Skip to main content

Full text of "Handbuch der Physiologie des Menschen : für Vorlesungen"

See other formats


; 


.naturalis 

nationaal  natuurtiistorisch 
museum 

postbus  9517 
2300  RA  leiden 

nederfand 


Stoll  & Bader 

Buchhandlung  und  Antiquariat 

jT'i.ellmi-H'  tu. 


/KS/ 


\ 


£ 


A 


) 


I 

I . 

J & 


HANDBUCH 

der 

' J:  ■ 

PHtSIOLOGIE  OES  MENSCHEN 

t > 

für  Vorlesungen. 

Von 


Dr.  Johannes  Müller, 

ordentl.  fiflcntl.  Professor  der  Anatomie  und  Physiologie  an  der  KBnigl. 
Friedrich  Wilhelms -Universität  und  an  der  Königl.  mcdiciir.  - cliirurg.  Militar- 
Academic  in  Berlin,  Director  des  Königl.  anatom.  Museums  und  anatom. 
Theaters;  Mitglied  der  Königl.  Academie  der  Wissenschaften  z.ii  Berlin,  der 
Kaiser].  Academie  der  "Wissenschaften  zu  St.  Petersburg,  der  Königl.  Academie 
der  "Wissenschaften  zu  Stockholm. 


ERSTER  BAND, 

Zweite  verbesserte  Auflage. 


Mit  Königlich  "Würt emb ergis eben  Privilegien. 


C o b 1 e n z , 

Verlag  von  J.  Hölscher, 

1835; 


.k 


X • 


4 


V o r r c cl  c. 


Bei  der  Vergleichung  der  zweiten  ALtliellung  dieses  Hand- 
Luclies  mit  der  ersten,  wird  der  geneigte  Leser  bemerken,  dass 
ich  von  dem  Plane  der  Behandlung  unseres  Gegenstandes  nicht 
ahgewichen  Lin.  In  einer  Wissenschaft,  die  ein  so  grosses  Ma- 
terial von  Beobachtungen  von  so  sehr  verschiedenem  Werthe 
besitzt,  wie  die  Physiologie,  Ist  die  Kritik  der  Erfahrungen  über- 
all nur  hei  eigener  Anschauung  und  Prüfung  möglich.  Obgleich 
ich  mir  zur  Pllicht  gemacht  habe,  den  actuellen  Zustand  unserer 
Wissenschaft  in  den  wichtigsten  Erfahrungen  der  Physiologen  dar- 
zulegen, so  habe  ich  mich  doch  überall  lieber  auf  eigene  als 
fremde  Anschauung  gestützt,  und  ich  habe  nur  zu  bedauern,  dass 
diess  nicht  in  allen  Theilen  der  Physiologie  möglich  ist. 

Ich  machte  mir  überall  zur  Aufgabe,  die  Schwierigkeiten 
anfzusuchen,  und  meinen  Lesern  alle  wichtigeren  Facta  so  zu  zer- 
gliedern, wie  sie  zur  Auflösung  der  physiologischen  Aufgaben  füh- 
ren, oder  zur  Lösung  der  letzten  Geheimnisse  führen  könnten, 
wenn  unsere  allgemeinen  Kenntnisse  von  dem  Principe  des  Le- 
hens vollkommener  wären.  Mit  allgemeinen  Formeln  von  dem 
Lehen  in  der  ganzen  Natur  und  dergleichen  täuschen  wir  uns 
nicht.  Der  exacte  Physiker,  der  sich  des  Ausdruckes  Lehen 
nicht  iür  jede  Art  der  Thätigkeit  bedient,  ist  nicht  so  ver- 
blendet, dass  er  nicht  wüsste,  wie  in  der  Natur  überall  Thä- 
tigkeit sey ; das  weiss  Jeder.  Thätigkeit  ist  überall , selbst 
die  Ruhe  der  Massentheilchen  ist  durch  die  Thätigkeit  der 
Anziehung  derselben  gegen  einander  bewirkt.  Hätte  man  die 


VI 


Vorrede. 


Thäti’gkeit  im  Weltensystem  von  Anfang  LeLen  genannt,  ich  be- 
diente mich  des  Ausdruckes  Leben  auch  in  diesem  Sinne;  aber 
der  Sprachgebrauch  nennt  eben  die  Thätigkeit  der  organischen 
Wiesen  Leben.  W^er  die  W^eltkörper  Organismen  nennen  will, 
möge  es  thun,  mir  schien  diess  in  jüngeren  Jahren  auch  einmal  ganz 
passend.  Die  Erwägung,  dass  die  Verschiedenheiten  dieser  unei- 
gentlichen  und  eigentlichen  Organismen  grösser,  als  ihre  Aehnlich- 
keiten  sind,  hat  mich  bestimmt,  diese  von  einigen  Naturforschern 
beliebte  Bezeichnung  fallen  zu  lassen.  Die  Wörter  organisch  und 
organisirt  haben  hei  uns  immer  bestimmte  physiologische  Be- 
griffe, welche  von  einem  ausgezeichneten  Gelehrten  missver- 
standen worden  sind.  Organische  Stoffe  sind  uns  alle,  die  von 
Organismen  erzeugt  sind.  Organisirt  sind  uns  nur  diejenigen 
Theile  der  Organismen,  welche  nicht  bloss  organische  Zusam- 
< mensctzungen  enthalten,  sondern  die  zu  ihrer  selbstständigen  Er- 
nährung und  ihrem  selbstständigen  Wachsthnme  nöthige  Organi- 
sation ihres  Innern,  das  heisst  Gefässe,  enthalten.  Ich  denke,  es 
könnte  Jedem  recht  seyn,  wenn  ich  In  diesem  Sinne  die  Haai-e 
und  Nägel  organische,  aber  nicht  organisirte  Theile  nenne. 

Der  Plan  dieses  Werks,  eine  philosophische  Zergliederung 
der  Thatsachen,  welche  von  der  Physik  des  Lehens  vorliegen,  ohne 
Anwendung  einer  solchen  Lösung  der  Aufgaben,  welche  sich 
auf  andere  Hülfsmittel  als  die  Analyse  der  Facta  gründen,  legt 
uns  hier  die  Bedingung  auf,  unseren  Lesern  ein  speculatives 
System  vorzuenthalten.  Es  ist  wahr,  die  empirische  Physiologie 
löst  die  letzten  Fragen  über  das  Leben  nicht,  aber  die  Philoso- 
phie löst  sie  auch  nicht  auf  eine  solche  Art,  dass  wir  von  dieser 
Lösung  in  einer  Erfahrungswissenschaft  Gebrauch  machen  könn- 
ten. Wir  können  nicht  in  diesem  Augenblicke  uns  eines  specu- 
lativcn  Beweises  bedienen,  wenn  wir  im  nächsten  Augenblicke 
mit  der  Aengstlichkeit  und  Vorsicht  eines  empirischen  Physikers 
kein  Wort  mehr  zu  sagen  uns  getrauen,  als  was  auf  die  Facta 
gegründet  ist,  wenn  wir  am  empirischen  Beweise  festhalten  müs- 
tcn.  Von  der  Physiologie  dürfen  üherdiess  keine  möglichen 
metaphysischen  Theorien,  sondern  Beweise  gefordert  werden, 
dass  eine  Theorie  richtig  oder  unrichtig  ist.  Freilich  haben  wir 


Vorrede. 


VII 


immer  das  Bedärfniss  gefühlt,  die  Lücken,  welche  die  empirische 
Physik  in  unseren  Ansichten  von  der  Welt  lässt,  durch  Philo- 
sophie anszufüllen,  und  wir  gestehen  gern,  dass  wir  weder  dem 
Studium  ihrer  Geschichte,  noch  ihrer  Entwickelung  in  der  neue- 
ren Zeit  fremd  geblieben  sind.  Wir  sind  der  Philosophie  mit 
redlichem  Eifer  in  früheren  Studien  in  leere  und  gedanken- 
lose Systeme , wie  in  herrliche  Denkmäler  des  menschlichen 
Geistes  gefolgt.  Eine  Lösung  der  letzten  Fragen,  die  wir  für 
uns  und  Andere  benutzen  könnten,  haben  wir  gesucht.  Aber 
wir  haben  diejenige  Lösung  nicht  vor  uns,  die  wir  mit  dem 
Gange  einer  Erfahrungswissenschaft  ohne  Weiteres  vereinbaren 
könnten.  Wäre  Einer  der  Physiologen,  der  durch  die  Schärfe 
und  Gewalt  seines  Geistes  ein  System  uns  vorführte,  das,  wenn 
auch  nicht  auf  Thatsachen  gebaut,  mit  den  Thatsachen  auf  das 
innigste  ühereinstimmte,  und  wie  aus  einer  Thatsache  alle  an- 
deren erklärte,  ich  glaube,  ich  würde  ihn  erkennen;  ich  wäre 
der  Erste,  ihn  auf  den  Händen  zu  tragen.  Auch  wo  uns  die 
Speculation  verlässt,  gehen  wir  uns  gern  noch  gleich  allen  Men- 
schenkindern der  Poesie  hin,  und  lassen  uns  gern  von  ihr  zu 
den  Sternen  tragen.  Aber  man  verlange  von  uns  nicht,  dass  wir 
davon  in  einer  exacten  Untersuchung  reden.  Diese  Bemerkungen 
können  hier  gelegentlich  zugleich  als  Erklärung  über  die  realisti- 
sche Haltung  unseres  Lehrbuches  dienen.  Die  Physiologie  befindet 
sich  jetzt  in  einer  Periode  ihrer  Entwickelung,  welche  der  Aufnahme 
vorzugsweise  speculativer  Forschungen  auf  lange  Zelt  nicht  günstig 
ist.  Diese  Bichtung  nach  einer  an  einzelnen  glänzenden,  gröss- 
tentheils  aber  verwirrten  und  erfolglosen  speculativen  Productlo- 
nen  reichen  Periode  hat  grosse  Fortschritte  und  Entdeckungen 
erzeugt,  während  die  Philosophie  hinwieder  uns  gelehrt  hat, 
Beobachtungen  zu  würdigen  und  zu  zergliedern.  Rein  Naturfor- 
scher wird  unsere  Wissenschaft  so  bald  leicht  von  dem  realisti- 
schen Gange  ablenken,  als  derjenige,  der  solche  wichtige  That- 
sachen entdeckt,  w'oraus  sehr  viele  andere  erklärt  werden. 

In  Beziehung  auf  vorliegende  Abtheiiung  des  Handbuches 
enthält  das  Vorbemerkte  alles  etwa  in  der  Vorrede  zum  Ver- 
sfändniss  Mitzuthcilende.  Indessen  ergreife  ich  diese  Gelegenheit, 


VIII  Vorrede. 

noch  einige  Einzelheiten,  die  anderswo  keine  Stelle  finden  kön- 
nen, za  Berühren. 

In  der  Vorrede  der  ersten  Ahtheilnng  ist  eine  von  mir  über 
den  Foetuszustand  des  Auges  der  Säugethiere  gemachte  Beobach- 
Vasa  capsulo-pnpdlaria,  and  die  durch  sie  entstehende 
Membrana  capsalo-papillaris  zur  Sprache  gekommen.  Ich  verfehle 
nicht  hier  anzuzeigen,  was  seither  über  diesen  Gegenstand  verhan- 
delt worden.  Bestätigende  Beobachtungen  sind  früher  von  Reich, 
hernach  von  Valentin  and  Wagneu  in  v.  Ammon’s  Zeitschrift  für 
Ophthalmologie  Ed.  III.  mitgetheilt  worden.  Vergl.  Henee  ebendas. 
Bd.  IV.  und  Mueleer  in  Jahresber.  über  die  Fortschritte  der  anato- 
misch-physiologischen Wissenschaften,  in  Mueeeer’s  Ar  dm  für  Anat.  u. 
Physiol.  18.34.  p.  40.  Auf  meine  in  der  Vorrede  der  1.  Abth.  gemach- 
ten Bemerkungen  hat  hinwieder  der  sehr  verehrte  Hr.  Prof.  Arnoed 
in  V.  Ammoh’s  Zeitschr.  Bd.  IV.  erwiedert,  worauf  ich  den  geneigten 
Leser,  welcher  sich  für  diesen  Gegenstand  interessirt  hat,  aufmerk- 
sam mache,  obgleich  hierauf  meinerseits  nur  zu  wiederholen  ist,  was 
bereits  in  der  Vorrede  des  4.  Bandes  und  im  Jahresberichte  a.  a.  O. 
bemerkt  worden  ist.  Da  Hr.  Prof.  Arnoed  die  Vasa  capsulo-pupil- 
laria  des  Fötusauges  zugiebt,  so  kann  ich  laut  Vorrede  des  1.  Bandes 
weiter  nichts  verlangen , indem  man  die  anderweitig  von  ihm  be- 
rührten Fragen  für  hors  d’oeuvres  in  dieser  Angelegenheit  halten 
kann.  Recht  sehr  bitte  ich,  nachdem  ich,  was  mir  oblag,  gethan, 
nämlich  die  einst  von  Hunter  gemachte,  von  Niemand  beachtete 
Entdeckung  ans  eigener  Beobachtung  wieder  ins  Leben  gerufen, 
dass  nun  andere  Naturforscher  diesen  Gegenstand  weiter  durch 
Untersuchungen  von  Augen  injicirter  Schaffötus  oder  anderer 
Säugethierfötus  pflegen  wollen. 

Die  Jpbrbücher  für  wissenschaftliche  Kritik  haben  es  an 
Theilnahme  für  das  Lehrbuch  der  Physiologie  nicht  fehlen  lassen. 
So  sehr  ich  mich  durch  die  Theilnahme,  welche  ein  so  ausgezeich- 
neter Gelehrter,  als  Carus  meiner  Arbeit  schenkte,  erfreuen  musste, 
so  befremdend  war  mir  eine  Art  zweiter  Recension  von  einem 
Ungenannten  'in  denselben  Jahrbüchern..  Der  Verfasser  dieser 
letztem  will  beweisen,  dass  in  meiner  Arbeit  über  das  Blut  meh- 
rere Beobachtungen  Vorkommen,  welche  bereits  Hewson  gemacht 


Vorrede. 


IX 


hate  und  die  den  Meisten  unbekannt  geblieben  seyen.  Ich 
will  hier  beweisen:  1)  dass  die  Schriften  von  Hewson  dem  medi- 
cinischen  Publicum  allgemein  bekannt  sind,  dass  meine  Beobach- 
tungen über  das  Blut  sogar  in  demselben  Werke  und  in  demsel- 
ben Bande  mit  einem  vollständigen  Auszuge  aus  Hewson’s  Beob- 
achtungen erschienen  sind;  2)  dass  die  Puncte,  in  welchen  sich 
zwischen  meinen  und  Hewsoh’s  Beobachtungen  Aehnlicbkeit  zeist. 
diejenigen]  sind,  in  welchen  sie  mit  allen  von  Hewson  bis  auf  mich 
folgenden  eXacten  Beobachtern  und  selbst  mit  älteren  übereinstim- 
men ; 3)  dass  auf  die  wesentlichen  von  mir  gemachten  Erfahrungen 
weder  Hewson  noch  irgend  ein  Anderer  Ansprüche  der  Priorität  hat. 

1)  Die  Beobachtungen  von  Hewson  über  das  Bkit  sind  allge- 
mein bekannt  und  finden  sich  in  demselben  Werke,  worin  meine 
Arbeit  zuerst  erschien,  vollständig  ausgezogen.  Als  Herr  Prof. 
Bubdach  vor  Herausgabe  des  4.  Bandes  seiner  Physiologie  erfuhr, 
dass  ich  Beobachtungen  über  das  Blut  anstelle,  forderte  er  mich 
auf,  sie  ihm  als  Zusätze  zu  seinem  Werke  mitzutheilen.  Mein 
Aufsatz  erschien  daher  zuerst  als  Zusatz  in  Burdach’s  Physiologie 
Bd.  4.  mit  Beiträgen  von  J.  Mueluer.  Leipzig  1832.  Prof.  Burdach 
war  es  nicht  um  eine  Compilation  zu  thun,  so  ivenig  als  er  früher 
vom  Hrn.  v.  Baer  eine  Compilation  der  Beobachtungen  von  Malpi- 
GHi,  WoLEF,  Haller,  Pander  über  das  Hühnchen  im  Ei  verlangt 
hatte,  er  wollte  und  erhielt  die  eigenen  Erfahrungen  seiner  Mit- 
arbeiter ohne  allen  gelehrten  Apparat,  ln  der  Art,  wie  bei  unsern 
Nachbarn  Jeder  seine  eigenen  Beobachtungen  ohne  eine  Idee  an 
die  kluge  Pbilisterei  eines  seiner  Leser  mitthellt.  Prof.  Burdach 
hat  selbst  in  diesem  Werke  auf  261  Seiten,  nämlich  von  pag.  1 — 
I 136.  und  von  p.  334 — 489.  eine  vollständige  Zusammenstellung 
aller  Beobachtungen  über  das  Blut  mit  den  nöthigen  Citaten  mei- 
nem Aufsatze  theils  vorhergehen,  theils  folgen  lassen.  Die  Be- 
obachtungen von  Hewson  sind  dort  alle  ausgezogen,  nämlich  auf 
■p.  18.  19.  20.  22.  25.  26.  27.  37.  38.  62.  64.  90.  95.  96.  354. 
369.  377.  394.  395.  398.  399.  412.  Da  meine  Beobachtungen 
dem  chemischen  Publicum  besonders  interessant  seyn  mussten,  so 
war  es  natürlich,  sie  in  Poggendorf’s  Annalen  noch  etwas  erwei- 
tert ferner  mitzutheilen  und  nichts  war  natürlicher  als  eine  Ab- 


X 


Vorrede. 


kürzung  davon  in  mein  Handbuch  aufzunehmen.  In  dieser  Ab- 
kürzung verwies  ich  in  den  ersten  Zeilen  {Physiol.  p.  96.)  auf 
«ine  andere  vollständige  Zusammenstellung  aller  fremden  Beob- 
achtungen über  das  Blut,  nämlich  auf  E.  H.  Webek’s  Anatomie 
Bd.  1.  Diess  letztere  Handbuch,  welches  sich  in  den  Händen 
nicht  allein  des  medicinischen  Publicums,  sondern  auch  der  Stu- 
direnden  befindet,  enthält  auch  wieder  Hewsok’s  Beobachtungen 
ansgezogen  und  es  sind  darin  die  Abbildungen  von  Hewson, 
Prevost  und  Dumas,  Fontoha,  Home,  Bauer  über  Kern  und 
■Schale  der  Blutkörperehen  zu  erblicken;  dass  ich  hierauf  ver- 
wies, geschah  nach  dem  in  der  Vorrede  meines  Handbuchs  aus- 
gesprochenen Grundsatz:  „wo  die  Literatur  gross  ist,  nur  dieje- 
nigen Schriften  namhaft  zu  machen,  in  welchen  man  alle  kleine- 
ren Hülfsmittel  angeführt  findet.” 

2)  Die  Punkte,  in  welchen  sich  zwischen  meinen  und  Hew- 
•soHs  Beobachtungen  Aehnlichkeit  zeigt,  sind  diejenigen,  in  wel- 
chen meine  Beobachtungen  mit  allen  früheren  exacten  Beobach- 
tern ühereinstimmen,  über  welche  Lei  älteren  sowohl,  als  neueren 
guten  Beobachtern  kein  Zweifel  obwaltet.  AVem  als  dem 
Verfasser  jener  Critik  kann  es  einfallen,  einen  Vorwurf  daraus 
zu  machen,  dass  man  von  Form,  Plattheit,  Grösse,  Kern  und 
Schale,  Auflösbarkeit  der  Blutkörperchen  in  Wasser  spricht, 
ohne  Hewson  anzurufen.  Sind  diese  Dinge  denn  nicht  Allen  be- 
kannt und  wiederholt  man  sie  aus  einem  andern  Grunde,  als  um 
bei  den  Widersprüchen  der  exacten  und  unexacten  Beobachter 
auf  eigene  Erfahrung  sich  zu  stützen?  Hat  man  nicht  schon  vor 
Hewson  ihre  Gestalt  gekannt,  wie  Leuwehhoek.  und  [Fontana? 
Haben  nicht  alle  neueren  Beobachter  Magni,  Rudolphi,  Schmidt, 
Young,  Kater,  Doellinger,  Gruithuisen,  Prevost,  Dumas,  Hodgkin, 
Lister,  Edwards,  Dutrochet  davon  gehandelt  und  haben  nicht  alle 
älteren  den  Kernfleck  und  alle  neueren  den  Kern  selbst  heschwe- 
ben?  In  diesem  Punkt  sind  gar  keine  Entdeckungen  möglich;  aber 
meine  Mitthcilungen  enthalten  keine  einzige  bestätigende  Thatsache, 
die  ich  nicht  unabhängig  von  allen  Hülfsmitteln  selbst  gefunden 
hätte.  Dass  die  Blutkörperchen  im  Serum  beobachtet  werden  müs- 
sen, dass  sie  von  Wasser  aufgelöst  werden,  im  Serum  aber  sich 


Vorrede. 


XI 


nlclit  verändern,  findet  man  sogleich,  es  ist  nur  von  schlechten 
Beobachtern  übersehen,  und  muss  das  erste  seyn,  was  jedem  Ob- 
servator bekannt  wird;  von  Hewson  hat  man  es  daher  nicht  ge- 
lernt, man  hat  es  lange  vor  ihm  von  Muys  und  seit  beinahe  ei- 
nem Jahrhundert  schon  gewusst.  Ich  hätte  es  nicht  einmal  anzu- 
führen gebraucht,  hätte  nicht  Home  so  viel  Sonderbares  und  Un- 
richtiges von  der  Zersetzbarkeit  der  Blutkörperchen  vorgehracht. 
Die  Auflöslichkeit  derselben  in  Wasser  musste  natürlich  in  alle 
chemische  Handbücher  übergehen.  Das  Einzige,  worin  Hewsoh’s 
Beobachtungen  bis  auf  mich  isolirt  geblieben  sind,  ist,  dass  er 
die  Blutkörper  von  Wasser  rund  werden  sah  und  dass  er  sie  un- 
ter dem  Microscop  mit  Salzen  zusammenbrachte.  Dies  ist  wahr- 
haftig viel.  In  Hinsicht  des  ersten  hat  er  sich  geirrt,  indem 
er  glaubte,  die  vom  Wasser  aufschwellenden  Körper  seyen  mit 
Flüssigkeit  gefüllte  Blasen,  in  welchen  [der  Kern  hin  und  her 
falle.  Diess  ist  nicht  so.  Von  Salzen  werden  diese  Körper  nicht 
verändert.  Das  hat  er  richtig  gesehen.  Er  wusste  nicht,  dass 
sie  auch  von  Wasser,  das  nur  Zucker  aufgelöst  enthält,  unver- 
ändert bleiben,  und  daran  hat  er  eben  so  wenig  entbehrt  als 
ich,  wenn  ich  übersah,  dass  er  die  Blutkörper  von  Wasser 
rund  werden  und  sich  in  Blasen  verändern  sah.  Hieraus  kann 
man  abnehmen,  wie  viel  ich  verloren  habe,  dass  ich  Hewsom’s 
Schrift  selbst  zur  Zeit  meiner  Arbeit  weder  besessen,  noch  ge- 
sucht oder  gesehen  habe.  Da  Bürbach  (p.  -35.)  von  Hewson 
erwähnte,  dass  er  der  Urheber  der  spätem  HoMEscheii  Theorie 
der  Blutgerinnung  sey,  so  konnte  ich  auch  hernach  nicht  sehr  be- 
gierig werden,  seine  Ansichten  noch  näher  kennen  zu  lernen.  Frei- 
lich hat  Bürbach  hier  dem  trefflichen  Hewson  Unrecht  gethan. 

3)  Auf  die  wesentlichen  von  mir  gemachten  Erfahrungen 
über  das  Blut,  die  wahrhaftig  den  einfachen  Titel  „nach  eigenen 
Untersuchungen”  rechtfertigen,  hat  weder  Hewson,  noch  irgend 
ein  Anderer  Ansprüche  der  Priorität.  Kein  anderer  Naturfor- 
scher hat  die  chemische  Natur  der  Schale  und  des  Kernes  der 
Blutkörperchen,  die  chemische  Natur  der  Chyluskörperchen  und 
Lymphkörperchen  durch  chemische  Versuche  aufgeklärt.  Ich 
zeigte  gegen  Home  die  Unverändeilichkeit  der  Blutkörper  durch 


XII 


Vorrede, 


das  Schlagen  des  Blutes,  die  unveränderte  Beschaffenheit  der 
Blutkörperchen  im  Menstrnalblute,  wo  der  Faserstoff  fehlt,  ihre 
unveränderte  Beschaffenheit  im  Arterien-  und  Venenhlut,  und  nach 
der  Unterbindung  der  Lungen  der  Frösche,  die  Auflösbarkeit 
der  Schale  in  Essigsäure,  wodurch  man  die  Kerne  erhält.  Ich 
zeigte  ferner  das  Verfahren,  wie  man  die  Kerne  in  Menge  iso- 
Jirt  und  ohne  vorherige  chemische  Einwirkung  erhalten  kann 
um  damit  chemische  Versuche  anzustellen.  Ich  beobachtete  fer- 
ner, dass  wie  die  Essigsäure  die  Schale  und  nicht  den  Kern  der 
Blutkörperchen,  die  Alkalien  den  Kern  und  die  Schale  lösen.  Ich 
zeigte,  wie  man  die  Lymphe  der  Frösche  zu  chemischen  Versuchen 
gewinnt,  wodurch  man  diese,  sonst  im  ganzen  Leben  des  Arztes  ihm 
nicht  vorkommendc,  Flüssigkeit  mit  leichter  Mühe  in  den  Vorle- 
sungen zeigen  kann.  Wer  hat  früher  wahre  Lymphe  des  Menschen 
beobachtet?  Ich  beobachtete,  mit  Dr.  Nasse,  die  Lymphe  und 
Lymphkörnchen  des  Menschen,  die  von  Niemand  bisher  gesehen 
waren,  und  ihren  Nichtantheil  an  der  Coagulation  derselben;  das- 
selbe zeigte  ich  von  den  Lymphkörnchen  des  Frosches,  und  zeigte 
die  Unauflöslichkeit  der  Chyiuskörpercheu  der  Thiere  durch  Aether; 
woraus  hervorgeht,  dass  sie  nicht  blosse  Fcttlhelicben  seyn  können 
wie  man  annabm.  Auch  die  Grössenbestimmiiug  der  Lymph-  und 
Chyluskörneben  ist  hier  wichtig,  da  sie  fehlte.  Ich  fand  die  Chylus- 
körnchen  und  Lymphkörnchen  im  Blute  der  Frösche  gerade  so,  wie 
ich  sie  in  ihrer  Lymphe  gezeigt  hatte.  Ich  zeigte  ihre  Aehnlichkeit 
und  Verschiedenheit  von  den  Kernen  der  Blutkörperchen ; Hewsois 
lässt  die  Blutkörper  mitsammt  der  Schale  in  den  Lympbgefässen  und 
der  Milz  entstehen.  Wer  hat  früher  untersucht,  wie  Gase,  z.  B. 
Chlorgas,  Sauerstoffgas,  kohlensaures  Gas  auf  die  Blutkörperchen 
wiiken?  Endlich  zeigte  ich  die  Coagulation  des  Eiweisses  von  Chy- 
lus  und  Blut,  und  des  Käsestoffes  der  Milch  von  concentrirter  Lö- 
sung von  Kali,  wodurch  auf  einmal  das  Verhalten  des  Eiweisses  an 
der  Voltaischen  Säule  aufgeklärt  wird.  Diese  und  andere  Beobach- 
tungen über  Arterien-  und  Venenblut  sind  in  mehrfacher  Bezie- 
hung interessant,  aber  die  von  mir  gefundene  Thatsache,  dass 
der  Faserstoff  im  Blute  aufgelöst  ist,  dass  man  seine  Gerinnung 
zwischen  den  Blutkörperchen  unter  dem  Microscope  beobachten 


Vorrede. 


XlII 


kann,  und  dass  man  ihn  von  dem  Blute  des  Frosches  ahfiltx-iren 
kann,  dass  man  ihn  auch  heim  Menschen  vermittelst  kohlensan- 
ren  Kalls  als  solchen  darstellen  kann,  -während  er  nach  den  bis- 
her allgemein  angenommenen  Ansichten  von  Home,  Phevost  und 
Dümas,  Edwards,  Dütrochet  in  den  Blutkörperchen  stecken 
sollte,  ist  ßiuß  dßr  bemerkcnswertheslen  Beobachtungen  in  der 
neuern  Physiologie,  wofür  alle  Naturforscher  danken  werden, 
welche  wissen,  wie  vcr-wirrt  und  ungewiss  dieser  Theil  der  iPhy- 
siologie  des  Blutes  war.  /Was  hier  zu  thun  war,  kann  man  aas 
den  eben  angeführten  vollständigen  Zusammenstellungen  der  Beob- 
achtungen von  Btjrdacu  und  E.  H.  Weber  sehen.  Die  älteren 
Aerzte  und  mit  ilmen  Hewson,  und  unter  den-  neueren  Naturfor- 
schern Berzelius  und  Burdack  glaubten,  dass  der  Faserstoff  im 
Blute  aufgelöst  sey.  Bürdach  nennt  bereits  die  Flüssigkeit  des  Blutes 
Lympha  sanguinis.  Es  kam  nur  darauf  ari  es  zu  beweisen,  und  es  ist 
nun  durch  die  Filtration  ein-  für  allemal  bewiesen  (die  Frage  vom 
entzündlichen  Blute  ist  eine  ganiz,,  andere).  Der  Kritiker  übergeht 
diesen  wichtigen  Theil  meiner  Beobachtungen  mit  Stillschweigen. 
Niemand  hat  ferner  früher  den  flüssigen  Faserstoff,  wie  er  durch 

Filtration  erhalten  wird,  Chemisch  untersuchti-gexitiss.  werden- die 
Aufschlüsse  über  das  Verhalten,; desselben,  so'  lapge  er. flüssig 
gegen  Reagentien  namentlich  zum  Aether  im,. Gegensatz  gegen 
das  Eiweiss  auch  ferner  so  b.enlerken$wer.tb  bleiben,  als  sie  .bis 
jetzt  waren.  leb-  zeigte  .die . Grüssenuntersebiede., der  Lymph- 
und  Chyluskprperehen  und  der  - Kerne  ^.er!  Blutkörperchen  von 
den  .Eleuieuten,  der  Gewebe,  und  an  die  Zu^an^njpnsetzungTbie- 
riseber  .Theile  ans  Blutkörpern,  nud Kernen  , tou  Blntkörpera 
wird  Niemand  so  leicht  mehr'  denken,,  Ich  -habe  ferner  day.Ver- 
lialten  des  Faserstoffes  im  lebendigciii  flüssigen.  Zustand  gegen  die 
galvanische,  Säule  im  Gegensätze  gegen  Schnh-.  ui\d,  Kern  der 
Blutkörperchen  festgestellt';  -wie  ich-,  jüinwieder  ■ bjewips  , dass 
das  Blut  kein  eigenthümliches  electrlsdies  Verhalten  hat;,  dass 
die  Gerinnung  der  alkalinischen  Faserstoff- Lösung  am  Zinkpol 
von  chemischer  Einwirkung  des  Rupferdraths.,  die  des  Eiweis- 
ses  au  beiden  Polen  von  den  Salzen  desselben  abhängig  isf^ 
wie  ich  weiter  sowohl  Belungeri's  als  Dutrochet’s  Versuche 


XIV 


Vorrede. 


über  das  electrische  Verhalten  des  Blutes  entkräften  konnte.  Da  ich 
wusste,  dass  viel  Alkali  auch  das  Eiweiss  des  Blutes  gerinnen  macht, 
so  hatte  ich  auch  die  Ursache  der  bisher  unerklärlichen  Erschei- 
nung eingesehen,  warum  das  Eiweiss  nicht  bloss  an  einem  Pole  ge- 
rinnt. Endlich  mussten  auch  meine  Erfahrungen  zur  Aufdeckung 
der  einfachen  Ursache  führen,  warum  Hermann’s  bekannte  Unter- 
suchungen über  das  Blut  unrichtige  Resultate  herbeiführen  mussten. 
In  Hinsicht  des  entzündlichen  Blutes  halte  ich  nicht  Alles  zu  thun. 
Hier  waren  mehrere  gute  Beobachtungen  vorhanden;  z.  B.  Ba- 
BiNGroN’s  in  meinem  Memoire  angeführte  Beobachtung,  dass  der 
Faserstoff  der  Speckhaut  aus  dem  entzündlichen  Blute  abgeschöpft 
werden  könne.  Wenn  diess  schon  Hewsott  beobachtet  hat  so 
schmälert  diess  nicht  mein,  sondern  Babington’s  Verdienst.  Die 
Erfahrung  bleibt  auch  nicht  auf  Hewson  sitzen,  denn  dieser  fuhrt 
selbst  etwas  Aehnliches  von  De  Haeit  an ; wie  ich  eben  sehe. 
Meine  Erfahrungen  für  die  von  Scudamore,  Hunter  und  so  man- 
chem Andern  vorgelragene  Ansicht,  sind  wieder  andere-  ich  be- 
wies sie  durch  Behandlung  des  gesunden  Blutes  mit  kohlensau- 
rem  Kali,  wodurch  ich  eine  künstliche  scjiwache  Speckhaut  er- 
zeugte. So  viel  von  demjenigen  Theile  meiner  Beobachtungen 
in  dem  fraglichen  Aufsatze,  welchen  unser  Freund  angetastet  hat. 

Wie  ich  die  Lehre  vom  Blute  angetroffen,  und  wie  ich  sie  verlas- 
sen, ist  bereits  durch  das  Urtheil  der  Sachverständigen  festgestellt. 
Berzehus  Jahresbericht.  Anteacta  zwingen  mich,  den  ,Verf.  der  Kri- 
tik weder  zu  den  Sachverständigen,  noch  zu  den  ünpartheiischen  in 
diesem  Theile  der  Physiologie  zu  zählen.  Derselbe  liat  ein  ganzes 
Buch  über  das  Blut  geschrieben,  von  welchem  ich  hier  keine  Kritik 
zu  geben  habe,  und  'von  welchem  ich  nur  anfiihre,  dass  es  glück- 
licherweise ohne  Einfluss  auf  die  Wissenschaft  geblieben  ist.  In 
diesem  Buche  werden  die  Blutkörperchen  des  lebenden  Blutes 
ganz  gelängnet,  denn  die  Bluttheilcben  entstehen  in  jedem  Au- 
genblicke und  vergehen  in  demselben  wieder.  Als  diess  auf  Ru- 
DOXPHi’s  und  Anderer  Bedeuten  sein  natürliches  Ende  erreichte, 
wurden  aus  den  Blutkörperchen,  die  nun  einmal  mit  Schale  und 
Kern  nicht  abzuweisen  sind,  Luftbläschen  (merke  wohl,  sie  sin- 
ken im  Serum  unter).  Und  dieser  selbe  Beobachter  ist  es,  der  ei- 


Vorrede. 


XV 


ner  guten  Beschreibung  der  Blntkörper  den  Vorwurf  macht,  dass 
Hewson  sie  auch  schon  genau  gekannt  habe.  Das  Studium  des 
Hewsok  ■wird  dem  Verfasser  der  Kritik  übrigens  ganz  nützlich 
seyn.  Er  hat  darin  schon  gesehen,  dass  die  Blutkörper  existiren, 
und  wird  auch  noch  weiter  daraus  ersehen,  dass  sie  auch  in  den 
Gef'ässen  des  lebenden  Thieres  existiren,  was  er  Budolphi  nicht 
glauben  wollte.  "Was  die  von  dem  Verfasser  getadelten  Ansprü- 
che betrifft,  so  pflegen  wir  uns  mit  Materien,  die  uns  fremd  sind 
und  fern  liegen,  gar  nicht  abzngeben,  wir  wollen  aber  überall 
auf  unsere  eigene  Anschauung  in  nnserm  Fache,  der  Anatomie 
und  Physiologie  uns  berufen  können,  und  haben  nur  zu  be- 
dauern, dass  es  nicht  überall  möglich  ist.  Daher  wir  uns  denn 
vollkommen  zu  derjenigen  grossen  Prätension,  die  uns  der  Ver- 
fasser der  Kritik  vorwirft,  offenherzig  bekennen. 

Am  Schlüsse  der  Kritik  macht  der  Verfasser  im  Vorüber- 
gehen einen  kleinen  Versuch,  mir  die  Priorität  einer  wichtigen 
Entdeckung  abzusprechen.  Ich  muss  doch  auch  ein  Beispiel 
von  dieser  Art  geben.  Im  Jahre  18.32  machte  ich  meine  Ent- 
deckung der  Lymphherzen  der  Amphibien  bekannt.  Poggendohf’s 
Annalen.  18.32.  Heft  8.  Ausführlicher  wurde  die  Beobachtung 
der  vier  Organe  am  14.  Februar  18.3.3  in  der  Royal  Society  of 
London  vorgelesen.  Ein  Jahr  nach  meiner  ersten  MittheilUng, 
1833,  kömmt  die  Beobachtung  ohne  Nennung  meines  Namens 
auch  in  einem  Werke  von  Panizza  vor;  und  diess  nennt  unser 
Freund  ein  Anschliessen  an  Panizza.  Dieser  Anachronismus  er- 
innert mich  an  einen  ähnlichen  gleich  motivlrten  unseres  Freun- 
des, wodurch  er  einen  ausgezeichneten  Pflailzenphyslologeh  und 
Reisenden  brieflich  einer  französischen  gelehrten  Gesellschaft  als 
einen  seiner  fleissigsten  Schüler  (un  de  ses  disclples  les  plus  as- 
sidus)  abfertigend  bezeichnet.  Institut  Journal  general  etc.  1834. 

Unser  guter  Rath  ist  der:  irren  kann  Jeder,  aber  Pflicht 
ist,  seinen  Iprthum  ausser  Circulatlon  zu  setzen.  Möge  der  Ver- 
fasser jener  Kritik  zuerst  durch  ein  offenes  Zurücknehmen  seiner 
früheren  Täuschungen  in  Hinsicht  des  Blutes  die  Achtung  der 
Sachverständigen  in  Anspruch  nehmen,  bis  dahin  vom  Blute  so 
wenig  als  möglich  Aufhebens  machen  und  dann  wiederkommen. 


XVI 


Vorrede, 


Die  wichtigeren  Bereicherungen  unserer  Wissenschaft  seit 
dem  Erscheinen  der  ersten  und  seit  dem  Drucke  der  zweiten 
Abtheiinng  des  Handbuches,  und  einige, Berichtigungen  und  Nach- 
träge habe  ich  am  Ende  der  zweiten  Abtheilung  hinzngefügt; 
man  bittet  den  geneigten  Leser  gar  sehr,  sie  nicht  zu  übersehen. 
Besonders  mache  ich  auf  Ehrewbebg’s  Entdeckung  microscopi- 
scher  Crystalle  in  organischen  Thcilen;  auf  Purkittje’s  und  Va- 
lentih’s  Entdeckung  der  Wimperbewegungen  in  den  Schleimhäu- 
ten; auf  Mitscherlich’s,  Gmelim’s  und  Tiedemanh’s  Beobachtun- 
gen in  Beziehung  auf  den  Mangel  von  Luft  im  Blute;  aufEsERtE’s 
Beobachtungen  über  die  Verdauung;  auf  die  eben  erschienenen 
Beobachtungen  von  Panizza  über  die  Nerven  wurzeln,  die  Plexus 
und  die  Geschmacksnerven  (siehe  die  Nachträge),  und  in  Bezie- 
hung auf  die  in  der  ersten  Abtheilung  unseres  Handbuches  be- 
handelte Erection  auf  die  von  mir  gemachte  Entdeckung  der  bei 
der  Erection  wirksamen  Arterien  im  Menschen  und  den  Thieren 
aufmerksam,  wovon  in  der  zweiten  Abtheiluag  p.  804. . eine  vor- 
läpfige  Mittheilnng  gegeben  ist.  Haugsted’s  Untersuchungen, , über 
die  Ihymus,  Bjetzitis  Beobachtungen  über  die  Nebennieren  der 
Knorpelfische,,  und  T.^viranus  Beobachtungen  über  die  willkühr- 
hchen  Bewegungen  der  Gliedertbiere  nach  der  Enthauptung  sind 
an  den  entsprechenden  Stellen  durch  Versehen  unbeachtet  ge- 
blieben und  in  den  Nachträgen  nachzusehen. 

Der  zweite  Band  des  Handbuches  der  Physiologie  beschäf- 
tigt  mich  nun  auf  das  angelegenthohste,  und  glaube  ich  verspre- 
chen zu  können,  dass  dessen  baldiger  Erscheinung  kein  Hipdevr 
niss  im  Wege  steht. 

^ ' . ,1  , r.' ' f » 

Berlin,  am  26.  November  1834.  ^ ^ MI 

..Äü  «IjN,  ■ r:  ..  ■>'.  i ■ ' ll:.';  '•  ■ ' 

' Df.  3.  MÜlICF.  "i'i.' 

"»  .'i-  ' lic:  ■ <-11  . Ik!  i!  - 

-'IO V ‘oi)  •■'ij'  1<  i:  o: '.r:- 

1!;  ; .Ml,  . ' .Im  o:. 


Inhalt. 


l'rolegomena. 

!•  Von  der  org.inisclien  Materie 1 

II-  Vom  Org.inismus  und  vom  Leben  18 

III.  Von  dem  lliierischen  Organismus  und  von  dem  tbieriseben Leben  39 

IV.  Ueber  die  den  unorganischen  und  organischen  Körpern  gemein- 

samen Wirkungen.  Electricität,  Wärme,  Licht... 63 


Ber  speclellcn  Physiologie  Erstes  Buch. 

Von  den  allgemein  verbreiteten  organischen  Säften,  von  der 


Säftebewegnng  und  von  dem  Gefässsystem. 

I.  Ah  schnitt,.  \o  Ta  Blut.'.!.. .'...i..; .• 93 

I.  Microscopisch-mcchaaisghe  .-Vualysc  des  Blutes 96 

II.  Chemische  Analyse  des  Blutes  115 

IIT.  Analy  se  des  Blutes  durcli  die  gaivanlsclie  Säule 127 


IV.  Von  den  organischen  Eigenschaften  und  Verhältnissen  des  Blutes  134 


• IL.  Ahsclinitt.  y on  dem  Krcl,slauf  des  Bl.utes  .juud  d,eyn  Blut- 

gefässsystem.  152 

I*  Von  den  formen  des  Gelässsysteras  in  derj  Thieryvelt.. ib. 

Von  den  allgemeinen  Ei  scheirinngcn  des  Kreislauls 161 

llT,  Vom  Herzen  als  Ursache  des  KrcLsIaufs I77 

IV.  Von  den  einzelnen  Thcilen  des  Gefässsystems Igg 

V.  Vom  Vei-halten  de^  Blutgefässe  bei  d^  Aufnahme  und.-  Aus- 
scheidung der  Stoffe 225 


llj.  Ahschnitt.  Von  der.Lyipphc  und  dem  Jjjfmphgi^fässsyslera.  243 

T.  Von  der  Lymphe  

11.  Von  dem  Ursprung  und  Bau  der  Lymphgefässe 249 

ill.  Von  den  Actlonen  Üer  lympha(.lschen  Gefässe- 260 

Der  peciellen  Physiologie  Zweites  Buch. 

Vpn  den  organisch -chemischen  Veränderungen  irv:  den  Säften 
, , ..  und  den  orga^isirten  Theften. 

1,'Ahschnitt^  Vom  Athmcn.  277 

I.  Vom  Athmen  Ira  Allgemeinen  277 

11.  Organologle  d^cj-  A^henjwerkzeuge 2^1 

L Vom  Aihmen  des  Mcnsc*hen  und  der  Thlere...* 290 

IV.  Von  den  Vcräcderu'ngen  des  Blutes  durch  das  .^thmen 306 

V.  Von  dem  chemlschcu  Processy  .dcs  Athmens 1 316 

VI.  Von  den  Athemheweguugen  und  Äthemnerven i,.. 326 


JL  Ahschuitt.  .jV^ on  der  Ernährung,  vom  W'aehsthum  und  von 

.♦  der  Wieder'crzeugung.  34l 

E Von  der  Ernährung....... * j', . ib. 

H.  Vom*  W^achsthum .ii, .. .. . ..'i 356 

.1  IH;  Voll  den- VViedcrei’zeu^hg  364 


IV 


Seite 

III.  Abschnitt.  Von  der  Absonderung.  407 

I.  Von  den  Absonderungen  ira  Allgemeinen 407 

IL  Ton  dem  innern  Bau  der  Drusen 418 

III.  Heber  den  SccreUoi^process 444 

iKt  Abschnitt^  Von  der  Verdauung,  ChyllficationundAus- 

acbeidung  der  zersetzten  Stoffe.  458 

I,  Von  der  Verdauung  im  Allgemeinen ib. 

II.  Von  den  Verdauungsorganen 467 

ni.  Von  den  Bewegungen  des  Darmkanals  478 

IV,  Von  den  Verdauungssäften  491 

V.  Von  den  Veränderungen  der  Speisen  im  Darmkanal  510 

VI.  Von  der  Chylification 539 

VII.  Von  der  Function  der  Milz,  der  Nebennieren,  der  Schilddrüse 

und  der  Thymusdrüse  550 

VIIT.  Von  der  Ausscheidung  der  eersetzten  Stolfe  560 

Der  speciellen  Physiologie  Drittes  Buch. 

Physik  der  Nerven. 

J,  Abschnitt,  Von  den  Eigenschaften  der  Nerven  Im  Allge- 
meinen  579 

I.  Vom  Bau  der  Nerven ib, 

11.  Von  der  Reizbarkeit  der  Nerven  592 

III,  Von  dem  wirtsamen  Principe  der  Nerven  616 

II.  Abschnitt,  Von  den  Empfin  dungsnerven,  Bewegungsner- 

ven und  organischen  Nerven.  625 

I.  Von  den  sensitiven  imd  motorischen  Wurzeln  der  Rücken- 

marksnerven 625 

II,  Von  den  sensitiven  und  motorischen  Eigenschaften  der  Ge- 
hirnnerven.»  634 

'^III.  Von  den  Eigenschaften  des  N'ervns  sympathicus 646 

III.  Abschnitt,  Ton  der  Mechanik  des  Nervenprincips.  652 

1.  Mechanik  der  motorischen  Nerven 656 

II,  Mechanik  der  Empfindungsnerven 665 

III,  Von  der  Reflexion  in  den  Bewegungen  nach  Empfindungen  . 688 

IV,  Von  der  verschiedenen  Action  der  sensihcln  und  motorischen 

Nerven  V. 701 

V.  Von  den  Gesetzen  der  Wirkung  und  Leitung  in  dem  Nervus 

sympathicus  * 708 

Vr,  Von  den  Sympathien  732 

IV.  Abscfinitt.  Von  den  Eigcnthümlichkeiten  der  einzelnen 

Nerven, 752 

I.  Von  den  Sinnesnerven  ib. 

11.  Von  den  Eigenlhümlichkeiten  anderer  Nerven 762 

V.  Abschnitt,  Von  den  Centraltheilen  des  Nervensystems.  .»•  782 

I,  Von  den  Centraltheilen  des  Nervensystems  im  Allgemeinen...  782 

11.  Vom  Rückenmark. 789 

III.  Vom  Gehirn 805 

Berichtigungen  und  Nachträge.  847 


P r 0 1 e g 0 m e 11  a. 

Die  Physiologie  ist  die  Wissenschaft  von  den  Eigenschaften 
und  Erscheinungen  der  organischen  Köi'jicr,  der  Thiere  und  Pflan- 
zen, und  von  den  Gesetzen,  nach  -welchen  ihre  W^ii’kungeu  erfolgen. 
Die  erste  Frage,  welche  inan  sich  heim  Eintritt  in  diese  Wissen- 
schaft zu  beant-worten  hat,  ist  die  nach  dem  Unterschied  der  or- 
ganischen und  unorganischen  Körper.  Sind  die  Köqier,  -welche 
die  Erscheinungen  des  Lehens,  darhieten,  in  ihrer  materiellen  Zu- 
sammensetzung von  den  unorganischen  Körpern  verschieden,  de- 
ren Eigenscliafteu  die  Physik  und  Chemie  untersuchen?  und  da 
die  Erscheinungen  in  beiden  Reichen  so  verschieden  sind,  sind 
auch  die  Grnndkräfte,  -welche  sie  bewirken,  verschieden,  oder 
sind  die  Grundkr'afte  des  organischen  Lehens  nur  Modificationen 
der  physischen  und  chemischen  Kräfte? 

I.  Von  der  organischen  Materie. 

Empfindung,'  Ernährung,  Zeugung  haben  kein  Analogon  in 
den  übrigen  physischen  Erscheinungen,  und  dennoch  sind  die  Ele- 
mente der  organischen  Körper  solche,  -welche  in  die- Zusammen- 
setzung der  unorganischen  Körper  eingehen.  Die  organischen 
Körper  enthalten  zwar  als  nächste  Bestandtheile  Materien,  w'elche 
nur  ihnen  eigenthümlich  sind  und  w'elche  durch  keinen  chemi- 
schen Process  künstlich  erzeugt  werden  können,  wieEiweiss,  Fa- 
serstoff etc.  Allein  bei  der  chemischen  Analyse  zerfallen  alle  diese 
Körper  in  Elemente  der  unorganischen  Körper.  Die  wesentlich- 
sten Bestandtheile  der  Pflanzen  sind  Kohlenstoff,  Wasserstoff 
Sauerstofl',  seltener  Stickstoff;  ausserdem  finden  sich  bald  seltener, 
bald  häufiger  Phosphor  und  Schwefel  (beide  voi'züglich  im  Pflan- 
zeneiweiss  und  Kleber,  dann  besonders  in  den  Tretradynamisten 
mit  Stickstoff),  Kalium  (fast  allgemein),  Natrium  (vorzüglich  in  den 
Pflanzen  des  Meeres),  Calcium  (fast  allgemein),  Alumium  (selten), 
Silicium,  Magnium  (sparsam),  Eisen  undManganium  häufig,  Chlor, 
Jod  und  Brom  (beide  in  Seepflanzen).  In  der  Thierwelt  finden 
sich  diese  Stoffe  ausser  Alumiiun  wieder;  Natrium  ist  häufiger, 
Ealium  seltener  als  in  Pflanzen,  Jod  und  Brom  in  einigen  See- 
thieren.  Die  Bestandtheile  des  menschlichen  Körpers  und  der 
höheren  Thiere  sind:  Sauerstoff,  Wasserstoff,  Kohlenstoff,  Stick- 
stoff, Schwefel  (vorzüglich  in  den  Haaren,  im  Eiweiss  und  Ge- 
hirne), Phosphor  (vorzüglich  in  den  Knochen,  Zähnen  und  ira 
Gehirne),  Chlor,  Fluor  (vorzüglich  in  den  Zähnen  und  Knochen), 
Kalium,  Natrium,  Calcium  ( vorzüglich  in  den  Knochen  und  Zäh- 
nen), Magnium  (vorzüglich  in  den  Knochen  und  Zähnen),  Manga- 
nium  (in  den  Haaren),  Silichun  (in  den  Haaren),  Eisen  (vorzüglich 
im  Blute,  im  schwarzen  Pigmente,  in  der  Krystallinse).  Der  erste 
m ii  1 1 G r’s  Physiologie*  1 


2 


Prolegomena.  1,  Organische  Materie. 


Ammonium 


1. 

aure  | 
[um  1 


kolileusaures  Ammonium. 


Unterscliied  der  organisclien  und  unorganlsclien  Körper  betrifft 
also  die  Zalil  der  in  sie  eingebenden  Elemente.  Nicht  alle  Ele- 
mente gehen  in  die  Zusammensetzung  der  organischen  Körper 
ein,  mehrere  sind  für  das  Leben  derselben  schädlich.  Der  zweite 
Unterschied  betrifft  die  Art  der  Comhination.  Die  Verschieden- 
heit der  unorganischen  und  organischen  Materie  beruht  höchst 
■wahrscheinlich  in  folgender  zuerst  >»00  Foubcroy  und  Berzelius 
dargestellten  Eigenthümlichkeit : 

1)  In  der  unorganischen  Natur  gieht  es  nur  binäre  Verbin- 
dungen, indem  zwei  einfache  Stoffe  sich  unter  sich  -vei-binden, 
oder  diese  binäre  Verbindung  wieder  mit  einem  andern  Stoffe 
oder  einer  andern  binären  Verbindung  sich  vereinigt.  Die  Koh- 
lensäure ist  eine  binäre  Verbindung  von  Kohlenstoff  und  Sauer- 
stoff, das  Ammonium  eine  binäre  Verbindung  von  Stickstoff  und 
Wasserstoff;  Kohlensäure  und  Ammonlilm  verbinden  sich  zu  koh- 
lensaurem Ammonium. 

KohZL} 

Wasserstoff! 

Stickstoff  J 

Eine  unmittelbare  Verbindung  von  3,  4,  oder  mehreren  Stof- 
fen unter  einander,  wo  alle  Bestaudtheile  gleich  mit  einander  ver- 
bunden sind,  scheint  nur  unter  dem  Einflüsse  des  thierischen 
oder  pflanzlichen  Lebens  oder  der  organischen  Kräfte  möglich. 
So  entsteht  aus  denselben  Elementen  Sauersloflj  Kohlenstoff,  Was- 
serstoff, Stickstoff,  welche  durch  binäre  Verbindung  kohlensaui-es 
Ammonimn  bilden,  unter  dem  Einflüsse  des  organisclien  Lebens 
organische  Materie.  Diese  Verbindungen  nennt  man  nach  der 
Zahl  der  zugleich  gebundenen  Elemente  ternäre  und  ijualerniwe.. 
So  sind  Pflanzenschleim,  Zucker,  Stärkmehl,  Fett,  ternäre  Ver- 
bindungen von  Kohlenstoff,  Sauerstoff  und  Wasserstoff.  Quater- 
näre Verbindungen  sind  der  Kleber,  der  Eiweissstoff,  der  Faser-i 
Stoff,  der  thierische  Schleim,  der  Käsestoff,  sie  enthalten  als  vier- 
ten Bestandthell  noch  Stickstoff.  Alle  chemischen  Verbindungen 
der  unbelebten  Natur  sind  binäre  in  erster  2.  3.  4.  Ordnung, 
nämlich  entweder  einfach  binäre  Verbindungen  aus  zwei  Elemen- 
ten oder  Verbindungen  eines  Elementes  mit  einer  binären  Ver- 
bindung, oder  binäre  Verbindungen  von  binären  Verbindungen 
der  Elemente.  Diese  Theorie  der  Zusammensetzung  der  organi- 
schen Körper  aus  ternären  und  quaternären  Zusammensetzungen 
ist  zwar  in  neuerer  Zeit,  besonders  in  Beziehung  auf  einige  Pro- 
ducte  aus  organischen  Körpern,  wie  Weingeist  u.  a. , in  Zweifel 
gezogen,  hat  aber  immer  noch  namentlich  in  Beziehung  auf  die 
höheren  organischen  Verbindungen,  wie  sie  in  den  Pflanzen  und 
Thieren  selbst  verkommen,  als  Eiweiss,  Faserstoff  u.  a.  eine  grös- 
sere Wahrscheinlichkeit.  Die  Art  der  Verbindung  der  Elemente 
ist  jedenfalls  in  den  organischen  Körpern  so  eigenthümlich  und 
durch  so  eigenthümliche  Kräfte  bewirkt,  dass  die  Chemie  zwar 
organische  Verbindungen  aufzulösen,  aber  keine  zu  bilden  vermag. 
Beraed,  Proust,  Doebereiker,  HAXCHExr  glauben  zwar  organische 
Verbindungen  künstlicherzeugt  zu  haben;  allein  diese  haben  sich 


Eigenthümlichkeit  der  Zusammensetzung.  3 

nicht  hinlanglicli  bestätigt,  und  es  können  nur  Woehler’s  Ent- 
. ’^**gen  hierher  gerechnet  werden.  Bei  Sättigung  von  wässe- 

Ammonium  durch  Cyangas,  enthält  die  Flüssigkeit  viel  Rlee- 
wie  Woeheeh  entdeckt  hat.  Auch  bei  der  Darstellung  des 
almms  aus  Kohle  und  kohlensaurem  Kali,  geht  mit  dem  Kalium 
®i*ie  schwarze  Masse  über,  die  mit  Wasser  behandelt  viel  oxal- 
saures  Kali  gieht.  Die  Kleesäure  wird  jedoch  jetzt  als  eine  bi- 
näre Verbindung  von  Kohlenstoff  und  Sauerstoff'  betrachtet;  sie 
zersetzt  sich  zwar,  wenn  man  ihr  alles  Wasser  entzieht;  hierin 
verhält  sie  sieh  indess  wie  Salpetersäure,  die  heim  Entziehen  des 
Jetzten  Antheils  von  Wasser  sich  zersetzt.  Mitscherlich  Chemie 
416.^  Nach  Woehler’s  Entdeckungen  erhält  man  Harnstoff  statt 
cyanichtsauren  Ammoniaks,  wenn  man  frisch  gefälltes  Cyanicht- 
saures  Silberoxyd  mit  einer  Auflösung  von  Chlorammonium  üher- 
giesst,  wobei  sich  das  Silbersalz  in  ChlorsiUjer  verwandelt.  Harn- 
stoff bildet  sich  auch  bei  der  Zersetzung  des  cyanichtsauren 
Bleioxyds  durch  wässeriges  Ammoniak.  Die  Auflösung  enthält  an- 
fangs cyanichtsaures  Ammoniak,  aber  nach  dem  Verdunsten  der 
Auflösung  verwandelt  sich  das  Salz  in  Harnstoff.  So  fand  auch 
WoEULER,  dass  sich  Ammoniakgas  und  cyanichtsaurer  Dampf  zu 
cyanichtsaurem  Ammoniak  condensiren,  das  sich  aber  beim 
Schmelzen , Kochen  oder  fi'eiwilligen  Verdunsten  seiner  Auflösung 
in  Harnstoff  verwandelt.  So  bildet  sich  auch  zuerst  cyanichtsau- 
res Ammoniak  und  daraus  Harnstoff',  wenn  man  cyanichte  Säure 
mit  Wasser  oder  mit  flüssigem  Ammoniak  zusammenbringt.  Gme- 
lik’s  Chemie  3.  6.  Berzelius  Thierchemie.  356.  Der  Harnstoff 
steht  indess  an  der  äussersten  Grenze  der  organischen  Stoffe,  und 
ist  mehr  Exeretum  als  Bestandtheil  des  thierischen  Körpers.  Der 
Harnstoff  ist  vielleicht  nicht  einmal  eine  solche  Verbindung,  wel- 
che die  charakteristischen  Eigenschaften  der  organischen  Pro- 
ducte  hat. 

2)  Berzelius  führt  auch  einen  andern  wesentlichen  Unter- 
schied an.  In  den  organischen  Verbindungen  zeigen  die  Mi- 
sclmngsgewichte  kein  so  einfaches  Zahlenverhältniss,  als  in  den 
unorganischen.  So  giebt  es  z.  B.  eine  grosse  Menge  von  Fettar- 
ten, die  Chevreul  untersucht  hat,  und  die  nach  ihm  zum  Theil 
nur  durch  Bruchtheile  in  dem  Zahlenverh'ältnisse  der  Molecule 
von  einander  unterschieden  sind. 

3)  Die  organischen  Körper  bestehen  ferner  grösstentheils 
verbrennlicher  Substanz,  und  zwar  enthalten  die  verbrennli- 
chen Theile  der  Thiere  und  Pflanzen  (mit  Ausnahme  der  Säuren) 
V?  Sauerstoff,  Wasserstoff  und  Kohlenstoff  in  einem  solchen  Ver- 
1' V***sse,  dass  der  Sauei  stolf  nicht  hinreichen  würde,  den  sämmt- 

en  Wasserstoff'  in  Wasser  und  den  Kohlenstoff  in  Kohlensäure 
’^^wandeln. 

.‘ue  ausführliche  Entwickelung  dieser  Unterschiede  findet 
man  in  classischen  Lehrbücheim  über  Chemie  von  Behze- 
^trs  Und  von  Gmelih,  und  über  Anatomie  von  E.  H.  Weber. 
HiLDEBRAKj,yg  Handb.  d.  Anat.  d.  Menschen.  4.  Ausgabe  von  E.  H, 
Webm.  /.  ßand. 

in  den  organischen  Körpern  vorhandene  organische  Ma- 


t 


4 Prolegomena,  1 . Organische  Materie.  Fliulniss. 

terie  erhalt  sich  nur  ■während  des  Lehens  der  organischen  Körper 
vollständig.  Schon  während  des  Lehens  können  Elemente  oder 
binär  verbundene  StofFe,  von  aussen  auf  die  organischen  Körper 
wirkend,  das  Gleichgewicht  der  Stoffe  in  den  organischen  Ver- 
bindungen stören,  und  die  organische  Combination  zersetzen,  wie 
z.  B.  in  der  Verbrennung  einzelner  Theile  des  lebenden  Körpers. 
Zuletzt  tritt  diese  Störung  des  Gleichgewichtes  in  jedem  lebenden 
Körper  von  selbst  ein,  der  Zustand  oder  die  Kraft,  welche  die 
organischen  Combinationen  «‘hielten  und  umwandelten , werden 
immer  schwächer,  bis  sie  nicht  mehr  im  Stande  sind,  dem  Stre- 
ben der  in  der  organischen  Materie  befindlichen  Elemente  zu 
binären  Verbindungen  unter  sich  und  mit  anderen  Elementen 
das  Gleichgewicht  zu  halten,  und  der  organische  Körper  mit  der 
organischen  Materie  zerfällt.  Dann  ist  die  organische  Combination 
nicht  allein  ohne  die  organischen  Erscheinungen,  die  sie  vorhin 
zeigte,  sondern  auch  mehrentheils  nicht  fähig,  sicli  zu  erhalten,  son- 
dern den  chemischen  Gesetzen  der  binären  Combination  unterwor- 
fen, und  zerfällt  in  binäre  Verbindungen  mit  den  Erscheinungen  der 
Gährung  xind  Fäulniss,  stinkender  Eäulniss  besonders  dann,  wenn 
die  organischen  Materien  viel  Stickstoff  enthalten.  Die  Erfah- 
rung zeigt  also,  dass  bei  den  unorganischen  Körpern  die  Verbin- 
dung von  der  Wahlverxvandtschaft  und  den  Kräften  der  verbun- 
denen Stoffe  abhängt,  dass  in  den  organischen  Körpern  dagegen 
die  bindende  und  erhaltende  Gewalt  nicht  bloss  die  Eigenschaf- 
ten der  Stoffe  selbst  sind,  sondern  noch  etwas  Anderes,  xvelches 
der  chemischen  Wahlverwandtschaft  nicht  allein  das  Gleichge- 
wicht hält,  sondern  auch  nach  den  Gesetzen  eigener  Wirksam- 
keit organische  Combinationen  verursacht.  Von  den  impondera- 
beln  Materien  haben  Licht,  Wärme,  Electricität,  auf  die  Verbin- 
dungen und  Trennungen  der  Stoffe  in  den  organischen  Körpern 
elxen  so  Einfluss,  wie  auf  die  Verbindungen  und  Trennungen  in 
den  xin organischen  Körpern;  aber  nichts  berechtigt  uns,  eines 
dieser  Agentien  ohne  Weiteres  als  letzte  Ursache  der  Wirksam- 
keit in  der  belebten  organischen  Materie  anzusehen. 

Die  organischen  Substanzen  zerfallen  nach  dem  Atifhören 
des  Lebens  immer,  wenn  die  Bedingungen  zur  Aeusserung  der 
chemischen  Wahlverwandtschaft  vorhanden  sind.  Die  hierbei 
stattfindenden  Zersetzungen  sind  nach  Gmelin  folgende:  Es  wer- 
den theils  Bestandtheile  der  organischen  Verbindungen  abgeschie- 
den, als  Stickgas,  Wasserstoffgas;  theils  vereinigen  sie  sich  unter- 
einander zu  unorganischen  Verbindungen,  wie  Wasser,  Kohlen- 
säure, Kohlenoxyd,  Kohlenwasserstoffgas,  ölerzeugendes  Gas,  Am- 
moniak, Cyan,  Blausäure,  Phosphoiuvasserstoffgas,  Hydrothionsäure, 
theils  vereinigen  sie  sich  nach  anderen  Verhältnissen  zu  einer 
neuen  organischen  Verbindung  oder  zu  mehreren,  Zucker  aus 
Stärkemehl.  Bisweilen  zerfällt  aber  eine  organische  Verbindung 
einerseits  in  unorganische  Verbindungen,  anderseits  in  organische, 
wie  der  Zucker  bei  der  Gährung  in  Kohlensäure  und  Weingeist. 
Im  vollkonmien  trockenen  Zustande  zersetzen  sich  die  organischen 
Verbindungen  bei  gewöhnlicher  Temperatur  nicht;  zu  dieser  frei- 
willigen Zersetzung  ish  wenigstens  Wasser,  oft  auch  die  Luit 


Zustand  der  mineralischen  Stoffe  in  den  urgan.  Körpern.  5 

nötliig.  Gmelin  erklärt  den  Umstand,  dass  die  Zersetzung  bei 
T ‘^rgä'i'scben  Substanzen  nieht  immer  sogleieh  naeli  dem 

n'^iV  Thieres  oder  der  Pflanze  beginnt,  aus  dem  Mangel  der 
jjj  'S®”  Bedingungen  für  das  Eintreten  der  AVablverwandtsebnft. 

^^®”ä®Bjen  Grund,  warum  z.  B.  gewisse  unorganische 
erbuidungen  erst  bei  einer  bestimmten  Temperatur  sich  zerset- 
*en.  Gmemn’s  Chem.  3.  9.  Nasse  thierischc  TJicile  zerfallen  von 
selbst,  auch  ohne  atmosphärische  Luft,  unter  Quecksilber,  wie- 
■wohl  die  atmosphärische  Luft  die  Fäulniss  am  meisten,  selbst 
mehr  als  reines  SaTierstofl'gas,  befördert,  so  wie  anderseits  ein  ge- 
wisser Grad  von  Wärme  nöthig  ist.  Die  Productc  der  Fäulniss 
thierischer  und  besonders  menschlicher  Substanzen  sind  kohlen- 
saures Gas,  zuweilen  auch  Stickgas,  WasserstotFgas,  Schwefelwas- 
serstolTgas,  Phosphorwasserstofigas  und  Ammoniak.  Auch  bildet 
sich  Essigsäure  und  zuweilen  Salpetersäure,  und  cs  bleiben  ausser 
dem  langsamer  sich  zersetzenden  Moder  zuletzt  die  fixen  Bcstaud- 
theile,  Erden,  Oxyde,  Salze,  und  bilden  mit  dem  Moder  Humus. 
S.  Weber  4.  Zusg.  eon  Hii.debraxdt’s  Anatomie.  I.  p.  70.  Im 
Wasser  und  in  manchen  Gräbern,  selbst  ohne  Zutritt  des  Wassers, 
erleiden  thierische  und  menschliche  Leichen  eine  Umwandlun?^ 
vieler  Tlieile  in  eine  fettige  Substanz,  adijiocire,  Fettwaclis.  Gai- 
russAc  und  Chevreul  halten  diess  für  das  schon  im  frischen  Zu- 
stande in  den  organischen  Theilen  enthaltene  Fett,  was  übrig 
bleibt,  wenn  die  übrigen  Substanzen  zerstört  werden.  Denn 
nach  diesen  beiden  Chemikern  soll  die  Menge  des  in  frischen 
Thierestheilen  chemisch  darstellbaren  Fettes  nicht  geringer  scyn, 
als  sich  durch  Fäulniss  derselben  Theile  in  Wasser  ergiebt.  Ber- 
zelius  dagegen  glaubt,  dass  eine  wirkliche  Umwandlung  von  Fa- 
serstoff,  Eiweis  und  FärhstolF  des  Blutes  in  Fettwachs  stattfinde. 
S.  Weber  a.  a.  O. 

_ Die  rianptvcrschiedenheiten  ln  der  Zusammensetzung  der  or- 
ganischen Materie  scheinen  von  dem  Verhältnisse  der  Ä'iischungs- 
gewichte  der  Elemente  SauerstolF,  Wasserstoflj  Kohlenstoff,  Stick- 
stofl  abzuhängen.  Von  diesen  gilt  es  hauptsächlich,  dass  die  or- 
ganischen Verbindungen  ternäre  und  quaternäre,  aber  keine  bi- 
nären Verbindungen  sind.  In  welchem  Zustande  aber  die  sparsam 
vorkommenden  mineralischen  Elemente  in  den  organischen  Ver- 
nmdungen  sind,  ob  ebenfalls  zu  quaternären  und  mehrfachen  Ver- 
nindungen  verwandt  oder  als  beigemengte  binäre  Verbindungen, 
*st  eine  andere  sehr  wichtige  und  jetzt  unauflösbare  Fi’age.  Von 
thf  y”®S”i‘igen  Auflösung  von  Färbestoff  des  Blutes  und  anderen 
• ®*'*scheii  aufgelösten  Substanzen  kann  man  nach  Engeliiart  die 
die  4'*”®®Ben  Bestandtlieile  trennen,  indem  inan  Chlorgas  durch 
”'lösung  leitet,  worauf  die  thierischc  Materie  frei  von  erdi- 
P metallischen  Bestandtheilen  zu  Boden  sinkt,  ohne  dass  die 

in  *d  Kohlenstoff,  Stickstoff,  Wasserstoff  und  Sauerstoff 

in  er  organischen  Materie  aufgehoben  wird.  Berzelius  lässt  es 
welcher  Foim  Schwefel  und  Phosphor  in  den  Thicren 
enthalten  sind,  ob  im  elementaren  Zustande  zu  quaternären  und 
mehrlachen  Verbindungen  verwandt,  oder  mit  ternären  und  qua- 
ternären Verbindungen  binär  verbunden,  oder  ob  jeder  dieser 


6 Prolegomena.  1.  Organische  Materie. 

StoiFe  in  einer  binären  Verbindung  wieder  mit  andern  verbun- 
den ist.  Bei  Verbrennung  des  Hirnfettes  erhielt  Vauquelin  eine 
nicht  einäscberbare  Kohle,  die  so  viel  Pliospborsäure  enthielt, 
dass  diese  den  zur  Verbrennung  nötbigen  Zutritt  der  Luft  verhin- 
derte. Nach  Ausziehung  der  Phosphorsäure  mit  Wasser  brannte 
die  Kohle  wieder  bis  zu  einem  gewissen  Grade,  und  hörte  dann 
wieder  auf,  worauf  sie  sauer  geworden.  Aus  diesem  Umstande, 
sagt  Berzelius,  sieht  man,  dass  die  Kohle  den  Phosphor  in  einer 
nicht  flüchtigen  Verbindung,  und  auf  eine  in  der  unorganischen 
Natur  bis  jetzt  noch  unbekannte  Weise  enthalte.  Thierchemie.  16. 
Auch  ist  es  nach  Berzeeius  cinigermassen  wahrscheiidich,  dass 
das  Eisen  im  Blule  regulinisch  und  nicht  als  Oxyd  enthalten  ist. 
Denn  nach  Engelhart’s  Entdeckung  wird  dem  aufgelösten  Blut- 
roth  und  anderen  thierischen  aufgelösten  Substanzen  dui-ch  Chlor- 
gas oder  Chlorwasser  alles  Eisen,  Calcium,  Magnium  und  Phos- 
phor entzogen,  und  diese  Substanzen  bleiben  in  dem  durch  Chlor 
bewirkten  Zustande  aufgelöst,  ivabrend  die  von  allen  erdigen 
und  metallischen  Theilen  befreite  thleriscbe  Substanz  mit  .Salzsäure 
verbunden  zu  Boden  fällt.  Nun  hat  aber  Chlor  keine  Verwandt- 
schaft zu  Oxyden,  wohl  aber  eine  sehr  grosse  zu  regulinischen 
Metallen;  ferner  wird  Eisen  von  mineralischen  Säuren  nicht  aus 
dem  Blute  ausgezogen,  da  sie  doch  eine  grosse  Vervvandtschaft  zu 
Metalloxyden,  aber  keine  zu  regulinischen  Metallen  haben.  Hier- 
nach hielt  es  Berzeeixts  für  wahrscheinlicher , dass  das  Eisen  im 
Blute  im  regulinischen  Zustande  und  nicht  als  Oxyd  enthalten  Ist. 
Indessen  haben  Versuche  von  Heisr.  Rose  die  Sache  wieder  zwei- 
felhaft gemacht.  Derselbe  hat  nämlich  entdeckt,  dass  ein  grosser 
Theil  nicht  flüchtiger  organischer  Stoffe,  wie  Zucker,  Stärke, 
Gummi,  Milchzucker,  Leim,  die  Eigenschaft  haben,  dass  bei  Ver- 
mischung ihrer  wässerigen  Auflösung  mit  einer  kleinen  Menge  ei- 
nes Eisenoxydsalzes,  das  Eisenoxyd  bei  Zusatz  eines  Alcalis  nicht 
niedergeschlagen  wird,  dass  auch  Blutwasser  und  verdünntes  Ei- 
weiss  mit  einem  Eisenoxydsalze  und  katistischem  Ammoniak  ver- 
setzt, kein  Eisenoxyd  niederschlugen.  Diese  Versuche  Hessen  wie- 
derum vermuthen,  dass  das  Eisen  in  dem  Farbestoffe  des  Blutes 
in  einer  analogen  Verbindung  von  Eisenoxyd  mit  dem  eigentlichen 
Thierstoff  enthalten  sey.  Gleichwohl  glaubt  Berzeeitjs  das  Letztere 
nicht.  Seine  Versuche  machen  es  nämlich  wahrscheinlich,  dass 
die  Art  Verbindung,  xvelche  bei  Rose’s  Versuchen  das  Eisenoxyd 
im  'Färbestoffe  oder  Eiweiss  aufgelöst  erhält,  nicht  die  sey,  durch 
welche  der  Färbestoff  des  Blutes  eisenhaltig  ist,  weil  diese  sonst 
durch  Einwirkung ' von  Säuren,  xvie  in  Berzelius  vergleichenden 
Versuchen,  ihren  Eisengehalt  verlieren  müsste.  Berzelius  Thier- 
chemie. p.  61.  Dass  es  anderseits  im  thierischen  Körper  nicht 
blosse  Verbindungen  von  thierischen  Materien  mit  mineralischen 
Elementen,  sondern  auch  entweder  beigemengte  oder  gebundene 
binäre  Verbindungen  giebt,  wie  die  Oxyde,  Salze,  wird  aus  vie- 
len Thatsaohen  wahrscheinlich.  Hierher  gehört  1.  die  Erscheinung 
microscopischer  kleiner  Salzkrystalle  in  bloss  ausgetrockneten  thie- 
rischen Säften.  2.  Die  Leichtigkeit,  xvomit  der  Gehalt  derPflan- 
. zen  an  mineralischen  Stoffen  nach  ihrem  Standorte  wechselt,  was, 


Organische  Materie  und  Wasser.  7 

Y^””|4‘®,®'neralisclien  Elemente  mir  als  Elemente  in  clio  Bildung 
'^i’ischen  Materie  eingingen,  nicht  der  Fall  seyn  könnte, 
c’  1 ^Dichtigkeit,  woraus  die  dem  Blute  zufällig  beigemischten 
‘ D im  Harne  wieder  sich  fibsetzen.  4.  Kochsalz  lässt  sich,  wie 
p.  ~®^HiETn  bemerkt,  aus  dem  festen  thierischen  Stoffe  auswaschen. 

^ysiol,  1.  29.  5.  Der  Zustand  der  phosphorsauren  Kalkerde  in 

^Dn  Knochen.  Denn  es  ist,  wie  E.  H.  Webeh  zeigt,  gewiss,  dass 
Df  phosphorsanre  Kalk  nicht  als  Phosphor,  Sauerstoff  und  Cal- 
cium in  den  Knochen  enthalten  ist,  sondern  dass  der  phosphor- 
^ure  Kalk  als  binäre  Verbindung  wieder  mit  dem  Knorpel  der 
Knochen  verbunden,  oder  vielleicht  nur  heigeincngt  ist.  Diess 
beweist  die  Färherröthe,  ruhia  tiiictorum,  die  eine  grosse  Ver- 
wandtschaft zum  phosphorsauren  Kalk,  aber  nicht  zur  Kalkerde 
oder  zum  Calcium  hat,  und  die  von  den  Knochen  eines  lebenden 
Thieres,  das  man  ,nlt  Färherröthe  füttert,  aus  dem  Blute  bei  der 
Ernährung  angezogen  ivird.  Anderseits  zersetzen  mehrere  Säu- 
ren die  in  den  Knochen  enthaltenen  Kalksalze  und  ziehen  sie 
aus,  ohne  die  Form  des  Knorpels  zu  verwandeln  und  ihn  zu  zer- 
setzen. Weber  1.  c.  p.  .318.  340. 

Sieht  man  auf  die  Reste  der  thierischen  Thelle,  und  sieht 
man  ah  von  dem,  ivas  in  einzelnen  Fällen  Educt  oder  Product 
der  chemischen  Analyse  seyn  kann,  so  kann  man  mit  E.  H.  We- 
BEr  zwei  Reihen  binärer  Verbindungen  im  thierischen  und  beson- 
ders menschlichen  Körper  annehmen,  nämlich: 

1)  binär  zusammengesetzte  Materien  aus  mineralischen  Bestand- 
theilen,  wie  phosphorsaures  Natron,  phosphorsaurer  Kalk,  phos- 
phorsaure Magnesia,  kohlensaures  Natron,  kohlensaurer  Kalk,  salz- 
saures  Kali,  salzsaures  Natron,  Fluorcalcium,  Kieselerde,  Man- 
ganoxyd,  Eisenoxyd,  Natron; 

2)  binär  zusammengesetzte  Materien  aus  zumTheil  organischen, 

‘Picil  unorganischen  Bestandtheilen.  Hierher  wäre  das  Ei- 
weiss  im  Blute  zu  rechnen,  wo  es  eine  Verbindung  mit  Natron 
bilden  soll,  Albuminat  von  Natron.  Auch  die  milchsauren  Salze, 
milchsaurcs  Kali,  Natron  wären  hierher  zu  rechnen. 

Wir  gehen  nun  zur  Betrachtung  der  einfachsten  Formen  über, 
in  welchen  die  organische  Materie  erscheint.  Sie  sind  folgende: 

1)  die  organische  Materie  Ist  in  vielen  Säften  In  einem  voll- 
kommen aufgelösten  Zustande;  sie  zeigt  bei  microscoplschen  Un- 
tersuchungen keine  sichtbaren  Molecüle.  So  enthält  das  Blutwas- 
^ Thierstoff  im  aufgelösten  Zustande,  der  sich  erst  durch  die 
j irkung  der  galvanischen  Säule,  oder  durch  Erhitzung  und  an- 
j ^e  chemische  Einflüsse  zu  Kügelchen  bildet.  In  demselben 
iistan^lg  befindet  sich  ein  Theil  der  thierischen  Materie  in  der 
y*iiphe  der  Lymphgefässc. 

1 Die  lebenden  festen  Theilc  befinden  sich  in  einem  nur 

DEganischen  Wesen  eigenen  Zustande  der  Aufweichung.  Das 
asser  theilt  ihnen  die  Eigenschaft  der  Ausdehnbarkeit,  Biegsam- 
ohne  dass  man  sie  nass  nennen  kann  und  ohne  dass  sie 
Mdere  durch  Mittheilung  dieses  Wassers  benetzen  können.  Diess 
Wasser  beträgt  nach  Bkrzelius  bis  J ihres  Gewichtes.  Es  scheint 
ihnen,  -wie  Berzelius  bemerkt,  nicht  durch  chemische  Verwandt- 


8 


Prolegomena.  1.  Organische  Materie. 


Schaft  anzugehören,  da  es  allmählig  wegtrocknet  und  man  es  in 
einer  starken  Presse  zwischen  Fliesspapier  augenhücklich  aus  ih- 
nen herausdrücken  kann.  Durch  den  Verlust  des  Wassers  wird 
in  der  thicrischen  Materie  mit  Ausnahme  einiger  der  niedersten 
Thiere  und  Pflanzen,  die  heim  Erweichen  wieder  aufleben,  die 
Lebensfähigkeit  ganz  zerstört.  Behzelius  Thierchemie  p.  7.  Nach 
Cheykeue  kann  nur  reines  Wasser  das  Phänomen  der  vollen 
Aufweichung  hervorbringen,  obgleich  gesalzenes  Wasser  auch  von 
trockenen  thicrischen  Theilen,  so  wie  Alcohol,  Aether,  Oel  ein- 
gesogen werden. 

Nasse  thierische  Theile  lassen  aber  durch  ihre  unsichtbaren 
Poren,  welche  von  dem  Wasser  erfüllt  werden,  zu,  dass  Stoffe, 
die  mit  ihnen  in  Berührung  kommen,  wofern  sie  im  Wasser  auf- 
löslich sind,  sich  in  dem  Wasser,  was  die  thierischen  Theile  nass 
macht,  auflösen,  oder  wofern  sic  schon  aufgelöst  waren,  weiter 
vertheilen.  Diess  gilt  auch  für  gasförmige  Flüssigkeiten.  Eben  so 
leicht  giebt  das  Wasser  der  nassen  thierischen  Theile  Aufgelöstes 
an  andere  Theile  ab,  welche  davon  auflösen  können.  Die  Ge- 
setze der  Anziehung  der  Stoffe  bei  der  Auflösung  und  Mischung, 
die  Gesetze  des  Gleichgewichtes  der  Vertheilung  mischbarer  Flüs- 
sigkeiten haben  daher  ancli  in  den  nassen  thierischen  Theilen  ihre 
Anwendung.  Da  eine  poröse  organische  Membran,  wenn  sie  auf 
beiden  Seiten  mit  Wasser  in  Berührung  steht,  durch  ihre  Poren 
ein  Continuum  von  Wasser  von  dem  einen  zu  dem  andern  Was- 
ser bildet,  so  können  Stoffe,  in  dem  beiderseitigen  Wasser  aufge- 
löst, jene  Membran  bis  zum  Gleichgewichte  der  Mischung  und 
Vertheilung  allmählig  durchdringen.  Diess  gilt  auch  für  Gase, 
die  mit  nassen  thierischen  Theilen  in  Berührung  stehen.  Wir 
werden  in  der  Folge  sehen,  dass  hierbei,  gleichwie  bei  porösen 
unorganischen  Körpern,  ein  merkwürdiges  Gesetz  obwaltet,  dass 
nämlich  die  dichtere  Lösung  durch  die  porösen  Körper  hindurch 
mehr  von  der  dünnem  Lösung  als  diese  von  jener  aufnimmt. 

Die  organischen  Stoffe  sind  während  des  Lebens  niemals  kry- 
stallisirt,  und  die  Exeretionsstoffe  der  Thiere,  Harnstoff  und  Harn- 
säure und  einige  Fettarten,  die  fähig  zu  krystallisiren  sind,  kom- 
men in  den  lehenden  Theilen  nicht  krystallisirt  vor,  obgleich  in 
den  Pflanzenzellen  zuweilen  krystallisirte  mineralische  Stoffe  beob- 
achtet werden.  Häufig  erscheint  der  organische  Stoff  zu  rundli- 
chen microscoplschen  Moleculen  gebildet.  Diese  organischen  Mo- 
lecule  erscheinen  nun  theils  in  den  Säften ; zu  diesen  gehören  die 
Blutkörperchen  beim  Menschen  von  einem  Durchmesser  von 
— ToW  eines  P.  Z. , die  Körnchen  des  Chylus  nach 

Peevost  und  Dumas,  des  Speichels  •30V0  nach  Webeb.  Die 

Körnchen  des  Chylus,  der  Milch,  der  Galle  sind  rund,  die  des 
Blutes  sind  platt,  plattrund  bei  den  Säugethieren , plattoval  hei 
den  Vögeln,  Amphibien,  Fischen ; die  Blutkörnchen  enthalten  im- 
mer einen  Kern  in  einer  äussern  Schale.  Undeutlicher  sind  die 
Kügelchen  des  geronnenen  Eiweisses  und  Faserstoffes.  Die  Gewebe 
der  organischen  und  insbesondere  thierischen  Körper  scheinen 
aber  selbst  Vielen  nur  aus  einer  Aggregation  von  Moleculen  zu 
Fasern,  Blättchen  und  Häuten  zu  Ijestehcn.  Am  deutlichsten 


Molemle  der  organischen  Materie,  9 

CTs^einen  diese  Molecnlc  im  Geliirne  und  in  der  Substanz  des 
..J”.  z-  B.  in  der  Reimbaut  des  Eies,  undeutlicber  in  den 
u Ilgen  Geweben,  wo  es  immer  zweifelhaft  ist,  ob  die  Uneben- 
Oberfläche  durch  microscopiscbe  Täuschung  nicht  etwa 
s Rügelchen  ersclicincn.  Der  undurclisichtige  Theil  der  Reim- 
®iit  des  Vogelembryo  zeigt  z.  B.  ein  Aggregat  von  ziemlich  gros- 
®Gii  Kügelchen , die  man  schon  mit  einer  einfachen  Lupe  sieht, 
*i'id  diese  Kügelchen  gleichen  ganz  den  Kügelchen  des  Dotters 
selbst.  Allein  schon  die  in  der  Keimhaut  sich  verbreitenden  Ge- 
tasse  sind  nach  meinen  Beobachtungen  aus  einer  ganz  unver- 
gleichlich feinem  Materie  gebildet,  so  wie  der  durchsichtige  mitt- 
hre  Theil  der  Keimbaut,  area  pellucida,  und  der  Embryo  selbst. 
Es  scheint  hier  wirklich,  dass  die  Keimbaut  durch  Anziehung  und 
^Sgregation  der  Dotterkügelchen  wächst;  allein  alle  Formationen 
in  der  Keimbaut  selbst  geschehen  durch  Auflösung  und  Umwand- 
lung dieser  aggregirten  Theile  in  eine  so  zarte  Materie,  dass  die 
Elementarthcilchen  derselben  nicht  deutlich  erkannt  werden  kön- 
nen, und  dass  sie  jedenfalls  unvergleichlich  viel  kleiner  seyn  müssen, 
als  die  Aggregattlieile  der  Keimhautsubstanz.  Nach  meinen  Beob- 
achtungen beim  Frosche  sind  die  Primitivfasern  der  Muskeln 
5 8 mal  dünner  als  seine  Blutkörperchen,  und  dünner  als  die 

Kerne  der  Blutkörperchen ; die  Muskelfasern  der  Frösche  und 
höheren  Thiere  unterscheiden  sich  wenig  an  Dicke,  wohl  aber 
sehr  ihre  Blutkörperchen.  Die  Primitiviäsern  der  Nerven  sind 
nach  meinen  Beobachtungen  bei  Säugethieren  -j  — ^ so  dünn  als 
die  Blutkörperchen  derselben,  und  dicker  als  die  Kerne  der  letz- 
teren. Beim  Frosch  fand  ich  die  Primitivfasern  der  Nerven  = i 
des  Durchmessers  seiner  Blutkörperchen,  was  hier  wieder  viel 
weniger  ist,  als  der  Durchmesser  der  Kerne  seiner  Blutkörperchen. 
Ich  habe  mich  nicht  überzeugen  können,  dass  die  Nervenfasern 
aus  aneinander  gereihten  Kügelchen  bestehen.  Sic  zeigen  aller- 
dings aufeinander  folgende  geringe  Unebenheiten,  aber  ziemlich 
unregelmässig.  Endlich  macht  die  Entdeckung  von  Eurekberg, 
dass  Monaden  von  Linie  noch  zusammengesetzte  Organe  ha- 
ben, diese  Theorie  der  Aggregation  aus  Kügelchen,  die  selbst 
grösser  seyn  sollen  als  ao’oo  Linie,  im  höchsten  Grade  unwahr- 
scheinlich. Die  Zusammensetzung  der  Gewebe  aus  Moleculen  ist 
wegen  der  Unsicherheit,  Unebenheiten  von  Kügelchen  microsco- 
pJsch  zu  unterscheiden,  jetzt  noch  immer  eine  gewagte  Hypothese, 
^deiifalls  sind  aber  die  organischen  Molecule  nur  die  kleinsten 
^i’inen,  in  welchen  die  zusammengesetzte  organisclie  Materie 
®*'scbelnt,  nicht  aber  die  Atome  der  organischen  Combination. 
^ir  kennen  die  Kraft,  welche  die  organischen  Körper  be- 
b nur  an  den  organischen  Körpern.  Sic  äussert  sich  nur  an 
J'  '^J’ganischen  Verbindungen,  welche  diese  erzeugen,  und  nie 
™l|.  ®ht  aus  freien  Stüeken  aus  den  Grundelementen,  wo  sie  zu- 
“ ’§  Zusammenkommen,  organische  Materie.  Frav  behauptet 
zwar,  beobachtet  zu  haben,  dass  sich  microscopische  oder  Infu- 
®^°“®|'hiere  aus  reinem  Wasser  gebildet  hätten,  und  Gruithuisen 
will  in  Aufgüssen  von  Granit,  Kreide  und  Marmor  eine  gallertar- 
tige Haut  entstehen  gesehen  haben,  worin  sich  später  Infusorien 


10 


Prolegomena.  1.  Organische  Materie. 


bildeten.  Auch  auffallend  ist,  was  Retzitjs  (Froriep’s  Notizen  5. 
p.  56.)  beobachtete,  dass  nämlich  in  einer  Auflösung  von  salzsau- 
rem Baryt  in  destillirtem  Wasser,  die  ein  halbes  Jahr  in  einer 
mit  einem  gläsernen  Stöpsel  verschlossenen  Flasche  gestanden 
hatte,  eine  eigene  Art  Conferven  sich  bildete.  Allein  es  ist  bei 
jenen  merkwürdigen  Erfahrungen  wohl  gewiss,  dass  jene  Sub- 
stanzen oder  die  Gefässe,  oder  das  Wasser  eine  auch  noch  so 
geringe  Menge  organischer  Materie  enthielten,  wie  denn  nach 
den  Beobachtungen  von  Schultze  Staubmolecule  von  organischen 
Substanzen  hinreichen,  um  unter  günstigen  Umständen  die  Phä- 
nomene zu  erzeugen,  welche  man  zur  generatio  aequivoca  der  In- 
fusorien rechnet.  Selbst  die  Thiere  sind  nicht  einmal  im  Stande 
ans  blossen  Elementen  oder  ans  blossen  binären  Verbindungen  or- 
ganische Materien  zusammenzusetzen.  Die  Thiere  wachsen  durch 
Aufnahme  von  schon  vorher  gebildeten  organischen  Materien  von 
anderen  Thieren  oder  von  Pflanzen;  sie  können  nur  die  Zusam- 
mensetzung der  organischen  Materie  erhalten  und  umändern;  die 
Pflanzen  scheinen  dagegen  nicht  allein  organische  Materie  von 
Thieren  und  Pflanzen  umzuwandeln,  sondern  auch  zugleich  aus 
Elementen  und  binären  Verbindungen  der  Elemente,  wie  Koh- 
lensäure und  Wasser  zu  erzeugen,  obgleich  sie  ohne  alle  organi- 
sche Materie  des  Bodens  nicht  gedeihen.  Die  Erzeugung  der 
organischen  Materie  aus  binären  Verbindungen  in  den  Pflanzen 
scheint  deswegen  anzunehmen  nöthig,  weil  ohne  diese  neue  Bil- 
dung das  Nutriment  atif  der  Erde  immer  abnehmen  würde,  da 
unaufhörlich  Pflanzen  und  Thierkörper  durch  Verbrennen,  Fau- 
len etc.  in  binäre  Verbindungen  zersetzt  werden. 

Die  einmal  von  Pflanzen  gebildete  oder  in  Pflanzen  und 
Thieren  enthaltene  und  umgewandelte  organische  Materie  ist  wie- 
der lebensfähig,  wenn  sie  von  einem  lebenden  Körper  angeeignet 
und  der  organischen  Kraft  desselben  unterworfen  wird.  Auf 
diese  Art  kömmt  alle  organische  Substanz,  welche  auf  der  Erde 
verbreitet  ist,  nur  von  lebenden  organischen  Körpern;  der  Tod 
oder  das  Erlöschen  der  Kraft,  welche  organische  Verbindungen 
erzeugt  und  erhält,  trifft  das  Einzelwesen,  während  die  organische 
Materie,  so  lange  sie  nicht  in  binäre  Verbindungen  zerfallen  ist, 
Lebensfähigkeit  behält. 

Die  Lebensfähigkeit  der  organischen  Materie  besteht  darin, 
dass  sie  wieder  einen  lebenden  organischen  Körper  ernähren  kann. 
Gewöhnlich  entstehen  organische  Körper  gewisser  Art  nur  cyclisch 
von  organischen  Körpern  derselben  Art,  d.  h.  durch  Eier  oder 
Sprossen.  Es  fragt  sich  aber,  ob  die  organische  Materie  bei  der 
Zersetzung  eines  organischen  Körpers  nicht  auch  Organismen 
anderer  Art  unter  gewissen  Einflüssen  erzeugt,  ob  sie  nicht  allein 
lebensfähig  ist,  sondern  in  modificirter  Art  fortlebt,  ob  sie  unter 
gewissen  Bedingungen,  nämlich  unter  Einwirkung  von  atmosphä- 
rischer Luft,  Wasser,  Licht  in  kleinen  microscopischen  thierischen 
W^esen,  lebenden  Infusorien  zerfällt,  oder  unter  anderen  Bedin- 
gungen, in  niedersten  Pflanzen,  Schimmel  wieder  auflebt.  In  ei- 
nem ausgedehnteren  Sinne  hatten  schon  die  Alten,  namentlich 
Aristoteles  die  generatio  aequivoca,  die  freiwillige  Erzeugung 


Generatio  aeepiiooca,  Infusoria. 


11 


der  Thiere  angenommen.  Es  Avar  nämlich  eine  alte  Tradition, 
c ass  aus  der  Fäulniss  niedere  Thiere,  Insecten,  Würmer  erzeugt 
F r ®®dten.  Diese  Meinung  hatte  sich  in  dem  naturwissen- 
ältlichen  und  mediclnischeii  Aljerglauben  bis  ins  17.  Jahrhun- 
6rt  erhalten.  Da  schrieb  Redi  seine  experimenta  circa  generalio- 
^^^ectorum  und  bewies,  dass  alle  Beispiele,  welche  die  Alten 
Von  generatio  aequivoca  aiifgeführt  hatten,  falsch  seyen,  dass  alle 
lese  Würmer,  Insecten  aus  Eiern  entstehen,  die  vorher  von 
Ibieren  an  die  Orte  gelegt  worden.  Diese  Beweise  waren  über- 
zeugend, und  kein  untei’richteter  Naturforscher  glaubte  fortan 
inehr  an  die  Fabel  von  der  Erzeugung  durch  Fäulniss,  so  dass 
nerSatz;  omne  oivum  ex  ovo  unangetastet  blieb.  Später  aber  trat 
Needham  auf  und  zeigte,  dass  zwar  durch  Fäulniss  keine  Insecten, 
aber  doch  kleine  microscoplsche,  bisher  ungekannte  Thierchen, 
Infusorien,  entstehen.  XJebergiesst  man  thierische  oder  pflanzliche 
Substanzen  mit  Wasser  und  setzt  sie  der  atmosphärischen  Luft 
und  dem  Lichte  aus,  so  zeigen  sich  bei  gewöhnlicher  Temperatur 
der  mildern  Jahreszeit  nach  einigen  Tagen,  während  sich  die  or- 
ganische Materie  allmählig  zum  Tbcil  zersetzt,  zum  Theil  um- 
wandelt, zmn  Theil  ln  Kügelchen,  zum  Theil  ganz  auflöst,  entwe- 
der Schimmel  oder  jene  microscopischeft  Thierchen,  bei  Avelcben 
Ehrekberg  jetzt  die  glänzende  Entdeckung  gemacht  hat , dass  sie 
eine  viel  zusammengesetztere  Organisation  haben,  als  Jemand  vor- 
her geahnet  hatte. 

Die  ersten  Beobachtungen  über  die  Entstehung  der  Infusorien 
sind  von  Needham  (nouv.  observ,  microscop.)  mltgetheilt,  später  ha- 
ben WrisbERG,  0.  Fr.  MuELLER,  InGENUOUSS,  G.  R.  TREVIRA^U.S, 
Gruithuisen,  Schultze  um  die  Kenntniss  dieses  Gegenstandes  sich 
Verdienste  erworben.  Nach  Wrisbero’s  {ohserv,  de  animale,  infus.) 
Bei^achtungen  erzeugen  sich  ohhe  den  Einfluss  der  Luft  aus  in- 
lundirten^  organischen  Substanzen  keine  Infusorien,  wie  z.  B.  wenn 
die  Infusion  mit  Olivenöl  bedeckt  wurde.  Dagegen  sind  alle  dem 
Wasser  beigemischten  vegetabilischen  oder  animalischen  Substan- 
zen zur  Erzeugung  der  Infusorien  geeignet,  wenn  sie  nur  keine 
saure  oder  scharfe  Eigenschaft  haben  und  nicliLs  enthalten,  was 
die  Fäulniss  hindert.  Die  Entwickelung  der  Infusorien  erfolgt, 
nachdem  die  organische  Materie  einen  gewissen  Grad  von  Zer- 
setzung unter  Entwickelung  von  Luftblasen  erlitten  hat.  Gleich- 
zeitig mit  dieser  Entwickelung  und  später  zeigt  die  Infusion  eine 
grosse  Menge  mlcroscopiscber  Molecule,  die  bald  zei’streut  liegen, 
- ^ d eine  Art  von  Membran  an  der  Oberfläche  der  Infusion 


biUl, 


Na  g*'  der  Zertheilung  der  organischen  Materien  entstehen. 

pRAY  und  Burdach  sollten  sich  Infusionsthiere  auch  in 
^^^*.*®®rstofFgas  und  Stickgas  in  der  Infusion  erzeugen.  Die  gene- 
1 °‘^’iawoca  der  Infusionsthiere  wurde  von  mehreren  Naturfor- 
^®sonders  aber  von  Spallanzani  {phjrsical.  und  mal  hem. 
landl,)  angegriffen,  welcher  die  Entstehung  der  Infusionsthiere 
? durch  Wärme,  Wasser,  atmosphärische  Luft  und  Licht 

edmgte  Entwickelung  von  zufällig  beigemischten  Eiern  jener 
merchen  erklärt.  Indessen  lehren  Spallanzaiu’s  eigene  Versu- 
che, dass  gekochte  oi’ganische  Substanzen  eben  so  taxiglich  als 


12 


Prolegomena.  1.  Organische  Materie. 


ungekoclite  Zur  Erzeugung  der  Infusorien  sind,  so  wie  denn  aueli 
destillirtes  Wasser  gleich  dienlich  zur  Infusion  ist.  Sonst  bewei- 
sen Spallakzani’s  Versuche  nur,  dass  die  atmosphärische  Luft 
zur  Entwickelung  der  Infusorien  nöthig  ist,  und  dass  sich  in  her- 
metisch verschlossenen,  mit  Infusionen  gefüllten  Flaschen,  die 
eine  Stunde  lang  in  einem  Gefä^se  mit  Wasser  der  Siedhitze  aus- 
gesetzt worden,  keine  Infusorien  zur  Zeit  der  spätem  Untersu- 
chung der  Flaschen  gebildet  hatten.  Spali.anzasi  fand  auch  die 
Stnictur  der  Infusionsthiere  verschieden  nach  der  Verschiedenheit 
der  Infusion.  Versuche  mit  Samen  von  Wassermelonen,  Kürbis- 
sen, Hanf  und  Hirse  zeigten,  dass  die  Zahl  der  Infusorien  gi  össer 
ist  von  dem  wachsenden  Reime,  als  von  dem  erst  keimenden  Sa- 
men und  mit  dem  Verderben  des  Samens  ahnimmt.  Auf  kleine 
Gattungen  sollten  grössere  folgen,  bis  die  Entwickelungsfähigkeit 
nach  einer  gewissen  Zeit  verloren  schien.  Die  Infusionsthiere  von 
unbeschädigtem  Samen  sollten  grösser  gewesen  seyn,  als  die  von 
zerriebenem  Samen.  Aus  Kornmehl  erzeugten  sich  eben  sowohl 
Infusorien  als  aus  bloss  zerdrücktem  Samen.  Wurde  aber  die 
Stärke  des  Mehls  (amylum)  von  dem  Kleber  (gluten)  abgesondert 
und  die  Substanzen  besonders  infundirt,  so  erschienen  in  der  In- 
fusion von  Stärke  weniger  oder  gar  keine  Thiere,  dagegen  in  der 
andern  Infusion  ein  Heer  von  belebten  Wesen.  Dagegen  zeigten 
sich  in  Infusionen  von  Gerste,  türkischem  Weizen,  Bohnen,  Wolfs- 
hohnen,  Reis  und  Leinsamen  gar  keine  Thierchen.  Trevibahus 
Biologie  II.  p.  279 — 280.  Da  indess  die  Gattungen  und  Arten 
der  Infusorien  eben  so  bestimmt  sind,  wie  in  den  höheren  Thler- 
classen,  und  Spallahzani  die  Unterschiede  der  Form  seiner  Infu- 
sorien nicht  bestimmt  hat,  da  wir  ferner  die  Entwickelungsstufen 
einer  und  derselben  Speeles  von  Infusorien  noch  nicht  kennen, 
so  verlieren  Spallanzabi’s  Versuche  viel  von  ihrem  Gewichte, 
wenn  er  in  Infusionen  von  Kürhissamen,  Chamillensamen,  Sauer- 
ampfersamen, Korn,  Spelz  ganz  verschiedene  Thierchen  entdeckt 
haben  will.  Treviradus  hat  durch  seine  zahlreichen,  mit  mehr 
Critik  angestellten  Beobachtungen  der  Hypothese  von  der  genera- 
tio  aecfuivoca  ein  viel  grösseres  Gewicht  gegeben.  Seine  Gründe 
stützen  sich  auf  folgende  Umstände: 

1)  Verschiedene  organische  Substanzen  mit  einerlei  Wasser 
infundirt,  erzeugen  verschiedene  Infusionsthiere,  wie  z.  B.  Kres- 
sensamen und  Roggensamen. 

2)  Der  Einfluss  des  Lichtes  hat  auf  die  Beschaffenheit  der 
generatio  aequiooca  den  grössten  Einfluss.  So  erzeugt  sich  die 
nach  Priestley  genannte  grüne  Materie,  welche  sich  durch  ihre 
Eigenschaft,  Sauerstoffgas  auszuhauchen,  auszeichnet,  nur  unter 
dem  Einflüsse  des  Lichtes,  wenn  Wasser,  besonders  Brunnenwasser 
offen  oder  in  verschlossenen,  aber  durchsichtigen  Gefässen  der 
Sonne  ausgesetzt  wird,  und  zwar  als  eine  aus  runden  oder  ellipti- 
schen Körnchen  bestehende  grünliche  Kruste,  worin  man  anfäng- 
lich feine  Bewegungen  einzelner  Molecule,  und  später  sich  unre- 
gelmässig bewegende  durchsichtige  Fäden  entdeckt.  Diese  Ver- 
änderungen hat  Ingenhouss  ( Vermischte  Schriften  phys.  medic.  In~ 
halte)  am  längsten  beobachtet.  (Nach  R.  Wagher  besteht  die 


Generatio  aequiooca,  Infusoria, 


13 


grüne  Materie  aas  abgestorbenen  Leibern  grüner 
. Euglena  viridis  und  anderer  Infusorien.  Dann  wären 

lene  bewcgUdien  Fäden  wohl  eigene  von  der  übrigen  grünen 
pne  verschiedene  Wesen,  und  IifoENHouss  hätte  unrichtiger 
eise  verschiedene  Arten  einfacher  Wesen  als  Umwandlungen 
^i’selhen  Molecule  angesehen.) 

. 3)  Auch  die  Eingeweidewürmer  und  die  in  dem  Samen  der 
uere,  selbst  der  wirbellosen,  beobachteten  microscopisclien 
nierchen,  die  Samenthierchen , geschwänzte  Körperchen  mit 
“Uerischen  Bewegungen,  sclieinen  für  die  freiwillige  Entstehung 
lebender  Wesen  in  organischer  Materie  zu  sprechen. 

4)  ln  Trevieasus  Versuchen  zeigten  sich  unter  sonst  glei- 
chen Umständen  in  verschiedenen  Infusionen  verschiedene  We- 
sen, nämlich  Infusionsthiere  oder  Schimmel,  und  die  Ursache  die- 
ser Verschiedenheit  lag  nicht  in  dem  Wasser,  sondern  an  den 
infundirten  Substanzen. 

5)  Trevirakus  beobachtete,  dass  in  verschiedenen  Hälften 
einer  und  dei’selhen  Infusion  sich  unter  verschiedenen  zufälligen 
Bedingungen  verschiedene  Infusionsthiere  erzeugten,  nämlich  aus 
dem  Aufgusse  von  Irisblättcrn  mit  frischem  Brunnenwasser  ent- 
wickelten sich  in  einem  längerii,  mit  Leinwand  bedeckten,  der 
Sonne  ausgesetzten  Gefässe  Infusionsthiere,  in  einem  zweiten  Ge- 
fässe  hei  einem  andern  Standorte  grüne  Materie.  So  zeigten  sich 
m derselben  Infusion  von  Boggenkörnern  mit  Brunnenwasser  die 
Producte  verschieden,  wenn  Trevirakus  in  eine  der  Infusionen 
eine  Eisenstange  gelegt  hatte.  Hiermit  scheint  übereinzustimmen, 
dass  Gleditsch  auf  verschiedenen,  mit  Mousselin  bedeckten  Me- 
lonenstücken hei  einem  verschieden  hohen  Standorte  ein  unglei- 
ches Verhältniss  der  erzeugten  Gebilde,  Schimmel,  Byssus,  Tre- 
mellen  fand.  Man  könnte  hierzu  noch  hinzusetzen,  dass  Gruit- 
auiSEN  in  Infusionen  von  Eiter  und  Schleim  ganz  verschiedene 

nlusionsthierehen  gefunden  haben  will.  Aus  allen  diesen  Grün- 
nen  hat  G.  B.  Tecvuranus  die  Schlassfolgen  gezogen : dass  in  der 
ganzen  Natur  eine  stets  wirksame,  absolut  indecomponihle  und 
unzerstörbare  (?)  Materie  vorhanden  ist,  wodurch  alles  Lebende 
' on  dem  Byssus  bis  zur  Palme,  und  von  dem  punktähnlichen  In- 
msionsthiere  bis  zu  den  Meerungeheuern  Leben  besitzt,  und  wel- 
unveränderlich  ihrem  Wesen,  doch  verändei-lich  ihrer  Ge- 
® alt  nach,  unaufhörlich  ihre  Formen  wechselt,  dass  diese  Materie 
sich  formlos  und  jeder  Form  des  Lehens  fähig  ist,  dass  sie 
5^'irch  den  Einfluss  äusserer  Ursachen  eine  bestimmte  Gestalt 
nur  hei  der  fortdauernden  Einwirkung  jener  Ursachen  in 
Kr'^^  '''«rharrt,  und  eine  andere  Form  annimmt,  sobald  andere 
sich  wirken.  Nach  Wrisberg  und  Andern  erzeugen 

dirten  ^'alusorien  aus  den  sich  ahlösenden  Partikeln  der  infun- 
nach  f *^®®^anz  selbst,  welche  sich  allmählig  zu  bewegen  anfangen ; 

..  . „?^>Thuises  erscheinen  sie  dagegen  erst,  wenn  der  Extra- 

• ^cs  infundirten  Körpers  von  Wasser  extrahirt  worden. 

Bl  ^CHui.TzE  sagt:  Nie  habe  ich  in  einem  Aufgusse  von 

’ ivr  oder  Ilirnsubstanz,  ein  Blutkügelchen,  Milchkügelchen 
o er  ^ai'kkügelchen  sich  als  Monade  fortbewegen  oder  m eine 


14 


Prolegomena,  1.  Organische  Materie. 


solclie  verwandeln  gesehen.  Jedes  einzelne  dieser  Kügelchen  gieht 
durch  sein  Zerfliessen  zum  Entstehen  von  mehreren  hundert  Mo- 
naden den  Stoff.  Diess  letztere  widerspricht  indess  der  Micro- 
inetrie;  denn  nach  Ehrenberg  hat  die  kleinste  sichtbare  Monade 
P.  Linie  im  Durchmesser,  diess  ist  -24^0^  Zoll.  Die  Blutkü- 
gelchen des  Menschen  betragen  aber  •jtöo' — im  Durch- 
messer, die  Milchkügelchen  noch  weniger.  Schultze  will  die 
Entstehung  von  Infusorien  aus  organischen  Stauhtheilchen  beob- 
achtet haben,  die  sich  In  Wasser  in  einigen  Stunden  mit  einem 
trüben  Ringe  umgeben,  der  sich  bis  zum  Zerfliessen  des  Stauh- 
theilchens  ansbreitet.  Dieser  Ring  löse  sich  in  Monaden  auf. 
Trevirahus  Biologie  II.  p.  264 — 406.  Gruitutjisek  Beüriige  zur 
Physiognosie  und  Eautognosie.  München  1812.  8.  Burdach  Physio- 
logie. T.  1.  G.  A.  S.  ScHULTze  microscopische  Untersuchungen  über 
R.  Browss  Entdeckung  lebender  Theilchen  in  allen  Körpern,  und 
Hier  Erzeugung  der  Monaden.  Carlsruhe  1824. 

Wir  gehen  nun  zur  Critik  der  vorhergehenden  Beobachtungen 
über.  Die  Art,  wie  Versuche  über  generatio  aeguivoca  angestellt 
werden  können,  lasst  keine  Gewissheit  über  nicht  statt  gefundene 
Täuschung  zu. 

1)  Diejenigen,  welche  mit  ausgekochter  organischer  Substanz 
an  der  atmosphärischen  Luft  experimentirt  haben,  können  nicht 
beweisen,  dass  die  erzeugten  Infusorien  oder  Schimmel  nicht  von 
dem  mit  der  atmosphärischen  Luft  zugeführten  Staube  vertrock- 
neter Infusorien  oder  ihrer  Reime  herrühren.  Vielleicht  dass, 
wie  Alexander  von  Humboldt  in  seinen  Ansichten  der  Natur  deu- 
tet, die  Winde  die  Keime  der  einfachsten  organischen  Wesen 
aus  den  trocknenden  Gewässern  emporheben  und  diese  im  Staube 
von  dem  belebenden  Wasser  aufgenommen,  wieder  aufleben,  wie 
das  Wiederaufleben  von  dem  Räderthierchen,  nach  Spallanzani’s 
bestätigten  Versuchen,  thatsächlich  bekannt  ist.  Dass  der  überall 
in  der  Luft  nmherfliegeiide  Staub  kleine  organische,  im  Wasser 
aufquellende  Theilchen  enthält,  hat  neuerlichst  Schultze  zur  Er- 
klärung der  Infusorien  benutzt ; er  hält  diese  gerade  für  einge- 
trocknet gewesene  Infusorien  (Monaden),  die  durch  Benetzung  von 
Neuem  belebt  werden.  Indessen  hält  Schultze  diese  sehr  häufige 
Quelle  der  Infusorienbildung  nicht  für  die  einzige  und  gieht  die 
Umwandlung  der  organischen  Substanzen  in  Protozoen  zu. 

2)  Diejenigen,  welche  mit  ausgekochtem  organischen  Stoff 
expcrlmentirt  ufid  gemeines  Wasser  zur  Infusion  benutzt  haben, 
können  eben  so  wenig  die  neue  Bildung  der  Infusorien  beweisen, 
denn  das  Wasser  kann  diese  als  Eier  oder  wirkliche  Infusorien 
selbst  enthalten  haben,  die  sich  schnell  auf  Kosten  der  infundir- 
ten  organischen  Substanz  vermehren.  Die  Anwendung  eines 
ganz  reinen  desllllirten  Wassers  ist  fast  in  keinem  Fall  voraus- 
znsetzen,  da  selbst  fünfmal  destillirtes  Wasser  noch  organische 
Theilchen  enthalten  kann. 

3)  Diejenigen,  welche  mit  frischen  organischen  Substanzen 
und  destillirtem  Wasser  oder  gar  künstlich  bereiteten  Luftarten 
experimentirt  haben,  können  nicht  beweisen,  dass  nicht  etwa  die 
Eier  der  Infusorien  oder  diese  selbst  in  der  organischen  Substanz 


Generatio  aequivoca.  Infusoria. 


16 


den  ’ H^icroscopisclie  ThiercLen  kennt  man  in  leben- 

• *®“en  zwar  wenige,  und  die  gewölinlichen  Kügelchen  or- 

divid  iT  Blutes,  sind  jedenfalls  nicht  in- 

rpi  . kelcbt;  allein  der  Schleim  enthält  bereits  microscopische 
lerchen , der  Darmschleim  des  Frosches  wie  der  Same  enlhal- 
^ n »iicroscopische  Thierchen ; in  den  Muscheln  hat  von  Baer  an 
ßrschiedenen  Stellen  microscopische  sich  bewegende  Theilchen 
^sehen.  Siehe  JS'ov.  act.  nat.  mr.  13.  2,  p.  594.  Die  Samen  des 
exzens  und  einiger  Agrost'is  enthalten  oft  Vibrionen,  die  seihst 
getrocknet  Lei  der  Befeuchtung  auflchen.  Einige  Thierchen,  die 
xn  anderen  Thiei'en  Vorkommen,  leben  auch  im  Wasser  fort,  be- 
sonders aber  solche,  die  auf  anderen  Thieren  leben,  Epizoen. 

4:)  Endlich,  wenn  auch  einige  Beobachter  mit  ausgekochten 
organischen  Substanzen,  mit  destillirtem  Wasser,  mit  künstlich 
bereiteter  Luft  zugleich  experimentirt  haben  sollten,  so  ist  doch 
xe  zu  einem  entscheidenden  Resultate  nöthigc  Genauigkeit  hier 
weder  wahrscheinlich  vorauszusetzen,  noch  überhaupt  möglich, 
a jedes  zum^  Wechseln  von  Wasser  benutzte  Instrument  in  einer 
absoluten  Reinheit  von  allem  Anflug  organischer  Theilchen  hätte 
seyn  müssen , und  jede  Reinigung  wieder  eine  Gelegenheit  zu  Irr- 
thumern  giebt. 

Diese  Bemerkungen  widerlegen  die  generatio  aequivoca  nicht, 
son  ern  zeigen  bloss,  dass  ein  entschiedener  Beweis  derselben 
durch  directe  Beobachtung  nicht  wohl  möglich  ist.  Nun  hat  aber 
^hrenberg  <^*dh  genaue  Untersuchungen  der  Organisation  der 
xieie  und  Pflanzen,  welche  durch  generatio  aequivoca  entstehen 
sollen,  diese  letztere  wirklich  ziemlich  unwahrscheinlich  gemacht. 

hrenderg  hat  erstens  das  wirkliche  Keimen  der  Pilz-  und  Schim- 
Ffom  ^'ova  act.  nat.  cur.  T.X.  Vergl.  Nees  v.Esenbec.k 

ffiPT-rl  . 1 ScHiLLirfG  in  Kastner’s  Archiv.  X.  p.  429. 

srestpllT^  ^ wurde  die  Fortpflanzung  der  Schimmel  und  Pilze  fest- 
Schlm  ’ 1*1  ^'^’^de  gezeigt,  wie  man  durch  Schimmelsamen  neue 
den  livii  ^‘^^’dken  kann,  und  es  wurde  wahrscheinlich,  dass  in 
a en  unerwarteter  Entstehung  von  Schimmel  auch  durch 
oder  Atmosphäre  verbreiteter  Schimmelsame  nur  den  zur 
n wi^elung  nöthigen  Boden  gefunden  hat.  Was  nun  die  Infu- 
xons-ihiere  betrifft,  so  hat  Eubenberg  für’s  Erste  den  zusammen- 
A/o«  dieser  Thiere  entdeckt,  so  dass  selbst  die  kleinsten 

Linie  Durchmesser  noch  einen  zusammengesetzten 
Bei^***a  Bewegungsorgane  in  Wimpern  besitzen. 

beobachtete  Ehrenberg  die  Eier,  die  Fortpflanzung 
tigheit  f *i’  erregte  den  grössten  Zweifel  gegen  die  Rich- 

setzten  Beobachtungen,  wo  man  ohne  den  zusammenge- 

derselb  ***  kennen,  das  unmittelbare  Entstehen 

wollte  Theilchen  der  infundirten  Substanz  gesehen  haben 

Formen  hat  es  nie  in  der  Gewalt  gehabt,  bestimmte 

auch  ze'^°**  Infusorien  durch  bestimmte  Infusionen  zu  erlangen; 
“leichart^***  bald  diese,  bald  jene  Infiisorienformen  Lei  der 
^wisse  Behandlung.  Vielmehr  giebt  es  nach  Ehrenbehg 

Sreitete^  doch  nur  eine  bestimmte  Anzahl  am  meisten  ver- 

^ bormeii,  deren  Eier  oder  Individuen  in  allen  Gewässern, 


16 


Prolegomcna,  1.  Organische  Materie. 


selbst  in  einigen,  vielleicbt  aber  nur  sebadhaften  Pflanzentbeilen 
verbanden  seyn  mögen,  and  von  denen  sich  dann  bald  die  einen, 
bald  die  anderen,  je  nachdem  Eier  oder  Individuen  davon  im 
Wasser  waren  oder  hineingebraebt  wurden,  stark  vermehren. 
Die  Vermehrung  dieser  Thiere  scheint  ausserordentlich  schnell. 
Ein  Raderthierchen,  Hydatina  senta,  das  über  18  Tage  beobach- 
tet wurde  und  länger  lebt,  ist  in  ‘M — 30  Stunden  einer  vierfa- 
chen Vermehrung  fähig.  Diese  Vermehrung  giebt  in  10  Tagen 
schon  1 Million  Individuen,  woraus  sich  die  ausserordentliche  Häu- 
figkeit der  Infusorien  in  einem  Tropfen  einer  Infusion  einiger- 
massen  erklären  Hesse.  Im  Tbau  und  Regen  hat  EunENDEno  nie 
Infusorien  bemerkt;  sonst  fand  Ehresberg  einige  Infusorien  in 
Afrika  und  Asien,  gleichwie  in  Europa,  im  Meerwasser  wie  im 
Flusswasser,  in  den  Tiefen  der  Erde  wie  auf  der  Oberfläche. 
Aber  die  Entwickelung  dieser  Thiere  scheint  formenreich,  und 
man  kann  leicht  verschiedene  Arten  dieser  Thiere  zu  sehen  glau- 
ben, während  man  nur  die  Entwickelungszustände  beobachtet. 
Aus  allen  diesen  Beobachtungen  schliesst  Ehre»behg,  dass  alle  In- 
fusorien, gleich  den  übrigen  Tbieren,  von  Eiern  entstehen,  omne 
viinim  ex  ovo,  und  lässt  es  ungewiss,  ob  die  Eier  zum  Tlieil  wirk- 
lich das  Product  der  generalio  primitiva  sind.  Siehe  Ehrevberg 
in  Poqgehdorf’s  Annalen  1832.  1.  Vergl.  R.  Wagner  Isis  18-32. 
383.  Den  von  mehreren  Männern  beschriebenen  Uebergang  von 
Infusorien  in  Priestleyscbe  Materie  hält  Wagner  für  ausgemacht; 
diese  Materie  ist  aber  nichts  anders  als  der  Rest  von  abgestor- 
benen Infusorien,  Euglena  viridis.  Dagegen  bezweifelt  Wagner 
wohl  mit  Recht  die  von  Mehreren  beschriebenen  TJebergänge  der 
Priestleyschen  Materie  in  Conferven,  Diven,  Tremellen  oder  gar 
Laubmoose.  Die  primitive  Umbildung  von  noch  unorganisirtem 
Thierstoff  zu  gewissen  Thieren  lässt  sich  jetzt  noch  am  meisten 
bei  den  Eingeweidewürmern  vertheidigen.  Eine  ganze  Reihe  von 
Gründen  für  die  generatio  aequivoca  beruht  auf  der  Unmöglich- 
keit, die  erste  Entstehung  der  Eingeweidewürmer  ohne  freiwillige 
Zeugung  zu  erklären.  1.  Die  ungeheure  Mehrzahl  der  Einge- 
weidewürmer sind  in  der  Organisation  ganz  von  allen  Geschöpfen 
verschieden,  die  ausser  dem  thierischen  Körper  verkommen.  Die 
Aehnlichkeit  einiger  Distorna  mit  den  Planarien  des  süssen  und 
salzigen  Wassers  ist  nur  scheinbar.  2.  Die  wenigsten  Eingeweide- 
würmer kommen  in  verschiedenen  Gattungen  von  Thieren  vor. 
So  sind  die  Bandwürmer  des  Menschen  nur  diesem  eigen,  dage- 
gen die  Leber egel,  Distorna  hepaticum,  dem  Menschen,  Hasen, 
Rindvieh,  Cameel,  Hirsch,  Pferd,  Schwein ; der  Spuhlwurm,  Asca- 
ris lumbrkoides,  dem  Menschen,  Schweine,  Ochsen,  Pferd  gemein 
scheinen.  Die  mehrsten  Thiere  haben  ihre  eigentbümlichen  spe- 
cifisch  verschiedenen  langeweldewürmer.  3.  Viele  Eingeweide- 
würmer sind  in  ihrem  Vorkommen  apf  gewisse  Organe  bescliränkt. 
4.  Die  Eingeweidewürmer  sterben  in  der  Regel  ausser  dem  leben- 
den thierischen  Körper.  5.  Man  hat  diese  Würmer  schon  in  Em- 
bryonen beobachtet.  6.  Dass  eine  Uebertragung  von  Eingeweide- 
würmern oder  ihren  Keimen  durch  die  Nahrung  nicht  stattfinde, 
beweisen  die  bloss  von  Pflanzen  lebenden  Thiere,  die  gleichwohl 


Generaiio  aeqiiiooca.  17 

Eingeweidewürmer  Laben.  Nur  in  sehr  wenigen 
„gnom  dieser  Uebergang  bei  fleiscbfressenden  Thieren  an- 

zuw  werden,  wie  denn  der  Echinorhynchus  der  Feldmaus 

„g  ^^eim  Falken,  Würmer  der  Fröscbe  zuweilen  bei  Scblan- 

lin"^  der  Fische,  der  Bothriocephalus  solidus  des  Sticb- 

de^*  ™ Darmkaual  der  Sumpf-  und  Schwimmvögel  gefun- 

de  sind.  Allein  viele  andere  Würmer  kommen  ausser 

öl  Darmkanale  und  den  Wegen  der  Uebertragung  vor.  Siehe 
Remser  i'iler  lebende  WürrAer  im  lebenden  Menschen.  Wien  1819. 

Ehrerberg  sucht  die  generatio  aeqiiiooca  der  Eingewcidewür- 
er  zu  entkralten,  indem  er  sich  zu  der  alten  Meinung  hinneJgt, 
onach  die  Eier  der  Eingeweidewürmer  durch  die  Saflcirculation 
Thelle  des  Körpers  getrieben  würden.  Er  nimmt 
da«  , weil  die  Genitalien  der  Eingeweidewürmer  eine  grosse 
E*er  enthalten , diese  auch  durch  die  Circulation  im  gan- 
zen  orper  eines  Tbieres  verführt  werden,  iind  nur  unter  clück- 
^'en  zu  ihrer  Entwickelung  nöthigen  Boden 
***  werdra  und  anskommen,  so  dass  alle  Safte  eines  Tliieres 
1 Eiern  solcher  Eingeweidewürmer  iuficirt  sind,  die 

aas  Xhier  m einzelnen  Organen  hat.  Die  Milch,  wovon  sich  an- 
aeieinclividnen  derselben  Art  nähren,  kann  die  Eier  dieser  Wür- 
so?*"  enthalten.  Der  Embryo  der  Säugethiere,  in  dem  man 

M Ul  die' Eier  von  den  Säften  der 

cpfnJ'T  ^*‘'**'  Eingeweidewürmer  in  gelegten  Eiern  . 

p,  Eschscholz  fand  welche  in  Hühnereiern.  Btjrdach 

te^^l  können  anfänglich  von  den  Säften  derMut- 

/■'”  i ‘^‘^r  That,  die  Widerlegung  der 

schc?nr”i  f®'/“'*’"''®  hegieht  sich  hier  in  eben  so  grosse  Unwahr- 
eeweidpV"  Annahme  derselben.  Die  Eier  der  Ein- 

ehe Würm^”*^V*°'^  offenbar  zu  gross,  um  aus  den  Organen,  wp 
viel  71.  p..  *cben,  in  die  Lympbgefässe  zu  gelangen,  sie  sind 
Durcl  ^ Capillargefässcn  des  Blutes  von  0,00025  Zoll 

nrnd  circuliren  und  endlich  gar  in  die  Absonderungs- 

kläri*^ o- Milch,  den  Dotter,  zu  gelangen;  also  die  Er- 
iran  Vorkommens  der  Eingeweidewürmer  durch  Ueber- 

ren^  oufRind  z.  B.  bei  pflanzenfressenden  Säugethie- 

kro  gar  sehr -den  erfahrungsm'ässigen  Daten  der  Mi- 

meine,  wenn  man  nicht  annebmen  will,  auch  die  kleinsten 
dgjjg  E-cimstoff  der  Eingeweidewürmer,  wie  er  von  vorhan- 

Pflan**  gebildet  worden,  seyeii  eben  so  fähig  zur  Fort- 

ERng*”"8  als  ein  ganzes  Ei.  Von  den  Samenthiereben  nimmt 
Rum.  sic  jedem  animalischen  Wesen  hei  der  Zeu- 

S^nngeimpft  werden. 

ten  ühr;"^^^'®  Beobachtungen  {Moo.  act.  nat.  cur.  XI  11.%)  cnlhal- 
geweidew"*'*  noch  manches  Räthsel  über  die  Zeugung  von  Ein- 
gen sich  Thierchen,  die  er  Biicephalus  nennt,  erzeu- 

■vorkomtn***  fadenförmigen  Keimstöcken,  welche  in  den  Muscheln 
einen  W^**’  Bojakus  und  Baer  haben  in  Limnaeus  stagna/is 
andern  beschrieben,  der  wieder  lauter  Thlere  einer  ganz 

Berlin  Cerkarien,  enthält,  v.  Norbmann  {niicrugr.  Beiträge, 

■“■)  hat  Monaden  im  Körper  lebender  Eingeweidewür- 
Physiologie.  2 


Prolegomena.  1.  Organische  Materie. 


mcr,  Diplostomen,  teoljaclitet,  und  im  Innern  von  faulenden  Eiern 
von  Lernaeen  Infusorien  entstehen  gesehen.  Anderseits  verdienen 
wieder  die  Veränderungen  gewisser  Eingeweidewürmer  Beachtung, 
z.  B.  der  Ligula  und  des  Bothriocephalus  soUdus  der  Fische,  die 
erst  in  den  Wasservögeln  deutliche  Genitalien  erhalten;  die  an- 
fängliche Gestalt  einiger  jungen  Distomen,  z.  B.  Bist,  noditlosum 
des  Barsches,  das  nach  v.  Wokdmawn  anfänglich  ohne  Saugnapf, 
mit  einer  Spur  von  Auge,  und  mit  Wimpern  wie  znm  Schwim- 
men im  Wasser  Besetzt  ist.  Die  Infusorien  und  Binnenwürmer 
der  lebenden  Pflanzen  sind  noch  zu  untersuchen.  Wichtig  ge- 
nug, dass  die  kranken  Samen  von  Agrostis-,  Phalaris-  und  Triti- 
cum-Arten  nach  Steimdtjcii  {Analecten  1802.)  und  Bauer  {Philos. 
Trans.  1823.)  Vibrionen  enthalten,  dass  Bauer  im  Stengel  der  jun- 
gen Weizenpflanze  die  Vibrionen  wiederüind,  die  er  dem  Samen 
eingeimpft  hatte,  und  dass  nach  Steinbuch  und  Bauer  die  Wür- 
mer der  getrockneten  Samen  mehrere  Jahre  fähig  blieben,  im 
Wasser  wieder  aufzulehen. 

Die  Bildung  von  Infusorien  ist  keine  primitive  Zeugung  or- 
ganischer Materie;  sie  setzt  schon  die  Existenz  von  organischen 
Wesen  voraus,  da  nie  organischer  Stoff  von  selbst  entsteht,  son- 
dern nur  die  lebenden  Pflanzen  fähig  scheinen,  aus  binären  Ver- 
bindungen, wie  Wasser  iind  Kohlensäure,  ternäre  organische  Ver- 
bindungen, organische  Materie  zu  erzeugen,  während  die  Thiere 
nur  von  schon  gebildeten  organischen  Materien  leben,  selbst  aber 
keine  aus  Elementen  oder  binären  Verbindungen  zu  erzeugen  ver- 
mögen und  also  die  Existenz  der  Pflanzenwelt  zu  ihrer  Existenz 
voraussetzen.  Wie  nun  zuerst  die  organischen  Wesen  entstanden 
sind,  auf  welche  Art  eine  Kraft,  die  "zur  Bildung  und  Erhaltung 
der  oiganischeii  Materie  durchaus  nothwendig  ist,  aber  anderseits 
sich  auch  nur  an  organischen  Materien  äussert,  zur  Materie  ge- 
kommen ist,  liegt  ausser  aller  Erfahrung  und  Wissen.  Es  lässt 
sich  auch  nicht  der  Knoten  zerhauen,  indem  man  behauptet,  die 
organische  Ki’aft  wohne  von  EAvigkeit  der  Materie  bei,  als  wenn 
organische  Kraft  und  organische  Materie  nur  verschiedene  Be- 
trachtungsweisen desselben  Gegenstandes  wären;  denn  in  derXhat 
sind  die  organischen  Erscheinungen  nur  einer  gCAvissen  Comhlna- 
tion  der  Elemente  eigen , tind  seihst  die  lebensfähige  organische 
Materie  zerfällt  in  unorganische  Verbindungen,  sobald  die  Ur- 
sache der  organischen  Erscheinungen,  die  Lebenskraft,  auf  hört. 
Indess  die  Lösung  jenes  Problems  xväre  überhaupt  nicht  die  Auf- 
gabe der  empirischen  Physiologie,  sondern  der  Philosophie.  Da 
die  Ueberzeugung  in  der  Philosophie  und  in  den  Naturwissen- 
schaften eine  ganz  verschiedene  Basis  hat,  so  sind  wir  hier  zu- 
nächst darauf  angewiesen,  das  Feld  einer  denkenden  Erfahrung 
nicht  zu  verlassen.  Wir  müssen  uns  also  bescheiden  zu  wissen, 
ilass  die  Kräfte,  xvelche  die  organischen  Körper  lebend  machen, 
eigen thiimlich  sind,  und  dann  die  Eigenschaften  derselben  näher 
untersuchen. 


Theilhaf^g^f  «nc?  Vntheilharkeit  d.  unorgan.  u.  organ.  Körper,  if) 


Vom  Organismus  und  vom  Leben. 

den  organischen  Körper  unterscheiden  sich  nicht  hloss  von 
^^organischen  durch  die  Art  ihrer  Zusammensetzung  aus  Ele- 
enten,  sondern  die  beständige  Thätigkeit,  weiche  in  der  lehen- 
en  organischen  Materie  wirkt,  schaiFt  auch  in  den  Gesetzen  ei- 
nes  vernünftigen  Plans  mit  Zweckmässigkeit,  indem  die  Theile 
zum  Zwecke  eines  Ganzen  angeordnet  werden,  und  diess  ist  ge- 
rade, was  den  Organismus  auszeichnet.  Kant  sagt:  die  Ursadie 
er  Art  der  Existenz  hei  jedem  Theile  eines  lebenden  Körpers 
IS  jm  Ganzen  enthalten,  während  bei  todten  Massen  jeder  Theil 
sie  in  sich  seihst  trägt.  Durcli  diesen  Charakter  begreift  man. 
Warum  ein  blosser  Theil  des  organischen  Ganzen  meist  nicht  fort- 
e , warum  der  organische  Körper  ein  Individuum,  ein  TJntheil- 
iiares  scheint.  Insofern  nun  die  Theile  ungleiehartigo  Glieder 
eines  Ganzen  sind,  kann  auch  der  Stamm  nacli  dem  Verlust  eines 
das  Ganze  iiitegrirenden  Theiles  nieht  fortlehen.  Kur  dann,  wenn 
sehr  einfache  Thiere  oder  Pflanzen  eine  gewisse  Summe  gleich- 
artiger Theile  besitzen,  oder  wenn  die  zum  Ganzen  gehörigen 
ungleichartigen  Glieder  in  jedem  Abschnitt  des  Ganzen  sich  fort- 
^ ^^*^7  kann  das  Ganze  sicli  theilen,  und  die  getrennten  Stücke, 
weiche  nun  aucli  noch  die  ungleichartigen  Glieder  des  Ganzen, 
aßer  von  geringerer  Anzahl  enthalten,  leben  fort.  Ahgeschnittene 
Zweige  von  Pflanzen  werden  eingepflanzt  wdeder  zu  neuen  Indi- 
viduen. Die  verschiedenen  Theile  von  Pflanzen  sind  einander 
wde^d*°  '^inlich,  dass  sie  sich  in  einander  umwandeln  können, 
GoFTH^f  Wurzeln,  die  Staubfäden  in  Blumenblätter. 

einfachpTm^^^^'^^*^'^^  i^anzcTz.  Hieher  gehören  auch  einige 
Polvne  die  Polypen.*  Stücke  eines  durchschnittenen 

von  wieder  fortvvachseii  gesehen,  wie  die  Versuche 

nifT  Boesel  und  Anderen  beweisen.  Ehen  so  mit  ei- 

Ah  'l  . '^^^oi’n,  z.  B.  Naiden,  hei  welchen  man  in  verschiedenen 
sc  mitten  des  Körpers  ungefähr  dieselben  ungleichartigen,  qua- 
^orschiedenen  'Theile,  wde  des  Darmes,  der  Nerven,  der 
u gefässe,  sich  fortsetzen  sieht.  Diese  Thiere  hat  man  durch 
lei  ung  sich  fortpflanzen  gesehen.  Bonnet  will  sogar  ein  Wie- 
Ergänzen  hei  den  Stücken  eines  getheilten 
ser^^m**™^*  ^ßdien.  Allein  eine  solche  Trennung  die- 

Bven  ■wobei  die  getrennten  Stücke  nicht  mehr  die  qualita- 

2unij  ü *^‘^*0*’  *^0®  Ganzen  enthalten,  könnte  auch  keine  Fortset- 
Menscl*^*  Bebens  zulassen.  Bei  den  höheren  Thieren  und  heim 
Glieder^j  Sioht  es  gewisse  Organe,  d.  h.  qualitativ  verschiedene 
bun»  d *^0*  ohne  Verlust  des  Lehens,  ohne  Aufhe- 

auc^  “fgrifts  vom  Ganzen,  nicht  entfernt  W’crden  können  und 
Lunsen*^^  wie  Gehirn  und  Rückenmark,  Herz, 

unhed’  ’ '^**^ßihanal  etc.  Andere  Theile  dagegen,  welche  keine 

1 ßolhwendigcn  Glieder  im  Begriff  des  Ganzen,  oder  welche 

1 , ? Vorhanden  sind,  können  entfernt  werden , dagegen  kann 

IC  1 ein  Theil  der  höheren  Thiere  getrennt  fortlehen , weil 

2* 


iJO  Prolegomena.  2.  Oiganismus.  Zweckmässigkeit  d.  Gestalimg. 

keiner  die  integrirenden  -qualitativen  Glieder  des  Ganzen  enthält. 
Nur  das  Ei,  der  Reim  selbst,  ist  in  diesem  Zustande,  weil  die  or- 
ganisebe  Kraft  die  integrirenden  Tbeile  des  Ganzen  noeb  nicht 
gebildet  bat,  und  entwickelt  sieb  getrennt  von  dem  Ganzen  zum 
neuen  Ganzen.  Im  Organismus  ist  also  eine  die  Zusammenset- 
zung aus  ungleichen  Gliedern  beberrsebende  Einheit  des  Ganzen. 
Aus  den  eben  mitgetbeiltcn  Tbatsacben  siebt  mau,  dass  die  or- 
ganischen Körper  nicht  absolut  untbeilbar  sind,  sie  sind  vielmehr 
dann  immer  mit  Erhaltung  ihrer  Kräfte  tbeilhar,  wenn  die  ge- 
trennten Stücke  noch  die  qualitativ  verschiedenen  Glieder  des 
Ganzen  in  einer  gewissen  Ausdehnung  enthalten,  und  selbst  bei 
der  Zeugung  der  höchsten  Thiere  und  Pflanzen  findet  ja  eine 
Tbeilnng  statt.  Die  unorganischen  Körper  kann  man  dagegen  in 
einem  weit  ausgedehntem  Sinne  theilen,  ohne  dass  die  Tbeile  die 
chemischen  Eigenschaften  des  Ganzen  verlieren , man  kann  sie 
nach  einem  gewöhnlichen  Ausdruck  ins  Unendliche  theilen,  d.  h. 
nach  der  atomistischen  Lehre  bis  atif  die  Uratome,  welche  ihrer 
Kleinheit  wegen  den  Sinnen  entgehen  und  in  chemisch  zusam- 
mengesetzten Körpern  bis  auf  die  aus  verschiedenen  constituiren- 
den  Atomen  zusammengesetzten  Molecule,  welche  ebenfalls  den 
Sinnen  entgehen.  Doch  gieht  es  auch  unter  den  unorganischen 
Körpern  solche,  w'elche  nicht  bis  auf  die  Urtheilchen  theilhar 
sind,  ohne  von  ihren  Eigenschaften  zu  verlieren;  ich  meine  die 
Crystalle.  Diese  sind  nur  in  gcw'issen  Richtungen  leicht  theilhar, 
und  die  Tbeile,  die  dadurch  gewonnen  werden,  sind  doch  schon 
oft  von  der  Form  des  Ganzen  verschieden,  daher  Einige  auch 
die  Crystalle  als  Individuen  betrachten,  welche  durch  die  fort- 
gesetzte Thätigkeit  der  Kraft  bestehen,  die  sie  bildete,  und  ver- 
gehen, w'enn  äio  äusseren  chemischen  (Verwittern)  oder  mechani- 
schen Einflüsse  über  ihre  Crystallisationskraft,  Härte,  das  Ueber- 
gewicht  erlangen.  Vergl.  Moas  Grundriss  der ^lineralogie.  I.  Vor- 
rede pag.  6.  Allein  wenn  man  auch  die  Crystalle  in  diesem  Sinne 
als  Individuen  betrachten  wollte,  so  ist  doch  der  grosse  Unter- 
schied, dass  die  Molecule  der  Crystalle  gleichartig  im  ganzen 
Crystall  sind,  und  dass  derCi-yslall  wenigstens  in  gleichartige  Ag- 
gregate der  Molecule  theilhar  ist,  während  die  organischen  Kör- 
per aus  ganz  verschiedenen  Gliedern  eines  Ganzen  z.  B.  Geweben 
mit  besonderen  Eigenschaften  zusammengesetzt  sind.  Organische 
Comhinationen  sind  übrigens  nie  in  den  organischen  Köi-pern  zur 
Zeit  ihres  Lehens  crystallisirt.  Ist  ein  unorganischer  Körper  ein 
Aggregat  von  verschiedenartigen  gemengten  Substanzen,  so  fehlt 
der  Bezug  dieser  Tbeile  für  das  Bestehen  des  Ganzen. 

Die  Zusammensetzung'  der  organischen  Körper  aus  ungleich- 
artigen Gliedern  eines  Ganzen  nach  dem  Gesetze  der  Zweckmäs- 
sigkeit lässt  sogleich  «auch  die  Nothwendigkeit  eines  durchgreifen- 
den Unterschiedes  der  äussern  und  innern  Gestaltung  der  orga- 
nischen Körper  und  Organe  von  den  unorganischen  Körpern  ein- 
sehen.  Wii‘  bewundern  in  dem  ganzen  Thiere  nicht  allein  den 
Ausdruck  der  waltenden  Kräfte,  wie  die  Crystallisation  der  Erfolg 
einer  gewissen  Kraft  in  einer  binären  Comhination  ist,  sondern 
die  Gestalt  der  Thiere  und  Organe  zeigt  auch  wieder  die  ver- 


Crystallisation  und  Organisation. 


21 


eine  ■^'^sütimg  der  Kräfte, 

,T’^‘^**^3J>ilirte  IlaiTaonic  der  Organisation  mit  den  Fäliigkeitcn 
jede  *Tri  Ausübung  dieser  Fälligkeiten  des  Ganzen,  wie 

„g„  ^ *'\eil,  z.'B.  das  Auge,  Gcliörorgan,  zeigt.  Die  Crystalle  da- 
die  durclians  keine  Zweckmässigkeit  der  Gestaltung  für 

. ‘^bgkeit  des  Ganzen,  weil  der  ganze  Crystall  nicht  ein  aus 
Gcwclien  zusammen^setztes  zweckmässiges  Ganze 
) sondern  durch  Aggregation  gleichartiger  Elemente  oder  Bil- 
'^ngstheile  entsteht,  welche  denselben  Gesetzen  der  crystalUni- 
c len  Aggregation  unterworfen  sind.  Daher  wachsen  auch  die 
rystalle  durch  äussere  Aggregation  an  die  zuerst  gebildeten  Theile, 
i agegen  die  verschiedene  Organisation  neben  einander  yerhunde- 
ner  Theile  in  dem  organischen  Körper  meist  gleichzeitig  ist,  so 
t ass  das  Wachsthum  der  organischen  Körper  von  allen  Partikeln 
t er  Substanz  aus  gleichzeitig  geschieht,  während  die  Vermehrung 
nnorganischen  Körpern  durch  äussere  Apposition 
gesclueht.  Sehr  schöne  weitere  Vergleichungen  zwischen  der  Or- 
ganisation und  Crystallisation  hat  E.  11.  Weber  in  seiner  allge- 
laemen  Anatomie  gegeben. 

Das  Gesetz  der  organischen  Gestaltung,  Zweckmässigkeit,  be- 
lerrscht  nicht  allein  die  Bildung  ganzer  Organe,  sondern  auch 
einfachsten  Elementargewebe,  wie  cs  sich  denn  in  der  Folge 
wird,  dass  die  mannigfachen  Formen  absondemder  Driisen- 
S«bude  nur  auf  der  verschiedenen  ,A.rt  beruhen,  wie  eine  grosse 
»«sondernde  Fläche  im  kleinen  Raume  realisirt  werden  kann.  Die 
■'aserbildnng  der  Muskeln  ist  nothwendig,  wenn  ein  Organ  in  ei- 
«er  gewissen  Bichtung  durch  winkelförmige  Kräuselung  der  Fa- 
de^N  werden  soll,  und  so  wird  sich  auch  in  der  Physik 
gewIssr^^S Zertheilung  der  Verven  in  eine 
ortlicl  einfacher,  nicht  communicirender  Primi tivläsern 

Diesell'^  «^'''«nwirknng , örtliche*  Empfindung  unmöglich  iväre. 

^ le  Zweckmässigkeit  zeigt  sich  eben  so  nothwendig  in  der 
^^rgamsation  der  Pflanzen.  Da  die  Organe  der  Pflanzen  -weniger 
• S ®*««ärtig  und  zahlreich  und  weniger  im  Innern  verborgen 
> sondern  an  der  Oberfläche  sieb  ausbreiten,  und  iveil  die 
ten  ^ der  Aussenwclt  weniger  von  einzelnen  Punk- 

AI?  '««  der  ganzen  Oberfläche  geschieht,  so  zeigt  das 

Fflanzenbildung  eine  mit  vollkommner  Zweckmäs- 
hild^*^  vermehrende  Oberfläche  in  den  mannigfoltigen  Blatt- 
««d  die  einzelnen  Formen  der  Oberflächenvermebrung 
^ann*'^  reichlich,  als  sie  die  lebendigste  Phantasie  nicht  erdenken 
such  i denn  ein  grosser  Theil  der  Terminologie  nur  ein  Ver- 
«rö"llch  ’ «iu  mit  der  Natur  gleichlaufendes  Schema  der 

des^Ve  K ^^»«^®«’'^6rmehrung  durch  AJjänderung  der  Blätter  und 
Einzige^  ^^^^*^***^*  zu  Stiel,  Zweig,  Ast,  Stamm  zu  entwerfen.  Das 
passend^  man  in  den  organischen  und  unorganischen  Körpern 
den  ver  kann,  ist  die  Art,  wie  die  Symmetrie  in  bei- 

Die  Cryslalle  haben  symmetrische  und  asym- 
. •*’  1 ^ Flächen,  Winkel,  Ecken.  Auch  dleThiere  haben  sym- 
niet'^‘**^h*^  asymmetrische  Theile,  und  die  Gesetze  der  sym- 
risc  en  asymmetrischen  organischen  Gestaltung  zeigen 


22 


Prolegomena.  2.  Organismus, 


Shnliclie,  mannigfaltige  AL'änclernngen.  Die  Urform  des  tWeri- 
sclien  Reimes  ist  z.  B.  eine  rundliche  platte  Scheibe,  der  Hah- 
nentritt im  Vogelei,  besser  die  Keimscheihe,  blastoderma,  welche 
im  Ei  des  Eierstocks  nach  den  Untersuchungen  von  Purkinje 
und  Baxh  ein  Bläschen  zu  seyn  scheint.  Scheibenförmig  zeigt 
sich  der  Keim  auch  bei  Wirbellosen,  wie  ich  hei  Planarid  gesehen. 
Die  Form  des  Eies  und  Dotters  darf  man  mit  der  . Form  des 
Reimes  nicht  verwechseln.  Anders  sind  die  ausgebildeten  Formen. 
Wir  unterscheiden  z.  B.  einqn  strahlenförmig  .symmetrischen  Ty- 
pus in  den  Radiarien,  mit  gleichartigen  Tlieilen  um  einen  gemein^- 
samen  Mittelpunkt,-  wobei  das  Asymmetrische  bloss  die  Vorder- 
und  Ilinterseite  der  sternförmigen  Organisation  ist.  Wir  unter- 
scheiden 2.  die  Symmetrie  gleichartiger  Theile  auf  einem  ästigen 
Typus,  wie  in  den  Pflanzen  die  Blätter  und  Blüthen  das  sich  wie- 
derholende Symmetrische,  die  Polypen  das  Symmetrische  auf  dem 
verzweigten  Polypenstamm  sind.  Wir  unterscheiden  3.  die  rei- 
henförmige Symmetrie  in  der  Succession  gleichartiger  Theile  von 
vorne  nach  hinten  bei  den  Würmern,  wo  die  asymmetrischen 
Theile  nur  Bauch  und  Rücken  sind.  4.  Endlich  unterscheiden 
wir  die  doppelseitige  Symmetrie  in  der  bloss  seitlichen  Wieder- 
holung gleicher  Theile  bei  den  höheren  Thieren  und  beim  Men- 
schen , wo  das  Asymmetrische  die  hinter  einander  liegenden  Or- 
gane, und  die  Asymmetrie  von  Bauch-  und  Rikkenfläche  sind. 
Bei  vielen  Thieren  ist  die  seitliche  Symmetrie  zum  Theil  mit  der 
successiven  Symmetrie  von  vorne  nach  hinten  verbunden,  wie  bei 
den  höheren  Thieren  in  den  Wirbeln.  Abgesehen  davon,  dass 
die  Symmetrie  und  Asymmetrie  der  crystallisirlen  unorganischen 
Körper  immer  in  ebenen  Flächen  und  geraden  Linien  stattfindet, 
wovon  sich  das  Gegcntheil  bei  den  organischen  Körpern  zeigt,  so 
bleibt  immer  noch  der  grosse  Unterschied,  dass  svmmetrische  und 
asymmetrische  Theile  derCrystalle  eine  einfache  Zusammensetzung 
haben,  dass  dagegen  die  Theile,  welche  sich  bei  organischen  Kör- 
pern symmetrisch  wiederholen,  seihst  erst  aus  ungleichartigen  Ge- 
weben zusammengesetzt  sind.  Welche  Ursachen  übrigens  die  an- 
geführten verschiedenen  Typen  der  organischen  Symmetrie  be- 
dingen , und  welche  Gründe  in  dem  Keime  zuerst  die  Lage  der 
Achsen  z.  B.  für  die  doppelseitige  Symmetrie,  das  Vorn  und  Hin- 
ten, und  die  Bauch-  und  Rückenseite  in  den  höheren  Thieren 
bestimmen,  können  wir  eben  so  wenig  ahnen,  als  die  Ursachen 
der  symmetrischen  Crystallbildung.  Die  Organtheile  des  Orga- 
nismus' sind  übrigens  nie  crystallinisch,  und  wenn  auch  einige 
Fettarten  im  reinen  Zustande  crystallisiren,  so  gilt  diess  mir,  wenn 
sie  den  nusseren  Einflüssen  unterworfen  und  der  Lebenskraft  ent- 
zogen sind;  eben  so  mit  dem  Zucker,  dem  Harnstoff,  der  Harn- 
säure. Die  meisten  Säfte  und  organischen  Stoffe  crystallisiren 
nicht  einmal  ausser  dem  lebenden  Organismus.  Der  Rückgraths- 
kanal  und  die  Schädelhöhle  der  Frösche  enthalten  um  die  Cen- 
traltheile  des  Nervensystems  eine  Lage  von  breiartiger  weisser 
Materie,  die  nach  EnRENBEiio’s.  und  Huschke’s  Entdeckung  ans 
microscopischen  Ci’ystallen  von  kohlensanrem  Kalke  besteht.  An 
der  Bauchhaut  der  Fische  und  im  Silberglanzc  der  Chorioidea 


23 


Erzeugung  der  Theilo  des  Ganzen. 

der  Fisclie  hat  EnRENBEaa  auch  mlcroscopische  Crystalle  aus  ei- 

^^'Sanischcn  Materie  entdeckt.  Mueller’s  Archiv  für  Anat, 
p.  458. 

Ich  habe  ]jis  jetzt  hloss  die  Eigenthümlichkelt  der  organi- 
schen Körper  untersucht,  dass  sie  organische  Ganze  sind,  aus  un- 
S^leichartigen  Organen  zusammengesetzt,  welclie  den  Grund  ihrer 
Existenz  in  dem  Ganzen  haben,  wie  Rast  sich  ausdruckte.  Die 
J^cganisclie  Kraft  des  Ganzen,  welche  die  Existenz  des  Einzelnen 
bedingt,  bat  aber  auch  die  Eigenschaft,  dass  sie  die  zum  Ganzen 
nothwendigen  Organe  ans  organischer  Materie  erzeugt.  Einige 
haben  geglaubt,  das  Leben  oder  die  Thätigkeit  der  organischen 
Körper  sey  nur  die  Folj^e  der  Harmonie,  des  Ineinandcrgrellens 
gleichsam  der  Räder  der  Maschine,  und  der  Tod  , sey  durch  eine 
Störung  dieser  Harmonie  bedingt.  Die  Harmonie,  dieses  Ineinan- 
dergreifen findet  offenbar  statt;  denn  das  Athmen  in  den  Lungen 
ist  die  Ursache  der  Thätigkeit  des  Herzens,  und  die  Bewegung 
des  Herzens  bringt  in  jedem  Augenblick  dem  Gehirn  das  durch 
das  Athmen  veränderte  Blut,  wodurch  das  Gehirn  alle  übrigen 
Organe  belebt,  und  wieder  die  Athernbewegungen  bedingt.  Der 
äussere  Impuls  zu  diesem  Getriebe  ist  aber  die  atmosphärische 
Lcilt  beim  Athrrien.  Jede  Verletzung  einer  dieser  llaupttriebfe- 
dern  in  dem  Mechanismus  des  organischen  Körpers,  jede  grössere 
Verletzung  der  Lungen,  des  Herzens,  des  Gehirnes  kann  die  Ur- 
sache des  Todes  werden,  daher  man  sic  die  cifria  morlis  genannt 
hat.  Allein  diese  Hai'monic  der  zum  Ganzen  nothwendigen  Glie- 
der besteht  doch  nicht  ohne  den  Einfluss  einer  Kraft,  die  auch 
durch  das  Ganze  hindurch  w'irkt,  und  nicht  von  einzelnen  Thei- 
len  abhängt,  und  diese  Kraft  besteht  früher  als  die  harmonischen 
beder  des  Ganzen  vorhanden  sind;  sie  werden  bei  der  Entwik- 
kclung  des  Embrvo’s  von  der  Kraft  des  Keimes  erst  geschaffen. 

ei  einem  zweckmässig  zusammengesetzten  Mechanismus,  z.  B.  ei- 
ner  Uhr,  kann  das  zweckmässige  Ganze  eine  aus  der  Zusammen- 
wirkung der  einzelnen  Theile  hervorgehendc  Thätigkeit  zeigen, 
die  von  einer  Ursache  aus  in  Bewegung  gesetzt  wird;  allein  die 
organischen  Wesen  bestehen  nicht  bloss 'durch  eine  zuf  ällige  Ver- 
bindung ihrer  Elemente,  sondern  erzeugen  auch  die  zum  Ganzen 
nothwendigen  Organe  durch  ihre  Kräfte  aus  der  organischen  Ma- 
J^rie.  Diese  vernünftige  Schöpfungskraft  äussert  sich  in  jedem 
Thiere  nach  strengem  Gesetz,  w'ie  es  die  Natur  jedes  Thieres  er- 
ordert;  sie  ist  in  dem  Keime  schon  vorhanden,  ehe  selbst  die 
Späteren  Theile  des  Ganzen  gesondert  vorhanden  slüd,  und  sie  ist 

Welche  die  Glieder,  die  z'um  Begriff  des  Ganzen  gehören,  wirk- 
kel*  ®^'*ougt.  Der  Reim  ist  das  Ganze  jwlentia,  bei  der  Entwik- 
des  Keimes  entstehen  die  integfirenden  Theile  des  Ganzen 
I V^ir  sehen  dicSs  Werden  des  Einzelnen  aus  dem  potentieU 
+6+*  vor  unseren  Augen  bei  der  Beobachtung  des  bebrü- 

A.II0  Theile  des  Eies  sind  bii  auf  die  Keimscheibe, 
»asoderrria^  nur  zur  Nahrung  des  Reimes  bestimmt-,  die  ganze 
Kiatt  des  Eies  ruht  nur  in  der  Keimscheibe,  und  da  äussere  Ei n- 
"j  . jjogen  fiix  die  Keime  der  verschiedensten  organischen  Wesen 
gleich  sind,  so  muss  man  die  einfache,  aus  körnigem  formlosem 


Prolegomena.  2.  Organismus, 


24 

Stoffe  bestehende  Keimscheibe  als  das  potentielle  Ganze  des  spä- 
tem Thieres  betrachten,  begabt  mit  der  wesentlichen  und  spe- 
cifiscben  Kraft  des  spätem  Thieres,  fällig,  das  Minimum  dieser 
specifisdien  Kraft  und  Materie  durch  Assimilation  der  Materie  zu 
vei’grössern.  Dieser  Keim  breitet  sich  zur  Keimhaut  aus,  welche 
den  Dotter  luuwächst,  und  die  Organe  des  Thieres  entstehen 
durch  Umwandlung  des  Keimes,  indem  zuerst  die  Elemente  des 
Nervensystems,  des  Damischlanchs,  des  Gefässsysteras  entstehen, 
und  selbst  wieder  aus  den  Elementen  der  organischen  Systeme  die 
Details  der  Organisation  sich  immer  weiter  ausbilden,  so  dass  man 
die  erste  Spur  der  Centraltheile  des  Nervensystems  weder  für 
Gehirn,  noch  für  Rückenmark,  sondern» für  das  noch  potentielle 
Ganze  der  Centraltheile  des  Nervensystems  halten  muss.  Auf  glei- 
che Ai’t  entstehen  die  Theile  des  Herzens  sichtbar  aus  einem 
gleichartigen  Schlauche,  und  die  erste  Spur  des  Darmschiauches 
ohne  Speicheldrüsen,  Leber,  Ist  mehr  als  Darraschlauch,  sondern 
das  potentielle  Ganze  des  Digestionsapparates,  weil  Leber,  Spei- 
cheldrüsen, Pancreas,  wie  voabAER  zuerst  entdeckt  hat,  aus  dem, 
was  man  für  Rudiment  des  Darmschlauches  hält,  wirklich  sich 
durch  weitere  \egetatlon  sichtbar  entwickeln.  Es  kann  jetzt  nicht 
mehr  bezweifelt  werden,  .dass  der  Keim  nicht  die  blosseAIiniatur 
der  spätci-en  Organe  ist,  wie  Bosset  und  Haller  glaubten,  son- 
dern dass  der  Keim  das  von  der  specilischen  organischen  Kraft 
beseelte  und  bloss  potentielle  Ganze  ist,  welches  aciu  sich  entwik- 
kclt  lind  die  Glieder  zur  Thäiigkeit  des  Ganzen  neben  einander 
erzeugt.  Demi  der  Keim  selbst  ist  nur  formlose  Materie  und  die 
ersten  PLudimente  der  Organe  werden  nicht  durch  Vergrösserung 
erst  sichtbar,  sondern  ihr  erstes  Erscheinen  ist  deutlich  und  die 
Rudimente  sind  sogleich  schon  ziemlich  gross,  aber  einfach,  so 
dass  wir  aus  der  Umgestaltung  des  einfachen  Organes  die  spätere 
Zusammensetzung  desselben  entstehen  scheu.  Diese  Bemerkungen 
sind,  heut  zu  Tage  keine  Meinungen  mehr,  sondern  facta,  find 
nichts  ist  deutlicher  als  die  Entstehung  der  Drüsen  aus  dem  Darm- 
schlauch, die  Entstehung  des  Darms  aus  dem  sich  absondernden 
Theile  der  Keimhaut.  Hätte  Er.vst  Stahl  diese  Thatsachen  ge- 
kannt, so  ivürde  er  noch  mehr  in  seiner  berufenen  Ansicht  be- 
stärkt worden  seyn,  dass  die  vernünftige  Seele  selbst  das  primum 
mooens  der  Organisation,  dass  sie  selbst  der  letzte  und  einzige 
Grund  der  organischen  TJiätigkeit  sey,  dass  die  Seele  ihren  Köi’- 
per  nach  den  Gesetzen  ihrer  Wirksamkeit  zweckmässig  baue  und 
erhalte,  und  dass  durch  ihre  oi’ganische  Tliäligkeit  die  Heilung 
der  Krankheiten  geschehe.  SItahl's  Zeitgenossen  und  Nachfolger 
haben  diesen  grossen  Mann  zum  Theil  nicht  verstanden,  wenn  sie 
glaubten,  nach  seiner  Ansicht  sollte  die  Seele,  welche  vorstellt, 
mit  Bewusstseyn  und  Aljsicht,  auch  die  Organisation  betreiben. 
Stahl’s  Seele  ist  die  nach  vernünftigem  Gesetz  sicli  äussernde 
Kraft  der  Organisation  selbst.  Allein  Stahl  ist  darin  zu  weit 
gegangen,  wenn  er  die  mit  Bewusstseyn  verbundeneu  Seelenäus- 
serungen in  gleichen  Rang  mit  der  zweckmässig,  aber  nach  blin- 
der Nothwendigkeit  sich  äussernden  Oi'ganisationskratt  stellte. 
Die  organisirende  Kraft,  die  nach  ewigem  Gesetz  die  zum  Be- 


Lebenskraft  und  organische  Materie.  25 

wohl*'  Gfinzen  nöthigen  Glieder  erzeugt  und  belebt,  residirt 
nocl  ^ einem  Oi’gan;  sie  äussert  sieb  ln  der  Ernährung 
das  ' hirnlosen  Missgeburt  bis  zur  Geburt;  sie  verändert 

der  • vorhandene  Nervensystem  wie  alle  übrigen  Organe  bei 
ten  '’<^rwandelnden  Insectenlarve,  so  dass  dann  mehrere  Rno- 
sie  versclnvinden  und  andere  sich  vereinigen, 

bewirkt,  dass  bei  der  Umwandlung  des  Frosches  das  Rücken- 
. , ®*ch  verküi’zt,  in  dem  Maass,  als  der  Schwanz  seine  Orga- 

‘sation  verliert  und  die  Nerven  der  Extremitäten  entstehen.  Die 
cwusstlos  wirkende  zweckmässige  Thätigkcit  wirkt  auch  in  den 
Erscheinungen  des  Instinctes.  CuviEa’sagl  davon  sehr  schön  und 
Verständlich , dass  die  Thiere  beim  Instinct  gleichsam  von  einer 
ängebornen  Idee,  von  einem  Traum  verfolgt  werden.  Allein  dasje- 
was  diesen  Traum  erregt,  kann  nur  die  nach  vernünftigen 
esetzen  wirkende  organisirende  Ki’aft,  die  Endursache  eines;  Ge- 
schöpfes seihst  scyn.  Diese  ist  vor  allen  Organen  im  Keim  vor- 
handen, und  scheint  daher  auch  im  Erwachsenen  au  kein  Organ 
gehnnden;  das  BcuTisstsevn  dagegen,  welches  keine  organischen 
froducte  erzeugt,  sondern  nur  Yorstelluhgen  bildet,  ist  ein  spä- 
6s  Erzeugniss  der  Entwickelung  selbst  und  an  ein  Organ  gebun- 
66 > von  dessen  Integrität  das  Bewusstseyn  ahhängl,  wenn  das, 
i^ntum  movens  zweckmässiger  Organisation  selbst  in  der  hirnlosen 
^ issgehurt  noch  fortwirkt,  ln  den  Pfl^zen  fehlt  das  Bewusst- 
Ph**  dem  Nervensystem,  während  die  nach  dem  Ui'bllde  der 
tanzenspecies  wirkende  Kraft  der  Organisation  vorhanden  ist. 
dai’f  daher  die.  organisirende  Kraft  nicht  mit  etwas  dem  Gei- 
^JJ^“6wusstseyn  Analogen,  man  darf  ihre  blinde  nothwendige  Tha- 
eit  mit  keinem  Begriffhilden  vergleichen.  Unsere  Begriffe  vom 
eani  Ganzen  sind  bfossc  bewusste  Vorstellungen.  Die  or- 

ist  cln*^  ^vaft  dagegen,  die  Endursache  des  organischen  Wesens, 
Or  *^‘6  Materie  zvveclunässig  verändernde  Schöpfungskralt. 

ganischcs  Wesen,  Organismus,  ist  die  factische.  Einheit  von  or- 
ganischer Schöpfungskralt  und  organischer  Materie.  Ob  beide 
^ema  s getrennt  gewesen  seyen,  ob  die  schaffenden  Urbilder,  die 
wigen  Ideen  Plato.v’s,  wie  er  im  Timaeus  deutete,  zu  irgend  ei- 
ner 4eit  zur  Materie  gelangt  sind,  und  sich  von  da  an  in  jedem 
^.6nd  jeder  Pflanze  fortan  verjüngen,  ist  kein  Gegenstand 
Wissens,  sondern  der  iinerwelslichen  Mythen,  Traditionen, 
uns  die  Grenze  unseres  blossen  Bewusstseyns  deutlich  genug 


die 
anzeii 


Thatsächliche  ist,  dass  jede  Thierfprm,  jede  l'llap' 
6s  b unabänderlich  durch  ihfe  Producte  erhält,  und  dass 

I'flan^^  ®‘U6r  ungefähr  berechneten  Anzahl  von  so  vielen  tauscjiff, 
zujc  Thicrarten  keine  wahj('en.Uehergänge  vpn  einer. Art 

der  Pf].*^***’  einer  Gattung  zur  andern  giebt;  jede  Familie 

physiscl'**'*^'^ ’ . Thiere,  jede  Gattung,  jede  Art  ist  , an  gewisse 
wisse  ^ßdingungen  ihrer  Existenz  auf  der  Erde,  an  eine  ge- 
nisse  „^”^P®^utur  und  bestimmte  physisch-geographische  Verhält- 
iincndr  vvelche  sic  gleichsam  erschaffen,  ln  dieser 

• 1 Mannigüdtigkeit  der  Geschöpfe,  in  dieser  Gesetzmäs- 

Uafürliehen  KJ-assen,  .ji’ijpiilien,  Gattungen  imd  Arten, 
sser  sich  eine  das  Eelicn  auf  der  ganzen  Erde  bedingende  ge- 


26  Prolegomena.  1.  Organismus.  Form  und  Mischung. 

meinsame  Scliöpfungskraft.  Aber  alle  diese  Arten  des  Organis- 
mus, alle  diese  Thiere,  die  gleichsam  eben  so  viele  Arten,  die 
umgebende  Welt  mit  Empfindung  undReaction  zu  geniessen,  sind, 
sind  von  dem  Zeitpunkte  ihrer  Schöpfung  selbstständig;  die  Art 
vergeht  mit  der  Ausrottung  der  productiven  Individuen,  die  Gat- 
tung ist  nicht  mehr  fähig,  die  Art  zu  erzeugen,  die  Familie  nicht 
fähig,  die  Gattung  herzustellen.  Thierarten  sind  im  Verlaufe  der 
Erdgeschichte  durch  Revolutionen  der  Erdrinde  untergegangen 
und  in  den  Trümmern  vergraben;  sie  gehören  theils  ausgcstor- 
henen,  theils  noch  lebenden.  Gattungen  an. 

Das  Sludinra  der  aufeinander  liegenden  Erdschichten,  worin 
die  Reste  organischer  Geschöpfe  Vorkommen,  scheint  zu  beweisen, 
dass  nicht  alle  Wesen,  welche  ihre  Reste  auf  der  Erde  zurückge- 
lassen, zugleich  auf  der  Erde  gelebt  haben,  dass  die  einfachen 
Geschöpfe  auch  zuerst  die  Erde  bewohnt  haben , und  die  Reste 
der  höheren  Thiere  und  besonders  des  Menschen  kommen  nicht 
in  den  tieferen  Lagern  solcher  Niederschläge  vor,  welche  orga- 
nische Reste  enthalten.  Aber  keine  Thatsache  berechtigt  uns  zu 
Vermuthungen  über  den  ersten  oder  spätem  Ursprung  der  Ge- 
schöpfe, keine  zeigt  uns  die  Möglichkeit,  alle  diese  Verschieden- 
heiten durch  Umwandlung  zu  erklären,  da  alle  Geschöpfe  die  ih- 
nen gegebene  Form  unabänderlich  erhalten. 

Die  faclische  Einheit  der  organisirenden  Kraft  und  der  or- 
ganisirten  Materie  licssc  sich  besser  begreifen,  wenn  es  sich  be- 
weisen liesse,  dass  die  organisirende  Kraft  und  alle  Lchenser- 
scheinungen  erst  die  Folge,  der  Ausdruck,  die  Eigenschaft  einer 
gewissen  Comhination  der  Elemente,  die  Folge  der  Mischung 
seyen.  Der  Unterschied  der  belebten  tihd  unbelebten  organischen 
Materie  bestände  dann  darin,  dass  in  der  letztem  der  Mischungs- 
zustand der  Elemente  verändert  worden.  In  der  That  hat  Joii. 
C.  Reii.  den  kühnen  Versuch  einer  solchen  Darstellung  in  seiner 
hei’ühmten  Abhandlung  über  die  Lehenski-aft,  Reil’s  Archiv  Jiir 
die  Physiologie,  I.  BJ.,  gemacht,  welche  Einige,  wie  RtrDoi.riii, 
als  ein  Meistei-stück  betrachten,  wie  allein  die  Anfangsgründe 
der  Physiologie  gelegt  werden  müssen.  Reie  leitet  den  Grund 
der  organischen  Erscheinungen  von  der  ursprünglichen  Verschie- 
denheit der  Mischung  und  Form  der  organischen  Körper  ab. 
Verschiedenheit  der  Älischung  und  Form  sind  nach  ihm  die  Ur- 
sachen aller  Verschiedenheit  der  organischen  Körper  und  ihrer 
Kräfte.  Werden  zwei  Principien,  Mischung  und  Form,  anerkannt, 
so  bleibt  die  Aufgabe  ungelöst,  und  es  frägt  sich  jetzt  wieder, 
wie  die'  Mischung  zur  Form,  die  Form  zur  Mischung  kam.  Dass 
aber  die  Form  der  organischen  Materie  die  Ai’t  ihrer  Wirkungen 
nicht  ürsprünglich  bestimmt,  zteigt  sich  darin  unwiderleglich,  dass 
die  organische  Materie;  aus  Welcher  alle  Formen  entstehen,"  an- 
fangs fa^t  formlos  ist.  Der  KOhn  ist  lici  allen  Wirhelthicreri  und 
wahrscheinlich  aheh  hei  den  Wirbellosen,  wie  wir  es  von  eini- 
gen wissen  und  ich  cs  von  P/anaria  beobachtet  habe,  eine  runde 
Scheibe  einfacher  Materie;  wU  ist  hier  die  Verschiedenheit  der 
Form'  bei  der  Verschiedenheit  der  Thiere?  Anderseits  wird  die 
Form  der  unorganischen  Körper  immer  erst  durch  ihre  Elemente 


Lelenskrajt  und  organische  Materie. 


27 


Reil  der  Elemente  bestimmt.  Auch  gieht  diess 

ist  s zu;  denn  er  sagt  p.  17:  „Form  der  Materie 

W 1 1 Erscheinung,  die  in  einer  andern,  nämlich  in  der 

ist^‘‘  Grundstoffe  und  ihrer  Productc,  gegründet 

U'  ,”'®raus  würde  folgen,  dass,  wenn  die  Mischung  allein  die 
^ Sache  der  organischen  Kräfte  wäre,  die  Mischung  selbst  zu- 
2 ®'®h  das  formende  Princip  wäre.  Da  nun  die  Mischung  in  den 
®r  organischen  Kräfte  herauhten  organischen  Körpern  unmittel-- 
ar  Hach  dem  Tode  nicht  von  der  Mischung  der  Elemente  wäh- 
lend des  Lehens  verschieden  scheint,  so  musste  Reil  annehmen, 
ass  es  noch  feinere,  von  der  chemischen  Analyse  nicht  erkenn- 
are  Materien  gehe,  welche  in  deiff  helehten  organischen  Körper 
noch  vorhanden  seyen,  in  dem  todten  aher  fehlen.  Es  muss  al- 
Ordings  in  die  Zusammensetzung  der  Stoffe  im  lebenden  Körper 
noch  ein  unbekanntes,  im  REiL’schen  Sinne  feineres,  materielles 
:^incip  eingehen,  oder  die  organische  Materie  muss  durch  die 
Wirkung  unbekannter  Kräfte  die  damit  verbundenen  Eigenthüm- 
l^hkeiten  erhalten.  Oh  man  sich  diess  Princip  als  imponderable 
Materie  oder  als  Kraft  zu  denken  habe,  ist  eben  so  ungewiss,  wie 
nieselhe  Erage  hei  mehreren  wichtigen  Erscheinungen  in  der  Phy- 
und  die  Physiologie  ist  hier  nicht  hinter  den  übrigen  Natur- 
^'ssenschaften  zurück,  denn  die  Eigenschaften  dieses  Priucips 
sind  in  den  Wirkungen  der  Nerven  bald  eben  so  gut  bekannt, 
die  des  Lichtes,  der  Wärme,  der  Electricität  in  der  Physik, 
■^of  jeden  Fall  ist  die  Beweglichkeit  dieses  Priucips  gewiss.  Wir 
orkennen  die  räumliche  Ausbreitung  dieses  Priucips  in  unendlich 
fielen  Lebenserscheinungen.  Wir  sehen,  dass  steif  gefrorne,  der 
laplindung  und  Bewegung  beraubte  Theile  von  der  Grenze  der 
th  ^1  Theile  allmählig  belebt  werden,  wir  sehen  diese  Mit- 
ei  ung  noch  deutlicher  nach  dem  aufgehobenen  Druck  eines 
6rven,  der  das  sogenannte  Einschlafen  der  Glieder  bewirkt  hatte, 
•r  sehen  den  in  der  Entzündung  von  der  Oberfläche  des  Or- 
S^nes  ausgeschwitzten  Faserstoff  belebt  und  orgauisirt  werden. 

le  organische  Kraft  Avirkt  über  die  Grenze  der  Organe  hinaus 
iGi  der  Umwandlung  der  Ihicrischen  Materie  in  den  Gefässen, 
10*  der  Umwandlung  des  Chymus  und  Chylus,  der  in  den  Lymph- 
8®  ässen  bei  seinem  Weiterrücken  neue  Eigenschaften  erhält;  sie 
^rkt  von  den  Wänden  der  Blutgefässe  aus  auf  das  Blut  und  be- 
'Gossen  Flüssigkeit,  Avährend  das  Blut  ausser  den  Gefässen 
allen  Bedingungen  gerinnt,  wenn  es  nicht  zersetzt  wird, 
sßjj  erwähne  ich  mit  AuTENniETH  die  Fähigkeit  der  thieri- 
iuitgg.i'^^®de,  wodurch  ihnen  bald  Lebenskraft  enlzogen.j.  bald 
in  ti  *'^'**'  und  wodurch  sich  die  Lebenskraft  oft  schnell 

der  L*T^  Organe  anhäuft.  Ich  glaube  nicht,  dass  die  Wirkung 
Eiweis'^  in  dem  nicht  bebrüteten  Ei  den  Dotter  und  das. 

eine  a*  Fäulniss  schützt,  wie  HÜnteh  bemerkt,  aber  sogar 
u p*R®tretene  oder  eingeschlossene  oder  krankhaft  angesam- 
• 'j  1 ^^äigkeit,  selbst  zersetzter  Thierstoff,  Eiter,  Avird  länger 
• . . ^^''den  Körper  als  ausser  ihm  vor  Fäulniss  bcAvahrt,  was 
IC  1 1 osg  Abschliessen  von  der  Luft  verursacht,  da  sonst 

gesunkenen  Kräften  oft  schnell  Blut  und  Eiter  im  Körper 


28  Prolegomma.  3.  Organismus,  Lehenshedingungen. 

sicli  zersetzen.  AtTTENHiexH  Physiol.  1.  So  gewiss  ntin  mit  allen 
diesein  Thatsachen  die  Existenz  einer  Oft  sclinell  wirkenden  nnd 
räumlich'  sich  aiisbreitenden  Kraft  oder  eines  Imponderablen 
Stöflbs  istj  so  wenig  ist  man  berechtigt,  denselben  mit  den  be- 
kannten imponderablen  Materien  oder  allgemeinen  Natnrkräften, 
Wärme,  Licht,  Electricität,  für  identisch  zu  lialten,  eine  Verglei- 
chung, die  rielmcbr  durch  jede  nähere  Untersuchung  widerlegt 
wird.  Die  Untersuchungen  über  den  sogenannten  tliierischen 
Magnetismus  schienen  Anfangs  einiges  Licht  über  diese  räthsel- 
hafte  Kraft  oder  imponderahle  Materie  zu  verbreiten.  Man 
glaubte,  dass  Bestreichen  eines  Menschen  durch  einen  andern, 
Händeauflegen  und  dergleichen,  merkwürdige  Wirkungen  hervor- 
hringe,  die  von  einem  üeberstromen  des  sogenannten  thierischen 
magnetischen  Fluidmns  herrühren;  ja  Einige  haben  dieses  hypo- 
thdtische  Eluidura  sogar  durch  gewisse  Vorrichtungen  anzidiäufen 
geglaubt.  Diese  Geschichten  sind  indess  ein  hedauernswerthes 
Irrsal  von  Lug  und  Trug  und  Abergliuihcn  geworden,  und  es 
hat  sich  nur  gezeigt,  wie  unfähig  die  meisten  Aerzte  zu  einer 
era^pirischen’  Untersuchung  sind,  und  wie  wenig  sie  eine  Vorstel- 
lung von  einer  Prüfung  haben,  die  in  den  übrigen  Katurwissen- 
schaftdix' zur  allgemeinen  Methode  geworden  ist.  Kein  einziges 
Factum  existirt  über  diesen  Gegenstand  unzweifelhaft,  als  die  Ge- 
wissheit unendlicher  Täuschungen;  in  der  Empirie  der  Arznei- 
kunde zeigt  sich  auch  keine  Thatsache,  welche  sich  mit  diesen 
wunderbaren  Dingen  in  Yerhindnng  bringen  Hesse,  als  jene  oft 
wiederholten,  aber  äuch  der  Bestätigung  bedürfenden  Berichte 
von  der  Heilung  gelähmter  Menschen,  deren  Glieder  man  in 
frisch  geschlachtete  Thiere  gehüllt,  und  die  gerne  geglaubten 
Mährchen  von  Verjüngung  der  Alten  und  Kränklichen  in  dem. 
Umgang  und  in  der  Ausdünstung  gesunder  Kinder,  und  umgekehrt. 

So ■ viel  wir  jetzt  gesehen  haben,  bestehen  die  organischen 
Körper  aus  Materien,  welche  eine  eigene,  in  der  unorganischen 
Natur  nicht  vorkommende,  nämlich  ternäre,  quaternärei  oder  noch 
mehrfache  Combinatiou  der  Elemente  zeigen ; diese  Combinatio-‘ 
nen  erzeugen  sich  nur  in  den  organischen  Körpern,  so  lange  sie 
lliätig  sind  oder  leben.  Die  organischen  Körper  bestehen  lebner 
aus  Organen,  d.  i.  qualitativ  vei’schiedeneu  Gliedern  des  Ganzen, 
die  den  Grund  ihrer  Erhaltung  in  dem  Ganzen  haben ; sie  Jiesteä,- 
hen  nicht  allein  daraus,  sondern  sie  erzeugen  aus  eigener  Kraft’: 
diese  Glieder  des  Ganzen,  das  Leben  ist  daher  keine  blosse  Folge 
der  Harmonie  uud  Wechselwirkung  dieser  Glieder,  sondern,  be- 
ginnt sich  zu'.uussern  mit  einer  in  der  Alaterie  des  Keimes  wir- 
kenden Kraft;  oder  imponderaheln  Materie,  welche  in  die  Zu- 
sammensetzung derselben  eingeht  und  der  organischen  Comlsina- 
tion  Eigenschaften!  mittheilt,  die  mit  dem  Tode  aufhören. 

Das  Wirken  der  organischen  Kraft  ist  aber  nicht  unbedingt.: 
Die  zum  Leben  notliwendige  Mischung  und  Kraft  kann  vorhan- 
den :seyn  und  sich  doch  nicht  durch  Lebeusersebeinungen  äus- 
sern,  und  dieser  ruhige  Zustand  der  organischen  Kraft,  wie  er  in 
dem.  unbebrüteten  belruchteten  Keim  des  Eies,  im  Pflanzenei,  so 
lange  es  nicht  keimt,  statt  findet,  muss  wold  von  dem  Tode  un- 


Reizbarkeit.  Lebensreiz. 


29 


toscliiedcn  ■werden.  Es  ist  ancli  nicht  Lehen,  sondern  specifische 
I ®’^®fähigteit.  Das  Lehen  seihst,  die  Aeusserung  der  organi- 


des^T  heginnt  mit  der  Einwirkung  gewisser  Bedingungen 

jjj  wie  der  Warme,  der  atmospliarischen  Luft,  hei  den 

die  im  Wasser  ausgebrütet  -werden,  der  im  Wasser  aiifge- 
Luft,  und-  der  Ztifulir  Jiefeuchteter  Nabrungsstoffe,  also  des 
anrungsstofTes  und  Wassers,  und  diese  Bedingungen  bleiben  für 
as  Leben  nothwendig,  so  lange  es  sich  äussern  soll. 

Das  Thier-  ilnd  Pflanzcnei  bleibt  nur  so  lange  Reim,  als  es 
'Vollkommen  ruhig  in  keiner  Wechselwirkung  mit  der  Aussenwclt 
erhalten  wird;  es  bleibt  dann  entwickelungsfahig,  und  die  schal- 
ende Kraft  des  Reimes  erh'ält  sich,  aber  sie  bleibt  ruhig,  ohne 
sich  zu  'äussei-n.  So  können  Eier  derXhiere  ihre  Entwickelungs- 
labigkeit  lange  behalten,  wenn  sie  nur  der  Einwirkung  der  Luft 
Und  Warme  entzogen  werden.  So  erh'alt  sich  die  Reiinkraft  vie- 
ler Insecteneier  im  Winter  und  Eier  von  Insecten  der  übersee- 
jschen  Länder  kommen  in  botanischen  Gärten  Europa’s  aus,  wüe 
ich  davon  selbst  ein  Beispiel  kenne.  So  soll  sich  die  Reimkraft 
uer  Samen  vieler  phanerogamischen  Pflanzen  unter  Wasser  bis 
Jahre,  unter  der  Erde  ausser  aller  Einwirkung  der  atmosphä- 
nschen  Luft  Ijis  100  Jahre  erhalten.  Ann.  d.  Sc.  nat.  ff.  V.  380. 
J-Reviranus  führt  Beobachtungen  von  van  Swieten  an,  dass  Mi- 
luosenkörner  nach  80,  und  Bohnen  naoh  200  Jahren  noch  ge- 
Eimt  hatten,  und  citirt  eine  andere  Beobachtung,  dass  man  so- 
gar  eine  vielleicht  2000  Jahre  alte  Zwiebel  aus  der  Hand  einer 
^ägyptischen  Mumie  noch  zum  Treiben  gebracht  habe.  Trevi- 
Rakus  Erscheinungen  u.  Gesetze  des  organischen  Lebens,  p.  47.  So- 
sich  Einflüsse  der  äussern  Natur  einwirken,  entwickelt 

oder  der  Reim,  Avenu  er  zur  Entwickelung  geeignet  ist, 

nismu  fault,  wie  dann  auch  der  schon  entwickelte  Orga- 

T>  1- die  zur  weitern  Entwickelung  nöthlgen  äusseren 
nigungen  fehlen,  entweder  scheintodt  wird,  wie  im  Wintcr- 
b^  d-^  f abstirbt.  Die  ruhende  Lebenskraft  des  Keimes 

le  art  also  zwar  keiner  äusseren  Reize  zu  ihrem  ruhigen  Fort- 
es  ®bcn,  wohl  aber  das  entAvickclte  und  sich  äussernde  Leben. 
Die  zum  Leben  nothwendigen,  äusseren  Bedingungen,  Wärme, 
asser,  atmosphärische  Luft  und  NahrungsstölF,  bringen,  indem 
^ Lehen  unterhalten,  beständig  StofTveränderungen  in  den 
ganischen  Körpern  zu  Stande,  so  dass  sie  sich  mit  den  organi- 
rpern  verbinden,  av ährend  Bestandtheile  der  organischen 
sierselzt  und  ausgeschieden  werden.  Man  hat  diese 
desse^ RAze  oder  Lebensreize  genannt;  man  muss  sie  in- 
welch  vielen  anderen  zufälligen  Reizen  wohl  unterscheiden, 
immer  Leben  nicht  notliAvendig  sind,  und  man  muss  sich  nur 

Lehens  ? vlass  diese  Lebensreize  die  Erscheinungen  des 

und  im  materielle  Veränderungen,  Austausch  pondcrabeler 

zum  T ^i^^^^vaheler  Materien  bewirken,  indem  sie  beständig  die 
® ^eu  nottiwpfnrlicrf*  l\Tlc/'tmn(T  Saff0,  z.  B.  dcs  Blutes, 

veränderte  Blut  Avie- 


- I 1 h “ *'othAA'endige  Mischung  der  Säfte,  z. 
der  '11*^0*'’  '**^*-^  durch  die  Lebensreize  verän 

® Sä*'®  reizt,  d.  h.  organische,  zur  Aeusserung  des  Lebens 

o lAvendige^  materielle  Veränderungen,  Austausch  pondcrabeler 


30 


Prolegomena.  ‘i.  Organismus, 


und  imponderabeler  Materien  in  ihnen  hervorhringt,  die  zugleich 
mit  einer  Zei’setznng  schon  vorhandener  Bestandth  eile  der  Organe 
und  mit  Ausscheidung  derselben  verbunden  sind.  Auch  die  Ner- 
ven der  Thiere  bewirken  wichtige  materielle  Veränderungen  in 
den  Organen,  und  das  in  denselben  wirkende,  wahrscheinlich  im- 
ponderable  Agens  ist  ein  wichtiger  innerer  Lebfensreiz.  Man  hat 
diese  Eigenschaft  aller  organischen  Körper,  durch  die  genannten 
Lebensreize  gewisse  zur  Aeusserung  des  Lebens  nothwendige  be- 
ständige materielle  Umwandlungen  zu  erleiden,  inciiahilitas,  Reiz- 
barkeit, genannt.  Diese  Reize  sind  gleichsam  der  äussere  Impuls 
für  den  Gang  des  Räderwerks  der  ganzen  Maschine;  so  unpas- 
send der  Vergleich  mit  einem  Mechanismus  auch  seyn*mag,  die 
organische  Kraft,  welche  in  den  organischen  Körpern  den  zum 
Lehen  nothwendigen  Mechanismus  erschafft,  ist  doch  keiner  Acte 
ohne  diesen  äussern  Impuls  und  ohne  beständige  materielle  Um- 
wandlungen mit  Hülfe  der  äusseren  sogenannten  Lehensreize  fähig. 
Richeraud  hat  daher  die  Aeusserungen  des  Lebens  nicht  uneben 
mit  den  Erscheinungen  der  Verbrennung  und  der  Flamme  ver- 
glichen. Die  Erscheinung  des  Feuers  dauert  nur  so  lange,  als 
die  zur  Verbrennung  nöthigen  Combinationün  und  Trennungen 
stattlindeM;  der  Sauerstoff  verbindet  sich  mit  dem  brennenden 
Körper,  Wärme  wird  entwickelt,  und  so  lange  Sauerstoff  und 
brennbare  Materien  zugefiihrt  werden,  dauern  die  Phänomene 
des  Feuers.  Ich  bin  weit  entfernt,  das  Leben  als  von  einer  Ver- 
brennung abhängig  zu  machen,  ich  will  nur  sagen,  dass  hier,  wie 
dort,  gewisse  beständige  Combinationen  und  Zersetzungen  der 
Materie  die  Erscheinungen  dort  der  Verbrennung  und  Lichter- 
scheinung, hier  die  Erscheinungen  der  organischen  Kraft  hervor- 
bringen, dass  die  Lebensreize  für  die  organischen  Körper  das- 
selbe sind,  was  der  Sauerstoff  der  Atmosphäre  und  das  brennbare 
Material  für  die  Erscheinung  des  Feuers,  wo  man  den  Sauerstoff 
doch  nicht  den  Reiz  der  Flamme  nennt,  und  dass  der  Name  Reiz, 
Lebensreiz,  ohne  sich  die  dadurch  veranlassten  materiellen  Ver- 
änderungen dabei  zu  denken,  ohne  beständige  neue  Bindung  und 
Ausscheidung  ponderabeler  und  imponderabeler  Materien  ein  lee- 
rer, und  sogar  falscher  Begriff  ist.  Man  muss  nur  immer  beden- 
ken, dass  die  durch  die  Lebensreize  bewirkten  materiellen  Ver- 
äriderungen,  obgleich  Stoffe  der  unorganischen  Natur  dabei  wir- 
ken, nicht  wieder  binäre  Verbindungen  im  Organismus  erzeugen, 
sondern  nur  binäre  Verbindungen  als  zersetztes,  wie  Kohlensäure, 
ausschciden,  während  der  beim  Athmen  zum  Theil  an  das  Blut 
tretende  Sauerstoff  das  Blut  verändert,  und  das  veränderte  Blut 
in  den  mit  der  organischen  Kraft  begabten  Organen  ganz  andere 
materielle  Veränderungen  hervorbringen  muss,  als  man  sie  sich 
in  einem  todtcn  Körper  zu  denken  hat. 

Diese  allgemeinen  Bedingungen  des  Lebens,  die  Lebensreize, 
oder  integrirenden^  Reize,  sind  für  Pflanzen  und  Thiere  gemein; 
für  die  Pflanzen  insbesondere  ist  auch  das  Licht  unentbehrlicher 
belebender  Reiz,  für  die  thierischen  Körper  ist  es  (obgleich  Ent- 
ziehung des  Lichteinflusses  scrophulös  und  rhachitisch  macht),  we- 
niger unmittelbar  nothwendig,  wie  viele  Thiere,  namentlich  die 


Reizharkeä.  Lebensreize. 


31 


^^mgeweidewürmer , beweisen,  und  dessen  Mangel  wirkt  auf  die 
die  ' Organismen  nur  mebr  in  sofern  scb'adlicli  ein,  als  es 

als  Lebensbedingungen  modificirt.  Für  die  Thiere  ist 

unentbehrliche  Lebensbedingung  nicht  bloss  Aufnahme  neuer 
zu  sondern  auch  vorzugsweise  schon  organlsirter  Materien 

I^^nnen,  während  die  Pflanzen  organisirte  Materien  thcils  in 
inare 'Verbindungen  zerlegt  als  Nahrung  aufnehmen,  und  bin'äre 
Q ernäre  Verbindungen  verwandeln.  Sonst  ist  die  Nothwendig- 
eit  von  neuer  Materie,  Wärme,  Wasser  und  atmosphärischer  Luft 
ur  die  Entwickelung  der  organischen  Wesen,  _ihr  Fortbestehen 
unt  ihr  Wachsthum  eine  ganz  unbedingte.  Man  hat  sehr  geirrt, 
indem  man  diese  belebenden  Reize  mit  anderen  Reizen  zusammen- 
gestellt hat,  welche  in  die  Zusammensetzung  der  organiichen  Kör- 
per nicht  wesentlich  cingehen,  und  ihre  Kräfte  nicht  vermehren, 
in  mechanischer  Reiz,  welcher  den  Zustand  einer  empfindlichen 
aut  modificirt,  z.  B.  Druck , bewirkt  zwar  eine  Lebenserschei- 
nung,  Empfindung,  aber  belebt  nicht  und  verstärkt  nicht  die  or- 
ganischen Kräfte ; dagegen  tragen  die  zum  Leben  unbedingt  notli- 
wendigen  Reize  zu  der  Bildung  der  organischen  Materie  selbst 
wesentlich  bei.  Die  Nahrungsmittel  für’s  Erste  sind  nicht  allein 
teize  der  organischen  Körper,  sondern  selbst  lebensfähig,  sie  sind 
Äeize,  welche  beleben  und  selbst  belebt  werden  können.  Der 
ensch  entbehrt  sie  ohne  tödtliche  Folgen  im  gesunden  Zustande 
aum  länger  als  eine  W’^oche,  die  höheren  Thiere  entbehren  sie 
°ine  tödtliche  Folgen  nicht  mehrere  Wochen  lang,  die  Amphibien 
at  man  dagegen  Monate  lang  fasten  gesehen,  wie  von  Schlangen 
Und  Schildkröten  vorzüglich  bekannt  ist.  Das  Wasser,  mag  es  in 
^le  organischen  Verbindungen  als  solches  eingehen , oder  seine 
■ "^^nte  zu  den  organischen  Verbindungen  beitragen,  ist  auch  ln 
aus  Zustande  zur  Acusserung  des  Lebens  durch- 

A f ” . weil  die  thierlschen  Theile  ohne  im  Zustande  der 

weichung  von  Wasser  zu  seyn,  keines  Lebens  fähig  sind.  Die 
luospbärische  Luft  endlich  ist  eine  für  die  Lebensersebeinungen 
so  nothwendige  Bedingung,  dass  das  Leben  der  höheren  Thiere 
einen  Augenblick  besteht  ohne  Athmen,  ohne  die  mit  dem  Ath- 
en  verbundenen  Veränderungen  des  Blutes  und  ohne  den  Ein- 
t Llutes  auf  die  Organe.  Die  Zufuhr  der  NaErungsmlt- 
die  geraume  Zeit  lang  fehlen,  z.  B.  bei  den  Amphibien, 

Aufnahme  von  neuen  Nahrnngsstoffen  aus  dem  Blute  in  die 
dcu  aber  jene  andere  Veränderung,  welche  das  Blut  in 

durch  das  Athmen  hervorbringt , kann  bei  den  Am- 
Seeuu?  kurze  Zeit,  und  bei  den  Menschen  nur  einige 

ivenn Wärme  endlich,  vorzüglich  dann  wuchtig, 
bilden  **  tLierische  Wesen  Anfangs  selbst  noch  keine  Wärme  zu 
zen  und^ui”^^’  überhaupt  aber  für  alle  organische  Wesen,  Pflan- 
znn<T  de  unentbehrlich,  scheint  auch  in  die  Zusaminenset- 

Process  ^ ®*’Sanischen  Wesen  einzugehen.  Denn  die  organischen 
bestimint  ^^”'^üern  bei  jedem  Thiere  und  bei  jeder  Pflanze  eine 
binärer  y > wir  wissen  auch,  dass  chemische  Processe 

dern  e'  ’ t^^^üangen,  indem  sie  eine  gewisse  Temperatur  erfor- 
’ bestimmtes  Quantum  Wärme  für  die  Bildung  neuer  Ver- 


32 


Prolegornena.  2.  Organismus. 


bmdnngen  aLsorWren.  Unter  dem  Einflüsse  jener  Bedingnngen, 
Nalirungsstoff,  Wasser,  atmospliärisclic  Luft  und  Wärme,  entwik- 
kelt  sich  das  organische  Wesen  aus  dem  Keim  von  seihst,  indem 
Beständig  vorliandene  organische  Materie  zersetzt  wird  und  die 
Lehcnserscheinnngen  seihst  die  Erscheinungen  der  beständigen 
Bindung  neuer  Stoffe  und  Zersetzung  vorhandener,  so  wie  der 
Veränderungen  in  der  organisirten  Materie  sind.  Ob  auch  Elec- 
tricität  zur  Entwickelung  des  Lebens  nothwendig  ist,  ist  uns  noch 
ganz  unklar. 

Nun  zeigt  sich  aber  sogleich  eine  verschiedene  Abhängigkeit 
der  lebenden  Wesen  gegen  verschiedene  Lebensreize.  Edwards 
hat  beobachtet,  dass  neugehorne  Avarmblütige  Thiere  am  meisten 
äussere  Wärme  nöthig  haben,  und  ohne  dieselbe  nicht  leben  kön- 
nen, AA'ährend  diese  Thiere  A'iel  länger  ohne  zu  athmen  lebend 
unter  Wasser  zuhringen,  als  ErAvachsene.  Ihre  Fähigkeit  im  Was- 
ser auszudauern,  nimmt  mit  der  Temperatur  des  Wassers  von  0 
— 20"  zu,  bleibt  von  20 — 30"  und  A^ermindert  sich  von  30 — 40" 
des  Wassers.  Edavards  de  Vinfluence  des  agens  physü/iies  sur  la  vie. 
Paris  1824.  Froriep’s  Not.  150,  151.  Vergl.  Legallois  eoep.  sur 
le  pi'inr.ipe  de  la  vie.  Das  ei’wachsene  Thier  ist  durch  dieLebans- 
verhältnisse  seiner  Art  und  Gattung  auf  eine  gewisse  äussere  Tem- 
peratur und  daher  auf  eine  geAvisse  geographische  Verbreitung  zu 
seinem  Gedeihen  angeAviesen.  Die  Dauer  der  Picizharkeit  ohne 
Lebensreiz  steht  im  Allgemeinen  im  umgekehrten  Verhältniss  mit 
der  Organisation.  Die  einfachsten  Thiere  entbehren  diese  Beize 
am  längsten.  Mollusken,  Insecfcn  hat  man  Monate  lang  ohne  Nah- 
rung gesehen.  Man  sehe  das  ähnliche  Beispiel  A'om  Scorpion  in 
meiner  Abhandlung,  Meckel’s 1828.  Schlängen  und  Schild- 
kröten leben  Monate  lang  ohne  Nahrung,  während  der  Mensch  im 
gesunden  Zustande  kaum  über  eine  Woche  hungernd  ausdauert. 
Mehrere  Insecten  leben  Tage  lang  in  mephitischen  Gasarten,  die 
OeJ//v/.slarve  z.  B.  lange  Zeit  in  irrespirahler  Luft  nach  den  Ver- 
suchen von  ScHROEDER  VAN  DER  Kolk.  Molluskcn  hat  man  24 
Stunden  unter  der  Luftpumpe  erhalten.  Die  Amphibien  leben  sehr 
lange  ohne  zu  athmen,  in  luftlosem  Wasser,  nach  Spallanzani  und 
Edwards  z.  B.  einige  Stunden,  in  lufthaltigem  Wasser  10  — 20 
Stunden,  und  Frösche,  denen  ich  die  Lungen  exstirpirt,  lebten  noch 
30  Stunden.  Indessen  gehören  die  vielen  Erzählungen  von  lebend 
gefundenen  Kröten  u.s.av.  in  Marmorhlöcken,  in  Bäumen,  Avohl  zu 
den  Täuschungen  und  zum  physikalischen  Aberglauben,  Avenn  gleich 
Herissant  und  Edwards  Amphibien  in  Gyps  cingeschlossen,  ^einige 
Zeit  lebend  erhielten.  Edwards  hat  sich  überzeugt,  dass  Gyps  für 
atmosphärische  Luft  durchdringlich  ist,  daher  Amphibien  in  Gyps 
und  Quecksilber  eingeschlossen  so  schnell  Avie  hei  der  Suhmersion 
in  Wasser  starben.  Edwards  in  Meckel’s  Archiv.  3.  (jl7.  Vergl. 
Buckland  Froriep’s  Notizen.  .3.3.  Bd.  Die  Complication  der  Or- 
ganhildung  erhöht  das  abhängige  Verhältniss  der  Organe  von  ' 
einander,  daher  einfache  Thiere  nach  Verletzungen  länger  leben 
als  höhere  Thiere.  Der  Scheintod  lässt  bei  niederen  Thicren 
viel  leichter  Wiederaufleben  zu.  Spallahzani  und  Foktana  sahen 
vertrocknete  Bäderthierchen  selbst  nach  langer  Zeit  durch  Wasser 


er  Zeugung  und  Vergänglichkeit  der  Organismen.  3.’J 

was  Ehresberg  läugnet.  Dasselbe  haben  Stein- 
Bauer  von  den  Vibrionen  der  kranken  Samen  des  "Wei- 
der  r r einer  jdgrosfis  gesehen,  als  die  Samen  nach  Jahren  wic- 
Ain  pf.  -wurden.  Die  grössten  Verletzungen  lassen  bei 

j.  .*en  noch  lange  Zeit  Zeichen  des  Lebens  zurück,  und  bc- 
die  lauge  dauernde  Reizbarkeit  in  Muskeln  und  Nerven 

ser  Thiere.  Auch  bei  jungen  Thieren  sind  wahrscheinlich 
Ich^^r  gi'össern  Einfachheit  die  Lebenszeichen  ausdauernder. 
^ tiabe  die  Muskelreizbarkeit  in  getödteten  Embryonen  von 
- ^^"nchen  langer  dauern  gesehen,  als  in  erwachsenen  Kaninchen ; 
sah  lebende  Kaninchen-Abe/i/j,  aus  dem  Uterus  genommen,  15 
■nuten  in  der  Luftpumjie  ausdauern.  Legaeuois  hat  hierüber 
Clone  Versuche  angestellt.  Es  geht  daraus  hervor,  dass,  wenn 
Thiere.  nach  der  Geburt  am  1.  5.  10.  und  so  fort  bis  .30. 
duröl)  Untertauchen  in  Wasser,  Ausschneiden  des  Herzens, 
alle  Brust  zu  tödten  sucht,  die  Dauer  der  Sensibilität 

e 0 Tage  kürzer  wird,  so  dass  sie  z.  B.  nach  der  Geburt  15 
^ am  30.  Tage  2;]-  Min.  beträgt.  Dasselbe  beobachtete  Legal- 
de'^lVT*'  ^Bnsicht  der  Dauer  des  Kreislaufs  nach  Zerschneidung 
Medulla  spinalis,  Amputation  des  Kopfes.  Alle  diese  Erschei- 
*jnn^n  erklären  sich  völlig  aus  dem  Satze,  dass,  je  entwickelter 
c 1 heile  eines  Ganzen  sind,  desto  abhängiger  sie  von  einander 
müssen. 

jr ..  ^*^11  bleibt  uns  noch  die  Vergünglichheit  der  organischen 
ccper  und  der  organischen  Materie  zu  untersuchen  übrig. 

Uie  organischen  Körper  sind  vergänglich;  indem  sich  di 


ben 


das  Le- 


' Wut  einem  Schein  von  Unsterldichkeit  von  einem  zum  andern 
erhält,  vergehen  die  Individuen  selbst,  aber  mit  der 
snec*  ■■her  Individuen  stirbt  auch  eine  Pllanzcii-  oder  Thiev- 
sche  K Goschichte  der  Erde  beweist.  Die  oi-gani- 

dne'  ’ 1 ^ ergiesst  sich  gleichsam  in  einem  Strom  von  den  pro- 

alten ] Theilen  aus  in  immer  neue  producirte,  während  die 
aljsterben.  Diess  hat  Autebrieth  schön  geschildert.  Au- 
A diejenigen  organischen  Körper,  welche  durch 

durcl  krieclicnclen  Pflanzen,  oder  wie  manche  Bäume 

scld^  ^ abwärts  gesenkte  Zweige  immer  vvieder  neue  Wurzeln 
neue^S**^  ®^®*’hen  nicht.  Bei  diesen  ist  in  einer  gewissen  Zeit  der 
öprosse  jedesmal  zugleich  ein  Theil  des  alten  organischen 
■■nd  ein  neuer  für  sich  bestehender.  Immer  aber  stirbt 
djß  r diesen  Pflanzen  der  alte  Stamm  nach  und  nach  ab,  und 
der  • wirkt  nur  in  dem  neuen  Sprossen  fort,  der  auf 

dern^^^*'  ^_®he  ebenfalls  sich  wieder  verlängert,  um  auf  der  lan- 
samme  in^mer  wieder  abzusterben.  Was  hier  in  einem  Zu- 
und  die^n”^^  geschieht,  nämlich  das  Abslerben  auf  einer  Seite 
dem  .Bildung  eines  nevien  forllcbenden  Körpers  auf  der  an- 
kommen R®sobieht  abgebrochen  beim  Menschen  und  den  voll- 

Körper  übleren.  Das  Kind  löst  sich  als  neuer  fortdauernder 

auf  einn^'i*'  Mutter  früher  ab,  als  diese  stirbt,  und  diese  stirbt 
Physiol  1 ^ "ahrend  die  Sjjecies  unsterblich  scheint.“  Autebrieth 
gehen  ' Frage,  warum  die  organischen  Körper  ver- 

’ '■öd  Warum  die  organische  Kraft  aus  den  producirenden 
Müller’s  m . . o 

® PLysjologie,  3 


34 


Prolegomena.  2.  Organismus. 


Theilen  in  die  jungen  lebenden  Producte  der  organischen  Körper 
übergeht  nnd  die  alten  producirenden  Tbeile  vergeben,  ist  eine 
der  sclnvierigsten  der  ganzen  allgemeinen  Physiologie,  und  wir 
sind  nicht  ini  Stande,  das  letzte  Riithsel  zu  lösen,  sondern  nur 
den  Zusammenhang  der  Erscheinungen  darzustellen.  Es  würde 
ungenügend  seyn,  hierauf  zu  antworten , dass  die  unorganischen 
Einwirkungen  das  Lehen  allnihhlig  aufreihen;  denn  dann  müsste 
die  oi’ganische  Kraft  vom  Anfang  eines  Wesens  schon  ahzuneh- 
men  anfangen.  Es  ist  aber  bekannt,  dass  die  organische  Kraft 
zur  Zeit  der  Mannbarkeit  noch  in  solcher  Vollkommenheit  be- 
steht, dass  sie  sich  in  der  Keimhildung  multiplicirt.  Es  muss 
also, eine  ganz  andere  und  tiefer  liegende  Ursache  seyn,  welche 
den  Tod  der  Individuen  bedingt,  wahrend  sie  die  Fortpflanzung 
der  organischen  Kraft  von  einem  Individimm  zum  andern  und 
auf  diesem  Weg  ihre  Uuverganglichkeit  sichert.  Man  könnte 
auch  behau]iten,  dass  die  zunehmende  Gebrechlichkeit  der  orga- 
nischen Körper  im  Alter  durch  die  zunehmende  Anhänfung  ge- 
wisser zersetzter  Stoffe  in  ihnen  entstehe,  deren  Wahlverwandt- 
schaft sich  mit  der  Lebenskraft  in  Gleichgewicht  setzte;  allein 
auch  dann  müsste  die  organische  Kraft  von  Anfang  an  ahnehmen. 
So  erklärt  Dutrochet  das  Alter  aus  der  zunehmenden  Anhäufung 
von  Sauerstoff  im  thierisclicn  Körper.  Allein  dieser  Anhäufung 
fehlt  der  Beweis.  Wir  sind  hier  bloss  im  Stande,  den  Zusam- 
menhang der  Erscheinungen  mit  der  Entwickelung  darznstellen. 
Vergleicht  man  den  Keim  eines  organischen  Wesens  mit  seinem 
Zustand  im  höchsten  Alter,  so  besteht  das  Ganze,  welches  nach 
Käst  die  Existenz  der  einzelnen  Tbeile  bedingt,  im  höchsten  Al- 
ter fast  bloss  in  der  AVechscl Wirkung  der  einzelnen  Tbeile  und 
ihrer  Kräfte,  ■ähnlich  einem  Mechanismus,  der  bloss  durch  die 
Wechselwirkung  seiner  Tlieile  erhalten  wird.  In  dem  Keim  da- 
rrenen-  ist  die  Kraft,  welche  den  Grund  zur  Production  aller 
Theile  enth'alt,  noch  tinverlhcilt  vorhanden.  Das  organische 
-Princip  ist  im  Keim  gleichsam  im  Zustande  der  grössten  Concen- 
tration.  Die  Enlwickelungsfähigkeit  ist  jetzt  am  grössten,  die 
Entwickelung  am  geringsten.  Hat  nun  jene  Kraft  eine  Zeitlang 
gewirkt,  ist  der  Organismus  bis  über  die  Jugend  entwickelt,  so 
haben  wir  nicht  mehr  ein  Einfaches  mit  der  unvertheilten  Kraft 
des  Ganzen  vor  Augen,  sondern  ein  Mannigfaltiges  mit  verthcil- 
ten  Kräften.  Je  mehr  aber  die  Kraft  des  Ganzen  verthcilt  ist, 
je  weniger  noch  unverwandte  organische  Kraft  vorhanden,  um 
• so  mehr  scheint  der  Organismus  die  F'ähigkeit  zu  verlieren,  durch 
den  Einfluss  allgemeiner  Lehensreize  belebt  zu  werden,  um  so 
geringer  wird-  gleichsam  die  Alhnität  zwischen  der  organischen 
Materie  und  den  allgemeinen  Lehensreizen,  welche  das  Lehen 
gleich  der  Flamme  anfachen,  daher  nach  vollendeter  Entwicke- 
iung,  wenn  das  unsterbliche  Lel)en  gesichert  seyn  soll,  die  Erzeu- 
gung eines  Keimes  nöthig  ist,  der  wegen  der  noch  unvertheilten 
Kraft,  auch  gleichsam  noch  die  grösste  Affinität  zu  den  Lebens- 
reizen besitzt,  die  in  dem  Maass  ahqimmt,  als  der  Organismus 
sich  entwickelt.  Diess  sieht  einer  Erklärung  gleich,  im  Grunde 
■ift  es  aber  nur  eine  Darstellung  des  Zusamraenhang-s  der  Erschei- 


Wechsel  der  organischen  Materie. 


35 


dass^si  ^ 'vvelclier  nicht  bestimmt  behauptet  werden  kann, 

•’ichtlg  ist. 

Maleri  nun  zur  zweiten  Frage,  warum  auch  die 

vepfTT  i-  Vahrend  des  Lehens  eines  organischen  Körpers 

den^'  ist  und  durch  neue  organische  Materie  ersetzt  wer- 


»nuss? 


zeiot  • 1 ®‘css  ist  Aveniger  hei'  den  Pflanzen  der  rau  um 
storh  wenigstens  A’orzugsweise  nur  in  dem  allmähligen  Ab- 
Tie  fiterer  Blatter,  dahingegen  das  einmal  gebildete,  wie 
bemerkt,  lange  keinem  .Stoffwechsel  unterworfen  ist, 
ren  *^**-*^  Zeitlang  in  seiner  Mischung  heharrt.  In  den  Thie- 
^®'8t  sich  dagegen  ein  beständiger  Wechsel  der  Stoffe.  Tie- 
^^mank  leitet  indess  diesen  Unterschied  davon  fih,  dass  in  den 
^raftäiisserungen  Ami'kommen,  Avelche  Veränderungen  in 
Je  Substrate  der  Organe  hervorbringen,  wie  es  mit 

*■  ”'rkung  derNcr  ven  der  Fall  zu  seyn  scheine.  Physiol.  1.  376. 
ausfr  bat  sich  mit  der  Auflösung  dieser  Frage  in  seinem 

Po/n'  ^''^bneten  Werke,  Theorie  der  organischen  W esen,  aus  dem. 

^^^len,  ISiJrnlerg  1821,  besonders  beschäftigt. 

„ . ^’adecki  nennt  die  Materien,  welche  zur  Nahrung  der  or- 

13'  Köi’per  dienen  können,  die  hclcbungsfähigen  Materien.' 

me'  ® ^b'ipgsfähigkeit  dieser  Materien  ist  aber  eine  ganz  allge- 
Finfl"’  aller  Formen  gleich  fähig,  so  lange  nicht  bestiinmte 

Die  ■'virken,  und  eben  darum  ohne  bestimmte  Form, 

im  ^|^S*'nisehe  Materie  strebt  also,  Avle  SniAnECKi  sich  ausdrückt, 
ein  ^ S?"’‘^b)cn  zum  Lehen  und  zur  Organisirung.  Sobald  aber 
vid  Theil  derselben  unter  die  GcAvalt  ii-gend  eines  Indi- 

Streh™*  Smäth,  ertheilt  die  individuelle  Kraft  diesem  allgemeinen 
örtlicli”  p”®  Sewisse  Richtung;  daher  kommt  die  individuelle  und 
sondere  q und  die  Gattung  und  Art  des  Lebens.  Jede  be- 
Restrel  *^S''’’*sation  ist  also  nach  Sniadecki  der  Erfolg  zweier 
hat  ^^'^’Son,  einer  allgemeinen,  welche  in  der  Materie  selbst  statt 
sirun^*^^^°^*^  'welcher  gCAvisse  Stoffe  zum  Leben  und  zur  Organi- 
welcli  ^bgemeinen  streben,  und  einer  ZAveitcu  besondern, 
chen^Ld^  Individuen  statt  findet,  Avelche  die  Art  eines  sol- 
The'l  '*”'1  <Re  Form  der  Organisation  bestimmt.  Dieses 

ner ' *^  **^^  ‘lor  belehharen  Matene  also,  AA’clches  die  Wirkung  ei- 
bat mdividuellen  Kraft  zum  Theil  oder  ganz  erfahren 

nicht”*'  ‘^®”^  Maasse  belebt  ist,  muss,  Aveil  es  deshalb 

*nm  ® . o^bört  hat,  bclebbar  zu  seyn,  vermöge  dieser  Eigenschaft 
ganisch  ' Rehen  streben  und  zur  Annahme  aller  anderen  or- 
hesltzt/^\,® ^'’nien , *'nr  diejenige  ausgenommen,  Avelche  es  schon 
rer  Mate  .®*^S^®^^bt  man  es  also  mit  ganz  unorganisirter  belebba- 
offenbar  welche  nach  allen  Formen  gleich  strebt,  so  muss  es 
seiner Eel^m"^®^'.  ^’®^®bbar  seyn  als  diese.  Jene  Verminderung 
Annahme  i.  arkeit  muss  gleich  seyn  dem  Streben,  welches  cs  zur 
tlet,  AA’eil  j‘®®®*'  besondern  Form  hatte,  in  Avelcher  es  sich  befin- 
’ SisrAu*^. ”'*'*'*  besondere  Streben  schon  gesättigt  und  gestillt  ist. 
Materie  schliesst  hieraus:  dass  die  Belebungsfählgkeit 


wer- 
Fall  und 


der 


de 


uer  or^an"  Individuen  für  diese  im  umgekehrten  Verhältniss 
^rfidire'n  /**^beri  Kraft  ist,  deren  Einwirkung  die  Materie  schon 
oder  die  Materie,  welche  in  die  organischen  Wesen 


36 


Prolegumena,  2.  Organismus. 


gelangt,  und  tliells  von  ilinen  im  /nstande  der  organischen  Ver- 
bindung aufgenommen,  wie  von  Thieren,  theils  darin  verwandelt 
wird,  wie  von  Pflanzen,  verliert  eigentlich  so  viel  an  Belebnngs- 
fähigkeit,  als  sie  an  individueller  Kraft  gewnnt,  folglich  in  dem 
nämlichen  Verhältniss,  in  welchem  sie  eine  gegebene  Gestalt  an- 
niinmt,  verliert  sie  die  Fähigkeit  zu  derselben.  Sobald  sie  also 
vollkommen  organisirt  wird  und  die  ganze  individuelle  Kraft  er- 
leidet, wird  sie'  auch  aller  Lebensfähigkeit  in  Hinsicht  dieses  In- 
dividuums beraubt.  Sobald  dieses  erfolgt,  verliert  die  organische 
Kraft  ihre  ganze  Gewalt  über  dieselbe,  und  diese  Materie  wird 
mitten  in  dem  lebenden  Körper  nicht  belebbar  und  untbätig,  und 
foKlicb  nur  tauglich  scyn,  um  aus  deiuKörper  geworfen  zu  wer- 
den. Auf  diese  Art  erklärt  SsiADECRr  den  ewigen  Wechsel  der 
or^anisirbaren  Materien  in  den  organischen  Körpern.  Nimmt  man 
diese  Erklärung  an,  so  lassen  sich  ohne  Zweifel  die  allgemeinen 
Vorgänge  in  den  organischen  Körpern  weiter  erklären,  wie  Snia- 
DEcK-i  mit  wunderbarer  Einfachheit  und  Consequenz  getban  bat. 
Indessen  lassen  sich  gegen  die  Triftigkeit  dieser  Sätze  gegründete 
Eiuwiirfe  machen.  Nach  Sniadecki  ist  das  einzig  Wesenbafte  in 
den  organischen  Körpern  nicht  die  organislrte  Materie,  sondern 
die  orgiiniscbe  Kraft.  Diese  äussert  sich  so  lange,  als  sic  orgaui- 
sirt  d^  b.  als  nicht  organisirte  Materie  vorhanden  ist;  das  Orga- 
nisirte  seihst  besitzt  keine  organische  Kraft,  und  ist  alsExcremenl 
untauglich.  Allein  nach  dieser  Ansicht  müssen  die  cxcrcmentiel- 
len  Stoffe  den  Character  der  vollkommenen  Organis.ation  an  sich 
traf^en,  und  für  andere  organische  Wesen  und  ihre  individuelle 
Kraft  sogleich  wieder  organisationsfähig  seyn.  Diess  ist  nicht  dep 
Fall.  Die  allgemeinsten  Exeremente  sind  der  Harn  und  die  Kohr 
lensäurc,  welche  heim  Athmcn  ausgeschieden  wird.  Allein  diese 
Materien  sind  für  ihierischc  Wesen  gar  nicht  mehr  Organ isirl)ar, 
sie  sind  zersetzte  Thierstoffe.  Es  lässt  sich  viel  angemessener  an- 
nehmön,  dass  das  von  einejn  organischen  Körper  Organislrte  in 
dem  Maasse  zugleich  theilhaftig  der  organisirenden  Kraft  wird, 
als  es  organisirt  wird.  Die  organislrende  Kraft  ist  in  vielen  ein- 
fachen organischen  Wesen  theilhar,  indem  die  organisirte  Materie 
"ethcilt  w'ird.  Diess  führt  ganz  zum  entgegengesetzten  Grund- 
satz von  Sniadecri.  Letzterer  behauptet,  die  Materie  verliert  an 
Fähigkeit  zu  leben,  in  dem  Maass,  als  sie  belebt  wird.  Wir  sa- 
gen, die  Materie  ist  in  dem  Maasse  belebt,  als  sie  die  belebende 
kraft  erliihreii  hat,  sie  ist  belebend  in  dem  Maass,  als  sie  schon 
belebt  ist,  sic  äussert  die  belebende  Kraft  auf  andere  Malörien, 
sic  äussert  sic  aber  nur  unter  Einwirkung  gewisser  Lehensreize, 
welche,  indem  sie  sich  auch  mit  den  organisirten  Theilen  ver- 
binden, andere  Stoffe  ausscheiden.  Indem  gewisse  Lehensreize, 
z.  15.  heim  Athmen,  an  das  Wut  übergehen,  dann  auf  die  organi- 
schen Theile  eluwirken,  w'ird  die  Aifinität  zwischen  gewissen  Thei- 
len  der  organisirten  Materie  und  dem  Lehensreiz  des  Blutes  grös- 
ser als  zwischen  den  Theilen  der  organisirten  Materie  unter  sich* 
Die  Belebung  der  organisirten  Materie  durch  eine  Art,  die  mit 
Ausscheidung  verbunden  ist,  macht  sie  wieder  zur  Aufnahme  von 
rfahrungsstoften  fähig;  aber  in  dem  Maasse,  als  eine  Materie  he- 


fVecJisel  der  organischen  Materie. 


37 


leben  **'  i Fälligkeit,  selbst  andere  Materien  zu,  be- 

oj.„„  organisiren,  sie  wird  nicht  lixcrement,  sondern  der 

° Kraft  der  vorhandenen  Materie  theilhaftig. 

Qj,  ^i’sache,  warum  beständig  organisclie  Materien  in  den 

rotm  K-örpern  zersetzt  und  ausgeworfen  werden,  könnte 

ßie  Y ersten  Blick  in  folgeudeni  Umstande  suchen. 
Au  Nahrungsmittel  in  Nalirungsstoff  kann  die 

U gewisser  Stoife  bedingen,  Avelche  ein  Uehergewiclit 

de  Elemente  enthalten.  So  sondern  die  Pflanzen,  in- 

ni  sie  Kohlensäure  und  Wasser  in  eine  ternäre  Verbindung  zu 
»Pl  ®***®'istolf  umwandeln.,  ülierflüssigen  Sauerstoft  aus.  Bei  den 
Heren  sind  die  Mauptexcretionsstolfe,  welche  vollends  unbrauch- 
'Hir  Kohlcnsäura  und  Harn.  Die  Thicre  scheiden  zwar 
‘■•st  eben  so  viel  Materie  aus,  als  sie  aufnehmen,  allein  ein  Theit 
t avon  sind  reine  unbrauchbare  Exereta,  viele  sind  zu  liesonderen 
wecken  bestimmt,  oder  werden  zufälliger  Weise  mit  ausgefiihrt, 
miT  t ^‘■'•'•Hschleim,  vielleicht  auch  die  Galle.  Die  Darmexere- 
^ H e bestehen  selbst  xideder  zum  Theil  aus  den  aufgenommenen 
I?  **'**'^nSmittelu.  Dagegen  xverden  Kohlensäure  und  Harn  nicht 
aus  den  organisirten  Theilen  ausgcschiedeii,  sondern  sind 
uch  rein  unbrauchbar.  Nun  ändert  sich  zwar  die  Bcscliaßenhelt 
„?  Gai  ns  nach  den  Nahrungsmitteln,  und  der  Harn  scheidet  also 
enbar  auch  noch  unbrauclibare  Theile  der  genommenen  Nah- 
d organlsirt  xvird.  Allein  die  Bestandtlieile 

. * Harns  werden  doch  bei  Thieren , die  gar  keine  Nahrung  zu 
1 H nehmen,  und  xvie  manche  Amphibien,  Schlangen  und  Schild- 
wK^*'’  ^^°Hate  lang  hungern,  nicht  verändert.  Es  ist  also  ge- 
jäf)  dass  durch  den  Harn  aus  den  schon  organisirten  Stollen  der 
Tpi  .A'^^^rauchbare  Theile  ausgeschieden  xverden,  und  dass  das 
pen'^d  Unbrauchbar  macht.  So  bilden  ja  auch  die  Pup- 

zu  ■ ^*'*®ctcn  zur  Zeit  ihrer  Verwandlung,  xvo  sie  gar  nichts 

Q SIC  1 wehinen,  doch  Excretionsstolfe  durch  die  Malpighischen 
"'•sse.  Und  wir  wissen  durch  Wubzer,  Bauoxatelli  und  Cue- 
diese  Gefässe  Harnsäure  nusscheiden.  So  scheidet 
CI  tigf  Embryo  der  höheren  Thiere  ein  besonderes  Exeretum 
WoLFp’schcn  Körper  ab,  noch  ehe  die  Nieren  in  Fun- 
stoft^  ^^ciEwürdig  ist  auch,  dass  die  Exeretion  von  Harn- 

aud  1 Harnsäure  nicht  allein  bei  den  Wirbellliiercn,  sondern 
Aiir  1 Wirbellosen  statt  findet;  wie  denn  die  Insecten 

cobs  ^ ^^‘'Ipis^iischen  Gefässe  Harnsäure  absondern,  und  Ja- 

bei  ^ Harnsäure  in  einem  besondern  Au.sscheidungsorgane 
thierls'*!  entdeckt  hat.  Was  aber  die  Wecbselwirkung  der 

ben  Av'ir'^'^  Körper  mit  der  atmosphärischen  Luft  betrifft,  so  ha- 
die  Urs^  noch  keine  entfernt  begründete  Vorstellung  über 

aber  die^ii'^  dieser  für  das  Leben  so  nothwendigen  Verknüpfung; 
Element  ^^H^c^^'cse,  dass  durch  das  Alhmcn  die  noch  fehlenden 
flüssi"et*^  ®*'‘^cug  von  Tlücrstolf  liinzutreten,  oder  die  über- 
so^leicl ' '^'cser  Bildung  abgeschieden  werden,  widerlegt  sich 
sciion  Fm  Factum,  dass  die  meisten  Thiere  den  Thierstoff 

l^auer  ' l aufnelmien , und  dass  die  Amphibien  doch  athmen, 

* c der  Atmosphäre  verzehren,  und  Koldensäure  ausathmen. 


38 


Prolegomena.  2.  Organismus. 


wenn  eio  auch  keine  Nahrung  Monate  lang  zu  sich  nehmen.  Die 
hesüindigen  Ausscheidungen,  welche  der  Lehensprocess  auch  ohne 
die  Zufuhr  von  Nahrungsstoifen  bewirkt,  Kohlensäure  und  Harn- 
stoff (und  Harnsäure),  sind  unfähig  andere  thiei-ische  Wesen  zu 
ernähren;  die  Kohlensäure  ist  bereits  eine  durch  Zersetzung  von 
Thierstoft  entstandene  binäre  Verbindung,  der  Harnstoff  steht  ei- 
ner binären  Verbindung  sehr  nahe,  oder  ist  selbst  vielleicht  schon 
binäi’e  Verbindung,  wenigstens  ist  seine  Entstellung  aus  cyanicht- 
saurem  Ammonium,  wieWoEULEn  zeigt,  überaus  leicht.  Da  diese 
Excretlonen  fort  und  fort  auch  ohne  alle  Zufuhr  von  Nahrungs- 
mitteln statt  finden,  so  folgt  nothwendig,  dass  das  Leben  an  und 
für  sich  mit  einer  beständigen  Zersetzung  schon  organisirter  Stolle 
verbunden  ist.  Diess  ist  auch  nicht  anders  möglich,  wenn  es  wahr 
ist,  was  vorher  liewiescn  worden,  dass  die  organische  Kraft  in  ei- 
nem thieriseben  Wesen  sich  nur  so  lange  äussert,  als  gewisse  Le- 
Lensreize  beständig  materielle  Umwandlungen  in  den  lebenden 
Theilen  bewirken,  wovon  die  Lebenserscheinungen  nur  die  Er- 
scheinungen sind,  wie  das  Feuer  die  Erscheinung  der  materiellen 
Umwandlung  bei  der  Verbrennung.  Der  Antrieb  zu  diesen  ma- 
teriellen Umwandlungen  geschieht  durch  das  Atbmen ; das  dui'ch 
das  AthmCn  beständig  veränderte  Blut  bewirkt  wieder  beständig 
materielle  Umwandlungen  in  den  Organen;  aus  schon  gewesenen 
Bestandtheilen  der  Organe  kommen  die  allgemeinen  Zersetzungs- 
producte,  Kohlensäure  und  die  an  Stickstoff  überaus  reichen  Be- 
standtheile  des  Harns,  Harnstoff  und  Harnsäure,  und  diese  den 
Lehensprocess  begleitende  Zersetzung  der  organischen  Materie 
macht  wieder  die  Zufuhr  neuer  Nabrungsstoffe  nötbig,  welche  die 
organisirende  Kraft  erfahren.  Ein  organisirter  Theil  zeigt  nur  so 
lange  Lebensersebeinungen , und  organlsirt  so  lange  nur  andere 
Materien,  als  er  beständig  in  seiner  Ruhe  diu’ch  neue  Aeusserun- 
gen  organischer  Airuiität  zwischen  dem  Blute  und  den  Bestand- 
tlieilen  der  Organe  angeregt  wird,  wovon  die  Zersetzung  gewisser 
Theile  der  Organe  bedingt  ist,  die  wieder  ersetzt  werden  durch 
die  Wirkung  der  organischen  Kraft  auf  die  neuen  Nahrungsstolfe. 

Die  Nahrungsstoffe  der  Tbicre  sind  schon  organisch  zusam- 
mengesetzte Materien  derXhiei-e  und  Pflanzen;  die  Nahrungsstoffe 
der  Pflanzen  sind  tbeils  Stoffe  von  Pflanzen  undTliieren,  im  nicht 
ganz  zersetzten  Zustande,  tbeils  selbst  binäre  Combinationen,  näm- 
lich Kohlensäure  und  Wasser.  Man  hat  geglaubt,  dass  die  Pflan- 
zen aus  reiner  Kohlensäure  und  Wasser  sich  ernäbicn  können, 
indessen  haben  die  Erfahrungen  von  Hassexfbatz,  Th.  de  Saus- 
sunE,  Giobert,  Link  gezeigt,  dass  Pflanzen  unter  diesen  Umstän- 
den nur  sehr  kümmerlich  oder  gar  nicht  gedeihen,  selten  blühen 
und  fructiliciren.  S.  Tiedeamnn  Physiologie  /.  218.  Es  scheint 
daher,  dass  die  Pflanzen  organische  Materie  aus  binären  Combi- 
nationen (Kohlensäure  und  Wasser)  nur  dann  bilden,  wenn  sie 
zugleich  von  aufgelösten,  niciit  vollkommen  zersetzten,  organischen 
Combinationen  sich  näbien.  Den  Pflanzen  kann  man  aber  das 
Vermögen,  organische  Materie  aus  binären  Combinationen  zu  bil- 
den, deswegen  nicht  ganz  ahsprechen,  weil  ohne  diess  Vermögen 
die  Pflanzenwelt  und  Thierwelt  bald  zu  Grunde  gelien  würden- 


Wechsel  der  organischen  Materie. 


39 


Durch  die  Thlere  wird  beständig  eine  grosse  Menge  organischer 

? ^ersetzt,  die  ' 

Dflanzen  erst  in  hrauchbare 
“’pwandelt  werden. 


wenigstens  für  die  Tliierc  unbrauchbar  und 
brauchbare  organische  Coinbinationea 
. I ^ - ..wi......  Da  nun  beständig  durch  Verbrennen  und 

1 ^re  Zersetzung  eine  ungeheure  Menge  gebildeter  Pflanzenma- 
so^**^**  Combinationen  und  in  die  Elemente  zerlegt  wird, 

.Wurde  das  Nutriment  der  lebenden  Thiere  und  Pflanzen  ira- 
kleiner  werden,  wenn  die  Pflanzen  nicht  wirklich  das  Ver- 
hesassen,  Aviccler  neue  ors^anisclie  'Materie  aus  Elementen 
, hiniu-en  Combinalionen  zu  bilden.  Man  kann  also  nicht  an- 
“ehinen,  dass  bloss  die  einmal  vorhandene  organische  Materie  in 
6r  Pflanzen-  und  Tliierwelt  circulirt,  indem  sie  aus  einem  We- 
111  das  andere  übergebt.  Die  unaufhörliche  Zerlegung  orga- 
juscher  Körper  setzt  die  Bildung  von  neuer  organischer  Materie  aus 
mären  Cornljinationen  und  Elementen  durch  die  Pflanzen  voraus. 
Nun  wird  die  organische  Kraft  Ijei  dem  Wachstimm  und  der 
.y^*^^P*lunzung  der  organischen  Körper  multiplicirt,  denn  aus  einem 
esen  entstehen  viele  andere,  und  aus  diesen  wieder  viele  an- 
Ire,  während  auf  der  andern  Seite  die  organische  Kraft  der  slcr- 
enden  organischen  Körper  zu  Grunde  zu  gehen  scheint.  Da  aber 
me  organische  Kraft  nicht  etwa  bloss  aus  einem  Individuum  in 
j.  * lindere  übergeht,  da  vielmehr  eine  Pflanze , nachdem  sie  jähr- 
ieh die  Keime  von  sehr  vielen  neuen  Producenten  gleicher  Art 
j^*?*igt,  immer  noch  fähig  zu  derselben  Production,  Produceut 
1 einen  kann,  so  scheint  die  Quelle  der  Vermehrung  der  organi- 
®ebeu  Kraft  auch  in  der  Organisation  neuer  Materien  zu  liegen, 
Und  tüejj  zugegeben,  müsste  man  den  Pflanzen  das  Vermögen  zu- 
1*:  i^nihen,  indem  sie  neue  organische  Materien  aus  unorganischen 
Oien  unter  dem  Einflüsse  des  Lichts  und  der  Wärme  bilden, 
auch  die  organische  Kraft  aus  unbekannten  Ursachen  der  Aussen- 
W’C  zu  vermehren,  während  auch  die  Thiere  die  organische  Kraft 
ans  den  Nahn.ingsmitteln  unter  dem  Einfluss  der  Lebensreize  wie- 
er  erzeugen,  und  auch  bei  der  Fortpflanzung  vereinzeln  können. 
11  J>ei  der  Ausübung  des  Lebens  ausser  der  beständigen  Zerset- 
zung von  Stoffen  auch  organische  Kraft  beständig  und  wie  sic 
■verloren  geht,  isi  gänzlich  "unbekannt.  So  viel  scheint  aber  ge- 


tcn°  man  die  Vennehrung  der  oi’ganischen  Kraft  aus  unbekann- 
sch  ‘Im-  Aussenwelt  in  den  einmal  vorhandenen  organi- 

sche” g ‘Pui'u  nicht  zugeben,  so  müsste  man  annchmen,  dass  die 
j me  unendliche  Mulliplication  der  organischen  Kraft  bei  dem 
der  • ‘"^m  und  der  Fortpflanzung  liloss  eine  Evolution  in  cinan- 
jieijg*^'*'S®*oiiachtelter  Keime  sey,  oder  man  müsste  dasUnbegreif- 
1 j^uelunen,  dass  die  beim  Fortpflanzen  statlfindendu  Thei- 
1 v®*'  organischen  Kraft  die  Intensität  derselben  nicht  schwä- 

*umer  aber  würde  die  Tliatsache  übi-ig  bleiben,  dass  be- 
dem  Sterben  der  organischen  Körper  organische  Kraft 
uiwii  sam  oder  in  ihre  allgemeinen  physischen  Ursachen  auf- 
gelöst Wird. 


40 


Prolegomena.  3.  Thier  - Organismus. 


III.  V on  dem  thierischen  Organismus  und  von 
dem  thierischen  Leben. 

Entwickelung,  Wachstlium,  Reizbarkeit,  Fortpflanzung,  Ver- 
gänglichkeit sind  allgemeine  Erscheinungen  und  Eigenschaften 
aller  organischen  Körper  und  Folgen  der  Organisation;  allein 
nur  die  thierischen  Körper  zeichnen  sich  durch  den  Besitz  ande- 
rer Eigenschaften  aus,  die  man  darum  -vorzugsweise  animalische 
Eigenschaften  im  Gegensatz  der  allgemeinen  organischen  nennen 
kann.  Hierunter  sind  das  Vei-mögen  zu  empfinden  und  sich  will- 
kührlicli  zu  bcAvegen  die  vorzüglichsten.  Man  kann  zwar  den 
Pflanzen  die  Bewegung  nicht  ganz  ahsprechen,  denn  ihre  Orga- 
nisation ist  mit  unmerklichen  Bewegungen  begleitet,  es  findet 
Saftbewegung  in  ilmen  statt;  sie  wenden  sich  nach  dem  Lichte, 
die  Wurzeln  wachsen  nach  dem  bessern  Boden  hin , Pflanzen 
ranken  entlang  den  Körpern,  die  ihnen  eine  Befestigung  darhie- 
ten  können,  ihre  Staubfäden  neigen  sich  zum  Grilfel  zur  Zeit 
der  Befruchtung  hin;  ja  viele  Pflanzen,  besonders  Mimosen,  zei- 
gen in  den  Blattstielen  eine  durch  Reize  ]>edinghare  Bewegung, 
wobei  sich  das  allgemeine  Gesetz  wiederholt,  dass  organische 
Theile  von  gewissen  reizbaren  Eigenschaften  diese  auf  sehr  ver- 
schiedene Pieize  auf  gleiche  Art  aussern.  Denn  mechanische, 
galvanische,  chemische  Einflüsse,  wie  Weingeist,  mineralische  Säu- 
ren, Aelher,  Ammoniak,  Wechsel  der  Temperatur,  der  Erleuch- 
tung, bringen  denselben  Erfolg  hervor,  Theviranus  Biologie  5, 
201 — 229.  Endlich  zeigt  sich  hei  lledysarum  gyrans  ausser  dem 
allgemeinen  Einflüsse  des  Lichtes  auf  die  Bewegung  des  mittlern 
Blattes  ein  unaufhörliches  Erheben  und  Senken  der  kleineren  Ne- 
benblätter, seihst  ohne  dass  äussere  Reize  die  Phänomene  bedin- 
gen; auch  einige  der  niedersten  Pflanzen,  wie  die  Oscillatorien,- 
hewegen  sich  beständig  pendelartig.  Wenn  nun  aber  auch  das 
Schlingen  der  Pflanzen  nach  Paem  {ühcr  das  Winden  der  Pflan- 
zen p.  48.)  aus  dem  Umstande  sich  erklären  lässt,  dass  Schling- 
pflanzen mit  den  Spitzen  der  Zweige  Kreise  beschreiben  und  also 
vermöge  dieser  Art  des  Wachsthums  nahe  Gegenstände  erreichen, 
so  scheint  das  Winden  der  Cuscuta  um  bloss  lebende  Pflanzen 
nicht  ohne  alle  organische  Anziehung  zu  seyn;  es  bieten  sogar 
die  Bewegungen  der  Staubfäden  und  Blattstiele  zu  viele  Aehnlich- 
keit  mit  der  Reizbarkeit  der  Muskeln  dar,  um  sie  nicht  damit  zu 
vergleichen.  Dutrocuet  [rccherches  anat.  et  physiol.  sw  la  struc-- 
iure  intime  des  aninmux  et  des  vegeiaux)  Init  den  Sitz  der  Reiz- 
barkeit hei  den  Mimosen  in  der  Rindensuhstanz  eines  Wulstes  an 
den  Gelenken  der  Blattstiele  entdeckt,  ein  Wulst,  der  nur  den 
reizbaren  Mimosen  eigen  ist.  Alle  Bewegung  hörte  auf  nach  dem 
AJjtragen  dieses  Organes,  nach  dem  Abschneiden  der  ohern  Hälfte 
des  Wulstes  erfolgte  noch  Aufrichlen,  aber  nicht  mehr  Senken. 
Hiernach  glaubt  Dutrochet,  dass  Heben  und  Senken  durch  ent- 
gegengesetzte Krümmungen  in  der  Rinde  des  Wulstes  entstehen, 
wie  man  denn  in  Scheiben  der  Rinde  beider  Hälften  unter  Was- 


Unterschiede  der  Pßanzen  und  Thlere.  41 

erfolgen  sieht.  Auf  diese  Art  soll  sich  ein  Blatt 
als  i die  B.inde  der  untern  Hälfte  des  Wulstes  convexer 

ohern  Flache  wii'd,  und  sich  senken,  wenn  dieKrüm- 
tej.*'?  , ^ Rinde  in  der  ohern  Hälfte  zunimnit.  Andere  Beobach- 
te 1 hei  der  Bewegung  der  Wulste  Farben  Veränderung 

'tgenommen,  wieLisusAv,  Ritter,  Mayo,  so  dass  man  das  Phä- 
**ien  auch  vom  Zuströmen  der  Säfte  ahleiten  könnte.  Tiede- 
AJfN  Physiol.  1.  623.  G.  R.  Treviranus  Erscheinungen  und  Ge- 
des  organischen  Lehens.  I.  171  — 177.  Es  gieht  also  in  den 

wie  die  Muskeln  oder  wie 
hei  den  Thieren;  allein 


Pfla 


anzen  ähnliche  Organe,  entweder  wi 
“.®*'ch  Saflströrnung  erectilen  Theile 


le  tinerischen  Bewegungen  erfolgen  nicht  hloss  durch  Wirkungen 
Reizes  auf  reizbare  Theile,  sondern  aus  Innern  Bestimmungen 
nicht  beweglichen  Tiieilen,  denNeiwen,  auf  bewegliche.  Du- 
'^’aocHET  hat  zwar  gesehen,  dass,  wenn  er  hei  Mimosen  den  Focus 
eines  Brennglases  auf  ein  einzelnes  Blatt  richtete,  der  Eindruck 
1 nach  und  nach  auf  die  übrigen  Zweige  und  Blätter  fort- 
T*  anzte,  und  er  betrachtet  die  falschen  Tracheen  als  die  Organe 
Leitung.  Allein  G.  R.  Trctiranus  bemerkt  hiei’bei  mit  Recht, 
yjss  diess  nur  Hypothese  bleibe;  denn  Andere  haben  von  der 
Einwirkung  des  concentrirten  Lichtes  auf  die  Mimosen  nur  ört- 
iclie  Wirkung  beobachtet,  lind  dann  kann  von  einer  örtlichen 
ewcgung  die  ganze  Pflanze  zugleich  erschüttert,  zur  Mithewe- 
gereizt  werden.  Das  Bewegungsvermögen  der  Thiere  hat 
. auch  das  Ausgezeichnete,  dass  die  Bewegungen  zum  Theil 
'®bt  hloss  durch  die  zweckmässige  Organisation  des  Ganzen,  son- 
^ei'n  durch  Zwecke,  welche  ein  einzelnes  Organ,  nämlich  das 
Q^San  der  Seelenänsserungen,  bestimmt,  veranlasst  werden,  d.  h. 
initV***^  ’’|''illkührlich  sind.  Anderseits  muss  man  Reizbarkeit  nicht 
• I ®Pbndlichkeit  verwechseln.  Die  Pflanzen  sind  reizbar,  aber 
nocl  ; so  sind  die  Muskeln  auch  vom  Körper  getrennt 

de  nicht  empfindlich.  Dass  aber  Empfindung  in 

cp”  ■^*‘?*'zen  Statt  finde,  kann  ohne  Acusserungen  des  Bewusst- 
ä|j*.,*"®bt  statuirt  werden.  Aeusserungen  von  Empfindung  und 
1 ^ubrliche  Bewegung  sind  das  einzige  characteristische  Merkmal 
ä^^  ®^**Lichsten  Tiiiere.  Zusammengesetzte  Thiei’c  haben  oft  eine 
^ ‘p  und  vegetabilische  Form  und  sitzen  mit  dem  Stamme  im 
ivillk”!’  individuellen  Fähigkeiten  der  einzelnen  Polypen,  die 
j^^^^*^brrichen  Bewegungen  jedes  Polypen  des  gemeinsamen  Stam- 
aber  nur  eine  organisatio  animalis  muUiplicata  und 
'"'lllk  *i^^‘^”^^‘*^Les.  Die  Bewegungen  der  Infusorien  sind  frei  und 
^®nn  daher  immer  gewisse  einfache  organische 
sicht  ”’i  Spongien  und  mehrere  sogenannte  Aleyonien,  ln  Ilin- 
sebo:..  ^ vegetabilischen  oder  animalischen  Natur  zweifelhatt 


'eine,, 


Ganzei  ’ muss  der  Mangel  aller  willkührlichen  Bewegung  des 
besser^'  '^'^er  der  einzelnen  Theile  entscheiden,  und  diese  müssen 
„g„en  vegetabilischen  Seegehilden  gezählt  werden.  Hier- 

ni'ch  zwar  erinnern,  dass  der  Embryo  der  Spongien 

dem  E {Edinh.  phylos.  Journal.  Vol.  XIII.  ^.382.),  gleich 

gange  der  Polypen  und  Corallen,  durch  Wimpern  Bewc- 

o S *1  äussert,  allein  wir  haben  keine  hinreichenden  Unterscliei- 


42 


Prolegomena,  3.  Thier-  Organismus. 


dungsmerkniale  zwischen  dem  Emhryo  der  Spongien  und  Infuso- 
rien des  Meeres,  dann  aber  hat  man  schon  vielfach  an  dem  Em- 
bryo wahrer  Vegetabilien,  wie  der  Algen,  solche  Bewegungen 
beobachtet.  Solche  Beobachtungen  hat  Trewpepohl  an  Conferva 
däatata  ß-  Roth  (Ecfosperma  clavata  Vaueh.)  und  G.  B.  Trevirasus 
an  Conferoa  iimosa  Dilltv.  gemacht.  Biologie  T.  4.  [t.  634.  Neuer- 
dings hat  ÜKGER  {Noo.  ari.  acad.  ntii,  cur.  T.  XIII.  p.  2.  p.  789.) 
dieselben  Beobachtungen  mit  Beachtung  aller  Uehergiinge  an  Con- 
feroa  dilaiata  wiederholt,  und  es  scheinen,  wie  auch  G.  B.  Tre- 
viranus gegen  die  von  Vaucher  gemachte  Vermuthung  einer 
Täuschung  durch  Infusorien  hehaujitet,  jene  aiifangs  beweglichen 
Keimkörner  wieder  in  Algen,  von  denen  sie  gekommen,  überzu- 
gehen. Siehe  Treviranus  Biol.  T.  4.  Erscheinungen  und  Gesetze 
des  organischen  Lebens.  />.  51  und  183.  Hieher  gehören  auch  die 
Zoocarpees  von  Borv  St.  Vincent,  die  als  gegliederte  Fäden  in- 
fusorienartig sich  bewegende  Reimkörner  ergiessen , welche  dann 
wieder  vegetabilisch  werden  und  die  er  mit  der  ganzen  Zunft 
Arthrodiees  zwischen  Thicrwelt  und  Pflanzen  stellt.  Die  Bewe- 
gungen der  Eier  von  Zoophyten  durch  Wimpern  sind  nicht  für 
willkührlich  zu  halten.  Die  Schwingungen  der  Wimpern  an  den 
athmenden  Kiemen  einiger  niederen  Thiere  sind  wohl  dasselbe 
Phänomen.  Nach  den  Untersuchungen  von  Nixzscii  [Beiträge  zur 
Infusorienkunde,  Halle  1817)  wären  einige  vegctahilisclie  und  ani- 
malische Inlüsorien  sich  sehr  verwandt.  So  sollen  sich  Bacillaria 
peciinalis  und  andere  Arten  ganz  wie  Pflanzen,  andere  Arten  der 
Gattung  wie  Thiere  verhalten.  Ehrekberg  dagegen  scheint  eine 
solche  Verwandtschaft  beider  Reiche  nicht  anzuerkennen;  er  be- 
merkt auch,  dass  die  actlven  Bewegungen  bei  Algen  nicht  die 
Idee  von  Thierheit  erwecken  sollen.  Nie  hat  er  einen  bewegli- 
chen Algensamen  die  geringste  feste  Nahrunrg  zu  sich  nehmen 
gesehen,  und  so  unterscheidet  sich  nach  Eiirenbrg  die  l'rucht- 
streuende  Alge  von  der  sie  urnsch wärmenden  Monade,  wie  der 
Baum  vom  Vogel.  Poogendorf’s  Ann.  1832.  1.  Derselben  Mei- 
nung ist  nach  eigenen  Beobachtungen  R.  Wagner,  indem  er  be- 
merkt, dass  die  Bewegung  jener  K-eimkörncr  nicht  für  thicrische 
gehalten  Averden  könne,  wenn  sie  gleich  wundei’barer  scheint 
als  die  tactmässige  Bewegung  einiger  niederen  Vegetabilien,  der 
Oscillaloricn. 

Die  yrgane,  durch  welche  die  Ernpflndungcn  und  die  Be- 
stimmungen zur  willkührlichen  Bewegung,  also  die  thiei-ischen 
Verrichtungen  der  Thiere  geschehen,  sind  das  Nervensystem. 
Von  den  Nerven  zeigen  sich  die  Organe  der  Thiere  in  eben  so 
grosser  Abhängigkeit,  wie  die  Pflanzen  vom  Lichte.  Mat  hat  bis- 
her Nerven  ausser  den  Wirhelthieren  nur  hei  einem  Theile  der 
Wirbellosen  verfolgt,  und  mau  -war  sehr  einstimmig  der  Meinung, 
dass  bei  den  niederen  Thieren  gar  keine  Nerven  vorhanden  seyen, 
indem  die  noch  eintvehe  Substanz  in  denselben  Partikeln  em- 
pfindlich, beweglich  und  verdauend  sey.  In  der  That  schien  die 
grosse  Theilbarkeit  der  einfachen  Wesen  hiezu  einigei-inaassen  zu 
berechtigen.  Blan  kannte  also  die  Nerven  der  Infusorien,  der 
Corallenthiere  und  Polypen,  der  Acalephen,  der  meisten  Einge- 


Unterschiede  der  Pflanzen  und  Thiere. 


43 


von  Sirongylus  Gißos , einem  Wurm 
Spulil  Otto  das  Nervensystem  besclirieben.  Beim 

fässst-"^^*^'^  ist  ein  nervenartiger  Strang  zwisclien  den  zwei  Ge- 
/j  niclit  zu  verkennen.  Das  Nervensystem  von  Distoma 

Ma  'Mehlis,  von  Peniastoma  und  Diplozoon  hat  v.  Nokd- 

beschrieben.  Kein  Zweifel,  dass  es  allen  Eingeweidewür- 
^ern  zukömmt.  Ferner  batte  Tiedemamn  das  Nervensystem  der 
^ “-^odermen , wenigstens  der  Seesterne  entdeckt.  Endlich  hat 
brenbeeg  die  grosse  Entdeckung  von  der  zusammengesetzten 
‘Wung  der  niedersten  Thiere,  der  Infusorien,  gemacht.  Eiiren- 
BpiG  Organisation  der  lufusionsihierchen.  Berlin  4830.  Bei  den 
einfachsten  Infusorien  hat  Ehrekbeeg  den  Mund  und  einen  zu- 
*’l®”Y'^engesetzten  Magen,  liei  andern  Mund,  Daim  und  After  ent- 
eckt.  I30i  jjßjj  yoilkommneren  Bäderthierchen  und  einigen  In- 
usorien  hat  Eheekbeeg  selbst  eine  Art  Zähne  am  Munde,  männ- 
‘ehe  Und  weibliche  Geschlechtsorgane,  Muskeln,  Bänder,  eine 
pnr  -von  Gefässen  nnd  Nerven  und  Augenpunkte  sehr  deutlich 
^ßschrieben  und  ahgebildet.  Diese  Augenpunkte,  welche  Eiieenbeeg 
tvirkliche  Augen  hält,  sind  für  die  Controverse  von  demNerven- 
^stcm  der  einfachsten  Thiere  von  ganz  besonderer  Wichtigkeit. 

B nun  bei  den  schon  viel  zusammengesetzteren  Planarien,  bei 
®'ien  man  das  Nervensystem  noch  nicht  kennt,  eben  solche  dun- 
Augenpunkte  am  Kopfe,  wie  bei  vielen  Ringelwürmern,  deren 
EBvensystem  man  kennt,  Vorkommen,  und  da  nach  meinen  Beob- 
pbtungen  die  schwarzen  Augenpunkte  einiger  Nereiden  wirklich 
Von  schwarzem  Pigmente  becherförmig  bekleidete  Anscliwel- 
Bi'g  der  Sehnerven  darstellen,  so  ist  es  sehr  wahrscheinlich,  dass 
Buch  die  Planarien  und  überhaupt  alle  niederen  Thiere,  die  sol- 
ste^  4'‘SEnpunkte  besitzen,  Sehnerven  und  also  ein  Nervensy- 
der^  Wenn  Gruithuisen  glaubt,  dass  jede  dunkle  Stelle 

Haut  gewissermaassen  mit  dem  Sehen  in  Beziehung  stehe, 
t .b'‘‘^bt  absorbire,  so  ist  diess  ganz  unexact.  Denn  die 
Este  Bedingung  , zum  Sehen  ist,  dass  der  opticus  specifische 

^ensibilitat  für  das  Licht  besitze  und  nicht  blosser  Gefühlsnerve  sey. 
•edere  Thiere,  welche  gegen  das  Lichtagens  ohne  Auge  emplind- 
i sind,  können  das  Licht  durch  die  Haut  als  Wärme  empfin- 
aber  zur  Lichtempfindung  selbst  gehört  specifische  Reizbar- 
Daher  besitzen  die  Würmer,  wie  einige  Nereiden,  ohne 
^Bss  Sie  optische  durchsichtige  Apparate  zur  Unterscheidung  der 
w,^®”®lBnde  besitzen,  doch  Nerven  zur  blossen  allgemeinen  Un- 
Setj^  '^'^bing  von  Licht  und  Dunkel,  und  gerade  die  Existenz  der 
das  zur  allgemeinen  Lichtempfindung  bei  einem  Tbiere, 

scheid^^®*^  Mangel  optischer  Apparate  nichts  Bestimmtes  unter- 
mer  ^unn,  beweist  sehr , dass  die  Lichtempfindung  doch  im- 
Behtun*n^ ' an  bestimmte  Nerven  gebunden  ist.  Siehe  meine  Beob- 
des  sr^^^  über  den  Bau  der  Augen  bei  den  Nereiden,  Annales 

iTT  p- 

von  E ^ ^°Bime  darauf  zurück,  dass  es  nach  den  Beobachtungen 
Erlähr**^****^^®*^  über  den  Bau  der  Infusorien  und  nach  meinen 
schell  über  den  Bau  der  einfachsten  Augen,  immer  wahr- 

B icher  wird,  dass  alle  Thiere  ohne  Unterschied  Nerven  be- 


44 


Prolegomena.  3.  Thier  - Organismus. 


sitzen.  Wie  sciiwierig  sind  docli  schon  die  Nerven  der  Seesterne, 
ja  mehrerer  Mollusken,  wie  der  Muscheln,  zu  untersuchen;  wir 
dürfen  also  nicht  zu  viel  Werth  darauf  legen,  dass  selbst  grössere, 
einfache  Thierc,  wie  die  Actinien,  die  Medusen,  ur^s  keine  deut- 
liche Spur  dieser  Zusammensetzung  darbielcn. 

Die  Thiere  unterscheiden  sich  aber  nicht  allein  von  den  Pflan- 
zen durch  das  Empfinden  und  willkührliche  Bewegungsvermögen. 
Diese  Attribute  modiliciren  auch  nothwendig  die  übrigen  Eigen- 
schaften, welche  die  Thiere  mit  den  Pflanzen  gemein  haben.  Dless 
hat  CxjviER  in  der  Einleitung  zur  vergleichenden  Anatomie  sehr 
schön  ausgeführt.  Die  Gewächse,  an  den  Boden  geheftet,  ahsor- 
hiren  unmittelbar  durch  ihre  Wurzeln  die  ernährenden  Theile 
der  in  sie  eindringenden  Flüssigkeiten,  die  Thiere  hingegen,  die 
meist  nicht  an  ihren  Aufenthaltsort  gebunden,  ihn  vielmehr  ganz 
verändern  oder  wenigstens  als  Polvpen  eines  festen  Stammes  ihre 
Beute  ergreifen,  mussten  den  ihnen  zur  Ernährung  nöthigen  Vor- 
rath von  Säften  mit  sich  fortnehmen  können.  Die  allermeisten 
haben  eine  innere  Iiölile  erhalten,  in  welche  sie  die  zu  Nahrungs- 
mitteln bestimmten  Stoffe  bringen,  und  in  deren  Wänden  die  ein- 
saugenden Gefässe  bei  den  höheren  Thiercn  wurzeln,  welche  nach 
einem  sehr  passenden  Ausdruck  Boeruave’s  wahrhafte  innere  Wur- 
zeln sind.  Cu  VIER  vergl.  Atiaf.  T.  I.  p.  11.  Bei  einigen  Thleren 
fehlt  der  After,  bei  anderen  ist  selbst  der  Darm  zweifelhaft.  Doch 
sollen  die  Bandwürmer  nach  Mehlis,  gegen  die  gewöhnliche  An- 
nahme, einen  gefässartlgcn , von  der  engen  Mundöffnung  begin- 
nenden , bald  gabelig  getheiltcn  Darm  haben.  Bei  den  Echino- 
rynchen  soll  ein  bekannter  enger,  zweischcnkelig  gespaltener  Canal 
der  Darm  seyn.  Eine  besondere,  zur  ersten  Assimilation  bestimmte 
Höhle  ist  noch  aus  einem  andern  Grunde  nothwendig:  der  Nah- 
rungsstoff der  Thiere  muss  erst  aufgelöst  w'crden.  Der  Nahrungs- 
stoff der  Pflanze  findet  sich  aufgelöst  vor,  und  besteht  theils  aus 
kohlensäurehaltigcm  Wasser,  theils  aus  aufgelösten  organischen 
Materien  des  humus.  Die  Thiere  müssen  ihren  Nahrungsstoff,  der 
aus  schon  vorhandenen  organischen  Verbindungen  liesteht,  vor- 
hereiten,  zerkleinern,  aullösen,  daher  ist  die  Verdauung  eine  bloss 
den  Thieren  eigene  vorbereitende  Assimilation  der  Speisen. 

Die  Safthewegung  der  Pflanzen  ist  viel  einfacher  als  bei  den 
Thieren  , und  immer  ohne  besondere  bewegende  Organe  für  die 
Verbreitung,  ohne  Herz,  ln  einigen  einfachen  Pflanzen  giebt  es 
eine  rotatorische  Bewegung  des  Saftes  im  Innern  von  Gliedern 
oder  in  Zeilen.  Corti  hat  diese  Bewegung  in  Hev  Chara  entdeckt, 
Foistaka,  die  beiden  Treviranus,  Amici,  C.  II.  Sguultz,  Agardh, 
PiASPAiL,  haben  sie  in  den  Charen  wieder  gesehen;  Mea'en  hat  eine 
ähnliche  Bewegung  in  den  Zellen  der  Vallisneria  spiralis  und  in 
den  Haaren  der  Wurzclfasern  von  Hjdrocharis  morsus  ranae  ent- 
deckt. In  den  von  Saftgefässen  durchzogenen  höheren  Pflanzen 
hat  C.  H.  Schultz  eine  fortschreitende  Bervegung  des  Saftes  ent- 
deckt. Ueher  den  Kreislauf  des  Saftes  im  SelwUkraut.  JSerlin  1822. 
C.  H.  Schultz,  die' Natur  der  lebendigen  Pßanze,  Berlin  An- 

nales  des  sc.  nüt.  T.  XXII.  p.l5,  79.  Nach  Schultz  ist  diese  letz- 
tere Bewegung  ein  vollkommener  Kreislauf,  iu  den  einen  Gefässen 


Unterschiede  der  Pflanzen  Und  Tldere. 


45 


mu*  tlen  anderen  absteigend,  in  Qciergefässen  aber  com- 

beiderlei  Ströme  der  verscbiedenen  Gefässe.  In  den 
I^crchsclinitten  der  Blattstiele  vieler  Pflanzen  siebt  man 
1 dexitlicij^  dass  der  Saft  in  verscbiedenen  Gefässen  vcrscbie- 
^ ®ne  Ricbtung  Lat,  und  diess  habe  icb  selbst  an  feinen  Durcb- 
c mitten  der  Blattstiele  von  Feigenblättern  sehr  deutlicb  gesehen. 

^ nicht  der  Schnitt,  die  Zerschneidung  der  Gefässc  an  der  Bich- 
der  Ströme  Antheil  haben,  kann  bloss  durch  Beobachtungen' 
verschiedener  Sti-örae  in  unverletzten  Blattern  ausgeniittelt  werden, 
^n  den  Blättern  des  Chelidonium,  die  mit  dem  lebenden  Stamme 
noch  verbunden  waren,  habe  ich  seihst  allerdings  entgegenge- 
^tzte  Ströme  gesehen.  ^'Der  Umstand,  dass  nach  Dutrochet’s 
•nGohachtungen  in  einem  aufrecht  stehenden  dünnen  Glascjlinder 
Wasser,  durch  ungleiche  Erwärmung  an  verschiedener  Seite, 
sich  eine  aufsteigende  und  ahtseigende  rotatorische  Bewegung 
ninstellt,  kann  ohnehin  nicht  die  Safthewegnng  in  den  Pflanzen 
erklären.  Denn  in  diesem  Falle  ist  die  alleinige  Ui’sache  das 
Aufsteigen  der  erwärmten  und  expandirten  Molecule  des  Wassers, 
Was  gerade  erst  die  Rotation  bedingt.  Es  scheint  daher,  dass 
Anziehung  und  Ahsfossnng  von  Seite  der  Blätter  und  Wurzeln 
®uf  eine  noch  ungekannte  Art  die  Säfthewegung  in  den  Pflanzen 
^®rniltteln.  Dass  aber  das  Licht  die  Säfte  anzieht,  ist  wohl  ge- 
da  es  offenbar  das  AVachsen  der  ganzen  Pflanzen  bestimmt, 
den  Thiercn  sind  dagegen  die  Triebfedern  des  Kreislaufes 
^Giiiger  äussere  Einflüsse,  sondern  die  Zusammenziehnng  eines 
Lentralorganes,  des  Herzens.  Diess  aber  wird  belebt  von  dem 
urch  Öen  Einfluss  der  atmosphärisclien  Luft  heim  Athmen  ver- 
änderten Blute.  Ob  vollkommene  Circulation  ein  absolutes  Prä- 
V^®r  Thiere  ist,  ist  noch  unklar;  Avir  kennen  wenigstens 
n ■Vielen  einhichen  Thiercn  bis  jetzt  weder  Herz  noch  Gefässe. 
nc  sehr  wichtisen  Unterschied  bietet  die  Respiration  der 

Bei  den  Pflanzen  und  einfachsten  Thie-r 


* i>ciir 

■Ihanzen  und  Thiere  dar. 


GO  findet  die  Respiration  auf  ihrer  ganzen  Oberfläche  statt.  Bei 
Gn  zusauunen gesetzten  Thiercn  dagegen  ist  die  Oberfläche  nicht 
unr^ichend  zur  W^echselwirkung  mit  der  Atmosphäre,  und  Ci 
Gines  Organes,  welches  im  kleinen  Raume  eine,  ungeheure 
p 'GAende  Fläche  der  Atmosphäre  darhietet.  Allein  auch  die. 
foducte  der  Respiration  sind  im  Thier-  und  Pflanzenreich  ver- 
Bei  den  Pflanzen  besteht  die  Assimilation  zum  Theil 


^unr^icliend  zur  W^echselwirkung  mit  der  Atmosphäre,  und  es 
" reiches  in  ’ ’ " 

Atmosphi 

■Aioöucte  der  Respiration  sind  im  Thier- 
Bei  den  Pflanzen  besteht  die 
stmr”’  binären  Verbindungen,  Kohlensäure  (also  Rohlcn- 

Sauerstoff)  und  AVasser  {Wasserstoff  und  Sauerstoff),  in 
Wrhindungen  xmii  Kohlenstoff , AVasserstoff,  Sauerstoff,  zu 
■Vg,.V*'^*'Oiaterie  umgewandelt  werden.  Da  nun  aber  hei  dieser 
'wirir^v'^^’'*”S  Gin  Ueberschuss  von  Sauerstoff  übrig  bleibt,  so 
auch  durch  die  Blätter  ausgehaucht.  Die  Blätter  nehmen 

een  v '^^*^®'osoure  aus . der  Atmosphäre  auf,  w'ie  die  üntersuchun- 
V H Scheele,  Ingenhouss,  SrALLAHzASt,  Senebier, 

zerset^^'^^*"^^’  Saussure  bcAveisen.  Käralich  die  Blatter 

die  in  der  Luft  enthaltene  Kohlensäure  so,  dass  der 
pn,'  ®®®lGff  einem  Antheile  des  Sauerstoffes  sich  mit  den 

änzen  verbindet,  während  der  grösste  Theil  des  Sauerstoffes 


46 


Prolegomena.  3.  Thier-  Organismus. 


an  die  Luft  zurückgegehen  wird.  In  der  Nacht  aber  und  im 
Schatten.,  im  krankhaften  und  welkenden  Zustande  nehmen  sie 
einen  Theil  des  Sauerstoffes  der  Luft  auf  und  dünsten  Kohlen- 
säure aus,  aher  weniger  als  sie  am  Tage  aufnehmen.  Tiedemann’s 
Physiologie  T.  I.  p.  273.  Gitny  Edinh.  pldl.  J,  1821.  7.  Das  Ath- 
men  scheint  daher  hei  den  Pflanzen  eine  blosse  Correction  der 
Assimilation;  durch  das  Athmen  der  Pflanzen  verliert  die  Luft 
beständig  einen  Theil  der  von  den  Thieren  ausgehauchten  Koh- 
lensäure, und  erhält  einen  lleichthum  von  Sauerstoff.  DieThiere 
leben  nur  von  schon  gebildeter  organischer  Materie,  und  ihre 
Substanz  enthält,  ausser  Kohlenstoff,  Sauerstoff,  Wasserstoff,  auch 
Stickstollj  der  vielen  Pflanzen  ganz  fehlt  und  in  anderen  nur  in  sehr 
geringer  Quantität  vorhanden  ist.  Da  nun  beständig  eine  grosse 
Menge  Thierstoff  fault  und  in  chemische  Verbindungen  sich  zer- 
setzt, die  Thiere  aber  keinen  neuen  organischen  Stoff  aus  einfa- 
chen Elementen  oder  binären  Verbindungen  bilden  können,  so 
sind  die  Pflanzen,  welche  dieses  Vermögen  besitzen,  den  Tliieren 
durchaus  nöthig;  s'o  wie  die  Thiere  wiederum  den  Pflanzen  nö- 
thig  werden.  Denn  die  Thiere  athmen  gerade  dasjenige  aus,  was 
die  Pflanzen  einathmen,  Kohlensäure,  und  athmen  wieder  ein, 
was  die  Pflanzen  ausathmen,  Sauerstoff.  Auf  diese  Art  würde 
ohne  die  Pflanzenwelt  die  Luft  für  die  Thiere  Irrespirahel  Aver- 
den ; duveh  die  Wechsehvirkung  A'on  Pflanzen  und  Thieren  erhält 
sich  aber  die  fast  absolute  Gleichheit  der  atmosphärischen  Luft 
als  eine  Zusammensetzung  von  79  Theilen  Stickstoff  und  21 
Sauerstoff! 

Da  nun  endlich  die  Pflanzen  nur  eine  einfache  Kraftäusse- 
rung, nämlich  die  Vegetation  besitzen,  so  bedürfen  sie,  ausser 
Wurzel,  Stengel,  Blättern,  nicht  mannigfaltiger  Organe,  sondern 
sic  bieten,  mit  Ausnahme  der  FructificationsAverkzeuge,  durchgän- 
gig ähnliche  Theile  dar,  indem  sich  das  einfache  Verhältniss  von 
Stengel  zu  Blättern  immer  Aveiter  A'om  Stammö  und  Theilen  des 
Stammes^  aus  multiplicirt,  ja  sogar  die  Fructificationswerkzeuge 
zeigen  sich  den  Blättern  versvandt  und  bilden  sich  zuAveilen  in 
Blätter  um.  Da  ferner  die  Pflanzen  A'or  der  Fmctification  nur 
eine  Wiederholung  ähnlicher  Theile  zeigen,  ‘deren  Anfänge  im 
Stamme  zu  einem  ensemble  verbunden  sind,  so  sind  auch  diese 
Theile  seihst  Avieder  fähig,  ahgetrennt  selbstständig  zu  Averden; 
denn  es  giebt  ohnehin  hier  eine  beständige  Zeugung  durch 
Sprossen.  Auch  der  Same  ist  ein  selbstständiger  Theil,  der  sich 
von.  den  Sprossen  nur  darin  Avesentlich  unterscheidet,  dass  seine 
Vegetationskraft  gross,  aber  seine  Vegetation  seihst  gering  ist 
oder  noch  gar  nicht  existirt.  In  den  Thieren  zeigt  sich  dagegen 
die  WechselAvirkung  von  Blutkreislauf,  Athmen  und  Nersnen  zum 
Lehen  durcliaus  nothwendig.  Die  Nerven  bedingen  die  Athem- 
bcAvegungen,  die  Nerven  wirken  aber  nicht  ohne  Blut,  Avelches 
geathmet  hat,  und  das  Blut  fllesst  allen  Theilen  und  so  den  Ner- 
ven nicht  zu,  ohne  die  Zusammenziehung  des  Herzens,  das  wie- 
der von  dem  hellrothen  Blute  und  der  Nerveinvirkung  abhängig  ist. 
Gehirn , Herz  und  Lungen  sind  daher  gleichsam  die  in  einander 
greifenden  Haupträder  in  der  thierischen  Maschine,  welche  durch 


^’’undkräfie  und  organische  Systeme  der  Thier e.  47 

Be?  beim  Athmen  in  Bewegung  gesetzt  werden, 

treil  ^ ^chstliiime  zcl^t  sicli  aucli  nicht  ein  äusseres  Hervor- 
Crö  ^'^iier  Tbeile,  älinlicb  den  alten,  sondern  meist  eine  Ver- 
des  Ganzen  durch  Vergrösserung  aller  zuerst  gebilde- 
de  p des  Innern  tind  Aeussern.  Die  Thiere  wachsen  in 
Begel  nicht  auf  Pllanzenart,  nur  die  zusammengesetzten  Po- 
JPen  wachsen  durch  Sprossenbildung.  Die  inehresten  Thiere 
ipj“  .’  l’e  vollkommener  sie  sind,  nicht  ein  Aggregat  ähnlicher 
durch  einen  Stamm  verbunden,,  sondern  sie  enthalten 
lieile  von  ganz  verschiedenen  Eigenschaften,  mannigfaltige  Or- 
die  eine  Zeugung  durch  Tlieilung  wachsender  Tlieile  un- 
luögUch  machen,  wenn  nicht  die  sich  abtrennenden  Tbeile  die 
Wesentlichen  Organe  des  Ganzen  noch  mit  enthalten,  wie  beiPo- 
vPen  Und  einigen  Würmern,  Nereiden,  Naiden  ii.  A. , bei  denen 
^losNET,  O.  Fr.  Mueller,  Gruithuisen  eine  Fortpflanzung  durch 
:^V”®diche  oder  von  selbst  erfolgende  Tlieilung  gesehen  haben. 
Ranze  Vergleichung  hatte  nur  den  Zweck,  zu  zeigen,  wie 
Existenz  neuer  Eigenschaften  bei  den  Thieren  auch  diejenigen 
t'uetionen  modificirt,  welche  die  Thiere  mit  den  Pflanzen  ge- 
haben.  ■ • 

Die  Vergleichung  der  Thiere  mit  den  Pflanzen  führte  die 
uen  zur  Methode,  wie  sie  die  Functionen  der  Thiere  abzuhan- 
hatten. 

Die  Functionen,  welche  die  Pflanzen  und  Thiere  mit  einan- 
’’  Remein  zu  haben  scheinen,  bat  'man  organische  oder  vitale 
''errichtnn  gen  genannt;  sie  hoben  die  Erzeugung  und  Erhaltung 
^g^^'  Thelle  aus  dem  selbststäridigcn  Ganzen  zum  Zweck.  Sie  sind 
der  organischen  Afllnität  unter  den  Wirkungen  der 
zünf  1 Drsache  des  Lebens.  Die  Functionen,  welche  vor- 

cun«!'^'  ^'®  41iierischen  Wesen  auszeichnen,  Empfindungen,  Bewe- 
b o 11,  Vorstellungen  u.  s.  w.,  scheinen  der  Zweck  des  thierischen 
!.  j”®  zu  seyn,  es  sind  die,  welche  das  Thier  characterisiren 
Die'^A^’  cs  auch  nur  einen  Augenblick  ausdauern  sollte. 

Alten  haben  sie  im  Gegensatz  der  erstei’en  animalische  Ver- 
^'chtungen  genannt. 


uine  dritte  Reihe  der  Erscheinungen  umfasst  die  Vorgänge, 


Diese  Eintheilung  hat  ihre  Vortheile,  kann  aber  auch 
des  t^'^^^^^'dnisse  ei-zeugen.  Die  Kraft,  welche  die  Entwickelung 
des  bedingt,  Yst  dieselbe,  xvelche  die  beständige  Erhaltung 

darnao/'^'^’'  und  die  Wiedererzeugung  desselben  verursacht,  und 
pfindun'  ^'hrden  also  Vegetatioiiskraft,  Bewegungskraft  und  Em- 
sich  gleichsam  die  Gründkräfte  seyn ; allein  es  fragt 

ob  diese  Trennung  nicht  künstlich  ist. 
zenlebe**  sich  vorstellen,  dass  die  wesentliche  Kraft  des  Pflan- 
K-räften  Vegetationskraft,  in  den  Thieren  noch  mit  anderen 

wegune  i^*^^^^uden  sey,  z.  B.  mit  der  Empfindungskraft  und  Be- 
der  oder  mit  der  NervCnkraft,  wenn  man  die  Fähigkeit 

* sigj,  durch  den  Einfluss  der  Nerven  zusammenzuzic- 


48 


Prolegomena.  3.  Thier  - Organismus. 


