter von Aucuba, Viburnum Tinus, Prumus 
Laurocerasus, von Dracaenen und anderen Pflanzen schwärzte; nur die 
nächste Umgebung der Nervatur der Blätter blieb noch grün. 


Teer- und Asphaltdämpfe. 


Die Erfahrungen über die Schädlichkeit von Teer- und Asphalt- 
dämpfen haben sich erst in neuerer Zeit geklärt, seitdem das Beobachtungs- 
material reichlicher geworden ist. Abgesehen von den Einwirkungen, 
die das Asphaltieren der Strafsen bisweilen an empfindlichen Pflanzen 
hervorrufen kann, sind die Fabriken, welche Kohlenstifte für die 
elektrische Beleuchtung anfertigen, als wesentliche Ursache von Er- 
krankungen zu betrachten. 

Als Leitpflanzen für Beschädigungen durch Asphaltdämpfe ?) sind 
die gerbsäurereichen Rosen, Erdbeerblätter, wilder Wein und Kastanien 
zu bezeichnen. Bei den Rosen leiden die einzelnen Arten in sehr ver- 
schiedenem Grade, indem beispielsweise Tee- und Bengalrosen weniger, 
Remontantrosen und deren Hybriden aber meistenteils sehr stark an- 
gegriffen werden. Die Oberhaut wird stellenweise oder über die 
ganze Blattfläche stumpf schwarz. Wenn nicht die ganze Oberfläche 
verfärbt ist (Fig. 168, 2a), pflegen die geschwärzten Stellen als unter- 
brochene oder zusammenhängende Bänder zwischen den stärkeren 
Seitennerven, also in den Intercostalfeldern, aufzutreten. Wenn die 
Kelchblätter von den Dämpfen getroffen worden sind, kommen die 
Blütenknospen nur zu mangelhafter Entfaltung. Bald nach Eintritt der 
Schwärzung findet man den Inhalt der oberseitigen Epidermiszellen tief 
gebräunt, kömig-klumpig und meist einer Horizontalwand angelagert. Die 
Cutieula ist nicht gebräunt und anscheinend unverändert. Bei stärkerer 
Erkrankung ist die Epidermis der Unterseite in gleicher Weise ergriffen 
und sinkt später zusammen; dagegen wird das Mesophyll nur wenig 
irritiert. Die Dämpfe ätzen nur an den Organen die exponierte Fläche, 
alle gedeckten Teile (Fig. 168, 1b) bleiben unverfärbt. Wird die Mittel- 
partie eines Blattes beschädigt, heben sich die Ränder kahnförmig 
nach oben. 

Beiläufig ist darauf aufmerksam zu machen, dafs manche Rosen (z.B. 
Rosa turbinata) im Spätherbst eine ähnliche Verfärbung annehmen, Bei 


!) Bot. Centralbl. 1898, Bd. LXXIII, S. 430. j 
‚ ?) Soraurr, P., Die Beschädigungen der Vegetation durch Asphaltdämpfe. 
Zeitschr. f. Pflanzenkrankh. 1897, S. 10. 


Fig. 168. Wilder Wein, Erdbeere und Rose durch Teerdämpfe beschädigt. (Orig.) 


Die Rauchgase. 7237 


der genannten Rose beispielsweise fand ich, dafs die noch festsitzenden 
älteren Blätter ohne vorhergehende Rotfärbung stumpf schwarzfleckig 
wurden, was auf einer Ballung und Bräunung des Inhalts der Epidermis- 
zellen beruhte. Letztere aber blieben dabei in ihrer natürlichen 
Turgescenz und Höhe, während sie nach der Wirkung von Asphalt- 
dämpfen zusammenzusinken beginnen. Hier hält sich auch der Inhalt 
des Mesophylis lange Zeit in normaler Beschaffenheit und Lagerung, 
während er bei der Herbstfärbung alsbald sich ballt und zu gleich- 
artigen, anfangs grünen, später sich bräunenden Massen umgewandelt 
wird. Parasitäre Schwarzfärbungen (Asteroma radiosum usw.) wird das 
Mikroskop leicht von Asphaltätzungen unterscheiden können. 

Vor Beginn meiner Untersuchungen hatten bereits Auten und 
JÄNNICKE!) die Schwarzfärbung von Rosen und Erdbeeren infolge der 
Einwirkung von Asphaltdämpfen beschrieben. Sie betrachten das in 
diesen Dämpfen nachgewiesene Eisen als eigentlichen Schädigungsfaktor, 
indem dasselbe sich mit der Gerbsäure der Zellen verbindet, und stützen 
diese Ansicht durch Versuche, bei welchen sie durch Bespritzen der 
Blätter mit Eisenchlorür und Eisensulphat schwarze Flecke, die mit 
den Asphaltbeschädigungen übereinstimmten, erhalten haben. Eisen- 
chlorid ergab diese Wirkung nicht. 

Ich habe diesen Erfolg nicht erzielen können, und auch diejenigen 
Beobachter, welche als Mittel gegen Chlorose und Icterus das Bespritzen 
mit Eisenlösungen angewandt haben, berichten nichts von einer 
Schwärzung. 

Bei dem in Fig. 168, 2 abgebildeten Blatte der Erdbeere (Kulturform 
von Fragaria chilensis) zeigt sich bei g eine nur teilweise Schwärzung 
der Oberseite, weil nur dieser Teil des Blattes freigelegen hat. Sonst 
waren die Erscheinungen wie bei den Rosen: Hebung der Blattränder, 
teilweises Dürrwerden der Blattzähne usw. 

In Fig. 168, 5 sehen wir ein Blatt von Ampelopsis quinquefolia einige 
Wochen nach der Wirkung von Teerdämpfen, welche einer Fabrik von 
Kohlenstiften für elektrische Lampen entströmt waren. Die minder 
erkrankten Blätter erwiesen sich noch grün, aber nicht mehr flach aus- 
gebreitet, sondern an den Rändern muldenförmig in die Höhe gezogen 
und innerhalb der Spreite runzelig durch Hervortreten einzelner 
(Gewebepartien zwischen den feineren Nervenverzweigungen. Bisweilen 
fanden sich in der Nähe der Mittelrippe kleine Stellen mit korkfarbiger 
Oberfläche. Bei intensiverer Beschädigung sind derartige Stellen stets 
vorhanden und gehen teilweise in dürrwerdende, miteinander verfliefsende 
Brandflecke über. Schliefslich kann jedes Blatt ganz regelmäfsige 
Zeichnungen durch das Dürrwerden der Intercostalfelder erhalten 
(Fig. 168, 35). Durch die gegenseitige Reibung der Blätter bröckeln die 
dürren Stellen vielfach heraus, so dafs eine gitterartige Durchbrechung 
zustande kommt (Fig. 168, 37). 

Junge Zweige werden an der Angriffsseite korkig und feinrissig. 
Etwaige Luftwurzeln schrumpfen. 

Wenn die Wirkung der Asphaltdämpfe aufhört, zeigen sich die 
Heilungsbestrebungen des Blattes. Falls das Palisadenparenchym nicht 
oder nur wenig angegriffen worden ist, streckt es sich etwas und wölbt 
die bis zur Unkenntlichkeit zusammengesunkene Epidermis 


!) Arren, H., und Jänsıcker, W., Eine Schädigung von Rosenblättern durch 
Asphaltdämpfe. Ref. Zeitschr. f. Pflanzenkrankh. 1891, S. 156, und 1892, S. 33. 


728 IV. Einflufs schädlicher Gase und Flüssigkeiten. 


ein wenig vor. Wenn aber die Palisadenschicht mit abgestorben ist, 
entwickelt das darunter liegende gesunde Mesophyll eine ganz reguläre 
Tafelkorklage. An den Stengeln ist derselbe Vorgang zu bemerken: 
die gebräunten, abgestorbenen, abgesprengten äufseren Korklagen und 
Rindenparenchymschichten samt den bisweilen in die Nekrose ein- 
bezogenen Hartbastbündeln werden durch ein breites, in extremen 
Fällen bis an das Cambium reichendes Korkband vom gesunden Ge- 
webe abgetrennt. 

Bei Vıtis vinifera, der schneller und stärker wie Ampelopsis leidet, 
so dafs die Blätter bisweilen gänzlich verkräuselt und durchlöchert 
werden können, wurde beobachtet, dafs an den leicht angegriffenen 
Stellen die Schliefszellen der Spaltöffnungen zuerst gelitten hatten. 
Andere Pflanzen zeigten ein anderes Verhalten, betreffs dessen auf 
meine Originalarbeit verwiesen werden mufs. Als allgemeines Merkmal 
aber darf die Corrosion der Epidermiszellen bezeichnet werden. 

Wie bei allen Beschädigungen durch gasförmige Körper wirkt aus- 
schlaggebend der Umstand, ob chronische oder akute Beschädigung 
eintritt. Im ersteren Falle, bei langsamer Einwirkung, kann das an- 
gegriffene Organ durch Gegenreaktion sich lange am Leben erhalten 
und langsam ausleben. Dann sind die Merkmale andere als bei dem 
Einflufs hochkonzentrierter Gaswellen, die ein schnelles Absterben zur 
Folge haben. So wurde beispielsweise bei langsamem Absterben der 
Fichtennadeln in dem noch grünen Teile eine starke Rotfärbung des 
plasmatischen Inhalts der Schliefszellen und später sogar der Wandungen 
derselben wahrgenommen, bei akuter Beschädigung aber nicht. Im 
ersteren Falle verfärben sich auch die Wände der Getäfsbündelelemente, 
wie überhaupt durch Asphaltdämpfe die Zellwände besonders schnell 
leiden. Man sieht dies namentlich schön an den metallisch glänzend 
werdenden älteren Tannennadeln. 


Brom. 


Bei dem gewöhnlichen gewerblichen Betriebe, in welchem Brom 
entwickelt wird, kann man schwerlich von reinen Bromschäden sprechen, 
weil in der Regel die Schweflige Säure beteiligt ist. In gröfserer Ent- 
fernung der Fabriken kann man wohl das Brom noch durch den Geruch 
wahrnehmen, aber man findet dann überhaupt keine ausgeprägten Säure- 
schäden mehr. Es mag deshalb hier von der Beschreibung natürlicher 
Vorkommnisse in der Nähe von Bromfabriken abgesehen und das Ver- 
halten der Pflanzen nach künstlicher Einwirkung intensiver Bromdämpfe 
geschildert werden. Die Versuche wurden in der Weise von mir aus- 
geführt, dafs kleine, gutdurchwurzelte Topfbäumchen der Fichte vier Tage 
hindurch täglich mehrere Stunden dem verdampfenden Brom ausgesetzt 
wurden und in der Zwischenzeit im Freien verblieben. Die der Brom- 
quelle zunächst befindlichen Zweige litten natürlich am meisten und 
waren vollkommen braunnadelig. Bei den weniger geschädigten Zweigen 
fanden sich viele Nadeln von der Spitze herab teilweise gebräunt, und 
an den der Bromquelle fernst stehenden Zweigen sah man nur einzelne 
Nadeln mitten zwischen gesunden braun werden. Das anfangs lebhafte 
Rotbraun ging alsbald in Graubraun über. In diesem Farbenton er- 
hielten sich die Nadeln bis zum Abfallen, das ungefähr nach zwei 
Wochen begann, aber nur die starkbeschädigten Zweige umfafste. An 
den verfärbten Stellen schwach beschädigter, am Zweige verbleibender 
Nadeln erkannte man, dafs die Wandungen einzelner Gruppen von 


Feste Auswurfstoffe der Schornsteine und mitgeführte Destillate. 729 


Mesophyllizellen in der Nähe der Epidermis fahlgelb bis rotgelb ge- 
worden waren, während der Inhalt sich entfärbt hatte und unter gänz- 
licher Desorganisation schliefslich der Wandung aufgetrocknet war. 
Dabei durchlief er nicht selten ein Stadium schaumiger Beschaffenheit. 
Schliefszellen der Spaltöffnungen erschienen längere Zeit nach der 
Einwirkung des Gases nur an den UÜbergangszonen in das gesunde 
Gewebe gerötet, wobei ihre Wandungen braungelb sich verfärbt hatten. 
Epidermis dort leicht gebräunt; subepidermale Prosenchymfasern er- 
wiesen sich farblos. Das Mesophyll in der Nachbarschaft der gebräunten 
Stellen blieb grün und hatte entweder flockigen, grünen Inhalt oder 
klumpig vereinigte Chloroplasten. Daran stiefs alsbald gesundes Gewebe. 

An stärker geschädigten Stellen war auch das Gefäfsbündel an- 
gegriffen und in derselben Weise verfärbt wie bei der Schwefligen 
Säure. Aber der Farbenton der geschädigten Nadeln war nur selten 
ein Rotbraun; meist erschienen dieselben gelbbraun und weniger hart, 
was sie von den SO,-Nadeln unterscheidet. Die Geringfügigkeit der 
Unterschiede fällt hier weniger ins Gewicht, weil, wie gesagt, im 
praktischen Betriebe Brombeschädigung in der Regel mit der durch 
Schweflige Säure angerichteten gemeinsam auftritt. 


Siebzehntes Kapitel. 


Feste Auswurfstoffe der Schornsteine 
und mitgeführte Destillate. 


Den besten Überblick über das Material, welches durch die Rauch- 
schlangen auf die Vegetation zur Einwirkung gelangt, gewährt uns eine 
Tabelle von Wisticexus !), die wir wegen ihrer grofsen Übersichtlichkeit 
hier (S. 730/31) unverändert wiedergeben. 

Über die in der beistehenden Tabelle aufgeführten Stoffe läfst sich 
ein allgemeines Urteil nicht fällen; sie können unter Umständen 
schädlich, sogar äufserst schädlich wirken, aber in anderen Fällen zu 
nennenswerten Ernteverlusten keine Veranlassung geben. Es hängt 
dies nicht nur von der gröfseren oder geringeren Exposition der 
Pflanzenteile ab, sondern von lokal verschiedenen Nebenumständen. 
Abgesehen von der individuellen Empfindlichkeit der einzelnen Pflanzen- 
arten kommen hier, namentlich bei Flugasche, die Bodenbeschaffenheit 
und Witterung, bisweilen ausschlaggebend, hinzu. 

Betreffs der Schädlichkeit der Teernebel ist zu erwähnen, dafs 
dieselben bei Kalköfen in Betracht kommen. Wenn bei dem Brennen 
des Kalksteins das Calcinieren, also die Abspaltung der Kohlensäure, 
beginnt, beladet sich der Rauch mit grofsen Mengen der in der Tabelle 
angeführten Destillate, welche je nach der Eigenart der Pflanze ähn- 
liche Atzwirkungen hervorbringen, wie sie bei den Asphaltdämpfen 
geschildert worden sind. 

Die Schädlichkeit des Rufses ist früher durchgängig überschätzt 
worden und wird es jetzt noch teilweise. Die neueren Untersuchungen 
von SCHMITZ-Dumont und WisLicexus!) bestätigen die alten STÖCKHARDT- 


1) Wisticesus, H., Zur Beurteilung und Abwehr von Rauchschäden. Vortrag 
in Dresden am 31. Mai 1901. Zeitschr. f. angewandte Chemie 1901, Heft 28, Taf. V. 


730 IV. Einflufs schädlicher Gase und Flüssigkeiten. 
Chemische Beschaffenheit 
Die Zahlen bedeuten 
E 1 2 3 = 5 
"22 | Gewöhnlicher 
= 3 ‚Steinkohlen- 
= feuerungs- 
Mitgeführt h 80:9 h (doppelte 
we Treten typisch Rauchgase: air >: 
Destillate und | = menge) 
auf bei Bestandteile od 
Feststoffe Sun 
. S D f- 
Be ampf- 
= @) Ga eis 
es feue- rung 
Hz | rung 
Teernebel (nachteilig) gewöhnl.) unsach- 2 = N 7741| 79,5 
aromat. Kohlenwasser- Kalk- gemäls 25 era 1013| 80 
stoffe öfen und| bedienter ee ua 2 ; 
Phenole („Kreosot“) Ziegelei-]| gewöhn- |4 25 CO; 8,73| 123,5 
Anilin en, aus- licher |> O2 (CO) —) | (—) 
Pyridin nahms- Stoin- (rl Fans 17 A 9 
Pyrrol weise beil kohlen- | | 2 2... 
ER — —— | Meılern |feuerung, 2 09 it | 
i = Höchst | 80, mi | 
Rufs en unschäd 0 a Bi en o e (SO, und) '\0,063| 0,04 
C mit imbibierten Stoffen: Roheisen-| = 5, a | 
teerige, NH, werke, | = Er 
Kali, Natron, Kalk Schmelz-| © ® HCl 0,005 |? 
Schwefelsäure GRAN ler Ya are Ze 
Chlor Gufsstabl| © | A 
Rhodan usw. werke Do | HF 
RR ui. (reduzieren | 9,0. , 
. de Feuer) | & ;= SiF,; 
Flugasche (bedingt 2,0... HL Spt 
schädlich) ———E _ 
Oxyde versch. Basen 2 | Stickstoff- 
Carbonate | als unlösliche #3 säuren 
Phosphate f unschädliche je ur £ 
Silicate Stoffe 2 H,S 4: 
As, O, als schwerlösl. Stoff Meran F 3 (CS;) (Fabrikmtısuginl 
Sulfate |vonFe, = Me a = FH SLÄREER VERERREREREEBe=.2echc 
Chloride Zn, Cu lösl, Were "© 2 Üminhan 
Alkali BE Am- a = 3 | Ammonsalze) 
mo sa e D> =] Ale ee 
2 2 2 E en a (Fabrikation von 
ne ne Fest- a5 ne a 
stoffe EEE er- 
Zn und ZnO Zinkhütten = Benzin- | (Fabrikation pho- 
CaC,, Ca(OH), CaCO, Carbidwerken & dämpfe usw. 
(Jementstaub Portlandzement- | OT 
werken 5 


schen Erfahrungen, dafs Rufs meist unschädlich wirkt. Zartere Pflanzen 
können durch die mitgeführten Phenole usw. Ätzerscheinungen auf- 


weisen. 


Die Theorie von der Verstopfung der Spaltöffnungen mufs fallen 
Nach meinen Untersuchungen berufster Pflanzen 
sind Fälle, bei denen Rufsteilchen in den Vorhof einer Spaltöffnung 


gelassen werden. 


Feste Auswurfstoffe der Schornsteine und mitgeführte Destillate. 731 


der Raucharten. 


Volumprozente. 
6 7 8 9 10 hl 12.18 14 15 16 ilz) 13 
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Abgase | säure 
HNOg aus 
der Kam- 
mersäure 


Leuchtgas, Sodarückstände in Abfall-Halden) | 


Leuchtgas, Blausäure, Blutlaugensalzen usw. usw. 


tographischer Papiere usw. 


gelangen oder denselben gar verkitten, äufserst selten, und selbst in 
diesen Fällen habe ich eine Veränderung an den umgebenden Zellen 
nicht wahrnehmen können. Es müssen aber erst gröfsere Mengen von 
Extraktstoffen (Sulfate und Phenole) ausgelaugt werden, ehe eine 
Schädigung sich nachweisen läfst. Dies zeigen die Versuche von 
Wisticenus mit Steinkohlen-, Braunkohlen- und Benzinrufs sowie mit 


732 IV. Einflufs schädlicher Gase und Flüssigkeiten. 


Rufsextrakten, durch welche Blätter von Hainbuche und Linde und 
später auch Fichtennadeln leichte Atzwirkungen durch die Extrakte 
erhielten. Wahrscheinlich bewirken die eintrocknenden Salze eine 
osmotische Wasserentziehung und Austrocknung. Dieselben Versuche 
ergaben auch die Nichtbestätigung der Befürchtung, dafs dicker Rufs- 
überzug das Licht absorbiert und in Wärme umwandelt und dadurch 
nachteilig wirkt. 

Dafs die im Rauch mitgeführte Kohlensäure schädlich wirken 
kann, ist eine theoretische Möglichkeit, da die Versuche mit extremer 
Steigerung dieses Gases über die normalen 0,04 bis 0,06°%0 hinaus die 
Behinderung der Assimilation ergeben haben. Aber im praktischen 
Betriebe wird kaum davon die Rede sein können. Dasselbe gilt für 
das Kohlenoxyd. 

Die metallischen Bestandteile des Hüttenrauches 
(s. umstehende Tabelle) kommen bei der Flugaschenfrage zur Geltung. 
Nach Freyra@’s!) Untersuchungen erweisen sich reine Metalloxyde meist 
unschädlich. Als Futter für Tiere wird natürlich Laub mit derartigen 
OÖxyden nicht zu verwenden sein, da leicht Entzündungskrankheiten 
auftreten können. 

Als unlösliche Oxyde, als Karbonate und Silikate schaden die 
metallischen Bestandteile des Hüttenrauches den oberirdischen Pflanzen- 
teilen kaum mehr als etwa Strafsenstaub. Lösliche Verbindungen da- 
gegen, wie arsenige Säure, Sulfate und Chloride (es handelt sich hier 
vorzugsweise um Kupfer, Zink und Blei), erzeugen durch Korrosion 
des Gewebes braune Flecke, sobald sie auf vorher benetzte Blätter 
gelangen. Auf trocknem Laube sollen sie nicht schaden, und eine nach- 
folgende Benetzung durch Regen wäscht leicht den Überzug wieder ab. 
Quecksilberdämpfe wirken oberirdisch stets schädlich. Die durch Regen 
in den Boden hinabgewaschenen Verbindungen werden vom Boden ab- 
sorbiert und dadurch meist unschädlich. Eine grofse Anhäufung von 
Arsen (von 0,1°/o ab) ist nachteilig. Die Experimente von! PHILLips ?) 
bestätigen, dafs gesunde Pflanzen durch Aufnahme von Blei und Zink 
keine Wachstumsstörungen erleiden; dagegen wirkt Kupfer ebenso wie 
Arsen giftig, wobei die Wurzelausbildung gestört wird. Einen Nach- 
weis arseniger Säure in Pflanzen liefern KuiEn?) und zahlreiche neuere 
Beobachter. Solche Vergiftungen des Bodens können z. B. in der 
Nähe von Kupferhüttenwerken eintreten, und in einem Prozesse gegen 
die Mannsfeld - Hettstädter Kupferhüttenwerke weist GROUVEN auch 
speziell auf diesen Punkt hin*). Meine eignen Erfahrungen in der- 
selben Gegend zeigen, dafs zurzeit grofse Ackerflächen vergiftet sind 
und trotz reichlichster Düngung sehr mangelhafte Ernten liefern. Dafs 
hier nicht Rauchgase die schädigenden Faktoren allein mehr sind, 
sondern der an Kupfersalzen reiche Boden, beweisen die Versuche, bei 
denen der unfruchtbar gewordene Boden aus der Nähe der Kupferwerke 


!) Freyrac in Jahrb. für das Berg- und Hüttenwesen im Königreich Sachsen 
1873, S. 24 u. 36, cit. bei Hasenclever. — Landwirtsch. Jahrb. 1882, S. 315—357. 
Verfasser weicht betreffs der Rauchwirkung insofern von Schröder ab, als er nicht 
die Schweflige Säure als solche, sondern erst die aus ihr sich bildende Schwefel- 
säure für das schädigende Agens hält. 

?) Purwuırs, The absorption of Metallic Oxides by plants; cit. Bot. Oentralbl. 
1883, Bd. XIII, Nr. 11, S. 364. 

?) Chemischer Ackersmann 1375, Heft 4. 

*) Fühling’s neue landwirtsch. Z. 1871, Heft 7, S. 534. 


Feste Auswurfstoffe der Schornsteine und mitgeführte Destillate. 133 


ausgehoben und in rauchfreie Gegend gebracht worden war. Auch am 
letzteren Orte waren die Pflanzen (Phaseolus vulgaris) erkrankt, während 
die daneben gesäten auf dem an Ort und Stelle gewachsenen Boden 
der rauchfreien Gegend gesund und kräftig sich weiter entwickelten. 
Wieviel die Pflanzen während einer Vegetationsperiode an Metallen 
aufnehmen können, zeigt eine Analyse von Kartoffeln, deren Kraut von 
dem metallischen Flugstaub aus einer Nickelfabrik bestrichen wurde. 
Gesundes Laub enthielt (in Prozenten der wasser- und sandfreien 
Substanz): 
Kupferoxyd' x.” | »110;0198 
Zinkoryd aan) 2100160 
Niekeloxyd . ....— 


Krankes Laub enthielt (in Prozenten der wasser- und sandfreien 
Substanz): 
Kuopteroxyd . = %=....0,0713 
Ainkosyd. u... ja 
Nickelosyd., .- .. .- .,. 0.0251 


Die zugehörigen Knollen aber zeigten gar kein Zink- und Nickel- 
oxyd und nur 0,0043 °/o Kupferoxyd gegenüber den gesunden Knollen, 
welche 0,0041 °/o besafsen !). 

Neben Kupfervergiftungen ragen wegen ihrer Schädlichkeit die 
Arsenverbindungen hervor, die (nach v. ScHRÖDER) schon in 
Mengen unter 0,1°/o im Boden die Vegetation beeinträchtigen. 

Indes sorgt die fortschreitende Technik dafür, dafs sowohl Arsenik 
wie auch die löslichen Metallsalze des Rauches in den Flugstaubkanälen 
immer mehr zurückgehalten werden, so dafs im jetzigen praktischen 
Betriebe neue Metallvergiftungen des Bodens weniger zu befürchten sind. 

Dennoch beanspruchen die Flugaschenauswürfe eine erhöhte 
Aufmerksamkeit. Eine Reihe eigner Versuche hat gezeigt, dafs man 
mit manchen Flugaschen, die dem Boden beigemengt werden, eine 
sichtliche Wachstumsförderung erzielen kann, während aus anderen 
Betrieben stammende Proben eine vergiftende Wirkung ausüben. Die- 
selbe ist weniger oft eine direkte Beschädigung der oberirdischen 
Pflanzenteile, sondern häufiger eine indirekte, die in dem Einflufs auf 
gewisse, schwere, wasserreiche Bodenarten sich geltend macht. Bei 
den oberirdischen Beschädigungen können Schwefelnatrium und 
Schwefelcalcium Atzwirkungen an einzelnen zarteren Pflanzen 
hervorrufen, bei den indirekten Schädigungen ist die Wirkungsweise 
noch nicht genügend aufgeklärt. Meiner Ansicht nach handelt es sich 
teilweise um Reduktionserscheinungen im Boden, bei denen Schwefel- 
wasserstoff entwickelt wird. 

In den durch Flugasche stark überschütteten schweren Böden, 
namentlich wenn dieselben reiche Kalkdüngung erhalten haben, tritt 
bei Gerste eine Krankheitserscheinung, die ich als „Flecken- 
nekrose“* bezeichnet habe, so hochgradig auf, dafs die Ernte eine 
aufserordentlich starke Einbutfse erfährt. Alle Teile der Pflanze bis zu 
den Grannen der Spelzen erscheinen dicht braunpunktiert. Die braunen 
Punkte stellen abgestorbene Gewebeinseln dar, bei denen Parasiten 
bestimmt nicht die Ursache sind. Es können später sich Schwärzepilze 


1) Könıe,, J., Denkschrift der Landwirtschaftl. Versuchsstation Münster i. W. 
1896, S. 204. 


734 IV. Einflufs schädlicher Gase und Flüssigkeiten. 


ansiedeln, und man hat dann diese Komplikation als „Hormodendron- 
Krankheit“ beschrieben. Die Fleckennekrose ist Jedoch nicht spezifisch 
für die Flugaschengebiete, aber unzweifelhaft dort am intensivsten. 
Gemildert sah ich diese Erkrankung nach kräftiger Kalkdüngung. 

Die meisten Hinweise auf die schädigende Wirkung von Schwefel- 
wasserstoff finden wir in den Gutachten von STEFFECK!). Dort wird 
auch der vielfachen Entwertung der Feldfrüchte durch mechanische 
Überschüttung gedacht. Auch mir sind Fälle bekannt geworden, in 
denen eine Einlagerung von Asche in Gemüsepflanzen, namentlich 
Kohlarten, so stark war und so wenig sich entfernen liefs, dafs die 
Pflanzen minderwertig oder überhaupt unverkäuflich wurden. Nach 
starker Überschüttung von Futterrunkeln und Zuckerrüben, deren Blatt- 
köpfe später verfüttert wurden, gingen einzelne Stücke des Vieh- 
bestandes ein. Man fand bei diesen Tieren im Magen ganz unglaub- 
liche Mengen von Asche. 


Schwefelwasserstoff. 


In Rücksicht auf unsere Anschauung, dafs bei Flugascheeinlagerung 
in gewissen schweren Bodenarten sich Schwefelwasserstoff bilden 
kann, habe ich einige Versuche mit Gerste ausgeführt. Es wurden die 
Kaliumpolysulfide der Schwefelleber benutzt, die teils in Stücken 
zwischen die junge, in Töpfen erzogene Gerstensaat gelegt, teils in 
Wasser von Untersätzen gebracht wurden, in denen Töpfe mit Gersten- 
saat standen. Ein zwischen die Pflänzchen ausgelegtes Bleipapier 
bräunte sich langsam. Nach sechs Tagen begann eine Vergilbung der 
Blätter, und zwar meist in der Mittelregion, seltener von der Spitze 
ausgehend. Die verfärbten Stellen sahen saftiger und durch- 
scheinender aus als bei der durch andere Ursachen hervorgerufenen 
Vergilbung?). Der Gelbfärbung folgte eine Erschlaffung der Gewebe- 
stelle und ein Vertrocknen der darüber liegenden, noch grünen Blatt- 
fläche unter Annahme einer graugelben Farbe. 

Das erste Symptom der Erkrankung ist hier stets die Bleichung 
des Chlorophyllfarbstoffs, der alsbald in den plasmatischen Zellinhalt 
überzutreten beginnt. Es geht nicht, wie bei anderen Vergiftungen, 
ein Zusammenziehen des Primordialschlauches oder Schrumpfen der 
Chloroplasten voran oder nebenher. Dafür aber ist ein stellenweises 
Ubertreten des Zellwassers in die Intercellularräume bemerkbar, und 
daraus ist das durchscheinende Aussehen der vergilbten Stelle er- 
klärlich. Sodann folgt ein Verschwinden der Grenzen der einzelnen 
Chloroplasten bis auf einen körnigen Rückstand, der in der Mitte der 
gesamten wolkig-trüben, bleich gelbgrünen Plasmamasse zusammen- 
gezogen ist. Man bekommt den Eindruck, dafs hier der gesamte Zell- 
inhalt zu einer gleichartig teigigen Masse verquillt, während bei Chlor- 
und Salzsäurewirkung man Schrumpfungserscheinungen, bei Schwefliger 
Säure aber Auftrocknungsvorgänge des differenziert bleibenden Inhalts 
wahrnimmt. Bei Hafer war die Bleichung des Chlorophylifarbstoffs 
eine langsamere und weniger intensive. Infolge eintretender Wurzel- 
erkrankung wurden die Gefäfsbündelelemente tief braunwandig. 


!) Srerreck, Die durch gewerbliche an ne hervorgerufenen Flurschäden 
und Verunreinigungen von Wasserläufen und Teichen. Magdeburger Zeitung 197, 
Nr. 329 u. 331. 

2) Soraver, P., Beitrag zur anatomischen Analyse rauchbeschädigter Pflanzen. 
Landwirtsch. Jahrb. 1904, S. 643. 


Feste Auswurfstoffe der Schornsteine und mitgeführte Destillate. 735 


Sodastaub, 


Über die Schädlichkeit von Natrondämpfen berichtet EBERMAYER!). 
Bei der Gewinnung der Cellulose wird Natronlauge unter erhöhtem Druck 
auf zerkleinertes Kiefernholz einwirken gelassen. Behufs Rückgewinnung 
des Natrons wird die benutzte Lauge eingedampft und der Rückstand 
zur Zerstörung der organischen Stoffe verbrannt. Dabei gelangt viel 
kohlensaures Natron in die Umgebung. Obstbäume in der Nähe solcher 
Fabriken zeigten die Blätter braun oder schwarz gefärbt und in kurzer 
Zeit abgestorben. 

Dieselbe Färbung nahmen Blätter an, die in eine verdünnte Soda- 
lösung von 1,01 spez. Gewicht getaucht wurden. Apfelblätter erschienen 
etwas weniger widerstandsfähig als Birnen und Pflaumen. 

Betreffs des Sodastaubes sind bisher nur Fälle bekannt geworden, 
wo Soda aus Ammoniaksodafabriken durch eine unzulässige Ventilation 
der Fabrikräume verstäubte. Die durch Tau oder Regen gelöste Soda 
ruft durch Absterben der Blattränder oder auch durch einzelne Atzflecke 
leicht bei manchen Bäumen das Bild einer Beschädigung durch saure 
(Grase hervor. 

In zweifelhaften Fällen hilft dem Experten aber hier die Beschaffen- 
heit der wilden Gräser und namentlich der Getreidehalme, welche eine 
citronengelbe Färbung einseitig annehmen. Je nach der Zeit 
und Intensität des Entweichens des Sodastaubes kann Getreide taub 
werden und die Baumvegetation allmählich durch eine alljährlich sich 
wiederholende Blattbeschädigung zum Absterben gebracht werden. 
Übrigens sind die einzelnen Pflanzenspezies in sehr verschiedenem Mafse 
empfindlich und verhalten sich manchmal widerstandsfähig gegen Soda 
und empfindlich gegen saure Rauchgase und umgekehrt. Künstlich von 
mir vorgenommene Bestäubungsversuche an Getreide und wilden Gräsern 
(Agropyrum repens, Agrostis vulgaris, Lolium etc.) in betautem Zustande 
ergaben das Auftreten derselben Gelbfärbung auch an den Spelzen, 
wie bei den natürlichen Beschädigungen ?), die bis auf 2 Kilometer Ent- 
fernung von der Fabrik nachweisbar waren. Könıs?) beobachtete, dafs 
Gerstenblätter weils gerändert wurden; Rotklee soll zuerst kleine schwarze 
Flecke auf den Blättern zeigen, später werden einzelne ganz schwarz 
und fallen ab; ebenso bei Kartoffeln. Bei Eichen wie bei Kirschen fand 
König neben den braunen Blatträndern auch Löcher vor. Weifstannen- 
nadeln sollen gelbspitzig werden und abfallen. Auf Grund seiner Ana- 
lysen sieht genannter Autor die Wirkung der Soda nicht nur in einer 
Humifizierung der Blattsubstanz, sondern in der Aufnahme von Soda 
durch die Blätter, von wo aus dieselbe bis zur Wurzel wandert. Mit 
der Steigerung der Natronmenge erfolgt gleichzeitig eine Zunahme an 
Säuren, namentlich Kiesel- und Schwefelsäure ®); vielfach nehmen auch 
Phosphorsäure und Chlor zu. Diese Gegenreaktion des Pflanzen- 


!) Ein Beitrag zur Pathologie der Obstbäume. Tagebl. d. Naturf.-Vers. zu 
Hamburg, eit. er een Centralbl. 1877, II, S. 318. 

2) Zeitschr. f. Pflanzenkrankh. 1892, S. 154, Anmerk. 

3) Börner, Hasernorr und Könıs, Über die Schädlichkeit von Sodastaub und 
Ammoniakgas auf die Vegetation. Mitgeteilt von Könıs, Landwirtsch. Jahrb. XXI 
cit. Zeitschr. f. Pflanzenkrankh. 1893, S. 98. 

*) Nur bei Roggen fand Könıs (Denkschrift 1396 S. 207) trotz höheren Gehaltes 
an Natron weniger Asche, namentlich weniger Kieselsäure. Es scheint ihm, dafs 
durch die Soda im Halme Kieselsäure gelöst und ausgewaschen wird. 


736 IV. Einflufs schädlicher Gase und Flüssigkeiten. 


körpers zeigt sich im umgekehrten Sinne auch bei den Beschädi- 
gungen durch saure Gase, bei denen die noch nicht über ein gewisses 
Mafs hinaus beschädigten Blätter mehr Basen enthalten als die gesunden. 


Fangpfianzenmethode. 


Über die technischen Mafsnahmen zur Vermeidung oder Verminde- 
rung der Rauch- und Flugaschebeschädigungen mufs auf die technischen 
Handbücher verwiesen werden. Wohl aber möchte ich hier eine Methode 
behufs Klärung der Frage angeben, ob die wahrgenommenen Schäden mit 
der Bodenvergiftung zusammenhängen oder rein oberirdische Wirkungen 
der säurehaltigen Gaswellen sind. Zu diesem Zwecke bediene ich mich 
des „Fangpflanzenbaues“. Diese Methode besteht darin, dafs in die 
klägerischen Acker Holzkästen von mindestens 1 cbm Inhalt eingestellt und 
mit einer Erde angefüllt werden, welche vor Zeugen aus rauchfreier Gegend 
entnommen worden ist. Andererseits kommt die aus dem klägerischen 
Acker ausgehobene Erde in ebensolche Kästen, die aber auf einem 
Acker in rauchfreier Gegend eingegraben werden. Beide Kästenkate- 
gorien werden dann in ganz gleicher Weise mit Bohnen (Phaseolus 
vulgaris nanus) besät und gleichzeitig nach einer Reihe von Wochen 
geerntet. Die Ernte wird mikroskopisch und chemisch untersucht. 

Eine Bodenvergiftung wird dadurch bewiesen, dafs die Pflanzen 
in dem aus dem klägerischen Acker stammenden Boden in den in rauch- 
freier Gegend eingesenkten Kästen unter denselben Merkmalen wie die 
vor der Rauchquelle erkranken. Wenn dagegen die in der Nähe des 
schädigenden industriellen Etablissements auf dem klägerischen Acker 
eingesenkten, mit Erde aus rauchfreier Gegend angefüllten Kästen an 
ihren Bohnen die Merkmale der Rauchvergiftung erkennen lassen, so 
ist der Hinweis gegeben, dafs die gefährliche Rauchschlange allein 
schon hinreicht, das Pflanzenwachstum zu schädigen. 

Diese vergleichenden Kulturen haben den Vorteil, den streitenden 
Parteien schon einen dem Laien erkennbaren Einblick in die Schädigungs- 
art zu geben und dadurch eine gütliche Einigung anzubahnen und den 
langwierigen Prozefsweg zu vermeiden. Betrefts der Prozesse ist die 
Bildung staatlicher Rauchkommissionen anzustreben. Wir 
verstehen darunter bestimmte Personen aus den Kreisen der Botaniker, 
Chemiker, Land- und Forstwirte, welche zu Sachverständigen-Kom- 
missionen zusammentreten und für die einzelnen Bezirke stets die- 
selben sind. Durch die Beibehaltung derselben Persönlichkeiten er- 
halten dieselben einen genaueren Einblick in die speziellen Verhältnisse 
ihres Bezirkes und ein gesicherteres Urteil in diesen schwierigen Fragen. 


Leuchtgas und Acetylen. 


Man hatte dem häufig im Leuchtgase vorhandenen Schwefelwasser- 
stoff den schädlichen Einflufs zugeschrieben, den das Leuchtgas auf 
die Pflanzen ausübt. Die alleinige Ursache ist er nicht, da Knr!) nach- 
gewiesen, dafs auch das sorgfältig von Schwefelwasserstoff gereinigte 
Gas den Wurzeln schädlich ist. Aus der violettgrauen Färbung 
vieler Wurzeln bei den durch Leuchtgas geschädigten Bäumen schliefse 
ich, dafs mitgeführte Stoffe aus der Teerreihe bzw. Ammoniak die 
schädigenden Faktoren sind. Diese violette Verfärbung der Wurzeln 


1) Sitzungsber. d. Ges. naturforsch. Freunde zu Berlin in Bot. Zeit. 1871, S. 869. 


Feste Auswurfstoffe der Schornsteine und mitgeführte Destillate. 137 


ist vorläufig als das beste Merkmal zu bezeichnen, wenn es auch keine 
unbedingte Sicherheit gewährt. Es ist WEHMER!) zuzustimmen, dafs auch 
bei anderen Todesarten derartige Wurzelverfärbungen vorkommen, und 
dafs bei Bäumen, die durch Leuchtgas im Boden zugrunde gegangen 
sind, manchmal das Merkmal nur spärlich zu finden ist. Letzterer Fall 
ist sehr erklärlich, da nur diejenigen Wurzeläste, die direkt mit dem 
schädigenden Agens in Berührung kommen, sich verfärben und das 
Absterben der Bäume veranlassen; die sekundär sterbenden Wurzeläste 
bleiben ungefärbt. 

Die verschiedenen Bäume und Sträucher zeigen eine sehr grofse 
Mannigfaltigkeit hinsichtlich der Widerstandsfähigkeit gegen den Ein- 
tlufs des Gases. Während z.B. in den Knr'schen Versuchen die Ulme 
sehr bald einging, hat Cornus sangwinea ohne wahrnehmbaren Schaden 
die Vergiftung mit Leuchtgas überstanden. Wie weit der Einflufs einer 
Gasleitungsröhre sich erstreckt, zeigt eine Analyse von GIRARDIN ?), wo- 
nach der Boden noch in einer Entfernung von 1 m brenzliche Öle, 
Schwefel- und Ammoniakverbindungen aufwies. 

Ein weiteres Beispiel für das verschiedenartige Verhalten der Pflanzen 
gegen Leuchtgas führt Lackxer?) an, dessen Beobachtungen sich aber 
auf den Einflufs beziehen, den Gas bei seiner Verbrennung im Zimmer 
ausüben soll. Den Kamelien und Azaleen ist ein Aufenthalt im Zimmer, 
wo viel Gas gebrannt wird, sehr schädlich, und Efeu soll darin bald 
zugrunde gehen; dagegen zeigen sich Palmen, Dracänen, Aucuba japonica 
und andere Pflanzen gar nicht empfindlich. 

Die Versuche von RicHTEr ®) ergaben, dafs Leuchtgas hemmend auf 
das Längen- und fördernd auf das Dickenwachstum bei Keimlingen 
von Bohnen und anderen Pflanzen wirkt. Dafs der bei der Ver- 
brennung sich schnell steigernde Kohlensäuregehalt hierbei auf den 
Pflanzenkörper so schädlich wirke wie auf den Tierkörper, wie man 
früher anzunehmen geneigt war, ist nicht der Fall?); es ist eher zu 
vermuten, dals einzelne Produkte der unvollkommenen Verbrennung 
des Leuchtmaterials die Schuld tragen. 


1) Wenver, ©., Über einen Fall intensiver Schädigung einer Allee durch aus- 
strömendes Leuchtgas. Zeitschr. f. Pflanzenkrankh. 1900, S. 267. 


®) Jahresber. über Agrikulturchemie Jahrg. VII, 1866, S. 199. 


°) Monatsschrift d. Ver. z. Beförd. d. Gartenbaues in d. Kgl. Preufs. Staaten. 
Januar 1873, S. 22. 

#) Rıcnter, O., Pflanzenwachstum und Laboratoriumsluft. Ber. d. D. Bot. 
Ges. 1903, Heft 3. 

°) Wir wiederholen, dafs bei sonst günstigen Wachstumsbedingungen bis zu 
einem hohen Prozentsatze hinauf der Kohlensäuregehalt nützlich ist, indem er die 
Produktion von Pflanzensubstanz befördert, was durch die vermehrte Sauerstoff- 
ausscheidung angezeigt wird. Nach den Untersuchungen von Goprewskı („Ab- 
hängigkeit der Sauerstoffausscheidung der Blätter von dem Kohlensäuregehalt der 
Luft“ in Sachs’ Arbeiten des bot. Inst. zu Würzburg 1873, III, S. 343—370) liegt 
das Optimum des Kohlensäuregehalts im Verhältnis zu dem Gehalt der Luft un- 
geheuer hoch (5—10°o). Es erklärt sich hieraus die günstige Wirkung der Mist- 
beete und der mit Pferdedung erwärmten, niedrigen, in der Erde liegenden Glashäuser 
der Gärtner. Hier vereint sich die hohe Kohlensäureproduktion der sich zersetzenden 
organischen Substanz mit reichlicher Wärmeentwicklung, abgeschwächtem Licht 
und feuchter Luft, also den wesentlichen Faktoren eines üppigen Blattwachstums. 
Aber auch die Blütenentwicklung wird in der Weise gefördert, dafs bei gesteigertem 
Kohlensäuregehalt der Luft die Blumen früher und ergiebiger sich ausbilden. 
(Dewoussy, Über die Vegetation in kohlensäurereichen Atmosphären. Compt. rend. 
1904, t. 139, S. 883.) 


Sorauer, Handbuch. 3, Aufl. Erster Band. 47 


738 IV. Eintlufs schädlicher Gase und Flüssigkeiten. 


Nach meinen Erfahrungen ist bei den Zimmerkulturen in erster 
Linie die Trockenheit der Luft die Hauptursache des Absterbens, das 
sich dann in einem Vertrocknen der Blattspitzen und Blattränder 
geltend macht. 

Betreffs des Einflusses von Leuchtgas auf die Wurzeln zeigten 
Bönrm’s!) Versuche mit Weidenstecklingen in Flaschen mit Wasser, 
welchem Leuchtgas zugeführt worden, dafs die Wirkung eine langsam 
tötende war; die nach drei Monaten absterbenden Stecklinge hatten 
auf Kosten der gespeichert gewesenen Stärke neue, kurze Wurzeln 
gebildet. Die Wirkung war dabei weniger intensiv, als wenn das Wasser 
Kohlensäure zugeführt erhielt. In diesem Falle waren alle Neu- 
bildungen an dem im Wasser befindlichen Stengelteile unterblieben, 
während der obere Teil, der Thyllen in den Gefäfsen bildete, noch 
krankhafte Triebe entwickelte; der Tod trat nach zwei Monaten ein. 
Bei anderen Versuchen, in denen Wasserstoff zum Wasser zugeführt 
worden, war die Entwicklung nahezu normal. Vergl. d. Abschnitt über 
Kohlensäureüberschufs. 

Die Pflanzen starben auch, wenn Leuchtgas der Erde ihres Topf- 
ballens zugeleitet wurde. Samen, welche in Erde gelegt wurden, durch 
welche fast 2! Jahr lang Leuchtgas hindurch gegangen war, kamen 
nur zu einer höchst mangelhaften Entwicklung. Wurde durch solchen 
Boden während längerer Zeit ein Strom atmosphärischer Luft geleitet, 
so verlor die Erde ihren schädlichen Einflufs durchaus nicht, so dafs 
man diese Wirkung wohl, wie bereits gesagt, vorzugsweise den teer- 
artigen Produkten zuschreiben darf, welche sich im Boden in flüssiger 
oder fester Form absetzen. 

Spith und MEYER?) fanden, dafs schon eine verhältnismäfsig geringe 
Gasmenge (25 Kubikfufs auf 14,19 qm Fläche bei 1,25 m Tiete täglich 
verteilt) die mit dem Gas in Berührung kommenden Wurzeln tötet. 
Weniger schädlich zeigte sich selbst ein gröfseres Gasquantum, wenn 
dasselbe die Bäume in der Zeit der Winterruhe bestrich. Auch 
hier erwiesen sich die verschiedenen Baumarten von verschiedener 
Widerstandskraft 

Am zweckmäfsigsten erscheint vorläufig das durch Bönm empfohlene 
Verfahren von JJUERGENS, die Gasröhren der Straisen usw. in glasierte 
Tonröhren zu legen, welche Ausmündung in die Beleuchtungskandelaber 
haben, so dafs innerhalb der Tonröhren eine dauernde Ventilation statt- 
finden kann. 

Bezüglich der Acetylenvergiftung hat Brızı?) Versuche an- 
gestellt, der in einer italienischen Stadt ein Absterben von Quercus Ilex 
an einem Leitungsstrange dieses Gases wahrnahm. Krautartige Pflanzen 
gingen in den Töpten, welche Acetylen zugeführt bekamen, unter Ver- 
trocknungserscheinungen zugrunde. In den Palisadenzellen von Coleus 
waren die Zellkerne verschwunden; die Wurzeln hatten ihre Haare ver- 
loren; die Seitenwürzelchen erschienen welk, gequetscht und braun; 
die Rindenzellen entbehrten jeder Flüssigkeit. Bei Evonymus japonica 


!) Über den Einflufs des Leuchtgases auf die Vegetation. Sitzungsber. d. k. 
Akad. d. Wissensch. zu Wien, Bd. LXVII B. 

2) Spirn und Meyer, Beobachtungen über den Einflufs des Leuchtgases auf 
die Vegetation von Bäumen. Landwirtsch. Versuchsstat. 1873, S. 336. 

3) Brızı, U., Sulle alterazioni prodrotte alle piante coltivate dalle principali 
emanazioni gasose degli stabilimente industriali. Staz. sperim. agrar. ital. XXXVI; 
cit. Zeitschr. f. Pflanzenkrankh. 1904, S. 160. 


Abwässer. 739 


erwiesen sich die Pflanzen in trockenem Boden nach sieben Tagen noch 
normal, während sie in feuchter Erde nach sechs Tagen bereits die 
Blätter abwarfen und die meisten jungen Wurzeln abgestorben zeigten. 
Lorbeer und Weinstock verhielten sich ähnlich. Bkızı sieht die Wirkung 
der im Acetylen enthaltenen Gase und Beimengungen in einer Entziehung 
der normalen, sauerstoffhaltigen Luft, so dais die Wurzeln ersticken, 
und meint, dafs Leuchtgas ganz analog ‚ aber noch heftiger wirken werde. 
Die Feuchtigkeit des Bodens fördert darum die Schädlichkeit, weil sie 
seine Durchlässigkeit für die Gase herabdrückt. 

Die Ansicht Brızr’s von der erstickenden Wirkung, die Leuchtgas 
in seinen mitgeführten Produkten auf die Wurzeln ausübt, findet insofern 
eine Stütze, als ich bei Gasvergiftungen von Linden in Berlin beim 
Schneiden der Wurzeln deutlich einen Buttersäuregeruch wahrgenommen 
habe und bei Wurzeln von Bäumen,. die durch stagnierende Nässe 
zugrunde gegangen waren, violettbraune Membranverfärbungen fest- 
stellen konnte. 


Achtzehntes Kapitel. 
Abwässer. 


Kochsalzreiche Wässer. 


Von allen Schädigungen, die durch Abwässer veranlafst werden, sind 
die durch Kochsalz hervorgerufenen die häufigsten. Besonders begegnet 
man denselben in solchen Gegenden, in denen eine grofse Steinkohlen- 
förderung stattfindet. Aus den Analysen, welche Könıs!) in Gremein- 
schaft mit STorP?), BÖHMER?), SToop*) und HAsELHOFF>) veröffentlicht 
hat, geben wir einige Zahlen über die Zusammensetzung von Gruben- 
wässern, die zur Genüge zeigen, um welche Mengen von Chlornatrium 
und anderen Salzen es sich bisweilen handelt. Es enthält pro 11: 


Mt ! . MEN IRB 
Moatse) denied 1 uns U ehlaiira  mingnaziana!. snlfat  * eulat 
bLeyin..-- >... ‚= 1...09,949 8, 11,056.‘ ,8,736.8.., .0,659 2 — 
Matthias Stinnes . 33,244 g 3,6312 1,7358 z= 0,042 & 
Saline Königsborn 45,413 & 4,061 0,189 — 1,256 g 


Man kann aus diesen Beispielen leicht ermessen, welchen Einflufs 
Berieselungen oder gar Überflutungen mit derartigen Lösungen ausüben 
werden. Die Wirkung wird sowohl eine direkte , als auch eine in- 
direkte durch die Veränderungen sein, welche der Boden erleidet. In 
letzterer Beziehung kommt zunächst der Umstand in Betracht, dafs 
die Bodennährstotfe (Kali, Kalk, Magnesia, unter Umständen auch 
Phosphorsäure) in erhöhter Menge gelöst und ausgewaschen werden. 
Der Auswaschungsprozefs beginnt schon bei 0,5 gr Kochsalz pro Liter; 
mithin sind alle Wässer mit gröfserem Gehalt schon zur Berieselung 
bedenklich. Dem Nährstoffverlust des Bodens entsprechend zeigten 
auch Topfversuche mit Wiesengräsern einen wesentlichen Rückgang 
der geernteten Substanz. 


1) Die landwirtsch. Versuchsstat. Münster i. W. Denkschrift 1396, S. 153. 
2) Landwirtsch. Jahrbücher 1883, XII, S. 795. 
3) Ebend. S. 897. 
*) Landwirtsch. Versuchsstat. 1889, S. 113. 
5) Landwirtsch. Jahrbücher 1893, S. 845. 
dr 


740 IV. Einflufs schädlicher Gase und Flüssigkeiten. 


Ein zweiter Nachteil der Berieselung mit kochsalzhaltigem Wasser 
ist das Dichtschlämmen des Bodens; es genügen schon 0,41 /o 
Kochsalz im Boden, um denselben infolge Verdichtung unfruchtbar zu 
machen. In der Nähe von Salzwerken sah Sanna!) ein Überwiegen 
von Feinerde gegenüber den groben Bestandteilen und macht darauf 
aufmerksam, dafs durch die verminderte Luftzufuhr die Arbeit der 
Bodenbakterien aufgehalten wird. Solche Böden müssen unbedingt 
vor Winter in rauhe Furche gelegt werden, damit sie durch den Frost 
wieder eine Auflockerung erfahren. Endlich aber ist noch ein Punkt, 
auf den PEsLıon?) aufmerksam macht, zu verzeichnen. Er studierte 
die eigenartige Ahrenverkümmerung, die mit „Garbin“ bezeichnet und 
der Wirkung der Seewinde zugeschrieben wird. Nach dem genannten 
Beobachter trägt aber die physiologische Trockenheit die Schuld 
daran. Der Salzboden hält das Wasser so fest, dafs die Wurzeln 
dasselbe nicht in genügender Menge aufzunehmen vermögen. 

Bezüglich der direkten Wirkung ist zu berücksichtigen, dafs sich 
die Pflanze je nach ihrer Eigenart dem kochsalzhaltigen Wasser teilweise 
anpassen kann und demgemäfs ihren Habitus ändert. Bei Wiesengräsern 
hat HöSTERMAnN ?) nachgewiesen, dafs dieselben Xerophytenstruktur an- 
nehmen; sie werden kleiner, gedrungener, die Internodien kürzer und 
die Blätter kleiner; die Bestockung ist gering und der Wurzelkörper 
schwach entwickelt. Die Transpiration geht zurück und die Assimi- 
lationsenergie wird schon bei 0,05°/o gehemmt. Betreffs der Keim- 
kraft der Samen wurde beobachtet, dafs schwache Konzentrationen 
(0,5—0,75 °/o) förderlich wirken, dafs aber darüber hinaus eine Schädigung 
eintritt. 

Andere Anpassungserscheinungen erwähnt ÄRESCHOUG®), indem er 
als Schutz gegen die Anhäufung von Chloriden das Festhalten von 
Wasser in Geweben (Speichertracheiden, Schleimzellen) ansieht, die 
direkt nicht mit der Assimilation zusammenhängen. Auch scheinen die 
Hydathoden chlornatriumhaltiges Wasser auszuscheiden. Die Struktur- 
einrichtungen zur Hemmung der Transpiration sah Dies ?) sich steigern, 
je salzreicher der Standort der Pflanzen sich erwies. Daraus wäre zu 
schliefsen, dafs die Strandvegetation an Wasserbecken von verschiedenem 
Salzgehalt auch abweichend sich verhalten wird. Auf diesen Punkt 
macht Rostrup®) auch tatsächlich aufmerksam. Die Kiefer leidet am 
meisten, die Birke am wenigsten. Aus den von der ökonomischen 
Gesellschaft des Amtes Maribo nach den Überschwemmungen in den 
Jahren 1858, 1863 und 1865 gemachten Aufzeichnungen geht hervor, 
dafs die Wirkung des Salzwassers um so schwerer war, je lehm- 
haltiger der Boden sich erwies. Von den überschwemmten Winter- 


1) Sansa, A., Einflufs des Seesalzes auf die Pflanzen. Staz. sperim. XXXVII; 
eit. Centralbl. f. Agrikulturchemie 1904, S. 826. 

2) Pzeuion, V., Der Salzgehalt des Bodens und seine Wirkung auf die Vegetation 
des Getreides. Staz. speriment. agrar. ital. 1903; eit. Centralbl. f. Agrikulturchemie 
1904, S. 507. — Riıcöne, Influence du chlorure de Sodium etec.; cit. Zeitschrift für 
Pflanzenkrankh. 1904, S. 222. 

3) Hösrervans, Einflufs des Kochsalzes auf die Vegetation von Wiesengräsern. 
Landwirtsch. Jahrb. Suppl. 1901; eit. Centralbl. f. Agrikulturchemie 1903, S. 211. 

#4) Arzscnous, F. W., Untersuchungen über den Blattbau der Mangrovepflanzen. 
Bibl. bot. 1902; eit. Bot. Jahresber. 1902, II. S. 295. 

5) Dırrs, L., Stoffwechsel und Struktur der Halophyten; cit. Bot. Jahresber. 
1898, I, S. 606. 

6 Rosırur, Plantepatologi S. 74, 75. 


Abwässer. 741 


saaten litt der Roggen mehr wie der Weizen. Bei den Frühjahrssaaten 
auf dem durchsalzenen Boden wurden Gerste und Erbsen am meisten 
geschädigt. Runkelrüben, Kartoffeln, Weifsklee und Raygras schienen 
nicht sehr unter der Einwirkung des Salzbodens zu leiden, dagegen war 
Rotklee sehr empfindlich. Bei den mit künstlicher Kochsalzdüngung von 
WOHLTMANN!) ausgeführten Versuchen zeigten von Sommerhalmfrüchten 
Gerste und Weizen grofse Empfindlichkeit, während Winterweizen 
noch bei sehr starken Gaben von Kochsalz leidlich gedieh. Erbsen 
versagten bei starker Düngung gänzlich. Hafer war widerstandsfähiger. 
Am wenigsten empfindlich erwies sich Winterroggen. Bei den Kartoffeln 
war der Stärkegehalt sehr herabgegangen, der Proteingehalt nicht be- 
einflufst, die Aschenmenge gestiegen. Bei Zucker- und Futterrüben 
wurde das Erntequantum erhöht, ohne dafs der Zuckergehalt zurück- 
ging. Man merkt hier die Abstammung von der Strandpflanze. 

Bei Bäumen macht sich die Wirkung des Salzbodens erst geltend, 
nachdem sie längere Zeit das Salz gespeichert haben. So fand WEBER ?), 
der übrigens die Ansicht vertritt, dafs in manchen Fällen nicht der 
Salzüberschufs, sondern die Versumpfung die Ursache des Absterbens 
sei, bei vergilbenden Zweigen von Salix viminalis im Lahntale bei Bersen- 
brück, wo die Grubenwässer von Eversburg einfliefsen, dafs die Blätter 
einen Chlorgehalt von 1,309 0, die der gesunden Pflanzen nur 0,877 %o 
besalsen. Betreffs des Verhaltens von Zierpflanzen finden wir reich- 
liche Angaben in einer Arbeit von Orro®), der als allgemeines Merk- 
mal ein Rotspitzigwerden der Pflanzen vor dem Absterben angibt. 

Abgesehen von den Grubenwässern macht sich der hohe Kochsalz- 
gehalt besonders auf den Rieselfeldern geltend. Namentlich im 
Sommer wird die Konzentration der Spüljauche relativ grofs, und man sieht 
viele Gewächse „verbrennen“, wie der Rieselwirt sagt. Sehr empfindlich 
hat sich der Tabak erwiesen, so dafs man mit der Tabakkultur bisher 
völlige Mifserfolge gehabt hat, wie EHRENBERG*) hervorhebt, der die ge- 
samten Schädigungen durch Spüljauche sehr eingehend behandelt. 

Neben dem Chlornatrium kommt auch vielfach der Chlormagne- 
siumgehalt in Betracht. Die auswaschende Wirkung ändert sich in 
ihren Resultaten, wie die Untersuchungen von FRrIcKE, HAsSELHOFF und 
König?) ergeben haben. Während die Rieselung mit kochsalzhaltigem 
Wasser eine erhöhte Ausfuhr von Kalk, Magnesia und Kali zur Folge 
hat, treten bei chlormagnesiumhaltigem Wasser Kalk, Kali und Natron 
aus, und Magnesia wird festgehalten. Bei chlorcaleciumhaltiger Beriese- 
lung wird der Kalk von Boden und Pflanzen zurückgehalten, und es 
treten gröfsere Mengen von Magnesia. Kali und Natron aus. 

In den grofsen Städten kommt aber die Kochsalzfrage noch nach 
anderer Richtung hin in Betracht, nämlich bei dem Auftauen der Strafsen- 
bahnen. Aufserdem wird von vielen Hansbesitzern auch Viehsalz auf 
die Bürgersteige gestreut. In Berlin ist dies zwar verboten, aber man 


!) Wonurmansn, F., Die Wirkung der Kochsalzdüngung auf unsere Feldfrüchte. 
Landw. Zeit. f. d. Rheinprovinz 1904, S. 46. 

®) Weser, O., Kritische Bemerkungen usw.; cit. Bot. Jahresber. 1898, II, S. 301. 

®) Orro, R., Uber durch kochsalzhaltiges Wasser verursachte Pflanzen- 
schädigungen. Zeitschr. f. Pflanzenkrankh. 1904, S. 136. 

*) Eurexgerg, Paur, Einige Beobachtungen tiber Pflanzenschädigungen durch 
Spüljauchenberieselung. Zeitschr. f. Pflanzenkrankh. 1906, S. 193. 

5) Fricke, HaserHorr, E., u. Könie, J., Über die Veränderungen und Wirkungen 
des Rieselwassers.. Landwirtsch. Jahrbücher 1893, S., 801. 


742 IV. Einflufs schädlicher Gase und Flüssigkeiten. 
täuscht die Polizei dadurch, dafs das Salz mit Sand vermischt wird !). 
Das zur Beseitigung des Schnees verwendete Salz schmilzt und dringt 
dort in den Boden, wo die Strafse nicht asphaltiert ist. Im Frühjahr 
treiben die Bäume zwar aus, aber im Laufe des Sommers gehen sie 
zugrunde. Auch hier verhalten sich die einzelnen Baumarten in ver- 
schiedenem Grade widerstandsfähig?). Ubrigens ist die Wirkung einer 
Kochsalzlösung verschieden, je nachdem sie ständig die Wurzeln bespült 
oder der Boden zeitweise austrocknet; letzterer Fall ist der gefährlichere. 

Beschädigungen im Grofsen hat man auch in der Umgebung von 
Vnulkanen durch den Einflufs der ausbrechenden Dämpfe wahrgenommen. 
Die in dem Dampfgemisch in wechselnden Mengen vorkommende 
Schweflige Säure, sowie Salzsäure und Schwefelwasserstoff mögen wohl 
die Hauptursachen der Vergiftung sein. Sie dürften auch vorzugsweise 
die zerstörenden Wirkungen des Aschenregens veranlassen; doch 
werden diese ihrerseits von einzelnen Beobachtern auch dem reichlich 
gefallenen Kochsalz zugeschrieben. Nach den Mitteilungen von 
PasquaL£e?) gehen die roten und violetten Blütenfarben teils in Blau 
über (Papaver, Rosa, Gladiolus), teils bleiben sie unverändert (Viola 
tricolor, Convolvulus, Digitalis).. Bei dem zurzeit des Austreibens der 
Bäume eingetretenen Aschenregen wurden die grünen Pflanzenteile 
braun, wie nach Verbrennung oder Vertrocknung, aber nicht nach Ver- 
brühen. Sukkulente und lederartige Blätter hatten nicht gelitten. 
Mechanische Einwirkungen des Aschenregens, wie etwa Verstopfung 
der Spaltöffnungen, liefsen sich anfangs nicht konstatieren ; nach einigen 
Tagen schienen sie sich aber geltend zu machen. 

Dieselbe Ansicht wie PasQquaLE vertritt neuerdings auch SPRENGER *), 
der die Folgen des Vesuvausbruches im April 1906 beschreibt. 


Chlorcaleium- und chlormagnesiumhaltige Abwässer 


sind reichlich in den Steinkohlen-Grubenwässern, in den abfliefsenden 
Mutterlaugen von Salinen und Bädern, in den Fabriken für Bereitung 
von Chlorkalium und Kalisalzen, in den Abwässern der Ammoniaksoda- 
fabriken usw. enthalten. Welche Mengen dabei in Betracht kommen, 
zeigt beispielsweise die Analyse von einer neutralen Flüssigkeit, welche 
aus den Kesseln abfliefst, in denen das bei der Ammoniaksodafabrikation 
erhaltene Chlorammonium zersetzt wird. König?) fand im Liter 80,06 g 
Chlornatrium, 56,00 & Chlorcalecium, 1,02 Magnesiumsulfat. In anderen 
Proben, die stark alkalisch waren, fand sich von den genannten Stoffen 
weniger, aber dafür Natriumsulfat und 3—5 g freier Kalk. Der Um- 
setzungen im Boden ist bereits im vorigen Abschnitt gedacht; aber es 
soll hier noch hervorgehoben werden, dafs bei vorübergehenden 
schwachen Gaben (bis 2,0 & pro |) günstige Wirkungen beobachtet 
worden sind. Das Keimen von Samen wurde befördert. Himbeeren 
und Erdbeeren sah man auf einem mit Chlorcaleium durchtränkten 
Boden sehr grofs und hellfarbig werden; jedoch schmeckten die Früchte 
nach Chlorcalcium und hielten sich nicht lange?). 


!) Weıss, A., Zeitschr. f. Gartenbau und Gartenkunst 1894, Nr. 37. 

?2) Rırzzma Bos, Schädlichkeit des Auftauens der Trambahnlinien mit Salzwasser 
für die in der Nähe stehenden Bäume. Tijdschrift over Plantenziekten 1898, S. 1. 

®) Pasquarz, Di alcuni effetti della caduta di cenere etc. Bot. Zeit. 1872, S. 729. 

#) SPRENGER, C., Vegetation und vulkanische Asche. Österreich. Gartenzeitung 
1906, Heft VII. 

5) Denkschrift S. 161. 


Abwässer. 743 


Chlorbarium 


ist ein verhältnismäfsig minder wichtiger Bestandteil, der nur zuweilen 
in den Abwässern von Steinkohlengruben gefunden wird. Seine Giftig- 
keit ist durch Wasserkulturen von Mais und Pferdebohnen seitens 
HASELHOFF!) erwiesen worden. Die Pflanzen wurden im Höhenwachs- 
tum gehemmt; die Blätter welkten und fielen ab. In der Natur wird 
aber eine direkte Schädlichkeit wohl nur selten auftreten, weil die über- 
all im Boden und in fliefsenden Gewässern enthaltenen schwefelsauren 
Salze schnell eine Umsetzung zu unlöslichem und unschädlichem Barium- 
sulfat bewirken werden. 


Zinksulfathaltige Abwässer. 


Mit der Untersuchung solcher Gewässer aus Zinkblende- 
gruben hat sıch König eingehender beschäftigt?). Es zeigte sich, dafs 
die Bäche, welche das Abflufswasser aufnahmen, schwefelsaures Zink- 
oxyd in Lösung enthielten. Auf den bewässerten Wiesen bemerkte 
man einen deutlichen Rückgang: des Ertrages und stellenweise eine nur 
noch kümmerliche Vegetation. Die auf derartigen Fehlstellen ge- 
wachsenen Gräser, sowie die verkümmerten Sträucher von Buche und 
Ahorn enthielten bis 2,78°/o ihrer Asche an Zink, während die Asche 
gesunder Wiesenpflanzen dieses Metall nicht besafs. Da, wo Zinkerze 
zufällig verschüttet wurden, erlosch die Vegetation; nur eine spezifische 
Zinkpflanze (die „weifse Erzblume“) erschien noch. Die erwähnte „Erz- 
blume“ hatte nicht weniger als 11 bis 15°%o Zinkoxyd in ihrer Asche. 
Man sieht, wie verschieden wiederum sich die einzelnen Pflanzen ver- 
halten, und welche hohen Konzentrationen manchmal vertragen werden. 
Die Beschädigungen erscheinen erst nach einer längeren Reihe von 
Jahren, nachdem sich das im Bachwaser in absolut geringen Mengen 
vorhandene Zinkoxyd zu gröfseren Massen angehäuft hat. Aus diesem 
Umstande folgert Könıs mit Recht, dafs die den Gruben bei der 
Konzessionserteilung auferlegte Verpflichtung, nur klares Wasser ab- 
fliefsen zu lassen, nicht ausreichend zum Schutze der Wiesenbesitzer sei. 

Eine Erweiterung der erwähnten Erfahrungen liefern zwei Arbeiten, 
von denen die eine von A. Baumann?) ausschliefslich den Einflufs von 
Zinksalzen auf Pflanzen und Boden behandelt, während die zweite von 
NOBBE, BÄSsLER und WiırL*) neben dem Zink sich auch mit den durch 
Arsen und Blei hervorgerufenen Schädigungen beschäftist. 

Aus den Resultaten der Baumann’schen Versuche ist hervorzuheben, 
dafs das schweftelsaure Zink in gelöster Form für die Pflanzen sich 
viel schädlicher erweist, als man bisher annahm; kleine Mengen (etwa 
1°/oo Zink, also 4,4 mg Zinkvitriol im Liter) haben sich bei allen Ver- 
suchspflanzen (13 Spezies aus 7 Familien) mit Ausnahme des Rettichs 
als vollkommen unschädlich erwiesen. Die Koniferen sind sehr wider- 
standsfähig; sie vertrugen noch eine Lösung von 1°o Zinkgehalt, während 


1) Landwirtsch Jahrbücher 1895, S 962. 

®) Köxıs, Untersuchungen über Beschädigungen von Boden u. Pflanzen durch 
industrielle Abflufswässer und Gase; cit in Biedermann’s Centralbl. 1879, S. 564. 

3) Baumann, A., Das Verhalten von Zinksalzen gesen Pflanzen und im Boden. 
Preisschrift 1854. Landwirtsch. Versuchsstat. Bd. XXXIJ, Heft I, 1884, S. 1. 

*) Nosge, Bisstrer und Wırr, Untersuchungen über die Giftwirkung des Arsen, 
a. und Fi im pflanzlichen Organismus. Landwirtsch. Versuchsstat. Bd. XXX, 

ett 5 u. 


744 IV. Einflufs schädlicher Gase und Flüssigkeiten. 

die Angiospermen schon bei 5 mg Zink pro Liter zugrunde gingen, 
und zwar starben ältere Pflanzen im allgemeinen schneller ab als 
Jüngere. 

Kenntlich macht sich die Giftwirkung durch eine auffallende Farben- 
änderung der kranken Pflanzen. Auf den Blättern erscheinen einzelne 
kleine Flecke von metallglänzender oder rostgelber Farbe, die schliefs- 
lich sich über die ganze Blattfläche ausbreiten. Dais das Zink ganz 
speziell den Chlorophyllapparat angreift und damit die Assimilations- 
arbeit behindert, wird durch die Beobachtung nahe gelegt, dafs Keim- 
linge mit noch nicht ausgebildeten Chlorophylikörnern sowie Dunkel- 
pflanzen und Pilze sich gegen relativ hochkonzentrierte Zinklösungen 
indifferent verhalten. 

Auch in den Boden gebracht üben Zinkkarbonat und Zinksulphid 
eine schädliche Wirkung aus. An sich selbst schaden sie zwar nicht, 
obgleich sie in kohlensäurehaltigem Wasser in ziemlich beträchtlichen 
Mengen löslich sind, wobei das Zinksulphid sich zuerst in Zinkkarbonat 
umwandelt. Aber ihre verhängnisvolle Wirkung liegt in der Umsetzung, 
die das Zink in der Form von Vitriol mit den Kali-, Kalk- und Mag- 
nesiumsalzen eingeht, wodurch diese Nährstoffe löslich und auswasch- 
bar werden. Auf armen Sandböden kann recht wohl dadurch Unfrucht- 
barkeit erzeugt werden, und in dieser Entführung von Nährstoffen liegt 
besonders die Schädlichkeit der Berieselung mit Abwässern aus Zink- 
hütten. 

Die schädigende Löslichkeit des Zinks im Boden hängt wesentlich 
von dem Gehalt desselben an kohlensaurem Kalk ab. Bei Anwesenheit 
dieses Minerals in etwa vierfacher Menge des Schwefelzinks wird über- 
haupt kein Zink mehr in Lösung gebracht. Ein durch Zinksulfat 
verdorbener Boden wird durch Zufuhr solcher Stoffe, welche die lös- 
lichen Zinksalze unlöslich machen, zu verbessern sein. In dieser Hin- 
sicht hat sich Humus ausgezeichnet erwiesen, und man wird deshalb 
eine Düngung mit Moorerde empfehlen können. Bei Mangel derselben 
wird reichlich Stalldünger, Ton oder Mergel zu verwenden sein. Mergel 
oder Kalk wird unter allen Umständen gegeben werden müssen. 

Betreffs der Beschädigungen durch Bleisalze erwähnt TscHirch, 
dafs eine eigenartige Verzwergung zustande kommt. Die Pflanzen, 
welche 1 kg Mennige auf 2 qm Bodenfläche erhalten hatten, blieben 
klein und schmächtig und kamen nicht zur Blüte [Blei-Nanismus!?)]. 
Drvaux®) fand, dafs Bleilösungen in "ıooo0o0o0oo Verdünnung schon ver- 
giftend wirken. Das Metall wird durch Membran und Zellinhalt fixiert. 

Zur Reinigung von zinksulfathaltigen Abwässern wird sich die 
Einrichtung von Filtrierschichten von Kalksteingrus und Moorerde 
empfehien; es bildet sich in diesen dann unlösliches kohlensaures und 
humussaures Zinkoxyd. 


Eisensulfathaltiges Wasser. 


Die Abwässer von Schwefelkiesgruben, Schwefelkieswäschereien 
und Steinkohlengruben, das Sickerwasser aus Steinkohlenschutthalden, 
die Abwässer von Drahtziehereien enthalten meist Eisensulfat. Nächst- 


!) Tscnircn, A., Das Kupfer vom Standpunkt der gerichtlichen Chemie usw. 
Stuttgart 1893, F. Enke. 

2) Devaux, De l’absorption des poisons metalliques tres dilu&s par les cellules 
vegetaux. Compt. rend. 1901; cit. Just’s Jahresper. 1902, IT, S. 353. 


Abwässer. 745 


dem ist der Gebrauch des Eisenvitriols als Desinfektionsmittel in Senk- 
gruben zu berücksichtigen, wobei grofse Mengen von Schwefeleisen 
entstehen, die durch Oxydation an der Luft in Eisenvitriol und schwefel- 
saures Eisenoxyd sich umsetzen. 

Ahnlich wie das Zink bei dem Zinksulfat wird das Eisenoxydul vom 
Boden festgehalten und zu Oxyd verwandelt, während eine entsprechende 
Menge anderer Basen, wie Kalk, Magnesia und Kali, an die Schwefel- 
säure herantritt und leicht ausgewaschen wird. Aufser diesem Ver- 
armungsprozesse des Bodens läuft dessen Anreicherung mit Eisen- 
oxydoxydul nebenher, die Versauerung und Verschlammung einleitet. 
Sobald keine Basen mehr zur Umsetzung des Eisensulfats vorhanden 
sind, bleibt Eisenvitriol unzersetzt, oder es tritt auch freie Schwefel- 
säure auf. 

So nützlich kleine Mengen [bis 150 kg pro Hektar nach Könıe !] auf 
reichem Boden sein werden, indem die freiwerdende Schwefelsäure auf- 
schliefsend wirken mufs, so schädlich wird die fortgesetzte Zufuhr von 
Eisensulfat bei ständiger Berieselung von Wiesen sich gestalten. Die 
Versuche zeigen, dals, wenn den Nutzpflanzen anstelle der ihnen allein 
zusagenden basischen Salze saure Verbindungen — Eisensulfat ist stark 
sauer — geboten werden, eine Verschlechterung des Heues und Ver- 
ringerung des Milchertrages die Folge ist. Von solchen Wiesen ver- 
schwinden allmählich die Kleearten und süfsen Gräser (vielleicht mit 
Ausnahme von @lyceria flurtans), und saure Gräser, Schachtelhalme und 
Moose nehmen vom Boden Besitz. 

Zufuhr von Kalkmilch bringt das Ferrohydroxyd unter Gipsbildung 
zur Abscheidung, und man wird durch Verwendung von Kalk die eisen- 
sulfathaltigen Abwässer reinigen können. 


Kupfersulfat- und kupfernitrathaltige Abwässer. 


Es wird sich hier um Abwässer aus Silberfabriken und Messing- 
giefsereien handeln. Einen Einblick in die Zusammensetzung derartiger 
Abflüsse gibt eine Analyse von Abfalllauge einer Messinggiefserei, die 
HasELHoFF ?) veröffentlicht hat. Pro Liter fanden sich: Kupfersulfat 51,019g, 
Kupternitrat 5,298 &, Zinksulfat 14,045 g, Ferrosulfat 2,422 g, Calcium- 
sulfat 1,943 g, Magnesiumsulfat 0,459 g, freie Schwefelsäure (SO,) 30,376 8. 
Dies ist allerdings ein ganz exorbitanter Fall, der für einzelne Bestandteile 
hundertmal gröfser ist als der Gehalt der Wässer, die aus Kupferwerken 
und Silberfabriken abfliefsen. Für das Wesen der Schädigung: ist aber 
die Menge der Bestandteile gleichgültig, da geringe Mengen durch an- 
dauernde Berieselung denselben Effekt hervorrufen. Die Art, wie Sulfat 
und Nitrat der Kupfersalze auf den Boden wirken, ist dieselbe wie bei 
den Zink- und Eisensalzen. Kupferoxyd wird im Boden festgehalten 
und bleibt hauptsächlich im Obergrund der Wiesen; die freiwerdende 
Schwefelsäure tritt an Kalk, Magnesia und Kali heran, und diese Salze 
gehen beim Berieseln in den Untergrund. Abgesehen von der Verarmung 
an basischen Nährstoffen wirkt das Kupfersulfat — Pflanzen, wie z.B. 
Gräser, nehmen ziemlich bedeutende Mengen von Kupfer- und Zink- 
salzen auf — schliefslich auch als direktes Gift, soweit die Kulturversuche 
in Nährstofflösungen gezeigt haben). 


!) Denkschrift S. 175. 

2) Hasernorr, Landwirtsch. Jahrb. 1892, S. 263 u. 1893, S. 848. Denkschr. S. 176. 

°) Orro, R., Untersuchungen über das Verhalten der Pflanzenwurzeln gegen 
Kupfersalzlösungen. Zeitschr. f. Pflanzenkrankh. 1893, S. 322. 


146 IV. Einflufs schädlicher Gase und Flüssigkeiten. 


Masayasu Kanva!) fand, dafs bei Wasserkulturen von Erbsen sich 
schon bei 0,000000249°0 Kupfersulfat Schädigungen zeigten, dagegen 
in millionenfacher Verstärkung dem Boden zugeführt als Reizmittel 
wirkten. Bei Kulturen im natürlich gewachsenen Boden liegen eben die 
Verhältnisse günstiger. Nach TscHirca ?) besitzen fast alle Pflanzen etwas 
Kupfer, da wohl alle Ackerböden Spuren davon enthalten dürften. Selbst 
aus reichlich gekupferten Böden nehmen die Gewächse meist aber nur 
wenig auf, so dals die Gefahr einer Vergiftung keine drohende ist. 
Diese Anschauung findet auch in dem Umstande ihre Bestätigung, dafs 
bei dem überaus häufigen Gebrauch des Kupfervitriols als Spritzmittel 
gegen parasitäre Krankheiten eine starke Anreicherung des Bodens 
fortwährend stattfindet, ohne dafs Schäden mit Sicherheit bis jetzt nach- 
gewiesen worden sind. Wir persönlich glauben allerdings, dafs eine 
Zeit kommen wird, in der sich eine stete Kupferzufuhr lähmend auf 
den Pflanzenwuchs geltend machen wird. 

Ähnlich wie die bisher genannten wirken die nickel- und kobalt- 
haltigen Abwässer, die in der Nähe von Nickelwalzwerken ge- 
funden werden. Anhangsweise mag hier erwähnt werden, dafs schon 
1819 Joun®) in seinem Buche „Über die Ernährung der Pflanzen“ sich 
mit Sand- und Wasserkulturen beschäftigt hat, denen verschiedene 
Metallsalzlösungen zugesetzt worden waren. Er konstatierte dabei, 
dafs Sonnenblumen Kupfer, welches ihnen in der Form von unlöslichem 
Kupferkarbonat geboten wurde, nicht aufnahmen, dagegen Erbsen und 
Gerste grofse Mengen aus einem Boden speicherten, der tropfenweise 
salpetersaure Kupferlösung zugeführt bekommen hatte. 

Auf die einzelnen Fabrikbetriebe näher einzugehen verbietet der 
Umstand, dafs lokale Verhältnisse bald nützliche Verwendung der Ab- 
wässer zulassen, bald schädigende Faktoren sich geltend machen. Hier 
spricht in erster Linie die entgiftende Eigenschaft der Erde durch ihre 
Absorptionskraft mit, worauf betreffs der Kupfersalze speziell HATTORL®) 
aufmerksam macht. 

Die Schäden der städtischen Spüljaucheberieselung sind bereits in 
dem Abschnitt „Rieselfelder“ S. 364 erwähnt worden. 


Neunzehntes Kapitel. 


Schädliche Wirkungen von Kulturhilfsmitteln. 


a. Anstreichmiittel. 


1. Teer. In Glashäusern der Gärtner findet sich vielfach das 
Gebälk auch im Innern mit Teer angestrichen. um die Widerstands- 
fähigkeit gegen den Einflufs der starken Feuchtigkeit zu erhöhen. Wir 
begegnen nun einer ganzen Reihe von Klagen, dafs nach dem Ein- 
räumen der Pflanzen in die geteerten Glashäuser Schwärzung und Ab- 
fallen der Blätter sich einstellt. Ich bemerkte dieselben Erscheinungen 
in der Nähe frisch geteerter Zäune. Der Befund stimmt im wesentlichen 


1) Masavasu Kaxva, Journ. College of Science. Tokyo, Vol. XIX, art. 13 

2) Tscnırcn, A., Das Kupfer vom Standpunkt der gerichtlichen Chemie, Toxi- 
kologie und Hygiene. Stuttgart 1893, Fr. Enke. 8°. 138 8. 

3) MÜLLER, Ce Zur Geschichte der Physiologie und der Kupferfrage. Zeit- 
schrift für Pflanzenkrankh. 1894, S. 142. 

#) Just’s bot. Jahresber. 1902, Absch. Krankh. Ref. 277. 


Schädliche Wirkungen von Kulturhilfsmitteln. 747 


mit dem schon bei den Asphaltdämpfen geschilderten überein und er- 
klärt sich aus den Exhalationen des frischen Teeranstrichs. Die 
schädlichen Folgen kommen nicht zum Vorschein, wenn man das Teeren 
einige Monate vor dem Einräumen der Pflanzen in die Glashäuser vor- 
nimmt. Ein Verfahren, das sich sehr gut bewährt hat, sah ich in der 
Umgebung von Berlin. Die Bretter und Balken wurden mit Steinkohlen- 
teer behandelt und nach dem Trocknen des Teers mit Zementmasse 
überstrichen. 

Neuerdings hat man mehrfach versucht, die Wege in Gärten und 
öffentlichen Schmuckanlagen durch eine dünne Schicht von Teer staub- 
frei zu erhalten. Das Verfahren wird sehr empfohlen!), und die in 
Frankreich und Italien ausgeführten Versuche haben ergeben, dafs man 
auch fertig gepflasterte Strafsen vorteilhaft in dieser Weise behandeln 
kann. Dieses Verfahren macht aber notwendig, dafs an den Kanten 
der Wege eine Einfassung, etwa ein S—10 cm hohes Band von ver- 
zinktem Eisenblech, eingelassen wird, da die schädlichen Bestandteile 
des Teers sonst die Vegetation angreifen. Das Verfahren, das sich 
trotz seiner jährlich notwendigen Erneuerung doch billiger als das 
Asphaltieren und weniger lästig als das Olen bzw. Behandeln der 
Strafsen mit Westrumit stellen soll, wird doch noch durch weitere Ver- 
suche zu prüfen sein. 

2. Nach Mitteilung von Herrn Kuırzıng hat man in Ludwigslust 
auf Sandboden zur Wegefestigung Abfall aus Gasanstalten auf- 
gefahren. Derselbe veranlaiste ein Eingehen von Alleebäumen. 

3. Als Anstrich für Glashäuser wurde in einem mir bekannt ge- 
wordenen Falle Bleiweifs benutzt, und, da kurze Zeit nach dem 
Anstreichen die Häuser mit Topfgewächsen bestellt werden mufsten, 
hat man die unangenehme Erfahrung gemacht, dafs die Pflanzen die 
Blätter abwarfen. 

4. Bleioxyd verwandte Korrr?) als Zusatz zu kochendem Leinöl, 
um experimentell den Einflufs von Oldämpfen zu prüfen. Ver- 
anlafst wurde er zu den Versuchen durch Schädigungen, welche in 
der Umgebung einer Leinöl- und Firnissiederei aufgetreten waren. 
Wie bei der Zersetzung der Fette durch Alkali ein Gemisch von fett- 
sauren Alkalien, die Seife, entsteht, so bildet sich bei der Zersetzung 
von Fett mit Bleioxyd ein Gemisch entsprechender Bleisalze, das Blei- 
pflaster. In beiden Fällen tritt als Nebenprodukt Glyzerin auf; bei 
starkem Erhitzen von Glyzerin oder von Fetten bildet sich der scharfe 
Dampf des Akroleins, der nach angebranntem Fett riecht und durch 
Oxydation schnell in die durch stechenden Geruch sich bemerkbar 
machende Akrylsäure übergeht. Je nach der Natur der Pflanze entstanden 
bald in den Intercostalfeldern, bald an den Randpartien der Blätter gelbe, 
rote oder braune Flecke, die sich bei längerer Einwirkung vergröfserten 
und auch wohl zusammenflossen. Die Zellen des Blattmesophylis, 
namentlich des Schwammparenchyms waren durch Turgorverlust gröisten- 
teils zusammengesunken; der Zellinhalt war von der Wandung zurück- 
. getreten, und die Chloroplasten bildeten grünlichgelbe bis bräunliche 
Massen. Schliefslich wurden der strukturlose Zellinhalt und die Wan- 


!) Das Teeren von Fufs- und Fahrwegen in Gärten und Parks. Der Handels- 
gärtner, herausgeg. von Thalacker, Leipzig-Gohlis 1906. Nr. 50. 

2) Korrr, G., Über Einwirkung von Öldämpfen auf die Pflanzen. Prakt. Bl. 
f. Pflanzenbau u. Pflanzenschutz 1906, Heft 6. 


748 IV. Einflufs schädlicher Gase und Flüssigkeiten. 


dungen braun. Besonders auffällig war die Abscheidung von Gerbstoff 
in den Epidermiszellen, deren Zellinhalt mit Eisenchlorid eine blau- 
schwarze Färbung annahm. Das Fruchtfleisch von Äpfeln und Birnen, 
die vier Stunden lang den Öldämpfen ausgesetzt gewesen waren, zeigte 
einen ölig ranzigen Geschmack. 

Da durch Kochen von Glyzerin erhaltenes Akrolein dieselben 
Erscheinungen hervorrief, so dürfte die Schädlichkeit der Öldämpfe im 
wesentlichen diesem Stoffe zuzuschreiben sein. 

5. Über den Einflufs von Ter pentindämpfen hat Morz') 
Untersuchungen angestellt, da ihm ein Fall zur Begutachtung vorlag, 
in welchem Rebenblätter durch den frischen Ölanstrich eines Trauben- 
hauses geschädigt sein sollten. Die Wirkung der Terpentindämpfe 
machte sich bei Weinblättern bereits nach einer halben Stunde durch 
schwache Randverfärbung und zunehmende Verkräuselung bemerkbar; 
Apfelblätter zeigten nach einer Stunde eine schwache rötliche Bräunung, 
nach drei Stunden eine tief dunkelrotbraune Verfärbung der Oberseite; 
Rebenblätter wurden olivenbraun. Bisweilen fanden sich einzelne grüne 
Inseln innerhalb der gebräunten Fläche, so dafs die Blätter gänzlich 
scheckig aussahen. Rosenblätter färbten sich olivengrün-braun, Birnen- 
blätter glänzend schwarzgrau. Morz vermutet als Ursache einen Oxy- 
dationsvorgang, hervorgerufen „durch das Vorhandensein von Terpentin- 
ozon und dessen Wirkung auf bradoxydable Stoffe der Zelle“. 

6. Karbolineum dient einerseits (ähnlich wie Teer) als Anstreich- 
mittel für das Gebälk in Glashäusern, Mistbeetkästen, für Pfähle u. dergl., 
um die Widerstandskraft des Holzes gegen Nässe zu erhöhen, anderer- 
seits als Heilmittel bei Baumwunden und Vertilgungsmittel gegen schäd- 
liche Insekten. Die Urteile über die Wirksamkeit sind aufserordentlich 
geteilt, und dies kommt einerseits von einer unzweckmäfsigen Hand- 
habung, andererseits davon, dafs „Karbolineum* ein Sammelbegriff ist; 
die einzelnen Sorten sind je nach der Fabrik, welche das Produkt liefert, 
von verschiedener Zusammensetzung und Wirksamkeit. 

Im allgemeinen gilt für die Benutzung des Karbolineums als An- 
streichmittel dasselbe, was bei dem Teer gesagt worden ist. Wenn man 
Pflanzen in Räume mit nicht genügend ausgetrocknetem Karbolineum- 
anstrich bringt, leiden dieselben, und zwar bisweilen unter Symptomen, 
die den durch Asphaltdämpfe hervorgerufenen gleichen. So berichtet 
beispielsweise Zorn?) in Hofheim (Taunus), dafs bei ihm pikierte Erdbeer- 
pflanzen in den Mistbeeten, die nur äufserlich mit Karbolineum ge- 
strichen worden waren, eigenartig braune, stark glänzende, verkümmernde 
Blätter erhalten hatten. Bezüglich des Bestreichens der Spitzen von 
Weinpfählen macht die „Ohronique agricole“®) darauf aufmerksam, dafs 
selbst, wenn solche Pfähle im Winter gestrichen werden und die jungen 
Triebe des Weinstocks im Frühjahr bereits über die gestrichene Zone 
hinausgewachsen sind, doch immerhin noch unliebsame Erscheinungen 
auftreten können. Es wurden an den Trauben, welche dicht dem ge- 
tränkten Pfahle anlagen, einige Beeren mit schwarzbraunen Flecken 
gefunden, und diese Beeren "zeigten einen leichten Teergeschmack. 
Auch erwiesen sich die eetränkten Stellen des Pfahles weniger wider- 


!) Bericht der Kgl. Lehranstalt für Wein-, Obst- und Gartenbau zu Geisen- 
heim a. Rh. 1905. 

?) Praktischer Ratgeber im Obst- und Gartenkau 1905, Nr. 51. 

?) Chronique agricole du canton de Vaud 1892, Nr. 10. 


Schädliche Wirkungen von Kulturhilfsmitteln. 749 


standsfähig gegen Pilzmycel als die mit Kupfervitriol behandelten. Bei 
einem im Herbst gestrichenen und den ganzen Winter über der Witterung 
frei ausgesetzt gewesenen Pfirsichspalier bemerkte man trotzdem im 
Frühjahr, dafs nach jedem Regen die jüngsten Triebspitzen wie ver- 
brannt aussahen. Derartige Vorkommnisse sind keineswegs selten. Es 
sind die verdampfenden Phenole und ähnlichen Körper, welche den 
Schaden anrichten. 

Seit dem Jahre 1899 ist das Karbolineum als Heilmittel in direkter 
Anwendung auf den Obstbaum zu verbreiteter Anwendung gelangt. 
Über die Erfolge lesen wir teils aufserordentlich lobende), teils völlig 
absprechende Urteile. Der Grund liegt einerseits in der verschieden- 
artigen Ausführung der Versuche, andererseits in der wechselnden Zu- 
sammensetzung des Mittels, das ein aus den Produkten der Stein- 
und Holzkohlenteerverarbeitung hervorgehendes Gemisch ist. Wenn 
der Teer, der bei der Gasbereitung neben Leuchtgas, Koks und 
Ammoniakwasser aus der Steinkohle entsteht, noch einmal in Gasöfen 
erhitzt wird, so erhält man bis zu einer Temperatur von 150° C sog. 
Leichtöl, zwischen 150 bis 210° Mittelöl, zwischen 210 und 270° Schwer- 
öl und zwischen 270 und 450° Anthracenöl?). 

Im Ofen bleibt das Pech zurück. Ganz ähnlich verhält sich der 
Holzteer. Bei der Karbolineumbereitung kommen nun die genannten 
Ole zur Verwendung, indem sie in bestimmten Prozentsätzen gemischt 
und mit Kolophonium, Asphalt, Leinölfirnis usw. versetzt werden. 
ADERHOLD gibt an, dafs zurzeit etwa SO Karbolineumfabriken gegen 200 
bis 300 Sorten in den Handel bringen. Die in der Biologischen Anstalt 
für Land- und Forstwirtschaft von SCHERPE ausgeführten Destillations- 
versuche von 25 Sorten ergaben, dafs manchmal die (besonders schäd- 
lichen) Leicht- und Mittelöle fehlten und die Schweröle und Anthracenöle 
allein vorhanden waren, während bei anderen Sorten der umgekehrte 
Fall sich zeigte. Dementsprechend war auch der Erfolg bei der Be- 
handlung der Wunden ein ganz verschiedener: während bei einigen 
normale Überwallung eintrat, zeigte sich bei anderen eine wesentliche 

Vergröfserung durch Absterben der Wundränder. 
j Aber abgesehen davon wird das Karbolineum als Wundverschlufs- 
mittel selbst in den zähflüssigen, pech- und asphaltreichen Sorten den 
Vergleich mit dem einfachen Steinkohlenteer nicht aushalten, da ADERHOLD 
beobachtet hat, dafs wenige Wochen nach dem Bestreichen sich auf 
der Karbolineumfläche bereits wieder Pilzräschen angesiedelt hatten. 
Da nun die bestrichene Fläche auch unter dem Einflufs der Atmosphärilien 
platzt, so haben derartige Pilze eine gute Gelegenheit, einzuwandern. 

Bezüglich der leichtflüssigen, also an Leicht- und Mittelölen reichen 
Karbolineumsorten, die zum Bestreichen der von Blut- und Schildläusen 
heimgesuchten Bäume warm empfohlen werden’), ist nicht zu verkennen, 
dafs ihre insektentötende Wirkung: eine prompte, aber keine nachhaltig 
schützende ist. Neubesiedlung der bestrichenen Wunden durch Blut- 
läuse ist mehrfach festgestellt worden. Hier kommt aber noch die 
vielfach beobachtete Beschädigung der Knospen, die bei dem Bestreichen 
oder Bespritzen der Bäume nicht zu vermeiden ist, hinzu, und die be- 


!) Mexoe, O., Zur Obstbaumpflege. Gartenflora 1906, Nr. 1. 

2) Apernorv, R., Karbolineum als Baumschutzmittel. Deutsche Obstbauzeitung 
(Ulmer-Stuttgart) 1906, Heft 22. 

3) R. Baumans, Geisenheim. Prakt. Ratgeber 1905, S. 459. 


750 IV. Einflufs schädlicher Gase und Flüssigkeiten. 


sonders den Ausdünstungen und direkten Einwirkungen der Leichtöle 
zuzuschreiben ist. Es wird also bei dieser Art der Verwendung eine 
Verdünnung des Mittels eintreten müssen. Empfohlen wird, sich der 
bereits im Handel befindlichen, in Wasser löslichen Karbolineumsorten 
zu bedienen und sie der Kalkmilch zu etwa 20 °o zuzusetzen!); günstig 
wirkt auch schon ein Zusatz von 10 %o?). 

Man will auch eine direkt wachstumsfördernde Wirkung bei be- 
strichenen Stämmen beobachtet haben?) und hat eine Zunahme des 
Chlorophyllgehaltes der bestrichenen Rinde bei Anwendung einer be- 
stimmten Sorte aus Braunschweig mikroskopisch festgestellt*). Wir 
glauben, dafs der Erfolg darin liegt, dafs bei dem Bestreichen glatt- 
rindiger Stämme häufig Risse in der Rinde entstehen, die nachher 
überwallt werden müssen. An den Überwallungsrändern ist eine ge- 
steigerte Rindentätigkeit auch bei gewöhnlichen Schröpfwunden erwiesen. 

Die Verwendung des Mittels als Anstrich für Bäume wird nur 
während der Ruhezeit derselben zulässig sein, und zwar mit einer 
erprobten Sorte, als welche „Schacht's Obstbaumkarbolineum“ (20 bis 
30 %/oig) wiederholt genannt worden ist?). Eine Sommerspritzung würden 
wir niemals anraten. Als Wundschlufsmittel werden wir den Stein- 
kohlenteer vorziehen, weil nicht nur die AprrHorp'schen Erfahrungen, 
sondern auch die in Hohenheim von ScHWEINBEZ®) ausgeführten und 
unsere eigenen Versuche keinen Vorteil des Karbolineums gezeigt haben. 
Die Empfehlungen als Heilmittel gegen chronischen Gummiflufs beruhen 
mindestens auf Selbsttäuschung, wenn nicht auf Reklamebedürfnis. 

Dasselbe Urteil fällt SchwEInBEZ über die verwandten Mittel „Tuv“, 
„Dendrin‘,.„Baumschutz“, „Neptun“. 

7. Lysol. Ahnlich wie jetzt das Karbolineum hat früher das 
Lysol seine begeisterten Anhänger und Zweifler gehabt. Das Lysolum 
purum von Schülke & Mayr in Hamburg, das ungefähr zu Ende der 
achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts in den Handel kam, ist eine 
durchsichtige, braune, sirupartige Flüssigkeit, die vollständig klar in 
reinem Wasser löslich bleibt und als Desinfektionsmittel die weit- 
gehendste Verwendung gefunden hat. Bei der Ankündigung wurde . 
gesagt, dafs nach Versuchen schon eine Menge von 3 g Lysol auf einen 
Liter Flüssigkeit hinreicht, „um in Zeit von 15—20 Minuten Spaltpilze 
in allen Entwicklungsformen, wenn sie in Flüssigkeiten suspendiert sind, 
zu vernichten“. Wir haben es hier mit einer Lösung von Teerölen in 
neutraler Seife zu tun, und zwar mit den leichten Teerölen (Kresolen); 
denn sie gehen fast vollständig zwischen 187 und 200° über”). Gegen- 
über den anderen Handelsprodukten, wie Creolin, Kresolin, 
Littles Soluble Phenyle, welche als Lösungen von Harz- oder 
Fettseifen in Teerölen mit Wasser nur Emulsionen bilden und beim 
Verdünnen das Kohlenwasserstofföl groisenteils wieder abscheiden, hat 
das Lysol allerdings den Vorteil der vollkommenen Wasserlöslichkeit, 


!) Praktischer Ratgeber im Obst- und Gartenbau 1906, Nr. 49. 

2) Praktische Blätter für Pflanzenbau und Pflanzenschutz, herausg. v. Hiltner. 
1906, November. 

3) Gartenflora 1906, Nr. 3. 

4) Graer, Über Karbolineumversuche im Jahre 1906. Prakt. Blätter f. Pflanzen- 
bau und Pflanzenschutz 1907, Heft 3. 

5) Srerrexn in Prakt. Ratgeber 1906, Nr. 23. 

6) Vom Karbolineum. Gartenflora 1906, S. 22. 

?) Zeitschr. f. Pflanzenkrankh. 1891, S. 185. 


Schädliche Wirkungen von Kulturhilfsmitteln. 751 


teilt aber mit den vorgenannten Präparaten seinen schädlichen Einflufs 
auf das Gewebe der Pflanzen. Es kam im Gartenbau am meisten als 
Spritzmittel gegen Blattläuse, Thrips, schwarze Fliege und dgl. tierische 
Schädlinge zur Verwendung. Schon die bald nach der Einführung des 
Mittels von OT1o!) ausgeführten Kulturversuche ergaben, dafs die fünf- 
prozentige Lysollösung, die gewöhnlich zur Desinfektion benutzt wird, 
im Boden sich als schweres Gift für dıe Pflanzen erweist, auch wenn 
es nicht direkt mit den Samen oder Keimpflanzen in Berührung kommt. 
Bei direkter Einwirkung auch in viel verdünnterer Form griff es die 
Wurzeln der Wasserkulturen ungemein scharf an. Als Schutzmittel 
gegen Blattläuse kam es in 0,25 und 0,5 '/oiger Lösung zur Verwendung. 
Dabei tötete es aber nur einzelne Blattläuse, und erst bei 2 /o iger Lösung 
erschien die Mehrzahl der Tiere getötet; aber auch die Pflanzen waren 
derart geschwärzt und beschädigt, dafs sie als nicht mehr lebensfähig 
angesehen werden konnten. 

8. Karbolsäure, Amylokarbol und Sapokarbol. Das 
Amylokarbol ist eine Mischung von Schmierseife, Fuselöl und reiner 
Karbolsäure; das Sapokarbol ist verseifte Karbolsäure. 

Alle Karbolsäure enthaltenden Mittel sind gefährlich und meistens 
die Pflanzenteile direkt tötend. In FLEISCHER’s?) Versuchen war von 
den vorstehenden Präparaten das Sapokarbol in 1°/oiger Lösung gegen 
Blattläuse wirksam, ohne dafs die Blätter, mit wenigen Ausnahmen, 
durch das Bespritzen geschädigt wurden. In Verdünnungen, welche 
vollständig die Blattläuse töten, wirken auch Pinosol und Creolin, 
da beide in Wasser nur emulsiert werden, schädlich, Das Anti- 
nonnin, das Kaliumsalz des ÖOrthodinitrokresols, ist nach FRAnK’s 
Versuchen?) den Pflanzen mehr schädlich als den Blattläusen und 
anderen tierischen Schmarotzern. 

9. An diese Beschädigungen schliefsen wir einen Fall, den wir 
der Mitteilung von Herrn Kuirzins-Ludwigslust verdanken. Er bemerkte, 
dafs die Rückstände aus einer Fabrik, welche Milchsäure zur Be- 
handlung des Leders aus Mais und Kartoffeln herstellt, ein Eingehen 
der Pflanzen verursachten. 

10. Die Arsenikbrühen, die als Insektenbekämpfungsmittel 
immer mehr in Aufnahme kommen, werden in der Regel in Form von 
Schweinfurter Grün oder Kalkarsenik gegeben. Sowohl bei den 
Lösungen in Wasser als auch in Kalkwasser oder Bordeauxmischung 
oder Soda-Arsenik-Kalkbrühe sind Schädigungen der Blätter beobachtet 
worden. Im übrigen verweisen wir auf die Spezialwerke !). 

11. Blausäure. Als modernes, namentlich in Amerika ausgebildetes 
Bekämpfungsverfahren gegen tierische Schmarotzer an den Pflanzen ist 
neuerdings die Räucherung mit Blausäure in Aufnahme gekommen. 
Gegenüber vereinzelten Klagen über Beschädigungen der Pflanzen läfst 
sich im allgemeinen sagen, dafs diese von dem Gebrauch des Mittels 


') Orro, R., Über den schädlichen Einflufs von wässerigen, im Boden befind- 
lichen Lysollösungen usw. Vorl. Mitt. Zeitschr. f. Pflanzenkrankh. 1892, S. 70 ff. 


2) Freiscner, E., Die Wasch- und Spritzmittel zur Bekämpfung der Blattläuse, 
Blutläuse u. ähnlicher Schädlinge usw. Zeitschr. f. Pflanzenkrankh. 1891, S. 325. 
3) Krankheiten der Pflanzen 1895, Bd. I, S. 329. 


#4, Horırusg, M., Jahresbericht auf dem Gebiete der Pflanzenkrankh. Berlin, 
Paul Parey. Erscheint seit 1398. — Horrrune, M., Handbuch der chemischen Mittel 
gegen Pflanzenkrankheiten. Berlin 1898. Paul Parey. 


152 IV. Einflufls schädlicher Gase und Flüssigkeiten. 


nicht abhalten sollten. Für trockene Samen stellte Townsexp!) fest, 
dafs die Keimfähigkeit nicht leidet, wenn die Einwirkung der gas- 
förmigen Blausäure nicht länger dauert als zur Abtötung des Tierlebens 
nötig ist; längere Behandlung schädigt allerdings beträchtlich. Feuchte 
Samen leiden schneller und verlieren ihre Keimkraft. 

12. Die Kupferbrühen. Dieselben kommen hier nur soweit in 
Betracht, als es sich um ıhre Schädlichkeit handelt. Ihre Nützlichkeit 
als Fungicid, die im zweiten Teile dieses Werkes gewürdigt wird, 
beruht unserer Anschauung nach hauptsächlich darauf. dafs die Pilze 
Fermente ausscheiden, welche das auf den Pflanzenteilen angetrocknete 
Kupfersalz lösen und sich dadurch selbst vergiften. In erster Linie 
steht die Bordeauxmischung, die als Pilzbekämpfungsmittel un- 
zweifelhaft grofse Bedeutung hat, ‘als wachstumsfördernd, wie ihre 
begeisterten Verehrer nachweisen wollen, aber nicht anerkannt werden 
kann. 

Man ist sich noch nicht einig, ob das Kupfer durch eine normale 
Outicula bei allen Pflanzen hindurchdringen kann. Nach Bouysurs?) 
soll dies nicht der Fall sein. Rum?) konnte auch kein Kupfer in den 
(Geweben bespritzter Blätter nachweisen und glaubt, eine günstige 
Wirkung nur auf einen chemotaktischen Reiz zurückführen zu müssen. 
Die infolgedessen auftretenden elektrischen Ströme sollen dann im 
Blattgewebe die günstigen Wirkungen veranlassen. Die Frage, ob und 
wie das Kupfer in das Innere eines Pflanzenteils gelangt, läfst sich 
nicht allgemein entscheiden, sondern mufs von Fall zu Fall in Betracht 
gezogen werden. Eine alte, mit starker Wachsglasur versehene Cuticula 
wird vielleicht nicht angegriffen werden, während das junge Blatt 
leiden kann. Aber auch bei älteren Blättern können in einem Falle 
Beschädigungen auftreten, in einem anderen Falle nicht, weil manchmal 
durch Witterungseinflüsse (Spätfrost) die Cuticulardecke Risse bekommt, 
in denen sich Kupferlösung lange Zeit halten kann. Endlich kommt 
die spezifische Empfindlichkeit der Pflanzenart ausschlaggebend hinzu, 
wie wir an späteren Beispielen zeigen werden. 

Die ersten Zweifel an der wachstumsfördernden Eigenschaft der 
Kupfermischungen hatten wir auf Grund von im Jahre 1891 ausgeführten 
Bespritzungsversuchen zu erkennen gegeben®). Wir konnten eine 
Hemmung in der Entwicklung der Kartoffelpflanze gegenüber gesund- 
bleibenden unbespritzten Pflanzen nachweisen. Der als Wachstums- 
förderung gedeutete gröfsere Gehalt gekupferter Blätter an Stärke und 
Chlorophyll wurde von SCHANDER auf die Schattenwirkung des Kupfer- 
kalküberzuges zurückgeführt’). Ewerr bestätigt den Einflufs der Be- 
schattung, aber macht darauf aufmerksam, dafs dies nicht der einzige 
hemmende Faktor sei®). Es kommen durch den Einflufs der Kupfer- 


!) Towssexp, W.O., Über die Wirkung gasförmiger Blausäure usw. Bot. Gaz. 
XXXIJ; cit Bot. Jahresber. 1902, I, S. 354 

?) Bovyeves, H., La cuticule et les sels de cuivre I; eit. Centralbl. f. Bakt. usw. 
1905, Nr. 24. 

?) Ruuu, C., Zur Frage nach der Wirkung der Kupferkalksalze usw. Ber. d. 
Deutsch. Bot. Ges. 1893, S. 445. 

*) Soraver, P., Einige Beobachtungen bei der Anwendung von Kupfermitteln 
gegen die Kartoffelkrankheit Zeitschr. f. Pflanzenkrankh. 189, S. 32. 

?) Scuanper, E, Über die physiologische Wirkung der Kupfervitriolkalkbrühe. 
Inaug.-Diss. Berlin 1904 und Landwirtsch. Jahrbücher 1904, Heft 45. » 

*) Ewerr, Der wechselseitige Einflufs des Lichtes und der Kupferkalkbrühen 
auf den Stoffwechsel der Pflanze. Landwirtsch. Jahrbücher 1905, S. 233. 


Schädliche Wirkungen von Kulturhilfsmitteln. 753 


mittel, speziell der Bordeauxmischung, Stauungen in der Ab- 
führung der Assıimilate zustande; die beobachteten gröfseren 
Stärke- und Eıweiismengen sind nicht Folgen einer gesteigerten 
Assımilation, die nachgewiesenermafsen nebst der Transpiration und 
Atmung herabgedrückt wird, sondern die Wirkung stockender Ableitung. 
Diese Anschauung, der wir beitreten, setzt allerdings voraus, dafs 
Kupfer tatsächlich in die Pflanze eintritt, und diese Ansicht findet 
darin ihre Bestätigung, dafs auch Forscher, welche ein Eindringen des 
Kupfers nicht annehmen, doch bei einer Anzahl ihrer Versuche die 
Kupferreaktion fanden (Frank und Krücer). Aufserdem hat EwerT in 
bordelaisierten Pflanzen auch Kupfer nachgewiesen. Über den Vorgang 
der Aufnahme bringen wir später noch Notizen aus der Arbeit von 
SCHANDER. 

Meiner Auffassung nach wird bei den gekupferten Pflanzen das 
durch Wunden oder durch die Epidermis eintretende Kupfer sofort 
von den Eiweiflsstoffen des Proto- 
plasmas gebunden und drückt da- 
mit das Zellenleben herab. Da 
die Bespritzungen keine vollstän- 
digen Benetzungen der ganzen 
Blattlläche darstellen, so bleiben 
zwischen den geschädigten Blatt- 
partien stets gesunde stehen, und 
diese müssen nun eine gesteigerte 
Wachstumstätigkeit zeigen. Die- 
selbe äufsert sich bei reichlicher 
Zufuhr von Licht und Feuchtig- 
keit bisweilen in der Ausbildung 
vonIntumescenzen. Der erste 
derartige Fall wurde von mir bei 
Kartoffeln beschrieben !). Später 
hat v. SCHRENK?) an Kohlpflanzen £ 
Intumescenzen infolge ihrer Be- Fig. 169. Altere Frucht von Apfel 
handlung nt Kupferammonium- mit braunen Flecken und Rissen. (Nach 

: Hepkıck.) 
karbonat, Kupferchlorid, -acetat, 
-nitrat und -sulfat beobachtet. In neuester Zeit hat MurH®) sehr starke 
Intumescenzbildung bei Weinblättern nach Kupferung gefunden. 

Derartige Wirkungen können zustandekommen, wenn sich das 
Gewebe partiell vergiftet, ohne direkt zu sterben; sie treten aber auch 
ein, wenn eine Abtötung wirklich stattfindet, wobei die abgestorbenen 
Gewebestellen bei manchen Pflanzen aus dem Blatte herausfallen, so 
dafs eme Durchlöcherung sich geltend macht. Solche Fälle sind 
neuerdings von SCHANDER (l. c.) beschrieben worden. Es wird dabei 
erwähnt, dafs Fuchsia und Oenothera Säure ausscheiden, welche geringe 
Mengen von Kupferhydroxyd löst. Es können aber auch alkalische 
Ausscheidungen sich zeigen (Phaseolus multiflorus), oder das Kupfer 
wird nicht durch Ausscheidungen des Blattes, sondern einfach durch 
die Atmosphärilien, namentlich bei anhaltend feuchtem Wetter, gelöst. 


!) Zeitschr. f. Pflanzenkrankh. 1893, S. 122. 

?2) SCHRENK, H. v., Intumescences formed as a result of chemical stimulation. 
Sixteenth ann. report, Missouri Bot. Gard. May 1905. Sonderabdruck. 

?) Murn, Franz, Über d. Beschädigung d. Rebenblätter durch Kupferspritzmittel. 
Mitteil. d. Deutsch. Weinbauvereins I. Jahre. Nr 89, 


Sorauer, Handbuch. 3. Aufl. Erster Band. 48 


754 IV. Einflufs schädlicher Gase und Flüssigkeiten. 

Rvuranp!) erklärt dagegen, dafs die Annahme von einer Lösung 
des Kupfers durch austretende Blattextrakte keine Berechtigung habe, 
sondern nur den Atmosphärilien zuzuschreiben sei. 

Die Nachrichten über die Beschädigungen des Laubes durch 
Kupferbespritzungen haben schon begonnen, nachdem das Verfahren 
eine allgemeinere Ausbreitung gefunden hatte. Im Jahre 1891 wurde bei 
der Bekämpfung des Peach rot beobachtet, dafs nach der Anwendung 
von Bordeauxmischung nicht nur Blätter und Blumen abfielen, sondern 
auch das junge Holz beschädigt wurde?). Die Amygdalaceen und 
namentlich die Pfirsiche haben sich auch in der Folge als besonders 


Fig. 170. Junge Apfelfrüchte mit einseitig behindertem Wachstum infolge 
Bespritzung mit Bordeauxmischung. (Nach Hepkıck.) 


INN = 
Sn Ve ur zer 
IT) 


SS Ä 4 
x ee Ss TS EIERN > n 


Fig. 171. Querschnitt durch die Randpartie eines von Bordeauxmischung 
beschädigten Baldwin-Apfels. (Nach Hepkıck.) 


empfindlich erwiesen. Bam?) zeigte bei seinen Versuchen mit Apfel-, 
Wein- und Pfirsichblättern, dafs dies mit der spezifischen Empfindlich- 
keit des Protoplasmas zusammenhängt. Das Pfirsichblatt, sagt er, hat 
die Fähigkeit, durch eine an der Oberfläche ausgeschiedene Substanz 
Kupferoxyd zu lösen. Junge Blätter leiden am meisten. Die be- 


!) Runtano, W., Zur Kenntnis der Wirkung des unlöslichen basischen Kupfers 
auf Pflanzen usw. Arbeiten d. Biol. Abt. f. Forst- u. Landwirtsch. beim Kaiser] 
Gesundheitsamt Bd. IV, 1904, Heft 2. 

2) Report of the Secretary of agric. for 1891. Washington 1392, p. 364. 

3) Bam, S. M., The action of copper on leaves etc. Agric. Exp. Stat. of the 
University Tenessee 1902, vol. XV. 


Schädliche Wirkungen von Kulturhilfsmitteln. 755 


schädigte Blattstelle wird durch Kork abgegrenzt und ausgestofsen 
(Schrotschufskrankheit), was AnERHOLD!) auch bei Kirschen beschrieben 
hat. Stark verletzte Blätter werden abgeworfen, während das Apfel- 
blatt, ebenso wie das Weinblatt, die Fähigkeit besitzt, mit dem Rest 
seiner Lamina weiter zu assimilieren. 

Nach den neuen Studien von HEprick ?) sind Pfirsich, Aprikose und 
Japanische Pflaume die empfindlichsten Obstgehölze, während die ge- 
wöhnliche Pflaumenichtstärker 
wie Birne, Apfel oder Quitte 
angegriffen wird. Die einzelnen 
Varietäten verhalten sich ver- 
schieden; die bestgepflesten 
Exemplare mit den saftigsten 
Blättern leiden am stärksten. 
Von hervorragendem Einflufs 
sind die Witterungsver- 
hältnisse, von denen die 
zartere oder derbere Aus- 
bildung der Blätter und na- 
mentlich deren Cuticula ab- 
hängt. Den besten Beweis 
lieferte im Staate New York 
das Jahr 1905, dessen warme, 
neblige Frühjahrswitterung das 
Laub sehr zart bleiben liefs. 
Viele Apfelzüchter erklärten, 
sie hätten in diesem Jahre 
mehr Schaden wie Nutzen vom 
Bespritzen mit der Bordeaux- 
mischung gehabt. HErpRrIcK 
führt Beispiele an, bei denen 
ein Spritzen bei darauffolgen- 
der anhaltend feuchter Witte- 
rung ungemein grofse Schäden 
hervorgerufen hatte, während 
acht Tage später, nachdem 
trocknes Wetter eingetreten 
war, die Bespritzung gar keine 
üblen Folgen gehabt hat. 

Wir entlehnen obenge- 
nanntem Autor einige Abbil- 


dungen von Früchten und 

n > 2 : Fig. 172. Apfelblatt, das infolge von Be- 
Blättern, die durch das Spritzen ee itnBordcaus sichere tote Gewebe- 
beschädigt worden sind. Auf stellen und Durchlöcherung zeigt. (Nach 
den Früchten erscheint der Heokıck.) 


Schaden zuerst in Gestalt 

kleiner brauner Fleckchen, die sich zu ausgedehnten Rostzeichnungen 
erweitern (Fig. 169). Wenn diese Oberhautverletzungen während der 
Schwellungsperiode eintreten, kann das Wachstum der Frucht unregel- 


!) Anveruorn, R., Über Clasterosporium carpophilum usw. Arb.d. Biolog. Abt. 
d. Kais. Gesundheitsamtes 1902, Heft 5. 

2) Heorıck, U. P., Bordeaux injury. New York, Agric. Exp. Stat. Geneva. 
Bull. Nr. 287, 1907. 


48* 


756 IV. Einflufs schädlicher Gase und Flüssigkeiten. 


mäfsig werden (Fig. 170), oder es können bei jungen Apfeln selbst 
klaffende Spalten entstehen. Derart beschädigte Früchte werden mehlig 
und faulen leicht. 

Die mikroskopische Untersuchung der braunen Flecke zeigt, dafs 
die Outiculardecke mit ihrer Wachsglasur zerstört ist (Fig. 171). Die 
benachbarten Epidermiszellen und das blofsgelegte Fruchtfleisch be- 
kommen stark verdickte Wände von korkartigem Aussehen; sie können 
der Schwellung der Frucht nicht mehr folgen, und die Frucht reifst 
nunmehr ein. Der in den Rissen gebildete Wundkork nebst dem durch 
die Bordeauxmischung abgetöteten Gewebe bilden dann die eigenartigen 
„Rostfiguren“, welche unsere Abb. 169 zeigt. Die Gröfse der Verletzung 
steigert sich mit der Zartheit der Schale, die die ersten Anfänge der 
Bräunung in der Regel um ein Haar oder eine Spaltöffnung herum 
erkennen läfst. Bei zunehmendem Alter der Früchte werden normaler- 
weise die Haare abgeworfen und an Stelle der Spaltöffnungen entstehen 
Lenticellen; dabei verstärkt sich die Wachsglasur, und damit tritt eine 
Immunität der Früchte gegen das giftige Kupfer ein. Auch auf den 
Blättern entstehen braune Flecke, die bisweilen ausbrechen (Abb. 172). 
Am schwersten leiden natürlich die Blüten. Man kann mit Sicherheit 
annehmen, dafs bei diesen das Kupfer sich mit dem Zellinhalt verbindet. 
Betreffs der Herstellung der Bordeauxmischung, die im zweiten Bande 
unseres Werkes (S. 521) eingehender behandelt worden ist, wird die 
Bemerkung Heprick’s beachtenswert, dafs eine gröfsere Beigabe von 
Kalk die Beschädigungen kaum verringert. 

Was von den Kupferkalkmischungen gilt, bezieht sich in erhöhtem 
Mafse auf die Azurine, bei denen zur Neutralisation des Kupfervitriols 
das Ammoniak benutzt wird. Je nach der Menge des benutzten 
Ammoniaks entstehen reine tiefblaue Lösungen, wie die „Bouillie 
Celeste* und das „Azurin Siegwart“, oder es bleiben, namentlich 
bei stärkerer Verdünnung, basische Kupferverbindungen als Nieder- 
schlag wie bei dem „Kristall-Azurin Mylius“. Je mehr Ammoniak 
verwendet wird, desto näher rückt die Gefahr des Verbrennens der 
Blätter !). 


Anaesthetica. 


In Rücksicht auf die sog. „Athertreiberei“, d. h. das Verfahren, 
die Pflanzen zur Beschleunigung ihres Austreibens Atherdämpfen aus- 
zusetzen, müssen wir uns auch mit den Anaestheticis beschäftigen. 
Der günstige Erfolg, der namentlich bei der Frühtreiberei von Flieder 
bei richtiger Anwendung des Verfahrens erzielt werden kann, steht 
aufser Zweifel; aber bei anderweitiger Verwendung machen sich nach- 
teilige Folgen bemerkbar. Die durch mehrfache Versuche nachgewiesene 
Wirkung von Ather, Ohromäther, Chloroform, Stickstoffoxydul, Morphium, 
Cocain usw. besteht in der Lähmung der vollen Entfaltung der proto- 
plasmatischen Tätigkeit. Erleidet dabei das Protoplasma in seiner 
physikalischen oder chemischen Struktur eine dauernde Schädigung, 
so folgt der Tod; im anderen Falle kehrt die Pflanze allmählich wieder 
zu ihrer normalen Tätigkeit zurück?). Natürlich hängt die Wirkung 


!) Kurısch, P., Über die Verwendung der „Azurine*“ zur Bekämpfung der 
Peronospora. Landwirtsch. Z. f. Elsafs-Lothringen 1907, Nr. 26. 
2) Kaurmann, C., Über die Einwirkung der Anaesthetica auf das Protoplasma 
und dessen biologisch-physiologische Eigenschaften; eit. Just’s Jahresber. 1900, II, 
. 801. 


Schädliche Wirkungen von Kulturhilfsmitteln. 7157 


davon ab, in welchem Zustande sich das Protoplasma befindet. So hat 
Coupin !) nachgewiesen, dafs selbst eine mit Chloroform und Ather 
gesättigte Atmosphäre keinen Einflufs auf das Protoplasma von Samen, 
die sich im Ruhezustande befinden, auszuüben vermag. Ist dagegen 
die Lebenstätigkeit derselben durch Anfeuchtung erweckt, genügen 
schon sehr kleine Dosen (3"/ı00000), um Schaden zuzufügen. Doch ist 
die hier angeführte Zahl nicht als Norm anzusehen; denn abgesehen 
von der Individualität der Pflanzenspezies, kann auch dieselbe Spezies 
durch Anpassung eine verschiedene Widerstandsfähigkeit entwickeln. 
So gibt beispielsweise Townsenp?) an, dafs Sporen von Maucor und 
Penieillium, die in einer starken Atheratmosphäre zur Reife gelangten, 
ebenso schnell keimten und neue Sporen hervorgebracht haben, als 
wenn sie in einer ätherfreien Atmosphäre gekeimt wären. Derselbe 
Beobachter erwähnt, dafs hier und bei anderen Giften, sehr schwache 
Dosen anregend und die Keimungsdauer abkürzend wirken, während 
stärkere Dosen schaden. 

Uber die Art der Einwirkung erhalten wir einen Einblick durch 
die Beobachtungen von MARKOWINE®), der aus seinen Versuchen den 
Schlufs zieht, dafs bei einer längere Zeit anhaltenden Wirkung an- 
ästhesierender Dämpfe die Atmung beträchtlich gesteigert wird. 
Unter dem Einflufs von Alkoholdampf sah er die Atmung etiolierter 
Pflanzen sich um das Anderthalbfache erhöhen; noch stärker wirkte 
Ather. 

Wir dürfen also hier eine spezifische Reizwirkung annehmen. 
Diese Ansicht wird von BEHRENS*) vertreten, der auch die beschleunigte 
Keimfähigkeit der Samen nach mechanischen Verletzungen, welche 
Hırryer der erleichterten Wasseraufnahme zuschreibt, als Reizwirkung 
auffassen möchte. BEHRENS stützt sich dabei auf Versuche mit verletzten 
Samen, bei denen die Wundstelle sofort mit Kolophoniumwachs ver- 
klebt worden war. Obwohl die Wasseraufnahme dieser Körner im 
Vergleich mit normalen Körnern nicht gesteigert erschien, ergab sich 
dennoch eine erhebliche Wachstumssteigerung. Die Versuche mit dem 
Anfeilen und sonstigen absichtlichen Verletzungen hartschaliger Samen 
beweisen jedoch, dais auch die mechanische Erleichterung des Wasser- 
eintritts an sich keimungsfördernd wirkt. 


Schädigungen durch Düngemittel. 


l. Chilisalpeter. Bei dem Gebrauch von Chilisalpeter sind 
vielfach unangenehme Nebenwirkungen und Nachwirkungen beobachtet 
worden. Die Ursache wurde zum Teil in dem Vorhandensein von 
Kaliumperchlorat gefunden. Die zahlreichen Kulturversuche stellten 
fest, dafs namentlich Getreide sich empfindlich erweist und bei 2V/o 
Perchlorat schon auffällige Schädigungen erkennen läfst, während 
Luzerne, Erbsen und Senf diese Konzentration noch vertragen können. 
Bei Roggen wurde sogar noch ein Verkümmern der Pflanzen beobachtet, 


!) Coveiıs, H., Action des vapeurs anesthösiques sur la vitalitE des graines 
seches et des graines humides; cit. Just’s Jahresber. 1900, II, S. 301. 

?) Towssennp, C. O., The effect of ether upon the germination of seeds and 
spores; cit. Just’s Jahresber. 1399, II, S. 142. 

®) MArkowine, N., Recherches sur l’influence des anesthesiques sur la respiration 
des plantes; eit. Just’s Jahresber. 1899, II, S. 143. 

*) Brurens, Bericht d. Grofsherzogl. Badischen Landwirtsch. Versuchsanstalt 
Augustenberg f. d. Jahr 1906. 


758 IV. Einflufs schädlicher Gase und Flüssigkeiten. 


wenn derselbe als Nachfrucht gebaut wurde!). Hackfrüchte, Zucker- 
rüben wurden durch 2°o Perchlorat auf 200—500 kg Salpeter pro 
Hektar nicht geschädigt?). .JUNGNER und GERLACH®) beschreiben die 
Formveränderungen bei Weizen- und Roggenkeimpflanzen folgender- 
maisen. Das Primordialblatt bleibt längere Zeit teilweise zusammen- 
gerollt und hält das zweite Blatt zunächst so fest umschlossen, dafs 
dasselbe nur schwer mit seiner Spitze sich lösen kann und infolge- 
dessen eine Ose oder Schleife bildet, wobei es querfaltig wird und 
sich um seine eigne Achse rollt, schliefslich wohl auch zerreist. Gleich- 
zeitig erfolgen ein Vergilben der Blattspitzen und bedeutendes Nachlassen 
der Streckung der ganzen Pflanze. Je nach der Menge des vorhandenen 
Perchlorats wird sogar schon eine Verzögerung der Keimung eintreten 
können; bei schwachen Dosen ist dieselbe nicht beobachtet worden. 
Die Schleifenbildung der Blätter durch Steckenbleiben der Spitzen in 
der Scheide des nächstälteren scheint ein beachtenswertes Merkmal des 
Getreides bei Perchloratvergiftung zu sein. Charakteristisch ist es jedoch 
nicht, da ähnliche Erscheinungen bei Tylenchus devastatrix auftreten ®). 

DaArert und Harza?) beschreiben einen Fall vom Auftreten von 
freiem Jod im Chilisalpeter, der dadurch einen Geruch nach Jodoform 
erhielt. Der Salpeter enthielt 0,31°o KC10* und 0,04% K.JO®. Die 
Gefahr für die Praxis ist aber in solchen Fällen gering, da man die 
Säcke mit Chilisalpeter nur längere Zeit zu lüften braucht, damit das 
Jod verdampfen kann. Dafs die Jodide von Mangan, Kalium, Natrium 
und Lithium schädlich wirken, während die Oxyde sich als günstig 
erweisen, hat u. a. VOELKER®) gezeigt. — Anknüpfend an seine früheren 
Versuche, aus denen die Schädlichkeit gröfserer Mengen von Jod- und 
Bromnatrium und Chlorlithium, dagegen eine Förderung der Keimung 
bei Befeuchtung der Samen mit schwächeren Lösungen hervorgeht, 
schliefst Maz£’), dafs die Zelle zur vollen Entfaltung ihrer Funktionen 
der Anregungen durch solche Salze bedarf. Ahnliche Erfahrungen über 
Schädigungen durch stärkere und Förderung des Wachstums durch 
sehr schwache Konzentrationen von Fluornatrium haben Aso°®) und 
betreffs des Jodkaliums Suzukı?) gemacht und sind auch anderweitig 
mehrfach beobachtet worden. Ebenso meldet Mıanı!®) für Kupferlösungen 
fördernde Wirkungen. 


!) Urzmann, Marrıs, In welchem Grade ist Kaliumperchlorat ein Pflanzengift? 
Die Regelung des Verkehrs mit Chilisalpeter. Meffe 1901. Cit. Centralbl. f. Agri- 
kulturchemie 1903, Heft 7. 

2) Sroktasa, Beiträge zur Kenntnis des schädlichen Einflusses des Chilisalpeters 
auf die Vegetation. Z. f. d. landwirtsch. Versuchswesen in Österreich 1900, S. 35. 

3) Junener und Gerracn, Versuche mit Kaliumperchlorat. Jahresber. d. landw. 
Versuchsstation in Jersitz bei Posen 1897/98, S. 29. 

4) Krücer, Fr., u. Bersv, G., Ein Beitrag zur Giftwirkung des Chilisalpeters. 
Centralbl. f. Bakt. II, 1898, Bd. IV, S. 674. 

5) Darerr, F. W., u. Harıa, Av., Über das Auftreten von freiem Jod im Chili- 
salpeter. Z. f. d. landw. Versuchswesen in Uusterreich 1901. 

6) VoELKER, A., Über den Einflufs von Mangansalzen sowie von Jodiden und 
Oxyden von Mangan, Kali, Natrium und Lithium auf Gerste und Weizen. Journ. 
oa ne Soc. of England, vol. 64 u. 65; eit. Centralbl. f. Agrikulturchemie 
1905, S. 715. 

?) Mazi, Einflufs der in den Pflanzen in geringer Menge enthaltenen Mineralstoffe 
auf das Pflanzenwachstum. Biedermann’s Gentalbl. f. Agrikulturchemie 1902, S. 686. 

8) Aso, Bull. Coll. Agric. Tokyo; cit. Bot. Jahresber. 1902, S. 353. 

9) Suzurı. S. ibid. 

10) Mıaxt, D., Über Einwirkung von Kupfersulfat auf das Wachstum lebender 
Pflanzenzellen. Ber. d. Deutsch. Bot. Ges. 1901, Heft 7. 


Schädliche Wirkungen von Kulturhilfsmitteln. 759 


2. Superphosphat. In Kürze zu gedenken ist des Zurück- 
sehens der Phosphorsäure im Superphosphat und Thomasmehl 
in manchen Böden, die reich an Kalk und Eisenoxyd sind. In saurem 
Moorboden und humusreichem, saurem Wiesenboden überwiegt der die 
Phosphorsäure löslich erhaltende Prozefs; denn Wasser, Kohlensäure, 
Humussäure und einige Salze wirken lösend. Im humushaltigen, nicht 
sauren Sandboden halten der lösende und der die gelöste Phosphor- 
säure wieder in schwer lösliche Formen überführende Prozefs einander 
ungefähr das Gleichgewicht. Aber in kalkhaltigen und eisenhaltigen 
Lehmböden erhält der Prozefs des Zurückgehens, d. h. der Überführung 
der löslichen Phosphorsäure in schwerer lösliche Phosphate das Über- 
gewicht. Unter solchen Umständen wäre eine Frühjahrsverwendung 
von Thomasmehl nicht anzuraten. 

3. Gasphosphat. In den Gasfabrikationsabfällen findet sich in 
verschiedenen Mengen Rhodanammonium vor. Dasselbe hat eine 
erhöhte wirtschaftliche Bedeutung dadurch erlangt, dafs man durch 
Reinigung des Leuchtgases mit Superphosphat ein stickstoffhaltiges 
Düngemittel hergestellt hat, welches als „Gasphosphat“ in den 
Handel gebracht worden ist. Das saure Phosphat hat aus dem Leuchtgas- 
strom das Ammoniak aufgenommen, aber dabei zugleich auch das 
Rhodanammonium behalten. Bei der vielseitig nachgewiesenen 
Giftigkeit dieser Verbindung hat man versucht, durch Waschen des 
Gasphosphats mit einer konzentrierten Lösung von Ammoniumsulfat, in 
welchem die Rhodanverbindungen leicht löslich sind, das Düngemittel 
zu reinigen. Man konnte dadurch den Gehalt desselben bis auf 0,9% 
Rhodanverbindungen herabmindern und hat infolgedessen die direkte 
Anwendung dieses Düngers, der sich in der Tat durch hohen Phosphor- 
säure- und Stickstoffgehalt auszeichnet, empfohlen. 

Die Versuchsresultate waren einander widersprechend insofern, als 
auf Sandboden günstige Ergebnisse, auf lehmigen Böden nachteilige 
Wirkungen beobachtet worden sind.. Dies legte die Vermutung nahe, 
dafs im Sand eine schnellere Zersetzung des Rhodanammoniums in 
Ammoniak bzw. Salpetersäure und Schwefelsäure eintritt und dadurch 
die Giftwirkung aufgehoben wird. Die Vermutung wird durch andere 
Versuche bestätigt, welche dartun, dafs bei dem Einbringen des Düngers 
mehrere Wochen vor der Aussaat sich keine Schädigungen, bei gleich- 
zeitiger Saat aber arge Verluste zeigen. Dasselbe Ergebnis stellte 
sich bei Benutzung eines Staubes aus Hochöfen heraus, der 1° Rhodan 
enthielt. 

Die neuen Versuche von HasELHOFF und GössEL!) lassen keinen 
Zweifel an der Giftigkeit des Rhodanammoniums, dessen Zersetzung 
selbst in einem Sandboden nicht so leicht vor sich geht, wie frühere 
Versuche zu ergeben schienen. Schon so geringe Mengen, wie 0,0025 /o, 
rufen eine erhebliche Verzögerung der Keimung hervor, und da auch 
das gereinigte Gasphosphat noch immer 0,76°0 Rhodanammonium ent- 
hält, so möchten die genannten Forscher dasselbe, zumal bei der Schwer- 
löslichkeit der Phosphorsäure, als Düngemittel überhaupt nicht empfehlen. 

4. Schwefelsaures Ammoniak. Im Anschlufs hieran sei 
eines bisher unbekannten Falles der Schädigung durch Schwefelsaures 
Ammonlak gedacht. Ein Waggon voll Pflanzen (Azaleen) zeigte beim 


1) Hısetnorr, E., u. Gösser, F., Versuche über die Schädlichkeit des Rhodan- 
ammoniums für das Pflanzenwachstum. Zeitschr. f. Pflanzenkrankh. 1904, 8.1. 
Hier auch die frühere Literatur. 


760 IV. Einflufs schädlicher Gase und Flüssigkeiten. 


Öffnen, dafs die Blätter teilweise geschwärzt, wie nach Ammoniak- 
dämpfen, waren. Die Nachforschungen ergaben, dafs vorher der Waggon 
zum Transport von Schwefelsaurem Ammoniak benutzt worden war. 
Die daraufhin angestellten Versuche zeigten, dafs bei Vorhandensein 
von Kalk sich freies Ammoniak entwickelt. Ebenso wird frisches 
Schwefelsaures Ammoniak, das nicht genügend getrocknet und neutrali- 
siert ist, Ammoniak entwickeln können, das ähnlich dem in dem Ab- 
schnitt über Ammoniakdämpfe geschilderten Falle in den Wänden haften 
und nachträglich schädigen kann. 

5. Kalkstickstoff. Dieses junge Produkt unserer Düngerindustrie 
gibt augenblicklich noch zu mannigtachen Klagen Veranlassung. Das 
zunächst zur Herstellung eines sehr hellen Leuchtgases, des Acetylens, 
verwendete, aus der gegenseitigen Einwirkung von Kalk und Kohle im 
elektrischen Ofen gewonnene Calciumkarbid wird in hermetisch 
verschlossenen, eisernen Muffeln bei intensiver Hitze der Einwirkung 
von Stickstoff ausgesetzt und liefert dann den Kalkstickstoff als ein 
verunreinigtes Calciumceyanamid mit etwa 20—24°/o N. Dieser Kalk- 
stickstoff oder das Calciumeyanamid hat die Eigenschaft, durch Er- 
hitzen mit Wasser unter Druck seinen ganzen Stickstoff in Gestalt von 
Ammoniak abzugeben. Durch Einleiten des Ammoniaks in Schwefel- 
säure ist die Möglichkeit gegeben, den wertvollen Dungstoff, das 
Schwefelsaure Ammoniak, herzustellen. Der „Kalkstickstoff* (CaCN?) 
enthält ungefähr 20—21 0 Stickstoff, 40—42°/o Calcium und 17—18 lo 
Kohlenstoff neben Verunreinigungen von Kieselsäure, Ton, Spuren von 
Phosphorsäure usw. Durch Entfernen des Kalkes entstehen Cyanamyd 
(CN, NH?) und das homologe Dicyandiamid [C?N?(N H?)?]. 

Der in dem stark alkalisch reagierenden Kalkstickstoff vorhandene 
Kalk existiert teils in gebundener Form als Calciumceyanamid, teils ist 
er frei. Aus diesem Grunde darf er nicht mit Superphosphat zusammen- 
gebracht werden, da die Phosphorsäure dadurch unlöslich gemacht 
würde. Die Vorschriften für den Gebrauch sind etwa folgende). Das 
pro Hektar anzuwendende Quantum beträgt je nach der Beschaffenheit 
des Ackers 150—300 kg, entsprechend 30—60 kg Stickstoff. Zur Ver- 
meidung des Staubens vermischt man den Kalkstickstoff mit der 
doppelten Menge trockner Erde. Das Ausstreuen soll 8—14 Tage vor 
der Aussaat erfolgen, und dieser Dungstoff mufs sogleich 3—5 Zoll in 
den Boden gebracht werden, damit derselbe das durch die Einwirkung 
der Bodenfeuchtigkeit freiwerdende Ammoniak aufnehmen und nitri- 
fizieren kann. 

Die Ammoniakentwicklung aus dem Kalkstickstoff geht durch 
Bakterienarbeit vor sich ?). 

Die in Vegetationsgefäfsen ausgeführten Düngungsversuche haben 
die Möglichkeit gezeigt, dieselbe Düngewirkung durch Kalkstickstoff 
wie durch Salpeterstickstoff und durch Ammoniakstickstoff zu erzielen; 
bei den bisherigen Feldversuchen hat der Kalkstickstoff etwa 74°/o der 
Wirkung des Salpeterstickstoffs entwickelt ?). 


!) Braun, Der Kalkstickstoff und seine Verwendung in Gartenbau und Land- 
wirtschaft. Gartenflora, Berlin 1906, Heft 10. 

?) Lönsıs, F. Uber die Zersetzung des Kalkstickstoffs. Centralbl. f. Bakt. 
1905, II, Bd. XIV, S. 87. — Benrens, J., Versuche mit Kalkstickstoff. Bericht der 
Grofsherzogl. Bad. landw. Versuchsanstalt Augustenberg 1904, Karlsruhe 1905, S. 36. 

3) GERLACH uU. WasnerR, P., Gewinnung u. landwirtschaftliche Verwendung des 
Salpeterstickstoffs. Verhandl. d. Winterversammlung 1904 d. Deutsch. Landwirtsch. 
Ges. Jahrb. d. D. L. G. Bd. 19, S. 33—39. 


Schädliche Wirkungen von Kulturhilfsmitteln. 761 


Die herbsten Schädigungen erleidet der Landwirt, wenn er bald 
nach dem Ausstreuen des Kalkstickstoffs die Aussaat vornimmt; von 
Getreide pflegen dann nur meist diejenigen Körner aufzugehen, die an 
der Wegkante der Felder liegen. Ist dieser erste Stofs überwunden, 
pflegt sich bald die reiche Ammoniakzufuhr durch besonders dunkles 
Grün der Pflanzen kenntlich zu machen. Die Schädigung besteht in 
einer Austrocknung des Blattparenchyms und kümmerlicher Wurzel- 
entwicklung). 

So wenig man den Kalkstickstoff direkt vor der Aussaat geben 
darf, so wenig bewährt er sich als Kopfdüngung. Ungünstig wirkt 
dieser Körper auch auf gewisse Böden, selbst wenn er vorschriftsmäfsig 
untergehackt wird. Remy?) fand die günstigste Wirkung auf tonreichen 
Böden; auf Sandböden dagegen ist seine Wirkungsgeschwindigkeit er- 
heblich geringer und die direkt schädliche Beeinflussung der Keimung 
viel anhaltender. Er sah erst drei Monate nach der Düngung die 
schädliche Wirkung auf Sandböden ganz verschwinden. Alle Böden, 
welche zur Säurebildung neigen, beeinträchtigen die normale Bildung 
von Ammoniak. TackE hat nachgewiesen, dafs auf saurem Moorboden 
die Umwandlung in Ammoniak derartig gehindert wird, dafs dort eine 
Kalkstickstoffdlüngung unterbleiben mufs. Andererseits kann bei viel 
Kalk im Boden die Ammoniakbildung so schnell vor sich gehen, dafs 
namhafte Verluste durch Ammoniakverdunstung entstehen. Auf Hoch- 
moorboden zeigen sich Giftwirkungen, die nach GEkLacH darauf 
zurückzuführen sein dürften, dafs bei der Zersetzung des Calcium- 
cyanamids unter Abspaltung von Kalk binnen wenigen Tagen gröfsere 
Mengen des giftigen Dieyandiamids entstehen. 

Die solche Nachteile umgehende Überführung des Ammoniaks in 
Schwefelsaures Ammon verbietet sich aus wirtschaftlichen Gründen, 
da der Stickstoff dadurch zu teuer würde. 

Zu diesem neuen Düngemittel, dem „Kalkstickstoff‘“, ist bereits ein 
noch neueres getreten, nämlich der „Stickstoffkalk“, der frei von 
Cyanverbindungen ist und der 22°0 Stickstoff, 19° Kohlenstoff, 
6°/o gebundenes Chlor und 45°o Calcium enthält. Die Vegetations- 
versuche von BöttcHEr®) haben ergeben, dafs hierbei aber dieselben 
Vorsichtsmafsregeln geboten sind wie bei dem Stickstoffkalk. Er darf 
auch nicht kurz vor der Aussaat und nicht als Kopfdüngung gegeben 
werden, weil er dann schädigt?). 

Betreffs des Ammoniakstickstoffs möchten wir nicht vergessen, 
darauf aufmerksam zu machen, dafs auch dieser unter Verhältnissen, 
in denen die nitrifizierenden Bakterien nicht genügend arbeiten, schäd- 
lich werden kann. Für schwere Böden, die mehr Wasser halten, also 
das Ammoniak reichlicher in Lösung bringen, liegt keine Gefahr yor, 
aber bei Sandböden kann die behinderte Löslichkeit zu direkten Atz- 
erscheinungen führen °). 


1) Prrornı, R., Über die Verwendung des Calciumeyanamids zur Düngung. 
Staz. sper. agrar. Ital. 1904, Bd. XXX VII; cit. Centralbl. f. Agrikulturchemie 1905, 
S. 814. 

2) Blätter f. Zuckerrübenbau, 31. Mai 1906. 

?) Deutsche landw. Presse 1906, Nr. 34. 

*) Blätter f. Zuckerrübenbau 1906, Nr. 10. 

5) Maze, Untersuchungen über die Einwirkungen des Salpeterstickstoffs und 
des Ammoniakstickstoffs auf die Entwicklung des Mais. Annal. agron. t. 26; eit. 
Centralbl. £. Agrikulturchemie 1901, S. 588. 


762 V. Wunden. 


Fünfter Abschnitt. 
Wunden. 


Zwanzigstes Kapitel. 


Wunden des Achsenorganes. 
Allgemeines. 


So verschiedenartig die zufällig oder absichtlich dem Baumstamm 
zugefügten Verwundungen auch sind, so übereinstimmend im wesent- 
lichen ist bei allen der Heilungsprozefs. 

Wir sehen, dafs in allen Fällen, in denen die Verwundung der 
Achse so weit geht, dafs der Holzkörper an der Bildung der Wundfläche 
beteiligt ist, das zwischen Holz und Rinde liegende Cambium, welches 
bei ungestörter Entwicklung das Dickenwachstum des Stammes ver- 
mittelt, sowie die aus dem Cambium unmittelbar hervorgegangenen, 
jungen Gewebeelemente (— die wir im folgenden mit in die Be- 
zeichnung „Cambium“ hineinziehen —) es sind, welche die Heilung 
der Wundfläche des ausgewachsenen Stammteils allein übernehmen. 
Bei krautartigen Stämmen oder noch krautartigen Entwicklungszuständen 
holziger Achsen können auch andere Gewebeformen sich an der Wund- 
heilung beteiligen, wie bei Besprechung der einzelnen diesbezüglichen 
Fälle später gezeigt werden wird. 

Die Bildungen aber, welche aus dem Cambium bei der Wund- 
heilung hervorgehen, weichen in ihrem Bau wesentlich von dem des 
normalen Holzringes ab. Die Ursache dieses abweichenden Baues des 
Waundholzes ist darin zu suchen, dafs die Druckverhältnisse, unter 
denen das zur Wundheilung dienende Gewebe entsteht, gänzlich andere 
als bei der Bildung des normalen Holzkörpers sind. 

Anlehnend an die Untersuchungen von G. Kraus mag zunächst 
daran erinnert werden, dafs jeder Stamm und Zweig durch das ver- 
schiedene Wachstum seiner einzelnen, mit einander verbundenen Ge- 
webeformen bedeutende Spannungen in seinem Innern besitzt. Die 
von HoFNEISTER !) begonnenen, von SacHs?) erweiterten und von Kraus?) 
besonders umfassend durchgeführten Experimente über die Gewebe- 
spannung haben bewiesen, dafs das Längenwachstum jedes Achsen- 
eliedes (Internodium) unserer Bäume von zwei Faktoren geregelt wird. 

Das zentrale Gewebe des Sprosses, speziell das Mark, ist der 
streckende Faktor *), das in die Höhe treibende Gewebe des Sprosses; 


1) Horueıster, Über die Beugung saftreicher Pflanzenteile durch Erschütterung. 
Ber. d. Kgl. sächs. Ges. d. Wissensch. 1859, S. 194. 

2) Sıcns, Experimentalphysiologie, S. 465—914. 

3) Grecor Kraus, Die Gewebespannung des Stammes und ihre Folgen. Botan. 
Zeit. 1867, Nr. 14 ff. 

4) Schon Hares adoptiert nach Kraus (a. a. O. S. 141) die von Borerı in seinem 
Buche „de motu animalium“ geäusserte Ansicht, „dafs der junge Sprofs wächst 
und sich streckt durch Ausdehnung der Feuchtigkeit in dem schwammigen Mark.“ 


Wunden des Achsenorganes. 763 


es wird in seinem ganz bedeutenden, bei der Trennung: von dem übrigen 
Gewebe recht deutlich hervortretenden Streben, sich zu verlängern und 
das umgebende Gewebe mit in die Höhe zu ziehen, gemäfsigt und 
zurückgehalten durch den Zug, den die sehr elastisch gewordenen, 
peripherischen Gewebepartien des Rindenkörpers ausüben. Diese ver- 
kürzen sich, wenn man sie isoliert; sie verkürzen sich auch in ihrer 
natürlichen Lage am Baume regelmäfsig des Nachts durch radiale 
Schwellung infolge einer Aufnahme von Wasser‘). 


So lange der Sprofs also wächst, entwickelt sich eine bedeutende 
Längsspannung durch den Kampf der streckenden Gewalt des 
Markes mit dem Bestreben der Umgebung, zumal des Rindenkörpers, 
sich und das umliegende Gewebe zusammenzuziehen. Der Ertolg: des 
Kampfes dokumentiert sich auch in der Länge der Markzellen innerhalb 
eines Internodiums. Die Zellmessungen haben gezeigt, dafs die Mark- 
zellen anfangs länger sind, als später und dafs mit ihrer späteren Ver- 
kürzung eine sehr starke Verbreiterung verbunden ist. Diese Ver- 
breiterung ist die Folge des endlichen Überwiegens des peripherischen 
Zuges. Mit der Vollendung des Längenwachstums des Internodiums 
tritt die Querspannung in den Vordergrund. 


Es ist leicht verständlich, dafs nach Beendigung des Längenwachs- 
tums eines Pfianzenteils andere Spannungen eintreten müssen, wenn 
man bedenkt, dafs der fertig gestreckte Stammteil sich jetzt dauernd 
verdickt und dafs diese Verdickung von der Umwandlung der zwischen 
Rinde und Holz liegenden Cambiumzellen zu neuen Holz- und Rinden- 
elementen herrührt. 

Wenn im folgenden Jahre der einjährige Sprofs neue Holzlagen 
auf die vorjährigen schichtet, müssen diese neuen Holzlagen sich Platz 
unter dem Gürtel, den die Rinde und deren äufsere Korkschichten 
bilden, zu verschaffen suchen. Platz ist aber nur zu gewinnen durch 
Auseinanderpressung des Rindenmantels, der jedoch nicht widerstandslos 
nachgibt. Dieser Widerstand macht sich geltend als Druck, und so 
finden wir während des Dickenwachstums eines Sprosses das zarte 
Gewebe des Oambiums geprefst auf der einen Seite durch das Aus- 
dehnungsbestreben des fertigen und jungen Holzkörpers, gedrückt auf 
der Aufsenseite durch den schnürenden Einflufs des nur sehr starken 
Kräften nachgebenden Rindenmantels. 


Unter diesem zweifachen Drucke bilden sich aus dem Cambium 
die Elemente des Holzkörpers, nämlich die langgestreckten, diekwandigen, 
inhaltsarmen oder schliefslich inhaltslosen Holzzellen sowie die Gefäfse 
und gefäfsähnlichen Zellen. 

Durch die Untersuchungen von DE VRIES?) ist nun experimentell 
festgestellt worden, dafs das Holz um so engzelliger (und gefäfsärmer) 
wird, je gröfser der Rindendruck ist. DE Vrızs erhöhte durch Umlegung 
eines festen Bandes den schnürenden Einflufs des Rindenmantels und 
lockerte bei anderen Exemplaren künstlich den Druck der Rinde durch 
Längseinschnitte in dieselbe. Dadurch gelang es ihm, wie schon SacHs?) 


1) G. Kraus, Über die Verteilung und Bedeutung des Wassers bei Wachstums- 
und Spannungsvorgängen in der Pflanze. Bot. Zeit. 1877, 8. 595. 

2) Hvco or Vrıes, Über den Einflufs des Rindendruckes auf den anatomischen 
Bau des Holzes. Flora 1875, Nr. 7. — Saxıo, Bot. Zeit. 1863, S. 393. \ 

®) Sacus, Lehrb. d. Bot., I. Aufl. 1868, S. 409. 


764 V. Wunden. 


vermutete, die Entstehung der Jahresringe durch den im Laufe 
des Jahres regelmäfsig wechselnden Rindendruck zu erklären !). 

Der Rindendruck ist im Frühjahr zur Zeit, wo das Holz durch 
Wasseraufnahme am stärksten gequollen ist, sehr grofs, wie durch die 
um diese Zeit stattfindende Entstehung neuer Rindenrisse und die Er- 
weiterung der schon vorhandenen bemerkbar wird. Während der 
Blattentfaltung verliert das Holz einen grofsen Teil seines Wassers 
durch Verdunstung; es zieht sich mehr zusammen und der Druck der 
nun einmal schon erweiterten Rinde wird geringer, mithin die zu dieser 
Zeit kenntliche Bildung weiterer Holzzellen erklärbar. Je mehr sich 
aber nun im Laufe des Sommers neues Holz unter der Rinde bildet, 
desto gröfser wird dessen Innendruck auf dieselbe; gleichzeitig verlieren 
die Rindenschichten durch Trockenheit einen Teil ihrer Dehnbarkeit, 
und ihr Widerstand gegen den Innendruck des Holzes wird um so 
gröfser. Unter solchen erhöhten Druckverhältnissen sehen wir das 
eng- und breitzellige, dickwandige Herbstholz entstehen. 

Ein anderer Punkt, den ich bei künstlichen Schnürstellen zu be- 
obachten Gelegenheit hatte, ist die durch Vermehrung des Rinden- 
druckes bedingte Steigerung der spiraligen Drehung 
der Holzelemente, welche bei endlich überwallten Drahteinschnürungen 
sich derart gesteigert erwies, dafs in einer gewissen Zone des Über- 
wallungswulstes die sonst längsverlaufenden Holzzellen fast horizontal 
lagen. Ein Radialschnitt zeigte unmittelbar über dem überwallten Draht- 
ringe eine Zone von Holzzellen quer durchschnitten statt längsver- 
laufend. Diese horizontal gelagerten Fasern nahmen allmählich wieder 
ihren vertikalen, normalen Verlauf da an, wo die Geschwulst sich ab- 
schwächt und in den normalen Stamm überging. 

Die vermehrte Drehung der Holzelemente durch erhöhten Rinden- 
druck erklärt jetzt auch die bekannte Erscheinung der nicht parasitären 
Drehwüchsigkeit, die besonders in trocknen, armen Bodenlagen 
(namentlich bei Syringa und Crataegus) auftritt und bei sehr verschie- 
denen Baumarten beobachtet worden ist. Die Ursachen der Erhöhung 
des Rindendruckes werden in den einzelnen Fällen verschieden sein. 

Die so bedingte, regelmäfsige Schichtung des Holzkörpers aus 
weitem Frühjahrsholz und engem Herbstholz ist nur ein spezieller 
Fall des, durch pE Vrıes bewiesenen Gesetzes, dafs Erhöhung des 
Rindendruckes engzelliges, Lockerung der Rinde dagegen weitzelliges 
Holz erzeugt. 

Wie man sich aber durch Zählung der Zellen nach künstlicher 
Lockerung leicht überzeugen kann, wirkt diese Lockerung nicht nur 
auf die Ausbildung, sondern auch auf die Vermehrung der Cambium- 
zellen. Je geringer der Rindendruck ist, desto gröfser ist 
die Zahl der Zellteilungen in der Richtung des Stamm- 
radius, desto gröfser ist auch die Streckung der ein- 
zelnen Zellen und Gefäfse in radialer und tangentialer, 
desto geringer aber in longitudinaler Richtung. Diese Ver- 


!) Die später veröffentlichten Untersuchungen von Krassr (Sitzungsbericht 
d. Akad. d. Wissensch. z. Berlin, 14. Dez. 1882; eit. Bot. Zeit 1883, S. 399), Über die 
Beziehungen der Rindenspannung zur Bildung der Jahresringe und zur Ablenkung 
der Markstrahlen, kommen zu dem Resultate, dafs dem radialen Rindendrucke 
wegen seiner Geringfügigkeit kein Einflufs auf die Jahresringbildung zuzuschreiben 
sei. Mir scheint indes die gehandhabte Methode nicht vorwurfsfrei, so dafs ein 
Zweifel in die Richtigkeit der Resultate wohl berechtigt ist. 


Wunden des Achsenorganes. 1765 


änderung in den Dimensionen steigert sich in dem Maise, dafs wir 
endlich an solchen Stellen, an denen der Rindendruck fast ganz auf- 
gehoben ist, die dickwandigen, langgestreckten Holzzellen in kurze, 
parenchymatische Zellen übergehen sehen. Dabei fällt die Differenzierung 
des Gewebes in Zellen und Gefäfse fort; es bildet sich nur noch ein 
gleichmäfsiges Parenchymholz. 

Eine Arbeit von GEHMACHER!) beschäftigt sich mit dem Einflufs des 
Rindendruckes auf den Bau der Rinde selbst. Seine Untersuchungen 
führen zu dem Schlusse, dafs, je gröfser der Druck, desto weniger 
Korkzellen gebildet werden und umgekehrt: ebenso wechselt der radiale 
Durchmesser der einzelnen Zellen. Die Zellen des primären Rinden- 
parenchyms erscheinen nicht nur radial, sondern auch seitlich zusammen- 
gedrückt, also eckiger, während die unter geringem Druck entstandenen 
kugeliger sind und bedeutend gröfsere Intercellularräume (die bei 
starkem Druck ganz verschwinden können) zwischen sich haben. Die 
Bastfasern sollen bei Druckverminderung an Zahl bedeutend zunehmen 
(was ich nicht beobachtet habe) und bei Erhöhung des Rindendruckes 
bis zum Verschwinden abnehmen. 

Als eine Folge des Rindendruckes sieht NÖRDLINGER?) auch die 
Entstehung der wellenförmigen statt der regelmäfsig kreisrunden 
Peripherie des Holzkörpers an. Da, wo der Holzkörper eingebuchtet 
ist, erscheint die Rinde häufig dicker. Vorzugsweise sollen es die stark 
entwickelten Steinzellgruppen sein, welche von der Rinde auf das 
Cambium geprefst werden und die ihnen gegenüberliegende Stelle des 
Holzkörpers im Wachstum hemmen. 

Wenn wir jetzt dem Umstande, auf den Kraus?) aufmerksam macht, 
Rechnung tragen, dafs aus dem unter grofsem Rindendruck stehenden 
Zellgewebe ein Teil des Zellinhalts schneller hinausgeprefst werden 
dürfte nach jenen Regionen, in denen der Rindendruck geringer ist, 
dann darf es uns nicht Wunder nehmen, wenn in dem lockeren Paren- 
chymholz, das infolge des aufgehobenen Rindendruckes sich aus dem 
Cambium gebildet hat, eine grofse Menge Reservestoffe sich 
aufgespeichert findet. Auch für das neu zuströmende Baumaterial 
ist die weitlumige, dünnwandige Parenchymholzzelle der am leichtesten 
erreichbare Ablagerungsherd. Darum sehen wir dort, wo der Holz- 
cylinder statt der prosenchymatischen Elemente parenchymatisches 
Gewebe bildet, meist (mit Ausnahme der jungen Calluswülste) dasselbe 
eine grofse Zeit des Jahres hindurch reich mit Reservestoffen, und 
zwar bei unseren Bäumen mit Stärke erfüllt. 

Die sämtlichen Wunden des Baumstammes schliefsen eine Rinden- 
lockerung ein; mithin mufs das Holz, das bei der Heilung der Wunde 
gebildet wird, in seinem Baue um so mehr von dem normalen Holze 
abweichen und um so mehr den Charakter des Parenchymholzes an- 
nehmen und behalten, je geringer bei der Verwundung der Druck des 
Rindengürtels auf das Cambium gemacht wird und je länger diese 
Lockerung erhalten bleibt. 

Wir haben bei den Krebswunden gesehen, wie dieser lockere 
Bau des Wundrandes immer wieder Ursache zu neuer Lockerung der 


1) Aus Sitzungsber. d. Wiener Akad. d. Wissensch., Bd. LXXXVIII, Abteil. I; 
eit. in Botan. Centralbl. 1883, Nr. 47, S. 228. 

2) Nörpuisger, Wirkung des Rindendruckes. Centralbl. f. d. gesamte Forst- 
wesen. Wien, Oktoberheft 1830, S. 407. 

8) a. a. O. S. 138. 


766 V. Wunden. 


Rinde, zu neuer, wuchernder Produktion lockeren Gewebes und zur 
endlichen Erschöpfung des Astes durch diese Produktion wird. 