Jien,  niclit  als  xirsprüngliclie  Kraft,  sondern  als  Folge  anselien  will' 
Man  kann  sicli  -vorstellen,  dass  die  Vereinigung  dieser  Kräfte  irn 
Keime  exisürt  und  dass  sie  sieh  von  der  Entwickelung  an  in  den 
verschiedenen  Organsyslcmen,  die  in  einander  greifen,  äussern,  so 
dass  die \egetationskraft,  von  der  Nervenkraft  bestimmt,  auch  die 
Organe  des  JS'ervenlehcns  wiedei-er^eugt  und  lieständig  erhält,  die 
Nerven  aber  wieder  die  Ursache  sind,:  dass  organisirte  Theile  em- 
pfindlich sind.  Wenn  man  diess  aber  weiter  durchdenkt,  so  ge- 
langt man  auf  Widersprüche.  ' 

Vielmehr  scheinen  diese  Ilauptformen  nur  verschiedene  Wir- 
kungen einer  und  derselben  ois  essentialis  der  Thiere,  bedingt 
durch  die  verschiedene  Zusammensetzung  der  verschiedenen  Or- 
gane. Es  liegt  etwas  Absurdes  in  der  Vorstellung,  dass  die  Re- 
productionskraft  die  jVervensubstanz  erzeuge,  während  die  Wirkun- 
gen der  gebildeten  Nerven  Folgen  einjer  Kraft  seyn  sollen,  die 
verschieden  ist  von  der  Kraft,  welche  die  Neiwensubstanz  bildet. 
Die  letzte  Ursache  des  Lebens,  welche  in  den  Thieren  wirkt,  er- 
schafft alle,  zum  Begriffe  eines  thicnischen  Wesens  gehörigen  Theile, 
und  erzeugt  diejenige  Mischung  in  denselben,  deren  Erfolg  Bewe- 
gungsvermögen und  Empfindungsvermögen  oder  Leitungsvermögen 
für  Eindrücke  sind,  die  auf  einen  Cenirallheil  der  Einwirkungen 
und  der  Rückwirkungen  vcrpflahzt  werden.  Kur  die  verschiede- 
nen Producte  dieser  ersten  und  einen  Kraft  der  Thiere,  dieses 
alle  Theile  erzeugenden  und  wiedcrerzeiigenden  p/:imnm  mni>ens, 
sind  theils  zur  Umwandlung  vön  Materien  fähig,  die  weiter  ge- 
führt für  den  Nutzen  deS  Ganzen  hestiniunt  sind,  theils  Bewegungs- 
organe, theils  Organe,:  durch  welche  die  Einwirkungen  aller  Or- 
gane auf  ein  Centralorgan  und  die  Rückwirkungen  erfolgen.  Die 
erstereii  sind  die  Reproductionsorgane,  die  zweiten  die  Muskeln, 
die  dritten  die  Nerven.  Dann  giebt  es  auch  noch  solche  Theile, 
die  durch  die  schaffende  und  wredererzeugende  Thätigkeit  oder 
die  Grundursache  aller  Organe  keine  anderen  wesentlichen  Eigen- 
schaften als  physicalische  Qualitäten  .der  Festigkeit,  Elasticität,  Zä- 
higkeit u.  s.w.  erlangen,  wie  die  Knpehen,  Knorpel,  Bänder,  Sehnen. 

Die  Drüsen  erlangen  z.  B.  durch  die  Ernährung  und  Wieder- 
erzeugung aus  dem  Blute  die  Fähigkeit,  gewisse, Theile  des  Blutes 
in  ihrer  Nähe  anzuziehen,  neu  zu  combiniren  und  auszusebeiden; 
durch  denselben  Act  der  Ernährung,  und  Wicdcrerzeu£(ung  aus 
dem  Blut  erhalten  die  Muskeln  die  zur.  Attraction  ihrer  Thcilchen 
oder  zur  Bewegung  durch  gewisse, Ursachen  nötbige  Fähigkeit, 
und  diese  Fähigkeit  ist  das  Product  jener  Erzeugung,  nicht  aber 
eine  besondere  Grundkraft,  die  von  der  Generationskraft  verschie- 
den wäre.  .So  erhalten  die  Nerven  durch  eben  diese  Urkraft  der 
IJildung  xmd  Wiedererzeugung  aus  dem  Blute  die  Fähigkeit  zu  ih- 
ren Lebenserscheinuugen,  und  .ihre  Fähigkeiten  sind  nur  die  Er- 
folge dieser  Erzeugung.  Ganz  vei’kehrt  scheint  es  aber  nun  gar, 
die  Wiedererzeugung  zur  Indifferenz  der  bewegenden  und  sensi- 
tiven Kraft  zu  r^acben.  Sicht  ,nian  von  den  Tbcilen  ah,  welche 
durch  den  organischen  Prpeess  ihrer  beständigen  Wiedererzeu- 
gung  nur  physicalische  Eigenschaften  der  Elasticität,  Festigkeit 


^^tmdkräfte  und  organische  Systeme  der  Thlerc.  49 

kann  man  die  Eigenschaften  der  übrigen 
I ^ *''  Thieren  folgendermaassen  hezeiclmen. 

Zweck  1 ^S‘’ne,  welche  die  Mischung  der  Flüssigkeiten  für  den 
l^lutaef verändern,  wie  die  Absondcriingsorgane,  die 
I^Iiäno  Ljinphgefässe,  die  Lungen.  Das  cigenthümliche 

**aliru  diese  Organe  darhieten,  ist  nicht  etwa  die  Er- 

än(jgj,^S’  *^^cnn  diese  kömmt  allen  Organen  zu,  sondern  die  Ver- 
Ujjj.  organischen  Condjinatlon  in  den  Flüssigkeiten,  die 

■^nif-'t^*^  Ol  Berührung  stehen,  durch  Aeusserungen  organischer 

Moskulöse  Organe,  welche  auf  gewisse  Einflüsse  sich  zu- 
Wo  und  deren  Fasern  sich  kräuselnd  gegen  die  Stelle, 

jf  Veränderung  der  Muskclsuhsfanz  geschieht,  verkürzen, 

sche^^*  Fähigkeit  der  Muskeln  auf  mechanische,  chemi- 

tahTw*'*^  o^ootrische  Einwirkungen  sich  zusammenzuziehen,  Irri- 
and'e*-'^*^  Sooannt,  und  die  H.ii.LEa’sche  Irritabilität  kann  keinen 
ypVjl  *^**1  keilen  als  den  muskulösen  Tlieilen  zugescliriehen  werden, 
hark  andere  sich  durch  Erscheinungen  anderer  Art  von  Reiz- 
]3ß  '^oszeichnen.  Einige  verwirrte  Schriftsteller  haben  diesen 
nen  * ^ ' Irritabilität  zu  einer  Formel  für  willkührliehe  Fictio- 
Ner  so  dass  man  sogar  von  einer  Irritabilität  in  den 

^ihil'ir*'  S®®P*’ochcn,  als  wenn  bald  die  Irritabilität,  bald  die  Sen- 
SCscl  ‘^orselben  verändert  seyn  könnte.  Im  lebenden  Körper 
<Ier  AVirkungen  der  Muskeln  immer  unter  dem  Einllus» 

]juj,  \ '^^’kolnerven,  und  alles,  was  die  Zusammensetzung  der  Nerven 
'''enk 'verändert,  bewirkt  gleichsam  eine  Entladung  der  Ner- 
ker  d^”’  welche  die  Zusammenziehung  der  Muskeln  bedingt.  Da- 
der  Bewegungen,  der  Krämpfe  und  Lähmungen 

den  *ur  Untersuchung  der  Gcäptze  der  Wirkunsen  in 

. , , J^erven  zm-f 
riellen  Ver  in  i 


Die  Bewegung  lindet  hei  allen  mate- 
ungen,  hei  der  Generation,  Ernährung,  Ahsonde- 
wirkt  ’ Organische  AlTinität  zwischen  Säften  und  Organen  be- 
Muskel  ''J.?‘^*‘^'^o‘'-IIc'"a;gungen ; man  muss  sich  W'ohl  hüten,  die 
die  n "/kr  die  einzigen  der  Bewegung  fähigen  Theile  zu  halten; 
durch  'i^^'^^dsen  Theile  sind  nur  die  einzigen  Organe,  welche 
Ond  , i|“‘^’^*‘*oimenziehung  und  Kräuseln  von  Fasern  sich  bewegen, 
nißijt"  " Theile,  welche  sich  so  zusammenzichen  können,  und 
Miisk  /'®®®oIkoh  Muskeln  sind,  sind  meist  durch  cingestreute 
^kkrun*  kesonders  Muskelfasern,  beweglich,  wie  die  Aus- 

contraigj^""§®  der  Drüsen,  welche  sich,  wie  ich  zeigen  werde, 

Verände-^*"  ^orven  haben  theils  die  Fähigkeit,  hei 
kewirken""®®*’  ihres  Zustandes  Bewegungen  in  den  Muskeln  zu 
Sinnen  de  /''“krend  die  Veränderungen  der  Nerven  seihst  den 
verinögetj  *,k®°kachters  entgehen,  theils  besitzen  sie  ein  Leitungs- 
hirn, dem  r Veränderung  ihres  Zustandes  nach  dem  Ge- 

gane  ansa  ^ otralorgane,  wovon  Wirkungen  auf  alle  übrigen  Or- 
finden  nur diess  nennt  man  empfinden.  Empfindungen 
in  Verhi  lange  statt,  als  die  Nerven  noch  mit  dem  Gehirne 
ausgehend  stehen.  Viele  vom  Gehirn  und  Rückenmarke 
M-  ii  " Nerven  sind  durch  das  Gehirn  und  Rückenmark  will- 


50 


Prolegomrna.  3.  Thier  - Organismus. 


kiilirliclic  I^xcllatoren  der  Bewegung  in  den  Muskeln , so  lange 
die  Nerven  nocli  mit  Geliirn  oder  Bückcninark  in  Verbindung 
stellen , wälirend  sie  in  dieser  Verbindung  und  ohne  diese  \'er- 
bindung  auch  iinwillküliiliclie  Zusainmenziebungen  der  Muskcli' 
bei  einer  Veränderung  ilires  Zustandes  bewirken.  Dagegen  sind 
die  vom  ISicrpus  sympalhicus  abbängigen  bew'eglicben  Theile  dein 
Willen  entzogen  und  nur  in  einer  bedingten  Abhängigkeit  von 
dem  Gehirn  und  Rückenmarke,  mit  ivelchen  der  Nervus  sympa- 
thicus  mittelbar,  nämlich  durch  Vermittelung  wirklicher  Cerebral- 
und  Spinalneren  zusammenhängt,  ln  den  Nerven  zeigt  sich  die 
grösste  Beweglichkeit  der  organischen  Kräfte,  ohne  Bewegung 
der  ponderabeln  Masse,  und  ihre  Wirkung  ist  zur  Ausübung  al- 
ler Functionen  nöthig,  indem  alle  Theile  durch  Veränderungen 
der  Nerven  auf  Gehirn  und  Rückenmark  zurückwirken,  und  von 
diesen  aus  gewisse  zu  ihrer  Action  nothwendige  Einflüsse  erfahren. 

Diese  organischen  Systeme  greifen  verschiedenartig  in  ein- 
ander. Alle  Organe  sind  nur  durch  den  Antheil  von  Nerven,  die 
in  ihre  Gewebe  treten,  empfindlich,  die  Organe,  die  der  chemi- 
schen Verwandlung  der  Flüssigkeiten  dienen,  sind,  wenn  sie  sich 
zusammenziehen,  nur  durch  eingestreute  Muskelfasern  zusamrnen- 
ziehbar,  und  alle  Organe  oder  einzelnen  Theile,  in  welchen  aus- 
ser besonderen  Lchenseigenschattcn  auch  noch  Absonderungen 
tropfbarer  Flüssigkeiten  für  den  Zweck  des  Ganzen  stattfinden, 
haben  für  diesen  Zweck  aucli  eigenthümliche  Gewebe,  wie  in 
den  Organen  der  Sinnesempfindung  auch  tropfbare  Absondcnin- 
gen  duieh  besondere  Gewebe  stattfinden. 

Sowohl  die  AV'eehselwirkung  dieser  Systeme  unter  sich,  als 
ihre  Wiedererzeugung  aus  dem  Blute,  kann  ohne  Afllnitätsäusse- 
rung  der  poiiderabeln  und  impondcrabeln  Alaterien  mit  orga- 
nischer Auziehung  nicht  vor  sich  gehen.  Die  Renntniss  dieser 
Gesetze  wäre  von  der  grössten  Wichtigkeit,  allein  wir  kennen 
kaum  einige  merkwürdige  Facta,  wie  die  Anziehung  des  Blutes 
in  Theilen,  welche  der  Erection  fähig  sind,  und  wo  eine  grössere 
Thätigkeit  stallfindet,  und  jene  merkwürdige  Verwachsung  zweier 
Keime,  woraus  ein  Thcil  der  Doppelmissgehurten  zu  crkläien  ist, 
was  ohne  Anziehung  gleichartig  gebildeter  Theile  nicht  geschehen 
kann,,  da  fast  in  der  Regel  gleichnamige  Theile  verwachsen,  Ge- 
sicht mit  Gesicht,  Schnauze  mit  Schnauze  von  vorn  oder  von 
der  Seite,  oder  Hinterkopf  mit  Hinterkopf,  von  der  Mitte  oder 
von  der  Seite,  Hals  mit  Hals  oder  Brust  mit  Brust,  oder  bloss 
Bauch  mit  Bauch,  oder  Seite  mit  Seite,  oder  bloss  Steiss  mH 
Steiss.  Eine  Verbindung,  wobei  immer  die  verwachsenden  Theile 
beider  Embryonen  gemeinsam  und  einfach  w'crden,  und  sich 
nach  den  Doppelhöhlungen  bin  theilen.  Eine  einzige  Beobach- 
tung organischer  Anziehung  und  Abziehung  an  kleinsten  Thei- 
len  wäre  hier  von  unendlicher  Wichtigkeit.  Allein  alle  mein® 
Bemühungen  um  ein  Experiment  in  diesem  Punkte  sind  frucht- 
los gewesen,  mochte  ich  einen  blossgelegten  und  heraus  präp»' 
rirten  Nerven  eines  Frosches  unter  das  Microscop  legen  und  da* 
Ende  mit  Blulkügclchen  umspült  beschauen,  oder  Samen  des  Frc- 


Geseiz,e  der  ihierischen  Reizbarkeit. 


51 


dem  Theilen  des  unbefrucliteten  Eies  vom  Frosche  unter 
j^.'croscop  heohachten. 

Allaem‘1  besetze  der  Reizbarkeit  der  organischen  Wesen  sind  im 
ist^d  schon  im  vorigen  Abschnitt  untersucht  worden;  dort 

keit  ] * , der  Lehensreize  zur  Aeusserung  der  Tliälig- 

tark  ^■**^'”’***'^'  Hier  werden  nun  zunächst  die  Gesetze  der  Rciz- 
tlem  1**^  Thieren  näher  bestimmt  werden,  ohgleicli  es  ])ci 

Licl  t Standpunkte  der  Wissenschaft  kaum  möglich  ist, 

■VFir*  V/®*’  diese  schwierigen  Probleme  zu  verbreiten,  und  doch 
ki'ejf  diese  Kenntniss  so  wünschensAverth , da  die  Arzneikunde 
die  grössten  Anforderungen  an  die  Physiologie  zu  machen  hat. 
ral  1 organische  Kraft  das  Residtat  der  Mischung  ponde- 

de  imponderabler  Materien  se3’n,  oder  selbst  die  Mischung 

sie*^  ?*’Siifiischen  Materie  bedingen  und  erhalten,  wir  sehen,  dass 
Sich  unter  gesvissen  Umständen  in  einzelnen  Organen  verstär- 
der  *^**”*’’  Actionen  sind  in  diesem  Falle  grösser  und  dauern- 
dej,’^^i®  man  in  den  Genitalien  in  der  Schwangerschaft  und  in 
de  beobachtet.  So  nimmt  die  organisclie  Kraft  auch  in 

sf”?  ^''iiher  organisirten  GeAveih  der  Hirsche  ab,  wenn  es  ab- 
und  verstärkt  sich  Avieder',  Avenn  es  im  organisirten  Zu- 
i'o  von  Neuem  erzeugt  Avird.  Zu  einem  mehr  belebten  Theile 
^i  niehr  Blut,  und  es  wird  mehr  Blut  als  sonst  in  organi- 
Oj, ^ Materie  umgewandelt.  Tiedemann  sagt,  dass  ein  gereiztes 
S'än  schnellere  Veränderungen  in  seiner  materiellen  Zusam- 
^'®®l^ung  erfahre,  und  eben  daher  auch  das  Blut,  Avelclics  al- 
im  Stande  ist,  zu  gesteigerten  Kraftäusscrungen  zu  befähi- 
rascher  und  in  grösserer  .Menge  anziehe.  Physiologie  1.  326. 
dagegen  ein  organischer  Thcil  einen  Schaden  durch  ma- 
lelle  UmAA'andlung  erleidet,  so  entsteht  in  einem  solchen  Theile 
Sei”  grössere  Thätigkeit  zur  Wiederherstellung  dieses 

ladens,  Avenn  die  Zersetzung  des  organischen  Theiles  nicht  zu 
Vp  **  S®wcsen.  Die  organischen  Körper  besitzen  beständig  das 
der^Ti^^”’  Leben  des  Ganzen  nöthige  Zusammensetzung 

'"Ärd  ^ zu  erhalten.  So  oft  diese  Zusammensetzung  verletzt 
aus  i jenes  Streben  heilkräftig.  Diess  folgt  schon 

Sch  dass  die  organischen  Körper  beständig  der  chemi- 

gen”*'  yinwirkung  das  GleichgcAvicht  zu  halten  suchen.  Deswe- 
or„  einem  verletzten  Tlieilc  noch  mehr  Blut  zu,  weil  die 

Thätigkeit  sich  in  demselben  vergrössert.  Die  Wech- 
Anfiij^  der  vermehrten  organischen  Thätigkeit,  Avelche  dem 
des  8p?  ‘l®!’  Zersetzung  das  Gleichgewicht  zu  halten  strebt,  und 
in  der'*^  eingetrelenen  Strebens  zur  Zersetzung  erkennt  man 
hauptpp  ^'’tzündung.  Deswegen  lässt  sich  aber  doch  nicht  be- 
reit ict  ’ ®ass  die  Entzündung  Avesenllicb  eine  vermehrte  Thätig- 


niner  örti*^*'*^®^^  ®i®  zusammengesetzt  aus  den  Erscheinungen 
Und  eine  **^*’^u  Verletzung,  einer  örtlichen  Neigung  zur  Zersetzung 
■Welche  d”  '^''8®genAvirkenden  A'erstärkten  organischen  Thätigkeit, 
Bei  einen”*^  ^ersetzungsstreben  das  Gleichgewicht  zu  halten  strebt. 
l®n  kömmt  ■''®n  Zersetzung  in  den  Ihierischen  Thei- 

*ündutm  ^ gan  ni®iit  dieser  Rückwirkung,  und  die  Ent- 
^ entsteht  nicht,  wie  bei  den  narcotiseben  Vergiftungen. 


52 


Prolegomem.  3.  Thier-  Organismus. 

Wenn  sie  aber  entsteht,  so  kann  die  durch  eine  Verletzung  be- 
dingte Zersetzung  bald  so  gross  werden,  dass  die  organische 
Rüä.wirkiing  das  Gleichgewicht  nicht  zu  halten  vermag,  und 
dass  örtlicher  Tod  cintritt.  _ • j 

Diese  und  viele  andere  Falle,  ja  schon  die  Ermüdung  und 
Erschöpfung  nach  grossen  Anstrengungen  zeigen  uns,  dass  die 
organische  Kraft  diirch  die  Ausübung  der  Functionen  gleichsam 
consumirt  wird.  Diess  zeigt  sich  noch  nach  dem  Tode.  Denn 
wenn  man  von  zwei  gleichen  Muskelstücken  eines  frisch  geschlach- 
teten Thieres  den  einen  Theil  mit  dem  Messer  zu  kleinen  Zuk- 
kun^en  reizt,  wahrend  man  den  andern  sich  selbst  überlasst,  so 
wird  der  erste  in  dem  Maasse  früher  seine  Reizbarkeit  verlieren, 
als  er  sich  mehr  bewegt.  Aute?irieth’s  Phy.nol.  I.  6.3.  Jeder 
Lichteindruck  stumpft  das  Auge  einigermaassen  ab,  und  der  glei- 
che Reiz  bringt  kurz  darauf  keine  gleiche  Reaction  hervor,  bis 
sich  das  Auge  erholt  hat.  Man  könnte  diess  daraus  erklären, 
dass  ein  Theil  der  Kraft  zur  Ausgleichung  der  durch  den  Reiz 
bewirkten  materiellen  Veränderungen  wirkt.  Allein  diese  Ermü- 
dung erfolgt  auch  in  dem  Falle,  wo  die  Thätigkeit  ohne  äussern 
Reiz  vermehrt  wird,  sobald  nur  nicht  die  Kraft  zugleich  ver- 
mehrt ist.  Es  scheint  also,  dass  diese  Thätigkeit  selbst  eine  ma- 
terielle Veränderung  in  den  Organen  hervorbringt.  Vielleicht 
indem  jene  beständige  Veränderung  der  organischen  Substanz 
durch  die  beim  Athmen  veränderten  Bestandtlieile  des  Blutes, 
welche  zum  Leben,  gleich  wie  die  Zersetzung  zu  den  Erschei- 
nungen der  Verbrennung  nothwendig  ist,  beschleunigt  oder  ver- 
mehrt wird , da  doch  zur  Zeit  dieser  Beschleunigung  nicht  auch 
die  Wiedererzeugung  aus  den  Naluningsstoffen  vermehrt  ist,  son- 
dern in  der  We'ise  der  Erholung  erst  allmählig  geschehen  kann. 
Ueberhaupt  aber,  je  thätiger  ein  Mensch  ist,  um  so  grösser  scheint 
die  Zersetzung  der  Stoffe,  und  um  so  mehr  hat  jemand  Bedürf- 
niss  nach  Nahrungsmitteln.  Menschen  und  Thiere,  die  nach  sehr 
heftigen  Kraftäusserungen  gestorben  sind,  wie  z.  B.  ein  zu  Tode 
gejagter  Hirsch,  sollen  seihst  schneller  faulen  als  ein  zu  Tode 
gebluteter  Körper.  Autenrieth,  welcher  diess  bemerkt,  führt 
auch  an,  dass  ein  Muskel  aus  einem  noch  reizbaren  Thiere  ge- 
schnitten, ungleich  schneller  faule,  wenn  er  zu  häufigen  Zusam- 
menziehungen vor  seinem  Absterben  gereizt  Avurde,  als  ein  ande- 
res gleiches  Stück,  das  ruhig  gelassen  wurde.  Physiologie  I.  Il5. 
Vergl.  A.  V.  Humboldt  über  die  gereizte  Bluskel-  und  Bttroenfaser. 
In  den  Verrichtungen  des  Nervensystems  ist  die  Erholung  beson- 
ders so  nothwendig,  dass  seihst  das  gleichmässigste  Leben  des 
Schlafes  bedarf,  der  von  selbst  eintritt,  auch  wenn  die  das  Ner- 
vensystem in  Thätigkeit  setzenden  Ursachen,  die  äusseren  Reize, 
fortdauern,  weil  die  durch  die  Thätigkeit  verursachte  Verände- 
rung im  Nervensysteme  letzteres  unempfindlich  für  diese  Ein- 
drücke macht.  _ -i  « 

Die  beständige  Wiederbelebung  der  organisirten  Theile  an» 
den  allgemeinen  integrirenden  Lebensreizen  ist  sonst  meistentheiN 
mit  der  Fähigkeit  zu  einer  gleichmässigen  Thätigkeit  verbünd^* 
Wird  aber  die  Action  verstärkt  und  beschleunigt,  so  muss  Ruhe 


Gesetze  der  thierischen  Reizbarkeit. 


63 


erfolffy,,  ....  . 1 . 

soll  wenn  so  viel  Fäliit^keit  sicli  zu  neuen  Actionen  Lilden 

’ Action  verloren  ist. 

K.i'aft  • »H  gesunden  Leben  im  Allgemeinen  eben  so  viel 

Tliati  )!*'•  ^*'^*'*’  gewissen  Zeit  wiedererzeugt  wird,  als  durch  die 
'"i"^irksam  geworden  ist,  so  giebt  es  doch  Falle,  in 
Sleic/*^*^-  ^^^iedererzeugung  allmalilig  immer  stärker  wird,  bei 
S^regelter  Thätigkeit  oder  bei  abwechselnder  Thä- 
Weil  ^ Ruhe.  Diess  ist  namentlich  in  der  Jugend  der  Fall, 

sclien^^'r!  entwickelten  Gründen  die  Affinität  der  organi- 

scliei  . ‘ffin  allgemeinen  Lebensreizen  um  so  grösser 

Überl  ’ weniger  die  Fntvvickehing  vorgeschritten  ist;  aber 
Hub  ^’*rd  durch  eine  nicht  zu  angestrengte  Thätigkeit  mit 

Ueb^  ® ^^''^‘^üselnd  die  Kraft  eines  Oi'ganes  vermehrt,  wie  in  der 
wech”f’  blosse  Ruhe  die  Organe  oft  erschlafft.  Ab- 

üas  G^el yon  Thätigkeit  oder  Uebiing  und  Ruhe,  darin  liegt 
Viellei  tlie  Kraft  unserer  Actiouen  allmählig  zu  verstärken. 

S^nes  ^ durch  die  Actien  ein  Theil  der  Stoffe  eines  Or- 
den is t*^*^*^*^*'.’  Leben  überhaupt  mit  Zersetzung  verbun- 

nes  o ’ wird  ein  Theil  der  Stoffe  durch  die  Action  ei- 
ander zersetzt,  während  durch  die  vei’mehi-te  Action  ein 

die  .Theil  inniger  gemischt  wird,  so  dass  ein  Organ  dui’ch 
j)eue  zw'ar  verliert,  aber  durch  die  Action  fähiger  wird, 

TliäticTlr  • ^ anzuziehen  und  sich  zu  verstärken.  Wenn  aber  die 
die\v'  l ä'u  häufig  und  zu  stark  wiederholt  worden  ist,  so  ist 
Die  t^^'^eerzeugung  selbst  geringer,  und  es  tritt  Erschöpfung  ein. 
ede^*  dann  der  Fall,  wenn  die  Consumtion  organischer  Kraft 
Sei  ^ II  ^ Unwirksam- werden  derselben  durch  verstärkte  Aclion 
jj-  erfolgt,  als  die  Wiedererzeugung  in  gleichen  Zeiten  ist. 

hä^r^rr  *^®‘^^*üplung  ist  um  so  grösser,  je  mehr  und  je  edlere  Tlicile 
n lg  und  heftig  in  Thätigkeit  versetzt  werden,  wie  z.  B.  beim 


Coitus  fast  das  m 


Theil  Thätigkeit  versetzt  wird,  und  je  mehr  ein 

selbst  Actionen  anderen  Organen  etwas  niiltheilt,  W'as  er 

je  m <^5  eben  bei  den  Nervenactionen  scheint,  und 

njate^'^n  Theil  durch  seine  Aclion  einen  wesentlichen 

ten  aT  Verlust  für  das  Ganze  erzeugt,  wie  bei  den  verstärk- 
^irks'  R-  der  Milch.  Die  augenblickliche  Un- 

“dwähl^  ‘^^’Sanischen  Kraft  nach  der  Thätigkeit,  und  ihre 

*ehnitte^^  ^‘®‘^®^^**^'estellung  bemerkt  man  selbst  noch  au  abge- 
^^ehse?*^^  1 Frösche,  indem  wahrscheinlich  durch 
mit"^  j in  ihnen  enthaltenen  Blutes  und  der 

Salva  ■ sich  die  Reizbarkeit  herstellt.  So  macht 

Reiz,  auf  abgeschnittene  Froschschenkel  wieder- 
erst  alhtiäfir*'’.  unwirksam,  und  die  Reizbarkeit  stellt  sich 

Wirü  ’S  in  der  Zeit  der  Ruhe  wieder  her. 

Fähigkeit  f^*'*  Urgan  seltener  in  Thätigkeit  gesetzt,  so  nimmt  die 
einem.  eew‘  ^ürnere  Actionen  in  der  Ruhe  nicht  so  zu,  wie  bei 
in  Thätinj^''  Thätigkeit.  Das  Auge  sieht,  je  mehr 

„1_ 

'en,  z. 


ganze  Nervensystem  in  eine  mit  Consumtion  von 


®ehwächer"*V*'^**^  gesetzt  wird,  bei  demselben  Reize  augenblicklich 


g ’.i'ar  es  aber  einige  Zeit  vollkommener  Ruhe  überlas- 
ini  Dunkeln,  so  werden  nun  zw’ar  die  Eindrücke  viel 


54 


Frolegomena.  3.  Thier  - Organismus. 


leWiafter  empfunden.  Stärkt  man  das  Auge  nach  dem  früheV 
erörterten  Gesetz  durch  ahwcchselnde  Anstrengung  und  Ruhe  all' 
mälilig,  so  u-ird  es  auch  fähig  zu  grösseren  Anstrengungen,  ohne 
so  ])ald  als  früher  erschöpft  zu  werden ; lässt  man  das  Auge  ahef 
lange  Zeit  in  vollkommener  Ruhe,  so  hat  sich  zwar  wieder  eine 
grosse  Empfindlichkeit,  wie  überhaupt  nach  der  Ruhe,  angesain- 
melt,  aber  die  Lebenskraft  ist  in  diesem  Theile  nun  um  so  schwä- 
cher geworden,  je  weniger  er  geübt  worden,  und  ein  plötzlicher 
starker  Liehteiridruck  vermag  ein  lange  von  dem  Lichte  ent- 
wöhntes Auge  selbst  zu  erblinden.  Die  Muskeln  verlieren  in  lan- 
ger Ruhe  viel  von  ihrer  Bewegkraft,  wie  sich  z.  B.  die  Fähig- 
keit mancher  Muskeln,  als  der  ührmuskeln,  verliert.  AutenrietH 
Physiol.  1.  104. 

Bisher  ist  die  Veränderung  der  organischen  Thätigkeit  der 
Thiere  bloss  im  Allgemeinen  betrachtet  worden.  Jetzt  soll  un- 
tersucht werden,  wie  die  äusseren  Einilüsse  auf  Veränderung 
derselben  wirken.  Nicht  allein  die  äusseren  Lebensreize,  welche 
■das  Lehen  unterhalten  , veranlassen  zu  organischen  Wirkungen- 
Alles,  was  die  materielle  Zusammensetzung  und  das  Gleichgewicht 
der  Vertheilung  imponderabler  Materien  in  den  orga ulscheu  Thei- 
Jen  stört,  kann  auch  die  Actiou  der  Organismen  und  Organ« 
verändern.  Diese  Veränderung  nennt  man  Reaction,  wenn  si« 
lebhaft  ist;  die  Einwirkung,  welche  die  Rcaction  von  Seiten  des 
Organismus  hervorbringt , nennt  man  Reizung,  fi-ritation,  und  di« 
verändernde  Ursache  Reiz,  Irritamentum.  Die  Rcaction  gegen 
einen  Reiz  ist  immer  eine  Lebenserscheiuung,  eine  Aeusserung 
einer  organischen  Eigenschaft  des  Organismus.  Die  Fähigkeit) 
durch  äussere  Einwirkungen  zu  Kraft äusserungen  bestimmt  z« 
werden,  ist  nicht  den  organischen  und  insbesondere  tbierischen 
Körpern  allein  eigen.  Viele  unorganische  Körper  entwickeln  z.  B' 
Licht  unter  gewissen  Bedingungen,  z.  B.  beim  Stoss,  oder  ent- 
wickeln Wärme.  Die  Physiker  machen  es  hierbei  wahrschein- 
lich, dass  das  Licht  oder  die  Wärme  vorher  in  den  Körper" 
gebunden  waren , und  durch  den  äussern  Einfluss  frei  werde"- 
iVoch  mehr  könnte  man  die  elastischen  Körper  hieher  rechne"; 
deren  kleinste  Theilcben  so  sehr  einander  anziehen,  dass  ein  Ver- 
such zur  Verschiebung  mehrerer  Thcilchen  olt  aut  alle  zurück- 
wirkt, und  dass  durch  die  Anziehungskräfte  der  Tbeilchen  z" 
einander  eine'  restitutio  in  integrum  erfolgt,  die  sich  unter  de^ 
Phäriömen  der-  Elasticität  und  der  Schallschwingungen  äusser ' 
Allein  kein  linorganiscber  Körper  zeigt  sich  so  gleichförmig 
diesen  Aeusserungen  als  die  Organismen,  welche' unter  den  ve"'^ 
sebiedenartigsfen  Einwirkungen,  vvelchc  die  Zusammensetzung  Jf* 
Theilcben  stören;  immer  das  nämliche  Phänomen , zu  dem  «"j 
Organ  durch  sein  Loben  befähigt  wird,  äussern.  DIess  rüb*’^ 
wahrscheinlich  von'  jener  Grundeigenschalt  der  organischen 
per  her,  ifen  Störungen  ihrer  Zusammensetzung  das  Gleicbgewi« !. 
zu  halten,  eine  Kraft,  ilie  im  gesunden  Falle  viel  grösser  ist 
die  Ursache';  welche  die  Zusammensetzung  des  organischen 
pers  stört.  Jente  Kraft,  welche  das  Gleichgewicht  in  den  orga*|‘ 
sehen  Theilen  nach  einer  Störung  derselben  wiederherstellt,  ' 


Gesetze  der  thierisehen  Reizbarkeil. 


55 


tl  i 1 

e einen  Theil  eigcntliümlich  durch  die  beständige 
‘^hcs*  Und  Wiedererzeugung'  erhält.  Das  Phänomen,  wel- 

uieiio  Herstellung  des  Gleichgewichtes  erfolgt , ist  zusain- 

^’^eräuderung  des  oi’gnnischen  Tli.eiles  durch 
les  7 Ursache  und  von  dem  Strehen  des  organischen  Thei- 

ee  in  inti'grum,  zur  Wiederherstellung  des  Gleich- 

«0^  1 Euthochet  behauptet , dass  alle  erregenden  Ursachen 

sie  h Organismus  die  gleiche  Veränderung  hervorhringen,  dass 
lue  Oxydation  des  Ihnen  ausaesetzten  oraanlsch 
•ciren 


dir  • ^ ^^‘y^^ution  des  Ihnen  ausgesetzten  organischen  Slolles  mo- 
‘•ciren;  nach  Ihm  sollen  die  erregenden  Ursachen  gleichzeitig 
■*ä  den  Sauerstolf  und  auf  den  organischen  Stoff  wirken,  um  sie 
Uner  Verbindung  zu  bewegen.  So  ingeniös  diese  Ansicht  ist, 
^■''f  sie  (hsoli  niMp  tue  rT:iii7.  unhc 


rundete  Ahrniuthuin 


zu  bewegen. 

1 “.V.  ».iv/oii  CHIC  bis  jetzt  ganz  _ 

jeu  so  wie  Dutkocuet’s  Uolgernng,  dass  die  Excitahllital  eine 
"''‘Miche  Verhrennharkeit  sey.  Diese  soll  in  iler  Jugend  sehr 
^*oss  seyn,  vvcil  in  dieser  Lehensperiode  der  Organismus  in  ho- 
Grade  oxydirhar  sey  und  nur  wenig  gebundenen  Sanerstoft 


*Csitze,  itji  Aller  daRCgen  sollen  die  Er 

KUrjer  • 

*ö  luibon , 

Zwar 


liahen 
im  Verhältnisse 


ts'  b' 
die 


gnngsmillel  wenig  AVir- 
Tendenz  zur  Oxydation  geringer  ist,  und 
der  Menae  des  schon  gehundenen  Sauer- 
FnoRiEp’s  Nutizen  724. 


den  rilanz.en  zeigt,  aus 


nächste  Veränderung, 

des  lleizes  und 
bedingt, 


*>toffes.  Alles  diess  ist  hypothetisch. 

Zu  einer  jeden  Reizung  eines  organischen  Tlieiles  gehört  ir- 
h®ud  eine  materielle  A'^eränderung  in  demselben , die  wir  selbst 
dem  Reize  des  I.ichtes  auf  das  Auge  vorausselzen  müssen; 
•ä'uulich  Lieht  scheint  in  die  Znsaimnnnsetzung  vieler  Körper  ein- 
Z'iigelien,  und  bewirkt  chemische  A'^eränderungen,  wie  sich  an  yie- 
ten  chemischen  Präparaten  und  selbst 
, neu  cs  Sauerstoff  entwickelt.  Die 

Reiz  hervorhringt,  ist  durch  die  Natur 
^•■ganischen  Körpers,  welcher  gereizt  wiiah 
Zusammendrückung,  eine  eheinische  A’^eränderung; 
uuf  folgende  Gi'genwirkung  widerstrebt  dieser 
Ist  yon  der  Natur  des  Reizes  ganz  yersehledcn,  nicht  mechanisch, 
U'cht  chemiscl),  sondern  eine  Acusserung  der  Lehenseigeiischaft 
eines  Organes,  xvle  Empfindung  als,  Selunerzon,  .oder  Entzündung, 
oder  Zuckung.  AVärmc,  Tneetricflat,  Licht  thcilcn  sich  den  orr 
gauischen  Körpern 'wie  anderen  nach  ' allgemeinen  jihysicalisch'cn 
^osetzen  mit,  aber  es  entstellt  bei  der  restitutio  in  integrum  im- 
uier  zugleich  eine  Lehensäusserung,  verschieden  nach  dcin'Theile, 
^^olcher  verändert  wird,  und  die  Phänomene  bis  zur  Herstollnng 
j,  ® Oleichgewlchles  sind,  zusammengesetzt  aus  der  AA''irkung  des 
ileu^^c  der  Reaction  gegen  den  Reiz.  Die  chemisch  xvii-kenk 

hiu'  verändern  aucfi  die  organischen  Körper  und  suchen 

‘**0  Uerhindunuen  auf  Kosten  der  organischen  Körper  zu  cr- 


xvelche 
des 

z.  P.  eine 
1 die  dar- 
A'erändeiiing  und 


lingt 


und  die  AlUnität  der 


organischen 


zoiirv  ' v*  ^J*uuunü,cn 

iicss  geli  ^ 

? nicht  hinrcicht,  die  organisehe  Comhinatiou  zu  erhallen, 
entst.r  '^^lemischcn  Einwirkung  das  Gleichgewicht  zu  halten , so 
les  ^ chemisches  Product  mit  dem  Tode  des  alllcivten  Thci- 

ral’  *'  i'er  A^erhrennung,  bei  der  Einwirkung  einer  Minc- 

eines  caustisehen  Alcali’s.  Allein  so  lange  der  organische 
^ f ^oloher  einem  chepiisch  wirkenden  Körper  ausgesetzt  wird, 


56 


Prolegomena.  3.  Thier -Organismus. 


nocli  lcl)t,  so  lange  ag'Irt  er  aucli  in  den  ilim  eigenen  Wirkungen, 
z.  B.  Empfindungen,  Bewegungen,  Entzündung.  Chemische  Ein- 
flüsse, ivic  Sauren,  Alcallen,  können  zwar  an  dem  Ort  ilirer  Ein- 
■vvirkung  auf  organische  Körper  hinäre  Verhiudungen  hervorhrin- 
gen  und  auf  diese  Art  Bran^  oder  Tod  Bewirken;  allein  so  weit 
an  einem  so  afificirten  Theile  noch  Leben  besteht,  und  an  der 
Grenze  des  Todes  äussert  es  sich  auch  in  den  organischen  Eigen- 
schaften, wie  Entzündung  u.  s.  av. 

Aber  nicht  allein  ist  die  Wirkung  der  thicrischen  Körper  ge- 
gen äussere  Reize  Rcaction  in  organischen  Eigenschaften,  sondern 
die  Art  dieser  Reaction,  die  Eigeilschaften,  ivelche  reagiren,  sind 
häufig  verschieden  nach  der  Nalur  eines  Theiles  und  seiner  Zu- 
sammensetzung. Daher  bcAvirken  z.  B.  mechanische,  chemische, 
electriscbc  Reize,  auf  einen  Muskel  angewandt,  dieselbe  Reaction 
des  Muskels,  nämlich  Bewegung.  Alle  diese  verschiedenen  Reize 
bewirken  dagegen  in  einem  Empfindungsnerven  nur  Empfindun- 
gen, und  die  Art  der  Empfindung  ist  selbst  bei  verschiedenen 
Kerverf  verschieden,  wenn  gleiche,  und  bei  denselben  Nerven 
gleich,  wenn  verschiedene  Reize  där'auf  wirken.  So  z.  B.  bewir- 
ken niechanisclie'  und  electrische  Reize  in  den  Sehnerven  nur 
Liclitempfindurigep  als  Eigcnschatten  dieser  Nerven,  und  scheinen 
keinen  Schmerz  zu  bewirken,  wähi’eiid  die  Empfindungen  des 
Schmerzes  und  nicht  des  Lichtes  in  den  Gefühlsnerven  möglich 
sind.  So' erregen  mechanische  und  electrische  Reize,  auf  den  Ge- 
hörnerven wirkend,  Tonempfindungen,  der  electrische  Reiz  in 
dem  Geruchsnerven  Geruchsempfindungen.  So  erregen  die  vor- 
deren W'urzeln  der  Rückenmarksnerven  im  gercizifen  Zustande 
von  mcchanlsehem  oder  galvanischem  Reize  keine  Empfindungen, 
sondern  Zuckungen  in  den  Muskeln,  aber  die  hinteren  Wurzeln 
dieser  Nerven  erregen  unter  denselben  Umständen  nur  Empfin- 
dungen, keine  Zuckungen.  Die  Physiologie  gewinnt  eine  eben 
so  sichere  Empirie,  .wie  die  übrigen  NaturwlssenschaRen,  wehn 
sie  die  eigenthümlichc  Reactlonsärt  aller  Theile  des  thiei'Isclien 
Körpers  kennt. 

Es  ist  nun  night  anfrallend,  dass  die  Symptome  desselben 
OrgaUjCs  in  ganz  verschiedenöh " Zuständen  sich  oft  sehr  ähnlich 
sind,  weil  es  z.  B.  im  Zustände  Vpp  gereizter  Kraftäusserung  so 
gut  wie  im  Zustande  der  Reizung  bei  abnehmender  Kraft  die 
ihni  eigenen  Lebenseigenschaften  mit  mehr  oder  vveniger  Eijcrgie 
kmid  giebt.  Es  giebt  eine  gervisse  Gruppe  von  Hirnsymptömen, 
llerzsymjitöraen , die  in  verschiedenen  Krankheiten  dieser  Theile 
Vorkommen.'  Hierbei  lässt  slfcli  ein  Blick  auf  die  Thorheit  der 
Ilomoiop'ätheh  werfen,  vvelche  mit  Mitteln,  welche  eine  der  Krank- 
heit älinllche  Wirkung  bervorbiingcn,  zu  heilen  glauben,  wäh- 
rend sie  doch  entweder  gar.  nichts  thun,  oder  waflirenll  die  Natur 
die  ihr  chii^cbot'encn  Mittel  anders  vertvendet  als  der  Arzt  glaubt. 
Wenn  zwei  Mittel  einige  ähnliche  Symptome  in  einem  Organe 
beryorrufen,  so  beweist  diess  nöch  nicht,  dass  sie  ganz  ähnliche 
Wirkungen  liervorbringen,  sondern  dass  sie’  auf  dasselbe  Organ 
wirken,  wobei  ihre  qualitativen  Wirkungen  ganz  Verschieden  seyn 
können.  Syphilis  und  Mercurialkrankheit  können  wesentlich  ver- 


Wirklingsart  der  Arzneistoffe. 


57 


schieden 


in  h^T  gleichen,  dass  gewisse  Organe 

lind  * 1^*^  eiten  ierslört  sind.  So  zerstören  Mineralsäuren 

Tvird  <lie  organisöhen  Tlieile  gleich  stark,  und  Niemand 

, ®'^i'<‘üpten,  dass  sie  Similia  seyen.  So  kann  also  Mercur 
Port  ü®**'**^!®  UimVändluhg  der  organischen  Materie  sie  für  die 
der  der  syphilitischen  Zerstörung  unfähig  machen,  worauf 

hin  ",^*'‘’'i>ehe  Lehensprocess  (nicht  der  Mercur)  die  weitere  Hei- 

“"S  bewirkt. 

I . die  Reize  die  Organe  in  Thätigkeit  setzen,  und  jede  ohne 
Zeitige  Vennehrnlng  der  organischen  Kraft  vermehrte  Thä- 
^gköit  die  Kraft  für  eine  Zeit  unwirksam  macht,  und  gleichsam 
*^suinirt,  so  consumiren  auch  die  Reize  und  bewirken  insofern. 


1 sie  nicht  integriren,  wie  die  allgemeinen  Lehensreize,  je- 
csrnal  einen  Nachlass  der  hervorgerufenen  Thätigkeit,  auch  wenn 
^ortfahren  einzuwirken.  Hierdurch  entsteht  das  Periodische 
^ ancher  Lehcnscrscheinun^n.  Ein  contractiles  Organ,  welches 
naechanisch  oder  chemisch  i’eizende  Materie  enthält,  zieht 
fnsammen.  Durch  diesen  Act  wird  der  contractile  Theil 
*“'gj  sich  in  dem  nächsten  Momente  gleich  stark  zusammenzu- 
*Cien.  aber  die  Erregbarkeit  entsteht  allmählig  wieder,  und  der 
”^Wauemde  Reiz  wird  wieder  wirksam.  So  können  sich  die 
Csainmenziehungen  von  Zeit  zu  Zeit  wiederholen.  Wir  ‘Sehen 
^cses  Schwanken  in  den  Ondulationen  der  Iris  hei  gleichblei- 
®edem  Lichteinflusse , in  den  ■ periodischen  Zusammenziehun«- 
gcn  des  Mastdarmes,  der  Gedärme,  des  Magens,  des  Herzens,  des 
J;Jtcrus,  der  HarnhlaSe,  -der  Muskeln,  welche  die  Contenta  der 
^^'»rnröhre  lici  dem  Goitns  äustreiben.  Der  Reiz  zur  Zusammen- 
*'ehung  ist  hier  oft  äusserlich,  'ein  Contentura,  wie  der  Harnj  die 
■■^cremente  u.  s.  w;  Er  scheint  aber  auch  oft  innerlich  z.  B. 
urch  die  Nerven  ztiznströmen,  während  die  Contraction  doch 
w'''odisch  ist,  wici  z.  B.  beim  Herzen.  Denn  wenn  auch  das 
durch  seine  Zusammenziehung  al)wech8elnd  Blut  austreibt, 
zugleich  von  der  andern  Seite  Blut  ei^fangen  muss,  und 
^*eser  Reiz  des  Blütes  das'  Herz  zu  periodischen  Contracliouen 
^/anlassen  muss,'  sh  ist  doch  das  Contentum  des  Herzens  nicht 
Hp  und  erste  Ursache  der  rhytlimischen  Contraction  des 

la  ’ denn  das  Herz  zieht  sich  auch  ausgeschnitten  noch 
besonders  bei  Amphibien,  im  blutleeren  Zustande  rhylh- 
l ''hsarnmeh , und  es  scheint  nicht',  dass  bloss  die  Luft  hier 
bun«  ersetze, ‘sondern  dass  ein  innerer,  von  der  Wechselwir- 
der  *’  Muskelfasern  und  der  Nerven  bedingter  E.eiz  stattfmde, 
rucicJ'.®*'*odisch  wirkt  oder  auf  den  das  Organ  nur  periodisch 
kann.  ' ; 

ganc  a]  welche  zu  häufig  fortgesetzt  werden,  stumpfen  die  Gr- 
aus iV  machen  sie  für  lange  unfähig  für  diese  Reize.  Hier- 
Wöhnun  ^!''  '^’*'eil  der  Erscheinungen  erklärlich,  welche  die  Ge- 
an  welcf  ^inen  Gegevistand  darhietet,  obgleich  viele  Dinge, 
Ken  sich  gewöhnt,  nicht. bloss  Anfangs  Reizerschemun- 

Aenden  auch  qualitative  dauernde  Veränderungen  durch 

das  Un  ”^i  Zusammensetzung  bewirken,  woraus  allem  schon 
'^‘i'bsainwerden  dieser  Reize  erklärlich  ist. 


58 


Prolegomena.  3.  Thier  - Organismus, 


. Da'  die  grosse  Menge  auf  den  Organismus  einwirkender  Agen- 
tien  und  Stoffe  je  nach  ihrer  Natur  und  Zusammensetzung  die 
Zusammensetzung  der  organischen  Theile  auf  die  mannichfaltig- 
ste  und  im  Einzelnen  nicht  zu  hestirnmende  Art  ah'andern  können» 
so  ist  es  nicht  möglich,  die  Arzneimittel  nach  der  Art  ihrer  Wir- 
kungen unter  allgemeine  passende  Gesichtspunkte  zu  bringen;  diess 
ist  die  schadhaffo  Seite  der  Mrdicin.  Die  besten  Schriftsteller 
über  diese  Materie  haben  noch  viel  zu  viel  mit  nicht  existiren- 
den  und  bloss  gedachten  Factoren  und  Polaritäten,  unfruchtbaren 
Formeln  in  unserer  Wissenschaft  zu  thun.  Doch  kann  es  in* 
Allgemeinen  nur  vorzüglich  drei  Arten  dieser  Einwirkung  geben- 
1)  Reizmiiiel.  Die  wahren  und  wichtigsten  Reizmittel  sind 
die  Lebensbedingungen  .selbst , die  Lebensreize,  durch  deren  be- 
ständige Einwirkang  auf  die  von  der  organischen  Krallt  beseel- 
ten Thclle  das  Leben  allein  sich  äussert,  und  die  organische 
Kraft  sich  vermehrt,  ein  gewisser  Grad  Wärme,  atmosphärische 
Luft,  Wasser,  Nahrungsstolfp,  die  schon  organisirt  waren,  von 
Pflanzen  oder  Thleren.  Diese  Einflüsse  verändern  nicht  bloss 
die  Zusammensetzung  der  organischen  Theile,  und  reizen  nicht 
blösä  durch  Veränderung  des  Gleichgewichtes,  sondern  gehen  auf 
eine  für  das  Leben  unentbebrliche  Weise  integrirend  in  die  Zu- 
sammensetzung der  Organe  ein.  Nach  einer  Krankheit  sind  diese 
beständigen  Einflüsse,  welche,  indem,  sie  reizen,  keine  Erschöpfung 
zulassen,  auch  die  wahren  und  allem  hinreichenden  Mittel  zur 
Erholung  der  Kräfte.  Ausser  diesen  Einflüssen  giebt  es  noch 
viele  andere,  welche  nach  dem  vorher  aiifgcstellten  Begriffe  von 
Reiz  auch  Reactionen  hervorbringen,  aber  nicht  unbedingt  und 
überhaupt  nicht  alle  integriren,  sondern  welche  grosscntheils,  aus- 
ser dass  sie  Symptome,  Erscheinungen  hervorbringen,  gar  keinen 
belebenden  Einfluss  auf  die  organischeu  Körper,  vielmehr  im 
Maasse  der  materiellen  Veränderung,  die  sie  bedingen,  sogar  sehr 
nachtheilige  Folgen  haben.  Die  Verwechselung  aller  Einflüsse» 
nach  welchen  nur  das  Gleichge^v;■icht  in  dem  Organismus  sich 
herstellt.,  und  welche  dadui’ch  Erschei.nungep  bewirken,  mit  . sol- 
chen Einflüssen,  welche  zur  Ei’haltung  des  Lebens  unbedingt  nÖ- 
thig.  sind  und  integriren,  hat  in  der  Medicin  unendlichen  Nacb- 
theil  gehabt  und  vielen  Menschen  djis  Leben  gekostet,  indem 
niän' hierdurch  zu  dem, ' falschen  Begriffe  gelangt  ist,  dass,  weil 
gewisse  Reize  das  Leben  gleich  dier  Flamme  aufacfien,  Reizei' 
überhaupt  zum  Leben  nothwendig  sey.  Enter  der  Menge  de'" 
Einflüsse  ausser  den  allgemeinen  Lebensreizen  giebt  es  nun  wie' 
der  solche,  w'elche  bedingt  unter  gewissen  Umständen  auch  ci' 
nen  den  allgemeinen  Lebensi’cizen  ähnlichen  localen,  belebend.ef 
-und  stärkenden  Einfluss  haben,  indem  sie  .nämlich  durch  ihre" 
-ponderabel  und  imponderubel  materiellen.  Einfluss  die  ZusamracO' 
-sofeung  eines  Organes  integriren  oder,  so  verändern,  dass  J'** 
.Wiedererzeug-ung  aus  den  nllgeincinen, Lehensreizen  Igichter  wird 
-Alfes  dieses  ist  aber  durch  den  Zustand  des  kranken  Organes  hC' 
dingt,  und  die  Fäfle,  in  welclien  soiebo  im  Rufe  der  Belehun? 
und  Stäx'kung  stehende  Arzneien  diess,  wirklich  thun  , sind  ung®' 
mein  selten.  Dagegen  schon  Mancher  mit  einem  Quark 


VVirkungsart  der  Arzneistoffe, 


59 


'"’olil  unter  den  vorhandenen  Umstanden  oder  überhaupt 

Tod  aher  nur  einen  Aufruhr  erregen,  nicht  stärken,  zu 

geh(f  worden  ist.  Die  zu  den  bedingt  belebenden  Stoffen 


Vor  Arzneien  wirken  durch  ihre  Züsammensetzung  auch 

^^'gsweise  auf  Organe  von  verschiedener  organischer  Zusam- 
j]  ®“®®t*ung  belebend  ein,  und  bilden  natürliche  Gruppen  je  nach 
''“‘'^igswelsen  Wirkung  auf  das  Nervensystem  oder  auf  die 
jy/S“ne,  welche  der  Umwandlung  des  Blutes  bestimmt  sind,  u.s.w. 
chrere  Einflüsse  dieser  Ai't  sind  imponderahle  Materien,  wie 
Electricität.  Die  Electricität  hat  man  mit  Erfolg  in  Läh- 
^ungen  angewandt.  Die  Wärme,  derjenige  Einfluss,  der  hei 
Entwickelung  des  Embryo  sclion  nothwendig  ist,  hat  aher 
öueh  noch  einen  eminenten  Einfluss  auf  Belebung,  wenn  andere 
dtel  fruchtlos  sind,  z.  B.  in  den  Krankheiten  der  Nerven  und 
Rückenmarkes,  Lähmungen,  Neuralgia  dorsalis,  und  anfan- 
h^nder  Tabes  dorsalis,  wenn  die  Application  der  Wärme  z.  B.  in 
®rin  vou  Moxen  geschieht  und  oft  wiederholt  wird  (auch  wohl 
neue  Moxa  auf  das  wuchernde  Fleisch  der  alten  Stelle), 
^'johei  freilich  das  Setzen  nur  einer  Moxa  Spielerei  ist.  Einen 
Hachhaltigern  Eindruck  belebender  Wärme,  besser  als  Moxa 
tind  Glüheisen,  bewirkt  das  anhaltende  schmerzhafte  Erhitzen 
^‘Qes  kranken  Theiles  durch  eine  nahe  gehaltene  brennende 
Kerze,  wobei  man  die  wohlthätige  Wirkung  einer  schmerzhaften 
‘hitzung  ohne  Bi’andbildung  und  spätere  Eiterung  hat,  die  hier- 
oft  von  keinem  Nutzen  ist,  und  wobei  man  zugleich  die  Wir- 
lange  unterhalten  kann,  während  sie  . hei  der  Moxa  und  dem 
Elülieisen  kurz  und  vorübergehend  ist.  Wie  die  Wärme  in  die- 
sen  Fällen  wirkt,  ist  unklar;  die  Moxen  wirken  in  Krankheiten 
ües  Rückenmarkes  nur  in  der  Nähe  dieses  Organes  seihst,'  wäU- 
“^end  doch  allenthalben  Schmerz  erregt  werden  kann. 

. Uer  mechanische  Einfluss  ist  in  den  Frictionen  bedingt  he- 
ehender  Reiz,  wahrscheinlich,  indem  dadurch  gelinde  cheinischc 
''^Wandlungen  in  der  Zusammensetzung  der  Theile  bewirkt  wer- 
^^''5  wodurch  die  Aflinität  der  Theile  zu  den  allgemeinen  Le- 
ensreizen,  die  im  Organismus  selbst  sind,  zunimmt. 

. A.uf  der  andern  Seite  können  alle  Mittel  dieser  Art,  sowohl 
Arzneien  als  die  höheren  Wärmegrade,  wie  in  der  Verhrenuimg, 
■ Electricität,  der  mechanische  Einfluss,  als  Druek,  Quetschung, 

“ ■ ■ ’ ä das  Gegenfheil  der 

- , I^aterie  so 


•p  höhen  Grade  ihrer  Einwirkung  gerade 

s hervorhringen,.  indem  sie  dann  die  1 

nicl  dass  die  zum  Lehen  nöthigen  Zusammensetzu^n 

flü : xverden;  deswegen  sind  die  hier  berührten  Ein- 


hclehen  unter 
organischen 


ge'vv^'^  ^Pecielle,  bedingt  belebende  Emflüsse,  , Sie  bei 
Mate**^"  Umständen,  indem  ihre  Wirkung  in.  der  c ^ i' 
Dahe^*'^i  die  natürliche  Zusammensetzung  der  Theile  befördert, 
ührin^  *'**in  man  sie  homögene  Reize  nennen,  wenn  man  alle 
den  ^7"*  Reize,  welche  die  natürliche  Zusammensetzung  und  so 
der  Kräfte  nur  stören,  heterogene  Reize  nennen 
für  d ''“n  keinem  belebenden,  sondern  nachtheiligem  Einfluss 
gene  fi  sind.  Man  bedenke  aher  nur,  dass  jedes  horao- 

®*zmittel  durch.  Anwendung  unter  unpassenden  Umständen 


60 


Prolegomena.  3.  Tfu er - Organismus. 


zum  'heterogenen  Reizmittel  ivird,  d.  h.  zu  einem  solchen,  wel- 
ches hloss  den  Zustand  der  Kräfte  und  die  natürliche  Zusam- 
mensetzung stört.  Nach  diesen  Erklärungen  zerfallen  die  reizen- 
den Eiilflüsse  also  1.  in  allgemeine  Lebensreize,  2.  specielle  Reize, 
a.' homogene,  h.  heterogene.  Ich  erwähnte  schon,  dass  nach  Du- 
TRoenET  die  wahren  Erregungsmittel  so  wirken  sollen,  dass  sie 
die  Bindung  des  Sauerstolles  mit  der  organischen  Materie  heför- 
dern  und  hesehleunigen.  Vielleicht  beruht  die  reizende  chemi- 
sche und  dynamische  Wirkung  mancher  Reizmittel  wenigstens 
darauf,  dass  sie  die  Affinität  zwischen  dem  durch  das  Athraen  zum 
Reizmittel  gewordenen  Blute  und  der  organischen  Substanz  beför- 
dern, und  die  materiellen  Umwandlungen  in  der  organischen  Ma- 
terie durch  dieses  Prtneip  im  Blute  verstärken  und  beschleunigen. 

In  Fällen,  wo  die  Lebenskraft  schnell  abnim.mt,  verlässt  uns 
übrigens  der  ganze  Apparat  unserer  reizenden  Arzneien,  wovon  ein 
grosser  Tlifeil  ohnehin  nur  einen  Aufruhr  macht,  ohne  zu  stärken. 

2.  Alf  erantim-.  Eine  grosse  Menge  von  Stoffen  werden  in  der 
Arzneikunde  darum  von  grosser  Wichtigkeit,  weil  sie  eine  solche 
chemische  Urtiwandhing  in  der  organischen  Materie  erzeugen,  wo- 
durch die  Materie'  nicht  etwa  unmillelhur  integrirt  wird  und  an 
Kraft  gewinnt,  sondern  ein  in  der  Zusammensetzung  der  Materie 
Lefmdliölics'  materielles  Hindemiss  zn  gesunden  Actionen  oder  ein 
Reiz  zu' kranken  Action'en  entfernt  wird,  oder  die  Organe  so  che- 
misch yerändert 'werden , dass'  sie  von  einem  krankhaften  Reiz 
nicht  mehr  afficirt  werden;  oder  w'eil  die  Materie  so  verändert 
wird,  dass  gewisse  zu  fürchtende  materielle  Veränderungen  und 
ZErsht/üngen  nieht  mehr  möglich  w'crden  (wie  hei  dem  entzün- 
'd,üngswidrigeTi  Verfahren);  oder  endlich  weil  sie  die  BeschalFen- 
heit  der  Nahrungssäfte  venindern.  ' Eine'  grosse  Menge  wichtiger 
M|ttel  gehören  unter  ' die  Alterantien.  Der  Arzt  kann  damit  keine 
krankhaft  zusammen'gfesÖlzten  Organe  chemisch  zu  gesunden  ma- 
ibnCn',  sdndern  nur  durch  eine  gelinde  chemische  Umwandlung 
dW  Antrieb  gehen)  dass  die  Natur  selbst  durch  die  unerschöpfte 
Quelle  der  beständigen  Wiedererzeugung  die  natürliche  Zusam- 
mensetzung wi'cd'erhcrstellt.  Diese  Mittel  bieten  wieder  den  Haupt- 
untcrschied  dar,  ob  sie  in  diesCr  Art  mehr  auf  das  Nervensystem 
'od'er'  auf  die  übrigen  vom  Nervensystem  abhängigen  Organe  wir- 
ken. In  der  ersten  Hinsicht  Sind  die  wuchtigsten  Alterantien  die 
sögCnäAnten'NarCotica,  in  letzterer  die  grosse  Menge  jener  Arznei- 
mittel, die  auf  die' Veränderungen  der  Materie  in  den  übrigen 
'Orgafrten  ' Wdrkcn.  Auch  diese  Mittel  werden  mittelbar,  indem  sie 
“die  Hindernisse  zur  Heilung  entfernen,  zu  belebenden  Reizen,  so 
wie  ihre  Anwendung  seihst  auch  durch  Veränderungen  des  Gleich- 
gewichtes Reizungssymptome  bewirken  kann.  Werden  diese  Mit- 
tel 'unangemessen  angewandt,  sö  wirken  sie  entweder  als  hetero- 
gepd  Reize' nachtheilig  oder  indem  sie  schnell  zersetzen,  mit  der 
Zei'setzung  die' örganische  Kraft  aufheben,  wie  die  Narcotica,  Da 
tititi  aber  alterireiide  Mittel  ganz  verschieden  nach  ihrer  Zusam- 
riieiifeetzung  in  die  Zusammensetzung  der  Organe  eingrelfen,  so 
kghti  ein ' Stoff  seine  Wirkung  durch  Sättigung  vei^ieren  und 
'keihe  Veränderungen  mehr  hervorbringen,  während  sie  ein  an- 


Wirkungsart  der  Arzneistoffe. 


61 


hervoriringt.  Eine  grosse  Menge  der  Fälle,  welche 

^ XLrsr‘l'»öiv»Ti*\»vciM  »loT»  Ä r»rfiai¥7KTi«tir»rr  orfiTlrtPPTi.  SlTlfl  llIpllPT« 


ZU 


Erscheinungen  der  Angewöhnung  gehören,  sind  hieher 
^’irh  die  Anwendung  der  Ai’zneien  zeigt  unzählige- 
uii  davon.  Die  Organe  hahen  durch  ein  che- 

.soM  ^ Zusammensetzung  veränderndes,  alterirendes  Mittel  eine 

Veränderung  erlitten,  dass  dieser  Stoff  nicht  mehr  dieselbe 
r Seite  des  Organismus  gegen  sich  vorfindet,  wäh- 

hl”  IV  anderer  Stoff  noch  hahen  kann.  Auch  impondera- 

® Materien  wirken  auf  diese  Art  alterirend:  das  Auge  wird  für 
grüne  Farbe,  die  cs  lange  ansieht,  immer  unempfindlicher, 

. Orüne  wird  immer  schmutziger  und  grauer.  Zu  dieser  Zeit 
j aber  die  Empfindlichkeit  des  Auges  für  Roth  ani  grössten, 
^^gegen  langes  Ansehen  von  Roth  für  Grün  empfänglich  macht. 

^’dndert  langes  Betrachten  eines  gelben  Feldes  die  Empfind- 
'chkeit  für  Gelb,  und  steigert  die  für  Violett  und  umgekehrt; 
anges  Ansehen  von  Blau  steigert  die  für  Orange,  und  umgekehrt, 
fahrend  die  lange  fixirte  Farbe  selbst  immer  schmutziger  ge- 

sehen  wird.' 

III.  Zersetzende  Mittel.  Hieher  sind  diejenigen  Einflüsse  za 
echnen,  welche,  ohne  erst  zu  reizen  oder  eine  unschädliche  Al- 
eration  zu  bewirken,  sogleich  die  organisirten  Theile  zersetzen, 
s gehören  hieher  theils  Einflüsse,  welehe  im  gelinden  Grade 
Einwirkung  reizend,  aber  durch  stärkere  Einwirkung  den 
Island  der  Kräfte  zu  wesentlich  stören,  wie  Wärme,  Electrici- 
at  u.  s.  w. , theils  Alterantia,  die  im  höhern  Grade  von  Einwir- 
^’^ag  die  Zusammensetzung  heftig  verändern,  indem  sie  mit  einer 
Gewalt  der  Wirkung,  Coinbinationen  mit  organischen  Stoffen 
Erzeugen,  weleher  die  organische  Kraft  das  Gleichgewicht  nicht 
halten  vermag,  wie  die  Alterantia  narcotica  auf  diese  Art  zu 
^ersetzenden  Stoffen  werden,  und  die  Alterantia,  welche  in  die 
üdung  und  Umwandlung  der  organischen  Säfte  eingreifen,  z.  B. 
^timonialia,  Mercurialia,  Mineralsäurcu,  Alcalien  bei  dem  heflig- 
ea  Grade  ihrer  Einwirkung  im  concentrirten  Zustande  eben  so 
^ersetzend  werden.  Die  Reize  können  auf  doppelte  Art  desor- 
Sanisiren.  Erstens  können  sie  nur  in  einem  gewissen  Grade 
; bei  höherem  Grade  der  Einwirkung,  statt  selbst  za 

^^®8*'Een,  oder  die  Integration  durch  Erregung  neuer  Affinitäten 
hefördern,  sogleich  die  Zusammensetzung  wesentlich  verändern. 
*Un  geht  dem  örtlichen  oder  allgemeinen  Tode  gar  keine  Rei- 
^ie^l  ®^®Er  voraus,  sondern  die  Zersetzung  erfolgt  unmittelbar, 
sic]j  .‘lenr  Tode  durch  Electricität,  Blitz  u.  s.  w.  Oder  ein  an 
in  sagten  Weise  integrirender  Reiz  setzt  ein  Organ  zu  lange 
Sewisspt‘*=''L‘^‘‘>  so  dass  nach  den  Gesetzen  der  Erregung  in  einer 
Zeit  mehr  Kraft  unwirksam  wird,  als  in  eben  so  viel 

Heber  • ® '"'leder  wirksam  werden  kann.  Dieses  nennt  man 
hei  jg  Ein  Organ  wird  dabei  fortdauernd  schwächer,  wie 

künde  ^ ^alierreizung  des  Auges  durch  das  Licht.  Die  Arznei- 
Wenn  von  zersetzender  Wirkung  der  Stoffe  nur  Gebrauch, 


ku 


T 

Johs  jj. 


^‘rklich  zerstören  will. 


• • •^awN,  als  er  in  den  Elementa  medicinae  durch  Entdek- 
ö Einiger  Gesetze  der  Reizbarkeit  den  ersten  Schimmer  eines 


62 


Prolfgomena.  3.  Thier  - Organismus . 


wissenscliaftliclien  Systems  der  Medicin  in  einer  nocli  rolien,  für 
die  Anwendung  gefälirliclien  Gestalt  gab,  kannte  so  wenig  als 
seine  Nachfolger  in  der  Erregungstbeorie  die  durch  die  Alteran- 
tien  verursachte  Wirkung.  Nach  der  BROWK’schcn  Theorie  gieht 
es  keine  Veränderung  der  erregbaren  Kräfte  ohne  vorausgegan- 
gene  Erregung,  und  die  Erregbarkeit  sollte  mit  dem  Leben  nur 
durch  Ueberreizung  erschöpft  werden  können.  Die  Brownianer 
mussten  behaupten,  überall,  wo  eine  Einwirkung  erschöpft,  ging 
eine  absolute  Ueberreizung  voraus.  Sie  führten  als  Be-weise'  für 
diese  Behauptung  an,  dass  gewisse  Stoffe,  die  in  geringem  Maasse 
angewandt  einigermaassen  reizen , ln  grösserem  Maasse  eine  ganz 
andere  Wirkung,  und  ira  grössten  Maasse  Erschöpfung  hervor- 
bringen, w'ie  z.  B.  Opium.  Im  letztem  Falle,  sagten  sie,  ist  die 
Zelt  der  Reizung  ausserordentlich  klein  und  unmerklich.  So  er- 
klärten sie  auch  die  Wirkungen  aller  schnell  schwächenden  Ein- 
flüsse. Allein  es  gieht  viele  Stoffe,  welche  in  kleinen  Gaben  schon 
schwächer  diese  zersetzenden  W'irkungen  hervorbringen,  Avie  ir- 
respirable  Gasarten,  das  Viperngift  u.  s.  av.  Die  Contrastimulisten 
Rasoäi,  Bobda,  Breba,  Tommasusi  haben  diesen  Fehlgriff  von 
Brown  und  seinen  Nachfolgern  aufgegriffen,  und  die  Stoffe,  wel- 
che statt  zu  reizen,  gleichsam  das  Gegentheil  davon  thun,  näm- 
lich die  Fähigkeit  gereizt  zu  Averden  vermindern,  Conirasihnulan- 
tien  genannt,  so  dass  sie  ihre  Arzneien  in  Siimulaniien  und  Con- 
irasiimulantien  eingetheilt  haben;  allein  obgleich  sie  einen  grossen 
Missgriff  von  Brown  eingesehen,  so  haben  sie  doch  die'alteri- 
rende  Wirkung  so  vieler  Arzneimittel,  die  oben  festgestellt  wor- 
den ist,  nicht  erkannt. 

Die  Unterscheidungen  von  Brown  ])eruhen  auf  einer  ganz 
einseitigen  AnAvendung  einiger  AA'ohlgegründeten  Facta  von  der 
Reizbarkeit,  und  auf  einer  Vermengung  der  integrirenden  Le- 
bensbedingungen oder  der  Lebensreize,  Wasser,  atmosphärischer 
Luft,  Nahrungsstoff,  bestimmter  Wärmegrade  mit  denjenigen  Stof- 
fen, welche  nur  die  Reaction  der  organischen  Kräfte  und  die 
gesunde  Zusammensetzung  A’erändern,  und  insofern  reizen,  ohne 
zu  integriren.  Ein  narkotisches  Mittel,  d.  Ii.  ein  AÜerans  der 
Nerven,  kann  von  Anfang  bis  zuletzt  Symptome  hervorbringen; 
indem  es  die  Zusammensetzung  verändert,  insofern  wirkt  es  auf 
jene  Grundeigenschaft  der  organischen  Körper  von  aussen,  nach 
inneren  Gesetzen  bestimmt,  oder  Avenn  man  will,  gereizt  zu  wer- 
den; aber  dieser  Reiz  ist  kein  Reizmittel  im  tberapeutiseben 
Sinne,  wo  man  darunter  einen  die  Organe  belebenden  und  ihre 
Zusammensetzung  integrirenden  Reiz  versteht. 

John  Brown  h.at  die  Krankheiten  in  sthenlsche  und  astheni- 
sche eingetheilt.  In  den  ersteren  sollte  die  Lebenskraft  vermehrt, 
in  den  letzteren  vermindert  seyn.  Indessen  ist  die  Krankheit, 
Avorin  die  Lebenskraft  vermehrt  ist,  ein  Widerspruch,  und  es 
gieht  nur  unendlich  viele  locale  oder  allgemeine  Fehler  in  der 
Zusammensetzung  der  organisirten  Tbeile,  wobei  die  allgemeinen 
Kräfte  bald  gleich  von  Anfang  darniederliegen,  oder  im  Anfänge 
vorhanden,  später  abnehmen ; daher  ist  die  naturhistorische  Ein- 
theilung  der  Krankheiten  nach  den  aflicirten  .Organsystemen  und 


Verschiedenheit  der  Krankheiten. 


63 


Mm  Rrantheltslnldern  die  zweckmässigste. 

inelirt'^  'nireicr  gern  die  Entzündung  als  eine  Krankheit  mit  \er- 
l>eit  angesehen;  die  Entzündung  ist  eine  Rrank- 

tlig ’jVj'^^'tei  gewisse  Erscheinungen  verstärkt  sind,  wie  die  Wärme; 
•lere  F Se  in  den  kleinsten  Gefässen  ist  grösser;  an- 

Q ■'^^scheinungen  verändert  sie,  wälirend  die  Function  eines 
darniederlicgt  und  die  Empfindungen  eine  heftige  Vcr- 
che'"'”'  Durcli  eine  Entzündungsursache  entsteht  eine 

tvir'^l*'-^'®  Veränderung  ln  der  Zusammensetzung  eines  Organes, 
H'^1  siß  ewf  diese  Art  durch  chemische  AgCntien  hervor. 

kann  eine  chemische  Affinität,  eine  Anziehung  zwischen 
?'■  vimt  der  chemisch  veränderten  Suhstanz  eines  Organes 
^ ® eilen.  Diese  Affinität  kann  grösser  als  im  gesunden  Zustande 
V*'  dem  helehten  Theile  und  dem  Blute  seyn.  Ob  nun 
diese  verstärkte  Affinität  zwischen  Suhstanz  und  Blut  in  der 
^ntfundung  Jiloss  eine  Verstärkung  der  natürliclien  organischen 
■wi\t'  ist,  wie  sie  sich  in  gewissen  gesunden  Phänomenen 
^ *"hch  verstärkt,  wie  in  allen  Phänomenen  der  Turgescenz, 
oh  diese  Affinität  wirklich  verschieden  ist  von  der  lehendi- 
o n Anziehung,  und  mehr  eine  neu  entstandene  chemische  Affi- 
V 'd  Zwischen  der  zersetzten  Suhstanz  und  dem  Blute  ist,  ist 


»iclit 


ißit  Sicherheit  auszumachen.  Wenn  aber  auch  diese  ver- 


st'^  Affinität  zwischen  Blut  und  Substanz  wirklich  eine  Ver- 
•'ekung  der  heständigen  Wechselwirkung  zwischen  Blut  und  Suh- 
wäre,  so  ist  die  Entzündung  doch  noch  keine  Krankheit 
'j'it  vermehrter  Lebenskraft,  denn  die  Erscheinungen  der  Entzün- 
^ung  entstehen  eben  sowohl  von  den  vorhandenen  Streben  zur 
^crselzung,  verursacht  durch  chemische  Veränderung,  als  von 
‘ Ifcaction  der  organischen  Theile  gegen  diese  Zersetzung. 

^ Die  innige  Wechselw  irkung  aller  Theile  des  Organismus,  hc- 
nders  durch  Vermittelung  des  Nervensystems,  bewirkt  in  dem 
"ereschen  Köi-per  eine  Art  Statik  der  Kräfte,  wo  eines  alle  übri- 
sa”l  auch  eine  auf  einen  Thell  wirkende  Rrankheitsnr- 

'ndem  sie  Veränderungen  pondcrahler  und  impondcrahler 
erien  bewirkt,  wirkt  durch  eine  Kette  von  Veränderungen  oft 
rad  ®‘^^*®rnte  Theile,  welche  für  diesen  Krankheitseinfluss  ge- 
■'on'^  s”'  empfänglichsten  sind.  Nicht  allein,  dass  die  Entziehung 
i^ui-1  en  einem  Orte  die  Anhäufung  von  ähnlichen  oder 

Stoffen  an  einem  andern  Ort  verhindert,  w'orauf  die 
he  ' der  Ausleerungen  in  anderen  Orten  als  dem  leidenden 

T)|o  'V'ov'mnltvkftn  rr  /lor»  1 1 rrlf  ^ in  ^»inPlYl 


Or 


'■gan 


Die  Vermehrung  der  organischen  Thäligkeit  in  einem 
orgi,,,-  viele  andei'e  Theile;  so  steht  die  Vermehrung  der 

der  W'  Thätigkeit  in  den  Genitalien  im  Zusammenhang  mit 
Veränd"^*^^^^*^*®^'«^*”?!  des  Geweihes  hei  den  Hirschen,  mit  der 
welche vieler  Organe  bei  dem  Menschen,  Verändcningcn, 
rende  p die  Castration  aufheht.  Auch  die  integri- 

’iamentf eines  Theiles  wirkt  belebend  auf  das  Ganze  zurück, 
durch  d'  ^ der  Haut  auf  die  Centralorgane  des  Nervensystems 
dei-e  H Nerven,  wie  man  denn  mit  Erfolg  Frictionen  und  an- 
autreize  zur  Wiederbelebung  anwendet. 


64 


Prolegomcna,  4.  Physicalische  Erscheinungen. 


IV.  Ueber  die  den  unorganischen  und  organi- 
schen Körpern  gemeinsamen  Wirkungen. 

Die  organisclien  Körper  Iheilcn  die  allgemeinen  Eigenschaften 
der  ponderabeln  Materie.  Die  Meclianik,  Statik,  Hydraulik  finden 
aueh  hier  ihre  Anwendung,  Mehrere  Eigenschaften,  welehe  or- 
ganische, Materien  mit  unorganischen  gemein  haben  können,  -wie 
Cohärenz,  Elasticitiit,  u.  s.  w.  entstehen  aber  nur  unter  dem  lort- 
•wahrenden  Wirken  der  organischen  Kraft  zur  Erzeugung  einer  ge- 
wissen Mischung,  wie  die  elastische  Arterienhaut  ilii-e  Elast icitat 
einige  Zeit  nach  dem  Tode  verliert.  Dann  ist  die  Anwendung  der 
Mechanik,  Statik,  Hydraulik  auf  die  organische  Physik  deswegen 
beschrankt,  weil  die  organischen  Ursachen  der  Bewegung  hier 
am  meisten  interessiren.  Auch  die  imponderahlen  Materien,  Ele- 
ctricitat,  Wärme,  Licht,  kommen  in  den  organischen  Körpern  zur 
Erscheinung.  Mit  diesen  Wirkungen  werden  wir  uns  jetzt  be- 
sonders beschäftigen. 

I.  Entwickelung;  von  Electri cita t, 

Frictlonselectricität  kann  bekanntlich  vorzüglich  an  vielen 
Körpern  organischen  Ursprungs  entwickelt  werden;  die  galvani- 
sche oderBerührungs-Electricität  entsteht  nicht  bloss  durch  Con- 
tact  von  heterogenen  Metallen;  viele  andere  Materien  (besonders 
Kohle,  auch  Graphit)  können  nach  den  Untersuchungen  von  A. 

V.  Humboldt  und  Pfaff  die  elcctromotorlschen  Metalle  ersetzen, 
und  selbst  verschiedene  thierischc  Theile  wirken  in  leitender  Ver- 
bindung in  schwächerm  Grade  ähnlich  verschiedenen  Metallen. 
Es  würde  daher  eine  ganz  falsche  Vorstellung  seyn,  wenn  man  In 
den  Eigenschaften  der  verschiedenen  Metalle  allein  die  Ursachen 
der  galvanischen  Electricität  suchen  wollte.  Seebi-ck.  hat  entdeckt, 
dass  sogar  homogene  Metallstangen  von  verschiedener  Temperatur 
an  einander  gelegt,  galvanisch  werden,  dass  eine  einfache  Mctall- 
stange  an  beiden  Enden  verschieden  erwärmt,  galvanische  Electri- 
cität erzeugt;  so  dass  Heterogeneilät  der  Theile  heim  Contacte 
durch  Spannung  der  in  allen  Körpern  vorhandenen  electrischen 
Materie,,  in  -f-  E und  — E , oder  Veränderung  des  Gleichgewich- 
tes in  der  electrischen  Materie  und  leitende  "Verbindung  die  all- 
gemeinsten Bedingungen  zur  Erzeugung  des  Galvanismus  zu  seyn 
scheinen.  Unter  diesen  Umständen  werden  auch  galvanische  Er- 
scheinungen an  thierischen  Theilen  beobachtet.  A.  v.  Humboldt 
entdeckte,  was  ich  öfter  bestätigt  gefunden  habe,  dass  schwache 
Zuckungen  in  einem  Froschschenkel  erfolgen,  wenn  man  die  Ner- 
ven und  Muskel  mit  einem  frischen  Stück  Muskelflcisch  zugleich 
berührt.  Diese  Erscheinung  gehört  zwar  zu  den  seltneren  der 
galvanischen  Versuche,  ich  kann  jedoch  ihre  Bichtigkeit  bestätigen- 
Buwtzen  baute  sogar  eine  schwache  galvanische  Säule  yon  abwech- 
selnden Lagen  von  Muskellleisch  und  Nerven,  Nach  PaEvosx  und 
Dumas  wirkt  schon  eine  Kette  von  homogenem  Metall,  frischem 


Electridtät.  Electrische  Fische. 


65 


Wenn  Salzwasser  oder  Blut  auf  das  Galvanometer. 

^*‘'tina  T****  Conductoren  dös  Galvanometers  Platten  von 

nljigf,  und  an  die  eine  ein  Stück  Muskelfleisch  von  ei- 

losinirr  bringt  und  die  Conduetoren  in  Blut  oder  eine  Salz- 

strii  entsteht  eine  Deviation  der  Magnetnadel  des  In- 

saur  Ehen  so  wenn  man  an  einen  Conductor  ein  mit  salz- 

an  ‘^"timon  oder  Salpetersäure  heleuchletes  Stück  Platina, 
'“■idern  Conductor  ein  Fragment  von  Nerve,  Muskel  oder 
1 hj’ingt.und  l)eide  herührt.  Magkndie  Journal  de  Physiol. 
sich"  (SciiwEtoG.  Journ.  56.  1.)  hat  ferner  gezeigt,  dass 

all  trockne  Säulen  auch  aus  organischen  Körpern  ohne 

• * *‘*'"'irkung  metallischer  Körper  errichten  lassen.  Conecn- 

ni  ^ Eosungen  von  organischen  Körpern  wurden  aul  dünnes  Pa- 
^“^getragen  und  a\is  Scheihen  dieses  Papiers  Säulen  aufge- 
d'ick  ’ *^'‘***  rmglelcharlige  Schichten  durch  zwei  Papler- 

gj  ®**  getrennt  waren,  die  Eleclricität  dieser  Säulen  ward  an 
Bohnenhergcrschen  Electrometer  geprüft.  So  zeigten  sich. 


positiv 

Natron 

gegen 

negativ 

Hammeltalg. 

Hefen 

Rohrzucker. 

Hefen 

— 

Kochsalz. 

Hefen 

— 

MilcFizucker. 

Leinöl 

Zucker. 

Leinöl 

— . 

weisses  Wachs. 

Stärkemehl 

— • 

Gummi. 

Gummi 

— 

Salcp. 

Gummi 

— 

Traganthschleim. 

Gummi 

— . 

Bärlappsamen. 

Eiweiss 

— 

Gummi. 

Eiweiss 

— 

Ochsenhlut. 

Ochsenhlut 

— 

Belladonnenextract. 

Ochsenhiut 

— 

Stärkemehl. 

Die  electrlschen  Fische  sind  nach  diesen  Prämissen  weniger 
imd't  • *’  “^gleich  ihre  Enlladungskraft  nur  während  des  Lehens 
el  , . * '"■?eslortcm  Ncrveneinniiss  statt  findet.  Die  bekanntesten 
ln  Fische  sind  der  Zitterrochen,  Torpedo,  wovon  T.  mar- 


ocellata  in  den  südlichen  euro])äischen  Meeren 
Sen  der  Zitteraal,  Gymnotus  electricus,  in  mehreren  Fl üs- 

rii.. ^“'^'amerika,  der  Zitterwels,  Silurus  clcctricus  seu  Malante- 
eleclric  - " 


^hln 


i'icus,  im  Nil  und  im  Senegal.  Weniger  bekannt  sind 


Zur  ^'atiis  electricus,  Trichiurus  electricus  undTetrodon  electricus. 
pAntj  '^"'ilniss  der  electrlschen  Fische  haben  am  meisten  Walsu, 
sehen  Gay-Ltjssac  und  v.  FIumboldt  heigetragen.  Die  electri- 
und  der?”.*'®  der  Zitterrochen  liegen  zu  beiden  Seiten  des  Kopfes 
ßseitirtg*^  und  bestehen  aus  neben  einander  stehenden  5 — 

Stellen  ''•^'’äsmen  , welche  die  ganze  Dicke  des  Fisches  an  jenen 
fassen  „**“”®Emen.  Jedes  Prisma  bildet  eine  mit  Nerven  und  Gc- 
grosse  Röhre  mit  dünnhäutigen  Wänden,  in  der  eine 

teter  Qu (150)  überaus  dünner,  parallel  auf  einander  geschich- 
gen  mit  einer  zwischen  alleu  verbreiteten  gallertartK 

M-  n ***S*^®it  liegen.  Zu  diesen  Organen  gehen  jederseits  drei 
Physiologie.  5 


Prolcgomena.  <1.  Physicallsche  Erschelrwiigen. 


m 

starke  Nerven,  vom  N.  vagiis,  welclie  verlier  Zweige  den  Riemen 
abgelien.  Audi  ein  Ast  vom  N.  qnintns  verbreitet  sieb  in  den 
vordem  Tbeil  des  Organes.  ffuivTER  Pliilos.  transact.  1773.  j).  'l- 
lab. ‘IQ.  Die  Organe  des  Zitteraals  und  Zittcrwelses  liegen  nach 
E.udoi.i’hi’s  genauen  Untersucbiingen  zu  beiden  Seiten  vom  Kopl 
bis  zum  Sebwanz  und  sind  jcderscits  doppelt,  ein  oberfläcblicbes 
und  tieferes;  lieide  sind  durch  eine  Scheidewand,  bei  Gymnolus 
seitlicJi  nncli  von  Muskeln  gclrcnnt.  Bei  Gymnofiis  ele.rlricus  be- 
stehen die  Organe  aus  liorizontalen , in  der  Lange  des  Fisches 
ausgespannten  Hiiiiten  von  -j  Lin.  Distanz,  zwischen  denen  von 
innen  nach  aussen  gerichtete,  senkrechte  Scheidewände  .sich  lie- 
fmden,  in  deren  Zwischenräumen  Flüssigkeit  ist.  Das  kleinere  tie- 
fere Organ  ist  noch  feiner  getheilt.  Die  Nerven  des  Organes 
sind  224  Intercostalnerven , die  an  der  innern  Seite  des  Orga:  es 
hinabgehen  und  sich  in  alle  Lagen  zertheilen,  während  feinere 
Enden  der  Intercostalnerven  unter  dern  kleinen  Organ  an  die 
Haut  des  Fisches  gehen.  Ein  Nerve,  der  durch  Zweige  vom  N. 
quhtius  und  N.  oagus  zusammengesetzt  wird,  gelit  oberflächlich, 
ohne  sich  in  dem  Organe  zu  vertheilen,  in  die  Riickenmttskcln. 
EuDoupni  in  den  Abhandlungen  der  Academie  von  Berlin  1820  — • 
1821.  p.  22!).  lab.  I.  II. 

Bei  dem  Zitterwels  giebt  es,  wie  Rudolpui  gezeigt  hat,  auch 
jederseits  zwei  electrische  Organe,  die  ich  nach  Rudolpui  und 
nach  eigener  Anschauung  dieser  Theile  beschreibe.  Beide  sind 
durch  eine  aponeurotische  Haut  getrennt,  das  äussere  liegt  ober- 
flächlich unter  dem  corium,  das  innere  über  der  Muskelschicht, 
die  Nerven  des  äusseren  kommen  vom  N.  mgn.v ^ der  unter  der 
aponeuro.ds  inlirmedia  licrgeht,  aber  diese  mit  seinen  Zweigen 
durchbohrt,  um  in  das  äussere  Organ  zu  gehen;  die  Nerven  des 
innern  Organes  kommen  von  den  Intercostalnerven  und  sind  äiis- 
serst  fein.  Das  äussere  Organ  besteht  ans  sehr  kleinen  rauten- 
förniigen  Zellen,  die  man  mit  der  Lonpe  betrachten  muss,  das 
innere  scheint  auch  aus  Zellen  zu  besteh.;n.  Rudolphi  nennt  die 
Subslanz  des  innern  Organes  flockig.  R.udolphi  in  Abhandlungen 
der  Arademie  zu  Berlin.  1824. 

Die  Wirkungen  der  eleclrischen  Fische  auf  thierische  Wesen 
gleichen  ganz  den  electriscben  Entladungen.  Die  Erschütterung 
des  Zitterrochens  reicht  bei  der  Berührung  mit  der  Hand  bis 
zum  Oberarme,  die  Zitteraale  vermögen  dagegen  selbst  Pferde 
zu  bekämpfen  und  zu  schvvächen,  vvas  A.  v.  HuMnoi.uT  so  schön 
in  seinen  Anxiehten  der  Natur  beschriehen  hat.  Es  steht  lest, 
dass  sowohl  beim  Zitterrochen  als  beim  Zitteraal , welche  bisher 
allein  in  Hinsicht  der  Wirkungen  näher  untersucht  sind,  die  Iso- 
latoren der  Electricifät  die  electrische  Kraft  der  Organe  aufhal- 
ten, und  die  Conductoren,  wie  Metall,  Wasser,  sie  leiten,  dass 
sich  die  Entladung  durch  eine  Rette  von  Personen  fortpflanzL 
wenn  die  äussersten  Glieder  den  Fisch  berühren.  Walch  hat 
sogar  beim  Zitteraal  electrische  Funken  entlockt,  indem  er  deo 
Schlag  durch  einen  auf  eine  Glasscheibe  geklebten  und  in  der 
Mitte  durchschnittenen  Staniolstreifen  leitete;  er  sah  mitPRiNGLEj 
Magellas  und  Ingeüuouss  den  Funken  von  der  einen  Hälfte  des 


Electricitüt,  Elecirische  Fische. 


67 


andern  üLerspringcn.  Jovrn.  de  phys.  1776.  Oct.  .3.31. 
in  dem  ”*7^***^  diesen  Versucli  n7it  gleichem  Erfolge  wiederholt, 

handr  Fisch  sicli  in  der  Luft  ])efand.  Vctensk.  Arad,  nya 
1801.  2.  p.  122.  Allein  nie  ist  weder  früher,  noch  hei 
ten  Vei'suchen  von  IIümbot.dt  und  Bonpi.and  am  Zit- 

Cci'  ’ '^^UMBOLDT,  Gav-Lussac  Und  Data'  am  Zitterrochen  die 
^ ‘agste  Reaction  auf  das  Electrornctcr  heracrkl  AvorJen.  Die 
Int'^n  • Entladung  ist  überdiess  ganz  Avillkührlich  und  an  die 
g|  der  Nerven  jener  Organe  geknüpft.  Man  kann  den 

lan^  * Fischen  das  Herz  ausschneiden,  und  sie  können  noch 
od  austheilen,  aber  mit  der  Zerstörung  des  Gehirns 

Eurchschneidung  jener  Nerven  hört  das  Vermögen  der  Ent- 
•u  iinpr  f,uf;  ZersWung  des  electrischen  Oi-ganes  einer  Seite 
die  Wirkung  des  andern  nicht  auf.  Auch  ist  es  von  allen 
^achtern  anerkannt,  dass  die  Entladung  nicht  hei  jeder  Be- 
so  erfolgt,  sondern  A'on  der  Willkühr  des  Fisches  ahhangt, 

‘ass  man  ihn  oft  erst  reizen  7nuss,  oder  dass,  wenn  v.  Hum- 
jjj  Und  Bonplakd  den  Fisch  an  Kopf  und  Sclnvanz  anfassten, 
hr]*'  sogleich  der  Schlag  erfolgte  und  auch  nicht  immer 

den  Schlag  erhielten.  Hieraus  scheint  hervorzugehen,  dass 
electrischen  Fische  seihst  die  Richtung  der  Entladung  he- 
j,  '®*^en  können.  Zuweilen  sträubt  .sich  das  Thier  hei  Quäle- 
^eien , ohne  Schläge  zu  erlheilen.  Die  Schläge  scheint  es  seihst 
^7'^.'^  empfinden.  Beim  Zitteraal  hemeikt  7nan  hei  der  Ei- 
gar 


®*^liültei'nng  gar  keine  BcAveguiAg,  beim  Zitterrochen  nur  eine 
Bewegung  der  Brustflossen;  dagegen  sind  die  electrischen 
psche  in  Wunden  für  den  künstlichen  galvanischen  Reiz  voll- 
Gmmen  sensibel.  Andei’seits  erleiden  Zitteraale,  indem  sie  den 
Gulag  eines  andern  leiten,  keine  krampfhaften  BcAvegungen,  wie 
Hiu7Boi.nT  gesehen.  ' 

Her  clectrische  Schlag  wli’d  fühlbar,  wenn  das  Thier  zu  des- 
sen Ertheilung  geneigt  ist,  sey  es  nun  , dass  man  mit  einem  ein- 
*e  nen  Finger  nur  eine  einzige  Oberfläche  der  Organe  berühre, 

' p’  man  mit  beiden  Händen  seine  beiden  Oberflächen  oben 
jpd  unten  anfasse,  ln  beiden  Fällen  ist  es  gleichgültig,  ob  die 
^ Grson,  welche  den  Fisch  berührt,  isolirt  sey  oder  nicht.  A'.  Hum- 
aapu  Punkten  stimmen  nun  Zitterrochen  und  Zitter- 

Bot  in  einigen  weichen  sie  ab.  Gaa-Lussac  und  v.  Hum- 

G'ne^A  dai  üi)cr  sehr  schöne  Aufschlüsse  gegeben.  Wenn 

so  ^ Gson  den  Zitterrochen  mit  cine7n  einzigen  Finger  berührt, 
Wet^„  GÜe  Entladung,  die  Person  mag  isolirt  seyn  oder  nicht. 


seyij  sie  aber  isolirt  ist,  so  muss  die  Berührung  unmittelbar 
Währ»  berührt  den  Zitterrochen  mit  Metall  ohne  Erfolg, 

rere  R ^ Zitteraal  seihe  Stösse  durch  das  Mittel  eines  meh- 

clne  langen  Eisentahes  erthcilt.  Wird  ein  Zitterrochen  auf 
die  Sei”*  ‘*dnne  iVIetallscheihe  gelegt,  so  fühlt  die  Hand,  welche 
*Aveite  niemals  eine  Erschütterung,  wenn  gleich  eine 

haften  Person  das  Thier  reizt,  und  obschon  die  krampf- 

thun  Brustflossen  sehr  starke  Entladungen  dar- 

roche  hingegen  der  auf  der  Metallscheibe  liegende  Zitter- 

vrie  vorher,  von  Jemand  mit  der  einen  Hand  gehalten, 

5 * 


68 


Prolegomena.  4.  Physicalische  Erscheinungen. 


mit  der  andern  Hand  an  der  oLern  Fläclie  berülirt,  so  wird  als- 
dann eine  kräftige  Erschi'itterung  in  Leiden  Armen  verspürt.  Die 
Empfindung  ist  die  nämliche,  wofern  der  Fisch  sich  zwischen 
zwei  Mctallscheihen  liefiiidet,  deren  Ränder  sich  einander  nicht 
herühren,  und  wenn  alsdann  Leide  Hände  gleichzeitig  an  diese 
Scheilicn  gelegt  werden.  Wenn  aller  die  Ränder  Leider  Metall- 
scheihen  sich  herühren,  so  hört  iede  Erschütterung  auf,  die  Kette 
zwischen  beiden  Oherflächcn  des  electrischen  Organes  wird  als- 
dann durch  die  Scheiben  gebildet,  und  die  neue  Verbindung, 
welche  durch  Rerührung  beider  Hände  mit  den  Scheiben  zu 
Stande  kommt,  hieilit  ohne  Wirkung. 

Ungeschwächtc  elcctrische  Fische  wirken  gleich  stark  unter 
dem  W'^asser  und  in  der  Luft.  Bilden  mehrere  Personen  die  Kette 
zwischen  der  ohern  und  untern  Fläclie  des  F’isches,  so  wird  die 
Erschütterung  nur  dann  fühlbar,  wenn  jene  Personen  sich  die 
Hände  benetzt  haben.  Die  Wirkung  wird  dagegen  nicht  unter- 
brochen, wenn  zwei  Personen,  die  mit  ihren  rechten  Händen 
den  Zitterrochen  halten,  statt  sich  mit  der  linken  zu  fassen,  jede 
ein  metallenes  Stäbchen  in  einem  auf  einem  isolirten  Körper  be- 
findlichen W'assertropfen  einsenken.  Zuletzt  muss  noch  .Spallan- 
ZANi’s  Beobachtung  angeführt  werden,  dass  der  Zitterrochen  seine 
erschütternde  Kraft  durch  Abziehen  der  Haut  verliert.  Gav- 
Lussac  et  Humboldt,  arm.  de  chemie  65.  15.  A.  v.  Humboldt’s 
Reise  in  die  Acfpunoclialgegenden  des  neuen  Continents.  -3.  Theil. 
p.  295  — 324.  Treviramus  Biol,  5.  144  — ISO. 

John  Davy  hat  gefunden,  dass  die  electrischen  Organe  des 
Zitterrochens  in  der  That  auf  das  Galvanometer  wirken,  und  dass 
die  Oherflächcn  des  electrischen  Organes  ein  electrisch  verschie- 
denes Verhalten  haben.  Poggendorf’s  Annalen.  1834. 

Die  electrischen  Erscheinungen  der  electrornotorischen  Fische 
sind  durch  besondere  Apparate  bewerkstelligt.  Oh  aber  sonst  im 
Thierreich  und  heim  Menschen  durch  die  gew'öhnlichen  organi- 
schen Thäligkeiten  sich  Electricität  entwickele,  ist  eine  andere 
Frage.  Elcctrische  Materie  ist  Im  Zustande  des  Gleichgewichtes 
von  -f-E  — E in  allen  Körpern  und  lässt  sich  durch  Contact  auch 
in  den  lebenden  Fröschen  in  -f-E  und  — E trennen,  d.  h.  zur 
Ei\scheinung  bringen.  Im  Frühjahre  vor  der  Begattung  besitzen 
die  Frösche  eine  ausserordentliche  Reizbarkeit  für  das  galvanische 
Fluidum  und  dann,  aber  auch  nur  dann  erhält  man  folgende  von 
mir  beobachtete  Phänomene.  Man  nehme  einen  auf  die  gewöhn- 
liche Weise  präparirten  Froschschenkel,  lege  ihn  auf  eine  Glasplatte. 
Wenn  man  in  die  eine  Hand  eine  Zinkplatte  nimmt  und  mit  dieser 
Platte  den  IVerven  berührt,  w’ährend  ein  Finger  der  andern  Hand 
den  Froschschenkel  berührt,  so  entsteht  jedesmal  eine  starke  Zuk- 
kung;  mit  einer  Kupferplatte  geht  es  auch,  aber  schwächer.  Legte 
ich  den  Nerven  des  Schenkels  auf  eine  Zinkplatte  und  verband  Ner- 
ven und  Schenkelmuskeln  durch  ein  Stück  von  einem  Frosch,  so 
entstand  jedesmal  auch  eine  Zuckung.  Diess  geschah  sogar,  weno 
die  Zinkplatte,  worauf  der  Nerve  der  Schenkelmnskeln  lag,  der 
Oberfläche  des  Schenkels  genähert  wurde.  Endlich  bewirkte  ich 
an  einem  blossen  Unterschenkel  mit  heraushängendem  Stamm  des 


^^^ctrische  Erscheinungen  Leim  Frosch  und  beim  Menschen, 


69 

selbst  Zuckung,  wenn  ich  den  Nerven  mit  einem 
ven  [j-  StViljclien  dem  Unterschenkel  n'alierle  und  mit  dem  Ner- 
Oberhaut  des  Unterschenkels  berührte.  Auch  er- 
^iede  ^***^  Zuckung,  wenn  ich  den  Nerven  vom  Unterschenkel 
nial  Dieser  Versuch,  der  auch  v.  Humboldt  schon  ein- 

st 

kel  n -t  1 8“^'  Metall  dazu  nothwendig;  der  Untersehen- 


fs'ch  t'^  “'Merer  Art  gelang,  ist  äusserst  merkwürdig,  und  der  ein 
® S'dvanische  Versuch,  den  man  an  einem  Frosche  machen 
kel  8“^'  kein  Metall  dazu  nothwendig;  der  Untersehen- 

Gla  keraushängeudem  Schcnkelnervcn  muss  aber  auf  einer 
auf*^  hegen.  Man  hebt  den  Nerven  auf  einem  Federkiel  sanft 
Ne  herührt  mit  dem  Nerven  nur  den  Unterschenkel,  den 

*urüekbeugend,  so  erfolgt  zuweilen  eine  Zuckung.  Com- 
d j^t  der  von  mir  angestellte  Versuch,  dass  man  zwischen 

kel*' V des  praparirten  Froschschenkels  und  dem  Unterschen- 
Fr  1 sehliesst  durch  zwei  lebende  Frösche  oder  zwei 

hjcine;  ja  seihst  Stücke  von  einem  todten  faulenden  Fnjsche 
kel  ^‘^hlicssung  der  Kette  hinreichend.  Legt  man  den  Schen- 
Miit^T^r*^*'’  Unterschenkel  heraush'angt,  in  ein  Schälchen 

lind  1 ■ ^ oder  mit  Wasser  (gleichviel)  und  verbindet  das  W.asser 
au  I ^herschenkelmuskeln  mit  einem  Rupferdraht,  so  entsteht 
Ven'  eine  Zuckung,  eben  so  gut,  wie  wenn  man  den  Ner- 

di"  den  Oberschenkel  durch  einen  Kupferdraht  oder 

ich*^^  Stück  frisches  oder  faules  Muskelfleisch  vei’hindet.  Als 
^en  Zuckung  gesehen  hatte,  wenn  ich  mit  meinem,  elgc- 

de  hie  Kette  zwischen  dem  auf  einer  Zinkplatte  licgen- 

n Aerven  und  dem  Unterschenkel  schloss,  glaubte  ich,  dass  die 
ßctricität  meines  eigenen  Körpers  dieses  Phänomen  bewirke;  da- 
kam  ich  aber  sogleich  zurück,  als  ich  sah,  dass  ein  todter 
ein  Stück  faides  Musk^llleisch  dasselbe  that,  und  als  ich 
Ul  1 ^”P^evdraht  und  Wasser  die  Kette  zwischen  Acre,  ischiadicus 
En  ]|^^'^'  ®‘^kenkelmuskeln  schliesscnd,  schon  eine  Zuckung  hew'lrkte. 

^ *eh  beweist  der  Versuch,  wo  ich  (fast  wie  v.  llirMuoLDT)  durch 
Ve^^^t*  Umheugen  des  Nerven  gegen  den  noch  mit  der  Oberhaut 
Von  Unterschenkel  Zuckung  bewirkte,  ohne  Zwischenstück 

Ph"  oder  Muskollleisch , dass  zum  einfachsten  electrischen 

an  Fröschen  und  1 heilen  eines  Frosches  bloss  gegen- 
Berührung  des  anderseits  organisch  zusammenhängenden 
*^1*  ^**'d  Muskels  nöthig  ist,  unil  dass  das  Phänomen  durch 
''erst^  '®*'8'icder  von  Metall,  Muskelstücken  (faul  oder  frisch)*  nur 
freie^Pi  Entweder  entsteht  nun  in  den  lebenden  Körpern 

durch  den  Lehensprocess , die  nach  ihrer  Ver- 
hei-VQ^S  heim  Contact  gewisser  Theile  überströnal  und  Zuckungen 
nität  es  entsteht  bloss  durch  die  chemische  Heteroge- 

hei  derl  ^®vvcn  und  Muskeln  eine  electrische  Spannung,  welche 
und  die  r '^‘^uartigen  Verbindung  ins  Gleichgewicht  gesetzt  wird 


gelingeu 


'Zuckung  bewirkt.  Alle  die  hescluiehenen  Phänomene 
Eeizbarl  ßegattungszeit,  entweder  wegen  giösserer 

oder  w'egen  wirklich  stärkerer  Electricitätsanhäufung. 
vor  da*  vorher  angeführten  ßcohachtungen  geht  nun  her- 

der  Xhl**  in  den  thierischen  Körpern  im  Tode  wie  im  Lehen 
gleichwie  in  allen  andern  Körpern,  hefindliohe  electiä- 


70 


Frulegomena.  4.  Physicalische  Erscheinungen. 


sclie  Materie  unter  fjewissen  Umständen  in  Spannung  tritt  oder  i» 
-f-E  und  — E zerlegt  wird.  Die  Entladung  entstellt  am  Frosch- 
Schenkel  sogleich  hei  der  Schliessung  der  Rette  zwischen  den  ver- 
schieden geladenen  Muskeln  und  Nerven.  Der  Froschschenkel  ist 
aber  in  diesem  Fall  seihst  das  feinste  Electrometer,  indeiu  die  in  ihm 
seihst  entwickelte Elcctricilät  auch  die  Zuckung  desselhen  bewirkt. 
Oh  die  verschiedene  clcctrischc  Ladung  von  einerseits  organisch 
verbundenen,  arderselts  änsserlich  getrennten  Muskeln  und  Nerven 
des  Froschschenkels,  eine  Folge  des  Lebensprocesscs  ist,  oder  bloss 
eine  hier  wie  überall  durch  die  chemische  IJeterogenität  der  Stoffe 
bewirkte  elcctrische  Spannung  der  vorher  ruhend  vorhandenen 
electrischcn  Materie  ist,  und  ob  daher  selbst  ein  todter  Nerve  und 
Muskel  noch  sich  in  diese  elcctrische  Spannung  versetzen , lässt 
sich  nicht  ausmachen;  denn  der  todte  Froschschenkel  zeigt  wegen 
des  Verlustes  der  Zusammenziehungskraft  der  Muskeln  nicht  mehr 
die  elcctrische  Spannung  an,  wenn  sie  auch  in  ihnen  vorhanden 
wäre.  Es  ist  ülier  eine  den  Lcbensprocess  begleitende  Electrici- 
tätserregung  viel  Fabelhaftes  vorgebracht  worden.  DleWnhrhiit 
ist,  dass  eie^^trische  Erscheinungen  ohne  Friction  in  thierischen 
Körpern  nur  sehr  schwach  sich  äussern,  obgleich  die  mannigfal- 
tigen Stoffiimwandlungen  nicht  ohne  einige  Electricitätsentwicke- 
lung  Vorgehen  zu  können  scheinen.  Das  einzige,  was  n.an  vom 
Menschen  hierüber  Thatsächliches  hat,  sind  die  Untersuchungen 
von  Pfaif  und  Aurews,  Meckee’s  Archiv  3.  161.  Die  Versuche 
w'urden  mit  einem  Goldhlattelectrometer  angestellt,  nachdem  die 
Personen  sich  auf  ein  Isolatorium  begeben.  Die  Collectorplalte 
des  auf  das  Electrometer  aufgeschraubten  Condensators  wurde  von 
der  Person  berührt,  die  obere  Platte  desselben  war  mit  dem  Erd- 
boden in  leitender  Verbindung.  Die  Resultate  sind: 

1.  In  der  Regel  ist  die  cigenthümliche  Electricität  des  Men- 
schen im  gesunden  Zustande  positiv. 

2.  Selten  übersteigt  sie  an  Intensität  die  Electricität,  wel- 
che das  mit  dem  Erdboden  in  leitender  Verbindung  stehende 
Rupfer  mit  dem  Zink  hervorbringt. 

3.  Reizbare  Menschen  von  sanguinischem  Temperament  ha- 
ben mehr  freie  E.  als  träge  von  phlegmatischem  Temperament. 

4.  Des  Abends  ist  die  Menge  der  Electricität  grösser  als  zu 
den  anderen  Tageszeiten. 

5.  Geistige  Getränke  vermehren  die  Menge  der  Electricität. 

6.  Die  Weiher  sind  öfter  als  die  Männer  negativ  electrisch, 
doeh  ohne  bestimmte  Regel.  Gardimi  hatte  zur  Zeit  der  Menstrua- 
tion wie  auch  während  der  Schwangerschaft  negative  E.  gefunden. 

7.  Im  Winter  sehr  durchkältete  Körper  zeigen  erst  keine 
Electricität,  die  aber  allmählig  mit  der  Erwärmung  zum  Vorschein 
kommt. 

8.  Auch  der  ganz  nackte  Körper,  so  wie  jeder  Theil  des 
Körpers,  zeigt  dieselben  Phänomene. 

9.  Während  der  Dauer  rheumatischer  Krankheiten  scheint 
die  E.  auf  0 zu  sinken  und  so  wie  die  Krankheit  weicht,  wieder 
zum  Vorschein  zu  kommen,  v.  Humboldt  [über  die  gereizte  Mus^ 
kel~  und  Nervenfaser.  I.  d.  159)  wollte  gefunden  haben,  dass  Rheu- 


Hypothese  von  der  thierischen  Electrtcität.  71 

für  den  schwaclien  Strom  der  einfaclien  gulvanisclien 
^^^fe^isoUrend  soyen. 


cdiclilet. 
IE  Jourii.  de  Phy- 


den  I?*  '“««clic'LeLonsactloncn  durch  Electricität  erzeugt  wer- 
i'n  u • licsonders  die  Nervenaction,  und  dass  clectrische  Sti’öme 
f^icl  Körper  ciiculireii,  davon  hat  man  viel  g 

* “jrser  Art  ist  erwiesen.  Person  (Mvgend 
j?!  ’ j • -^16.)  so  wenig  als  ich  haben  je  mit  dem  emplindlichsten 
‘^tronieter  Strömuiigen  in  den  Nerven  wahrgenommen.  Dar- 
l^er  Werde  ich  auslurirlicher  hei  den  Nerven  handeln.  Potjillet 
sto  1 'jei  der  Acupiinctur  electrischc  Strömungen  an  den  eingc- 
clienen  Nhdeln  zu  erkennen , hat  aber  seihst  seine  Täuschung 
erkannt.  (Magendie  J.  de  PL  5.  p.  5.)  Hatte  er  in  einen  gc- 
, en  oder  kranken  Theil  eine  Stahlnadel  cingcstoclieu  und  eine 
Nadel  in  den  Mund  genommen^  und  Lraclitc  er  nun  die 
s ”'|“**'^foren  des  Galvanometers  mit  beiden  Nadeln  in  Verlnndung, 
^*^*^rrkte  er  mehrmals  kurze  Zeit  nachlier  Schwankungen  der 
5^  v’*'®*^)'‘'del  des  Instrumentes,  was  ich  hei  Wiederholung  des  Ver- 
El  *'*püt  l'and.  PouiLLET  kam  aber  auf  den  Gedanken,  dass  die 
ricitai^  von  der  Oxydation  der  eingestochenen  Nadeln  herrühre, 
tio^  ein  sehr  cmplindliches  Galvanometer  sclion  die  Oxyda- 

on  vo,i  ii-iit  keine  Spur  von  Schwan- 

^**8  ein,  als  statt  der  Stahlnadeln  Nadeln  von  Metall  genommen 
teil  das  sich  nicht  leicht  oxydirt,  Gold,  Platin,  Silber,  ln 

el  ^'''■.  kann  auch  die  Schwankung  der  Nadel  durch  Thermo- 
d^*^f|*^üat  veranlasst  sej'n,  insofern  das  eine  Ende  der  Nadeln 
^^reh  thierische  Theile  erwärmt  war,  weil  nach  Sekbeck.’s  EuG 
^ckung  schon  eine  einfache  Metallstangc  durch  verschiedene  Er- 
■'•'iniing  au  beiden  Enden  galvanisch  wird.  Neulich  hat  Dosni 
Ütelst  eines  sehr  em])lindlichen  Galvanometers  wirklich  eine  elc- 
*'i8ehe  Reaction  zwischen  der  Vuissern  und  iunern  Ilautoberllä- 
f entdeckt,  welche  er  vmn  dem  alkalischen  und  sauren  Verhal- 
der  Secrcta  idileitct.  Amt.  des  Sciences  nat.  1834.  l'ci>r.  M.vx- 
einem  Kaninchen,  dessen  Magen  und  Leber  mit  de» 
‘"enden  eines  emiilindlichcn  Galvanomctei’s  veriHindcn  vvnrden, 
^‘"e  Abweichung  von  15  — 20  gesehen.  Dass  diese  lleaction  nicht 
sclV  chemisch  verschiedenen  Natur  der  Secrcta  abhänge, 
sei*  **^***^  daraus,  dass  die  lleaction  nach  dem  Tode  der  Thlere 
jjg  *|  ®*^üwach  War  oder  ganz  aut  hörte.  An  den  Nerven  selbst 
au^j^^'^ütete  Mattesci  kein  electrisches  Verhalten;  er  fand  aber 
Scho’  Nerven , selbst  wenn  sie  den  Strom  einer  galvaui- 

siel^  ^‘‘ule  leiten,  auf  das  Galvanometer  nicht  wirken,  llieraus 
veu  ein,  dass,  wenn  wirklich  clectrische  Ströme  in  den  Ner- 

•entde  '"ären,  sie  durch  das  Galvanouietcr  nicht  leicht 

Electr' V^'''“’üeu  können.  Mattemu  L’iustUut  J\r.7ö.  lieber  die 
Urins  Ader  gelassenen  Rlutcs,  der  Galle,  des 

nae  g/  /?.!•  Hei.lingeri  {e%pcrimetüu  in  elcciriviiattm  sant^uinis,  uri- 

Versucl  d.  A.  d.  Tor.  K.  81.  FnoniEr’s  Ao/.  19.  177.) 

vermin  *1*^  ^"gestellt.  Im  entzündlichen  Blut  sey  die  Electricität 

doch  Längst  ahgelassenes  Blut  soll  seine  E. "behalten.  O wäre 

die  freie  Electricität  des  Bluts  überhaupt  erwiesen! 
^Evost  und  Dumas  sehen  die  microscopischen  ])latten  Blut- 


72 


Proleg omena.  4.  Physicalische  Erscheinungen. 


körperchen  mit  Kern  und  Sckale  für  galvanisclie  Plattenpaare  an. 
nntl  Dutrochet  sucht  sogar  zu  beweisen,  dass  die  Kerne  electro- 
negativ,  die  Sclialc  electropositiv  sey.  Eine  Hypothese,  welclie  im 
Ahsclinitt  vom  Blut  aus  empirischen  Untersiicliungen  entkräftet 
werden  wird.  Dutrochet  glaubte  Muskelfasern  zu  bilden,  als  er 
einen  Tropfen  von  einer  wässerigen  Auflösung  von  Eiweiss  mit 
den  Drähten  der  Säiile  in  Verbindung  l)rachte.  Es  entstanden 
an  den  Polen  Wellen,  an  dem  Kupfcrpol  eine  durchsiehtige,  an 
dem  Zinkpol  eine  trübe  Welle,  die  gegen  einander  wuchsen  und 
in  der  Bcrührungslinie  eine  gekräuselte  Faser  bildeten.  Allein 
diese  Faser  ist  nichts  als  geronnenes  Eiweiss  und  die  von  ihm 
beobachtete  Conlraction  dieser  Faser  ist  nur  die  mit  Bewegungen 
der  sich  berührenden  Wellen  verbundene  Absetzung  des  Gerinn- 
sels. Das  gebildete  Gerinnsel  ist  vollkommen  ruhig. 

Mehrere  französische  Gelehrten  erklären  mit  der  Electricität 
ohne  alle  Beweise  im  thierischen  Köi’per  Alles,  und  schlagen  die 
Bahn  ein,  welche  Muster,  Abervf.thy,  unter  uns  Proch.sska  und 
Andere  gingen.  Es  reicht  nicht  hin,  statt  die  Wirkungsart  der 
jVerven  gründlich  zu  untersuchen,  ein  Gebäude  von  entfernten 
Möglichkeiten  aufzustellen.  Im  Buche  von  der  Physik  der  Nerven 
werde  ich  zeigen,  dass,  obgleich  sich  Wirkungen  electrischer  Ma- 
terie in  thierischen  Thcilcn  schon  nach  meinen  eigenen  Untersu- 
chungen erzeugen  lassen,  doch  die  Wiikungsart  der  Nerven  sich 
ganz  und  gar  von  der  der  elecirlschen  Materie  verschieden  zeigt. 

Unter  den  Neueren  hat  Niemand  mehr  mit  der  Hypothese 
von  der  Electricität  als  Ursache  der  Lebenserscheinungen  ausge- 
schweift, als  der  Chemiker  Meissner.  System  der  Heilkunde  aus 
den  allgemeinsten  Katurgesetzen.  IVien  1832.  Ohne  allen  Beweis, 
ohne  welchen  heut  zu  Tage  selbst  mehr  wahrscheinliche  Hypo- 
thesen als  diese  in  der  Physiologie  nicht  mehr  gelitten  werden 
können,  ohne  allen  Beweis  lässt  er  in  den  Lungen  durch  den  che- 
mischen Process  desAthmens,  bei  dem  Austausch  des  LSauerstodes 
der  atmosphärischen  Luft  und  der  Kohlensäure  aus  den  Lungen 
das  Blut  sich  mit  clectrischem  Fluidum  laden,  während  dieses 
Fluidum  zugleich  duroli  liie  Lungennerven  und  das  Gangliensystem' 
sich  verbreiten  und  die  Cenlralorgane  des  Nervensystems  von  hier 
aus  geladen  werden  sollen;  er  lässt  das  geladene  Gehirn,  worin 
der  Wille  wirkt,  durch  Abgabe  eines  electrischen  Funkens  an  den 
bestimmten  Nerven  irgend  ein  bestimmtes  Organ  zur  Thätigkcif 
reizen.  Das  in  die  Muskeln  strömende  electrische  Fluidum  bilde 
um  alle  einzelnen,  der  Länge  nach  fadenartig  an  einander  haften- 
den Atome  des  Muskels  elcctrisehe  Atmosphären,  treibe  dadurch 
die  Muskelfasern,  welche  an  beiden  Enden  des  Muskels  fest  ver- 
bunden sind,  in  der  Mitte  auseinander  und  liewirke  eben  darum 
die  Verk  ürzung;  wie  wenn  man  Holundermarkkügelchen  auf  eine** 
Bindfaden  leiht,  mehrere  solcher  Fäden  an  beiden  Enden  verbin' 
det  und  das  Ganze  an  den  electrischen  Conductor  hängend  elC' 
ctrisirt,  worauf  das  Ganze  sich  verkürzt,  indem  die  Faden  anä 
einander  fahren.  Es  ist  niclit  allein  dagegen  zu  erinnern , das* 
die  Muskelfasern  bei  der  Zusammenziehung  nicht  aus  einander 
fahren,  sondern  sich  kräuseln  nnd  im  Zickzack  parallel  bleibeOi 


HER 

Cureii. 


^^^ctriciicit^  Hypothese  von  der  thierischen  Electricität.  73 

für  den  ganzen  Traum  an  aller  Erflilirung.  Meiss- 
‘II  x-  diese  Art  die  sogenannten  tliieriscli  magnetischen 
Atmos  1 - SGsunder  Mensch,  wenn  er  eine  kleinere  electrische 
'"'ird  d liesitzt,  als  ein  Kranker  mit  gesteigerter  Electricität, 
dej  Aufirgen  der  ll.iclien  IJande  auf  den  leidenden  Theil 

E^i^d  *1111611  llerahführen  und  plötzliches  Entfernen  der 

Sen-  ^ einen  Tlicil  seiner  electrischen  Atmosphäre  enlreis- 

dert  ’^weiten  Fall,  wenn  die  Electricität  des  Kranken  vermin- 
lllittl'^ä  l^lsperimcntator  durch  denselhen  Hergang  eine 

Diiii  ''*'S  seiner  eigenen  electrischen  Atmosphäre  verursachen, 
cifät'r”^^  es  auch  Kränke  gehen,  die  eine  üheraus  grosse  Capa- 
glj,**.  ^Ifis  electrische  Fluidum  besitzen  und  anderen  Individuen 
Kr^  Fluidum,  seihst  wenn  sie  wenig  liahen,  entreissen. 

jg  zu  geringer  Capacität  für  das  electrische  Fluidum  sol- 

Ext)  • durch  das  Bestreichen  seihst  ihre  Electricität  an  den 

sitzt  wenn  er  stärkere  Capacität  für  Electricität  be- 
tör ' wodurch  bald  der  Kranke,  bald  der  Experimenta- 

ters  ^ I ’*'*'‘-l6t  werden  soll.  Meissner  a.  a.  O.  p.  135.  Man  un- 
S'cli^Fl  lieber  erst,  oh  heim  Bebrüten,  Athmen  u.  s,  w. 

jjgj*  , ®elrlcilät  erzeugt.  Pouii.eet  hat  zu  heweisen  gesucht,  dass 
Po  ^ Vegetation  der  Pflanzen  sich  sehr  viel  Electricität  erzeugt. 

untersuchte  zuerst  die  Electricität  liei  der  Kohlensäure- 
gigJ*’'S;  Er  lirachte  einen  Cylinder  von  Kohle  auf  die  Platte 
äiid*  Kondensators,  zündete  die  obere  Basis  des  Cylinders  an, 
lu*^  ^'’^terhlelt  das  Verbrennen  durch  einen  massigen  Luitstrom. 

Augenblicken  vvar  der  Condensator  mit  — E.  geladen, 
2o*j'fSßn  die  gebildete  Kohlensäure,  die  in  der  Höhe  von  einigen 
std^”  ‘‘iner  zweiten,  mit  dem  Condensator  in  Verhindiing 
landen  Mcssingplatte  aufgefangen  wurde,  -P  E.  zeigte.  Zur 
ersuchung  der  hei  der  Vegetation  sich  entwickelnden  E.  nahm 
äus'^'^r^^  l^'-i  Glasgefässe  von  8 — 10  Zoll  Durchmesser,  die  er 
'Von  und  nur  gegen  den  B.and  hin  in  einer  Ausdehnung 

stellt  ' ‘'"’S“*  Firniss  von  Gummilack  überzog.  Diese 

sie  zwei  Reihen  auf  ein  sehr  trocknes  Holz.  Er  iülltc 

tall  Gartenerde  und  setzte  sie  in  Communication  durch  Me- 
des'^-  '*'^*^’  vom  Innern  des  einen  Gefässes  in  das  Inneie 

reichten,  so  dass  das  Innere  aller  Gefasst  einen  ein- 
tät  Ko'iductor  bildete.  Wenn  sich  in  diesen  Gefässen  Electri- 
so  kann  sie  sich  in  alle  Kapseln  vertheilen,  und 
nu^”.*l6s  Firnisses  am  Rande  nicht  entweichen.  Man  bringt 
obere  Platte  des  Condensators  mit  einem  der  Gefässe 
in  Messingdraht  in  Verbindung,  und  die  untere  Platte 

or  Sil,  ^"'^luug  mit  dem  Boden.  Kach  dieser  Vorbereitung  säete 
sich  ]?| '^''^orner  in  die  Erde.  Hach  einigen  Tagen  entwickelte 
also  ond  zwar  Harzelectrlcltät  in  den  Gefässen,  und 

lange  ''^^'‘^‘-'Iricität  in  den  entwickelten  Gasen.  Diess  gescliah  so 
ei  de’ Euft  des  Zimmer  feucht  wurde.  Annal.  de  rhirn. 
Modific  r*’  Versuche  muss  man  mit  der  nöthigen 

auf  die  K ” Pehrüteten  Eiern  und  an  Thieren  in  Beziehung 
E-olilensäurebildung  heim  Athmen  wiederholen. 


74 


Prolegomena.  4,  Physicalische  Erscheinungen. 


2.  'S'i  ärmcerzeugung. 

Die  Wärme  des  Menschen  beträgt  in  den  inneren  Theilei’» 
welche  zunächst  zugänglich  sind,  wie  Mund,  Mastdann  u.  s. 
29,20“ —29,60»  R.  oder  36,50»— 37»  C.  oder  97,7»  — 98,6" 
Fahr.  Die  Wärme  des  Blutes  30|» — 31»  R.  (nach  Magekdii^ 
31»,  nach  Thomson  30-f»),  in  Krankheiten  bis  .32»  — 33|-».  h* 
der  Blausucht  mit  gestörter  Ausbildung  des  arteriösen  Blutes  Jä 
den  Lungen  -von  Herzfehlern  ist  die  Eigenwäi’me  oft  einige  Grade 
schwächer,  z.  B.  2t»  R.  in  der  Hand;  in  der  Cholera  asiat.  fälH 
die  Wärme  des  Mundes  auf  21»  und  20»  R.  '■  Im  Schlafe  ist  die 
Wärme  des  gesunden  Menschen  nach  Auteneieth  1^-  Grad  Fuhr' 
geringer  als  hei  Tage,  Aliends  soll  die  Wärme  etwas  grösser  ah 
des  Morgens  seyn.  Bei  höherer  Temperatur  der  Atmosphäre  i<' 
wärmeren  Climaten  soll  nach  J.  Davy  die  innere  Körperwärme 
um  1^ — 2 Grad  Cent,  steigen,  und  diess  soll  hei  Menschen  voä 
ungleicliera  Alter  und  hei  Eingehornen  eben  so,  wie  hei  eingC' 
wandei'ten  Fremden  aus  gfemässigten  Climaten  seyn.  Mit  dem 
letztem  Satze  stehen  indess  die  Versuche  von  Douville  (Fkouiei?’® 
Notizen.  N.  686.)  im  Widerspruch. 

Ueber  die  Temperatur  der  Thicre  haben  Tiedemann  und 
Rudolpui  sehr  ausführliche  und  vollständige  Zusammenstellungen 
der  vorhandenen  Beobachtungen  geliefert,  avo  man  auch  die  Lit- 
teratur  findet.  Hiernach  variirt  die  Temperatur  der  Säugethiere 
in  den  verschiedenen  Gattungen.  Als  Beispiele  können  dienen 
der  Ochse  mit  37,2»  bis  40»  Cent.,  das  Schaf  mit  38  bis  40, 
das  Pferd  mit  36,8  bis  36,11,  der  Elephant  mit  37,5,  das  Meer- 
schweinchen mit  35,76  bis  38,  der  Hase  mit  37,8  (das  Kanin- 
chen mit  37,48  bis  40),  das  Eichhörnchen  mit  10,56,  Phoca  vi- 
tulina  mit  38,89,  der  Hund  mit  37,-39  bis  .38,50,  die  Katze  niü 
37  bis  39,78,  Vcspertillo  noctula  mit  -38,89,  Vespertilio  pipi' 
strellus  mit  40,56  bis  41,11,  Simia  aigula  mit  -39,7.  Die  Ceia- 
ceen  unterscheiden  sich  kaum  durch  ihre  Temperatur  von  de» 
übrigen  Säugethicren.  Delphinus  phocaena  mit  35,50  bis-  37,5,- 
Monodon  monoceros  .35,56,  Balaena  mysticetus  -38,89.  Siehe  Tie- 
demann’s  Physiologie  I.  p.  454.  Die  Temperatur  der  Vögel  scheint 
fast  durchgängig  grösser  als  heim  Menschen  und  bei  den  Säuge- 
thierpn.  Als  Beispiele  aus  Tiedbmann’s  Zusammenstellung  führe 
iv-li  an:  Larus  mit  37,8,  Tetrao  albus  38,9,  Hahn  .39,44  bis  39,8b 
(Henne  39,44  bis  43,-3) , Taube  41,5  bis  4-3,1,  verschiedene  Arten 
Enten  41,11  bis  43,9,  Vultur  barhatus  41,94,  verschiedene  Fal- 
kenarten  40,28  bis  43,18,  Rahe  41,1  bis  42,91,  A'erschiedene  Ar- 
ten Fringilla  41,67  bis  44,03,  Parus  major  44,03,  liirundo  lä' 
gopus  44,0-3. 

Die  Fälligkeit,  Wärme  zu  erzeugen,  kommt  den  warmblütigen 
Thieren  nicht  unter  allen  Bedingungen  zu.  Edwards  fand  »dieses 
Vei’inögen  hei  alten  Leuten  geringer.  Der  Embryo  der  Säiige- 
thiere  hat  nur  die  Temperatur  der  Mutter,  und  verliert  sie  aiü 
der  Mutier  entfernt  nach  den  Versuchen  von  Autenrietü  und 
ScHUETz  [earperimenta  circa  calorern  joetus  et  sanguinem.  Tub.  1790-)' 
Dasselbe  schnelle  Erkalten  bemerkt  man  nach  Edwards  selb®* 


IV ärmeerzeugung.  fV int  er  schlaf . 


75 

soLald^^  • der  meisten  RaiiLtliiere  und  Nagetlilere, 

dace^e  Mutter  entfernt  werden, 

an  der  Mutter  liegend  nur  1 — 2”  Cent,  kälter  als  die 
dass  ü sind.  Dicss  gilt  auch  von  ganz  jungen  Vögeln,  so 

sie  i,„  Sperlinge  acht  Tage  nach  dem  Auskriechen,  wälnend 

17" 
teil.  (1 


Weste  .35  — 36“  Cent.  Wärme  hatten,  ausser  dem  Weste  hei 
in  einer  Stunde  auf  19“ 


sanken;  andere  Versuche  zeig- 
«e/i’  l-?*  1‘ieran  nicht  die  Nacktheit  schuld  ist.  Froriep’s  'Noti- 
eet),-^^'  ^»ch  EowA-nus  Untersuchungen  kommen  mehrere  Säu- 
als  einem  viel  weniger  entwickelten  Zustande  zur  Welt 

■yyg  'J'Mere,  so  die  Hunde,  Katzen,  Kaninchen,  diese  ba-ben  viel 
blii  ionere  W'ärme  als  viele  andere  Säugethiere,  welche  nicht 
njj  I . geboren  werden.  Nach  14  Tagen  gleicht  sich  dicss^  aus, 
Gel  erreichen  dann  das  Stadium,  welches  diese  bei  der 

schon  haben.  Vergl.  Legau.ois,  Meckel’s  Archiv  3.  454. 
*Ur  't-  ,®*^^ehen  ist  bekanntlich  das  Bedürliiiss  äusserer  Wärme 
''eeltung  der  eigenen  Temperatur  im  Zustande  des  Neuge- 
«lucli  selir  spross,  wolil  niclit  minder  als  Lei  den  Raub- 
eliu*^^"  lind  Nagethi'eren.  Auch  haben  die  statistischen  Untersu- 
in  Edwards  gezeigt,  dass  der  Mangel  an  Temperatur 

Ijgl bisher  nicht  gewürdigten  Verhältniss  Ursache  der  Sterb- 
^"ci  den  neugebornen  Menschen  ist.  Edwards  de  l 'tn- 
''’aer^  physitjucs  sur  la  vie.  Paris  1824.  Unter  den  er- 

warmblütigen  Thicren  zeigt  sich  eine  gewisse  Unab- 
die  ‘^cr  Wäiuneerzeugung  von  der  äussern  Tempei’atur, 

-j,|.’cdess  bei  der  verschiedenen  geographischen  Verbreitung  der 
ist*"^'^^  ^ind  nach  ihren  inneren  Lebensverbältnissen  verschieden 
jyj  ’ Und  deren  Grenzen  die  Wanderungen  vieler  Thiere  nach 
Ver*^**P*^®  des  durch  Jaln-eszelten  bedingten  Temperaturwechsels 
Säm,  P*®"'  indessen  dauern  die  Thiere  der  Polarländer,  z.  B. 
r.'jt  ü®*^'uere,  nach  Parry’s  Beobachtungen,  selbst  bei  der  Tempe- 
Gefrierpunktes  vom  Quecksilber  (40"  Cent.),  ja  bis  46“ 
466*^  aus.  S.  das  Nähere  bei  Tiedkmann  a.  a.  O.  p.  461. 

thie  Säugethiere  dagegen,  die  “Winterschläfer  (Murmel- 

beidPi  ^*‘^^“®uschläfer,  Hamster,  Igel,  Fledermäuse,  Dachs,  Bär, 
geng.-  ^*^cre  unvollkommen),  erhalten  ihre  sonst  von  den  übri- 
sigißplßcthieren  nicht  abweichende  AVärme  nur  bei  einer  gemäs- 
dcr  V,  '‘'‘äseren  Temperatur,  und  verlieren  an  Temperatur  mit 
und  Kälte  , so  dass  sie  in  Asphjxie,  Scheintod  verfallen, 

den  jj^ccere  bei  10  — 12"' Cent,  unter  Null  sogar  erfrieren.  Mit 
des  Winterschlafes  haben  uns  Pallas,  Spal- 
gili,  PruneLle,  Saissy  besonders  bekannt  gemädht. 


w 


W.An, 

»nter 


M 


ANi 


. ■■iiersf.vi  . — ’ a.  ^ — j,.. 

einer  X “'aler  verfallen  nicht  in  diesen  Zustand,  s lange  sic  in 
erhält  von  8 — 9“  B..  erhalten  werden,  die  Haselmaus 

Leliendigkeit, 

. rm.  1810— 12. 


■«'le  Sai.  ,, 

Meckel’s'  Spallanzaa’I  anführt.  Mein,  de  Turin.  1810- 

Magili’s  f'd'  Physiol.  B.  p.  133.  Saissy  widerlegt  auch 


ab  h ä 


'"S>8 


'Sähe,  dass  der  Winterschlaf  von  der  Temperatur  un- 
'^aruni'’ ^ I und  bei  späterem  Herbst  und  fi'übercm  Frühling 

brachte  Ar  später  einträte,  noch  früher  aufliöre.  Pallas 
^Urrnelthiere  in  einem  Eiskeller  im  Sommer,  Saissy  Igel 


76 


Prolegomena.  4.  Physicalische  Erscheinungen. 

und  SieLenschliifer  auf  dieselbe  Art  zum  Scblafen.  Dagegen  e*'' 
■vvacben  die  Thierc  im  strengsten  Winter,  wenn  sie  in  eine  Teiö- 
peratur  von  +9  — 10®  gebracht  werden.  Im  Winterscldaf'® 
selbst  behalten  sie  immer  eine  eigene  Temperatur,  die  zwar  m'* 
der  äussern  immer  sinkt,  aber  doch  2“  über  dieselbe  erhaben  i«*' 
Das  Albrnen  der  Winterscbliifcr  geschieht  zwar  fort,  aber  lanS' 
sam  und  fast  unmerklich,  so  dass  das  Murmel thier  7 — Srnal, 

Igel  4 — 5mal,  die  grosse  Haselmaus  9 — lOmal  in  der  Minute 
athmet.  Irn  tiefsten  Erstarrnngsschlafe  ruht  indessen  das  Athmei' 
gänzlich,  und  man  kann  die  Tliiere  nach  Spallanzani’s  Beobacli' 
tungen  dann  in  eine  irrespirable  Gasart  bringen,  ohne  dass  t’* 
ihnen  schadet.  Ehe  dieser  Zustand  eintritt,  verbrauchen  di® 
Wintersebläfer  nach  Saissv’s  Beobachlungen  auch  den  SanerstoU' 
geheilt  der  Atmosphäi’e.  Dieser  Verbrauch  nimmt  mit  ihrer  Wann® 
ab , die  Absorption  von  Sauerstolfgas  und  das  Ausbauehen  voH 
Kohlensäure  dauert  aber  bis  zum  Verbrauche  der  letzten  Atoi»® 
des  Sauerstoflgases  in  der  Atmosphäre,  während  die  nicht  wiä' 
terscblafenden  Thiere,  Kaninchen,  Hatte,  Sperling,  bereits  sta«' 
ben,  nachdem  sie  wenig  Sauei’stofl'gas  unter  Glocken  verbraucld 
ballen.  Nach  Pbunelle  ist  das  Artei-ienblut  der  Fledei-mäuse  io* 
Winterschlafe  weniger  hellroth.  Was  den  Blutlauf  der  Winter' 
Schläfer  im  Erstarrungszuslande  betrifft,  so  fand  Saissa',  dass  sid* 
das  Blut  schon  zu  Anfänge  und  gegen  das  Ende  des  ErstarrungS' 
Zustandes  äusserst  langsam  bewegt,  dass  bei  völliger  Erstarrung 
jener  Thiere  die  Haargefässe  der  äusseren  Theile''fast  leer,  di® 
grösseren  GefAsse  nur  halb  ausgedehnt  sind.  Nur  in  den  Haupt' 
stammen  der  Gefässe  der  Brust  und  des  Bauches  zeigt  sich  nocf> 
eine  undulatorische  Bervegung  des  Blutes.  Die  Zahl  der  Her*' 
schlage  bei  den  Fledermäusen  ist  gegen  200  in  der  Minute,  io* 
Winterschlafe  50  — 55  nach  Pruaeele.  Die  Einpflndungskral^ 
und  die  Bcizbai’keit  der  Muskeln  gegen  mechanische  und  galvS' 
nisebe  Beize  sich  zu  contrahiren,  nehmen  im  Winterschlafe  ab) 
indessen  fehlen  doch  nur  im  tiefen  Erslarrungsschiafe  alle  Spo' 
ren  von  Reaction  gegen  Empfindungsreiz,  was  Saissy  einigem® 
nur  bei  Igeln  und  Alurrnelthieren  fand. 

Nach  Saissy  soll  das  Blut  der  Winter  Schläfer  (Mui'melthiei"®' 
Igel)  auch  durch  seinen  geringem  Gehalt  an  Faserstoff  und  E*' 
weiss  sich  auszeichnen.  Die  Galle  soll  süssllch,  das  Fett  nid*^ 
verändert  seyn.  Nach  Prunelee  und  Tiedemaaa  (Meckel’s  Archi'^ 
'1.1.  p.  4SI.)  zeigt  sich  bei  den  Winterschläfern  schon  vor  de’*' 
Winterschlafe  eine  scheinbar  drüsige,  wohl  nur  fettige  Masse  a**’ 
Halse  und  im  inediastino  ant.,  die  nach  Jacobsom’s  Bemerkuog 
(ebend.  .3,  151.  152.)  unpassend  mit  der  Thymusdrüse  verglich®*' 
wurde.  Otto  hat  gefunden,  dass  bei  diesen  Thieren  ein  der  E®' 
rotis  interna  zu  vergleichendes  Gefäss  durch  den  Steigbügel  d®* 
Trommelhöhle  hindurch  gebt.  So  ist  es  bei  den  Gattungen  V®" 
spertilio,  Erinaccus,  Sorex,  Talpa,  Ilypudaeus,  Georhyehus  (Le)'*' 
mus),  Myoxus,  Mus,  Cricctus,  Dipus,  Meriones,  Arctopjys,  .SciurO*' 
die  nach  Otto  sämmllicb  bald  mehr,  bald  weniger  vollkomm®'' 
in  Winterschlaf  verfallen.  Der  von  Mangili  bemerkten  KB*^^ 
heit  der  Hirngefässe  widerspricht  Otto  bestimmtest;  auch  f®** 


IVärmeerzeugung,  Winterschlaf. 


77 


^)'PTq  J* 

Tlieilp  Saissy  bemerkte  Stärke  der  Nerven  der  äusseren 

■Wititei-*^!^^*^'  -X///.  P-  !•  Dass  die 

Wander*^  • Theil  des  Herbslfettes  in  NalirungsstolT  ver- 
nlcljt  allgemein  bekannt.  Auch  die  Absonderungen  hören 

Fehpy,^®''*. Denn  Pkuseli.e  fand  bei  Fledermäusen  vom  19. 


Anlräf  (■'  März  einen  Gewichtsverlust  von  Dass  die 

bj.  ^ des  Fettes  und  die  Vergrösserung  der  Drüsen  in  der 
®clil*f  Halse  im  Herbste  nicht  die  Ursache  des  "Wintcr- 

‘^*i''cb  Einengung  der  Ites-|nrationsnerveti  ist,  wie  Piur- 
ijjj  j®  R'^abte,  beweisen  Pall.as  Erfahrungen,  der  Winterschläler 
H<is  Sommer  durch  künstliche  Kälte  in  den  Schlaf  brachte, 

alle  ^’i'^'^ßnniark  ist  beim  Igel  sehr  kurz;  allein  diess  ist  kein 
Charakter  der  Winterschläler,  ' Die  vorzüglichsten 
über  den  Winterschlaf  sind  Saissy  recherches  exprrimen. 
res  ^ 1 r.hemiq 

-'^"^f’nans.  Paris  et  Lyon  1808.,  iiherselzt  von  Nasse,  Reil’s 


sur  hl  physujue  des  animaiix  mananif 

, in  1808.,  iiherselzt  von  Nasse,  Reil 

l8lV“'’  P-  issY  Mein,  de  Turin,  1810 

Meckel’s  Archiv  für  Physk 
ini 

Pf‘aen^ 

18. 


Wi  i“'  ^tECKEL’s  Archiv  für  Physiol.  T.  3.  Masgili  über  den 
^'"fhlaf  in  Reil’s  Archiv.  Bd.  8.  Phuhelle  recherches  sur  les 
^'ficnes  et  sur  les  causes  du  somrneil  hivernal-,  Arm.  du  miis. 
!:  Uilbert’s  Annalen.  Bd.  40.  u.  41. 
c;jj^^^®'*ej’steigt  die  äussere  Temperatur  die  eigene  Temperatur 
einin  ^^'^gethieres,  so  steigt  zwar  die  W^ärme  der  letztem  um 
Hradc,  aber  nicht  gleichmässig  mit  dem  Wachsen  der  äus- 
liat  ^^''^l’®*’atnr.  Duntze  {exp.  calorem  animaliuni  speciantia,  Lugd. 
'^nd'  Hordyce,  Banks,  Blagden  {phil.  Iransact.  1775.  v.  65.) 

Delaroche  und  Berger  haben  Versuche  hierüber  angcstellt. 
und  Andere  hielten  mehrere  Minuten  in  einer  trocknen 
üei  ~t-  79®  B.  aus.  Delaroche  und  Berger  beobachteten 

Ste'  ®”'*'‘^üen  in  einer  Temperatur  von  50 — 90®  Cent,  nur  ein 
®erer  einige  Grade.  Auch  Vögel  setzten  sich  in  hoher  äus- 

^''urd  *^™P®^®l-ur  nicht  mit  dieser  ins  Gleichgewicht,  sondern 
clial^'^  üloss  um  6 — 7®  wärmer.  Exp.  sur  les  eff  et  s quune  forte 
phfs  I-  dans  t economic  animale.  Paris  1806.  Journal  d. 

der  d Archiv  12.  .370.  Die  Ursache  davon  liegt  in 

diese  ‘^■e  Verdünstung  stattfindenden  Kälteerzeugung.  Dass 
Beog.jpj’”*  pbysicalische  Erklärung  richtig  ist,  folgt  aus  anderen 


d:i 


iirnnf  von  Delaroche,  dass  Tliiere  in  einer  mit  Wasser- 

fiu(lg  *}  überladenen  heissen  Lu l't,  worin  keine  Ausdünstung  statt- 
^ Ü selbst  3 — 4"  B.  wärmer  w nlen  als  das 


'^cr  ...ülan  darf  aber  nicht  vergessen,  dass  die  Verstärkung 
^‘■Sachen in  trockner  Wärme  nicht  bloss  pbysicalische 

ni'PrYt  Üat-  dass  rtip  WäT’mp  hipr  eine  oivcraniselie  Ptinetinii 


anr 


uie  vyaiiiic  uici  x' luivtiuix 

seh^*'  Avird  die  Verdünstung  bei  grosser  innerer 

eben  pjgJ  bäufig  durch  innere  Ursachen  verhiiulcrt,  und  in  man- 
sie  trocke*^*^**  ***  Haut  nur  darum  unerträglich  heiss,  weil 
Dgjj  ^ Und  die  Ausdünstung  verhindert  ist. 
peratur  Thieren  hat  man  liäufig  eine  eigene  Tem- 

*be  nicht  statthaft  ist.  Was  zuerst 

betrifft,  so  haben  Untersuchungen  von  J.  Davy, 
> VViLFORD,  Tiedemann  gezeigt,  dass  die  Temperatur  die- 


78 


Prolegomena.  4.  Plijsicalische  Erscheinungen. 


ser  Tliiere  mit  der  äussern  Temperatur  im  Allgemeinen  bis 
einem  gewissen  Punkte  sinkt,  aber  doch  die  äussere  meist  u®' 
1 oder  mehrere  Grade  übertrifft,  dass  die  Temperatur  der  A«',' 
phibien  eben  so  mit  der  äussern  Temperatur  steigt,,  aber  nur  b'* 
zu  einem  gewissen  Punkte  stärker  als  dieselbe  ist,  bei  liölierf'' 
Temperaturgraden  aber  selbst  geringer  ist.  Besonders  zablreic'’ 
sind  die  Versuche  von  Czermack  über  die  Temperatur  der  Aß>' 
pbibien.  Baumgaertner’s  und  Ettisghausen’s  Zeilschrift  für  Php 
sik  und  Malheinatik,  .3.  Bd.  -385. 

Bei  nackten  Amphibien  war  das  Plus  der  eigenen  TemperR' 
tur  weniger  gross  als  bei  den  beschuppten  Amphibien.  So  irnf 
die  Temperatur  eines  Proteus  14"  B.  bei  10^  der  Luft,  16^ 
bei  14"  der  Luft;  14"-®  bei  10’  " des  Wassers.  Ein  Frosch  batt*’ 
7|^"  B.  bei  51-"  des  Wassers,  6^-"  bei  10^"  der  Atmosphäre. 
auffallendsten  Unterschiede  von  mehreren  Graden  Beaumur  faii*^ 
CzEBMACK  bei  Vergleichung  der  Temperatur  der  Eidechsen  un<l 
Schlangen  mit  der  des  Mediums.  Vergl.  J.  Davy,  Froriep’s  Not.  579; 

J.  Davy  fand  die  Temperatur  einer  Schlange  31, .370  C.  bR' 
27,50  der  Luft,  .32,22  bei  28,30  der  Luft , die  Temperatur  eincf 
Testudo  mydas  28,8.9  bei  29,55  der  Luft,  29,44  bei  .30,00  der  Luff 

Tiedemakh  beobachtete  bei  Fröschen  eine  Temperatur,  di" 
höher  als  die  des  Wassers  war;  als  Wasser  in  der  Aacht  g®' 
fror,  blieb  cs  um  den  darin  befindlichen  Frosch  ungefroren,  uo*' 
der  Frosch  batte  +0,56"  Temperatur.  Tiedemakn  Physiologie  /■ 

Nach  Delarociie  besitzen  auch  die  Frösche  eben  durch  Au»' 
dünstung  das  Vermögen,  eine  geringere  Temperatur  bei  äusscrcf 
Hitze  zu  erhalten.  Dei.aeocue  a.  a.  O. 

Die  Temperatur  der  Fische  ist  um  ^ — 1,,-"  höher  als  di" 
des  umgebenden  Wassers,  Avie  die  Versuche  von  Martise,  J.  ITu>'' 
TER,  Broussonet,  J.  Davy',  Despretz  lehren.  Broussoket  fan" 
bei  kleinen  Fischen  die  Temperatur  A — | ® höher  als  im  AVasseü 
beim  Aal  beim  Karpfen  1"  höher.  Despretz  fand  liei  10,83  C' 
Temperatur  des  AVassers  die  Temperatur  bei  zwei  Karpfe’’ 
= 11,69,  bei  zAvei  Schleien  =11,54.  J.  Davy  fand  die  TernpC' 
ratur  eines  Squalus  25  C.  bei  2.3,75  des  Meeres. 

D.e  kaltblütigen  ThierC  sind  zum  Theil  auch  dem  Wintei'' 
schlafe  unterworfen.  Frakkein  erwähnt  von  mehreren  Fiscbeiä 
dass  sie,  wenn  sie  aufs  Eis  gelegt  werden,  fast  augenblicklie^' 
erstarren,  aber  nach  Stunden  und  Tagen  Avieder  aufleben.  AIr'' 
will  indess  öfters  beobachtet  haben,  dass  Fische  im  Eise  sich  F' 
bend  erhalten,  und  dass  das  Wasser  um  dieselben  nicht  gefi'O' 
ren  Avar.  Jahresbericht  der  Schwed.  Acad.,  übersetzt  oon  J.  MuE"' 
LER  1824.  Pallas  (Budolphi  Grundriss  der  Phjsiologie  1.  p.  l7p 
berichtet  das  Wiederaufleben  der  Caranseben  in  Sibirischen  b'* 
auf  den  Grund  gefrornen  Seen,  und  erzählt  eine  ähnliche  Beob' 
achtung  von  Bell  vom  Wiederaufleben  der  Goldfische  aus  g"' 
frorrem  Wasser.  Bei  den  Amphibien  beobachtet  man  nicht  p 
lein  den  Winterschlaf,  vor  dessen  Eintritte  sich  die  Amphlhl‘"' 
verkriechen,  sondern  auch  den  Sommerschlaf  in  den  heissen 
maten.  In  der  trocknen  Jahreszeit  verkriechen  sich  die  Ampbj^ 
bien  und  gerathen  in  einen  dem  Winterschlafe  ähnlichen  Zustaä” 


Ursachen  der  Wärmeerzeugung. 


79 


ü])er  1,  i Regenzeit  wieder  anfgeweckt  werden.  Hier- 

aclituf,^  7'  kluMBOijDT  in  seiner  Reise  sehr  interessante  Reot- 
ser  "‘‘tgetheilt.  Von  höheren  Thieren  kennt  man  in  die- 

naiinte  einziges  Beispiel,  nämlich  vom  Tanrec,  dem  so- 

fiel  von  Madiigascar. 

vollstv  Temperatur  der  Wirhcllosen  fehlt  es  noch  an 

die  -w^'^en  Beohachtungen;  doch  zeigen  die  vorhandenen,  dass 
Thier  dei'selben  zwar  wie  bei  den  . übrigen  kaltblütigen 

doch  ''®*'änderlich  ist  nach  der  Temperatur  des  Mediums,  aber 
J^ann  Insecten  um  einen  Grad  höher  oder  niedi’iger  seyn 

John die  Versuche  von  Maetise,  IIausmakm,  Renggee  und 
Am  ■ zeigen.  Dagegen  hat  man  in  Bienenstöcken  und 

aj,„®‘^'diaufen  schon  eine  sehr  viel  beträchtlichere  Temperatur 
®6im  Flusskrebs  sah  Rudolphi  das  Thermometer 
klein  '^®®^Vassers  auf  10 — 12"  steigen.  Aehnliche,  obgleich 
Unterschiede  hat  man  hei  Mollusken  beobachtet.  Eine 
der  einzelnen  Beohachtungen  findet  man  hei  Rudolphi 

J'^O.  Teevieakus  IJ/o/.  5.  20.  Tiedemann  Physiol.  476 

Bei  den  Schnecken  ist  die  Temperatur  1"  höher  als  im 
*um.  Meckel’s  Archiv  8.  255. 

derb  I **  Wirbellosen  auch  der  Winterschlaf  sich  wie- 

Aloll*'  f’  man  wenigstens  sicher  von  den  Insecten  und  den 

'Jjjj der  gemässigten  und  kalten  Climate.  Einige  niedere 
diuj^®  cöi®  ziemlich  hohe  Temperatur  zu  ihrem  Me- 

in 1 **dthig  zu  haben.  Ausserordentlich  scheint  das  Beispiel  der 
Scl/*^”  '^'armen  Quellen  von  Abano  von  23"  R.  lebenden  kleinen 
nocl'*^*^'^^”  ’ Cvclostomum  thermale  Ranzani.  RuDiNLPni  sah  diese 


die  U.**'  Wasser  von  30"  sich  lebhaft  bewegen.  Indessen  leben 
ner 


^'•igevreidcwürmer  des  Menschen  und  der  Säugethiere  in  ei- 
^ieichen,  und  die  der  Vögel  in  einer  noch  höhern  Tempe- 
■ji.  y-  Rudolphi  bemerkt,  dass  die  Entozoen  der  warmblütigen 
jigj,  i"  der  Kälte  erstarren,  aber  durch  warmes  Wasser  wie- 
®ine  ^".^^Ben , dagegen  die  der  kaltblütigen  sowohl  die  Kälte  als 
" loben  Wärmegrad  ertragen. 

daj  j,®"  Winterschlaf  der  Schnecken  hat  Gaspaed  beschrieben, 
die  nicht  mehr  schlagen  und  das  Athmen  aufhören, 

Xliip„„‘®^^®*'®rzeugung  verschnittener  Fühlhörner  Stillstehen.  Diese 

Wärme  in  einen  Sommer- 
und Reproduclion  fort 


Jas 


"epe  verschnittener  Fühlhörner  Stillstehen. 

Schlaf  ^""iallen  auch  bei  grosser 
daup,’  "."iiei  jedoch  Athmen,  Herzschlag 

'eil  Archiv  8. 

^Biep'isp^  wende  mich  jetzt  zur  Untersuchung  der  Ursachen  der 
deiihefj^'^"  Wärmeerzeugung.  Hier  ist  zuvörderst  die  Verschie- 
J-  Dav,.  ''  Temperatur  in  verschiedenen  Theilcn  von  Interesse. 


Ternperaj-^^^T  iransact.  1814.  Meckel’s  Archiv  II.  p.  312.  Die 
Beim  "immt  gegen  die  äussersten  Theilc  hin  ab,  ivie  z.  B. 

Uherschem'^^*""  die  Achselhöhle  98  F.  zeigte,  die  Leisten  96,5, 
'Sonderbar  • Unterschenkel  93 — 91,  Fusssohle  90"  hatten, 

peratur  d John  Davy  in  mehreren  Versuchen  die  Tera- 

Was  mir  ^®®Idarms  um  etwas  grösser  als  die  des  Gehirns  fand. 
Von  ^ doch  eher  Beobachtungsfehler  zu  seyn  scheint. 

^"sserordentlichem  Interesse  sind  J.  Davy’s  Versuche 


80 


Prolegometia.  4.  Physicalische  Erscheinung en. 

über  den  UnterscTiied  der  Temperatur  beider  Blutarten.  J.  Dav^ 
tentamm  experimentale  de  sanguine.  Edinh.  1814.  Mecrel’s 
chiv  1.  109.  Es  waren  an  Schafen  und  Ochsen  11  Versuch^' 
Zieht  man  aus  Davy’s  Versuchen  das  Mittel,  so  folgt,  dass 
Artericnhlut  um  etwa  1 — 1^  Grad  Fahr,  warmer  ist  als  das  Blu* 
der  Venen.  Mayer  (Meckel’s  Arrhh  .3.  337.)  fand  sogar,  da^* 
das  Blut  der  oena  jitgularis  urn  1 — 2®  II.  kälter  ivar  als  das  Bl"' 
der  carotis-,  niemals  aber  konnte  er,  Avie  Davy,  einen  Unterschit'“^ 
in  der  Temperatur  des  Blutes  beider  Herzhälflen  nachwcise»' 
Aehnliches  hatte  Saissy'  bei  winterschlafenden  Thieren  beohachtd' 
Diese  Thatsachen  führen  zunächst  zur  üntersuclning  der  Tlieori^' 
dass  die  thierische  Wärme  ihre  Quelle  in  den  Lungen  hahC' 
Wach  der  Hypothese  von  Lavotsier  und  Laplace,  welcher 
meisten  neueren  Chemiker  gefolgt  sind,  wird  heim  Athmen  d«*^ 
SauerstolF  der  Atmosphäre  mit  Rohlenstofl’  des  Blutes  verbundefli 
und  als  Kohlensäure  ausgeathrnet.  Wenn  nun  beim  Athmen  rnelif 
SauerstolF  der  Atmosphäre  verschwindet,  als  in  der  ausgeathmc- 
ten  Kohlensäure  enthalten  ist,  so  ivird  in  einer  zweiten  HypO' 
these  angenommen,  dass  das  nicht  auf  Kohlensäure  verAsandt''' 
Sauersloffgas  sich  durch  Verbindung  mit  Wasserstoff  des  BluV* 
in  Wasser  A'erwandle  und  ausgehaucht  Averdc.  Nimmt  man  dies® 
Hypothese  an,  so  kann  man  die  Ursache  der  thierischen  Tempe' 
ratur  in  jener  Wärme  suchen,  Avelche  durch  die  Vereinigung  de® 
Sauerstoffes  der  cingeathrneten  Luft  mit  dem  vom  Blute  herstar»' 
menden  Kohlenstoff’  der  Kohlensäure  und  des  Sauerstoffes  nii* 
Wasserstoff  zu  Wasser  entsteht.  Crawford  ( Versuche  und  Beot' 
achtungen  über  die  Wärme  der  Thiere.  Leipz.  1799.)  suchte  dies® 
noch  wahrscheinlicher  zu  machen,  indem  er  angab,  Avie  die  Vef' 
breitung  der  Wärme,  die  einmal  in  den  Lungen  entstanden,  leich' 
ter  erklärt  Averden  könne,  dass  das  arterielle  Blut  eine  grösser® 
Wärmccapacität  als  das  venöse,  ungefähr  im  Verhältnisse  a'O" 
11,5:10,0  besitze.  So  soll  die  in  den  Lungen  entstandene  Wärm® 
zur  Beibehaltung  der  Temperatur  des  arteriellen  Blutes  angewe"' 
det,  und  dann  überall  im  Körper  frei  werden,  avo  die  ÖrgaU® 
sich  aus  dem  Blute  ernähren,  und  das  arteriöse  Blut  in  venös®® 
übergeht.  J Davy  hat  indess  gezeigt,  dass  die  Wärrnecapacifijj 
beider  Blularten  entweder  gar  nicht  oder  nur  sehr  unbedeutei" 
(Avie  10,11:10,00)  dirt’erire. 

Es  lässt  sich  aber  direct  berechnen,  wie  viel  Wärme  dui’C^* 
das  Athmen  entstehen  kann,  angenommen,  dass  die  chemlscl'® 
oder  Verbrennungstheorie  vom  Athmen  richtig  Aväre.  Diese  A’’"' 
beit  haben  Dulokg  und  Despretz  unternommen.  Dulong  bracld^ 
verschiedene,  soAvohl  fleisch-  als  pflanzenfressende  Saugethic®'^ 
und  Vögel  in  einen  Behälter,  worin  die  Veränderungen  der  L"' 
bei  dem  Athmen  bestimmt  und  die  Producte  quantitativ  genicss®’’ 
werden  konnten,  vA'ährend  der  W'^ärmevcrlust  der  Thiere  zuglei® 
berechnet  wurde.  Dulong  fand,  dass  von  allen  Thieren  mcM 
Sauerstoffgas  verzehrt  als  in  Kohlensäure  verwandelt  wurde. 
den  Pflanzenfressern  betrug  diese  Absorption  des  Sauerstoffg**®*'’ 

tV  Durchschnitt,  bei  den  Fleischfressern  Avar  die  gering®^® 
Quantität  des  absorbirten  d.  h.  nicht  in  ikohlensäure  vervKandeh® 


ff^ärmeer Zeugung,  Ursachen,  Atlancn,  81 

i,  die  grösste  Quantität  i der  verwandten  Menge 
seine  V*^*'  mau  nun  an,  dass  das  Sauerstoffgas  durcli 

grosse'^ “*  kolilensaures  Gas  beim  Atlimen  eine  gleicli 
'^ircb  erzeugt,  als  dieselbe  Quantität  Koblensäuregas 

daljgj^  ''®i'ln-ennung  von  Roble  in  Sauerstoffgas,  und  gebt  man 
Von  der  Bestimmung  der  Wärmequantilät  aus,  wie  sie  von 


einbiisst.  Kimmt  mau  ferner  an,  dass  das  Sauerstoffg; 


Von*^  Atlimen  absorbirt  und  der  Luft  nlclil  in  Form 

voldensäure  zuriiekgegeben  wird,  zur  Bildung  von  Wasser 
als  wird , und  dass  dabei  so  viel  Wärme  sich  entwickelt, 

mit  w”**  ^ine  , gleiche  Quantität  Sauerstoff  durch  Verbrennung 
®sserstoli'"  in  Wasser  verwandelt  wird,  so  entspricht  die 
KoiT  Q®®»tilät  der  Wärme,  welche  durch  die  Verbindung  des 
0 ®!'®loffes  und  Wasserstoffes  mit  Sauerstoff  entstellt,  0,75 — 
den  ®*^i®®igen  Wärme,  welche  in  gleicher  Zeit  von  lleisclifressen- 
Vvii  «Is  pflanzenfressenden  Thieren  entwickelt  wird.  Also 

}jg ® das  Athmen  im  Durchschnitt  | — -j  der  thierischen  Wärme 
;■/  ''^^vlngcn.  Nach  Beuzehus  im  Sehtvedischen  ,J ahresherkhl , 
eo/i  J.  Mueller.  Bonn  1824.  /i.  67.  Vergl.  Neues  Jour- 
/w-  Chemie  und  Physik.,  N.  R.  Bd.  8.  A.  505. 

Deseretz  schloss  Tbiere  1^  bis  2 Stunden  in  einem  mit  Was- 
Umgebenen  Behälter  ein,  zu  welchem  ununterbrochen  Luft 
mid  zugeleitct  wurde,  und  bestimmte  deren  Menge  und  Zu- 
«mmensetzung  vor  und  nach  dem  Versuche,  so  wie  die  durch 


^Ideiische  Wärme  bewirkte  Wärmezunalime  des  umgebenden 
st  ’ die  durch  Verbi’ennung  des  Kohlenstoffes  und  Wasser- 

o tes  beim  Atlimen  nach  der  chemischen  Theorie  hervorgebrachte 
1?*'"^®  betrug  0,75  — 0,91  von  der,  welche  das  Thier  in  der- 
j entlässt.  Gmelin’s  Chemie  T,  4.  p.  1523,  Ami.  d,  chim, 

?hys.  26.  338. 

Quelf^'*  diesen  Versuchen  geht  hervor,  dass  es  noch  andere 


selbst 


der  thierischen  Wärme  als  das  Atlimen  geben  müsse. 


AU  • *nan  der  chemischen  Theorie  vom  Atlimen  huldigt. 

Ver^l”  ist  äusserst  unwahrscheinlich,  dass  sich  das  beim  Atlimen 
'’®®*^ende  Wasser  aus  Elementen  bildet,  wie  später  beim  Ath- 
duss  wird,  und  es  ist  vielmehr  überaus  wahrscheinlich, 

Kot^^'*®®vstoff  im  Blute  bleibt;  man  kann  daher  nur  die  von  der 
Wclcl  *'*‘birebildung  entstandene  Wärme  in  Anschlag  bringen, 
^ der^  Dulowg  bei  Pflanzenfressern  0,7,  bei  Fleischfressern 

blosse  *®^‘*‘^ben  Wärme  beträgt.  Ausserdem  ist  cs  noch  eine 
Athtnen  ^bothese , dass  der  Sauerstoff  der  Atmosphäre  sich  beim 
obgleici  Ikolilenstoö'  des  Blutes  zu  Kohlensäure  verbindet, 

Köhlens;  Thatsachen  es  unwahrscheinlich  machen,  dass  die 
"wird  schon  im  Blute  gebildet  ist,  und  nur  ausgehaucht 

verbind ''t'^”d  der  Sauerstoff  der  Atmosphäre  mit  dem  Blute  sich 
Stoff  ind  V dieser  letzten  Ansicht  würde  sich  der  Sauer- 

tes  zu  K E Wege  der  Circulation  des  Blu- 

MUi  *''^”^®®ääure  verbinden,  und  dem  Blute  eine  höhere  Tem- 
® *'  ä Physiologie.  ^ 


82 


Prolegomena.  4.  Physicalische  Erscheinungen. 


peratur  mittlieilen , -woLel  sich  nun  die  Erscheiaiingen  eben  so 
gut,  .wie  bei  der  andern  Hypothese  erklären  lassen.  Wo  nuO 
die  Quelle  der  KoldensiUirebildung  seyn  mag,  in  den  Lungen  oder 
im  Blute,  jedenfalls  wäre  der  eingeatlimete  Sauerstoff  hierzu  di® 
nächste  Veranlassung,  und  man  könnte  also  das  Alhmen  unmit- 
telbar oder  mittelbar  für  eine  Quelle  der  thierischen  Wärme  an- 
sehen,  und  die  von  Dulong  erlangten  Resultate,  dass  von  Rob- 
lensäurebildung  hei  Pflanzenfressern  0,7,  bei  Fleischfressern  0,5 
der  thierischen  Wärme  entstehen,  annehmen.  Hieraus  würde 
sieb  also  erklären  lassen,  warum  der  Embryo  noch  keine  merkli- 
che eigene  Wärme  besitzt,  weil  noch  kein  Sauerstoff  eingeatb- 
met  Avird,  und  warum  Blausüchtige,  bei  denen  die  Verwandlung 
des  Blutes  durch  das  Atbmen  Avegen  Fehler  der  Kreislaufsor- 
gane gehemmt  ist,  um  einige  Grade  zuweilen  kälter  sind,  warum 
die  kaltblütigen  Thiere,  bei  Avelcben  nur  ein  Theil  des  Blutes 
oxydirt  AA'ird,  nur  eine  sehr  unbedeutende  eigene  Temperatur  be- 
sitzen. Bei  den  Amphibien  atbmet  nur  ein  Tbeil  des  Blutes  Aväh- 
rend  des  allgemeinen  Kreislaufes.  Bei  den  Fischen,  wo  zwar  al- 
les Blut  Aväbrend  des  Durchganges  durch  die  Riemen  atbmet,  ist 
das  Resultat  doch  nicht  grösser  als  hei  den  Amphibien , Aveil  der 
rpiantitative  Stoffwechsel  heim  Atbmen  aus  der  in  dem  Wasser 
aufgelösten  atmosphärischen  Luft  ausserordentlich  viel  kleiner  ist 
als  bei  dem  Lultatbmen.  Lfm  die  chemische  Theorie  der  Wär- 
meerzeugung durch  das  Atbmen  auf  eine  entscheidende  Weise 
zu  prüfen,  müsste  man,  in  der  Art  wie  Dulohg  und  Despketzj 
Versuche  an  kaltblütigen  Thiercn  anstellen,  um  zu  sehen,  ob  die 
nach  den  quantitativ  bestimmten  Producten  des  Atbmens  theore- 
tisch berechnete  Wärmeerzeugung  nicht  zu  gross  ist  gegen  die 
sehr  geringe  von  diesen  Tbieren  entwickelte  Wärme.  Diess  ist 
eine  schöne  Aufgabe  für  cjiemische  Untersuchungen. 

Indessen  muss  es  noch  andere  Quellen  der  thierischen  Wärme 
geben.  Einige,  Avie  Ph.  v.  Walther  und  Paris,  haben  eine  Haupt- 
quelle der  Wärme  darin  gesucht,  dass  die  Absonderungen  aus 
dem  Blute  Flüssigkeiten  bilden,  die  eine  geringere  Wärmefas- 
sungskraft als  das  Blut  haben,  so  dass  Wärme  frei  Averden  muss. 
Nach  Crawpord  ist  die  Capacität  der  Milch  geringer  als  die  des 
Blutes.  Nach  Paris  {London  med.  and  phys,  journ.  21.  1809. 
Meckel’s  yircldo  2.  .308.)  ist  die  Wärniccapacität  des  Urins  0,777, 
des  arteriellen  Blutes  1,003.  Damit  stehen  indess  die  Versuche 
von  Nasse  (Meckel’s  Archiv  1.  500.)  im  Widerspruch,  der,  so  wi® 
die  Capacität  des  Blutes  nach  Davy  kaum  von  der  des  Wassers 
verschieden  ist,  so  auch  die  der  Absonderungen  nicht  verschieden 
fand.  Auf  eine  hei  organischen  Processen  stattfindende  Quelle 
der  Wärmeerzeugung  hat  Pothllet  {ann.  ehern,  phys.  20.  14l. 
Meckel’s  Archiv  8.  233.)  aufmerksam  gemacht.  Alle  festen  Kör- 
per, sOAA'ohl  unorganische  als  organische,  Averden  durch  Benet- 
zung mit  verschiedenen  Flüssigkeiten  in  ihrer  Temperatur  erhöht- 
Viel  grösser  ist  die  Temperaturerhöhung  hei  organischen  Sub- 
stanzen, die  in  mehreren  Fällen  seihst  6 — 10“  Cent,  betrug- 
Hierauf  könnte  man  besonders  hei  der  Auflösung  der  Nahrungs- 
mittel durch  die  Yerdauungsllüssigkeitcn  rechnen,  und  vielleicht 


Wärmeerzeugung.  Ursachen. 


83 


die 


der  Verdauung  stattfindende  gelinde  Wärmevermeh- 
OuJl  Allein  grösser  und  allgemeiner  Ist  gewiss  die 

ces  organischen  Wärme,  welclie  bei  den  organischen  Pro- 

j-g  durch  die  Wirkung  der  organisirenden  Kräfte  auf  die  Ma- 
j nicht  in  einem,  sondern  in  allen  Organen  erzeugt  wird,  so 
ans*  hohen  Grade  des  Hungers,  w'cnn  vorhandene  Materie 
•yy.  Snschieden,  aber  keine  neue  organisirt  wird,  nach  Martine  die 
jjj  bedeutend  und  um  einige  Grade  ahnimmt,  während  doch 
f ® *n  der  Kohlensäurehildung  liegende  Ursache  der  Wärme 
s T|.  (Dagegen  ein  von  Currie  erzählter  Fall  vom  Ver- 

^"^“hessen  des  Schlundes.  Wirkungen  des  kalten  und  warmen  Was- 
Leipz,  Bd.  I.  p.  267.)  In  der  Entzündung  erhöht  sich  unter 
I ^^'^ehrtem  Blutandrange  die  Temperatur  des  entzündeten  Thei- 
die  Thomson  jedoch  nicht  für  grösser  hält  als  im  Blute  der 
B^Ossen  Gefässe.  Lect.  on  inßammtition.  Edinh.  1813.  46.  Mus- 
® hewegung  ei’höht  die  Temperatur,  ficherhafte  Beizung  erhöht 
'Während  die  Unterdrückung  der  organischen  Kräfte  in  Ner- 


Veri 


ohne 


j Zufällen,  im  Fieherfrost,  die  Temperatur  vermindei’t, 

Uss  Athmen  gleich  verändert,  (ln  der  Ohnmacht  in 

Hand  nach  Currie  22|  R.)  Da  nun  alle  organischen  Pro- 
^ßsse  am  meisten  von  dem  Einflüsse  der  Nerven  auf  die  organi- 
Materie  abhängig  sind,  so  darf  man  »ich  nicht  wundern, 
Unn  die  Wechselwirkung  der  Organe  mit  den  Nerven  eine 
ztauptqaeiig  der  Wärme  ist.  Diess  haben  die  Versuche  von  Bro- 
Chaussat  und  Andern  gezeigt.  Eluiot  und  Hone  haben 
Cohaehtet,  dass  nach  der  Dnrchschneidung  der  Nerven  eines 
'^hedes  die  Wärme  desselben  ahnehme,  und  Alle  bestätigen  diess 
der  Dnrchschneidung  des  Nervus  vagus.  Dieser  Unterschied 
p Ihermomctrisch  messbar,  dagegen  man  wohl  das  suhjective 
®hihl  der  Kälte  nach  Veiletzung  der  Nerven  eines  Gliedes  ua- 
f*'scheiden  muss.  Eari.e  fand  bei  einer  Lähmung  des  Armes  an 
.gelähmten  Hand  70®  F.,  an  der  gesunden  92.  Durch  Ele- 
"‘siren  des  Gliedes  erhob  sich  die  Temperatur  zu  77.  In  einem 


elrisi' 


“■idern  Falle  hatte  der  gelähmte  Finger  56,  die  gesunde  Hand  62. 
Chirurg.  Transact.  7.  p.  173.  Meckel’s  Archiv  3.  p.  419. 
«Uoi.Y,  med. 


12, 


Transact.  7.  p.  173. 

, Chirurg.  Transact.  3. 

hfiODiE  (Phil.  Transact.  1811.  4.  1812.  378.  Reil’s  Archiv 
5^,1  ,'^■^'7.  199.)  fand,  dass  hei  einem  ThIere,  dessen  Kopf  ahge- 
*'‘tten  ist,  oder  dessen  Medulla  ohlongata  durchschnitten,  oder 
Gehirn  zerstört,  oder  das  durch  Woraragift  getödtet  wor- 
durch  künstlich  unterhaltenes  Athmen  mittelst  Luftelnhlasen, 
und  Umwandlung  des  Blutes  in  den  Lungen  untei'hal- 
Uhp  ''^®*’den  können , wovon  er  sich  durch  Analyse  der  Luftarten 
ci^  ^^^^ägte,  dass  aber  keine  Wärme  entwickelt  wird,  und  dass 
]j-  ®'^|ches  Thier  schneller  erkaltet,  als  wenn  das  Athmen  nicht 
unterhalten  Avird,  weil  die  eingcatlimctc  Luft  dasselbe 
ll^.f’^'dt.  Hali,  fand  dagegen,  dass  ein  geköpftes  Thier  hei  künst- 
*ncd  '‘**‘®H>«''ltenem  Ath'men  seine  Wärme  länger  behielt.  Load. 
Arrt  '^curn.  .32. 1811.  Vcrgl.  Brodie  ehend.  p.  295.  Meckei.’s 
3.  429_  4.34_  Legali.ois  Versuche  (ann.  ehern,  phys.  4.  1817. 
'^wel’s  Archiv  3.  436.)  stimmen  auch  nicht  ganz  mit  dem  Re- 

6 * 


84 


Prolegoviena.  4.  Physicalische  Ersrheinungen. 


sultate  von  Brooie  iiherein;  er  fand,  dass  Ldi  jeder  Erschwernng 
des  Allimcns,  •wenn  Thiere  befestigt  auf  demEiicken  liegen,  weiiO 
sie  in  verdünnter  oder  mit  Stickgas  oder  Rolilcns'aure  versetztet 
Luft  atbmen,  eine  Verminderung  ihrer  Temperatur  stattfindet; 
dass  auch  das  Lufteinhiasen  durch  Ersciiwerung  des  Athmens  di® 
Ternperalur  vermindert,  und  dass  das  stärkste  Erkalten  immet 
dem  geringsten  Vcrhrauclie  von  Sauerstoffgas  entspriclit.  Eä'mer'T 
fand  Ijei  Wiederholung  der  BRoniE’schcn  Versuche  mit  Gifte® 
und  Lufteinhiasen  nur  eine  Temperaturveränderung  von  3®  R.  i® 
74  Min.  Meckel’s  Archiv  1.  184.  Wilson  Philipp  {Vjitersiiclmngf^ 
über  die  Gesetze  der  Functionen  des  Lehens,  übersetzt  von  Sosthei- 
MER  Slultg.  1S2"2.)  fand,  dass  eine  zu  frequente  künstliche  Re- 
spiration schnell  abkühlt,  während  eine  gemässigte  die  Abkühlung 
verlangsamt.  Indessen  sind  Brodie’s  Versuche  in  der  Hauptsa- 
che beweisend.  Er  hat  gezeigt,  dass  gesunde  Kaninchen  in 
Stunde  28,22  K.  Z.  kohlensaure  Luft  ausathmen,  dass  Kaninchen; 
bei  denen  nach  Vergiftung  oder  Zerstörung  der  MecUilla  oblon- 
gata  das  Athmen  künstlich  unterhalten  wird,  in  -j  Stunde  noch 
20,24  bis  25, .5.5,  bis  28,27  K.  Z.  kohlensaures  Gas  ausathmeii; 
dass  also  bei  gesunden  Kaninchen  und  bei  getödteten  mit  künst- 
lichem Athmen  die  Producte  des  Athmens  fast  dieselben  sind; 
und  dass  gleichwohl  ein  Kaninchen  nach  Durchschneidung  der 
Medulla  oblongata  in  einer  Stunde  6®  F.  Wärme  verliert.  Vcrgl. 
über  Brodie’s  Versuche  JN^asse’s  Bemerkungen  in  Reil’s  Archi>> 
12.  p.  401. 

CiiAussAT  (MecivET.’s  Archiv  7.  282.)  fand  das  beständige  Sin- 
ken der  Temperatur  bei  Thieren,  die  auf  dem  Rücken  liegend 
befestigt  sind,  nicht  bestätigt  lici  Hunden,  er  fand  dagegen  Bro- 
hie’s  BeobachtunftCn  hcstäliet.  Nach  Verletzuna  des  Gehirns  sank 
die  Temyieratnr  in  der  11. — 22.  Stunde  bis  zum  Tode  von  40 
auf  24®  Cent.  Die  Durchschneiduiig  des  Nervus  vagiis,  welche, 
ohne  dass  der  chemische  Athernprocess  wesentlich  verändert 
wird,  nach  Leoallois  durch  Infiltration  der  Lungen  mit  Blut 
oder  Serum  tödtet,  bewirkt  Sinken  der  Temyieratur,  während 
12 — 36  Stunden  zu  36 — 37®,  zuletzt  bis  zu  20®  Gent.  Bei  allen 
diesen  Versuchen  ist  leider  die  Temperatur  der  atmosphärischen 
Luft  nicht  angegeben.  Bei  Verletzungen  des  Rückenmarkes  a® 
verschiedenen  Stellen  zeigte  sich  der  Einfluss  um  so  grösser,  j® 
höher  die  Verletzung  stattländ,  so  dass  die  Folgen  im  Verhält- 
nisse der  Zahl  der  unter  der  Verletzung  vom  Rückenmarke  ab- 
gehenden Nerven  steigen,  was  im  Allgemeinen  auch  für  die  an- 
deren Folgen  der  Rückenmarksverlctzungen  gilt. 

CiiAussAT  sucht  zuletzt  zu  beweisen,  dass  auch  der  Nervus 
synipathicus  einen  grossen  Antbcil  an  der  Ihierischen  Wärm® 
habe;  denn  er  fand  nach  Verletzung  des  Nervus  splanchnicus  auf 
der  linken  Seite,  die  er  mit  Exstirpation  der  Nebenniere  (hei  ei- 
ner nicht  zu  grossen  Wunde?)  bewirkt  haben  will,  dass  die  Tem- 
peratur in  10  Stunden  oder  bis  zum  Tode  von  40,19  bis  26®  E. 
fort  und  fort  sank.  Ferner  unterband  Cuatissat  bei  einem  Hunde 
die  Aorta  am  Äortenschlitz  und  mass  den  Unterschied  der  Tem- 
peratur in  der  obern  und  untern  Hälfte  desThleres;  die  Speise- 
röhre zeigte  hei  dem  wiederholten  Versueh  bis  zum  Tod  eine  e^' 


was 


Zeugung.  Ursachen  des  Winter-  und  Summerschlafs.  85 

TOntp^®’l*'?§ere  Temperatur  als  der  Mastdarm.  Diesen  geringen 
rechnete  Cuatjssat  auf  die  Leim  Athmen  statt  fm- 
viel  ^ ■^*?'^iihlung.  Chaussat  schliesst  daraus,  dass  die  Brusthöhle 
lijil  I ^^'’iger  Antheil  an  der  Warmebildung  Lahe  als  die  Bauch- 
ral  Einfluss  der  Nerven.  Das  Sinken  der  Tempe- 

als"r  DurcLschneidung  des  IServus  vagiis  könne  man  nicht 

der  n ^‘^"^^ßweis  anfiihren,  da  dieser  Nerve  eben  so  gut  Organe 
kp  , ‘‘“chhöhle  versieht.  Allein  Chaussat  legt  hier  auf  schwan- 
nde  Versuebe,  die  wenig  oder  gar  niebts  beweisen,  ein  grosses 
^itiwiirfe,  die  man  denselben  entgegen- 
kann,  vorauszusehen.  ' . • 

, *odesen  beweisen  mehrere  der  angeführten  Erfahrungen  je- 
®malls,  üiisj  der  Nerveneinllnss  auf  die  organischen  Processe  ei- 
, grossen  Antheil  an  der  Wärmeerzeugung  ausser  den  Lungen 
l'p^. ' ^^iernlt  stimmt  auch  Berzelius  überein.  Was  diese  AuYeh.t  ^ 
all?^*^  erhärten  scheint,  ist  die  schnelle  und  momentane,  baid 
w^^^eiue,  bald  ganz  locale  Temperaturerhöhung  in  Aufregungen 
r ^ "Nerven,  das  allgemeine  Wui’mwerdcn  bis  zum  Sclnveissaus- 
, in  Leidenschaften,  die  aufsehiessende  Gesichtswarme, 

Y®  che  nicht  bloss  subjectives  Ciefühl  ist,  die  gben  so  schnelle 
Minderung  der  Temperatur  bei  deprimirenden  Gemüthsallecten, 
cscheiiioQneii j die  sämmtlich  freilich  aucli  von  vermehrtem  und 
^criniudertcm  Blutzufluss,  und  zum  Thcil  von  der  veränderten 
Cwegung  des  llei'zcns  abgeleitet  werilen  können.  Wir  ziehen 
Allem  vorläufig  den  Schluss,  dass  Temperaturerhöhung  bei  al- 
Cn  organischen  Processen  statt  findet,  dass  sie  aber  zum  Thcil 
bestimmt  wird  durch  die  von  den  Nerven  abhängige  Belebung 
dur  organischen  Processe.  Vergleicht  man  nun  die  warmhlüligeii 
■Bhiere  mit  den  kaltblütigen,  so  kann  mau  die  Ursache  des  Tem- 
peraturunterschiedes zunächst  in  der  geringem  Intensität  des 
Athemprocesses  odea-,  der  organischen  Processe  überhaupt  suehenj 
hne  eine  Erscheinung  von  der  andern  abzuleiten,  ist  hier  zu  er- 
dass  bei  den  niederen  Thieren  die  Nervenmasse  in  den 
cntralthellen  des  Nervensystems  im  Verhältniss  zu  den  Nci'vcu 
^Ihst  abninimt,  dass  das  Athmen  im  Ycchältniss  zur  Masse  dos 
^ brpers  weit  geringer  ist,  dass  die  kaltblütigen  Thiere  weniger 
Scnnnhai-p  xheilc  des  Blutes  besitzen,  wie  Prevost  und  Dumas 
.eigen,  wie' denn  auch  nach  Saissy  das  Blut  der  W^iuterschläfer 
demselben  Fall  seyn  soll;  ja  dass  nach  Prevost  und  Dumas 
jj'®  i^ögel  und  einige  Säugetbiere,  bei  grössei’er  Quantität  der 
Y^äfkörperchen  und  des  Faserstoffes  im  Blut,  auch  eine  grössere 
haben. ' 

der  ■m®*'  Venn  man  alle  diese  Thatsachen  über  die  Ursaelien 
Yj  ’’ urmeerzeugung  erwogen  hat,  lassen  sich  mit  Erfolg,  die 
Y^  ccsucfiiingen  über  die  von  selbst  entstehende  Abnahme  der 


^ ®*^®öchungen  über  die  ■von  selbst  entstehende  Abnahme  de 
1 .^?^*^cci'zeugung  im  Winterschlaf  und  über  die  Ursache  dieses 
tife-  ^‘‘knüpfen.  Für’s  Erste  darf  man  den  Winterschlaf  elni- 
der  nicht  isolirt  betrachten,  sondern  man  muss  von 

peratur^^*^^^**^  aüsgehen,  dass  alle  Thiere,  wenn  die  äussere  Tem- 


in  Scheintod 


^erf  II  ’^*''-er  ein  gewisses  Minimum  herabsinkt,  m tk 
i’äde  ^Urieren,  ohne  dadurch  die  Fähigkeit  zum  ]Le))en  'ge- 
verlieren,  dass  aber  dieses  Minimum  nach  der  Örganisa- 


86  Prolegomena.  4.  PhysicaKsche  Erscheinungen. 

tion  und  geographisclien  Verbreitung  der  tliierischen  Wesen  ver- 
scliieden  ist. 

1.  Der  Menscb  zeigt  hierbei  offenbar  eine  grosse  Tenacitat 
der  organischen  Kräfte,  indem  er  unter  allen  Climaten,  wo  sich 
thierische  Wesen  finden,  im  höchsten  Norden,  wie  unter  den* 
Aequator,  seine  eigene  Temperatur  unter  günstigen  Bedingungen 
erhält.  Indessen  wird  auch  er  bei  Mangel  an  Schutz  durch  Kälte 
(Reizentziehung)  scheintodt,  und  zwar  um  so  leichter,  wenn  die 
organische  Kraft  durch  herauschende  Mittel  unterdrückt  war. 

2.  Viele  Thiere  erleiden  diesen  Zustand  leicht,  wenn  die 
zu  ihrem  Lehen  nöthige  äussere  Wärme,  wodurch  ihre  geogra- 
phische Verbreitung  bestimmt  ist,  fehlt,  und  Vögel  wandern  we- 
gen dieser  Ursache. 

3.  Säugethiere,  die  bei  einer  gewissen  niedern  Temperatur 
im  erwachsenen  Zustande  nicht  in  Scheintod  verfallen,  verfallen 
in  Scheintod  bei  dieser  Temperatur,  wenn  sie  noch  Jung  sind, 
wie  Legallois  Beobachtungen  von  6 — Swöchentlichen  Kanin- 
chen zeigen,  welche  durch  äussere  Wärme  wieder  belebt  werden 
können.  Da  nun  der  beim  Atbmen  statt  findende  Stoffwechsel 
als  Ursache  von  Wärmeerzeugung  durch  die  Kälte  hier  offenbar 
nicht  zunächst  beschränkt  wird,  da  alle  beim  Scheintode  durch 
Kälte  eintretenden  Symptome,  Unempfindlichkeit,  Schlafsucht, 
Kraftlosigkeit,  vielmehr  eine  durch  Reizentziehung  bedingte  Ab- 
nahme der  organischen  Kräfte  zeigen,  so  muss  man  das  gemin- 
derte Atbmen  als  Folge,  nicht  als  Ursache  dieses  Scheintodes  an- 
sehen,  eben  so  wie  bei  der  Ohnmacht  durch  Nervenznfälle,  und 
die  Abnahme  der  eigenen  Wärme  ist  eben  so  eine  Folge  der 
Unterdrückung  der  organischen  Krall,  die  auch  ei'st  durch  Ver- 
minderung der  Athembewegungen  und  des  Athmens  die  etwa  io 
den  Lungen  bedingte  Wärmeerzeugung  verhindern  könnte.  Die 
Ursache,  dass  gewisse  Thiere  leichter  in  Scheintod  durch  Kälte 
fallen  als  andere.  Hegt  also  in  ihrem  zartem  Bau  und  dem  gros- 
sem Bedürfniss  ihres  organischen  Processes,  durch  Wärme  ange- 
facht und  gereizt  zu  werden.  Dieses  muss  man  auch  als  Ursache 
des  Winterschlafs  bei  den  Winterschläfern  ansehen,  bei  dem  nuT 
das  Eigenthümlichste  ist,  dass  ihr  Scheintod  länger  ohne  Schaden 
ausgedehnt  werden  kann.  Die  von  Saissy  und  Andern  angeführ- 
ten Ursachen  des  Winterschlafs  sind  zum  Theil  blosse  Folgen 
von  der  Veränderung  der  organischen  Kraft,  zum  Theil  sind  die 
angeführten  Umstände  unrichtig,  wie  Oxxp  von  der  snpponirteO 
Grösse  der  äusseren  Nerven  bemerkt,  so  wie  auch  die  von  Mai^- 
Gin  behauptete  Kleinheit  der  Hirngefässe  nach  Saissy  und  Oxxo 
nicht  vorhanden  ist.  Ueher  die  Kleinheit  der  Lungen  lässt  sich 
nach  Saissy’s  Merkmalen  nicht  entscheiden. 

Der  Winterschlaf  der  Thiere  gleicht  daher  ganz  dem  Wio' 
terschlaf  der  Pflanzen  durch  Reizentziehung,  auch  der  sogenannt® 
nächtliche  Schlaf  der  Pflanzen,  die  Lageveränderung  der  Blätter» 
ist  durch  Reizentziehung,  nämlich  des  Lichtes,  bedingt,  und  tritl' 
selbst  zuw'cilen  am  Tag  im  Dunkeln  ein  (Journ.  de  phys.  52.  124.)> 
während  der  Schlaf  der  Thiere  durchaus  nicht  von  Reizentzie- 
hung  bedingt  ist,  sondern  von  der  durch  Thätigkeit  bedingten 
Veränderung  und  Erschöpfung  herrührt,  daher  auch  zu  jed®*’ 


Lichtentwickelung.  Leuchtende  Thiere, 


87 


^®Seszeit  natürlicli  ist,  obgleicli  er  mebrenthells  aus  zufiilügen 
mit  der  Naclitzeit  zusammentrifft; 

, -Der  Sommersclilaf  der  Amphibien  und  des  Tanrccs  scheint 
j fingen  durch  die  von  zu  vieler  Warme  bedingte  Umstimmung 
'' ^»'ganisclien  Theile  zu  entstehen.  Der  Wassermangel  scheint 
, hei  den  sommerschlalendcn  Thiercn  mit  eine  Hauptursache 
, * \erkriecheus,  und  es  ist  also  dieser  Zustand  durch  Mangel 
iP®  einen  und  zu  starke  Wirkung  eines  andern  Lebensreizes  be- 
Vergl.  Pastrk  JVbe.  act.  acad.  nat.  cur.  14.  661.  Es 
®*='»liessen  sich  diese  Thatsuchen  an  die  Erfahrungen  über,  die 
“ßprimirenden  Wirkungen  eines  liohen  anhaltenden  Wärmegrades 
die  Functionen  des  Nervensystems  bei  dem  Menschen  an,  und 
lassen  sich  die  W^irkungen  dei’  Wärme  und  Uälte  hierbei  sehr 
parallelisiren.  Beide  können  sowohl  Umstimmung  der  Rciz- 
"•»■keit  als  Reizung,  Entzündung  und  Brand  bewirken.  Eine 
^.‘ölfliche  heftige  Einwirkung  der  Kälte  auf  warme  thiensche 
ai'k^  wirkt  zersetzend.  Aeussci’st  kalte  Gegenstände  fühlen  s_ich 
hf»*^”  Schmerzhaft  an  und  machen  dann  gefühllos.  In  noch  hö- 
, Grad  entsteht  Brand,  örtlicher  Tod.  ln  geringeren  Grackn 
ewirkt  die  Kälte,  verletzend  durch  Wärmeentziehung,  Entzun- 
•lOgs-  Reizungssymptome  bei  dem  Streben  der  Theile  zur 
Erstellung  des  Gleichgewichtes.  Bei  einer  mässigen  Stärke  wirkt 
^alte  augenblicklich  erregend.  So  macht  kaltes^  W^asscr  au- 
SCnhlicklich  die  Haut  ganz  roth,  wie  ich  selbst  beim  Baden  im 
rtuss  im  October  eraplund;  dies  ist  aber  nur  momentan  und  cs 
schnell  Ei’scheinungen  einer  innern  Umstimmung  durch 
^ ärmeentziehung.  Man  bedient  sich  der  Kälte  als  Reiz  in  die- 
ser A,rt  zuweilen , um  eine  Umstimmung  im  Nervensystem  zu  he- 
P''‘rken,  die  Avohlthätig  werden  kann.  Auch  ist  kaltes  Wasser 
J’*  Fiebern  mit  sehr  heisser  trockner  blaut  mittelbar  oft  ein  bc- 
l^^cndes  Reizmittel  und  stellt  den  Turgor  der  Haut  her,  wie  die 
■irme  in  kalten  Theilen.  Die  secondären  Wirkungen  anhalten- 
cr  Kältegrade  sind  immer  Abspannung  des  Nervensystems.  Die 
® mählige  Einwirkung  der  Kälte  bis  zu  einem  hohen  Grade  ver- 
hetzt Menschen  in  den  Scheintod  und  die  Winterschläfer  in  Win- 
e^schlaf  durch  Reizentziehung,  während  ein  zu  hoher  Wärme- 
allmählig  auch  die  Functionen  des  Nervensystems,  aber 
^•''arscheiiilich  durch  Alteration  herabsetzt,  und  in  den  Sandwü- 
U^^ä  gleichzeitigem  Mangel  an  Wasser  asphyctisch  macht, 

1 den  Sommerschlaf  der  Amphibien  und  des  Tanrecs  in  den 
®^®sen  Climaten  bedingt. 


3.  Lichtentwickelung. 

?^än  weiss  jetzt  mit  Sicherheit,  dass  das  Leuchten  des  Mce- 
jenes  Licht,  welches  die  bewegten  Wellen,  besonders  hinter 
Egclnden  Schiffen,  verbreiten,  und  welches  bis  zum  60.  Grade 
u icher  Breite  wahrgenommen  worden,  von  thlcrischcn  Wesen 
erruhrt.  theils  Infusorien,  wie  neuerlich  Quov  und 

AiMARn  bestätigen,  theils  Polypen  (Veretillum,  Scefedern) bei 
viM*^*'  y°*’*hglich  nur  die  Polypenblumen  zu  leuchten  scheinen, 
'^iedelcht  alle  Medusen  der  Tropenländer,  auch  einige  War- 


88 


Prolcgomena.  4.  PhysicaUsche  Erscheinungen, 

incr  (Ncreklcn,  Planarien)  und  Mollusken,  tesondei’s  Pholadeo, 
Salpen,  Pyrosouicn.  Uekcr  Polynoe  fulgurans,  ein  RingelwürfU' 
dien,  ifelchcs  an  dem  Leuditen  der  Ostsee  Antheil  Jiat,  S.  Eh- 
KESB.rnr,  in  Por.OEynoRF’s  Annal.  d.  Physik.  1831.  9.  Es  sdieint, 
da*ss  audi  das  Wasser,  was  von  diesen  Thieren  alifliesst,  Icuditet» 
und  dass  das  Leuditen  naeli  dem  Tode  der  Tliiere  einige  Zeit 
fortdauert.  Bei  den  Pholaden  versdiwindet  das  Lidit  in  der 
Lultleere  und  kehrt  heim  Zutritt  der  Luft  wieder.  Getroeknete 
Tliiere  leuchten  wieder  etwas  heim  Reihen  und  Befeuehten  mit 
Wc-Mser.  Meyen  {no<>.  ad.  nat.  cur.  Fol.  16.  Suppl.)  untorscheidet 
3 Arten  von  Lcnehten  des  Aleers:  1.  von  in  Seeivasser  anfgelds-* 
tem  Sehlcim,  2.  durch  Tliiere,  die  mit  einem  Icnchtenden  Scldeii» 
hedeekt  sind  (Medusen,  Pholaden),  3.  durch  Tliiere  mit  Leucht' 
Organen  (Pyrosomen,  Oniscus  fulgens).  Bei  Carcinium  npalinura 
(Oniscus  liilgens)  liegen  besondere  Lcuditorgane  im  4.  und  5.  Gliedc 
des  Leihes.  Auch  viele  andere  Crustacecn  scheinen  zu  leuchten- 
Die^  leuchtenden  Insecten  sind  Elaler  noctilucus,  phosphoreus, 
ignitns,  Pausus  sphaerocerus  Afzel.,  Scarahaeus  ])hosphoreiis,  meh- 
rere Ai’ten  Lanipyrisj  Scolopendra  electrica.  Tkeviraitos  B/o/.  5. 
97.  Bei  den  leuchtenden  Springkafern  sind  die  Hauptstellcn? 
welche  leuchlcn,  zwei  ovale,  mit  dünnen  durchsichtigen  Platten 
bedeckte  Stellen  zu  den  Seiten  des  Brnstschildes.  ThevibanuS 
fand  die  leuchtende  Substanz  einerlei  mit  dem  Fettkörper  der 
Inscctcn.  Bei  dem  Johanniswürmchen,  Lampjris  noctiluca,  splen- 
didula,  strahlt  das  Licht  aus  der  untern  Seite  der  drei  letzten 
Bauchringe,  hesonders  aus  2 iveisslichen  Puncten  am  letzten  Ringe; 
von  Lampyris  splendidula  leuchten  auch  die  Eier,  und  es  scheint, 
dass  auch  selbst  Puppe  und  Larve  nicht  ganz  ohne  Licht  sind. 
Wach  Trevirast/s  sind  hier  die  inneren  Zeiigungstheile  der  Sit* 
des  Lichtes.  Der  scheinbar  wittkührliche  Enifluss  des  Thiercs 
auf  das  Leuchten  geschieht  nach  Tretirancs  durch  das  Athern- 
holen.  Das  Leuchten  dauert  in  irrespiraheln  Gasarten  und  im 
luftleeren  Raum  nicht  fort  oder  nimmt  wenigstens  ab,  worin  alle 
Beobachter  ausser  MacartKey  und  Murray  übereinstiinmen.  Nach 
dem  Tode  des  Thieres  ist  die  Fähigkeit  zu  leuchten  nicht  gari* 
erloschen.  Die  leuchtenden  Thcile  fangen  seihst  getrocknet  von 
Neuem  zu  leuchten  an,  wenn  man  sie  in  Wasser  aulweicht.  Das 
Licht  der  Riifer  nimmt  in  Wasser  erst  nach  einigen  Stunden  ab, 
in  Oel  dagegen  sogleich,  kehrt  aber  wieder  zurück,  vvenn  das 
Thier,  todt  oder  lebendig,  in  Dämpfe  der  rauchenden  Salpeter- 
säure gebracht  wird.  Siehe  über  alles  dieses  und  das  Nähere 
Treviranus  Biologie  a.  a.  O.  Tiedemaku’s  Physiologie  I.  48^ — 510- 
Gmeliks  Chemie  1.  81 — 86.  Es  scheint  nach  allen  bisherigen  Untersu- 
chungen rREviRANus  Ansicht  am  wahrscheinlichsten,  dass  das  Leuch- 
ten von  einer  phosphorhaltigcu  Materie  herrührt,  die  sich  zwar 
untci  ‘ dem  Einflüsse  des  Lebens  conibiiurt,  aber  einmal  gebildet 
auch  eiiiigermassen  vom  Lehen  unabhängig  ist..  Mehrere  Erschei- 
nungen könnten  glauben  machen,  dass  die  Leuchtkäfer  LichtsaU' 
ger  seyen,  gleich  den  Bononiscbeii  Steinen,  und  das  am  Tage  ah- 
sorbirte  Licht  Abends  wieder  von  sich  geben,  wie  Carradobi, 
Beccaria,  Momti  glaubten,  besonders  da  ausser  vielen  minerali' 
sehen  Substanzen  (Schwefelbarynm  mit  schwefelsaurcm  Baryt  gC' 


^ictdentwicklung  und  snhjective  JJchtcmpfindung,  89 

S^niscVi  niit  Scliwefell)lumen  geglülit  u.  a.)  aucli  or- 

me],]  ® Theile  im  getrockneton  Zustande  (als  Samen,  Melil,  Starke- 

flaus’  Federn,  Käse,  Eigelh,  Bruskelfleiscli,  Seimen, 

seil  '‘s®!  Leim,  Horn)  ziemKcli  gute  Liclitsauger  sind.  Indes- 
dass  j diesem,  was  Tonn  und  Murray  gefunden  haben, 

Or|„  ^^’^chtkäler  auch  Abends  leuchteten , wenn  sie  an  du’nkeln 
Gg  " j*‘ifliewahrt  waren,  obgleich  Macartkey  und  Macaibe  das 
503  Leohachtet  buben  wollen.  Tiedemank’s  Physiologie.  I. 

etw  1 höheren  Tiiieren  kennt  man  kein  Leuchten,  als 

I Pliosphoresciren  der  Eidechseneier  und  das  bisweilen  he- 
Ijgi  Fbospboresciren  des  Harns.  Das  Leucblen  der  Augen 

ligj^ Säugethieyen,  besonders  Rauhthieren  und  nament- 
A.ber  auch  bei  Kühen,  Pferden,  ist  fast  zum  niedicinischen 

den  geworden.  Diejenigen  Tbiere  scheinen  zuweilen  aus 

S'änz  leuchten , welche  Licht  von  einem  pigmentlosen 

pinj^'^'^den  Tapei.um  reflcctiren,  glcichisde  bespnders  auch  das 
des  p”f  ®*®A.uge  der  Aveissen  Kaninchen  leuchtet,  Avie  denn  auch 
Sa  CHS  Augen  leuchten  sollten.  Prevost  hat  die 
zeiotg  Zuerst  gezeigt.  Biblioih.  hrilaniii'que  1810,  T.  45.  Er 
dass  das  sogenannte  Leuchten  der  Thieraugen  niemals  in 
Afjg  J*'“'fiener  pmikelheit  und  Aveder  willkührlich  noch  durch 
^®äde^  “pi'''orgebracht  Avird,  sondern  durch  Reflexion  von  einfal- 
Selijg^*'  ^‘clite  entsteht.  Gruituuiseh  hat  unabhängig  hiervon  das- 
J);„  Schinden.  Beitrüge  zur  Physiognosie  und  liautognusie  p.  199. 
],g  _^*isicht  theilt  auch  Runoi.i'ui  {Physiologie  I.  197.)  mit  und 
djj  dass  das  Leuchten  nur  hei  einer  gewissen  Stellung,  avo 

*’cflectirte  Licht  in  unser  Auge  geworfen  wird,  erscheint, 
...  ‘lass,  Avie  auch  Gruithuisen  schon  bemerkte,  auch  die  Au- 
todter  Katzen  liei  cünstiger  Stellung  leuchten.  Ich  liabe 


Üen 


di 


Schrift  Zur  oer- 
p.  49.  erzählt. 


?®d>en  Beobachtungen  gemacht  und  in  meiner  Sehr 

P/iysm/og^ie  des  Gesichtssinnes,  Lcipz.  p. 

® Laben  die  Albinos  oder  Kakerlaken  bei  ihrem  scheinha- 
‘'äh  der  Augen  seUist  die  Emplindung  des  Lichtes.  Man 

Sen  Beitrag  zur  nähern  Kenntniss  der  Albinos.  Meinin- 

Yej,j  jd.  p.  70.  Ferner  hat  Esser  (Kastner’s  Archiv.  8.  394.) 
Sen  über  das  Leuchten  der  Tnieraugeu  angestcllt.  Die  Au- 

®^'^“den,  Kaninchen,  Schafen  und  Pferden  Icuch- 
^ffol,  ganz  dunkeln  Orlen.  Die  Reflexion  des  Lichtes 

Ri  sonst  eben  so  gut  noch  nach  Entfernung  der  llornhaut, 
ßEM  freue  mich,  mit  diesen  Beobachtungen  auch  Tie- 

Icti  ^.^‘^^‘dirungen  übereinstimmend  zu  finden,  tlcr  das  Lcuch- 
getre*^  einem  Katzenkopf  bemerkte,  der  20  Stunden  vom  Rumpfe 
neuej!)-*’^,  Physiol.  jt.  509.  Lm  so  befremdender  ist  es,  dass 
^atur„*^”*/.  ninem  sonst  so  ausgezeichneten  Werke  wie  Rehgger’s 
der  Säugethierc  von  Paraguay  abermals  das  Aus- 
Avird  **]  Licht  bei  vielen  aniericanischen  Thieren  behauptet 
Ich  kan*^  .nach  Durchschneidung  der  Sehnerven  aufhören  soll, 
auf  djg  **  Rüoeh  meine  Ueherzeugung  von  der  Reflexion  selbst 
Glosse  M*  ,®iigniss  nicht  ändern,  und  cs  Aväre  überhaupt  eine 
wenn  europäische  Schrillsteller  die  Sache 
‘nlicher  fänden,  weil  sie  von  americanischen  Katzen  he- 


90  Prvlegomena.  4.  Physicalische  Erscheinungen. 

obachtet  ist.  Der  verdienstvolle  und  hocbgescliatzte  Rengge® 
kann  sich  hierbei  leicht  getauscht  haben.  Wer  für  das  Leuch' 
teil  der  Katzenaugen  aus  Neigung  eingenommen,  dem  empfehle® 
wir,  wie  M'ir  gethan  hAben,  eine  Katze  in  einen  absolut  dunkel® 
Raum  mit  sich  zu  nehmen  und  sich  vom  Gegentheil  zu  übcE' 
zeugen,  dabei  aber  die  durch  eine  schnelle  Bewegung  unserer  e*' 
genen  Augen  und  durch  Zerrung  des  Sehnerven  entstehende,  blos* 
subjective  Li,chtempfindung  nicht  zu  verwechseln. 

Einige  haben  geglaubt,,  die  Empfindungen  von  Licht  bei»® 
Druck  auf  das  Auge  seyen  auch  hierher  zu  zählen.  Allein  dies® 
Empfindung  ist  bloss  subjectiv,  wie  der  Schmerz  in  der  Haut, 
weil  alle  Reizungen  der  Kervenhaut  des  Auges,  mechanische,  eie' 
ctrische,  wie  innere  organische,  z.  B.  der  Blutandrang,  Kervenver' 
Stimmung,  subjective  Lichtempliiidung  erregen.  Niemals  kann  da* 
ein  Anderer  sehen,  wenn  unser  Auge  die  heftigsten  subjective® 
Empfindungen  von  Leuchten  hat.  Die  subjectiveu  Gesicbtsaffectio' 
nen  sind  bei  jedem  sehkräftigen  Auge  nicht,  selten  und  bei  mi® 
äusserst  häufig,  aber  das  sind  subjective  Bilder,  Alfectionen  def 
Nervenhaut,  welche  keine  äusseren  Gegenstände  beleuchten  kön- 
nen , weil  sic  ohne  Entwicklung  jenes  imponderabeln  Fluidum* 
sind,  welches  auch  in  unserm  Sehorgan  Lichtempfindnng  erregt 
und  Licht  genannt  wird;  es  sind  blosse  Empfindungen,  die  s® 
wenig  beleuchten,  als  mein  Schmerz  einem  Andern  Schmerz,  mei® 
Ohrenbrausen  einem  Andern  Ohrenbrausen  macht.  Niemals  fin- 
det so  etwas  statt.  Ich  habe  so  viel  mit  subjectiven  Gesichtsaf- 
fectionen  experimentirt,  ich  müsste  es  beobachtet  haben.  Ma» 
vergleiche  meine  Bemerkungen  über  den  ger  ich  ts-ärztlich  vorge- 
kommenen  Fall,  wo  Jemand  durch  einen  Schlag  auf  das  Aug® 
einen  Räuber  erkannt  haben  wollte.  Müeller’s  Ai-chiv  für  Anat- 
und  PhysioL  1834.  p.  140. 


Ueberslcht  der  speciellen  Physiologie. 

I.  Von  den  allgemein  verbreiteten  thierischeii  Säften,  vo® 
der  Säftebewegung  und  dem  Gefässsystem. 

P.  Von  den  organisch -chemischen  Veräntlerungen  in  de® 
organischen  Säften  und  den  organisirten  Theilen. 

III.  Von  der  Physik  der  Nerven. 

IV.  Von  den  Muskelbewegungen,  von  der  Stimme  und  Sprache- 

V.  Von  den  Sinnen. 

VI.  Von  den  Seelenäusserungen. 

VII.  Von  der  Zeugung. 

VIII.  Von  der  Entwicklung, 


Der 


^Peciellen  Physiologie 

Erstes  Buch. 


Von  den  allgemein  verbreiteten  organischen 
von  der  Säftebewegung  und  von  dem  Gefässr 
System. 


\ 


T.  Ahschnitt.  Vom  Blut.  < 

I.  Von  der  mikroskopisch- meclianischen  Analyse  des  Blutes- 

II.  Von  der  chemischen  Analyse  des  Blutes. 

III.  .Von  deir  Analyse  des  Blutes  durch  die  galvanische  Säule- 

IV.  Von  den  organischen  Eigenschaften  und  Verhältnissen  des 

Blutes. 

//.  Ahschnitt.  Von  dem  Kreislauf  des  Blutes  und  deß® 
Blutgefäss  syst  em. 

I.  Von  den  Formen  des  Gefässsysteins  in  der  Thierwelt. 

II.  Von  den  Erscheinungen  des  Kreislaufes. 

III.  Von  dem  Herzen  als  Ursache  des  Kreislaufes. 

IV.  Von  den  einzelnen  Theilen  des  Gefässsystems. 

V.  Vom  Verhalten  der  Gefässwände  hei.  der  Aufnahme  und 

Ausscheidung  der  Stoffe. 

111.  Abschnitt.  Von  der  Lymphe  und  dem  Lymphgefäss' 
System. 

I.  Von  der  Lymphe.  0 

II.  Von  dem  Lymphgefässsystem. 

III.  Von  den  Actionen  der  Lymphgefässe. 


» 


Der  speciellen  Physiologie 
Erstes  Buch. 

den  allgemein  verLreiteten  organisclien  Säften,  von  der 
Säftebewegnng  und  von  dem  Gefässsystem. 


I.  Abschnitt.  Vom  Blut. 

er  ®lnt,  dessen  nicht  genau  bestimmS^are  Menge  man  beim 

wacbsenen  Menschen  sehr  verschieden,  von  8 — 30  Pfund  gc- 
e ><itzt,  is|.  (jjg  Flüssigkeit,  Avelche  die  Stoffe  zur  Bildung  und 
*'^ltung  aller  Tbeile  des  thicriseben  Körpers  enthält,  -welche 
zersetzte  Materie  ans  den  Theilen  in  sich  zur  Ausscheidung 
besonderen  Organen  aufnimmt,  und  welche  durch  neue 
^^äorungsstoffe,  theils  aus  äusseren  Stoffen,  theils  aus  Materien, 
'e  Schon  organisirt  waren,  von  dem  Lymphgefässsystein  aus  er- 
S'Oizt  wird.  Die  Umwandlung  dieser  Malericn  in  Blut  ist  wahr- 
'einllch  weniger  eine  Wirkung  einzelner  Organe,  als  eine  all- 
^‘ßieine  Wirkung  der  organlsirten  Theile,  da  die  Keimhaut,  zu 
sich  der  Reim  durch  Anziehung  und  Umwandlung  der 
“Jiissigkeiten  aushildet,  vor  der  Existenz  der  mehrslen  Organe, 
'^i'd  nachdem  die  ersten  Spuren  der  Centraltheile  des  Nerven- 
systems gebildet  sind,  innerhalb  der  Area  vasculosa  schon  das 
Blut  erzeugt. 

Das  von  den  Lungen  durch  die  Lungem^enen  kommende 
jermittelst  der  linken  Herzkammer  durch  die  Rörperarterie 
die  dem  Körper  zngetriebene  Blut  ist  hochroth,  das  durch 

jj  ^°*’pervenen  zurückkehrende,  und  vermittelst  der  rechten 
T ^ durch  die  Lüngenarterie  und  Aeste  wieder  in  die 

^D*  Blut  isti  dunkelroth. 

- . "lot  ist  bei  einigen  Wirbellosen  (Anneliden)  auch  roth, 
.y  ^ Mollusken  wenigstens  bei  Planorbis  röthlich  nach  Tke- 
ist  es^faril*^  zoeiner  eigenen  Beobachtung,  bei  vielen  Wirbellosen 

les  den  feinsten  Gefässen  eines  durchsichtigen  Thei- 

liesteht  frisch  nach  dem  Ausflusse  mikroskopisch  untersucht, 
'■  das  Blut  aus  sehr  kleineu  rotheu  Körperchen  und  einer 


94  I.  Buch. . V m den  organ.  Säften  etc.  I.  AlscJm.  Vom  Blut, 

klaren  farblosen  Flüssigkeit,  Lympha  seu  Liquor  sanguinis, 
dien  man  nicht  mit  dem  nach  dem  Gerinnen  sich  ahscheidendei' 
Blutwasser,  Serum,  verwechseln  muss.  Von  Thieren,  welche  grö«' 
sere  Blutkörperchen  haben , die  nicht  durch  ein  Filtrum  vo» , 
weissem  Filtrirpapier  gehen,  wie  beim  Frosch,  kann  man  nocl> 
vor  dem  Gerinnen  sogleich  einen  Thell  des  farblosen  Liquor  saH' ' 
guinis  von  den  übriger.  Theilen  abseihen,  und  sich  so  eine  AH'  1 
schanung  von  der  farblosen  Blutflüssigkeit  ausser  den  rothen  Kör-  j 
perchen  verschaffen.  Die  Körperchen  des  Blutes  sind  specifisd' 
schwerer  als  die  Flüssigkeit,  und  können  daher  keinen  luftlör'' 
migen  Stoff  enthalten.  I 

Das  Blut  des  Menschen  hat  ein  speclifisches  Gewicht  voi* 
1,0527  bis  1,057,  einen  salzigen  Geschmack,  reagirt  schwach  al' 
calisch,  und  verbreitet  einen  eigenthümlichen  Geruch,  Halitu’ 
sanguinis,  der  etwas  verschieden  ist  bei  verschiedenen  Thieren,  uid 
am  stärksten  am  Blute  des  männlichen  Geschle  chtes  bemerkt  wird- 
Das  ans  der  Ader  gelassene  Blut  gerinnt  in  der  Kegel  bei 
allen  Wirbelthieren  nach  2 — 10  Minuten  (beim  Menschen  nad* 
3 — 7,  bei  Kaninchen  schon  nach  2 Minuten).  Zuerst  wird  da* 
Blut  dabei  zu  einer  zusammenhängenden  gallertartigen  Masse,  die 
sich  nach  und  nach  zusammenzieht,  und  zuerst  tropfenweise, 
dann  immer^  stärker  eine  klare,  schmutzig  gelbliche  Flüssigkeit 
auspresst,  das  Serum,  Blutwasser.  Das  rothe  Gerinnsel  wird  Craf' 
samentum,  Placenta,  Coagulum  sanguinis,  Blutkuchen  genannt.  Da« 
Blutwasser  von  1,027  bis  1,029  spec.  Gew.  ist  von  salzigem  Gc' 
scbmack,  bei  den  höheren  Thieren  schwach  alcalisch,  bei  den» 
Frosche  aber  sehr  undeutlich,  fast  indifferent.  Hebmahv  hielt 
das  Blut  für  sauer  reagirend.  Da  der  Farbestoff  der  Blutkörper' 
eben  sich  in  Lacmustinctur  so  gut  wie  in  Wasser  auflöst,  so  mus* 
das  mit  Lacmustinctur  versetzte  Blut  ein  röthliches  Serum  gß' 
ben,  was  Hermahn  zu  dem  Fehlgrille  veranlasst  hat,  das  Seriiia 
für  sauer  zu  halten.  Das  Blutwasser  enthält  thierische  Stoffe 
aufgelöst,  namentlich  Eiweiss,  Albumen,  das  aber  nicht  von  selbst 
gerinnt,  sondern  nur  bei  gewissen  Einflüssen,  wie  von  ErhilzuiioJ 
70®  Cent,  oder  Säure,  Alcohol  u.  A.  Wird  das  rotbe  Coaguluß» 
lange  in  Wasser  ausgeu-aschen , so  löst  sich  die  rothe  Materie 
Cruor,  in  Wasser  auf,  und  es  bleibt  eine  weisse,  fadenartige  Mb' 
terie  zurück,  welche  man  Faserstoff,  Filrina,  nennt.  Dieser  Stoff 
sinkt  in  Blutwasser  unter,  gleiclnvie  auch  das  ro^e  CoaguliuiV 
wenn  es  nicht  zufällig  beigemengte  Luftblasen  flb.hält.  Be' 
Schwangeren,  Wöchnerinnen,  im  acuten  Kbeuma^Lius  und  i'' 
Entzündungen,  überhaupt  aber,  wenn  das  Blut  langsafcr  geriniih 
senken  sich  die  rothen  Körperchen  öfter  schon  vor  dem  Gerio' 
nen  unter  das  Niveau  der  Flüssigkeit;  da  nun  aber  doch  di<^ 
ganze  Masse  gerinnt,  so  ist  der  obere  Theil  des  Gerinnsels  weis*? 
Crusta  inflammatoria,  der  untere  roth.  Wenn  1i-isches  Blut  gC' 
schlagen  wird,  so  werden  die  rothen  Körperchen  nicht  mit  voä 
dem  Coagulum  eingeschlossen,  und  der  Faserstoll'  gerinnt  soglcid* 
in  farblosen  Fäden,  die  sich  an  den  Stab  aulcgen,  während  da* 
übrige  nun  flüssig  bleibende  Blut  die  rothen  Körperchen  schwC' 
bend  enthält.  Wird  das  frische  Blut  einer  sehr  niedern  TempC' 


95 


Allgemeine  Bescltreihung  des  Bluts.  Gerinnen. 

ausgesetzt,  so  gefriert  es  und  kann  aufbewalirt  werden,  so 
«lass  es  erst  beim  Auftbauen  gerinnt.  Alkalien  -verhindern  die  Ge- 
i'innung,  schon  ein  Zusatz  von  0,001  Aetznatrnm,  nach  Prevost 
lind  Dumas  ; auch  einige  Salze , sch-wefelsaures  JMatron , salpeter- 
*äures  Kali,  kohlensaures  Kali  und  Natron  dem  aus  der  Ader  ge- 
ässenen  Blut  beigemengt  , verhindern  oder  verzögern  die  Gerin- 
'">ng  des  Blutes.  Audi  Viperngift  und  Ticunasgifl  hat  nach  Fon- 
Tana  diese  V/irkung,  wenn  1 mit  20  Theilen  Blut  versetzt  wird; 
“"gegen  Viperngift  in  Theile  des  lebenden  Körpers  gebracht,  die 
l»erinnung  des  Blutes  schnell  herbeiführen  soll.  Bei  Menschen 
““d  Thieren,  die  vom  Blitz  oder  starken  electrischen  Entladun- 
getödtet  sind,  oder  nach  Vergiftungen  von  Blausäure,  bei 
Inieren,  die  bis  zum  Tode  gejagt,  beim  Tode  nach  starken  Schlä- 
gen  auf  den  Magen,  worauf  die  Muskeln  nicht  todtenstarr  wer- 
sollen,  vermisst  man  auch  zuweilen  die  Gerinnung  des  Blu- 
“s  in  den  Gelassen.  Abernetby  phjsiol.  lect.  pag.  21fi. 

, Das  Blut  gerinnt  sonst  ausser  dem  lebenden  Rörpei"  sowohl 
der  B.uhe,  als  wenn  es  bewegt  wird,  auch  bei  einer  Terape- 
|atur,  welche  der  des  lebenden  Körpers  gleich  ist,  es  gerinnt  im 
h»ftleeren  Batirn  und  in  vollgefüllten,  luftdicht  verschlossenen  Ge- 
mässen und  in  nicht  atmosphärischen  Gasarten.  Schroeder  van  der 
Kolk  commcnf.  de  sanguinis  coagulatione.  Groning.  1820.  Biss.  sisf. 
^^'^‘^coagulaniüs  historiam.  Groning.  1820.  Die  einzige  Ursache  der 
Y^finnung  ist  daher,  dass  sich' die  Mischung^ des  Blutes  nur  unter 
“Om  Einflüsse  der  lebenden  Theile  und  namentlich  der  Gefässe 
Orhält.  Blut,  welches  im  lebenden  Körper  aus  den  Blutgefässen 
"ustritt,  gerinnt  auch  meistens.  Nach  Schroeder’s  Versuchen  ge- 
i'mnt  das  Blut  ausserordentlich  schnell  nach  gewaltsjimer  Zerstö- 
des  Gehirns  und  des  Rückenmarks,  und^  man  soll  einige 
"‘muten  nach  der  Operation  schon  Coagula  in  'den  grossen  Ge- 
mässen finden.  Mayer  beobachtete,  dass  nach  Unterbindung  des 
Kervus  vagus  das  Blut  in  den  Gefässen  gerinne  und  so  tödte,  da- 
ngen in  4 Versuchen  bei  2 Hunden  und  2 Kaninchen,  die  un- 
or  meiner  Anleitung  angestellt  wurden,  nach  dieser  Operation, 
“ s die  Thiere  unmittelbar  nach  dem  erfolgten  Tod  untersucht 
^urden,  nur  2mal  im  linken  Herzen  ein  erbsengrosses  Coagulum, 
oines  in  den  Lungengefässen- gefunden  ward.  Hewson,  Parmen- 
Tier  sc.  Dryeux  und  Schröder  haben  beobachtet,  dass,  je  mehr 
m Lebenskraft  eines  Thieres  abnimmt,  die  Gerinnung  des  aus 

^der  gelassenen  Blutes  um  so  schneller  eintritt.  Mehrere 
eobachter  wollen  eine  Temperaturerhöhung  bei  der  Gerinnung 
jj^obachtet  haben,  wie  Gordon,  Thomson,  Mayer,  während  J. 

Schroeder  diess  auf  das  Bestimmteste  in  Abrede  stel- 
Tir**  ■ Havy  tentamen  experimentale  de  sanguine.  hdinb.  1814. 
Ueb^^*“’?  1-  r-  li'?.  Vergl.  ebend.  2;  317.  3.  454.  3.  456. 

BriT^r  ®lut  im  Allgemeinen  sind  Parmentier  und  Deyeux  in 
Pr  il,'2.  n.  76.,  Hewson  vom  Blute.  Nürnb.  1180., 

Arch^^ü^^^  Dumas,  Bibliotheque  universelle  T.  17.  p.  294.  Meck. 
Und  b"p  '*  ^“uuamore  über  das  Blut,  ttus  d.  Engl.  IViirzburg  1826, 
humain  Tlüerchemie  1831.,  Denis  rech,  experim.  sur  le  sang 


1830.  nachzusehen. 


I 


9ß  /.  Buch,  Von  den  organ,  Säften  etc.  I.  Ahschn.  Vom  Blute. 

I.  Capitel.  Mikroskopiscli-mech.'inische  Analyse 
des  Blutes. 

(Nach  eigenen  Untersuehungen.  PoGGEND.  Annal.  1832.  8.) 
a.  Untersuchung  der  Blutkörperchen. 

• lieber  die  Form  der  Blutkörperchen  waren  die  Angaben 
der  Schriftsteller,  welebe  inan  in  E.  IX.  Weber’s  Ausgabe  von 
HiLDEnRASDx’s  Auotomic  und  Burdach’s  Bhysiulogie.  Bd.  IV,  voll- 
ständig zusamrncngestellt  findet,  seltr  verschieden.  Die  vorzüg- 
lichsten Beobachter  sind:  Muys,  Fowtana  {Nouvi  osservazioni  so- 
pra i globetti  rossi  del  sangue,.  Lucca  1766),  Hewson  {experimental 
iiujuiries  part.  3.  Lond.  1777),  Prevost  und  Dumas  {Bihliuth.  uni- 
oers.  T.  17.  Meceel's  Arcldv.  T.  8.),  R.  Wagner  zur  vergleichen- 
den Physiologie  des  Blutes,  1834.  Was  ich  hier  mittheile,  ist  bloss 
das  Resultat  eigner  Beobachtung.  Um  die ' Blutkörperchen  zu 
untersuchen,  dai'f  man  sie  nicht  mit  Wasser  verdüntien,  man 
würde  sie  dann  ganz  anders  sehen,  als  sie  im  lebenden  Ivörpcr 
sind;  das  Wasser  verändert  ihre  Form  augenblicklich,  die  ellipti- 
schen Blutkörperchen  Averden  auf  der  Stelle  rundlich,  auch  ver- 
lieren die  Blutkörperchen  ihre  Plattheit.  Daher  muss  man  die 
Blutkörperchen  entweder  ohne  Beimischung  ganz  dünn  auf  dem 
Objectträger  des  Mikroskopes  ausbreiten,  0(ier  man  muss  sic 
mit  Blutserum  verdünnen.  Z.  B.  um  die  Blutkörperchen  des 
Frosches  zu  untersuchen,  wende  ich  einen  Tropfen  Serum  von 
schon  geronnenem  Froschhlule  an,  und  setze  dazu  etwas  von  ei- 
nem Tropfen  frischen  Froschblutes.  Wasser,  Avorin  etwas  Koch- 
salz oder  Zucker  aufgelöst  ist,  kann  ebenfalls  zur  Verdünnung 
angewandt  werden.  Diese  Auflösungen  verändern  die  Blutkör- 
perchen durchaus  nicht.  Die  Vermischung  des  Bluts  mit  Was- 
ser und  der  Gebrauch  schlechter  Instrumente  haben  die  verschie- 
denen Angaben  über  die  Form  der  Blutkörperchen  A'eranlasst. 

Ich  finde  die  Blutkörperchen  heim  Menschen  grösstentheils 
gleich  gross;  einzelne  sind  ein  wenig  grösser  als  die  Mehrzahl 
derselben,  aber  nicht  noch  einmal  so  gross  im  Durchmesser. 
Beim  Frosch  sind  sie  ebenfalls  meistens  gleich  gross,  doch  sieht 
man  auch  solche,  die  hei  übrigens  gleicher  Form  doch  etwas 
kleiner  sind,  und  gleichsam  noch  in  der  Bildung  hegrill'en  zu 
seyn  scheinen.  Nach  Prevost  und  Dumas  sind  die  Blutkörner- 
chen des  Embryo  grösser.  Beim  Embryo  des  Kaninchens  iaiul 
ich  sie  sehr  ungleich;  hier  sieht  man  einzelne,  welche  melir  als 
noch  einmal  so  gross  als  die  Mehrzahl  im  Durchmesser  sind, 
Avährend  die  Mehrzahl  durchaus  in  der  Grösse  denen  des  etwuch- 
senen  Kaninchens  gleich  kommt.  Die  Blutkörperchen  der  Frosch- 
larven scheinen  etwas  kleiner,  als  die  der  envachsenen  Frösche, 
und  sind  viel  blässer.  Die  Gestalt  der  Blutkörperchen  ist  hei 
verschiedenen  Thieren  sehr  verschieden,  sie  sind  indess,  mögen 
sie  kreisförmig  oder  elliptisch  seyn,  immer  platt.  Runde  Schei- 
ben sind  sie  heim  Menschen  und  den  Saugetljieren;  interessant 
Aväre,  Zu  wissen,  Avie  sie  Avohl  heim  Schnahelthicr  und  der  Echidna 
seyn  mögen.  Elliptisch  finde  ich  sie,  üliereinstimmend  mit  an- 


1.  Mikroskop,  mechan.  Analyse.  Blutkörperchen.  97 

eren  BeoLaclitern,  Lei  den  Vögeln  (HuLn,  TauLe),  Lei  den  Am- 
Wo  s'^*^ • i Salamander,  Eidechse),  und  hei  den  Fischen, 

oh  **i  wie  heim  Karpfen,  der  runden  Form  nahem, 

sei  » '^hstandig  rund  zu  seyn.  RuDOLPin  gieht  sie  von  den  Fi- 
^wnd  an,  wie  ich  sie  früher,  als  ich  sic  noch  nicht  gut  zu 
'verstand,  hei  Clupea  alosa  gefunden  hahe;  diess 
eint  ein  Beohachtungsfehlcr  zu  seyn,  oder  es  rührte  von  Ver- 
der'^F^'^^  Wasser  her,  wovon  die  elliptischen  Blutkörperchen 
*■  rische,  Amphibien,  Vögel,  nach  meiner  Beohachlung,  jedesmal 
'Vo*'  ■werden.  Später  fand  ich  die  Blutkörperchen 

de”  ^ wirklich  elliptisch.  Die  elliptischen  Körperchen 

öial  ’ind  Vögel  sind  im  Durchschnitt  etwa  noch  ein- 

^®ng  als  breit.  Dass  sie  platt  sind,  diess  hahe  ich  nicht 
Am”! den  elliptischen  Körperchen  der  Fische,  Vögel  und 
P nhien,  sondern  auf  das  Bestimmlcstc  auch  von  den  kreisför- 
öinT  Kalbes,  der  Katze,  des  Hundes,  des  Ka- 

ond  des  Menschen  gesehen.  Hierzu  bedarf  man  aber 
sich  ^Pi-iscBßr  Instrumente.  Von  der  Abplattung  überzeugt  man 
^^®nn  man  den  mit  Serum,  Kochsalz  oder  Zuckerwasser 
so  d””*'*^*-*'  ®^’^Istropfen  unter  dem  Mikroskop  in  Bewegung  bringt, 
^‘and**  ''■cIc  von  den  Blutkörperchen  beim  Fliessen  sich  auf  den 
dem  Am  plattesten  sind  sic,  im  Verh'ältniss  zu  den  an- 

y^tej-^V^'^^'^^ssern,  bei  den  Amphibien  und  bei  den  Fischen; 
Sehr  ? Thieren  finde  ich  sie  am  plattesten  beim  Salamander, 
platt  sind  sie  auch  beim  Frosch,  iv'O  ihre  Dicke  8 bis  10 
des  v isb  als  ihr  L'ängcndurchmesser.  Die  Blutkörperchen 
Iien  ^ ‘l®onders  zeigen,  wenn  sic  senkrecht  auf  dem  Rande  ste- 
Erliöl  von  der  Mitte  der  beiden  Seitenfl'ächen  hervorragende 
2ßi  sondern  sind  ganz  gleichförmig  platt;  die  der  Frösche 

fen  i”  zuweilen,  nicht  immer  deutlich,  ein  auf  beiden  Sei- 
•iem  p'^'°*^“S®’'des  mittleres  Hügelchcn,  wenn  sie  senkrecht  auf 
Ben  AI  ^ stehen,  so  wie  es  Pbevost  und  Dumas  abgehildct  ha- 
. "Sleicli,  wie  ich  sp'äter  zeigen  iverde,  die  Blutkörperchen 
Sehen  '”''®***  Kern  haben,  so  ragt  doch  dieser  nur  bei  den  Frö- 
gg  **  '•*'  Mitte  etwas  hervor;  bei  allen  übrigen  Thieren  da- 
^er  Vaf.l*"!-  nicht  hervorragend.  Die  elliptischen  Blutkörperchen 
.jyjg  sich  ganz  und  gar  ähnlich,  zwar  nicht  so  platt, 

fähr  T 1 sie  sind  jedoch  entschieden  platt,  unge- 

^ig  Verh'ällniss,  wie  ein  Brod  hiesigen  Landes.  Dass 

Von  ko  ^ Säugethieren  und  dem  Menschen  platt  sind,  da- 

deru  mich  früher  nicht  überzeugen,  wohl  aber,  nach- 

koniite  ^ kostbares  FiiAUSHOFEii’sches  Mikroskop  anwendeu 
dürfe.  ’ Solernt  hatte,  dass  man  mit  Wasser  nicht  verdünnen 
und  der  S/  ist  bei  den  Blutkörperchen  des  Menschen 

in  der  8ooz  gleichförmig,  und  sie  haben  jedenfalls 

gesehen  w ” Erhöhung.  Wenn  sie  auf  dem  Rande  stehend 

dunkler  St  ' ei-scheincn  sie  wie  ein  kurzer,  gleich  dicker, 
last  scharf  ru-.  beiden  Enden  nicht  abgerundet,  sondern 

ansieht,  “Bnlich  einer  Münze,  die  man  gegen  den  Rand 

ISfc  flpT  Öftnr»  nrAl\T'Qii/'Kf 'S!  tun 


Weoen  öfter  gebrauchte  Vergleich  mit  Münzen 

'^Ofichtig,  weil  sie  im  Verh'ältniss  zum  Breitendurch- 


ffluu 


Physiologie. 


98  /.  Bv-ch.  Von  den  organ.  Säften  etc.  I.  Abschn.  Vom  Blut. 


messer  niclit  so  tlünn  wie  Münzen  sintl;  sie  sind  beim  Menschen 
nur  4 l)is  5 mal  so  dünn  als  breit. 

Die  Blntkörpercben  der  nackten  Amphibien  sind  die  grössten, 
die  ich  kenne;  die  der  Vögel  und  Fische  und  beschuppten  Am- 
phibien sind  kleiner.  Die  Blutkörperchen  des  Menschen  und  dcf 
Saugethiere  sind  die  kleinsten,  und  unter  den  Siuigethieren  sinn 
sic  bei  der  Ziege  am  kleinsfen,  wie  Prevost  und  Dumas  gefun- 
den haben,  und  ich  wiederfinde.  Beim  Kalbe  sind  sie  ein  We- 
niges kleiner  als  beim  Menschen.  Beim  Menschen  fand  ich  ih- 
ren Flachendurchmcsscr  = 0,00023  — 0,00035  Par.  Zoll.  AV- 
und  E.  Wkreb,  so  wie  Wollastos,  gehen  sie  zu  0,00020,  Kate» 
zu  0,00023,  Prevost  und  Duma.s  zu  0,00025  P.  Z.  an.  Die  Blut- 
körperchen der  Vögel,  neben  einander  mit  denen  der  Frösche 
untersucht,  sind  etwa  halb  so  gross,  als  die  der  Frösche,  die  der 
Salamander  sind  etwas  grösser,  als  die  der  Frösche,  aber  nicm 
t grösser,  sie  sind  etwas  länglicher;  die  der  Eidechse  finde  ich 
ungefähr  -|  vom  Durchmesser  derjenigen  des  Frosches.  Die  Blut- 
körperchen des  Frosches  sind,  neben  denen  des  Menschen  unter- 
sucht, ungefähr  vier  Mal  grösser,  der  Fläche«idurchmesser  der 
Blnlkörperchen  des  Menschen  mit  dem  Längendurchmesser  der- 
selben beim  Fi-oscho  verglichen.  Auch  das  Blut  der  Wirbello- 
sen enthält  Körperchen,  sie  sind  aber  noch  nicht  gehörig  un- 
tersucht. 

In  der  Mitte  der  kreisförmigen  und  der  elliptischen  Blutkör- 
perchen sieht  man  einen  Fleck,  der  in  den  kreisförmigen  runJ, 
in  den  elliiitischen  elliptisch  ist,  und  auf  der  Seite  der  Beleuch- 
tuiw  hell,  ani'  der  Seite  des  Schattens  dunkel  erscheint;  er  sield 
zuw'eilen,  und  zwar  bei  den  Vögeln,  Ampliibien  und  Fischen,  Wi® 
ein  Kern  im  Innern  aus,  besonders  bei  heller  Beleuchtung,  rr® 
die  Schalten  Wegfällen;  zuweilen  und  zwar  bei  weniger  hellef 
Beleuchtung  sicht  er  wie  eine  Erhöhung  aus,  und  zwar  bei  dcij 
Fröschen  vorzugsn  eise,  durchaus  nicht  bei  den  Salamandern,  nn‘ 
aueh  nicht  bei  Vögeln  und  Fischen.  Bei  den  Fröschen  glaum 
man  deutlicher  eine  elliptische  Erhöhung  zu  sehen,  wenn  di® 
Körperchen  in  wenig  Serum  enthalten  sind;  alsdann  glaubt  ma'* 
auch  beim  Frosch  eine  Vertiefung  zwischen  dem  Avulstigen  Rand® 
und  der  mittlern  elliptischen  Erhöhung  zu  bemerken.  Ich  sag® 
hier  bloss,  was  man  bei  verschiedenen  Bedingungen  zu  sehe® 
glaubt,  nicht' was  ich  dafür  halte.  Da  nun  aber  die  Blutkörper- 
chen der  Vögel,  Salamander  und  vieler  Fische,  auf  dem  Rand® 
stehend,  an  \len  Seilenllächcn  nicht  eine  mittlere  HervorraguoS 
zeigen,  so  kann  ihr  mittlerer  Fleck  auch  keine  Erhöhung  seV®» 
und  der  Fleck  rührt  von  dem  Kern  des  Blutkörperchens  he®' 
welches  sich  auf  eine  andere  Art  beweisen  lasst.  Da  ferner  d*® 
Blutkörperchen  des  Frosches,  auf  dem  Rande  stehend,  zuweil®® 
ein  flaches  Ilügelchen  an  den  Seitenflächen  zeigen,  so  muss  d®* 
Kern  hier  auch  eine  wirkliche  unbedeutende  Hervorragung  hd- 
den.  (R.  AVagneb  hat  indess  auch  an  den  Blutkörperchen  viel® 
anderen  Thiere,  Amphibien  und  Fische  diese  Hervorragung  heo®' 
achtet.)  Die  kreisförmigen  Blutkörnchen  des  Menschen  und  d® 
Saugethiere,  durch  ein  gutes  Instrument  beobachtet,  zeigen  wed® 


1.  Mikroskop,  mechan.  Analyse.  Blutkörperchen. 


99 


dem  Rande  stehend  irgend  eine  Spur  von  Ilervorragiing  an 
Seitenflächen,  noch  hat  der  Fleck,  wenn  inan  sie  gegen  eine 
Flächen  ansielit,  jemals  das  Ansehn  einer  Frliöhung.  Die 
Schriftsteller  haben,  indem  sie  heständig  von  einem  Thier  auf 
5^3s  andere  schlossen,  hier  zum  Thcil  viel  Verwirrung  herein  ge- 
wacht. Die  Beohachtiingen  von  Prevost  und  Dumas  habe  ich 
wgegen  in  vielen  Punkten  bestätigen  können.  Die  Rlutkörpcr- 
chen  des  Menschen  und  der  Säugethiere  sehen  zuweilen  in  ei- 
geivissen  Beleuchtung  so  ans,  als  ivenn  sie  vom  Rande  gegen 
”‘e  Mitte  ganz  selcht  ausgchölilt  wären.  Der  0[)liker  Youjvg  ist 
geneigt,  den  'Fleck  für  eine  wirkliche  Aushöhlung  zu  halten,  ich 
^dl  das  nicht  sagen.  Es  ist  mir  sogar  ln  hohem  Grad  unwahr- 
,'jheinlich,  weil  ich  mich  zuletzt  überzeugt  habe,  dass  die  Blut- 
Wperchen  des  Menschen  und  der  Säugethiere  einen  sehr  kleinen 
^*’n  enthalten,  der  die  Dicke  des  platten  Blulkörpereliens  hat. 
ctin  die  Scheibchen  schief  stehen,  so  dass  man  etwas  von  der  ei- 
Fläche  und  etwas  vom  ohern  Rande  sieht,  so  bildet  dei' 
®re  Rand  einen  dunkeln  Halbkreis,  nach  der  einen  Seile  con- 
• nach  der  andern  concav.  Aus  meinen  Beobachtungen,  die 
Sogleich  anführen  werde,  ergiebt  sich  unzweifelliaft,  dass  die 
wkörperchen  der  Frösche  und  Salamander  einen  Kern  enthal- 
der  sich  ganz  anders  chemisch  verhält,  als  die  Rinde.  Da 
V den  Blutkörperchen  der  Fische  und  Vögel  dieser  Kern  mikro- 
' ypisch  gerade  so  erscheint,  wie  bei  den  Amphibien,  so  ist  es 
^ lon  hieraus  sehr  wabrscbclnlich,  dass  auch  die  Blutkörperchen 
Menschen  und  der  Säugethiere  einen  Kern  enthalten,  was 
''^b  nur  Avegen  der  Kleinheit  nicht  so  leicht  wie  dort  direct  he- 
^^hen  lässt.  Ich  habe  aber  auch  mit  dem  FRAusiiOFER’schen 
.‘^roskope  an  den  Blutkörperchen  des  Menschen  hei  einer  gc- 
^aen  Beleuchtung  ganz  deutlich  einen  sehr  kleinen , runden, 
Wfbegränzten  Kern  gesehen,  der  mehr  gelblich  und  glänzend 
®sah,  als  der  durchscheinende  Umfang.  Wenn  man  die  Blut- 
.^/?'^P®*’chen  unter  dem  Mikroskope  mit  Essigsäure  vermischt,  so 
üb*^^^  die  Schale  fast  ganz  aufgelöst,  und  cs  bleihen  dann  diese 
kleinen  Kerne  übrig,  die  beim  Menschenblut  sehr  sclnver 
^ sehen  sind,  während  sie  vom  Froschblut  als  ganz  deutliche 
erscheinen,  die  man  früher  im  Innern  der  Blutkör- 
de*^*^u  ” gesehen  hat.  Beim  Menschen  sind  die  Kerne  im  Innern 
der  ^ '^‘*^'^°*’perchen  so  klein,  dass  sie  nicht  dicker  sind,  als 
j.jjJ^'^'^i'ehmesser  der  Dicke  des  platten  Blutkörperchens,  und  da- 
Jjilj^ ’^hssen  sie  nicht  nothwendig  eine  Erhöhung  in  der  Mitte 

halten”  Fföscbe,  ^ so  wie  es  aus  dem  Herzen  selbst  er- 

^örne  ^^'  d)  habe  ich  noch  eine  zw'eite,  viel  kleinere  Art  von 
sindc^*^  gefunden,  die  sehr  sparsam  darin  Vorkommen;  sie 
die  eir^'r  ^“'’d,  nicht  platt,  und  ungefähr  vier  Mal  kleiner  als 
spgrsai^  ^®*^hen  Blutkörperchen ; sie  kommen  ganz  mit  den  sehr 
3 l^örnchen  der  Lymphe  der  Frösche  überein , die  ich 
Solchen  **^  *’’"  hesebreihen  iverde,  und  sind  offenbar  Lymphkü- 
ohen  gelangenden  Lymphe,  oder  Chyiuskügel- 

lolleicht  entstehen  aus  den  Lymph-  und  Chyluskügelchen 


100  I.  Buch.  Von  den  organ.  Säften  etc.  I.  Alschn.  Vom  Blut. 

die  Kei’ne  der  elliptisclien  BluAörperchen.  Docli  sind  die  durct 
Essi»s:iure  von  der  Hülle  befreiten  Kerne  der  FroscliLlutkörper- 
clicn  zwar  tingcfalir  so  gross,  als  die  seltnere  Art  von  Körnclieo 
im  Blut  und  als  die  Körnchen  der  Lymphe;  allein  die  heideii 
letzteren  sind  rund,  die  durch  Essigsäure  dargestellten  Kerne  der 
elliptischen  Blutkörperchen  sind  dagegen  elliptisch,  und  heim  Sa- 
lamander sogar  noch  deullich  platt.  Auch  sind  die  Chyluskügel- 
chen  von  Säugethieren  viel  grösser,  als  die  Kerne  der  Blutkör- 
perchen derselhen  Thlcre.  Von  den  ganzen  Blutkörperchen  un- 
terscheiden sieh  aher  die  Chyluskügelchen  dadurch,  dass  die  Chy- 
lusklioelchcn  in  Wasser  ganz  unauflöslich  sind,  wälirend  die  Blut- 
körperchen in  Wasser  h'is  auf  ihre  Kerne  sich  auflösen. 

^ Man  glaubt  gewöhnlich,  dass  die  INatur  sehr  schnell  den  zuD» 
Blut  gelangenden  Chylus  in  Blut  umwandele;  diess  mag  allerdings 
so  se'yn.  Indessen  rverden  die  Chyluskügelchen  im  Blut  auch 
durch  ihre  Zerstreuung  zwischen  den  rothen  Blutkörperchen  un- 
sichtbar. Wenn  man  aher  die  Gerinnung  des  Bluts  von  Säuge- 
thieren oder  vom  Menschen  durch  ein  Minimum  von  unterkoh- 
lensaurem Kali  verlangsamt,  so  sinken  die  rothen  Blutkörperchen 
allmählig  vor  der  Gerinnung  einige  Linien  unter  das  Niveau  der 
Flüssigkeit,  und  die  darüber  stehende  Flüssigkeit  ist  weisslich,  of- 
fenbar von  den  dem  Blute  heigemengten  Chyluskügelchen.  Bei 
der  gewöhnlichen  Gerinnung  werden  die  Chyluskügelchen  zwi- 
schen der  ungelieuren  Menge  der  rotlien  Blutkörperclien  mit  in 
das  Coagulum  eingcschlossen,  daher  das  Serum  durchscheinend 
und  nicht  weisslich  ist,  während  in  obigem  Versuche  vor  der 
Gerinnung  die  leichten  Chyluskügelchen  im  ohern,  die  schwereren 
Blutköi’perchen  im  untern  Theil  der  h lüssigkeit  suspendirt  sind. 

So  lange  die  Blutkörperchen  im  Serum  des  Blutes  enthalten 
sind,  löst  sich  ihr  Farhestoff  nicht  auf,  wohl  aber,  wenn  Wassef 
damit  in  Berührung  kommt.  Was  Home  {Phil.  Transact.  I8I8J 
von  der  leichten  Zersetzbarkeit  der  Blutkörperehen  gesagt  hah 
davon  habe  ich  nichts  bestätigt  gefunden.  Wenn  Blut  von  San- 
gethieren  geschlagen  worden  ist,  so  behalten  die  Blutkörperchen 
ihre  Form,  und  mehrere  Stunden  später,  ja  seihst  am  andern 
Tage,  mit  den  besten  Instrumenten  untersucht,  zeigen  die  Blot' 
körperclien  nicht  die  geringste  Veränderung  ihrer  Form  un‘ 
Grösse.  Seihst  naeh  24  Stunden  ist  fast  nichts  davon  im  Bluts«' 
rum  aufgelöst,  und  das  Serum,  welches  in  24  Stunden  einige  Li' 
nien  hoch  über  den  im  Serum  snspendirten  Blutkörperchen  stehti 
ist  gelb  und  farblos.  Nach  12  bis  24  Stunden  stehen  die  Blut' 
körperclien  von  geschlagenem  Schaf-  und  Ochsenhlut  Lini«** 
unter  dem  Niveau  der  Flüssigkeit.  Von  geschlagenem  MenscheO' 
hlut  und  Katzenblut  sinken  die  Blutkörperchen  etwas  tiefer,  näiO' 
lieh  4 bis  6 Linien  schon  innerhalb  einiger  Stunden.  Solch« 
geschlagene  und  vom  w'eissen  Faserstoffgerinnsel  befreite  Blut  b» 
ganz  das  Ansehen  des  natürlichen  Blutes,  die  Kügelchen  schw«^ 
hen  darin,  und  wenn  das  Blut  vom  Schaf  und  Ochsen  h« 
45®  C.  mehrere  Tage  steht,  so  bleiben  sie  doch  darin  susp«*’" 
dirt  und  sinken  nicht  ganz  zu  Boden.  Die  rothen  Körperch«*' 
von  geschlagenem  Ochsen-  und  Schafblut  senken  sich  in  mehr^' 


1.  Mikrosk,  median.  Analyse.  Blutkorperdien. 


101 


ren  Tagen  nur  liöclistens  2^  Linien  unter  das  Niveau  der  Hüs- 
?*§^eit;  das  darüber  siebende  Serum,  Anfangs  farblos,  färbt  sieb 
mehreren  Tagen  nur  ganz  unbedeutend,  bringt  man  aber  et- 
■vvas  Wasser  zu  gescblage'nem  Blute  von  Sängetbieren,  so  lost  sieb 
Tbeil  des  Farbestoifcs  im  Wasser  auf,  und  ein  grosser  Tbeil 
Blutkörperchen  sinkt  zu  Boden.  Die  Blulkörperelien  des  Fro- 
sinken  dagegen  schon  im  blossen  Serum  des  Froschblutes 
«chnell  zu  Boden,  und  das  Serum  stobt  farblos  darüber;  so  erbal- 
sieb  die  Rörpereben,  bei  nicht  zu  warmer  \\  itterung , ohne 
geringste  Veränderung  ihrer  Form  und  Grösse  mehrere  läge 
Um  von  Froschblut  ein  mit  Blutkörperchen  gemengtes  Se- 
i’Vim  zu  erhallen,  nehme  leb  das  sieb  bildende  Gerinnsel,  so  Avie 
*^5  sich  bildet,  nach  und  nach  heraus,  bis  sieb  nichts  mehr  bildet; 
3uch  rübi’e  ich  das  Gerinnsel  vorher  in  der  noch  übrigen  Flüs- 
®*S^eit  um,  damit  die  sich  anhängenden  Blutkörperchen  sich  ab- 
Auf  diese  Art  erhält  man,' nach  weggenommenem  Gerinn- 
’ Blutserum  mit  einer  grossen  Menge  von  Körperchen,  w’äh- 
ein  anderer  Theil  der  Körperchen  von  dem  Öcrinnsel  ein- 
pschlossen  ist.  In  diesem  Zustande  können  die  im  Scruna  ent- 
^'^Benen  Blutkörperchen  zu  verschiedenen  Versuchen  dienen, 
Vorauf  man  ihre  Veränderung  mikroskopisch  untersucht,  wäh- 
^önd  man  frisches  Blut  wegen  des  sich  bildenden  Gerinnsels  nicht 
Sät  zu  Versuchen  über  'das  Verhalten  der  Blutkörperchen  zu 
^ärschiedenen  Stolfen  brauchen  kann.  • 

Wenn  mau  zu  dem,  auf  die  angczclgte  Art  bereiteten,  von 
^firinusel  befreiten  Gemenge  von  Serum  und  Blutkörperchen  des 
^ rösches  Wasser  ziisetzt,  und  das  Gemenge  umrUhrt,  so  löst  sich 
är  Parbestolf  der  Blutkörperchen  allmählig  im  Wasser  auf,  und 
hteibt  zuletzt  ein  weisser  Satz  auf  dem  Boden  des  Uhrglases, 
or  nun  aus  runden  Kügelchen  besieht,  die  viermal  kleiner  sind 
ä'S  die  Blutkörperchen,  und  der  sich  im  Wasser  nicht  auflöst. 

. Ol  die  Auflösung  des  Farbcsloffes  in  dem  Wasser  z,u  befördern, 
rst  es  gut  viel  Wasser  zuzusctzen.  Man  vermischt  in  einem  Uhr- 
S äse  das  Gemenge  von  Serum  und  Blutkörperchen  des  Frosches 
pb  Wasser,  so  dass  das  Gläschen  voll  wird.  Nun  wartet  mau 
ärze  Zeit,  bis  sich  die  Blutkörperchen  zu  Böden  gesetzt  haben, 
senkt  sodann  das  A’olle  ührglas  in  ein  grösseres  Glas  mit 
asser  vorsichtig  so  ein,  dass  der  Satz  des  Ulirgläses  nicht  auf- 
86'üttclt  und  zerstreut  ivird.  So  lässt  man  das  Glas  12  bis  24 
unden  stehen,  worauf  der  rothe  Satz  iveiss  geworden  isL  Mi- 
ostoplsch  untersucht,  zeigt  sich  nup  nichts  mehr  von  den  frü- 
oBipti sehen  Blutkörperchen,  dagegen  eine  grosse  Menge 
Unt  ^äinerer,  rundlicher,  nur  zu;n  Thöil ''ovaler  Kügelchen. 

Satz  In  den  Zwischenzeiten  vor  Ablauf  der 
Stoff  ■ pönden,  so  kann  man  sich  üherzengön,  dass  der  Farbe- 
färbt ' • Maasse,  als  er  sich  iib  Whisser  auflöst  und  dasselbe 
dass  ^^än  elliptischen  Blutkörperchen  entfernt  hat,  so 

],jgibt • '"^'^oer  kleiner  iverden,  während  der  Kern  derselben 

im  Wasser  unauflösliche  farblose  Kern 
Versuch  ' diesem  welssen  Satze  kann  man  dann  weiter  kleine 
® anslelleß,  ' Im  Wasser  sieb  selbst  übei'lassen,  löst  er 


102  I.  Buch.  Von  den  organ.  Säften  etc.  I.  Ahsclin.  Vom  Blut. 

sich  nicht  auf,  sondern  bildet  zuletzt  ein  schleimiges,  noch  aus 
denselben  kleineren  Kügelchen  bestehendes  Wesen  auf  dem  Bo- 
den des  Glases.  In  Alkalien  wird  dieser  Satz  aufgelöst;  Essigsäure 
verändert  ihn  in  langer  Zeit  nicht.  Der  Actlon  der  galvanischen 
Säule  ausgeselzt,  verhält  er  sich  so,  wie  eine  Auflösung  von  Ei- 
dotter, wie  später  ausgefübrt  werden  soll. 

Dass  sieb  der  FarbestofF  der  Blutkörperchen  ganz  und  In 
allen  Verhältnissen  im  Wasser  auflöst,  wie  Berzeltus  gegen  Pre- 
vosT  und  Dumas  bemerkt,  und  dass  er  dann  nicht"  in  kleinen 
Fragmenten  Im  Wasser  siispendirt  ist,  davon  kann  man  sich 
nicht  allein  am  Blute  des  Menschen  und  der  Säiigetbiere,  sondern 
auch  viel  sicherer  an  den  Blutkörperchen  des  Frosches  überzeugen. 
Was  aus  den  Kernen  der  Blutkörperchen  des  Menschen  und  der 
Säugethiere  Avird,  Avenii  die  Blutkörpeixhen  mit  Wasser  gemengt 
Averden,  lässt  sich  wegen  ihrer  ausserordentlichen  Kleinheit  nicht 
ausmitteln,  und  es  ist  nach  Analogie  des  Froschblutes  nur  Avahr- 
scheinlich,  dass  die  in  Wasser  unauflöslichen  Kerne  im  Wasser 
siispendirt  bleiben,  Avenn  man  geschlagenes  und  vom  Gerinnsel 
befreites  Säiigethierblut  mit  so  viel  Wasser  verdünnt,  dass  aller 
FarbeslofF  der  Bl  utkörperchen  sich  auflöst.  Beim  Gerinnen  des 
ungeschlagenen  Säugcthierbliiles  bleiben  die  Kerne  der  Blutkör- 
perchen mit  dem  i'othen  Coagulum  verbunden,  vielleicht  selbst 
noch,  Avenn  der  Farbestoff  aus  diesem  Coagulum  schon  ausgewa- 
schen ist;  vielleicht  Averden  sie  auch  hierbei  mit  ausgeivaschen 
(ohne  Avic  der  Farbestoff  aufgelöst  zu  Averden).  Berzelius  scheint 
die  Unlösliclikeit  des  Farbestoffes  im  Serum  von  dessen  Eiweiss- 
gehalt abzuleiten,  und  bemerkt,  dass,  Avenn  Wasser,  Avornit  der 
Blutkuchen  ausgewaschen  Avorden,  Fai’bestoff  abselzt,  diess  von 
anhängendem  Serum  herrühre.  Ich  tbcile  ganz  die  Ansicht  des 
grossen  Chemikers,  dass  der  PVebestoff  der  Blutkörperchen  im 
Wasser  In,  allen  Verhältnissen  löslich  ist;  indessen  glaube  ich, 
dass  die  Vichtauflösung  des  Farbestoffes  Im  Serum  nicht  allein 
von  der  Auflösung  des  Eiweisses,  sondern  auch  vorzüglich  von 
der  Aullösung  der  Salze  im  Serum  herrührt.  Wenn  ich  auf 
dem  Objecllräger  des  Mikroskopes  zu  einem  Tröpfchen  Frosch- 
blut einige  Tropfen  von  einer  AA'ässrigen  Auflösung  von  Eidotter 
ziisetzte,  so  sah  ich  die  Blutkörperchen  fast  eben  so  schnell  ihre 
Gestalt  verändern  und  rund  Averden,  als  Avenn  ich  reines  Wasser 
zusetzte.  Wenn  icli  aber  zu  einem  Tropfen  Froschblut  Tropfen 
A'on  einer  Auflösung  eines  solchen  Salzes  brachte,  Avelches  das 
Blut  nichl  zersetzt,  z.  B.  von  untcrkohlensaurem  Kali  oder  von 
Kochsalz,  so  veränderte  sich  die  Form  und  Grösse  der  Blutkör- 
perchen ihirchaus  nicht.  Auch  Zuckerwasser  wirkt  Avie  Salzaiif- 
lösung.  Die  Natur  der  Blutkörperchen  wird  sehr  aufgeklärt 
durch  ihr  Verhalten  gegen  verschiedene  Rcagentien,  Avelches  man 
mit  dem  zusamniengcselzten  Mikroskope  an  den  grossen  Blutkör- 
perchen der  P’rösclie  und  Salamander  allein  deutlich  beobachten 
kann.  Man  kann  hierzu  Tropfen  frischen  Froschblutes  nehmen. 
Da  sich  indess  in  diesen  ein  Gerinnsel  bildet,  so  ist  es  besser, 
Avenn  man  sich  auf  die  früher  angezeigte  Art  durch  Entfernen 
des  Gerinnsels  ein  blosses  Gemenge  von  Serum  und  Blutkörper- 


103 


1.  Mihrosk.  rnechan,  Analyse.  Ydntkörpcrrhen. 

des  FroscliLliites  bereitet.  Man  bringt  einTröpCcben  davon 
den  Objcctträgcr  des  Mikroskopes,  nnd  breitet  es  aus,  dane- 
ben bringt  man  einen  Tropfen  von  einem  P.cagens.  M alirend 
nun  observirt,  bringt  man  beide  Tropfen  mit  einander  in 
'"cibinduniT,  und  betraebiet  die  Veränderungen  der  Blutkorper- 
''‘‘en;  oder  man  betraebtet  zuerst  die  Blulkörpercben  für  sich, 
*®tzt  dann  das  Reagens  auf  dem  Objectlräger  biiizu  und  betracb- 
*et  sie  Avieder.  Dieser  Melliode  liabc  icli  imcb  beständig  bei  den 

^^genden  Unlersticliun^en  l)C(.ru:ut. 

Selir  merkwürdig  ist  die  augenblickliche  Veränderung  der 
Blutkörpereben  dureb  reines  Wasser.  Die  Blutkorpereben  des 
funseben  werden  davon  undeiitlicb,  man  siebt  wegen  dei  Klem- 
Bult  das  Nälierc  nlcbt;  doch  glaube  ich  bemerkt  zu  babcii,  dass 
s>e  ihre  Plattbeil  verlieren.  Denn  ich  konnte  beim  \or])eilliesscn 
ßltilkörperclien  unter  dem  Mikroskope  keine  melir  ti  enncii, 
fe  einen  scharfen  Rand  bei  veränderter  Stellung  scbcnliessen. 
^ Broscbblute  siebt  man  aber  Alles  genau.  So  wie  ein  Troplen 
“sser  mit  einem  Tropfen  Blutes  in  Berührung  kommt,  werden 
j'."Seiibi;cklicb  die  elliptischen  platten  Körpereben  rund,  und  ver- 
“eren  ihre  Platllieit,  so  dass  sieb  beim  Vorbeiniessen  keine  melir 
“'‘l'stellen  und  einen  sebarfen  Rand  seben  lassen.  Ob  sie  dabei 
«xfscbwellen,  weiss  ich  nicht;  sie  iverden  kleiner,  als  der  Langen- 
'^'»»■cbniesscr  der  Ellipse  war,  aber  doch  grösser  als  der  Breiten- 
'J*'cliniesser  derselben.  Viele  zeigen  sieb  ungleicb,  uneben,  yer- 
flohen;  die  meisten  sind  rundbeb,  aber  ungciiaii.  Der  Kern 
sieb  durch  die  Berührung  des  Wassers  bei  vielen  verschoben, 
wird  nicht  mehr  in  der  Mitte,  sondern  an  der  Seite  gesehen 
uiuleren  fehlt  er  ganz;  solcher  sind  jedoch  nur  wenige,  und 
“‘USR  sebeinen  durch  die  gewaltsame  Veränderung,  welche  sie 
'oru  Wasser  erlitten  haben,  ihre  Korne  ausgetrieben  zu  haben; 

man  siebt,  so  wie  Blutkörperchen  ohne  Kerne,  so  auch  el- 
'Pbsclie  Kerne  ohne  Hülle  auf  dem  Sehfelde  zerstreut,  aber  nicht 
'li'eicb.  Von  den  erwähnten  kleineren  Kügelchen  des  brosch- 
^ Utes  unterscheiden  sich  diese  wenig  zahlreichen  ausgetriehenen 
ui'ne  durch  ihre  elliptische  Gestalt.  INacb  und  nach,  wenn  man 
'Uebr  W'^asser  zusetzt,  verändert  sich  auch  die  Grösse  der  rund 
gewordenen,  zum  Tbeil  noch  kernhaltigen,  zum  kleinsten  Theil 
ernloscn  Blutkörperchen.  Sie  werden  niiter  den  Augen  des 
^«uhachters  kleiner,  zerfllessen,  und  zuletzt,  nach  einiger  Zeit, 
w nichts  mehr  übrig  als  die  Kerne,  die  sieb  im  Wasser  nicht 
lösen.  Wasser,  u'oriii  unterkohlensaurcs  Kali,  oder  Kochsalz, 
^‘  ur  Salniiiik,  oder  Zucker  aufgelöst  worden,  vei'äiidcrt  nicht  ini 
die  Form  und  Grösse  der  Blutkörperchen.  Vur  von 
^11®',.’.'^ ur  Aullösung  von  untcrkohlensaiirem  Kali  scheinen  sic 
de”^  F etwas  klemcr  zu  werden.  Bringt  num  Blutkörperchen 
pj®  , .*'°®ehos  von  dem  vom  Gerinnsel  liefreilcn  Gemenge  von 
p *V°*’Purchen  und  Serum  mit  verdünnter  oder  conceutrirter 
."'Her  dem  Mikroskope  in  Berührung,  so  werden  sm 
liübe  ^ uulÖrmUch,  zum  Theil  rund,  und  ihre  FarhestolF- 

die  elf  r einigen  Minuten  fast  ganz  aufgelöst,  so  dass  nur 
ciiipiiscben  Xvcnie  iibriq  zu  bleiben  scheinen^  TTclcbe  zwiseben 


104  I.  Buch.  Von  den  organ,  Säften  etc.  I.  Alschn.  Vom  Blut. 


-5-  bis  -j  von  der  Breite  der  ganzen  Blntkörperclien  im  Breiten- 
durcliniesser  haben.  Diess  sind  nicht  etwa  zusammengeschrnmpftß 
Blutkörperchen,  sondern  es  sind  die  unveränderten  Kerne,  die 
man  schon  früher  sah,  und  um  welche  herum  die  FarhestofFhülle 
sichtbar  kleiner  wird,  bis  sie  ganz  aufgelöst  scheint.  Doch  wird 
nicht  die  ganze  Rinde  von  FarhestoflT  um  den  Kern  aufgelöst; 
denn  mit  dem  FaAUNHorER’schen  Mikroskope  konnte  ich  mich 
übei’zeugcn,  dass  ein  sehr  schmaler,  überaus  blasser,  unscheinba- 
rer Umriss  um  die  deutlich  erscheinenden  Kerne  herum  geblie- 
ben war,  dessen  Durchmesser  aber  sehr  viel  kleiner  ist,  als  der 
Durchmesser  des  ganzen  Blutkörperchens.  Diese  Kerne  entspre- 
chen den  Umrissen  des  ganzen  Blutkörperchens.  Beim  Frosche 
scheinen  sic  nicht  platt  zu  seyn,  wenigstens  nicht  merklich;  beim 
Salamander  habe  ich  dagegen  die  Kerne,  nach  der  Behandlung 
der  Ehitkörperchcn  mit  Essigsäure,  ganz  deutlich  platt  gesehen, 
so  platt  wie  die  Blutkörperchen  selbst.  Belm  Frosche  sind  sic 
ungefähr  noch  einmal  so  lang  als  breit,  obgleich  es  auch  einzelne 
gieht,  die  sich  der  runden  Form  mehr  nähern;  beim  Salamander 
sind  die  Kerne  länglicher,  und  haben  fast  parallele  Seiten,  wäh- 
rend sie  an  beiden  Enden  .abgerundet  sind.  Auf  diese  Art  kann 
man  durch  Essigsäure  auch  die  überaus  kleinen  Kerne  von  den 
Blutkörperchen  des  Menschen  und  der  Säugethiere  darstellen, 
die  man  jedoch  nur  bei  der  grössten  Aufmerksamkeit  mit  einen» 
sehr  klaren  Instrumente  sieht. 

Versetzt  man  unter  Umrühren  ein  vom  Gerinnsel  befreites 
Gemenge  von  Blutkörperchen  und  Serum  des  Frosches  in  einiger 
Quantität  mit  Essigsäure,  so  erleiden  die  Blutkörperchen  dieselbe 
Veränderung;  aber  man  sieht  nun  auch,  dass  die  Kerne,  welche 
sich  zu  Boden  setzen,  ein  hellbraunes  Pulver  bilden,  welches  sich 
in  mehreren  Tagen  nicht  aullöst,  und  später,  mikroskopisch  un- 
tersucht, noch  aus  denselben  unveränderten  Kernen  der  Blutkör- 
perchen besteht.  Faserstoff  und  Elweiss  wird  sonst  in  Essigsäure 
nicht  braun,  sondern  durchscheinend  und  allmählig  etwas  dadurch 
aufgelöst.  Indessen  scheint  die  braune  Farbe  des  Pulvers  voi» 
etwas  noch  anhängendem  und  vielleicht  chemisch  veränderten» 
Farhestoff  herzurühren ; denn  die  Kerne  der  Blutkörperchen» 
welche  man  durch  Behandlung  der  Blutkörperchen  mit  Wassc*" 
in  grösserer  Quantität  auf  die  angezeigte  Art  erhält,  sind  weis^» 
und  bleiben,  mit  Essigsäure  begossen,  ein  weisser  Satz.  D'® 
hierzu  angewandte  Essigsäure  war  als  chemisch  rein  geprüft 
und  etwas  mehr  concentrirt  als  die  Essigsäure  der  preussische'» 
Pharmacopoe. 

Salzsäure  löste  luiter  dem  Mikroskope  die  Blutkörperche»» 
nicht  bis  auf  ihre  Kerne  auf,  sic  w'urden  nur  unmerklich  kleiner* 
Chlorgas  entfärbte  das  Froscliblut;  zuerst  wird  es  nämlich  bi’äun- 
lich,  aber  schnell  ganz  weisslich;  dabei  gerinnt  das  Eiweiss  >■' 
Kügelchen.  Später,  mikroskopisch  untersucht,  zeigen  sich  in  der 
weissen  Materie  noch  die  Formen  der  Blutkörperchen,  sie  sin® 
aber  etwas  kleiner.  Man  kann  den  Versuch  so  anstellcn,  da** 
man  die  Röhre,  wodurch  man  Chlorgas  leitet,  mit  Froschblut  »f' 
wendig  bestreicht,  oder  dass  man  in  ein  mit  Chlorgas  gefüllt®^» 


1.  Mikrosk.  mechan.  Analyse.  Blutflüssigkeit,  Faserstoff.  105 


englialsiges  Glas  Froscliblat  liineinfliessen  lässt  und  das  Glas 
sclinell  verstopft.  Das  Blut  fliesst  nun  eine  Strecke  an  den  Wän- 
den  lieral),  gerinnt  aber  sehr  scbnell.  Sauerstoffgas  und  Kohlen- 
säure verändern  die  Form  der  Blutkörperchen  nicht. 

. Liquor  kali  causlici  veränderte  die  Form  der  Blutkörperchen 
*'‘cht,  sondern  machte  sie  in  ihren  natürlichen  Dimensionen  im- 
•^er  kleiner  so  dass  sehr  schnell  nicht  allein  die  Hülle,  sondern 
auch  der  Kern  ohne  Spur  aufgelöst  wurde.  Liquor  ammonii  cau- 
löste  die  Körperehen  noch  schneller  aul,  und  veränderte 
Momente  der  Berührung  schon  die  Körperchen  ins  Runde. 
Auch  die  Kerne  wurden  spurlos  aufgelöst.  Alkohol  verändert  die 
Körper  nicht;  sie  schrumpfen  nur  ein  wenig  ein,  und  werden 
^agen  der  Kügelchen  von  Eiweiss,  die  sich  durch  Gerinnung  aus 
Serum  bilden  und  das  Gesichtsfeld  trüben,  undeutlich. 
Y^''ychnin  und  Morphium  brachten  in  den  Körperchen  keine 
afänderung  hervor. 

Die  Blutkörperchen  sind  im  arteriösen  und  venösen  Blute  von 
^ sicher  Form  und  gleicher  Grösse  , was  mit  den  Angaben  des 
®Oiist  genauen  Ksutesbrubner  im  Widerspruch  steht,  welcher  he- 
^'‘uptet,  dass  die  Blutkörperchen  in  den  Capillargefässen  etwas 
®aschvellen,  und  dass  zug  leich  ihre  Ränder  weniger  umschrieben 
?arden  und  etwas  zerfliessen.  Ich  fand  auch,  dass  die  Form  der 
^qntkörperchen  durchaus  nicht  verändert  wurde,  als  ich  Fröschen 
^ *e  Lungen  ganz  unterband  und  darauf  abschnitt,  worauf  sie  noch 
Stunden  ^lebten , wabrscheinlich  durch  Athmen  mit  der  Haut, 
die  Fische  in  v.  Humbolut’s  und  PaovESCAL’s  Versuchen, 
^eber  die  Blutkörperchen  der  Wirbellosen  siehe  die  oben  ange- 
^^'»rte,  sehr  reichhaltige  Schrift  von  Wagner. 


b.  Untersuchung  der  Blutflüssigkeit. 

. Unter  Blutflüssigkeit,  Liquor  sanguinis,  verstehe  ich  die  ^arh- 
lose  Flüssigkeit  des  Blutes  ausser  den  rothen  Blutkörperchen, 
^nd  Eviar  so,  wie  sie  vor  dem  Gerinnen  des  Blutes  ist.  Bei  dem 
Lei'iunen  trennt  sich  diese  Flüssigkeit  in  den  Faserstoff,  der  vor- 
aufgelöst  war,  und  beim  Gerinnen  die  rothen  Körperchen 
einschliesst,  und  in  das  Serum,  welches  nun  noch  den  Ei- 
Y'^Lsstoff  aufgelöst  enthält.  Wir  werden  in  dieser  mechanischen 
Analyse  des  Blutes  zuerst  den  Faserstoff,  dann  das  Seram  ah- 

tändeln. 