Jeglicher Uberwallungsrand, der sich bei einer offenen Wunde des 
Stammes bildet, beginnt also mit der Bildung kurzzelliger, weitlumiger 
(mit weitem Innenraum versehener) Holzelemente, die sich, scharf 
abgegrenzt, auf das normale, blofsgelegte Holz lagern. In dem Malse, 
als die Überwallungsränder sich vergröfsern, der Rindendruck somit 
stärker wird, gehen auch die Holzelemente allmählich in den normalen 
Bau über, und wenn endlich die ÜUberwallungsränder mit einander ver- 
schmelzen und die Rinde wieder zu einem gleichmäfsig. zusammen- 
hängenden Gürtel am Stamme oder Zweige wird, stellt sich auch die 
normale Höhe des Rindendruckes wieder ein und damit die normale 
Richtung der Holzzellen und Gefäfse: Es lagert sich nun wieder all- 
jährlich normales Holz über die geschlossene Wunde. 


Die Schröpfwunde. 


Das nächstliegende Beispiel für die Gewebeänderungen bei dem 
Wundheilungsprozesse finden wir in der Vernarbung der Schröpfwunde. 
Man versteht unter „Schröpfen“ bekanntlich das Einschneiden in die 
Rinde in der Längsrichtung des Stammes bis auf den Holzkörper, 
ohne dafs Substanz entfernt wird. Wird ein Baum in dieser Weise 
geschlitzt, so weichen die Wundränder auseinander (Fig. 173). Natürlich 
ist am Ende des Schnittes (Fig. 173, a) die Entfernung der beiden 
Wundränder am geringsten; der Heilungsprozefs vollzieht sich dort 
am schnellsten. Fig. 174 stellt den Querschnitt durch eine geheilte 
Schröpfstelle eines Süfskirschbaumes am Ende der Schlitzwunde, 
also aus der Gegend von a dar. Wir sehen in h das alte Holz, das 
bei ıw von dem Messer getroffen worden und durch die Einwirkung 
der Luft einen Teil seiner Gefäfse und Holzzellen abgestorben zeigt. 
Die Cambiumzone ec, die zur Zeit der Ausführung des Schnittes auf 
h auflag, hat bei dem Heilungsprozefs neue Rinde »r und neues Holz 
nh gebildet. Die neu gebildete Holzzone ist aber weder in ihrer 
Lagerung noch in ihrem Bau dem normalen, unter der unverletzt 
gebliebenen Rinde entstandenen Holze gleich; sie bildet eine nach 
aufsen dreieckig vorspringende Partie, deren höchster Punkt am meisten 
der durch den ehemaligen Schnitt gebildeten Rinne (s) genähert ist. 
Bedingt wird diese dreieckige Vorwölbung durch die dem weiter seit- 
wärts gelegenen Gewebe voraneilende Entwicklung von Parenchymholz hp. 
Diese Holzproduktion war die erste Tätigkeit der beiden durch den 
Schnitt s geteilten Cambiumränder. Hier war der Rindendruck am 
schwächsten, die Zellvermehrung die reichste, die Zellenlängsstreckung 
die geringste. Erst nachdem die aus der jungen Innenrinde und der 
Cambiumzone hervorgegangene Neurinde in s eine gröfsere Mächtigkeit 
und durch die neu entstandene Korkschicht derselben (%’) grölsere 
Widerstandsfähigkeit erlangt hat, ist der Rindendruck allmählich 
mächtiger, sein Einflufs auf die Holz produzierende Cambiumzone 
energischer und die Gestalt der Holzelemente allmählich der normalen 
ähnlicher geworden. Die Partie kp geht allmählich in das viel deut- 
licher durch Markstrahlen (m) gefächerte, regelmäfsige Holz über. 
Über die der Anderung der Holzelemente parallel gehende Umformung 
der Rindenelemente wird bei dem Ringelwulst ausführlicher gesprochen 
werden. 


Wunden des Achsenorganes. 767 


Bei weiterem Wachstum des Stammes lagert die Cambiumzone ce 
immer neues, normales Holz und neue Rinde mit Hartbast hb über 
die Wundfläche, und wenn endlich die durch den ehemaligen Schnitt 
getrennten, alten Rindenpartien ar mit ihrer Korkzone %k und ihren 
abgestorbenen und durch eine Korkzone vom lebenden Gewebe ge- 
trennten Wundrändern (ft) der Borkenbildung verfallen und abblättern, 
ist äufserlich die Wundstelle ausgeglichen. 

Wenn wir etwas ausführlicher auf die Anfänge des Vernarbungs- 
prozesses eingehen wollen, haben wir Fig. 175 zu betrachten. Dieselbe 
stellt den Querschnitt durch einen einzigen Wundrand einer Schröpf- 
stelle (Fig. 173, b) bei einer Süfskirsche dar zu einer Zeit, in welcher 
dieser Rand sich mit dem gegenüberliegenden, von der anderen Wund- 
seite kommenden, noch nicht- vereinigt hat, die Wundfläche selbst 
(Fig. 175, w) also noch nicht gedeckt ist. Es bedeutet auch hier 


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Fig. 173. Schröpfwunde. Fig. 174. Verheilte Schröpfwunde. 
(Orig:.) (Orig.) 


das alte Holz, dafs bei w durch den Schröpfschnitt blofsgelegt worden 
ist. Der Zug des Messers zur Zeit der Ausführung des Schröpfens 
ging von s nach w. Von dieser Ebene des Schnittes hat sich die alte 
Rinde (ar) seitwärts zurückgezogen; es entspricht dieser Teil dem 
‚gleichbezeichneten in Fig. 174. Der obere Teil dieser alten Rinden- 
partie, sowie der infolge des Schnittes abgetrocknete Rand (Fig. 174, £) 
sind in Fig. 175 durch die mit t bezeichneten Konturen angedeutet und 
nur ein Hartbastbündel hb ist in das Rindenparenchym ar eingezeichnet 
worden. Zur Zeit der Ausführung des Schnittes lagen die Cambium- 
zonen c und die junge Innenrinde ir dicht am alten Holze Ah; die 
Zellen, welche an die Schnittebene s bis ww grenzten, reagierten nun ver- 
schieden auf den Wundreiz: das Parenchym der alten Rinde trocknete 
auf eine kurze Strecke rückwärts zusammen und bildete den braunen, 
trocknen Wundrand, der, dem blofsen Auge kenntlich, jede Schlitz- 
wunde einsäumt (Fig. 173, c). Das noch vermehrungsfähige, in seinem 
Wachstum noch nicht abgeschlossene Parenchym der inneren Rinde ir 


768 V. Wunden. 


folgte am Wundrande sofort der Gelegenheit, sich nach derjenigen 
Seite auszudehnen, an der der Druck weggefallen war, d. h. über die 
Ebene s bis « hinaus. Diese Zellen wölbten sich also vor; die aus 
der Cambiumzone folgenden schoben die ersten Rindenzellen weiter 
hinaus und bildeten sich in der später nachwachsenden Zone selbst 
zu Chlorophyll führenden Rindenzellen 7’ aus, und auf diese Weise 
entstand zuerst der weiche, parenchymatische Wundrand r’ ör. Die 
Randzellen r des vorgewölbten Wundrandes bräunen sich später und 
trocknen zusammen: in den unmittelbar darunterliegenden Zellen ent- 
steht Kork %k und diese, den ganzen Wundwall einhüllende Korkzone k 


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Fig. 175. Entstehender Überwallungsrand bei einer Schröpfwunde. (Orig.) 


bis k legt sich an die äufsere Korkbekleidung der alten Rinde an, so 
dafs die ganze Neubildung von einem schwer dehnbaren und daher 
auf das darunterliegende, schwellende Gewebe drückenden Korkgürtel 
umgeben ist. 

Dadurch ist auch der Rindendruck interimistisch hergestellt. Der 
Einflufs dieses Rindendruckes auf die nächsten Produkte der vorn 
schneckenförmig gekrümmten, aber nicht bis auf das alte Holz h 
reichenden Cambiumzone ce macht sich durch die Bildung dickwandigerer 
Elemente geltend; es entsteht Neuholz nh, welches nach der Wundseite 
zu parenchymatisch kurz, weitlumig (x) und von vereinzelten, kurzen, 
weiten Gefäfsen (g) durchsetzt ist. Je weiter das Neuholz vom Wund- 
rande entfernt ist, desto regelmäfsiger, eng- und langzelliger wird es, 


Verlag von Paul Parey in Berlin SW., Hedemannstralse 10. 


Die Gartenwelt. 


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Wunden des Achsenorganes. 769% 


desto schärfer treten die Markstrahlen m und deren Fortsetzung m’ in 
der Rinde hervor. Je mehr sich allmählich Neuholz bildet, desto 
straffer wird die äufsere Korkzone k bis %k des UÜberwallungsrandes 
gespannt. Häufig reifst sie stellenweis infolge des Innendruckes, so 
dafs das Rindenparenchym blofsliegt und sich in die Rifsstelle hinein- 
wölbt. In diesen sich vorwölbenden Zellen bilden sich aber in kürzester 


. Zeit neue Korkzellen, die sich an die umgebenden anlegen und auf 


diese Weise den Korkgürtel wieder schliefsen. s 

Falls nun ein Schröpfschnitt so breit ist, dafs der Überwallungs- 
rand des ersten Jahres ıhn nicht decken kann, wird das Neuholz des 
folgenden Jahres sich lippig über die Wundfläche lagern. In dieser 
lippenförmigen Vorwölbung, die durch den Verlauf der deckenden neuen 


Fig. 176. Querschnitt durch einen hohlgewordenen Kiefernstamm, beifdem die 
mehrjährigen UÜberwallungsränder allein noch die Ernährung des Stammes über- 
nehmen. (Orig.) 


Korkzone %k bis k Fig. 175 am besten gekennzeichnet wird, nimmt 
die Cambiumzone ce eine um so stärkere schneckenförmige Krümmung 
an, je tiefer die Wundfläche liegt. Wenn nun der Fall eintritt, dafs 
bei alten Stämmen an Stelle des Schröpfschnittes eine breite Längs- 
wunde sich einstellt und durch Witterungseinflüsse unter parasitärer 
Mitwirkung der Holzkörper zerstört, der Stamm also hohl wird, dann 
können schliefslich nur noch die Überwallungsränder übrig bleiben. 
Einen solchen Fall stellt Fig. 176 dar. Dieselbe ist der Querschnitt 
von einem hohlgewordenen Kiefernstamm!). Durch das langsame Aus- 
faulen der jüngeren Holzringe haben die Überwallungsränder eine 
selten schöne schneckenförmige Gestalt angenommen, und auf dem 
verhältnismäfsig schmalen Holzstreifen der letzten Jahre beruht nun 


') Das Original befindet sich im Botanischen Museum zu Berlin. 
Sorauer, Handbuch. 3. Aufl. Erster Band. 49 


LIBRARY 
NEW YOR| 
BOTANICA 

GARDEN 


770 V. Wunden. 


die Ernährung des Stammes. In minder ausgeprägter Form zeigt sich 
der Vorgang bei allen hohlgewordenen Bäumen, namentlich oft bei 
Weiden und Pappeln. Bei den Nadelhölzern ist das Ausfaulen des 
Stammes infolge von Längswunden der seltenere Fall, weil sich die 
Wundfläche mit Harz zu bekleiden pflegt oder wenigstens die blofs- 
liegenden Holzelemente kienig werden. Dieser Selbstschutz nach 
Längswunden kommt am deutlichsten bei der Harznutzung der Bäume 
zum Ausdruck, wie Fig. 177 zeigt. 


T— 


Fig. 177. Stammscheibe von Picea vulgaris mit Überwallungen von Harznutzungs- 

lachen. Das Gesamtalter des Baumes beträgt 70 Jahre. Die erste Nutzung (a) 

fand statt im Alter von 50 Jahren. die zweite (b) von 5l, die dritte (c) von 62, die 
vierte (d) von 65 Jahren. (Nach Döüsxer-Noseer.) 


Die durch Harznutzung entstehenden Wunden, welche meist 
einige Zentimeter breite und etwa 2 m lange, von Rinde entblöfste 
Stammstreifen darstellen, sterben erst nach längerer Zeit ab. Bei Fichten 
sah R. Harrıs den Terpentin aus den in den Markstrahlen liegenden 
Harzkanälen bald nach der Verwundung in Tropfenform hervortreten. 
Obgleich bei der offenen Verbindung, welche die vertikal im Stamme 
verlaufenden Harzkanäle mit denen der Markstrahlen haben, eine grofse 
Menge Harz der Wunde zu Gebote steht, so hört doch der Austritt 
des leichtflüssigen Terpentins in der Regel schon im ersten Jahre auf. 
Der Terpentin wird durch Vertlüchtigung des Terpentinöls und durch 
Verharzung (Oxydation) dicker. Nach dem Abscharren des Harzes zu 
beiden Seiten der Harzlache wird dann der UÜberwallungswulst weg- 
geschnitten, um neue Harzkanäle zu öffnen, oder es werden an anderen 
Baumseiten neue Rindenstreifen fortgenommen. 


Wunden des Achsenorganes. it 


Inschriften. 


Als spezielle Fälle einer gewöhnlichen, mit Substanzverlust ver- 
bundenen Längswunde, die bis in das alte Holz hinein sich erstreckt, 
sind die in Stämme eingeschnittenen Schrift- und Zahlenzeichen zu 
erwähnen, sowie die unregelmäfsigen Nage- und Bifsstellen, welche 
durch Verbeifsen des Wildes im Winter entstehen. 

Bei den Schriftzeichen hat das Messer bedeutende Mengen alten 
Holzes entfernt, ist also tiefer in den Stamm eingedrungen; dafür aber 
hat die Wunde eine geringere Ausdehnung in die Breite. Die Ver- 
heilung der tiefen Schriftrinne erfolgt von den Längsrändern der Wunde 
aus; der obere und untere Wundrand sind hier nur in ganz unbe- 
deutendem Mafse beteiligt. Die aus der Cambiumzone hervortretenden, 
mit eigener Rinde versehenen Wundränder legen sich alljährlich 
schichtenweise über einander in die Wundrinne hinein, dieselbe nach 
und nach ausfüllend, ohne sich natürlich mit dem alten Holze, dessen 
äufserste, die Wunde begrenzenden Zellschichten sich bräunen und ab- 
sterben, jemals zu vereinigen; sie bilden nur eine fest anlıegende Masse, 
wie das Metall in einer Gufsform. Mit dem Augenblicke, wo die beiden 
entgegengesetzten Wundränder eines jeden Schriftzeichens mit einander 
verschmelzen, also ihre Cambiumzonen mit einander sich vereinigen, 
bilden dieselben auch wieder normal gestellte Holzelemente, die durch 
die alljährlichen Zuwachszonen immer stärker werden und damit die 
ehemaligen Schriftzeichen immer tiefer in den Stamm hineinrücken 
lassen. Ein glücklicher Schlag bei dem Spalten des Holzes trennt dann 
die nicht verletzt gewesenen Zwischenschichten zwischen den einzelnen 
Zahlen oder Buchstaben. und die braune ehemalige Gufsform fällt von 
der hineinergossenen Holzmasse ab. 


Wiıldschaden. 


Bei Wildschaden sind die Verletzungen breiter, unregelmäfsiger, 
aber in der Regel nur bis in den Splint reichend. 

Wird der Stamm an seinem ganzen Umfange der Rinde und des 
Splintes beraubt, so vertrocknet er, wenn die Verwundung nicht erst 
gegen das Frühjahr hin oder im Sommer geschieht, nach einer Reihe 
von Jahren. In der Regel aber findet das Verbeifsen und Schälen 
des Wildes nur an einzelnen Stellen des Stammumfanges statt und 
dann erfolgt allmählich von den Rändern der stehengebliebenen Rinden- 
partien aus die Bildung von Überwallungsrändern. Wenn solche Über- 
wallungsränder in einem späteren Jahre vor Schlufs der ersten Ver- 
wundung wiederum verletzt werden, erhält der Holzkörper anscheinend 
sehr verwickelte Jahresringbildungen. 

Je nach der Art des Wildes sind die Beschädigungen verschieden. 
Nach Rarzsgure!) „schält“ Rot- und Elchwild (Rehe nicht), indem es 
mittels der Schneidezähne Rindenlappen zum Zweck der Nahrung 
meist im Frühjahr unten löst und dann nach oben zu abreifst. Die 
Heilung vollzieht sich dann entweder durch Überwallung oder auch 
wohl in einigen Fällen durch Neuberindung (S. Schälen der ı Obstbäume). 
Durch Fegen und Schlagen erfolgt auch eine Entrindung; aber hier 
bleiben Überreste der halb gelösten Rinde an den Rändern der un- 
beschädigten in Form von Lappen oder kleineren, schnell trocknenden 


!) Waldverderbnis I, S. 50ff. 
49 * 


m V. Wunden. 


und daher gekräuselten Fetzen stehen; auch fehlen selten die Spuren 
von Haaren an der Rinde. Da Hirsche und Rehböcke während des: 
Fegens mit dem Gehörn auf und nieder fahren, um es vom Bast zu 
reinigen, so sind auch die Fegewunden länger und gehen häufiger als 
Schälwunden rings um den Stamm. Nun schlägt das Reh den Bast 
im Februar und März ab, der Hirsch um Johannis, das Dammwild 
vier Wochen später. Letztere Wunden fallen also in die Periode, in 
welcher der Baum seine gröfste Menge plastischen Materials disponibel 
hat; ihre Verheilung wird daher weit schneller erfolgen, als die der 
Winter- und Frühjahrswunden. Hier kommt es auch vor, dafs die 
Wunde gar nicht einmal das Cambium erreicht, sondern nur die äufseren 
Rindenschichten wegnimmt. Bleibt die Innenrinde stehen, so entwickelt 
sich unter derselben der Jahresring aus dem Cambium fast normal 
weiter, wenigstens soweit dies die Anordnung der Holz- und Gefäts- 
elemente betrifft. Die Holzzellen sind aber meist dünnwandiger und 
weitlumiger, die Gefälse häufig zahlreicher, der ganze Jahresring breiter.. 
Ist die Witterung feucht oder der Standort der Bäume ein schattiger- 
und feuchter, dann entwickelt sich auf der Aufsenseite aus den stehen- 
gebliebenen Zellen der jüngsten Rinde manchmal ein Callusgewebe, 
das zu neuer Rindenbildung, bei üppigen Bäumen in seltneren Fällen 
zur Bildung isolierter Holzkörper in der Rinde führt. 

Das Schlagen und Aufplatzen der Rinde kommt auch aufser 
der Fegezeit und Brunstzeit vor, im Nachsommer. Hier stellt sich 
oftmals eine andere Wundheilung ein, indem sich auf dem vom ab- 
gehobenen Rindenkörper befreiten Holzkörper aus den jüngsten Splint- 
schichten callöses Gewebe bildet, das die Lücke ausfüllt, ähnlich wie: 
bei okulierten Stämmen (s. Okulation). 

Ferner haben wir noch der Nagewunden zu gedenken, wie sie 
durch Mäuse, Kaninchen, Biber und Hasen hervorgebracht werden. 
Letztere schneiden mit ihren Zähnen zwar lieber junge Zweige oder 
schwache Pflanzen ganz ab. Das eigentliche Nagen, das besonders 
unsern Obstbäumen so verderbenbringend ist, ertolgt meist nur bei 
hohem Schnee. Die Wunden gehen bis auf das ältere Holz, an dem 
man die Zahnspuren erkennt. Entstehen sie rings um den Stamm in 
zusammenhängender Fläche, dann ist der Baum verloren; bleiben da- 
gegen einzelne Rindenpartien stehen, so erfolgt von diesen aus eine 
Überwallung. 

Nach v. Bers soll das Fällen von Aspen und Salweiden, die vom 
Wilde alsbald geschält werden, die übrigen Bäume vor Verletzungen 
schützen. Schlieislich dürfte sich als das beste Mittel überhaupt die 
Anfuhr von Futter während des Winters herausstellen. Wir streifen 
dieses Kapitel des Wildschadens nur durch Hinweis auf die anatomischen 
Vorgänge der Wundheilung. Der Gegenstand findet sich in einer 
neueren Arbeit von Eckstein!) sehr ausführlich behandelt. 

An denjenigen Orten, wo Weidevieh in die Forsten getrieben wird, 
verursacht dasselbe häufig mehr Schaden als das Wild. Wurzeln 
werden bloisgetreten in dem Mafse, dafs Bäume an den Triebpfaden 
eingehen. Schafe und Ziegen verbeifsen Lärchen, Tannen und Fichten 
usw. Wie v. Mount andeutet und RATZEBURG bestätigt, vertragen die 
Nadelhölzer weit weniger Stammverletzungen, die bis auf das Cambium 
gehen, als die Laubhölzer. 


!) Ecxstem, Die Technik des Forstschutzes gegen Tiere. Berlin 1904, Paul Parey. 


Wunden des Achsenorganes. 119 


Zahlreiche und schöne Abbildungen von Bäumen, die durch Weide- 
vıeh verbissen worden sind, liefert KLEIN in seinem neuesten forst- 
botanischen Merkbuche !). 


Überwallung der Querwunde mehrjähriger Achsen. 


Wenn Aste oder Stämme quer abgeschnitten werden, müssen, die- 
selben Vorgänge der Rindenlockerung und Neubildung von Über- 
wallungsrändern sich einstellen, wie wir sie bei dem Schröpfschnitt 
beschrieben haben. Nur ist die Verwundung an sich viel gefährlicher, 
weil durch den Schnitt alle Jahresringe des Astes blofsgelegt werden 
und der Angriff der Atmosphärilien und der holzzerstörenden Pilze 
ungemein erleichtert wird. 


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Fig. 178. Rest eines abgesägten, von der Schnittfläche aus abgestorbenen Astes, der 
durch die Überwallungsränder der folgenden Jahre kappenartig gedeckt worden ist. 


Das Produkt der mehrjährigen Überwallung eines alten Aststumpfes 
sehen wir im beistehenden Holzschnitt (Fig. 178). Die dunklere, zentrale 
Partie ist der Aststumpf, der durch den Einflufs der Witterung tief 
in den Stamm hinein abgestorben ist. Seit fünf Jahren haben sich 
die in jedem Jahre weitergreifenden Holzkappen der Uberwallungs- 
ränder über die Wundfläche gelegt und dieselbe endlich geschlossen. 
Hier hat die Überwallung vorzugsweise von obenher stattgefunden, da 
von hier aus das meiste plastische Material hergekommen ist. Bei 
einer schmalen Längswunde findet die Überwallung vorzugsweise von 
den Seiten aus statt. 


!) Kreis, Lupwiıc, Bemerkenswerte Bäume im Grofsherzogtum Baden. 214 Abb. 
Heidelberg 1908, Winters Universitätsbuchhandlung. 


774 V. Wunden. 


Derselbe Überwallungsprozefs, der an den Ästen der Bäume sich 
einleitet, verursacht auch den Wundschlufs der Schnitt- oder Hiebfläche 
an den zurückgebliebenen Baumstumpfen nach dem Fällen der Bäume. 
Der Vorgang vollzieht sich nur verhältnismäfsig langsam, da der den 
Überwallungsrand erzeugende Cambiumring eine sehr grofse Wundfläche 
zu decken hat. Die Folge davon ist, dafs lange, bevor der Über- 
wallungsrand nach den zentralen Partien der Schnittfläche vorrückt, 
diese durch Fäulnis zerstört, der Stammstumpf daher in der Mitte 
hohl geworden ist. Nun senken sich die Uberwallungsmassen in den 
verschiedensten Formen und bisweilen in zopfähnlichen Strängen in 
die Höhlung hinein, wobei sie hervorstehende Splitter oder Steine um- 
hüllen und dabei zu grofser Massenausdehnung gelangen können). 

Es liegt nun die Frage nahe, woher das Material zu derartig 
massenhafter Neubildung kommen mag. Meist wird die Ansicht aus- 
gesprochen, dafs die in dem Baumstumpf vorhandenen, vor dem Fällen 
des Stammes gebildeten Reservestoffe die einzige Quelle für alle die 
Neubildungen abgeben müfsten; in anderen Fällen zieht man die nicht 
selten vorkommenden Wurzelverwachsungen zu Hilfe, indem man 
annimmt, dafs durch ein Verwachsen der Wurzeläste des Baumstumpfes 
mit stärkeren Wurzeln benachbarter Bäume, welche ihren Stamm mit 
Krone noch besitzen, eine Ernährung des Baumstumpfes stattfindet. 

Sicherlich werden derartige Fälle in gröfseren Baumbeständen nicht 
selten sein?) und solch ein Nährstamm tatsächlich eine wesentliche 
Unterstützung für den Zehrstamm darstellen. Allein es liegen auch 
Beispiele vor, bei denen vollständig isoliert stehende Bäume nach 
dem Fällen «0 grofse Überwallungsmassen an den Stümpfen gebildet 
haben, dafs die Annahme der Entstehung so massiger Neubildungen 
lediglich aus den Reservestoffen des Baumstumpfes zur Erklärung nicht 
ausreichend erscheint. 

Es existiert aber meiner Meinung nach überall in solchen Fällen 
ein Hilfsapparat, welcher neu assimiliertes Material herbeizubringen 
imstande ist. Wenn man die jungen Überwallungsränder untersucht, 
wird man in der Rinde derselben mehr oder weniger Chlorophyll finden, 
je nach dem Grade der Belichtung der Bäume, und es ist gar nicht 
einzusehen, weswegen dieser Chlorophyllapparat nicht ebensogut assi- 
milieren sollte wie die grüne Rinde des Stammes. Welch reiches 
Leben in der Überwallungsrinde herrscht, geht daraus hervor, dafs 
man Zweige aus älteren Überwallungsrändern hervorbrechen sieht). 

Die Bildung von Zweigen aus dem Cambiumringe von Baum- 
stumpfen ist eine ganz gewöhnliche Erscheinung, die bei gefällten 
Pappeln allenthalben vor die Augen tritt und auf der Entstehung von 
Adventivknospen in dem parenchymatischen Überwallungsgewebe beruht. 
(Grade bei den Pappeln erhebt sich ein ganzer Kranz grüner, kräftiger 
Zweige an der Peripherie des Holzkörpers. Derartiger ‚Stockaus- 
schlag“ geht nach einigen Jahren in der Regel zugrunde, weil er 
nicht imstande ist, an seinem Entstehungsherde zwischen Rinde und 
Holz neue Wurzeln, welche die Erde erreichen können, zu bilden. 


Y8 Schöne Abbildungen derartiger Fälle bei Görrerr, Nachträge zu der Schrift 
über Inschriften und Zeichen in lebenden Bäumen. Breslau, Morgenstern 1870. 

2) GÜPPrERT, en über das sogen. Überwallen der Tannenstöcke. 
Bonn, Henry & Cohen, 1842. 

°) v. Tuıer.au in Lampersdorf bei Frankenstein in seiner Anzeige der Göppertschen 
Schrift (Über die Folgen äufserer Verletzungen der Bäume usw.) vom Mai 1874. 


Wunden des Achsenorganes. is, 


Wenn durch Überschüttung oder vorzeitige Zerstörung von Rinden- 
partien Erde an die Basis des Stockausschlages gelangt, kann sich der 
Stockausschlag durch Wurzelbildung von dem Nährstamm befreien und 
langlebige, selbständige Individuen bilden. 

Die Fähigkeit zur Produktion neuer Triebe aus dem Baumstumpf, 
die bei den verschiedenen Baumgattungen aufserordentlich verschieden 
ausgebildet, bei den Nadelhölzern geradezu selten ist, beruht nicht 
immer auf der Bildung von Adventivknospen, sondern auch auf der 
Weckung von schlafenden Augen (Proventivknospen), wie bei 
den Koniferen. Hierbei ist aber oftmals die harte Borke des Stamm- 
stumpfes ein Hindernis für die weitere Ausbildung. 

Wenn man überhaupt auf eine Weiterentwicklung des Stockaus- 
schlages rechnet, wie im Waldbetriebe oder in Parkanlagen, mufs man 
die Bäume möglichst tief abhauen, um den neuen Trieben recht 
schnell die Gelegenheit zu eigner Bewurzelung zu bieten. 

Die nicht selten anzutreffende Manier, Baumpflanzungen dadurch 
zu verjüngen, dafs man Stammstumpfe bis 1 m Höhe stehen läfst, ist 
durchaus zu verwerfen. Die an solchen Resten von Stämmen sich ent- 
wickelnden, neuen Triebe sind durchschnittlich viel schwächlicher und 
werden von den Ausschlägen an der Bodenoberfläche vielfach überholt. 


Überwallungsvorgänge bei einjährigen Zweigen. 


Bei unseren Kulturbäumen macht sich die Notwendigkeit geltend ; 
die Kronen zu schneiden, weil wir entweder in Rücksicht auf den 
Fruchtansatz die Laubtriebe stutzen oder bei dem Verpflanzen die 
Krone in Einklang mit dem verletzten Wurzelkörper bringen müssen. 
Der Schnitt erstreckt sich vorzugsweise auf die einjährigen Zweige 
und erfolgt entweder im Herbst oder im zeitigen Frühjahr. Infolge- 
dessen vergeht ein längerer Zeitraum, bevor die Vorgänge des Wund- 
schlusses durch Neubildung von Gewebe sich einleiten. Man sieht 
daher nicht selten, dafs derartige junge Zweige von der Schnittfläche 
aus auf eine kleine Strecke hin absterben. 

In Fig. 179 sehen wir die Spitze eines einjährigen Kirschenzweiges, 
der von der Schnittfläche aus etwas zurückgetrocknet ist. Fig. 180 zeigt 
denselben der Länge nach durchschnitten; ss’ ist die ursprüngliche 
Schnittfläche, t ist die Grenzschicht, bis zu welcher der Zweig abgestorben 
ist, a eine dabei häufig sich bildende Anschwellung. Das anatomische 
Bild liefert Fig. 181. In dieser ist s bis s’ die Schnittebene, ah das letzte, 
peripherische Stückchen des vom Schnitt getroffenen alten Holzes, 
ar die alte Rinde mit ihren äufseren normalen Korkschichten #. Von 
dieser Rinde ist das mit £ bezeichnete Gewebe zurückgetrocknet, und 
zwar ist das Absterben des Gewebes in der Umgebung der Hartbast- 
stränge b am tiefsten nach abwärts gedrungen; der Baststrang selbst 
ist ebenfalls tot und ragt nebst den auch nur wenig zusammen- 
schrumpfenden äufseren Korkschichten der Rinde aus dem verfärbten 
Parenchym hervor. Die Schnittfläche ist dadurch uneben und faserig. 

Der nächste Vorgang, der sich nach der Verletzung und dem Ab- 
sterben des oberen Rindengewebes einleitet, besteht in der Abgrenzung 
des abgestorbenen Gewebes von dem gesunden durch Bildung einer 
Korkzone (4, k"). Um die Basis des Bastbündels bildet sich die Kork- 
zone stärker aus und stellt eine fächerförmige Umwallung (k”) dar. 
Darauf beginnt die Zellvermehrung in den der Schnittfläche zunächst 
liegenden Schichten der Cambiumzone e und der angrenzenden inneren 


776 V. Wunden. 


Rinde, welche zur Zeit der Ausführung des Schnittes dicht auf dem 
Holzkörper ah auflagen. 

Genau wie die Vorwölbung des Längswulstes an der Schröpfwunde 
in Fig. 173 baut sich eine vorgewölbte Rindenzone nr aus den Produkten 
der Oambinmzone und der jungen Rinde auf, und diese Vorwölbung 
umkleidet sich in derselben Weise mit einem Korkgürtel (A). Die 
durch den Druck der neu hergestellten Wundrinde in ihrer Ausbildung 
sich allmählich ändernden Holzproduktionen der Cambiumzone stellen 


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Fig. 181. 


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Quer abgeschnittener einjähriger Süfskirschenzweig mit eingetrockneter Schnittfläche. 
Fir. 179. Der Zweig erscheint von der Schnittfläche aus etwas zurückgetrocknet und unterhalb des 
troeknen Gewebes mit einer Anschwellung « versehen. — Fig. 180. Derselbe Zweig in der Mittel- 
i 2 linie durchschnitten. — Fig. 181. Anatomisches Bild der Region « bis s’ von Fig. 180. (Orig.) 

sich zunächst wieder dar als Parenchymholz hp, in welchem strang- 
weise kurze, poröse Gefäfszellen {g) auftreten. In dem Mafse, als man 
von der Schnittfläche aus abwärts die Bildung des neuen, nach der 
Verwundung entstandenen Holzes verfolgt, findet man, dafs die Ele- 
mente desselben immer mehr den normalen, gestreckten, derbwandigen 
ähnlich werden (g', W). In der Zeichnung ist der Übergang von den 
kurzen Gefäfselementen zu den langen unterbrochen durch die Fort- 
setzung eines alten Markstrahls (»n) zu dem Markstrahl (m’) des Neuholzes. 


Wunden des Achsenorganes. 777 


Aufser dieser Neuholzbildung macht sich, unabhängig von dieser, 
noch eine andere Zellvermehrung in der Rinde in der Nähe des Hart- 
bastbündels geltend. Die Parenchymzellen teilen sich und vermehren 
dadurch die Dicke der ursprünglichen Rinde, welche durch diese Neu- 
bildung aufgetrieben wird und den äufserlich sichtbaren Buckel 
(Fig. 179 a, 180 a, 181a) darstellt. Unter Umständen ist die Neubildung 
in der Rinde derartig intensiv, dafs daselbst eine lange Zeit in Tätio- 
keit verbleibende Meristemzone entsteht, die Holz- und Gefäfselemente 
produziert und Veranlassung zur Bildung von Holzsträngen in der Rinde 
gibt, wie bei der Entstehung der Knollenmaser gezeigt werden soll. 

Die in Fig. 181 gegebene Darstellung eines abgeschnittenen Zweiges 
stimmt nicht ganz mit der V orstellung, die wir von der überwallenden 
Querwunde eines Zweigstumpfes haben. Der Grund liegt darin, dafs 
wir meist solche Schnitte im Auge haben, die spät im Frühjahr oder 
Sommer an älteren Zweigen ausgeführt worden sind. In diesen Fällen 
ist die Vertrocknung des Gewebes von der Wundfläche aus eine sehr 
geringe bis zur Zeit des Eintritts der Wundheilung, also bis zur Bildung 
des Überwallungsrandes (nr, nh). Dieser Überwallungsrand tritt darum 
bald über die Schnittfläche hervor und lagert sich im Bogen über das 
alte Holz, das zur Zeit des Schneidens schon gebildet war und das in 
ah angedeutet ist. Die Lagerung der Elemente entspricht dann der 
Bildung des Calluswulstes an Stecklingen, die in einer späteren Figur 

abgebildet sind; der Charakter der Ziellelemente bleibt derselbe wie ihn 
Fie. 181 zeigt. 

Wenn der Zweig älter wird und die aus der Cambiumzone hervor- 
gehenden Holzlagen immer dicker werden, wird auch der über die 
Schnittfläche eines Zweiges allseitig hervorquellende Überwallungsrand 
immer stärker, bis die gegenüberliegenden Seiten desselben einander 
berühren und miteinander zu einer Kappe verschmelzen, welche die 
Schnittfläche gänzlich einhüllt. 

‚Jeder Überwallungsrand beginnt in der Weise, wie er in Fig. 175 
im Querschnitt dargestellt worden ist. Man kann daher mit Recht 
bildlich sagen, dafs die neuen Holzlagen, die nach der Verwundung 
gebildet werden, sich über den durch den Schnitt bloisgelegten alten 
Holzkörper ergiefsen und denselben kappenförmig endlich einschliefsen. 


Der Ringelwulst 


Unter „Ringeln“ versteht man die Entfernung eines schmalen, 
ringförmig die ganze Achse umfassenden Rindenstreifens meist zur 
Zeit der stärksten Cambialtätigkeit, da nur in dieser Periode der 
Rindenkörper sich leicht und vollkommen vom Holz ablösen läfst. 

Bei dem Ringeln nun erhält die oberhalb der Ringelwunde liegende 
Zweigpartie das von ihrem Blattapparat bereitete plastische Material; 
dasselbe kann aber nicht seiner ursprünglichen Bestimmung gemäfs zur 
Verstärkung des Holzringes in der ganzen Zweiglänge verwendet werden, 
sondern wird oberhalb der Ringelstelle zunächst zurückgehalten, bedingt 
also dort eine reichlichere Zellvermehrung im Cambiumringe. Wir 
sehen den Durchmesser der oberen Zweigpartie gegenüber der unter 
dem Ringelschnitt gelegenen auffallend zunehmen. Die von der Wurzel 
her kommende Wasserzufuhr nach diesem Orte ist aber zunächst be- 
deutend vermindert. Erstens ist die in der Rinde aufwärts steigende 
Wassermenge durch den Ringelschnitt am weiteren Aufsteigen ver- 


ms V. Wunden. 


hindert; ferner verliert der im Holzkörper aufsteigende Hauptstrom 
durch die Verdunstung an der durch den Ringelschnitt blofsgelegten 
Stelle in der ersten Zeit nicht unwesentliche Wassermengen. In der 
oberen Zweigpartie vermindert sich also der Hauptstreckungsfaktor der 
Zellen, der Turgor, durch die geringere Wasserzufuhr von unten. Die 
Zellvermehrung ist zwar reichlicher. die Zellstreckung geringer als im 
normalen Zweige. Während das Dickenwachstum des oberhalb der 
Ringelstelle belegenen Achsenteils gesteigert wird, bleibt das Spitzen- 
wachstum des Zweiges gemäfsigt; die Internodien werden weniger 
verlängert. Verkürzung der Internodien bei reichlichem Vorhandensein 
plastischen Materials ist die erste Einleitung zur Fruchtholzbildung; 
somit wird durch den Ringelschnitt die Fruchtbarkeit des 
Zweiges schneller herbeigeführt. Nachweislich ist der oberhalb 
der Ringelstelle liegende Zweigteil wasserärmer; seine ebenfalls wasser- 
ärmeren Blätter gehen früher in die Herbstfärbung ein, seine Früchte 
werden in der Reife gezeitigt. 

Die Behauptung, dafs durch das Ringeln auch gröfsere Früchte 
erzielt werden, findet nur in bestimmten Fällen ihre Bestätigung. Die 
Weinstöcke z. B., und zwar namentlich die amerikanischen Sorten, 
scheinen nach dem Ringeln noch eine so bedeutende Partie von Wasser 
in den oberen Zweigteil zu bekommen, dafs eine Verlangsamung des 
Spitzenwachstums nicht bemerkbar ist. In diesem Falle hängt also die 
Ausbildung der Früchte wesentlich von der Menge des plastischen 
Materials ab, und dieses wechselt in den einzelnen Jahren je nach den 
herrschenden Witterungsbedingungen. Ebenso ist der Sortencharakter 
von Einflufs. Beispielsweise beobachtete Pınpock '), dafs die Weinsorte 
Empire State durch das Ringeln ihre Früchte 21 Tage früher wie ge- 
wöhnlich reifte, dagegen reagierte Delaware kaum und gab sogar eine 
geringere Qualität der Trauben. 

Man wendet den Ringelschnitt bei dem Weinstock auch als Heil- 
mittel gegen das Verriefsen oder Reeren der Trauben, d.h. 
gegen das Abwerfen der jungen Beeren an?). Aber als eine ständige, 
reguläre Manipulation des Kulturschnittes wird das Ringeln nie Eingang 
finden; es wird immer nur als drastisches Ausnahmemittel in besonderen 
Fällen zur Anwendung gelangen dürfen, dessen Schädlichkeit häufig 
den Nutzen überwiegt. 

Selbst bei dem Weinstock, bei dem wohl am häufigsten geringelt 
wird, mufs die Anwendung eine beschränkte bleiben. In den „Annalen 
der Onologie* (Bd. VI, 1877, Heft I, S. 126) urteilt Gönner, dafs die 
Hoffnungen für eine allgemeine Ausbreitung des Verfahrens bei Wein- 
stöcken sich nicht realisieren dürften. Der Vorteil der Beschleunigung 
der Reife sei nicht zu verkennen; man kann auf diese Weise späte 
Sorten noch zum Ausreifen bringen, aber die Trauben der geringelten 
Reben geben einen gehaltloseren Wein. Das über der Ringelstelle 
befindliche Stück der Rebe stirbt (wenigstens bei den europäischen 
Reben) leicht ab, das unter derselben befindliche wird mangelhaft 
ernährt, so dafs die Augen unfruchtbar bleiben und bei dem Schnitt 
nicht berücksichtigt werden dürfen. Aufserdem brechen die geringelten 
Triebe sehr gern ab. 


') Panvock, W., Experiments in Ringing Grape Vines. New York Agric. Exp. 
Stat. Bull. No. 151, 1898. 
?) Jicer, Obstbau 1856, S. 125. 


Wunden des Achsenorganes. 779 


Auch bei manchen Gehölzen zeigt sich häufig die Beschleunigung 
in der Entwicklung der unter dem Ringelschnitt stehenden Laub- 
knospen, die sich bis zur Ausbildung von Wasserschossen steigern 
kann. Bei Apfelbäumen ist der Fall häufiger als bei Birnbäumen. 

In neuerer Zeit ist das Ringeln auch bei krautartigen Pflanzen 
mit eisbaren Früchten angewendet worden; so erhielt z. B. DanıEL!) 
bei Solaneen gröfsere Früchte durch diese Manipulation. Andere 
Beobachter konnten dies nicht bestätigen, sondern fanden einen Rück- 
gang in der Entwicklung der ganzen Pflanze). 

Wenn wir jetzt zum Studium der anatomischen 
Verhältnisses, die durch den Ringelschnitt oder 
„Pomologischen Zauberring“ hervorgerufen 
werden, an der Hand der beistehenden Abbildungen 
übergehen, so glauben wir, dadurch am besten das 
Verständnis zu fördern, dafs wir zunächst eine all- 
gemeine Beschreibung von Fig. 182 und Fig. 183 geben. 

Fig. 182 stellt eine geringelte Weinrebe dar: « ist 
der untere, « der obere UÜberwallungsrand, bl die 
blofsgelegte Stelle des Holzkörpers. 

Fig. 183 ist der Längsschnitt durch den unteren, 
schwächeren Überwallungsrand (Fig. 182, «). 8, 5 ist 
die Ebene, in der der untere Messerschnitt beim Ringeln 
ausgeführt wurde, 5, 8’, €’ ist das hervorgetretene Ge- 
webe des Überwallungsrandes. H stellt die äufserste 
Lage des blofsgelegten Holzkörpers dar; in diesem 
bedeuten g, y' Getäfse und h, h’ poröse Holzzellen. R ist, 
wie in Fig. 182, die bei dem Ringeln durchschnittene 
Rinde, die vom Holz durch das hervorquellende Über- 
wallungsgewebe r, ©, 0’ weit abgedrängt erscheint. 
Dasselbe liest bei 2’ eng dem Holzkörper an und wird 
nach aufsen hin durch eine Korkschicht, kA, geschützt. 
Dieser hervortretende Überwallungsrand von par- Fig. 182. Ringel- 
enchymatischem Gewebe wird durch die bogig ver- wunde an einer 
laufende Cambiumzone c, ce, c' differenziert in das par- Weinrebe mit dem 

E ; i oberen, stärker ent- 
enchymatische Wundholz ır%h und die Wundrinde wr. wiekelten(w u.dem 
Beide sind fächerartig durchzogen von den Mark- schwächer ausge- 
strahlen m. bildeten unteren 

Wie ein solcher Überwallungsrand im Querschnitt _ Überwallungs- 

; 2 ä : 3 = . rande (w). (Orig.) 
erscheint, zeigen die Fig. 184 und 185, von denen die 
erstere aus dem oberen Wundwall dicht an der Stelle entnommen 
worden ist, wo derselbe aus der Rinde hervortritt, während Fig. 185 
aus einer breiteren, entfernteren Region stammt. 

Wir sehen bei Betrachtung von Fig. 183, dafs aus dem Wundrande 
ein massiges Gewebe hervorgetreten ist, das durch drei- bis vierfache 
Teilung des Cambiums entstanden ist und anfangs den Charakter von 
Callus?) zeigt; dasselbe gilt von den Teilungsprodukten der jüngsten 


') Daten, Lucien, Effets de la decortication annulaire chez quelques plantes 
herbacees. Compt. rend. Paris 1900, S. 1253. 

?) Heorıck, Tayror and Werxuineron, Ringing herbaceous plants. Arb. d. land- 
wirtschaftlichen Versuchsstation des Staates New York zu Geneva. Bull. No. 288, 1906. 

°) Alles jugendliche Vernarbungsgewebe mit Spitzenwachstum seiner Zell- 
reihen, gleichviel ob es an einer Schnittfläche über oder in der Erde entsteht, ist als 
„Callus“ zu bezeichnen. Der berindete, verholzende, durch eine innere Meristem- 
zone fortwachsende Callus wird von uns als Überwallungsrand angesprochen. 


780 V. Wunden. 


Rinde, die mit dem Cambiumcallus vereinigt den späteren Überwallungs- 
wulst bilden. 

Zur Zeit der Ringelung (im Juli) war der alte Holzkörper (Fig. 183. H) 
der Rebe schon stark entwickelt. Wir erkennen langgestreckte, dick- 
wandige, in der unmittelbaren Nähe der Gefälse (g) vorzugsweise mit 
horizontalen Querwänden versehene (Ah), sonst meist keilförmig zugespitzte 


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Fig. 183. Längsschnitt durch den Überwallungswulst, der aus dem unteren Rande 
der Ringelwunde (Fig. 182, u) sich entwickelt hat. (Orig.) 


Holzzellen mit feinen Porenkanälen (A). Die engeren Gefäfse sind 
Spiral- oder auch Ringgefätse (y), die weiteren zeigen kreisrunde bis 
spaltenförmige, gehöfte Tüpfel (g’); die weitesten haben eine leiterförmig- 
oder netzartig-poröse Wandung. Die leiterförmige Anordnung der Tüpfel 
entspricht den reihenweis gelagerten Poren der die Gefäfse umgebenden 
Zellen, deren Wandung auf der Gefäfswandung abgedrückt ist. 

Der untere Ringelschnitt, durch den die Ringelblöfse (Fig. 182, bl) 
hergestellt wurde, wird in Fig. 183 durch die Ebene 88’ bezeichnet. In 


Wunden des Achsenorganes. sl 


diesem Längsschnitt erstreckt sich also die Ringelblöfse von $ aufwärts, 
an den bloisgelesten Holzzellen entlang. Bei 8’ sehen wir, wie das 
Messer senkrecht zur Längsrichtung der Rebe den Rindenkörper (R) 
glatt abgeschnitten hat. Zur Zeit der Ausführung des Schnittes lag 
die Rinde R dicht an dem Holzkörper H; das dazwischenliegende, 
weit hervorgewölbte Gewebe (rÜC) ist nach der Ringelung entstanden. 
Und zwar tritt durch die mit der Entfernung der Rinde verbundene 
ungemeine Verminderung des Rindendruckes in der Schnittebene 88’ 
und den darangrenzenden Teilen in den Zellen des Cambiums sowohl 
als auch in denen des jüngsten Holzes sowie der jüngeren und Jüngsten 
Rinde durch überraschend starke Zellvermehrung eine Callusbildung 
ein, indem die Endzellen der genannten Gewebe und die unmittelbar 
daranstolsenden sich nach aufsen wölben, sich teilen, sich strecken und 
ihr hinteres Ende durch eine Querwand von dem vorderen Ende ab- 
grenzen. In diesen vorderen Enden wiederholt sich das Strecken und 
Abschnüren mehrere Male. Auf diese Weise wölbt sich rings am 
Schnittrande ein Calluswall CC’ hervor, dessen Innenrand bei 2’ eng 
dem Holzkörper anliegt, ohne jedoch je mit ihm zu verwachsen. 

Allerdings ist dieser Calluswall zunächst nicht von der Ausdehnung 
und dem Bau, wie ihn die Zeichnung zeigt; aiese stellt vielmehr einen 
aus dem COallus hervorgegangenen Wundwall dar, welcher durch die 
Vermehrung der neuen Cambiumzone c bereits sekundäre Verdickungs- 
elemente gebildet hat. Ursprünglich besteht dieser Calluswall nur aus 
zartwandigen, alsbald in fächerförmigen Reihen geordnet erscheinenden, 
in allen Richtungen fast gleichen Durchmesser zeigenden, parenchym- 
atischen Zellen zz. 

In einem solchen jugendlichen, sich bald differenzierenden Callus- 
wall bildet sich zunächst an dem äufseren Umfange eine allmählich an 
Dicke zunehmende Korkzone %, k' als Schutzschicht der dünnwandigen, 
neugebildeten Gewebemasse. Ebenso grenzt sich die Schnittfläche des 
alten Rindengewebes R, das durch das neue Wundgewebe weit vom 
Holzkörper entfernt worden ist, durch eine Korkschicht 4’ nach aufsen 
ab. Die vom Schnitt getroffenen alten Hartbastzellen b sind von der 
Schnittfläche aus bis tief m das gesunde Gewebe hinein braun und ab- 
gestorben. Das hinter diesen Bastzellen nach innen gelegene, ehemals 
Jüngste Rindengewebe r hat an der Zellvermehrung und Callusbildung 
teilgenommen; nur in den, dem Hartbast zunächstliegenden Zellen der 
einstigen jüngsten Rinde hat sich eine die tote Stelle isolierende Kork- 
zone %k” gebildet. In der Nähe dieser Korkzone verlaufen die zur Zeit 
des Ringelns schon angelegten, aber durch den Einflufs des Schnittes 
nicht mehr normal wie b gestreckten Hartbastzellen b’, deren reihenweis 
gestellte Elemente sich rückwärts in das gesunde Gewebe hinein ver- 
folgen lassen und allmählich sich an den alten Bast anlegen; diese 
Reihe findet in dem Wundwall ihre Fortsetzung in langgestreckten, 
aber noch sehr dünnwandigen Zellgruppen 2”, die in gleichen Ab- 
ständen von der Cambiumzone liegen. 

Die Cambiumzone, welche in dem unterhalb der Schnittebene 
liegenden Teil der normal entwickelten Rebe dicht an den pros- 
enchymatischen Holzelementen verläuft, beschreibt bei ihrem Eintritt 
in den Wundwall oder Überw allungsrand einen weiten Bogen ce, e, €); 
sie teilt das anscheinend gleichartige Grundgewebe in eine dem alten 
Holzkörper anliegende Partie von Parenchym mit stärker porösen 
Wandungen, das "Wund holz wh, und eine äufsere Partie, die Wund- 


782 V. Wunden. 


rinde wr. In der deutlich markierten, fächerartigen Anordnung der 
einzelnen Zellenreihe erkennt man diese Reihe als sekundären Nach- 
wuchs der schon sehr früh in dem Calluswulst auftretenden Cambium- 
zone. Die Elemente, welche aus dieser Cambiumzone hervorgehen, 
haben nahezu in derselben Horizontalfläche dieselbe parenchymatische 
Gestalt; nur unterscheidet sich, wie gesagt, das parenchymatische 
Holz wh von dem Rindengewebe durch seine porösen Wandungen, die 
stärker verdickt und dichter, also auch scharfkantiger aneinander ge- 
lagert sind; es hat sich hier bereits ein stärkerer Druck geltend gemacht. 

Aber auch in dem Rindengewebe selbst ist eine deutliche Ditferen- 
zierung bemerkbar. Zwischen den etwa ovalen Zellen, welche die 
Grundmasse der Rinde bilden, finden wir länger gestreckte, schmalere, 
etwa prismatische Zellen in bogiger, der Cambiumzone annähernd 
paralleler Anordnung b”, welche die ersten Anlagen der Hartbastzellen 
darstellen; sie sind reicher an Inhalt und begleitet von Schlauchzellen, 
die in ihrer Längsrichtung meist parallel dem ; Jungen Baststreifen laufen 
und Raphiden von oxalsaurem Kalk o enthalten, während das Rinden- 
gewebe, das aus der zur Zeit des Schnittes schon vorgebildeten jüngsten 
Rinde entstanden ist und deutlich dickwandige, wenn auch noch kurze 
und weite Hartbastzellen enthält, den oxalsauren Kalk in sternförmigen 
Drusen oder grofsen, die Zelle ausfüllenden Einzelkristallen enthält, 
wie er vorzugsweise in der normalen Rinde vorkommt (0). An der 
Übergangsstelle sind Raphiden und Sterndrusen oft nur durch zwei 
Zellen getrennt. Hier hat also nur das locker gebaute Gewebe Raphiden. 

Am besten & gewahrt man die mit den Baststräng en parallele Lagerung 
der oxalsauren Kalk führenden Schlauchzellen auf Tangentialschnitten 
an Kirschen; dort sieht man die vielfach netzförmig aneinandertretenden 
Stränge des Bastes begleitet von dichtanliegenden , in die Länge ge- 
streckten parenchy matischen Zellen, von denen fast eine jede eine 
Druse von oxalsaurem Kalk aufzuweisen hat. Bei dem Wein ist dies 
weniger scharf ausgeprägt und wird in dem Mafse undeutlich,, als das 
Gesamtgewebe im Überwallungsrande seine Differenzierung nahezu 
verliert. In diesem wenig differenzierten Teile erkennt man schon 
Gruppen dickwandigerer Elemente, ohne dafs im der Umgebung bereits 
oxalsaurer Kalk abgelagert wäre. Der Kalk tritt in den früher mit 
Stärke erfüllten Zellen auf, was darauf hinweist, dafs bei der Lösung 
der Kohlenhydrate oxalsaurer Kalk eines der Endprodukte des 
Lösungsprozesses ist. 

Man findet in den äufsersten peripherischen Zonen des Überwallungs- 
randes darum keinen oxalsauren Kalk, weil diese Zonen aus dem erst- 
gebildeten Gewebe des über die Schnittfläche hervorquellenden, schnell 

wachsenden, undifferenzierten Callus bestehen, in denen das Material 
gänzlich zur Zellvermehrung verbraucht wird und sich nicht schliefslich 
als Reservestärke ablagert. Aber es bleiben im ganzen nur wenige 
peripherische Zellreihen stets stärkefrei und damit frei von späterem 
oxalsaurem Kalk; denn das über die Schnittfläche hervortretende Ge- 
webe, das nur so lange den Namen „Uallus“ verdient, als es voll- 
kommen undifferenziert ist, läfst bald eine V erschiedenartickeit i in seinem 
Bau erkennen und tritt somit sehr schnell aus dem Calluszustand in 
den Zustand des Überwallungsrandes. Bald nach der Bildung der 
peripherischen Korkumhüllung erscheint auch im Innern des callösen 
Gewebes eine Meristemzone, welche die Fortsetzung des Cambium- 
ringes des normalen Rebenstückes innerhalb des Überwallungsrandes 


Wunden des Achsenorganes. 183 


darstellt. Aufserhalb dieser Meristemzone erkennt man dann auch 
schon die ersten Spuren eines Bastkörpers in einzelnen, dicht unter 
der Korkzone zerstreut liegenden parenchymatischen Zellen mit etwas 
stärker lichtbrechender, wie es scheint, leicht quellbarer Wandung b"”. 
Bei einigen derselben glaube ich eine ähnliche Siebporenzeichnung 
erkannt zu haben, wie sie. in der tangentialen Wandung normaler 
Rindensiebzellen sz gefunden wird, so dafs man schliefsen kann, dafs 
die erste Differenzierung des Callusgewebes, welche fast gleichzeitig 
mit der Bildung der neuen Oambiumzone auftritt, innerhalb der Rinde 
in der Ausbildung von Siebzellen besteht. 

Das aus der Cambiumzone hervorgehende Gewebe erscheint in der 
Fig. 183 der Länge nach gefächert durch die in ihrer radialen Streckung 
bevorzugten, in ihrem Inhalt helleren Markstrahlzellen m, welche, wie 
das übrige Gewebe, an der Peripherie des Überwallungsrandes klein- 
zelliger sind, innerhalb des Überwallungsrandes eine der Senkrechten 
genäherte Richtung haben und erst allmählich in dem Maise zur 
normalen horizontalen Lagerung übergehen, als sie in das normale 
Gewebe des unverletzten Rebenstückes eintreten. 

Das zwischen den helleren Markstrahlen liegende Holz ist in der 
Jugend des Überwallungsrandes, wo also erst das dem Korkrande zu- 
nächst liegende Gewebe entstanden war, kurz, sehr dünnwandig;, par- 
enchymatisch. Es erscheint, je weiter man es nach dem normalen 
Gewebe hin untersucht, desto länger und derbwandiger und geht aus 
seiner radialen Streckung immer mehr in die longitudinale der normalen 
Holzelemente über. Je früher im Jahre die Ringelung vorgenommen 
worden ist, je länger also die neugebildete Cambiumzone des Über- 
wallungsrandes sekundäres Wundholz produziert, um so mehr nähern 
sich die später gebildeten Elemente schon in ihrer Länge und Gestalt 
dem normalen Holze. 

In diesem zartwandigen parenchymatischen Holze treten als erste 
dickwandige Elemente kurze, treppenartig poröse Gefälszellen g2 auf; 
dieselben haben anfangs die Gröfse und Lagerung der Holzparenchym- 
zellen ihrer Umgebung und nehmen, je mehr sie sich dem unverletzten 
Holzteile nähern, immer mehr die Gestalt und Lagerung normaler 
Gefälse an. Im Gegensatz zu DE Vrıes muls ich behaupten, dafs die 
kurzen Gefäfszellen nicht immer die ersten dickwandigen Elemente 
sind. Bei sehr schwach entwickelten unteren Ringelwülsten geht 
manchmal das Parenchymholz direkt in normal oelagerte , schwach 
verdickte Holzelemente über, ohne dafs kurze den vorher 
auftreten. 

Bei dem oberen Überwallungsrand einer Ringelblöfse, deren Callus 
in derselben Zeit meist schon ehr als doppelt so stark sich entwickelt, 
sind die Cambiumzone breiter, die sämtlichen Elemente zahlreicher und 
der Anfang der Gefäfsbündel im Callus immer mit Gefäfszellen be- 
ginnend. Die Ausbildung der Gefäfszellen erfolgt um so früher, also 
um so näher dem alten Holzkörper, ihre Gestalt, Gröfse, Verdickung 
und Lagerung wird um so normaler, je weiter von der Schnittfläche 
us rückwärts das Gewebe liegt, dessen Gefäfsstrang gz, sich un- 
merklich an das vor der Ringelung gebildete normale Holz anlegt und 
dessen weitere Verdickung ausmacht. 

Wir können nach dem in Fig. 183 dargestellten anatomischen Be- 
funde uns also bildlich in der Weise ausdrücken, dafs der Ringelschnitt 
in dem die Wunde begrenzenden berindet eebliebenen Teile der Rebe 


784 V, Wunden. 


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Fig. 184. Querschnitt durch den Ringel- 
wulst dicht an seiner Austrittsstelle in 
der Ebene $ bis 5’ von Fig. 183. (Orig.) 


eine ungemeine Lockerung des Holz- 
körpers hervorgebracht hat. Dadurch 
sind die Gefäisbündel, welche aus 
dickwandigen Holzzellen und Gefäls- 
röhren einerseits und aus dick- 
wandigen Hartbastzellen und Sieb- 
zellen jenseits des Cambiums be- 
stehen, und welche im normalen 
Holzkörper in konzentrischen Kreisen 
dicht aneinander gelagert sind, aus- 
einandergerückt und in einzelne durch 
Parenchymmassen getrennte Stränge 
aufgelöst. Diese Stränge 92’ (Gefäls- 
strang) und b’ (Baststrang) setzen 
sich, an Elementen immer ärmer 
werdend und immer mehr sich ver- 
ändernd, in den als Calluswulst ur- 
sprünglich über die Schnittfläche her- 
vorbrechenden Überwallungsrand fort. 

Dafs der Gefäfsbündelkörper, 
welcher in den unverletzt gebliebenen 
Teilen der Rebe den nur durch wenig- 
zellige Markstrahlen gefächerten Holz- 
körper und Bastring bildet, gleichsam | 
durch das infolge der Ringelung ent- 
standene parenchymatische Gewebe 
in einzelne, immer dünner werdende, 
wellig in radialer und tangentialer 
Richtung verlaufende, untereinander 
anfangs noch durch Anastomosen 
netzartig verbundene, endlich aber 
isoliert und in fächerartig auseinander- 
gehende Stränge zerfasert wird, sehen 
wir am besten an Querschnitten, die 
in verschiedenen Höhen durch den 
Ringelwulst geführt werden. Wegen 
der gröfseren Deutlichkeit sind die 
Querschnitte Fig. 184 und Fig. 185 
aus dem oberen, analog gebauten aber 
stärker entwickelten UÜberwallungs- 
rande derselben Weinrebe entnommen 
worden, die den Längsschnitt Fig. 183 
geliefert hat. 

Fig. 184 zeigt den Ringelwulst 
querdurchschnitten in der Höhe, wo 
derselbeausderaltenRindeheraustritt, 
also ungefähr bei $ bis 8’ in Fig. 183; 
Fig. 185 ist ein Querschnitt durch 
die Mitte des herausgetretenen Teiles 
des Überwallungsrandes, also etwa in 


der Ebene % bis wh bei Fig. 183. Fig. 184, H stellt ein Stück des alten 
vor der Ringelung gebildeten Holzes dar; g bezeichnet die weiten, 
leiterförmigen oder spaltenförmig-porösen Gefäfse, von denen diejenigen, 


Wunden des Achsenorganes. 185 


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Fig. 185. Querschnitt durch den Ringelwulst in gröfserer Entfernung von der 
Austrittsstelle, also in üppigerer Entwicklung, wie er in Fig. 183 etwa in der 
bene k—-wh zu finden wäre. (Orig.) 


welche derSchnittfläche S bis S’am nächsten liegen, infolge derVerwundung 
sich mit Thyllen t angefüllt haben und infolgedessen für die Durchlüftung 
unwegsam geworden sind; % zeigt die querdurchschnittenen Holzzellen. 


Sorauer, Handbuch. 3. Aufl. Erster Band. 50 


786 V. Wunden. 


S bis 0’ (bei Fig. 185 C’bis ©‘) ist die infolge des Ringelschnittes entstandene 
Neuholzbildung des UÜberwallungsrandes. In diesen Überwallungsrand 
hinein, der aus dem Callus hervorgegangen ist, sehen wir aus dem 
normalen Gewebe H die Markstrahlen m mit kurzer Unterbrechung 
sich fortsetzen. Die Markstrahlen werden immer breiter, die Gefäfs- 
bündel, deren Holzkörper im normalen Holze dicht aneinander gelagert 
sind, werden nun durch die stets breiter werdenden Markstrahlpartien 
immer weiter auseinandergerückt; die Bündel werden dabei ärmer an 
Elementen, und normale Holzzellen sind nicht mehr vorhanden. Der 
Strang st besteht nur noch aus kürzeren, weiten, runden und engeren 
mehr abgeplatteten Gefäfsen, nebst weiten, meist schon stumpf auf- 
einandersitzenden weniger dickwandigen Holzzellen. 

Der eine Strang Fig. 184, st im normalen Holze hat sich im Ge- 
webe des Ringelwulstes bereits in zwei Stränge st' gespalten und diese 
haben sich in der noch weiter von der Schnittebene entfernten Region 
(Fig. 185, st) wieder in je vier Stränge gefächert. Dabei sind durch 
die Bildung neuer Markstrahlen (Fig. 185, m’) die neuen Bündel aus 
ihrer bisherigen Anordnung herausgedrängt worden; sie rücken jetzt 
in einzelnen Gruppen weiter nach der Peripherie des immer dicker 
werdenden Ringelwulstes. Indem auch die tertiären Markstrahlen immer 
breiter werden, erscheinen nun auch diese dünnen, sich im Längsverlauf 
verästelnden Stränge von Gefäfsen (Fig. 185, s!) immer weiter aus- 
einander gerückt, bis sie endlich in der Nähe des Aufsenrandes des 
Ringelwulstes ganz verschwinden. Die letzten Ausläufer dieser Elemente 
sind kurze, weite, poröse Zellen von Parenchymholz. 

Es ist bekannt, dafs zu jedem Gefäfsstrange des Holzkörpers 
ein Baststrang gehört. Das Holz ist mit der Rinde Geschwisterkind !). 
In Fig. 184, b sehen wir das Hartbastbündel, welches zu dem Holz- 
strange st gehört; b’ und bb’ stellen die in ihren Zellen analog den 
Holzelementen weiter gewordenen Bastkörper dar, welche zu st! gehören; 
die radiale Verdickung der Weichbastzellen ist in der Zeichnung nicht 
gut wiedergegeben. 

Im Herbst, wenn die Weinrebe ihre primäre Rinde durch eine 
Korkzone abgrenzt, hat die wellig verlaufende Korkschicht % hier im 
Ringelwulst die Bastbündel in zwei Teile (Fig. 184, d’ und 5b’) zer- 
schnitten ; e'c’ bedeutet bei Fig. 184 und 185 die Cambiumzone, Fig. 185, o 
ist eine Schlauchzelle mit oxalsaurem Kalk in Raphidenform ; bei einigen 
Schlauchzellen lassen sich scharf zackenartige, sehr kleine Vorsprünge 
auf der Innenseite der Membran wahrnehmen. N 

Die erste Differenzierung im Calluswulst läfst sich auch nach Über- 
gang desselben in den fertigen Überwallungsrand oder Ringelwulst noch 
erkennen, wenn man, von der äufsersten Korklage beginnend, Quer- 
schnitte durch das Wulstgewebe macht, wenn man also bei Fig. 183 
von der am meisten nach unten vorgewölbten Partie beginnt und nach 
oben hin fortschreitet. Bezeichnen wir den dem alten Holze anliegenden 
Teil (Fig. 183, zZ’ bis 8) als dessen Innenseite im Gegensatz zu der 
kugelig gewölbten Aufsenseite; es zeigt sich nach den ersten Quer- 
schnitten bereits das unmittelbar unter der Korkzone liegende par- 
enchymatische Gewebe des Innenrandes durch Jod dunkler gefärbt als 
die entsprechende Partie der gegenüberliegenden Aufsenseite. Ebenso 
erkennt man bei Anwendung von Jod auch eine radiale Fächerung des 


1) Rarzesrurg, Waldverderbnis I, 70. 


Wunden des Achsenorganes. 787 


Gewebes, indem Streifen von anfangs nur 1—3 Zellen Mächtigkeit 
durch Jod dunkler gefärbt werden als die breiteren zwischen ihnen 
liegenden Partien. Auch in der Gestalt der Zellen läfst sich schon in 
den ersten Querschnitten ein Unterschied finden, indem die dem Aufsen- 
rande näher liegenden Zellen rundlicher als die dichteren, dem Innen- 
rande genäherten Zellen erscheinen; auch sind die sämtlichen, direkt 
unter der verkorkten Aufsenschicht liegenden Zellen kleiner als die im 
Zentrum liegenden. Die helleren Streifen enthalten Zellen von gröfserer 
radialer Streckung: die erste Andeutung der Markstrahlen. Die Zone 
der erneuten Zellteilungen zum Zwecke der Anlage des späteren 
Cambiumringes liegt zunächst dicht an der Innenseite des Calluswulstes, 
sich an die Region von Zellen anschliefsend, welche zur Verstärkung 
der peripherischen Korkzone zuletzt in Teilung getreten ist; von da 
aus rückt sie in den folgenden Querschnitten immer weiter von dem 
alten Holzkörper fort (vgl. den bogigen Verlauf im Längsschnitt 
Fig. 183, e bis ec’), erreicht noch aufserhalb der Ebene, in welcher der 
Ringelschnitt ausgeführt worden ist, ihre gröfste Entfernung vom alten 
Holzkörper und nähert sich innerhalb der alten Rinde wieder dem 
normalen Holze, bis sie als normales Cambium auch wieder ihre ge- 
wöhnliche Lage einnimmt. 

Was hier” speziell vom Weinstock gezeigt worden ist, findet im 
Prinzip bei allen Ringelungen statt; der spezielle Aufbau ist natürlich 
je nach der Pflanzenart verschieden. 

Betreffs der anatomischen Elemente, welche die Stoffleitung über- 
nehmen, hat ÜUzwpek!) gezeigt, dafs für sämtliche Assimilate nur die 
Siebröhren und Cambiformzellen in Betracht kommen können, und 
zwar sind die stoffleitenden Bahnen im Leptom selbst geradlinig. 
Das Leptomparenchym dient ähnlich den Markstrahlen als Speicherungs- 
gewebe. Die Reservestoffe werden in ihrer Ablagerung insofern be- 
einflufst, als im Frühjahr, zur Zeit des Austreibens, nach LECLERC DU 
SıBLon?) bei den in der Nähe des Wurzelhalses geringelten Bäumen 
die Wurzeln reicher, die Stämme ärmer an Reservestoffen sind als bei 
den nicht geringelten Bäumen. Die Blätter der ersteren sind zwar 
weniger grün, aber enthalten viel mehr Reservestoffe, als die der un- 
geringelten Exemplare, und gehen nach meinen Beobachtungen viel 
früher ın die Herbstfärbung über. 


Die Schälwunde. 


a. Geschichtliches. 


Die Vorgänge der Wundheilung: bei einer den Stamm umfassenden, 
oft meterlangen Holzblöfse, die durch Entfernung der gesamten Rinden- 
elemente entstanden ist, sind schon seit mehr denn hundert Jahren 
Gegenstand der Beobachtung einzelner Forscher gewesen. 

So zitiert TrEVIRAnUsS®), dafs L. Frisch bei einem Gutsbesitzer in 
der Mark mehrere Apfel- und Birnbäume sah, denen man die ganze 
Rinde vom Ansatze der untersten Zweige bis zur Wurzel im ganzen 


1) Czarer, Fr., Über die Leitungswege der organischen Baustoffe im Pflanzen- 
körper. Bot. Centralbl. 1897, Bd. 69, S. 318. 
?) LECLERC DU SABLoN, Recherches physiologiques sur les matieres de reserves 
des arbres. Revue generale de Bot. t. XVIII; eit. Bot. Centralbl. v. Lotsy, 1906, 
Nr. 43, S. 447. 
3) Trevıranus, Physiologie der Gewächse Bd. II, Abt. I, 1838, S. 222. 
50 * 


788 V. Wunden. 


Umfange des Stammes so genommen hatte, dafs überall das weifse 
Holz zu sehen war. Die Bäume waren wieder mit neuer Rinde be- 
kleidet. FrıscH versichert, dafs dieses Experiment immer gelinge, wenn 
man nur die Zeit der Sonnenwende dazu benutze und die entblöfste 
Oberfläche, auf welcher man den Saft mit einer Feder gleichmäfsig 
ausbreiten soll, durch Leinwand oder Rohrdecken gegen Sonne und 
Wind schütze (Miscell. Berolin. Contin, II [1727] 26). 

Der berühmte Experimentator DuHaMmEL!) nahm in der Saftzeit 
von mehreren jungen Stämmen von Ulmen, Pflaumen usw, einen etwa 
7—10 cm breiten Ring bis aufs Holz weg und umgab die Wunde mit 
einem Glaszylinder, der oben und unten am unverletzten Stammteil. 
mit Kitt und Blase verschlossen wurde. Er sah auf der Holzfläche 
zarte, gallertartige Wärzchen sich bilden, welche zwischen den Holz- 
fasern des Splintes hervorbrachen (des mamelons gelatineux qui sortaient 
d’entre les fibres longitudinales de l’aubier); diese Wärzchen, welche 
der Mehrzahl nach unter äufserst zarten, wahrscheinlich stehengebliebenen 
Bastlamellen sich emporhoben, waren erst weils und halb durchscheinend, 
später grau und nach 10 Tagen (am 18. April) grün. Diese Neubildungen 
breiteten sich im Laufe des Sommers aus und erzeugten durch Vereinigung, 
eine narbige Rinde, unter welcher zarte Holzlamellen erkennbar waren. 
„Ainsi il est bien prouve que le bois peut produire de l’&corce et que 
cette &corce est des lors en etat de produire des fenillets ligneux ...“ 

Ähnliche Versuche machte Knieht und erhielt ähnliche Erfolge. 
Einmal beobachtete er?) an Ulmus montana eine Reproduktion der 
Rinde, ohne dafs die Wunde bedeckt war; der Baum hatte einen 
schattigen Standort. An alten gekappten Eichen mit unvollkommen 
eintretender Neuberindung fand KniıcHt, dafs die gallertartigen Wärzchen 
aus dem parenchymatischen Zellgewebe hervorquellen, und „in vielen 
Fällen wurde nur auf deren Oberfläche eine neue Rinde in kleinen und 
getrennten Portionen erzeugt“. 

MEYEN®) zitiert die Beobachtungen von WERNEcK, nach welchen die 
Wiedererzeugung der Rinde nur dann gelingen soll, wenn das Ab- 
schälen um Johanni geschieht, wenn die Stämme noch jung sind und 
die verwundete Stelle „sehr sorgfältig durch einen hohl und dicht an- 
liegenden Verband gegen Austrocknung geschützt wird.“ 

MEYEn’S*) eigene Ansicht finden wir bei Wiedergabe seiner Versuche 
in seiner Phytopathologie. Er schälte am 30. April 1839 während eines 
warmen Sonnenscheins Stämmchen und grofse Aste von Haselnuls, 
Schneeball, Syringa und Weide, umschlois die Schälstellen nach Art 
der Dunsner'schen Experimente mit verkitteten Glasröhren, die noch 
mit Papier umwickelt wurden, obgleich er die Versuche an stark be- 
buschten Stellen ausführte. Auch hier wurden gallertartige Tröpfehen 
ausgeschwitzt, „welche stets an denjenigen Stellen hervortraten, wo 
die Markstrahlen auf der Oberfläche des Holzes zum Vorschein kommen‘. 

Die mikroskopische Untersuchung dieser Ausschwitzungen ergab ihre 
Zusammensetzung aus zartem Zellgewebe, „welches sich durch den 
neuen, gummihaltigen Saft immer mehr und mehr vergröfserte, der 
durch die Markstrahlzellen ausgeschieden wurde‘. 


1) Dunaner, Physique des arbres 1758, II, S. 42, t. VIIff. 63 und a.a.O. S. 44, 
t. VIIIf£. 66, 67. 

2) Trevıranus a.a. O. S. 223 (Beytr. 223). 

») Meyex, Neues System d. Pflanzenphys. 1837, S. 394. 

+4) Meyex, Pflanzenpathologie, herausgeg. v. Nees v. Esenbeck. Berlin 1841, S. 14. 


Wunden des Achsenorganes. 789 


Die grünliche Färbung, welche diese Neubildungen annehmen, 
rührt von Chlorophylikörnern her. Diese Neubildungen erhielten im 
Laufe des Versuchsjahres eine Stärke bis zu 11 mm, schrumpften aber 
bei dem Vertrocknen stark ein. 

Mryen kann diesen neuen Produktionen, die übrigens auch im 
Freien an schattigen Orten entstehen !), nicht die Bedeutung der Rinde 
zusprechen; denn man sieht „keine Sonderung der verschiedenen 
Schichten, aus welchen die normale Rinde desselben Baumes besteht, 
und es findet sich in derselben auch keine Spur von Baströhren, 
welche offenbar besonders wichtig sind... .* 

Der seinerzeit ausgezeichnete Physiologe, der nach der MirgEr'schen 
Anschauung das Cambium für einen strukturlosen Saft anspricht, der 
solche Zellbildungen hervorbringt wie die, aus denen er herausgetreten, 
hat zwar das Verdienst, das Mikroskop bei Untersuchung der neuen, 
bei Heilung der Schälwunde auftretenden Produktionen angewendet zu 
haben, allein es ist ihm nicht geglückt, die Holzproduktion unter den 
Neubildungen zu beobachten und die Analogie dieser Bildungen mit 
der normalen Rinde nachzuweisen. 

Wahrscheinlich waren die feuchte Luft und starke Beschattung 
seiner Zylinder schuld, da diese Faktoren, wie wir sehen werden, den 
Charakter der Neubildung wesentlich beeinflussen. 

Früher als MryEn experimentierte DALBRET?), indem er am 21. Juni 
eine Esche und einen Nufsbaum schälte, die Schälstellen in Zylinder 
einschlofs und dieselben Resultate wie DuHAMEL erhielt. 

Ta. Harrıc ?) schälte im Frühjahr 1852, als die Entwicklung der neuen 
Jahresringe bereits begonnen hatte, 30—40 ältere Eichen auf 6—8 m 
Länge vom Boden aus und fand im August die meisten der geschälten 
Bäume ebenso dicht belaubt als die danebenstehenden, nicht entrindeten 
Stämme. An 5—6 jungen Stämmen hatte sich, „merkwürdigerweise“ 
fast nur auf der Sonnenseite, ein aus den Markstrahlen des Holzes 
hervorgedrungener grindiger Ausschlag gebildet. Die anatomischen 
Untersuchungen zeigten, dafs der Ausschlag, ganz unabhängig vom 
Baste und Cambium, allein aus dem Holze hervorgegangen und ein 
Produkt der Markstrahlen sei. 

Die Neubildung beginnt mit dem Auftreten einer Korkzellenlage 
an der Peripherie des gesunden Markstrahlgewebes, durch welche eine 
äufsere, abgestorbene Partie abgegrenzt wird. Der lebendige Teil des 
Markstrahls entwickelt nun in seinem Umfange mehrere Lagen par- 
enchymatischer Zellen, die sich wie das vorhandene Markstrahlgewebe 
grün färben. Durch die Vermehrung des parenchymatischen Gewebes 
um den Markstrahl herum entsteht ein schnell stärker werdender Callus- 
wulst, der die mit Lenticellenbildung beginnende Korkschicht immer 
weiter nach aufsen drängt. „Das neue Zellgewebe entwickelt sich nicht 
etwa an einem Örte, vom lebendigen Markstrahl aus, sondern wie 
überall, bilden sich neue Zellen an allen Orten im Innern der vor- 
gebildeten Zellen, diese resorbieren die Mutterzellen, erwachsen zur 
Gröfse derselben und erweitern die Masse in allen ihren Teilen. Trotz 


!) Pflanzenphysiologie Bd. I, S. 390. 

2) Journal de la sociöte d’agronomie pratique 1830; eit. von Trecvur in 
„Accroissement des vegetaux dicotyledones ligneux“. Annales des sciences natur. 
III. Serie, t XIX, Paris 1859. 

3) Tu. Harrıc, Vollst. Naturgesch. d. forstl. Kulturpfl. Deutschlands. Berlin 1852. 
Figurenerklärung Tafel 70, Fig. 1—9. 


790 V, Wunden. 


der Erweiterung des Callus durch das heranwachsende Zellgeweke 
behält daher der lebendige Teil des Markstrahls stets denselben Um- 
fang, dieselbe Gröfse, Zahl, Form und Stellung des ihn konstituierenden 
Zellgewebes.“ 

„Hat der Callus eine gewisse Ausdehnung erreicht, so werden 
einzelne Partien ungemein diekwandig, wie dies auch im normalen 
Verlauf des Rindenlebens der Fall ist (Steinzellennester). Weiterhin 
entwickelt sich an jeder Seite des lebenden Markstrahls, unfern der 
Spitze desselben, im Zellgewebe zwischen ihm und der "Korkschicht 
ein Faserbündel, bestehend aus getüpfelten Holzfasern und Holzröhren.“ 
Durch Verschmelzung der einzelnen gleichnamigen Gewebezonen der 
bisher völlig isoliert gewesenen, warzenartig hervortretenden Neu- 
bildungen entsteht eine zusammenhängende, mit Korklage versehene 
Rindenschicht, welche nur durch die radiale Anordnung ihrer Zell- 
elemente im Querschnitt von dem Bau der normalen Rinde abweicht. 
„An den Seiten der Markstrahlspitze schreitet die Entwicklung des 
Holzkörpers bis zur Bildung einer zusammenhängenden, vom Zell- 
gewebe des alten wie von neu gebildeten, kleineren Markstrahlen durch- 
setzten Holzschicht vor. Die einzelnen Holzbündel bestehen aus Holz- 
fasern und Holzröhren. Eigentliche Spiralfasern fehlen. Mit vor- 
schreitender Entwicklung des Holzkörpers bildet sich auch eine 
Trennungslinie zwischen ihm und dem Rindenkörper (Meristemzone 
Ref.) imiaer schärfer aus, obgleich weder von Bastfasern noch von 
Saftröhren eine Spur zu entdecken ist.“ 

Die einen bedeutenden Fortschritt darstellenden Beobachtungen 
von TH. Harrıc ergeben also, dafs die Entwicklung der neuen Rinde 
auf einer Schälwunde auf Kosten der im Holzkörper vorhandenen 
Nahrungsstoffe geschieht und mit der Bildung eines Callusgewebes um 
die Markstrahlspitzen beginnt. 

Welche Zellen den Anfang der Callusbildung hervorrufen, geht 
weder aus der Beschreibung noch aus den Zeichnungen hervor. 

Diese Lücke füllt Tr£cur!) mit seinen eingehenden anatomischen 
Untersuchungen aus, die gleichzeitig die Beteiligung des gesamten, 
auf dem geschälten Holzstamm verbliebenen jungen Can 
webes und nicht nur der Markstrahlen an der Callusbildung nach- 
weisen. Allerdings können unter besonderen Verhältnissen die Mark- 
strahlzellen die Callusbildung allein veranlassen; jedoch tritt ebensogut 
auch der Fall auf, dafs von den jungen Holzzellen allein die Callus- 
bildung eingeleitet wird. 

An der Callusbildung beteiligen sich die jungen Holzzellen, Mark- 
strahlzellen und die engen Gefäfse durch Umwandlung in Parenchym- 
zellen, die sich nun weiter vermehren ? ). 

Die Jüngsten auf dem Holzzylinder stehengebliebenen Zellen weiten 
sich aus; sie verlängern sich, und in ihrem Innern bilden sich Scheide- 
wände; die Endzelle der jungen Calluszellreihen wird am gröfsten und 
weitesten, oft kugelrund, dann keulentörmig gestreckt, und in diesem 
Zustande entsteht gewöhnlich eine neue Querwand. Die jetzt durch 


!) Trecun, Accroissement des vegetaux dicotyledones ligneux. Annales des 
scienc. nat. BI, S. 165. 

°) „Les fibres ligneuses, les rayons medullaires et les vaisseaux d’un petit 
diamötre eux-memes sont m&tamorphoses en tissu cellulaire proprement dit; car il 
y a une metamorphose reelle de ces organes @l&mentaires en tissu utriculaire ordi- 
naire, et ensuite multiplication de ces utricules nouvelles. 


Wunden des Achsenorganes. 791 


die Querwand hergestellte neue Endzelle wiederholt diesen Prozefs. 
Die darunterliegenden älteren Zellen strecken sich auch in die Länge 
und teilen sich. 

Aufser dieser Art von Callusbildung beobachtete Tr£cun noch einen 
anderen Fall. Während bisher die äufsersten der stehengebliebenen 
Zellen sich durch Ausweitung und Abschnürung zum Callusgewebe 
entwickelten, kommt es auch vor, dafs die äufsersten Zellen nur eine 
geringe Entwicklung zeigen, und dafs die unter denselben liegenden 
innersten jugendlichen Holzzellen die Rolle der eigentlichen Callus- 
bildner übernehmen. Tarcur bildet (pl. 7, Fig. 11) einen Längsschnitt 
von Ulmus ab, dessen Callus am Rande aus kurzen, isodiametrischen 
Zellen besteht. Diese allmählich vertrocknende Schicht ist vom Holz- 
körper in die Höhe geschoben worden durch eine dicke Calluslage, 
deren ältere Zellen jetzt dem Holze anliegen, deren jüngste Zellen am 
weitesten vom alten Holze entfernt, unmittelbar unter der empor- 
gehobenen, absterbenden Schicht liegen, sich lang radial gestreckt 
haben und bereits radial parallele Reihen bilden. 

Beide Fälle der Callusbildung können gleichzeitig an demselben 
Exemplare vorkommen. Wahrscheimlich durch Vertrocknung der äufseren 
Schichten des blofsgelesten Cambialkörpers werden die innersten zur 
Vermehrung angeregt. 

Wie sich aus meinen eigenen Versuchen ergibt, können die sämt- 
lichen Zellen der cambialen Region, nicht allein die jungen Holzzellen, 
wie DE VRIEs meint, sondern auch die jungen Rindenzellen an der 
Callusbildung teilnehmen. Es kommt lediglich darauf an, welche Zell- 
schichten bei dem Abschälen der Rinde stehen bleiben. Löst sich die 
Rinde derart, dafs nur einige diesjährige Splintzellen, die noch ver- 
mehrungsfähig sind, an dem alten Holzkörper verbleiben, dann mufs 
von ihnen die Callusbildung ausgehen; wenn dagegen die allerjüngsten, 
cambialen Rindenzellen noch stehen bleiben, so übernehmen diese die 
Callusbildung, während der darunterliegende jugendliche Splint sich 
seiner Anlage gemäfs zu differenziertem Holz mit Gefäfsen ausbildet 
und nur darin sich verändert, dafs alle Elemente kürzer, radial weiter 
und dünnwandiger werden. 

Das trefflichste Beispiel für diesen Fall gibt Tr£cuL!) in seiner 
Fig. 5, pl. 3 von einer Linde. Wir verwenden diese (s. Fig. 186) zur 
Bestätigung unserer Ansicht. B bedeutet das junge, schon vor der 
Entrindung gebildete diesjährige Holz mit den Gefäfsen v. A und 4 
ist nach Tr£cun das alte Holz des vorigen Jahres?). Der Rifs, der die 
Rinde abhob, ist über dem höchststehenden Gefäfse v horizontal bis zu 
der mit x’ bezeichneten Stelle verlaufen, hat sich von dort rechts ab- 
wärts gesenkt bis nahezu auf die dünnwandigen, letztgebildeten Zellen 
des Vorjahres, so dafs die ganze Gruppe g als Neubildung zu betrachten 
ist. Bei x hat die gelöste Rinde nur die äufsersten Schichten des 
jüngsten Holzes weggenommen oder vielleicht gar nur die zentrale 
Cambialzone gefaist, so dafs der sämtliche Splint stehen geblieben ist. 
Nun verlängern sich die äufsersten Zellen schlauchförmig (!) und teilen 


1) Tescun a. a. 0. S. 167. 

2) Es könnte auffallend erscheinen, dafs der Jahresring bei A’ mit ganz dünn- 
wandigem Frühlingsholze abschliefst. Es kommen aber in der Tat solche Fälle 
vor. Ich erhielt aus der Eifel krebskranke Lärchen im Januar. deren Jahresring 
nach dem Herbstholze noch sechs Zellen starke Lagen von dünnwandigem Frühjahrs- 
holz gebildet hatte. 


792 V. Wunden. 


sich, fortwachsend (7), durch eine Scheidewand, worauf die abgeschnürte 
obere Zelle r jeder Reihe den Verlängerungsprozefs wiederholt. 

Das junge Holz (Splint) hat sich durch die Verwundung, also durch 
die Aufhebung des Rindendruckes, radial gestreckt, ist kurzzelliger und 
weitlumig geworden, ist dünnwandig verblieben, und die bereits an- 
gelegten Gefäfse haben sich ausgebildet. 

Nach & hin ist mit der abgelösten Rinde auch der junge Splint 
fortgenommen worden, und auf dem Holze des vorigen Jahres sind nur 
wenige, Junge Holzzellen dieses Jahres stehen geblieben; diese haben 
nun die Callusbildung übernommen und natürlich gefäfslosen Callus 
gebildet, der weitzelliger geworden und schneller ein gröfseres Volumen 


AN)--R 
Te IM 3 

SOSSESAEN 

Fig. 186. Callusbildung aus jungen Rindenzellen bei einem geschälten Stamme. 
(Nach Tkecvr). 


angenommen hat als die anliegende Partie, deren Dickenausdehnung er 
auf diese Weise erreicht hat). 

Betreffs der Lebensdauer geschälter Stämme gehen die Meinungen 
weit auseinander. 


') Wir geben zur Üharakterisierung der Trecvr’schen Auffassung dessen 
Figurenerklärung 1. c. p. 191: A, A’ bois de l’annde precedente V vaisseaux de ce 
bois; R rayons medullaires — B jeune bois forme au printemps avant la decorti- 
cation. Tous les elements de ce jeune bois, et la partie la plus externe 4’ de celui 
de l’annee precedente, ont subi un amincissement dans leur membrane. Les cellules 
externes des rayons medullaires R ont donne lieu & une multiplication utriculaire, 
quelquefois abondante, en r. La multiplication commence aussi en |, ’ dans les 
elements du tissu ligneux. En 9, cette multiplication s’&tend & toute la couche de 
l’annee et m@me aux fibres ligneuses les plus externes A’ de l’annee precedente. 
Les vaisseaux qui existaient primitivement dans la couche de cette annee, comme 
en 5, v, sont disparu en 9. 


Wunden des Achsenorganes. 793 


Das hervorragendste Beispiel ungewöhnlich langer Lebensdauer 
von Bäumen, die ihren Rindenkörper auf grofse Strecken hin verloren 
und nicht ersetzt hatten, und deren blofsliegender Holzkörper infolge- 
dessen alljährlich immer tiefer der Zerstörung anheimfiel, liefert Tr&cuL 
durch die Beschreibung der Linde von Fontainebleau!). Doch haben 
wir auch noch viel frühere Beobachtungen. 

So teilte Parent im Jahre 1709 der Akademie folgende Beobachtung 
mit: Eine Rüster in den Tuileries, welche bei Beginn des Frühjahrs 
1708 in ihrer ganzen Höhe der Rinde beraubt wurde, entwickelte trotz- 
dem ihre Blätter, wenn auch etwas weniger kräftig, und behielt sie den 
ganzen Sommer über. 

DUHAMEL?) spricht sich in dieser Beziehung dahin aus, dafs der 
Baum mit unbedeckt bleibender Schälwunde allmählich (zuweilen erst 
nach vier Jahren) zugrunde gehe. 

Einen ähnlichen Fall wie Parent erzählt Rıcharp in der Sitzung 
der Akademie vom 11. Mai 1852 als etwas ganz Aufsergewöhnliches, 
da in der gröfsten Zahl der Fälle die Bäume nach solchen Beschädigungen 
alsbald sterben. 

Diesen letzteren Ausspruch bestreitet GaupıcHaup (Compt. rend. vom 
31. Mai 1852), indem er auf Bäume in St. Cloud, im Luxembourg und 
in Fontainebleau hinweist, welche nach solchen Verletzungen noch eine 
grofse Anzahl von Jahren gelebt haben, obgleich die Oberfläche des 
entblöfsten Stammes schon teilweise zerstört war. 

Derselbe Botaniker kommt in der Sitzung der Akademie vom 
7. März 1853 auf diesen Punkt zurück und führt nun die Linde von 
Fontainebleau an. Nach Tre£cuL ist dieser Baum gegen das Jahr 1780 
gepflanzt und 1810 sehr unregelmäfsig durch Erdkarren entrindet worden. 
Die entrindete Stelle war auf der Nordseite 32 cm lang und begann 
57 cm oberhalb des Bodens; dagegen mafs sie auf der Südseite 4,05 m 
und begann gleich an der Bodenoberfläche. Die Entrindung war am 
ganzen Stammumfang eingetreten, und trotz dessen hatte der Baum 
noch 44 Jahre gelebt (er ist im Jahre 1854 gestorben); der Durch- 
messer oberhalb der Wundstelle betrug 20 cm, unterhalb derselben 
15 cm. Die Oberfläche des entrindeten Holzkörpers, der in der Mitte 
der Wundstelle am meisten Substanz durch die Erdkarren verloren 
hatte und dort nur einen gröfseren Durchmesser von 10 cm und einen 
kleineren von 5V/s cm besals, war gänzlich wurmstichig und vertrocknet. 
Nach Entfernung des toten Holzmantels ergab sich die lebendig ge- 
bliebene zentrale Partie nur noch von 2!’ cm Dicke; sie war sehr 
saftreich und machte den Eindruck jungen Holzes. Durch diesen 
schmalen Zylinder mufste fast die ganze Wurzelnahrung für den Gipfel 
des alten Baumes aufwärts wandern, und doch entwickelte sich derselbe 
im Jahre der Beobachtung, also am 29. März 1853, ganz ebenso früh, 
war ebenso reich mit Blättern und Blüten versehen wie die anderen 
Linden. Nur entlaubte sich der Baum, der übrigens an seiner Basis 
eine Anzahl 5—-6 cm dicker, reich verzweigter und belaubter Schossen 
getrieben hatte, schon im August. 

Diesen Schossen schreibt Tr£cuL die Erhaltung des unterhalb der 
Entrindung belegenen basalen Stammteiles zu; sie bereiten ihm das 


') M. A. Trecur, L’influence des cortications annulaires sur la vögetation des 
arbres dicotyl&edones. Annales d. scienc. nat., IV. Serie, t. III, Botanique 1855, S. 341. 
?) Physique des arbres II, p. 46. 


794 V. Wunden. 


plastische Material, das ein normaler Stamm durch den Rindenkörper 
aus der Baumkrone empfängt. 

Einen analogen Vorgang bei einem Birmenaste, der nahe seiner 
Ursprungsstelle vollständig der Rinde und des Splintes beraubt worden 
war und dennoch mehrere ‚Jahre fortgelebt hat, beschreibt Linprer !). 

Tn. Hartıc sah eine ringförmig geschälte Linde auch noch 9 Jahre 
nach der Operation leben und in ihrer Fruchtbarkeit sogar vermehrt ?). 

Hotgärtner REINECKEN in Greiz berichtet über einen 10 cm starken 
Ulmenpfröpfling, der mit seiner Unterlage seit 6 Jahren nicht durch 
die Rinde, sondern nur durch das Holz in Verbindung geblieben war. 
(rarteninspektor Rorta in Muskau sah ferner eine ®/ı m starke Rotbuche 
von 25 Fufs Höhe, welche während ihrer 45 jährigen Lebenszeit mit 
dem Mutterstamm niemals durch die Rinde (wie GÖPPERT angibt), sondern 
nur durch die Holzlagen in Verbindung gewesen ist und dennoch 
kräftig wuchs; sie wurde schliefslich durch den Wind abgebrochen. 
Im botanischen Garten zu Breslau blühte alljährlich eine 14 m hohe 
und Ys m dicke Linde, die in einer Länge von Vs m gänzlich und 
sorgfältig im Jahre 1870 "entrindet worden und oberhalb der Schälstelle 
nur in den ersten zwei Jahren eine Überwallungsschicht von kaum 
2 em Länge getrieben hatte?). 

Die F 'olgen des Schälens lassen sich im voraus nicht bestimmen. 
Die Lebensdauer der geschälten Stämme hängt wesentlich von der Baum- 
art ab. Am leichtesten vertr agen schnellwüchsige Laubhölzer derartige 
tiefsehende Verwundungen. Über das Verhalten der Nadelhölzer liegen 
genügende Erfahrungen "noch nicht vor. Harrıc *) fand keine Neubildung 
von Rinde an der Schälstelle und sah das Aststück unterhalb der 
Schälstelle bis zum nächstunteren Aste in schönen „Speckkiehn“ ver- 
wandelt; ebensowenig konnte SrorL?) diesen Heilungsprozefs wahr- 
nehmen; er gibt jedoch an, dafs NÖRDLINGER eine Neubildung beobachtet, 
aber dabei die Meinung geäutsert habe, dafs die neugebildete Rinde 
nicht imstande sei, den absteigenden Saftstrom zu leiten. 

Von Monocotyledonen gibt StoLs an, dafs er bei Dracaenen, die er 
im Gewächshause ihrer Rinde beraubt hatte, eine Vernarbung der Wund- 
fläche gefunden habe. 

Aniser von der Pflanzenspezies hängen die Folgeerscheinungen noch 
von der Zeit der Ausführung der Manipulation und der Leichtigkeit 
des Individuums ab, sich Hilfsorgane in Form von Adventivknospen® und 
-wurzeln zu schaffen. Bei der Obstkultur kommt das Verfahren nur 
als extremstes Hilfsmittel zur Erzielung von Fruchtansatz bei Bäumen 
zur Anwendung, die sich m zu üppiger Holzbildung erschöpfen. 


Eigene Beobachtungen. 


Zur Nachprüfung der von den früheren Beobachtern geschilderten 
Vorgänge wurde eine gröfsere Anzahl kräftiger, etwa fünfjähriger Süls- 
kirschstämme im Juli geschält. Der obere und untere Teil der Schäl- 
stelle wurde auf eine Länge von 2-4 cm mit dem Messer zur Ver- 


!) Gardener's Chronicle vom 13. Nov. 1852, S. 726. 

2) Tu. Harrıg, Folgen der Ringelung an an Linde. Bot. Zeit. 1863, S. 286. 

?) Görrert, Über das Saftsteigen in unseren Bäumen. 57. Jahresber. d. Schles. 
Ges. f. vaterl. Kultur 1880, S. 293. 

*) Folgen der Ringelung an Nadelholzästen. Bot. Zeit. 1863, S. 282. 

5) Über Ringelung. Wiener Obst- und Gartenzeitung 1876, S. 167. 


Wunden des Achsenorganes. 795 


nichtung des Splintes abgekratzt, der übrige Teil der Schälblöfse aber 
unberührt gelassen (s. Fig. 187). Ein Teil der im freien Lande er- 
wachsenen Versuchsbäumchen wurde aus seiner natürlichen vertikalen 
Stellung durch Bänder in eine zur Erdoberfläche geneigte Lage herab- 
gezogen. 

Die Neuberindung erfolgte nicht 
bei allen Exemplaren, bei einigen aber 
in vorzüglichem Maise. Unter letzteren 
zeigten sich Stämmchen, die allseitig 
neue Rinde gebildet hatten mit Aus- 
nahme der gänzlich abgetrockneten, 
abgekratzten Stellen in der Nähe des 
oberen und unteren Schnittrandes. Die 
neue Rinde stand also aufser jeglichem 
Zusammenhange mit der alten. Die 
Anfänge hatten sich allseitig zu gleicher 
Zeit gezeigt. Die Dicke der Neubildung 
war aber in dem unteren Teil der 
Schälblöfse mehr als doppelt so grofs N } 
wie am oberen Teil, ja, am unteren _...... ANKER) -------- I 
Rande war die neue Rinde stellenweise 1 # 
in kurzen, tropfenartig sich verdickenden 
Streifen auf die abgekratzte untere 
Isolierstelle gesunken. Bei einem ge- 
neigten Stämmchen hatte sich der 
Rindenfortsatz von der abgekratzten 
Stelle abgewendet und nach der Erde 
hin zu wachsen versucht, wie Fig. 187, ed’ 
zeigt. 

In Fig. 187 ist « der untere, « der 
obere Überwallungsrand der Schälblöfse. 
Dieser UÜberwallungsrand, der im Bau 
dem Ringelwulst der Weinrebe gleicht, 
ist hier nicht am ganzen Umfange 
ausgebildet worden, da ein Teil der 
Rinde in Lappen / und ! stehen gelassen 
worden ist. Auf diesen Lappen hat sich 
stellenweise auf kurze Entfernung von 
der Ansatzstelle her Neuholz mit Rinde 
(nh) gebildet. Die eigentliche Schäl- 
blöfse des Stammes ist dadurch von 
jeder Verbindung mit den Überwallungs- 
rändern ww abgeschnitten worden, dafs 3 
bei © und ’ das junge Holz, wie bereits Fig. 137. Geschälter Stamm einer 
erwähnt, rings am Stammumfange ab- Sülskirsche, dessen Schälstelle am 
gekratzt und auf diese Weise ein Isolier- a Re Kol Ye 2 ler 
streifen hergestellt worden ist. Auf der nr worden ist. (Orig.) 
von jeder Verbindung mit den Rinden- 
und Splintschichten abgeschnittenen Schälblöfse haben sich Neubildungen 
von Rindenelementen mit Holzanfängen eingestellt, welche keinen 
zusammenhängenden Mantel bilden, sondern aus einzelnen, inselartigen 
Gruppen bestehen. Bei anderen, vorsichtiger geschälten Stämmen ist 
die neue Rinde vollkommen gleichmäfsig über die Schälblöfse aus- 


796 V. Wunden. 


gebreitet. In der Mitte der Schälblöfse ist hier eine wellige Zone des 
blofsgelegten Holzkörpers ohne jede Neubildung geblieben. Die neue 
Produktion b hängt also mit der oberen a gar nicht zusammen; die 
obere «a ist bedeutend dicker. Beiden gemeinsam und bei allen ähn- 
lichen Neubildungen auf anderen Stämmen ebenso deutlich erkennbar 
ist die von oben nach unten zunehmende Dicke bei jedem einzelnen 
(rewebestreifen, der in seinem Ansehen durchaus die Erscheinung 
nachahmt, welche die herabrinnenden Massen einer schlecht brennenden 
Kerze darstellen. In der Tat ergiefst sich das untere, im Bau dem 
Ringelwulst gleichende Ende der Neubildung tropfenförmig über die 
nackt gebliebenen Stellen des Holzkörpers ee; ja, an den absichtlich 


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Fig. 188. Querschnitt durch eine neu entstandene Gewebeschwiele auf dem blofs- 
gelegten Holzkörper eines geschälten Süfskirschenstammes. (Orig.) 


schräg gehaltenen Stämmen löst sich die Neubildung, wie bei einer 
schräg gehaltenen, brennenden Kerze das Paraffin, von der Achse los 
und wächst, der Schwerkraft folgend, als isolierter Zopf senkrecht 
abwärts (e). 

Um nun zu zeigen, dafs die einzelnen kleinen Inseln, wie solche 
von Meren, Tan. Harrıc u. a. beobachtet worden sind, nicht etwa allein 
Markstrahlproduktionen sind, ist eine solche inselartige Neubildung in 
Fig. 188 im Querschnitt, in Fig. 189 im Längsschnitt dargestellt worden. 
Fig. 188, H zeigt das alte Holz. dessen Schälfläche t—t zum Teil ab- 
gestorben ist; nur der mittlere Teil hat sich zu einer neuen Produktion 
N—N angeschickt. 

Die Produktion begann unter Abhebung der äufsersten Zellenlage 
durch die schnell entstehenden Teilprodukte der nächstinneren Splint- 


Wunden des Achsenorganes. 797 


schicht, und zwar sowohl der jungen Holzzellen samt den Gefäfsen als 
auch der Markstrahlzellen. 

Nach baldiger Umgrenzung der verhältnismäfsig spärlichen Neu- 
bildung aus parenchymatischem Gewebe (r bis p) durch die dicker 
werdende Korkzone % erscheint sehr früh, und zwar erst strangweise, dann 
zusammenhängend eine innere Meristemzone, das neue Cambium (ec bis ec), 
das nun das sekundäre Wachstum des neuen Rindenkörpers übernimmt. 

Dadurch unterscheiden sich auch sehr wesentlich die beiden 
Wachstumsvorgänge, die bei der Neuberindung von Schälstellen ein- 
treten können. Wenn, wie dies bei umschlossenen, feucht gehaltenen 


er 


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Fig. 189. Längsschnitt durch die Basalpartie von Fig. 188, etwa in der von gbisp 
befindlichen Zone. (Orieg;.) 


Wunden der Fall ist, die neue Rinde mit mächtiger Callusproduktion 
unter lange anhaltender Teilung der peripherischen Zellen beginnt, wie sie 
Fig. 186 zeigt, tritt die Bildung der äufseren Korkzone und namentlich 
die Entstehung: der inneren Meristemzone sehr spät ein. Im Gegenteil 
hiervon zeigen, wie im vorliegenden Falle, die der heilsen Sommer- 
sonne schutzlos ausgesetzten Wundstellen den zweiten Vor- 
gang, indem die äufsersten der stehengebliebenen Zellen ihre Aufsen- 
membranen schnell verdicken, wobei sie zusammensinken und auf diese 
Weise den nächstinneren Schichten den nötigen Schutz vor Aus- 
trocknung gewähren; hier findet nur geringe Parenchymbildung und 
sehr baldiges Auftreten der Cambiumzone statt. Es scheint somit, dafs 


798 V. Wunden. 


die innere Meristemzone sich in einem Callus um so 
schneller ausbildet, je schneller sich durch Verkorkung 
ein genügender Rindendruck herstellt. 

Die nächste Produktion der neuen Cambiumherde Fig. 188, BR 
besteht in der Anlage isolierter, neuer Gefäfsbündelstränge , die, mit 
einzelnen kurzen Gefäfszellen (9) beginnend, mit zunehmendem Alter die 
Zahl und Gröfse ihrer Elemente schnell vermehren und so eine keilförmige 
Gestalt erlangen, welche die anfänglich ungemein breiten Markstrahl- 
regionen (m) immer mehr verengen, bis Bau und Lagerung der Ele- 
mente das normale Stadium des ungeschälten Stammes erreicht haben. 
Zu jedem Xylemteil gehört ein Phloömteil (p4), in dessen Nähe zahl- 
reiche Zellen mit oxalsaurem Kalk (0) erscheinen. 

Wir sehen, dafs das Auftreten der Grefäfsbündel in dem par- 
enchymatischen "Grundgewebe dasselbe wie in dem Ringelwulst 
ist. So ist es überall, wo eine parenchymatische Grundmasse von 
gröfserer Ausdehnung gebildet wird. Durch Querfächerung einer Anzahl 
zunächst in der Form von der Grundmasse nicht verschiedener oder 
wenig radial und longitudinal gestreckter Zellen bilden sich Meristem- 
herde, von denen aus die Anlage dickwandiger Gewebeelemente erfolgt. 
Bei von Anfang an sehr üppiger, callöser Zellvermehrung können im 
Innern der älter werdenden Gewebemassen gleichzeitig zwei parallele 
Zonen von Meristemsträngen entstehen, die zwei isoliert fortwachsende 
Holzkörper erzeugen, welche erst bei gröfserer Dicke miteinander ver- 
schmelzen. Die Bildung isolierter Getäfsbündel in der Rinde unserer 
Bäume ist keine aufserordentliche Seltenheit, wie bei den Knollen- 
masern gezeigt werden soll. 

Die ersten Vorgänge im Splint des geschälten Kirschbaumes er- 
kennen wir in Fig. 189, die einen Längsschnitt aus der Basis der 
Randpartie von Fig. 188 darstellt. H ist das alte, durch den Schnitt 
nicht mehr alterierte Holz mit längsmaschigen N etzgefäfsen (9). In der 
nach aufsen folgenden Splintschicht hat der Schnitt schon derartig auf 
das in der Ausbildung weit vorgeschrittene Gefäfs g’ gewirkt, dafs der 
Innenraum desselben sich mit Thyllen füllte und diese zu neuer 
Zellbildung verwendet und zu parenchymatischem Holze um- 
gewandelt wurden. Die neue Lage von Parenchymholz besteht nur aus 
wenigen Zellen und zeigt alsbald die ersten Anfänge dickwandigerer 
Elemente in Gestalt kurzer, poröser Gefäfszellen 92 als erste Produktion 
der neu gebildeten Cambiumschicht c—c. Jede folgende spätere, aus 
dem Cambium hervorgegangene Gewebeschicht zeigt schon längere 
Grefälse; bei h finden wir bereits dünnwandige, zwar noch verkürzte, aber 
den normalen Holzzellen unverkennbar ähnliche Elemente, denen ent- 
sprechend bei s die Weichbastelemente in der Rinde r auftreten; = ist 
Xylemstrahl, ph Phloömstrahl. 

Während im ersten Frühjahr, in welchem sich die Rinde leicht 
löst, in der Regel am ganzen Stammumfange durch das Abschälen die 
gleichnamigen Zellen zerrissen werden und somit eine etwaige Wieder- 
berindung, von gleichartigen Elementen ausgehend, auch gleichartig 
wird, sehen wir zur Zeit der Blattentwicklung bis zum ‚Juni hinein die 
Schälwunden immer unr egelmäfsiger werden. "Es bleiben an einer Stelle 
des Holzzylinders mehr Zelleruppen stehen, wie auf einer anderen, und 
demgemäls sind die Neubildungen verschieden. Es kommt dann vor, 
dais gefäfsführende Stücke des diesjährigen Splintes durch ein darunter 
entstandenes, callöses Gewebe in die Höhe getrieben werden. 


Wunden des Achsenorganes. 799 


Wenn man die Schälwunden ganz unbedeckt läfst, wird der Eintritt 
einer Neuberindung in manchen Fällen zweifelhafter; sie gelingt nach 
meinen Erfahrungen besser im ‚Juli und, bei manchen Bäumen, im August 
wie im April, Mai und Juni. Ahorn und Erle müssen früher geschält 
werden; zahlreiche Versuche mit diesen Bäumen im August waren 
sämtlich ohne Erfolg. 

Untersucht man eine Schälwunde, welche in der heiflsen Mittag- 
stunde bei intensiver Sonnenbeleuchtung gemacht und ohne jeden 
Schutz gelassen worden ist, nach einigen Stunden (zum Versuche 
wurden Sülskirschen benutzt), so findet man zunächst die Farbe des 
ursprüglich weilsen Holzzylinders in Gelb übergegangen. Diese Färbung 
verdankt die Wundfläche vorzugsweise den Markstrahlzellen, deren. 
Wandung sich gebräunt hat. 

Die Bräunung ist auf der Südwestseite intensiver als an der 
Nordostseite. 

Die Markstrahlen kennzeichnen sich leicht dadurch, dafs sie sofort 
nach Entfernung der Rinde über die Schälfläche etwas hervorgewölbt 
erscheinen. 

Dieser Umstand deutet darauf hin, dafs die Markstrahlzellen in 
derselben radialen Entfernung von der Mittellinie des Stammes schon 
fester in ihren Wandungen geworden als die jungen Holzzellen, also in 
der Entwicklung fortgeschrittener als die gleichalterigen Zellen des 
Gefäfsbündels sind. 

Ein solches Vorauseilen der Markstrahllen wird sie zum 
Schwellgewebe stempeln, welches dem neu entstehenden 
Holzgewebe in der Richtung des Stammradius Raum 
schafft. 

Zum Teil kommt dieses Hervortreten der Markstrahlgruppen auch 
durch das in der Regel nach der Schälmanipulation erfolgende schnellere 
Hervorwölben ihrer äufseren Wandung zustande, die (schutzlos) sich 
sehr schnell verdickt und bräunt. 

In den Markstrahl- und jugendlichen Holzzellen, die unmittelbar 
unter der Wundfläche liegen, vermehrt sich der Zellinhalt; es treten 
Plasmamassen und später Stärke auf; erstere ballen sich bei Glyzerin- 
zusatz zu einzelnen, gelben Kugeln. Unter der äufsersten Zellschicht, 
welche alsbald zusammensinkt und nun einen schützenden Mantel für 
das darunterliegende junge Gewebe darstellt, beginnt die Neubildung 
von Zellen durch Auftreten von Querwandungen. In den Markstrahl- 
zellen, welche auch hierbei in der Regel vorauseilen, wird durch die 
Neubildung häufig der Markstrahl verbreitert, indem seine seitlichen 
Zellen sich fächerartig über die angrenzenden Holzzellen auszubreiten 
suchen. 

Es ist bereits gesagt worden, dafs aber manchmal auch die Mark- 
strahlzellen ganz oder teilweise in der Entwicklung zurückbleiben können; 
dann legen sich die parenchymatischen, hier nie rundlichen, sondern stets 
polygonalen Calluszellen, welche aus den jugendlichen Holzfasern hervor- 
gegangen sind, über die Markstrahlgruppen hinüber. In der Regel aber 
beteiligt sich das gesamte Gewebe gleichmäfsig an der Bildung einer 
schmalen Calluslage, welche die äufsersten vertrocknenden und dadurch 
eine Schutzschicht darstellenden Zellen vom alten Holze abhebt. 

Während bei den in feuchter Luft unter schützendem Verschlufs 
gehaltenen Schälstellen die Callusbildung durch wucherndes Spitzen- 
wachstum der einzelnen Zellreihen eine sehr bedeutende ist, erreicht 


800 V. Wunden. 


sie hier bei den ungeschützten Schälstellen nur geringe Dimensionen. 
Unter der vertrockneten äufseren Zellschicht tritt alsbald Korkbildung 
auf, welche nun einen schnürenden, fest schützenden Gürtel für das 
darunterliegende Junge ergrünende Gewebe darstellt. 

Bei der Neuberindung einer Schälstelle kommt auch noch ein dritter 
Fall vor. Wenn nämlich die Schälwunde in der Weise hergestellt 
worden ist, dafs junge Rindenzellen die äufsersten Lagen des blots- 
gelegten Holzkörpers darstellen, dann leiten diese zunächst die Callus- 
bildung ein, und die eigentliche Cambiumschicht er leidet nur geringe 
Störungen. 

Der Übergang des Callus in das normale Gewebes findet im all- 
gemeinen in der Weise statt, dafs nach Beginn der Korkzellenbildung 
am Umfange des Callus zunächst tiefer im Innern desselben vereinzelte, 
kurzzellige Gefäfsstränge auftreten. Etwa in derselben radialen Richtung, 
aber mehr in der Nähe der Randzone, findet man um diese Zeit kurze, 
diekwandige, schwach poröse, unregelmälsig gestaltete oder auch poly- 
sonale Zellen, welche die ersten Spuren einer Bastbildung andeuten. 
Bei manchen Bäumen finden sich vereinzelt oder bald zu Gruppen ver- 
einigt die ersten Bastelemente in Form von Steinzellennestern. In 
einer Zone zwischen den Bast- und den Gefäfselementen findet man 
Zellen mit trüberem, dichterem Inhalt. In diesen treten eine Menge 
parallelwandiger, in der Richtung der Längsachse des Stammes etwas 
gestreckter Zellen auf, welche die erste Anlage des neu sich 
bildenden Cambiums sein dürften. Von diesem Cambium aus 
entstehen allmählich die langgestreckten Elemente, die sich endlich zu 
normalen Holz- und Hartbastzellen ausbilden. Nur lange, enge Spiral- 
gefälse scheinen nicht mehr angelegt zu werden. 

Mit der Ausbildung dieser spätest erscheinenden normalen Hart- 
bastzellen dürfte sich die neue Rinde auch in ihrer Funktion der un- 
versehrt gebliebenen angeschlossen haben. 


Das Biegen der Zweige. 


Als ein spezielles Hilfsmittel der Obstkultur kommt das Biegen 
der Zweige vielfach zur Anwendung. Die Erfahrung zeigt nämlich, 
dafs Triebe, welche senkrecht in dıe Höhe wachsen, am schnellsten 
und kräftigsten sich entwickeln und dafs ihr Längenwachstum um so 
mehr verlangsamt wird, je mehr der Zweig von der Vertikalen nach 
der Horizontalen hin geneigt wird. Dieselbe Verlangsamung des 
Spitzenwachstums zeigt sich aber auch, wenn Zweige aus natürlich 
gegebener Horizontallage mehr zur Senkrechten hin künstlich gebogen 
werden, woraus zu erkennen ist, dafs die Biegung an sich den hemmenden 
Einflufs ausübt. 

Eine äufserlich wahrnehmbare Wunde entsteht bei vorsichtiger Aus- 
führung der Manipulation nicht; man gewahrt nur an der Oberseite eine 
etwas gröfsere Straffheit, an der Unterseite eine Faltung der Rinde. 

Durch das Biegen wird die Ausbildung der Augen beeinflufst, in- 
dem die unterhalb der Biegungsstelle stehenden Knospen stärker an- 
schwellen und nicht selten vorzeitig austreiben. Der Erfolg hängt 
davon ab, wann und in welcher Höhe ein Zweig gebogen wird. Je 
näher sich die Biegungsstelle der Zweigspitze befindet, desto geringer 
die innere Verwundung, desto geringer aber auch der gewünschte 
Erfolg. Es werden sich dann die unterhalb der Biegung befindlichen 


Wunden des Achsenorganes. s0l 


Augen zu schlanken Laubtrieben entfalten, während bei einer Krümmung 
des Zweiges an seiner Basis die zur Streckung angeregten Augen nur 
Triebe von geringer Länge entwickeln werden; letztere aber zeigen 
dann Neigung, sich zu Fruchtholz umzuwandeln. 


= FR 
STEN 


ji 
ll 


Fig. 190 u. 191. Künstlich gebogener Apfelzweig im Längs- und Querschnitt. (Orig.) 


Wir sprachen oben von einer inneren Verletzung der Achse auch 
bei sorgfältiger Biegung. Diese lernen wir am besten an einem be- 
stimmten Beispiel kennen, wie es in den Fig. 190—194 von einem 
Apfelzweige vorgeführt wird. 


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I 


Fig. 192. Rindenfalte von der Unterseite der Biegungsstelle. (Orig.) 


Die Faltung der Rinde ist auf Fig. 190, rf und Fig. 191, rf angedeutet. 
Man findet zunächst schon bei der Betrachtung mit blofsem Auge im 
Längsschnitt (Fig. 190, h) und im Querschnitt (Fig. 191, «) eine Holz- 
anschwellung auf der Unterseite unterhalb einer mattbräunlichen, an 
der Biegungsstelle verbreiterten Zone (Fig. 190 und 191, hp). Der Rinden- 


Sorauer, Handbuch. 3. Aufl. Erster Band. ol 


802 V. Wunden. 


körper zeigt aufser der Faltung keine so wahrnehmbare, gleichmäfsig 
zunehmende Verdickung. | 

Das Dickenverhältnis der Unterseite zur Oberseite der Rinde ist 
bei dem hier gezeichneten Apfelzweige wie 50:42, während die Unter- 
seite des Holzkörpers sich zur Oberseite verhält wie 2:1. Der Mark- 
körper (m) erscheint im Längsschnitt, besonders in der unteren Hälfte, 


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Fig. 193. Längsschnitt durch den Holzkörper innerhalb der Biegung. (Orig.) 


schwach bräunlich gestreift. Unter dem Mikroskop erweisen sich viele 
der oft in wellige Reihen geordneten Zellen des Markes und der Mark- 
krone mit bräunlichem Inhalte und gebräunten Wandungen, welche bei 
einzelnen Zellen, die der Markunterseite angehören, hier und da ein- 
geknickt sind und an diesen Knickstellen durch neu entstandene Inter- 
cellularräume voneinander getrennt sind (Fig. 194). Dieselbe Lockerung 
zeigen diese Zellen auch im Querschnitt. 


Wunden des Achsenorganes. 803 


Die Störungen der Rinde lassen sich am leichtesten in den vor- 
springenden Falten der Unterseite (Fig. 190 und 191, rf) erkennen. In 
solchen, durch das Biegen vom Holzkörper abgeplatzten Falten zeigen 
die Bastbündel (Fig. 192, Ab) in der Regel eine starke Krümmung nach 
aufsen, entsprechend den peripherischen, durch das Quetschen der 
Epidermiszellen in bedeutender Dicke entstandenen Korklagen (k) samt 
dem Rindenparenchym (r), das durch zahlreiche Lücken (l) in unregel- 
mäfsige Partien auseinander gerückt ist. In diesen Lücken finden sich 
einige Zeit nach der Biegung einzelne Brücken radial gestreckter 
Zellreihen, die durch Verlängerung der noch streckungsfähigen Zellen 
der jungen Innenrinde entstanden sind. 

Die Biegung ist am vorliegenden Apfelzweige zu Anfang des 
Sommers, wie dies in der Praxis geschieht, ausgeführt worden. Die 
Rinde hat sich an den oben beschriebenen Falten in der Cambial- 
region vom Holzkörper abgehoben. Die Befreiung des Holzkörpers an 
diesen Stellen vom Rindendruck hat die Bildung eines reichlichen, 
stärkeerfüllten Parenchymholzes zur Folge gehabt, wie der Längs- 
schnitt durch den Holzkörper (Fig. 193, hp) zeigt. Nach Ausfüllung 
der Lücke und Herstellung des Rindendruckes ist das Parenchymholz 
allmählich wieder in normales Holz (Fig. 193, Ah’) übergegangen. 

Die Ausfüllung der Lücke er- 
folgte hier nach Verschmelzung; der 
beiden aufeinander zu wachsenden 
Parenchympartien, die sich in der 
Mittelzone (z) vereinigt haben. Diese 
gelb gefärbte Zone löst sich bei 
starker Vergröfserung in einem 
Streifen stark zusammengeprefster 
Zellen auf. In anderen Fällen ent- 
steht die Ausfüllung der Lücke Fig. 194. a Markzellen, welche durch 
auch durch parenchymatische Neu- die Biegung gelockert, b solche, die un- 


bildungen sowohl von der abgeho- versehrt geblieben sind. (Orig.) 
benen Rindenzone als auch — wie 
bei Schälwunden — von dem stehengebliebenen jungen Splintgewebe 


aus. In allen Fällen beginnen nach der Ausfüllung zunächst Gefälse 
im Parenchymholz aufzutreten, die allmählich ihre normale Länge und 
Ausbildung erhalten, von anfangs kürzeren, dünnwandigeren, später 
normal langen und dickwandigeren Holzzellen begleitet werden und so 
die normale Holzbildung einleiten. 

Nach der Schliefsung dieser Biegungswunden ist der Einflufs der 
Biegung aber immer noch weiter durch eine auf der Unterseite stärker 
als auf der Oberseite stattfindende Holzproduktion bemerkbar. Das 
neugebildete Holz (Fig. 193, h) folgt auf der Unterseite in seiner 
Lagerung der Wellenform, welche durch den Parenchymholzkegel hp 
bedingt wird. Gegenüber den sparsameren, gleichzeitig entstandenen 
Elementen der Oberseite der Biegungsstelle sind anfangs die Prosenchym- 
zellen auf der Unterseite kürzer und stumpf mit breiten Wandungen 
aufeinander stehend. Ferner finden sich auf der Unterseite zunächst 
reichlicher gefächerte, mit Stärke erfüllte Holzzellen und Parenchym- 
holzreihen (hp) zwischen den derbwandigen, prosenchymatischen 
Elementen. 

In der Zeichnung sind des beschränkten Raumes wegen gröfsere 
Gewebepartien weggelassen worden; es fehlt ein Teil des vor der Biegung 

3 Ba 


804 V. Wunden. 


gebildeten, normalen Holzkörpers sowie ein Teil des nach der Bildung 
des Parenchymholzes entstandenen, die Biegung ausgleichenden Über- 
gangsgewebes. In Fig. 193 bedeutet fh das diesjährige Frühlingsholz, 
g die den Markkörper m%k begrenzenden Spiralgefäfse. Fig. 194 sind a die 
Markzellen, die durch die Biegung gelockert, b solche, die unversehrt 
geblieben sind und aus der oberen Hälfte des Markkörpers stammen. 

Wenn man den gekrümmten Zweig von der Biegungsstelle aus 
aufwärts und abwärts untersucht, so findet man, dafs im vorliegenden 
Falle der Einflufs der Krümmung sich durchschnittlich auf etwa 6 bis 
8 cm Länge erstreckt. 

Die Messungen des zur Zeichnung gewählten Zweiges ergaben 
folgendes: 

Die Dicke des Zweiges betrug 4,65 mm unterhalb der Biegungs- 
stelle, 5,50 mm innerhalb und 5,06 mm oberhalb der Biegungsstelle. 
Die Rinde zeigte nach der Spitze hin eine bedeutende Dickenzunahme. 

Die Dicke des Holzkörpers vor der Manipulation betrug 

at 6a 
unterhalb der Biegungsstelle | Daıae | des zur Zei dee 
h nr oberseits 50,6°/o ı sung vorgefundenen, 
aner a 2 unterseits 35,2 °/o [durch Nachwuchs ver- 
bechsie oberseits 67,4°/o | stärkten Holzzylinders. 
DUOETB 2 “ unterseits 51,4 °/o 


unterseits 61,9 °/o 


Der Zuwachs von der Zeit der Biegung bis zur Zeit der Unter- 


suchung betrug 
7 an Herbstholz an Frühlingsholz 


ET 0/0 0 

unterhalb der Biegungsstelle De a 0 ee .n 
innerhalb oberseits 39,0 %o 10,4 0/o 
2 2 unterseits 51,8 °/o J 3,4 Jo 

SBEHhAIk | oberseits 28,1 /o 5,9 0/0 
? z | unterseits 27,2 0/0 21,9 do 


Also der Holzzuwachs ist trotz der grofsen Spannung, die durch 
das Biegen des Zweiges an der konvexen Seite innerhalb der Biegungs- 
stelle herrschen dürfte!), doch auch an der Oberseite verhältnismäfsig 
höher als ober- und unterhalb der gebogenen Stelle. Die Gewebe- 
lockerung, welche sich an der Biegungsstelle geltend macht, ist auf 
der Oberseite nicht mehr weit hinauf kenntlich; dagegen läfst sich die- 
selbe auf der Unterseite noch bis auf 6 cm nach der Spitze hin verfolgen. 

Die Holzzellen sind innerhalb der Biegungsstelle am weitesten; 
oberhalb derselben sind sie noch weiter als unterhalb. Auf der Zweig- 
unterseite erschienen sie hier weiter als auf der Zweigoberseite. 

Je nach der Gröfse des Bogens, den der Zweig bei der Krümmung 
beschreibt, sowie je nach der Zeit der Ausführung der Biegung und 
nach der Spezies, ja selbst je nach der Individualität des Zweiges sind 
die anatomischen Veränderungen quantitativ wechselnd. 


!) Über das Zustandekommen der Druckspannung vgl. Ursrrung, H., Beitrag 
zur Erklärung des exzentrischen Dickenwachstums an Krautpflanzen. Ber.d.Deutsch. 
Bot. Ges. 1906, Heft 9, S. 499. Ferner: Bücher, H., Anatomische Veränderungen 
bei gewaltsamer Krümmung und geotropischer Indnktion. Jahrb. f. wiss. Bot. 1906, 
Bd. 43, S. 271. 


Wunden des Achsenorganes. 805 


Man hat also in dem Biegen der Zweige ein einfaches 
Mittel, den Längstrieb zu mäfsigen und die Wasser- 
zufuhr auf Augen zu lenken, welche ihrer Lage und An- 
lage nach wenig zur Weiterentwicklung befähigt sind. 

Weit energischer und nachhaltiger als das Biegen wirkt in der- 
selben Richtung 


das Drehen der Zweige. 


Ein weiteres Kulturhilfsmittel der Obstzüchter behufs Anderung 
des Wachstums der Zweige stellt das Drehen derselben dar. Während 
der Vegetationszeit wird nämlich ein zu üppig wachsender Zweig in 
einer schon verholzten, kurzen Region zuerst durch halbseitiges Drehen 
der Gewebe um ihre Längsachse in diesen Partien gelockert, meist dabei 
auch schon gequetscht und der Länge nach gespalten und dann an 
dieser gelockerten Stelle mit seiner Spitze schleifenartig nach unten 
gebogen, so dafs die Spitze des Zweiges in einer nach der Basis 
gerichteten Lage verbleibt. An 
der Drehungsstelle gelangt da- 
durch die Unterseite des Zwei- 
ges nach oben, die frühere 
Oberseite bildet die Innenseite 
der scharfen Biegung, in wel- 
cher der Holzkörper bis zum 
Mark einbricht. 

Ein möglichst übersicht- 
liches Bild der durch die 
Drehung entstandenen Verän- 
derungen liefert der Längs- 
schnitt durch die knotige, 
verwachsene, ein Jahr alte 
Drehungsstelle Fig. 195. Darin 
ist m der Markkörper, der 


durch den beim Drehen er- Fig. 19. Ein mit seiner Spitze abwärts ge- 


:,  bogener und an der Biegungsstelle um seine 
folgten Bruch des Holzes mit Längsachse gedrehterZweignach Verwachsung 


gestört worden ist. Ah ist das der inneren Verwundungen. (Orig.) 
Holz der jetzigen Oberseite, an 

dem bei a ein Auge sitzt. Durch die Umdrehung der Unterseite zur 
jetzigen Oberseite ist der Holzkörper vielfach längsspaltig geworden, 
und die durch die Risse entstandenen Lamellen sind in spiralige Drehung 
gekommen, was durch dd angedeutet werden soll. Die Risse werden 
zunächst durch Parenchym ausgefüllt, und die allmählich sich wieder 
schliefsende Cambiumzone lagert wellige Neuholzschichten (rn) über die 
Wunden unterhalb der aufserordentlich gespannten, nicht selten durch 
spiralige Längsrisse hier und da geklüfteten Rinde (r). 

Die nach der Drehung zur Unterseite gewordene organische Ober- 
seite zeigt noch gröfsere Störungen. Der in w zerbrochene, vom Mark 
teilweis abgespaltene Holzkörper (h’) hat sich durch sehr unregelmäfsig 
bogig gelagerte Partien von Parenchymholz zu einem orofsen Knoten « 
geschlossen, der bei fortgesetztem Wachstum durch die Neuholz- 
bildungen (n’) stetig an Umfang zunimmt. 

Dafs durch eine derartige Gewebeverletzung die Spitzenernährung 
des Zweiges gestört werden mufs. und dafs das als Stärke sichtbare 
Reservematerial in den parenchymatischen Überwallungspartien der 


806 V. Wunden. 


Wundränder den nächstliegenden Augen zum Vorteil gereichen mufs, 
ist leicht einzusehen. Dais neben dieser stärkeren Ernährung auch die 
unmittelbar unter der Drehungsstelle befindlichen Augen von dem ver- 
mehrten Wasserdrucke profitieren werden, geht aus dem früher Ge- 
sagten ebenfalls zur Genüge hervor. 

Die Manipulation des Drehens ist, wie bemerkt, ein energischeres 
Mittel zur Lähmung des Spitzenwachstums eines Zweiges zu gunsten 
der Stärkung basaler Augen, ohne aber dabei das unter der Ver- 
wundung liegende, höchste Seitenauge zum sofortigen starken Aus- 
treiben zu veranlassen. Nur wenn durch die Drehung die Verletzung 
der Gewebe so stark ausgefallen ist, dafs die Triebspitze auch das not- 
wendigste, durch Verdunstung entweichende Wasser nicht mehr er- 
halten kann und schnell vertrocknet, namentlich wenn die Manipulation 
zu früh im Jahre ausgeführt wird, wächst das zunächst unter der 
Drehungsstelle befindliche Seitenauge zu einem neuen, kräftigen Laub- 
triebe aus. Dieser Erfolg wird natürlich vom Obstzüchter nicht be- 
absichtist. Eine zu spät im Jahre ausgeführte Drehung würde zwar 
nicht mehr die genügende Wirkung hervorbringen, basale Augen zu 
Fruchtaugen vorzubereiten, aber doch das Längenwachstum des Zweiges 
hemmen und das Holz mehr zur Reife bringen, so dafs es dem Winter 
besser widersteht. 

Bei der Senkervermehrung der Quitten dreht man auch 
gern einmal den abzusenkenden Zweig um seine Längsachse an der 
Stelle, an welcher er in der Erde Wurzeln bilden soll. Die Art der 
Störung ist ähnlich wie bei dem vorerwähnten Falle; der Erfolg in- 
sofern ein anderer, als das gehemmte, absteigende, plastische Material 
vorzugsweise zur Bildung von Adventivwurzeln verwendet wird. 

Die deutschen Weinbauer in der Umgegend von Tiflis sollen die 
Stiele der reifen Weintrauben drehen und dadurch einen besseren 
Wein erzielen. Die durch diese Manipulation eingeleiteten Vorgänge 
werden folgendermafsen ineinander greifen. Durch das Drehen des 
Stiels wird die Wasserzufuhr aus der Rebe in die Traube gemäfsigt; 
infolgedessen erlangt die Verdunstung ein gröfseres Übergewicht über 
die Zufuhr, und der Saft der Beeren wird concentrierter. Was an 
Stärke etwa noch in den Stielen ist, wird als Zucker nach den Beeren 
geschickt. Dieselben veratmen dabei auch einen Teil der organischen 
Säuren. Dieselben Prozesse finden bei dem Nachreifen der ab- 
geschnittenen Trauben statt. 


Wirkung des Einschnürens der Achse. 


Das „Einschnüren“ besteht in dem dichten Umlegen eines nicht 
nachlassenden Bandes (aus Bindfaden, Draht u. dgl.) um einen Stamm 
oder Zweig. Die Folgen dieser Manipulation ergeben sich aus der 
einfachen Betrachtung, dafs dieses Einschnüren einer Achse nichts 
anderes ist, als eine lokale, künstliche Vermehrung des Rinden- 
druckes. Nur findet hier alsbald der extremste Fall von Rindendruck 
statt, indem die Neubildungen unter der geschnürten Stelle allmählich 
bis auf ein Minimum reduziert werden und endlich gänzlich aufhören. 
Die Holzelemente in der Nähe des schnürenden Bandes kommen dabei 
aus ihrem senkrechten Verlaufe und nehmen eine schiefe, ja selbst bis 
zur horizontalen sich steigernde Lagerung an, so dafs ich glaube, dafs 
auch im normalen Baume die mehr oder weniger spiralige 


Wunden des Achsenorganes. = 780% 


Drehung der Holzfasern bei den verschiedenen Bäumen mit dem 
gröfseren oder geringeren Druck zusammenhängt, den die Rinde ausübt. 

Endlich wird die Verdickung des Baumes oberhalb der geschnürten 
Stelle so grofs, dafs die Rinde oberhalb und später auch unterhalb des 
Bandes reifst, also nun der Rindendruck fast gänzlich aufgehoben wird. 
Die Folge davon ist eine üppige Bildung von Parenchymholz, das mit 
dem Alterwerden des Pflanzenteils in den späteren Jahreslagen all- 
mählich in normales Holz übergeht und das Band, bzw. den Draht 
gänzlich überwall. Eine solche überwallte Schnürstelle hat dann 
äufserlich grofse Ähnlichkeit mit einer Veredlungsstelle, im inneren 
Bau natürlich nicht. 

In der umstehenden Fig. 196 sind zwei verschiedene Stadien des 
Einschnürens dargestellt. Fig. 196, 1 ist ein einjähriger Ahornzweig, der 
eine Schnürstelle von wenigen Monaten, besitzt. Fig. 196, 2 zeigt ein 
älteres Aststück, das eine mehrjährige UÜberwallung eines Drahtringes 
aufzuweisen hat. Fig. 196, 3 ist der Längsschnitt von Fig. 196, 2, und 
im ersteren ist d und d’ der Durchschnitt des Drahtringes, « der Über- 
wallungsrand, welcher an der einen Seite (#) durch die erhöhte Nährstoff- 
zufuhr seitens des überstehenden Zweiges z stärker entwickelt ist und 
den Draht früher überwallt hat als an der Gegenseite. 

Die anatomische Untersuchung des in Fig. 196, 1 dargestellten 
Stadiums ergab, dafs das Schnüren anfangs nicht sehr durchgreifende 
Veränderungen hervorzurufen vermag. Den wesentlichsten Nachteil hat 
die Rinde erlitten, und zwar sind es vorzugsweise die in der primären 
Rinde nach aufsen hin zwischen den Hartbastzellen, respektive den 
Steinzellnestern und der Epidermis liegenden Zellschichten, welche 
zusammengedrückt worden sınd. Am stärksten zusammengepreist er- 
scheinen die dem Hartbast am nächsten liegenden Zelllagen; weniger scharf 
ist der Einflufs auf die nach aufsen folgenden, oft schon collenchymatisch 
verdickten Lagen; ihre Zellen werden auf die Hälfte bis auf ein Viertel 
ihres normalen Querdurchmessers zusammengedrückt, und es scheint, 
als würden sie dabei auch etwas verlängert gegenüber den entsprechenden, 
an einer ungeschnürten Stelle liegenden Zellen. Die subepidermalen, 
fast quadratischen Zellen werden auf etwa die Hälfte ihres Quer- 
durchmessers zusammengeprefst; am wenigsten leidet die Epidermis. 

Wenn, wie hier in Fig. 196, 7 das schnürende Band mehrmals um 
den Zweig geschlungen ist, dann machen sich zwischen je zwei Um- 
schlingungen scheinbar weit vortretende Wülste bemerkbar. In diesen 
ist die erwähnte Rindenpartie in der entgegengesetzten Weise wie an 
der Schnürstelle ausgebildet. Die im normalen Zweige in der Längs- 
richtung gestreckten, dem Hartbast angrenzenden Zellen sind radial 
bedeutend erweitert, ja kommen selbst lang cylindrisch in einer 
senkrecht auf die Hartbastzellen verlaufenden Richtung vor; dadurch 
wird das über ihnen liegende Rindengewebe, das weniger an der 
radialen Erweiterung teilnimmt, in die Höhe gehoben. Übrigens sind 
die zwischen zwei Schnürstellen liegenden Aufwulstungen gar nicht 
absolut grofs; sie erscheinen nur im Gegensatz zu den Vertiefungen 
besonders auffallend. Den Ausbuchtungen und Pressungen der primären 
Rinde folgen, wenn auch mit weit geringeren Schwankungen, die 
sekundäre Rinde und der Holzkörper. Der Druck, welcher sich auf 
die Gewebe geltend macht, wirkt nicht nur so weit, als gerade das 
Band auf der Rinde aufliegt, sondern auch noch etwas ober- und unter- 
halb der eigentlichen Schnürstelle; man merkt dies an dem Quer- 


808 V. Wunden. 


durchmesser der Zellen. Diese zeigten im Mittel aus zehn Messungen 
ein gegenseitiges Verhältnis 


ın der Rinde 


normale Wulst geschnürt 
Fig. 196, Zn Fig. 196, 2w Fig. 196, 1g 
11,2 11,8 9,4 
im Holz 
7,3 6,9 4,6 


Nach diesen Mittelzahlen, deren Glieder übrigens bedeutende Schwan- 
kungen darstellen, gibt sich also nur in den rundlich und weiter er- 
scheinenden Rindenzellen eine Vergröfserung kund; die Holzzellen da- 
gegen erscheinen etwas enger als im normalen Holze, wobei jedoch zu 
betonen, dafs dieselben gröfsten Breitendurchmesser der Holzzellen im 
Wulst wie in dem normalen von der Schnürstelle entfernten Zweig- 
teile angetroffen werden und nur die Häufigkeit des Vorkommens den 
Ausschlag gibt. 

Wenn die Schnürstelle jedoch älter wird, ohne dafs das Band ge- 
lockert oder gelöst werden kann, wie dies bei der in Fig. 196, 2 und 3 
dargestellten Drahtumschlingung der Fall ist. dann nimmt endlich 
durch das Dickenwachstum des Holzkörpers des Stämmchens der 
Druck des Drahtes auf die Rindenschichten derartig zu, dafs dieselben 
getötet und in eine braune, krümelnde Masse verwandelt werden. 
Schliefslich reifst die gesunde Rinde ober- und unterhalb des Drahtes 
ein, und nun beginnt der Einschlufs des Drahtes durch Überwallung. 
Dadurch, dafs die überwallenden Schichten des Jahresringes in Holz 
und Rinde bedeutend dicker als an den vom Draht entfernten Stellen 
sind, tritt die ehemalige Schnürstelle als bedeutender Wulst hervor. 

Fig. 196, 4 zeigt den in Fig. 196, 3 bei a angedeuteten Ausschnitt 
wesentlich vergröfsert. Wir sehen hier im Längsschnitt einen kleinen 
Teil des alten Holzes des Zw eiges H vor der Anlegung des Drahtes d und 
gewahren die Neubildungen des Überwallungsrandes zunächst in der 
engsten Umgebung U des Drahtes und darauf eine Fortsetzung dieses 
Gewebes aus einer älteren Jahreslage U’. Die Ubergänge sind aus 
Mangel an Raum fortgelassen worden: ebenso fehlt die Darstellung der 
über U’ hinausgehenden Verschmelzung dieses ganzen oberen Über- 
wallungsrandes mit dem unteren und die Darstellung, des Überganges 
von den wirr verlaufenden Holzelementen des UÜberwallungsrandes zu 
dem normalen Holzbau, wie derselbe in den späteren Jahreslagen über 
der Drahtstelle wieder allmählich zustande kommt. 

Wäre das Holz ohne die Behinderung durch den Draht normal 
weiter gewachsen, dann hätte der Bau derselbe bleiben müssen, wie er 
in H vor der Schnürung sich darstellt; es wären in regelmäfsiger Auf- 
einanderfolge Holzzellen A mit Gefäfsröhren g gebildet worden, und 
dieses weite Holz wäre durch radial verlaufende Markstrahlen m regel- 
mäfsig gefächert worden. Statt dessen sehen wir nun durch den Einflufs 
des Drahtes ein Holz an der Schnürstelle und oberhalb derselben, Ah”, 
entstehen, das fast nur aus Holzzellen ohne Gefäfse zusammengesetzt 
ist. Diese Holzfasern lagern sich auch nur noch im Anfang bei A’ genau 
in der Längsrichtung des Zweiges; je mehr sie sich in der Richtung 
von h’ und A” befinden, um so schräger verlaufen sie, um so gedrehter 
erscheinen sie. Das nach dem Umlegen des Drahtes gebildete Holz ist 


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ZH an = ED are ee rn 
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m — 


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Fig. 196. 1 ist ein einjähriger geschnürter, 2 ein mehrjähriger Zweig mit tiber- 
walltem Drahtring. 3 Längsschnitt durch Fig. 2, 4 anatomisches Bild eines Längs- 
schnittes aus der Fig. 3, «a stammenden Zone. (Orig.) 


810 V, Wunden. 


also dichter, gefäfsärmer und gedrehter geworden. Die Mark- 
strahlen, welche sonst als grade radiale Bänder vom Marke nach der 
Rinde hin verlaufen, machen dieselbe Drehung und das Ausweichen 
nach oben mit, wie die Holzzellen, so dafs ein genau in der Richtung 
des Stammradius geführter Schnitt verschiedene der gebogen ver- 
laufenden Strahlen m” anschneidet. 


Den Unterschied zwischen Holzzellen und Markstrahlzellen bemerkt 
man aber erst in einiger Entfernung von dem Drahte. In dessen un- 
mittelbarster Nähe finden wir ein fast gleichmäfsiges parenchymatisches 
Holz hp, dessen Randpartie abgestorben und schwarz ist und den 
dunklen Strich darstellt, den wir in Fig. 196, 3 vom Draht d’ aus eine 
kleine Strecke aufwärts verlaufen sehen. Die schwarze Furche geht nicht 
mehr ganz nach aufsen, da die späteren Jahreslagen (Fig. 196, 3 w) 
schon miteinander verschmolzen sind. Diese zu einer gemeinsamen, 
zusammenhängenden Holzlage miteinander verbundenen Überwallungs- 
ränder sind in Fig. 196, 4 durch das Gewebe H’ angedeutet. Hier finden 
wir die Gefäfse g’ und die Holzzellen nA’, wie im normalen Holze (nur 
kürzer) gebildet; aber ihr Verlauf ist in der Ebene, welche in gleicher 
Höhe mit dem Draht liegt, horizontal statt vertikal. Erst wenn man 
sich etwas von der eigentlichen Schnürstelle nach oben oder unten 
entfernt, fangen diese Elemente an, allmählich in den senkrechten, 
normalen Verlauf überzugehen, Fig. 196, # gW. Die gebräunte respektive 
geschwärzte Zone hp setzt sich nicht mehr bis U’ fort. 

Nicht ohne Grund ist die Bezeichnung „gebräunt beziehungsweise 
geschwärzt“ gewählt worden; denn die Färbung ist von t bis ? voll- 
kommen tintenschwarz, von da aus nach ?” braunschwarz. In der Tat 
ist es auch Tinte, welche den geronnenen Zellinhalt in der Nähe des 
Drahtes färbt. Die Gerbsäure des Gewebes hat sich mit dem Eisen 
des Drahtes verbunden und damit den Zellinhalt der nächsten Um- 
gebung getötet. Diese Verbindung ist nun auf weitere Strecken 
diffundiert, und zwar in dem Markstrahlgewebe weiter in das alte Holz 
hinein als quer durch die Holzzellen hindurch. Dafs der Draht direkt 
am alten Holze liegt und eine Zone desselben schon getötet hat, darf 
nicht in Erstaunen setzen, wenn man bedenkt, dafs der immer stärker 
werdende Druck des sich ausdehnenden Stammes auf den nicht nach- 
gebenden Draht dazu führt, die weiche Rinde und das Cambium zu- 
sammenzudrücken und zu töten. Das tote Gewebe ist nur noch in 
schwachen Resten am Draht erkennbar. 


Wie diese verschiedenen Gewebeformen zustande kommen, haben 
wir bereits oben durch den erst bis auf das Aufserste gesteigerten und 
dann durch das Platzen der Rinde um den Draht herum nahezu voll- 
kommen ausgelösten Rindendruck erklären können. Die fast vollständige 
Lockerung der geplatzten Rinde läfst aus der Cambiumzone zunächst 
Parenchymholz hervorgehen; später, wenn durch Verschmelzen der 
Wundränder über dem dadurch eingeschlossenen Drahte sich der 
Rindendruck einstellt, treten auch echte Holzzellen und Gefäfse wieder 
auf; aber die Lagerung dieser Elemente ist noch lange Zeit hindurch 
die horizontale oder spiralige, schief aufsteigende, die sich durch den 
starken Druck des Drahtes zu der Zeit eingeleitet hat, als die Cambium- 
zone des Stammes noch hinter dem Drahte lag. 


Physiologisch interessant bleibt die extreme Drehung der Holz- 
fasern, die in geringerem Mafse bei sehr vielen Bäumen normalerweise 


Wunden des Achsenorganes. s1l 


zu konstatieren ist und bei Individuen derselben Art in verschiedenem 
Grade zum Ausdruck kommt. Auf trockenem Standort ist der Dreh- 
wuchs augenfälliger. Wahrscheinlich ist die minder lange dehnbar 
bleibende, weniger leicht zerklüftende und darum höheren Druck aus- 
übende Rinde solcher Exemplare auf trocknem Standort die Ursache 
der stärkeren Drehung der Holzfasern. 

Der praktische Zweck des Schnürens ist derselbe wie der des 
Ringelns, aber ohne die Gefahr, welche eine gänzliche Fortnahme 
gröfserer Rindenpartien mit sich bringt. 


Zweigstecklinge. 


Als Steckling bezeichnet man jedes von der Mutterpflanze ab- 
gelöste Glied, das vermöge seiner Reservenahrung einzelne, vorzugs- 
weise in der Nähe der Schnittfläche gelegene Zellgruppen zu neuer 
vegetativer Vermehrung anregt, so dafs sich meist Vernarbungsgewebe 
einstellt; das abgelöste Glied entwickelt sich durch Bildung neuer Wurzeln 
schliefslich zur selbständigen Pflanze. Über die anatomischen Verhältnisse 
und die Abhängigkeit der Gewebedifferenzierung von äufseren Faktoren 
gibt eine Arbeit von Sımon!) Aufschlufs, die während des Druckes 
erschien und nicht mehr berücksichtigt werden konnte. 

Man darf behaupten, dafs eine derartige ungeschlechtliche Ver- 
mehrung bei allen Klassen des Pflanzenreiches zu finden ist und von 
den verschiedensten Organen ausgehen kann. Wir erinnern an das 
Fortwachsen abgerissener Mycelfäden, zerschnittener Sclerotien, ab- 
getrennter Fruchtstiele von Laubmoosen, vonBlatt- und Blütenteilen bei 
Phanerogamen. Aufser den reichlich vorkommenden Wurzelstecklingen 
sind selbst Fälle von Wurzelbildungen aus Früchten bekannt geworden. 

Uns beschäftigen hier vorläufig nur die Zweigstecklinge, deren 
Schnittfläche auf den Wundreiz zunächst durch Callusbildung reagiert. 
Im Anschlufs daran erörtern wir dann die Vermehrung durch Wurzel- 
stecklinge, deren Vernarbung ebenfalls mit Callusbildung beginnt. Die 
Umwandlung des Callus zum eigentlichen UÜberwallungsrande durch 
Bildung einer peripherischen Korkzone hat sehr viel Ähnlichkeit mit 
der Bildung der Überwallungsränder an geringelten oder quer ab- 
geschnittenen holzigen Zweigen. Nur macht sich bei den Stecklingen 
der Einflufs des feuchten Mediums, in welchem die Schnittfläche sich 
befindet, modifizierend bemerkbar. Auch ist ein Unterschied fest- 
zustellen, je nachdem der den Steckling liefernde Zweig sich bereits 
im verholzten Zustande befindet oder noch krautartig ist. An Stelle 
weitläufiger Auseinandersetzungen geben wir hier die Abbildungen eines 
noch krautartigen Fuchsienstecklings und eines bereits verholzten Rosen- 
stecklings. 

Die Basalpartie eines Fuchsienstecklings (Fig. 197) ist der Länge 
nach durchschnitten. s bis s bedeutet die ursprüngliche Schnittfläche; die 
unterhalb vortretenden Elemente sind nach dem Abschneiden gebildet, 
oberhalb s bis s liegen die ursprünglichen Gewebe des Stecklings, dessen 
eine Hälfte nur gezeichnet worden ist. m ist der Markkörper, h der 
Holzkörper, r die Rinde, in welcher die Hartbastzellen 5 verlaufen; diese 
sowie ein Teil der Holzzellen % sind an der Schnittfläche gebräunt und 
abgestorben; auch die äufsere Rinde r’ ist in der Gegend der Schnitt- 


1) Sınox, S., Experimentelle Untersuchungen über die Differenzierungsvorgänge 
im Callusgewebe von Holzgewächsen. Leipzig 1908, Gebr. Bornträger. 


812 V. Wunden. 


fläche zusammengetrocknet. Die jüngeren, inneren Rindenschichten 
dagegen und namentlich der Markkörper haben durch reichliche Zell- 
vermehrung ihre Wundfläche vernarbt. Der äufsere Teil dieses Ver- 
narbungsgewebes ist verkorkt, und diese Korkschicht %k hat eine be- 
deutende Ausdehnung durch die Tätigkeit des Korkcambiums ke erlangt, 
welche nun für das zartere, innere Rindengewebe den Abschlufs bildet. 
In der Callusrinde sehen wir die quergestreckten Schlauchzellen o mit 
oxalsaurem Kalk in Raphiden; in der Nähe derselben einzelne Zell- 
gruppen mit dickeren Wandungen b’, welche den Bastkörper der 
Gefäfsbündel darstellen, die bereits im Callus sich gebildet haben und 
deren Holzkörper durch Stränge kurzer, netzartig verdickter Gefäls- 
zellen g" angedeutet ist. Diese legen sich an die Gefäfse im Holz- 


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Fig. 197. Fuchsiensteckling. (Orig.) 


körper des Stecklings an, dessen dünnwandige, stärkereiche, an den 
Markkörper grenzenden Holzzellen an der Callusbildung teilgenommen 
haben. Der alte Holzkörper des Stecklings ist bei dem Schneiden ein- 
gerissen. Die Rifsstelle d ist ausgefüllt mit Callus, und bis in diese 
Rifsstelle hinein läfst sich die Cambiumzone ce bis c verfolgen, die in 
einem zusammenhängenden Bogen sich durch den Callus hinzieht. Das 
normale Cambium des Stecklings lag auf der Aufsenseite des Holz- 
körpers h. Hier ist durch das Abschneiden des Zweiges zum Steckling 
genau dieselbe Veränderung wie bei dem geringelten Zweige ein- 
getreten. Aus dem Cambium hat sich zunächst gleichmäfsiges, par- 
enchymatisches Gewebe p gebildet, in welchem allmählich kurze, netz- 
förmig verdickte Gefäfselemente g auftreten. Nach der Schnittfläche 


Wunden des Achsenorganes. 813 


hin haben sich diese Gewebepartien durch eine starke Korkschicht k 
abgegrenzt. Aber auch in der äufseren Rinde hat eine Zellvermehrung 
und in dem neuen Gewebe eine Bildung von kurzen Gefäfszellen g’ 
stattgefunden, auf deren Aufsenseite eine Meristemschicht ce’ erkennbar ist. 

In dem vorliegenden Beispiele hat neben dem Cambium der Mark- 
körper den Hauptbildungsherd für den Callus dargestellt. 

Ganz untätig dagegen bleibt das Mark in dem folgenden Falle, bei 
einem Rosenstecklinge, Fig. 198. 

Auch hier bedeutet s bis s die Schnittlinie; alles unterhalb dieser 
Schnittlinie Liegende ist Callusbildung, die in dicken Wülsten aus dem 


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Fig. 198. Rosensteckling. (Orig.) 


ursprünglichem Cambium hervorgebrochen ist und sich vom Rande her 
über die Schnittfläche ausbreitet. Wir unterscheiden in dem durch die 
Figur dargestellten Längsschnitt einen radial geschnittenen Wulst ca’ 
und einen von der Hinterseite her sich vorwölbenden und daher quer- 
geschnittenen Calluswulst ca?, dessen Rinde bereits mit dem seitlich 
sich herumwölbenden ca’ verschmolzen ist. So wird bei diesem älteren 
Rosenstecklinge allerdings auch der Markkörper gedeckt; allein dies 
geschieht hier durch Verschmelzung der vom Rande nach der Mitte 
hin sich vorwölbenden Ränder, während bei dem abgebildeten Fuchsien- 
stecklinge die Hauptcallusmasse vom Marke selbst gebildet wird. 

Die Bezeichnung der einzelnen Elemente stimmt im allgemeinen 
mit der der vorigen Zeichnung. m Markkörper, der hier durch den 


814 V. Wunden. 


Schnitt eingerissen ist. Der Rifs « ist ausgefüllt durch den vom 
Hinterrande her sich vorwölbenden Callus; % ist das alte, vor dem Ab- 
schneiden des Zweiges zum Steckling gebildete Holz; nh das während 
der Stecklingsperiode gebildete Neuholz, das in seinem Charakter genau 
dem Neuholz des Ringelwulstes bei dem Weinstock entspricht; es 
beginnt mit kurzen, weiten, porösen, dickwandigen, stärkereichen Zell- 
massen, in denen ebenso kurze, netzförmige Gefäfse auftreten. Diese 
Elemente werden nach aufsen hin immer enger und gestreckter, dem 
normalen Holze immer ähnlicher, je später nach dem Schnitt sie an- 
gelegt werden, je näher sie also der Cambiumzone c, c liegen. Diese 
Cambiumzone geht im weiten Bogen um die Schnittfläche des alten 
Holzkörpers herum und ist auf ihrer Aufsenseite von der neugebildeten 
Rinde nr bekleidet, die in der Zeichnung nicht vollständig wieder- 
gegeben ist. Am äufsersten Rande der Rinde bemerken wir noch die 
jetzt verkorkten und bereits im Absterben begriffenen, zuerst über die 
Schnittfläche hervorgetretenen weiten, reihenweis geordneten, an den 
Endgliedern aus abgerundeten, kugeligen bis birnenförmigen Zellen 
gebildeten Callusanfänge a. Diese Zellreihen vermehrten sich zuerst 
an der Spitze, indem ihre äufsersten Zellen sich vergröfserten, durch 
eine Querwand sich teilten und die dadurch verkleinerte Endzelle den 
Prozefs im Heranwachsen wiederholte. 

In dem von hinten hervorkommenden, quergeschnittenen Callus- 
wulst ca? bedeutet 9 die kurzen, netzigen Gefäfse, welche die Anfänge 
des neuen Holzkörpers sind; um dieselben zieht sich die Cambium- 
zone c. b ist der alte, vor dem Abschneiden des Zweiges zum Steckling 
gebildete Baststrang; er ist an der Schnittfläche durch die wuchernde 
Neuholzbildung weit von dem alten Holze abgedrängt worden und an 
seinem freien Ende abgestorben. Die zu beiden Seiten dem Hartbast 
anliegenden Zellen dagegen haben sich, vom Rindendruck durch den 
Schnitt befreit, quergestreckt r', während sie im normalen Zustande 
längsgestreckt sind. Der übrige äufsere Teil der alten Rinde r hat 
sich nicht verändert und seinen Wundrand durch Kork abgeschlossen. 
o rhombische Einzelkristalle und sternförmige Drusen von oxalsaurem 
Kalk. 

Je nach der Pflanzenspezies treten bald aus dem COallus selbst, 
bald aus der oberhalb desselben belegenen basalen Region des Zweiges 
die neuen Wurzeln hervor. 


Verwendung verschiedener Achsenorgane zu Stecklingen. 


Die Callusbildung selbst, sehen wir, ist also der einfache Ver- 
narbungsprozels einer Querwunde. Die Ausbildung des Vernarbungs- 
gewebes an der Basis des Stecklings wird von besonders günstigen 
Umständen begleitet. Die Reservestoffe im Steckling finden aufser in 
der Verheilung des oberen Wundrandes augenblicklich keine andere 
Verwendung als bei der Vernarbung der unteren Wundfläche, da der 
meist schattige Standort des Stecklings einem Erwecken der Knospen 
nicht günstig ist. Wo durch Unkenntnis die dem Steckling gebotenen 
Vegetationsbedingungen eine schnelle Entwicklung der Augen ver- 
anlassen, bleiben die Callus- und Wurzelbildung zurück oder schlagen 
ganz fehl. Zweitens wirken der feuchte Standort und die in der Regel 
erhöhte Bodentemperatur dahin, dafs die Zellvermehrung an der unteren 
Schnittfläche begünstigt wird, das Vernarbungsgewebe also einen sehr 
üppigen Charakter annimmt. Unbedingt nötig ist für den Steckling 


5 Wunden des Achsenorganes. 815 
die Callusbildung nicht. Pflanzen, welche sehr leicht Adventivknospen 
entwickeln, reduzieren ihr Callusgewebe auf ganz geringe Mengen; sie 
grenzen ihre Schnittfläche durch Korkbildung ab und verwenden ihre 
Reservestoffe sofort zur Bildung und Weiterentwicklung neuer Wurzel- 
anlagen. Dabei tritt eine reiche Zellvermehrung häufig nur in der 
der Schnittfläche zunächst liegenden Cambiumzone ein, wodurch die 
Basis des Stecklings bedeutend anschwillt (Begonia). Die Callusbildung 
kann bei den schwer Adventivwurzeln treibenden Gehölzen sehr 
schädlich werden, indem sie durch ihre besonders reiche Ausbildung 
das Material für die Bildung neuer Wurzeln in Beschlag nimmt. Wir 
sehen dann bisweilen enorme, knorpelige Calluswülste, ohne dafs der 
Steckling Wurzeln macht (Coniferen). 

Von der Art und dem Alterszustande des Stecklings und den ge- 
botenen Vegetationsbedingungen hängt es ab, welche Gewebe an der 
Callusbildung teilnehmen. Stets ist das Cambium dabei beteiligt. Da, 
wo es nicht ausschliefslich den Vernarbungsprozeis übernimmt, wird es 
von dem Parenchym der Innenrinde oder aufserdem von einem Teil 
oder sämtlichem Parenchym des Markkörpers unterstützt; ferner können 
selbst das Parenchym des Holzkörpers und das der älteren Rinde sich 
beteiligen. Bei krautartigen, schnell wachsenden Pflanzen tritt sogar 
in diekwandigen Elementen eine Zellvermehrung in der Nähe der 
Schnittfläche ein durch Thyllenbildung in Gefäfsen und durch Neu- 
bildung von Querwänden im Collenchym der älteren Rinde, wobei 
beobachtet worden ist!), dafs die verdickten Wandungen der Oollenchym- 
zellen und der Gefäfse in der unmittelbaren Nähe der Thyllen sich 
aufquellend lockern und teilweis resorbiert werden. 