1)  Vom.  Faserstoff, 

, Lie  gewöhnliche  Ansicht  von  der  Gerinnung  des  Blutes  ist, 
das  rothe  Gerinnsel  sich  durch  Aggregation  der  Blutkörper- 
ciien  bilde,  und  dass  die  Kerne  der  Blutkörperchen  eben  dieta- 
sind,  die  von  einer  Hülle  von  Farbestöff  b'eklei- 
der  nach  der  Coagulation  von  den  aggregirten  Fa- 
„ , otlkugelcben  ausgewaschen  werden  kann,  worauf  wcisscs  Coa- 
guium  zurückblcibt.  Diese  Ansieht  haben  besonders  Home  und 
bevost  und  Dum  SS  vorgetragen,  und  DuTROCHEt  bat  sie  bei  sei- 
nen  neueren  Untersuchungen  über  das  Verhalten  des  Blutes  zu 
V£iniscli0j^  Säule  voTftus^esetzt»  IBEfizELius  liät  ind6s5  ftus 


106  I.  Buch.  Von  den  organ.  Säften  etc.  I.  Ahschn.  Vom  Blut. 


dem  Umstande,  dass  die  Lymphe  aafgelösten  Faserstoff  enthält, 
vermuthet,  dass  auch  das  Blut  aufgelösten  Faserstoff  enthalten 
müsse,  weil  die  Lymphe  gleichsam  eine  von  dem  Blute  abgesei- 
hete  Flüssigkeit  sey.  Man  könnte  als  noch  triftigem  Grund  hin- 
zufügen, weil  die  Lymphe  selbst  ins  Blut  gelangt.  Bebzelixjs 
stellte  daher  vermuthungsweise  die  Ansicht  auf,  dass  beim  Gerin- 
nen des  Blutes  der  im  Blute  aufgelöste  Faserstoff  fest  werde  und 
die  Blutkörperchen  zwischen  sich  nehme.  Diese  Ansicht,  dass 
der  Faserstoff  im  Blute  aufgelöst  ist,  ist  schon  zu  verschiedener 
Zeit  proponlrt  worden.  Ich  bin  so  glücklich  gewesen,  einen  de- 
finitiven Beweis  für  Berzeuus  Verrauthung  zu  finden,  und  bin 
im  Stande,  zu  zeigen,  dass  das  rothe  Coagulum  des  Blutes  nur 
ein  Gemenge  von  Faserstoff,  der  vorher  aufgelöst  war,  und  von 
Blutkörperchen  ist. 

Ich  habe  zuerst  bemerkt,  dass,  w'enn  man  Froschblut  in  ei- 
nem Uhrglas  aulfängt,  vor  der  Bildung  des  ganzen  Blutcoagulums 
schon  farblose,  wasscrhelle  Gerinnsel  entstehen,  die  man  am  BSnde 
mit  der  Nadel  her  vorziehen  kann;  so  sieht  man  auch  Punkte  und 
kleine  Läppchen  von  farblosem,  wasserhellem  Gerinnsel,  wenn 
man  das  Blut  eine  bis  zwei  Minuten  nach  dem  Ausflusse  vom  Bo- 
den des  Uhrglases  abfliessen  lässt.  Diese  kleinen  farblosen  Ge- 
rinnsel bleiben  dann  am  Boden  hängen.  Um  den  Einwurf  za 
beseitigen,  dass  beim  Abschneideu  des  Froschschenkels,  wodurch 
man  am  leichtesten  einen  Blutfluss  verursacht,  Tropfen  Lymphe 
mit  ausgeflossen  wären,  deren  aufgelöster  Faserstoff  diese  Erschei- 
nung bewirkt  hätte,  sammelte  ich  das  Blut  fernerhin  aus  der 
Schenkelarterie,  beim  Frosche  die  Art.  ischiadlca,  welche  an  der 
hintern  Seite  des  Obei’schenkels  zwischen  den  Muskeln  verläuft, 
und  die  man  sogleich  auffmdet,  da  sie  neben  dem  grossen  Ner- 
vus ischiadicus,  dem  Schenkelnerven,  wie  die  Physiker  ihn  ge- 
wöhnlich nennen,  liegt.  Diese  Arterie  legte  ich  bloss,  und  sam- 
melte das  Blut  unter  mancherlei  vorsichtigen  Handgrilfen  allein 
aus  diesem  Gefässe,  so  dass  ich  sicher  seyn  konnte,  dass  ich  rei- 
nes Blut  hatte.  Eben  so  sammelte  ich  das  Blut  aus  dem  bloss- 
gelegten und  angeschnittenen  Herzen,  w;as  viel  leichter  ist.  Je- 
desmal bemerkte  ich  vor  dem  vollständigen  Gerinnen  des  Blutes 
das  Entstehen  kleiner  wasserheller  Gerinnsel.  Brachte  ich  einen 
Tropfen  reinen  Blutes  unter  das  Mikroskop  und  verdünnte  ihn 
mit  Serum,  so  dass  die  Blutkörperchen  ganz  zerstreut  aus  einan- 
der lagen,  so  konnte  ich  bei  mikroskopischer  Beobachtung  sehen, 
dass  zwischen  den  Blutkörperchen  in  den  Zwischenräumen  ein 
Gerinnsel  von  vorher  aufgelöstem  Stoff  entstand,  durch  welches 
nun  allein  noch  die  ganz  zerstreuten  Blutkörperchen  zusammen- 
hingen. So  konnte  ich  alle  Blutkörperchen,  so  zerstreut  sie  auch 
w'aren,  und  so  gross  auch  die  Zwischenräume  zwischen  ihnen 
waren,  doch  zu  gleicher  Zeit  verschieben,  wenn  ich  mit  der  Na- 
del das  die  Zwischenräume  ausfüllciulc  Faserstofl'gcrinnsel  zerrte. 
Da  die  Blutkörperchen  des  Fiösches  bei  starken  Vergrösserungen 
so  ungemein  gross  erscheinen,  so  lässt  diese  Beobachtung  die 
grösste  Deutlichkeit  zu,  und  es  bleibt  kein  Zw'eifel  übrig. 

Es  giebt  indessen  eine  noch  viel  leichtere,  und  sogar  noch 


i.  Mikrosk.  mechan.  Analyse,  Bluifliissigkeit.  Faserstoff,  107 

Sicherere  Art  sicli  zu  überzeugen,  dass  Faserstoff  im  Froscbblute 
^j'fgelöst  ist.  Da  ich  aus  Erfahrung  wusste,  dass  die  Blutkörper- 
^ des  Frosches  ungefähr  4mal  grösser  sind,  als  die  Blutkör- 
perchen des  Menschen  und  der  Säugethiere,  so  schloss  ich,  dass 
““s  Filtruin  sie  vielleicht  zurückhält,  während  es  die  Blutkörper- 
elien  des  Menschen  und  der  Säugethiere  durchlässt.  So  ist  es, 
auf  diese  einfache  Auskunft  kam  ich,  wie  es  gewöhnlich  ge- 
®eliieht,  erst  zuletzt;  und  nun  freue  ich  .mich,  durch  einen  leich- 
Versuch  in  den  Vorlesungen  zeigen  zu  können,  dass  Faser- 
®*ofr  ixn  Blute  aufgelöst  ist,  der  wasserhcll  durchs  Filtrum  geht 
dann  gerinnt.  Der  Versuch  lässt  sich  ganz  im  Kleinen  mit 
Blute  eines  einzigen  Frosches  anstellen;  ein  kleines  gläsernes 
’/chterchen  und  ein  Filtrum  von  gewöhnlichem  weissen  Fil- 
^'ä'papicr,  oder  nicht  zu  dünnem  Di’uckpapier  sind  das  Einzige, 
inan  nöthig  hat.  Das  Filtrum  muss  natürlich  vorher  nass 
und  es  ist  gut,  wenn  mau  das  eingegossene  frische  Blut  des 
rosches  schnell  mit  eben  so  viel  Wasser  versetzt.  Was  dann 
dem  Filtrum  ahfllesst,  ist  ein  fast  ganz  farbloses,  klares  Se- 
von  Wasser  verdünnt,  mit  einem  ganz  leichten  Anfluge  von 
von  Farhestoff,  welcher  von  zugesetzlera  Wasser  au%elöst 
'y^i’den.  Da  indessen  die  Auflösung  des  Blutroths  von  Froschblut 
ärch  Wasser  ziemlich  langsam  geschieht,  so  ist  das  Durchge- 
kaum  röthlich  zu  nennen,  und  zuweilen  ganz  farblos. 
®ädet  man  statt  des  zugesetzten  W^assers  vielmehr  Zuckerwas- 
an  (1  Theil  Zucker  auf  200  Theile  und  mehr  Wasser),  so 
^‘i'd  während  der  Filtration  gar  kein  Bluti’oth  aufgelöst,  und  das 
.ärchgehende  ist  vollkommen  farblos  und  ohne  die  geringste  Spur 
®'ner  'Beimischung,  ünlcrsucht  man  das  durchgehende  Serum 
dem  Mikroskope,  so  bemerkt  man  keine  Spur  von  Kügelchen 
J'.*’*'!.  In  diesem  klaren  Serum  entsteht  nun  innerhalb  einiger 
, wasserhelles  Coagulum,  so  .klar  und  durchsichtig, 

man  es  nach  seiner  Bildung  nicht  einmal  bemerkt,  wenn 
jy'"'  es  nicht  mit  einer  Nadel  aus  der  Flüssigkeit  hervorzieht, 
^'‘ch  nach  verdichtet  es  sich  und  wird  weisslich,  fadenartig; 
p *'eht  dann  gerade  so  aus,  wie  das  Coaguhim  der  ipenschlichen 
ynipüe  in  meinen  Beobachtungen.  Vergl.  Abschn,  3.  Auf  diese 
erhält  man  den  Faserstofl’  von  Blut  irn  reinsten  Zustande,  wie 
bisher  nicht  dargestellt  werden  konnte.  Um  die  rechte  Sorte 
} ‘ ^■‘‘■papier  zu  finelen,  muss  man  erst  einige  Proben  machen. 

“as  w eisse  Filtrirpapicr  zu  dünn,  so  gehen  einige  wenige  BLA- 
^Pi-Perchcn  mit  durchs  Filtrum,  die  man  erst  hei  mikroskopischer 
^jl'^'^rsuchung  in  dem  klaren,  farblosen  Coaguhim  hier  und  da 
j^'^geschlossen  findet.  Hat  man  erst  die  rechte  Sorte  von  Fil- 
Wor^  '‘“fätefunden,  so  erhält  man  ein  Coagulum  von  Faserstoff, 
'"ich  keine  Spur  eines  Blutkörperchens  vorkömmt.  Es  ver- 
®toir  seihst,  dass  nicht  aller  im  Blute  aufgelöste  Faser- 

"erl  - erhalten  wird ; der  grösste  Theil  gerinnt  in- 

j,.  ‘'öb  des  Filiriifns  weil  er  nicht  vor  seiner  Gerinnung  durchs 

Bl 

bes 


.üt*  b®*‘**'3en  kann, 
es  '"'■e  man 


Zu  einem  rohen  Versuche  kann  man  das 
• ^ 1 -.c  iiiciii  es  nach  der  Amputation  eines  Froschhei- 

’m  Knie  erhält,  und  es  sogleich  in  das  mit  etwas  kaum  süss- 


108  I.  Buch.  Von  dm  organ.  Säften  etc.  I.  Alschn.  Vom  Blut. 

licli  sctmeckendem  Zuckerwasser  versetzte  Filtrum  ansträufeln 
lassen.  Allein  dieser  Versuch  ist  roh,  weil  hier  etwas  aus  der 
Lymphe  von  dem  Beine  , mit  ausfliesscn  kann.  Um  mit  reinem 
Blute  des  Frosches  zu  experimentiren,  muss  man  das  Blut  aus 
dem  hlossgelegten  und  durchschnittenen  Herzen  seihst  austriiii- 
feln  lassen.  Der  Faserstoff,  den  man  in  diesen  Fällen  erhält,  ist 
nicht  deutlich  körnig,,  son,dern  ganz  gleichartig;  erst  wenn  er 
sieh  zusammengezogen  hat  und  weissllch  geworden  ist,  sieht  man 
mit  dem  zusammengesetzten  Mikroskope  ein  ganz  undeutlich  fein- 
körniges Wesen,  einen  Anschein,  der  aber  auch  von  Ungleichheiten 
der  Oberfläche  herriiliren  kann. 

Man  kann  die  Existenz  von  aufgelöstem  Faserstoff  im  Blute 
des  Frosches,  wie  auch  in  dem  der  Säugcthiere  und  des  Men- 
schen noch  auf  eine  andere  Art  beweisen.  Indem  man  einem 
Gläsehen  voll  Blut  irgend  eines  Thieres  oder  des  Menschen  so- 
gleich einige  Tropfen  von  einer  sehr  concentrirten  Auflösung  von 
unterkohlensaurem  Kali  zusetzt,  wird  die  Gerinnung  sehr  lange 
aufgehalten,  und  die  Blutkörperchen  senken  sich  allmälilig  unter 
das  .JMiveau  der  durchsichtigen  Flüssigkeit,  ehe  die  Gerinnuiig  eiri- 
tritt.  Nach  k bis  1 Stunde  bildet  sich  ein  zartes  Gerinnsfel;  der 
untere  Theil  des  Gerinnsels  ist,  so  weit  die  Blulkügelchen  stehen, 
xoth,  der  obere  ist  weisslich  und  fadenziehend. 

Pbevost  und  Dumas  haben  die  Quantität  der  Kügelchen  im 
Blute  verschiedener  Thiere  aus  der  Menge  des  rothen  getrockne- 
ten Coagulums  zu  bestimmen  gesucht,  und  diese  Untersuchungen 
sind  sehr  dankenswerth.  Berzelius  hat  indess  bereits  bemerkt, 
dass  da.s  Besultat  einer  solehen  quantitativen  Analyse  nie  genau 
ausfallen  könne,  weil  das  Coagulum  eine  grosse  Menge  Serum  in 
sich  einschliesse,  das  beim  Trocknen  sein  EivVeiss  und  seine  Salze 
zurücklässt,  während  das  Abwaschen  nicht  allein  Serum,  sondern 
auch  Blutroth  entfernfen'  würde.  Da  aber  Prevost  und  Dumas 
von  iler  Voraussetzung , aUsgingeii,  dass  der  Faserstoff  des  Blutes 
von  den  Kernen  der  Blutkörperchen  herrühre,  so  bedürfen  ihre 
Besultate.  einer  neuen  Correction.  Was  sie  nämlich  Menge  der 
Kügelchen  nennen,  muss  Summe  der  Kügelchen  und  des  vorher 
aufgelösten  Faserstoft'es  heissen.  Mit  dieser  Correction  behalten 
die'  zahlreichen  quantitativen  Bestimmungen  der  beiden  Naturfor- 
scher ihren  Werth.  Diese  Correction  ist  auch  bei  den  sonst  sehr 
dankenswerthen  quantitativen  Analysen  von  Lecanu  über  die 
Menge  der  Kügelchen  in  verschiedenen  Temperamenten  und  Ge- 
schlechtern nötliig.  Um  die  Menge  des  Faserstoffes  im  Blüte 
verschiedener  Thiere  und  in  Krankheiten  zu  bestimmen,  bedarf 
es  ganz  neuer  Untersuchungen.  Das  beste  Mittel  dazu  ist  daS 
Schlagen  des  Blutes: 

Durch  das  Schlagen. des  Blutes  lässt  sich  der  vorher . aufge' 
löste  Faserstoff  des  Blutes  als  farbloses  öder  fast  farbloses  Ge- 
rinnsel  erhalten,  während  die  Blutkörperchen  unverändert  im  Se- 
rum suspendirt  lileiben.  Untersucht  man  das  Blut  nach  dei» 
Schlagen,  so  hat  es  noch  ganz  sein  natürliches  Ansehen,  man  (in' 
det  die  Blutköroerchen  gleichförmig  schwebend,  und,  wofern  kein 
Wasser  zum  Blute  gekommen  ist,  auch  unverändert.  'Ich  weis® 


1.  Mikroskop,  mechan,  Analyse.  Blutßilssigkeit.  Faserstoff.  1G9 

iiiclit,  -woran  es  liegt,  dass  Beezelius  das  Gegentlieil  sagt.  Er 
bemerkt  nämlich,  dass,  -wenn  man  nach  dem  Schlagen  das  Blut 
*®it  dem  zusammengesetzten  Mikoskrope  untersuche,  es  keine 
Blutkörperchen  mehr  i enthalte,  sondern  kleine,  ungelöste,  zerrie- 
bene rothe  Körperchen;,  die  in  einer  gelben  Flüssigkeit  sehwim- 
•i^en,  und  die  Berzei.ius  für  Theile  der  Farhestoffhülle  ansieht, 
bie  gehen  beim  Filtriren  durchs  Papier;  diess  tbun  indess  auch 
die  Blutkörperchen  des  frischen  Blutes  von  höheren  Thieren. 
Berzelius  sagt,  dass,  wenn  man  das  Blut  mehrere  Tage  lang 
bei  0®  aufbewabre,  diese  rothen  Tbeilchen  langsam  zu  Boden 
sinken  und  die  Flüssigkeit  sich  über  ihnen  aufklare,  wiewohl  sie 
*nweilen  noch  durch  einen  kleinen  Theil  aufgelösten  FipbestolFs 
^'bthlich  bleibe.  Berzelius  Tlderchemie.  Mit  der  Hochachtung, 
die  ich  gegen  diesen  grossen  Mann  hege,  muss  Ich  doch  bemer- 
ken, dass  ich  die  Blutkörperchen  in  dem  geschlagenen  Blute,  so 
lange  kein  Wasser  dazu  kömmt,  ganz  unverändert  wieder  linde, 
leb  habe  sie  vom  Kalbe  und  Ochsen,  vom  Menschen  und  von 
der  Katze  in  diesem  Zustande  mit  dem  FKAUsnoFEE’schen  Mikro- 
skope und  noch  einem  andern  Instrumente  untersucht,  und  sie 
'''eder  in  der  Grösse  noch  in  der  Form  verändert  gefunden,  so 
dass  ich  sogar  noch  eben  so  gut  ihre  Abplattung  erkennen  konnte, 
^ie  im  frischen  Blute. 

Das  Schlagen  des  Blutes  gewährt  den  ausserordentlichen, 
dureh  keinen  Kunstgriff  zu  ersetzenden  Vortheil,  die  unversehr- 
1-En  Blutkörperchen  von  dem  vorher  aufgelösten  Faserstoffe  ab- 
*Uscheiden.  Filtrirt  man  durch  Leinentuch  die  aulgcschw'emm- 
leu  Theile  ab  und  wäscht  den  Fäserstoff  von  anhängendem  Se- 
fuiu  rein,  so  hat  man  nach  dem  Trocknen  desselben  sicher  die 
1*1  einer  gewissen  Quantität  Blut  enthaltene  Menge  des  Faser- 
stoffs. Dagegen  lässt  sieh  die  Menge  der  Blutkörperchen  nicht 
sicher  bestimmen.  Wenn  man  die  Menge  des  rothen  Coagulums 
i*i  100  Th.  Blut  bestimmt  und  die  Menge  des  Faserstoffs  in  100 
"Bh.  Blut  davon  abzieht,  so  erhält  man  zwar  die  Menge  der  in 
diesem  Coagulum  enthaltenen  Blutkörperchen,  allein  vermengt 
fnit  einer  unbestimmten  Menge  Eiweiss  von  dem  Serum,  welches 
1*1  das  Coagulum  eingeschlossen  war,  und  dessen  Eiweiss  und 
balze  beim  Trocknen  Zurückbleiben,  Es  giebt  einen  Ausweg, 
den  Lecahu  zur  Bestimmung  der  Menge  des  Blutroths  eingeschla- 
Sen  zu  haben  seheint;  allein  er  beruht  auf  einer  Voraussetzung, 
blan  bestimmt  die  Menge  von  Eiweiss  im  Serum  des  Blutes,  man 
trocknet  geschlagenes  Blut  desselben  Thieres,  vom  Faserstoff 
Befreit,  ein  und  bestimmt  die  Menge  Wasser,  die  es  verliert, 
^enn  man  nun  voraussetzt,  dass  dieses  Wasser  ganz  gleichlör- 
*ii'S  so  viel  Eiweiss  aufgelöst  enthielt,  als  man  in  dem  Serum 
Befunden  hatte,  wenn  man  also  annimmt,  dass  das  die  Substanz 
der  Blutkörperchen  durchdringende  Wasser  ebenfalls  gleichviel 
■Eiweis  aufgelöst  enthalte,  so  kann  man  die  Menge  des  im  cinge- 
trockneten  Gemenge  von  Serum  und  Blutkörperchen  des  geschla- 
genen Blutes  befindlichen  Eiweisses  bestimmen,  und  es  bliebe  die 
Quantität  der  Blutkörperchen  ül)rig.  Dicss  beruht  aber  auf  einer 
Suuz  unerweisbaren  Voraussetzung. 


110  I.  Buch.  Von  den  organ.  Säften.  I.  Ahschn.  Vom  Blut. 

Da  sich  nur  die  Quantität  des  vorher  aufgelösten  Faserstof- 
fes sicher;  und  zwar  aus  geschlagenem  Blute  bestimmen  lässt,  so 
habe  ich  mich  nur  damit  beschäiiigt.  Vom  3627  Gran  geschla- 
genen Ochspiiblutcs  erhielt  ich  18  Gran  -Faserstoff  im  getrock- 
neten Zustande,  von  3945  Gran  Ochsenbltit;  das  nicht  geschlagen 
-wurde,  641  Gran  rothes  Coagulum  im  getrockneten  Zustande;  diess 
macht  auf  100  Th.  Ochsenhiut  16,248 Th.  trocknes  rothes  Coagulum, 
-worin  0,496  Faserstoff  enthalten  sind.  Nach  Foubcrov  enthält  das 
Blut  0,0015  0,004.3  trockne  Fibrin,  nach  Bebzelitjs  enthalten  1000 

Th.  0,75,  nach  Lassaigne  1,2  trockne  Fibrin.  Aus  22  Beobachtun- 
gen fand  Lecanu  {Transact.  med.  6.  Oct.  1831.  92.)  die  Men<»e  der 
trocknen  Fibrin  zul  ,360 — 7,235  auf  1000  Th.  Menschenbtut. 

Pbevost  und  Dumas  haben  im  arteriellen  Blute  mehr  Blut- 
körperchen gefunden  als  im  venösen;  diess  muss  auch  wieder 
heissen,  mehr  rothes  Coagulum.  Da  das  Arterienhlut  ernährt, 
und  da  beständig  Lymphe  mit  aufgelöstem  Faserstoffe  von  den 
Organen  kömmt,  so  lässt  es  sich  schon  erwarten,  dass  das  Arte- 
rienblut mehr  Faserstoff  enthalten  müsse  als  das  Venenblut.  So 
haben  es  auch  Mayer  und  Bertbold  in  mehreren  Versuchen  ge- 
funden. Es  schien  mir  indess  nolhwendig,  mich  hierüber  durch  i 
einen  Versuch  seihst  zu  vergewissern.  Von  einer  Ziege  sam- 
melte ich  aus  der  Jugularvene  1392  Gran,  kurz  darauf  aus  der 
Carotis  3004  Gran  Blut.  Beide  Blutarten  wurden  geschla"en, 
wobei  das  Ausspritzen  des  Blutes  sorgfältig  verhindert  wurdet 
Das  Arterienhlut  lieferte  14^  Gran,  das  Venenhiut  5|  Gran  trok- 
kenen  Faserstoff.  Das  Arterienhlut  der  Ziege  enthielt  also  0,483 
Procent,  das  Venenhiut  0,.395  Procent  aufgelösten  Faserstoff. 
Nach  Denis  verhält  sich  der  Gehalt  von  Faserstoff  im  venösen 
und  arteriösen  Blute  wie  24:25;  nach  Berthold  bei  Ziegen  wie 
366:429,  Lei  Katzen  wie  474:521,  hei  Hammeln  wie  475:566, 
hei  Hunden  wie  500:666.  (Bundach  Bhysiol.  4.  382.)  Das  Mittel 
aus  diesen  Beobachtungen  ist,  dass  sich  der  Faserstoff  im  Ar- 
terien- und  Venenhiut  Avie  24:29  verhält. 

Die  Materie,  welche  bisher  als  Faserstoff  des  Blutes  chemisch  I 
untersucht  worden  ist,  ist  der  im  Blute  aufgelöste  Faserstoff,  der, 
im  Fall  das  Blut  gesclilagen  Avurde,  rein  erhalten  ward,  im  Fall 
der  Faserstoff  aus  rolhern,  ausgewaschenem  Coagulum  erhalten  | 
wurde,  auch  noch  die  Kerne  der  Blutkörperchen  entFialten  ' 

konnte.  Der  Betrag  dieser  Kerne  kann  indess  nicht  gross  seyn, 
denn  wenn  man  rothes  Coagulum  auf  dem  Filtrum  ausAräschst, 
so  ist  die  Quantität  des  erhaltenen  Faserstoffs  nicht  merklich  ver- 
schieden von  derjenigen,  welche  man  erhält,  Arenn  man  Blut 
schlägt.  Es  könnte  seyn,  dass  diese  im  Säugethier-  und  Men- 
schenhlute  jedenfalls  kleinen  Kerne  heim  Auswaschen  sich  gröss- 
tentheils  von  dem  Coagulum  ahlösen  und  in  einer  Farhestoff- 
auflösung  mit  suspendirt  enthalten  sind,  so  wie  man  heim  blossen 
Rütteln  des  rothen  Coagutums  vom  Frosch  und  von  Säugethieren 
selbst  eine  ausserordenthehe  Menge  sich  ahlösender  unveränder- 
ter ganzer  Blutkörperchen  mit  Serum  erhält.  In  einer  Farhe- 
stoffauflösung  können  diese  Kerne  nicht  leicht  mit  dem  Mikro- 
skope entdeckt  werden,  wenn  sie  auch  wirklich  darin  enthalten 


1.  Mikroskop,  mechan.  Analyse.  Blutflüssigkeit.  Faserstoff.  111 

sind.  Wenn  man  von  Mensclienblut  einen  Tropfen  mit  mehre- 
ren Tropfen  Wasser  nnter  dem  Mikroskope  verdünnt,  so  werden 
die  Blutkörperchen  ununterscheidbar,  der  Farhestoß  löst  sich  im 
Wasser  auf,  ohne  dass  man  deutlich  die  Kerne  sieht;  vermischt 
man  einen  Tropfen  Menschenblut  mit  Essigsäure  unter  dem  Mi- 
kroskope, so  sieht  man  nur  mit  genauer  Noth  noch  die  kleinen 
Kerne.  Oh  die  Kerne  der  Blutkörperchen,  die  ich  vom  Frosch- 
blut erhalten  habe,  Fascrstoll'  sind  oder  nicht,  weiss  ich  nicht; 
sie  haben  die  allgemeineren  Eigenschaften  des  geronnenen  Faser- 
stoffs und  geronnenen  Eiweisses,  sie  lösen  sich  leicht  in  Alkalien 
und  schwer  in  Säuren,  selbst  in  Essigsäure  verändern  sie  sich  in- 
nerhalb eines  Tages  nicht,  da  Essigsäure  sonst  von  Faserstoff 
etwas  aufnimmt.  In  Essigsäure  bilden  die  Blutkörperchen  des 
Frosches,  in  kleinen  Mengen  zugesetzt,  ein  braunes  Pulver,  das, 
mikroskopisch  untersucht,  noch  etiyas  von  der  blass  gewordenen 
Farhestoffhülle  zeigt.  Faserstoff  wird  in  Essigsäure  durchsich- 
tig; indess  kann  die  braune  Färbung  der  ellipsoidischen  Kerne, 
■wie  ich  schon  bemerkte,  vielleicht  auch  von  anhängendem  Far- 
hestoff  herrühren.  Wenigstens  färbte  sich  der  weisse  Satz  von 
Kernen  der  Blutkörperchen  des  Frosches  durch  Essigsäure  nicht; 
jener  weisse  Satz  nämlich,  den  man  erhält,  wenn  man  ein  Ge- 
menge von  Serum  und  Blutkörperchen  mit  viel  Wasser  verdünnt. 

In  der  Entzündung  und  in  einigen  andei-en  Fällen  gerinnt 
das  Blut  auf  eine  etwas  abweichende  Art.  Nämlich  ehe  das 
Flut  ganz  zu  einer  Gallerte  gesteht,  senken  sich  schon  die 
folhen  Blutkörperchen  unter  das  Niveau  der  Flüssigkeit,  so 
dass  das  flüssige  Blut  vor  dem  Gerinnen  unten  roth  und  oben 
farblos  oder  weissllch  aussieht.  Nun  erst  gerinnt  es  zu  einer 
gallertartigen  Masse,  die  unten  roth,  oben  weiss  oder  graugelb 
ist,  und  allm'ählig,  wie  gewöhnlich,  das  Serum  austreibt.  In- 
dem sich  der  Kuchen  zusammenzieht,  verkleinern  sich  der  obere 
änd  der  untere  Theil  in  ungleichem  Verhältnisse;  der  graugelbe 
oder  weissgelbe  obere  Theil  des  Kuchens  zieht  sich  fester  zusam- 
men, und  sein  Durchmesser  wird  zuletzt  viel  kleiner  als  der 
tlurchmesser  des  untern  Theiles  des  Kuchens,  obgleich  der  Ku- 
chen vorher  in  jeder  Höhe  den  Durchmesser  des  Gefässes  selbst 
Falte.  Die  Ursachen  dieser  besondern  Art  der  Gerinnung  sind 
folgende:  Wenn  sich  im  entzündlichen  Blute  die  rothen  Körper- 
chen schon  vor  der  Gerinnung  durch  irgend  einen  Grund  sen- 
hen,  während  sie  sich  im  gesunden  Blute  bis  zu  der  Zeit  der 
Gerinnung  noch  nicht  gesenkt  haben,  so  gerinnt  zwar  der  Faser- 
stoff in  der  ganzen  Masse  des  Blutes,  allein  der  untere  Theil  des 
f^crinnsels  enthält  die  gesunkenen  rothen  Körperchen  eingeschlos- 
scn , der  obere  Theil  des  Gerinnsels  ist  ohne  rothe  Körperchen, 
'^od  heisst  nun  crusta  iuflammatoria,  obgleich  die  Materie  dieser 
Kruste  auch  durch  den  rothen  Kuchen  verbreitet,  und  nichts 
Leiter  ist,  als  der  geronnene,  vorher  aufgelöste  Faserstoff.  Dass 
her  farblose  obere  Theil  des  Gerinnsels  sich  enger  und  fester  zu- 
mininenzieht  als  der  untere  rothe  Theil,  ist  sehr  natürlich,  weil 
Oer  untere  rothe  Theil  des  Faserstoff- Coagulums  durch  die  mit 
omgeschlossenen  rothen  Röi'perchen  in  einem  gewissen  Grade  von 


112  I.  Buch.  Fon  den  organ,  Säften  etc.  I.  Alschn.  Vom  Blut.  \ 

Ansdehnnng  erhalten  wird.  Man  kann  es  dem  Blute  immer  vor- 
her schon  ansehen,  wenn  es  eine  Kruste,  d.  h.  einen  ohern  farb- 
losen Theil  des  Coagulums  erhalten  soll;  denn  da  die  Bedingung 
dazu  die  Senkung  der  rothen  Körperchen  unter  das  Niveau  ist, 
so  sieht  man  an  dem  Blute,  worauf  nachher  eine  crusta  inflam- 
maloria  entsteht,  den  obersten  Theil  der  Flüssigkeit  vor  dem 
Gerinnen  zuerst  durchscheinend,  dann  weisslich  w'erden.  Diess  i 
ist  das  durch  die  ganze  Masse  verbreitete,  aufgelösten  Faserstoff  | 
enthaltende  Serum,  welches  vor  dem  Gerinnen  des  Faserstoffs  ei-  ' 
nen  weisslichen  opalisirenden  Anschein  erhalt.  Hewson  und  Bad-  : 
BINGTOB  [Medico-clururgical  Transact.  Vol.  XVI.  p.  11.)  haben  ge-  ■ 
zeigt,  dass  man  dieses  farblose  Serum  vor  dem  Gerinnen  mit  ei-  | 
nem  Lölfelchen  abschöpfen  kann,  und  dass  dieses  ahgeschöpftc  Se-  i 
rum  noch  gerinnt.  Dieses  habe  ich  auch  am  Blute  einer  Schwan-  ' 
gern  bestätigt  gesehen.  I 

Es  fragt  sich  nun,  was  ist  die  Ursache,  dass  meistens  im 
Blute  der  Entzündung,  des  acuten  B.heumatismus  und  der  Schwan- 
geren die  rothen  Körperchen  vor  der  Gerinnung  sicli  senken, 
wodurch  der  obere  Theil  des  aufgelösten  Faserstoffs  farblos  gerin- 
nen kann.  Man  könnte  die  Ursache  in  einer  geringem  specifi- 
schen  Schwere  der  Blutflüssigkeit  im  Verhältnisse  zu  den  rothen 
Körperchen  jener  Blutarten  suchen,  jedoch  ist,  soviel  man  weiss, 
Serum  von  entzündlichem  Blute  nicht  specifisch  leichter,  als  Se- 
rum von  gewöhnlichem  Blute.  Da  entzündliches  Blut,  wie  man 
allgemein  annimmt,  in  der  Regel  langsamer  gerinnt  als  gesundes  I 
Blut,  so  können  die  rothen  Körperchen  des  entzündlichen  Blutes 
noch  vor  der  Gerinnung  Zeit  haben,  sich  unter  das  Niveau  zu  | 
senken.  Diess  war  schon  Hewson’s  Ansicht  von  der  Entstehung  j 
der  crusta  inflammatoria.  Um  diese  Ansicht  zu  prüfen,  habe  ich 
eine  Reihe  von  Beobachtungen  mit  verschiedenen  Blutarten,  und 
zwar  zuerst  mit  geschlagenem  Blute  angestellt.  Ich  wollte  zu- 
nächst wissen,  in  wie  viel  Zeit  die  Blutkörperchen  im  geschlage- 
nen Blute  sich  zu  senken  anfangen.  Ich  habe  schon  bemerkt, 
dass  diess  in  geschlagenem  Schaf-  und  Ochsenhlut  überaus  lang-  I 
sam  geschieht;  viel  schneller  senken  sich  die  Blutkörperchen  im  ' 
gesclilagenen  Katzenhiute  und  geschlagenen  gesunden  Menschen- 
hlute ; sie  sinken  z.  B.  hier  innerhalb  einer  Viertelstunde  eine 
Linie,  und  innerhalb  mehrerer  Stunden  4 bis  6 Linien  unter  das 
Niveau.  Allein  dieses  Factum  ist  doch  nicht  hinreichend,  die 
crusta  inflammatoria  zu  erklären,  wenn  auch  das  entzündliche 
Blut  langsamer  gerinnt,  denn  so  langsam  gerinnt  es  nicht,  und 
gleichwohl  hat  die  crusta  inflammatoria  zuweilen  eine  flöhe  von 
Zoll.  Nun  habe  ich  ferner  beobachtet,  dass  sich  die  Blutkör-  ' 
perchen  in  Menschenhiut  und  Katzenblut  (nicht  in  Ochsen-  und 
Schafhlut),  dessen  Gerinnung  man  durch  Zusatz  von  etwas  nn- 
terkohlensaurem  Kali  verlangsamt,  schneller  unter  das  Niveau  1 
senken  als  in  geschlagenem  Blute,  woraus  der  Faserstoff  entfernt 
ist.  ln  allen  Fällen  bewährte  es  sich,  dass  die  Blutkörperchen 
von  gesundem  Menschenhlute,  dessen  Gerinnung  ich  aufgehalten 
hatte,  schon  in  5 bis  6 Minuten  um  1 bis  Linien  unter  das 
Niveau  gesunken  waren,  und  dass  sie  innerhalb  einer  Stunde  4 


1.  Microskop^  median.  Amlyse.  Blufmasser.  ' 113- 

bis  5 Linien  unter  dem  Niveau  standen.  Das 'darüber  stehende 
Fluidum  wurde  .allmählig  wcissUch,  .und  wenn  nicht  , zu  viel  koh- 
iensaurcs  Kali  zugesetzt  war,  so  gerann  es  iii  einen  weichen,'  fa~. 
denziehendcn  Faserstoff’,  der  in  einem  Falle,  .selbst  hei  nicht  ent-- 
zündlichem.  Blüt,  ziemlich  fest  wurde  und  eine  ArtiKlrUste  bildete. 
Von  Katzenblut  erhielt  ich  dieselben  Resultate.  . Indem  ich  also: 
•be  Gerinnung  verlaugsamte,  ibesa'ss  ich  das  Mittel,  den  Vorgang: 
bei  der  crusta  iuflammatoria  künstlich.. zu  erzeugen.  Der 'Unter-i 
schied  licgh  Bür  darin,  dass  der  Faserstoff  des  farblosen  Gerinn- 
sels mehr  weich  und  fadenziehend  ist,  was  vielleicht  Von  dem 
Finflusse  des  kohlensaurcn  Kali  herrührt.  In  wahrhaft  entzünd- 
licbern  BJäifei  ist  die  Kruste  sglion  (Tamm  fest,  weil,  wie  Scuda- 
More  gezeigt'  hat,  das  entzündliche  Blut  mphr  Faserstoff  enthält. 

Fragt  .man,  warum /die  Bliitkörpercher)  im  frischen,  gesun- 
ken Blute  bald  sich,  pi  senk^  anf^ngen,  während  sie  im  geschla- 
genen Blute,  selbst  ^'enrt.  es  e^izündliijli  war,  sich  ungemein  lang- 
sam senken.  So  scheirtt  die '.A'ntMlort  schwer.  "Da  geschlagenes 
Blut  speCillsch  leichtdr  , ist^  als  ' das  Blut  sonst  ist,  so  muss  das 
Phänomen  eine  andere  Ursache  als  ip  der  specifischen  Schwere 
bahep.'  'Vielleicht  ist  die  Adhäsion  Jcr  Blutkörperchen  zur  Flüs- 
sigkeit des  Blutes,  wprin  noch  ..Faserstoff  aufgelöst  ist,  geringer 
«Is , zufn,.^Serupi  des;  gpschtagenen  Blutfe,  jworaus  der  Faserstoff 
enitfefnjl  ist.  ’ _ 

; John  DAVv,hät  ipdeßs  därauf  aufmerksam  gemacllf,’ dass  enU 
zündh’ches  Blul; ‘niehf.  iminer  langsamer  gerinnt;'  In  diösen  Fällen 
bönnep  i^ich  vielleicht  dife  Blutkörperchen  schon  darum  schneller 
senken, . entzündliches  Blüt ' mehf  aufgelösten  E’asersföff  ent- 
hält, da  diel  Änflöspng  des  Faserstpffsl  im ' Blute  überhaupt  das 
Blut  geneigt  macht,,  ilie  Blutkörperchen  schneller  sinken  zu  las- 
sen' als  es  in  Blut  geschieht,;  vfcoraus  der  Faserstoff  entfernt  ist. 
Hierhac1\  sind'  die  tlaiiplnrsächrn  des  Sertkens  der  Blutkörper- 
chen ünji  der  crusta'  .inllamjmmatoria  sowolii  die  langsiimere  Ge- 
sinnung, als  die  gf'ö^sspre  j Q^nahtifät ' des  aufgelösten  Faserstoffs. 
V^enn  zuweilen  .auch  andere  Blutarteh'  feine  lockere  KWiste  abset- 
zen, unter  UitiR'ändfen,  Wo  man 'mehr  clhe  äiifangende  Zersfetrung 
des  Blute.». wermuflien  sollte,  als  eine  grössere  Qupntität  vOtt  Fi- 
brittj  «o  kann  dicss  hlhreichend  aus  der  langsameren  Gerinoupg 
einbs  sölcheü  Blutes  erklärt, wei'den,  dä  auch  gesundes  Blut,!  wie 
ich  gezeigt  habey  ziemlifehoschueB  die  Blutkörperchen  sinken  fasste 
'^ud  später  ein  oberes , firbloses  Gerinnsel  bildet,,  sobald,  man  nur 
die  Gerinnung  verlangsamt.. i:i  - . . !i  . .,1  •;  ■ 

' ■'  2)  ■Vom-.Blufwasscr.  .:.i  Ai  ..  ,-  i.  . . ul- . ■ ' 

■ 'Die  Blutflüssigkeit',  //i7»ör  sap?4««ls,  welche  den  Faserstoff  pufr; 
enthält,' aeHelzt  sich  beim,  Xleriftuen  in  eine.n  flüssig., Idcir- 
hendeo  .Thöl  .(und  Faserstoff,,  welcher  . beim  , GennnPn  . die , BUit- 
^bperohen  • znäschen  .sith  niiiimt  nnd ; iden,  Blutkuchen  , bildet. 

neue  ülirigilbleihende  Flüssige  wirdi/BAütwasser  oder  Serpm 
geüünnt, ' welches  also  ovohl  von  der  ursprüngUthen  Blütflüssigkeäti 
niitersolieiden  ist.  Das  Serum  ist  gelblich,  von' salzigem  Ge- 
^hmack  und  1,027  bis  1 ,029  specifischem . Gewicht ; es  reagirt 
hei  höheren  Thieren  deutlich  alcalisch  und  .gesteht  hpim  Erhit- 

Physiologie.  B 


114  I.  Buch.  Von  den  organ.  Säften  etc.  I.  Abschn.  Vom  Blut. 

zeVi.  l)ts  76“  — 75"' C.  durtli  Gerinnung  des  darin  aufgelösten 
Eiweisses  {alLunicn}  zu  einer  Gallerte ^ im  luftleeren  Raum,  wie 
inn'.dur  atinospliäfisclien  Luft,  dagegen  der  Faserstoff  vom  Blut 
aüsser' den  Ad'ern 'ölinc' alle  ätisseren  Einflüsse  von  selbst  gerinnt. 
Der  sVesentliclistb' Bestandtbeil  des  Blutwassers  ist  Eiweiss.  Aus- 
soixlem  entliüit'  das  Semni  freies  Alcali  (Natron  ^ auch  Kali  nach 
ÜFRZEMds),- walirsldlieinlicli  mit' Eiweiss  verbunden,  und  Salze  von 
diesen -Basen.  Prevost  und' Dum ss  haben  die  relative  Quantität 
der  festen  Bestandtheile  im'  Blutwasser  zu  den  übrigen  Lei  vielen 
Thieren  beätimint'.'  ■ . • - 


_;,i 

.l'r!!.!'  ■:  -I 

.;(!!  / . ■»?r/|  : . 

-cli'-i  , Uli  1,1,  , : i 
,.^enscL,„ 

. . S,inu  <1 , Qa  j 1 i ti]i(:^i  e 
'jlujid,,.  .td  . 

,,  Katz^r-  ti  id  i 

.^f^rdrus  I. 

Kalb  , , ! 

,..S'chaaf  ,■ 

Ziege 

„|(eerspl!}iiWi9;ijen,,„ 

.(.Rabe,, 

(Reiheri:  I ' 

Entp^,,,,,i ...  i,j 


...  - . li  ■ 

Forelle  ,,,, 
Aalraupp  , .,,;j 
Aal.  ,,, 

LandspbiUjbrötp 
b'rp^ji  .,1  , 


lob  Tlicile  Blut.  ' 

100  T Keile 
• BJutwasser, 

j 

kuchen! 

■ Wyiseri 

J 

En^eiss. 

Wasser. 

12,92' 

■ 

78, .39 

10,0 

90,0 

4,4,61 

. 

77,60. 

9,2, 

90,8 

12,38, 

6,55 

, ^^>07 

7,4 

.92,6 

12,0,4 

, 8,.#  . 

79,5.3 

9,6 

90,4 

, 9,20 

8,9'7' 

. 81,83 

9,9 

90,1 

9,12 

8,28 

82,6 

9,9 

90,1 

9,35 

. sP'i 

■ 8,5 

91,5 

10,26 

8,34 

81,46 

9,3 

90,7 

9,38 

6,83 

.,83,79 

10.9 

89,1 

12,^0  ■ 

10,0  . 

90,0 

14,66, 

..m 

7 9,70 

6,6 

93,4 

5,92 

$0,82 

6,8 

93,2 

; 

, 8,47 

76,52  , 

9,9 

90,1 

15,71  , 

6,30 

77,99 

' 7,5 

92,5 

. 15,57  . 

■ P»! 

„79,74 

5,5 

94,5 

6,.3^ 

,.ps' 

.86, -37 

7,7 

92,3 

4,81. 

, ^,57 

88,62 

6,9 

93,1 

6,00 

9,40, 

84;60 

10,0 

90,0 

15,06 

. 8,06 

76,,88 

9,6 

90,4 

PQ: 

4,64 

88, 46' 

5,0 

95,0 

H<rer 


frera'us  geht  bervorj'da.ss  beim  Mensoheo  im  Bliitwasser.  un- 
anderweitige' Bestumltheile  imd  besonders  Eiweiss  auf- 
gelöst'siiid , und  dass  sich  diess  VerbäUniss  so  ziemlich  bei  den 
Tbiefen  bis  zu'  tlen  Fischen  erhält'p'uviälrrend  nur  die  relative 
Menge  dcs^  Rlutkucbens  (Kügelchen-  und)  Faserstoff  .zusammen)  ira 
Blute  bei  den  nackten  Amphibien  und  Fischen  abnimmt.  Beim 
Menschen  verhalten  sich  die  festen  Tlieile  des  Blutkuchens  zit  den 
im*'  Bhitwasser  aufgelösten  Theiten  wie  12,92:  8,69  oder  Unge- 
fab'T'wie  3:  2. 'Das  Blut  der  fltelechrffesSenden  Thiere  liefert  mehr 
Blutkuchen  als  das  der  pflaozönfressendeni  ■ Nhch  J.  Davy  liefert 
das  Blut  vom  Lamme  sbeuigor  und:  weicheres  Coagulum  als  das 
vom'  efwaohse'ften  Söhähf}'  wie  denn  auch:  sowohl  Fourcboy  ab 
idh  das  Qdö'^ilum'  bhini' F^etus 'Weicher  fanden-  -Nach  Bebiholp 
[Beiträge -ZooV  'u,  PkyshA,'  Gott.  1831)’  scheint  die  , Menge 
des  Faserstoffs  bei  den  kaltblütigen  Thieren  nicht  geringer,  wohl 
abbr'die  tloi  Grüors,.  ' ■>  ) ' : , . 


2.  Chemische  Analyse  des  Blutes.  Farhe.sloff. 


115 


Lecanv  hat  das  Blut  hei  den  verschiedenen  Geschlechtern, 
Altern,  Temjjeramenten  untersucht.  Diese  Arbeit  macht  in  die- 
sem Theile  der  physiologischen  Chemie  eine  neue  Epoche , er 
scheint  mit  Genauigkeit  eine  ausserordcnlliche  Anzahl  von  Beob- 
achtungen gemacht  und  verglichen  zu  haben,  a.  a.  O.  p.  94  — 
107.  Lecahu  fand  die  Quantität  des  Wassers  in  1000  Blut  variiren 
von  778,625  — 85.3,1-35.  Mittel  815,880.  Beim  Weih  ist  die 
Variation  790,. 394  — 853,135.  Beim  Mann  ist  die  Variation 
'778,625  — 805,263.  Hiernach  enthalt  das  Blut  des  Weibes 
mehr  Wasser,'  was  auch  Denis  fand  in  24  Beobachtungen  vom 
Mann  und  28  vom  Weihe.  Nach  ihm  variirt  die  Menge  des 
Wassers  heim  Mann  von  805,00  — 7-32,  heim  Weihe  von  848, 
00  — 750,00,  die  beiden  Mittel  verhalten  sich  Avie  767 : 787. 
Die  Quantität  des  Wassers  ist  nach  Lecanu  in  keinem  bestimm- 
ten Verhaltniss  zu  den  Lebensaltern,  dagegen  Denis  mehr  Was- 
ser hei  Kindern  und  Greisen  fand.  In  Hinsicht  der  Tempera- 
mente fand  Lecanu,  dass  das  Blut  der  Sanguinischen  weniger 
Wasser  enthält  als  das  Blut  der  Phlegmatischen;  hei  sanguinischen 
Weihfern  väriirte  die  Menge  des  Wassers  in  4 Beobachtungen 
Von  790,394  — 796,175,  hei  phlegmatischen  Weihern  in  5 Be- 
obachtungen von  790,840  — 827,1.30.  Mittel  heim  sanguinischen 
Temperament  der  Weiher  79-3,007,  heim  phlegmatischen  Tempe- 
rament der  Weiher  803^710.  Aus  ähnlichen  Beobachtungen  an 
Männern  ergab  sich  daS  Mittel  für  das  sanguinische  Tenipera- 
merit  der  Männer  786,584,  für  das  phlegmatische  Temperament 
der  Männer  800,566.  Die  Differenz  in  plus  A'on  Wasser  beim 
phlegmatischen  Temperament  im  ersten  Fall  10,70-3,  im  zwei- 
ten 13,982. 

Die  Menge  des  Eiweisscs  variirt  im  Allgemeinen  von  57,890 
bis  78,270;  imic'ss  ist  die  Quantität  des  Albumen  hei  Männern 
tlnd  Weibern  last  gleich,  auch  zeigt  sich  kein  bestimmter  Unter- 
-schied  in  den  Altern  von  20 — 60  Jahren,  eben  so  wenig  zeigt  sich 
oin  auflällender  Llnterschicd  in  den  Temperamenten. 

Die  Menge  des  Blutkneheris  (T'^aserstoff  und  Cruor)  variirt  im 
Allgemeinen  von  68,-349  — 148,450,  Mittel  108,399.  i Dieselbe 
Variirt  hei  Männern  von  115,850  — 148,450,  hei  Weibern  von 
68,349  — ^ 129,990.  D*  Blut  der  Männer  enthält  also  nach  Le- 
canu  ungefähr  32,980  mehr  Bestandtheile  des  Blutkuchens,  als 
das  der  'Weiber.  Dagegen  scheint  die  Quantität  des  Blutkuchens 
•licht  propörtionell  mit  dem  Alter  zuzunehmen,  wenigstens  nicht 
Vorn  20.-»— 60. Jahre.  Aber  die  Quantität  desCoaguhims  ist  grösser 
^eim  sanguinischbn  Temperament  als  heim  phlegmatischen,  was 
®'ich  Denis  fand.  Das  Vcrhältniss  des  Coagulums  väriirte  in  4 
Beobachtungen  hei  Weihern  Von  sanguinischem  Temperament  in 
lOOO  Theiien  Blut  von  121,720  bis  129,6.54,  beim  phlegma- 
tischen Temperament  in  5 Beobachtungen  von  92,670  — • 129,990, 
Mittel  hehn  sanguinischen  Temperament  der  Weiber  126,174, 
leim  phlegmatischen  Temperament  der  Weiber  117,300.  Diffe- 
•"coz  8,874.  Bei  den  Männern  väriirte  das  Verhaltniss  des  Coa- 
§idums  in  1000  Theiien  Blut  heim  sanguinischen  Temperament 
*•1  5 Beobachtungen  von  121,540  — 148,450,  beim  phlegmati- 

8* 


116  I.  Buch.  Von  den  organ.  Säften  etc.  I.  Abschn.  Vom  Blut. 


sehen  Temperament  ergaben  2 Beobachtungen  115,850  und  117, 
484.  In  der  Menstruation  scheint  nach  Lecahu  das  Blut  des 
Weihes  an  Coagulura  zu  verlieren. 

II.  Capitel.  Chemische  Analyse  des  Blutes. 

(Nach  Bf.rzet.ius  Thierchemie  u.  A.) 

Von  den  Kernen  der  Blutkörperchen  hat  man  noch  keine  ' 
vollständige  Analyse,  weil  sie  nicht  in  grösserer  Menge  zu  erhal- 
,ten  sind.  Man  kann  sie  von  Froschhlut  wegen  der  Grösse  der 
Blutkörperchen  leicht  gesondert  erhalten.  Die  Methode  zu  ih- 
rer Gewinnung  habe  ich  schon  angegeben.  Man  versetzt  ein  Ge- 
menge von  Blutkörperchen  und  Blutwasser,  woraus  der  Faserstoff 
entfernt  ist,  in  einem  Uhrglase  mit  Wasser,  das  allmählig  den 
Farhestoff  aullöst,  worauf  der  weissc  Satz  von  Kernen  der  Blut- 
körperchen zurück  bleibt.  Diese  sind  in  Wasser  anauflöslich, 
verändern  sich  mit  Essigsäure  übergossen  in  mehreren  Tagen 
nicht,  sind  löslich  in  alcalinischem  W'asser  sowohl  von  Kali  und 
Katron  als  Ammonium.  Hierdurch  stimmen  sie  im  Allgemeinen 
mit  dem  geronnenen  Faserstoff  und  EiAveiss  überein,  die:  jedoch 
löslicher  in  Essigsäure  zu  seyn  scheinen.  Zn  einer  vollständigen 
chemischen  Untersuchung  sind  der  Farhestoff  der  Blutkörperchen, 
der  im  Blut  aufgelöste  Faserstpff  und  die  Bestandtheile  des  Blut-  | 
Wassers  nach  Abscheidung  des  Faserstoffs  fähig. 

i.  FarhesioJJ,  Blutroih,  tiaemaiin,  Cruorin.  Berzeliüs  unter- 
sucht das  Blutroth  in  3 Zuständen:  an  den  Blutkörperchen,  oder  i 
im  Blutw'asser  aufgeschlemmt,  2.  ira  Wasser  aufgelöst,  3.  ira  ge- 
ronnenen, für  Wasser  unlösslichen  Zustande.  Das  Blutroth  der 
Blutkörperchen  besitzt  die  Eigenscbafl,  bei  Berührung  von  atmo- 
sphärischer Luft  oder  von  Sauerstoffgas  letzteres  anzuziehen  ynd 
sich  heller  roth  zu  fäi’ben.  Hierbei  wird  Kohlensäure  gebildet 
und  ausgeschieden,  was  Berthollet,  CnniSTisoN  (FnpniEP’s  Not. 
644.)  und  ich  selbst  fanden  (p.  315.).  Ein  mit  Blutkörperchen 
gemengtes  Blutwasser  wird  durch  Hindui-chstreichen  von  Sauer-  ' 
stoffgas  durch  und  durch  hellroth,  bei  der  Berührung  der  atmo- 
sphärischen Luft,  Avie  das  Blut  selbst^  an  der  Oberfläche  hellroth. 
ln  längerer  Berührung  mit  Sauerstoffgas  schwärzt  sich  das  Blut-  i 
roth  (vielleicht  von  der  Bindung  von  Kohlensäure)  und  kann  ' 
dann  nicht  wieder  hergestellt  Averden.  Kohlensäure,  schweflichte  I 
Säure  und  überhaupt  Säuren  machen  das  Blut  und  Blutroth 
schwarzbraun.  Stickstoffoxydulgas  wird  in  Menge  von  geschlage- 
nem Blut  aufgesogen  und  das  Illut  davon  purpurroth,  Avprauf  at- 
mosphärische Luft  durch  das  Blut  durchgetrieben,  die  natürliche 
Fai-be  wieder  herstellt.  Koble;n\'.asserstoffgas  soll  dem  dunkeln 
Blut  eine  hellere  rothe  Farbe  mittheilen.  Behzelius  Thierchemie 
48.  Mehrere-  Salze  svie  Chlornati-ium,  salpetersaures  Kali,  schwe- 
felsaures Natron,  geben  dem  dnnkelrothen  Blut  eine  hellrothe 
Farbe.  Schroedeb  v.  n,  Kolk  beobachtete,  dass  der  electrische 
Funke  hellrothe  Flecke  auf  venösem  Blut  bildete.  Man  erhält 
den  P’arbestoff  des  Bluts  aufgelöst,  indem  man . Blntkuchen  in 
Wasser  ausAväscht,  wodiuch  sich  der  Farhestoff  in  Wasser  auf- 


117 


2.  Chemische  Analyse  des  Blutes.  Farhestoff. 


löst,  woTjei  sicli  aber  nicht  verliüten  lässt,  dass  die  vom  Coagn- 
lum  mit  eingesclilossenen  Kerne  der  Blutkörpercben  zum  Theil 
sich  mit  ahlösen,  in  die  ausgewaschene  Flüssigkeit  gerathen  und 
in  die  Analyse  des  BlutroLhs  mit  eingeheu.  Das  Blutroth  löst 
sich  in  Wasser  in  allen  Verhältnissen  auf. 

Die  Auflösung  des  Blutroths  in  Wasser  röthet  sich  schwä- 
cher an  der  Luft  als  das  Blut  seihst.  Beim  Abdampfen  hei  einer 
Wärme  bis  zu  50"  Cent,  wird  sie  zu  einer  schwärzlichen  Masse, 
die  sich  zu  dunkelrothern  Pulver  reiben  und  dann  wieder  in  Was- 
ser auflösen  lässt,  hei  70"  C.  coagulirt  der  Farhestoff  in  der 
Wässrigen  Lösung  und  ist  dann  unlöslich.  Dasselbe  geschieht 
Von  Alcohol , von  Mineral- Säuren,  auch  wenn  zur  Behandlung 
mit  Essig- Säure  Alcali,  oder  zur  Behandlung  mit  Alcali  Säure 
hinzugesetzt  wird.  Die  Niederschläge,  die  von  Erd-  und  Metall- 
oxyd-Salzen bewirkt  werden,  sind  theils  braun,  theils  schwarz, 
theils  rotli.  Berzvlius  a.  a.  0.  p.  50.  51.  . o • 

Im  dritten  Zustand  als  Coagulum  durch  Erhitzen  bis  70  ist 
der  Farbestoff  roth  und  körnig,  in  der  Wärme  getrocknet  wird 
er  schwarz.  Kochendes  Wasser  verändert  den  Farbestoff  zuletzt, 
so  wie  den  Faserstoff.  Auch  bilden  die  Säuren  mit  coagullrtem 
Blutroth  so  wie  mit  Faserstoff  neutrale,  in  reinem  Wasser  lösli- 
che Verbindungen,  die  vom  Blutroth  dunkelbraun  sind.  Alcalien 
lösen  das  Blutroth  auf,  Gerhestoff  schlägt  es  aus  seinen  Auflösun- 
gen in  Säuren  und  Alcalien  nieder.  Tiedemann  und  Gmelik  ha- 
ben entdeckt,  dass  der  Farhestoff  allmählig  von  Alcohol  aufge- 
löst und  letzterer  dadurch  dunkelroth  wird.  Berz.  a.  a.  ().  p. 
50 56.  Durch  Ausziehung  aus  geronnenem  Blutroth  mit  Alco- 
hol lässt  sich  das  Blutroth  vom  Eiweiss  trennen,  welches  von  Al- 
cohol nicht  aufgelöst  wird.  Lecasu  betrachtete  deswegen  die 
Substanz  der  Schale  der  Blutkörperchen,  die  er  Haematosin 
nennt,  als  eine  Verbindung  von  eigentlichem  Blutroth,  das  er 
Olohulin  nennt,  und  Eiweiss.  Hierzu  ist  aber  kein  Grund  vor- 
handen , da  das  hierbei  erhaltene  Eiweiss  vom  Serum  oder  gar 
''’on  den  mit  ausgewaschenen  Kernen  der  Blutkörperchen  her- 
»’ühren  kann.  Lecawu  in  Poggendorf’s  Annal.  1832.  4.  550. 
^ach  Micuaelis  Analyse  des  Farbestoffs  ist  dessen  elementare  Zu- 
sammensetzung in 

arteriellem  venösem  Blut. 


Stickstoff  . . 17,253  17,392 

Kohlenstoff  . 51,382  53,231 

Wasserstoff  . 8,354  7,711 

Sauerstoff  . 2.3,011  21,666. 

Hiernach  stimmt  die  elementare  Zusammensetzung  des  Blut- 
^othes  mit  der  des  Faserstoffs,  nur  dass  Blutroth  eine  grössere 
Menge  von  Asche  hinterlässt,  und  diese  viel  Eisen  enthält.  Denn 
dass,  wie  Brande  und  Vauquei.tn  glaubten,  der  Gehalt  von  Eisen 
Blutroth  nicht  gxösser  wie  im  Serum  und  anderen  thierlschen 
Theilen  ist,  haben  "Berzet.ius  und  Engelhart  widerlegt.  Oehlen- 
schlaeger  hat  auch  Eisen  im  Blute  von  Hunden 
«och  nicht  an  der  Mutter  gesogen.  Kasther’s  Avehw.  1831. 

Oct.  p.  317  Das  Elsen  ist  also  kein  zuhühges  Ingestum 


118  I.  Buch.  Von  den  organ.  Säften  etc.  I.  Alschn.  Vom  Bht. 


aus  den  Nalirungsstoffen.  Die  Asche  vom  Blutroth  ist  immer  al- 
calisch  und  rothhraun,  und  Beträgt  nach  Berzelitjs  1-j  his  l-j 
Procent  vom  Gewicht  des  getrockneten  Farhestoffs,  sowohl  vom 
Menschen-  als  Ochsenhlut,  nach  Michaelis  2,2  Proc.  im  Farhe- 
stofF  von  Kalhshlut.  Berzelius  erhielt  ans  1,3  Theilcn  Asche  von 
100  Theilen  getrokneten  Farhestoffs 

kohlensaures  Natron  mit  Spuren  von  phosph'ors.  Natron  0,3 

phosphorsauren  Kalk 0,1 

reine  Kalkerdc 0,2 

Basisch  phosphorsaures  Eisenoxyd 0,1 

Eisenoxyd 0,5 

Kohlensäure  und  Verlust 0,1 

In  einem  andern  Versuch  erhielt  Berzelius  aus  400  Gran 
des  getrockneten  Blutroths  5 Gr.  Asche.  Diese  war  zusammen- 
gesetzt aus  Eisenoxyd  50,0  basisch  phosphors.  Eisen  7,5,  phos- 
ph  ors.  Kalk  mit  einer  geringen  Menge  phosphors.  Talks  6,0,  rei- 
nem Kalk  20,0,  Kohlensäure  und  Verlust  16,5.  Das  allgemeine 
Resultat  von  Berzelius  Versuchen  ist,  dass  das  Blutroth  eine 
Quantität  Eisen  enthält,  die  etwas  mehr  als  Procent  seines 
Gewichts  metallischem  Eisen  entspricht.  Das  Mangan  ist  im 
Blute  noch  nicht  von  Mehreren  gefunden  worden.  Wurzer 
(ScHWEiGG.  J.  58.  p.  481.)  fand  in  2 Grammen  Blutkohle  0,108 
Eisenoxyd  und  0,034  Manganoxyd. 

Das  getrocknete  und  pulverisirte  Blut  reagirt  nach  Menghisi 
durch  seinen  Eisengehalt  gegen  den  Magnet,  das  eingeäscherte 
Blutroth  nach  Scudamore  nicht,  allein  keines  der  gewöhnlichen 
für  Eisenoxyd  empfindlichsten  Rcagentien,  wie  Biutlaugensalz, 
Gerhestoff,  Galläpfelsäure  und  die  stärksten  Mineralsäuren , hrin- 
gen  die  geringste  Reaction  an  unverhranntem  Blutroth  auf  Eisen 
oder  phosphorsauren  Kalk  hervor,  und  es  scheint  daraus  hervor- 
zugehen, dass  Eisen  und  Calcium  nicht  im  Zustand  eines  Salzes 
im  Blute  enthalten  sind.  Die  Angabe  von  Fourcroy,  dass  das 
Blutroth  eine  Aullösung  von  Basisch  phosphorsaurem  Eisnoxyd 
in  Eiweiss  sey  und  dass  der  auch  eisenhaltige,  aber  weisse  Chyliis 
das  Eisen  als  neutrales  phosphorsaures  Eisenoxydul  enthalte,  ist 
durch  Berzelius  Versuche  widerlegt.  Denn  das  basisch  phosphor- 
saure Eisenoxyd  ist  im  Blutwasscr  und  Eiweiss  mit  oder  ohne 
Zusatz  von  Alcali  unlöslich.  Auch  die  Behauptung  von  Phevost 
und  Dumas,  dass  das  Blutroth  Eiweiss  sey,  welches  Eisenoxyd 
aufgelöst  enthalte,  schien  nicht  richtig,  weil  sonst  Mineralsäuren 
und  Königswasser  das  Eisen  aus  unverhranntem  Blutroth  auszie- 
hen  würden.  Berz.  Thierchemie.  p.  58. 

Engei.hart  {de  oera  materiae  sanguini  purpureum  colorem  im- 
periienfis  natura.  Götling.  1825.)  hat  schöne  Entdeckungen  über 
den  Antheil  des  Eisens  an  dem  Blutroth  gemacht.  Er  zeigte  zu- 
erst, dass  eine  Aiillösung  von  Blutroth  in  Wasser^  die  man  mit 
Schwefelwasserstoff  imprägnirt,  nach  einiger  Zeit  die  Farbe  ver- 
liert, zuerst  violett,  dann  grün  wird.  Diese  Reaction  des  Schwe- 
felwasserstoffs ganz  wie  auf  Eisen  scheint  zu  beweisen,  dass  das 
Eisen  im  Blutroth  zu  seiner  Farbe  beitrage.  Dann  entdeckte 
Engelhart,  dass  sich  der  wässrigen  Auflösung  von  Blutroth  oder 


■ 2.  Chemische  Analyse  des  Blutes,  Farhestoff.  119 

dem  mit  Wasser  angerülirten  coagulirten  Blutroth  und.  anderen 
thierisclien  Substanzen  alles  Eisen,  Calcium,  Magninni,  Pbosplior 
entziehen  lasse,  wenn  masi  Chlorgas  durch  die  Flüssigkeit  leitet, 
oder  diese  mit  Chlorwasser  versetzt.  Die  Auflösung  von  Blnt.- 
roth  wird  zuerst  grünlich,  und  zuletzt  ganz  entfarhb;  die  thleii- 
sche  Materie  schlagt  sicli  in  weissen  blocken  mit  Salzsäure  oder 
Chlor  verbunden  nieder,  wahrend  Eisen,  Calcium,  MagniuiUj 
Phosphor  oxydirt  oder  mit  Chlor  verbunden,  Eisen  z.  B.  als  Ei- 
senchlorid, Phosphor  als  Phosphorsäurc,  in  der  Aullösung 'bleiben 
Und  durch  Filtration  ahgeschieden  werden  können;  wogegen  die 
thierische  Materie  bei  der  Verbrennung  keine  Asche  mehr  giebt. 
Nun  hat  aber  Chlor  keine  Verwandtschaft  zu  Oxyden,  wohl  aber 
eine  sehr’  grosse  zu  regulinlschen  Metallen^  ferner  wild  Eisen 
nicht  von  Salzsäure  und  änderen  Minei'alsäuren  aus  dem 
ausgezogen,  da  diese  doch  eine,  grosse  Verwandtschaft  zu  Metall- 
oxyden, aber  keine  zu  regulinischen  Metallen  haben.  Hieimach 
hielt  es  BEnzEcius  für  wahrscheinlicher,  dass  das  Eisen  im  Blute 
im  regullnischen  Zustande  und  niclit  als  Oxyd  enthalten  sey,  ob- 
gleich" man  keine  Analogie  für  die  Annahme  einer  Verhin^dung 
Von  Metall  mit  Stickstoff,  Kohlenstoff,  Wasserstoff,  Sauerstoff  hat. 

Zu  der  Ansicht,  dass  das  Eisen  im  Blut  als  Oxyd  enthalten 
sej',  hat  Heik».  Rose  (Poggekd.  Ann.  7.  Sl.)  neue  Stützen  gelie- 
fert. Rose  wiederholte  Engeeiiart’s  Beobachtung.  Wenn  er  die 
Flüssigkeit  nach  der  Veränderung  durch  Chlor  und  nach  der 
Präcipitulioii  der  thierischen  Materie  filtrlrte,  so  konnte  das  Ei- 
sen aus  der  Flüssigkeit  abgeschieden  werden;  wurde  sie  aber 
nicht  filtrix-t,  sondern  Ammoniak  im  TJebcrschnss  zugesetzt,  so 

I löste  sich  wieder  Alles  zusammen  zu  einer  dunkelrothen  Farbe 
auf,  und  es  wurde  kein  Eisen  abgeschieden.  Rose  vermischte 
dann  eine  Auflösung  von  Farbestoll  mit  einer  gewissen  Menge 
Eisenoxydsalz  und  setzte  Ammoniak  ira  TJebersebuss  zu,  worauf 
das  Eisenoxyd  in  der  Auflösung  blieb  und  weder  durch  Schwe- 
felwasserstoff noch  Galläpfeltinctur  niedergeschlagen  werden 
honnte.  Rose  fand  ferner,  dass  ein  grosser  Theil  nidit  flüchli- 
ger  organischer  Stoffe,  als  Zucker,  Stärke,  Gummi,  Milchzucker, 
Eelm  u.  a. , die  Eigenschaft  haben,  dass  bei  Venuischung  ihrer 
Wässrigen  Auflösung  mit  einer  kleinen  Menge  eines  Eisenoxydsal- 
*es,  das  Eisenoxyd  hei  Zusatz  eines  Alculls  nicht,  oder  nur  , zum 
Theil  niedergcsclilagen  wird.  Dies,e  Versuche  führen  wieder  zu 

Ansicht,  dass  im  Blutroth  Eisenoxyd  in  einer  Verbindung 
öiit  dem  Thierstoff  sey. 

' Dennoch  glaubt  Berzelius,  dass  die  Art  Verbindung,  welche 

Fei  Rose  das  Eisenoxyd  im  Farbestoll  oder  Eiweiss  aufgelösst 
Enthält,  nicht  die  sey,  durch  welche  der  Farbestoll  eiseiihaltig 
Et,  weil  sie  sonst  durch  Einwirkung  von  Säuren  ihren  Eisenge- 

j Falt  verlieren  müsste,  und  weil  eine  Verhiiidung  von  Farhesto 
oder  Blulwasscr  und  Eisenoxyd  oder  Eisenoxydul  durch  Zusatz 
^oa  einer  Mineralsäure  zersetzt  wurde,  indem  Farhestoil  oder 
Eiweiss  gefällt  wurden,  und  das  Oxyd  in  der  Säure  aufgelöst 
"lieb. 

j Berzelius  glaubt  daher,  dass  das  Eisen  im  Blutroth  im  me- 


120  /.  Buch.  Von  denofgan.  Söffen  etc.  I.  Ahschn.  Vom  Blut. 

tallischen  Zustande  vorkomme,  und  mit  Stickstoff,  Kolilenstoff, 
Wasserstofi^  Sauerstoff,  so  wie  mit  kleinen  Mengen  von  Phosphor, 
Calcium  und  Magniiim  organisch  verbunden  sey,  und  dass  sich 
beim  Einäschern  des  Hlutroths  dessen  Beslandthelle  oxydiren, 
und ‘Phosphorsäure,  Kalk,  Talk  und  Eisenoxyd  bilden.  Für  diese 
Ansicht  scheint  auch  der  Zustand  des  Eisens  im  Chylus  zu  spre- 
chen; denn  hier  muss  das  Eisen  sich  in  einem  ganz  andern  Zu- 
stand und  zwar  als  Oxyd  vorfinden,  indem  es  nach  Emmert 
(Reil’s  Archiv.  8.)  durch  Salpetersäure  ausgezogen  wird.  Und 
dann  mit  Galläpfeitinctur  einen  schwarzen,  mit  hlausaurem  Kali 
einen  blauen  INiederschlag  bildet.  Indessen  bekämpft  Gmeiis 
doch  die  Vorstellung  von  dem  vorzugsweisen  Anthcil  des  Eisens 
an  der  Farbe  des  Blutroths,  selbst  angenommen,  dass  Eisen  re-  j 
gulinisch  mit  Stickstoff,  Sauerstoff,  Wasserstoff,  Kohlenstoff  im  I 
Blulroth  verbunden  sey.  Er  sagt,  die  Entfärbung  des  Blutroths  | 
durch  Chlor  mit  Entziehung  von  Eisen  beweise  nicht,  dass  diese  | 
Entziehung  die  Ursache  der  Entfärbung  ist,  denn  cs  könnte  auch 
das  Chlor  das  Blutroth  bloss  durch  Entziehung  von  Wasserstoff  , 
oder  Uebertragung  von  Sauerstoff  auf  dessen  Bestandtheile  ent-  | 
färben,  und  die  dabei  entstehende  Salzsäure  könnte  dann  das 
Eisenoxyd  der  alcalischen  Flüssigkeit  aufnehmeii.  HIefür  führt 
Gmelin  an,  dass,  wenn  man  das  mit  Blutroth  gemengte  Blutwas- 
ser statt  mit  Chlor  mit  überschüssiger  kalter  Salz-  oder  Schwe- 
felsäure versetzt  und  von  dem  zwar  verdunkelten,  aber  keines- 
wegs entfärbten  Blutroth  ahfiltrirt,  man  in  der  Flüssigkeit  durch 
schwefelblausaures  Kali  ebenfalls  das  Eisenoxyd  entdecken  kann,  also 
sich  Eisenoxyd  ohne  Zerstörung  der  Farbe  entziehen  lässt.  Auch 
liefere  der  durch  wiederholtes  Auskochen  mit  Weingeist  gröss- 
tentheils  entfärbte  Ilückstand  von  geschlagenem  Blute  beim  Ein- 
äschern noch  eine  merkliche  Menge  Eisenoxyd.  Gmehn  Chemie 
4.  1169.  , 

Eine  eigenthümliche  Ansicht  über  die  Natur  des  Eisens  im 
Blut  hat  Treviranus  aufgestellt.  Wikterl  erhielt,  indem  er  Blut 
mit  Kali  verkohlte,  eine  in  Alcohol  lösliche  Substanz,  die  nicht 
wie  das  blausaure  Kali  das  Eisen  aus  seinen  Verbindungen  nie- 
derschlug, sondern  roth  färbte.  Nach  Trevirasus  soll  diese  Sub- 
stanz, die  Wikterl  Bhitsäure  nannte,  auch  im  Speichel  enthal- 
ten seyn,  und  Speichel  mit  einer  salpetersauren  oder  schwefel- 
sauren Eisenauflösung  blutroth  werden  (ich  finde  die  Farbe  nicht 
blutroth,  sondern  gelbroth).  Nach  Treviranus  ist  diese  Substanz 
in  Verbindung  mit  Eisen  die  Ursache  der  rothen  Farbe  des  Blu- 
tes. Gmelin  hat  nun  gefunden,  dass  diese  Substanz  im  Speichel 
Schwefelblausäure  ist  (obgleich  Kuehn  wieder  dieses  bezweifelt)- 
Siehe  den  Artikel  vom  Speichel. 

Neulich  hat  Hermbstaedt  aus  der  Beobachtung,  dass  aus  fau- 
lendem Blut  und  aus  Eiweiss  Schwefelwasserstoff  sich  entwickelt, 
so  wie  aus  mehreren  Versuchen  geschlossen,  das  Schwefel  iru 
Blut  enthalten  ist.  Die  Asche  des  Blutes  enthält  ein  Alcali,  ^e- 
scs  musste,  schliesst  Hermbstaedt,  in  der  Blutkohle  enthalten  sejn- 
Wird  aber  Blutkohle  mit  Kali  oder  Natron  geglüht,  so  werden 
Cyankalium  oder  Cyannatrium  gebildet.  Wird  Cyankalium  oder 


121 


2.  Otemische  Analyse  des  Blutes.  Faserstoff. 

Cyannatrium  mit  Schwefel  geglüht,  so  entsteht  Schwefel  ■^Cyan- 
Kalium  oder  Natrium,  welche  das  Eisenoxyd  hlutroth  färben. 

In  der  That  soll  Serum  oder  Eiweisslösnng,  oder  Milch  mit  Schwe- 
felblausäure versetzt  nach  Hinzufügung  einiger  Tropfen  Eisen- 
chlorid hlutroth  werden.  Sc/itveigg.  J.  1832.  5.  u.  6.  p.  314. 

II.  Faserstoff,  Fibrin. 

Man  hat  den  Faserstoff  bisher  nur  im  geronnenen  Zustande 
Untersucht.  Nach  der  von  mir  angegebenen  Methode  lässt  sich 
über  auch  der  noch  frische  aufgelöste  Faserstoff  des  Froschblu- 
tes vor  der  Gerinnung  untersuchen.  Man  bringt  nämlich  das 
hlut  vom  Frosche  schnell  mit  etwas  Wasser  oder  besser  Zucker- 
■»vasser  zugleich  auf  das  Filtrum  von  weissera  Filtrirpapier.  Die 
durchgehende  farblose  Flüssigkeit  enthält  Faserstoff  aufgelöst,  der 
erst  nachher  gerinnt.  Lässt  man  die  durchs  Filtrum^  gebende 
Flüssigkeit  in  ein  ührglas,  das  mit  Essigsäure  gefidlt  ist,  träu- 
leln,  so  gerinnt  der  Faserstoff  in  der  Essigsäure  nicht.  Enthält 
das  auffangende  Uhrglas  Kochsalzlösung,  so  gerinnt  der  Faser- 
stoff des  Froschblutes  darin  entweder  gar  nicht  oder  nur  zum 
Sehr  kleinen  Theil,  wie  auch  Rochsalzauflösung  dem  frischen 
Froschblute  zugesetzt,  die  Gerinnung  desselben  ausserordentlich 
lange  aufhält,  was  auch  unterkohlensaures  Kali  dem  frischen 
Froschblute  in  Auflösung  zugesetzt  verursacht,  ohne  die  Gerin- 
nung desselben  ganz  aufzubeben.  Vom  Blute  des  Menschen  weiss 
Ulan  schon  lange,  dass  einige  Salze,  schwefelsaures  Natron,  salpe- 
tersaures Kali,  in  einiger  Menge  dem  frischen  Blute  zugeselzt, 
Sein  Gerinnen  verhindern.  Man  kann  sich  hiernach  einen  Begiifi 
»nachen,  wie  die  kühlenden  Salze  bei  dem  entzündungswidrigen 
Verfahren  auf  das  Blut  wirken;  sie  wandeln  den  Faserstoff  um, 
der  in  der  Entzündung  eine  so  grosse  Neigung  hat,  sich  anzu- 
bäufen , und  in  den  Gelassen  des  entzündeten  Organes  und  nach 
Ausschwitzungen  desselben  auf  der  Oberfläche  der  Häute  zu 
gerinnen. 

Dass  wässrige  Lösung  von  caustischem  Kali  oder  Natron  die 
Gerinnung  des  aus  der  Ader  gelassenen  Blutes  vom  Menschen  zu 
einer  zusammenhängenden  Masse  verhindert,  wusste  man  schon 
lange;  nach  Prevost  und  Dumas  gerinnt  das  gelassene  Blut  der 
böheren  Thiere  nicht  mehr,  wenn  man  es  mit  -yoTö  caust.  Na- 
tron versetzt.  Lässt  man  die  vom  frischen  Froschblute  durchs 
Filtrum  gehende  Flüssigkeit  in  ein  Uhrglas  träufeln , worin  sich 
Fiquor  kali  caustici  befindet,  so  gerinnt  der  Faserstoff  nicht  zu 
®inem  Klümpchen,  sondern  es  entstehen  allmählig  ganz  kleine 
Flocken,  die  man  aber  nur  bemerkt,  wenn  man  recht  genau  zu- 
sieht. Solche  kleine  Flocken  entstehen  noch  deutlicher,  wenn 
*nan  die  Flüssigkeit  in  ein  Uhrglas,  das  mit  Schwefcläther  ange- 
fullt  ist,  träufe'ln  lässt,  und  im  Maasse  der  Verdunstung  des  Ae- 
tbers  neuen  Aether  zusetzt.  Von  Liquor  ammonii  caustici  setzt 
der  aufgelöste  Faserstoff  des  Froschblutes  keine  Kügelchen  und 
Flocken  ab. 

Den  frisch  geronnenen  Faserstoff  gewinnt  man  zur  chcmi- 
sehen  Untersuchung  durch  Schlagen  des  Blutes,  worauf  der  am 
Stabe  sich  anhängende  Faserstoff  ausgewaschen  wird,  oder  durch 


122  I,  Buch,  Von  den  organ.  Saften  etc.  I.  Ahschn.  Vom  Blut. 


Auswaschen  des  rothen  Goagulums.  In  diesem  Zustande  ist  der 
Faserstoff  specifisch  schwerer  als  Wasser,  als  Bhitwasser  und  als 
das  mit  Blutkörperchen  versetzte  Blutwasser  von  geschlagenem 
Blute;  in  allen  diesen  sinkt  der  Faserstoff  unter,  wenn  er  von 
anklebenden  Luftbläschen  befreit  ist.  Die  weitere  Bescbreibun.!^ 
ist  nach  Bebzelius.  Der  geronnene  und  ausgewaschene  Faserstofl 
ist  weiss,  durch  Trocknen  wird  er  gel])lich,  hart  und  spröde, 
nicht  durchscheinend,  und  verliert  | vom  Gewicht.  Von  Was- 
ser weicht  er  wieder  auf,  ohne  sich  aufzulösen.  Er  besitzt  we- 
der besondern  Geruch  noch  Geschmack.  Bei  dem  Wärmegrade, 
wo  er  zersetzt  wird,  schmilzt  er,  bläht  sich  auf,  entzündet  sich 
und  hinterlässt  eine  glänzende  Kohle,  wie  andere  Körper,  welche 
Stickstoff  enthalten.  Die  Kohle  verbrennt  zu  einer  grauweissen 
zusammengebackenen,  halbgcschmolzenen  Asche,  die  ^ Procent 
vom  Gewicht  des  trocknen  Faserstoffes  ausmacht.  Diese  Asche 
ist  weder  sauer  noch  alcalisch,  hinterlässt  nach  dem  Auflösen  in 
Salzsäure  Spuren  von  Kieselerde,  und  besteht  hauptsächlich  aus 
phosphorsaurer  Kalkerde,  etwas  phosphorsaurer  Talkerde  und  ei- 
ner sehr  unbedeutenden  Spur  von  Eisen.  Vor  dem  Vei'brennen 
lassen  sich  die  Bestandtheile  der  Asche  nicht  durch  Säuren  aus- 
ziehen,  und  scheinen  daher  zu  der  chemischen  Zusammensetzung 
des  Faserstoffes  gehört  zu  haben.  Im  geronnenen  Zustande  ist 
der  Faserstoff  sowohl  in  kaltem  als  in  warmem  Wasser  unlöslich, 
aber  bei  lange  fortgesetztem  Kochen  mit  Wasser  verändert  sich 
seine  Zusammensetzung,  er  schrumpft  zusammen,  erhärtet  und 
zerfällt  zuletzt  bei  dem  geringsten  Druck.  Es  entwickelt  sich 
hierbei  kein  Gas,  aber  die  Flüssigkeit  wird  unklar  und  enthält 
nun  eine  aus  den  Bestandtheilen  des  Faserstoffes  neiigebildete 
Substanz  aufgelöst.  Diese  Auflösung  hat  keine  Aehnlichkeit  mit 
einer  Lelmauflösung.  Bebzelius  Thierchemie,  p.  .35.  .36.  Faser- 
stoff, geronnenes  Ei  weiss,  Käsestoff  und  Blutroth  haben  übrigens 
gemein,  dass  aus  ilineii  durch  Kochen  in  Wasser  kein  Leim  aus- 
gezogen werden  kann.  Der  Faserstoff  mit  einigen  anderen  Stoffen 
(nicht  Eiweiss)  hat  auch  das  Eigenthümllche,  durch  blosse  Be- 
rührung das  Wasserstoffsuperoxyd  zu  zersetzen  und  mit  Entwicke- 
lung von  Oxygen  Wasser  zu  bilden,  ohne  dass  sich  der  Faser- 
stoff verändert.  Bei  grösseren  Mengen  von  Faserstoff  entwickelt 
sich  dabei  Wärme.  Zu  Säuren  und  Alcallen  verhält  sich  Faser- 
stoff so,  dass  er  bald  die  Bolle  einer  Basis,  bald  die  einer  Säure 
oder  wenigstens  eines  electronegativen  Körpers  spielen  kann.  Mit 
concentrirten  Säuren  quillt  er  auf,  gelatinirt,  wird  durchsichtig 
und  stellt  einen  sauren  Körper  dar,  durch  verdünnte  Säuren 
schrumpft  der  Faserstoff  zusammen  zu  einer  neutralen  Verbindung 
von  Säure  mit  Faserstoff.  Die  saure  Verbindung  mit  den  Mine- 
ralsäuren ist  im  Wasser  unauflöslich,  die  neutrale  auflöslich,  da- 
gegen sind  die  saure  und  die  neutrale  Verbindung  des  Faserstof- 
fes mit  Essigsäure  beide  im  Wasser  auflöslicb.  Cyaneiseiikaliuto 
bringt  in  der  essigsauren  Auflösung  einen  Niederschlag  hervoO 
was  für  den  Faserstoff  cluiracteristisch  ist,  da  diess  bei  Zellge- 
webe, Sehnengewebe,  elastischem  Gewebe  der  mittlern  Arterien- 
haut nicht  der  Fall  ist.  Diese  Verhältnisse  zu  den  Säuren  sind 


2.  Chemische  Analyse.  Bliüwasser, 


123 


jedoch  dem  Eiweiss  wie  dem  Faserstoff  zugleich  eigen.  Nach 
Caventou  und  Bourdois  lösen  sich  Faserstoff,  Eiweissstoff,  Käse 
Und  Schleim  in  kalter  concentrirter  Salzsäure  auf,  und  nehmen 
bei  + 18“  bis  20"  nach  24  Stunden  eine  schöne  blaue  Farbe 
®n,  -^vas  hei  dem  Leime  und  den  Sehnen  nicht  der  Fall  ist.  War 
•ler  Faserstoff  hierbei  nicht  völlig  frei  von  Farhestoff,  so  wird 
•^ie  Flüssigkeit  statt  blau,  purpurfarben  oder  violett.  Faserstoff, 
J-iweissstoff  und  Käse  stimmen  auch  darin  überein,  dass  sie  in 
"Uendem  Kali  und  Natron  zu  einer  Gallerte  aufgelöst  werden, 
uhne  sich,  wie  der  Hornstoff,  in  eine  seifenartige  Substanz  zu 
'’^rwandeln.  Die  Elemente  des  Faserstoffes  sind  nach  den  Ana- 
b’sen  von  Gay-Lussac  und  Thehard,  und  nach  den  von  Micuae- 
tis  in  folgender  Combination: 


G.  und  T. 

Mich. 

arteriell 

venös 

Stickstoff  19,934 

17,587 

17,267  f 

Kohlenstoff  53,360 

61,374 

60,440 

Wasserstoff  7,021 

7,254 

8,228 

Sauerstoff  19,685 

2.3,785 

24,065 

[ehe  Berzelius  Thierchemie 

p.  34  — 47. 

E.  H.  Weber  in 

yiLDEBRANDT’s  Anatomie  /.  p.  83. 

Der  Faserstoff  findet  sich  ausser  dem  Blute  noch  im  Chylus 
^ud  in  der  Lymphe  im  aufgelösten  Zustande,  im  festen  in  den 
"Muskeln,  im  Uterus.  Die  Fasern  der  Arterien  enthalten  dagegen 
deinen  Faserstoff. 

III.  Blutmasser.  _ ^ 

Lässt  man  Serum  ganz  vollkommen  durch  Wärme  bis  76 
^oaguliren,  und  behandelt  die  eingetrockuete  Masse  mit  kochendem 
Y '^sser,  das  hierdurch  Aufgelöste  aber  wiederholt  mit  Alcohol,  so 
^'Oirnt  der  Alcohol  auf  Chlor-Natrium,  Chlor-Kalium,  milchsaures 
"Rtron,  Osmazom,  und  das  nicht  vom  kochenden  W^asser  und 
^loohol  Aufgelöste  ist  erst  das  reine  Eiweiss.  Das  Blutwasser  ent- 
”*lt  also  an  thierischen  Thciien  Milchsäure,  Osmazom  und  Eiweiss. 

1)  Milchsäure,  acidum  galaciicum.  Diese  Säure  besteht  aus 
Kohlenstoff,  Wasserstoff,  Sauerstoff,  sie  ist  der  Essigsäure  ver- 
^äudt,  ist  aber  nach  Berzelius  bestimmt  von  ihr  verschieden; 
^0  bildet  mit  Basen  Salze  von  eigenthümlicher  borm,  die  nach 
®®zelius  nicht  durch  Verunreinigung  von  Essigsäure  mit  einer 
bieriscben  Materie  entstehen.  Siehe  das  Nähere  Tlderchemie  p. 
bO.  jyjg  j-gide  Alilchsäure,  nach  der  von  Berzeeius  neulichst 
^Osehriebenen  Methode  dargestellt,  ist  farblos,  ohne  Geruch  und 
einem  heissend  sauren  Geschmack,  der  bei  Zusatz  von  Was- 
f®*’  sehr  rasch  abnimmt.  Milchsäure  löst  sich  in  Alcohol  in  al- 
Verliältnissen,  in  Aether  nur  in  geringer  Menge  auf.  Die 
’^dchsäure.  findet  sich  ausser  dem  Blutwasser  auch  im  Muskelflei- 
^be  und  in  der  Krystalllinse ; ferner  finden  sich  Milchsäui'c  und 
dchsaure  Salze  in  vielen  Absonderungssäften,  besonders  in  der 
, dch.  Milchsäure  und  ihre  Salze  sind  immer  mit  Osmazom  verbun- 
werden  durch  Weingeist  gemeinschaftlich  mit  ihm  ausgezo- 
lassen  sich  aber  dui'ch  Galläpfelaufguss  von  ilini  scheiden. 


124  I.  Buck.  Von  den  organ.  Säften  etc.  I.  Ahschn.  Vom  Blut. 

der  das  Osmazom  niedersclil'ägt.  Berzelius  Thierchemie  p.  576-^ 
584.  E.  H.  Weder’s  Anatomie  I.  B.  p.  90. 

2)  ösmazom,  Fleischexiract  von  Thouvenei.  Es  ist  in  kalleiB 
und  heissem  Wasser,  in  kaltem  und  lieissem  Weingeist  auflöslicb, 
zerfliesst  an  der  feucliten  Luft,  schmilzt  in  der  Wärme,  und  wird 
durch  Galläpfelaufguss  aus  seinen  Auflösungen  niedergeschlagen- 
Das  Osmazom  kommt  nach  Gmelis  auch  im  Speichel,  pankreati- 
sehen  Safte  und  Magensafte  vor.  Berzelius  hält  das  Osmazom 
nicht  für  eigenthümlich , sondern  für  eine  Verbindung  von  einer 
thierischen  Materie  und  milchsauren  Salzen. 

.3)  Eiiveiss,  albumen.  Das  Eiweiss  bleibt  nach  der  Ausziehung 
der  Milchsäure  und  des  Osmazoms  aus  dem  getrockneten  Coo- 
gulum  des  Serums  zurück.  Dieser  Stoff  findet  sich  ausserdem 
in  der  Lymphe,  im  Chylus,  in  dem  Weissen  und  Gelben  des  Eies, 
in  letzterem  mit  Oel  gemengt,  in  dem  Absonderungsproducte  der 
serösen  Häute,  in  den  Flüssigkeiten  des  Zellgewebes,  im  Humor 
aqueus  des  Auges,  im  Glaskörper  desselben,  im  Gehirne  und  den 
Nerven  mit  phospborhaltigem  Fette,  in  dem  Inhalt  der  Graaf’- 
schen  Bläschen  des  Eierstockes  der  Säugethiere  und  des  Menschen- 
Hier  ist  zunächst  vom  Eiweiss  des  Blutwassers  die  Rede.  Es  giebt 
davon  zwei  Zustände. 

a.  Eiweiss  im  aufgelösten  Zustande.  Es  scheint  im  Blutwas- 
ser mit  Natron  verbunden,  was  man  Albuminat  von  Natron  nennt. 
Berzelius  glaubt  nicht,  dass  das  Eiweiss  im  Blutwasser  durch 
das  Natron  aufgelöst  erhalten  werde;  denn  man  kann  das  Natron 
durch  Essigsäure  sättigen,  ohne  dass  ein  Niederschlag  erfolgt.  Zn 
dieser  Neutralisation  sind  nach  Sthomeyer  auf  ^ Unze  Blut  lO 
Tropfen  destillirten  Essigs  nöthig.  Wird  Blutwasser  oder  Eiweiss- 
auflösung bei  einer  nicht  bis  -f-60®  C.  gehenden  Temperatur  ab- 
gedampft,  so  trocknet  es,  wird  durchscheinend,  und  ist  nachher 
wieder  in  Wasser  auflöslich.  Bei  70  — 75“  C.  gerinnt  das  Ei- 
weiss und  ist  dann  in  Wasser  unlöslich.  Eiweiss  mit  sehr  viel 
Wa.^ser  vermischt,  wird  durch  Hitze  nicht  mehr  fest,  sondern 
gerinnt  ln  Kügelchen  zu  einer  milchartigen  Flüssigkeit,  die  indes- 
sen beim  Abdampfen  vollkommen  geronnenes  Eiweiss  darstellt- 
Das  aufgelöste  Eiweiss  gerinnt  durch  die  galvanische  Säule,  durch 
Weingeist,  Mineralsäuren,  von  Metallsalzen  (z.  B.  von  Zinn,  Blei; 
Wismuth,  Silber  und  Quecksilber),  von  Chlor,  von  Galläpfelinfw' 
sion  und  Eiweiss  des  Blutwassers  nach  Dutrochet’s  und  meinem 
Beobachtungen  durch  sehr  concentrirte  Auflösung  von  fixem  Al' 
cali,  xvenn  wenig  Blutwasser  mit  viel  Liquor  kali  caustici  versetzt 
wird,  dahingegen  dieser  nach  meinen  Beobachtungen  nur  das  un- 
verdünnte Eiweiss  der  Eier  coagullrt.  Liquor  kali  caustici  schlägt 
nach  meinen  Beohachtungen  auch  das  Eiweiss  der  Lymphe  un‘l 
des  Chylus  nieder.  Gmelin  hat  beohachtet  und  ich  habe  es  h®' 
stätigt  gesehen,  dass  das  Eiweiss  der  Eier  auch  von  weingeist' 
freiem  Aether  gerinnt,  während  dieser  aus  Blutwasscr  nichts  ni®' 
derschlägt. 

Meine  Beohachtungen  über  den  aufgelösten  Zustand  des  F®'' 
serstoffes  im  frischen  Blute  haben  mir  Data  zur  Vergleichung  de* 
noch  aufgelösten  Faserstoffes  vor  dem  Gerinnen  mit  dem  aufg®' 


125 


2.  Chemische  Analyse  des  Blutes,  Eiwelss. 

lösten  Eiweiss  geliefert.  Die  Essigsäure  schlägt  nichts  ans  Blnt- 
■Wasser,  aber  auch  nichts  aus  der  frischen  Faserstoflösung  nieder; 
denn  lässt  man  von  Froschblut  die  durchs  Filtrum  gehende  Flüs- 
sigkeit in  ein  Uhrglas,  das  mit  Essigsäure  gefüllt  ist,  träufeln,  so 
gerinnt  der  Faserstoff  in  der  Essigsäure  nicht.  Die  Neutralsalze 
Schlagen  nichts  aus  Serum  nieder,  und  mehrere  derselben,  kolj- 
lensaures  Kali  und  Natron,  salpetersaures  Kali,  schwefelsatires 
hatron  (beim  Frosche  auch  Kochsalz)  erhalten  den  frischen  Fa- 
serstoff aufgelöst,  oder  verhindern  dessen  freiwillige  Gerinnnngi 
Licjuor  ammonii  caustlci  schlägt  nichts  aus  der  frisch  vom  Frosch- 
hlule  ahfiltrirten  Faserstofflösung  nieder,  so  wenig  als.  aus  aufge- 
löstem Eiweiss.  und  Blutwasser.  Liquor  kali  caustici  schlägt  das 
Eiweiss  aus  Blutwasser  nieder,  eben  so  wie  in  kleinen  Flocken 
den  Faserstoff  der  vom  frischen  Fro.schhiate  ahgeseihten  Faser- 
Höfflösung,  wenn  man  z.  B.  diese  Flüssigkeit  in  ein  Uhrglas  voll 
Liquor  kali  caustici  träufeln  lässt.  Aelher  schlägt  nichts  aus  Blut- 
tvasser  nieder,  aber  wohl  gerinnt  der  Faserstoff  der  .vom  Frosch- 
hlute  abgeseihten  Faserstotfauhösung  in  Flocken,  wenn  man  die 
■Flüssigkeit  in  ein  Uhrglas  mit  Aether  träufeln  lässt;  und  im 
^laasse  der  Verdunstung  neuen  Aether  zusetzt.  Künstlich  be- 
■'virktc  Gerinnung  von  Faserstoff  durch  Liquor  kali  caustici  oder 
•Aether  unterscheidet  sich  von  der  freiwilligen  Gerinnung  dessel- 
Len,  dass  letztere. ein  anfangs  durchsichtiges,  hCräach  sich  tn»- 
Lendes  und  ganz  fest  zusammenhängendes  Coagulnm  liefert,  wäh- 
*'Pnd  die  künstliche  Gerinnung  von  Fasez'stölf  diesfcn  wie  sonst 
das,  .Eiweiss  des  Blutwassers  in  nicht  fest  zusammenhängenddrt 
K.ngelchen  absetzt.  Die  Hauptunterschiede  des  aufgelösten  Fa- 
*erstpffes  vonEi'*'eissauflösung  imBlutwlasseii  .sind  nun,  dass  erste- 
^pr  sich  selbst  überlassen  von, .selbst  gerinnt,  dass!  Eiweiss  nur 
durch  Ditze  und  ReagentiCn  gerinnt, . uild  dassiFasefstoffflüssigj- 
Leit  von  Aether,  nicht  aber  Eiweiss  in  Kägelclhen  gerinnt  ' 

Vermischt  man  aufgelöstes  Eiweiss  mit  5!äuren  oder  Alkalien; 
*e  wird  der  Theil,  der  sieh  mit  den»  .Reagens  vei'bindet,  dn-  den- 
^Ihen  Zustand  wig  geronnenes  Eiweiss.  versetzt;  selbst  wenn' diess 
■Reagens,  kein  Eiweiss  niederschlägt;  wie. .Essigsäure,:  Ammonium 
Und  verdünnte  Kalilösung;  die  essigsaufe  EiWeissauflösung  wird 
^un  Kali,  die  alcalische  Auflösung'  vonl  Säure  niedergeschlagen, 
§anz  -wie  bei  dem  Farbestoffe.  ' . 

Wird  Blutwasser  mit  kleinen  Mengen  Won  Metnllsalzeh  ver- 
®hscbt  und  dazu  etwas  mehr  paust.  Kali  gesetzt, ' als  kur  Zerset- 
zung des  Metallsalzes  nöthig  ist,  so  wird  cllas  .Oxyd  nicht  ■ nieder- 
h®scb(lagen,  sondern  bleibt  mit  dem  Eiweiss  in  löslicher  Verhin- 
Uung;  Berzeciüs,  der  diess  anführt,  bemerkt,,  dass  durch' diesen 
Lrnstand  Metallsalze,  oder  Oxjule  vom  Darmkanal  oder  vbn  der 
^_äut  absorhirt  und  yom  Blntwasser  aufgelöst  geführt,,  und  durch 
Exprptionen  aasgeleert  werden;  wie  man.  denn  nach  deiu  Ge-i 
rauche  .yon  Quecksilber  das  Oxydul  ip  den . Flüssigkeiten  des 
örpers  aufgelöst  findet.  Atj.tskrietb  und, ZeLxer,  Reic’s  8. 

ouub,vrth,  Horx’s  Archio  1823.  iVoe.  41 7.  Caxtu,  Mem  d.  Tor, 
. •_  1825.  Buchner’s  Topücol.  538.  ('Sollten  nicht  die  äusserst 
**äigen  Verbindungen  der . MetaÜoxyde . mit  Eiweiss  für  die  arz- 


126  I,  Buch,  Von  den  organ.  Säfien.  I.  Abschn.  Vom  Blut. 

neiliche  Darreicliung  passen?)  Eiweiss  oder  Blntwasser  mit  con- 
centrirten  Auflösungen  von  Erd-  oder  Metallsalzen  vermischt; 
gerinnt,  und  das  Coagulum  entliiilt  die  Bestandtheile  des  Salzes. 
Auch  diese  geronnenen  Verbindungen  der  Salze  mit  Eiweiss  vef' 
dienen  eine  grössere  Berüeksicbtigung  in  der  Arzneikunde.  Un- 
ter den  schon  angeführten  IMetallsalzen  zeichnen  sich  das  essig- 
saure Blei,  und  noch  mehr  der  Sublimat  (Chlor-Quecksilber),  als 
die  empfindlichsten  Reagentien  für  Eiweiss  aus.  Sublimat  trübt 
noch  eine  Flüssigkeit,  die  nur  -^Vö  Eiweiss  aufgelöst  enthält- 
Durch  seine  grosse  Neigung,  mit  diesem  Salze  Verbindung  einzn- 
gehen,  ist  das  Eiweiss  das  Gegengift  desselben. 

b.  Eiweiss  im  geronnenen  Zustande  aus  nggregirten  Kügel- 
chen» So  verhält  sich  das  Eiweiss  chemisch  ganz  wie  Faserstofl» 
und  Berzelius  kennt  kein  verschiedenes  Verhalten  gegen  Re- 
agentien, ausser  dass  das  geronneneEiweiss  nicht  das  Wasserstoff- 
snpei'oxyd  zersetzt.  Auch  die  elementare  Ztisammensetzüng  ist 
wenig  abweichend,  wie  sich  aus  den  von  Gay-LussXc,  ThesarD; 
Michaelis  und  Prout  gegebenen  Analysen  ergiebt. 


Gay-L.  u.  Tuew.  Mich.  Prout. 

artorieU.  ' venös; 

Stickstoff  15,705  15,562  15,505  15,550 

Kohlenstoff  52,883  ^ 63,000  52,650  49,750 

Wasserstoff  7,540  6,993  7,359  8,775 

Sauerstoff  2.3,872  24,436  24,484  26,925 


Ueber  das  Verhältniss  des  Eiweisses  zu  den  übrigen  Bestand- 
theilen  des  But Wassers  giebt  Berzelius  Analyse  Auskunft;  ' lOO 
Theile  Blutwasser  Von  Menschenbhit  enthalten-  Wasser  90,59,  Ei- 
weiss 8,00;  Osmaizoni  j milchsaures  Natron'  0,4  mit 'Chlornatriui» 
0,6  durch  Alcohol  ausgezogen;  verändertes  Eiweiss,  koblensaures 
und  phosphorsaures  Alcali  0,41  in'  Wasser  löslich.  Lbcanu  bat 
bei  der  Analyse  des  Blut-wassers  auch  sch wefeliaures  Alcali,  koh- 
lensaure und  phosph-orsaure  Magnesia  und  phosphorsauren  Kalk 
gefunden.  Berzelius  vermuthet,  dass  die  drei  Hnuptbestandtheil® 
des  Blutes  Faserstbff^  Blutroth  und  Eiweiss,  nnr  Modificationen 
eines  und  desselben  Hiierischen  Stoffes  sind,  wie  z.  B.  das  Blut- 
roth seine  Eigenthümlichkeit  dem  Eisengehalt  verdanken  könnte- 
Derselben  Meinung  ist  Treviranus. 

IV.  Fette  Materie  im  Blute, 

I Das  Blut  enthält  selten  etwas  weniges  freies  Fett,  das  man 
dann  auf  der  Oberfläche -scbillern  sieht,  allein  das  meiste  def 
fetten  Muterie  ist  an  Faserstoff,  Farbefeloff  und  Eiweiss  gebunden-  | 
Rocht  ijian  das  mit  Blutroth  gemengte  Blutwasser  von  gescblngC' 
nem  .Ochsenblute  mit  Weingeist,  so  enthalten  die  ersten  Filtrate 
näcli . Gmeliu  Gallenfelt;  Talgfett,  Odfett,  Talgsänre.  Gmelis’* 
Chemie  A.  1163.  Von  'jenem  Fette  glaubte  Berzeliijs  früher,  das* 
es. 'durch  1 die  chemische  Behandlung  dcli  erst  bilde.  Dass  ab«*' 
Fett  in  dem  Faserstöfte'i  in  dpm  Eiweiss,  in  dem  Blutrothe,  an*  ' 
denen  man  Os  ausziehtfj'“  im  gebundenen  Zustande  wirklich  ent- 
halten ist,  ist'  deswegen-  sehr  wahrscheinlich,  weil  der  Chyln*i 
woraus  dak  Blut  sich  -hihlet,  fette  Materien  im  ungebundenen  Zn- 
stande  in  Form  von  Eilmlsipn  enthält,  die  sich  durch  die  Blut' 


2.  Chemische  Analyse  des  Blutes.  Fette  Materien.  127 


tilcinng  wälirsclieinUch  mit  der  andern  thierischen  Materie  enger 
Verbinden.  Vom  FaserstofFe'  des  Blutes  hat  Chetretii.  mit  Aether 
eine  fette  Materie  abgesondert,  analog  derjenigen , die  man  vom 
Gehirne  erhält,  und  wie  diese  vorzüglich  merkwürdig  durch  den 
Gehalt  an  Phosphor,  den  sie.  im  gehundenCn  Zustande  enthält, 
^etzt  ist  Berzelixts  auch  der  Meinung,  dass  jenes  Fett  nur  Educt, 
•'icht  Product  der  Analyse  sey,  besonders,  da  Faserstoff  durch 
Ausziehen  des  Fettes  mit  Aether  oder  Alcohol  chemisch  nicht 
'Verändert  wird,  und  sich  nach  der  Ausscheidung  der  geringen 
^enge  Fett  durch  fortgesetzte  Behandlung  kein  Fett  weiter  aus- 
*iehen  lässt.  Das  Fett  vom  Faserstoffe  ist  nach  Berzeeitjs  in  ei- 
fern verseiften  Zustande,  denn  die  Auflösung  desselben  in  kaltem 
Alcohol  röthet  Lacmitspapier,  zum  Beweis,  dass  wenigstens  ein 
Theil  davon  in  demselhen  sauren  Zustande  wie  nach  dem  Ver- 
^cjfüngspröcesse  seyrt  rhüSse.  BERZEtrus  beschreibt  von  dem  Fette 
des' 'Faserstoffes  zwei  Modificationen,  ünd  schliesst  mit  der  Bemer- 
kung, dass  es  sehr  den  von  Chevrettl  hfeschriehenen  sauren  Sal- 
den von  Talgsäure  und  Oelsäure  mit  Kali  gleiche,  bis  auf  die 
Rrössere  Löslichkeit  des  erstem  in  Aether  und  Alcohol.  Nach 
^'lEvREUE  beträgt  , das  Fett  im  Faserstoffe  4 4,5  Procent.  Le- 

fand  im  Blute'  ■eine  cryrtöllisirhare  fette  Materie  nnd  eine 
^lige  Materie.  Von  der  erstem  fand  er  1,20  — 2,10,  von  der 
•extern  1,00 — 1,.30  in  1000  Blutwasser.  NachBouDET  {Essai  cri- 
^i^ue  et  experimental  sur  le  sang.  Paris  183.3.)  enthält  das  Blut 
®Uch  Ghblestrine,  wiö  schon  Gmelin  fand.  ' “ ; ' _ 

Alle  Fettarten  yelchnen  sibh  in  ihret  Zusainmeriselzung' durch 
dic^^ririge  Mehge  des  Sauerstotes  und  dip  überwiegende  Menge 
drs  Köhlcnstöfibs  aus.  Merkwürdig  ist,  dass  die  frei  im  'Körper 
J'oi'kommenden  Fettärten,  Stearin  und  Eläin,  welche  im  frei  vör- 
kommenden  Fette  immer  mit  einander  verimnden  sind,  gar  k'er- 
Stickstoff  enthaltetl.  ■ ■ 

' Stearin  Elain  ' 

' -Sauerstoff  9,454  9,548 

■Wässerstolf  11,770  ' • ‘ ' 11,422  ' " • 

Kohlenstoff  ■ ’ ‘ ' ' ; 79,030  ' . 

' Andere  Fettarlcn  'Sind,  wicr  das  Frtt  im  Blute,  an  ^dere 
^lierstoffd  gehUnden,  zuin  Theil  heim  Erkalten ' crystallislrhar 
'^öd  stickstoffhaltig  (Im  Blpte  und  Gehirne  auch  phosphorhaUi^)i 
’J'^d  lassen  sich  nicht  verseifen.  Dlem  Fettarten  kommen  aiWmr 
"em  Blute  im  Gehirne  und  den  Nerven',  in  der  Leber  und' vicl- 
®'uht  noch  in  einigen  anderen  Theilen,  vpr.  \ ' ‘ 

Sieht  man  ah  von  dde  dtfreh  Ahsoriderühgen  gehildeteh  neuep 
’^Pganischen  Alaterie,  wite  vohr  Gällenstöff,  Räsestoff,  Schleim  etp;, 
sind  die  näheren'  BPstandt.heile  aller  festen  Tlieile'  des  Körpd|rä 
^eits  im  Blute  ehtliälteri.  als.  Faserstoff)  Eiwel.ss,  Osniazoni, 
^tehsänrej  fettige -Mateüd;  ' Nur  der  ih  den  Sehdenfäsern,  Khör- 
Knochep,  serösen'  Jläuten  und  im  Zellgeivfehe  üh'erhatiyt, 
^sonders  auch  iin  ZellgÖ-Wehe  der  Muskeln  vorkomtriende  Leim, 
"'en,  macht' hiervoff" eine  Ausnahme.  Zwar  haben  Pabmertipr. 
DEYRtrx,  .und  Saissy  ijp,  Blutfe  auch  Leim 'oder  GaÜbrte  za 


un  geglaubt.  Allein  dieSs  war  offenbar' ein  Irrthum.  Es  fragt 


128  I.  Buch.  Von  den  organ.  Säften  etc.  I.  Ahschn.  Vom  Blut. 

sicli  indess,  oL  überhaupt  der  Leim  niclit  erst  durch,  eine  vom 
Rochen  bewirkte  Zersebtung  entstellt.  Leim  wird  ans  den  ge- 
nannten Theilen  durch  kochendes  Wasser  dargestellt,  er  ist  io 
Weingeist  und  kaltem  Wasser  unauflöslich,  was  ihn  vom  Osma-  | 
zom  unterscheidet,  er  gelatinirt  heim  Erkalten  noch  in  der  150-  ! 
fachen  Menge  Wasser,  so  dass  in  der  Gallerte  der  Lelm  mit 
Wasser  gebunden  ist,  und  löst  sich  durch  kochendes  Wasser 
wieder  auf,  was  ihm  von  Faserstoif  und  Eiweiss  unterscheidet. 
Er  ist  in  Säuren . und  Alcallen  allmählig  löslich , von  Gerhestofl 
und  von  Chlor  wird  er  niedergeschlagen.  E.  H,  Weser  hat  die 
Gründe  zusammengestellt,  welche  es  wahrscheinlich  machen,  dass 
Leim  'slch  durch  Zersetzung  der  thierischen  Materien  hildet,  eine 
Meinung,  welche  Prochaska,  Berzeiutis  und  Ficikiis  theilen.  Am 
meisten  spricht  hiefür,  dass  nach  Berthqllet  Fleisch,  welches 
heim  Rochen  keinen  Leim  mehr  gab,  durch  Faulen, in  gesperr- 
ter Luft  mit  Rohlens'äureentwickelung.  die  Fähigkeit  erlangt,  iwio- 
der  I>eim  zu  liefern.  Vergl.  Wienuolt,  Meck..  A.  1,  p.  206* 
Berz.  Thierch.  p.  661.  . ; 

. Jff.  Cupiiel.  Analyse  des  Blute, s.  durph  die  galvaniscEß 
, u , ■ . Säule. 

(Math  ‘eigenen  Beobachtungen.  POCGEB.  jfn«.  1832.  8.) 

Dutrochet  hat  ingeniöse  Versuche  üjjer  das  Verhalten  thje- 
rlsglmr  Substanzen  gegen  die  galvanische  Säule  gemacht.  ^Ann.  d. 
sp.,  X^l.  Fhob,iep,’s  Kot.  N.  715.)  Er  glaulste  auch  durch 
t^tühiooismus  aus  Eiweiss  Muskelfasern  zu  liilden,  und  behauptetet 
das?  die  Blutkörperchen  elpctrische  Pla^eopoare  seyen,  wovo» 
des''  Rcrn  electronegativ,  , die,  Schale  eJl^ctroposltiv  spy.  , 

Wird  ein  Tropfen  von  einer  wässrigen  Auflösung  von  Eidot- 
ter (worin  sehr  kleine  mikroskopische  Rügclchpn  suspendirt  sind) 
galvanisirt,  so  bemerkt  man  bald  die  von  Dutrochet, zuerst  be- 
obachteten Wellen.  Die  vom  Rupferpol -pder  negativen  Pol  aus- 
gehende Weile^  worin  sich  das  Alcali  der/zepsetzenden  ,^alze  an- 
häuft,,  ist  durchsichtig,  wegen;  Auflösung  defj  Eiweisses  dnrgh  da^ 
Alcali.  Die  vom  positiven  oder  Zinkpol  au^ehende  Welle,  v/O" 
ript  sich  die  Säpre  , sammelt  ist  undurchsiehtig  und  weissiieh,  be- 
sonders, im  Umfange  der  .Welle.  Beide.  Wellen  streben  cinau- 
dep  zn,  und  in  der  .BerüJ^rungslinic  entsteht  plötzlich  ,ein  line»' 
res  Gerinnsel,  welches, ganz  die  Form;, der  Berührungslinip,  ui'd  i 
zuweilen,  wie  dep  B.and  der  Wellen  im  , Act  der  Beriihrnng,  g®'  ' 
kräuselt  list. . Die  Berührung  der  bgiden;  Wellen  geschieht, 
einer,  lebhaften  Eevypgupg  in  d.er  Bwühpungslinie,^  worauf  dt^ 
Ah,«?t?P"§  des  , (iermifsel?  folgt;  siohald  aber.  die.  Ähseizung 

.Sescliehen  ish.  ist  anesi:rubig,  und  an  den»:  P*'  1 
rinusel  laii  öjwals  die  geringste  Spur  yon  Bewegung  zu  bemeU  | 
kpp.  Es  Isf  daher  nnbegreillicb,  wje  ein  , Beobachter  lerst^** 
Ranges,  wie  Dutrochet,  jenes  Eiwehsgerinnscl  fiir  eine  d'uT^ 
Blectricität  erzeugfe  eontractUe  Muskelfaser  ausgeben  konnte.  ^ 
ist  nichts  als  geronnenes  Eiweiss.  Dieses  Gerinnsel  hat  überdies*»  j 


3.  Analyse  des  Blutes  durch  die  gahanische  Säule.  129 

so  -wie  das  Eiweiss,  welches  sich  heim  Galvanislren  des  Blutse- 
rums um  den  Zinkpol  ansetzt,  keine  Consistenz,  sondern  besteht 
aus  Kügelchen,  die  sich  leicht  auseinander  wischen  lassen,  und 
Dur  in  der  Form  der  Berührungslinie  der  beiden  Wellen  ohne 
alle  Cohäsion  ahgcsetzt  sind.  Setzt  man  einen  Tropfen  Blutserum, 
gleichviel  oh  vom  Frosch  oder  von  einem  Siiugethiere,  unver- 
mischt  mit  Kügelchen,  beiden  Polen  aus,  so  bemerkt  man  keine 
deutlichen  Wellen.  Aber  es  erfolgt  am  Zinkpole  die  Absetzung 
Von  Eiwelsskügelchcn,  die  hier  von  innen  nach  aussen  zunehmen, 
indem  die  zuerst  um  den  Pol  abgesetzten  nach  aussen  gedrängt 
Werden,  und  beständig  neue  Absetzung  erfolgt.  Hach  den  An- 
sichten, welche  Dutrochet  hei  der  Anwendung  der  galvanischen 
Säule  auf  Thiersuhstanzen  befolgt,  müsste  man  das  Eiweiss  des 
Blutserums  für  einen  electronegativen  Körper  halten,  weil  es  sich 
am  Zinkpol  oder  positiven  Pol  ahsetzt.  Allein  diese  Absetzung 
erfolgt  durch  das  Gerinnen  des  Eivveisses  von  der  am  Zinkpole 
sich  anhäufenden  Säure  der  zersetzten  Salze;  am  Kupferpole 
Schlägt  sich  das  Eiweiss  nicht  nieder,  weil  es  dort  von  Alcali 
aufgelöst  bleibt.  Indessen  wird  doch  hei  einer  sehr  starken  Säule 
auch  am  Kupferpol  Eiweiss  niedergeschlagen,  wie  Gmelin  gezeigt 
Bat,  entweder  durch  die  sich  dann  entwickelnde  Wärme,  oder, 
üoeh  wahrscheinlicher,  weil,  wie  Dutrochet  und  ich  gefunden 
Baben,  concentrirte  Auflösung  von  fixem  Alcali  auch  Eiweiss  nie- 
derschlägt. OlT'enbar  hängt  es  vom  Salzgehalte  der  Flüssigkeiten 
ah,  dass  Eidotterauflösung  hei  derselben  Stärke  der  angewandten 
Säule  kein  Gerinnsel  am  Zinkpol  absetzt,  sondern  nur  eine  un- 
durchsichtige Welle  bildet  und  hei  der  Berührung  der  Wellen 
Beider  Pole  gerinnt,  dass  dagegen  Blutserum  am  Zinkpol  Eiweiss 
ahsetzt.  Lassaigne  brachte  Eiweiss  dui’ch  Weingeist  zum  Gerin- 
gen, und  wusch  es  so  lange  mit  Weingeist  aus,  bis  salpetersau- 
i'es  Silber  zeigte,  dass  kein  Kochsalz  mehr  darin  sejr.  Von  dem 
Geronnenen  löst  sich  0,007  im  Wasser  auf.  Dieses  wenige  Auf- 
gelöste gerinnt  durch  die  VoLTA’sche  Säule  darum  nicht,  weil  kein 
Kochsalz  darin  ist;  denn  es  gerann,  wenn  Kochsalz  zugeselzt 
^urde.  Ann.  de  chim.  et  de  phys,  T,  XX.  p.  97,  E.  H.  Weber 
Anatomie,  I.  A.  87. 

Wenn  ich  meine  Erfahrungen  nach  Dutuociiet’s  Grundsätzen 
•^vBlären  wollte,  so  wäre  das  Eiweiss  des  Eidotters  neutral,  weil 
erst  hei  der  Berülu'ung  der  beiden  Wellen  gerinnt,  das  Ei- 
^eiss  des  Blutserums  dagegen  electronegativ,  weil  es  am  Zinkpole 
Sarlnnt.  Man  braucht  aber  nun  nach  meiner  Erfahrung  der  Ei- 
^otterauflösung  nur  etwas  Kochsalz  zuzusetzen,  so  gerinnt  sie  am 
^iukpol,  und  es  bilden  sich  keine  Wellen. 

^ Setzt  man  einen  flach  ausgebreiteten  Tropfen  Blutes  vom 
®rosch  oder  von  einem  Säugethiere  der  galvanischen  Säule  ans. 
Bilden  sich  um  den  Kupferpol  die  gewöhnlichen  Gashläschen, 
^*0  Zinkpole  gerinnt  das  Eiweiss  als  ein  unzusammenhängender 
Brei  von  Körnchen,  gerade  so,  wie  wenn  Blutserum  ebenso  he- 
Bandelt  wird.  Die  Blutkörperchen  häufen  sich  weder  am  positi- 
noch  am  negativen  Pol  an;  der  Faserstoff  gerinnt  weder 
^uher  noch  später  als  sonst,  und  weder  am  positiven  noch  am 
“lUller’s  Physiologie.  9 


130  I.  Buch.  Von  den  organ.  Säften  etc.  I.  Ahschti.  Vom  Blut. 

negativen  Pole,  sondern  im  ganzen  aiisgeLreiteten  Tropfen 
zwisclien  beiden  Polen  und  rund  berum  in  einiger  Entfernung 
der  Pole.  Unmittelbar  um  die  Pole  leiden  die  Blutkörper- 
eben eine  Zersetzung  wogen  der  dort  sich  anhUufenden  Sau- 
ren und  Alkalien.  Der  Faserstoff  gerinnt  im  ganzen  Tropfen^ 
ohne  alle  Vei’Vinderung  der  Blutkörperchen ; diese  Gerinnung  tritt 
auf  gleiche  Art  ein,  wenn  man  arterielles  oder  venöses  Blut  von 
Xaninclien  statt  Froschblut  anwendet. 

Nimmt  man  vom  frischen  Froschblute  das  sich  bildende  Coa- 
gulum  so  lange  heraus,  bis  sich  nichts  mehr  bildet,  so  bleibt  zu- 
letzt ein  Gemenge  von  Bhilkörperchen  und  Serum  übrig.  Ein 
Tropfen  von  diesem  rotben  Satze  flach  ausgebreitet  und  dem  gal- 
vanischen Apparate  aitsgesclzt,  zeigt  dieselben  Phänomene  wie 
frisches  Blut,  mit  Ausnahme  des  Faserstoffes,  welcher  hier  fehlt. 
Die  Blutkörperchen  häufen  sich  weder  am  positiven  noch  am 
negativen  Pol  an,  sie  bleiben  im  ganzen  Tropfen  an  ihrer  Stelle-  ' 
Ara  Zinkpol  entsteht  der  breiige  Niederschlag  von  Eiweisskügel- 
gclchen,  wie  beim  Galvanisiren  des  Serums,  nur  dass  er  hier  von 
Blutkörperchen  röthlich  gefärbt  ist;  am  Rupferpole  bildet  sich 
der  gewöhnliche  Schaum  und  ein  fadenziehendes,  bräunliches 
Wesen  von  zersetzten  Blutkörperchen. 

Befreit  man  rothes  Coagulum  von  Säugethierhlut  auf  Fliess- 
papicr  vom  Serum,  so  viel  es  möglich  ist,  so  erhält  man  darauf 
durch  Auswaschen  des  Kuchens  eine  möglichst  reine  Auflösung 
von  Farhestoff,  in  welcher  freilich  immer  etwas  Eiweiss  des  Se- 
rums, welches  im  Coaguluni  eingeschlossen  war,  enthalten  ist- 
Wurde  ein  Tropfen  der  möglichst  starken  Auflösung  von  Farbe- 
stoff der  ' Voi.TA’schen  Säule  ansgesetzt,  so  erhielt  ich  verschie- 
dene Be.sultnte,  je  nachdem  ich  mit  den  Kupferdrählen  selbst  ' 
die  Kette  schloss,  oder  dem  sich  stark  oxydlrenden  Kupferdrahte  | 
des  Zinkpoles  ein  Endstück  von  Platindraht  ansetzte,  um  die  Oxy- 
dation des  Rupfers  ausser  Spiel  zu  lassen.  Tm  ersten  Falle  erhielt 
ich  Phänomene,  welche  von  den  von  Dütäochet  beschriebenen  1 
verschieden  sind,  im  zweiten  Falle  erhielt  ich  die  von  DutbocueT  ] 
beschriebenen  Erscheinungen.  Wandte  ich  blosse  Rnpferdrälite  j 
zum  Schliessen  der  Kette  an,  so  entstand  ein  rothes,  breiiges  Ge-  ' 
rinnsei  von  Eiweiss  und  Blutroth  um  den  Zinkpol.  Dieses  Ge-  ^ 
rinnsei  nimmt  immer  mehr  zu,  indem  der  um  den  Pol  entstan-  f 
dene  rolhc  Ring  von  dem  weiter  erfolgenden  Absätze  weiter  aus-  , 
gedehnt  wird.  Die  nachfolgenden  Absätze  sind  aber  weniger  rotlü  I 
meist  weissgrau.  Diese  Gerinnung  findet  rund  herum  um  de>*  , 
Draht  statt,  indess  wächst  das  Coagulum  in  der  Richtung  von* 
Zinkpol  gegen  den  Rtipfei’pol  hin  etwas  mehr,  als  sonst  in  de*" 
Peripherie  des  Zinkpoles.  Diess  ist  eine  Art  Niederschlag,  def 
die  Form  der  Welle  in  den  früheren  Versuchen  hat,  ‘ aber  ao* 
einem  consistenten  Brei  besteht.  Am  Kupferpol  bemerkt  man  di® 
gewöhnliche  Gasentwicklung  und  zuweilen  eine  sehr  undeutlich* 


vorhanden  ist.  Es  ist  die  um  den  Kupferpol  gewöhnlich  stattfin" 


Welle,  in  welcher  der  b’arbestofl  eben  so  aufgelöst  ist,  wie 
dem  übrigen  Tropfen;  der  Rand  dieser  Welle  ist  etwas  röthe«'; 
Dutbochet  nennt  diess  eine  rothe  Welle,  wozu  gar  kein  'Grün* 


131 


3.  Analyse  des  Blutes  durch  die  galvanische  Säule. 

dende  alkalische  Solution  des  Thierstoffes,  die  hier,  wie  dasUehrlge 
des  Tropfens,  Farhestofl'  aufsjelöst  enthiilt,  während  am  Zink  pol 
Eiweiss  und  Farhestolf  gerinnen.  Duteociiet  heschreibt  die  Phä- 
nomene vom  Galvanisiren  der  Farhestoffauflösung  ganz  anders, 
vergl.  Froriep’s  l^ot.  JV.  715.  Es  zeigten  sich  hei  ilim  zwei  Wel- 
len; die  saure  am  Zinkpol  war  durchsichtig,  und  trieb,  indem  sie 
wuchs,  den  rothen  Farhestoff  vor  sicli  her,  welcher  sich  um  die 
Saure  Welle  her,  so  wie  ausserhalb  derselben  anhäufte;  die  alka- 
lische Welle  am  Kupferpol  wurde  dagegen  durch  den  rothen  Far- 
hestoff seihst  eingenommen.  Die  beiden  Wellen  bildeten,  indem 
sie  sich  verbanden,  ein  leichtes  Coagulum,  welches  von  dem  Ei- 
Weiss  des  mitausgewaschenen  Serums  herriihrt.  Der  rotheFarhc- 
stoff  verband  sich  fast  sämmtlich  mit  diesem  Coagulum.  ^ Aus  die- 
sem Versuche,  wo  der  rothe  Farhestolf  von  dem  positiven  Pol 
*urückweichen  und  am  negativen  Pol  sich  anhäufen  soll,  schliesst 
Duteochet,  d^iss  diese  Substanz  positiv  electrisch  sey,  ein  Schluss, 
Wozu  dieser  Versuch  durchaus  nicht  berechtigt.  Ich  habe  schon 
erwähnt,  dass,  wenn  ich  Kupferdrähte  zum  Schliessen  der  galva- 
nischen Kette  an  wandte,  der  Farhestoff  sogleich  mit  Eiweiss  um 
den  Zinkpol  gerann,  und  dass  das  rothe  Gerinnsel  von  neuem 
Gerinnen  von  Eiweiss  nur  weiter  ausgedehnt  wurde.  Setzte  ich 
dagegen  an  das  sich  heim  Schliessen  der  Kette  oxydirende  Ende 
des  Kupferdrähtes,  zur  Vefmcidiing  dieses  Einflusses,  ein  Stück 
sich  nicht  oxydirendes  Metall,  ein  Stück  Plalindraht  an,  so  er- 
liielt  ich  fast  ganz  die  von  Dutrochet  heschriehenen  Phänomene. 
Es  entstanden  nun  wirklich  am  Kupfer-  und  Zinkpol  Wellen, 
Welche  gegen  einander  strehteh.  Sowohl  die  AVelle  des  Kupfer— 
Poles,  als  die  des  Zinkpoles,  hatte  eid'dn  deutlichen  rothen  Rand; 
diess  hat  Duteociiet  an  der  Welle  des  Kuplerpoles  übersehen, 
'ind  diess  ist  sehr  wichtig.  ' Die  Welle  des  Kuplerpoles  ist  nicht 
i’öther  als  der  P’arhcstolf  ausser  der  Welle,  nur  ihr  Rand  ist  rö- 
llier;  daher  ist  es  unrichtig,  W'cnn  Duteociiet  sagt,  dass  sich  der 
J’arbestoff  am  Kupferpol  anhäüfe ; ich  habe  den  Versuch  ausser- 
ordentlich oft  wiederholt,  und  nie  diese  Anhäufung  gesehen.  Der 
i'othe  Farhestolf  entfernt  sich  sogar  gewissermaassen  in  dem  rothen 
Eande  der  Welle  des  Kupferpoles  eben  so  vom  Kupferpol,  wie  in 
dem  rothen  Rande  der  AV’^elle  des  Zinkpoles  vom  Zinkpol.  W^enn 
die  Welle  des  Kupferpoles  nicht  röther  als  der  Farhestofl  im  Tro- 
pfen ausser  der  Welle  ist,  so  ist  dagegen  die  Welle  des  Zinkpo- 
^es  im  Innern  wirklich  farbloser  und  weniger  gelärht,  als  der 
I'arhestoff  ausser  der  Welle,  aber  doch  auch  nicht  ganz  farblos, 
^er  Rand  der  mehr  durchsichtigen  Welle  des  Zinkpoles  ist  rö- 
f*‘er,  als  der  Rand  der  W^elle  des  Kupferpoles,  der  jedoch  ehen- 
fälls  durch  seine  stärkere  Färbung  auffällt;  im  Rande  der  Welle 
‘Jes  Kupferpoles  ist  der  Farhestofl’  concentrirt  aufgelöst;  im  Rande 
der  Welle  des  Zinkpoles  besteht  der  Farhestolf  aus 'sehr  kleinen 
wügelchen.  Nach  meiner  Ansicht  hat  dieser  Versuch  grosse  Aelin- 
ijirhkeit  im  Erfolge  mit  dem,  wenn  man  Eidotterauflösung  der 
Einwirkung  der  VoLTA’schen  Säule  aussetzt.  Wendet  man  hei 
der  Farhestolfauflösung  blosse  Kupferdrähte  zum  Schliessen  der 
E-ette  an,  so  gerinnt  Farhestoff  und  Eiweiss  am  Zinkpol.  Setzt 

9 * 


132  J.  Buch.  Von  den  organ,  Säften  etc.  I.  Ahschn.  Vom  Blut. 


man  ctAvas  K.oclisalz  zu  Eiclotterauflösuiig , so  gerinnt  das  Eiweiss 
am  Zinkpol.  Vermlsclit  man  Farbestoftatillösung  mit  etwas  Koch- 
salz, so  verliiilt  sie  sicli  selbst  am  Platindrnhte  gleich  der  mit 
Kochsalz  versetzten  Eidotterauflösung,  cs  entstehen  keine  Wel- 
len, und  es  bildet  sich  ein  weissliches  Gerinnsel  am  Zinkpol. 
Wach  allem  diesem  halle  ich  Dutrochet’s  Behauptung,  dass  der 
Farbestofl’  des  Blutes  elcctropositiv  sey,  für  unerwiesen. 

Duteochet,  welcher  die  Kerne  der  Blutkörperchen  für  das- 
jenige hielt,  was  den  Faserstoff  des  Blntkuchens  ausmache,  löste 
von  Farbestofl’  ausgewaschenes  Coagultim  oder  farblose  Fibrlne  in 
schwach  alkalinlschem  Wasser  auf.  Eine  solche  Auflösung  wurde 
der  Voi.TA’schen  Säule  ausgesetzt.  Am  negativen  Pol  entwickelte 
sich  in  Menge  Wasserstofl’gas,  am  positiven  Sauerstoffgas;  allein 
die  beiden  Wellen  waren  nicht  vorhanden,  der  aufgelöste  Faser- 
stoff häufte  sich  nur  am  positiven  Drahte  oder  Zinkpol  an;  woraus 
Duteochet  schliesst,  dass  die  alkalinische  Lösung  von  Fibrin  sich 
wie  ein  Wciitralsalz  verhalle,  dessen  Alkali  sich  nach  dem  negati- 
ven, dessen  Säure  sich  nach  dem  positiven  Pol  begieht,  und  dass 
Fibrin  negativ  clecirisch  scy.  Nun  w'ciss  man  aber,  dass  der  Fa- 
serstofl'  sich  zu  den  Alkalien  und  Säuren  so  verhält,  dass  er  bald 
die  Rolle  einer  Basis,  bald  die  einer  Säure  spielen  kann.  Aus 
seinem  Verhalten  zu  Säuren  hätte  man  ganz  das  Gegentheil  von 
Dutrochf.t’s  Behauptung  schliessen  können,  indem  er  ja  mit  den 
Mineralsäuren  neutrale  Körper  bilden  kann.  Indessen  war  es  nö- 
thig,  Dutrochet’s  Versuche  selbst  zu  wiederholen.  Ich  fand  sie, 
wie  sich  bei  einem  so  genauen  Beobachter  vorausseben  liess,  in 
den  meisten  Punkten  bestätigt.  Ich  erhielt  jedesmal,  wenn  ich 
eine  Auflösung  von  Faserstqflf  des  Blutes  in  schwach  alkalinischem 
Wasser  auf  einer  Glasplatte  oder  in  einem  Uhrglase  der  Volta’- 
seben  Säule  aussetzte,  einen  geringen  Absatz  von  weissem,  brei- 
igem Coagulum  am  Zinkpol.  Da  ich  nun  den  Faserstoff,  von  ge- 
schlagenem Ochsenblute  genommen,  lange  Zeit  auf  dem  Filtrum 
ausgewaschen  hatte,  so  konnte  ich  ziemlich  sicher  seyn,  dass  er 
rein  von  Serum  und  von  den  Salzen  des  Serums  war,  und  es 
scheint  also  die  alkalinische  Faserstoffauflösung  wirklich  auf  den 
ersten  Blick  sich  in  electronegatlven  Faserstoff  und  electropositi- 
ves  Alkali  zu  scheiden.  Bei  diesem  Schlüsse  ist  Indessen  von  den 
mineralischen  Bestandtheilen  und  Salzen,  welche  der  ausgewa- 
schene Fasei'stofF  für  sich  als  Bestandtheile  enthält,  abgesehen, 
deren  Zersetzung  durch  die  Säule  auch  eine  Entwickelung  von 
Säure  am  Zinkpole  bedingen,  und  dadurch  den  Faserstoff  durch 
Bildung  eines  neutralen  Körpers  gerinnen  machen  konnte.  In- 
dessen lassen  sich  gegen  den  Versuch  selbst  noch  gegründetere 
Einwürfe  machen.  Der  von  Duteochet  beschriebene  Erfolg  fin- 
det nur  statt,  wenn  man  Kupfei'drähte  zum  Schliessen  der  Kette 
braxicht,  nicht  aber,  wenn  man,  um  die  Oxydation  des  Endes 
vom  Kupferdrahle  des  Ziukpoles  auszuschliessen,  dieses  Ende  mit 
einem  Stück  Platindraht  versiebt,  wie  ich  bei  jedem  von  mir 
wiederholten  Versuche  gefunden  habe.  Duteochet  scheint  seine 
Versuche  bloss  mit  Kupferdrähten  gemacht  zu  haben.  Befindet 
sich  am  Zinkpol  Platindraht,  so  bleibt  die  Entwickelung  von  Gas 
dieselbe,  am  Zinkpol  aber  sieht  man  noch  mehr  Gas  in  Bläschen 


133 


3.  Analyse  des  Blutes  durch  die  galvanische  Säule, 

als  vorher,  weil  es  nun  nicht  mehr,  wie  vorher,  den  Kupferdraht 
sogleich  oxydirt.  Aber  cs  bildet  sich  auch  nicht  die  entfernteste 
Spur  eines  Gerinnsels  am  Zinkpol  oder  Platindraht.  Hieraus 
muss  man  schliessen,  dass  die  Bildung  von  (lerinnsel  aus  alkalini- 
scher  FaserstolFauflösung  am  Zinkpol  beim  Ivuplerdrahte  von  der 
Oxydation  des  Kupferdrahtes  abhängig  sey. 

Genug  dass  FaserstolTauflösung  in  alkalinischem  Wasser  durch 
die  galvanische  Säule  nicht  zersetzt  wird,  sobald  man  nicht  den 
sich  oxydirenden  Kupferdraht  am  Zinkpol  hat,  und  dass  also  Fa- 
serstoff sich  nicht  evident  als  electro negativer  Körper  verhält, 
^ie  sehr  die  Absetzung  des  Fiweisses  und  haserstofles  aus  Auflö- 
sungen am  Zinkpole  diirch  den  Salzgehalt  der  Lösung  bestimmt 
tvird,  sieht  man  aus  folgendem  Umstande:  Alkalinische  Lösung 
'''on  Faserstoff  setzt  niemals  am  Platindrahtc  des  Zinkpoles  eine 
Spur  von  Gerinnsel  ah,  aber  diese  Gerinnung  erfolgt  sogleich, 
■Wenn  man  etwas  Kochsalz  zur  Lösung  zusetzt,  wo  dann  die  Salz- 
säure des  Kochsalzes  am  Zinkpole  das  Gerinnsel  bildet.  Hieraus 
geht  auch  hervor,  dass,  wenn  man  mit  einer  Auflösung  von  Fa- 
serstoff in  schwach  alkalinischem  Wasser  an  der  VoLTpschen 
Säule  experirnentiren  will,  der  Faserstoff  vorher  von  Serum  voll- 
kommen rein  sevn  muss,  weil  Serum  Kochsalz  enthält.  IVIan  er- 
kält ihn  von  Serum  rein,  wenn  man  ihn  von  geschlagenem  Blute 
®ehr  lange  mit  vielem  Wasser  auswäscht. 

Dutrociiet  hat  den  Faseiatoff  des  Blutes,  den  man  aus  dem 
Dothen  Coagulum  erhält,  Fiir  die  Kerne  der  Blutkörperchen  ge- 
kalten.  Diess  ist  nicht  richtig,  da  der  Faserstoff,  wie  ich  gezeigt 
kahe,  im  Blute  aufgelöst  ist. 

Da  man,  nach' der  von  mir  angegebenen  Methode,  Faserstoff 
«les  Froschblutes  ohne  Blutkörperchen  erhält,  indem  er  farblos 
®us  frischem  Blute  durch  eiiiFiltrum  von  weissem,  nicht  zu  dün- 
öem  Filtrirpapiere  geht,  so  schien  cs  mir  sehr  interessant,  das 
^erhalten  des  frischen,  noch  aufgelösten  Faserstoffes  vor  dem 
^»erinnen  gegen  die  galvanische  Säule  zu  prüfen.  Zu  diesem 
Zwecke  goss  ich  gleich  viel  destillirtes  Wasser  und  Froschblut 
®of  dasFiltrum;  die  durchgehende  Flüssigkeit  wurde  sogleich  den 
^olen  der  galvanischen  Säule  ausgesetzt.  Am  Zinkpol  setzte  sich 
Eiweiss  al>,  der  Faserstoü,  wasserklar,  sainnielte  sich  \ye- 
arn  Zinkpol  noch  arn  Kupferpol,  sondern  gerann  in  der  Mitte 
der  Flüssiü^keit  und  des  Ülirglascs  als  ein  isolirtes  KUirnpcIjen, 
Sorade  so,  als  wäre  die  galvanische  Säule  gar  nicht  applicirt  xvor- 
Die  Gerinnung  des  Faserstoffes  erfolgte  zur  gewöhnlichen 
und  die  Säule  führte  diese  Gerinnung  nicht  erst  herbei. 

. Eiweissniederschlag  am  Zinkpol  war  von  derselben  Art,  wie 
^k  ihn  heim  Galvanisiren  der  vorn  Faserstoff klümpcheii  befreiten 
Flüssigkeit  erhielt.  , 

Ich  habe  auch  die  Kerne  der  Blutkörperchen  vom  Frosche 
Hegen  die  VoLTA’sche  Säule  geprüft.  Man  bereitet  sich  ein  Ge- 
**ienge  von  Blutkörperchen  und  Serum,  indem  man  das  Gerinnsel 
'ifnrüttelt  und  herausnimmt.  Das  Gemenge  von  Blutkörperchen 
^>10  Serum  wird  in  einem  grossen  Uhrglase  mit  Wasser  versetzt, 
^Cfigerührt  und  ‘24  Stunden  stehen  gelassen ; dann  hat  sich  der 
^bestofl  aufgelöst;  i’”''  cs  sitzt  auf  dem  Boden  der  weisse  Sata 


134  I.  Buch.  Von  den  organ.  Säften  etc.  I.  Ahschn.  Vom  Blut. 


von  Kernen  der  Blutkörperchen.  Man  saugt  den  grössten  Theil 
der  überstehenden  Flüssigkeit  mit  einem  Tubulus  vorsichtig  auf. 
Mengt  man  den  weissen  Satz  mit  etwas  Wasser,  und  setzt  einen 
grossen  Tropfen,  auf  einer  Glasplatte  ausgehreitet,  der  Volta- 
schen  Siiule  aus,  so  hat  man  dieselben  Phänomene,  wie,  wenn 
man  eine  wässrige  Eidotterauflösung  der  Säule  aussetzt;  es  entste- 
hen zwei  Wellen."  die  des  Zinkpoles  ist  trübe  und  treibt  Kügel- 
chen vor  sich  her,  die  des  Kupfcrpoles  ist  durchsichtig  und  ent- 
hält keine  Kügelchen.  In  der  Auflösung  des  Farhestolfes  treibt 
die  Welle  des  Zinkpoles  rothe  Kügelchen,  in  dem  Gemenge  von 
Wasser  und  Kernen  der  Blutkörperchen  treibt  die  Welle  des 
Zinkpoles  weisse  Körperchen  vor  sich  her.  Hier  ist  kein  ele- 
ctrischer  Unterschied  zwischen  Kern  und  Schale.  Die  Welle 
des  Zinkpoles  ist  hei  der  FarhestolFauflösung  nur  durchsichtiger, 
hei  dem  Gemenge  von  Wasser  und  Kernen  der  Blutkörperchen, 
so  wie  hei  der  Eidotterauflösung,  die  auch  Kügelchen  enthält, 
trübe.  Indem  ich  nun  in  den  Resultaten  meiner  Beobachtungen 
von  Dütrochet  in  mehreren  Punkten  ahweiche,  muss  ich  doch 
der  ingeniösen  Art,  mit  welcher  dieser  geistreiche  Naturforschei" 
ein  grosses  Problem  zu  lösen  suchte,  meine  grosse  Bewunderung 
zollen. 

Sollte  Jemand  so  glücklich  seyn,  die  Electricität  des  Blutes 
auf  eine  entscheidende  Weise  zu  ermitteln,  so  könnte  ich  der 
Wissenschaft  zu  diesem  grossen  Fortschritte  nur  Glück  wünschen. 

Bis  dahin  ist  es  angemessen,  Erfahrungen,  welche  keine  Schlüsse 
erlauben,  mit  aller  Schärfe  der  Kritik  zu  prüfen;  weil  sie  allzu 
leichtfertig  von  Andern  aufgenommen  werden,  welche  die  Expe- 
rimente nicht  wiederholen.  Ich  habe  schon  erwähnt,  dass  man 
mit  dem  Galvanometer  keine  elcctrischen  Ströme  in  dem  Blute 
entdecken  kann,  ich  erhielt  keine  Schwankungen  der  Magnetnadel 
des  Multiplicators,  selbst  als  ich  den  einen  Draht  in  eine  Arterie, 
den  andern  in  eine  Vene  des  lebenden  Thieres  einsenkte.  Da-  | 
gegen  glaubte  Bellingeri  ein  Mittel  gefunden  zu  haben,  die  Ele- 
ctricität des  Blutes  an  den  Bewegungen  der  Froschschenkel  zu  I 
prüfen,  welche  entstehen,  wenn  mau  Blut  und  ein  Metall  mit  den 
Schenkelmuskeln  und  Nerven  und  unter  einander  in  Verbindung 
bringt.  Er  ging  von  der  Thatsache  aus,  dass  durch  Contact 
zweier  verschiedener  Körper  die  vorhandene  Electricität  in  grös- 
sere oder  geringere  Spannung  tritt,  und  dass  diese  Spannung  um  I 
so  grösser  ist,  je  weiter  beide  Körper  in  der  nach  ihrem  electri-  | 
sehen  Verhalten  geordneten  Reihe  von  einander  ahstehen.  Bel-  ' 
lisgeri  ordnete  die  Metalle  folgender  Maassen : Zink,  Blei,  Queck- 
silber, Antimon,  Eisen,  Kupfer,  Wismuth,  Gold,  Platina.  Nun 
verglich  er  das  elcctrische  Verhalten  des  Blutes  mit  dem  der  ge- 
nannten Metalle,  wenn  Blut  mit  einem  der  Metalle  in  Contact, 
und  Blut  und  Metall  mit  Nerven  und  Froschschenkel  in  Verhio- 
düng  gebracht  wurde , wobei  die  Zusammenziehung  der  Frosch- 
schenkel als  Electrometer  diente.  Nun  soll  ferner  bei  Fröschen, 
die  schon  etwas  von  ihrer  Reizbarkeit  verloren  haben,  nach  ihm» 
von  zwei  Metallen,  wovon  das  eine  am  Nerven,  das  andere  am 
Muskel  angebracht  wird,  dasjenige  sich  positiv  verhalten,  dessen 


3.  Organ,  Eigenschaften  des  Blutes,  Belebender  Emßuss,  135 

AnLringung  am  Muskel  Lei  ScLliessting  der  Kette,  und  d^sen 
Anbringung  am  Nerven  entweder  gar  niclit  oder  nur  l)eim 
nen  deV  Kette  Zuckung  erregt.  (Es  ist  woLl  umgekelirt.)  bo 
Avill  er  nun  gefunden  Laben,  dass  das  Tilut  gegen  verscbiedcne 
Metalle  sieb  versebieden  verhielt,  dass  beide  Blutarten  meist  gleich, 
dass  sie  in  den  meisten  Fallen  wie  das  Eisen  sieb  verhalten. 
Diese  sogenannte  Electricität  des  Blutes  soll  sieb  bmge  nach  dem 
Aderlass  erhalten  (Froriep’s  JVot.  408.).  Vergl.  p-  /l. 

Es  ist  unbegreiflich,  wie  man  diesen  Versuchen  grossen  Werth 
licilegen  konnte.  Ich  habe  schon  p.  68.  meine  im  Frublinge  vor 
der  Begattungsreit  der  Frösche  angestellten  Versuche  er/.ahlt. 
"Wenn  'man  den  Nerven  des  Froschschenkels  in  ein  bchalehen 
halt  Blut  oder  Wasser  (gleichviel)  legt,  und  die  Scbenkelrauskeln 
Und  die  Blutflüssigkeit  mit  einem  Stück  Kupferdrath  in  Verbin- 
dung bringt,  so  erhält  man  eine  Zuckung  des  Froschschcnlvels. 
ändern  ich  diese  Versuche  eben  jetzt  in  kalter  HerhstAvitterun^ 
(Ende  October)  wiederhole,  erhalte  ich  dieselben  Bcsultate,  und 
dherzeuge  mich,  dass  die  p.  68.  berichteten  seltenen  electrischen 
Phänomene  nicht  bloss  vor  der  Begattungszeit  im  Frublinge,  son- 
dern auch  in  kalter  Herbstwitterung  gleich  leicht  emtreten.  Hier 
Eann  man  sich  nun  überzeugen,  dass  eine  Kette  von  Kupier  und 
"Wasser  zwischen  Nerven  und  Muskel  vollkommen  gleich  gut  ist, 
als  eine  Kette  von  Rupfer  und  Blut.  Was  hat  man  nun  damit 
gewonnen,  wenn  das  eiectrische  Verhalten  des  Wassers  dasselbe 
Et,  als  das  des  Blutes?  Eabci  kann  es  wohl  scyn , dass  nicht 
einmal  das  Blut  oder  Wasser  in  dieser  Rette  ein  Electromotor 
Et,  sie  können  eben  so  wohl  blosse  Leiter,  und  das  Kupier  mit 
den  Muskeln  die  Electromotoren  seyn. 


IK  Capitel,  Von  den  organischen  Eigenschaften  und 
Verhältnissen  des  Blutes. 

a.  Belebender  Einflnss  des  Blutes. 

Das  bellrotbe  arterielle  Blut,  dessen  Elutkörpercben  nach 
^•cuAELis  kaum  etwas  weniger  Kolilenstoff  und  kaum  etwas  mehr 
^^uerstofF  im.  gebundenen  Zustande  enthalten^  wird  auf  dem  Wege 
^*trch  die  fernsten  Gefässe  des  Körpers  wieder  dunkelroth  oder 
Venös,  durch  eine  noch  unbekannte  Wechselwirkung  mit  der  or- 
§anisirlen  ftlaterie,  die  die  Organe  fähig  zum  Leben,  das  Blut 
‘‘her  unfähig  macht,  diesen  zum  Leben  nolliwcndigen  Reiz  wei- 
auszuühen.  Nur  dadurch , dass  das  Blut  wieder  in  den  Lun- 
ten helli’olh  wird,  indem  es  Sauerstoff  ans  der  Luft  aufnimmt 
vi^d  Kohlensäure  ausscheidet,  und  zwar  melir  Sauerstoff  aufmmmt, 
‘‘E  es  Kohlensäure  (nach  der  chemischen  Theorie  von  Kohlenstoll 
«es  Blutes  und  Sauerstoff  der  Luft  gebildet)  ausscheidet,  erlangt 
ps  wieder  diese  Fähigkeit.  Da,  wie  wir  später  sehen  werden, 
‘«nerhalb  einiger  Minuten  das  Blut  den  ganzen  Körper  durch- 
reiset, so  eiiangen  und  verlieren  also  dieselben  Thede  des  Blu- 
in  einigen  Minuten  einmal  diese  belebende  Fähigkeit.  3Sui 


136  I.  Buch.  Von  den  organ.  Säften  etc.  I.  Ahsclin.  Vom  Bhit. 


im  liellrotlien  arteriellen  Zustande  ist  das  Blut  fähig,  das  Leben 
zu  unterhalten,  die  Unterdrückung  der  Bildung  des  arteriellen 
Blutes  in  den  Lungen  erstickt,  d.  li.  macht  scheintodt  und  todt, 
vorzüglich,  wie  Bichat  gezeigt  hat,  durch  Lähmung  der  Funktio- 
nen des  Gehirns  und  Nervensystems.  Doch  ist  diese  Nothwen- 
digkeit  heim  Neugehornen,  noch  mehr  im  Winterschlaf  und 
Scheintod  und  hei  den  niedern  Thieren  geringer,  scheint  seihst 
hei  dem  Foetus  der  Säugethiere  ganz  zu  fehlen.  Siehe  den  Art. 
vorn  Athmen.  Am  meisten  sind  aber  die  Kräfte  des  Nervensy- 
stems und  des  animalischen  Lehens  vom  arteriellen  Blut  abhän- 
gig, diess  sieht  man  an  den  Erscheinungen  der  Blausucht,  wo 
durch  Fehler  in  den  Kreislaufsorganen  (Olfenhleihen  des  beim 
Foetus  vorhandenen  ductus  arteriosus  Botalli  zAvischen  arteria 
pulmonalis  und  aorta,  Olfenhleihen  des  beim  Foetus  vorhande- 
nen foramen  ovale  in  der  Scheidewand  der  Vorhöfe)  beide  Blut- 
arten immer  zum  Theil  gemischt  werden.  Die  Ernährung,  die 
Absonderung  leiden  hier  wenig  oder  gar  nicht,  wenn  auch  das 
Aussehen  der  Haut  dunkler  und  bläulich  ist;  aber  die  Muskelkraft 
fehlt,  die  geringsten  Anstrengungen  bringen  Erstickungszufälle, 
Ohnmächten  und  selbst  Scheintod  hervor,  der  Geschlechtstrieh 
bildet  sich  nicht  aus,  die  Wärme  ist  geringer.  Es  ist  eine  Nei- 
gung zu  Blutflüssen  und  seihst  zu  tödtlichen  Blutungen  vorhan-  , 
den.  Siehe  Nasse  über  den  Einfluss  des  hellrothen  Bluts  auf  die  | 
Entwickelung  und  die  Vei'richtungen  des  menschlichen  Körpers 
aus  Beobachtungen  hlausüchtiger  Kranken,  Reil’s  Archiv.  T.  10. 
p.  213.  Dass  aber  die  vegetativen  organischen  Functionen  weni- 
ger vom  arteriellen  Blut  ahhängen,  sieht  man  auch  daraus,  dass 
Absonderungen  zuweilen  von  Organen  geschehen,  die  nicht  allein 
arterielles,  sondern  noch  mehr  venöses  Blut  erhalten.  So  ge-  , 
schiebt  die  Absonderung  der  Galle  zum  Theil  vom  venösen  Blute 
der  Pfortader,  die  Absonderung  des  Harns  zum  gi-össern  Theil 
Lei  Amphibien  und  Fischen  aus  Venenblut  der  zuführenden  Nie- 
renvenen, welche  diese  beiden  Thierklassen  ausser  den  rückfüh- 
renden Nierenvenen  und  den  Nierenarterien  besitzen. 

Unterbindung  aller  Arterienstärnme  eines  Gliedes  bebt  das 
Bewegungsvermögen  auf,  und  erzeugt  zuletzt  örtlichen  Tod. 
Grosse  Blutverluste  machen  die  höheren  Thiere  sogleich  asphy- 
ctisch,  die  kaltblütigen  überleben  aber  lange  die  Entleerung  des 
grössten  Theiles  des  Blutes,  und  Frösche  leben  selbst  nach  Aus- 
sebneidung  des  Herzens  noch  viele  Stunden  lang,  und  sind  allef  j 
Bewegung  fähig.  Aber  selbst  erschlaffte  ausgeschnittene  Theile, 
wie  das  schon  bewegungslose  Herz  des  Frosches  in  v.  Humboldt’® 
Versuchen,  scheinen  durch  Eintauchen  in  Blut  wieder  einiger- 
rnaassen  belebt  zu  werden. 

Prkvost  und  Dumas  haben  gezeigt,  dass  das  Blut  seine  be- 
lebende Wirkung  nicht  so  sehr  durch  das  Blutserum  als  durch 
die  darin  schwebenden  rothen  Körperchen  äussert.  Spritzt  mal* 
in  die  Gefässe  eines  bis  zur  Ohnmacht  von  Blut  entleerten  Thie- 
res  Wasser  oder  reines  Serum  von  30®  C.,  so  wird  das  Thier 
nicht  erweckt.  Nimmt  man  dagegen  Blut  von  derselben  Art, 
wird  es  durch  jeden  Stoss  merklieh  wieder  belebt  und  zuletzt 
bergestellt.  Diese  Versuch«  sind  von  Dieffenbach  bestätigt. 


4.  Organ.  Eigenschaften  des  Blutes,  ’Thiltigkeitsuusserung'en,  137 

Diese  WiederbeleLung  soll  nacli  Prevost,  Dumas  und  Dief- 
eekeach  and»  erfolgen,  wenn  man  den  Faserstoff  des  Blutes  durch 
Schlagen  entfernt,  und  das  nicht  mehr  gerinnende  Gemenge  von 
Illutkörperchen  und  Serum  einspritEt.  Da,  wie  ich  gezeigt  habe, 
die  Blutkörperchen  in  geschlagenem  Blute  durchaus  unverändert 
sind,  so  sollte  man,  in  den  wenigen  Fallen,  wo  eine  Infusion  von 
Jllut  in  die  Adern  eines  lebenden  Wesens  gerechtfertigt  und  we- 
gen Blutleere  nöthig  ist,  lieber  geschlagenes,^  von  Faserstoff  hc- 
Ireites  Blut  von  der  geliörigen  Temperatur  injicirem  Dieses  ist 
nnd  bleibt  vollkommen  flüssig.  Man  vermeidet  hierdurch  die 
Hauptbeschwerde  der  Transfusionen,  dass  nämlich  das  Blut  wah- 
rend dem  Uebergang  aus  dem  einen  in  den  andern  Körper  allzu- 
leicht gerinnt.  Blut  von  einer,  andern  Art,  dessen  Körperchen  die- 
selbe Gestalt,  aber  verschiedene  Grösse  haben,  bewirkt  eine  un- 
vollkommene Herstellung,  und  gewöhnlich  stirbt  das  Thier  m o la- 
gen. Der  Puls  wird  dann  beschleunigt,  das  Athmen  bleibt 
öial,  die  Wärme  sinkt  sehr  schnell.  Die  Exretionen  sind  schlei- 
öiig  und  blutig.  Die  geistige  Thätigkeit  scheint  rieht  ahgeändert. 
öiess  erfolgt  a'ueh,  wenn  bloss  das  vom  Faserstoff  befreite,  cruor- 
l'altige  Blutserum  eingesprilzt  wird.  Einspritzen  von  Blut  mit 
Kreiskörperchen  in  die  Gefässc  eines  Vogels  (von  elliptischen  und 
l^t'össercn  Körperchen)  bewirkt  heftige  und  der  stärksten  Vergif- 
hiiig  Vihnllche  NervenzulVdle,  gewölinlich  den  Tod,  selbst  sehr 
plötzlich,  auch  wenn  eine  geringe  Menge  eingespritzt  wurde. 

Vvar  z.  B.  die  Wirkung  von  Schaflilut  auf  Enten.  In  vielen  Fäl- 
Kn,  wo  Kuh-  und  Schafblut  Ratzen  und  Kaninchen  eingespntzt 
'Vurde,  fand  für  einige  Tage  Herstellung  statt.  Es  bleibt  imnrer 
®<^hr  merkwürdig,  dass  das  Blut  von  Saugethleren  tödtlich  iur 
^ögel  ist.  Von  einem  mechanischen  Gesichtspunkt  lässt  sich  dies 
’^icht  erklären.  Denn  die  Injectlon  von  Flüssigkeiten,  die  Rügel- 
clien  grösser  als  die  feinsten  Blutgefässe  besitzen,  tödtet  zwar 
durch  Verstopfung  der  Lungengefässe  und  Erstickung,  aber  die 
^lutkörperchen  der  Sängethiere  sind  ja  eben  kleiner  als  die  der 
^ögel.  Nach  Dieffenbach’s  zahlreichen  Versuchen  starben  Tau- 
schon  von  wenigen  Tropfen  Sängcthierblut.  Fischblut  so  1 
®Uch  die  Sängethiere  wie  die  Vögel  tödten.  Die  Transfusion  des 
"lutes,  von  Dieffesbach.  Berlin  1828.  Eine  unvorsichtige  Inje- 
'^lion  von  Luft  in  die  Adern  und  das  Blut  eines  lebenden  Tbie- 
tödtet  fast  auf  der  Stelle  durch  Hinderniss  des  Blutlaufs  in 
den  kleinen  Gefässen  und  im  Herzen , indess  sehr  kleine  Quanti- 
l*ten  nicht  allein  X'on  atmosphärisciier  Luft  [und  Sauerstoffgas, 
®endern  selbst  x'on  irrespirabeln  Luftarten,  wie  Stickgas,  Stickgas- 
J'Vydul,  Wasserstoffgas,  Rohlenwasserstoflgas,  Kohlensäuregas,  Koh- 
®uoxydgas,  in  Nysten’s  Versuchen  ohne  tödtlichen  Erfolg  injicirt 
■^wrdenj  Nur  Salpetergas,  Schwefel  wasserstoffgas,  Ammoniakgas 
’**>d  'Chlorgas  waren  absolut  lethal.  Nysten  recherches  de  physiol. 
* de  chim.  nathol.  Paris  1811. 

b.  Thiitigkeitsäusserungen  im  Blute  selbst. 

, p-  H.  Schultz  hat  von  einer  sichtbaren  lebendigen  Wech- 
^ Wirkung  der  einzelnen  Blutmolecule  und  der  Substanz^  der  Ge- 
gesprochen.  C.  H.  Schultz  der  Lebensprocess  an  Blute. 


138  I,  Buch.  Von  den  organ.  Säften  etc.  I.  Abschn.  Vom.  Blut. 

Berlin  1822.  Wenn  man  bei  hellem  Tageslicht  durchsichtige, 
vom  Blut  durchflossene  Theile  ohservirt,  dagegen  die  Täuschun- 
gen einer  flimmernden,  aber  sehr  undeutlichen  Beleuchtung  von 
intensivem,  durch  durchsichtige  thierische  Theile  refrangirtem 
Sonnenlichte  vermeidet,  so  bemerkt  man  in  den  Blutgefässchen 
niemals  die  geringste  Spur  einer  selbstständigen  Bewegung  der  ein- 
zelnen Blutrnolecule.  Ich  habe  den  Bliitlauf  seit  10  Jahren  in 
den  verschiedensten  Theilen,  hei  jeder  Gelegenheit  mit  verschie- 
denen Instrumenten  untersucht,  nie  habe  ich  aber  hei  guter  Be- 
leuchtung gesehen,  was  Schultz  beschreibt,  so  wenig  als  Andere, 
B.uDOLpni,  PuEKiNjE,  KocH,  Meyen,  icli  meine  das  beständige  Um- 
wandeln und  Untergeben  und  neue  Bilden  der  Blutrnolecule. 
Man  überzeugt  sich,  dass  die  Blutkörperchen  in  dem  allgemeinen 
Strom  sich  passiv  verhalten,  auch  beim  Comprimiren  der  Gefässe 
oder  beim  Druck  auf  das  ganze  Glied.  Die  Körperchen  zeigen  i 
weder  jetzt  noch  sonst  eine  Spur  von  Anziehung  und  Wechsel- 
Wirkung  gegen  einander.  Wenn  man  aber  intensives  Sonnen-  i 
licht  durch  durchsichtige  thierische  Theile  durchströmen  lässt,  1 
so  hört  alle  Klarheit  des  Bildes  wegen  des  Lichtspieles  durch  so  , 
viele  wie  kleine  Linsen  wirkende  Körnchen  des  Blutes  und  die 
Unebenheiten  der  Substanz  auf;  man  sicht  nicht  mehr  das  Vor- 
beisti'ömen  der  Körnchen,  sondern  einen  allgemeinen  Ausdruck 
flimmernder  Bewegung,  wobei  man  oft  selbst  nicht  mehr  die 
Bichtung  des  Stromes  unterscheidet.  Dieselbe  Täuschung  bat 
statt,  wenn  man  eine  Flüssigkeit,  worin  Kügelchen  enthalten  sind, 
wie  Milch  bei  durchscheinendem  Sonnenlicht  über  den  Ohjeetträ- 
ger  des  Mikroskopes  fliessen  lässt,  oder  auch  wenn  bei  diesem 
Licht  klares  Wasser  über  ein  matt  geschliffenes  Glas  fliesst.  Vergl. 
besonders  Meyen,  Isis  1828.  391.  und  die  Recension  eines  Unge- 
nannten, Isis  1824.  .3.  Noch  unstatthafter  ist  es,  die  Blutkörper- 
chen als  Infusorien  zu  betrachten,  wie  Eber  und  Mayer  gethan 
(Mayer  Supplemente  zur  Lehre  vom  Kreislauf.  Bonn  1827).  'Ueber 
die  dem  Blute  mit  Unrecht  beigelegte  Propulsivkraft,  eine  ihm  1 
selbst  eigene  Kraft,  sich  bei  der  Circulation  zu  bewegen,  eine 
Kraft  der  Bewegung,  die  noch  fortdauern  soll,  wenn  die  Kraft 
des  Herzens  nicht  mehr  wirkt,  siehe  den  Artikel  vom  Kreislauf. 
Capillargefässe.  Diese  Annahme  von  Kielmeyeb,  Trevirahus,  Ca- 
Rus,  Doellinger  und  Oesterreicher  schien  am  meisten  gerecht- 
fertigt durch  die  Beobachtung  Wolff’s  und  Panuer’s,  dass  sich 
das  Blut  beim  Hühnchen  in  der  arca  vasculosa  früher  bildet  als 
das  Herz  schlägt,  und  dass  das  Blut  von  der  Peripherie  der  area 
vasculosa  schon  nach  dem  Herzen  ströme,  ehe  noch  das  Her* 
schlägt.  Indessen  ist  der  letztere  Theil  dieses  Satzes  nicht  sicher, 
und  Baer  ist  zweifelhaft.;  es  scheint  ihm  sogar,  dass  zuerst  Be- 
W'egung  im  Herzen  statt  findet,  etwas  später  die  Strömung  in 
dem  Raume  des  durchsichtigen  Fruchthofes  und  zuletzt  noch  erst 
ein  Hinzuströmen  des  rothen  Blutes  aus  der  area  vasculosa- 
Burdach  Physiol.  2.  261.  Auch  WEDE^,EyER  hat  sich  nicht  über- 
zeugen können,  dass  nicht  zuerst  vor  der  Strömung  das  Iler* 
schlage.  Die  übrigen  Gründe  für  die  Propulsionskraft  des  Blu- 
tes stützen  sich  auf  die  Fortdauer  der  Blutbewegung  in  abgC' 


4.  Organ.  Eigenschaften  des  Blutes.  Thätlgkeitsäusserungen.  139 

sclinittenen  Tlieilen.  Abgesehen  davon,  dass  diese  Kraft  der  Be- 
'Wcgung  in  einer  Flüssigkeit  ohne  eine  Anziehung  oder  Abstos- 
sung  von  Seiten  eines  andern  Gegenstandes  unbegreiflich  ist,  habe 
ich  zwar  die  Thatsachen , die  man  für  jene  Annahme  anführt, 
*um  Thell  bestätigt  gefunden,  ich  konnte  aber  nicht  diese  Sehluss- 
folge  daraus  ziehen.  In  einem  abgeschniltenen  Tlieile  sieht  man 
^ittelst  des  Mikroskopes  unter  zwei  Bedingungen  noch  fortdauernde 
Bewegungen  des  Bluts  in  den  feinsten  IJehergangen  der  Arterien 
“1  Venen:  1)  so  lange  das  Blut  noch  aus  den  durchschuittenea 
^efussstämmen  ausfliesst,  was  auf  den  Zustand  des  Blutes  in  den 
«aargefassen  wirken  muss.  So  sieht  man  nach  meinen  Beohach- 
fungeu  noch  langsame  Bewegungen , und  zwar  von  den  feinen 
belassen  nach  den  grossem  (also  nach  den  OelFnungen  der  durch- 
schnittenen Gefässstämme)  bis  10  Minuten  nach  Abschneiden  ei- 
tles Fusses  heim  Frosch.  Diese  Bewegungen  entstehen  nach  mei- 
t^^cr  Ansicht  bloss  durch  das  Ausfliessen  des  Blutes,  wahrend  die 
t^etässe  durch  die  Elasticilät  einen  engem  Durchmesser  an- 
tiehrnen,  als  sie  vorher  im  Zustande  gewaltsamer  Ausdehnung 
hatten.  Mau  sieht  dies  Engerwerden  auch  unter  dem  Mi- 
kroskop. Wird  die  Durchschnittsfläche,  woraus  das  Blut  ab- 
; jcsst,  mit  dem  Schenkel  in  die  Höhe  gehalten,  so  hört  das  Aus- 
hcssen  des  Blutes  früher  auf,  und  schon  nach  5 — 6 Minuten 
'hrt  alle  Spur  der  Bewegung  in  den  Capillargefässen  auf.  We- 
hCMEYER’s  Beobachtungen  stimmen  mit  den  meinigen  sehr  überein, 
hur  dass  er  die  Zeit  nicht  angieht.  Er  sagt:  Gleich  nach  dem 
t‘Usschnelden  des  Herzens  strömt  alles  Blut  in  fast  ununterbro- 
chenem Zuge  aus  Arterien,  Venen  und  Haargefässen  nach  der 
*^11046  hin,  indem  die  Elasticilät  der  weichen  Theile  das  Blut 
hUs  den  kleinen  Gefässen  nach  der  kaum  mehr  Widerstand  lei- 
k*-cnden  Wunde  der  grossen  Gefässe  hindrückt.  Ueher  den  Kreis- 
““f  des  Blutes.  Hannover  18:28.  p.  233.  2)  Wenn  man  auf  el- 

hcn  feuchten  abgeschnittenen  Theil  das  intensive  Sonnenlicht 
^‘rken  lässt.  Unter  dem  letzten  Umstande  trocknet  und  runzelt 
Oberfläche  des  feuchten  Thcils  sichtbar  schnell.  Dies  he- 
^'rkt  eine  schnellere  Entleerung  der  Capillargefässe,  was  heim 
lu'chschcinen  des  intensiven  Sonnenlichtes  den  schon  berührten 
iinuiernden  Schein  gewährt.  Man  wird  daher,  wie  ich  an  ei- 
cm  ahgeschnittenen  Fledermausflügel,  noch  viele  Stunden  lang 
j.|  teilweise,  aber  nur  da  eine  Spur  von  flimmernder  Bewegung  des 
feinsten  Gefässen  bemerken,  wo  man  gerade  das  in- 
Sonnenlicht  augenblicklich  durchscheinen  lässt.  Bei  nack- 
Auge  sieht  man  das  aussei’ordentlich  schnelle  Runzeln  der 
So  Befeuchtet  man  die  einschrumpfende  Stelle  wieder, 

lört  das  Zusammenschrumpfen  und  damit  auch  die  flimmernde 
ewegung  im  Innern  der  Gefässe  auf  einige  Augenblicke  auf,  he- 
Un  “her  sogleich  wieder  mit  der  zunehmenden  Verdünstung 
So  1 ^^*^*^®®knung.  Seihst  nach  1^  Tagen  konnte  ich  an  dem 
siv  ^®*®’^‘^hteten  Flügel  noch  ein  Flimmern  im  Innern  hei  inten- 
sehen.  Nach  Baumgaertner  {Beobachtungen 
^'eeven  u.  d.  Blut.  Freiburg  1830.)  dauerte  beim  Frosch 
ewegung  des  Blutes  nach  Unterbindung  einer  Arterie  3 — 5 


140  I.  Buch,  Von  den  organ.  Säften  etc,  I,  Ahschn,  Vom  Blut, 

Minuten,  eine  Bewegung,  die  der  treffliche  Baumgaeiitner  ■von 
Wechselwirkung  der  Nerven  und  des  Blutes,  nicht  von  der  Ela- 
sticität  der  vorher  ausgedehnten  Arterien  ahieitet.  Schon  Ana- 
stomosen  können  solche  Erscheinungen  hewirken.  Leider  bewei- 
sen die  sinnreichen  von  Baumgaertner  angestellten  Beobachtun- 
gen nicht  evident  dasjenige,  was  sie  sollen.  Ich  habe  übrigens 
heobaebtet,  dass  der  Bluliauf  in  den  feinsten  Gefassen  nach  Com- 
pression  einer  Arterie  meist  schnell  aufbört.  Gerade  dann  müsste 
man  die  eigene  Bewegung  der  Blutkörperchen  sehen,  wenn  sie 
wirklich  existirte.  Mortificirte  ich  das  Herz  eines  Frosches  durch 
liq.  kali  caust.,  so  konnte  ich  unter  dem  Mikroskop  noch  einige 
Zeit  Bewegung  in  den  feinsten  Gefassen  sehen,  wahrscheinlich 
von  der  Zusammendrückung  des  Blutes  in  den  Arterien  durch 
ihre  elastische,  früher  stark  ausgedehnte  Haut.  Das  Blut  blieb 
einmal  über  eine  Stunde  flüssig  in  den  feinsten  Gefassen,  und 
bewegte  sich  von  Zeit  zu  Zeit  bald  vorwärts,  dann  wieder  rück- 
wärts, dann  stand  es  still,  dann  bewegte  es  sich  wieder,  wahr-  j 
scbeinlich  je  nach  der  Zusammendrückung  der  Gefässe  durch 
gelinde  Bewegungen  des  Frosches  oder  einzelner  Muskelpartien 
des  Beines.  Ich  läugne  daher  die  eigen thümliche  Propulsions- 
kraft, und  nehme  nur  die,  den  Kreislauf  nicht  nothwendig  er- 
leichternde, lebendige  Wechselwirkung  und  Anziehung  zwischen 
Substanz  und  Blut  an,  wodurch  unter  sonst  gleichen  Umständen 
ein  mehr  belebter  Theil  mehr  Blut  aufnimmt,  als  sonst  und  als 
andere  Theile  und  gewisse  Theile  seihst  sich  aufrichten,  eine 
Wirkung,  welche  man  nicht  aus  der  Zusammenzlchung  der  zu- 
führenden Gefässe  jener  Theile  erklären  kann , da  1)  diese  Con- 
tractilität  der  Gefässe,  wie  in  der  Lehre  vom  Kreislauf  bewiesen 
wird,  nicht  exlstlrt,  und  2)  keine  dauernde  Anfüllung  dieser 
Theile  hervorhringen  könnte.  Selbstständige  Bewegungen  des 
Saftes  ohne  Herz,  wie  hei  den  Pflanzen,  kennt  man  bis  jetzt  auch 
von  niederen  Thieren  nicht  mit  Sicherheit.  Nordmann  hat  sich 
über  einen  von  ihm  beobachteten  Saftumlauf  in  der  Hülse  von  j 
Alcyonella  diaphana,  den  er  der  Saftbewegung  in  den  Interrio-  j 
dien  der  Charen  vergleicht,  nicht  weiter  erklärt.  Carus  entdeckte  i 
an  Echinus  edulis  in  demjenigen  zarthäutigen  Wasserröhrenge-  I 
wehe,  das  den  Saum  zwischen  den  äusserst  feinen  Löcherchen  der 
Fühlergänge  (ambulacra)  immer  begleitet,  selbst  wenn  die  Theil® 
dieses  GeAvehes  abgeschnitten  sind,  eine  Cirkelhewegung  von  Kü- 
gelchen. Mikrograph,  Beitrüge  2 H.  Berlin  18-32.  75.  Vergl.  Tu*' 
VIRANUS  Erscheinungen  und  Gesetze  des  organ,  Lehens,  1.  234.  Di® 
von  Nobdmann  atA  Diplozoon  und  von  Ehrenberg  an  Distomen  ' 
beobachtete  SafthcAA'egung  in  Gefässen,  die  ihren  Durchmesser 
nicht  ändern  und  sich  nicht  zusammenziehen,  kann  hei  einer  g®' 
wissen  Bichtuug  von  Klappen  allein  schon  durch  die  Zusaramen- 
ziehungen  des  ganzen  Körpers  hervorgebracht  werden. 

Treviranus,  Mayer  und  Andere  haben  die  mehrere  Secun' 
den  dauernde  Durcheinanderbewegung  der  Blutkörperchen  in  ei- 
nem Tropfen  Blutes,  der  unter  das  Mikroskop  gebracht  wiriJj 
für  automatische  Bewegung  angesehen.  Man  kann  diese  momen- 
tanen wirbelnden  Bewegungen  indess,  wie  ich  öfter  beobachteh 


4.  Organ.  Eigenschaften  des  Blutes.  Tblltigkeitsäusserungen.  141 

und  was  entsclieidend  ist,  auch  in  Tropfen  längst  aus  dem  Kör- 
per entlassenen  Blutes  sehen.  Wenn  inan  z.  B.  sich  von  gerüt- 
teltem Froschblut  ein  Gemenge  von  Blutkörperchen  und  Serum 
hereilet  und  das  Gerinnsel  entfernt,  und  dann  nach  12  — 24 
Stunden  einen  Tropfen  davon  unter  das  Mikroskop  bringt,  so 
sieht  man  dieselbe  Verlheilung,  dasselbe  Strömen  der  Blutkör- 
perchen, wie  im  frischen  Blute.  Diese  Bewegung  kann  daher 
Uicht  lebendig  scyn.  An  Blut  von  warmblütigen  Thieren  haben 
solche  Beobachtungen  obncbin  keine  Beweiskralt,  wegen  der  Be- 
''^egung,  die  von  der  Verdunstung  herrühren  kann.  Vielleicht 
hat  die  kleine  Formveränderung  welche  jeder  Tropfen  Flüssigkeit, 
*ien  man  auf  einer  Glasplatte  ausbreitet,  an  den  Bändern,  zuwei- 
len schnell,  erleidet,  an  jenen  Bewegungen  grossen  Anthcil.  Ich 
habe  ferner  öfter  bemerkt,  dass  man  in  einem  verdünnten  Bluts- 
leopfen  frischen  oder  altern  geschlagenen  Froschblutes  nach  dem 
Aufliören  der  zuerst  beschriebenen  Bewegung  sieht,  dass  einzelne 
^er  einander  nahe  liegenden  Blutkörperchen  sehr  langsam  sich 
einander  eUvas  nähern.  Diess  hat  indess  wahrscheinlich  auch 
physikalische  Ursachen,  wde  Ausdünstung  und  Adhäsion. 

Heidmann  (Beil’s  Archiv.  6.  425.)  hat  Zusamtnenziehungen 
’^nd  Dilatationen  iin  Blute  heim  Gerinnen  beschrieben,  ich  habe 
sie  nicht  sehen  können , so  gewiss  der  geronnene  Faserstoff  sich 
’iomerklich  auf  ein  viel  kleineres  Volunen  zusammenzieht.  Dass 
®her  die  von  Tourdes  und  Circaud  beobachtete  Zusammenzie- 
l*t>ng  des  geronnenen  Faserstoffs  durck  Galvanismus  nicht  existirt, 
l*et  Heidmann  selbst  bewiesen,  und  ich  habe  nicht  dergleichen 
Sesehen,  als  ich  in  den  p.  13-3  angefilirten  Versuchen  den  durchs 
hiltrum  gehenden  aufgelösten  Faserstoff  des  Froschblutes  galva- 
*'^sirte  und  gerinnen  liess. 

Die  Frage,  ob  das  Blut  eine  bhendige  oder  nicht  lebendige 
^lüssigkeit  sey,  erinnert  an  einm  kritischen  Zustand  unserer 
Wissenschaft.  Alles,  was  im  Organismus  auf  eine  von  den  unor- 
Sanischen  Gesetzen  verschiedene  Art  Wirkungen  zeigt,  hat  eine 
^‘■ganische,  oder,  was  dasselbe  ist,  lebendige  Thätigkeit.  Bloss  die 
^sten  Theile  als  lebend  betrachtm  zu  wollen,  ist  unangemessen; 
denn  feste  organische  Theile  im  strengen  Sinne  giebt  es  nicht, 
^‘‘pt  alle  enthalten  bis  ^ ihres  Cewichtcs  Wasser,  und  eine  he- 
*t*inmte  Grenze  giebt  es  hier  nidit.  Betrachtet  man  nun  die  or- 
S^nlsche  Materie  überhaupt  als  hbensfäbig,  die  organisirten  Theile 
'‘Js  belebt,  so  ist  doch  die  Wikung  des  Bluts  schon  aus  physi- 
^l'schen  und  chemischen  Grünlen  nicht  zu  begreifen.  Der  Sa- 
ist  nicht  bloss  Beiz  für  de  Befruchtung  des  Eies,  sondern 
* er  die  Eier  der  nackten  /mphibien  und  Fische  ausser  dem 
^orper  befruchtet,  da  das  neue  Individuum  eben  sowohl  die  Fä- 
?‘gheiten,  Aehnlichkeit,  ja  sebst  Krankheitsanlagen  des  Vaters 

SO  ist  der  Samen  offenbar, obgleich  eine  Flüssigkeit,  eine  le- 
®tide  und  belebende.  Der  keinfähige  Theil  des  Eies,  die 

ganz  unorgaiisirte  Aggregation  von  Ihierston, 
r I d.ennoch  von  der  ganzer  organisirenden  Kraft  belebt  und 
«lebend,  obgleich  weich  und  der  Flüssigkeit  noch  verwandt, 
«h  das  Blut  zeigt  organisch«  Eigenschaften,  es  wird  von  dem 


142  J.  Buch.  Von  den  organ.  Säften  etc.  I.  Ahschn.  Vom  Blut. 

belebten  und  gereizten  Theil  ungezogen , es  besteht  eine  leben- 
dige Wechselwirkung  zwischen  dem  Blut  und  den  organisirten 
Theilen,  in  der  das  Blut  eben  so  gut  Antheil  hat  als  die  Organe 
selbst.  Der  bei  der  Entzündung  aussclnvitzende  Faserstoff  des  i 
Blutes  ist  anfangs  flüssig,  und  bildet,  indem  er  erhärtet,  Pseudo-  > 
membranen;  aber  dieses  Exsudat  wird  durch  blosse  Wechselwir- 
kung mit  dem  exsudirenden  Organe  auch  organisirt  und  von 
Blut  und  Gefassen  durchdrungen.  Das  Blut  hat  daher  selbst  schon 
Lebenseigenschalten,  und  dasselbe  gilt  von  allen  thierisclien  Säf- 
ten, welehe  nichts  Zersetztes,  w’ie  Urin,  Kohlensäure,  aasführen. 
Der  Speichel,  die  Galle  wirken  assimilirend  auf  die  Nahrungs- 
stoffe, die  Organe  assimilirend  auf  das  Blut,  und  hier  gieht' es 
keine  scharfe  Grenze  zwischen  lebensfähigen  und  belebten  Stoffen- 
Diejenigen  aber,  welche  am  wenigsten  belebt  sind,  bleiben,  so 
lange,  sie  nicht  zersetzt  sind,  lebensfähig. 

c.  Entstehung  des  Blutes. 

Die  Materialien  zur  Bildung  des  Blutes  sind  bei  dem  Er- 
wachsenen die  Contents  der  Lyinphgefasse,  die  klare  Lymphe 
und  der  weissliche  Ghylns,  wovon  die  erstere  NahrungSstolfe  aiis 
dem  Innern  der  organisirten  Theile,  der  letztere  die  im  Darmka- 
nal durch  die  Lymphgcliisse  ausgezogenen  Nahrungsstoffe,  in  den 
ductus  thoraciCus  und  so  fort  ins  Blut  führen.  Die  Lymphe  und 
der  Chylus  enthalten  aufgelöstes  Eiweiss  und  aufgelösten  Faser- 
stoff, weniger  als  das  Blut.  Durch  diese  in  der  Lymphe  aufge- 
lösten Stoffe  gleicht  die  Lymphe  ganz  der  klaren  Blutflüssigkeit, 
liquor  sanguinis,  aus  welche»  das  Blut  besteht,  wenn  man  von 
den  rothen  Körperchen  absidit.  Dieser  klare  liquor  sanguinis 
enthält  auch,  wie  ich  gezeigt  habe,  den  Faserstoff  vor  dem  Ge- 
rinnen aulgelöst.  Mit  vollem  Rechte  kann  man  daher  den  farb- 
losen liquor  sanguinis  gleichsan  die  Lymphe  des  Blutes  nennen, 
und  man  kann  behaupten,  dass  Lymphe  Blut  ohne  rothe  Körper- 
chen, dass  Blut  Lymphe  mit  rofien  Körperchen  ist.  Das  Eiweiss 
des  Blutes  hat  seine  Entstehung  in  der  Verdauung,  von  da  es  in 
die  lymphatischen  Gefässe  übeigeht.  Die  verdauten  Nahrungs- 
stoffe enthalten  im  Darmkanal  aifgelöstes  Eiweiss,  keinen  gerinn- 
baren Faserstoff^  dieser  bildet  sch  erst  in  den  Lymphgefässen 
und  gelangt  so  ins  Blut.  Merkwürdig  ist  die  von  mir  beobach- 
tete, fast  eonstante  Thatsache,  dais  hei  länger  autbewahrten,  also 
bungernden  Fröschen  das  Blut  h'uifig  nicht  mehr  gerinnt,  so  xvi® 
auch  ihre  Lymphe,  die  sonst  geich  dem  Blute  schnell  ajerinnt,  ' 
dann  nicht  mehr  coagulirt.  ImWIntei-  gerinnt  gleichwohl  dn" 
Blut  der  Frösche  oft,  wenn  anch  nicht  so  vollständig,  gleich  w'® 
in  allen  Fällen,''  wenn  ihr  Blut  nicht  ganz  gerinnt,  auch  ihr®  , 
Lymphe  nicht  so  fest  coagulirt  Diess  finde  ich  so  bei  mehreren 
der  atisgegrahenen,  sonst  ganz  mtntern  Frösche.  Der  Chylus 
weniger  deutlich  alkalisch  als  das  Blut.  Lymphe  und  Chylus  enl' 
halten  weniger'  feste  Theile  als  das  Blut  und  namentlich  wenigOj 
Faserstoff.  100  Theile  Chylus  enthalten  nach  TiEdemann  n.oO 
Gmelin  0,17 — 1,75  trocknen  Faserstoff.  In  dem  Chylus  ■ 


4,  Organ.  Eigenschaften  des  Blutes.  Entstehung  desselben.  143 


freies  Fett  vorlianden,  das  im  Biete  inniger  geLunden  zu  irerden 
scheint,  auch  ist  das  Eisen  im  Chylus  weniger  gebunden  als  im 
Blute,  und  lasst  sich  nach  Emmert  nach  Behandlung  des  Chylus 
mit  Salpetersäure  durch  Galla pfeltinctur  darstellen.  Die  Lymphe 
Und  der  Chylus  enthalten  jedoch  auch  eine  eigene  Art  sparsamer 
Eörnchen.  Die  äusserst  sparsamen  Körnchen  der  gerinnbaren 
Broschlymphe,  die  man  z.  B.  unter  der  Haut  des  Oberschenkels 
heim  Frosche  antrifft,  sind  ungefähr  4mal  kleiner  als  die  tdlipti- 
schen  Blutkörperchen  des  Frosches,  so  gross  als  die  elliplischeti 
Kerne  der  Blutkörperchen  des  Frosches;  sie  sind  indess  nicht  el- 
liptisch, und  noch  weniger  ganz  länglich,  wie  die  Kerne  der  Blut- 
törperchen  des  Salamanders,  sondern  rund;  sonst  könnte  man 
vermuthen,  dass  sie  die  Kerne  der  Blutkörperchen  würden.  Die 
Kügelchen  des  Chylus  der  höheren  Thiere  sind  rund  und  nicht 
platt,  wie  die  Blutkörperchen,  sie  sind  nach  Leuret  und  Lassaigne 
hei  den  Vögeln  auch  rund,  während  die  Blutkörperchen  dersel- 
hen  doch  elliptisch  sind.  Von  den  Blutkörperchen  unterscheiden 
sich  die  Chyluskörperchen  auch,  dass  sie  im  Wasser  unauflöslich 
sind,  während  sich  die  Schale  der  Blutkörperchen  im  Wasser  auf- 
löst. Von  den  im  Wasser  unauflöslichen  Kernen  der  Blutkörper- 
chen unterscheiden  sie  sich  wieder  durch  ihre  Grösse.  ' Pkevost 
'md  DuAtAS  fanden  die  Chyluskügcichen  P.  Z.,  was  mehr 

als  halb  so  viel  beträgt,  als  die  Blutkörperchen  des  Menschen. 
Ich  habe  die  Chyluskügelchen  jedesmal  auf  derselben  Glasplatte 
•uit  den  Blutkörperchen  desselben  Thieres  untersucht,  und  fand 
ihre  Grösse  bald  gleich  der  der  Blutkörperchen,  wie  bei  der 
Katze,  bald  und  zwar  meist  etwas  kleiner,  wie  beim  Kalbe,  bei 
der  Ziege,  beim  Hunde,  bei  welchem  letztem  ich  sie  von  sehr 
Verschiedener  Grösse,  die  meisten  sehr  klein  und  alle  kleiner  als 
die  Blutkörperchen  fand.  Beim  Kaninchen  fand  ich  sogar  die 
l^hyluskügelchen  zum  Theil  grösser  als  die  Blutkörperchen;  die 
^leisten  waren  sehr  klein,  — f so  gross  als  die  Blutkörper- 
*^hen,  und  einige  waren  offenbar  grösser,  wenigstens  noch  ein- 
»öal  so  gross. 

Nach  AuTEimiETH  soll  der  ins  Blut  ergossene  Chylus  in  10  bis 
Stunden  in  Blut  umgewandelt  werden,  weil  man  innerhalb 
dieser  Zeit  noch  häufig  das  Serum  milchsveiss  sehe.  Vielleicht  ge- 
schieht indess  diese  Umwandlung  noch  langsamer;  denn  ich  habe 
Schon  bemerkt,  dass,  wenh  man  in  Blut  mit  etwas  unterkohlen- 
®*urem  Kali  die  Gerinnung  verlangsamt,  heim  Sinken  der  Blut- 
kö^erchen  die  überstehende  Flüssigkeit  häufig  etwas  trübe  und 
^cisslich  ist. 

Wo  das  in  der  Lymphe  und  dem  Chylus  fehlende  Blutroth, 
^uvon  man  bloss  in  dem  Chylus  des  Ductus  thoraci'cus'  zuweilen 
®‘ne  Spur  findet,  oder  wo  die  Schale  der  Blutkörperchen  entstehe, 
ganz  unbekannt,  svenn  auch  das  Athmen  dabei  eine  B.olle  zu 
Spielen  scheint.  Hewson’s  Hypothese,  dass  das  Blutroth  sich  in 
. Cr  Milz  und  in  der  zuweilen  etwas  schmutzigröthlichen  Milz- 
l^aphö' bilde,  hat  keinen  Grund;  die  Milz  kann  ohne  beschwer- 
che  Folgen  bei  Thieren  exstirpirt  werden. 

Ks  ist  völlig  unmöglich,  sich  davon  einen  Begriff  zu  machen, 


144  I,  Buch,  Von  den  organ.  Säften  etc,  I.  Ahschn,  Vom  Blut. 

■was  die  eigenthüraliclie  platte  Form,  die  plattrunde  Form  dieser 
Körpereben  bei  den  Säugethieren , die  platlovale  Form  bei  den 
übrigen  Wirbeltbieren  bedingt.  Im  ganzen  Körper  giebt  es  keine 
äbnlicben  Elementarformen.  In  dem  bebrüteten  Ei  ist  das  ein- 
zige Material  zur  ersten  Blutbildung  die  Substanz  des  Keimes 
oder  der  Keimbaiit  selbst,  die  sieb  wieder  aus  der  Eiflüssigkeit 
oder  der  Dottersubstanz  vergrössert.  In  der  Keimbaut  erzeugt 
sieb  das  Blut  zuerst,  ■vvle  man  genau  beobaebten  kann,  ebe  die 
Gefässe,  ebe  die  Drüsen  gebildet  sind,  welche  bei  dem  Erwach- 
senen Einfluss  auf  die  Blutbildung  haben.  Die  ans  der  vergrös- 
serten  Keimsebeibe  entstandene  Keimbaut  zeigt  bald  eine  obere 
dünnere  Sebiebte  (seröses  Blatt),  und  eine  untere  dickere  Schichte 
(Scbleirablatt).  Auch  bildet  sieb  um  die  in  der  Mitte  der  Reim- 
Laut  sich  zeigende  Spur  des  Embryo  ein  durebsiebtiger  Hof,  orea 
yellucida,  während  der  äussere  Theil  der  Keimbaut  undurchsich- 
tig bleibt , und  dieser  undurchsichtige  Tbcil  der  Keimbaut  wird 
bald  wieder  durch  eine  Abgrenzung  in  ein  äusseres  und  inneres 
ringförmiges  Feld  abgetbeilt,  beim  Vogel  in  der  Iß.  — 20.  Stunde 
(v.  Baer).  Diese  Abgrenzung  scbliesst  zunächst  den  einen  Theil 
des  undurchsichtigen  Stückes  der  Keimbaut  ein,  welches  den  in- 
nersten oder  durchsichtigen  Hof  der  Keimbaut  umgiebt,  und  aren 
vasculosa  genannt  wird,  weil  sich  innerhalb  dieses  Hofes  das 
Blut  und  die  Gefässe  bilden.  So  w'eit  die  Area  A'asculosa  reicht, 
zeigt  sich  zwischen  den  beiden  Blättern  der  Keimbaut  eine  kör- 
nige Lage,  welche  sich  bald  in  körnige  dichte  Inseln  und  durch- 
sichtige Zwischenräume  zertheilt,  iu  denen  sich  zuerst  eine  gelb- 
liche, hernach  rothe  Flüssigkeit  ansammelt,  das  Blut  (zuerst  in 
der  Peripherie  der  Area  vasculosa  deutlich).  Die  Blutkörperchen 
des  Vogelembryo  sind  nach  Pbevost  und  Dumas  von  der  Blut- 
bildung in  der  Keimhaut  an  in  den  ersten  Tagen  rund,  erst  am  1 
6.  Tage  fangen  sie  an  elliptisch  zu  werden,  am  9.  Tage  sind  sie 
alle  elliptisch.  Fhoriep’s  ^ot.  175.  Aehnliches  haben  HewsoN,  ' 
Schmidt  und  Doellihger  beobachtet.  Schmidt  über  die  Blutkörner.  \ 
JViirib.  1822.  Eben  so  Baumgaertser  [über  die  Nerven  und  das 
Blut.  Freiburg  1830.)  bei  Amphibien  und  Fischen,  E.  II.  Weber  ! 
{Anatomie  4.  478.)  bei  Froschlarven.  Nach  Baumgaertmer  entste-  | 
ben  die  Blutkörperchen  folgendermaassen : Die  Blutkörperchen  | 
sind  zuerst  runde,  nicht  platte  Kugeln,  aus  einer  Menge  kleiner 
Kügelchen  zusammengesetzt,  die  den  Dotterkügelchen  gleichen; 
indem  sie  allmählig  durschsichtig  geworden,  verschwindet  dieses 
körnige  Wesen,  worauf  der  durchsichtige  Ring  sich  ausbildet  und 
der  Kern  entsteht.  Allmählig  entsteht  die  elliptische  Form.  Auch 
Weber  sah  die  Blutkörperchen  der  jüngsten  Froschlarven  auch  ! 
ans  mehreren  kleineren  Körnchen  zusammengesetzt.  Diese  Körn- 
chen sollen  sich  nach  Baümgaertner  aus  Dottersubstanz  bilden- 
Nach  Doeleijiger  [üenkschr.  der  Akad.  zu  München.  7.  169.)  und 
Baumgaerther  sollen  sich  auch  bei  jungen  Thieren,  und  als® 
auch  Wühl  bei  erwachsenen,  Blutkörperchen  bilden,  indem  Par- 
tikeln der  Organe  sich  ablösen,  und  mit  den  nächsten  Blutström- 
eben  in  Wechselwirkung  treten.  Es  ist  offenbar,  dass  das  Blnl 
aus  der  Substanz  der  die  Dotterflüssigkeit  aufnehmenden  Keim' 


4.  Organ.  Eigenschaften  des  Blutes,  Blutbildung.  145 

liaut  selbst  entstellt,  und  dass  es  keiner  besondern  Organe  zu 
dieser  Umwandlung  bedarf,  da  noch  keine  Organe  wie  der  Darm- 
Itanal,  die  Leber,  die  Milz,  die  Lungen  u.  s w.  existiren.  Diese 
Tbatsaclie  belehrt  uns,  dass  wir  den  Vorgang  der  Blutbildung 
lud  Formation  der  rotlien  Körperchen  (aus  den  Cliyluskügel- 
®^en?)  nicht  allzuselir  in  besonderen  Organen  des  Erwachsenen 
suchen  müssen,  und  es  ist  sehr  wahrscheinlich,  dass  unter  dem 
^•influss  der  allgemeinen  Lebensbedingungen,  wie  sie  beim  bebrü- 
teten  Ei  statt  linden,  auch  beim  Erwachsenen  aus  dem  Chylus 
Blut  wird.  Einen  wesentlichen  Antheil  scheint  dabei  das  Ath- 
*Uen  zu  haben,  insofern  auch  beim  bebrüteten  Ei  der  Einfluss 
atmosplifiriscbcn  Luft  und  bei  den  Wasserthieren  des  luft- 
haltigen Wassers  durchaus  zur  Entwicklelung  nöthig  scheint,  und 
Luft  die  beim  Athmen  gewöhnliche  Veränderung  erleidet, 
***ag  nun  der  Sanerstolf  der  atmosphärischen  Luft  in  das  Blut 
^"■eten  und  Kohlensäure  aus  dem  Blut  entfernt  werden,  oder  der 
Sauerstoff  der  Luft  mit  KoldcnstolF  des  Blutes  zu  der  ausgesebie- 
*^nen  Kohlensäure  sich  verbinden.  Eine  wichtige  Beobachtung 
^On  Baer  [de  ovi  mammaliiim  genesi)  könnte  es  sogar  wahrschein- 
Bch  machen,  dass  zur  ersten  Entstehung  des  Blutes  in  der  Keim- 
haut bei  den  Säugethieren  nicht  einmal  jene  Luftveränderung  nöthig 
Denn  Baer  hat  das  Ei  der  Hunde  zu  einer  Zeit  beohachtet, 
die  area  vasculosa  der  Keimhaut  schon  Blut  und  Gefässe  ent- 
hielt, aber  das  Ei  noch  ganz  frei  und  ohne  die  Verbindung 
dem  Uterus , durch  welche  das  Athmen  ersetzt  werden 
hunnte,  in  demselben  enthalten  war,  wobei  Bcrdach  vermuthet, 
dass  der  den  Äluttermund  geschwängerter  Säugethiere  schlies- 
l^ude  Schleimpfropf  doch  atmosphärische  L.ift  zum  Ei  treten 
*ässe.  In  diesem  Zustand  ohne  Gefässverbindung  mit  dem  Ute- 
bleibt  das  Ei  der  Beutelthiere  sogar,  siehe  Owen  Bhilos. 
‘‘unsact  18.34.  p.  2.  Beim  Foetus  der  Säugethiere  giebt  es  aber 
®!*ch  später  noch  keinen  deutlichen  Unterschied  zwischen  artc- 
^'öseni  und  venösem  Blut,  und  das  Athmen  wird  durch  einen  un- 
akannten  Process  anderer  Art  in  de/  Verbindung  des  Eies  mit 
eui  Uterus  unnöthig.  Wenigstens  ist  cs  mir  aus  neueren  Be- 
.'achtungen  immer  unwahrscheinlicher  geworden,  dass  irgend 
merklicher  Unterschied  der  Farbe  zwischen  dem  Nabelarte- 
^'enblut  und  dem  aus  der  Placenta  zurückkehrenden  Nabelve- 
Jeublut  existirt.  Siehe  2.  Buch.  1.  Ahschn.  3.  Cap.  Vielleicht  ist 
***  Athmen  zur  Bildung  von  Blutroth  nicht  mehr  unmittelbar 
^othig,  ^vvle  zum  Leben  überhaupt.  Dagegen  spricht  freilich  die 


J;.fai: 


irung,  dass  das  Chyluscoagulum  sich  in  seltenen  (von  mir 


öthet.  Die 
US  anderer 


'^ch  nicht  beobachteten  Fällen)  an  der  Luft  etwas  rö 
.jpBachtung , dass  der  Pferdechylus  (selten  der  Chyh 
^•ere,  wenn  er  rein  gewonnen  ist),  im  ductus  thoracicus  et- 
Uut  ist,  kann  man  vor  der  Hand  noch  nicht  wohl  be- 

5^1  zur  Entscheidung,  ob  vielleicht  schon  ln  dem  lympbali- 
System  die  Bildung  des  Blutroths  beginne,  da  gar  leicht 
Venenstamm  einige  Blutkörperchen  in  den  ductus  tho- 
Gq**^'*,*  treten  und  mit  dem  Chylus  sich  vermengen  können. 
Beobachtung,  welche  Trevisakus  anführt,  dass  das  Blut 
Physiologie.  10 


146  I.  Buch.  Von  den  organ.  Säßen  etc.  I.  Alschn.  Vom  Blut. 

der  erstarrten  Frösclie  im  Winter  weisslicli  sey,  lialie  icli  niemals 
an  ans  der  Eide  gegrabenen  Frösclien  bestätigt  gefunden,  obgleich 
ich  fortwährend  in  der  Winterzeit,  wenn  die  Witterung  das 
Ausgraben  zulässt,  ausgegrabene  Frösche,  freilich  nicht  erstarrt, 
erlia^te. 

Dass  das  Flut  durch  das  Athinen  eine  zur  Unterhaltung  des 
Leliens  nothwcrulige  Veränderungen  erleidet,  beweiset  der  Tod, 
der  jedesmal  eintrilt,  sobald  diese  Function  unterbrochen  wird. 
Die  Natur  dieses  Einflusses  lässt  sich  indess  nicht  weiter  liestim- 
men;  den  ganzen  Einfluss  des  Athmens  auf  die  Bildung  des  Blu- 
tes können  wir  nicht  im  Einzelnen  berechnen,  wir  haben  keine 
Gelegenheit  zu  beobachten,  oh  das'  Blut  ohne  alles  Athmen  seine 
rothe  Farbe  und  die  damit  verbundenen  Veränderungen  nicht 
annähme,  ob  sich  keine  Blutkörperchen  bildeten,  wir  können  im- 
mer nur  einen  ausserordentlich  kleinen  Bruch  dieses  Anthells 
beim  Durchgänge  des  Blutes  durch  die  Lungen  beobachten,  wo 
das  Blut,  nachdem  es  in  den  Capillargefässen  des  Athemorganes 
dem  Einflüsse  der  atmosphärischen  Luft  oder  bei  Wassertbieren 
des  luflhaltigen  Wassers  ausgesetzt  ist,  seine  dunkelrothe  in  hell- 
rothe  Farbe  verändert,  welche  letztere  wieder  in  den  Capillarge- 
fässen aller  übrigen  Theile  des  Körpers  in  Dunkelroth  isich  um- 
wandelt.  Allein  "leider  kennen  wir  auch  bei  dieser  Veränderung 
nur  die  Farbe,  nicht  die  damit  verbundene  Umwandlung  der 
Materie,  wie  sich  aus  der  bei  der  Lehre  vom  Athmen  folgenden 
Verbleichung  des  arteriösen  und  venösen  Blutes  ergeben  wird. 

Ehen  so  wenig  lassen  die  Untersuchungen  über  die  Verän- 
dernnb  der  Luft,  worin  geathmet  wird,  einen  sichern  Schluss 
zu,  oh  die,  gegen  das  in  der  Luft  verschwindende  Sauerstolfga» 
ausgeathmete,  Kohlensäure  durch  Verbindung  von  Kohlenstoff 
des  Blutes  mit  Sauerstoff  der  Atmosphäre  entstehe  (Lavoisieb, 
Laplace),  oder  oh  Sauerstoff  an  das  Blut  übergehe  und  die  etwa 
schon  im  Blute  praeexistirende  Kohlensäure  ausgeatbmet  werde? 
welche  in  den  Wegen  der  Circulallon  sich  bildete  (IIassenfraT* 
und  LAcniisoE),.  Aus  den  Verdauungsorganen  kann  sie  unmöglich 
kommen,  da  Kohlensäure  auch  bei  lange  hungernden  TbiereO  j 
ausgeathmet  wird.  Der  weitere  Verfolg  dieser  üntersuchungco 
wird  ln  der  Lehre  vom  Athmen  gegeben.  Hier  kann  das  Besul' 
tat  derselben  vorausgeschickt  werden , dass  sich  die  Veränderiin- 
gen  der  Luft  durch  das  Athmen  nach  den  qualitativen  Verhält' 
nissen  eben  so  gut  erklären  lassen , wenn  man  eine  Bildung  vo'* 
Kohlensäure  der  ausgeathmeten  Luft  durch  den  eingeathmeten 
Sauerstoff  der  Atmosphäre  und  den  Kohlenstoff  des  Blutes  aU' 
nimmt,  als  wenn  man  annimint,  dass  der  Sauerstoff  ins  Blut  übe*"' 
gehe  und  im  Blute  überall  oder  vorzüglich  in  den  Capillargefä»' 
sen  des  Körpers  mit  dem  Kohlenstoff  des  Blutes  Koblensäuf® 
bilde,  die  aus  dem  Blute  ausgeathmet  werde,  wenn  Sauerstoff 
die  Stelle  tritt.  Da  indess  bei  allen  Thiercn  und  am  meiste" 
bei  den  Fischen  mehr  Sauerstoff  aus  der  Luft  oder  aus  dem  luft' 
haltigen  Wasser  beim  Athmen  verschwindet,  als  auf  die  ausge' 
athmetc  Kohlensäure  verwandt  wird,  so  ist  die  Aufnahme  ei«^* 
Thells  des  aus  der  Luft  beim  Athmen  entschwundenen  Saue«"' 


4.  Organ.  Eigenschaften  des  Blutes.  Bluthildung.  Secretion.  147 

Stoffs  in  das  Blut  sehr  wahrscheinlich,  mag  nun  die  eine  oder 
die  andere  Theorie  statthaft  seyn.  Der  ins  Blut  iihergeliende 
Sauerstoff,  weleher  es  hellroth  macht,  scheint  in  demselben  ge- 
bunden zu  werden,  weil  er  sich  nach  neueren  Versuchen  nicht 
daraus  entwickeln  lässt.  Der  Stickstoffgehalt  der  Alinos])häre 
ivird  durch  das  Athinen  nicht  wesentlich  verändert.  Der  Sauer- 
stoff und  die  Bel'reiung  des  Blutes  von  einem  Theil  von  Kohlen- 
stoff sind  daher  die  Ursache,  welche  das  arterielle  Blut  zu  dem 
‘‘lleiiiigen  Beiz  der  helehlen  Organe  machen.  Venöses  Blut,  wel- 
ches diese  Veränderung  nicht  erleidet,  wirkt  aut  die  helehten 
Organe  und  ))esonders  das  Nervensystem  tödtlich  ein  und  nimmt 
'hie  Erregbarkeit,  gleich  wie  Kohlensäure,  Sch wel'el Wasserstoff, 
^ohlenwassersloffgas  und  andere  Gasarten,  welche  die  Erregbar- 
keit der  Organe  aufliehen  und  meist  das  hellrothe  Blut  dunkel 
‘"achen.  Cuvieu  [Vergl.  Anat.  4.  p.  147.)  nimmt  zugleich  an, 
dass  die  arterielle  Beschaffenheit  im  Blute  schon  auf  dem  Wege 
durch  den  Körper  bis  zu  den  Capillargefässen  durch  materielle 
kiinw'andlung  ahnehme,  und  erklärt  daraus  die  geringere  Vitalität 
der  vom  Herzen  entfernteren  Theile,  Wir  befinden  uns  hier 
■"'ieder  in  einer  völligen  Ungewissheit,  oh  das  venöse  dunkelrotlie 
bliit  deswegen  unfähig  ist  das  Lehen  zu  erhalten,  weil  es  etwas 
äicht  hat,  was  das  arterielle  hat,  oder  weil  es  eine  hei  der  Wech- 
selwirkung des  arteriellen  Blutes  mit  den  Organen  entstandene 
Schädliche  Comhination  der  Elemente  erlitten,  die  hei  dem  Ath- 
un  d durch  Ausscheiden  der  Kohlensäure  wieder  hergestellt 
^'rd.  Es  hleiht  immer  sehr  merkwürdig,  dass  das  venöse  Blut 
des  Embryo  der  Säugethiere,  obgleich  er  nicht  im  eigentlichen 
biiine  athinet,  diesen  schädlichen,  gleichsmn  erstickenden  Einfluss 
"äf  das  Leben  nicht  hat,  mag  es  nun  seyn,  dass  diese  schädliche 
Beschaffenheit  des  venösen  Blutes,  wegen  des  Mangels  des  Alh- 
^äens  und  des  Mangels  der  Wechselwirkung  wahrhaft  arteriellen 
Bluts  mit  den  Organen,  noch  nicht  sich  bilden  kann,  oder  well 
das  Athrnen  durcli  die  Verbindung  des  Embryo  mit  der  Mutter 
®''setzl  wird. 

Da  das  Blut  durch  das  Athrnen  beständig  Kohlenstoff  ver- 
wert, so  scheint  hiedurch  die  relative  Menge  des  Stickstoffs  im 
Körpnr  zuzunehmen.  Cuvier  glaubt,  dass  hiedurch  die  Animall- 
^tion  der  thierischen  Stoffe  zunehme,  weil  der  Charakter  der 
Tbierheit  der  Azotgehalt  der  Substanzen  ist.  Wenn  diess  rieh- 
wäre,  so  müssten  die  Theile  eines  lebenden  Thieres  mehr 
Bt'ckstoff  enthalten,  als  das  Fleiseh  der  Thiere,  von  dem  sich 
anderes  Thier  nährt,  was  ein  Widerspruch  ist.  Bei  den 
leischfressern  wäre  das  Athrnen  in  dieser  Hinsicht  kein  Vor- 
I ‘®‘l,  und  die  Pflanzenfresser  müssten  mehr  Athmungsbedürfniss 
'"ben  als  die  Fleischfresser,  weil  ihre  Nahrungsstoffe  weniger 
Stickstoff  enthalten.  Allein  die  hei  dem  Athrnen  durch  Ausschei- 
uuug  von  Kohlenstoff  relativ  steigende  Menge  des  Stickstoffs  im 
. 'ierischen  Körper  bleibt  überhaupt  nicht,  denn  liestäiidig  wird 
dem  Harn  mit  dem  Hai’nstoff  und  der  Harnsäure,  welche 
^®br  Stickstoff  enthalten , als  irgend  ein  thicrischer  Stoff,  ein 
Überfluss  von  Stickstoff  aus  dem  Köi’per  ausgeschieden. 

10* 


148  I.  Buch.  Von  dm  organ.  Säften.  I.  Abschn.  Vom  Blut. 

Den  Einfluss  der  Milz,  Nebennieren,  Schilddrüse  und  Thy- 
musdrüse auf  die  Blu'bcreilung  kennt  man  durchaus  nicht.  Siehe 
das  Nähere  im  2.  Buch  4.  Abschn. 

Die  Abscbeidungcn  gewisser  Stoffe  aus  dem  Blute , welche  j 
aus  der  organischen  Ockonomie  entfernt  werden,  haben  einen 
grossen  Antheil  an  der  Erhaltung  der  reinen  Mischung  des  Bluts. 
Hieher  gehört  die  Ausscheidung  überflüssiger  oder  unbrauch- 
barer eingelührter  Theile,  des  Wassers  (durch  Lungen-  und  Hau t- 
ausdünstu'ng  und  Harn)  oder  der  durch  die  Nahrungsstoffe  ein- 
geführten mineralischen  Stoffe  (meist  durch  den  Harn)  und  der 
Stoffe,  die  einen  üeberfluss  von  Kohlenstoff,  oder  Stickstoff;  oder 
Sauerstoff,  oder  Wasserstoff  enthalten,  durch  die  Lunge  (Kohlen- 
säure), oder  durch  die  Leber  (kohlenstoff-  und  wasserstoffreiche 
Verbindungen),  oder  durch  den  Harn  (stickstoffreiche  Verbindun- 
gen). Auch  die  Mischung  des  Blutes  kann  durch,  im  Organis- 
mus neu  entstandene  Zersetzungsprodukte,  die  das  Blut  in  sich 
aufnimmt,  gestört  und  die  Ausscheidung  nothwendig  werden,  wie 
es  mit  gewissen  Bestandtheilen  des  Harns  zu  seyn  scheint.  Hie- 
nach  begreift  man,  wie  die  einmal  vorhandene  Mischung  sich  er- 
hält. Eine  andere  Frage  ist,  oh  die  Ausscheidung  gewisser  Stoffe 
aus  den  ins  Blut  geführten  Nuhrungsstolfen  zur  ursprünglichen 
Erzeugung  der  Blutmischung  wesentlich  beilrage. 

Die  Harnsäure  des  Harns,  ein  stickstoffreiches  Produkt,  ge- 
hört wohl  unzw’cifelhaft  zum  Theil  wenigstens  hieher,  da  ihre 
Quantität  im  Harn  schon  allein  durch  stickstoffreiche  oder  Fleisch- 
Nahrung  vermehrt  wird,  und  da  sie  im  Harn  der  pflanzenfressen- 
den Säugctliiere  von  Harnbenzoesäure  ersetzt  wird. 

Der  flarnstoff  wirdf^'nach  der  Entdeckung  von  Pbevost  und 
Dumas  nicht  erst  durch  das  Organ  seiner  Ahsebeidung,  die  Nie- 
ren, gebildet,  sondern  findet  sich  schon  in  dem  Blute  vor,  wenn 
die  Nieren  exstlrpirt  worden  sind,  so  dass  diese  IMaterie  im  ge- 
sunden Blute  eben  darum  nicht  gefunden  wird,  weil  sie  bestän- 
dig daraus  abgeschieden  wird.  Nach  Exstirpation  beider  Nieren  | 
treten  die  Zufälle  am  3.  Tage  ein,  nämlich  braune,  reichliche  und  j 
sehr  flüssige  Stuhlgänge  und  Erbrechen,  Fieber  mit  erhöhtci’ 
Temperatur  bis  43“  Cent.,  zuweilen  vSiiikcn  bis  33";  der  Pul*  ^ 
wird  klein,  schnell,  und  steigt  bis  200,  das  Athmeu  häufig,  kur*z 
Zuletzt  schwer.  Am  5.  bis  9.  Tage  erfolgt  der  Tod,  der  i'^ 
Mayer’s  Versuchen  (Tied.  u.  Tbevir.  Zeitschrift  für  Physiol.  2.  2.  j 
278.)  schon  in  10  — 30  Stunden  nach  Zittern  und  Convulsionei»  ^ 
erfolgte.  Man  findet  Ergiessung  eines  hellen  Serums  in  de» 
Hiriihöhlen,  die  Bronchien  voll  Schleim,  die  Leber  entzünde^ 
den  Darm  voll  flüssigen,  durch  die  Galle  gefärbten  Kothes,  di® 
Harnblase  sehr  zusammengezogen.  Das  Blut  der  operirten  Thiei^ 
(Hunde,  Kaizen,  Kaninchen)  war  w'ässeriger,  und  enthielt  Harnstoff) 
der  durch  Alcohol  ausgezogen  wurde.  5 Unzen  Blut  eines  Hunde*; 
der  2 Tage  ohne  Nieren  lebte,  gaben  über  20  Gran  Harnstoff) 

2 Unzen  Katzenblut  10  Gran.  BMoth.  unioers.  18.  208.  Mbc«-* 
Arch.  8.  325.  Vauquelin  und  Sec.alas  haben  diese  Entdeckui^ 
bestätigt.  Magekd.  Journ.  d.  Physiol.  2.  354.  Meck.  Archiv. 

229,  Das  Blut  wurde  getrocknet,  der  Rückstand  ausgewaschen; 


4.  Organ.  Eigenschaften  des  Blutes,  ElutbUdung.  Secretionen.  149 

das  Wasser  abgedunstet,  der  Rückstand  mit  Alcoliol  ausgezogen, 
lind  diese  neue  Auflösung  wieder  abgedunstet.  Hiebei  ist  jedoch 
die  Vorsicht  nötbig,  das  Wasser  in  der  Kälte  und  neben  Schwe- 
felsäure im  leeren  Raume  verdunsten  zu  lassen.  So  erhielten  sie 
aus  dem  Blut  eines  Hundes,  dem  60  Stunden  nach  der  Opera- 
tion die  Adern  gcöfl'net  wurden,  Harnstoll.  Der  Harnstoff 
and  die  Harnsäure  sind  die  stichst, offreichsten  organischen  Stoffe, 
die  man  kennt.  Der  Harnstoff  enthält  in  100  'llil.  46,65  Stick- 
stoff, 19,97  Kohlenstoff,  6,65  Wasserstoff,  26,63  Sauerstoff, 
^on  der  Harnsäure  weiss  man  noch  nicht,  oh  sie  schon  im  Rlute 
Vorhanden  ist  und  das  Zerselzungsprodukt  nur  ausgcscliieden 
'"'ird,  oder  erst  in  den  Nieren  entsteht,  obgleich  hei  den  Gicht- 
anlällen  harnsaures  Natron  aus  dem  Rlute  in  verschiedene  Theile, 
R.  in  die  Nähe  der  Gelenke,  in  Gichtknoten,  abgelagert  wird, 
^or  Harnstoff  kann  nach  Woeiiler’s  Entdeckung  (wie  pag.  5.  an- 
Rolührt  wurde)  künstlich  gebildet  werden,  und  enthalt  dieselben 
®estandtheile,  wie  cyanichtsaures  Ammoniak,  oder  nach  der  neu- 
aan,  auf  Woeuleu’s  und  Liebig’s  Untersuchungen  gegründeten 
^Omenclatur  (Rerz.  Jahresh.  11.),  wie  cyansaurcs  Ammoniak, 
l'ie  Harnsäure  liefert  nach  Kodweiss  hei  allen  Zcrsetzunj;en  der- 
®6lhen  mit  Salpetersäure  auch  Harnstoff.  Berz.  Ftuerclt.  702. 

Da  der  Harnstoff  im  Blute  seihst  schon  vorhanden  ist,  so 
*^*00  man  in  Hinsicht  seines  Verhältnisses  zum  Blut  annchmen: 

dass  er  hei  der  Umwandlung  der  Nahrungsstoffe  in  die  we- 
sentlichen Bestandtheile  des  Blutes  schon  als  eine  unbrauchbare 
^ondjination  entstehe,  oder  2.  dass  er  erst  ein  Zersetzungspro- 
*iiikt  der  organisirten  Theile  sey.  Das  Erstere  könnte  man  da- 
>‘aus  schliesscn,  dass  Tiedemsni»  und  Gmei.in  in  einem  ihrer  Ver- 
mit  tlcm  Cliylus  das  dem  Osrnazoin  des  Cliylus  beij’emiscl}te 
Kochsalz  statt  in  Würfeln  in  Octaedern  anschicssen  sahen,  wäh- 
^ond  das  Kochsalz  in  anderen  dieser  Fälle  würdig  war,  der 
^^ärnstoff  aber  sonst  die  Crystallisationsform  des  Kochsalzes  in 
^claeder  umwandelt.  Tikdemvisn  und  Gmelin  Versuche  über  die 
^^rdauung.  2.  91.  Allein  andere  Gründe  machen  dicss  unwahr- 
®oheinlich.  Denn  einiger  Harn  wird  auch  hei  Alonale  lang  hun- 
B^riulen  Amphibien  gebildet,  und  Lassaigke  hat  im  Harn  eines 
yorrückten,  der  18  Tage  hungerte,  die  F gstandtheile  des  gesun- 
Harns  gefunden.  J.  de  Mm.  med.  . 272.  Ferner  ist  der 
**ärn  der  pllanzenfressenden  Thicre,  deien  Nahrung  doch  sehr 
Stickstoff  enthält,  nicht  arns  an  stickstoffreichen  Bestand- 
w'eilon  des  Harns,  wie  Harnstoff.  Es  ist  zwar  gewiss,  dass  der 
Y'Tn  beständig  Unhraiichharea  aus  den  Nahr.ungsstoffen  ausscliei- 
sich  nach\ler  Nahrung  verändert,  z.  B.  mehr  Harnsäure  ent- 
hei  Fleischnahrung.  Bei  mit  stickstofffreien  Stoffen  genalir- 
Vögeln  enthalten  die  Excremente  wenig  weisse  Materie,  Harn- 
viel  weniger  als  hei  Fütterung  mit  Eiweiss.  Tiedemanm  u. 
Y''SLiri  die  Verdauung.  2.  233.  Bei  pflanzen-  und  fleischfressen- 
Thieren  ist  der  Harn  consequent  verschieden  (indem  der 
, ärn  der  pflanzenfressenden  Säugethiere  statt  Harnsäure, 
®nzoesäure  enthält  und  statt  sauer  alkalisch  ist,  und  der  ttarn 
Vögel  saures  harnsaures  Ammoniak,  der  Harn  der  pflanzen- 


150  I.  Buch.  Von  den  organ.  Säften  etc.  I.  Ahschn.  Vom  Blut, 

fressenden  Vögel  aber  keinen  Harnstoff  enthält) ; aber  es  ist  doch 
unzweifelhaft,  dass  gewisse  Bestandtb eile  des  Harnes  auch  von  Zer- 
setzung des  Blutes  oder  der  organisirten  Theile  entstehen.  Da  es 
also  gewiss  scheint,  dass  die  Producte  des  Harnes  nicht  allein  j 
zur  Erzeugung  der  Mischung  des  Blutes  aus  dem  Blute  ausge- 
schieden werden,  so  kann  man  sich  vorslellen,  dass  Harnstoff  ent- 
weder durch  das  Unhrauchharwerden  der  Bildungstlieilchen  des 
Blutes  oder  der  Organe  entsteht,  oder  dass  bei  der  zum  Lehen  | 
nothwendigen  Wecliselwirkimg  des  arteriellen  Blutes  mit  den  Or- 
ganen, entweder  gewisse  Bestandtheile  des  Blutes,  oder  der  Or- 
gane zu  unhraiicliharen  Comhinationen,  d.  h.  zersetzt  werden- 
Das  Letztere  wird  deswegen  unwahrscheinlich,  weil  der  Emhryn 
auch  wenigstens  Harnsäure  bildet,  die  sich  in  der  Allantois  nicht 
allein  der  Vögel,  sondern  auch  hei  Säugethieren  findet,  die  Säu- 
gelhierloelus  aber  im  Liter  us  der  Mutter,  dem  eigentlichen  Sinne 
des  Wortes  nach,  nicht  athmen,  wenn  das  Athinen  auch  durch 
die  \erhindung  mit  der  Mutter  ei’setzt  ist.  Uebiigens  fängt  die 
Bildung  von  Zersetzungsproducten  schon  ausserordentlich  frühe 
hei  dem  Embryo  an.  Zwar  bilden  sich  die  Nieren  in  dem  he- 
lütetcn  Vogelei  erst  gegen  den  6.  Tag,  und  hei  dem  Emhrye  i 
der  Fische  und  Salamander  nach  meinen  Untei-sui-hungen  erst 
iiach  dem  Emhryonenzustand  im  Larvenzustand;  allein  ausseror- 
dentlich frühe  sind  andere  Ausscheidungsorgane  an  der  Stelle 
der  Nieren,  die  von  Rathre  und  mir  genau  heschriehenen  Wolff’- 
sc  len  Köiper,  bestellend  aus  hohlen,  zu  einem  Ausführungsgange 
verbundenen  Blinddärnichen,  Oi-gaiie,  die  sich  heim  Vogelem- 
hryo  schon  am  3.  Tage  bilden,  nach  meinen  Beohachtiingen  vort* 
Vogclemhryo  später  ein  wirkliches  gelbes,  dem  Vogelharn  ähnli-  I 
c les  Secret  flus.sondei  n,  wälirond  die  Allantois  der  Vö^el  zugleich  ( 
naci,  den  ersten  Tagen  der  Bchrütung  schon  Harnsäure  enthält,  l 
wie  Jacobson  (Meckel’s  Archiv  8.  .3.32.)  entdeckt  hat.  Diese  Or-  i 
gane  sind  bei  dem  Embryo  aller  Wirhellhlere  mit  Ausnahme  der  ^ 
Lisehe  vorhanden,  sie  verschwinden  bald  früher,  bald  später,  hei 
öen  nackten  Ainphihien  ei-st  mit  dem  Lai’venzustand,  hei  de»  | 
ogeln  um  die  Zeit  des  Auskriechens  und  später,  hei  den  Sä»'  | 
gethieren  sehr  früh  und  hei  dem  Menschen  am  aller  früheste»-  | 
J.  Mueller,  Bildungsgeschlrhie  der  Genitalitn.  Düsseldorf  -18.30. 

M I vei-liert  das  Blut  an  Zerset-zungsproduetc»  | 

ichsaure  und  milchsaures  Ammonium,  salzsaiires  Arnmoniiiini 
o 1 ensäuie.  Die  Alilchsnure,  die  auch  im  Harne  ausgeschiede» 
■wiri,  ist  nach  Berzelius  ein  allgemeines  Product  der  treiwlllige» 
cisorung  tliierischer  Stoffe  innerhalb  des  lebenden  Körpers;  s'® 
nie  sich  in  gi-osser  Menge  in  den  Muskeln,  wird  vom  Blut®  ^ 
uni  i essen  Alkali  gesättigt,  und  in  den  Nieren  mit  saurem  Har»®  • 

abgeschieden.  [ 

Die  Galle  spielt  eine  wichtige,  nicht  näher  gekannte  Rolle  1 
er  Umwandlung  der  Nahrungsstolfe  im  Darme.  Ihi-e  ErgiessiiUa 
m i cn|enigcn  Tlieil  des  Darmes,  wo  die  Bildung  des  Chymiis  volj' 
endet  wird,  hei  Wirhelthieren  und  Mollusken  beweist,  dass 
nicht  bloss  excrementiell  ist;  übrigens  wird  der  quantitativ  wi®^^ 
tigste  Bestandtheil  der  Galle,  das  Picromel,  offenbar  auf  die  U»*' 


I 


4.  Organ.  Eigenschaften,  des  Blutes.  Bluibildung.  Secretionen.  151 

Wandlung  des  Cliymus  verwandt,  da  es  sich  unter  den  Excreinen- 
ten  nicht  vorlindet.  Aher  die  Galle  enthalt  gewiss  auch  excre- 
öientielle  Stoffe,  von  welchen  das  ßlut  hefreit  wird,  und  die  we- 
sentliche Theile  der  Darinexcreinente  sind,  wie  das  Gallenharz, 
das  Gallenfett  und  der  Farbesloff  der  Galle,  wovon  sich  wiederum 
keine  Spuren  in  dem  Chylus  vorflnden.  Das  Blut  wird  daher 
durch  die  Leher  von  einem  Ueberschuss  von  kohlenstolf-Ayasser- 
stolllgen  Bestandtheilen  und  von  Fett  befreit,  wahrend  in  den 
Vieren  ein  XJcherschuss  von  üherstickstoffreichen  Bestandtheilen 
‘»usgeschieden  wird.  Von  den  cxcrernentiellen  Stoffen  der  Galle 
ist  der  Farhestoff  derselben  stickstoffhaltig.  Die  Lungen  und  die 
Leber  können  insofern  verglichen  werden,  als  beide  kohlenstolf- 
kaltige  Producte  ausscheiden,  erstere  jedoch  im  comhurirten -iu- 
stande,  Kohlensäure,  letztere  im  comhustiheln  Zustande.  Schon 
ältere  Naturforscher,  in  der  neuern  Zeit  Auteniueti],  und  beson- 
ders Tiedemann  und  Gmelin  haben  auf  ein  gewisses  Wechselwr- 
lialtniss  zwischen  Lungen  und  Leher  aufmerksam  gemacht.  Ob- 
gleich es  sich  nicht  durchführen  lässt,  dass  die  Grösse  der  Leher 
i>n  umgekehrten  Verhältnisse  mit  dem  Athmnngsorgane  in  der 
Tliierwelt  wachse,  so  sprechen  doch  pathologische  Beobachtungen 
für  eine  solche  Beziehung. 

Die  excernirende  Thätigkelt  der  Leher  zeigt  sich  auch  unter 
Umständen,  wo  nicht  verdaut  wird.  Denn  obgleich  das  Frucht- 
Wasser  von  dem  Foetus  in  der  spätem  Zeit  verschluckt  wird,  so 
Lt  doch  die  Leber  sehr  früh  ausgehildet  und  sondert  ah,  und 
die  Galle,  wenngleich  Aveniger  bitter  und  gefärbt,  enthält  nach 
Lassaigne  {ann.  de  chim.  et  de  phys.  17.  304.)  ci.ie  grüne  harzige 
^laterie  und  einen  gelben  Farhestoff,  aber  kein  Picromel.  ln 
der  That  sammelt  sich  die  cxcrementielle  Galle  des  hoetus  mit 
Larmschleim  vermischt  im  untern  Iheile  des  Darmes  als  soge- 
nanntes Meconiurn  an.  So  dauert  nach  Tiedemans’s  undGMEi.iN’s 
Untersuchungen  die  Absonderung  der  Galle  in  dem  Darme  hei 
^interschlafeiulen  Thieren  fort.  Diese  Naturforscher  führen  auch 
nn,  dass  nach  Cuvier’s  Beobachtung  in  mehreren  Mollusken  nur 
der  kleinste  Theil  der  Galle  in  den  ohern  Theil  des  Darmes  cr- 
Sossen,  und  die  übrige  Galle  durch  einen  hesondern  Ausführungs- 
'‘^anal  entweder  in  den  Blinddarm,  wie  hei  Aplysia,  oder  gar  m 
die  Nähe  des  Afters,  wie  hei  Doris  und  Tethys,  ausgeleert  werdm 
muss  ich  jedoch  bemerken , dass  cs  noch  sehr  zvved'clhaft 
»st,  oh  das  Secret,  welches  hei  den  letztem  in  die  Nähe  des  At- 
ters ausgmehieden  wird,  Galle  ist,  und  dass  es  keineswcges  der 
8*'össte  Theil  derselben  seyn  kann.  Nach  meinen  üntersuchun- 
S6n  an  mehreren  grossen  Doris  fand  ich  den  merkwürdigen  Aus- 
fdhrungsgang,  dcii  Cuvier  entdeckt  hat.  Er  scheint  aber  nicht 
^ie  die  Gallenkanäle,  aus  den  trauhenförmigen  Bläschen  der  Le- 
^»cr,  sondern  mit  vielen  Aesten,  die  zmn  Theil  zwischen  den  Lap- 

l»en  der  Leber  verlaufen,  aus  einem  netzförmigen  Gewebe,  wel- 
»^''es  sich  über  die  Oberfläche  der  ganzen  Leher  ausdehnt,  zu 
entspringen,  ATährend  ein  grosser  Stamm  aus  dem  Innern  der 
^eker  hinzukömmt.  Mir  scheinen  hier  zweierlei  Ausscheidungen 
»»»IS  dem  Blute,  welches  sich  in  die  Masse  der  Leber  verbreitet, 


152  I.  Buch.  Von  den  organ.  Säften  etc.  II.  Abschn.  Vom  Blutkreislauf. 

statt  zu  finden,  während  die  Apparate  der  Umwandlung  des  Blu- 
tes in  zwei  verschiedene  Secrete  docli  vielleicht  verschieden  sind. 
Dem  Orte  der  Ausmündung  nach  hat  jener  Gang  viel  Aehnlich- 
keit  mit  dem  Ausführungsgange  des  saccus  calcareus  der  Schnek- 
ken,  aber  ihr  Ursprung  ist  freilich  sehr  verschieden. 

Die  Häufigkeit  der  Leherkrankheiten  in  den  heissen  Climaten 
und  Jahreszeiten,  so  wie  auch  die  der  DarmkanalalTectionen  un- 
ter denselben  Bedingungen,  die  Häufigkeit  der  Leber-  und  Un- 
terlcihsaffeclionen  bei  feuchter  und  Sumpf-Luft  sind  noch  ein 
Rälhscl.  Könnte  man  sich  erklären,  wie  diese  Umstände  den 
Kreislauf  erschweren,  und  Stockungen  des  Blutes  veranlassen,  so 
wäre  fieilich  leicht  einzusehen,  warum  Leber  und  Darmkanal 
biebei  am  meisten  leiden,  weil  die  Circulation  in  diesen  Einge- 
weiden  doppelt  erschwert  werden  muss;  indem  das  Darmvenen- 
und  Pfortaderhlut  nicht  sogleich  wieder  in  den  allgemeinen  Kreis- 
lauf gelangt,  sondern  erst  die  Leber  zu  durchkreisen  hat.  Vergl. 
Ttedemanv  und  Gmelis  die  Verdauung.  H.  Theil.  Tiedemasn  und 
Gmeeih  behaupten,  dass  die  vermehrte  Gallenabsondernng  in  tro- 
])ischen  Climaten  die  verminderte  Purification  des  Blutes  in  den 
Lungen  compensirc,  welche  Mehrere  von  der  Verdünnung  der 
Luft  in  Folge  der  Hitze  ableiten.  Stevens  [obseru.  on  ihr.  healthy 
and  diseascd  propertie.t  of  the  hlood , London  18.32.  p.  59.)  hält 
diese  Annahme  für  unrichtig.  Denn  in  Westindien,  wo  die  klein- 
sten Inseln  die  trockensten  und  beissesten  seyen,  wo  aber  stagni- 
rende  'W'asser  fehlen,  seyen  die  Einwohner  frei  von  Leberkra"nk- 
lieiten  oder  vermehrter  Gallenahsonderung,  und  diese  seyen  in 
Leissen  Climaten  nur  bei  Sumpfluft  herrschend. 


IL  Abschnitt.  Von  dem  Kreisläufe  des  Blute« 
und  von  dem  Blutgefässsystem. 

I.  Capitel.  Von  den  Formen  des  Gefässsystems  in 
der  Thierwelt. 

Die  organisch -chemischen  Veränderungen  des  Blutes  in  ein- 
zelnen Theilen,  und  die  Nothwendigkeit  dieser  Veränderungen  de* 
Blutes  für  alle  Theile,  machen  den  Kreislauf  des  Blutes  nnent- 
behrheh.  Die  Ilaupttriebfeder  dazu  ist  die  rhythmische  Bewe- 
gung des  Herzens.  Das  Herz  ist  derjenige  Theil  des  Gefässsystems, 
welcher  duich  Muskelsubstanz,  die  den  Blutgefässen  sonst  feldb  i 
contractil  ist.  In  der  einfachsten  Form  ist  das  Herz  daher  selbst 
noch  gefässartig,  wie  die  gefässartigen  mehrfachen  Herzen  der 
Anneliden,  welche  zugleich  die  Hauptgefässstämme  sind,  die  con-  | 
tractilen  Gefässstämme  auf  dem  Darm  der  Holothurien,  das  ■ 


1.  Formen  des  Gefässsystems  in  der  Thierwelt. 


153 


*:inQ  Reibe  von  commiinicirenden  Kammern  getlieilte  Rückenge- 
fass der  Insectcn.  Wie  ricbtig  diese  Ansicht  ist,  sieht  man  sehr 
dcullicli  hei  einzelnen  Ahtheilungen  der  Rrehsc,  z.  B.  den  Squil- 
leii,  deren  llcrz  ein  contractiles  Rückengefäss  ist,  wahrend  das- 
'^elbe  Herz  hei  den  Decapoden  eine  kurze' und  umschriebene 
Ikammer  darsteUt. 

Bei  dem  Embryo  der  höheren  Thiere  ist  das  Herz  anfangs 
schl&uchartig,  und  nichts  anderes  als  eine  coutractile  Ümhiegung 
•fer  Venenstämme  in  den  Arterienstamm.  Ja  seihst  heim  Er- 
wachsenen rechtfertigt  sich  diese  Ansicht  noch.  Das  Herz  be- 
klebt hier  hei  den  höheren  Tbieren  aus  einem  kurzen  doppelten 
'niisculösen  Schlauche,  aber  die  contractile  Substanz  verbreitet- 
'>ich  noch  eine  Strecke  auf  die  einmündenden  Venenstämme,  Und 
^^ei- den  Fischen  und  Amphibien  sogar  noch  auf  einen  Theil  des 
Truncus  artcriosus , den  sogenannten  Bulbus  aortae.  Dass  sich, 
'lie  Stämme  der  Hoblvenen  regelmässig  wie  das  Herz  selbst  zu- 
^»nnnenzleben,  kann  man  beim  Frosche  unzweifelhaft  sehen. 

Spallanzawi  nnd  WF.nEMEYEu  haben  diess  schon  gesehen. 
^Di.ler  elementa  physiol.  T.  1.  125.  Die  Zusammenziehung  er- 
streckt sich,  wie  ich  sehe,  an  der  untern  Ilohlvene  bis  an  die 
Teber,  und  dauert  noch  an  Jen  Venenstämmen  rhythmisch  fort 
^äich  Entfernung  des  Herzens.  Zuerst  ziehen  sich  die  Hohlvenen, 
•l^nn  die  Vorhöfe,  dann  die  Kammer,  dann  der  Bulbus  aortae 
'tisammen.  Dieselbe  Erscheinung  von  Contraction  der  Venen- 
®tämme  habe 'ich  bei  Säugethleren  beobachtet,  sowohl  heim  jun- 
Sen  Marder  als  bei  der  jungen  Ratze,  wo  die  Zusammenziehung 
Hohlvenen  und  der  Lungenvenen  aber  gleichzeitig  mit  der 
^tisammenziehung  der  Vorhöfe  ist.  So  weit  man  die  Lungenve- 
''enslämme  in  die  Substanz  der  Lungen  verfolgen  kann,  sieht 
''Jan  heim  jungen  Thiere  die  deutlichste  Zusammenziehung  der 
Lungenvenen,  die  nur  nach  Quetschung  dieser  Venen  aufhört. 
Ltien  'so  deutirdi  ist  die  Zusammenziehung  des  Anfanges  der 
Obern  Hob Ivene  am  Herzen;  aber  man  kann  während  der  Zu- 
®animenziehungen  deutlich  sehen,  wie  weit  sich  die  contractile 
bobstanz  der  Hohlvene  erstreckt.  Ueber  diese  Grenze  hinaus 
*p'St  der  übrige  Theil  der  Hohlvene  keine  Spur  A'on  Zusammen- 
*iehung,  und  ist  vielmehr' vom  Blute  strotzend  und  erweitert, 
Zeit,  Avo  die  an  den  rechten  Vorhof  stossenden  Theile  der 
Jioldvenen  zusammengezogen  sind.  An  dem  Anfangsstücke  der 
Hohlvenen  der  Schlangen  hat  Retzius,  und  an  der  untern  Ilohl- 
der  Säugethiere  hat  E.  B.  Weber  eine  Schichte  eigenthüm- 
Whcr  Fasern  beschrieben. 

Diese  Beobachtungen  zeigen,  dass  das  Herz  in  seiner  einfach- 
Form  nur  der  init  Muskelsubstanz  belegte,  activ  bewegende 
^ beil  des  Gefässsystems  ist,  dass  es  immer  noch  Herz  bleibt, 
pOon  es  auch  bei  den  niederen  Thiercn  nur  einen  conti'actilen 


Def 


Ossstamm  darstcllt.  Der  übrige  Theil  des  Gefässsystems  be- 


_ obt  nur-  aus  Röhrenleitungcn,  die  in  Hinsicht  der  Bewegung 
JjOssiv  sind,  aber  andere  Avichtige  Einflüsse  habcij  können,  z.  B. 
'***  sie  durch  einen  nicht  näher  gekannten  Einfluss  das  Blut 


154  I.Buch.  Von  den  organ.Säfien  etc.  Il./ihschn,  Vom  Blutkreislauf . 

flüssig  erliülten,  oLgleicli  stillstehendes  Blut  auch  in  den  Gefassen 
gerinnt,  und  den  Stoffwechsel  durch  ihre  Wandungen  vermitteln. 

Die  Circulation  des  Blutes  (im  Jahre  1619  von  Harvev  bei 
hen  höheren  Thieren  entdeckt),  bewährt  sich  mit  dem  Fortschritte 
der  Beobachtungen  immer  mehr,  auch  bei  den  einfachen  Thie- 
ren, obgleich  man  sie  noch  nicht  für  einen  allgemeinen  Character 
aller  Thiere  erklären  kann.  Aber  je  weiter  die  Beobachtungen 
fortschreiten,  je  mehr  entdeckt  man  Spuren  von  Gefiissen  bei 
den  einfachsten  Thieren.  Ehrekbehg  bat  sie  von  den  Rädcr- 
thierchen  beschrieben,  und  die  mikroskopische  Kleinheit  scheint 
eine  solche  Zusammensetzung  nicht  auszuschliessen. 

Im  Folgenden  habe  ich  das  Hauptsächlichste  unserer  mehr 
sicheren  Kenntnisse  über  die  Formen  des  Gefässsystems  zusam- 
mengestellt. Bei  mehreren  niederen  Thieren  giebt  es  kleine  cir- 
kclförmige  Kreisläufe  von  Körnchen,  ähnlich  wie  bei  den  Cha- 
ren.  Diese  Cirkelbewegungen  scheinen  von  einem  Herzen  unab- 
hängig zu  seyn.  Hieher  gehören  die  von  Nordmann  in  der  Hülse 
der  Alcyonella  diaphana,  die  von  Carus  unter  den  Ambulacra 
der  Seeigel  beobachteten  kleinen  abgeschlossenen  Kreisläufe; 
auf-  und  absteigende  Bewegungen  in  dem  Stamme  der  Sertula- 
rinen,  die  Meven  {Nou.  act.  nat.  cur.  Vol.  16.  Suppl.)  und  LisTkn 
(Ptälos.  Transact.  18-34.)  beobachteten.  Nach  Lister  hängen  diese 
Strömungen  mit  dem  Magen  zusammen  und  verändern  von  Zeit 
zu  Zeit  ihre  Richtung.  Ehrenrerg  (Mueller’s  JrcMo  1834.  571. 
678.)  hat  auch  Cirkelbewegungen  von  Körnchen  bei  den  Medu- 
sen und,  in  den  einziehbaren  Fasern  auf  dem  Rücken  der  Arte- 
rien beobachtet.  Diese  Phänomene  sind  in  Hinsicht  ihrer  Ur- 
sachen und  ihres  Zusammenhanges  noch  nicht  hinreichend  zer- 
gliedert, um  davon  fruchtbare  Folgerungen  für  den  gewöhnlichen, 
vom  Herzen  abhängigen  SäReurnlauf  zu  entlehnen,  Vielleicht 
hängen  sie  von  Wimperbewegungen  innerhalb  der  Gefässe  ab. 

Bel  den  Meduslnen  geschieht  die  Verbreitung  der  Säfte  durch 
gefässartig  verzweigte  Magensäcke.  Bei  den  Planarien  und  Saug- 
eingeweidewürmern,  Trematoda,  giebt  es  zwar  auch  einen  gefäss- 
artig verzweigten  Darm;  allein  bei  Jenen  bat  Duges,  bei  diesen 
haben  Bojawus,  Mehlis  und  Nordmann  noch  ein  eigenthümliches 
Gefässsystem  entdeckt.  Bei  den  Planarien  ist  diess  schon  ein 
Blutgefässsystem,  bei  den  Distomurn,  Diplostonmm  scheint  es  aber 
nach  hinten  auszumünden.  Nordmahn  inicrograp/t.  Beiträge  183^. 

/.  p.  39.  98.  Aber  bei  Diplozoon,  das  mit  den  beiden  letztgc-  i 
nannten  auch  zu  den  Trematoden  gehört,  bat  Nordmann  auf  je-  I 
der  Seite  zwei  Gefässe  beschrieben,  in  denen  sich  das  Blut  in  ent-  ! 
gegengesetzten  Richtungen ' bewegt.  Bei  den  Trematoden  soll  nach  1 
Ehrenberg  und  von  Nordmann  der  Saft  ohne  Zusammenziehung  j 
der  Gefässe  flicssen,  was  schon  durch  die  Zusammenzichungen  ' 
des  ganzen  Körpers  bei  einer  bestimmten  Richtung  der  Klappen  | 
in  den  Gefassen  statt  finden  kann.  Bel  den  niederen  Thieren,  j 
deren  Kreislauf  man  genauer  beobachtet  hat,  bei  Echlnoderraen, 
Planarien  und  Ilirudineen  ist  die  Blutbewegung  durch  einfache,  , 
doppelte  oder  mehrfache  contractile  GefässsVämme  bewerkstellig* • ' 


1.  Formen  des  Gefüsssystems  in  der  Tlderwelt.  155 

Die  Gefässstämme  sind  aber  keine  Arterien-  und  Venenstämme, 
sondern  zum  Tlieil  contractile  Herzen,  die  das  Blut  in  die  wi- 
schensrefässe  treiben. 

Das  von  Tiedemann  bei  den  Holotburien  entdeckte  Getass- 
System  eemeinscliaftlich  «lul  dem  Darmkanale  und  dem  At  lemor- 
gan  scli'eint  hierhin  zu  gehören  (in  der  Haut  ist  überd, ess  em 
eigenes  System  von  Wasserkanälen  zur  Anschwellung  der  l'uhl- 
w'ärzchen).  Anatomie  der  Röhrcnholot hurie  etc.  Bei  den  Würmern 
mit  rothem  Blute  giebt  es  auch  noeb  keinen  deutheben  Unter- 
schied von  Arterien-  und  Venenstämmen,  sondern  eintaehe,  dop- 
pelte und  mehrtäche  contractile  Gefässstämme,  welche  sich  ab- 
wechselnd bald  füllen,  bald  zusammenziehen,  und  das  Blut  durch 
die  zwiscbenliegenden  Aeste  und  Gefässnetze  treiben.  ie_  u 
sammenziehungen  der  Gefässstämme  schreiten  in  einer  gewissen 
Richtung  vorwärts,  und  treiben  das  Blut  nach  Duges  en 

grösseren  Gefässstämmen  im  Kreise  herum;  entweder  in  horizon- 
taler Biebtung,  wie  bei  den  Hirudineen,  wo  die  Hauptstamme  7.U 
teiden  Seiten  liegen,  oder  in  verticaler  Biebtung,  wo  die  Uaupt- 
stänime  oben  und  unten  liegen,  wie  bei  den  Lumbricinen , Are- 
nlcolen,  Naiden.  Zu  gleieber  Zeit  wirft  sieb  das  Blut  abwech- 
selnd durch  die  Quergefässe  von  einer  zur  andern  Seite,  indem 
der  eine  Stamm  gefüllt  wird , während  der  andere  sich  contra- 
liirt,  wie  man  diess  von  llirudo  vulgaris  weiss.  Siebe  J.  Muel- 
t-Ea  Meckei.’s  Arckiu  1828.  und  meine  Beobachtungen  über  Are- 
nicöla  in  Burdacb’s  Physiolo/^ie.  Bd.  4.,  über  die  Würmer  über- 
liaupt  Duges  Ann.  des  sc.  nat.  T.  15.  Es  giebt  bei  diesen  Thie 
ren  einen  unvollständigen  Kreislauf  (durch  die  Stämme),  und  zu- 
gleich alternirende  Fluetiiation.  Ich  glaubte  zu  sehen,  dass  bei 
Hiriulo  vulgaris  beide  Seitengefässe  abwechselnd  von  hinten  nach 
Vorne  zu  leer  werden.  Duges  dagegen  behauptet,  dass  die  Bewe- 
gung im  Kreise  herum  gehe.  Die  Athemorgane  der  Anneliden 
sind  mannichfach,  Kiemenbüschel,  wie  in  den  Arenicolen,  oder 
Lungenbläschen,  und  erhalten  ihr  Blut  wie  die  übrigen  Organe 
von  Aesten  der  Haiiptgefässe.  Die  Nereiden  haben  nach  B. 
"Wagmer  zivei  Längsstämme,  einen  auf  dem  Bücken,  der  von  hin- 
ten nach  vorn  das"  Blut  treibt  und  pulsirt,  den  zweiten  Bau- 
ehe, unter  dem  Darme  (oder  dem  Nervenstränge),  der  nicht  pul- 
set oder  sich  contrahirt;  ausserdem  finden  sich  Quergetässe, 
obere  und  untere  für  die  Leibesringe,  letztere  pulsiren  lierrhch 
’ind  entspringen  aus  dem  Bauchlangsstamme,  sie  gehen  in  die  Bu- 
derphitten  oder  Füsse  (Kiemen);  aus  diesen  entspringen  the  obe- 
*■00  nicht  piilslreiulen , die  zum  Bückenstamine  gehen.  Bei  den 
Thieren  mit  einem  contractilen  Gef  ässtamme  giebt  es  einen  voll- 
ständigen einfachen  Kreislauf  ohne  Fluctuation,  sondern  arteriöse 
Und  venöse  Ströme.  So  liei  den  Insecten,  wo  Carus  den  ein  a- 
oiien  Kreislauf  vom  contractilen  Bückengefässe  aus  und  hinten 
Rücken^efasse  zurück  entdeckt  hat.  Carus  Entdec.iun^  eines 
•^mkreislaujes  etc.  Leipz.  1827.  Ahe.  art.  nat.  cur. 

Lie  Strömehen  sind  sehr  einfach  und  ohne  Verzweigung;  die 


Strömehen  sind  sehr  einfach  und  ohne  Verzweigung,  um 
^hsse  z.  B.  haben  nur  zwei  einfache  entgegengesetzte  Strome,  die 
’ihmittelbar  in  einander  umbiegen.  Gefässströme  der  Organe 


156  I,  Buch.  Von  den  organ.  Saften  etc.  II.  Abschn.  Vom  Blutkreislauf 

sind  nocli  niclit  bekannt.  Doch  habe  ich  schon  im  Jahre  18‘i4 
den  Zusammenhans;  der  Eierröhren  mit  dem  RückengefiVsse  oder 
Herzen  vieler  Insekten  entdeckt  und  beschrieben.  JS'oo.  act,  nat. 
cur.  T.  12.  2.  Vergl.  Wagner  Isis  1832.  320.  Wagner  hat  diese 
Verbindungen  bestätigt;  er  hält  sie  aber  mit  Carus,  TreviranuS 
und  Burmeister  nicht  Tnr  Blutgefässe.  Die  Erklärung  ist  unge- 
wiss, die  Thatsachen  sind  unzweifelhaft.,  obgleich  ich  seihst  jene 
Verbindungen  hei  zwei  Insekten  vermisst  habe.  W^agner  hat  Ca- 
rus Beobachtungen  über  den  sichtbaren  Kreislauf  der  Insekten 
nicht  allein  bestätigt,  sondern  auch  erweitert,  er  hat  die  Blut- 
körperchen zu  den  Seiten  des  Darmes  und  Rückengefässes  in 
zwei  venöse  Ströme  verlheilt  fliessen  gesehen,  Avahrscheinlich 
ohne  Gefässe,  und  sah  zugleich  Blutkörperchen  von  diesen  Strö- 
men aus  in  das  Riickeiigefäss  durch  Seitenspalten  eintreten. 
Schon  Straus  hat  diese  Seitenspalten  an  den  verschiedenen  Ab- 
theilungen  des  Rückengefässes  beschrieben.  Nach  Straus  besteht 
das  Bückengefäss  des ' Maikäfers  aus  acht  Kammern,  die  durch 
zweilippige,  nach  vorne  gerichtete  Klappen  communiciren,  und 
das  Blut  von  hinten  nach  vorne  durchtreten  lassen.  Considera~ 
tions  generales  sur  l’anatomie  des  animaux  articules  etc.  Paris  182.9.  [ 

Einen  fast  eben  so  einfachen  Kreislauf  scheinen  die  einfachen 
Crustaceeu  (Asseln,  Daphnien)  nach  Zenker  und  Gruithuisen,  und 
die  Spinnen  zu  besitzen.  Die  Lungen-  oder  Kiemen-Bluthahn  ist 
noch  nicht  von  der  allgemeinen  Bluthahn  abgesondert.  Bei  die- 
sen niederen  Crustaccen  und  hei  den  Lungenspinnen  athmet  ein 
Thcil  des  Blutes  in  dem  Athmenorgane  während  des  Kreislaufes. 

Bei  den  Insekten  und  Luftröhrenspinnen  athmet  das  Blut  im  gan- 
zen Körper,  da  sich  die  Luftröhren  in  allen  Theilen  bis  auf  das 
feinste  verzweigen.  Bei  den  eigentlichen  Krebsen  gicht  es  entwe- 
der ein  langes  röhriges  Herz,  wie  hei  den  Squillen,  oder  ein  kur- 
zes und  breites,  wie  bei  den  übrigen  Krebsen.  Die  venösen 
Ströme  führen  das  Körpervenenhlut  erst  in  die  Kiemen,  die  Kie- 
menVenen  zum  Herzen,  das  Herz  zum  Körper.  Dass  diese  von 
Audouin  und  Edward’s  entdeckten  Verhältnisse  wirklich  stattfin- 
den, davon  habe  ich  mich  zu  Paris  am  Hummer  durch  Injection 
überzeugt,  und  ich  halte  die  häutige  Decke  über  dem  Herzen 
mit  Meckel  nicht  für  einen  Vorhof,  wofür  ihn  Straus  nimmt. 
Siehe  Ann.  des  sc.  nat.  1827.  Tab.  24 — 32. 

Bei  den  Mollusken  ist  der  Kreislauf  ähnlich  wie  hei  den 
Krebsen.  Nur  hei  den  schalenloscn  Acephalen  (Ascidien,  Salpen)  I 
gehen  die  Kiemen venen  unmittelbar  zur  Kammer,  hei  anderen,  ^ 
wie  bei  den  meisten  Gasleropoden  (Schnecken),  gelangt  ihr  Blut 
zuerst  zu  einem  Vorhof , und  bei  den  zweischaligen  Muscheln  lU 
zwei  Vorhöfe,  und  von  dort  zur  Kammer.  Das  Körpervenenhlut 
gelangt  hei  den  meisten  Mollusken  ganz  in  die  Kiemen,  hei  den 
zweischaligen  Muscheln  (nacliBoJANUS  Isis  1819.)  gel.ingt  ihr  Rör- 
pervenenhlut  durch  das  von  ihm  für  eine  Lunge,  von  Neuern  lui' 
eine  Niere  gehaltene  hohle,  mit  einem  Auslührungsgange  versC" 
bene  Organ,  und  dann  grössten thcils  in  die  Kiemen,  während  eiu 
Theil  sogleich,  ohne  erst  durch  die  Kiemen  zu  gehen,  in  diß 
Vorhöfe  gelangt.  Dagegen  sagt  Treviäanus  {Erscheinungen  u.  Ge' 


1.  Formen  des  Gefässsystems  in  der  Thierivelt.  157 

setze  des  organ,  Lebens.  I.  p.  227.),  dass  Lei  den  zweisclialigen 
Muscheln  ein  Tlieil  des  RiemenvenenLlutes  von  den  Riemen  noch 
erst  das  schwammige  Organ  durchkreise,  und  dann  «im  Herzen 
gelange;  so  wie  hei  den' Schnecken , Lirnax  und  Helix,  das  Lun- 
genvenenhlut  zum  Theil,  ehe  es  zum  Herzen  gelange,  zu  dem 
Karnsäure  absondernden  Organ  (sacc.  calcareus)  gehe,  und  dann 
sich  wieder  sammele,  um  in  den  Vorliof  zu  gelangen. 

Bei  den  Sepien  unter  den  Mollusken  sind  3 getrennte  Ram- 
«nern  vorhanden,  das  Rörperherz  gieht  die  Rö^erarlerie  ah,  die 
^örpervenen  führen  das  Blut  in  2 seitliche  Riemen  leizen , von 
dort  gelangt  es  durch  die  Riemenarterien  in  die  Riemen  und 
durch  die  Riemenvenen  wieder  ins  Aortenherz. 

Sobald  in  der  Thierwelt  ein  wahrer  Rreislauf  auttritt , Han- 
gen alle  ferneren  Modificationen  von  dem  Verhältnisse  ab,  weU 
clies  die  Gefasse  des  Athemorganes  (Lunge  oder  Rieme)  oder  die 
befasse  des  kleinen  Rreislaufes  zu  den  Rorpergefassen  oder  den 
befassen  des  grossen  Rreislaufes  haben.  Entweder  athmet  nur 
®>n  Theil  des  Blutes  während  des  grossen  Rreislaufes,  und  der 
l^leine  Rreislauf  ist  nach  Cuvif.r’s  Ausdruck  nur  ein  Bruch  des 
grossen,  oder  alles  Blut  muss  zuerst  den  kleinen  Rreislaut  der 
Lungen  oder  Riemen  durchgehen,  ehe  es  im  Rörper  verbreitet 
^ird.  Im  ersten  Falle  befinden  sich  unter  den  Wirbellosen  die 
niederen  Crustaceen  (Spinnen?),  Würmer,  unter  den  Wirhelthm- 
^en  die  Amphibien.  Im  zweiten  Falle  sind  die  Mollusken,  die 
eigentlichen  Rrebse,  die  Fische,  Vögel,  Säugethiere  und  der 
^lensch.  Die  Fische  scheinen  in  dieser  Hinsicht  über  den  Am- 
phibien  zu  stehen,  und  letztere  sogar  den  Mollusken  und  Crusta- 
eeen  untergeordnet  zu  seyn.  Allein  Cuvier  bemerkt  richtig,  dass 
Athmen  im  Wasser  weit  unvollkommener  als  in  der  Luit  sey, 
dass  also  das  halbe  Athmen  der  Mollusken,  Krebse  und  Fi- 
Sehe  hei  einem  ganzen  kleinen  Rreislaule  im  Resultate  nicht  ab— 
Reiche  von  dem  ganzen  Ätlimen  der  Amphibien  bei  einem  hal- 
ben kleinen  Rreis'laufe.  Die  luftathmenden  Schnecken  scheinen 
®bn  immer  noch  höher  zu  stehen,  als  die  luftathmenden  Amphi- 
bien, insofern  nur  ein  Theil  des  Blutes  hei  den  letzteren,  alles 
Llut  bei  den  ersteren  athmet.  Allein  das  Blut  vertheilt  sich  in 
"en  Lungen  der  Schnecken  nur  ganz  unbedeutend  gegen  die 
''erästelung  und  den  Gefässreichthum  in  den  Lungen  der  Am- 
PLihien.  Die  nackten  Amphibien  athmen  in  der  Jugend,  so  lange 
Larven  sind,  mit  Riemen  aus  Wasser,  und  da  dann  nur  ein 
grosser  Theil  des  Blutes  athmet,  bei  den  Fischen  aber  alles  Blut, 
^ in  den  Rörper  zu  gelangen,  durch  die  Riemen  muss,  so  sind 
'ä  Larven  der  Amphibien  allerdings  hierin  den  Fischen  unterge- 
^*'dnet.  Diese  Anordnung  ist  aber,  "wie  "wir  sehen  werden,  noth— 
]^endig  hei  den  Larven  der  Amphibien,  wenn  sich  aus  ihrem  frü- 
^®rn  Riemenkreislaufe  der  spätere  Lungenkreislauf  ausbildeii  soll. 

Die  Mannigfaltigkeiten,  welche  die  Natur  in  dem  Ursprünge 
"er  Athemarterien  und  Athemvenen  aus  dem  grossen  Rreislaute 
öRrhietet,  sind  sehr  gross,  und  es  scheinen  selbst  alle  denkbaren 
“Ue  dieses  Verhältnisses  von  der  Natur  erschöpft  zu  sey«- 
A.  Der  kleine  Rreislauf  ein  Theil  des  grossen  Rreislaufes. 


158  I.  Buch.  Von  den  organ.  Säften  etc.  II.  Alschn.  Vom  Blutkreislauf- 

1.  Der  kleine  Kreislauf  ein  Theil  des  venösen  Gefässsystems- 
Bei  den  zweisclialigen  Miisclieln  kehrt,  wenn  Bojanus  Darstellung 
riclitia;  ist,  ein  Tlieil  des  Körpervenenhlutes  unmittelbar  zu  den 
Vorliöfen,  der  grössere  Theil  ilurchkreist  die  Kiemen,  und  kehrt 
zu  den  Vorhöfen  zurück.  2.  Der  kleine  Kreislauf,  ein  Theil  des 
arteriösen  Gcfasssystenis.  Bei  den  Proteideen  (Proteus)  unter  den 
nackten  Amphibien,  und  hei  den  Fröschen  und  Salamandern  iffl 
Larvenzustande  geben  die  Aortenbogen  die  Kiemenarterien  als 
Seitenäste  ab,  und  nehmen  die  Rienienvenen  als  Seitenäste  auf- 
3.  Der  kleine  Kreislauf,  ein  Theil  des  arteriösen  und  venösen 
Gef ässsysterns.  a)  Die  Salamander  und  Frösche  haben  in  der 
späteren  Zeit  Lungen,  keine  Kiemen  mehr,  die  Proteideen  haben 
Kiemen  und  Lungen  durchs  ganze  Leben.  Bei  beiden  sind  die 
Lungenarterien  Aeste  von  Aortenbogen , die  Lungenvenen  gehen 
zum  linken  Vorliof,  die  Körpervenen  zum  rechten  Vorhof,  wie 
J.  Davy,  Martin  St.  Awge  und  M.  Weder  entdeckt  haben- 
li)  Bei  den  beschuppten  Amphibien  geht  die  art.  pulm.  aus  den» 
Hauptarterienstamme,  oder  aus  der  Herzkammer  selbst  mit  den 
anderen  Arterien  hervor,  Kiemenvenen  zum  linken,  Körpervenen 
zum  rechten  Vorhof  der  einfachen  Herzkammer. 

B.  Der  kleine  Kreislauf  im  Gegensatz  des  grossen  Kreislaufes. 

1.  Der  kleine  Kreislauf  entstehend  aus  den  Körpervenen  und 
rückkehrend  zum  Herzen:  Mollusken,  Krebse.  2.  Der  kleine  Kreis- 
lauf mit  den  Kiemenarterien  entstehend  aus  dem  Arteriensliele 
des  Herzens,  und  rückkehrend  durch  die  Kiemenvenen  zu  einem 
neuen  Arterienstamme  für  den  übrigen  Körper:  Fische.  Ein  Vor- 
hof der  Körpervenen,  eine  Kammer.  3.  Der  kleine  Kreislauf 
entstehend  aus  der  Lungenkammer,  rückkehrend  zur  Kammer  de« 
grossen  Kreislaufes,  a)  Bei  den  Sepien  sind  das  Aortenherz  und 
die  beiden  Kiemenherzen  von  einander  getrennt,  und  ohne  Vor" 
liöfe.^  h)  Bei  den  Vögeln,  Säugethieren  und  dem  Menschen  giebt 
es  eine  Lungen-,  und  eine  Körperarterienkammer,  beide  mit  ei- 
nem Vorhofe;  diese  Herzen  bilden  ein  vereinigtes  Ganze,  diß 
Venae  pulmonales  münden  in  den  Vorhof  der  Aorten kamnic*" 
oder  in  den  linken  Vorhof,  die  Körpervenen  in  den  Vorhof  der 
Lungenkammer  oder  in  den  rechten  Vorhof. 

Ein  grosses  physiologisches  Interesse  bietet  hei  den  Wirbel- 
thieren  die  Umwandlung  des  Kiemenkreislaufes  in  den  Lungen- 
kreislauf dar,  die  man  in  der  Classe  der  Amphibien  zu  heohacb- 
teil  Gelegenheit  liat.  Das  Herz  der  Fische  hat  einen  Vorhof  für 
die  Aufnahme  der  Körpervenen,  und  eine  Kammer,  aus  welche^ 
der  Truncus  arteriosus  mit  einem  contractilen  Bulbus  entspringf* 
Der  Truncus  arteriosus  theilt  sich  ganz  in  die  Kiernenarterim’i 
die  Kieinenvenen  treten  zu  den  Körperarterien  zusammen  und 
bilden  die  Aorta  abdominalis  an  der  Vorderseite  der  Wirbel' 
Alle  nackten  Amphibien  haben  zwei  nur  innerlich  getrennte  Vor- 
höfe und  eine  Kammer,  zwei  Coiidyli  occipitales,  keine  Geliör- 
sobnecke,  keine  Feiiestra  rotunda,  keinen  Penis,  keine  wahre" 
Rippen;  alle  beschuppten  Amphibien  (Crocodile,  Eidechsen,  Schla"' 
gen,  Schildkröten)  haben  zwei  selbst  äusserlich  getrennte  Vorhof® 
und  eine  Kammer,  einen  Condylus  occipitalis,  eine  Gehörschnecke 


1.  Formen  des  Gefusssystems  in  der  Thiertvelt. 


159 


Und  feiiestra  rot.,  -wahre  Rippen,  deutlichen  Penis  und  sind  ohne 
^erwandlune;.  Alle  nackten  Amphibien  scheinen  in  der  Jugend 
^^iemen  zu  haben,  die  nur  bei  den  Proteideen  durchs  ganze 
liehen  bleiben ; man  kann  sie  in  5 Ahtheilungen  bringen. 

I.  Coeciliae,  ohne  Füsse  und  ohne  Schwanz,  wurmförmig. 
Sie  haben  in  der  Jugend  eine  Kiemengrube,  worin  zwei  Kiernen- 
spalten  jederseits  am  Halse,  wie  ich  an  Coecilia  hypocyanea  ent- 
deckt habe;  später  Lungen  ohne  Riemen  und  oline  Kiemenlöcher, 
(iiir  Zungenbein  behält  4 Paar  Bogen,  bei  der  Larve  5.) 

II.  Derotremata.  Sie  haben  Extremitäten  und  sind  ge- 
schwänzt,  durehs  ganze  Leben  Jederseits  ein  Loch  am  Halse  ohne 
^ahre  äussere  oder  innere  Kiemen;  sie  athmen  mit  Lungen.  4 
^üsse.  Hieher  gehören  Amphiuma  und  Menopoma. 

HI.  Proteidea.  Sie  haben  Extremitäten  und  Schwanz  und 
ausser  den  Lungen  durchs  ganze  Leben  Kiemenspaltcn  am  Halse 
’Uit  äusseren  büschelförmigen  Kiemen.  Siren , Menobranchus, 
■ii'foteus,  Axolotes. 

IV.  Salamandrina.  Als  Larven  haben  sie  im  ersten  Sta- 
dium äussere  Kiemen  und  Kiemenspalten,  keine  Beine,  aber  ei- 
Uen  Schwanz;  im  zweiten  Stadium  haben  sie  ausser  Schwanz  4 
Extremitäten,  wovon  die  vorderen  zuerst  hervorbrechen;  zugleich 
aussere  büschelförmige  Kiemen  und  Kiemenspalten,  und  Rudi- 
Uiente  von  Lungen;  sie  gleichen  also  dann  ganz  dem  bleibenden 
Eiistand  der  Proteideen.  Als  erwachsene  Thierc  behalten  sie 

Schwanz,  aber  ihre  Kiemen  und  Kiemeuspalten  verschwin- 
den, wenn  sie  den  Larvenzustund  verlassen. 

V.  Batrachia  (Frösche  und  Kröten).  Diese  sind  in  der  er- 
sten Zelt  des  Larvenzustandes  geschwänzt  und  ohne  Beine,  ha- 
®eu  Kiemenspaltcn,  Kiemenbogen  und  äussere  büschelförmige 
Eiemen;  im  zweiten  Stadium  verlieren  sie  die  äusseren  Riemen 
'’ud  haben  innere  Riemen  an  den  Kiemenbogen,  aber  die  Rie- 
Uien  sind  mit  einer  Membran  bedeckt,  welche  nur  eine  Oeffnung 
an  der  linken  Seite  (Frosch)  lässt;  sie  sind  auch  jetzt  noch  ge- 
schwänzt und  ohne  Beine.  Bei  der  Verwandlung  erhalten  sic 
ueine,  wovon  die  -hintern  zuerst  hervorbrechen;  sie  verlieren  die 
Eiemen,  auch  ihr  Schwanz  verschwindet  ganz  durch  Resorption. 
^ lange  die  Salamander  und  Frösche  Larven  sind,  sind  ihre 
^'rbelkörper  an  beiden  Enden  conisch  ausgehöhlt,  wie  bei  den 
juchen,  so  sind  sie  bei  den  Coecilien,  Derotremen  und  Protei- 
^Cen  durclis  ganze  Leben.  Siehe  J.  Mueii.er  in  TtEDEMANw’s 

wtir/ir.  jür  Fhysiol,  4.  2.,  über  das  Herz  der  Amphibien  siehe 

Weber  Beitrüge  zur  Anatomie  und  Physiologie^  Bomt  18314. 
^ci  den  Proteideen  (Proteus)  tliellt  sich  der  truncus  arteriosus 
c*"  einfachen  Kammer  sogleich  in  mehrere  den  Klemenbögen 
atsprechende  Aortenbogen  für  jede  Seite,  die  sich  hinten  wieder 
]i  ^ ^ceta  abdominalis  vereinigen.  Von  diesen  Aortenbogen  ge- 
cn  die  grossen  Kiemenarterien  aus,  sie  nehmen  die  Riemenvenen 
ajf  Bei  den  Salarnanderlarven  vertheilt  sich  der  truncus 

^ wie  beim  Proteus  zum  grössten  Tbeil  in  die  Riemcn- 

de  ‘Ecse  anastomosiren  mit  den  Kiemenvenen  oder  Wurzeln 

s-  Eörperarteriensystems.  Bei  der  Verwandlung  zieht  sich  die 


160  I.Buch.  Vond.  Organ.  Süß  en  etc.  II.  Abschn.  Vom  Blutkreislauf. 

Blutbalin  von  den  Kiemen  auf  bleibende  Aortenbogen  zurück* 
Rusconi  amours  des  Salamandres.  Milan  1821.  Bei  den  Fröschen 
gleicht  der  Kiemenkreislauf  in  der  ersten  Zeit  des  Larvenlebens, 
•wo  sie  äussere  Kiemen  haben,  dem  Kiemenkreislauf  der  Salaman- 
derlarven,  irn  zweiten  Stadium,  wo  sie  innere,  bedeckte  Kiemen 
haben  und  die  Lungen  sich  zu  entwickeln  anfangen,  vertheilen 
sich  die  Gefässe  nach  Huscure  mehr  wie  bei  den  Fischen,  der 
truncus  arteriosus  vertheilt  sich  in  die  Kiemenarterien  für  4 Kie- 
menbogen, die  Kieinenvenen  laufen  den  Arterien  parallel  und 
sammeln  sich  in  entgegengesetzter  Richtung,  doch  findet  eine 
kurze  Anastomose  am  Anfang  jedes  Kiemenbogens  zwischen  Ar- 
terie und  Vene  statt,  die  hei  den  Fischen  fehlt.  Nach  der  Um- 
wandlung ist  nur  noch  jederseits  der  Bogen  übrig,  der  sich  mit 
dem  der  andern  Seite  zur  aorta  abdominalis  vereinigt,  und  der 
die  art  brachialis  hinten  abgiebt.  Die  Lungenarterien  und  die 
Kopfgefasse  sind  aber  nicht  auch  Aeste  dieser  Bogen,  wie  man 
gewöhnlich  glaubt,  sie  scheinen  nur  vom  Anfang  jenes  Bogens 
auszugehen;  denn  genau  untersucht  besteht  jeder  der  2 divergi- 
renden  Stämme,  in  welche  sich  der  truncus  arteriosus  theilt,  aus 
drei  verwachsenen  Stämmen,  deren  Lumina  nur  durch  dünne 
Septa  getheilt  sind,  die  Reste  von  den  Arterien  der  Kiemenbo^en, 
die  nur  verwachsen  sind.  Die  mittlere  dieser  Röhren  geht  in 
die  Aorta  jederseits  weiter,  die  untere  giebt  die  art.  pulm.  und 
ein  Gefäss  des  Hinterkopfes,  aber  die  obere  geht  in  die  Kopfge- 
fässe  über,  welche  bei  ihrem  Ursprung  eine  drüsenartige  An- 
schwellung, die  sogenannte  Carotisdrüse,  zeigen.  Diese  Drüse  be- 
steht aus  feinen  Verzweigungen  des  eintretenden  Stammes,  die 
sich  aus  der  Drüse  wieder  zu  einem  Stamme  sammeln,  wie 
Huschke  {Zeitschrift  für  Physiologie  4.  1.)  gezeigt  hat.  Die  Drüse 
soll  ein  Rest  vom  Capillargefässsystem  des  ersten  Kiemenbogens 
seyn.  Ich  habe  mich  überzeugt,  dass  die  Drüse  im  Innern  hohl 
ist,  und  dass  sich  der  -emtretende  Stamm  bis  zu  dem  austreten- 
den durch  ein  schwammiges  Gewebe,  das  an  den  Aussenwänden 
am  dichtesten  ist,  fortsetzt,  obgleich  die  äussere  Oberfläche  der 
Wände  bei  feiner  Injection  auch  das  von  Huschke  beschriebene 
Gefässnetz  eintretender  und  austretender  Gefässe  zeigt.  Die  be-  ; 
schuppten  Amphibien  haben  niemals  Kiemen,  und  haben  nur  im 
Foetuszustande  wie  alle  übrigen  Wirbelthiere  Zustände  der  Meta- 
morphose. In  der  allerersten  Zeit  des  Foetuslehens  haben  all® 
Embryonen  am  Halse  Spalten  und  dazwischen  bogenförmige  Plat- 
ten, in  w'elchen  die  Aortenbogen  verlaufen,  die  sich  hinten  wie' 
der  zu  einem  Stamme  vereinigen.  Diess  hat  Rsthke  entdeckt, 
man  kann  sich  beim  Embryo  der  Vögel  am  3ten  Tage  der  Be-  I 
brütung  davon  überzeugen,  wie  ich  gesehen.  Etwas  Aehnliches, 
nur  weniger  deutlich,  findet  auch  bei  den  Saugethieren  und  dem  i 
Menschen,  noch  deutlicher  aber  bei  den  beschuppten  Amphibie»  1 
im  Embryonenzustande  statt.  Diess  sind  jedoch  keine  Kieme»; 
wozu  Kiemenblättchen  gehören,  sondern  bloss  Kiemenbogen,  WO' 
raus  bei  den  Fischen  und  nackten  Amphibien  wirklich  durch 
Verästelung  der  Aortenbogen  Kiemen  werden,  die  aber  hei  alle» 
übrigen  Thieren,  den  beschuppten  Amphibien,  Vögeln,  Säugethie' 


Formen  des  Gefässsystems  in  der  Thierwelt. 