Je mehr lebenskräftiges Parenchym vorhanden, desto schneller 
und reichlicher ist die Callusbildung. Man schneidet die Stecklinge 
gern am Knoten, unmittelbar unter einem Auge. Man kann bei einem 
Querschnitt durch ein Augenkissen sehen, dafs hier die Parenchym- 
masse am meisten entwickelt ist durch Abgang der Markbrücke in die 
Knospe. Am Knoten ist auch häufig das gesamte Markparenchym noch 
lebendig und teilungsfähig, während es im übrigen Teile des Zweig- 
gliedes schon abgestorben und teilweis zerrissen ist. 

Zu bemerken ist aber, dafs sich keine stets gültigen Regeln über 
die Art der Callusbildung geben lassen. Manchmal machen (namentlich 
bei krautartigen Pflanzen) die Stecklinge nur sehr geringen oder keinen 
Callus an der konvex sich vorwölbenden, durch Kork abgeschlossenen 
Wundfläche, und in einem anderen Falle liefern die Pflanzen be- 
deutende Callusmassen. Die ganz krautartigen Sommerstecklinge von 
Vitis, namentlich den amerikanischen Arten, liefern meist geringen 
Callus, manchmal aber grofse Massen davon. Ebenso ist es bei Rosen- 
stecklingen, wenn dieselben in krautartig weichem Zustande von ab- 
getriebenen Stöcken im ersten Frühjahr entnommen und in warme 
Sandbeete gesteckt werden. Groiser Nährstoffvorrat und langsame 
Verwendung desselben erwecken die Neigung zur Calluswucherung. 

Die mit eingehenden Literaturnachweisen versehene Arbeit von 
J. Hanstein?) beschäftigt sich mit geringelten Stecklingen. Er sah, 


1) H. Crücer auf Trinidad: Westindische Fragmente, XII. Einiges über die 
Gewebsveränderungen bei der Fortpflanzung durch Stecklinge bei Portulaca oleracea. 
Bot. Zeit. 1860, 8. 371. N 

2) Jonanses Hassırın, Über die Leitung des Saftes durch die Rinde. Prings- 
heim’s Jahrbücher für wissensch. Botanik Bd. II, 1860, S. 392—467, 


816 V. Wunden. 


dafs solche Stecklinge mit gesondertem Holz- und Rindenkörper, welche 
in der Nähe ihrer Basis geringelt wurden, über der Ringelblöfse Wurzeln 
entwickelten und nicht an der unteren Schnittfläche. Wurden Steck- 
linge, welche schon Wurzeln gebildet hatten, geringelt, so hörte die 
Weiterentwicklung dieser Wurzeln auf, und es erfolgte Neubildung 
direkt über der Ringelblöfse. Eine Ausnahme erleidet diese Regel bei 
allen denjenigen Pflanzen, welche entwickelte Gefäfsbündel oder 
wenigstens ein entwickeltes” Siebröhrensystem auch im Markkörper be- 
sitzen. Bei ihnen zeigen sich Wurzeln, trotz der Ringelung, an der 
unteren Schnittfläche des Stecklings. Unter Bestätigung dieser Er- 
gebnisse ist nur hinzuzufügen, dais man mit reifen oder nahezu aus- 
gereiften Achsen operieren muls, um diese Resultate zu erlangen. 
Wenn man ganz Junge, krautartige Spitzen holziger Pflanzen verwendet, 
bei denen übrigens das Ringeln sehr schlecht sich sauber ausführen 
läfst, so entsteht aus der Schnittfläche oder in unmittelbarer Nähe der- 
selben der neue Wurzelapparat, wobei alle Gewebe, mit Ausnahme der 
alten Prosenchymelemente, sich an der Callusbildung beteiligen. Der 
Teil über der Ringelblöfse vertrocknet dann häufig. Dieselbe Er- 
scheinung lälst sich beobachten, wenn man Stecklinge verkehrt in die 
Erde steckt. Nur selten wachsen solche Stecklinge an und weiter fort; 
meist sterben sie, nachdem sie an dem in der Erde befindlichen, organisch 
oberen Ende Callus und wohl auch Wurzeln gebildet, von oben her bis 
auf eine kleine Basalpartie ab und entwickeln dann aus dieser neue Triebe. 

Die Resultate sind insofern praktisch wichtig, als sie die Wanderung 
des plastischen Materials, das zu allen Neubildungen notwendig ist, 
deutlich illustrieren. Wir sehen, dafs die Hauptwege für die bildungs- 
fähige Substanz in dem der Rinde eingefügten Siebröhrensystem zu 
suchen sind. Sind solche Wege auch ım Markkörper vorhanden, dann 
findet in demselben ebenfalls eine Wanderung der plastischen Substanz 
statt. Neben diesen Hauptwegen gibt es noch für den Fall der Not 
bedeutungsvoll werdende Nebenwege. Es werden auch die Parenchym- 
zellen der Rinde und des Markes plastische Materialien auf und abwärts 
leiten und ebenso, wie wir beı der Neuberindung von Schälwunden 
wahrnehmen, die Markstrahlzellen in der Achse gelöstes Reservematerial 
radial transportieren können; allein die Menge, die durch diese Wege 
wandern kann, ist nur gering und daher unzureichend für nennens- 
werte Neubildungen. ÖOrganisch aufwärts, also nach der Spitze hin, 
wandern die plastischen Stoffe viel schlechter als organisch abwärts. 

Wie wir aus den verkehrt gepflanzten Stecklingen “sehen find auch 
bei absichtlich verkehrt aufgesetzten Veredlungen wahrnehmen können, 
ist unter günstigen Verhältnissen eine Wanderung des gesamten flüssigen 
Materials in der Pflanze, sowohl der rohen Bodenlösung als auch der 
plastischen, organisierten Baustoffe nach allen Richtungen hin möglich. 
Die leichtest passierbaren Wege werden natürlich zuerst benutzt; bei 
dort eintretenden Hindernissen erlangen die Nebenwege eine erhöhte 
Bedeutung. Bei Stecklingen kann sich an jeder Wundstelle Callus 
bilden, und dieser Callus kann chlorophyllführende Achsen und Wurzeln 
erzeugen. Ob tatsächlich ein solcher Fall eintritt, das hängt von den 
äufseren Verhältnissen und dem jeder Pflanze innewohnenden, typischen, 
nur schwer irritierbaren Entwicklungsgesetz ab. Viele Pflanzen machen 
so schnell Adventivwurzeln aus dem Internodium, dafs die Callus- 
bildung an der Schnittfläche gar nicht Zeit und Material u erhält, 
um zu namhafter Entwicklung zu gelangen. 


Wunden des Achsenorganes. 817 


Aus der Verschiedenartigkeit der äufseren Einflüsse erklären sich 
auch die Widersprüche in den Resultaten der einzelnen Beobachter. 
So gibt StorL!) an, dafs bei Pogostemon Patchouli ein Callus nicht 
sichtbar geworden, während Hansen?) solchen beobachtete; auch sah 
ersterer aus dem Callusgewebe keine neuen Vegetationspunkte ent- 
stehen, während letzterer dergleichen konstatieren konnte usw. 

Praktisch empfehlenswert ist für die Vermehrung von Sträuchern, 
die Stecklinge nicht aus ausgereiftem, altem Holze zu machen, 
sondern aus krautartigen Trieben, die womöglich von Pflanzen 
entnommen werden, welche im Winter in den Glashäusern angetrieben 
worden sind. Auch bei Pflanzen, welche in der Regel durch Samen 
gezogen werden, empfiehlt es sich unter Umständen, Stecklinge zu 
machen. Bei Gurken und Melonen ist es bekannt, dafs die Pflanzen 
aus vorjährigem Samen sehr üppige Laubtriebe machen, aber weniger 
gern reichlichen Fruchtansatz zeigen. Alte Samen mit wasserärmerem 
Inhalt verhalten sich dagegen, ähnlich den angewelkten Saatkartoffeln 
und dergleichen, günstiger, indem die vegetative Tätigkeit der Pflanze 
gemäfsigt erscheint. Stecklinge aus den Spitzen kräftiger Zweige von 
Pflanzen, die im Mistbeet getrieben werden und etwa im Mai schon 
die ersten Früchte liefern, geben bei Gurken und Melonen um diese 
Zeit binnen wenigen Tagen bewurzelte Pflanzen von gröfserer Fruchtbar- 
keit als die Samenpflanzen. 

Es bleibt am Schlusse des Kapitels noch übrig, darauf aufmerksam 
zu machen, dafs die Stecklingsvermehrung zur Bildung 
neuer Varietäten vielfach Verwendung findet. Viele teratologische 
und pathologische Zustände, die an einzelnen Teilen einer Pflanze 
vorübergehend auftreten, werden durch Stecklinge fixiert. Eine Menge 
buntblättriger Pflanzen, Varietäten mit gefüllten Blumen u. dgl., welche 
ursprünglich an einzelnen Zweigen einer Pflanze sich gezeigt, sind 
dauernd durch Stecklinge der Kultur erhalten geblieben. Vorüber- 
gehende, im Habitus abweichende Jugendzustände bei Koniferen sind 
durch Stecklinge weiter vermehrt und als neue Formen oder Arten 
dem Handel übergeben worden. Einige auffallende Beispiele dieser 
Art bilden beachtenswerte Winke für weitere Versuche auf diesem 
Wege. Nach Beıssner®) muls man, um Chamaeceyparis squarrosa aus 
Stecklingen von Biota orientalis zu erlangen, nur die kleinen Zweig- 
achsen mit kreuzständigen Blättern, welche sich dicht über den 
Cotyledonen befinden, benützen. Die Mehrzahl dieser Zweigchen gibt 
stets Biota meldensis, bei deutlichem, schuppenförmigem Stande der 
Blätter Brota orientalis. Ebenso geben Stecklinge aus Erstlingstrieben 
von Callitris quadrivalvis eine neue Form. Der fixierte jugendliche 
Zustand von Cupressus sempervirens dürfte in ©. Bregeoni zu finden sein; 
aus O. Lawsoni geben die Erstlingstriebe eine Form mit abstehenden 
Blättern. Retinospora ericoides Zuce. wurde von O'hamaecyparis sphaeroidea 
var. Andalyensıs gewonnen. 

Bekannt ist die Verschiedenartigkeit der Pflanzen, die man bei 
Efeu erhält, je nachdem die Stecklinge von einem blütenlosen oder 
blütentragenden Zweige entnommen werden. Abgesehen von der oft 


!) Über die Bildung des Callus bei Stecklingen. Bot. Zeit. 1874, Nr. 46 u. 47. 

?) An. Hansen, Über Adventivbildungen. Sitzungsber. d. phys.-med. Sozietät 
zu Erlangen vom, 14. Juni 1880. 

®) Beıssner, Über Formveränderung von Koniferensämlingen. Regel’s Garten- 
flora 1879, S. 172; cit. Bot. Jahresber. 1879, II, S. 2. 


Sorauer, Handbuch. 3, Aufl. Erster Band, 92 


818 V. Wunden. 


einfacheren Blattform der letzteren, die sich auf Stecklingspflanzen 
gern überträgt, sehen wir auch den Habitus bei diesen zwergartiger und 
buschiger. Eingehend ist das Thema über die Erhaltung von ‚Jugend- 
formen neuerdings von Diers!) behandelt worden. 

Noch wenig ausgenützt, obgleich bei vielen Gehölzen sehr vorteil- 
haft, ist die Vermehrung durch Wurzelstecklinge. Paulownia, 
Ailanthus, Syringa, Aralia, Mespilus, Rosa, Malus lassen sich dadurch 
vermehren, dafs man vor dem ersten Triebe im Frühling oder vor dem 
zweiten Triebe im Juli stärkere Wurzeläste ablöst, in etwa 5 cm 
lange Stücke schneidet und reihenweis in den Boden flach hinlegt. 
Durch Adventivknospenbildung entstehen an verschiedenen Stellen des 
Wurzelstückes neue, sich durch eigne Wurzelbildung bald selbständig 
machende Pflanzen. Von Koniferen werden Araucaria, Podocarpus und 
Gingko als durch Wurzelstecklinge vorteilhaft vermehrbar angeführt, 
namentlich wenn sie in ein warmes Beet gesteckt werden. Stärkere 
Wurzelstöcke vertragen es auch, wenn sie der Länge nach gespalten 
werden; jede Hälfte entwickelt dann Adventivknospen. 

Einzelne Gehölze lassen sich auch durch Auslegen von Augen ver- 
mehren (Vrtis, Paeonia arborea). Die Augen werden im Frühjahr aus 
dem alten Holze derart ausgeschnitten, als ob man lange Okulationsaugen 
mit Holz schneiden wollte, und diese Augenstecklinge werden flach 
auf die Erdoberfläche in Töpfen niedergelegt. Es ist aber erforderlich, 
dafs ein schnelles Wachstum durch Bodenwärme angeregt werde. 

Man kann ferner auch von Knollenstecklingen sprechen, da 
ein Verfahren existiert, die Pflanzen dadurch zu vermehren, dafs man 
aus fleischigen Knollen die Augen mit einer Partie reservestoffhaltigen 
Knollengewebes ausbohrt (Kartoffeln, Caladien). Meist bildet das aus- 
geschnittene Knollenstück an seiner freien Wurdfläche auf Kosten der 
Stärke Kork und behält die übrigen Reservestoffe für die erste Er- 
nährung der Augen, welche durch Entwicklung von Adventivwurzeln 
sich bald selbständig zu machen suchen. Im Anschlufs hieran ist das 
Zerschneiden der Saatkartoffeln zu besprechen. Die Praxis 
beobachtet in der Regel die Vorsicht, die Stücke der Knollen nicht 
gleich nach dem Zerschneiden der Erde zu übergeben. Diese Vorsicht 
ist ganz gerechtfertigt, da bei dem Legen der frischen Stücke ein 
Faulen derselben leicht eintritt, sobald auf schwerem Boden nur einiger- 
mafsen viel Feuchtigkeit vorhanden ist. Beläfst man die zerschnittenen 
Stücke dagegen einige Tage in der Luft, so bilden sich unterhalb der 
Schnittflächen Korklagen aus, welche das Knollenstück schützen. Wenn 
man die Knollen zu früh vor dem Austreiben schneidet, kommt bei 
einzelnen Sorten der Fall vor, dafs die Stücke lange Zeit in der Erde 
scheinbar unverändert bleiben, ohne dafs die Augen aber austreiben. 
Bei zarten Sorten empfiehlt es sich daher, die Knollen vor der Saat 
an einem hellen, warmen Orte auszubreiten, bis die Augen sich zu 
strecken beginnen, und dann erst das Zerschneiden vorzunehmen. 

Die Wichtigkeit der Korkbildung an der Schnittfläche zeigen die 
Versuche von Arper ?), welche die Ergebnisse der Studien von Kxy?) und 


1!) Dies, L., Jugendformen und Blütenreife im Pflanzenreich. Berlin 1906, 
Gebr. Bornträger. 

2) Arrer, Orro, Zur Kenntnis des Wundverschlusses bei den Kartoffeln. Ber. 
d. Deutsch. Bot. Ges. 1906, S. 118. 

®) Ksyv, L., Über die Bildung des Wundperiderms an Knollen in ihrer Ab- 
hängigkeit von äufseren Einflüssen. Ber. d. Deutsch. Bot. Ges. 1399, S. 154. 


Wunden, des Achsenorganes. 819 


ÖLuUFsEn!) ergänzen. Während die letztgenannten beiden Forscher in 
dem nach kurzer Zeit unterhalb der Schnittfläche sich bildenden Wund- 
periderm das Hauptschutzmittel der Knolle gegen die Einwanderung 
von Parasiten erblicken, weist ArpeL nach, dafs sich die Kartoffel schon 
zu schützen imstande ist, ehe der Wundkork entsteht. Er findet, dafs 
im günstigsten Falle die Peridermbildung erst am dritten Tage nach 
der Verwundung sich einstellt und dann nach zwei weiteren Tagen be- 
endet ist. Für die nachweislich äufserst schnell eindringenden Fäulnis- 
bakterien läge also die Wundstelle so lange schutzlos da, wenn nicht 
alsbald die Membranen der direkt unter der Wundfläche liegenden 
unversehrten Zellen an der von der Wundfläche abgewandten Seite 
verkorkten. Sogar für Bacillus phytophthorus erwies sich diese nach 
12 Stunden bereits vollendete Korkeinlagerung in einem Teil der Zell- 
wand der ersten und zweiten Zelllage unter der Wundfläche als voll- 
ständig ausreichend, um die Infektion zu verhindern. 

Weniger gut kommt der Verkorkungsprozefs zur Ausbildung, wenn 
die Knollenstücke sofort trocken und warm (z. B. im Zimmer) auf- 
bewahrt werden. Die äufsersten Zelllagen der Schnittfläche trocknen 
dann so schnell zusammen, dafs die beiden zur Verkorkung nötigen 
Faktoren, nämlich Sauerstoff und Feuchtigkeit, nur ungenügend zu den 
in Betracht kommenden Gewebeschichten Zutritt haben. 

In gleicher oder ähnlicher Weise vollzieht sich der Wundschlufs 
bei allen fleischigen Pflanzenteilen °). 


Die Veredlung. 


Die Veredlung besteht in der künstlichen Ablösung einer oder 
mehrerer Knospen und deren Einfügung in einen lebenden Pflanzenteil 
behufs weiterer Ernährung und Ausbildung. Die ineinander gefügten 
Teile werden meist durch ein Band festgehalten und durch Baumwachs 
vor den störenden Eingriffen der Atmosphärilien geschützt. Der 
übertragene Teil kann ım allgemeinen als „Edelreis“ bezeichnet 
werden, während der ernährende Stamm als „Unterlage“ angesprochen 
wird. Das neu entstehende, teils von der Unterlage, teils vom Edelreis 
gelieferte Gewebe, welches die Verkittung der beiden künstlich ver- 
bundenen Glieder bewirkt, wird „Kittschicht“ oder, nach GÖPPERT, 
„intermediäres Gewebe“ genannt. Das Edelreis ist entweder ein 
einziges, mit einem Teil der umgebenden Rinde abgelöstes Auge oder 
ein Zweigteil mit mehreren Augen. Je nach dem Kulturzweck kann 
das Edelreis an die Stelle seiner Ablösung oder an eine andere Stelle 
desselben Individuums oder (was am häufigsten) auf ein anderes 
Individuum gebracht werden. Im ersteren Falle wird nur die Wirkung 
der Verwundung allein in Betracht kommen, im letzteren Falle wird 
auch der Einflufs der im Charakter verschiedenen Unterlage auf das 
Edelreis zu berücksichtigen sein. 

Das Veredeln wird zunächst als Wundheilungsprozefis zu betrachten 
sein; in zweiter Linie wird der befördernde oder hemmende Einflufs 
ins Auge gefafst werden müssen, der aus einer gegenseitigen Ein- 


1) Orvursen, Untersuchungen über Wundperidermbildung an Kartoffelknollen. 
Bot. Centralbl. Beihefte. Bd. XV (1903) S. 269. 


2) Küster, Ersst, Pathologische Pflanzenanatomie. Jena 1903, G. Fischer, 
S. 185 ff. 


52 


820 V, Wunden, 


wirkung der beiden künstlich aneinander gefügten Pflanzenteile etwa 
entspringen könnte. 

Unter den diese Punkte eingehend behandelnden Autoren ist zu- 
nächst GÖPPERT!) zu nennen, der durch anatomische Studien der Frage 
näher getreten ist. Eine sich an diese mit Abbildungen versehene Arbeit 
anknüpfende zum Teil bestätigende, zum Teil berichtigende Notiz hat 
Verfasser ein Jahr nach Erscheinen der GörrerrT'schen Arbeit ver- 
öffentlicht?). Von den früheren Physiologen sind die Angaben von 
HansSTEIN ?), von DE ÜANDOLLE*) und von TREVIRANUS®) besonders beachtens- 
wert. Eine systematische Bearbeitung aller nur möglichen Variationen 
des Veredlungsverfahrens lieferte THoumn®), der sich auf DuHAMEL?), 
La Quistinye®), Rozier®), Capanıs!0) und die älteren Gartenschriftsteller 
stützt und durch reiche Literaturangaben das Studium der Geschichte 
der Veredlungskunst ungemein erleichtert. 

Von den 120 verschiedenen Veredlungsformer, die THovix in seinem 
Buche beschreibt, mit besonderen Namen belegt und meistens auch 
abbildet, haben sich nur einige wenige einer allgemeinen Verbreitung 
zu erfreuen. Alle die jetzt üblichen Arten der Veredlung werden vom 
pathologischen Standpunkte aus am besten in ihrer Wertigkeit nach 
dem Grade der Verwundung abgeschätzt werden, den die Unterlage 
erleidet und nach der gröfseren oder geringeren Leichtigkeit, mit welcher 
die Wunden geheilt werden können. Unter sonst gleichen Umständen 
wird der Erfolg der Manipulation um so sicherer sein, je schneller das 
Gewebe des Edelreises mit dem der Unterlage in feste Verbindung 
tritt, und da diese Verbindung durch das neu entstehende Vernarbungs- 
gewebe der Wunde hervorgebracht wird, so wird die Schnelligkeit des 
Wundschlusses den Mafsstab für die Verwertbarkeit der Veredlungsart 
hauptsächlich, wenn auch nicht ausschliefslich, abgeben können. 

Die bei den Veredlungen überhaupt möglichen Verwachsungs- 
erscheinungen lassen sich auf die Heilungsvorgänge von drei Wund- 
klassen zurückführen, die ich Schälwunden, Flachwunden und 
Spaltwunden genannt habe. 

Als Schälwunden sind (wie aus den früheren Kapiteln ersichtlich) 
diejenigen Verletzungen bezeichnet worden, welche in einem voll- 
ständigen Entfernen des Rindenkörpers bestehen, so dafs der Holz- 
körper blofsgelegt wird, ohne dafs derselbe aber einen Substanzverlust 
erleidet. Die Veredlungsarten, bei welchen der Schälprozefs den 
hauptsächlichsten Teil der Verwundung bildet, gehören zu dem Typus 
der Okulation. Hier wird zur Zeit gröfster, cambialer Tätigkeit die 
Rinde auf eine gewisse Strecke von dem Holzkörper der Unterlage ab- 
gehoben, und auf die entblöfste Holzstelle das Edelreis eingeschoben. 
Letzteres besteht entweder aus einem einfachen Auge mit einem Rinden- 


!) Görrerr, Über innere Vorgänge bei dem Veredeln der Bäume und Sträucher. 
Kassel 1874. 

2) Soraver, Vorläufige Notiz über Veredlung. Bot. Zeit. 1875, S. 201. 

3) Hansen, Dr. J., Das Reproduktionsvermögen der Pflanzen in Bezug auf ihre 
Vermehrung und Veredlung. Wiegandt’s Volks- und Gartenkalender 1865, S. 190. 

4) De CanvoLze, Physiologie vegetale II. 

5) Trevıranus, Physiologie der Gewächse 1838, II, S. 647. 

6) Tuoum, Monographie des Pfropfens, übers. von Berg 1824. 

?) Dunauer, Physique des arbres 1758, II, S. 75. 

5) De 14 Quınrısve, Le parfait jardinier. Paris 169. 

®) Rozıer, Cours complet d’Agriculture, t. V, S. 346. 

10) Casanıs, Principes de la Greffe, p. 105. 


Wunden des Achsenorganes. 821 


schildchen (Okulieren mit Rinde), oder aus einem Auge, das mit 
etwas Holz aus dem Mutterzweige herausgeschnitten war (Ökulieren 
mit Holz), oder aus einem vollständigen Zweigstücke, das in ver- 
schiedener Weise zugeschnitten werden kann und unter die Rinde des 
Wildlings mit der Schnittfläche auf den Holzcylinder geschoben wird 
(Rindenpfropfen). 

Unter der Bezeichnung „Flachwunde“ sind alle diejenigen Ver- 
letzungen zusammengefafst, bei welchen neben gänzlicher Entfernung 
eines Teiles der Rinde auch vom Holzkörper ein Stück weggenommen 
wird. Je nachdem die Wundfläche durch einen Längs- oder Quer- 
schnitt entstanden, präsentiert sich und verhält sich die Flachwunde 
verschieden. Wenn ein Span der Länge nach von der Achse ab- 
geschnitten worden ist, liegen die Elemente des Rinden- und Holz- 
körpers in ihrer Längenausdehnung frei zutage. Es läuft das Regen- 
wasser von dieser Längsflachwunde mit Leichtigkeit ab, wogegen es 
auf einem Stammquerschnitt in kleinen Mulden meist sich ansammelt 
und viel leichter die Fäulnis des Holzkörpers einleiten kann. Die 
horizontale Flachwunde ist immer viel gefährlicher für die Achse als 
die vertikal verlaufende. An Stelle der Horizontalwunden werden 
daher im praktischen Betriebe meist Diagonalverwundungen ausgeführt. 

Die Veredlungsarten, bei denen die Flachwunden hauptsächlich 
oder ausschliefslich ins Spiel kommen, gehören zum Typus der „Ko- 
pulation“. Die einfachste Form derselben besteht in dem Aufsetzen 
eines Edelzweiges von derselben Dicke wie die Unterlage auf deren 
diagonale, durch das schräge Abschneiden des Gipfels entstandene 
Schnittfläche. Am nächsten verwandt damit ist das einfache und doppelte 
Sattelschäften. Man kann auch Edelreis und Wildling durch wirklich 
longitudinale Flachwunden miteinander verbinden, indem der Wildling 
nur an einer Stelle seitlich angeschnitten wird, ohne seinen Gipfel zu 
verlieren. Das Edelreis bleibt entweder an seiner Mutterpflanze und 
wird ebenfalls nur seitlich angeschnitten (Ablaktieren), oder es wird 
in Form eines abgeschnittenen Zweigstückes, wie bei den anderen Ver- 
edlungsarten, durch seitliches Anschneiden passend zum Anlegen an 
den Wildling gemacht. Damit das Edelreis in seiner seitlichen Lage 
fester sitze, wird es am unteren Ende kurz keilförmig zugespitzt und 
mit diesem Ende in eine Spalte am Grunde der Flachwunde des Wild- 
lings eingezwängt. Bei manchen Pflanzen (Kamelien) schneidet man 
nicht selten das Edelreis überhaupt nur kurz keilförmig und zwängt den 
Keil in eine seitliche durch einen kurzen, schräg abwärts in das Holz 
geführten Schnitt entstandene Spalte der Unterlage (Einspitzen). 
‘ Bei dem Mifslingen der Veredlung ist die Unterlage dann am meisten 
geschont und kann in kurzer Zeit zu neuer Veredlung benutzt werden. 

Diejenige Verletzung, bei welcher der Stamm am meisten leidet, 
ist die Spaltwunde. Die Veredlungsart mit solchen Wunden ist das 
Spaltpfropfen, das in Deutschland wohl zuerst ausgeübt worden 
ist, jetzt aber nur noch für einzelne, spezielle Fälle der Verjüngung 
älterer Stämme in Anwendung gebracht wird. Das Spaltpfropfen besteht 
in einem Einschieben eines von zwei Seiten keilförmig zugeschnittenen 
Edalreises in den entweder durch Klüftung oder durch Ausschneiden 
eines Holzkeiles entstandenen Spalt des quer abgeschnittenen Wildlings. 

Bei Betrachtung der Heilungsvorgänge, also des Verwachsungs- 
prozesses bei den verschiedenen Veredlungsarten ist zunächst zu unter- 
scheiden, ob eine Veredlung durch krautartige oder mit ausgereiftem, 


Wunden. 


V. 


822 


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Fig. 199. Rosenokulant. (Orig.) 


Wunden des Achsenorganes. 823 


fertigem starkem Holzkörper versehene Zweige ausgeführt wird. Im 
ersteren Falle nehmen häufig an der Bildung der „Kittschicht“ mehr 
Gewebe teil als im letzteren Falle, bei welchem es sich vorzugsweise 
um eine von der Cambiumzone (bisweilen auch noch von der Mark- 
krone) ausgehende Gewebemasse handelt, welche sich in den Zwischen- 
raum zwischen Edelreis und Wildling hineinzwängen oder, bildlich 
genommen, die Fugen zwischen den beiden aneinanderliegenden Teilen 
ausgiefsen muls. 


Die Okwlatıon, 


Die interessantesten Verwachsungsvorgänge kommen bei den Okula- 
tionen vor. Auf der beigegebenen Tafel ist ein Rosenokulant dar- 
gestellt, dessen eine Hälfte (von 7 bis 2) die Wundheilungsvorgänge 
nach sechs Tagen und die andere Hälfte (von 2 bis 3) die Gewebe- 
bildungen nach ungefähr vier Wochen zeigt. Der vorliegende Quer- 
schnitt durch die Veredlungsstelle läfst mit Leichtigkeit bei w den 
Wildling, bei E das Edelauge erkennen. Am Wildling ist Ah das alte 
Holz des Vorjahres, sh das diesjährige, bis zur Okulationszeit gebildete 
Holz. RL sind die durch den T-Schnitt abgehobenen Rindenlappen, 
in denen 5b die Hartbastzellen, t das abgestorbene Gewebe des Schnitt- 
randes bedeuten soll. 

Zur Zeit als die Rindenlappen durch das Einschieben des Auges E 
auseinandergespreizt wurden, war die Pflanze in grofser cambialer 
Tätigkeit; die Abhebung der Rinde erfolgte hier im Splinte derart, 
dafs schon die jüngsten Gefäisanlagen g und die davor liegenden 
Cambiumschichten ce auf dem Rindenlappen verblieben. 

Vielfach hebt sich nur der Rindenkörper ab, ja, unter Umständen 
bleibt stückweis die ganze cambiale Region mit den jüngsten Rinden- 
zellen auf dem Holzkörper haften. Eine Gesetzmäfsigkeit ist nicht 
erkannt worden. Es scheint, dafs stets die augenblicklich zarteste 
Partie bei dem Abheben der Rinde reifst, und dafs die gleich- 
namigen Gewebe zu derselben Zeit bei denselben Varietäten sich 
individuell verschieden verhalten, ja, dafs selbst die einzelnen Stamm- 
seiten eine verschiedene Lösbarkeit der Rinde besitzen. Es sind daher 
die Heilungsvorgänge bei derselben Spezies und Varietät, ja selbst an 
derselben Veredlung in verschiedenen Höhen ungleich. 

Schon nach zwölf Stunden läfst sich an den Wundrändern sowohl 
der Rinde als des Holzkörpers eine Veränderung der peripherischen 
- Zellschichten deutlich erkennen; die Membranen dieser Zellen haben 
sich entweder nur an der freiliegenden Aulsenseite oder am ganzen 
Zellumfange verdickt und gelblich gefärbt; der Zellinhalt ist volumimöser 
geworden. Ob dies nur durch Quellung, wie bei der Membran, geschehen 
oder ob bereits eine Zuwanderung von Material aus dem Innern des 
Holzkörpers nach der Peripherie hin stattgefunden, läfst sich nicht 
entscheiden. Die nächsten Entwicklungsstadien differieren jetzt schon 
je nach der Lebenskräftigkeit der blofsgelegten Zellen. In der Regel 
sind nicht alle Stellen am entblöfsten Holzkörper mit vermehrungs- 
fähigem Splinte bedeckt. Tritt nun das Splintgewebe nicht in Ver- 
mehrung, dann quellen und bräunen sich die Zellmembranen des 
Wundrandes samt dem Inhalt immer mehr, sinken auch etwas zusammen 
und bilden einen unregelmäfsigen, dicken, gelben Streifen. Die- 
jenigen Zellgruppen, welche sich zur Vermehrung anschicken, bräunen 
ihre Membranen meist nur sehr schwach und fangen häufig nach sehr 


824 V. Wunden. 


kurzer Zeit an, Wundcallus zu bilden. Das zartwandige, allmählich in 
parallelen Reihen fortwachsende Gewebe o% ist das bei den Schäl- 
wunden in seinen Wachstumsverhältnissen besprochene Wundgewebe, 
das beispielsweise ber Fraxinus nach zwei Tagen einmal in einer 
Mächtigkeit von 16 Zellen Höhe bereits beobachtet werden konnte. 
Verkältnismäfsig selten ist die Lagerung des Schälcallus so regelmäfsig, 
wie in der Zeichnung. Dadurch, dafs einzelne Stellen des Holzkörpers 
nicht Wundcallus bilden, legen sich die benachbarten Zellreihen 
fächerartig auseinander und überdecken die untätig bleibenden Stellen. 
Bei der Schnelligkeit dieser Callusbildung ist ein Decken der Fehlstellen 
und inniges Verkitten der von verschiedenen Seiten kommenden 
Elemente sehr natürlich. 

Die Rindenlappen gehen durchschnittlich mit der Bildung von 
Wundcallus weniger schnell vor; auch sind die Produkte der Neu- 
bildung verschieden. Zwar wölben sich die plasmareicheren, peripheri- 
schen Zellen auch bald nach der Operation etwas hervor (k), aber 
treten nicht immer in Zellvermehrung oder, falls sich eine solche ein- 
stellt, ist das Produkt derselben nur Kork, welcher die Wundfläche 
schützen kann. Meist erst weiter nach dem inneren Winkel zu, an 
welchem der Rindenlappen auf dem Holzkörper festsitzt, sind die Neu- 
bildungen energischer und bis zu reichlichem Wundcallusgewebe ge- 
steigert (ok). 

Die schnell gebildeten Wundcallusmassen von Rinde und Holz sowie 
eventuell auch noch vom Edelreise vereinigen sich und bilden in kürzester 
Zeit einen vorläufigen Schlufs der Veredlungswunde. Wir sagen „einen 
vorläufigen Schlufs“; denn tatsächlich bleibt das bisher neu entstandene 
Gewebe meist nur kurze Zeit. Sobald nämlich das Oallusgewebe eine 
gröfsere Ausdehnung erlangt und einem sich steigernden Drucke aus- 
gesetzt erscheint, bildet sich in ihm in einer gewissen Entfernung von 
der bisweilen durch Korkzellen gefestigten Peripherie eine Meristemzone, 
deren Ausbildung von der Weite zwischen Wildling und Edelauge ab- 
hängig ist. Bei sehr geringer Entfernung sind bisweilen nur wenige 
seitliche, isolierte Herde kenntlich, bei grofsen Zwischenräumen und 
üppiger Ausbildung des Wundcallus kann man dagegen kontinuierliche 
Zonen entdecken, die manchmal nach schleifenartigem Verlauf eine 
Verbindung mit der mittlerweile scharf hevortretenden Cambiumzone des 
älter gewordenen Überwallungsgewebes des Rindenlappens cc, cc finden. 

In dem jungen Wundcallus ist die Meristemzone nicht gezeichnet, 
weil sie erst später auftritt. 

Dieses Callusmeristem liefert in Gemeinschaft mit der Cambium- 
zone des Rindenlappens cc nun zunächst das eigentliche Kittgewebe, 
bestehend aus Parenchymholz in Form derbwandiger, isodiametrischer 
oder etwas radial gestreckter, unregelmäfsig viereckiger, nicht selten mit 
etwas verbogenen Wandungen auftretender Zellen (kg). Diese stellen 
die Anfänge eines unter geringem Druck sich bildenden Holzkörpers 
dar; sie pressen bei ihrer Vermehrung allmählich alles zartwandige, 
erstgebildete, den Charakter von Rindenparenchym bewahrende Ge- 
webe (ok), das den ersten Wundschlufs darstellt, zusammen. Bei 
schleifenartiger Anlage der Meristemzone entstehen kreisförmige Figuren 
von Parenchymholz, welche noch braune, tote Zellnester des ursprüng- 
lichen Gewebes eingeschlossen haben. Allmählich ist zwischen 7 und 2 
das ganze Gewebe ok durch Stärke speichernde Zellen vom Charakter 
kg verdrängt. 


Wunden des Achsenorganes. 825 


Das Edelreis nimmt im günstigen Falle ebenfalls am Wundschlufs 
teil. In der vorliegenden Zeichnung stellt es ein Auge mit Rinden- 
schild, also ohne Holzkörper dar. Der Schnitt E ist der Querschnitt 
nur durch das Rindenschildchen; die dazu gehörige Knospe, welche 
in der Richtung von o gedacht werden muls, liegt oberhalb der Schnitt- 
ebene, in welcher nur das zum Auge führende, zentrale, grofse Gefäfs- 
bündel gb und ein seitliches, kleineres gezeichnet sind. Das in jedem 
unverletzten Augenkissen vorhandene, die Zweigachse ebenfalls schräg 
durchsetzende, dritte, kleinere Bündel auf der anderen Seite des Zentral- 
bündels ist bei dem Abheben des Rindenschildchens hier abgeschnitten 
worden, was für das Anwachsen des Auges unwesentlich ist. Dagegen 
ist das Fehlen des zentralen Gefäfsbündels, gleich- 
bedeutend mit dem Fehlschlagen der Veredlung. Das 
Rindenschildchen mit der schnell vertrocknenden Knospenhülse ohne 
Gefäfskörper kann anwachsen; es ist mir aber nicht vorgekommen, dafs 
etwa ein übermäfsig üppiges Überwallungsgewebe von Seite des Edel- 
auges Adventivknospen gebildet und auf diese Weise Ersatz für das 
‘getötete Auge geschafft hätte. Es findet zwar Adventivknospenbildung 
bei manchen Veredlungen statt, wie die umstehende Fig. 200 einer 
krautartig ausgeführten Rindenpfropfung von Aesculus rubicunda auf 
Aesc. Hippocastanum zeigt; aber diese Knospenbildung habe ich bisher 
nur auf üppigen Überwallungsrändern von Wildlingen gesehen. Die 
Rindenlappen nl haben eine derartig starke Neubildung erzeugt, dafs 
sie dadurch flügelartig vom Edelreise abgedrängt worden sind. Auf 
dem Rande stehen mehrfach Adventivknospen (a). 

Bei dem Rosenokulanten Fig. 199 hat bereits die ganze Innenfläche 
des Rindenschildchens E neues Wundgewebe produziert, und zwar je 
nach dem Alter der Mutterzellen bald mehr, bald weniger. Die unter- 
halb des Hartbaststranges b liegende Cambiumzone des Bündels hat 
am reichlichsten neue Zellen gebildet, wie der vorspringende Zipfel z 
zeigt. Die Neubildung auf der Innenseite des Schildchens trägt den 
Charakter des Rindengewebes und ist bereits durch reichliche Kristalle 
von oxalsaurem Kalk ausgezeichnet, während die Cambiumzone c, 
welche neue Holzelemente zu bilden beginnt, in späteren Stadien der 
Verwachsung in Verbindung mit der Cambiumzone ec des Rinden- 
lappens tritt. Sobald diese Vereinigung stattgefunden, ist am ganzen 
Stammumfange wieder ein zusammenhängender Cambiumring gebildet, 
von welchem die Cambiumzone des Edelauges einen integrierenden 
- Bestandteil darstellt. Die Zone ce zeigt sich, wenn man sie rückwärts 
verfolet, als die unmittelbare Verlängerung des cambialen Ringes bei 
dem unverletzten Achsenteile. 

Wenn der Wundschlufs durch Verschmelzung der verschiedenen 
Wundgewebe und durch Vereinigung von deren Cambiumzonen statt- 
gefunden, ist das dünnwandige Gewebe des Wundcallus ok fast ver- 
schwunden und durch das eigentliche Kittgewebe, in welchem sich oft 
Gruppen poröser Zellen von weniger porösen unterscheiden lassen, ersetzt, 
wie oben bereits gesagt worden. Wie der Rindenzipfel 2—3 zeigt, 
entsteht das Parenchymholz, das die dauernde Verkittung übernimmt, 
auch direkt, und zwar in den Winkeln, in welchen Rindenlappen und 
Holzkörper wieder zusammenstofsen, also da, wo der Zeigerstrich von 
kg endet. Wenn man nun sieht, dafs der Rindenlappen 5 RZ derart 
durch das Okuliermesser abgehoben worden, dafs nicht nur die ganze 
Cambiumzone, sondern auch noch ganz junge, aber in ihrem Charakter 


826 V. Wunden. 


schon bestimmte Splintelemente auf demselben sitzen geblieben sind, 
so erkennt man daraus, dafs dieses Kittgewebe ein Produkt von schon 
etwas älteren (nicht mehr den jüngstgebildeten) Splintzellen ist. Es 
geht nicht aus Wundcallus hervor (der sich in den inneren Winkeln 
nie bildet), sondern aus Teilung der schon zu Holzzellen und Gefäfsen 
veranlagt gewesenen Zellen. 


Wir haben also drei verschiedene Faktoren, welche ein gleiches 
Produkt, nämlich das als Kittgewebe angesprochene Parenchymholz, 
lietern, das die Verbindung von Edelreis und Wildline übernimmt. Der 
erste Faktor ist der Rindenlappen des Wildlings, der zweite der Schäl- 
callus des entblöfsten Holzkörpers, der dritte ist das Edelreis. 


Welcher von diesen drei Faktoren bei einer anwachsenden Ver- 
edlung die Verkittung tatsächlich übernimmt, hängt von der augenblick- 
lichen Kräftigkeit der einzelnen Faktoren ab. Die zu beobachtenden 
Variationen sind aufserordentlich grofs. Wesentlich für das Gelingen 
der Veredlung ist die möglichst schnelle Bildung von Wundcallus, der 
den vorläufigen Wundschlufs übernimmt. Dauernden Halt gewinnt die 
Veredlung aber erst dann, wenn die Cambiumzone ce der Neuholz 
bildenden Rindenlappen RZ, die ich gelegentlich „den beweglichen 
Wundwall“ genannt, mit der Cambiumzone c des Edelreises in 
dauernde Verbindung tritt und in zusammenhängender Schicht ver- 
bleibende Holzelemente bildet. Der bewegliche Wundwall, der durch 
seine schneckenförmig an der freien Seite eingebogene Cambiumzone 
schon den Charakter des gewöhnlichen Überwallungsrandes zeigt, unter- 
scheidet sich von diesem, dem „stehenden Wundwalle‘“, durch 
die grofse, zwischengeschobene Zone von Parenchymholz (kg), welche 
dem stehenden Wundwalle abgeht. Die Verschmelzungsstelle der 
Cambiumzonen von Wildling und Edelreis macht sich nicht nur im 
Verwachsungsjahre, sondern noch viele Jahre später immer kenntlich 
durch den Verlauf der Holzelemente. In der Verbindungslinie, welche 
sich also zwischen e und ce herstellt, sind die Elemente mehr oder 
weniger stark tangential gestreckt, während sie im Innern des Wund- 
walles bereits normale vertikale Lagerung angenommen haben, also 
durch den Querschnitt auch tatsächlich quer durchschnitten erscheinen 
(hhW) und so dem normalen Holze Ah gleichen. Wenn durch Her- 
stellung dieses Verbindungsstückes die Cambiumzone c des Edel- 
reises mit der des Wildlings ce zu einem zusammenhängenden Ringe 
verbunden ist, sieht man, dafs dieser Ring nicht wie am unveredelten 
Stamme vom Zentrum überall annähernd gleich weit entfernt ist, 
sondern dafs er bei z und cc eime tiefe Einsenkung, eine S-förmige 
Biegung zeigt. Schon das bloise Auge erkennt diese gebogene 
Verbindungslinie, de Demarkationslinie GörpErTs, welche auch 
in der Rindenbekleidung auffällt '). 


!) Das Abweichende der vorliegenden Untersuchungen von den bisherigen 
Arbeiten liegt in dem Nachweis des verschiedenartigen Ursprunges des Kittgewebes 
oder (nach Görrerr) „intermediären Zellgewebes“. Dieser Forscher glaubt 
die Entstehung des Gewebes, das in Gemeinschaft mit dem Cambium die Verwachsung 
übernimmt, aus den Markstrahlen ableiten zu müssen, während Hassıeın das ge- 
samte Kittgewebe für Produktionen des Cambiums allein hält. Tatsächlich können 
alle noch zu Neubildungen fähigen Elemente an der Bildung des Wundcallus und 
Kittgewebes sich beteiligen. Bei manchen Bäumen erhält man beispielsweise aus- 
gezeichnete Bilder von Wundcallus, der auch aus dem Markkörper, namentlich 
der Markkrone, hervorgeht (Tılia). 


Wunden des Achsenorganes. 897 


Die Heilungsvorgänge bei der zweiten üblichen Art der Okulation, 
bei welcher das Edelauge mit einem Stückchen daran- 
haftenden Holzes von dem Zweige abgeschnitten und in den 
Wildling. eingeschoben wird, sind von den beschriebenen etwas ab- 
weichend. Der Nachteil bei dieser Veredlungsmethode mit Holz- 
schildchen ist eine Verlangsamung der Verwachsung; der Vorteil 
besteht aber in einer gröfseren Sicherheit der Erhaltung des Edelauges. 
Bei dem Abplatzen des Rindenschildchens vom Holzkörper zwecks 
Okulation mit Rinde wird nicht selten bei zu starker Verholzung des 
für das Auge bestimmten Getäfs- 
bündelzylinders der eigentliche 
Knospenkegel auf dem Zweige 
belassen. Das Auge auf dem 
Rindenschildchen hat dann auf 
der Innenseite eine Grube und 
treibt nicht mehr aus. Ungeübte 
übersehen dieses Grübchen und 
okulieren somit nutzlos. 

Derselbe Heilungsprozefs, der 
bei dem Okulieren mit Holz ein- 
tritt, findet bei dem Pfropfen 
in die Rinde statt. Nur wird 
hierbei der Wildling mehr be- 
schädigt, indem er zunächst quer 
abgeschnitten werden mufs; dann 
wird die Rinde an einer Seite 
aufgespalten und zur Aufnahme 
des Edelreises wie bei der Oku- 
lation etwas abgehoben. An Stelle 
des einzelnen Auges tritt hier ein 
mehrknospiger, schräg zugeschnit- 
tener Zweig. Die schräg abwärts 
gehende Schnittfläche desselben 
bildet einfache 'Überwallungsrän- 
der, also stehende Wundwälle, die 
mit den beweglichen Wundwällen 
der Rindenlappen des Wildlings 
und dem Kittgewebe aus der blofs- 
gelegten Holzfläche desselben ver- 
schmelzen. Bei dem Rinden- 
pfropfen („Pelzen‘“) hat der 
Wildling aber mehr Arbeit und 
weniger vorrätiges, plastisches Material, da auch der vom Edelreise nicht 
gedeckte Teil des Querschnittes an der Endfläche des Wildlings über- 
wallt werden mulfs. 

Welche Üppigkeit der Verwachsungsvorgang bei dem Rinden- 
pfropfen auf kräftige Wildlinge erlangen kann, mag beistehende, nach 
der Natur aufgenommene Zeichnung (Fig. 200) einer Veredlung von 
Aesculus rubicunda auf A. Hippocastanum dartun. Die Neubildungen auf 
der Innenseite der Rindenlappen »! des Wildlings waren wenige 
Wochen nach der Veredlung so stark, dafs sie flügelartig vom Edelreis 
abstanden und an der Schnittfläche Adventivknospen (a) hervorbrachten. 


Fig. 200. Rindenpfröpfling von Aesculus 
mit Adventivknospen. (Orig.) j 


828 V. Wunden. 


Kopulieren und Pfropfen. 


Bei der Kopulation werden das Edelreis am unteren Ende, die 
womöglich ebenso starke Unterlage am oberen Ende schief abgeschnitten. 
Die beiden Schnittflächen werden derart aufeinander gepafst, dafs die 
gleichnamigen Gewebepartien einander decken. Hier haben wir also 
einfach zwei Flachwunden; dieselben werden an ihrem Umfange 
Überwallungsränder bilden, ‘die sich zwischen Edelreis und Wildling 
hineinschieben. Der Verschlufs ist bei gut ausgeführter Manipulation 
und sehr geringem Zwischenraum zwischen den Wundflächen ein so 
dichter, dafs selbst das Mikroskop keine Lücke zwischen dem alten 
Holze der Schnittflächen und dem eingeprefsten Kittgewebe erkennen 
kann. (GöPPpErT findet, dals gerade bei der Kopulation dieses Kittgewebe 
schon im jugendlichen Zustande bald abstirbt, ohne zu verschwinden, 
während es nach Okulieren und Pfropfen bei vollständigem Schlusse lange 
in organischer Tätigkeit verbleibt. Mir ist eine solche, vom Veredlungs- 
modus abhängige Differenz in der Lebensdauer des Kittgewebes nicht 
aufgefallen. Wohl bemerkt man bei älteren Veredlungen Lücken oder 
braune, mürbe Massen abgestorbenen Gewebes; es schien mir aber, als ob 
dasselbe bei allen Veredlungsarten ohne Unterschied dann aufträte, wenn 
der Wundschlufs bei sehr dichtem Aufeinanderpassen von Edelreis und 
Wildling nur durch den erst entstehenden Wundcallus stattgefunden 
hat, ohne dafs sich nachträglich in der Fuge das holzparenchymatische 
Kittgewebe gebildet hätte. Die Kopulation darf daher wohl den Wert 
und die allgemeine Verwendbarkeit behalten, welche sie bisher gefunden. 
Die einfachste Form halte ich aber für die beste; das sogenannte englische 
Pfropten, sowie die von THovin angeführten Methoden (MILLER, KÜFFNER, 
FERRARI usw.) halte ich für unvorteilhafte oder gar schädliche Spielereien. 

Als die gefährlichste Operation ist das Spaltpfropfen zu er- 
klären. Im gebräuchlichsten Falle wird der Wildling quer abgeschnitten 
und ein- oder mehrfach bis tief in das Holz hinein gespalten. Das 
Edelreis wird von zwei Seiten keilförmig zugeschnitten und derart in 
den Spalt eingeklemmt, dafs die CGambiumzone desselben das Verbindungs- 
glied zwischen den beiden durch den Spalt getrennten Teilen des 
Cambiumringes des Wildlings ausmacht. Das keilförmig zugespitzte 
Edelreis wird, falls es nicht krautartig ist, aus dem stehengebliebenen 
Teile seines Cambiums allen Wundwälle beiderseits hervortreiben ; 
dasselbe geschieht an den beiden Spalträndern des Wildlings. Die 
verschmolzenen Kittmassen werden versuchen, den Spaltraum im alten 
Holze auszufüllen. Durchschnittlich gelingt dies selten vollkommen; 
von der Querschnittfläche des Wildlings dringt trotz des Baumkittes 
Feuchtigkeit in die Spaltwunde und veranlafst leicht Wund- oder Pilz- 
fäulnis. 

Der Veredlungsprozefs ist natürlich nicht an die Existenz einer 
bestimmten Cambiumzone gebunden, sondern wird auch bei Monocotyl- 
edonen möglich sein. Beispiele dafür liefert DanıEeL?!), der bei Vanille 
und bei Philodendron Pfropfversuche mit Erfolg ausführte. 

Es ist am Schlufs dieser Betrachtung der Wundheilungsvorgänge 
noch einmal zu betonen, dafs das Urteil über die Wertigkeit der Ver- 
edlungsarten sich hier nur auf mindestens ein ‚Jahr alte, mit ausgebildetem 
Holzkörper versehene Achsen bezieht. Bei Veredlungen krautartiger 


!) Daxıen, L., Greffe de quelques Monocotyledones sur elles-m&mes. Compt. 
rend. 1899, II, p. 654. 


Wunden des Achsenorganes. 829 


Triebe von Holzpflanzen oder krautiger Pflanzen überhaupt kann die 
Wahl der Veredlungsmethode nach rein praktischen Gesichtspunkten 
stattfinden. Es nehmen bei der Verwachsung meist so viel Elemente 
der Schnittflächen (ältere Rinden- und Holzelemente, Markkörper) an 
der Bildung von Wundcallus teil, dafs eine innige Verbindung unter 
allen dem Pflanzenkörper überhaupt zuträglichen Umständen stattfindet, 
vorausgesetzt, dals eine genügende Verwandtschaft zwischen Edelreis 
und Unterlage existiert. 


Die Lebensdauer veredelter Individuen. 


Ein Einflufs des Veredlungsvorganges auf die Entwicklung des 
Individuums wird, ganz abgesehen von etwaigen Einwirkungen einzelner 
Eigenschaften der beiden veredelten Teile aufeinander, nicht abzuleugnen 
sein. Jedenfalls werden, wie DUHAMEL bereits hervorhebt, die Gewebe- 
veränderungen an der Veredlungsstelle eine Veränderung in der Leitungs- 
fähigkeit veranlassen. Die Kittschicht wird sowohl in der Partie, in 
welcher sie aus stärkereichem Parenchymholz besteht, als auch später, 
wo sie aus gewundenen Prosenchymelementen gebildet ist, eine Ver- 
langsamung der Wasserleitung und eine leichtere Speicherung des ab- 
wärts wandernden, plastischen Materials hervorrufen. Die Folgen dieser 
Veränderungen sind früher bereits besprochen worden. 

Die bis jetzt wenig bekannte Grenze, bis zu welcher verschiedene 
Individuen miteinander zu einem dauernd normal funktionierenden 
Organismus verbunden werden können, läfs sich ungefähr dahin prä- 
zisieren, dafs im allgemeinen nur Pflanzen derselben natürlichen Familie 
mit Aussicht auf Erfolg aufeinander veredelt werden können. Dies 
würde nach den bisherigen Erfahrungen aber auch die äufserste Grenze 
darstellen. Es liegen Beispiele in genügender Menge dafür vor, dafs 
Geschlechter derselben Familie sich nicht dauernd vereinigen lassen, 
ja Arten desselben Geschlechtes können für einige Jahre verbunden 
bleiben und lösen sich schliefslich doch aus dem Verbande, wobei in 
der Regel der Tod des einen Teiles eintritt. Es ist wahrscheinlich, 
dafs aufser der stofflichen Verwandtschaft namentlich eine gleichartige, 
biologische Entwicklung der zu vereinigenden Individuen notwendig 
ist. So glaube ich, dafs der verschiedene Eintritt und Abschlufs der 
Vegetationsphasen (Blattbildung, Fruchtansatz usw.) und der verschieden- 
artige Wasserbedarf der Individuen sehr mafsgebend für die Dauer 
selbst solcher Veredlungen sind, die anfangs gut miteinander verwachsen. 
Manchmal halten sich Veredlungen viele Monate hindurch frisch, ohne 
dafs sie miteinander überhaupt fest verwachsen. Bei krautartigen Ver- 
edlungen heterogener Arten oder derartiger Organe sieht man, dafs 
manchmal das Edelreis weiter treibt und sich kümmerlich bis zur Blüten- 
bildung entwickelt, schliefslich aber abstirbt. Soweit ich Einblick erlangte, 
war überhaupt keine Verwachsung eingetreten. Beide Teile können 
dabei ihr Bestes getan haben; ihre sämtlichen fortbildungsfähigen Ge- 
webe können Neubildungen produziert, ja stellenweise namhaften Wund- 
callus hervorgebracht haben, aber es zieht sich zwischen diesen Gewebe- 
massen der beiden Teile ein brauner Streifen hindurch, der sofort er- 
kennen läfst, zu welchem Individuum das fragliche Gewebe gehört. 
Der braune Streifen ist entweder nur durch die gequollene Wandung 
der äufsersten Zellen gebildet oder auch durch Zusammenfallen ganzer 
Zellen der Wundränder verbreitert. Meist hat sich an der Grenze eine 


330 V. Wunden. 


Korkschicht durch Verkorkung der Membran der peripherischen Par- 
enchymzellen oder aufserdem noch durch Erscheinen wirklicher Kork- 
zellen eingefunden. 

Auch bei Gattungen, welche schliefslich tatsächlich miteinander 
verwachsen, wie z. B. Iresine auf Alternanthera, findet man an ganzen 
Strecken der Veredlungsflächen ein Nebeneinanderwachsen der Kitt- 
gewebe, von denen jedes durch eine Korkschicht abgeschlossen ist. 

Ähnliche Fälle liefsen sich bei Wurzelveredlungen (Bignonia) 
nachweisen, und bei Spaltpfröpflingen von Paeonia arborea auf leischigen 
Wurzeln der Paeonia officinalis liefs sich beobachten, dafs die Wurzel- 
unterlage nur als Aufbewahrungsort für das Edelreis gedient hatte. 
Letzteres hatte Wurzeln gemacht, ohne irgendwo mit der Unterlage 
verwachsen zu sein. e 

Die Wurzelveredlung ist im allgemeinen eine sehr gute Methode. 
Auch bei unsern Obstbäumen ist sie schon von SICKLER zu Ende 
des vorvorigen Jahrhunderts geübt worden, und später hat namentlich 
SEIGERSCHMIDT in Makö sich sehr empfehlend darüber geäufsert). Wurzel- 
stücke von der Dicke eines Federkiels bis zu der eines Daumens erweisen 
sich, wenn sie mit feinen Wurzeln versehen sind, geeignet; sie werden in 
s—12 cm lange Stücke geschnitten, durch Kopulation oder mit Geifsfufs 
veredelt, und die Veredlungsstelle wird mit Erde bedeckt, so dafs 
2—3 Augen über der Erde bleiben. Alte Kern- und Steimobststämme, 
welche entfernt werden müssen, geben ein reichliches Material zu 
Unterlagen. Selbstverständlich müssen die Wurzeln sehr gesund sein. 
Noch mehr in Aufnahme ist bereits das Verfahren, die Rosen auf 
Wurzelstücke im Januar oder Februar zu veredeln; auch bei Clematis 
und manchen andern Holzpflanzen bürgert sich diese Veredlungsweise 
immer mehr ein. 

Dafs unter Umständen, die eine mangelhafte Verwachsung bedingen, 
die Lebensdauer einer Veredlung eine geringe sein wird, ist von vorn- 
herein zu vermuten. Ob aber der Veredlungsprozefs an sich die Lebens- 
dauer einschränkt, wie Tnovmın und GÖPPERT aussprechen, bleibt dahin- 
gestellt. Dafs veredelte Obstbäume durchschnittlich kurzlebiger sind 
als wurzelecht weiter wachsende Sämlinge, ist nicht zu leugnen. Man 
kann auch zugeben, dafs ein Absterben der Bäume, wie GÖöPPERT be- 
obachtet hat, in der Demarkationslinie durch allmähliche Verrottung der 
Verbindungsstellen sich einleitet; aber es ist nicht zu glauben, dafs 
dieser Verrottungsprozefs eine reguläre Todes- oder auch nur Krankheits- 
ursache der veredelten Bäume sei. Man sieht im Gegenteil, dais selbst 
schlecht verwachsene, ja anfangs blofs einseitig zusammengeklebte 
Kopulanten ganz gesunde dauerhafte Stämme geben können. Die alten 
Veredlungsstellen haben das festeste Holz; der Sturm dreht die Bäume 
an jeder andern Stelle wohl leichter ab als gerade an der Veredlungs- 
stelle. Nur bei alten Stämmen, die später umgepfropft werden, mögen 
die Beobachtungen Görrerr's vielleicht als Regel gelten. Den durch- 
schnittlich früheren Tod der veredelten Stämme erkläre ich mir dadurch, 
dafs man eben nur bessere. aber auch gleichzeitig weichere Kultursorten 
veredelt, die, abgesehen von den Störungen, welche sie durch den 
Kulturschnitt erleiden, an und für sich empfänglicher gegen Wachstums- 
störungen und atmosphärische Unbilden sind, wie die aus Samen 
erzogenen, fast immer mehr oder weniger der härteren Wildlingsnatur 
sich nähernden Exemplare. 


!) Wiener Obst- und Gartenzeitung 1376, S. 587. 


Wunden des Achsenorganes. 831 


Gegenseitiger Einflufs von Edelreis und Unterlage. 


.. Betreffs der Einwirkung des Mutterstammes auf das Edelreis liegen 
seit langer Zeit Erfahrungen der Praktiker vor, dafs Äpfel, auf 
Johannisholz (Paradiesapfel) gesetzt, sehr niedrig bleiben und bisweilen 
schon in dem auf die Veredlung folgenden Jahre fruktifizieren. Auf 
dem Splittapfel werden die Formen schon gröfser; die Fruchtbarkeit 
tritt nach wenigen Jahren ein, während das Edelreis auf einer Unterlage 
von Pirus Malus die richtige Baumform erreicht, aber erst nach einer 
längeren Reihe von Jahren die Fruchtbarkeit erlangt; bei Birnen bilden 
die Quitte und der feuchten Boden liebende Weitfsdorn die Zwergunterlage. 
Für rauhe und trockne Lagen ist von mehreren Seiten Pirus Malus 
prunifolia major neben P. M. baccata cerasiformis, dem Kirschapfel 
als Unterlage für Apfel empfohlen worden'!). P. M. prunifolia, der aus 
Sibirien stammt, ist hart und auch als Stralsenbaum zu verwenden; er 
unterscheidet sich durch seinen, in die Augen fallenden, stehenbleibenden 
Kelch von der Art P. M. baccata, zu welcher cerasiformis gehört, die 
den Kelch zur Reifezeit abwirft. 

Über die Lebensdauer der Stämme äufsert sich LinpEMmUTH, dafs die 
aut Johannisapfel gepfropften Sorten ihr Leben selten über 15—20 Jahre 
bringen, während die auf Sämlingen edler, baumartiger Sorten von 
Malus veredelten Exemplare 150—200 Jahre alt werden können. Von 
sonstigen Literaturnotizen erwähnen wir noch folgende: 

Sauerkirschen auf Süfskirschen gedeihen weniger gut als diese auf 
jenen ?). ÖBERDIECK sah Süfskirschen auf Sauerkirschen sehr fruchtbar 
tragen. 

TREVIRANUS®) zitiert: Nufsbäume und Kastanienbäume von den spät- 
ausschlagenden Varietäten sollen auf frühtreibenden niemals geraten 
(nach Capanıs, Traite de la greffe); dagegen soll bei Kernobst diese 
Methode der Veredlung später Sorten auf frühe von gutem Erfolge 
begleitet sein und eine frühere Reife der Früchte bedingen®). Bei 
Pfirsichen scheint die Veredlung an sich, also sowohl von frühen auf 
späte Sorten und umgekehrt, von günstigem Erfolge zu sein. GAUTHIER 
teilte der Pariser Societe cent. d’Horticulture?) mit, dafs er Pfirsich im 
August oder September auf Zapfen (coursonnes) wie auf die Verlängerungs- 
triebe pfropfe und zwar späte Sorten auf frühe und umgekehrt. Die 
Früchte sollen dadurch grölser werden, dafs bei einem Baume, der mit 
spät reifender Sorte veredelt, die Früchte der Unterlage zuerst geerntet 
werden können, und dafs dann der Baum seine übrige Kraft auf die 
Ausbildung der Früchte an den Asten der aufgesetzten, späten Sorte 
verwenden kann. Im umgekehrten Falle einer Veredlung auf späte 
Sorten werden die ganzen Bäume kräftiger, da späte Varietäten im 
allgemeinen einen üppigeren Wuchs haben. 

Ein älteres Beispiel von DuHAMEL®) ist in dieser Beziehung er- 
wähnenswert. Mandel auf Pflaumen und umgekehrt wachsen zuerst 


!) Lies, Pyrus Malus prunifolia major. Pomolog. Monatshefte 1879, S. 130. 

®) Lıspemuru, Vegetative Bastarderzeugung durch Impfung. Landwirtsch. 
Jahrbücher 1878, Heft 6. 

3) Teevıranus, Physiologie der Gewächse II, 1838, S. 648ff. 

#) v. Eurenrers, Über die Krankheiten und Verletzungen der Frucht- und 
Gartenbäume. Breslau 1795, S. 108. 

5) Orıcıes, Vorteilhaftes Pfropfen von Pfirsichbäumen. Pomolog. Monatshefte 
v. Lucas 1879, S. 61. ! 

6) Dvmaner pu Moxczau, La physique des arbres 1758, II, S. 89. 


833 V. Wunden. 
sehr gut an, aber gehen meist nach einem oder einigen Jahren zurück. 
Die Mandel hat ein viel üppigeres Wachstum, treibt früher ım Jahre 
aus und bildet als Edelreis einen starken Wulst an der Veredlungsstelle. 
Es ist daher wahrscheinlich, dafs ein solches, früher und dauernd mehr 
Wasser beanspruchendes Edelreis so lange auf einer minder üppigen 
Unterlage gedeihen wird, als diese im Stande ist, aus ihrem gespeicherten 
Vorrat ım Stamm dem jungen Reise zu genügen. Wird der Edelzweig 
mehrjährig, werden seine Bedürfnisse gröfser und kann er sich nicht, 
was häufig (Zwergstämme von Kernobst) der Unterlage akkomodieren, 
so geht er aus Nahrungsmangel allmählich zugrunde. Boden, Bewässerung, 
Sorte varlieren die Erfolge sehr wesentlich. Umgekehrt wird eine zu 
frühe und üppige Unterlage einem mit weniger Ansprüchen auftretenden 
Edelreise mehr zuführen, als dieses aufnehmen kann. Das überschüssige 
Material der Unterlage ergeht sich nun in schnellen Neubildungen. 
Sind viele Knospenherde da, dann macht sich der Überschufs in der 
Produktion langgliederiger Schossen Luft. Wenn aber, wie bei den 
Veredlungen, die meisten Seitenzweige und Augen unterdrückt sind, 
dann bleibt das Material dem Verdickungsringe des Stammes zur Ver- 
fügung. Es bilden sich statt der Prosenchymelemente Nester aus 
Parenchymholz, welche bei den Amygdalaceen leicht zu Gummiherden 
werden, wie ich beobachten konnte. Von älteren Beobachtern berichtet 
DuHAmEL, dafs die mit Pflaumenreisern besetzten Mandelunterlagen an 
den Veredlungsstellen durch Gummosis zugrunde gingen. 

Auch bei den ganz allgemein durchgeführten Veredlungen der 
Birnen auf Quitte und der Apfel auf Paradiesapfel hat die Erfahrung 
gelehrt, dafs der Tod für schnellwüchsige Edelreiser um so schneller 
eintritt, je trockner der Boden und je weniger Wurzeln die Unterlage 
darin entwickelt. Die Edelreiser verschmachten leichter. DuHAMEL 
zitiert auch Fälle, dafs bei solchen Mifsverhältnissen zwischen Edelreis 
und Wildling betreffs der Wasseransprüche schon das einfache Ver- 
pflanzen den Tod durch Verschmachtung zur Folge hatte 
(Mandel auf Pflaumen), während die in der Schule stehen gebliebenen 
Stämmchen derselben Serie gesund blieben. Das Abschneiden der 
Wurzeln bei dem Verpflanzen hatte die augenblickliche Fähigkeit der 
Wasserzufuhr bei der Unterlage zu sehr vermindert. Auch Pfirsich 
auf Zwetschen sollen keine besonders haltbaren Verbindungen liefern 
(Pomolog. Monatshefte 1879, S. 370); das Edelreis soll rotgefärbtes 
Holz erhalten und bald zurückgehen. Ich schliefse hieran einen Ver- 
such mit Veredelung von Himbeeren auf Rosa canina!). Von den durch 
Kopulation aufgesetzten Rubusreisern sah ich auf einem Exemplar zwei 
Zweige sich entwickeln, von denen der eine vier normale Himbeeren 
trug. Im Herbst aber starb das Edelreis ab, und bei der Untersuchung 
fand ich, dafs die Verwachsung eine sehr mangelhafte gewesen war. 
Am oberen Teile des Kopulationsschnittes hatte nur der Wildling Ver- 
narbungsgewebe geliefert; dagegen war am untern Teile sowohl von 
Rosa als auch von Rubus reichlich Wundcallus gebildet worden, der 
die normalen Verwachsungsvorgänge zeigte. 

Die immergrüne Belaubung scheint kein Hindernis für das An- 
wachsen auf laubabwerfenden Unterlagen zu sein. Reiser von Prunus 
Laurocerasus auf Pr. Padus, von (@uercus Ilex und Suber auf @. sessil- 
flora, von Cedrus Libani auf Larix europaea sollen gedeihen, während 


1) Soraver, P., Rubus auf Rosa. Zeitschr. f. Pflanzenkrankh. 1898, S. 227. 


Wunden des Achsenorganes. 333 


über ein Gedeihen laubabwerfender Gehölze auf immergrünen noch 
nichts berichtet wird. THoum!) widerspricht ersterer Behauptung. 

Von den bemerkenswerten Ergebnissen der DuHamer'schen Versuche 
sei hier erwähnt, dafs z. B. die Frucht der Winterchristbirne auf Quitte 
ein zarteres, saftreicheres Fleisch und eine feinere, intensiver gefärbte 
Schale erhielt gegenüber den auf Wildling veredelten Reisern. L&CLERC 
DU SaBLoN?) beobachtete, dafs Birnen auf Birnen gepfropft weniger 
Reservestoffe in den oberirdischen Teilen speichern als auf Quitten- 
unterlage, deren Wurzeln aber ärmer an Reservematerial würden. 
Letzterer Umstand könnte die gröfsere Fruchtbarkeit bei Veredlung 
auf Quitte erklären. 

Es ist merkwürdig, dafs bei einer so innigen Verbindung, die 
Birne und Apfel mit entfernter stehenden Unterlagen eingehen, sie 
gegenseitig nicht oder doch selten zu dauernder Vereinigung unter- 
einander zu bringen sind. Es liegen in dieser Beziehung schon ziemlich 
zahlreiche Versuche vor. So berichtet KnicHtr?) von einem Apfel auf 
Birne, der ein Jahr lang eine reiche Ernte brachte, aber im Winter 
darauf einging. Die Früchte sollen auch ein schwarzes Kerngehäuse 
ohne einen einzigen Samen besessen haben. Von den späteren Be- 
obachtern wird die Tatsache im allgemeinen bestätigt, aber hervor- 

ehoben, dafs günstige Ausnahmefälle vorkommen. So berichtet Direktor 

StoLL*), dafs Apfelreiser auf Birnbäumen ganz gut angehen, auch 
sehr bald tragen, aber kleine Früchte bringen und meist im vierten 
Jahre absterben. Obergärtner SEIFERT in Segeberg (Holstein) beschreibt 
eine fünfjährige Apfelveredlung auf Birne als Unterlage, welche im 
vierten Jahre sechs gut ausgebildete Apfel getragen hat (Kibston- 
Pepping). Die Früchte waren von gutem Geschmack, ‚aber die Krone 
sehr schwachwüchsig. Von Birnenveredlungen auf Apfeln sind mir 
mehrere günstige Resultate bekannt geworden. In Üzerwentzitz bei 
Ratibor fanden sich viele Exemplare von Birnen, welche auf Apfeln 
veredelt waren. Das Verfahren war seit zehn Jahren in Anwendung. 
Bei dem ersten Versuche (Geifshirtenbirne auf Apfel) zeigte sich, dais 
die Früchte vom zweiten Jahre der Veredlung an auf der Aptel- 
unterlage um vierzehn Tage früher reiften als aut dem eignen Mutter- 
stamm. Das Edelreis hielt sich acht Jahre. Schwächere Unterlagen 
lieferten kein gutes Resultat; die meisten Sorten gingen zwar an, 
wuchsen aber nicht von der Stelle. Bei Wiederholung derseiben 
Veredlung in mittlere Kronenäste gingen eine Anzahl Exemplare nach 
zwei bis drei Jahren ein. Die übrigen lebten noch einige Zeit kümmerlich 
weiter, ohne Früchte zu bringen. Aus derselben Zeit stammt eine 
Notiz?) von GILLEMOT, der selbst zweijährige Birnenveredlungen auf 
Apfelunterlage besafs. Ferner wurden bei ihm Kirschenreiser (Kgl. 
Amarelle) auf eine Pflaume (Prunus insititia) in die Rinde gepfroptt. 
Die Reiser entwickelten sehr lange Triebe und im zweiten Jahre auch 
verhältnismäfsig viele und schöne Früchte, starben aber nach dem 
Fruchttragen sämtlich ab. 


!) Tuovı, Monographie des Pfropfens. Deutsch von Berg 1824, S. 114. 

2) Leeterc vu Sasuox, Sur influence du sujet sur le greffon. Compt. rend. 1903, 
CXXXV, p. 623. 

®) Hort. Transact. II, p. 201. M! 

*#) Srorz, Das Veredeln von Birnen auf Apfeln. Wiener Obst- und Gartenzeit. 
1876, >. 10. 

6) Givremor, Beitrag zur Veredlung verschiedenartiger Gewächse aufeinander. 
Wiener Obst- u. Gartenzeit. 1876, S. 121. 

Sorauer, Handbuch. 3. Aufl. Erster Band. bp) 


234 V. Wunden. 


Bis in die neueste Zeit hinein sind derartige Versuche von ver- 
schiedenen Seiten wiederholt worden; es haben sich jedoch bis jetzt 
keine weiteren empfehlenswerten Resultate ergeben als die, welche seit 
langer Zeit betreffs der Verwendung der Zwergunterlagen bekannt 
sind. In einigen Fällen hat sich herausgestellt, dafs die Art der Ver- 
edlung ausschlaggebend für das Gelingen derselben ist. So berichtet 
beispielsweise ÜARRIERE !), dals die Birnenvarietäten Bon chretien Rans, 
Doyenne de Juillet, Bewrre Giffard, Beurre Box nicht wachsen oder nach 
Produktion schwächlicher Triebe bald zugrunde gehen, wenn sie auf 
Quitte okuliert würden (greffE en ecusson); dagegen ist der Erfolg; ein 
ganz wesentlich günstiger, wenn man in den Spalt pfropft und namentlich 
als Edelreis eine Zweigspitze benützt. Die Fruchtbarkeit ist ungemein 
grofls. So soll auch Zigustrum ovalifolium als Unterlage für die einzelnen 
Arten des Flieders sich verschieden verhalten. Nur Syringa Josikea 
soll als Okulant (greffeE en ecusson) fortkommen, während 8. Emodi, 
persica u. a. nur durch Pfropfen in den Spalt (greffe en fente) sich gut 
entwickeln. 

Die Neuzeit hat dieser Frage eine besondere Aufmerksamkeit bei 
der Weinveredlung im Kampfe gegen die Reblaus zugewendet. 
Die Zahl der darüber erschienenen Arbeiten ist ungemein grofs, so dafs 
wir nur auf einige hervorragende aufmerksam machen können. Zunächst 
stellte CoupErc ?) durch eine Umfrage bei etwa 450 französischen Wein- 
bauern fest, dafs durch das Pfropfen selbst die Resistenzfähigkeit einer 
amerikanischen Unterlage gegenüber den Reblausangriffen gewöhnlich 
etwas herabgedrückt werde; aber auch die verschiedenen als Edelreis 
gebrauchten Sorten üben einen verschieden starken Einflufs aus. 

Doch kommen auch Fälle vor, in denen ein sehr zusagendes Edel- 
reis die Resistenzfähigkeit erhöhen kann. Dafs die Unterlage das 
Wachstum des Edelreises und namentlich auch seine Fruchtbarkeit 
beeinflufst, hebt u. a. Ravaz?) besonders hervor Präzise Zahlen über 
die Anderung der Trauben durch den Einflufs der Unterlage verdanken 
wir Hotter *). Derselbe untersuchte verschiedene Traubensorten, welche 
sowohl von den auf Ariparia veredelten als auch von wurzelechten 
Rebstöcken derselben Sorte stammten. Von neun Traubensorten waren 
77°/o der Moste bei den veredelten Stöcken säurereicher als die der 
unveredelten Stöcke, von denen 65 %o mehr Zucker als die auf Amerikaner- 
unterlage besafsen. Diese Angaben stehen allerdings in Widerspruch 
mit denen von ÜURTEL?), der die Früchte der gepfropften Reben gröfser, 
ihre Schale dünner und die Samen weniger zahlreich, aber dicker fand. 
Der Saft war reicher an Zucker wie an Säure, ärmer an Aschenbestand- 
teilen, besonders Phosphaten, reicher an stickstoffhaltigen Bestandteilen, 
ärmer an Gerbstoff. Wir haben absichtlich beide Beobachtungen an- 
geführt, um zu zeigen, wie verschiedenartig die Unterlage wirken kann. 
Weitere Erfahrungen finden wir in den Denkschriften des Kaiserlichen 
Gesundheitsamtes zu Berlin. So bestätigt beispielsweise die fünfund- 


’) Carrrere, Quelques observations ä propos de la greffe. Revue hort. 1876, 
II, p. 208. 

®) Aus dem Weinbau-Kongrefs vom 16. bis 19. August 1894 in Lyon; eit. 
Zeitschr. f. Pflanzenkrankh. 1895, S. 118. 

®) Ravaz, L., Choix des porte-greffes. Revue de viticulture 1895, Nr. 100, 105, 106. 

*) Horrer, E., Der Einfluls der amerikanischen Unterlagsreben auf die Qualität 
des Weines; cit. Centralbl. f. Agrikulturchemie 1905, S. 625. 

?) Curıer, G., De l’influence de la greffe sur la composition du raisin. Compt. 
rend. 1904, t. CXXXIX, p. 491. 


Wunden des Achsenorganes. 335 


zwanzigste Denkschrift die bereits erwähnte Beobachtung, dafs die 
amerikanische Rebe an Widerstandskraft gegen die Reblaus, Gelb- 
sucht u. a. verliert, wenn sie gepfropft wird). 

Betreffs des technischen Verfahrens, das bei der Weinveredlung 
zur Anwendung gelangt, folgen wir den Angaben von SCHMITTHENNER ?), 
der hervorhebt, dafs zurzeit der sogenannte Englische Zungen- 
schnitt fast allgemeine Anwendung findet. Es ist dies eine Form 
der Kopulation, bei der der Diagonalschnitt nur geringe Länge hat, 
dafür aber die Schnittflächen von Edelreis und Wildling noch einen 
axilen Einschnitt erhalten. Nun schiebt man das Reis mit einem Spalt- 
teil in den Spalt der Unterlage, so dafs Reis und Unterlage mit Gegen- 
zungen ineinander greifen. Der anatomische Befund zeigt, dafs bei 
der Rebenveredlung mehr als bei jeder andern die Tätigkeit des 
Cambiums herabgedrückt wird; der nach der Veredlung entstehende 
Jahresring ist viel schwächer als der normale. Der Einflufs der Wunde 
ist viel bedeutsamer als bei der Veredlung anderer Gehölze und erstreckt 
sich bis zum nächsten Knoten, indem sämtliche Gefäfse mit verkorkten 
Thyllen ausgefüllt sind, welche Wundgummi enthalten. 

Schon früher hatte Tomra®) über das Veredeln der Reben im 
krautartigen Zustande eingehende anatomische Daten geliefert. Übrigens 
wird die Weinveredlung erst dann zur vollen praktischen Wirksamkeit 
gelangen, wenn man als Unterlagen nicht die amerikanischen Arten, 
sondern deren Hybriden benutzt, die den einzelnen Ortlichkeiten an- 
gepafst sind *). 


Seit dem vorigen Jahrhundert ist man der Bastardbildung 
durch Veredlung näher getreten. Das bekannteste Beispiel ist 
Cytisus Adami, der aus einer Veredlung von Cytisus purpureus auf 
Laburnum vulgare hervorgegangen sein soll und zeitweise nun seit 1826 
in einzelnen Zweigen bald die Blüten der einen oder anderen Stammart 
produziert. Nach A. Braun?) soll sich der Rückschlag zuerst 16 Jahre 
nach der Veredlung gezeigt haben. LaußErT‘®) fand, dafs diese Rück- 
schlagsbildung als eine Knospenvariation anzusprechen sei, bei der die 
den Cytisus purpureus repräsentierende Zweigform auch in anatomischer 
Hinsicht ganz der echten Spezies gleicht. BEIJERINcK ?) findet, dafs diese 
Knospenvariation sich häufig durch Wundreiz wecken läfst. 

Ein anderes Beispiel wurde 1875 veröffentlicht®). In einem Wein- 
hause in England wurde ein Stock, der mit Black Alicante bereits ver- 
edelt worden, nach längerer Zeit noch einmal mit drei Sorten auf den 
Black Alicante veredelt. Eine dieser drei Sorten wurde später samt 


!) Fünfundzwanzigste Denkschrift betreffend die Bekämpfung der Reblaus- 
krankheit. Bearbeitet im Kaiserl. Gesundheitsamte bis 1. Oktober 1903 

2) ScHmittHENNER, F., Verwachsungserscheinungen an Ampelopsis- und Vitis- 
Veredlungen. Internat. phytopath. Dienst 1903, Nr. I. 