161 


ren  allmälilig  verscliwinden  und  zu  Hörnern  des  Zungenbeins 
Umgewandelt  zu  Avcrden  scheinen.  Siehe  J.  Mueli.er,  Meck.  j4r- 
^hiv.  18.30.  p.  419.  Genug,  dass  hei  allen  Thiercn  im  früliesten 
Zustande  der  truncns  arteriosusin  Aortenbogen  sich  theilt.  Diese 
Bogen  bleiben  sogar  hei  den  heschiippteu  Amphibien  durchs 
ganze  Leben,  zuweilen  2 auf  jeder  Seite  (wie  hei  den  wahren 
Eidechsen,  auch  Blindschleichen),  zuweilen  einer  auf  jeder  Seite 
(wie  bei  den  Schlangen).  Bei  den  höheren  Thieren,  Vögeln,  Siui- 
pthieren  , Mensch,  welche  2 Herzkammern  und  2 VoVhöfe  ha- 
ben, gi'ebt  es  nur  im  Foetuszustande  mehrere  Aortenbogen,  und 
*war  anfangs  jederseits  mehrere,  die  sich  hinten  zur  aorta  des- 
uendens  vereinigen.  Bei  den  Vögeln  geben  die  vordersten  von 
Urei  Bogen  jeder  Seite  die  Gefasse  der  vorderen  Theile  des  Kör- 
pers, die  hinteren  Bogen  die  Lungenarterien  ab,  später  bleiben 
uurebs  Foetusleben  des  Vogels  2 arciis  arteriosi  (aus  dem  rech- 
nen Ventrikel),  welche  die  Lungenarterien  ahgeben,  und  ein  Arte- 
i'ienstanim  aus  dem  linken  Ventrikel,  der  die  Gefässe  der  vorde- 
ren Theile  des  Körpers  abgiebt  und  den  arcus  aortae  bildet, 
wach  dem  Auskriechen  des  Vogels  werden  die  Lungenarterien 
®Uch  selbstständig;  indem  die  Verbindung  der  arcus  arteriosi  des 
‘■echten  Ventrikels  mit  dem  arcus  aortae  des  linken  Ventrikels 
®'ngeht.  S.  Huschke  Isis  1828.  160.  Bei  den  Säugethieren  und 
uem  Menschen  bleiben  durchs  ganze  Foetusleben  2 Aortenbogen, 
U'e  sich  hinten  zur  aorta  descendens  vereinigen,  und  wovon  der 
®'ue  aus  dem  linken  Ventrikel  entspringend  die  Gefässe  der  obe- 
ren Theile  des  Körpers  abgiebt,  der  andere  aus  dem  rechten 
'Sntrikel  entspringend  die  Lungenarterie  abgiebt,  welche  letztere 
bach  der  Geburt  selbstständig  wird,  während  der  Verbindungsbo- 
(ductus  Botalli)  für  den  bleibenden  arcus  ventricidi  sinistri 
Uder  den  bleibenden  arcus  aortae  schwindet.  Da  beim  Foetus 
Uulangs  mehrere  Arterienbogen  jederseits  vorhanden  sind,  so  be- 
6''ud't  man,  wie  es  kommt,  dass  der  bleibende  arcus  aortae  bei 
Uun  Vögeln  und  Säugethieren  verschieden  ist,  bei  ersteren  von 
®chts,  bei  letzteren  von  links  sich  hinter  die  Speiseröhre  wendet, 
eim  Foetus  stehen  übrigens  auch  beide  Vorhöfe  mit  einander 
u Cornmunication  durch  das  foramen  ovale.  Wenn  diess  Loch 
Uder  der  ductus  Botalli  nach  der  Geburt  krankhafter  Weise  of- 
bleiben,  entsteht  Vermischung  des  arteriösen  und  venösen 
‘Utes  und  die  Blausucht. 

, Bei  den  warmblütigen  Wirhelthieren  ist  der  kleine  Kreislauf 
jUr  Lungen  kein  Theil  des  grossen  mehr,  sondern  alles  Blut  muss 
j ^uh  die  Lungen,  wenn  es  in  den  übrigen  Körper  gelangen  soll. 
- üessen  besitzen  diese  höheren  Thiere  so  gut  wie  alle  übrigen 
irbelthiere  einen  kleinsten  Kreislauf  des  Blutes,  der  ein  blosser 
nang  des  grossen  ist,  den  Pfortaderkreislauf.  So  wie  der  Rie- 
der  mit  Riemen  versehenen  nackten  Amphibien  als 
Aft  ®.u*ser  Anhang  der  Arterien  von  diesen  beginnt  und  in  die 
* j®*"*®*!  zurückkehrt,  so  ist  der  Pfortaderkreislauf  ein  blosser 
3ng  üer  Venen,  ein  Umweg,  den  ein  Theil  des  Venenblutes 
•yypot,  ehe  es  zum  übrigen  Venenblut  gelangt.  Es  giebt  bei  den 
ielthieren  2 Pfortadersysteme,  das  der  Nieren  und  das  der 


<!r’sPij,aioIogic.  I, 


11 


162  I.  Buch.  Von  den  organ.  Säften  etc.  II.  Abschn.  Vom  Blutkreislauf. 

Leber;  ersteres  kömmt  nur  bei  den  Fischen  und  Amphibien  vof; 
letzteres  Imi  allen,  Avie  beim  Menschen.  Bei  dem  Menschen  und 
den  Süuselbieren  l)ilden  die  Venen  der  Milz,  des  Magens,  des  , 
Darmkanal.s,  Mesenteriums,  der  Gallenblase  und  des  Pancreas  die  | 
ia  der  Leber  nach  Art  einer  Arterie  sich  verzweigende  Pfort- 
ader; a>is  den  Capillargcfässen  der  Leber,  zu  Avelchen  auch  das 
Blut  der  art.  hep.  strömt,  kehrt  das  Blut  durch  die  Lebervenen 
in  die  vena  cava^’nf.  zum  übrigen  Venenblute.  Bei  den  Vögeln, 
Amjihibien  und  Fischen  geht  zur  Pfortader  der  Leber  auch  ein 
Theil  des  Blutes  der  untern  Extremitäten,  des  Schwanzes,  des 
Beckens,  J)e)  den  Fischen  zuAveilen  auch  der  Schwimmblase.  Ja- 
CODSOX,  Nicolai,  Bathre.  Bei  den  Amphibien,  die  ausser  den 
Kiercnartcrien  auch  Pfortadern  der  Nieren  haben,  geht  zu  die- 
sen ein  Theil  des  Blutes  der  hinteren  Extremitäten  und  des 
Schwanzes.  Hier  geht  das  Blut  der  hinteren  Extremitäten,  der  ^ 
Baticbmuskeln , des  Schwanzes  zur  Pfortader  der  Leber  und  zn  | 
den  Pfortadern  der  Nieren,  und  ZAvar  bei  einigen  Amphibien,  wie 
Fröschen  und  Salamandern,  zu  diesen  Eingeweiden  allein,  hei  an- 
deren (Crocodilen)  zum  Theil  zur  vena  cava.  Bei  den  Fischen 
geht  das  Blut  des  Schwanzes  und  des  mittlern  Theiles  des  Bau- 
ches bald  allein  zu  den  Nieren,  wie  im  Gadus;  bald  geht  das 
Blut  der  hinteren  Theile  zu  den  Nieren,  zur  Leber  und  vena 
cava,  AvIe  im  Raipfen,  Hecht,  Barsch.  Die  Pfortader  der  Leber 
erhält  bei  mehreren  Fischen  zuw'eilen  auch  die  Venen  der  Geni- 
talien und  Schwimmblase,  zinveilen  gehen  diese  mit  den  rück- 
führenden  Nierenvenen  zur  vena  cava.  Jacobson  Meck.  Arch. 
1817.  147.  Nicolai  Ins  1826.  404.  Meckel,  der  die  zuführen- 
den Venen  der  Nieren  auch  für  zurückfülirende  hält,  stützt  sieb 
vorzüglich  auf  die  Vögel,  avo  Jacobson  auch  zuführende  Nieren- 
venen liescbrieben  batte ; allein  die  Nichtexistenz  derselben  bei 
den  Vögeln,  die  schon  von  Nicolai  bewiesen  Avurde,  ist  keiä 
Grund  für  die  Nichtexistenz  derselben  bei  den  Amphiljien  und 
Fischen,  wo  sie  Nicolai  bewiesen  hat.  Beim  Frosch  geht  daS 
Blut  der  Bauchhaut  fast  ganz  zur  obern  Hohlvene.*) 

‘ i 

II.  Capitel.  Von  den  allgemeinen  Erscheinungen 
des  R r e i s I a u f s. 

Das  Herz  des  erAvaebseneri  Menschen  im  mittlern  Alter  zieht  j 
sich  70  — 75mal  in  der  Minute  zusammen,  in  der  Jugend  häufi- 
ger, im  Alter  seltener;  z.  B.  beim  Embryo  ist  die  Zahl  der 


Eine  aiisfiihilichcie  Beschreibung  der  Formen  des  Kreislaufs  in. 
Tliierwelt  g.ab  ich  in  Burdach’S  Physiologie  ß,  4.,  wo  folgend® 
Druckfehler  zu  bcrichligen  sind:  pag.  152  Z.  16  lies  er  statt  sie, 

1,54  Z.  10  und  pag.  255  Z.  2 lies  sitccus  calcareus  statt  s,  externu’’^ 
pag.  160  Z.  3 V.  u.  lies  untern  statt  obern,  p.  164  Z.  13  Hess  AnSt 
heil  statt  Anhefton,  p.  161  Z.  18  lies  von  der  ‘i'heilung  der  Aort 
impar,  p.  169  Z.  9 lies  inferior  .statt  interior,  p.  171  Z.  25  ““ 
26  sind  die  Worte:  wozu  aber  noch  die  von  mir  schon  erwähnt^ 
venae  abdominales  posteriores  kommen,  zu  streichen. 


2.  Allgemeine  Erscheinungen  des  Kreislaufs.  Herzschlag.  163 

Scliläge  150,  nach  der  Gehurt  140 — 130,  im  ersten  Jahr  130 — 
115,  im  2.  Jahr  115 — 100,  im  3.  Jahr  100  — 90,  im  7.  Jahr 
5*0  — 85,  'im  14.  Jahr  85  — 80,  im  Greisenallcr  65  — 50.  Beim 
sanguinischen  Temperament  ist  der  Herzschlag  etwas  häufiger  als 
heim  phlegmatischen;  ebenso  heim  wciblicheu  Geschlechte.  Bei 
den  Thieren  vai'iirt  die  Zahl  der  Herzschläge  sehr.  Bei  Fischen 
hat  man  20  — 24  Schläge  beobachtet,  beim  Frosch  gegen  60, 
hei  Vögeln  100  — 140,  heim  Kaninchen  120,  bei  der  Katze  110, 
heim  Hund  95,  beim  Schaf  75,  beim  Pferd  40. 

Nach  dem  Essen  ist  der  Herzschlag  häufiger,  noch  mehr  bei 
hörperliclien  Anstrengungen;  seltener  ist  er  im  Schlaf.  Nach  Par- 
®OT  steigt  die  Frequenz  des  Pulses,  die  in  der  Meeresfläche  70 
betrug,  bei  1000  Metres  darüber  auf  75,  bei  1500  auf  82,  bei 
2000  auf  90,  bei  2500  auf  95,  bei  3000  auf  100,  bei  4000  auf 
hlO.  Froriep’s  hiOfizen  212.  Vergl.  Nick  Uber  die  Bedingungen 
der  Häufigkeit  des  Pulses.  Tüb.  1826.  In  Entzündungen  und  Fie- 
bern ist  der  Puls  viel  häufiger  als  sonst;  wenn  die  Kräfte  abneh- 
»len,  häufig  und  schwach.  In  Nervenaffectionen  mit  mehr  Unter- 
drückung als  Erschöpfung  der  Kräfte  ist  der  Puls  oft  auffallend 
langsamer. 

Wird  das  Herz  eines  lebenden  Säugethieres  oder  Vogels 
hlossgelegt,  so  sieht  man,  das  die  beiden  Herzkammern  sich 
gleichzeitig  zusammenziehen,  dass  die  beiden  Vorhöfe  mit  dem 
Anfang  der  Lungen venen-  und  Körpervenenstämme  sich  auch 
ßleichzeitig  zusamraenziehen,  und  dass  die  Zusammenziehung  der 
’Orhöfe  nicht  gleichzeitig  ist  mit  der  Zusammenzlebung  der  Kam- 
*^ern.  Bei  warmblütigen  Thieren  geht  die  Zusammenziehung 
der  Vorkammern  schnell  vor  der  Zusammenziehung  der  Kammern 
''nrher.  Die  kaltblütigen  Thiere  haben  nur  eine  Kammer  und 
*Wel  Vorhöfc,  aber  die  nackten  Amphibien  und  vielleicht  alle 
Attiphibien  haben  gleich  den  Fischen  einen  Theil,  den  die  warm- 
dütigen  Thiere  nicht  haben,  nämlich  einen  contractilen  Bulbus 
der  Aorta.  Nach  iheinen  Beobachtungen  folgen  sich  die  Contra- 
^fionen  der  Venenstämme,  der  Vorhöfc,  der  Kammer  und  des 
**lbus  aortae  beim  Frosch  in  der  Ordnung,  wie  sie  genannt  sind, 
dass  die  Zwischenzeiten  bei  diesen  4 Momenten  fast  gleich 
*'0(1;  üie  Zwischenzeit  von  der  Contraction  der  Vorhöfe  zur  Con- 
*'ftction  der  Kammer  ist  eben  so  gross,  wie  die  Zwischenzeit 
j'rischen  der  Contraction  der  Kammer  und  der  des  Bulbus.  Ich 
*?he  mich  wiederholt  überzeugt,  dass  Vorhöfe  und  Kammei 
j’rht  in  gleichen  Zwischenzeiten  wie  die  Bewegungen  eines  Pen- 
‘'bwcchseln,  wie  Oesterreicher  {Lehre  vom  Kreislauf  des  Blu- 
Kürnb.  1826.)  behauptet,  sondern  dass  die  Zeit  von  der 
’^ntraction  der  Vorhöfe  bis  zur  Contraction  der  Kammer  klei- 
ist,  als  die  Zeit  von  der  letzten  bis  zur  ersten,  -dass  in  der 
^egel  in  den  grossem  Zeitraum  a'Oii  der  Contraction  der  Kam- 
, l,is  Contraction  der  Vorhöfe  gerade  die  Contraction  des 
aortae  und  der  Venenslämme  bincinfällt.  Bei  warmblüti- 
^ n Thieren  sah  ich  die  Contraction  der  Vorhöfe  zuweilen  ei- 
so^^J'I'^'mente  fehlen  , was  au  f Rechnung  der  Verletzung  kömmt, 
***t  aber  immer  wie  ein  sehr  schneller  Vorschlag  vor  der  Con- 

11* 


164  L Buch.  Von  den  organ.  Säften  etc,  II.  Ahschn.  Vom  Blutkreislauf 


traötion  der  Ventrikel,  so  dass  die  Zeit  von  der  Contraction  der 
Vorhöte  bis  zur  Contraction  der  Ventrikel  jedenfalls  ausserordent- 
lieb  viel  'kürzer  ist  als  die  Zeit  von  der  Contraction  der  Ventri- 
kel bis  zur  Contraction  der  Vorböfe. 

Nur  die  Zusnrnmenziebunn  (systole)  des  Herzens  ist  ein  acti- 
ver  Zustand,  die  Erweiterung  (diastole)  ist  das  Moment  der  Rübe, 
wo  die  Fasern  erschlaffen  und  die  Höhlen  des  Herzens  in  den 
hiebei  entstellenden  bohlen  Raum  das  nächste  Blut  anziehen, 
was  nach  der  Anordnung  der  Klappen  zufliessen  kann;  die  Herz- 
höhlen sind  daher  in  der  Erweiterung,  diastole,  mit  Blut  gefiilB 
und  ausgedehnt.  Die  von  Bichat  und  einigen  andern  französi- 
schen Gelehrten  angenommene  active  Erweiterung  des  Herzens 
wird  durch  ein  gutes  Experiment  von  Oesterreicher  l.  c.  33. 
widerlegt.  Wenn  man  auf  ein  ausgeschnittenes  Herz  vom  Frosch 
einen  Körper  legt,  der  schwer  genug  ist,  das  Herz  flach  zu  drük- 
ken,  und  klein  genug,  dass  man  das  Herz  beobachten  kann,  sO  [ 
sieht  man,  dass  dieser  Körper  nur  bei  der  Zusammenziehung  des 
Herzens  gehoben  wird,  dass  bei  der  Erweiterung  aber  das  Her»  | 
platt  bleibt.  Hieraus  geht  hervor,  dass  die  Erweiterung  des  Her- 
zens nach  der  Contraction  kein  Muskularact  des  Herzens  ist;  in- 
dessen können  doch  die  Wände  des  Herzens  in  der  Diastole  nicht  i 
so  schlaff,  wie  an  einem  ausgeschnittenen  Herzen  seyn,  selbst  ! 
wenn  die  Herzhöhle  nicht  mit  Blut  gefüllt  wäre,  well  die  Capd- 
largefässe  der  Herzsubstanz  zur  Zeit  der  Erschlaffung  von  Blut 
strotzen,  während  sie  zur  Zeit  der  Contraction  zusammengedrückt 
werden,  und  weniger  Blut  enthalten  können. 

Die  Bewegungen  der  Herzkammern  würden  das  Blut  sowohl 
in  die  Vorhöfe  und  Venen  als  in  die  Arterien  treiben,  wenU 
nicht  die  Klappen  durch  ihren  Bau  und  ihre  Befestigung  das  Aus-  j 
treiben  des  Blutes  nur  in  einer  gewissen  Richtung,  und  das  Ein' 
fliessen  nur  ln  einer  andern  Richtung  zuliessen.  Die  Vorhöl® 
können  durch  ihre  Contraction  das  Blut  allerdings  auch  in  di® 
Venen  zurücktreiben,  wenn  nicht  der  Strom  des  Venenblute» 
nach  dem  Herzen  diese  Bewegung  aufhält,  aber  der  Fluss  de* 
Bluts  aus  dem  Vorhof  in  die  Kammer  ist  frei,  denn  die  valvid* 
an  der  Vorliofrnündung  ist  so  befestigt,  dass  sie  das  Blut  frei  >1* 
die  Kammer  strömen  lässt;  aber  bei  der  Zusammenziehung  de^ 
Kammer  verhindert  diese  Klappe,  indem  sie  durch  den  Druc*^  , 
des  Blutes  sich  ausbreitet  und  vorlegt,  das  Rückfliessen  in  di®  I 
Vorhöfe. 


Die  Bewegung  des  Blutes  aus  der  Kammer  ist  frei  nach  dei* 
Arterien,  weil  die  am  ostium  arteriosum  der  Kammern  liegend^* 
taschenförmigen  Klappen,  valvulae  seminularcs,  durch  den  Stro^ 
des  Blutes  aus  den  Kammern  nach  den  Arterien  auseinander  svci' 
eben,  dagegen  kann  das  einmal  in  den  Arterien  enthaltene 
nicht  in  die  Kammern  zurück  fliessen,  weil  die  Blutsäule  dci" 
Arterien  die  taschenförmigen  Klappen  am  ostium  arteriosum  de^ 
Kammern  herabdrückt  und  ausbreitet.  Das  Herz  bildet  durc 
diese  Anordnung  der  Klappen  eine  Art  Pumpenwerk,  gleich^''’® 
die  gewöhnlichen  Pumpenröhren  mit  2 Klappen  versehen  sin“’ 
von  denen  die  eine  beim  Aufziehen  der  Pumpenstange  das  W»®' 


2.  Allgemeine  Erscheinungen  des  Kreislaufs,  Herzschlag,  165 

sw  durclilässt,  sicli  nl>er  Leim  Senken  def  Pnmpenrtange  wie- 
der sehliesst,  während  die  andere  sich  dem  Wasser  öffnet,  die 
sich  dagegen  heim  Wiederatifziehen  der  Stange  schtieSst,  nni 
das  Zurückiliessen  des  schon  geförderten  Wassers  verhindert. 

Das  ganze  Gef  ässsystem  muss  man  sieh  wälirend  der  Circula- 
tion  mit  Blut  gefüllt  denken.  Nur  die  Herzhöhlen  ziehcis  sich 
iedesmal  bis  fast  zur  Leere  zusammen,  obgleich  mehrere  ßeoh- 
achtunsjen  zeigen,  dass  nicht  alles  Blut  hd  der-Zusammenziehung 
der  Kammern  in  die  Arterien  fliesst.  Aber  die  Gefässe  sind  vom 
Anfang  der  Arterien  bis  in  die  Capillargefässe,  und  von  dort  bis 
*ur  Insertion  der  Venenstämme  ins  Herz,  sowohl  während  der 
^usammenzielmng  der  Kammern,  als  zur  Zeit  der  Rm’® 
gefüllt;  nii-gends"ist  Luft,  nirgends  ein  leerer  Raum  im  Getasssy- 
stein.  Die' Zusammenziehung  der  Aorla-Rammcr  kann  Z. 
in  den  Arterien  enthaltene  Blut  nur  dadurch  weiter  bringen, 
dass  sie  mit  1—2  Unzen  Blut  (Inhalt 'der  Kammer)  mit  Gewalt 
gegen  die  in  den  Arterien  enthaltene  Blutsäijle  drückt,  und  diese 
^liitsäule  rückt  um  so  viel  Pduirn  weiter,  als  diese  1 2 Unzen 

ßlut,  mitten  durch  die  Aortenklappen  gedrängt,  Rauin  lu  dem 
^nfane  der  Aorta  einnehmen.  So  die  Zusammenziehung  der 
S.aminer  nachlässt,  hört  die  Ursache  der  Bewegung  mit,  aber  das 
lilut  wird  von  den  elastischen  Arterien  gegen  den  Widerstand 
der  Reibung  in  den  kleinsten. -Gefässen  fort  getrieben es  bildet 
hniner>ein  Continuurn  von  den  Adrten-Klappen  bis  in  die  Capillar- 
Seffisse,  und  fliesst  beschleunigt,  wenn  die  Aorten- Kammer  wie- 
der mit  Gewalt  mit  1 — 2 Unzen  Blut  den  Anfang  der  Blutsaule 
den  Aortenklappen  weiter  drangt.  Auf  diese  Art  muss  in  ei- 
her  gewissen  Zeit  aus  den  Venen  geradb' sö  viel  Blut  Wieder  ins 
ftorz  Strömen,  als  durch  die  Zusammenziehuivg  der  RammerQ 
daraus  hervor  tritt;  denn  die  ganze  ühitmasse  bildet  einen  gros- 

Zirkel;  vom  Herzen  zum  Herzen,  einen  Zirkel,  in  dem  an 

jeder. Steife  so  viel  Blut  weiter  rückt,  als  an  i'eder  andern.  Bei 
der  Zusninmenzielriing  der  Kammern  müssten  dieSe  fast  leer  w^er- 
d®n,  aber  diese  Leerheit  kömmt  nicht  einmal  zu  Stande,  denn 
*uf  der  Stelle  fliesst  von  den  Venen  imduVorböfen  her  wieder 
das  a torgo  gedrängte  Blut  in  die  leer  werdenden  Kammern  ein, 
hnd  eben  so  ist-es  mit  den  Vorhölenl 

Indem  ; die  Zusammenziehung  der  Kammern  ln  ledem  Moment 
die  Blütrnasse  in  ddm  Arteriensystem  weiter  drängt,  werden  die 
Arterien  ausgedehnt , und  diesen  von  der  Zusaihinenziehung  der 
Ratninef  heriaihfenden  Druck  des  Blutes  gegen  die  elastischen 
^«■lerienwände  nennt  man  Puls.  Wir  werden  später  uns  mit  die- 
ser Erscheinung  besonders  heschäftigen  ; hier  ist  nur  zu  bcmei- 
dass,  der 'ftthibave  Puls. der  Arfeirien.  mit  der  Zusammenzie- 
®hng  der  Kammer  bis  auf  einen  ganz  nnnierkllchen  Zeitunter- 
schied synchrobiseh' ist;  am  den  feinsten  Gelassen  und  an  denVe- 
‘'pn  bemerkt  man  keinen  PuU  mehr.  Mit  dem  Puls  der  Arte- 
ten muss  rriaii  den  Herzschlag,  pulhis.icordis,  nicht  gleichstellen. 

Puls  ^1^,.  Arterien  ist,  -vvie  schon  Soemmerrivg,  Corrigas, 
Stockes,  BuRUAcft  fanden  und  ich  wieder  finde,  um  einige  i.er- 
später  als  der  Herzschlag.  Der  Herzschlag  ist  eine  den  Brust- 


166  7.  Buch,  Von  den  organ,  Säften  etc.  II.  Abschn.  Vom  Blutkreislauf 

wänden  in  der  Gegend  der  5 — 6.  Rippe  mitgetlieilte  Erschütte- 
rung, welche  von  dem  Anschlag  der  Spitze  des  Herzens  herrührt. 
Aber  man  weiss  leider  noch  nicht,  oh  das  Herz  bei  der  Zusam- 
menziehung oder  hei  der  Ausdehnung  von  dem  aus  den  Venen 
und  Vorhöfen  zufliessenden  Blut  an  die  Brustwnnd  anschlägt. 

1)  Allgemein  bis  in  die  neuere  Zeit  hat  man  den  Herzschlag 
von  dem  Anschlägen  während  der  Zusammenziehung  der  Kam- 
mern abgeleitet  Einige  haben  angenommen,  dass  die  Herzkam- 
mern bei  der  Zusammenziehung  sich  verlängern,  und  dadurch 
mit  der  Spilze  an  die  Brust  schlagen.  Diese  Verlängerung  exi- 
stirt  aber  nicht.  Senac  {Teaite  de  la  siruct.  du  cueur.  Paris  174.9.) 
hat  das  Anschlägen  abgeleitet  von  der  Ausdehnung  der  Arterien 
durch  das  Blut  bei  der  Zusammenziehung  der  Kammern,  von 
der  Anfüllung  der  Vorhöfe  zur  selben  Zeit,  von  der  Streckung 
des  Bogens,  der  AorUi  durch  den  Antrieb  des  Blutes.  Indess  ist 
es,  vvie  Carson  bemerkt,  unrichtig,  dass  ein  gebogenes  bowegli-  | 
dies  Rohr  hei  eingespritzter  Flüssigkeit  sich  strecken  müsse,  da 
der  Druck  der  Flüssigkeit  auf  alle  Wände  gleich  stark  wird. 

2)  In  neuester  Zeit  haben  Corrigan,  Stockes  und  BurdacH 
gelehrt,  dass  dicss  Anschlägen  des  Herzens  gegen  die  Brustwand 
von  jener  grössten  Ausdehnung  der  Herzkammern  herrühre,  die 
von  der  .Zusammenziehung  der  Vorböfe  bedingt  wird,  und  also 
wie  ein  schneller  Vorschlag  der  Zusammenziehung  der  Kammern 
erst  vorher  geht.  Siehe  das  Nähere  Burdach’s  Physiol.  4.  p.  219 
bis  222. 

Ajigeregt  durch  die  Bemerkungen  des  geistreichen  und  ver- 
dienstvollen BuRDAca,  halve  ich  neuerdings  durch  Eröffnung-  einer 
lebendigen  Ziege  mich  über  die  Ursache  des  Herzschlags  zu  ver-  • 
gewissem  gesucht,  worauf  ich  bei  früheren  Vivisectionen  nicht  hin- 
reichend geachtet  habe,  um' eine  eigene  Ueberzeugung  zu  habeni 
Bei  dieser  Section  .einer  Ziege,  bei  welcher  Prof.  Aujers  zngegen 
war,  konnten  wir  uns  jedoch  nicht  überzeugen,  dass  die  Ansicht  ' 
von  CoRRiGAsr,  Stocke.s  und  Bubdach  die  richtige  ist;  vielmehr 
haben  wir  gesehen,  dass  während  der  Rückenlage  des  Thiers  das 
Herz  bei  jeder  Zusammenziehung.  der  Kammern  sich  deutlich  et- 
was erhob,  und  dass  besonders  auch  die  Spilze  nach  aufwärts 
sich  hob.  Legte  man  die  Hand  auf  das  Herz,  so  war  die  fühl- 
bare Erschütterung  bei  der  Zusammenziehung  der  Kammern  sO 
gewaltsam  und  momentan-,  dass  man  den  Herzschlag  oder  da* 
Anschlägen  an  die  Rippen  von  keiner  andern  Ursache  ableiteO  i 
zu  können  glaubte,  während  man  bei  der  Diastole  keine  Erschüt- 
terung liüilic.  Man  denke  sich  nicht  das  Herz  während  der  Di**" 
stole  von  den  Brustwänden  entfernt.  Während  des  Lebens  liegt 
das  Herz  mit  dein  spitzen  Ende  an  der  Bruslwand  an-,  und  di® 
Erschütterung  der  Brustwand  von  der  ZusammenzSchung  der 
Kammern  wird  als  Herasehlag  gefühlt,  wobei  das  Herz  sein® 
Lage  nicht  sehr  zu  ändern  brauciit.  ■ . 

Von  dem  fühlbaren  mnd  zuw-eilen  aussen  sichtbaren  Her*' 
schlag  muss  man  2 Töne  unl.ci'scheiden,  welche  man  hört,  wen** 
man  das  Ohr  auf  die.  Stelle  des  Herzens  anicgt,  oder  sich  ein®*  I 
Stethoskops  bedient.  Man  kann  sie,  wie  ich  finde,  auch  zuvvei'  ' 


2.  Allgemetne  Erscheinungen  des  Kreislaufs.  Herztöne.  167 

len  Nachts  an  sich  selbst  hören  , wenn  man  auf  der  linken  Seite 
liegt.  Diese  Töne  folgen  schnell  auf  einander  hei  jedem  fühlba- 
ren Herzschlag,  und  lassen,  wie  der  Herzschlag,  eine  Pause  hinter 
sich.  Ich  finde  die  Zwischenzeit  zwischen  beiden  im  Verhältnlss 
*ur  Pause  wie  1 zu  3,  oder  ohngefähr  {■  der  Zeit  zwischen  zwei 
Herzschlagen  oder  ■circa  \ Secunde  (12  Terzen).  Auch  linde  ich 
*>ach  vielen  mit  Ausdauer  fortgesetzten  Beobachtungen,  dass  der 
erste  Ton  synchronisch  mit  dem  fühlbaren  Herzschlag  ist,  und 
auch  fast  synchronisch  mit  dem  Puls  an  der  art.  maxill.  externa, 
*ler  nur  ein  Paar  Terzen  auf  den  fühlbaren  Herzschlag  folgt. 
Ich  hörte  den  ersten  Ton  bei  einer  gesunden  Weibsperson  nur 
man  den  Herzschlag  fühlt,  deutlich,  den  zweiten  abei*  fast 
in  ‘ der  ganzen  Ausdehnung  der  Brust  bis  an  die  Schlüsselbeine. 
®ei  Schwängern  hört  man  die  zwei  Töne  des  Foetusherzschlages 
^nreh  die  Bauchdecken  hindurch. 

Laenhec  hat  den  ersten  Ton  von  der  Zusammenziehnng  der 
Hämmern,  den  zweiten  von  der  Zusammenziehung  der  Vorhöfe 
abgeleitet,  was  indess  unzweifelhaft  falsch  ist,  da  die  Zusammen- 
Hehung  der  Vorhöfe  als  Vorschlag  der  Zusammenziehung  der 
Hämmern  vorhergeht.  Corrigam,  Stock.es,  Pigeaux  und  Burdacu 
leiten  den  ersten  Ton  von  der  Zusammenziehung  der  Vorhöle, 
*lcn  zweiten  von  der  Zusiunmenziebung  der  liamrncrn  ab.  Allein 
der  Piilä  der  Arterien  ist  so  gut  wie  synchronisch  mit  dem  Herz- 
schlag^ oder  folgt  zu  schnell  (eiil  Paar  Terzen)  auf  den  fühlba- 
ren Herzschlag,  der  zweite  Ton  aber  auf  den  ersten  Ton  und 
*^nf  den  fühlbaren  Herzschlag  in  der  Zelt  zwischen  zwei  ilcrz- 
- schlagen  oder  12  Terzen.  Demnach  kann  der  zweite  Ton  nicht 
)(cn  der  Zasammenziehung  der  Klammern  herrühien,  und  lolg- 
bph  könnte  den  Herzschlag,  der  mit  dem  ersten  Tone  synchro- 
“isch  ist  j.  nicht  von  deP  Ausdehnung  der  Kammern  und  Zusam- 
*®CnzlelHing-  der  Vorhöfe  nach  BuRnACH  hergeleitet  werden. 

Wiluiäms  1 erklärt  den  ersten  Ton  für  Wirkung  der  Zusam- 
***cnziehüng  der  Katnmfern  und  Vorhöfe  zugleich,  als  blitzschnell 
®öf  einander  folgend'  gedacht,  der  zweite  Ton  sey  Wirkung  der 
Hlappen,  Df.svihe  behauptet,  der  erste  Ton  sey  Wirkung  der 
~nsammenzrohpng.  der  Kammern.^  der  zweite.  Ton  sey  Wirkung 
'■nrer  . Erweiterung.!  Siehe  Burdacr’s  Physiol.  4.  Bd.  223. 

; 'Han  .erkliu-t  den  ersten  Ton  für  Wirkung  der  Zusammen- 
*iehung  .(ler  Venlrikcl,  welcher  die  Zusammenziehung  der  Vorhöfe 
j^Kni.sgeht,  den  zweiten  Ton  für  Wirkung  der  Ausdehnung  der 
yciitrikel  von  Blut,  das  aus  den  VörhÖfen  vor  ihi'er  Zusammen- 
in  die  Vcnh-ikel  von  den  Venen  her  durch  die  Visa 
p-  nu’öriit.  Froribp’s  Blot.  735. 

Ich  enthalte,  mich  in  dieser  schwierigen  Frage  des  weitern 
^^^bcils,  und  Behaupte  bloss,  was  ich  selbst  ziemlich  sicher  aus^ 
zu  haben  giaubey  dass  beide  Töne  nur 


Eichung 

ströriit. 

alte,  m 

, 7 — Behaupte  ......  — 

pnnlLeU  zu  haben  glaube  y dass  beide  Töne  nur  Zeit  zwischen 
'^ei  Herzschlägen. 'dilferiren,  dass  ;dcr  erste  Ton  synchronisch 
* dem  fülilbaren  Hei^schla^  ist,  und  duss  der  Puls  der  Arte- 
cn  kaum  einige  Terzen  später  folgt,  als  der  fühlbare  Herzschlag. 
Wenigstens  überzeugt  bin,  dass  der  fühlbare  Ilerzschlag 
Zusammenziehung  der  Kammern  ist,  so  hin  ich  auch  gewiss, 


168  I.  Buch,  Von  den  organ,  Säften  etc.  II.  Alsclm.  Vom  Blutkreislauf. 

dass  der  erste  Ton  von  der  Zusammenzielmng,  der  zweite  von 
der  Erweiterung  der  Kammern  lierrülirt.  (Nach  MiCEiiDrE’s  neue- 
ren UnlersHchungen  {arm.  d.  sc.  nat.  1834.)  hören  die  Töne  so- 
gleich auf,  wenn  hei  einem  Thiere  die  Brust  geöffnet  wird,  und 
keliren  wieder,  wenn  man  auf  das  Herz  einen  harten  Körper 
zum  Ansclilagen  auflegt.  Er  leitet  den  ersten  Ton  wie  wir  von  der 
Zusammenziehung  der  Kammern  und  dem  Anschläge  der  Spitze 
des  Herzens,  den  zweiten  Ton  von  dem  Anschläge  des  Herzens 
in  der  Erweiterung  an  die  Brustwande  ah.) 

Wir  gehen  nun  zur  Beschreibung  des  grossen  und  kleinen 
Kreislaufs  über.  Den  grossen  Kreislauf  nennt  man  die  Bahn  des 
Blutes  von  der  linken  Hälfte  des  Herzens  durch  die  Arterien  des 
Körpers,  durch  die  Venen  des  Körpers  zurück  nach  dem  reckten 
Herzen;  den  kleinen  Kreislauf  nennt  man  die  Bahn  des  Blutes 
von  dem  rechten  Herzen  durch  die  Lungenarterie  nach  den  Lun- 
gen, und  durch  die  Lungenvenen  zurück  nach  dem  linken  Herzen. 
Im  Grunde  gieht  es  also  keine  zwei  Kreisläufe,  sondern  nur  ei- 
nen Kreislauf  mit  zwei  Abtheilungen  der  Bahn,  so  dass  in  jeder 
Abtheilung  das  Blut  durch  feinste  Gefässe  aus  den  Algerien  wie- 
der in  die  Venen  übergeht. 


a.  Kleine  BlntbaKn  der  Lungen. 

Das  Blut  der  vena  cava  inf.  und  sup.  und  der  grossen  Herz- 
vene fliesst  dem  rechten  Vorhofe  in  dem  Maasse  zu,  als  der  linke 
Ventrikel  Blut  clurcli  die  Arterien  des  Körpers  treibt.  Wäh- 
rend  der  Contraction  des  Voi’hofes  wird  das  Blut  dieser  Venen 
kuiz  aufgehalten;  allein  so  w’ie  der  Vorhof  ersclilalft,  stürzt  das 
Blut  der  Venen  in  den  rechten  Vorbof,  und  zum  Theil  schon 
in  die  rechte  Kammer,  sobald  sie  crschlalft  ist.  Nun  contrahirt 
Vorhof  als  Vorschlag  der  Conti-action  der  Kammer. 

' '''i^cctionen  sah  ich . öfter  zwei  Zusammenziebungeh  des 
Vorhofes  auf  eine  Zusammenziehung  der  Kammer,  zuweilen  aber 
auch  die  Zusammenziehung  der  Vorhöfe  fehlen.  Beides  scheint 
jedoch  Anomalie.  Durch  die  Contraction  des  Vorhofes  wird  das 
Blut  durch  diejenige  Oeffnung  getrieben,  welche  jetzt  nicht  ge- 
schlossen ist.  In  die  Hohlvenen  fliesst  das  Blut  nicht  zurück, 
weil  der  Strom  des  Venenhiutes  durch  die  vis  a tergo  zum  Her- 
«n  fortdauert,  die  valvula  Thebesii  der  Herzveile  ist  durch  den 
Druck  des  Blutes  im  Vorhofe  geschlossen.  Das  Blut  strömt  also 
m die  während  der  Contraction  des  Vorhofes  erweiterte  rechte 
Kammer,  die  dadurch  auf  den  höchsten  Grad  ihrer  Anfüllung 
gebracht  w’ird.  Zu  der  Zeit,  wo  der  rechte  Voihof  sich  wieder 
erweitert,  um  das  Blut  der  Venen  aufzunehmen,  contrahirt  sich 
die  rechte  Kammer,  und  treibt  das  Blut,  da  die  valvula  tricuspi- 
dalis  von  dem  Drucke  des  Blutes  vor  der  Vorhofmündung  der 
Kammer  ausgelireitet  w'ird,  durch  das  ostium  ai’teriosum  zW*' 
sehen  den  hier  aus  einander  weichenden  valvulae  semilunareS 
in  die  art.  pulmonalis.  Aut  diese  Art  gelangt  das  aus  dem  Kör- 
per zurückkehrende  Venenblut  durch  die  Thätigkeit  des  rechte« 
Herzens  in  die  Blutbahn  der  Lungen.  Indessen  strömt  doch 


2.  Allgemeine  ‘Erscheinungen  des  Kreislaufs,  Kleiner  Kreislauf.  169 

jedesmal  alles  Blut  des  Vorliofes  bei  dessen  Contraction  in 
Kammer,  vielmehr  wird  ein  Theil  in  die  obere  und  untere 
Öoblvene  zurückgedrängt.  Jedenfalls  wird  durch  die  Zusammen- 
^iehung  des  Vorhofes  der  Zufluss  des  Blutes  von  den  Venenstiim- 
®ien  nach  dem  Herzen  aufgehalten,  der  sonst  beständig  erfolgen 
*ftüsste,  weil  das  Venenhiut  beständig  durch  den  Strorn  des  Blu- 
von  der  linken  Kammer  durch  die  Arterien,  Capillargefässe 
'ind  Venen  gedrängt  wird.  Bei  Vivisection  sieht  man  die  gros- 
sen  Venen  bei  jeder  Zusammenziehung  des  Vorhofes  anschwellen, 
'^^'d  bei  Tritonenlarven  sah  ich  das  Blut  in  der  untern  Hohlvene 
'^'id  den  Lebervenen  nur  stossweise  fortrücken.  Dieses  Zurück- 
®trömen  muss  vermehrt  werden , wenn  die  Kammer  wegen  ir- 
Rend  eines  Hindernisses  nicht  alles  Blut  in  die  art.  pulm.  treiben 
^«nn,  entweder  durch  Suhstanzveränderung  derselben,  oder  durch 
■ erknöcherung  der  valvulae  semilunares,  oder  durch  ein  Hinder- 
ftiss  (Jej.  Bluthewegung  in  den  Lungen.  Dieser  Bückfluss  oder 
''•pimehr  rhythmische  Aufenthalt  in  den  Hauptstämmen  der  Venen 
^'*‘d  pulsus  venosus  genannt.  Er  kann  sich  nicht  weit  fortpflan- 
weil  die  Venen  zu  nachgiebig  sind,  und  die  Stauchung  nur 
nächsten  Theile  des  Venensystems  erweitert. 

, Das  einmal  in  der  arteria  pulmonalis  enthaltene  Blut  kann 
der  Relaxation  der  Kammer  nicht  wieder  zurückfliessen,  weil 
Blutsäule  die  valvulae  serninulares  oder  Taschenventile  am' 
?*tium  arteriosum  der  Kammer  ausbreitet.  Die  Bewegung  des 
aus  dem  rechten  Herzen  durch  die  Lungen  nach  dem  lin- 
Herzen,  der  kleine  Kreislauf  genannt,  ist  kein  wahrer  Kreis- 
le'»*', indem  das  Blut  am  Ende  dieser  Bahn  an  einem  andern 
.*■••6  ankörnmt,  als  von  wo  es  ausgegangen  ist,  sondern  ist  nur 
iTheil  der  Bahn  des  ganzen  Kreislaufes,  und  Avürde  besser 
Ungenhlutbahn  genannt  werden,  im  Gegensatz  der  Körperblut- 
vvelche  zusammen  erst  einen  ganzen  Kreislauf  bilden.  Auf 
Lungenblutbahn  gelangt  das  venöse  Blut,  von  immer  neuen 
'“^'»tmassen  aus  der  rechten  Kammer  getrieben,  ans  den  Zwei- 
der  art.  pulmonalis  in  die  Capillargefässe  der  Lungen,  duixK 
Capillargefässe,  wo  es  im  Momente  des  Durchganges  hellroth 
J^der  arteriös  wird,  in  die  venae  pidmonales,  und  sofort  in  den 
‘"jken  Vorhof.  Die  Capillargefässe  der  Lungen  sind,  wie  über- 
> iietzformige  Uebergänge  der  feinsten  Zweige  der  Arterien  in 
feinsten  Zweige  der  Venen;  aber  hier  mit  ausserordentlich 
^J’Ren  Maschen  der  Netze.  Alle  diese  Capillargefässnetze  sind 
in  der  feinen  Membran  enthalten  und  ausgebreitet,  welche 
Lungenzellen  bildet,  in  die  sich  die  letzten  Zweige  der  Luft- 

endigen,  und  welche  eine  feine  Fortsetzung  der  Schleimhaut 
j.':*’  Luftröhre  ist.  Da  diese  von  Capillargefässen  durchzogene 
“’e  Membran  von  Zelle  zu  Zelle  ein  Cpntinuum  bildet,  so  muss 
sich  das  Innere  der  Jjungen,  abgesehen  von  den  Luftröhren, 
1 ''terien  und  Venen,  als  eine  im  kleinen  Raume  realisirte  unge- 
eure  Fläche  vorslellen,  durch  zellenhafte  Faltungen  einer  Mem- 
^ S^hildet,  die  von  CapillargefässnetzCn  durchzogen  ist,  so  dass 
Prozess  des  Alhmens  geschieht  durch  den  Contact  des  Blutes 
" der  Luft,  welche  durch  die  Luftröhre  eingeführt,  die  Wände 


170  I.  Buch.  Von  den  organ.  Säften  etc.  II.  Abschn.  Vom  Blutkreislauf' 


dieser  Zellen  berülirt,  -während  die  Theilchen  des  Blutes,  in  de» 
Capillargefässen  der  Zellenwände  bis  ins'  Kleinste  vertbeilt,  vor-* 
beiströmcn. 

Bei  den  einfacheren  Thieren,  wie  den  nackten  Amphibien» 
bilden  die  Lungen  noch  blosse  Säcke  mit  inneren  zelligen  Vor- 
sprüngen. So  sind  auch  die  Riemen,  die  zweite  Art  des  Athem- 
Organes,  eine  grosse  Vermehrung  der  Fläche  im  kleinen  Baume» 
aJjer  bei  den  Kiemen  ist  die  Vermehrung  der  athrnenden  Fläche 
nach  aussen  vorspringend,  bei  den  Lungen  sackförmig  oder  nach 
innen  verzweigt.  Auch  an  den  Kiemen  vertheilt  sich  das  Blut  der 
Kiemenarterien  in  eine  ungeheure  Ausbreitung  durch  die  Capü' 
largef'ässnetze  aller  Riemenbl'ätter  und  Blättchen , wovon  jede* 
seine  kleine  Arterie  hat,  die  am  Ende  in  eine  kleine  Vene  um- 
biegt, während  zahlreiche  cnpillare  Queranastomosen  zwischen 
beiden  in  der  Breite  der  Kiemenblättchen  statt  haben.  Bei  deO 
Fröschen  und  Salamandern  kann  man  die  Bewegung  des  Blute* 
durch  die  Capillargefässe  der  sackförmigen  Lungen  unter  dem 
Mikroskope  beobachten.  Siehe  die  Abbildungen  von  Cowpe® 
Plul.  Trans,  ahridg.  5.  dSl.  von  den  Lungen  des  Salamanders  .vo«* 
Prevost  und  Dumas  in  Magendie  prec.  clement.  de  physioL  T.  'T 
Die  Zwischenräume  der  Strömehen  sind  ganz  regelmi'issig  zer- 
streute Inselchen,  wie  ich  sehe,  und  kaum  grösser  ails  die  Ström- 
ehen selbst.  Noch  deutlicher  'sieht  man  die  Bewegung  des  Blute* 
durch  die  Capillargefässe  der  Kiemen  bei  den  Larven  der  Sala- 
mander. Ruscopit  della  circolazione  delle  laroe  delle  Scilam.  atpiäl- 
Pavia  1817.  Amours  des.Salam,  atpiat.  Milan  1821.,  wo  -jedoch  di® 
Quergefässe  in  den  Kiemenblättchen  übersehen  sind. STEiwnucä 
Analecten  f.  Naturkunde.  Fürth  1802.  Am  genauesten  sind  Mar*' 
HALL  Hall’s  Beobachtungen  über  den  Kreislauf  in  den  Lungen 
der  Salamander,  Frösche  und  Kröten.  A critical  and  experimental 
essay  an  the  circidatiön  oj  ihe  blood.  London  1831.  Tab; 


Die  Zweige  der  Lungenarterien  und  Lungenvenen  laufen  hief 
einander  immer  parallel,  so  dass  in  die  Winkel  der  Arterienzweig*’ 
die  Venenzweige,  in  die  der  Venenzweige  die  Arterienzweig® 
eingreifen.  An  den  Scheidewändchen  der  Lungenzellen,  die  nach 
dem  Innern  der  Lunge  vorspringen,  verbreiten  sich  ArterieU- 
zweige  und  Venenzweige  so',  dass  die  Venenzweigelchen  an  dem 
innern  Rande  der  Scheidewändchen  verlaufen.  Die  letzten  Zweig* 
der  Arterien  und  Venen  enden  plötzlich  in  ein  Zwischennetz  vo®  ] 
Capillargefässen,  während  in  allen  andern  Organen  die  Verzw®*'  i 
gung  der  Gefässchen  immer  fortschreitet,  und  erst  umnei-kli®**  • 
in  das  Capillargefässnetz  übergeht.  Auf  diese  Art  sind  die  let*" 
ten  Zweige  der  Arterien  und  Venen  überall  sieblörmig  durchlö^ 
chert,  um  das  Blut  der  Capillargefässe  abzugeben  oder  auf*®' 
nehmen.  Marsiiall  Hall’s  naturgetreue  Abbildungen  sind 
ausserordentlichem  Interesse,  besonders  Tab.  8.  , 

Die  Zerstörung  der  Capillargefässnelze  der  Lungenzellcn  o® 
der  Lungenzellen  selbst  durch  Entzündung,  Eiterung,  Entartu®' 
gen,  hat  zwei  sehr  wichtige  Folgen,  erstens  die  Verkleineru®» 
der  athrnenden  Fläche,  dessen  Folge  unvollkommene  Ausbilo®®® 
des  Blutes  und  zuletzt  Abzehrung  seyn  kann;  zweitens Verklem® 


2.  Allgemeine  Erscheinungen  des  Kreislaufs.  Grosser  Kreislauf.  171 


und  Verhinderung  der  Bluthahn,  welche  das  Blut  nehmen 
öiuss,  wenn  es  vom  rechten  zum  linken  Herzen,  und  so  in  den 
Sanzen  übrigen  Körper  gelangen  soll.  Bei  den  warmblütigen 
Tliieren,  wo  alles  Blut  die  Capillargefässnetze  der  Lungen  passi- 
ven muss,  um  in  die  Bahn  des  grossen  Kreislaufes  zu  gelangen, 
^uss  jede  Verkleinerung  dieses  Capillargefassnetzes  der  Lungen 
*lnrch  Zerstörung  ein  Hinderniss  im  Kreisläufe  des  Blutes  über- 
haupt bewirken,  und  bei  den  Lungenkranken  müssen  Anstrengun- 
S'^n  des  Herzens,  Neigung  zur  Blutanhaufung  in  den  Lungen,  und 
Disposition  zur  Lungenentzündung  und  fieberhafte  Aufregung  et- 
^as  Gewöhnliches  seyn.  Jedes  andere  Organ  kann  ganz  zerstört 
®eyn,  ohne  dass  der  Blutlauf  in  den  übrigen  gehemmt  wird,  aber 
'^ie  Zerstörung  der  Lungen  ist  ein  allgemeines  Hinderniss  des 
J^reislaiifes , woraus  die  Warnung  hervorgeht,  dass  die  Lungen- 
hvanken  alles  zu  vermeiden  haben,  was  noch  mehr  Hinderniss 
J''d  Aufregung  in  dem  Kreisläufe  verursacht.  Es  lässt  sich  auch 
hieraus  erklären,  warum  grosse  Zerstörungen  anderer  Tbede, 
^enn  sie  nur  ohne  beständigen  Säfteverlust  sind,  nicht  immer 
h'ieher  erregen,  dagegen  die  Zerstörungen  der  Lungen  so  leicht 
**dt  hectisehem  Fieber  verbunden  sind.  Desorganisationen  in  an- 
deren Theilen  bewirken  vorzugsweise  nur  örtliche  Hindernisse 
Circulation , z.  B.  Stockungen  des  Blutes  und  Austritt  von 
hiiitwasser  in  den  örtlichen  Wassersüchten,  in  der  Bauchw'asser- 
*'‘clit  nach  Desorganisation  der  Leber  etc.,  ein  Ausgang  in  Was- 
®®vergiessung,  der  bei  Lungenzerstörungen  verhältnissmässig  selte- 
ist.  Wehn  die  Capillargefässc  der  Lungen  durch  fremde 
ftoffe  verstopft  werden,  die  ‘in  den  Kreislauf  gelangt  sind,  wie 
5'*vch  Oel,  Schleim,  metallisches  Quecksilber,  Kohlenpulver,  Sebwe- 
*®lpulver,  die  in  Venen  injicirt  worden,  so  ist  der  Tod  uiiver- 
*^6idlich,  und  folgt  sehr  schnell,  wie  Gaspard  gezeigt  hat. 

, Öle  Isolation  der  Blutbahn  der  Lungen  von  der  Blutbann 
übrigen  Körpers  würde  vollständig  seyn,  wenn  nicht  die 
"•’onchialarterien  mit  den  feineren  Zweigen  der  Lungenarterie 
^''Uimunicirten.  Bei  Verengerungen  der  art.  pulm.  und  ihrer 
.^^ste  werden  diese  Verbindungen  stärker.  Hören  die  chemischen 
Plünderungen  des  Blutes  in  den  Lungen  auf  durch  Uiiterbre- 
^>ung  der  Athembewegungen  oder  durch  Athmen  irrespirabler 
^Psarten,  so  fliesst  kein  hellrothes,  sondern  duiikelrothes  Blut 
den  Lungen  zurück. 


b.  Grosse  Blutbahn  des  Körpers. 

Aus  den  Lungenvenen  tritt  das  arteriell  oder  hellroth  ge- 
^'^vdene  Blut  in  den  linken  Vorhof,  und  der  sogenannte  grosse 
^•■Pislauf  oder  richtiger:  derjenige  Theil  der  Blutbahn,  welchen 
Blut  im  ganzen  Körper  mit  Ausnahme  der  Lungen  beim  gan- 
^veislaufe  beschreibt,  beginnt  nun,  um  das  arterielle 
Vg,  , sofort  in  die  Capillargefässe  des  Körpers,  und  hier 

j.  los  oder  dunkelroth  geworden,  in  die  Körpervenen  und  end- 
Vo",.!**™  rechten  Herzen  zurückzuführen.  Wenn  sich  der  linke 
«of  (gleichzeitig  mit  dem  rechten)  erweitert,  stürzt  das  Blut 


172  J.  Buch.  Von  den  organ,  Säften  etc.  II.  Ahschn.  Vom  Blutkreislauf 

der  Lungenvenen  in  den  linken  Vorliof,  und  zum  Theil  schon  H' 
die  linke  Kammer,  sobald  diese  ersclilalTt.  Die  Contraction  dieses 
Vorhofes  treibt  das  Blut  in  die  erweiterte  Kammer,  die  nun  b'* 
auf  ihren  höchsten  Punkt  gefüllt  ist.  Bei  der  nun  folgenden  Gon- 
traction  der  litiken  Kammer  schliesst  sich  die  valvula  mitralis  a'^ 
der  VorhofsölFiiung  derselben,  und  das  Blut  strömt  zwischen  den 
aus  einander  weichenden  valvulac  sctnilunares  am  ostium  arterio- 
sum  in  die  Aorta,  welche  die  einmal  in  ihr  enthaltene  Blutsaule 
nicht  wieder  zurücktreten  lässt,  da  durch  Druck  von  der  Aorta 
aus  diese  Taschenventile  ausgebreitet  werden.  Die  Gewalt,  womit 
sich  die  linke  Kammer  zusammenzieht,  ist  viel  stärker  als  die  der 
rechten  Kammer,  auch  sind  bekanntlich  die  Wände  der  ersfern 
gegen  3mal  dicker  als  die  der  letztem,  heim  Erwachsenen.  Diese 
Gewalt  der  linken  Kammer  musste  grösser  seyn,  da  die  Körper- 
Lahn  grösser  als  die  Lungenhahn,  und  erstere  einen  ungleich 
grössern  Widerstand  in  den  Capillargefässen  aller  Organe  durch 
Reibung  darbietet. 

Von  der  Aorta  ans  vcrtheilt  sich  das  Blut,  mit  jedem  Her«- 
schlage  von  einer  neuen  Masse  gedrängt,  im  ganzen  Körper  md 
Ausnahme  der  Lungen,  und  geht  durch  die  Capillargefässe  in  di® 
Venen  über. 

Bei  grossen  körperlichen  Anstrengungen  muss  die  Bewegung 
des  Blutes  in  den  Capillargefässen  in  einem  grossen  Theile  de* 
Körpers  aufgehalten  werden  durch  den  Druck  der  wiederholten 
Zusammenziehungen  vieler  Muskeln.  Je  ausgebreiteter  dieses  Flin- 
derniss  wird',  um  so  mehr  gleicht  es  demjenigen  Aufenthalte  def 
Blutbewegung,  der  in  den  Lungen  schon  durch  kleine  Hinder- 
nisse bewirkt  wird.  Es  stellen  sich  dann  auch  ähnliche  Wiikuo- 
gen  ein,  die  Blutsäule  der  Arterien  setzt  der  Kraft  des  Herzen* 
einen  grössern  Widerstand  als  gewöhnlich  entgegen.  Das  Bh' 
circulirt  nicht  frei  und  schnell'  genug-  durch  die  Lungen  un 
häuft  sich  an,  so  dass  zu  gleicher  Zeit  nicht  Blut  genug  athmch 
daher  die  Athembeschwerden  bei  solchen.  Anstrengungen,-  di® 
man  wohl  weniger  richtig  von  einem  vermehrten  Athemhedürl'' 
niss  hei  grösserer  Muskelbewegung  ableitet.  Die  anhaltende  Z“' 
sammenziehung  der  Muskeln  bei  gewissen  Bewegungen , wo  e"’' 
zelne  Glieder  dauernd  bewegt  werden,  ist  auch  mit  einer  Anhä® 
fang  des  Blutes  in  diesen  Theilen  verbunden.  Bei  einigen  Tin®' 
ren,  welche  ihrer  Glieder  anhaltend  zum.  Klettern  sich  bedien®®» 
hat  die  Natur  den  Aufenthalt  der  Bluthewegung  aus  der  Zusai®^ 
mendrückung  in  den  Arterien  wenigstens  dadurch  beseitigt,  da 
sich  die  Stämme  der  Arterien  der  Extremitäten  ganz  oder  ^ 
Theil  sogleich  in  eine  grosse  Anzahl  feiner  anastomosirender 

terien  zertheilen,  wie  hei  Bradypus,  MYRMECOPnACA,  Masis, 

HOPS.  Die  Bildung  kommt  an  den  Gefassen  der  Glied maas*|^|, 
und  des  Schwanzes  vor,  welche  beide  beim  Klettern  g®brau®  ■ 
werden.  Carlisle  P/üios.  Transact.  1800.  Vrolik.  de 
art.  extremitatum  in  nonnuUls  animalibus  dispositione.  Amst.  Ib 
Meck.  Vergl.  Anat.  5.  339,  *) 


Mehrere  andere  , W»undernetzc  sind  noch  rSthsclhaft,  wie  das 


rctC 


2,  Allgemeine  Erscheinungen  des  Kreislaufs,  Grosser  Kreislauf.  173 

Die  feinen  Arterien  stehen  In  jedem  Organe,  noeh  ehe  sie  in 
die  Capillargefässnetze  übergehen,  unter  einander  in  vielfacher 
Verhindung,  wie  jede  feine  injicirte  Membran  zeigt,  und  an  vie- 
len Stellen  erhält  derselbe  Theil  zutülircnde  grössere  Arterien  aus 
sehr  verschiedenen  Gegenden  des  Gefässsystemes,  wie  das  Gehirn 
''on  der  carotis  cerebralis  und  art.  vertebralis.  Jedermann  kennt 
die  Verbindungen  zwisehen  den  art.  epigast.  intercost.  marnmar. 
®tc.  Dicss  wiederholt  sich  an  allen  Orlen,  und  da  das  Capillar- 
gefässsystem  aller  zusarnmenbängenden  Tlieile  conlinuirlich  ist, 
so  sind  alle  zufübrenden  und  abführenden  Gefässe  in  dem  contl- 
nuirllcberi  Capillargefässnetze  des  ganzen  Körpers  verbunden,  so 
dh.ss,  wenn  das  gewöhnliche  zuführendc  Getiiss  eines  Tlieils  -ver- 
schlossen wird,  leicht  ein  neues  dessen  Stelle  ersetzt.  So  sind 
durch  die  feinsten  Arterien  und  durch  die  Capillargefässnetze 
alle  juxtaponirten  Theile  eines  Organes  oder  mehrerer  Organe  m 
Wechselwirkung  gesetzt.  Die  Capillargefässc  des  ganzen  Körpers, 
die  Anastomosen  der  zufübrenden  Gefässe  bilden  auf  diese  Art 
®in  ununterbrochenes  Netzwei k,  welches  von  unzähligen  Arterien 
aus  Blut  erhält,  und  von  verschiedenen  Wegen  bald  unmittelba- 
rer, bald  mittelbarer  von  Blut  durchdrungen  werden  kann.  Ohne 
dass  nun  neue  Gefässe  entstehen,  durch  blosse  Erweiterung  fiü— 
l>erer  Communicationen  können  sich  daher  neue  Wege  der  Zu- 
lähr  ansbilden,  wenn  die  gewöhnlichen  verschlossen  sind,  und 
ao  erklärt  sich  das  Phänomen  des  Collateralkreislaufes,  oder  die 
Wiederherstellung  des  Kreislaufes  durch  einen  Theil  nach  Ver- 
®chliessung  seines  grossen  Gefässstammes.  Im  Anfänge  erweitern 
•'Ich  eine  Menge  anastomosirender  Zweige,  und  allmähhg  bilden 
*'ch  einzelne  stärkere  Stämme  wieder  aus.  Bei  Phieren  lässt 
sogar  die  Aorta  ahdoininalis  ohne  absolut  tödtlicheii  Erfolg 
Unterbinden,  dagegen  man  diese  Operation  beim  Menschen  bis- 
l'cr  zweimal  nur  mit  tödtlichem  Erfolge  gemacht  hat.  Dagegen 
®ät  man  beim  Menseben  schon  alle  übrigen  grossen  Arterien- 
®tämme,  welche  zugänglich  sind,  mit  Erfolg,  wo  es  nöthig  war, 
äiiterhunden.  Es  sind  sogar  Erfahrungen  vorhanden,  dass,  wenn 
“lln  Verschliessung  nur  allmählig  geschieht,  selbst  die  Verschlles- 
^ng  der  Aorta  "hinter  dem  Ursprünge  der  Arterien  der  pberen 
^beile  des  Körpers  die  Entwickelung  eines  Collateral- Kreislaufes 
’l'clit  ausschliesst,  so  dass  durch  Erweiterung  von  Anastomosen 
art.  marnmaria  int.  und  intercost.  prima  etc.  mit  den  inter- 
'^'»stal.  doch  wieder  das  Blut  in  den  unter  der  Verschliessung  be- 


rairabile  mehrerer  S.äogelhicre,  das  aus  Gehirnästen  der  arU  carotis 
communis  bei  den  AA'icderkäuem  und  beim  Schwein  gebildet  wird, 
und  dessen  saraintlicbc  Zweige  sieb  erst  wieder  zur  c.irotis  c^cbralis 
sammeln.  Bapp  (Meck.  Archiv  1827.)  zeigt,  dass  bei  den  Thicrcn 
uiit  einem  Wunderncu  die  Vertebralarlerie  nicht  zum  Gehirne  gc  i , 
und  mit  der  art.  caroti.s  externa  zusammenbängt , wie  bei  Ziege  und 
Kalb,  oder  bei  Verbindung  mit  dem  Wundernetzo  sieb  doch  m die 
Nackcnmuskeln  verbreitet,  wie  beim  Schafe.  Aehn Hebe  Netze 
terien  finden  sieb  in  der  Augenhöhle  der  Wiederkäuer,  KaUcn,  vo^ei 
»ach  Happ  und  Barkow  (Meck.  Archiv  18*29.).  Hier  entspringen  die 
Arterien  des  Bulbus  daraus.  Bei  einigen  Vögeln  ist  an  der  art.  libialis 
antica  ein  Neu, 


174  I.  Buck,  Von  den  organ.  Säften  etc.  II.  Abschn.  Vom  Blutkreislauf 

findlichen  Theil  der  Aorta  dnrcli  Umwege  gelangt.  Siehe  den 
von  A.  Meckel  heobacliteten  Fall  Archiv  1827.  Tab.^.  In  einein 
ähnlichen  von  Reynaud  (Froriep’s  liot.  5.37.)  beschriebenen  Fall® 
waren  die  Haiiptverhindnngen  zwischen  der  Subclavia  jeder  Seite» 
und  dem  unter  der  Verschliessung  liegenden  Theile  der  Aorta 
durch  Anastomosen  der  cervicalis  profunda,  transversalis  cervicis» 
intercostalis  prima  mit  den  Intercostalarterien , und  zwischen  der 
Subclavia  und  der  Cruralarterie  durch  directe  Verbindung  der 
mammaria  interna  und  epigastrica  bewerkstelligt. 

Das  durch  die  Arterien  verbreitete  Blut,  von  immer  neuen 
Blutmassen  aus  dem  linken  Ventrikel  gedrängt,  folgt  der  durch 
die  Gefässe  verzeichneten  Bahn,  und  geht  aus  den  feinsten  Ar- 
teilen  durch  die  Capillargefassnetze  in  die  feinen  Venen  über» 
um  sich  weiter  in  grössere  Venen  zu  sammeln,  und  dem  rech- 
ten  Herzen  wieder  zuzuströmen.  Diesen  Uebergang  kann  ma« 
in  vielen  durchsichtigen  Theilen  mikroskopisch  beobachten,  sO 
dass  er  nicht  allein  ein  Schluss  aus  der  Bewegung  des  Blutes  ia 
den  Arterien  und  Venen,  sondern  ein  Gegenstand  der  unmittel' 
baren  Beobachtung  ist. 

Hierzu  dient  die  Schwimmhaut  der  Frösche,  der  Schwan* 
junger  Fische  und  der  Salamander-,  Frosch-  und  RrötenlarveiV 
das  Mesenterium  aller  Wirbelthiere,  die  Flügel  der  Fledermäuse» 
die  Reimhaut  des  Eies  der  cierlegenden  Thiere.  Siehe  die  Ah' 
blldungen  der  hlutführenden  Capillargefässe  von  der  area  vasco' 
losa  des  Eies  in  Pander  Entwickelungsgeschicläe  des  Hühnchens  la' 
Ei;  von  jungen  Fischchen  Doellinger  Denkschr.  der  Akad.  def 
Wissensch.  zu  München,  Bd.7.;  von  der  Schwimmhaut  der  Frösch® 
Schultz,  der  Lebensprozess  im  Blute,  Berlin  1822.  Marshal*- 
Hall  tab.  3.;  von  verschiedenen  Theilen  der  Frösche  und  Säu' 
gethiere  Raltesbrunner  exp.  circa  statum  sang,  et  vas.  in  inflant' 
matione.  Monach.  1826.;  vom  Gekröse  der  Frösche  Reichel  d^ 
sanguine  ejusque  motu.  Xi/m.  1767.  Marshall  Hall  a.  a.  O.  tab.L\ 
vom  Schwänze  des  Stichlings  Marshall  Hall  a.  a.  O.  tab.  1.;  voi» 
Fisch-,  brosch-  und  Salainanderemhryonen  und  Larven  Bau*'" 
CAERTNEK  Über  Nerven  und  Blut.  Freiburg  1830.  Man  sieht  di® 
Blutkörperchen  deutlich  aus  sich  verzweigenden  kleinsten  Arten®** 
in  nicht  weiter  dünner  werdende  Gefässe  von  netzförmiger  B'l' 
düng  sich  ergiessen,  und  sich  aus  diesen  wieder  in  dicker  vvef' 
dende  und  aus  Zweigen  sich  bildende  Anfänge  der  Venen  saä*' 
mein.  Die  Blutkörperchen  fliessen  in  den  feinsten  Capillargefässe** 
einzeln  hinter  einander,  und  oft  mit  Unterbrechung;  wenn  s’® 
einzeln  fliessen,  sind  sie  fast  farblos,  dichter  gehäuft  erschein®** 
sie  gelb,  noch  dichter  gclbroth  und  roth.  Bei  den  noch  kräftig®^ 
Thieren  fliessen  sie  anhaltend  ohne  Stoss;  wenn  die  Thiere  schwa®^ 
sind  und  die  Bewegung  sich  verlangsamt,  siebt  man  die  stosS' 
weise  Bewegung,  so  dass  sie  zwar  immer  fort  strömen,  aber  stosS' 
weise  schneller  strömen;  bei  noch  schwächeren  Thieren  werd®** 
sie  nur  im  Momente  des  Herzschlages  fortgetriehen,  und  weich®'* 
dann  auch  wohl  wieder  etwas  zurück.  Wo  mehrere  arteri®**' 
Strömehen  in  eine  Anastomose  Zusammenkommen,  ist  ein 
eben  immer  vorherrschend,  und  durchströmt  die  Anastomose  »11®**’’’ 


2.  Allgem.  Erschein.  Pfortadersystem.  Geschwindigkeit  d.  Bluts.  175 

sein  Blut  dem  andern  Strömchen  beiznmengen.  So  sammeln 
^nd  tlieilen  sicli  die  Strömchen  auch  in  den  netzförmigen  fein- 
sten Gefassenj,  his  alles  wieder  in  den  Anfängen  der  Venen  ge- 
surnmelt  wird.  Zuweilen  verändert  sich  die  Richtung  eines  Ström- 
®liens,  wenn  ein  anderes  Strömchen  stärker  wird,  und  das  frü- 
here hestimmende  schwächer,  je  nach  dem  Druck  auf  die  Theile 
Thieres.  Alle  Kügelchen  gehen  aus  den  Arterien  in  die  Ve- 
über,  und  Niemand  ist  cs  leicht  begegnet,  was  Doellinger 
Besehen  haben  wollte,  dass  einzelne  Kügelchen  haften  bleiben 
'^ßd  sich  mit  der  Substanz  verbinden.  Ich  glaubte  früher  zuwei- 
len bei  stockendem  Kreisläufe  so  etwas  zu  sehen,  aber  bei  weiter 
fortgesetzten  Beobachtungen  sah  ich  auch  die  Kügelchen  fort- 
^iieken,  wenn  die  Bewegung  wieder  anhielt.  Drückt  man  das 
^lied  oder  unterbindet  man  es,  so  steht  alles  augenblicklich  stille 
’^nd  kein  Kügelchen  verändert  seinen  Ort  mehr. 

Während  des  Durchganges  des  Blutes  durch  die  Capillarge- 
^‘Isse  wird  das  Blut  dunkelroth.  Die  Bewegung  des  Blutes  in 
den  Venen  ist  nicht  stossweise  verstärkt,  sondern  gleichförmig, 
^‘ejcnigcn  Venen,  welche  dem  Drucke  der  Muskeln  ausgesetzt 
®*'’d,  haben  Klappen,  Taschenventile,  welche  dem  Blute  die  rück- 
gangige  Bewegung  nach  den  Capillargefässen  versperren,  wodurch 
ifder  Druck  auf  die  Venen,  statt  die  Bewegung  aufzuhalten,  das 
r'tit  nach  dem  Herzen  befördert.  Die  Klappen  fehlen  in  den 
^6nen  der  in  Höhlen  geschützten  Theile  ganz.  In  den  Lungen- 
^®äen  hat  Mayer  unvollkommene  Klappen  beobachtet.  An  der 
?fortader  der  Pferde  hat  E.  H.  Weber  Klappen  beobachtet,  die 
^einj  Menschen  fehlen. 

c.  Kleinste  Blutbahn  des  P f or t a dersy stems.  / 

Die  Venen,  welche  sich  zur  Pfortader  der  Leber  vereinigen, 
’dhren  das  Venenblut  ihrer  Theile  zur  Leber  in  das  Capillarge- 
?sssystem  derselben,  zu  welchem  auch  das  Blut  der  Leberarte- 
gelangt.  Vergl.  p.  161.  Auf  diese  Art  gelangt  also  das  Blut 
Milzj\les  Darmkanales,  des  Magens,  des  Pancrcas,  des  Me- 
'^''teriums  nicht  unmittelbar,  sondern  auf  einem  Umwege  in  die 
jjdere  Hohlvene.  Prof.  Retzius  in  Stockholm  hat  indess  beim 
^schen  aueh  einige  feinere  Verbindungen  ztvischen  Darmvenen 
li  b Zweigen  der  untern  Hohlvene  entdeckt,  wie  er  mir  brief- 
»nitgetheilt  hat.  Als  er  nämlich  die  vena  cava  und  die  vena 
mit  sehr  feinen  kalten  Massen  von  verschiedenen  Farben 
b<iirte,  fand  er,  dass  das  ganze  Mesocolon  und  Colon  sinistrum 
beiden  injicirt  war,  und  dass  beiderlei  injicirte  Gefässe  an 
Un  i Stellen  Anastomosen  bildeten.  Die  Venen  vom  colon 

„i  ^ öiesocolon,  welche  dem  Systeme  der  vena  cava  angehörten, 
.Sen  zur  vena  renalis  sinistra,  und  lagen  änsserlich,  dahingegen 
hg^^'gen,  welche  der  Pfortader  angehörten,  grössten theils  nä- 
1 Schleimhaut  lagen.  Auch  die  äussere  Oberfläche  des 
hatte  Injection  von  der  vena  cava  aufgenommen, 
inf  bat  die  v.  mesente-rica  minor  durch  Aeste  der  v.  cava 

Ungefüllt,  und  Schlemm  hat  offene  Verbindungen  der  v. 


176  I.Buck,  Vondenorgan,\Säftenetc.  II.Abschn.  Vom  Blutkreislauf- 


mesent.  minor  mit  Gefässen  von  der  vena  cava  inf.  am 
gefunden.  Eine  Beobachtung,  welche  uns  anzeigt,  dass  man  nüt 
Erfolg  Blutentziehungen  am  After  in  Stockungen  und  Congesti*^’' 
des  Blutes,  vielleicht  sogar  Entzündungen  des  Darmkanales,  ma- 
chen wird. 

Das  Blut  der  Pfortader  der  Wirbelthiere,  und  das  Blut  de'' 
venae  renales  advehentes  bei  den  Fischen  und  Amphibien  hat 
zum  zweitenmal  den  Widerstand  der  feinen  Kanäle  eines  Capd' 
largefässsystems  zu  überwinden,  ehe  es  wieder  zum  Herzen  ge- 
langt. Bei  den  Larven  der  Salamander  habe  ich  die  Beohachtui'g 
gemacht,  dass  man  den  Blutlauf  in  der  Leber  mit  einem  einfa- 
chen Mikroskope  hei  Beleuchtung  von  oben  betrachten  kann- 
Meckel’s  Archiv  1828.  Diese  von  B.  Wagker  bestätigte  Beob- 
achtung ist  von  grosser  Wichtigkeit.  Man  kann  liier  ganz  deu^ 
lieh  sehen,  dass  das  Blut  der  Pfortader  hei  dem  Durchgang® 
durch  die  Capillargefässe  der  Leber  in  die  Lehervenen  nur  i® 
den  Interstitien  der  acini  verläuft,  und  man  kann  hier  sogar  di® 
einzelnen  Blutkörperchen,  so  deutlich  wie  sonst  in  durchsichtige® 
Theilen,  beobachten.  Siehe  die  Abbildung  in  meiner  Schrift  d® 
gland.  penit,  struct.  tab.  10.  fig.  10.  Ich  habe  bemerkt,  dass  da* 
Blut  In  der  Hohlvene,  wie  in  allen  Rinnen  der  Lehervenen,  stoss- 
weise  floss,  wahrscheinlich,  weil  während  der  Conlraction  d®’ 
rechten  Vorhofes  das  Blut  aufgehalten  wird,  oder  wegen  der  re- 
gelmässigen Zusammenziehungen  des  untern  Hohlvenenstammeäf 
(die  man  hei  Fröschen  sieht).  Es  ist  kein  Unterschied  in  der  Färb® 
des  Blutes  in  der  Hohlvene,  in  der  Pfortader,  in  den  Leherve- 
nea  zu  bemerken. 

Nach  der  allgemeinen  Beschreibung  des  Kreislaufes  ist  Jeftl 
die  Geschwindigkeit  des  Kreislaufes  zu  untersuchen  und  auszu- 
mitteln,  in  wie  viel  Zeit  das  Blut  den  ganzen  Circultus  vollendef 
Von  der  Geschwindigkeit  des  ausfliessenden  Blutes  kann  ma® 
nicht  auf  die  Gescliwindigkeit  in  den  Gefässen  schliessen.  De® 
Ausfluss  erfolgt  unter  dem  ganzen  Drucke,  dem  das  Blut  in  de® 
Gelassen  ausgesetzt  ist.  ln  den  Gefässen  kann  jede  neue  Bi'd' 
massc  nur  durch  Weilerrücken  der  übrigen  Masse  fortgeschobe® 
werden,  und  es  muss  der  Widerstand  der  Reihung  in  den  eng®' 
ren  Gefässen  überwunden  werden. 

XJeher  die  Zeit,  in  welcher  der  Kreislauf  des  Blutes  volle®' 
det  ist,  sind  sehr  dankenswerthe  Untersuchungen  von  Hering  {Zed’' 
Schrift  für  Physiologie,  3.  p.  85.)  vorhanden.  Aus  18  Versuchen  e"* 
Pferden  hat  Hering  folgende  Resultate  erhalten : Die  Zeit,  we^' 
che  eine  dem  Blute  unmittelbar  heigemischte  verschieden  stark® 
Auflösung  von  hlaus.  Eisenoxydulkall  brauchte,  um  von  der  ein®® 
Jugularvene  eines  Pferdes  durch  das  rechte  Herz,  den  klein®® 
Kreislauf,  durch  das  linke  Herz,  den  grossen  Kreislauf  bis  in 
entgegengesetzte  Jugularvene  zu  kommen,  ist  zwischen  20  und  2®’ 
und  zwischen  25  und  .30  Sekunden;  von  der  Jugularvene  bis 
vena  saphena  magna  nur  20  Sekunden,  von  der  vena  jugul-  k’* 
in  die  arterla  masseterica  zwischen  15  und  30  Sekunden,  bis  !** 
die  art.  maxill.  externa  einmal  zwischen  10  — 15  Sekunden,  ®‘.** 
andermal  zwischen  20  und  25  Sekunden,  von  der  vena  jugul.  b** 


2.  Alldem,  Erschein.  Pfortadersystcm.  Geschwindigkeit  d.  Bluts,  177 

die  <art,  metatarsi  zwischen  20  und  25  Sekunden,  25  und  30 
Secunden,  und  einmal  mehr  als  40  Secunden.  Das  Resultat  war 
Ziemlich  gleich  bei  verschiedener  Häufigkeit  des  Herzschlages. 
Herihg’s  Resultate  stehen  indess  mit  der  Voraussetzung  über  die 
^enge  des  Blutes  und  über  die  Menge  Blut,  welche  mit  jedem 
Herzschlage  weiter  gebracht  werden  kann,  im  Widerspruch.  Nach 
^aiSDERG  hatte  eine  Frau  durch  tödtliclien  Muttcrblutsturz  26 
•Ifund  Blut  verloren,  und  bei  der  EnthanpUuig  einer  Vollblütigen 
^ttunelte  man  24  Pfund  Blut.  Wenn  man  annimmt,  dass  2 Unzen 
"lut  hei  jedem  Herzschlage  des  Menschen  weiter  gefordert  werden, 
dauert  der  Umlauf  bei  20  Pfund  (bürgerl.  Gewicht)  Blut  160, 
"ei  10  Pfund  Blut,  wie  Herbst  die  Blulmasse  des  Menschen 
®ehätzt,  80  Heritschläge.  Ueber  die  Blutmenge  siehe  Herbst  de 
quaniitate.  Gotting.  1822.  Mit  mehr  Sicherheit  kann  man 
Uaher  annebrnen,  dass  der  Bluturalauf  heim  Menschen  in  80 — 214 
Herzschlägen,  oder  in  1 — 2 Minuten  vollendet  ist.  Vergl.  Bur- 
*'^ca  Physiol.  4.  101.  253. 

Die  Zeit,  in  welcher  das  Blut  den  Weg  von  der  einen  zur 
pudern  Herzhälfte,  oder  die  Hälfte  des  Kreislaufes  zurücklegt,  ist 
ly*"  verschiedene  Organe  sehr  verschieden.  Das  Blut,  das  von  dem 
’Uken  Herzen  durch  die  vasa  coronaria  cordis  zum  rechten  Her- 
gelangt,  braucht  einen  ausserordentlich  viel  kürzeren  Zeit- 
*)''Um  zu  dieser  Bahn,  als  das  Blut,  welches  vom  linken  Herzen 
®in  Fasse  zuströmt  und  zum  rechten  Herzen  zurückkehrt,  und  so 
ddet  die  Circulation  vom  linken  Herzen  zum  rechten  unendlich 
verschieden  grosse  Bogen,  wovon  der  kleinste  der  dui-cli 
Kranzgefässe  oder  ernährenden  Gefässe  des  Herzens  selbst 
Der  "Weg  vom  rechten  Herzen  durch  die  Lungen  zum  lin- 
y®"  Herzen  ist  kürzer  als  die  meisten  dieser  Bogen  im  grossen 
^J'eislaufe,  und  das  Blut  legt  diesen  Weg  ceteris  paribus  viel 
®bncUer  zurück  als  in  den  meisten  Gefässen,  welche  zum  gros- 
" Kreisläufe  gehören. 

i 1 die  Menge  Blut,  welche  im  grossen  Kreisläufe  in 

«em  Augenblicke  enthalten  ist,  wegen  der  grössern  Bahn  aus- 
^®"j’dentlich  viel  grösser  ist,  als  die  Menge  innerhalb  des  kleinen 
^'Gslaufes , so  fliesst  doch  an  einer  gedachten  Stelle  der  arteria 
"lonalis  in  einem  Zeiträume  eben  so  viel  Blut  vorbei,  als  an 
gedaehten  Stelle  der  aorta;  denn  es  kann  an  jedem  Orte 
Hauptstämme  der  in  sich  verschlossenen  Bahn  nur  so  viel 
abfliessen,  als  an  einer  andern  Stelle  zuströmt.  (Dagegen 
jj*"'  die  Circulation  in  den  kleineren  Gefässen  sehr  variiren.) 
"kt  nian  sich  ferner  die  Uebergänge  der  Arterien  in  Venen 
den  Lungen  und  im  übrigen  Körper  gleich  dick,  so  müssen 
Lungen  auf  einer  gewissen  Stelle  ausserordentlich  vielmal 
*' Hapillai-gefjisse 'zusammengedrängt  sejn,  als  auf  einer  gleich 
Stelle  im  übrigen  Körper.  Diess  bestätigt  die  Beobach- 
z^j'>’  "'dein  schon  in  den  Lungen  der  Frösche  die  Zwischenräume 
den  Capillargefässen  kaum  grös 
leiner  als  die  C.Tnillarecfässe  selbst  di 

«ch. 


össer,  beim  Menschen 


j — als  die  Capillargcfässe  selbst  dick  sind,  wie  Cowper, 
Marshali,  Hali,,  Prevost  und  Dumas  (vom  Men 


ftj.,  gezeigt  haben,  und  ich  wieder 

“llc-r’s  Physiologie.  I. 


finde. 
12 


An  den 


178  L Buch.  Von  den  Organ.  Säften  etc.  II.  Abschn.  Vom  Blutkreislauf' 

Lunten  tler  Salamander  und  Frösclie  wenigstens  sind,  wie  WEDE- 
rEYER  und  Marshall  Halu  zeigen,  die  feinsten  Zweige  der  Lun- 
<Tcn"efasse  auf  den  Lungenzellcn  gleiclisam  sieLförinig  durchlö- 
cliert,  und  das  Blut  fliesst  zwischen  sehr  kleinen  Inselclien  aU* 
dem  Siehe  der  einen  Gefussclien  in  das  Sieb  der  anderen  G«' 
fässeben  über. 

Endlicb  ist  zu  bemerken,  dass  die  Gesclnvindigkeit  des  Blute« 
in  den  kleinen  Aesten  kleiner  seyii  muss,  als  in  den  Stämmen 
der  Gefi'isse  überhaupt,  weil  die  CapacitVit  der  Aeste  eines  Stam- 
mes zusammengenommen  gi’össer  scheint  als  die  area  des  Stamme« 
selbst,  ob'deieli  dieses  Vcrhältniss  keineswegs  als  streng  erwiesen 
zu  beWaebten  ist.  Denkt  man  sieb  aber  alle  Aeste  eines  Organes 
vereinigt,  und  den  Kreislauf  als  eine  in  sieb  zurüekkebrende  Bahn 
dieses  Blutstroms,  so  gebt  an  allen  Stellen  dieser  Bahn  in  gleicbef 
Zeit  glcicbvicl  Blut  vorüber,  Av'äbrend  die  Tbeiicben  derselben 
Masse  sieb  scbneiler  bewegen  müssen,  wenn  die  Röhren  eng 
werden,  langsamer  in  weiten  Röhren,  so  dass  dort  bei  langsame^ 
Bewemng  der  Tbeiicben  in  weiteren,  hier  bei  schnellerer  Bewegung 
in  cimeren  Röhren,  doch  überall  dieselbe  Masse  Blut  in  gleich 
viel  Zeit  an  allen  Stellen  der  Blutbabn  weiter  gefördert  Yvird. 

III.  Capitel.  Vom  Herzen  als  Ursache  des 
Kreislaufs. 

Das  Herz  zieht  sich  auf  mechanische  oder  galvanische  b'' 
rilation  gleich  den  anderen  musculösen  Theilen  zusammen.  SoESf- 
MERRtNG,  Bebeemds,  Bicuat  liabcn  den  Einfluss  des  Galvanlsmu| 
auf  das  Herz  geliiugnet,  allein  ich  habe  häufig  HuMBOLnT’.s  und 
Foweer’s  A^ersuebe  bestätigt  gefunden,  und  sosvobl  bei  Fröschen' 
als  beim  Hunde,  bei  denen  die  Zusammenziehungen  des  Heizen^ 
aufgehört  hatten,  durch  ein  einfiiches  Plattenpaar  oder  durch  ein® 
schwache  galvanische  Säule  die  Zusammenziehungen  erregt.  D»* 
Herz  unterscheidet  sich  abör  mit  den  nur  unwillkührlich  beweg- 
lichen Theilen,  Darmkanal  etc.,  von  den  übrigen  Muskeln,  d««* 
der  Reiz  nicht  eine  momentane  Zuckung,  sondern  anlialtend  cm 
Reihe  rhythmischer  Bewegungen  erregt,  wie  sie  den  meisten  u»' 
willkührlich  beweglichen  Theilen  eigen  sind.  Da  das  Herz  mi 
gleich  allen  Muskeln  durch  Reize  zur  Contraction  angeregt  W’-r*^' 
so  liegt  es  sehr  nahe  anzunehnien:  dass  das  Blut  der  Herzböhm' 
selbst  das  Herz  zu  Contractiouen  reizt,  um  so  mehr,  da  das  He*"^ 
sogleich  schwächer  schlägt,  wenn  es  weniger  Blut  enthält.  D“’ 
diese  Contractiouen  rhythmisch  sind,  hat  man  sich  daraus  erkla*  ’ 
dass  das  Herz  durch  die  Contraction  den  Reiz,  nämlich  das  Bl»h 
nach  der  einen  .Seite  entfernt,  während  diese  Orts  Veränderung  y ^ 
Blutes  wieder  die  Ursache  ist,  dass  von  Seilen  der  Venen 
Herz  wieder  mit  Blut  gefüllt  wird.  Auch  Hesse  sich  biermm^ 
einsehen,  wie  die  Contraclionen  der  Vorkammern  und  Knmine^^ 
altcrnircn,  da  die  eine  ri<)hle  durch  ihre  Contraction  die  Ursac 
wird,  dass  die  andere  Höhle  sich  wieder  anfüllt.  So  nothwen* 'c 
indess  eine  gewisse  Bluhrncnge  und  eine  gewisse  Anfüllung  ® 


.3.  Ursachen  der  Herzthätigkeit.  Athmen, 


179 


Herzhöhlen  zur  Unterhaltung  der  Thätigkeit  des  Herzens  ist,  und 
so  gewiss  jede  mechanische  Ausdehnung  des  Herzens  von  innen 
Zusammenziehung  in  ihm  hervorrufen  muss,  so  ist  der  Reiz  des 
Hlutes  in  den  Herzhöhlen  doch  nicht  der  letzte  Grund  der 
^^ythmischen  Zusammenziehungen  des  Herzens.  Denn  auch  das 
blutleere  Herz  setzt  seine  Contractionen  noch  schwächer  fort. 

könnte  das  Rhythmische  in  der  Contraction  des  Herzens 
®iieh  davon  ahleiten,  dass  jede  Zusammenzielmng  das  Blut  in  den 
Ernährenden  Gefässen  des  Herzens  zuriiektreibt,  mit  dem  Auf- 
bören  der  Zusammenziehung  aber  wieder  Zuströmen  des  Blutes 
die  kleinsten  Gefässe  der  Herzsuhstanz  unter  dem  heständi- 
gEu  Drucke  des  Blutes  von  den  elastischen  Arterienhäuten  ein- 
^ritt,  so  dass  die  feinsten  Gefässe  des  Herzens  ])ei  jeder  Erschlaf- 
^*iog  mit  mehr  Blut  gefüllt  werden,  diese  Anfüllung  mit  hellro- 
^bem  Blute  nun  wieder  die  Ursache  der  Contraction  wäre.  Diese 
^Osicht  wird  aber  durch  denselben  Einwurf  widerlegt.  Denn 
,■*8  Herz  der  Thiere,  besonders  der  Amphibien  und  Fische,  zieht 
*'Eh  auch  ausgeschnitten  und  blutleer  rhythmisch,  bei  Amphibien 
Stunden  lang,  und  zwar  in  derselben  Folge  von  Vorhöfen  und 
^auimer  zusammen.  Nun  könnte  man  zwar  diess  von  dem  Reize 
^Er  Luft  ableiten,  und  an  jenes  pag.  56.  erläuterte  Gesetz  erin- 
’jErn,  dass,  wenn  ein  Reiz  auch  beständig  ist,  die  Contractionen 
boch  oft  noch  periodisch  erfolgen  können.  Allein  dasselbe  ge- 
*Ehleht  im  luftleeren  Raume,  und  ohne  einen  inneren  Grund 
böunte  sich  nicht  die  regelmässige  Aufeinanderfolge  der  Ventri- 
Eular-Contraction  auf  die  Contraction  der  Vorhöfe  erhalten.  Die 
,1'sache  muss  also  viel  tiefer  liegen.  Es  muss  in  der  Organisa- 
bon  des  Herzens  und  in  der  beständigen  Wechselwirkung  des 
^butes  in  den  kleinsten  Gefässen  mit  der  Herzsubstanz,  oder  in 
er  Wechselwirkung  der  llerznerven  und  der  Herzsuhstanz  etwas 
*®86n,  was  entweder  anhaltend  wirkt,  worauf  aber  das  Herz 
bach  dem  pag.  56.  erläuterten  Gesetze  nur  periodisch  reagirt, 
*^ber  das  selbst  periodisch  auf  das  Herz  einwirkt.  Die  Lösung 
'Eser  Frage  ist  unendlich  scliAvierig,  bei  dem  jetzigen  Stand- 
hönkte  der  Wissenschaft  unmöglich. 

1)  Abhängigkeit  des  Herzens  vom  Athmen.  Sobald  die  chemi- 
yben  Veränderungen  des  Blutes  in  den  Lungen  aut  hören,  durch 
j Erle tzun gen  der  Nerven,  Avelche  die  Atliembewcgungen  aufhe- 
oder  durch  mechanische  Hindernisse  des  AthmenS  oder  ir- 
'Espirahle  Luftarten,  Avird  die  Lehensthätigkeit  aller  Organe  ge- 
Q.  "'acht,  und  Lei  den  höheren  Thieren  sogar  schnell  aufgehoben. 

gleich  dann,  wie  Bichat  und  Emmert  (Reil’s  Archiv  5.  401.) 
®*eigt  haben , die  Bewegung  des  dunkelroth  gewordenen  Blutes 
^"terien  nicht  sogleich  aufhört,  und,  obgleich  das  Herz 
’p] . dern  scheinbaren  allgemeinen  Tode  selbst  bei  warmblütigen 
I *|^®^En  noch  über  Stunde  in  einzelnen  Fällen  schwach  und 
*u  schlagen  fortfährt,  so  wird  es  doch  durch  Hindcr- 
Sch  * Athrnens  wenigstens  so  sehr  in  seiner  Wirkung  ge- 
dass  der  Kreislauf  schon  bald  nicht  mehr  unterhalten 
Avg„  ^ann;  dagegen  sich  bei  allen  Thieren,  deren  Athembe- 
0"ngen  durch  Verletzungen  des  Gehirns,  besonders  der  me- 

12* 


180  I.  Buch.  Von  den  organ.  Säften  etc.  II.  Abschn.  Vom  Blutkreislauf 

dulla  oblongata,  oder  durcli  Vergiftung  aufgelioLen  sind,  durch 
künstlicli  unterhaltenes  Athmcn  mit  Lufteinlilasen  und  Ausdrüh' 
ken,  der  Kreislauf  \iel  länger  unterhalten  lässt.  Bel  einen* 
nach  Unterhinduiig  der  Halsgefässc  gcköplten  Hunde  sah  BrO' 
DIE  unter  künstlichem  Athmen  das  Herz  noch  Stunden  .^Sroa'» 
und  hei  einem  andern  noch  Stunden  .30mal  in  der  Minute 
schlagen.  (Reil’s  Archiv  12.  140.)  Bei  den  kaltblütigen  Thierci* 
ist  dieser  Einfluss  des  Athmens  oder  des  hellrothen  Blutes  au* 
das  Herz  viel  geringer,  denn  ich  habe  Frösche,  denen  ich  die 
Lungen  unterbunden  und  abgesebnitten  batte,  noch  .30  Stundet* 
bei  andauernder  Tbätigkeit  des  Herzens  fortleben  sehen.  D“ 
nun  aber  Frösche  nach  der  Zerstörung  des  Gehirns  und  Bük- 
kenmarkes  schneller  die  Kraft  des  Herzens  verlieren  (in  6 Stun- 
den hören  die  Contractionen  auf),  so  folgt  hieraus,  dass  die  Fr^ 
sehe  nacli  dem  Absebneiden  der  Lungen  entweder  durch  di<! 
Haut  das  Athmen  einigei  maassen  ersetzen  können,  oder  dass  seltf 
wahrscheinlich  das  Gehirn  und  Rückenmark  viel  nötbiger  sind 
zur  Unterhaltung  der  Bewegungen  des  Herzens,  als  das  Athmei' 
selbst.  Denn  Frösche  leben,  wenn  sie  weder  mit  den  Lunge» 
noch  mit  der  Haut  athmen  können,  in  reinem  Wasserstolfgaä 
doch  noch  über  12  Stunden,  wie  ich  selbst  sah.  Es  könnte  so- 
gar die  endliche  Unterbrechung  der  Herztbätigkeit  nach  Unter- 
brechung des  Athmens  grossentheils  auch  von  der  Veränderung 
des  Nervensystems  herrühren,  die  erfolgt,  wenn  es  kein  hellro- 
thes  Blut  mehr  empfängt. 

Die  Störung  des  Krei.slaufes  nach  Unterbrecliung  des  Atb- 
mens  bei  den  höheren  Tliieren  ist  jedenfalls  nicht  von  dem  Col- 
lapsus  der  Lungen  bedingt,  insofern  diese  im  collabirten  Zustand» 
dem  Durchgänge  des  Blutes  ein  Hinderniss  darbieten  könnten- 
Denn  wie  Bicuat  und  Emmeht  zeigten,  dauert  die  Bewegung  de* 
Blutes  in  den  Arterien  anfangs  noch  ungestört  fort. 

Goodwvm  hat  die  Schwächung  des  Kreislaufes  nach  Unter- 
brechung des  Athmens  bei  den  höheren  Thieren  davon  abgelei- 
tet, dass  der  linke  Ventrikel  kein  hellrothes  Blut  mehr  erhalt»i 
und  vorausgesetzt,  dass  zur  Thätigkeit  des  linken  Herzens  diese» 
Einfluss  durchaus  nothwendig  sey.  Dagegen  erinnert  Bicbat,  das* 
das  bei  nicht  athmenden  Thieren  von  den  Lungen  zum  Herz»» 
kommende  dunkelrothe  Blut  die  Zusamraenziehungen  des  Herze»» 
nicht  sogleich  aufhebc.  Obgleich  diese  und  andere  von  Bic»-*’^ 
{rech,  sur  la  vie  et  la  mort)  hiergegen  angeführte  Gründe  g»* 
nichts  beweisen,  so  ist  es  doch  durchaus  nicht  wabrscheinlie^** 
dass  beide  Herzhöhlen  eine  specilische  Reizbarkeit  für  vcrscbi»- 
dene  Blutarten  haben.  Denn  beim  Foetus,  wo  die  Vorhöfc  dur»** 
das  foramen  ovale  communiciren,  und  überhaupt  kein  Athi»»** 
in  den  Lungen,  sondern  nur  eine  gewisse  Veränderung  des  Blut»*' 
in  der  placenla  bewirkt  wird,  enthalten  beide  Herzliäiricn  einer- 
lei Blut.  Wenn  das  hcllrothe  Blut  durch  eine  unmittelbare 
kung  auf  das  Herz  zur  Unterhaltung  der  Herzbewegung  wirkhc 
nothwendig  ist,  so  ist  BiciiA'r’s  Meinung  viel  wahrscheinliche*» 
dass  durch  Unterbrechung  des  Athmens  das  Herz  darum  sei»® 
Reizbarkeit  verliere,  weil  seinen  Muskelfasern  durch  die  Kra»*"“ 


3.  Ursachen  der  Herzthütigkeit.  Nervensystem. 


181 


Arterien  oder  ernährenden  Gefässe  des  Herzens  nun  kein  hell- 
*'othes  Blut,  sondern  dunkelrothes  Blut  zugefülirt  wird.  So  ge- 
wiss nun  dieser  Einlluss  zu  seyn  scheint,  so  lässt  sich  doch  nicht 
Ermessen,  in  welchem  Verhältniss  dieses  Bedürfniss  zum  Bedürf- 
®>ss  des  Nerveneinllusscs  auf  das  Herz  steht,  indem  alle  Verän- 
derungen des  Atlimens  auch  den  Einfluss  der  Nerven  auf  die 
’^rigeti  organischen  Thcile  verändern. 

2)  Abhängigkeit  des  Herzens  von  den  Nerven.  Obgleich  die 
Veränderung  des  Herzschlages  in  den  Leidenschaften  und  anderen 
Veränderungen  des  Nervensystems  augenscheinlich  ist,  indem  der 
Öerzschlag  z.  B.  in  allen  plötzlichen  Leidenschaften,  excitirenden 
®OAvohl  als  deprimirenden , anfangs  gestört,  .dann  häuGger,  und 
*War  in  ersteren  heftig  und  häufig,  in  letzteren  schwach  und  häu- 
l'S  wird,  so  haben  doch  Einige  diesen  Einfluss  nicht  nöthig  ge- 
*'ilten  zur  Bewegung  des  Herzens.  Haller  behauptete  diese 
^tiahhängigkeit,  weil  das  ausgeschnittene  Herz  sich  zusammen 
ziehen  fortfährt,  weil  die  Reizung  der  Herznerven  nicht  jene 
Konvulsionen  erzeugt,  die  die  Reizung  der  Nerven  in  den  übri- 
8on  Muskeln  erzeugt. 

Die  Untersuchungen  über  diesen  Gegenstand  beginnen  wle- 
mit  der  Arbeit  von  Soemmerring  und  Behreuds  über  die 
herznerven'  17.92,  welche  zu  beweisen  suchten,  dass  die  Herz- 
®*d)stanz  gar  keine  Nerven  erhalte,  und  dass  alle  Fäden  der  Herz- 
Oerveu  in  der  Substanz  des  Herzens  nur  den  Häuten  der  Herz- 
Sefässe  angehören.  Hierdurch  schien  Haller’s  Lehre  von  der 
^Usauirnenziehungskraft  der  Muskeln  bestätigt  zu  werden,  dass 
^öilich  die  Muskeln  durch  sich  selbst  und  nicht  durch  ihre 
^ochselwirkung  mit  den  Nerven  Bewegkraft  besitzen,  dass  die 
orven  gleich  wie  die  äusseren  (mechanischen,  electrischen,  che- 
^*schen)  Reize  Bewegungen  der  Muskeln  veranlassen,  und  es 
®^St  also,  dass  das  ilerz,  indem  es  dem  Einflüsse  der  Nerven 
OiUzogen  ist,  durch  das  Blut  seihst  zu  Bewegungen  gereizt  wird. 

, oemmerrikq’s  und  Beurekds  Versuche,  dass  der  Galvanismus 
. O'ne  Zusnmmenziehungen  des  Herzens  bewirke,  da  er  diess  doch 
!*  allen  mit  Nerven  versehenen  Muskeln  thut,  schienen  diese  An- 
'cht  noch  mehr  zu  bestätigen.  Allein  Scarpa  zeigte,  dass  die 
^ oi'znerven  allerdings  auch  sehr  zahlreich  in  dem  Miiskelflei- 
V**  des  Hei’zens'  sich  verbreiten,  v.  Humboldt,  Pfaff,  Fow- 
und  Wedemeyer  halien  durch  Galvanismus  Zusammenziehun- 
des  Herzens  bewirkt,  und  mir  ist  dasselbe  sowohl  bei  Frö- 
^oen  als  Säugethieren  gelungen.  Humboldt  will  sogar  durch 
^alvanisiren  der  nervi  cardtaci  bei  Säugethieren  Bewegungen 
Herzens  hervorgerufen  haben.  Ueler  die  gereizte  Muskel,  und 
■^•'venfaser  i.  342.  Die  Nerven  können  sonst,  wie  Burdac«  mit 
j^ocht  bemerkt,  auch  als  feuchte  Leiter  xvirken,  wenn  der  eine 
Sab  “vif  das  Herz  applicirt  wird.  Burdach 

^ aber  wirklich  Verstärkung  des  Herzschlages  eines  getödteten 
^u^^oohens,  als  er  das  Ilalsstiick  des  sympathischen  Nerven  oder 
eb*  Halsganglion  armirte.  Physiol,  4.  464.  Solche  Versu- 

^0  über  die  motorische  Kraft  von  Nerven  ^ind  bloss  beweisend, 
On  die  Nerven  allein  armirt  werden,  und  wenn  die  galvanische 


182  /.  Buch.  Von  den  orgein.  Säften  etc.  II.  Abschn.  Vom  Blutkreislauf' 


Action  sehr  schwach  ist.  Starke  Entladungen  werden  hierbe* 
von  jeder  Stelle  aus  durch  leuchte  Leiter,  und  so  durch  Nef' 
ven,  zum  Herzen  seihst  hloss  durchgeleitet.  Die  Versuche  voj* 
Buudacii,  in  welchen  er  hei  einem  getödteten  Kaninchen  dui’C'i 
Betupfen  des  synipath.  Nerven  mit  caust.  Kali  oder  ätzendeö' 
Ammonium  den  Herzschlag  wieder  beschleunigte,  sind  daher  u*® 
so  interessanter,  besonders  auch,  da  hei  einem  getödteten  K-O' 
niuchen  keine  schmerzhaften  Empfindungen  mehr  einwirken,  uiw 
den  Herzschlag  verändern  können.  Dieser  Versuch  wollte 
bei  Wiederholung  nicht  so  gelingen.  Die  Versuche,  welche  Br*' 
CHET  {rech,  sur  le  syst,  gangliunaire)  und  Andere  über  ReizuoS 
der  Nerven  an  lebendigen  Tliieren  angestellt  haben,  können 
Hinsicht  des  Herzens  gar  nichts  erweisen,  da  der  Herzschlag  s” 
sehr  hei  schmerzhaften  Empfindungen  sich  ändert. 

Endlich  unterscheidet  sich  das  Herz  wieder  von  anderei’ 
Muskeln,  dass  es  ausgeschnitten  und  leer,  besonders  bei  kaltbli*' 
tigen  Thieren,  auch  ohne  Reiz  sich  zusammen  zu  ziehen  fort' 
fährt,  .dass  cs  hierbei  selbst  die  regelmässige  Aufeinanderfolge 
den  Abtheilungen  des  Herzens  beobachtet,  Verhältnisse,  die  ma’’ 
nicht  anders  als  aus  einem  specifischen  Einflüsse  der  noch  iihr*' 
gen  Nerven  in  der  Substanz  des  ausgeschnittenen  leeren  Herzet'* 
erklären  kann,  welcher  somit  die  letzte  Ursache  der  Contractiä' 
neu  des  Herzens  zu  scyn  scheint,  um  so  mehr,  da  die  ReiLungC'’ 
der  Nerven  durch  Reizungen  des  Gehirns  und  Rückenmarkes^ 
und  Leidenschalten  einen  so  grossen  Einfluss  auf  die  Veränderunt' 
der  Thätigkeit  des  Herzens  liahcn.  Rennte  man  Einflüsse,  tr®*' 
che  die  Itclehende  Wirkung  der  Nerven  zerstören,  ohne  zugleic** 
das  Zusatnmenziehurigsvcrmögen  der  Muskeln  auch  aufzuhebc'’’ 
so  würde  man  diese  Frage  bis  zur  Gewissheit  entscheiden  kö”' 
nen;  allein  die  Narcotica,  welche  an  Nerven  applicirt,  diesen  im 
Fähigkeit  nehmen,  auf  Reize,  die  auf  die  Nerven  angchracht  W**’’" 
den,  Bew'egung  der  mit  ihnen  verbundenen  Muskeln  hervorzufä' 
fen,  wirken  eben  so  auf  die  Muskeln  applicirt  und  machen  s'® 
unfähig,  durch  Reizung  der  Nerven  ihre  Zusammenziehungskr*' 
zu  äussern.  Das  O.pium  auf  das  Herz  eines  Frosches  angewan**  ’ 
hebt  dessen  Bewegungen  bald  auf  (obgleich  mir  diess  mit  wäs**^^ 
riger  Aullösuug  von  Opium  nicht,  so  wie  Humboldt  geling® 
wollte).  Indessen  beweist  die  plötzliche  Veränderung  und  St® 
kling  des  Herzschlages  nach  einer  gewaltsamen  Zerstörung  " . 
ganzen  Rückenmarkes  jedenfalls,  dass  die  Nerven  des  Herz® 
einen  grossen  Antheil  an  dessen  Bewegungen  haben. 

Ob  dieser  Einfluss  unmittelbar  von  den  Herznerven 
ren  Quellen,  dem  Nervus  sympathiciis  ausgehe,  oder  ob  das  ^ 
hirn  und  Rückenmark  diese  Nerven  mit  dci-jenigen  Kraft  vcr*  .j 
hen,  wodurch  sie  die  Bewegungskraft  des  Herzens  erhalten,  .p 
eine  andere  Frage.  Diese  Frage  wurde  zuerst  durch  Bich>'*^,^( 
Anregung  gebracht.  Bichat  trennte  gcn.uier  die  Functionen 
physiologisch  verschiedenen  Nervenstämme , der  Cerehro-Sp'®*  , 
Nerven  und  des  Nervus  sympathicus.  Die  Nerven  des  Geh‘'^|, 
und  Rückenmarkes,  w'elche  willkührliche  Bewegungen  veranH^’^j., 
können,  wenn  sie  sich  in  Muskeln  verbreiten,  sind  in  einer 


3.  Ursachen  der  Herzthätigkeit.  Nervensystem. 


183 


seil  Abliängigkeit  von  diesen  Organen;  die  TJntcrbrecliung  ihres 
Zusamnienbanges  mit  dem  Gehirn  oder  Rückenmarke  liebt  ‘men 
tinlluss  7.ur  Erregung  AviUkübriieber  RcAvegungen  auf.  Die  INei- 
''en  des  Rückenmarkes  sind  eben  so  gclalmit,  Avenn  die  Leitung 
^wischen  ibneii  und  dem  Gcliirn  durcli  V erlet/.ung  des  Rücs.cii- 
»aarkes  aufgeboben  ist,  obgleicli  ein  vom  Geliirn  oder  Rücken- 
»iiarke  gcLreimler  Fierve  bei  meebauiseber  oder  galvanischer  Rei- 
bung noch  unwillkübrliche  Bewegung  des  mit  ilim  verbundenen 
^luskels  bewirkt.  Die  A'on  dem  Nervus  sympatbicus  versehenen 
'^lieile,  Herz,  Darmkaual,  Uterus  etc.,  haben  dagegen  mir  uiuvill- 
^bhrliche  Bewegungen;  der  Nervus  sympatbicus  hangt  niclit  un- 
‘nittelbar  mit  dem  Gehirn  und  Rückenmarke,  Avie  die  Lerebro- 
^pinalncrveu,  sondern  nur  mittelbar  durch  Vermittelung  der 
^®tztern  zusammen.  Bichat  nannte  das  System  dei  Cerciio- 
Spinalncrven  das  animalische,  das  System  des  Nervus  syinpathi- 
‘‘«s  das  organische  Nervensystem,  schrieb  dem  letztem  eine  ge- 
''vlsse  Unaldnüigigkeit  von  Gehirn  und  Rückenmark  zu,  und  bc- 
ti-achtete  die  Ganglien  und  Gelleclitc  des  N.  symjiatliicus  als  des- 
sen Ccntralthelle.  In  der  neuern  Zeit  Ist  die  nach  dem  Kreis- 
läufe des  Blutes  zweite  grosse  Entdeckung  gemacht  worden,  niim- 
l‘cb,  dass  die  Spinalnerven,  welche  durch  eine  vordere  oder  bin- 
tere  Wurzel  von  dein  Rückenmarke  entspringen,  dusch  die  vor- 
‘lere  Wurzel  im  Stande,  sind,  Bewegungen  in  den  Muskeln  hcr- 
'^ui'zurufen,  durch  die  hintere  AVurzel,  vvelcbe  jnit  einem  Gan- 
ülion  versehen  ist,  aber  empfindend  sind.  Belt,  hat  diese  Entdek- 
Wig  cemaebt,  und  ich  habe  beiyicseii,  dass  meebauische  uiu 
galvanische  Reize,  auf  die  hinteren  Wurzeln  der  Si>inalncrven  ap- 
Pliclrt,  nicht  im  Stande  sind,  BeAvegung  in  den  Muskeln  zu  erre- 
gen, zu  welchen  die  Spinalnerven  hingeben.  Siehi;  111.  Buch. 

liat  nun  iu  der  ueiioru  Zeit  zu  zeigen  gesuebtj  dass  der 
^trvus  sympathiais  m»  der  Brust  mit  dem  Anlaugo  der  Spi- 
bainerven  zusammenhangt,  doch  bloss  mit  den  hinteren  Wurzeln 
^er  Spinalnerven,  nicht  aber  mit  den  vorderen  in  Verbindung 
^‘lelic,  und  dass  also  der  Nervus  sympatbicus  weder  vom  Ruckeu- 
biiirke  aus  zur  Erregung  des  Herzens  bestimmt  Averden  könne, 
boeli  sellist  motorisebe  IWaft  besitze.  Scarva  de  ganglüs  ne, yorum 
^eijue  origine  .<;/  cssenUa  n.  intcrcostalis  ad  H.  Webeiu  ylnnal.  imi- 
‘'«'■■s'.  d.  medicina.  Nßgg.  e Giugn.  1831.  Wutzer’s  und.  meine  ei- 
fteiien  Untersuchungen,  so  wie  die  von  Ret/.itjs  und  Mater,  nalien 
*bdess  gezeigt,  da-ss  Sgarva’s  s|)ätere  Ansicht  unrichtig  ist,  und 
•lass  die  raini  commiinicantes  inlcr  n.  sympalhleum  et  nervös  spi- 
bales,  soAvohl  von  der  Aordern  motorischen,  als  von  der  hintein 
“«usihelu  Wurzel  der  Spinalnerven  ihre  Faden  erhalten.  Siehe 
blECK.EL’s  Archiv  1831.  1.  /T.  85.  u.  260. 

Mit  der  üntersuclnmg  dos  Einllusscs  des  Rückenmarkes  und 
*^cbirns  auf  die  Bewegungen  des  Herzens  hahen  sich  auf  cxperi- 
‘,^iiteUeni  Wege  besonders  Legallöis,  Philip,  TREvmAsus,  Nasse, 
’^ebemeyer,  Cliet  und  Flotjrevs  .beschäftigt. 

Legallois  trat  mit  neuen  Tliatsaclien  in  seinem  Werke  (ca.;?. 
le  prinr/pe  de  la  t>ie.  Paris  1812.)  hervor,  nach  Avelchen  der  Grund 


184  I.  Buch.  Von  den  organ.  Säften  etc.  II.  Abschn.  Vom  Blutkreislauf- 
ier Herzthäti'gkeit  nur  in  dem  Rückenmarke  gelegen  seyn  sollte.  LS' 
QALLOis  Beweise  lassen  sich  auf  folgende  Hauptpunkte  reduciren. 

Zerstört  man  hei  einem  Tliiere  den  Cervicaltheil  des  Rücken- 
markes und  die  medulla  ohlongata , so  hört  das  Athmen  wegen 
der  Zerstörung  der  Quelle  der  Athemnerven,  nämlich  der  inc- 
dulla  ohlongata  und  des  Rückenmarkes,  auf.  Der  Herzschlag  dau- 
ert schwächer  noch  fort,  ohne  längere  Zeit  den  Blutlauf  unter- 
halten zu  können,  und  die  zur  Unterhaltung  der  Circulation  nö- 
thige  Stärke  der  HerzheAvegnng  lässt  sich  durch  künstliche  Re- 
spiration nicht  ervvecken.  Die  theilweise  und  in  Pausen  aufein- 
ander folgende  Zerstörung  des  Rückenmarkes  unterhält  die  Her*- 
Lewegung  länger  als  die  plötzliche  Zerstörung. 

Der  Kreislauf  des  Blutes  hört  auch  auf,  wenn  man  nur  den 
untern  Theil  des  Rückenmarkes  durch  Einstossen  eines  Griffels 
vernichtet.  Auch  dann  wird  er  durch  künstliche  Respiration 
nicht  wieder  erregt. 

Aus  diesen  Versuchen  schloss  Legat.lois,  dass  der  Nervenein- 
fluss auf  die  Herzthätigkeit  von  dem  Rückenmarke  ausgehe , und 
zwar  nicht  von  einem  bestimmten  Theile  des  Rückenmarkes,  son- 
dern von  dem  ganzen  Rückenmarke.  Wenn  diess  wahr  ist,  schloss 
Legaluois,  so  wird  nach  Zerstörung  eines  Theiles  des  Rücken- 
markes die  Nervenkraft  des  unversehrten  Theiles  nicht  mehr  hin- 
reichen,  das  Herz  zur  Bewegung  der  ganzen  Masse  des  Blutes  zn 
erregen.  Allerdings  wird  sie  aber  hinreichen,  bei  künstlichen» 
Athmen  das  Blut  durch  einen  Theil  des  Gefässsystems  zu  treiben- 
Legallois  schloss  weiter,  dass,  wenn  man  nach  partieller  Zerstö- 
rung des  Rückenmarkes  den  Weg  des  Blutes  durch  das  ganze 
Gefässsystem,  durch  Unterbindung  einzelner  Gefässe  einschränke, 
der  Blutlauf  in  diesen  eingeschränkten  Theilen  noch  unterhalten 
werden  könne.  Und  lege  man  die  Ligatur  immer  näher  den» 
Herzen  an,  so  würde  man  einen  immer  grössern  Theil  des  Rük- 
kenmarkes  ohne  Unterbrechung  des  Kreislaufes  zerstören  können- 
Legaleois  unterband  an  Kaninchen  die  Aorta  in  der  Gegend  dci" 
Lendenwirbel,  und  zerstörte  das  Lendenmark.  In  anderen  Fällen 
schnitt  er  den  Kopf  ab,  als  er  die  Carotiden  und  Jugularvenei» 
unterbunden,  und  zerstörte  das  Halsraark,  indem  er  den  Blutlatif 
durch  die  künstliche  Respiration  unterstützte,  und  in  noch  grau- 
sameren Versuchen  nahm  er  die  ganze  untere  Hälfte  des  Körper* 
weg,  nachdem  er  die  grossen  Gefässe  unterbunden.  In  allen  Fäl- 
len dauerte  der  Kreislauf  zwischen  dem  Herzen  und  den  Ligä- 
turen  längere  und  kürzere  Zeit  fort,  und  in  manchen  FälleO; 
nach  Legallois  Aussage,  noch  länger  als  — Stunden. 

Aus  diesen  Versuchen  schloss  Legallois,  dass  der  NervO* 
sympathicus  nicht  unabhängig  sey,  dass  er  nicht  bloss  mit  den* 
Rückenmarke  Zusammenhänge,  sondern  von  ihm  entspringe,  un<l 
dass  es  der  eigenthümliche  Charakter  dieses  Nerven  sey,  all® 
Theile,  in  welchen  er  sich  verbreitet,  unter  den  Einfluss  der  nio- 
torischeu  Kraft  des  ganzen  Rückenmarkes  zu  setzen.  Das  beriebt- 
erstattende  Comite  glaubte,  dass  diese  Versuche  alle  Schwierig' 
keiten  lösen,  die  sich  früher  über  die  Bewegungen  des  Herzen* 
erhoben  haben,  wie  namentlich,  warum  das  Herz  dem  Eiuflu**® 


3.  Ursachen  der  Herzlhatigkeit.  Nervensystem. 


185 


^er  LeiJenscliaften  unterworfen  sey,  warum  es  niclit  dem  Wil- 
*6n  gehorche,  warum  die  Circulation  in  den  hirnlosen  Missgehxir- 
*^6n  oder  Aceplialen  bis  zur  Gehurt  fortdanere. 

Dass  indessen  Legallois  Versuche  nicht  das  ganze  Verhält- 
''•ss  zwischen  Gehirn,  Rückenmark  und  dem  sympathischen  Ner- 
ven aufgeklärt  haben,  ist  durch  Wilson  Philipp’s  Versuche  ge- 
zeigt worden.  Untersuchungen  über  die  Gesetze  der  Functionen  des 
liebem.  Stuttg.  1822.  Wird  ein  Thier  durch  einen  Schlag  auf 
^®n  Hinterkopf  der  willkührlichen  Bewegung  und  der  Empfindung 
"ßraubt,  so  hört  die  Respiration  auf,  die  Herzhewegung  dauert 
®l>er  noch  fort,  und  kann  durch  künstliche  Piespiration  noch 
lange  unterhalten  werden.  Wird  nun  das  Rückenmark  und  Ge- 
"irn  ganz  entfernt  durch  Ausschneiden,  so  schlagt  das  Herz  den- 
j’oeh  fort,  aber  schwächer  als  gewöhnlich.  Auch  wenn  das  Rük- 
^enmark  und  Gehirn  mit  einem  heissen  Stahe  zerstört  wird,  dan- 
in  der  Regel  die  Bewegung  des  Herzens  fort.  Philip  schliesst 
hieraus  das  Gegentheil  der  Resultate  von  Legallois,  nämlich  dass 
die  Thätigkcit  des  Herzens  dem  innern  Grunde  nach  unabhängig 

von  Gehirn  und  Rückenmark.  Aber  beide  Organe,  Gehirn 
höd  Rückenmark  haben  gleichwohl  nach  Philip’s  Versuchen  ei- 
h^n  grossen  Einfluss  auf  die  sympathischen  Affectlonen  des  sym- 
pathischen Nerven  und  des  Herzens. 

Philip  sah,  dass,  wenn  er  Weingeist  auf  das  blossgelegte 
^^hirn  oder  auf  das  Rückenmark  aufträiifelte,  die  Bewegung  des 
^®ezens  sich  vermehrte,  deutlicher,  wenn  der  Weingeist  auf  den 


M^lstheil  des  Rückenmarkes , schwächer , wenn  er  auf  den  Lum- 
i'dtheil  applicirt  wurde.  Opium  und  Tabaksabsud  w irkten  ebenso, 
reizende  Wirkung  trete  bei  dem  Opium  und  Tabak  vor  der 


^'rcotischen  ein,  denn  allmählig  werden  nun  die  Bewegungen  des 


^®i'zens  langsamer.  Diese  Reize  wirken  durch  das  Gehirn  und 
dekenmark  noch  immer  auf  die  Eingeweide,  wenn  sie  durch 
• i'ohirn  und  Rückenmark  keinen  Einfluss  mehr  auf  die  willkühr- 


l'cli 


'®n  Muskeln  haben.  (Von  allem  diesem  sah  Marshall  Hall 
Gegentheil.  Weder  Opium  noch  Weingeist  brachten  Be 


fehlem, igjing  hervor,  und  Öpiumvergiftung  vernichtete  bei  dem 
^jirrkrampfe  auch  den  Kreislauf.)  Das  Herz  steht  nach  Philip 
allen  Theilen  des  Gehirns  und  Rückenmarkes  in  Relation, 
l^'^isse  willkührliche  Bewegungen  aber  nur  mit  gewissen  Theileu 
Gehirns  und  Rückenmarkes.  Philip  hat  auch  gezeigt,  dass  der 
’^duss  des  Geh  irns  und  Rückenmarkes'  auf  den  N.  sympathicus 
yd  die  Eingew'eide  sich  ganz  verschieden  zeigt  nach  der  Art  der 
^Hetzujjg,  Wird  das  Gehirn  zerstört  durch  Ausschneiden  einzel- 
Jh't  oder  das  ganze  Gehirn  entfernt,  wird  das  Rückenmark 

n 1 ®***®®i  heissen  Stabe  langsam  zerstört,  so  schlägt  das  Herz 
'"'ie  vor  noch  geraume  Zeit  schwächer;  allein  die  Herzthä- 
jA  ist  gebrochen , wenn  die  Zei’störung  schnell  und  wie  zer- 
5^,j^**'®tternd  geschieht.  So  wenn  das  Gehirn  eines  lebenden  Fro- 
Jiii  ^'”6™  Hammer  zerschmettert  wird,  so  reagirt  das  Herz 

®*^hwach  und  langsam  mehr,  es  liegt  halbe  Minuten  still, 
non  das  Rückenmark  schnell  txnd  gewaltsam  zerstört,  so 
die  Bewegung  wieder  für  eine  Zeitlang  erloschen.  Nachher  sam- 


186  I.Buch.  Vond.organ.Säftenetc.  lI.Abschn.  Vom  BbitkreislanJ- 


melt  sicla  die  Contractionskraft  wieder.  Clift  sah  das  Herz  der  RaT' 
pfen  nach  Zers  törung  des  Rückenmarkes  noch  11  Stunden  schlagen. 

FnouRENs  schliesst  nach  seinen  Versuchen  an  Fischen,  das* 
die  Thatigkelt  des  Herzens  nur  vom  Athrnen  ahliiinge,  und  das^ 
sie  aufhöre  dui’c)i  Aufhebung  der  Atliemhewegungen  bei  Ver- 
letzung  der  medulla  ohlongala,  von  welcher  die  AthembeweguO' 
gen  ahhängen,  dass  hei  Fischen,  deren  Atliemhewegungen  allen’ 
Von  der  medulla  ohlongata  ahhangen,  und  nach  Verletzung  de® 
Rückenmarkes  deswegen  Ibrtdauern  können,  auch  der  RreislaU’ 
deshalh  fortdaurc.  Dagegen  hat  M vRShalt,  Hai.l  [an  essay  on 
circidaUofi.  Loitd.  1831.)  hei  Fischen  auch  nach  Zerstörung  de’ 
medulla  ohlongata  den  Kreislauf  sehr  lange  fortdauern  gesehen- 
Marshali.  Hall  lasst  indess  das  Herz  immer  in  einer  hedingteO 
Abhängigkeit  vom  Rückenmarke  und  Gehirn  sejn.  Vergl.  TrevI' 
RAKUS  Biol.  4.  644.,  Clift  Phä.  Trans.  1815.,  Wedemever  PUysioj- 
Unters,  über  das  Nervensystem  und  die  Respiration,  llaniiov.  181’- 
Nasse  in  Hork’s  Ardi.  1817.  189.  Flourens  Versuche  über 
Eigenschaften  und  Verrichtungen  des  Nervensystems.  Leipz.  1S2'1- 
Eine  ausführliche  Prüfung  von  Leoallois  Versudien,  und  ein® 
lichtvolle  Darstellung  der  ganzen  Streitfrage  hat  Nasse  gegehei'- 
Nasse  Untersuch,  zur  .Lebensnaturlehre.  Halle  1818.  Vergl.  Lund  Phf" 
siol.  Resultate  der  V iviseci Ionen  neuerer  Zeit.  Kopenh.  1825.  162- 

Fasst  man  die  Resultate  von  Legallois,  \Vilson  u.  A. 
den  schon  bekannten  Thatsachen  zusammen,  dass  das  ausgeschnit-' 
lene  Herz,  besonders  hei  Amphibien  und  Fischen,  noch  lange  foi4' 
aeblügt,  'dass,  deprimirende  All’ectionen  des  Nervensystemes  d*® 
E-raft  des,  ■ Herzschlages  schwächen,  und  dass  mit  der  nervöse” 
Qhinpacht  auch  Schwächung  des  Kreislaufes  verbunden  ist,  so  folgi). 

,1)  Dass  Gehirn  und  Rückenniark  einen  grossen  Einfluss  a”* 
die  Besvegung  des  Herzens,  haben,  dessen  Bewegungen  heschlc”' 
rtigen,  verlangsamen,  schwächen  und  verstärken  können. 

2).  Dass  die  Herzhewegung  aber  nach  der  einfachen  Tre”' 
nung  des  Rückenmarkes  und  Gehirns  vom  Körper  noch  eine  Zeif" 
lang  fortdanert  (nach  Flourens  bei  Kaninchen  mit  Pulsation  d”*' 
Qarotiden  unter  künstlicher  Respiration  über  eine  Stunde),  da*’ 
die  .Herzbewegungen  aber  viel  schiväober  sind,  und  der  Kreisln“ 
nicht  vollständig  längere  Zeit  unterhalten  wird. 

;,  3)  Dass  die  Bew-egung  des  Herzens  auch  beim  Hera”*' 
schneiden  des  Herzens,  also  bei  der  Trennung  desselben  vön  de’“ 
grössten  Theile  des  N. „sympathicus  nicht  sogleich  aufhört. 

Rückenmark  und  Gehirn  stehen  nicht  zu  dem  Herzen 
einem  solchen  Verhältnisse,  dass  die  Entfernung  der  ersteren  gf' 
ivide  das  Princip  der  Bewegungen  in  dem  Herzen  aufhebt;  d‘® 
Herznerven  können  noch  einen  Thell  des  belebenden  Einflus*®* 
enthalten,,  sel.bst  derjenige  Theil  derselben,  der  noch  in  ei”®“* 
ausge-schnilteneti  .Herzen. «ntbaltcii  ist.  Aber  Gehirn  und  Rücke”' 
mark  müssen  gloiehu-.olil  als  eine  Hauptcpielle  des  Nerveneinflus*^ 
überhaupt  angesehen  werden,  ihre  Verniclitung  schwächt  dasH“*^, 
in  hohem  Grade,  so  dass  es  ZAvar  noch  lange  sich  bewegt,  “^*"1 
nicht  mit  der  zur  Unterhaltung  des  Kreislaufes  nothwendig®^ 
vollständigen  Kraft.  Wenn  es  ein  Mittel  giebt,  den  Grad  A’®' 


3.  Ursachen  der  Herzthätigkeit.  Nervus  sympathicus.  187 


Abliängigkeit  zu  messen,  so  ist  es  das  von  Nasse  angeweh- 
*iete.  Er  jnaass  die  Hölie  des  Blutstromes  aus  einer  durchschnitte- 
•>en  Arterie  im  normalen  Zustande,  zerstörte  hierauf  das  Rük- 
^enmark  oder  einzelne  Tlieile  desselben,  und  fand  nun,  dass  der 
^lutstrom  nach  einigen  Minuten  in  einem  der  Verletzung  ange- 
*iiessenen  Grade  abgenommen  batte.  Auf  Jeden  Fall  ist  aber  der 
^Grvus  sympatbicus  vom  Gcbirn  xuid  Rückenmarke  durebaus 
•licht  in  der  Abhängigkeit  wie  die  Cerebrospinalnerven.  Diess 
ßebt  allein  schon  aus  der  Eeobaebtung  hervor,  dass  bei  Fi- 
schen sich  die  Contractionen  des  Herzens  nach  Zerstörung  des 
Gehirns  und  Rückenmarkes  selbst  noch  einen  halben  Tag  lang 
^i'halten. 

Eine  noch  grössere  Unabhängigkeit  vom  Gehirn  und  R.ücken- 
•Harke  scheint  die  Blutbewegung  bei  hirn-  und  rückenmarklosen 
Missgeburten  zu  haben.  Allein  wir  besitzen  über  diese  Monstra 
Hoch  nicht  hinreichende  anatomische  Kenntnisse,  um  sie  auf  eine 
Hitscheidende  Art  zur  Lösung  der  schwebenden  Frage  anzüwen- 
den.  Bei  den  bemicepbalen  Missgeburten  wird  das  Gehirn  meist 
durch  Gehirnwassersuebt  zerstört,  und  dieselbe  Krankheit  kann 
HUch  das  Rückenmark  zerstören. 

Bel  den  kopflosen  Missgeburten  fehlt  in  der  Regel  (nicht 
irtimer)  auch-  das  Herz,  und  die  Gefässe  bestehen  in  der  Regel 
••ur  aus  zwei  Gefässsystemen , welche  nicht  durüh  die  Stämnie, 
Sondern  durch  die  Capillargefässe  Zusammenhängen,  so  dass  die 
^abelgefässe  Zweige  dieser  Stämme  sind.  Tlie.T>miA^v'.‘ytnalomie'd, 
^Pfl.  Missgehurten.  Landsh.  1813.  Nur  in  dem  Wirrsrow’scheü 
valle  (Tiedem.  p.  71.)  hing  die  Nabelvene  mit  den!  Arterienstamme 
Zusammen,  wie  beim  Embryo  das  Herz  eine  gleiebe  Umbi-egung 
des  Venenslammes  in  den  Arterienstamm  ist.  Es  ist'  nitht  anzu- 
Hßbmen,  dass  bei  den  acepbalen  Missgeburten  ohne  Hörz  Wicht 
•loch  ein  Kreislauf  stattgefunden  habe.  Eine  Stelle  der  Gefäss- 
*b'>mme  selbst  kann  hier  durch  Zusammenzje'hang  da^  Herz  er- 
fHh-t  haben,  wie  denn  das  Herz  'bei  dem  Embryo  in  frühester 
^cit  nicht  von  der  Form  eines  Gefässes  ab  weicht.  liWetin  nun 
Cin  Kreislauf  stattfand,  so  konnte  er  ohne  Gebifn  die  längste 
pCit  bestehen,  ja  da  auch  das  Rückenmark  in  einigen  dieser  Fälle 
Rillte,  so  scheinen  diese  Äfonstra  den  Beweis  zu  liefern, ' dass  d^r 
:^i'eisiauf  des  Blutes  in  ihrem  doppelten  GefässsystemC 'oluie  den 
influss  des  Gehirns  und  Rückenmarkes  geschehen  kann,  und 
“o  clie  contractilen  Tbeile  der  Eingeweide,  die  vom  sympatbi- 
chen  Nerven  versehen  sind,  von  dem  Gehirn  und  Rückenmarke 
Sanz  und  gar  unabhängig  seyn  können.  . . 

Rhacuet  [recherclies  experimentales  sur  les  fonctions  du  Systeme 
^Igl/onairc.  Paris  1820.)  bat  die  Fälle  von  Acepbalis'  gesamhielt, 
ci  denen  auch  das  Rückenmark  ganz  fehlte.  Vergl.  Meck. 

, I.  Elbett  de  acep/ialis.  Berol.  1-821.  Besondei’s  merkwürdig 
^ der  Fall  von  Ruvscu  {thesaur.  anat.  IX.  p.  17.  Uah.  1.  ßg.  2.)^ 
^,0  freilich  an  dem  Mutterkuchen  eines  -woblgebildeten  Foetus 
j .'•H  untere  Extremität  hing.  Eine  Frucht,  die  fast  au^  einer 
j.  ossen  Extremität  bestand,  an  einem  Nabelstrange  hing.  Und  Ge- 
'isse,  Arterien  und  Venen,  und  einen  kui’zen  Stumpf  von  Rük- 


188  I.  Buck.  Von  den  organ,  Säften  etc.  II.  Abschn.  Vom  Blutkreislauf 

kenmarb  enthielt,  hatEMMEHT  (Meck.  Arch.  6.)  beschrieben.  Vgl- 
den  ähnlichen  Fall  Hayn  monstri  unicum  pedem  referentis  de- 
scriptio  anatomica,  Berol.  1824.  In  mehreren  Fällen  hat  die  Er- 
klärung des  Kreislaufes  in  der  Missgeburt  ohne  Herz  und  Rük- 
kenmark  keine  Schwierigkeit,  wenn  die  Gefässe  des  Monstrums 
bloss  Zweige  der  Gefässe  des  Nabclstranges  eines  andern  gesun- 
den Foetus  sind,  wie  in  RuDOLPni’s  Fall,  von  einem  Monstrum; 
das  'aus  einem  blossen  Kopf  bestand  {Abhandl.  d.  Akad.  zu  BeA- 
1816.).  Ehen  so  in  dem  von  mir  beobachteten,  ganz  ähnlichen 
Fall  von  einem  Kopf,  der  durch  eine  Arterie  und  Vene  mit  den 
Habelgef ässen  eines  vollständigen  Rindes  zusammenhing.  Muel- 
ler’s  Archiv  1834.  179.  Vergl.  den  Fall  des  rudimentären  Mon- 
striuns,  das  Gurlt  {palhol.  Anat.  2.  Bd,  tab.lG.ßg.  l — 4.)  ah- 
bildet.  PiuDOLPHi  erklärt  den  Kreislauf  der  übrigen  herzlosen 
Monstra  so,  dass  das  Blut  der  Mutier  vom  Mutterkuchen  durch 
die  Nabelvene  zum  Foetus  gelangt,  die  sich  in  ihm  gleich  einer 
Arterie  vertheilt,  und  dass  die  Arterien  des  Foetus  das  Blut  zum 
Nabel  und  Mutterkuchen  zurückbringen.  Encyclop.  JVörlerhuch 
der  med.  IVissensch.  I.  226.  Diese  Erklärung  ist  aber  sehr  ge- 
wagt, da  die  Gefässe  des  Foetus  oder  Muttei-kuchens  nicht  ei- 
genilich  mit  den  Gefässen  des  Uterus  Zusammenhängen. 

Dass  der  .sympathische  Nerve  lieim  Embryo  zuerst  entstehe, 
ist  eine  sonderbare,  bloss  hypothetische  Behauptung  von  Acker- 
mann. Auch  ist  es  zu  tadeln,  dass  der  sehr  verdiente  BolandO 
die  erste  Spur  der  Bückenwirbel  beim  Vogeleinbryo  zur  Seite 
des  Rückenmarkes  für  Ganglien  des  N.  sympathicus  erklärt. 

.Nicht  allein  Gehirn  und  Rückenmark,  sondern  der  Lebens- 
zustaad  aller  Organe,  und  dadurch  der  ganze  Organismus,  wirken 
durch  die  begleitenden  Nerven  der  Blutgefässe  auf  den  Sympa- 
thikus zuilick,  und  bestimmen  seine  ihm  eigenthümliche  motori- 
sche Kraft  zur  Wirkung.  Die  beständige  Quelle  der  Zusammen-  t 
Ziehung  des  Herzens  ist  daher  primo  loco  die  motorische  Krall  i 
des  Nervus  sympathicus.  Aber  die  Ursache  für  die  Erhaltung  der 
letztem,  und  ihre  Erregung  ist  nicht  allein  Gehirn  und  Rücken- 
mark, sondern  sind  wahrscheinlich  die  Lebensreize  aller  Organe, 
welche  durch  die  Gefässnerven  auf  die  Centraltheile  des  Sympa-  | 
thicus  zurückwirken.  Hierdurch  wird  cs  möglich,  dass  eine  ört' 
liehe  Krankheit  kranke  GemeiTigefühle  im  ganzen  Körper  erregh 
und  jede  heftige  örtliche  Krankheit  den  Herzschlag  und  Pnb 
verändert. 

Die  Veränderungen,  welche  die  feinsten  Wurzeln  des  Sy’’)' 
pathicus  in  irgend  einem  Theile  durch  örtliche  heftige  Rrankhei'  ■ 
ten  erleiden,  und  die  Rückwirkung  dieser  Veränderung  auf 
Centraltheile  des  Nervus  sympathicus,  die  Herznerven  und  Geliecht®? 
so  wie  auf  das  Gehirn  und  Rückenmark,  scheinen  eine  llaiipl' 
rolle  in  jenen  Erscheinungen  zu  spielen  , die  w'ir  Fieber  nenne"' 

Ueber  den  Einfluss  der  einzelnen  Regionen  des  Nervus  syi"' 
pathicus  auf  die  Thätigkeit , des  Herzens  hat  man  noch  keine  B"' 
obachtungen.  Man  weiss  nur,  dass  in  13  Versuchen  von 
MEH  die  Durchsebneidung  des  Sympathicus  am  Halse  überhaup 


4.  Von  d,  einzelnen  Tlieilen  d.  Gefiisssystems.  Arterien.  Puls.  189 

gar  keine  erhebliclie  Folge  hatte,  t.  Pommer’s  Beiträge  zur  JVa- 
tur^  und  Heilkunde,  lleilhronn  1831. 

Da  mehrere  Hirnnerven  mit  dem  N.  sympathicus  in  inniger 
Verbindung  stehen,  und  da  insbesondere  der  JV.  vagus  an  der  Zu- 
sammensetzung der  Herzgeflechte  wesentlichen  Anlheil  hat,  so  wäre 
es  sehr  wünschenswerth,'  auch  den  Einfluss  dieser  Nerven  auf  die 
'Thiitigkeit  des  Herzens  zu  kennen.  Emmert  bemerkte  nach  Durch- 
«chneidung  des  N.  vagus  nur  eine  geringe  Störung  im  Kreisläufe. 
l^iCHAT  und  Legallois  erklären  mit  Recht,  dass  die  Veränderun- 
gen in  dem  Herzschlage  nicht  mit  Sicherheit  der  Dnrchschnei- 
flüng  des  Nerven  zugeschrieben  werden  können,  da  sie  eben  so 
gut  von  Schmerzen  und  Furcht  herrühren  können,  und  dass  sie 
keinesfalls  bedeutend  sind. 

IV.  Capüel.  Von  den  einzelnen  Theilen  des 
Gefäs  ssystems. 

a.  Von  den  Arterien. 

Die  mittlere  Arterienhaut  besteht  aus  kreisförmigen  platten 
Vasei'n  und  Faserhündeln,  welchen  die  Arterien  ihre  grosse  Ela- 
^ticität  verdanken,  d.  h.  ihre  Fähigkeit  naeh  vorheriger  Ausdeh- 
*"*ug  wieder  sich  zu  verengern,  eine  Eigenschaft,  die  ihrem  Ge- 
^ ehe  physicalisch  zukömmt,  und  auch  nach  dem  Tode  noch  län- 
gere Zeit  bis  zur  Zersetzung  in  ihnen  bleibt.  Dieselbe  Faserhaut, 
‘*‘6  man  wohl  von  Muskelfasern  unlerscbeidcn  muss,  ist  die  Ur- 
®®che,  dass  die  Arterien  auch  im  leeren  Zustande  nicht  collabi- 
sondern  walzenförmig  bleiben,  und  dass  sie  der  grössern  oder 
g^ritigei’n  Anfüllung  sich  anpassen.  Von  den  Muskellasern  unter— 
®^>ieidet  sich  dieses  nur  den  Arterien,  nicht  den  Venen  zukora- 
*^^6nde  Gewebe  auch  in  chemischer  Hinsicht,  wie  Behzelius  ge- 
*®‘gt  hat.  Die  Muskelsubstanz  ist  weich  und  schlalf,  und  enthält 
J^ehr  als  | ihres  Gewichtes  Wasser.  Die  Arterienfaser  ist  trok- 
und  sehr  elastisch,  Muskelsubstanz  verhält  sich  chemisch  wie 
. “serstoff  des  Blutes,  ist  aullöslich  in  Essigsäure,  schwer  löslich 
hfineralsäuren,  mit  denen  sie  schwer  auflöslicbe  Verbindungen 
.fldet.  Die  Arterienfaser  ist  unauflöslich  in  Essigsäure,  aber 
,*cht  auflöslich  in  Mineralsäure,  und  diese  Auflösung  wird  we- 
von  Alcali  noch  von  Cyaneisenkalium  gefällt,  was  geschehen 
wenn  sie  Faserstoff  enthielte.  Diese  Renntniss  ist  wich- 
*b  tür  die  Untersuchung  der  Bewegung  des  Blutes  in  den  Ai'terien. 
Eom  Puls. 

n In  den  Arterien  fliesst  das  Blut  mit  stossweise  verstärkter 
.eschwindigkeit,  die  Gewalt  seines  Stromes  vermehrt  sich  mit  je- 
neuen, ‘durch  die  Contraction  des  Ventrikels  in  die  Aorta  ge- 
»ebenen  Blutwelle.  So  sah  Hales  das  Blut  in  der  in  eine  Arterie 
g®hrachten  Röhre  bei  jedem  Pulsschlage  um  1 oder  einige  Zoll 
^®'gen.  Da  nun  das  Blut  der  Arterien  durch  die  Haargefässe 
des  Widerstandes,  den  es  in  diesen  engen  Röhren  erleidet, 
scLnell  entweiclien  kann^  tvls  es  in  die  Ai'terien  getrieben 
so  übt  das  Blut  in  den  Arterien  gegen  ihre  elastischen 


190  I.  Buch.  Von  den  organ.  Säßen  etc.  II.  Ahschn.  Vom  Blutkreislauf- 

Wände  einen  Druck  aus,  -vFodurcli  es  wie  jede  comprimirte  FIÜS' 
sigkeit  nach  allen  Richtungen  auszuweichen  strebt.  Diesen  Druck 
des  Blutes  auf  die  Arterienwände  hei  der  Contraction  der  Ven- 
trikel fühlt  man  an  ihnen  als  Puls.  Der  Puls  der  Arterien  isl 
also  irn  Allgemeinen  synchronisch  mit  der  Zusaramenziehung  der 
Ventrikel;  diese  letztere  ist  seine  Ursache. 

Die  elastischen  Wände  der  Arterien  müssen  in  Folge  dieses 
Druckes  bei  jedem  Herzschlage  ausgedehnt  werden,  und  zur  Zeit 
der  Diastole  der  Ventrikel  vermöge  ihrer  Elasticität  wieder  auf 
ihren  vorigen  Zustand  reducirt  werden.  Diese  Ausdehnung  der 
Arterien  kann  in  der  Länge  und  in  der  Breite  erfolgen,  und  sie 
erfolgt  in  der  That  in  beiden  Richtungen , aber  in  der  Länge 
viel  merklicher  als  in  der  Breite.  Die  Arterien  werden  im  Mo- 
mente des  Pulses  der  Länge  nach  ausgedehnt,  und  deshalb  ver- 
schieben sie  sich  und  schlängeln  sich  und  strecken  sich  wiederum 
zur  Zeit  der  Ruhe  des  Ventrikels;  sie  rverden  aber  auch  im  Mo- 
mente des  Pulses  ein  wenig  in  der  Dimension  der  Breite  aus- 
gedehnt. Die  Ausdehnung  in  die  Breite  i.st  von  Rudolphi,  La- 
MURE,  Arthaud,  Parry  lind  Doellihger  geläugnet  worden.  Da- 
gegen haben  sie  Bicbat,  v.  Walther,  Tiedemaks,  Meckel,  Ha- 
STiiic.s,  Magendie  und  Wedemeyer  gesehen.  Die  Erweiterun"  der 
Arterien  im  Puls  muss  jedenfalls  kleiner  seyn,  da  sie  nicht  immer 
gleich  deutlich  wabrgenommen  und  von  mir  selbst  nur  zuweilen 
deutlich  gesehen  wurde.  Dass  sie  aber  existirt,  davon  kann  sieb 
jeder  Beobachter  an  der  ganzen  Verzweigung  der  arteria  pnlnio- 
nalis  beim  Frosche  überzeugen,  wo  man  nicht  allein  die  Schlän- 
gelung der  Arterien,  sondern  auch  ihre  Erweiterung  gleich  deut- 
lich siebt.  Ausserdem  habe  ich  die  Erweiterung  der  "aorta  abdo- 
minalis beim  Frosche  und  einmal  vollkommen  deutlich  beim  K.»' 
ninchen  gesehen.  Vergl.  E.  II.  Weber  Anatomie  T.  3.  p.  6' 
Poiseuille  (Magexdie  Jou?-n.  T.9.  /J.  44.)  hat  durch  einen  inge- 
niösen Versuch  sogar  die  Grösse  der  Erweiterung  an  den  Arto- 
rien  gemessen.  Er  entblösste  die  carotis  communis  eines  lebei*- 
digen  Pferdes  auf  3 Decirnetcr,  und  schob  eine  oll'ene  Röhre  vo"  ' 
weissem  Blech,  die  durch  ein  schmales  Deckelstück  verschlicss-  ; 
bar  war,  darunter.  Mit  diesem  Stücke  verschloss  er  die  RöhfO 
wieder,  verschloss  die  Enden  mit  Wachs  und  Fett;  den  inner'' 
Raum  der  Röhre  um  die  Arterie  herum  füllte  er  durch  eine  >" 
die  Röhre  eingesetzte  Glasröhre  von  aussen  mit  Wasser  an.  5®' 
jedem  Pulsschlage  stieg  das  Wasser  in  der  3 Millimeter  weite" 
Glasröhre  um  70  Millimeter,  und  fiel  um  eben  so  viel  jedesui"^ 
darauf.  Das  eingeschlossene  Stück  Arterie  war  235  MiH'"'’  i 
lang,  und  nahm  2106  Quadratniilim.  Raum  ein;  da  es  nun  durd' 
jeden  Pulsschlag  3mal  70  = 210  Quadratmillim.  an  Umfang 
nahm,  so  folgt,  dass  es  ungefähr  um  seines  Raumes  aiisg"'  . 
dehnt  wurde. 

Man  nimmt  gewöhnlich  an,  dass  der  Puls  in  allen  Arteri®" 
bei  verschiedener  Entfernung  vom  Herzen  gleichzeitig  sey.  We'''" 
BRECHT,  Liscovius  lind  E.  H.  Weber  {Adnotat.  analom.)  haben 
dess  das  Gegentbeil  gezeigt,  und  in  der  That  ist  es  leicht,  si®" 
vom  Gegentheil  der  Behauptung  von  Bicuat  zu  überzeugen. 


4,  Vojt  d.  einzelnen  Theilen  d.  Gefässsfsiems.  Arterien.  Puls.  191 

Ä.rterien  piilsiren  in  der  Näte  des  Herzens  isochroniscli  mit  der 
^ontractlon  des  Ventrikels,  denn  der  pulsus  cordis  ist  die  Zu- 
^amrnenziehung  der  Ventrikel,  der  pulsus  artcrlarum  aber  die  bier- 
<Jurch  lind  durch  den  Druck  des  Blutes  bewirkte  Ausdehnung  der 
A.rterien.  Allein  bei  grösserer  Entrernung  vom  Herzen  ist  der  Puls 
^er  Arterien  nicht  mehr  ganz  synchronisch  mit  dem  Herzschläge, 
Und  varilrt  davon  nacli  Webeä  um  i Secunde.  So  ist  der 
^nls  der  ail.  radialis  schon  um  etwas  später  als  der  Puls  der 
uarotis  communis.  Der  Puls  der  maxill.  ext.  dagegen,  bei  unge- 
fähr gleicher  Entfernung  vom  Herzen,  isochroniscli  mit  dem  Puls 
der  art.  axillaris.  Der  Puls  der  art.  mctatarsea  auf  dem  Fuss— 
^’iicken  um  etwas  später  als  dei'  Puls  der  maxill.  ext.  und  der 
f'nls  der  carotis  comm.  E.  H.  Weber  hat  in  der  Abhandlung 
(de  puisu  non  in  Omnibus  arleriis  plane  synchronico)  die  XJrsa- 
®lien  dieses  Zeitunterschiedes  gezeigt.  Wäre  das  Blut  von  ganz 
festen  Röhren  eingeschlossen,  deren  Wände  keiner  Ausdehnung 
fällig  wären , so  xvürde  sich  der  Stoss  des  von  der  Herzkammer 
*U  die  Arterien  getriebenen  Blutes  bis  zu  den  Enden  der  Blut- 
®'äule  mit  derselben  Schnelligkeit  fortpflanzen,  mit  welcher  der 
^uhall  durch  diese  Flüssigkeit  sich  fortpflanzt  (d.  h.  viel  schneller 
der  Schall  in  der  atmosph.  LuR);  dann  würde  der  Druck  des 
^'utes  mit  einem  ganz  unmerklichen  Zeitverlust  bis  zu  den  Enden 
'(«r  Arterien  sich 'fortpflanzen.  Da  aber  die  Arterien  einiger  Aus- 
dälinung  in  die  Breite  und  noch  grösserer  in  die  Länge  fähig 
*'ud,  so  bewirkt  die  Zusammendrückung  des  Blutes  vom  Herzen 
ääs  zunächst  nur  die  Ausdehnung  der  nächsten  Arterien.  Worauf 
diese  durch  ihre  Elasticicität  sich  wieder  zusammenziehen,  und 
die  nächsten  Forsetzungen  der  Arterien  durch  das  comprimirte 
"jät  ausdehnen,  die  auch  wieder  durch  ihre  Zusammenziehung 
d'G  nächsten  Thcile  ausdehnen  und  so  weiter,  so  dass  ein,  wenn 
^äeli  noch  so  kleiner  Zeitraum  verstreicht,  ehe  die  AVelle,  d.  h. 

sciccessive  Zusammendrückung  des  Blutes,  Erweiterung  und 
Verengerung  der  Arterien  Ijis  zu  den  entfernten  Arterien  gelangt. 
7 Eber  vergleicht  diess  mit  der  Fortpflanzung  der  Wellen,  die 
in  einen  See  geworfener  Stein  bewirkt.  Auch  diese  W^ellen 
pflanzen  sich  nicht  mit  der  Schnelligkeit  des  Schalles  fort.  Die 
' clinelligkcit  dieser  Fortpflanzung  ist  vielmehr  nach  den  Versu- 
7*ea  der  Gebrüder  Weber  {IF elknlelire.  Leipz.  1825.  p.  188.)  in 
2.3  Zoll  tiefen  Wasser  5^  Par.’ Fuss  in  einer  Secunde.  Bi- 
äXT  verwechselte  die  Bewegung  der  Wellen  in  einem  Flusse  mit 
^®>ner  Strömung,  und  glaubte,  der  Puls  rühre  nicht  von  den  fort- 
*r  \^®itenden  AVellen,  sondern  von  dem  allem  Arterienblute 
Zeit  mitgetheilten  Stoss  her.  Die  Bewegung  derWel 


r,  -»ici  z.eil  mitgetueiiten  ocoss  ner.  jluc  Bewegung  uci 

aber  immer  von  der  durch  Stoss  bewirkten  fortgepflanzten 
scillni.«.^^  niemals  von  der  Strömung  ab,  so  dass  das  Wasser  w- 
sich  hebt  und  senkt,  aber  an  seinem  Orte  lileibt,  wäh- 


j,  ” ’^’eUe  sich  hebt  und  senkt,  aber  an  seinem  Urte  nleibt,  wan- 
sf;.  fliß  Welle  und  Oscillation  weiter  fortschreitet , die  also  be- 
lei  r 'S  in  anderen  Theilen  Wassers  stattfindet.  Daher  auch  die 
yXp  Körper  auf  den  Wellen  sich  zxvar  heben  und  senken, 

**  bei  dem  Fortschreitcii  der  Wellen  an  ihrem  Orte  hleiben. 

Zur  Fortpflanzung  des  Pulses  wird  eine  continuirliche  Blut- 


192  I.  Buck.  Von  den  organ.  Säften  etc.  II.  Ahschn.  Vom  Blutkreislauf 

säale  erfordert;  wären  die  Arterien  an  einzelnen  Stellen  leer, 
würde,  wie  Weder  seliliesst,  die  Fortpflanzung  des  Pulses  viel 
langsamer  seyn  oder  ganz  unterbrochen  werden.  Denn  von  Blut 
leere  Stellen  der  Arterien  müssten  erst  vom  Strome  des  Blutes 
gefüllt  werden,  ehe  der  Stoss  sich  fortpflanzen  könnte,  und  def 
Strom  des  Blutes  ist  doch  Jedenfalls  viel  langsamer  als  die  Fort- 
pflanzung des  Stosses.  Daher  leitet  es  Weber  ab,  dass  der  Puls 
in  einer  aneurysmatischen  Arteriengeschwulst  mit  dem  Herzschlag® 
und  dem  Puls  anderer  Arterien  nicht  synchronisch  ist.  Denn  da* 
Coagulum  im  aneurysmatischen  Sacke  oder  nicht  ganz  mit  Blut 
gefüllte  Räume  desselben  können  ein  Hinderniss  der  Fortpflan- 
zung des  Stosses  seyn.  Nach  allem  diesem  ist  der  Puls  der  Ar- 
terien die  TVirkung  der  fortgepflanUen  Oscillation  in  den  Arterien-" 
häuten  und  dem  Blute  der  Arterien,  welche  ihre  Ursache  in  dein 
Drucke  des  Blutes  vom  Herzen  aus  hat.  Weber  adnotat.  unatonn 
et  physiol.  prolus.  I. 

Weber  hat  noch  weitere  sehr  nützliche  Bemerkungen  über 
den  Nutzen  der  elastischen  Haut  der  Arterien  mitgetheilt.  In  dem 
Zeitraum  von  einem  Herzschlage  zum  andern  rückt  das  Blut  in 
der  Aorta  nur  um  so  viel  weiter,  als  das  vom  Herzen  ausgeflos- 
sene Blut  Raum  in  dem  ersten  Stücke  der  Aorta  einnimmt,  d.  h- 
einige  Zoll.  Die  elastische  Haut  der  Arterien  bewirkt  aber  durch 
ihren  beständigen  Gegendruck,  dass  das  Blut  nicht  bloss  absatz- 
weise, sondern  ununterbrochen  vorwärts  gedrückt  wird;  das  Blut 
fliesst  aus  einer  geöflheten  Arterie  ununterbrochen,  und  der  Strom 
wird  nur  in  den  grösseren  Arterien  w’ährend  Jedes  Herzschlages 
augenblicklich  verstärkt,  eine  Verstärkung,  die  nm  so  weniger 
merklich  ist,  Je  kleiner  die  spritzenden  Arterien  sind.  Weber  be- 
merkt, dass  das  Herz  einige  Aehnlichkeit  mit  den  Feuerspritzen 
habe,  dass  aus  ihm  die  Flüssigkeit  durch  periodisch  Aviederholte 
Stösse  ausgetrieben  wird.  Der  Zweck  beider  Instrumente  erfor- 
dert es  aber,  dass  die  Flüssigkeit  ununterbrochen  ausströme,  diess 
ist  in  beiden  dadurch  bewirkt,  dass  bei  Jedem  Drucke  dieser 
Pampenwerke  nicht  nur  die  Flüssigkeit  fortgestossen , sondern 
auch  ein  elastischer  Körper  gespannt  w'ird,  welcher  auf  die  Flüs- 
sigkeit zu  drücken  und  sie  auszutreiben  fortfäbrt,  während  das 
Pumpenwerk  -selbst  nicht  drückt.  Dieser  elastische  Körper  ist 
bei  den  Arterien  die  elastische  Wand  derselben,  bei  den  Feuer- 
spritzen die  in  ihrem  Windkessel  über  dem  Wasser  befindlich® 
Luft.  Weber  l.  c.  de  utäitate  parietis  elastici  arteriarum.  Anatoim^^ 
3.  p.  69.  (Es  ist  eben  so  mit  dem  Regulator  der  Gebläse.)  B®* 
Verknöcherung  verliert  sich  diese  Elasticität,  daher  die  Anlag® 
zu  Schlagfluss,  Gangrän  etc. 

Durch  ihre  Elasticität  besitzen  die  Arterien  die  merkwürdig® 
Fähigkeit  um  so  enger  zu  werden , Je  -weniger  sie  Blut  enthal- 
ten, und,  wie  beim  Blutflusse  aus  durchschnittenen  Arterien,  ans- 
treiben  können.  Wenn  eine  Arterie  durchschnitten  ist,  so  wir^ 
der  Blutstrom  allmählig  immer  kleiner.  Bei  einem  Pfei’de,  das  Huif- 
TER  zu  Tode  bluten  Hess,  fand  er,  dass  die  Aorta  um  mehr  ah 
Yö,  die  Iliaca  •^,  die  Cruralls  sich  im  Durchmesser  verengerte®» 
und  dass  Arterien  von  der  Dicke  der  art.  radialis  im  Mensche» 


4.  Von  d,  einzeln.  Theilen  d.  Geßisssyst.  Arterien,  ContraciUitUt.  193 


Jjis  zum  Schliessen  sich  verengten,  ABERUETnr  physiol.  lect.  224. 
Je  starker  die  Kraft  des  Herzschlages  ist,  um  so  mehr  werden  die 
Arterien  ausgedehnt,  und  um  so  mehr  Blut  ist  in  ihnen  im  Ver- 
lüUtnlss  zu  den  Venen  enthalten;  je  schwäclier  der  Herzschlag  ist, 
'»m  so  mehr  kann  die  Elasticität  der  Arterien  dem  Antriehe  des 
Blutes  das  Gleichgewicht  hallen,  um  so  enger  sind  die  Arterien 
'md  um  so  weniger  Blut  enthalten  sie  im  Vcrhältniss  zu  den  Vc- 
«en.  Diese  Folge  tritt  vor  dem  Tode  ein,  daher  zum  Tlieil  die 
Jilutleere  der  Arterien  nach  dem  Tode;  sie  sind  eigentlich  gros- 
sentheils  nicht  ganz  leer,  sondern  viele  enthalten  so  viel  Blut,  als 
im  verengtesten  Zustande  zu  fassen  vermögen.  Bei  einer  Vi- 
'^isection  kann  eine  unverletzte  Arterie  ihren  Durchmesser  all- 
'^'ählig  verkleinern,  wie  Pahiiy,  Tiebemasn  und  auch  ich  gesehen 
^ähen.  Diess  braucht  man  aber  weder  von  dem  B.eize  der  Luft 
öoeh  überhaupt  von  der  vitalen  Contraclilität  der  Arterien  ahzu- 
‘®iten,  sondern  es  ist  eine  nolhweudige  Folge  von  der  vermin- 
'^®rten  Kraft  des  Herzens. 

Die  iiltereu  Schriftsteller  und  mehrere  neuere  haben  die  nach 
Ausdehnung  der  Arterien  erfolgende  elastische  Zusammenzie- 
^Ung  der  Arterien  fälschlich  für  einen  Muscularact,  und  die  Fa- 
der  Arterienhaut  für  Muskelfasern  gehalten,  wovon  sie  sich, 
Bebzelius  gezeigt  hat,  in  jeder  Hinsicht  unterscheiden.  Die 
Fähigkeit,  sich  nach  der  Ausdehnung  zusammenzuziehen,  behalten 
Arterien  noch  lange  nach  dem  Tode,  Tage  lang,  und  die 
^toss-vvrelse  in  die  Arterien  gestorbener  Thiere  getriebenen  Flüssig- 
keiten bieten  dieselben  Erscheinungen  des  Pulses  und  der  darauf 
}'’lgenden  Zusammenziehung  dar,  wie  im  lebenden  Körper.  Man 
für  die  nicht  existirende  Äluscularcontractilitiit  verschiedene 
'*Hinde  aus  der  vergleichenden  und  pathologischen  Anatomie  hei- 
S^hracht,  welche  gar  nichts  beweisen.  Allerdings  ziehen  sich  das 
Spfäsaartige  Herz  der  Insecten  und  die  Hauptgefässstämme,  nicht 
®mtnat  alle  Gefässst  ämme  der  W^ürnier,  wie  hei  den  Blutigcln, 
örch  Muskularcontraction  zusammen.  Allein  diess  sind  eben  die 
tei'jen  jener  Thiei’e,  tind  es  lasst  sich  zeigen , wie  das  Herz  hei 
niederen  Thieren  immer  mehr  die  Form  eines  länglichen 
y’^hlauchcs  annimmt,  wie  es  denn  hei  dem  Embryo  in  frühester 
• nur  ein  erweiterter  Theil  des  Gefässsyslems  ist.  Das  Herz 
j '•  daher  ln  der  Thierwelt  überhaupt,  nur  der  mit  Muskelsuhstanz 
/"kleidete  und  contractile  Theil  des  Gefässsyslems,  der  bald  kurz, 
."‘d  lang  ist.  Man  hat  auch  für  die  Muscularcontractilität  der 
j,  Herien  die  kopflosen  Missgeburten  angeführt,  hei  denen  das  Herz 
regelmässig  fehlt,  und  deren  Circulationssystcm  aus  zwei  Ge- 
ij^®®®ystemen  besteht,  die  an  zwei  verschiedenen  Stellen,  nämlich 
Set-  Placenta  und  in  den  Organen  des  Körpers,  durch  Capillar- 
asse  Zusammenhängen  , allein  hier  ist  wohl  das  Herz  auf  die 
0 |"che  Schlauchform  reducirl;  in  manchen  Fällen  sind  auch  die 
des  Acephalen  nur  Acsle  der  Nabelgefässe  eines  zweiten 
Sß|^’’kändigen  Embryo.  Vergl.  p.  187.  Der  bulbus  aortae  der  Fi- 
lic}*^  nackten  Amphibien  zieht  sich  allei’dings  ganz  deut- 

®eh  was  Spallanzabi,  Wedemeyer  und  ich  hei  Frö- 

und  Salamandern  gesehen,  und  ich  habe  auch  sellsst  den 


Ittiill 


cr's  Physiologie.  1, 


13 


194  /.  Buch.  Von  den  organ.  Säften  ete.  IJ.  Ahschn.  Vom  Blutkreislauf- 
bulbus  aortae  der  Frösche  an  der  abgescbnittenen  Aorta  nocli 


sieb  ganz 


vollkommen  und  so  deutlich  wie  das  Herz  selbst  zU' 


sammenzieben  gesehen.  Allein  dieser  Theil  ist  von  der  Aorta 
ganz  verschieden,  gehört  zum  Herzen  nnd  ist  jenen  Thieren,  wel- 
che durchs  ganze  Leben  oder  in  der  Jugend  einen  Kieraenkreis- 
lauf  haben,  eigenthümlich.  Man  sieht  hier  gerade  ganz  deutlid»? 
dass  die  Aorta  der  Frösche  über  dem  deuUrch  muscnlösen  Bul- 
bus wahrend  der  Contraction  des  letztem  keine  Spur  von  Coo- 
tractilität  besitzt,  und  es  ist  vollkommen  unrichtig,  wenn  SrALtAJ*- 
[de’  fenomeni  della  circolazione,  Modena  17734,  der  sonst  g®' 

*]iar  1_ t H A a « ^ ^ i*^T 


ZATJl 


gen  die  Muscularcontractilität  der  Arterien  streitet,  behaupte^ 
die  aorta  dcscendens  der  Salamander  bewege  sich  ausgeschnitten 
noch  fort.  Makshall  Hall  wollte  bei  dem  Frosche  und  der 
Kröte  eine  auch  nach  Entfernung  des  Herzens  noch  pulsirend® 
Arterie  gefunden  haben,  die  über  dem  grossen  Querförtsatze  de» 
dritten  Wirbels  hergehen  soll.  Diese  Beobachtung  ist  indess  feh- 
lerhaft. An  dieser  Stelle  habe  ich  allerdings  ein  eigenes  pulsireu- 
des  Lvmphherz  gefunden,  das  aber  mit  keiner  Arterie,  wohl  aber 
mit  einer  Vene  zusammenhangt.  Siehe  Abschn.  3.  ,Cap.  2.  Die  oS- 
cillirende  Besvegung  des  Blutes  nach  Unterbindung  der  Aorta  de» 
Frosches,  wobei  das  Blut  unregelmässig  bald  eine  Strefcke  vorwärl* 
rückt,  bald  Avieder  zurücktritt,  ist  auch  kein  Beweis  für  MuscU- 
larcontractlon  der  Arterien,  obgleich  es  Hall  dafür  anfuhrt.  Die*» 
hängt  ganz  von  der  fortdauernden  Elasticität  der  Arterien  und  voO 
mechanischen  Hindernissen  ab.  Die  vena  cava  der  Fische  besitz* 
nahe  am  Herzen  Muscularcontractilität,  und  zieht  sich  nach  NvsTEj^ 
auf  galvanischen  Reiz  zusammen.  Nysten  l.  c.  p.  .351.  Dless  sah 
auch  Wedemeyer  bei  warm-  und  kaltblütigen  Thieren.  1.  c.  P- 
Nach  meinen  Beobachtungen  ist  diess  vollkommen  richtig;  irh 
sah  die  Stämme  der  untern  und  der  beiden  oberen  Hohlvenen  d®* 
Frosches,  der  Lungenvenen  und  Hohlvenen  bei  jungen  warmblü- 
tigen Thieren  ohne  Reizung  sich  dentlich  rhythmisch  contra- 
hiren  und  die  Venenstämme  des  Frosches  sich  auch  nach  abg®' 
schnittenem  Herzen  und  Vorhof  rhythmisch  zusammenziehen' 
aber  die  übrigen  Venen  zeigen  keine  Spur  von  Contractilität,  »r®' 
der  nngereizt  noch  gegen  galvanischen  Reiz,  und  wenn  FlourZI*- 
regelmässige  Contractionen  der  Hauptvenenstämme  - des  Unterleib®^ 
beobachtet  hat,  so  rühren  diese  wohl  oflonbar  von  den  von  »n' 
entdeckten  Lymphherzen  des  Frosches  her,  welche-  die  Lymp*’ 
in  die  venae  jugulares  und  ischiadicae  hineinpumpen.  Das  Ca**- 
dalherz  des  Aals  am  Ende  der  vena  caudalis  ist  contraotil,  ab* 
die  Vene  selbst  durchaus  nicht.  So  scheinen  auch  die  Arterl®*' 
der  Brustflossen  der  Chimaeren  nach  Duvernöy,  und  der  Zitt®® 
rochen  nach  J.  Davt  accessorische  Herzen  zu  habfen.  Man  b® 
für  die  Muscularcontractilität  der  Arterien  den  Umstand 
führt,  dass  der  Puls  an  den  gleichnamigen  Gliedern  zuweilen  • ^ 
Stärke  verschieden  ist,  wie  in  Lähmungen;  allein  hier  sind 
dere  örtliche  Ursachen  vörhanden,  und  diess  kann  erklärt  werd®®j 
In  gelähmten  Gliedern  ist  die  Wechselwirkung  zwischen  Blut 
Substanz  vermindert,  sie  sind  schlalF  und  welk,  und  oft  wenig 
ernährt.  Dagegen  die  vermehrte  Wechselwirkung  zwischen  Sn 


4.  Von  d.  einzeln.  Ilteilen  d.  Gefilsssfst.  Arterien.  ContractilitiU.  195 

stanz  und  Blut  in  activen  Congestionen  einen  grossem  Zufluss 
des  Blutes  und  starkem  Puls  durcli  verstärkte  organische  Aflini- 
tät  Bewirkt.  In  entzündeten  Theilen  wird  der  Puls  stärker  ge- 
fühlt, bei  der  Anhäufung  des  Blutes  und  dem  gchejnmten  Durch- 
gänge durch  die  Capillargefässe.  Dass  aber  der  Puls  in  ver- 
scbiedphen  Theilen  an  Frequenz  verschieden  sey,  darüber  existirt 
keine  zuverlässige  Beobachtung,  und  es  ist  unbegreiflich,  wie 
Schriftsteller  heut  zu  Tage  ein  solches  Mährchen  ohne  Prüfung 
üacherzählen  können. 

Der  Ausfluss  des  Blutes  aus  einer  an  zwei  Stellep  unterbun- 
denen Arterie  beim  Anstich,  ist  auch  nur  eine  Folge  der  elasti- 
schen Contraction  der  Arterien.  Man  hat  endlich  für  die  Muscu- 
darcontractilität  der  Arterien  und  ihren  'vitalen  Anlheil  an  der 
Bewegung  des  Blutes  angeführt,  dass  die  gangraena  senilis  vor- 
zugsweise bei  Verknöcherungen  in  den  Arterien  stattfindet.  Al- 
lein Wedemeyer  bemerkt,  dass  die  gangraena  senilis  zuweilen 
ohne  diese  Verknöcherungen,  und  die  Verknöcherungen  ohne 
gangraena  senilis  verkommen,  so  dass  die  gangraena  senilis  noch 
andere  Ursachen  zu  ihrer  Entstehung  erfordert,  und  das  alte 
Balsum  cum  hoc,  ergo  propter  hoc  nichts  erklärt.  Siehe  über 
Alles  diess  : Wedemeyer  1.  c.  Wenn  nun  alle  bisherigen  Gründe 
für  die  , Musöularcontractilität  der  Arterien  auf  nichts  beruhen, 
sind  offenbare  Gegenbeweise  gegen  die  Contractilität  derselben 
''Drhanden. 

Bebzelius  bemerkt  mit  Becht,  dass  die  stärksten  galvanischen 
*^*04  elektrischen  Reize  keine  Spur  von  Contraction  an  den  Artc- 
•"ieii  erregen.  Nystes  [rec/iere/i'es  de  physiol.  et  pathol.  cliimiques, 
•Born  4811,)  stellte  öfter  galvanische  Versuche  an  der  Aorta  kurz 
''Qrher  enthaupteter  Verbrecher  an,  bemerkte  aber  keine  Spur 
^un  Contraction.  Derselbe  entdeckte  keine  Spiir  von  durch  Gal- 
vanismus en'egter  Contraction  an  der  aorta  ahdominalls  der  Fische. 
Mellon  Bichat  hatte  ähnliche  Resultate  erhalten  p dann  hat  Wed e- 
^Eyer  an  vielen  Thieren  mit  einer  galvanischen  Säule  von  50 
■\lattenpaaren  an  den  Carotiden^  und  an  der  aorta  thoracica  nie 
ainei  Spur  vdn,  Muscularcontraction  bemerkt;  ich  habe  sehr  oft 
Galvanismus  als  Prüfungsmittel  hierzu,  benutzt,  .und  weder 
uei  Fröschen  mit  geringen  und  starken  galvanischen  Reizen,  noch 
Säugethieren , namentlich  Kaninchen,  mit  einer  . Säule  von 
, “ 80  Plattenpaaren  die  gearngste  Spur  von  Contraction  bewir- 

®n  können.  Man  hat  zwar  bemerkt  (Bichat,  Treviramus),  dass 
VV^h  das  Herz  nicht  empfänglich  für  den  galvanischen  Reiz  sey, 
®von  Humdoedt  gerade  das  Gegentheil  beohachtete.  (Ueier  die 
^eeizte  Muskel-  und  Nervenfaser  1797.  /.  .340.).  Allein  Pfaff,  J. 

Meckel,  Wedemeyer  haben  auf  entschiedene  Art  diese  Em- 
l änglichkeit  am  Herzen  bemerkt,  und  ich  selbst  habe  nicht  al- 
jjj**  an  dem  schon  ruhenden  Froschherzen  mit  einem  einfachen 
attenpaar  Zusammenziehung  auf  derÄtelle  erregt,  sondern  auch 
dessen  Herz  schon  zu  schlagen  aufgehört  hatte, 
di  I ^ Reiz  einer  Säule  von  40  Plattenpaaren  auf  der  Stelle 
^ ^.^^^^Beste  Contraction  erregt.  • 

Der  mechanische  Reiz  bewirkt  so  wenig  als;  der  : galvanische 

1.3* 


196  I.  Buch.  Von  den  organ.  Säften  etc.  II.  Absehn.  Vom  Blutkreislauf- 

Reiz  Contractlonen  der  Arterien.  Dagegen  ist  es  nicht  zu  laugnen, 
dass  manche  chemische  Substanzen,  z.  B.  Mineralsäui-en,  salzsanref 
Kalk,  an  den  Arterien  Zusainmenziehiingen  bewirken;  sie  thin* 
diess  aber  niu’,  indem  sie  eine  eberaisebe  Veränderung  in  der  Sab- 
stanz  der  Arterien  bervorbringen , was  oft  davon  abbängt,  dass 
der  Sid)stanz  ein  Theil  ihres  Wassers  entzogen  wird.  Weber’s 
Anat.  .3.  Diese  Veränderungen  beweisen  nichts  für  die  Muscular- 
contractilität  der  Arterien.  Die  Reizbarkeit  der  Muskeln  dauert 
hei  Sängethieren  nie  über  J Stunden  nach  dem  Tode,  in  der  Re- 
gel viel  kürzere  Zeit;  jene  Veränderungen  lassen  sich  aber  noch 
Tarfe  lang  nach  dem  Tode,  und  zwar  nicht  allein  an  den  Arte- 
rien, sondern  auch  an  anderen  Tbeilen,  welche  keine  Musculär- 
contractilität  haben,  erzeugen,  wie  an  der  Haut.  Sab  doch  ZiM- 
meumann  (de  irritabilitate.  Göll,  1751.)  selbst  das  Fett  von  Schwe- 
felsäure sich  znsammenziehen.  Tiedemann  und  Gmeliu  sahen,  dass 
Schwefelsäure  Arterien -zusammenzog,  die  schon  ein  Jahr  in  Wein- 
geist aufbewabrt  waren.  Versuche  iiher  dieJVege  etc.  68.  So  er- 
zeugt auch,  wieWEDEMETEn  bemerkt,  heisses  und  kochendes  Was- 
ser noch  am  4.  Tage  in  der  menschlichen  Haut  eine  der  Muscu- 
larcontraction  sehr  ähnliche  Contraction  und  Kräuselung,  und  ähn' 
liehe  Zusammenziebungen  kann  man  mit  Säure  in  längst  erstor- 
benen  Muskelfibern,  am  Bauchfell,  in  der  äussern  Haut  erzeugen- 
1.  c.  p.  75.  Alles  diess  beweist,  dass  die  meisten  thierischen  Theile? 
ohne  Unterschied,  ob  sie  Muscularcontractilität  besitzen  oder 
nicht,  Segen  chemische  Einflüsse  durch  Aeusserung  von  cbemi-' 
scher  Affinität  im  lebenden  und  todten  Zustande  Zusammenziehun- 
gen zeigen  können,  w'elcbe  aber  von  der  Muscularcontraction 
ganz  verschieden  sind,  welche  letztere  nach  dem  Absterben  der 
Theile  nicht  mehr  erregt  werden  kann,  und  welche  nicht  allein 
auf  chemische  Einflüsse,  sondern  auch  auf  mechanische  und  gal' 
vaniscbc  Einflüsse  deutlich  und  schnell  sich  äussert.  HastiWG*’ 
hat  sich  in  seiner  Abhandlung  über  die  Irritabilität  der  Arterien 
(über  Entzündung  der  Schleimhaut  der  Lungen,  übers,  v.  Busch. 
men  1822.)  getäuscht,  indem  er  die  durch  chemische  Mittel  verur- 
sachte Zusammenziehung  fiir  Muscularcontraction  hielt,  und'  be- 
sonders auch  darin , dass  er  die  auf  die  Erweiterung  oder  de" 
Puls  der  Arterien  folgende  Zusammenziehung- derselben  nicht 
ihrer  Avahren  Ui’sacbc  erkannte,  die  als  Elasticität  del  Arterien' 
wände  so.  gut  in  den  todten  und  mit  Flüssigkeit  stosSweise  cing®' 
spritzten  Arterien,  als  während  des  Lebens  alle  Phänomene  er- 
zeugt, welche  man  eben  durch  eine  nicht  zu  rechtfertigende  An- 
nahme erklären  wollte.  Vergl.  Parhy  über  die  Ursache  des  artf- 
Pulses.  Hannoo.  1817. 

Aus  allen  diesen  Thatsachen  folgt,  dass  rhythmische  Muscn- 
larconti’actionen  der  Arterien  durchaus  nicht  bei  dem  Kreislan* 
wirken,  und  dass  die  Verminderung  des  Durchmessers  der  Arf®' 
rien  nach  der  Ausdehnung  durch  den  Impuls  des  Blutes  Folge  ihr® 
Elasticität  ist.  Ob  die  bei  Blutstillung  verwundeter  Arterien,  bei*^ 
Blosslegen  und  beim  Drehen  der  Arterien  beobachteten  Vereng“’' 
rungen  derselben  ganz  nur  eine  Folge  der  Elasticität  sind,  odei  ® ^ 
eine  lebendige,  allmählig,  nicht  rhythmisch  wirkende  Zusammen 


4.  Von  d.  tim.  Theden  d.  Gefässsyst.  Arterien.  Kraft  d.  llerzem.  197 

V 

^ieliungsliraft  der  Arterien  {ionus)  ausser  der  Elasticit'at  mitwirke, 
■vvie  Parry,  Tiedemakn  und  E.  II.  Weber  {Anat.  4.  75.),,  (Tie- 
J'emann  aucli  am  Stamme  der  Lympbgefässe)  annelimen,  war 
jetzt  zweifelhaft;  Schwann  hat  sie  aber  im  Mesenterium 
des  Frosches  und  der  Feuerkröte  auf  die  Anwendung  von  kaltem 
Jasser  wirklich  beobachtet  (vergl.  pag.  389.).  Da  also  diese  le- 
bendige Fälligkeit  wirklich  existirt,  so  lässt  sich  daraus  sehr  gut 
die  tiieilwcise  Leerheit  der  Arterien  nach  dem  Tode  erklären, 
^'eil  die  Arterien  dann  ihre  lebendige  unrnerkliche  Contractilität, 
durch  welche  sie  das  Blut  zuletzt  noch  weiter  getrieben,  verlie- 
^*^0  und  wieder  weiter  werden,  worauf  bloss  ilire  physicalische 
■blasticität  bis  zur  Entmischung  zurück  bleibt. 

Nach  der  bisherigen  Untersuchung  ist  es  gewiss,  dass  die 
einzige  Kraft,  durch  welche  sich  das  Blut  in  den  Arterien  bewegt, 
die  Kraft  des  Herzens  ist;  es  fragt  sich  jetzt,  Arie  gross  dieselbe 
’ft,  um  die  Phänomene,  w'elchc  sie  bewirkt,  zu  erzeugen,  und  wie 
^eh  die  Kraft  und  Geschwindigkeit  des  Blutes  in  verschiedenen 
^heilen  des  arteriellen  Systems  verhält.  Hai.es,  Haemastafik,  Statik 
Geij/üt.f.  1748.  p.l  — 41.  beobachtete,  wie  hoch  das  Blut 

Glasröhren  stieg,  die  er  in  die  Arterien  eingefügt  hatte;  ans 
der  A.  crui-alis  des  Pferdes  stieg  es  8 — 9 Fuss,  aus  der  A.  temp. 
des  Schafes  6.j,^bei  Hunden  4 — 6 Fuss,  während  es  in  der 
j ena  jug.  beim  Pferde  nur  12 — 21  Zoll,  beim  Schafe  5i  Zoll,  bei 
^‘Unden  4 — St,-  Zoll  stieg.  Wir  werden  indöss  liierulier  vor- 
*)*8lich  die  genauen  Untersuchungen  von  Pöiseuille  zu  Ratbe 
^jelien.  Magend.  Journ.  8.  272.  Poiseuiei.e  bediente  sich  eines 
^'genen  von  ihm  erfundenen  Instrumentes.  Diess  besteht  aus  einer 
b*ngen  Glasröhre,  welche  in  ihrem  Anfänge  an  einer  kurzen 
.drecke  horizontal,  dann  unter  rechtem  Winkel  herabsteigt,  und 
1"  «in  langes  Stück  wieder  aufsteigt.  Wird  Quecksilber  ln  den 
*)-‘fab-  und  aufsteigenden  Theil  gebracht,  so  nimmt  es  ein  glei- 
®hes  Niveau  in  beiden  Schenkeln  ein,  und  bei  einer  senkrechten 
lellung  der«  Schenkel  ist  die  Höhe  der  Quecksilbersäule  in  bei- 
unten  cornmunirenden  Schenkeln  gleich.  Rann  nun  das 
j *it  aus  einer  Arterie  durch  den  horizontalen  Schenkel  in  den 
)®rabsteigcnden .Schenkel  gelangen,  so  drückt  es  mit  der  Kraft, 
•irch  die  es  in  den  Arterien  bewegt  wird,,  auf  d.os  Quecksilber 
herabsteigenden  Schenkels,  und  das  Quecksilber  wird  in  die- 
j?*'?  Schenkel  fallen,  und  in  dem" aufsteigenden  sich  erheben. 

Siebte  das  Quecksilber  vorher  in  beiden  Schenkeln  bis  zum  Ab- 
hänge des  Horizöntalstückes  der  Röhre,  so  wird  die  Tiefe,  zu  wel- 
es  in  dem  einen  Schenkel  fällt,  summirt  zur  Höhe,  zu  wel- 
es  in  dem  andern  steigt,  die  ganze  Höhe  der  Quecksilbersäule 
.J'geben',  welche  dem  Drucke  des  Blutes  das,  Gleichgewicht  hält, 
^nvon  indess  die  Schwere  der.  Blutsäule,  die  an  die  Stelle  der 
Quecksilbersäule  in  den  berahsteigendcn  Schenkel  tritt,  abgezogen, 
j^ieden  muss;  die  mehr  als  lOmal  kleiner  ist,  aU  eben  so  viel 
j,  aass  Quecksilber.  Poiseuille  berechnet  die  Kraft,  womit  sich  das. 
*ler  r"  Arterien  bewegt,  nach  Gesetzen  der  Hydrostatik  aus 
Qu  lies  Durchmessers  der  Arterie  und  der  Höhe  der 

ucksilbei’säule;  die  Kraft  des  in  den  Arterien  bewegten  BlutesL, 


198  I.  Buch.  Von  den  Organ.  Säften  etc,  Il.clhschn.  Vom  BlutkreislauJ. 

wird  nämlich  durch ' das  Gewicht  einer  Quecksilbersäule  gemes- 
sen, deren  Basis  ein  Zirkel  ist  vom  Durchmesser  der  Artei-ic,  und 
deren  Höhe  die  Differenz  des  Quecksilberstandes  im  Instrumente 
ist.  Um  die  Gerinnung  des  Blutes  bei  dem  Eindringen  in  die 
horizontale  Röhre  zu  verhüten , wurde  dieser  Theil  der  Röhre 
vor  dem  Quecksilber  mit  einer  Auflösung  von  unterkohlensaurein 
Kuli  gefüllt,  was  das  Blut  flüssig  erhält.  Nach  Poiseuille  ist  der. 
Druck  eines  Theilchens  Blut  in  den  grösseren  Arterien  gleich; 
sic  mögen  nun  dem  Herzen  näher  oder  ferner,  etwas  grösser 
oder  kleiner  seyn,  z.  B.  Carotis  und  Aorta,  Carotis  und  Cruralis- 
So  war  die  Höhe  der  verdrängten  Quecksilbei'säule  an  allen  Ar- 
terien desselben  Thieres  gleich.  Nach  Poiseuilee  hält  das  Blut 
einer  Arterie  beim  Hunde  einer  Quecksilbersäule  von  151  Mil' 
limet.  oder  einer  Wassersäule  von  6-j  Par.  Fuss,  Lei  Rindern  ei- 
ner Quecksilbersäule  von  161  Millim.  oder  einer  Wassersäule  von 
6 Fass  9 Zoll,  bei  Pferden  einer  Quecksilbersäule  von  159  Millim.^ 
und  bei  jenen  Säugethieren  im  Mittel  von  156  Millim.  oder  einer 
Wassersäule  von  6 Fuss  7 Zoll  das  Gleichgewicht. 

PoiSEUit-LE  sah  auch  vermittelst  seines  Instrumentes,  was  Hae- 
EER  und  Magekdie  schon  beobachtet  batten,  dass  die  Stärke  des 
Bluttriebcs  in  der  Exspiration,  Avobei  die  Brust  mit  Zusammen- 
drückung der  Gefässslämme  verengert  Avird,  vermehrt  ist,  so  dass 
die  Quecksilbersäule  bei  jeder  Exspiration  etAva?  steigt,  bei  der 
Inspiration  fällt.  Dieses  Steigen  und  Fallen  ist  bei  Arterien  in  vev- 
schiedener  Eiitfe],’nung  vom  Herzen  gleich,  und  es  beträgt  10 — 26 
Millim.  bei  ruhigbr  Respiration.  Diese  Verstärkung  des  Blutfrie- 
bes  durch  das  Ausathmen  ist  bei  manchen  Menschen  besonders 
gross,  so  dass  der  Puls  an  der  art.  rad.  bei  langem  anhaltendem 
Einathmcn  unfühlbar  wird,  ln  diesem  Falle  bin  ich;  ich  mache 
•auf  der  Stelle  den  Puls  der  art.  rad.  verschwinden,  sobald  ich 
nur  tief  inspirirc  und  den  Albern  cinhalte,  was  einiges  Licht 
auf  die  Muhrchen  von  willkürlicher  Veränderung  des  Herzschla- 
'ges  Avirft. 

Da  sich  nun  endlich  nach  Poiseuiele’s  Versuchen  ein  Theil' 
eben  Blut  in  den  verschiedensten  Arterien  mit  gleicher  Kraft  bC' 
Avegt,  so  schloss  er,  dass  man,  um  die  Kraft  des  Blutdruckes  K' 
einer  Arterie  von  bestimmtem  Caliber  zu  messen,  nur  den  Umfang 
derselben,  und  die  Höhe  des  Blutdruckes  im  Instrumente  zu  neh' 
men  habe;  denn  die  Kraft  des  Blutes  in  einer  bestimmten  Artei’iC 
Avird  durch  das  Gewicht  einer  Quecksilbersäule  repräsentirt,  derei* 
Höhe  das  Instrument  angiebt,  urd  deren  Umläng  der  Umfang  de* 
Arterie  ist.  Nimmt  man  min  mitPoisEuiEEE  in  einem  Manne  vo*’  1 
29  Jahren  den  Durchmesser  der  Aorta  bei  ihrem  Ursprünge 
Millimeter,  so  beträgt  der  Flächeninhalt  des  Umfanges  908,283' 
Quadratmillimeler.  Nimmt  man  nun  für  die  Höbe  der  Säule  de’ 
Instrumentes  beim  Menschen  das  Mittel  der  anTliieren  beobach' 
.teten  höchsten  und  niedrigsten  flöhen  zwischen  180  und  140  Md' 
limetef,  also  160  Millimeter,  so  giebt  .908,2857X160  = 145325,7/ 
Cnb.  Millimeter  Quecksilbersäule,  deren  Gewicbt=  1,971779  I/*' 
logr.  oder  4 Pfund,  3 gros,  43  gr.  statische  Kraft  des  Blutes  **** 


4.  Von  d.  eiiu,  Theüen  d.  Gefässsyst,  Capülargefässe.  Bau  ders.  199 

Momente,  wo  es  in  die  Aorta  strömt.  So  erhält  man  für  das  Rind 
10  Pfund,  10  Unzen,  7 gros,  61  gr.,  für  die  art.  radiaüs  4 gros. 

Ehemals  glaubte  man,  dass  die  stumpfen  und  spitzen  Win- 
kel, unter  welchen  die  Aeste  von  den  Gefässen  abgehen,  einen 
Einfluss  auf  die  Geschwindigkeit  haben,  indem  die  stumpfen  Win- 
kel die  Bewegung  mehr  hemmen.  Weber  {/Inat.  3.  41.)  bemerkt 
kingegen,  dass  diess  nur  einen  Einfluss  auf  die  Geschwindigkeit 
einer  Flüssigkeit  habe,  wenn  sie  hei  ihrer  Fortliewegung  so  we- 
*^ig  Widerstand  lindet,  dass  ihr  Lauf  durch  Summirnng  der  Stösse, 
^ie  sie  empfängt,  nach  einer  bestimmten  Richtung  hin  beschlen- 
{'igt  wird.  Im  entgegengesetzten  Falle  befindet  sich  die  Flüssigkeit 
den  Röhren  überall  unter  gleichem  Drucke,  und  strebt  mit 
gleicher  Kraft  nach  allen  Richtungen  hin.  Dagegen  muss  das 
klut  in  den  kleineren  Arterien  dadurch  langsamer  fliessen,  als  in 
4en  grösseren,  dass  die  Summe  der  Inmina  der  Aeste  immer  grös- 
ser ist,  als  das  lumen  der  Stämme,  weil  eine  engere  Röhre  hei 
gleicher  Kraft  schneller  von  dersellaen  Masse  erfüllt  und  durch- 
strömt  wird,  als  eine  weitere  Röhre,  die  in  kurzen  Abschnitten  so 
^lel  enthält,  wie  eine  engere  Röhre  in  längeren  Abschnitten.  Ur- 
®*ehen,  welche  die  Geschwindigkeit  der  Bluthewegung  überhaupt 
''«rmindern,  sind  weniger  die  häufigen  Anastomosen  der  Arte- 
r*ßn  als  die  immer  mehr  zunehmende  Reihung  an  den  Wänden 
den  kleinsten  Gefässen.  Die  Anastomosen  erleichtern  die  Mit- 
^keiiung  des  Blutes.  Wenn  zwei  Arterien  anastomosiren,  so  gehen 
den  anastomosirenden  Gefässen,  oder  aus  der  Anastomose  seihst 
■^^ste  hervor.  Im  erstem  Falle  wird,  so  weit  ^nan  diess  mit  dem 
Mikroskope  beobachten  kann,  die  Anastomose  in  der  Pachtung 
"ärchströmt,  welche  am  wenigsten  Widerstand  darhietet,  und 
Blut  geht  aus  der  Anastomose  ln  das  Gefäss  über,  dessen 
'^eite  gross  genug  ist,  um  das  Blut  von  zwei  Gefässen  zugleich 
^'^fzunehmen.  In"  solchen  Fällen  wird  aber  die  Anastomose  im- 
in  einer  Richtung  durchströmt.  Gieht  die  Anastomose  selbst 
®*f>en  Ast  ab,  so  strömt  das  Blut  von  zwei  Seiten  zugleich  in  die- 
Ast  weiter,  oder  in  der  einen  Richtung  weiter, 
v.  Während  des  Lehens  muss  nach  Einwirkung  eines  zufälligen 
^fftckes  die  Richtung,  in  welcher  die  Anastomosen  durchströmt 
'''erden,  selir  veränderlich  seyn. 


b.  Von  den  C apillarg efäss en. 

1.  Bau  der  Capülargefässe. 

u.  ln  allen  organisirten  Thellen  geschieht  der  Uchergang  des 
mtes  aus  den  feinsten  Zweigen  der  Arterien  in  die  feinsten  Zweige 
Venen  durch  netzförmige  mikroskopische  Gefässchen,  in  de- 
Maschen  die  cigenüiche  Substanz  der  Gewebe  liegt.  So  sieht 
j^'^n  es  ajj  feinen  Injectionen,  eben  so  hei  mikroskopischer 

^®nbachtung  des  Blutlaufes  an  lebenden  durchsichtigen  Theilcn, 
an  der  Schwimmhaut,  den  Lungen  und  der  Harnblase  der 
Schwänze  der  Froschlarven,  am  bebrüteten  Ei,  an 
Fischchen,  an  den  Kiemen  der  Larven  der  Wassersalaman- 


200  I.  Buch.  Von  den  organ.  Säften  etc.  II.  Ahschn.  Vom  Blutkreislauf 

der,  an  den  Flügeln  der  Fledermäuse  und  im  Gekröse  aller  Wir- 
helthiere,  endlich  seihst  an  undurchsichtigen  Theilen  der  Larven 
der  Salamander  mit  dem  einfachen  Mikroskope^  wie  ich  in  Meck* 
Archiv  für  Aruif.  u.  Phfsiol.  1829.  heschriehen  habe.  Die  fein- 
sten Arterien  bilden  hei  der  Verzweigung  immer  mehr  Anastomiv 
sen  unter  einander,  und  diese  Anastomosen  gehen  zuletzt  in  ein 
continuirliches  Netz  über,  von  denen  aus  sich  die  VenenanfängC 
wieder  sammeln.  Man  nennt  diese  netzföi-migen  Uebergänge  dei’ 
Ai’terien  in  Venen  wegen  ihrer  Feinheit  Capillargef  ässe.  Es  lässt 
sich  nicht  bestimmt  angeben,  w'o  die  feinsten  Gefässe  auf  hören 
Arterien  zu  seyn  und  w'O  die  feinsten  Venen  in  diesem  Netz® 
anfangen.  Denn  der  TJebergang  ist  allmählig;  aber  die  netzför- 
migen Uebergänge  haben  doch  das  Eigenthümliche,  dass  die  Ge- 
fässchen  einen  gleichen  Durchmesser  behalten,  dass  sie  nicht  mehr 
in  einer  Richtung  dünner  werden,  wie  Arterien  und  Venen,  und 
dass  gerade,  wo  die  Gefässchen  wieder  in  zunehmenden  Zw®»' 
gen  sich  sammeln,  Arterien-  und  Venenanfänge  allmählig  daraus 
heiworgchen.  Diess  berechtigt  aber  nicht,  mit  BicavT  ein  eige- 
nes Cajjillargefässsystcm  im  Unterschiede  von  Arterien  und  Ve- 
nen anzunchmen. 

Die  feinsten  Capillargefässe  sind  dem  Durchmesser  der  Blut- 
körperchen angemessen ; man  misst  sie  an  fein  injicirten  Theilen* 
Der  Durchmesser  derselben  variirt  von  — töW  1*1  1»'®  sTo*» 

P.  Zoll;  im  Durchschnitt  ist  er  am  häufigsten  0,00025 — 0,00050* 
Die  feinsten  Capillargefässe  hat  man  im  Gehirne  beobachtet,  wo  siC 
nach  E.  H.  Weber’s  Messungen  bis  = 0,00019  P.  Z.  betragen; 
in  den  Nieren  des  Menschen  betragen  sie  nach  meinen  Messungen 
0,000*37 — 0,00058,  in  den  processus  ciliares  0,00053.  E.  H.  We- 
ber fand  ihren  Durchmesser  in  der  Schleimhaut  des  Dickdarmes 
0,000.33 — 0,00050,  in  einer  Lymphdrüse  eben  so,  in  der  äussern 
Haut  0,00080,  in  einer  entzündeten  Haut  0,00025  — 0,00050. 
mit  Blut  gefüllten  Zustande,  wo  sie  wohl  nicht  so  ausgedehnt  ah 
im  injicirten  Zustande  sind,  sind  sie  noch  wenig  gemessen  Avorden* 
Weber  fand  sie  am  Hodensacke  eines  neugebornen  Rindes, 
sich  die  Oberhaut  abziehen  Hess  = 1^*  ^*  ganz  junge'* 

Thieren  sind  die  Capillargefässe  grösser,  so  wie  auch  die  Bhit" 
körperchen  des  Embryo  zum  Theil  grösser  sind.  Keine  andere'* 
Elemente^  der  thierischen  Gewebe  sind  viel  feiner.  Die  Muske ' 
fasern,  welche  man  früher  Avohl  zu  fein  angegeben  hat,  sind  naC  * 
Prevost  und  Dumas  -g-jVo  P*  Z.  = 0,00012.  Die  Primitivfaser** 
der  Muskeln  des  Menschen  sind  5 — ömal  feiner  als  seine  Bh* ' 
köi-perchcn.  Ich  fand  die  Primitivfasern  der  Nerven  bei  Säug®' 
thieren  y — i so  dünn  .als  die  Blutkörpci'chen  breit  sind. 

Mit  anderen  Kanälen  verglichen,  sind  die  Capillargefässe  i***' 
mer  kleiner,  die  Gallenkanälchen  der  Leber,  die  Harnkanälchel 
der  Nieren  sind , avo  sie  am  feinsten  sind,  immer  noch  einige***'.^ 
stärker  als  die  Capillargefässe,  so  dass  letztere  sich  in  ihren 
schenräumen  und  ihrem  Bindegewebe  oder  InterstitialzellgcrvC^^^ 
verbreiten.  So  fand  ich  die  duetiis  uriniferi  serpenlini  cortica 
der  Pferdenieren  in jicirt  =0,00137 —0,00182  P.  Z. ; die  Harnka' 
nälchen  der  Schlangennicren  bis  ans  Ende  mit  Quecksilb®*'  S 


4.  Von  d.  einz.  Theilen  d,  Gefasssyst.  Capillargefüsse.  Bau  ders.  201 

füllt  0,00232  — 0,00423  nach  meiner  Injection.  Die  gefiederten 
^linden  Enden  der  HarnkanVdchen  hei  den  Vögeln  fand  ich  ini 
injicirtcn  Zustande  =0,00174  P.  Z.,  die  feinsten  Gallenkanälchen 
der  Leher  liis  ans  Ende  nach  meinen  glücklichen  Versuchen  heim, 
f^aninchen  mit  Leim  und  Zinoher  injicirt,  fand  ich  =0,00108 
~--0,00117  P.  Z.  Die  feinsten  hläschenförmigen  Anfänge,  derSpei- 
®lielkanälchen  der  parotis  injicirt,  fand  E.  H.  Weber  =0,00082, 
•'ach  meinen  neueren  Messungen  sind  sic  beim  Hunde  mit  Queck- 
silber gefüllt  0,00187.  Die  hläschenförmigen  Anfänge  'der  Kanäle 
^ pancreas  der  Gans  mit  Quecksilber  injicirt,  fand  ich  0,001.37 
0,00297.  In  der  Milchdrüse  vom  säugenden  Igel  fand  ich  sie 
®300712,  beim  säugenden  Hunde  injicirt  =::0, 00260.  ■ Die  Samen- 
f^anälchen  im  Hoden  des  Menschen  haben  nach  meinen  Messun- 
nicht  injicirt  0,00470,  mit  Quecksilber  gefüllt  0,00945.  Siehe 
das  Weitere  über’  meine  alteren  Injcctionen  und  Messungen  Meck.. 

j'iir  Anat.  u.  Vhys.  1830.  J.  Mueli.er  de  glandularum  stru- 
^tura  penüiori  earumque  prima  formalione  in  homine  et  animalibus. 
^'ps.  fol.  cum  iah.  17.  p.  112.  Alle  diese  verschiedenen  Elemente 
I Gewebe,  Drüsenkanälchen,  Muskeltäsern,  Nervenfasern,  wer- 

den von  den  Netzen  der  Capillargefässe  umgeben  und  verbunden. 

Primitivfasern  der  Muskeln,  die  Primitivfasern  der  Nerven 
Erhalten  selbst  keine  Gefässe  mehr,  denn  sie  sind  selljst  dünner 
die  feinsten  Capillargefässe.  Nie  sieht  man  bei  Untersuchung 
**'*scher  glücklicher  Injcctionen  von  diesen  Theilen  andere  Capil- 
^fgefässe,  als  solche,  die  sich  in  den  Zwischenräumen  der  Pri- 
*’iitlvfasern  verbreiten.  Es  ist  wohl  eben  so  mit  den  feinsten  Drü— 
®®ökanälchen.  Die  Capillargefässe  der  Nieren  legen  sich  überall 
*^ischen  und  über  die  ductuli  uriniferi  bin,  aber  diese  seihst 
^'ii'den  nach  meinen  Beobachtungen  niemals  injicirt. 

. Die  Form  der  Capillargefässnetze  ist  im  Allgemeinen  sehr 
^"'fach,  und  variirt  bloss  in  dem  Unterschiede  von  engeren  und 
'Weiteren  Maschen  der  Netze,  gleichförmigen  oder  länglichen  Ma- 
In  den  Muskeln  und  Nerven  bilden  die  Capillargefäss- 
auch  längliche  Maschen  an  den  Primitiv fasern,  und  diesen 
Jjütsprechend.  Was  SoEMMEHniNr.  und  Doelusger,  und  nament- 
Berres  in  seinen  verdienstlichen  Untersuchungen  {med.  Jahrh. 

• Österr.  Staates.  Bd.  14.)  über  den  Unterschied  der  kleinsten 
®fässe  in  den  verschiedenen  Geweben  beobachtet  haben,  ist 
richtig,  gilt  aber  nicht  von  den  feinsten  Capillargefässnetzen 
sondern  von  der  Form  der  in  diese  Netze  sich  verzwei- 
8®''den  kleinsten  Arterien  und  Venen.  So  bemerkt  Soemmerring, 
die  Verzweigung  in  den  dünnen  Därmen  einem  unbelaubten 
®’^*öchen,  im  Mutterkuchen  einem  Q'^üstchen,  in  der  Milz  el- 
Sprengwedel,  in  den  Muskeln  einem  Reiserhündel,  in  der 
I einem  Pinsel,  in  der  Leber  einem  Sterne,  in  den  Hoden 

' im  Adergellechte  des  Hirnes  einer  Haarloeke,  in  der  Itiech- 

'’üt  einem  Gitter  ähnlich  sej.  In  den  Riemen  nehmen  Arterien 
I sj*  . teilen  die  Riehtung  der  Kiemenblätter,  so  dass  das  arteriöse 
*'omchen  au  der  einen  Seite  aufsteigt,  an  der  andern  das  ve- 
R fiGrabsteigt.  In  den  Sehnen  ist  die  Vertheilung  der  Gefässe 
E.  II.  Wejjeu  dendritisch,  ohne  dass  diese  Gefässe  genau 


202  J,  Buch.  Von  den  organ,  Säften  etc.  II.  Ahschn.  Vom  Blutkreislauf- 

mit  den  länglich  reiserförmigen  Gefässen  der  Muskeln  Zusammen- 
hängen. In  der  Nierenrinde  giebt  es  eigenthümliche  glomeruh 
von  Blutgefässen  mitten  in  den  Capillargefässnetzen.  Diese  run- 
den Körperchen,  corpora  Malpigliiana,  sind  blosse  Knäuel  des  in 
sie  einjretenden  arteriösen  Zweiges,  auf  dem  sie  wie  eine  Frucht 
aufsitzen;  sie  stehen  durchaus  nicht  im  Zusammenhänge  mit  den 
Harnkanälchen,  was  man  früher  angenommen  hat,  wie  meine 
Untersuchungen  und  die  von  Huscbke  und  Weber  zeigen.  MüeI' 
LER  de  gland.  struct.  penit.  p.  100.  101.  Huschke  hat  neuerlichst 
bewiesen,  dass  die  feine  Arterie,  die  in  diese  Körpereben  tritb 
nach  vielen  Windungen  wieder  aus  denselben  hervortritt,  uin 
in  das  Capillargefässnetz  über  zu  gehen,  wie  sieb  beim  Wasser- 
salamander  beobachten  lässt.  Tiedemasn  und  Tbevirakus  Zeit' 
Schrift  für  Physiologie.  4.  Bd.  1.  II.  p.  116.  iah.  6.  fig.  8.  An  den 
Enden  der  Zotten  der  placenta  des  Menschen  biegt  eine  Capil- 
lararterie  in  eine  Capillarvene  um,  wie  E.  H.  Weber’s  schöne 
Untersuchungen  zeigen,  Anatomie  4.  In  der  Vertbeilang  der  fein- 
sten Arterien  giebt  es  also  viele  Formen,  allein  in  den  Capillar- 
gefässnetzen selbst  giebt  cs  keinen  weitern  Unterschied;  als  die 
Grösse  der  Maschen,  und  ihre  mehr  längliche  oder  gleichförmig® 
Gestalt.  Davon  habe  Ich  mich  besonders  bei  Untersuchung  der 
Drüsen  überzeugt,  wo,  so  verschiedenartig  die  Anordnung  der 
feinsten  Drüsenkanäle  seyn  mag,  die  Capillargefässe  selbst  aber 
nur  Netze  sind,  und  die  Vertheilung  der  Drüsenkanälchen  nicht 
nachahmen.  In  der  Marksubstanz  der  Nieren,  wo  die  Harnka- 
nälchen zu  pyramidenförmigen  Büscheln  zusammen  treten , bilden 
die  feinen  Arterien,  und  wie  ich  neuerlichst  durch  Injection  mich 
abermals  überzeugt,  auch  die  Venen  lauter  langgestreckte  Ge- 
fässc  zwischen  den  Ha/nkanälchen , so  dass  man  sie  gewöhnlich 
für  von  den  Blutgefäs'sen  aus  injicirle  Harnkanälchen  fälschlich 
gehalten  hat;  allein  auch  diese  gestreckten  Blutgefässe  bilden  wi®' 
der  sehr  längliche  Maschen  von  Capillargefässen , Indern  sie  voi> 
der  Rinde  gegen  die  Nieren  warzen  feiner  werden,  und  bilden  z»' 
letzt  ein  Netz  an  den  Warzen  selbst  um  die  Mündungen  def 
Harnkanäle.  So  gehen  auch  die  Gefässreiserchen  zwischen  de» 
Nerven-  und  Muskelfasern  fort,  allein  die  Capillargefässe  sii'd 
hier  urn  die  parallelen  Fasern  eben  so  gut  Netze,  wie  in  de® 
Hoden  um  die  gewundenen  Samenkanäle,  und  in  der  Nierenrind'^ 
um  die  gewundenen  HarnkaMälcben.  Die  feinen  Arterien  folg®" 
zwar  in  den  Kiemen  der  Salamanderlarven  der  Vertheilung  d®*" 
Kiemenblättchen,  und  gehen  in  herabsteigende  Rieraenbhd' 
äderchen  über;  allein  zwischen  beiden  ist  ein  Netz  auch  in  de*’’ 
feinsten  Blättchen,  welches  Rusconi  und  Andei’e  übersehen  hä" 
ben ; ich  sah  die  Bewegung  dei'  Blutkörperchen  durch  dieses  Ne^j' 
Die  dichtesten  Netze  mit  den  kleinsten  Alaschen  finden  I 
in  den  Lungen,  in  der  Chorioidea,  schon  weniger  in  der  Iris  u”’ 
im  Ciharkörper ; ferner  in  den  Lungen,  Leiter,  Nieren,  Schleh’’ 
häuten,  Lederhaut.  In  der  Choriodea  des  Truthahns  finde  ■*' 
die  Zwischenräume  gerade  so  breit,  oder  noch  kleiner,  als  d® 
Durchmesser  der  Capillargefässe.  In  den  Lungen  des  Mensch®” 
sind  die  Zwischenräume  fast  noch  kleiner  als  die  Strömeh®”' 


4.  Von  d.  einz.  Theäen  d.  Gefüsssyst.  Capillargefüsse.  Bau  derf,  203 

^eber  Anat,  4.  203.  In  den  Nieren  des  Menschen  und  des  Hun- 
finde  ich  den  Durchmesser  der  injicirten  Capillargefässe  im 
^Erhältnisse  zu  den  Zwischenräumen  wie  1 : 4 — 1 : 3.  Im  Ge- 
hirne, das  zwar  eine  sehr  grosse  Menge  Blut  erhält,  aher  auch 
'*1*5  Blut  im  Innern  in  seinen  sehr  feinen  Capillargefässen  in  we- 
"'Ser  zahlreiche  Netze  vertheilt,  sondern  dieselbe  Blutmenge 
^Bneller  wieder  ahgieht,  fand  E.  H.  Weber  das  Verhällniss  des 
Durchmessers  der  Capillargefässe  zum  Längendurchmesser  der 
laschen  =1:8  — 10 , zum  Breitendurchmesser  der  Maschen 
'''ie  1:4  — 6.  In  Schleimhäuten,  z.  B.  ln  der  Conjunctiva  pal- 
Pebrarum,  und  in  der  Lederhaut  fand  Weber  die  Röhrchen  viel 
^cker  als  in  dem  Gehirne,  aher  die  Zwischenräume  enger,  im 
Verhältnisse  zu  diesen  wie  1 : 3 — 4.  An  der  Rnochenhaut  wa- 
*^^0  die  Zwischenräume  viel  grösser.  Siehe  E.  IT.  Weber’s  Aus- 
§ahe  von  Hildebranbt’s  Anat.  3.  Bd.  p,  45.  Die  Knochen,  Knor— 

} Bänder,  Sehnen  haben  die  wenigsten  Blutgefässe  und  Capil- 
^'’gefässe.  An  den  Grenzen  zwischen  Muskel-  und  Sehnenfa- 
?®rn  man  den  grossen  Unterschied  in  dem  Gefässreichthum 

beider,  die  Blutgefässchen  der  Muskeln  kehren  hier  nach  Doel- 
*-<kger  grösstenthells  um,  und  hängen  nicht  eng  mit  den  sparsa- 
Gefässen  der  Sehnen  zusammen.  Dasselbe  Verhältniss  he- 
^bachtete  Prochaska  zwischen  dem  freien  Theile  der  Synovial- 
j^^äte,  und  demjenigen,  welcher  die  Gelenkknorpel  überzieht. 
''Gchask.a  disquisitio  anatomico-pbysiologica  organismi  humani.  Vien- 
1812.  p.  96.  Weber  4 c.  3.  p.  43.  Eine  sehr  schöne  Injection 
Knorpel  der  Luftröhre,  des  Kehlkopfes,  der  Rippcnknorpel 
GfR  Fuchse  sah  ich  im  Museum  von  Fremery  in  Utrecht.  Zwei- 
D®‘[»aft  schienen  die  Gefässe  noch  in  der  innern  glänzenden 
jpl^icht  der  serösen  Häute;  nach  den  Injectionen  von  Bleuland, 
ich  zu  Utrecht  sah,  habe  ich  Anstand,  Rudolphi’s  Meinung 
theilen,  dass  die  Gefässe  der  serösen  Häute  in  dem  snbserö- 
Zeligewebe  sich  befinden;  van  der  K.olk  besitzt  Injectionen  des 
^ ^Htoneums,  die  keinen  Zweifel  übrig  lassen,  dass  diese  Häute 
^p'bst  Gefässe  enthalten.  Obsert>.  anat.  path.  27.  Zweifelhaft  sind 
im  Glaskörper,  in  der  Substanz  der  Cornea, 
f . Das  Resultat  der  mikroskopischen  Beobachtungen  und  der 
?Gsten  Injectionen  ist,  dass  die  Capillargefässe  nur  Uehergänge 
Arterien  in  die  Venen  sind,  und  dass  keine  andere  Art  von 
^®Tässen  aus  ihnen  entspringt,  dass  die  feinsten  Arterien  an  kei- 
Stelle  aufhören,  ohne  durch  Capillargefässe  in  Venen  übeMU- 
IjGen,  mit  einem  Worte,  dass  es  keine  feinsten  Gefässenden  glebt. 

muss  diess  Ergebniss  der  feinen  Anatomie  um  so  sicherer 
tg*!®lellen,  da  Haller  leider  die  Hypothese  von  den  offenen  Ar- 
j^^'enenden,  von  denen  er  5 Arten,  Oefthung  in  Membranen,  in 
a^'^Pb gefässe,  in  secernirende  Kanäle,  in  Fett,  endlich  in  Venen 
*>ahm,  nur  zu  sehr  nach  den  rohen  physiologischen  Vorstellun- 
gen Vorgänger  befestigt  hat.  Allein  in  jenen  Zeiten  wa- 

5ich  oft'enen  Gefässenden  ein  nothwendiges  Postulat,  wed  man 
off.  ”'^bt  einmal  die  Absonderung  des  Schleimes  und  Fettes  mine 
Rän*^^  Dlutgefässenden  denken  konnte.  Von  allen  diesen  Ueber- 
existirt  kein  einziger,  als  der  beständige  Uebergang  der 


204  I,  Buch.  Von  den  organ.  Säften  etc,  II.  Alschn.  Vom  Elutkreislnuf 

arteriösen  in  venöse  Kanäle.  Nadidem  MAscAGur,  Hunteb,  FrO' 
CHASKA,  SoEMMERRiNG  sclion  jene  Hypotbese  glücklich  hekärop**' 
hatten,  hlieb  der  Uehergang  der  Blutgefässe  in  die  secernirendt’'* 
Kanäle  der  Drüsen  immer  noch  zweifelhaft.  Indessen  haben  me»'® 
Untersuchungen , über  alle  Drüsen  ausgedehnt,  um  den  Bau  u»® 
die  feinsten  Anfänge  der  secernirenden  Kanäle  kennen  zu  lerne») 
so  wie  die  ähnlichen  Beobachtungen  von  IIuscuke  und  Webe») 
Ai'heiten,  Avelche  sich  auf  bessere  Hülfsmittel,  nämlich  Injccti»® 
der  secernirenden  Kanälchen  selbst,  Anwendung  des  Mikroskopen^) 
Entwickeluugsgeschichte  des  Emhrjm,  gründen,  für  die  NiehteA*' 
stenz  dieses  Zusammenhanges  in  allen  ahsondernden  Drüsen  ent- 
schieden, und  bewiesen,  dass  die  "W  urzeln  der  secernirenden  K»' 
näle,  wie  mannigfaltig  sie  auch  in  den  A'erschiedenen  Drüsen  ge- 
bildet sind,  blinde  Anfänge  haben.  J.  Mueller  de  gland.  strud- 
■penil.  Lips.  1830.  - Auch  die  vasa  exliahuitia,  welche  seihst  BicaAt 
noch  als  offene  Seitenzweige  der  Capiüargefässe  supponirte,  sin» 
eine  reine  Fiction,  und  eine  exhaiirende  Membran,  w'ie  das  pei'j' 
toneum,  enthält  nur  Capillai'gefässnetze  mit  flächcnhaller  Ausbrei- 
tung, so  dass  Flüssigkeiten  aus  den  Capillargefässen  in  die.  Höh- 
len nur  eben  so  ausdünsten  können,  xvie  sie  die  Substanz  der  Or- 
gane selbst  tränken,  dui’ch  die  Permeabilität  alter  ihierische» 
Th  eite  für  aufgelöste  Stoffe,  durch  die  zwar  nicht  sichtbare,  aber 
doch  nothwendig  vorhandene  allgemeine  Porosität  der  thierische» 
Substanz  auch  in  ihren  kleinsten  der  Aufweichung  fähigen  Mole- 
culen.  So  dringt,  wie  Mascaghi  zeigte,  wenn  man  Arterien  »»^ 
einer  durch  Zinnober  gefärbten  Leimauflösung  einspritzt,  eine  un- 
gefärbte Flüssigkeit  wie  Thau  auf  der  Oberfläche  der  Häute  her- 
vor, ohne  dass  die  Farhetheilchen  durchgelassen  werden.  D»** 
es  vasa  serosa,  d.  h.  so  feine  Zxveigelchen  der  Blutgefässe  geh») 
die  keine  Blutkörperchen,  sondern  nur  die  Lymphe  des  Blute* 
durchlassen,  ist  möglich,  lässt  sieh  aber  nicht  beweisen.  Aber 
man  führt  für  jene  Hypothese  einige  Theile  an,  in  denen  ma» 
noch  keine  rothes  Blut  führende  Gefässe  entdeckt  hat,  iiäralic^^ 
die  Cornea,  die  Linsenkapsel,  den  Glaskörper.  Die  Gefässe  der 
Cornea  in  der  Substanz  derselben  sind  zweifelhaft,  und  noch  »‘® 
injicirt  worden.  Indessen  gieht  es  penetrirendc  Geschwüre  de* 
Hornhaut,  "W'^uchernng  derselben,  welche  ohne  Gefässe  nicht  denk' 
bar  sind,  und  es  ist  hieraus  walu’scheinlich,  dass  sie  Gefässe  e»l' 
hält.  Dass  aber  das  Bindehautblättchen  der  Hornhaut  wenigste»* 
bei  fast  ausgetragenen  Kalbsfoetus  Blutgefässe  besitzt,  welche  Bh' 
enthalten,  und  noch  mehr  als  eine  Linie  über  den  Ilornhautr»** 
mit  der  Loupe  verfolgt  werden  können,  habe  ich  wiederholt  S®' 
sehen,  und  Hehle  hat  diese  Gefässe  fein  injicirt  und  ahgebihl®*'' 
Sie  messen  0,00070  — 0,001.33,  und  die  dünnsten  Zweige  war®** 
nicht  injicirt;  ihre  Stämmclien,  die  von  einem  krcisförmigeij 
f ässe , das  um  die  Hornhaut  herlief,  in  das  Bindehautblättcb®** 
drangen,  waren  noch  etwas  dicker.  Die  Präparate  davon  h® 
■wahre  ich  bei  mir  auf.  Herr  Prof.  Wutzer  hat  sie  gesehen.  P®**  ’ 
Retzius  hat  durch  Injection  dieselbe  Beobachtung  an  Erwachs®^ 
nen  gemacht  Diese  nur  der  äussersten  Oberfläche  der  Hornha» 
angehörenden  Gefässe  beweisen  zugleich,  dass  das  Biudehauthla 


'4.  Von  d.  einz.  Theilen  d,  Gefdsssyst.  Capiäargefässe.  Bäu  ders.  205 

-vtelclies  Eble  der  HpEnliaut  aLspricht,  ■wirklieh  existirt. 
Be:sle  de  memhrana  pupiUari  aliistjue  membranis  oeuli  peltucenUbus. 
Bonnae  1832.  Dass  nun  bei  der  Ehtr.ündnng  die  Hornhaut  blut- 
führende  Gefässe  enthält,  ist  bekannt.  Ich  sab  in  Utrecht  bei 
^cuftoEDER  von  einem  leicht  entzündeten  Auge  die  schönste  In- 
icclion,  sowohl ' der  Bindehaut  als  der  Membrana  Descemetii. 

Die  hintere  Wand  der  Linsenkapsel  enthält  hei  ausgebildeten 
fallieren  noch  blutführendc  Gefässe  von  jenem  Aste  der  arteria 
®*^ntralis,  der  sich  durch  den  Glaskörper  dahin  begiebt.  Diess 
habe  ich  an  frischen  Kalbs-  und  Ochsenaugen  gesehen,  wo  die  Ge- 
füsse  der  hintern  Kapselwand,  die  von  einem  starken  Aste  der 
centralis  herrühren,  zuweilen  noch  blnthaltig  sind.^  Dasselbe 
*ah  ZiHN.  HEiti.E  hat  gezeigt,  dass  diese  Gefässe’  beim  Foctus 
l^it  Gefässen  der  zonula  Zinni  und  des  corpus  ciliare  Zusammen- 
hängen, und  diese  Verbindung  injicirt  und  abgebildet.  Beim  Em- 
hj'yo  der  SäugCthiere  hängen  sie  durch  eine  sehr  gefässreiche, 
''Cii  yjjjj.  beobachtete  Haut,  memhrana  capsulo-pupillaris , mit  den 
p®fässen  der  memhrana  pnpillaris  zusammen,  indem  diese  neue 
Y*'*t  zwischen  dem  innern  Piande  der  Iris  und  dem  inncril  Rande 
Zonula  oder  dem  Rande  der  Linsenkapsel  ausgepannt  ist,  lau- 
parallele  Längsgefässe  enthaltend,  die  von  der  Iris  und  Pu- 
P'liarmembran  zur  Zonula  und  zur  hintern  Kapselwand  gehen. 

der  vordem  Kapselwand  sind  die  Gefässe  äusserst  schwer  nacli- 
^''^eisen.  An  enztündeten  Augen  sind  sie  auf  der  vordem  und 
hintern  Kapselwand  deutlich,  wie  ich  von  einem  cataraetösen 
^'•§6  eine  vortreffliche  Injection  dieser  Art  bei  Scuboeder'  vas 
Kolk  in  Utrecht  sah.  ^ Die’  Zonula  Zin'ni'  ist  nach  Henles 
Schroeder’s  Injection  :ein  gefässhaltiges  Organ,  und  scheint 
h*"  die  Ernährung  der  durchsichtigen  Theile  von  grosser  Wich- 
dSkeit.  Vom  Glaskörper  habe^ich  noch  nie  eine  Injection  gese- 
ScanoEDER  hatte  etwas,  was'  man  aber  auch  für  anhaften- 
FarbestofF  halten  konnte,  und  Henle  hat  mit  auch  etwas 
ähnliches;  gezeigt,  es  ■war  aber  nicht  überzeugend.  GleichwsBhl 
phe  ich  es  nicht  auf.  Alles  Bisherige  macht  es  aber  wahrschein-. 

üass  auch  Gornea:  und 'Linsenkapsel,  denen  man  vasa  serosa 
j'?*chreiben  wollte,  wirklich  Blutgefässchen  besitzen,  und  von  der 
j^Jäsenkapsel  des  Ochsenauges  ist  ja  ohnehin  gewiss,!  wie  von  .dot 
lj!**dehant  der  Cornea  beim  ausgetragenen  Schaffoetus,  dass  sie 
enthalten.  Freilich  sind  die  Gefässe  des  Bindehautblattchchs 
Cornea  unendlich  weniger  zahlreich,  als  die!  der  Gonjunctiva 
j und  es  ist  . hier  ein  ähnliches  Verhältniss,  ■ W’ie  zwischen 
Theile  der  Synovialhaut,  welcher  frei  istj  Und 'demjenigen, 
• 'Gelenkköpfe  ühenzieht.  E..  H.  W^erer  bemeiit  sehr  richl* 
dass  eine  einfache  Schicht  von  Ilaargefüssiietzon  mit  blossen 
jjj  gar  .nicht  erkannt  werde,  dahef"  das  Aussehlsn  jener  Theile 
ts  beweist.  Das  Mesenterium  zwischen  den  -rioch  mit  blossen 
sichtbaren  Gefässen  scheint  auch  gefässlos  und  durchsich-i 
enthalt  aber  lauter  .Gapillargefässnetze  hei  Au'wendung  des 


'Pos. . Siehe  über  alles  diess  Herle. 


tigg  "wichtige  Frage  ist,  ob  die  feinsten  Capillargefässe  liän- 

’Vände  haben.  Es  ist  ein  allgemeines  Zeugniss  von  Malpighi 


206  , Jj  Buck.  Von  den  organ.  Säften  etc.  II:  Abschn.  Vom  Blutkreislauf 


bis  DoEi,i.iifG£R,  dass  bei  lebenden  Tbieren  mit  Hülfe  des  MibrO' 
sköpes  keine  bäiitigen  Wände  an  <lenselben  zu  entdecken  sin®' 
DoELniKGER  [Denkschriften  der  Acadcmie  zu  München  7.)  siebt  d»* 
.Blut  als  fliesser.den  ThierstolF,  den  TbierstofF  als  festes.  Blut  a®' 
.Gruithuisen  Sab  das  Bbit  zwiscben  itten  acini  der  Leber  be“® 
Frosche  frei . strömen.  Viel  deutlicbci'  »st  dieser  Anschein  na®® 
meinen  Beobachtungen  ■ an  der  Leber  der,  Tritonlarven,  ■weiche  i®‘‘ 
allein  zu  diesen  Beobachtungen  geeignet  fand,  da  man  hier  au®‘ 
in  undurchsichtigen  Theilen  mit  dem  einfachsten  Mikroskope  d®® 
Blutlauf  beobachten  kann.  Siehe  Mecrel’s  Archio  1829. 

Wedemever  zweifelte  an  den  häutigen  Wänden,  nachdem  ®’^ 
die  l)reiten  Blutströmchen  und  die  kleinen  Sübstanzinaeln  in  d®'' 
Lungen  der:  Salamander  beobachtet  hatte.  So  läugnen  C.  Fr.  Wotf*' 
Hüster,  Doeuuhgbr,  Gruithuisen,  Baümgaebtueb , ■ WedemeyeW 
Meyen  und  Qesterreicher  die  Existenz  der  häutigen  Wände  s® 
den  Gapillargefässen.  Dagegen  Leeuwekiioeck,  Halcer,  Spall-aE'' 
zASi,  Prochaska,  Bichat,  Berres,  Rudolphi  feine  unsichtbare  l«ä®' 
tige  Wände  an  ihnen  annehmen.  Das  Entstehen  neuer  Gefäss®’ 
■was  Doei.i.ikoer  . tJnd  Oesterreicher  als  Grund  der  Kichtexiste®* 
der  Membran  ansehen,  beweist  indess  nichts  für  die  schon  gebw 
delen  Gefnsse.  Allein  genauere  Untersuchungen  scheinen  gera- 
dezu die  Hypothese  von  der  Nicbtexistenz-.  der  häutigen  "Wänd® 
XU- widerlegen.  Schon  hat  man  dagegen  angefiihrt  deu  Ueb®®' 
gang:  der  eingespritzten  Flüssigkeiten  aus  den  Arterien  in  die  Ve- 
nen, ohne  dass  sie  zugleich  ins  ZellgeSvebe  austreten,  das  Ueb®®- 
einanderweggehen  der  Strömchen,:  ohne  dass  sie  sich  verbind®®' 
Auch  beweist  dieiAIenge  der  Ströme, i und  die  Kleinheit  der  di'- 
zxvischen  liegendeti  Inseln  in  'der  Lungenmembran  der  .Frös®h® 
und  Salamander  eher  das  Gegeittheil;  denn  diese  kleinen  Ins® ' 
eben  müssten  wohl  zuweilen  selbst  an, den  Strömungen  Anth®' 
nehmen..  Es  giebt.  auch  directe  Beweise  von  der  Exis-tenz  feinst®^ 
Wände  um  die'  Capillargefässströmehen.  Hierzu  bedarf  es  ei®^ 
ganz  zarten  Parenchyms,  welches  sich  in  Wasser  leicht  auflock®®jJ 
und.  die. .Netze  der  Gapillargefässe  zurück  lässt.  So  zeigten  s'®, 
die;  Capillarge£nsse  der  Nieren,  welche  diei  dnetus  urinifori 
cales  umwehen,  -äls  etwas  Selbstständiges,  wenn  ich  Stückchen 
Nierensuhstanz  vom  Eichhörnchen  nur  knrze  .Zeit  in  Wasser 
geweicht  hatte,  und  dann  mikroskopisch  untersuchte.'  In  “ 
Ghoribidea Iris  und  im  Ciliärkörper  zeigen  sich  die  Capillarf? 
fasse  noch  deutlicher  ;als  selbstständig.  Am  evidentesten  kön®®^ 
sie  aber  an  icinem  Organe  erwiesen  werden,  welches  Trevira®,  ^ 
entdeckt  hatj  Ich  meine  das  platteriartige  Organ  in  der  Schn®®^ 
des  iGehörofganes  der  Vögel...  i Nach  den  Beobachtungen 
Wisdischmiamk)  (de-  penitiori  auris  Struclura  in  amphibüs,  ® , 
Bannae  1831:  Dips,  eipud  Voss).- sind'  diese  Platten  nur  di® 
ten.  und'  Runzeln  einer  Haut,  welche  sich'  über  die  Spiralpl®  ^ 
in!  ? der  Schnecke  der  Vögel  wölbt.  Diese  Haut  ist  überaus 
und  pulpös;  die  weiche  Substanz  dersolhen  wird  ■ aber' 'von  ^ 
ausserordentlich  schönen  Gefässnetze  durchzogen,'  welches 
DisenwANif  von  der  Carotis  aus  injicirt  hat;  sie  löst.'sich 
in  Wasser  auf,  und  es  bleibt  das  wunderschöne  Gefässnetz 


Von  d.  eint.  Theil.  d.  Cefässsyst.  Capillargefässe.  Bluibecvegmtg.  207 

jeeren  Maschen  zurück.  Auch  im  nicht  injicirten  Zustande  er- 
>^lton  sich  nach  Auflösung  der  pulpösen  Substanz  die  schönen 
äs,-, netze.  Siehe  Windischmann  /.  c.  iab.  II.  Uebrigen^  muss 
^an  sich  die  Wände  der  Capillargefässe  nur  als  dichtere  Grenze 
^er  Substanz,  niclit  aber  als  sehr  selbstständige  Membranen  äenkeri. 
2.  Bluibetvegung  in  den  CapiUargefiissnetzen, 

Untersucht  man  die  durclisichtigen  Th  eile  eines  lebenden 
Uiieres  unter  dem  Mikroskope,  so  bernei-kt  man,  dass  die  pulsa- 
bJrische  oder  die  rhythmisch  verstärkte  Bewegung  des  Blutes  in 
kleinsten  Arterien  und  in  den  Haargefässen  aufhört,  wenigstens 
'ei  erwachsenen  Thieren,  und  dass  das  Blut  continuiriieh  gleich- 
armig strömt.  Wenn  die  Thiere  aber  schwächer  werden,  so  he- 
®ierkt  man,  dass  das  Blut  mehr  pulsatorisch  fliesst,  und  riiän  be- 
merkt dann  ein  zwar  continulrlicbes , aber  pulsweise  yerstäfktes 
prtrücken  der  Blutkörperchen  in  den  kleinen  Arterien  lind  Cä- 
Pillargefässen.  Diess  beobachtet  man  auch  bei  ganz  jungen  Thie- 
vrenn  sie  nicht  gerade  geschwächt  sind.  JVimmt  die  Kraft 
es  TJerzens  noch  mehr  ab,  so  siebt  man  die  Blutkörperchen  in 
kleinsten  Arterien  und  in  den  feinsten  Haargefässen  gar  nicht 
continuiriieh  bewegt,  sondern  nur  stossweise  fortgeschoben, 
hei  grösserer  Schwäche  weichen  sie  selbst  nach  jedem  Ruck 
'vieder  etwas  zurück.  Diese  Beobachtungen  sind  bereits  ganz  ko 
WEurivfEYEH  gemacht,  und  ich  muss  sie  als  das  Resultat  aller 
einer  Beobachtungen  betätigen.  Sie  sind  von  grosser  Wich- 
„Skeit,  denn  sie  beweisen,  dass  selbst  im  Zustande  der  grös'rteR 


Sch 

enh 


Wache  das  Blut  durch  die  Capillai-gefässe-,  an  deneh  raah  irti 
J^^’gen  Zustande  nio  die  geringste  Spur  einer  Veränderung ' db's 
'ircliniessors  wahrnimmt,  von  der  Kraft  des  Herzens  fortgetrie- 
wird.  Dass  die  continuirliche,  aber  pulsatorisch  verstärktfe 
cwggjjjjjj  Blutes  der  Arterien  in  den  Haargefässen  im  un- 
c *^b Wachten  Zustande  gleichförmiger  wird,  könnte  ein  blosser 
Allein  seyn,  wegen  der  ausserordentlichen,  unter  dem  Mikrd- 
5 r®  scheinbar  vergrösserten  Geschwindigkeit,  so  dass  diese  pul- 
j^'^*’*®che  Verstärkung  bei  langsamen  Be^regun gen  deutlicher  äver- 
g **  i^iüsste.  Allein  da  das  Blut  aus  den  Venen  öffenbar  ohne 
^1  Ur  von  Puls  gleichförmig  ausfliesst,  sö'  ist  es  gewiss,  dass  in  den 
^j***’Sßfassen  wirklich  die  pulsatorisch  verstärkte  Bewegung  ip 
Pul  übergeht,  und  mir  bei  grosser  Schwache  zur 

verstärkten,  und  im  höchsten  Grade  der  SchVäclle 
die  pulsatorischen  wird.  Die 'Ursachen 'dieser  "merkwür-i 

üien*^  Rrtcheinung  suche  ich  in  Folgendem:/So  wie  die]zt(säm- 
^^'^'’Rc^te  Luft  in  dem  Windkessel  der  Feuerspritze,  Ab^h  'so 
Puls  erweiterte,  durch  ihre  Elastieität  sicli^Vepen-r 
-Arterie  die  pulsatörische  Bew;egung  des  Blutes  in'  Röh  Ar- 


tci 


rien 


**ide  ‘^‘'nkinuirlichen,  aber  pulsatorisch  verstärkten  Bevve^rig, 
des  p 1 ^ ^urengerung  der  Arterien  auch  in  den  Zwisdhenzeiten 
*''icke'*  Blut'  fortzutreiben  Ibrtfährt"  Däs  stossWeise  Fort- 

P*‘esst*'  Blutes  in  der  Aorta  von  jeder  neuen  in  die  Aorta ’ge- 
P^nsir^”  ®*'***‘^bt  in  den  kleineren  Arterien,  wegen  der  cöm- 

in  ver^  V ä ^“®^®bnnng  der  Arterien.  Ungleiche  Hemmungen 
sc  leden  feinen  Gefässen,  wodurch  das  Blut  in  dem  einen 


206  I.  Buch.  Von  den  organ.  Säften  etc.  II.  Ahschn.  Vom  Blutkreislauf 

Gefässclien  bald  aufgehalten  wird,  wabrend  es  in  dem  andern 
^•ascb  fortfliesst,  solche  tinglelche  Einflüsse  müssen  immer  mch*' 
im  weitem  Verlaufe  der  Gefiissc  die  Bewegung  vielfach  modifl' 
ciren.  Aber  der  stossweise  Druck  des  Herzens  wird  zuletzt  nicld 
mebr  l^enmrkt  werden.  Wenn  aber  ein  Thier  sehr  sclnvach  ish 
und  die  Stosskraft  des  Herzens  abniinrnt,  so  werden  auch  d“’ 
elastischen  Wände  der  Arterien  hei  jedem  Puls  von  weniger  Bhd 
erweitert,  und  werden  auf  das  Blut  weniger  drücken,  d.  h.  din 
Ursache,  welche  die  stossweise  Bewegung  des  Blutes  in  den  Ar' 
terien  zur  coutinuirlichen  macht,  hört  auf,  und  das  Blut  flie^*' 
nur , stossiycisc,  und  nun  lässt  sich  dieser  schwache  Stoss  noch  m 
den  Haargefässen  mit  dem  Mikroskope  erkennen.  Nach  K.oci< 
soll  ,die.  oscillircnde  Bewegung  des  Blutes  hei  schwachen  TliierC* 
nijcjit  vom  Herzschlage  abhängig  seyn.  Meckel’s  Arcldo  für  Anal' 
U.  fliy^iol.  ().  Bd.  p.  216.  Mir  schien  sie  dagegen  wie  Wedemeve» 
ganz  abhängig  von  den  schwachen  Zusainmenziehungen  des  Her- 
zens,  wodurch  das  Blut  den  Widerstand  der  Capillargefässe  nid»*’ 
jibgrwinden  kann,  xind  beim  Nachlasse  jeder  Zusammenziehunö 
des  . Herzens,  trotz  der  Klappen,  wieder  etVas  zurückfliesst. 

. Die  Grösse  des  Widerstandes,  welchen  die  Haargefässe  den* 
Blute  darbieten,  lässf  sich  aus  Hales  und  Reill’s  Versuchen  er- 
messen.  Keiei.  verglich  die  aus  der  durchschnittenen  Schenkel' 
arterie  und  aus  der  Schenkelvcnc  eines  lebenden  Hut>des  ansflie^' 
sendq  Bliitmcngen , die,  sich  wie  zu  3 verhielten,  so  dass  det 
Widerstand  also  fä  der  Kraft  des  Ärterienb lutes  beträgt.  Nad* 
fl-AEgs,  (Weber  Anat.  3.  41.)  floss,  als  er  das  Innere  der  art.  m®' 
sent.  eines  todten  'Thiei-es  dem  Drucke  einer  4^- Fuss  hohen  WaS' 
sersäulp  aussetzte,  und  den  Darm  dem  Mesenterium  gegenüber 
zerschnitt,  aus  den  durchschnittenen  feinen  Gefässen  in  einer  Ze* 
nur  der  Wassermenge  aus,  die  aus  den  durchschnittenen  Stiüi*' 
men  dieser  Gefässe  ausfloss,  so  dass  der  Widerstand  der  klei'*' 
sten  Gefässe  .a|so  -y  der  Kraft  des  Druckes  betrug. 

I . Da  das  Blut  zni’  Zeit  des  Pulses  in  den  Arterien  pulswe*^® 
schneller  fliesst,  und  die  Bewegung  in  den  verschiedenen 
gefässen,  wie  man  unter  dem  Mikroskope  sieht,  verschieden  schn^ 
isty  , so.  lässt  sich  nur  die  mittlere  Geschwindigkeit  des  Blutes  J*' 
den  Haargefässen  mit  der  .mjttlern  Geschwindigkeit  desselben 
d.en  Arterien  vergleichen.  Wäre  die  Summe  der  Lumina  der  A® . 
eines.  Q-efässes  jedesmal  gleich  dem  Lumen  des  Stammes,  und 
Summe,  aller  H^rgefässhamina  gleich  dem  Stamme  der  Aorta,  , 
ren  die  .Räume,  durch  welche  des  Blut  lliesst,  bei  zunehmend® 
Vertb,eilupg  do.ch  .beständig  gleich  weit,  so  würde  die  mittl®*^ 
Geschwjpdigkeit  des  Blutes  in  den  Haargefässen  eben  so  gross  ® _ 
in , ipn  a^rterien  ersten  Ranges  seyn  müssen,  so  wie  unter  gleic'*® 
Voraussetzungen  uueh  die., mittlere  Geschwindigkeit  des  Veucnh 
teS|j.derMiC'Cschwrindigkeit  des^.  Ai-terienblntes  gleich  .seyn  müs^  ^ 
Ppnn  die  Krall,  yon  welcher  das  Blut  in  den  Arterien  götrien®. 
wirdj, ; jsL  zwar  .viel  grösser  als,  das,,  was  in  den  Venen  ''  on  dies 
übrig  ist,  aber  die  in  den  Arterien  giössere  Kraft 
wegung  hat  auch  den  ganz^  Widerstand  bis  durch  die  Capd  ‘ 
gefässe  zu  überwinden,  das  Blut  der  Venen  hat  ihn  üherwundE 


4.  Eim.  Thcile  d.  Geflisssyst.  Caplttargefässe.  Bluibetvegung,  209 

da  die  Summe  des  Widerstandes  im  ganzen  Haargefässsy- 
Stern  und  in  den  Arterien  auf  die  ganze  Blutsäule  his  zum  Her- 
ren zurück  wirkt,  so  hat  die  ganze  Ki-afl  des  Herzens  sogleich 
Schon  am  Anfänge  der  Aorta  diesen  Widerstand  zu  überwinden, 
ynd  hei  gleicher  Weite  der  Räume  müsste  sich  das  Arterienhlut 
jedem  Tlieile  mit  gleicher  Geschwindigkeit  und  nicht  schneller 
®ls  das  Venenblut  bewegen,  so  wie  es  aus  den  Capillargefässen 
hervorkömmt.  Die  Vergleichungen  des  Arterienblutflusses  und  des 
''cnenhlutllusses  geben  gar  keine  richtige  Vorstellung  von  der  Ge- 
schwindigkeit des  Arterienhlutes  und  des  Venenhlutes,  sondern 
hloss  von  der  Bewegungskraft  der  beiden  Blutarten;  dahingegen 
dire  Geschwindigkeiten  erst  gefunden  werden,  wenn  man  den 
^iderstand,  den  diese  Kraft  erleidet,  ahzieht.  Hieraus  folgt  nun, 
dass,  wenn  die  Wege  des  Blutes  von  dem  Stamme  his  in  die  Aeste 
gleich  weit  bleiben,  seine  Geschwindigkeit  in  den  Arterien  im 
^äpillargefässsystem  und  in  den  Venen  gleich  seyn  müsste. 

Da  nun  aber  die  Summe  des  Raumes  der  Aeste  bei  gewisser 
■hänge  immer  grösser  ist,  als  der  Raum  eines  gleich  langen  Stam- 
dics,  so  ist  dennoch  die  Geschwindigkeit  in  den  engeren  Stämmen 
grosser  als  in  den  zusammengenommen  weiteren  Aesten , und 
diese  Geschwindigkeit  nimmt  im  geraden  Verhältnisse  der  Raum- 
'''ergrössernng  his  durch  die  Haargefässe  ah. 

, Verschiedene  Schriftsteller  haben  geglaubt,  die  Kraft  de» 
pCrzens  reiche  nicht  aus,  um  das  Blut  durch  die  Haargefässe  zu 
:*]cihen,  und  es  bedürfe  hierzu  besonderer  Hülfskräfte,  welche 
'*'erzu  supponirt  worden  sind,  wie  die  Zusammenziehung  der  Haar- 
B^fasse,  oder  die  selbstständige  Bewegung  des  Blutes,  wovon  die 
^.^obachtung  nichts  zeigt.  Dass  die  Bewegung  des  Blutes  durch 
Haargefässe  bloss  das  Herz  bewirkt,  zeigt  unumstösslich  die 
Beobachtung,  dass  die  stossweise  Bewegung  sich  bei  schwachen 
j-l'ieren  bis  in  die  Haargefässe  fortpflanzt,  und  die  Thatsache, 
'•äss  das  Blut  ans  den  Venen  eines  Tliieres  bei  jeder  Exspiration 
^arker  ausströmt,  wobei  die  Zusammendrückung  der  Gefässe  der 
*''ist  durch  die  Exspiration,  die  den  Strom  des  Arterienhlutes 
.^fst'ärkt,  selbst  durch  die  Haargefässe  hindurch  wirkt.  Diess 
eweist  auch  folgender  Versuch  von  Magendie.  Er  unterband 
Schenkel  eines  Hundes,  ohne  dass  die  Schenkelarterie  und 
^pl>enkelvene  in  der  Ligatur  mitbegrilFen  waren.  Wurde  nun 
Pj®  ^chenkelvenc  besonders  unterbunden,  so  schwoll  sie  von  dem 
jj**^*®,  welches  aus  dem  Schenkel  zurückkehrte,  an,  und  ergoss 
j Blut  strahlförmig  beim  Anstechen,  Als  man  die  Schenkelar- 
comprimirte,  hörte  der  Strom  des  Venenblutes  allmählig  auf 
fliessen,  stellte  sich  aber  wieder  her,  als  man  aufhört^  die 
^*'terie  zu  comprimiren.  Poiseuille  hat  mittelst  des  schon  öfter 
j^,'''‘‘Bnten  Instrumentes  den  Druck  des  Blutes  in  dem  peripheri- 
Stücke  einer  Vene  gemessen,  und  bei  wiederholten  Versu- 
jj  gefunden,  dass  dieser  Druck  dem  des  Blutes  in  den  Arte- 
j®*»  durchaus  proportional,  ist,  mit  Jenem  abnimmt  und  zunimmt. 
'Jsllee’s  Archii,  1834.  p.  365. 

f Bewegung  des  Blutes  in  den  verschiedenen  Capillarge- 
und  kleinsten  Arterien  ist  verschieden  schnell,  je  nach  den 


210  L Buch.  Von  d.  organ.Säflenetc,  Il./ibschn.  Vom  Blutkreislauf ■ 

Hmdernissen,  tvelche  den  Strom  durcli  anastomotische  Zweigelclien 
auflialten.  Wedemeyer  liat  über  das  Verhalten  der  Strönichcn, 
die  sich  vereinigen,  Folgendes  bemerkt,  was  ich  mit  der  Natar 
vollkommen  übereinstimmend  finde.  Zuweilen  fliessen  die  hlutkoi 
perchen  aus  einem  Kanälchen  einem  zweiten  Strömehen  schnell, 
und  wie  wenn  sie  äiigezogen  würden,  zu.  In  anderen  Fällen 
der  Strom,  in  den  sie' hinüber  fliessen,  rasch,  sie  selbst  aber  werde" 
in  dem  zufübrenden  Strömehen  aufgelialten,  und  es  gelingt  ihnc" 
nur  gelegentlich,  sich  mit  dem  Strome  zu  vereinigen.  Zuweile" 
wird  selbst  aus  dem  reissendev.  Strome  cm  Rügelcben  eine  Streck« 
in  den  schwächern  Kanal  zurück  geschleudert,  und  dann  wieder 
iurück  getrieben.  Ich  bähe  auch  bemerkt,  dass  ein  und  dasselbe 
Verbindungskaiiälchea  zwischen  zwei  zufübrenden  Strömen  das  Bl"^ 
zuweilen  in  der  eineii,  zuweilen  in  der  andern  Richtung  erhält, 
und  dass  Veränderungen  im  Drucke,  ln  der  Lage,' Bewegungen  iC 
ThiereS,  immer  die  Ursache  dieser  Veränderungen  sind;  so  Wi« 

denn  alle  diese  Verhältnisse  der  Strömung  hier  nach  rein  mecha' 
pischen  Ursachen,  eben  so  wie  in  einem  bewässerten  Terrain,  va- 
riiren.  In  den 'feinsten  Capillorgefässen,  welche  nicht  roth,  auc" 
hiebt  einmal  gCllV  auSsehen, 'sondern  ganz  durchsichtig- sind,  sieb 
mau'  die  Blniköl‘percheii  nicht  mehr  dicht  hintereinander  oder 
nebeneinander  lliessen;  hier  hnijen  die  Körperchen  uur  hintereii'- 
ünder  Raum,  alie’r-'sie  fltesbeti  in  üngleichen  Zwischenräumen  gC' 
trennt  und  bald  sieht  man  Kügelchen  dadurch  rinnen,  bald  wi«' 
der  nicht,  bald  wieder  mehrere.  Indessen  habe  ich  niemals  Räum« 
bemerkt,  welche  anhaltend  ohne  Kügelchen  gewesen  wären,  niid 
w^elche  die  Benennung  vasa  serosa  rechtfertigten  (vergl.  Seite  204. , 
und  Weuemeyeh,  der  diess  gesehen  haben  will,  gesteht  selbst, 
dass  er  von  Zeit  zu  Zeit  doch  Kügelchen  durch  solche  Gefäss 
habe  hindurch  gehen  gesehen.  Die  Kügelchön  xotiren  hem’ 
Durchslrdmcn  der  Capillargefässc  nicht;  beim  Frosche  scheine^ 
sie  meist  mit  dem  Längendurchmesser  in  der  Achse  des  Gefuss«^ 
zu  strömen,  aber  häutig  ist  ihre  Achse  auch  schief  gestellt,  u" 
ihre  Lage  erleidet  vielfache  Verändeniiigen  durch  den  mechaoi' 
sehen  EinHuss  der  'Wände,  wobei  sich  die  Kügelchen  ganz  p»*' 
siv  verhalten,  und  hie  eine  Spur  selbstständiger  Bewegung  zeigc"^ 
Mehrere  Beobachter  haben  angegeben,  dass  die  Kügelchen 
weilen  an  'den  engen  Wänden  zusammengedrückt  und  verlange*^ 
"tviirclen«  Di6s3  liabc  icli  nie  £*GsG?icnj  und  cs  ist  ■vielleicht 
Täusciiung,  je  nachdem  die  Beobachter  die  platt  elliptischea  K"*' 

Eer'clieii  der  Tliicre'  von  der  einen'  oder  andern  Seite  geseh^^ 
ahen.  DöEm,iNdER 'lind  DuThoenET-  behaupten  gesehen  zu  "‘Ij. 
hen,  dass  Blutköiperchcn  in 'Gelässrinaen  stockend  sich  hier 
deiii  Gewebe  verbunden  haben.  Ich  habe  zwar  auch  häufig 
solches  Stocken,  besonders  bei  schon  geschwäcliten  Thieren  h«" 
achtet'j  und  habe  es  früher  für  möglich  gehalten,  dass  Blntkör^^ 
clifeü  irtif  diese  Art  ihre  Bewegung  verlieren  könnten;  allein  S 
nauere  Beobachtungen  haben  mich  gelehrt,  dass  diese  stockem  . 
Kügelchen  bald  auch  wieder  frei  werden,  und  dass  es  nur 
grosser  Scliwädie  eine  vollkommene  Stockung,  nämlich  die  Gen^^ 
niuig  in  den  kleinen  Gefässen  gieht,  die  gewiss  eher  das  Geg« 


4.  Einz.  Theile  d.  Gefdsssyst.  Capiüargeßlsse.  Blutl/ewegung.  211 

tlieil  der  Ernährung  ist,  als  dieselbe  erklären  kann.  Die  von 
Boellinger  angenommene  Ernährung  durch  Vereinigung  der  Kü- 
gelchen mit  dem  Gewebe  ist  von  keinem  einzigen  Beoliachter  he- 
slätigt  worden,  und  ich  werde  später  aus  anderen  Beobachtungen 
Sehr  wahrscheinlich  machen , dass  die  Ernährung  nicht  auf  diese 
Alt  geschieht.  Immer  sieht  man  alle  Kügelchen,  welche  in  die  Ca- 
l>illargefässe  strömen , mit  Schnelligkeit  in  die  venösen  Ström- 
chen  übergehen,  und  keine  Kügelchen  hei  einem  lebenskräftigen 
Thiere  zurück  bleiben.  Prevost  und  Dumas  haben  zwar  in  dem 
Arterienblute  mehr  Kügelchen  als  in  dem  Venenblute  zu  finden 
geglaubt,  diess  ist  aber  ein  theoretischer  Irrtbum;  sie  haben  die 
Kügelchen  für  die  alleinige  Materie  des  Faserstoffes  im  Blute  ge- 
kommen; da  der  Faserstoff  aber,  wie  meine  Beobachtungen  zei- 
gen, im  Blute  aufgelöst  ist,  so  ist  es  ganz  unrichtig,  nach  der 
Quantität  des  Gerinnsels  in  beiden  Blutarten  die  Menge  der  Kü- 
gelchen zu  schätzen. 

Sobald  man  das  Glied  comprimirt,  hören  alle  Strömungen 
kuf,  und  jedes  Kügelchen  haftet  unbeweglich  auf  der  Stelle,  die  es 
'^orher  einnahm.  Nach  Kielmeyer  haben  Treviranus,  Carus,  Doel- 
k'NGER  und  Oesterreichejl  dem  Blute  eine  eigene  Propulsionskraft, 
*ich  nach  den  Capillargefässen  hin,  und  von  diesen  ab  zu  bewe- 
gen, angenomiüen,.  eine  Kraft,  die  nach  dem  Aufhören  der  Herz- 
^'lätigkeit  noch  und  unabhängig  von  derselben  im  Leben  wirken 
^kll.  Ich  habe  . mich  schon  in  der  Lehre  vom  Blute  aus  Gründen 
dagegen  ausgesprochen.  An  sich  kann  das  Blut  eine  gewisse  Di- 
^Getion  nicbt  .haben, , es  müsste  denn  von  der  Suljstanz  der  Capil- 
kfgefässe  angezo.gen  werden,  wie  Baumgaertner  und  Koch  anzu- 
^®hmen  scheinen.  Würde  nun  wirklich  das  Blut  von  den  Capil- 
^krgBfässen  und  der  lebenden  Substanz  angezogen,  so  kann  es  sich 
'^khl  darin  anhäufen,  wie  es  in  den  Phänomenen  der  Turgescenz 
^^leiut;  aber  man  sieht  nicht  ein,  wie  eine  solche  Anziehung  den 
^rpislauf  unterstützen  köniiite,  denn  das  Blut  wird  dadurch  zum 
Aufenthalte  in  den  Cnpil|argefässcn  bestimmt;  oder  man  müsste 
?’>eder  annehmpn,  .dass  das  Blut  nur  so  lange  von  der  Substanz 
den  Capillargeffässen  angezogen  ^werde,  als  es  airs  den  Arterien 
kommend  noch  hellroth  ist,  ,dass  aber  mit  der  Umwandlung  in 
Venöses  Blut  diese,  gegenseitige  Verwandtschaft  von  Blut  und  Sub- 
*fanz  auf  höre.  Dann  allein  könnte  in  den  Capillargefässen  eine 
Bülfshraft  des  Kreislaufes  liegen.  Die  Turgescenz  gewisser  Theile 
gewissen  Zeiten  beweist  dagegen  gar  nichts  für  diese  Hülfs- 
Valt,  denn  diese  bedingt  zwar  Anziehung,  aber  auch  Anhäufung 
‘^Blntps.  Ich  komme  wieder  darauf  zurück,  was  bei  der  Lehre 
Blute  bemerkt  worden,  wo  ich  meine  Versuche  über  die 
auer  der  Blulbewcgung  in  abgescbhlttcnen  Theilen,  und  ohne 
klutio  continui  mit  Mortification  des  Herzens  durch  Kall  causticura 
dröschen  erzählt  habe,  p.'  138.  Obgleich  die  bloss  durch  An- 
^*®hung  liedingte  Saftbewegung  der  Pflanzen  uns  die  Möglichkeit 
jk  ähnlichen  Phänomenen  i>ei  Thiercn  zeigt,  so  haben  AVir  doch 
L * letzt  keine  hinreichenden  empirischen  Gründe  für  dieselbe;  ich 
te  L schon  bemerkt,  dass  ich  die  rhythmische  Oscillation  des  Blu- 
kei  stockendem  Kreisläufe  nicht  für  einen  solchen  Grund  an- 

14* 


212  I.  Buch.  Von  den  organ.  Säften  etc.  II.  Alschn.  Vom  Blutkreislauf 

sehe,  nnd  die  von  scharfsinnigen  Männern,  BAVMGAERraER  und 
Koch,  beigehrachten  Gründe  nicht  für  hinreichende  Beweise  halte- 
Die  Iheilwcise  Leerheit  der  Arterien  nach  dem  Tode,  während 
die  Venen  gefüllt  sind,  könnte  vielleicht  in  so  fern  als  ein  Grund 
iiir  die  Anziehung  des  arteriellen  Blutes  nach  den  Capillargefäs- 
sen  betrachtet  werden,  als  bis  jetzt  keine  recht  genügende  Er- 
kläruii"  der  Leerheit  nach  dem  Tode  möglich  ist. 

Man  kann  die  Frage  von  der  Unterstützung  des  Kreislaufes 
durch  Anziehung  des  Blutes  nach  den  Capillargefässen  verneinen, 
und  doch  diese  Anziehung  allein,  in  Fällen,  wo  eine  Anhäufung 
von  Blut  in  gewissen  gesunden  Theilen,  in  denen  sich  ein  thäti- 
geres  Leben  zeigt,  zugeben,  wie  ich  schon  bemerkte.  Diese  Art 
der  Anziehung  bewirkt  Anhäufung,  nicht  Unterstützung  des  Kreis- 
laufes. Bei  den  Pflanzen  sind  diese  Phänomene  ganz  augenschein- 
lich ; dem  Fruchtknoten,  der  das  belVuchtete  Ei  einschliesst,  fliessf, 
wieBuRDAcn  sagt,  mehr  Saft  zu;  ubi  Stimulus  ibi  aflluvus.  Aehn- 
liche  Phänomene  giebt  es  auch  bei  Thieren. 

Alle  diese  Phänomene  örtlicher,  vom  Herzen  unabhängiger 
actlver  Säfteanhäufung,  die  nicht  durch  ein  Hinderniss  des  Rück- 
flusses entsteht,  hat  man  unter  dem  Namen  Turgescenz,^  turgor 
vitalis  zusammen  gefasst.  (Hebenstreit  de  turgore  eitali, 

1795.,  welche  Abhandlung  indoss  wohl  keine  richtige  Ansicht 
dieser  Gegenstände  enthält.)  " 

ln  vielen  Lebensumständen  wird  die  Weeliselwirkung  zwischc** 
Substanz  und  Blut,  die  organische  Affinität  zwischen  beiden,  wel- 
che in  der  Ernährung  ein  Factum  ist,  unter  Anhäufung  des  Blu- 
tes in  den  erweiterten  Gefässen  der  Organe  vermehrt.  So  he* 
der  Brunst  in  den  Genitalien,  bei  der  Schwangerschaft  im  Ute- 
rtis,  im  Magen,  der  in  der  Verdauung  blutreicher  ist,  bei  de*" 
Wiedererzeugung  der  Geweihe,  wo  die  Höcker  der  Schädelknu- 
chen,  auf  welchen  die  Gtrweihe  aufsitzen,  gleichsam  ein  wahr' 
haftes  Aufsteigen  der  Säfte  wie  in  den  Pflanzen  zeigen,  nachdeu* 
sie  bis  dahin  auch  von  Blut  durchzogen  aber  blutarm  waren.  A*** 
häufigsten  sind  diese  örtlichen  Anhäufungen  des  Blutes,  Gefässer- 
Weiterungen  und  Gefässentwickelungen  aber  beim  Embryo,  r 
nach  den  verschiedenen  Organen,  svelche  gerade  als  success*/ 
nothwcndige  Theile  oder  Glieder  des  Ganzen  durch  die  produc*' 
rende  Kraft  entstehen.  Die  Kiemen  der  Salamander  und  Frösch®» 
der  Schwanz  der  Frosch larven  sterben  dagegen  ab,  wenn  die  af' 
ganische  Affinität  zwischen  Substanz  und  Blut  anfhört.  Man  h® 
zur  Erklärung  dieser  Phänomene  an  verstärkte  Contraction  der  A*"' 
terien  gedaclit.  Allein  die 'pulsatörisohen  MuscularcontractioU® 
existiren  nicht,  und  dauernde-  Zusammenziehungen  der  Arteri®*h 
wenn  sie  nicht  wurmförmig  fortschreitend  sind,  oder  wenn  * 
nicht  durch  besondere  Klappen  unterstützt  sind,  können  ke*' ^ 
Turgescenz  hervorbringen.  Es  ist  unvermeidlich  zur  ErkläruCc 
der  vermehrten  Blutmenge  des  Uterus  in  der  Schwangerschaft, 
Erklärung  der  Turgescenz  der  Knochenhöcker,  welche  das  G ^ 
weihe  hervortreiben , eine  örtlich  vermehrte  Affinität  zwis®h 
Blut  und  Substanz  anzunehmen.  Diese  Veränderung  kann  aU® 
plötzlich  eintreten,  und  es  gehören  hierher  die  plötzlichen  B* 


4.  Einz.  TMle  d.  Gefusssfst.  Capillargef.  Turgescenz.  Erectlon.  213 

anliiVufungen  irn  Gesicht  Lei  der  Scliamröthe,  am  ganzen  ^-Opf  Lei 
liefligen  LeidenscLal’len,  Zustände,  in  welchen  die  localen  Phäno- 
mene oflenhar  durch  Nervenwirkung  bedingt  sind.  Eben  so  gclio- 
*'en  hierher  die  activen  Congestionen  des  Blutes  zu  Organen,  wc  - 
*^116  in  einem  gereizten  Zustande  sich  befinden,  zum  Gehirn  u.  s. 
Vgl.  Bokohdeu,  Meck.  Archiv  1827.  537.  Wedemever  l.  c.  412. 
Wenn  die  Gefässe  eines  Organes,  in  dem  die  Aflimtät  zwi- 
*ehen  Blut  und  Suhstanz  gesteigert  ■werden  kann,  einer  beträcht- 
lichen Erweiterung  l'ähig  sind,  so  findet  Anschwellung  dieses  Or- 
ganes und  Erection  desselben  statt.  Erectil  sind  der  Penis,  weni- 
ger die  Clitoris,  in  geringerem  Grade  auch  die  Brustwarzen  des 
Weihes  und  die  erectilen  Anhänge  am  Kopfe  einiger  \ ogel , wie 
«les  Truthahns,  Meleagris  gallopavo.  DieErectionen  scheinen  daher 
“^it  in  eine  Ordnung*  mit  den  ehen  genannten  Phänomenen  zu  ge- 
hören, sie  hilden  aber  eine  besondere  Reihe,  weil  zur  Erection 
®in  eigenthümliciier  Bau  der  Gefässe,  nämlich  beträchtliche  Er- 
'^eiterungsfähigkeit  derselben  bei  einem  sehr  sinuöseu  Bau  der 
^enen  gehört.  In  diesem  Falle  bilden  die  erweiterungslähigen 
^'^enen  die  zahlreichsten  Anastomosen  und  Geflechte,  und  der  Raum 

®Her  dieser  erweiterten  Gellechte  ist  ohne  Vergleich  grösser  als 
zufuhrenden  und  ahluhrenden  Kanäle.  Im  nicht  erweiterten 
Anstande  Hiesst  diesen  (Jefässen  so  viel  Blut  zu,  als  Blut  ahlliesst. 
^urch  eine  gesteigerte  Affinität  zwischen  dem  Blute  nud  den 
fänden  der  Gefässe  wird  vielleicht  das  Blut  in  ihnen  zurück  ge- 
halten. Sie  schwellen  um  so  strafier  an,  wenn  die  Zwischenräume 
Venenpcllechte  von  einem  fibrösen  Faden-  oder  Balkengewcbe 
'unterstützt  sind,  welches  letztere  mit  einer  fibrösen  äussern  llaut 
*nsammen  hängt,  wie  an  den  corpora  cavernosa  penis.  Injections- 
ffiassen  gelangen  aus  den  Arterien  der  Ruthe  ziemlich  leicht  in 
die  Venen,  besonders  an  dem  corpus  cavernosum  der  Urethia 
^'nd  der  Eichel;  M.  3.  Webe»  hat  mir  eine  Suite  schöner  Injectio- 
des  Penis  von  den  Arterien  aus  gezeigt.  Vergl.  Cuvie»  vergl. 
•dnat.  4.  468.  Moresciii,  Meck.  Archiv  5.  403.  Ribes,  ebend. 
'^d7.  TiEDEMAHn,  Meck.  Archiv  2.  95.  Panizza  osservazioni  an. 
^'"opo-zooiomico-Jisiologiche,  Eavia  1830.  Zwischen  den  anasto- 
'nutiscl,en  Venen  des  corpus  cavernosum  penis  liegen  beim  Pferde 
hlassröthliche  Faserhündel,  welche  im  Allgemeinen  der  Länge 
"ach  verlaufen,  aber  balkenartig  Zusammenhängen.  Mikroskopisch 
^uiersucht  zeigen  sie  sich  nicht  "wie  Muskeirascrn;  heim  Ikochen 
heben  sie  selbst  nach  7 Stunden  keinen  Lelm.  Die  essigsaure 
Auflösung  wird  von  Cyaneisenkalium  gefällt;  daraus  kann  man 
'lidess  juir  scliliessen,  dass  das  fragliche  Gewebe  nicht  in  die 
jlasse  der  niedcrii  Gewebe,  des  Zellgewebes,  Sehnengewehes  und 
"lastischen  Gewebes  gehört.  Beim  Versuche  an  einem  lebenden 
;^l'erde  konnte  ich  an  diesem  Gewebe  durch  eine  galvanische 
affie  keine  Contrnctlon  erregen.  S.  Mueller’s  1834.  50. 

p.  26. 

Die  Ursache  der  Erection  ist  bekanntlich  vorzüglich  örtliche 
"der  vom  Gehirn  und  Rückenmarke  ausgehende  Nervenreizuiig. 

. eizung  des  Rückenmarkes  und  Zerstörung  desselben  mit  einem 
Wissen  Stabe  bei  einem  Thiere  bewirkten  Erection  und  Ejaculation, 


214  I.  Buch.  Von  den  organ.  Säften  etc.  II.  Ahschn.  Vom  Blutkreisliiuf- 

so  wie  auch  Congestion  zum  Gehirn  und  Rückenmark  diess  ver- 
ursacht, wie  zuweilen  bei  Erhängten.  Die  Ruthennerven,  deren 
Zweige  sich  in  dem  Gef’ässgewebe  der  Ruthe  verbreiten,  sind  diC 
nächste  Ursache  zur  Anhäufung  des  Blutes  in  demselben.  GveS- 
THER  hat  beobachtet,  dass  nach  Durchschneidung  dieser  Nerven 
Leim  Pferde  das  Glied  nicht  mehr  erigirt  werden  kann.  MecE- 
Archiv  1828.  364.  Als  der  operirtc  Hengst  zu  einer  Stute  ge- 
bracht wurde,  zeigte  er  zwar  Lust  zum  Bedecken,  allein  die  Ru- 
the blieb  schlaff  hcrabhängend.  Am  andern  Tage  war  sie  ge- 
schwollen, aber  nicht  erigirt. 

Einige  französische  Schriftsteller,  Chaussier  und  Adblon,  und 
unter  uns  Stieguitz  {pathologische  Untersuchungen  1.  175.)  nehmen 
an,  dass  der  Zufluss  des  Blutes  bei  der  Erection  nicht  das  Erste, 
sondern  die  selbstständige  Expansion  des  Gewebes  das  Ursprüng- 
liche, die  Anfüllung  mit  Blut  die  Folge  bei  der  Erection  sei- 
Hiergegen  kann  erwiedert  werden,  dass  wir  bis  jetzt  kein  Bei- 
spiel einer  activen  Erweiterung  kennen,  und  dass  die  künstliche 
Einspritzung  des  Penis  die  Erection  vollständig  nachahmt.  Stieg- 
litz vermuthet  zugleich,  dass  die  Stämme  der  Venen  vielleicht 
auch  einer  Verschliessung  durch  Zusammenziehung  fähig  seyeu- 
Versuche  an  der  vena  dorsalis  penis  des  Hundes  und  Schafbok- 
kes,  die  ich  anstellte,  sind  dieser  Hypothese  geradezu  entgegen- 
Krause  (Stieglitz  a.  a.  O.  p.  188.)  theilt  den  musculi  ischiocaver- 
nosi  die  Fähigkeit  zu,  die  Venen  des  Penis  zu  drücken,  und 
die  Erection  zu  bexvirken.  Housto.v  {Dublin  Hospital  Report^ 
1830.  T.  5.  Stieglitz  a.  a.  O.  189.)  hat  sogar  bei  Thieren  beson- 
dere Muskeln  zwischen  Penis  und  Schaambogen  zur  Compression 
der  Vena  dorsalis  penis  beschrieben.  Sie  sollen  von  den  Schaam- 
beinen  entspringen,  und  sich  über  der  Vena  dorsalis  mit  einan- 
der in  der  Mittellinie  verbinden.  Sie  sollen  eine  dünne  Schicht® 
musculöscr  und  sehniger  Fasern  bilden.  Diese  Fasern  solle® 
Lelm  Menschen  undeutlich  seyn.  Ich  habe  sie  niemals  finde® 
können.  Man  kann  zwar,  wenn  die  Erection  eben  beginnt,  dure® 
eine  willkührliche  Zusammenziehung  der  Muskeln  des  Damme’ 
diese  momentan  verstärken,  aber  diese  Verstärkung  ist  nur  m®' 
mentan,  wenn  nicht  die  wahren  Ursachen  zur  Erection  vorh®®' 
den  sind.  Mau  kann  die  Musculi  ischiocavernosi  willkührhc 
znsammenziehen,  aber  hierdurch  kann  man  keine  Erection  h®' 
wirken,  wenn  der  Penis  schlaff  ist. 