3) Tomra, A., Soudure de la ner herbacee de la vigne. Annal. Instit. 
ampelologique hongrois. 1900, t. 1, Nr. 1. 

4) Tererı, Axpor, Die Rekonstruktion der Weingärten usw. II. Aufl., Wien 
und Leipzig, Hartlebens Verlag, 1907. 

5) Bot. Jahresber. 1873, S. 537. 

6) Lauserr, R., Anatomische und morphologische Studien am Bastard Laburnum 
Adami Poir. Bot. Centralbl. Beihefte Bd. X, Heft 3. 

?) Bewserıxck, M. W., Beobachtungen über die Entstehung von Üytisus purpureus 
aus Oytisus Adami. Ber. d. Deutsch. Bot. Ges. 1908, Heft 2, S. 137. u 

8) Greve, Currorn, Buryr Sr. Eonmuxps, Singular Sport of a Grape Vine. 
Gard. Chron. 1875, I, S. 21. 


ae 


836 V. Wunden. 


einem kleinen Stücke der Unterlage fortgeschnitten. Darauf zeigte ein 
mitten in dem Aste der zweiten aufgesetzten Sorte (Trebbiano) stehender 
Sprofs einen Sporn mit Trauben, welche gänzlich der fortgeschnittenen 
Sorte (Golden Champion) glichen. Unterhalb und oberhalb des abnormen 
Spornes trug die Trebbianorebe wieder ihre charakteristischen Früchte. 
Es bleibt somit keine andere Annahme übrig, als dafs die weg- 
geschnittene Championsorte nach rückwärts hin einen Einflufs auf die 
Unterlage (Black Alicante) und durch diese auf die seitlich veredelte 
Trebbianosorte ausgeübt hat. 

Ein anderer, sonderbarer, älterer Fall ist durch Lacknxer !) bekannt ge- 
worden. Im Garten Palavicini bei Genua sah Lackner unter dem 
Namen Maravilla di Spana eine Orange (Bigaradia bizarro Riss.), die 
auf der Oberfläche zum Teil wulstige Streifen zeigte und auch dem- 
entsprechend im Innern teils einer Citrone, teils einer Apfelsine und 
Cedrate glich. Diese Form ist nachweislich um 1640 entstanden, wo 
ein Gärtner in Florenz einen Wildling veredelte, ohne dafs das Edelreis 
anwuchs. Unmittelbar unter der Veredlungsstelle entstand aber ein 
Zweig, welcher diese höchst merkwürdigen Früchte brachte. Die 
Blumen sind ebenfalls verschieden; einige erscheinen weifs, andere rot. 

Im Jahre 1873 veröffentlichte die Revue horticole einen Fall, in 
welchem ein Herr Zen durch Veredlung neue Rosenvarietäten gezüchtet 
habe. Die Varietäten blieben konstant. 

FockE ?) erwähnt eine weıfse Moosrose, die auf eine rote Centifolie 
gepfropft worden war. Ein solcher Stock entwickelte aus der Basis Triebe, 
die teils weifse Moosrosen, teils Centifolien und auch Moosrosen mit zum 
Teil rotgefärbten Petalen trugen. Aufser bei den hier besprochenen 
Rosen werden noch Pirus, Begonia, Oxyria und Abies als Genera genannt, 
bei denen Pfropfmischlinge vorgekommen sind. 

Eine Rückwirkung des Edelreises auf die Unterlage sieht DanIEL 
in einem Falle, in welchem alte, auf Quitte veredelte Birnen 2 m über 
dem Erdboden abgesägt worden waren. Aus den gänzlich entasteten 
Stumpfen entwickelten sich teils Zweige mit normalen Quittenblättern, 
teils solche mit Mischformen zwischen Quitte und Birme?®). Derselbe 
Autor beschreibt in Gemeinschaft mit Jurız ähnliche Beispiele an ge- 
pfropften Reben, von denen Ravaz*) aber nachweist, dafs derartige 
Variationen auch an nicht gepfropften Reben auftreten. Solche Fälle 
von Verwechslung kommen mehrfach vor: man ist sehr leicht geneigt, 
Formenunterschiede auf den speziellen Einflufs der Veredlung zurück- 
zuführen, die in der Tat nur Variationen an üppigen Zweigen sind, wie 
solche nach starkem Zurückschneiden älterer Achsen sich geltend 
machen. Wir erinnern nur an die mannigfachen Blattformen des Stock- 
ausschlags bei Morus, Populus u. a. nach dem Absägen der Stämme. 

Die meisten Irrtümer kommen bei den Pfropfversuchen mit kraut- 
artigen Pflanzen vor. Auch hier haben wir Versuche von DanıeL?), der 
Kohlrüben auf Allaria und diese auf Grünkohl pfropfte und bei den 


1) Lackner, Einflufs des Edelreises auf die Unterlage bei Orangen. Monats- 
schrift d. Ver. z. Bef. des Gartenbaues v. Wittmack 1878, S 54. 

2?) Fock£, Die Pflanzen-Mischlinge. Ein Beitrag zur Biologie der Gewächse. 
Bot. Centralbl. 1880, S. 1428. 

3) Danıer, L., Un nouvel hybride de la greffe. Compt. rend. 1903, t. XXXVII 

#) Ravaz, L., Sur les variations de la vigne greffee; reponse ä M. L. Daniel. 
Montpellier 1904. 

5) Danıer, L., Creation des varietes nouvelles au moyen de la greffe. Compt. 
rend. 1894, I, p. 992 


Wunden des Achsenorganes. ER 837 


aus den Samen der gepfropften Exemplare entstandenen Pflanzen 
morphologische und anatomische Unterschiede gefunden hat. Hierher 
gehören auch die Kartoffelpfropfversuche und die Veredlungen von 
Solanum Lycopersicum auf Kartoffeln. Es liegen gerade betreffs der Ver- 
edlung verschiedener Solaneen aufeinander äufserst zahlreiche Ver- 
suche vor, die wir bereits in der zweiten Auflage dieses Handbuchs 
ausführlicher besprochen haben (S. 692 ff... Die eingehendsten, bis 
auf die neueste Zeit fortgeführten Versuche verdanken wir LINDEMUTH, 
dessen Untersuchungen wir bereits in dem Abschnitt über Alböcatio 
(S. 671 ff.) gedacht haben. MoruiscH!) hat frühere Versuche nachgeprüft 
und kommt in Übereinstimmung: mit STRASBURGER und VÖCHTING zu dem 
Resultat, dafs eine Entstehung von Pfropfhybriden zwar theoretisch 
wohl erklärlich wäre, aber tatsächlich nicht genügend nachgewiesen sei, 
da er und die genannten Beobachter gefunden hätten, dafs Reis und 
Unterlage stets ihre Natur in morphologischer Hinsicht beibehielten. 

Wir vermögen diesen Standpunkt nicht zu teilen, da namentlich 
die neuen LixnpemuTHschen Versuche?) sowie die von E. Baur eine 
Beeinflussung der Unterlage durch das Edelreis genügend feststellen. 
Allerdings laufen in vielen Fällen Knospenvariationen nebenher, die 
mit dem stofflichen Einflufs des Edelreises auf die Unterlage nichts 
zu tun haben, sondern wahrscheinlich auf den Wundreiz zurückzuführen 
sind. Hemmungserscheinungen der verschiedensten Art, wie z. B. 
Drucksteigerung in der Knospenlage, können schon eine andere Ent- 
wicklung einer jungen Achse einleiten. 

Der Einflufs der Unterlage auf das Edelreis ist bei der Obstzucht eine 
bekannte Tatsache. Wir erinnern nur an die verschiedene Wirksam- 
keit der Unterlage auf ein und dieselbe Apfelsorte. Auf Doucin zeigt 
sich starker Holztrieb und spätere Fruchtbarkeit, auf Paradiesstamm 
geringer Holzwuchs und früher Fruchtansatz. Allgemeine Regeln lassen 
sich nicht aufstellen. Der Erfolg hängt nicht nur von der Pflanzen- 
spezies, sondern auch von den Nebenumständen (Alter, Standort, Er- 
nährungsform usw.) ab. 


Die natürlichen Verwachsungsprozesse. 


Am häufigsten treten uns in Hecken die Verschmelzungen 
zweier Aste entgegen, die von den verschiedensten Richtungen her 
aufeinander zu gewachsen sein können. Dasselbe läfst sich in dichten 
Baumbeständen an Wurzeln beobachten. 

Die Wurzelverwachsungen können in Jugendlichem Alter der Organe 
stattfinden, in welchem die Epidermis noch teilungsfähig ist. Nach 
FRANKE?) zeigt sich dieser Vorgang bei dem Efeu (Hedera Helix) und 
der Wachsblume (Hoya carnosa), bei denen die Epidermiszellen zweier 
benachbarter Wurzeln papillenartig aufeinander zu wachsen und ver- 
schmelzen, sodann sich teilen und dadurch ein wenigschichtiges Binde- 
gewebe darstellen, das allerdings nicht die Festigkeit besitzt wie das 
aus der Cambiumzone hervorgehende Kittgewebe bei zwei mit Borke 
versehenen Wurzeln älterer Holzpflanzen. Hier stellt sich derselbe 


1) Mouiscn, H., Über Pfropfungen. Lotos 1896; cit. Bot. Jahresber. 1897, I, S. 155. 

®) Lısopenurn, H., Kitaibelia vitifolia Willd. mit goldgelb marmorierten Blättern. 
Gartenflora 1899, S. 431. — Über Veredlungsversuche mit Malvaceen. Ibid. 1901, Nr. 1 

®) Franke, Beiträge z. Kenntnis der Wurzelverwachsungen. Beiträge z. Biologie 
der Pflanzen von F. Conx, Bd. III, Heft 3; eit. Bot. Centralbl. 1882, Bd. X, Nr. 11, 
S. 401. 


838 V. Wunden. 


Vorgang wie bei der Verschmelzung oberirdischer Organe ein. Die 
Rinde an den Berührungsstellen wird teils nach aufsen gedrängt, teils 
inselartig eingeschlossen; das Cambium produziert dort nicht mehr, 
wo der Druck an der Berührungsstelle sich geltend macht, und ver- 
schmilzt zu einer gemeinsamen, beide Wurzeln umfassenden Schicht, 
die alljährlich bei genügender Ernährung neue Holzlagen über die 
Verwachsungsstelle legt. 

Bezüglich der anatomi- 
schen Verhältnisse bei der 
Verwachsung von Stämmen 
verweisen wir auf die Ar- 
beiten von Küster!) und er- 
wähnen hier nur noch einen 
von uns selbst beobachteten 
seltenen Fall. Derselbe fand 
sich im Ellguther Forste bei 
Proskau an einer Kiefer, an 
deren kräftigem Stamm ein 
zweiter, dünnerer Stamm an 
mehreren Punkten durch 
natürliche Ablaktion festge- 
wachsen ist. 

Die Basis desschwächeren 
Baumes ist vor vielen Jahren 
abgehauen worden, so dafs 
derselbe seine Nahrung aus- 
schliefslich von der älteren 
Kiefer beziehen mufs. Beide 
Stämme waren zur Zeit der 
Beobachtung vollkommen ge- 
sund und bilden eine gemein- 
same Krone; nur wollte mir 
scheinen, als ob der ablak- 
tierte, wurzellose Stamm et- 
was kürzere Nadeln besessen 
hätte. 

Von einer anderen Kiefer 
besitze ich ein Stammstück, 
bei welchem die Spitze eines 
etwa 5 cm dicken Astes in 
die Hauptachse hinein sich 
gebohrt hat und in derselben 


Fig. 201. Kiefer aus dem Ellguther Forste, bi gänzlich verschwunden ist. 
der ein Stamm einen zweiten durch natürliche Hs ist dies ein Beispiel für 
Ablaktion verbundenen, wurzellosen Stamm ie sogenannten „gehenkel- 
dauernd mit ernährt. (Orig.) HR z 
ten Stämme“. 


Sämtliche Vorgänge dieser Art beruhen auf der Fähigkeit des 
cambialen Gewebes, Verkittungsschichten zwischen verschiedenen 
Achsen zu bilden. Die Prozesse unterscheiden sich von den Ver- 


MT 1 B,,, Cube; 
a ey 
RT, 


1) Küster, E., Über Stammverwachsungen. Jahrb. f. wiss. Bot. BI RRXIE 
Heft 3. — Pathologische Pflanzenanatomie. Jena 1903, Gustav Fischer, S. 173 H., 
Abschnitt Wundholz. 


Wunden des Achsenorganes. 839 


edlungen nur dadurch, dafs die später miteinander verwachsenden 
Cambialschichten zunächst durch die Rinde der Pflanzenteile von- 
einander geschieden sind. Diese mufs erst durch allmähliche Reibung 
entfernt werden. Ist die Verschmelzung der Achsen vor sich gegangen, 
dann lagert sich alljährlich ein zusammenhängender Holzmantel über 
die Verwachsungsstelle. Manchmal liegen gröfsere, braune Partien ab- 
gestorbener Rinde mitten in der Verwachsungsfläche, was sich durch 
die unebene Beschaffenheit der miteinander in Berührung tretenden 
Achsen erklären läfst. Wenn zwei mit Borkenschuppen bekleidete 
Stämme einander berühren, so reiben sich zunächst die hervorragendsten 
Stellen gegenseitig ab und verwachsen miteinander zuerst, während 
tieferliegende Furchen gar nicht an der Verwachsung teilnehmen, 
sondern von dem neuen Gewebe eingeschlossen werden. 

In Wäldern, namentlich Fichten- und Kiefernwaldungen, begegnet 
man häufig Zwillingsstämmen, welche auf verschieden lange 
Strecken von der Basis aus miteinander verwachsen sind. Seltener 
sind die Fälle, in denen Stämme isolierten Ursprungs in den höheren 
Regionen ihrer Hauptachse miteinander verwachsen. 

Manchmal zeigt der Querschnitt der Basis eines Zwillingsstammes 
drei Centren. Bei Koniferen ist der mittelste, dritte Stamm in der 
Regel verkiehnt. Hier ist jedenfalls in der Jugend der Gipfel der Haupt- 
achse abgebrochen worden, und zwei Seitenaugen haben das Wachstum 
übernommen. Anstatt wagrechte Aste zu bilden, haben sich diese zu 
zwei Gipfeltrieben entwickelt, welche nach einer längeren Reihe von 
Jahren die absterbende Hauptachse gedrückt und endlich umwallt 
haben. Ihre gegenseitigen Umwallungsränder haben sich allmählich 
miteinander vereinigt, und schliefslich ist ein einziger, zusammen- 
gedrückter Cylinder aus den drei Achsen geworden. 

Dafs die Verwachsung auch zwischen Teilen von Individuen ver- 
schiedener Arten vor sich gehen kann, ist nach den bei dem Ver- 
edlungsprozesse erwähnten Versuchen als feststehende Tatsache an- 
zunehmen. Fichten und Tannen, Apfel und Birnen und diese -mit 
Quitte, Mandel mit Pflaume u. dgl. dürfen als bekannte Beispiele 
gelten. Es ist jedoch auch hier sicherlich eine Grenze in der Ver- 
wandtschaft der Pflanzen vorhanden, über welche hinaus eine wirk- 
liche Verwachsung trotz innigster Berührung und starker Reibung nicht 
statthaben wird. Es finden sich zwar in der Literatur eine ganze Anzahl 
Mitteilungen über Verwachsungen sehr heterogener Pflanzen, indes beruht 
gewifs ein Teil dieser Angaben auf irrtümlicher Beobachtung !), indem 
man Verwachsungen annahm, wo nur Umwachsungen stattfanden. 

Nach den bisher so ausführlich dargestellten Vorgängen der Wund- 
heilung dürfen wir hier wohl, ohne mifsverstanden zu werden, aus- 
sprechen, dafs sich der scheinbar so starre Holzkörper eines Baumes 
in alle möglichen Formen bringen läfst, wenn das aus dem Cambıum- 
ringe hervorgehende Gewebe in bestimmter Weise eingeengt wird. 
Man kann auch bildlich recht gut sagen, dafs sich der Holzstamm um 
alle, seinem Dickenwachstum dauernd im Wege stehenden Körper 
herumgiefst, dieselben überwölbt und gänzlich einzuschliefsen imstande 
ist. Beispiele von sog. eingewachsenen Steinen, Fichten- 
zapfen, ja selbst Tiermumien sind mehrfach beobachtet worden. 


1) Moquın Tanpon, Pflanzen-Teratologie, deutsch von Schauer 1842, S. 274. — 
Masters, Vegetable Teratology 1869, S. 55. 


840 V. Wunden. 


Wir können um so mehr die Aufzählung von einzelnen Beispielen 
unterlassen, als wir jetzt eine ganze Anzahl äufserst anregend ge- 
schriebener Bücher über merkwürdige Bäume und andere botanische 
Naturdenkmäler aller $Art ibesitzen. Das lehrreichste dürfte zurzeit 
das Werk von Lupwis Kein!) sen, das durch mehr als 200 nach 
photographischen Naturaufnahmen angefertigte Abbildungen besonders 
berufen erscheint, die Liebe für die Baumwelt zu wecken und zu 
fördern. 

Wundschutz. 


Vom natürlichen Wundschutz haben wir teilweise schon gesprochen, 
insofern er durch Korkbildung hervorgerufen wird. Bei dem Holzkörper 
der Bäume aber findet sich keine die Wundfläche schnell deckende Kork- 
lage, sondern es füllen sich die Gefäfse an allen den Stellen mit Thyllen 
oder einer gummiartigen, in kochender Salpetersäure meist leicht (bei 
den Correen schwer) löslichen Substanz (Wundgummi), wo gesundes 
an abgestorbenes Holz grenzt. Die Thyllen sind in der Regel von 
etwas Gummi begleitet. Beide Ausfüllungsarten machen das Holz der 
Aststumpfe für Wasser und Luft völlig undurchdringbar und bilden 
innerhalb der Vegetationszeit einen schnellen Verschlufs. Aus dieser 
Beobachtung ergibt sich, dafs wir gut tun, im Winter kurz vor Beginn 
der cambialen Tätigkeit die Bäume auszuschneiden ?). 

Bei einer gröfseren Anzahl von Holzgewächsen füllen sich die Ge- 
fäfse und häufig auch einzelne der anderen Holzelemente mit kohlen- 
saurem Kalk?). Derselbe zeigt sich in der Regel im Kernholz und 
denjenigen Gewebepartien, deren Zellen dem Kernholz ähnliche chemische 
und physikalische Beschaffenheit haben wie das vom Kernholz um- 
schlossene Mark und das tote, verfärbte Holz in den Astknoten und an 
Wundstellen. Diese Ausfüllung ist eine meist so vollständige, dafs 
man nach dem Verbrennen solcher Holzteilchen solide Kalkabgüsse der 
Zellen sieht, welche den Kalk enthalten haben. Der Vorgang läfst sich 
so erklären, dais überall da, wo sich für das die Holzzellen und Ge- 
fäfse durcheilende Bodenwasser, das den Kalk als doppelt kohlensauren 
enthält, Gelegenheit findet, Kohlensäure abzugeben, sich der nun nicht 
mehr gelöst bleibende Kalk als Niederschlag auf der Innenseite der Gefälse 
absetzt. Im lebendigen Kernholze, das nicht wie der Splint noch das 
Kalksalz schnell verarbeitet, wird eine jede Temperaturerhöhung ein 
Entweichen von Kohlensäure veranlassen und einen Niederschlag von 
Kalk einleiten. Bei den Wunden wird durch das Freilegen des Ge- 
webes ebenfalls die Kohlensäure verschwinden. Während nun der 
Splint, der keinen Kalk ablagert, durch die Thyllen- resp. Gummi- 
bildung (wahrscheinlich infolge des Eintritts von Luft in vorher saft- 
führende Gefäfse) sich vor dem Eintritt der Atmosphäre schützt, sehen 
wir bei Kernholz die Kalkablagerung als Schutzmittel auftreten. 

Im normalen Stamm tritt die Kernholzbildung erst in fort- 
geschrittenen Altersstadien auf; nach Verwundungen aber leitet sie sich 


!) Kıeın, Lupwıs, Bemerkenswerte Bäume im Grofsherzogtum Baden. Heidel- 
berg 1908, Winter’s Universitätsbuchhandlung. 

?) Bönn, Über die Funktion der vegetabilischen Gefäfse. Bot Zeit. 1879, 
8.229. — Die äufserst reiche Literatur über Thyllenbildung findet sich bei E. Küster, 
Pathologische Pflanzenanatomie, 1903, S. 98 ff. 

®) Mouıscn, Über die Ablagerung von kohlensaurem Kalk im Stamme dicotyler 
Holzgewächse. Sitzungsber. d. ea Klasse d. k. Akad. 
d. Wissensch. zu Wien, Bd. LXXXIII, Nr. 13 (1881). 


Wunden des Achsenorganes. 841 


sofort ein und gibt Veranlassung zur falschen Kernbildung!), die 
durch die Mitwirkung von Pilzen und Bakterien zum Faulkern?) 
sich umgestalten kann. 

Dieses Eingreifen von Mikroorganismen hat zur Aufstellung einer 
Reihe parasitärer Krankheiten geführt, die aber im wesentlichen auf 
Störungen im Wundheilungsprozefs beruhen. Wir nennen in erster 
Linie den 


Wundgummi. 


Diese Krankheit ist von PrirLiEux als „Gommose bacillaire“ be- 
schrieben und von Vıara als „Zoncet“ angesprochen worden. Die 
Blätter bleiben zwar grün, aber sind unregelmäfsig tief eingeschnitten 
und verunstaltet. Das Holz zeigt im Querschnitt schwarze Punkte und 
Flecke, die sich vergröfsern und seine Konsistenz lockern. Später 
lösen sich die Bastlagen vom Holze. An den Schnittflächen, von 
denen die Krankheit ausgeht, entstehen Risse, die von Saprophyten 
besiedelt werden, und nach 3—5 Jahren sah PrizLLıeux den Tod des 
Stockes eintreten. 

Die schwarzen Punkte im Holze rühren von einer gummosen Ver- 
änderung her, indem die Gefäfse und die Zellen des Holzparenchyms 
mit braunem Gummi, das von Bakterien (bewegliche Stäbchen) wimmelt, 
erfüllt sind. Die im Mai im Laboratorium vorgenommene Impfung 
liefs PriLLıEux die charakteristischen Merkmale der Krankheit wieder 
erkennen, welche mit denen des „Malnero“ von Baccarını grofse Ahnlich- 
keit haben. 

Vıara und FoEx sowie ManGın sprachen sich im Gegensatz zu 
PrıLLıeux dahin aus, dafs die geschilderten Krankheitserscheinungen 
durch die verschiedensten Ursachen veranlafst werden können und 
auch an gesunden Stöcken nicht fehlen. 

Die Meinungsdifferenz wurde durch die Arbeit von RaruayY?) ent- 
schieden, der zunächst nachwies, dafs Gummi in ganz gesunden Reben 
vorkommt. Bei gesunden einjährigen Trieben von Vitis riparia sah 
Rırtaay aus den Gefäfsen gallertartige Fäden hervortreten, die aus 
Gummi bestanden. Die mit Gummi angefüllten Röhren („Gummi- 
gefäfse“) sind in Fig. 202, 1 zu sehen. Dasselbe gab die Farben- 
reaktionen der Pentosen. Bei Vitis vinifera, Labrusca, Solonis, arizonica 
u. a. konnte die Reaktion erst im zwei- und mehrjährigen Holze auf- 
gefunden werden. Wo dieser Vorgang schon in jungen Reben auftrat, 
konnte er nicht vor Juli beobachtet werden. Das Gummi wird durch 
Druck hervorgeprefst. In den Wurzeln ist der Vorgang spärlicher. 

An zwanzigjährigen Stöcken erkennt man, wie RarHay berichtet, 
dafs auch beim Wein eine normale Kernholzbildung sich endlich einstellt; 
nur erfolgt dieselbe unregelmäfsig, indem einzelne Stellen des inneren 
Splintholzes in die Veränderung eintreten und dadurch die braunen Flecke 
erzeugen, die PrILLIEUx als Zeichen der G@ommose bacillaire beschrieben 


I) Tuzsox, J., Anatomische und mykologische Untersuchungen über die Zer- 
setzung und Konservierung des Rotbuchenholzes. Berlin 1905; eit. Centralbl. für 
Bakt. 1905, II, Bd. XV, S. 482. 

2) Herrmann, Über die Kernbildung bei der Buche. Naturf. Ges. Danzig; cit. 
Bot. Oentralbl 1905, Bd. XCIX. 

3) Rarnay, E., Über das Auftreten, von Gummi in der Rebe und über die 
„Gommose bacillaire“. — Kreura, H., Über Verschiedenheiten im Aschen-, Kalk- 
und Magnesiagehalt von Splint-, Wund- und Wundkernholz der Rebe. Jahresber. 
d. k. k. önolog. u. pomolog. Lehranstalt in Klosterneuburg. Wien 1896. 


842 V. Wunden. 


hat. Prüft man nämlich eine solche fadenartig im Splintholz abwärts 
sich ziehende braune Stelle (Fig. 202, 3), so sieht man die weiten Gefälse 
erfüllt mit einer braunen Gummimasse und in derselben kristallinische 
Niederschläge von kohlensaurem Kalk (%); die Inhalte der um das Gefäfs 
gelagerten Holzparenchym- und Markstrahlzellen sind tief braun, und 
die benachbarten engeren Gefälse (t) sind mit Thyllen ausgefüllt. Stärke 
war nur im Splint; an deren Stelle waren im Kernholz braune Körner, 
welche mit Eisenchlorid blauschwarz wurden. Gefälsverstopfungen 
fanden sich nicht im Splint, sondern nur im Kernholz; sie wurden ver- 
ursacht zunächst durch Thyllen, die im inneren Kernholz sogar aus- 
schliefslich auftraten, während in dem äufseren Kernholzringe die Ver- 
stopfung durch Gummi und Kalk vorherrschte. Manchmal erwiesen 
sich ganze Reihen von Gefälsen des Herbstholzes mit (meistens kohlen- 
saurem, bisweilen oxalsaurem) Kalk erfüllt (Fig. 202, 4). Der in den 
jüngsten Teilen des Kernholzes abgelagerte kohlensaure Kalk wird später 
wieder aufgelöst. Ebenso verschwindet der grofse Gummireichtum des 
Splintes bei dessen Übergang zu Kernholz. 

An einer Querwunde stirbt das der Wundfläche anstofsende Ge- 
webe mehr oder weniger tief ab. In dem darauffolgenden lebendigen 
Gewebe erfolgt zunächst die Gefälsverstopfung durch Gummi, weiter 
abwärts durch Thyllenbildung. Dafs es die Holzparenchymzellen sind, 
welche das Gummi ausscheiden, geht daraus hervor, dafs die Gefälse 
nur an den an diese Zellen anstofsenden Teilen Gummitröpfchen und 
Gummibeläge haben, während dort, wo sie an Nachbargefäfse anstofsen, 
das Gummi fehlt. An den Wundflächen beginnen die Veränderungen, 
welche das Kernholz charakterisieren, viel früher als im normalen un- 
verletzten Stamme, gehen aber nur so weit abwärts, als eben der 
Wundreiz wirksam war, und ist deshalb als „Wundkernholz“, das 
von anderen Beobachtern als „Falscher Kern“ angesprochen wird, vom 
eigentlichen Kernholz zu unterscheiden. An den von der Wundfläche 
ausgehenden Einzelherden der Kernholzbildung, die als braune Gewebe- 
streifen sich im Splint abwärts ziehen, findet man in der Nähe der 
Schnittfläche viele Bakterien, aber nichtindentieferenRegionen. 
Das Krankheitsbild stimmt also mit der G@ommose bacillaire, und diese 
ist deshalb nur als eine unmittelbare Folge der Verwundung älterer 
Stammteile aufzufassen. Dieser Wundreiz dürfte vorzugsweise auf das 
Protoplasma der die Gefäfse umgebenden Holzparenchymzellen wirken, 
sich wegen der Continuität des Protoplasmas benachbarter Zellen mithin 
fortpflanzen und die Holzparenchymzellen zu einer verfrühten Thyllen- 
bildung anregen: diese Zellen altern und sterben deshalb vorzeitig ab. 
Mit der Thyllenbildung hört die anfänglich sehr reichliche normale 
Gummisekretion auf. Der beschriebene Vorgang wird bei Vergleichung 
der beistehenden Figuren übersichtlicher. 

In Fig. 202, 2 (Alkoholpräparat aus einem zehnjährigen Aste von 
Vitis riparia) zeigt j die Grenze zweier Jahresringe; m, m Markstrahlen, 
4 Gummigefäfse, g ein ebensolches mit stark kontrahiertem Gummi- 
inhalt. Rechts (Fig. 17) sind zwei Gummigefäfse aus einem einjährigen 
Triebe von Vitis vinifera (blauer Trollinger) dargestellt; sie zeigen in der 
Mitte den kontrahierten Gummiinhalt. Von den Gefäfswandungen ist nur 
der innere Kontur gezeichnet. Fig. 3 ist der Querschnitt eines braunen 
Holzfadens aus dem Splinte eines sehr alten Rebstammes. j, j, j, ) Grenzen 
der Jahresringe, k ein radialfaseriges, kristallinisches Aggregat von 
kohlensaurem Kalk, eingebettet in der braunen Gummimasse eines weiten 


Wunden. des Achsenorganes. 843 


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Fig. 202. Gefäfsverstopfungen bei einem an Wundfäule leidenden Weinstock. 
(Nach Rarnar.) 


844 V. Wunden, 


Gefäfses; der Inhalt des angrenzenden Holzparenchyms, der Libriform- 
fasern und Markstrahlzellen ist tief gebräunt, und die nächst gelegenen 
Gefäfse tt sind mit Thyllen erfüllt. 

Fig. 202, 4 ist ein Gefäfs mit zugehörigen Holzparenchymzellen aus 
dem unter der Entgipflungswunde eines einjährigen Triebes befindlichen 
abgestorbenen Holzteil im Querschnitt. Es enthält neben farblosem 
Gummi radialstengelige Aggregate von oxalsaurem Kalk. Die untere 
Figur ist ein Gefäls mit umgebendem Holzparenchym aus dem Kernholz 
eines sehr alten Rebstammes. Das Gefäls ist mit Thyllen angefüllt 
und enthält in diesen kristallinische Aggregate von kohlensaurem Kalk 
(nach RatHay). 

Wir haben diesen Fall hier vorgeführt, weil er als Typus für viele 
andere Fälle die Gummibildung als Folge des Wundreizes ver- 
anschaulicht und gleichzeitig zeigt, wie leicht Krankheiten als absolut 
parasitär hingestellt werden, bei denen es sich nur um die nachträgliche 
Ansiedlung von Wundbewohnern handelt. 

Dies bezieht sich ganz besonders auf krautartige, fleischige und 
saftige Organe, und in dieser Beziehung ist eine Arbeit von SPIECKER- 
MANN!) hervorzuheben, der besonders darauf hinweist, wie bakterienfest 
eine verkorkte Membran ist, wie notwendig ein bestimmter hoher 
Feuchtigkeitsgehalt der umgebenden Luft und auch der Wassergehalt 
des Gewebes selbst, abgesehen von dessen spezifischer Empfänglichkeit, 
sich erweist, damit selbst von einer Wundfläche aus eine bakterielle 
Zersetzung sich einleiten kann. 


Die Schleimflüsse der Bäume, 


Im Anschlufs an das bei der „Gommose bacillaire* erwähnte Ver- 
hältnis der parasitären Besiedlung von Wundflächen erwähnen wir die 
Erscheinung, dafs sehr häufig bei einzelnen Exemplaren der ver- 
schiedensten Bäume eine auch im Sommer oft feucht bleibende ab- 
weichend gefärbte, meist schleimig bis gallertartig, bisweilen lehmartig 
aussehende Rinne bemerkbar ist. 

Unserer Auffassung nach handelt es sich um ein abnormes Bluten 
der Stämme aus Wunden, die sich nicht schliefsen können. Morisch ?) 
hat nachgewiesen, dafs bei jeder Wunde, die zu überwallen beginnt, 
sich ein lokaler Blutungsdruck geltend macht. Infolge der Ver- 
wundung werden das Cambium sowie die parenchymatischen Elemente 
des Holzes und der Rinde zu erhöhter Tätigkeit und Zellteilung an- 
geregt. Damit verbunden ist eine solche Turgorsteigerung, dafs aus 
der Wunde oft unter ganz enormem Druck (bisweilen bis zu 9 Atmo- 
sphären) Wasser ausgeprefst wird. 

Wenn man die Analysen des Saftes, der bei dem Tränen des Wein- 
stocks ausflielst?), zugrunde legt, so darf man in den Blutungssäften 


!) SPIECKERMANN, A., Beitrag zur bakteriellen Wundfäulnis der Kulturpflanzen. 
Landwirtsch. Jahrbücher 1902, S. 155. 

2) MorıscnH, H., Über lokalen Blutungsdruck und seine Ursachen. Bot. Zeit. LX; 
eit. Just’s Jahresber. 1902, II, S. 618. 

®) Ravızza, F., Über das Thränen der Weinrebe usw. Staz. sperimentali 1888; 
cit. Biedermann’s Centralbl. f. Agrik. 1888, S. 541. Nach den Untersuchungen 
von Neusaver und v. Cansırın (Annalen der Önologie, Bd. IV, 1874, Heft 4, S. 499#f.) 
enthielt der im frischen Zustande wasserhelle, neutrale, aber leicht durch Bakterien- 
vegetation sich trübende und dann alkalisch reagierende Rebensaft (gesammelt 
im trocknen Jahre 1374) pro Liter 2,1204 g fester Substanz; davon waren 0,7408 g 


Wunden des Achsenorganes. 845 


aufser geringen Mengen organischer Substanz auch Stickstoff, Phosphor- 
säure und Kali als vorhanden ansehen, also eine Nährlösung: voraus- 
setzen, die zur Ansiedlung und Vermehrung von Mikroorganismen sehr 
gut geeignet ist. Diesen hat nun Lupwis!) ein eingehendes Studium 
gewidmet. In einer Reihe von Veröffentlichungen beschreibt er einen 
Weifsen Schleimflufs bei Eichen, Birken, Salicineen u. a. durch 
Leuconostoc Lagerheimei Ludw., dem sich verschiedene Alkohol erzeugende 
Pilze hinzugesellen (Saccharomyces Ludwigii Hans. usw.). Ein bei Apfeln, 
Birken, Pappeln, Rofskastanien und andern Obst- und Chausseebäumen 
auftretender „Brauner Schleimflufs“ zeigt Micrococcus dendroporthos 
Ludw., dem sich Torula moniliordes Cord. zugesell. Einen „Roten 
Schleim“ fand Lupwie im Spätsommer auf den Stümpfen alter, gesunder 
Buchen und beobachtete dabei eine fädige Bakterie (Leptothrix?) und 
Fusarium moschatum. Demselben Fadenpilz begegnete er in einem gelblich- 
weilsen Blutungssaft von gallertartig knorpeliger Konsistenz bei der Linde 
und vereinzelt bei der Birke. An frischen Astwunden von Hainbuchen 
fand Lupwie gegen Mitte April einen wie Milch aussehenden Schleim, 
der Endomyces vernalis Ludw. neben Alkohol erzeugender Hefe enthielt. 
Von tierischen Begleitern derartiger Ansiedlungen, von Bakterien und 
Pilzen finden wir in einer späteren Arbeit Lupwise’s?) Milben (Hericia) 
und Alchen (Rhabditis) erwähnt. Eine Liste sämtlicher Bewohner der 
Schleimflüsse, die nicht nur bei uns, sondern auch in den Tropen nach- 
gewiesen worden sind, finden wir in der Zeitschrift für Pflanzenkrank- 
heiten 1899, S. 13. Es ist selbstverständlich, dafs diese Liste immer wieder 
ergänzt werden wird, je nachdem die einzelnen Lokalitäten spezifisch 
angehörenden Mikroorganismen Gelegenheit erhalten, an Blutungswunden 
der Bäume sich anzusiedeln. 

Die genannten Organismen dürften nur insofern für die Bäume als 
Schädiger anzusprechen sein, als sie durch ihre Ansiedlung den Wund- 
schlufs verzögern oder verhindern. Die erste Veranlassung der Schleim- 
flüsse sind eben Wunden, die durch Frost, Blitzschlag, Tiere usw. ver- 
anlafst worden sind und periodische Blutungen einleiten. Sollte es 
wirtschaftlich notwendig sich erweisen, diese Schwächungsursachen zu 
heben, so könnte nur ein sorgfältiges Ausschneiden der kranken Stellen 
und Verschlufs der frischen Wundränder durch Anstrich mit Stein- 
kohlenteer zu empfehlen sein. 


Wurzelverletzungen. 


Nachdem wir eingehend die Überwallungsvorgänge der oberirdischen 
Achse nach den verschiedensten Verletzungen besprochen haben, können 


Mineralbestandteile und 1,3796 & organische Substanz. Eine Aschenanalyse ergab 
an Kali 10,494°0, Schwefelsäure 1,437 °/o, Eisenoxyd 0,188°/o, Phosphorsäure 2,822°/o, 
Kalk 41,293%0, Magnesia 5,534°/o, Kohlensäure 34,791 °/o, Chlor 2,8570, Kieselsäure 
0,810%0 der Rohasche. Aufserdem fanden sich ein organisches Magnesiasalz, 
Gummi, Zucker, weinsteinsaurer Kalk, Inosit, Bernsteinsäure, Oxalsäure und un- 
bekannte Extraktivstoffe vor. Roroxvı und Guizzoxı (Biedermann’s Centralbl. 1879, 
S. 527) geben neben Stärke auch Zucker an, den die Nevsaver’schen Untersuchungen 
im frischen Saft nicht aufgefunden haben. Erst der eingedunstete Saft, welcher 
unter Abgabe von Kohlensäure und Ausscheidung von phosphorsaurem Kalk unter 
Gelbfärbung eine schwachsaure Reaktion annahm, zeigte alle Zuckerreaktionen. 

!) Lupwic, F., Der Milch- und Rotflufs der Bäume und ihre Urheber. — Uber 
das Vorkommen des Moschuspilzes im Saftflufs der Bäume; cit. Zeitschr. f. Pflanzen- 
krankheiten 1892, S. 159, 160. 

2) LupwiıgG, F., Uber die Milben der Baumflüsse und das Vorkommen des 
Hericia Robini Canestrini in Deutschland. Zeitschr. f. Pflanzenkrankh. 1906, S. 137. 


846 V. Wunden. 


wir uns betreffs der Heilung von Wurzelwunden kurz fassen. Sie ent- 
sprechen denen der oberirdischen Achse und erleiden nur insofern 
Modifikationen, als das umgebende Medium oft störend in den Über- 
wallungsvorgang eingreift. Bei grofser Bodenfeuchtigkeit beispielsweise 
ist das Stadium der Callusbildung ausgedehnter, die Umbildung des 
Callusgewebes zum festeren Überwallungsrand eine langsamere und die 
Möglichkeit einer Infektion durch holzzerstörende Pilze eine gröfsere. 
Diese Faktoren verlieren aber an Bedeutung, wenn die Wundfläche 
offen zutage tritt. Der Einflufs von Licht, Wärme und Trockenheit 
erleichtert dann den Wundschlufs und läfst selbst grofse Wundflächen 
ohne weitgreifenden Einflufs auf den 
Gesundheitszustand der ganzen Wurzel. 
Den besten Beweis liefern die vom Publi- 
kum stark besuchten Wälder im der Um- 
gebung grofser Städte, wo die tlach- 
streichenden starken Wurzeläste durch 
den Fufstritt der Besucher oberseits be- 
ständig abgeschliffen werden und trotzdem 
Gelegenheit finden, die Wundflächen immer 
noch durch UÜberwallungsränder zu um- 
grenzen. Beistehende Figur zeigt eine 
derartig abgetretene Wurzel, bei der nur 
noch die erstgebildeten Jahresringe ober- 
seits intakt sich erweisen. Im Querschnitt 
ist angedeutet, dafs von der verletzten 
Stelle aus eine parasitäre Wundfäule nicht 
eingetreten ist; der untere Teil der Wurzel 
zeigt gesundes Holz. 


Am meisten Beachtung verdienen die 
Wunden, die bei dem Verpflanzen der 
Bäume entstehen. Das Verpflanzen ist 
eine notwendige, nicht zu umgehende 
Arbeit bei jedem Baumschulbetriebe; denn 
derselbe läuft darauf hinaus, dem Käufer 
Bäume zu liefern, die nach dem Transport 
an ihren definitiven Standort eine mög- 
lichst grofse Fähigkeit zeigen, bald wieder 
anzuwachsen und sich kräftig weiter zu 
entwickeln. 


Fig. 203. Wlachsterichendl Erlen- 4 Bei dem Verpflanzen älterer Bäume 
wurzel, durch Fufstritte abge- Mit hoch entwickelten Kronen und weit- 
schliffen. (Orig.) verzweigtem Wurzelwerk ist das Abhacken 


stärkerer Wurzeläste nicht zu umgehen, 
daher die Gefahr des Eintritts einer parasitären Wurzelfäule, die 
allmählich in den Stamm hinein sich fortsetzt, eine sehr naheliegende. 
Aber selbst wenn dieser Gefahr dadurch vorgebeugt wird, dals die 
Hieb- oder Sägewunden sofort mit Teer bestrichen werden, bleibt 
das Verpflanzen alter Bäume immer eine gefährliche Operation, 
weil der Wurzelapparat bis zur Bildung neuer Wurzelfasern aufser 
Tätigkeit gesetzt wird und die Krone während dieser Zeit von dem im 
Holzkörper gespeicherten Wasservorrat zehren mufs. Bei der gegen- 
seitigen Abhängigkeit der unter- und oberirdischen Achsen von- 


Wunden des Achsenorganes. 847 


einander!) ist es notwendig, dafs die Krone des verpflanzten Baumes 
entsprechend der Veränderung des Wurzelapparates auch zurück- 
geschnitten wird. Dies ist um so mehr erforderlich, je weiter der 
Baum schon in seiner Laubentwicklung fortgeschritten ist. Im prak- 
tischen Betriebe kommen dann noch andere, die Verdunstung der 
oberirdischen Teile möglichst beschränkende Hilfsmittel hinzu, wie 
z. B. das Einbinden der Stämme, das häufige Bespritzen der Kronen, 
künstliche Beschattung usw. 

Bei dem Baumschulbetriebe werden die Bäume meist im laublosen 
Zustande verkauft; aber auch hier beansprucht der bald sich ent- 
wickelnde Laubapparat eine genügende Wasserzufuhr Dieselbe kann 
aber der Hauptsache nach nur durch nen sich bildende Wurzeln er- 
möglicht werden; deshalb ist es von der gröfsten Wichtigkeit, die 
Bäume so zu liefern, dafs sie schnell und reichlich neue Wurzeln 
bilden. Dies hängt aber von der bisherigen Erziehungsweise des Baumes 
und der Art des Wurzelschnittes ab. Je älter ein Wurzelast ist, desto 
spärlicher ist die Entwicklung neuer Faserwurzeln an der Schnittfläche, 
desto gröfser ist diese selbst, desto langsamer ihre UÜberwallung, und 
desto näher liegst die Gefahr des Eintritts einer Wurzelfäule, die 
R. Harrıc?) für Nadel- und Laubhölzer eingehend schildert. 

Daher silt als erste Regel, die Stämme so zu erziehen, dafs lange 
sich weit hinziehende stärkere Wurzeläste, wie sie die Bäume bei un- 
gestörter Entwicklung auf derselben Stelle zu bilden pflegen, möglichst 
vermieden werden und das Wurzelsystem in Form eines Nestes dicht 
beieinanderstehender, kurzer, aber reichverzweigter Äste herangezogen 
wird. Dies geschieht durch wiederholten Wurzelschnitt in den ersten 
Jahren der Entwicklung. 

Man hat mehrfach die Methode empfohlen, die jungen Baumschul- 
bäume an ihrem langen Pfahlwurzelkörper zur Vermeidung der Wund- 
fäule beim Verpflanzen nicht zu schneiden, sondern schneckenförmig 
einzurollen, und auch der erfahrene GöPPERT?) steht auf dieser Seite. 
Tatsächlich entwickeln gekrümmte Wurzeln an ihrer Konvexseite schnell 
Nebenwurzeln®). Bei den von mir in Proskau ausgeführten Wasser- 
kulturen der Obstbäume erlitten einzelne Sämlinge von Apfel, Birne, 
Kiefer, Ahorn u. a. Krümmungen der Pfahlwurzel dadurch, dafs diese 
den Boden der kleinen Gefäfse erreichte und einige Zeit in dieser Lage 
verblieb; andere Pflanzen waren bei dem Ausheben aus dem Sande 
an ihrer Wurzelspitze verletzt worden. Beide Arten von Sämlingen 
entwickelten in der Mehrzahl der Fälle viel früher Seitenwurzeln als 
die unverletzten, frühzeitig in gröfsere Gefäfse versetzten Versuchs- 
pflanzen. Dieser Umstand scheint allerdings als Bestätigung für die- 
jenigen verwendbar, welche empfehlen, auch ohne Verletzung lediglich 
durch Krümmung der Pfahlwurzel bei dem Verpflanzen eine frühzeitige 
Wurzelverästelung zu erstreben. Wir können dieser Methode jedoch 
nicht das Wort reden; in schwerem Boden namentlich, wo wir ver- 


1) Ksv, L., On correlation in the growth of roots and shoots. (Second paper.) 
Annals of Botany, vol. XV, No. 60, Dez. 1901. 

2) Hırrıc, R., Die Zersetzungserscheinungen des Holzes der Nadelbäume und 
der Eiche. Berlin 1878. — Lehrbuch d. Pflanzenkrankh. III. Auflage, Berlin 1900. 
Springer, S. 269. 

®) Görrert, Innere Zustände d. Bäume nach äufseren Verletzungen. Breslau 1873. 

*, Norz, Fr., Über den bestimmenden Einflufs von Wurzelkrüämmungen auf 
Entstehung und Anordnung der Seitenwurzeln. Landwirtsch. Jahrbücher 1900; 
eit. Zeitschr. f. Pflanzenkrankh. 1902, S. 55. 


848 V. Wunden. 


suchsweise Apfelsämlinge mit gestutzten und mit unverletzten, aber 
spiralig eingerollten Wurzeln pflanzten, war das Herausnehmen zur 
zweiten Herbstverpflanzung bei den gerollten Exemplaren ungleich 
gefährlicher. Es wurde an den Pflanzen zur Erleichterung des Heraus- 
nehmens etwas gezogen, und hierbei zeigte sich, dafs die gerollten 
Exemplare an der ersten Krümmungsstelle der Wurzel sehr leicht 
abrissen. 

Es empfiehlt sich daher, die Sämlinge gleich bei dem ersten Ver- 
pflanzen zu schneiden, so dafs sich am Wurzelhalse mehrere Wurzeläste 
bilden, die in der Nähe der Schnittfläche im zweiten Jahre neue Seiten- 
achsen entwickeln. 

Es wird dadurch nicht nur eine Vermehrung der Aufnahmeorgane 
erlangt, sondern auch die Herstellung eines die Erde zwischen seinen 
zahlreichen Ästen gut haltenden Wurzelballens erzielt. 

Die anatomischen Veränderungen, welche bei der Verletzung jüngerer 
Wurzeln, namentlich aber bei Keimwurzeln, eintreten, sind zunächst 
von PrAnTL!) eingehend studiert worden. Er zeigte an Gemüsepflanzen 
(Erbsen, Pferdebohnen u. a.), dafs der Verlust der zarten Wurzelspitze 
durch Neubildung derselben unter Beteiligung aller Gewebesysteme 
vollkommen ersetzt wurde, sobald die Verletzung dicht an der Spitze 
der Wurzel stattfand. Schnitt er eine Keimwurzel etwas weiter hinter 
dem Scheitel ab, dann trat auch eine Regeneration ein; aber es be- 
teiligten sich nicht mehr alle Gewebe, sondern nur die jugendlichen 
Gefäfsbündelstränge. Der Schnitt endlich, der fast ausschliefslich in 
der Praxis angewendet wird, nämlich der das fertig ausgebildete Gewebe 
verletzende, bringt keine Regeneration der Wurzelspitze mehr zuwege, 
sondern es tritt Callusbildung von dem Rindenkörper her ein, wodurch 
die Schnittfläche überdeckt wird. 

Noch umfassender und vielseitiger ist die Arbeit von NEMEC?). 

Gegenüber der Annahme, dafs echte Regenerationen, bei welchen 
ein vom Individuum abgetrennter Teil direkt in seiner ursprünglichen 
Form und mit seinen ursprünglichen physiologischen Eigenschaften 
neugebildet wird, im Pflanzenreiche selten wären, zeigen die Versuche 
zunächst für die Wurzeln das Gegenteil. 

Es handelt sich nur darum, dafs die Verletzung an möglichst jungen 
Organen stattfindet. Bei den Wurzeln bleibt die Restitution eigentlich 
auf die Zonen beschränkt, wo an der ganzen Wundfläche (vielleicht 
mit Ausnahme der Epidermis und der äufsersten Rindenschichten) die 
Zellen noch meristematisch sind. Sobald sich die Zellen der äufsersten 
Rindenschichten samt den zentralen Skleromreihen dem Dauerzustand 
nähern, beteiligen sich an der Regeneration nur noch die meriste- 
matischen, dem Pericambium anliegenden Zellschichten. Es zeigt sich 
ferner, dafs der Vegetationspunkt einer Wurzel, dessen meristematische 
Zellen äufserlich recht gleichartig erscheinen, doch bereits eine gewisse 
Spezialisierung besitzt. Die Zellen sind nicht äquipotentiell und können 
nicht unter willkürlich veränderten Bedingungen auch veränderte 
Gewebe erzeugen. Solche ganz spezifischen Differenzierungen liegen 
in den „Statocyten“ vor. Die Beweglichkeit der Stärkekörner bei 
denselben setzt ganz spezifische Eigenschaften des Protoplasmas voraus; 


1) Praxır, Untersuchungen über die Regeneration des Vegetationspunktes an 
angiospermen Wurzeln. Würzburg 1873. 
2) Neuec, B., Studien über die Regeneration. Berlin 1905, Gebr. Bornträger. 


Wunden des Achsenorganes. 849 


denn in verschiedenen callusartig hypertrophierten Zellen werden eben- 
falls Stärkekörner gebildet, welche zuweilen noch gröfser sein können 
als die der Statocyten und doch unter dem Einflufs der Schwerkraft 
nicht leicht beweglich sind. Dais sie dennoch spezifisch schwerer sind 
als das Plasma, beweist der Umstand, dafs sie unter Einwirkung einer 
genügend starken Zentrifugalkraft sich zentrifugal bewegen. Es mufs 
somit das Plasma der Statocyten ein geringes spezifisches Gewicht haben 
und sehr dünnflüssig sein, also sehr wenig Bestandteile von gröfserer 
Konsistenz enthalten. Auch entdeckte NEMEC eigenartige Plasma- 
ansammlungen in den Statocyten der Wurzelhauben, die sicherlich eine 
besondere Reaktion vorstellen. 

Wenn eine junge Wurzel nicht mehr innerhalb, sondern oberhalb 
ihrer Wachstumszone abgeschnitten wird, tritt keine Regeneration, 
sondern Substitution ein, indem neue Nebenwurzeln entstehen, von 
denen die der Wundfläche nächststehenden durch ihre geotropische 
Sensibilität veranlafst werden, mehr senkrecht abwärts zu wachsen, 
als sie bei unverletzter Hauptwurzel gewachsen wären. Es ist dadurch 
die Möglichkeit gegeben, dafs diejenigen Bodenschichten zur Ernährung 
ausgenutzt werden, welche die senkrecht absteigende Hauptwurzel hätte 
durchqueren müssen !). Bisweilen tritt nach Verletzung oder Entfernung 
der Hauptwurzel eine Verbänderung der Nebenwurzeln ein; LOPRIORE ?) 
vermochte diese Verbänderung künstlich hervorzurufen. 


Maserige Überwallungsränder. 


Es ist eine weitverbreitete Erscheinung bei der Überwallung von 
Wunden, dafs die Holzfasern innerhalb der Neubildung nicht überall 
parallel miteinander verlaufen, sondern mannigfach sich verbiegen und 
bisweilen schleifenartig sich krümmen. Diese Abweichungen im Faser- 
verlauf bezeichnet man als „maseriges Holz“. Den besten Ein- 
blick gestattet die umstehende Figur der ihrer Rinde beraubten Über- 
wallungskappe eines Eichenastes. Die Eiche bietet besonders günstige 
Beispiele eines vollständigen Abschlusses gröfserer Wundflächen durch 
Uberwallung, und die Uppigkeit der sich vereinigenden Wundränder 
bedingt dabei nicht selten, dafs z. B. bei abgesägten stärkeren Ästen 
das neugebildete Gewebe nicht eine ebene, sondern eine mehr oder 
weniger stark halbkugelig bis kugelartig vorgewölbte Fläche bildet. 
Bei derartigen Überwallungskappen finden sich vielfach kleine Zentren, 
die sogenannten Maseraugen (Fig. 203«a), um welche sich dann in ver- 
schiedener Windung die Holzfasern (p) gelagert zeigen. Unter der 
Bezeichnung „Maseraugen“ sind aber nicht wirkliche Knospen zu ver- 
stehen, sondern nur vertiefte Gewebezentren, um welche sich schalen- 
förmig und später geschlängelt die Holzfaser herumlagert und auf diese 
Weise „wimmeriges Holz“ darstellt. Während da, wo wirkliche 
Augen entstehen, eine spiefsige, holzige Erhebung vorhanden, ist bei 
den Maseraugen eine aus parenchymatischem Gewebe gebildete, manch- 
mal durch Abrunden und Auseinanderfallen der Zellen verstärkte Ver- 
tiefung zu sehen, um welche herum sich Holz von normaler Zusammen- 


') Bruck, W. F., Untersuchungen über den Einflufs von Aufsenbedingungen 
auf die Orientierung von Seitenwurzeln. Zeitschr. f. allgem. Physiologie Bd. III, 
1904, Heft 4. 

2) Lorrıore, G., I caratteri anatomici delle radici nastriformi. Roma 1902. — 
Note sulla biologia dei processi di rigenerazione delle cormofite etc. Atti Acad, 
Gioenia. Catania 1906, vol. XXI. 


Sorauer, Handbuch. 3. Aufl. Erster Band. 54 


850 V. Wunden. 


setzung aus Holzzellen, Markstrahlzellen und Gefäfsen lagert. Abnorm 
nur ist die schalenförmige, an die Knollenmaser erinnernde Lagerung 
und das häufige Auftreten von sehr stark erweiterten, den Markflecken 
ähnlichen Markstrahlgebilden, welche bisweilen zu einem zweiten 
Zentrum sich ausbilden können. 

Wir betrachten das wimmerige oder maserige Holz nur als einen 
extremen Fall ganz normaler Vorgänge des Ausweichens der Holzfaser, 
wenn sie bei ihrem Bestreben, sich in der Längsrichtung des Pflanzen- 
teils zu lagern, auf Hindernisse stöfst. Derartige Hindernisse können 
in der verschiedensten Form auftreten. ‚Jede normale Zweiganlage 
bildet die Ursache einer Ablenkung des Holzfaserverlaufes in der Um- 
gebung derselben. Die bei den Rindenknollen besprochene Neubildung 


Fig. 204. Maseriger Holzbau der Überwallungskappe eines Aststumpfes 
der Eiche. (Orig.) 


von Holzkörpern innerhalb der Rinde stellen eine weitere Ursache dar. 
Endlich aber finden wir die mannigfachsten Hemmungserscheinungen 
in der Ausbildung eines Jahresringes, hervorgerufen durch Spannungs- 
differenzen in der fortwachsenden Achse. Und solche Spannungs- 
differenzen sind fortwährend vorhanden und werden vielfach durch 
äufsere Einflusse verstärkt. Von hervorragender Bedeutung sind z. B. 
die Frostwirkungen, welche die Anlage von Parenchymholzbinden be- 
dingen. Eine andere äufsere Ursache ist die Berührung einer Achse 
mit einer anderen. Aufser dem mechanischen Drucke sprechen die 
Lichtverhältnisse mit, welche Abweichungen in der Ernährung der ver- 
schiedenen Seiten des Cambiumringes bedingen. Es kommen innere 
Wachstumsvorgänge hinzu, wie z. B. das Vorauseilen von plötzlich 


Wunden des Achsenorganes. 854 


sich verbreiternden Markstrahlen, welche die Rinde höckerartig auf- 
treiben können und dabei die benachbarten Holzlagen im Wachstum 
zurückbleiben lassen und dgl. Alle derartigen Störungen müssen 
Anderungen in den Druckverhältnissen ausüben, die der Rindengürtel 
in seiner Gesamtheit auf das Cambium ausübt und die Ausbildung des 
aus ihm hervorgehenden Holzringes beeinflussen. Wie sehr der Ver- 
lauf der Holzfaser schon im normalen Stamm durch die Druckverhält- 
nisse beeinflufst wird, sehen wir an der spiraligen Drehung des Holz- 
körpers eines jeden Stammes; wie die Holzfaser aus dem longitudinalen 
Verlauf in eine nahezu horizontale Lagerung durch Druck gebracht 
werden kann, beweisen unsere Schnürungsversuche durch Umlegen 
eines Drahtringes um die wachsende Achse. 

Es ist also der verschiedenartige Druck, den der Rindengürtel 
fortwährend erfährt und ausübt, welcher die Entwicklung und den 
Verlauf der Holzfaser bedingt. Wir brauchen daher zur Erklärung des 
maserigen Wundholzes nicht die Theorie von der Polarität der Zellen 
und dem Abstofsen der gleichnamigen Pole zu Hilfe zu nehmen, wie 
sie VOECHTING und MÄULE!) vertreten. 


Rindenknollen. 


Am Schlufs des Kapitels über die Wundheilungsvorgänge haben 
wir noch der Entstehung kugeliger, verholzter Anschwellungen oder 
knollenförmiger Auswüchse der Rinde an Bäumen und (seltener) kraut- 
artigen Gewächsen zu gedenken. Man pfleet diese Gebilde als „Holz- 
knollen“ oder „Knollenmaser“ zu bezeichnen. Ihr Bau und ihre 
Entstehung sind verschieden und bedingen eine spätere Trennung in 
einzelne Gruppen. Das Gemeinsame ist ihr Charakter als korrelative 
Hyperplasien. Sie sind als Gegenreaktion des Organismus auf vorher- 
gegangene Hemmungserscheinungen aufzufassen. Die Hemmung kann 
in einem Stillstande in der Fortentwicklung einer Knospenanlage be- 
stehen oder, unabhängig: von jeder Knospe, durch Absterben einzelner 
Gewebegruppen innerhalb der Rinde hervorgerufen werden. Der Tod 
einzelner Zelleruppen im Rindenkörper holziger Achsen ist; eine weit- 
verbreitete Erscheinung. Frost und Hitze, lokale Drucksteigerung u. dgl. 
vermögen Zellpartien zum Absterben zu bringen, ohne dafs der Gesamt- 
organismus leidet, und derselbe antwortet dann nicht selten durch ver- 
stärkte Neubildungen in der Nähe der Hemmungsherde. Je nach Zeit 
und Art der Störung und der Kräftigkeit der Nahrungszufuhr in der 
Umgebung werden die abgestorbenen Gewebegruppen bald nur von 
Korklagen eingekapselt, bald von Zelllagen begleitet, die längere Zeit 
oder dauernd in Vermehrung bleiben und nun entweder nur parenchy- 
matische Auftreibungen hervorrufen oder die Bildung neuer Holzkörper 
von kugeliger Anordnung und maserigem Faserverlauf einleiten. Letzterer 
Vorgang: steigert sich zur Entstehung selbständiger knolliger Holzkörper 
innerhalb der Rinde. 

Über die erste Gruppe von Rindenknollen, deren Entstehung auf 
in ihrer Fortentwicklung gehemmte Knospenanlagen zurückgeführt wird, 
fehlen mir eigne Studien ; infolgedessen gebe ich die Darstellung früherer 


1) Mivue, ©., Der Faserverlauf im Wundholz. Bibliotheca botanica Heft 33. 


Erwin Naegele. Stuttgart 1896. 
54 * 


852 V. Wunden. 


Autoren. Von diesen wäre zunächst Tr£cun!) zu nennen. Derselbe 
beschreibt einzelne Fälle (Eiche, Hainbuche) der Knollenbildung ein- 
gehend und kommt zu dem Schlusse, dafs die Knollen immer ihre 
Entstehung einer Knospe verdanken, die zunächst in direkter Gefäls- 
verbindung mit dem Holzkörper des Astes oder Stammes steht. Eine 
solche Knospe kann mehrere Jahre vegetieren, ohne mehr als 2 mm 
(wenigstens bei der Hainbuche) über die Oberfläche der Rinde hervor- 
zutreten. Nach einigen Jahren dieses Zustandes von Lethargie kann 
sich der Fibrovasalkörper neu beleben, sich zu einer kugeligen oder 
ovalen oder selbst quergestreckten Holzknolle ausbilden. 

Das Absterben der ruhenden Knospen erfolgt, wenn äufsere 
Ursachen nicht beitragen, nach einer gröfseren Anzahl von Jahren von 
selbst, indem der Zusammenhang des in der Rinde befindlichen Knospen- 
teils von dem im Holzkörper befindlichen dadurch aufgehoben wird, 
dafs sich der Holzmantel des die Knospe tragenden Zweiges zwischen 
beide Teile schiebt. Der mit Schuppen versehene, der Rinde auf- 
sitzende äufsere Teil der Knospe bleibt noch lange an seiner Stelle; 
er vertrocknet sehr allmählich und wird endlich abgestofsen. 

Diese ursprünglich an dem Holzkörper befestigt gewesene Knospe 
kann sich also loslösen durch Abreifsen ihres Fibrovasalkörpers vom 
Holzkörper des Stammes. In der Regel stirbt darauf die Knospe in ihrem 
äufseren, über die Rindenoberfläche hervorragenden Teile; dagegen 
fährt der in der Rinde jetzt isoliert liegende Knospenfibrovasalkörper 
fort, neue Holzlagen und eigene Rindenlagen zu bilden, ohne die Mit- 
wirkung von Blättern; er mufs also sein plastisches Material aus der 
umgebenden grünen Stammrinde beziehen. Dieses Wachstum kann 
viele Jahre hindurch andauern; die Aufsenseite der Holzknollen kann 
der Zerstörung durch die äufseren Agentien anheimfallen und trotz- 
dessen können diese noch auf der Innenseite fortfahren, neues Holz 
zu bilden. Diese Knollen entstehen bei der Rotbuche sowie bei der 
Hainbuche aus Adventivknospen. 

Die Entstehung der Knollen bei der Rotbuche aus Proventivknospen 
beschreibt Tu. Harrıc?). Die schwachen Basalknospen (Kleinknospen) 
sterben bei der Rotbuche etwa nach 20 Jahren insofern ab, als der in 
der Rinde befindliche Knospenstamm von dem im Holzkörper befind- 
lichen Teile durch Zwischenlagerung einer vollkommen gleichmäfsig 
zusammenhängenden Holzschicht des die Knospe tragenden Zweiges 
getrennt wird. Der in der Rinde liegende Teil der Proventivknospe 
kann sich aber noch lange Zeit lebendig erhalten und, gleichsam ein 
parasitisches Leben führend, durch fortdauernde konzentrische Holz- 
bildung zu jenen erbsen- bis haselnufsgrofsen, über die Rinde hervor- 
tretendeu Holzknollen heranwachsen, die üppig gewachsenen Buchen- 
stämmen im mittleren Alter so eigentümlich sind. 

DuTrocHET®) beschreibt in seiner der damals herrschenden Knospen- 
wurzeltheorie verwandten Anschauungsweise die knolligen Auswüchse 
als Knospenembryonen (merithalles), die sich nicht, wie dies bei Her- 


!) Trecur, M&emoire sur le developement des loupes et des broussins, envisages 
au point de vue de l’accroissement en diametre des arbres dicotyledones. Annales 
des scienc. nat. 3. serie. Botanique t. XX, 1853, S. 65. 

2) Harrıc, Tu., Vollständige Naturgeschichte der forstlichen Kulturpflanzen 
Deutschlands, S. 176. Berlin 1852. 

°®) Observations sur la forme primitive des embryons gemmaires des arbres 
dicotyledones, 1837. (Nouv. Mem. du Mus. d’Hist. nat. IV.) 


Wunden des Achsenorganes. 853 


stellung der Achse normalerweise der Fall sein sollte, auf einander 
und zwischen einander einpfropfen, sondern die ohne Verbindung mit 
den übrigen Knospenembryonen und deren Gefäfssträngen bleiben, also 
nicht dem Achsenzylinder sich einverleiben. So lange ein solcher 
Embryo, eine Adventivknospenanlage, isoliert in dem anderen Gewebe 
verbleibt, entwickelt er kein Blatt und keine Knospe; er behält seine 
kugelige Form und wächst, indem er immer neue konzentrische, mit 
eigener Rinde versehene Holzschichten entwickelt, weiter. Legt aber 
dieser isolierte Holzkörper solcher Adventivknospenanlage sich endlich 
an den Achsenkörper an, verschwindet seine eigene Rinde durch Druck, 
und nun bildet der Holzknoten eine wirkliche Knospe, die Blätter ent- 
wickelt. Jetzt stellt er eine Knollenmaser dar (loupe); eine Vereinigung 
mehrerer derartiger Knollen bildet eine Kropfmaser (broussin). 

Diese Anschauung weicht insofern von den früher entwickelten 
Ansichten ab, als hier die Knospe das Endprodukt der Knollenbildung, 
dort der Ausgangspunkt derselben ist. LinpLeY!), der die von DUTROCHET 
erwähnten Knollen bei Buchen, Zedern und Pappeln bespricht und bei 
einer Pappel?) auch Zweige aus ihnen hervorbrechen sah, betrachtet 
sie als aus Adventivknospen entstanden und zählt einen weiteren, von 
Manzrti erwähnten Fall bei alten Olbäumen hierher. Bei diesen sollen 
die Knollen (Gnaurs) mit einem Stück Rinde ausgeschnitten und ge- 
pflanzt werden; diese von Manemı als Uovoli bezeichneten Knollen 
sollen dann junge Pflanzen geben. Trevıranus, dem Knollen einer 
Zeder von MOoRREN zugesendet worden, bestätigt im allgemeinen den 
Bau der von DwvrrocHkEr beschriebenen Knollen; er zieht in dieselbe 
Kategorie die Erscheinungen der isolierten Gefäfsbündel (Blattspur- 
stränge) bei kletternden Sapindaceen, Calycanthus floridus und praecox, 
einigen Bignoniaceen u. a. 

ScHacHT®) erklärt die Knollen in der Rinde der Pappel, Linde, 
Buche usw. für verkümmerte Zweige, die nicht in die Länge, wohl 
aber im Umfang gewachsen sind. Während Harrıc die erste Anlage 
der Knollen in ruhenden Knospen nachweist, betont Rarzegur«*) als 
Entstehungsherd derselben Buchenknollen bestimmt die Rinde und sagt 
ausdrücklich, dafs sie nicht bis auf den Holzkörper reichen. Ebenso 
erklärt RossmÄssLer?) bei den von ihm untersuchten Knollen der Eber- 
esche (Sorbus aucuparia), dafs diese nur in der Rinde sitzen und nicht 
mit dem Holzkörper zusammenhängen; dagegen beschreibt Korscay ®) 
wiederum 10—15 cm grofse Rindenknollen an den alten Stämmen der 
Libanonzeder als knorrige, fest in der Rinde sitzende Holzauswüchse, 
welche mit dem Mutterstamm durch wenige Gefäfsbündel verbunden 
sind. Auch Masters?) vermutet, dafs ein Teil der Knollen (gnaurs or 
burrs) bei Ulmen usw. sowie bei manchen Apfelvarietäten Haufen von 
Adventivknospen sind. 


1) Lisouer, Theory of Horticulture 198. Übersetzung von Treviranus 1850, S. 37. 
2) ara 0: D224. 
3) Scuacut, Der Baum, 1853, S. 134. 


#) Rarzegurg, Die Standortsgewächse und Unkräuter Deutschlands und der 
Schweiz. Berlin 1859, S. 243, Anmerk. I. 


5) RossuässLer, Versuch einer anatomischen Charakteristik des Holzkörpers der 
deutschen Waldbäume. Tharandt. Jahrb. 1847, Bd. 1V, S. 208. 


6) Korscny, Reise in den cilieischen Taurus. Gotha 1858, S. 267. 
‘) Masters, Vegetable Teratology 1869, S. 347. 


57 V, Wunden. 


Die Lösung der Widersprüche bringt eine Arbeit von Krıck!), 
welcher feststellt, dafs die Rindenknollen (Sphaeroplasten) der Rot- 
buche sich sowohl im Anschlufs an Präventivknospen (Proventiv- 
knospen) entwickeln, die sich von der Holzachse des Stammes trennen 
oder sich selbständig in der Rinde entwickeln. Im letzteren Falle be- 
sitzen die Knollen im Zentrum einen Holz-, Kork- oder Bastkern, aber 
niemals echtes Mark. 

Die letztere Art der Knollenbildung, die aufserhalb der primären 
Hartbastbündel im Rindenparenchym stattfindet, führt uns hinüber zu 
der zweiten Gruppe der Rindenknollen, bei der bestimmt keine Knospen- 
anlage beteiligt ist. Hier haben wir zunächst die Untersuchungen von 
(FERNET?) uber die Knollenbildung bei Sorbus aucuparia zu erwähnen. 
Dieser Autor fand die toten Knollen so locker in der Rinde sitzend, 
dafs man sie leicht mit den Fingernägeln herausheben konnte; hingegen 
safsen die lebenskräftigsten anscheinend fest im Splint. Dennoch er- 
wiesen sie sich als „von diesem vollständig getrennte und schon durch 
das äufserlich rötliche, mit dem Bastteil übereinstimmende Kolorit ihres 
glatten unteren Endes als möglicherweise jenem angehörige Körper“. 
Die meisten durchschnittenen Knollen zeigten mehrere Mittelpunkte, 
um die sich vollständige, mit Gefäfsen und "Markstrahlen versehene, in 
ihrer Zellenstruktur mit dem Stammholz übereinstimmende Holzlagen 
5 Jahresschichten angesetzt hatten. Der Verlauf der Holzlagen 
war maserig. Fast immer waren die Jahresringe in der dem Stamm 
zugewandten unteren Hälfte der Knollen breiter als in der oberen, aus 
dem Stamme hervorstehenden. Ein Zusammenhang mit einer Knospe 
lieis sich nicht nachweisen; selbst da, wo eins, Knolle dicht neben 
einer Kropfmaser safs, liefs sich kein Zusammenhayg mit einem der 
zahlreichen Knospenkegel der letzteren erkennen. 

Leider hatte GErNET noch keine Gelegenheit, die ersten Anfänge 
der Knollenentwicklung zu studieren; die jüngsten Stadien seines 
Materials waren Knöllchen von 0,5 mm, die noch vollkommen in der 
Rinde eingesenkt waren, ohne äufserlich irgendeine Auftreibung ver- 
anlafst zu haben. Sie lagen aufserhalb der Hartbastzone, waren kugelig 
oder ellipsoidisch und zeigten ebenfalls bereits mehrere Kerne, um die 
sich der Holzkörper & oelagert hatte; derselbe bestand aus parenchymatisch 
gestalteten Zellen, in denen auf dem Längsschnitt eine Differenzierung 
von Markstrahlzellen kenntlich wurde. Einige mit gröfserem Lumen 
versehene, aber noch mit fast, horizontalen, undurehbrochenen Wänden 
aufeinander sitzende, stärkeärmere oder auch stärkelose Zellen dürften 
die ersten Andeutungen von Gefäfsen darstellen. Je weiter vom Zen- 
trum die sämtlichen Zellen entfernt waren, desto deutlicher wurde eine 
Verringerung ihrer radialen und eine Vermehrung ihrer tangentialen 
Ausdehnung bemerkbar; ihr Querschnitt näherte sich also dem des 
Herbstholzes. Bei älteren Knöllchen fanden sich zuerst einzelne ge- 
tüpfelte Gefäfse und ein deutlich kenntlicher, zentraler, parenchyma- 
tischer, stärkereicher Kern scharf unterschieden. Der Holzkörper war 
rings umgeben von einer Cambiumzone und einer eigenen Rinde. In 
der oberen Hälfte der Knollen stellte sich bisweilen in der Innenrinde 
Korkbildung ein. Diese neu entstehende Korkzone vereinigt sich nicht 


1) Krıck, Fr., Über die Rindenknollen der Rotbuche. Bibliotheca botanica 
1891, Heft 25; eit. Bot. Zeit. 1892, S. 401. 3 
?) Gerser. ©. v., Über die Rindenknollen von Sorbus aucuparia. Moskau 1860. 


Wunden des Achsenorganes. 855 


selten auf der Aufsenseite mit der Korkzone des Stammes. Die von 
solcher Korkzone (Korkdamm GerxEr's) abgeschnittene Rindenpartie 
verliert ihr Stärkemehl, wird lufthaltig und stirbt allmählich ab, so dafs 
der Knollenkörper an seiner Aufsenseite totes Gewebe erhält. Das 
Auftreten dieser Korklagen leitet auch in der Regel den nach einigen 
Jahren erfolgenden Tod der Knolle ein. Die untere Hälfte derartig 
erkrankter sowie die der vollkommen gesundbleibenden Knollen behalten 
ihr lebensfähiges Rindengewebe, in welchem die Ausbildung des Bast- 
körpers mit der des Holzkörpers fortschreitet. Daraus ist zu schliefsen, 
dafs die Knolle nach unten fortwächst, wodurch ihr oberer Teil allmählich 
über die Oberfläche der Stammrinde hervorkommt, indem er dieselbe 
durchbricht. 

Nach diesem Befunde kommt GERNET zu der Ansicht, dafs, wenn 
ihm auch die Anfangsstadien der Knollen unbekannt geblieben, er doch 
bestimmt einen Zusammenhang derselben mit dem Holzkörper des 
Stammes in Abrede stellen mufs und die Entstehung der Knollen weder 
von Proventiv- noch Adventivknospen herleiten kann. 

Diesen Ausspruch nun kann ich nach meinen Untersuchungen an 
Knollen der Aptelbäume vollkommen bestätigen. Zur Untersuchung 
"lagen mir Knollen von der Gröfse eines Hirsekorns bis zu der einer 
Erbse vor; dieselben stammten von der Stammbasis eines Jungen, etwa 
8jährigen Apfelbaumes. Die Knollen safsen in der Aufsenrinde und 
brachen leicht aus derselben heraus; sie waren oberseits entweder voll- 
kommen glatt (Fig. 205, 2a) berindet oder zeigten eine bräunliche, 
trockene, etwas vertiefte, rindenlose Gipfelpartie (7%), die von einem 
grünen, kreisförmigen Rindenwalle umgeben war. 

Den zentralen Querschnitt einer Knolle letzterer Art stellt 
Fig. 205, 2 dar. 

In demselben gewahren wir einen mittelständigen, aus zwei, durch 
wenig Parenchym getrennten Hartbastbündeln bestehenden Kern (2b); 
andere Knollen haben nur ein Bastbündel im Kern oder zwei bis drei - 
entferntere Kerne. Um das Bündel herum lagern sich Zellen parenchy- 
matischer Gestalt mit schwach verholzten Wandungen und strahliger 
Lagerung; man sieht, dafs sie unzweifelhaft nach Art der Korkzellen 
entstanden sind. Bisweilen findet man in der Mitte der Knollen nur 
eine Gruppe diekwandigen, stärkereichen oder auch stärkelosen, braunen 
Parenchyms ohne Hartbastzellen; doch ist dies der seltenere Fall. 
Endlich sieht man auch dann und wann Knollen mit einer zentralen, 
kleinen Höhlung, die mit braunen Zellresten angefüllt ist. 

Die strahlig gelagerte, ringförmige Zone parenchymatischer, ver- 
holzter Zellen geht allmählich über in enge, derbwandigere, bereits 
etwäs länger gestreckte, horizontal oder schräg verlaufende Holz- 
parenchymzellen, zwischen denen kurze, weite, einfach getüpfelte Ge- 
fäfszellen eingestreut liegen (Fig. 205, 29). Diese Gruppen sind bereits 
durch annähernd kubische, in ein bis drei Reihen gelagerte Markstrahl- 
zellen in zahlreiche Bündelkreise geteilt. Hier schon beginnt die Er- 
scheinung, welche sich in abwechselnden Zonen bis an die Peripherie 
des Holzkörpers hin fortsetzt, nämlich dafs die eine zwischen zwei Mark-. 
strahlen vorhandene Bündelpartie einen anderen Verlauf ihrer Elemente 
zeigt als die dicht danebenliegende. Während die Zellen und Gefäfse 
des einen Bündels-fast ganz quer durchschnitten erscheinen (2 h”), zeigt 
die danebenliegende Partie die Fasern in ihrer Längsrichtung. Diese | 
Erscheinung, welche auch bei stark eingeschnürten und ihr Band über- 


856 V. Wunden. 


wachsenden Stämmen sich zeigt, läfst sich nur dadurch erklären, dafs 
die einzelnen Oambiumpartien des um den Kern sich schalig herum- 
wölbenden Holzkörpers gleichzeitig verschiedenem Drucke resp. 
Zuge ausgesetzt sind. Da der junge Knollenkörper keine genaue Kugel- 


et 


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TH: 


Fig. 205. Rindenknollen aus einem Apfelstamm. (Orig.) 


gestalt besitzt, sondern nur annähernd kugelig ist, so strecken sich die | 
Partien, welche die vorhandenen Kanten zu überwölben haben, in der- 
selben Zeit stärker. 

Je weiter man in dem Knollenkörper nach aufsen geht, um so 
enger und gestreckter und um so derbwandiger werden die Elemente, 


Wunden des Achsenorganes. 857 


bis sie die Länge und Gestalt und teilweis auch die Lagerung des 
normalen Holzkörpers annehmen, 

So wie bei diesem erkennt man auch innerhalb der Knolle eine 
Differenzierung der Jahresringe in Frühlingsholz und Herbstholz, so 
daß man sieht: Die Knolle ist ein mit charakteristischen Eigenschaften 
der Spezies versehener, in der Rinde isolierter Holzkörper, dessen Ele- 
mente sich um einen oder mehrere gestreckte oder kurze Kernpartien 
nach allen Richtungen herumwölben. 

Die rings um den Holzkörper sich hinziehende Cambiumzone (2e) 
produziert alljährlich auch eine neue Rinde (2rs) und leitet bei Ver- 
letzungen dieselbe Wundheilung wie an einem normalen Stammkörper 
ein. Eine solche Verletzung ist auch bei Fig. 204, 2 eingetreten, in- 
dem durch irgendeine äufsere Einwirkung Rinde und Splint der Gipfel- 
partie der Knolle entfernt worden sind; infolgedessen hat sich ein 
normaler, vollkommen berindeter UÜberwallungsrand (2) gebildet, der 
den äufserlich kenntlichen Ringwall um den Gipfel bildet (Fig. 204, 1%). 

Der zuerst auffallende Umstand, dafs im Zentrum eines Holzkörpers 
sich Hartbastelemente vorfinden, führt zu dem Schlusse, dafs die Um- 
gebung der Hartbastbündel die Stätte ist, von der die Bildung des 
Holzkörpers begonnen hat. Noch mehr bestärkt wird dieser Schlufs 
durch die Erscheinungen in der Umgebung der Knollen. Dort finden 
sich sehr häufig jüngere, ja bisweilen jüngste, unlängst aus der Cambium- 
zone herausgetretene Bastbündel, mit eigentümlichen, strahlig angeord- 
neten Zellen umgeben (Fig. 204, 5). In einzelnen Fällen färben sich 
diese tatelförmigen Zellen der „Bastumwallung“ durch Jod und 
Schwefelsäure blau, in den meisten Fällen gelb. Man sieht daraus, dafs 
in der Tat die Umgebung der Hartbastbündel leicht geneigt zu einer 
Zellvermehrung: ist. 

Die Bastumwallungen aus Korkgewebe sind aber keineswegs auf 
die Umgebung der Maserknollen beschränkt; sie finden sich überall bei 
allen bisher von mir untersuchten Bäumen an einzelnen Stellen nach 
manchen Verletzungen. Hierbei haben aber die Zellen in der Tat stets 
den Charakter der Korkzellen und dienen vorzugsweise dazu, ein er- 
kranktes Bastbündel von dem gesunden Gewebe abzugrenzen. Wer 
viel mit kranken Hölzern gearbeitet hat, weils, wie empfindlich die 
scheinbar so resistent gebauten Bastzellen sind. An ihnen läfst sich 
durch die braune Färbung und das deutlichere Hervortreten ihrer 
Schichtung häufig die Erkrankung tiefer in das gesunde Gewebe hinein 
verfolgen als an dem Rindenparenchym der Umgebung. 

Die Bastumwallung beginnt in der Regel in den Zellen der Bast- 
scheide, bleibt bisweilen halbseitig oder ist wenigstens an der Aufsen- 
seite stärker entwickelt. Ahnliche Erscheinungen, wie die Umwallung 
der Bastbündel finden sich auch bei einzelnen Parenchympartien, welche 
ohne einen bisher erkannten Grund den Kern für eine ringförmig um 
dieselbe sich bildende Meristemzone in der Rinde abgeben und damit 
ebenfalls die Entstehung der Rindenknollen einleiten. Derartige Knollen 
sind meist etwas regelmäfsiger gebaut, indem der Verlauf der Gewebe- 
elemente für mehrere Jahresringe dieselbe Richtung beibehält. Man findet 
dann im zentralen Längsschnitt, der sich durch das Verbleiben der 
Markstrahlen in annähernd derselben Ebene kenntlich macht, die ring- 
förmig: gebogenen Gefäfsröhren ihrer ganzen Länge nach vom Schnitt 
getroffen, so dafs diese als helle konzentrische Ringpartien die dunklen, 
parallellaufenden Holzzellzonen unterbrechen. 


858 VW. Wunden. 


Einen interessanten Beitrag und Schlüssel zur Knollenbildung liefern 
die Zeichnungen (Fig. 206) aus der Rinde eines gesunden, einjährigen 
Birnenzweiges. Wir sehen in Fig. 206, 2 den Basalteil eines sehr 
kräftigen, einjährigen Birnentriebes, dessen Knospen a nicht in der 
normalen Zweifünftelstellung angelegt sind; b ist die mitten im Inter- 
nodium befindliche einseitige Anschwellung, die in Fig. 206, 5 an der 
tiefsten, der Zweigbasis zugewandten Stelle, in Fig. 206, 3 in der 
mittleren Region und in Fig. 206, 4 in der höchsten Zone quer durch- 
schnitten dargestellt ist. In den Fig. 206, 3, 4£, 5 bedeuten dieselben 
Buchstaben auch dieselben Teile; r Rinde des Zweiges, g!, 9? usw. 
sind die Rindengefäfsbündel in den verschiedenen Entwicklungs- 
stadien; es zeigt sich, dafs diejenigen, welche zuerst angelegt sind, 
auch zuerst nach ihrem Eintritt in die Achse kleiner werden. m der 
Markkörper, mb die Markbrücke eines zentralen Blattspurstranges, dessen 
Begleitsbündel sich ungleichmäfsig entwickelt haben, mst Markstrahlen, 
hb Hartbastbündel, welche den zentralen Kern der in der Rinde ge- 
bildeten Holzstränge ausmachen. Fig. 206, rt ist die durch Druck 
getötete Rinde, welche durch die in die Achse des Zweiges eintreten- 
den Holzstränge in den Stamm hineingepreist worden ist. Fig. 206, 5 g® 


zeigt einen Holzstrang mit den ersten Anfängen der Umwallung; man 


sieht dieselbe auf der Aufsenseite bereits stärker entwickelt. Fig. 206, 3g' 
ist ein Holzstrang, welcher noch nicht völlig zum Holzcylinder ge- 
schlossen ist; seine Bildung erfolgte in der Weise, dafs auf der Aufsen- 
seite des Hartbastbündels in der Bastscheide die Zellvermehrung be- 
gann, welche die Ausbildung von Gefäfselementen und Holzzellen zur 
Folge hatte. Dieser einseitig entstandene Holzkörper schlielst sich 
durch allmähliche Verschmelzung der beiden gegeneinander wachsenden, 
nach innen gewendeten Ränder. Fig. 206, 5c‘ die Cambiumzone eines 
bereits auf der Innenseite geschlossenen, an der Verschmelzungsstelle 
aber noch nierenförmig eingedrückten Holzstranges. Fig. 206, 2 stellt 
einen Teil von Fig. 206, 39! vergröfsert dar. 

Man erkennt in Fig. 206, 2 eine vollkommene Übereinstimmung 
mit dem Zentrum der Knollenmaser vom Apfel. hb Hartbastkörper, 
p Holzparenchym, g Gefäfszellen, x kurze, quergeschnittene, x in der 
Horizontalrichtung verlaufende Holzzellen der nach innen gewendeten 
Wölbung des Holzstranges an der Stelle, wo die beiden Ränder sich 
vereinigt haben. m die wie Fangarme verlaufenden Markstrahlreihen, 
c die rings den Strang umgebende Cambiumzone, r jüngstes Rinden- 
parenchym der speziellen Strangrinde. 

Die Holzstränge (Fig. 206, 5) entstanden also an der Basis der 
Anschwellung .durch aufsergewöhnlich reiche Ernährung der Bast- 
scheiden; ihr Anfang liegt in ungleicher Höhe. Bei ihrer Vergröfserung 
pressen ee zunächst (Fig. 206, 3) das sie voneinander trennende Ge- 
webe der Rinde zusammen und endlich auch das vor ihnen liegende, 
sie bisher vom Achsencylinder trennende Gewebe, das als braune 
Masse im Innern des Holzkörpers (Fig. 206, 4rt) w iedergefunden wird. 
Bei dem Eintritt in den Achsencylinder ändert sich die Form der 
Rindenholzstränge; ihr Kern ist exzentrisch geworden und endlich an 
die Spitze des keilförmigen Stranges gerückt, wie Fig. 206 4g', 9? und 
9°? zeigen. Es ist also genau die umgekehrte Formveränderung von 
derjenigen, welche ein normales, aus dem Achsencylinder in die Rinde 
tretendes Gefäfsbündel erleidet. 


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Fig. 206. Entstehung isol 


860 V. Wunden. 


Weiter aufwärts war der Zweig normal). 

Das Vorkommen rindenbürtiger Holzstränge legt somit die Ent- 
wicklung der Knollenmaser in folgender Weise klar. Die fertige Maser 
ist eine im Rindenkörper isolierte Holzkugel, deren Oberfläche von 
einem Cambium- und Rindenmantel gebildet ist, welcher seine Nahrung 
aus dem umgebenden Rindengewebe empfängt. Nach den noch zu 
wiederholenden Untersuchungen der oben genannten Forscher können 
diese Maserknollen oder Knollenmasern aus einer ruhenden Knospe sich 
entwickeln und daher ursprünglich im Zusammenhange mit dem Holz- 
körper des Zweiges stehen. In vielen Fällen entstehen sie aber auch 
als schalenförmige Holzumlagerungen um ein Hartbastbündel oder eine 
andere Rindengewebegruppe ohne Zusammenhang mit dem Holzzylinder 
oder einer Knospenanlage. Die Knolle wird allmählich durch Hinaus- 
rücken in die äufseren, der Borkenbildung verfallenden Rindenregionen 
abgestolsen; die der Knollenbildung verwandten, aber longitudinal ge- 
streckten Holzstränge der Rinde können in den Achsenkörper hinein- 
rücken und zum Bestandteil des normalen Holzcylinders eines Zweiges 
werden. Aufsere Wunden an dem Knollenkörper heilen durch uber- 
wallung wie bei dem normalen Zweige, und es liegt kein Grund vor, 
zu bezweifeln, dafs aus dem UÜberwallungsrande sowie aus der normalen 
Knollenrinde sich Adventivaugen entwickeln können, wie dies bei den 
Olbäumen angegeben wird. 

Zu erwähnen ist noch, dafs die grofsen, kugeligen Anschwellungen, 
welche bei Überwallung der Ansatzstellen von Loranthus europaeus auf 
Eichenästen entstehen, auch als Maserknollen oder -köpfe angesprochen 
werden. Es sind nach unserer Einteilung keine eigentlichen „Masern“, 
sondern maserige Überwallungsränder. 

Als abnorme UÜberwallungen beschreibt Tıne Tammes?) eigenartige 
zapfenförmige, meist einseitig sich lappenartig ausbreitende Fortsätze 
an Fagus silvatica. Die Untersuchung ergab, dafs es sich um Zweig- 
stumpfe handelt, die mit maserigen, hypertrophierten Wundrändern 
geschlossen waren. Die Hypertrophie war dadurch veranlafst worden, 
dafs die Bäume sehr stark beschnitten worden waren, und deshalb Über- 
schufs an plastischem Material an den übriggebliebenen Wachstums- 
herden sich eingestellt hatte. 

Ein Beispiel von Rindenknollen an krautartigen Pflanzen liefert 
PErers durch seine Beobachtungen an Helianthus annuus und Polygonum 
cuspidatum®). Die in der Mittelrinde entstehenden Knollen sind als 
Reaktion der Pflanzen auf Wundreiz anzusehen. Es starben einzelne 
Zellgruppen in der Rinde ab und vertrockneten. Der dadurch ent- 
stehende Hohlraum umkleidet sich mit einer cambialen Zone, die nach 
innen Holz, nach aufsen Rindengewebe bildet. 

Beispiele für die Knollenbildung an Wurzeln erwähnt bereits 
Ta. Harris *), bei Besprechung des Umstandes, dais junge Zitterpappeln 
in grofser Menge an abgetriebenen Beständen auftreten, wo seit langer 
Zeit keine samentragenden Bäume gestanden haben. Diese kleinen 


!) Über die Ähnlichkeit dieser Bildung sekundärer Holzkörper mit der bei den 
Sapindaceen. Vergl. Soraver, Die Knollenmaser der Kernobstbäume. Landwirtsch. 
Versuchsstationen 1878. 

2) Tısz Tamues, Über eigentümlich gebildete Maserbildungen an Zweigen von 
Fagus silvatica L. Recueil des travaux bot. Neerl. No. 1. Groningen 1904. 

®2) Cit. Zeitschr. f. Pflanzenkrankh. 1905. S. 26. 

4) a.2. 0. 8. 429. 


Wunden des Achsenorganes. s61 


Pflänzchen verdanken, wie TH. Harrıc erklärt, ihr Dasein der fort- 
dauernden Vegetation der Wurzeln längst abgestorbener und oberirdisch 
verschwundener Aspen-Mutterbäume. 

Die Basis der Wurzelbrut ist in diesen Fällen stets eine knollen- 
förmige holzige Verdickung eines schwachen Wurzelstranges. Die Knollen 
selbst sind etwas Ahnliches wie die Knollen am maserigen Fufse alter 
Eichen oder Linden und wie die Knollen an der Rinde der Rotbuche; 
sie sind der holzige Stamm eines schlafenden Auges, der, vollständig 
individualisiert, ein parasitisches Leben auf der Wurzel der Mutter- 
pflanze lebt „gleich dem schlafenden Auge an den amerikanischen 
Pinus-Arten.“ Durch diese Knollen werden die Aspenwurzeln am 
Leben erhalten, ohne dafs das ernährende Wurzelstück selbst fort- 
wüchse. In der Regel zeigt sich das knollentragende Wurzelaststück 
schon wenige Zentimeter von der Ansatzstelle der Knolle abgestorben 
und in Fäulnis begriffen. Maserknollen an Wurzeln von Avlanthus 
glandulosa beschreibt ANDREAE!); sie entstehen aus Wurzel- und Sprofs- 
anlagen. 

Im Anschlufs hieran mag einer Erscheinung Erwähnung: geschehen, 
die als Wurzelkropf der Rüben?) vielfach beschrieben aber noch 
nicht genügend aufgeklärt ist. Es zeigt sich, meist in trockenen 
Böden, in der Nähe des Rübenkopfes oder etwas weiter abwärts eine 
kugelige, mit borkiger Oberfläche versehene Geschwulst, die im Bau 
dem Rübenkörper ähnlich, ihrer Zusammensetzung nach aber durch 
gröfseren Wasser-, Asche- und Proteingehalt von ihm abweicht. Der 
Gefäfsbündelkörper beweist, dafs die Geschwulst als die Ausbuchtung 
eines Gefäfsringes der Mutterrübe, also als eine Sprossung desselben 
anzusehen ist, die bei Stickstoffüberschufs wahrscheinlich durch eine 
Verwundung°) eingeleitet wird. Die Geschwulst ist nicht parasitär, 
wird aber wegen ihres lockeren Rindenbaues und des Gehalts an Invert- 
zucker leicht von tierischen und pflanzlichen Feinden heimgesucht. 


Blattverletzungen. 


In Rücksicht darauf, dafs gerade bei Blättern und andern fleischigen 
Pflanzenteilen die Folgen der Verwundungen deutlicher hervortreten, 
wollen wir einleitend auf die Zustände aufmerksam machen, die wir 
als Wundreiz bezeichnen. Die erste Folge des Reizes, den jede 
Wunde auf den Organismus ausüben wird, dürfte in einer traumatropen 
Umlagerung des Protoplasmas in dem der Wundfläche zunächst liegenden 
Gewebe bestehen. Nach den Untersuchungen von NESTLER*) sammelt 
sich in den unverletzten Zellen das Protoplasma an der Wundseite 
an, und etwas später wandert auch der Zellkern dahin. Diese Reiz- 
wirkung schreitet nach rückwärts einige Zellreihen in das gesunde 
Gewebe hinein fort und erreicht ungefähr nach 48 Stunden ihr Maximum, 
worauf allmählich wieder die Rückkehr in die normale Lage mehr oder 


?) Anprear, Über abnorme Wurzelanschwellungen bei Aslanthus glandulosa. 
Inauguraldissertation. Erlangen 1894 
2 2) Brıem, H., Srronmer und Srrr, Die Wurzelkropfbildung bei der Zuckerrübe. 
Österr.-Ungar. Z. f. Zuckerindustrie 1892, Heft 2. 

3) Gescawisp, Le goitre de la betterave. La sucrerie indigene. Cit. Bot. 
Centralbl. f. Bakt. II, 1905, S. 486. 

4) Nesıter, A., Über die durch Wundreiz bewirkten Bewegungserscheinungen 
des Zellkerns und des Protoplasmas. S. Akad. Wien OVII, I, 1898. 


802 V. Wunden. 


weniger vollkommen sich einleitet. Die Umlagerung scheint im Licht 
schneller als im Dunkeln stattzufinden. 

Ebenso erleidet der Chlorophyllapparat oftmals eine wesentliche 
Umlagerung'). Gleichzeitig ist in vielen Fällen eine Steigerung der 
Atmungstätigkeit bemerkbar; namentlich bei fleischigen Pflanzenteilen 
konnte auch eine Temperaturerhöhung nachgewiesen "werden, die man 
als Fieberreaktion bezeichnet hat°?). Bei verletzten Blättern soll 
die Kohlensäureproduktion besonders gesteigert werden, wenn dieselben 
arm an Kohlehydraten sind). Je nach dem Grade der Verletzung 
treten die Reaktionen früher oder später ein. Nach Townsenp*) zeigt 
sich die Wachstumsbeschleunigung bei geringen Verletzungen bereits 
nach 6—24 Stunden; dagegen führen schwere Verletzungen zunächst 
eine Hemmung herbei, bevor die Beschleunigung eintritt, die je nach 
der Pflanze in 12—96 Stunden ihr Maximum erreicht, um dann allmählich 
auf den normalen Zustand zurückzugehen. IKKRASSNOSSELSKY ®) führt die 
Steigerung der Atmung auf eine V ormehrung der Atmungsenzyme zurück. 
Er geht von den Versuchen KovcHörr's aus, welche ergeben, dafs nach 
einer Verletzung eine Zunahme der Gesamtmenge der Eiweitsstoffe und 
namentlich der Nucleoproteide stattfindet, und weist dann (bei verletzten 
Zwiebeln) nach, dafs der Saft derselben mehr Oxydasen als der von nicht 
verwundeten Exemplaren besitzt. Ähnlich verhalten sich Kartoffeln. 

Die weiteren Reaktionen der Blätter nach Verwundungen sind nun 
ungemein verschieden je nach der Art der Pflanze, dem Alter des Blattes 
und der Zeit der Verw undung. Wir begnügen uns mit der Darstellung 
der beiden Extreme, nämlich der Reaktion eines derben, lederartigen 
und eines fleischigen Blattes. In ersterer Beziehung repräsentiert Prunus 
Laurocerasus einen Fall, bei welchem, wie wir bereits bei den Folgen der 
Kupferbespritzungen erwähnt haben, mit der Verwundung ein Abstoisungs- 
prozeis der verletzten Zellenkomplexe verbunden ist. Nach Brackman und 
MarTTHaEL?) sterben je nach der Stelle des Blattes, wo die Verletzungen 
stattgefunden haben, entweder nur die betroffenen Zellen oder auch 
noch deren unmittelbare Umgebung ab. Es entsteht um die Wunde 
eine braune Zone mit einem helleren Hofe. In dieser hyalinen Region 
reilst die Epidermis auf, und es wachsen aus dem benachbarten Meso- 
phyll farblose, sehr zartwandige Zellen hervor, die kutikularisieren und 
einen vollständigen Verschlufs der verwundeten Blattfläche darstellen. 
Wenn dieser Verschlufs fertig ist, wird das tote Gewebe ausgestofsen. 
Vorausgesetzt ist dabei das Vorhandensein feuchter Luft; andernfalls 
bildet sich ein normales Periderm aus mehreren Zelllagen, das voll- 
kommen ausreichend das gesunde Blattgewebe schützt. 

Der zweite Fall der Heilung von Blattwunden, nämlich durch 


') Prereer, W., Pflanzenphysiologie. II. Aufl. 1904, 2. Bd., S. 8319. Siehe auch 
hier die Literatur über die W irkung des Wundreizes. 

2) Rıcnaros, Herserr Mauer, The evolution of heat by wounded plants. Annals 
of Bot. XI; cit. Bot. Jahresber. 1897, S. 99. 

3) Dororkmw, N., nal Kenntnis der Atmung verletzter Blätter. Ber. d. Deutsch. 
Bot. Ges. XX, 1903, . 396. 

4, Townsenp, ©, n The correlation of growth under the influence of injuries; 
eit. Bot. Jahresber. 1897, TAS...98. 

5) Krassnossensky, Bildung der Atmungsenzyme in verletzten Pflanzen. Ber. 
d. Deutsch. Bot. Ges. 1905, Bd. XXIII, S. 143. 

6) Ber. d. Deutsch. Bot. Ges. 1903, S. 165 } 

?) Brackwas, F. F., and Marruarı, G. L., On the reaction of en to traumatic 
stimulation. Ann. Bot. XV; eit. Zeitschr. f. Pflanzenkrankh. 1902, S. 61. 


Wunden des Achsenorganes. 863 


Callusbildung, wird durch beistehende Figur vorgeführt. Es ist eine 
Schnittwunde an Leucojum vernum. Die Wunde war durch den zwischen 
den beiden Gewebelamellen f und f’ liegenden Luftraum gegangen; vvvv 
sind die Ränder der Wundstelle mit den abgestorbenen Geweberesten. 
Der Wundraum ist nun durch die aus dem frischen Gewebe sich durch 
Streckung entwickelnden chlorophyllosen Calluszellen ausgefüllt, deren 
Wandungen verkorken. Der normale Zustand des Blattes ist auf der 
rechten Seite der Figur dargestellt, wo ii einen grofsen Luftraum 
bezeichnet, dessen Umgebung (N) durch einen Wundreiz nicht verändert 
worden ist; o ist die Oberseite, « die Unterseite des Blattes. Nach 
diesem Schema reagieren viele fleischige Blätter, deren Heilungsvorgänge 
aber durch nachträgliche Beteiligung des Korkbildungsprozesses mannig- 
fach variieren. Es kann auch vollständige Vereinigung der Wundränder 
stattfinden, wie man dies z. B. bei Schnittflächen fleischiger Wurzeln 


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Fig. 207. Durch Callusbildung sich schliefsende Wunde eines Blattes 
von Leucojum vernum. (Nach Frask.) 


und Knollen!) beobachten kann. Die Vereinigung kann teils durch 
organische Verwachsung, teils durch blofse Verkittung erfolgen, indem 
die angeschnittenen Zellen sich durch Quellung ihrer Wandungen in 
eine gummiähnliche Masse verwandeln. 

Je nach dem spezifischen Charakter des Blattes, der Jugendlichkeit 
desselben und seiner Entfernung von Reservestoffbehältern kann dasselbe 
unter Umständen künstlich entfernte Teile wieder ergänzen (Restitution 
nach Küster) oder ein Ersatzorgan bilden (Regeneration) ?). 

Vielfach können abgelöste ganze Blätter oder Blattstücke auch 
neue Wurzeln und oberirdische Achsen anlegen. Diese Fähigkeit be- 
dingt ihre Benutzung als 


1) Fısvor, Wirnerv, Studien über die Erscheinung der Verwachsung im 
Pflanzenreiche. Sitzungsber. d. Akad. d. Wissensch. Wien; eit. Bot. Zeit. 1891, Nr. 28. 

2) Fısvor, Wirners, Über Regeneration der Blattspreite von Scolopendrium. 
Bericht d. Deutsch. Bot. Ges. 1906, Bd. XXIV, Heft 1. — Fısvor, WiruerLm, Über 
Restitutionserscheinungen an Blättern von Gesneriaceen. Jahrb. f. wiss. Bot, 1907, 
Bd. XLIV, Heft 1. 


864 V. Wunden. 


Blattstecklinge. 


Die bekannteste und am meisten angewandte Vermehrung durch 
Blätter ist die bei den Begonien. Bei der in den verschiedensten 
Spielarten vorhandenen Begonia Rex erscheinen nach Hansen!) die 
mittelst Durchschneidung der Nerven am horizontal auf die Erde ge- 
legten Blatte entstandenen Wunden alsbald durch Callus geschlossen. 
Es entsteht auf diese Weise ein knolliges Gewebe am Mutterblatt, aus 
welchem selbst oder dessen nächster Umgebung die Wurzeln zuerst 
hervorbrechen; später bilden sich auf diesem Gewebe auch die Sprossen 
aus, die aber keine eigenen Wurzeln bilden, sondern durch die vor- 
genannten des Überwallungswulstes weiter ernährt werden. Diese 
Sprossen entwickeln sich aus einer oder wenigen Zellen der Epidermis 
in der Nähe des durchschnittenen Blattnerven bald nahe, bald ferner 
von der Verwundungsstelle. In solchen Zellen entsteht zunächst eine 
horizontale Scheidewand und allmählich durch weitere Teilung das 
Meristem des jungen Sprosses, aus dem sich ein Wulst als erstes Blatt 
differenziert. 

Die Wurzeln bilden sich seitlich aus wenigen Zellen, welche neben 
der cambialen Zone der Gefäfsbündel liegen. Diese somit „endogen“ 
angelegten Wurzeln durchbrechen in kurzer Zeit das vor ihnen liegende 
Gewebe. Bei den Zweigstecklingen der Begonien können die Wurzeln 
auch aus dem Interfascicularcambium hervorgehen, wie Fr. REGEL?) 
angibt. Dieser Autor, der aufser B. Rex mehrere andere Begonien mit 
rhizomartigem, niederliegendem Stengel, wie z. B. noch B. imperialis 
und xanthina untersucht hat, erwähnt, dafs auf der Blattspreite an ein- 
geschnittenen Stellen die Bildung von Knospen ebenso stattfindet. 
Nachdem die Epidermiszellen sich geteilt, werden auch das darunter 
liegende Collenchym und das Grundgewebe in die Neubildung hineim- 
gezogen, und diese helfen den über das Blatt an der eingeschnittenen 
Stelle entstehenden Hügel von Vernarbungsgewebe bilden, welches sich 
von dem der Zweigstecklinge nur dadurch unterscheidet, dafs hier die 
Epidermis sich an der Zellvermehrung beteiligt. 

Diese Epidermistätigkeit kann gleich in der ersten Zeit nach dem 
Einschnitt in das Blatt von ganz besonders bemerkenswerter, physio- 
logischer Wichtigkeit werden, indem sich in der Nähe der Wundstelle 
einzelne Oberhautzellen haarartig strecken (Pseudo- Wurzelhaare) und 
zweifelsohne eine wurzelähnliche Tätigkeit entwickeln, bis echte Wurzeln 
sich gebildet haben. 

In der beistehenden Fig. 208 sehen wir die Neubildungen an der 
Schnittfläche einer stärkeren Blattrippe von einer Hybride der Rex- 
Begonie. A bedeutet den alten Blattteil, B die entstandenen Neu- 
bildungen. Aus der Schnittfläche war zunächst ein reichliches Callus- 
gewebe (c) hervorgebrochen, das zurzeit noch Spitzenwachstum seiner 
Zellreihen zeigt, aber durch die auftretenden parallelen Korkzellen- 
wände andeutt, dafs es im Übergang zum Überwallungsrande ist. An 
der Grenze zwischen dem Callus und alten Blattgewebe bricht unter- 
seits die endogen angelegte neue Wurzel (?v) hervor, während oberseits sich 
bereits zwei neue Knospenanlagen gebildet haben. Die eine, jüngere, 


') Av. Hassen, Vorläufige Mitteilung. Flora 1879, S. 254. 

°) Fr. Reeer, Die Vermehrung der Begoniaceen aus ihren Blättern usw. 
Jena’ische Zeitschr. f. Naturwiss. 1876, S. 477; cit. Bot. Jahresber. 1876, S. 423, 439, 
452 usw. 


Wunden des Achsenorganes. 865 


zeigt bei d. das meristematische, durch Teilung der ursprünglichen 
Epidermiszellen und des subepidermalen Gewebes entstandene Gewebe 
der jungen Knospe mit ihrer Epidermis (e). Die zweite Knospe ist 
früher an einem von der Schnittfläche entfernter liegenden Punkte ge- 
bildet worden und in ihrer Entwicklung schon weiter fortgeschritten. 
Der eigentliche Knospenkegel (d) ist bereits von einer weiter vor- 
gewölbten Blattanlage (bl) überwölbt, in welche junge Spiralgefäfse (f) 
hineingehen. Der Gefäfsbündelring des alten Blattteils ist durch g an- 
gedeutet, während t den in die neue Wurzel abgehenden Gefäfskörper 
bezeichnet. 


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Fig. 208. Blattsteckling von einer hybriden Form der Begonia Rex. (Orig.) 


An Stielen von Blättern der Begonia Rex, an denen Adventiv- 
sprosse entstanden waren, beobachtete Kny '), dals die Leitbündel sich 
vergröfsert hatten. Das Cambium hatte seine Teilungen fortgesetzt 
ebenso wie das benachbarte Grundgewebe, wobei die neuen Wände 
zwischen benachbarten Bündeln vorwiegend parallel der Aufsenfläche 
des Stiels gerichtet waren. Dies wird von Kny als Anfang eines inter- 
fascicularen Cambiums angesehen, das bei weiterer Ausbildung die 
peripherischen Bündel zu einem Kreise zusammengeschlossen haben 
würde. 

1) Ksv, L., Über die Einschaltung des Blattes in das Verzweigungssystem der 
Pflanze. Aus „Naturw. Wochenschrift“ 1904; eit. in Bot. Centralbl. (Lotsy) 1904, 
Nr. 50, S. 612. 

Sorauer, Handbuch. 3. Aufl, Erster Band. 55 


S66 V. Wunden. 


Nach den mehrseitigen Beobachtungen, welche über Blattstecklinge 
bereits vorliegen, ist die Annahme gerechtfertigt, dafs die oben bei 
Begonia beschriebenen Vorgänge sich bei vielen Blattstecklingen vor- 
finden. Aus mehr oder weniger oberflächlich gelegenen Zellen ent- 
wickeln sich die Laubsprossen; aus den der Cambialzone angrenzenden 
Zellen entstehen die Anlagen der Wurzeln, welche entweder das alte 
Gewebe des Stecklings durchbrechen oder aus dem Wundvernarbungs- 
gewebe hervorkommen. Die Unterschiede bei den einzelnen Gattungen 
sind meist unwesentlicher Natur, und die Meinungsverschiedenheiten 
der einzelnen Autoren erklären sich oft daraus, dafs dieselbe Pflanzen- 
spezies unter verschiedenen Verhältnissen und in verschiedenem Alter, 
bei den einzelnen Individuen nicht immer genau dieselben Vorgänge 
zeigt. Aus den Untersuchungen von BeıInLinG!) ist beispielsweise zu 
entnehmen, dafs die Gattung Peperomia keinen Callus bildet, sondern 
die Schnittfläche durch Wundkork abschliefst. Er sah übrigens die 
Knospen aus dem Grundparenchym des Blattstieles oder der Spreite, 
nicht aus der Epidermis, und immer unabhängig vom Gefäfsbündel ent- 
stehen. Dagegen beschreibt Hansen?) bei Achimenes und Peperomia 
ausführlich die Vorgänge der Wurzel- und Sprofsbildung aus dem 
Callus. Hier entstehen nur die ersten adventiven Wurzeln aus den 
bereits vorhandenen Gewebeelementen. Nachdem das Uallusgewebe 
einige Zeit hindurch sich vermehrt hat, zeigen sich im Innern desselben 
zahlreiche, procambiale Stränge, die nach allen Richtungen gegen die 
Oberfläche hinstreichen und deren Zellen sich bald zu Tracheen um- 
bilden, so dafs der „Callus“?) mit einem verzweigten System von Leit- 
bündeln versehen wird. Bald darauf erscheinen peripherische Zellen 
dieses Gewebes reich mit Protoplasma angefüllt, teilen sich und er- 
zeugen ein Meristem, das sich wie bei den normalen Vegetationspunkten 
gliedert und namentlich deutlich bald eine Epidermis erkennen läfst. 

Bei den Blattstecklingen der Monocotylen sind die Vor- 
gänge der Knospenbildung wie bei den Dicotylen. Masxus*) beschreibt 
Blattstecklinge von Hyacinthen. Aus der Bauchseite bilden sich an 
der Schnittfläche zahlreiche Adventivknospen, die, falls das Blattstück 
noch jung war, aus einer Epidermiszelle oder bei älteren Blattstücken 
aus dem darunterliegenden Parenchym entstehen. Aus den sich teilenden 
Gewebezellen formen sich zunächst zarte Gewebehöcker, die mit diver- 


1) Beısuise, E., Untersuchungen über die Entstehung der adventiven Wurzeln 
und Laubknospen an Blattstecklingen von Peperomia. Inauguraldissertation. Breslau 
1878, S. 23. R 

2) Hansen, An., Über Adventivbildungen. Sitzungsber. d. phys.-med. Soc. zu 
Erlangen vom 14. Juni 1880; cit. Bot. Centralbl. 1880, S. 1001. 

®) Es bietet sich hier Gelegenheit, darauf aufmerksam zu machen, dafs die 
Autoren zwei verschiedene Zustände mit dem Namen „Callus“ bezeichnen. 

Callus wird dasjenige Gewebe genannt, das aus den ersten Zellteilungen 
hervorgeht, einige Zeit hindurch reihenweise Anordnung besitzt, namentlich an der 
Spitze der Zellreihen fortwächst und ohne alle Differenzierung ist. 

Zweitens verstehen darunter die Autoren nach dem Gebrauche in der Praxis 
aber auch das aus dem Callus durch Entstehung einer Korkzone, Anlage innerer 
Meristemherde und Ausscheidung eines Grundgewebes differenzierte Gebilde, das 
schon dem Gewebeteil ähnlich geworden, aus dessen Wunde es entstanden ist. 
Von diesen Dauerzuständen sind aber die durch Spitzenwachstum ausgezeichneten 
Jugendzustände zu trennen, und ich schlage deshalb die Bezeichnung „Callus“ 
nur für diese Erstlingsbildungen vor, während die späteren Zustände als „Ver- 
narbungsgewebe“ angeführt werden können. 

4) Macxus, Hyacinthenblätter als Stecklinge. Sitzungsber. d. Ges. naturforsch. 
Freunde vom 16. Juli 1878; cit. Bot. Zeit. 1878, S. 765. 


Wunden des Achsenorganes. 867 


gierenden, dichotom sich teilenden Zellreihen am Scheitel weiter wachsen 
(also wirklicher Callus). An weiter entwickelten Höckern tritt ein ring- 
förmiger Wall auf, der zum ersten scheidenförmigen Blatte der Adventiv- 
knospe auswächst, während der eingeschlossene Scheitel derselben noch 
das Wachstum mit divergierenden Zellreihen zeigt. Auch an den 
Zwiebeischalen von Zilium tigrinum und auratum bilden sich die Knospen 
am äufsersten Rande der Innenseite; die auf der Aufsenseite aus der 
Bastregion der Gefäfsbündel entspringenden Würzelchen leben nur 
kurze Zeit, da die junge Pflanze alsbald selbständig Wurzeln macht. 

Die Vorgänge der Knospenbildung an den Blattstecklingen unter- 
scheiden sich auch nicht wesentlich von der freiwilligen Entstehung 
von Knospen auf unverletzten, an der Pflanze befindlichen Blättern. Bei- 
spiele sind zahlreich bekannt geworden !); sie sind bei Moosen und 
Farnen?), bei Lilien und anderen Monocotylen, am zahlreichsten bei 
Dicotyledonen, beobachtet worden. Für letztere namentlich stellte 
BEIJERINCK als Gesetz auf, dafs die Gefäfsbündel des Blattes einen Einflufs 
auf die Anlage der adventiven Organe haben. Da, wo der Holzteil der 
Gefäfsbündel nach der Blattoberseite gekehrt ist, finden sich die 
Adventivknospen immer auf dieser Oberseite; sie stehen in den Achseln 
der Nerven und sind meist um so stärker entwickelt, je dicker die 
Gefäfsbündel sind. Die Wurzeln entspringen aus der Bastseite der 
Gefäfsbündel. 

ResEL®) gibt eine Aufzählung der Pflanzen, an denen blattbürtige 
Knospen beobachtet worden sind. Da die Knospen nach ihrer sorg- 
fältigen Ablösung eigene Wurzeln austreiben und deshalb für die 
gärtnerische Vermehrung von Wichtigkeit sind, mögen einige Beispiele 
hier genannt werden. Aufser dem bekannten, von BERGE?) studierten 
Bryophyllum calycinum, dessen Einschnitte zwischen zwei Kerbzähnen 
der Blätter ein meristematisches Gewebe schon in ganz jungem Zustande 
besitzen und aus diesem Meristem alsbald Knospen entwickeln, sind 
noch folgende Arten bemerkenswert: Ayacinthus Pauzolsii, Fritillaria 
imperialis, Ornithogalum thyrsoides, Drimia, Malaxis, Cardamine, Nastur- 
tium, Brassica oleracea, Ranunculus bulbosus, Chelidonium majus, Levisti- 
cum offic., Utricularia, Begonia quadricolor , phyllomamiaca?). HANSEN ®) 
nennt noch Hippuris, Elodea canadensis und andere Wasser- und Sumpf- 
pflanzen. CasparyY?) erwähnt Nymphaea micrantha und deren Bastarde. 
Letzterer Autor führt auch Beispiele auf, bei denen sich statt des 
Blattapparates eine Blüte entwickelte. So war der Blattstiel einer 
Gurke (Cucumis sativus) auf seiner Oberseite mit mehr als 120 männlichen 
Blumen bedeckt, ohne dafs sich ein vegetatives Blatt gezeigt hätte. 


!) Beiserinck, M. W., Over het ontstaan van Knoppen en wortels uit bladen. 
Nederl. Kruidkund. Archief. Serie II, Deel III, S. 438—493; cit. Bot. Centralbl. 
1883, Nr. 17, S. 112. 

>) Fırvow, Bot. Zeit. 1874, S. 180. — Cramer, Geschlechtslose Vermehrung des 
Farnprothalliums, namentlich durch Gemmen resp. Konidien. Denkschr. d. Schweiz. 
Naturforsch. Ges. XX VIII, 1880. 

°) 2.2.0. S 452. 

4) Beiträge zur Entwicklungsgeschichte von Bryophyllum calyeinum. Zürich 
1877; eit. Bot. Jahresber. IV, S. 423. 

5) Mont, Über die Cambiumschicht des Stammes der Phanerogamen und ihr 
Verhältnis zum Dickenwachstum desselben. Bot. Zeit. 1858, S. 196. 

6, 8.2. O..8..100%; 

7) Casrarv, Blütensprosse auf Blättern. Schriften d. phys.-ökonom. Gesellsch. 
XV, 1874, 8.99, 


5” 


868 V. Wunden. 


Das Gelingen der Vermehrung durch Blattstecklinge wird aulser 
von der Pflanzenspezies auch von der Blattindividualität abhängen. 
Ganz jugendliche Blätter werden wegen der Unfertigkeit ihrer Gewebe- 
systeme, sehr alte wegen ihrer geringen Lebensenergie und Abreifung 
ihres Chlorophyllapparates auszuschliefsen sein. 

Bei solchen Gattungen, deren Blätter überhaupt zu Stecklingen 
benutzbar sind, sollen die daraus hervorgehenden Pflanzen nach 
Linpewurn’s!) Beobachtungen durchschnittlich kräftiger werden als die 
aus Sprofsstecklingen. Sobald ein Blatt einige Wurzeln getrieben hat, 
ist es schon als ein neues Individuum zu betrachten, auch wenn es 
nicht einen Sprofs zu entwickeln imstande ist. Es geht dies aus der 
eröfseren Langlebigkeit der Blätter gegenüber unbewurzelten hervor, 
und GoEBEL?) konnte auch noch ein vermehrtes Dickenwachstum (bei 
Bryophyllum) nachweisen. Dafs bei Blattstecklingen an Stelle eines 
Laubtriebes sogar direkt ein Blütensprofs gebildet werden kann, be- 
obachtete auch Linpemuru an einer Begonie. Dieser Umstand würde 
darauf hindeuten, dafs die Blätter in verschiedenen Lebens- 
altern und Stellungen an der Achse verschiedene Assi- 
milationsprodukte liefern; meist werden die Assimilate die am 
Blattsteckling entstehenden Knospen nur zu Laubsprossen befähigen, 
manchmal aber diejenige Konzentration besitzen, dals eine Blütenknospe 
angelegt werden kann. 

Statt der Blattstücke bedient man sich in der Praxis bisweilen 
auch des Blattstiels zu Stecklingen, falls das Blatt selbst zu zart ist. 
Ein neueres Beispiel ist die Vermehrung der als Winterblüher hoch- 
geschätzten Kulturform von Begonia semperflorens, die als Gloire de 
Lorraine im Handel ist?). Es werden hier im Februar die kräftigsten 
Blätter scharf am Stengel abgelöst und mit dem Stiel 1—2 cm tief in 
Sand mit Torfmull gesteckt. Bei einer Temperatur von 18-22° C 
machen diese Blattstiele bis walnufsgrofse Wurzelballen. Andere 
Begonien, wie z. B. die Rex-Formen, machen zwar auch aus dem 
Blattstiel Wurzeln, aber wohl kaum jemals kräftige Knospen. Ebenso 
verhalten sich Blattstiele von Kohl, Sellerie und anderen fleischigen 
Pflanzen. 

Blütenstiele sind bei Primula sinensis mit Erfolg als Stecklinge 
benutzt worden. Bei derselben Pflanze verwendete ÜRAMER*) verlaubte 
Blüten, bei denen Knospen in der Achsel der Fruchtblätter entstanden 
waren. Dafs auch Früchte selbst als Stecklinge benutzt werden können, 
zeigt ein Fall, den Baırow beobachtete; hier brachen Wurzeln aus 
einer Kaktusfrucht hervor’). Derselbe Forscher durchschnitt auch den 
Fruchtknoten der Jussieua salicifolia, welcher ungefähr in der Mitte 
zwei Blättchen hat, während und nach dem Aufblühen quer über der 
Basis, so dafs man innen die Eichen sehen konnte, und setzte diese 
Stecklinge in einen Topf. Nach drei Wochen wurden die reich- 
bewurzelten Stecklinge verpflanzt. Im Winkel eines jeden der Frucht- 
knotenblätter erschien ein kleiner Zweig mit Schuppen. Die oberen 


1) Lisoevurn, H., Weitere Mitteilungen über regenerative Wurzel- und Sprofs- 
bildung auf Laubblättern (Blattstecklingen). Gartenflora 1903, S. 619. 

®) Flora 1903, S. 133. 

3) Kırsr, Vermehrung der Begonie „Gloire de Lorraine“. Prakt. Ratgeber im 
Obst- u. Gartenbau 1906, Nr. 5 

*) Bildungsabweichungen, S. 37. 

£) Vegetable Teratologie, S. 160. 


Wunden des Achsenorganes. 869 


Blumenteile starben ab, und es bildete sich eine ringförmige Narbe). 
Irmisch beschreibt Wurzelbildung an Cotyledonen von Bunium ereticum 
und Carum Bulbocastanum?). Verfasser sah solche bei abgebrochenen 
Cotyledonen von Bohnen (Phaseolus vulgaris). CARRIERE fand Wurzeln 
an Früchten von Likum lancifolium. BerınLing®) sah Blütenstiele von 
Echeveria ım feuchten Sande mit Wurzeln versehen. 

HiILDEBRAND*) beschreibt eine Frucht von Opuntia Ficus indica, aus 
der eine zweite hervorgesprofst war; beide Früchte entwickelten nach 
ihrer Ablösung Laubsprosse; dasselbe geschah bei Blütenknospen von 
Opuntia Raffinesguiana. Es dürfte somit jedes Pflanzenorgan befähigt 
sein, durch Anlage adventiver Augen Laubsprossen zu entwickeln, 
vorausgesetzt, dais es erstens Reservestoffe genügend zur Verfügung 
hat, um längere Zeit hindurch getrennt von der Mutterpflanze leben 
zu können, und zweitens, dafs die äufseren Bedingungen sich günstig 
erweisen. Weitere Ausführungen mit den Ansichten von KıLEBs, 
GOEBEL u. a. bringt eine Zusammenstellung von Macnus?°), 


Beschädigung des Laubapparates. 


Die Folgen einer teilweisen oder gänzlichen Entlaubung müssen 
natürlich in der Menge der produzierten Trockensubstanz zum Aus- 
druck kommen. Der Effekt ist verschieden je nach Menge und Alter 
der entfernten Blätter und je nach der Möglichkeit eines Ersatzes des 
fehlenden Laubapparates aus vorhandenen Knospen und dem in der 
Achse gespeicherten Reservematerial für deren Entfaltung. 

Betreffs der Waldbäume bringen die Jahrbücher für Forstwirtschaft 
genügende Beispiele, auf die hier darum nicht näher eingegangen zu 
werden braucht, da jeder Einzelfall besonders beurteilt werden mutfs. 
Bei den zahlreichen Beschädigungen durch Raupen hängt beispiels- 
weise die Gröfse der Beschädigung von der Frafszeit und Frafsdauer 
ab. Verwiesen sei in dieser Beziehung auf die Angaben von RATZEBURG ®), 
der den Einflufs der Entnadelung auf die Jahresringbildung bei Fichten 
und Kiefern eingehend bespricht und später auch die Laubhölzer be- 
handelt”). Dafs auch der anatomische Bau eines nach starker Ent- 
nadelung entstehenden Holzringes geändert (viel zarter) wird, zeigen 
die Untersuchungen von CiEstar®). Unter Umständen können in dem 
nach der Entlaubung erfolgenden Zuwachs die Gefäfse gänzlich fehlen °). 
Schon Harrıc 10) hatte nachgewiesen, dafs mit Verringerung der Blatt- 
menge eine Verminderung der Gefäfszahl Hand ın Hand geht. Dafs 


1) Bot. Zeit. 1865, S. 527, aus Adansonia t. I, S. 181. 

2) Flora 1858, S. 32, 42. 
. 3) Bemuıne, Untersuchungen über die Entstehung der adventiven Wurzeln und 
Laubknospen an Blattstecklingen von Peperomia. Inaug.-Diss, Breslau 1378. 

*) Hırvesranp, F., Über Bildung von Laubsprossen aus Blütensprossen von 
Opuntia. Ber. d. Deutsch. Bot. Ges. 1888, Bd. VI, S. 109. 

5) Macnus, Werner, Regenerationserscheinungen bei Pflanzen. Naturwissensch. 
Wochenschrift 1906, Nr. 40. 

6) Rarzerurg, Waldverderbnis. I. S. 160, 234 u. a. 

7) A. a. 0. II. S. 154, 190, 233. 

8) Cıesrar, A., Über den Einflufs verschiedenartiger Entnadelung auf Gröfse 
und Form des Zuwachses der Schwarzföhre. Cit. Just’s Jahresber. 1900, II S. 279. 
2 2 Lu1z, K. G., Beiträge zur Physiologie der Holzgewächse. Ber. D. Bot. Ges. 
1895, S. 185. h 

10) Harrıc, R., Über Dickenwachstum und Jahrringbildung. Cit. Zeitschr. f. 
Pflanzenkr. 1892. S. 292. 


870 V. Wunden. 


unter Umständen doppelte Jahresringe entstehen können, hat Kr!) 
bereits erwähnt. WIELER?) zeigt durch Versuche, dafs man durch Ver- 
schiebungen in der Ernährung die Grenzen zwischen Frühlings- und 
Herbstholz ganz verwischen könne. 

Derartige Folgen werden auch bei den Obstbäumen eintreten und 
häufig in der Fruchternte zum Ausdruck kommen. Nur in wenigen Fällen 
kann eine teilweise Laubentfernung sich wirtschaftlich empfehlenswert 
erweisen, wie z. B. beim Weinstock, wenn derselbe beständig neue Laub- 
triebe produziert, welche die zur Ausbildung der Trauben nötige Nah- 
rungszufuhr für sich beanspruchen. 

Von den ein- und zweijährigen Kulturpflanzen kommen besonders 
die Rüben in Betracht, weil man in Jahren der Futternot im Laufe 
des Sommers die älteren Blätter abbricht und zu Viehfutter verwendet, 
Dafs der Rübenkörper dadurch veranlafst wird, mehr wie sonst neues 
Laub zu bilden, und dafs dadurch die Speicherung der Reservestoffe 
leidet, beweist ein Beispiel aus Böhmen?). Hier zeigte sich, dafs nach 
der Entblattung nicht nur der Rübenkörper selbst kleiner blieb, sondern 
dafs namentlich der Zuckergehalt um 10 °/o geringer als bei den un- 
versehrt gelassenen Rüben war. Gleichlautende Resultate erzielte 
ADERHoLD *) bei seinen Versuchen mit Rüben und Getreide. Bei letzterem 
zeigte sich, dafs besonders die Ahrenlänge, abgesehen von der Re- 
duktion der gesamten Erntemasse, stark beinflufst wurde. 

Indes darf man mit seinen Befürchtungen auch nicht zu weit gehen 
und geringfügige Verluste an Blattsubstanz zu hoch bewerten, wie dies 
neuerdings von seiten mancher Pathologen bei Abschätzung von Schäden 
durch Pilzbefall in die Erscheinung tritt. Man darf nämlich nicht ver- 
gessen, dafs bei noch kräftig vegetierenden Blättern, die einen Teil 
ihrer Lamina verloren haben, der zurückbleibende Teil zu erhöhter 
Arbeitsleistung angeregt wird, wie ich durch Versuche nachgewiesen 
habe>). Boırıvanı®) fand sogar, dafs nach Entfernung der Blattspreiten 
sich die Blattstiele und Stengel in höherem Mafse als bisher an der 
Assimilation beteiligen, und dafs ihr parenchymatisches Gewebe in 
Streckung und Vermehrung eintreten kann. 


!) Verhandl. d. Bot. V. d. Prov. Brandenburg 1879. 

?2) Wierer, A., Über Beziehungen zwischen dem sekundären Dickenwachstum 
und den Ernährungsverhältnissen der Bäume. Tharander forstl. Jahrb. 1892 Bd. 42. 

?) Blätter f. Zuckerrübenbau. 1905 Nr. 20. 

4) Ansrnorn, R., Über die durch teilweise Zerstörung des Blattwerkes der 
Pflanze zugefügten Schäden. Prakt. Blätter f. Pflanzenbau u. Pflanzenschutz. 
III. Jahrg. 1905 Heft 2. 

5) Soraver, P., Studien über Verdunstung. Forsch. a. d. Gebiete der Agri- 
kulturphysik. Bd. III. Heft 4/5. Rp. S. 109. 

6) Borkıvant, A., Sur le tissu assimilateur des tiges privees de feuilles. Just's 
Bot. Jahresb. 1898, II S. 231. 


ee ee ee 


Nachträge. 


Zu Seite 308. Neuere Untersuchungen über die Chlorose liegen 
von Moız (Die Chlorose der Reben, Jena 1907, G. Fischer) vor. In 
Bestätigung der von uns geäufserten Ansicht ist hauptsächlich bei den 
Reben Sauerstoffmangel für die Wurzeln als Ursache zu betrachten. Am 
sefährdetsten sind daher tiefe Lagen, in denen sich das von den Hängen 
abfliefsende Wasser sammeln kann. In schweren Böden leidet darunter 
die Ausbildung des Wurzelsystems. Der Kalk allein erzeugt keine 
Chlorose, aber, da kalkreiche Böden auch öfter sehr feinkörnig sind 
und eine alkalische Reaktion hervorbringen können, so bieten sie 
besonders leicht Gelegenheit zum Absterben der Wurzeln. Darum 
kann man von einer Kalk-Chlorose sprechen. Aber auch anhaltende 
Trockenheit sowie Wärmemangel vermögen Chlorose zu erzeugen. 
Sehr beachtenswert ist die Ansicht des Verf., dafs die krankhafte Kon- 
stitution einer chlorotischen Pflanze sich durch Steckholz übertragen 
lassen wird. Diesen Stecklingen kann entweder von Anfang an die 
Krankheit inhärieren oder es können „gewisse nachteilige Einwir- 
kungen von aufsen infolge einer übernommenen starken Prädisposition 
das ikterische Phänomen und dessen Folgezustände entstehen lassen“. 
Durch Eisensulfat kann eine dauernde Heilung nicht herbeigeführt 
werden; es werden im besten Falle nur die Symptome beseitigt, und 
es ist wahrscheinlich, dafs das Ergrünen der Blätter nicht durch das 
Eisen, sondern die Schwefelsäure veranlafst wird. 


Zu Seite 335. Morz beobachtete Wassersucht bei Reben- 
stecklingen (Bericht der Kgl. Lehranstalt zu Geisenheim a. Rhein, 
1906). Die Stecklinge hatten längere Zeit auf feuchtem Boden gestanden. 
Sie zeigten sich an einzelnen Stellen tonnenartig angeschwollen, wobei die 
äufseren Gewebeschichten der Länge nach aufrissen. In dem klaffenden 
Spalt wurde ein meist weifses, schwammiges Gewebe sichtbar, das aus 
hypertrophierten Rindenzellen bestand. Morz hält die Krankheit, die 
in feuchten Weinbergen nicht selten ist, für identisch mit der von 
SORAUER beschriebenen Wassersucht bei Ribes aureum. 


Zu Seite 345. Auf den einjährigen Trieben von Vitis vinifera 
findet man schwarze Flecke, die etwas erhaben erscheinen. Moız 
(Centralblatt f. Bakt., II. Bd., XX, 1908, Nr. 8/9) beschreibt dieselben 
als kleine, runde Höckerchen von stumpf-kegelförmiger Gestalt 
(„Rindenwarzen‘“), die als Ersatz für die bei Vitis vinifera fehlenden 
Lenticellen anzusehen sind. Sie tragen auf ihrem Gipfel je eine Spalt- 
öffnung, die ziemlich früh vertrocknet. Dieses Vertrocknen greift auf 
die benachbarten Zellgruppen über und schreitet so lange weiter fort, 
bis ihm durch Bildung einer Schutzkorkschicht Einhalt getan wird. 


872 Nachträge. 


Je kräftiger und besser ernährt das Gewebe ist, desto schneller wird 
der Schutzkork entstehen. Schlecht ernährte Triebe erzeugen keinen 
Schutzkork, und daher werden auf diesen die Rindenwarzen besonders 
grofs und zahlreich. Diese schwarzen Flecke geben also einen Mafs- 
stab für den Grad der Holzreife und Gesundheit der Rebe; je zahl- 
reicher und gröfser sie sind, desto weniger ist im allgemeinen das 
Holz ausgereift. 


Zu Seite 378. In Geisenheim beobachtete .JULIE ‚JÄGER eine Kropf- 
maserbildung am Apfelbaum (Zeitschr. f. Pflanzenkrankh., 1908). 
Die Ursache ist noch nicht genügend festgestellt, ist aber wahrscheinlich 
in einer Ernährungsstörung zu suchen, die sich in einer Erweiterung 
der Markstrahlen ausspricht. Einzelne Markstrahlen zeigen schon bei 
ihrer Anlage eine gröfsere Zellvermehrung und Erweiterung der einzelnen 
Zellen. Der Vorgang schliefst sich an die von uns beschriebene Bildung 
von Maserspiefsen aus Markstrahlwucherungen bei Ribes nigrum und 
Pirus Malus chinensis an. 


Zu Seite 391 und 395. Eisenfleckigkeit der Kartoffeln ist 
im nassen Jahre 1907 ungemein verbreitet gewesen und damit vergesell- 
schaftet eine gelbe bis braune Verfärbung im Gefäfsbündelringe auf- 
getreten. Diese Verfärbung in Gemeinschaft mit einer häufigen Er- 
krankung des Nabelendes, bei der bisweilen ein Fusarium beteiligt war, 
hat ArreL bewogen, die sogenannte Blattrollkrankheit, eine Form der 
Kräuselkrankheit, als Pilzepidemie zu erklären. Arrer behauptet, das 
am Nabelende zu findende Fusarium wüchse während des Winters durch 
den Gefäfsbündelring in die Augen der Knolle und verursache im 
nächsten Jahre ein erhöhtes Auftreten der Krankheit und allmählichen 
Abbau der Kartoffeln. Die gleiche Theorie ist von REınkE und HALLIER 
aufgestellt worden; nur haben die genannten Beobachter andere Pilze 
dafür verantwortlich gemacht. SorRAUER weist nun (Internationaler 
phytopathol. Dienst, Stück 2, 1908) nach, dafs das Fusarium zwar mehr- 
fach zu finden sei, dafs aber ebenso oft auch andere Schimmelpilze vor- 
kämen, sämtliche Pilze aber niemals im Gefäfsbündelringe der Knolle bis 
in die Augen weiterwachsend beobachtet werden konnten. Von einer 
Pilzkrankheit und deren Übertragung durch die Knollen in das nächste 
Jahr hinein sei nicht die Rede. Die Verfärbungserscheinungen in der 
Knolle seien vielmehr durch Steigerung von Enzymen zu erklären, welche 
Professor Grüss am Nabelende besonders angehäuft nachgewiesen habe. 
Infolgedessen sei relativ grofser Zuckerreichtum vorhanden, der für zahl- 
reiche Mikroorganismen einen besonders günstigen Mutterboden schaffe. 


Zu Seite 496. Der Einflufs der Elektrizität auf das Pflanzen- 
wachstum wurde in der Hatch-Versuchsstation des Massachusetts Agric. 
College (cit. Z. f. Pflanzenkrankh., 1908) geprüft. Als Versuchspflanze 
diente Raphanus sativus, der eine Wachstumsbeschleunigung und Ge- 
wichtszunahme an Blattwerk und Wurzeln zeigte; doch waren die 
Blätter von hellerem Grün und neigten zur Blattdürre. Der elektrische 
Reiz scheint in ähnlicher Weise wie Lichtmangel auf die Organe 
zu wirken. 

Die im Text erwähnten Versuchsresultate von LöwEnHERZ kann 
GASSNER (Berichte d. D. Bot. Ges., 1907, Heft 1) bestätigen. Die durch 
Einwirkung des Stromes entstehende Krümmung, die bei allen Pflanzen 
zu beobachten war, bleibt nicht immer dieselbe; zuweilen ist sie dem 
negativen, in andern Fällen dem positiven Pol zugekehrt. 


‚Nachträge. 873 


Gegenüber den von LöwEnHERZ früher veröffentlichten und von 
(ASSNER bestätigten Kulturversuchen mit Gerste, die einen schädlichen 
Einflufs des elektrischen Stromes erkennen liefsen, berichtet nun der 
erstgenannte Autor von günstigen Resultaten (Z. f. Pflanzenkrankh., 
1908, Heft 1). Bei geringer Stromstärke (Stromdichte) zeigte sich eine 
Beschleunigung des Keimlingswachstums; die schädliche Wirkung stellte 
sich erst bei Erhöhung der Stromstärke ein. 


Zu Seite 523. In den Mitteilungen der Hatch -Versuchsstation 
des Massachusetts Agricultural College (cit. Z. f. Pllanzenkrankh., 1908) 
finden sich Beobachtungen über die Blattdürre bei Coniferen und 
andern immergrünen Gehölzen als Folge von Winter- und Frühjahrs- 
frösten. Die Bäume zeigen den Brand meist nur auf einer Seite, die 
mit der vorherrschenden Windrichtung übereinstimmt. Wenn zu einer 
Zeit, in welcher der Boden noch gefroren ist, trockne Winde bei hoher 
Temperatur wehen, kann die gesteigerte Transpiration der Pflanzen in 
dem gefrorenen Boden keinen genügenden Ersatz finden, und die Blätter 
vertrocknen. Es ist dies dieselbe Anschauung, welche zur Erklärung 
der Kiefernschütte schon früher zum Ausdruck gelangte. Die ein- 
heimischen Coniferen litten weniger, falls sie nicht etwa auf unzu- 
sagendem Boden standen, gegenüber den eingeführten Arten von Picea, 
Abies, Jumiperus, Taxus, Buxus usw. 


Zu Seite 6609. Nach den Untersuchungen von STOKLASA (Über die 
glykolytischen Enzyme im Pflanzenorganismus [Z. f. physiol. Chemie, 
Bd. 50 und 51, 1907]) ist die anaörobe Atmung eine alkoholische Gärung, 
bei der sich neben Alkohol und Kohlendioxyd auch eine gewisse Menge 
Milchsäure bildet. Dies gilt auch für erfrorene Organe (Rüben, Kar- 
toffeln usw.). Zymase und Lactacidase werden also durch das Erfrieren 
nicht zerstört. Auch in der lebenden Pflanzen- und Tierzelle werden 
Milchsäure, Alkohol, Kohlendioxyd, Essig- und Ameisensäure durch 
Enzyme gebildet. Die Zersetzung der Hexosen durch glykolytische 
Enzyme vollzieht sich normal ohne die Mitwirkung von Bakterien. In 
den aus reinen Pflanzensäften durch absoluten Alkohol und Ather ge- 
wonnenen Niederschlägen fand Verfasser gärungserregende Enzyme, 
welche in der Glykoselösung eine Milchsäure- und alkoholische Gärung 
hervorriefen, bei welähem Prozefs unter vollem Sauerstoffzutritt sich 
immer gewisse Mengen von Essig- und Ameisensäure bildeten. 


Zu Seite 671. Die Untersuchungen von FarLapa (Osterr.-Ungar. 
Zeitschr. f. Zuckerindustrie u. Landw., Heft V, 1907) über die Weifs- 
blätterigkeit der Rüben sprechen für die Anschauung, dafs die weifsen 
Blatteile auf einem jüngeren Entwicklungsstadium stehen bleiben und 
bei mangelhafterem Zellinhalt den Einflufs von Licht und Wärme mehr 
empfinden als die grünen Organe. Die albikaten Blätter besafsen einen 
sröfseren Wassergehalt; die geringere Menge organischer Substanz 
zeigte eine relative Vermehrung des Eiweifses, namentlich aber der 
nicht eiweifsartigen Stickstoffverbindungen. Der Kali- und Phosphor- 
säuregehalt war gröfser, der Kalk- und Kieselsäuregehalt geringer. 


Zu Seite 710. Bei den Erkrankungen des Meerrettichs haben 
wir auf unsere ausführliche Arbeit in der Zeitschr. f. Pflanzenkr., 1899, 
S. 192, hingewiesen. Es ist dort gesagt worden: „Mir erscheinen daher 
die genannten Krankheitsformen nur als hochgradige Steigerungen einer 
verbreiteten Neigung zu gummoser Degeneration ..... ‚ weil bei 


874 Nachträge, 


der Entstehung der Füllmassen der Gefäfse auch die Schmelzung der 
sekundären Membranen in gewissen Fällen mitwirkt.“ Diese Anschauung 
wird neuerdings von A. SCHLEYER (Der Anbau des Meerrettichs usw., 
cit. Biedermanns Zentralbl. f. Agrik., Heft 8, 1908) geteilt. Er sagt: 
„Das Schwarzwerden aber wird nach meiner Ansicht dadurch bedingt, 
dafs die Pentosane und der Zucker im Meerrettich gummiartig‘ degene- 
rieren.“ Auch die Ansicht, dafs Kalk als Heilmittel (da oft im Boden 
Humussäure vorhanden) anzuwenden sei, wurde durch den Versuch 
bestätigt. Wurden Pflanzen in Nährlösungen kultiviert, die, einmal mit 
Kalk, das andere Mal ohne diesen angesetzt waren, so liefs sich an der 
kalklosen Pflanze sehr bald die gummiartige Degeneration „des Zuckers“ 
nachweisen. 


Zu Seite 711. Das Gebiet der Beschädigungen durch Rauch- 
gase und andere industrielle Auswurfstoffe beginnt Jetzt als gesonderter 
Wissenszweig sich von der allgemeinen Pathologie abzuzweigen und 
wird durch ein gesondertes Publikationsorgan vertreten. Seit 1908 
existiert eine „Sammlung von Abhandlungen über Abgase und Rauch- 
schäden“, herausgegeben von Prof. Dr. WisLicenus, der im ersten Heft 
eine zusammenfassende Darstellung „Uber die Grundlagen technischer 
und gesetzlicher Mafsnahmen gegen Rauchschäden“ bereits geliefert hat. 

Über die Einwirkung der Schwefligen Säure auf den Boden liegen 
von HASELHOFF neuere Untersuchungen vor (Z. f. Pflanzenkrankh., 1908). 
Die Versuche zeigen, dafs die Vegetation nicht geschädigt wird, wenn 
der Boden solche Mengen zersetzungsfähiger Basen (namentlich Kalk) 
enthält, dafs die aus der zugeführten Schwefligen Säure gebildete 
Schwefelsäure gebunden wird. Der von WIELER geschilderte Fall der 
Bodenverarmung bei Vorhandensein freier Säure im Boden dürfte 
höchst selten (vielleicht in Waldböden) anzutreffen sein. Wenn dagegen 
während des Wachstums der Pflanzen Schwefelige Säure in den 
Boden geleitet wurde, so dafs derselbe eine saure Beschaffenheit zeigte, 
waren Wachstumsstörungen deutlich bemerkbar. Bei kupferhaltigen 
Böden wird durch die Schweflige Säure das Kupfer in leicht lösliche 
Verbindungen übergeführt, und dieses gelöste Kupfer kann dann für 
die Vegetation schädlich werden. Aber auch hier wird kohlensaurer 
Kalk helfen, indem er die lösende Einwirkung der Säure aufhebt. 


Zu Seite 752. Die von uns zuerst beobachtete Erscheinung einer 
nachteiligen Wirkung der Bordeauxmischung auf den Ernteertrag wird 
durch neuere Versuche von v. KIRCHNER (Z. f. Pfikrankh., Heft II, 1908) 
bestätigt. Der Autor berücksichtigt auch die ältere Literatur. Wahr- 
scheinlich ist die Schattenwirkung der Brühe für die Erntedepression 
verantwortlich zu machen; dieselbe würde auch das freudigere Ergrünen 
der Blätter bei starker Sonnenbestrahlung erklären. Der gröfsere 
Stärkereichtum ist nicht erhöhter Assimilation, sondern verringerter 
Abfuhr der Assimilate zuzuschreiben. 


Zu Seite 756. Über einige Gesichtspunkte bei der Herstellung 
der Bordeauxbrühe berichtet KELHoFEr (Internat. phytopath. Dienst, 
1908, Heft 3). Die Wirksamkeit der Brühe ist nicht nur abhängig von der 
Qualität der verwandten Materialien, sondern auch von den Mengen- 
verhältnissen der beiden Bestandteile und von der Zubereitungsweise. 

Was zunächst die Mengenverhältnisse anbetrifft, so ist zu betonen, 
dafs der Kupferniederschlag seine voluminöse Beschaffenheit um so 


ae Zen ae 


Nachträge. 375 


schneller verliert und die Gefahr des Abwaschens durch Regen um so 
gröfser ist, je mehr Kalk zur Herstellung der Brühe verwendet wird. 
Nach KeLHorers Versuchen ist es ferner erforderlich, dafs die Kupfer- 
vitriollösung und die Kalkmilch in der Kälte, und zwar in möglichst 
verdünntem Zustande gemischt werden, und dabei mufs die Kupfer- 
lösung langsam zur Kalkmilch gegossen werden. Andernfalls nimmt 
der Niederschlag eine pulverige Form an, die schnell zusammensintert. 
Obgleich der Zuckerzusatz im Prinzip zu empfehlen ist, mufs man sich 
doch davor hüten, zu grofse Mengen zu nehmen, da die Abwaschbar- 
keit der Kupferlösung dadurch gefördert wird. Allerdings ist die zur 
Haltbarmachung der Mischung nötige Zuckermenge vom Kalkgehalt 
abhängig, insofern die mit viel Kalk bereiteten Brühen auch mehr 
Zucker bedürfen. So haben sich beispielsweise bei Verwendung von 
1, 2 und 3 kg Kalk auf 2 kg Vitriol pro 100 1 Wasser 20 bzw. 30 
bzw. 40 gr Zucker als notwendig erwiesen, um den Kupferniederschlag 
dauernd, d. h. über ein Jahr vor Zersetzung zu schützen. In der 
Praxis, wo in der Regel reichlich Kalk zur Verwendung kommt, ist 
anzuraten, durchschnittlich 50 gr Zucker pro Hektoliter zu nehmen. 
Bei diesem Zusatz kann der ganze Bedarf an Bordeauxbrühe gleich 
bei Beginn der Saison im Frühjahr angefertigt werden; die Mischung 
hält sich dann den ganzen Sommer über. 


Zu Seite 762. Die Untersuchungen von RupoLF FRIEDRICH (Über 
die Stoffwechselvorgänge infolge der Verletzung von Pflanzen. Centralbl. 
f. Bakteriologie etc., Il Bd. XXI, S. 330) haben eine Bestätigung der 
von ZALESKI und HETTLINGER gemachten Beobachtung ergeben, dafs an 
der Wundstelle eine Eiweifszunahme stattfindet. Aufserdem aber fand 
FRIEDRICH, dafs sowohl bei unterirdischen Speicherorganen als auch bei 
Früchten und Blättern als gemeinsame Folgeerscheinungen der Ver- 
letzungen eine Abnahme der Kohlehydrate und eine Zunahme der 
Acidität (mit Ausnahme der Zwiebel) sich einstellen. Betrachtet man 
mit An. MayEr die Säuren als Verbrennungsprodukte der Zuckerarten, 
so erklärt sich die gesteigerte Acidität durch das lebhaftere Atmungs- 
bedürfnis des verletzten Organs. Die Abnahme der Kohlehydrate wird 
sich zum Teil in der Weise deuten lassen, dafs dieselben zur Eiweifs- 
synthese verbraucht werden. Als fernere Reaktionen auf den traumati- 
schen Reiz dürfte auch eine entsprechende Abnahme der Amide bzw. 
der Amidosäuren anzusehen sein, die zum Aufbau des Eiweilsmoleküls 
Verwendung finden würden. Bei der Kartoffel wurden die kleinsten 
Stärkekörner verbraucht und Zuckerbildung eingeleitet. 


Zu Seite 777. Hzprıck, TayLor und WELLINGToN stellten Ringelungs- 
versuche bei Tomaten und Chrysanthemen an. (Arb. der landwirtsch. 
Versuchsstation zu Geneva [Bull. Nr. 288]. Ein günstiger Einflufs 
konnte nicht festgestellt werden; es zeigten im Gegenteil die Pflanzen 
sich offenbar geschädigt. An den Achsen bildeten sich höckerige Auf- 
treibungen, die Blätter kränkelten, und der Wurzelapparat war weniger 
entwickelt. 

Eine Bestätigung unserer eignen Studien über die Vorgänge bei 
der Ringelung finden wir bei Krırs (Beiträge zur Kallus- und Wundholz- 
Bildung geringelter Zweige und deren histologische Veränderungen. 
Würzburg 1908, Nubers Verl.). Neu sind die Beobachtungen bei Vitis, 
wo infolge des Ringelns Neubildungen im Markkörper nachgewiesen 
wurden, ohne dais das Mark überhaupt verletzt worden wäre. Dieser 


876 Nachträge. 


Umstand ist dadurch wichtig, weil er zeigt, dafs der Wundreiz oder 
die bei jeder Verwundung sich einstellenden Anderungen in der Gewebe- 
spannung sich in Regionen geltend machen, die von der Wundfläche 
weit entfernt und durch feste Holzzonen von derselben getrennt sind. 
Man versteht nunmehr auch besser die Veränderungen im Markkörper 
bei solchen Frostbeschädigungen, bei denen der Holzring keinerlei 
Störungen erkennen läfst. 

Die von Krırs beobachtete Wundholzbildung im Mark von Vitis, 
die der Verfasser der Einwirkung von Zersetzungsprodukten des bei 
der Ringelung abgestorbenen Holzteils zuschreibt, bestand aus mark- 
fleckenähnlichen, parenchymatischen Nestern. Diese waren von einem 
ringförmigen Cambium umschlossen. Der innerhalb der Markscheibe 
liegende Ring entwickelte nach innen Holz mit zahlreichen Gefäfsen, 
nach aufsen den Siebteill. Der andere, der Markkrone benachbarte 
Markfleck bildete aus seinem Cambiumringe nach innen den Siebteil 
und nach aufsen Holz. Die entsprechenden Gewebe der beiden Neu- 
bildungen vereinigten sich später mit den gleichnamigen Partien des 
Uberwallungsrandes. Die Pflanze hatte mithin den beim Ringeln ab- 
gestorbenen Holzkörper durch Anlage neuen Holz- und Siebgewebes 
im Mark ersetzt. 

Zu Seite 814. Vielseitige und sorgfältige Versuche verdanken 
wir Ersıe KupFer (Studies in plant regeneration. Dissert. d. Columbia 
Universität New York, 1907). Wir heben daraus zunächst die Versuche 
mit Wurzelstecklingen von Roripa Armoracia hervor. In den 
Boden eingelegte Wurzelstücke bildeten neue Triebe aus dem Cambium 
der oberen und unteren Schnittfläche. Wurden Rinde und Cambium 
fortgeschnitten, so entwickelten sich nach vorangegangener Oallusbildung 
Sprosse an verschiedenen Stellen in der Nähe der Gefäfsbündel, und 
zwar häufiger am oberen wie am unteren Ende. Die Fähigkeit zur 
Sprofsbildung, die sonst dem Cambium eigen ist, geht also in diesem 
Falle auf das, als Reaktion auf den Wundreiz neu entstandene Callus- 
gewebe über. — Längsschnitte von Wurzeln der Pastinaca sativa, die 
horizontal in Sand eingelegt wurden. entwickelten an beiden Schnitt- 
flächen nahe dem Cambium neue Sprosse. Bei isolierten Rinden- 
stückchen entstanden an der Innenseite Sprosse, an der Aufsenseite 
neue Wurzeln. Der isolierte Zentralzylinder bildete nur Wurzeln. 

Sehr instruktiv sind die Versuche mit Kartoffeln. Wenn von ober- 
irdischen Trieben eine beliebige Knospe unverletzt gelassen wurde, 
entwickelte sich diese zu einer oberirdischen Knolle; wurden alle 
Knospen entfernt, fand nur Wurzelbildung statt. Stückchen von 
Kartotfelknollen, an denen die Augen nebst dem anstofsenden Knollen- 
parenchym herausgeschnitten waren, bildeten an diesen Schnittflächen 
neue Augen. Bei Kartoftelblättern zeigte sich am unteren Ende des 
Blattstiels entweder einfache Wurzelbildung oder eine knollige, stärke- 
haltige Anschwellung oder beides vereint oder sogar eine regelrechte 
kleine Knolle mit Augen. 

Als Gesamtresultat der zahlreichen Versuche, zu denen auch Blüten- 
und Fruchtstiele mit Erfolg herangezogen wurden, kann man erkennen, 
dafs für die Regeneration zunächst das Vorhandensein reichen Reserve- 
materials notwendig ist. Rein weiflse Sprosse verschiedener Pflanzen 
bildeten keine Wurzeln. Verdunkelung oder Entzug der Kohlensäure 
verhinderten die Regeneration. Da gewisse Pflanzenteile nicht fähig 
sind, ein oder das andere Organ zu regenerieren, auch wenn alle 


Nachträge. 877 


Bedingungen günstig sind, wird man zu der Ansicht geführt, dafs 
bestimmte Substanzen vorhanden sein müssen, welche die Bildung 
eines bestimmten Organs bedingen. Solche Substanzen sind in der 
Gestalt von Enzymen zu denken, die nicht in allen Zellen vorhanden, 
sondern an bestimmten Stellen des Pflanzenleibes lokalisiert sind. 

Zu Seite 823. Betreffs der Callusbildung, die sich zwischen 
Rindenschildchen und Unterlage befindet, äufsert sich OHManN in einer 
ausführlichen Arbeit (Uber die Art und das Zustandekommen der 
Verwachsung zweier Pfropfsymbionten. Centralbl, f. Bakteriol. usw.., 
II. Bd., XXI, 1908): „Es scheint also, dafs die Oallusbildung nur vom 
Rindenschildchen aus erfolgen darf. SoRAuUER gibt über diese Frage 
an, eine Gesetzmäfsigkeit im Abreifsen der Rinde lasse sich nicht fest- 
stellen. Nach SCHMITTHENNER zerreifst der Stamm im jüngsten Splint. 
Ich habe nun eine grofse Anzahl von Pflanzen aus den verschiedensten 
Familien auf diese Frage hin untersucht. Es ergab sich, dafs das 
Cambium vollständig auf der Rinde verbleibt. In ganz vereinzelten 
Fällen bemerkte ich, dafs wenige Cambiumzellen am jüngsten Holz- 
körper hängen geblieben waren. Jedoch habe ich dies so selten 
beobachtet, dafs ich diesem Befunde keine Bedeutung beilege.“ Hierzu 
wäre zu bemerken, dafs der Verf. zu einer Zeit okuliert hat „wo die 
Cambiumtätigkeit in vollem Gange ist“. Für diesen Fall hat der Autor 
Recht; wird aber zu einer späteren Zeit okuliert, dann mehren sich 
die von SorAuUErR beobachteten Fälle. 

Zu Seite 844. BrankınsHip beschreibt (Zeitschr. f. Pflanzenkh., 
Heft I, 1908) eine in Montana (N. A.) häufig an Populus angustifolia, 
balsamifera, deltoides u. a. auftretende Blutungskrankheit. Die Bäume 
zeigen ein übermäfsiges Bluten aus Wunden, begleitet von einem Ver- 
bleichen bzw. Vergilben des Laubes. Zuweilen bilden sich die Wunden 
an einzelnen Ästen zu Höhlungen aus, die mit einer gummösen, halb- 
flüssigen Masse ausgefüllt sind. Der ausfliefsende, mit Bakterien be- 
ladene Saft hat einen süfslichen Geschmack und wird häufig von grofsen 
braunen Ameisen aufgesucht. 

In Verbindung mit dieser Blutungskrankheit steht eine „Gelbsucht“ 
der Pappeln, bei der Bluten eintreten kann, aber auch häufiger aus- 
bleibt. Das Laub des ganzen Baumes wird hierbei gebleicht und 
trocknet in den Intercostalfeldern aus; nach 3—5 Jahren erfolgt der 
Tod. Die erkrankenden Bäume stehen gewöhnlich an tiefen Stellen, 
und der Autor ist der Ansicht, dafs die Steigerung. des Alkaligehaltes 
im Grundwasser die Schuld trage. Man findet das Übel in Montana 
nicht blofs an Pappeln, sondern auch an andern Bäumen dort, wo 
Berieselung angewendet wird. Dränage ist zu empfehlen. 

Zu Seite 845. Über eine Förderung der Blütenentwicklung 
durch Entfernung eines Teils der Wurzeln berichtet MınorA SHı6a (On the 
effect of a partial removal of roots and leaves upon the development 
of flowers. Journ. College of Science, Tokyo, 1907, vol. XXIII art. 4). 
Von den verschiedenen Versuchspflanzen reagierten die einzelnen Arten 
verschieden auf die gleichen Eingriffe. Bei Pharbitis, Pisum arvense 
und Vicia Faba veranlafste die Wegnahme der Hauptwurzel und 
einiger Nebenwurzeln eine ungewöhnlich frühe und üppige Entwicklung 
der Blüten, bei Fagopyrum war dies nicht der Fall. Abschneiden aller 
Seitenwurzeln beförderte bei Vicia Faba und Pisum sativum var. arvense 
die Blütenbildung, bei Pisum arvense aber nicht. 


Abbau der Kartoffeln 208. 

Abbinden des Bodens 405. 

Abgliederung, Fruchtspieße 
338. 

Abies 103. 

Ablaktieren 821. 

Ablösung der Blüten 353. 

Abraumsalze 401. 

Abröhren der Weinblüten 354. 

Absterben der Erlen 150. 

— der Knospen 852. 

Abstocken der Triebe 132. 

Abwässer 739. 

— chlorcaleium- und  chlor- 
magnesiumhaltige 742. 

— eisensulfathaltige 744. 

— kupferhaltige 745. 

— nickel- und kobalthaltige 
746. 

— zinksulfathaltige 743. 

Abwaschen d. Blumentöpfe 206. 

Abwerfen der Früchte 295. 

— der Zweige 358. 

Asia longifolia, Intumescenz 


— microbotrya, Intumescenz 
437 


— pendula, Intumescenz 442. 


Acer 9. 

— campestre, Kropfmaser 378. 

— obtusatum 158. 

— italum 158. 

— Negundo, Verfärbung 280. 

— palmatum, Nanismus 141. 

— platanoides 152. 

— Pseudoplatanus var.Schwed- 
leri, Verfärbung 280. 

— Hitzelaubfall 411. 

Acetylen 736. 760. 

Acetylenvergiftung 738. 

Achse, Einschnüren 806. 

— Zerklüftung 579. 

Achselversprossung 374. 

Acremonium 204. 

— Kahlährigkeit 5438. 

Acrocylindrium 204. 

Acrospermum 51. 

Aesculus 152. 

— macrostachya 103. 

Aethertreiberei 756. 

Aetiologie 4. 

Agaricus 50. 


| Amanita muscaria 287. 


| — Bindung des 272. 


Register'). 