Nach  einer  von  mir  gemachten  Entdeckung  über  den  incrE' 
würdigen  Bau  gewisser  Artei’ien  im  Innern  der  corpora  caverno** 
lernen  wir  ganz  neue  Elemente  der  Erklärung  der  Erection  k®®' 
nen.  Ich  habe  nämlich  gefunden,  dass  es  ausser  den  letzten  f®“’'’ 
sten,  in  Venenanfänge  übergehenden  und  zur  Ernährung  der  cm 
poca  cavernosa  dienenden  Zweigen  der  arteriae  profundae 
noch  eine  ganz  andere  Art  von  Zweigen  derselben  giebt,  vvel®.j. 
theils  kurze  rankenartige  Auswüchse  von  ^ Mlllim.  Dicke, 
Quästchen  solcher  rankenartigen  Auswüchse  mit  gekrümim 
stumpfspitzen,  blinden  Enden  giebt,  die  ich  arteriae  hclici®' 
nannte.  Diese  Auswüchse  ragen  sämmtllich  in  die  venösen  f 
len  der  corpora  cavernosa  penis  hinein;  sie  finden  sich  vorE®h 


4.  Eint.  TheÜe  d.  Geßisssjst.  Capillargefusse.  Ereciion.  215 

licli  im  hintern  Theile  der  c.  cavernosa  peni?  und  des  c.  ca- 
^crnosum  uvellirac.  Obglcicli  sich  an  den  Wanden  diesei  reien 
Arterienauswüchse,  die  sich  am  deutlichsten  heim  Meuse  len  zei 
gen,  keine. Oeffnungen  sehen  lassen,,  so  erleidet  es  doch  keinen 
Zweifel,!  dass  sie  cs  sind,  weiche  das  Blut,  das  Lei  der  li-rnalnung 
^Wch  die  Yiql  feineren  Zweige  der  arteriae  profundae  penis  m 
«lie  Venenanfänge  übergel.t,  hei  der  Erection  sogleich  in  die 
venösen  Zellen  ergiessen.  Bei  der  Injection  der  art.  profunda 
l'enis  geht  die  Masse  von  Leim  und  Zinnober  jedesmal  in  die 

Zellen  über;  beim  Auswaseben  der  aussesclirtiltenen  eavernosen 

Jvörper  finden  sich  dann  die  art.  helicinae  injiciit-  ei  ‘ ei  e- 
l^endigen  Ergiessung  des  Blutes  aus  diesen  Banken  müssen  die- 
sellien  durch  den  vom  Ilückcninarke  ausstrpmenden 
duss  das  Blut  in  grösserer  Quantität  anzieben.  DiCsC  .n  c c 
'^«ng  wirft  zugleich  ein  neues  Licht  auf  die  Wechsel  Wirkung  t es 
J^lutes,  und  der  kleinsten  Gefässe  in  anderen  XluMlen 
«len  turgor  vitalis.  Siehe  ÄluEreER’s  Ardtw  f.  Anal.  « 

1^34  p 202.  iah.  13.  Aus  den  cavernösen  Körpern  lliesst  (las 
^lut  ’thmls  durch  Emissarien  an  den  Seiten  und  an  der  Oberlla- 
dieser  Körper  zurück  in  die  Zweige  der  vena  dorsalis  pciiis, 
^^cils  durch  tiefere  Venen,  die  an  der  Wurzel  dei  c.  cavei- 
“osa  l.ervorkommen,  unmittelbar  in  den  plcxus  pub.cus  hinter 
'V  Svmphvse  der  Schaambeiue,  wohin  auch  die  vena  doisalis 
^Ijerg^U  Da  diese  Lieferen  Venen  gar  nicht  in  die  vena  dorsa- 
gehen,  so  kann  auch  keinerlei,  Druck  auf  die  vena  dorsalü 
^«■sLbe  der  Blutanhäufung  im  renls  werden.  S.  Muei-uer  i 
Wörierb.  d.  medidn.  JEdsen-wh  f 

Es  ist  sehr  wahrscheinlich,  dass  inaucbe  Mittel,  wie  dm 

gentia,  Alaun  etc.,  in  der  lebenden  th.erischen  A atcrie  überhaupt, 
'»■id  so  auch  in  den  kleinen  Gef ässen,  eine  Annäherung  der  Molc- 
eine  Verdichtung  bewirken,  vermöge  welcher  der  Durchmes- 
dieser  Theile  kleiner  wird.  Denn  anders  könuciyvir  uns  wol.l 

Wirkungen  dieser  Stoffe  und  der  Kälte  bei  BhBlkissm.  aus 
'‘usgescbnltlenen  kleinen  Arterien  nicht  erklären,  Die  Wanne 
‘^«knt  das  Blut  und  die  Capillargefässe,  wie  die  Stoffe,  - 

Sei  aus.  Dass  die  Elkerstoffe  und  die  Capillargefa^sse  y®''“®" 

Zustande  gegen  solche  Einwirkung  eine  grössere  Contracti  itat  je 
^t^en,  ist  set-  wahrscbeinlicb,  fast  gewiss,  denn  nur  elmnden 

Wper  bewirkt  die  Kälte  durch  sogenannten  liautkrampt  dm  Lr- 

“'^lieinung  der  Gänsehaut  in  der  Form  von  kleinen  Er  iclningen, 
Welche  nicht  von  blossem  ZurücktriUe  des  Blutes  von  den  ausse- 
Thellen  oder  vermindertem  Turgor  berrühren  kann,  da  clie 

S‘'"sehaut  nur  im  lebenden  Körper  möglich  ist.  Wollte  man  diese 

Erscheinung  allein  von  dem  Sielitharwerden  der  Folliculi  dt 
E?ut  durch  den  Gollapsus  der  Zwlscbciistellen  ahleiteii,  wie  ic 
‘‘‘r  die  Sache  vorgestellL  habe,  so  müsste  diese  Frscbei.iung  a«  cU 
Tode  möglich  seyii.  Die  Ersclieimmg  der  Gansebaut  1 ^ 

‘uli  eine  Art  lebendiger  scbwacber  Contractililat 

, eiche  die  Foülculi  sichtbarer  werden.  Eine  .m” 

. utsersebeinung  kömmt  an  der  A^orliaut  durch  Emwi  ^ Von 
^■'lle,  und  iin  höchsten  Grade  an  der  tunica  dartos  voi.  Von 


216  I.  Buch.  Von  den  organ,  Säften  etc.  II.  Abschn.  Vom  Blutkreislauf 

der  Muscularcontractilität  nriterscheidet  sich  diese  nnmerklichc 
Contractllilät , dass  die  Reaction  allmälilig  und  schwach  erfolßih 
und  dass  die  Nervenkraft  unter  allen  Umständen  in  den  Muskel*' 
Contraction  erregt,  während  die  unmerkliche  Contractilität  der 
Haut  sich  nur  auf  gewisse  Reize,  z.  B.  Kälte  oder  hei  KervenatU' 
ction,  äussert,  aber  nur  in  solchen  Umständen,  welche  zugleich 
den  Trieb  des  Blutes  nach  der  Haut  vermindern,  walirscheinlich 
durch  consensuelle  Wirkung  auf  die  Kraft  des  Herzens;  dagegen 
alle  Reize  der  Haut,  bei  welchen  ein  starker  Zufluss  von  13ln^ 
zur  Haut  erfolgt,  immer  mit  Turgor,  aber  nicht  mit  den  Ersehe*' 
nungen  des  Haiitkrampfes  verbunden  sind. 

Wie  weit  die  unmerkliche  Contractilität  in  den  thierischen 
Theilen  verbreitet  ist,  lässt  sich  nicht  angeben.  Sie  kömmt  wahr' 
scheinlich  in  stärkerm  und  geringerm  Grade  allen  weichen  org«' 
nisirten  thierischen  Theilen  zu,  und  es  ist  nichts  entgegen,  si® 
auch  in  den  kleinen  Arterien  und  Haargefässen  vorauszusetzen- 
IVur  ist  nicht  alles,  was  überhaupt  reizt,  ein  Reiz  zur  Aensserung 
der  unmerklichen  Contractilität,  und  es  hängt  die  Zusammenziehung 
der  kleinen  Gefässe,  z.  B.  bei  Operationen,  von  plötzlichen  speci' 
fischen  Einflüssen,  wie  Kälte,  ab,  welche  die  Verdichtung,  die  A**' 
näherung  der  Molecule  der  Arterien  bewirken,  während  ander® 
Reize  ganz  verschiedene  Erfolge  haben  können , indem  sie  d*® 
Turgescenz  vermehren,  wie  Wärme  etc.  Der  Galvanismus  bewirkt 
in  den  Capillargefässen  nach  Wedemeyer  niemals  eine  Contractioa» 
sondern  Stockung  des  Blutes  durch  Gerinnung  desselben;  dag®' 
gen  will  Wedemeyer  eine  deutliche  anhaltende  Verengerung 
den  kleinsten  Arterien  auf  galvanischen  Reiz  beobachtet  habe*') 
und  zwar  sowohl,  wenn  er  den  negativen  Pol,  als  wenn  er  de** 
positiven  auf  die  Gefässchen  applicirte,  so  dass  die  Zusammen' 
Ziehung  nicht  von  der  Entwickelung  der  Säure  am  positiven  Pol® 
(aber  doch  vvohl  vom  Alkali  am  negativen)  herrühren  könnte. 

Es  schien  anfangs,  dass  directe  Versuche  über  die  Wirkn**S 
von  verschiedenen  Stoffen  bei  der  Application  auf  die  Capillarg®' 
fasse  unsere  Kenntnisse  über  die  Fähigkeit  derselben,  die  Capilh>r' 
gefässe  zu  verengern,  oder  vielleicht  durch  Vermehrung  derT**»' 
gescenz  zu  erweitern,  sehr  vermehren  würden.  Allein  wir  befind®'* 
uns  in  einer  gänzlichen  Verwirrung  über  die  Zustände,  weftd'^ 
verschiedene  chemische  Substanzen  auf  die  Capillargefässe  app^‘' 
cirt,  in  ihnen  hervorrufen.  Thomson,  Wilson,  Hastings,  Kalte"' 
Brunner,  Wedemeyer  undKoen  haben  hierüber  interessante  Bco')' 
achtungen  angestcllt.  Man  beobaclitet  auf  Application  che**"' 
scher  Agentien  auf  die  kleinen  Arterien,  Haargefässe  und  Ve"®'* 
zweierlei  Veränderungen,  ln  vielen  Fällen  tritt  Erweiterung  d®*^ 
Haargefässe  nach  einigen  Minuten  ein,  wie  z.  B.  immer  nach  Al*' 
plication  des  Kochsalzes  (Thomson,  Hastings,  Wed  EMEYER,  Oeste"' 
REICHER  und  Koch).  Doch  sah  Wedemeyer,  dass  die  kleinen  *kT' 
terien  des  Mesenteriums  durch  Kochsalz  sich  zuerst  um  ^ '^***^' 
Durchmessers  verengten,  und  dass  dann  eine  grosse  Erweite*'"'’® 

' eintrat.  Nach  Application  v’on  Ammonium  hat  Thomson  Ver®"^  j 
gerung  der  Gefässe  mit  Abnahme  der  Schnelligkeit  der  Bluth®^*^^ 
gung,  Wedemeyer  und  Hastings  dagegen  Erweiterung  der 


4.  Einz.  Theile  d.  Geßlsssyst.  Capittargejässe.  Entzündung.  217 

fässe  mit  Stockungen  Leobaclitet;  Oesterreicher  sali  auf  Appli- 
cation  einer  schwachen  Äuüösung  von  Ammonium  Erweiterung, 
*>äch  Application  concentrirter  Stoffe  Verengerung  der  Gefässe  mit 
Endlicher  Stockung  der  Blutbewegung;  Weingeist  verengerte  die 
gefässe  in  Hastings  Versuchen,  eben  so  ivie  heisses  Wasser  bei 
^i'öschen , Eis  zog  Gefässe  ebenfalls  zusammen.  Häufig  be- 
merkte Hastings,  dass  diese  Mittel  zuerst  Verengerung,  späterhin 
Erweiterung  bewirkten.  Wedemeyer  sah  von  tinct.  opii,  acidum 
m'^taricuni,  höchst  verdünnter  Salzsäure,  Alcobol  keine  constanle 
Resultate.  Nur  in  ein  paar  Fällen  sah  er,  dass  Alcobol  auf  Ar- 
terien und  Haargefässe  applicirt,  den  Blutlauf  licnimte,  ohne 
*^ech  in  den  Arterien  eine  deutliche  Contraction  hervorgebracht 
***■  haben,  ln  den  Fällen,  wo  Stoffe  eine  Erw'citerung  hervor- 
}*ringen,  sieht  man  in  der  Regel  auch  Stockung  des  Blutes,  nur 
■tiiOMSoN  bemerkte  bei  der  Erw'eiterung  von  Kochsalz  bald  ver- 
***ehrte  Schnelligkeit,  bald  Stockung.  Man  bemerkt  auch  bei 
'[crengerten  Gelassen  bald  vermehrte,  bald  verminderte  Schnel- 
'gkeit.  In  einem  verengerten  Kanäle  muss  die  Schnelligkeit  ceteris 
^'‘riljus  zunehmen,  nach  einer  andern  Ursache  dagegen  abnehmen, 
m^nn  die  Ursache,  welche  den  Kanal  zusammenzieht,  auch  das 
"lut  zäher  macht  und  zum  Gerinnen  bringt,  ln  einem  erweiter- 
Kanäle  müsse  das  zugeführte  Blut  ceteris  paribus  langsamer 
me®*en,  nur  insofern  die'  von  aussen  bewirkte  Erw'eiterung  die 
Eriction  vermindert,  wird  das  Schnellerlliessen  begreiflich.  Die 
E*'klärnng  jener  Phänomene  ist  jetzt  noch  ganz  unmöglich. 

, Es  kann  seyn,  dass  die  Zusammenziehung  in  allen  jenen  Fäl- 
eine  active  Contraction  der  thieiüscben  "l heile,  es  kann  aber 
^'»«h  seyn,  dass  sie  eine  bloss  chemische  Wirkung  ist,  und  in  der 
^^^ten  Materie  eben  so  w'irkt,  indem  eine  Materie  z.  B.  den  thie- 
Theilen  einen  Theil  ihres  Wassers  entzieht.  Es  kann  seyn, 
«ass  aie  Wirkung  der  Stoffe,  welche  Erweiterung  der  Haargefässe 
^*^dinge[j , durch  vermehrte  Turgescenz  oder  organische  Affinität 
*'^'schen  Blut  und  Substanz  wirkt  ; es  kan«  aber  auch  diese  Er- 
mEehiung  eben  so  gut  durch  blosse  Endosmose  «'folgen.  Siehe  5. 
Ein  Salz  durchdringt  die  Theile  bis  zu  den  Capillargefäs- 
dieses  Salz  strebt  sich  in  dem  Blute  aufzulösen;  das  Blut 
J Capillargefässe  strebt  das  Salz  zu  lösen.  Durch  diese  Anzie- 
muss  das  Blut  in  den  Capillargefässen  aufgehalten  und  an- 
werden,  und  die  Gefässe  müssen  sich  erweitern  und  die 
Itttliewegung  stocken.  Es  ist  sogar  wahrscheinlich,  dass  in  der 
;^\®Sel,  .vvenn  ein  Salz  Erweiterung  der  Capillargefässe  bewirkt, 
'®ss  durch  blosse  Endosmose  geschieht. 

h>a  die  genannten  Versuche  mit  Application  fremder  Materien 
die  Capillargefässe  in  Hinsicht  der  Resultate  so  verschiedene 
^Wslegung  zulassen,  so  tragen  sie  auch  fast  gar  nichts  zur  Erklä- 
des  Zustandes  der  Capillargefässe  in  der  Entzündung  bei, 
de'  müssen  uns  beschränken,  hier  bloss  das  Thatsächliche 

Entzündungsprozesses  mitzutheilen,  wie  es  besonders  Thom.son, 
^^.*^t®nbrunner  und  Koca  kennen  gelehrt  haben.  Tuomson  über 
SiT  j übers,  von  Krukenberg.  Halle  1820.  Kalten- 

exp,  circa  statum  sanguinis  et  vasorum  in.  inßamnmtione. 


218  I.  Buch.  Von  den  organ.  Säften  etc.  II.  Ahschn.  Vom  Blutkreislouj- 

Monach.  1826.  Eine  kritische,  auf  eigene  Beohachtungen  gesUiUt« 
Arbeit  hat  K-och,  Meck.  Archiv  f.  Anat.  u.  Fhrsiol.  6.,  geliefert.  ^ 
Ein  entzündetes  Organ  enthalt  zu  jeder  Zeit  der  Entzündung 
mehr  Blut  in  den  kleinsten  Gefässen  oder  Capillargefässen ; alle*“ 
die  Bewegung  des  Blutes  durch  die  Gefasse  ist  in  verschiedene'' 
Zeiten  ganz  verschieden,  iin  Anfänge  sti’ömt^das  Blut  nicht 
in  Menge  dem  entzündeten  Parenciiyma  zu,  es  wird  auch  wiede“ 
ohne  grosses  Hinderniss  in  die  Venen  weiter  geführt;  in  dem  Gra 
aber,  als  die  Entzündung  weiter  schreitet,  stockt  die  CirculatK’*' 
zuerst  in  einzelnen,  dann  in  immer  mehr  aasgefüllten  Capillarg®' 
fassen,  und  im  höchsten  Grade  der  Ausbildung  sind  alle  Capilla»' 
gefasse  mit  wahi'scheinlich  geronnenem,  jedenfalls  aber  auf  irge"'' 
eine  xVrt  zersetztem  stockendem  Blute  gefüllt.  Nach  Kocu  soll  sic  ' 
dabei  der  Färhestoff  der  Blutkörperchen  im  Serum  auBösen,  w»’ 
im  gesunden  Blute  unmöglich  ist,  und  mir  auch  noch  in  der  Eid 
zündung  zweifelhaft  scheint,  da  die  faserstodigen  Exsudate  hhit'c 
seyn  müssten.  Nach  Roch  entstehen  keine  neuen  Gefaise  in  cid' 
zündeten  Theilen  (wobei  aber  zu  erinnern  ist,  dass  sie  jedenfalh 
sicher  oft  in  dem  exsudirten  Faserstoffe  entstehen).  Membranen» 
xvelche  eine  freie  Oberfläche  darhieten,  ergiessen  im  Zustande  der 
höchsten  XJeherfüllung  der  Capillargcl  ässe  den  im  Blute  aufgelöste'' 
Faserstoff,  welcher  dann  auf  der  Oberfläche  der  Membran  coag«' 
lirt  und  eine  Pseudomembran  bildet.  Wo  die  Exsudation  nicld 
erfolgen  kann,  häuft  sich  die  gerinnbare  Materie  in  den  Capillai’' 
gefässen  der  Organe  selbst  an.  Wenn  diese  Stockung  nur  in  eii’' 
zelnen  Strecken  der  Capillargefässe  stattfindet,  andere  aber  noc“ 
eine  unvollkommene  Circulation  in  dem  Organe  unterhalten,  so  u 
das  Organ  bloss  verdichtet,  was  man  in  den  Lungen  hepatisi'' » 
in  anderen  Organen  verhärtet  nennt.  Wenn  aber  durch  die  Uc*' 
tigkeit  der  Entzündung  alle  Circulation  in  einem  Organe  aufhörh 
und  alle  Capillargef  ässe  nicht  allein  coagulirtes,  sondern  auch  zcf' 
setztes  Blut  enthalten,  und  die  Substanz  selbst  zersetzt  ist,  f 
wird  ein  solcher  Theil  brandig , d.  h.  es  tritt  örtlicher  Tod  c'“' 
Thomson  (Meck..  Archiv  1.  p.  448.)  hat  beobachtet,  dass  die  G“' 
fasse  im  Brande  zuweilen  mit  coagulirtem  Faserstoffe  gelullt,  **'' 
weilen  durch  Entzündung  verwachsen  sind.  Brand  tritt  leicht“ 
hei  geschwächtem  Nerveneinflusse  und  in  gelähmten  Theilen 

Wird  endlich  die  Entzündung  noch  längere  Zeit  durch  n“''j 
Ursachen  oder  durch  die  Dauer  der  allen  hingehalten,  so  u'i'' 
die  Substanz  der  Organe  auf  eine  eigenthümliche  Weise  zerset*  ^ 
es  stossen  sich  nämlich  die  zersetzten  Theilc  als  Eiter  ab,  “''' 
aus  Kügelchen  bestehende  Materie,  die  grösser  sind  als  die 
körperchen.  Niemand,  auch  Raltenbrunner  nicht,  hat  die  L'' 
stehung  des  Eiters  noch  gehörig  mikroskopisch  beobachtet. 
kann  hierzu  kein  kaltblütiges  Thier  bi'auchcn,  und  man  inü’" 
die  Untersuchung  an  Säugethicren,  Fledermausllügeln  anstell““'  ^ 
Zwar  beginnt  die  Entzündung  mit  Phänomenen,  die  der 
gescenz  ähnlich  sind.  Die  Organe  nehmen  durch  veränderte  oiF|^ 
iiischc  Affinität  zwischen  Blut  und  Substanz  mehr  Blut  auf 
sonst,  und  verhindern  seinen  Ausfluss.  Allein  man  muss  sich 
hüten,  diess  vermehrtes  Leben  zu  nennen,  was  eine  Störung 


4.  Einz,  Theile  d.  Gefüsssyst.  Capillargefässe.  Nerveneinfluss.  219 

^ttnction  bewirkt,  und  ein  Bestreben  der  Natur  zur  Folge  batj  die 
durch  den  Entziindungsreiz  verursachte  materielle  Veränderung, 
®iue  die  Action  des  Organes  verhindernde  Verletzung,  wieder  aus- 
*'Jgleicben.  Wäre  das  Leben  erhöht,  so  würden  die  krankhaften 
^äsgange  der  Entzündung  nicht  eintreten.  In  der  Wiedererzeugung 
der  Geweihe,  in  dem  Phänomen  der  Erection,  in  der  Turgescenz 
des  Uterus  nach  der  Conception  ist  wirklich  Turgescenz  mit  örtlich 
Vermehrter  Lebenskraft  verbunden.  Reizung  und  Lebenskraft  steigen 
der  gewissermassen  in  gleichem  Grade,  aber  in  dem  Phänomen 
der  Entzündung  steigt  nur  die  materielle  Veränderung;  der  Schein 
^on  Turgescenz,  wobei  die  materiell  veränderten  Theile  das  Blut 
V'irückbalten  oder  anziehen,  um  ihren  Zustand  wieder  herzustel- 
geht  allmäblig  mit  der  Anhäufung  des  Blutes  und  mit  der 
*ä«teriellen  Veränderung  des  Organes  in  örtlichen  Tod  über,  so- 
d^ld  die  materiell  veränderten  Theile  die  Fähigkeit,  welche  sie  im 
8®sunden  Zustande  haben,  die  vitalen  Eigenschaften  des  Blutes 
erhalten,  verlieren  und  das  Blut  sich  innerhalb  der  Capillar- 
Sefugse  zersetzt.  Entzündung  entsteht  von  Reizung  der  Capillar- 
S^Iässe,  ist  aber  an  sich  weder  ein  vermehrtes  noch  ein  vermin- 
dertes Leben,  weder  Sthenie  noch  Asthenie,  sondern  ein  eigen- 
tümlicher Zustand,  der  bald  mit  noch  normalen  allgemeinen  Le- 
‘‘'^nskräften,  bald  mit  unterdrückten  Lebenskräften  verkömmt, 
im  Maasse  seiner  Ausbildung  in  einem  wichtigen  Organe  je- 
d®smal  auch  die  Lebenskräfte  erschöpft,  wenn  sie  im  Anfänge 
?mht  erschöpft  waren;  sie  ist  wesentlich  eine  durch  materielle 
''®riinderung  bewirkte  krankhafte  Wechselwirkung  zwischen  Sub- 
und  Blut,  zusammengesetzt  aus  einer  öi-tlichen  Verletzung, 
^äer  örtlichen  Neigung  zur  Zersetzung  und  einer  organischen 
j Tätigkeit,  welche  dem  Zersetzungsstreben  das  Gleichgewicht  zu 
l'alten  stiebt,  was  zuweilen  unter  den  Erscheinungen  einer  hei- 
®äden  Wunde  gelingt,  zuweilen  nicht  gelingt..^ 

. Wenn  die  Haut  in  Entzündung  versetzt  wird,  durch  einVe- 
so  sondert  sie  zuerst  statt  Perspiration  und  Schweiss  eine 
v.‘Ü8sinkeit  ab,  welche  nur  aufgelöstes  Eiweiss  enthält;  wird  die 
**Gündung  aber  heftiger,  so  kann  jede  Haut  Faserstofl  aus- 
jV-üwitzen,  und  in  der  letzten  Zeit  der  Entzündung  wird  nur 
“«r  gebildet. 

. Verschiedene  Schriftsteller  haben  in  der  neuern  Zeit  zu  be- 
jj®'sen  gesucht,  dass  die  Nerven  einen  grossen  Antheil  an  der 
^®Wegung  des  Blutes  in  den  Capillargefässen  haben.  Trevirahus 
Baumgaeutker  haben  am  meisten  diese  Ansicht  unterstützt. 
^ gewiss  es  ist,  dass  vom  Einflüsse  der  Nerven  die  Turgescenz 
Theile  abhängt,  ihre  Anziehung  gegen  die  ernährende  Flüs- 
st"  so  wenig  wird  der  Kj’eislauf  hierdurcli  nothwendig  unter- 
zahlreichen,  von  dem  trefllichen  Bausigaertser  ange- 
Versuche  beweisen  den  Antheil  der  Nerven  an  demKreis- 
hg.:.,üorcli  die  Capillargefässe  durchaus  nicht  evident.  Dieser  Avahr- 
sgj^üende  Forscher  ist  aufrichtig  genug,  zu  gestehen,  dass  viele 
ingeniösen  Versuche  nicht  stringent  beweisen;  allein  durch 
■yyjp  unvollkommener  Beweise  wird  die  Sache  nicht  besser  be- 
sen.  Baumgaertner  bewirkte  zwischen  dem  Nervus  ischiadicus 


220  I,  Buch,  Von  den  organ,  Säften  etc,  II,  Abschn,  Vom  Blutkreisl(i<‘f' 

und  den  Fnsszelien  eines  Frosches  einen  starken  galvanischeo 
Strom,  welcher  die  Reizbarkeit  dieser  Pierven  zerstörte,  wora« 
der  Blutlauf  in  den  rnehrsten  Fällen  in  dem  Gliede  auf  hörte.  P* 
aber  hier  durch  den  starken  galvanischen  Strom  die  Nervenkrai 
zerstört  wurde,  so  wurde  auch  die  Ursache  aufgehoben,  wcld*® 
die  Gerinnung  des  Blutes  verhindert,  und  ausserdem  bewirkt  sehe** 
der  Galvanismus  die  Gerinnung  des  Eiweisses  im  Blute.  PJaC** 
Zerstörung  des  Rückenmarkes  und  Gehirns  sah  Ba-umgaehtser  de" 
Blutlauf  sich  verlangsamen,  obgleich  das  Herz  noch  fortscldug;  alle'" 
die  BcAvegung  des  Herzens  selbst  war  geschwächt,  und  alle  Versuch"' 

■ wo  es  auf  ein  unbestimmtes  Mehr  oder  Minder  ankömmt,  beAveis"" 
nicht.  Trevibanus  hatte  behauptet,  , dass  nach  Durchschneiduna 
des  Nervus  ischiadicus  der  Blutlauf  in  der  SchAvimmhaut  aufhör"' 
diess  fand  jedoch  Baumgaertner  selbst  nicht  bestätigt,  wenn  d'" 
Schwimmliaut  gehörig  nass  erhalten  wurde.  Die  zahlreichen 
suche  von  Wilsos  Philip  {an  experimental  inquiry  into  the 
oj  the  oital  functions,  London  1817.)  beweisen  nichts  Aveniger 
den  Einfluss  der  Nerven  auf  die  BcAvegurig  des  Blutes  in  den  Ca' 
pillargefässen.  Die  von  ihm  auf  Gehirn  und  Rückenmark  apph' 
cirten  Narcotica,  Opium,  Infiisum  nicolianae,  machen  die  Bewegui’s’ 
des  Blutes  in  den  Capillargefässen  langsamer,  aber  durch  das  Her*j 
die  plötzliche  Zei'störung  der  Centraltheile  des  Nervensysten'* 
hebt  den  Kreislauf  in  den  Capillargefässen  auf,  aber  durch  d»’ 
Herz.  Koch  (Meck..  Archio  1827.  p.  443.)  hat  einen  ingeniö.s"" 
Versuch  angestellt,  iirn  zu  sehen,  ob  die  Nerven  Antheil  an  d""^ 
Blutbewegung  in  den  Capillargefässen  haben,  ein  Versuch,  d"" 
durch  seine  Einfachheit  wirklich  zu  einem  Resultate  führen  könnt"' 
Er  beobachtete  nach  Amputation  des  Beines  eines  kleinen  Froscb"* 
in  der  Schwimmhaut  des  amputirten  Gliedes  nur  3 Min.  lang 
wegung.  Wenn  er  aber  alle  Theile  bis  auf  den  Nervus  ischiadi""* 
durchsebnitt,  so  dauerte  ilie  BeAvegung  — ^Stunde.  Ich  hab" 
diesen  Versuch  wiederholt , er  hat  mir  aber  nicht  dieselben  B"' 
sultate  geliefert.  Nach  völliger  Amputation  des  Beines  bei  stai'b"^ 
Fröschen  sah  ich  in  der  ScliAvimmhaut  langsame  Bewegungen  no" 
10  Minuten  lang,  und  es  war  kein  Unterschied,  als  ich  den  1^"*^ 
vus  ischiadicus  allein  die  Communicatiou  bilden  Hess.  Etwas, 
hier  Irrthum  veranlassen  kann,  ist,  dass  der  Frosch  die  Musk"^^ 
des  amputirten  Unterschenkels  noch  Avillkührlich  bcAA'egt,  so 
der  Nervus  ischiadicus  unverletzt  ist  und  die  Communication 
hält.  Nach  einer  Zusainmenziehung  dieser  Muskeln  sieht 
inimer  wieder  eine  kleine  BcAvegung  in  dem  Blute  der  CapiB“'* 
gefässe,  welche  aber  eine  ganz  mechanische  Ursache  hat.  .jj 
Bei  den  Fröschen  kann  man  leicht  das  Rückgrath  öffnen»  " 
hinteren  "Wurzeln  der  Nerven  für  die  Hinterbeine  vom  Bück^^ 
mark  ahlösen,  und  mit  einer  Zink-  und  Knpferplatte  salvanis“^^j, 
Diese  hinteren  Wurzeln  der  Spinalnerven  erregen  keine  Zuckui'r  ii 
in  den  Muskeln,  Aveiin  man  sie  mechanisch  oder  galvanisch  du 


Zuckuo? 


Application  beider  Pole  auf  die  Wurzeln  irritirt,  dageg 
deren  Wurzeln  unter  diesen  Umständen  auf  der  Stelle  . 
erregen.  Ich  wollte  niiii  sehen,  ob  Application  des  Gah’aii'y" 
auf  eine  hintere  Wurzel  die  BcAvegung  des  Blutes  in  der  ScIiaa''" 


4.  Von  den  einzelnen  Theilen  des  Gefässsfstems.  Ven$n.  221 

Leschleunigt,  ein  delicater  und  etwas  complicirter  Versuch, 
“ei  dem  mir  Herr  Stud.  Hoevel  assistirte.  Ich  fand  durchaus 
keine  Veränderung  der  Bluthewegung  mit  dem  Mikroskope  in  dem 
“omente,  als  der  Assistent  die  Kette  an  der  hintern  Wurzel 
®ehloss.  Die  vorderen  Wurzeln  eignen  sich  zu  diesem  Versuche 
^'cht,  weil  dann  Zuckungen  entstehen,  welche  die  Bluthewegung 
^erändern.  Es  könnte  indess  freilich  seyn,  dass  gerade  die  vor- 
deren Wurzeln  Einfluss  auf  die  Turgescenz  in  den  Capillarge- 
fässen  ansiibten.  Erwägt  man  alles  diess,  so  folgt,  dass  die  A'er- 
wahrscheinlich  nicht  zur  Unterstützung  des  Kreislaufes  in  den 
^^einen  Gefässen  beitragen,  obgleich  es  gewiss  ist,  dass  die  An- 
d'üifung  des  Blutes  in  gewissen  Theilen  hei  der  Turgescenz  vor- 
*dglich  von  einer  gewissen  Affinität  zwischen  Substanz  und  Blut 
dßrrührt,  und  von  den  Nerven  vorzüglich  abhängig  ist.  Zur  Un- 
|®rhalturig  des  Kreislaufes  in  den  kleinen  Gefässen  ist  übrigens 
^dinerlei  Hülfskraft  nöthig,  weil  selbst  hei  geschwächtem  Herzen 
des  Frosches  das  Blut  noch  stossweise  in  den  kleinen  Gefässen 
durch  die  Kraft  des  Herzens  weiter  getrieben  wird. 

c.  Von  den  V en en. 

Wenn  die  Kraft  des  Herzens  ansreicht,  das  Blut  durch  die 
^^terien,  durch  die  Capillargefässe,  und  trotz  aller  Hindernisse 
)''ieder  durch  die  Venen  zum  Herzen  seihst  zu  treiben,  so  dringt 
^Uerhalb  einer  gewissen  Zeit  so  viel  Blut  durch  die  Vetren  wie- 
ins  Herz,  als  durch  die  Arterien  aus  ihm  heraustritt.  Die 
des  Herzens  kann  aber  auch  für  diesen  Zweck  noch  durch 
“«sondere  Hülfsmittel  unterstützt  seyn  Diess  sind  die  Klappen, 
^«Iche  so  angeordnet  sind,  dass  abwechselnder  Druck  auf  die 
"enen  die  Bewegung  des  Blutes  nach  dem  Herzen  befördert,  wäh- 
der  Mangel  an  gehöriger  Körperbewegung  schon  aus  diesem 
'^unde  den  Kreislauf  erschweren  muss.  Eigenthümliche  Bewe- 
gungen der  Venen  giebt  es  ausser  an  dem  Anfänge  der  Hohlvenen 
|.ud  der  Lnngenvenen  nicht,  und  man  sieht  hei  Säugethiefen  deut- 
*uh  die  Grenze,  wie  weit  sich  diese  Bewegung  der  Ilohlvenen 
^fstreckt,  weil  der  darüber  hinaus  gelegene  Theil  der  Venenstämme 
Juirnehr  ausgedehnt  ist,  während  sich  die  contractilen  Anfänge 
Hohlvenen  verengern.  Flourens,  der  die  Abdominalvenen- 
Ärnrne  der  Bfrösche  sich  bewegen  sah,  kannte  den  Einfluss  der 
yuiphherzen  der  Frösche  nicht,  welche  die  Lymphe  in  die  Ve- 
l^®“stämme  treiben.  Aber  bei  dem  Aal  giebt  es  nach  Marsualt. 
^i-i-’s  Entdeckung  eine  Art  Hülfsherz  am  Schwanzende,  ein  Or- 
das  ich  bei  anderen  Fischen  nicht  gefunden  habe.  FBofefEv’s 
hegt  zu  den  Seiten  des  letzten  Schwanzitfrbels, 
doppelt  und  treibt  dak  Blut,  das  'es  aus  den  feinön  Venen  des 
j^odes  der  Schwanzflosse  anfnimmt,  in  die  vena  caödalis;  ■ Vit^ 
j^^uere  halten  die  Kraft  des  Herzens  für  nngeniigendi  ünd  scht'ei- 
der  Saugkraft  des  Herzens  einen  gewissen  Ähtheif'än  'dern 

zu,  indem  nach  dieser  Ansicht- nach  der  ^ustdnnieilrie- 

der  Höhlungen  diese  wieder  zu  einem  mittlern  Zustande 
■Erweiterung  gelangen,  und  einen  relativ  leeren  Raum  bilden. 


222  I.  Buch.  Von  den  organ.  Säften  etc,  II,  Ahschn.  Vom  Blutkreislo'^!' 

ZtiGSNBTJEHLER  dUs.  de  motu  sang,  per  oenas,  Archiv  der  Med.  tin^ 
Chir.  Schovelt.  Aerzte.  1816.  Sciiubahth  in  Gilbeht’s  Annalen  181'' 
Dagegen  Carus,  Meck..  Archiv  4.  412.  Die  Erweiterung 
Herzhöhlen  nach  der  Zusammenziehung  ohne  eine  Flüssighed’ 
welche  sie  aasdehnt,  kann  zwar  nur  gering  seyn.  Es  fragt  sic*’ 
aber,  wie  viel  auf  die  Saugkraft  des  Herzens  bei  der  Circulatio*' 
zu  rechnen  ist.  Die  grossen  Venen  werden  bei  der  ZusamrnC"' 
Ziehung  des  Vorhofes  vom  Blute  voller,  indem  ein  Theil  des  BH' 
tes  zurückprallt,  oder  das  zuströraende  Blut  aufgehalten  wie**' 
und  während  der  Ervveiterung  leerer.  Diess  haben  Magesd'®’ 
'WEDEMErER  gcschen , und  ich  habe  mich  davon  beim 
überzeugt.  Diess  Factum  muss  man  kennen  zur  Bcurtheiln":’ 
der  Versuche.  Wedemever  und  Guenther  öffneten  einem  Pfci'^’’ 
die  vena  jug.,  nachdem  sie  oberhalb  untea-bunden  war,  in  dic-^ 
wurde  ein  Catheter  gesteckt,  der  mit  einer  gebogenen  Glasröh*^ 
verkittet  war.  Die  absteigende  längere  Branche  der  Glasroüb’ 
(2  Fuss)  wurde  in  ein  Glas  mit  Wasser  gehalten.  Anfangs  träte** 
Inspiration  und  Herzschlag  fast  gleichzeitig  und  gleich  schnW 
SOmal  in  der  Minute  ein,  eben  so  häufig  stieg  das  gefärbte  Wb’' 
ser  2 und  mehrere  Zolle  in  der  Glasröhre  rasch  auf,  und  sa'| 
dann  jedesmal  auf  seinen  li-ühern  Standpunkt  zurück.  Allmäbi’l' 
wurden  die  Inspirationen  doppelt  so  häufig  als  die  PulsschU'gf’ 
und  nun  sahen  Wedemeyer  und  Gitekther  lange  Zeit,  dass 
Flüssigkeit  niebt  bei  jeder  Inspiration,  sondern  bei  jedem  Pu*^ 
schlage,  und  mithin  gleichzeitig  bei  jeder  Erweiterung  des  Vorhoi?* 
aufstieg.  Dieser  Versuch  scheint  die  Saugkraft  des  Herzens 
ser  Zweifel  zu  setzen.  Dass  indess  diese  Kraft  nicht  die  vorzii^' 
lichste  Ursache  ist,  durch  welche  das  Blut  sich  in  den  Venen 
wegt,  beweist  das  Factum,  dass  die  Kraft  des  Herzens  bis  in 
Venen  reicht,  dass  ein  durchschnittener  Venenstamm  fortdaußf”^ 
aus  dem  dem  Herzen  entgegengesetzten,  mit  den  Capillargefäss®*! 
und  Arterien  in  Verbindung  stehenden  Stücke  Blut  ergiesst. 
der  Zusammendrückung  der  Brust  durch  das  Ausathmen  wer<if' 
die  Gefässe  der  Brust  comprimirt.  Dieser  Druck  hält  das  Blut 
den  Venenstämmen  auf,  und  verstärkt  den  Strom  in  den  Arteri***’’ 
Mageispie  zeigte,  dass  die  Arterien  bei  der  Exspiration  stärb** 
spritzen;  er  durchschnitt  den  Venenstamm  eines  Gliedes,  unt«**"' 
band  das  zum  Herzen  gewandte  Stück,  und  beobachtete  nun, 
das  Venenblut  bei  jeder  Exspiration  mit  verstärktem  Strome 
.Offenbar  ' ist  nun  doph  die  Zusammendrückung  der  Gefässe  b 
der  Exspiration  eine  weit  geringere  Kraft,  als  die  des  Herzeu**^ 
. Keulich  hat  Barrx  .den  Untersuchungen  über  die  BeweS**'’^ 
des  Elutes  in  den  Venen  eine  neue  Wepdnng  gegeben.  Im  voB 
Zustande  erfüllt  das  Herz  dpn  Herzbeutel  ganz.  Wenn  es  sich 
^ÜSWlPCläHebt,  SQ- entsfelit  ,ein  relativ  leßrer  Raum  in  demselh®’ 
.vPgsr  Blgf.  :der  Vgneni^bMüWe . muss  die  VA)rhöfe  füllen,  und  di** 
V-ßWl-iv  legren  Bnum  des  Herzbeutels  auszufüllen  streben. 
i^CGf  .üPch  mehr  Gewicht  auf  die;  Inspiration , er  behaup 
_4Hrichi  dasiiEiaaJ,huien.  oder  Erweitern  der  Brusthöhle  entstehe 
. der  Bros thölile  ein  relativ  leerer  Raum,  und  es  müsse  daher 
.Flüssigkeit  von  aussen i oder  von  innen  streben,  diesen  Raum 


4,  Einz,  Thetle  d.  Geßisssyst.  Venen.  Einfluss  d.  Athmens,  223 

*unelimen.  Von  aussen  tliut  es  die  atmosphärische  Luft,  indem 
die  Lungen  im  Maasse  der  Erweiterung  der  Brusthöhle  aus- 
‘l'ihnt,  von  innen  müssen  vermöge  des  äussern  Luftdruekes  die 
Flüssigkeiten  der  Gefässe  Zuströmen,  und  die  Gefässstamme  sich 
^trotzend  füllen.  Da  aber  nach  jeder  Zusammenziehung  des  Her- 
zens in  dem  Herzbeutel  ein  relativ  leerer  Raum  entsteht,  den  die 
®'ch  mit  Blut  füllenden  Yorhöfe  auszufüllen  streben,  so  muss  das 
Zuströmen  des  Blutes  nach  der  Brusthöhle  im  Acte  der  Inspiration 
"öich  vorzugsweise  nach  den  Yorhöfon  stattfinden.  Froriep’s  No- 
n.  260.  374.  393.  394.  Barry  schob  eine  gebogene  Röhre 
die  [geöffnete  und  oberhalb  unterbundene  vena  jugularis  eines 
Fliieres,  und  liess  das  untere  Ende  in  ein  Gefäss  mit  gefarbtur 
Flüssigkeit  halten.  Er  sah,  dass,  bei  jeder  Inspiration  die  gefärbte 
Flüssigkeit  in  der  Röhre  aufstieg,  hei  der  Exspiration  aber  still 
^ oJqj.  seihst  theilweise  zurück  trat.  Wenn  die  Röhre  djc;- 
Apparates  in  den,  Herzbeutel  seihst  gebracht  wurde,  so  heoh- 
'*^htote  er  auch  das  Aufsteigeri  der  Flüssigkeit.  P)i 

PoisEUiLi-E  hat  diesen  Gegenstand  auf  eine  zuverlässigere  Art 
^ötersucht.  Er  bediente  sich  des  schon  beschriebenen,  dem  He- 
F^rbaromelcr  ähnlichen  Instrumentes.  Während  sich  die  Röhre 
}**  einer  verticalcn  Lage  befindet,  wird  eine  Auflösung  von  unter- 
.^lilensaurem  Natron  hinein  gebracht,  welches,  die  Eigehschafthe- 
das  Blut,  mit  welchem  sie  sich  vermischt,  in  llüssigem  Zu- 
*l»nde  zu  erhalten..  Die  Flüssigkeit  füllt  den  kleinen  herabsLei- 
S^äden  Schenkel,  und  steigt  im  grossen  aufstetgenden  Schenkt;! 
, 's  zu  gleicher  Höhe  des  horizontalen  Anfangsstückes.  Dieser  Punkt 
der  Nullpunkt  der  Scala,  welche  in  Millimetern  auf  , dem  gros- 
verticalen  Schenkel  yerieichnet  ist.:  Indem  man  nun  in  eine 
.®ne  das  an  dem  horizontalen-Theile  angeschrauhte  Anfangsstück 
®‘"führt,  wird  die  Flüssigkeit,  wenn  eine  Anziehung  durch  Sawgpn 
® "Itfindet,  zum  Theil  in  die  Vene  übertreten,  und  in  derp- langen 
^^fticalen  Schenkel  unter  Null  fallen,  im  umgekehrten  Falle  steigen. 

®clidem  das  Instrument  in  die  ven.  jug.  ext.  eines  Hundes,  ein- 
h^lübrt  M'ar,  beobachtete  man,  dass  die  Flüssigkeit  im  Mpmentß 
Exspiration  steigt,  im  Momente  der  Inspiration  fällt.  Das 
^^®igeu  betrug  SSMillim. , das  Fallen  — 90,  später  das  erste  60, 


zweite  — 70.  Bei  grossen  Anstrengungen  Jietrug  das  Steigen 
— 4 in -1  iVTili:rn4>iiu-.  da.s  Fallen  ; — 2,40 


_^Qrend  der  Exspiration  140 — 155  iVIilliniöt*^G  das  hallen  ; 2,40 

^'-^0  beim  Einalbmen.  Diese  Versuche,,  welehe  wlederhölt , glci- 
4.  ® Resultate,  lieferten,'  bestätigen  die  Schlusslblge  von  Barby,  dgss 
Brust  im  Augenblicke  des  Einathmensi  in  iden  starken  Venen- 
."lämen  der  Brust  eine  Annäherung  des  Blutes:  der  Venen  erzepgt. 
^.^^uerseits  kann  die  Exspiration  die  Bewegung  d(3S  Veneoblutes 
,J®ät  in  allen  Venen  aufhalten,  weil  dicvlkiappeplin., den.  VönpH» 
dom  Muskeldrucke  ausgesetzt  .sind,  :dasiZtir.ückweichen  d^ 
ätes  verhindern.  , i . n 

Y Barry  hat  den  Einfluss  des  Einathmens  auf  die  Anziehung 
dg^^ählutes,  überschätzt.  Dieser  Einfluss  . zeigt  si.eh  nur  an  den 
Bmst  nahen  Veneustämmen.  Dagegen  erld^lt. 
n Vei'äuderung  des  Niveaus  an  seinem  InstrniuEnte,  ä«  den  te^- 
ets  ' Venen’,  z.  B.  den  Venen  der  Extremitäten,  Das  Ematl»- 


224  I.  Buch.  Von  den  organ.  Säften  etc.  IT.  Ahschn.  Vom  Blutkreislauf- 


men entleert  die  Venenstämme  der  Brust,  das  Blut  der  andere” 
Venen  findet  dadurcli  weniger  Widerstand;  aber  dieser  Einfl”®* 
ist  nicht  die  Hauptursacbe  der  Bewegung  des  Venenblutes, 
fällt  ohnebin  bei  den  nicht  durch  Erweiterung  der  Brust, 
dem  durch  Schlucken  einathmenden  Amphibien,  bei  den  Fische” 
und  im  Foetus  weg. 

Es  ist  also  keinem  Zweifel  unterworfen,  dass  die  Kraft,  ■vv”*' 
che  das  Blut  in  den  Arterien  bewegt,  auch  seine  Bewegung  in  de” 
Haargefässen,  und  sein  Zurückströmen  in  den  Venen  bis  z””' 
Herzen  bedingt,  und  dass  die  Anziehung  des  Blutes  in  den  Haiip*' 
■venenstämmen  beim  Einatbmen,  die  Saugkraft,  die  Klappen 
Venen  nur  einen  Theil  des  Widerstandes,  den  das  Blut  auf  di”' 
sem  Wege  erfährt,  wieder  aufheben.  Dass  die  Capillargefäs'® 
diese  Kraft  nicht  aufheben,  wird  auch  aus  dem  Kreisläufe  d”* 
Fische  bewiesen,  deren  Arterienblnt  noch  zu  allen  Organen  S®' 
führt  wird,  nachdem  es  zuvor  schon  durch  das  Capillargcfässsy' 
stem  der  Kiemen  durchgegangen  ist.  Die  Kraft  des  Herzens  h” 
hier  das  Blut  durch  zwei  Capillargcfässsystcme,  zuerst  durch  d*® 
Kiemen,  dann  durch  die  Arterien,  die,  wie  wir  von  Nysten  Yf'*” 
sen,  hier  auch  nicht  contractil  sind,  und  wieder  durch  das  Cap”' 


largefässsystem  des  ganzen  Körpers  zu  treiben.  So  reicht 


die  Kraft  des  Herzens  hin,  das  Blut  bei  allen  Wirbelthieren  no”' 
durch  das  Capillargefässsystem  der  Pfortader  zu  treiben,  nach' 
dem  es  schon  die  Capillargefässe  des  Darmes,  der  Alilz  eF' 
durchgegangen  ist. 

Die  Veränderungen  der  Bluthewegung,  welche  durch 


Athembewegungen  entstehen,  bewirken  in  einigen  Tlieilen  e”'*' 


Art  von  Ansclnvellung,  indem  die  Zusammendrückung  der  Br” 
im  Ausatbmen  die  Gefässstämme  comprimirt,  das  Blut  der  ArJ*' 
rien  stärker  aus  der  Brusthöhle  anstreibt,  und  das  Einströmen  ”, 
Venenblutes  in  den  rechten  Vorhof  aufhält.  Man  sieht  da”*^ 
nicht  atllein  die  Jugularvenen  beim  Ausathmen  voller,  sondef 
selbst  das  Gehirn  zur  Zeit  des  Athmens  blutreicher  werden,  ’ 
dass  das  blossgelegte  Gehirn  auch  bei  Menschen,  svelche  trep”' 
nirt  sind,  beim  Ausathmen  sich  etwas  erhebt,  und  beim  Einat” 
men  senkt.  Magendie  will  diess  auch  vom  Rückenmarke  he” 
achtet  haben.  Während  des  Lebens  kann  bei  geschlossen” 
Schädel  keine  Bewegung  des  Gehirnes  durch  das  Atbmen  6”^*^ 
hen,  da  die  Schädelhöhle  von  festen  Wänden  eingeschlossen 
und  das  Gehirn  sein  Volumen  nicht  verändern  kann.  Was 
darüber  vorgebracht  hat,  lässt  sich  leicht  durch  die  physicaUs” 
Unmöglichkeit  widerlegen.  i,  I 

Wenn  die  Bewegung  des  Blutes  in  den  Venenstämmen 
mechanische 'Hindernisse  gehemmt  wird,  so  entsteht  Erguss  ''  1 
■\yässerigen ' ei  weisshaltigen  Theilen  des  Blutes  in  die  Höhlen 
ins  Zellgewebe.  Faserstotf  wird  nicht  ei'gossen,  vielleicht  ^ 
die  Lymphgefässe  beständig  aufgelösten  Faserstoff  abführen. 

Häutig  findet  man  in  den  Arterien  nach  dem  Tode  Blut, 
bei  Erhängten,  Ertrunkenen,  im  Kohlendampfe  Erstickten,  ■ 
Entzündungen,  in  verknöcherten  Arterien.  Siehe  Otto  path.  j 
1.  343.  Aber  gemeiniglich  findet  man  die  Arterien  leerer  1 


5.  Verhalten  der  Gefässe  hei  der  Resorption  und  Exsudatton.  225 

Venen.  Es  ist  bekannt,  dass  die  Arterien  gcwöbnlicb  sieb 
•n  dem  Maasse  verengern  und  verkürzen,  als  sie  weniger  Blut 
«ntlialten,  d.  h.  bis  aut'  eine  gewisse  Grenze.  Die  elastische  Ver- 
Cngerung  der  Arterien  treibt  nun  im  Tode  noch  das  Blut  in  ei- 
J'em  gewissen  Grade  weiter,  insoweit  nämlich  die  Arterien  stre- 
"6n,  ihren  spätem  engen  Zustand  einzunchmen.  Einige  Zeit 
•'ach  dem  Tode  muss  die  Menge  der  Flüssigkeiten  in  den  Gefäs- 
beträchtlich  vermindert  seyn,  weil  bei  der  Fähigkeit  der  thie- 
J‘>schen  Theile,  durch  ihre  Porosität  sich  mit  wässerigen  Flüssig- 
keiten zu  imbibiren,  sie  flüssige  Theile  des  Blutes  durchlassen. 
^^eson  (Meck.  Archiv  6.  604.)  schreibt  das  Leerseyii  der  Arterien 
^'orzüglich  den  Lungen  zu;  indem  diese  nach  dem  letzten  Athemzuge 
durch  ihre  Elasticität  sich  zusammenziehen,  soll  ein  leerer  Raum 
^Utstehen , den  die  Flüssigkeiten  durcli  Ervveiterung  der*  venösen 
"tämme  der  Brust  und  der  Lungen  einnehmen  sollen.  Carsok 
die  Arterien  voller  bleiben,  wenn  er  bei  sterbenden  Thieren 
den  Brustkasten  öffnete.  Allein  die  Elasticität  der  Lungen  kann 
‘'icht  so  gross  seyn. 

Pabey,  welcher  ZAvar  die  rhythmische  Contractilität  derArte- 
läugnet,  aber  den  Tonus  oder  die  uninerkliche  gleichförmige 
kontractilität  derselben  ausser  der  Elasticität  annimmt,  erklärt  die 
krsclieinungen  folgendermaassen  s Nach  dem  Tode  ziehen  sich 
Arterien  durch  ihren  Tonus  starker  zusammea,  als  sie  durch 


,'•'0  Elasticität  gethan  haben  würden,  wodurch  das  Blut  zum 


ili 

Tlieir  in  die  Venen  getrieben  wird.  Bald  hört  der  Tonus  auf, 
die  Arterien  werden  nun  wieder  weiter.  Diese  Veränderun- 
pö  des  Durchmessers  der  Arterien  will  Pahay  nach  dem  Tode 
,^®ubachtet  haben.  Bei  der  unerwiesenen  Hypothese,  dass  die 
kueilcbcn  des  arteriellen  Blutes  von  den  Thcilchen  der  Substanz 
^''gezogen  werden,  aber  dunkelroth  geworden,  diese  Anziehung 
.,®*'lieren,  Hesse  sich  eine  Erklärung  aufstellen,  die  unwahrschein- 
'®lier  ist. 


^npitel.  Vom  Verhalten  der  Blutgefässe  bei  der 
Aufnahme  und  Ausscheidung  der  Stoffe. 


a.  Von  der  Resorption. 

5 , Vor  der  Entdeckung  der  Lymphgefässe  durch  Asellius  1622 
. ^fieb  man  den  Venen  die  Resorption  zu.  Nach  dieser  Entdek- 
Und  nachdem  man  die  Lymphgefässe  in  den  meisten  Orga- 
kennen  gelernt  hatte,  hielt  man  sie  für  die  alleinigen  Organe 
j.  *■  Resorption.  Die  Ansicht  von  der  Resorption  der  Lymphge- 
sRRzt  sich  auf  das  Anschwellen  der  Lymphgefässe  des  Dar- 
Zeit  nach  dem  Essen;  ferner  auf  das  anatomische  Ver- 
Eni”''**’  diese  Gefässe  durch  Klappen  den  Lauf  des  Cbylns 

ge».  Rymphe  gegen  den  ductus  tboracicus  befördern,  den  ent- 
d^^"S®®etzten  hemmen  müssen.  Indessen  bat  man  in  verschie- 
Zeiten  dagegen  gewarnt,  dass  man  die  Lymphgefässe  nicht 
Einzige  Organe  der  Resorption  betrachten  könne.  Bekannt 
’k'iUer's  Physiologie.  1.  15 


226  T.  Buch.  Von  den  Organ.  Stiften  etc.  II.  Ahschn.  Vom  Blutkrehlauj- 

ist  die  Resorption  der  Knoclienmasse  ini  Innern  der  Knochen  he‘ 
Entstehung  ihrer  Zellen,  die  Absorption  der  Alveolen  der  Zähne, 
hei  den  Alten,  und  doch  existiren  in  den  Knochen  keine  Lympu- 
gefässe.  Man  kennt  die  Resorption  von  Eiter,  Stücken  der  Cry- 
stalllinse  und  Blut  im  Auge,  von  dessen  Innerm  doch  keine  Lymp 
eefässe  bekannt  sind.  Endlich  dürfte  man  nur  an  die  Aufsaugung 
der  Dotterflüssigkeit  von  der  Keimhant  erinnern,  von  welcher 
Niemand  behaupten  wird,  dass  sie  in  den  ersten  Tagen  schon 
Lymphgefässe  besitze,  xvenn  nicht  auch  die  wirbellosen  Tinern 
(ohne  Lymphgefässe)  dasselbe  lehrten.  Allein  die  Thatsache  einer 
unmilterbaren  Resorption  in  das  Blut  ohne  Vermittelung  der 
Lymphgefässe  musste  auf  einem  langwierigen  experimentellen 
Wege  gefunden  xverden,  wobei  sich  Magesdie,  Emmebt,  Mav:^» 
Lawrence,  Coates,  Tiedemann,  Gmelin  und  Westrumb  vorzügli^® 
Verdienste  erworben  haben.  Delille  und  Magendie  trennten  bc^ 
einem  Hunde  den  Schenkel  vom  Körper  bis  auf  die  art.  und  ven. 
cruralis,  welche  die  Communication  mit  dem  Stumpfe  unterhielten- 
Diese  beiden  Gefässe  wurden  rein  präparirt  und  ihre  äussere 
Zellhaut  xveggenommen , 2 Gran  eines  sehr  starken  Giftes  (upä* 
tieute)  wurden  darauf  in  den  Fuss  elngebracbt  (enfonces).  Di® 
Wirkung  des  Giftes  war  eben  so  schnell,  als  wenn  der  Schenke* 
unverletzt  geivesen,  so  dass  die  Symptome  in  4 Minuten  sich  zeig 
ten,  und  das  Thier  in  10  Minuten  dem  Tode  unterlag.  MagendI® 
und  Delille  machten  einen  ähnlichen  Versuch  an  der  Dari»' 
schlinge  eines  Hundes,  dessen  Lymphgefässe  durch  eine  gut« 
Mahlzeit  vorher  sichtbar  gemacht  worden.  Die  Darmschling® 
wurde  an  zxvei  Stellen  unterbunden,  mit  einem  Zwischenraui»® 
von  4 Decimeter.  Sie  unterbanden  auch  die  Lymphgefässe  dieser 
Schlinge  mit  zxvei  Ligaturen,  und  schnitten  sie  dazwischen  Anrc  - 
Sic  überzeugten  sich,  dass  keine  weiteren  Lymphgefässe  von  de 
Darmschlinge  führten,  so  dass  dieselbe  nur  durch  die  Arterie® 
un<l  Venen  mit  dem  Kreisläufe  in  Verbindung  stand.  Dara® 
injicirten  sic  in  die  Darmschlinge  2 Unzen  decoct.  nuc.  voni.,  de 
Ausfluss  xvurde  durch  eine  Ligatur  gehindert.  Nach  6 Minute 
zeigten  sich  die  Symptome  der  Vergiftung.  Meck.  Arch.  2.  181 
p.  25-3.  precis  de  p/ijsiol.  2.  203.  . ^ 

Magendie  legte  bei  einem  jungen  Hunde  von  6 Wochen  e'®^ 
Jugniarvene  bloss,  und  isolirte  sie  in  ihrer  ganzen  Länge,  p®  ® ^ 
er  eine  Karte  darunter  bringen  konnte.  Dann  liess  er  auf  die  Ve®^ 
eine  wässerige  Auflösung  von  extract.  nuc.  vom.  spiriL  wirk^^ 
Die  Vergiftungssymptome  zeigten  sich  vor  der  4ten,  bei  erwac 
senen  Hunden  nach  der  lOten  Minute.  Physiol.  2.  279.  ^ 

Segalas  (Magendie  Journal  de  Physiol.  2.  p.  117.)  hat 
Versuche  auf  andere  Art  wiederholt.  Er  konnte  nach  Unterb*^^ 
düng  der  Blutgef  ässe  oder  der  blossen  Venen  einer  Darmschh®» 
und  bei  unversehrten  Lymphgefässen,  in  einer  Stunde  nicht  ei® 
Hund  durch  Application  des  Giftes  in  der  Darmschlinge  tödte®:^^ 
Mayer’s  Versuche  mit  Einspritzung  von  blausaurem  Kal' 
die  Lungen  verdienen  eine  umständlichere  Erwähnung. 

2 — 5 Minuten  kann  dieses  Salz  schon  im  Blute  gefunden 
in  dessen  Serum  durch  Anwendung  von  salzs.  oder  Schwefels- 


5.  VerJtalten  der  Geßisse  lei  der  Resorption, 


227 


senoxyd  ein  grüner  oder  blauer  Niederschlag  erfolgt.  Dieser  TJe- 
ßergang  ins  Blut  ist  zu  schnell,  als  dass  er  durch  Vermittelung  des 
langsameren  Laufes  der  Lymphe  erklärt  werden  könnte.  Bei 
Einspritzung  jener  Salzauflösung  in  die  Lungen  zeigte  sie  sich 
*'Jerst  im  Blute,  viel  später  im  Chylus,  früher  im  linken  Herzen, 
^ann  im  rechten  Herzen  noch  keine  Spur  zu  erkennen  war,  was 
®>ch  umgekehrt  verhalten  müsste,  u'^enn  die  Aufsaugung  durch  die 
Eympligefässe  geschehen  wäre,  indem  die  Lymphe  zunächst  in  das 
wörpervenenhlut  geführt  wird.  Schon  8 Minuten  nach  der  Ein- 
®hssung  in  die  Lungen  erkennt  man  die  Flüssigkeit  im  Harn.  Man 
l'emerkt  sie  ferner  in  der  Haut,  in  der  Feuchtigkeit  der  Gelenk- 
|*hhlen,  in  der  Höhle  des  Unterleibes,  in  der  Brusthöhle,  im  Herz- 
~6utel,  im  Fette,  in  den  fibrösen  Häuten,  z.  B.  dura  mater,  in 
~6n  Aponeurosen,  in  der  Arachnoidea,  in  den  Kapsel-  und  Seiten- 
l*andern,  inneren  Gelenkbändern  (z.  B.  lig.  cruciat.  des  Kniege- 
lenkes, lig.  teres  der  Pfanne),  in  der  Korpelhaut,  in  den  Klap- 
pen des  Herzens. 

^ Von  den  Absonderangsorganen  wurden  nur  die  Nieren  und  der 
Earn  gefärbt,  weil  das  hlaus.  Kali,  wie  die  meisten  Salze,  durch 
nie  Nieren  wieder  ausgeschieden  wird.  Die  Leber  zeigte  keine 
Färbung  an  ihrer  äussern  Oberfläche,  wohl  aber  in  ihrem  Paren- 
jedoch  nur  an  Stellen,  wo  grosse  Gefässe  lagen,  und  wo 
nas  Zellgewebe  der  capsula  Glissonii  sie  umgab.  In  der  Galle  liess 
^•®h  keine,  in  der  Milch  nur  eine  unbedeutende  Farhenveränderung 
^•'k^ennen.  Deutlicher  war  die  Färbung,  namentlich  des  Zellgewe- 
jp*  in  Hoden,  Speicheldrüsen  und  Puncreas.  Die  Milz  zeigte  keine, 
Nebennieren  kaum  eine  Farbenverändernng.  Gar  keine  Far- 
etjveränderung  zeigten  die  Muskeln,  ausser  an  Stellen,  wo  fibröse 
,**äute  die  Muskelbündel  bekleideten.  Die  Nerven  wurden  zwar 
ausserlich  grün,  aber  diess  rührte  von  dem  sie  umgebenden  Zell- 
kewebe  her.  Das  Nervenmark,  das  Gehirn  und  Rückenmark  zeigte 
ast  gfip  keine  Farbenveränderung.  In  den  Knochen  keine  Spur 
on  Farbenwechsel.  Da  indess  das  blaus.  Kali  durch  das  Blut 
alle  Theile  gleich  verbreitet  wird,  so  scheint  es,  dass  es  von 
**'igen  Tbeilen  vielleicht  verhüllt  oder  zersetzt  wird,  so  dass 
j®*sen  Entdeckung  durch  Reagentien  unmöglich  gemacht  wurde. 
Archio.  T.  3.  1817.  485. 

Die  Versuche,  welche  die  Akademie  der  Medizin  von  Philadel- 
phia anstellte  [Philadelph.  Journ.  N.  6.  Froriep’s  Not.  N.  49.),  schel- 
zum  Theil  mit  Mayer’s  Resultaten  und  allen  den  vorherge- 
®oden  iin  Widerspruch  zu  stehen,  und  für  die  vorzugsweise  Auf- 
^hhme  durch  die  Lymphgefässe  zu  sprechen.  Allein  sie  sind  nach 
Jp*"  ■"'ie  sie,  angestellt  wurden,  nicht  beweiskräftig.  Die  Aka- 
de**^*^  fand  nach  Injection  in  das  Abdomen  oder  den  Darm  von 
*■  Solution  von  blausaurem  Kali,  35  Minuten  und  mehr  nacb- 


r der  Mehrzahl  der  vielen  Versuche  den  Chylus  deutlich 
i Zusatz  von  Eisensalz  blau  gefärbt,  dagegen  sich  in  dem  Se- 
tei^  Blutes  und  im  Urin  meist  auch  eine  schwache  Färbung 
Zeitraum  von  35  Minuten  ist  viel  zu  gross;  man 
je  ■'''ie  in  Mayer’s  Versuchen,  mehrere  Minuten  nach  der  In- 
Blut  und  Harn  untersuchen  c.»  .i.o 


müssen. 


Denn  so  wie  die 

15* 


'228  J.  Von  den  organ,  Säften  etc.  II.  Ahschn.  Vom  BluikreiAouf- 

Verswclie  angestellt  minien,  heweisen  sie  nur,  dass  cliemisclie 
A"entien  auch  durch  die  Lymphi>efässe  aufgesogen  werden. 
fanden  die  Verfasser  in  einem  Falle  (N.  36.)  2 Minuten,  nachdei» 
eine  Ratze  1 Unze  von  der  lilausauren  Kaiisolution  versclilungel) 
als  sie  die  Katze  verhltiten  liessen,  das  Salz  im  Urin,  wenn  gleich 
nicht  im  Serum  des  Blutes  und  im  Cliylus,  wo  das  Salz  doch 
lediglich  in  das  Blut,  und  vom  Blute  in  den  Harn  gelangt  sey» 
konnte.  Die  Commission  der  Akademie  unterband  in  mehrere" 
Fallen  die  vena  portarum,  welche  das  Blut  vom  Darme  aufniinmti 
gleichwohl  erzeugte  nux  vomica  in  eine  Darmschlinge  gebracht? 
nach  23  und  mehr  Minuten  Tetanus,  während  die  blosse  Unter- 
bindung der  vena  portarum  in  anderen  Fällen  zwar  auch,  aber 
ohne  Krämpfe  tödtete.'  Diese  Versuche  scheinen  zu  beweisen? 
dass  die  Lymphgefässe  des  Darmes  das  Gift  ins  Blut  gebracht 
batten.  Diess  kann  auch  wohl  seyn  in  einem  Zeiträume  von  2» 
Minuten,  ohne  dass  daraus  die  Resorption  in  das  Blut  in  kürzere^ 
Zeit  widerlegt  wird.  Auch  anastomosiren  Zweige  der  DarravencP 
mit  Zweigen  der  untern  Hoblvene.  Siehe  oben  p.  175. 

Westrumb  fand  nach  Einspritzung  von  blaus.  Kali  in  de" 
Magen  diess  schon  nach  2 Minuten  im  Harn,  ohne  dass  Lymph® 
und  Chylus  blaus.  Kali  enthielten.  Die  Ureteren  waren  durchschiiit' 
ten  und  daran  Röhrchen  liefestigt  w'orden,  woraus  der  Harn  auF 
gefangen  wurde.  Meck.  Archlo  7.  525.  540. 

Tiedemabs  und  Gmei.tn  fanden  in  ihren  zahlreichen  Vers"' 
chen  mit  FärbestolFen  und  Salzen,  die  sie  in  den  Mund  eingcg"' 
ben,  und  die  leicht  als  solche  oder  durch  Reagentien  erkannt  wcf' 
den,  nach  mehreren  Stunden  niemals  etwas  von  Färhestoffen 
den  Chylus  übergegangen,  obwohl  diese  Stoffe  im  Blute  und 
Urin  erkannt  wurden,  und  obgleich  sie  bis  in  den  Darm  gelang 
W'aren.  Von  Salzen  fand  sicli  unter  zahlreichen  Versuchen  n"® 
einigemal  etwas  in  den  Chylus  übergegangen;  bei  einem  Pferde? 
das  schwefelsaures  Eisen  bekommen  batte,  so  wie  einmal  blausa"' 
res  Kali  im  Chylus  eines  Hundes  vorkam,  dagegen  nicht  in  eiu"*'| 
andern  Versuche;  schwefelblaus.  Kali  zeigte  sich  im  Chylus  ei"®’ 
Hundes.  Der  Einwurf,  dass  die  Substanzen  schon  aufgesogen  se)" 
konnten,  widerlegt  sich  aus  dem  Umstande,  dass  der  Darm  "O® 
eine  Menge  aufsaugharer  Stoffe  enthielt.  Diese  Resultate,  'vvel®"^ 
durch  die  Genauigkeit  der  Versuche  einen  hoben  Grad  von 
verlässigkeit  haben,  stimmen  mit  den  von  Halle  (Foubchoy  sy  ' 
des  comiaiss.  chim.  10.  66.)  und  Magesdie  {physiol.  ed.  1.  ^ 

157.)  gemachten  Versuchen  überein.  Dagegen  sie  mit  den  V®*! 
suchen  von  Martin  Lister  und  Musgrave  {Phil.  Trans.  1701. 
von  Munter,  Haller  und  Blumenbach  im  Widerspruch  stehof' 
wie  denn  auch  Viridet  und  Mattei  an  dem  Chylus  eine  g®* 
und  rotbe  Farbe  nach  Füttern  mit  Eigelb  und  rothen 
bemerkt  haben  wollen.  . 

Fodera  füllte  bei  einem  lebenden  Thiere  eine  Darmschh"»^ 
mit  einer  Auflösung  von  blausaurem  Kali,  und  unterband  sie 
zwei  Stellen,  tauchte  die  Darmschlinge  dann  in  eine  Solution  ''j  ^ 
schwefelsaurem  Eisen,  und  sah  die  Lymphgefässe  und  Venen  ^ f 
werden.  Recherch.  exp,  sur  Pexhalation  et  tabsorption.  Par. 


5.  Verhalten  der  Gefässe  bei  der  Resorption. 


229 


^ghroeder  d.  Kolk  sali  Lei  diesem  Experimente  Lloss  die  blaue 
arJ)e  in  den  Lympligef assen , aber  nicht  in  den  Venen.  Das 
'•usaure  Kali  im  Dai'ine  batte  nach  eiijer  halben  Stunde  noch 
llJcht  seine  b'arbe  ver.indert,  so  dass  das  schweleUaure  Eisen  noch 
'cht  durch  die  ganzen  Dai'mwändc  eingedriingen  war.  DIcss  bc- 
^«ist  nicht  absolut  gegen  den  unmitüdharen  Üchergang  der  Stolle 
* Blut.  Denn  die  ins  Blut  iihergegangenen  kleinen  Quantitäten 
j erden  sogleich  weiter  bewegt,  dagegen  die  Bewegung  des  Chy- 
^s  in  den  Lymphgefässen  nicht  sehr,  schnell  ist.  Auch  ist  eine 
»ue  Farbennuance  am  Blute  selbst  iiiisserst  schwer,  und  nur  si- 
®*er  am  Blutscrurn  zu  erkennen,  LswaESCE  und  Coates  erkann- 
das  Salz  nicht  eher  im  Bhite,  bis  es  sich. im  obern  Thcile 
ductus  . Ihorac.  zeigte,  Fror;.  NoI.  77. 

Mehrere  Versuche,  sind  mit  Unterbindung  des  ductus  thora- 
^'eus  von  Baooip,  M.sr.ENniE,  Delillij  und  Seoalas  angestellt  wor- 
Bropie  sah  tödtliclm  Wirkung  des  Weingeistes,  dos  Wor.a- 
p^adtes,,  auch  nach  Unterbindung  . des  ductus  Ihoracicus.  Brodie, 
"d.  Trans.  ISdl.  BerL’s  Archio.  T.  12. 

Da  der,  ductus  thora.cicus  .zuweilen  Nervenverbindnngen  bei 
liieren  eingeht,  zuweilen  xvie  beim,  Schweine,  Zweige  in  die 
cna  Hzygos  übergehen,  zuweilen  sogar  seihst  ein  rechter  ductus 
^.oraci.cus  vorhanden  ist,  ..flie . Lymphgela.sse  aber  vielfach  mit 
^'»arider  in  Verbindung  stehen,  sq  kann  die  Unterbindung  des 
j^"ctus  thoracicus,  den  Ugbergang,  der  vergifteten  Lymphe  in  das 
nicht  labsolul  hindern,  ..^EAquEET’s  Versuche  zeigen  den  nn- 
dtelharen  Uehergang  von  ■ Steifen  in  , das  Blut  durch  den  Man- 
jenes  Ueberganges.  njicli'  Unterbindung  der  Blutgefässe.  Em- 
■'T  Unterband  die  aortu  iibdorninalis.  IVun  braebtie.  er  blausau- 
Kali  und  ein  DecQct  .dpr.,  angustura  virosa  in  verschiedene 
"nilen  der  Füsse.,  ,Das  bbius^jurp  Kali  wurde  resorhirt  und  hn, 
ge  ‘ingustnra  wirkte  nicht  vergiftend  wie 

j,i '''°*<'dich.  ln  einem  andern  Versuche,  sah  Esimert  nach  Unter- 
^ der  aorta  ahdomiiialjs  von  Blausäure, die  in  eine  Wunde 

So*  gcl)racht  wortfen,  sqlhst  nach  70  Stunden  keine  Fol- 

tj,.  I’  jBs  aber  dann  das,  Ligament  von  der  Aorta  gelöst  wurde, 
/ '*  Vergiftung  nach  .einer  halben  Stunde  ein.  Meck.  Arrhie 
;[c,  /i"  17S.  Schkelj,  diss.  sist.  hist,  veneni  upas  aniiar.  Tub. 

rac]'  Tabing.  Bläu  er  ,.3.,  U ' 'iSiE?.  Schaeee  de  rffcctihus  ventni 
Phy  ae/lebori-  nigri..  Tub.  1819.  Vergl.  ,Westru,''b 

Untersuchungen  über  die  Einsaugung.ikrqfl  der  Venen. 
^ 18‘25.  Tibdemans  und  Gmeiin,  Versuche  über  die  Wege, 

Substanzen  ms,  dtm  Blasen  und  Uarmkana!  ins  Blut  ge- 
^^^'^''^^-  .1820.  Seiler  und  Ficmus  in  Zeitschrift  für  Na- 

de  ahsorpt ione  oenosa.  Vra- 
Uun^‘  Lebküchner  diss.  uirum  per  vioejüium  adhuc  anima- 

QppP  ^^'"aranas.  atipie  i/asorum.  paricte-i  nulteriae.  pondmibilcs  Ulis 
P'-^-ore  queant  nec  ne.  Tub,  1819.  Wedeaiever  über 
‘**»8S  Uaniiovcr  1828.  421.  JAcon.s,;«  endlich,  hat  gezeigt, 

!''“®^«res  Kali  hei  den  Mplliiskon,  welche  keine  Lymphge- 
Ir^  . doch  leicht  von  allen  Oberflächen  ins  Blut  ge- 

o • und  daraus  wieder  durch  die  Sepretionsorgaue  (Lunge,  Le- 


230  I.  Buch.  Von  den  organ.  Säften  etc.  II.  Ahschn.  Vom  Blutkreislauf. 

ber,  saccus  calcarens)  ausgeschiedea  wird.  Froriep’s  Notizett 
14. /J.  200. 

Der  UeLergang  von  Stoffen  unmittelbar  in  die  CapiUargeräss 
des  Blutes  ist  nach  allen  diesen  Versuchen,  am  meisten  aber  durc» 
die  überaus  schnellen  Wirkungen  eines  Giftes  erwiesen,  da  sie» 
eben  so  bestimmt  beweisen  lässt,  dass  die  allgemeinen  Vergiftungs- 
wirkungen nicht  von  dem  Nervenzusarnmenbang,  sondern  nur 
von  dem  Kreisläufe  abbängen.  Siebe  das  erste  Capitel  der  Ner- 
venpbysik.  Gleichwohl  Hessen  sich  alle  diese  Erscheinungen  auch 
aus  der  Resorption  der  Lympbgefasse  erklären,  wenn  die  Annahme 
einiger  Neueren  von  der  Communication  der  Lymphgefässe  un» 
kleinen  Venen  in  oder  ausser  den  Lymphdrüsen  richtig  wären- 
Allein  dieser  Einwurf  lässt  sich  durch  Thatsachen  über  die  Imbi- 
bition der  thierischen  Gewebe  vollkommen  widerlegen.  Man  ha 
diesen  XJehergang  bisher  von  einer  eigenen  Resorplionskraft  dß*" 
Venen  abhängig  gemacht.  Allein  es  lässt  sich  zeigen,  dass  aufgelö- 
ste Stoffe  auch  ohne  die  eingebildeteResorptionskraft  der  Venen  n* 

das  Blut  der  Capillargefässe  dringen,  und  wenn  diess  ist,  so  ver- 
breiten  sie  sieb  daruni  zönachst  mit  dem  Venenblnte,  weil  allc^ 
Blut  aus  den  Capillargefässen  von  den  Arterien  aus  die  BeweguOfl 
nach  den  Venen  und  nach  dem  Herzen  hat.  Das  Urpliänomen 
des  unmittelbaren  Ueberganges  von  aufgelösten  Stoffen  ins  Blut  if 
die  Tränkung  der  thierischen,  auch  todten  Theile  mit  Flnssigkei 
durch  ihre  unsichtbare  Porosität  oder  die  Imbibition,  und  inso- 
fern  diese  Resorption  auch  von  ganz  todten  thierischen  Theil^^ 
ausgeüht  wird,  werden  wir  sie  mit  Recht  im  Gegensatz  der  lym- 
phatischen Resorption  die  unorganische  tlennen.  ■ 2 ^ 

Gase  und  tropfliare  dünnflüssige  Stoffe  durchdringen  mit  “O  ! 
was  sie  aufgelöst  enthalten,  nasse  thierische  Theile.  ZweieH 
Gase  ln  und  ausser  einer  nassen  thierischen  Blase,  die  vorh 
trocken  gewesen  seyn  kann,  setzen  sich  ins  Gleichgewicht  ® 
Vertheilung.  Ein  Gas  durchdringt  eine  nasse  Blase,  urn  vo^ 
darin  befindlicher  Flüssigkeit  absorbirt  zu  werden ; schon  hiero'' 
sieht  man,  wie  luftförmige  Stoffe  beim  Athmen  an  das  Blut  tr 
ten  können,  ohne  dass  Blutkörperchen  ausfliessen.  Denn  die  Ga. ^ 
durchdringen  die  Häute,  welche  von  Capillargefässen  und  kro^ 
sendem  Blute  durchzogen  sind,  und  lösen  sich  im  Blute  "'O* 
Capillargefässe  auf,  während  die  Häute  der  Gefässe  zwar  di^^ 
ihre  allgemeine  unsichtbare  Porosität  für  Gase  und  tropfbar  • 
sige  aufgelöste  Stoffe  permeabel  sind,  aber  keine  dem  Durchm  ^ 
ser  der  Blutkörperchen  entsprechende  Oeffnungen  haben.  ^ 
berbindet  man  ein  mit  Wasser  gefülltes  Glas  dicht  auf  dem 
ser  mit  einer  feuchten  Thierblase,  und  streut  ein  Salz 
feuchte  Blase,  so  löst  sich  das  Salz  in  dem  die  Poren  der 
durchdringenden  Wasser  auf,  und  theilt  sich  von  diesem 
dem  Wasser  des  Gefässes  mit.  Die  Grundursache  der  Imbibi  ' 
der  Permeabilität  der  thierischen  Theile,  ist  daher  das 
der  Stoffe,  sich  in  der  Flüssigkeit,  in  der  sie  aufgelöst  wor 
gleichförmig  zu  verbreiten.  Ein  aufgelöstes  Salz  strebt  sie  * 
einer  andern  Flüssigkeit,  womit  es  sich  mischen  kann,  weile 
vertheilen,  wie  Salzwasser  und  Wasser  sich  ins  Gleichges^ 


5.  Verhallen  der  Gejässe  hei  der  liesorptlon.  Endusmose,  231 

der  Verthellung  setzen.  Da  nun  die  tliierischen  Thelle  von  "wäs- 
serigen Flüssigkeiten  "weicli,  und  ihre  Poren  von  "wässeriger  Flüs- 
sigkeit angefüilt  sind,  so  wird  ein  aufgelöster  Stoff  sich  dem  AVas- 
ser  dieser  Poren  mittheilen,  und  selbst  durch  die  Poren  einer 
Memhran  hindurch  sich  wieder  in  Flüssigkeiten,  welche  die  Mem- 
bran berühren,  weiter  zu  vertheilen  streben,  bis  das  Gleichge- 
wicht der  Vertheilung  zwischen  zweien  die  Membran  berüliren- 
den  Flüssigkeiten  hergestellt  ist.  Es  giebt  indessen  besondere 
"Umstände,  wo  die  Imbibition  durch.  Capillarität  iind^  Anziehung 
''erstarkt  wird.  Das  Erstere  ist  der  Fall  beini  Aufweicben  eines 
trockenen  thierischen  Theiles,  "WO  die  Capillarität  der  leeren  Po- 
*'en  das  Eindringen  der  tropfbarflüssigen  Stoffe  befördern  muss. 
Itas  Zweite  zeigt  sich  in  dem  Phänomen  der  Endosmose  und  Ea;os_ 
^ose,  Diess  ist  ein  zuerst  von  Parbot  entdecktes,  von  Porret 
;>nd  Dutrochet  u.  A.  weiter  untersuchtes  Phänomen.  Bringt  man 
*•>  eine  Glasröhre,  die  unten  mit  Thierblase  ziigebunden  ist,  eine 
Auflösung  von  irgend  einem  Salz,  von  Zucker,  so  dringen  die 
'^tieilchen  desselben  zwar  in  die  Poren  der  Blase,  aber  nicht  aus- 
sen  hervor.  Stellt  man  die  gefüllte  Itöbre  in  ein  Gefäss  mit 
'lest.  Wasser,  so  steigt  allmählig  das  Niveau  der  Innern  Flüssig- 
keit und  bisweilen  um  mehrere  Zoll.  Durch  B.eagentien  erkennt 
l^an  aber  auch,  dass  zugleich  Theilchen  der  Auflösung  in  das 
Nässere  Wasser  durchgedrungen.  Das  Steigen  des  Niveaus,  dauert 
lange  fort,  bis  beide  Flüssigkeiten  in  und  ausser  der  Bölire 
^*^ftiogen  gewordon  sind.  Entbält  die  Röhre  Wasser^  d.as  äussere 
*^efäss  die  Salzlösung,  so  sinkt  das  Wasser  der  Röhre.  Enlhal- 
beide  Gefässe  Lösung  verschiedener  Salze  von  gleiolier  Gon- 
^^ntration^  so  verändert  sicli  das  Niveau  nicht,  aber  beiderlei 
Salze  vermischen  sich.  War  dagegen  die  eine  Lösung  concentrlr- 
so  erhöht  sich  ihre  Oberfläche.  Dieselben  Phänomene  heob- 
"'^htet  man,  wenn  man  statt  Thierblase  mineralische  poröse  Itör- 
anwendet.  Man  hat  zwei  Erklärungen  des  Phänomens.  Die 
®rste  von  Magkus  und  PoissoN  besteht  darin,  dass  die  Attraction 
^Wischen  den  Theilchen  einer  Salzlösung  zusammengesetzt  ist  aus 
den  gegenseitigen  Attractlonen  des  AVassers  und  Salzes,  und  aus 
d®*"  Attraction  der  homogenen  Theile  des  AVassers  für  sich  und 
des  Salzes  für  sich.  Dies^e  vereinte  Attraction  ist  grösser  als  die 
er  Wasserpartikelchen.  Berzee.  Thierchem.  128.  Die  zweite  Er- 
ärung  besteht  in  Folgendem:  Die  thierisclie  Blase  lässt  sich  in- 
''^fern  sie  porös  ist,  als  ein  System  capillarer  Röhrchen  betrach- 
®ä,  welche  anziehend  auf  die  durchgehenden  Flüssigkeiten  wir- 
welche  sich  durch  das  die  Poren  ausfüllende  AVasser  anszu- 
^ ziehen  streben.  Nimmt  man  nun  an,  dass  eine  dieser  Flüssig— 
®iten  eine  stärkere  Anziehung  zum  Stoff  der  Blase  erleidet,  so 
•,  'J’d  sie  länger  beim  Durchgang  diu’ch  die.  Capillarporen  aufge- 
älten,  als  die  andere,  die  darum  in  ihrem  Gefässe  fallen  muss. 


1^'J’d  sie  länger  beim  Durchgang  diu’ch  die. Capillarporen  aufge 
äffen,  als  die  andere,  die  darum  in  ihrem  Gefässe  fallen  muss 
as  Niveau  der  ersten  "wird  aber  so  lange  steigen,  bis  der  zu 
®hmende  Druck  der  steigenden  Wassersäule  iener  stärkeren  An- 
'®hung  das  Gleichgewicht  hält.  Biot  Experimental--Physik,^ri' 
'^nFEcuHER.  t.  p,  384.  Vergl.  Poissok,  Pogsebd.  11.  134 


232  I.  Buch.  Von  dm  organ.  Säften  etc.  JI.  Abschn.  Vom  Blutkreislauf 

Fischer  eliend.  126.  Macntjs  ebend.  10.  153.  Wach,  Schtveigo- 
Journal  1830.  p.  20. 

Dutrochet  bat  jene  Erscbeinungen  Endosmose  tind  Exosmose 
nach  dem  Steigen  der  einen  oder  andern  Flüssigkeit  bei  ver- 
schiedenen Bedingungen  genannt.  Es  ist  ohne  Zweifel,  dass  bei 
dem  unmittelbaren  Uebergange  von  aufgelösten  Tbeilen  in  dieCa- 
pillargefässe  und  das  Blut,  sowolil  Endosmose  als  einfache  Imbi- 
bition stattfindet.  Dutrochet  bat  diess  durch  Versuche  versinii' 
liebt.  Er  nahm  ein  Stück  Darm  von  einem  jungen  Hühnchen, 
füllt«  es  zur  Hiilfte  mit  einer  Lösung  von  Gummi,  Zucker  oder 
Kochsalz,  und  legte  cs,  an  beiden  Enden  zugebunden,  in  ein® 
Schale  mit  Wasser,  worin  es  sieb  bald  so  füllte,  dass  es  ausge- 
spannt wurde.  Enthielt  das  Darmstück  reines  Wasser,  und  lag  in 
Zuckerwasser,  so  wurde  es  allmahlig  schlaffer,  während  zugleich 
Zucker  in  den  Darm  ülierging.  Dutrochet  fahren/ iWueV/at  diimoU' 
vement  vital.  Paris  1826.  JS'oup.  rech,  .tur  1’ endosmose.  Paris  1828> 

Seine  Hypothese,  dass  hierbei  electrische  Wirkungen  stattfiii' 
den,  hat  sich  nicht  bestätigt.  Es  ist  auch  nicht  constant,  dass  di® 
dichtere  Lösung  mehr  von  der  dünnem , als  diese  von  jener  an- 
zieht, wovon  die  Gase  besonders  schon  das  Gegent.heil  zeigen,  son- 
dern es  scheint  die  chemische  Constitution  und  das  pbysicalisch- 
ebemisebe  Verhältniss  der  Flüssigkeit  zur  Thierblase  dabei  ein® 
grosse  Rolle  zu  spielen.  Wässeriger  Weingeist  in  einer  Thierblas® 
aufbewahrt,  concentrirt  sich,  indem  bloss  das  Wasser  verdunstet- 
Vergl.  Staples  Versuche  in  Kksthz^’s  Archio  für  Chemie.  Bd.3. 

1 — 3.  p.  282.  Ein  Darmstück  eines  Huhns  mit  wässeriger  Lösunj? 
von  Mimtsseligummi  und  Rhabarbarin  zum  Theil  gefüllt,  und  zU' 
gebunden  in  Wasser  gelegt,  schwoll  auf,  während  Rhabarbarin 
heraustrat.  Aehnliche  Säcke  mit  schwacher  Lösung  von  schwefel- 
saurem  Eisenoxydul  in  Wasser  gelegt,  das  Blutlaugensalz  enthidb 
schwollen  auch  auf,  weil  Wasser  eingedrungen  war;  sie  hatlcn 
an  die  umgebende  Lösung  Eisensalz  abgegeben  und  dieselbe  g®- 
bläuet.  Im  Darme  w'ar  aber  keine  Spur  von  blauer  Farbe.  D'® 
Verhältnisse,  die  bei  den  Gasen  statlfinden,  sind  sehr  merkwürdiif' 
Faust  hat  hierüber  Versuche  angestellt.  Froriep’s  iNot.  J\’.  6Jh- 
Eine  mit  atmosphärischer  Luft  halbgefüllte  Blase  unter  einer  nd*' 
kohlensaurem  Gas  gefüllte  Glocke  schwoll  an,  eine  mit  Wassci- 
stbifgas  gefüllte  Blase  unter  eine  mit  kohlensaurem  Gas  gefiiHJ® 
Glocke  gebracht,  schwoll  bis  zum  Zerplatzen  auf.  Dagegen  ®''’ 
leichteres  'Gas  in  der  Glocke  das  Zusammenfallen  der  mit  d®*’* 
schwereren  Gas  gefüllten  Blase  bewirkt. 

Ich  wünschte 'ZU  wissen,  wie  schnell  etwas  durch  Imbibiti®" 
in  die  erste  Schicht  der  Capillargcfässe  eines  von  Epidermis  frei®" 
Theiles,  und  so  in  das  Blut  cindringen  kann.  Da  das  zarte  Häid'' 
eben  der  Darmzoltcn  vom  Kalbe  und  Ochsen  von  0,00174  P'.  j’ 
Dicke  noch  blutführende  Cnpillai'gefässe  enthält,  so  kann  rium  si® 
nach  dieser  Dicke  einen  Begriff  von  der  Tiefe  machen,  bis  zu  >''®  ' 
eher  aufgelöste  Substanzen  cindringen  müssen,  um  in  die  ef’ 
Schicht  von  Capillargef  ässen  einer  von  Epidermis  freien  Haut  ®i" 
zudringen.  Ich  spannte  nun  über  ein  Gläschen  von  sehr  dünn®*^ 
Hals  die  ürinblase  eines  Frosches,  und  bei  einem  zweiten  V® 


5.  Verhalten  der  Geßlsse  bei  der  Resorption.  Vergiftung.  233 

die  Lunge  eines  Frosclies,  naclKlem  ich  vorher  etwas  von 
®iner  Auflösung  von  hlausaurem  Kali  in  das  Glöschen  gethan 
öatte;  auf  die  Oberfläclie  des  nassen  Häutchens  hraclite  ich  mit 
Einern  Pinsclchen  etwas  von  einer  Auflösung  eines  Eisensalzes  (salz- 
*aures  Eisenoxyd).  In  dernselhen  Moment  drehte  ich  das  Gläschen 
so  dass  das  hlausäurc  Kali  die  innere  Fläche  des  Häutchens  he- 
^•ilirte.  ln  nicht  längerer  Zeit  als  einer  Secunde  halte  sich  ein 
schwacher  blauer  Fleck  gel)ildet,  der  bald  slärker  wurde;  daraus 
Seilt  hervor,  dass  aufgelöste  Stoffe  spurweise  innerhalb  einer  Se- 
kunde eine  Membran  von  der  Dicke  einer  ausgespannten  Urinhlase 
^es  Frosches  durchdringen,  Diese  Membran  enthält  noch  mehrere 
yautschichten,  und  ist-'sehr  viel  dicker  als  das  organisirte  Häutchen 
Darmzotten  von  0,00174  P.  Z.  Man  kann  also  annehmen,  dass 
®ine  aufgelöste  Substanz  spurweise  schon  innerhalb  einer  Secunde 
I?’  die  oberflächlichen  Capillargefässc  eines  von  Epidermis  freien 
. lieiles  und  so  ins  Blut  gelangt.  Da  nun  das  Blut  nach  Hering 
■j,  nach  Anderer  Berechnung  in  1 — 2 Minuten  im  ganzen  Kör- 
l'p*'  heruingetrieben  wird  (p.  176.),  so  kann  man  annehmen,  dass 
®'äe  Spur  einer  aufgelösten  Sulistanz,  die  mit  einer  epidermislosen 
'^•'Sanisirten  Haut  in  Beriibrung  kommt,  innerhalb  2 Minuten 
*Pur\veise  durch  den  Kreislauf  verbreitet  seyn  kann. 

V Die  narcotiseben  Gifte  wdrken  zwar  durch  Zerstörung  der 
l^^i'vcnkrälte,  allein  sie  bringen  aufNerven,  örtlich  applicirt,  nur 
?Hliche  AVirkungen  hervor.  Tauchte  ich  den  Nerven  eines  ahge- 
*üsten  Froschschenkels,  einige  Zeit  in  eine  wässerige  Opiumauflö- 
so  verlor  die  eingetauehte  Strecke  desNcryen  ibre  Reizbar- 
d.  h.  ihre  Fähigkeit,  auf  Beize  Zuckungen  des  Schenkels  zu 
^iTcgcn.  Allein  unter  der  mit  dem  Güte  in  Berührung  gekomme- 
‘1®“  Stelle  behielt  der  Nerv  seine  Reizbarkeit,  woraus,  folgt,  dap 
.'’s  Opium  die  Nervensubstanz  selbst  verändert,  dass  aber  die 
''’^diche  narcotische  Vergiftung  nicht  durch  die  Nerven  zpr  all- 
ü^rueinen  Vergiftung  vei'brcitct  .wird.  Aufh  wird  ‘ein  Frosch, 
p®*"  Sonst  gegen  Opium  sehr  pmplindlich  ist,  iunerhafb  raehrerep 
Ständen,  nicht  vei'giltet,  wenn  man  den  Schenkel  so  arnputirt, 
■rl’ss  nur  der  Nerve  die  Communicaliön  zwischen  Rumpf  und 
,, ätersehenkel  unterhält,  und  nun,  den  Dnterscbenk.el  in  eine 
j Piuinauflösung  gesenkt  erhält,  .den  Fro.s,ch  aber  so  befestigt,  dass 
j*’*'  Rumpf  desselben  nicht  durch  Rewegung  des  hrosclies  von 
Opiumauflösung  bespritzt  wird.  Diese  Versuche,  wie  so,  viele 
’dere  von  namhailen  Physiologen  angestcllte  Versuche,  bewei- 
”>  dass  die  .narcotiseben  Gifte  ihre  allgemeinen  Wirkungen  auf 
Cal  ^‘^'''önsy'.stem  nach  ihrer  Aulnahme  äns  Blut  durch  . die  Cir- 
jj'ätion  ausühen.  > Dupuv  und  Bb.ichet,  behaupten  zwar,  dass 
] Thiere  nicht  durch  narcotische  Gilfe,  die  in  den  Magen  ge- 
],  werden,,  vergiften  könne,  W'cnn.  nian,  dqn  Nervus  ;yagus 
Hier  Seiten.  cUirch'schnitten  habe,  odop.idäss.  die  Thicrg  dann 
^^‘äigsteus  später  stürben;  allein  wir  haben  hier , ip 

an  Saugethieren ,.  die,  Herr  Werk scuEigT  .darüber,  -mder 

^.'«er  Leitung,  anstellte,  durchaus  keinen  Untepschipd  in  der 
»rkiing  der  in  den  Magen  gebrachten  narcothehen  Gifte  gese- 
Wenn  wir  bei  Xhieren  gleicher  Art  .und  Grösse  den  Nervus 


234  I.  Buch,  Von  den  organ.  Säften  etc,  II,  Abschn,  Vom  Blutkreishwf' 


vagws  beider  Seiten  vor  der  Vergiftung  durchschnitten  oder  nicht 

durchschnitten.  ^ t 

I>ie  schnelle  Wirkung  der  meisten  narcotischen  Gifte  läs* 
sich  nach  den  oben  angeführten  Thatsachen  über  die  Aufsauguc? 
durch  Imhiliition  vollkommen  erklären.  Di6  Blausäure  jedoch  au^ 
sert  ihre  Wirkung  schon  lange  vor  — 2 Minuten,  innerhalb  v'®*' 
eher  sie  in  das  Blut  durch  die  Capillargefässe  eingedrungen  uO® 
verbreitet  seyn  könnte.  Auch  die  weingeistige  Aullösung  des  E*' 
tracti  nucis  vomicae  spirituosi  bewirkt,  in  einiger  Quantität 
den  Mund  von  jungen  Kaninchen  gebracht,  den  Tod  auf  der  Stell®’ 
dagegen  dieses  Gift,  in  einiger  Entfernung  vom  Gehirn  auf  eine® 
blossgelcgten  Nerven,  z.  B.  den  Nervus  ischiadicus,  applicirt, 
keine  allgemeinen  Wirkungen  hervorbringt;  wie  denn  auch  Wed*' 
MEYER  beobachtet  hat,  dass  concentrirte  Blausäure,  auf  einen  blo*' 
sen  Nerven  applicirt,  nicht  wirkte.  Die  schnellen  Wirkungen  d®^ 
Blausäure  kann  man  nur  aus  ihrer  Flüchtigkeit  und  Expansion*' 
kraft  erklären,  durch  welche  sie  sich  schneller  in  dem  Blute  vC®' 
breitet,  als  die  Clrculation  desselben  geschieht,  und  durch  welch® 
sie,  selbst  abgesehen  von  der  Verbreitung  durch  das  Blut,  dj 
tbierischen  Theile  schnell  zu  durchdringen  fähig  ist,  durch  W®*' 
che  sie  ferner  um  so  schneller  materielle  Veränderungen  in  d®>® 
Centralorgane  des  Nervensystems,  im  Gehirn,  bewirkt,  je  näh®® 
dem  Gehirn  sie  applicirt  wird.  Schliesslich  erlaube  ich  mir  ei"® 
Bemerkung  über  die  materielle  Veränderung  durch  narcotisd'® 
Gifte,  Dass  nämlich  die  narcotischen  Gifte  bei  ihrer  Wirku"? 
auf  die  Nerven  auch  durch  materielle  Veränderung  wirken,  w" 
wenigstens  daraus  gewiss,  dass  einige  schon  das  Blut  materiell  'C' 
ändern.  Denn  abgesehen  von  den  bekannten  Wirkungen  der  Bl""' 
säure,  bewirkt  das  Viperngift  und  das  Ticunasgirt,  nach  Fonta"*’ 
wenn  es  aus  der  Ader  gelassenem  Blute  zugesetzt  wird,  dass  "" 
Blut  nicht  mehr  gerinnt,  während  Viperngift,  in  Wunden  v" 
Thieren  gebracht,  nach  Fostasa,  das  Blut  des  noch  lebend®^ 
Körpers  zum  Theil  gerinnen  machen  soll,  worauf  ein  Zusta" 
entsteht,  der  dön  in  der  heftigsten  asiatischen  Cholera  nicht  "" 
ähnlich  ist.  Fontana  über  das  Viperngift  etc.  Berlin  1787.  __ 

Durch  die  schnelle  Aufnahme  aufgelöster  Stoffe  in  die 
pillargefässe  und  ihre  schnelle  Verbreitung  durch  den  Kreisl""^ 
erklärt  sich  vollkommen  leicht  der  schnelle  Uehergang  der 
senen  aufgelösten  Stoffe  in  den  Harn,  ohne  dass  man  in  die  B"*’;1‘ 
rei  verfallen  kann,  geheime  Harnwege,  zwischen  Magen  und  ■ 
ren  auzunehmen.  Nach  Westrumb  erfolgt  dieser  Uebergang 
löslichen  Salzen  schon  in  2 — 10  Minuten  spurweise.  Denn  ""®|, 
dieser  Zeit  konnte  er  blausaures  Kali,  das  einem  Thiere  g®8®, 
worden,  in  dem  Urin  entdecken,  indem  er  den  Urin  unmitt"'" 
aus  dem  Harnleiter  des  eröffneten  Thicres  aulllng.  ln  der  * , 

gel  erfolgt  dieser  Uebergang  aber  viel  später,  wie  aus  StE"®* 
geh’s  Versuchen  hervö'rgeht.  Siehe  den  Art.  vom  Harn. 

Die  durch  Imbibition  durch  die  Wände  der  CapillargC'^.^t  ' 
netze  zum  Blute  dringenden  Stoffe  müssen  jedenfalls  aiifg®  , 
seyn,  sie  dürfen  nicht  aus  Kügelchen  bestehen.  Es  folgt 
hieraus,  dass  die  verdauten  Stoffe  und  der  Kügelchen  enthail®” 


5.  Verh.  d.  Gefdsse  bei  d.  Resorption.  Uebergang  i.  d.  Urin.  235 

^^ylns  nicht  durch  die  Imhihition  in  die  Capillargef  ässe  elndrin- 
S®*»  und  zum  Venenhlute  gelangen  können.  Tiedemann,  Gmelin 
***'d  Mayer  haben  zwar  Chylusstreifen  im  Blute  der  Darmvenen 
'»nd  der  Pfortader  gefunden.  Allein  diese  Materie  kann  nicht 
'‘ürch  die  Wände  der  Capillargef  ässe  eingedrungen  seyn,  denn 
*on5t  müssten  diese  auch  Blutkörperchen  durchlassen.  Vielleicht 
f'^lirten  diese  Chylusstreifen  von  der  noch  problematischen  Ver- 
**ödung  der  Lyniphgef'ässe  mit  den  kleineren  Venen  her. 

Die  Endosmose  erklärt  nicht  die  Aufsaugung  aller  Flüssigkel- 
von  thierischen  Geweben.  Wenn  die  Flüssigkeiten  des  thie- 
*''sclien  Körpers  concentrii-tere  Auflösungen  sind,  als  die  aufzu- 
sangenden  Flüssigkeiten  z.  B.  in  der  Pleura,  in  den  Lungen,  so 
Y^rden  letztere  nach  den  Gesetzen  der  Endosmose  leiehter  in 
, thierischen  Theile  übergehen,  als  die  thierischen  Flüssigkeiten 
®raustreten.  Wenn  aber  die  aufzusaugende  Flüssigkeit  eine 
S'^ich  concentrirte  Auflösung  ist  als  die  Flüssigkeiten  der  thieri- 
*chen  Theile,  so  werden  zwar  nach  den  Gesetzen  der  Imbibition 
^•derlei  Flüssigkeiten  sich  durchdringen,  allein  die  Quantität 
Flüssigkeiten  wird  auf  beiden  Seiten  nicht  verändert;  und 
die  thierischen  Flüssigkeiten  weniger  concentrirte  Auflö- 
f'^'^gen  sind,  so  wird  die  Quantität  der  aufzusaugenden  Flüssig- 
*'t  nach  den  Gesetzen  der  Endosmose  selbst  wachsen.  Hieraus 
»®^t  man,  dass  die  Imbibition  nur  die  Vermischung,  z.  B.  den 
ebergang  von  Giften  etc.,  nicht  aber  die  quantitativen  Verhält- 
•sse  der  Aufsaugung  erklärt.  Denn  eine  in  der  Pleura  befindli- 
Quantität  Flüssigkeit,  deren  Eiweiss  und  Salze  gleich  con- 
®®ätrirt  sind,  wie  die  des  Blutes,  wird  sich  durch  Imbibition 
j^'^fchaus  nicht  vermindern,  sondei-n  nur  Salze  an  das  Blut  abge- 
und  davon  empfangen,  aber  ihre  Quantität  behaupten,  ja  so- 
I?*'  VEachsen,  wenn  die  Lösung  der  Salze  in  der  Flüssigkeit  der 
concentrirter  ist. 

^enn  nun  angesammelte  Flüssigkeiten  aufgesogen  werden, 
o»uss  diess  entweder  in  vielen  Fällen  auf  eine  durch  Imbibi- 


bon 

Mi 


und  Endosmose  unerklärliche  Weise,  vermittelst  der  Lymph- 
j ässe  geschehen,  oder  man  muss  annehmen,  dass  die  Anziehung 
yenenblutes  nach  dem  Herzen  die  Aufsaugung  verstärkt. 
.*®lleicht  erleiden  die  Gesetze  der  Endosmose  dadurch  eine  die 
gj  ®äugung  begünstigende  Veränderung,  dass  die  thierischen  Theile 
Anzlehnng  gegen  die  in  ihnen  circulirenden  Flüssigkeiten 
^ suhen,  w'odurch  verhindert  wird,  dass  diese  gegen  die  aufzu- 
jjjI  Sunden  Flüssigkeiten  ausgetauscht  werden,  da  doch  sonst  ein 
^ber  Austausch  erfolgen  müsste.  Wasser  z.’  B.  wird  das  Be- 
®ben  haben,  sich  in  dem  Blute  der  Capillargef  ässe  zu  vertheilen, 
das  Blut,  mit  den  Capillargefässen  in  lebendiger  WechseL 
'^ng,  hat  wohl  nicht  das  Bestreben,' sich  in  dem  aufzusaugenden 
vertheilen-.  Vielleicht  haben  die  Blutkörperdhen  selbirt, 
P- 103.  gezeigt  worden,  eine  so  ausserordentliche  Anzic- 
hej  reinen  Wasser  haben,  an  der  Aufsaugung  desselben 

'bj'em  Durchgänge  durch  die  Capillargef  ässe'  einigen  Ahtheil. 
eijjg  b das  Blut  in  den  Capillargefässen,  oder  diese  selbst  auch 
dpn  gewöhnlichen  physicalischen  ■ Gesetzen  abweichende 


236  I.  Buch.  Von  den  organ,  Säften  etc.  II.  Abschn.  Vom  Blutkreislauf- 


organiscbe  Aniieliung  auf  gewisse  Stoffe  änssern,  ist  eine  ganz  a"' 
dere  Frage.  Diess  ist  zweifelliaft,  nur  yon  einem  Orte  ist  es 
wiss , nänilicli  von  den  Capillargefässen  der  Placenta.  Da  da^ 
Lyrapligefasse  der  Placenta  und  des  Nabelstranges  durchaus  zW^' 
felliaft  sind,  so  muss  der  TJebeigaiig  der' ei  nälirendcn  Fliissigt*^*' 
teil  yon  der  Mutter  in  das  Rind  durch  die  Capillai-gefasse  in  de* 
Placenta  erfolgen.  Eine  eigentliche  Cornmunication  zwischen  de*' 
Gefässcn  der  Mutter  und  denen  des  Foetus  findet  nicht  stad" 
Die  Arterien  des  Uterus  gehen  in  die  Venen  des  Uterus,  die  A*’' 
terien  des  Kindes  in  der  Placenta  nur  in  die  Venen  des  Kind®* 
über.  Weber  hat  über  die  Art  dieser  Gemeinschaft  sehr  inte*"' 
essante  Aufschlüsse  gegeben.  Anat.  4.  496.  Die  feinsten  \e>'' 
zweigungen  derGefasse  in  der  Placenta  finden  auf  zoltenförrnig'**’ 
Fortsätzen  derselben  statt.  Auf  diesen  ganz  geschlossenen  vef' 
zweigten  Zotten  verbreiten  sich  die  feinsten  Arterien  und  gehe*' 
durch  einfache  U*Jah*egung  in  feine  Venen  über.  Die  13üscl**d 
dieser  Zotten  mit  den  capillaren  Umbiegungen  der  Arterien 
Venen  sind  nun  in  die  sehr  dünnhäutigen  Venen  der  Mutter  a'* 
der  innern  Fläche  des  Uterus  eingesenkt,  und  werden  von  de*** 
venösen  Blute  der  Mutter  umspült.  Wahrscheinlich  zieht  das  Bl**^ 
des  Foetus  hier  aufgelöste  Stoffe  aus  dem  Blute  der  Mutter  «*'* 
während  das  Foetusblut  durch  die  Capillargefässe  der  Zotten  fliessh 

Hier  findet  ohne  Zweifel  zwischen  Blut  der  Mutter  und  Bh'* 
des  Rindes  eine  Art  Endosmose  statt,  wodurch  das  Blut  des  Ri**' 
des  durch  die  zarten  Häute  seiner  Gefässe  mehr  aufnimmt  als  ab' 
gieht,  aber  diese  organische  und  lebendige  Endosmosc  ist  von  de'* 
Gesetzen  der  chemischen  Durchdringung  bei  den  von  DutrochS'^ 
beschriebenen  Erscheinungen  ganz  verschieden.  Bei  den  wiedr*’' 
Eäuenden  Thieren  stecken  die  Zotten  der  Cotyledojven  des  E**'’’ 
nicht  in  Venen  des  Uterus-,  sondern  in  scheidentormigen  Vert'**' 
lungen  des  Uterus,  gleich  wie  Wurzeln.  Allein,  diese  Verlief'*'’^ 
gen  im  Uterus  sind  mit  den  Capillargefässen  des  Uterus  aii-^?*-’' 
kleidet,  während  die  selbstständigen  Capillargefässe  des  Kin*^**’ 
sich  nur  auf  den  Zotten  der  Cotyledonen  verbreiten.:  Hier 
sen  die  Capillargefässe  der  Mutter  Stoffe  ausscheiden , die 
den  iCnpillargefässen  des  Rindes  angezogen  werden. 

Ob  die  Venen  auf  die  durch  Imbibition  m die  Cnpillargcf**** 
eindringenden  aufgelösten.  Stoffe  auch  eine  Anziehung  ausübc*'’ 
.vermöge  der  Bewegung  des  Herzens!  und  des  bei  der  Ausdrhin** 
der  entleerten  Höhlungen  entstehenden  hohlen  Raumes,  deö  ‘U 
Venenblut  zunächst,  auszufüllqn  strebt,  un.d  der  dadurch  auf  . 
Venen  bis  in.di.e  Capillargefässe  zurückwirkt,  ist  noch  zwe***-.^ 
Jiaft.  ■ Jedonfälls  muss  aber  die  .Bewegung  des  Blutes,  die  1*"*’'^^, 
tion  befördern,  insofern,  mit  der  Enlfernuög  des  durohgedrun? 
men  d.lc -. Ursache  . der  .Irrdiibilion,.  nämlich  das  Vermögen  * 
Stoffe, . s*öh  in  FiUitssigkeiten  gleichförmig  aus^ubreiten,  unterhatt 
die- Sättigung  älso  immer  -n-icdcr  au.fgeboben  wird.  _ ^ 

K . [ EoDRRa  bat  d,ie  Beobachtung  gemacht,  dass  der  Galvanis* 
die!  Resorption  beschleunigt.  Es  wurde  blaus.  Rah  in  die 
eingespritzt,  söbwefels.  Eisen  in  den  Unterleib.  Gewöhnlich  8 _ 
hen  5 — 6 Minuten  vorüber,  ehe  beide  Substanzen  sich  v®*”" 


I 


».  Verhalt,  d,  Gefässe  bei  der  Resorption,  Resorption  d.'Haut.  237 

allein  ihre  Verbindung  ist  augenblicklich,  wenn  das  Zwerch- 
einem  leichten  galvanischen  Strom  unterworfen  wird.  Das- 
selbe  Phänomen  soll  sich  zeigen,  wenn  die  eine  Flüssigkeit  in 
TJrinhla.se,  die  andere  in  den  Unterleib,  oder  in  die  Lungen 
in  die  Pleurasäcke  ge])racht  wird.  Journ.  de  physiol.  3.  p.'ib. 
Nerven  haben  auf  die  unorganische  Imbibition  keinen  Ein- 
’vvir  haben  keinen  Unterschied  in  der  Aufsaugung  der  Gifte 
*'äch  Durclischneidung  des  Nervus  vagus  gefunden. 

Die  Stolfe,  welche  in  das  Blut  der  Darmvenen  durch  Imbibi- 
hon  gelangen,  kommen  nic.'it  sogleich  in  die  Hohlvene,  sondern 
dem  Darmvenenblut  durchkreisen  sie  zun.achst  erst  die  Leber, 
'tnd  kommen  dann  erst  in  den  ganzen  Kreislauf.  Magehdie  hat 
beobachtet,  dass  dieser  Umweg  durch  die  Leber  die  Wirksamkeit 
''’J'ncher  Stolle  verändert.  So  bewirkt  eine  Gramme  Galle  oder 
atmosphärische  Luft  in  die  ven.  crur.  eines  Thieres  einge- 
?|’*’itzt,  sogleich  den  Tod.  Diess  hat  bei  der  Injection  in  die 
f*ortader  gar  keinen  Nachtheil.  Manche  Stoffe  erleiden  schon 
barmkanal  eine  Veränderung,  weil  sie  durch  Wunden,  nicht 
''ber  iin  Dartiikanal  aufgesogen  werden.  So  soll  Viperngift  in- 
^®t'lich  genommen  nach  Redi  undMANGiLi  (Meck.  -i.  1817. 

^ 619.),'Stevess  {on  the  blood.  p.  137.)  keine  giftigen  W'irkungen 
''üssern;  und  nach  Coihdet  soll  der  Speichel  der  Hydrophobi- 
^'^ben  nicht  durch  den  Darmkanal  anstecken.  Frobiep’s  Rot. 
^b23.  Septbr.  170. 

, Magesdie  hat  die  Beobachtung  gemacht,  dass  Ueberfüllung 
Blutgefässe  mit  Flüssigkeit  die  Resorption  schwächt.  Nach 
*äspritzung  von  M^asser  in  die  Venen  eines  Thieres  fand  die  Ab- 
^'^'’Ption  y’on  fremdartigen  Stoffen  durch  thieiische  Häute  nicht 
die  sich  nach  einem  Aderlässe  wieder  einstellte.  Dagegen 
'^sehleunigte  ein  Aderlass  die  Absorption,  so  dass  Phänomene,  die 
®'^Ust  nur  nach  2 Minuten,  jetzt  schon  in  Minute  eintraten. 

, Am  schnellsten  geschieht  die  Aufsaugung  in  den  Schleimhäu- 
Serösen  Häuten  und  Wunden,  viel  langsamer  in  der  mitEpi- 
p®’'uus  überkleideten  Haut,  und  überhaupt  scheint  die  äusserste 
/^bichte  der  belebten  Haut  ein  weit  geringeres  Absorptionsver- 
1 jbgen  zu  besitzen,  vielleicht  weil  sie  Hornstoff  absondert.  So 
j *“ihen  zuweilen  in  Ritzen  der  Haut  eingeriebene,  aus  Rörneben 
*^stehende  Farhestoffe  oder  Pulverkörner  von  einer  Explosion,  das 
b"**«!  Leben  hindurch  unaufgelöst,  und  werden  nicht  absorbirt. 
^j''‘'nke,  welche  lange  salpet'ersaures  Silber  nehmen , werden  in 
Haut  zuletzt  schieferfarben  und  schwärzlich,  wahrscheinlich 
®8en  einer  chemischen  Verbindung  mit  dem  Thierstoff.  Gleich- 
^“  '1  lasst  sich  die  Resorption  der  'mit  Epidermis  bedeckten  Haut 
^'''bt  bezweifeln,  wenn  die  Stoffe  aufgelöst  oder  von  thierischen 
ten  leicht  löslich  sind.  Da  dieser  Theil  am  häufigsten  mit 
tiQ*'^*^'‘rligen  Stoffen  in  Berührung  kommt,  und  auch  derApphea- 
der  Arzneien  fähig  ist,  so  ist  die  nähere  Untersuchung  hier- 
Wichtigkeit.  Seiler  und  Ficikus  fanden  bei  Pferden, 
bu  m initRalibleiauflösung  benetzt  erhalten  würden,  dieses 

bat”-  ® und  im  Chylus  wieder.  Westrumd  (Meck.  Arch.  1827.) 
®ine  Vollständige  Arbeit  geliefert.  Vergl.  Sewall,  Meck,.  .drcA. 


238  I.  Blich.  Von  den  organ.  Säften  etc.  II.  Abschn.  Vom  Blutkrekln'if’ 

2.  146.  Alle  metallUclien  Präparate  wirken,  in  die  Haut  eing®' 
rieben,  in  geringerem  Grade  als  innerlich.  Das  Queeksilber  he'* 
auf  diese  Art  die  Syphilis  und  bewirkt  Speichelfluss;  tart.  stibi"^’ 
erregt  Erbrechen  nach  Letsom  und  Brera;  Arsenik  vergift® 
durch  die  Haut.  Auch  die  vegetabilischen  aufgelösten  und  aU*' 
lösbaren  Stoffe  -wirken.  So  erregt  nach  Hali.er  weisse  Niesswu*^^ 
auf  den  Unterleib  gelegt,  Erbrechen  und  heftiges  Purgiren,  wc*’" 
die  Füsse  mit  Abkochung  dieser  oder  der  schwarzen  NiessW»®* 
gewaschen  werden.  Sahadillsnmen  erregte  in  Lentik’s  Beobacb' 
tung  die  heftigsten  Kj-ämpfe,  und  in  den  Bauch  eingerieben  P'*®' 
giren;  Canthariden  erregen  Harnstrenge;  Narcolica  narcotisire**' 
Campher  ist  nach  Magesdie  in  der  Lnngenausdünstung  erkennba*’’ 
Terpenthinöl  am  Veilchengeruch  des  Urins;  Quecksilber  im  Bb'b 
Speichel,  Harn^  Milch,  nach  Bloch,  AuTENBtETu  und.  Zeller,  a'’‘‘ 
Cantu,  nach  Fricre  (IIorn’s  Archiv  1826.  459.)  auch  in  den  K.f®' 
eben;  blausaurcs  Kali,  Rhabarber,  Farberröthe  geben  sich  'l** 
Blute,  Harn  etc.  zu  erkennen.  Allein  sehr  viel  starker  wirkt 
Application  aller  Arzneien  und  Gifte  auf  die  von  der  Oberb»“ 
(durch  Blasenpflaster)  entblöste  Haut  (methodus  endermica). 

Ob  die  mit  Oberhaut  bedeckte  Haut  Wasser  aufzunehni®” 
fähig  ist,  ist  lange,  ein  Streit  gewesen  und  schwer  auszumittell*’ 
weil  die  Haut  durch  Ausdünstung  Wasser  verliert.  Sicher  ist 
Epidermis  hygroscopisch  und  quillt  im  Wasser  auf.  Die 
Wiegen  des  Körpers  und  des  Wassers  hei  Bädern  angestclftf'' 
Versuche  von  Falcoser,  Alexander  und  Andern  halte  ich 
unzuverlässig.  Seguin  und  Currie  erhielten  überdiess  keine 
wichtsznnahme.  Seguin  Ann.  de  chimie  T.  90.  185.  T.  92. 
Meck.  Arcidv  3.  p.  585.  Dann  beweisen  allerdings  solche  Ver'"’’j 
che,  wo  im  Wasser  aufgelöste  Färbestolfe  oder  blausaures  K 
nach  einem  Bade  sich  im  Urin  erkennen  Hessen,  wie  WestbU'"® 
und  Stuart’s  Versuche  zeigten,  nicht  für  die  Aufsaugung 
Wassers  selbst,  da  Salze  durch  eine  von  zwei  Seiten  mit  Wa«*® 
in  Berührung  stehende  thierische  Membran  durchdringen  könn"®’ 
ohne  dass  sich  das  Niveau  des  Wassers  verändert.  Die 
ption  von  Gasarten  durch  thierische  Theile  theils  durch  das  Al*’' 
men,  theils  in  der  Haut  selbst  ist  durch  die  Versuche  von  Ab®®, 
NETHY,  Cruikshanr,  Autenrieth , Beddoes,  Collard  de  MarTiO®.’ 
ausser  Zweifel  gesetzt.  Dass  hierbei  die  aus  der  Umgebung  **]* 
genommenen  Gase  sich  jmit  den  tropfbaren  Flüssigkeiten  b''*“ 
und  den  Gaszustand  verlassen,  versteht  sich  von  selbst.  Mehr®' 
haben  Absorption  des  Stickgases  durch  die  Haut  beobaclft®.^ 
Beddoes  sah  den  Arm  eines  Negers  in  Chlorgas  für  einige  f 
bleich  werden,  Abernethy  beobachtete,  dass  Sauerstoffgas, 
gas,  Kohlensäure  und  andere  Gasarten,  die  er  unter  mit 
silber  gesperrten  Glocken  auf  seine  Hände  einwirken  Hess,  ^ 
deutend  vermindert  wurden.  _ ^ 

In  Hinsicht  der  Resorption  innerer  Theile  bleibt  es 
zweifelhaft,  welchen  Antheil  daran  die  Aufnahme  in  die 
fasse  oder  in  die  Lymphgefässe  hat.  Doch  giebt  es  viele 
spiele  aufiallender  Resorption  innerer  Stoffe  in  Theilen, 
Lymphgefässe  man  nicht  kennt,  wie  in  den  Knochen. 


239 


5.  Verhalten  der  Gefässe  bei  der  Resorption. 

Von  vielen  anderen  Ersclielnangen  ist  es  darchaus  zweifelhaft. 
Welche  Ordnung  von  Gefässen  das  aus  inneren  Theileu  Aufge- 
’}Oinmene  zuerst  gelangt,  wo  nämlich  ausser  Blutgefässen  auch 
^ymphgefässe  vorhanden  sind.  Hierher  gehören  z.  B.  die  Wie- 
lieraufsaugung  des  in  der  Gelbsucht  abgelagerten  Farbestoffes  der 
Y''lle  und  die  Aufnahme  angesammelter  Secreta,  Galle,  Harn,  in 
"'e  Säftemasse,  das  Verschwinden  der  Thymusdrüse  bis  zum  12. 

das  allgemeine  Schwinden  des  Fettes  hei  Hungernden, 
^hwindsüchtigen  und  nach  Säfteverlusten,  im  Winterschlaf,  das 
schnelle  Schwinden  der  W^arzen  an  den  Fingern.  Diese  Er- 
scheinungen sind  nicht  alle  von  gleicher  Art.  Von  der  Aufsau— 
von  Säften,  welche  ausser  der  Wechselwirkung  mit  den. 
,*pUlargefässen  sind,  indem  sie  keine  Theile  der  Organe  selbst 
muss  man  diejenigen  Fälle  unterscheiden , wo  die  Partikeln 
'jci'  organisirten  Theile  seihst  zwischen  den  Capillargefässen  schvvin- 
Bei  diesem  Process,  wie  er  in  dem  schwindenden  Schwänze 
der  Froschlarven,  der  memhrana  pnpillaris,  hei  der  Entstehung 
p®*"  Zellen  in  den  Knochen  stattfindet,  scheint  die  Auflösung  der 
^^ctikeln  zwischen  den  Capillargefässen  fast  das  Wesentlichste  za 
wobei  denn  das  Aufgelöste  mit  den  Blutströmchen  nur  in 
. cchselwirkung  zu  treten  braucht,  oder  (ausser  den  Knochen) 
'^’clleicht  in  die  Lymphgefässe  aufgenornraen  wird.  Unter  den 
''^8äuisirten  Theilen  zeigen  die  Knochen  die  auffallendsten  Phä- 
jCftiene  dieser  Art  von  B.esorption.  Ihre  Zellen  entstehen  erst 
jy^'nach  hei  dem  Kinde  und  vergrössern  sich  durch  Resorption. 
Diploe  der  Schädelknochen  schwindet  im  Alter,  und  diese 
erden  dünner.  In  der  Jugend  entstehen  die  Sinus  frontales, 
^P'renoidales.  Seihst  Theile,  welche  nicht  organisirt  sind,  sondern 
mit  organisirten  Keimen  in  Verbindung  stehen,  wie  dieWur- 
1*^  **  der  Zähne,  sind  der  Resorption  unterworfen.  Die  W^urzeln 
ersten  Zähne  schwinden  zur  Zeit  des  Zahnwechsels,  und 
u'*'’*‘'merring  hat  beobachtet,  dass  sie  weich  werden,  wahrschein- 
durch  Auflösung.  Vom  Rau  des  menschlichen  Rörpers  I.  226. 
I ' Indess  werden  auch  bei  der  Caries  der  Zähne  von  feh- 

I. *^  rafter  Zusammensetzung  der  Elemente  der  Zähne  diese  durch 

i^Iundflüssigkeit  angegriffen  und  erweicht.  Ob  necrotische 
j^^^henstücke  durch  lange  Berührung  mit  thierischen  Theilen 
‘stanz  verlieren,  ist  noch  unbekannt. 

Wird  die  Ernährung  durch  Krankheiten  des  Blutes,  durch 

J, *hamng  etc.  vermindert,  so  ist  die  Resorption  grösser  als  die 

der  Theil  schwindet.  Ob  in  der  Phthisis  Mus- 
sch'**^’'**  oder  nur  Zellgewebe  schwindet,  ist  ungewiss,  doch 
die  zarten  Muskeln  zu  schwinden,  wie  der  platysmamyoi- 
Sqi  V'®d  einige  Muskeln  des  äussern  Ohres.  In  der  Lähmung 
Rj  ^’oden  aber  häufiger  die  Muskeln,  und  namentlich  hat  Schroe- 
X.,,  V K-olk  die  Umwandlung  in  Fett  bemerkt.  Knorpel, 

*äel , Gehirn  und  Nerven  schwinden  in  der  Lungenschwjim- 

hei  '“'eh  Desmouliks  und  ScHHOEnER’s  Untersuchungen  nicht. 

'a  f ® 'Semeinen  Ursachen  der  Atrophie  schwinden- die  Theile 
Pel  "^iSeoder  Reihe,  Fett,  Zellgewebe,  Muskeln,  Knochen,  Knor- 
‘ ehneii.  Bei  anhaltendem  Druck  kann  jedes  Gewebe  resor- 


240  I,  Buch.  Von  d.  organ,  Säften  etc.  II.  Abschn.  Vom  Blutkreislauf- 

birt  werden,  wenn  seine  Ernäliran!^  aufhört.  Das  Schwinden 
Knochen  von  Druck  hieiht  indess  immer  noch  rälhselhaft,  dei'® 
wenn  das  Aufhören  >ler  Ernähruns’  von  Druck  die  alleinic;e  Ui' 
Sache  wäre,  so  müssten  auch  die  Gelenkköpfe  an  den  untcrcj' 
Extremitäten  schwinden.  Vielleiclit  wird  durch  eine  um  s'®' 
greifende  Geschwulst,  Aneurysma,  Schwamm,  Entzündung 
Umgebung  und  auch  der  Knochen  bewirkt,  die  Folge  davon  >' 
Auflockerung,  und  im  aufgelockerten  Zustande  ist  der  Knocb®'' 
leichter  der  Resorption  fähig,  sobald  seine  Ernährung  durch  Druc 
beeinträchtigt  wird.  Doch  entsteht  hierbei  keine  Caries.  Verg'' 
Scuroeder  V.  D.  Kolk  in  Luchtmahs  de  ahsorpiionis  sanae  et  mof' 
losae  disc-tniine.  Traj.  ad  li.  1829. 

Bekanntlich  befördert  die  Jodine  das  Schwinden  und  d*® 
Resorption  der  organischen  Theile. 


h.  Von  der  Ausschwitzung,  exsudatio. 

Viele  Stoffe,  welche  in  thierischen  Flüssigkeiten  aufgelöst  sini 
namentlich  die  fremdartigen,  welche  in  den  Kreislauf  eingedruO' 
gen,  sich  im  veränderten  oder  unveränderten  Zustande  mit  deäj 
Blute  verbreiten,  werden  nach  den  Gesetzen  der  Imbibition  nä 
Endosmose  ausgeschieden.  Blausaures  Kali,  durch  Endosinosc 
den  Kreislauf  aufgenommen,  durchdringt  nach  denselben  Gesetz®" 
auch  die  thierischen  Gewebe,  welche  an  die  Aussenwelt  grenze"/ 
und  mischt  sich  den  natürlichen  Absonderungsflüssigkelten  b®'’ 
so  dass  es  bald  in  den  versebiedensten  Äbsonderungsllüssigkeite"' 
im  Harn  z.  B.  nach  Westrümb  2 — 10  Min.  nach  der  Applicati"" 
spurenweise  wieder  erscheint.  Die  in  dem  Absonderungsorga" 
entl^altcnc  Flüssigkeit  (z.  B.  der  in  den  Ilarnkanälcben  enthalte" 
Harn)  und  das  mit  blaus.  Kali  imprägnirte  Blut  sind  die  beid®" 
Flüssigkeiten,  welche  sich  durch  die  thierischen  Wände  nach  rc"’ 
physicalischen  Gesetzen  in  Gleichgewicht  ihrer  aufgelösten  TliC 
setzen  können.  In  der  Gelbsucht  werden  auf  diese  Art 
sämmtliche  innere  Organe  und  auch  Absonderungsflüssigkeit®"’ 
wie  der  Harn,  von  dem  im  Blutwasser  aufgelösten  Färbestoff  d 
Galle  durchdrungen.  , 

Die  verdnnstbaren  Theile  des  Blutes,  natürliche  oder  fret»_  ^ 
artige  beigemischte,  können  von  den  freien  Oberflächen  der  t]"®' 
rischen  Membranen  verdunsten,  sofern  sie  nicht  durch  eigenthü"* 
liehe  Anziehung  von  dem  thierischen  Gewebe  zurückgehalten 
den.  Wenn  Druck  den  Durchgang  durch  die  Poren  der  tbi"®*^ 
sehen  Wände  begünstigt,  so  müssen  nach  physicalischen  fxcsetz 
auch  tropfbare  Flüssigkeiten  in  freie  mit  Gas  oder  Dunst  geff'  ^ 
Räume  durchdringen.  Diess  geschieht  nach  dem  Tode  s® ' ^ 
durch  blosse  Schwere,  so  dass  Blutwasser  und  später  aufgelö*^^ 
Färbestoff  die  Gewebe  durchdringen  und  sich  in  freien  Räun®  ^ 
ansammeln  können.  Die  Galle  durchdringt  dann  die  Gallenbl"- 
und  färbt  anliegende  Theile  gelb.  Während  des  Lebens  hält 
Resorption  diesem  Durchdringen  der  Membranen  durch  eine 
ganische  Anziehung  das  Gleichgewicht;  allein  verschiedene 
eben  in  Krankheiten  heben  dieses  Gleichgewicht  auf,  «n® 


5.  Verhalten  der  Gefässe  bei  der  Exsudation. 


241 


Rammelt  sich  dann  Wasser  mit  aufgelöstem  Thierstoff  und  Salzen 
den  Höhlen  und  im  Zellgewebe,  und  verursacht  die  Erschei- 
nungen der  Wassersucht  und  des  eiweissstofFlialtigen  Urins.  Nach 
•erscliliessung  grosser  Venenstämme  der  Eingeweide  und  derEx- 
h'ernitäten  entsteht  Exsndation  von  eiweisshalfigem  Wasser  aus 
“em  Blute  in  den  anliegenden  serösen  Säcken  oder  im  Zellgewebe, 
besonders  der  unteren  Extremitäten,  und  man  kann,  wie  Bouii.- 
tAüD  gezeigt  hat,  eine  Wassersucht  des  Zellgewebes  künstlich  er- 
*eugen  durch  Unterbindung  grosser  Venenstämme.  Die  Wasser- 
^'icliten  nach  Degeneration  der  Eingeweide  entstehen  vielleicht 
®Uch  zürn  Theil  von  Verschliessung  der  Circulationswege  dieser 
Eingeweide.  Aus  denselben  Ursachen  könnte  man  die  Exsuda- 
Eon  des  aufgelösten  Faserstoffes  in  den  Entzündungen  erklären, 
"^gleich  für  die  Qualität  der  ausschwitzenden  Materie  noch  be- 
Sondere  Ursachen  einwirken. 

Hiernach  scheinen  die  Exhalatlonen  (Dunst)  und  Exsudatio- 
(tropfbar  Flüssiges)  nach  rein  physicalischen  Gesetzen  der  Im- 
^'^ition , Endosmose  und  des  Druckes  auch  im  lebenden  Körper 
***  erfolgen.  Dem  ist  aber  nicht  so.  Nach  physicalischen  Ge- 
^^t^en  könnte  alles  Aufgelöste  durchdringen.  Im  lebenden  Rör- 
durchdringt  aber  nicht  alles  Aufgelöste  unter  dem  Einflüsse 
Endosmose  und  des  Druckes  die  thierischen  Gewebe,  sondern 
Exbalirte  und  Exsudirte  ist  oft  nur  ein  Theil  der  im  Blute 
?.^fgelösten  Stofle.  So  exsudirt  in  der  Entzündung  unter  der  ört- 
‘'^hen  Blutanbäufung  aufgelöster  Faserstoff  durch  die  Häute,  Fa- 
*®*‘stofr,  der,  w'ie  ich  bewiesen  habe,  im  lebenden  Blutwasser  auf- 
^®*bst  ist.  Bei  den  Wassersüchten,  wie  sie  z.  B.  durch  verhinder- 
Rückfluss  des  Blutes  bewirkt  xverden , epudirt  dagegen  nicht 
Faserstoff  des  Blutes,  das  Exsudat  gerinnt  nicht  von  selbst, 
^^ädern  nur  durch  Reagentien  werden  Stoffe  daraus  niederge- 
®hlagen,  es  enthält  nur  den  aufgelösten  Eiweisssloff  des  Blutes, 
^'•äraus  geht  hervor,  dass  dem  Durchdi  ingen  des  aufgelösten  Fa- 
^Jirstolfes"  in  den  Wassersüchten  noch  durch  eine  Kraft  das  Glelch- 
ij^^'yicht  gehalten  seyn  muss,  welche  in  der  entzündlichen  Exsu- 
“hon  gelähmt  ist,  und  diess  muss  eine  Anziehung  des  lebenden 
evvebes  zum  aufgelösten  Faserstoff  seyn,  während  dasselbe  Ge- 
A hei  der  Wassersucht  eiweissstoffiges  Wasser  durchl.ässt.  Im 
■Yy'ange  der  Entzündung  wird  nur  JBlutwasser , wie  in  einer 
"^nde  oder  nach  dem  Legen  eines  Blasenpflasters,  hei  heftigerer 
j^.^fziindung  auch  Faserstoff  ausgeschieden.  Dass  ähnliche  Ver- 


^'tnisse  bei  der  Exhalation  z 


B.  der  Haut  stattlinden,  ist  wahr- 


®*nlich,  dagegen  unwahrscheinlich,  dass  alles  von  den  thieri- 
Oberflächen  exbalirt,  was  verdünslhar  ist. 


Sch, 

Sch, 

^cr  Ausscheidungen  sind  gar  nicht  nach  den  Gesetzen 

Endosmose  zu  erklären,  z.  B.  die  des  Harnsloffes  aus  dem 
‘^nreh  die  Nieren.  Diess  ist  wirklich  eine  blosse  Aiisschei- 
SCftf’  Harnstoff  wird  nicht  ln  den  Nieren  erst  gebildet, 

tiof  Rrevost  und  Dumas  haben  entdeckt,  und  Segalas  besüi- 

hl“  ’ nach  der  Exstirpation  der  Nieren  der  Harnstofl  im 

do  ^ ^nhinden  wird.  Diese  allerdings  aufgelöste  Materie  wird 
im  Blute  nur  so  lange  nicht  gefunden,  als  sie  nicht  durch 


s Physiologie.  1. 


16 


‘242  /.  Buch.  Von  den  organ.  Säften  u.  dem  Gefässsystem. 

die  Nieren  daraus  ausgescliieden  wird.  Wenn  aber  Harnstol 
sclion  im  Blute  aufgelöst  ist,  warum  wird  er  allein  durcli  oi 
Nieren  ausgeschieden  und  nicht  durch  alle  anderen  Äbson 
rungsorgane?  Die  Gesetze  der  Endosmose  reichen  zur  ErklarnUo 
dieser  wahrhaften  Ausscheidung  nicht  ans. 

Auch  andere  Ausscheidungen  geschehen  ausBestandlheilen  o'-' 
Blutes  und  erfolgen  nur  unter  bestimmten  Örtlichen  Bedingunge'» 
wie  der  Menstrualfluss.  Nach  Lavagna,  Toulmouche,  Brand 
und  meinen  eigenen  Beobachtungen  enthält  das  Menstrma  bU 
keinen  Faserstoff.  Es  formt  sich  allerdings  im  Urin  oft  in  Rlu« 
pen  aber  diese  Klumpen  sind  wie  Brei  und  bestehen  vorzugbc 
nnr^aus  den  rothen  Körperchen.  Dass  das  Menstrualhlut  nur  en] 
concentrirte  Auflösung  von  Farbestoff  der  Blutkörperchen  sey, 
Brande  behauptet,  ist  gewiss  falsch;  ich  habe  bei  Untersuchun» 
des  Menstrualblutes  wirkliche  unveränderte  Blutkörperchen  dar 
gefunden.  Diess  setzt  voraus,  dass  im  Uterus  der  Menstruirendc^ 
eine  solche  Auflockerung  der  Capillargefässwände  eintrete,  da- 
sie  zu  dieser  Zeit  Kügelclien  durcblassen.  An  Venenmundunge 
ist  hierbei  so  wenig  als  an  irgend  einem  Orte  zu  denken. 

giebt  keine  Venenmündungen.  i.  i 

Die  langsame  Ausscheidung  von  Blut,  welche  die  Patholo- 
Diapedesis  (per  sccrctioneni)  nennt,  kann  auch  keine  eiiifacb 
Ausscheidung  seyn;  sie  setzt  auch  Auflockerung  der  Gefässiväod^ 
voraus,  und  ist  in  vielen  Fällen,  wenn  nicht  in  allen,  gCAviss  >' 
einer  Zerreissung  der  kleinsten  oder  Caplllargcfässe  begründci 
wie  hei  dem  Blutspeien  und  blutigen  Auswurf  in  der  Limgenci) 
Zündung.  Dass  aber  der  die  Blutkörperchen  färbende  Stell  si 
unter  besonderen  Umständen  in  Blutwasser  der  lebenden  Tlnei 
autlösen  könne,  und  blutig  gefärbtes  Blutwasser  diirchschwiBD 
könne,  hat  Wedemeyer  {üher  den  KreidauJ.  Hannooer  1828.  4t)U- 
wahrscheinlich  gemacht.  Bei  Pferden,  welchen  viel  warmes  Was» 
in  die  Venen  gegossen  wurde,  trat  Exsudation  von  blutigem  v a ^ 
ser  aus  der  Nase  und  in  die  Bauchhöhle  ein.  Bekanntlich  Iiat 
Färbestoff  der  Blutkörperchen  die  Eigenschaft  sich  im  Wasser  aw^ 
zulösen.  So  scheint  sich  auch  Bhitrolh  im  Serum  beim  Scorb«J 
im  morbus  maculosus,  und  nach  dem  Schlangenbiß  (AutenbiK^u 
Physiol.  2.  154.)  aufzulösen.  Nach  einem  geistreichen  Arzt 
die  Diapedesis  ein  Diirchdringen  von  bloss  aufgelöstem  Blutro^^^ 
nicht  von  Blutkörperchen  seyn.  Diess  ist  schwer  zu 
und  vor  dem  Beweis  nicht  annehmbar.  Selbst  das  blutige 
des  Blutes  im  Scorbut  enthält  vielleicht  nicht  einmal  Fm'bes^^^^ 
aufgelöst,  sondern  zerstreute  Kügelchen,  was  immer  leicht  r 
schehen  kann,  wenn  das  Blut  nicht  fest  gerinnt. 

Die  Erscheinung  von  Kügelchen  in  den  Secreta  setzt  . 
Bildung  derselben  im  Momente  der  Abscheidung  voraus. 
dem  Blute  aus  den  Capillargefässen  können  diese  nicht 
gehen.  Die  Kügelchen  des  Eiters  sind  grösser  als  die  |,gii 
perchen,  zum  Theil  noch  einmal  so  gross  (Weber),  sie 
nicht  aus  den  Blutkörperchen  ihre  Entstehung  nehmen, 
entweder  abgestossene  Theilchen  der  eiternden  Oberfläcl^; 
bilden  sich  erst  im  Momente  der  Abscheidung,  da  der  Eite 


III,  Ahschn.  l^on  der  Lymphe  und  dem  Lymphßefässsystem,  243 

^lomente  der  Bildung  dünn  und  klar  nach  Brugmabs  und  Au- 
temrietu  abgeschieden  werden  soll.  Die  Ausscheidung  von  EI- 
terkügelchen , die  ins  Blut  gekommen,  durch  die  Nieren,  er- 
scheint daher  als  eine  reine  Unmöglichkeit,  nur  die  näheren  Be- 
standtheile  des  Eiters  im  aufgelösten  Zustande  können  .abgeschie- 
den werden.  ■ ■ 


ITI,  Abschnitt.  Von  der  Lymphe  und  dem 
Ly  mphgefässsy  Stern. 

I.  Capvtel.  Von  der  Lymphe. 

Die  Lymphe  ist  der  Inhalt  der  lymphatischen  Gefässe.  Sie 
eine  hlassgelbe  klare  und,  wenn  sie  nicht  mit  Blutkörpercheij 
*äfullig  verunreinigt  worden,  in  der  Regel  nicht  rötliliche  klüs- 
^SWt.  Beim  Frosch  ist  sie  ganz  klar,  nicht  einmal  gelblich;  heim 
^cnschen  haben  sie  Wutzeu,  H.  Nasse  und  ich  gelblich  klar 
*®ohachtet.  Die  Lymphe  ist  geruchlos,  reagirt  schwach  alcalisch, 
schmeckt  salzig.  Die  Lymphe  des  Darmkanals,  wenn  sie  auf- 
Scsogene  Nahrungsstoffe  enthält,  ist  weniger  klar,  sondern  immer 
ycht-  oder  weniger  getrübt,  bald  gelbgrau,  bald  Aveisslicb  , von 
grossen  Menge  von  runden  Kügelchen.  Die  Lymphe  des 
‘^i’taes  wird  bei  gefütterten  Thiercn  Chylus  genannt. 
y.  Lymphe  und  Chylus  enthalten  aulgelöstes  Eiweiss  und  aulge- 
Faserstolf.  Der  leztere  gerinnt  in  der  Lymphe  innerhalb 
, ^linuten  zu  einer  Gallerte.  In  Reui^s  und  Emmeht’s  Untersa- 
^ (Scheeer’s  Journ.  5.  691.)  gaben  92  Gr.  Lymphe  des  Pfer- 
t J Coagiiinm  im  weichen  Zustande,  ako  inoch  nicht  ^ Pfoc. 
^ ®cknen  Faserstolf.  Die  übrige  Flüssigkeit  hintcrliess  ahgedun- 
Proc.  trocknen  Rückstand,  vorzüglich  Eiweiss.  und  Koch, 
j B.ETJSS,  Emmert  und  Lassaigne  'erhielten ovön  der  Lymphe 
hti*i  wie  ich  und  Nasse  von  der  Lymph«^  des  Menschen, 

sg  *ch  in  allen  Fällen  von  der  Lymphe  der  Frösche,  den  Fa- 
8g  ganz  farblos.  Nur  Tiedemank  und  Gmeein  geben  deiiFa- 
der  Lymphe  von  Thieren  blassrölhlich  an,  was  vielleicht 
sai  **^^^*h'ger  Verunreinigung  von  etwas  Blut  herrührte.  Las- 
giebt  die  Zusammensetzung  der  Pferdclymphc  folgender- 
Cl^*®**  an:  Wasser  92,500,  Faserstoff  0,330,  Eiweiss  5,736, 
Chlorkalium,  Natron,  phosphorsaurer  Kalk  zusam- 
1,434.  Tjedemabb  und  Gmelih  fanden  in  der  Lymphe  auch 

16  * 


244  I.  Buch.  Von  d.  organ.  Säften  etc.  III.  Abschn.  Lymphsystem. 

Spelclielstoff,  Osmazom,  kolilen-,  schwefel-,  salz-  und  essigsaa- 
res  Natron  und  Kali  nebst  phospborsaurem  Kalk.  , , ^i, 

Von  der  Lymphe  unterscheidet  sich  der  Chylus  dadnrcip 
dass  der  Chylus  ‘freies  Fett  enthält,  dass  die  Menge  der  festem 
Theile  in  ihm  grösser  ist  (100  Chylus  aus  den  Lymphgefässen  de 
Mesenteriums  vom  Pferde  gaben  Tiedemakn  und  Gmelin  0,d 
trocknen  Faserstoff,  die  Lymphe  des  Beckens  nur  0,13),  und  da* 
der  Chylus  viel  mehr  Kügelchen  enthält  und  trüber  ist.  Die  Kü- 
gelchen der  Lymphe  sind  sparsam  und  sind  bisher  ühersehedi 
Dr.  H.  Nasse  und  ich  haben  sie  in  der  Lymphe  des  Menschen» 
und  ich  sehr  häufig  in  der  Lymphe  der  Frösche  gesehen. 

Die  Lymphe  des  Menschen  scheint  zuerst  von  uns  untersuc» 
zu  seyn.  Denn  Soemmerrikg’s  Lymphe  aus  Varices  von  Lymp  *' 
„efässen,  die  nicht  gerann,  konnte  keine  Lymphe  seyn. 

Im  Winter  1831  — 1832  bot  sich  in  Bonn  diese  ausserordenl- 
liehe  Gelegenheit  dar,  Lymphe  des  Menschen  zu  untersuchen,  h 
chirurgischen  Clinico  des  Hrn.  Professor  Wutzer  befand  sich  ei' 
junger  Mensch,  dem,  in  Folge  einer  vor  längerer  Zeit  erlittene^ 
Verletzung  am  Fussrücken,  beständig  Lymphe  aus  der,  allen  vei- 
suchen  zur  Heilung  trotzenden,  kleinen  Wunde  ausfloss.  Wen' 
man  über  den  Rücken  der  grossen  Zehe  in  der  Richtung  gege 
die  Wunde  hinstrich,  floss  jedesmal  eine  Quantität  ganz  klar«* 
Flüssigkeit,  zuweilen  spritzend,  hervor.  Diess  war  Lymphe.  Si» 
setzte*^nach  ungefähr  10  Minuten  ein  spinngewebeartiges  Coag"- 
lum  von  Faserstofi'  ah.  Hier  konnte  man  nun  Lymphe  in  Meng® 
sammeln.  Was  mich  am  meisten  zu  wissen  interessirte , war:  o 
die  Lymphe  Kügelchen  enthalte,  welche  alle  neueren  Beobach- 
ter, Reuss  und  ErMERT,  Soemmerrikg,  Tiedemakn  und  Gmee'  ’ 
Brahde,  Lassaigne,  nicht  beobachtet  haben;  u'ogegen  Hews" 
in  der  freilich  zweideutigen  Lymphe  von  der  Thymusdrüse  d'^ 
Kalbes  unzählige  weissc  Körnchen  von  der  Grösse  der  Kerne  d« 
Blutkörperchen,  und  in  der  röthlichen  Lymphe  der  Milz  rofl'^ 
Körperchen  gesehen  haben  wollte.  Bei  der  mikroskopischen  L"^ 
tersuchung  jener  Lymphe  des  Menschen  sah  ich,  dass  die  Ly*’ 
plie,  obgleich  sie  klar  und  durchsichtig  war,  doch  eine^  Me"S 
farbloser  Kügelchen  enthielt,  die  kleiner  schienen,  als  die  Blu^^ 
körpcrchen  des  Menschen,  und  sehr  viel  sparsamer  darin  entb® 
ten  waren,  als  die  Blutkörperchen  itn  Blute.  Diese  Kugelen 
verbinden  sich  beim  Geiännen  zum  kleinern  Theil  mit  dem  ^ 
guluin.  Der  grösste  Theil  bleibt  im  Lymphserum  suspend'»^' 
bas  Coagulum  besteht,  wenn  es  sich  zusammengezogen  hat,  » 
einem  weissem  fadenartigeu  Gewebe.  Das  Merkwürdigste  ist  n 
aber,  dass  das.  Gerinnsel  nicht  durch  Aggregation  der  Kügelc*' 
entsteht,  sondern  man  sieht,  dass  eine  vorher  aufgelöste  Ma 
gerinnt  und  die  zerstreuten  Kügelchen  zum  Theil  in  sich  " 
nimmt.  Untersuchte  man  das  Gerinnsel  von  einer  sehr  kle"'^^ 
Quantität  Lymphe,  die  man  in  einem  Uhrglase  hatte 
lassen , so  erkannte  man  die  Lyrnphkügelchen  bei  starker 
grösserung  eben  so  zerstreut  in  dem  Coagulum,  wie  sie  ij, 
in  der  Lymphe  selbst  erschienen.  Die  Materie,  welche  die  Ly^f^g 
kügelchen  verbindet,  lässt  sich  besonders  an  dem  zarten  ß® 


1.  Von  der  Lymphe.  Lymphe  des  Menschen  und  der  Frosche.  245 

•les  Coagulum  beobachten ; sie  ist  ganz  gleichartig,  schwach  darch- 
Wchtend,  und  besteht  nicht  deutlich  aus  Kügelchen,  die,  wenn 
dai’in  enthalten  sind,  sehr  viel  kleiner  scyn  müssen,  als  die 
Kügelchen  der  Lymphe.  Vergl.  H.  Nasse,  Tiedemann’s  Zeii- 
ocftrlß  V.  Diese  neuen  Beobachtungen  beweisen,  dass,  obgleich 
die  Lymphe  Kügelchen  suspendirt  enthält,  doch  der  Faserstoff 
ihr  aufgelöst  ist.  Beim  Menschen  wird  sich  die  Gelegenheit 
®ebr  selten  darbieten , jene  Beobachtungen  zu  wiederholen.  Da- 
S®gen  werde  ich  jetzt  angeben  , wie  man  sich  zu  jeder  Zeit,  wo 
*Äan  Frösche  haben  kann,  die  Lymphe  dieses  Thieres  sehr  leicht 
^nd  rein  verschaffen  kann.  Es  ist  bekannt,  dass  die  Haut  der 
^•"ösche  überaus  locker  mit  den  Muskclschichten  verbunden  ist. 
^ass  zwischen  beiden  ansehnliche  Lymphräume  enthalten  scyn 
öiussen,  erkennt  man  schon  an  der  Natur  der  zwischen  Haut 
Muskeln  enthaltenen  Flüssigkeit.  Wenn  man  bei  grossen 
**■0801160  die  Haut  am  Oberschenkel  anschneidet,  und,  indem 
®^an  die  Zerschneidung  grösserer  Blutgefässe  vermeidet,  die  Haut 
®ine  Strecke  weit  von  den  Muskeln  «ablöst,  so  fliesst  öfter  (nicht 
**>itner)  eine  klare,  farblose,  salzig  schmeckende  Flüssigkeit  aus, 
zwar  oft  sehr  reichlicli,  wenn  der  Frosch  sehr  gross  und 
jyisch  war.  Diese  Flüssigkeit  ist  Lymphe.  Der  Beweis  davon 
in  dem  Umstande,  dass  diese  Flüssigkeit  innerhalb  mehrerer 
^'nuten  ein  ansehnliches,  anfangs  wasserhelles  Coagulum  absetzt, 
j?*  sich  allmälilig  zu  einem  fadenartigen  sveisslichen  Gewebe  ver- 
i*^btet.  Wenn  man  von  einer  Anzahl  grosser  Frösche  die  Lymi- 
sammelt,  so  erhält  man  genug,  um  eine  nähere  Untersuchung 
^öziistellen.  Das  Faserstoll'gerlnnsel  einer  gewogenen  Quantität 
^*nphe  wurde  getrocknet ' und  mit  einer  sehr  empfindlichen 
^“age  gewogen;  so  erhielt  ich  aus  81  Th.  Froseblymphe  einen 
trocknen  Faserstoff;  ein  Verhältniss,  welches  wegen  der 
lenge  des  Faserstoffes  sehr  merkwürdig  scheint,  Avenn  sich  auf 
w'oi  einzigen  Versuch  hei  so  kleiner  Quantität  ein  bestimmter 
^^^rtli  legen  Hesse.  Bewahrt  man  Frösche  lange  auf,  so  gerinnt 
Scwonnene  Lymphe  nicht  mehr,  so  wie  aucli  ihr  Blut  ent- 
y®der  sehr  Avenig  oder  gar  kein  Gerinnsel  absetzt.  Die  Frosch- 
f***phe  enthält  im  frisehen  Zustande  Kügelchen,  jedoch  ausser- 
Pj'dcntlich  sparsam  darin  zerstreut.  Sie  sind  ungefähr  AÜermal 
filier  als  die  elliptischen  Blutkörperchen  des  Frosches.  Sie  sind 
jJ''*d  Und  nicht  platt.  Da  man  heim  Einsclineiden  der  Haut  des 
^^osclies  jedesmal  auch  einige  Blutgefässe  zerschneidet,  so  ist  es 
^''■''ermeidlich,  dass  sich  bei  mikroskopischer  Untersuchung  in 
Lymphe  einige  elliptische  Blutkörperchen  zeigen.  Diese  Bei- 
j^®j*Sung  ist  aber  ganz  unbedeutend,  und  die  Lymphe  bleibt  Avas- 
Durch  diese  Beobachtung  hat  man  den  grossen  Vortheil, 
schnell  und  zu  jeder  Zeit  Lymphe  verschaffen  zu  können; 
de  ***‘'*1  kann  so  die  Haupteigenschaften  derselben,  da  sie  mit 
*■  **ieiischUchen  sehr  übercinkömmt,  in  den  Vorlesungen  zeigen, 
^“gegen  man  bisher  keinem  Arzte  einen  Vorwurf  machen  konnte, 
die'^j  seinem  ganzen  Lehen  keine  Lymphe  gesehen  hatte, 

. doch  sonst  in  den  pathologischen  Werken  und  von  den  Aerz- 
■''*‘^1  bespi'ochen  Avird,  so  dass  sie  wegen  Unkenntniss  der 


246  I.  Buch.  Von  den  urgan.  Sliften  eic.  III.  Alschn.  Lymphsystem. 

wahren  Natur  der  Lymphe  vielerlei  der  verschiedensten  Dingß 
mit  diesem  Namen  helegen.  Nicht  allein  faserstoflhaltige  und  ei- 
weisshaltige  Exsudate,  sondern  auch  Wundflüssigkeiten  und  eitef' 
förmige  Stolle,  besonders  aber  alle  Materien,  welche- sic  nicb 
genau  kennen,  werden  von  ihnen  Lymphe  genannt. 

Diese  Versuche  vom  Frosche  liefern  die  Bestätigung  jener 
Beobachtung  von  der  menschlichen  Lymphe.  Es  ist  sehr  instrU' 
ctiv,  unter  dem  Mikroskope  die  Ent.Uehung  des  Gerinnsels  in  e*" 
nem  Tropfen  Froschlymphe  zu  untersuchen,  wo  man  sich  auf  d»^ 
Bestimmteste  überzeugen  kann , dass  die  hier  in  ganz  grossen 
Zwischenräumen  zerstreuten  Kügelchen  gar  keinen  Antheil 
der  Gerinnung  des  vorher  aufgelösten  Faserstoffes  haben.  Der 
Eiweissstoff  der  Lymphe  lässt  sicli  auf  die  gewöhnliche  Weise  ao* 
der  Lymphe  niederscblagen.  Merkwürdig  ist  aber,  dass  nicht  al- 
lein die  Froschlyraphe  von  viel  zugesetztem  liquor  Kali  caustic* 
trüb  wird,  und  dass  der  Chylus  der  Säugethiere  von  zugesetzteiö 
liquor  Kali  canstici  sogleich  das  Eiweiss  ahsetzt,  sondern  daS’ 
nach  meiner  Beobachtung  das  Eiweiss  auch  aus  kleinen  Quanti-' 
täten  Blutwasser  von  viel  zugesetztem  liquor  Kali  caustici  nieder- 
geschlagen wird.  Die  Kaiiauflösung  • muss  aber  ganzir.concci*- 
trirt  seyn.  ' . , ' 

Die  Lymphe  scheint  unter  gewöhnlichen  Umständen  än  de*' 
meisten  Theüen  farblos  zu  seyn,  zuweilen  hat  man  sie  rötblich 
gesehen;  Mageiid!e,  Tiedemasn  und  Gmehk  sahen  sie  so  hei  1®' 
Stenden  Thieren,  aber  diese  Färbung  ist  in  den  LymphgöfässeU 
der  Milz  nicht  selten.  Hewsön,  FoaMAHu,  Tiedemasn  und  GmB' 
LIN  haben  diess  bemerkt.  Seiler  hat  es  nur  ausnahmsweise  gC' 
fanden.  Budolpiii  hält  es  für  zufällig.  Ich  habe  incicss  im  Schlacht^ 
hause  an  der  Milz  des  Ochsen  wiederholt  unter  den  vielen  uii‘ 
ansehnlichen  Lymphgefässen  der  Oberfläche  der  Milz  jedesro'' 
einige  bemerkt,  deren  Lymphe  schmutzig  röthlich  war.  Ich  halt® 
diese  ganz  leichte  durchscheinende  Färbung  nicht  wtc  Hew'SC 
für  Färbung  von  rolhen  Körperchen  des  Blutes.  Ich  gla-nh 
vielmehr,  dass  die  Lymphe  in  dem  blutreichen  Gewebe  der  M'' 
vom  Färhestofle  des  Blutes  etwas  aufgelöst  hat. 

Der  Chvlus  der  Thiere  ist  last  immer  trüber  als  ihre  Lyp' 
phe,  und  diese  Trübheit  scheint  von  den  Kügelchen  des  Cbyh‘^ 
herzurühren.  Bei  den  Säugethieren  ist  der  Chylus  meist  weis=' 
lieh,  besonders  nach  fettiger  und  Fleischnahrung.  Bei  Vögc'J^ 
ist  der  Chylus  nicht  weiss,  sondern  mehr  durchscheinend.  *'(. 
ductus  thoracicus  der  Pferde,  seltener  bei  anderen  Thieren,  ^ 
der  Chylus  röthlich,  und  sein  Coagulum  wird  dann  in  der  L'“ 
noch  rölher. 

Was  <!ie  Vergleichung  der  Blutkörperchen  und  Chyluskör* 
eben  betnlft,  so  sind  die' Chyluskiigcichcn  der  Säugethiere,  j 
ich  vom  Kaninchen,  von  der  Katze,  vom  Hunde,  vom  Kalbe 
von  der  Ziege  mikroskopisch  untersucht  habe,  nicht  platt,  ^ 
die  Blutkörperchen,  sondern  rund.  Prevost  und  Dumas  lai* 
die  Chyluskügclchen  Par.  Zoll,  was  mehr  als  halb  s® 

beträgt,"  als  die  Blntkörperehen  des  Menschen.  (Siche  E.  D-  __ 
der  in  Hii.debrawdt’s  Anatomie  'I.  S.  160.)  Ich  habe  die  Chj*** 


1.  Von  der  Lymphe.  Vcrglekhuiig  der  Lymphe  u.  des  Chylus.  247 

tügelclien  jedesmal  auf  derselben  Glasplatte  mit  den  Blutkörper- 
clieii  desselben  Tbieres  untersucht,  und  fand  ihre  Grösse  bald 
gleich  der  der  Blutkörperchen,  wie  bei  der  Katze,  bald,  und 
Zwar  meistens,  etwas  kleiner,  wie  beim  Kalbe,  bei  der  Ziege, 
Beim  Hunde;  bei  welchem  letztem  ich  sie  von  sehr  verschiede- 
öer  Grösse,  die  meisten  sehr  klein,  und  alle  kleiner  als  die  Blut- 
körperchen fand.  Beim  Kaninchen  fand  ich  sogar  die  Cbyluskü- 
gclchen  zum  Theil  grösser  als  die  Blutkörpci’cbcn,  die  meisten 
^aren  sehr  klein,  bis  -j  so  gross  als  die  Blutkörperchen;  viele 
^aren  nicht  kleiner  als  die  Blutkörperchen , und  einige  waren 
.^ffenbar  grösser,  wenigstens  noch  einmal  so  gross;  fein  zertbeiltc 
k etttheilchen  waren  diess  nicht,  wie  ich  solche  allerdings  von 
''^sehnlicher  Grösse  ganz  deutlich  in  dem  Chylus  eines  mit  But- 
gefütterten  Hundes  von  deu  anderen  Rügelchcn  versebieden 
®*'k-annte.  Damit  stimmen  R.  W.vgker’s  Beobachtungen  überein. 
kiEcKER’s  ylnn.  4834.  Mueli.er’s  Arrhjv  1835.  107.  Auch  Wag- 
ist  in  Hinsicht  der  Identität  der  Lymph-  und  Cliyluskör- 
Perchen  mit  den  Kernen  der  Blutkörperchen  sehr  zwcilelhaft. 

verdanken  Tiedemann’s  und  Gmecik's  klassischen  Untersu- 
‘'Vngen  olfenbar  das  Meiste,  ja  fast  Alles,  was  wir  über  den  ebe- 
*''*schen  Hergang  der  Verdauung  wissen;  sie  haben  uns  auch  die 
y^Uständigsteu  Aufschlüsse  über  den  Chylus  geliefert,  mit  denen 
meine  wenig  zahlreichen  Beobachtungen  über  den  Chylus 
Ü‘cht  entfernter  Weise  vergleichen  kann.  Indessen  inuss  ich  doch 
l'me  Behauptung  hcsti-eiten,  welche  Tieuemakn  und  Gmeeijs-  sehr 
'ßslimmt  aussprechen,  dass  nämlich  alle  Trübung  und  alles  weiss- 
*cbe  Ansehen  des  Chylus  von  suspendirten  Fettkügelchen  her- 
*'''hre.  Tiede-mami»  und  Gmelin  scheinen  den  Chylus  für  eine 
^'“Pkommene  Auflösung  der  Thierstoffe  zu  halten,  in  welcher  keine 
^"deren  Kügelchen  als  Fettkügeichen  schweben.  In  der  That 
y^cn  sie  gesehen,  dass  beim  Schütteln  des  milchigen  Serums 
Chylus  mit  weingeistfreiem  Aethcr  alhnäblige  Klärung  des 
firums  eintrat.  Die  Gewissheit  über  den  IJj'sprung  der  Kügel- 
^'en  irn  Chylus  ist  von  ausserordentlicher  Wichtigkeit;  denn 
v.^f'n  z.  B.  Chylus  ganz  aufgelöster  Thierstofl  wäre,  und  bei  der 
^Sorption  keine  Kügelchen  in  die  Lymphgefässe  eindrängen,  als 
Q^za  bloss  flüssige  Fetltheilchen , so  wäre  cs  denkbar,  dass  die 
, *^irnungen,  die  man  bisher  vergebens  an  den  Zollen  des  Darm- 
j^tials  gesucht  hat,  wirklich  fehlen  könnten,  und  dass  diu  An- 
der  Lymphgefässnetzc  keine  grösseren  Poren  hätten,  wie 
weiche  Thiersubstanz,  welche  für  Aufgelöstes  permeabel  ist. 
? *st  mir  aber  wahrscheinlich,  dass  aus  dem  Darmkanal  auch 
, 'fklich  Kügelchen  in  den  Chylus  übergeben,  und  dass  es  nicht 
^ °ss  fein  zertheilte  retttröpfchen  sind.  Als  ich  milchiges  Serum 
.'"w  Chylus  der  Katze  in  einem  Uhi-glase  mit  weingeistfreiem 


'yetl 


^ tuer  versetzte,  schien  sich  zwar  anfangs  allmählig  das  Serum 
aufzuklären;  aber  es  blieb  doch,  selbst  nach  langer  Fort- 
Versuches  unter  immer  neuem  Zugiessen  von  Aethcr, 
uin  trübes  Wesen  zurück,  und  als  ich  dieses  unter  dem 
'^®®kope  untersuchte,  bemerkte  ich  darin  die  ganz  unverän- 
''mn  Chylnsi^ngeichen.  Ich  gebe  gerne  zu,  was  Tiedemaujs  und 


248  I.  Buch.  Von  d.  organ.  Säften  etc.  '///.  Abschn.  Lymphsystem. 

Gmelin  so  allgemein  beobachtet  haben,  dass  der  Cbylus  bei  fet' 
tiger  Nahrung  trüber  wird;  allein  ich  kann  nicht  annehmen,  dass 
alle  Kügelchen  des  Chylus  Fetttheilchen  seyen.  Wenn  aber  ancb 
der  Aether  das  Chylusserum  wirklich  ganz  klar  machte,  so  würde 
daraus  doch  noch  nicht  folgen,  dass  die  Kügelchen  blosse  Fett- 
theilchen  seyen.  Denn  die  Lymphe  ist  ganz  klar,  und  enthalt 
doch  zerstreute  Kügelchen. 

Die  sparsamen  Kügelchen  der  Lymphe  müssen  bei  der  Re- 
sorption von  den  Partikeln  der  Organe  abgestossen  werden,  oder 
sich  in  der  Lymphe  bilden.  Dass^die  Kügelchen  des  Cbylus  erst 
in  den  Lympbgefässen  entstehen,  dafür  sind  keine  Beweise  vor- 
handen. Diese  Bildung  der  Kügelchen  müsste  schon  in  den  Lymph' 
gefassnetzen  der  Darmhiiute  stattfinden;  denn  beim  Kalbe, 
man  an  der  Oberfläche  des  Darmes  sehr  gut  die  mit  Chylus  g®' 
füllten  Lymphgefässc  sehen  kann,  habe  ich  in  dem  Chylus  diese*' 
Gefässe  schon  die  gewöhnlichen  Kügelchen  bemerkt.  Nach  eine*" 
Hypothese  von  Doellisger  würden  sich  die  Kügelchen  im  Chyh** 
auch  ohne  Durchdringen  der  Lyrnphgefässwände  und  ohne  Pore'* 
erklären  lassen.  (Fboriep’s  JSotizen,  Bd.  1.  n.  2.)  DoeelingE® 
nimmt  an,  dass  die  Zotten  äusserlich  durch  Aggregation  und  Ap' 
Position  von  Bildungstheilchen  aus  dein  Chylus  des  Darmkanale® 
wachsen,  wie  die  Keimscheibe  des  Embryo  vor  dem  Entstehe'* 
der  Blutgefässe  aus  der  Dotter.substanz  dureh  Apposition  wächst- 
Während  nun  die  Darmzotten  äusserlich  Stoff  ansetzen,  soll  sld* 
ihr  Inneres  in  Chylus  auflösen;  allein  Beobachtungen  machen  die^® 
Hypothese  unsvahrscheinlich.  Der  Chylus  ist  bei  Säugcthiere'* 
immer  mehr  oder  weniger  trüb  nach  der  Fütterung,  und  unter- 
scheidet sich  hierdurch  constant  von  der  Lymphe  oder  dem  B**' 
sorptionsproducte  anderer  Theile,  er  variirt  offenbar  nach  dC 
Natur  der  Nahrungsmittel.  Jedermann  weiss,  wie  schnell  Fli**' 
sigkeiten  im  Darnikanale  aufgesogen  werden,  die  doch  schwerl'C'* 
bloss  unmittelbar  in  die  Capillargefässe  und  so  ins  Blut  gelange**’ 
und  dass  Farhcstoffc,  wenn  gleich  selten,  doch  einigemal  in  de'* 
Lympbgefässen  beobachtet  worden  sind.  Schlemm  hat  eine  B®' 
obachtung  an  jungen  Kätzchen,  die  noch  an  der  Mutter  trinke"i 
ge.macht,  wodurch  es  einigermaassen  wahrscheinlihh  wird, 
bei  ihnen  wirklich  Milch  ins  Blut  gelangt.  Eine  BeobachtunS’ 
die  RuDOLPiii  und  ich  verificirt  haben,  und  welche  auch  Ma'®“ 
bestätigt  hat.  (Siehe  Froriep’s  I\ot.  JV.  536.  565.)  Diese  K-d*' 
eben  haben  zuweilen,  nicht  immer,  eine  gewisse  Zeit  nach  de]** 
Trinken  ein  gelbrolhes  Blut,  welches  beim  Gerinnen  sich  in 
rothes  Congulum  und  milchweisses  Serum  scheidet.  Rudolf** 
und  Mayer  behaupten  es  auch  von  ganz  jungen  Hunden, 
ich  indess  in  einem  Falle  nicht  gefunden  habe.  Bei  jungen  Th'**^ 
ren  scheinen  also  wirklich  die  Kügelchen  der  Milch,  svelche 
die  Milch  weiss  machen,  in  die  Lymphgefässc  des  Darmka'*'** 
zu  gelangen,  gleichwohl  gerinnt  ein  Theil  der  Milch  im 
jener  Thiere,  wie  Mayer  bemerkt.  Kastiier  [das  tveisse  m'* 
Erlangen  1832.)  wollte  die  Wiederholung  von  Scrlemm’s  Be**  ^ 
achtung  nicht  gelingen.  Eine  ausführliche  Untersuchung  des  Chy* 
wird  übrigens  bei  der  Verdauung  im  2.  Buch  4.  Abschn. 


2.  Von  den  Lymphgefässen,  Ursprung  der  Lymphgefässe,  24.9 


Capitel.  Von  dem  Ursprünge  und  Bau  der  Lymph- 
gefässe. 

Verhalten  der  feinsten  Lymphgefässe. 

. Die  Avichtigen  älteren  Untersuchungen  über  den  Bau  der 
bympligefässe  sind  in  der  von  Lvdavig  herausgegehenen  Samm- 
‘•iDg  der  Schriften  von  Mascagki,  Cruirshask  und  Anderen  zu- 
^animengestellt.  In  der  neuern  Zeit  hat  dieser  Gegenstand  Avich- 
Aufschlüsse  erhalten,  besonders  durch  die  ausgezeichneten 
'^J'heiten  von  Fohmann  [das  Saugadersyst.  der  JVirhelt liiere.  I.  H. 
^‘•^idellj.  1827.  fol.),  von  Laute  [essai  sur  les  oaisseaux  lymphati- 
%es.  Strash.  1824.  j4nn.  des  sc.  nat.  T.  .3.)  und  von  Panizza  {os~ 
^^ruazioni  antropo-zootomico-fisiologiche.  Paoia  18-30.  fol.,  und 
^^pra  il  sisterna  linfatico  dei  rettUe  ricerche  zOotomiche.  Paoia  1833.) 
. . Die  Anfänge  der  Lymphgefässe  zeigen  sich  in  Quecksilber- 
^'*]ectionen  in  einer  zweifachen  Form. 

. 1)  Als  Netze  mit  bald  länglichen,  bald  mehr  gleichförmigen 

Y^sclieii.  Die  Maschen  sind  häufig  Meiner  als  der  Durchmesser 
I *■  feinsten  Lymphgefässe  selbst,  und  letztere  erscheinen  daher 
T ein  sehr  eng  zusammengezogenes  NetzAverk  von  unregelmäs- 
?'S®r  Bildung,  so  dass  die  ungleichen  Theile  des  engen  Netzwer- 
dem  Unaufmerksamen  Avie  Aggregate  von  Zellen  erscheinen 


1^..  Aiuin,  u iitiuiiiici  K^ai 

®>inen,  Avährend  sie  doch  nur  Ungleichheiten  und  kleine  Er- 
''®rterungen  des  Netzwerkes  bei  sehr  engen  Maschen  sind.  In 
^!*deren  Theilen,  avo  das  Netzwerk  viel  weitere  Maschen  hat,  ist 
cI®  netzförmige  Bildung  sogleich  in  die  Augen  fallend.  Die 
‘^rke  des  Durchmessers  dieser  Gefässe  in  den  Netzen  ist  sehr 
j^®*’schieden,  niemals  aber  sind  sie  so  fein  als  die  Capillargefässe, 

blossen 
den 


<»114 


i - ich  kenne  keine  Lymphgefässe,  welche  nicht  mit 

sichtbar  Avären.  Am  feinsten  müssten  sie  Avohl  in 
^'^nien  seyn,  nach  Fohmann’s  schöner  Entdeckung  und  nach 
ht*^^**  Ahbildun  gen.  Dass  es  noch  feinere  Lymphgefässe  giebt, 
sehr  unwahrscheinlich,  weil  eben  die  Lymphgefässnetze,  wie 
sie  jetzt  kennen,  nur  sehr  kleine  Zwischenräume  zwischen 
*'^>1  lassen. 

•^)  ln  anderen  Fällen  sieht  man  die  Anfänge  derselben  nicht 
Netze,  sondern  als  mit  einander  zusammenhängende  kleine,  mehr 
Weniger  regelmässige  Zellen.  So  waren  die  Lymphgefäss- 
4g^‘^tionen  des  Naheistranges,  die  zweifelhaften  Lymphgefässe 
Cornea,  die  ich  gesehen.  So  fiel  die  Injection  auch  am 
hj|j  **^kanale  aus,  Avenn  ich  beim  Kalbe  eines  der  mit  Chylus  ge- 
Darme  hervorkommenden  Lymphgefässe  gegen  den 
*^1*^''  Widerstand  der  Klappen  zu  überwinden. 


fr 


ych 


alle 


eine  Stahlspritze  mit  Quecksilbpr  füllte,  was  mir  in  einem 
N®!  gCAvaltsamer  Injection  ziemlich  gut  gelang.  Die  grosse 
kleinen  Zellen,  die  sich  dann  füUen,  führt  aut  den 
Sey  ^•'ken,  dass  das  Zellgewebe  selbst  der  Anfang  der  Lymphgef  ässe 
ZeJi  k^oHMAKN  ist  sogar  der  Meinung,  dass  alles,  Avas  Avir  für 
Scwebe  ansehen,  Lymphgefässe  sind.  Tiedemahn  Zeitschrift  f. 


250  I.  Buch.  Von  d.  organ.  Säften  etc.  III.  Ahschn.  Lymiihsystein. 

Physiol.  4.  2.  Diess  scheint  mir  noch  sehr  prohlematisch. 
Zellen  werden  dann  besonders  als  Anfänge  der  Lymphgefäs*® 
zweifelhaft,  wenn  sie  sich  gerade  vorzugsweise  hei  solchen 
len  vorfinden,  in  denen  man  sonst  keine  längeren  regelmässig®” 
Lymphgefässe  antrifft,  wie  an  dem  Naheistrange  und  der  Corn®”j 
Vergleichung  glücklicher  und  weniger  gelungener  Injectionen  u” 
eigene  Versuche  machen  mich  glauben,  dass  viele  der  sogenaiin' 
teil  zellenförmigen  Lymphgefässanfänge  gar  keine  wahren  Lymim' 
gefässe  sind,  und  dass  die  Lymphgeiässanfänge  in  der  Reg- 
auch  im  dichtesten  Zustande  gedrängte,  oft  regelmässige 
bilden.  So  gross  meine  Bewunderung  der  herrlichen  Lymphg®' 
fässinjectlonen  des  trefflichen  Foumavv  ist,  die  ich  wiederholt  i”' 
Museum  zu  Heidelberg  gesehen,  so  sehr  ich  anerkenne,  dä^ 
diese  Arbeiten  alles  ühegctrelfen,  was  ich  in  dieser  Art  von  Lymi'”' 
gelassen  gesehen  hahg,  so  weiss  ich  jedoch  sehr  gut  einen  IJ”' 
terschied  zwischen  den  vielen  gelungenen  Injectionen  und  eri”' 
gen  weniger  guten  zu  machen,  und  hege  den  bescheidenen  Zu'®*' 
fei,  dass  nicht  alles  Lymphgefässe  sind,  was  man  bei  Injection®” 
erhält.  So  kann  ich  idic  von  mir  gesehenen  Quecksilberanltd' 
lungen  unter  der  Conjunctiva  corneae  oder  zwischen  den  L»' 
mellen  der  Cornea  nicht  für  Lymphgefässe  halten,  ln  Hinsic” 
der  von  Fokmahn  {Zeitschnft  für  Physiol.  4.  2.)  beschrieben®” 
Lymphgefässe  des  Nabelstranges  bin  ich  ganz  ungeiviss.  Ich  i”' 
jicirte  nach  Fohmanii's  Vorschrift  den  I^abelstrang,  es  gel:'”!j 
mir  die  Quecksilberinjection  (mit  einem  Stahlspritzchen)  selb^ 
am  Nabelstrange  eines  ömonatlichen  Foetus  stellenweise,  so  da»’ 
ich  die  Injection  aufbewahren  konnte.  Ich  erhielt  lauter  kln”® 
mit  Quecksillier  gefüllte,  Zellchen  von  -t — Millim.  Diese  Z®*  ' 
dien  sind  gewiss  niplit  künstlich  gebildet,  die  meisten  sind 
gleich  gross,  und  aus  einem  Zellchen  rückt  das  Quecksilber 
das  andere  ohne  alle  Extravasation.  Dgr  grösste  Tlicil  des 
w'cbeS  des  Nabelstranges  um  die  Blutgefässe  besteht  aus  ih"®'” 
Nur  an  der  Insertio:  umbilicalis  des  Nahelstranges  füllten 
mehrere  ganz  kurze  parallele  Ranälchen.  Ich  weiss  nicht, 
jene  Zellen  Lymphzellen  sind,  und  liezweiüe,  dass  sie  der 
Sorption  dienen.  _ 

Die  Lymphgefässe  des  Darmkanales  entspringen  im  Do” 
darni,  zum  Theil  in  den  Darmzotten,  aber  auch  in  der 
Schleimhaut  des  Dartnkanales.  Bei  Injection  der  Lymj)hgd‘'*_ 
netze  der  Schleimhaut  des  Darmes  dringt  kein  Quecksilber  ”®  ^ 
vor.  Auch  die  Darnizotten  haben  keine  offenen  Enden, 
Liebekkueun,  CnuiRSuANK,  Hedwig  und  Bi.euland  fälschlich 
genommen.  Siehe  Rijdolphi,  anatomisch -physiol.  Abhandlw^V 
Alb.  Mecrel  in  Mecr.  Archio  T.  5. 

Eine  wichtige  Bemerkung  wäre  cs,  wenn  der  leichte 


i)li 


gang  von  Milch,  der  nach  meinen  Versuchen  in  die  LyH'}’'T(;|i 
fasse  eines  mit  dem  Gekröse  ausgeschnittenen  frischen,  mit 
Injicirlen  Darmstückes  erfolgt,  ohne  Zcrrcissung  des 
Darmhäutchens  vor  sich  ginge.  Wenn  man  ein  ausgeschnitft  j, 
Stück  Darm  des  Schaafes  an  einem  Ende  zuhindet  und  m‘ 
ner  Spritze  dieses  Darmstück  strotzend  mit  Milch  füllt,  so  e> 


2.  Von  den  Lymphgefässen.  Vripruiig  der  fymphgefäsee,-  251 


sogleipli  die  Lymphgefässe  des  Darmesv  ausgedehnt  vön  Milch, 
sehr  schnell  in  ihnen  fortrückt.  Wenn  man  - die  Milch  in 
'len  Lymphgefässen  nach  der  .Richtung  der  Klappen  fortstreicht, 
bemerkt  man  sogleich,  wie.  die  vom  Ilarme  kommenden  Lymph- 
§efässe  sich  wieder  füllen,  hesonders  wenn  man  den  Darm  'Com- 
lüftoirt.  Am  schnellsten  folgt  die  Anfüllung  der  Lymphgefässe 
''»‘t  Milch,  wenn  man  das  strotzende  Darmstück  durch  Zusam- 
Jn  der  Längenrichtung  zu  verkürzen  sucht,  weniger, 
'^enn  man  cs  von  der  Seite  compi'imirt.  Nimmt  man  statt  Milch 
®*ee  feine  lujectionsmasse  von  Zinnoher,  so  füllen  sich  die  Lymph- 
S^fasse  sehr  schwer,  und  mit  Quecksilber  gar  nicht.  Mit  einem 
'j^llkommen  aufgelösten  Farhestort,  wie  z.  B.  mit  löslichem  In- 
c'8*^,  kann  man  indess  auf  diese  Ai’t  sehr  leicht  Injectionen  der 
lymphgefässe  des  Gekröses  machen.  Dieser  von  mir  heohachtete 
f'^liuelle  üebergang  scheint  aber  jedesmal  mit  Zerreissung  des 
'"öersten  Darmhäutchens  an  einer  Stelle  zu  erfolgen,  denn  die 
Y*lullung  der  Lymphgefässe  erfolgt  plötzlich,  und  ])ei  Untersu- 
'^aung  der  innersten  Darmhaut  findet  man  diese  oft  hier  und  da 
Dem  zufolge  lege  ich  auch  auf  diesen  leichten  Ueber- 
P*'g,  den  ich  nur  beim  Schaafe,  aber  hei  keinem  andern  Thiere 
j j^ehachtete,  in  der  gegenwärtigen  Frage  keinen  Werth.  Es 
***eiht  indess  immer  zweifelhaft,  ob  die  Chyluskügelchen  schon 
H^hiljjQ^  in  die  Lymphgefässe  des  Darmes  eindringen,  vorzüglich 
*PHcht  dafür  die  verschieden  trübe  Beschaffenheit  des  Chylus 
?®®h  Maassgabe  verschiedener,  Nahrung.  Nun  fragt  sich,-  wo-  sind 
^fnungen  für  diesen  Durchgang,  die  jedenfalls  grösser  seyn 
***üssten,  als  die  in  anderen  weichen,  thierischen  Theilpn  voraus- 
^''mtzenden  Poren,  vermöge  welcher  sie.  für  "Wassef-  und  lür 
^"Pgelöstes  permeabel  sind;  denn  die  Capillargefüsse  sind  zwar 
^^fiueahel  für  Flüssiges  und  Aufgelöstes,  aber  nicht  für  die  Blut- 
“eperchen.  Alle  guten  Beobachter  stimmen  darin,  überein,  dass 
jP  tlen  Darmzotteu  keine  Spuren  von  Oeffnungen  zu  bemerken 
Und  ich  selbst  habe  hei  wiederholten  Untersuchungen  der 
j^'*»'mzotlen  von  Kaninchen,  Kalb,  Ochsen,  Schwein  und  von  der 
j^tze  niß  eine  Oeff'nung  an  dem  Ende  der  Darrozotten  bemerkt, 
dieser  Stelle  sind  die  Oeffnungen  der  Darmzotten  jedenfalls 

Folgendes  ist  das  Resultat  meiner  mikroskopischen  Untersu- 
über  den  Ban  der  Darmzotteu.  Die  Zotten  sind  bald 
^‘l'^enförmige,  bald  blättchenförmige,  oft  pyramidale,  kurze  Fort- 
*e  der  innersten  Haut  des  Darmes  von  ^ bis  1,  höchstens  1-j 
Länge,  w'elche  ihr,  im  Wasser  vergrössert,  das  Ansehen 
dichten  Pelzwerkes  geben.  In  dieser  Art  kommen  sie  in 
v;^f|  Fegel  nur  heim  Menschen,  den  meisten  Säugethieren  und 
Vögeln  vor.  Bei  einigen  Fischen  bemerkt  man  etwas  Aehn- 
*011*^*’  Fei  einer  Schlange,  Python  hivitatus,  hat  Retzius 

Fortsätze  der  innersten  Darmhaut  beschrieben,  wel- 
äoL  schwerlich  für  etwas  Anderes  halten  kann,  obgleich  Ru- 
Fischen  und  Amphibien  wahre  Zotten  abspricht. 
Meckel  hat  Unrecht,  wenn  er  alle  Zotten  auf  ein  an  der 
® breites,  an  der  Spitze  verschmälertes  Blatt  reduciren  will. 


252  I.  Buch.  Von  den  organ.  Säften  etc,  III.  Abschn.  Lymphsystem. 

Sie  sind  allerdings  bei  den  meisten  Säugthieren  platt,  wie  be*^ 
Kaninchen,  Hund,  Schwein;  allein  beim  Kalbe,  Ochsen,  Sch» 
sind  viele  Zotten  walzenförmig;  zuweilen  findet  man  in  eiuß' 
Theile  des  Darmes  mehr  platte,  in  einem  andern  Theile 
ben  mehr  walzenförmige  Zotten,  wie  beim  Ochsen  und  Sch*>**  ’ 
zuweilen  stehen  platte  und  walzenförmige  vermischt,  wie  ehe''- 
falls  beim  Ochsen  und  Schaafe,  und  bei  denselben  Thieren,  h®' 
sonders  beim  Schaafe  bemerkt  man  oft  an  manchen  Stellen  pl**^  J 
breite  Zotten  mit  walzenlormigen  Endzipfeln.  Indem  die  Zotte 
an  der  Basis  breiter  werden  und  in  Fältchen  zusammenhängCj 
geben  sie  in  die  Fältchen  über,  welche  bei  vielen  V^ögeln  u»^ 
bei  deri  Amphibien  die  Zotten  ersetzen.  Diesen  üebergang  be' 
oLaclitet  man  sogar  an  einem  und  demselben  Thiere,  Iin 
Theile  des  Dünndarmes  des  Kaninchens  sind  die  pjTamidalf' 
Zotten  an  der  Basis  in  Fältchen  vereinigt,  im  mittlern  Thei 
sind  sie  mehr  abgesondert,  Das  Ende  der  Zotten  ist  bald  ’ 
bald  etwas  zugespitzt,  bald  wie  ahgeschnitten,  letzteres  bc>  ^ 
Hunde.  Rudolphi  glaubte  früher,  dass  die  Zotten  ohne  Blutg®^ 
fasse  seyen,  und  k.  Meckel  hielt  die  in  sie  hei  Injectionen  eiä' 
dringende  Masse  für  imbibirt  und  extfavasirt.  A.  Meckel,  •> 
sonst  die  besten  Abbildungen  der  Zotten  gegeben  hat,  konn 
bei  dieser  Behauptung  unmöglich  gute  Injectionen  von  Darmzoi' 
ten  vor  sich  gehabt  haben.  Ihre  Gefässe  lassen  sich  nicht  alle'j 
sehr  schön  injiciren,  sondern  ich  habe  einmal  heim  Kalbe,  u'‘ 
später  wieder  beim  Hunde,  die  ich  unmittelbar  nach  dem  “jj 
ohne  auszuwaschen,  untersuchte,  seihst  noch  Blut  in  den  zart*’' 
Gefässen  der  Darnizotten  mit  und  ohne  Lonpe  gesehen.  0°*®, 
LiNGER , Seiler  und  IjAuth  haben  diese  Gefässe  nach  Injcctioi 
beschrieben  und  abgehildet.  _ .j^ 

Die  Zotten  zeigen  niemals  am  Ende  eine  Oeflimng,  ^ , 
von  Bleülaivd  vi.  A.  angenommenen  Mäuler  am  Ende  dersc 
gehören  seit  Rudolphi’s  Widerlegung  unter  die  Fabeln.  Ihr  E«'*^ 
zeigt  dasselbe  zarte  Gewebe,  wie  ihre  ganze  Oberlläche.  Bcik’.j 
PHI  hat  unsere  bisherigen  Kenntnisse  vom  Bau  dieser  Theile 
folgenden  Worten  zusammengCl’asst:  „Niemals  haben  sie  eine 
bare  Oeffnung,  in  ihrem  Innern  sind  Netze  von  Blutgetässen,  ‘ ^ 
sich  aber  selten  anders,  als  durch  Einspritzen  darslellcn  jassf  | 
so  wie  auch  in  ihnen  die  Netze  der  Saugadern  anlängen.' 
wichtiger  Umstand  scheint  mir , dass  die  Darmzotten  zum 
im  Innern  hohl  sind  und  aus  einem  überaus  zarten  Häutcli^^ 
bestehen,  in  welchem  die  Blutgefässe  verlaufen.  Diese  cii'h'® 
Höhlung  fiind  ich  vorzüglich  dann,  Wenn  die  Zotten  walzen 
mig  sind.  Ich  ward  zuerst  sehr  überrascht  hei  einem  ganz  ’V.gii 
untersuchten  Darme  vom  Kalbe,  dessen  Lymphgelässe 
Cbyhis  enthielten,  zu  sehen,  dass  die  Zotten  im  Innern  nid  *■ 
selben  weissen,  undurchsichtigen  Materie  von  oben  bis  ^nten  . 
füllt  waren.  Später  untersuchte  ich  den  Dünndarm  eines 
bes  und  fand  die  Zotten  nicht  mit  weisser  Materie  angen* 


Jjes,  llTia  itiiiu.  uie  iüOLieii  iiiGiic  «*•!.  , 

sondern  leer  und  deutlich  hohl,  wie  Rudolphi  selbst  einmal  , 
F’erkel  beobachtet  bat.  Hier,  wie  ferner  an  den  Zotten  des  ^ 
sen,  konnte  ich  unter  dem  Mikroskope  diese  zarten  Theile 


253 


2.  Von  Jen  LympJigefässen.  Bau  der  Darmzotten. 

"I®!“  Nadel  aufritzen ; auch  heim  Kaninchen  glaubte  ich  die  hlatt- 
fcrmigen,  etwas  breiten  Zotten  hohl  zu  sehen.  A.  Meckel  hat 
einmal  einen  Anschein  von  Hohlheit  gesehen  und  ahgebildet; 
äher  für  Umbiegung  der  Blättchen  erklärt,  woran  bei  meinen 
Beobachtungen  nicht  zu  denken  ist..  Die  Dicke  des  Häutchens, 
^'oraus  dis  "Zotten  heim  Kalbe  bestehen,  habe  ich  durch  Verglei- 
ehung  zu  0,00174  P.  Zoll  ausgemittelt.  Tn  dieser  Dicke  verlaufen 
'‘'so  die  blutführenden  Capillargefässe  der  Darmzotten,  die  man 
“«f  0,00025  bis  0,00050  P.  Zoll  schätzen  kann.  So  leicht  ich 
l'^ich  beim  Kalbe,  Ochsen,  Schaafe  und  Kaninchen  von  der  Hohl- 
iler  Zotten  überzeugen  konnte,  und  zwar  an  denjenigen  Zot- 
welche  weniger  platt  und  breit,  sondern  schmal  oder  gar 
Walzenförmig  waren,  so  wenig  konnte  ich  es  an  den  Zotten  der 
^atze,  des  Schweines  und  des  Hundes;  die  des  Hundes  scheinen 
5“''  in  ihrem  obern  Theile  hohl  zu  seyn;  auch  die.Fältchen  im 
J-arnikanale  der  Fische,  wie  des  Aales,  des  Karpfens  und  der 
W'äpea  alosa,  sind  durchaus  nicht  hohl,  sondern  fest  an  einander 
*®8ende  Duplicaturen.  Auch  die  im  Darmkanale  des  Schaafes 
gewissen  Stellen  vorkommenden  platten,  breiten  Zotten  be- 
^’janden  offenbar  nicht  aus  einer  einfachen  Höhlung,  eben  so  we- 
'''S)  wie  solche  ganz  breite  Zotten  im  Darme  des  Kaninchens; 
überhaupt  scheinen  alle  breiten,  platten  Zotten  mehr,  als 
einfache  Höhlung,  als  Anfang  der  Lymphgefässe  zu  enthal- 
Die  Darmzotten  des  Menschen  zeigten  nämlich  auf  der  hie- 
Anatomie  bei  einem  Menschen,  dessen  Lymphgefässe  des 
. “eines  bis  in  die  Zotten  mit  w'cissem  Chylus  gefüllt  waren,  eine 
Höhlung  von  oben  bis  unten  j wie  die  mikroskopiscHe 
• “tersuchung  von  Henle  und  die  von  Sciiwamh  ausgeführte  In- 
dieser  Zotten  mit  Quecksilber  von  den  deutlich  sichtha- 
Lymphgefässen  der  Mutosa  bewies.  Das  Quecksilber  füllte 
® Zotten  bis  an  die  blinden  Enden. 

Man  kann  etwas  für  liphle  Zotten  halten,  was  ganz  davon 
^^fschieden  ist.  Diess  ist  eine  Art  Epitheliura,  wenn  gleich 
ausserordentlicher  Zartheit.  Rudolphi  hat  das  Epitheliura 
vom  Dachs  erwähnt.  Bei  Kälbern  und  jungen  Ratzen 
sehr  leicht,  sicli  zu  überzeugen,  dass  die  Zotten  von  ei- 
cli*''  l®icht  abstreifbaren , überaus  zarten,  unorganisirten  Häut- 
^ überzogen  sind , welches  sich  wie  ein  Handschuh  von  den 
he  I **  ablöst;  es  ist  sehr  zart  und  zerreiblich.  Um  diess  zu 
^ ?hachten,  darf  man  das  Darmstück  nicht  sehr  auswaschen, 
I es  sich  sonst  von  selbst  löst.  Beim  Ochsen  ist  es  noch 
zarter  und  nicht  leicht  zu  beobachten;  es  wäscht  sich  wie 
(Jjg®  schleimige  Materie  ab,  an  der  man  nur  hier  und  da  noch 
•ler  der  Zotten  erkennt.  Mit  dem  festen  Epithelium  an- 

Ve;®’’  Schleimhäute  lässt  sich  diess  nicht  vergleichen.  Es  ist 
gg  W ^P’^^^^^alsartige  Masse,  sondern,  wenn  auch  zusammenhän- 
4hj  iiautartig,  doch  dem  Schleime  so  verwandt,  dass  mir  die 
'^.“j'crung  hier  zwischen  Epithelium  und  Schleim  in  der  Mitte 

Stehen  scheint. 

Higj,!  ^gleich  ich  niemals  am  Ende  der  Zotten  eine  Oeffnung  be- 
habe,  und  obgleich  ich  bei  früheren  Untersuchungen  nie- 


254  I.  Buch.  Von  den  organ.  Säften  etc.  III.  Ahschn.  Ijympksystem. 

mals  auf  der  ganzen  Oberfläclie  der  Zotten  kleine  Löcliercb®'' 
sehen  konnte,  so  habe  ich  doch  nenlicb  an  sehr  ausgewascbene** 
Darmstücken  des  Schaafes  und  Ochsens  auf  den  Wänden 
Darmzotten,  und  zwar  auf  der  ganzen  Oberfläche  der  ZotteO' 
ganz'  undeutliche  zerstreute  Grübchen  bemerkt,  die  man  'W'®’ 
fiir  schief  durchgehende  Oeffnungen  halten  könnte.  loh  tlic‘‘ 
diese  von  mir  wiederholte  Beobachtung  jedoch  nur  mit  grossß* 
Zurückhaltung  und  viel  Misstrauen  mit.  Die  Untersuchung  mi*** 
mit  einem  einfachen  Mikroskope  geschehen,  und  das  kleine  Oh" 
ject  muss  in  Wasser  über  einer  schwarzen  Unterlage  beobacht^ 
werden.  Den  Anfang  der  Lymphgefässe  in  den  Darmzotten  kac" 
man  übrigens  in  dem  früher  angeführten  Versuche  heobaclilß''' 
Spritzt  man  Milch  in  das  Innere  eines  Darmstückes  vom  Scha»' 
ein,  bis  sich  die  Lymphgefässe,  wahrscheinlich  durch  ZerreissuäS 
des  innersten  Häutchens,  plötzlich  füllen,  so  findet  man  herna<^ 
auch  wohl  die  Darmzotten  hier  und  da  mit  Milch  gefüllt. 
muss  den  Versuch  sehr  oft  anstellen,  mn  eine  zufälligerweise 
folgte  Anfüllttng  der  Damzotten  mit  Milch  zu  erhalten,  die  wal’’" 
scheinlich  nicht  von  der  innern  Fläche  der  Zotten  ans,  sonde’’*' 
rückwärts  von  den  durch  Zerreissung  angefülltcn  Lymphgefäß*' 
netzen  erfolgt.  Untersucht  man  solche  mit  Milch  gefüllte 
mit  dem  Mikroskope,  so  glaubt  man  in  den  dünnen  walzenföri®*' 
gen  Zotten  nur  einen  einfachen  Kanal  zu  sehen:  die  hreÜ'^'’’ 
platten  Zotten  enthalten  mehrere  unregelmässige  anastomosiren*!^’ 
meistens  aber  von  der  Basis  nach  dem  Ende  der  Zotte  gei'ir^’' 
tete  Kanäle,  welche  hier  blind  endigen  oder  sich  in  die  fing*^!' 
förmigen  Fortsätze  der  platten  Zotten  fortsetzen.  Diese  Kaii'j 
in  den  platten  Zotten  liegen  dicht  an  einander,  wie  ein  se* 
unregelmässiges  Netzwerk;  sie  sind  viel  stärker  als  die  hlutfin^^^ 
renden  Capillargefässe  zu  seyn  pflegen.  Die  Darmzotten , mög‘ 
sie  nun  Oeffnungen  haben  oder  nicht,  können  unmöglich  die  a**’ 
zigen  Organe  der  Einsaugung  seyn,  da  sie  so  vielen  Thieren  w 
len.  Diese  Betrachtung  führte  mich  zur  mikroskopischen  Unt^'^ 
suchung  des  Häutchens,  von  dem  die  Darmzotten  ansgehen, 
welches  allen  Thieren  gemein  ist. 

Untersucht  man  ein  wohl  ausgewaschenes  Stückchen 
Dünndarme  eines  Sängethieres , und  die  Beschaffenheit  des  Häj*  ^ 
chens , welches  die  Zotten  an  der  Basis  verbindet,  mit  dem 
fachen  Mikrosko  pe , so  erkennt  man  ohne  viele  Mühe  eine  ■. 
derbare  Menge  von  sehr  kleinen  Oeffnungen,  die  ungefähr  ’I  .. 
.3 mal  so  gross  als  die  Blutkörperchen  des  Frosches,  und  8 
12mal  so  gross  als  die  der  Säugethiere  sind.  Diese  Oeffnungß 
stehen  hei  den  Säugethieren  zuweilen  so  dicht  an  einander , 
die  Brücken  zwischen  denselben  kaum  so  dick  als  die  O®  j-», 
gen  selbst  sind.  Meistens  sind  sie  jedoch  mehr  zerstreut;  iu  " 
sem  Falle  gehen  diese  Vertiefungen  dem  innersten  Darmliäut® 
ein  schwammiges,  überaus  zartes  Ansehen.  Selbst  die 
Zotten  erscheint  'heim  Schaafe  und  Ochsen  wie  durchlöcl'®^_|, 
Es  sind  die  Oeffnungen  der  mikroskopischen  Lieberkubki'''*®  , 
Drüschen.  Siehe  Boehm  de  gland.  intestinal,  struct.  Berol. 

Gegen  den  Ursprung  der  Lymphgefässnetze  aus  mikr®* 


2.  Von  den  LymphgefUssen.  Bau  der  Lymphdrüsen.  255 


Piscli  sichtLaren  OefFnungen  sprechen  des  trefflichen  Fohmans 
Beobachtungen,  welcher  hei  den  gelungensten  Quecksilberiujectio- 
öen  der  Lymphgefässnetze  in  den  Darmhäuten  der  Fische  nie- 
Quecksilber  aus  der  innern  Fläche  des  Darmkanales  heraus- 
^ornmen  sah.  Dasselbe  beweist  die  oben  angeführte,  Scuwann 
^hingene  Injection  einzelner  Darmzotten  des  Menschen  mit 
Quecksilber  von  den  Lymphgefässen  der  Mucosa. 

^ Die  Lymphdrüsen,  welche  den  Vögeln  fast  ganz  (ausser  am 
ӊlse)  fehlen,  und  bei  den  Amphibien  und  Fischen  gar  nicht 
^urhanden  sind,  scheinen  hei  Vögeln,  Amphibien  und  Fischen 
Burch  blosse  Geflechte  von  Lymphgefässen  ersetzt.  ''Auch  die 
Bympbdrüsen  selbst  bestehen  nur  aus  netzförmigen  Anastomosen 
päd  Verwickelungen  der  Lymphgefässe.  Die  Vasa  lymphatica 
'äterentia  einer  Lymphdrüse  theilen  sich  beim  Eintreten  in  die- 
selben in  kleine  Zweige,  und  aus  kleinen  Zweigen  bilden  sich 
^Ueder  die  Vasa  efferentia  derselben,  welche  weniger  zahlreich 
P''d  etwas  stärker  sind.  Da  aber  beide  im  Innern  der  Lymph- 
Q'Use  durch  die  Netze  der  Lymphgefässe,  woraus  die  ganze 
I fiise  besteht,  anastomosiren,  so  kann  man  aus  den  ersteren  die 
®lztern  durch  diese  Drüsen  hindurch  mit  Quecksilber  füllen. 
> einfachen  Lymphdrüsen  sehen  wie  blosse  Geflechte  der 
l^yuipbgefässe  aus,  eine  mit  Quecksilber  geft’"*"  a-;;..!, — 
dagegen  ein  scheinbar  zelli^es  Ansehen. 

Befs' 


J^yuipbgef ässe  aus , eine  mit  Quecksilber  gefüllte  stärkere  Drüse 
dagegen  ein  scheinbar  zelliges  Ansehen.  Indessen  scheinen 
diese  Zellen  nur  kleine  Erweiterungen  geschlängelter  Lymph- 
ässe  zu  seyn,  so  wie  auch  die  Lymphgefässnetze  in  anderen 


1 *cilen,  wenn  man  nicht  auf  die  kleinen  Maschen  Acht  giebt, 
zellig  anssehen.  Hierfür  spricht  auch  das  Fortschreiten 


,1.  ■ Quecksilbers  beim  Anfüllen  der  Drüse. 

Ul- 


Es  lassen  sich  wohl 
I Entgegengesetzten  Ansichten  von  Crxjikshanii,  der  hier  Zel- 
annimmt,  mit  denen  von  Meckel,  Hewson  und  Mascaoni, 
„^lalie  sie  für  Erweiterung  der  Lympbgefässschlingen  halten. 


V 

.3. 


'.^'■Einigen.  Siehe  übrigens  über  diese  Controverse  E.  H.  Weber 


p.  109  — 113.  Dass  die  Lymphgefässe  in  den  Drü- 
wie  in  anderen  Theilen,  noch  in  ihren  Wänden  von  Capil- 


b^BEfässnetzen  durchzogen  sind,  ist  unzweifelhaft;  selbst  die 
^yEipbgefässe  des  Darmes  haben  nach  Fohmann’s  Untersuchun- 
noch  eine  innere  Haut  bis  in  die  Netze,  und  dass  in  den 
S(;/'^^otten  noch  Capillargefässe  zalilreich  enthalten  sind,  ist 
• erwähnt  worden.  Daher  sind  die  Lymphgefässanfänge 


'•ha 

tat 

“'s  El 


'*Er  noch  als  eine  sehr  zusammengesetzte  Bildung  zu  betrach- 


äls  Thelle,  deren  Wände  blufführende  Capillargefässnetze 
Ben  "®’”Ente  enthalten.  Die  Lymphgefässe  ausser  den  netzförmi- 
tß^  Anfängen  sind  aus  zwei  Häuten  gebildet,  einer  äussern  glat- 
Ey  einer  innern,  welche  Klappen  bildet,  die  den  Lauf  der 
k^l  PbE  gegen  die  Lymphgefässstämme  erleichtern  und  umge- 
Erschweren.  Beim  Walllisch  fand  Abernethy  die  Gekrös- 
^®En  sackartig 

^ derb  sind.  Froriep’s  Not.  N.  158. 


E. sackartig  (?)  gebildet,  während  sie  beim  Delphin  nach 


Ub, 


Ei-h 


^än  ist  zu  untersuchen,  ob  die  Lymphgefässanfänge  oder 
®i>pt  die  Lymphgefässe  ausser  der  Verbindung  des  Lymph- 


256  I.  Buck.  Von  den  organ.  Säften  etc.  J/J.  Abschn.  Lymphsystem. 

gefässstammes,  ductus  thoracicus,  mit  dem  Venensystem  nod* 
mit  anderen  Kanälen  zusammenliängen. 

Crtjik-Shank  J J.  Fb.  Meckel  d.  Aelt.  und  Panizza  haljc” 
Lei  Injectionen  der  dnclus  lactiferi  der  MilcLdrüse  und 
ductus  hepaticus,  auch  das  Quecksilber  in  die  Lymphgefäß*® 
übergehfen  gesehen.  Auch  Walter  erfüllte  Lympbgefässe  durd* 
Injection  der  Gallenkanhle  der  Leber.  Hieraus  darf  man  ah®“’ 
nicht  schliessen,  dass  die  Lymphgefässanfänge  mit  den  absondera' 
den  Kanälen  der  Drüsen  in  offener  Verbindung  stehen.  And* 
ich  Labe  neulich  bei  Injection  der  Milchdrüsen  des  Hundes  eia® 
Injection  der  umherliegenden  Lympbgefässe  erhalten,  allein  die*® 
erfolgte  gerade  dann,  wenn  die  glückliche  Injection  der  blä*' 
chenibrmigen  Enden  der  ductus  lactiferi  nicht  gelang;  wea” 
also  Extravasat  entstanden  war,  das  hierbei  in  keine  Theile  *® 
leicht  übergeht  als  in  die  Lympbgefässe,  weil  die  Anfänge  def' 
selben  viel  weiter  als  die  Capillargefässe  sind.  Wenn  jener  offeä® 
Zusammenhang  wirklich  bestände,  den  Panizza  läugnet,  und  d<!*' 
gewiss  nieht  stattfindet,  so  könnte  er  nur  zwischen  Lymphgefäß^ 
sen  und  den  Stämmchen  der  absondernden  Kanäle  staltfindeai 
denn  die  netzförmigen  Anfänge  der  Lympbgefässe  sind  ausserO’' 
dentlich  viel  grösser ' als  die  blinden  Anfänge  der  absondernd«^® 
Kanälchen  in  den  zusammengesetzten  Drüsen.  Der  ZusammC®' 
hang  von  Lymphgefässen  und  Arterien,  wovon  Magendie  so  a®' 
benbei  spricht,  ist  eben  so  wenig  statthaft.  Dagegen  sind  <J‘® 
Verbindungen  der  Lympbgefässe  mit  kleinen  Venen  in  der  neue®® 
Zeit  wirklich  durch  Fohmann’s  Untersuchungen  wieder  Gege®' 
stand  der  Controverse  geworden.  Bei  den  Vögeln  gehen  na®,^ 
Fohmann,  Lauth  und  Panizza  die  Lymphgefässe  auf  eine 
blossem  Auge  erkennbare  Art  in  die  Venen  des  Schenkels  u'' 
Beckens  über.  Ich  werde  in  der  Folge  nach  eigenen  Beobi>Cy 
tungen  den  Zusammenhang  der  Lymphgef  ässe  des  Schenkels  ba*'® 
Frosche  mit  der  Vena  ischiadica  anführen.  Eine  ganz  and®*^ 
Frage  ist,  ob  einzelne  Lymphgefässe  mit  kleineren  Venen  zusai® 
menhängen.  Fohmann  behauptet  diess  von  den  Lymphgefäss® 
der  Vögel,  Amphibien  und  Fische,  und  hat  es  sogar  abgebild®|' 
Dass  dieser  Zusammenhang  bei  Menschen  und  Säugethieren,  a'*- 
che  Lymphdrüsen  besitzen,  ausser  den  Lymphdrüsen  nicht 
finde,  erkennt  Fohmann  an.  Lippi’s  Versicherungen  und 
düngen  von  einem  solchen  Zusammenhänge  verdienen  nach  ® ^ 
Kritik  dieser  Arbeiten  durch  Fohmann  und  Panizza  kein 
deres  Zutrauen.  Lippi  iUustrazioni  fisiologiche  e paihologiche  j 
sistema  linfatico-chilifero  etc.  Firenze  1825.  Fohmann  l,  c.  P'  ^ 
Dagegen  behauptet  Fohmann,  dass  ein  solcher  Zusammenb®®® 
beim  Menschen  und  den  Säugethieren  in  den  Lymphdrüsen  sl®. 
finde,  veie  ihn  auch  J.  Fr.  Meclel  d.  Aelt.,  Pu.  F.  Meckel» 
Quecksilberinjection  der  Lymphgefässe  beobachteten, 
auch  von  Beclard  bestätigte  Uebergang  ist  überaus  leicht, 

Vasa  inferentia  einer  Ly*®l  ^ 
der  aus  den  Drüsen  hervofjj.^^ 
eine  Anfiillung  der  Vasa 


man  erhält  nach  Injection  der  Vasa  inferentia  einer  Ly*®!' 
drüse  oft  schon  eine  AnfüUung 
Lenden  Venen  viel  schneller  als 


der  Vasa 

rentia  lymphatica  der  Drüse.  Diess  hat  indess  Fohmann  zu 


eiP® 


2.  Von  dem  Lymphgeßisssystem.  Verbindung  mit  Venen.  257 

fri'uiig  veranlasst.  Er  sali  Lei  einer  Phoca  Lei  Injectlon  der 
'asa  lympLatica  inferentia  jener  Masse  von  LympLdrüsen  des 
^ekröses,  welclie  man  liier  Leim  Hunde  und  Delphin  pancreas 
^ellii  nennt,  dass  nur  die  Venen  nach  Injection  der  Drüsenmasse, 
•'•cLt  aLer  Vasa  lympLatica  efferentia  derselben  sich  füllten,  und 
^liloss  daraus,  dass  diese  Drüsenmasse  keine  solche  besitze. 

anat.  Untersuc/iungen  über  die  Verbindung  der  Saug- 
^deru  mit  den  Venen,  lleidelb.  1821.  RosEHrnAi.  (Fbor.  Vot.  2. 

5.)  Lat  diess  berichtigt.  Er  fand  Leim  Seehunde,  dass  alle 
*^}’Qiphgefasse-  des  Dünndarmes;  iu  jene  Drüse  gehen,  dass  aber 
der  Drüse  ein  grosses  Lyijiphgefäss  Leryoirgeht,  ductus  Po- 
^•dhalianus,  ■während  nach  Piudolphi  Leim  Hunde  und  Leim 
■^ßlphin  aus  jener  Drüseumasse  .eine  Meng^  Vasa  efferentia  lym- 
Pöatica  Lervorgehen.  Vergl.  Rudolphi  Physiologie  2.  Bd.  2 Ahlh, 
241 — 250.  Posentual’s  Ahbildungen,  Non.  act.  nat.  cur.  T.  15. 
RosEiiTHAi.’s  Beobachtungen  sind  von  Rvox  {Edinb.  med. 
^''S.  Journ.  I,  Juli  1824.  Fbokiep’s  Notizen  N.  158.)  bestätigt 
Worden. 

I . Indessen  bleibt  es  ein  Factum,  dass  die  Veneh  sich  überaus 
aus  den  LympLdrüsen  füllen.  Auch  SeußOEDEa  vah  der  Kolk 
diesen  leichten  TJebergang,  ohne  dass  etwas  in  den  Ductus 
Ji'^racicus  gelangte.  Luciitmahs  de  absorjdionis  sanae  et  morbosae 
^^eünine.  Traj.ect.  ad  /i/ien. . 182.9.  Pasizza  (p.  56.)  sah  beim 


Seil 


Weine  eine  Lympbdrü^e  mit  zAvei  Vasa  inferentia,  das  Queck- 


jjj  gjjjg  derselben  injicirt,  ging  ganz  iu  die  Vene  der  Drüse, 
dem  andern  Vas  inferens  ging  dagegqn  das  Quecksilber  in 
Vas  efferens  über.  Gerber  und  Alb.  ]\I¥CRel  (J.  P’r.  MEciyEps 
■^'^biv  1828.  p.  172.)  sahen  auch  den  Iciclilen  üehergang  in  die 
®*»en.  Allein  A.  Meckel  bezweilelt  die  Beweiskraft,  wie  Ru- 
und  E.  IL  Weber,  und  führt  als  Gegeugrund  an,  dass 
das  Kebenhodengefäss  bei  Injection  desselben  in  Hunden 
■ ^loiässig  Venenanfüllung  bcAAurke.  Wenn  ich  die  Extravasale 
j,'  Venennetze  bei  Injection  der  Drüsencanäle  von  ihrem  Ausfüh- 
j^^gsgange  aus  bedenke,  Extravasation,  die  mir  gerade  dann  cr- 
wenn  die  vollkommene  Injection  der  Drüsencanälclien 
die  Acini  nicht  gelang,  w'enn  ich  die  Extravasation  aus  den 
**etus  .lactiferi  in  die  Lyrapbgefässe  bedenke,  die  auch  dann 


j wenn  die  Injection  der  Acini  nicht  gelingt,  so  zweifle 
Rer  wirklichen  Zusammenhänge  der  Lymph- 

®j‘ässe  und  feinen  Venen  in  den  Drüsen.  Die  geronnene  Lym- 
Drüsen  bietet, dem  Quecksilber  Widerstand  dar;  es 
Sg./Ieht  im  Innern  Zerreissung,  und  da  die  Lymphgefässwände 
het**^  von  Capillargefässnetzen  durchzogen  sind,  die  mit  Venen- 
> ^en  in  Verbindung  stehen,  so  muss  die  Zerreissung  ' “ 


eines 


^g^Phgefässes  im  Innern  der  Drüse  nothwendig  mit  Zerreissung 
df-  ^‘'pfllargefässe  und  der  Venennelzc  verbunden  seyn.  So 
wie  E.  H.  Weber  bemerkt,  auch  sehr  leicht  Flüssigkei- 
Zweigen  der  Lungenarterie  in  die  Luftröhrenäste, 


dass  doch  ein  natürlicher 


Zusammenhang, 


,,  hier  bestände. 

Rial  Gesichtspunkte  betrachte  ich  den  TJebergang  aus 

Ordnung  der  Gefässe  in  die  andere,  aus  Blutgefässen  in 
V Ü e r’  s Physiologie.  1.  17 


258  I.  Buch.  Von  den  organ.  Säften  etc.  UI.  Absclin.  Lymphsystem. 

absondernde  Gefässe  und  umsjekelirt  in  den  Drüsen.  Vergl- 
E.  II.  Weber  .3.  113  — 121.  Wenn  ich  aber  jemals  aus- 

ser einer  Drüse  einen  unmittelbaren  Zusamtnenbang  eines  Lympb- 
get'üsses  mit  einer  feinen  Vene  sabe,  so  würde  ich  dieses  als  au- 
genscheinlich zugeben,  ohne  den  unsiohtbaren  Zusammenhang  ‘O 
einer  Drüse  anzuerkennen.  Da  man  indess  diesen  freien  Zusai»' 
menbang  von  Lymphgefässen  und  feinen  Venen  von  Mensebeu 
und  Säugethieren  nicht  kennt,  so  bleibt  bei  Menschen  und  Sän- 
gethieren  bloss  die  Verbindung  des  Hauptstammes  der  Lympbge- 
fasse  mit  der  Vena  snl)clavia"  sinistra,  und  kleiner  Stämmcheu 
mit  der  Vena  jug.  int.  dextra  und  subclavia  dextra.  Andere  Ver- 
bindunn^en  mit  Venenstämmen  scheinen  hier  nur  Ausnahmen 
seyn,  wie  ein  Fall,  den  Hr.  Prof.  Wutzer  und  ich  bei  einef 
Leiche  sahen,  wo  vom  Ductus  tboracicus  ein  Lymphgefäss  un- 
mittelbar in  die  Vena  azygos  überging.  Siebe  Wutzer  in  Mueb- 
uer’s  Archiv  1834.  Diess  verdient  Aufmerksamkeit,  da  Paniz*-' 
beim  Schweine  regelmässige  Verbindung  zwischen  der  Vena  azV' 
gos  und  Zweigen  des  Ductus  tboracicus  gefunden  hat.  Verg'- 
Otto  ptith.  ylncit.  366. 

Da  man  an  den  Lymphgefässen  nie  Bewegungen  wahrgenoui- 
men  hat,  so  ist  es  ohne  Zweifel  von  grosser  Wichtigkeit,  dass  e» 
beim  Frosche  nach  meiner  Beobachtung  pulsirende  Säckcbei' 
oiebt,  die  mit  den  Lymphräumen  Zusammenhängen  und  <lie  nia** 
wohl  für  eine  Art  Lymphherzen  wird  ansehen  müssen.  Ich  hab® 
zwei  Paare  dieser  Organe  gefunden,  das  eine  liegt  in  der  Reg'*’ 
ischiadica  unter  der  Haut,  das  ahdere  über  dem  dritten  Halswif' 
bei,  mehr  verborgen.  Die  Organe  pulsiren  ganz  unabhängig  voi» 
Herzen,  selbst  nach  Aiisschneidung  desselben  und  Zcrschneiduno 
des  ganzen  Frosches,  die  Pulsationen  der  oberen  sind  nicht  i^' 
mer "gleichzeitig  mit  den  Pulsationen  der  unteren,  und  selbst  d>® 
der  paaiigci?  Organe  beider  Seiten  sind  nicht  immer  gleichzeitig' 
Sie  ziehen  sich  circa  60mal  in  der  Minute  zusammen.  Die  p»*' 
sirenden  Organe  enthalten  farblose  Lymphe,  und  man  kafm  vo" 
ihnen  aus  die  Lymphgefässstämme  und  Lymphräume  der  Extr®' 
mifäten  auf  blasen.  Bläst  man  ln  das  untere  Lyraphherz,  so  f“' 
len  sich  die  Lvmpbgefässstämme  und  Lymphräume  des  ScheO' 
kels  unter  der  Haut  und  zwischen  den  Muskeln,  und  ein  obef' 
flächlicher  Lymphgang  des  Rückens.  Einigemal  füllte  sich 
feiuhäutiger  Gang,  der  die  Aorta  abdominalis  begleitete.  Be'»" 
Aufblasen  der  oberen  Lymphherzen  schwellen  Lymphräume  de 
Achsel  an.  Die  unteren  Lymphherzen  ergiessen  die  Lymphe 
einen  Zweig  der  Vena  ischiadica.  Die  oberen  Lymphherzen  et' 
giessen  die  Lymphe  in  einen  Zweig  der  Vena  jugularis,  der 
aus  dem  Organe  hervorgeht,  und  bei  jeder  Zusammenzieh»"» 
des  Organes  angeschwellt  wird.  Diese  Vene  geht  vorffa»"'^ 
nimmt  eine  Vene  des  Hinterkopfes  auf,  die  Vena  ^ug.  geht  da"^ 
abwärts,  nimmt  eine  Vene  von  der  K;ble  auf  und  mündet 
in  die  obere  Hohlvene.  Dies6  Organe  scheinen  allen  Amphib'® 
eigen  zu  seyn.  Die  unteren  habe  ich  schon  ausser  dem  BV"*" ' 
und  den  Rröten,  bei  den  Salamandern  und  Eidechsen  gef»nd  » 
wo  sie  an  der  Wurzel  des  Schwanzes  seitwärts  hinter  dem  Hat 


3.  Actionen  der  LympiigefÜMe. 


25« 


tein  Hegen  und  schwieriger  zu  finden  sind,  dagegen  sie  beim 
frösche  sogleich  unter  der  Haut  gefunden  werden.  Die  oberen 
Organe  habe  ich  bis  jetzt  bloss  in  f'roscliartigen  Thieren  aufge- 
*Wcht.  Mueller,  Poggend.  Ami.  1832.  Hfi.  8.  Philosophie.  Transact, 
^033.  p.  1.  Pakizza  hat  die  unteren  pulsirenden  Lymphherzen 
^'rch  bei  den  Schlangen  gefunden.  Siehe  Mueller’s  Archiv 
^^34.  p.  300. 


III,  Capitel.  Von  den  Actiouen  der  lymphatischen 

Ge  fasse. 

Während  das  Blut  durch  die  Capillargef  ässe  oder  Uebergänge 
Arterien  in  Venen  von  0,00025  — 0,00050  P.  Zoll  fliesst,  ge- 
die  Blutkörperchen,  indem  sie  einen  belebenden  Einfluss  auf 
A ® Organtheilchen , an  denen  sie  Vorbeigehen,  ausüben,  und  da- 
dunkelroth  W'crden,  sichtbar  in  die  Venen  über,  die  aufgelö- 
^en  ganz  flüssigen  Theilo  des  Blutes  aber,  nämlich  das  aufgelöste 
■•-•Weiss  und  der  aufgelöste  Faserstoff,  können  während  des  Durch- 
*^römens  der  Capill  arge  fasse,  wie  alles  Aufgelöste,  durch  die  zar- 
Wände  der  Capiilargefässe  zum  Theil  wenigstens  durclulrin- 
und  die  Pai’tikeln  der  Organtheile  zwisclicn  den  Capillarge- 
^ssnetzen  tränken,  wobei  diese  aufgelösten  Theile  des  Blutes  zur 
^ruährung  und  Absonderung  verwandt,  werden  müssen.  Daher 
von  den  Organen  abfliessende  Venenhlut  weniger  Faserstoft 
^*>ehe  p.  110.)  enthält,  indem  derselbe  im  Arlcrienblute  0,483 
, im  Venenblute  der  Ziege  0,-395  proc.  nach  meiner  Beoh- 
^ttung  beträgt.  Die  aufgelösten  Theile  des  Blutes,  Eiweiss  und 
®*erstofF,  werden  also  in  Menge  die  kleinsten  Theilchen  der  Or- 
patie  tränlcn,  'zu  ihrer  Ernährung  dienen,  und  was  überflüssig 
wird  ir  den  überall  in  den  InterStItien  der  Organtheile  vorkom- 
6nden  Ljmphgefässnctzen  sich  sammeln,  ohne  dass  ein  unmit- 
®lbarer  Uebergang  aus  den  Capillargefässen  in  die  Lymphgefässe 
*ärch  Vasi  serosa,  die  keine  Blutkörperchen  durchlassen,  nöthig 
erwiesen  wäifc.  Die  zur  Ernährung  überflüssigen,  rein  aul- 
^östen  T.'ieile  des  Blutes  werden  daher  durch  die  Lymphgefässe 
"jeder  in  die  Blutmasse  gebracht.  Natürlich  muss  nun  die  Lym- 
^ in  Hinsicht  ihrer  Zusammensetzung,  ganz  inil  dem  flüssigen 


Th 


®ile  des  Blutes  übereinstimmen,  und  das  Blut  selbst  aus  Lyra- 


hej*  j' Faserstoff  und  Eiweiss)  und  rothen  Körperchen 


^he 

Dass  die,  von  den  Organen  durch  die  Lymphgefässe 
§*fühpte  Lymphe  grossentheils  ihren  Ursprung  aus  den  die  Ge- 
® tränkenden  flüssigen  Theilcn  des  Blutes  hat,  und  . nicht  ganz 
gebildet  wird,  wird  aus  der  von  mir  gemachten  , leicht  zu 
•‘holenden- Beobachtung  bewiesen,  dass,  wenn  das  Blut  der 
**10111  gerinnt,  jedesmal  auch  ihre  Lymphe  nicht  gerinnt, 

die 


So~  ihr  Blut  gerinnt,  jedesmal  auch  ihre  Lymphe  gerinnt. 


Ji'j,..8®*'innt  das  Blut  des  Frosches  oft  im  Sommer  nicht,  wenn 

8 oder  mehr  Tage  ausser  ^ asser  aufhewahrt  werden, 
es  frisch,  ohne  Ausnahme  ausser  den^Adern  ganz  gerinnt. 


so  verhält  es  sich  jedesmal  mit  der  Lymphe  der  Lymph- 

17* 


260  1.  Buch.  Von  den  organ.  Säften  etc.  III.  Ahschn.  Lymphsystem. 

räume  des  Frosclies.  Der  eigentluimliclie  Zustand  oder  der  Man- 
»»el  des  Fasex’stofFes  im  Frosclililute  zu  gewissen  Zeiten  bestinii® 
also  durchaus  denselben  Zustand  des  Faserstoffes  oder  den  M»"' 
gel  desselben  in  der  Lymphe. 

1)  Resorption  der  tymphatischen  Gefä.sse.  ^ 

Dass  die  Lyrnpbgefässe  oder  Saugadern  würklich  auch  ant' 
sangen j könnte  man  zuerst  fiir  zweilelliaft  halten ^ wenn^ 
Lymphe  nicht  nach  meinen  Beohachtungen  auch  eigenthümlicli 
Parlikelchen  führte,  wenn  die  Resorption  durch  die  Lymphg«' 
fasse  des  Darmcanales  nicht  eine  ausgemachte  Thatsache  wä«'®’ 
und  die  weisse  oder  mehr  opalartigc  Farbe  des  Chylus  sich  nicb 
nach  den  Nahrungsmitteln  änderte.  Indessen  kennt  man  auc 
einige  Thatsachen  von  Aufsaugung  von  Stoffen  durch  ander 
Lvmphgefässe  als  die  des  Darmcanales.  Nicht  allein  dass  di® 
Lympbgcfässe  nach  Einreihungen  reizender  Stoffe  |oft  schmeiß' 
häft  werden,  worauf  rötbliche  Streifen  im  Verlaufe  der  Lymp**' 

gefässe  zuweilen  sich  zeigen  und  die  benachbarten  Lymphdrüse® 
anschwellen.  Auch  in  der  Nähe  eigenthümlicher  thierischcr  Stoi' 
hat  man  die  Lymphgefässe  damit  angefiillt  gesehen.  Ich  V* 
keinen  Werth  auf  Mascagki’s  in  dieser  Rücksicht  etwas  aben' 
teuerlicbe  Behauptungen  legen,  dass  man  bei  Tliieren,  die 
Folge  von  PiilraonaU  oder  Abdominal- Haemorhagien  gestorbe«» 
die  Lymphgefässe  der  Pleura  und  des  Peritoneums  mit  Blut  g®' 
füllt  gesehen.  Assai.iki,  Saunders,  Mascagtsi  und  SoemmehbiS® 
beobachteten  Galle  in  den  von  der  Leber  kommenden  Lympb' 
gefässen  bei  Verstopfung  der  Gallengänge.  Weber  3.  p.  1’^  ' 

Tiedemahn  und  Gmelin  fanden  nach  Unterbindung  des  Ductu 
choledochus  bei  Hunden  die  Lymphgefässe  der  Leber  mit  hoc»' 
gelber  Flüssigkeit  gefüllt,  die  Lymphdrüsen,  zu  welche»  sich  jefl 
begeben,  gelb,  und  Bestandtheile  der  Galle  selbst  ii  der 
gefärbten  Flüssigkeit  des  Ductus  thoracicus.  Die  V srdauuK 
nach  Versuchen.  2.  40.  In  der  Nähe  von  Knochengeschwülst®** 
fand  man  in  den  Lymphgefässen  Kalkerde.  Otto  xathol,  AnO*' 

4.  372.  . ..  e 

Magenbie,  welcher  die  Resorption  der  lymphatischen  Gefäs^ 
bezweifelt,  erzählt  einen  von  Dupuytren  beobachteten  Fall. 

Frau,  welche  eine  ungeheure  fluctuirende  Geschwidst  an  dei’ 
neru  Seite  des  Schenkels  hatte,  starb.  Einige  Tage  vor  ^ 
Tode  hatte  sich  eine  Entzündung  des  Unterhautzellengewebes  ® 
dem  Schenkel  eingestellt.  Bei  der  Section  der  Haut,  welche 
Geschwulst  bekleidete,  sah  Dupuytren  sich  weisse  Punkte  auf 
Lippen  des  Einschnittes  bilden,  u id  es  zeigten  sich  weisse  Li»'^ 
in  dem  Unterhautzellengewebe  j die  man  für  mit  Eiter  gefü* 
Lymphgefässe  erkannte.  Die  Schenkeldrüsen  waren  mit 
ben  Materie  angefüllt,  wovon  die  Lendeplyraphdrüsen  und  ® 
Ductus  thoracicus  keine  Spur  zeigten.  Magehdie  citirt  auch 
anderrn  Fall  aus  dem  Hotel  Dieu,  wo  sich  in  Folge  einer  c®  . 
plicirten  Fractur  ein  grosser  Abscess  gebildet  hatte,  und  E* 
sich  in  den  Venen  und  Lymphgefässen  zeigte,  die  von  dem 
ken  Tbeile  her  kamen.  Freds  de  physiol.  2.  218.  Dagegen 
Andral  bei  häufigen  Untersuchungen  der  Lymphgefässe  i“ 


3.  Actionen  der  Lymphgefässe.  Resorption, 


261 


Umgegend  der  Eiterheerde  keine  mit  Eiter  gefüllt.  Meck.  Arch. 

227.  Da  der  Eiter  Kügelchen  enthält  (grösser  als  die  Blut- 
körperchen, zum  Theil  noch  einmal  so  gross  nach  Weber),  so 
^itt  hier  dieselbe  Frage  ein,  wie  in  Hinsicht  der  Resorption  der 
Kügelchen  des  Chylus,  welche  ihrem  Durchmesser  entsprechende 
UefFnungen  in  den  Lymphgefässnetzen  voraussetzen.  Indessen 
^ie  Lymphgefässe,  die  im  Parenchym  der  Theile  wurzeln,  kön- . 
®6n  nicht  einmal  solche  Oeffnungen  haben,  da  sich  ihnen  keine 
freie  Oberflächen  darhieten.  Die  aufgelösten  Theile  des  Eiters 
■können  leicht  von  den  Lymphgefässnetzen  aufgesogen  werden, 
®l>er  die  Erscheinung  des  körnigen  Eiters  in  den  Lymphgefässen 
*'^l>eint  mir  nichts  mit  der  Aufsaugung  zu  thun  zu  haben;  durch 
®ätzündung  der  Lymphgefässe  kann  sich  Eiter  in  ihnen  bilden, 
"''ich  nach  Zerstörungen  kann  der  Eiter  ganz  mechanisch  diese 
^ßfässe  infillriren.  AVenn  sich  Eiter  im  Blute  vorfindet,  z.  B.  in 
«en  Venen,  so  ist  er  in  der  Regel  in  den  Venen  durch  Venen- 
entzündung gebildet,  und  dann  nicht  aufgesogen,  oder  hei  der 
^ßrstörung  von  Capillargefässen  eines  Theilcs  durch  Eiterung  ist 
Eiter  mechanisch  in  die  zerstörten  kleinen  Venen  cingedriin- 
So  z.  B.  kann  Eiter  aus  verschlossenen  Ahscessen  an  einem 
■^•»iputationsstumiif  in  Blutgefässe  gelangen,  ohne  anfgesogen  zu 
Werden,  oder  hei  der  Entzündung  der  bei  der  Amputation  durch- 
*'^^nittenen  Gefässstämme  kann  sich  im  Innern  der  Gefässc  Ei- 
fr*“  Ibllden.  Wirklicher  Eiter  in  den  Venen  vei’ursacht  dann  als 
*’^*'setzte  Materie  wieder  Ablagerung  und  Entzündung,  und  da- 
^'**'ch  die  Entstehung  neuer  Abscesse  in  anderen  Thcllen,  wie 
dless  nach  gros'sen  Eiterungen  und  bei  eiternden  Amputa- 
^‘onswunden  nicht  selten  sieht,  auf  rvelche  z.  B.  oft  zerstreute 
^'*scesse  der  Leber  und  Lungen,  der  Muskeln  oder  irgend  eines 
Bädern  Theiles  folgen.  Dieser  Eiter  ist  nicht  aufgesogen,  das 
^'’fre  schwer  sich  zu  denken.  Siehe  die  trefflichen  Bemerkungen 
i?’*  Cruveilhier  in  anat.  pathol.  bei  dem  Artikel  V cncnentziindimg. 

Folgen  von  Eiter  im  Blute  sind  secundäre  Entzündungen 
^***d  wieder  Abscesse,  aber  keine  eiterigen  Absonderungen,  z.  B. 
I"*  den  Nieren.  Dass  körniger  Elter,  in  der  Blutmasse  enthalten, 
y den  Nieren  abgesondert  werde,  halte  ich  für  unmöglich.  Nur 
fr®  näheren  Bestandtheile  des  Eiters  können  hierbei  abgesondert 
^*’den ; Eiterkügelchen  im  Blute  können  nicht  aus  dem  Blute 
^''gesondert  werden,  da  die  Capillargefässe  keine  Art  von  Kü- 
pfrhen  durchlassen  können.  Wii’d  wirklich  in  Folge  einer  Ei- 
^»'Ung  eines  Theiles  plötzlich  auch  Eiter  von  den  Nieren  abge- 
^®odert,  so  musste  Eiter  in  das  Blut  cingedrungen  seyn,  und  Ent- 
^•jdung  und  Abscesse  in  den  Nieren  bewirkt  haben.  Was  man 
, ®hrentheils  für  metastatischen  Eiterharn  hält,  ist  ein  nicht  un- 
‘■^uchtes  Sediment  im  Harne. 

Magendie  hat  zuerst  die  resorbirende  Kraft  der  Lymphge- 
8®läugnet,  derselbe  sonst  sehr  verdienstvolle  Schriftsteller, 
Un  1 • den  Nervus  sympalhicus  für  keinen  Nerven  halten  möchte. 
Sei  dahrhundeft  die  Lymphgefässe  der  Amphibien  und  Fi- 

geläugnet  hat.  Hohtek  hatte  behauptet,  dass  gefärbtes 


26‘i  I.Buch.  Von  den  org  an.  Säften  etc.  III.Abschn.  Lymphsystem. 

Wasser  in  die 'Darmliölile  eines  Thieres  eingespritzt,  sich  in ‘har- 
zer Zeit  in  den  Lyraphgefässen  wieder  zeige.  Diess  hatFtAHDß' 
Lei  Pferden  nicht  gefunden.  Magendie  und  Düpuytben  habei'j 
wie  der  Ersterc  versichert,  diese  Versuche  mehr  als  loOinal 
derholt,  und  niemals  die  aufgesogenen  Substanzen  in  den  Lyrnp  * 
gefässen  gefunden.  Dagegen  haben  Mayer  und  Scheoeber  V- 
Kolk  die  zwar  langsame,  aber  doch  offenbare  Resorption 
fremdartigen  Stoffen  im  Darmcanal  beobachtet.  Die  Atadei»* 
von  Philadelphia  sah  blaus.  Kali  (aber  nicht  vegetabilische  F»<^ 
bestoff’e),  Lawresce  und  Coates  blaus.  Kali  aufgesogen;  Hal^*| 
und  Andere  fanden  nach  Eingehen  von  Farbestoffen  in  den  Ducju’ 
thoracicus  diese  nicht  wieder,  wahrend  sie  ins  Blut  und  de'* 
Kreislauf  übergegangen  waren.  Vergl.  Tiedemahm  und  Gmel* 
Versuche  über  die  Wege,  auf  welchen  Stoffe  vom  Magen  und  IJarif 
canal  ins  Blut  gelangen.  Heidelberg  1820. 

Die  meisten  Beobachtungen  lehren,  dass  man  zwar  Reso^’ 
tion  fremder  aufgelöster  Stolle,  aber  nur  der  Salze  durch  d* 
Lymphgefässe  bemerkt  hat.  Ich  habe  pag.  228.  Tiedemanh’s  u"^ 
Gmelik’s  zahlreiche  Erfahrungen  angeführt,  aus  welchen  hervoJ"^ 
geht,  dass  Färbestoffe  im  Darm  nicht  von  den  Lymphgefäss*''^ 
aufgenommen  werden,  obgleich  diese  Stoffe  Im  Urin  und  im  Bl*' 
erkannt  wurden.  Nur  Salze  iänden  sie  einigemal  in  den  Chyl** 
übergegangen,  so  unter  zahlrciehen  Versuchen  nur  einmal  etu", 
Eisen  bei  einem  Pferde,  das  schwefelsaures  Eisen  bekommen,  u" 
einmal  blausaures  Kali  im  Chylus  eines  Hundes  und  schwel"' 
blausaures  Kali  im  Chylus  eines  Hundes.  Hierzu  kann  ich  e'**^ 
eigene  Beobachtung  vom  Frosch  hinzufügen.  Ich  steckte  ei""^ 
Frosch  mit  den  Beinen  bis  nahe  an  den  After  in  ein  Gelass  "*'^ 
blausaurer  Kalilösung,  und  Hess  ihn  darin  2 Stunden  eiugezwä"S^ 
Darauf  wusch  ich  ihn  sorgfältig,  trocknete  die  Beine  ab,  und  u*'j^ 
tersuchte  die  Lymphe  unter  der  Haut  dui’ch  Eisenoxydsalz,  " 
Llausaures  Kali  durch  die  Lymphgefässe  absorbirt  worden,  d‘ 
Lymphe  wurde  sogleich  ganz  hellblau,  das  Serum  des  Blu  ^ 
reagirte  kaum  deutlich  auf  hlausaurcs  Kali.  In  einem  ^wed®^ 
Versuch,  wo  ich  den  Fi'osch  1 Stunde  in  der  Lösung  Hess,  reag" 
die  Lymphe  nicht.  . 

Fasst  man  alle  Thatsachen  zusammen,  so  geht  daraus  br^j 
vor,  dass  die  Lymphgefässe  zwar  resorbiren,  dass  sie  in  der 
nur  Flässigkeiten  eigenthümlicher  Art  hierbei  autsaugen , 
welche  sie  wahrscheinlich  eine  Affinität  haben,  dass  fremdai 
Stoffe  schwer  und  nur  ausnahmsweise  in  die  Lymphgefässe 
dringen,  wie  Salzlösungen,  während  die  meisten  Färbestou"  . 
der  Regel  gar  nicht  einmal  in  die  Lymphgefässe  eindringen. 
gewöhnliche  Rcsor.pÜonsprodukt  der  Lymphgefässe  ist  der 
Circulalion  aus  den  Capillargefässen  in  die  Partikeln  der 
eindrmgcndc  Liquor  sanguinis.  Indessen  gehen  doch  auch 
Molecuie  aus  dem  Parenchyma  der  Theile  in  die  Lympbg"*‘Gg 
über,  wie  die  eigenthümlichen  Kügelchen  der  Lymphe, 
die  Lymphgefässe  des  Darms  nicht  allein  Aufgelöstes  aus 
Nahrungsstollen,  sondern  selbst  die  Chyluskügelehen  aufzus'***bjj^ 
scheinen.  Alan  sieht,  dass  die  organische  Resorption  der  Ly*** 


263 


3.  Actioncn  der  Lyrnpfigefässe.  Resorp/ion. 

gefässe  weit  von  der  Imbibition  der  CapilLirgefasse  mit  allen 
aufgelösten  fremdartigen  Stoffen  verscbieden  ist;  sie  unterscbeidel 
‘'ich  aucb  von  der  Resorption  der  Wurzelfasern  der  Pflanzen, 
Welche  alles  Aufgelöste  einsaugen.  Tiedemann  Physiol.  1.  223. 

Aus  der  Vergleichung  des  Cliylus  der  Lyiupligelasse  und  des 
hpeisebreies  des  Darmcanals  crgiebt  sich  sogleich  schon,  dass  die 
Lymphgefässe  nicht  allein  resorbiren,  sondern  auch  das  Resoi- 
Wte  umwandeln;  denn  nur  wenn  der  Nahrungsstolf  in  den  Lymph- 
gefässen  enthalten  ist,  erhält  er  die  Eigenschaft  von  selbst,  zum 
fheil  zu  gerinnen,  und  je  weiter  er  in  den  Lyinphgefässen  fort- 
schreitet, nimmt  diese  Eigenschaft  zu.  Vielleicht  verwandeln  auch 
die  Lymphgefässe  des  übrigen  Körpers  Eivveiss  in  gerinnbaic  Ma- 
terie. Man  sieht  jedenfalls  ein,  dass  hierin  die  organische  Re- 
sorption der  Lymphgefässe  diu-chaus  von  der  Imbibition  und  dem 
Unmittelbaren  Uebergange  der  aufgelösten  Stoffe  in  das  Blut  ver- 
schieden ist.  Es  ist  wahrscheinlich,  Avie  E.  IL  Weber  zu  zeigen 
gesucht  hat,  dass  die  Lymphgefässe  auch  bei  der  Resorption 
fremdartiger  Stolle  eine  Umwandclung  derselben  bestreben.  So 
'*at  Emmert  beobachtet,  dass  man  nach  Unterbindung  der  Aorta 
“Bdominalis  durch  das  Gift  der  Angustura  virosa,  welches  m eine 
^unde  des  Fusses  gebracht  wurde,  Tbierc  nicht  vergüten  konnte, 
^ud  dass  nach  dieser  Unterbindung  auch  RIausäure,  auf  dieselbe 
^eise  applicirt,  keinen  Erfolg  batte.  Da  nun  diese  Gifte  duich 
'pibibition  auch  in  die  Lymphgefässe  gelangen  können,  und  durch 
*'Cj  obgleich  langsamer  als  durch  die  Blutgefässe  verbreitet  wer- 
so  muss  man ' zur  Erklärung  dieser  Beobachtungen  anneh- 
*üen,  dass  die  Lym])hgefässe  auch  bei  der  Resorption  fremdartiger 
^folfe  dieselben  unnvandeln.  _ 

Ich  gestehe,  dass  mir  der  Act  der  Resorption  in  anderen  TIuu- 
On  sowohl,  als  im  Darm  völlig  rs'ithselhafl  ist.  Die  Cajilllarilät, 
welcher  man  zur  Erklärung  thierischer  Vorgänge  so  freigebig 
‘St,  erklärt  nur  die  Anfüllung  von  Capillarröliren,  vyenn  diese  leer 
®*0d,  oder  wenn  sie  abwechselnd  leer  werden  ; sic  erklärt  aber 
“‘cht  das  Aufsteigen  der  Säfte.  Als  ich  die  Lymjihgefässe  des 
f^ckröses  durch  Ausdehnung  der  Darmwände  mit  injicirter  Milch 
Kefüllt  sah,  glaubte  ich  augenblicklich,  .mir  die  Resorjitiou  nu 
f^ormcanal  erklären  zu  können.  Von  dieser  Idee  kam  ich  aber 
^'"gleich  zurück,  als  ich  bedachte,  wie  gering  die  Zusammenzie- 
^Ungen  der  Gedärme  sind,  welche  man  bei  unmlttelbai'er  Oednuug 
ps  Bauches  findet,  und  dass  die  dünnen  Gedärme  meistens  col- 
erscheinen.  Noch  mehr  kam  ich  von  dieser  Ansich  t zurück, 
ich  einsah,  dass  meistens,  und  vielleicht  immer,  diesen  In- 
l®ctionen  eine  Zerreissung  des  innersten  Darmhäutcheiis  voiaus- 
gßht.  X5ei  der  Resorjitiou  muss  irgend  eine  Anziehung  staUfindeii. 
if>d  einmal  die  Lymphgefässe  bis  über  die  Muskelbaut  gefüllt, 
muss  auch  die  schwächste  Coiitraction  des  Darms  den  Cbyb's 
"Eiter  treiben,  indem  die  zwischen  den  Fasern  der  Muskelliaut 
erlaufenden  Lymphgefässe  comprimii't  werden.  Jede  Coinpre.ssion 
Lymjihgefässe  bewirkt  aber  eine  Bewegung  des  Cbylns  nac  i 
Cisternä  cbyli,  wegen  des  Baues  der  Klappen  in  den  l^ymp  i- 
Sßfässen.  Die  einmal  entleerten  Lymphgefässnetzc  müssen  sic  i. 


264  J.  Buch.  Von  den  organ.  Säften  etc.  HI.  Alschn.  Lymphsystem. 

wenn  die  Zusammenzieliung  eines  Darmstücks  nacHässt,  wege** 
Entstellung  leerer  RVuimc  lullen.  Alles  diess  kann  aller  nicht  ein- 
mal in  anderen  nicht  contrahirharcn  Thcilen  stattfinden ; und  hei 
den  Fischen  fehlen  die  Klappen  der  Lyinphgefasse.  Es  ist  daher 
wahrscheinlich,  dass  hierbei  noch  eine  andere  Art  ■von  Anziehung 
stattfindet;  und  cs  hleibt  nicht  zweifelhaft,  dass  diese  keine  ph/-" 
sikalische,  z.  B.  Capillarifat,  sondern  eine  noch  unbekannte  orga- 
nische Anziehung  ist.  An  den  Zotten  selbst  habe  ich  durchaus 
keine  Bewegungen  gesehen,  als  ich  bei  einem  lebenden  Kaninchen 
den  Darm  aufsebnitt  und  die  innere  Fläche  desselben  in  warmem 
Wasser  beobachtete.  Auch  habe  ich  nie,  weder  an  den  Lymph' 
gefässen  des  Gekröses,  noch  an  der  Cisterna  chyli,  noch  am  DuctuS 
thoracicus , irgend  eine  Spur  von  Bewegung  gesehen ; auch  a^ 
ich  auf  den  Ductus  thoracicus  einer  möglichst  schnell  lebendig 
geöffneten  Ziege  eine  starke  galvanische  Säule  wirken  liess,  sah 
ich  keine  Zusammenziehung,  erst  nach  einiger  Zeit  schien  der 
Gang  an  dieser  Stelle  etwas  enger,  und  zeigte  mehrere  ganz  un- 
bedeutende Einschnürungen. 

Da  die  Resorption  der  lymphatischen  Gefässe  hei  den  Thie- 
ren  in  so  grosses  Dunkel  gehüllt  ist,  so  scheint  es  mir  zweck- 
massig,  die  Gesetze  dieses  Processes  bei  den  Pllanzen  zu  unter- 
suchen. In  keinem  Punkte  gleichen-  sich  vielleicht  die  Pflanzen 
und  Thicre  so  sehr,  als  in  dem  Aufsteigen  der  Säfte  von  den 
Resorptionsflächen  in  den  lymphatischen  Gefässen  bei  den  Thie- 
ren,  und  dem  Aufsteigen  der  Säfte  ii^  den  Gefässen  der  Pflanzen- 

Dütbochet  hat  bewiesen,  dass  die  Organe,  welche  das  Früh- 
lingsaufsteigen  der  Säfte  in  den  Pflanzen  bewirken,  die  Endtbeil® 
der  Wurzeln  sind,  und  dass  die  ganze  Kraft,  mit  welcher  der 
Saft  emporgetrieben  wird,  a tergo  von  der  Wurzel  aus  wirkt- 
Dütbochet  schnitt  an  einer  Weinrebe  von  2 Meter  Läng® 
das  Ende  ab,  und  überzeugte  sich,  dass  die  verkürzten  Steng®* 
den  Saft  fort  und  fort  ununterbrochen  ergossen.  Die  Ursache 
des  Aufsleigens  ist  also  keine  Attraction  von  dem  obern  Tbei| 
der  Pflanze  auf  die  Säfte  im  untern  Theil  des  Stengels.  Daram 
schnitt  er  die  E.ebe  über  der  Erde  ab,  während  er  das  ober® 
Ende  des  abzuschneidenden  Stücks  beobachtete.  Im  Aloment  de* 
Durchschnittes  hörte  das  Ansfliessen  aus  dem  obern  Ende  de® 
abgeschnittenen  Rebe  auf.  Die  Ursache  des  Aiifsteigens  liegt  ah® 
auch  nicht  im  Stengel.  In  der  That  ergoss  das  Stück  des  Sten- 
gels, das  noch  mit  den  Wurzeln  in  Verbindung  stand,  ununte*' 
broeben  noch  immer  Saft;  Dütbochet  entfernte  darauf  die  Erd® 
um  die  Wurzeln,  und  durschnitt  diese.  Die  untern  Stücke  d®® 
Wurzeln  ergossen  noch  immer  Saft,  und  so  schritt  er  mit  d®*** 
Abschneiden  nach  abwärts  fort,  wobei  er  immer  länd,  dass  d'® 
unteren  Theile  nocli  immer  Saft  ergossen,  bis  er  an  die  Wurz®*' 
enden  selbst  gelangte,  die  daher,  indem  sie  der  Sitz  der  bestä®' 
digen  Resorption  sind,  zugleich  durch  die  beständige  Aufnahiö® 
der  Sälte  das  Aufsteigen  der  schon  resorbirten  Säfte  beding®"' 
Dütbochet  setzte  eine  der  Radicellen,  die  mit  einem  wcisslich®" 
Conus  enden,  mit  dem  Ende  in  Wasser,  und  beobachtete  mit  d® 
Loupe,  dass  der  Durchschnitt  sich  mit  Wasser  bedeckte,  da 


1 


3.  Actionen  der  Lympligefässe,  Resorption. 


265 


dnrcli  das  Centralsystem  anstrat.  Dutrochet  Vagent  immddiat  du 
*^ouvement  vital.  Paris  1826.  90.  Die  Aufsaugung  der  Stoffe  ver- 
möge der  Wurzeln  durch  die  blossen  Wurzelspitzen  haben  schon 
:!rE  EA.  Baisse  und  Hai.es  gezeigt.  Hales  tauchte  die  Spitze  einer 
"aumwurzel  in  Wasser,  -womit  eine  Glasröhre  gefüllt  war,  und 
•üid,  dass  die  Wurzel  in  6 Minuten  eine  merkliche  Menge  -von 
Wasser  eingesogen  hatte.  Agardk  allgemeine  Biologie  der 
ßonzen.  Greijstvald  1832.  p.  9. 

„ Diese  Wurzelenden  sind  die  Organe , welche  Decandolle 
ypongiola  nennt.  Agardh  bemerkt,  dass  die  Wurzelspitze  dem 
Prigen  Theile  der  Wurzel  sonst  nicht  ungleich  organisirt  ist,  als 
ass  die  Zellen  klein  und  dadurch  gehäuft  sind,  obgleich  diesel- 
Zellen,  w'elche  in  diesem  Augenblick  klein  und  gehäuft  sind, 
''J'd  dadurch  einsaugen,  nach  einiger  Zeit  ausgewachsen  sind,  und 
j'*cbt  einsaugen,  indem  sie  diese  Function  neu  entstandenen  Zel- 
uberlassen,  welche  später  und  unterhalb  ihrer  gebildet  wer- 
• Die  Spongiola  oder  Papilla  saugt  übrigens  nur  Wasser  und 
^ diesem  aufgelöste  Stoffe  ein. 

Agardh  erklärt  das  Aufsteigen  der  Säfte  aus  einer  polari- 
j Thätigkeit  der  Wurzeln  und  der  Blätter,  indem  die  er- 
..^•'en  Säfte  anziehen,  die  letzteren  Stoffe  aushauchen,  und  hält 
fiir  etwas  w'eiter  Unerklärliches,  gleichwie  die  polarische 
'^hon  des  Magnetes.  Diese  Erklärung  lässt  sich  jedenfalls  nicht 
^ die  Thiere  anwenden,  wenn  ich  mich  jener  Sprache  bedie- 
**  soll,  da  hier  nur  das  eine  Moment  in  den  Anfängen  der 
y*Upbgef-ässe  existirt,  anderseits  die  Lymphe  aber  in  das  Blut 
j ®*'geht.  Dagegen  ist  es  -von  grossem  Interesse  für  uns,  zu  wis- 
dass,  wie  De  la  Baisse,  Hales  und  Dutrochet  zeigten,  das 
^i’^fteigeii  der  Säfte  in  den  Pflanzen  allein  schon  durch  die  Thä- 
^^Skeit  üer  Wurzel  und  der  Spongiola,  nämlich  durch  ihre  be- 
**ädige  Resorption  geschehen  kann. 

Obgleich  die  Darmzolten  keine  zur  Aufsaugung  durch  Lymph- 
j|  nöthigen  Organe  sind,  vielmehr  die  lymphatische  Resorp- 
'i;|.  durch  die  netzartigen  Lyniphgefässanfange  in  den  meisten 
^ ohne  Zotten,  ja  bei  vielen  Thieren  sellxst  im  Darm  ohne 
ten  geschieht,  so  kann  man  doch  die  Zotte  mit  der  Spongiola  der 
vergleichen ; nur  muss  man  bedenken,  dass  auch  in  den 
4ls  Anfänge  der  Lympligefässe  nicht  anders  gebildet  sind, 

*11  den  zotteniosen  Theilen. 

Dutrochet  erklärte  die  Resorption  bei  Pflanzen  und  Thieren 
dsjj  * die  Endosinose.  Es  ist  jedoch  nicht  schwer  einzusehen, 
® Erscheinungen  der  Endosmose  durch  todte  thierische 
durchaus  nicht  hinreichen,  die  Aufsaugung  in  beiden 
öti,,  *u  erklären.  Denkt  man  sich  die  Lympligefässe  des 
Mer  T Oekröses,  z.  B.  mit  Säften  gefüllt,  und  die  Darmzotten 
Mfj>g|Ty”*P*’S®fi'Ssnetze  mit  Chymus  in  Berührung,  so  würden  die 
iä  die***T  Theile  des  Chymus  nach  den  Gesetzen  der  Endosmose 
^üflej  .^y“’P^?6fässe  eindringen,  und  die  aufgelösten, Theile  des 
Mt  Lymphgefässen  dagegen  heraus  dringen,  und  sich 

Chymus  mischen ; ist  der  Chymus  flüssiger  'als  der  Chylus, 
hält  er  dünnere  Lösungen,  so  wird  mehr  Chymus  in  die 


266  I.  Blich.  Von  den  organ.  Säften  etc.  III.  Ahschn.  Lymphsystem. 

Lympligefässe  eindringen,  als  Chyhis  Lerausdringen.  Enthält 
gegen  der  Chymus  dichtere  Lösungen,  so  wird  mehr  Chylus 
den  Lymphgefässen  heraus  dringen,  als  Chymus  herein  j. 
Von  einem  solchen  Spiel  können  die  wnnderharen  Wirkungen  o 
Aufsaugung  nicht  abgeleitet  werden.  Nur  wenn  der  in  den  Lymp 
gefässnetzen  einmal  enthaltene  Chylus  eine  durch  den  Lehensp*' 
cess  selbst  entstandene  chemische  Verwandtschaft  zu  demChy»»  , 
des  Darmcanals  äusserte,  und  diesen  anziehen  könnte,  ohne  da 
er  selbst  von  dem  Chymus  angezogen  würde,  könnte  man 
Resorption  auf  eine  den  Gesetzen  der  Endosmose  analoge  Art 
klären.  Aber  diese  Verwandtschaft,  diese  Anziehung  würde  d» 
lebendige  seyn,  indem  im  todten  Zustand  eine  solche  Anziebu  s 
nicht  existjrt.  _ •[ 

Wollte  man  die  Aufsaugung  durch  Anziehung  der  Flüssigi^  ^^ 
von  der  äussern  Fläche  der  Lymphgefässe  und  durch  Abstossu'^.^ 
von  der  innern  nach  den  Lymphgefässen  erklären,  so  giebt 
weder  Thatsachen,  diess  zu  beweisen,  noch  es  zu  widerlegen. 

Mechanische  Apparate  zur  Aufsaugung  des  Chylus  sind  -vva’^^ 
scheinlich  in  den  Anfängen  der  Lymphgefässe  nicht  Vorhand^  ’ 
da  die  Aufsaugung  in  den  Pflanzen  ohne  dieselben  geschic 
Hier  Avirkt  eine  noch  ungekannte  Anziehung,  wovon  bei  derA^ 
Sonderung  gleichsam  das  Gegeutheil  statt  findet,  indem  die 
wandelten  Flüssigkeiten  nur  nach  der  freien  Seite  der  absoiulef 
den  Flächen  ahgestossen  Averden,  und  durch  immer  neue  Abä‘’‘' 
derung  in  den  Ausführungsgängen  weiter  rücken.  In  vielen  TI' 
len  kommen  auf  derselben  Fläche  Aufsaugung  durch  die  Lymp^^^, 
gefässe,  und  zugleich  Absonderungen  durch  ahsondernde  Org‘* 
vor,  wie  auf  den  Schleimhäuten.  _ . 

Da  die  Eesorptionskraft  der  Lymphgefässe  eine  organi»^^^ 
Eigenthümlichkeit  derselben  ist,  so  muss  dieselbe  auch  unter  K , 
wissen  Einflüssen,  welche  in  die  Organisation  eingreifen,  ci 
und  vermindert  werden.  So  scheint  sie  in  der  Entzündung 
mindert,  wie  Avtenrieth  bemerkt,  weil  sich  in  diesem  ^ 
eine  dauernde  ödematöse  Geschwulst  im  Umfange  des  entzü'* 
ten  Theils  bildet.  Physiologie  2.  224.  Wie  die  Mittel,  welciic 
dem  Rufe  stehen,  die  Resorption  anzuregen,  diess  thun, 
zweifelhaft;  es  lässt  sicli  deren  Wirkung  nur  in  einigen 
einsehen.  Es  giebt  StolFe,  Aselehe  im  Stande  sind,  die 
den  Elementartheilen  der  GeAvehe  angehäuften  überflüssigen 
terien  zu  erweichen  und  aufzulösen,  resolventla.  Wie  diess  g,,, 
lieh  ist,  scheinen  die  organischen  Flüssigkeiten  schon  zu 
in  welchen  häufig  der  eine  StolF  das  Menstruum  des  andei"  ij, 
so  dass  z.  B.  Thiersloffe  durch  organische  Bindung  mit  mnie 
sehen  Stoffen,  z.  B.  mit  Alcali,  wie  im  Blutwasser,  oder 
anderen  organischen  Stoffen  in  einem  Zustande  vollkommene! 
lösung  sind.  So  ist  das  Picromel  das  Aullösungsrnittel  des  * 
ten  Gallenhcstandtheils,  des  Gallenstoffes.  Die  Anwendung 

'■*!  . .'H 


Resolventien  in  der  Arzneikunde  ist  aber  sehr  beschränkt, 

viele  Stoffe,  die  ausser  dem  Körper  thierlsche  Stoffe 
im  Stande  sind,  auf  lebende  thierische  Theile  zerstörend 
Dass  die  Lymphgefässe  nach  dem  Tode  noch  aufsaugen 


3,  Actionen  der  Ljmphgefiisse.  Bewegung  der  Lymphe.  267 

^alte  ich  für  ganz  unerwiesen.  Vergl.  E.  H.  Weber  Anatomie 

101. 

2.  Veränderung  der  lymphatischen  Flüssigkeiten  durch  die 
^ymphgeßisse. 

Die  von  Caplllargef  ässnetzen  durchzogenen  Wi'inde  del  Ly mph- 
SGf'ässe  scheinen  die  Mischung  des  Chylus  und  der  Lymphe  zu 
^ßrändern.  . Auf  dieselbe  Art  wirken  die  Lymphdrüsen , welche 
als  Apparate  dienen,  die  Oberfläche  der  Einwirkung  zu  ver- 
Bj’össern,  da  sie  hei  den  niederen  Wirbeltbieren  durch  blosse 
^ lexus  ersetzt  werden,  und  in  der  That  weiter  ausgebildete  Plexus 
®**id.  Der  Chylus  der  Lympbgefässe  des  Gekröses  ist  nach  Tie- 
^Emaün  und  Gmelin  nicht  gerinnbar,  bis  er  die  Lymphdrüsen 
^urchgegangen  ist.  Die  Lympbgefässe  und  Lymphdrüsen  schei- 
also  durch  die  Einwirkung  ihrer  Wände  das  Eiwelss  des 
Stylus  zum  Theil  in  Faserstoff  umzuwandeln.  In  manchen  Krank- 
fjeiten  ist  diese  Wirkung  der  Lyraphgefässe  auf  die  Mischung 
I *fes  Inhaltes  verändert,  oder  sie  leiden  von  der  Einwirkung  feh- 
‘ßrhaft  gebildeter  Säfte,  wie  in  der  Scropbelsucht. 

Die  Lympbgefässe  haben  eine  eigenthümliche  Empfindlichkeit 
^®Sen  fremdartige  Materien,  sie  werden  durch  die  Resorption  der- 
schmerzhaft,  zuweilen  entzündet  und  angeschwollen,  und 
ässen  sich  dann  als  rolbe  Streifen  durch  die  Haut  erkennen, 
'^äter  denselben  Umständen  schwellen  die  dem  Resorptionspunkte 
l'ähe  gelegenen  Lymphdrüsen  an,  und  werden  auch  schmerzhaft. 

<ier  Regel  verschwindet  die  Anschwellung,  wenn  keine  neue 
Uterie  mehr  aufgesogen  wird,  zuweilen  geben  die  Drüsen  in 
j*'tzündung  und  Eiterung  über.  So  schwellen  die  Lymphdrüsen 
Nähe  nach  Inoculation  eines  thierischen  Giftes  unter  die  Epi- 
an,  so  nach  der  Application  eines  Blasenpflasters,  nach 
Schlangenbiss,  nach  einem  Schnitt  oder  Stich  bei  der  Section 
fauligen  Cadavers,  nach  der  Inunction  von  Brechweinstein- 
von  Quecksilber,  in  der  Nähe  eines  Blutschwäres,  eines 
j^Gündeten  Theiles,  in  dem  sich  Eiter  bildet;  so  schwellen  die 
J'ßuinaldrüsen  an  beim  venerischen  Harnröhren -Schleimflusse, 
u auch  ohne  diesen  nach  venerischer  Infection  der  Genitalien. 
4®**^  Verhältniss,  wie  die  oberflächlichen  Drüsen  zur  Haut, 
5^1  ®**>en  die  Mesenterialdrüsen  zum  Darm  zu  stehen , welche 
■p  ^ hei  der  Entzündung  und  Verschwärung  des  Darms  (im 
"Phus  abdominalis)  sich  auch  entzünden, 
ff-  Bewegung  der  Lymphe. 

Magendie  erhielt  bei  einem  gefütterten  Hunde  von  mittlerer 
aus  dem  angeschnittenen  Ductus  thoracicus  alle  5 Minuten 
ijjj^l'^hr  i Unze  Chylus.  Die  Ursachen  seiner  Bewegung  sind 
Man  weiss  nicht,  ob  die  Lympbgefässe  und  der  Duc- 
°*'®cicus  Lymphe  und  Cliylus  durch  unmerkliche  fortschrei- 
sajj  ® ^usammenziebungen  forttreiben.  Tiedemamn  und  Gmeein 
meclianiscbe  und  chemische  Pieizmittel  keine  Zusam- 
Sc;J***®^'^ngen  an  dem  Ductus  thoracicus  entstellen,  was  früher 
(i^l  {de  irrüab.  uas.  lymph.  Lips.  17S9.)  gesehen  haben  wollte 

dig  diese  Zusammenziehung  nicht,  als  ich  bei  einer  Ziege 
§älvanische  Säule  auf  den  Ductus  thoracicus  einwirken  liess, 


268  I.  Buck.  Von  den  organ,  Säften  etc.  UI.  Abschn.  Lymphsysteni- 

und  sali  erst  nacli  einiger  Zeit  einige  ganz  tniLedeutende  E*’’' 
Schnürungen).  Doch  beobachteten  sie,  dass  der  angestochen® 
Brustgang  seinen  Inhalt  in  einem  Strahle  ansleerf.  Daher 
annehmen,  dass  die  Lymphgefässe,  ohne  rhythmische  Contraction 
zu  besitzen,  doch  ihren  Inhalt  weiter  fordern.  Die  Klapp®” 
müssten  eine  solche  Bewegung,  wenn  sie  wirklich  existirt,  e®' 
leichtern.  Durch  die  Richtung  derselben  muss  Lymphe  w” 
Chylus  bei  einigem  äusseren  Druck  auf  die  Lymphgefässe  dur® 
die  Muskeln  ohnehin  von  selbst  weiter  rücken.  Die  Saugkraft  d®’ 
Herzens  hei  der  Ausdehnung  der  Höhlen  des  Herzens,  weld’” 
das  Venenblut' anziehen  muss,  muss  auch  auf  den  mit  dem  y®' 
nenblute  der  Yen.  subclavia  sinistra  durch  den  Ductus  thoraci®®* 
zusammenhängenden  Chylus  anziehend  wirken,  und  kann  alle'” 
schon  bewirken,  dass  der  Chylus  der  Bewegung  des  Venenblut®’ 
nach  dem  Herzen  folgen  muss,  dagegen  wegen  einer  Klappe  ke'” 
Venenhlut  durch  den  noch  von  der  Contraction  des  Herzens  hc®' 
TÜhrendeii  Impuls  in  den  Ductus  thoracicus  fliessen  kann.  De«” 
die  Zusammenziehung  des  Herzens,  welche  das  Blut  durch  dj® 
Capillargefässe  und  von  diesen  wieder  zum  Herzen  führt,  wüi® 
das  Venenblut  der  Vena  subclavia  sonst  eben  so  gut  nach  de®* 
Ductus  thoracicus  als  nach  dem  Herzen  treiben  können.  Die  oi'" 
ziehende  Kraft  dagegen,  welche  durch  die  Ausdehnung  des  H«®' 
zens  und  den  dadurch  sich  bildenden  leeren  Raum  auf  das  ^®'. 
nenhlut  wirkt,  wirkt  gleich  anziehend  auf  den  Chylus  wie 
das  Venenblut.  Indessen  ist  doch  die  Saugkraft  des  Herz®”’ 
nicht  die  erste  Ursache  der  Bewegung  des  Chylus,  denn  n»®,’ 
Autenrieth  {Pfysiol.  2.  115.),  TiEDEMAurf  und  Cartjs  (Meck,  ' 
4.  420.)  wird  der  Ductus  thoracicus  auch  unterhalb  einer  Ligat” 
von  der  vordringenden  Lymphe  bis  zum  Zerplatzen  ausgedehid' 

Die  Bewegung  der  Lymphe  und  des  Chylus  in  den  lympt'®' 
tischen  Gefässen  hängt  daher  höchst  wahrscheinlich  grösstenth®' ' 
von  der  fortdauernden  Resorption  in  den  Lymphgefässnetzen  ® ’ 
gerade  so  wie  das  Aufsteigen  der  Frühlingssäfte  in  den  Pflan*® 
nur  von  der  beständigen  Resorption  in  den  Wurzeln  abhängt. 

Die  von  mir  entdeckten  Lymphherzen  in  der  Classe 
Amphibien  müssen  die  Bewegung  der  Lymphe  in  hohem  ^®‘*,  j 
fördern,  sie  bewirken  den  unmittelbaren  Erguss  der  Lymphe 
untern  Theile  des  Körpers  in  die  Vena  ischiadica,  des  ober«  ^ 
einen  Ast  der  Vena  jngularis.  Bei  den  Säugethieren  und 
Menschen  gelangen  Chylus  und  Lymphe  allein  in  die  Scblü*’  j. 
beinvenen  und  namentlich  der  Chylus  und  grösste  TlieÜ  ‘ 
Lymphe  durch  den  Ductus  thoracicus  in  die  Vena  suhclavi® 


si' 


nistra  zum  Venenblut,  und  sind  in  dem  Blut  der  Vena  cava  ■ 
oft  noch  spurweise  zu  erkennen.  Im  Blut  selbst  werden 
während  der  Circulation  auf  die  pag.  142.  dargestellte  Art 
vollkomrUienem  Blut  umgebildet.  An  dem  Ductus  thoracicus 
an  der  Cisterna  chyli,  an  den  Lympbgef'ässen  der  Säugelb'®^^^ 
überhaupt,  und  ausser  den  Lymphherzen  an  den  Lyrnphgcfa^'^j, 
der  Amphibien  habe  ich  nie  eine  Spur  von  Bewegung  hem®* 
können.  . , pp.. 

Die  Schnelligkeit  der  Lymphhewegung  ist  uns  gäiizllcb 


3.  Aclionen  der  Lymphgefässe.  Bewegung  der  Lymphe.  26Ö 

bekannt.  Sie  scheint  viel  geringer  zu  seyn,  als  die  des  Blutes, 
^''d  ist  von  Crtjikshank  und  Autenbieth  überschätzt  vrorden. 
"fan  kann  sich  eine  ungefähre  Vorstellung  davon  machen  aus  der 
ziemlich  kurzen  Zeit,  in  ■welcher  die  mit  Chylus  gefüllten  Lymph- 
S^fässe  des  Mesenteriums  'hei  erölfneten  Thieren  unscheinbar 
Werden  und  aus  der  Menge  der  aus  dem  Ductus  thoraci- 
ausfliessenden  Flüssigkeit.  In  Magekdie’s  Versuch  Lei  einem 
^'inde  mittlerer  Grösse  floss  in  5 Min.  | Ünze  Chylus  aus  dem 
^•^geschnittenen  Ductus  thorac.,  in  dem  Versuch  von  Collard  de 
7*Rtigny  9 Gran  Lymphe  in  10  Min.  aus  dem  Ductus  thorac. 
^[••es  seit  24  Stunden  hungernden  Kaninchens.  Nachdem  Collard 
j ® Lymphe  in  dem  Lymphgefässstämmchen  des  Halses  eines  Hun- 
durch  Compression  fortgeschafft  hatte,  füllte  es^  sich  von 
in  7 Min.  und  in  einem  zweiten  Versuch  in  8 Min.  Juorn. 
^'physiol.  T.  8.  Bei  der  oben  angeführten  Beobachtung  von  der 
%fnphe  des  Menschen  füllten  sich  die  Ljrophgefässe  des  Fuss- 
Rekens  und  der  grossen  Zehe  innerhalb  einer  ^ — T Stunde  so, 
man  in  einem  Uhrglase  ziemlich  viel  sammeln  konnte.  Bei 
Fröschen  ist  die  Menge  der  Lymphe  ausserordentlich  gross, 
. ‘ ihren  ansehnlichen  Lymphräumen.  Nimmt  man  die  Capacität 
j"*«  jeden  ihrer  4 Lymphherzen  zu  1 Cub.  Linie  an  (die  vor- 
sind  kleiner,  die  hinteren  grösser),  so  treiben  die  4 Lymph- 
• '^•‘^en  in  einer  Minute  60  mal  4 = 240  Cubiklinien  Lymphe 
die  Venen,  wenn  die  Lymphherzen  sich  ganz  entleeren, 
j d®in  sie  entleeren  nur  einen  Theil  ihres  Inhalts  bei  jeder  Zn- 
*'*'teenziehung. 


<V«)L*  vjX.  v\ il'.  .V-  "'| 

.wUil'''  ■.  ih  oil'>  ' lii  .iif'ic  ji!:  l‘>w  Jiii.'il  i ■' 

.(i'-flrviv/'  #1'' j: ' ''n  f A I/Hii  .<?  t i.r  t inv/  ‘'yM 

■ ‘(l>  ^iiij  iri!!')i*(u  HO /ijij  A f ■ ii!)- luo./J 

-jionw.^' II  kii! vtU  lio<  '>'111  -i  i.l'jl'iff  n'  ,!r.\  u.>.\  noi 

■jMliii  ii'.'i'iiij  i'J  !')(1  «'Jiiii!  ili':  *',>!> 

-i;.)ii'i<)l!  J fioh  <•111:  ■i‘’l)  rib  - 10;  ''in;  n-'i''i5’a' 

ji'oüi  « !d!l ' il-jM.  i.‘! /' i';  :A  ii-iliji-i  ,■  li- -.o  ^ 

!!!■.>[>  <-Ul\  .•ui  fiiü  Oin  J '-  .1111'  ?•  lli  ■•  •0:;  •IO’!‘>l  I IO. ' i 

Ol  > Jio/  il'iiiJ'i'iY  iii'ilj  ni  j.'ju'foill  ■ lii-iijH  o'iii 

.o.;iOi!J  jirib  i-ijs  .iiitA  ttL  iii  •iilirm/.!  nviO  *i  f. 

u!i/..i.riO  iiiol)iion/l-  .iii'iii'.iiiiiic.H  frt!iiri^p!ii];!  u ioiMiV,  li;  Jiti^ 

-ii'jll  j^-iiiitwj/liil!  r')h  1:  jil'xtimsl.’irjiiT.ipiiijni  I J aiur.  iii  •iil(|iir;.[ 

1(0/  xl'ii^  '!>  ollliil  'f'.txl'ji-op.f-jo'i  nuii'i''j'if).iO)D  iloiiiii 

.\vuih\.  .(lil*  (li  ifoiv.'io  / ii'ilio'M.v  iii  oii'i  ui  Jioo  .iiilA  7 iii  mW 
tiov  piiuliioiiJo'.tl  ir>;lo  i'j!)  iiii. 

r-i-i-.Il'!  '■'!)  Mfr. 'lib  |loi>  fl’jlljlii  II  1'  - ll)  'l;-:;; 

,o»  ubniit?.  Y — i 'loiii-i  (ÜMliKiLi  ‘iii'jX  r 1 ih  Kkv'  ; 

■ioU  iil'iciirxif.'-  I'ii/  i!  iHfiii  i'tiip  o.  jii-  111  flmv;  w; 

,>..'U'rp  (!  liHirjlinri'j  ■hi;  •!;!  1 , /vl  'j.»!'  j - ti  ahjoi'i  ‘ 

ii.tjcY  oü)  iiiitii  Wiiiui/.  .H'iioii;  ii''|iii  I J ii'ul-  ' .ihIm.'iiii  na  iili 

-•;o/  -iii;,  iiii  oiiiisl  .(iii.)  J,  .i\'  , 1-  'i-mt;  •.  'i>j  t 

-ilHiri'i.l  ! lüi  n idiri’il  !■'  . i ' ■ is;  11  • iOliiii!  ';!!•  .■i.jiii  'i.i  ii  -i'’'’:  ( > 

riil’jiiiv.i  Ot  ' r:r:  i li.os  Oi)  1 >(<i  ) ui  ir;  “ 

.ii;i  i'o’lic)  .';ni,p  ilii'.  11  ><:  OiiJiliii /.!  -liji  lUi  ■.  , 03113  A jilx 

-51X  i:M*  e-xib  jiioiX  loio.;.  'um  li.i'io'iiluo  -lit  lO’ 

.V;:;oii  v>Sf!->Xi'*'gJ^ 


' , ...  ■ (mHA  ’iti  A'.  \ 

.11  : i , Jll:  ';.-i  / . I'ii  .'l'l'iiflil  “■  liri^  in, /"  .1 

wi'iiMA  ■•ij^  i(j  jj 

•'  i 'i'.il;  i,iui  -■■il;  (l■)llri)Av  n(  )j>  ii'' / .i!l 

■ ''"'iiitA  rül;  il'i'lofjd.'noV  ir)I>  it‘>  . /f 

Der. 

• M!  imihl  r ’ll  j'  iot''  *'  tl')ll:>'i(ll  )ll3  lll  ifi  llO  l .V 

• f'  ./•»■inoriiiJA  Imu  /^sdiaodiA  ir  !i  ViuY  .1  •' 


^'P‘Vc  i e 1 1 e'ö'^  P h^v  s i^o  1 ö% i e 

II  i|  II  3X1  333  jsi  T ' IllfH  ^ 


.yiiiriili.üil,  ■■  A'  . 'Y  .r 

Zweite  s ''’B  ü'c^hA  ■ 

.;>nii“ri3X''.', ; , m //'  -(‘ijj  uu7  ,11 F 

fi  in  311  HU  ul  A jaf)  iio  Y AV.niVd.A. . AVI 

.lIMflistlld.'ifA  rili  n‘.iy!II'!3l)II0i!ClA  II  1>  HU  / .1 


.U'llä'lG.  lll  Hl.vl  (!  1 'lllli  liiui)  ll<.l7  .11 

den  organisch  - chemisctie^  ' Veraiulerüngen  in*_den 
""‘'Saften 'ünd  ’deh*  brgahis^‘rfen"'Theilen.'' 

- U l - A I V . ■) ) X TI  . ÜU  'I  1 3 i;  ■■ -UH  /. 


.!:.r:io.'tiii:ll7i  lifi  piuujl  'i A 'lub  iluY 

.nimij;-K.i-^;i:i.lJlifjTl/  hdI)  iioY  .il 

.-i.'Hiii.’.nii.li  i,y1j  ir.Ji  woY  .lil 

IIII  i ' I — Iiui;lri‘j7  ii  ;!i  jiu  .Yl 

viliiriiiti  nii  c;  iuffi',  -lüfi  i-j/  aob  «uY  .Y 

.iiijilii  iiül/'t,')  tj1>  iji'Y  .i  Y 

• ’l  .-luififinl  j'/l  •j->u  , xlil"  'lyli  rioiJ'jiiU  'J  7;<f)  iiu  / .H  / 

.■ifjj'i'o'uni  V di'  i 'li  ti'iii  iii-i;  ihliluiuÄ 

.•jf-ojil  u 'ixiyi'i  i\  gaiiliiyiL's-i-'A  'vjL  uoY  .ili  f. 


i 


I 


1.  Abschnitt.  VomAthmen. 

I.  Von  dem  Atlimen  im  Allgemeinen. 

II.  Organologie  der  Athemwerkzenge. 

III.  Von  dem  Atlimen  des  Menschen  und  der  Tlilere. 

IV.  Von  den  Veränderungen , des  Bluts  durch  das  Athme»' 

V.  Von  dem  chemischen  Process  des  Athmens. 

VI.  Von  den  Athemhewegungen  und  Ath'emnerven. 

4.  IJ.  AhscJinä^  Vjop,  der  Eriiährji^ng,  ,vom  WachsthuJi» 

^ und  von*der  Wiedererzeugung. 

% 

I.  Von  der  Ernährung. 

II.  Von  dem  Wac^thum..  f)  | i . 

III,  Von  der  Wiedererzeugung. 


III.  Abschnitt.  Von  der  Absonderung. 

I.  Von  den  Absonderungen  im  Allgemeinen. 

II.  Von  dem  Innern  Bau  der  Drüsen. 


III.  Von  dem.Secret^onsprocess.  , 
»loh  M'  a ' M'Mi  Kiiiriil 


•Mi  fl'll 


'je.  Vjon  d^rV^ 

Ausscheidung  der  zersetzten  Stotie. 


I.  Von  der  Verdauung  im  Allgemeinen. 

II.  Von  den  Verdanungsorganen. 

III.  Von  den  Bewegungen  des  Darmkanals. 

IV.  Von  den  Verdauungssäften. 

V.  Von  den  Veränderungen  der  Speisen  im  Darmkanah 


VI.  Von  der  Chylification.  ^ 

VII.  Von  der  Function  der  Milz,  der  Nebennieren, 
Schilddrüse  und  der  Thymusdrüse. 

VIII.  Von  der  Ausscheidung  der  zersetzten  Stoffe. 


Der  speciellen  Physiologie 
Zweites  Buch. 


''ö  den  organiscli-cliemisclien  Veränderungen  in  den  organischen 
Säften  und  den  organisirten  Theilen. 


Q Wenn  die  Elemente,  welche  ausser  dem  Organismus  sich 
f'i’ch  ihre  eigene  Affinität  binär  verbinden,  im  Organismus  durch 
der  binären  Verbindung  widerstrebende  Kraft  zu  ternären 
quaternären  Verbindungen  vereinigt  werden,  so  ist  es  ge- 
dass  diese  Affinität  von  einer  eigentbümlichen,  in  der  unor- 
"?®ischen  Natur  nicht  erkennbaren  Kraft  oder  der  Mitwirkung 
8 Unbekannten  imponderabeln  Materie  bedingt  wird,  von  dem- 
oen  Princip  wahrscheinlich,  welches  die  zweckmässige  Erzeu- 
und  Erhaltung  aller  Oi’gane  des  Ganzen  einleitet.  Es  wäre 
^ P S^nz  unerwiescne  Hypothese,  wenn  man  der  Electricität  die 
^®rgabe  ertheilen  wollte,  alle  organischen  Verbindungen  zu  er- 


8®n.  Ehe  die  Eigenschaften  jener  Kraft  bekannt  sind,  kann 
sie  als  eine  zwar  gewisse,  aber  nicht  näher  zu  bezeichnende 


®sse,  als  Lebensprincip  oder  orgatiisirende  Kraft  anerkennen. 
^Uf  nach  welchem  die  von  diesem  Princip  belebten  Theile 

^ andere  Stoffe  wirken,  ist  das  der  Assimilation.  Wir  haben 
das  Eigenthürnliche  derselben  auseinander  zu  setzen. 

Sj.  _^Ian  kann  die  im  Organismus  erfolgenden  Umwandlungen  der 
*®  in  rein  chemische  und  orgfinisch-chemische  eintheilen. 
der  •u*'**  chemische  Umwandlungen  erfolgen  nach  den  Gesetzen 
Vej,j^y'^®^dverwandtschaft  der  Stoffe,  wie  sie  sich  bei  den  binären 
an  j,'pdungen  äussern,  in  dem  Maass,  als  die  organisirende  Kraft 
■Wnij  '^uuss  auf  die  Gebilde  verliert,  oder  unfähig  wird,  der  Ge- 
Sew  ®^emischen  Affinität  zu  binären  Verbindungen  dasGleich- 
zu  halten. 

dej.  j °*'®entrirtc  Säuren  und  Alcalien  binden  sich  mit  den  Stoffen 
Setzß^”®®den  Thierkörper,  und  erzeugen  neue  Körper  mit  Zer- 
der  thierischen  Materie.  Im  verdünnten  Zustand  dienen 
Physiologie.  I,  18 


274  II-  Buch.  Von  den  organisch-chemischen  Processen. 

die  Salzsäure  und  Essigsäure  im  Magensafte  selbst  zur  Auflösung 
der  Speisen.  Nach  Brrthollet  wirken  die  cauterisirenden  Me 
talloxyde  und  metallisclien  Salze  dadiircli,  dass  sie  Oxygen  an  i 
tbicrisebe  Materie  ablreten.  Beim  Gidiraucb  des  salzsauren  Spi®''* 
glanzoxyds  wird  der  unorganisclie  Körper  reducirt,  der  org^«'" 
sebe  verbrannt.  Salzsaurcs  Quecksilberoxyd  (Cblormercur  im  Ma'- 
des  Chlors)  wird  dureb  mehrere  organische  Körper  in  salzsaiie® 
Quecksilberoxydul  {Cblormercur  im  Mm.  des  Chlors)  verande»  • 
Solche  rein  chemische  Verhältnisse  finden  häufig  selbst  in  iic 
Therapie  ihre  Anwendung.  Die  Eigenschaft  des  Eiweisses, 
aufgelösten  Sublimat  niederzuschlagen  und  sich  mit  ihm  zu  6*"“’.  ^ 
unlöslichen  Stoff  zu  verbinden,  veranlasste  Orfila  zu  der 
lieben  Idee,  das  Albiimen  als  Gegengift  zu  versuchen.  Huenefei- 
physiol.  Chemie.  1.  65.  S9.  Ein  Gegengift  muss,  wie  Hueinefee^ 
bemerkt,  eine  starke  chemische  Affinität  zu  dem  Gilt,  aber  ger"’§^ 
cbcmiscbc  Affinität  zum  Ibierischen  Körper  haben,  damit  es  C' 
sev,  das  Gift  bis  in  das  Innere  des  Körpers  auf  unscbädlicbe  A* 
zu  vei-folgen.  Der  Schwefel  neutralisirt  den  Arsenik  und  mae"^ 
ihn,  indem  er  eine  unlösliche  Verbindung  verursacht,  wenig® 
schädlich.  Aus  diesem  Grunde  sind  auch  beim  Gebrauche  vo 
Quecksilbermitteln  gegen  Syphilis  solche  Präparate,  welche  Schn 
fei  enUiallcn,  unwirksam.  * Huenefeld  /.  c.  1.  66.  SchwefelsaU' 
auflöslicbe  Salze  sind  Gegenmittel  gegen  Baryt  und  Bleisalzvf®' 
giftung,  weil  Baryt  und  Bleioxyd  mit  Schwefelsäure  sich  zu  W' 
lösliciren  Verbindungen  vereinigen.  Ebend.  67.  Magnesia  sturnp* 
die  Mn'’ensäure  ab.  Kohlensäure  Alkalien  xverdrn  mit  Erffi 
gegen  harnsaure  Sedimente  und  Steinbildung  im  Harn  gegeh® 
weil  die  Harnsäure  dabei  aufgelöst  und  der  Harn  alcalisch  w" 
Aus  demselben  Grunde  w-irken  pflaiizensaure  Alcalicn  vortheilha  ' 
weil  sie  im  thicrischen  Körper  in  kohlensaure  Alcalieii  urngewa  ^ 
delt  xverden  oder  als  solche  in  den  Harn  iibergeiien.  In  den 
schwüren  des  Hospitalbrandes  und  in  Rrebsgeschwüren  hat  ni')^ 
mit  Erfolg  Salpetersäure,  Chlor,  chlorigsaure  Salze  angewandt, 
Beziehung  auf  die  Bildung  von  Schwefelwasserstoff,  Ammon''^^ 
und  Hydrotbion-Ammoniak  in  diesen  Geschwüren.  Aus  denis®^^ 
ben  Gesichtspunkte  lässt  sich  die  Anwendung  der  Mineralsäur®^ 
im  Faulfieber  bei  herrschender  Tendenz  zur  Alcalität  betracht®^^ 
Huekefeld  l.  c.  T2.  Die  Rubia  tinetorum  hat  eine  grosse  An*'^jj 
hung  zur  pborpborsauren  Kalkerde,  und  äussert  diese  selbst 
im  Organismus,  indem  sie  eingenommen  nur  die  Knochen 
färbt.  Endlich  werden  vielerlei  fremdartige  Stoffe  in  den 
lauf  aufgenommen,  sie  verwandeln  sich  zum  Theil  und  xver 
verändert  oder  unverändert  ausgeschieden. 

2.  ln  anderen  Fällen  wirken  Stolle,  besonders  zersetzte  Th'  ^ 
Stoffe,  die  in  kranken  Th ierkörpern  erzeugt  worden,  aut 
chemischen  Fermentationsprocess  analoge  Art  auf  lebende 

ein.  Die  Contagien  verursachen  die  Erzeugung  ähnlicher  ^ 
Setzung  und  Mischungen  in  anderen  lebenden  Wesen. 

3.  Chemische  Verbindungen  und  die  Elemente  können 
auch,  indem  sie  fehlende  Bildungstheile  zu  Erzeugung 
ganischer  Verbindungen  liefern,  statt  diese  zu  zersetzen,  ' 


II.  Buch.  Von  den  organisch-chemischen  Processen. 


275 


inelir  befördern,  und  die  Wirkungen  der  organisclien  Kraft  un- 
terhalten. So  ist  ein  gewisser  Antheil  mineralischer  Stoffe  in  den 
Nahrungsmitteln  nothwendig.  Die  Veränderung  des  Blutes  heim 
Athrnen  ist  eine  organische  Umwandlung,  wobei  eine  binare, 
durch  das  Alhmen  erzeugte  Verbindung  ausgescliieden  wird. 

4.  Die  organischen  Stofl'e  seihst  können  dagegen  wieder,  in- 
dem sie  auf  einander  wirken,  gegenseitige  Zersetzungen  bedingen, 
''velcbe  noch  ausser  den  Wirkungen  der  organisircnden  Kraft  er- 
fol  gen.  Speichel  soll  nach  Leucbs  gekochte  Starke  in  Zucker 
tirnwandeln  (Poggend.  yinn.  1831.  5.),  und  Stärkemehl  itn  Magen 
der  Thiere  in  Stärkegummi  und  Zucker  umgewandelt  werden,  ^vie 
Tiedemank  und  Gmeein  zeigen.  Fibrin  oder  Muskelfleisch  sollen 
tvässerige  Zuckerlösung  wie  liefe  in  Gährung  setzen,  während 

Davy  mittelst  Bindfleiscli  auf  diese  Art  in  3 — 4 Tagen  keinen 
Nlcohol,  sondern  Gummi  erhielt.  Kastn.  .dreh.  1831.  396.  Zu 
Solchen  chemischen  Umwandlungen  werden  auch  innerhalh  des 
Organismus  organische  Säfte  verwandt,  wie  Speichel,  Magensaft, 
Galle,  succus  pancreaticus.  Zwar  sind  hier  ejuaternäre  Verbin- 
dungen der  gegenseitigen  Einwirkung  unterworfen,  und  die  Pro- 
ducle  können  quaternäre  Producte  bleiben,  ohne  in  binäre  zu 
Verfallen.  Indessen  erleiden  einmal  gebildete  organische  Materien 
Nässer  dem  organischen  Körper  hei  W'echselwirkung  mit  unor— 
S'inischen  Verbindungen  häufig  nur  eine  Veränderung  der  orga- 
’dschen  Verbindung.  Im  Organismus  selbst  ist  die  Wirkung  or- 
5l|«uscher  Flüssigkeiten  auf  einander  noch  durch  das  Lebensprin- 
®'P  verändert.  Die  Wirkungen  des  Speichels,  der  Galle  bei  der 
y^rdauung  lassen  sich  niclil  aus  ihrer  Wirkung  aut  organische 
'Crbindungen  ausser  dem  Organismus  ermitteln. 

5.  Die  organische  Assimilation  zeigt  sich  zunächst  in  der  Ah- 
'’äderung  der  Mischung  organischer  Flüssigkeiten  durch  Wcchsel- 
'^'i'kung  mit  den  von  dem  Lebensprincip  beseelten  Wänden  der 
^•'Saulsirten  Theile.  So  verändert  sich  die  Mischung  des  im  Darm- 
^•Uial  aufgesogenen  Chylus  im  lymphatischen  System,  und  er  ent- 
*“»lt  mehr  Faserstoff,  wenn  er  durch  mehr  Lymphdrüsen  durch- 
S’^gangen  ist.  Diese  Drüsen,  welche  den  Vfögeln,  Amphibien,  Fi- 
*chen  fehlen,  sind  nur  Apparate,  um  die  Einwirkung  der  organi- 
®'^hen  Oberflächen  auf  den  Chylus  zu  vergi'össern.  ln  den  Ah- 
^'^nderungen  ist  dasselbe  Phänomen  rnodilicirl,  indem  die  von  den 
’^*'8anislrten  Thellen  verwandelten  Bestandtheile  des  Blutes  ahge- 
* *^®sen  werden. 

^ 6.  Endlich  zeigt  sich  die  Assimilation  noch  merkwürdiger  In 

, Umwandlung  der  organischen  Flüssigkeiten  zu  Bildungsthei- 
der  Organe  selbst,  indem  das  Blut  in  den  Capillargcfässen 
den  kleineren  Partikeln  der  Nerven,  Muskeln,  Schleimhäute, 
.•"usen  etc.  in  Berührung  kommt,  jedes  Organ  die  Bestandtheile 
Blutes  assimilirt,  ihre  Mischung  hierzu  verändert,  sich  durch 
g^J'ä.nung  derselben  vergrössert,  aber  ihnen  auch  die  Fähigkeit 
h,  selbst  wieder  zu  beleben  und  zu  organisiren.  AVunder- 

sicl^'  organisirende  Kraft  so  lange  erhält,  indem  sie 

tUil^  mehr  Alasse  ausdehnt.  Das  Urphänomen  dieser  Assi- 

‘■'tion  zeigt  sich  vor  der  Entstehung  der  Gefässe  und  des  Blu- 

48* 


276  II.  Buch.  Von  den  organisch-chemischen  Processen. 

tes  an  der  Reimsclieibe  des  Eies  (Blastoderma),  indem  diese 
am  Rande  auf  Kosten  der  Dotterfliissigkeit  zur  Reimhaut 
„rössert.  Das  Eiweis  des  Dotters  erleidet  allmählig  eine  chemisc  ^ 
Umwandlung  seiner  Zusammensetzung,  und  verliert  zuletzt 
Gerinnbarkeit  in  der  "Wärme.  "Wenn  einmal  Getässe  gebild^ 
sind,  so  geschieht  das  Wachstluim  durch  Vergrösserung  der  Paf' 
tikeln  zwiseken  den  Capillargef  ässen  und  durch  Entstellung 
Gefässe.  Sind  in  einem  organisirten  Tlieil  oder  belebten  Sto 
(a,  b,  c,  d)  die  Elemente,  die  In  jedem  organischen  Molecule  i" 
bestimmtem Vei’hältnisse  verbunden  sind,  so  bedingt  die  organis*' 
rende  Kraft  des  lielebten  Theiles  nicht  allein  die  Bindung  von 
b c,  d zu  Bildungstheilchen,  sondeiAi  auch  die  "Vereinigung  def 
letzteren  zu  organischen  Productionen,  und  zwingt  die  organischen 
Fluida,  ihre  Zusammensetzung  auch  zu  der  Verbindung  (a,  b,  c,  ob 
d.  b.  ziv  Atomen  dieser  Zusammensetzung  zu  ändern  und  die»® 
Atome,  sich  mit  dem  assimilirenden  Organ  zu  verbinden.  "VVenO 
hier  von  Atomen  geredet  wird,  so  sind  darunter  nicht  organischO 
Kügelchen  verstanden,  sondern  jene  unsichtbaren  Atome,  wie  si 
in  der  Chemie  als  kleinste  Theilchen  einer  Verbindung  supponn^ 
werden.  Die  Erzeugung  der  organischen  Erscheinungen,  der  Alns 
kelbewcgungen  etc.,  befördert  beständig  die  Zersetzung  einer  gO' 
■wissen  Quantität  Materie,  die  durch  die  Nahrungsstoffe  wieder 
zu"eführt  wird,  und  so  unpassend  in  anderer  Hinsicht  der  Vo' 
gliTich  ist,  so  gleicht  die  thierische  Maschine  doch  hierin  jede*" 
andern  Maschine,  die  mit  Zersetzung  einer  Materie  ihre  Kräfto 
produeirt,  und  wie  die  Dampfmaschine  eine  gewisse  Menge  neu« 
zersetzbarer  Stoffe  zu  ihrem  Gange  erfordert.  Das  Wunderbar^ 
bei  der  Assimilation  ist  nun,  dass  der  Organismus,  indem  er  zcij^ 
setzte  Bestandthelle  seiner  selbst  auswirft,  und  organische  Kr«^ 
in  neuer  Materie  zur  Erscheinung  bringt,  durch  die  AusscheldiiO» 
der  zersetzten  Bestandthelle  seiner  seihst  nicht  sobald  an  organ* 
scher  Kraft  verliert;  daher  es  fast  scheint,  dass  entweder  das  o* 
ganisirende  Princip  die  zersetzten  Bcstandtheilc  verlässt  und 
mit  neuer  Materie  bindet,  oder  dass  die  Nahrungsstoffe  selbst  eo'^ 
Quelle  zur  Vermehrung  der  organischen  Kraft  sind,  währeiO^ 
diese  auf  der  andern  Seite  durch  Zersetzung  von  früheren 
standtheilen  des  Thierkörpers  unwirksam  wird.  Vergl.  pag.  3 • 
Das  erste  allgemeine  Gesetz  der  verschiedenen  Production 
scheint  allerdings,  wie  Autenbietii  bemerkt,  das  Gesetz  der  A« 
Ziehung  ähnlicher  Theile  unter  sich  zu  seyn.  Aber  die  Theilc  i ^ 
der  belebten  Organe  haben  schon  eine  grosse  Anziehung  zu 
selbst,  sie  verlassen  ihre  Verbindung  nicht,  um  sich  mit 
eben  des  ernährenden  Fluidi  zu  vereinigen,  sie  ziehen  die  aiia 
gen  Theilchen  des  Blutes  an,  nur  das  Blut  scheint  hierbei 
zugsweise  eine  Trennung  seiner  Elemente  zu  erfahren.  Ich  kai 
diese  Bemerkungen  nicht  besser  als  mit  einigen  Worten  von  A ^ 
TEMRiETH  schlicssen.  Der  Knochen  sondert  nur  Knochenerde,  , 
Muskel  Faserstoff  und  Cruor  ab,  es  vermehrt  sich  auch  ein 
dernatürlich  entstandener  Scirrhus,  ein  Steatom  immer 
gleiche  Art.  Die  Vermehrung  durch  Anziehung  des  Aehnheö  ^ 
findet  nicht  hioss  in  den  chemischen  Bestandtheilen  eines  Orga 


I.  Abschnitt.  Vom  Athmen.  Allgemeines. 


277 


statt,  Ancli  in  seinen  Bildnngsgesetzen  findet  sicli  etwas  Aelinli- 
clies.  Ein  polypöser  Auswuchs  der  Mutterscheide,  der  Innern 
^^asenhaut  entfernt  sich  weniger  durch  seine  chemische  Mischung 
'ds  durch  seine  Organisation  von  den  ihn  umgehenden  gesunden 
Theilen.  Einmal  entstanden  aher  wächst  er  ])ls  aut  einen  gewis- 
sen Grad  immer  auf  eine  ähnliche  Art  fort.  Eine  Narhe  wird, 
'ingeachtet  sie  eine  von  der  ursprünglichen  Organisation  der  Haut 
ahweichende  Structur  besitzt,  doch  immer  wieder  auf  eine  ähn- 
liche Art  ernährt;  sie  wächst  selbst  mit  dem  übrigen  Rörper. 
A-utehrieth  Phjsiol.  2.  181. 


I.  Abschnitt.  Vom  Athmen. 

1.  Capitel.  Vom  Athmen  im  Allgemeinen. 

Der  wesentliche  athemhare  Bestandtheil  der  Atmosphäre  ist 
^er  Sauerstoff  derselben,  den  sie  imVerhältniss  von  21  Th.  Sauer- 
®loffgas  auf  79  Theile  Slickstoflgas  enthält.  Der  Kohlensäurege- 
l'alt  der  atmosphärischen  Luft  ist  in  der  Regel  äusserst  gering. 
hlOOOVolumtheile  atmosphärischer  Luft  enthalten  nach  de  Satjs- 
4,15  Rohlensäuregas.  Auf  dem  Lande  rv'ar  das  Maximum 
das  Minimum  3,15.  In  der  Stadt  Genf  war  der  Kohlen- 
?''uregehnlt  der  Luft  um  0,31  Th.  auf  10000  Th.  Luft  vermehrt. 
"eRzelitjs  Jabrb.,  übers,  v.  Woehler  11.  64.  Hierzu  kommen 
«nliche  Verunreinigungen,  wie  eine  die  Silherauflösung  bei  Ein- 
}^*i'kung  des  Lichtes  rÖthende  organische  Materie,  die  sich  auch. 
'"1  Regenwasser  findet.  Gmelin’s  Chemie  1.  412.  In  der  Luft,  in 
Reicher  Menschen  und  Thiere  athmen,  vermindert  sich  der  Ge- 
l‘aU  an  SauerstolF,  an  dessen  Stelle  fast  eben  so  viel  Kohlensäure 
Belm  Athmen  in  reinem  Sauerstoffgas  wird  die  Luft  eben 
verändert.  Ohne  das  Athmen  für  eine  Verbrennung  zu  erklä- 
kann  man  doch  die  Aehnlichkelt  zwis,chen  den  Veränderun- 
der  Luft  durch  das  Athmen  und  das  Verbrennen  nicht  ver- 
^^nnen.  Hier  wie  dort  scheint  das  Stickgas  indifferent  zu  seyn, 
k*id  nur  den  Process  durch  seine  Beimengung  zu  mässigen. 

Bei  der  Betrachtung  der  Gasarten,  in  Beziehung  auf  das  Ath- 
und  die  Alhemorgane,  muss  man  wohl  unterscheiden,  dass 
Gasart  den  belebenden  Process  ira  Athmen  nicht  unterhalten 
ohne  dass  sie  deswegen  gerade  giftig  ist.  Stickgas  und 


ilB  II.  Buch.  Organ,  chemische  Processe.  I.  Abschn.  Athmen. 


WasserstofTs'as  sclieinen  für  das  Atlimen  indifferent,  sie  unterhal- 
ten rein  geathmct  das  Lehen  nicht,  ehen  weil  Sauerstoffgas  fehlt, 
und  sind  daher,  der  zum  Athmen  nöthigen  Menge  Sauerstoffgas  bei- 
gemengt, unschädlich.  Andere  Gase  sind  nicht  indifferent,  sondern 
wegen  der  Affinität  zu  thierischen  Stoffen  geradezu  giftig.  Dann 
muss  man  unterscheiden,  dass  manches  Gas  in  die  Äthemorganß 
eingeführt  werden  kann  und  doch  giftig  ist,  dass  es  aber  gewisse 
Gase  gibt,  die  nicht  einmal  in  grosserer  Menge  in  die  Athernor- 
gane  eingefiihrt  werden  können,  rveil  sie  krampfhafte  Zusammen- 
ziehungen der  Respirationsorgane,  -vorzüglich  Versclilicssung  der 
Stimmritze  bedingen. 

I.  Gase,  welche  den  chemischen  Process  des  Athmens  unter' 
halten. 

I.  Dauernd  und  ohne  Nachtheil  für  das  Leben.  Die  atmo- 
sphärische Luft.  2.  Eine.  Zeitlang,  aber  nicht  dauernd;  Sauer- 
stolfgas  und  Stickstoffoxydulgas.  Beim  Athmen  in  Sauerstoffgn* 
soll  das  Blut  selbst  in  den  Venen  hellroth  werden.  Es  soll  zu- 
letzt zerstörend  wirken.  Dagegen  haben  Allen  und  Pepys  beim 
Menschen  keine  Beschwerden,  und  liei  einer  Taube  nur  Unruhe, 
nach  dem  Versuch  aber  Erholung  bemerkt.  Lavoisier  und  Sr- 
GUiN  sahen  bei  Meerschweinchen,  die  24  Stunden  in  Sauerstoffge* 
athmeten,  keine  Beschwerde.  Allen  und  Pepys  fanden  beim  Ath- 
men in  Sauerstoffgas  mehr  Kohlensäure  als  beim  Athmen  in  at- 
mosphärischer  Luft  gebildet.  Dagegen  wollten  sie  bei  einer  Taube 
weniger  Kohlensäurebilduug  als  in  atmosphärischer  Luft  gefunden 
haben.  Schwindsüchtige  befinden  sich  beim  Athmen  in  Sauer- 
stoffgas schlechter. 

'Stickstoffoxydulgas  unterhält  zirar  das  Leben  eine  kurze  Zeih 
wdrkt  aber  doch  schnell  berauschend  und  betäubend,  wobei  Exal- 
tation, subjective  Sinneserscheinungen,  Verwirrung  des  Geistes, 
und  zuletzt  Ohnmacht  cintreten.  H.  Davy  Untersuchungen  üb^ 
das  oxydirte  Stickgas,  Lemgo,  1814.  Ein  Theil  des  Gases  xvi* 
beim  Athmen  dieser  Gasart  im  Blut  aufgelöst,  welches  purpui- 
roth  wird,  die  Farbe  des  Gesichtes,  der  Lippen,  wird  wie  di® 
eines  Todten.  Es  entwickelt  sich  aus  den  Lungen  Stickgas  m' 
kaum  etwas  Rohlensäuregas.  _ 

II.  Gase , welche  zwar  inspirahcl  sind , aber  nicht  den  chein^' 
sehen  Process  des  Athmens  unterhalten. 


1.  Gase,  die  keinen  positiven  giftigen  Einfluss  ausüben,  soä 
dem  nur  aus  Mangel  der  Gasart,  die  allein  das  Leben  unterba  ^ 
tödten.  Stickgas  und  Wasserstoffgas.  Nach  Lavoisier’s  und 
guin’s  Versuchen  athmen  Meerschweinchen  in  einem  Gemeiio^ 
von  gleichviel  SauersLoffgas  und  W assei’stollgas  ohne  besondi 
Beschwerde,  indem  sie  ehen  so  viel  Sauerstoflgas  verzehren,  j 
in  einem  Gemenge  von  gleichviel  Sauerstoffgas  und  Stickgas,  ^ 
kein  Wasserstoffgas  absorbiren.  Beim  Athmen  von  Wasserstou^“^^ 
wird  nach  Allen  und  Pepys  Stickgas  aus  dem  Blut  ausgehaiic 
Nach  Allen,  Pepys  und  Wetterstedt  (Beezel.  Tluerchem.  1 
macht  Wasserstoftgas  schläfrig.  Frösche,  die  ich  in  mirem® 
Wasserstoffgas,  wie  es  eben  aus  Zink  und  verdünnter  Scbw'e 
säure  bereitet  wird,  athmen  Hess,  wurden  schon  nach  einig 


1.  Vom  Aikmen  irn  Allsemeinen,  Irrespirable  Lufiarten.  279 

Stunden  wie  sclielntodt;  als  icli  aLer  das  Wasserstoffgas  zu  sol- 
ciiem  Zweck  reinigte  und  von  dem  stinkenden  Oel  vermittelst 
Hindurchleiten  durch  Weingeist  befreite,  lebte  ein  Frosch  dann 
Über  12  Stunden,  indem  er  noch  von  Zeit  zu  Zeit  athmete;  nach 
■^2  Stunden  war  er  scheintodt,  bewegte  sich  aber  noch  etwas,  als 
heraiisgenomrnen  gekniffen  wurde.  In  anderen  bullen  lebten 
^ie  Frösclie  selbst  'in  gereinigtem  Wasserstoffgas  nur  3—4 
Stunden. 

2.  Giftige  Gasarten.  Roblen wasserstoffgas,  Phosphorwasser- 

«toffgas,  Schwetelwasserstoffgas,  Arsenikwasserstoffgas,  Ko.hlenoxyd- 
S^s,  Cyangas?  Atmosphärische  Luft,  die  Schwelelwasser- 

^lofl'gas  enthält,  tödtet  nach  Tuesard  einen  Vogel,  -bFo  cnen 
Huntlj  ^0  ein  Pferd.  Diese  Gasarten  tödten  auch,  wenn  sie  m 
'^leinen  Quantitäten  ins  Blut  injicirt  werden.  Kysten.  Vergl. 

bas-  1-36.  .... 

JII.  Gase.,  welche  in  grösserer  Menge  gar  nicht  einmal  inspt,- 
'■"■t  werden  können,  indem  sie  eine  krampfhafte  Versehliessung  der 
^Gmmritze  bewirken.  In  kleinerer  Quantität  erregen  sie  Husten.^ 

Alle  sauren  Gasarten,  auch  Koldensäure,  ferner  Chlor-,  Stick- 
stoffoxyd-, Fhiorboron-,  Fluorsilicium-,  Ammoniiikgas.  Berzel. 
'^hicrcii.  103.  Gmei.in  Chem.  4.  1527.  Atmosphärische  Luft  mit 
'’aehr  als  10  proc.  Kohlcnsäuregas  ist  bald  erstickend.  Flüssigkeit, 
Nasser  reizt  wie  feste  Körper  auch  zu  krampt hattcr  Verscldies- 
®'‘og  der  Slimmritze  bis  zum  Ersticken,  sehr  wenig  dagegen, 
t^enn  etwas  Flüssigkeit  einmal  in  den  Lungen  ist,  und  man  kann 
^Orch  eine  Oeffnung  der  Luftröhre  ziemlich  viel  Wasser  ein- 
^Pritzen.  Der  Tod  erfolgt  im  ersten  Fall  durch  die  Versehliessung 
*^0*"  Stimmritze,  xvelche  bei  einem  Loch  in  der  Luftrohre  ganz 

''^Schädlich  ist.  . 

Die  Thiere,  welche  im  Wasser  leben,  athrnen  zum  Thed  at- 
**'osphärische  Luft  an  der  Ohertläche  des  Wassers,  rsde  die  Am- 
bjdhien  iindWassersäugethiere,  durch  Lungen,  zum  Theil  athmen 
®*o  das  Wasser  seihst,  oder  vielmehr  die  im  Wasser  aufgelöste 
t'ift,  wie  die  Fische  durch  Kiemen.  Das  Wasser  der  Seen, 
b^bisse  und  des  Meeres  enthält  nämlich  auch  atmosphärische  Luit 
vielmehr  Sauerstoffgas  und  Stickgas  in  bestimmten  1 ropor- 
^‘onen  aufgelöst,  welche  es  aus  der  Atmosphäre  absorbirt.  v.  lluM- 
und  Pbovekcal  entwickelten  durch  Kochen  aus  Seinewasser 
”,0264 — 0 0287  Theile  seines  Volums- Luft.  : Diese  enthielt  0,306 
"'S  0,314  Theile  Sauers+offgas  und  0,06  bis  0,11  Theile  kohlen- 
^''ures  Gas.  Man  darf  sich' also  nicht  vorslcllen,  dass  das  Wasser 
®"lbst  eine  Veränderung  durch  das  Athmen  erleide,  nur  die  darin 
®"fgelöste  Luft  wird  verändert,  Sauerstoff  daraus,  absorbirt,  iind 
^pMensaure  aus^eschieclen.  Fische  alliinen  ini  Wasser,  ■welches 
"'d  Sauerstoffgas  und  Wassei'stoffgas  irnprägnirt  ist,  nur  das  <si.- 
das  Wassersloffgas,  bleibt 'unverändert.  In  ausgekochtem 
.'Nasser  sterben  die  Fische  wegen  Mangel  an  Sauerstoffgas  schnell, 
'"iierhalb  4 Stunden,  wobei  sie  ihre  Athembewegungen  fortsetzen. 
. "'estley  sah  Fische  in  luftfreiem,  mit  Stickoxydgas  (.Salpetergas) 
‘^prägnirtem  Wasser  10  — 15  Min.  leben,  als  aber  die  geringste 
•^^nge  atmosphärischer  Luft  hinzukam,  starben  sie  unter  Krampten. 


280  II.  Buch,  Organ,  chemische  Processe,  I.  Ahschn.  Athmen. 

Der  cljetnisclie  Process  des  Atlimens  ist  niclit  wesentlich  von 
den  Alhmenhewegnngen  ajjliängig;  diese  dienen  nur  znr  Ventil^' 
tion,  d.  li.  das  während  dem  Leständigen  cliemisclien  Process  z^i' 
sehen  Luft  oder  Wasser  und  Blut  vei’änderte  Medium,  Luft  oder 
Wasser,  auszutreiben  und  frische  Luft  oder  Wasser  in  den  App®' 
rat  des  chemischen  Processes  zu  bringen.  Die  Lungen  bieten 
durch  ihre  innere  Oberfläche  eine  ungeheure  Fläche  zur  Wech' 
selwirkung  zwischen  Blut  und  Luft  dar,  diese  Wechselwirkung 
beständig,  weil  die  Lungen  auch  beim  Ausathmen  nicht  von  Lu^ 
leer  werden.  Die  Verengerung  und  Erweiterung  des  Brustkastens» 
dem  die  anliegenden  Lungen  folgen,  werfen  einen  Theil  der  Pi'O' 
ducte  ans  dem  Beservoir  der  Lungen  von  Zeit  zu  Zeit  aus,  und 
fuhren  das  neue  Material  zur  neuen  Production  in  das  Beservoif 
der  Lungen.  Die  Fische  nehmen  das  frische  Wasser  durch  de" 
Mund  auf  und  treiben  einen  Theil  darauf  zwischen  den  Kieme® 
heraus,  wobei  sie  die  Kiemendeckel  ölfnen  und  sch  Hessen. 

Die  menschliche  Lunge  enthält  nach  H.  Davy  nach  möglichst 
starkem  Ausathmen  noch  35,  nach  gewöhnlichem  Ausathmen  lO“ 
Cubikzoll  Luft;  nach  Davy  w'Crden  gewöhnlich  10 — 13  C.  Z.  eio' 
und  ansgeathmet.  Hebest  (Mecr.  Arch.  1828.)  fand,  dass  grösscf® 
Erwachsene  hei  ruhigem  Einathmen  20 — ^25  C.  Z.,  kleinere  lö — -l® 
C.  Z.  ein-  und  ausathmen. 

Das  Athemhedürfniss  ist  sehr  verschieden,  am  grössten  h®* 
den  Wirhelthieren,  und  unter  diesen  hei  den  warmblütigen. 
warmblütigen  Thierc  sterben  in  der  Luftpumpe  schon  innerhalb 
einer  Minute,  Vögel  in  30 — 40  Secunden.  Amphibien  dagegob 
leben  ziemlich  lange  im  luftleeren  Raume  und  irrespiraheln  GaS' 
arten,  eine  Schildkröte  starb  unter  Oel  in  Carradori’s  Versuche® 
(an/2,  d.  chim.  ei  d.  phjs.  5.  94.)  erst  in  24 — 36  Stunden.  Frösch® 
sterben  unter  Oel  in  weniger  als  1 Stunde,  unter  lufthaltige"® 
Wasser  leben  sie  (durch  Athmen  mit  der  Haut)  lange;  nach  E®' 
WARDS  lebten  Kröten  in  der  Seine  in  verschlossenen  Köi’ben,  TaS 
lang,  in  luftlosem  Vi"asser  nach  Spallanzani  und  Edwards  eii'lS»® 
Stunden.  Edwards,  Meck.  Arch.  5.  141.  Nach  meinen  Vei'»®' 
eben  lebten  Frösche  mit  untei’bundenen  und  ausgeschnitten®® 
Lungen  circa  30  Stunden,  wahrscheinlich  durch  Athmen  mit  d® 
Haut.  Ein  Fi’oscb  zeigte  einmal  in  den  vorher  erwähnten  Y®^ 
suchen  in  reinem  Wasserstoft’gas  noch  nach  12  Stunden  deutil®'' 
Lebenszeichen’  und  athmete  von  Zeit  zu  Zeit,  und  war  selbst  na 
22  Stunden  nur  scheintodt.  , 

Wach  V.  Hümboldt’s  und  Provencjal’s  Versuchen  lebten  Gol 
fische  in  ausgekochtem  Wasser  1 Stunde  40  Min.;  nach 
"Versuchen  sterben  Fische  in  wässeriger  Kohlensäure  und  kohl®®^ 
saurem  Gas  in  wenigen  Minuten,  während  sie  in  Stickgas 
Wasserstolfgas,  worin  sie  ihre  Kiemendeckcl  schliessen,  erst  i® 
Stunden  sterben.  Die  Insecten  sterben  in  Oel  nach  CarR*®®^^ 
sogleich,  auch  schnell  nach  Thevibakus,  wenn  man  ihre  Em 
eher  mit  Oel  bestreicht.  Dagegen  lebten  Blaps-  und  Tenem|^^ 
Arten  in  BioFs  Vei-suchcn  unter  der  Luftpumpe  in  verdün® 
Luit  von  1 — 2 Millimeter  Spannung  8 Tage.  Bremsenlarven 
ten  nach  den  Versuchen  von  Schroeder  v.  d.  Kolk  lange 


2.  Organologie  der  Alhemwerkzevge.  Lungen  und  Kiemen.  281 

J'espiraLeln  Gasarten.  Die  Larven  einiger  Insecten  leben  in  fan- 
^6nden  Theilen  von  Pflanzen  und  Thieren  und  scheinen  wenig 
b’eies  Sauerstoffgas  zu  bedürfen,  obgleich  man  kein  Insect  kennt, 
^ßlcbes  nicht  ein  Luftrohrensystera  und  also  Luft  im  Innern  ent- 
*‘*elte.  Berzelius  sah  Larven  in  Quelhvasser  leben,  das  koblen- 
^aures  Elsenoxydul  und  etwas  Schwefelwasserstoffgas  enthielt, 
“'utegel  scheinen  lange  ohne  WasserernQuerung  zu  leben.  Holo- 
^^urien  starben  in  Tiedemass’s  Versuchen  in  Seewasser,  das  nicht 
^»■neuert  wurde,  in  einem  Tage.  Die  Eingeweidewürmer  scheinen 
“«t-ch  ihren  Aufenthalt  in  belebten  W'^escn  das  Athmen  nicht  zu 
“pdürfen.  Aber  überhaupt  scheint  das  Athmen  zum  Leben  der 
5‘edersten  Thiere  nicht  wesentlich  nothwendig  zu  seyn.  Ueber 
Athmen  im  Winterschlaf,  siehe  oben  pag.  75.,  über  das  Ath- 
der  Thiereier  unten  Cap.  3,  Die  vorzüglichsten  Arbeiten 
'^»er  das  Athmen  sind:  Goodwyn  on  the  connexion  of  life  with 
\^^piraiion.  London  1788.  Lavoisier  et  Seguin  Ann.  d.  Qdm.Ql. 
“^8.  Menzie’s  tejüamen  physiol.  de  resp.  Edinh.  1700.  Grell  Ann. 
2.  33.  H.  Davv,  Gilb.  Ann.  Iff.  2.98.  Peaff,  in  Gehleic 
de  Chem.  5.  103.  Provengal  et  Humboldt,  Schweigg.  J.  1. 
Edwards  Ann.  de  Chini.  et  de  Phys.  22.  35.  Dulokg, 
^pttWEiGG.  J.  38.  505.  Despretz  Ann.  d.  Chim.  et  de  Phys.  26. 
“■^7.  SpALLAirzAHl  mcm.  sur  la  re^dration.  Geneve  1803.  Haus- 
de  anirn.  exsang,  respi.  Hannop.  180.3.  Sorg  de  resp.  insect. 
? »erm.  Rudolst.  1805.  Nitzsch,  de  resp.  animallum.  Viteb.  1808. 
VssE,  Meck..  Arch.  2.  195.  435.  Trevirahus,  ZcÜschr.  für  Phy- 
4.  1. 


II.  Capitel.  Organologie  'der  Athemwerkzenge.  ' 

Viele  der  niedersten  Thiere  scheinen  mit  der  ganzen  Haut 
athmen.  Das  Alliemor^au  entsteht,  indem  ein  zur  cliemischen 
^f^'Snderung  der  Luft  oder  des  luftlialtigen  Wassers  bestimmter 
der  Haut  sich  in  einem  kleinen  Raume  zu  einer  grossen 
^“erflächc,  welche  den  Contact  zu  Vermehren  bestimmt  ist,  ver- 
Ij^össert.  Diese  Vergrösserung  der  die  Luft  zersetzenden  Ober- 

geschieht  entweder  nach  innen  in  den  Lungen  vXs  s^chför-  ^ 
oder  verzweigte  Höhlungen,  oder  durch  Vei’mehrung  der 
berflgelie  nach  aussen,  in  der  Kieme  in  Form  von  Blättcim, 
'''eigen,  Rammen,  Quasten,  Wimpern,  federförmigen  Auswüch- 
j "i  Formen,  die  so  mannigfaltig  sind,  dasß  die  JJatur  hierin  gleigh- 
^ die  Aufgabe  gelöst  zu  haben  scheint,  die  denkbaren  Formen 
**■  Ffachenvermehrung  nach  aussen  durch  yorspringeiide  Bildun- 
t."  *u  realislren.  Diese  Art  des  Respirglionsorganss  nennt  rngn 
ßig  A.rt  der  Respiration$organe  ist  y'urch  Contag^ 

^ll*^‘'^®brung  der  thieriseben  Tbeile  und'  der  Luft  in  einem  durch 
® Organe  verzweigten  Luft v.öbrensystem  gegeben , welches  sich 
^ ' ^en  feinsten  Zweigen  bis  ln  die  kleinsten  Theile  aller  Organe 
^,/breitet.  Diess  ist  das  Tracheensystem  der  Insectea  und 
»j  ^*'®pinnen.  Die  Lnngen  athmen  gemeiniglich  nur  doch 

^ öS  Ausnahmen,  wie  z.  B.  das  Respirationsorgan  der  Holouin- 


ü82  II.  Buch.  Organ,  chemisch»  Frocesse,  I.  Abschn.  Athmen. 


rien,  -welches  einen  hohlen  Baum  mit  hohlen  Endzweigelchen 
stellt,  der  von  seiner  Innern  Fläche  aus  athmet,  indem  er 
Wasser  aufniinmt,  das  von  Zeit  zu  Zeit  ausgetrieben  wird, 
Kiemen  athmen  meistens  Wasser,  aber  zuweilen  auch  Luft, 
die  Kiemen  der  auf  dem  Lande  lebenden  Crnstaceen,  der  LanJ" 
assein.  Lungen  und  Kiemen,  in  ihren  extremen  Formen  durd'" 
aus  verschieden,  nähern  sich  doch  oft  so  sehr,  dass  es  schn'®*^ 
ist,  zu  bestimmen,  ob  etwas  Lunge  oder  Kieme  ist.  iVicht  all®'® 
dass  die  Kiemen  der  Cyclostomen,  der  Haien  und  der  Roch®® 
in  den  Wänden  von  Kiemensäcken  angebracht  sind,  dass 
Kieme  der  Ascidien  unter  den  Molhi^sken  ein  Kiemensack  i^f> 
dem  Athemorgan  der  Lungenspinnen  ist  die  Vermischung 
Charaktere  noch  grösser.  Diese  Organe  hal>en  die  Charakl®’’ 
der  Lungen  und  Kiemen  zu  gleicher  Zeit,  und  wurden  vicllc'®' 
mit  eben  so  viel  Recht  oder  Unrecht  von  Treviranus  Kiem®®’ 
als  von  mir  Lungen  genannt.  Diess  sind  Säckchen,  welche 
Aufblasen  durch  ihr  Luftloch  fächerförmige  blinde  VorspriiäS^ 
am  Rande  des  Säckchens  zeigen,  wie  ich  heim  Scorpion  gez®'» 
habe,  während  das  Innere  der  vSäckchen  zugleich  durch  eine  A® 
zahl  zarter  Scheidewände  in  innere  Fächerchen  ahgelheilt 
Diese  Organe  athmen  Luft.  Das  Tracheensystem  der  Itiscci® 


athmet  meist  Luft  durch  Luftlöcher  ein;  allein  einige  derjenir 


i,.r® 


Insecten,  die  im  Wasser  leben,  athmen  die  im  Wasser  aufgelö-  . 


Luft  durch  kiemenförmige  Anfänge  des  Tracheensystems,  so  J®’’ 


e® 


sie  die  im  Wasser  aufgelöste  Luft  durch  diese  Tracheenkieif  ^ 
in  gasförmige  Luft  verwandeln,  die  dann  in  ihrem  Luftröhren»? 
steme  weiter  verbreitet  wird.  jjg 

Bei  den  Infusorien  scheinen  die  einzigen  Athemorgane  ' 
zarten,  nur  hei  den  ^ärksten  Vergrösserungen  sichtbaren 
pern  zu  seyn,  womit  viele  Iheilweise  oder  ganz  besetzt  sind.  ^ 
den  Polypen  scheint  die  ganze  Körperoberfläche  dem  AthemP'^^^ 
cess  zu  dienen.  Bei  einigen,  wie  den  Alcyonellen,  scheinen  ‘ 

Büschel  zugleich  Riemen  zu  sevn.  Unter  den  Echinodermcn  ® ^ 

■ - - - - y - . ..-or» 


oder  Bäumchen  mit  Endzellchen,  welches  das  Wasser  durch 


aus  athmet.  Bei  den  Seesternen  sind  die  Respirationsorgane 
Tiedemann  weiche  Röhrchen  auf  der  Haut  des  Thiers,  in  w® 
da:  Wasser  eindringen  kann.  Tiedemann  Ana/omie  d.  BöhrO'  .^^ 
lothurie  eic.  Bei  den  Anneliden  sind  die  Ätbemorgane  theiU 
hüschtlförmige  Kiemen,  in  Form  von  Zweigelchcn  wie  "’.jgii) 
Arenicolun , und  ähnliche  Organe  an  den  Füssen  der 
bald  Alheiubläschen,  die  unter  der  JH aut  verborgen  liegen  i 


Lumbricinen,  Naiden 


, , — . — — 

merkt;  dass  die  eigentlichen  Athembläschen  der  Hirudo  111®®'  ^ 

tropfbarflüssige  Absonderung,  etwäs  weniges  weissliche  31® 


det  das  Athemorgan  bei  den  Holothurien  ein  hohles  Strauch"^^U 


al.®'!’ 


Stamm  aufnimmt,  und  von  der  innern  Oberfläche  des  Org®-  r, 
' iiiw 


wovon  jedes  durch  eine  Oetrnurig  nach  aussen  führt,  wie  b®'  ^ 

id  ’.K  I 


Hirudineen;  ich  habe  indess  ei"®®®' ^.jii® 


¥ I 


ilä 


enthielten.  .gii 

Die  Mollusken  athmen  theils  durch  Kiemen  Wasser, 
durcli  Lungen  Luft.  Im  ersten  Fall  sind  z.  B.  die  CephaföP® 
ein  Theil  der  Gasteropoden , die  Acephalen,  im  zweiten  F® 


2.  Organologie.  Tracheensystem  der  Iiisecten. 


283 


sicli  ein  Theil  der  Gasteropoden , wie  z.  B.  die  Hellcinen 
Limacinen.  Die  Kiemen  stellen  Falten  oder  Blätter  da  r,  die 
Parallel  nebeneinander  verbunden  sind,  oder  von  einem  Scbafte 
^*8eben,  wie  bei  den  Sepien,  oder  verzweigt  sind,  wie  bei  den 
wo  sie  um  den  After  stellen.  Bel  den  zweiscbaligeii  Mu- 
sind  jederseits  2 in  der  Länge  des  Tbieres  verbuafende 
'^“Ppelwandige  Blätter,  zwischen  deren  Lamellen  zugleich  die  Eier 
Wangen  können,  um  sich  zu  entwickeln.  Siebe  v.  Baeb,  Meck. 

1830.  Bei  den  Ascldien  bilden  die  Kiemen  eine  snekför- 
5'ge  Vörballe  des  Darmscblaucbes,  wo  die  innere  Haut  gitter- 
jWuige  Vorsprünge  bildet.  Die  luftatbrnenden  Gasteropoden  le- 
theils  im  AVasser,  wie  z.  B.  die  Süsswasserscbnecken  , und 
^^Ven  Luft  an  der  Oberfläche  des  AVassers,  wie  die  Llmnäen 
ll  »•,  tbeils  leben  sie  auf  dem  Lande,  wie  die  Limacinen  und 
s®''clnen.  Das  Albcmorgan  ist  eine  sackförmige  Lunge,  deren 
^liernloch  sieb  rbytbmiscb  öffnet  und  schliesst. 

, Bei  den  Crustaceen  sind  die  Kiemen  entweder  wasserathmend, 
bei  den  meisten,  sie  sind  dann  theils  federförmig  vereinigte 
. i'Ber,  wie  bei  den  Braebiuren,  theils  Büschel  von  Fäden  aus- 

Hi  ■ . . 

le 


'“'ckende  Fortsätze,  wie  bei  den  Macruren,  tbeüs  einfache  Blät- 
j*')  Avie  bei  den  Whisserasseln.  Die  luftathmenden  Kiemen  der 
/‘“Ailasseln  stellen  auch  einfache  hoble  Blätter  dar.  Bei  mehre- 

. 1 t t 


Lrustaceen  sind  die  Kiemen  mehr  hlasenartit 


g , wie  hei  den 

^^Phipoden.  Die  Kiemen  der  Crustaceen  sind  entweder  mit  den 
*'ssen  verbunden  oder  mit  der  Unterseite  des  Bauches. 

Die  Spinnen  zerfallen  in  Lungenspinnen  und  Tracbeenspin- 
Die  Atbemorgane  der  Lungenspinnen  liegen  an  der  untern 
des  Hinterleibes,  bald  1 Paar,  wie  hei  den  meisten  Spinnen, 
2 Paar,  wie  hei  den  Mygalen,  bald  4 Paar,  wie  hei  den  Scor- 
Wf'idcn.  Diese  Organe,  welche  ich  in  Meck,  ^rcJilo  1828.  und 
1828.  707.  weitläufiger  beschrieben  habe,  sind  Säckchen,  zu 
y.  Hien  jedesmal  ein  Luftloch  führt.  In  diesen  Säckchen  sind 


11 


‘<■‘11 


— «-11  JCAlC91J(l(ll.  *»***»...  

, parallele  Scheidewändchen  oder  Blätter  aufgestellt.  Die  Ab- 


......  J, 

j '‘langen  zwischen  diesen  Blättern  springen  am  untern  Rande 
Kieme  heim  Aufblasen  vor,  so  d ' “ '■ 

8 , Oßi  hintern  Rande  abgetheilt  ist. 

Pllin 


so  dass  die  Kieme  auch  äusser- 
Dic  im  Wasser  lebenden 


P“>nen,  wie  Aranea  aquatica,  nehmen  zwischen  den  Haaren  ih 
. Keibes  Luft  mit  in  das  Wasser  hinab,  die  sie  verzehren;  doch 


, ‘^cioes  L,utt  mit  m das  Wasser  liinan,  tue  sic  vcizcmcn,  uocu 
l'^hien  die  Hydrachnen  so  wie  die  Pyenogoniden  nicht  Luft  zu 
Die  Tracbeenspinnen,  wie  Solpüga,  Chelifer,  Phatangium, 


Sei, 

o.  & AA)  - I AJ  X / AI 

sij]  “'‘e  Acariden  verlialten  sich  im  Bau  ihrer  im  ganzen  Körper 
ti,  ' ''erhreitenden  Luftröhren  , die  durch  Luftlöcher  Luft  erhaU 
’i'id  aussebeiden,  wie  die  Insectcn.  Duges  hat  auch  Spinnen 
?(,{®dera,  Se  gesti'ia)  heohaebtet,  welche  Lungen  und  Luftröhren 
‘<‘h  haben.  Die  beiden  hinteren  der  4 Stigmen  derselben 
Traclieal-Stigmen. 

*n  ] Insecten  haben  ein  Tracheensystem,  die  meisten  athmen 
Duft,  diese  nehmen  die  Luft  durch  eine  Anzahl  Luftlöcher, 
meist  an  den  Seiten  der  Leihesringe  auf.  Siehe  die 
lijy  ' <‘*ingen  des  ganzen  Luftröbrensystems  mehrerer  Insecten  bei 
de  Serhes,  Isis  1819.  4.  Die  Luftröhren  führen  die  Luft 


284  II,  Buch,  Organ,  chemische  Processe.  I,  Abschn,  Athmen, 

von  den  Stigmata  theils  in  Säckchen,  wovon  die  ührigen 
röhrenstämmchcn  ausgehen,  theils  in  Längsstämme,  die  sich  dar 
das  ganze  Thier  bis  in  die  kleinsten  Theile  verzweigen.  Bei  mC  ' 
reren,  besonders  hei  den  Orthopteren,  sieht  man  deutliche  Athc»^ 
Bewegungen  durch  abwechselnde  Erweiterung  und  Verengerai's 
des  Hinterleibes.  Vor  dem  Fliegen  scheinen  die  Käfer  sich 
mehr  Luft  zu  füllen,  wobei  ihre  Flügel,  die  ebenfalls  Lnftröhr 
enthalten,  sich  entfalten.  Treviranus  hat  neulich  behauptet,  da^^ 
die  Stigmata  einiger  Insecten  ganz  undurchhohrt  sind.  Die®* 
indess  von  Buemeister  bereits  verneint.  Burmeister  EntomoloS' 
Berlin  1832.  p.  172.  Ueher  den  Bau  der  Luftlöcher  siehe  Ba>‘ 

MEISTER  ehgnd.  i i t n ai* 

Einige  Insecten  leben  im  Wasser  und  athmen  doch  Lutt  ^ 
der  Oberfläche  des  AVasscrs,  wie  die  Larven  mancher  Dipt^lj 
die  Wasserwanzen  und  einige  Käfer,  die  im  Wasser  leben. 
Ilytisken  kommen  an  die  Oberfläche  des  Wassers  und  nehn“'^| 
die  Luft  in  Luftlöcher  am  After  auf.  Die  Hydrophilen  neh»'^^^ 
Luftblasen  zwischen  dei»  Haaren  ihres  Körpers  mit  in  die  Ti«  ' 
Beide  Käfer  haben  iluiq  Luftlöcher  als  Larven  am  Schwänzen^  ' 
Buemeister.  Die  Larvep.der  gemeinen  Stechmücke,  Culex 
haben  eine  Athemröhre  am  letzten  Hinterleibsringe,  die  PupP'^^^ 
derselben  2 Athemröhren  aus  dem  Brustkasten  hervorragend.  A'^ 
dere  dieser  Mücke  verwandte  Gattungen  dagegen  athmen  als.B®’ 
yen  Wasser  mit  Kiemen.  Aber  die  Larven  der  Federmücky 
Chironornus,  haben  wieder  zwei  Athemröhren  am  Schwanzghey 
Bei  den  Stratiomys  endigt  das  letzte  Glied  de?  Leibes  in 
Athemröhre.  Sehr  interessant  ist  die  Athemröhre  der 
der  Gattung  Eristalis,  die  im  Schlamm  von  Pfützen,  Gossen  'y 
Abtritten  leben.  Das  , letzte  Glied  des  Leibes  verlängert 
eine  häutige  Röhre,  in  welcher  eine  zweite  hornige  steckt,  y 
wie,  die  Atbenuöhre  der  Culex  und  Stratiomys  zur  Suspen®‘_j^ 
auf  der  Wasseroberfläche  mit  einem  Borstenkranze  versehen 
Die  Larve  richtet  dieses  Rohr,  dessen  inneres  Stück,  wenn  ^ 
nöthig  ist,  hervorgeschohen  wird,  bis  an  die  Oberfläche  des' 
sers,  die  Röhre  kann:  zu  diesem  Zwecke  aussorordentlich  ver  y 
gert  werden,,  während  die  Larve  auf  dem  Grunde  lebt  und  j 
der  Oberfläche  des  Wassers  athmet.  Buemeister  EntomoIoS^^^^^ 
178.  Auch  einige  Wasserwanzen,  Kepa  und  Ranatra  haf 
Athemröhren. 


Einice  Insecten,  die  als  Larven  im  Wasser  leben,  athn* 


J V4AV..  ■■ ? 

obgleich  sie  in  ihrem  Innern  ein  Luitröhrensystem  haben,  zun*' 
"VVas-ser.  Diese  besitzen  statt  Luftlöcher,  Kiemen,  als  Anfäng® 
Laftröhren.  Diese  Kiemen  haben  die  Function,  die  im 
aiftgelöste  Luft  von  dem  Wasser  ahzuscheiden,  und  im  gaste 
een  Zustande  dem  Luftröhrensystem  zu  überliefern.  jlc 

Die  Kiemen  sind  theils  haarförmige  Fäden,  deren 
Anfänge  der  Luftröhren  enthält.  Diese  Haare  sind  bald 
vereinigt,  bald  verz^yeigt.  Solche  Kiemen  haben  z.  B.  die 
und  Puppen  mehrerer  Mücken.  Blattförmig  sind  die 
mehrerer  Neuroptera.  Mit  haarförmigen  Kiemen  an  den 
der  Ringe  athmen  die  Larven  des  Drehkäfers  Gyrinus.  A-m 


2.  Organologie.  Kiemen  der  Fische.  KiemengerüsL 


r 

.-v-r» 


■T  * 

“gsten  sind  die  Kiemen  bei  den  Larven  der  Nenropteren,  Bei 
^pbemera  sind  es  flossenartige  Kiemenblättchen  an  der  Seite  des 
Leibes,  im  Innern  der  Blättchen  beginnen  die  Zweige  der  Luft- 
l'oliren.  Die  Riemen  der  Larven  der  Wasserjungfern  liegen  im 
®^zten  Leibesringe,  bei  Agrion  bilden  sie  3 grosse  gefranzte  Blät- 
Die  büschelförmigen  Riemen  der  Larven  der  Libellen  liegen 
Mastdarme,  so  dass  die  büschelförmigen  Enden  der  'Luftröh- 
^.^ästamme,  die  Haut  des  Mastdarms  durchbohrend,  in  die  Höhle 
p®*  Mastdarms  hereinragen.  Die  Larven  der  Phryganeen  und 
ßdablls  besitzen  faden-  oder  blattförmige  Fortsätze  an  den  Seiten 
Hinterleibs.  Unter  den  Dipteren  atlimen  die  Larven  der 
J'üonomus  Luft  durch  Athemröhren,  die  Puppen  aber  die  im 
Jasser  aufgelöste  Luft  durch  Riemenbüschel  am  Brustkasten. 
,|*öpheles  athmet  als  Larve  mit  Riemen  am  Schwanzende,  mit 
k^heiuröhrcn  als  Puppe.  Unter  den  Schmetterlingen  lebt  die 
einer  Motte,  Botys  stratiotalis,  im  Wasser.  Eine  ausführ- 
Y'cre  Darstellung  der  Athemorgane  hat  Burmeister  in  seiner 
naalzbaren  Entomologie  gegeben,  wovon  hier  ein  Auszug  mitge- 
5 worden.  Abbildungen  der  Riemen  der  Wasserinsecten  hat 
j^’'’^Kow  in  Heusingeh’s  Zeitschrift  für  organ.  Physik.  B.  2.  gege- 
Wenn  die  mit  Riemen  athmenden  Larven  und  Puppen  sich 
»®*'"'andeln,  verlieren  sie  ihre  Riemen,  und  athmen  Luft  durch 
'Blöcher. 

1| , Ueber  den  Bau  der  Kiemen  der  Fische  hat  Rathke  gründ- 
5 Untersuchungen  angestellt.  , Untersuchungen  Hier  den  Kiemen^ 
und  das  Zungenbein  der  Wirbelthiere.  Riga  und  Dorpat 
Das  Folgende  ist  zum  Theil  ein  Auszug  derselben. 

^ 1.  Kiemengerüst.  Der  Unterkiefer  der  Gräthenfische  ist  an 

5^'^  Quadratbein  aufgehängt,  einem  Suspensorium,  welches  hier 
>nehreren  Stücken  besteht,  an  welche  sich  hinten  noch  3 
*'^ke  des  Riemendeckels  anschliessen. 

'Ic  Unterkiefer  folgt  nach  hinten  bei  den  Gräthenflschea 

, ^ungcnbeingürtel.  Diess  sind  2 aus  mehreren  Gliedern  be- 
(,  ®nde  Bogen,  deren  Extreme  mit  dem  Quadralbein  verbunden, 
Sa  unten  in  der  Mitte  hinter  der  Zungenstütze  vereinigt 
iigj  »Zwischen  sich  oft  eine  Copula  und  unter  sich  den  Zungen- 
haben.  An  den  Bogen  des  Zungenbeins  die  knöchernen 
J^ranchiostegi,  Kiemenhautstrahlen. 

4 j.  Hinter  dem  Zungenbeingürtel  liegen  bei  den  Gräthenfischen 
(il^^»ochen  gürtel,  die  Riemenbogen,  an  welchen  die  Riemenblätt- 
i'ej  ^ die  Zähne  eines  Kammes  befestigt  sind.  Das  gefäss- 
n der  Kiemenblättchen  ist  durch  knorpelige  Stützen, 

*^*attchen , entsprechend  getragen,  welche  man  den  radii 
big  ^ des  kiemenlosen  Zungcnbeingüi-tcls  vergleichen  kann. 
doj^V^ßienbogen  bestehen  aus  mehreren  Stücken,  meist  vier,  in 
ütj  j “'otersten  weniger.  Bei  vielen  Gräthenfischen  befinden  sich 
Innern  Seite  der  Kiemenbogen  mehrere  kleine  Rnochen- 


kleinen  Zähnen. 


Kens 


Ist  das  oberste  Glied  eines  Kiemen- 


stärker  bewaffnet,  so  wird  es  zum  obern  Schlundknochen, 
superius.  Zwischen  den  unten  paarweise  verbun- 
^ieinenbogen  befinden  sich  2—4  Knochen-  oder  Knorpel- 


286  II,  Buch.  Organ,  chemische  Processe.  I,  Alschn.  Athmen. 

stücke  als  Copulae  derselben.  Hinter  dem  letzten  Paare  der 
menbogen  liegen  die  unteren  Sclilundknocben  oder  die  Scliluo  ' 
kicfer  aus  einem  Stücke  Jederseits  bestehend.  Sie  stellen 
sam  einen  Ricmenbogengürtel  dar,  der  aber  ohne  Riemen 
Die  Riemenbogen  und  Sclilundkiefer  liegen  bei  den  meisten 
sehen  unter  dem  Schädel,  bei  anderen  zum  Theil  unter  den 
steil  Wirbeln. 

In  den  Haifiseben  und  Rochen  tragen  die  knorpeligen  Q"j|j 
dratbeine  den  Unterkiefer  und  die  Zungenbeinbogen.  ' Soi'®, 
mit  dem  Quadratbein  als  dem  Zungenbeinhogen  sind  RnoiP'^ 
streifen  in  Form  von  Strahlen  verbunden.  Die  Rnorpelstral'* 
des  Quadratbeins  entsprechen  den  Riemendeckelstücken,  wele  ^ 
bei  den  Gräthenfischen  am  Quadratbein  angeheftet  sind,  die  Re®*^ 
pelstrahlen  der  Zungenbeinbogen  entsprechen  den  radii 
chiostegi  der  Gräthen fische.  Die  4 knorpeligen  Riemenbogen 
Haifische  und  Rochen  liegen  unter  dem  Anfänge  der  Wirbelsä'j 


Sie  bestehen  aus 


4 Segmenten. 


Eine  Rnorpelplatte  hinter 


Je" 

sei'«- 


Riemenbogen  entspricht  den  Scblundkiefern  der  Grälhenfisc' 
Die  Riemenbogen  tragen  auch  Rnorpelstreifen , die  nach  auS’‘^’ 
und  hinten  Avie  Strahlen  gerichtet  sind.  . 

Bei  den  Larven  der  Salamandrincn,  Frösche  und  bei  ® ^ 
Proteideen  ist  das  knorpelige  Riemengerüst  zum  Theil  aus 
liehen  Theilen  gebildet.  Das  Quadratbein  trägt  den  Unterkic*'^’ 
in  der  Regel  auch  das  vordere  Zungenbeinhorn.  Die  Riemei'*'‘’U 
gen  bestehen  nieht  aus  mehreren  Segmenten;  es  sind  4 Bo?,  ^ 
(beim  Proteus  3),  sie  sind  an  die  einfachen  oder  doppelten 
teren  Zungenbeinhörner  befestigt,  die  Rathre  für  Segmente  o 
Riemenbogen  selbst  ansieht. 

Bei  der  Verwandlung  bleiben  die  Zungenbeinhörner  Be*’ j ,,i 
trachier  und  Salamandrincn  nebst  dem  Milteistück  und  veräno'^^j, 
sich.  Die  Riemenbogen  verschwinden,  nur  von  dem  ersten  BOa 
verbindet  sich  ein  Rest  mit  den  2 Zungenbeinhörnern  beim 
lamander.  Siebold.  Bel  den  Coecilien  besitzt  das  Zungen^ 
durchs  ganze  Leben  4 Paar  Bogen.  Vcrgl.  Rusconi  descrt^^ 
anatondca  degli  organi  della  circolaziune  delle  Larve  delle  Salamon^ 
SiEBOLD  observ,  de  Salamandris  et  Tritonibus.  Berol.  1828. 
roerkenswerth  ist,  dass  die  Hörner  des  Zungenbeins  bei  .y 
dechsen  selbst,  im  erwachsenen  Zustand  noch  2 Paar  oder  s® 

3 Paar  Bogen  darstellen.  Rathke  hat  nun  eine  gleichlauf® 
Reihe  von  Beobachtungen  an  Embryonen  der  Säugethiere 
stellt,  woraus  ebenfalls  hervorgeht,  dass  die  zarten  RiemenbOs^,, 
derselben,  wie  bereits  pag.  160.  erwähnt  Avurde,  in  das  Zu'Jr  jj,, 
bein  zuletzt  reducirt  werden,  indem  namentlich  der  Ztingcnb 
bogen  vorderes,  der  erste  Riemenbogen  zweites  Horn  i ,)ii 
genbeines  wird,  dass  aber  die  Riemenbogen  nichts  zurAusbiü^  j 
des  Rehlkopfcs  beitragen,  dieser  vielmehr  selbstständig  entst®j^jp 

2.  Kiemenbliitier.  Die  Riemenblälter  der  Grälhenfische  , 
den  an  jedem  Bogen  eine  doppelte  Reihe  von  lanzettförO’^^ßD 
Blättchen,  die  wie  Zähne  eines  Rammes  auf  den  Riemco  ^ 
aufsitzen,  an  ihrer  Basis  sind  sie  häufig  auf  eine  gewisse  Höh®^ 
einander  verwachsen.  Die  Riemenblätter  schicken  wieder  1 


‘2.  Orffanologie,  Kiemen  der  Fische.  Kiemenhlütter.  287 

l^'einere  BlättercKen  aus.  Die  Kiemenarterien  treten  am  untern 
■•^nde  der  RiemenBogen  ein,  verlaufen  in  der  Furche  an  der  C9n- 
des  Bogens  bis  zum  obern  Ende,  dünner  werdend,  die 
^'fimenvenen  in  umgekehrter  Richtung,  so  dass  diese  unter  der 
^'rhelsaule  zu  dem  Arteriensystem  zusammen  treten.  Auf  jenem 
^Rg  gieht  jede  art.  hranchialis  so  viel  Aeste  als  Rieinenhlätter. 
p'cseAeste  theilen  sich  zweimal  gabelförmig,  und  führen  in  quere 
ppillargefäse  der  feinsten  Kiernenljiattclien,  aus  welchen  auf  ähn- 
’clie  Art  die  Venen  auf  der  entgegengesetzten  Seite  der  Kiemen- 
- "ttchen  entstehen.  Guvier  hist.  nat.  des  Poissons.  Tah.  8.  Ueher 
j’ehenkiemen  siehe  Ratuke  a.  a.  O.,  über  die  haumförmigen  Ne- 
J®>»kiemen  des  Heterohranchus  anguillarls  Burdach’s  Phfsiol.4. 161, 
^'^Renbeeg  hat  bei  Sudis  aegyptiaca  ein  mit  den  Kiemen  verbun- 
äusserst  rathselhaftes  spiralförmiges  Organ  entdeckt.  Ueher 
runzeligen  Nebenkiemen  der  Anahas  und  anderer  Fische,  die 
^Rsser  dem  Wasser  einige  Zeit  zubringen,  siehe  Guvier  hist.  nat. 

Poissons.  Tab.  205.  206.  Im  Fötuszuslande  besitzen  die  Hai- 
"‘^che  und  Rochen  auch  fadenförmige  äussere  Riemen,  die  merk- 
'''’irdiger  Weise  auch  aus  dem  Spritzloch  (vor  dem  Quadratknor- 
hervorragen,  wodurch  dieses  Loch  an  die  übrigen  wahren 
^‘Einenlocher  erinnert. 

Die  vStöre  besitzen  eine  halbe  Kieme  am  Kiemendeckel,  eben 
die  Haifische  und  Rochen  am  Gürtel  vor  den  Kiemenbogen, 
den  Gräthcnfischen  und  bei  dem  Stör  sind  die  Riemenbogen 
Reh  jigp  iuissern  Seile  frei,  und  nur  von  dem  beweglichen  Kie- 
RRdeckel  bedeckt,  oder  von  der  Kiemenhaut  bis  auf  eine  OelF- 
bedeckt,  wie  beim  Aal.  Bel  den  Haifischen,  Rochen  dage- 
' geht  von  jedem  Kiemenbogen  zwischen  den  Kiemenblättchen 

^1. 


vordem  und  hintern  Seile  eine  häutige  Fortsetzung  bis  zur 
die  bei  diesen  Thieren  die  Riemen  ganz  bis  auf  5 Oeffnun- 


j®.**  bedeckt.  Dadurch  entstehen  vollständige  Scheidewände  zvvi- 
'Rfi  Schlund  und  Haut,  in  welchen  die  Kiemenbogen  eben  lie- 
i'J-  Von  diesen  Riemenbogen  gehen  die  Kiemenblälter  als  pa- 
^ ‘leie  Fältchen  der  Schleimhaut,  welche  diese  Säcke  auskleidet, 
h'®'  Von  den  5 Oeffnungen  zu  5 Riemenhöhlen  liegt  die  erste 
j!*'ter  der  ersten  oder  halben  Kieme  und  dem  1.  Rierneiibogen, 
2.,  .3,^  4_  Oeffnung  zwischen  den  1 — 2.,  2 — 3.,  3 — 4.  Kie- 
j^.Räbogen , die  5.  Oeffnung  hinter  dem  4.  Kiemenbogen.  Die 
ätere  Wand  der  5.  Kiemenhöble  ist  ohne  Kiemenblättchen. 

Q ^^ei  den  Gvclostomen  giebt  es  auch  Riemensäcke  mit  äusseren 
j “äungen,  indem  je  zwei  Kiemen  zu  einem  Sack  sich  verbin- 
U •.  Die  Riemenbogen  fehlen,  und  statt  deren  giebt  es  bloss 
S 1 1 ge  Scheidesvände,  welche  nach  zwei  Seilen  hinten  mit 
bii  *1  ®*’^baul  ausgekleidet  sind.  Starke  Falten  dieser  Schleimhaut 
die  Riemenbläller.  Bei  Ammocoetes  sind  6,  bei  Petro- 
7 Kiemensäcke  und  Oeffnungen.  Bei  Ammocoetes  öffnen 
inneren  Kiemenlöcher  der  Säcke  in  den  Schlund,  gleich 
(la_  Kiemeuspalten  der  Gräthenfische.  Bei  den  Petromyzen 
dgj  öffnen  sich  die  7 inneren  Kiemenlöcher  in  einen  vor 
Peiseröhre  liegenden,  am  Ende  blinden,  vorn  mit  dem  Munde 
*^*nenhängenden  Bronchus. 


288  II.  Buch,  Organ,  chemische  Processe.  I.  Abschn.  Athraen, 

Die  Frosclilarven  haben  in  ihren  auf  der  rechten  Seite 
auf  der  linken  Seile  bis  auf  ein  kleines  Loch  bedeckten  Rienie®' 
höhlen  4 mit  Riemenblättchen  versehene  Kiemenhogen.  In 
Kiemenhöhlen  brechen  auch  die  vorderen  Extremitäten  hervO^^ 
Die  Salamanderlarven  haben  bei  'äusseren  Kiemen  4 Kiemensp® 
ten.  Unter  den  Proteiden  hat  Siren  3,  Proteus  2,  Axolotl  4 
menspalten,  heim  letzten  ist  die  erste  Spalte  zwischen  dem  .has- 
tigen Riemendeckel  und  1.  Bogen;  der  4.  Bogen  ist  angewachseS^' 
Alle  Proteideen  haben  wie  die  Salamander  keine  innere, 
äussere  Riemenbüschel,  von  Riemenbogen  ausgehend.  Bei  de 
Proteus  sind  nach  Ruscosi  die  Kiemenarterien  die  Aeste  ^ 
truncus  arteriosus,  die  Kiemenvenen  vereinigen  sich  zu  dem  Af' 
teriensystem  des  Körpers,  aber  die  Kiemenarterien  anastomosir® 
auch  mit  den  Wurzeln  des  Arteriensystems.  Ebenso  hei  de 
Larven  der  Salamander,  so  dass  die  Riemengefässe  gleichsam  Ae« 
von  Aortenbogen  sind,  auf  welche  sich  die  Blutbewegung  nae^ 
dem  Verluste  der  Riemen  zurück  zieht.  Die  Kiemenarterien 
Venen  der  Froschlarven  verlaufen  in  entgegengesetzter  BichtinJ' 
anastomosiren  aber  auch  mit  einander.  Vergl.  oben  pag.  1 s ' 
Die  Proteideen  und  die  Frosch-  und  Salamanderlarven  in  o« 
spätem  Zeit  athmen  ausser  dem  Wasser  durch  Kiemen  auch  B“* 
durch  die  Lungen.  _ _ . 

3.  Kiemendecken.  Bei  den  Gräthenfischen  sind  die  Klena® 
durch  die  Deckelstücke,  welche  dem  Quadratbein  verbunden  si«  ' 
gemeinschaftlich  gedeckt,  Bel  den  Haifischen  und  Rochen, 
die  Riemen  bis  auf  blosse  kleine  Oeffnungen  zwischen  2 Rieme'^ 
bogen  von  der  Haut  bedeckt  sind,  giebt  es  nicht  allein  an  de 
Quadratknorpel  jene  die  Rieinendeckelstücke  vertretende  RnO  ' 
pelstreifen,  sondern  mit  jedem  Riemenbogen  liegt  noch  unter 
Haut  ein  Knorpelstrellen  parallel.  Diese  bilden  eine  obere 
eine  untere  Reihe,  in  welchen  gleichsam  die  Stücke  des  Kieme® 
deckeis  der  Gräthenfische  mulliplicirt  sind.  Rathke  a.  m 
Tab.  III.  fig.  1.  2.  Diese  äusseren  Kiemendeckelknorpel  bild®^ 
sich  bei  den  Petromyzen  zu  einem  sehr  zusammengesetzt 
’äussern  Rnorpelskelet  der  Kiemen  aus,  während  das  Kiemenb 
genskelet  bei  diesen  Tbieren  in  den  Scheidewänden  der  Kiem^' 
sacke  fehlt.  _ 

Bei  den  Salamanderlarven,  dem  Proteus  und  Axolotl  ist 
kiemendeckelartige  Platte  vorhanden,  die  aber  keine  Rnocb«^^ 
oder  Knorpelstücke  enthält,  und  die  häutige  Riemendecke 
Froschlarven,  welche  die  Kiemen  bis  auf  die  eine  kleine  Oeff'*®  ‘ 
auf  der  linken  Seite  bedeckt,  ist  auch  eben  bloss  membraOj,^ 
Hieraus  geht  nun  hervor,  wie  Rathke  bewiesen  hat,  dass 
Kiemendeckelstücke  am  Quadratbein  der  Fische  keinem  Rnoc^^^ 
bei  höheren  Thieren  entsprechen,  sondern  den  Fischen 
thümliche  Bildungen  sind,  die  am  wenigsten  mit  den  tjchöi^^^ 
chelchen  der  höheren  Thiere  verglichen  werden  können. 
letztere  nicht  aus  Theilen  der  Kiemenbogen  entstehen,  wie  Ho*®  j( 
vermuthet  hatte,  geht  aus  der  Beobachtung  von  Windiscb*‘j^^|^ 
hervor,  dass  der  Axolotl  Kiemenbogen  und  doch  2 Gehörknoc 
eben  (ohne  Trommelhöhle)  besitzt. 


2.  Organoldgie.  Structur  der  Lungen. 


289 


UeLer  den  Bau  der  Atliemwerkzeuge  der  Ampliiblenlarven 
*ncl  Proteideen  siehe  Cutier  oss.  fossil.  T.  5.  2.  Humboldt  und 
Leohneht.  aus  der  ^ool.  Tiih.  ISOö,  Buscosn^  Confi- 
^^■UcHi  del  proieo  angutno.  Paina  1819.  J.  Mueller’s  Beiträge  zur 
^ Urgeschichte  und  Anatomie  der  Amphibien,  in  Tiedemank’s  Zeit- 
für  Physiologie.  4.  2.  und  vergleiclie  oben  pag.  159. 

Die  Lungen  der  Amphibien  sind  eigentlich  blosse  Säcke,  mit 
^•lenförmigcn  Vorsprüngen  iiii  Innern,  wodurch  die  Fläche  ver- 
ehrt  wird.  Die  Lungen  der  meisten  nackten  Amphibien  haben 
eine  häutige,  meist  sehr  kurze  Luftröhre,  bei  den  Batrachiern 
älirt  der  Kehlkopf  fast  sogleich  in  die  häutigen  Bronchien.  Die 
j^ste  Erscheinung  von  Knorpelstücken  in  den  Bronchien  ist  bei 
äetviethra,  wo  sie  ganz  unregelmässig  verzweigte  und  selbst 
^‘>rchlöc[,erte  Platten  bilden,  ohne  alle  Aehnlichkeit  mit  Luftröh- 
®nringen.  Knorpelringe  kommen  an  den  Bronchien  der  ver- 
j,  ®*'dten  Pipa  vor.  Die  Luftröhre  der  Coecilien  enthält  schon 
®geltnnssige  Knorpclringe.  Bel  den  beschuppten  Amphibien  ver- 
p’'ossert  sich  die  athmende  Fläche  durch  Vermehrung  der  Zellen 
Innern.  Die  Lungen  der  Vögel  füllen  nicht,  wie  hei  den 
augethieren,  den  grössten  Theil  der  Brustliöhle  aus,  sondern  lie- 
hen ini  hintersten  Theil  derselben  (an  den  Bippen  sogar  verwach- 
während  Brusthöhle  und  Bauchhöhle  noch  nicht  durch  ein 
p'''®rchfeU  geschieden  sind.  Auf  der  Oberfläche  der  Lungen  be- 
den  sich  aber  OelFuungen,  welche  die  Luft  aus  den  Lungen 
Jupiter  in  grosse  Zellen  um  den  Herzbeutel  her  und  zwischen  den 
.'j^S^weiden  des  Unterleibes  führen,  so  dass  man  durch  die  Luft- 
^ hre  diese  Zellen  aufblascn  kann.  Durch  Anlüllcn  der  Zellen 
sich  indess,  wie  Kohlrausch  {de  avium  saccorum  aeriorum 
Gott.  1832.)  zeigt,  der  Vogel  für  den  Zweck  des  Fliegens 
^ '^ht  leichter  machen.  Diese  Zellen  stehen  sogar  durch  beson- 
Oeffnungen  mit  den  hohlen  Knochen  in  Verbindung,  so  dass 
>neisten  Knochen  (mit  wenigen  Ausnahmen)  mit  Lull  gefüllt 
d.  Hierdurch  ist  der  Körper  des  Vogels  natürlich  leichter,  als 
^dön  seine  Knochen  Mark  enthielten.  Wenn  ein  Vogel  aus  ei- 
te*"  ^^ddeutenclen  Höhe,  wo  die  Luft  sehr  verdünnt  ist,  in  dich- 
Luft  sich  herahsenkt,  so  wird  die  Tension  der  Luft  im  In- 
d seines  Körpers  sich  mit  der  Tension  der  Atmosphäre  schnell 
^as  ^^dichgewicht  setzen.  Die  Lungen  der  Vögel  haben  noeh 
pj'l^dsgezeichnete,  dass  ihre  Luftröhrenzweige  zuletzt  kurze  blinde, 
ejij"dnartig  neben  einander  liegende  Röhren  bilden,  derenWände 
-Structur  haben.  Beim  Embryo  der  Vögel  sind  diese 
noch  deutlicher  und  von  einander  mehr  getrennt  mit 
kg^dnschwellungen.  Siehe  Retzius,  Froriep’s  JVot.  749.  Retzius 
Bq  d^I^t  auch,  dass  die  Röhrchen  bei  den  Vögeln  mij;  einander 
8i^j*^’*uiciren.  Die  Lungen  des  Menschen  und  der  Säugethiere 
kg  ''’un  jenen  wesentlich  verschieden  gebaut,  dass,  wie  Retzius 
feinsten  Luftröhrenzweige,  ohne  Cellulae  parietales 
in  Cellulae  terminales  führen.  Die  Zellen  commuöi- 
®^^Lt  miteinander,  sondern  nur  mit  ihren  znführenden  Luft- 
l^25^''*weigelchen.  Nach  Reisseisen  {de  fabrica  pulmonum.  Berol. 

•)  hat  in  der  Lunge  des  Menschen  jede  Zelle  noch  ihre 


290  n.  .Buch.  Organ,  chemische  Processe.  T.  Abschn.  Athmen. 

kleine  Arterie  und  Vene,  zwischen  denen  'die  CapillargefässneU®’ 
Letztere  sind  ausserst  dicht,  so  dass  die  Zwischenräume  fast  klei- 
ner sind  als  der  Durchmesser  der  Capillargef  ässe.  Eine  Lunge”' 
zelle  ist  20  mal  im  Durchmesser  grösser  als  der  Durchmesser  eine* 
Capillargefässes  in  den  Wänden  dieser  Zelle.  Da  derDurchmesser  dei 
Lungenarterie  kleiner  als  der  Durchmesser  der  Aorta,  de*' 
Durchmesser  der  ersten  zu  dem  der  zweiten  wie  5 zu  6,  so  s'”*' 
kalten  sich  ihre  Durchschnitte  wie  25  zu  36,  oder  fast  wie  2 zu 
Verhielten  sich  die  feinen  Zweige  der  Lungenarterienäsle  z”*" 
Lungenarterie  so,  wie  die  feinen  Zweige  der  Köi-perartcrien  z” 
der  Aorta,  so  würden  die  Durchschnitte  der  Capillargefässe  de*" 
Lungen  des  Haums  einnehmen,  den  die  Durchschnitte  allß*' 
Capillargefässe  des  übrigen  Körpers  fassen.  Diess  ist  aber  sei**' 
unwahrscheinlich,  daher  man  annehmen  muss,  dass  die  Raumvc*^' 
mehrung  hei  der  Verzweigung  der  Körperartcrien  in  einem  sve**' 
grossem  Verhältnisse  zunimmt  als  in  den  Lungenarterienästen.  Jhi* 
Athmen  geschieht  durch  Contact  der  Luft  und  des  Blutes,  w»'*' 
rend  dieses  durch  die  unzähligen  Capillargefässe  der  Lungenz”^' 
len  vertheilt  vorüber  strömt,  wobei  die  kleinsten  Theilchen  d®* 
Bluts  der  Einwirkung  der  Atmosphäre  auf  der  ungeheuren  Co”' 
tactsfläche  aller  Lungenzellcn  ausgesetzt  werden.  Die  Wechsel' 
Wirkung  geschieht  durch  die  zarten  Wände  der  Capillargefäs*® 
nach  den  Gesetzen,  welche  schon  pag.  230 — 236  erläutert  wo*"' 
den  sind. 


III.  Capitel.  Vom  Athmen  des  Menschen  und  der 

T h i e r e. 

1.  Vom  Athmen  in  der  Luft. 

Die  ersten  genauen  Versuche  über  das  Athmen  sind  von  h^' 
voisiER  und  Seguin  angestellt.  Man  fand,  dass  die  ausg  eathm”^® 
Luft  mehr  Kohlensäure  und  Wasser  enthielt,  dass  der  Gehalt 
SanerstofFgas  darin  geringer  ist,  als  in  der  eingcathrneten  L”* ' 
und  dass  die  Luft  durch  das  Athmen  etwas  mehr  SauerstolfS*^* 
verliert,  als  Kohlensäure  erzeugt  wird.  Weil  nun  ein  Maass  Sau”*^' 
stolTgas,  das  durch  Verbindung  mit  Kohlcnstoll'  Kohlensäure 
zeugt,  wieder  ein  Maass  Kohlensäurcgas  bildet,  so  schloss  i””"’ 
dass  der  grösste  Theil  des  beim  Athmen  verschwindenden  Sau”* 
stoffgases  durch  Verbindung  mit  Kohlenstoff  des  Blutes  in  dv.j 
Lungen  Kohlensäure  bilde,  die  frei  werde,  und  der  übrige 
des  beim  Athmen  verschwindenden  Sauerstoffgases  durch  Verbj”^ 
düng  mit  Wasserstoff  des  Blutes  das  ausgeathmete  dunstförM*'»^ 
Wasser  bilde.  Die  . Menge  des  durch  die  Lungen  ausgeschi®” 
nen  Wassers  beträgt  bei  einem  Erwachsenen  in  24  Stunden 
dem  Mittel  der  Beobachtungen  von  Lavoisieh,  Menzies,  Abehk®'*^'’ J 
Thomson  und  Hales  7963  Gran.  Vergl.  den  Artikel  Ausdünsi^,^^ 
im  2.  Buch.  4.  Abschn,  7.  Cap.  Dieses  Wasser  enthält  etwas  tb* 
rische  Materie.  Gmeein  Chemie  4.  1324.  uj 

H.  Davv  athmete  fast  eine  Minute  lang  (19  Respiratio”” 
161  Rubikzoll  Luft,  welche  117  C.  Z.  Stickgas,  42,4  C.  Z.  Sauf^’jj 
stoffgas,  1,6  C.  Z.  kohlensaures  Gas  enthielten.  Hernach  ent”* 


3.  Athmen  d.  Menschen  u.  d.  Thiere.  Ailnnen  in  der  Luft.  291 

'lie  Luft  111,6  C,  Z.  Stickgas,  23,0  C.  Z.  Sauerstoffgas,  17,4  C.  Z. 
■^ohlensaures  Gas.  Gilb.  Arm.  If),  .307.  In  einer  Minute  Avurden 
«Iso  15,8  C.  Z.  kolilensaures  Gas  ausgescliieden.  Allen  und  Pepys 
'abeu  eine  sehr  musterhafte  Uijtei'suchung  des  Atlimens  ange- 
Phil.  Transact.  1808.  1809.  Schaveigg.  J.  B.  1.  und  Meck. 
■^fch.  3.  233. 

Einathmungen  und  Ausathmungen  geschallen  aus  und  in  ver- 
®chiedenc  Gasometer.  Der  13.  Versuch  ist  A'On  besonderem  In- 
gresse. Ein  Wassergasometer  Avar  das  Reservoir  der  atmosphä- 
''■schen  Luft,  Avelche  eingcathmet  Avurde,  Quecksilbergasometer 
' 'enten  zum  Auffangen  der  ausgealhmeten  Luft.  jVachdem  11 
v.«ecksilbergasonieter  mit  ausgealhmeter  Luft  angefüllt  waren, 
Uhr  der  Athmciule  so  lange  fort  in  dem  zAVÖlftcn  zu  athmen,  bis 
US  Wassergasometer  wieder  mit  frischer  Luft  gefüllt  Avar.  Dann 
^Urden  wieder  11  Quccksilhergasornetcr  und  spater  ebenso  zum 
2*’Ütenmal  mit  aiisgeathmeter  Luft  gefüllt.  Der  Versuch  dauerte 
Min.  Die  Avährend  dieser  Zeit  eingcathmete  Luft  betrug 
• tl  ausgeathmete  9872  C.  Z.  Hundert  Theile  der  ausge- 

u hnieten  Luft  gaben  bei  der  Prüfung  8 Theile  Kohlensäure,  13 
. '•Uerstoff,  79  Stickstoff.  Hiernach  beträgt  die  ganze  Menge  der 
vj.  Minuten  erzeugten  Kohlensäure  789,76  C.  Z.,  oder  für  die 
*htiuie  32  C.  Z.  engl. 

Als  in  dem  14.  Versuch  300  C.  Z.  atmosphärische  Luft  3 Mi- 
jjUten  lang  geathmet  Avordeo,  betrug  die  Kohlensäure  doch  nur 
Theilen  Luft.  Häufige  Vviederholung  der  Versuche 
l’Suh,  dass  tlie  eingeathmete  Luft  mit  0,08  bis  0,085  proc.  Koh- 
^'.'''hire  beladen  ausgeathmet  Avird,  und  dass,  Avenn  man  das  Ein- 
j ‘UAeii  derselben  Luft  so  oft  als  möglich  Aviedcrholt,  die  Menge 
erzeugten  Kohlensäure  nicht  über  0,10  in  100  Th.  der  gan- 
Luftmasse  beträgt.  Während  im  13ten  Versuch  bei  24^  Mi- 
langem  Athmen  frischer  Luft  789,76  C.  Z.  oder  in  der 
“'»Ute  32  C.  Z.  Kohlen  säure  ausgeathmet  wurden,  Avurde  (Ver- 
uh  3 Minuten  langem  Athmen  derselben  300  C.  Z.  Luft 

lg“  X 9,5  = 28,5  C.  Z.  oder  in  einer  Minute  9,5  C.  Z.  Koh- 
^ sauve  gebildet  und  ausgeathmet.  Im  Versuch  13  Avaren  in  ei- 
^Lnuie  = 403  G.  Z.  frische  atmosphärische  Luft  durch 
“Suu  S^öuugen,  imVersuchll  in  einer  Minute  nur^=z:  100 
AA'ar  im  Versuch  13  in  1 Minute  circa  4 mal  mehr 
Luft  durch  die  Lungen  gegangen,  als  im  Versuch  14,  und 
dpi**'  uueh  3,3  mal  mehr  Kohlensäure  als  im  Versuch  14  gebil- 
^ »»'Orden. 

( Vgf  und  Pepts  nehmen  als  Mittel  ihrer  Beobachtungen 

11  an,  Avo  während  11  Minuten  302  C.  Z.  engl.  (250 
C,  2'  Kohlensäure  ausgeathmet  wurden,  Avas  22,7  franz. 

dasj  ‘.Kohlensäure  auf  die  Minute  beträgt.  Sie  fanden  ferner. 
Bis  *^*'  ^lonsch  beim  Athmen  in  Sauerstoffgas  mehr  Kohlensäure 
AiQa  c "“»»osphärischer  Luft  erzeuge.  So  wurden  beim  Athmen 
l'djO  ^'»orstoffgas  im  Versuch  17  auf  100  Theile  Sauerstoffgas 
*^“V®'>*öure  erzeugt.  Hierbei  wurde  eine  beträchtliche 
^tickgas  entwickelt.  Beim  mehrmaligen  Ein-  und  Ausath- 
Ofselben  atmospb.  Luft  fanden  sie  weniger  kphlensaures  Gas 

19» 


292  II.  Buch.  Organ,  chemische  Processe,  I.  Ahschn.  Athmen. 

vor  als  Sauerstoff  verschwunden  war,  z.  B.  86  Stickgas,  4 Sauer- 
stoff^as,  10  kolilens.  Gas,  da  doch  17  Sauerstofigas  verschwunden 
waren/  Diess  erklären  sie  dadurch,  dass  vom  Blut  ein  Theil  de* 
kohlensauron  Gases  zurückgeh alten  wurde.  _ 

Bei  ihren  Versuchen  mit  Meerschweinchen  (Meck.  Archiv  o- 
233.)  fanden  Ai.les  und  Pepys,  dass  heim  Athmen  von  atmosphä- 
rischer Luft 'ein  Volum  Sauer^toffgas  durch  ein  Volum  Kohlen- 
säure ersetzt  werde.  Beim  Athmen  von  reinem  Sauerstoffs“* 

wurde  etwas  mehr  Sauerstoffgas  ahsorhirt  als  Kohlensäure  erzeugh 

und  durch  eine  entsprechende  Menge  Stickgas  ersetzt,  ehens 
beim  Athmen  eines  Gemisches  von  Wasserstoffgas  und  Sauerston' 
gas,  in  dem  Verhältnisse  wie  Stickgas  und  Sauerstoffgas  in  de» 
atmosphärischen  Luft. 

Bei  einem  20  Jahre  später  angestellten  Versuch  mit  Tauben» 
fanden  sie,  dass  in  reinem  Sauerstoffgas  mehr  von  diesem  ahsot 
birt  werde,  als  zur  Bildung  der  ausgeathmeten  Kohlensäure  vC' 

wandt  wird.  _ . ^ 

Dulong  (Schweigg.  Journ.  38.  505.)  brachte  die  Thiere  in  n*' 
nen  Apparat,  zu  und  von  dem  beständig  Luft  zu-  und  abgeleiff 
werden  konnte,  so  dass  die  Veränderungen  der  Luft  quantitati^ 
bestimmt  werden  konnten.  Vergl.  den  von  Ali.e:?  und  Pepys  a”' 
gewandten  Apparat  (Meck.  Archiv  3.  Tal>.  5.).  Dulosg  fand,  da* 
alle  Thiere,  fleisch-  und  pflanzenfressende,  Säugethiere  undVög“'» 
mehr  Sauerstoffgas  verschwinden  machten,  als  Kohlensäure 
dessen  Stelle  trat.  Bei  den  pflanzenfressenden  Thieren  betr>>? 
die  Menge  des  nicht  durch  Kohlensäuregas  ersetzten  Sauersto»' 
gases  im  Durchschnitt  derjenigen  Menge,  die  durch  Kohle'j 
räuregas  ersetzt  war,  bei  den  Fleischfressern  dagegen 
Aehnliche  B.esultate,  nämlich  einen  Verlust  von  Sauerstoffgas,  fa”^ 
Despretz  in  seinen  schon  hei  dem  Artikel  von  der  thierischa^ 
Wärme  pag.  81.  erwähnten  Versuchen.  Das  erzeugte  Kohle*» 
säuregas  betrug  -f — -l  vom  verschwuP-denen  Sauerstoffgas.  , 
Nach  Davy,  Pfaff,  Berthollet,  Ali.es  und  Pepys  zeigt 
die  atmosphärische  Luft  nach  einmaligem  Ein-  und  Ausathn»  ^ 
dem  Umfange  nach  vermindert.  Nach  Allen  und  Pepys 
diese  Verminderung,  die  sie  nur  ylj  fanden,  von  zufälligen 
ständen  abzuleiten  (?).  Wird  dieselbe  Luftmenge  wiederholt  e» 
und  ausgeathmet,  bis  sie  nicht  mehr  vertragen  wird,  so  zeigt 
eine  deutliche  Volumsverminderung,  nach  dem  Mittel  der  Beoba*»^^ 
tungen  von  Lavoisier,  Goodwyn,  Davy,  Alles  und  Pepys,  P^'* 
.55.  Gmelib’s  Chemie  4.  1525.  „ 

Gmelin  hat  die  Resultate  der  verschiedenen  Analysen 
Davy,  Berthollet,  Allen  und  Pepys,  Menzies,  Prout  zusanini^|^f 
gestellt.  Zieht  man  aus  diesen  Resultaten  das  Mittel,  so 
sich,  dass  100  Theile  einmal  eingeathmete  Luft  nach 
athmen  5,82  kohlensaures  Gas  enthalten.  Nach  Prout’s 
eben  (Meckel’s  Archiv  2.  145.  Schweigg.  Journ.  15.  47.)  i*t 
Menge  der  ausgeathmeten  Kohlensäure  am  grössten  zwischen^^p 
Uhr  Morgens  und  1 Uhr  Mittags,,  das  Minimum  dagegen 
8^  Uhr  Abends  bis  Rt-  Uhr  Morgens.  Wenn  die  Menge 
bildeten  Kohlensäure  aus  irgend  einem  Grunde  vermehrt  > 


3.  Athmen  d.  Menschen  u,  d.  Thiere.  Alhmen  in  der  Luft,  293 

sinkt  sie  nachher  in  demselben  Maasse  unter  den  einer  ge- 
wissen Periode  angemessenen  Grad  herab.  Die  Menge  der  gebil- 
deten Kohlensäure  nimmt  bei  demselben  Menschen  ab  in  depri- 
''‘irenden  Leidenschaften,  nacli  heftigen  Bewegungen,  beim  Genuss 
Von  weingeistigen  Flüssigkeiten,  von  Thee,  bei  vegetabilischer 
^»hrung  und  nach  längerem  Gebrauch  von  Quecksilber.  Dage- 
gen  wird  die  relative  Menge  der  durch  das  Athmen  gebildeten 
^Kohlensäure  durch  einen  niedem  Barometerstand  vermehrt.  We- 
gon  Krankheiten  siehe  Nysten  a.  a.  O. 

Berechnet  man  die  Menge  des  durch  das  Athmen  entstehen- 
den Koblensäuregases  auf  21  Stunden,  so  betragt  diess  nach  La- 
JW'sier  und  Seguin  14930  C.  Z.  oder  85.34  Gran  franz.,  nach 
31680  C.  Z.  engl,  oder  17811  Gr.  engl.,  nach  Allen  und 
39600  C.  Z.  oder  18612  Gran  engl.  Diess  beträgt  an  auf 
*^ehlensäurebil.;lung  verwandtem,  und  also  aus  dem  Blut  wegge- 
B^ogenem  KohlenstoIF  nach  Lavoisier  2820  Gran  franz.,  nach 
4853  Gran  engl.,  nach  Allen  und  Pepys  5148  Gr.  engK 
"ach  Berzelius  Bemerkung  sind  diese  Resultate  indess-  offenbar 
zu  gross.  Denn  da  die  feste  Nahrung  an  -y  ihres  Ge- 
W'chtes  Wasser  und  das  andere  selten  mehr  als  sein,  halbes 

"^wicht  Kohlenstoff  enthält,  so  wären  schon  oj  i>r..„4  fester 
r^hruna  nöthig,  um  die  Quantität  Kohlenstoff  zu  ersetzen,  die  in 
Stunden  durch  das  Athmen  ausgeschiedeu  wird,  abgesehen  von 
^öderen  Excrctionen, 

Ueber  das  Athmen  der  Frösche  habe  ich  mehrere  Versuche 
^''gestellt.  Die  Frösche  wurden  bei  zusammengepressten  Lungen 
Kehle  in  einen  mit  Quecksilber  gesperrten  graduirlen  Cy_ 
*'nder  gebracht,  und  die  Quantität  der  erzeugten  Kohlensäure 
““vch  eingebrachtes  Kali  causticum  an  der  Absorption  des  Gases 
Soßiessen. 

1)  Ein  Frosch  von  440  Gran  Gewicht  bildete  in  6 Stunden 
^ einem  Cylinder  von  10  C.  Z.  atmosphärischer  Luft  | C.  Z. 
^ehlensäure. 

Y 2)  Ein  Frosch  von  655  Gran  bildete  in  8 C.  Z.  atmosph. 
Luft  li  c.  Z.  Kohlensäure  in  12  Stunden,  bei  27  Z.  9^  L.  Lnft- 
und  10“  R. 

p 3)  Ein  sehr  grosser  Frosch  von  1260  Gran  bildete  in  16* 
Z.  atmosph.  Luft  in  14  Stunden  2 C.  Z.  Kohlensäure  bei  27 
L.  Luftdruck  und  6®  R.  Diess  beträgt,  auf  28"  Barometer- 
*^and  tind  15“  R.  Temperatur  und  6 Stunden  Athmen  redneirt: 
Im  ersten  Versuch  auf  440  Gran  Thier  in  6 Stunden  0,66, 
«Weiten  Versuch  auf  655  Gran  Thier  in  6 Stunden  0,63,  im 
^vitten  Versuch  auf  1260  Gran  Thier  in  6 Stunden  0,88  C.  Z. 
Kohlensäure. 

A,,  Ich  habe  diess  wieder  auf  100  Gran  Thier  und  100  Min. 
"Ihmen  reducirt,  und  mit  Versuchen  von  Treviranus  {Zeitschrift 
Physiologie.  4.  1.  p.  23.)  an  Kröten  und  Fröschen  zusammen- 
|*ftellt,  wobei  Treviranus  die  Luftmenge  auf  15“  R.  Temp.  und 
® ‘ Luftdruck  berechnet  und  auf  100  Gran  Thier  und  100  Mi- 
'^len  Athmen  reducirt  hatte. 


294  II.  Buch.  Organ,  chemische  Processe.  I.  Abschn.  Athmen. 


, Arten  der  Thierci 

Beobachter, 

P.  C.  Z,  Kolilens.  iur 
tOO  Gr.  Thier  nntl 
100  Min.  Athmen. 

Bufo  cinereiis  A.  . . 

Treviranu.s 

0,02 

Bufo  cinereus  B.  . . 

Treviranus 

0,03 

Rana  temporaria  A.  . 

Treviranus 

0,10 

Rana  temporaria  B.  . 

Treviranüs 

0,14 

Frosch  A 

Müluer 

0,041 

Frosch  B 

Müller 

0,027 

Frosch  C 

IVIÜLLER 

0,01.9 

Mittel  

0,039 

Es  folgt  als  Mittel  von  7 Bcobaclitungen , dass  100  Gra*’ 
Kröte  odei*  Frosch  in  100  Minuten  0,04  Kohlensäure  durch  Ath' 
men  bilden.  Nach  Edwahd's  [inßitence  des  agens  physicjues  sur 
vie.  Paris  1824.  p.  648.)  hihlete  ein  Frosch  Kohlensäure  in  2l 
Stunden  einmal  5,24  Centil.  hei  27"  C.  = 2,55  P.  C.  Z.  h^j 

15"  R.;  ein  andermal,  2,57  Ccnlil.  hei  18"  C.  = 1,30  C.  Z.  h®* 

15"  R. ; ein  andermal  2,44  rpntil.  he!  1.1"  C.  = 1,25  C.  Z.  h®* 

15®  R.  maenc  in  6 Stunden  0,63  C.  Z.  0,32  C.  Z.  0,3l 

if'"  ^ Beohachtungen  von  mir  zusammen^esteUh 

gieht  für  6 Stunden  folgende  Quantitäten  Kohlensäure-  ^ 

0,66  C.  Z. 

0,63  » 

0,S8  * 

0,63  » V 

0,32  « 

0,31  » 

Mittel  0,57  C.  Z. 

Trevibamus  Versuche  an  2 jungen  Fröschen  lasse  ich  ausser  der 
Berechnung.  Also  bildet  ein  ervrachsene.r  Frosch  in  6 Stunde» 
etwas  mehr  als  -y  C.  Z.  Kohlensäure. 

Teevirahus  hat  die  Resultate  einer  ganz  vortrefflichen  Arbeit 
über  das  Athmen.  der  niederen  Thiere  auf  gleiche  Verhältnisse, 
nämlich  auch  auf  15*  R,  und  28"  Luftdruck,  100  Gran  Thier 
und  100  Minuten  Athmen  rednclrt,  wodurch  man  eine  sehr  i»' 
teressante  Zusammenstellung  gewinnt.  Hieraus  geht  nun  hervor, 
dass  die  wirbellosen  Thiere,  Insecten  und  Mollusken  und  Wür- 
mer, im  Verhältniss  zu  ihrer  Masse,  nicht  weniger  Kohlensäur® 
bilden,  als  die  Amphibien,  Treviranus  hat  auch  die  an  Säug®' 
thieren  und  Vögeln  von  anderen  Beobachtern  angestellten  Ver- 
suche auf  100  Gran  Thier  und  100  Minuten  Athmen  berechn®^’ 
woraus  folgende  Tabelle  entstanden  ist. 


I 


.‘1.  Athinen  d.  Menschen  u.  d.  Thiere.  Alhrnen  in  der  Luft.  295 


Thiere. 

Beobachter. 

Excernirtes 
kohlens.  Gas. 

Absorbirtes 

Sauerstoffgas. 

-Meerschwei  neben 

Kaninchen  . . . 

Katze  

Taube  

Berthollet 

Allen  u.  Pepys 

Despretz 

Berthollet 

Despretz 

Despretz 

IAllen  u.  Pepys 

0,42  C.  Z. 
0,60 

0,47 

0,44 

0,66 

0,99 

0,96 

0,67  C.Z. 

0,74 

0,68 

0,60 

0,98 

1,58 

1,14 

Zielit  inan  aus  illescn  Daten  das  Mittel,  so  bdden  100  Graa 
?ä«Setlder  in  100  Minuten  0,52  C.  Z.  Kohlensäuref-as,  100  Vogel 
•»  100  Min.  0,97  C.  Z.  Koldcnsäurcgas.  Da  nun  lÖO  Gran  Kröte 
Oller  Frosch  in  100  Minuten  0,05  C.'  Z.  Rohlensäurcgas  bilden,  so 
*oldet  ein  Gcwichtstlieil  eines  kaltblütigen  Thiers,  und  zwar  Ani- 
Pliibiunis,  in  gleicher  Zeit  10  mal  weniger  Kohlensäuregas als 
«in  gleicher  Gcwichtstlieil  Säugethier,  und  19  mal  weniger  Koh- 
loosäuregas,  als  ein  gleicher  Geuaclitstheil  Vogel.  Bei  Insecten 
"'»t  Tre-virasus  in  den  meisten  Fällen  sogar  eine  eben  so  starke 
Kolileiisäurebildung  gefunden,  als  sie  bei  Säugethieren  stattfindet, 
J'ligleich  sic  in  einigen  Fällen' sieh  den  Verhältnissen  derAmphi- 
O'Cn  nähert.  Treviranus  erklärt  die  Kaltblütigkeit  dieser  Thiere 
h'otz  ihrer  starken  Kohlensäurebildung  aus  der  bei  ihnen  statt- 
llädenden  Aushauchnng  von  Slickgas,  wobei  Wärme  wieder  la- 
lent  werde. 

, Wenn  man  diese  Menge  bei  Insecten  auch  für  allzu  gross 
^*lt,  und  diese  Thiere  wegen  der  Kleinheit  und  Trüglichkeit  der 
llosultate  ausser  der  Berechnung  lässt,  wenn  man  bloss  die 
Pl'ibien  mit  Säugethieren  vergleicht,  so  kann  man  doch  mit  eini- 
lor  Wahrschehilichkeit  die  Temperatur  der  Säugethiere  und  die 
‘^j'ltblütigkeit  der  Amphibien  nicht  davon  ableiten,  dass  eia  Ge- 
'^lehtstheil  eines  Frosches  in  einer  Zeit  10  mal  weniger  Kohlen- 
bildet,  als  ein  gleicher  Gewichtstheil  Säugethier.  Vgl.  p.  81. 

, Es  scheint  nach  den  raehrsten  Beobachtungen  unzweifelhaft, 
beim  Athmen  weniger  Kohlensäure  gebildet  wird,  als  Sauer- 
®^offgas  verschwindet.  Nur  Alles  und  Pepvs  hatten  diess  beim 
j ^hineu  in  atmosphärischer  Luft  nicht  beobachtet.  Indessen  ba- 
sie  die  geathmete  Luft  für  kohlensäurefrei  genommen,  was 
^Sleich  schon  einen  bedeutenden  Unterschied  im  Resultate  macht. 
■Ich  Treviranus  Versuchen  an  niederen  Thieren  ist  die  Erzeu- 
des  kohlensauren  Gases  abhängig  von  der  Temperatur  des 
®diums.  Eine  Honigbiene  excernirte  beinahe  3 mal  so  xlel  Koh- 
Jensäure  hei  22*  als  bei  11^“.  Im  Allgemeinen  athmeten  die 
^■iiere  in  freier  Luft  weniger  Kohlensäure  aus,  als  sie  Sauerstoff- 
absorbiren.  Die  kaltblütigen  Thiere  sollen  oft  3 mal  so  viel 
''äerstoffgas  verzehren,  als  sie  Kohlensäure  bilden. 

Mollusken  verxeliren  aber  niebt  allein  alles  Sauerstoffg«^ 

1^  Euft,  sondern  fahren  nach  dieser  Absorption  noch  fort  Koh- 
^''Ȋure  auszuhanchen.  Allgemein  wurde  in  Treviranus  Unter- 


2.96  II.  Buch.  Organ,  chemische  Processe.  I.  Abschn.  Alhmen. 

sucliungen  Stickgas  ausgescLieden,  in  einigen  Versuclien  selbst 
mehr  als  Kohtensäuregas. 

Bei  den  höheren  Thieren  hat  man  zuweilen  eine  Absorption 
von  Stickgas  der  Atmosphäre,  zuweilen  Aushauchunc  von  Stickgas 
beobachtet.  a o 

1)  H.  Davy  (Gilb.  Ann.  19.  298.)  glaubte  beobachtet  zu  bä- 
hen, dass  beim  Atlimen  Verminderung  des  Stickstofi'gehaltes  der 
Atmosphäre  staltfinde,  welche  nach  Davy  .j'y  des  absorbirten 
Sauerstoffgases,  und  in  24  Stunden  2246  Grau  engl,  betragen  soll- 
Auch  Pfaff  (Gehi.ebs  Journ.  der  Chemie.  5.  103.)  bat  eine  Ver- 
minderung des  Stickgases  von  ^g- — yiy  der  eingeathmeten  Buff 
beobachtet.  G.melin’s  Chemie.  4.  1.524. 

2)  Andere,  wie  Alles  und  Pepys,  bemerkten  weder  eine 
Vermehrung  noch  Verminderung  des  Stickgascs  beim  Athmen  der 
atmosphärischen  Luft. 

3)  Mehrere  Beobachter  haben  beim  Athmen  in  atmosphäri- 
scher Luft  Vermehrung  des  Stickstoffgehaltes  der  Luft  beobach- 
tet, wie  Bekthollet,  Nysten,  Dulong  und  Despretz.  Am  ent- 
scheidensten  erscheint  dicss  llesultat  in  Despretz  Versuchen,  der 
die  Ausbauchung  von  Stickgas  gewöhnlich,  aber  bei  Pflanzenfres- 
sern stärker  als  bei  Fleischfressern  fand.  Diess  Letztere  ist  des- 
wegen unerklärlich,  weil  die  Pflanzenfresser  stickstoffärmere  Nah- 
rung als  die  Fleischfresser  geniessen.  Despretz  fand,  dass  die 
Ausbauchung  von  Stickgas  y — von  demjenigen  Sauerstoffga^ 
ausmacht,  welches  beim  Athmen  verschwindet,  ohne  auf  Kohlen- 
säure verwandt  zu  iverden.  Am  entscheidendsten  Hesse  sich  die 
Ausbauchung  von  Stickgas  in  einer  Luft  ermitteln,  die  kein  Stick- 
gas enthält.  So  fanden  Allen  und  Pepys  allerdings,  dass  Meer- 
schweinchen , die  in  Sauerstoff  oder  einem  Gemenge  von  Sauer- 
stoffgas  und  Wasserstoffgas  athmeten,  Stickgas  aushauchten.  Dies* 
Stickgas  konnte  nicht  schon  vorher  in  den  Lungen  gewesen  seye- 
Denn  in  Allen  und  Pepys  Versuchen  war  die  Menge  des  ausge- 
hauchten Stickgases  grösser  als  das  Volum  des  athmeuden  Thiers- 
Ans  diesen  Versuchen  scheint  also  hervorzugehen: 

4)  dass  beim  Athmen  in  atmosphärischer  Luft  Stickgas  so- 
wohl ans  der  Luft  an  das  Blut  treten,  als  Stickgas  aus  dem  Bluf 
frei  werden  kann,  und  dass  man  die  Anshauchung  des  Stickgases 
deswegen  nicht  bemerkt,  weil  sie  von  der  Absorption  von  Stick- 
gas der  Luft  compensirt  wird,  und  dass  sie  erst  beim  Athmen  h» 
stickstoffleerer  Luft  bemerklich  wird.  Edwards  [Ann.  de  chü’^' 
et  de  phys.  22.  35.)  erklärt  aus  der  Ungleichheit  der  Ausbauchung 
von  Stickgas  und  der  Aufnahme  desselben  die  Ungleichheit  in  den 

\ der  Beobachter.  Collard  de  Martighy  [J,  d.  physiOy 
1830.)  fand  eine  Vermehrung  des  Stickstoffs  beim  Ausathmen, 
denn  Collard  auch  eine  Exhalation  von  Stickgas  durch  die 
beobachtete.  Da  nun  Stickgas,  wie  alle  Gase,  von  den  nassen 
thierischen  Häuten  und  von  der  äussern  Haut  absorbirt  wi*'d> 
so  nimmt  Collard  an,  dass  Absorption  und  zugleieh  Exhalation 
von  Stickgas  in  den  Lungen  statt  finde,  dass  letztere  aber  grösser 
sey.  Berzelius  (Jahrb,  4,  217.)  widersetzt  sich  der  Voi’steflung 


3.  Mimen  d,  Menschen  u.  d.  Thiere,  Manen  im  Wasser.  297 


gleiclizeittger  Exlialation  und  Aufsaugung  von  Stickgas,  weil 


Sie 


Ungereimt  sey. 


2)  Vom  Aihmen  im  Wasser. 

Was  den  zuletzt  Leriibrten  Gegenstand  noch  A'erwickelter 
^^clit,  ist,  dass  die  Fische  nach  A.  v.  Humbocdt  und  Pkovencal 
ziemlich  viel  Stickgas  aus  dem  Wasser  ahsorhiren.  Sie 
A®ssen  in  4000  Cuhikcentimeter  Wasser  8 Stunden  30  Min.  athmen. 
dem  Athmen  enthielten  2582  Th.  diesem  Wassers  524  Th., 
demselben  453  Th.  Luft.  Den  Verlust  von  71  Th.  halten 
tiir.  Wirkung  der  Respiration,  und  berechnen  das  Maass  des 
^Scernirten  und  absorbirten  Gases  nach  dem  Unterschiede  dessen, 
,3*  vor  d^m  Athmen  in  den  524  und  nach  dem  Athmen  in  den 
Theilen  enthalten  war.  In  jenen  fanden  sie  155,9  SauerstolT- 
*'**>  347,1  Stickgas,  21,0  kohlensaures  Gas;  in  diesen  10,5  Sauer- 
289,3  Stickgas,  153  kohlensaures  Gas.  Hiernach  wären 
Athmen  145,4  Sauerstoflgas  nebst  57,6  Stickgas  absorbii’t 
^tni  kohlensaures  Gas  excernirt.  Thevibanus  vermuthet  in- 
dass  die  nach  dem  Athmen  fehlenden  71  Tlieile  Luft  mit  ver- 
] ‘Uiicktem  Wasser  in  den  Magen  gekommen  seyen.  Indessen 
v.  IIuMnoi.DT  und  Pbovencal  doch  keinen  Verlust  von 
•y^ässerstoffgas  beobachtet,  als  sie  Fische  in  luftleerem,  bloss  mit 
asserstoff  und  Sauerstofl'  künstlich  geschwängertem  Wasser  ath- 
***  Hessen.  Scbweigg.  J.  1.  p.  111. 

Man  sieht  übrigens  aus  den  von  Humboldt  und  Pkovencal 
?8estellten  Versuchen,  dass  auch  die  Fische  mehr  Sauerstoffgas 
sorbiren,  als  Kohlensäure  ausathmen.  Die  Kohlensäure  beträgt 
,'l'^kstcns  ^ des  verschwundenen  Sauerstoffs  und  oft  nur  i des- 
®'hen, 

g Naeh  den  Untersuchungen  von  Humboldt  und  Pkovencal  be- 
stfiff  **  Fische  in  den  Flüssen  in  Rücksicht  auf  den  Sauer- 

ugehalt  der  umgebenden  Flüssigkeit  in  der  nämlichen  Lage,  wie 
b;..  Ul  einem  Gasgemeng,  welches  weniger  als  0,01  Sauerstoff  ent- 
bi  A‘**'kuiendes  i’hier.  Denn  die  im  Wasser  aufgelöste  Luft  geht 
gg^.uber  0,027  des  Volums  des  Wassers,  und  0,31  von  der  auf- 
3gJ'sten  Luft  sind  reiner  Sauerstoff.  JVach  Tkeviranus  Reduction 
Sei  I . ukachlungen  von  Humboldt  und  Pboven9al  bilden  100  Gr. 

beim  Athmen  0,01  C.  Z.  Kohlensäure,  in  100  Minuten, 
^g^*'®ud  100  Gran  Säugethier,  wie  wir  oben  gesehen,  0,52  bil- 
SQj.f.^ko  circa  50  mal  weniger  in  gleicher  Zeit.  Die  Fische  ab- 
Oj,  nicht  allein  mit  den  Kiemen,  sondern  mit  der  ganzen 
(>5j  fu*che  SaueTstoffgas,  wogegen  sie  Kohlensäure  erzeugen.  Diess 
im  lufthaltigen  Wasser,  aber  nicht  in  der  freien  Luft. 
kol^'^ULDT  brachte  den  Kopf  von  Fischen  in  Halsbänder  von  Kork- 
®ia  Wachsleinwand  überzogen.  Der  Fisch  wurde  dann  ln 
lil^  ^ykndrisches  Gef äss  gebracht , so  dass  der  Kork  den  Pfropf 
^ef  - und  Kopf  und  Kiemen  nicht  mit  dem  Seinewasser  des 
in  Berührung  waren.  Die  Fische  lebten  an  5 Stunden 
4,tbj^®*'ünderten  das  Wasser  durch  ihre  Haut  auf  die  bei  dem 
*0  L®**  gewöhnliche  Art.  Die  Fische  athmen  mit  den  Kiemen, 
■ Uge  sie  nass  sind,  auch  in  freier  Luft,  und  absorbiren  nicht 
'‘ud  nicht  weniger  Sauerstoff,  als  In  lufthaltigem  Wasser, 


\ 


298  ' II,  Buch.  Organ,  chemische  Processe.  I.  Abschn.  Athmen. 

So  reduclrte  eine  Schleihe  in  19-^  Stunden  ein  Gasvolumen  vo'' 
133,9  Cal).  Centimet.  atmosphärischer  Luft  auf  122,9,  und 
Fisch  hatte  0,52  Cub.  Cent.  Sauerstofl’gas  ahsorbirt.  Hieraus  f*' 
giebt  sich,  dass  das  Athmen  im  Wasser  sich  weniger  wesentb® 
vom  Athmen  in  der  Luft  unterscheidet,  als  es  auf  den  erst®” 
Blick  scheint.  Zum  Athmen  in  der  Luft  ist  auch  eine  nasse 
nere  Oberfläche  der  Lungen  nöthig.  Cohitis  fossilis,  der  si® 
viel  im  Schlamm  aufhält,  verschluckt  nach  Erman  Luft  an  d 
Oberfläche  des  Wassers,  wonach  die  Luft  im  Darmkanal  d' 
beim  Athmen  gewöhnliche  Veränderung  erleidet,  und  die  verä** 
derte  Luft  durch  den  Darmkanal  wieder  entleert  wird  *). 

Viele  Thiere,  welche  durch  Kiemen  Wasser  athmen,  er*®” 
gen  durch  die  Riemen  merkwürdige  Bewegungen  in  demWas*®^ 

Diese  Bewegungen  sind  zuerst,  bei  den  Salamandcrlarven 
Steinbuch  {Analecten  zur  ISaiurkundß.  Fürth  1802.)  beschrieb^ 
und  vollständig  dargelegt,  später  von  Siiarpey  (Fboriep’s  Not. 
618.)  weiter  verfolgt,  und  an  mehreren  Thieren  beobachtet  fl'® 


•)  Die  Schwimmblase  der  Fische  enthalt  zwar  auch  saucrstolTlialtige 

allein  diese  Luft  dringt  nicht  von  aussen  herein,  jondern  wird  von  . 
innern  Oberfläche  des  Organes  selbst  abgesondert.  Die  darin  entha* 
Luft  enthält  bald  mehr,  bald  weniger  Sauersloffgas  oder  Stichgas 
die  atmosphärische  Luft.  Saucrsloflarme  Liifi  fand  darin  ^ 

Landseefischen.  Gilb.  jinn.  30.  113.  Dagegen  fand  BlOT  (GilB. 

26,  454.)  bei  Fischen,  die  in  einer  grossen  Mccresliefe  leben,  iB 
Schwimmbhise  derselben  eine  Luft,  die  60  — 87  proc.  Sauerstollg|’* 
hielt,  während  das  Meerwasser  in  der  Tiefe  nur '29  Saucrstolf 
Stickstoff  enthielt.  Sonst  ist  der  Lnftgchalt  bei  derselben  Fi.schart 
veränderlich.  Im  Frühling  und  Sommer  soll  die  Luft  s.iiicrstolK^  t 
als  im  Herbst  seyn.  Bisweilen  fehlt  das  Sauerstoffgas  gäntlich. 


Delaroche  Schweigg.  J.  1.  164.  Configliachi  ebend.  137. 
A, 

Menge 


035^'' 


. V.  Humboldt  und  Proven^al  ist  das  mittlere  Resultat  einer  g«*'’ 
lengc  von  Versneben  über  die  Luft  in  der  Schwimnibl.ise  der 
0,071  Sauerstoff,  0,05*2  Kohlensäure,  0,877  Stickstoff.  Fische, 

einen  Gang  mit  dem  Schlunde,  wie  beim  Karpfen.  Die  Oelfuung  < |j,,j 
Ganges  ist  zuweilen  weit,  beim  Karpfen  aber  so  eng,  dass  durc  ^ 

"eicht  nur  bei  grosser  AusdehiJWt’o,*,5C 


v,\/ix  zjrtuv,!  oiwi  I , «wtiai.xjsaui  ^ i . | 

man  die  Schwimmblase  extirpiit  hatte,  brachten  beim  Athmen 
Tatr  Kohlensäure  hervor;  obwohl  sie  viel  Sauerstoff  und  Sticksto» 


Ta  7 , 
sorbirten. 


Bei  vielen  Fischen  communicirt  die  Schwimmblase 


keine  Luft  aufgenommen  und  vielleicht  nur  nei  grosser  2\u5uv;iy^  Y *'jj,.( 
Blase  etwas  ausgeschicdeu  werden  kann.  Bei  vielen  Fischen 
Verbindung.  Diese  haben  gewöhnlich  ein  rothes,  gefässreiche«, 
thümliches  Gewebe  in  den  Wänden  der  Schwimmblase  zur  Ah^.  ijch 
rung  der  Luft,  die  auch  in  den  Fischen  mit  Luftgang  wahrsche* 
abgesondert  wird;  bei  vielen  Fischen  fehlt  die  Schwimmblase  c»'” 

Aal  hat  den  Luftgang  und  jenes  drüsige  Gewebe,  Bei  den  3 
hat  die  Schwimmblase  viele  blinde  hohle  Fortsätze,  die  In  *^^***®q  ßf* 
ten  verzweigt  sind.  CXJVIER  hist,  nat.  des  poiss.  tab.  138. 
mehreren  Fischen  der  Gattungen  Cyprinus,  Cohitis,  Spams,  Cl«P*' 
slirt  eine  von  E.  H.  Weber  entdeckte  Verbindung  der 
mit  dem  Gehörorgan/  wovon  spater,  "Wenn  die  Schwimmbla, ^ 
Fische  zerrissen  ist,  so  verlieren  sie  nicht  immer  und  nothwcB 
Gleichgewicht,  sie  fallen  nicht  immer  auf  die  Seite,  VV^ahrsche***^  ^^5' 
ihre  Luft  besummt  von  Zusammendrücken  der  Bauebwände 
dehnung  das  spccifiscbe  Gewicht  des  Fisches  zu  andern. 

SCHER  über  die  Schwimmblase  der  Fische.  JLpu  1795. 

VIRANUS  vermischte  Schriften,  % Bd.  156. 


3.  Athnen  d,  Menschen  u,  d.  TMere.  Athmen  im  Wasser.  299 


Steikbuch  Lesclireibt  die  wunderbare  Erscheinung  an  den 
j'*  ainanderlarven  folgendermaassen.  Wenn  man  den  Kreislauf 
die  Kiemen  unter  dem  Mikroskop  beobachtet,  so  bemerkt 
dass  kleine  im  Wasser  schwimmende  Körpereben  von  allen 
®>ten  her  schnell  auf  die  Oberfläche  der  Riemen  zufabren  und 
gleicher  Geschwindigkeit  plötzlich  von  dieser  Oberfläche  wie- 
Beobachter  findet  in  den  Wegen  dieser  von 
Seiten  her  in  gleichmässiger  Dauer  zu-  und  abströmenden, 

tauspnrl  T'ßn'Fia»-»#!  An  nn/t  entmin Airlnn/t  nn  XT  ä— 


tausend  Winkeln  sicli  durchkreuzenden  und  schneidenden  Kör- 
«'^‘'chen  einen  solchen  Wirrwar,  aus  dem  man  sich  kaum  heraus- 
j 'len  mag.  Jedes  Körperchen  im  Wasser  nähert  sich  anfangs 
5 l?*am,  dann  immer  schneller  den  Riemen,  und  fährt  meist  in 
([.  Richtung  auf  die  Fläche  eines  Kiemenblättchens  hin  und 


Nach  meinen  Beohach- 
iedoch  nicht  immer  sogleich 


eben  so  schnell  wieder  davon  ah 
jj'*8®n  findet  dieses  Zurückfahren 
sfe'  ’ Körperchen,  nachdem  sic  die  Kieme  erreicht, 

*um  Theil  an  einer  Seite  des  Rierncnästchcns  eine  Strecke 
aiif,  auch  wohl  an  der  andern  Seite  herunter,  und  fahren  dan'n 

;'eder 


von  der  Kieme  .ah.  Ich  kann  nicht  bestimmen,  oh  sie  in 
Richtung  der  Kiemenarterie  aufsteigen,  in  der  Richtung  der 


der 


tg  ^'^"^fvene  ahsteigen.  Merkwürdig  ist  nun,  dass  die  ahgeschnit- 
Riemenstücke  noch  dieselbe  Anziehung  und  Abstossung  auf 
))g  assertheilchen  und  damit -zugleich  auf  die  im  Wasser  schwe- 
Partikelchen  äussern.  Steinbijck  hatte  diess  schon  gese- 
Sharpey  hat  cs  bestätigt  und  ich  liahe  es  auch  gesehen, 
dip*  ''^'geschnittene  Kiemenstückchen  wird  durch  die  Strömungen, 
],p’  in  dem  Wasser  herveiTuft,  zugleich  seihst  mit  bewegt,  und 
din-  "'"iht  Kreise  im  Wasser,  indem  die  KiCrnenstückchen  bestän- 
den  Enden  der  Kiemenblättchen  voraus  gerichtet  sind. 
du/1  R®wegungen  ahgeschnittener  Stücke  der  Riemen  imWasser 
^Uf  1 Strömungen,  die  sie  im  Wasser  erregen,  werfen  Licht 
>Pg|  beständige  Drehen  der  Embryonen  der  Mollusken,  im  Ei, 
hnt  LEErWENHOEK  und  Carus  beobachtet  haben  {Noo.  act. 

äoe'  d3.  253.)  und  rvelches  ich  seihst  am  Embryo  von  Lim- 

1^2^*  ^lägnalis  gesehen  habe.  Vergl.  E.  H.  Weber  Meck.  Archiv 

s * 

dgp  b arpey  fand,  dass  die  äusseren  Kiemen  der  Froschlarven  in 
Zeit  des  Lebens  nicht  allein  das  beschriebene  Phäno- 
liöp-  sondern  dass  fast  die  ganze  Oberfläche  des  Larven- 

'^Bsselbe  Phänomen  hervorbrachte.  Eine  allgemeine  Strö- 
dps  & begann  am  vordem  Theile  des  Kopfes,  und  setzte  sich  längs 
Bauchs  und  der  beiden  Seiten  bis  zur  Schwanz- 
"iie  j;  Pas  Vermögen  Strömungen  zu  erregen,  ist  bloss  auf 

l'Oa  Oberfläche  der  Haut  besclu’änkt;  wenn  man  Stücke 

I ^'tik^i'  R^^***'  ^blöste  und  in  Wasser  that,  bewegten  sich  die 
l*ippg^®*^ben  hn  Wasser  nach  der  äussern  Oberfläche  der  Haut- 
^ehpe  Theile,  welche  vom  Thier  ahgelöst  sind,  erregen 

^«i  ^ ® Stunden  nach  ihrer  Trennung  noch  Strömungen,  und 
**'*•>.  *<:  8®*’**'gsten  Portion  ist  diese  Fähigkeit  noch  wahrzuneh- 

wenn  man  eine  Froschlarve  mitten 
der  Länge  nach  spalte,  so  treffe  man  einen  Ponet,  der 


300  II.  Buch,,  Organ,  chemische  Proctsse,  I.  Abschn,  Athmen. 


mitten  im  Kopfe  zu  liegen  scheine,  und  welcher  eben  diese  F®' 
higkeit  habe,  einzelne,  im  Wasser  schwimmende  Molecule  an*’*' 
ziehen.  Sowohl  nach  Steiwbücu  als  nach  Sharpey  zeigt  sich 
den  späteren  inneren  Riemen  der  Froschlarven  - keine  Spur 
ses  Vermögens,  eben  so  wenig  an  den  Riemen  der  Fische  na® 
beiden.  Zur  Zeit  wo  die  Froschlarven  Extremitäten  bekomm®"’ 
verliert  sich  auch  nach  Sharpey  das  Vermögen  der  Rörperoh®*'' 
fläche  Strömungen  zu  erregen.  Zur  Zeit,  wo  die  hinteren  F*' 
tremitäten  hervorsprossten,  exlstirte  die  Strömung  nur  noch  "" 
der  Schwanzwurzel,  so  wie  an  einer  kleinen,  an  die  Anfiigest®' 
der  Hinterbeine  grenzenden  Portion  der  Körperoherfläc"  ' 
Sharpey  hat  die  Strömung  schon  im  Ei  des  WassersalamanJ?’^* 
beobachtet.  _ 

Sharpey  hat  Strömungen  des  Wassers  auch  ah  den  Rienif 
der  Mollusken  beobachtet.  Bei  der  Miessmuschel,  Mytilus  eduk’J 
streicht  das  Wasser  am  hintern  Ende  des  Thiers  nnunterbroclj® 
in  die  Riemenhöhle  ein , und  unfern  desselben  Orts  durch  ®'" 
besondere  Oeffnung  wieder  aus.  Sharpey  fand,  dass  an  ei"®  ^ 
abgeschnittenen  Stück  Kieme  längs  deren  Oberfläche  eine 
terbrochenc  Strömung  erregt  wurde,  und  dass  sich  die  R'®'*^ 
nach  der  entgegengesetzten  Richtung  durch  das  Wasser  bew®?^ ' 
Die  Hülfskieinen  und  die  innere  Oberfläche  des  Mantels  bracht®' 
dieselbe  Wirkung  hervor.  Pulver  im  Wasser  wird  längs 
Oberfläche  der  Riemen  von  der  Basis  bis  zum  Saume  be'ä®S| 
worauf  es  gegen  den  vordem  Th  eil  des  Thieres  rückt.  Bei 
Mollusken  entsteht  die  Strömung  von  den  Bewegungen  win*>? 
Wimperhaare,  welche  auch  an  den  Kiemen  der  Federhuschp®'- 
pen,  wie  schon  Steinbucu  beobachtete,  dieselbe  Strömung  h®  ^ 
Vorbringen.  Werden  die  Kiemen  in  süsses  Wasser  gebracht?  ’ 
hören  die  Bewegungen  der  Wimperhaare,  die  Strömungen 
Wassers  augenblicklich  auf.  Bei  einer  Süsswassermuschel 
die  Strömung  an  der  äussern  Seite  der  äussern  Kieme  vom 
nach,  der  Basis  gerichtet.  Auch  bei  anderen  Mollusken  sah  Sa* 
PEY  Strömungen  um  die  Kiemen.  Die  Ainphitriten  unter  " 
Anneliden  und  die  Actinien  gehören  ebenfalls  hierher.  ^ 

Die  Strömungen,  welche  die  letzten  Thiere  erregen,  w., 
von  den  Bewegungen  ihrer  Wimpern  her.  Purkinje  und 
LEKTIN  haben  die  Wimpern  aber  auch  an  den  Salamanderkiel®  ' 
ja  sogar  die  Wimperbewegungeri  in  allen  Schleimhäuten  der 
phibien,  Vögel,  SäUgethiere  (mit  Ausnahme  der  Schleimhaut 
Darms,  der  Harnwerkzeuge  und  männlichen  Geschlechtstheile)  ®' 
deckt.  Muei.ler’s  Archiv.  j.S34.  p.  391.  1835.  128.  159.  _ 

Kikje  et  Valentin  de  phaenomeno  generali  et  fundameniali 
vibratorii  confinui  in  membranis  cum  epeternis  tum  internis  anin“^ 


plurimorum.  JVratisl,  1835. 

3.  Vom  Athmen  der  TMereier. 

Die  Embryonen  der  Batrnchler,  der  Haien  und  Rochen, 
des  Schwertfisches  besitzen  selbst  äussere  Riemen  im  Foe^®’ ^ 
Stande  zum  Athmen  des  Wassers,  und  das  Drehen  der 
nen  der  Mollusken  im  Ei  scheint  zu  beweisen,  dass  sie  s® 
Strömungen  durch  die  Thätigkeit  ihrer  Athemorgane  erreg®®' 


3.  Athrnen  d.  Menschen  u.  d.  TIticre, ' Thiereier. 


301 


Mehrere  Beobachtungen  beweisen , dass  die  Eier  der  eierle- 
8**iden  Thiere  bei  ihrer  Entwickelung  die  Luft  so  verändern,  wie 
^^racbsene  Thiere,  und  .ohne  atmosphärische  Luft  und  lufthaltiges 
'"asser  sich  nicht  entwickeln.  So  verdirbt  der  Embryo  des  Vo- 
^®leies,  wenn  das  Ei  mit  einem  Firniss  oder  Oel  überzogen  wird.  ' 
^»ch  Michellotti’s  Versuchen  mit  Insecteneiern  zersetzten  diese 
"'ährend  der  Entwickelung  die  Luft,  doch  nur  bei +15®  bis  20®, 
''vährend  sie  unter  0 die  Atmosphäre  nicht  verändern.  In  irrespi- 
"®heln  Gasarten  findet  keine  Entwickelung  statt.  Pfaff  und 
^®iedlaendeb.  Franzos.  Amt.  i,  f/.  48.  Bubmeisteb  EV/tomofo^'ta  365. 
'’^geleier  entwickelten  sich  im  warmen  ' Wasser  nicht  und  eben 
Wenig  nach  Vidohg’s  Versuchen  in  irrespirabeln  Gasarten. 
^^handl.  für  Thierärzte  und  Oeconomen:  4.  445.  Dagegen  will 
*‘*'Man  [Isis  1818.)  beim  Bebrüten  von  Eiern  in  irrespirabeln  Gas- 
Entwickelung  beobachtet  haben.  Schwann  {de  necessilate 
^^rts  atmosph.  ad  evol.  puIli  in  ovo.  lierol.  18.34.  Mtjelleb’s  Archiv. 
*”•15.  p.  121.)  hat  dagegen  mit  sehr  genauen  Versuchen  diejenigen 
Vibobg  bestätigt.  Er  hat  gezeigt,  dass  bei  der  Bebrütung 
Hühnereiern  in  sauerstofl'freien  Gasarten  zwar  die  Vergrös- 
^^fung  der  Reimhaut,  die  Trennung  in  ein  seröses  und  Schleim- 
, die  Bildung  der  area  pellucida  vor  sich  gehen,  aber  weder 
Blut  noch  der  Embryo  gebildet  wird.  Eier,  welche  24  Stun- 
in  WasserstolFgas  bebrütet  waren,  entwickelten  sich  bei  Fort- 
l®Hung  der  Bebrütung  in  atmosph.  Luft  weiter,  dagegen  die  30 
‘ mnden  und  darüber  in  WasserstolFgas  bebrüteten  Eier  sich  in 
atmosph.  Luft  nicht  weiter  entwickelten, 
f . Da  die  atmosphärische  Luft  durch  die  Poren  der  Eisöhale 
•■eien  Zutritt  hat,  so  ist  es  fast  unmöglich,  dass  nicht  eine  Wech- 
."•''■irkung  zwischen  dem  Blute  in  den  Gelassen  der  Allantoishlase 
j®’’  Vogeleies  und  der  Luft  stattfinde,  ja  es  scheint  sogar  der 
|. ''äptxweck  der  Allantoide  zu  seyn,  eine  Gef ässentwickelung' mög- 
^^st  nahe  an  die  Oberfläche  zu  bringen.  In  den  Eiern  der  Vö- 
Verdunstet  beständig  Wasser  aus  dem  Eiweiss,  mögen  die  Eier 
^ebrutet  werden  oder  nicht.  Diese  Ausdünstung,  scheint  in  bei- 
Pallen  ziemlich  gleich  zu  seyn,  und  durch  diese  Ausdünstung 
v®s  Wassers'  vermindert  sich  das  Volum  des  Eiweisses  in  beiden 
und  weicht,  je  älter  ein  Ei  wird,  immer  mehr  von  dem 
^**ftpfen  Theil  der  Eischale  zui-ück.'  Hierdurch  entsteht  ein 
der  durch  die  Poren  der  Schale  mit  atmosphärischer  Luft 
In  Bischof  fand  in  dieser  Luft  mehr  Sauerstoffgas  als 

fler  atmosphärischen  Luft,  indem  es  in  verschiedenen  Eiern 
j *)  22  bis  24;t-  proc.  vom  Volum  der  Luft  variirte.  Schweigg. 

fand  in  dieser  Luft  25-t — 26®  Sauerstoff- 
ab*’  Bebrüten  nahm  der  Saucrstoffgehalt  bis  auf  17,9  proc. 

^ I Und  cs  fanden  sich  dafür  6 proc.  Rohlensäuregas.  Schweigg. 

^30.  1,  363.  Bebzelius  Jahresb.  11.  336. 

Mle-  erste  Entwickelung  des  Eies  der  Säugethiere  ist  nicht 
j ®'U  ohne  atmosphärische  Luft,  sondern  selbst  vor  der  Verbin- 
Uterus  der  Mutter  möglich,  wenn  das  Ei 
Bloss  von  den  Secretenides  Uterus  umgeben  ist.  Die  Eier 


^ugethiere  athmen  im  gewöhnlichen  Sinn  des  Wortes  nicht. 


302  II.  Buch.  Organ,  chemische  Proces.ie.  I.  Abschn.  Alhmen. 

sondern  dieser  Process  ist  durch  die  Verbindung  mit  der  IVlutl®'' 
ersetzt.  Nach  E.  ■ H.  Weber’s  schönen  Beobachtungen  sind  d'® 
Zotten  der  Placenta  des  Menschen,  auf  welchen  die  feinsten 
gelchen  der  Nabelartericn  in  die  feinsten  Zweigelchen  der  Nabe*' 
vene  übergehen,  wicQuasten  oderFranzen  in  die  sehr  dünnlii"*' 
tigen  venösen  Sinus  des  Uterus  der  Mutter,  welche  zwischen 
Läppchen  der  Placenta  verlaufen , eingesenkt,  und  w'crden  '’O'* 
dem  Blute  der  Mutter  uraspült.  Dagegen  findet  diese  Umspniu":) 
bei  den  wiederkäuenden  Tliieren  mit  zerstreuten  Placenten  od^* 
Cotyledonen  nicht  statt,  sondern  die  Zotten  der  Cotvledon«" 
stecken  in  scheidenartigen  Vertiefungen  des  Uterus  ganz  lose  i»"*^' 
gleichsam  wie  Wurzeln  im  Boden.  Diese  Scheiden  sind  auf  d*' 
renWänden  bloss  mit  den  Capillargefässen  der  mütterlichen 
fasse  ausgekleidet,  und  es  wird  hier  in  diesen  Scheiden  wie 
der  ganzen  Innern  Fläche  des  Uterus  eine  wcissliche  Materie  ab' 
gesondert.  Eine  Communication  der  Gefässhöhlen  der  Mutter 
des  Kindes  findet  übrigens  hier  so  wenig  wie  beim  Menschen  stad' 
Dass  in  der  Placenta  eine  das  Athmen  der  übrigen  Thierei®'^ 
ersetzende  Function  statt  finde,  ist  wahrscheinlich  aus  der  tödt' 
liehen  Folge,  welche  die  Unterbrechung  des  Blutlanfs  in  den  ?**' 
belgefässen  hat,  ferner  aus  dem  Umstand,  dass  eben  das  Athiw®" 
zur  Entwickelung  der  übrigen  Thiereier  nöthig  ist  und  durch 
Allantoide  geschieht,  welche  dieselben  Gefässe  erhält,  wie 
Chorion  des  Menschen  und  der  Säugethiere,  Vasa  umhilicalia,  ui’“ 
weil  endlich  in  einer  und  derselben  Tliierclasse  lebendig  gebärei»“® 
und  eierlegende  Thiergattungen  zugleich  Vorkommen!  So  entwickeb* 
sich  die  Eier  der  meisten  Eidechsen  und  Schlangen  in  der  Lna’ 
die  Eier  der  Lacerta  crocea,  der  Blindschleiche  und  der  Vip^’’’ 
im  Eierleiter.  Ja  selbst  in  den  Eiern  der  Eidechsen  hat  die 
Wickelung  des  Embryo  längst  begonnen,  wenn  die  Eier 
werden.  Es  scheint  also,  dass  der  Eierleiter,  in  dem  die  Eier 
Vipern  ohne  nähere  Verbindung  mit  der  Mutter  sich  entwick^^*”’ 
durch  Absonderung  eigenthümlicher  Flüssigkeiten  gleichsam 
Alhmen  der  übrigen  Amphibieneier  ersetze,  .und  eben  so  sclieiid 
bei  den  Säugelhiercn  zu  seyn.  Hiefür  spricht,  dass  die  Eiscb*' 
lenhaut  der  Lacerta  crocea  und  der  Vipern  ein  zartes  lläutcb'^'* 
ist,  w'ährend  sie  bei  den  eierlegenden  Eidechsen  und  Schlang®'* 
sehr  fest  ist.  v.  B.\eb,  Meck.  Arch.  1828.  573.  Indess  muss  a® 
Process,  welcher  bei  den  Säugethieren  in  der  Placenta  das  An'' 
men  ersetzt  oder  unnöthig  macht,  doch  ganz  eigenthümlicher^ 
seyn.  Denn  ein  merklicher  Unterschied  der  Farbe  zwisc'*® 
dem  Blute  der  Nabelarterien  und  dem  Blute  der  Nahelvene  ß’’ 
bei  dem  Menschen  und  den  Säugethieren  nicht  statt.  Wäre 
Nabelvene  der  Atheravene,  die  Nabelarterien  den  Atheraarter*®|^ 
(bei  den  Fröschen  und  Salamandern  Aeste  der  Aorta)  ganz  * 
vergleichen,  so  müsste  das  Blut  der  Nabelvene  heller  seyn  als 
der  Nabelarterien,  der  Rörperarterien  überhaupt  und  der  K®’ 
pervenen  des  Foetus.  Einen  solchen  Unterschied  haben 
Hunter  und  Osiander  nie  beobachtet.  Autenrieth  und 
{eopp.  circa  calorem  foetus  et  sanguinem.  Tub,  1795.)  haben 
Kaninchen  nie  einen  Unterschied  der  Farbe  bemerken  kenn 


3.  ^thmen  d.  Menschen  u.  der  Thier c, . Thiereier. 


303 


Eh 


oeii  so  wenig  Emmert  Lei  MeerscliweincLen.  Re 

I)age.''^en  nn  i1r»n  r^pfsiti^nii  rlpc  PJmrifMi«  fipi 
^'^MEKBÄCH 


^•Hlen 


iL's  Jrch.  10. 

en  an  Jen  Gefässen  Jes  Chorions 
und  Emmert  einiger  Unterschied  der  Farbe  statt 
soll.  Freilich  wollten  Herissant  und  Diest  (Haller  Disp.  V. 

52ß.)  und  Baudelocque  (Bichat  anat.  gen.  2.  4(i5.)  einen 
^ '^terschied  bemerkt  haben.  Bicuat  erklärt  sich  einmal  dagegen, 
p.  343.  Ein  andermal  sagt  er,  dass  der  Unterschied  bei 
ßerschweinchen  nicht  gross  sey,  l.  c.  p.  465.  Auch  ich  habe 
Kaninchen,  Meerschweinchen  und  Ratzenfoetus  schon  früher 
^l®[Wals  einen  Unterschied  bemerken  können.  Und  doch  sind 
®'nere  Thicre  hier  el)en  so  gut,  ja  noch  besser  zu  Beobachtun- 
geeignet,  als  grössere  Thiere.  Ich  habe  zwar  auch  zur  sel- 
^eii  Zeit,  da  ich  als  Studirender  mich  für  jenen  Gegenstand  in- 
•■essirte,  einst  bei  Vivisection  eines  hochträchtigen' Schaafes  ei- 
. solchen  Unterschied  zu  bemerken  geglaubt,  und  andere  Um-' 
^*^hende  glaubten  es  auch,  und  Joerg  will  am  Chorion  des  Pfei’- 
einen  Unterschied  bemerkt  haben.  Joerg  die  Zeugung.  Leipz. 
15.  273.  Allein  meine  späteren  Beobachtungen  sind  jener  ei- 
'*  Vom  Schaaf  nicht  günstig,  sondern  stimmen  mit  den  von  mir 
jj  kleineren  Thiereh  früher  gemachten  Erfahrungen.  Da  in 
in^*^**  viel  weibliche  Schaafe  geschlachtet  werden , so  kann  man 
^ der  ersten  Winterhälfle  jederzeit  Eier  von  den  Schaafen  (selbst 
Kühen)  mit  sammt  dem  Uterus  erhalten  und  man  erhält  sie 
p . «och  warm.  Regelmässig  Avurden  mir  im  Winter  solche 
zu  anatomischen  Zwecken  zugebracht,  und  nie  habe  ich 
er  einen  deutlichen  Unterschied  wahrnehmen  können.  Auch 


'«'ied: 


^ach  j;  fj  Weber  [Anat.  4.  524.)  findet  kein  Unterschied  bei- 
Blutarten  beim  Foctus  slatt,  und  die  Geburtshelfer  haben 
j^*®sen  auch  nicht  gesehen.  Gleichwohl  ist  der  Unterschied  des 
,,^''86nvenenbluts  von  dem  Körpervenenblut  bei  den  Amphibien 
so  deutlich,  dass  man  beide  Blutarten  am  linken  und  rech- 
Vorhof,  ja  selbst  noch  neben  einander  am  Ventrikel  an  der 
je  unterscheidet.  Bei  den  Fischen  dagegen  habe  ich  freilich 
vi  |.l®t*t  noch  keinen  evidenten  Unterschied  des  Blutes  bemerkt, 
Sa  weil  sie  in  einem  Medium  athmen,  welches  nur  0,01 

'*fi«toir  enthält,  wälirend  die  Luft  0,21  enthält. 

Eell  Kabelgefässe  des  Fötus  färbt  sich  an  der  Luft 

wie  cs  Venenblut  des  Erwachsenen  thut.  Ich  habe  diess 
gesehen;  vielleicht  geschieht  es  ein  Avenig  langsamer  und  Ave- 
stark,  was  Fourcroy  gesehen  haben  will.  Das  Blut  der 
gßlässe  und  des  Fötus  gerinnt  Aveniger  fest,  wie  schon  Four- 
io^l  und  ich  öfter  beobachtet  habe.  Bei  Vivisection  eines 
‘^•'«chtigen  Schaafes  gerann  das  in  ansehnlicher  Quantität  ge- 
Nabelvenenblut  langsamer  als  das  Blut  der  Nabeharterien, 
Sclj.''*'^Eeinlich,  weil  jenes  zuerst  gewonnen  Avurde.  Ich  habe  auch 
eing^  Kdher  gesehen,  dass,  als  ich  etwas  Blut  der  Nfibelgefässe 
5iej  Katzenfotus  in  ein  mit  Kohlensäurcges  gefülltes  Gläschen 
Iri)  Bess,  jenes  dunkler,  violett  wurde.  Dass  diese  Beobach- 
tvi^j  Nichtig  war,  habe  ich  vor  Kurzem  am  Blute  eines- Schaaffötus 
dejn  . gesehen.  Auch  hierin  gleicht  das  Blut  der  Nabelgefässe 
lute  der  Venen,  das  ebenfalls  (nicht  bloss  Arterienblut)  in 


304  II.  Buch.  Organ,  chemiscfie  Processe.  I.  Ahschn.  /Ithmen. 

K-olilensäure  noch  dunkler  -wird.  Wenn  man  etwas  Blut  der  N*' 
Lelgefässe  in  einem  Uhrgl'aschen  der  Luftpumpe  anssetzt,  so  vC*'' 
ändert  es  seine  Farbe  nicht,  es  wird  weder  heller  noch  dunkle*' 
und  wenn  ich  es  in  einem  frühem  Versuch  ein  wenig  dunklet 
zu  sehen  glaubte,  so  war  diess  gewiss,  wie  ich  aus  neueren  V®*"' 
suchen  schliesse,  nicht  richtig  beobachtet. 

■ Erhitzt  man  Blut  des  Erwachsenen  allmählig  in  einem  Gefä** 
mit  Gasentwicklungsrohr  bis  200“  F.  (74,6  E,.),  also  zuletzt  ül>** 

■ die  Gerinnungshitze  des  Eiweisses,  so  entwickelt  sich  keine  F'* 
auß  dem  Blute,  weder  SauerstolFgas,  noch  Kohlensäuregas,  und  <■)* 
.übergehende  Luft  ist  nur  die  unveränderte  atmosphärische,  die 
Gefäss  und  Gasentwickelungsrohr  enthalten  war.  II.  Davy  ni***’ 
sich  bei  einem  fi-ühzeitigen  Versuch  dieser  Art  getäuscht  hab®*’’ 
als  er  eine  Entwicklung  von  Luft  bemerkt  haben  wollte,  und  v>‘* 
Andere  sind  in  dieselbe  Täuschung  verfallen.  Als  ich  auf 
Art  das  bei  Vivisection  eines  trächtigen  Schaafes  erhaltene  Nab«' 
venenblut  erhitzte,  so  konnte  der  Erfolg  auch  kein  anderer  sey“' 
Die  übergehende  Luit  konnte  nur  die  unveränderte  des  Gefä-^'** 
seyn.  Eben  so  beim  Erhitzen  der  durch  Zerschneidung  der  -N“' 
belgefässe  und  Placenta  von  Katzenlotus  in  warmem  Wasser 
haltenen  wässerig  blutigen  Auflösung.  - 

Davy  wollte  einmal  bei  einer  Temp.  von  108  bis  200“  _ ' 
(3.3,7 — 74,6  R.),  als  eb  frisches  Arterienblut  des  Kalbes  in 
an  einem  Ende  verschlossene  Glasröhre  that  und  in  Blut 
derselben  Art  umstürzte  und  sie  dann  dem  Sonnenlicht  ausseU^^J 
SauerstolFgas  entwickelt  haben.  Beddoes  Contribulions  p.  182.  ' ^ 
ich  nun  früher  bei  Vivisection  einer  trächtigen  Katze  das  hj“ 
der  zerschnittenen  Nabclgefässe  in  Wasser  aufling,  und  die  r * 
centa  in  diesem  Wasser  zerschnitt,  mit  der  blutigen  Flüssigk 
ein  kurzes  am  Ende  verschlossenes  Glasröhrchen  füllte,  in  d«J^ 
selben  Flüssigkeit  umstürzte  und  nun  dem  Lichte  aussetzte,  kon** 
ich  keine  Entwicklung  von  Gashläscheii  beobachten.  Vor  eim^® 
Zelt  habe  ich  diess  mit  Nabelvenenblut  des  Schaalfötus  so 
derholt,  dass  ich  den  Apparat  so  gelinde  erwärmte  und  selb 
dann  keine  Anhäufung  von  Gasbläschen  in  dem  Ende  des 
röhrchens  bemerkt.  Aber  selbst  am  Arterienblute  des  Erwacb*®^ 
nen  lässt  sich  Davy’s  Versuch  nicht  mit  jenem  Erfolg  wieder'* 
len,  und  es  muss  Lei  Davy  eine  Täuschung,  vielleicht  von  '*“ 
chanlsch  heigemengten  Gasbläschen  statt  gefunden  Laben.  " 
Allem  geht  nun  hervor,  dass  sich  das  Blut  des  Fötu«,  seiner  ^ 
terien  wie  Venen,  der  Nabelarterien  und  der  Nabelvene  gar  m« 
merklich  von  dem  Venenblute  des  Erwachsenen  unterscheidet. 
Blut,  welches  durch  die  Nabel vene  aus  der  Placenta  zum 
zurückkehrt,  wird  thells  durch  den  Ductus  venosus  Arantn 
gleich  zum  Rörpervenenblute  des  Fötus  in  die  Vena  cava  *'’^V 
führt,  theils  gelangt  es  in  die  Pfortader,  so  dass  es  mit  dem  " yg., 
^derblute  die  Leber  durchkreist,  und  nun  erst  zum  übrj^gen 
neoblute  gelangt.  " ^gs 

Einige  haben  behauptet,  der  Liquor  amnli,  wovon 
umgeben  ist,  diene  zum  Athmen  der  Frucht  durch  die  Haut,  ^ 
weil  man  Liquor  amnii  auch  in  die  Luftröhre  eingedrungeo  » 


3.  Athmen  d.  Meiischew  u.  Thier e.  Athmen  d.  Thier eter,  305 


funden  hat,  ium  Athmen  durch  die  Lungen.  Scheel  de  liq.  amnii 
et  usu.  Hafn.  1709.  Leclarc  und  Geoffroy  St.  Hilaire  ha- 
dieses  Athmen  des  Fötus  angenommen.  Ja,  da  Rathre  hei 
oetn  Embryo  der  Wirhelthiere  kiemenbogenartige  Fortsatze  am 
**alse  entdeckt  hat,  so  gJaiibten  Andere,  dass  diese  auch  zum 
'^uimen  dienen  könnten.  Diese  zarten  Foi-tsälze  mit  Zwischen- 
®Palten  kön  nen  aber  beim  Vogelembryo  nur  in  den  ersten  Tagen, 
am  3 — 4.  Tag,  wo  ich  sie  gesehen,  deutlich  beobachtet  wer- 
und  sie  sind  nichts  anders  als  ein  allen  Wirbelthieren  ge- 
^a^iinsames  Gerüst,  auf  dem  sich  bei  den  Fischen  und  einigen  Am- 
P‘*ibien,  die  als  Larven  oder  später  noch  Kiemen  haben,  wirk- 
‘che  Kiemerdjlättchen  entwickeln,  während  diese  Entwicklung  bei 
übrigen  Th^eren  durchaus  fehlt,  und  die  Bogen  in  die  Hör- 
des  Zungenbeins  umgevvandelt  werden.  Vergl.  oben  pag.  286. 
nun  der  Liquor  amnii  nicht  zum  Athmen  dienen  kann,  geht 
j'^hon  aus  den  von  mir  in  der  Jugend  angestellten  Versuchen 
•Crvor,  in  welchen  Fische  in  Liquor  amnii  der  Kuh  und  des 
A^haafes  bald  starben  und  nicht  länger  als  in  Oel  (40  Min.)  leb- 
p**!  während  sie  in  derselben  Quantität  Rheinvvasser 'sehr  viel 
ausdauerten.  Die  Beobachtung  von  Lassaigne  {arch.  gen. 

1 uiey.  2.  308.) , dass  sich  in  dem  Liquor  amnii  einer  Sau  Luft 
®hmd,  welche  sich  hinsichtlich  ihrer  Zusammensetzung  aus  Oxy- 
Und  Azot  sehr  der  atmosphärischen  Luft  näherte,  kann  nicht 
.'*'d  richtig  angestellt  gewesen  seyn,  oder  der  Liquor  amnii  muss 
längeres  Liegen  des  Eies,  an  der  Atmosphäre  oder  durch 
j *^‘»00  des  Liquor  amnii  an  der  Atmosphäre  Luft  absorbirt  ha- 
Y®*’"  Da  ich  mich  unniöglich  mit  einigen  früheren  fehlerhaftea 
j^’^fsuchen,  aus  welchen  ich  bereits  auf  den  Mangel  respirahler 
in  Liquor  amnii  schloss,  befriedigen  konnte,  so  habe'  ich  mit 
^®8*erde  die  Gelegenheit  ergriffen,  diesen  Gegenstand  auf  eine 
P|p8fältige  Weise  zu  ermitteln.  Da  rnan  sich  heim  Erhitzen  einer 
Ussigiieit;  in  einem  Gefässe  mit  Gasenlwicklungsrohr  leicht  hei 
j.'^j^^’^hnung  der  in  .dem Gefässe  vorhandenen  Luft  irren  kann,  so 
ue  ich  den  Versuch  so  an:  Ich  füllte  ein  anatomisches,  10  Zoll 
li  Zoll  breites  Glasgefäss  von  17  Cubikzoll  Inhalt,  wel- 
Uh?  uach  Cubikzoll  gradüirt  worden,  mit  Liquor  amnii  des  Schaafs, 
stürzte  es  in  einem  Gefässe  mit  derselben  Flüssigkeit  um. 
a Gefäss  machte  ich  mit  warmem  Wasser  voll  und  erhitzte 
PY  8“iizen  Apparat  bis  zum  Kochen  in  dem  untern  Theile  der 
dg^**’8^eit.  Wenn  sich  hier  eine  Luftart  in  dem  Liquor  amnii 
Glasröhre  befand,  so  musste  sie  sich  in  dem  obern  Ende  der 
'Ifr  ^ '>usammelu.  Es  entwickelte  sich  aber  ausser  dem  sich  wie- 
«iit  '^“‘^‘^lensirenden  und  schnell  verschwindenden  Wassergas  nur 
*i(i^  kleine  Menge  Schaurp,  die  noch  nicht  ^ Cubikzoll  Raum 
So  fand  ich  es  auch  in  einem  zweiten  und  dritten  Ver- 
’ind  ich  erhielt  nicht  mehr  Luft,  seihst  als  ich  das  Kochen 
fortsetzte.  Prof.  Bergemann  war  bei  diesem  Versuche  ge- 
\vi^^®*’t'g,  und  überzeugte  sich,  dass  hierbei  keine  Luft  entwickelt 
'die  ' einem  4.  Versuche  eiliielt  ich  würklich  ein  wenig  Luft,  , 
nach  dem  Erkalten  noch  nicht  verschwunden  war,  es 
aber  sehr  wenig  und  betrug,  als  ich  sie  in  eine  ganz  kleine 
" Physiologie,  1.  20 


306  II.  Buch.  Organ,  chemische  Processe.  I.  Absclm.  Athmen. 

Eprouvette  üLergeleitet  hatte,  aus  den  17  Cuhikzoll  liquor 
nur  Cuhikzoll.  Diese  Luft  verminderte  sich  weder  von  ^ 
whsscr,  noch  von  Auflösung  von  Schwefelkall  und  enthielt  dah 
sicherlich  weder  respirirte  Luft,  Kohlensäure,  noch  respirahle  L« 
Vcrgl.  Weder.  Anat.  4.  491.  _ ^ 5 

Von  meinen  früheren  Versuchen  ist  noch  anzuführen,  n 
Kanmehenfoetus  von  4 Zoll  Länge,  aus  dem  Uterus  der  lebend 
Muiter  genommen,  mochten  sie  mit  geschlossenen  oder  geöffne* 
Eihüllen  der  Luftpumpe  ausgesetzt  werden,  nach  15  Min.  «ehe' 
todt  waren,  und  heim  Herausnehmen  wieder  sich  hewdgten.  Di 
beweist  aber  nichts  in  der  Frage  über  das  Athmen.  Die  L« 
pumpe  hebt  hier  bloss  den  Luftdruck  auf. 

JV.' Capilel.  Von  den  Veränderungen  des  Blutes 
durch  das  Athmen.- 
^Nacli  eigenen  Beobachtungen.) 

Durch  das  Athmen  wird  das  Blut  hellroth,  an  der  Oberfl«‘^^’|j 
ebenso,  wenn  Venenhlut  an  der  Lull  steht,  und  durch  und  du' 
hellroth,  weuir  Blut  mit  Sauerstolfgas  geschüttelt  wird.  He"'''’,, 
wird  das  Blut  auch  hei  Beimengung  von  Zucker,  von  Ncuti-alsal*  j 
wie  Salpeter,  Glaubersalz,  Salmiak,  Kochsalz,  kohlen.saurem  h-  .j, 
Kalilösung  macht  das  Blut  (wie  ich  sehe)  braun,  und  es  ist 
Irrthuni,  wenn  in  einigen  Büchern  das  Gegcntheil  steht.  In 
moniakgas  soll  das  Blut  nach  TuEWAnD  und  Huenefeld  kirscbrij^^^ 
werden.  Chlor  macht  das  Blut  braun,  dann  weiss,  Säui-en 
eben  es  braun,  Kohlensäure  aber  dunkler  roth,  violett,  zuU^^ 
fast  schwärzlich.  Blausäure  allein  soll  d-as  Blut  nach  WedemEIj 
heller  roth  machen  (?).  Nach  Hertwicb  macht  sie  indess  das  9 
auch  ganz  dunkel.  Froriep’s  VW.  759.  Schwefelblausäure  mach  , 
nach  Stevess  dunkler.  Kohlenoxydgas,  Kohlenwassersloll'gas, 
petergas  machen  das  Blut  nach  Hueivefeld  violett,  StickslolU^||, 
duUas,  Ilydrogengas,  nach  Huenefeld  purpurfarben  oder  ri* 
braun.  Blut  mit  Ilydrogengas  geschüttelt,  sah  ich  seine 
gar  nicht  verändern.  Rohlenwasserstolfgas  soll  nach  Berz^'-^^,, 
dem  schon  etwas  dunkeln  Blute  eine  hellere  Farbe 
Man  sieht,  dass  das  Blut  äusserst  emplindlich  für  vielerlei 
in  Hinsicht  seiner  Farbe  ist.  Der  Halilus  des  Blutes  scheint 
wichtige  Materie  des  Blutes  zu  seyn.  Man  weiss  aber  nicht, 
er  im  Arterien-  und  Venenblute  verschieden  wäre. 

Die  specilische  Schwere  des  arteriösen  und  venösen  h»  ^ 
ist  nach  J.  Davy  fast  gleich,  105,0.3  ; 105,49.  Vergl. 

Physiol.  4.  .381.  Nach  ihm  verhält  sich  die  Wärmecapacitat 
erstem  zu  der  des  letztem  wie  10,11  1 10,10. 

Das  Arterienblut  ist  nach  J.  Davy  um  1 — l-j®  Fahrenh. 
mer  als  das  venöse  Blut  (vergl.  pag.  80.),  was  Krimer  und 
damore  bestätigen.  Andere  Beobachter  hatten  keinen  UntersC^j^ 
bemerkt.  Burdach’s  Physiol.  4.  382.  Nach  Autehrietu, 

Davy,  Bertrold  und  Blundell  gerinnt  das  Arterienhlut  sehn 
als  Venenblut,  wovon  Thakrah  das  Gegentheil  beobachte 
BuRDAca’s  Physiol.  4.  382.  Nach  Mayer,  Blaihville  und  ^ 


4.  Veränderungen  des  Blutes  durch  das  Athmen. 


307 


das  Venenblut  etwas  weniger  Serum  und  mebr  Kucben. 
Arterienblut  entbäit  iiacb  Mayer  mebr  Fascrstoft',  und  giebt 
in  dickem  festen  und  glanzenden  Bündeln,  was  schon  Emmert 
ab.  Die  grössere  Menge  des  FaserstolFs  Im  Arterienblut  ist 
Berthoi.d  und  Denis  (Burd.  PÄri/o/.  4.  .382.) , und  von  inir  in 
®‘ner  Beobachtung  bestätigt  worden.  Nach  Denis  verhalte  sich 
Gebalt  von  Faserstoff  Im  venösen  und  arteriösen  Blut  beim 
^Unde  wie  24  ; 25,  nach  Beethold  bei  Ziegen  wie  366  ; 429,  bei 
Tatzen  wie  474  ; 621,  bei  Hammeln  wie  475  566,  bei  Hunden 

500  ; 666.  Nach  meiner  Beobachtung  an  der  Ziege  enthielt 
as  Venenblut  0,.395,  das  Arterienblut  0,483  Procent  Faserstoff, 
*eht  man  das  Mittel  aus  diesen  6 Beobachtungen,  so  verhält  sich 
Faserstoff  im  Venen-  und  Arterienhlute  wie  24  ; 29. 

Die  weichere  Beschaffenheit  des  Faserstoffs  im  Venenblut,  die 
J^aon  Emmert  beobachtete,  könnte  auf  die  Verrnuthung  führen, 
ass  durch  das  Athmen  der  Faserstoff  weiter  ausgebihlet  werde, 
y dessen  lässt  sich  die  weichere  Beschaffenheit  auch  aus  der  grossem 
•^•'theilung  der  geringem  Menge  von  Faserstoff  in  gleicher  Quan- 
dät  Blut  ableiten.  Die  geringere  Menge  des  Faserstoffs  im  Ve- 
ßnblute  rührt  auch  wohl  bloss  von  dem  Verlust  eines  Theils  des 
jdfgelösten  Faserstoffs  in  den  Capillargefässen  bei  der  Ernährung 
theils  von  der  Abführung  von  aufgelöstem  Faserstoff  aus  dom 
^^awebe  der  Organe  durch  die  Lymphgefässe,  eine  Quantität  Fa- 
j^ji’stoff,  die  erst  wieder  durch  den  Ductus  thoracicus  zumVenen- 
^ 'de  gelangt.  Dass  aber  das  Athmen  auf  die  Ausbildung  des  Fa- 
j^istoffs  dennoch  einwirke,  wird  wahrscheinlich  daraus,  dass  das 
Ijdt  des  Fötus  viel  weniger  Faserstoff  enthält,  obgleich  er  mit 
jj'Techt  darin  geläugnet  wurde,  und  dass  bei  der  Blausucht  von 
*^*’zfehlern,  wie  Offenbleiben  des  Ductus  Botalli  oder  des  Forainen 
im  Septum  atriorum  (vvegen  geringerer  Gerinnbarkeit  des 
j.  dtes?)  Neigung  zu  Blutungen  beobachtet  worden  ist,  obwohl  die 
'‘^würdige  Neigung  zum  Verbluten  aus  kleinen  Wunden  von 
Cr*"  ®^"w^ucht  verschieden  ist.  Dass  das  venöse  Blut  weniger 
j.^dor  (Blutkörperchen)  enthalte,  wie  Denis  behauptet,  halte  ich 
hypothetisch.  Wir  besitzen  kein  Mittel,  die  Menge  der 
'l^körperchen  in  einer  Blutart  zu  .schätzen.  Vergl.  oben  pag.  110, 
®fris  rech.  exp.  siir  le  sang  Inmain.  Paris  1830. 

widersprechenden  Beobachtungen  über  die  Wassermenge 

Cb  , . ‘‘len  Blutarten  hat  Burdacb  {Physiol.  4.  383.)  zusammen- 

eesteHt. 

Vergleichung  beider  Blutarten  auf  ihre  letzten  Bestand- 
® ‘St  von  Abildgaard  und  Michaelis  angestellt  worden.  Nach 
C5li’‘?'^'A‘>D  sollte  Venenblut  um  -j'j  — weniger  Nitrum  zu  al- 
vermögen,  als  Arterienblut.  PrArf , 'Äord.  Arch.  1.  493. 
hat  beide  Blutarten  durch  Verbrennung  mit  Rupfer- 
^ analysirt.  Schweigg.  J.  54.  Er  fand 


20* 


1 


308  II.  Buch.  Organ,  chemische  Processe.  I.  Ahsrhn.  Aihmen, 


Ivolilensloff 

Stickstoff. 

Wasserstoff 

Sauerstoff 

im  A'enös.  EiAveiss 
» arteriösen  » 

, 52,650 
53,009 

15,505 

15,562 

7,.359 

6,993 

24,484 

24,4.3^ 

im  venösen  Cruor 
n arteriösen  » 

53,231 

51,382 

17,.3.92 

17,253 

7,711 

8,354 

21,666 

23,011^ 

im  ven.  Faserstoff 
» arteriösen  ” 

50,410 

51,374 

17,207 

17,587 

8,228 

7,254 

24,065 

23,78^ 

Macaire  und  Marcet  {ann.  d.  chim.  et  jthys.  7’.  51.  p.  3S2.)  habe 
ähnliche  Versuche  mit  ähnliclien  Resultaten  angestellt. 

Hiernach  scheint,  dass  der  arteriöse  Cruor  Aveniger  RohleO' 
Stoff  enthält,  als  der  venöse,  was  sehr  gut  mit  der  Aussclieid«'’» 
von  Kohlenstoff  als  Kohlensäure  in  den  Lungen  stimmen  -würd«^ 
Das  Arterienhiut  enthielte  mehr  Sauerstoff,  was  für  eine  Aufnahm 
von  Sauerstoff  in  das  Blut  heim  Athmen  zu  sprechen  schei" ' 
Indessen  liesse  sich  doch  auf  diese  gefundenen  Verhältnisse 
dann  Werth  legen,  Avenn  sie  durch  Aviederholte  Analysen  hestä^'j 
dig  gefunden  werden.  Denn  sonst  kann  ein  kleiner  Unterscln®^ 
in  der  Austrocknung  der  zti  anal3'sirenden  Stoffe  schon  gro»> 
Differenzen  in  den  Resultaten  erzeugen. 

Das  arteriöse  Blut  wird  in  den  Capillargefässen  des  Kprp®*^^ 
dunkelroth,  das  venöse  Blut  wird  in  den  Capillargefässen 
Lungen  hcllroth.  Hört  das  Athmen  auf,  so  fliesst  dunkelrolb^^ 
Blut  von  den  Lungen.  Wird  aber  nach  Tödtung  eines  Thie**' 
das  Athmen  künstlich  unterhalten,  so  wird  das  Blut  in  den  L«^' 
gen  auch  wieder  hellroth.  Die  Durchschneidung  der  JVerven  d 
Lungen  (nervi  vagi)  hebt  diesen  Process  nicht  auf,  das  Blut  rötb 
sich  dann  eben  so  gut  noch  in  den  Lungen,  so  Avie  das  Blut  sellj*^ 
ausser  dem  Körper  noch  an  der  Luft  seine  Farbe  ins  Hellrot  ‘ 
verändert,  -und  Sauerstoff  in  die  Venen  der  Thiere  eingespi’u^ 
das  Venenhlut  hellroth  macht.  ^ 

Die  Kenntniss  der  Ursachen  dieser  Veränderungen  führt 
Theorie  des  Respiralionsprocesses  und  zur  Entscheidung  der 
ob  die  heim  Athmen  entAveichende  Kohlensäure  aus  dem 
bloss  ausgehauclit  wird,  oder  durch  Verbindung  von  Kohlenst*’ 
des  Blutes  mit  Sauerstoff  der  Luft  sich  erst  bildet. 

a,  ß eo  b a c Ii  t u n g e II  über  das  arltinellc  Blut. 

1.  Das  hellroihe,  arterielle  Blut  wird  unter  der  Lußp"'"^^^ 
nicht  dunkler.  Beccaria  und  Rosa  haben  behauptet,  dass  das 
terielle  Blut  unter  der  Luftpumpe  dunkler  Averde.  Siehe 

in  Meck.  Archiv  2.  207.  Wie  erstaunte  ich,  als  ich  diesen  ’ 
such  mit  dem  arteriösen  Blute  der  Carotis  einer  Ziege  wiederho^^J 
und  nun  fand,  dass  es  unter  der  Luftpumpe  nicht  im  ft 

seine  Farbe  verändert  und  hellroth  bleibt.  Auch  das  an  der 
allmählig  hellroth  gewordene  Venenhlut  wird  unter  der  Luftpi^" 
nicht  wieder  dunkelroth.  rfa/jSi 

2.  Arterienblut  enthält  kein  locker  gebundenes  Sauerslojjo 
das  man  durch  Erhitzung  des  Blutes  darstellen  könnte.  H.  H j^t 
beobachtete  im  Jahre  1799,  dass  12  Unzen  arterielles  Kalb« 


4.  Vcrlindcriuiaen  des  Blutes  durch  das  Athmeii, 


309 


Stunde  lang  bei  einer  Temperatur  von  96  — 108  — 200®  F. 
®*'‘*itzt,  1,8  C.  Z.  Gas  gaben , wovon  1,1  C.  Z.  koblensaures  Gas 
'***d  0,7  C.  Z.  SauerätolFgas  waren.  Gild.  ^nn.  12,  593.  Ber- 
zweifelt  an  der  Riebtigkeit  dieser  Beobaebtung,  welche 
Ijnter  die  frühesten  Ei-fabrungen  von  II.  Davy  gehörte.  In  der 
.bat,  wenn  Davy  den  Versudi  so  anslcllte,  dass  er. das  Blut  In 
>etn  Kolben  mit  Gasentwicklungsrobr,  das  atmospb.  Luft  ent- 
|elt,  erhitzte,  und  die  übergegangene  Luft  analysirte,  so  kann  ein 
^ einer  Feli'ler  in  der  Messung  bei  der  Analyse,  die  ohnehin  mit 
**'1  unsicbern  Salpetergas-Eudiometer  -angestellt  war,  leicht  je- 
Resultat  erklären.  Dass  sieb  aus  Arterienblut  kein  Sauerstoff- 
entwickeln  lässt,  bat  kürzlich  Collard  be  Martiony  bewie- 
Er  füllte  eine  Glasröhre  von  35  — 36  Zoll  Länge,  die  oben 
erschlossen  und  unten  leicht  gekrümmt  war,  mit  Quecksilber, 

. ed  liess  in  dem  obern  Theil  derRöhre  durch  Aufslellcn  derselben 
j Quecksilber  den  leeren  Raum  des  Barometers  entstehen.  An 
* offene  Ende  brachte  er  nun  die  ai't.  cruralis  eines  Hundes, 
er  durchschnitten  mit  den  Fingern  zuhielt,  und  liess  das  Blut 
dem  Quecksilher  der  Röhre  aufsteigen,  so  dass  es  einen  Zoll 
über  dem  Quecksilber  stand.  Nach  1^  Stunden  war  das 
^vUecksilber  beträchtlich  gefallen.  Darauf  .wurde  die  in  der  ba- 
jv.'botrischen  Leere  entwickelte  Luft  in  eine  mit  Quecksilber  ge- 
do  Und  ln  Quecksilber  aufgestellte  Eprouvette  geleitet.  Die 
bj^*’*Uge  Menge  des  Gases  w’urde  darin  ganz  von  Kali  causticura 
„^orbirt,-  enthielt  also  keinen  Sauerstoff,  sondern  war  Kohlen- 
j AIagehd.  Jouru.  de  pUjsiol.  1830.  Zur  Ermittelung  dieses 
^ ‘"’ierigen  Gegenstandes  habe  ich  iiuch  einen  Versuch  auf  eine 
'^'■e,  sehr  zuverlässige  Art  angestellt.  Ich  sammelte  Arlerien- 
einer  Ziege  aus  der  Carotis.  Diess  Blut  wurde  geschlagen, 
K Ilüssig  zu  erhalten.  Beim  Schlagen  des  arteriellen  Blutes 
zwar  der  etwa  darin  aufgelöst  enthaltene  Sauerstoff  ent- 
Y *^ben,  allein  das^  arterielle  Blut  bleibt  beim  Schlagen  hellroth. 
W**  Blute  w'urde  nun  eine  am  einen  Ende  verschlossene 

tVe'  ^läsröhre,  von  12  G.  Z.  Inhalt  gefüllt,  und  in  einem  sebi^' 
hohen  Glasgefäss,  über  dessen  Boden  Quecksilber  stand, 
Sostürzt,  so  dass  das  Blut,  durch  Quecksilber  abgesperrt,  dem 
j^^äospljj^rischen  Druck  ausgesetzt  war.  Das  äussere  Gelass  wurde 
äp?  warmem  Wasser  gefüllt,  und  diess  Wasser  bei  einer  Tera- 

' ''i'btiiw  •'y»  1-P  f r*i  ..  1 E_!i tl! l-_* 


®tur  von  50  — 52®  R.  mehrere  Stunden  erhalten.  hierbei 


sich  nur  Avenige  Gasbläschen  in  der  Röhre.  Zum 
wurde  der  Apparat  zuletzt  erhitzt,  bis  das  Eiwels's  des 
onten  gerann,  und  die  äussere  Flüssigkeit  köchte.  Die  kleine 
«Igj  Gas,  die  sich  seit  der  ganzen  Zeit  in  dem  obersten  Theile 
^lei  angesammelt  hatte',  betrug,  als  sie  in  eine  ganz 

*v  ühergcleitet  Avorden,  noch  nicht  -jL-  C.  Z.  Also 

'Ml  '^^'^’otheil  Blut  hatte  ungefähr  Proc.  Gas  entAvickelt,  das 
kej^^cheinlich  nur  mechanisch  durch  das  Schlagen  des  Blutes  sich 
zin^^'^ongt  hatte.  Als  ich  ein  Stückchen  Phosphor  ■ in  die  win- 
y kleinen  Eprouvette  brachte,  leuchtete  dieses 

-'^itlang,  es  musste  also  avoIiI  atmosphärische  Luft  seyn,  da 
Sauerste flgas  olme  Stickgas  nicht  das  Leuchten-  des  Phos- 


I 


, 310  II.  Buch,  Organ,  chemische  Frocesse,  I.  Abschn.  Athmen, 

pliors  liervorLringt.  Auch  wurde  nur  — oder  -j-  der  Giisniengc 
absorbirt,  worauf  das  Leuchten  aufbörte.  Aus  diesem  Versuch^ 
kann  man,  glaube  ich,  mit  Sicherheit  schliessen,  dfiss  sich  aii* 
arteriellem  Blute  kein  Sauerstolfgas  durch  Hitze  entwickeln  lasst- 

Ich  habe  diesen  Versuch  mit  8 Unzen  ungeschlagenen  Arte- 
rienhlutes  des  Menschen  ebenso  wioderJioIt,  welches  Prof.  Wutzb® 
aus  der  Art,  temp.  hei  einer  Augenentzündung  Hess  und  mir  g“' 
tigst  zurtellte.  Es  entwickelte  sich  keine  Spur  von  Gas. 

Gleichwohl  scheint  sich  sowohl  heim  Athmen  als  heim  Röthei’ 
des  Blutes  an  der  Luft  Sauerstoffgas  mit  den  Blutkörperchen 
verbinden,  aber  wahi'scheinlich  auf  eine  so  innige  Art,  dass 
sich  durch  massige  Hitze  nicht  wieder  davon  trennen  lasst. 
Davy  (Gilb.  Aim.  12.  592.)  erzählt  folgenden  Versuch:  Es  wui'“® 
in  eine  Phiole  von  12^  C.  Z. , die  mit  sehr  reinem  Sauerstollg** 
gefüllt  war,  der  Blutstrom  aus  der  Mediauvene  eines  Mannes 
eingelassen,  dass  keine  äussere  Luft  mit  hineindringen  könnt®' 
Das  Blut  wurde  sogleich  hellroth.  Als  sie  halb  voll  war,  wui'ä® 
sie  zugestopft,  in  Quecksilber  von  90“  F.  getaucht,  und  eine  halb® 
Stunde  darin  gelassen.  Beim  Herauszichen  des  Korkes  stürzt®" 
schnell  ungefähr  2 C.  Z.  Quecksilber  in  die  Flasche.  Es  haH® 
also  eine  Gasverschluckung  statt  gefunden.  Das  rückständige 
betrug  Sj'ö  C.  Z.  Sauerstoffgas  und  C-  2.  kohlensaures  GaS- 


b.  Beobachtungen  über  das  venöse  Blut 

1.  Vcnenhlut  wird  unter  der  Luftpumpe  nicht  heller.  Ich  kon»!® 
an  ganz  frischem,  noch  flüssigem  Venenblute  des  Menschen  eb®" 
so  wenig  unter  der  Luftpumpe  ein  Hellerwerden,  als  an  bcH''"^ 
them  Blute  unter  der  Luftpumpe  ein  Dunkclrothwerden  beobac"' 
teil.  Das  Hellrolhwerden  des  Blutes  beim  Athmen  kann  a» 


nicht  von  Ausbauchung  der  etwa  im  Blute  vorhanden 


,e  a®* 


senen  Kohlensäure  herrühren,  sondern  die  hellrothe  Farbe 
Arterienblutes  muss  entweder  von  Entfernung  eines  Theiles  ''"jj- 
Kohlenstoff  beim  Athmen  herrühren,  der  sich  mit  dem  Sauerst" 
der  Atmosphäre  zu  entweichender  Kohlensäure  verbindet,  ""  ^ 
es  rührt  wahrscheinlich  von  der  Bindung  eines, Theils  des  SaU®® 
Stoffs  mit  den  Blutkörperchen  her.  .j 

2.  Auch  das  mit  Ko/densäure  künstlich  imprägnirte  Blut  ä" 
unter  der  Lujtpumpe  nicht  heller  roth.  Ich  goss  circa  eine 
von  geschlagenem  Ochsenblut,  das  eine  halbe  Stunde  vorher  b®^^ 
Schlachten  gesammelt  war,  in  eine  mit  Kohlensäure  gefüllte 
hälsige  Flasche,  verschloss  dieselbe  möglichst  dicht,  und  schütt®*^^ 


das  Blut,  wobei  es  schnell  ganz  violett  dunkelroth  wurde, 
ich  ein  Uhrgläschen  voll  dieses  Blutes  der  Luftpumpe  aussßt* 


und  keine  Farbenveränderung  bemerkte. 


def 


3.  Mit  Kohlensäure  künstlich  imprügnirtes  Blut  wird  un 

Luft  wieder  etwas  heller.  Diess  habe  ich  hei  derselben  Uel^®|[^ 
heit  beobachtet.  Es  scheint  also  ziemlich  deutlich,  dass  das 
rolhwerden  des  Blutes  an  der  Luft  und  beim  Athmen  nicht 
der  Entfernung  von  Kohlensäure  ans  dem  Blute,  sondern  von 
Einwirkung  des  Sauerstoffes  herrührt.  ' -fd 

4.  Mit  Kohlensäure  imprügnirtes,  ganz,  dmkelviolettes  Bbd 


4.  Veränderungen  des  Blutes  durch  das  Athmen. 


311 


Sauerstoffgas  wieder  hellroth.  Icli  hatte  verlier  zwei  Flaschen, 
eine  mit  Kohlensäure,  die  andere  mit  Sauerstodj'as  gefüllt, 
die  Flasche  mit  Kohlensäure  goss  ich  etwas  Ochsenblut,  schüt- 
zte es,  bis  cs  ganz  violett- dunkelroth  geworden,  und  Hess  es 
j‘.**ige  Zeit  stehen.  Dann  goss  ich  das  aulfallend,  dunkle  Blut  in 
‘e  mit  SauerstolFgas  gefüllte  Flasche,  die  ich  schnell  verstopfte, 
schüttelte  das  Blut  mit  dem  .Sauerstoflgas,  in  dem  es  sehr 
^ehnell  wieder  hellroth,  fast  so  hellroth  wie  arterielles  Blut  wurde. 

5.  IVcnn  Blut,  das  mit  Kohlensäure  künstlich  imprdgntrt  ist, 

^ Sauerst ofjgas  geschüttelt  wird,  so  enthält  das  Gas  hierauf  Koh- 

Denn  ais  ich  nach  dem  Versuche  Nr.  4.  die  Flasche  in 
asser  ölfnete,  und  das  Blut  durch  Verdünnung  desselben  mit- 
tZugiessens  von  immer  mehr  Wasser  zu  entfernen  suchte,  die 
.asche  nun  mit  dem  Finger  unter  dem  Wasser  schloss,  und  in 
^'"em  Gefässe  mit  Kalkwasser  uiustülpte,  entstand  eine  Trübung, 
fahrend  von  dem  Gas  der  Flasche  etwas  ahsorbirt  wurde.  Oh 
‘'^se  Kohlensäure  die  vorher  .dem  Blute  künstlich  irnprägnlrte 
oder  oh  sie  sich  durch  Vcrhiiulung  von  Kohlenstoil  des 
'ates  mit  dem  SauerstolFgas  der  Flasche  gebildet  hatte,  will  ich 
"Entschieden  lassen. 

6.  Aus  Vencnhlut  lässt  sich  durch  Erhitzung,  und  durch  die 


. J'pumpe  keine  Kohlensäure 
1),  ^scheidune  von  Kohlcnsii 


e entwickeln.  II.  Davy  heobachtetc  die 


h -■ »ciieiciung  von  Ko  li  len  säure  aus  dem  Arterienhlut,  l’i  C.  Z. 
sollten  1,1  C.  Z.  Kohlensäure  enthalten  haben.  Davy  füllte 
eine  kleine  Schaafhlase  mit  Venenhiut  des  Menschen,  tauchte 
*E  darauf  in  Wasser  von  112“  F.,  und  fing  das  sich  entbindende 
Ws  • - 


^ im  pneumatischen  Apparate  auf.  Es  bestand  aus  Kohlensäure 
aus  wässerigem  Dunst.  Gilb.  Ann.  12.  594,  Vogel  fand, 
(lyj  Blut  unter  der  Luftimmpe  schäumend  Gas  entwickelte, 
gM  dass  sicli  heim  Hindurchleiten  des  Gases  durch  Kalkwasser 
Wenig  kohlensaurer  Kalk  bildete.  Sckweicg.  Journ.  11.  401. 
j^®anlich'e  Beobachtungen  will  Brande  gemacht  haben;  er  mittelte 
dass  in  Arterien-  und  Venenblut  Kohlensäure,  enthalten  sey, 
dass  dayon  in  einer  Unze  Blut  2 C.  Z.  enthalten  seyen.  Ann. 
-f  fktm,  et  de  phys.  10.  207.  Home  und  Bauer  bestätigten  dicss, 

iRiIq-  « ' • . ...  l._l. 


"m  Barytwasser  mit  Blut  zugleich  unter  der  Luftpumpe  koh- 


^"'■yureii  Baryt  bildete.  Philos.  Transact.  1818.  172.  Mecrel’s 
5.  3()9.  Philos.  Transact.  1820.  Zur  Entscheidung  der 
oh  das  Gas  durch  den  Verdauungsprocess  gebildet  werde, 
Wde  einem  Manne,  nachdem  er  gegessen  und  Porter  getrunken, 
«cf  M"*"  Das  Blut  entwickelte  unter  der  Luftpumpe 

viel  kohlensaures  Gas.  Endlich  hatte  \auch  ..Scudamore  {an 
Oft  ihc  blpod'.  Land.  1824.)  Kohlensäure  im  Blute  beobacli- 
Reid  Clanny  fand  neulich,  dass  in  16  Unzen  Blut  1 C.  Z. 
Y^olensäure  enthalten  sey.  Beurend’s  Rep.  der  med.  J . iliat  1832. 
'’Sh  Mueller’s  Archia.  1835.  120. 

Um  so  belrcmdcnder  war  es,  dass  John  Davy  ganz  das  Ge- 
1 ^heil  dieser  Erfahrungen  beobachtete,  dass  nämlich  frisch  ge- 
j^^Enes  Blut  keine  Spur  von  Kohlensäuregas,  weder  im  luftleeren 
Erhitzen  bis  zum  Gerinnen  in  Dcsidlationsge- 
sen  abgiebt;  dass  das  Blut  vielmehr  -i-  seines  Volums  Kohlen- 


312  II.  Buch.  Organ,  chemische  Processe.  I,  Ahschn.  Aihmen. 


s'äuregas  ahsorLirt  (von  MiTscnERLiCH,  Tiedemaü??  und  Gmeeis 
stätigt),  welclies  dabei  vom  Alcali  im  Blute  gebunden  wird,  so  das* 
es  selbst  bei  einer  Temp.  von  03"  C.  daraus  nicht  wieder  zu  cf' 
halten  ist.  .Journ.  de  ehern,  me'd.  5.  246.  Jahrab.  von  Bebzelie'®' 
10., 233.  Feoriep’s  iVoA  21.  209.  ’Txt.nt.isw-frs  Zeitschr.  f; PhYsiol- 

Seither  sind  neuere  .Versuche  über  den  Rolilensäurcgelialt  de® 
Blutes  von  Collard  de  Martigny  angestellt  worden.  AIace^p'® 
Journ.  de  physiol.  10.  126.  Er  brachte  sowohl  Arterien-  als 
nenblut  in  den  luftleeren  Raum  des  schon  beschriebenen  Bai'*®' 
raeterapparates,  und  wollte  nun  bei  so  kleinen  Mengen  Blut  (5®' 
funden  haben,  dass  es  kohlcnsaures  Gas  ausdünste,  wovon  d»’ 
Yenenblut  melir  enthalten  soll,  als  das  arterielle.  Diesen  Versuche*’ 
mit  überaus  kleinen  Quantitäten  Blut  geht  wohl  aller  Werth  a^' 

Neuerlich  hat  Dr.  Strohmeyer  abci-mals  gezeigt,  dass  sie** 
aus  Blut  weder  mit  der  Luftpumpe,  noch  durch  Erhitzen  desse*' 
ben  Kohlensäure  entwickelt.  E.  C.  F.  Strohmeyhr  liberutnne 
dum  sangulne  continetur?  Diss.  inaug.  Gotting.  1831.  ScuwEiO*’’ 
Journ.  iS31. 

Bei  diesem  Widerstreit  der  Beobachtungen  schien  es  mir  durc^*' 
aus  nothwendig,  mich  durch  eigene  Erfahrungen  von  der  WahC' 
heit  zu  überzeugen.  Hr.  Prof.  Bergemann  interessirte  sich 
diese  Untersucliung,  und  wir  machten  sie  gemeinschaftlich.  R® 
füllte  einen  Kolben  fast  ganz  mit  ganz  frischem  Schaafblute  (cif*'* 
1 Pfund),  so  wie  es  beim  Schlachten  bei  Durchsebneidung  d®*' 
'Halsgefässe  gewonnen  wurde,  und  verstopfte  ihn  sogleich.  P"* 
Laboratorium  des  Hrn.  Prof.  Bergemann  befand*  sich  ganz  in  d®t 
Nähe  dos  Orts,  wo  das  Blut  gewonnen  wurde,  und,  es  konnte  d®’ 
ganz  frische  Blut  sogleich  auf  Kohlensäureentwicklung  gep®** 
werden.  Der  Kolben  wurde  nun  mit  einem  Gasentwicklungsroo 
verbunden,  und  dieses  mit  der  mit  Quecksilber  gefüllten  Epr**“") 
vette  des  Quecksilherapparates  in  Verbindung  gesetzt,  darauf  d® 
Kolben  im  Wasserbade  3^  Stunden  lang  anfangs  bis  60" , spa*® 
bis  70und74"  R.,  200®  F.,  erhitzt.  Die  aus  dem  Gasentwicklung®' 
rohr  übergehende  Luft  wurde  in  der  Eprouvette  durch  Kalkn*'® 
ser  auf  Kohlensäure  geprüft.  Von  G.  Z. , die  aus  dem  P®*" 
'entwicklungsrohr  übergegangen  waren,  sind  C.  Z.  absorb’''j 
also  noch  nicht  C.  Z.  Kohlensäure  ausgeschieden  worden, 
es  war  fast  nur  die  vorher  im  Gasentwicklungsrohr  vorband®' 
Luft  übergegangen.  Jenes  y C.  Z.  Kohlensäure  könnte  sich 
auch  erst  während  des  Versuchs  durch  Wirkung  der  irn  Rohr  ®” _ 
haltenen  Luft  auf  das  Blut  gebildet  haben.  Diesen  Versuch  h« 
ich  hernach  mit  Venenblut  des  Menschen  wiederholt.  Das 
Gefäss  wurde  sogleich  verstopft  und  der  Versuch  nach  der  A 
Scheidung  des  Serums  vorgenommen.  Durch  Kali  caust.  'ffW*' 
nur  .5^  C.  Z.  der  übergangenen  Luft  absorbirt.  ^ 

Auch  habe  ich  bei  wiederholtem  Versuche  mit  der  Luftpo*®’^ 
kein  Koblensäuregas  aus  dem  Blute,  wie  es  beim  Schlachten  ® 
halten  wird,  entwickeln  können. 

Eben  so  wenig  konnte  ich  aus  Ochsenblut,  wie  es 
Schlachten  erhalten  wird,  Kohlensäure  entwickeln,  als  ich 


313 


4,  Veränderungen  des  Blutes  durch  das  Athmen, 

geschlagenem  Oclisenljliit  gefüllte  Eprouvette  in  ein  Glas  voll 
. iit  umstürzte,  und  diesen  Apparat  langsam,  zuletzt  l>is  zura  Ge- 
*''onen  des  Eiweisses  erhitzte.  Hierbei  entwickelte  sich  keine  ir- 
gend merkliche  Quantität  Luft,  sondern  es  sammelte  sich  nur  ein 
^atiz  kleines  Gashtäschcn  in  dem  obersten  rhcilc  der  Röhre.  Ich 
^ahe  diesen  Versuch  noch  einmal  mit  Schweinehlut  so  angestellt, 
es  geschlagen  wurde,  ohne  mit  der  atmosphärischen  Luft  in 
Berührung  zu  kommen.  Das  Blut  wuirde  nämlich  in  einem  lan- 
Ren  vollen  verstopften  Gefäss,  worin  sich  ein  Eisenstähehen  he- 
gerüttelt,  und  das  Gefäss  darauf  in  einem  Schälchen  mit 
xuecksilher  umgestüi-zt , und  der  Apptirat  in  ein  hohes  Gefäss 
R^stellt,  div,s  mit  w armem  Wasser  gelülli  wurde.  Das  Wasser  w'urde 
'Mehrere  Stunden  lang  bis  .52“  R.  erhitzt,  es  entwickelte  sich  keine 
^öft  bjg  ayf  0iij  sranz  unbedeutendes  Gashläschen.  ^ 

Die  Untersuchungen  von  Mitscheblich,  Gmelin  und  Tiede- 
{Zeitschr.  für  Physiol  5.)  haben  ähnliche  Resultate  geliefert. 
Wurden  an  einem  lebenden  Hunde  die  A.  undV.  cruralis  bloss- 
in  dieselben  kleine  metallene,  mit  einem  Hahn  versehene 
■^^öhren  befestigt;  aus  diesen  wurde  das  Blut  in  mit  Quecksilber 
Rpiullte  und  in  Quecksilber  urngestürzte  Cylinder  gelassen,  nach- 
man  vorher  sd  viel  Blut  auslliessen  licss,  dass  alle  in  dei 
; ®*'l)indungsrohre  enthaltene  Luft  ausgetrieben  wurde.  So  wurde 
Blut  innerhalb  des  Cylinders,  welcher  halb  damit  gefüllt  war, 
die  Luftpumpe  gebracht.  Obgleich  beiiri  Auspumpen  Blasen 
^•jistanden,  wodurch  das  Quecksilber  des  Cylinders,  welches  um 
H Zoll  höher  stand  als  in  der  Schaale,  um  1 Zoll  herabsank,  so 
p'Sle  sich  doch  beim  ällmähligen  Zulassen  voii  Luft  unter  die 
^'ocke  der  Pumpe,  dass  die  Blasen  schnell  verschwanden,  dass 
*1«  also  nicht  aus  einem  Gase  bestehen  korinten  und  dass  sie  bloss 
mit  Wasserdampf  gefülltes  Volumen  waren.  Beide  Blutarten 
^®*'liielten  sich  bei  diesen  Versuchen  gleich. 

1.  Blut,  welches  künstlich  mit  Kolilensäure  imprägnirt ^ ist,  ent— 
'^^^clt  auch  kaum  etwas  KoMensäure  unter  der  Lujtpumpe.  ' Das  mit 
p'*'>lensäure  versetzte  Blut  wurde  zuerst  wieder  in  ein  offenes 

4 fass  ausgegossen,  und  dann  in  einer  Flasche  auf  eine  passende 
, Unter  der  Luftpumpe  behandelt.  Da  sich  das  Kalkwasser  nicht 
•■übte,  so  kann  ich  auf  ein  schwaches  Ralkhäutchen , das  ^h 
eim  Herausnehmen  des  Apparats  zeigte,  keinen  Werth  legen.  Das 

f'itwar  während  des  Auspumpens  nicht  heller  geworden.  Vergl. 

Dzvr  oben  p.  310.  t i « 

8.  Mit’ diesen  Thatsacheii  stehen  wieder  Versuche  von  Hoff- 
unä  Steveks  in  Widerspruch,  nach  welchen  sich  zwar  durch 

Luftleere  und  Wärme  keine  Kohlensäure  aus  dem  Blute  ent- 
^‘^'^eln  lasst,  Avohl  aber,  Avenn  dasselbe  mit  einer  andern  Gasart, 

5 Wasserstoffgas,  geschüttelt  wird.  Muellek’s  ^yre/uV.  1835.  110- 
? ■W'ie  diese  Versuche  aiigcstellt  scheinen,  beweisen  sie  fredich 

"^mviel;  denn  Avenn  das  zu  solchen  Versuchen  angewandte  Was- 

®*'stoffgas  nicht  erst,  ehe  es  zum  Blute  gelangt,  durch  Auflosiin- 
von  Kali  und  Kalkwasser  mehrmals  hindurchgeleitet  wird,  so 
‘'malt  es  schon  Kohlensäure.  „ 

9.  Blut,  dunkelroihes , welches  durch  Beimengung  von  balzen 


314  II.  Buch.  Organ,  chemische  Processe.  I.  Abschn,  Athmen. 


heüroth  wird,  entwickelt  dabei  keine  Kohlensäure.  Ich  füllte  eine 
Eprouvette  mit  geschlagenem  Ochsenblut,  setzte  eine  ansehnliche 
Quantität  Salpeter  hinzu,  und  stürzte  die  Eprouvette  in  einen* 
Gefäss  mit  geschlagenem  Ochsenblut  um,  und  erhitzte  den  Ap' 
parat.  Es  entwickelte  sich  kein  Gas. 

Stevens  [pbsero.  on  tlie  hcalthy  and  diseased  properties  of 
hlood.  Land.  1832.)  hat  einige  interessante  Beobachtungen  über 
den  Antheil  der  Salze  an  der  hellem  Farbe  des  Bluts  gemacht. 

10.  Die  rothe  Farbe  des  Blutcoagulums  wird  im  destilUA^’^ 
W asser  dunkler,  und  zwar  schwärzlich.  Dass  Blutcoagulum  in 
stillirtem  Wasser,  welches  die  Salze  auszieht,  dunkel  und  von  Sah' 
lösung  wieder  heller  roth  wird,  hat  B.  Füoriep  bestätigt.  Frobiei’’'* 
Not.  759.  Diese  Färbung  erfolgt  auch  im  luftleeren  Raum.  MuE^' 
lek’s  Archiv.  1835.  1J9.  Hieraus  schliesst  Stevens,  dass  nicht  da* 
Oxygen  der  Atmosphäre,  sondern  dass  das  salzhaltige  Serum  da* 
Blut  hell  färbe,  daher  sey  hei  Mangel  der  Salze  im  'ßlut,  wie  ■" 
der  Cholera,  im  gelben  Fieber,  das  Blut  dunkler,  röthe  sich  a" 
der  Luft  nicht,  wohl  aber  bei  Zusatz  von  Salzen.  Hieraus  schlies)^ 
nun  Stevens,  dass  die  dunkle  schwärzliche  Farbe  des  Blutes  dl« 
natürliche  des  FarbestolTs  sey,  und  dass  der  FarbestolT  der  Bltd' 
körperchen  nur  so  lange  roth  sey,  als  er  mit  salzigen  Theilen  de* 
Serums  in  Berührung  ist.  Daher  könne  sich  Blutcoagulum,  da-’ 
in  destillirtes  Wasser  getaucht  worden,  an  der 'Luft  nicht  mch*’ 
hellroth  färben,  es  färbe  sich  aber  sogleich,  wenn  man  es  in  eine 
Salzlösung  tauche.  Stevens  hält  <lic  supponirte  Kohlensäure 
Veiienblut  für  die  Ursache  der  dunkeln  Farbe  diese«  Blutes;  s**' 
bald  diese  an  der  Atmosphäre  oder  beim  Athmen  aus  dem  Blid® 
entfernt  werde,  werde  das  Blut  von  selbst  und  nicht  durch  de” 
Sauerstoß  hellroth.  i Wenn  diess  richtig  wäre,  so  müsste  Venc”‘j 
blut  unter  der  Luftpumpe  hellroth  werden,  was  nicht  der  F”; 
ist.  Ebenso  müsste  das  dunkeirothe  Blut  auch  in  WassersloHg”’ 
hellroth  werden,  weil  darin  eben  so  gut  Kohlensäure  sich  cid' 
wickeln  kann,  indem  ja  eine  mit  Wasserstoßgas  gefüllte  Bla*” 
Kohlensäuregas  bis  zum  Zerplatzen  anzieht.  S.  p.  232.  Ohne  d'” 
Nothwendigkeit  der  Salze  im  Blute  zur  Erzeugung  der  hellroll»-'” 
Farbe  zu  leugnen,  muss  man  doch  gestehen , dass  der  Sauerstol’i 
wenn  er  aut  die  von  salzigem  Serum  umgebenen  Blulkörpercb”” 
wirkt,  die  Ursache  zur  hellem  Färbung  wird,  ohne  dass  der  Sal^' 
gehalt  im  Blute  sich  ändert. 

11.  Blut  mit  atmosphärischer  Luft  geschiittelt,  verwandelt 
Thed  des  Sauerstoffs,  derselben  in  Kohlensäure.  Bertuoleet  (SciivTE*”” 
Journ.  1.  181.)  liess  geronnenes  Blut  mit  atmosphärischer  Luft  ”* 
einem  Manometer  von  28,91 2 C.  Decimeter  24  Stunden  bei  ei»«” 
Temperatur  von  24  — 25»  C.  stehen.  Die  Luft  enthielt  hernac” 
3,91  Kohlensäure  in  100  Th.,  und  es  war  eben  so  viel  Sauerst» 
gas  verschwunden.  Zwei  andere  Vei’suche  ergaben  etwas  wenic«^^ 

J.  Davy  hatte  seltsamer  Weise  die  Farbenveränderung  d«’ 
Blutes  von  der  atmosphärischen  Luft  in  Zweifel  gezogen,  und 
hauptet,  dass  das  Blut  in  Wasserstoß’gas  sich  eben  so  verhak  ' 
Diess  ist  aber  bestimmt  ein  Irrthum.  In  Wasserstoßgas  veräud«*^^ 
das  Blut  seine  Farbe  durchaus  nicht,  und  wenn  dasselbe  Blut  da» 


4.  Verändeningen  des  Blutes  durch  das  Athmen. 


315 


****1  atmospliärischer  Luft  gescliüttelt  wird,  wird  es  hellrotli.  Chri- 
^Tisos  (Froriep’s  Ao/.  ^44.)  Ijat  die  Kolilensäurebildung  bei  Be- 
tthrung  des  Blutes  mit  atmospbäriscber  Lull  neuerdings  erwiesen. 
'Oe  mit  Blut  vollgefüllte  Flascbe,  in  welcber  ein  Stück  Blei  lag, 
^OrJe  verstopft  und  gescbüttelt,  dass  das  Bleistück  den  Stab  beim 
^eblagen  des  Blutes  ersetzte,  und  das  Blut  flüssig  erbalten  wurde. 

* ‘oses  flüssige  Blut  wurde  in  einer  Flascbe  mit  atmospbäriscber 
^ült  gescbüttelt.  Curistison  beobacbtete  hierbei,  jedesmal  (bei  13 
^ersuchen)  eine  Volumverrainderung  der  Luft.  Zur  Ermittelung 
6r  K.oblensäurebildung  diente  folgender  Apparat,  dessen  ich  mich 
l'joli  bei  dem  später  zu  crwäbnenden  Versuche  bediente.  Die 
lasche,  worin  die  atmosphärische  Luft  und  das  Blut  sieb  befan- 
'j")  batte  2 Oelfnungen,  die  mit  einem  Hahn  versehen  waren; 
1*01  der  einen  war  die  Gasentwicklungsröhre,  die  in  die  Eprou- 
®tte  Quecksilberapparates  führte,  mit  der  andern  ein  hoher 
siebter  verbunden.  Nachdem  Luft  und  Blut  gescbüttelt  worden, 
l^Orde  die  Luft  durch  Zugiessen  von  Wasser  ^urch  den  Trichter 
das  Gasentwicklungsrohr  und  in  die  Eprouvette  getrieben, 
ooip.  44 — 52«  F.  Die  Quantität  der  gebildeten  Rolilensäure 
7,''*’  immer  kleiner  als  die  des  verschwundenen  Sauerstoffs.  Die 
. *'®orption  des  Sauerstolles  der  Luft  betrug  0,57  bis  1,4  C.  Z.  auf 
^ C.  Z.  Blut.  Die  gebildete  Kohlensäure  betrug  nie  mehr  als 
C.  Z. 

. leb  habe  den  Versuch  von  CagisTisoN  kürzlich  mit  seinem 
^PParate  wiederholt,  mit  dem  Unterschiede,  dass  die  Flascbe  ohne 
'dine  war,,  wobei  der  Trichter  bis  auf  den  Boden  der  Flascbe 
j®'chte.  Die  Flascbe  hielt  17  C.  Z.,  davon  10  C.  Z.  atmospb. 

1 Olt,  und  7 C.  Z.  Schweineblut.  Curistison  hatte  das  Blut  zu 
^Orze  Zeit  gescbüttelt,  ich  schüttelte  den  Apparat  sehr  häufig  in- 
*''*''''alb  0 Stunden.  Nach  6 Stunden  leitete  ich  durch  Druck 
im  Trichter  zugegossenen  Wassers  den  grössten  Theil  der 
bis  auf  den  Schaum  in  2 mit  Quecksilber  gefüllte  Eprou- 
otten  des  Quecksilberapparates.  In  der  Eprouvette  A betrug  die 
'Sorption  der  Kohlensäure  durch  Kali  caust.  des  Gases.  Die 
O^Ü^ovette  A enthielt  3,7  C.  Z.  Gas.  In  3,7  C.  Z.  waren  also 
.’  ‘ L.  Z.  Kohlensäure  gebildet,  ln  der  Eprouvette  B betrug  die 
'Sorption  -jy  des  Gases.  Die  Eprouvette  enthielt  4,7  C.  Z.  Gas. 
j^svin  waren  also  0,28  C.  Z.  Kohlensäure;  zusammen  0,45  C.  Z. 

ohlen.säure  in  3,7  + 4,7  C.' Z.  Diess  macht  auf  die  10  C.  Z. 
^loiosph.  Luft,  die  mit  7 C.  Z.  Blut  geschüttelt  wurden,  \ C.  Z. 
^olilensäure. 

1-2.  Ich  habe  schon  früher  erwähnt,  dass  weder  Sauerstoff- 
noch  Kohlensäuregas  die  Form  der  Blutkörperchen  verändert. 

als  ich  Froschblut  mit  diesen  Gasen  schüttelte,  traten  ziwar 
gewöhnlichen  Farbenveränderungen  ein,  aber  die  darauf  mi- 
j^oskopisch  untei'suchten  Köiperchen  zeigten  sich  unverändert. 
^"Utere  Versuche  habe  ich  in  Poggend.  Ann.  1832.  beschrieben, 
d dort  auch  angeführt,  dass  ich  Kaetehbbunner’s  Angabe  nicht 
®st'ätigt  gefunden  habe,  dass  die  Blutkörperchen  - beim  üeber- 
j*Og  aus  den  Arterien  in  die  Venen  ,sicli  etwas  verändern  sollen. 
, ' Blute  des'  linken  Vorhofs  der  Frösche  oder  der  Lungenvenen 


des 

^uft 


316  II.  Buch.  Organ,  chemische  Processe,  II.  Ahschn.  Athmen. 

sind  die  Blutkörperchen  durchaus  so,  wie  im  Blute  des  rechte^ 
Vorhofs  oder  der  Körpervenen. 

V,  Capitel.  Von  dem  chemischen  Process  des 
Athmens. 

Es  würde  eine  selir  ßilscheVorstellung  seyn,  wenn  man  sic^* 
dächte,  während  des  Einalhrnens  dringe  der  Sauerstoff  der  eingf^' 
athmcteu  Luft  durch  die  Capillargefässhäute  in  den  Wänden  di-t 
Lungenzellen  bis  zu  dem  Blute  derselben  ein , und  beim  Ausath' 
men  werde  Kohlensäure  aus  dem  Blute  durch  die  Gcfässwäi'd® 
hindurch  ausgehaucht  Die  Aufnahme  von  SauersloflP  in  das  Bläh 
welches  durch  die  Capillargefässe  jder  Lungenzellen  wände  ströiuh 
und  die  Ausbauchung  von  Kohlensäure  findet  vielmehr  hestämhS 
ohn«  Unterbrechung,  sowohl  während  des  Ausathrnens,  als  wäh' 
rend  des  Einathmens  statt.  Die  Bewegung  des  Einalhrnens  ui'ö 
Ausathrnens  ist  nichts  anders,  als  eine  abwechselnde  Erweiterui'S 
und  Verengerung  der  Brust  und  der  Lungen  ; die  Lungen_  werdej' 
dabei  nie  leer  von  Luft,  und  enthalten  unter  fortdauernder  Aul' 
nähme  von  Sauerstoff  ins  Blut,  und  Ausbauchung  von  KohleusäurC) 
theils  atmosphärische  Luft,  theils  etwas  der  ausgehauchten  Koh' 
lensäure.  Durch  das  Ausathmen  wird  die  veränderte  Luft  n‘‘* 
grossentheils  entfernt,  und  die  Luft  der  Lungen  erhält  einen  neud* 
Zufluss  respirahler  atmosphärischer  Luft.  Bei  vielen  Thieren  Ich' 
len  die  Athenihewegungen  am  Athemorgane  ganz,  und  es  find®*^ 
nur  der  beständige  SlolFw'echsel  statt,  wie  an  den  vorstehende* 
unheweglichen  Kiemen  der  Salamanderlarveni 

Wie  der  Sauerstofl'  der  Atmosphäre  beständig  durch  dieWänd^ 
der  Lungcnzellen  in  das  diese  Wände  durchströmende  Blut,  uiJä 
aus  demselben  durch  die  Wände  der  Zellen  die  Kohlensäure  S®' 
lange,  bedarf  keiner  Erklärung,  nachdem  im  vorigen  Buch  p“?' 
2.30.  die  Permeahililät  der  weichen  thicrischen  Thciie,  namentlich 
Häute,  für  flüssige  und  gasförmige  Stoffe  erwiesen  worden  i^’*' 
Eine  nasse  Thierblase,  welche  mit  einer  von  der  Atmosphäre  vcf' 
schiedenen  Luftnrt  gefüllt  ist,  erhält  nach  einiger  Zeit  diese  Lul 
nicht  mehr,  sondern  atmosphärische  Luft.  Beiderlei  Lultarfc*' 
setzen  sich  durch  die  Wände  der  nassen  Blase  hindurch  ins  Gleich' 
gewicht  der  Vertheilung.  Derselbe  Process  findet  zwischen  z"'®' 
verschiedenen  Lösungen  statt,  die  eine  thierische  AIcmbran  '’Oi* 
2 Seiten  berühren.  Dunkelrothes  Blut  in  einer  nassen  Thicrbh’^';' 
soll  sich  durch  die  Wände  der  Blase  hindurch  von  der  atmospl'“' 
rischen  Luft  hellroth  färben.  Durch  die  feinen  Wände  der  L'“*' 
gcnzellen  muss  diese  Durchdringung  ausserordentlich  sclinell 
schellen,  und  das  die  Capillargefässe  dieser  Lungcnzellen wäim 
durchströmende  Blut  muss  dieser  Aufnahme  theilhaftig  werJ*^*^' 
Hierzu  kommt,  dass  das  Blut,  namentlich  die  rolhen  Blutkörpc*' 
eben,  eine  ausserordentlich  grosse  Verwandtschaft  zu  dem  Sauc* 
Stoff  haben,  indem  sich  dunkles  Blut  auch  ausser  dem  Körpe* 
schnell  auf  der  Oberfläche  hellroth  färhf,  wobei  Kohlensäure  aU 
dem  Blute  ausgehaucht  wird.  Aber  sogar  alle  feuchte  organisc 


5.  Vom  chemischen  Process  des  Athinens. 


317 


'^'‘listnnzen  IiaLen  clieEigenschaft,  in  Berührung  mit  der  Luft  ei- 
''eii  Tlieil  ihres  Sauerstoffs  in  K.ohlensäm’egas  zu  verwandeln. 
'^ERz.  Tluerck.  94.)  Die  Blutkörperchen  hesitzen  diese  Fälligkeit 
in  einem  viel  hohem  Grade.  ' In  der  That  dauert  die  heslän- 
hellrothe  Färbung  des  Blutes  in  den  Lungen , selbst  nach 
^ärchschneidung  der  Lungennerven,  nervi  vagi,  fort. 

, Die  Vertheilung  des  Blutes  in  so  unendlich  viele  feine  Capil- 
, 4*^fässe  in  den  Wänden  der  Lungenzellen  hat  also  offenbar 
'p»  Zweck,  den  Contact  der  kleinsten  Theilchen  des  Blules  mit 
Luft  in  der  ungeheureh  Oherlläche  aller  Lungenzellen  zu  ver- 
’^'^liren,  indem  die'  ganze,  die  Lungen  durchströmende  Blutmasse 
dieser  ungeheuren  Contactsfläche  vertheilt  wird.  Oh  das  Ge- 
^ehe  der  Lungen  einen  speciGschen  Einfluss  auf  Veränderung  der 
ftrnosphare  besitzt,  der  grösser  ist,  als  in  ailderen  Tlieilen,  ist 
"niiier  noch  zweifelhaft,  da  die  Blutkörperchen  seihst  hierbei  die 
yaiiptrolle  zu  spielen  scheinen,  da  auch  gleiche  Veränderungen 
l®*"  Luft  von  andern  thierischen  Oberflächen  wie  auf  der  Haut 
p®*'  Fische  und  Frösche,  im  Darrnkanal  (bei  Cobitis  fossilis)  statt 
5''den;  da  nach  Durchsebneidung  der  Lungennerven  der  chemische 
^J’oeess  des  Athmens  fortdauert.  Gewisse,  durch  den  Athernpro- 
®®*s  bewirkte  Bewegungen  des  Wassers,  die  man  um  die  ersten 
Nässeren  Kiemen  der  bVoschlarven  bemerkt,  Gnden  nach  Sharpey 
^,®®h  an  den  Seiten  des  Leibes  derThierchen  statt;  endlich  leheü 
Frösche  nach  meinen  Versuchen  nach  Unterbindung  und  Aus- 
*®|>neidung  der  Lungen,  selbst  noch  30  Stunden  durch  Athmen 
der  liaut  in  der  Luft  fort,  während  sie  in  ausgekochtem 
, f'sser  untergetaucht,  viel  schneller  sterben.  Die  Lungen  sind 
”®*'ch  ihre  Organisation,  durch  die  Feinheit  der  zu  durchdrin- 
^®’’dcn  Membran,  durch  die  Grösse  der  Contactsfläche  der  am 
‘*^®>sten  geeignete  Theil  zu  dem  chemischen  Processe  des  Athmens. 
. 'Ueher  ilio  Theorie  des  chemischen  Processes  beim  Athmen 
*"id  verschiedene  Ansichten  aufgestellt  worden. 

1.  Nach  Lavoisier,  Laplace  und  Prout  haucht  das  Blut  be- 
*tandig  in  die  Lungenzcilen  eine  Flüssigkeit  aus,  die  vorzüglich 
I ®^‘le'nstoff  und  Wasserstoff  enthält.  Diese  vereinigen  sich  mit 
?®'n  iauerstoff  der  Luft  zu  Kohlensäure  und  Wasser,  welche  beim 
^’^sathmen  entfernt  werden.  Diese  Annahme  einer  ans  Kohlenstoff 
M^asserstoff  bestehenden  Flüssigkeit  Ist  vom  chemischen  Ge- 
,'.®utspuncte  sehr  gewagt.  Gmeius's  Chem.  4.  1529.  Da  . man  bei 
'eser  Theorie  die  thierische  Wärme  aus  der  Kohlensäure-  und 
^ l^sserbildung  ausser  dem  Blute,  nämlich  Innerhalb  der  Lungen- 
®kea  erklärt,  so  muss  bemerkt  werden,  dass  die  Lungen  im  All- 
"®**'einen  keineswegs  wärmer  als  andere  Theile  sind. 
y 2.  Die  von  den  meisten  Chemikern  getheilte  Ansicht  ist  die 
i'***  II.  Davy,  dass  die  Luft  durch  die  Wände  der  Lungenzellen 
^ ‘las  Blut  der  Capillargefässe  eindringe,  dass  die  nun  im  Blute 
j^rHeiöste  Luft  wegen  Verwandtschaft  des  Sauerstoffs  zu  den  Blut- 
^j®*'perchen  zersetzt  und  Kohlensäure  frei  wird,  wobei  zugleich 
grösste  Theil  des  Stickstoffs  wieder  entweiche.  Gilb-  Jtin.i9. 

gab  nach  seinen  Athemversuchen  mit  oxydirtem  Stickgas 
Wasserstoffgas  zu,  dass  etwas  kohlensaures  Gas  ans  dem  ve- 


318  II.  Buch.  Organ,  chemische  Processe.  II.  Ahschn.  Athmen. 

nösen  Blute  selbst  entwickelt  werde.  Nach  der  letztem  Ansicli^ 
nimmt  man  die  Wärmeerzeugung  von  der  Rohlensäurebildung 
Blute  der  Lungen  an;  und  dieser  sind  die  Beobachtungen  vo» 
Davy  günstig,  dass  das  Blut  des  linken  Herzens  und  der  Artei'i«" 
(Carotis)  um  1 — 1^“  Fahr,  wärmer  seyn  soll,  als  im  rechten 
zen  und  in  den  Venenstämraen  (Jug.). 

3.  Einige,  welche  von  der  Tliatsache  ausgehen,  dass 
Athmen  mehr  Sauerstoff  verschwindet,  als  Kohlensäure  gebil‘1®* 
wird,  die  Kohlensäurebildung  in  den  Lungen  oder  in  den  Get  äss®" 
der  Lungen  zugeben,  aber  die  Wassererzeugung  leugnen,  nehi»*^" 
an,  dass  durch  Verbindung  von  Sauerstoff  der  Luft  mit  Kohlf’' 
Stoff  des  Blutes  Kohlensäure  sogleich  beim  Athmen  entstehe,  d“’’ 
jener  Antheil  von  Sauerstoff,  der  nicht  auf  Kohlensäurcbildui'S 
verwandt  werde,  mit  dem  Blute  gebunden  werde,  und  daher 
Blut  hellroth  färbe,  dass  die  Blutkörperchen  mit  gebundenem  Sanf' 
Stoffe  das  Leben  der  organischen  Theile  anregen.  Dass  beim  Athiä®" 
mehr  Sauerstoff’  verschwindet,  als  Kohlensäure  gebildet  wird, 
rechtigt  durchaus  nicht  zu  der  Annahme  von  Lavoisier, 

Dulong  und  Desphetz,  dass  dieser  Antheil  von  Sauerstoff  auf 
Bildung  des  ausgeathmeten  Wassers  durch  Verbindung  von 
serstoff  des  Blutes  und  Sauerstoff  verwandt  werde.  Das  in  ‘l*”' 
Lungen  ausdünstende  Wassergas  aus  einer , Erzeugung  vonWas***^ 
aus  Elementen  abzuleiten,  ist  auch  überaus  gewagt,  weil  unt®’ 
den  obwaltenden  Umständen  von  nassen  thierischen  Oberfläche”’ 
besonders  bei  der  Temperatur  der  warmblütigen  Thiere,  Was«”*^ 
verdunsten  muss.  Die  Hypothese  der  Wassererzeugung  in  ‘1®.- 
Lungen  ist  daher  bloss  zum  Vortheile  der  Verbrennungstheoi''® 
von  Lavoisier  und  Laplace  erfunden,  aber  nicht  erwiesen 
den.  Nach  den  Versuchen  von  Collabb  de  Martigsy  wird 
jeder  Gasart,  z.  B.  auch  Wasserstoffgas,  Wassergas  ausgeathi”®*’ 
wo  also  kein  Sauerstoff  zur  Erzeugung  von  Wasser  vorhand”® 
war  (doch  ist  nach  meiner  Ansicht  dieser  Versuch  nicht 
stringent,  weil  Thiere,  die  in  irrespirable  Gasarten  gebracht 
den,  immer  noch  atmospärische  Luft  in  den  Lungen  haben).  N”®' 
Magenuie  soll  sich  die  Quantität  des  beim  Athmen  transpirn'^®* 
Wassers  vermehren,  wenn  man  einem  Thiere  Wasser  von  d®f 
Temperatur  des  Körpers  in  die  Venen  injicirt  Magekdie 
elementaire  de  physiologie.  2,  cd.  2.  246.  Man  kann  daher  w® ' 
die  Wassererzeugung  in  den  Lungen  nicht  anders  als  eine  d«® 
gewagtesten  Hypothesen  ansehen,  welche  nur  von  Chemik«’’"' 
nicht  von  Physiologen  lange  Zeit  hin  angenommen  werden  konn^®^ 
und  es  ist  ganz  einfach,  die  Aushauchung  von  Wasser  ans  d®® 
Lungen  gleichwie  von  der  Haut  als  eine  blosse  Aushauchung 
dem  Blute  zu  betrachten,  obgleich  diese  Aushauchung  nicht 
rein  physikalische  Verdampfung  ist,  wie  sich  deutlicher  bei  ^ 
Hautausdünstung  un  7.  Abschn.  dieses  Buches  ergeben  wird.  . 
nun  kein  Wasser  in  den  Lungen  erst  entsteht,  so  muss  dasje»*?^ 
Sauersloffgas,  welches  nicht  auf  ein  gleiches  Maass  Kohlensäi'^ 
beim  Athmen  verwandt  wird,  wirklich  ins  Blut  übergehen ; 
verschwindende  Ueberschuss  von  Sauerstoffgas  ist  in  den 
Versuchen  über  das  Athmen  in  der  Luft  und  im  Wasser  vo*' 


5.  Vom  rheinischen  Process  des  Athmens. 


319 


kommen  constatirt.  Walirscheinlicli  wird  also  ein  Theil  des  Saner- 
^tofts  der  L\ift  mit ' dem  Blute  verbunden,  und  ist  die  Ursache  der 
hellroiben  Färbung  des  Ärterienblutes  und  des  Blutes  an  der  Luft, 
^ie  man  weiss,  wird  auch  ein  Gemeng  von  Blutkörperchen  und 
^ci’uin,  oder  gescblageties  Blut  durch  blosses  Hindurchstreicben 
SnuerstolTgas  durch  und  durch  hellroth.  Für  dieSe  Bindung 
Sauerstoff  an  das  Blut  spricht  auch  ein  pag.  310  erwähnter 
''ersuch  von  H.  Davy,  und  die  Beobachtung,  dass  beim  Schütteln 
Luft  und  Blut  sehr  viel  mehr  Sauerstoffgas  absorbirt,  als 
^öhlensäurc  ge])ildet  wird.  Es  sprechen  ferner  dafür  Nysten’s 
^ersuche  mit  Gaseinspritzungen  in  die  Adern  der  Thiere,  wobei 
^®UerstofFgas  das  dunkelrotbe  Blut  in  den  Venen  hellroth  färbte, 
also  gar  keine  gebildete  Kohlensäure  ausgeschieden  wurde. 
■^'"STEN  rech,  de  physiol.  et  de  chim.  pathol.  Die  Verbindung  des 
^‘'uerstolls  mit  dem  Arterienblute  scheint  aber  sehr  innig  zu  seyn, 
sich  der  Sauerstoff  nicht  daraus  wieder  entwickeln  lässt. 

4.  Nach  Lagrange  und  Hassenfbatz  wird  der  Sauerstoff'  der 
atmosphärischen  Luft  nur  locker  vom  Blute  gebunden  (im  Blute 
®ät'gelöst  oder  mit  den  Blutkörperchen  verbunden),  und  bildet  erst 
Mlirend  der  Circulation  mit  dem  Kohlenstoffe  des  Blutes  Koh- 
mosäure,  die  im  Blute  absorbirt  ist,  bis  sie  in  den  Lungen  aus 
j^m  Blute  frei  wird.  Lagrange  stützte  diese  Ansicht  zum  Theil 
''***’auf,  dass  arterielles  Blut  in  verschlossenen  Gefässen  nach  eini- 
Zeit  von  selbst  wieder  dunk'ler  wird.  Da  nun  das  arterielle 
f^ät  bis  in  die  feinsten  Arterien  immer  noch  hellroth  ist,  und 
J^^'m  Durchgang  durch  die  Capillargefässe  des  Körpers  erst  dun- 
^clroth  wird,  so  kann  man,  w'cnn  man  der  Ansicht  von  Lagrange 
^^'Rethan  ist,  die  Kohlensäurebildung  doch  nur  in  den  Capilhsr- 


B^fässen  des  Körpers  annelimcn.  Nach  dieser  Ansicht  müsste  das 
.®nenblut  vorzüglich  Kohlensäure  aufgelöst  enthalten,  das  Arte- 
^'®iiblut  müsste  locker  gebundenen  Sauerstoff  enthalten.  Diese 
^'•siclit  ist  unter  einem  grossen  Theil  der  Physiologen  verbreitet, 
B*'d  stützt  sich  vorzüglich  auf  die  Versuche  von  Vogel,  Home, 
^ande,  ScunAMORE,  CoLLARD  DE  Martigny,  dass  Vcnenblut  wirk- 
Kohlensäure  enthalte,  und  H.  Davy’s  Versuch,  dass  sich  aus 
^'‘terienblut  Sauerstoffgas  entwickeln  lasse.  Nach  dieser  Theorie 
es  erklärlich,  warum  die  Lungen  nicht  wärmer  als  andere 
. ''eile  sind.  Fr.  Nasse  hat  in  einer  ausgezeichneten  Abhandlung 
das  Athmen  (Meck.  Arch.  2.  195.  435.)  alle  früheren  diese 
^J'sicht  stützenden  Thatsachen  zusarninengestellt.  Ich  sehe  diese 
Mißhandlung  als  eine  sorgfältige  Prüfung  der  früheren  Arbeiten 
die  Veränderungen  des  Blutes  beim  Athmen' an.  Wir  ha- 
indess  gesehen,  dass*  mehrere  der  Beobachtungen,  worauf  man 
*®h  f'dj.  Lagrange’s  Ansicht  berufen  kann,  das  Zutrauen  nicht 
i®ß'dienen,  welches  man  ihnen  geschenkt  hat,  dass  das  Arterien- 
'*1  durch  Hitze  keinen  Sauerstoff,  das  Venenblut  durch  Hitze 
Unter  der  Luftpumpe  keine  Kohlensäure  aushaucht,  dass  auch 
^‘'^caria’s  und  Rosa’s  Beobachtungen  in  Hinsicht  der  Farbenyer- 
uefmjgen  des  Ärterienblutes  unter  der  Luftpumpe  unrichtig  sind, 
dass  weder  Arterienblut  unter  der  Luftpumpe  dupkel,  noch 


320  II.  Buch.  Organ,  chemische  Processe.  II.  Abschn.  Athmen. 

VenenTjIut  unter  der  Luftpumpe  hellrotli  wird.  Siehe  oben  p^g' 
306—313. 

Vor  Kurzem  hat  Stevens  eine  eigentliümliche  Ansicht  id)«‘ 
den  chemischen  Process  des  Athmens  aufgcstellt,  welche  auf 
ersten  Blick  sinnreich  erscheint.  Stevens  sagt,  oler  Farbestoff  J®* 
Blutkörperchen  ist  an  sich  dunkel,  durch  das  Serum  wird  er  hcö' 
rolh,  weil  die  Salze  das  Blut  helh'oth  machen.  Die  hellrod*® 
Farbe  ist  daher  die  natürliche  Farbe  der  Blutkörperchen,  so  lang® 
sie  von  Serum  umgeben  sind.  Bringt  man  Wasser  mit  bellrotht'*fJ 
Blutcoagulum  zusammen,  so  wird  das  hellrothe  Blut  dunkel,  ■"'®‘ 
das  Serum  des  Coagulurns  ausgewasclien  wird.  (Diese  FarheiivB*"' 
änderung  tritt  selbst  hei  geringen  Quantitäten  Wasser  ein,  wie  i®** 
sehe,  sie  ist  eine  Folge  der  AuHösung  des  Farbestcdfs  in  Wasse*"’' 
Kohlensäure  macht  das  hellrothe  Blut  dunkel.  Diese  Kohlensäu*'® 
entstellt  nach  Stevens  in  den  Capillargefässen  des  Körpers,  dab®*^ 
ist  das  Venenblut  dunkel;  in  den  Lungen  wird  diese  Kohlensäuf® 
ausgeschieden,  daher  tritt  wieder  die  natürliche  Farbe  des- Blut®*' 
die  hellrotlie,  ein,  ohne  dass  der  Sauerstoff  die  Ursache  der  1*®^^" 
rothen  Färbung  wäre.  Bis  dahin  klingt  diese  Theorie  sehr  e**?' 
fach  und  bestechlich.  Der  Einwurf,  dass  das  Alcali  im  Blute  J‘® 
Kohlensäure  binden  müsste,  entkräftet  er  durch  die  Annahii*®|. 
dass  das  Alcali  im  Blute  unterkohlensaures  sey,  welches  auch  **•* 
Pflanzenfarhen  wie  Alcalien  wirkt,  und  daher  die  alcalischc  B®' 
schaffenheit  des  Serums  erklären  kann.  Wäre  Stevens  Ansic‘‘ 
richtig,  so  müsste  Venenblut  unter  der  Luftpumpe  durch  das  E>'^' 
weichen  der  Kohlensäure  und  ebenso  durch  blosse  Erhitzung  *'*1'' 
hellrothen  Blute  werden.  Diess  geschieht  aber  alles  nicht, 
wir  oben  gesehen  haben.  Die  Ui’sache  der  dunkeln  Farbe  J®’ 
Venenblutes  kanrt  daher  nicht  eine  im  Blute  aufgelöste  und  lei®*' 
zu  entbindende  Kohlensäure  seyn;  kurz,  Stevens  Theorie  des  Am' 
mens  kann  nicht  richtig  seyn. 

5.  Nun  bleibt  noch  eine  5.  Ansicht  vom  Athmen  übrig; 
die  Kohlensäure  nicht  durch  Verbindung  von  Sauerstoff  der  L*** 
und  Kohlenstoff  des  Blutes  entstehe,  weil  die  Ausbauchung  ''®'’ 
Kohlensäure  in  sauerstofffreien  Gasen  fortdauere,  dass  daher  “1 
Kohlensäure  aus  den  letzten  Bcstandtheilen  des  Blutes  sich 
andere  Secreta  bilde.  Man  kann  für  diese  Vorstellung  die  A“' 
Sonderung  verschiedener  Gase  durch  die  Schwimmblase'  der  Fis®, 
anführen.  Nach  dieser  Ansicht  wäre  die  Kohlensäure  • nicht 
Venenblute  nothwendig  pi’äexistirend,  sondern  sie  würde  im  Al®' 
mente  des  Durchganges  des  Blutes  durch  die  Capillargefässe  y® 
Lungen  ohne  Mitwirkung  des  Sauerstoffs  der  Lull  gebildet. 
Ansicht  stützt  sich  auf  Beobachtungen,  dass  die  Bildung  von  K**  ’ 
lensäure  . in  sauerstofffreien  Gasen  bei  kaltblütigen  Thieren  1®*  ^ 
dauert;  Beobachtungen,  welche  schon  Spallanzani  gemacht 
Edwards  wiederholt.  Wenn  diese  Beobachtungen  richtig  s*'*j[ 
so  sind  sie  unstreitig  von  ausserordentlicher  Wichtigkeit,  und  p* 
Unrecht  von  den  Physikern  bisher  übersehen  worden.  Es  . 
mir  von  airsserordentlichem  Interesse,  diese  Facta  zu  verifi®**’® 
So  wie  die  Sachen  jetzt  sieben,  hängt  die  Entscheidung  der  g® 


5.  Chemifcher  Process  des  Aihmens. 


321 


Frage  vom  cliemisclien  Process  des  Atlimens  von  der  Beant- 
®rtung  von  folgenden  3 Fragen  ab. 

1 Ist  Robicnsäure  im  Venenbliite  verbanden?  Die  Lnft- 


‘^*'6  und  die  Wärme  entwickeln  nacb  den  obigen  Versuchen  keine 


^'‘i’aiis.  Anderseits  sind  dieVersuebe  von  IIoi-fmann  und  Stevesss, 
nach  Wasserstoffgas  aus  dem  Blut  Kohlensäure  entwickele,  noch 
hinlänglich  bestätigt. 

Wird  Kohlensäure  von  kaltblütigen  Tliiercn  in  reinem 
lasserstoffgas  oder  reinem  Stickgas  ausgehaucht?  Wir  Averden 
®n,  dass  diess  unzweifelhaft  ist., 

sä  Blut  mit  atmosphärischer  Luft  geschüttelt  Kohlen- 

Siehe  ohen  pag.  314.  Die  letzte  Thatsache  mit  der 
nnd  mit  der  Thatsache,  dass  der  Mensch  in  reiner  Luft 
mehr  Kohlensäure  bildet  als  in  schon  geathmeter  Luft  (pag. 
Stoff  Kohlensäure  durch  Verbindung  von  Saner- 

^hat  Kohlenstoff  des  Blutes  entsteht.  Die  zweite 

^atsache  zeigt  das  Gegentheil.  Hier  ist  der  Knoten,  dessen 
späteren  Untersuchungen  Vorbehalten  ist.  Ich  werde  nun 
VqJI  ganzen  Verfolg  der  Untersuchungen  über  das  Aushauchen 
tgj,  Kohlensäure  in  sauerstofffreien  Gasarten  mittheilen.  Die  äl- 
^ p*’®“ohe  an  warmblütigen  Geschöpfen  von  H.  Data’  (Gilb. 

CouTANCEAN  uiid  Kysten  (Meck.  z/rc/i.  2. 256.)  hewei- 
nichts,  da  die  Lungen  von  solchen  Thicren,  die  kurze'Zeit 
at>th  ?*®o*’stoifgas  gebracht  Averden,  noch  Kohlensäure  von  vorher 
Fli’  h)ie  Versuche  Averden  nur  dann  bcAveiscnd,  wenn 

lange  in  Wasserstoffgas  oder  Stickgas  ausdanern  können, 
^enn  die  erzeugte  Kohlensäure  beträchtlich  ist.  Diess  hat 
Sg '|*äDs  beobachtet;  nämlich  ein  Frosch  hauchte  einmal  inWas- 
in  8j  Stunden  2,97  Centil.  = 1,49  P.  C.  Z.  Kohlen- 
ia  ''OS,  was  indess  nicht  richtig  seyn  kann,  da  ein  Frosch  selbst 
le^®.!^mosphärlscher  Luft  in  dieser  Zeit  lange  niebt  so  viel  Koh- 
1{  "Ore  bildet.  Inßuence  des  agens  physiques  p.  44.5.  CollAbd  de 
(Magendie  Jo«77i.  de  physiol.  p.Pll.)  hat  diese  Ver- 

tit^^®  mit  Stickgas  ausgefülirt,  und  auch  Anshauchnng  einer  Quan- 
Kohlensäure  beobachtet,  die  nicht  viel  kleiner  war  als  in 
H *?os  Versuch.  Er  nahm  den  Frosch  in  Zwischenzeiten  von 
SaL  ■“  Stunden  ans  der  mit  Stickgas  gefüllten  Glocke  heraus, 
die  Luft  in  einem  andern  Gefäss  auf  durch  eine  beson- 
det,p'^°*’*’mlitung,  füllte  die  Glocke  wieder  mit  Stickgas  und  Hess 
Vgj,  *‘osch  wieder  darin  athmen.  Diess  wiederholte  er  bei  jedem 
dia  ^*^  '0  mehrere  mal.  Beim  Einbringen  des  Frosches  wurden 
eiaj  Ongen  und  Kehle  zusammengedrückt.  Diese  Methode  hat 
{"raj  , ^ortheile,  allein  bei  dem  öfteren  Wiedereinbringen  des 
*I‘l*är'  * "wird  jedesmal  doch  wieder  eine  kleine  Quantität  atmo- 
Athg  'voller  Luft  durch  seine  auch  noch  so  sehr  comprimirten 
ä»e^i  'Organe  in  den  Versuch  gebracht.  Collahd  hat  nicht  be- 
er  das  Stickgas  bereitet  und  gereinigt  hat.  Die  Re- 
f der  Versuche  \’on  Collard  sind  folgende. 

Frosch  bildete  in  7.^  Stunden  2,80  Centilitres  Koh- 
diess  macht  1,41  P.  C.  Z. 

“Uer's  Physiologie.'!, 


21 


322  II.  Buch.  Organ,  chemische  Proccssc.  J.  Ahschn.  Aihtnen. 

B.  3 Frösche  hildeten  in  8 Stunden  7,98  Centilitres  Foh 

Icns'aure;  diess  macht  auf  einen  Frosch  1,34  C.  Z.  , 

C.  2 Frösche  hildeten  in  8}  Stunden  5,22  Centilitres  F®  * 
lensäure.  Diess  macht  auf  einen  Frosch  1,31  C.  Z. 

D.  2 Frösche  hildeten  in  8 Stunden  5,43  Centilitres  F«  ' 

lensäure.  Diess  macht  auf  einen  Frosch  1,36  C.  Z.  . 

E.  2 Frösche  hildeten  in  7^  Stunden  4,89  Centilitres  Fo 

lensäure;  diess  macht  auf  einen  Frosch  1,22  C.  Z.  , 

F.  2 Frösche  hildeten  in  9 Stunden  5,15  Centilitres  F» 
lensäure;  diess  macht  auf  einen  Frosch  1,29  C.  Z. 

G.  2 Frösche  hildeten  in  8 St.  40  Min.  5,70  Ccntild 
Kohlensäure;  diess  macht  auf  einen  Frosch  1,43  C.  Z. 

Es  schien  mir  durchaus  nöthig,  die  Versuche  von  . 

und  CoLLAED  ZU  wiederholen.  Da  mir  20  Pfund  Quecksilbei 
Gebote  standen,  so  konnte  ich  den  Versuch  schon  in  einem  gross 

Gefäss  anstellen.  • . , ■ i.«il' 

A.  Ein  Cylinder  von  20  C.  Z.  Inhalt  wurde  mit  QuecK 
her  gefüllt,  und  mit  Hülfe  einer  geschliffenen  Glasplatte  in 
silher  umgestürzt,  der  Cylinder  darauf  mit  Wasserstoffgas 
Zink  und  verdünnter  Schwefelsäure  bereitet)  gefüllt.  Nun 

ich  4 Frösche  hei  Zusammendrückung  ihrer  Lungen  in  den  '■ 
linder.  Nach  4 Stunden  machten  sie  keine  Athemhewegungen  in^  , 
obgleich  sie  noch  Lebenszeichen  von  sich  gaben.  Nlich  12  jj 
den  nahm  ich  sie  heraus,  sie  waren  todt,  und  lebten  an  der 

nicht  wieder  auf.  Kali  caust.  in  den  Cylinder  gebracht,  abSj 

birte  li  C.  Z.  Kohlensäure;  diess  macht  auf  Jeden  Frosch 
C.  Z.  Bei  diesem  Versuche  war  das  Wasserstoffgas  ungereio'r^ 
es  enthält  dann  ein  stinkendes  Oel  und  selbst  etwas  Kohlensa« 

Gmelis’s  Chemie.  1.  217.  r,.  , „aC' 

B.  Bel  einem  mit  Prof.  Bebgemash  gemeinsclialtUch 

stellten  Versuche  wurde  das  Wasserstoffgas  durch  Weingeist 
chen  gelassen,  und  ein  kleinerer  Cylinder  von  10  C.  Z.  Inhalt 
gewandt.  In  diesem  reinen  Wasserstoffgas  lebte  ein  Frosch 
12  Stunden  noch  matt  mit  lange  aussetzenden  Athenibewegu'>S 
und  war  selbst  nach  22  Stunden  nur  scheintodt.  Bei  der  l’rü 
der  Luft  mit  Kali  caust.  wurde  | C.  Z.  absorbirt.  Der 
lebte  wieder  auf  und  wurde  von  Prof.  Bergemakn  noch  zu  ^ 
reren  anderen  Versuchen,  nämlich  zu  4 mit  Wasserstoffgas  o» 
mit  Stickgas  gebraucht.  Nach  einiger  Zeit  wurde  er  mir 
eingehändigt.  Ich  fand  ihn  ganz  lebhaft.  Sein  Blut  gerano 
sonst  bei  Fröschen.  _ 

C.  Ich  liess  einen  Frosch  4 Stunden  in  W^asserstoffgE* 
men,  das  ich  vorher  durch  Weingeist  hatte  streichen  lassen- 
war  nach  4 Stunden  scheintodt.  Sein  Herz  setzte  Minuten 
im  Schlagen  aus,  er  lebte  an  der  Luft  wieder  ganz  auf. 
selben  Cylinder  wurde  ein  zweiter  Frosch  2^  Stunden  n ^ 
gelassen,  worauf  er  scheintodt  schien.  Bei  der  Untersuchnnp 
Luft  durch  Kali  caust.  wurden  0,83  C.  Z.  Kohlensäure  abso 
Luftdruck  27  Z.  2 L. 

D.  Ich  liess  2 Frösche  6 Stunden  in  Wasserstoffgas  ‘ 
das  ich  hatte  durch  Auflösung  von  Kali  caust.  streichen 


5.  Chemischer  Process  des  Athmens. 


323 


Waren  zuletzt  sclieintodt.  Es  hatten  sich  0,66  C.  Z.  Rohlen- 
«*>nre  gelilhlet.  Luftdruck  27  Z.  5 L.  Tcmi).  17“  R. 

E.  Das  zur  Entwicklung  des  AVasserstoffgases  hestimmte 
etiiss  war  jedesmal  fast  voll,  so  dass  es  nur  sehr  wenig  atmo- 
sphärische Luft  iiher  der  Flüssigkeit  enthielt,  und  man  Hess  je- 
cstnal  eine  grosse  Menge  Gas  Weggehen,  ehe  man  das  Wasser- 
stolFgas  auffing,  so  dass  man  in  dieser  Hinsicht  sicher  war.  Um 
allen  Verdacht  von  Reimengung  von  Sauerstoffgas  hei  dem 
’usserstoffgas  zu  entfernen,  hrachtc  ich  in  das  schon  durch  Ka- 
‘losung  geleitete,  in  dem  Cylinder  angesararneltc  WasserslotFgas 
Kugel  von  Platinaschwamm,  und  Hess  sic  darin  24  Stunden 
'®&en.  Darauf  hrachtc  ich  einen  Frosch  in  den  Cylinder,  wie 
Se  Wohnlich  mit  zusammengedrückten  Lungen,  er  war  nach  8 
^nuiden  sclieintodt.  Die  Absorption  von  Kohlensiiiiregas  betrug 

. ln  allen  Versuchen  geschah  die  Uehcrlcituiig  und  Sperrung 
Y®*  Gases  mit  dem  Quecksilherapparat.  Ich  habe  noch  3 andere 
®^'suche  angestellt,  wo  ich  das  Gas  aller,  nachdem  es  aufgefan- 
War,  mit  Liquor  kali  caustici  schüttelte.  Das  Resultat  der 
tlieniversuche  war  ganz  analog.  Im  Versuche  F.  waren  nach 
^ Stunden  durch  den  Frosch  0,37  C.  Z. ,'  im  Versuche  G.  0,41 
I ■ im  Versuche  H.  0,4  C.  Z.  Kohlensäure  gebildet.  Diese  3 
® *ten  Versuche  halte  ich  aber  für  fehlerhaft,  da  das  Wasser, 
j.  ‘^it  ich  das  zur  Reinigung  des  Wasserstolfgases  angewandte 
causticum  ausgespült,  wie  alles  ungekochte  Wasser  etwas 
enthielt,  und  also  auch  etwas  Luft  an  das  WasserstoIFgas 
Auswachsen  ahgegehen  haben  könnte. 

Ein  Frosch,  den  ich  durch  Verbrennung  von  Phosphor  he- 
^f'Ktes  Sti  ckgas  atlinieii  Hess,  lebte  darin  6 Stunden.  Kohlen- 
^'Ui’e  A C.  2.  Ich  freue  mich,  hierbei  auch  einige  Versuche  von 
•jof.  Rergemasn  anführen  zu  können.  Folgende  Notizen  hat  er 
niitgetheilt.  Die  Versuche  wurden  mit  Wasserstoffgas  und 
ickgas  angestellt  in  einem  Zimmer,  dessen  Temperatur  nicht 
Y -F-  10“  und  nicht  unter  -f-  4“  war.  Ein  und  derselbe 
*’osch  wurde  zu  allen  Versuchen  benutzt.  Es  wurde  eine  Ver- 
ehi'ung  des  Gasvolumens  hcohachtet,  diese  war  in  den  ersten  3 
’^tiden,  sowohl  bei  der  Respiration  des  Frosches  in  Wasserstoff- 
j als  in  Stickgas,  am  stärksten.  Nach  Verlauf  von  4 — 5 Stun- 
A®!*  bahm  die  Lebenstbatigkeit  des  Frosches  bedeutend  ah.  Das 
j ^aien  war  ungleicliförmig  und  nach  8 — 9 Stunden  hörte  es  in 
^'*gen  Zeiträumen  ganz  auf,  konnte  jedoch  durch  eine  gelinde 
j®'''egung  des  Cylinders  wieder  liervorgebracbt  Werden.  Nach 
j.®*’  Beendigung  der  Versuche  war  der  Frosch  immer  ganz  be- 
> nach  wenigen  Stunden  jedoch 


^ 7 »«woi*  wenigen  oLuimeii  |edocb  hewcgte  er  sich  freiei',  und 

einigen  Tagen  konnte  er  zu  neuen  Versuchen  benutzt  wer- 
ibidem  einzelnen  Versuche  hatte  der  Frosch  seine  gelb- 
® Farbe  in  eine  dunkelbraune  verwandelt.  Das  angew’andte  Hy- 
/“gen  war  aus  Zink  und  verdünnter  Schwefelsäure  bereitet  und 
j'j  Alcohol  gereinigt.  Das  Stickgas  wurde  aus  der  atmosphä- 
Luü’t  durch  einen  brennenden  Körper  abgeschieden  und 
‘auf  ijjif  Kalkwasser  geschüttelt.  Geringe  Antlieile  Oxygen 

21  * 


324  II.  Buch.  Organ,  chemische  Proce.ise.  I.  jihschn.  Atlmen. 


Weiten  jedocli  in  solchem  Azot  immer  zurück.  DleVersnche  f*!’ 
Stickgas  können  daher  auf  eine  grosse  Genauigkeit  keine  A«' 
Sprüche  machen.  Der  Frosch  wurde  mit  eingedrückter  Kehle  > 
die  Gasart  gebracht.  Die  Menge  des  angewandten  Wassei’slo  ' 
gases  und  Stickgases  variirte  von  7 — 8 C.  Z.  Die  Resultate  ‘ ^ 
Versuche  von  Prof.  Bergemann  habe  ich  in  einer  Tabelle  ‘ 
meinigen  zusammengestellt.  Unter  den  von  mir  augestellten  Vc  ' 
suchen  habe  ich  die  Versuche  A.  F.  G.  H.j  weil  sie  nicht  §*** 
fehlerfrei  sind,  hier  nicht  mit  anfgelührt. 


Beobachter 

Gasart 

Nummer 

des 

Versuchs 

Dauer 

des 

Varsuchs 

Menge  der 
gebildeten 
Kolilensäui^ 

Mueller 

Stickgas 

A 

6 St. 

0,25  C.  Z. 

Bergemann 

» 

A 

44 

0,75 

» 

« 

B 

12 

0,5 

M.  u.  B. 

Wasserstoffgas 

B 

22 

0,5 

Mueller 

C 

6\ 

0,83 

» 

D 

6 

0,.33 

n 

» 

E 

8 

0,4 

Bergemann 

A 

10 

0,55 

D 

B 

12 

0,8 

n 

C 

13 

0,7 

» 

i D 

14 

0,5  ^ 

Gegen  diese  Versuche  konnte  man  immer  noch  den  Ein''''’'5_ 
machen,  dass  die  Frösche  in  ihren  Lungen  einen  Tlieil  atmospl’‘|' 
rischer  Luft  in  den  Versuch  mitgebracht,  und  dass  auch  ' 
Darmkanal  Koblensäuregas  enthalten  konnte.  Ich  habe  daher  ‘ ^ 
Versuche  so  wiederholt,  dass  ich  die  Frösche  zuerst  dem  lulUf®. 
ren  Raum  aussetzte  und  diesen  mit  gereinigtem  Wasserstollr’'‘j 
anfüllte.  In  einem  Versuche  wurde  auch  dieses  WasserstoHS^^ 
wiederholt  ausgepumpt,  um  den  letzten  Antheil  atmosph.  Luft  ^ 
dem  Raume  zu  bi’ingen.  Auch  überzeugte  man  sich  durch 
Probe,  dass  das  Wasserstoffgas  nach  Absorption  des  Wasserdamp! 
von  salzsaurem  Kalk  durch  Kali  canst.  nicht  vermindert  w«*’ 
Die  Frösche  wurden  3 Stunden  in  dem  Wasserstoffgas 
sie  waren  schon  viel  früher  scheintodt.  Dann  wurden  die  Frös*- 
herausgenommen,  und  alles  Wasser  aus  dem  Gase  entfernt, 
durch,  dass  ein  Röhrchen  mit  salzsanrem  Kalk  wiederholt 
halb  eines  ganzen  Tages  in  den  Raum  gebracht  wurde,  bis 
salzsaure  Kalk  darin  trocken  blieb.  Erst  dann  vvurde  das 
auf  Kohlensäure  mit  Kali  caust.  geprüft.  In  beiden  der 
stellten  Versuche  zeigte  sich  die  gewöhnliche  Ausbauchung 
Kohlensäure,  welche  im  ersten  Versuche  0,3^  im  zweiten  ’ 
Cubikzoll  betrug.  , p. 

Die  Menge  Kohlensäure,  welche  ein  Frosch  in  6 — 12 
den  in  saüerstofffreien  Gasarten  bildet,  kann  man  ohne  Irrt**,.^ 


also  auf  ^ f G.  Z.  anschlagen. 
Frosches  im  Durchschnitt  nur 


de» 


Da  die  Lungen  und 


1 

'7 


C.  Z.  enthalten, 


5.  Chemischer  Process  des  Atimcns. 


323 


^®rselben  bei  jedem  Versuche  zugleich  vorher  ausgedrückt  war, 
'ind  wenn  auch  etwas  atmosphärische  Luft  und  Rohlensaure  zu- 
rückgeblieben, diess  doch  sehr  wenig  seyn  konnte,  so  lässt  sich 
schon  von  Spallanzani  gefundene  Resultat  nicht  in  Abrede 
stellen,  dass  die  kaltblütigen  Thiere  auch  in  sauerstofffreier  Luft 
’^ftfabren  Kohlensäure  auszuhauchen,  und  dass  diess  selbst  fast 
viel  als  beim  Athnien  in  atmosphärischer  Lrift  beträgt,  indem 
r'n  Frosch  nach  den  pag.  294  mitgetheilten  Versuchen  in  6 Stun- 
im  Durchschnitt  0,57  C.  Z.  Kohlensäure  in  atmosphärischer 
erzeugt. 

Man  scheint  aber  berechtigt  zu  der  Ansicht,  dass  die  hier 
Sebildete  Kohlensäure  zum  Theil  blosse  Secretion  der  Lungen  oder 
Haut  ist,  da  sie  sich  nicht  im  Venenblute  vorfindet,  und  sich 
^''abhängig  von  der  atmosphärischen  Luft  erzeugen  kann.  Diese 
Von  Koblensäurebildung  lässt  sich  ganz  der  Kohlensäurebil- 
bei  der  Gährung  vergleichen,  wo  die  Kohlensäure  sich  auch 
*^une  wesentlichen  Einfluss  des  Sauerstoffs  der  Luft  aus  den  Ele- 
*^611160  der  organischen  Stoffe  bildet.  Man  sollte  hiernach  er- 
^ärten,  dass  bloss  die  Lungen  oder  die  Haut  das  eigentbümliche 
^fniögen  besässen,  Kohlensäure  abzuscheiden  und  das  Blut  allein 
atmosphärischer  Luft  geschüttelt  keine  Kohlensäure  bilde, 
ist  aber  nicht  so,  wie  pag  314.  gezeigt  worden.  Blut  bildet 
!?d  atmosphärischer  Luft  geschüttelt,  auch ‘Kohlensäure,  und  zwar 
' Z.  Blut  mit  10  C.  Z.  atmosphärischer  Luft  fast  beständig 
S'^schüttelt,  geben  in  6 Stunden  | C.  Z.  Koblensä.ure,  was  freilich 
“asserordentlich  wenig  ist.  Die  Lehre  vom  Athmen  befindet  sich 
aller  in  einer  jetzt  unauflöslichen  Schwierigkeit.  Blut  bildet  mit 
aci  Sauerstoffe  der  atmosphärischen  Luft  etwas  Kohlensäure  ohne 
.'a  Einwirkung  des  lebenden  Organs,  indem  es  hellroth  wird, 
7«  Blut  entliält  keine  Kohlensäure  praeexistirend  und  doch  hau- 
Amphibien  ohne  Mitwirkung'  von  Sauerstoffgas  fast  eben  so- 
Kohlensäure  als  in  -der  Atmosphäre  aus.  Ich  will  diess 
j^albsel  nicht  durch  die  Bemerkung  zu  lösen  suchen,  dass  das 
at  der  Frösche  vom  Athmen  in  der  Luft  noch  viel  Sauerstoff- 
gebunden  enthalte,  das  auch  beim  Athmen  in  Wasserstoffgas 
mit  Kohlenstoff  des  Blutes  Kohlensäure  in  den  Lungen  er- 
,,^ge,  sondern  ich  will  diess  Resultat  meinel-  eigenen  unpar- 
. ‘aiiseben  Forschungen  nur  getrost  weiteren  Untersuchungen 

'‘‘‘erllefern. 

1 Man  könnte  glauben,  dass  die  imVcnenblute  etwa  doch  vor- 
®ödene  Kohlensäure  in  so  geringer  Quantität  darin  enthalten  sey, 

. äss  sjß  Untersuchungen  entgehe.  Sie  müsste  aber  nach  den 
jJ^^^octen  des  Athmens  ziemlich  beträchtlich  im  Blute  vorhanden 
H»,  Wenn  sie  bloss  ausgebaucht  würde. 

Airnint  man  2 , Unzen  Blut  für  jeden  Herzschlag  gefördert 
7.  so  erhält  man,  dass  10  Pf.  in  einer  Minute  an  den  Lungen 
''“'heigeijen  und  dass  10  Pf.  Blut  also  22,7  C.  Z.  Kohlensäure 
J^Bialten  müssten,  die  in  einer  Minute  ausgeschieden  we^e"- 
“amt  man  auch  das  von  Alles  und  Pepys  gefundene  Resultat 
,7  22,7  C.  Z.  Kohlensäure  uni  die  Hälfte  zu  gross  an,  wie  es 
®<m  wirklich  zu  gross  ist,  nimmt  piuii  au,  dass,  wie  m Davx& 


326  II.  Buch,  Organ,  chemische  Processe.  I.  Al/schn.  Athmen. 


Versucli  in  einer  Minute  15,8  C.  Z.  Engl.  = 13  C.  Z.  Franz,  ausit®' 
athmet  werden,  so  müssten  doch  13  C.  Z.  Kohlensäure  in  5 oder  10  l’i- 
Blut  aufgelöst  seyn.  Es  ist  noch  nicht  die  Zeit  gekommen,  die** 
Bäthsel  zu  lösen,  und  es  lässt  sich  für  jetzt  aus  den  ohigen  Tlii**"' 
Sachen  nur  schlicssen,  dass  sich  unabhängig  von  der  cingeathme' 
ten  Luft  Kohlensäure  im  Blute  der  Lungen  bilden  und  daraä* 
sich  entwickeln  kann. 

In  neuerer  Zeit  haben  Mitscuerlicu,  Gmelih  und  TiEDEM  'j*/ 
eine  ganz  eigenthümliche  Theorie  des  Athmens  entwickelt. 
gehen  von  der  Existenz  der  Essigsäure  oder  Milchsäure  ira  freit!'’ 
oder  gehundenen  Zustande  in  den-  meisten  Secreten  und  im  Blu|® 
aus,  welche  sich  im  thicrischen  Körper  seihst  erzeugen  muss, 
sie  in  viel  kleinerer  Menge  in  der  Nahrung  enthalten  ist,  als 
durch  Schweiss  und  Urin  beständig  ausgeleert  wird.  Nun  hab^" 
sie  ferner  ausgemittelt,  dass  das  venöse  Blut  mehr  unterkohlC' 
saures  Alcali  enthält  als  das  arterielle,  indem  10000  venöses  Bl"  . 
wenigstens  12,3  und  10000  arterielles  Blut  wenigstens  8,3  geh""' 
dene  Kohlensäure  enthalten.  Dicss  wenden  sie  auf  ihre  llyp'’' 
these  an , dass  sich  heim  Athtnen  unter  reichlicher  BerühruOr 
mit  der  Luft  Essigsäure  erzeuge,  welche  das  kohlensaure  Al"" 
des  venösen  Blutes  zersetze,  worauf  die  Kohlensäure  ausgeatlu"" 
werde.  Sie  vermuthen,  da.ss  der  Sauerstolf  der  Luft  heim  Al'*' 
men  theils  direct  an  Kohlenstoff  und  Wasserstoff  trete  und  Ko^' 
lensäure  und  Wasser  erzeuge,  zum  Tliell  sich  unmittelbar 
den  im  Blute  enthaltenen  organischen  Verbindungen  vereinigt 
Hierdurch  Averden  nun  organische  Pi-oducte,  die  zum  Lehen 
thig  sind,  erzeugt.  Zugleich  ist  diese  Bildung  aber  auch  mit 
ner  Umwandlung  organischer  Stoffe  in  niedere,  wie  z.  B.  Es’'^' 
säure  oder  Milchsäure,  verbunden,  ivelche  einen  Thcil  der 
Blute  enthaltenen  kohlensauren  Materie  zersetzt  und  diese  Ko".' 
lensäure  in  die  Lungenzellcn  austreibt.  Tiedemanr  Zeilsclw-  J‘ 
Physiol.  5. 

VI,  Lapitcl.  Von  den  Athemhewegungen  und 
Athemnerven. 

a.  A th  e ni  1)  e wegun g en. 

Das  Ein-  und  Ausathmen  geschieht  bei  dem  Menschen 
den  Säugethicren  durch  Erweiterung  und  Verengerung  der  Br"* 
liöhle.  Sobald  die  BrnstAvände  sich  ausdehnen,  und  die  Brustbö", 
erweitert  wird,  dringt  dieiLuft  in  der  Luftröhre  und  ihren  Z"'"' 
gen  bis  in  die  Zellen  nach,  die  sich  in  dem  Maasse  ausdebn""’ 
als  die  Brusthöhle  sich  erweitert,  so  dass  also  die  Oberfläche 
Lungen  durchaus  den  sich  ausdehuenden  Wänden  der  Bi'ustbob 
folgt.  Diess  ist  nur  so  lange  möglich,  als  die  Brusthöhle  von 
Seiten  geschlossen  ist,  und  so  lange  kein  Druck  der  Luft 
aussen  dem  Druck  der  Luft  von  der  Luftröhre  aus  das 
gesvicht  hält.  Bei  penetrifenden.Bnistwunden  aber  ist  kein 
Einathmen  mehr  möglich,  weil  der  Luftdruck  dann  dui'cb  ‘ 
Wunde  auf  die  äussere  Oberfläche  der  Lungen  Avirkt,  und 
Luftdruck  von  der  Luftrölirc  her  das  Gleichgewicht  hält.  ^ 


6.  Alherrdteweguiigen  und  Athemncrven. 


327 


Lungen  bleiben  dann  collabirt,  wenn  auch  die  Brustwande  sieb 
aiisdebnen.  Ziu-  Erweiterung  der  Prustbölile  beim  Emathmen 
«ient  ganz  vorzüglich  das  Zwerebfell.  Im  erschlafften  Zustande 
das' Zwcrclilcll  gewölbt,  bei  der  Contraction  desselben  wird  es 
und  indem  seine  Wölbung  herabsteigt,  erweitert  es  also 
Brusthöhle,  wodurch  zugleich  die  Eingeweide  der  Bauchhöhle 
'’on  oben  gedrückt  werden.'  Dieser  Druck  auf  die  Bauchein^e- 
'»eide  von  oben  beim  Einathmeii  verursacht  das  Hervorlreiben 
derselben  nach  vorn  oder  das  sclieinbare  Anschwellen  des  Bau- 
®Les  beim  Einathmen.  . 

Sobald  das  Zwerchfell  erschlafft,  welchen  die  Eingeweide 
Rieder  mehr  zurück,  und  der  Bauch  wird  flacher.  Beim  leisen 
Linathmen  bewirkt  das  Zwerchfell  zum  grossen  Theil  allem  die 
Lrweiterun':'  der  Brust.  Die  seitllc.he  Erweiterung  der  Brust  p- 
®®>‘ieht  vorzüglich  durch  die  Wirkung  der  miiscull  intercostales, 
““er  auch  durch  Untorstützung  der  musculi  scaleni,  Icvatores  co- 
*'-äruiri,  des  serraliis  posticus  superlor,  und  der  Brustmuskeln  uber- 
,'‘«pt.  Das  Ausathmen  kann  beim  ganz  ruhigen  Athmen  schon 
j^rch  blossen  Collapsiis,  durch  die  Elasticltät  oder  Herstellung 
vorher  ausgedehnten  Theile  in  den  Status  cpio  erfolgen , und 
ruhige  Ath'inen  scheint  weniger  aus  der  Abwechslung  antago- 
|*_>stlscber  Muskelbewegungen,  als  vielmehr  periodisch^  Inspira- 
Lotisbewegungen  zu  bestehen.  Hierbei  wirken  zwar  die  Exspira- 
‘ensrnuskeln  durch  jenes  massige  Contractionsspiel,  welches  allen 
“^»iskeln  auch  ausser  den  stärkeren  Ziisammenzlehiingen  eigen  ist, 
W'-enigstens  erfolgt  das  Ausathmen  von  selbst,  so  wie  die 
["«piration  aufhört.  B'eim  starkem  Ausathmen  wirken  diep  Mus- 
starker,  noch  mehr,  und  selbst  krampt  hart,  vpnn  Reizung 
den  Lungen  oder  im  Kehlkopfe  statt  findet,  und  Husten  ein- 

*''tt.  Die  Exspirationsinuskelii  sind  die  Bauchmuskeln,  wcc  e pc 
j.'Ppeu  niederziehen,  und  durch  Zusammendrückung  _ ^ 

Baucheingeweide  gegen  das  erschlaffte  Zwerchfell  m die  Hohe 
.®*flen,  und  so  die  Brusthöhle  auch  von  unten  verengern.  Diess 
i"»d  der  gerade,  die  schiefen,  der  ijuere  Bauchmuskel,  der  muscu- 
quadra'tiis  lumborum,  inusculus  serratus  posticus  inlerior,  muscu- 
***  sacrolumbaris  und  longissirnus  dorsi. 

V Das  Ausathmen  wird  unterstützt  1)  durch  die  Elasticitat  der 
Luffwege,  nachdem  ihre  Ausdehnung  durch  die  Lutt  aufphort  haL 
^ Durch  ZusammeuzieLuii^  von  Muskellasern  clei  u ^^8® 

Beim  Einathmen  ist  die  Stimmritze  weiter , beim  Ausathmen 
f^Ser.  Die  Lullröhrenzweige  werden  beim  Einathmen  weiter, 
Ausathmen  enger.  Die  Lull  wird  entweder  durch  Mund 
’^der  Nage  aufgenom'men  und  ausgetrieheu.  Beim  At  p®’*  ^ 

'j'®  blosse  Nase  ist  der  Ausgang  durch  den  Mund  durch  Anlegen 
hiiuern  Theils  der  Zunge  wider  den  Gaumen  gephlosscu,  beim 
^thiueii  diircli  den  Mund  ist  das  Gaumensegel  erboben.  Duip 
^öiiaberung.  der  bintern  Guumenbogen  gegen  einander,  wopren, 
''‘fiDzoaui  entdeckt  hat,  eine  vollständige Verscbliessung  ein  , 

durch  Anlegen  des  hintersten  Ibeils  der  Zunge  • 

pumen,  kann  sowohl  der  Mund  als  die  Käse  von -den  ^espi  - 
'öiiswegen  abgeschlossen  werden.  Eine  Bewegung, 


328  II,  Buch.  Organ,  chemische  Proccsse.  I,  Abschn.  Athmen. 


kürlicli  gescliielit,  -wenn  man  den  Athen»  anhält,  und  das  Durch- 
strömen  übler  Gerüche  durch  die  Nase  autgehoben  wird.  Dzond* 
die  Functionen  des  weichen  Gaumens,  Halle  1831. 