Agaricus campestris 97. 

Agathosma 132. 

Ageratum 144. 

Agropyrum repens 87. 

Agrostemma Githago 71. 

Ahnenplasma 28. 

Ailanthus 100. 

Akazien, Gummifluß 701. 

Akklimatisation 37. 

Akkumulation 35. 

Akrolein 747. 

Akute Rauchschäden 714. 

— Resinose 709. 

Albicatio 33. 308. 671. 691. 837. | 

Alinit 270. 

Alkaliboden 194. 267. 

Alkaligras 195. 

Alkalität des Bodens 367. 

Allantospora radicicola 228. 

Allgemeinerkrankung d. Pflan- 
zen 6. 

Allium Cepa 27. 

Alnus glutinosa 9. 

— —., fasciatio 339. 

— incana 8. 

Altersschwäche 31. 


Ammoniak 723. 


Ammoniaksalze, Kopfdüngung 
268. | 

— Wiesen 3693. | 

Ampelopsis hederacea, Emer- 
genzen 440. 

Amygdalus, Nanismus 141. 

Amylokarbol 751. 

Anabaena 7. 

Anaesthetica 756. 

Ananas, Fehlschlagen 647. 

Anastatica hierochuntica 175. 

Andropogon nutans, Rotz 690. 

— Schoenanthus, Ser&h 686. 

— Sorghum, Mafuta-Krankheit 

414. 

Anpassung der Wurzel 75. 

Anstreichmittel 746. 

Antibiose 7. 

Antifermente 670. 

Antinonnin 751. 

Apera spica venti 7. 

Apfel, Fliegenflecke 169. 


— für trockene Böden 174. 


Apfel, Glasigwerden 286, 

Apfel-Kernhaus, Wollstreifen 
324. 

Apfel-Krebs 584. 

— Kropfmaser 872. 

— Lohkrankheit 210. 

— Stippflecke 166. 

Aphelandra, Intumescenz 448. 

Apogamie 342, 

Apokrensäure 241. 

Apostasis der Blüten 373. 

Apostrophe 668. 

Aprikosenkrankheit, 
bacher 478. 

Arabin 699. 

Arabinose 166. 


Mom- 


 Arachis hypogaea 684. 


Araucaria 91. 
Arrabbiaticcio 202. 

Arsen 733. 743. 751. 
Arundo arenaria 87. 147. 
— baltica 147. 
Aschenregen 742. 
Ascophora 51. 

Ascospora Beijerinckii 555. 
Aspergillus 9. 50. 

— niger 14. 97. 273. 


‚— — Hungerzustand 288. 


Asphaltdämpfe 725. 

Asphaltieren der 
dämme 109. 

Aster alpinus 81. 

Asteroma radiosum 727. 

Astwurzelkrebs bei Obst- und 
Waldbäumen 591. 

Atmung, intramolekulare 97. 
So: 

Atomaria linearis 221. 

Aufbewahren der Winteräpfel 
323. 

Aufeggen der Wiesen 237. 

— der Wintersaaten 237. 

Aufreißen der Gurken 461. 

— von Pflanzenteilen 321. 

— der Tonböden 188. 

Auftaaen 505. 

— schnelles 108. 510. 

U ge, Vitis, P’aeonia 
1 


Straßen- 


Aurigo 434. 460. 
Ausbrennen, Rasen 185. 285. 
— Saaten 15. 


') Von den zahlreichen Pflanzennamen sind nur diejenigen in das Register aufgenommen worden, 
denen eingehende Mitteilungen beigegeben worden sind. Alle gelegentlich als Beispiele für gewisse 
Erkrankungsfälle angeführten Pflanzen hätten das Register nutzlos beschwert. 


ev N N 


Aussauern der Saaten 201. 

Ausscheidungen. des Wurzel- 
körpers 156. 

Auswachisen des Getreides 320. 

Auswaschung des Bodens 146. 
243. 

Auswüchse der Wurzeln 191. 

Auswurfstoffe,Schornsteine729. 

Azaleen, Blattfall 352. 

Azolla caroliniana 7. 

Azotobacter 272. 

— chroococcum 269. 

Azurin 756. 

— Siegwart 756. 


Bacillus albumiris 272. 

— anthracis 669. 

— Berestnewi 14. 

— Betae 25. 

— butyricus 272. 

coli 272. 

coli communis 25. 

fluorescens liquefaciens 223. 

foetidus 272. 

liquefaciens 223. 272. 

liquidus 272. 

maculicola 683. 

megaterium 272. 

— mesentericus vulgatus 223. 
272. 

— mycoides 223. 272. 

— nubilis 272. 

— phytophthorus 819. 

prodigiosus 272. 669. 

proteus vulgaris 272. 

pseudoarabinus 690. 

pyocyaneus 669. 

radicicola 272. 

ruber balticvs 14. 

Sacchari 688. 689. 

subtilis 10. 223. 272. 

typhosus 669. 

ureae 272. 

vascularum 690. 

vulgaris 272. 

vulgatus 10. 

Bacteriorrhiza 7. 224. 271. 

Bacterium coprophilum 272. 

— fuscum 272. 

Hartlebi 271. 

nitrobacter 272. 

pseudarabinus 690. 

Sacchari 690. 

— vascularum 690. 

er des Bodens 257. 
69. 

Bakterien-Ringkrankheit, Kar- 
toffel 398. 

Bakteriöse Gummosis 
Zuckerrüben 691. 

Ballentrocknis der Ericaceen 


der 


Bambus, Nanismus 141. 
Bassorin 693. 
Bastardbildung d. Veredlung 


835. 


Register. 


Bastumwallung 857. 

Batate, Boden 233. 

Bäume, Anschwellung 460. 

— Grindstellen 461. 

— Kropfmaser 378. 

Krüppelformen 474. 

— Reinigen 295. 

— Schatten, Ernteverminde- 
rung 659. 

— Schutz 750. 

— tiefes Pflanzen 95. 

Baumwolle, Nebel 458. 

Stengelbräune 229. 

— ungünstiger Boden 229. 

— Welkkrankheit 229. 

Baumwurzeln, Einfluß 654. 

Bedecken der Krume 236. 

— der Samen 107. 

Beerenobst, Wassersucht 339. 

Beerenstiele, Korkwarzen 432. 

Begießen, unvorsichtiges 206. 

Begonia fuchsioides, Blattfall 
399. 

Behacken des Bodens 185. 

Beharrungsvermögen der Pflan- 
zen 36. 

Behäufeln 235. 

Bellis perennis 124. 

Berberis 103. 

Berieselung 181. 195. 

Besandung desMoorbodens 257. 

Beschattung 411, 652. 

Beschränkter Bodenraum 135. 

Beta 47. 

— Aufreißen 322. 

Betauungsfähigkeit des Sand- 
bodens 146, 

Betula pubescens 250. 

Bewaldung 86. 

Bewegungserscheinungen 

durch Frost 546. 

Biegen der Zweige 800. 

Biogen 29. 

Biologische Rassen 126. 

Biota 141. 

— orientalis 103. 817. 

— meldensis 817. 

Birnen, Lithiasis 169. 

— Steinigwerden 169. 

— für trockene Böden 174. 

Black Rot 664. 

Blast 44. 

Blastomania 377. 

Blatt, aurigo 434. 

— Dürre bei Coniferen 873. 

— Durchlöcherung 426. 430. 

— Emergenzen 433. 

Knospen auf 378. 

Korkwucherungen 426. 

Verbrennen der 637. 

Welken 365. 

Windbeschädigung 476. 

— Zerschlitzung durch Frost 
Fr. 


[91377 
Blattfall 346. 351. 
— der Azaleen 352. 


879 


Blattfall der Begonia fuchsio- 
ides 353. 

— bei Libonia floribunda 353. 

— bei Zimmerpflanzen 352. 

Blattfleckenkrankheit des 
Zuckerrohrs 229. 

pre d. Kartoffeln 


Blattstecklinge 378. 864. 

Blattverletzungen 861. 

Blausäure 751. 

Blei 732. 743. 

Blei-Nanismus 744. 

Bleisand 243. 244. 

Bleiweiß 747. 

Blindsein des Hopfens 343. 

Blitz, Kartoffel, Rüben 495. 

Blitzschläge, 479. 

— innere 486. 

Blitzspuren 487. 

Blitzwunden, Nadelhölzer 489. 

Blorokziekte, Kaffee 231. 

Blüten, Ablösung der 353. 

— apostasis 373. 

— Vertrocknen 296. 

Blütenbildung der 
zustände 289. 

— mangelhafte 416. 

Blütenveränderung durch Frost 
517. 

Blumen, Füllung 375. 

Blumentöpfe,Abwaschen d. 206. 

Blumenzwiebeltreiberei, Fehl- 
schläge 297. 648. 

Blutlaus 392. 

Blutungskrankheit bei Pappeln 
877. 

Boden, Abbinden 405. 

-— Absorption 264. 

— Alkalität 367. 

— Ausmergeln 238. 266. 

— Auswaschung 243. 


Hunger- 


| — Bakterienflora 269. 
\— Bearbeitung 182. 227. 235. 


— Bedeckung 182. 


| — Behacken des 183. 


— Berieselung 181. 

— Beschaffenheit, 
264. 

— — ungünstige 135. 

— Beschattung durch Un- 

kräuter 659. 
Dichtschlämmen 740. 
Durchlüftung 242. 
Eggen 183. 

Erweichen des 190. 
Farbe 86. 

Flockung 192. 

für Obstsorten 173. 174. 
Gare des. 194. 

Gerüst, Nährstoffe 264, 
kleine Töpfe 138. 
Klima des 270. 
Krankheiten durch 69. 
Krustenbilldung 108. 
Lage des 69. 86. 95. 


chemische 


880 


Boden, leichter 145. 

— Lockerung 182. 

— Lösung, hochkonzentrierte 
387. 

— Mastkulturen 138. 


— mechanische Widerstände | 


138. 
— Mosaikkrankheit 681. 
— Müdigkeit 270. 
— Nachrutschen 88. 
— Oberfläche, Neigung der 83. 
— Organismen, Arbeit der 268. 
— Raum, beschränkter 135. 
— Säuren im 241. 
— Schälen des 183. 
— schwerer, Nachteile 233. 
— Struktur, unpassende 145. 
ungarer 272. 
— ungünstiger, Tabak 230. 
— — Baumwolle 229. 
— Kaffee, Kakao, Tee 231. 
— — Tropenkulturen 228.232. 
— Zuckerrohr 228. 
— Verarmung 265. 
— Vergiftung 266. 
— durch Rauch 715. 
— durch Schwefelmetalle 
250. 

Verhagern des 150. 
— Verkrustung des 132. 
Vermagerung 89. 
— Verschlämmen des 190. 
Volumen 136. 138. 
Wärme 70. 
— hohe 644. 
Wassermangel im 181. 
— zehrender 238. 
Bohne, Intumescens 446. 
Boletus 50. 
Bordeauxmischung 752. 874. 
— nachteilige Wirkung 874. 
Borosma 132. 
Borronia 132. 


Botanischer Jahresbericht 57. | a: 
| 


— sphaeroidea var. Andalyen- 


Botrytis 10. 24. 50. 

— cinerea 20. 394. 433. 700. 
Boullie Celeste 756. 
Brache 187. 273, 

Brand 38. 606. 

— Disposition 49. 

— schwarzer, Rotbuche 557. 
Brandblasen 638. 
Branderde 244. 
Braunketten 611. 

Brausche Hopfen 344. 465. 
Breite des Lebens 5. 

— der Gesundbeit 5. 
Bremia Lactucae 21. 
Brennflecke 640. 
Brenzcatechin 503. 
Brizopyrum 195. 

Brom 728. 

Brombeerkrebs 603. 
Bromus mollis 143. 

— Nanismus 141. 
Broussin 853. 


Register. 


Brusone-Krankheit des Reises | 


| Bnckelscharf der Rüben 367. 


ı Buntblätterigkeit 671. 


 Buntwerden, Kartoffel 391. 


Cacoma 56. 

— cerealium 56. 
Pe Sen 304. 
"Caleiumkarbid 760. 
Calda fredda 202. 
Callitris quadrivalvis 817, 
Calluna 254, 

— vulgaris 144. 243. 
Callus 779, 
Calycanthus 103. 
Cambiumbräunung, Frost 610. 
Campanula 144. 
Cancer 50, 

Cannabis 145. 
Caragana 103. 
Carcinoma 584. 
Carex 254. 

— arenaria 147. 
Caries 46. 53. 
Carotin 282. 
Cassaven, Boden 233. 


Chorise 376. 

Chorizema 132. 

chronische Rauchschäden 714. 
— Resinose 709. 
Cladosporium 10. 438. 543. 
— javanicum 228. 


‚— penicillioides 204. 


Clasterosporium carpophilum 

700. 

Clavus 47. 

Clivianobilis, Sonnenbrand 639. 

Clostridium gelatinosum 271. 
272. 

— Pasteurianum 269. 272. 

Coccus caricae 704, 

Coffea arabica 231. 

— liberica 231. 

Colletotrichum 262. 


 Coniferen, Harzfluß 705. 
ı — Frostbeschädigung 873. 
' Contagium vivum fluidum 681 


Cassia tomentosa, Intumescenz. | 


435. 
Castanea 7. 
Cattleya, Fleckigwerden 262. 
Celosia cristata 30. 
— —, fasciatio 334. 
Centaurea Cyanus 71. 
Cephalosporium 241. 
Üerasin 693. 
Ceratopteris thalictroides 288. 
Cereus flagelliformis, Kork- 
sucht 427. 
— nyecticalus 454. 
Chagrinieren d. Rosenstämme 
434. 
Lawsoniana 


s1S 


|— squarrosa 817. 


Chemische Bodenbeschaffen- 
heit 264. 

Chemotropismus 9. 

Chermes 716. 

Chilisalpeter 224, 311. 757. 

— Kopfdüngung 3%. 

— Holzgewächse 39%. 

Chlor 717. 

Chlorantbie 342. 

Chloıbarium 743. 

chlorcaleium- und chlormag- 
nesiumhaltige Abwässer 742. | 

Chlormagnesium 741. 

Chlormangel 306. 

Chlorophyllan 501. 

Chlorosis 308. 871. 

Chlorosis, Tabak 679. 

— Weinstock 402. 


Convaliaria majalis 133. 
Cornus alba 103. 

— mascula 103. 

— sanguinea 103. 

— sibirica 103. 

Correa 132. 

Corylus 7. 103. 
Coryneum Beijerinekii 555. 700. 
— gummiparum 701. 


Kon. i 


' Crataegus 105. 125. 


Creolin 750. 

Cupressus 141. 

— Bregeoni 817. 

— Lawsoni 817. 

— sempervirens 817. 
Cuticularsprengung d.Frost621. 
Cyathus 51. 

Oycadeae 7. 

Cydonia vulgaris, Maser 385. 
Cymbidium Lowi 

Cytisus 103. 

Cytospora leucostoma 700. 


| — rubescens 554. 557. 


Dasyscypha Willkommii 80. 
Dedoublement 376. 
Degeneration 31. 
Dematophora necatrix 703. 


' Dendrin 750. 


Dendrobium, Fleckigwerden 
262. 

Denitrifikation 269. 

Diaphysis 374. 

Dic-back der Orangen 392. 

Dichtsaat 144. 

Dichtschlämmen d. Bodens 740. 

Dicotylen, Harzbildung 709. 

Didymosphaeria populina 558. 

ı Didymosporium salicinum 558. 

ı Digitellus 50. 

Dintenkrankheit, Kastanie 702, 

Diöcie b. Kryptogamen 288. 

Dioscorea 233. 

Diospyros, Nanismus 141, 


Disposition 24. 59. 125. s. Prä- 
disposition. 

— für Brand 49. 

— erbliche 80. 

— d. Nährstoffmangel 302. 

Djamoer oepas, Kaffee 231. 

Dongkellanziekte, Zuckerrohr 
228. 

Doppelfrüchte 376. 

Doppelringe, Frost 613. 

Dornenbildung 297. 

Dothiora sphaeroides 558. 


Dracaena, Gelbsprenkelung435. 


Drainage 197. 233. 267. 
Drainzöpfe 319. 

Drehung der Crataegus 176. 
— der Stämme 176. 

— der Syringa 176. 

— der Zweige 805. 
Drehwuchs 764. 811. 

Dünen 147. 

Düngemittel, Schädigungen 757. 
Dünger, Vertorfung d. 271. 
Düngesalz 192. 

Düngung, Eisenvitriol 403. 

— erschöpfende Wirkung 266. 
— d. Moorbodens 257. 258. 
Dürre bei Feldfrüchten 153. 
— Kalidüngung 154. 

— Notreife 154. 

Duftanhang 632. 

Durchfallen d. Weinblüten 354. 
Durchfrieren 235. 
Durchlöcherung, Blätter 449. 
Durchlüftung des Bodens 243. 


Durchwachsen d. Kartoffeln 161. 


Durchwachsung 374. 
— Ahren 465. 


Echlastesis 374. 


Echte Kastanie, Dintenkrank- | 


Eggen 183. |heit 702. 

Einfluß v. Stickstoftüberschuß 
337. 

— des Waldes 132. 

Einquellen des Saatgutes 154. 

Einschnüren der Achse 806. 

Einspitzen 821. 

Eisanhang 631. 

Eisbildung, günstiger Einfluß 
509. 

Eisenfleckigkeitb.Kartoffel391. 
872 


Eisenmangel 308. 

Eisenschüssiger Sand 252. 

Eisensulfat 871. 

Eisensulfathaltiges Wasser 744. 

Eisenvitriol, Düngung 403. 

Eiweißzersetzung, Lichtmangel 
664. 

Elektrische Entladungen 479. 

Elektrizität 488. 872. 

— städtische Baumpflanzung 
4953. 

Elektrokultur, Nachteile 496. 

Elektrolyte 192. 


Sorauer, Handbuch. 


3. Aufl. 


Register. 


Elmsfeuer 488. 

Elymus arenarius 87. 147. 

Embryonales Plasma 28. 

Emergenzen 433. 

— Ampelopsis hederacea 440. 

Endemie 15. 

Endomyces vernalis 845. 

Englischer Zungenschnitt 835. 

Entlaubung durch Wärmeüber- 
schuß 640. 

des Moorbodens 

7 


Entwicklungsmechanik 61. 63. 

' Enzymatische Krankheiten 669. 

Enzyme 877. 

— glycolytische 873. 
Epidemie 15. 
 Epilobium hirsutum, Anpas- 
'  sungsfähigkeit 323. 
Epistrophe 668. 

Erbliche Disposition 28. 80. 
'Erblichkeit der Krankheit 28. 
ı Erbse, Intumescenz 446. 
 Erdnüsse, Erkrankung 684. 

' Erfrieren 504. 

ı Ergrünungsmangel, Frost 525. 

Erhöhung der Nährstoffkon- 
zentration 360. 

Ericaceen, Ballentrocknis 180. 

 Erineum 178. 

' Eriophorum 254. 
Erkältung 512. 
Erlen, Absterben 150. 
Erlenbruch, Wasser 251. 
Ernteverminderung d. Baum- 
schatten 659. 

Ersticken 
mangel 313. 

Erysiphe 50. 

— Fabrieii 46. 

— graminis 636. 

| Etiolement 308, 649. 

Etiolierte Pflanze 423. 

Eucalyptus , Intumescenz 444. 
Evonymus, Nanismus 141. 
Exoascus 143. 


Fadenbildung d. Kartoffeln 159. 
Fäkalstoffe 392. 

Fäulnis 195. 205. 

Fagus 7. 


— Kernbildung 841. 
Fames 50. 

Familiola 50. 
Fangpflanzenbau 736. 
Farben, rote 124. 

— wärmende 124. 
Färbung, herbstliche 124. 
Farne, Apogamie 342. 

— Diöcie 288. 

— lebendig gebärende 342. 
Fasciatio 30. 332. 333. 
Faulkern 841. 

Felder, Streublitze 495. 


Erster Band. 


sel 


Feldfrüchte, Dürre 153. 


'— Überdüngung 392. 


' Fegewunden 772. 


Feigenbäume, Gummose 703. 
Fettbäume 483. 


 Feuchtigkeitsgehalt der Luft 


12. 120. 425. 
— — übermäßiger 422, 
— Wechsel des 273. 
Fichte, Gipfeldürre 89. 
— Nutzen der 254. 
— Senkerbildung 254. 
— Zopftrocknis 89. 
Fieber der Pflanzen 862. 
Filositas 159. 
Filzkrankheit 178. 
Flachwunden 820. 
Flechten an Stämmen 331. 
Fleckennekrose 733. 372. 
ns der Orchideen 
Fliegenflecke, Äpfel 169. 
Flockung 192, 
Flottlehm 190. 
Flugasche, Zusammensetzung 

730. 733. 
Flugsand 147. 
Fluorwasserstoffsäure 722. 
Flußsäure 722. 
Föhnwind 633. 
Formae speciales 12. 
Freie Schwefelsäure 250. 


— silvatica, Verfärbung 280. 2 
Falsche Jahresringe, Frost 613. | 


ns: der Waldbäume 
328. 

Frost, Achsenzerklüftung 579. 
— Aufziehen der Saaten 535. 


durch Sauerstoff- | — Augenkissen 577. 


ı— Barfrost 536. 

ı— -beulen 568. 571. 

— Bewegungserscheinungen 
546 


-blasen 523, 531. 
Blütenveränderung 517. 
Cambiumbräunung 610. 
Cuticularsprengungen 621. 
Doppelringe 613. 
-empfindlichkeit 196. 252. 
Ergrünungsmangel 525. 
Ersatzknospen 560. 
falsche Jahresringe 613. 
Frühjahrstriebe 558. 
-gefahr bei Sandboden 146. 
ne Weinbeeren 
5 


CH Getreiler536. 538, 


| — Halmknicken 541. 


-harte Varietäten 499. 629. 
Kahlährigkeit 541. 
Kohl 530. 


| — -krebs 582. 


Lähmungserscheinungen 
507. 

— -lappen 574. 

— -laubfall 347. 526. 
— -leisten 566. 

— -linie 577. 


56 


882 


Frostlöcher 197. 

— Lockerung der Membranen 
579. 

— Markflecke 611. 

— Markstrahlzerrung 570. 

— Mondringe 611. 

— Parenchymholzerzeugung 
614. 

— -platten 606. 

— Reif 634. 

— Ringschäle 612. 

— -risse, innere 568. 

— — offene 531. 

— Rostringe 522. 

Rüben 530. 

-runzeln 573. 

— schnelles Auftauen 108. 

Schoßrüben 515. 

— irn 622. 623. 624. 

5 


-spalten 564. 
Spannungsdifferenzen 513. 
Uberkältung 507. 

unreife Triebe 553. 
Unterkühlung 507. 

— Verbänderung 558. 

— Verfärbungen derAchse 575. 
— Vergilben 553. 

— Voraussage 627. 

-welke 548. 

-wirkung, mechanische 617. 
— Theorie 507. 

-wunden, Nadelhölzer 489. 
Wurzeln 561. 

Zellgänge 611. 
zerschlitzte Blätter 533. 
Zweigsterben 152. 

an Zweigspitzen 532. 
Früchte, Abwerfen 295. 

— kernlose 292. 

— Korkbildung 432. 

— Sprossung 375. 

— Wässerigkeit 323. 
Fruchtkuchen 338. 

SL EDEN Abgliederung 


Frühjahrsfröste 873. 

Frühjahrsholz 764. 

Frühjahrstriebe, Abfrieren 558. 

Frühjahrswinde, rauhe 478. 

Fuchs des Hopfens 282. 

Fuchsige Pflaumen 164. 

Füllung der Blumen, Kompo- 
siten 375. 

Fuligo vagans 52. 

Fumago salicina 704. 

Fungus marinus 50. 

— panis similis 50. 

Fusarium 204. 

— moschatum 845. 

Fusicladium 170. 

Fusisporium candidum 557. 

Futterrüben, Herz- u. Trocken- 
fäule 414. 

— Wurzelbrand 221. 

Futterwicken, Lagern 661. 


Register. 


Gabelwuchs der Rebeu 345. 

Gabler, Reben 345. 

Galactin 699. 

 Galaktose 166. 

 Gallimaceus 50. 

Gare des Ackers 194. 

Gasanstalten, Abfall 747. 

 Gasaustausch 313. 

Gasphosphat 759. 

Gefäßbuckel 569. 

Gefrieren 504. 

Gehenkelte Stämme 838. 

Gehölze,Verfärbungen 279. 280. 

Gehölzsamen, Behandlung 156. 

Geilstellen der Wiesen 364. 

Gelblaubigkeit 191. 196. 

|— Kamelien 661. 

| — Lichtüberschuß 666. 

' Gelbsprenkelung 434. 

| — Dracaena 435. 

| Pandanus javanicus 434. 

' Gelbsucht 38. 308. 

— durch Kalküberschuß 310. 

(le jaune) des Lein 239. 

bei Pappeln 877. 

durch Stickstoffhunger 310. 

durch Trockenheit 311. 

übertragbar 691. 

Weinstock 402. 

 Gelivüre des Weinstockes 494. 

Gelte des Hopfens 343. 

Gemmulae 28. 

Gemüse, Tropenklima 635. 

— Uberdüngung 39. 

Genista 147. 

Geoponika 40. 

 Gerbstofte 149. 

Geschichte der Pflanzen 37. 

‚Geschlossener Krebs 585. 

Geschwülste am Johannisbrot- 
baum 339. 

Gesundheit, Breite 5. 

Getreide, Auswachsen 320. 

Fleckennekrose 372. 

Frostverletzung 536. 538. 

Hagel 462. 

Lagerung 365, 658. 

Reifeverzögerung 369. 

Röte des 231. 

Strohwüchsigkeit 365. 

Trockenflecke 282. 

— Verscheinen 158. 282. 

Getreidekänner, glasige 126. 

— Wurzeln aus Spitze 113. 

| Gewohnheit der Pflanzen 36. 

Gingko biloba, Zylindermaser 
386. 

Gipfeldürre 89. 150. 

— der Nadelhölzer 486. 

‚— aus Wassermangel 189. 

Gips 195. 251. 402. 

Gipsen 238, 

| &ladioien, Erkrankung o16. 

Glasige Getreidekörner 126. 

Glasigwerden der Äpfel 286. 

— der Kakteen 454. 710. 


Malele 


Glasigwerden d. Orchideen 647. 

— Zierpflanzen 710. 

' Gloeosporium 262. 264. 

 — nervisequum 304. 

' Gnaphalium Leontopodium 81. 

 Gommose bacillaire 841. 

'Grapholitha pactolana 716. 

Gras, Stickstoffüberschuß 365. 

— Rotfärbung 282. 

‚— Verschwinden 362. 

Grausand 243. 

'Grind an Weinstock 594. 

Grindstellen an Bäumen 461. 

ı Grünblütigkeit 342. 

Gründüngung 235. 267. 271. 

Grundwasser, Moorboden 258. 

(Grundwasserspiegel 148. 

— Senkung 103. 

Gnienirin Bidwellii 23. 664. 

, Gummibaum, Knötchenkrank- 
heit 450. 

Gummifluß der Akazien 701. 

— der Feigenbäume 703. 

— (der Kirschen 693. 

'— Olbaum 704. 

‚— der Pomeranzen 701. 

 Gummigefäße 841. 

' Gunnera 7. 

Gürtelschorf der Rüben 368. 

Gurken, Aufreißen der 461. 

Gymnosporangium 50. 

|— Sabinae 59. 


Haarfrost 6933. 


— durchwachsene Ähren 465. 

Getreide 462. 

Hopfen 465. 

Kartoffeln 466. 

Raps 466. 

Rindenwunden 467. 

Tomate 466. 

Hagelgeschmack bei Wein 469. 

Hagelschießen 469. 

Halmknicken durch Frost 541. 

— durch Hagel 541. 

Harfenbäume 91. 

Hartschaligkeit d. Samen 113. 
420. 

Harzbildung b. Dicotylen 709. 

Harzbeulen 705. 

Harzfluß der Coniferen 705. 

Harznutzung, Wunden durch 
170. 

Hautkrankheit der Hyazinthen 
451. 

Heideböden, Nachteile 241. 

Heideerdekulturen 260. 

Heilmittellehre 4. 

Helianthus annuus, Verlaubung 
341. 

Helichrysum 132. 

Helotium 51. 

Hemisaprophyten 8. 

Hemiparasiten 8. 


Herbstfärbung 124. 500. 

Herbstholz 764. 

Herbstlaubfall 526. 

Herbstpflanzung 564. 

Hericia 845. 

Herzfäule d. Futterrüben 414. 

Herz- u. Trockenfäule durch 
Scheideschlamm 194. 

Hexenbesen 143. 376. 

Hibiscus vitifolius, Intumescenz 
449. 

Hieracium alpinum 81. 

Hippeastrum 125. 

Hippopha& rhamnoides 87. 147. 

Hitzelaubfall 347. 411. 640. 

Hitzestarre 635. 

Hitztod 694. 

Holoparasiten 8. 

Holosaprophyten 8. 

Holz, maseriges 849. 

— wimmeriges 849. 

Holzgewächse,Chilisalpeter391. 

Holzknollen 849. 

Holzkörper, Anschwellen d. 460. 

Holzpflanzen, Achse der 73. 

— Anpassungen 75. 

Homogamie 29. 

Honigtau 412. 

Hopfen, Blindsein 343. 

— brausche 344. 465. 

— Erhitzen 344. 

Fuchs 282. 

Gelte des 343. 

Hagel 465. 

Kupferbrand 282. 

Lupelbildung 343. 

Narrenkopfbildung 343. 

Röte 282. 

Rote Lohe 282. 

— Schattenanlagen 2833. 

— Sommerbrand 282. 

— Stangenrot 283. 

Hormodendron-Krankheit 734. 

Hornprosenchym 691. 

Hornspäne 393. 395. 

Hülsenfrüchte, Verscheinen 158. 

Hülsenwuchs 90. 

Hüttenrauch 732. 

ne Raucherzeugung 
73%. 

Humea 132. 

Humin 241. 

Huminsäure 242. 

Humussäure 241. 715. 

Humussandstein 244. 

Humussubstanzen 149. 

Hyazinthen, Abstoßen 
Blüten 356. 

— Hautkrankheit 451. 

— Ringelkrankheit 326. 453. 

Hypochlorin 501. 

Hypocrea rufa 14. 

— Sacchari 228. 

Hypoplasie 176. 

Hypoxylon 50. 

Hysterium 51, 


der 


Register. 


Kcterus 308. 

— Weinstock 310. 402. 

Idioplasma 28. 

Igniarius 0. 

Immunisierung, künstliche 20. 

Immunität 23. 125. 

Inschriften, Wunden durch 771. 

Intramolekulare Atmung 97. 
313. 

Iutumescenz 431. 435. 

— Acacia longifolia, 
botrya 437. 

— Acacia pendula 443. 

-— Aphelandra 448. 

Bohne 446. 

Cassia tomentosa 435. 

Cymbidium Lowi 444. 

Erbse 446. 

Eucalyptus 444. 

Hibiscus vitifolius 449. 

innere 445. 

Kakteen 430. 454. 

Myrmecodia echinata 437. 

— Pelargonium zonale 438. 

— Ruellia 448. 

— durch Verwundung 441. 

— Weinstock 438. 

Intumescenzen nach Kupfer- 
brühe 753. 

Ishikubyo 684. 

Isopyrum biternatum 8. 


mIcro- 


Jadoo-fibre 263. 

Jahresringe, Entstehung 764. 

Jahresringfächerung 586. 

REN UEN 
339. | 


Jugendformen, Rückgang auf _ 


die 377. 
Juglans 105. 
Juniperus, Bewurzelung 254. 
— communis 103. 
— phoenicea 474. 
— Sabina 103. 


Kälte, Icterus durch 309. 
Kaffee, Blorokziekte 231. 
— Djamoer oepas 231. 
Krebs 231. 
schwarzer Rost 231. 
ungünstiger Boden 231. 
Wurzelfäule 231. 
a Schattenbäume | 
659. 
Kahlährigkeit durch Frost 541. 
Kainit 404. 
Kakao, Phytophthorafäule 461. 
— ungünstiger Boden 231. 
— Windbruch 471. 
Kakteen, Glasigwerden 454. 
— innere Intumescenz 430. 
454. 
— Korksucht 427. 
Kalidüngung 127. 154. 
Kalimangel 297. 


| Kalimangel 


883 


bei 
eystis nigra 300. 

Kaliüberschuß 403. 405. 

Kaliumperchlorat 757. 

Kalk, oxalsaurer 782. 

Kalk-Chlorose 871. 

Kalkdüngung, bei Rauchver- 
giftung 716. 

Kalken 194. 238. 

Kalkmangel 302. 303. 304. 

— Kulturversuche 303. 

Kalkmangel, Milchglanz 286. 

— Phaseolus 304. 

— Platanus 304. 

— Vergiftung durch 304. 

— Zuckerrohr 304. 

Kalköfen, Teernebel 729. 

Kalküberschuß 399. 

— Gelbsucht durch 310. 


Sterigmato- 


|— Weinstock 402. 


Kalkung, periodische 268. 

Kalkstickstoff 760. 

Kalte, nasse Witterung 18. 

Kamelien, Gelblaubigkeit 666. 

Kandieren, Saatgut 227. 388. 

Karbolineum 748. 

Karbolsäure 226. 751. 

Kartoffel, Aufreißen 322. 

— Durchlöcherung der Blätter 
430. 

Kartoftelknollen, oberirdische 


Kartoffeln, Abbau 208. 


‚— Bakterien - Ringkrankheit 


398. 
— Buntwerden 391. 
— Durchwachsen 161. 
— Eisenfleckigkeit 391. 
Fadenbildung 159. 
Hagel 466. 
— Kindelbildung 161. 
rn ohne Laub 
63. 
— Kräuselkrankheit 39. 
Kulturrassen 209. 
Lenticellen 369. 
Notreife 159. 
Prolepsis 162. 
schwarze Trockenfäule 391. 
— Stippflecke 397. 
— Süßwerden 513. 
— Tiefschorf 430. 
— überdüngte 3%. 
— Vergrößerung der Mutter- 
knolle 398. 
— Wasserenden 161. 


Kastanie echte, Wurzelerkran- 


kung 219. 


' Katalase 670. 
| Keimkraft 105. 123. 


Keimplasma 28. 
Keimproben 201. 

Keimung, Kohlensäure 107. 
— Trockenheit 154. 
Kernfäule 612. 

Kernlose Früchte 292, 


56* 


884 


Kernlose Weinbeeren 355. 

Kernobst, Wassersucht 338. 

Kiefernschütte 349. 

Kienigwerden 705. 

Kirschbaumsterben 152. 553. 

Kirschen, Empfindlichkeit 209. 

— Frostbeulen 571. 

für trockene Böden 174. 

Gummifluß 69. 

Krebs 592. 

Lohkrankheit 210. 

Trockenheit 231. 

Klee, Pleophyllie 376. 

Klima, Kontinental- 128. 

— See- 128. 

Klimatische Sippen 131. 

Knick 192. 

Knollenbegonien, Blütenabwurf 
417. 

Knollenmaser 851. 

— Anfänge 216. 
Knollenstecklinge, Kartoffeln, 
Caladien 818. 
Knötchenkrankheit, 

baum 450. 
Knospen, Absterben 852. 
— auf Blättern 378. 
— Beschädigung durch Son- 
nenbrand 641. 
— — durch trockene Luft 408. 
Knospendrang 377. 
Knospensucht 144. 
Knospenvariation 143. 144. 
Kochsalz 266. 
Kochsalzdüngung 192. 
Kochsalzhaltige Abwässer 739. 
Kochsalzgehalt der Riesel- 
felder 741. 
Körner(Getreide-), Schwarz- 
werden der 69. 
Kohl, Frost 530. 
Kohlehydrate, Lösung 782. 
Kohlensäure 732. 738. | 
— Keimung 107. 
— Mangel 316. 
— UÜberschuß 107. 406. 
Kommensalismus 7. 
Kompositen, Füllung der Blu- 
men 375. 
Konstitutionskrankheiten der 
Pflanzen 6. 
Kontinentalklima 128. 
Konuneung: Ammoniaksalze 
26 


Gummi- 


— Chilisalpeter 39. 

Kopulation 821. 828. 

Korkbildung an Früchten 432. 

Korklocken 574. 

Korksucht d. Kakteen 427. 428. 

Korkwarzen an Beerenstielen 
432. 

Korkwucherungen 425. 

Krados 39. 

Krähen, Rieselfelder 364. 

Kräuselkrankheit, Kartoffeln 
394. 872. 


Register. 


Krankheiten, absolute 3. 
— durch Boden 69. 
— Entstehung 4. 

— Erblichkeit 28. 

— Erreger 24. 
Konstitutions- 6. 
— parasitäre 10. 
relative 3. 

spezielle 78. 
Umgrenzung 1. 

— Wesen 1. 
Krautartige Kropfmaser 378. 
Krautern, Reben 346. 
Krebs, 584. 

— Apfel 584. 

— Brombeere 603. 

— durch Frost 582. 
— geschlossener 585. 
Kaffee 231. 

Kirsche 592. 

offener 585. 

Rosen 599. 

Spiraea 596. 

— Weinstock 594. 598. 
Krebswunden 765. 
Kresolin 750. 
Kristall-Azurin 756. 
Kropfmaser 853. 

— an Apfel 872. 

— Acer campestre 378. 
— der Bäume 378. 

— krautartige 378, 

— Prunus Padus 385. 


Krüppelformen der Bäume 474. | 


Krume, Bedecken 236. 

Krustenbildungdes Bodens 108. 

Kryptogamen, Diöcie 288. 

— Hungerzustände 237. 

— Sexualorgane 288. 

Kuhbüsche 144. 

Kultur der Lärche 78. 

— des Moorbodens 257. 

Kulturhilfsmittel, schädliche 
Wirkung 746. 

Kulturstand der Pflanzen 52. 

Kulturversuche, Kalkmangel 
303. 

Kulturzweck des Organismus 2. 

Künstliche Beschattung 411. 

Kupfer 732. 

Kupferbrand bei Hopfen 282. 

Kupferbrühen 752; s. Bordeaux- 
brühe. 

Kupferhaltige Abwässer 745. 

Kupferung, Weinstock 440. 


Laelia, Fleckigwerden 262. 
Lärche, Rückgang 738. 
Lage, horizontale 118. 

— steile 86. 

— südliche 85. 

Lagern 129. 

— des Geitreides 365. 658. 
— der Futterwicken, 661. 
Laub, Vertrocknen 284. 
Laubfall, Hitze 640. 


Laubfall, Sommer- 657. 

— Treib- 347. 412. 
Laubrausch der Reben 283. 
Laurus 131. 

Lawinensturz 632. 

Leben, Breite des 5. 
Lebensbäume, chinesische 139, 
— japanische 139. 
Leguminosen, Boden 232. 

u LTE en 


— Hartschaligkeit 420. 

Lehmboden 188. 

— Erweichen 190. 

— Zergehen 190. 

Leichte Böden 145. 

Lein, Gelbsucht (le jaune) 283. 

— Röte des (le rouge) 283. 

Leistenzellen 329. 

Lenticellen, Kartoffel 369. 

Lepidium sativum 71. 

Leptosphaeria, Halmknicken 
541. 

— herpotrichoides 134. 

Leptothyrium pomi 169. 

Leuchtgas 736. 

Leuconostoc Lagerheimii 845. 

Libertella faginea 557. 

Libonia floribunda, Blattfall 
353. 

Lichenismus 7. 

Lichtmangel 649. 

— Eiweißzersetzung bei 664. 

— Krankheitsdisposition 661. 

| — Säuregehalt bei 663. 

— Zuckerstauung 663. 

Liehtüberschuß 666. 

— Gelblaubigkeit 666. 

— Rotfärbung 668. 

— Schattenbilder 668. 

Ligustrum 103. 

Liliaceen, mangelhafte Blüten- 
bildung 417. 

' Lingua 50. 

Linum usitatissimum 105. 

Lithiasis 169. 

Littles Soluble Phenyle 750. 

Lohkrankheit, Apfel 210. 

ı— Kirsche 210. 

' Lokalerkrankungen der Pflan- 

| zen 6. 

Loranthus 52. 

— senegalensis 701. 

Lopas 39. 

Lösung von Kohlehydraten 782. 

Loupe 853. 

 Loxas 39. 

Luftfeuchtigkeit 72. 120. 422. 
425. 

Luft, trockene 408. 

Luftverdünnung, Einfluß 314. 

Lupelbildung des Hopfens 343. 

Lutidin 459. 

Lychnis diurna 145. 

— vespertina 145. 

Lycium barbarum 147. 


Lycogala 50. 
Lycopus europaeus, Anpassung 
325 


> 
Lysol 750. 
Lythrum 323. 


abet des Sorghum 

Magnesiamangel 305. 

Magnesiaüberschuß 399. 

Magnesiumverbindungen 361. 

Magnolia hypoleuca 157. 

Maiblumen, Versagen 395. 

Mais, Boden 232. 

Mal della gomma 702. 

Mal nero 219. 703. 

Malope, Stengelschwielen 443. 

Malus sinensis, Maserbildung 
380. 

Maminia fimbriata 558. 

Mannafluß 705. 

Marciume del Fico 7093. 

Markasit 250. 

Markflecke, Frost 611. 

Markstrahl, Zerrung 570. 

Markstrahlwucherungen 3-0. 

Markwiederholungen 611. 

Marktpflanzen 135. 

Maser, Cydonia vulgaris 385. 

— Malus sinensis 38. 

— schwarzeJohannisbeere 382. 

Maserige Uberwallungsränder 
849. 

Maseriges Holz 849. 

Mastkulturen 139. 

Maulbeerbaum, 
krankheit 684. 

Maximum 5. 

Meerrettich, Kernfäule 710.873. 

— Schwarzringigkeit 710. 

Meeresspiegel, Erhebung über 


69. 
Mehl, Backfähigkeit 321. | 
Mehligwerden der Früchte 165. | 
Mel aöris 412. 
Melligo 412. 
Membranlockerung d.Frost 579. 
Mereurialis annua 145. 
Mergeln 194. 238. 
— Schortkrankheit bei 370. 
Metamorphose, vorschreitende | 
372. 
Micrococceus dendroportus 845. 
Milchglanz der Blätter 285. 
— Kalkmangel 286. 
Milchreife 295. 
Milchsäure 751. 
Mimosa pudica, Trockenstarre 
281. 
Mimulus Tilingii 73. 
Minismus 29. 
Mißbildungen 3. 
Mißerfolge bei Tropenkulturen 


Schrumpf- 


81. 
Mobilisierung der Reserve- 
stoffe 104. | 


Register. 


Mombacher 
heit 478. 

Mondringe, Frost 611. 

Monilia cinerea 700. 

— fructigena 700. 

Monstra 54. 

Moorboden, Bakterienflora 257. 

— Besandung 257. 

— Chlorkalium 258. 

— Düngung 257. 258. 

— Entwässerung 257. 

— Grundwasser 258. 

— Kultur 257. 

Moorbodenvegetation, 
empfindlichkeit 252. 

Moosige Wiesen 364. 

Morphästhesie 136. 

Mosaikkrankheit, Contagium 
vivum fluidum 681. 

— Prädisposition 681. 

— Tabak 230. 671. 

— virus 681. 

Mucor 50. 757. 

— albus 50. 

— racemosus 98. 

— spinosus 97. 

— stolonifer 9. 98. 273. 

Mycoplasma 31. 61. 

Mycorhiza 7. 

Myrmecodia echinata 457. 

Myrtus 131. 


Aprikosenkrank- 


Frost- 


Nachtfrostkurve 627. 
Nachteile des Sandbodens 145. 
Nadelhölzer, Blitzwunden 489. 
— Frostwunden 489. 
— Gipfeldürre 486. 
— Zapfensucht 372. 
Nährboden, Parasit 14. 
Nährstoffe, Konzentrations- 
erhöhung der 360. 
— Verhalten der 274. 
— Verhalten zum 
gerüst 264. 


Boden- 


, Nährstoffmangel 174. 275. 302. | 


Nährstoffüberschuß 319. 

Nässe 319. 

— stagnierende 197. 

Nagewunden 772. 

Nahrungsmangel, Verdunstung 
318. 

Nanismus 139. 

Narrenkopf bei Hopfen 343. 

Naßfäule 19. 

Nasse, kalte Witterung 18. 

Natrondämpfe 735. 

Nebel 458. 

— Baumwolle 458. 


'— Schutzwirkung 510. 
ı Necrosis 52. ' 
' Nectria ditissima 45. 135. 537. 


590. 

Neigung der Bodenoberfläche 
83. 

Nekrobiose 697. 

Neptun 750. 


885 


Nickel- und kobalthaltige Ab- 

| _wässer 746. 

 Nicotin 459. 

' Nidularia 50. 

Nitragin 270. 

| Notreife 165. 

— der Blumenzwiebeln 648. 

— Dürre 154. 

— der Kartoffeln 159. 

— des Obstes 163. 

— durch Wärmeüberschuß 636. 
642. 

Nycetomyces 59. 

— candidus 611. 

— utilis 611. 


Oberflächenschorf der Rüben 
367 


Obst, frosthartes 629. 

— Mehligwerden 165. 

— XNotreife des 169. 

— rostige Schale 169. 

— Selbststerilität 291. 

ee für trockene Böden 
rer: 


Obstbäume, Astwurzelkrebs 
391. 

— Wurzelveredlung 830. 

Oedema 335. 


Ökologische Varietäten 70. 

Olbaum, Gummose 704. 

Oldämpfe, Einfluß 747. 

Offener Krebs 585. 

Okulation 820. 821. 823. 

Ophiobolus 134. 

— Halmknicken 541. 

Optimum 5. 

Opuntia, Korksucht 428. 

Orangen, Dic-back 392. 

Orchideen, Fleckigwerden der 
262. 

— Glasigwerden 647. 

— Lauberde 263. 

Organismus, Entwicklungs- 
mechanik 63. 

— Kulturzweck 2. 

— Selbsterhaltungstrieb 2. 

— Selbstzweck 2. 

Orobus vernus 72. 

Orterde 244. 

Ortstein 192. 244. 

Osmunda regalis 288, 

Oxalis crenata 107. 

Oxalsäure 223. 449. 

— Rüben 223. 

Oxalsaurer Kalk 782. 

Oxyphensäure 503. 


Panachierung 671. 

Panachure 308. 

Pandanus javanicus, 
sprenkelung 434. 

Pangene 28. 

Papaver somniferum, Pistillodie 


Gelb- 


Parasitäre Krankheiten 10, 


886 


Parasiten, absolute 11. 

— fakultative 11. 

Nährboden 14. 

obligate 12. 

Schwäche 11. 

Wachstumsenergie 12. 

Wund- 11. 

Parasitismus 8. 

Parenchymatosis 1. 338. 

en durch Frost | 
614. 

Parenchymholznester 610. 

Parthenogenesis 177. 342. 

Pathogenie 4. 

Pathographie 3. 

Peach-Rosette 691. 

Peach rot 754. 

Peach Yellow 691. 

Pektine 165. 

Pektinkrankheit (maladie pecti- | 
que der Reben) 284. 

Pektinvergärer 271. 

Pelargonium 144. 

— zonale, Intumescenz 438. 

Pelzen 827. 

Penicillium 10. 327. 757. 

— glaucum 9. 204. 451. 

Pennisetum spicatum, Boden 
232. 

Periodizität, korrigierende 935. 

Perlzellen 4. 

Peronospora Viciae 445. 

Petalodie 372. 

Peziza 49. 

— Willkommi 80. 

Pfirsichknospen, Abwerfen 642. 

Pfirsich, Peach Yellow 691. 

Eaaele Allgemeinerkrankung | 


Aufreißen der 321. 
Beharrungsvermögen der 36. 
Beziehung zur Umgebung 6. | 
etiolierte 423. 

Geschichte der 37. 
Gewohnheit der 36. 
Konstitutionskrankheit 6. 
Kulturstand 52. 
Lokalerkrankung 6. 
Schutzvorrichtungen 15. 
Siechtum 5. 

Starre 5. 

— Statistik derKrankheiten 68. 
Widerstandsfähigkeit 14. 
Winterruhe der 122. 
Pflanzen, zu flaches 103. 

— zu tiefes 95. 103. 
Pflanzenhygiene 68. 
Pflanzenschutz 56. 

Pflaumen, fuchsige 164. 
an trockene, leichte Böden 


Pflügen, Bodengare 273. 
Pfropfen 828. 
Pfroptsymbionten 877. 
Phalaenopsis amabilis, Fleckig- 


werden 262, 


Register. 


ı Phaseolus 27. 123. 


Phenol 459. 


ı Phillyrea 474. 


Pan Pfropfversuche 
628. 
Phleum pratense 123. 


' Phoma 8. 262. 


— Betae 223. 
Phosphorsäure, Mangel 300.312. 
— Überschuß 405. 
Phragmidium 56. 


'Phyllachora pomigena 169. 
ı Phyllerium 178. 


Phyllocactus, Korksucht 428. 
Pbyllodie 342. 
Phyllomorphie 342. 
Phyllosticta 262. 


‚ Phyllostieta sycophila 704. 


Physiologische Trocknis 246. 
740 


Phytopathologie 3. 
Phytophthora 59. 
— infestans 18. 


‚ Phytophthorafäule der Kakao- 


früchte 461. 


ı Phytoptus 144. 


Picea 103. 

— excelsa, fasciatio 332. 
Picolin 459. 
Pilobolus 51. 

Pilosis 177. 

Pimelea 132. 

Pinosol 751. 

Pinus 103. 

— Nanismus 141. 

— montana 248. 474, 
— silvestris 91. 105. 
— — f. turfosa 250. 


' Piriceularia Oryzae 315. 
' Pirus communis 280. 


Pissodes Herciniae 716. 
— scabricollis 716. 
Pisum 7. 


|— sativum 105. 
 Pistillodie 372. 


— Papaver somniferum 372. 
Plantago alpina 81. 

— maritima 81. 

Plasma, embryonales 28. 
Plasmodiophora Brassicae 364. 
Plasmopara viticola 280. 
Plastidentheorie 59. 


 Plastidulen 28. 


Plectridien, Pektinvergärer 272. 


' Pleophyllie 376. 


Pleospora gummipara 701. 
Poa alpina 79. 
Pockenkrankheit.d. Tabaks 689. 
Podocarpus, Nanismus 141. 
Podosphaera leucotricha 636. 


ı Polycladie 144. 


Polygonum amphibium 175. 
— viviparum 73. 

Polyporus sulfureus 566. 
Polysarchia 50. 

Pomeranzen, Gummifluß 701. 


Pomologischer Zauberring 779. 

Prädisposition 22. 48; s. Dis- 
position. 

— abnorme 23. 

— Erblichkeit der 28. 

— durch Lichtmangel 661. 

— Mosaikkrankheit 681. 

— normale 23. 

— für Raucherkrankung 715. 

— bei Rüben 223. 225. 

Prateolus 50. 

Prolepsis, Kartoffeln 162. 

Proliferatio 379. 

Prophylaxis 4. 

Protandrie 293. 

Prothallien, ameristisch 288. 

Protogynie 293. 

Proventivknospen 775. 

Prunulus 50. 


'Prunus 105. 
'— avium (Verfärbung) 280. 


— (erasus (Verfärbung) 280. 

— domestica (Verfärbung) 280. 

— Nanismus 141. 

— Padus, Kropfmaser 385. 

— persica (Verfärbung) 280. 

Pseudomonas campestris 223. 

— vascularum 690. 

Pseudopeziza tracheiphila 289. 

Psychroklinie 547. 

Pucecinia 50. 134. 

— dispersa 126. 

— glumarum 126. 

— graminis 61. 126. 

Pultenaea 132. 

Pyramidenpappeln, Absterben 
597. 


Pyridin 459. 

Pyrus Cydonia 48. 
Pythium de Baryanum 223. 
— an Zuckerrohr 228. 


Qualität des Samens 109. 
(Juaternaria Persoonii 597. 
(Quellung der Saat 104. 
(uellsäure 241. 
Quellsatzsäure 241. 

(Quercus pedunculata 77. 95. 
(Quitten, Senkervermehrung 806. 


Radiumstrahlen, Hemmung 
667. 

Raps, Hagel 466. 

Rasen, Ausbrennen 185. 285. 

Raseneisenstein 245. 

Rasennarbe, Einfluß 276. 

Rassen, biologische 12. 126. 

Ratten, Rieselfelder 364. 

Räuber 331. 

Räude der Rüben 367. 

Rauch 46. 459. 

— Bestandteile 730. 

— Bodenvergiftung 715. 

— chemischeBeschaffenheit731. 

Raucherkrankung, Prädisposi- 
tion 715. 


Raucherzeugung, Hüttenwerke | 
730 


Rauchgase 711. 874. 

Rauchkomnmiissionen, staatliche 
736. 

Rauchschäden , 
nische 714. 

— unsichtbare 714. 

— Kalkdüngung 716. 

Rauhe Furche 236. 510. 

Rauhreif 633. 

Reben, Gabelwuchs 345. 

— Krautern 346. 

— Laubrausch 283. 

— Pektinkrankheit 284. 

— Rindenwarzen 871. 

— Ringeln 354. 875. 

— rote Brenner 283. 

— Seng 233. 

Reduktase 670. 

Reeren der Trauben 778. 


akute, chro- 


Regen 460. 

Regeneration 871. 

Reif 634. 

Reife, späte, des Getreides 365. 
Reifeverzögerung, Stickstoff- 


überschuß 394. 
Reinigen der Bäume 295. 
Reis, Brusone-Krankheit 315. 
Reproduktion, Schwächung 144. 
Reseda odorata 123. 
Reservestoffe, Mobilisierung 
104. 
Resinose 705. 
— akute, chronische 709. 
Retinospora ericoides 817. 
Rhabarber, Uberdüngung 392. 
Rhabditis 845. 
Rhamnus 103. 
— Frangula 93. 
— pumila 73. 
Rhizobium Beijerinckii 270. 
— leguminosarum 8. 
— radicicola 270. 
Rhodanammonium 759. 
Ribes 103. 
— aureum, Wassersucht 335. 
Ricinus 98. 230. 
— communis 123. 
tieselfelder 364. 
— -Kochsalzgehalt 741. 
— Krähen, Ratten 364. 
— Verschlickung 366. 
Rigolen 255. 
Rinde, Abwurf 259. 328. 
— Sonnenbrand 644. 
Rindenknollen 851. 
Rindenmulm 259. 
Rindenpropfen 821. 827. 
Rindenschorf 372. 
Rindensprünge 328. 
Rindenwarzen 871. 
Ringelkrankheit d. Hyazinthen | 
326. 453. | 


Register. 


ei der Rotbuche 
19: 


Ringeln 777. 875. 
— der Reben 354. 
Ringelwulst 777. 798. 
Ringschäle, Frost 612. 
Robinia 152. 
— Pseud-Acacia 105. 
Roesleria hypogaea 702. 
Rohhumus 146. 190. 242. 271. 
Roncet 841. 
Röntgenstrahlen , 
durch 667. 
Roratio 40. 
Ros mellis 412. 
Rosa chinensis, Grünblütigkeit 


Hemmung 


Rosa 105. 

— gallica 103. 

Rosenkönigin 379. 
Rosenkrebs 599. 
Rosenstämme,Chagrinieren 434. 
Rosettentriebe 144. 377. 
Rostige Schale, Obst 169. 
Rostringe durch Frost 522. 
Rostzeichnungen 432. 

Röte des Getreides 281. 

— des Hopfens 282. 

— (le rouge) des Lein 283. 
Rotbuche, Ringelkrankheit 219. 
— schwarzer Brand 557. 
Rote Brenner der Reben 283. 
Rote Lohe des Hopfens 282. 
Roter Farbstoff 124. 

— — d. Lichtüberschuß 668. 
Rotfäule 612. 

Rotholz 550. 

Rotz, Andropogon nutans 690. 
Rubigo 43. 46. 50. 

Rüben, Bakteriorhiza 224. 

— Bodenbearbeitung 227. 

— Buckelschorf 367. 

— Chilisalpeterdüngung 224. 
— Frost 530. 

— Gürtelschorf 368. 

— Öberflächenschorf 367. 

— ÖOxalsäure 223. 

— Prädisposition 223. 225. 
— Räude 367. 

— Samenbeize 226. 

— Schorfkrankheiten 367. 
— schwarze Beine, Zwirn 221. 


\— Tiefschorf 367. 


—  überdüngte 389. 


'— unreife 390. 
'— Weißblättrigkeit 873. 


— Wurzelkropf 861. 

Rückschreitende Metamor- 
phose 340. 

Ruellia, Intumescenz 448. 


' Rumex acetosella 145. 


— — Kalkmangel 238. 
Ruß 729. 
— Zusammensetzung 730. 


887 


Saat, Aufziehen durch Frost 
539. 


— Ausbrennen 185. 

— Aussauern 201. 

— Bedeckung 107. 

— mechanische Behandlung 
104. 

— Quellung 104. 

— Selbsterhitzung 649. 

— tiefe Lage 104. 

— überjähriges Liegen 105. 

— verspätete, 200. - 

Saatgut, Einquellen 154. 

— Kandieren 227. 

— überdüngtes 387. 

Saatkartoffeln, Zerschneiden 
818. 

Saattiefe 108. 

— Selbstregulierung 111. 

Saatzeit, Verschiebung 636. 

Saccharogenesis diabetica 52. 

Saecharomyces 98. 

— Ludwigii 845. 

Säbelwuchs 472. 

Säuren im Boden 241. 

Säure, Wurzeln 402. 

Säuregehalt bei Lichtmangel 
669. 

Säurerückgang, Stickstoffüber- 
schuß 393. 

Salix arenaria 147. 

— cinerea 9. 

— herbacea 81. 

— reticulata 81. 

— serpyllifolia 73. 

Salpeterdüngung 192. 

Salpetersäure 723. 

Salvinia natans 7. 

Salzsäure 717. 

Sambucus 103. 

Samen, Alter 106. 

— Bedeckung 107. 

in Eis 4%. 

Erweckung 106 

Hartschaligkeit 

kandierte 388. 

keimend in Frucht 921. 

Keimkraft 123. 

Qualität 109. 

— schwächliche 295. 

— Vorquellen 109. 295. 

Samenbeize bei Rüben 226. 

Samenbruch durch Sonnen- 
brand 649. 

Samenwechsel 36. 

Sand, eisenschüssiger 252. 

— in Gärtnerei 262. 

— Uberdüngung 39. 

Sandboden, Auswaschen 146. 

— Betauungsfähigkeit 146. 

— Frostgefahr 147 

— Nachteile der -böden 145. 

Sapokarbol 751. 

Saprophytismus 8. 

Sattelschäften 821. 


"118, 


888 


Satureja hortensis 71. 

Sauerstoff 106. 

Sauerstoffmangel 312. 

Sauerstoffstarre 312. 

Sauerstoffüberschuß 315. 

Saumlinien durch Salzsäure 
zhlek 

Saxifraga cernua 73. 

Schädliche Gase und Flüssig- 
keiten 711. 

Schälen d. Bodens 183. 

— durch Wild 771. 

Schälwunde 787. 820. 

Schattenanlagen f. Hopfen 283. 

Schattenbäume, Kaffeekulturen 
653. 

Schattenbilder bei Lichtüber- 
schuß 668. 

Scheideschlamm 415. 

— Herz-und Trockenfäule 194. 

Schizomycetes 59. 

Schlamm 191. 198. 

Schleimfluß der Bäume 844. 

Schleimkork 279. 

Schmauchfeuer als Frostschutz- 
mittel 625. 

Schneebruch 631. 

Schneedecke 73, 622. 

Schneedruck 631. 

Schorfkrankheiten 367. 

— Mergeln 370. 

Schornstein, Auswurfstoffe 729. 

Schoßrüben durch Frost 515. 

Schröpfwunde 766. 

Schrumpfkrankheit des Maul- 
beerbaumes 684. 

— Tee 686. 

Schüttekrankheiten 349. 

Schutzvorrichtungen der 
Pflanze 15. 

Schutzwald 147. 

Schwächliche Samen 295. 

Schwächeparasiten 11. 

Schwanzfäule der Rüben 691. 

Schwarze Johannisbeeren, Ma- 
serbildung 380. 

Schwarzer Rost des Kaffees 231. 

Schwarze Trockenfäule, Kar- 
toffel 391. 

Schwarzwerden der Getreide- 
körner 69. 

Schwefelcaleium 733. 

Schwefeleisen 192. 250. 

Schwefelkies 250. 

Schwefelkohlenstoff 268. 

Schwefelmetalle, Bodenvergif- 
tung 250. 

Schwefelmangel 312. 

Schwefelnatrium 733. 

Schwefelsäure, freie 250. 871. 

— als Quellungsmittel 421. 

Schwefelsaures Ammoniak 759. 

Schwefelwasserstoff 198. 733. 
734. 

Schweflige Säure 711. 874. 


Register. 


! Schwerer Boden, Nachteile 233. | 


‚ Sciadopytis, Nanismus 141. 
Sclerotinia Libertiana 25. 
Scoroglia 50. 

Secca molla 202. 

Sedum acre 72. 

— album 72. 

— hexangulare 72. 

Seeklima 128. 

Seewasser, UÜberschwemmung 
durch 191. 

Selbsterhaltungstrieb des Or- 
ganismus 2. 
Selbstzweck des Organismus 2. 
Sellerie, Uberdüngung 392. 
‚Seng der Reben 233. 
Senkervermehrung bei Quitten 
806. 

Senkung des Grundwasser- 
spiegels 103. 148. 

‚ Sepedonium chrysospermum 


2 


Sereh, Andropogon 686. 

Serehkrankheit 82. 

— des Zuckerrohres 686. 

Serumtherapie 20. 

Seuchen, Topographie 20. 

Sexualorgane, Kryptogamen 
288. 

Shikuyobyo 684. 

Siechtum der Pflanze 5. 

Silpha atrata 364. 

Sippen, klimatische 131. 

Sodastaub 735. 

‚Solidago Virga aurea 81. 

Sommerbrand des Hopfens 282. 

Sommerlaubfall 347. 411. 657. 

Sommerreif 634. 

Sommertrockenheit 500. 

Sonnenbrand, an Blüten und 
Blättern 642. 

— Clivia nobilis 639. 


— Rindenbeschädigung 644. 

Samenbruch 643. 

— Risse 644. 

Sorghum, Boden 232. 

— Mafuta-Krankheit 414. 

Späte Saat, Parasiten 200. 

Spätfrost 134. 432. 

Spaltpfropfen 821. 828. 

Spaltwunden 820. 

Spannungsdifferenzen 
Frost 513. 

Spezielle Erkrankungen 78. 

Sphacelus 606. 

Sphaerocarpus 50. 

Sphagnum 186. 250. 257. 

Sphagnumtorf, Gärtnerei 261. 

Sphakelismos 39. 

‚ Spilocaea pomi 166. 

Spinacia oleracea 145. 

Spiraea 103. 

|— Krebs 596. 

‚ Spiraldrehung der Stämme 807. 


durch 


Knospenbeschädigung 641. 


Spiralismus 335. 

Spitzenbrand 553. 

Spitzendürre 299. 

Sporodesmium 704. 

Sprossung der Früchte 375. 

Spüljauche 366. 

Stärkebäume 483. 

Stärkebildung 299. 

Stallmist, frischer 269. 

Staminodie 342. 

Stangenrot bei Hopfen 283. 

Starre der Pflanze 5. 

Statistik der Pflanzenkrank- 
heiten 68. 

Statocyten 848. 

Stauchlinge 174. 

Stecklinge, von verschiedenen 
Organen 814. 

— neue Varietäten durch 817. 

Steine 237. 

Steinigwerden der Birnen 169, 

Stelzenkiefer 92. 

Stelzenwuchs 89. 

Stereum hirsutum 611. 

Sterigmatocystis nigra 300. 

Sticktoffhunger 270. 

— Gelbsucht durch 310. 

Stickstoffkalk 761. 

Stickstoffmangel 287. 300. 

Stickstoffsammlung, Boden- 
bakterien 269. 

Stickstoffsäure 723. 

Stickstoffüberschuß 365. 387. 
394. 


 — Säurerückgang 39. 


— Zierpflanzen 393. 

Stilbum 51. 

Stippflecke, Äpfel 166. 

— Kartoffeln 397. 

Stockausschlag 376. 377. 774. 

Straßendämme, Asphaltieren 
103. 

Straßenpflanzungen 151. 


‚ Stratifizieren 105. 157. 


Streptothrix-Arten, Humus- 
vergärer 272. 
Streublitze 486. 
— aufFeldern und Wiesen 495. 
— Weinstock 493. 
Streuentnahme 146. 
Streunutzung, übermäßige 194. 
Streurechen 189. 
Streuschicht 242. 
Strohdüngung 269. 
Strohwüchsigkeit 
treides 369. 
Strophomanie 335. 
Suillus 50. 
Sulfarin 371. 
Superphosphat 759. 
Symbiose, antagonistische 7. 
— mutualistische 7. 
Symphoria 103. 
Symptomatik >. 


des Ge- 


Tabak, Bodenverschlämmung 
193. 


— Bosuch 679. 

— Brindie 679. 

— Bunt 679. 

Calico 679. 

Chlorose 679. 

Fäule 679. 

Frenching disease 679. 

-— Kali 405. 

— Kopfbunt 230. 

— La Mosaique 679. 

— Mal de Mosaico 679. 

— Mal della bolla 679. 

— Mauche 679. 

— Mongrel disease 679. 

— Mosaikbetegsege 679. 

— Mosaikkrankheit 230. 678. 
— Nielle 679. 

— Peh-sen 679. 

— Pockenkrankheit 683. 

— Poetih 679. 

— Rost 679. 

— Rouille blanche 679. 

— Uberwachsen 230. 

— ungünstiger Boden 230. 
— weißer Rost 683. 

Tagetes 144. 

Tamarix gallica 474. 
Taphrina 143. 178. 

Taro, Boden 233. 

Taubildung 130. 
Taubblütigkeit 289. 

Taxus baccata 254. 

Tecoma radicans, fasciatio 334. 
Tee, Schrumpfkrankheit 686. 
— ungünstiger Boden 231. 
Teeranstrich 746. 

Teerdämpfe 725. 

Teernebel 729. 

oe ee 85. 


Teratologie 3. 
Terpentindämpfe 748. 
Tetranychus telarius 412. 
Therapie 4. 

— innere 20. 

Thielaviopsis ethaceticus 687. 
Thiophen 459. 

Thuja 141. 

— obtusa, Zwergwuchs 139. 
— oceidentalis 103. 

— orientalis 103. 

— plicata 103. 

— Warreana 103. 

Thujopsis 141. 

Tiefpflügen 235. 

Tiefschorf der Kartoffeln 430. 
— der Rüben 367. 

Tilia 93. 

— parvifolia 613. 

Tipula suspecta 611. 
Tomate, Hagel 466. 
Tonböden, Aufreißen 188. 
Topfgewächse, Gebrauch 208, 


Register. 


Topfgewächse, Versauern 203. | 
Topographie der Seuchen 20. 
Torferde 184. 

Torfstreu 265. 

Torula monilioides 845. 


 Tradescantia 25. 


— virginica 312. 


| Trametes Pini 612. 

ı Trauben, Reeren und Ver- 
rießen 778. 

Traubenbeschädigung durch 


Sonnenbrand 642. 
Traumatischer Reiz 875. 
Treiblaubfall 347. 412. 


| Trichia 50. 
Triebe, Abstocken der 132. 


Trifolium pratense 105. 
Triticum 123. 

Trockenfäule der Rüben 414. 
Trockenheit 129. 

— Gelbsucht durch 311. 

— Kirsche 231. 


 — physiologische 246. 740. 


— unterbrochene Keimung 154. 

Trockenflecke bei Getreide 282. 

Trockenrisse 568. 

RT Mimosa pudica 
1 


Trockene Luft 408. 
Trockene Witterung 19. 
Tropenklima, Gemüse 635. 
Tropenkulturen 189. 

— Mißerfolge 81. 

— ungünstiger Boden 227. 232. 
Tuber 49. 

Tubereularia 51. 

Tulipa 107. 

Tulpen, Umfallen 648. 
Turgenia latifolia 71. 
Turgor, Blattfall 351. 

Tuv 750. 


ı Tylenchus devastatrix 758. 


— hyacinthi 328. 
— sacchari 687. 


Über ale ; 
392 


— Gemüse 39. 

— Kartoffeln 390. 
Rhabarber 392. 
Rüben 389. 
Saatgut 337. 

-— Sand 395. 

— Sellerie 392. 
Überflutungen 195. 
Ubersprossung 373. 
U 


11o: 
Überwallungsränder, maserige 
849 


Ulex europaeus 147, 
Ulmin 242. 

Ulmus, Rindenabwurf 259. 
Unfruchtbarkeit 289. 

— Erblichkeit 291. 


Feldgewächse 


berwallung von Wunden 773. | 


889 


ı Ungarer Boden 272. 
Ungünstige Bodenbeschaften- 
heit 135. 


 Umfallen der Tulpen 648. 
' Unkräuter, 


Bodenbeschattung 
653. 
Unsichtbare Rauchschäden 714. 


| Uredo 43 


— Ficus 704. 
Urzeugung 51. 
Ustilago 46. 

— Avenae 90. 


| — Hordei 50. 


Waceinium 243. 

Valeriana Phu 72. 

Valsa leucostoma 152. 554. 

— oxystoma 150. 558. 

— prunastri 557. 

Vanda coerulea, Fleckenkrank- 
heit 263. 

Vanille, Pfropfversuche 828. 

Varietäten, ökologische 70. 

Vegetationsdecken, Einfluß 275. 

Vegetationsruhe 353. 

Veltheimia glauca, Vertrocknen 
der Blüten 297. 

Verbänderung 332; s. faseiatio. 

— bei Erle 334. 

— Frost 558. 

— Picea excelsa 333. 

Verbrennen der Blätter 637. 

— nasser Boden 198 

Verdoppelung 376. 

Verdunstung bei 
mangel 318. 

ee 819. 

— Bastardbildung 835. 

— Einfluß 831. 

— Wein 834. 

' — Wunden 820. 

| De Vergilben 
2 


Nahrungs- 


| : 

ı Verfärbung von Gehölzen 279. 

Vergiftung durch Kalkmangel 
304. 

' Vergilben durch Frost 553. 

— durch Veredlung 284. 

Vergrünung 341. 

| Verhaarung 177. 

Verholzen der Wurzeln 179. 

Verhungern der Blüten 297. 

ı Verkrustung des Bodens 132. 

' Verlaubung 340. 

Vermicularia 51. 

Verrießen der Trauben 778. 

Versagen der Maiblumen 395. 

Versandung 479. 

Versauern d. Topfgewächse 203. 

Verscheinen,Hülsenfrüchte 158. 

— Getreide 158. 

Verschlämmen des Bodens 190. 

ı Verschlickung, Rieselfelder 366. 

Verspätete Saat 200. 


Verspillern 649. 
56 ** 


890 


Versumpfung 195. 
— Frostempfindlichkeit durch 
196 


— Wurzelfäule durch 196. 
Verticillium ruberrimum 204. 
— Sacchari 228. 
Vertorfung des Düngers 271. 
Vertrocknen der Blüten 296. 
— Veltheimia glauca 297. 
— des Laubes 284. 
Verwachsung, natürliche 837. 
Verwesung 195. 205. 
Verwundung, Intumescenz d. 
441. 
en aus Wassermangel 
142. 


Viburnum Opulus 103. 

Vicia Faba 77. 98. 

Viola arvensis 71. 

— cucullata 72. 

— tricolor 73. 

Virescentia 342. 
Virulenztheorie 10. 

Virus 678; s. Enzyme. 

— Mosaikkrankheit 681. 
Vitis vinifera, Verfärbung 280. 
Viviparität 378. 

Volutella 51. 
Vorbeugungsverfahren 4. 20. 
Vorfrucht 275. 

Vorquellen der Samen 295. 
rende Metamorphose | 
Vulkane 742. 


Wärmemangel 497. 
Wärmeüberschuß 634, s. Son- 
nenbrand. 
 — Entlaubung 640. 
— Notreife 636. 
Wald, Einfluß des 132. 187. 
dblann, Astwurzelkrebs 
— Freistellung 328. 
Waldstreu 186. 270. 
Walzen 183. 
Wernhansullansen, Welken 
76. 


Wasser, Frostschutzmittel 623. 
— stagnierendes 198. 
Wasserkalk 399. 
Wasserloden 331. 
Wassermangel 275. 

— im Boden 1831. 

— Gipfeldürre 189. 

— Produktionsänderung 277. 
— Verzwergung aus 142. 
Wasserreiser 331. 473. 
Wassersucht 335. | 
— Beerenobst 335. 


— Ribes aureum 335. | 


— bei Kernobst 338. 
— bei Reben 871. 

Wasserüberschuß 319. 
Wechsler, Reben 346. 


'— durch Hagel 467, 


| 


Register. 


Weinbeeren, Frostgeschmack | 
517. 
— Hagelgeschmäck 469. 
— kernlose 355. 
Weinblüten, Abröhren 354. 
— Durchfallen 354. | 


ı Weinessig gegen Gummifluß 
701. 


Ä 
Weinstock, Chlorose 402. 


| — Gelbsucht 402. 


— Gelivüre 494. 

— Grind 594. 598. 

— lcterus 310. 402. 

— Intumescenz 438. 

Kalküberschuß 402. 

— Krebs 594. 598. 

Kupferung 440. 

Streublitze 493. 

— Veredlung 834. 

Weißblätterigkeit 308. 

— der Rüben 873. 

Weißer Rost, Tabak 683. 

Welken 276. 

— der Blätter bei 
gewächsen 365. 

— durch Frost 547. 

— durch Gießen 207. 


Wurzel- 


ı Welkkrankheit der Baumwolle 


229. 


Widerstandsfähigkeit der 


Pflanzen 14. 


Wiesen, Ammonsalze 363. 
ı— Aufeggen 237. 


Geilstellen 364. 
Kaliüberschuß 405. 

— moosige 364. 

Streublitze 495. 

— Veränderungen der 362. 
Wiesenmoor, Gärtnerei 260. 
Wildschaden 771. 

Wilt disease 229. 
Wimmeriges Holz 849. 

Wind 19. 462. 470. 

— Blattbeschädigung 476. 

— als Frostschutzmittel 625. 
— scherende Wirkung 472. 
Windbruch 470. 471. 
Windschutz 134. 

Windwurf 470. 

Winteräpfel, Aufbewahren 323. 
Winterfeuchtigkeit 189. | 
Wintergewitter 486. | 
Winterreif 634. | 


ı Winterruhe der Pflanzen 122. 


Wintersaaten, Aufeggen 237. 
Wintersonnenbrand 644. 


ı Witterung, kalte, nasse 18. 


— trockne 19. 
Melreilen, Apfelkernhaus 


Wunden des Achsenorganes 
762 


— durch Harznutzung 770. 
— durch Inschriften 771. 


Wunden durch Veredlung 820. 
— Uberwallung 773. 775. 


' Wundgummi 840, 
ı Wundholz 762. 782. 
' Wundkernholz 842. 


Wundparasiten 11. 
Wundreiz 861. 875. 876. 
Wundrinde 782. 
Wundschutz 840. 
Wundwall 826. 


| Wurzel, Anpassung 75. 
'— Ausscheidungen 136. 148. 


270. 


'— Auswüchse 191. 


— Brand, Rüben 221. 

— Brut 861. 

— Erfrieren 561. 

— Fäule, Kaffee 231. 

— — des Zuckerrohres 228. 

— Fäulnis 196. 

— Gewächse, 
Blätter 369. 

— Knöllchen 8. 

— Krankheit, echte Kastanie 
219. 

— — durch Versumpfung 19. 

Kropf der Rüben 861. 

— Krümmungen 135. 

Säure, 402. 

Stecklinge 818. 876. 

— Veredlung 830. 

— bei Obstbäumen 831. 

Verholzen der 179, 

Verletzungen 845. 

— — Förderung der Blüten- 
entwicklung 877. 


Welken der 


Xanthium 175. 
Xanthoria parietina 330. 


Wamswurzel, Boden 233. 


Zapfensucht der Nadelhölzer 
372. 
Zellgänge, Frost 611. 
Zeolithe 265. 
Zerklüftung d. Polyporus sul- 
fureus 566. 
Zierpflanzen, 
schuß 393. 
Zimmerkulturen 419. 
Zimmerpflanzen, Blattfall 352. 
Zink 732. 
Zinkblende 743. 
Zinkoxyd 743. 
Zinksalze 743. 
Zinksulfathaltige 
743. 
Zinnia 144. 
Zopftrocknis 89. 
Zuchtauslese 661. 
Zuckerrohr, Blattfleckenkrank- 
heit 229. 


Stickstoffüber- 


Abwässer 


Zuckerrohr, Coppsche Krank- | 


heit des 69. 
-- Dongkellanziekte 228. 
— Kalkmangel 304. 
— Krankheiten 228. 
— Pulverkrankheit 689. 
— Rotz 689. 
— Serehkrankheit 686. 
— ungünstiger Boden 229. 
— Wurzelfäule 228. 
Zuckerrüben, bakteriöse Gum- 
mosis 691. 


ı Zweigabbisse 358. 
| Zweigabsprünge 357. 


Register. 


Zuckerrüben, Herz- u. Trocken- | 
fäule 414. 

— Schwanzfäule 691. 

— Wurzelbrand 221. | 

Zuckerstauung durch Licht- | 
mangel 669. 

Zugholz 550. 

Zwangsdrehung 176. 335. 


Zweigbranda.Waldbäumen 557. 


Zweige, Biegen 800. 


891 


Zweige, Drehen 805. 


ı Zweigstecklinge 811. 
‚ Zweigspitzen, Abfrieren 552. 


Zweigsterben durch Frost 152. 
Zweigsucht 376. 


 Zwergunterlage 103. 


Zwergwuchs 73. 139. 


' Zwieselbrand 592. 
 Zwiewipfler Reben 345. 
, Zwiewuchs 159. 


Zylindermaser an Gingko biloba 
386. 


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Verlag von Paul Parey in Berlin SW., Hedemannstralse 10. 


Soeben erschien: 


Jahresbericht 


über das Gebiet der 


Pflanzenkrankheiten 


Unter Mitwirkung von 0. von Czadek-Wien, H. Diedicke-Erfurt, G. Köck-Wien, E. Küster- 
Halle a. S., W. Lang-Hohenheim, E. Molz-Geisenheim, E. Reuter-Helsingfors, A. Stift-Wien, 
B. Wahl-Wien, 


herausgegeben von 


Professor Dr. M. Hollrung, 


Lektor für Pflanzenpathologie an der Universität Halle a. S. 


Neunter Band: Das Jahr 1906. 
Preis 15 M. 


Frühere Bände, 


I. Band. Das Jahr 1898. Preis 5 M. 

II. Band. Das Jahr 1899. Preis 10 M. 
III. Band. Das Jahr 1900. Preis 10 M. 
IV. Band. Das Jahr 1901. Preis 12 M. 
V. Band. Das Jahr 1902. Preis 15 M. 
VI. Band. Das Jahr 1903. Preis 15 M. 
VI. Band. Das Jahr 1904. Preis 15 M. 
VIII. Band. Das Jahr 1905. Preis 15 M. 


Der Hollrungsche Jahresbericht ist als referierendes Organ über das Gebiet 
der Pflanzenkrankheiten für jeden Forscher von unschätzbarem Wert. Aber 
auch für den Praktiker gibt es keine bessere Möglichkeit, sich über die Fortschritte 
auf dem Gebiete des Pflanzenschutzes zu unterrichten, als durch die knappen 
Referate des Jahresberichtes, der aulserdem eine erschöpfende Literaturübersicht 
enthält. 


Zu beziehen durch jede Buchhandlung. 


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