Bei  den  Vögeln  dringt  die  Luft  beim  Einathmen  nicht  alle'" 
in  die  Lungen,  sondern  auch  in  die  grossen  Zellen.  Es  giebt  hie^ 
kein  vollständiges  Zwerchfell  mehr,  sondern  nnr  einige  Muskelzip^® 
steigen  vom  hintern  Winkel  der  3.,  4.  und  5.  Rippe  za  ein®*' 
fibrösen  Haut  an  der  untern  Fläche  der  Lungen  empor.  Die  £*■' 
Weiterung  der  Brust  erweitert  die  grossen  Zellen,  welche  mit  de" 
Lungen  in  Verbindung  stehen,  wodurch  die  Luft  genöthigt 
sich  in  die  Lungen  zu  stürzen.  Die  Luft  wird  aus  den  Zell®" 
und  den  Lungen  durch  die  Thätigkeit  der  Bauchmuskeln  aiisg®' 
trieben.  Unter  den  Amphibien  athmen  die  Chelonier,  deren  R'F' 
pen  unbeweglich  vei-bunden  sind,  und  die  nackten  Amphihi®"’ 
welche  keine  wahren  Rippen  haben  (Coecilien,  Derotemata,  P'"' 
teiden,  Salamandrina,  Batrachia)  bloss  dui’ch  Verschluckung  d®® 
Luft  ein.  Die  Frösche  schliessen  den  Mund,  erweitern  die 
höhle  an  der  Kehle,  wodurch  ein  leei-cr  Raum  entsteht,  den  d'“* 
Luft,  durch  die  Nasenlöcher  eindinngend,  einnimmt.  Dann 
heil  sie  die  Kehle  zusammen,  verschliessen  den  Schlundkoptj 
treiben  diii’ch  die  Zusammenziehung  der  Kehle  die  Luft  duf®^ 
die  Stimmritze  in  die  Lungen,  während  sie  durch  einen  eig®"' 
thümlichen  Mechanismus  die  Nasenlöcher  schliessen.  Die 
wird  theils  durch  die  Bauchmuskeln,  theils  durch  die  Elastici^^ 
der  Lungen  hei  geöffneter  Stimmritze  ausgetriehen.  Sobald  d'« 
Frösche  den  Mund  nicht  mehr  schliessen  können,  können  sie  aud' 
nicht  mehr  athmen.  Das  Ausathmen  gescliieht  hei  den  Schild' 
kröten  durch  Zusammenziehung  der  Bauchmuskeln  zwischen  d®"* 
Bauchschild  und  den  hinteren  Exti'emitäten.  Die  mit  beweglich®"  ■ 
Rippen  versehenen  Amphibien  athmen  durch  Erweiterung 
Verengerung  der  Körperhöhle  vermöge  der  Rippen.  Ueber  di® 
Athemhewegungen  der  Fische  und  ihren  Mechanismus  siehe  C"' 
viEE  Vergl.  Anat.  T,  4.  222. 

Die  Hypothese  von  der  Mitwirkung  der  Lungen  bei  d®" 
Athemhewegungen  ist  seit  den  ältesten  Zeften  bald  erhoben,  baW 
verworfen  worden.  Für  diese  Hypothese  stritten  Avebboes,  R'"' 
LAN,  Plateb,  Sennert,  Bbemond  {mcm.  de  l’acad.  d.  sc.  Par.  17311-)' 
gegen  dieselbe  Th.  Babtuolin,  Diemerbröck,  Mayow  und  HaU-®"’  ■ 
Haller  elementa  physiol.  T.  3.  7.  8.  p.  226.  Die  Ersleren  sah®" 
hei  Thieren,  deren  Brusthöhle  geöffnet  war,  die  Lungen 
immer  zusammen  fallen,  sondern  in  einigen  Fällen  sich  dauei’"" 
bewegen,  obgleich  die  Brustmuskeln  ausser  Thätigkeit  waren. 
der  neuern  Zeit  haben  Flormasm  und  Rudolphi  diese  Hvpoth®’® 
vertheidigt.  Rudolphi  anat.  physiol.  Ahhandl.  p.  111.  Florm"*.'* 
sah,  dass  die  Lungen  eines  ersäuften  Hundes  selbst  nachZersebn®*' 
düng  des  Zwerchfelles  noch  fortfuhren  sich  zu  bewegen,  RunoU"! 
sah  die  Bewegung  der  Lungen  an  einem  erdrosselten  künde,  h®‘ 
entferntem  Brustbeine,  zerschnittenem  Zwerchfelle  und  lutere"' 
stalmuskeln.  Man  leitete  schon  solche  Bewegungen  der  Lang®** 
von  den  Erschütterungen  des  Brustkastens  ab,  sie  können  auch 
wohl  von  den  Zusammenziehungeii  des  Herzens,  und  von  den  v"" 


6.  Athemhewegwngen  und  Athemnerven. 


329 


'r  lieoljacliteten  Zusammenzieliungen  der  Lungenvenen  herrüliren. 
■'i'i.F.a  hatte  ilie  so  etwas  gesehen,  er  sah  immer  die  Lungen  bei 
? ständiger  Oeffnung  der  Brusthöhle  ganz  collabirt;  ich  hahe  auch 
dergleichen  gesehen,  und  ich  vermuthe  hei  den  Erfahrungen 
ehrwürdigen  Männer  Fi.obmasn  und  Rudolphi  eine  Täuschung. 
Weitere  Auseinandersetzung  dieser  Controverse  hat  hioss  ein 
pschichtliches  Interesse.  Die  Gründe  und  Gegengründe  wieder- 
'^len  sich,  und  man  ist  zuletzt  auf  das  Zeugniss  seiner  Augen 
^•*gewiesen , das  nach  meinen  Erfahrungen  gegen  die  Hypothese 
jPeicht.  Tiedemann  sah  Bewegungen  an  dem  Athemorgan  der 
Tbeviraihjs  hatte  an  den  Lungen  der  Frösche  auf 
Pplication  von  Opiumtinctur  und  Belladonnenextrapt  Bewegungen 
^®sehen.  Icli  weiss  nicht,  ob  der  berühmte  Verfasser  der  Biologie 
. 'erauf  noch  Werth  legt.  Die  Frösche  füllen  von  der  Reble  aus 
Lungen  mit  Luft,  die  beim  Oeffnen  der  Stimmritze  und 
j^'^senlöcher  entAveicht.  Ist  die  Stimmritze  geöffnet,  so  sind  die 
j^’*''gen  für  immer  collabirt,  [und  man  kann  keine  Zusammenzie- 
j^egen  an  ihnen  erregen.  Vergl.  über  diesen  Gegenstand  Lajhd 
^'^ectionen  p.  243  — 250, 

Dagegen  ist  die  Contractionsfähigkeit  der  Luftröhre  und  ih- 
^ ^ Aeste  wohl  Aveniger  zu  bezweifeln.  Man  könnte  vermuthen, 
öle  Luftröhrenäste  an  den  von  Houstoun,  Bremond,  Flor- 
^ und  Rajdolpui  gesehenen  Phänomenen  Antheil  haben.  In- 
ist  es  doch  problematisch,  dass  die  Fleichfasern  der  Luft- 
We  rhythmische  BcAvegungen  ausühen.  Die  queren  Fleischfa- 
j.  Q der  Luftröhre  an  ihrer  hintern  Seite  sind  bekannt.  Fleisch- 
sollen  sich  auch  noch  an  den  ziemlich  kleinen  Zweigen  der 
l^öhrenäste  hnden.  Diese  Fasern  sind  durch  Reisseisen  de 
^ '■'ca  pulmonum.  Berol.  1822.  fol.  am  meisten  berühmt  gewor- 
.^“Isseisen  wollte  die  Fleischfasern  mit  der  Loupe  noch  an 
jj  kleinen  Luftröhrenzweigen  erkannt  haben,  an  welchen  er  keine 
''Orpel  mehr  Avahrnahm. 

Es  ist  merkwürdig,  dass  die  Contractionskraft  der  Muskelfa- 
der  Luftröhre  und  Luftröhrenzweige  noch  durch  keinen  di- 
t Beweis  entschieden  ist.  Alle  Ausführungsgänge  der  Drüsen 
gV®**  Wahre  Muscularcontractilität,  sie  sind  unAvillkürlich  beweg- 
lio ''  Ductus  choledoclius  iler  Vögel  kann  man  bei  Vivisec- 

sich  rhythmisch  bewegen  sehen,  Avie  ich  mehrmals  selbst 
Reize  sah.  Die  Ureteren  sah  ich  bei  Sängethieren  undVö- 
bp  **  starken  galvanischen  Reiz  sich  zusammenziehen.  Tie- 


t . -'Mn  sah  Zusammenziehungen  am  Ductus  deferens  des  Hoden 
Dferde.  Aber  die  Zusammenziehungen  der  Luftröhrenfasern 
.Reize  sind  bis  jetzt  nur  von  Rrimer  {Untersuchungen  über  die 
jjg  Ursache  des  Hustens,  Leipz.  1819.)  gesehen  worden.  We- 
sJever  dlige  gen  beobachtete  bei  einem  Hunde  und  einem  Meer- 
Z^^'''einchen  Aveder  auf  mechanische,  noch  auf  galvanische  Rei- 
^^'§en  auf  den  ganzen  Umfang  der  Luftröhre,  mit  und  ohne 
ha.  der  Schleimhaut  angewandt,  irgend  etwas  von  Con- 

'jtion.  Dagegen  zeigte  sich  in  den  Bronchialzweigen  von  | 1 

fjjjt'^.Durclimesser  eine  allmählige  Verengerung  ihres  Lumens, 
ois  zum  gänzlichen  Erlöschen  desselben.  Bei  einem  lebenden 


330  II.  Buch.  Organ,  chemische  Processe.  I.  Abschn.  Athrnen. 


Hunde  befreite  Wedemeyer  die  Luftrölire  2 Zoll  lang  von  alle'** 
Zellgewebe,  und  schnitt  vorn  ein  Stlick  aus  der  Luitröhe  aus- 
Wedemeyer  sah  bei  der  Reizung  der  hinternWand  der  Luftröb*'*'’ 
durch  mechanischen  und  galvanischen  Reiz  keine  Spur  von  Zu' 
sammenziehnng.  Wedemeyer  öllhete  nun  schnell  die  Brust,  nal>**‘ 
die  Lungen  mit  ihren  Bronchien  lieraus,  und  machte  mellte*  *■ 
Durchschnitte  derselben.  Die  Stamme  der  Bronchien  zeigten  t**'" 
Zeiclien  einer  Zusammenziehungskraft.  Dagegen  glaubte  We**^' 
MEYER  in  kleineren  Aesten  von  cii’ca  1 Linie  Durchmesser  aut 
galvanischen  Reiz  eine  deutliche  Constriction  zu  sehen,  doch  S®' 
schah  diess  sehr  langsam.  Den  letzteren  ähnliche  Beobachtung^** 
machte  bereits  Varsier.  Man  sieht,  dass  die  Luftröhre  bis  '*' 
ihre  Verzweigungen  sich  wahrscheinlich  nicht  bei  den  Athenih*' 
wegungen  rhythmisch  rnitbewegt.  Eine  rhythmische  Bewegu'*»’ 
die  in  diesem  Falle  willkürlich  seyii  könnte,  wäi’e  ein  ganz  i^**' 
lirtes  Factum.  Denn  der  Ductus  choledochus  zieht  sich  z«'**^ 
auch  rhythmisch  zusammen,  aber  diese  Bewpgungen  sind  du** 
aller  Willkür  entzogen,  dahingegen  rhythmische  Bewegungen 
Luftröhre,  welche  mit  den  anderen  Respirationsbewegungeu  gleic'*' 
zeitig  geschehen,  auch  mit  diesen  der  Willkür  unterworfen  s®/ 
müssen.  Ein  solcher  Einfluss  der  Willkür  bis  auf  die  Z"'***'! 
des  AusfüHrungsganges  eines  Eingeweides  ist  im  höchsten  Hra'*_ 
unwahrscheinlich.  Vielleicht  könnte  eine  beständig  sich  äussernj'*' 
Contractllltät  in  den  Fasern  der  Luftröhi’enzweige,  bei  dem  NaE'*'' 
lass  jeder  Ausdehnung  durch  Inspiration,  zur  rhythmischen  ^e*' 
engerang  wirken.  Diess  könnte  aber  auch  durch  blosse  Ela’J*' 
cität  erfolgen.  Bei  den  Vögeln  giebt  es  allerdings  willkürliE'* 
Verkürzungen  der  Luftröhre  durch  besondere  Muskeln,  M.  sl®! 
notracheales  und  M.  ypsilotracheales  (und  bei  vielen  Vögeln  ■* 
den  Zweck  des  Gesanges  an  dem  untern  Kehlkopfe  bei  der  Tl****^ 
lung  der  Luftröhre  noch  besondere  Muskeln).  Sehr  interess»*'^ 
ist,  dass  jene  Muskeln,  wie  ich  sehe,  von  einem  besondern  i''®*^- 
ven  versehen  sind,  einem  zweiten  Ramus  descendens  N.  liypoglö^*’^ 
der  bis  fast  zum  untern  Kehlkopfe  herabgeht,  und  (bei  dem T*)“' 
bahn)  die  M.  sternotracheales  und  ypsilotracheales  versieht,  *^ 
rend  der  N.  recurrens,  grösstentheils  der  Speiseröhre  besti»*a^J 
einen  veidiältnissmässig  nur  kurzen  Ramus  traehealis  entgE’n^,j 
schickt.  Ich  habe  ijioch  keine  Gelegenheit  gehabt,  DesmoCE'^^^ 
Angabe  zu  prüfen,  dass  die  Muskeln  des  untern  Kehlkopfs, 
den  unteren  Cei’vicalnerven  versehen  sind.  Beim  Menschen  s‘*l*‘*‘'^^ 
die  Erweiterung  der  Luftröhrenzweige  und  die  von  Einigen  beoha*- 
tete  Verkürzung  der  Luftröhre  beim  Einathrnen,  die  V erläiige‘’"''|[ 
beim  Ausatbmen  eine  bloss  mechanische  Folge  der  Ausdehnung  '*! 
Verengerung  der  Brust  zu  seyn.  Der  Kehlkopf  selbst  rückt 
heftigen  Einathrnen  ein  wenig  nach  abwärts,  und  beim  Ans" 
men  wieder  aufwärts. 


1>.  Linfluss  der  Nerven  auf  das  Athr 


Die  Athembewegungen  sind  sehr  zusammengesetzt,  und  ^ 
Wirkungskreise  sehr  verschiedener  Nerven  unterworfen.  Gl®*** 


de*** 


6.  Aihemhewegungen  und  Athemnerven. 


331 


''’olü  ist  die  Quelle  der  gemeinscliaftliclien  Thätigkeit  dieser  Ner- 
eine  und  dieselbe.  Die  Atbembewegungen  besteben  1)  aus 
euegungcn  im  Gesiebte,  die  sicli  aber  nur  selten  rbytbmiscb 
''Ussern,  wie  die  Erbebung  und  Senkung  der  Nasenflügel,  die  An- 
^ ‘’eiignug  mehrerer  Gesiclitsmuskeln  lieim  Atbmen.  Diese  Bewe- 
ÜUnge,,  erfolgen  bei  unwillkürlicben  heftigen  Atbembewegungen, 
bei  grosser  Sebwnebe  selbst  mit,  sie  sind  Ton  dem  Nervus 


te.s 


'^<alis  abhängig,  den  Cuables  Belt,  den  Athemnerven  des  Gesicb- 


Heiint,  2)  Erweitern  der  Stimmritze  beim  Einatbmen,  Veren- 


kern  derselben  beim  Ausathmen.  Diese  Bewegung  ist  ganz  von 
«rn  Nervus  vagus,  und  zw'ar  von  seinen  beiden  Rcblko])fästen, 
eryus  laryngeus  superior  et  inferior  seu  recurrens  abhängig. 
'j  Erweiterung  der  Brust  beim  Einatbmen.  Nervi  spinales.  Ner- 
'***  respiratorius  externus  Bellii.  Nervus  accessorius  Willisii,  in- 
*^^crn  er  den  M.  cucullaris  beim  Heben  der  Schulter  beherrscht. 

■ Eusammenziebung  des  Zwerchfelles  beim  Einatbmen.  N.  pbre- 
■ Endlich  Zusammenziebung  der  Bauchmuskeln  beim  Aus- 

btnen.  Nervi  spinales.  Wir  sehen,  dass  zu  dem  System  der 
g^heinnerven  der  Nervus  facialis,  vagus,  accessorius,  und  viele 
|P'ealnerven,  die  sich  in  den  Rumpfmuskeln  verbreiten,  gehören, 
'^der  dieser  Nerven  bat  seinen  verschiedenen  Wirk unaskreis,  und 
der  eine  ohne  den  andern  vernichtet  werden.  Die  Durch- 
”neldung  jedes  dieser  Nerven  bebt  seinen  Antbeil  an  diesen  Bewe- 
"dngen  auf.  Aber  die  Vernichtung  der  Medulla  oblongata  bebt  alle 


/!m])ewegungen  zu  gleicher  Zelt  auf,  auch  die  Wirkung  dnr- 
hldgen  Nerven,  welche  von  dem  Rückenmark  entspringen.  Das 
*’*pkenmark  verhält  sich  zu  dieser  Quelle  der  Atbembewegungen 
“®‘cbsam  als  Stamm  der  Nerven,  die  von  ihm  abgehen.  Dureb- 
^'^bueidet  man  das  Rückenmark  oberhalb  des  Abgangs  der  Dor- 
^“luerven,  so  xverden  die  Bewegungen  der  Rippen  und  derBaueb- 
äskeln  gelähmt,  die  anderen  Bewegungen  dauern  fort.  Dureb- 
‘‘'leidet  man  das  Rückenmark  über  dem  Zw’ercbfellsnervcn,  so  -wird 
’^h  dieser  mit  untbälig,  xväbrend  die  von  der  Medulla  oblon- 
^ Selbst  abgebenden  Nerven  noch  wirksam  sind.  Die  unter  der 
^^®*'letzung  abgebenden  Nerven  sind  zwar  noch  wirksame  Erreger 
I Bewe  gütig,  w'enn  man  sie  einzeln  reizt,  aber  sie  können  nicht 
li  I serocitsiiiiieti  Quelle  aller  gleichzeitigen  -unwillkür- 

'“ti  und  willkürlichen  Atbembewegungen  aus  bestimmt  werden, 
der  Vcrlelzimg  der  Medulla  oblongata  hören  alle  Atbembe- 
I yHuiigen  zunleicb  auf,  sowohl  dieienissen,  die  vom  N.  vagus  ab- 
*'**'lien,  als  ehe  des  Rumpfes.  . . 

j Eegallois  bat  dieses  Verbältniss  gezeigt;  er  bat  bew’iesen, 
Ve«  anderen  Tbelle  des  Gehirns  die  Quelle  der  Atbembe- 

sind,  und  dass  man  bei  einem  Thiere  das  Gehirn  von 
ÄI  )*  “‘“'E  hinten  allmäblig  abtragen  kann,  bis  bei  Verletzung  der 
‘lulla  oblongata,  an  einer  dem  Abgänge  des  Nervus  vagus  ent- 
).gj®*^Eenden  Stelle,  alle  Atbembewegungen  zu  gleicher  Zeit  aufhö- 
äe  1 deswegen  ist  auch  die  Medulla  oblongata  gleichsam  dervul- 
a|i  ®Eelste  Theil,  wenigstens  derjenige,  dessen  Verletzung  unter 
Verletzungen  der  Nerven  und  der  Centraltbeile  des  Nerven- 
‘2nis  die  gefährlichsten  Folgen  bat. 


332  II.  Buch.  Organ,  chemische  Processe,  I.  Abschn.  Athmen. 


Die  Verletzung  des  Nervus  vagus  am  Halse  lähmt  die  unte*" 
der  Verletzung  des  Nerven  abgehenden  Zweige,  also  den  Nervu* 
recurrens.  Die  Folge  davon  ist,  dass  das  Thier  die  Stimme  vcf' 
liert,  und  die  Oeffnnng  der  Stimmritze  erschwert  wird. 
Stimme  kehrt  jedoch  nach  einigen  Tagen  wieder,  weil  die  IVI^S' 
kein  des  Kehlkopfes  gemeinschaftlich  von  dem  Nervus  larynge“* 
Superior  und  inferior  versehen  werden.  Nach  DurchschneiduOs 
des  Nervus  laryngens  snperior  und  des  recurrens  auf  beiden  Sc*' 
ten  ist  der  Kehlkopf  ganz  gelähmt.  Magendie’s  Behauptung,  d**’* 
der  Nervus  laryngens  inferior  sich  nur  zu  den  Muskeln  begc^*®’ 
welche  die  Erweiterung  der  Stimmritze  bewirken,  der  N.  laryngc”! 
Superior  zu  denen,  welche  die  Stimmritze  verengern,  hat  sich 
näherer  Untersuchung  durch  Schlemm  und  Andere  nicht  bestätig^' 
Beiderlei  Nerven  verbreiten  sich  in  beiderlei  Muskeln.  Wenn  ** 
einen  Unterschied  in  den  Functionen  beider  Nerv'en  giebt, 
entsteht  er  gewiss  nur  dadurch,  dass  der  Nervus  recurrens  1*®* 
seinem  merkwürdigen  Verlaufe  und  seinen  Verbindungen  mit  dc^ 
N.  sympathicus,  plexus  cardiacus  nicht  allein  Fasern  von  dem  ■'vi*' 
kurlichen  Bewegungsnerven  Vagus,  sondern  auch  viele  Fasern 
Sympathicus  enthält.  Wir  wissen  nicht,  ob  der  N.  recurrens 
kürliche  Bewegungen  der  Kehlkopfmuskeln  hervorbringen  kao**' 
Andere  tiefe  Zweige  des  N.  vagus,  welche  sich  viel  mit  dem  Sy***' 
pathicus  verbinden,  sind  keiner  Leitung  zur  willkürlichen  Bev'"®' 
gung  mehr  fähig’  wie  die  der  Speiseröhre,  des  Magens. 

Hier  ist  der  Ort,  Charles  Bell’s  Ansichten  über  dieAthe*®' 
nerven  zu  entwickeln.  Der  Anbick  eines  Menschen,  im  Zustand® 
aufgeregter  Thatigkeit,  überzeugt  uns,  dass  die  vom  Athmen  ab' 
hängigen  Bewegungen  fast  über  den  ganzen  Körper  sich  erstrecke®’ 
indem  sie  dann  an  Bauch,  Brust,  Hals  und  Gesicht  beobacht® 
werden.  Die  Athemnerven  gehören  einem  zweifachen  System 
Die  einen  dem  Systeme  der  Spinalnerven,  welche  2'WurzeIn,  e'® 
hintere  sensibele,  mit  einem  Ganglion  versehene,  und  eine 
dere  motorische  Wurzel  ohne  Ganglion  haben.  Zu  diesem  Systc*® 
gehören  alle  Spinalnerven,  und  der  Nervus  trigeminus.  Zu  die^®*** 
Systeme  der  Nerven  gehören  unter  den  Athemnerven  diejenig®'J 
Spinalnerven,  welche  ziu- Bewegung  der  Brust-  und  Bauchmusk«*® 
heim  Athmen  dienen.  Das  zweite  System  von  Nerven,  wel®®*" 
auch  Athemnerven  abgiebt,  besteht  aus  Nerven,  die  nur  mit  W®®' 
zeln  einer  Art  entspringen,  diese  Athemnerven  sind  der  Ner^®^ 
facialis,  vagus,  accessorius  Willisii.  Bell  vermuthet,  dass  ein  . 
sonderes  System  von  Fasern  in  der  Aledulla  oblongata  un*l 
Bückenmark  die  gleichzeitigen  und  übereinstimmenden  Wirkung®' 
der  Athemnerven  der  2 Systeme  beherrsche.  Alle  Alhemncr'®^ 
dienen  auch  vorzugsweise  dem  Ausdruck  der  Leidenschaften.  A***’® 
der  Concurrenz  eines  grossen  Thcils  der  Spinalnerven  zum  Ath'**®  ^ 
unterscheidet  Bell  als  besondere  Athemnerven  für  besondere  B 
gionen : 

1)  Nervus  vagus,  Athemnerve  des  Kehlkopfs. 

' 2)  N.  facialis,  Athemnerve  des  Gesichtes.  Die  Wirkung^ 

dieses  Nerven  treten  beim  Athmen  um  so  mehr  hervor,  je 
strengter  es  ist,  z.  B,  hei  aufgeregter  Thatigkeit  und  bei  sehr  g 


6.  Athemhecvegungen  und  Athemneroen, 


333 


^cWächtcn  Menschen.  Die  Erhebungen  und  Senkungen  der  Na- 
sfinflügej  und  die  VerzeiTun^en  der  Gesichtsmuskeln  bei  diesem 
‘"'östlichen  Athmen  sind  von  jenem  Nerven  abhängig.  Die  Durch- 
**^hncldnng  dieses  Nerven  nimmt  dem  Antlitze  seine  Sympathie 
!?*t  (len  Athcmorganen  und  den  Ausdruck  des  Afiectes.  Bei  den 
Diieren  nimmt  die  Ausbildung  dieses  Nerven  mit  dem  Mangel 
leidenschaftlichen  Bewegungen  in  ihrem  Gesichte  ab. 

3)  Der  obere  Rumpfathcmnerve , Nervus  accessorius  Willisii, 
**’*sgezeichnet  durch  seinen  merkwürdigen  Verlauf,  dass  seine  vom 
®oern  Theile  des  Rückenmarks  kommenden  einfachen,  zwischen 
doppelten  Wurzeln  der  Spinalnerven  entspringenden  Wurzeln, 
*1^  seinen  Wurzeln  von  der  Medulla  oblongata  aufsteigen,  dass  er 
*lso  mit  einem  grossen  Theile  seiner  Wurzeln  in  die  Schädelhöhle 
^'^fsteigt,  um  als  Nervenstamm  wieder  aus  ihr  herauszutreten. 
**eser  Nerve  verstärkt  zum  Theil  den  Vagus,  und  beherrscht  die 
i^ätigkeit  des  Muse,  cucullaris  bei  Ausübung  seiner  Functionen 
Athemmuskel , indem  er  durch  das  Heben  der  Schulter  die 
^•"äst  von  ihrem  Gewichte  befreit,  Durcbschneidet  man  den 
]®*'rus  accessorius  bei  einem  lebenden  Thiere,  so  hört  nach  Beli. 

Mitwirkung  jenes  Muskels  beim  Athmen  auf,  w’ährend  die  Fä- 
^‘§^eit  desselben  zu  willkürlichen  Bewegungen  (durch  Aeste  von 
®*'''ical-Nerven)  noch  fortdauert. 

j.  4)  Der  grosse  innere  Athemnerve.  Nervus  phrenicus.  Zwerch- 

^llsrierve. 

. Auf  den  Nervus  tboracicus  posterior  ist  von  Bell  mehr  Ge- 
*cht  gelegt  worden,  als  er  verdient. 

1 Die  Quelle  aller  dieser  Nervenwirkungen  ist,  wie  wir  gesehen 
?®üen,  die  Medulla  oblongata.  Ihre  Verletzung  hebt  alle  Athem- 
"ewegungen  auf.  Dagegen  eine  Verletzung  des  Rückenmarks  im 
■ Halswirbel,  welche  den  N.  phrenicus  noch  nicht  betheiligt, 
JJ^^h  Bell  das  Athmen  durch  den  Nervus  phrenicus,  accessorius 
respiratorius  externus  noch  nicht  aufhebt.  Hier  erfolgt  die 
j^Xsplf^tion  durch  blosse  Elasticität  der  Brust-  und  Bauchwände. 
j^Segen  athmet  nach  Bell  ein  neugebornes  Kind  noch,  wenn 
A»t  Hehirn  grösstentheils  zerstört  ist,  wenn  nur  die  Quelle  der 
®®>nnerven  in  der  Medulla  oblongata  unverletzt  ist.  Bell  phy~ 
L pathol.  Untersuchungen  des  Nervensystems , übers,  von  M.  H. 

Berlin  1832.  p.  126.  338.  Vergl.  Mueller’s  Archiv. 

'*•^4.  168. 

j.  Ich  habe  schon  angeführt,  dass  das  ganze  respiratorische  Sy- 
SeltT  I^^rven  dem  Ausdrucke  der  Leidenschaften  dient.  Das- 
. Ibe  vielen  anderen  Fällen  gleichzeitig  oder 

^Mzelnen  Theilen  seiner  Wirkungssphäre  afflcirt.  Die  asthma- 
fe  Nervenaffectionen  sind  ein  Beispiel  von  convulsivischer  Af- 
«üF  u"  Systems  aller  Athemnerven.  Aber  ein  Umstand,  wor- 
Bell  nicht  aufmerksam  gemacht  ha.t,  und  der  mir  sehr  viel 
Jeht  ul,er  viele  Erscheinungen  zu  verbreiten  scheint,  ist,  dass  das 
der  Atliemnerven  durch  locale  Reize  in  allen  Theilen, 
^ .'^Be  mit  Schleimhäuten  versehen  werden,  in  krankhafte  Thätig- 
^ 'I  zu  Erzeugung  convulsivischer  Bewegungen  gesetzt  werden 
''C-  Reize  auf  die  Schleimhaut  der  Nase  bewirken  Niesen»  Reize 


334  II.  Buch.  Organ.  chemLiche  Proresse.  I.  Absclm.  /lihmen. 


im  ScHund,  in  der  Speiseröhre,  im  Magen,  im  Darm  bewii'^^®" 
die  Concurrenz  der  respiratorischen  Bewegungen  znm  Erhreche”’ 
heftige  Reizung  im  Mastdarme,  in  der  Urinhiasc,  im  Uterus, 
wirken  die  Concurrenz  der  respiratorischen  Bewegungen 
unwillkürlichen  Stuhlgang,  und  Ilarnlassen  und  zum  AustreÜ’®*' 
der  Frucht.  Heize  der  Schleimhaut  des  Kehlkopfes,  der  Bid^' 
röhre,  der  Lungen',  ja  selbst  ein  Jucken  erregender  Reiz  in 
eustachischen  Trompete  liewirken  Husten. 

Alle  diese  Bewegungen,  Husten,  Erbrechen,  krampfhaft 
willkürlicher  Stuhlgang,  unwillkürliches,  mit  Zwang  verbünde"®’^ 
Harnlassen,  werden  mit  Hülfe  der  Respirationsbewegiingen  ausS*^' 
führt.  Der  locale  Reiz  wirkt  hier  von  der  innern  Haut  der  Ei»; 
geweide  auf  die  darin  sich  verzweigenden  Aeste  des  Sympathi»»’’ 
hei  Magen,  Schlund,  Kehlkopf,  Lungen  auch  auf  die  Aeste 
N.  vagus,  in  der  Nase  auf  Nasaläste  des  N.  trigeminus,  und 
flectirt  sich  auf  die  Quelle  der  Athemhew'egungen  in  der  MeiE».' 
oblongala  und  auf  das  Rückenmark,  von  welchen  aus  nun 
Gruppen  der  respiratorischen  Bewegungen  ausgehen,  welche  E*"' 
brechen,  Husten,  Niesen  etc.  bewirken.  Reizung  der  Nasal»*’^ 
des  N.  trigeminus  in  der  Nase  bewirkt  Niesen,  und  selbst  du»'’' 
wenn  die  Reizung  secundär  ist,  wenn  z.  B.  der  Reiz  des  Son»»"' 
lichtes  auf  den  Sehnerven  zuerst,  dieser  auf  das  Gehirn 
das  Gehirn  eine  secundäre  Erregung  der  Nasennerveu  und  glei»'’' 
zeitig  der  Athemnerven  verursacht.  Ich  niese,  wie  viele  And®'?’ 
sobald  ich  helles  Sonnenlicht  sehe.  Reizung  des  vagus  allein 
Kehlkopf,  Luftröhre,  Lungen  en'egt  Husten,  Reizung  des  Schl«»''; 
astes  des  vagus  und  des  glossopharyngeus  im  Schlunde,  des  vui}’” 
im  Magen  erregt  Erbrechen.  Wir  wollen  nun  die  einzelnen  Gj'»P' 
pen  dieser  sympathischen  Respirationsbewegungen  durchgehe»- 

Alle  einzelnen  Athembewegungen  können  isolirt  ausgef»''*^^ 
werden,  und  verbinden  sich  zuw-eilen  zu  Gruppen,  wie  sie  i» 
Regel  beim  Athmen  nicht  stattfinden. 

Die  Zusammenziehung  des  Zwerchfells,  verbunden  mit  d®“ 
Athembewegungen  zum  Ausathmen,  findet  beim  gewaltsamen  A»’’' 
treiben  eines  Körpers  aus  Theilen  der  Bauchhöhle,  willküil“’j 
oder  unwillkürlich  statt,  z.  B.  willkürlich  beim  Stuhlgang  »'? 
Harnlassen,  unwillkürlich  beim  Erbrechen,  Gebären,  unwifik»'''^ 
eben  Stuhlgang  nach  zu  langem  Znrückhalten  der  Exerem®", 
und  beim  unwillkürlichen  Harnlassen  nach  zu  langem  Zurückh» ' 
ten  des  Harns.  Sowohl  der  Schlund  als  Magen,  als  Mastda''’’j 
die  Urinblase,  der  Uterus,  alle  diese  Theile  stehen  durch 
Nerven  in  einem  solchen  Zusammenhang  mit  den  Gehirn- 
Rückenmarksnerven,  dass  jeder  heftige  Reiz  in  Schlund, 
Mastdarm,  Urinblase,  Uterus  nicht  bloss  die  ZusammenzieE»^- 
dieser  Theile,  sondern  auch  die  Zusammenziehung  der  Ba»‘’ 
muskeln  und  des  Zwerchfells  verursacht  zum  Austreiben  des 
zes  nach  oben  oder  nach  unten.  Diese  Wirkung  geschieht  <1»''^^ 
Reflexion  der  Reizung  von  Aesten  des  Nervus  vagiis  im  Schl»'' 
und  Magen  auf  das  Gehirn  und  von  sympathischen  Zweige" 
Magens  auf  das  sympathische  System  und  auf  Gehirn  und 
mark,  durch  Reflexion 


der  Reizung 


Nerven  des  Mastd»»'*'' 


6.  Athembeivegungen  und  Aihemneruen. 


335 


‘Jes  Uterus,  der  Urinblase,  tbeils  sympatliiscben  Nerven,  tbeils 
festen  der  Sacralnerven  auf  das  Rückenmark.  Bei  allen  jenen 
“e\ve^ungen  zum  Austreiben  eines  Tlieiles  nach  oben  oder  nach 
’"iten,  wird  die  Slirnruritze  eine  Zcillang  verschlossen. 

Für  die  Genesis  des  Erbrecbcns  ist  eine  Bcobaclitung  von 
J''»'  sehr  instructiv,  dass,  wenn  man  bei  einem  Kaninchen  die 
^iiterleibsböble  öffnet,  und  den  N.  splancbnicus  (an  der  innern 
‘^•^ite  der  Nebenniere)  auf  der  linken  Seite  blosslegt,  diesen  Ncr- 
mit  einer  Nadel  zerrt,  öfter  eine  Zuckung  der  Bauchmuskeln 
^ötstelit.  Belm  Hunde  habe  ich  diess  nicht  wieder  gesehen, 
j Beim  Husten  wird  die  Reizung  des  N.  vagus  in  Kehlkopf, 
*'Uftröbre,  Lungen  auf  die  Mediilla  oblongata  verpflanzt.  Die 
"fedulla  oblongata  erregt  darauf  Zusammcnzielmug  der  Stimmritze, 
kratnpfbarten  Exspirationsbewegungen  der  Brust-  und  Baueb- 
'*>üskeln,  wobei  in  )cdcr  Exspirationsbewegung  die  vorher  ge- 
*®'dossene  Stimmiätze  sich  etwas  öffnet,  und  ein  lauter  Ton  ent- 
Das  Zw'ercbfell  )jat  mit  dem  Husten  nichts  zu  tbun,  als 
zuweilen  vor  dem  Husten  ein  tieferes  Einatbmen  erfolgt. 
^<>eb  Krimer  [Untersuchungen  über  den  Husten)  und  Brächet  kann 
nach  Durcbsclineidung  des  Nervus  vagus  auf  beiden  Seiten 
einem  Tbiere  keinen  Husten  mehr  durch  heftige  Reizung  der 
l**eern  Fläche  der  Luftröhre  erregen.  Nach  Durebsebneidung  des 
sympathicus  am  Halse  kann  mau  nacliKRiMER  allerdings  noch 
^•isten  erregen. 

> Wir  sind  im  Stande,  den  Eingang  in  den  Kehlkopf  nicht 
'•oss  durch  die  Schliessung  der  Stimmritze,  sondern  seihst  im 
lachen  von  dem  Nasenkanal  und  IMundkanal  ahzuschllessen.  Diess 
S^schleht  durch  die  vonDzoNui  entdeckte  Annäherung  der  hinte- 
Gaurnenhogen,  die  sich  fast  gleich  zwei  von  der  Seite  sich 
|*?hernden  Vorhängen  aneinander  legen,  und  durch  Anlegen  des 
‘‘‘ntern  Theils  der  Zunge  gegen  dieses  Planum  incliuatum.  Diese 
“CWegung  geht  jedesmal  dem  Niesen  vorher. 

jj  Das  Niesen  ist  eine  heftige  plötzliche  Zusammenziehung  der 
^^spivrttlonsmuskeln , nachdem  die  Luitgänge  vorher  vorn  ahge- 
*®lffosscn' waren.  Diese  Vei’schliessung  ändert  sich  im  Moment 
’l®*'  heftigen  Exspiration  in  ein  plötzliches  Oeffnen  des  Mundgan- 
Und  Nasencanales  zugleich,  oder  des  Nasencanales  allein.  Mit 
Zwerchfelle,  das  so  viele  ältere  und  neuere  Autoren  nach 
T'Q  Volksglauben  eine  Rolle  spielen  lassen,  hat  das  Niesen  gar 
“'chts  zu  thun.  Das  Zwerchfell  ist  kein  Musculus  exspiratorius, 
nur  bei  dem  dem  Niesen  vorhergehenden  tiefen  Einatbmen  ist 
Zwerchfell  thätig.  Die  weitläufigen  Nervensympathien  zur  Er- 
„‘^«■ung  des  Niesens  scheinen  ganz  unuöthlg.  Bel  der  falschen 
*'*Pposition,  dass  das  Niesen  durch  das  Zwergfell  erfolge,  liess 
die  Reizung  des  Nasalnerven  auf  den  tiefen  Zweig  des  N. 
^nianus  und  auf  den  sympathicus,  und  von  dort  auf  die  Hals- 
®i"ven  und  den  N.  phrenicus  sich  fortpflanzen.  Selbst  Arnold 
^Pricht  noch  davon.  Da  nicht  das  Zwerchfell,  sondern  dieExpl- 
^*tionsmuskeln  den  Act  des  Niesens  (mit  vorhergehender  Ab- 
^hliessung  des  Mund-  und  Nasencanals)  bewirken,  so  ist  es  am 
fotachsten,  als  Vermittler  zwischen  den  Nasalästen  des  Trlgemi- 


336  11.  Buch.  Organ,  chemische  Processe.  I.  Abschn.  Aihmen, 

nus,  den  Exspirationsmuskeln  und  den  Muskeln  des  Gaumensegel«) 
die  Medulla  oblongata  selbst  anznseben,  nach  Analogie  der  sy®' 
patbischen  Bewegung  der  Iris  durch  den  Licbtreiz.  Denn  b'*'' 
wirkt,  wie  es  sich  deutlich  zeigen  lässt,  der  Licbtreiz  weder  oO' 
mittelbar  auf  die  Ciliarnerven,  noch  von  der  Netzhaut  auf 
Ciliarnerven.  ,Die  Arteria  centralis  ist  zwar  nach  TiedemaNJ** 
Entdeckung  von  einem  feinen  Zweigelchen  vom  Ciliarknoten  bß' 
gleitet.  Diess  Zwcigelchen  verbreitet  sich  aber  auf  der  Arten* 
centralis  retinae,  und  steht  mit  der  Retina  in  keinem  erwiesene* 
Zusammenhänge.  Bei  voller  Lähmung  der  Retina  bewirkt  das  Lic*_ 
in  der  Regel  keine  Zusammenziebung  der  Iris  mehr,  wohl  ab*' 
noch  durch  das  gesunde  Auge  eine  Zusammenziehung  der  Irls  de* 
kranken  Auges.  (Es  giebt  indess  Ausnahmen  von  dieser  Reg**’ 
welche  Tiedemann  Zeitschr.  für  Physiol.  1,  252.  zusammengestd* 
hat.)  Die  Bewegung  der  Iris  erfolgt  daher  auch  ollenbar  durcb 
eine  Reflexion  der  Reizung  der  Retina  auf  das  Gehirn,  vom  f»*' 
hirn  zurück  auf  den  N.  oculomotorius , und  das  Ganglion  cilia*’®' 
Die  Sympathieen  eines  grossen  Theils  von  Nerven  mit  einer  ört' 
liehen  Reizung  durch  Vermittelung  des  Gehirns  und  Rückenmark’» 
werden  sehr  gut  erläutert  durch  die  bei  der  Narcotisation  eii'*l 
Thiers  erfolgenden  Erscheinungen,  wo  eine  leise  Berührung  *** 
der  Haut  schon  allgemeine  tetanische  Krämpfe  erzeugt. 

Das  Gähnen  ist  eine  tiefe  und  langsame  Inspiration  und  E?' 
spiration  mit  Antheil  der  Respirationsmuskeln  des  Gesichts, 
vom  facialis  abhängig  sind.  Der  Mund  wird  dabei  weit  geöffn^b 
eine  Bewegung,  die  auch  vom  N.  facialis  durch  den  Muse,  dig*' 
stricus  beherrscht  wird.  Das  Gähnen  erfolgt  gewöhnlich  nach 
ner  Ermüdung,  besonders  leicht  und  häufig  bei  Menschen 
gereiztem  und  geschwächtem  Nervensysteme,  auch  bei  der  Schläh 
rigkeit,  bei  dem  Eintritte  eines  Fiebers.  Dass  es  von  Hindernissf 
im  kleinen  Kreislauf  entstehe,  scheint  mir  eine  durchaus  falscb* 
Snpposition.  Lachen  und  Weinen  sind  auchimit  Äffectionen 
Respirationsnerven,  im  Gesichte  und  am  Rumpfe  verbunden. 

Das  Schluchzen  ist  eine  wahre  Zwerchfellsaffectlon,  ein  abrup' 
tes  Einathmen  bloss  durch  das  Zwerchfell;  zuweilen  zieht  sich  d** 
Zwerchfell  zusammen,  während  die  Stimmritze  zugleich  gescbloss** 
ist.  Das  Schluchzen  entsteht;^  meist  durch  Druck  auf  Schlu**) 
Speiseröhre  beim  Verschlingen  zu  grosser  Bissen,  oder  bei  ** 
schneller  Aufeinanderfolge  der  Verschlingungen.  Häufig  ist  es 
Zeichen  von  NervenalFection.  Nach  Krimeh  soll  man  das  Schlucb"' 
zen  bei  Thieren  durch  Reizen  und  Drücken  des  linken  Mag^*' 
mundes  hervorbringen  können. 

Alle  Athembewegungen  erfolgen  ausser  dem  Einfluss  des  Wih***^ 
unwillkürlich,  und  sind  doch  auch  innerhalb  einer  gewissen  Greo* 
dem  Willen  unterworfen.  Sie  erfolgen,  ohne  dass  wir  es  wi«*®”’ 
im  Schlafe  imd  zu  anderer  Zeit  in  beständigem  Rhythmus;  bäi^.^ 
als  blosse  periodische  Inspirationen,  in  deren  Zwischenzeiten  d'® 
Theile  wieder  durch  die  Elasticität  sich  verengern , häufig 
als  abwechselnde  Inspirations-  und  Exspirationsbewegiuigen.  S**' 
die  Lungen  zum  Theil  zerstört,  oder  mit  Blut  überfüllt,  so  kau^ 
in  gleichen  Zeiten  viel  weniger  geathmet  werden,  und  die  Athen«' 


6.  Athembewegungen  u.  Atkemnerven.  Erstes  Atlimen.  337 

jievegmigen  sind  dann  in  gleichem  Grade  schneller.  Die  Athem- 
^swegungen  sind  insofern  dem  Willen  unterworfen,  als  wir  den 
®‘'otritt  der  einzelnen  Athemzüge,  aber  nur  innerhalb  einer  ge- 
wissen Grenze,  willkürlich  bestimmen,  dieselben  verkürzen,  ver- 
***'gern,  verschieben  können,  tiijjd  die  Athembewegungen  auf  ein- 
elne  Gruppen  der  Itespirationsmuskeln  beschranken  können,  in- 
eiu  wir  z.  B.  bald  mit  den  Brustwänden,  bald  mit^  dem  Zwerch- 
®}‘e,  bald  mit  beiden  zugleich  die  Inspirationsbewegung  machen, 
lese  Willkür  üben  wir  wie  bei  fast  allen  Bewegungen,  die  von 
rphirn-  und  Rückenmarksnerven  abhängig  sind,  aus,  und  dieWill- 
’i*'  dauert  so  lange,  als  die  entsprecheftden  IVervcn  noch  mit  dem 
®hirne  und  Rückenmark  in  Verbindung  stehen.  Ausserordentlich 
*äerkwürdig  und  räthselhaft  ist  nun  aher  der  Rhythmus  der  un- 
Wdlkürlicheu  Athembewegungen,  welcher,  wie  ivir  schon  gesehen 
j®hen,  auch  in  der  Medulla  oblongata  seine  Quelle  hat.  Bei  dem 
j.^tus  fehlen  diese  Athembewegungen  bis  nach  der  Geburt.  Es 
sehr  nahe  zu  glauben,  dass  der  Einfluss  der  atmosph.  Luft 
die  Lungen-,  Luftröhren-  und  Kehlkopfiicrven  die  Ursache 
Athembewegungen  sey,  insofern  die  Reizung  der  feinsten 
^''■eige  der  Nervi  vagi  in  diesen  Theilen  nach  dem  Gehirne  und 
Quelle  der  Athembewegungen  verpflanzt  werde.  Diess  ist  in- 
Unzweifelhaft  falsch;  denn  w'enn  diess  richtig  wäre,  so  müsste 
Zerschneidung  der  Nervi  vagi  am  Halse  mit  gleichzeitiger 
.'•i'chschneidung  des  höher  abgehenden  Nervus  laryngeus  supe- 
hei  Thieren  das  Athmcn  ganz  auf  heben,  weil  dadurch  die 
jj**ipßndung  des  Reizes  der  atmosph.  Luft  in  den  Lungen  und  im 
^lilkopfe  aufgehoben  wird.  Ich  habe  diess  beim  Kaninchen  ge- 
, ich  habe  den  Nervus  vagus  auf  beiden  Seiten  durchschnit- 
j und  nachdem  ich  eine  Oeffnuiig  in  die  Liifti'öhre  zur  Unter- 
*uung  des  Athmens  gemacht,  auch  den  Nervus  laryngeus  supe- 
durchschnitten,  ja  hernach  den  ganzen  Kehlkopf  ausgeschnit- 
j "'j  aher  der  Rhythmus  der  Athembewegungen  dauerte  unverän- 
lurt,  so  wie  er  nach  der  Durchschneidung  der  Nervi  vagi 
L ft*?*'  pflegt.  In  dem  Fötuszuätande  ist  aber  allerolings  die 
^ uröhre  und  der  Kehlkopf  in  einem  unempfindlichen  Zustande, 
j**.  der  Liquor  amnii  nach  Scheel’s  Untersuchungen  in  beide  ein- 
während  beim  Erwachsenen  die  geringste  Flüssigkeit  au 
Stimmritze  heftige  Bewegungen  erzeugt. 

Ilie  Ursache  des  ersten  Athmens  nach  der  Geburt  scheint 
^hein  in  dem  Reize  zu  liegen,  welchen  das  in  den  Lungen 
j^^ieich  sich  oxydirende  Blut  auf  das  Gehirn,  und  vorzüglich  die 
f *dulla  oblongata  als  Quelle  der  Athembewegungen  ausübt,  wäh- 
jj  j diese  Organe  bisher  in  einem  mehr  schlummernden  Zustande 
Cs**  ^®fanden.  Das  Blut  des  neugebornen  Kindes  wird,  sobald 
ft  1 Schoren  ist,  in  den  Lungen  schon  hellroth,  das  hellrothe  Blut 
in  wenigen  Augenblicken  ins  Gehirn,  und  auf  der  Stelle 
die  Athembewegungen.  Bei  dem  Athmen  der  Frösche 
i,ji^3sserstoffgas  oder  in  Stickgas  hören  die  Athembewegungen 
d^j^hg  nach  einigen  Stunden  auf,  weil  der  dazu  nöthige  Reiz, 
j'jj*  **®lh’othe  Blut  fehlt.  Werden  die  Frösche  in  die  atmosphä- 
^'-he  Luft  gebracht,  so  kehren  sie,  wenn  nur  ihr  Herz,  wenn 
“'ler’s  Physiologie.  I.  , 22 


338  II.  Buch.  Organ,  chemische  Proce.^se.  P,  Abschn.  Athmen. 


gleicli  in  noch  so  grossen  Pausen,  schlägt,  ins  Lehen  zurück,  lO' 
dem  ihre  Athemhewegungen  alimVdilig  wieder  finfangen.  Verg>’ 
oben  meine  und  Bebgem.ans’s  Versuche  pag.  322.  323. 

Baiitei.s  {die  Respiration  als  vom  Gehirne  abhängige  Bewcg>AS 
und  aht  chemischer  Process.  Breslau  1813.  ÖÖ.)  ])ehauptete,  die  AH' 
hätiCung  des  Yenösen  Blutes  im  Gehirne  heim  Ausalhmen 
Einlluss  auf  die  Hirnwirkung  ])eira  Athmen.  Allein  Trevira*'^, 
sah  die  Athemljewegungeii  der  Frösche  nach  Unterbindung  h®' 
Blutgefässe  fortdauern  '{Biol.  5.  p.  2G0.)  und  Legaleois  sah  c** 
hauptete  Kaninchen  den  Mund  wiederholt  wie  zum  Athmen  ölfo® 
und  schliessen.  /.  c.  p.  29, 

Die  Zerschneidung  des  Nervus  recui’rens  auf  beiden  Scü® 
ist  bei  jungen  Thieren  oft  tödtlich,  wie  Legallois  fand;  bei 
wachsciien  Thieren  ist  sie  nicht  tödtlich.  Die  Zerschneidung 
nes  Nervus  vagus  ist  nicht  tödtlich,  aber  die  gleichzeitige 
schneidung  beider  Nervi  vagi  ist  immer  tödtlich,  der  Tod  erle*» 
innerhalb  mehrerer  Tage.  Die  Ursachen  des  Todes  nach  dh* 
Operation  haben  die  Physiologen  seit  Bufus  Ephesius  und  ^ 
i.ENtrs  beschäftigt,  in  der  neuern  Zeit  hat  man  diese  UntcrsuchuH^ 
gen  gründlicher  angestellt,  aber  man  kann  immer  noch  nicht 
gen,  durch  welche  Entziehung  zunächst  diese  Verletzung  tödf® 
Die  Athemhewegungen  sind  davon  grösstentheils  unabhängig.  B , 
Nervus  recurrens  wird  zwar  dabei  und  also  die  Muskeln  des  Kc*' 
kopfes  halb  gelähmt;  allein  man  Aveiss,  dass  die  DurchscheidH”® 
der  Nervi  rccurrentes  keinen  tödtlicben  Erfolg  hat.  ■DePTJTT*®| 
{Biblioth.  m£d.  17.)  fand,  dass  ein  Pferd,  dessen  beide  Nervi 
durchschnitten  waren,  innerhalb  einer  Stunde,  ein  Hund  innerb* 

2 — 3 Tagen  stirbt,  und  dass  der  Tod  mit  immer  iunehmeo** 
Beschwerden  der  liespiration  erfolgt.  Das  Blut  in  den  Cai’otid 
war  allmählig  dunkler  geworden.  Hieraus  schloss  man,  dass  * 
chemische  Proeess  des  Athmens  durch  jene  Verletzung  aufgehoö  .| 
werde.  Diese  Ansicht  war  indess  schon  darum  verdächtig, 
das  Blut  schon  ausser  dem  Ihierischcn  Körper  die  beim  Ath*H^ 
gewöhnliche  Veränderung  erleidet.  In  Hinsicht  der  Kritik 
Beobachtungen  verweise  ich  auf  die  unten  augeführtdn  vorlrc®  ^ 
eben  Ahhandlungcn  von  Emmert,  welche  die  vollständigste  A 
sammenstellung  der  früheren  Versuche  enthalten. 

Bald  zeigte  auch  Blainville  {Npuv.  bullet,  de  la  soc. 

180S.)  durch  Versuche  an  Vögeln,  dass  diese  nach  Durchschi'  ^ 
düng  der  Nervi  vagi  eben  so  viel  Saucrstofl'gas  verzehren  H® 
Kohlensäure  absondern,  als  im  gesunden  Zustande,  dass  die 


des  Bluts  sich  cljen  so  noch  in  den  LuhgCn  verändert, 


Die 


gel  leben  nach  dieser  Opci'alion  noch  ziemlich  lange,  6 — 7 * 

Kaninchen  sterben  schon  nach  circa  7 Stunden.  Die  Vögel 
ben  nach  völliger  Abzehrung.  Daher  Bi.ainvillk  die  Ursache  * 
Todes  in  der, .Störung  derVerdäuung  sucht,  was  jedenfalls  , 
nicht  auf  die  Kaninchen  und  .Säugethiere  überhaupt  passt.  . g 
{.fourn.  gen.  d.  mcdec.  T.  .33.  1808.  llec.)  fand,  dass  atmosphärisH^^^ 
Luft  oder  SauerstoUgas  in  die  Lungen  eingeblasen  dem  Arteri®^^ 
blute  w'ieder  cihe  bcllrothc  Farbe  mittheilt.  Nach  Emmerts 
suchen  an  Kaninchen  Archiv  9.  380;  11.  117.)  wird 


6.  Athemhewcgungc.n  u.  Alhemnerven.  N.  cagus. 


339 


:^l-lirncn  n.ncli  jener  Operation  seltener,  langsamer,  Lescliwerllclier. 
"•ese  Erscheinung  ist  ghnz  constant  und  cs  ist  in  der  That  sehr 
'nteressant,  wie  ich  hei  Kariinclicn  und  Vögeln  heobachtete,  dass 
^''1  dem  Moment  an,  wo  beide  Nerven  durchschnitten  sind,  die 
'^tliernzüge  tief  und  langsamer  werden.  Emmert  fand  die  Uin- 
'y*'f>dlun£f  des  Blutes  in  den  Lungen  nicht  sehr  verändert,  er  leitet 
|V.!*  ‘1er  Thiere  zum  Theil  von  der  Lähmung  der  eigen- 

tümlichen Bewegung  der  Bronchien  ah.  Emmert  hat  zugleich 
••raur  aufmerksam  gemach l,  dass  der  sympathische  Nerve  und  der 
fl  ^'tgus  unter  den  SängethierQn  nur  bei  den  Kaninchen  am 
mlse  getrennt  sind,  dass  sich  aber  bei  den  meisten  Sängethieren 
N.  sympathicus  bald  nach  dem  Austritt  aus  dem  Ganglion 
ttervicale  Supremum  mit  dem  N.  vagus  verbindet,  und  dass  man 
mier  den  N.  vagtis  nicht  ohne  den  N.  sympathicus  unterbinden 
durchschneiden  kann.  (Nach  Bischof  hängt  der  N.  sympa- 
.“tus  nur  beim  Schwein  (?),  Kaninchen,  Manlwurf,  Waldmaus 
*'!‘tkt  mit  dem  Vagus  fest  zusammen.  Nervi  accessorü  anatomla  et 
^‘yAologia.  JleitleA.  1832.  ■,  auch  nicht  beim  Stachelschweine  nach 
^®|ncr  Beobachtung.)  Emmert  erklärte  nun  den  verschiedenen 
ffolg  der  Versuche  von  Dupüttren,  Br,Aiavii.tE  und  Ändern  von 
liurchschneidung  beider  Nerven  oder  des  einen,  nach  den 
^^fschiedenen  Thieren,  welche  angewandt  wurden.  Von  Dupuv- 
“En  waren  beim  Pferde  beide  Nerven,  in  Emmert’s' Versuchen  an 
''[■dnehen,  und  Beainviele’s  Versuchen  an  Kaninchen  und  Vö- 
pEln  War  dagegen  bloss  der  N.  vagus  durchschnitten  worden.  Dass 
jdess  diess  keinen  besondern  Einlluss  haben  kann,  geht  aus  v. 
QMmer’s  Versuchen  hervor,  nach  Avelchen  die  Durebtehneidung 
Nervus  sympatbicus  auf  beiden  Seiten  bei  Tliieren  am  Halse 
ohne  Avichlige  Folgen  ist.  Diese  Versuche  wurden  bei  Ka- 
^“>chcn  upd  Hunden,  bei  letzteren  so  gemacht,  dass  die  Scheide, 
j^'^lche  den  Sympathicus  und  Vagus  einschliesst,  geöffnet,  und  der 
•y*Opathicus  allein  durchschnitten  wurde.  Die  Thiere  zeigten  bis 
7.  und  8.  Woche,  so  lange  sie  beobachtet  wurden,  keine  wich- 
Veränderiuig.  Vergl.  pag.  188.  Nach  Arnemann  sterben  Hunde 
'’^ot  immer  nach  Durchschneidung  der  Nervi  vagi. 

, Nach  Provencal  (■/.  gen.  de  med.  31.  1810.  Jane.)  hört  der 
.^mische  Process  des  Athmens  nach  jener  Operation  nicht  auf, 
J'i'd  aber  vermindert.  Er  fand,  dass  die  Thiere  weniger  Sauer- 
ji^dgas  verzehren  und  weniger  Kohlensäure  bilden,  und  dass  die 
j ‘ßrische  Wärme  abnimmt.  Legai.i.ois,  der  bereits  gefunden 
j ‘Iß,  dass  ein  Thier  um  so  kürzere  Zeit  ohne  Respiration  aus- 
^’'äert,  je  älter  es  wird,  fand  auch , dass  nach  der  Durchschnei- 
der  Nervi  vagi  der  entgegengesetzte  Fall  eintritt.  Ein  neu- 


Mb; 

«ei 


‘‘rner  Hund  stirbt  nach  jener  Operation  schon  in  ^ Stunde, 


rcnd  sie  ein  erwachsener  Hund  1 — 2 Tage  ühcrleht,  wie  denn 
Rn*  jungen  Thieren  selbst  die  Durchschneidung  der  Nervi  recur- 
5 in  -t  Stunde  tödtet,  so  dass  bei  -jungen  Thieren  die  Ur- 
V.,  schnellen'  Todes  nach  der  Dui’chschneidung  der  Nervi 

l'8*  die  gleichzeitige  Lähmung  der  von  ihnen  ahgehenden  Nervi 
*^yDgei  inferiores  und  die  Paralyse  der  Muskeln  des  Kehlkopfes 

22* 


340  II.  Buch.  Organ,  chemische  Processe.  I.  Ahscitn.  Athmen. 


zu  seyn  sclieint.  Daher  auch  die  Tracheotomie  das  Leben  etvT** 
'verlängert.  Legallgis  überzeugte  sich  auch,  dass  die  Stimmrit***' 
die  sich  heim  Einathmen  erweitert,  hei  jungen  Thieren  nach  d'®' 
ser  Operation  sich  fast  gänzlich  schliesst.  Legallois  fand  naC^ 
der  Durchschneidung  der  Nervi  A'agi  eine  Ergiessnng  einer 
serösen  schaumigen  Flüssigkeit  in  den  Lungen,  welche  die  von  “C 
Lähmung  der  Muskeln  zur  Erweiterung  der  Stimmritze  herrühren 
Athembesclfwerde  vergrösscrl.  Beide  Ursachen,  welche  sich  n 
der  Durchschneidung  der  Nervi  vagi  vereinen , scheinen  hier 
endliche  Suffocation  und  den  Tod  zu  bewirken,  der  nach  d® 
blossen  Durchsclineidiuig  der  Nervi  recurrentes  bei  erwachsene 
Thieren  nicht  erfolgt.  Nach  Dupuv  sterben  Pferde  und  Sch» 
nach  der  Durclischneidung  der  Nervi  vagi  in  einer  Stunde,  'vven*' 
aber  die  Tracheotomie  gemacht  worden , nach  mehreren  Tag®®' 
Hier  ist  gleichsam  die  Wirkung  der  Lähmung  der  Nervi  rec'*®^ 
rentes  getrennt  von  der  Wirkung  der  Lähmung  der  Pulmon®^ 
zweige  der  Nervi  vagi.  Indess  glaubt  Dupuy,  dass  die  Lähniä®'’ 
der  Lungen  nicht  allein  durch  die  Ergiessung  von  Flüssigkeit®  ’ 
sondern  auch  durch  vermindertes  Athmen  Suffocation  heA<i‘ 
Die  Ursache  der  Ergiessung  von  Flüssigkeiten  aus  den  Lung®®^ 
gefässen  in  die  Lungenzellen  und  die  Bronchien  ist  übiägens  lei® 
aus  den  pag.  241.  'angesteliten  Betrachtungen  cinzusehen. 

Nach  Rrimeb  soll  nach  der  Durchsclineidiuig  der  Nervi 
eine  Ergiessung  von  Faserstoff  in  die  Lungenzellen  erfolgen,  ■"  ’ 
wenn  es  richtig,  eine  Thatsache  von  Wichtigkeit  wäre.  ,j 

Mayer  (Tiedem.  Zeüschr.  für  Physiot.  2.  74.)  beobachtete  ® 
eine  constante  Erscheinung  nach  zahlreichen  Versuchen  über  ® 
Unterbindung  und  Dupchschneidung  des  N.  vagus,  dass,  wenn  ® 
Tod  längere  Zeit  nach  der  Operation  erfolgt,  in  dem  Blute  n 
Lungen  und  des  Herzens  sich  feste  weisse  Coagulationen  vorfiuu 
welche  die  Ai'terien  und  Venen  der  Luns^en,  so  wie  auch  _ ^ 
Höhlen  des  Herzens  ganz  ausfüllen.  Diese  Coagulationen  s'®, 
noch  weich  und  bestehen  aus  schwarzem  Gerinnsel,  wenn 
Tod  bald  nach  der  Unterbindung  oder  Durchschneidung 
vagus  eintritt;  aber  wenn  der  Tod  erst  .(;i„r.ripn  ou 


■6 

, aber  wenn  der  Tod  erst  nach  48  Stunden 

später  eintritt,  so  sind  diese  Coagulationen  weiss.  • Diese  Beoba  j 
lungeu  sind  sehr  intferessant.  ln  4 Versuchen,  bei  2 Hunden  ^ 

2 Kaninchen,  die  unter  meiner  Leitung  angcstellt  wurden,  fa® 
sich  nach  Durchschneidung  der  Nervi  vagi,  als  die  Thiere  S®  .j 
unmittelbar  nach  dem  erfolgten  Tode  untersucht  wurden , jgii 
mal  im  linken  Herzen  ein  erbsengrosses  Coagulum,  keines  m 
Lungengefässen.  Eine  z-Weite  Erscheinung  und  Ursache  des  ^ 
des,  die  zwar  nicht  immer  nach  dieser  Operation,  aber 
häufig  eintritt,  ist  nach  Mayer  das  Hineintreten  von  aus 
Magen  regurgitirtem  Futter  durch  die  ohnehin  mehr  ersch^ 
und  unempfindliche  Glottis  in  die  Luftröhre  und  Bronchien, 
Mayer  Avird  nach  der  Operatiön  der  Herzschlag  viel  sehne 
die  Respiration  immer  langsamer. 

Reiht  man  alles'  zusammen,  was  die  verschiedenen  Beoba 
tungen  ermittelt,  so  tödtet  die  Unterbindung  oder  Durchsch® 


I 


II,  Abschn.  Ernährung,  Wachsthum,  Wiedererzeugiing.  341 

^Ung  des  Nervus  vagus  durch  den  Zusammenfluss  verschiedener, 
***16121  SufFocation  hcrhciluhrcnder  Umstände..  Diese  sind: 

1.  Die  unvollkommene  Lähmung  der  Lewegungen  zur  Ver- 
****derung  der  Stimmritze. 

2.  Die  Exsudationen  in  den  Lungen. 

3.  Der  veränderte  chemische  Proccss  in  den  Lungen. 

4.  Die  von  Maykr  beobachtete  Gerinnung  des  Blutes  in  den 
^^fässen.  Vergl.  über  diesen  Gegenstand  Lusn  Vieisectionen  p. 
‘“22  — 24.3. 


if.  yibschnitt.  Von  der  Ernährung,  vom 
Wachsthum  und  von  der  Wieder- 
erzeugung. 

/.  Capitel.  Von  der  Ernährung, 
a.  Proccss  der  Ernährung. 

. Die  Ernährung  ist  kein  Gegenstand  mikroskopischer  Beohach- 
^ **§•  Doellinger  und  Dütrochet  wollen  zwar  bemerkt  haben, 
Blutkörperchen  in  den  Capillargefässen  ilire  Beweglichkeit 

i. d'beren  und  sich  mit  der  Substanz  verbinden,  .rieh  habe  auch 
j ein  Stocken  der  Blutkörperchen  beobachtet;  allein  fortge- 
^®tzte  Beobachtungen  haben  mich  immer  gelehrt,  dass  im  Zu- 
I öde  der  kräftigen  Gesundheit  eines  Thiers  die  Blutkörperchen 

den  mikroskopisch  untersuchten  Theilen  immer  aus  den  Arte- 
ls*,®/* in  die  Venen  übergehen,  und  ich  halte  die  Theorie  der  Er- 
j*hrung  durch  Aggregation  der  Blutkörperchen  oder  der  Kerne 
Blutkörperchen  für  entschieden  falsch.  So  weit  ist  die  Mi- 
jjJ^'^etrie  und  der  Gebrauch  guter  Instrumente  in  der  Physik  der 
S^nischen  Körper  schon  gekommen,  dass  sich  ans  der  blossen 
.y^**auen  Vergleichung  der  Grössen  jene  Theorie  widerlegen  lässt. 

j,  *n  einer  solchen  Genauigkeit  gehört,  habe  ich  in  der  Vor- 

^ ® zu  diesemWerke  auseinandergesetzt,  und  bemerkt,  dass  mi- 
5^“^®trische  IVIessungen,  um  als  Basis  für  wissenschaftliche  Unter- 
j^'^l^ngen  und  Vergleichungen  zu  dienen,  nicht  bloss  direct  ge- 
lich  müssen,  sondern  dass  das  Wichtigste  und  ünerläss- 

bstc  für  diesen  Zweck  ist  die  Vergleichung  eines  Körperchens, 


312  II,  Buch.  Organ,  chemische  Processe.  II.  A/ischn.  Ernährung- 

Aas  als  Einlieit  oder  Maassstnl>  £;el)raucht  werden  kann,  mit  eine'’* 
andern  zu  messenden  Tlieile,  neben  einander  unter  dem  Mikroskop) 
Avie  zum  Beispiel  die  mikroskoplsclie  Vergleichung  der  Blutkör- 
perchen des  Menschen  mit  l’rimitivfascrn  der  Nerven,  der  Muskel”) 
die  zu  gleicher  Zeit  observirt  werden.  Da  nun  die  Blutkörp<”' 
eben  des  Menschen  nach  nabe  übercin.stimmeiiden  zuverlilssigere'' 
Beobachtungen  von  Kater,  W'oLLASTON,  I’revost  und  Dcmas, 

BEH,  Wagner  und  von  mir  sehr  sicher  zu  0,00020  P.  Z.  ai'n®” 

98.),  so  bat  man  einen  s*' 


nommen  werden  können  (vere 


pag, 


ehern  Maassstab.  Ich  bediene  mich  zur  Vergleichung  als  Maas’' 
stab  der  Blutkörperchen  des  Menschen,  die  man  .sogleich  dur” 
einen  Hautritz  an  sich  selbst  haben  kann,  und  der  Blutkör])’”'' 
eben  des  Frosches,  die  im  Durchmesser  circa  4 mal  grösser  si””’ 
so  wie  der  durch  Essigsäure  dargestellten  Kerne  der  Blutkörp®*' 
eben  der  Frösche,  die  im  Durchmesser  \ — ^ so  gross  als  d’ 
ganzen  Blutkörperchen  sind. 

Die  Blutkörperchen  sind  offenbar  zusammengesetzte  Körp***^* 
sie  enthalten  bei  den  Fischen,  Amphibien,  Vögeln,  Säugethic*'®'* 
und  Menschen  Kerne.  Die  Form  der  Blutkörperchen  ist  eig®'*'’ 
thümlicli  und  stimmt  nicht  mit  den  Elementen  der  Organe  üb”^' 
ein,  was  man  auch  darüber  zu  voreilig  gesagt  hat.  Die  Musk” 
fasern  und  Nervenfasern  sollten  zwar  aus  aggregirten  Kügeld*®" 
.bestehen.  Allein  die  Blutkörperchen  sind  bei  keinem  Wirhi*' 
thiere  Kügelchen,  sondern  Scheiben.  Prevost  und  Dumas 
Edwards  halten  die  Kerne  der  Blutkörperchen  für  die  Eleiuc*'  ^ 
der  E'asern.  Allein  so  gross  auch  meine  Hochachtung  für  d'”’ 
Naturforscher  ist,  so  kann  ich  doch  einen  Widerspruch  iluer  'k** 
sichten  mit  meinen  Beobachtungen  nicht  unberücksichtigt  lass”*)' 
Ich  habe  mich  niemals  deutlich  überzeugen  können,  dass  die 
mitivfasern  der  Muskeln  und  Nerven  aus  Kügelchen  bestehen) 
sehe  nur  Fasern  mit  dicht  folgenden  Anschwellungen  In  d 
Muskeln,  wie  denn  auch  C.  A.  Schultze  {uergl.  Anat.  123.)  **. 
Kügelchen  in  den  Muskelfasern  nicht  linden  konnte.  Ich  t”*^ 
sie  noch  weniger  in  den  grösstentheils  ganz  gleichförmigen  1^*^ 
venfasern,  sondern  nur  Unebenheiten  der  Oberfläche.  Nur 
man  bei  dem  Schimmer  des  Sonnenlichtes  observirt,  sieht  p’*  ^ 
wie  in  allen  Geweben,  Kügelchen,  die  man  aber  nicht  von  ^ 
ebenheiten  der  Oberfläche  unterscheiden  kann.  Von  den 
Schwellungen  der  Fasern  des  Gehirns  und  Rückenmarks, 


senweuungen  der  fasern  des  GenirnS  und  ffuckenmarKs,  , 
Ehrenberg  entdeckte,  rede  ich  nicht.  Diess  sind  Varicositä 
der  Nervenröhren  mit  ansehnlichen  gleichförmigen  Zwis”” 
stellen. 

Die  Blutkörperchen  des  Frosches  sind  nach  meinen 
suchungen  3^ — 8 mal  grösser  als  die  Primitivläsern  seiner 
kein.  Die'  Blutkörperchen  des  Kaninclicns  sind  5 — 6 mal 
als  die  Primitivfasern  der  Muskeln,  die  perlschnurartig  'igp 
wenn  sie  nach  litägiger  Maceration  (Winter)  sichtbar 
sind.  Die  Primitivfasern  der  Nerven,  welche  dicker  sind, 
der  Muskelfasern,  stimmen  auch  nicht  mit  den  Verhältnissen 
Blutkörper  und  ihrer  Kerne  überein.  Zudem  sind  die  h®* 


1,  Von  der  Ernü/wuiig.  Verhalten  des  Bluts. 


343 


Blutkörpcrclieii , wie  ieB  liaLe,  ^ar  keine  Kügeleken 

den  Amjdilljienj  sondern  elllptiscli  und  Leim  Salamander  so- 
platt;  wie  können  daraus  die  Primitiviasern  der  Muskeln  und 
Nerven  entstellen? 

. Die  Capillargelässe  verbreiten  sieb  zuletzt  niclit  melir  auf  den 
V’unitivfasern  der  Muskeln,  der  Nerven  ; dazu  sind  diese  zu  klein, 
sind  ja  dünner  als  die  Capillargeltisse  von  0,00020  0,00050 

^•Z.  Durclimesser.  Der  Stoifwecli.sel  kann  dalier  nur  durcli  die 
,?Pillargefässw'ande  liindurcli  gescliolien.  Diese  Ernälirung  durcL 
I Gapillargefässwände  liindurcli  geschielit  aus  aufgelösten  riiei- 
des  Blutes,  wälirend  die  unaulgelösten  Blutkörperclien  siebt- 
er aus  den  Ai-tericn  iii  die  Venen  übergeben.  Die  wicbtigslen 
Materiale  der  ErnVdirung  sind  olfenbar  das  Eiweiss  und  der  auf- 
8elöste  FaserstolF.  Ein  Tbeil  dcrs'erben  kann  die  Wände  der  Ca- 
Pillargef'isse  durebdringen,  sie  tranken  die  Partikeln  der  Gewebe, 
I?d  die  Lympbgefasse  fübren  die  zur  Ernabrung  überflüssigen 
£*'eile  des  in  die  Partikeln  der  Organe  eindringeiulcn  aufgelösten 
j ^jserstolfs  und  Eiweisses  aus  den  Geweben  wieder  ab,  ins  Blut, 
ist  nun  von  Wicbligkeit,  zu  wüssen,  dass  die  Capillargefiisse 
noeb  Wandungen  haben,  was  pag.  205.  liewdcsen  worden, 
.'clits  kann  zu  den  Organtbeilen  aus  dem  Blute  und  von  jenen 
Blut,  ohne  im  aufgelösten  Zustande  die  Capillargefässe  zu 
‘^^*rcbdrln''en.  Die  auf  den  ersten  Blick  zur  Erklärung  der  Er- 
^»Wung  Icicbterc  Vorstellung,  dass  das  Blut  in  den  Capillarge- 
^^ssen  nur  in  Ausböblungcn  der  Substanz  fliesse,  zeigt  sieb  bei 
|;älierer  Untersuebung  unstattbaft.  Dagegen  sind  die  für  Aufge- 
Y^tes  durcbdriuglicben  Wiüide  der  CapillargcfVissc  aueb  kein  Hin- 
i^rniss  für  die  Anziehung  der  aufgelösten  Theilc  des  Blutes.  Die 
^^eälirung  gesebiebt  nun,  indem  die  kleinen  Partikeln  der  Oi- 
8^üe  iu  den  Alaseben  dei*  Gapillargetässnetze  die  autgelöstcnTbcile 
Blutes  anziebeu  und  aueb  wobl  Stoffe  au  das  Blut  abgeben. 
^'LDßAEn’s  Ideen  von  der  Metamorphose  des  Blutes  in  den  klei- 
Gefassen  sind  gewiss  ohne  den  Gebrauch  des  Mikroskops 
***lstanden. 

Ob  der  rotbe  Farbestoff  der  Blutkörperchen  auch  an  Organe, 
Farbestoff  zu  enthalten  scheinen,  wie  die  Muskeln,  etwas  ab- 
8^1ie,  indem  davon  etwas  aufgelöst  wird,  oder  ob  die  Aluskeln 
Stoff,  der  sich  an  der  Luit  staiker  rötbet,  selbst  bilden,  ist 

““gewiss.  Jedenfalls  sind'die  Blutkörperchen  selbst  als  ganze  Kör- 
'^“i'cben  keine- Alateriale  der  Ernabrung  dnrbb  Aggregation  tler- 
Sie  geben  beständig  aus  den  Arterien  in  die  Venen  über. 
Bife  Wirkung  iu  der  tbieriseben  Ockouomie  ist  gewiss  iiusserst 
"ficbtig,  sie  erleiden  die  beim  Atlimen  stattfmdende  Veriinderuiig, 
Be  Werden  bebii  Durcligange  durch  die  Capillargefässe  des  Kör- 
wieder  dunkelrotli.'  sde  sind  hier  iu  einer  Wecbsclvvirkung 
den  Partikeln  der  Organe,  welche  sic  duukelrotb  macht, 
“alirend  die  Blutkörperchen  doch  nur  an  den  Organtbcilchen  vor- 
““ergebeii.  Sie  erleiden  bei  jedem  Cireuitus  innerhalb  3 Min. 
T- 116.)  ciimial  die  bellrotbe  Färbung  iu  den  Lungen,  ciuma!  die 
““ökelrotbc  in  den  Capillargefässen  des  Körpers,  sie  u erden  in 


344  II.  Buch,  Organ,  chemische  Processe.  II.  Abschn.  Ernährung. 

24  Stunden  circa  480  mal  licllroth  und  dunkelroth.  Sie  übe« 
im  hellrothen  Zustande  auf  die  Organe,  und  namentlich  auf 
Wers'en,  einen  zum  Leben  nothwendigen  Reiz  aus.  Dieser  R®’* 
ist  aber  von  der  Zuführung  neuen  Stoffes  durch  die  Ernährung 
ganz  verschieden.  Dutrocitet  glaubte,  dass  sie  elektrische  Strü" 
mungen  bewirken ; das  3.  Capitel  der  Lehre  vo7n  Blute  (pag.  12®'' 
war  der  empiriselien  Untersuclmng  dieser  Hypothese  bestimmt- 

In  der  Ernährung  wiederholt  sich  das  Grundgesetz  der  of' 
ganischen  Assimilation.  Jedes  Organtheilcheii  zieht  ähnliche  .Theü' 
eben  aus  dem  Blute  an,  und  wandelt  sie  so  um,  dass  sie  des  L®' 
bensprincips  des  Organes  selbst  theilhaftig  werden.  Der  JVerv® 
bildet  Nerven-,  der  Muskel  Muskelsubstanz,  selbst  die  organisirl**’’ 
pathologischen  Producte  assimiliren.  Die  Hauluarze  vergrösser^ 
sich,  das  Geschwür  ernährt  seinen  Boden,  seine  Ränder  auf 
für  eine  bestimmte  Lebensart  und  Absonderung  nöthige  'VVeis®^ 
und  die  Umwandlung  der  Nabrungsmateriale  in  ein  krankhaft  pr^' 
ducirendes  Organ  kann  zum  Ruin  des  Ganzen  werden. 

Die  näheren  Bestandtheile  der  Organe  sind  zum  Thcil  sebo" 
im  Blute  vorhanden,  das  Eiw^elss,  das  in  so  vielen  Theilen, 
im  Gehirne  und  in  den  Drüsen,  in  der  Zusammensetzung  so 
1er  anderen  Gebilde  im  mehr  oder  weniger  modificiiten'Zustan‘l® 
vorkömmt,  ist  in  dem  Blute  schon  vorhanden,  der  Faserstoff 
Muskeln  und  musculösen  Thcile  ist  die  gerinnbare,  im  Blute  nn® 
in  der  Lymphe  aufgelöste  Materie,  das  stickstofflose  Fett  finJ«* 
sich  im  freien  Zustande  in  dem  Chylus,  das  Stickstoff-  und  phos- 
phorhaltige  Fett  des  Gehirns,  der  Nerven,  ist  im  Blute  scho" 
vorhanden,  iind  mit  dem  Faserstoffe,  Eiweiss  und  Cruorin  gebun- 
den. Das  Eisen  der  Haare,  des  schwarzen  Pigmentes  und 
Crystalllinse  findet  sich  schon  im  Blute  vor,  die  Kieselerde  un® 
das  Mangan  der  Haare,  das  Fhiorcalcium  der  Knochen  und  Zähnß 
sind,  wegen  ihrer  geringen  Menge  vielleicht,  im  Blute  noch  nin*‘‘ 
entdeckt  worden.  Diese  Materien  werden  von  den  Partikeln 
Organe,  worin  sie  Vorkommen,  thcils  aus  dem  Blute  als  Aelinlick^ 
ausgezogen,  tlieils  werden  die  näheren  Eestiindtheile  der 
neu  zusammengesetzt;  denn  unmöglich  lässt  sich  die  Ansicht  durc^*^ 
führen,  dass  alle  Bestandtheile  der' Organe  schon  als  solche 
Blute  vorhanden  sind,  vielmehr  zeigen  die  organischen  Suhst^**"" 
zen  der  meisten  Theile  theils  viele  Modificationen  von  Eiwc'**’ 
Faserstoff,  Fett,  Osmazom,  theils  ganz  eigenthümliche  Materiß**' 
wie  der  Leim  der  Knochen,  der  Söhnen,  der  Knorpel,  wovu” 
sich  im  Blute  kein  Analogon  zeigt.  Auch  die  Substanz  des 
wehes  der  Gefässe,  die  verschiedenen  Drüsensubstanzen  lasse“ 
Hch  nicht  ganz  auf  Jene  einfachen  Bestandtheile  des  Blutes  ziirüel^' 
führen.  Selbst  die  Vergleichung  des  Faserstoffs  der  Muskeln 
dem  Faserstoff  des  Blutes  ist  nicht  strenge.  Denn  geronnene* 
Faserstoff,  geronnenes  Eiweiss,  zeigen  bis  auf  das  Verhalten 
Wasserstoffsuperoxyd  fast  gar  keine  chemischen  Unterschiedei 
p.  125,  und  der  wichtigste  Unterschied  ist  nur,  dass  der  im  Blut“ 
aufgelöste  Faserstoff  Jedesmal  gerinnt,  sobald  er  den  thieriscbe“ 
Körper  verlässt,  Eiweiss  aber  nicht  von  selbst,  sondern  nur  b®* 


1.  Von  der  Ernährung.  Unterschied  von  der  Enfzändiing.  345 

70 — 750  Q^gj,  Säuren,  concentrirte  Auflösung  von  fixem 

Metallsalze  gerinnt.  Der  TaserstofF  der  Muskeln  verhält 
*“=1»  chemisch  kaum  ähnlicher  dem  geronnenen  Faserstoff,  als 
* cui  geronnenen  Eiweiss.  In  Hinsicht  der  Lehenskräfte  ist  aher 
Faserstoff  der  Muskeln  von  heiden  verschieden.  So  ist  auch 
' Vergleichung  der  Nervensubstanz  mit  Eiweiss  und  stickstoff- 
*"*d  phosphorhaltigem  Fett  nur  durch  den  jetzigen  Zustand  der 
?*'Sanischen  Chemie  zu  entschuldigen.'  Bei  der  Assimilation  findet, 
*"dem  die  Partikeln  der  Organe  zwischen  den  Capillargefäss- 
*frömchen  aufgelöstes  Eiweiss  und  Faserstoff  u.  A.  anziehen,  nicht 
“'•ein  Aneignung  der  ähnlichen  Theile,  und  Umwandlung  der 
‘•'»ähnlichen  in  ähnliche  statt,  sondern  die  assimilirenden  Theil- 
*'>en  der  Organe  theilen  auch  den  assimilirten  Theilchen  des 
^Wes  ihi-e  Kräfte  mit. 

. Die  Organe  können  an  Umfang  znnehmen,  ohne  dass  sie  as- 
'äniliren,  dann  häuft  sich  der  Eiweissstoff  und  Faserstoff  des  Blu- 
im  rohen  Zustande  unassimilirt  zwischen  den  Organtheilchen 
'i’’;  wie  in  der  Entzündung;  eine  Bemerkung,  welche  hinlänglich 
i*"»  grossen  Unterschied  der  Entzündung  von  einer  vermehrten 
J;>'nidirung  zeigt.  In  der  Schwangerschaft  nimmt  das  contractile 
.^ewehe  des  Uterus  an  wahrhaft  assimilirten  contractionsfähigen 
jj'eilchen  zu,  aber  in  der  Entzündung  des  Uterus  wird  nichts 
I'*'ser  Art  bemerkt;  die  Assimilation  der  Theilchen  des  Blutes 
järt  in  der  Entzündung  auf,  der  aufgelöste  Faserstoff  schwitzt 
"rch  die  Häute  durch,  oder  häuft  sich  in  den  Interstitien  der 
I •’Sane  an;  diese  nun  das  A'^olum  des  Organes  vermehrende  Ma- 
'‘'■'e  ist  in  den  Entzündungen  aller  Organe  dieselbe,  wahrend  die 
'Geschiedenen  Gewebe  bei  der  Ernäbrutjg  die  Theilchen  des  Blu- 
.G*  je  nach  ihren  verschiedenen  Bedürfnissen  assimilirend  verän- 
Die  Entzündung  ist  also  oftenbar  kein  vei’mehrter  plasti- 
l^her  Process,  wofür  er  so  oft  ausgegehen  wird.  Es  erklärt  sich 
^'Gfaus  sehr  gut,  warum  ein  Beiz,  welcher  die  Thätigkeit  eines 
jjGganes  fördert,  von  einem  Entzündungsreize  sehr  verschieden  ist. 
j giebt  manche  Stoffe,  welche  die  Assimilation  vermindern,  In- 
, sie  entweder  die  Theilchen  der  Organe  oder  des  Blutes  ver- 
i**'dern.  Die  Jodine  z.  B.  beschränkt  Lei  längerem  Gebrauche 
i?fallend  die  Ernährung.  Die  Neutralsalze,  die  Mercurialien,  der 
jJ^ftarus  stibiatus  und  andere  beschränken  die  Assimilation.  Diese 
*ttel  verändern  zum  Theil  zunächst  das  Blut , wie  es  z.  B.  hei 
Aj“  fühlenden  Salzen  offenbar  ist,  welche  selbst  dem  aus  der 
] "Gr  gelassenen  Blute  zngesetzt,  seine  Fähigkeit  zu  gerinnen  auf- 
j^GGn,  also  die  Natur  des  Faserkoffs  verändern;  hierdurch  wer- 
diese  Mittel  auch  zur  Beschränkung  der  Entzündung  wichtig, 
jj.  Zuweilen  ist  die  Ausbildung  der  Säfte,  des  Chylus  und  des 
sf  -GS  fehlerhaft,  entweder  durch  Bildung  fehlerhafter  Nahrungs- 
st  ff  ’ oder  durch  die  Wirkung  eines  eingeimpften  Krankheits- 
wie  hei  der  Syphilis.  In  allen  diesen  Fällen,  wenn  die 
fehlerhaft  sind,  leidet  auch  die  Assimilation.  Es  entstehen 
1 .iägerungen  fehlerhafter  Stoffe,  Entzündungen , Geschwüre,  wie 
G*  der  ScrophelsucKt,  Arthritis,  Lepra,  Herpes,  Scorbut,  Syphilis  etc. 


346  II.  Buch.  Oraan.  chemische  Proc 


ccssc. 


II.  Ahschn.  Ernährung- 


Alle  diese  unter  sich  äusserst  verschiedenen  Krankheiten,  welch® 
man  Dyskrasien  nennt,  hahen«idas  gemein,  dass  sic  sich  durch 
Ausscheidungen  krankhafter  Stoffe  auf  der  Haut,  durch  Ausschhig® 
und  Geschwüre  der  Haut,  oft  durch  Geschwüre  in  Schleimhä“' 
ten,  im  höchsten  Grade  durcli  Degenerationen  der  Knoche® 
äussern.  Mehrere  Arzneistoffe,  welche  selbst  die  Assimilation  ■ver- 
ändern (Altcrantien  p.  59.)  und  liei  längerm  Gchrauche  auch  Ij®' 
schwüre  und  Knochenkrankheiten  erzeugen,  wie  der  Mercur,  ‘h>’ 
Antimon,  sind  zuweilen  in  einigen  dieser  Fälle  hülfreich,  niehj 
weil  similia  similihus  curantur,  sondern  weil  sic  die  Fähigk®‘ 
haben,  die  Zusammensetzung  der  organischen  Theile  zu  alterir®®’ 
wodurch  vorher  stattgefundene  Affinitäten  aufgehoben  und  nc®® 
eingeleitet  werden  können,  worauf  die  beständige  Wiedererz®®' 
gung  aller  Theile  nach  demUrbilde  des  Ganzen  von,  selbst  (nich 
der  Mercur)  die  weitere  Ausgleichung  und  Heilung  bewirkt. 

In  mehreren  dieser  Kranklieiteu  ist  das  lymphatische  Syslci®' 
die  Lymphgefässe  und  Lymphdrüsen,  besonders  mit  aflicirt. 
dem  gewöhnlichen  Gesichtspunkte,  dass  die  Lymphgefässe  bl®’* 
eben  zur  Aufsaugung  dienen,  lässt  sich  diess  Leiden  des  lympb®' 
tischen  Systems  bei  mehreren  dieser  Krankheiten,  besonders. b®‘ 
der  Scrophclsucht,  nicht  recht  verstehen.  Wenn  man  aber  wC'*’’ 
dass  die  Lymphe  (ausser  den  Lyraplikügcichen)  fast  ganz  mit  d®®! 
Liquor  sanguinis  (ohne  die  Blutkörperchen)  übereinkommt,  «“® 
dass  man  die  Lymphe  gleichsam  Blut  ohne  rothe  Körperch®®’ 
das  Blut  Lymphe  mit  rothen  Körperclicn  nönnen  kann,  ind®®’ 
die  Lymphe  und  der  Liquor  sanguinis  aufgelöstes  Eiweiss  ®®® 
aufgelösten  gerinnbaren  Faserstoff  enlhalteo;  wenn  man  wei'’)'’ 
dass  die  Lymphgefässe  den  bei  der  Circulation  tlicilweise  in 
Partikeln  der  Organe  eindringenden  Liquor  sanguinis  wieder, 
viel  zur  Ernährung  überflüssig  ist,  abführen so  sieht  man  leicl)^ 
ein,  dass  die  Veränderungen  in  der  Mischung  des  Liquor  sang®)' 
nis  nicht  allein  die  Capillargefässe  irritireu  und  Entzündung  ®‘ 
den  Capillargelässen  erregen  müssen,  sondern  dass  eine  und  di®' 
selbe  Flüssigkeit  aucli  wieder  in  den  lymphatischen  Gefässen  1®’*' 
tation  erzeugen  muss.  Daher  mangelhafte  Bereitung  des  Blid®)) 
chemische  Veränderungen  in  der  Mischung  des  Blutes  nothwe'®'’^ 
auch  in  vielen  Fällen  Krankheitserscheinungen  in  den  kleiiist®" 
Blutgefässen  und  im  lymphatischen  Systeme  erzeugen  luüss®®' 
welches  zugleich,  wie  wir  pag.  267.  gesehen  haben,  so  vielen  A®' 
thcil  an  der  Umwandlung  des  Eiweisses  in  aufgelösten  Faserst® 
hat.  Alle  andere  im  Blute  aufgelösten  Theile,  Salze,  ihre  fehl®*' 
hafte  Mischung  müssen  auch  wieder  auf  den  Zustand  der  Ly®*!’ 
gefasse  Einfluss  haben.  In  denjenigen  Krankheiten,  in  welc*>®|* 
die  aufgelösten  Theile  des  Blutes  weniger  fehlerhaft  gebildet  **'*'.( 
als  der  Cruor  oder  die  Blutkörperchen,  welche  nicht  in 
Lymphgefässe  eingeheji,  werden  auch  weniger  Krankheitsersch®*' 
nungen  in  dem  lymphatischen  System  auftreten,  wie  im 
but.  Das  fernere  Studium  der  Mischungskrankheiten  der  S<d  j 
wird  daher  in  der  früher  angegebenen  Analyse  der  Lymphe  ®®‘ 
des  Blutes  eine  solidere  Basis  erhalten.  ^ ^ 

Die  Ernährung  aller  Theile  nach  dem  Urbilde  des  Ganz®' 


1,  Von  der  V^niiihrung.  Wechsel  der  Malerie. 


347 


eine  Fortdauer  der  Kraft  voraus,  die  alle  Unterscliiede,  alle 
^ •’gane  zuerst  als  Glifedcr  des  Ganzen  oder  Thcile  des  llegriöes 
*!'‘*eugt,  jener  Kraft,  welche  in  dem  Keime  vor  der  Erzeugung 
Organe  vorhanden  ist,  wenn  der  Keim  noch  das  thierische 
’^esen  pofentia  ist,  welches  actu  hei  der  Entwicklung  seine  Or- 
Bi'ne  erzeugt,  erneut  und  erhält.  Die  Erni'dirung  ist  also  gleielj- 
die  fortdauernde  Wiedererzeugung  aller  Theile  durch  die  Kraft 
Ganzen;  aber  diese  Wiedererzeugung  ist  hei  dem  erwachsenen 
*^®öschen  nur  durch  Assimilation,  durch  Verhindung  der  neuen 
•üterie  mit  den  assimilirenden  Theilen  möglich,  während  hei 
^ern  Emhryo  ohne  organisirtc  Grundlage  die  linvertheilte  Kraft 
-5®  Ganzen  die  organisirtc  Grundlage  vielmehr  erst  erzeugt, 
gleichwohl  sind  alle  Organe  bis  zum  Zei'lälle  des  Ganzen  zum 
^äsaminenwirken  aller  assimilirenden  Theile  von  der  einen  orga- 
*l'sirenden  Kraft  des  Ganzen  beherrscht,  deren  Wirkungen  wir 
j'J’ch  Ausgleichung  feiner  materieller  Veränderungen  in  den  Krank- 
*'^itea  als  Heilkraft  der  Natur  bewundern,  w'ährend  die  Herstel- 
verlorner  organisirtcr  Theile  in  den  meisten  Fällen  nach  der 
^•■ften  Zeugung  ihr  unmöglich  ist.  Vergl.  Prolegomena  pag.  23, 

'*  einigen  'Krankheiten  zeigt  sich  eine  solche  fehlerhafte  Bildung 
“i’r  thi'erischen  Materie,  dass  die  Assimilation  zu  den  Gewebetheil- 
*^‘en  der  Organe  in  einzelnen  Theilen  ganz  aul'gehohen  wird, 
'jnd  wegen  des  Vorwaltens  fremdartiger  Affinitäten  nur . Afterbil- 
f'ungen  entstehen,  wie  bei  dem  Krebs  und  Markschwamm. 

. Mit  dem  Leben  ist  ein  beständiger  Wechsel  der  Materie  ver- 
l^äuden.  Diess  zeigt  das  Bedürfniss  der  Nahrungsstoffe  im  Ver- 
'*'ltnlss  der  Ausscheidungen.  Nun  frägt  sich  aber:  wechseln  die 
""standtheile  der  Säfte,  oder  wechseln  selbst  die  Materien  der 
^‘‘ganisirten  Theile? 

1.  Wechsel  der  Materie  in  den  Säften.  Es  liegt  am  näch- 
den  Wechsel  der  Materie  zunächst  in  den  Säften  anzuneh- 
und  zu  behaupten,  dass  dieser  tägliche  Umtausch  von  meh- 
*eren  Pfunden  Nahrung  gegen  mehrere  Pfunde  zersetzter  Stoffe, 
^ mit  der  llautausdünstung,  beim  Athmen,  mit  dem  Harnabgang 
**•  s.  w.  verloren  gehen,  bloss  innerhalb  der  Säfte  vor  sich  gehe, 
''^ährend  die  organisirten  Tb  eile  selbst  daran  wenig  Antheil  neh- 
Die  Säfte  erleiden,  indem  sie  zui' Unterhaltung  des  Lebens 
.®«eu,  beständige  Zersetzungen,  und  man  könnte  hierin  die  thie- 
'■‘sche  Maschine  mit  einer  andern  Maschine,  z.  B.  Dampfmaschine, 
^®*'gleichen,  welche  eine  gewisse  Quantität  Brennmaterial  zur  Er- 
feugung  der  Wasserdämpfe  erfordert,  durch  welche  sie  wirksam 
Dass  der  Wechsel  der.  Säfte  am  grössten  ist,  ist  auch  nn- 
*Weifeiijj,ft.  Das  Seltenwerden  der  Harnabsonderuiig  bei  hun- 
S^rnden  Amphibien,  z.  B.  .Schildkröten,  belehrt  uns  zur  Genüge 
®''über.  So  könnte  mau  annehmen , dass  die  Zersetzung  einer 
l^^vissen  Quantität  der  Säfte  bei  der  Unterhaltung  des  Lebens  die 
^össcheidung  der  zersetzten  Stoffe,  und  die  Zufuhr  der  neuen 
^nrungsstolie  nöthig  machen. 

'2.  W echsel  der  Materie  in  den  organisirten  Theilen.  Man- 
?he  Püönomene  scheinen  mit  dem  Wechsel  der  thiei'ischeu  Materie 
den  organisirten  Theilen  schwer  zu  verehiigen,  wiö  z.  B.  die 


348  II.  Buch.  Organ,  chemische  Processe.  II.  Abschu.  Ernährung. 

Erhaltung  der  Erinnerungen,  welche  \on  gewissen  Eindrücken 
das  Sensorium  abhängig  sind.  Mögen  diese  Eindrücke  auf  «i“* 
Sensorium  und  die  damit  verbundenen  unbekannten  feinen  Vei"' 
änderungen  der  Materie  irgend  welchen  Antheil  an  den  WirkuH' 
gen  der  Seele  bei  den  Erinnerungen  haben,  jedenfalls  muss  ni»** 
solche  Veränderungen  in  dem  Sensorium  selbst  supponiren.  Den» 
mit  der  organischen  Veränderung  des  letztem  wird  auch  der 
Schatz  an  früher  gewonnenen  Eindrücken  verändei’t  und  verrido' 
dert,  und  das  Gedächtniss  für  einzelne  Reihen  der  Ideen,  fiü' 
Architektonik  der  Sprachen,  ja  selbst,  wie  es  scheint,  oft  für  g®' 
wisse  Theile  der  Sprache,  Ilauptwörter,  Namen  etc.,  für  räuiO' 
liehe  Anschauungen,  Perioden  des  vergangenen  Lebens,  aufgeh^' 
hen.  Wie  ist  nun  die  Erinnerung,  das  geistige  Leben  des 
sehen,  als  eine  consequente  Entwicklung  aus  der  Vergangenheit 
denkbar.,  wenn  man  einen  grossen  Wechsel  der  Materie  in  dcir* 
Gehirne  und  den  Nerveni  annimmt?  Dieser  Wechsel  scheint  w'®' 
nigstens  in  dem  Gehirne  und  den  Nerven  sehr  gering  zu  seyH' 
Wenigstens  müsste  man  zuerst  annehmen,  dass  die  Thcilchen 
Gehirns,  von  welchen  das  Bewahren  und  Festhalten  gewiss®' 
Vorstellungen  abhängt,  ihren  Zustand  eben  so  auf  die  neu®" 
Theilchen  übertragen,  wie  die  Theilchen  einer  Hautwarze  bei  d®® 
Assimilation  die  Erhaltung  der  eigenthümlichen  Mischung  und  d®*’ 
Form  verursachen,  und  fein  Schwamm  bei  Ijcständigen  Zersetzu"' 
gen  die  Wiedererzeugung  der  Mischung  und  Form  des  Gewch®’ 
bedingt. 

In  den  meisten  Theilen  ausser  den  Nerven  sind  dagegen  vi®| 
unzweifelhaftere  Zeichen  des  Wecitsels  der  Materie  vorhanden,  und 
gerade  die  Knochen,  welche  noch  am  stabilsten  scheinen,  un" 
doch  so  deutliche  Spuren  des  Wechsels  der  Materie  zeigen,  sch®*' 
nen  zu  beweisen,  dass  der  Wechsel  der  Materie  sich  nicht  lud 
die  Säfte  Ijcschränkt,  sondern  ein  ausgedehntes  Phänomen  au®'* 
in  den  orgauisirten  Theilen  ist,  Hieher  gehören  z.  B.  die  Eid' 
Stellung  der  Zellen  in  den  Knochen,  die  "Entstehung  der  Stil'"' 
hein-  und  Keilbeinhöhlen  in  der  Kindheit,  die  Resorption 
Knochen  beim  Druck  von  Geschwülsten,  die  Resorption  der  A' 
veolen  bei  den  Alten,  das  Dünnerwerden  des  Schädels  bei  den  A*' 
ten  und  vieles  Andere.  Die  Vergrösserung  der  Knochenhöhl®'^ 
mit  dem  Wachsthum  der  ganzen  Knochen,  ja  überhaupt  i^'?’ 
Wachsthum  eines  so  festen  Körpers  von  allen  Partikeln  aus,  d'® 
Veränderungen  seiner  Form  beim  Wachsthum  sind  nicht  deu*^' 
bar,  ohne  eine  beständige  Wegnahme  von  Knochenatomen  au  ö®' 
wissen  Stellen,  und  Apposition  an  anderen  Stellen,  also  nicht  oh"" 
beständigen  Wechsel  der  Mgterie.  Von  anderen  Theilen  fehl®" 
uns  die  Beweise  des  W'echsels  der  Materie  mehr.  Es  gehöi®" 
indessen  hieher  die  bei  der  Regeneration  der  Schwämme  wie 
Blutschwamms  beständige  Zersetzung  auf  ihrer  Oberfläche, 
Schwinden  der  Theile  im  Hunger,  in  der  Atrophie,  hei  mehrer®^ 
chronischen  Krankheiten,  und  das  Wachsen,  Formverändern  u"^ 
Schwinden  der  Geschwülste,  Warzen,  die  oft  schnelle  Restauf"' 
tion  nach  voiheriger  Abmagerung.  Die  wieder  aufgelösten  Thei 


1.  V'on  der  Ernährung.  JE'eehsel  der  Materie. 


349 


•müssen  entweder  sogleich  in,  die  Blutgefässe  oder  in  die  Lymph- 
R^fässe,  wo  diese  vorhanden  sind,  iihergehen.  * 

Die  Resorption  der  Lymphe  kann  indess  nicht  allein  als  Wie- 
deraufnahme von  vorher  organisirten  Theilchen  der, Organe  in  die 
^üftemasse,  und  die  Lymphe  nicht  bloss  als  Colliquament  der  Or- 
Sane  betrachtet  werden;  denn  die  Lymphe  ist,  wie  pag.  142.243. 
gezeigt  worden,  ausser  den  Lymphkügelchen  der  farblose  ijiquor 
Sanguinis,  welcher  hei  der  Circulation  zum  Theil  durch  die  Ca- 
Pillargefässe  in  die  Partikeln  der  Organe  eindringt,  zu  ihrer  Er- 
fahrung dient,  und  dessen  überflüssige  Theilchen  wieder  in  den 
'‘^^erall  in  den  Interstltien  der  Organtheilchen  beginnenden  Lymph- 
pfässnetzen  sich  sammelh.  Daher  auch  die  Lymphe^  durchge- 
''ends  gleich  ist,  und  überall  sich  als  Liquor  sanguinis  verhält, 
h.  autgelösten  Faserstoff  und  Eiweiss  enthält. 

Der  Wechsel  der  Materie  in  den  organisirten  Theilen  lasst 
schon  als  nolhwendig  zu  der  beständigen  Vei'änderung  ihrer 
, ^rui  erkennen.  Die  Organe  verändern  von  Kindheit  auf  beständig 
*hre  Form,  und  diese  Veränderung  im  Ganzen  kann  nur  durcli 
^®ränderung  in  den  kleinen  Partikeln  der  Organe  zwischen  den 
^apillargefässen  bewerkstelligt  werden.  Hierbei  lässt  sich  denken, 
die  resorbirten  Theile  wieder  ins  Blut  gelangen,  und  bald 
'yieder  zur  Ernährung  an  anderen  Stellen  verwandt  werden.  Nun 
•'■agt  sich  aber,  ob  es  nicht  einen  Wechsel  der  Materie  in  den 
^''ganisirten  Theilen  giebt,  wobei  wirklich  zersetzte  Bestandtheile 
'•er  Organe  ins  Blut  wieder  aufgenommen  werden,  um  aus  der 
^^•ierischen  Oeconomie  ganz  entfernt  zu  werden.  Leider  besitzen 
Y**"  zur  Entscheidung  dieser  Frage  keine  Thatsachen,  als  das  Ende 
Lebens  überhaupt,  die  Gewissheit,  dass  im  Alter  immer  mehr 
'^•a  Anhäufung  unwirksamer  Bestandtheile  in  den  Organtheilen  zu- 
j'''iamt,  die  Knochen  an  thierischer  Materie  verlieren  (pag.  352.), 
!^alkerde  in  den  Wänden  der  Arterien  (zwischen  mittlerer  und 
•äuerer  Haut)  und  in  anderen  Theilen  abgelagert  wird.  D’Outrepont 
de  perpetua  materiei  organico-animalis  vlcissiiudine.  Hol.  1798. 

Jrch.  4.  460.)  nimmt  an,  dass  das  Leben  selbst  nur  durch 
*"•<1  mit  einem  beständigen  Wechsel  der  Materie  in  den  Säften 
|••'d  den  oi’ganisirten  Theilen  bestehe.  Dass  das  Leben  mit  einer 
^^ständigen  Zersetzung  der  Materie  verbunden  ist,  ist  schon  oben 
34.  entwickelt  worden.  Jede  Action  verändert  die  Mischung 
••es  agirenden  Theiles,  und  erfordert  eine  Restauration  der  Mi- 
schung,  die  mit  der  Erholung  erst  allmählig  erfolgt.  Es  scheint 
'•'•her  wirklich,  dass  auch  die  organisirten  Theile  einer  allmähli- 
Zersetzung  ihrer  Bestandtheile  unterworfen  sind,  die  von 
Iwer  Action  untrennbar  ist,  und  die  Restauration  veranlasst.  Schon 
"»  den  Prolegomena  ist  pag.  52.  dasjenige  angeführt  worden,  was 
über  die  Statik  zwischen  der  Zersetzung  bei  den  Aetionen 
der  Restauration  wissen.  Aber  leider  lassen  sich  alle  diese 
*®>Aen  Verhältnisse  nicht  der  Berechnung  unterwerfen.  Wir  ha- 
hier  nur  ganz  schwache  Anhaltspunkte,  wie  eben  die  Ermü- 
^••••g  nach  den  Aetionen,  die  Nothwendigkeit  einer  grossem  Menge 
•"äffigerer  Nahrung  nach  grossen  geistigen  und  Muskel-Anstren- 
^•••igen ; dagegen  zeigt  uns  die  Unveränderlichkeit  gewisser  in  die 


350  II.  Buch.  Organ,  chemische  Processe.  II.  Ahschn.  Ernährung- 

Haut  eingericLener  FarbestofFe  eine  Grenze  auf  der  entgegenge- 
setzten Seite.  Innerhalb  dieser  Grenzen  zeigen  sich  wieder  sein' 
verschiedene  Anzeigen  des  Stoffwechsels  in  den  organisirten  The'' 
len,  wie  z.  B.  das  oft  schnelleVerschwinden  der  Ilautwarzen, 
rasche  Stoffwechsel  bei  der  Resorption  der  Knochen  und 
Heilung  der  Knochenverletzungen,  die  ganz  allmählig  erfolgend*^ 
Reduction  eines  unförmlichen  Gallus  in  einen  solchen,  welch®*^ 
mehr  den  natürlichen  Formverhaltnissen  der  Knochen  entspricl'h 
wobei  nach  Monaten  selbst  in  den  zusammcngeheilten  Knoche" 
an  der  Stelle  der  Zusammenheilung  die  früher  ausgefüllte  Knoche".' 
höhle  sich  wieder  herstellt;  dagegen  die  geringe  VeränderlichkC* 
der  Flecken  in  der  Cornea  uns  wieder  zeigt,  wie  der  Stoffwech- 
sel hier  im  umgekehrten  Verhältnisse  mit  der  Sparsamkeit 
Blutgefässe  steht.  Der  Stoffwechsel  ist  übrigens  in  der  Jugc"* 
am  grössten,  und  nimmt  im  Alter  immer  mehr  ab. 

b.  Chemische  Zusammensetzung  der  organisirten  Thcilc. 

Nach  Berzelius  Thierchemie. 

1.  Gehirn,  Rückenmark  und  Nerven.  Das  Fett  wird 
dem  zerriebenen  Gehirne  durch  kochenden  Alcohol  oder  AethC 
ausgezogen,  worauf  das  Eiweiss  des  Gehirns  und  die  zerriebene" 
Blutgefässe  Zurückbleiben.  Das  Hirnfett  ist  ein  stickstoffhaltig"* 
Elain,  und  Stearin.  Erstcrcs  ist  ein  Oel,  es  riecht  wie  friscbf 
Gehirn,  und  schmeckt  ranzig,  es  fault  wie  andere  thierische  Stoß" 
an  der  Luft.  Es  wird  von  kochendem  Alcohol  in  grösserer  Meng® 
als  von  kaltem  gelöst.  Das  Stearin  besteht  aus  weissen  atlasgl""' 
zenden  Schuppen.  Nach  Gmelin  und  Kueiin  enthält  dieses  Stear’" 
wieder  2 besondere  Stearinarten,  das  blätterige  und  das  pulver- 
förmige.  Das  erstere  ist  dem  Gallenfett,  Cholestrine,  ähnlich» 
unterscheidet  sich  aber  von  ihm  darin,  dass  es  phosphorhaltig 
Das  Hiinfelt  unterscheidet  sich  von  anderen  Fettarten,  dass  "* 
sich  nach  Vaijquelin  nicht  mit  Alcali  vereinigen  oder  verseile® 
lässt,  dass  es  ausserdem  Phosphor  enthält  (auch  das  gebunde"® 
Fett  im  Blute  und  in  der  Leber  enthalten  nach  Chevheue  m"‘ 
Bracoknot  Phosphor).  Die  nicht  cinäscherbare  Kohle,  welch" 
nach  Verbrennung  des  Hirufettes  zurück  bleibt,  enthält’  nämlich 
so  viel  Phosphorsäure,  dass  diese  den  zur  Verbrennung  nöthig"® 
Luftzutritt  verhindert.  Nach  Ausziehung  der  Pliosphorsäure  durch 
Wasser,  brannte  die  Kohle  wieder  eine  Weile,  und  hörte  wie^f® 
auf;  sie  war  nun  wieder  sauer  geworden;  woraus  folgt,  dass  d'® 
Kohle  des  Hirnfettes  den  Phosphor  in  einer  nicht  flüchtieen  Ver- 
bindung enlhidt.  Nach  VAuijUELiif  beträgt  der  Phosphor  ungefah® 
1 Iroc.  vom  Gewichte  des  frischen  Gehirns,  oder  -J  von  dem  t*"* 
Hmnfettes,  was  Berzelius  unwahrscheinlich  findet.  Die  übrig"® 
Theile  des  Gehirns  sind  Eiweiss  und  Salze  (phosphors.  Salze  un“ 
kohlens.  Alcah?),  Das  Gehirn  enthält  nach  Vauquelin: 


1 . Ernährung.  Chemische  Zusmmensetzung  der  Organe.  ,351 


Eiweiss 7,00 

Hi"“  IE" 

Pliosplior 1,50 

Osmazom  . . . . . . 1,12 

Säuren,  Salze,  Schwefel  . 5,15 


"Wasser 80,00 

100,00 


II, 


Das  Gehirn  enthält  ausserordentlich  wenig  erdige  und  salzige 
®standtheile.  50  Gran  getrockneten  Ralhsgehirns  gaben  John 
j'ur  2 Gran  Asche;  100  Theilc  getrockneter  Gehirnsubstanz  ent- 
‘älten  nach  Sass  und  Pfafp  3,36  fixe  Salze,  100  Theile  getrock- 
•Jeter  Muskelsuhstanz  7,5  fixe  Salze.  In  Hinsicht  der  Litteratur 
chemischen  Untersuchungen  der  Hirnsubstanz  verweise  ich 
E.  H.  Weber  Ana/.  1.  p.  257. 

Verdüniilc  Salzsäure  löst  nach  Reil  das  Neurilem  der  Ner- 
auf.  Alcalische  Lösung  löst  dagegen  das  Mark  der  Ner- 
''®n  auf. 

, 2.  Muskeln.  Das  Muskelfleisch  wird  von  langem  Kochen 

. ‘Irter,  und  gicht  die  farblose  Fleischbrühe  ah,  die  erkaltet  ge- 
'^linlrt,  was  von  dem  Leim  herrührt,  in  den  das  Zellgewebe 
''*'ch  Berzelius  durch  Rochen  verwandelt  wird.  Gegen  Säuren 
Alcalien  verhält  sich  Muskelsuhstanz  v^ie  Faserstoff.  Beim 
^*^rken  Auspressen  von  zerhacktem  Fleische  fliesst  eine  saure 
Flüssigkeit  ah.  Diese  enthält  1)  Eiweiss  und  Cruorin. 
Milchsäure.  3)  Salze,  milchsaures  Kali,  Natron,  Kalkerde  und 
^alkerde,  Spuren  von  milchsaurem  Ammoniak,  Cblorkalium  und 
^Mornatriuin  (im  Alcohol  löslich);  ferner  phosphorsaures  Natron, 
piospüorsauren  Kalk  (in  Alcohol  unlöslich).  4)  Extractartige  Ma- 
*^*’‘en,  a)  durch  Alcohol  ausziehbar,  Osmazom  (von  Fleischgeruch), 
^^^Ichcs  nach  Berzelius  ein  Gemenge  von  mehreren  Substanzen 
h)  durch  Wasser  löslich,  sauer,  enthält  Milchsäure.  Dicss 
'‘h’aet  ist  wieder  ein  Gemenge  mehrerer  Wasserextracte,  unter 
''^^Iclien  das  Zomidin,  welches  den  Fleischgeschmack  hat.  Fleisch 
j”'!  concentrirter  Sclnvefelsäure  behandelt,  bildet  eine  Substanz, 
j^äcine,  die  den  Geschmack  der  Fleiscldirühe  hat.  Berzel. 
'"W/.  406.  688. 

Rerzehtjs  und  Braconhot  haben  das  Muskelfleisch  des  Och- 
arialysirt: 

^leischfaser,  Gefässe,  Nerven  15,8 
Zellgewebe,  im  Kochen  zu  Leim  gelöst  1,9 
lösliches  Eiweiss  und  Farbestoff  . . . 

Mcoholextract  mit  Salzen  ...... 

^asserextract  mit  Salzen 

Liweisshaltiger  phosphorsaurer  Kalk  . 

Wasser  (und  Verlust) 


Berz. 

Bhac. 

17,70 

18,18 

2,20 

2,70 

1,80 

1,94 

1,05 

0,15 

0,08 

— 

77,17 

77,03 

100,00  100,00 


352  II.  Buch.  Organ,  chemische  Processe.  . II.  Ahschn,  Ernährung. 


Sass  und  Pfaff  liaben  vergleicliendc  Analysen  der  Musk®'' 
Substanz  und  Hirnsubstunz  angestellt.  Meck.  Arch.  5.  332. 

Muskelsubstanz.  Hirnsubstanz. 


Kohlenstoff  . 

. 48,30 

53,48 

Wasserstoff  . 

. 10,64 

16,89 

Stickstoff 

. 15,92 

6,70 

Sauerstoff  . 

. 17,64 

18,49 

Fixe  Salze  . 

. 7,  5 

3,36 

Phosphor 

1,08 

Hieraus  folgt  also,  dass  die  Muskelsubstanz  viel  mehr  Stick' 
stoffj  die  Hirnsubstanz  mehr  Wasserstoff  enthält. 

3.  Rnocben.  Knocbcn  mit  verdünnter  Salzsäure  bebandel^’ 
lassen  den  Knorpel  zurück,  während  die  Knocbenerde  von 
Säure  aufgelöst  wird.  Der  Knorpel  verwandelt  sieb  beim  KocliC' 
ganz  in  Leim.  Die  Knochenerde  der  höheren  Thiere  besteht  f®** 
grösstentbeils  aus  pbospborsaurer  Kalkerde  mit  kohlensaurer  Kalk' 
erde,  und  mit  geringen  Quantitäten  phospliorsaurer  Talkerde 
Fluorcalcium.  Die  phosphorsaure  Kalkerde  der  Knochen  ist  b®' 
siscb  in  einer  eigenthümlichen  Verbindung,  die  man  sonst  inu”*’ 
durch  Niederschlagung  der  phosphorsauren  Kalkerde  mit  übC' 
schüssigem  Ammoniak  erhält.  Im  Urin  ist  die  phos  phorsau*^ 
Kalkerde  sauer  und  aufgelöst,  in  der  Knochenerweichung  sehe'" 
mehr  dieses  aufgelösten  Salzes  durch  den  Urin  ausgeschieden 
werden. 

Berzelitis  Analyse  von  Knochen  des  Menschen  und  des  Rind^' 


Mensch. 

Ochse. 

Knorpel  in  Wasser  völlig  löslich 

. 32,171 

Gefässe  

. 1,13J 

Basische  phosphorsaure  Kalkerde 

. 51,04 

55,45 

Kohlensäure  Kalkerde  . . . 

. 11, .30 

.3,85 

Fluorcalcium ' 

. 2,00 

2,90 

Phosphorsaure  Talkerde  . . . 

. 1,16 

2,05 

Natron  mit  sehr  wenig  Kochsalz 

. 1,20 

2,45 

100,00 

100,00 

Die  Knochen  eines  Kindes  enthalten  nach  Schreger 
Erwachsenen  des  Greises  ^ erdige  Bestandtheile.  E.  H. 
BER  Anat.  1.  316.  Ueher  kranke  Knochen  Bostock,  Med. 
Transact.  Vol,  4. 


Dass  die  phosphorsaure  Kalkerde  als  solche  in  den  Knoch"" 
vorkömmt,  beweist  die  Afliniüit  der  Rubia  tinetörum  zu  den  K""' 
eben  lebender  Theile,  welclie  sie  roth  färbt. 

3.  Die  Knorpel  der  Knorpelfische  geben  erst  nach  dSstü""'^ 
gern  Kochen  eine  lelmartige,  von  Galläpfelinfusion  fällbare,  “b" 
nicht  eigentlich  gelatinirende  Materie,  wie  ich  den  Angaben 
Ckevreui.  widersprechend  fand.  Beim  Menschen  giebtes  einige  Kno*^ 
pel,  welche  beim  nicht  sehr  langen  Kochen  keinen  Leim  geben, 
nach  Berzelius  die  Knorpel,  welche  die  Gelenkenden  dberkl^ 
den,  nach  E.  H.  Weber  und  Berzeliüs  die  Knorpel  der  Nase,  des  G ^ 
res,  der  Augenlieder,  des  Kehlkopfes,  der  Luftröhre,  nachWE"® 
auch  die  Rippenknorpel.  Die  Knorpel,  welche  Knochen  unbeW"» 


1,  Ernährung.  Chemische  Zusammensetzung  der  Organe,  S53 

lieh  verbinden  (Synchondrosis)  und  die  Rippenknorpel,  welche  im 
^Iter  Rnochenerde  absetzen,  liefern  nach  Berzelius  Leim.  Die 
Jl'Ppenknorpel  eines  ‘iOjährigen  Mannes  gaben  Frommherz  and 
"Ugert  nach  dem  Verbrennen  eine  Asche,  aus  welcher  sich  die 
^ohle  nicht  vollständig  wegbrennen  Hess.  Vom  Knorpel  enthielten 
löo  Theile  Asche 

Roblensaures  Natron  ....  35,06 
Schwefclsaures  Natron  . . . 24,24 

Chlornatrium 8,2-3 

Phosphorsaures  Natron  . . . 0,92 

Scbwefelsaures  Kali  ....  1,20 

Kohlensäuren  Kalk  ....  18,37 
Phosphorsauren  Kalk  . . . 4,05 

Phosphorsaure  Talkerde  . . 6,90 

Eisenoxyd  und  Verlust  . . . 0,99 

_ Bei  einer  6.3jährigen  Frau  waren  dieselben  löslichen  Bestand- 
^cile  in  geringerer  Menge,  der  phosphorsaure  Kalk  in  grösserer 
penge  als  der  kohlensaure  Kalk  enthalten.  Die  Knorpel  enthal- 
f ihres  Gewichtes  Wasser. 

, 4.  Unter  den  drüsigen  Organen  sind  die  Nieren  und  die 

•^eher  chemisch  untersucht  worden.  Als  Bracobsot  die  Leber- 
l'ihstanz  des  Ochsen  zu  Brei  zerrieben  und  mit  Wasser  versetzt 
wurde  der  grösste  Theil  der  Lebermasse  aufgelöst.  Die 
jl^dchige  Flüssigkeit  gerinnt  beim  Erhitzen.  Aus  dem  Coagulum 
.^®st  sich  durch  Terpentinöl  ein  fettes  Oel  auszieben.  Das  nach 
^^rflüchtigen  des  Terpentinöls  bleibende  fette  Oel  war  rothbraun, 
^*lh  erstarrt,  und  hatte  Geruch  und  Geschmack  der  Ochsenleber. 
Y*  Fett  war  nicht  sauer,  und  also  nicht  vorher  verseift,  war 
mit  kaustischem  Natron  verseifbar,  ohne  dass  sich  Ammoniak 
?**twickelte.  Diess  Fett  ist  indess  pho^horhaltig,  es  verhält  sich 
Verbrennen  wie  Hirnfett.  Die  Auflösung,  woraus  sich  durch 
'*^*‘l»itzen  das  Eiweiss  abgesetzt  hatte,  röthete  das  Laemuspapier, 
schien  eine  vom  Osmazom  etwas  verschiedene  Substanz  zu 

^äthalten. 

100  Theile  eigentlicher  Lebersubstanz  enthielten 

Wasser 

Fjweiss ' 

Eine  wenig  Stickstoff  haltige,  in  Wasser  leicht,  in  Al- 

cohol  wenig  lösliche  Materie  6,07 

Eeberfett 3,89 

Ehlorkallum 0,64 

Ealkerde  eisenhaltig  0,47 


68,64 

20,19 


Salz  von  einer  brennbaren  Säure  mit  Kali 


0,10 


100,00 


G einer  Analyse  der  Menschenleber  wollen  Frommherz  und 

j^Wgert  auch  KäsestolF,  Speichelstoflf  gefunden  haben.  In  derLe- 
des  Rochen  fand  VAtiQUELiN  ein  Oel,  das  mehr  als  die  Hälfte 
^ni  Gewichte  der  Leber  betrug.  Berzelius  sclriliesst  aus  diesen 
y *^*^^suchungen,  dass  die  Leber  eine  emulsionsartige  Verbindung 
Eiweiss  mit  einem  fetten  Körper  enthalte,  gemischt  mit  meh- 
ü Iler’ 6 Physiologie,  I,  2.3 


354  n.  Buch.  Organ,  chemische  Processe.  II.  Ahschn.  Ernährung. 


ren  anderen  ThierstofFen,  Avie  Osmazom  und  einem  oder  2 ande- 
ren in  Alcohol  unlöslichen,  in  Wasser  löslichen  Stoffen.  BeR*®*" 
Thierch.  164  — 170. 

Bebzexivs  hat  die  Pferdenieren  chemisch  untersucht.  Die  zer- 
riebene Masse  rvurde  in  Wasser  fast  ganz  zu  einer  milchige'' 
Flüssigkeit.  Die  geringe  zurückbleibende  faserige  Masse  bestand 
Arahrscheinlich  aus  Blutgefässen.  Die  flüssige  Masse  gekann  durck 
Hitze.  Das  Coagnlum  enthielt  A-iel  Fett,  und  bestand  aus  EiAreisS- 
Die  Flüssigkeit,  Avorin  sich  das  Coagulum  gebildet  hatte,  Arar  sa«eb 
von  Milchsäure,  und  enthielt  thierisclie  Materie,  die  nach  dem  Ak- 
dampfen  theils  in  Alcohol  (Osmazom),  theils  in  Wasser  löslich  Avaö 

Die  chemischen  Eigenthümlichkeiten  der  Faserhaut  der 
terien  sind  schon  pag.  189.  mitgetheilt.  Ueber  die  Haare  und 
anderen  hornstoffartigen  Materien,  über  die  Zähne  und  die  Cry* 
stalllinse,  siehe  das  folgende  Capitel. 

D ie  serösen  Häute  sollen  durch  Kochen  ausziehbaren  Lei"" 
enthalten,  und  liierin  mit  dem  ZellgeAvebe  übereinstimmen.  Vo" 
den  Schleimhäuten  Aveiss  man  nur,  dass  sie  in  Wasser  selbst  bei"! 
Kochen  unlöslich  sind,  von  Säuren  dagegen  leiclrt  zu  einem  Br"‘ 
aufgelöst  Averden.  Berzel.  Thierch.  137.  Die  Lederhaut  löst  siek 
durch  langes  Kochen  ganz  in  Leim  auf,  von  Säuren  und  Alcali"" 
Avird  sie  leicht  zu  einer  Gallerte  aufgelöst.  Die  aufgCAveichte  Ha“*' 
mit  Auflösung  von  scliAvefels.  Eisenoxyd ^ oder  mit  Sublimat  k«' 
bandelt,  verbindet  sich  mit  dfem  Metallsalze,  auch  der  Gerbesto** 
verbindet  siclf  mit  dem  HautgCAvebe;  in  beiden  Fällen  fault 
Haut  nicht  mehr.  Berz.  282. 

Unter  den  verschiedenen  Theilen  des  Auges  stimmt  die  SH"' 
rotica  ganz  mit  dem  Verhalten  der  fibrösen  Häute  überein,  i“' 
dem  sie  beim  Kochen  Leim  liefert;  auch  die  Cornea  ist  leimg“' 
bend,  aber  weniger  leicht  als  die  Sclerotica.  Sie  schwillt  in  k“' 
ebendem  Wasser  ausserordentlich  auf,  in  verdünnter  Salzsäu^" 
löst  sie  sich  in  der  Hitze  auf.  ln  Essigsäure  quillt  sie  auf. 
Essigsäure,  Asomit  sie  digerirt  wurde,  wird  von  Cyaneisenkali“'“ 
sowohl,  als  Alkali  gefällt,  was  unter  gleichen  Umständen  bei 
Selerotica  nicht  geschieht,  zum  Beweise,  wie  Berzelius  bemerk*’ 
dass  die  Cornea  auch  eine  kleine  Menge  Faserstoff,  oder  coaf''" 
lirtes  Eiweiss  enthält.  Berzelius  Thierch.  p.  422.  Der  Glaske"' 
per  gehört  wohl  zu  den  organisirten  Theilen.  Vergl.  oben  p.  26“' 
Deswegen  wird  seine  chemische  Zusammensetzung  hier  angeg“' 
ben.  Berzelius  hat  ihn  vom  Ochsen  untersucht.  Er  besteht 
Kochsalz  mit  ein  wenig  durch  Alcohol  extrahirbarer  Materie  1,4*’ 
in  Wasser  löslicher  Materie  0,02,  Eiweiss  0,16,  Wasser  98,40. 


c,  ^Einfluss  der  Nerven. 

Ueber  die  Nothwendigkeit  des  Nervenelnflnsses  auf  die  Ern*k' 
rnng  ist  man  noch  selir  im  Dunkeln.  Lähmungen  des 
und  Rückenmarkes  zeigen  zuweilen  gar  keinen  Einfluss  auf 
Ernährung,  dagegen  bcAvirken  sie  im  Fortschritte  der  Lähm““® 
oft  Abzehrung.  Zuweilen  ist  die  Lähmung  frühzeitig  mit  Ab*“  ^ 
rung  verbunden.  Aus  ersterer  Tbatsache  folgt  jedoch  nicht, 
die  Nerven  keinen  Einfluss  auf  die  Ernährung  haben.  Nach 


355 


, 1.  Von  der  Erniihrung.  Einfluss  der  fli  er  t>en. 

Lähmung,  die  vom  Gehirn  und  Rückenmark  durch  Verletzungen 
derselben  ausgeht,  ist  der  Einfluss  des  Willens  auf  die  Bewegung 
‘^er  Muskeln,  und  die  Leitung  der  Empfindungseindrücke  auf  das 
?ensorium  commune  aufgehoben.  Die  Nerven  selbst  können  noch 
l'x'en  Nervencinflttss  behalten.  Die  Muskelnerven  verlieren  z.  B. 
'»'nerhalb  2 Monaten  die  Fähigkeit,  durch  Reize,  welche  auf  die 
“'Liskelnerven  selbst  wirken,  Zusaramenziehungen  der  Muskeln  zu 
Erregen. 

In  vielen  Fällen  sind  die  gelähmten  Theile  abgezehrt,  welker, 
'^‘»dAvas  besonders  den  Einfluss  der  Nerven  auf  die  Ernährung  er- 
weist, die  gelähmten  Tbeile  sind  leicht  nach  Verletzungen  dem 
, ande  unterworfen.  Schröder  v.  d.  K.olk  hat  beobachtet,  dass 
gelähmten  Gliedern  zuweilen  Umwandlung  der  Muskelsubstanz 
Fett  und  Verknöcherung  der  Arterien  erfolgt. 

Bei  dem  Embryo  zeigt  sich  die  Ernährung  von  dem  Gehirne 
unabhängig,  indem  z.  B.  hirnlose  Missgeburten  vollkommen 
^•■nährt,  bis  zur  Geburt  ausgebildet  werden.  Dagegen  hat  man 
dem  Mangel  gewisser  Nerven  immer  auch  einen  entsprechen- 
Mangel  des  Organes  gefunden,  und  bei  dem  Mangel  der  Or- 
entsprechenden  Mangel  der  Nerven.  Tiedemann  beobachtete 
'**  Fällen  Mangel  der  Riechnerven  mit  undurchlöcherter  Sieb- 
platte  und  Gaumenspalte.  Der  Mangel  der  Augen  ist  mit  Mangel 
j|n'er  Nerven  verbunden.  Tiedemasn’s  Zeitschr.  J,  Physiol,  I,  /6. 
5*ver  hat  eine  Missgeburt  besclirieben , an  welcher  die  unteren 
ptremitäten  bis  auf  den  Defect  von  2 Zehen  an  der  linken  vor- 
'“»äden  waren,  aber  mit  dem  Mangel  des  Urinsystems  und  sehr 
Mangelhafter  Entwicklung  der  Genitalien  auch  die  Cauda  equina 
MLr  mangelhaft  entwickelt  war,  Indern  das  Rückenmark  in  der 
des  12.  Rückenwirbels  stumpt  endigte;  die  Nerveh  der 
^nteren  Extremitäten  waren  vorhanden.  Tiedemann’s  Zeitsclir,  für 
fflsiol.  2.  41.  Bei  mehreren  defccten  Missgeburten  sollen  zvvar 
Me  Nerven  gaim  gefehlt  haben,  diess  kann  man  aber  ziemlich 
®Mher  auf  dm  Schwierigkeit  und  Ungenauigkeit  der  Untersuchung 
Mliieben.  Vergl.  Mayer  a.  a.  O.  Bei  den  acephalcn  Missgebur- 
die  bloss  aus  einer  Extremität  bestanden^  (siehe  oben  p.  187.) 
doch  noch  eine  knotige  Nervenmasse  gefunden  worden,  von 
^.®lcher  die  Nerven  der  Extremität  abgelien,  und  welche  als  Ru- 
M^ient  des  Rückenmarks  zu  betrachten  ist.  Die  gegenseitige  Be- 
Organe  und  der  Nerven  lässt  sich  sehr  gut  bei  dei 
der  Insecten  und  Amphibien  beobachten.  So  wan- 
......  ....s  Nervensystem  der  Insecten  bei  der  Verwandlung 

I‘‘'chden  spälerenOrgaiiUieilen  um;  bei  der  Raupe  sind  die  Kno- 
i“  des  Nervenstranges  gleich  den  Abtbeiliingen  des  Körpers  mehr 
SMichartig,  bei  der  Verwandlung,  wenn  sich  einzelne  Abtheilun- 
des  Körpers  weiter  ausbilden,  Extremitäten  und  Flügel  ent- 
®Mhen,  verschmelzen  mehrere  Knoten  zu  grösseren  Massen,  den 
enlsprechenclj  welche  neue  Organe  erluilten  haben.  Herold 
''^‘^icklungsgescMchte  des  Schmetlcrlings.  Casseli^l^.  Bei  der  Vei- 
j!®ndlung  der  Froschlarven  schwindet  mit  dem  Schwänze  das  End- 

‘ Mil  das  Rückenmarks,  während  mit  den  Extremitäten  ihre  Ner- 
sich  bilden. 


.y'igung  der 


23* 


356  II.  Buch.  Organ,  chemische  Processe.  II.  Ahschn.  Erniihrung. 


Man  muss  sicli  übrigens  wobl  Lüten,  die  gegenseitige  Bedni' 
gung  von  Nerven  und  Organ  so  zu  verstehen,  dass  die  Erzeugung  - 
der  Organe  von  der  Präexistenz  der  Nerven  abhänge.  In  <1®*' 
Reirnsubstanz,  in  welclier  noch  die  ganze  organisirende  Kraft  ruhb 
■werden  Nerven  und  Organ  durch  eine  und  dieselbe  Kraft  erzei'gl" 
Wenn  aber  einmal  die  Organe  erzeugt  sind,  scheint  ihre  b®' 
ständige  Restauration  von  dem  Einflüsse  der  Nerven  zugleich  'W'®' 
sentlich  abzuhängen.  Mehrere  Thierc  bilden,  selbst  im  spätere 
Leben,  verlorne  Theile  wieder.  Die  Salamanderlarven  erzeuge® 
abgeschnittene  Extremitäten,  Kiemen,  Unterkiefer,  Auge 
Hier  ist  cs  zweifelhaft,  ob  die  in  dem  Ganzen  verbreitete  org®' 
nisirende  Kraft,  wie  bei  der  ersten  Entwicklung,  diese  Theile  na®'* 
erzeugt,  oder  ob  die  noch  unversehrt  vorhandenen  Centralthe'*® 
des  Nervensystems  die  Wiedererzeugung  der  Theile,  zu  welche® 
sie  Nerven  ausschicken,  einleilcn.  Der  Salamander  soll  die  I-*' 
tremltät  nicht  wieder  erzeugen,  wenn  der  Nerve  über  dem  Stump*® 
abermals  durchschnitten  worden  (?). 

Gegen  den  Einfluss  der  Nerven  auf  die  Ernälirung  kön®*® 
man  anführen,  dass  die  Knochen  sich  regencriren,  ohne  Nerve® 
besitzen,  indessen  doch  auch  die  ernährenden  Gefässe  der  K.®®' 
eben  so  gut  wie  andere  Theile  mit  feinen  Zweigelchen  von 
ven,  die  dem  N.  sympalhicus  angehören,  versehen  seyn  könne®* 
Wir  besitzen  wenig  directe  Erfahrungen  über  den  Einfl®** 
der  Nerven  bei  den  Actionen  in  den  kleinsten  Gefässen.  MAOt’*' 
DIE  sab,  dass  Brechmittel  in  die  Venen  eingespritzt,  Lungen-  ®®‘^ 
Magenentzündung  bewirken,  dass  diese  aber  viel  geringer 
wenn  die  Nervi  vagi  vorher  dui-chschnitten  wai-en.  MageSP'® 
beobachtete,  dass  auch  nach  Durchschneidung  des  N.  trigemi®®* 
starke  Reize  an  dem  Auge  keine  Augenenlzündung  erregten,  J®*’ 
aber  nach  einigen  Tagen  an  dem  Auge  sich  eine  Entzündung  i®'* 
Exsudation  im  Innern  einslellte,  auch  wenn  das  Auge  nicht  g®' 
reizt  worden.  .Jouni.  d.  physiol.  4.  176,  304.  Dupur  hat  nafi 
Ausschneidung  des  Ganglion  cervicale  supremum  Nervi  sympathi®' 
eine  Augenentzündung  entstehen  gesehen,  was  M.AYEtt  bei  Untc»^ 
bindung  des  N.  sympathicus  bestätigt  hat.  Gbaeee  undWALTiiE®* 
Journ.  10.  3.  SciiBÖDER  durchschnitt  hei  einem  Hunde  an  fl®*” 
einen  Beine  den  N.  ischiadicus  und  crui'alis,  und  verwundete  bei*!® 
Füsse.  Am  folgenden  Tage  war  die  Wunde  des  paraljdische® 
Beines  trockner  als  die  des  gesunden;  innerhalb  .3  Wochen  e®^ 
wickelte  die  Wunde  des  gesunden  Fusses  viel  stärkere  Entz®®' 
dungsphänomene ; es  entstand  Eiterung  und  Granulation,  an  d®*® 
paralytischen  Fusse  fehlte  fast  die  Entzündung  der  Wunde, 
weisse  Materie  wurde  ausgeschieden,  welche  verschorfte. 

Wunde  war  blass.  Observ.anat.  paihol.I%2Q.  14.  Ich  habe  n®®** 
Durchschneidung  des  N.  ischiadicus,  die  ich  wegen  Reproducti®** 
der  Nerven  vornahm,  unter  mehreren  Fällen  beim  Kaninchen 
mal  beobachtet,  dass  das  Thier  an  dem  paralytischen  Beine 
der  Ferse  sich  .lufging,  wo  ein  Decubitus  entstand.  Es 
hieher  auch  die  plötzlichen  Veränderungen  des  Zustandes  ®®.j 
Wunden  nacli  Gemüthsbewegungen , worauf  Wunden  oft  sch®® 


2.  Vom  Waclisthum.  JVachsthum  durch  Intiissusceptio.  357 


gutes  Ansehen  verändern,  wieVERiNG  und  Langenbeck  herich- 
Siehe  Schröder  v.^  d.  Kolk.  a.  a.  O.  p.  28. 

Ueber  den  vorzugsweisen  Anlheil  des  sympathischen  Nerven 
der  Ernährung  im  Gegensätze  der  Cerehro-Spinal-Nerven  weiss 
nichts,  als  dass  die  Ernährung  eines  Theiles  nach  Durch- 
chneidang  seiner  vom  Gehirne  oder  Rückenmarke  kommenden 
^i’ven  nicht  aufhört. 


II.  Capiiel.  Vom  Wachsthum. 

_ Das  Wachsthum  der  Thelle  organischer  Wesen  geschieht  auf 
?''’6ifache  Art.  Entweder  geschieht  das  Wachsthum  von  allen 
'ßineij  Partikeln  zwischen  den  Capillargefässen  .aus,  indem  sich 
**'8leich  die  Anzahl  der  Gefässe  vermehrt,  und  so  wachsen  die 
y’'8anisirten,  mit  Blutgefässen  versehenen  Theile,  oder  dasWachs- 
^*Una  geschieht  durch  schichtweise  Apposition  von  BildungsstolF, 
Von  einer  organisirten  Matrix  abgeschieden  avird,  während  die 
'**'ch  Apposition  wachsenden  Theile  nicht  organisirt  sind. 

Von  dem  Wachstlmm  der  organisirten  Theile  durch 
Intussusccptio. 

Die  Erzeugung  von  Gefässen  scheint  fast  überall  zu  den  er- 
Acten  der  organisirenden  Kraft  zu  gehören.  So  entstehen 
in  dem  hei  der  Entzündung  und  nach  der  Conception  im 
*-®t'us  ausgeschwitzten  Faserstoff,  durch  Wechselwirkung  der  aus- 
6®schwitzten  Materie  mit  der  exsudirenden  organisirten  Ober- 
*ehe.  Von  allen  organischen  Materien  ist  es  der  im  Blute  auf- 
8«löste  Faserstoff,  der  diess  Princlp  des  Lebens  in  sich  enthält, 
er  selbst  im  ausgeschwitzten  Zustande  noch  organisirt  wird, 
jJ'^ald  er  mit  organisirten  Theilen  in  Berührung  ist.  Die  erste 
'ätstehnng  und  Vervielfältigung  der  Gelasse  lässt  sich  ln  der 
^®inihaut  des  Eies  beobachten.  Die  Keimscheibe  vergrössert  sich 
Keimhaut;  diese  zeigt  bald  eine  obere  dünnere  Schichte  (se- 
®ses  Blatt)  und  eine  untere  dickere  Schichte  (Schlcimhlatt).  Um 
in  der  Mitte  der  Keimhaut  sich  zeigende  Spur  des  Embryo 
„^'Scheint  ein  durehsichtiger  Hof,  area  pellucida,  während  der 
^•‘ssere  Theil  der  Reinihaut  undurchsichtig  bleibt,  und  dieser  nn- 
4^*'chsichtige  Theil  der  Keimhaut  wird  bald  wieder  durch  eine  . 
..  8*’enzung  In  ein  äusseres  und  inneres  ringförmiges  Feld  abge- 
j beim  Vogel  in  der  16. — 20.  Stunde.  Diese  Abgrenzung 
^'^l'iiesst  zunächst  den  einen  Theil  des  undurchsichtigen  Stückes 
Ij®*“  Keimhaut  ein,  xvelches  den  innersten  oder  durchsichtigen 
der  Keimhaut  umgiebt,  und  area  vasculosa  genannt  wird,  weil 
’'^n  innerhalb  dieses  Hofes  das  Blut  und  die  Gefässe  bilden.  So 
die  Area  vasculosa  reicht,  zeigt  sich  zwischen  den  Blättern 
Keimhaut  eine  körnige  Lage,  welche  sich  bald  in  körnige 
*'^hte  Inseln  und  rinnenförmige  Zwischenräume  zertheilt,  in  de- 
^ sich  zuerst  eine  gelbliche,  hernach  rothe  Flüssigkeit,  das  Blut, 
^*ämelt.  Zuerst  sieht  man  das  Blut  in  der  Peripherie  der  Area 
®*culosa.  Allmählig  theilt  sich  die  körnige  Lage  zwischen  beiden 


358  II,  Buch.  Organ,  chemische  Processo.  II.  Ahschn.  Ernähruiig- 

Blättern  überall  in  solche  Substanzinseln'  und  Rinnen.  ^ Das 
selbst  entsteht,  -wie  die  grossen  Gefässslämme,  auch  zwischen  bei 
den  Blättern.  G.  F.  Wolff  {Theorie  der  Generation.  Berl.  j 
hat  nun  auf  eine  bewundernswürdige  Weise  gezeigt,  wie  “f 
Rinnen  erst  die  Gefässwände  allmäblig  entstehen,  indem  «l'e 
ttanzinseln  zuerst  in  der  Mitte  durclisiebtiger  werden,  und  * 
mäblig  sich  der  dichtere  und  undurchsichtigere  Thcil  der  Sul^ 
Stanzinseln  gegen  die  Strömcben  hin  verschmälert,  in  Sleich^ 
Grade,  als  die  Durchsichtigkeit  der  Substanzinseln  von  der 
sich  ausdehnt.  Bei  ganz  jungen  Thieren,  z.  B.  jungen  Fischche^ 
lässt  sich,  wie  Döli.inger  {Denkschriften  der  Academie  zu  Muncite'- 
7.)  that,  das  Entstehen  neuer  Strömcben  während  des  Wac>^ 
thums  des  Schwanzes  beobachten.  Bei  ganz  jungen  Fischchc 
kehrt  anfangs  das  arterielle  Strömehen  am  Schwänzende  o»«^ 
Weiteres  in  einem  venösen  Strömehen  um,  mit  dem  V* 
des  Fischschwänzchcns  vermehren  sich  die  Gefässschlingen.  A 
einfachsten  wäre  nun,  sich  vorzustellen,  dass  die  organische  Su 
stanz  um  die  Strömehen  her  die  flüssigen  Theile  des  Blutes,  a«  ^ 
gelöstes  Eiweiss  und  Faserstoff  anziehen,  und  indem  sie  sich  üa- 
mit  tränken,  sich  wie  beim  ersten  Entstehen  der  Gefässe  j 
Keimhaut  in  Rinnen  und  feste  Zwischenstellen  theile.  So  la*’ 
sich  auch  die  Entstehung  der  neuen  Gefässe  in  dem  ausgeschwd*' 
ten  Faserstoffe  bei  den  Entzündungen  am  leichtesten  denken,  i»' 
dem  nämlich  der  e-Vsiidirte  Liquor  sanguinis  sich  allmählig  vC*' 

dichtet,  aber  auch  durch  die  permeabehi  Capillargefässwändcbe 

hindurch  wieder  Liquor  sanguinis  anzieht,  der  sich  in  den  en 

stehenden  Rinnen  der  Suhstanzinseln  vertheilt,  worauf  später  au*^^ 
Blutkörperchen  in  die  erweiterten  neuen  Gefässchen  aufgenoiU^ 
men  werden.  Denn  dass  sich  die  Gefässenden  in  die  neue  M® 
terie  verlängern  sollen,  ist  eine  ungereimte  Vorstellung,  zumal 
es  keine  Gefässenden , sondern  nur  Capillargefässübergänge  z'^* 
sehen  arteriösen  und  venösen  Strömehen  giebt. 

Eine  genaue  Zusammenstellung  aller  Beobachtungen  hat  At-*" 
Thomsok,  Fäohiep’s  Eot.  N.  783,  gegeben. 

Mit  dieser  Vorstellung  von  der  Entstehung  der  neuen  Gefä*  ^ 
sind  aber  die  Beobachtungen  von  Döllinger  nicht  übereinsin®^ 
mend.  Dölubger  hat  eine  doppelte  Entstehung  neuer  Strömen®.^ 
beschrieben.  1)  Did  arteriellen  Strömehen  bahnen  sich  neue  b® 
tenwege  in  die  wachsende  Substanz.  Es  ist  jedoch  unwahrseb®* 
lieh,  dass  die  Blutkörperchen  sich  solche  neue  Wege  zuerst 
nen  und  zufälligerweise  ein  venöses  Strömehen  wieder  antrel  ® 
Die  Einmündung  der  neuen  Strömcben  in  ein  venöses  Ströme 
wäre  neuerdings  zu  erklären,  worin  ja  überhaupt  die  ganze  Sebvf 
rigkeit  liegt.  So  lange  nicht  durch  Tränkung  der  Substanz 
Liquor  sanguinis  und  Theilung  der  Partikeln  zwischen  arterm»^^ 
und  -fenösen  Strömehen  neue  Rinnen  entstehen,  ist  die  Einm‘L^ 
düng  der  neuen  Strömehen  in  venöse  Strömehen  sehr  scbwi*^^!® 
einzusehen.  Denn  sonst  wird  sich  das  Blut  eher  anhäufen  j 
regelmässige  Capillargefässverbindnngcn  erzeugen.  2)  Eine 
Art  der  Entstellung  neuer  Strömehen  hat  Döllinger 
massen  dargestellt : In  der  Nähe  des  fliessenden  Blutstroms 


5ä.  Vom  tlchslhum.  achsthum  durch,  Intusnusceptiu.  35ü 

Streifen  dea  uiiljewegliolien  Thierstoft’es  in  Bewegung;  es  hil- 
sich  gleichsam  ein  bewegliches  Säulehen  aus  dem,  was  Döe- 
J^tsoER,  Schleimkörner  nennt,  ein  Säulehen,  das  mit  einem  Ende 
an  den  Blutstrom  unter  einem  rechten  Winke!  austösst,  mit 
andern  von  ihm  abgekehrt  ist.  Dieser  Streifen  schiebt  sich 
hin  und  wieder  dein  Blutstrome  zu,  vom  Blutslrom  ab,  alles 
P'ilsirend;  die  Körnchen,  aus  welchen  der  oscillirende  Streifen 
®steht,  legen  sich  in  Ordnung  au  einander,  und  nehmen  allmählig 
be;,linimtere,  weniger  verflossene  Gestalt  an,  indem  sie  deut- 
ch  Oval  werden;  endlich  tbellt  sich  die  oscillirende  Masse  in  2 
‘«■ömchen,  deren  eines  in  arteriöser,  das  andere  in  venöser  B.ich- 

dass  ich  diese  Erscheinung  nicht 


^**.**§  läuft.  Ich  gestehe  ge 
ßicht  für  den  aewöbnllchi 


neuer 

eht  die  Oscillation  von 


„ iui  den  gewöhnlichen  Vorgang  bei  der  Enlslehun 
fförnchen  halten  möchte.  Entweder  g 

arteriellen  Strömehen  aus  oder  nicht.  Gebt  sie  nicht  dav'on 
''***>  so  ist  die  Verbindung  dieser  Oscillation  eben  so  schwer  ein- 
***sehen,  als  die  Verbindung  von  2 Strömehen  selbst,  warum  es 
'®h  überhaupt  jhandelt.  Geht  die  Oscillation  von  dem  arteriellen 
j^fömehen  aus,  und  kehrt  das  Strömehen,  wie  in  Döli.ingeb’s 
®obachtuug,  gegen  den  Ausgang  zurück,  so  hat  man  einen  schlin- 
0 öförmigen  Anhang  einer  Arterie,  nicht  aber  eine  neue  Schlinge 
"''Sehen  Arterie  und  Vene.  Erstei-es  ist  aber  nur  in  dem  Falle 
^''glich,  den  Döli.imger  auch  hervorgeboben  hat,  nämlich  am 
"de  der  Hauptarterie,  wo  diese  im  Schwänze  der  jungen  Fiseh- 
gerade  zur  Hauptvene  lunkehrt.  Dieser  Fall  wäre  auch  an 
• *'*’  Spitze  der  Kiemenblättchen  denkbar,  wo  arterielle  Strömehen 
^ Venöse  umkehren.  Meyen  {Isis  1828.  Tah.  VI,  ßg.  3.)  hat  in- 
wirklich  an  der  Kieme  der  jungen  Salamanderlarve  die 
. ""hachtung  gemacht,  dass  das  arterielle  Strömehen  ein  Aestcheu 
der  Seitensprosse  eines  Kiemenblättchens  ansschickte,  und  die 
f ".^j'^örperchen  daraus  auch  wieder  aufnahm.  Späterhin  ist  es 
"ilich  anders,  indem  die  Arterie  eines  Kiemenblättchens  von  der 
l^j.^vie  des  Kiemenstämmchens  ausgeht,  die  Vene  des  Kiemen- 
jj"^lchens  nicht  zu  der  Arterie,  sondei’n  zur  Vene  des  Kiemen- 
^''Bttmehens  zurückkehrt.  Auch  sonst  bei  den  Thiercn  sind  die 
hßgen  der  kleinsten  Gefässe  nicht  zugleich  Anhänge  von  ei- 
^""lei  Gefässart,  z.  B.  der  Arterien,  sondern  nur  zwischen  Arte- 
und  Venen.  Weitere  Beobachtungen  müssen  noch  über  die 
nß'icj'  Capillargefässströmchen  an  Salamanderkiemen 
""deren  Theilen  angestellt  werden,  um  ins  Klare  zu  kommen, 
j "lebt  die  oben  von  mir  aufgestellte  Ansicht,  für  welche  vor 
jj  ^ Hand  noch  keine  hinreichenden  Beobachtungen  vorhanden 
in  vielen  Fällen  der  Natur  entspricht, 
sin  über  das  Wachsthura  verschiedener  Theile 

"och  wenig  vorhanden.  Wahrscheinlich  findet  es  überall  in 
^ Weise  statt,  dass  sich  sowohl  die  Elementartheilchen  dei'  Ge- 
zwischen  den  Strömehen  bald  an  Zahl,  z.  B.  Fasern  der 
do  ""d  Nerven,  vermehren,  bald  an  Grösse  zunehmeu,  in- 

Partikeln  zwischen  den  Strömehen  mehr  Stoff  apponiren, 
indem  die  Zahl  der  Capillargefässe  in  gleichem  Vei'- 
"'sse  mit  den  wachsenden  Partikeln  zunimmt.  Ehe  wir  vom 


N 


360  11.  Buch.  Organ,  chemkc/ie  Processe.  II.  Abschn,  EniäJa'unS- 


Wachsthum  der  Knochen  handeln,  müssen  wir  einige  Bemerkun- 
gen über  ihre  Structur  voraus  schicken.  lieber  die  feinere 
Structur  der  Knochen  hat  unter  Purkinje’s  Anleitung  Deutsch 
penitiori  ossium  struciura  ohseroationes.  Dissert.  inaug.  Vratisl.c.tab.i'i 
eine  sehr  gute  Arbeit  geliefert,  die  erste  nach  langer  Zelt,  welc“ 
über  diesen  Gegenstand  wirklich  neue  Aufschlüsse  darbiete  • 
Diese  Arbeit  beschäftigt  sich  mit  dem  feinsten  Bau  derKnocbeä) 
wie  er  unter  dem  MIcroscop  an  feinen  Lamellen  von  Knochen' 
Substanz  erscheint,  deren  Kalkerde  durch  Säuren  extrahirt  ' 
Untersucht  man  feine  transverselle  Knochcndurchschnitte  von  1®®' 
gen  Knochen,  so  sieht  man  die  Querdurchscbnitte  der  Länge"' 
Canäle,  auf  Längendurchschnitten  sieht  man  die  LängendurctJ' 
schnitte  der  Längscanälcben,  welche  Mark  fuhren  und  nur  h] 
und  da  Zusammenhängen.  In  den  spongiösen  Knochen  sind  ü* 
Markcanälchen  durch  Zellen  ersetzt.  Durchaus  neu  sind  die  »"J' 
kroskopischen  Aufschlüsse  über  den  feinem  Bau  des  Knochenku"*' 
pels.  Auf  transversellen  Durchschnitten  zeigen  sich  nämlich  " . 
jedes  Knochenkanälchen  concentrische,  dünne  Streifen,  und 
den  Radialdiu-chschnitten  zeigt  sich,  dass  diese  concentrischcn  Str"*^ 
fen  der  Länge  nach  verlautende,  die  Canälchen  umgebende  b* 
mellen  sind.  Diese  Schichten  haben  einen  Durchmesser  von  J 
Die  Zwischenräume  zwischen  den  concentrischcn  Schichten 
die  Markcanälchen  werden  von  Lamellen  ausgefüllt,  die  in  gross"® 
Kreisen  um  die  grosse  Markböhle  concentrisch  laufen.  An  d" 
breiten  Schädelknochen  und  anderen  platten  Knochen  liegen  "} 
Schichten  parallel  mit  der  Fläche  derselben.  Sehr  merkwürd'S 
ist  nun , dass  durch  die  Dicke  der  Schichten  lauter  dicht  ^ 

einander  liegende  Streifen  gehen,  welche  also  zur  Länge  die  .. 

der  Lamelle  von  haben.  Deutsch  hält  diese  Linien  1 ^ 

Canälchen;  löset  man  eine  Schicht  von  der  andern  ab,  und  h 
trachtet  man  sie  unter  dem  Mikroskop,  so  erscheinen  die  En" 
dieser  transversellen  Streifchen  meist  dreieckig;  Deutsch  vern»®^ 
thet,  dass  in  diesen  überaus  feinen  Canälchen  (?),  wovon  Niem®" 
bisher  eine  Ahnung  hatte,  die  Kalkerde  abgelagert  sey. 
ist  nicht'  wahrscheinlich,  da  die  erste  Erscheinung  der  Ossiß"® 
tion  ein  mikroskopisches  Netzwerk  ist.  Ausserdem  hat  Pub*-'® 
noch  eine  Art  von  zerstreuten  rundlichen  Körperchen,  die  j 
pelkörperchen,  in  der  mikroskopisch  untersuchten  Rnorpelsubst®  . 
der  Knochen  entdeckt,  die  viel  grösser  sind,  als  die  Durchschm 
der  zuletzt  beschriebenen  Canälchen.  Diese  Untersuchungen 
den  lamellösen  Bau  der  Knochenknorpel  sind  auf  der  hies*o.g 
Anatomie  von  Hrn.  Miescheh'  wiederholt  und  fast  durcbg'®"Oj^ 
bestätigt  gefunden  worden.  Herr  Miescheh  hat  jene  Knorp 
körpereben  auch  in  nicht  ossificirenden  Knorpeln  und 
dem  Callus  der  gebrochenen  Knochen  wiedergefunden;  nur 
Ohrknorpel  und  der  Kehldeckel  bestehen  aus  zelligem 
Man  weiss,  dass  die  Knochen  vorzugsweise  auf  der  b)berß® 
und  am  Ende  der  Diapbysen  wachsen,  indem  hier  neue 
pelschichten  entstehen , die  organisirt  sind  und  ossificiren. 
sieht  man,  weil  die  Knochen  nach  aussen  hin  sich  vergro** 
während  das  Innere  der  Knochen,  was  früher  Knochen  geW" 


2.  y offt  W achsthum.  Wachsthum  durch  Intussusceptio.  361 

Rieder  resorbirt  und  Rnoclienhölile  wird.  Die  hieher  gebören- 
den  Thatsachen  findet  man  in  E.  H.  Weber’s  classischera  Werke 
beer  die  Anatomie  des  Mensclicn  im  ersten  Theile  desselben  und  _ 
Dictionnaire  des  Sciences  rnddicales^  art.  osteogenie.  T,  38.  p.  445. 
^isammengestelit.  Nach  Duhamel  umschliesst  ein  um  einen  Röb- 
*’®oknocben  eines  Jungen  Tbieres  gelegter  Ring  nach  einiger  Zeit 
••'cbt  mehr  den  Rnocben,  sondern  das  Rnocbenmark.  Die  Rno- 
J^hen  verändern  sieb  bis  in  das  böebste  Alter,  wie  denn  z.  B.  im 
*<>ben  Alter  die  Ilirnscbale  dünner  wird,  indem  die  schwammige 
■“'ploe  zum  Tbeil  verschwindet.  Die  Färberrötbe,  Rubia  tincto- 
welche  eine  chemische  Verwandtschaft  zur  phosphorsauren 
^®lkerde  hat,  und  bei  der  Fütterung  von  allen  Theilen  vorzugs- 
weise nur  die  Rnocben  und  die  Zähne  roth  färbt,  färbt  bei  den 
^äochen  das  ganze  Gewebe  roth.  Bei  den  jungen  Tauben  hat 
***ese  durchgängige  rothe  Färbung  der  Rnochen  nach  Morand 
*^14  Gibson  schon  in  1 Tage  statt,  während  die  Rnochen  erwach- 
sener Tauben  erst  nach  14  Tage  langer  Fütterung  rosenroth 
Werden.  Indessen  scheinen  doch  die  Oberfläche  und  die  Enden 
.er  Rnochen  vorzugsweise  zu  wachsen,  wie  die  von  Weber  ci- 
^‘rten  Beobachtungen  beweisen.  Duhamel  fand,  als  er  die  Thiere 
abwechselnd  mit  Färberrötbe  fütterte,  und  wieder  nicht  fütterte, 
^Wechselnde  Schichten  weisser  und  rother  Substanz,  was  sich 
^'^er  selten  bei  jungen  Thleren  zeigt.  Zur  Zeit  der  Fütternng 
^jt  Färberrötbe  wurde  die  äusserste  Schichte  roth  gefunden, 
^•ernach  räumte  Duhamel  zwar  die  Intussusception  der  Rnochen 
behauptete  aber  doch,  mit  Grew,  dass  die  Rnochensubstanz 
Vorzugsweise  an  der,  Oberfläche  schichtweise  sich  bilde,  wie  die 
^■•gen  des  Holzes  an  den  Bäumen.  Diess  Alles  ist  nichts  weniger 
*ls  gewiss;  denn  in  Morand’s  Versuchen  wurden  die  Rnochen 
Erwachsener  Tauben  durchweg  roth,  und  Duhamel  sah  selbst, 
*^*ss  die  Rnochen  eines  Hahns  in  16,  die  einer  Taube  in  3 Ta- 
in  ihrer  Dicke  roth  wurden.  Gibson,  Meck.  Archiu  4.  482. 
Röhrenknochen  wachsen  vorzugsweise  auch  an  der  Grenze 
*^ischen  den  schon  verknöcherten  Stücken  der  Rnochen  und  dem 
^och  knorpelig  gebliebenen  Theile,  welcher  das  Mittelstück  von 
4on  Epiphysen  in  der  Rindheit  trennt.  Diess  scheint  der  Ver- 
W*ch  von  J.  Hunter  zu  zeigen,  nach  welchem  Löchei*  in  die  bei- 
4en  Enden  des  Mittelstücks  eines  Röhrenknochens  beim  jungen 
bchweine  gebohrt,  nach  einigen  Monaten  sich  nicht  von  einander 
Eotfemt  hatten,  so  dass  die  über  den  Löchern  befindlichen  Strecken 
4es  Rnochens  vorzugsweise  gewachsen  seyn  mussten.  DasWach^ 
bum  der  Röhrenknochen  dauert  daher  auch  nur  so  lange  in  die 
■bänge  fort,  als  die  Epiphysen  und  das  Mittelstück  noch  durch 
En»e  Lage  Rnorpel  getrennt  werden.  Siehe  ÄIeckel,  Handb.  d. 
*^nschl,  Anat.  1.  378.  E.  H.Wrber  Anat.  1.  339.,  wo  man  auch 
4ie  Nachweisungen  über  die  Litteratnr  findet. 

Die  Rnochen  sind  anfangs  beim  Fötus  knorpelig,  und  entlml- 
W zu  allererst  keine  Zellen  und  Markhöhlen.  Die  Zeilen  der 
Wochen  felilen  lange,  sie  entstehen  zum  Thell  schon,  ehe  die 
Worpelsubstanz  des  Rnochens  durch  Vergrössening  des  Gehaltes 
■'ü  phosphorsaurer  Ralkerde  verknöchert.  Die  Verknöcherung 


362  II.  Buch,  Organ,  chemische  Processe.  II.  Abschn.  Ernährung. 

findet  von  einzelnen  Rnochenkernen  aus  statt,  von  welchen 
die  Rnochenlamellen  und  Fasern  (an  den  platten  Schädelknochen 
radiatim)  ausgehen.  Der  Anfang  der  Verknöcherung  geschieh* 
schon  im  2.  Monat  der  Schwangerschaft,  Steisshein,  Kniescheih®» 
die  meisten  Hand-  und  Fusswurzelknochen  verknöchern  erst  nn®.^ 
der  Geburt.  Die  Entwicklungsgeschichte  der  Knochen  wird  übr*' 
gens  im  8.  Buche  dieses  Werkes  abgehandelt. 

Es  ist  eine  ganz  irrige  Vorstellung,  wenn  man  glaubt, 
organisirter  Theil  könne  das  Ernährungsorgan  eines  andern  or- 
ganisirten  Theiles  seyn,  z.  B.  die  Knochensubstanz  werde  voi\ 
Beinhaut  gebildet,  der  Knochen  von  der  Beinhaut  ernährt. 
Knochensubstanz  muss,  weil  sie  selbst  organisirt  ist,  auch  seih** 
assimiliren.  Nur  nnorganisirte  Theile,  welche  keine  Gefässe  ent- 
halten, wie  die  Haare,  Nägel,  Zähne,  Crystallllnse,  werden  vom 
einer  organisirten  Matrix  erzeugt,  und  durch  Apposition  neue" 
Stoffes  erhalten.  Dass  die  Knochensubstanz  durch  die  Beinha"* 
gebildet  werde,  diese  Vorstellung  halte  ich  für  eine  des  jetzig®" 
Zustandes  der  Physiologie  unwürdige  Barbarei.  Die  Knochen  e"' 
halten  von  der  Beinhaut  und  vop  der  Markhaut  aus  Gefässe,  s'® 
sterben  daher  ah,  wenn  Beinhaut  oder  Markhaut  in  einer  Streck® 
zerstört  sind;  die  äusseren  Schichten  sterben  ab  bei  der  Zersti'- 
rung  der  Beinhaut,  die  inneren  bei  der  Zerstörung  derMarkhaot 
der  Knochen.  Allein  daraus  folgt  nicht,  dass  diese  Häute  di® 
phosphorsaure  Kalkerde  im  Knochen  absetzen.  Die  Beinhaut  h* 
das  Vehikel  der  Gefässe,  welche  in  den  Knochen  eindriug®"^ 
darum  stirbt  er  ab,  wenn  seine  Gefässe  an  dieser  Stelle  zerris' 
sen  sind. 

lieber  das  Wachsthum  der  Primitivfusern  der  Muskeln  uud 
der  Nerven  ist  man  völlig  im  Dunkeln.  Man  weiss  nicht,  ob  di® 
Zahl  der  Muskel-  und  Nerverfasern  von  der  ersten  Erzeugung 
an  constant  bleibt,  und  sich  nur  ilire  Länge  und  Stärke  vef- 
grössert,  oder  ob  ihre  Zahl  bei  dem  W^achsthume  und  bei  d®" 
Uebung  zunimmt.  Genaue  mikrometrische  Messungen  über  d®" 
Durchmesser  der  Muskel-  und  Nervenfasern  in  verschieden®" 
Altern,  über  den  Durchmesser  der  Nervenfasern  in  der  Atroph'® 
der  Nerven,  z.  B.  in  der  Cauda  equina  bei  der  Tabes  dorsal^/ 
müssen  angestellt  werden.  Durch  die  interessante  Schrift  vo" 
Valentin,  Tiistoriae  evolutionis  syst,  muscularis  prolusio.  Vratisl.  183'A 
ist  der  Anfang  in  diesem  Theile  der  Untersuchungen  gemacht- 
Nach  ihm  bestehen  die  Muskeln  anfangs  bei  dem  ganz  jung®" 
Embryo  aus  deutlichen  Kügelchen,  welche  hernach  verschwinde"? 
so  dass  an  die  Stelle  eines  perlschnurähnlichen  Fadens  ein  gleich- 
förm^  walzenförmiger  tritt.  Die  Fasern  sind  nach  ihm  bei  j«": 
gen  Embryonen  der  Säugethiere  und  Vögel  immer  dicker  als  be‘ 
älteren.  Die  ersten  perlschnurartigen  Fasei’n  sollen  3 und  mehr- 
mal  dicker  als  die  Muskelfasern  älterer  Embryonen  seyn,  so  da«* 
also  aus  den  ersten  Fäden  hernach  mehrere  dünnere  sich  zu  hd' 
den  scheinen.  Da  die  Primitivfasern  der  Nerven  und  Muskeln 
klein  sind,  dass  sie  selbst  keine  Capillargefässe  besitzen,  und  d» 
diese  nur  in  ihren  Zwischenräumen  verlaufen  (vergl.  pag.  201.)? 


2.  Vom  fVachsthum.  Wachsthum  durch  Intussusceptio.  363 


^uss  dasWachsthnm  durch  Anziehung  der  aufgelösten  Theile  des 
“lutes  geschehen. 

, , Ueber  dieEntstehung  und  daS'Wachstham  derDrüsenoanälchen 
“eiin  Fötus  habe  ich  einige  nähere  Aufschlüsse  gegeben,  obwohl 
Beobachtungen  über  die  Entstehung  der  Leber,  des  Pancreas, 
Speicheldrüsen,  der  Kieren  nicht  ein  ganz  gleiches  Verhalten 
^^Igen.  Rolando,  Baer  und  ich  haben  gezeigt,  dass  die  Leber 
jls  ein  kleiner  Auswuchs  der  Darmwände  entsteht,  der  zuerst  im 
lunern  hohl  ist.  Indem  die  Substanz  in  der  Dicke  der  V^'^ände 
®*®ses  Auswuchses  sich  vergrössert,  entstehen  darin  Träubchen 
Canälen,  von  welchem  es  ungewiss  ist,  ob  sie  gleich  anfangs 
sind;  die  Höhle  in  der  Basis  des  Auswuchses  wird  aber  ver- 
J'^eigt.  Die  Nieren  des  Vogelembryo  bilden  nach  meinen  Beobach- 
"“gen  anfangs  einen  gallertartigen  ReimstofF,  Blastema,  welcher 
der  Oberfläche  ein  gewundenes  Ansehen  bat.  Der  Saum  die- 
Windungen  enthält  hernach  die  (anfangs)  blasigen  Enden  der 
^'•t'allel  aus  der  Tiefe  heraufsteigenden  Harncanälchen,  welche 
^^ti’ch  den  Keimstoff  verbunden  sind.  Erst  allmählig  bilden  sich 
blasigen  Enden  der  Harncanälchen  (auf  Kosten  des  Blastema) 
und  werden  gefiedert;  am  vollständigsten  habe  ich  die  Aus- 
j lldung  der  Speiclielcanälchen  in  der  Parotis  und  die  Entwick- 
der  Thränendrüse  hei  Säugethieren  beobachtet.  Nach  E.  H. 
YEber’s  und  meinen  Beobachtungen  ist  die  erste  Spur  der  Spei- 
pßlcanälchen  der  Parotis  der  in  einer  gallertartigen  Materie 
'®gende  Ausführungsgang,  der  mehrere  blinde  Zweigelchen  aus- 
*^liickt.  Nach  meinen  Beobachtungen  zeigt  sich  hier  in  der  Folge 
sehr  merkwürdiges  Verhältniss  zwischen  dem  Keimstoff  der 
^•'üse,  Blastema  und  den  Canälchen.  Bei  einem  Schaafemhryo 
^“n  4 Zoll  Länge  ist  das  Blastema  nicht  mehr  gallertartig,  son- 
Y^n  eine  grauliche  gelappte  Materie,  innerhalb  welcher  die  Spei- 
Y'elcanälchen  ganz  weiss  verlaufen,  und  Sprossen  mit  blinden 
^“den  ansschicken.  Das  Blastema  umgiebt  diese  ganze  VerZwei- 
?^äg,  so  dass  die  Zweigelchelchen  nicht  bis  an  den  Rand  der 
Y*ppchen  des  Blastema  fortschreiten.  De  glandularum  siruciura 
tob.  6.  fig.  11.  Bei  älteren  Embryonen,  wie  z.  B.  bei  ei- 
Schaaffötus  ^ßg.  11.),  war  das  Blastema  schon  viel  melm 
^^gezehrt,  und  umgab  die  viel  mehr  ausgebildeten  Sprossen  der  Spei- 
'^“elcanälchen  und  ihre  Enden  nur  sehr  sparsam,  gleichsam  als  wenn 
^ Zuletzt  in  den  Bindestoff  oder  das  Interstitial-Zellgewebe  zwischen 
, Canälchen  einer  Drüse  verwandelt  würde.  Bei  der  rhränendrüse 
5.  fig,  8.  haben  sich  mir  diese  Beobachtungen  über  das  Verh'ält- 
des  Blastema  zu  den  Drüsencanälchcn  bestätigt, 
j Die  Frage,  bis  auf  welche  Theile  sich  das  W'achsthum  durch 
^lussusceptio  von  den  kleinsten  Partikeln  aus  ausdehnt,  ist  identisch 
“**t  der  Frage,  welche  Theile  organisirt  sind  oder  Blutgefässe 
^Ibalten.  In  den  Sehnen,  Bändern,  Knorpeln  sind  Blutgefässe, 
^'^än  auch  sehr  sparsam,  enthalten.  Im  Museum  von  Fremerv 
Utrecht  sah  ich  eine  sehr  schöne  Injection  der  Rippenknor- 
der  Knorpel  des  Kehlkopfs,  der  Luftröhre  von  einem,  wenn 
mich  recht  erinnere,  jungen  Fuchs.  Von  den  Gefässen  der 
'^rnea,  des  Glaskörpers,  der  serösen  Haute  ist  pag. 204.  gehan- 


364  II.  Buch.  Organ,  chemisdte  Pfocesse.  II.  Absclm.  Ernährung. 

delt  worden.  Zweifelhaft  sind  die  Gefässe  noch  von  der  innere 
Haut  der  Blutgefässe. 

« 

b.  Von  dem  Waehsthume  der  unorganislrten,  gefSsslo»«:“ 
Theile  durch  schichtweise  Apposition. 

Die  unorganisirten,  gefässlosen  Theile  werden  durch  eine  of- 
ganisirte  Matrix  erzeugt,  und  vergrössern  sich  durch  fortgescfttc 
Apposition  von  einer  Seite.  Ihre  Matrix  ist  bald  eine  ehe«® 
Oberfläche,  bald  vorspringend,  bald  sackförmig  geschlossen. 
gehören  hieher  1)  das  Horngewehe,  2)  das  Za'hngewebe,  3]  J®* 
Gewebe  der  Crystalllinse. 

Bei  den  niederen  Thieren  werden  auch  die  Schalen  hlos* 

■ durch  schichtweise  Absonderung  gebildet.  Die  Form  der  Schal® 
der  Mollusken  hängt  ganz  von  der  Form  ihres  Körpers  und  de/' 
Oberfläche  ah,  welche  die  kohlensaure  Kalkerde,  vermischt  nid 
einer  thierischen  Materie,  ahsondert.  Die  kleinen  äussersten  B/' 
mellen  der  Schalen  der  Muscheln  sind  z.  B.  zuerst  gebildet,  di® 
innersten  oder  grössern  Lamellen  sind  zuletzt  gebildet.  Boua»®'* 
hat  gefunden,  dass  die  kohlensaure  Kalkerde  in  diesen  Schichte® 
ein  mikroskopisch  erkennbares  crystallinlsches  Gefüge  hat. 

I,  F om  Ilorngetvebe.  Zum  Horngewebe  gehören  die  Epidef' 
mis  der  Haut,  und  das  Epithelium  der  Schleimhäute,  die  Haare» 
die  Stacheln,  die  Nägel,  Klauen,  Hufe,  die  Hörner,  die  Federn* 

a.  Epidermis,  Epithelium. 

Das  Epitlielium  der  Schleimhäute  ist  im  Munde  am  deutlich' 
fiten,  undeutlicher  in  der  Speiseröhre,  deutlich  im  Muskelmagc® 
der  körnerfressenden  Vögel,  wo  es  zu  Hornplatten  anschwihli 
deutlich  auch  in  der  obern  Hälfte  des  Magens  der  Pferde;  i®* 
Darmcanal  scheint  es  ganz  überaus  zart  zu  werden,  und  ist  nO® 
in  dem  zerreiblichen,  unorganislrten  Ueberzuge  der  Darmzottc® 
zu  erkennen,  den  ich  pag.  253.  beschrieben  habe;  es  steht  bi®*' 
dem  Schleime  sehr  nahe.  Auf  der  schleimabsondernden  äusscr® 
Haut  der  nackten  Amphibien  ist  auch  ein  Epithelium  vorhand®®’ 
'VVagler  erwähnt  das  Häuten  derselben;  und  ich  habe  wenigst®®* 
die  Oberhanthülle  einer  Wassersalamanderlarve  gesehen,  die  d*®' 
ser  abgeworl'en  hatte.  Wie  die  Schleimhäute  Epithelium  und  *®' 
gleich  Schleim  absondern,  ist  schwer  sich  vorzustellen,  wenn  i»®“ 
nicht  annimmt,  dass  die  Schleimabsonderung  von  den  in  d®® 
Schleimhäuten  zerstreuten  Folliculi,  die  Bildung  des  Epitheli®®* 
von  den  Zwischenstellen  geschehe.  An  manchen  grossen  Streck®® 
der  Schleimhäute  sclieint  indess  die  Bildung  des  Epithelium  d®*® 
Schleim  verwandt,  wie  im  Dünndarm  an  den  Darmzotten,  ®® 
manche^  Strecken  des  Schleimhautsystems,  in  welchen  es  kei®® 
Folliculi  giebt,  wie  in  der  Schleimhaut  der  Kieferhöhlen,  Stic®' 
höhlen  und  Keilbeinhöhlen,  in.  der  Conjuuetiva  bulhi  oculi  sehe* 
nen  die  Scldeimhäute  hloss  Schleim  abznsondern,  so  dass  *®' 
Bildung  von  Schleim  nicht  nothwendig  Folliculi  mucosi  nöthig  * 
seyn  scheinen. 

Die  Oberhaut,  Epidermis,  besteht  aus  Schichten  von  Blatte®^ 
die  man  wenigstens  deutlich  an  der  Oberhaut  der  Hohlhand  «® 


2.  VornWachsihum.  JVachsthum  durch  Appositio.  Oberhaut.  365 

^ttsssolile,  Lesonders  durcli  Koclicn,  nacliweisen  kann.  Die  in- 
nerste Lage  der  Epidermis  Ist  noch  weich,  und  wird  gewöhnlich 
^^alpighlscher  Schleim  genannt.  Die  Olierhaut  des  Negers  ist 
®^wärzlich,  noch  mehr  iihcr  die  innerste  Schichte  derselben,  oder 
''er  Mucus  Malpighii.  Die  organisirte  Matrix  der  Epidermis  ist 
Selbst  hei  dem  Neger  weiss.  E.,H.  NVeber  Anat.  1.  187.  Vergl. 
^Kieer,  Pierer’s  med.  Realtvörterbuch.  luiegumenie.  Oh  und  wie 
"'«‘t  sich  die  Oberhaut  in  die  Haarhälge  und  Folliculi  sebacei 
[ortsetze,  ist  nicht  sicher  aasgemittelt.  Au  der  abgezogenen  Ober- 
haut haben  die  Meisten  keine  Poren  hemerkt,  die  man  aber  auch, 
'^pnn  sie  vorhanden  sind,  so  wenig  wie  Einstiche  in  Gummi  ela- 
*t'cunj  bemerken  könnte.  Nach  EicanoRN  und  Lautu  setzt  sie 
®‘uh  in  die  Haarbälge  fort,  bis  zur  Stelle,  wo  das  Haar  gebildet 
und  beim  Abziehen  der  Epidermis  werden  solche  Scheiden 
aft  sichtbar.  Nach  EicHuoBif  soll  man  an  abgezogener  Epidennis 
hei  schiefer  Richtung  die  Löcher,  durchweiche  die  Haare  gehen, 
^"erdings  sehen  können.  Ueber  die  sogenannten  Schweissporen 
den  Art.  äussere  Haut,  im  3.  Abschn.  dieses  Buchs. 

Die  Oberhaut  wird  schichtweise  von  ihrer  Matrix,  der  ober- 
Schichte  des  Coriums  abgesondert.  Wird  sie  bei  der  Haut- 
putziindung,  wie  sie  durch  das  Legen  eines  Blasenpnasters  oder 
hei  der  Verbrennung  entsteht,  durch  das  unter  ihr  abgesonderte 
^eiTim  aufgehoben,  so  erzeugt  sie  sich  wieder;  eben  so  geht  sio 
hei  der  Hautentzündung  durch  Exantheme  in  Lappen  verloren. 
Und  erzeugt  sich  wieder.  Beim  Menschen  und  bei  den  Säuge- 
yüeren  wird  sie  von  Zeit  zu  Zeit  in  kleinen  Läppchen  abgestossen, 
!*ei  den  Amphibien  zusammenhängend,  bei  dem  Hauten,  eben  so 
den  Insecten  vor  ihrer  Verwandlung,  und  bei  den  Spinnen. 

‘ den  Schlangen , welche  eine  von  der  Cutis  gebildete  Capsel 
Uber  das  Auge  besitzen , hinter  welcher  sich  das  Auge  frei  be- 
und  welche  an  der  Innern  Seite  von  der  Con|unctiva  über- 
v'^guft  ist,  sondert  diese  Capsel  äusserlich  auch  Epidermis  ab,  die 
uitn  Häuten  mit  abgeworfen  wird.  Bei  den  Schildkröten  und 
*'ucodilen  vvird  die  Epidermis  an  mehreren  Stellen  in  starkem, 
^Us  Lamellen  bestehenden  Hornplatten  abgesondert.  Unter  den 
ubildcrn  der  Crocodile  liegen  auf  dem  Rücken  Rnochenkerne, 
Puutknochen.  Diese  sind  aber  organisirt,  auch  die  Schuppen  der 
puechsen,  die  oft  ganz  hart  sind,  sind  keine  blossen  Hornp  aU 
i**»  Sondern  enthalten,  wie  z.  B.  bei  den  Leguanen,  Blindschlei- 
. , härtere  organisirte  Schnppenkörper , welche  die  Hornsub- 

'“uz  bloss  in  dünnen  Lamellen  als  Epidermis  absondern, 
j.  Bei  den  Hautschwielen  des  Menschen  wird  die  Oberhaut  zu 
Auken  Schichten  gebildet ; bei  den  sogenannten  Elsteraugen , bei 
Hautwarzen  und  bei  der  Ichthyosis  scheint  aber  ein  Thell 
US  organislrten  Coriums  in  eine  hornige  Substanz  umgewandelt 
’^erden. 

Vom  Wasser  cpiillt  die  Oberhaut  selbst  am  lebenden  Körper 
Cp  V K-ochen  wird  sie  nicht  weiter  verändert.  V®“ /pn- 

>*ül'  Schwefelsäure  wird  sie  allmählig,  von  Alcalien  eic 

H j^uidst;  von  salpetersaurem  Silber  wird  sie  grau,  zuletzt  schwarz- 
Uj  auch  beim  langen  innern  Gebrauche  des  salpetersauren  Sil- 


366  II.  Buch.  Organ,  chemische  Processe.  II.  Abschn,  Ernährung- 

bers,  wobei  das  Silber  sich  mit  dem  Schwefel  der  thierisclie” 
Theile  zu  Schwefelsilber  verbindet.  Mit  GerbestofF,  welcher 
mit  dem  Corium  beim  Gerben  verbindet,  verbindet  sich  die  Ep’' 
dermis  nicht.  Die  Epidermis  bildet  sich  nach  Meckel  bei  de”’ 
Embryo  schon  im  2.  Monat. 

b.  Nägel,  Klauen,  Hufe. 

Die  Art,  wie  der  Nagel  erzeugt  wird,  ist  noch  immer  nic^'J 
so  klar  aufgehellt,  wie  es  gewünscht  werden  kann.  Die  Ni'S® 
stecken  bekanntlich ' mit  ihrem  hintern  Theile  oder  mit  der  Ni*' 
gelwurzel  in  einer  Vertiefung  des  Coriums.  Diese  Vertiefung 
mit  Papillen  besetzt,  auch  der  Theil  des  Coriums,  worauf 
Nagel  aufliegt,  ist  mit  in  Längsreihen  gestellten  Papillen  beset^l' 
So  weit  der  Nagel  hinten  weiss  ist,  ist  das  Corium  weisslich, 
weit  er  röthlich  ist,  ist  es  röthlich,  so  dass  diese  Farbe  blo** 
durchscheint.  Nach  M.  Weder  {ZergUederungskunst  1.)  und  LaV'*^** 
(memoire  sur  divers  points  (fanatomie)  läuft  die  Epidermis  uotßf 
dem  Nagel  bis  zum  hintern  Ende  des  Nagels  weg,  und  schliesd 
sich  auch  oben  an  das  hintere  Ende  des  Nagels  an.  Nach  LauT^ 
wird  die  Nagelsubstanz  schichtweise  theils  von  dem  Corium,  Avof' 
auf  der  Naget  liegt,  theils  noch  mehr  hinten  von  dem  Boden  dj’’^ 
Furche  abgesondert,  so  dass  er  theils  in  der  Dicke  wächst,  the^ 
durch  Apposition  von  hinten  vorgeschoben  wird.  Man  begreif 
indess  hier  nicht  das  Fortlaufen  der  Epidermis  unter  dem  Nag®^’ 
welche  Epidermislamelle  Lauth  für  die  tiefe  Schichte  deJ  Nag®)* 
nimmt.  Weitere  Untersuchungen  müssen  lehren,  ob  nicht  di® 
Papillen  der  Furche,  von  welcher  der  hintere  Theil  des  Nag®j’ 
ausgeht,  allein  die  ganze  Dicke  des  Nagels  absondern,  und  d'® 
untere  Seite  des  Nagels  mit  der  unter  ihm  frisch  abgesondert®® 
Epidermislamelle  bloss  conglutinirt  ist.  Krankhaft  gebildete  g®' 
krümmte  Nägel  bestehen  deutlich  aus  dachziegelförmig  aufein®”' 
der  und  hintereinander  liegenden  Schichten,  so  dass  die  Schid*' 
ten  schief  von  ohen  und  hinten  nach  unten  und  vorn  gerich^^ 
sind.  Bei  den  Hufen  wird  die  Hornsubstanz  nicht  von  ei”®*^ 
Furche,  sondern  von  einem  bestimmten  Theile  der  Oberfläche  d®* 
Fingergliedes  abgeschieden.  Ueber  den  Bau  der  Hufe  und  Klai’®” 
siehe  Hetisiwger  Syst.  d.  Hisiologie.  I.  Die  Nägel  entstehen  na®** 
J.  Fr.  Meckel  erst  im  5.  Monate  des  Fötuslebens. 

c.  Haare. 

Die  Bildungsstätte  der  Haare  ist  der  Haarbalg,  ein  längÜ®**^* 
Säckchen,  auf  dessen  Boden  das  Haar,  durch  den  noch  weieb®.** 
Theil,  die  Haarzwiebel,  -befestigt  ist.  Mehrere  Beobachter, 
Heusinger  {Syst,  d,  Histolog.  Eisenach.  2.  182.3.)  und  Edle 
Lehre  von  den  Haaren.  JTien  1831.),  beschreiben  2 Substanzen  d®® 
Haare,  eine  feste  gleichartige  Bindensubstanz,  und  eine  inn®®®’ 
mehr  zellige  Substanz.  Heusinger  stützte  sich  hierbei  vorzüglj®  * 
auf  den  MÜigen  Bau  der  Marksubstanz  der  Behhaare.  In  d® 
von  den  Haaren  verschiedenen  Stacheln  der  Igel  und  Stach®’' 
Schweine  bemerkt  man  ganz  deutlich  beide  Substanzen.  Di® 
nere,  lockere  ist  auf  dem  Querdurchschnitte  strahlig.  Die  B®® 
stenhaare  des  Schweins  bestehen  nach  Edle  ans  einer  zelÜS®” 
Marksubstanz  und  aus  einer  Binde,  die  aus  mehreren  Fasern  h® 


stellt  j -welclie  sich  leicht  zersplittern. 
®*'suchungen  der  Menschenhaare  bei 


2,  Vom  Wachsthum.  W achsthum  durch  Apposltio.  Haare.  367 

Nach  E.  H.  Weber’s  Un- 

— «..jj.,.,  bestehen  diese  aas  einer  ganz 

S'eichartigen  Substanz,  ohne  Unterschied  von  Mark,  und  Rinde, 
«ach  Weber  sind  die  Menschenhaare  meist  platt,  ‘auf  dem  Durch- 
jJ^'mitte  nach  einer  Seite  oft  etwas  ausgehöhlt,  nierenförmig;  so 
*nde  ich  wenigstens  auch  die  Form  meiner  Kopfhaare.  Die 
‘iaare  der  Fledermäuse  sind  knotig,  die  der  grauen  Thiere,  wie 
"’ause,  schwarz  und  weiss  gefleckt.  In  Hinsicht  der  vielen  Man- 
'Ӥfaltigkeiten  in  dem  Baue  der  Haare,  verweise  ich  auf  Heusih- 
*^®R’s  und  Eple’s  vorzügliche  Schriften  und  deren  Rupfer.  Heu- 
***oer  und  Eble  haben  den  Ursprung  der  Tasthaare  der  Thiere 
genau  untersucht.  Der  Haarschaft  fängt  auf  dem  Boden  des 
Jaarbalges  mit  einer  Anschwellung  an,  die  Wurzel  oder  Zwiebel 
Haares;  sie  ist  weicher  als  das  Haar,  und  zeichnet  sich  durch 
stets  gleichbleibende  weisse  Farbe  vor  den  übrigen  Theilen 
Haares  aus ; sie  ist  hohl,  und  enthält  in  sich  den  eigentlichen 
^®Rrkeini,  Pxdpa  pili,  eine  wahrscheinlich  gefässreiche  Verlänge- 
des  Bodens  des  Haarbalges.  Ausserdem  wird  das  Tasthaar 
1?  dem  Haarbalge  noch  von  einer  röthlichen  weichen  gallertar- 
Scheide  umgeben,  welche  mit  der  innern  Wand  des  Haar- 
''Iges  organisch  zusaminenhängt.  Heusinger  beschreibt  auch 
*'.®'^h  ein  Oberhäutchen  an  der  innern  Fläche  dieser  Scheide,  das 
in  die  Oberhäut  des  Coriums  verfolgen  lässt.  Der  Haarkeim 
in  den  Tasthaaren  nach  Heusinger  und  Eble  länger  ^ als^  in 
eren  Haaren.  Eble  hat  bei  der  Katze  durch  feine  Injection 
®*7^iesen,  dass  die  Scheide  des  Tasthaars  in  dem  Haarbalgc  gefäss- 
®**5h  ist.  und  die  Iniectionsmasse  färbte  selbst  den  Haarkeim  roth. 


Ist 


, — ist,  und  die  Injectionsmasse  färbte  selbst  den  Haarkeim  roth, 
(lass  sich  deutliche  Gefässe  nachweisen  Hessen.  A.  a.  O. 
'§•  121. 122.  Im  Haarbalg  des  Menschen  ist  es  Eble  nicht  gelun- 
die  weiche  Scheide  nachzuweisen.  Die  Haarzwiebel  besteht 
aus  dem  weichem  Theile  des  Haars  und  dem  darin  eintre- 
JJäden  Keime.  Die  Zwiebel  ist  keulenförmig  und  dicker  gls  die 
, Msetzung  des  Haars.  Die  pulpöse  Substanz  oder  der  Haar- 
j^®itn  verliert  sich  nach  oben  in  die  Marksubstanz  des  Haars, 
man  alles  zusammen,  so  scheint  sich  die  Haarsubstanz  durch 
äsonderung  von  Hornmasse  auf  der  Oberfläche  des  conischen 
*'8Rnisi];‘ten  Haarkeims  zu  bilden.  Das  Wachsthum  der  Haare 
j^^^hieht  übrigens  durch  immer  weitere  Apposition  von  Bildungs- 
^ cilchen  am  Insertionspunkte  des  Haares.  An  keiner  andern 
wächst  das  Haar;  die  änssersten  Theile  des  Haares  sind 
die  zuerst  gebildeten.  Uebrigens  hat  auch  der  Keim  des 
jj^äres  seine  Entwicklungszustände,  und  von  diesen  hängt  natür- 
jV*  die  verschiedene  Form  des  Haares  an  ver.schiedenen  Theilen 
Länge,  und  die  bei  Thieren  oft  vorkommende  Farben ver- 
4b  i^'^^nheit  an  verschiedenen  Theilen  seiner  Länge  ab.  So  ist 
eh  der  Anfang  der  Stacheln  spitz,  der  mittlere  Theil  ist  der 
JJßiteste,  und  das  Insertionsende  ist  wieder  dünner.  Da  diese 

erk  IzTirkr»  rilP  VGr— 


5 , successiv  hintereinander  gebildet  werden,  so  kann  die  ver- 
^ ■'mdene  Dicke  der  ebengebildeten  Theilchen  nur  von  versebie- 
j®äen  Entwicklungszuständen  der  Matrix  abhängen.  Dass  etwas 
ähnliches  bei  den  Haaren  stattfindet,  zeigt  das  nicht  seltene  Vor- 


3C8  II.  Buch,  Organ,  chemisch«  Processe.  II.  Alschn,  Ernährung. 

kommen  von  Haaren,  deren  Insertionsende  dünner  ist. 
Entwicklungsznstände  des  Reims  sind  am  deutlichsten  und  merk' 
würdigsten  bei  der  Entstehung  der  Federn. 

Edle  bestreitet  die  Behauptung  von  Lautb,  dass  die  Epi'^®*^' 
mis  sich  im  Haarbalge  bis  zur  Insertion  des  Haares  fortsetze» 
dieser  sehr  bestimmt  an  den  Tastliaaren  des  Fuchses  und  d®*' 
Fischotter  gesehen  haben  will.  Nach  Lauth  geht  die  Epider®*^ 
im  Innern  des  Haarbalges  cöntinuo  in  die  Basis  des  Haares  über» 
so  dass  das  Haar  statt  Epidermis  durch  die  starke  Absonderoö^ 
des  conischen  Haarkeims  entstehe,  auf  welchem  die  Basis  d®* 
Haares  aufsitze.  Siehe  Lautb,  Memoire  sur  dltfers  points 
tomie  fig.  9. 

Beim  Weichselzopfe  werden  die  Haare  klebrig.  Hierbei  kai'" 
sich  vielleicht  der  Haarkeim  etwas  verlängern,  wenn  es 
seyn  sollte,  dass  die  Haare  schmerzen,  und  dicht  an  der  Wur*®| 
abgeschnitten,  bluten  sollen  (?).  In  den  Tasthaaren  der  Hunde  j* 
der  Keim  nach  Heusikger’s  Beobachtung  so  lang,  dass  sie  be'*" 
Abschneiden  dicht  über  der  Haut  einen  Tropfen  Blut  ausscheid®*’’ 
was  Eble  auch  von  den  Tasthaaren  bemerkt. 

Die  Haare  werden  durch  Reiben  elektrisch;  wenn  ich 
der  Collectorplatte  eines  gewöhnlichen  Condensators  nur  g®*** 
leise  einmal  über  meine  Kopfhaare  streiche,  so  bewirkt  die  d®*** 
Bohsenberg.  Elektrometer  genäherte  Platte  schon  eine  starke 
weichung  des  Goldblättchens.  So  verhalten  sich  aber  die  Haaf® 
im  todten  wie  im  lebenden  Zustande.  In  Hinsicht  der  che®*' 
sehen  Zusammensetzung  der  Haare  folge  ich  Berzelius  Thi®*'' 
Chemie.  Die  Haare  bestehen  aus  Hornstoff;  ihre  verschiedci*® 
Farbe  rührt  nach  Vauquelin  von  einem  gefärbten  Fett  her;  b®'**’ 
schwarzen  Haare  zugleich  von  Eisen,  ScTiwefeleisen  ? Nach 
ziehen  des  Fettes,  vermittelst  Alcohol  oderAether,  wird  das  fl“®* 
graugelh,  so  dass  im  Alter  die  graue  Farbe  der  Haare  von  ein®*** 
solchen  Fehler  in  der  Absonderung  der  Bildungstheile  des  Haa®®^ 
herrührt,  dass  das  gefärbte  Fett  fehlt.  Alcohol  zieht  auch  Os®®C 
zom  mit  den  begleitenden  Salzen,  Clilornatrium,  Chlorkalium  u"** 
etwas  Chlorammonium  aus,  welche  nach  Berzelius  bloss  von  d®® 
den  Haaren  anklebenden  Ausdünstungsmaterie  herrühren. 
Hornstoff  des  Haares  verhält  sich  wie  der  Hornstolf  des  floJ’*’^ 
Der  Hornstoff  wird  weder  von  Wasser,  noch  von  Alcohol, 
von  Aether  aufgelöst.  Concentrirte  Schwefelsäure  löst  ihn  nif*! 
auf.  Das  von  kalter  Salpetersäure  aufgeweichte  Horn  löst  si® 
hernach  beim  Kochen  mit  Wasser' za  einer  Flüssigkeit,  die  *’*’.®j 
dem  Abdampfen  beim  Erkalten  gelatinirt.  Diese  Gallerte 
indess  von  kaltem  Wasser  wieder  aufgelöst,  die  Auflösung  du®®rf 
GmbestolF  gefällt.  Kaustische  fixe  Alcalien  lösen  den  Horns***^ 
leicht,  kaust.  Ammonium  gar  nicht  auf,  wodurch  sich  der 
Stoff  sehr  von  coagulirtem  Faserstoff  und  Eiweiss  unterscheid®^ 
Von  letzterem  unterscheidet  er  sich  auch  durch  seine  Unauf®’' 
lichkeit  in  Essigsäure,  und  dass  sich  der  Hornstolf  mit 
einem  seif’enartigen  Körper,  Hornkali,  vereinigt.  Vergl.  pag- 1 
Im  papinschen  Digestor  gekocht,  lösen  sich  die  Haare  nach  VA  ' 
QUELiN  in  Wasser  auf.  Die  Auflösung  enthält  Schwefelwasserst®  ' 


2.  Vom  Waclisthxim.  IVacfisthum  durch  jdppositio.  Stacheln.  369 

Chlor  entfärbt  die  Haare,  und  vereinigt  sich  hernach  damit  zu 
®iner  klebrigen  bittern  Materie.  Epidermis  und  Haare  vereinigen 
®'cb  mit  Metalloxyden;  sie  werden  schwarz  von  salpetersaurem 
•Iberoxyd,  wobei  der  Schwefel  des  Haares  mit  dem  Silber  sich 
Schwefclsilber  'Verbindet.  Behzelius  Tfderch.  299.  Beim  Er- 
•'**en  schmilzt  das  Haar,  und  verbrennt  leuchtend  mit  Hornge- 
^ich;  bei  der  trocknen  Destillation  entwickelt  es  Aminoniak  und 
••hwefelwasserstofl’.  Die  Asche  des  Haares  macht  nach  Vauque- 
*‘1’*  proc.  vom  Gewichte  des  Haars.  Sie  enthält  Eisenoxyd, 
®‘'ie  Spur  von  Manganoxyd,  schwefelsauren,  pliosphorsauren,  koh- 
®äsauren  Kalk  und  eine  Spim  x'on  Kieselerde;  die  schwarzen 
paare  enthalten  am  meisten,  die  hellen  am  wenigsten  Eisen; 
®Utere  dagegen  phosphorsaure  Talkerde.  Die  Haare  bestehen 
*a*ist  aus  Kohlenstoff,  'V\''asserstoffi  Stickstoff  vind  Sauerstoff.  Aber 
Vcrhältniss  ihrer  Vereinigung  kennt  man  noch  nicht. 

. d.  Stacheln.  Ueber  den  Bau  und  das  Wachsthum  der  Sta- 
**®ln  siebe  dieses  Handb.  1.  Aufl.  p.  368.  Boeckh  de  spinis  hi- 
Beruh  1834.  und  MuELLEn’s  Archiv  1835.  p.  236. 
e.  Hörner.  Mit  den  Hörnern  muss  man  nicht  die  Geweihe 
»^•■Wechseln.  Letztere  sind  zu  einer  gewissen  Zeit  organisirt,  die 
•orner  nie;  die  Matrix  der  Hörner  ist  die  Oberfläche  knöcher- 
Fortsätze;  die  Stirnhörner  der  xviederkäuenden  Thiere  bilden 
, durch  schlcbtformige  Absonderung  der  Hornsubstanz  auf  der 
. Verflache  der  knöchernen  Matrix  des  Horns  oder  des  Stirn- 
^•nfortsatzes,  welcher  die  Form  des  Horns  bestimmt;  diese 
j’^hichten  verhalten  sich  also  so,  dass  eine  gleichsam  in  der  an- 
**■••  steckt,  und  dass  die  jüngeren  zugleich  die  unteren  und  in- 
.®*’en  sind,  und  immer  eine  grössere  Basis  erlangen.  Das  Horn 
Nashornes  hat  keine  innere  Matrix  wie  die  Stirnhörner  der 
•ederkäuer,  sondern  geht  von  der  Nasenhaut  aus.  Diese  Hör- 
j sind  also  solid,  und  haben  das  Eigenthümliche,  dass  sie  aus 
^•iter  Fasern,  gleichsam  aus  verklebten  Haaren,  bestehen. 

^ f.  Federn.  Die  Federn  bestehen  1)  aus  dem  hohlen  Kiel, 
in  seiner  Höhle  ein  vertrocknetes,  früher  organisirtes  Ge- 
®he,  (lia  Federseele,  einscbliesst;  2)  aus  dem  Schafte,  der  Fort- 
^ '«uiig  des  Kiels;  3)  aus  der  Fahne  mit  ihren  Strahlen,  die  wie- 
leine  Nebenstrahlen  ausschicken.  Die  Dunen  besitzen  nach 
^‘•pca’s  Beobachtung  knotige  Nebenstrahlen.  Die  Entstehung  der 
f^äern  haben  Alb.  Meckel  (Reil’s  Arch.  12.  37.),  Dutrociiet 
1, ' physioh  88.  333.)  und  Fr.  Cuvier  (Froriep’s  Not,  317.) 
^••hachtet.  , , • 

^ Hie  Feder  steckt  in  dem  Federbalge,  der  nach  Meckel  von 
Oberhaut  bekleidet  ist.  Auf  dem  Boden  des  Balges  ist  die 
mit  ihrem  untern  Ende  oder  dem  Nabel  der  Feder  befe- 
81;  wird  sie  ausgerissen,  so  blutet  die  hier  blossgelegte  Haut 
Balges.  W^nn  die  Feder  entsteht,  erhebt  sich  nach  A.  Meckel 
dem  Boden  des  Balges  ein  conischer  Körper,  der  auf  der 
^ ®«’fläc]je  hornig  wird,  und  sich  zu  einem  Cylindcr  entwickelt. 
siM  dieser  hornigen  Scheide  ist  mit  gallertartiger  organi- 

Masse,  dem  Federkeim,  angefüllt,  während  die  hornige 
beide  des  Keims  zur  Bildung  der  Feder  zunächst  nichts  bei- 
Physiologie.  1.  24 


370  II.  Buch,  Organ,  chemische  Processe,  II,  Abschn.  Ernährung- 


trägt.  Mit  dieser  Scheide  wächst  der  Federkeim  ans  dem  Balg® 
hervor,  die  Scheide  wächst  anfangs  mit  der  jungen  Feder  gleich' 
fort,  erhält  bald  oben  eine  Oeffnung,  aus  welcher  der  Anfang 
Federfahne  oder  vielmehr  das  zuerst  gebildete  Ende  der  Feder- 
fahne  mit  dem  Ende  des  Schuftes  l)ervortritt.  Wenn  die  Fed®® 
successiv  bis  zu  dem  zuletzt  entwickelten  Kiele  gebildet  ist,  ver- 
klebt die  Scheide  mit  dem  Home  des  Kiels,  von  welchem  nia® 
die  Scheide  an  ausgewachsenen  Federn  in  Form  von  Fetzen  ah- 
ziehen  kann.  Ucher  die  Entstehung  der  Federfahne  und 
Schaftes  scheinen  die  Untersuchungen  von  Fa.  Cuvieh  das  meid® 
Licht  zu  verbreiten.  Schneidet  man  die  Scheide,  worin  der  P***' 
pus  der  Feder  liegt,  auf,  so  trifft  man  nach  Fb.  Cüvier  auf  e'®* 
äussere  gestreifte  Haut  des  Pulpus,  unter  dieser  trifft  man 
Bärtchen  der  Fahne  so  gelagert,  dass  sie  den  Stamm  des  Pulp®* 
schief  aufsteigend  umfassen,  während  sie  nach  2 Richtungen  v®® 
dem  Stamme  des  Federkeims  ausgehen.  Untex  den  Federbärt' 
eben  liegt  die  innere  gestreifte  Haut,  welche  zunächst  den  Stai»®* 
des  Puljius  umgiehl.  Zwischen  der  äussern  und  innern  gestreiP 
ten  Haut  liegen  häutige  Schcidewändchen  zwischen  den  Bärtch®® 
der  Fcderfahnc.  Die  Bärtchen  der  Federfahne  bestehen  anfang* 
aus  einer  breiigen  Substanz,  welche  von  der  Stelle  des  Stamm®*’ 
von  welcher  hernach  die  Bärtchen  der  Federfahne  ausgehen,  g®' 
bildet  zu  werden  scheint.  Man  weiss  nicht,  ob  zuerst  die  End®® 
der  Bärtchen  entstehen,  und  durch  immer  weitere  Appositi®® 
von  Bildungstheilchen  wachsen.  Es  bildet  sich  das  Ende  d®® 
Federftihne  mit  dem  Ende  des  Schaftes  zuerst,  und  mit  de®’ 
Wachsthume  werden  die  unteren  Theile  der  Federfahne  und  d®* 
Schaftes  nacherzeugt.  Wenn  die  Federfahne  aus  der  Scheid® 
der  Feder  in  die  Luft  hervortritt,  zerstieben  die  innere  w®® 
äussere  Membran,  welche  zwischen  den  Schcidewändchen  früh®' 
die  Bärtchen  der  Federfahne  eingesohlossen  haben.  Da  der  SchaO 
und  die  Fahne  der  Feder  sich  zuerst  entwickeln,  so  zeigt  si®® 
auch  derjenige  Thcil  des  Pulpus,  aus  welchem  jene  entstehe®’ 
zuerst;  allein  sobald  der  am  meisten  vorgeschobene  Theil  d®* 
Pulpus  seine  Bestimmung  erfüllt  hat,  verliert  er  seine  Organi*^ 
tion;  sobald  er  das  Mark  des  Federschaftes  erzeugt  hat,  verli®V 
er  seine  Gefässe,  und  trocknet  aus.  Hierauf  verändert  der  jv®*' 
ter  sich  entwickelnde  untere  Theil  des  Pulpus  seine  Bestlmroui’S' 
Er  sondert  auf  seiner  Oberfläche  die  Hornsubstanz  des  Kiels  a®’ 
mit  dem  sich  zugleich  die  früher  erwähnte  hornige  Scheide  d®*" 
Feder  verbindet.  Wenn  der  Pulpus  in  dem  Kiele  zu  vertrocko®® 
anfängt,  zeigt  er  Abtheilungen  in  Zellen  durch  trichterförm'S? 
Septa,  wovon  ein  Trichterchen  in  dem  andern  steckt;  früher  s'® 
die  Zwischenräume  dieser  Trichter  mit  Mark  ausgefüllt,  spä^®*^ 
schwindet  dieses,  die  Schcidewändchen  und  das  häutige  W®*®!* 
des  Pulpus  trocknen  aus,  und  der  Rest  davon  bildet  herna®^ 
die  sogenannte  Federseele.  Diess  hat  schon  A.  Meckel  sehr  g® 


beobachtet. 

2)  Vom  Zahngewebe.  Die  Bewaffnung  der  Kinnladen  S®' 
schiebt  thells  durch  Hornlamellen,  wie  am  Schnabel  der  Vog®jj 
der  Schildkröten,  an  den  Barten  der  Wallfische;  theils  du®® 


2,  Fom  Wachsthum.  Wachsthum  durch  Appositio.  Zähle.  371 

Saline.  Beide  Arten  der  Organe  sind  nicht  organisirt,  sondern 
Werden  durch  eine  organisirte  Matrix  erzeugt.  In  Hinsicht  des 
^aues  der  Zähne  verweise  ich  auf  Cuyier’s  dergl.  Anatomie,  auf 
Sein  Werk  rechcrches  sur  les  oss.  fass.  Heusinger’s  Histologie. 
^^evssEAU  anat.  comp,  du  syst.  dent.  Paris  1827.  Die  Matrix  des 
^alines  ist  das  Zahnsäckchen.  Diese  liegen  in  der  Alveolarfurche 
Kiefer  des  Fötus,  von  dem  Zahnfleische  hedeckt.  Sie  ent- 
*Hen  zum  Theile  schon  im  3.  Monat  des  Emhryo.  Die  Säck- 
der  Zähne,  welche  die  Milchzähne  später  ersetzen,  entste- 
zum  Theil  vor,  zum  Tlieil  nach  der  Geburt.  Das  Zahn- 

^ckchen  wird  durch  2 gefässreiche  Häute  gebildet.  Die  Innere 
?aut  ahmt  die  Form  der  Krone  des  Zahns  nach,  obgleich  das 
Bildungsorgan  der  Krone  der  Zahnkeim  ist.  Vom  Boden  des 
?*hnsäckchens  erhebt  sich  der  weiche  Zahnkeim,  Pulpus  dentis, 
*'*  Welchen  von  unten  Gefässe  und  Nerven  treten,  und  dessen 
Oberfläche  die  Form  der  spätem  Krone  annimmt.  In  der  Mitte 
Embryolebens  beginnt  die  schichtweise  Absonderung  von 
?*hnsubstanz  auf  der  Oberfläche  der  weichen  Krone  des  Zahn- 
beinis,  in  Form  von  Scherbchen,  an  den  Spitzen  der  Krone. 
Oiese  Scherbchen  der  verschiedenen  Kroiienspitzen  hängen  an- 
B^Ogs  noch  nicht  zusammen,  allmählig  vereinigen  sie  sich  und  die 
'^®iche  Krone  wird  nun  von  einer  Sebaale  von  Zahnsubstanz  oben 
'^“<1  an  den  Seiten  umgeben.  Diese  Schale,  welche  die  äussej’ste 
v'^biebt  der  Knochensubstanz  der  Zahnkrone  xvird,  und  denselben 
.|'äfang  hat  wie  die  Krone  späterhin,  hängt  nicht  organisch  mit 
Bwer  Matrix  zusammen,  sie  entsteht  durch  blosse  Absetzung  von 
mineralischen  Bestandtheilen  der  Zähne,  vermischt  mit  thieri- 
!®ber  Substanz;  man  kann  die  Schalen  von  ihrer  Matrix  aufhe- 
Die  einmal  gebildete  Schale  wächst  nur  nach  innen  durch 
Opposition  von  neuen  Schichten,  während  in  gleichem  Maasse  der 
j*hnkeim  verkleinert  wird,  je  mehr  er  Zahnsuhstanz  an  die  Wände 
O®*"  Zahnhöhle  von  innen  absetzt.  Zur  Zeit  des  Ausbruchs  der 
^'‘bne,  vergrössert  sich  der  Zahn  nach  unten  hin  mehr,  womit 
’^ätürlich  eine  entsprechende Vergrösserung  des  Keims  von  unten 
Sleichläuft.  Der  untere  Theil  des  Keims  nimmt  tlie  Form  der' 
^Pätern  W^urzeln  der  Zähne  an,  sondert  von  oben  nach  unten 
'^i’tschreitend  immer  mehr  Zahnsubstanz  auf  der  Oberfläche  ab, 
dass  die  Wurzeln  der  Zahnsubstanz  die  Wurzeln  des  Keims 
hohle  Scheiden  umgeben,  die  anfangs  ganz  kurz  sind,  all- 
^bhlig  sich  aber  mit  den  Keirawurzeln'  unten  durch  Apposition 
Verlängern.  Der  Anwuchs  der  Wurzeln  ist  zugleich  die  Ursache 
Durchbruchs  der  Zähne  durch  das  Zahnfleisch.  Anfangs  sind 
p.e  Wurzeln  der  Zahnsubstanz  nur  dünne  Scheiden  mit  weitem 
^*®gange,  allmählig  wird  durch  Ansatz  der  Materie  die  Zahnsub- 
auch  hier  dicker,  während  der  Keim  dünner  wird,  und 
unten  wird  die  Wurzel  des  Zahns  zuletzt  zur  Spitze,  ge- 
/“le  so  wie  bei  den  Stacheln,  deren  Wurzel  sich  nacherzeugt, 
I ebenfalls  dünner  ist  als  der  mittlere  Theil  des  Stachels.  Zu- 
Llelbeu  an  den  Wurzeln  der  Ziihne  nur  Oeßnungen  und 
^öäle  übrig,  wodurch  die  Gefässe  und  Nerven  zu  dem  Reste 

24  * 


372  II.  Buch.  Organ,  chemische  Processe.  II.  Ahschn.  Ernährung. . 

des  Zahnkeims  in  der  Krone  eindringen.  Blake  Reil’s  Arch.  4- 
314.  Vergl.  Meck.  Ilandh.  d.  menschl.  Anat.  4.  212. 

Die  sich  an  der  Krone  ahreihenden  Zähne  der  Wiederkünef' 
nnd  Pferde,  die  Nagezähne  der  Nager,  können  von  unten  noc» 
lange  auch  ira  spätem  Lehen  naclnvachsen.  Wenn  die  Krone  der 
Zähne  der  Wiederkäuer  noch  nicht  angegriffen  ist,  haben  sie  nocH 
keine  Wurzeln,  und  wenn  diese  sich  gebildet  haben,  ist  die  Krone 
abgenutzt.  Cuvier  vergl.  Anai.  3.  117.  Die  Stosszähne  des  El^' 
phanten  nnd  die  Schneidezähne  der  Nager  bleiben  an  der  Wurz® 
immer  hohl,  und  wachsen  durch  immer  weitere  Apposition  vo» 
Zahnsuhstanz  an  die  inneren  Wände  der  Höhle  durch  den  coni' 
sehen  Zahnkeiin  fort.  Beim  Füttern  von  Tliieren  mit  Färbef' 
röthe  fand  Hunter  {Gesddehte  der  Zähne  1778.),  dass  die  sehe” 
gebildete  Zahnsuhstanz  nicht  von  Färherröthe  durchdrungen  wurd®; 
wohl  aber  die  innerste  Schicht  des  Zahnes,  welche  eben  gehild**' 
wurde.  Der  Schmelz  des  Zahnes,  welcher  bloss  die  Krone  u(0' 
giebt,  besteht  aus  Fasern,  welche  fast  senkrecht  auf  die  Obet' 
ilächc  des  Zahnes  gestellt  sind.  Diese  Materie  wird  bei  d®'' 
Entstehung  des  Zahnes  nicht  von  dem  Zahnkeim,  sondern 
der  Innern  (Dhcrlläche  des  innern  Zahnsäckchens  als  ein  Seci’*^ 
auf  die  Oberfläche  der  Krone  ahgescizt.  Diese  Fasern  schein«'*  ■ 
fast  crysiallinisch.  An  den  Zähnen  der  wiederkäuenden  Thiei^» 
der  Pferde  und  mehrerer  anderen  Säugethiere,  welche  ihre  Zähn« 
auf  der  Oberfläche  ahreihen,  entsteht,  nachdem  die  Zuhnkron« 
schon  hervorgebrochen  ist,  eine  neue  Substanz,  welche  sich  «"* 
die  Seiten  und  die  Oberfläche  der  Krone  anlegt,  und  die  tJu' 
ehenheiten  der  Krone  ausglcicht,  während  die  von  den  ander«'* 
Zahnsuhstanzen  gebildeten  Erhabenheiten  durch  Kauen  abgeri«' 
hen  werden.  Diess  ist  der  Kitt,  eementum.  Er-  scheint  sich  bl«*’ 
ans  den  Speichelsalzen  aj)zusetzen  und  dasselbe  zu  seyn,  was  d«'" 
sogenannte  Weinstein  an  den  Zähnen  des  Menschen  ist.  A"«** 
die  mit  Schmelz  belegten  senkreebten  Lamellen  der  Backzäb"® 
der  Elcphanten  werden  beim  Kauen  abgeriehen,  nnd  ihre 
schenräume  von  Kitt  ausgefüllt.  Bei  den  Wiederkäuern  und  Pf«*’' 
den  entsteht  der  Kitt  wohl  erst  nach  dem  Ausbruche  des  Zah"«* 
aus  Spcichelsalzen,  aber  Cuvier  hat  an  den  Zähnen  des  ganz  )"**' 
gen  Elcphanten  bewiesen,  dass  die  Absonderung  von  Kitt  in  For*** 
von  Tropfen  schon  beginnt,  während  die  Zähne  noeh  nieht  he«' 
vorgebrochen  sind,  und  dass  diese  Absonderung  nach  der  BildW^ 
des  Schmelzes  wahrscheinlich  seenndo  loco,  von  der  innern  W"" 
des  Zahnsäckchens  geschieht.  Ich  habe  diess  an  den  jungen  El«' 
phantenzähnen  in  dem  Museum  zu  Paris  allerdings  auch  so  g«*®"’ 
hen,  wie  cs  Cuvier  angieht.  _ . 

Gegen  das  Wachsthum  der  Zähne  durch  blosse  Apposit‘«J| 
scheint  auf  den  ersten  Blick  der  Umstand  zu  sprechen,  dass  nt' 
in  den  Stosszähnen  von  Elcphanten  öfter  bleierne  Kugeln  gefn" 
den  hat,  die  von  allen  Seilen  von  Knochensubstanz  umgeben  )*'** 
ren.  Dieser  Einwui'f  widerlegt  sieh  indess  durch  die  Suppositi<"b 
dass  <liese  Kugeln  in  denjenigen  Theil  des  Zahnes  eingedrung« 
waren,  der  eben  in  der  Bildung  begriffen  war. 

Wenn  die  Zahne  schmerzen,  so  ist  bloss  der  Zahnkeim  «*** 


2.  Vom  fVaclisthurn.  Wachsthum  durch  Jpposit io,  Zähne.  373 


pfindllch,  ebenso  hei  clemEmpfinJlichwerden  der  Zähne  von  Säu- 
ren,  wobei  wahrsclieinlich  die  Säure  in  die  unrnerklichen  Poren 
“6s  Zahnes  eindringt,  und  den  Zahnkeim  sell>st  allicirt.  Die  so- 
|6üanntc  Caries  der  Zähne  ist  von  der  Caries  der  organlsirlen 
^•lochen  wohl  zu  unterscheiden.  Diess  ist  eine  blosse  chemische 
Versetzung  der  Zähne  hei  fehlerhafter  Zusammensetzung,  eine  alU 
“*khlige  Zersetzung  dui’ch  die  Miiudfliissigkfjiten. 

lieber  das  Wachsthum  der  verschiedenen  Thierzähue^  findet 
“•än  herrliche  Beobachtungen  von  Cuvier  und  Mecrei.  in  Ctj- 
^'er’s  vergl.  ylnat.  übers,  von  Meckel,  3.  Nach  Rosa,  sind  die 
^6ime  der  durchbohrten  Giftzähne  der  Schlangen  Platten,  die 
®ich  umlegen,  um  zuletzt  zu  einem  Cauale  sich  zii  verbinden. 
^>ehc  Cuviek  oergl,  Anat,  3.  127.  Auch  nach  Rnox  ist  das  Mark 
“der  der  Reim  der  Zähne  ein  umgerollter  Körper,  welcher  aussen 
innen  gegen  den  Gittcanal  Zahnsuhslanz  ahzusoxulcrn  scheint, 
^“eh  sah  er  keine  offene  Furche,  sondern  einen  durchsetzenden 
^6sten  Streifen  an  der  convexen  Seite  des  Zahns.  Auch  der  Gift-- 
“ätial  enthielt  anfangs  eine  Art  Mark.  Froriep’s  iVo/.  lOß.  Jeder, 
.^“hnkeitn  entsteht  in  einer  hesondern  Capscl,  die  gleichsam  seine 
^diaut  ist,  und  diese  Capsein  sind  wieder  von  einer  gemeinsamen 
‘*äut  vereinigt. 

Was  die'  chemische  Zusammensetzung  der  Zähne  betrifft,  so 
““terscheidet  sich  der  Schmelz  von  der  Knocheusuhstanz  des 
^*‘hnes  dadurch,  dass  Letztere  viel  mehr  thierische  Substanz 
'^Hörpel)  enthält.  . . 

Die  Verschiedenheit  zwischen  beiden  Substanzen  ergieht  sich 
“äs  Berzelius  Analyse  derselben  vom  Menschen. 

Schmelz.  Zahnknochen. 


Thierische  Substanz  . ...  . . . 28,0 

Thosphorsaurer  Kalk  mit  Fluorcalcium  88,5  64,3 

kohlensaurer  Kalk  ' 8,0  5,3 

Thosphorsaure  Talkerde  .....  l,ö 

Patron  mit  etwas  Kochsalz  ....  — 1,4 

A^lcali,  Wasser,  thier.  Substanz  . . 2,0  — ' 




100,0  100,0 


Der  Kitt  an  den  Zähnen  des  Rindes  besteht  nach  Lassaigke 
“äs  42,18  thierischer  Materie,  53,84  phosphors.  Kalk,  3,98  koh- 
‘“äs.  Kalk. 

Einige  haben  die  Zähne  wegen  ihrer  schichtweisen  Bildung 
änd  wegen  ihrer  Ersetzung  durch  Horn  hei  dem  Schnahelthiere, 
'äi  den  Vögeln,  Schildkröten  und  hei  den  Wallfischen  unter  die 
■^krnhildungen  gerechnet  und  angenommen,  dass  die  thierische 
"kterle  im  Zahne  auch  Horn  sei.  Diess ' ist  ganz  irrig.  Die 
phne  gehen  nach  der  Extraction  der  Kalkerde  wahren  Leim 
äeiiu  Rochen,  wie  ich  seihst  erprobt  habe,  das  Horn  nie.  Die 
äierische  Materie  im  Ilorne  und  im  Zahne  sind  daher  ganz 
schieden,  und  der  Leim  scheint  in  den  Zähnen  durchaus  zurBin- 
äog  der  Kalkcrde  notliwendig  zu  seyn. 

Die  Zähne  des  Schnahclthiers  stehen  mit  einer  hreitcn  1 lache 
“äl  dem  Zahulleische.  und  bestehen  aus  hohlen  llornlascin.  Heu- 


374  II.  Buch.  Organ,  chemische  Processe.  II.  Abschn.  Ernährung. 

SINGER  a.  a.  O.  197.  Die  Zähne  des  Orycteropus  bestehen 
aus  senkrecht  stehenden  cons^lutinirten  Röhrchen,  zu  denen  nacn 
CuYiER  Blutgefässe  gehen.  Die  Zähne  sind  nicht  hornartig;  abe*' 
die  Zähne  des  Schnabelthiers  enthalten  nach  Lassaigne  99,5  horn- 
artige  Masse,  und  0,.3  Rnochenerde. 

Diese  Zähne  bilden  offenbar  den  Uebergang  zu  den  Barten 
der  Wallfische,  welche  hier  die  Zähne  ersetzen.  Hierüber  habep 
Heusihger  und  Rosenthal  {Abhandlungen  der  Akademie  zu  ßeA‘ 
1829.)  Untersuchungen  angestellt.  Nach  Rosenthal  bestehen  «J'® 
Barten  aus  vielen  grösseren  und  kleineren , etwas  gekrümmt®® 
Hornplatten , welche  mit  ihren  schwach  concaven  Flächen  naC^ 
vorn,  mit  ihren  convexen  nach  hinten,  mit  ihren  scharfen  Ra®' 
dem  nach  aussen  und  innen  gerichtet  sind;  sie  stehen  also  q"®® 
parallel,  und  sind  Zoll  von  einander  entfernt.  An  ihrer  Bas'h 
mit  der  sie  auf  dem  Oberkiefer  aufsitzen,  werden  sie  durch  o®’ 
2 Zoll  breites  Hornband,  welches  alle  Blätter  wie  ein  Kranz  um- 
fasst, vereinigt.  Jede  einzelne  Platte  besteht  aus  einer  äussef® 
und  innerii  Substanz;  die  Marksubstanz  bildet  parallele  Röhre®’ 
die  am  untern  Rande  der  Platte  in  borstenartige  Fasern  über- 
geben. Im  untersten  Theile  jeder  Platte  weichen  die  Lamelle® 
der  Rinde  von  einander,  und  hier  entsteht  eine  Höhle,  in  wele® 
die  Keimhaut  der  Barten  hineinreicht.  Jede  Barte  ruht  auf  e*' 
ner  über  1 Zoll  dicken  gefässreichen  Haut.  Diese  bildet  uute® 
jeder  Platte  einen  hervorragenden  Fortsatz,  welcher  in  den  bo^' 
len  Raum  an  der  Basis  der  Platten  dringt,  und  in  fadenart’ß 
'Verlängerungen  übergeht,  mit  denen  sie  in  die  Röhrensubsta®* 
bis  zu  den  Borsten  der  Barten  dringt.  Die  Gefässe  der  Keimba® 
der  Barten  dringen  bis  ln  die  Röhren  der  Barten  nach  Rosenth*® 
ein.  Zwischen 'den  Fortsätzen  der  Keimhaut,  die  in  die  unte® 
Höhle  einer  Barte  eindringen , liegt  eine  weisse  hornige  Ma-^’®’ 
welche  sich  in  die  Rindensubstanz  der  Barten  fortsetzt.  Sie® 
die  schönen  Abbildungen  Rosenthal’s  a.  a.  O.  tab.  1 — .3. 

3.  Vom  Gewebe  der  Crystalllinse.  Die  I.lnse  des  Auges  be- 
steht aus  concentrischen  Blättern,  die  übereinander  liegen, 
hat  bemerkt,  dass  diese  Blätter  oder  Capsein  wieder  aus  Fas®* 
bestehen,  die  die  Dicke  der  Blätter  bestimmen.  Nach  Ari*®®® 
{Untersuchungen  über  das  Auge  des  Menschen.  Heidelh.  1832.)  e® 
stehen  diese  Fasern  nicht  erst  durch  Behandlung  mit  Alcob®J 
beisses  Wasser  ünd  andere  Einwirkungen,  sondern  er  bat  * 
selbst  in  Schichten  ganz  frischer  Linsen,  obgleich  nicht  deutb®  ’ 
gesehen;  besser  sieht  man  den  Bau,  nachdem  die  Linse  iu  ^® 
dünnten  Alcohol  gebracht  worden.  Nach  Leetjwenhoeck., 

FELD,  Reil  und  Arnold  sind  die  Fasern  in  den  Schichten  ‘■ 
Crystalllinse  folgcndermaassen  angeordnet:  Man  denke 
Mittelpuncte  der  vorderen  Fläche  oder  vom  Pole  der  Linse  y 
nien  .so  gegen  den  B.aäd  der  Linse  gezogen,  dass  sie  die 
in  3 Felder  theilcn.  Die  Fasern  gehen  nun  parallel  vom 
der  Linse  durch  die  Schichten,  schief  gegen  diese  3 Linien, 
durch  3 gefaserte  Felder  jeder  Schicht  entstehen.  Die  3 ^'Vigg 
bilden  eine  ungefaserte  Figur,  welche  die  Fasern  der  3 Fe 
aufnehmen.  Ich  bemerke  hier,  dass  die  Linse  der  Schwem® 


2.  Vom  Wachsthum.  Wachsthum  und  Formoeränderung.  375 

gelmässig  in  solche  3 Felder  getheilt  ist,  wie  man  schon  äiisser- 
l'ch  an  den  meisten  Schweinsaugen  sieht.  Arnold  halt  diese 
J’asern  für  Lymphgefässe ; ahei’  es  sind  in  der  That  blosse 
Irasern.  Die  Fasern  der  Linse  können  sich  auch  durch  die  Art 
<ler  Absonderung  der  Linsensubslanz  bilden,  wie  denn  der  erste, 
’iekanntlich  weichere,  Ansatz  von  Schmelz  auf  den  Zähnen  des 
Pötus  der  Wiedei-käuer,  wie  ich  sah,  erhabene  last  parallele  Li- 
nien bildet,  die  hernach  verschwinden,  .oder  deren  Zwischenräum- 

®lien  ausgefüllt  werden. 

Die  Matrix  der  Crystalllinse  ist  die  Linsencapsel,  welche-  von 
‘•>rer  Innern  Fläche  die  Schichten  der  Crystalllinse  abzusondern 
Scheint.  Diese  Art  der  Bildung  ist  indess  nicht  gewiss,  und  man 
'«'eiss  nicht  genau,  ob  die  Linse  nicht  in  einem 
"iseben  Zusammenhänge  mit  ihrer  CapsM  steht.  JNacli  Wer- 
»iBcK  (Zeitschr.^  f.  Opfähalmol.  4.  p.  28.)  soll  die  innere  tiaclie 
'^cr  Linsencapsel  mit  der  Linse  durch  ein  Gewebe  von  sehr  kur- 
zen Zellen  Zusammenhängen,  die  beim  vorsichtigen  Abrcissen  un- 
ler  Wasser  an  der  Linsencapsel  sitzen  bleiben.  Die  Blutgefässe 
Linsencapsel  sind  schon  pag.  205.  beschrieben  worden.  Sie 
Cfhält  beim  Fötus  und  Erwachsenen  Blut  von  dem  durch  den 
Glaskörper  gehenden  B.amus  capsularis  arteriae  centralis  retinae, 
^ielmFö4us  stehen  diese  Gefässe  aber  auch  durch  die  gefässreiche, 
'Cn  mir  gefundene  Membrana  capsulo-piipillaris  mit  den  Gefässen 
der  Pupiriar-Membran  und  Iris  in  Verbindung,  so  Avie  die  Get  ässc 
•ler  Linsencapsel  wieder  mit  den  Gefässen  der  Zonula  Zinm  im 
Zusammenhänge  stehen,  Tvas  Henle  gezeigt.  ^ H^le  ^ 

P'tpUläri.  Bonnae  1832.  Hesle  bat  auch  beim  iolus  der  Sange- 
Giiere  an  Injcctionen  beobachtet,  dass  die  Gefasse  des  Corpus 
ciliare  wieder  mit  den  Gefässen  der  Zonula  Zusammenhängen. 

Die  chemische  Zusammensetzung  der  Linse  ist  von  Berze- 
Cius  untersucht.  Die  Materie  der  Crystalllinse  ist  grosstentheils 
Wasser  löslich.  Diese  Materie  coagulirt  von  Hitze,  und  an- 
deren Einliüssen,  wie  Eiiveiss  und  Färbestoff  des  Blutes.  Die 
•*äch  dem  Coaguliren  übrig  bleibende  Flüssigkeit  ist  schwac 
*auer,  und  enthält  Osmazom  mit  den  dasselbe  begleitenden 

Salzen.  q 

■ Eiweissartige  Materie ’ 

Alcoholextract  mit  Salzen  . • • • ’ ’ 

Wasserextract  mit  Spuren  von  Salz.en  . . 1,-i 
ln  Wasser  unlösliches  thierisches  vV  esen  ^2,4 

Wasser 

Die  Asche  der  Crystalllinse  soll  etwas  eisenhaltig  seyn.  Die 
l'Ienge  Alcali  und  Kochsalz  liiit  etwas  phosphorsaurem  Kalke  be- 
^cagt  0,005  vom  Gexvichte  der  frischen  Crystalllinse.  Eine  un- 
'lurchsichtig  gewordene  Linse  fand  John  IMeck.  Jrch.  3.  öoi.) 

®lcaUscb  reagirend.  , , , , i ta 

Leichte  Verwundungen  der  Linsencapsel  haben  nachDiCTRicii 
(über  die  V erevundungen  des  Fiih,  1824.)  keine  o g 

®ei  stärkeren  Verwundungen  mit  Zerrung  und  Elnscbneic  ung  ei 
hinse  ging  das  Undurebsiebtigwerden  der  Linse  bis  m den  ixerti 
'^dr,  und  verbreitete  sich  von  da  bis,  zur  Peripherie  r ins  . 


3/6  II.  Buch,  Organ,  chemische  Processe.  II.  Absclut.  Ernährung. 

Aus  der^  Cataracta  lenticularis j wo  häufii^  zuerst  der  diclit^^® 
Kern  der  Linse  undurclisiclitig  wird,  kann  man  nicht  schliessen, 
dass  die  Cinsensubstanz  selbst  Gefässe  enthalte.  Denn  von 
Beschaffenheit  der  Absonderung  auf  der  innern  Fläche  der  Lio- 
sencapsel  kann  es  abhängen,  dass  die  innersten  Schichten  d®*' 
Linse,  die  ohnehin  dichter  sind,  und  vielleicht  in  chemischer  Hi®' 
sicht  von  den  oberflächlichen  sich  unterscheiden,  sich  seihst  noc^‘ 
lange  nach  ihrer  Erzeugung  chemisch  verändern. 

Wahrscheinlich  hängt  die  Entstehung  der  grauen  Staare  vo” 
der  Beschaffenheit  der  Capsel  ab.  Obgleich  die  Entzündung 
Capsel  gewiss  nicht  allein  die  Ursache  der  grauen  Staare  ist, 
ist  sie  es  doch  nach  v.  Walther  oft;  was  besonders  durch  ®'‘' 
^^•'P***’**!'^  Schröder  v.  d.  Kolk  wahrscheinlich  wird,  an  vve^ 
ehern  die  Linsencapsel  einer  cataraetösen  Linse  sehr  sch®" 
jnjicirt  ist,  was  sonst  hekaniitlich  Lei  Erwachsenen  sehr  schi'®*^ 
gelingt. 

So  viel  von  dem  Wachsthume  der  unorganisirten  Gewebe- 
_ Ueber  die  Gesetze,  welche  bei  dem  Wachsthume  der  org®' 
mschen  Köi’per  statt  finden,  hat  G.  K.  Treviranus  mit  sein®*" 
gewohnten  philosophischen  Seharfsinn  {Biologie  3.  463—544.)  seh® 
lehrreiche  Betrachtungen  angestellt. 

Das  Wachsthum  der  organischen  Körper  hat  eine  bcstinu»*" 
Grenze;  bei  den  meisten  höheren  Thieren  wird  diese  lange  v®’’ 
dem  Ende  des  Lehens,  beim  Menschen  z.  B.  mit  der  Mannbarke'^ 
erreicht,  während  die  Formveränderungen  des  Ganzen  und  J®* 
Theile  fortdauern.  Bei  manchen  Pflanzen  und  bei  den  Fisch®® 
und  mehreren  Amphibien  fällt  die  Grenze  des  Wachsthums 
mit  der  Grenze  des  Lebens  überhaupt  zusammen.  Aber  nic^'? 
alle  riieile  wachsen  gleichförmig,  manche  verschwinden,  währe®® 
andere  entstehen  oder  sich  ausbilden,  kurz  das  Wachsthum 
mit  beständigen  Veränderungen  der  Form  verbunden.  Bei  J®" 
meisten  Thieren  fallen  die  merkwürdigsten  Phänomene  der  ^I®' 
tamorphose  in  die  Periode  des  Embryolehens,  wie  hei  d®®.' 
Menschen,  den  Säugethieren,  den  Vögeln,  den  Fischen,  währ®®® 
die  nackten  Amphibien  und  die  Insecten  und  mehrere  nieder®" 
Lrustaceen  auch  nach  der  Entwicklung  des  Eies  gleichsam  ‘^®" 
Embryonenzustand  verlängern,  indem  sie  ihre  Form  vcräiid®*'"’ 
neue  Organe  erzeugen,  und  andere  ablegen.  Bei  den  Säugetlii®' 
ren  und  dem  Menschen  sind  diese  Umwandlungen  wohl  am  s®^' 
wnsten.  Es  gehören  hieher  das  anfängliche  Wachsthum 
Inymus  in  der  Kindheit  und  ihr  späteres  Schwinden  bis  zum  1*' 
Jahre,  dm  Enlwicklungsperioden  des  Zahnwechiels,  der  Pubertäb 
mit  den  bormveränderungen  des  Kehlkopfes,  der  Entwicklung 
Haarkeiine  des  Bartes  und  der  Schaamhaare,  der  Brüste. 
bei  den  nackten  Ampliibien  erzeugen  sich  die  Nieren  sellist  e®* 
im  An  lange  des  Larvenlehens,  während  die  Wolffschen  Körp®»' 
^ag.  150.)  decrepid  werden.  Das  Verschwinden  der  äusser®" 
Kiemen  bei  den  Froschlarven,  die  Entwicklung  der  inneren 
men  für  die  längere  Zeit  des  Larvenlehens,  die  Entwicklung 
Extremitäten  am  Ende  des  Larvenlebens,  die  Ablegung  des  Schw®"' 
zes,  und  der  endliche  Verlust  der  Riemen  sind  schon  erwäh® 


52.  Vom  JVacJisthum.  Waclisthum  und  Formverändcrung.  377 


^orden.  Erst  gegen  das  Ende  des  LarvenleLens  entstehen  ihre 
^enitalien.  So  hahc  ich  hei  IVoschlarven  die  erste  Spur  der 
*ioden  und  Eierstöcke  erst  hemerken  können,  wenn  sie  sich  schon 
Theil  verwandelt  haben,  nämlich  schon  4 Beine  haben,  aber 
''Och  den  Schwanz  und  die  Riemen  besitzen.  Bei  den  Salarnan- 
ocrlarven,  welche  in  der  längsten  Zeit  des  Larvenlehens  schon 
"'d  Extremitäten  versehen  sind,  entstehen  die  Genitalien  auch 
in  der  spätem  Zeit  des  Larvenlehens,  ehe  die  Riemen  ein- 

8ehen  *). 

, Ber  Darmcanal  Lei  den  Froschlarven  für  Pflanzennahrung 
Cstinimt,  war  ausserordentlich  gross,  er  erleidet  während  der 
Metamorphose  die  Reduclion  in  den  Darmcanal  des  lleischlres- 
'■Cftden  Thiers.  Auch  die  Wirbel  während  des  Larvenlehens  durch 
’-'onisch  ausgehöhlte  Facetten  wie  hei  den  Fischen  verhundeii, 
''climen  an  der  Umwandlung  Antheil. 

, Bie  Metamorphose  dcrThiere  während  der  Entwicklung  und 
es  Wachsthums  beruht  zuin  Theil  auf  Entwicklung  und  B.e- 
ouction  ähnlicher  Theile.  Man  hatte  früher  bemerkt,  dass  der 
häibryo  während  der  Entwicklung  die  Stufen  niederer  Thiere 
wOcchlaufe,  und  diese  an  sich  unrichtige  Idee  bis  ins  Abenteuer- 
johe  ausgesponnen.  In  dieser  Ansicht  liegt  aber  die  Ahnung 
. ® wahren  Verhältnisses,  welche  den  Gegnern  dieser  Ansicht  ent- 
V.  Baer  hat  dasVerdienst,  das  Gesetz  dieser  Metamorphose 
^erst  erkannt  zu  haben;  er  zeigte,  dass  die  Wirhelthlere , vom 
i^cnschen  bis  zu  den  Fischen,  einen  gewissen  gemeinsamen  Tjpns 
'crer  Bildung,  eine  gewisse  Summe  gleicher  Theile  besitzen,  die 
l'*'»!  im  Ernhryonenzustande  hei  allen  in  vollkommener  Aehnlich- 
noch  antrifft,  welche  sich  aber  bei  verschiedenen  Classen  zu 
'’orschiedenen  Formen  aushilden,  oder  seihst  reducirt  werden; 
l''*®  z.  B.  die  rippenförmigen  Anhänge  des  Zungenbeins  allen  Wir- 
jOlthieren  im  Em'bryonenzustande  gemeinsam  sind,  aber  bei  den 
'olleren  Thieren  reducirt  werden , bei  den  Fischen  und  Amphi- 
'fnlarven  sich  zu  Riemen  ausbilden,  pag.  28ö.  Alle  Wirhel- 
*'iere  gleichen  sich,  und  zeigen  eine  Reihe  von  Wirbelkörperu 
M't  hinter  en  Bogen  für  die  Deckung  der  Centraltheile  des  Ner- 
''Oäsystems}  und  einer  Anzahl  rippenförmiger  vorderer  Anhänge 


) hl  meiner  Ahhanilliing,  Beiträge  zur  Anatomie  und  Naturgcscliiclitc  der 
Amphibien,  Tiedemann’s  Zeitschrift  für  PhysioL  4.  2.,  habe  ich  mich 
in  dieser  Hinsicht  nicht  ganz  richtig  ausgedrückt,  wenn  ich  sagte,  dass 
die  Larven,  so  lange  sic  nicht  die  Kiemen  ahlegen,  keine  entfernte  Spur 
der  Genitalien  besitzen.  Ebendaselbst  ist  Folgendes  _ zu  berichtigen  ; 
F.  202.  Z.  3.  st.  an  der  hintern  Seite  der  Nieren  lies  in  der  Nähe 
der  Hoden  und  Eierstöcke.  Z.  14.  sl.  Harnstoff  Wes  Hornsto  jf.  P.203. 
z.  21.  st.  drei  förmigen  1.  dreihörnigen.  P.  200.  Z.  15.  st.  drei  I.  vier. 
P.  224.  Z.  2-3.  si.  Volumella  I.  Colmnella.  P.  227.  Z.  12.  st.  Hebel  I. 
(rabel.  1*.  230.  Z.  7.  st.  jlhlephatius  1.  Ablejo/iarus.  P.  231.  Z.  10. 
sind  die  W'^orte  statt  der  Anonymae  zu  streichen.  P.  263.  Z.  9.  st. 
Thyphovina  1.  'Fyphlopina.  P.  266.  Z.  4.  v.  u.  st.  Alanus  I.  Illanus. 
P.  267.  Z.  2.  V,  u.  st.  J.epodosternon  1.  Lepidosternon.  P.  26S.  Z.5. 
st.  äussern  1.  äusserst;  Z.  14.  st.  Uropehana  \.  Uropeltncea;  Z.  9. 
V.  n.  si.  Caup.  1.  Hempr.  P.  270.  Z.  15,  u.  16.  st.  Dryophir,  Psaniü- 
nophisy  DipsaSj  ist  bloss  Psammuphis  zu  setzen. 


378  II.  Buch.  Organ,  chemische  Processe.  II.  Abschn.  Ernährung- 


zur  ümscliliessung  der  Eingeweide,  welche  zum  Theil  knorpeh' 
gen  oder  knöchernen  Brustbeinrippen  entgegen  kommen,  um  ß*' 
nen  Korb  zu  bilden,  während  die  Halsrippen  und  Bauchripp®'’ 
bei  vielen  Wirbelthieren  fehlen,  oder  bei  einigen  (Crocodilen  ui'" 
Eidechsen)  nur  rudimentäre  Anhänge  der  Halswirbel  erschein®"' 

Bei  allen  Wirbelthieren  verkümmert  diess  System  nach  nj’' 
wärts  in  den  Stcisswirbeln,  entwickelt  sich  aufwärts  in  den  .3  Wir- 
beln des  Schädels  (denn  mehr  kann  ich  nicht  finden , die  B®' 
Zeichnung  Gehörwirbel  und  Aehnliches  scheint  mir  eine  Ueb®®' 
treibung,  Entstellung  jener  ganz  richtigen  Analogie).  Bei  all®1 
Embryonen  fehlen  anfangs  die  Extremitäten ; sie  erscheinen  b®‘ 
den  Embryonen  zuerst  als  Kügelchen , welche  sich  bei  versd*'®' 
denen  Classen  zu  verschiedenen  Formen  umwandeln.  Man  s'®' 
also,  wie  die  Formen  -der  ausgebildeten  Wirbelthiere  auf 
Wandlungen  und  Reductionen  eines  gemeinsamen  Typus  beruh®"' 
Einige  Thiere  entfernen  sicli  beim  Wachsthum  sehr,  andere  "'"'i 
nig  vom  gemeinsamen  Typus,  wie  er  sich  im  Embryonen-  "" 
Larvenzustande  ausspricht. 

Wendet  man  sich  zu  der  Abtheilung  der  Gliederthiere, 
welchen  das  Gehirn  zwar  oben  liegt,  aber  ein  Schlundring 
Schlund  umfasst,  und  die  Fortsetzung  dieses  und  des  Gehirns  "" 
dem  Bauche  liegt,  so  findet  man  leicht  xvieder  einen  nur  di®*"** 
Thieren  eigenthümlichen  Typus  in  ihrem  Skelet  aus  successiv  v®"' 
bundenen  Leibesringen.  Man  findet  Maxillen,  Mandibeln,  wel®M 
mit  den  Füssen  nach  Savigny’s  Untersuchungen  zu  einem 
demselben  Organsystem  gehören.  Das  Insect  hat  als  Larve/. 
Leibesringe,  nur  im  Larvenzustande  wächst  es,  indem  es  s'®' 
3 — 4mal  häutet,  in  der  Metamorphose  während  des  Pupp®"*"^ 
Standes  zu  einem  neuen  Geschöpfe  wird.  Zur  Aeusserung  des  "/ 
ganisirenden  Princips,  welches  die  Form  verändert,  ist  es  iiöth'?^ 
dass  die  ähnlichen  Theile  eine  gewisse  Grösse  erreicht  haben; 
fortdauernde  Ernährung  dieser  Theile  durch  Aufnahme  von  , 
rungsstoffen  scheint  das  organisirende  Princip  von  der  Einleit*|''r 
der  Metamorphose  abzuhalten;  denn  die  Insecteii  wandeln 
früher  um,  wenn  sie  hungern,  so  wie  eine  Pflanze  früher  Blütb®|^ 
treibt  in  magerm  Boden.  Je  mehr  aber  die  ähnlichen  Theil® 
Umfang  zugenommen  haben,  um  so  grösser  scheint  das  Str®b/^ 
zu  werden,  aus  den  quantitativ  ausgebildeten  Massen  qualitn^^'.V 
Unterschiede  durch  Reduction  und  Entwicklung  ähnlicher  g 
zu  bilden.  Bei  dem  letzten  Häuten  erscheint  das  eingespon"®" 
Insect  als  Puppe,  deren  anfangs  weiche  Oberhaut,  xvie 
HornstolF,  erhärtet.  In  der  .äussern  Form  vieler  Puppen 
sich  schon  die  Rudimente  der  äusseren  Formen  des  Insectes  /j 
kennen,  wobei  die  Glieder  eng  an  den  Leib  angeschiniegt  sj"  ^ 
Die  Grundzüge  zur  Verwandlung  der  äusseren  Formen  sind 
mit  der  Umwandlung  der  Larve  in  die  Puppe  gegeben.  }' 
Puppe  zeigt  schon  die  Abtheilungeu  des  Thieres  in  SAbschm  ' 
indem  die  3 Ringe,  welche  in  der  Larve  auf  den  ersten 
Kopfring  folgen,  zum  Thorax  umgewandelt  werden,  in  dem 
hernach  Profhorax,  Mesothorax,  Metathorax  erkennt, 
die  9 letzten  der  1.3  Ringe  des  Larvenkörpers  in  die  9 Ring®  ' 


3.  IFiedererzeugung.  Gesetze  der  Regeneration. 


379 


Hinterleibs  des  vollkommnen  Insectes  sich  amwandeln,  nnd  sich 
'verkürzen;  die  Rudimente  der  Flügel  am  2.  und  3.  Ring  des 
Brustkastens,  die  Rudimente  der  Füsse  an  den  3 Ringen  des 
Brustkastens,  die  Antennen  und  Palpen  am  Kopfe  sich  bilden. 
Her  Sinn  für  das  Licht  entsteht  bei  vielen  Larven  erst  durch 
^ie  Verwandlung,  bei  anderen  entwickeln  sich  statt  der  einfachen 
Barvenaugen  zusammengesetzte.  Von  13  Ganglien  des  Nerven- 
stranges heim  Rohlschmetterling  vereint  sich  das  S.  mit  dem 
f,  das  5.  mit  dem  6.,  das  7.  und  8.  verschwinden  ganz.  Mit 
l'esen  Umwandlungen  laufen  die  der  Eingeweide  gleichen  Schritt. 
Her  Schmetterling  erlangt  auch  statt  der  bisherigen  Kiefer  den 
^augrüssel;  seine  Spinngefässe  verschwinden.  Der  Darmcanal, 
Athemorgane  wandeln  sich  um.  Vergl.  pag.  283.  Vom  Be- 
8'nn  der  Entwicklung  ist  der  Fettkörper  fast  verflüssigt,  er  wird 
Svösstenlheils  auf  die  Bildung  der  neuen  Organe  verwandt.  Siehe 
^*»8  Nähere  in  dem  classischen  Werk:  Herold  Entmcklungsge- 
^'^hichte  der  Schmetterlinge.  Cassel  1815.  Während  bei  den  Am- 
l'Bihienlarven  die  Genitalien  anfangs  fehlen,  hat  Herold  bei  den 
*e<hst  sehr  iungen  Larven  die  äusserst  zarten  Rudimente  der  Ho- 
und  Eierstöcke  entdeckt.  Viele  Insecten  beharren  aut  dem 

Unter  den  Crustaeeen  beobachtet  man  nicht  allein,  dass  die 
”®lieren  Crustaeeen  im  Embryonen  zustande  noch  ein  deutlich  ge- 
SBedertes  Bruststück  haben,  und  dadurch  niederen  Crustaeeen 
8'eichen-  die  iungen  Crustaeeen  sind  auch  oft  viel  einfacher,  wie 
i B.  die’  jungen  Cyclops  nur  2 Fühler  und  2 Fusspaare  haben. 
Billige  Crustaeeen  erleiden  sogar  eine  gänzliche  Umgestaltung  ihrer 
Horm,  wie  die  Lernaeen  nach  den  Entdeckungen  von  Nordmakn. 
^^icrocraph  Beitr.  2.  Die  Stelle  dieser  sonderbaren  parasitischen 
Bhiere  war  lange  im  Systeme  zweifelhaft,  well  sie  im  ausgewach- 
senen Zustande  fast  alle  Spuren  ihrer  früheren  Gliederung  abge- 
legt haben , daher  sie  Einige  unpassend  mit  den  Eingeweidewur- 
vereinist  hatten.  Nordmawn  hat  entdeckt,  dass  diese  Thiere 
'•»1  Embryonen-  und  Larvenzustande  als  vollkommene  Cmstaceen 
^«■scheinen.  Der  Embryo  des  Achteres  percarum  hat  z.  B.  4 Pin- 
^elfiisse.  Nachdem  er  das  Ei  verlassen,  hat  er  2 Antennen,  3 Paar 

fördere  Krallenfüsse,  und  2 Paar  Büschelfüsse,  und  ist  den  Fisch- 

ausen  ähnlich.  Die  Jungen  von  Ancorella  haben  in  der  Eihulle 
*®lhst  ein  rothes  Auge. 

Die  Ringelwürmer  vermehren  bei  dem  Wachsthume  ihre 
die  Arenicolen  auch  die  Zahl  ihrer  büschelförmigen  Rie- 
wie  ich  aus  Vergleichung  verschiedener  Exemplare  von  Are- 
">cola  carbonaria  sehe. 


III.  Capitel.  Von  der  Wiedererzeugung. 

Dadurch,  dass  die  schaffende  organisirende  Kraft,  welche  im 
des  Embryo  alle  Theile  des  Thiers  gleichsam  als  nothwen- 
^'*ge  Glieder  seines  Begriffes  erzeugt,  in  der  Ernährung  tort- 
'^irkt,  ist  Erholung,  Genesung  und  Wiedererzeugung  eines  Ver- 


380  II.  Buch.  Organ,  chemische  Processe.  II.  Ahschn.  Ernährung. 

lustes  in  einer  gewissen  Grenze  möglich.  Die  Regenerationskraft 
ist  um  so  grösser,  je  jünger  ein  zusammengesetztes  Thier,  und  j® 
einfacher  üherhaupt  ein  Thier  gebildet  ist.  Die  Larve  der  nack- 
ten Amphihien,  welche  selbst  noch  erst  manche  Theile  erzeugh 
die  hei  anderen  Thieren  iin  Einhryozustande  entstehen,  wie  di® 
Genitalien,  ist  auch  fähiger  einen  Verlust  wieder  zu  erzeugen  ah 
das  erwachsene  Thier;  die  Insecten -Larven  erzeugen  oft  verlor»® 
Theile  wieder,  die  Insecten  nach  der  Verwandlung  nicht. 
den  niederen  Thieren,  wie  Polypen,  Würmern,  erzeugen  sid' 
seihst  Theile  des  Ganzen  wieder  zu  einem  neuen  Ganzen.  Ala» 
kann  sich  die  allmählige  Abnahme  der  RegenerationskraPt  mit  dc*^ 
Entwicklung  und  mit  der  Zusammensetzung  eines  Thieres  nidd 
anders  verständlich  vorstellen,  als  dass  die  organisirende  Kraft 
durch  die  Entwicklung  und  durch  die  Erzeugung  der  Orga»® 
gleichsam  mehr  vertheilt  wird,  und  sich  zum  Theil  an  die  ei»' 
zelncn  Organe  mehr  bindet. 

Ich  habe  schon  in  den  Prolegomena  einige  de»  allgemein®" 
Gesetze,  die  für  die  Wiedererzeugung  gelten,  angeführt.  We»" 
sehr  einfache  Thlere  und  Pflanzen  eine  gewisse  Summe  gleich' 
artig  gebildeter  Theile  besitzen,  und  wenn  das  Ganze  durch, V®»' 
mehrung  dieser  gleichartigen  Theile  wächst,  kann  das  Ganze  sich 
thcilen,  und  die  getiennten  Stücke,  welche  nun  noch  die  w'escnl' 
liehen  Theile  des  Ganzen,  aber  von  geringerer  Anzahl  enthalt®»» 
leben  fort  und  ergänzen  sich,  wie  z.  R.  abgeschnittene  Zw®'?® 
von  Pflanzen  eingepflanzt  wieder  zu  neuen  productiven  Indiv>' 
duen  werden.  Die  verschiedenen  Theile  einer  Pflanze  sind  sich 
noch  so  ähnlich,  -dass  sich  die  Zweige  in  Wurzeln,  die  Stauh' 
läden  in  Rlumenhlätter  umwandehi  können.  Von  diesem  G'®' 
sichtspunkte  lässt -sich  auch  die  Regeneration  der  Süsswasserp^)' 
lypen,  Hydra  und  verwandter  Thiere  betrachten,  obgleich  d'® 
Polypen,  nach  den  Infusorien  zu  schliessen,  gewiss  zusammeng®' 
setzter  sind  als  man  früher  glaubte.  Thembley  Abhandlung 
Geschichte  der  'Armpolypen,  iÜ, ersetzt  von  Goeze.  Quedlinb.  l'ftl- 
ScHAEFFER  AWuindl.  von  den  Armpolypen.  Roesec  Inseclenbelusl.  d' 
Bohmet  contempl.  de  la  nature.  Die  Arme  der  Hydren  kön»®" 
sich  durch  freiwillige  Ablösung  zu  neuen  Polypen  aushilden. 
darf  uns  daher  nicht  wundern,  dass  sic  es  abgeschnitten  th»»‘ 
Aber  Polypen,  die  in  transverseller  oder  longitudineller  Richtu»S 
durchschnitten  sind,  erzeugen  sich  wieder.  Ja  selbst  kleinere  Stüch® 
des  Polypen  werden  wieder  zu  ganzen  Thieren.  Stellt  man 
den  ganzen  Polypen  als  ein  System  von  an  Kraft  ähnlichen  Th®»' 
eben  vor,  die  nur  so  lange  dem  organisirenden  individiicft®'! 
Princip  unterworfen  sind;  als  sie  eine  gewisse  Verwandtsch» 
haben,  und  denkt  man  sich  die  individuelle  organisirende  K®» 
als  das  llesultat  des  Zusammenwirkens  der  iVIolecule,  so  werd®" 
abgeschnittenc  Stücke  wieder  Systeme  ähnlicher  Molecule  c» 
halten.  Das  organisirende  Princip  wirkt  hier  wieder  duich  o>® 
Verw'andtscliaft  der  Theilchen  zu  einander,  dass  das  Stück 
der  Organisation  eines  neuen  Polypen  umgcwandelt  wird.  K® 
reicht  der  Polyp  eine  gewisse  Grösse,  ist  \lauu  das  System 
an  Kralt  ähnlichea  Theilchen  gross  geworden,  so  scheint  in  ^ ®* 


3.  TV^ieäererzengung.  Gesetze  der  Regeneration.  ,381 

Vieren  Thellen  des  Polypen  eine  grössere  Verwandtschaft  derMo- 
l^cule  zu  einander  zu  entstehen , als  die  Theile  zuin  Ganzen  be- 
"■'Iten,  und  so  tritt  ein  Streben  ein,  einzelne  Polypensprossen  zu 
'bilden,  die  sich  ahstossen  und  selbstständig  werden.  Deswegen 
'^«rden  auch  die  Fetzen  eines  Polypen  individualisirt,  sie  trennen 
^'cli  bald  von  dem  Mutterpolyp  als  neue  Individpen.  Nach  Goeze, 
^•^ttSEFFEU  und  Roesei,  soll  man  Polypen  auch  umkehren  können 
**äd  sie.dennoch  fortwachsen.  V/^endet  man  diese  Facta  auf  die 
*^eime  der  höheren  Thiere  an,  so  werden  diese  nur  so  lange 
^^leilljfir  und  regenerationsfähig  seyn,  als  sie  noch  aus  einer  bo- 
friogenen  Substanz  bestehen,  welche  die  Kraft  zur  individuellen 
\'*'ganisation  noch  in  allen  Theilen  gleich  enthält.  Denkt  man 
''*'^h,  (lass  die  Keimscheibe  eines  höheren  Thieres,  entweder  wo 
?Päter  der  Kopf,  oder  wo  später  der  Schwanz  entsteht,  durch 
'•'send  eine  unbekannte  Ursache  bis  auf  eine  gewisse  Strecke  sich 
*•1*6116,  odei’.  auch  ohne  Spaltung  nach  einer  Richtung  der  Achse 
'doppelte  Theile  entwickele,  so  werden,  so  fern  jene  oben  angedeu- 
*®fen  Gesetze  richtig  sind,  so  gut  wie  bei  einer  in  2 noch  zu- 
sammenhängende Fetzen  getheilten  Planarle,  2 Köpfe  oder  2 
^«hwanztheile  entstehen  müssen  und  eine  Doppelmissgebnrt  wird 
^''tsteheri.  J.  Mueller,  Mecr.  ^reh.  1828.  1.  Die  Doppelmissge- 
hurten  sind  weder  ganz  durch  Theilung  eines  Reims  noch  durch 
* Crwiiclisung  zwci6r  K.eline  crklärlitli.  Ein  grosser  Tlieil  tlcr 
®6ppehnissgehurten  wird  besser  durchVcrwachsung  zsveier  Reime 
J*der  dmeh  Entstehung  zweier  Embryonen  in  einer  Keimhaut,  die 
l'm-nach  verwachsen,  erklärt,  besonders  wenn  die  getrennten 
fl*eile  gross  sind.  Dass  diese  Verwachsung  von  Emb^onen  exi- 
^^'rt,  geht  als  gewiss  aus  den  Fällen  hervor,  wo  die  Embryonen 
durch  einen  kleinen  Theil,  wie  z.  B-  durch  den  Ilinterkopr 
Barkow\s  Fall,  verwachsen  sind.  (Baukow  de  monstris  duplicL 
otrtieihus  älter  se  iunetis.  Berol.  1821.)  Embryonen,  welche 
.'oss  durch  das  Gesicht  Zusammenhängen  und  in  der  Schnauze 
®'nf'ach  sind,  sonst  aber  doppelt  oder  Doppelmissgeburten  mit  ei- 
**®m  Kopfe  und  getrennten  ganzen  Rümpfen  kann  man  nicht  wohl 
'"‘s  Theilung  erklären,  sie  entstehen  wohl  durch  Verwachsung 
*‘>**1  Verschmelzung  der  Reime  mit  denjenigen  Stellen,  wo  gleich- 
^'äinige  Theile  entstehen  sollten,  Schnauze  mit  Schnauze  odei 
?“*'ä»'ndere  Art,  wo  die  gleichnamigen  Theile  eine  gewisse  Anzie- 
“»"S  auf  einander  auszuühen  scheinen.  Dagegen  wäre  es  eben 
Schwer,  eine  Missgeburt  mit  einem  überzähligen  Theil,  mit 
'■'"em  überzähligen  Finger,  einen  ganz  einfachen  Köiper  mit  el- 
doppelten  Schnauze  aus  der  Verwachsung  zweier  Keime  zu 
^''^lären.  Die  Gesetze,  welche  liei  der  Reproduction  der  Poly- 
gelten,  werden  ohne  Zweifel  auch  für  die  einfachen  Reim- 
der  höheren  Thiere  gelten  müssen.  Man  besitzt  übrigens 
'"*>■  2 Beobachtungen  von  Dopiielmissgeburteu  des  Hühnchens 
so  früher  Zeit,  wo  die  Reimhaut  noch  vorhanden  war.  Die 
ist  von  C.  Fn.  Woi.ir,  Aue.  comment.  acad.  Petrop.  11.  4o6., 
1 1®  andere  von  Baer,  Meck.  Arch.  1827.  576.  In  Woeffs  Fall 
j*'‘gen  beide  vollständige  Embryonen  nur  durch  denjenigen  ^ heil 
gemeinscliaftliclien  Keimhaut,  der  sich  am  Isabel  in  den  Darm 


382  II.  Buch,  Organ,  chemische  Processe.  II.  Abschn.  Ernährung. 

fortsetzt,  zusammen.  In  Baer’s  Fall  war  die  Area  pellacida  der 
Keimhaut,  statt  wie  gewöhnlich  biscuitförmig,  vielmehr  kreuzför- 
mig. Die  Embryonen  hatten  einen  gemeinsamen  Kopf,  ihre  Le*- 
her  divergirten  in  den  2 längeren  Schenkeln  des  Kreuzes. 
werden  übrigens  auf  diesen  Gegenstand  im  8.  Buche,  das  voo 
der  Entwicklungsgeschichte  der  organischen  Wesen  handelt, 
rückkommen. 

Die  Planarien  haben,  wie  Duges  gezeigt  hat,  einen  grossen 
Grad  von  Prodnctionsvermögen.  Fkoriep’s  ISot.  501.  Jeder 
oder  10.  Tlieil  des  Thiers  kann  ein  vollständiges  Individuum  re- 
produciren.  Jedes  ahgeschnittene  Stück  reproducirte  sich 
Winter  in  12 — 14,  im  Sommer  in  '4  Tagen  vollkommen.  Zu- 
weilen theilcu  sich  die  Planarien  in  2 Individuen  durch  Quer- 
theilung.  Duges  fand  ein  Individuum  im  Wasser  mit  zwei  Schwa»*' 
theilen,  und  wenn  er  die  Planarien  vorn  der  Länge  nach  theilt®' 
entstand  eine  Doppelmissgeburt  mit  2 vollkommenen  Köpfen. 

Bei  den  Ringelwürmern  erstrecken  sich  die  Stämme  der  G'®' 
fässe,  das  knotige  Nervensystem,  der  Darmcannl  auf  eine  zieml'®^ 
gleichförmige  Art  durch  die  ganze  Länge  des  Thiers,  durch 
ringelförmigen  Abtheilungen  des  Wurniies.  Man  kann  sich  a»* 
der  Structur  dieser  Thiere,  dass  sie  aus  einer  reihenformigen  S»®' 
cession  gleichförmiger  Theile  bestehen,  schon  erklären,  dass  tr»!* 
ihrer  grösseren  Zusammensetzung  doch  auch  die  Theilung  d®* 
Wurms  in  die  Quere  die  Regeneration  des  Wurms  nicht  aufhebt- 
O.  Fr.  Mueeler  {uon  den  Würmern  des  süssen  und  salzigen 
sers)  hatte  die  Regeneration  der  Stücke  der  durchschrlitte»®® 
Nereiden,  Bonnet  die  Regeneration  von  4,  5,  6 Stücken  der?(a'* 
variegata,  und  die  Regeneration  der  zwei  Theile  eines  quer  durch' 
schnittenen  Regenwurms  beobachtet,  was  Duois  nicht  gelang,  ob' 
gleich  die  Regenwürmer  die  abgeschnitlenen  vordersten  Ring® 
und  den  Kopftheil  ersetzen.  Fhoriep’s  i\W.  51.3.  Alle  diese  Thier® 
regeneriren  sich  bei  longitudinalen  Durclischnitten  nicht,  wab®' 
scheinlich  weil  die  Stücke  nun  nicht  mehr  die  qualitativ  ver- 
schiedenen Glieder  des  Ganzen  enthalten.  Man  findet  die  älter®» 
Beobachtungen  in  den  grösseren  W^erken.  Trevihanus  Biolog^* 
Burdacr’s  Physiologie  1,,  und  in  einer  kleinen  Schrift  v®” 
Eggers  von  der  Wieder  er zeugung.  Würzb.  1821.  zusammengesteUt- 

Die  Mollusken,  Insecten,  Crustaceen,  Spinnen  regeneriren 
einzelne  Theile  nach,  die  ihnen  abgeschnitten  worden,  und  es 
gewiss,  dass  die  Schnecken  nur  einen  Theil  des  Kopfes  und 
Fühlhörner  regeneriren,  wenn  das  Gehirn,  das  auf  dem  Schlu»»® 
liegt,  nicht  verletzt  wird.  Diese  Regeneration  erfolgt  nur  bei 
mässigter  Temperatur,  nicht  in  der  Kälte.  Scrweigger  Naturg^ 
schichte  der  skeletlosen  ungegliederten  Thiere,  Die  Naiden  theil®» 
sich  von  selbst,  Avie  O.  Fa.  Mueller,  Ghuithuisen,  Duges  beobac 
tet  haben.  Ghuithuisen  JVoe.  act.  nat.  cur.  T,  11.  tab.  .35. 
Hirudineen  besitzen  nach  Moquin  Tandon  wenig  oder  kein  5-® 
productionsvermögen. 

Nach  Heineren  hört  die  Reproduction  der  Beine  bei  ^®® 
Spinnen  auf,  sobald  sie  aufhören  sich  zu  häuten  oder  ganz  ef 
wachsen  sind.  Die  Larven  der  Insecten  reproduciren  ihre  Fühl®*^ 


383 


3.  JViedererzeiißung,  W,  der  wirbellosen  Thiere. 

^'cht  die  vollkommenen  Insecten.  Fbobiep’s  Noi.  606. 

^liasmen  erzeueen  verlorne  Beine  wieder  in  ihrem  nnvollk^- 
'•'finen  Larvenzustande.  JVop.  act.  nat.  cur.  T.  12.  563.  P'®  ®“ 

Beneratioh  der  Füsse  bei  den  Krebsen  ist  bekannt.  Von  den 
*'scben  kennt  man  nur  die  Reproduction  der  Flossen  nach 

^Roussonet.  Eggers  a.  fl.  O.  51.  ^ j.  -n 

Unter  den  beschuppten  Amphibien  kennt  man  die  Bepro- 
‘•'»ction  des  Schwanzes  bei  den  Eidechsen,  worin  sich  jedoch  keine 
Vollkommenen  Wirbel,  sondern  nur  eine  knorpelige  Säule  bildet. 
^Ocli  die  Salamander  erzeugen  nach  Spallanzajii  ibren^  Schwanz 
'nieder.  Physic.  matkem.  Ahh.  Wir  haben  hier  ein  Beispiel  von 
Reproduction  des  hintersten  Theils  des  Rückenmarks.  Ueber 
C*e  Reproduction  der  Salamander  haben  Spaelanzasi  , Bohmet, 
®e»JMENBACu  {Spec.  physiul.  comp,  inter  animantia  cahdi  ei  Jrigidi 
’^^tguinis) , STEiNBucn  (cJnalecten),  und  Rudolphi  Versuche  an- 

Sestellt.  . , 

Bei  den  Salamandern,  jungen  sowohl  als  alten,  erzeugen  sich 
''•c  Beine  wieder.  Rudolphi  hat  beobachtet,  dass  in  dem  neuer- 
*eogten  Beine  des  Salamanders  keine  Grenze  an  dem  reproducir- 
‘«n  Nerven  zu  bemerken  war.  Bei  den  Salamandern  erfolgt  auch 
Reproduction  der  Unterkinnlade,  und  nach  Blumendach  bei 
^ritonen  seihst  des  Auges  mit  Hornhaut,  Iris,  Linse  etc.  inner- 
,olb  eines  Jahres.  Die  Bedingung  zu  einer  Reproduction  ist  aber, 
der  Sehnerve  und  ein  Theil  der  Augenhäute  im  Grunde  des 
^«ges  unverletzt  geblieben.  Das  Blastema,  aus  welchem  sich  hier 
und  nach  die  einzelnen  Theile  eines  verlornen  Organs  bil- 
'*0»',  ist  zuerst  gallertartig  durchsichtig;  so  erscheint  es  als  ein 
Bollertartiger  Regel  an  dem  Stumpfe  der  verschnittenen  Beine 
'‘0(1  der  Kieme  der  Tritonlarve.  Nach  Steinbuck  bemerkt  man 
*ol<on  am  2.  — 3.  Tage  am  Stumpfe  der  Kieme  dieses  wasserhelle, 
"ofangs  gefässlose  Blastema.  Diess  vergrössert  sich  zur  Form  ei- 
'*os  Cylinders,  aber  schon  nach  einigen  Tagen  ist  diese  Materie 
Tgonisirt  und  vom  Blute  durchflossen.  Vergl.  pag.  358.  Bei 
®‘8enem  Versuche  wollte  mir  diess  lange  nicht  so  schnell  gelin- 
Nach  einer  Mittheilung  von  Dieffenbach  lösst  sich  nach 
>er  Verwundung  der  Haut,"  Muskeln  und  der  Beinhaut  bei  Sa- 
‘Ooandcrn  öfter  das  ganze  Glied , ExtremUät  oder  Schwanz  ab, 
Vielehe  nachwachsen. 

Die  Frage,  welches  Princip  die  V/^iedererzeugung  so  zusam- 
Oiengesetzter  Theile  bei  einem  erwachsenen  Thiere  bedingt,  ist 
oben  berührt  worden;  -ob  jenes  organisirende  Princip,  wel- 
seihst  die  Nerven  beherrscht,  und  bei  der  ersten  Entstehung 
Nerven  erzeugt,  oder  die  Nerven.  Bei  der  letztem  Ansicht 
RI  ®s  interessant,  dass  alle  Nervenfasern,  die  sich  in  den  Theilen 
j 0«  ahgeschnittenen  Gliedes  von  den  Nerveiistämmen  aus  verbrei- 
Batten,  schon  in  den  noch  vorhandenen  Nervenstämmen  des 
lumpfes  vereinigt  neben  einander  vorhanden  sind,  wie  in  der 
^Bysik  der  Nerven  im  3.  Buche  bewiesen  wird,  und  dass  die 
oovenstärame  in  der  Regel  nur  die  Summe  aller  in  den  Aesten 
^.od  Zweigclchen  der  Nerven  sich  entwickelnden  Primitivfasern 
"’d-  Die  zweite  Durchschneidung  der  Nerven  an  einem  Stumpfe 


384  II.  Buch.  Organ,  chemische  Processe.  II.  Abschn.  Ernühruit^- 


Leim  Salamander  soll  die  Reproduction  des  Stumpfes  Lindern- 
Tonn  Quarlerly  ,1.  of  Sciences  Vol.  16.  p.  91.  Tretiranus  Ersehet' 
nuttgen  und  Gesetie  2.  7.  WaLrscLeinlicL  wird  indess  selLst  d'® 
Erzeugung  der  Nerven  von  einem  Löhern  Prineip  aus  LestiromL 
da  sich  die  Nerven  gleich  anderen  Theilen  Lei  der  Metamorphns® 
der  Tliiere  umwandeln.  Alle  bisher  betrachteten  Reproduction^ 
pLanomene  geschehen  ohne  Entzündungsprocess,  sondern  durcj* 
eine  Bildung  von  Biastema  und  Organisation  desselben,  ähnli®'' 
wie  bei  der  ersten  Zeugung.  Bei  den  niederen  Thiercn  gehn" 
die  Phänomene  der  Entzündung  höchstens  jenen  ReproductionS' 
ersebeinungen  vorher,  als  nächste  Folgen  der  Verwundung.  Bf 
den  Fröschen  beobachtet  man  wirklich  in  seltenen  Fällen  E)' 
terung,  wie  ich  selbst  gesehen.  Bei  Schlangen  verschorften 
schnell  die  "Wunden.  Bei  den  höheren  Thieren  giebt  es  kein® 
Reproduction  zusammengesetzter  Theile,  wie  der  Extremitäten,  d®^ 
Auges,  mehr,  sondern  nur  Wiedererzeugung  einzelner  Gewebe. 

Wi c dererzeu gun g der  Gewebe. 


Die  Wiedererzeugung  der  Gewebe  erscheint  in  2facher  Foi’*"’ 
1)  als  Regeneration  der  Gewebe  ohne  Entzündung;  2)  als  Reg®' 
neration  mit  begleitender  Entzündung. 

1)  Regeneration  ohne  Entzündung. 

a.  Organisirte  Gewebe,  weiche  wiedererzengt  werden,  nacB' 
dem  sie  ihre  Organisation  verloren  haben. 

Hierher  gehört  die  Regöneration  der  Schale  der  Krebse, 
Geweihe  der  Hirsche,  der  organisirten  Keime  der  Federn  nn‘‘ 
Stacheln,  welche  später  ihre  Organisation  verlieren.  Die  Schal® 
der  Krebse  wird  jährlich  erneut,  wenn  die  Entwicklung  der 
neren  Theile  dem  Umfange  der  Schale  nicht  mehr  entspricld' 
Die  Schale  spaltet  sich  und  wird  im  August  abgeworfen,  uiit®® 
ihr  bat  sich  schon  eine  neue  gebildet,  die  anfangs  weich,  em  pfind' 
lieh  ist,  und  selbst  Gefässe  enthält,  aber  durch  Aufnahme  vn" 
kohlensauren  Kalkthcilchen  bald  hart  wird.  Cuv.  oergl.  Anat.  f 
101.  Zur  Zeit  des  Schalenwechsels  erzeugen  sich  an  beiden  S®'' 
ten  des  Magens,  der  auch  sein  Epithelium  erneuern  soll,  kalkig® 
Concretionen,  Lapides  cancrorum;  sobald  die  neue  Schale  hart®*', 
wird,  verschwinden  diese  Concretionen  wieder. 

Das  Geweihe  des  Hirsches  iiud  verwandter  Thiere  ist  mel*® 


der  organisirten  Matrix  der  Hörner  der  wiederkäuemlen  Thid'® 
als  den  Hörnern  selbst  zu  vergleichen.  Die  Basis  des  Gewed*®* 
sitzt  aut  dem  Stirnbeinhöcker,  ein  knöcherner  zackigerWulst  b®' 
zeichnet  die  Grenze  dieses  Höckers  und  des  Geweihes.  Ni®b 
zur  Begattungszeit  (Herbsl!),  sondern  im  Frühling  werfen  di® 
Männchen  das  Geweihe  ab,  und  entsteht  das  neue  Geweihe. 
Trennung  geschieht  durch  eine  Art  Erweichung  der  organisirt®" 
Knochensubstanz  des  Stirnbeinhöckers  an  der  Grenze  zwisch®" 
diesem  und  dem  Geweihe.  Der  neue  raube  Stirnbeinfortsatz  wi* 
von  der  Haut  bald  wieder  überzogen.  Nun  wächst  das  neue  G®” 
weihe  aus  dem  Stirnbeinfortsatze  hervor,  von  einer  Fortsetzung 
der  Haut  und  unter  dieser  von  Beinhaut  bedeckt,  weich  uH 


3.  IViedercrzeugung.  W.  d.  Gecvebe.  Nägel. 


385 


Worpelig  von  unzähligen  Gefässeii  durchdrungen.  Indem  die 
^norpelmasse  verknöchert  und  hierbei  durchaus  die  Entwicklung 
^ßr  Knochen  des  Fötus  und  Rindes  wiederholt,  verlieren  das 
l^eriostium  und  die  Haut  des  Geweihes  ihre  Organisation  und 
’^sen  sich  ah.  Nach  der  Castration  erzeugen  die  jungen  Hirsche 
■^eine  Geweihe  und  die  älteren  wechseln  ihre  Geweihe  nicht 
'®clir.  CuviER  oergl.  Anat.  1.  97.  Berthold  Beiträge  zur  Anato. 
Zoologie  und  Physiologie. 

Auf  eine  gleiche  Art  haben  die  organisirten  Reime  der  llaai’e 
^**<1  Stacheln  hei  den  Säugethieren  und  die  Keime  der  Federn 
j ®i  den  Vögeln  ihre  Zustände  der  Abnahme  und  der  Turgescenz, 
*®i  dem  Hären  und  Mausern.  Diess  wird  die  Ursache  zum  Aus- 
^*111611  und  zur  Wiedererzeugung  der  Haare  und  Federn.  Die 
J^iedererzengung  der  Haare  und  Federn  ist  jedoch  insofern  von 
«er  Wiedererzeugung  der  Geweihe  verschieden,  als  nur  die  Ma- 
der  Haare  dem  organisirten  Geweihe  gleicht,  und  das  abge- 
storhene  Mark  der  Federn  dem  verhärteten  Geweihe  gleicht, 
'''ährend  die  Hornsubstanz  der  Federn  bloss  durch  die  Matrix 
«l'gesondert  wird,  wovon  an  dem  Geweihe  als  Aehnliches  nur 
Oberhaut  des  noch  weichen  Geweihes  vorkömmt.  Wir  wer- 
daher  die  Regeneration  dieser  Theile  von  der  der  Geweihe 
^''«nnen. 

b.  Unorganisirte  Gewebe,  welche  durch  Regeneration  ihrer 
^eitne  wiedererzeugt  werden.  Es  gehört  hierher  die  Wiederer- 
*«Ugung  der  Horngewebebildungen,  des  Zahngewebes  und  des 
*^ewebes  der  Crystalllinse. 

1.  Horngewebe. 

Die  Nägel  erzeugen  sich  bekanntlich  wieder,  so  lange  ihre 
“latrix  noch  vorhanden  ist;  aber  man  hat  selbst  an  den  Mittel- 
gliedern amputirter  Finger  eine  anfangende  Nagelbildung  beobach- 
Blumesbach  instu.  physiol.  p.  511. 

Ueber  das  Hären  der  Säugethiere  hat  Heusinger  Aufschluss 
Begehen  (Meck,  ylrcli.  558.).  5 Tage  nach  dem  Ausrupfen  eines 

•l^asthaares  des  Hundes  war  ein  mehr  als  2 Millim.  langes  Haar 
Beiständen.  Bei  dem  Hären  wird  die  Zwiebel  des  alten  Haares 
® ass  Und  es  bildet  sich  neben  ihr  ein  schwarzes  Kügelchen,  wel- 
. '®s  sich  in  den  neuen  Haarcylinder  verwandelt.  Diess  ist  sehr 
‘eieressant,  dass  die  Matrix  des  neuen  Haares  gleichsam  ein  neuer 
Ausv^nchs  des  productiven  Bodens  des  Balges,  und  nicht  der 
Keim  ist.  Es  soll  ebenso  bei  den  Stacheln  seyn.  Bei  dem 
^«aiisern  der  Vögel  wird  die  Oberhaut  am  Schnabel  und  an- 
Stellen  in  Form  von  Platten  oder  von  Kleie  abgestossen. 
«•m  Abfallen  der  alten  Federn  sind  die  Keime  der  neuen  Fe- 


h, 


«ern 

lElt,’< 


Siehe 
O. 


das  Nähere  bei  A.  Meckel, 
1.  83.  Burdach’s  Physiologie 


schon  vorhanden 
g Arch.  12.  Eble  a.  a. 

524. 

Verschiedene  Schriftsteller,  Dzondi,  Dieffenb ach,  Wiesemann, 
j,r'*nen  nach  ihren  Beobachtungen  an,  dass  ausgerissene  und  in 
^'«Stiche  der  Haut  verpflanzte  Haare  wieder  anwachsen.  Dzondi 
^ Aträgß  zur  VerooUkommnung  der  Heilkunde.  Halle  181Ö.  Diee- 
®®back  de  regenerationc  et  transplantatione.  Hrrhip.  1822.  Wiese- 

"t  U H e,.»  g 1^.  25 


386  n.  Buch.  Organ-,  chemische  Processe.  II.  Abschn.  Ernährung. 

MANN  de  codlUu  partium  a reliquo  corpore  prorsus  disjunctarum.  B>P^' 
'1821.  Diess  Anwacljscn  a«si>erissener  Haare  iiacli  der  Transplan- 
tation und  das  Weitervvaclisen  derselben  scheint  mir  noch  nidd 
constatirt.  Insofern  die  Zwiebel  der  Haare  im  Innern  organisid 
i.st,  lässt  sich  wohl  ein  Coalilus  selbst  mit  anderen  Tbeilen  de*’ 
Haut  als  dem  boden  eines  Haarbalgcs  denken.  Aber  wie  leid’*' 
kann  hierbei  Täuschung  statt  finden.  Ich  weiss  nicht,  ob  de*" 
um  die  Technik  der  Wiedervereinigung  getrennter  Theile  so  ver- 
diente Beobachter,  mein  sehr  vcrelirter  Freund  Dieffenbach,  a«' 
diese  Jugendversiicbe  noch  Werth  legt. 

2.  ZahngCAvebc. 

Die  Zähne  regeneriren  sich  für  den  Z^veck  des  Zahmved*- 
sels,  da  sic  an  der  Krone  nicht  Av'achsen  können  und  neue  Zähn® 
dem  Umfange  der  vergrösserten  Kiefer  entsprechend  entstehe" 
müssen.  Während  das  llcrvorJirechen  der  neuen'  oder  Wechsd- 
zähne  gegen  das  6.  — 7.  Jahr  eintritt,  hatten  sich  die  Krone" 
dieser  Zähne  schon  sehr  frühzeitig  gebildet.  Unter  den  Mild*' 
jzähnen  sind  bekanntlich  nur  8 Backenzähne,  unter  den  bleibe"' 
den  20  Backenzähne.  Die  Milchhackenzahne  sind  4spitzig.  Vo" 
den  bleihenden  Backenzähnen  sind  die  2 vorderen  jeder  Kiefer' 
hälfte  2spitzig,  die  liinteren  4spitzig.  Die  Milchzähne  beginne" 
ihre  Enlivicklung  im  dritten  Monat  des  Embryolebens  und  fa"' 
gen  vom  6.  Monat  nach  der  Geburt  an  hervorzubreclien. 

Die  bleibenden  Zähne  haben  ein  eigenthümliches  Ortsver- 
hältniss  zu  den  Milchzähnen.  Die  späteren  3 hintersten  Back- 
zähne liegen  in  einer  Beihe  mit  den  Milchzähnen  und  sehliesse" 
sich  nach  Aussen  an  die  Milchhackzähne  an,mit  denen  diese  hintere" 
Backenzähne  auch  in  der  Form  der  Krone  Übereinkommen,  vrah' 
rend  die  2 vorderen  Backenzähne  des  Erwachsenen  als  bicusp*' 
dati  den  Milchbackcnzäbncn  nicht  entsprechen.  Die  vordere" 
bleibenden  Backenzähne,  die  bleibenden  Eck-  und  Schneidezäbne 
liegen  anfangs  hinter  den  Milchbackzäbnen , Eckzähnen,  Schnei- 
dezähnen. 'Von  den  Säckchen  der  bleibenden  Zähne  entstell 
nach  J.  Fe.  Meckei.  das  des  dritten  (oder  des  ersten  grosse"' 
Backzahns  schon  am  Ende  des  4.  Monats  der  Schwangerschaft- 
Ilandb.  der  Anal.  4.  214.  Die  Säckchen  der  bleibenden  Schnei- 
dezäbne bilden  sich  nach  Meckei.  im  Anfänge  des  8.  Monats  der 
Schwangerschaft,  dann  das  Säckchen  des  Eckzahns,  darauf  da® 
Säckchen  des  niitticrn  grossen  Backzahns,  die  Säckchen  der  vor- 
deren kleinen  Backzähne  erst  einige  Monate  nach  der  Gebnrh 
das  Säckchen  des  hintersten  grossen  Backzahns  erst  im  4.  Jahr- 
Meckel  a.  a.  O.  p.  226.  Nach  Blake  und  Meckel  sind  die  Säck- 
chen der  bleibenden  Zähne  Auswüchse  der  Säckchen  der  Mil"^’' 
zähne.  Indessen  findet  nach  Meckel  nur  zwischen  den  äussere" 
Blättern  der  Zahnsäcke  jener  Zusammenhang  statt;  der  neue  i"' 
nere  Zahnsack  cntAvickelt  sich  vielmehr  an  dem  alten,  zAvische" 
diesem  und  dem  äussern  Säckchen.  Meckel  a.  a.  O.  p. 

Vergl.  Meckel  im  Archic  für  Physioi.  .3.  556.  Unter  den  blC' 
bendeii  Zähnen  fängt  der  dritte  Backzahn  oder  erste  grosse 
zahn  gegen  Ende  der  Schwangerschafl  an  zu  A-erknöcliern.  A.i  - 


3.  Wieder  er  Zeugung.  W.  d.  Gewebe.  Zähne. 


387 


ttiählig  werden  die  Alveolen  der  neuen  Zäline  von  den  alten  ge- 
schieden. Doch  hangen  beide  Zahnhöhlen  noch  immer  durch 
®*ne  ansehnliche  OefFnung  zusammen,  wodurch  der  gemeiiischaft- 
hche  Theil  des  äussern  Zahnsackchens  tritt.  Meckel  a.  a.  0. 

227.  Der  Zahnwechsel  beginnt  im  6. — 7.  Jahre.  Zuerst  er- 
scheinen die  vorderen  grossen  Backzähne;  dann  die  Schneide- 
*ähne  und  Eckzähne;  die  mittleren  grossen  Backzähne  erscheinen 
®cst  iru  13. — 14.,  die  hintersten  Backzähne  vom  16.  — 20.  Jahre. 
'Or  dem  Ausfallen  verlieren  die  Milchzähne  ihre  Wurzeln. 

Dass  die  Zähne  eines  Thieres  ausgerissen  und  wieder  einge- 
setzt, wieder  fest  wachsen,  wird  verschiedentlich' behauptet.  Ich 
”c*weifle  diess  entschieden.  Wäre  es  ein  wahres  Anwachsen,  so 
^iissten  sich  die  zerrissenen  Gefässc  des  Zahnkeims  wieder  mit 
?cn  Gefässen  des  Bodens,  der  Alveole  vereinigen.  Gerade  dieser 
^leressante  Gegenstand  ist  nicht  so  constatirt  wie  er  es  seyn  muss, 
sehr  sichere  Art,  zur  Entscheidung  dieser  Frage,  heizutragen 
^äre,  Thiere  mit  frisch  versetzten  Zähnen  mit  Färherröthe  zu 
.ättern.  Hat  eine  Verwachsung  statt  gefunden,  so  muss  sich  die 
J^ßcrste  Schichte  des  Zahnes  an  der  Zahnhöhle  roth-  färben, 
.cborstene  Zähne  können  sich  natürlich  nicht  regeneriren,  da 
nicht  organisirt  sind,  sondern  die  Piisse  höchstens  sich  mit 
oder  Weinstein  aus  den  Speichelsalzcn  füllen.  Bei  den 
'^klangen  währt  die  Bildung  neuer  Giftzähne  beständig  fort.  Die 
**6uen  Zähne  der  Crocodile  dringen  in  die  conischen  ilöhlen  der 
® len  Zähne  vor. 

3.  Crystalllinse. 

Die  Crystalllinse  scheint  sich  in  gewissen  Fällen,  nachdem  sie 
der  Capsel  entfernt  worden,  durch  ihre  Matrix,  die  Capsel, 
“^der  zu  erzeugen.  LsnoY  d’Etiole  hat  diess  beobachtet.  Ma- 
./,  jg  Physiol.  1827.  30.  Im  ersten  Falle  waren  1.3  Tage, 
p'  «Weiten  Falle  3.3  Tage,  im  dritten  Falle  39  Tage,  im  vierten 
.p^ke  31  Tage,  im  fünften  Falle  46  Tage,  im  sechsten  Falle  165 
*8®  nach  der  Extraction  der  Crystalllinse  hei  Kaninchen,  Katzen 
1 ~ Hunden  verflossen,  als  das  Auge  untersucht  wurde.  Der  In- 
.1  der  hergestellten  Capsel  war  entweder  eine  grümmliche  Masse 
itu  zweiten  Falle,  oder  ein  kleiner  linsenförmiger  Körper  wie 
^ den  meisten  übrigen  Fällen,  im  6.  Falle  war  aber  eine,  ganz 
•^**niinöse  Crystalllinse  gebildet,  Vorgl.  Mayek,  Graefe  und 
^ ■‘^i'TuEtt’s  Journ.  17.  1.  Vrolik  ehend.  18.  4.  W.  Soemmerring 
g^^htungen  über  die  organischen  Veränderungen  im  Auge,  nach 
‘^'"Operationen.  Frankfurt  1828. 

2)  Regeneration  mit  begleitender  Entzündung. 

^ast  alle  Fälle  von  Regeneration  bleibend  organisirter  Theile 
dem  Menschen  gehören  hierher,  wenn  man  die  Fälle  aus- 
dass  sich  die  Keime  für  Haar-  und  Zahnhildung  nach- 
tiL^Sen  können,  und  dass  diese  Keime  zuweilen  selbst  patholo- 
s|^.r  ' B.  im  Eierstocke  und  anderen  Theilen  entstehen,  so  dass 
^daare,  Zähne  hier  wie  an  anderen  Orten  erzeugen.  Diese 
®*igung  scheint  nach  denselben  Gesetzen  zu  erfolgen.  Die 

25* 


388  II.  Buch,  Organ,  chemische  Processe.  II,  Abschn.  Ernährung. 


Zähne  haben  auch  ihren  Schmelz,  und  entstehen  in  Säckchen. 
Meck,  im  Arch.  1.  519. 

a.  Regeneration  bei  exsuthiieer  Entzündung. 

Die  Entzündung  hat  in  einem  verwundeten  oder  nicht  vcC' 
wundeten  Theil,  wenn  er  freie  Oberflächen  darhietet,  eine  Exsu- 
*dation  von  coagulabler  Flüssigkeit,  Liquor  sanguinis,  zur  Folf?®' 
Fehlen  freie  Oberflächen,  so  häuft  sich  die  coagulfible  Materie  n* 
den  Capillargefässcn  und  in  dem  Gewebe  an  und  verdichtet  da®' 
selbe.  Die  in  Wunden  und  auf  Oberflächen  entzündeter  The>‘ 
exsudirende  Materie  ist  anfangs  flüssig,  sie  erscheint  auf  entzün- 
deten Häuten  zuerst  tropfenweise,  anfangs  durchscheinend 
sie  allmählig  xveisslich  und  consistent.  Es  ist  der  im  Blute  ain- 
gelösle  Faserstoff.  Zur  Zeit,  wo  die  exsudirte  Materie  noch  weieü 
ist,  scheint  sie  durch  ein  dem  coagulahlen  Faserstoffe  einwohnen- 
des Lebensprincip  zut  Organisation  zu  streben,  die  durch  ABin*' 
tat  und  Wechselwirkung  derselben  mit  den  entzündeten  Oberlid' 
eben  auch  erfolgt.  Vergl.  pag.  -358.  Es  entstehen  neue  Gefä**® 
in  der  exsudirten  Materie,  indem  sie  anfangs  wahrscheinlich 
der  Liquor  sanguinis  in  die  entstehenden  Hinnen,  hernach  aue 
rothe  Körperchen  aufnimmt,  ohne  dass  an  eine  Verlängerung  v®” 
Gef  ässenden,  die  ja  nicht  existiren,  gedacht  werden  kann.  ^ 
muss  man  sich  auch  die  Entstehung  der  neuen  Gefässe  in  de*' 
Wunden  und  dem  die  Wundränder  verklebenden  Liquor  sang"*' 
nis  vorstellen.  Eine  Verlängerung  der  durchschnittenen  Gefäs*® 
kann  man  hier  nicht  wohl  annehmen.  Alle  durchschnittene" 
Gefässe  schliessen  sich  ohnehin  durch  Gerinnsel,  Trombus.  P'® 
durch  Exsudation  entstandenen  Pseudomembranen  organisiren  si"  ^ 
nicht  immer,  in  den  Schleimmembranen  erfolgt  dicss  in  der  Reg® 
nicht,  wie  im  Croup,  in  den  serösen  Membranen  erfolgt  es^ 
der  Regel.  Dass  die  Exsudate  in  sehr  vielen  Fällen  organJ*'* 
werden,  daran  Ist  nicht  zu  zweifeln,  wenn  man  einmal  die 
nen  Injectionen  dieser  neuen  Gefässe  in  Schiiöder  van  der  Rot*' 
Sammlung  zu  Utrecht  gesehen  hat,  xvo  Arterien  und  Veneü 
Pseudomembranen  verschiedener  Theile  vom  Darme  und  von 
Leber,  X'on  Pseudomembranen  zwischen  Pleura  costalis  und  p" 
monalis  verschieden  gefärbt  injicirt  sind.  In  diesen  Pseudonn""*^ 
branen  entstehen  auch  neue  Lymphgefässe,  xvie  ich  an  mehrei"^ 
Präparaten  von  Schröder  gesehen  habe,  wo  neben  Arterien  ^*^^ 

ac- 


Venen  die  Lymphgefässe  mit  Quecksilber  gefüllt  waren,  ln 
patitide  vero  chronica  hepate  pseudomembranis  diäphragmati 


1« 


creto  mihi  contigit,  mereurlum  in  vasa  lymphatica  impulsu® 
ipsas  pseudomembranas  propellere,  ita  ut  vasa  lymphatica 
in  conspectum  venirent;  in  bis  valvulae  vel  noduli  iam  consp* 
potcrant  licet  minorcs  quam  in  aliis  vasis  lymphaticls;  cum  s" 
riis  ct  venis  cursum  magis  rectum  servabunt,  aliquando  tan* 
paulatim  convolutum,  aliquando  quaedam  vasa  , lymphatica  ad  P®® 
domernbranae  originem  snrsum  tollebanlur,  sed  postijuam  in 
domembranam  transire  inceperant,  aren  facto  ad  hepatis  sup® 
eiern  redibant,  in  illo  arcu  plura  vasa  lymphatica  ex  hepate 
minabantur;  an  arcus  talis  prima  vasorum  lymphaticoriim  n® 
rum  origo  ’ Schröder  observ.  anat.  path,  4-3; 


3.  TP^iederer Zeugung . W.  hei  exsudatioer  Entzündung,  389 

Die  Arterien  zielien  sich  nach  der  Durchschneidung  in  ihre 
^eilige  Scheide  und  verengern  sich.  Diess  geschieht  theils  durch 
'^•e  Elasticität  derselben,  theils  durch  ihre  Contractilitat.  Dass 
letztere  den  kleinen  Arterien  vrirklich  zukommt,  hat  Scuwann 
längst  durch  Versuche  an  dem  Mesenterium  des  Frosches  und 
‘'er  Feuerkröte  nachgewiesen.  Nachdem  das  Mesenterium  der- 
selben unter  dem  Microscope  ausgebreitet  w'ar,  brachte  er  einige 
Tropfen  AVasser  auf  dasselbe  von  einer  Temperatur,  die  einige 
^fade  niedriger  war  als  die  Temperatur  der  Luft.  Bald  daraul 
'begann  die  Verengung, .und  die  Gefässe  verengerten  sich  hinnen 
'0  — 15  Minuten  allmählig  so,  dass  der  Durchmesser  des  Lumens 
«•ner  Arterie  der  Feuerkröte,  der  Anfangs  0,0724  engl.  Lin.  he- 
'•■ug,  auf  0,0276  reducirt,  also  um  das  2— 3fache  verkleinert, 
Lumen  der  Arterie  seihst  also  um  das  4 9tache  verengt 
^ürde.  Die  Arterie  erweiterte  sich  darauf  wieder  und  hatte 
"ach  einer  halben  Stunde  ihre  lirühcre  Ausdehnung  ziemlich 
nieder  erlangt.  Wurde  nun  \on  Neuem  kaltes  Wasser  darauf 
Sahraeht  so  verengerte  sie  sich  wieder,  und  so  liess  sich  der 
^ersuch  an  derselben  Arterie  mehrmals  wiederholen.  Die  Ve- 
“en  aber  verengerten  sich  nicht.  Durch  diese  Verengung  und 
^ürch  die  Gerinnung  des  Blutes  wird  die  Blutung  aus  den  klci— 
**60  Arterien  gestillt.  Arterien  und  Venen  gerathen  nach  der 
^.irchschneidung  in  exsudative  Entzündung;  ihre  Höhle  wird 
geraume  Strecke  über  der  Verletzung  von  Exsudat  verschlos- 
*‘^»5  was  von  dem  anfänglichen  Trombus  zu  unterscheiden  ist. 
IfiLLiNG  die  Bildung  des  Blutpfropfes  in  verletzten  Blutgefässen, 
^hsenach  1834.  j Cf 

Merkwürdig  ist  die  neue  Gefässhildung  zwischen  den  ötum- 
Pfen  einer  unterbundenen  und  durchschnittenen  Arterie.  Mau- 
Parry,  Mayer  haben  solche  Beobachtungen  gemacht,  welche 
®ehr  übereinstimmend  sind.  Besonders  ist  seit  Ebel  s wiederhol- 
mit  guten  Abbildungen  begleiteten  Beobachtungen  an  der 
Tliatsache  nicht  zu  zweifeln.  Ebel  de  natura  medicatrice,  sieuhi 
^^teriae  vulneratae  et  ligatac  fuerint.  Giessen  Die  neue  Ver- 

'*'ndung  geschieht  durch  mehrere  zuweilen  gewundene  Gelasse 
''on  einem  zum  andern  Stumpfe,  wie  z.  B.  zwischen  beiden  Stüni- 
Pfen  der  Carotis  communis.  Bei  der  Erklärung  dieser  Erschei- 
hat  man  übersehen,  dass  bei  den  Thieren  auch  die  Carotis 
'^‘Rumunis  mehrere  ganz  kleine  Zweigclchen  in  die  Halsmuskeln 
i^'^gicht,  daher  auch  diese  sogenannten  neuen  Gefässe  wahrschein- 
'®h  nur  Umbildungen  von  anliegenden  Capillargefässnetzen  sind. 

, Was  die  Aneinanderheilung  getrennter  Tbeile  hetrilTt,  so 
\Rilt  allds  zusammen , was  organisirt  ist  und  im  exsudativen  Sta- 
diiun  der  Entzündung  sich  berührt  ; getrennte  Nervenstücke  köii- 
*"2»  unter  sich,  aber  auch  mit  Muskelsubstanz,  Beinhaut,  Aponeu- 
j^^sen  zusammenheilen.  3a  selbst  ganz  abgeschnittene  riielle  lei 
fl  au,  wenn  sie  frisch  in  innige  Berührung  mit  homogenen  oder 
heterogenen  frischen  Wundflächen  gebracht  werden , deren  Lnt- 
*hnduiig  aber  auch  über  das  Stadium  exsudativum  nicht  liinaiis 
darf.  Die  Wiederauheilung  vollkommen  gelrcmiler  orgam- 


390  II.  Buch.  Organ,  chemische  Processe.  II.  Abschn.  Ernährung. 


sirter  Theile  ist  zwar  äusserst  selten,  aber  doch  nicht  zu  bezwei-- 
fein.  Es  gehört  z.  B.  hierher  der  merkwürdige  BuESOER’sche  Fau 
von  Anheilung  einer  aus  einem  ganz  getrennten  Haulstücke  de* 
Schenkels  künstlich  gebildeten  Nase.  Fboriep’s  Not.  4.  255.  Nicht 
alle  Fälle  dieser  Art  ertragen  indess  eine  scharfe  Kritik.  Bui*' 
TER  wollte  den  Zahn  eines  Hundes  in  den  Ramm  eines  Hahne** 
verpflanzt  haben,  wo  er  fest  wurde.  Diess  wird  wohl  schwerlich 
Anheilung  gewesen  seyn.  Er  verpflanzte  eine  Drüse  vom  Tinte*'' 
leih  eines  Hahnen  auf  eine  Henne  (he  next  transplanted  a gla**** 
taken  from  the  abdomen  of  the  cock  to  a similar  Situation  ol  ** 
hen).  Er  verpflanzte  den  Sporn  eines  Hahnen.  Diese  sollen  ge- 
wachsen seyn.  Aberhetky  hat  diese  und  andere  Fälle  beschrie- 
ben. Abersethy  physiol.  lect.  253.  Aehnliche  Versuche  hatte 
HONio  angestellt.  Vergl.  oben  von  den  Zähnen  und  Haaren.  Nac** 
Merrem  und  v.  Walther,  meinem  grossen  Lehrer,  heilt  sogar  d**’ 
austrepanirte  Knochenstück  wieder  ein. 

Die  Anheilung  von  Hauttheilen,  die  noch  mit  dem  Stani***® 
znsammenh'ängen , mit  anderen  Theilen  desselben  Körpers  g**' 
schiebt  bekanntlich  leicht.  Ein  Process,  worauf  die  Bildung  fl®*’ 
Nase  aus  der  Stirnhaut  und  viele  andere  Fortschritte  der  Chi- 
rurgie beruhen,  um  welche  sich  Dieffenbach  grosse  Verdienste 
erworben  hat.  Das  einmal  angeheilte  Ilautstück  kann  hernact* 
an  der  Brücke,  durch  die  es  während  der  Anheilung  mit  fle^** 
Stamme  verbunden  seyn  musste,  durchschnitten  werden. 
Verwachsung  zweier  in  Entzündung  gesetzten  Theile,  deren  sie** 
die  Chirurgie  mit  so  grossem  Vortheile  zur  Aufhebung  der  D*/' 
continuitäten  und  Aufhebung  gewisser  Absonderungen  bedient,  ■* 
eine  ganz  allgemeine  Erscheinung  bei  organisirten  Theilen. 

Fötus  kann  hierdurch  an  Theilen  seines  Körpers  mit  den  Eihü*' 
len  verwachsen,  aber  'selbst  verschiedene  Individuen  können  **** 
diese  Art  mit  einander  verwachsen.  Bei  der  Verwachsung  A®*^ 
Embryonen  zeigt  sich  liier  ein  äusserst  merkwürdiges  Gesetz,  da** 
mit  seltenen  Ausnahmen  immer  die  gleichartigen  Theile  beid®* 
Embryonen  nicht  bloss  vei'wachsen,  sondern  ganz  zusammeD- 
stossen ; ja  es  entfernen  sich  sogar  die  symmetrischen  Theile  d®^ 
einen  Embryo  an  der  Verwachsungsstelle  von  einander  und  reT' 
wachsen  mit  den  entsprechenden  Theilen  des  andern  Embryo*' 
wodurch  die  Janus -Missgeburten  entstehen.  Dieser  Process  ** 
ohne  eine  gewisse  Affinität  gleicher  Theile  nicht  denkbar.  Dif*® 
Verwachsungen  mit  Verschmelzung  müssen  ganz  ausserordentho 
früh  eintreten.  Denn  später  findet  sich  beim  Verwachsen  ***** 
Verbindung. 

Bathke  hat  einen  Fall  beobachtet,  dass  ein  ^Embryo  mit  d®*** 
Kopfe  eines  andern ' durch  seine  Nabelschnur  verbunden 
Meck.  Arch.  1S30.  4. 

Was  die  Regeneration  der  verschiedenen  Gewebe  betrillL 
verwachsen  zwar  die  getrennten  Theile  eines  Gewebes  bei  d® 
Berührung  im  Stadium  exsudativum  der  Entzündung  in  der  ’ 
aber  die  neuerzeugte  Substanz^  welche  die  organisirten  Th®* 
verbindet,  und  welche  anfangs  Faserstofl'  ist,  liat  bei  den  d® 


3.  Wieder  er  Zeugung.  W.  bei  exsud.  Entzündung,  Knochen.  3*>l 

Empfindung  und  Muskelbewegung  bestimmten  Tiieilen  nicht  voll- 
kommen die  Eigenschaften,  welche  diese  Gewebe  sonst  darbieten. 
Eel  den  meisten  anderen  Geweben  ist  die  Regetieration  vollstiin- 
‘Eg,  auch  in  Hinsicht  der  organischen  Qualitäten,  besonders  bei 
denjenigen  Geweben , welche  weniger  durcii  ihre  Eebcuseigen- 
sehaften  als  durch  die  vermöge  des  Lebens  erhaltenen  physicali- 
®ehen  Eigenschaften  wichtig  werden,  wie  die  Knochen.^  Die  _Gre- 
'vebe  der  letztem  Art  regeneriren  aber  nicht  alle  gleich  leicht. 
Die  Sehnen,  Bänder,  Knorpel  regeneriren  überhaupt  ungemein 
^eliwer,  die  Knochen  dagegen  sehr  leicht. 

Die  Thatsachen  über  die  Heilung  verletzter  Knorpel  hat  E. 

*E  Weber  in  seinem  trefflichen  Werk  Jnat.  1.  306.  zusammeu- 
gestellt.  Nach  Brodie  heilen  verletzte  Gelenkknorpel  höchsteus 
doch  nur  so,  dass  die  zerstörten  Theile  nicht  wieder  ersetzt  wer- 
den. Nach  Beclard  entsteht  zwischen  den  Bruchllächen  derRip- 
Ponknorpe!  eine  aus  Zellgewebe  gebildete  Platte;  während  die 
E-uorpelstücke  auch  noch  durch  einen  knöchernen  Ring  yei’bun- 
den  werden.  Als  Dörker  aus  dem  Schildknorpcl  einer  Katze 
kleines  4eekiges  Stück  herausgeschniltcn  hatte,  war  das  Loch 
*d  28  Tagen  nur  durch  eine  feste  Haut  angefüllt.  Knorpel, 
'''eiche  durch  einen  Schnitt  getrennt  werden,  wachsen  nach  Dör- 
«Br  nicht  unmittelbar,  sondern  durch  Vereinigung  des  Perichon- 
driums  zusammen. 

üeber  die  Regeneration  d,es  fibrösen  Gewebes  haben  Arne- 
"ann,  Murray,  Moore,  Köhler  Versuche  angeslellt,  welche  in 
^bber’s  Werke  citirt  sind.  Bei  der  Heilung  der  Sehnen  soll  die 
"One  Substanz  mehr  knorpelig  als  faserig  und  glänzend  soyn. 
!N'ach  Arkemann  soll  sich  die  Dura  matcr  nie  wieder  erzeugen  (?). 

Ausgezeichnet  ist  die  Regeneration  der  Knochen.  Die  mehr 
sohwammigen  Knochen,  wie  Schädel,  Becken  und  Epiphysen  der 
Röhrenknochen,  heilen  schwieriger  als  die  Röhrenknochen  und 
dichteren  Knochen.  Manche  Brüche  heilen  oft  nur  durch  eine 
iaserige  biegsame  Bandmasse,  wie  die  zerbrochene  Kniescheibe. 
Der  ilruch  des  Oberschcnkelbeinhalses  innerhalb  des  Capselban- 
des  heilt  in  der  Regel  nicht  durch  Gallus,  sondern  durch  eine 
^igamentöse  Masse.  Otto  paih.  y4nat.pag.‘Z'l^.  Das  austrepanirte 
^tiiek  des  Schädels  wird  selten,  selbst  nach  langer  Zeit  nicht, 
durch  einen  vollständigen  Ersatz  von  neuerzeugter  Rnochenma- 
^erie  regenerirt.  Doch  kömmt  zuweilen  eine  vollständige  Auslul- 
^'U'g  durch  neue  Knochensubstanz  vor,  was  Scarpa  sah. 

Der  Process  der  Heilung  gebrochener  Knochen  beruht  auf 
®Bsudativer  Entzündung  und  Umwandlung  des  Exsudates  in  Kno- 
'^kenmaterie,  die  anfangs  die  Knochenstücke  ziemlich  unförmlich 
''erbindet  und  später  allmählig  umgewandelt  wird.  Die  Exsuda- 
Don  erfolgt  von  allen  Theilen,  welche  bei  dem  Knochenbruche 
'erletzt  worden  waren,  vom  Knochen  sowohl  als  von  der  Bem- 
**aut,  von  dieser  sowohl  als  von  dem  umherliegenden  Zellgcv^be 
"nd  anderen  verletzten  in  Entzündung  gerathenden  Theilen.  Die- 
ses erste  Exsudat  ist  wie  überall  in  der  Entzündung  der  antge- 
iöste  Faserstoff  des  Blutes;  das  Exsudat  erreicht  bald  die  Gonsi- 


392  II.  Blich.  Organ,  chemische  Processe.  II.  Abschn.  Ernährung. 

Stenz  der  Gallerte,  -welclie  sicli  organisirt,  wälirend  die  Entzün- 
dung fortdauert,  die  Beinhaut  aufscliwillt,  die  Knochenenden  sich 
erweichen.  Von  dem  ursprüngliehen  Exsudat  muss  man  wohl 
den  eigcnthumlichen  Gallus  unterscheiden ; das  erste  Exsudat  isl 
das  gleichförmige  Entzündungsprodukt  aller  verletzten  Theilc- 
Der  Gallus  ist  die  Grundlage  der  neuen  Knochensubstanz,  diesem 
entsteht  durch  Umwandlung  der  den  Knochenenden  nahe  liegen- 
den Theile  des  Exsudates  in  Knorpel , zuletzt  in  Knochen.  LiC' 
gen  beide  LStücke  so,  dass  sie  hierbei  verwachsen  können,  so  ver- 
wachsen die  Gallus  beider  Knochen,  sind  sie  aber  zu  sehr  voH 
einander  entfernt,  und  unvortheilhaft  gelagert,  so  assimilirt  zwa*^ 
jedes  Knochenstück  das  ursprüngliche  Exsudat,  und  bildet  GalhiSj 
aber  die  Gallus  beider  Stücke  verbinden  sich  nicht.  Der  Knorpf^ 
durchläuft  die  natürlichen  Bildungsstufen  des  Knochens,  er  ossi- 
ficirt  durch  Absetzung  von  phosphorsaurer  Kalkerde,  und  es  ent- 
steht zuletzt  das  zellige  Gefüge  der  Knochen.  Das  ursprünglich® 
Exsudat  enthält  nach  HowsiiiP  schon  am  5.  Tage  ein  dichtes  ro- 
thes  Netz  von  Gefässen,  nach  B.icuerand  ist  der  Knochen  a’** 
12. — 15.  Tage  iu  vollkommener  Entzündung  und  Ergiessung- 
Der  prov'isorische  Gallus  umgiebt  nicht  allein  die  Knochenstücke 
zum  Theil,  sondern  füllt  auch  die  Markhöhle  an  der  Bruchstelle 
aus.  Diese  Verschliessung  der  Mai-khöble  wird  indess  allmähhg 
nach  M.  J.  Webeh  auf  blosse  Scheidewände  reducirt,  und  dd’ 
Gallus  nimmt  mehr  und  mehr  die  Form  des  Knochens  an,  defi- 
nitiver Gallus.  Selbst  nach  der  vollständigen  Ossification  daiiei’l 
die  Formveränderung  in  diesen  Theilen  fort,  und  nach  Monate*' 
findet  man  sowohl  äusserlich  die  die  früheren  Bruchstücke  vc*’- 
hindende  Knochenmasse  wenig  uneben,  als  auch  die  Markhöhle 
wieder  hergestellt. 

Nach  ViLi.ERME  {DLct.  des  sc.  med.  art.  ossification)  befindet 
sich  der  Gallus  im  knorpeligen  Zustande  vom  16. — 25.  Tage;  d'® 
Ossification  findet  am  20.  Tage  bis  zum  3.  Monate  statt. 

Die  Litteratur  über  diesen  Process  ist  ausserordentlich  gre^*j 
und  kann  hier  nicht  ganz  angeführt  werden;  man  findet  sowoh* 
diese  als  eine  vollständige  Exposition  der  Ansichten  über  die  ßd' 
düng  des  Gallus  \mlJict.  des  sc,  mtid.  und  in  A.  L.  B.ichter  Ilandb- 
d.  Lehre  von  d.  Brüchen  und  Verrenkungen  der  Knochen.  Bcrk'^ 
1828.  p.  89  — 117.  Die  vorzüglichsten  Schriften  über  diesen  Ge- 
genstand sind  Haller  element.  physiol.  8.  345.  Detlef  in  Halle»' 
op.  min.  2.  463.  Troja  de  novorum  ossium  regenerafione  exp. 

1775.  Köhler  exp.  circa  regeneraf.  ossium.  Gott.  1786.  Van  H»®' 
KEREN  de  osteogenesi  praeternaturali.  Lugd.  Bat.  1798.  Macdon»^ 
de  necrosi  et  callo.  Edinb.  1799.  Dupuytren  l)ict.  des  sc.  nV"’ 
38.  434.  Howsmp  Beob.  über  den  gesunden  und  kranken  Bau 
Knochen.  Kortum  exp.  circa  regenerat.  ossium.  Bei;ol.  1824. 

DING  diss.  de  regejieratione  ossium.  Lips.  182.3.  M.  J.  Weber 
act.  ' acad.  nal.  cur.  12.  2.  Breschet  Recherches  experinient. 
la  formation  du  cal.  Paris  1819. 

D^r  Hauptpunkt  der  Gontroverse  war  vorzüglich  die  Frage» 
welchen  Antheil  die  Beiuhaut  an  der  Gallushildung  habe. 


3.  Wiederer Zeugung,  bei  exsud,  Entzündung.  Nerven.  393 

“amel,  Schwenke,  Bordenavb,  Bletmenbach,  Köhlee,  DuprYTHEN 
Boyer  schrieben  ihr  einen  wesentlichen  Antheil  zu.  Schon 
PtTLEF  zeigte,  dass  die  Beinhaut  zu  der  Bildung  des  Gallus  nichts 
“ßitrage,  und  sich  erst  später  bilde.  Hakler,  Sömmerring,  Scarpa, 
^»crerand  und  Crl’VEilhier  Hessen  den  Gallus  durch  Exsudation 
'■on  den  Rnochenenden  selbst  entstehen.  Von  der  unphysiologi- 
*®l>en  Vorstellung  Duhamel’s,  dass  die  Beinhant  das  Bildungsorgan 
Knochens  sey,  ist  schon  früher  die  Rede  gewesen.  So  wenig 
zuerst  den  Knochen  bildet,  so  wenig  wird  sie  allein  das  Bil- 
ä*ingsorgan  des  Gallus  seyn  können.  Nur  an  der  ursprünglichen 
^''sudati'on  nach  dem  Knochenbruche  hat  die  Beinhaut',  wie  alle 
‘"‘deren  verletzten  Theile,  der  Knochen  und  die  ■ umherliegenden 
®"tzundeten  Theile  Antheil.  Die  Ossification  erfolgt  nach  Mie- 
*"her’s  Untersuchungen  immer  zuerst  von  den  Knochenstucken 
l">ljst  aus  und  zwar  nicht  von  den  Enden,  sondern  in  einiger 
Entfernung  davon,  so  dass  um  die  , Bruchenden  gleichsam  eine 
"ssificirte  Gapsel  entsteht,  indem  die  gegeneinanderwachsenden 
^ssificationen  beider  Knochen  verwachsen. 

Die  Entstehung  der  ersten  Ossificationen  im  Gallus  dicht  am 
Enochen  und  das  weitere  Fortschreiten  zeigen,  dass  die  Gegen- 
'^ai-t  des  Knochens  hier  zur  neuen  Knochenbildung  nothwen- 
'lig  ' 

Die  serösen  Häute  sind  von  allen  Theilen  am  meisten  zur 
Exsudatioii  von  Liquor  sanguinis  geneigt,  vielleicht  weil  sie  am 
'beniesten  eigenes  assimilirendes  Gewebe  besitzen.  DieVerwach- 
>g  ist  daher  bei  ihnen  am  häufigsten.  Ob  sich  bei  veralteten 
f"xationen  in  den  neu  entstandenen  Gelenken  neue  Synovialhaute 
bilden,  ist  noch  nicht  ganz  gewiss,  obgleich  es  Meckel  vielleicht 
bestimmt  annimmt.  Die  Synovia  eines  neuen  Gelenkes  kann 
"Herdiiigs  von  dem  Reste  der  Synovialhaut  herruhren,  der  dem 
Eiiochen  noch  aiihängt.  „ , 

Die  Narbe  der  im  Stadium  der  exsudativen  Entzündung  ge- 
"eilten  Hautwunden  ist  dichter  als  die  Haut  selbst,  empfindlich, 
anfangs  röther,  später  weisser;  sie  hat  eine  feinere  Epidermis. 
J^Pössere  Narben  entstehen  von  Heilung  mit  eiternder  Entzündung 
Eei  Substanzverlust  der  Haut,  ln  diesem  Falle  ist  die  Hautnarbe 
"aarlos,  und  bei  den  Negern  mehrentheils  anfangs  farblos,  wor- 
aber  doch  häufig  in  der  Folge  die  schwarze  Hautfarbe  sich 

. Die^Schleimhäute  heilen  schwer  zusammen,  worauf  zumTheil 
Schwierigkeiten  bei  der  Ausführung  der  Gaumennath  und 
^armnath  beruhen.  Nach  der  Durchschneidung  der  Ausfuhrungs- 
S'ange  der  Drüsen,  entsteht,  wenn  die  getrennten  Stucke  in  Be- 
*'"lirung  bleiben,  zuweilen  eine  Regeneration  des  Ganges,  so  dass 
E&ine  Verschliessung  erfolgt.  Diess  hat  zuerst  Mueller  de  vulne- 
diwt.  exeret.  Tüb.  1819.  in  3 Fällen  am  Ductus  Whartonia- 
der  Submaxillardrüse,  und  einmal  am  Ductus  pancreaticus, 
2 Fällen  am  Ductus  defereiis  des  Hundes  und  der  Ratze  be- 
"^laehtet.  Brodie,  Tiedemann,  Gmelin,  Levret  und  Lassaigne  lia- 
""n  nach  Unterbindung  des  Ductus  choledochus  in  einigen  fal- 


394  II.  Buch.  Organ,  chemische  Processe.  II.  Abschn.  Ernährung. 

len  eine  Wiederherstellung  des  Ganges  gesehen.  Die  Gelbsucht 
verschwand  in  Tiedemakm’s  Versuchen  in  einigen  Fällen  wie‘1®*' 
nach  10 — 15  Tagen.  Die  Ligatur  hatte  hier  entweder  durcbg®' 
schnitten,  und  war  abgefallen ^ ehe  die  Durchschnittsflächen  ver- 
heilten, oder  die  coagulable  Mateiie  wurde  um  die  Ligatur  er- 
gossen, und  letztere  hatte  sich  vielleicht  im  Innern  des  äusserlir*' 
hergestellten  Ganges  abgestossen,  und  ist  durch  den  Canal  selb* 
ausgetreten.  In  13-  26  Tagen  war  der  Gang  wieder  bergest®^ . 

gefunden  worden.  Tiedemamn  und  Gmelin  die  Verdauung 
Versuchen.  2. 

Die  Drüsen  vernarben  zwar,  aber  die  Narhensuhstanz  erbi'l' 
nicht  die  Eigenschaften  der  Drüsensubstanz.  Eben  so  verhält 
sich  mit  den  Muskeln.  Die  Narbensubstanz  der  Muskeln  ist 
P.  Fh.  Meckel,  Richerahd,  Pabry,  Huh»,  Muhray  und  AuTENB'r’^.** 
dem  verdichteten  Zellgewebe  ähnlich,  und  zeigt  keine  Contrart’- 
lität  gegen  galvanischen  Reiz.  Rleemann  diss.  circa  reprod.  p^f' 
iium.  Hai.  1786.  Huhn  de  regen,  partium  mollium.  Gott.  1'^^’ 
Murray  de  redintegratione  partium  etc.  Gott.  1787.  Aütenriet« 
Schnell  diss.  de  nat.  unionts  musculorum  uulneratorum.  Täb.  1811'b 
Die  Wunden  des  schwängern  Uterus  vernarhen  sehr  leicht,  J‘| 
Wunde  wird  durch  die  Zusammenziehnng  des  Uterus  scbi'‘'‘ 
überaus  klein.  Es  scheint,  dass  vorzugsweise  die  äussere  serb*^ 
Haut  des  Uterus  vernarbe.  Vergl.  Mayer,  Graefe  und  WaI' 
ther’s  Journ.  11.  4.  Eine  neue  Erzeugung  von  wahrer 
Substanz,  wie  sie  in  Wolff  tract.  de  formatione  fibrarum  must^' 
larium  m pericardio  atque  in  pkura.  Ileidelb.  1832.  beschriebe" 
wird,  ist  gewiss  nicht  annehmbar.  Diese  merkwürdigen  faserig«“ 
Schichten  auf  Pleura  und  Herzbeutel,  die  ich  im  Museum 
Heidelberg  gesehen  habe,  sehen  unregelmässigen  Muskelfasern  vv«l" 
ähnlich,  können  aber  doch  wohl  nur  Faserstoffexsudate  sey'" 
Wir  kennen  keinen  Reweis  für  die  Existenz  von  Muskelsubsta«*' 
als  ihre  Znsammenziehung.  Vergl.  Wutzer  in  Mueller’s 
1834.  p,  451. 

Ueber  die  Regeneration  der  Nerven  haben  Arnemann,  Hai«- 
THON,.  Prevost,  Meyer,  Fontana,  Michaelis,  Swan,  Breschet, 
BEMANN  Untersuchungen  angestellt;  gleichwohl  ist  dieser  Geg«"' 
stand  noch  ziemlich  im  Unklaren,  indem  mehrere  Beobachter  J'“ 
Frage,  ob  die  getrennten  Stücke  zusammenheilen,  mit  der  Fr"»® 
verwechselten,  ob  die  Narbenmasse  die  Eigenschaften  des  Nerv^^"^ 
gewebes  hat,  was  sowohl  in  anatomischer  als  physiologischer  Hi»' 
sichtreme  Prüfung  v,on  ganz  ausserordentlicher  Schwierigkeit  >*.'• 
Bekanntlich  ziehen  sich  die  Nervenstücke  nach  der  Durchseh»«*' 
düng  durch  die  Elasticität  ihrer  Scheide  etwas  zurück.  Dass  abei 
die  Nei venstücke,  wenn  sie  nahe  an  einander  liegen,  sich  vvieJ«* 
vereinigen,  dariuj  ist  freilich  .nicht  zu  zweifeln.  Soft  nun 
Nervensubstanz  die  Eigenschaften  der  Nerven  haben,  so  muss 
Primiliyfasern  enthalten.  Arnemann  {Versuche  Uber  die  Regenr.rtt' 
tion.  Gott.  1*97.)  fand,  dass  die  Narhensuhstanz  von  der  «'S““" 
Ihümhchen  Substanz  der  Nerven  verschieden  sey,  und  eine  hart.« 
Anschwellung  bilde.  Dagegen  Fontana  {Versuche  über  das 


•3.  Wieder  er  Zeugung.  W.  bei  exsudat,  Entzündung.  Neruen.  895 

i‘^>'ngifi)  <lie  Aehiiliclikeit  der  SuLstanz  nach  Versuchen  am  N. 
''agus  der  Kaninchen  annimmt.  Allein  29  Tage  nach  der^  Durch- 
®‘dineidung  konnten  sich  unmöglich  die  Primitivfasern  in  jener 
Narbe  erzeugen,  die  man  nach  meinen  Beobachtungen  seihst  nach 
Wochen  noch  nicht  deutlich  darin  findet,  indem,  die  Narhen- 
'aasse  dann  noch  wie  dichtes  Zellgewebe  ist.  Prevost  (Fäoriep’s 
N’ot.  360.),  der  den  N.  vagus  an  Katzen  durchschnitt  und  wieder 
teilen  liess,  fand  nach  4 Monaten  eine  Fortsetzung  der  Nervenfä- 
durch  die  Narbe.  Sehr  unwalirscbeinllcb  ist  Michaelis  Angabe 
die~  Regen,  der  Nerven.  Cassel  1785.),  dass  nach  Ausschnei- 
düng  -von  9 — 12  Lin.  langen  Nervenstücken  nach  mehreren  Wo- 
eine  Vereinigung  durch  Nervenfaden  statt  fand.  Meyer 
(^eil’s  Arch.  2.  449.)  und  Tiedemasn  prüften  die  neu  eräugten 
Substanzen  durch  Salpetersaure,  welche  die  Hüllen  der  Nerven 
'‘uflöst  aber  die  Nervensuhstanz  zurücklässt.  Piess  Prütungsmit- 
ist’aher  wohl  trüglich.  Die  Primitivfasern  der  Nerven  unter- 
sucht man  wohl  am  besten  mit  dem  einfachen  Mikroskop  heiLe- 
^•■achtung  von  oben,  indem  der  Nerve  auf  einem  schwarzen  Tä- 
^«Ichen  lie^t,  in  seine  Nervencylinder  zertheilt  wird,  diese  festge- 
*Pannt  und  wieder  unter  dem  Mikroskop  mit  Nadeln  in  die  nun 
«'cht  sichtbaren  Primitivfasern  auseinander  gezerrt  werden.  Nach 
^einerlei  Art  chemischer  Behandlung  bann  man,  so  viel  mich  meine 
Beobachtungen  lehren,  die  feinsten  Primitivfasern  der  Nerven  stu- 
d'ren,  der  Nerve  muss  ganz  frisch  mikroskopisch  untersucht  wer- 
*^cn.  Als  ich  auf  diese  sichere  und  in  der  That  nicht  sehr  schwie- 
*’'ge  Art  die  Narbe  des  vor  7 Wochen  zerschnittenen  und  wie- 
der verheilten  N.  ischiadicus  eines  Kaninchens  untersuchte,  so 
gönnte  ich  mich  nicht  hinreichend  von  der  Existenz  der  paral  e- 
‘un  Primitivfasern  in  der  noch  harten  Narbenmasse  uberzeugen, 
aus  dichtem  Zellstoffe  zu  bestehen  schien;  ich  werde  das 
cler_  Versuch  e später  angeben. 

Von  grossem  Gewichte  sind  nun  physiologische  Versuche  über 
i'e  Wiederherstellung  der  Empfindung  und  Bewegung  in  den 
^Beilen  deren  Nerven  vorher  durchschnitten  worden.  Man  kann 
'‘ber  auch  wieder  von  den  meisten  der  bisher  angestellten  Ver- 
*’»che  dieser  Art  behaupten,  dass  sie  nicht  mit  hinreichender 
N-ritik  augestellt  sind. 

, Eine  Wiederherstellung  der  Empfindung  fand  der  Gegner 
Reproduction,  Arkemank,  in  einem  seiner  Versuche  an  einem 
'««■her  durchschnittenen  IJautiierven  des  Vordertusses  eines  Hun- 
des, ferner  Descot  («Aer  die  örtl.  Krankh.  der  R'erven.  Lcipz.  1826.) 
Bei  einem  Manne,  der  sich  den  N.  ulnaris  verletzt  hatte,  und  bei 
’^eia  anfangs  im  4.  und  5.  Finger  das  Gefühl  ganz  mangelte,  wah- 
*'end  die  ersten  Tage  nach  der  Verletzung  das  Gelühl  undeutlich 
und  sich  nach  und  nach  wiederherstellte.  Descot  s Fall  be- 
Jfeist  nichts  da  der  Nerve  wohl  nicht  ganz  durchschnitten  war. 
Bei  einem  jungen  Manne  sah  ich  Prof.  Wutzer  ein  Neuroma  des 
N-  ulnaris  am  Oberarme  exstirpiren,  wo  dieser  Nerve  ober  un 
*‘“ter  der  Gesphwulst  durchschnitten  und  mit  der  Geschwulst  ein 


396  II.  Buch.  Organ,  chemische  Processe.  II.  Abschn.  Ernährung' 

2^  Zoll  langes  Stück  des  Nerven  ansgesclinitten  wurde. 
könnte  sich  unmöglich  die  Nervensubstanz  reprodnciren,  dennoc» 
stellte  sicli  nach  3 — 4 "Wochen  die  Empfindung  in  der  TJI**®®'’ 
^ Seite  des  4.  Fingers  (nicht  im  5.  Finger)  alirnühlig  wieder 
ofFenhar  weil  der  Ramus  volaris  ulnaris  digiti  4.  mit  einem  Aesl' 
eben  des  N.  medianus  verbunden  ist.  Nach  8 Monaten  fand  * 
den  4.  Finger  auf  beiden  Seiten  vollkommen  empfindlich. 
allmiihlige,  aber  unvollkommene  Wiederkehr  der  Empfindung  na®'* 
Durchschneidung  eines  N.  dorsalis  pollicis  bat  Gbuithuisen 
sich  selbst  beobachtet.  In  einem  Falle,  den  Eari.e  {med.  chi’'' 
Trans.  7.)  erzählt,  wo  ein  Theil  des  N.  ulnaris  ausgeschniH®" 
wurde,  konnte  der  kleine  Finger  5 Jahre  nachher  noch  ni®^** 
gebraucht  werden  und  hatte  nur  unvollkommene  Empfindung®"' 
In  der  grossen  Anzahl  von  Arnemanw^s  Versuchen  war  das  unt®**" 
Stück  eines  durchschnittenen  Nerven  100  — 160  Tage  luiclil*"*; 
ganz  unempfindlich.  Unter  die  merkAvürdigsten  Versuche  nh"' 
die  Reproduction  der  Nerven  gehören  die  von  HAtoTHo»,  Pbevos( 
und  Tiedemahn.  Haigthon  (Reil’s  Arch.  2.  80.)  durchschnilt  J*"' 
einem  Hunde  den  N.  vagus  am  Halse  auf  der  einen  Seite;  als  ®‘ 
3 Tage  nachher  den  andern  Nerven  durchschnitt,  starb  das  Thi®5; 
wie  immer,  wenn  beide  Nerven  zugleich  durchschnitten  sind.  E®, 
durchschnitt  bei  einem  Hunde  zuerst  den  einen,  9 Tage  dar®*" 
den  andern  Vagus.  Der  Hund  lebte  13  Tage.  An  einem  and®®" 
Hunde  wurde  der  Vagus  der  einert  Seite  6 Wochen  nach  d®’" 
Vagus  der  andern  Seite  durchschnitten.  Der  Hund  war 
darauf  6 Monate  ungesund,  aber  er  blieb  am  Leben.  Die  Stimi®*" 
war  nach  6 Monaten  wiedergekehrt  und  die  Töne  waren  höh®® 
geworden.  An  dem  Hunde,  dem  Haigthos  19  Monate  vor!'®® 
beide  N.  vagi  durchschnitten,  durchschnitt  er  nun  wieder  bei*^" 
Vagi  nach  einander;  das  Thier  starb  am  2.  Tage.  Ricbera**" 
hat  die  Versuche  von  Haigthon  ohne  Erfolg  wiederholt.  Au®** 
Dreschet  und  Delpech  leugnen  die  Regeneration  der  Nervensi'l’' 
stanz.  Evujy  Vwisectionen  21%.  Dagegen  hat  Prevost  Haigtho»’® 
Versuche  bestätigt,  FapaiEp’s  Eot.  .360.  Als  2 neugebornen  liatz®" 
der  eine  N.  vagus  1 und  2 Monate  nacli  der  I3urclischneidu*^S 
des  andern  durchschnitten  wurde,  starben  die  Thiere  (im  erst®" 
Falle  in  lu,  im  zweiten  Falle  iu  3G  Stunden).  Dagegen  lebt®" 
2 junge  Ratzen  fort,  als  er  den  zweiten  Vagus  4 Monate  na®** 
dem  ersten  durchschnitt,  sie  lebten  noch  14  Tage  nachher;  all®*" 
als  nun  der  zuerst  operirte  und  wieder  verheilte  Nerve  nochio®*® 
durchschnitten  wurde,  starben  sie  in  .30  Stunden. 

Die  Beweiskraft  einer  andern  Reihe  von  Versuchen  beruht 
auf  der  Wlederlierstellung  der  Bewegung  in  Gliedern,  deren 
ven  vorher  durchschnitten  worden.  Die  meisten  Versuche  dies®" 
Art  beweisen  gar  nichts,  wenn  man  nicht,  wie  in  TiedemA!»"’® 
Fall,  alle  JVerven  eines  Gliedes  durchschneidet.  Swan  hatte  vi®*® 
Versuche  über  den  Erfolg  der  Durchschneidung  des  Nerv«® 
ischiadicus  bei  Kaninchen  angestellt,  aus  denen  sich  jedoch  k®"* 
entscheidendes  Resultat  ergiebt.  J.  Swan  über  die  Behandlu^r 
der  EocalkrankheUen  der  Nerven,  übers,  y.  Francke,  Leipäg 


3.  JFiedererzeusung.  fF.  bei  exsudat.  Entzündung.  Nerven.  397 

Thiere  lernen  nach  der  Durchschneidung  des  Nervus  ischia- 
f'ciis  bald  wieder  gehen,  aber  erlangen  den  Vollkommnen  Ge- 
'**■411011  des  Fusses  niemals  wieder.  Dass  diese  Thiere  selbst  ei- 
"‘ge  Ta-^e  nach  der  Durchschneidung  des  Nervus  ischiadicus  am 
^■lerschenkel' den  Fuss  wieder  gebrauchen,  darf  uns  nicht  wun- 
'’ern.  x)enn  da  die  Aeste  der  Obersclienkelmuskeln  ganz  hoch 
aus  dem  Plexus  ischiadicus  und  dem  N.  ischiadicus  abgehen, 

!**  werden  sie  in  der  Regel  durch  die  Verletzung  des  Nervus 
l^cliiadicus  am  Oberschenkel  gar  nicht  betliedigt.  Dazu  kommt, 
”*'ss  die  Oberschenkelmuskeln  auch  von  dem  N.  cruralis  und 
'?l*turatorius  verscbeii  werden.  Die  Durcbschneidung  des  N^.  iscbia- 
'**cus  in  der  Milte  des  Oberschenkels  und  selbst  höher  lahmt  nur 
Nervus  peronaeus  und  tibialis , also  die  Muskeln  des  Unter- 
*«l»enkels  und  FuSses.  Ohne  dass  die  Thiere  vollkommen  aullre- 
können,  werden  dieselben  nach  jener  Operation  Moch  das 
^ein  beim  Gehen  durch  die  vollkommene  Wirkung  der  Ober- 
*«henkelmuskeln  gebrauchen. 

Ich  habe  einige  Versuche  über  die  Regeneration  der  Nerven- 
**»I»stanz  nach  einem  veränderten  Plane  angestellt,  dessen  Anwen- 
in  der  Folge  gewiss  sichere  Resultate  verspricht;  aber  leider 
***>d  die  Versuche,  die  ich  anstellte,  nicht  ganz  entscheidend, 
'«t  erzähle  sie,  damit  sie  neue  Versuche  dieser  Art  veranlassen. 

Ich  hatte  bei  einem  Kaninchen  den  N.  ischiadicus  am  13.  Ja- 
"Uar  1832  in  der  Mitte  des  Oberschenkels  durchschnitten.  Das 
’J^tiier  erhielt  nach  2 IMonaten  den  Gebrauch  seines  Fusses  nicht, 
hinkte  und  die  Ferse  war  aufgetreten.  Am  7.  April  wurde 
Thier  wieder  vorgenommen.  Der  N.  ischiadicus  wurde  an 
‘'em  lebenden  Thiere  blossgelegt.  Der  Nerve  war  schon  geheilt 
■ "od  zeigte  eine  lange  Anschwellung.  Der  Nerve  über  der  Narbe 
'**il  der  Nadel  gezeiVt,  bewirkte  keine  Zuckungen  m den  Muskeln 
Unterschenkels  und  Fusses,  die  Zerrung  des  obern  Theils  der 
^'rhe  eben  so  wenig.  Dagegen  bewirkte  Zerrung  des  mittlern 
feiles  und  untern  Theiles  der  Narbe,  so  wie  des  Nerven  unter 
Narbe  jedesmal  eine  Zuckung  in  den  Muskeln  des  Unter- 
*«tenkels,  namentlich  in  den  Muse,  peronaeis,  welche  blossge- 
kt  waren.  Die  Haut  des  Fusses  war  unempfindlich  von  der 
ferse  bis  zu  den  Zehen,  am  Unterschenkel  war  sie  empfind- 
jeh,  offenbar,  xveil  die  Nervi  cutanei  des  Unterschenkels  von 
'lern  durchschnittenen  Theil  des  Nervus  ischiadicus  zum  Theil 
!J'*4hhängig  sind.  2)  Bei  einem  Kaninchen,  bei  dem  ich  den 
Nervus  yiiadicus  über  der  Mitte  des  Oberschenkels  durch- 
''^linitten  hatte,  legte  ich  nach  1 Monat  20  Tagen  darauf,  als 
Thier  noch  ebenso  mit  dem  Fusse  hinkte,  wie  anfangs 
“ach  der  Operation,  (bei  dem  lebenden  Thiere)  den  Nerven  wie- 
bloss.  Die  mechanische  Reizung  des  Nerven  mit  einer  Na- 
del  erregte  keine  Zuckungen  in  den  entblössten  Muskeln  des  Un- 
‘«rschenkels,  während  sie  unter  der  Narbe  auf  den  Nerven  ange- 
wandt Zuckungen,  besonders  in  den  blossgelegten  Muse,  peronaei, 
“cwirkte.  Der  galvanische  Reiz  eines  einfachen  Plattenpaars  au 
“cn  Nerven  über  der  Narbe  angewandt,  wobei  beide  Platten  über 


;i98  II.  Buch.  Orgq.n.  chemische  Proce.tse.  II.  Abschn.  Ernährung. 


der  Narbe  applicirt  trorden,  erregte  keine  Zuckungen  in  den  vof 
dem  Nervenstücke  unter  der  Narbe  abhängigen  Muskeln. 
Assistent,  Herr  Schwann,  liess  nun  die  Pole  einer  aus  100  Platten- 
paaren  bestehenden  Säule  von  ausserordentlicher  Kraft  auf 
Nerven  über  der  Narbe,  dem  hier  eine  Glasplatte  untergeschoben 
war,  wirken.  Hier  entstanden  freilich  starke  Zuckungen  in  alle” 
Muskeln  des  Unterschenkels.  Allein  es  zeigte  sich,  dass  der 
sehr  kräftige  galvanische  Strom  durch  den  Nerven  als  blosse” 
nassen  thierischen  Leiter  fortgeleitet  Wurde.  Ein  so  starker  Stro>” 
ist,  wie  wir  zu  spät  ersahen,  zu  keiner  Art  physiologischer  Ve”' 
suche  brauchbar,  weil  er  nicht  wohl  zu  isoliren  ist,  und,  wie 
hernach  sahen,  auch  schon  durch  einen  ganz  zermalmten  Nerve” 
und  2 ganz  getrennte  Nervenstücke,  die  durch  eine  feuchte  Obe”' 
fläche  des  Körpers,  worauf  sie  liegen,  verbunden  sind,  überspring*' 
.3)  Am  10.  Juli  1832  wurde  einem  Kaninchen  der  Nervus  isebi”' 
dicus  über  der  Mitte  des  Oberschenkels  durchschnitten.  Nach  ” 
Monaten,  als  das  Thier  immer  noch  beim  Gehen  den  Fnss  etw”* 
schleppte,  wurde  bei  diesem  lebenden  Thiere  der  Nervus  isebi”' 
dicus  wieder  blossgelegt.  Der  einfache  galvanische  Reiz  und  j”*" 
in  diesem  Falle  sehr  schwache  Reiz  einer  galvanischen  Säule  vo” 
30  Plattenpaaren  bewirkte  keine  Zuckungen  in  den  Muskeln 
Unterschenkels,  als  beide  Pole  oberhalb  der  länglichen  Narb” 
applicirt  wurden.  Wir  erstaunten  aber  sehr,  als  wir  unterhalb 
der  Narbe  den  galvanischen  Reiz  auf  den  Nerven,  oder  auf 
NervTis  peronaeus  applicirten,  und  nun  auch  nur  äusserst  gering” 
Spuren  von  Zuckungen  in  den  Unterschenkelmuskeln  und  nanien*' 
lieh  den  blossgefegten  Muse,  peronaeis  entstehen  sahen.  Später” 
mit  Dr.  Sticker  angestellte  Versuche  {Mueh.er’s  Archiu  1834.  P- 
202.)  haben  die  Resultate  dieser  Versuche  noch  mehr  aufgeklärt- 
Man  hatte  zu  viel  Werth  auf  Nvsten’s  Erfahrungen  gelegt,  da** 
die  Muskeln  derer,  die  einige  Tage  nach  einem  Schlagflusse  g”' 
storben  waren,  trotz  der' Hirnlähmung  noch  contractil  gegen  gal- 
vanischen Reiz  waren.  Nysten  a.  a.  0.  p.  36‘9.  Es  fand  sid’ 
nämlich  bei  jenen  Versuchen,  dass  das  vom  Hirneinfluss  g”' 
trennte  untere  Stück  eines  durchschnittenen  Nerven  in  der  ei-ste” 
Zeit  allerdings  seine  Reizbarkeit  behält,  dass  sie  aber,  Yvenn  d'” 
Aneinanderheilnng  der  Nervenstücke  verhindert  wird,  später  ver- 
loren geht,  so  dass  man  nach  2 Monaten  durch  den  auf  das  un- 
tere Nervenstück  applicirten  galvanischen  Reiz  eines  einfache” 
Plattenpaars  keine  Zuckungen  mehr  in  den  Muskeln  erregen  kann- 
Selbst  die  Muskeln  hatten  ihre  Reizbarkeit  für  das  galvanisch” 
Fluidum  in  mehreren  Fällen-  verloren..  Hiernach  sprechen  di” 
vorhin  erwähnten  Versuche  doch  mehr  für  als  gegen  die  Herstellung 
der  Nervenleitung.  Im  dritten  Falle  allein  fehlte  die  Reizbarkeit 
im  untern  Nervenstücke  fast  ganz,  und  in  diesem  Falle  schein* 
daher  zwar  eine  Vernarbung  der  Nerven,  aber  keine  Herstellung  d”*' 
Leitung  statt  gefunden  zu  haben.  Da  der  Einfluss  des  Gehirns 
und  Rückenmarks  auf  die  Nerven  zur  längern  Erhaltung  der  Reiz- 
barkeit eines  Nerven,  nach  Sticker’s  Versuchen,  nöthig  ist, 
giebt  die  blosse  Reizbarkeit  des  untern  Stückes  eines  durchschni*- 


3.  Wiedererzeugung,  W.  hei  exsudativer  Entzündung.  399 

J®öen  Nerven  nach  mehreren  Monaten  den  Beweis  ah,  dass  die 
Teilung  (mit  Herstellung  der  Leitung  verbunden  war.  Schwann 
neulich  einen  Versuch  über  die  Reproduction  der  Nerven 
einem  Frosche  angestellt.  Er  dnrchschnitt  in  der  Mitte  bei- 
Oberschenkel  den  N.  ischiadieus.  In  der  ersten  Zeit  nach 
Operation  hüpfte  der  Frosch  nur  selten,  sondern  bewegte 
meistens  durch  Kriechen  fort.  Nach  Verlauf  eines  Monates 
^Pfte  ex  schon  häufiger,  und  nach  3 Monaten  ging  diese  Bewe- 
fast  eben  so  gut  von  Statten,  wie  bei  einem  gesunden  Frosch, 
mich  die  Anfangs  aufgehobene  Empfindlichkeit  in  den  Füssen  war 
''äch  dieser  Zeit  grösstentheils  zurückgekehrt.  Wurden  die  bloss- 
^®legten  Nerven  hoch  oben  oder  dicht  über  der  Narbe  mit 
''•‘Her  Nadel  gereizt,  so  entstanden  starke  Zuckungen  an  den  ent- 
*P*'echenden  Muskeln.  Dasselbe  zeigte  sich,  wenn  die  Nerven 
^Hier  der  Narbe  und  wenn  die  Muskeln  selbst  gereizt  wurden. 

der  Untersuchung  des  Nerven  fand  Schwann  Folgendes:  Naeh- 
Hein  der  Nerv  (die  Untersuchung  konnte  nur  an  Einem  gemacht 
^®rden)  von  den  umgebenden  Theilen,  womit  er  an  der  verletzten 
^•■elle  zusammenhing,  getrennt  war,  bemerkte  man  ein  Stück  von 
'*')Sefäbr  1"'  Länge,  welches  nicht  die  glänzende  Weisse  zeigte, 
der  übrige  Nerv,  sondern  etwas  mehr  durchscheinend  war. 
schien  dadurch  die  Grenze  angedeutet,  wie  weit  sich  die 
r*’ehschnittenen  Nerven,  wenigstens  das  Neurilem  derselben  zu- 
*^!*®hgezogen  hatte.  Das  mehr  durchscheinende  Stück  musste 
I H theils  aus  der  aus  dem  durchschnittenen  Nerven  hervorquel- 
^Hden  Nervensubstanz,  theils  aus  neu  erzeugter  Masse  bestehn. 

ganze  Stück  licss  sich  aber  nicht  für  hervorgepresste  Ner- 
''^Hinasse  erklären , weil  es  dafür  zu  lang  war.  Unter  dem  Mi- 
^^Hscop  zeigte  die  fragliche  Stelle  aber  an  ihrer’  ganzen  Länge 
an  einander  liegende  Nervenfäden,  und  das  mehr  durch- 
^'^leinende  Ansehn  schien  nur  durch  ein  weniger  vollständig  re- 
Nducirtes  Neurilem  zu  entstehn.  Diese  Fäden  gingen  confinuir- 
in  die  Nervenfäden  der  beiden  Nervenstümpfe  über,  und 
an  einzelnen  Stellen  die  Nervencylinder  nur  durch  ganz 
,'''ine  Fäden  zusammenhingen,  so  liess  sich  diess  durch  die  be- 
der  microscopischen  Untersuchung  vorgenommene  Zerrung 
^mären.  Der  obere  Nervenstumpf  war  übrigens  eben  so  ange- 
'"‘‘Wollen , wie  es  an  den  Nerven  in  Amputationsstümpfen  zu 
pflegt  ; beim  unteren  Nervenstumpf  war  djess  nicht  der  Fall. 
|.  ®*'Versuch  von  Schwann  beweist  die  Reproduction  der  Nerven  deut- 
Die  Versuche  von  Haigthon,  von  Prevost  und  vonTiEOEMANN 
'”‘1  ohnehin  platterdings  nicht  erklärlich,  wenn  man  nicht  eine  Re- 
|'•'®daction  der  Nerven  annimmt.  Tiedemann,  der  bei  einem  Hunde 
||  .‘ler  Achselhöhle  die  Nervenstämme  des  Vorderbeins,  nament- 
den  N.  ulnaris,  radialis,  medianus,  cutaneus  ext.  durchschnit- 
beobachtete  nach  8 Monaten  und  noch  mehr  nach  21  Mo- 
j^ten  eine  Herstellung  der  Empfindung  und  Bewegung,  so  dass 
Hund  zuletzt  den  vollständigen  Gebrauch  des  Fusses  wieder 
^.*®Hgt  hatte.  Diess  ist  einer  der  überzeugendsten  Versuche  für 
Regeneration  der  Nerven.  Für  die  Regeneration  der  Nerven 


( 


400  II.  Buch.  Organ,  chemische  Processe.  II.  Abschn.  Ernährung- 

bei  kleinen  durchschnittenen  Nervenfasern  spricht  auch  die 
derkebr  einiger  Empfindung  in  transplantirtcn  Hautlappen, 
nach  der  Transplantation  und  Anwachsung  von  der  Hauthriicl^f’ 
mit  der  sie  früher  noch  zusamnienhingen , getrennt  werden, 
z.  B.  der  aus  der  Stirn  gebildete  Hautlappen  für  die  neue  N#*® 
nach  dem  Anwachsen  an  der  Stelle  des  Zusammenhanges  mit 
Stirnhaut  getrennt  wird.  Wenn  hier  keine  Regeneration  der  t®*' 
nen  Nervenfäden  an  den  Verwachsungsstellen  einträte,  so  roüs®^^ 
ein  solches  Hautstück  zuletzt  ganz  unempfindlich  seyn.  Nach  de** 
Erkundigungen,  die  ich  in  dieser  Hinsicht  bei  dem  Erfahrenst®*' 
in  diesen  Dingen,  Dieffenbach,  eingezogen,  bleibt  die  Empfindlich*' 
keit  in  diesen  Theilen  zwar  immer  sehr  gering,  aber  sie  ist  doc** 
nicht  ganz  zu  läugnen. 

Ein  Umstand,  der  es  besonders  schwierig  macht,  sich  c'*** 
deutliche  Vorstellung  von  dem  Hergange  bei  der  Regeneration  d®*" 
Nerven  zu  machen,  ist  das  Vorhandenseyn  von  Bündeln  verschi*®' 
dener  Nervenfasern  in  manchen  Nerven,  motorischer  und  sensih*®*^ 
Fasern,  wovon  die  ersteren,  wie  später  gezeigt  wird,  allein  di® 
Fähigkeit  haben,  Muskelbewegungen  zu  erzeugen.  Bei  der  R®g®' 
ncration  solcher  Nerven  müssten  daher  die  motorischen  Fas®*'*' 
mit  den  motorischen,  die  sensiblen  mit  den  sensiblen  verwachs®'!* 
was  wieder  schwer  ist  sich  vorzustellen,  wenn  män  die  Feinh®* 
dieser  Fasern  bedenkt.  Schwank  bezweckte  bei  seinem  uh*®" 
erwähnten  Versuch  hauptsächlich  zu  ermitteln,  ob  das  Zusai**' 
menheilen  von  Empfindungs-  und  Beweguogsfasern  an  dui®h*' 
schnittenen  Nerven  dadurch  bewiesen  werden  könne,  dass,  iv®"" 
die  hinteren  (Empfindungs-)  Wurzeln  solcher  Nerven  im  Rücke'*' 
markskanale  gereizt  werden,  vielleicht  Zuckungen  entständen. 
legte  daher  an  dem  Frosche,  an  dem  die  N.  ischiadici  auf  bei«!®'’ 
Seiten  durchschnitten  uud  wieder  znsammengeheilt  waren, 
Rückenmark  bloss  und  durchschnitt  die  hinteren  Whirzeln  b®*' 
der  Seiten;  allein  es  zeigte,  sich  keine  Bewegung  in  den  Sehen' 
kein,  dagegen  entstanden  starke  Zuckungen  in  den  Muskeln  «h®* 
Unterschenkels,  als  die  vorderen  Wurzeln  durchschnitten  wurd®**' 
Aus  diesem  negativen  Resultat  aber  )iess  sich  kein  Schluss  geg.®" 
das  Zusammenheilen  von  Empfindungs-  und  Bewegungsnerven  *h®' 
hen,  weil  der  Erfolg  dadurch  erklärt  werden  kann,  dass  die 
pfindungsnerven  vielleicht  nicht  das  Vermögen  besitzen,  eine  R®*' 
zung  vom  Centrura  nach  der  Peripherie  zu  leiten. 

Die  von  den  Neuralgien  hergenommenen  Gründe  für  die  R®' 
production  der  Nerven  sind  wohl  die  schwächsten.  Nach 
Durchschneidung  eines  schmerzhaften  Nerven  kehren  die  Schm®®' 
zen  oft  wieder.  Diess  würde  sich  allein  schon  aus  dem  Umst***.! 
erklären,  dass  das  Nervenleiden  seinen  Sitz  selbst  über  die  Steh® 
der  Durchschneidung  nach  dem  Stamme  hinauf  ausdehne, 
dass  die  Narbe  des  Nerven  Schmerzen  an  dem  Stamme  erreg®' 
Dass  diese  später  wieder  ersclieinenden  Schmerzen  in  den  änss®' 
ren  Theilen  empfunden  zu  werden  scheinen,  darf  uns  nicht  wu"' 
dem.  Denn  die  Stämme  der  Nerven  enthalten  noch  die  Sutn*®® 
der  Fasern,  die  sich  in  den  Zweigen  daraus  entwickeln,  und  d» 


3.  Wiedererzeugung.  W.  hei  exsudatiper  Entzündung.  Nerven.  401 

örtliclien  Empfindungen  durch  die  Verhindungen  dieser  Fa- 
mit  dem  Gehirne  entstehen,  so  kann  ein  Nervenstumpf  noch 
^-mpfindungen  erzeugen,  die  in  den  äussern  Tlieilen  zu  seyn  schei- 
Diess  kömmt  nocli  vor,  wenn  die  äusseren  Stücke  gar  nicht 
’*'ehr  vorlianden  sind.  Bei  allen  Amputirten,  die  ich  untersucht. 
Sollen  die  Empfindungen,  als  wenn  die  amputirten  Theile  noch 
^^fhanden  wären,  nie  ganz  verloren;  ich  habe  Ainputirte  12  und 
?iehr  Jahre  nach  der  Operation  untersucht.  Wenn  die  Nerven 
dem  Amputationsstumpf  lange  gedrückt  werden,  so  haben  sie 
ji®  deutlichen  Empfindungen,  als  wenn  das  Bein  oder  der  Arm, 
grösstentheils  gar  nicht  mehr  vorhanden  sind,  einschliefen, 
diese  Empfindungen  einige  Zeit  nach  der  Amputation  sich 
'’p'lieren  sollen,  ist  ein  Irrthum  der  Aerzte  und  Chirurgen,  welche 
Kranken  gewöhnlich  nur  einige  Monate  sehen. 

Von  besonderem  Interesse  sind  Gruituuisen’s  Beobachtungen 
?,*'  sich  selbst,  nachdem  er  sich  den  Nervus  dorsalis  radialis  pol- 
am  hintern  Theile  des  2.  Gliedes  durch  eine  bis  auf  den 
^äoehen  gehende  grosse  Querwunde  durch  Zufall  zerschnitten 
”®He.  Die  linke  Seite  des  Daumriiekens  war  bis  unter  den  Na- 
ganz  unempfindlich.  Zur  Zeit  der  Entzündung  wurde  diese 
^*®Utstelle  schmerzhaft  und  litt  an  einem  dauernden,  steehenden 
brennenden  Schmerz.  (Diess  war  wohl  durch  die  Entzün- 
des  Nervenstumpfes  vom  obern  Theile  des  Nerven  verur- 
**'*cbt,  und  w'urde  nur  scheinbar,  wie  nach  Amputationen,  in  der'  >. 
'‘'‘empfindlichen  Haut  gefühlt.)  Diese  Schmerzen  verschwanden 
“ach  8 Tagen  mit  der  Heilung,  worauf  der  unempfindliche  Zu- 
®^“nd  wieder  einlrat.  Später  trat  einige  Empfindung,  aber  eine 
j'ir  höchst  unbestimmte,  ein.  Gruitiiuisen.  konnte,  wenn  er  die 
p“gen  schloss,  auf  einer  Strecke  von  2 Zoll  Länge  und  -j  Zoll 
l*'eite  nicht  bestimmen,  wo  er  berührt  wurde,  und  machte  Feh- 
Jp“  von  3 — 5 Linien.  Wenn  er  auf  die  Narbe  klopfte,  hatte  er 
Empfindung  von  Prickeln  unter  dem  Nagel.  8 Monate,  nach- 
“eui  er  diese  Beobachtungen  angcstellt,  war  die  Empfindung 
'”“rchaus  noch  ebenso  undeutlich  w ie  früher.  Ghuituuiseb  schliosst 
der  Bemerkung,  dass  die  Empfindungseindrücke  zwar  durcl4 
Nervennarbe  geleitet  werden  können,  allein  sic  werden  nach 
* '.“a  in  dieser  Narbe  zu  sehr  ausgebreitet,  als  dass  sie  durch  be- 
*l'ttimte  Nervenfasern  dem  Sensorium  wie  von  einem  bestimmten 
' kommend  erscheinen  könnten.  Beiträge  zur  Physiognosie  und 
'^^fognosie. 

Was  die  Rcproduction  des  Gehirns  und  E.ückenmarks  betrifft, 
p liegen  keine  Thatsachen  vor,  welche  beweisen,  dass  jemals  die 
,“lgen  der  Zerstörung  der  Gehirnmasse  und  des  Rückenmarkes 
l'U'ch  die  Reprodu4ion  der  neuen  Substanz  ganz  bergestellt  wer- 
p®“'  Armem. vNN  sah  zwar  bei  Hunden  nach  Verlust  von  26  — 54 
Gehirn  7 Wochen  später  die  Wunde  von  neuer  gallertartl- 
gelblicher  Substanz  ausgefüllt,  die  sich  leichter  als  die  Hirji- 
®'‘l(stanz  in  Wasser  löste.  Es  fragt  sich  aber,  ob  diese  neue  Ma- 
“'•ie  wirklich  Ilirnsubstanz  ist.  Zerstörungen  des  grossen  Gehirns 
““  der  Oberfläche  haben  oll  keine  auflallenden  Folgen,  wenn  sie 


402  11.  Buch.  Organ,  chemische  Processe.  II.  Abschn.  Ernährung. 

nicht  mit  Druck  oder  Irritation  verbanden  sind.  Verletzunge** 
des  Rückenmarkes  sind  bekanntlich  leider  unheilbar.  Das  Gehir" 
vernarbt  nach  Flouhehs  ( V ersuche  über  die  Eigensch,  und  Verricht- 
des ]\er<)ensystems)  zwar  leicht,  aber  eine  eigentliche  Reproductio“ 
der  Hirnsubstanz,  die  Arhemasw  angenommen,  findet  nach  ih*® 
niclit  statt,  indem  die  verwundeten  Theile  anfangs  zwar  aufschwßj' 
mn,  aber  später  wieder  collabiren  und  einfach  vernarben. 
Functionen  des  Gehirns  stellen  sich  zwar  oft  wieder  her-  allei" 
diess  geschieht,  wenn  es  geschieht,  öfter  schon  nach  einigen  Ta- 
gen , und  die  Reprodnction  hat  wohl  niclit  allen  Aiftheil  daraf- 
Indess  soll  doch  die  Wandung  eines  Hirn  Ventrikels,  wenn  sie 
einer  Mrecke  weggenommen  worden,  durch  Verlängerung 
Huide  sich  wieder  herstcllcn.  ° ° 

h.  Regeneration  lei  suppurativer  Entzündung. 

Die  eiternde  oder  suppurative  Entzündung  bildet  sich'imn’®'' 
aus,  wenn  eine  Wunde  im  exsudativen  Stadium  der  Entzündung 
nicht  heilra  kann.  Während  der  Heilung  einer  Wunde  hei  ««p' 
purativer  Entzündung  wird  keine  plastische  Materie  (aufgelöst«*’ 
Faserstoff),  vvelche  organisirbar  ist,  ausgeschieden,  der  Eiter 
nicht  orgamsationsfähig.  Home’s  Ideen  über, die  Umbildung 
Hiter  in  Fleischwärzchen,  sind  wohl  ein  gänzliches  Missverstand' 

der  ‘’'**’‘*^*  Absonderung  «“f 

der  Oberllache  oder  im  Innern  des  entzündeten  Theiles  wob«‘ 

der  Elter  im  Moment  der  Secretion  nach  BnuGiiAjis  und’  Aute:*' 
Kieth  flüssiger  und  klarer  zu  seyn  sclieint.  Diese  Absonderup? 
scheint  auf  Kosten  von  durch  die  Entzündung  zersetzter  Mater'« 
zu  geschehen.  Die  Eiterkügelchen  sind  ungleich,  meist  gröss«^ 
als  Blutkörperchen,  mit  denen  sie  keine  Aehnlichkeit  der  Gestalt 
Ak  entweder  abgestossene  Theilchen  der  eiternd«** 

Oberfläche,  oder  entstehen  erst  wie  andere  Kügelchen  der  Sccrct« 
a"  , *Sen  tum  im  Moment  der  Secretion,  auf  iihnlicl'« 

CoagMation^Mstehem  ““fS^lösten  Eiweiss  hei  beginnend«*’ 

St-,d;?Pv?^d  '‘^***'den  per  priraara  intentionem  **** 

der  Entzündung,  verwachsen  die  Wundränd«^ 
der  Hp-P  aufgelösten  Materie  des  Blutes.  T«' 

der  Heilung  eiternder  Wunden  entstehen  keine  neuen  Gefässe  •** 
vorher  von  der  Oberfläche  exsudirter  Materie,  sondern  die  eiter**' 

Sish-tP.?‘'p  7?  P"*’  “"“""i  Wachsthum  der  ot' 

stelirr  ü pPd” ” vorgeschoben.  Die  Meinungen  der  Scliri«' 
derbar  einfachen  Process  waren  zum  Theil  sehr  so**' 

Wunde  findn  Granulation  einer  eiternd«** 

2erie  sf  .n  “'**1  Exsudation  von  coagulabl«*’ 

Materie  statt,  die  sich  organisire.  Allein  Eiterun"  und  Exsudatiou 

von  organisirbarer  Materie  schliessen  sich  immei  au7  uS  kön««** 

nicht  zugleich  auf  einer  und  derselben  Stelle  einer’ Wunde  statt 
finden.  Lawgenbeck  urtheilte,  dass  die  Heilung  dann  erst  eintret«! 
rdTr”r gefässreichen  Erhabenheit«** 
MitP  Absonderung  einstellen,  und  plastisch« 

Materie  absondern.  D*ess  lässt  sich  jedoch  nicht  behaupten.  Ei***^ 


3.  TP^ieder  er  Zeugung,  fV,  bei  suppurativer  Entzünd,  Enocften,  403 

^iinde  \on  guter  Eiterabsonderung  bildet  neue  Substanz  dnrcb 
^acbsthum  und  wird  kleiner,  während  lu  gleicher  Zeit  auf  ihrer 
Oberfläche  der  Zersclzungsprocess,  die  Eiterung,  fortdauert,  wie 
so  oft  sieht,  und  wie  auch  Pauli  immer  fand.  Da  nun  die 
Granulationen  nicht  vorher  exsudirt  sind,  so  kann  man  nach  mei- 
Ansicht  bloss  aiinehmen,  dass  die  schon  organisirte  Substanz 
Wundbeckens  am  Rande  und  in  der  Tiefe  sich  wachsend 
?.’*sdehne  durch  Intussusceptio  (pag.  357.),  ähnlich  dem  gewöhn- 
Jehen  W^achsthume  aller  organisirten  Theile,  nur  viel  rascher. 
P'®  eiternde  Wunde  wächst  daher  in  allen  Dimensionen  vom 
^••nde  wie  von  der  Tiefe  gleichförmig  zu  ihrer  eigenen  Verklei- 
J®rung  Yor,  Diese  Productionen  des  Beckens  der  Wunde  von 
'bi'niger  Oberfläche  werden  Granulationen  genannt.  Sie  enthal- 
l®"  nicht  die  Enden  der  Gefässe,  welche  etwa  den  Eiter  abson- 
, rn,  denn  Enden  der  Blutgefässe  giebt  es  an  keinem  Orte,  son- 
®ru  sie  enthalten  Cnpillurgefässnetze.  Der  Eiter  wird  also  nicht 
Blutgefässenden  abgesondert,  sondern  von  der  exponirten 
Oberfläche  der  Granulationen.  Da  nun  das  Vordringen  der  or- 
S^äisirten  Theile  von  allen  Selten,  vom  Rande  wie  von  der  Tiefe 
'“S  gleichförmig  geschieht,  so  wird  die  Circumferenz  der  Wunde 
das  Becken  immer  kleiner,  und  zuletzt  punktförmig,  oder 
Null  reducirt,  wodurch  die  Eiterung  von  selbst  aufhört.  Nur 
'''enn  der  Boden  stärker  als  die  Ränder  wächst,  erhebt  sich  der 
8‘'anulii-ende  Boden  über  die  Ränder  empor;  in  diesem  Zustande 
die  eiternde  Wunde  nicht  reducirt  werden,  und  das  rechte 
ycrhältniss  der  wachsenden  Ränder  zum  wachsenden  Boden  wird 
^fch  Cautcrisalion  bergestellt.  Im  entgegengesetzten  Falle,  wenn 
Boden  irn  Wachst!)  iime  zurück  bleibt,  wird  die  Wunde  sinuös, 
ll"d  die  Ränder  müssen  aufgeschlitzt  werden.  Bei  ganz  oberfläch- 
beber  Eiterung  hört  zuletzt  die  Eiterung  mit  der  Entzündung 
ohne  dass  cs  der  Reduction  bedarf.  Von  den  Capillargef  ässcn 
®'äer  eiternden  Wunde  hat  Pauli  de  mlneribus  sanandis  comment, 
Chirurg,  praemio  ornata,  Gott.  1825.  eine  mikroskopische 
^^bildung  gegeben. 

^ Bel  grossen  Substanzverlusten  der  Haut  wird  diese  tbeils  durch 
^'’oduction  der  Ränder,  theils  durch  Verdichtung  des  Zellgewebes 
^*etzt,  was  man  z.  B.  in  hohem  Grade  bei  Verlust  von  grossen 
'heilen  des  flodensackes  beobachtet  hat.  Bei  grossem  Snbstanz- 
i^rluste  der  Haut  mit  Nccrose  der  Knochen,  wo  das  necrotische 
^•»ochenstück  abgestossen  wird,  und  die  weichw'erdende  granuli- 
Oberfläche  des  Knochens  empor  wächst  (wie  wir  hier  z.  K 
®'öen  gi;ossen  Substanzverlust  der  Schädeldecken  und  Necrose  el- 
JJ®*  grossen  Theils  der  äussern  Lamelle  des  Schädels  nach  Ver- 
b^eununn^  beobachtet  haben),  scheint  die  Narbensubstanz  zumTheil 
Veidängerung  der  Hautränder,  zum  Theil  selbst  durch  Zell- 
S^'vebe- Production  der  Oberfläche  des  granulirenden  Knochens, 
b®»’  sich  auch  wieder  seine  Beinhaut  bildet,  zu  entstehen, 

1.  Der  Process,  welcher  auf  die  Necrose  der  Knochen  erfolgt, 
bietet  ein  grosses  physiologisches  Interesse  dar. 

Ein  Knochen  vfird  necrotisch  oder  stirbt  ab,  entweder  in 

26* 


404  IL  Buch,  Organ,  chemische  Processe,  II.  Ahschn.  Ernährung. 

Folge  eines  Übeln  Ausganges  der  (dyscrasiscben)Rnocbenentzündung? 
oder  in  Folge  von  Zerstörung  seiner  Gelasse  durch  Zerstöruno 
der  Beinhaut  oder  des  Markgewebes.  Wird  die  Beinhaut,  di® 
durch  ihre  Gefässe  in  dem  innigsten  Zusammenhänge  mit  den  GC' 
fassen  des  Knochens  steht,  in  beträchtlicher  .Strecke  zerstört,  s® 
stirbt  die  äussere  Schichte  des  Knochcus  (nicht  die  ganze  Dick® 
des  Knochens)  ah,  weil  die  Gefässe  der  äusscrn  Schichte  durcj 
Zerstörung  der  Beinhaut  ausser  Thätigkeit  gesetzt  sind.  WiC 
das  Markgcwehe  eines  Knochens  durch  Entzündung  oder  künst' 
lieh  in  einem  durchsägten  Röhrenknochen  eines  Thieres  zerstöi'h 
so  sterben  die  inneren  Schichten  des  Knochens  (nicht  die  gaii*® 
Dicke  des  Knochens)  ah,  weil  die  Gefässe  der  inneren  Schichte" 
des  Knochens  mit  den  Gelassen  des  Markgewehes  im  innigste" 
Zusammenhänge  stehen.  Merkwürdig  ist  nun  der  Process,  wej' 
eher  hei  der  innern  Kecrose  iu  den  äusseren  noch  lebenden  TliC' 
len  des  Knochens,  hei  der  äussern  JMecrose  in  den  inneren  noc" 
lebenden  Theilen  des  Knochens  entsteht.  Dieser  Theil  des  KnO' 
chens  entzündet  sich,  die  Folge  dieser  Entzündung  ist  imSladiu"' 
exsudativum  Ausschwitzung,  wie  heim  entzündeten  gebrochene" 
Knochen,  worauf  später  die  ausgeschwitzte  Masse  wie  hei  de" 
Knochenbrüchen  oi’g.a.nisirt  und  ossillcirt  wird.  Hat  man  de" 
Knochen  äusserlich  verletzt,  und  eine  äussere  Necrose  hcwii’kh 
so  erfolgt  die  Exsudation  auf  der  innern  Fläche  der  Höhle  de* 
Röhrenknochen,  wodurch  die  Markhöhle  verkleinert  wird.  Di®' 
ser  Gallus  auf*  der  innern  Fläche  der  Röhrenknochen  verstärkl 
nun  die  Dicke  des  Knochens,  dessen  äussere  Schicht  ahgestorhe" 
ist.  Bewirkt  man  dagegen  eine  Zerstörung  des^Vlarkes  an  eine"* 
durchsägten  Röhrenknochen  eines  Thieres,  worauf  die  innei'f 
Schichte  ahstlrht,  so  erfolgt  die  Exsudation  auf  der,  äusseren  Fläch® ' 
von  den  äusseren  noch  lebenden  Schichten  des  Knochens.  Dies® 
Exsudationen  sieht  man  am  deutlichsten  hei  Vögeln,  in  der®" 
hohle  Knochen  man  einen  heissen  Stab  bringt. 

Von  der  im  Stadiutn  exsudativum  erfolgenden  Ablagerung  vo" 
Knochenmaterie  in  der  Alarkhöhle  im  cysten  Falle,  auf  der  Ohef' 
fläche  zwischen  Beinhaut  und  Knochen  im  zweiten  Falle,  habe" 
die  meisten  Schriftsteller  nicht  die  Aufschwellurig  des  entzünde' 
ton  Knochens  seihst  unterschieden,  welche  Scaupa  die  Expansio" 
nennt.  Diese  sicht  man  deutlicher  in  den  Knochen  der  SäugC'" 
thiere.  Die  Exsuclation  ist  ein  Process,  der  nur  eine  ZeitlanS 
dauert.  Die  Aufschwcllung  dauert  während  des  ganzen  Verlaufe* 
der  Rnochenenlzündimg  fort,  und  erscheint  erst  recht  deutlich), 
wenn  der  Knochen  sich  gegen  das  necrotische  Stück  hin  erweichh 
und  hier  üheraus  gefässreich  wird;  diese  Expansion  des  entzü"' 
deteii  und  erw'cichteu  Knochens  hat  bei  den  Säugethleren  de" 
grössten  Aulheil  an  der  Regeneration  des  necrotischen  Knoche"' 
Iheils.  Au  der  Stelle,  xvo  die  gesunde  äussere  Schichte  die  i"' 
nere  necrotische  oder  die  gesunde  innere  Schichte  die  äusscf® 
necrotische  berührt,  wird  die  noch  lebende  entzündete  Knoche"' 
schichte  ganz  weich,  roth,  granulirend,  und  wächst  hei  der  i"' 
nern  Necrose  nach  aussen  vor,  wodurch  um  die  necrotische  i"' 


4.  Wiedererzengung.  IV.  bei  suppura/wer  Entzündung.  405 


^ere  Schichte  (Seipester)  nicht  eine  neue  Röhre,  söndefp  cinq 
Verstärkung  der  äussern  Schichte  entsteht,  oder  unterhalb  der 
eussern  ahgestossenen  necrotischen  Schicht  eine  Verstärkung  der 
*enern  Schicht  nach  aussea  sowohl  als  gegen  die  Markhökle  hin 
erfolgt.  Diese  Aufschwelluna  dauert  fört,  während  die  Oherlläche 
“es  entzündeten  und  erwei^iten  Knochens  entweder  nach  innen 
^egen  die  innere  Necrose,  oder  nach  aussen  hin  gegen  die  äussere 
■Seerose  Eiter  aljzusonderu  fortfährt. 

, _ Ist  die  ganze  Dicke  eines  Knochens  abgestorben,  so  kann 
*^ein  Knochen  regenerirt  werden ; die  Beinhaut  hat  nichts  damit 
-schatFen;  dagegen  erfolgt  die  Regeneration  in  der  Regel,  wenn 
"<oss  die  äussere  oder  innere  Schicht  abgestorben  ist;  es  wird 
®ber  hier  kein  neuer  Kfiochen  gebildet,  sondern  das  bei  der  in- 
^ern  Necrose  abgestorbene  Röhrenstück  ist  nur  eben  die  innere 
“chicht  des  Röhrenknochens,  pnd  die  neue  Röhre  um  die  ab- 
Sestorbene  ist  auch  eben  nur  die  verstärkte  und  aufgeschwollene 
**üssere  Schichte  des  Röhrenknochens. 

^ Man  hat  sich  viel  gestritten,  ob  die  Reproduction  der  neuen 
Auochenmasse,  welche  den  Serpester  bei  der  innern  Necrose  ein- 
®chliesst,  von  der  Aufschwellung  der  äusseren  Scbichten  des  Knö- 
^ens'oder  von  der  überkleidenden  Beinhaut  ansgehe.  Weidmann 
necrosi  ossium)  nimmt  beide  Fälle  an.  Troja  behauptet  nach 
*®inen  neueren  Versuchen  das  Erstere,  und  Scarpa  hat  es  neuer- 
'^‘''gs  als  richtig  erwiesen.  Meding  dagegen  vertheidigfc  die  Re- 
l'J’oduction  des  Knochens  durch  die  Beinhaut.  Es  ist  für’s  Erste 
begreiflich,  dass  eine  Haut,  wie  die  Beinhant,  welche  nur 
fräger  der  von  ihr  in  den  Knochen  eindringenden  Gefässe  und 
^_*ille  desselben  ist,  organisirte  Knochenmasse  bilden  soll.  Gegen 
^'Cse  Vorstellung  habe  ich  mich  schon  pag.  362.  erklärt.  Allein 
lässt  sich  bestimmt  durch  Versuche  an  Säugethieren  (die  hierzu 
“Csser  geeignet  als  die  Vögel  sind)  zeigen,  dass  die  Bildung  der 
•jenen  Röhre  theils  durch  Exsudation  (int  Stadio  exsudativo)  auf 
Oberfläche  des  Knochens  geschieht,  welche  man  auch  für 
^'^sudation  des  entzündeten  Knochens  und  nicht  der  Beinhant 
^nzusehen  hat,  dass  aber  der  grösst?  Theil  der  Knochenmasse 
••.’ll'  durch  die  während  der  ganzen  Eiterung  fortdauernde  spon- 
&öse  Aufschwellung  der  äussern  Schichte  (bei  der  innern  Necrose) 
^®l>ildet  wird.  Ich  berufe  mich  hier  auf  die  trefflichen  Beobach- 
.••"gen  meines  Collegcn  M.  J.  Weber,  die  Bannertu  in  seiner  in- 
.®vessanten  Dissertation  zugleich  bekannt  gemacht,  tind  wozu  er 
•®  Abhildungcn  der  Präparate  gegeben  hat. 

Alles,  was  ich  hier  über  die  Reproduction  der  Knochen  be- 
>.®vkt  habe,  beruht  auf  der  mir  gütigst  erlaubten  Untersuchung 
>eser  Präparate,  welche  gar  keinen  Zweifel  an  der  Richtigkeit 
j'®*'  ScARPA’schen  Ansicht  übrig  lassen,  nur  dass  Scarpa  die  an- 
erfolgende  Exsudation  zwischen  Bpinhaut  und  Knochen  un- 
®®chtet  gelassen  hat,  die  man  bei  Vögeln  deutlichem  sieht,  die 
jj  auch  ein  Product  des  Knochens  selbst  ist.  Ba  den-Vögeln 
man  die  Exsudation  deutlicher,  obwohl  die  spongiöse  Auf- 
'VPellung  des  Knochens  auch  nicht  fehlt ; bei  Säugäthieren  sieht 


406  11.  Buch.  Organ,  chemische  Processe.  II.  Ahschn.  Ernährung- 

man  die  letztere  deutlicher,  obwohl  die  crstere  auch  nicht 
fehlt. 

Die  Beiiihaut  überzieht  die  neue  Knochenmasse  in  Webek’* 
Präparaten  unverändert,  nur  dass  sie  hier  und  da  eine  ganz  klein® 
knorpelähnliche  Anschwellung  zeigt.  Vergl.  Tboja,  neue  Beob. 
Vers,  vier  die  Knochen,  übers,  von  Schönberg.  Erlang.  1828.  K®®' 
LEE  exp.  circa  reg  euer ationem  ossium.  Gott.  1786.  Kortum  diss.  eXp- 
et  obsero.  circa  regpnerationem  ossium.  Berol.  1824.  Meding 
de  regeneratione  ossium.  Lips.  1823.  Scahpa  über  die  Expansio» 
der  Knochen  und  den  Callas.  Weimar  1828.  Bannehth,  Natura^ 
conaminum  in  ossibus  laesis  sanandis  indagatio  anatomica  physiologi^^xi- 
Bonnae  1831. 

Die  reichhaltigste  Zusammenstellung  der  Litteratur  über  di® 
Reproduction  der  verschiedensten  Theile  liefert  die  vorher  e*"' 
wähnte  Preisschrift  von  Pauli. 


Berlin,  gedruckt  bei  den  Gebr.  Ünß®''' 


HANDBUCH 


(‘HYSIOLOGIE  des  MENSCHEN 

für  Vorlesüngen. 

Von 


D r.  Johannes  Müller, 

öffentl.  Professor  der  Anatomie  und  Pliysiologie  an  der  Königl. 
’'*edricK  Wülielms-XJnivcrsItät  und  an  der  Königl.  racdicni.  - cliirurg.  Militär- 
^^sdemic  in  Berlin,  Birector  des  Königl.  anaiom.  Museums  -und  an.atom. 

^‘eaters,  Mitglied  der  medicin.  Obercxaminationscoramission,  Mitglied  der 
.^^*gl.  Academie  der  "VN^Issenscliaften  zu  Berlin,  der  Kaiserl.  Aeadcmie  der 
* -»enscliaften  zu  St.  Petersburg , der  Königl.  Aeadcmie  der  W^issenscbafteri 
^tocbliolm,  der  Kaiserl.  Academie  der  Naturforscher,  der  Gesellschaft  natur- 
^"‘•"eKender  Freunde  zu  Berlin,  des  Vereins  für  Heiltunde  in  Preussen,  der 
Chirurg.  Gesellschaft  zu  Berlin,  der  sehtvedischen  Gesellschaft  der  Aerzte 
Stockholm,  der  Gesellschaften  für  Natur-  und  Heilkunde  zu  Heidelberg, 
Erlangen,  Freiburg,  Münster  Alitglied. 


Hrslen  Bandes  zweite  Ahtheilung. 


Mit  Königlich  W ü r t e m b c r g I s c h en  Privilegien. 


C o b 1 e n z, 

Verlag  von  J*  HölscKer- 


1834. 


r 


- ,1 


i.u 


.fl  D li  fi  '•  '■■:  'i  • o f I V i 


ti  o 7 


.’i 

all 

i(  -/ 

r>  n 

Il  i'  i 

i ^ 

r 

• A 

•j-4>  i;;i  ’i 

vofoi<. 

ni'f  ] 

•:!Il  ‘/'iTn 

irif/'  '• 

.1» 

;'K  . 

•jirf.iib  - .n! 

.'■jl/ 

!'  A ‘f  !>  11.' 

.r.i'  jir.ii.i 

Ih'ui  .iiuü 

J'.U*/l  ' 

.tliotf.i 

il/*.  .i  - 'i'>  ' 

V ,/». 

'tr<l  • J I 

\v 

••n> 

ly/il: 

.♦fl/- 

I.UflKII» 

a -u  vil 

if*)  .tf 

‘I 

~ >1» 

.'Mtll- 

Jr.> 

■. 

■ f. 

l!.< 

f - 

üb  ^■ 

;■*  ■ .'/  i.'i 

1 -•♦■'rtü 

ii'r.-i/ 

T) 

!.  .■  .„cl/-,  ■, 

'1 

■r.  ■; 

■.r  t( 

.üflMl-t . .*t  f 

• ->*»  . 1 

-.(1  VT. 

I.-./  -1. 

r,  -u.r. 

!t* 

';yl» 

t •‘‘‘' 

■ 

*1  .n.^irtU 

r.i  ^ir'>T>  / 

■lll  , 

rn  r>tl 

• u 

.mKst 

• /,  TI 

.{»  •■'.:/ 

.i ) - f, 

,1 

« ’/ilTfi  T-i!» 

ftiivT  7! 

.US  1'!' 

•ir; 

f'd*  ‘‘ 

i ■/■;■ 

of  w r. 

1 üii/iil  l.fi: 

• --.Jlli:/ 

■'  l/i  ll  t 

.i.-.:i: 

ul'  . 

.n.n  ilt  .• 

.»ui!r>v 

,t..i 

io-/.!  Ijn  .1 


'AV\A\v\t/  'xüyh.^  \ w A/:\A 


.if  y : i i f ’» 'I  fT  f>  tl  ■}  f. ' - •»  ; «‘j  <■  7^  ' i ■ i n «’>  /i 


u a ^ 1»  0 V 

.•I  ■,  l':  ■,  ■■.  r.ö'  II  .C-  ij-d'  •■ 


l ( ' ! 


///.  Abschnitt.  Von  der  Absonderung. 

i-  Capiiel.  Von  den  Absonderungen  im  Allgemeinen. 

^Vdirend  das  Blut  aus  den  feinsten  Zweigen  der  Arterien  durcli 
CapiUargef'ässnetze  m die  A-nfänge  der  Venen  übcrgcntj 
S'^n  die  flüssigen,  d.  li.  aufgelösten  Theile  des  Bluts  nach  den 
l’^g.  225  dargestelltcn  Gesetzen  durcli  Tränkung  zum  Tlicil  in 
'las  Gewebe  der  Organe  ein.  Diese  erleiden  durch  die  Einwir- 
des  Gewebes  eme  ebemisebe  Veränderung:  gewisse  Bcstand- 
l^eile  werden  angezogen , andere  werden  von  den  Organlbcilcn 
halbst  an  das  Blut  abgegeben.  Man  kann  diese  Veränderungen 
:1er  aus  dem  Kreisläufe  des  Blutes  abgebenden  Theile  dessell)en 
Allgemeinen  Metamorphose  nennen.  Die  Metamorphose  der 
‘^i^ibstanz  auf  diesem  Wege  ist  aber  überhaupt  eine  dreifache: 

Verwandlung  von  Bcstandtheilen  des  Bluts  in  die  organisirte 
'^äbstanz  verschiedener  Organe  — Infussiisr.epiio,  Ernährung.  Diese 
im  vorhergehenden  Abschnitt  ])ag.  341  abgebandelt.  2.  V er- 
von  Bestandthcilen  des  I3luts  auf  der  flachenhaften 
llrenze  eines  Organes  in  feste,  nicht  organisirte  Substanz,  wo- 
'l^ch  die  nicht  organisirten  Theile  wachsen  — Appositio.  Da- 
'"'n  ist  pa".  363  gehandelt.  3.  Verwandlung  von  Bcstandtheilen  des 
^'utes  Lf  der  flächenhaften  Grenze  eines  Organes  in  eine  auszu- 
^'^l'eidende  flüssige  Materie  — Secretio , Absonderung.  Diese  ist 
Gegenstand'  der  gegenwärtigen  Untersuchung.  Materien, 
Welche  durch  diesen  chemischen  Prozess  zwischen  dem  Blute 
einem  absoiidcrnden  Apparat  ausgesebieden  werden,  sind 
fliells;  1.  Bestandtheile,  welche  als  solche  bereits  in  dem  Blute 
^?'’lianden  waren  und  Idoss  aus  demselben  entfernt  werden,  wie 
7'-'  Ausscheidung  des  Harnstoffs  durch  die  Nieren,  die  Ausschei- 
der  Milchsäure  und  milchsaiircn  Salze  durch  den  Urin  und 
.«»■'^h  den  Schweiss  — Exrretio,  Exereta.  Bei  dem  Menschen 
«lie  in  der  Tblerwelt  allgemeinsten  Exereta,  Harn  und 
'^hweiss,  sauer-  indessen  ist  es  nicht  constant , dass  die  Exere- 
««nsstoffe  sämmtlich  sauer  reagiren,  wie  Berzelius  einst  die 
>derungen  ordnete:  denn  der  Harn  einiger  pflanzenfressenden 
;^‘'iere  reagirt  alkalisch  und  die  eigenthürnlicben  Exereta  mehre- 
er  Thiere  sind  zuweilen  alkalisch,  wie  ich  z.  B.  den  scharen 
~’‘c>etionsstofT  der  Haut  der  Kröten  gefunden  habe.  2.  Ab^n- 
'eruiigen  von  Materien,  welche  nicht  unmittelbar  aus  dem  litut 
'‘“geschieden  werden  können,  Indem  sie  darin  nicht  vorhanden 
‘.“'l;  die  vielmehr  aus  näheren  Bcstandtheilen  des  Bluts  erst  durch 
*“en  chemischen  Prozess  erzeugt  werden,  wie  die  Galle,  der 

“'tcr’s  Physiologie.  27 


I 


408  11.  Buch.  Organ,  ehern.  Processe.  III.  Abschnitt.  Absonderung. 

Samen,  die  Milch,  der  Schleim  u,  s.  w.  Secretio.  Die  SecreO 
dieser  Art  sind  zum  Theil  auch  wieder  hloss  Ausscheidungen) 
welche  weiter  keinen  Zweck  in  der  thierischen  Oekonomie  mehr 
erfüllen,  sondern  höchstens  zum  Schaden  für  andere  thierische 
Wesen  und  zur  Vcrtheldigung  derjenigen,  welche  sie  bilde") 
dienen  oder  durch  Verbreilung  cigcnthümlicher  Gerüche  ander® 
thierische  Wesen  anziehen  oder  ahstossenu.  s.  w.,  und  dadurch  in  we>' 
teren  Kreisen  in  den  Plan  der  thierischen  Oekonomie  der  Natiü 
cingreifen.  Dergleichen Exeretionsstoffe  werden  an  fast  allen  Thcile" 
der  Körperoberfläehc  in  der  Thierwclt  abgesondert.  Es  gehöre" 
z.  B.  hierher  die  scharfen  Absonderungen  vieler  Käfer,  der  WeS' 
pen,  der  Bienen,  des  Scorpions,  die  Spinnmaterie  der  Spinne") 
Insecten , Muscheln,  der  Tintcnbeutel  der  Cephalopoden,  die  S"h' 
maxillar-MoschusdrüsedesCrocodils,  dieFolllculilacrymalesderWi®' 
derkäuer,  die  Gesichtsdrüsen  der  Fledermäuse,  die  Schläfendiüs® 
des  Elephanten,  die  mit  unzähligen  Oeffnungen  (und  nicht 
einer  Längenspalte,  wie  Geoffk.  St.  ILlairk  angab)  sich  öffne"' 
den  Drüsen  im  Ilypochondriura  der  Spitzmäuse,  die  B.ückendrüs® 
des  Tajassu,  die  Oeldrüsen  über  dem  Sleiss  der  Vögel,  die  31"' 
schusdrüse  am  Schwanz  des  Sorex  moschatus,  die  Afterdrüse" 
der  Fischotter,  des  Maulwurfs,  des  Bibers,  der  Hyäne,  des  2i' 
betthiers  u.  s.  w.,  die  Voi'bautdrüsensäcke  der  Hamster  und  B"t' 
ten,  des  Bibers,  worin  das  Bibergeil  enthalten,  die  Folliculi  inguinale* 
der  Hasen,  der  Moschusbeutel  des  Moschusthiers  unter  der  Ha"^ 
des  Unterleibs,  über  dem  Penis  gelegen  und  vor  der  Vorha"* 
sich  öffnend;  die  Schenkeldrüsen  mehrerer  Eidechsen,  die  Gid' 
schenkeldrüse  des  Schnabelthicrs,  die  Klanendrüsc  mehrerer  Wi®' 
derkäuer.  Siehe  das  Nähere  in  J.  Mueller  de  glandularum  secerneJ^' 
Hum  structura  penitiori.  Lipsiae  1830.  Diese  Exeretionsstoffe  kö"' 
nen  Wirkungen  ausser  dem  Thiere  hervorbringen,  aber  auch  f"’ 
die  thierische  Oecouomie  desjenigen  Organismus,  welcher  sie  a"*' 
scheidet,  in  sofern  wichtig  werden,  als  die  Bildung  dieser  Stoff® 
auf  Kosten  gewisser  näherer  Beslandthcile  des  Bluts  geschehe" 
muss,  das  Blut  also  durch  die  beständige  Aussclieidung  §®' 
wisser,  zu  dieser  Zusanunsetzung  nölliiger  Elemente  seihst  cb®' 
misch  verändert  wird.  Die  Unterdrückung  dieser  Absonderung®.*' 
würde  zum  Theil  vielleicht  eben  so  nachtheilig  wirken,  wie  ff*** 
Unterdrückung  gewisser  krankhafter  Ausscheidungen  bei  d®*® 
Menschen,  welche  gleichsam  als  Apparate  für  die  Erhaltung 
gesunden  Mischung  des  Blutes  zu  betrachten  sind.  Wenn  s'v 
eine  organische  Verbindung  ausser  dem  thierischen  Körper  **’ 
eine  andere  umwandelt,  so  werden  gewisse  Bestandtbeile , di® 
zu  dieser  zweiten  Verbindung  überflüssig  sind,  ausgeschled®"’ 
wie  bei  der  Umwandlung  des  Zuckers  in  Weingeist  Kohlensäu"® 
entweichen  muss.  Unter  demselben  Gesichtspunkt  kann 
nicht  bloss  die  Ausscheidung  des  Schweisses  und  Harnes,  sond®"" 
auch  die  der  eigenthümlichen  Exeretionsstoffe  mancher  Thi®."® 
betrachten.  Die  Bildung  und  Ausscheidung  des  Harnstoff®*  ** 
für  die  Erzeugung  einer  edlem  organischen  Verbindung  dasselh®) 
was  die  Ausscheidung  der  Kohlensäure  bei  Bildung  des  Weing^' 
stes  aus  Zucker.  Wendet  man  dies  auf  die  Ausscheidung  kra" 


1.  Von  den  Absonderungen  im  Allgemeinen. 


409 


Käfter  Stoffe  an,  so  muss  man  wolil  zweierlei  krankliafte  Aksonilerun- 
untersclieiclen ; bei  der  einen  Art  ist  ein  krankhaftes  Secre- 
Jionsproduct  dermalen  zur  Erhaltung  der  gesunden  Mischung  des 
®lids  nöthig  und  so  lange  der  Mischungsprozess  des  Blutes  uber- 
^'aiipt  nicht  günstig  verändert  worden,  lässt  sich  eine  solche  krank- 
l'afte  Secretion  ohne  Schaden  nicht  aufhehen.  Ganz  anders  ist 
mit  den  krankhaften  Secretionen,  welche  hloss  örtliche  Be- 
dinguiigen  haben.  Nach  der  Amputation,  die  hei  einer  grossen, 
'‘'^er  nicht  dyscrasischen  Eiteioing  angestellt  wird,  ist  es  daher 
physiolog'ischen  Gründen  nicht  zu  rechtfertigen,  wenn  die 
^liirurgie  zuweilen  aus  Missverständniss  der  physiologischen  Vor- 
gange  vicarireiide  Absonderungen  einrichten  will  und  die  Heilung 
primam  intentionem  fürchtet.  , • • t. 

Andere  Secrcte  der  zweiten  Art  erfüllen  in  der  thierrschen 
^economic  des  Organismus  noch  weitere  Zwecke,  wie  die  Alilch, 
j'ie  Galle,  der  Samen,  der  Schleim.  Die  wahren  Secreta  sind 
häufig  alkalischer  Natur,  aber  keineswegs  immer  und  oft  veran- 
sich  ein  und  dasselbe  Secretum  unter  leichten  Bedingungen 
der  alkalischen  in  die  saure,  und  aus  der  sauren  in  die  al- 
^''Hsche  Beschaffenheit,  wie  der  Speichel  und  pancreatische  Saft, 
^-'"e  vollständige  Zusammenstellung  über  die  sauere  oder  alkah- 
*che  Beaction  der  tliierischcn  Flüssigkeiten  hat  Scuultze^  in  seiner 
y^^gleiclienden  Anatomie  gegehen.  Die  Bildung  solchei’  cigentliüm- 
''Chen  Secreta,  die  im  Blut  schon  enthalten  sind,  setzt  einen  spe- 
Cjfisch  wirksamen  chemischen  Apparat,  sey  es  eine  Haut  oder 
Drüse,  voraus.  Mit  der  Zerstörung  dieses  Apparat  hört 
Absonderung  für  immer  auf,  wie  die  des  Samens  nach  Entfer- 
"“ng  des  Hodens,  der  Milch  nach  Eiitferniiiig  der  Brustdruse, 
es  ist  nicht  richtig,  was  Haller  einst  behauptete  {Uem.  i'hf- 
II.  .369),  dass  fast  alle  Secreta  von  jedem  Secrclionsorgane 
>’ankhafter  AVeise  abgesondert  werden  könnten.  Man  muss  näm- 
,'ch  hiermit  nicht  die  ganz  verschiedenen  Fälle  verwechseln,  wo 
,***  natürliche  Organ  abzusondern  fortfährt,  aber  der  Ausflu« 
es  Secrets  durch  die  natürlichen  Wege  gehenunt,  dasselbe  durch 
Resorption  ins  Blut  aiifgcnommcn  wird,  und  von  diesem  aus  in 
'i'ideren  Wegen  schlechthin  exsudirt.  Nur  die  Excretionsstoffe 
y ersten  Art  können  sich  nach  Zerstörung  ihres  Ausscheideor- 
aus  den  Wegen  des  Kreislaufs  allenthalben  duren  Exsudation 
weil  sie , wie  z.  B,  der  Harnstoff,  im  Blute  selbst  schon 
®*d^^ialten  sind.  Siehe  oben  pag.  147.  _ _ 

Die  chemischen  Apparate  der  thlerischen  Secretionen  sind 
^C‘ls  Zellen,  wie  die  Fettzellen,  theils  ebene  Häute,  wie  die  Sy- 
“cyialhäute  und  serösen  Memliranen,  theils  Organe  von  eigen- 
'Riiilicher,  zusammengesetzter  Structur  Drüsen, 
j.  1)  Absondernde  Zellen,  Hierher  gehören  die  Zellen  des 

cks  {Veslculac  Graafianae)  mit  einer  eyweissstoffhaltigen  Flus- 
gkeit  gefüllt,  in  welchen  sich  das  viel  kleinere  Ovulum  bildet; 
die  Zellen  des  Hodens  einiger  Fische,  wie  des  Aals,  cier 
g^*oke  und  einiger  anderer,  bei  welchen  nämlich  der  Hoden  keine 
L'”}®öhanälchen  und  keinen  Ausgang  besitzt,  wie  Rathke  zuers 
^"«l>achtet,  und  der  Same  durdi  Zerplatzen  der  Zellen  m die 

27  * 


410  II.  Buch.  Organ,  ehern.  Processe,  III.  Abschnitt.  Absonderung. 


BaucMiöhle  gelangt,  von  wo  er  durch  eine  einfache  OeffannS 
ausgeführt  wird.  Am  ausgehreitetsten  ist  die  Ahsonderung  dui’cli 
Zellen  in  dem  Fettzellgewxhe.  Hier  ist  der  Ort,  einige  Bemer- 
kungen über  Zellgewebe  überhaupt  mitzutheilen. 

Das  Zellgewebe,  welches  durcli  seine  Eigenschaft,  ander® 
Gewebe  mit  einander  zu  vereinigen,  auch  Bindegewebe  genanid 
werden  könnte,  ist  in  der  neuern  Zeit  einer  der  r'athselhaftcstcn 
Körper  geworden,  indem  man  nämlich  nach  Bordeu,  Wolff  n"® 
Meckel  angefangen  hat,  dessen  Structur  zu  läugnen  und  als  ®'' 
nen  zwischen  die  Organtlicilc  gelegten  Schleim  zu  betrachten’ 
dessen  häutige  und  zeitige  Beschalienlieit  erst  durch  Einfluss  von  Lwd 
oder  durch  ein  Auscinanderziehen  desselben  oder  durch  infiltrirt® 
Flüssigkeit  entstehe.  Diese  Vorstellungen  sind  durch  die  Aveiclic®® 
Beschaffeidieit  dieses  Stoffs  hei  dem  Embryo  bestärkt  worden- 
Man  ist  selbst  zu  der  ganz  fabelhaften  Vorstellung  gekommen’ 
dass  sich  beim  Embryo  alle  Organe  aus  Zellgewebe  erzeugen,  d* 
doch  der  Reimstoff  eines  Organes,  den  wir  Blastema  genannt  li®' 
ben,  etwas  viel  edleres,  mit  productiven  Kräften  begabtes  un® 
vom  Zellgewebe  ganz  vcrscliiedcnes  ist.  Die  Beschaffenheit  di®' 
ses  Reimstoffcs  lässt  sich  ganz  besonders  deutlich  bei  der  Eid' 
stehung  der  Drüsen  erkennen:  er  ist  bei  den  Drüsen  eine  gel®' 
tinöse,  halbdurchsichtigc  Materie,  in  welcher  die  VerzweigimS 
der  Drüsenkanälchen  baumartig  entsteht  und  durch  AestetreibC 
fortschreitet,  sd  dass  dieser  Stoff  eine  Art  Atmosphäre  um  die 
Drüsenkanälchen  bildet,  welche  anfangs  sehr  ausgebreitet  ist,  uo® 
im  Maasse  mit  dem  AVachsen  des  Drüsensystems  gleichsam  vo'* 
ihm  absorbirt  wird.  Bei  den  gelappten  Drüsen,  der  Thräiicf’' 
und  den  Speicheldrüsen  ist  dieser  Keimstolf  in  der  Folge  auej‘ 
lappig.  Siehe  J.  Mueller  deglandularum  structura  penitiori.  Tab.  fl 
Fig.  11.  12.  Tab.  V.  Fig.  8. 

Die  unrichtige  Vorstellung  von  der  Bildung  des  Zellgewebe’ 
rührt  davon  her,  dass  man  die  microscopische  Untersuchung  deS' 
selben  vernachlässigt  hat  oder  zu  unvollkommene  Instrumcid® 
hierzu  anwenden  konnte.  Alles  Zellgewebe  besteh  t aus  ganz  übd' 
aus  leinen  Fasern,  dieTREviRASus  und  Krause  kannten,  und  aus  nicld’ 
anderem,  weder  Kügelchen  noch  Blättchen.  Diese  Fasern  gebö' 
ren  unter  die  feinsten  Thellc  des  menschlichen  Körpers  und 
ohngef  ähr  so  stark,  wie  die  Primitivfasern  des  Sehnengewebes.  Selb* 
die  Häute  der  Fettzellcn  entstehen  erst  durch  Aneinanderlegen  ‘b®' 
ser  Fasern,  welche  man  erst  bei  einer  400  maligen  VergrösseruHo 
ihres  Durchmessers  sieht.  Diese  Primitivfasern  des  Zellgewebe* 
sehen  fast  so  wie  Primitivfasern  des  Sehnengewebes  aus, 
welchen  das  Zellgewebe  auch  dadurch  übereinstimmt,  dass  e* 
beim  Kochen  Leim  giebt.  Die  Fasern  des  Zellgewebes  sind 
Lamellen  und  kleinen  Häutchen  verbunden,  und  diese  Lamell®*’ 
oder  Bündel  von  Zellgewebelasern  liegen  nun  in  den  mannigfaltigsf®’* 
Richtungen  durcheinander,  so  dass  sie  ein  unregelmässiges  Spi'*'*^ 
gewebe  von  kleinen  Bündeln  und  Lamellen  erzeugen,  dessen  1® 
terstitieii  untereinander  communiciren,  wie  man  durch  das  leicn  ^ 
Aufblasen  derselben  ermittelt.  Durch  diesen  letzten  Umsta® 
und  durch  seine  Structur  überhaupt  unterscheidet  sich  das  tlö 


1.  Absonderung  im  Allgemeinen.  Zellgewebe,  Feltabsonderung.  4II 

thlerisclie  ZellgcweLe  von  dem  Pflanzenzellgewete,  welches  meist 
eckige  geschlossene  Zellen  bildet.  Die  Primitivfasem  in  dei’ 

^eia  superficialis  stimmen  durchaus  mit  denen  des  Zellgewebes 
hherein.  Diese  dünneren  Faserhäute  scheinen  bloss  durch  die 
Dichtigkeit  des  Slrickwerks  des  Zellgewebes  zu  entstehen.  In 
«len  eigentlichen  Fascien  und  Sehnen  liegen  die  Fasern  schichtweise 
ln  gewissen  Richtungen,  und  bilden  Faserbündclehen,  welche,  wie 
die  Fasern  des  fibrösen  Gewebes  überhaupt,  wohl  nicht  aus  dich— 
len  Ordnungen  von  Primitivfaseru  des  Zellgewebes,  sondern  aus  ei- 
genthümlichen  Fasern  bestehen.  Das  Zellgewebe  wird  nun  in  seröses 
nnd  Fettzcllgewebe  eingelheilt.  In  Hinsicht  des  serösen  Zellgewe- 
^^es,  welches  mit  cyweiss-  und  osmazomhalligcn  Flüssigkeiten  in- 
filtrirt  ist,  entsteht  die  Streitfrage,  ob  die  Interstitien  des  Zellgewe- 
lies  bloss  Räume  der  Lymphgefässnetze  sind,  wie  Fohmamn  und 
Ahmom  annehmen,  welche  das  Zellengewebe  überhaupt  für  kei- 
nen besondern  Körper,  sondern  für  blosse  Lymphgefässnetze  hal- 
len. Vgl.  pag.  250.  Hierfür  könnte  man  anführen,  dass  auch  die 
Innere  Haut  der  Lymphgefässc  aus  ganz  überaus  leinen  Fasern, 
««fie  das  Zelleugewebe,  geweht  ist.  Jene  Vorstellung  von  Zusam- 
niensetzung  des  Zellgewebes  aus  Lymphgefässnetzen  wird  durch 
'ien  unmittelbaren  Debcrgang  in  die  Fäscia  superficialis  unwahr- 
scheinlfch.  Daher  Formask  und  Arkolp  jedenlalls  annehmen 
n^üssten,  dass  die  Lymphgefässnetze  nur  die  Interstitien  zwischen 
^nn  Bündeln  des  Zellgewebes  eiunehmen.  So  leicht  man  beobach- 
l®n  kann , dass  bei  der  Zellgewebewassersucht  die  Lymphgefässc 
nnd  Lymphgefässnetze  mit  wässrigen  Flüssigkeiten  weit  ausgedehnt 
*'nd,  so  ist  doch,  jene  Vorstellung  von  dem  Zcljgewebc  durchaus 
hypothetisch  und  selbst  in  sofern  unwahrscheinlich^  als  das  Fett- 
*eUengewcbe  doch  unmöglich  zu  den  Lymphgefässnetzen  gehört, 
h’ytt  aber  fasst  überall  im  Zellgewebe  sich  anhäufen  kann.  Alle 
«liese  Bemerkungen  über  den  Bau  des  Zellgewebes  sind  aus  einer 
kleinen  Arbeit  von  Jorda>v  über  .die  Umka  dartos  und  die  ver- 
wandten Gewebe  (Muecj.er’s  Arehk.  1834.  p.  410.)  entnommen.  Ich 
bemerke,  dass  ich  die  Beobachtüngen  des  Verf.  selbst  verificirt  habe. 

' Das  > , Fett  ist  ein  blosses  Depositum  in  dejjf  Zellen  des 
r«^llgewebes , theils  unter  der  Haut  im  Panniculus  adfiosus , theils 
'jn  Omentum  ^ in  der  Umgegend  der  JNieren  und  in  dem  Mark 
Knochen  und  stelleinveise  an  vielen  anderen  Thcilen.  Eine 
besondere  Slruotur  scheint  zu  dieser  Absetzung  aus  dem  Blute 
1'cht  tiöthjg,  weil  eben  in  allen  Theilen  Fett  sich  abschei- 
nen  kann.  ’ Diese  Materie  ist  "übrigens  ohne  alle  Organisa- 
tion unä  bei  der  Temperatur  des  menscJiIichen  Körpers  selbst 
mssig  oder  weich.  Die  verschiedenen  Fettai’ten  in  der  Thicr- 
Unterscheiden  sich  vorzüglich  durch  den  Temperatur- 
bei  Welchem  sie  wöich  lind  flüssig  werden,  und  durch 
^nen  verschiedenen  GebäH  äp  Stearin  undElain,  in  der  Schmelz- 
äekeit  verschiedenen  Fettarten.  Das  Mensciienfett  gehört  zu 
, on  Weicheren  Fettarten.  Das  Fett  der  kaltblötigen  Tbiere  ist 
,0«  gewöhnlicher "Tcmpei-atur  noch  flüssig.  Die  ZKSamracüsetzung 
^?^hes  i'd  schon  pag.  126  angegeben.  Dieses  freie  Fett  ist 
«ckstoülos,  während  andere  Fettarte.n,  wie  das  gebundene  Fett 


412  II.  Buch,  Organ,  ehern.  Proeesse.  III.  Abschnitt.  Absonderung. 


im  Blut  und  im  Gehirn,  Stickstoff-  nnd  pliosphorhaltig  sind.  Stea- 
rin und  Elain  sind  ühricjens  in  Aether  und  heissem  Wein£!;eist 
löslich,  Elain  hleiht  in  dem  erkalteten  Weingeist  gelöst. 
Nutzen  des  Fettes  besteht  offenbar  theils  in  seiner  Verwendung 
zur  Ausgleichung  der  FormcnverhViltnisse,  theils  dient  dasselbe 
als  schlechter  Wärmeleiter  zum  Schutz  der  inneren  Theile.  D«* 
Fett  kann  aber  auch  als  ein  deponlrter  Nahrnngssloff  betrachtet 
werden,  der  hei  Hungernden  und  auch  bei  dem  Schwinden  der 
Theile  durch  Bindung  mit  anderen  Tblcrstoffcn  oder  verseilt  u«' 
gemein  leicht  wieder  aufgelöst  und  in  die  Blutmassc  wieder  auf' 
genommen,  zu  organischen  Combinationen  weiter  verwandt  wird- 
2)  Absondernde  Ilihite.  Unter  die  absondernden  Häute  gC' 
hören  vorzüglich  die  serösen  Häute,  die  Schleimhaut  und  die 


äussere  Haut.  _ 

a.  Seröse  Häute.  Die  serösen  Häute  scheinen  aus  ähnlichen  Fa- 
sern wie  das  Zellgewebe  zu  bestehen,  die  auf  dieselbe  Weise  zu  Bün- 
delchen  verbunden  und  durch  einander  gewirkt  sind.  Sie  blldeä 
drei  Ordnungen:  1.  Bursae  synoviales,  sowohl  subcutaneae,  als  d.>ß 
Bursae  synoviales  tendinum,  welche  den  durch  sie  hindurchgehen- 
den, oder  an  ihnen  vorbeigehenden  Sehnen  einen  üeherzug  geben- 
2.  Svnovialhäule  der  Gelenke.  Wenn  Sehnen  oder  Bänder  durch 
Gelenke  hindurch  gehen,  so  erhalten  auch  diese  einen  Ueber- 
zu"  *).  Die  Synovia  ist  eine  alkalische  cywelsshaltige  Flüssigkeit? 
welche  durch  Rochen  coaguilrt.  -3.  Seröse  Häute  der  Eing«' 
weide.  Sie  sind  sackförmig  geschlossen  nnd  entstehen  als  häutig^ 
Grenzen,  wo  Eingeweide  frei  einander  berühren  oder  in  HöhleU 
lie<?end  von  anderen  Tbcilen  abgesondert  sind.  Die  durch  eine 
seröse  Haut  begrenzten  Eingeweide  sind  von  Aussen  so  in  den 
serösen  Sack  eingedi’ückt,  dass  sie  seihst  davon  wieder  einen  Ue- 
berzug  eidialten.  Von  dem  Gesetz,  dass  die  serösen  Häute  g«' 
schlossene  Säcke  sind,  giebt  es  nur  selten  Ausnahmen,  wie  z.  h- 
die  Oeffnung  der  Eyerröbren  des  Menschen  und  aller  übrigen 
Wirbelthiere  (bis  auf  einige  Fische)  in  die  Bauchhöhle,  ferner  d'^ 
Oeffnungen,  welche  doppelt  hei  dönv'Haifisch  und  Bochen,  ein- 
fach heim  Aal  und  hei  den  Pricken  von  aussen  in  die  Bauch- 


' '')  Bci  dem  Embryo  ist  sogar  In  dem  fünften  Monat  die  dnrcK  d.is  Seb« 
Icrgeleuk  durcligelicnde  Sehne  vom  langen  Kopf  des  Muse,  biceps 
von  der  Synovialliant  umzogen,  dass  sic  in  ihrer  ganzen  Länge,  so  -"'e^ 
sic  in  der  Gele.nkhöhlc  liegt,  dun  h eine  gekrüsartige  Falte  der  Syno'“ 
alhaiil  an  die  Wand  der  Gelenkkapsel  angeheftet  ist.  Nach  dem  in" 

' te.n  Monat  findet  sich  diese.  Falle,  niehl  mehr  oder  t-ielniehr  bloss  » 
dem  untern  'J'hcil  der  Sehne  in  der  Itinne  der  beiden  Tubercu 
Das  im  Kniegelenk  vorkomnicnde,  so  gpnderharc  Ligqmc-titum 
sum  ist  der  liest  einer  ähnlichen  Falte,'  welche  nach  meinen  Beoba? 
turigen  im  fünften  Monat  des  Kmhiyo  von  demjenigen  Theil  ‘'"''.J, 
- ' novialhaut,  weleber  die  Ligamenta  cruciata  überzieht,  selieidcwand 

t:  tig  nach  vorn  bis.  zu  einem  freien  Baude  sich  fortscUt,  und  dieses 

vollkommnc  Mediastinum  im  Kniegelenk  findet  inan  in  seltenen  Fällen  j, 
bei  Neugeborenen  j in  den  inehrsten  Fällen  Ist  cs  schon  '-'vischen 

Lioanien  ta  cruciata  und  dein  vordem,  als  mncosmu '* 

bleibenden  Bande  zerrissen.  ' 


1.  Absonderungen  im  Allgemeinen.  Seröse  Häute.  Schleimhäute,  413 

Jiöhle  lüliren.  Bei  den  Stören,  Ilaifisclien  und  Roclien  hängt 
*^6r  Herzhentel  selbst  mit  der  Bauchhöhle  zusammen  ). 

Man  stellt  sieb  häufig  vor,  dass  die  serösen  Höhlen  während 
‘'es  Lebens  mit  einem  Gas  angefüllt  seyen,  ohne  zu  fragen,  was 
tliess  für  ein  Gas  sevn  könnte.  Diess  ist  eine  unrichtige  Vorstel- 
'“*>g.  Die  serösen  Säcke  sind  während  des  Lebens  so  von  ihren 
Eingeweiden  angefüllt , dass  gar  keine  Zwischenräume  innei- 
'*alb  derselben  vorhanden  sind,  und  cs  wird  von  den  Oberflächen 
‘'ör  serösen  Häute  während  des  Lebens  nur  so  viel  Flüssigkeit 
“'^gesondert,  um  die  einander  berührenden  Wände  schlüpfrig  zu 
‘^l  'ialten  und  vor  Verwachsungen  zu  schützen.  So  sind  die  Bauch- 
eingeweide  unter  dem  beständigen  Druck  der  Bauchmuskeln  zu- 
®änamengepresst ; nur  im  Innci'n  des  Darmkanals  erleidet  er  ®nm 
‘'er  Bauch  höhle  nach  oben  und  abwärts  Veränderungen.  Zwi- 
schen Pleura  costalis  und  ])Hbnonalls  ist  w'ährend  des  Lebens  nicht 
der  geringste  Zwischenraum,  indem  die  Oberflächen  der  Lmigen 
‘'“rebaus '^immer  den  Bewegmigen  des  Thorax  folgen,  wodurch 
^"ein  das  Atbrnen  möglich  ist.  Auch  zwischen  Herzbeutel  und 
"erz  hrauebt  man  keine  gasförmigen  Sloflc  und  keine  Flüs- 
f'gheit  wälirend  des  Lehens  anzunebmen;  denn  immer  ist  ein 
'^'leil  des  Herzens  vom  Blut  ausgedehnt,  während  der  andere 
Elieil  des  Herzens  zusaramengezogeii  ist.  Durch  die  Anhäufung 
Blutes  in  dem  eben  erweiterten  Tbeil  des  Herzens,  sey  es 
y‘>rhof  oder  Kammer,  wird  also  die  Höhle  des  Herzbeutels  in 
l®‘lera  Augenblick  ausgefüllt,  und  wenn  auch  durch  die 
’^enziehung  eines  Tbeils  des  Herzens  im  Herzbeutel  cm  luttlee- 
^'Cf  Raum  entstehen  könnte,  so  würden  die  anliegenden  Lungen 
yci’möge  des  Luftdrucks  von  Aussen  durch  die  Bronchien,  den  Herz- 
beutel'verdrängend,  diesen  leeren  Raum  cinzunehmen  suchen. 

Die  serösen  Säcke  stehen  unter  sich  in  sympidhisclier  Ver- 
bindung,  und  fbeilen  sich  einander  leicht  Entzündungen  mit. 

diesen  SVicken  cigcnlliümllclie  Krankheit  ist  die  Ergiessung 
'bn  Blutwasser  in  dieselben,  welche  leicht  durch  organische  Krank- 
beiten  der  ihnen  anliegenden  Eingeweide  entsteht.  Lieber  die 
Eefässe  der  serösen  Häute  siebe  oben  pag.  20.f. 

h.  Scbleimhäute.  Die  Scbleimbäutc  kommen  idierall  vor  afs 
innere  häutige  Begrenzungen,  wo  innere  Tbeile  mit  der  Aussen- 
yc't  in  offener  Verbindung  stehen,  überall  wo  etwas  ausgeschie- 
‘yu  oder  aufgenommen  wird.  Sie  sind  weich  und  samnietaitig, 
y'ieraus  gefässreieb,  im  Mund  und  in  der  Speiseröhre  von  Epi- 
"lelium  'bedeckt,  ihr  Gewebe  giebt  heim  Kochen  keinen  Leim 


Bel  den  Vögeln  sollen  nach  der  gewöhnliclicii  Ann.alirne  die  aus  den 
Bionclden  der  Lungen  diiixli  Oef'fnungen  anC  der  Oberfl-iclie  derselben 
sich  verlängernden  Lufts.äcke  .aufli  in  die  ILwicliliöMc  herabsleigcn  nnU 
in  diesen  LufUellen  die  Bauebeingeweide  alle  Hegen.  IViess  ist  aller 
ein  Versehen,  denn  naefi  tneiiien  Beobaclitiingen  an  Hübnein 
die  beiden  Uältten  der  Leber  und  der  grösste  Hieil  des  Dann  .ana  s 
zwise.bcn  den  auf  beiden  Seiten  berabsteigenden  Lul'uellen  m leson- 
dern  mit  den  Luftiellen  gar  nicht  eommunicirendeii  Ablheilungcn  < er 
Baucbliöblc,  ln  weirbe  bei  einer  Injectloii  der  Luftaellen  ilureli  die 
Luflröbre  nichts  eindringt. 


414  II.  Buck.  Organ,  ehern.  Processe.  III.  Ahschnitt.  Absonderung. 

lind  zeichnet  sich  durch  die  leichte  Maceration  in  Wasser  und  durch 
die  Auflöslichkeit  in  Säuren  aus.  Ihre  äussere  Fläche  liegt  au 
anderen  Geweben  an,  an  der  Zunge  auf  Muskeln,  an  den  knorp- 
ligen Theilen  der  Nase  auf  Pei’ichondrium,  in  den  SiehheinzelleH; 
Reilbeinhöhlen,  Kieferhöhlen,  Stirnhöhlen,  gleichwie  in  der  Troin- 
melhöhle  auf  Periostlum;  im  Darmkanal  liegt  die  äussere  Ober- 
fläche dieser  Haut  an  einer  Art  fester  Fascia  an  ( Tunica  propn^ 
des  Darmknnals),  welche  eben  so  auch  wieder  den  Muskelfasern 
der  dritten  Haut  des  Darmkanals  zur  Befestigung  dient.  Man 
kann  mehrere  Hauptaushreitungen  der  Schleimhäute  unterscheiden: 
4.  die  Sclileimhaut  der  Nase.  Diese  sendet  Fortsetzungen  in  dje 
3 Nehenliöhlen  der  Nase,  und  durch  den  Thränenkanal  und  di® 
Thränenröhrchen  communicirt  sie  continuirlich  mit  der  Conjun- 
ctiva  palpebrarum  et  oculi,  welche  letzte  so  sicher,  wie  jede  ander® 
Schleimhaut,  liierher  gehört,  da  sie  dicKi’ankheiten  der  Schleimhäute» 
nämlich  sowohl  die  chronischen  Blennorrhoeen  als  die  catarrha- 
lischen  Affectionen  dieser  Häute  theilt,  ja  bei  jedem  heftigen 
Schnupfen  im  trocknen,  wie  im  fliessenden  Stadium  mit  afficirt  wird» 
und  weder  in  der  serösen  Absonderung,  die  am  Auge  von  den 
Thränen,  nicht  von  ihr  kommt,  noch  in  Hinsicht  der  sackartigen 
Bildung  der  serösen  Häute  mit  diesen  etwas  gemein  hat. 

Die  Schleimhaut  des  Mundes  hängt  Im  Rachen  mit  jener  der  Nase 
zusammen,  schickt  eine  Fortsetzung  in  die  Eustachische  Troin- 
pete,  welche  als  innere  Haut  der  Trommelhöhle  und  des  Trommel- 
fells endigt.  Sie  schickt  im  Munde  Fortsetzungen  in  die  Auf' 
führungsgänge  der  Speicheldrüsen;  im  Rachen  theilt  sie  sich  in 
zwei  grosse  Zweige  als  innere  Haut  der  Luftwege  und  des  Darm- 
kanals. Jene  dringt  bis  in  die  Luftzellen  als  das  Häutchen  der- 
selben vor  und  endigt  blind;  diese  kleidet  den  ganzen  Darmka- 
nal aus,  und  schickt  Fortsätze  in  die  Ausfilhrungsgänge  der  Leber 
und  des  Pancreas.  Bei  den  Vögeln  hängt  sie  in  der  Kloake 
mit  der  Schleimhaut  der  Genitalien  und  Harnwerkzeuge  zusam- 
men. Die  Schleimhaut  der  letzteren  üljerzieht  den  ganzen  Ver- 
lauf der  Harnwerkzeuge  von  ihrer  Mündung  bis  in  die  Calyce* 
renales,  dringt  in  die  Geschlechtstheile  als  innere  Haut  bis  in  die  Aus- 
führungsgänge der  Genitalien  ein,  hei  dem  Weihe  grenzt  si® 
merkAVÜrdiger  Weise  an  den  Fimbrien  der  Trompeten  an  die  se- 
röse Haut  der  Unterleibshöhle.  Bei  den  Fischen  stehen  all® 
Schleimhäute  durch  die  schleimahsondernde  Oberfläche  der  Haut  m 
Verbindung.  Alle  diese  Häute  stehen  in  grosser  sympathischer  Vei’- 
hindniig  unter  sich,  indem  sich  die  l^ankheiten  dieser  Häute» 
namentlich  die  Schleimflüsse  und  catarrhalischen  Affectionen,  leicb 
innerhalb  dieses  Gewebes  ausbreiten.  Durch  diesen  Conseiisu* 
erkennt  man  an  einem  Theil  dieser  Häute  die  Beschaffeidieit  ci»®* 
andern : aus  der  Beschaffenheit  der  Schleimhaut  der  Zunge  di® 
Beschaffenheit  der  Schleimhaut  des  Magens  und  Darmkanals.  Vgh 
den  pag.  333  erläuterten,  merkwürdigen  sympathischen  ZusamnieO' 
hang  aller  Schleimhäute  mit  den  Athemhewegungen.  Die  Leich' 
tigkeit,  mit  welcher  durch  Vermittelung  der  Nervensympathiecu 
aus  Reizungen  der  Schleindiäutc  convulsivische  Bewegungen  dm 
zum  respiratorischen  System  gehörigen  Muskeln  entstehen,  'V* 


1.  Absonderung  im  Allgemeinen.  Schleimhäute.  Aeussere  Ilaui,  415 

beim  Husten,  Niesen,  Erbrechen,  unwillkübrlichen  Trieb  zum 
Stuhlgang  und  Harnlassen  stattfinden,  will  ich  hier  nicht  weiter 

Untersuchen.  i j-  tii 

Die  eieenthiimlichen  Kranklieiten  dieser  Häute  sind  die  ülen- 
«nrrhoeen  oder  Schleimflüsse  und  die  catarrhalischen  AfFectionen, 
f eiche  sich  von  den  ersteren  dadurch  unterscheiden,  dass  sie  acut, 
j jj  sclinell  steigend  und  aLnelimend  sind,  und  dass  sie 
®*n  congestives,  erstes  und  blennorrhoisches,  zweites  Stadium  be^ 

*dzen. 

„ Die  Absonderung  des  Schleims  geschieht  sowohl  auf  den  der 
?eldeimbälge  ermangelnden  Schleimhäuten  der  Kieferhöhle,  Stirn- 
Ijninhöhle,  Keilbeinhöhle  und  Trommelhöhle,  als  a^  den  mit 
.niliculis  mucosis  versehenen  Schleimhäuten;  daher  die  letzteren 
"icht  die  einzigen  Quellen  der  Schleimahsonderung  seyn  können. 

. Die  Schleimdrüsen  sind  übrigens  blosse  säckchenförmige  Ver- 
fiefiinsen  der  Schleimhäute,  ln  denjenigen  Schleimhäuten,  welche 
Epithelium  bedeckt  sind,  wo  also  ausser  dem  Schleime  noch 
andere  Alisonderung  statt  findet,  scheint  die  Schleimabson- 
^erung  auf  die  Schleimdrüsen  beschränkt  zu  seyn.  Vgl.  über  das 

%ithelium  nag.  363.  - 1 1 • i - * i -u  f 

Der  Schleim  (Mucus)  wird  nur  von  Schleimhäuten  gebildet 
kömmt  in  anderen  thierischen  Theilen  nicht  vor.  Dieser 
Schutz  aller  mit  der  Aussenwelt  in  Wechselwirkung  stehen- 
inneren  Theile  hestimmte  Stoff  quillt  im  Wasser  auf,  «t  aber  im 
Nasser  nicht  löslich;  in  der  Wärme  gerinnt  er  nicht,  vom  Weingeist 
^‘rd  er  aus  seiner  Zerlheilung  in  Wasser  niedergeschlagen,  eilialt 
ausgewaschen  seine  vorige  ZertheilbaAeit  im  Wasser  wi^ 
Uebrigens  ist  der  Schleim  nicht  auf  allen  Schleimhäuten 
gleicher  Beschaffenheit;  denn  wie  Berzelius  fand,  ist  der 
l'^lflelm  der  Gallenblase  in  Säui-en  ganz  unlöslich,  wahrend  der 
^‘='deim  der  Harnblase  einigermaassen  von  verdünnten  Sauren  so- 
als  von  verdünntem  Alkali  gelöst  wird.  Säuren  losen  ^ler- 
sehr  wenig  vom  Schleim  auf.  Nach  Gmelin 
r'*rnischleim  durch  Säuren,  selbst  durch  Essigsänie.  Die  Saimc 
'^‘ebt  nur  sehr  wenig  aus  und  er  wird  selbst  im  Kochen  von  ihr 
“f'^bt  aufgelöst.  Das  Wenige,  was  von  Säure  aulgelost  worden 
was  ^Wasser  nach  dem  Abgiessen  der  Säure  in  der  Digestion 
ibm  auszog,  wird  von  Galläpfelinlusion , aber  nur  selten  von 
faneisenkalium  gefällt.  Berzelius  Tluerchemie  138. 

, c.  Aeussere  Haut.  Auf  der  äussern  Haut  linden  sehr  man- 
^‘'^bfaltige  Absonderungen  statt,  wovon  jede  von  besondern  Stel- 
des  Hautorganes  gebildet  wird.  Am  allgemeinsten  ist  d.eAb- 
^önderunn  der  "Epidermis.  Die  Absonderung  der  Epidermis  ge- 
^ lieht  schichtweise  von  der  obersten  Schicht  der  Haut.  Vg  • 
pag.  364.  Die  Epidermis  selbst  ist  nach  übereinstimmen- 
Beobachtungen  nicht  organisirt.  Schultze  fand  zwar,  dass 
p.i^b  Injection  der  Blutgefässe  mit  blossem  Terpentinöl  nicht  ai- 
die  feinsten,  sonst  nicht  sichtbaren  Gefässe  angeföHt  weröcn, 
',^*?dern  dass  auch  die  aligczogene  Epidermis  an  ihrer  mncin 
ein  mit  dem  Mikroskop  erkennbares  deutliches  Gef  assnetz 
Um  die  Injection  auf  das  Weiteste  zu  treiben,  hat  Schultze 


416  II.  Buch.  Org.  ehern.  Processe.  III.  Abschnitt.  Absonderung. 


den  Stumpf  des  inpeirten  unterbundenen  Arms  in  beisses  Wasse* 
getban.  Dieser  Gelehrte  batte  die  Güte,  mir  nicht  allein 
Gefassnetz  der  innern  Seite  der  Epidermis  an  abgezogenen  un* 
getrockneten  Stücken  unter  dem  Mikroskop  zu  zeigen,  soncleJ'” 
auch  ein  Stückchen  dieser  Epidermis  mir  mitgetbcilt,  woran 
den  deutlichen  Beweis  dieser  Getasse  in  Händen  habe.  Es  b'-’* 
sich  aus  dieser  Beobacblung  indess  freilich  nicht  schliessen,  J®!’“ 
die  Epidermis  selbst  Gefässe  enthalte;  denn  diese  Schiebt 
Gefässen,  an  der  innern  Seite  der  Epidermis,  kann  sehr  wo“ 
mechanisch  beim  Ablosen  der  Epidermis  yon  dem  Stratum  I'bd' 
piglnanum  subepidermicum  mit  abgelöset  sevn.  Auch  Hesse  sic® 
erst  an  senkrechten  Durchschnitten  der  Epidermis  unter  dem 
kroskop  der  Beweis  führen:  ob  diese  Gefässe  bloss  eine  inne>'‘' 
Schicht  an  der  gcfässlosen  Epidermis  selbst  bilden,  oder  ob  <1',® 
Gefässe  wirklich  bis  zu  einiger  Tiefe  in  die  Substanz  der  Ep'" 
derrais  eindringen.  Sie  verhalten  sich  übingens  bei  ihrer  VC' 
zweigung  und  netzförmigen  Endigung  gerade  so  wie  Blutgefäss®' 
Von  den  rolhes  Blut  führenden  Gefässen  unterscheiden  sie  si® 
nach  ScHULTzE  nur,  dass  sie  einigemal  dünner  sind,  als  mensd*' 
liehe  Blutkörperchen.  Wäre  diese  Messung  an  nicht  getrockn®' 
ter  Epidennis  angcstellt,  so  könnte  sie  den  noch  fehlenden  Beä'®'* 
leisten,  dass  es  wirklich  Ramuli  serosi  der  Blutgefässe  gebe.  Si®^’^ 
Mueli.er’s  Archiv  für  Anaf.  und  Fhysiol.  1834.  p.  30. 

Die  Absonderung  der  Haare  findet  in  den  Ilaarbälgen  v®" 
den  Haarkeimen  statt.  Die  Bildung  der  die  Haut  eiuölenden  Halb' 
schmiere  geschieht  durch  jene  unzähligen,  über  die  ganze  Ib'® 
zerstreuten  Folliculi  sebacei,  kleine,  in  der  Dicke  der  Haut  liege'>‘^*^ 
Säckchen  mit  engerem  Halse.  Endlich  findet  die  Absonderung  b®* 
Schweisses  wieder  in  eigenthümlichen  kleinen,  über  die  ga»*® 
K-örperoberfläche  verbreiteten  Schläuchen  statt,  welche  ihr  Seci'®' 
tum  durch  feine  Poren  an  der  Epidermis  erglessen.  Was  b'® 
Folliculi  sebacei  und  das  seit  langer  Zeit  streitige  Verhältii’*” 
derselben  zu  den  Haaren  und  Haarkeimeu  betrifft  (siehe  Ei®‘*' 
HORN,  Meckel’s  Archiv  1826),  so  haben  hierüber  die  Untersuchu®' 
gen  von  Wendt  Aufschluss  gegeben.  Wendt  de  epidernüde 
mana.  Diss.  inaug.  Vratisl.  1833.  AIuelleb’s  Archiv  Jür  Arud. 
Phfsiol.  1834.  Heft  3.  pag.  280. 

Nach  Wesdt  besteht  die  Epidermis  aus  Lamellen.  We^®*^ 
hält  das  Stratum  Malpighiauum  {Rete  Ma/pighii)  nicht  für  ®b)® 
blosse,  noch  nicht  erhärtete  Lamelle  der  Epidermis;  denn  b'® 
Epidermis  bestehe  aus  Lamellen,  das  Bete  Malpighii  aber 
Körnern.  Nach  Wknut  kommen  die  Haare  wirklich  aus  b®® 
Glantlulis  scbaceis,  obgleich  nicht  alle  Glandulae  sebaceae  Ha®® 
ausschicken.  Der  Bulbus  der  Haare  sitzt  in  dem  Boden  bp 
Glandula  sebacca;  er  durchbohrt  nicht  die  mit  eingebogener  EP*' 
dermis  besetzte  SVand  der  Glandula,  sondern  geht  durch  ih®®'^ 
Ausführungsgang  selbst.  Bei  der  Entstehung  der  Haare  soll  m®.'^ 
ein  Gelass  zu  dem  Boden  jeder  Drüse  treten  sehen,  das  in 
nen  Punkt  schwarzen  Pigmentes  endigt,  welches  durch  ZnW®® 
von  neuem  Pigment  in-  den  Bulbus  des  Haars  anwäcbst.  f 
interessantesten  sind  Purkikje’s  Beobachtungen  über  die  Schwe®’’ 


1.  Absonderungen  an  Aügevneinen.  Drüsen. 


417 


^anälclien.  Die  kleinen  Poren  auf  den  erhabenen  Linien  der 
X^la  und  Planta  sind  bekannt.  Ptjrkisje  bat  nun  entdeck,  dass 
»liese  Oeffnungen  in  der  Haut  zu  fadenförmigen  Organen  fuhren, 
^''elcbe  durch  das  Stratum  Malpigbianum  in  die  Haut  selbst  uber- 
S^hen,  einen  spiralförmigen  Verlauf  haben  und  zuletzt  in  einen 
•‘‘cbt  mehr  gewundenen,  blindgescblossenen,  länglichen  Balg  sich 
^'‘disen.  An  den  Hautstellen  mit  dünner  Epidermis  sind  diese 
^»nVile  dünner  und  weniger  gewunden,  in  der  Vola  manus  da- 
8®8en  machen  sie  gegen  6 bis  10  Windungen.  Die  Kanalchen 
‘‘‘»eben  übrigens  schon  in  der  Epidermis  ihre  meisten  Windun- 
Zu  dieser  Untersuchung  wird  ein  Stück  der  Hiiut,  am  be- 
5^3  jjgj.  Vola  manus,  durch  Liquor  kali  carbomci  erbartet 
'‘«^1  in  senkrechten  Lamellen,  die  mit  den  Furchen  der  Vota  pa- 
*'‘**lel  laufen,  mit  einem  sehr  scharfen  Messer  zerschnitten,  üar- 
diese  Durchschnitte  mikroskopisch  untersucht.  Von  dem  Stra- 
^«iti  Malpigbianum  an  hören  die  Windungen  auf;  das  Ranalchen 
^Htt  gerade  in  die  Cutis  ein,  indem  es  allmablig  anschwillt  und 
**'*1  einem  rundlichen,  geschlossenen  Fundus  endigt.  Die  Länge 
Kanälchen  beträgt  kaum  mehr  als  das  Doppelte  der  Dicke 
Epidermis  der  Vola  oder  Planta.  Die  Windungen  sind  in 
Unken  Vola  von  rechts  nach  links,  in  der  rechten  umgekehrt. 
Später  als  Purkinje  hat  Breschet  ähnliche  Beoljachtungen  über 
yp  spiralförmigen  Drüsen  der  Schweissahsonderung  gemacht. 

Insiiliit.  1834.  • j TT  t 

Man  sieht  aus  dieser  Zusanunenstellung  der  m der  Waut 
®^'dtfindenden  Absonderungen,  dass  für  jedes  aiich  nur  punUtor 
Vordringen  eines  Secretes  in  der  Haut  cm  Jjeslimratcr,  durch 

^'^ctanlge  oder  schlauchförmige  Structur  ausgezeichneter,  Apparat 

^«thig  ist  und  wenn  sich  die  Vorstellungen  der  Allen  über  das 
‘iervordrlngen  des  Schweisses  aus  den  Schweissporen  bestätigt 
***^>en,  so  darf  man  sich  darunter  keineswegs,  wie  jene  sich  dach- 
f'L  ein  Ergicssen  des  Schweisses  aus  offenen  Fortsetzungen  der 
V^ffgefässe  denken ; vielmehr  ist  jeder  Schweisspore  nur  das  Ende 
>es  blinden  und  in  sich  geschlossenen  Schlauches,  sein 

‘iP'^retum,  wie  jede  andere  Drüse,  auf  seiner  innern  Ohertlaclie 
T'^let.  TJeher  die  chemische  Zusammensetzung  der  Hautabson- 
,**''g  siehe  den  folgenden  Abschnitt  IV.  Cap.  VIH.  hei  den  Aus- 
Meldungen.  i • i -n  •• 

, Drüsen.  Die  Organe,  Avelche  man  bisher  Drusen  genannt 

sind  thells  ohne  Ausfülirungsgängc,  theils  ahsondernde  und 
Ausführungsgängen  begabte. 

Hie  erste  Reihe  dieser  Organe,  oder  der  Drüseri  ohne  Aus- 
ährungsgänge,  üben  ihren  plastischen  Einfluss  auf  die  in  ihnen 
"■'d  durch  sie  circulirenden  und  in  den  allgemeinen  Rreislaut 
.äi-ückkehrenden  Säfte  aus,  sie  haben  keine  Beziehung  aut  cm 
, diisseres,  Avle  die  ahsondernden  Drüsen.  Diese  Organe  hes  e 
daher  auch  fast  nur  aus  Gef ässhildung , sie  sind  Getass- 
hauel,  Gefässknoten,  indem  die  in  ihre  Bildung  emgehenoen 
..Blässe  des  Kreislaufs  sich  im  Parenchym  derselben  ins  tJuenil- 
dhe  zerthellen  und  aus  dieser  Zertheilung  wieder  in  .ausluhrende 
i'ückführende  Gefässe  des  Kreislaufs  sich  sammeln. 


418  11.  Buch.  Organ,  ehern.  Processe.  III.  Abschnitt.  Absonderung. 


Alle  Drüsen  dieser  Art  oder  die  Gefässknoten  sind  idrct 
zweierlei : 

I.  Blutgefässknoten,  ganglia  sanguineo-vasculosa.  Hierher  g®' 
hören  im  Systema  chylopoeticum  die  Milz,  im  Systema  uropoeü' 
cum  et  genitale  die  Nebennieren,  im  Systema  respiratorium  *1*® 
Schilddrüse  und  die  Thymusdrüse,  im  Auge  die  glandula  chori®' 
dalis  der  Fische,  endlich  die  Placenta  des  Foetus. 

Alle  diese  Organe  sind  hlosse  Blutgefässkuchen,  sie  könn®'* 
in  ihrem  Parenchym  hloss  die  Beziehung  und  Einwirkung  auf 
sie  in  einer  grossen  Zertheiluug  durchkreisende  Blut  haben. 

Sie  sind  aber  bald 

1.  vereinigte  Ganglia  sanguineo-vasculosa,  wie  die  Placenta, 
Milz; 

2.  vereinzelte,  wie  die  Cotyledonen  und  die  mehrfachen  Mih®®’ 

II.  Lymphgefässknoten , Ganglia  lymphatico-vasculosa.  Di®*® 
bestehen  aus  Verzweigungen  der  in  sie  eingehenden  und  a«* 
ihnen  herausführenden  Lymphgefässe,  deren  innere  Zertheihn’r’ 
zuletzt  in  lauter  Netze  und  Zellen  endigt.  Siehe  oben  pag.  25®' 

Ilieher  gehören  die  Lymphdrüsen  und  Mesenterialdrüsen. 

Auch  diese  können  in  ihrem  Innern  hloss  die  Beziehung  a®* 
die  sie  durchkreisende  Lymphe  oder  den  Chylus  haben. 

Sie  sind  ebenfalls  bald 

1.  vereinzelt,  wie  gewöhnlich  die  Mesenterialdrüsen  in  gross®*’ 
Anzahl; 

2.  vereinigt,  wie  das  sogenannte  Pancreas  Asellii  der  Hund®» 
als  eine  Masse  von  Mescnterialdrüsen. 

Alle  diese  Drüsen,  die  Blutgefässknoten  und  LymphgefasS' 
knoten  sind  nicht  der  Gegenstand  gegenwärtiger  Untersuchung' 
sie  sind  von  derselben  gänzlich  ausgeschlossen. 

Eine  zweite  Classe  der  Drüsen  hat  nicht  bloss  die  Beziehung 
auf  das  sie  durchkreisende  Fluidum,  sondern  auf  ein  Acusser®*» 
das  die  Producte  der  Metamorphose  durch  Ausführungsgänge  aiü 
der  Sphäre  des  Kreislaufes  in  sich  aufnimmt.  Alle  Drüsen  dies®*" 
Ordnung  müssen  in  Hinsicht  ihrer  innern  Bildung  vollständig  *®*’' 
gliedert  werden. 


II.  Capitel.  Von  dem  innern  Bau  der  Drüsen. 


i 


Die  Untersuchungen  über  den  innern  Bau  der  Drüsen 
durch  des  Malpighius  cxerciialiones  de  structura  visceruni  H’®“ 
eröffnet  worden,  welcher  lehrte,  dass  die  Elementartheile  al*®* 
Drüsen,  die  sogenannten  Acini  desselben  Baues  seyen  als  die  einfi*' 
dien  Bälge  und  conglomerirten  Balgdrüsen,  dass  sie  nändich  aus  rund' 
liehen  Säckchen  bestehen,  welche  von  den  feinsten  Blutgefäss®** 
ihre  Säfte  erhalten,  und  diese  in  ihre  Ausführungsgänge  abgehe**» 
wobei  er  sich  auf  den  blinddarmähnlichen  Bau  einiger  einfach®* 
Drüsen,  wie  des  pancreas  des  Schwertfisches,  der  Leber  der  Rreh»® 
und  aul  die  Bildungsgeschichte  der  Leber  bei  dem  Embryo  stützt®' 
Obgleich  dieser  Ansicht  gute  Anschauungen  zum  Grunde  lag®*'» 
SO  hat  sich  doch  Malpigui  im  Einzelnen  "geirrt,  denn  die  cig®***' 


2.  VominnernBau  d.  Drüsen,  Malpighi’s  u.  Ruyschs Ansichten.  419 

liehen  Elementartlieile  der  zusammengesetzten  Drüsen  LIiehen  ihm 
"inhekannt,  und  was  derselbe  als  folliculi  der  Leber  und  anderer 
zusammengesetzter  Drüsen  beschrieb,  sind  nur  Anhäufungen  der 
Zahlreichen,  ihm  unbekannt  gebliebenen  Elementartheile.  Die 
Erschütterung,  welche  diese  Lehre  durch  Ruysch  seit  1696  er- 
'itt,  war  daher  unausbleihlich;  denn  durch  die  Ausbildung  der 
feinem  Iniection  der  Blutgefässe  wurde  es  Ruyscu  nicht  schwer 
*u  zeigen  dass  in  den  folliculis  der  zusammengesetzten  Drüsen 
"och  eine  ungemein  zahlreiche  Zertheilung  der  feineren  Blutge- 
fässe statt  findet.  Indessen  ist  Ruysch  durch  Ueberschatzung  der 
'Icr  anatomischen  Hülfsmittcl  und  dessen,  ivas  ihm  che  Injecliou 
‘ler  Blutgefässe  leistete,  ohne  hinreicliende  Gründe  zu  dem 
Schluss  verleitet  worden,  dass  die  eigentliche  Drüsensuhstanz  aus 
"ichts  als  Blutgefässen  bestehe,  und  dass  die  feineren  Blutgefässe 
"uvnlttelbar  in  die  Anfänge  der  Ausfübrungsgänge  der  Drüsen  uberge- 
'"-n.  Ruvsch’s  Lehre  über  den  Bau  der  Drüsen  bekam  ein  grcisscs 
Eehergewicht  dadurch,  dass  Haller  sich  auf  seine  Seite  neigte. 
E'ller  hat  die  alte  Hypothese  von  den  ausbaucbendeii  offenen 
Enden  der  Arterien  erst  recht  befestigt.  Er  führt  {Element.  Phy- 
Lib.  II.  §.  23.)  fünf  Arten  dieser  Endigung  an  in  einen 
■^Usfühi'ungsgang,  ins  Zellgewebe,  in  Hohlen,  durch  die  Haut,  in 
[y'nphatisclie  Gefässe;  in  AVabrheit  aber  existiren  alle  diese  Ue- 
"Ocgänge  nicht,  denn  wie  die  an  so  vielen  durcbsichtigen  Theilen 
""gestcUten  TJntersiichungeii  über  die  Circulation , über  die  Bc- 
"'cgunir  des  Bluts  in  den  Capillargefässen , und  die  Beobachtun- 
. an  den  fein  injicirten  Geweben  aus  allen  Tlieilen  des  inenscli- 
,ohen  Körners  lehren,  giebt  es  in  keinem  Organe,  in  keiner 
E"ut  einen  andern  Uebergang  der  Arterien,  als  den  netzförmigen 
Eehergang  ihrer  feinsten  ZYveige  in  die  Venen.  Haller  und 
'"obrere  seiner  Nachfolger  haben  für  Rutsch’s  Ilypotbese  aimh 
Uebergang  der  in  die  Blutgefässe  injicirten  Flüssigkeiten  in 
je  Ausfühningsgänge  der  Drüsen  und  die  Blutungen  aus  den 
^"sondernden  Geweben  angeführt.  Was  den  ersten  Grund  be- 
so  lässt  es  sich  zwar  nicht  läugnen,  dass  bei  starken  ln jcc- 
I onen  der  Pfortader  zuweilen,  wenn  gleich  selten , ebvas  m den 
"ctus  hepaticus  übergeht,  und  dass  in  seltenen  Fällen  nach  hef- 
iger Injection  der  Nierenarterien  etwas  von  der  injicirten  Blus- 
*'hbeit  in  dem  Nierciihecken  sich  vorfindet.  Allem  die  üntersu- 
nach  solchen  Ucbergäiigen  zeigt  gerade,  dass  eine  Zer- 
*'cissung  statt  gcftinden  bähen  muss;  denn  die  feineren  Zweige  der 
"Oslührenden  Kanäle  finden  sich  in  diesen  Fällen  nicht  injicirt, 
seyii  müsste j wenn  der  Uebergang  anf  nulürliclien  VTegen 
"oj-ch  die  feinsten  Zweige  der  Arterien  in  die  feinsten  Zweige 
""  Ausfülirungsgänge  geschehen  YVäre.  So  füllen  sich  auch, 
meine  Untersuchungen  bewiesen  haben,  nach  Injection  der 
j;"sführungsgänge,  z.  B.  der  Leber,  der  Niere  nur  dann  durcli 
Hravasation  die  Blutgefässe,  wenn  die  feineren  Zxveige  der 
. ')®föbrungsgänge  nicht  angcfüllt  sind.  Dergleichen  Ucbcrgäiige 
mii  daher  ganz  wie  das  Austreten  feiner  Injectionsmassen 

Sehleimhäuten  an,  in  welchen  es  doch  erwiesener  Haussen 
""»e  offenen  Enden  der  Blutgefässe,  sondern  nur  Capillargefäss- 


420  II.  Buch.  Organ,  ehern.  Processe.  III.  Abschnitt.  Absonderung. 

netze  gieLt.  Dasselbe  gilt  von  den  Blutungen,  welche  durch 
Extravasation  erfolgen  und  die  überdies  in  den  Drüsen 
ausserordentlich  selten  sind.  Am  aixlFallendsten  schien  der  ÜC' 
bei'gang  feiner  Injectioncu  aus  den  Nierenarterien  in  die  Bell'”*' 
sehen  Harnkanälchen;  ja  cs  wurden  sogar  die  aus  den  Arterie*! 
injicirten  gestreckten  Gefässe  der  Marksubstanz  der  Nieren  h*’* 
dem  Vortrag  der  Anatomie  zur  Demonstration  der  Bellini’scbe** 
Röhren  benutzt.  Die  genauere  Untersuchung  solcher  Injectione” 
durch  Huschke  und  mich  hat  indessen  diesen  Irrthum  aufgedecH 
und  gezeigt,  dass  diese  sogenannten  Bellini’schen  Röhren 
nicht  die  wahren  Bellinischeii  Röhren  sind,  vielmehr  nichts 
ders  als  langgestreckte,  zwischen  den  Bellini’schen  Röhren  veC' 
laufende,  Arterien  sind,  welche  gegen  die  Papille  der  Nieren  hi**' 
statt  sich  zu  öffnen,  wie  die  Bellinischeii  Röhren,  vielmehr  fei«*^'^ 
werden  und  Capillargefässnetze  um  die  Oeffnung  der  Hariik»' 
nälchen  bilden. 

Die  Controverse  über  den  Bau  der  Drüsen  konnte  auf  de® 
bisherigen  Wegen,  welche  meist  in  Injectionen  der  Blutgefä**® 
bestanden,  nicht  entschieden  werden.  Plierzu  gehörten  glücklich® 
Injectionen  der  Absonderungskanälchen  selbst  von  ihren  Ausfüh' 
rungsgängen  und  eine  durch  alle  Drüsen  durchgeführtc  Unter' 
suchung  der  Drüsen,  über  den  feinsten  Bau  \ind  die  Wurzd® 
dieser  Ranälchen.  Die  erste  genauere  Untersuchung  dieser  A*'* 
war  von  Ferrein  über  den  Bau  der  Nieren  {Me'm.  de  l’ArO<^‘ 
royale  des  Sc.  de  Paris  1749),  welcher  die  gewundenen  Harnkani'l' 
chen  der  Rindensubstanz  als  die  eigentliche  Quelle  der  Harnah'  I 
Sonderung  entdeckte,  wovon  weder  Malpighi  noch  Rursca  ei'**’  ' 

Ahnung  gehabt  haben.  Die  Entdeckung  dieser  Kanäle,  derc® 
Anhäufung  und  Feinheit  erst  den  Schein  von  festem  ParenchY'®  I 
her  verbringt,  liess  eine  grosse  Aehnlichkeit  zwischen  diesen  R®' 
nälen  der  Rindensubstanz  der  Nieren  und  den  Samenkanälchc** 
einsehen,  die  sich  von  ihnen  nur  unterscheiden,  dass  sic  mit  blo*' 
sen  Augen  sichtbar  sind,  die  Samenkanälchen  aber  mussten  i*®' 
mer  für  die  Lehre  von  dem  Bau  der  Drüsen  von  grosser  Wid*' 
tigkeit  seyn,  weil  sie  uns  eine  entschiedene  SelbstsVändigkeit 
absondernden  Kanäle  zeigen,  auf  deren  Wänden  sich  bloss 
feinsten  Blutgefässe  verzweigen  und  in  Capillargefässühergäng®*' 
von  den  Arterien  in  die  Venen  übergehen.  Schumlansky  v 
structura  renum.  Argentorat.  1788)  hat  diese  Untersuchungen  vcj' 
vollkommnet;  indessen  hat  er  doch  einen  bedeutenden  Irrthuin  ‘® 
die  feinere  Anatomie  der  Nieren  gebracht,  dadurch,  dass  er  c^*® 
noch  mit  blossen  Augen  sichtbaren  Malpighi’schen  Körperch®** 
in  der  Rindensuhstanz  der  Nieren  für  die  Quelle  der 
absonderung  hielt,  und  den  Anfang  der  gexvundenen,  über®* 
gleichförmig  dicken  und  unverzweigten  Rindenkanälciien  der  N**^' 
ren  in  diese  Malpighi’schen  Körperchen  setzte  und  in  sei"®* 
schematischen  Abbildung  sehr  anschaulich  machte,  während  d"®  * 
nach  neueren  Untersuchungen  diese  runden  Malpighi’schen  K-"® 
perchen  aus  blossen  kleinen  Geflechten  der  Arterien  bestehe®’ 
von  ihnen  überaus  leicht  sich  füllen,  niemals  aber  bei  Injfecti"® 
der  Harnkanälchen  angefüllt  werden,  und  überhaupt  in  keine®* 


2.  Vom  innern  Bau  der  Drüsen.  Einfache  Drüsen.  Folliculi.  421 

^iisannrtiehhange  mit  ihnen  stehen.  Mascagj'«  und  Grxjikshank. 
*®igten  fernei',  dass  die  Anfänge  der  ahsond«rnden  Kanälchen  in 
en  Milchdrüsen  zellenförmig  sind;  dasselbe  hat  E.  H.  Webeh 
'^eckel’s  Archiv.  1827)  von  den  Speicheldrüsen  der  Vögel  und 
'’^ugethiere  und  von  dem  pancreas  der  Vögel  gezeigt.  Durch 
lese  schönen  Untersuchungen  von  V^ebeä  und  durch  die  ehen 
trefflichen  Beohachtungen  von  Kuschke  über  den  Bau  der 
^ei-en  [Isis  1828  Heft  5 und  6)  ht  nun  in  der  neuern  Zeit  der 
^äfang  eJngj.  Arbeit  gemacht  AvorJen,  deren  ganzem  Umfang  ich 
^ich  seihst  weiter  unterzogen  habe,  indem  ich  den  Bau  der  fei- 
“^ren  Drüsenkanälchen  in  allea  Arten  der  ahsondernden  Drüsen 
^bdirte.  J.  Mueller  De  glaeditlarum  sfructura  penitiori  JJps.  1830. 
^‘^rdurch  ist  nun  zur  Evidenz  gebracht,  dass  die  ahsondernden 
7®'i'älchen  in  allen  Drüsen  selbstständig  sind,  und  dass,  mögen 
® nun  gewunden,  wie  m der  Rindensuhstanz  der  JVieren  und  in 
. Hoden  sich  aushreiten  oder  sich  haumförmig  verzweigen,  wie 
Leber  und  den  Speicheldrüsen,  mögen  sie  rciserförmig 
j ind  wie  in  der  Leber,  oder  in  trauhenförmigen  Zellen  blind  wie  in 
Speicheldrüsen,  in  dem  Pancreas  und  in  den  Milchdrüsen 
'“'^‘'igen,  die  Capillargefässe  nur  netzförmig  auf  ihren  'Wänden, 
zwischen  den  Kanälchen  sich  aushreiten,  indem  auch  die 
®'ästen  Drüsenkanälchen,  wie  in  der  Leber,  in  den  Nieren  im- 
noch  einigemal  stärker  sind,  als  die  zartetesten  Verästclun- 
der  Arterien  und  Venen.  So  mannichfaltig  nun  die  einzel- 
Formen  in  der  Anlage  der  Drüsenkanälchen  sind,  so  haben 
a[|g  ahsondernden  Drüsen  mit  einander  gemein,  dass  sie 
grosse  ahsondernde  Fläche  in  dem  Innern  der  Schläuche, 
gewundenen  oder  verzweigten  Kanäle  darstellen,  und  dass 
der  Innern  Fläche  der  Kanäle  dasselbe,  nur  complicirter  rea- 
'*‘*'t  ist,  was  auf  einer  ebenen  ahsondernden  Haut  statt  findet, 
die  . . • .1  •• 


|.  "ass  die  Natur  in  den  drüsigen  Organen  durch  die  eigenthüm- 
Anordnung  der  zur  chemischen  Veränderung  der  Materie 
J^stirumten  Substanz  überall  nur  eine  grosse  Fläche  im  kleinen 
f J’*»!  erzielt  hat,  ein  Zweck  den  die  Natur,  Avie  man  aus  der 
Senden  Zusammenstellung  der  Thatsaclien  sieht,  auf  sehr  man- 
‘'^nfiiche  Weise  erreicht  hat. 

Hie  einfachsten  Drüsen  sind  kleinere  oder  grössere  Vertie- 
CP“  einer  Haut;  zuweilen  sind  diese  Vertiefungen  sehr  flach 
entstehen  durch  blosse  Einsenkungen,  wie  die  einfachen 
v^^ten  der  Schleimhäute,  wie  sie  in  fast  allen  Schleimhäuten 
),;iY°’iimen,  in  andern  Fällen  sind  die  Vertiefungen  deutlicher  und 
der  « ‘'^‘‘‘='^‘=hen  mit  einem  Hals  (Folliculi),  gleich  wie  die  folliculi 
tt/  pFleirnhäute  und  die  folliculi  der  äussern  Haut.  (Die  Pey- 
Sehen  Drüsen'des  Ileums  dürfen  nicht  hieher  gerechnet  werden,  wie 
Fäll  Abschnitte  von  der  Verdauung  gezeigt  Avird.)  In  andern 
eine  ‘^“Segen  bildet  sich  die  Vertielündg  oder  Ausstülpung  zu 
Sch Föhre  aus,  Avie  die  Schleimkanäle  unter  der  Haut  der  Fi- 
hei.  Im  Allgemeinen  kann  man  den  Balg  (FoUiculus)  und  die 

^Fululus)  als  die  Elemente  der  Hauptmodificationen  im 

Drüsen  betrachten.  Bel  der  weitern  Ausbildung  dieser 
®Oien  Drüsen  durch  Flächenvermehrung  kann  man  folgende 


422  II.  Buch.  Organ,  ehern.  Processe.  III.  Abschnitt.  Absonderung- 

Formen  tinterscheiien.  Das  Säckchen  ist  entweder  einfach  ode> 
enthält  in  seinem  Innern  zellige  Vorsprünge  oder  treibt  äussef' 
lieh  kleine  Zellen  herTor,  wie  die  Meiboniischen  Drüsen  der  A'|' 
genlieder.  Dergleichen  Säckchen  und  Röhren  stehen  oft  in 
ncr  geselligen  Verbindung  dicht  neben  einander  {Folliculi  aggf^ 
gati),  bald  reihenlbrmig  od^r  linear,  wie  die  Meibomischen  Drüsc" 
der  Augenlieder  oder  haufenweise,  wie  in  der  Drüsenschicht 
Drüseumagen  der  Vögel.  B^i  dieser  Aggregation  bleiben 
Oeffnungen  der  einzelnen  Drüsen  getrennt;  die  Natur  erreic'^ 
aber  denselben  Zweck  durch  Zisainraensetzung  der  folliculi 
einem  Ganzen  mit  einfacher  Ausmändung  {Folliculi  compositi,  ro"' 
glomerati)  wie  die  Mandeln,  die  Glandulae  labiales,  buccales,  die 
zusammengesetzten  Blinddärmen  bestehenden  prostatischen  Dr*|' 
sen  mehrerer  Säugethiere.  (J.  MuELLEk  a.  a.  O.  Tab..  3.), 
Milchdrüse  des  Schnabel thiers,  das  pancreas  des  Schwertfisch*’* 
und  Thunfisches.  Denkt  man  sich  diese  Zusammensetzung  weit*”, 
fortschreitend,  so  treiben  die  Bälge  des  Balgs  kleinere  follic**' 
hervor.  Es  entsteht  eine  hohle  Verzweigung  mit  blinden,  e^t' 
weder  reiserförmigen  oder  zellenförmigen  Enden.  Auch  di^*” 
folliculi  compositi  können  sich  durch  Aggregation  neben  einaiid®*^ 
zu  einer  grössern  Drüsenmasse  von  mehreren  oder  vielen  Ausfh^*' 
rungsgängcii  verbinden,  wovon  man  ein  Beispiel  in  der  pi'osta*** 
des  Menschen  hat,  die  aus  einer  Aggregation  von  einzelnen  Drhf 
eben  besteht,  deren  jede  gleichsam  ein  hohles  Sti-auchwerk 
zellenförmigen  Enden  der  Kanälchen  darstellt.  Durch  fortg  eset^t” 
Vermehrung  dieser' Ai’t  entsteht  nun  eine  zusammengesetzte  Dr«'*'’’ 
indessen  bildet  diese  Art  der  Flächenvermehrung  nur  die  r'”*' 
Hauptform  zusammengesetzter  Drüsen;  die  zweite  Hauptform  ha' 
den  die  zusammengesetzten  Drüsen  von  rühriger  Structur,  ''' 
welchen  die  Verzweigung  entweder  fehlt  oder  sehr  untergeorh' 
net  ist,  die  Vermehrung  der  Fläche  vielmehr  dui’ch  die  Läi>S.*' 
und  die  Windungen  einfacher,  in  ilirem  Durchmesser  zieml**' 
gleicliföi-miger  Kanäle  erreicht  wird. 

1)  Zusammengesetzte  Drüsen  mit  verzweigter  Grundlage. 
gehören  hierher  vorzüglich  die  Thränendrüse , die  Milch  drüs”’ 
die  Speicheldrüsen,  das  Pancreas  und  die  Leber.  Diese  Drüsc'l' 
art  zerfällt  wieder  in  zwei  Gruppen,  je  nachdem  die  Vcrzi''”'’" 
gung  eine  gewisse  Regelmässigkeit  lieobachtet,  wodurch  der  llati]’'^ 
stamm  von  Stelle  zu  Stelle  Seitenkanäle,  die  Seitenkanäle 
Stelle  zu  Stelle  Scilenkanäle  zweiter  Ordnung,  und  diese  wiea^^j 
Seitenkanäle  der  dritten  Ordnung,  wie  bei  den  gelapp*^^®’ 
Drüsen  ausschicken.  Hierdurch  entstehen  Lappen  der  erst*’'|| 
zweiten,  dritten,  vierten  Ordnung,  welche  bloss  locker  duf*’ 


Zellgewebe  mit  einander  verbunden  sind. 


tc” 


Unter  diese  gehipU 
Drüsen  mit  regelmässiger  Anordnung  der  Verzweigung  gchh®^ 
die  Thränendrüse,  die  Milchdrüse,  die  Speicheldi’ü.se  und  das 
reas.  Die  kleinsten  mit  blossen  Augen  sichtbaren  Theile  dieser 
sen  sehen  entweder  körnig  aus  {Acim).  Sic  sind  nichts  anderes  ;* 
trauheuförmige  Aggregate  von  sehr  kleinen,  nur  mikro.skopisc^* 
angefüllten  Zustande  sich  olfenbarendcn  Zellen,  die  auf  den  fe'ir 
sten  Zweigelchen  der  Absonderungskauälchen  traubenförmig 


2.  Vom  innern  Bau  der  Drüsen.  Thränendrüse.  Milchdrüse.  423 

umwoLen  von  Capillargef  ässnetzen.  In  anderen  Fällen  sind 
feinen  Kanäle  als  überaus  leine  blinde  Röbi’clien  wie  die 
®>ättcben  der  Moose  um  die  Zweige  des  Ausfübrungsgangcs  in 
»lirer  ganzen  Länge  desselben  gestellt,  wie  in  der  Leber  der 
'krebse  und  in  der  Thränendrüse  der  Schildkröten,  wodurch 
«uch  wieder  Lappen  entstehen;  oder  die  Endröhrchen  eines  klein- 
sten Lappens  bilden,  ohne  ebenfalls  in  Bläschen  üherzugehen 
Büschel  reiserförmiger  Röhren,  wie  in  den  Cowper’schen 
^i’üsen  des  Igels;  a.  a.  Ö.  Tab.  3.,  Fig.  8.  9. 

, Die  zweite  Gruppe  liierher  gehöriger  Drüsen  bilden  diejenigen 
!‘ei  welchen  die  YerzMxigung  unregelmässig  batimformig  ist,  und 
^eine  durchgreifende  Lappenbildung  entsteht.  Es  gehört  hierher 
Leber;  die  Büschel  der  feinsten  Zweige  der  Gallenkanälchen 
bilden  zwar  aucli  Aciiii  zusammen,  aUein  diese  Acini  sind  ohne 
'durchgreifende  Unterabtheilung  von  Läppchen,  zu  einem  oder 
*U  rnehrern  gemeinsamen  Lappen  verbunden. 

Diese  Verzweigung  und  auch  das  Eigenthümliche,  dass  die 
^'Unälchen  zuletzt  nicht  in  Zellen,  sondern  in  vielfach  verzweigte 
ddeiserchen  von  mikroskopischer  Feinheit  endigen,  die,  m eine 
^''osse  Anzahl  vereinigt,  erst  das  ausmachdn,  wiis,  mit  nackten 
^Ugen  angesehen,  Acinus  genannt  wird,  cbaracterisirt  die  Leber 
'der  Wirbeltliiere.  Die  Leber  der  Wirbellosen  gehört  häufig  un- 
die  erstere  Gruppe  der  hier  beschriebenen  Drüsen.  Wir 
Wurden  den  Bau  der  vorzüglichsten  Drüsen  dieser  Classe,  welche 
dieitii  Menschen  Vorkommen,  hier  abhandeln.  _ 

A.  Thränendrüse.  Die  Thränendrüse  zeigt  nach  ™einen  Un- 
tersuchungen  im  Allgemeinen  zwei  Hunplfomen  in  der  Anord- 
''Utig  der  Drüsenkanälchen:  a.  die  bei  den  Scluldkroten  von  mir 

?>efundene-  h.  die  bei  den  übrigen  Wirbelthieren,  Vögeln  und 


Sgethieren  stattfindende  Structur.  Bei  den  Schildkröten  bildet  die 
^*'use  lauter  keulenförmige  Lappen,  welche  wie  Aeste  mit  ein- 


lauter  Keuiemuijuigu 

"Uder  durch  die  in  ihrem  Inneren  verlaufenden  Ausfuhrungsgänge 
''Urkunden  sind.  Im  Innern  dieser  Keulen  verläuft  ein  zienüich 
S^eichförmiger  Kanal,  in  welchen  unzählige,  senkrecht  auf  ihn 
l^ftellte  mikroskopische  Büschel  von  Blinddärmchen  (wie  das 
^äub  der  Moose  zu  ihren  Stengeln  sich  verhaltend)  von  0,00194 
t Z.  Dicke  einmünden,  so  dass  man  sich  diese  scheinbar  so  .den 
Russen  in  einer  federbuschartigen  Zusammenstellung  von  Blind- 
;if,‘-mchen  denken  muss,  die  mit  den  Enden  sämmtheh  gegen  die 
2*ieraäche  gerichtet  sind.  J.  Muelleh  de  glandularum  struclura. 

V.  Fig  4 Bei  den  Vögeln  und  den  Säugethieren  sind  die 
^»'Usenkanälchen  der  Thränendrüse  regelmässig  verzweigt  und 
^digen  in  jedem  Acinus  in  einen  Haufen  von  kleinen  Zellen. 

den  Vögeln  sind  diese  Zellen  sehr  gross,  nämlich  0,00.32  / p.  A. 
pch  beim  "Pferde  lassen  sich,  so  wie  bei  den  Vögeln,  diese  Zei- 
von  den  AuslÜhrungsgängen  mit  QuecksiUiCr  füllen.  . ^ 

, B.  Müchdrüse.  Die  Milchdrüsen  zeigen  im  Allgemeinen  eint. 
^'*Ppelte  Structur;  sie  sind  entweder  aus  Blinddärmen  zusammen- 
wie  die  Milchdrüsen  des  Schnabelthiers,  oder  aus  ver- 
f^'^'gten  Kanälen  {ductus  luctiferi),  deren  feinste  Büschel  trauben- 
*''®>ge,  mikroskopisch  sichtbaie  Cellulae  lactiferae  bilden.  Die 
ä 11  e r’g  Physiologie,  28 


424  II.  Buch.  Organ,  ehern.  Processe.  III,  Abschnitt.  Absonderung. 

erste  Structur  keimt  man  mit  Siclierhelt  nur  beim  Schnabeltbierß 
nacli  Meckel’s  Entdeckung.  Diese  verzweigten  Blinddärnaei 
welche  sich  in  einer  ebenen  Stelle  neben  einander  in  grosser 
Anzahl  öffnen,  enthalten  iiidess  in  ihrem  Innern,  wie  Owen 
los.  Transact.  18-32)  gezeigt  hat,  eine  etwas  complicirtere  Follic“' 
larstructur.  Nach  von  Baer  (Meckel’s  Archiv  1827  p.  569.)  besteh 
auch  die  Milchdrüse  der  Cetaceen,  die  sich  nicht  mehrfach,  soH' 
dem  nur  einfach  ausmündet,  aus  Blinddärmen.  Die  UntersuchuHn 
einer  Milchdrüse  von  Delphinus  Phocaena,  macht  mich  indessei’ 
glauben,  dass  die  von  Baer  gesehenen  Blinddärme  nur  die  stärkeren 
Ductus  lactiferi  waren,  und  dass  die  Milchdrüse  der  Cetaceen  viel' 
leicht  nicht  viel  weniger  coinplicirt  als  hei  den  übrigen  Säugethieren 
ist.  Bei  diesen  öffnet  sich  die  Milchdrüse  bald  einfach,  wie  he’ 
den  Wiederkäuern,  bald  durch  mehrere  Oeffnungen,  wie  bei  de” 
reissenden  Thiercn  und  dem  Menschen,  in  die  Warze,  wo  dan” 
im  letzteren  Fall  eigentlich  eben  so  viel  Drüsen  zu  einer  gerne’”' 
saraen  Milchdrüse  verhunden  sind.  Die  Structur  dieser  Drüse” 
lässt  sich  sehr  schön  durch  die  Anfüllung  der  Cellulae  lactifera” 
mit  Quecksilber  zeigen.  Siehe  Mueller  a.  a.  O.  Tab.  VI.  F’§' 
1 — 8.  Beim  .säugenden  Igel  betragen  die  Cellulae  lactipara” 

0,00712 — 0,00928  p.  Z.;  beim  säugenden  Hunde  betragen  sie 
0,00260  p.  Z,  Sie  sind  also  10  bis  35  mal  so  stark  als  die  fei”' 
sten  Capillargefässe  des  Menschen  von  0,00025  p.  Z. 

C.  Speicheldrüsen.  Die  Speicheldrüsen  der  Insecten  sind» 
wie  die  Drüsen  dieser  Thiere  üherhaupt,  lange  röhrenförmig” 
Schläuche  mit  blinden  Enden.  Bei  den  Mollusken  habe  ich 
von  schwammiger  und  deutlich  zelliger  Structur  gefunden.  Sieh” 
die  Abbild,  von  Murex  Tritonis  Tab.  XVII.  Fig.  6.  Bei  den  Fi' 
sehen  giebt  es  keine  Speicheldrüsen;  bei  den  Schlangen  m”** 
man  die  einfachen  Speicheldrüsen  von  den  ganz  davon  versch’”' 
denen  Giftdrüsen  unterscheiden.  Die  einfachen  Speicheldrüse”» 
welche  theils  an  der  Ober-  und  Unterlippe,  theils  unter  de’ 
Zunge,  theils  wie  die  von  mir  gefundenen,  neben  der  Nase  1’”' 
gen,  sehen  körnig  aus  und  bestehen  in  ihrem  Innern  aus  ei””’ 
zelligen  Structur  (J.  Mueller  a.  a.  O.  Tah.  VI.  Fig.  5.),  so  zwa”» 
dass  die  Ober-  und  Unterlippendrüsen  eigentlich  aus  einer  linea' 
ren  Aggregation  vieler  Drüsen  mit  vielen  Oeffnungen  bestehe”' 
Die  Giftdrüsen  sind  ganz  anders  gebaut.  Sie  bestehen  in  de*“ 
B.egel  aus  einer  Reihe  von  Blättern,  die  auf  dem  Ausführungs' 
gang  aufsitzen,  indem  jedes  wieder  aus  verzweigten  Blinddär’”' 
chen  besteht.  (J.  Mueller  a.  a.  O.  Tab.  VI.  Fig.  1.)  Die  Gift' 
schlangen  bilden  übrigens  drei  Ordnungen : 1.  Coluberartig” 

[Amplübüla  Müü.)  mit  vorderen  einfachen  Zähnen  im  Oberkieff 
und  hinteren  gefurchten  Giftzähnen,  wie  Dipsas,  Homalops’’’’ 
Dryophis.  2.  Giftschlangen  mit  vorderen  durchbohrten  Giftzähnc”» 
mit  hinteren  einfachen  Zähnen  im  Oberkiefer  (Trimeresurus,  B””' 
garus  Naja(?),  Platums,  Hydrophis,  Pelamis).  3.  Giftschlang”” 
mit  blossen  Giftzähnen  im  Oberkiefer,  wie  Trigonocephalus,  Cop”*' 
as,  Vipera,  Pelias,  Crotalus.  Bei  den  Vögeln  sind  die  SubmaxiU””' 
drüsen  in  Hinsicht  ihres  Baues  von  E.  H.  Weber  und  mir  untersuc 
worden.  Sie  sind  eine  Aggregation  von  mehreren  zusammengeset* 


2.  Vom  innern  Bau  der  Drüsen.  Speicheldrüsen.  Partereas.  425 

ten  Drusen  mit  einzelnen  Oeffnungen,  wie  bei  den  liülinerar- 
bgen  Vögeln  und  Gänsen,  grössere  einfache  Drüsen  sind  die 
Unterzungendrüsen  der  Spechte.  Im  erstem  Falle  hesteht  jede 
®nheinhar  körnige  Drüse  aus  einem  verzweigten  Folliculus,  dessen 
^ände  mit  Zellen  besetzt  sind;  im  letzteren  Falle  findet  derselbe 
nur  complicirter  statt.  J.  Mueli.er  a.  a.  O.  Tab.  VI.  Fig. 

. "^8.  Bei  den  Säugetbieren  zeigt  sieb  eine  Speicheldrüse  bei 
»nrer  ersten  Entstehung  nach  Weber’s  und  meinen  Beobaebtun- 
S^n  als  ein  einfacher,  vom  Mund  ausgehender  Kanal  mit  knos- 
Penförmigen  Auswüchsen  innerhalb  eines  gallertigen  Reimstolfes, 
“lastexna;  a.  a.  O.  Tab.  VI.  Fig.  9 und  10.  Bei  der  weitern 
Ausbildung  der  Kanäle  verzweigen  sich  die  Kanäle  auf  Kosten 
Reiinstoffes  immer  weiter  und  in  denselben  hinein.  Dieser 
Upimstoff  zeigt  sicli  bei  diesen  gelappten  Drüsen  bald  lappig,  und 
^ird  von  der  fortschreitenden  Verzweigung  zuletzt  ganz  absor- 
a.  a.  O.  Tab.  VI.  Fig.  11.  12.  Schon  bei  dieser  ersten 
, utstebung  der  Drüse  zeigen  sich  also  die  Speichelkanäle  als  ein 
l'*  sich  geschlossenes  und  blind  endigendes  System;  allein  auch 
•ui  erwachsenen  Zustande  lassen  sich  die  Bläschen  an  den  mikro- 
^''^opischen  Enden 'der  feinsten  Speichelkanälchen  vom  Ausfüh- 
'^’^ugsgang  der  Drüse  ans  mit  Quecksilber  anfüllen,  wie  E.  II.  We- 
beim'  Menschen  und  ich  bei  dem  Hunde  getban.  Die  klein- 
**■^0  Zellen  in  der  Parotis  des  Menschen  messen  mit  Quecksilber 
ßulüllt  0,0082  p.  Z.  Diese  Zellchen  verbinden  sich  zu  Träubchen, 
Quiche  4 bis  7 mal  grösser  sind.  Die  Zellchen  sind  also  unge- 
.3  mal  und  die  Träubchen  12  mal  grösser  als  die  feinsten 
ulutgefässcben.  Die  kleinsten  Lungenzellchen  sind  5 bis  16  mal 
S‘'ös'ser  als  die  Zellchen  der  Paroti's.  Beim  Hunde  fand  ich  die 
Quecksilber  gefüllten  Zellchen  der  Parotis  0,00176  p.  Z.  dick. 
D.  Pancreas.  Gleichwie  die  erste  Erscheinung  der  Milch- 
ufüsen  bei  den  Cetaceen  in  der  Form  von  Blinddärmchen  auf- 
so  erscheint  das  Pancreas  bei  den  Fischen  zuerst  in  dersel- 
. Gestalt,  als  Appendices  pvloricae,  welche  übrigens  bei  vic- 
Fischen  fehlen.  Diese  Blinddärme  sind  bald  einfach,  bald 
^uhrfacb,  und  in  seltneren  Fällen  verzweigt.  Der  Anfang  dieser 
uuzweigung  zeigt  sich  sehr  einfach  noch  bei  Polyodon  folium, 
die  Blinddärme  sehr  stark  und  kurz  sind.  In  der  Familie  der 
^uomberoiden  erreicht  die  Verzweigung  in  einigen  Gattungen 
grosse  Complication,  wie  z.  B.  bei  Scomber  Thynnus,  wo  4 
^•■osse  Stämme  der  Blinddärme  vom  Dünndarm  ausgehen,  sich 
®rz,veigen  und  jeder  Zweig  zuletzt  in  ein  qnastförmiges  Büschel 
dünnen  röhrenförmigen  Blinddärmen  übergeht.  (J.  Mueller, 
‘ '*•  O.  Tab.  VII.  Fig.  4. 5.)  Beim  Schwertfisch  findet  derselbe  Bau 
* nur  sind  die  Blinddärme  nicht  röhrenförmig,  sondern  kurz 
dick.  Beim  Stör  stellen  die  Blinddärme,  indem  sie  unter- 
'öatider  durch  Zellgewebe  verbunden  sind,  eine  grosse  sebwam- 
^‘8~*ellige  Masse  dar;  a.  a.  O.  Tab.  VH.  Fig.  6.  Die  Entwik- 
lj®^''gsgescbicbte  des  Pancreas  zeigt  bei  Froscblarvcn  einen-  ähn- 
^’^uen  Fortschritt,  wie  bei  der  Entwickelung  der  Speicheldrüsen 
Säugethiere.  Bei  den  Vögeln  lässt  sich  indess,  selbst  ira  er- 
^'^hsenen  Zustande,  das  Pancreas  ganz  bis  in  die  zellenförmigen 

28* 


426  II.  Buch.  Organ,  chem.  Processe.  III.  Ahschnilt.  Absonderung. 

Enden  der  Ductuli  pancreatici  mit  Quecksilber  injicirenj 
E.  H.  Weber  und  ich  gethan.  J.  Mueller  a.  a.  O.  Tab.  XVl*- 
Fig.  3 — 5"  Diese  Zellcbcn  messen  0,00137  bis  0,00297  p- 

sind  also  6 — 12  mal  grösser  als  die  leinsten  Blutgefässe. 

E.  Leber.  Ohne  mich  hier  über  die  von  Einigen  angenoiB' 
mene  Achnlichkeit  der  Malpighi’schen  Gefässe  der  Insecten 
Gallenorganen  zu  verbreiten,  wovon  im  IV.  Capitel  bei  der  Vei’-' 
dauung  und  Gallenabsonderung  das  Nähere,  will  ich  bloss  erwa^*' 
neu,  dass  die  Gallenorgane  der  Spinnen  Träubchen  von  ßläsche'J 
darstellen,  welche  durch  Ausfiihrungsgänge  in  den  Darmkan» 
nusmünden.  Dieser  Gänge  sind  beim  Scoi’pion  5 Paar.  J. 
i.ER  a.  a.  O.  Tab.  YIII.  Pig.  8.  Bei  den  Crustaceen,  namentlic" 
hei  den  eigentlichen  Krebsen,  besteht  die  Leber  aus  grossen  Bu' 
schein  fingerförmig -veihundener  Blinddärmchen,  deren  Haupt' 
ausführungsgang  auf  jeder  Seite  in  den  Darmkanal  ausmündeti 
a.  a.  O.  Tab.  VlII.  Fig.  11.  vom  Flusskrebs.  Fig.  12.  vom  P*' 
gurus  striatus.  Dagegen  andere  Krebse,  wie  die  Gattungen  P*' 
iaemon,  Penaeus  und  Crangon,  eine  traubenförmige  Bildung  de'’ 
Leber  besitzen  und  die  Leberlajjpen  der  Squillen  schwammigzclht;*' 
Massen  bilden;  a.  a.  O.  Tab.  IX.  Kathke  hat  gezeigt,  dass  di® 
aus  Blinddärmchen  zusammengesetzte  Leber  des  Flusskrebse* 
Leim  Embryo  als  eine  Ausstülpung  der  Darmwände  nach  Ausse'' 
entsteht.  Bei  den  Mollusken  gleicht  die  Leber  schon  sehr  ilirei'' 
Ansehen  hei  höheren  Thieren.  Mit  Galle  angefüllt  scheint  si® 
auf  den  ersten  Blick  von  körniger  Structur  zu  seyn;  sie  läsd 
sich  aber,  wie  ich  gezeigt  habe,  durch  Aufblasen  der  Ausfüh' 
rungsgänge  leicht  als  eine  hohle  Traube  darstellen.  Bei  einig®'' 


grossem  Schnecken,  wie  Murex  Tritonis,  ist  die  zcllige  Bilduj'S 
so  auffallend  und  die  Zellen  sind  so  gross,  dass  die  Leber  be'"* 
Durchschnitt  dem  blossen  Auge  als  eine  durchaus  schwammig" 
Masse  erscheint;  a.  a.  O.  Tah.  X.  Fig.  4.  Die  Untersuchung 
^ der  Leber  der  Wirbelthiere  bietet  ausserordentlich  viele  Schw*®' 
rigkeiten  dar  und  nur  die  Eiitwickelungsgeschichte  gieht  ved' 
ständige  Aufschlüsse  über  den  Bau  der  feinsten  Elementarthcd® 
dieses  Organes.  Eine  gute  Injection  der  Gallenkanälchen  ist  uä' 
gemein  schwierig,  während  die  Injection  der  Blutgefässe  der  B"' 
her  durchgängig  sehr  leicht  gelingt. 

Roi.A!«do’s,  Baer’s  und  meine  eigenen  Beobachtungen  hab®'' 
es  ausser  Zweifel  gesetzt,  dass  die  Leber  zuerst  als  eine  Ausstm' 
pung  .der  Darmwände  bei  dem  Vogelembryo  entsteht , ®d'® 

Bildung,  welche  die  Leber  in  der  ersten  Entstehung  mit  der  Luug 
und  dem  Pancreas  gemein  hat.  Nach  v.  Baer  erscheint  die  B"' 
her  bei  dem  Vogelembryo  um  die  Mitte  des  dritten  Tags  d®* 
Bebrütung  als  zwei  kegelförmige  hohle  Schenkel  des  Speisek®' 
nals,  welclie  den  gemeinschaftlichen  Vcuenstamm  umfassen.  Ba 
verlängern  sich  diese  Kegel,  indem  sie  Gefässverzweigungen 
sich  hertreiben,  während  sich  die  Basis  allmählig  verengt  nn‘ 
die  Gestalt  eines  cylindcrformigen  Ausführungsganges  annimp' ' 
Die  Lehcr  entsteht  also  zuerst  als  eine  doppelte  hohle  Äusstu^ 
pung  der  DarraWand  in  die  Gefässschichl  nach  Aussen, 
hohlen  Kegel  verzweigen  sich  im  Innern,  vereinigen  sich  a 


427 


2.  Vom  innern  Bau  der  Drüsen.  Leber. 

der  Basis,  indem  die  Ijcidcn  lioldcn  Kegel  bei  ihrer  Verlan- 
Seruiijr  von  der  Darmwand  immer  mehr  an  sich  ziehen,  nis  sic 
‘len  zwischen  sich  befindlichen  'i’heil  ganz  in  sich  aiilgenommen 
1‘ahen,  so  dass  nun  diese  beiden  Mündungen  in  eine  einzige  zu- 
sammengeflossen sind.  V.  Baeh  in  Burdach’s  Physiologie,  Bd.  II. 
l’ag.  504.  Die  Gallenblase  bildet  sieh  als  cm  Divertikel  des  Aus- 
liihrunosrran<res.  Nach  meinen  Beobachtungen  hat  der  ausgestulpte 
iB'hle  Theil°dcr  Darmwand  anfangs,  nämlich  am_  4.  f««* 

‘l'eselbe Dicke  als  die  übrigcDarrnwand;  bald  aber  AVird  dieser  1 heil 
''ml  dicker,  während  er  im  Innern  immer  noch  eine  Iloli  o enlhalt. 
liiese  Höhle  nimmt  bei  der  weitern  Ausbildung  der  Gallenkanale 

ah,  während  sich  in  der  Dicke  der  Lehersiilistanz  verzweigte  1' .gu- 

ren  und  blinddarmförmige  Rörucheii  ausliilden,  welche  letztere 
^dessen  nicht  deutlich  hohl  scheinen.  Die  Ductus  bihleri  bilden  sich 
daher  durch  fortgesetzte  Ausstiilpung  nicht,  sondern  durch  wei- 
tere Organisation  des  hervorgetriehenen  Theils  der  Darmwande. 

^mhe  die  Abbild,  bei  J.  • Mueller  a.  a.  O.  Tab.  IX.  Fig.  1 »•, 

hah.  XI.  Fi".  1 — d.  Was  die  s^iäterc  Ausbildung  und  Verzwei- 
gung der  Gallengänge  betrifi't,  so  haben  darüber  schon  Harvey 
"ud  MALPir.iii  Aufschlüsse  gegeben.  Harvey  Kirem«.  ^nera- 
'mne  animalium.  19;  Mai.pighi  de  Jormat.  pullt.  61.  Der  Erstere 
*ah  die  Lebersubstanz  als  einen  sprossenförmigen  Auswuchs  der 
lllutgefässe;  Malpigiii  sah  die  Leber  am  6.,  7.  und  9.  Tage  aus 
llhnddärmchcii  bestehend.  Dieser  anfängliche  Bau  der  Leber  ist 
'“n  mir  durch  fortgesetzte  mikroskopische  Untersiicliungen  wci 
lfm  verfolgt  wordeiu  Es  zeigen  sich  nä.ullch  f 
d<ir  Leber  bei  mikrosko])ischer  Untersuchung  lauter  Blindd.irm- 
‘'hen  oder  kurze  Bciserchen  von  gelblich  aveisser  Farbe,  die  aus 
der  sonst  Idutrothen  Substanz  in  unzähliger  Menge  dicht  neben  ein- 
»iider  liervorsehcn.  Bei  älteren  Embiwonen  sieht  man  diese- Koiser 
'^''en  auf  der  Oberfläche  der  blutrothen  Leber  noch  weiter  zerastdt, 
dass  die  Büschel  der  Reiscrchen  die  Form  von  b ederchen  anne  i 
'"en,  oder  auch  wohl  kleine  Sträusschen  bilden.  J.  Mueleer 
u.  O.  Tab;  XL  Fi".  4 — 9.  Diese  Elementartheilclien  hetra- 
gegen  0,00172  p”  Z.  Beim  Kaninchen  ist  mir  die  feinerfr 
''»iectiou  der  Gallenkanälchen  aus  dem  Ductus  hepaticus  mit 
^‘■ini  und  Zinnober  einigemal  gelungen , wobei  die  Leber  über 
^d  öher  roth  wurde.  Die  kleinen  Ac.m  der  Leber  zeigten 
J'ch  lüerlici  als  vielfach  zerästelte  Zerlheilungen  der  Galten- 
Wdehen,  so  zwar,  dass  die  Kanälchen  in  dichten  Hau fe^ 
'felehe  die  Aeini  bildeten',  aus  der  Liefe  kommend ,_  nach 
Peripherie  aus  einander  fuhren,  sich  auch  .noch  reiscjfoi;- 
theilten,  ohne  weiter  dünner  zu  werden.  Diese  Zwei- 
Selchen,  welche  man  nur  mühsam  bei  mikroskopischen  Unter- 
suehungen  der  iiiiicirten  Leber  erkennt,  hegen  so  didit,  öfs» 
^ ilduvcii  ein  A.nscliein  von  Verbiutluiii^  crilslelit;  tue  ^ 

-1  - . no  0,00117  p Z.,  S|0 


428  II.  Blich.  Organ,  ehern.  Processe.  III.  Abschnitt.  Absonderung. 


der  Entwickelung  knöpf-  oder  bläsclienförmige  Anscliwellungeo 

an  diesen  Reisereben  sieht,  ln  seltenen  Fällen  gelingt  die  Mace- 
ration  der  Leber  in  schlechtem  Weingeist  so,  dass  sie  ganz  i" 
ihre  Acini  zerfällt,  welche  dann  bloss  noch  unter  sich  ästig  zusam- 
men hängen.  So  besitzt  das  anatomische  Museum  zu  Berlin  eine 
durch  die  Maceration  in  lauter  Büschel  von  Acini  analysirte  Le- 
ber eines  Eisbären.  Die  feineren  Stämrnchen  der  Gallenkanälchen 
sind  nicht  mehr  erkennbar,  oder  liegen  vielleicht  im  Innern  der 
Büschel  der  Lebersubstanz.  Die  Büschel  der  Lebersubstanz  hän- 
gen aber  an  den  Zweigen  der  Lebervenen,  welche  in  das  Innere 
von  jedem  Aestchen  der  Lchersubstanz  ein  Zweigelchen  hinein- 
schicken. Die  an  den  Zweigelchen  derLehervenen  sitzenden  Stäinm- 
chen  der  verzweigten  Lebersubstanz  von  - Lin.  Dicke,  verzweigen 
sich,  ohne  an  Dicke  zu  verlieren,  weiter,  und  endigen  zn- 
letzt  untnerklich  in  dickere,  nämlich  ^ Linie  dicke,  2 — 3 Li- 
nien lange  Körperchen  welche  hier  und  da  stumpfe  Fortsatz® 
ausschicken.  Die  zarten  Gallenkanälchen  an  dieser  Substanz  las- 
sen sich  nicht  mehr  erkennen.  Merkwürdig  ist,  dass  nicld 
die  Pfortaderzweige  sondern  die  Lehervenenzw^eige  von  de'" 
acinösen  Substanz , wie  der  Stengel  vom  Laub  der  Moos®i 
bekleidet  sind.  An  denjenigen  Theilen  der  Leber , wo  di® 
Theile  noch  durch  Zellgewebe  vcrlmnden  sind,  sieht  man,  dass  di® 
Enden  dieser  ästigen  Lebersubstanz  eigentlich  das  sind,  was  tnai* 
auf  der  Oberfläche  der  Lehcr  die  Acini  nennt.  Diese  ästigen  Cy- 
linderchen  bestehen  also  selbst  wieder  aus  den  vorher  nach  In' 
jectionen  und  nach  der  Entw'ickelungsgeschichte  beschriebenen  vi®^ 
feineren  Gallenkanälchen.  Was  die  von  mehreren  Schriftstellern) 
wie  Autekrieth,  Bichat,  Cloquet,  Mappes  und  Meckel,  ang®' 
nommene  doppelte  Substanz  in  der  Leber  betrifft,  W'elche  sid' 
wie  Mark  und  Rinde  an  den  Acinis  durch  die  ganze  Leber  vcf' 
theilen  soll,  so  reducirl  sich  diess  nach  meinen  Untersuchungßn 
auf  das  Factum,  dass  die  ästigen  Zertheilungen  der  LebersubstaoZ 
und  der  Acini  überall  von  einem  oft  dunkeln  gcfässreichen 
Zellgew'ebe  unter  einander  verbunden  sind,  wogegen  die  gelhli' 
eben  Anhäulhngen  der  Gallenkanälchen  abstechen,  ein  Verhältnis*» 
was  d'zrch  die  Entwickelungsgeschichtc  evident  wird,  indem  nia® 
beim  Vogelembryo  die  gelbliclien  Reiserchen  der  Gallenkanälche" 
auf  der  Oberfläche  der  Leber  aus  einem  rothlichen  Gefässgeweh® 
hervorkommen  sieht. 

Was  die  Vertheilung  der  Blutgefässe  in  der  Leber  betriffh 
so  ist  es  bekannt,  dass  sich  von  Injection  der  Leberarterie  on‘‘ 
der  Pfortader  diesellien  Capillargefässnctze  anfüllen,  mit  welchei* 
wieder  die  Anfänge  der  Lebervenen  in  Vei'bindung  stehen. 
den  Capillargefässnetzen  der  Leber  scheint  daher  eine  Vermischung 
des  hellrothcn  Blutes  der  Leberarterie  und  des  dunkelrothen  Blut®* 
der  Pfortader  statt  zu  finden,  und  aus  beiden  geschieht  vielleicht  di® 
Absonderung  der  Galle.  Die  feinsten  Capillargefässe  sind,  ivie  i®  _ 
schon  bemerkt  habe,  feiner  als  die  mikroskopischen  Beiserchen  d®* 
Gallenkanälchen.  Diese  Netze  verlaufen  überall  zwischen  denR®*' 
serchen  der  Kanälchen,  umspinnen  sie,  stehen  aber  mit  ihnen  n' 
keinem  unmittelbaren  Zusammenhänge;  denn  bei  dem  VogeleiO' 


429 


2.  Vom  innern  Bau  der  Drüsen.  Leber. 

sielit  man  mit  Hülfe  des  Mikroskops  auf  der  Oberfläche 
der  Leber  die  reiscrförmigeii  Endigungen  der  Gallei^analcben 
'ind  dasselbe  lässt  sich  mit  Erfolg  an  der  Leber  der  b iwclilai^ 
''6n  beobachten.  Siehe  J.  Mueij.er  a.  a.  O.  lab.  X.  • 

ßel  der  Salamanderlarve  lässt  sich  sogar  die  Bewegung  des  Bluts 
^Wischen  den  Acinis  der  Leber  mit  dem  Mikroskop  lieobachten 
t»-  a.  O Tab  X.  Fig.  10.),  wo  die  Blutkörperchen  sich  zwischen 
"len  Theilchen  der  Lcbersulistanz  deutlich  durchwinden,  um 
den  zulührenden  Gcfässen  in  die  abführenden  zu  gelangen. 
Leber  das  Pfdrtadcrsystem  der  Thiere  siehe  oben  pag.  100. 

Durch  Rierjiain’s  sehr  schätzbare  Lntersucbuiigcn  lud  die 
Anatomie  der  Leber  weitere  Fortschritte  gemacht,  i tidosoph.  ^ans- 
183.3.  p.  2.  pag.  711.  KiERSAy  beschreibt  die  kleinen  ^^rn- 
cben  {Lobules)  der  Leber,  welche  Andere  Acini  nennen,  als  blatt- 
förmige aber  nicht  platte  Körper,  welche  mehrere  sturnpte  bort- 
«ötze  ausschickcii,  ähnlich  denjenigen,  die  wir  oben  von  der  ma- 
?®rirten  Leber  des  Eisbären  beschrieben  haben,  iminnnren  eines 
l®den  kleinen  Läppchens  läuft  ein  Centralcanälcben  [Venula  uHra- 
^<^bularis],  ein  Zweig  der  Lebervene,  welche  das  Blut  aus  dem 
Lapillargefässnctz  des  Läppchens  znrückfülirt ; diese  Venulaeintra- 
lobulares  gehen  von  den  Aesten  der  Lebervenen  aus,  Avelche  an 
diesen  Stellen  in  ihren  Wänden  wie  durchlöchert  sind,  indem 
‘lie  Läppchen  auf  der  Olierfläche  der  VN  ände  der  Lebervenen- 
^«’eige  aufsitzen,  so  dass  diese  so  gruppirten  Läppchen  einen  La 
“al  bilden,  in  welchem  der  Lebervenenzw-eig  hegt.  Diese  Lanale 
®ö>d  also  durch  die  Basen  aller  Läppchen  gebildet.  Die  äussere 
Oberfläche  jedes  Läppchens  dagegen  ist  von  einer 
?clieide,  Capsel,  Fortsetzung  der  Capsula  Glissonii  umgeben,  und 
öl  diesem  Zellgewebe,  Avelches  Avieder  die  Läppchen  von  emandei 
Rodert,  verbreiten  sich  die  Zweigelcheu  der  Arterie  iind  die 
Ztveigelchen  der  Pfortader,  Avelclic  (Venac  iiiterlobulares)  durch 
Capillargefässnetze  des  Läppchens  in  die  Vena  intralobularis, 
ö<fcr  den  Anfang  eines  Lebervenenzweiges  übergehen.  Je  nachdem 
^btweder  in  den  Venis  interlobiilar.  von  der  Pfortader  her  eine 
^Wanhäufiing  oder  in  den  Venis  intralobidnr.  von  den  Leber- 
’i*'‘hen  her  eine  Bhitanhäufung  statlfindet,  scheint  en  Avet  ei  c le 
^Ltte  der  gelben  Läpjjclien  blässer,  oder  der  Umfang  blasser,  und 
öaber  der  irrthum  von  zwei  Substanzen  an  den  Läppchen,  wel- 
KiraNA«  so  wie  ich  aus  einer  einfachen  Substanz  gebildet  fand. 
Das  Zellgewebe  der  Capsula  Glissonii  geht  von  der  Leber- 
ffirte  als  gemeinschaftliche  Scheide  der  Leberarterie,  der  Plort- 
und  des  Gallenganges  weiter  ins  Innere  der  Leber  ein  uin- 
immer  wieder  die  neben  einander  hegenden  ZAveige  di^er 
Oefässe  und  endigt  zuletzt  in  dem  Interlobularzellgewebe.  Dei 
^czweigung  der  Lebervenen  lileiben  diese  Scheiden  ganz 
Die  Leberarterie  verz.Aveigt  sich  nach  Riernak 
'öid  grösst enthcils  auf  den  Wänden  der  Gallenblase , der  Liuie 
S’öige  und  der  andern  Blutgefässe,  indem  sie  die  Y«®“ . 

derselben  bildet.  Aus  den  Netzen  der  ArterienzAveigelchen  ^eht 

as  Blut  nach  Riernan  in  Zw'eige  der  Pfortader  ö-iiöYYY 
öft  aus  in  die  Lebervenen;  denn  durch  feine  Injec  i n n 


430  II.  Buch.  Organ,  ehern.  Processe.  III.  Abschnitt.  Absonderung. 


Leberarterie  wurde  die  Pfortader  wolil,  nicht  aber  die  Lebervenen 
gefüllt.  Als  er  mit  blauer  Masse  zuerst  die  Pfortader  und  dann 
mit  rother  die  Leberarterie  gefüllt  liatte,  wiu’den  Zweige  von 
beiden  Gefassen  in  den  Häuten  der  Gelasse,  der  Gallengänge  und 
der  Gallenblase  gefunden;  die  Läppchen  der  Leber  waren  blau 
gefärbt  und  die  rotlie  Masse  ersebien  nur  punktweise  im  Umlang 
derselben.  Kiernan  nimmt  daher  an,  dass  diejenigen  Zweige  der 
Leberartcrie,  welche  bis  zu  den  Läppchen  gelangen , in  die  ve- 
nösen Plexus  der  Pfortader  übergehen  xind  dass  das  Blut  von  dort 
erst  in  die  Anfänge  der  Lehervenen  gelangt.  Diese  Ansicht,  wel' 
che  jener  widerspricht,  dass  alles  Blut  der  Leberarterie  sowoln 
als  der  Pfortader  in  dieselben  Capillargcfässe  gelange,  ist  inde*^ 
noch  nicht  hinreichend  erwiesen  und  die  LiEBERK.uEH3’schen  lo' 
jectionen  widersprechen  ihr,  indem  hier  die  Capillargefässnetz® 
öfter  so  leicht  von  dem  einen  als  von  dem  andern  Gefäss  au* 
sich  injicirt  zeigen. 

Von  der  letzten  Verzweigung  der  Gallenkanälchen  sagtRiEB' 
nan  Folgendes.  Da  wo  die  feineren  Zweige  zwischen  den  Läpp' 
chen  liegen,  theilen  sie  sich  durch  Verzweigung,  diese  Zweig® 
anastomosiren  endlich  mit  einander  und  bilden  zuletzt  einen  voä 
den  Blutgefässen  unabhängigen  Plexus,  welcher  die  eigentlich® 
Substanz  des  Läppchens  ausmacht.  Ptiilos.  transact.  183.3.  p. 
Tab.  23.  Fig.  3.  An  den  von  mir  injicirten  Gallencanälcben  hah® 
ich  über  die  Existenz  dieser  Verbindungen  nicht  sicher  werdet 
können.  Die  Canälchen  sahen  mehr  wie  in  den  mannigfaltig' 
sten  Richtungen  durch  einander  liegende  kurze  Rispen  aus,  iin^^ 
die  Entwickelungsgeschichte  widerspricht  dieser  Ansicht,  indcii* 
man  beim  Hühnchen  und  bei  den  Froschlarven  auf  der  Ober' 
fläche  der  Leber  mit  dem  Mikroskop  offenbar  Reiserchen  siebt- 
Kierkan  erklärt  sich  diess  Ansehen  beim  Fötus  auf  eine  ander® 
Art,  nämlich  als  gelbe  Zxvischenstellen  zwischen  den  Radiationen 
der  Venen.  Diese  Erklärung  würde  dieser  treffliche  Forscher 
indess  wohl  nicht  aufgestellt  haben,  wenn  er  selbst  mikroskopi' 
sehe  Untersuchungen  über  die  Gallencanälcben  hei  VogelemljryO' 
nen  und  Froschembi-yonen  angestellt  hätte.  Dass  die  Galleiica' 
nälchen  beim  Embryo  reiserförmige  kurze  Endigungen  an  d®*" 
Oberfläche  der  Leber  bei  mikroskopischer  Untersuchung  sehen 
lassen,  ist  nach  meinen  zahlreichen  Beobachtungen  nicht  zu  b®' 
zweifeln;  ob  die  Acini  beim  Erwachsenen  auch  aus  einer  AnhäU' 
fung  nicht  anastomosiren  der  Körper  oder  aus  Plexus  von  Caiiäl' 
chen  bestehen,  wie  Kiersan  behauptet,  ist  noch  nicht  entschieden 
und  schwer  zu  entscheiden,  da  auch  die  gut  injicirten  Canälchen 
der  Acini,  wenn  ihre  durch  einander  fahrenden  Zweigelchen  dich* 
gehäuft  sind,  den  Anschein  von  Plexus  annehmen  können,  zuwe'' 
len  aber  auch  Plexus  für  Gallencanälcben  gehalten  w-erden  kön- 
nen, welche  nichts  anders  sind  als  durch  Extravasation  aus  den 
Gallengängen  angefüllte  Venennetze  oder  Capillargefässnetze. 

2.  Drüsen  mit  rührigem  Baue.  Hierher  gehören  die  Nieren 
und  die  Hoden.  Bei  dieser  Art  drüsiger  Organe  wird  die  Ver- 
grösserung  der  Fläche  durch  Kanäle  von  ausserordentlicher  Läng® 
realisirt,  vvelche  mehrentheils  gewunden  sind,  während  die  Vei" 


2.  Vom  innern  Bau  der  Drüsen.  Nieren. 


431 


*^''eignng  entweder  fehlt  oder  ganz  untergeordnet  ist  und  die 
l^ftnäle  in  dem  grössten  Theile  ihres  Verlaufs  einen  gleichen 
•^rehmesser  hehalten. 

P.  Nieren.  Die  Nieren  der  niederen  W'^irbelthiere , wie  der 
'•sehe  und  Amphibien,  zeigen  noch  keinen  deutlichen  Unterschied 
''01  Suhstantia  medullaris  und  corticalis.  Das  ganze  Gewebe  der  Nie- 
‘■en  der  Fische  besteht  aus  lauter  gewundenen  RanVdehen  {ductiis 
'"■'"'Jen),  welche  durchgängig  denselben  Durchmesser  behalten 
"od  sich  zuletzt  wahrscheinlich  blind  endigen,  während  sich  ihre 
j'ideren  Enden  in  den  Harnleiter  ergiessen.  J.  Mueller  a.  a.  O. 

Fig.  1— 4.  , . 

V,  Die  Harnkanälchen  in  der  Niere  der  Frösche  gehen,  wie  die 
.Oderfahne  von  dcmFederschaft,  nach  einer  Seite  hin  ab.  Sie  sind 
*0  ihrem  Verlaufe  theils  gerade,  theils  gewunden,  verändern  ih- 
*^01  Durchmesser  nicht  und  endigen  zuletzt  blind  an  dem  on^e- 
?®igesetzten  Rande  der  Niere.  J.  Mueller  a.  a.  O.  Tab.  XII, 
**§•11.  Bei  den  Schlangen,  wo  die  Nieren  an  dem,  am  äus- 
Rande  derselben  verlaufenden,  Harnleiter,  eine  Reihe  von 
^''•Ppen  bilden,  schickt  der  Harnleiter  von  Stelle  zuStelle  ein  Stämm- 
f'^on  in  die  Concavifät  der  Lappen  ab,  welches  sich  alsbald  hüschel- 
'o>Tnig  verzweigt.  Diese  Büschel  gehen  dann  in  die  eigentlichen 
."•'nkanälchen  über,  -welche  in  mannlchfaltigen  "Windungen  das 
^'.Sontllche  Parenchym  der  Nieren  ausmachen.  Am  Ende  scheinen 
.0  Harnkanälchen  etwas  angeschwollcn  und  blind.  Mit  Queck- 
'•llier  gefüllt  haben  diese  Harnkanälchen  einen  Durchmesser  von 
,>00.322  p Z.  Die  Nieren  der  Schildkröten  gleichen  in  der  Bildung 
Harnkanälchen,  deren  Ende«  gefiedert  sind,  ganz  denen  der 
'^ogel.  Ueber  das  eigenthümliche  System  von  zufuhrenden  Ve- 
in  den  Nieren  der  Fische  und  Amphibien,  siehe  pag.  Ib« 
'"oses  Handlmchs. 

Die  Nieren  der  Vögel,  welche  aus  mehreren  ganz  getrenu- 
1 ‘'i  nur  durch  die  Acste  des  Harnleiters  verbundenen  Lappen 
. o^tehen,  gleichen  schon  den  Nieren  der  Säugethiere  darin , dass 
I"  ihnen  Pyramiden  enthalten  sind,  welche  die  Harnkanalchen 
kleine  Warzen  sammeln,  wovon  jede  in  einen  Ast  des  Harn- 
^'tors  eingesenkt  ist.  Auf  der  Oberdäche  der  Nieren  bemerkt 
kleine  Windungen,  wie  auf  der  Oberfläche  des  Gehirns  oder 
> die  an  einander  liegenden  Ränder  eines  sehr  gekräuselten 
K ^tes.  Diese  Windungen  entstehen  durch  die  schichtweise  Aus- 
ifoflung  der  zur  Oberfläche  auftauchenden  Harnkanälchen.  In 
0‘esen  Windungen  liegen  die  Harnkanälchen  parallel  neben  em- 
er;  nian  kann  sich  diese  Anordnung  so  vorstellen,  wie  wenn 
^ Tuch  nach  einer  Seite  hin  in  die  Spitze  einer  Pyramide  zu*^ 
'^mengefasst  wird,  während  das  andere  Ende  des  Tuchs  wie 
; ^0  Gardine  oder  eine  Halskrause  in  gekräuselte  Falten  S® '.'j’ 
a,-  Hei  der  ersten  Entstehung  der  Niere  sieht  man  diese  BH- 
g noch  deutlicher,  indem  die  aus  der  Tiefe  aufstreben  cn 
.dichten  der  Harnkanälchen  sich  in  gekräuselten  Figuren  aiu 
. ' Oberfläche  der  Niere  neben  einander  legen  und  den  Ba  ten 
pl'or  Krause  in  der  That  sehr  ähnlich  sehen;  a. 

S'  4.  5.  6.  Beim  erwachsenen  Vogel,  -wo  sich  die  Harnkanal.. 


432  11.  Buch.  Organ,  ehern.  Processe.  UI.  Abschnitt.  Absonderung. 


eben  mit  Hülfe  der  Luftpumpe  durch  Leim  und  Zinnober  io]‘' 
ciren  lassen,  liegen  die  Enden  der  Harnkanälchen  auf  der  Ober- 
fläche der  Nieren  in  wunderschöner  Anordnung  neben  einander 
Jedes  dieser  Kanälchen  treibt  federförmig  kleine  Zweige  nae 
den  Seiten  aus,  so  dass  jedes  Harnkanälchen  einem  FedercbeP’ 
oder  auch  der  Verzweigung  des  Hirschgeweihes  ähnlich  sie»  ’ 
Siehe  Tab.  XIII.  Fig.  7.  9.  13. 

Huschke’s  und  meine  Beobachtungen  haben  dieses  Verhalt®’* 
ermittelt.  Vach  neuen  Beobachtungen,  die  ich  an  ausserordent- 
lich schönen  Injectionen  vom  Prof.  Retzius  in  Stockholm  ang®' 
stellt  habe,  setzen  sich  die  Seitenzweigelchen  noch  weiter  in  d'® 
Tiefe  fort,  wo  sie  keine  Aeste  weiter  abgeben  und  allinäld'b 
kaum  etwas  feiner  werden.  Wie  sie  zuletzt  endigen,  weiss  '® 
nicht  gewiss;  wie  es  scheint,  bilden  sie  Schlingen.  Die  Hariib®' 
nälchen  haben  auf  der  Oberfläche  der  Nieren  der  Eule  ein®” 
Durchmesser  von  0,00174  p.  Z.  Vergleiche  über  den  Bau  derV®' 
gelnieren  Huschke  Isis  1828.  pag.  565. 

Bei  dem  Embryo  der  Säugethiere  und  des  Menschen  beste® 
die  Niere  aus  mehreren  ganz  abgesonderten  Lappen  [RencuUh 
welche  bloss  durch  die  Zweige  des  Nierenbeckens  zusammenhä®' 
gen.  Dieser  Renculi  sind  so  viele,  als  die  Niere  später  Pyran”' 
den  hat.  Bekanntlich  bleiben  diese  Renculi  in  grosser  Anza®’ 
bei  mehreren  Thiereu  durchs  ganze  Leben  getrennt,  wie  beim  fl®' 
ren,  der  Fischotter  und  den  Cetaceen.  Sowohl  bei  diesen  Tbi®' 
ren,  als  bei  dem  Fötus  der  übrigen  Säugethiere  und  des  Mc”' 
sehen  besteht  jeder  Renculus  aus  der  pyramidalischen  Marksub' 
stanz  und  der  wie  eine  Mütze  um  die  abgerundete  Basis  derselb®” 
herumgeschlagenen  Corticalsuhstanz , welche  die  Medullarsubsta®’^’ 
also  bis  auf  die  Papille  des  Renculus  umgiebt.  Nachdem  di®*^ 
Renculi  unter  einander  verwachsen  sind,  setzt  sich  also  nothwe”' 
dig  die  Corticalsuhstanz  der  Nieren  zwischen  die  Pyramiden  b.’’ 
gegen  die  Papillen  hin  fort.  In  der  Marksubstanz  verlaufen  d*® 
Harnkanälchen  bekanntlich  gestreckt;  von  der  Basis  ])is  geg®” 
die  Papille  bin,  verbinden  sie  sich  von  Stelle  zu  Stelle,  r 
zwei  mit  einander,  wie  die  Zinken  einer  Gabel.  Sie  werd®” 
gegen  die  Papille  hin  beim  Pferde  unbedeutend , beim  M®”' 
sehen,  nach  Webeb,  nicht  einmal  weiter  und  öffnen  sich  in  d®’* 
L()cherchen  iler  Papillen.  Gegen  die  Corticalsuhstanz  hin  fahr®” 
die  Harnkanälchen  aus  den  Bündeln  {Ferreinsche  Pyramide’^r 
welche  die  Malpighi’schen  Pyramiden  zusammensetzeii,  nach  all®” 
Richtungen  auseinander.  Nur  eine  kleine  Strecke  setzen  sich  d' 
Büschel  der  gestreckten  Kanälchen  in  die  Corticalsuhstanz  1®”  ’ 
indem  diese  Büschel  von  Harnkanälchen  von  aussen  nach  in®®” 
immer  mehr  Harnkanälchen,  gewunden  in  die  Rindensubsta®^’ 
abweichen  lassen.  Siehe  J.  Mueeler  a.  a.  O.  Tiib.  XIV.  Fig-  ' 
vom  Eichhörneben.  Die  ganze  Rindensubstanz  besteht  aus  la®!® 
W indungen  von  Harnkanälchen , die  ihren  Durchmesser  b”* 
nicht  weiter  verändern.  Bei  dem  Pferd  ist  die  Rindensubsta”^ 
dünn  und  die  Zahl  der  gewundenen  Kanäle  daher  ■''*” 
geringer.  Die  Enden  der  gewundenen  Harnkanälchen  a” 
zufinden  ist  ungemein  schwierig.  Nach  meinen  Beobachtung®” 


2.  Vom  binern  Bau  der  Drüsen.  Nieren. 


433 


'***  den  Nieren  des  Elclihörncliens  tlieilen  sicli  zuletzt  die  Kanal- 
melirfach,  und  hören  mit  nicht  oder  kaum  angeschAVollenen 
tnden  auf.  Weber  fand  heim  Menschen  bei  mikroskopischen 
^•'Versuchungen  keine  Enden  der  Harnkanälchen,  sondern  nur 
pldeifen.  Beim  Pferde  liahe  ich  durch  Injectionen  der  Harn- 
•‘anälchen  vom  Ureter  aus  mittelst  der  Luftpumpe  ganz  deutlich 
^•'•nlttelt,  dass  diese  Kanäle  vielfach  unter  einander  anastomosi- 
Tab.  XV.  Fig.  2.  Hiernach  verhallen  sich  also  die  gewun- 
"«»en  Harnkanälchen  durch  ihre  Annstomosen  gerade  so,  wie  die 
8®\vundenen  Samenkanälchen.  Um  diese  Kanälchen  der  Rinde 
injiciren,  muss  man  sich  der  Hülfe  der  Luftpumpe  hedmnen, 
"•dein  die  äussere  Oberfläche  der  Niere  dem  luftleeren  Raum 
ausgesetzt  ist,  und  die  Injectionsmasse  durch  den  Druck  der  äus- 
Luft  aus  dem  Ureter  in  die  Harnkanälchen  bis  auf  die  Oher- 
*aclie  der  Nieren  hineingetrieben  wird.  Diese  Injectionsart, 
^••iche  zu  diesem  Zweck  Huschke  zuerst  angewendet  hat,  gelingt 
?"•'  bei  dem  Pferde  vorzüglich.  Was  den  Durchmesser  der  Harn- 
^aiiVilchen  betritt't,  so  betragen  sie  in  der  Rinde  der  Nieren  des 
^''chhörnchens  0,00149  p.  Z.;  sind  also  ungefähr  3 bis  6 mal  so  dick, 
r die  feinsten  Blutgefässe.  Auf  der  Oberfläche  der  Nieren  des 
^.^•"■des  betragen  die  Harnkanälchen  im  Injiclrlcn  Zustand  0,00137 
0,00182;  in  der  Medullarsubstanz  betragen  sie  gegen  die  Mitte 
^?''selben  schon  beträchtlich  mehr,  nämlich  0,00489  und  gegen 
V®  Papillen  hin  0,01305  p.  Z.  Nach  E.  H.  Weber  nehmen  diese 
Naiijjig  von  ihren  Windungen  in  der  Rinde  gegen  das  Mark  und 
'"••  dort  bis  an  die  Papillen  beim  Mensclien  gar  nicht  einmal 
j*"  Umfang  zu.  In  der  Rindensubstanz  betragen  sic  nach  ihm 
j’^Olso  p.  Z.  Durchmesser,  in  den  Pyramiden  0,00160  p.  Z.,  an 
Papille  0,00100  p.  Z. 

^on  ganz  besonderem  Interesse  ist  das  Verhältniss  der  Blutgefässe 
der  Nierensubstanz.  In  der  Rinde  der  Nieren  bilden  die  Blutge- 
die  gewöhnlichen  Capillargefässnetze,  welche  ausserordentlich 
.‘"'•t  sind,  so  dass  der  Durchmesser  nur  einige  mal  kleiner  ist, 
^ ihre  ZAvischenräume;  sie  betragen  hier  nach  meinen  Ausmes- 
'"'.gen  0,00037  bis  0,00058  p.  Z.  Durchmesser.  ln  der  Rinde 
{'■•sehen  den  Harnkanälchen  liegen  die  Malpighi’schen  Körper- 
. grösser  als  die  Harnkanälchen  und  eben  noch  mit  blossen 
j erkennbar;  sie  sind  von  Schumla^sky  viel  klein  abge- 
Sie  messen  nach  meinen  Beobachtungen  0,00700;  nach 
e‘  Weber  0,00666  bis  0,00883  p.  Z.  Diese  Körperchen  lie- 
I " hl  bläschenförmigen  Aushöhlungen  des  Zellgcivebes  zwischen 
fi!?  Harnkanälchen  und  bestehen  ganz  aus  Windungen  von  Blut- 
^‘assen.  Siehe  Tab.  XIV.  Fig.  8.  9.  Merkivürdiger  Weise  kom- 
hJlti  ••""h  •«  den  Nieren  der  mehrsten,  vielleicht  aller  Wir- 
, flliiere  vor;  sie  sind  bei  den  Fröschen,  Kröten,  Salaman- 
(■  ’’••>  Schildkröten,  Vögeln,  Säugethieren  und  Menschen  aufge- 
(il"deti.  SciiuMEAKSKY  liattc  die  Hypothese  eingefübrt,  dass  diese 
„ "•"eruh  die  Quelle  der  Haruahsonderung  seyen,  indem  aus  in- 
Pj"  die  Harnkanätchen  entsprängen.  Diess  hat  sich  bei  näherer 
"tersuchung  als  unrichtig  gezeigt,  Avie  sich  aus  HusmiRE  s und 
•öen  Beobachtungen  ergiebt.  Denn  die  Glomeruli  seu  coi’- 


434  II.  Buch.  Organ,  ehern,  Processe.  III,  Abschnitt.  Absonderung. 


pora  Malpigliiana  lassen  sich  nur  von  den  Arterien  aus  injicire*’) 
werden  aber  nie  nach  Injectionen  der  Harnkanälchen  angefü“  • 
Htjschke  hat  überdiess  beim  Salamander  beobachtet,  dass  das  Blut' 
gefässeben,  welches  in  sie  liineintritt,  nach  vielen  Windung®'' 
Wiederaus  denselben  herausgeht.  Tiedemasn  Zeitschrift  für  Physik' 
4.  Tab.  6.  Fig.  8.  Sie  werden  übrigens  eben  so  leicht  von  d®'' 
Arterien  als  von  den  Venen  aus  angefüllt,  und  sind  überhaupt 
blosse  Receptacula  des  Bluts. 

Die  Quelle  der  Harnabsonderung  sind  die  gewundenen  HarU' 
kanälchen  selbst,  welche  nicht  bloss  an  ihren  Enden,  sondern 
der  ganzen  ungeheuren  Oberfläche,  welche  ihre  Windungen  Bai' 
bieten,  die  in  Harn  vcwandelten  Theile  des  Bluts  ausscheitl®"' 
Sie  sind  überall  von  den  feinsten  Blutströmehen  umgeb®®’ 
indem  die  Netze  der  Capillargefässe  in  ihren  ZAvisebenräum®" 
überall  hingehen  und  sie  umwelien.  Die  aufgelösten  Theile  B®'* 
Blutes  können  durch  die  zarten  Wände  der  Harnkanälchen  durd'' 
dringen,  und  bei  diesem  Durchdringen  eine  chemische  Vera®' 
derung  erleiden,  oder  die  zersetzten  Theile  desselben  angezog®'' 
und  ausgeschieden  werden. 

In  der  Marksubstanz  verlaufen  die  Blutgefässe  zwischen  B®® 
Harnkanälchen  gestreckt  gegen  die  Papillen  hin,  indem  sic  i'®'' 
der  Rinde  kommen.  Diese  von  den  Arterien  und  Venen  aus  lei®'’ 
zu  injicirenden  Gefässe  der  Marksubstanz  sind  in  früherer  2®B 
von  Ben  Anatomen  fälschlich  für  die  von  den  Arterien  aus  iol*' 
cirten  Belllni’schen  Harnkanälchen  gehalten  worden,  in  Avclci'^ 
die  in  die  Arterien  inpeirten  Flüssigkeiten  nicht  übergehen.  J®"*' 
gestreckten  Arterien  und  Venen  Averden  gegen  die  Pajiillen  B®® 
Nieren  bin,  statt  sich  AAÜe  die  Harnkanälchen  zu  erweitern,  vi®*' 
mehr  fein  und  bilden  die  gewöhnlichen  Capillargcfässnelze 
die  OelFnungen  der  Harnkanälchen.  Beim  Hunde  betragen  Bi®*^ 
gestreckten  Arterien  der  Pyramiden  0,00175 — 0,00068  p.  Z.  *®’ 
Durchmesser,  in  der  Nähe  der  Papillen,  wo  sie  Netze  bllB®"’ 
0,00042  p.  Z. 

Vergleicht  man  die  Harnkanälchen  mit  den  Samenkanäleb®" 
des  Hodens,  so  zeigt  sich  die  grösste  Aehnlichkeit;  auch  j®®*' 
sind  gewunBen  unB  bilBen  Anastomosen,  unterscheiden  sich 
diesen  nur  durch  ihre  grössere  Feinheit,  indem  sie  beim  Mensch®® 
einige  mal  dünner  sind  als  die  Stimenkanälchen , und  daher  i®' 
blossen  Augen  nicht  mehr  gesehen  werden.  Bei  den  Schlang®'* 
sind  sie  dagegen  schon  so  gross,  dass  man  sie  mit  blossen  A"' 
gen  sieht,  und  eben  so  bei  den  Rochen  und  Haien.  Erst  du®® 
ihre  Feinheit  und  Anhäufung  bilden  sie  den  Anschein  von  f®’’'''' 
Masse,  wie  ihn  die  Rinde  dem  nackten  Auge  darbietet. 

Hoden.  Bei  den  Insecten  ist  die  Bildung  des  Hoden 
endlich  mannicbfaltig.  Der  Grundtypus  ist  Vermehrung  der  Fla®®^ 
Avelche  absondert,  im  kleinen  Ravime.  Die  Formen  sind  hier 
überaus  reich,  als  die  Ausbildung  einer  grossen  Fläche  im  hl®' 
nen  Raume  mannichlaltig  ist.  Siehe  Leon  Dufour  Ann.  des  s- 
nat.  Tom.  VI.  fiptbr.  u.  Oetbr.;  Succoav  in  Hetjsinger’s  Zeilscin'J 
für  Organ.  Physik.  Tom.H,  Man  findet  daher  bald  einfache, 
verzAveigte,  mehr  oder  minder  gewundene  Röhren,  bald  knäu® 


435 


2.  Vom  innern  Bau  der  Drüsen.  Hoden. 

förmig  aufgewickelte  Röliren;  In  anderen  Fallen  endigen  die  Röli- 
ren  verzweigt  In  Rläsclien  oder  wirtelförmig,  oder  in  stern- 
förmige Änliäufungen  von  RlInddärincRcn.  Zuweilen  stellt  der 
*^oden  einen  Haufen  liürstenförmig  verbundener  Rlinddärmeben 
zuweilen  ahmen  die  Röhrchen  einen  Rferdeschweif  nach; 
kommt  cs  vor,  dass  die  Röhrchen  schlingenförmig  sich  mit 
einander  verliinden,  wie  ich  es  an  den  Hoden  der  Scoqhone  ge- 
fönden  habe.  Die  Absonderung  geschielit  also  nothwendig  hier 
auf  der  innern  Fläche  dieser  Röhrchen,  Blinddärme,  Kapseln 
die  Natur  erreicht  denselben  Zweck  in  einem  einfachen,  sehr 
'atigen  Kanäle,  wie  in  kurzem  verzweigten  Röbrehen  oder  An- 
föaul’ungen  von  Rlinddärmeben.  Unter  den  Mollusken  ist  der 
•föden  ebenfalls  sehr  manniclilältig,  doch  lässt  er  sich  grössten- 
'neils  auf  die  Trauhenform  und  die  büschelförmigen  Anhäutungen 
Blinddärmchen  rcdiiciren. 

Bei  den  Fischen  bilden  sich  zwei  Modlficationen  der  Bildung 
Hoden  vor;  entweder  bestehen  sie  nämlich  aus  verzweigten 
gehren,  wie  beim  grössten  Thcil  der  Fische,  (siehe  Tab.  XV. 
.S-  7.  von  Clupea  alosa),  oder  sie  sind  körnig.  Im  letztem  Fall 
?följt  es  keinen  Ausführungsgang  des  Hodens.  Der  Same  wii'd 
Innern  dieser  Körner  gebildet,  gelangt  durch  Zerplatzen  dieser 
^“•■ner  wahrscheinlich  in  die  Bauchhöhle,  w’ie  auch  die  Eier 
*'*iiger  Fische  in  die  Bauchhöhle  fallen,  und  aus  der  Bauchhöhle 
'^**t'ch  eine  oder  zwei,  in  diesem  Fall  vorkommende  Oeffnungen 
Aussen.  So  z.  B.  verhält  cs  sich  lieim  Aal  und  bei  der  Pricke 
‘'ach  Ratuke’s  Beobachtungen,  welche  eine  einfache  Oeffnung  der 
”'*uchhöhle  bähen  und  bei  welchen  elien  so  die  Eyer  nach  Aus- 
gelangen.  Derselbe  Bau  findet  sich  nach  meinen  Beobach- 
fötigen  in”  Hinsicht  der  Hoden  bei  den  Haifischen  und  Rochen, 
l'ßlche  zwei  Oeffnungen  der  Bauchhöhle  haben.  AVas  man  frü- 
für  Nebenhoden  und  Ausführungsgang  des  Hoden  gehalten 
*ätte,  jenes  aus  gewundenen  Kanälen  und  einem  starken  Ausfüh- 
*=“.18  bestehende  Organ,  steht  nämlich  in  keinem  Zusammenhänge 
dem  körnigen  Hoden  und  ist  eine  Drüse  eigener  Art.  Siebe 
■ AIueller  in  Tiedemsns’s  Zeitschrift  für  Physiol.  IV.  de 
penU.  structura.  Tab.  XV.  Fig.  8.  Auch  beim  Stör  sind 
Hoden  körnig.  Die  Weibchen  der  Rochen  und  Haifische 
^®sitzen  übrigens  die  Oeffnungen  der  Bauchhöhle,  obgleich  die  Eier 
P‘  ihnen  nicht  in  die  Bauchhöhle  lullen,  sondern  durch  den  Eier- 
nach  Aussen  gelangen. 

1 Die  Hoden  der  nackten  Amphibien  sind  noch  ohne  Neben- 
j *fön,  indem  die  Vasa  efferentia  sich  ohne  Weiteres  zu  dem  Du- 
jfös  deferens  verbinden;  sie  bestehen  übrigens  aus  kurzen  blin- 
B.öhrchen;  bei  den  beschuppten  Amphibien  beginnt  der  Ne- 
, ®ähode  aus  den  W^induiigcn  der  Vasa  efferentia  und  des  Samen- 
selbst.  Ueber  den  Bau  des  Hoden  bei  dem  Menschen 
•äben  in  neuerer  Zeit  die  U ntersuehungen  von  Astlev  Coopeii 
eoer  die  Bildung  des  Hoden.  IVeimar  und  besonders  'ion 

• Lauth  [Mem.  de  la  Sucicte  de  l’ hist.  nat.  de  Strasbourg.  Biu.  lli) 

j'^Üere  Aufschlüsse  gegeben.  Nach  Cooper  werden  die  Läppchen 
Hoden  nicht  Idoss  durch  die  von  der  Albuginea  ausgehenden 


436  II.  Buch.  Organ,  ehern.  Processe.  III.  Abschnitt.  Absonderung- 

Sclieidewand-artigen  Fortsätze  geschieden,  sondern  auch  noc 
einzeln  durch  ein  überaus  feines  Häutchen  eingeschlossen.  Di® 
Samenkanälchen  haben  sämrntlich  die  Richtung  gegen  das 
testis.  Man  kann  sie  gleichsam  als  einen  Regel  vorstellen , deS' 
sen  Spitze  an  dem  genannten  Orte  liegt;  auch  ist  jedes  Sam®*!' 
kanälchen  so  gelagert,  dass  es  durch  die  Abnahme  seiner 
düngen  gegen  das  Rete  testis  gleichsam  einen  Regel  bildet.  D*® 
Samenkanälchen  haben  alle  denselben  Durchmesser.  Er  h®' 
trägt  nach  Lauth  ylö-  bis  ^-^Zoll,  im  Durchschnitt  Zo* ' 
ich  habe  ihren  Durchmesser  auf  0,00470  j).Z.  angegeben.  Inji®*® 
betragen  sie  nach  Lauth  im  Diu’chschnitt  Zoll,  nach 
0,00945  p.  Z.  Die  Läppchen  bestehen  nach  Lauth  bald  aus  ®‘' 
nem,  bald  aus  zwei,  bald  aus  mehreren  Samenkanälchen.  LAtjt® 
berechnet  die  Zahl  der  Samenkanälchen  auf  840,  und  die  Läng® 
von  einem  auf  2 Fuss  1 Zoll.  Ich  hatte  schon  Enden  der  Sn' 
menkanälchen  hei  Säugethieren  aufgefunden,  wo  dies  hei  d®® 
Nagethieren,  wegen  der  Grösse  der  Samenkanälchen,  wenig®'' 
schwer  ist.  Lauth  hat  nur  einmal  ein  geschlossenes  Ende  ein®* 
Samenkanälchens  im  Hoden  des  Menschen  bemerkt.  Dieses  s®' 
tene  Erscheinen  der  blinden  Enden  kommt  nach  Lauth  dav®® 
her,  dass  die  Samenkanälchen  zuletzt  sich  schlingenförmig  r®® 
einander  verbinden.  Diese  Theilungen  und  Vereinigungen  d®® 
Samenkanälchen  sind  nach  Lauth  so  häufig,  dass  er  auf  ein®® 
entwickelten  Portion,  deren  Ranälchen  circa  45  Zoll  zusamin®" 
an  Länge  betrugen,  gegen  15  Anastomosen  auffand;  diese  Anast®' 
mosen  finden  jedoch  nur  gegen  das  Ende  der  Samenkanälch®® 
statt.  Die  Beobachtung  dieser  Anastomosen  ist  ganz  neu.  Da  di®*® 
Ranälchen  übrigens  überall  einen  gleichen  Durchmesser  behalt®®’ 
da  sie  theils  durch  ihre  blinden  Enden,  theils  durch  ihre  Anast®' 
mosen  geschlossen  sind,  so  darf  man  sich  die  Absonderung  d®* 
Samens  nicht  an  den  Enden  desselben,  sondern  in  ihrer  ganz®® 
Ausdehnung  denken.  An  eine  Communication  der  feinen  Arteri®® 
mit  Enden  der  Samenkanälchen  ist  ohneijin  nicht  zu  denk®®' 
Die  Samenkanälchen  sind  15  mal  dicker  als  die  feinsten  Arteri®®’ 
und  die  feinsten  Blutgefässe  verzweigen  sich  nur  auf  den  "VVä®'. 
den  der  Samenkanälchen.  Wenn  die  Vasa  seminifera  bis 
eine  oder  ZAvei  Linien  Entfernung  zum  Rete  testis  gelangt  sio®’ 
so  hören  ihre  Windungen  auf;  mehrere  vereinigen  sich  in  ß'f 
Ranälchen,  und  so  gehen  die  Ductuli  recti  in  das  Rete  te*®'* 
über.  Dieser  geraden  Ranälchen  sind  nach  Lauth  jedenfalls  ro®® 
als  20,  wie  Haller  annahm;  ihr  Durchmesser  ist  stärker,  M’ie  tl®* 
der  Saincngefässe,  im  Durchschnitt  Zoll.  Das  Rete  l®**^'* 
nimmt  einen  grossen  Theil  des  obern  Randes  des  Hodens  e'®’ 
es  fängt  dort  ein  wenig  nach  aussen  von  der  Extremitas  inter®* 
an  und  dehnt  sich  bis  zum  äussern  Drittheile  des  ohern  Rand® 
aus;  es  liegt  in  der  Dicke  der  Albuginea,  6 bis  11  Linien  la®8’ 
und  bildet  nach  innen  einen  weissen  Vorsprung  der  Albugin®®j 
Die  Hohe  dieses  Vorsprungs  oder  des  Corpus  Highmori  betrag 
2 bis  4 Linien,  seine  Basis  .3  bis  5 Linien.  Das  Rete  testis 


b®' 


steht  aus  7 bis  13  Gefässen,  welche  wellenförmig  verlaufen, 
unter  sich  vereinigen  und  wieder  theilen  und  alle  unter  sich  z® 


437 


2.  Vom  innern  Bau  der  Drüsen.  Hoden. 

saiJitnenlianqen.  Diese  Gefässe  haben  •j-lö’  TOT  Durch- 
^^®sser.  Die  Vasa  eft’erentia,  welche  aus  dem  Rete  testis  in  den 
^opf  des  Nebenhoden  treten,  sind  anfangs  grade,  fangen  aber 
^ald  an  sich  zu  winden,  so  dass  jedes  der  Kanälchen  die  Fi- 
eines  Conus  annlmmt,  dessen  Spitze  mit  dem  Rete  testis 
dessen  Basis  mit  dem  Kopf  der  Epididymis  Zusammenhängen. 
Lautii  wird  dieser  Kanal  gegen  die  Epididymis  zu  enger; 
anfangs  haben  sie  zuletzt  Zoll  Dicke ; die  Zahl  der  Vasa 

'Öerentia  ist  9 bis  30,  sie  haben  7 Zoll  4 Linien  Länge.  Der 
^aiial  des  Nebenhoden  nimmt  diese  Gänge  nach  einander  auf, 
?ach  Latjth’s  Berechnung  in  einer  Entfernung  von  3 Zoll  zwischen 
ja  Zweien.  Die  mittlere  Länge  des  Kanals  des  Nebenhoden  be- 
sagt nach  Laijth’s  Berechnung  19  Fuss  4 Zoll  8 Linien.  Das  Vascu- 
**>ii  aherrans  findet  sich  gcivöhnlich  an  dem  Winkel,  welchen  der 
f*»ctus  deferens  bildet,  indem  er  sich  gegen  den  Nebenhoden  anlehnt. 
"^®istens  verbindet  es  sich  mit  dem  Ende  des  Kanals  des  Nebenhoden, 
*altener  mit  dem  Anfänge  des  Ductus  deferens.  Selten  finden  sich 
?®Werc  Vasa  aherrantia.  Dieser  Appendix  hat  eine  gelbliche  Farbe. 

Läncre  des  entwickelten  Kanals  beträgt  1^  bis  13  Zoll.  Die  Ver- 
Sdungsstelle  des  Kanals  mit  dem  Nebenhoden  ist  immer  dünner  als 
üliri-re  Theil  und  viel  dünner  als  der  Kanal  des  Nebenhoden.  Ge- 
sein  blindes  Ende  zu  wird  er  allmählig  dicker,  zuweilen,  nachdem 
sich  erxveitert  hat,  zuletzt  ausserordentlich  fein;  olfenhar  ist 
?'®ses  Gefäss  zur  Absondei'ung  eines  Saftes  in  den  Nebenhoden 
, ^stimmt.  Oh  dieser  Kanal  mit  dem  WolfPschen  Körper  des  Fö- 
in  einer  Beziehung  steht,  ist  unl)ekannt.  Sehr  selten  ist  die- 

Kanal  verzweigt.  , , ^ • w 1 

Nachdem  nun  der  Bau  der  ahsondernden  Organe  im  Einzel- 
dargestellt  worden,  lassen  sich  allgemeine  Resultate  über  den 
*ü  der  Drüsen  zusammenfassen. 

h l.  Die  vorhergehenden  Untersuchungen  über  den  innern 
sämmtlicher  Drüsen,  welche  in  der  Thierwelt  und  hei  dem 
‘y^äschen  auftreten,  zeigen,  dass,  so  mannichfaltig  die  Bildung  ih- 
b';!'  Elementarlheile  ist,  alle  doch  sammt  und  sonders  dasselbe 
^'^diingsgesetz  verfolgen  und  von  dom  elnfaclisten  unverzweigten 
1^*^1110011X8  ])is  zu  den  zusammengesetztesten  Drüsen  eine  ununter- 
*’*'chene  Bildung  sreihe  darstellen. 

..  U.  Es  lässt  sich  zwischen  den  Absonderungsorganen  der 
^“'l^ellosen  Thiere  und  der  Wirbelthiere  keine  Grenze  ziehen, 
g *1  die  einfachsten  Schläuche  und  röhrenförmigen  Secretlonsor- 
der  Insecten  wiederholen  sich  nicht  allein  hei  den  höheren 
5 ”‘eren,  sondern  gehen  durch  die  Thicrwclt  offenbar  in  die  Drü- 
der  höheren  Thiere  über.  Die  Milchdrüsen  des  Schnahelthicrs, 
einfachsten  Speicheldrüsen  der  Vögel,  die  prostatischen  Drü- 
Trieler  Säugethierc,  das  Pancreas  der  meisten  Fische,  sind  so 
^Tfach  wie  die  Absonderungsorgane  der  Crustacecn. 

Hl.  Alle  Drüsen  bieten  im  Inneren  nur  eine  grosse  Fläche 
Absonderung  dar  und  es  glebt  gar  viele  Arten  innere  Bil- 
§>  durch  Avelche  die  ahsondernde  Fläche  im  kleinsten  Raume 
5 j^ehrt  wird.  Die  Natur  zeigt  hierin,  wie  überall,  einen  un- 
*'bchen  Reichthum  der  mannigfaltigsten  Bildungen,  ohne  die 


438  II.  Buch.  Organ,  ehern.  Processe.  III.  Ahschnitt.  Absonderung. 

einfaclien  Gesetze  der  Entwickelung  'zu  verlassen.  Wunderb*'^ 
sind  die  Formen,  durch  welche  sie  hei  den  Insecten  die  samC"' 

ahsoudernden  Röhren  in  fast  vegetabilischem  Character  ver'andcr  ’ 

aber  noch  viel  wunderbarer  ist  ihre  Mannigfaltigkeit  in  der  Au*' 
bildung  der  zusammengesetztesten  Drüsen  bei  den  höheren  Tlu®' 
ren;  allein  alle  Drüsen  haben  das  gemein,  dass  sie  uu 
auf  Entwickelung  des  Ausführungsganges  zu  inneren  llöblC 
oder  Kanälen  mit  geschlossenen  Enden  beruhen.  Die 
piGHt’scbe  Ansicht  von  dem  Bau  der  Drüsen  ist  daher  all®*^' 
dings  die  richtigere,  und  diese  Wahrheit  ist  durch  die  neuer®'* 
Untersuchungen  über  allen  Zweifel  erwiesen;  aber 
kannte  die  Elementartheile  der  Drüsen  nicht;  nicht,  was  er  t*** 
Folliculi  in  den  zusammengesetzten  Drüsen  hielt,  sind  diese 
mentartheile,  sondern  diese  problematischen  Folliculi  bestehen 
einer  grossen  Anzahl  viel  kleinerer  Theile,  welche  den  VerziT®'' 
gungen  der  Ausführungsgänge  aufsitzen;  auch  sind  Folliculi  nie'*, 
immer  die  letzten  hohlen  Enden  der  Drüsen,  sondern  diese 
bald  langgezogene  Blinddärmchen,  bald  ästige  und  fiederföriä'» 
vereinigte  Kanäle  mit  geschlossenen  Enden,  bald  hohle  Träo''^ 
chen,  bald  grosse  gewundene  Röhren,  welche  ihren  Durchmess'^' 
durchgängig  bcibehalten,  und  in  mannichfachen  Verbindung®® 
zusammen  treten;  aber  das  ist  richtig,  was  die  Hauptsache 
Malpighi’schen  Ansicht  war , dass  alle  letzten  Verzweigungf* 
der  Ausführungsgänge  geschlossen  sind.  Dies  hatten  her®'*’ 
Mascagni  und  Cruikshank  durch  Quecksilberinjection  von 
Milchdi’üsen  des  Menschen,  E.  H.  Weber  von  den  Speicheldrüs®'* 
des  Menschen  und  der  Vögel  und  dem  Pancreas  der  letzter®'* 
ebenfalls  durch  Quecksilberinjectionen,  Ratere  von  den  Harnk®' 
nälen  der  niederen , Huschre  von  den  Harnkanälen  der  hob®' 
ren  Wirbelthiere  gezeigt.  Wir  haben  diesen  Beweis  du®®' 
alle  Formen  der  Drüsen  durchgeführt,  von  den  einfachen  Hai'f' 
bälgen  an,  von  den  Intestinaldrüsen,  von  den  aussonderndeh  D®®' 
sen  von  den  prostatischen  und  Cowper’scheii  Drüsen , wel®^'® 
entweder  aus  Blinddärmchen  oder  aus  blinden  Röhrchen  od®'" 
aus  Bläschen  bestehen.  Wir  haben  die  Läppchen  der  Milchdrü*®" 
des  Kaninchens  von  den  Milchgän^en  aus  bis  in  die  bläschenfd'j 
migen  Enden  der  Ductus  lactifcri  vollständig  aufgeblasen  >"* 
dieselben  beim  Igel  und  Hunde  mit  Quecksilber  gefüllt,  was 
cAGNi  und  CnuiSHANK  schon  beim  Menschen  gethan  hatten.  AA' 
haben  die  Tbränendrüse  der  Gans  und  des  Pferdes  vollkom®"®® 
bis  in  die  bläschenförmigen  Enden  der  Kanäle  mit  Quecksüb® 
gefüllt,  wir  Indien  die  büscheU'örmigen  Rölirchen  in  der  Tb®’*^ 
nendrüse  der  Riesenscbildkröte  erwiesen. 

Wir  zeigten  die  zellige  Substanz  in  den  Speicheldrüsen 
Murex  Tritonis,  die  blinden  Enden  der  Kanäle  in  den 
sen  der  Schlangen,  den  zelligen  Ban  in  den  Speicheldrüsen  ®*‘' 
Schlangen.  ^ Die  Speicheldrüsen  der  Vögel  haben  E.  H. 
und  ich  mit  Quecksiüjcr  gefüllt.  Wir  haben  die  fortschreitei*®  ^ 
Entwickelung  der  Speichelkanäle  in  den  Speicheldi’üsen  des  Sä*' 
gelhierembi'yo  dm’ch  eine  Reihe  von  Beobachtungen 
und  überall  die  blinden  und  zuletzt  bläschenförmigen  E** 


2.  Vom  innern  Bau  der  Drüsen. 


439 


flen  der  Kanäle  beoLaclitet.  AVeber  hat  die  Zellchen  der  Paro- 
tis des  Menschen,  und  ich  die  des  Hundes  mit  Quecksilber  gelullt, 
^'ir  haben  den  Uebergang  der  pancreatischen  IMinddärme  der 
fische  in  ein  zelliges  Päncreas  durch  eine  ganze  Reihe  von  Mit- 
telstufen dargestelll.  Beim  Embryo  der  Ampliibicn,  Vögel  und 
^»ugethicre  lassen  sich  die  freien  blinden  Enden  der  Ductuli 
Paucreatici  beobachten,  und  bei  der  Gans  gelingt  die  Quccksilljer- 
i^jection  der  zelligcn  Enden  und  somit  des  ganzen  Pancreas. 

Die  Lclier  der  Krebse  besteht  meist  aus  Blinddärinchen  oder 
Hellen.  Wir  haben  gezeigt,  dass  man  die  traubenformige  oder  spon- 
giöse Leber  der  Mollusken,  bis  in  die  letzten  Bläschen  und  Zellen, 
^'ie  eine  Lunge  aufblasen  kann.  Wir  bestäligten,  was  schon 
^Iarvey  und  'Maepigui  angedcutet  hatten , dass  die  Enden  der 
t^Hlleukanäle  bei  den  EmbWonen  freie,  stumpf  und  blind  geen- 
‘ligte,  mikroskopische  Reiserchen  bilden. 

Die  Beobachtungen  von  Huschke  und  mir  erAveisen  die 
öäabhäimige  Existenz  der  Harnkanäle  bei  allen  Wirbelthieren. 
^iese  Kaifäle  verzweigen  sich  nicht  Ijaumförmig,  sondern  be- 
^laltcn  ihren  Durchmesser  in  ihrem  Verlauf  bis  in  ihre  blin- 
•Jen,  nicht  angesclnvollenen,  auch  nicht  verdünnten  Enden,  mö- 
gen sie  nun  gerade  verlaufen  oder  sich  durcheinander  schlängeln 
önd  der  Hodensubstanz  ähnlich  seyn.  Dless  beweisen  unsere  Be- 
“liachlungen  an  Fischen,  Salamändern,  Fröschen,  Schlangen, 
Vögeln  Säugethieren , diess  bexveist  der  Augenschein  mit- 
telst einer  einfachen  Loupe,  an  den  Nieren  der  Rochen  und 
''''^klaneen  xvo  diese  Kanäle  ungemein  stark  sind  und  Lei  gleicher 
Grösse  die  grösste  Aehnlichkeit  mit  den  Samenkanälen  darbie- 
tßä.  Dicss  beweisen  unsere  Injectionen  der  Harnkanäle  bei  Vö- 
geln und  Säugethieren.  , tt  i n v 

X)ie  ühert'instiiJ'nnende  Bildung  des  Hoden  eins  selbstständigen 
Kanälen  war  längst  bekannt,  und  die  Lungen  können  endlich, 
*^lt  ihren  blind  geschlossenen  Zellen,  für  eine  ganze  Reihe  von 
'^^hsigen  Organen  den  Prototypus  abgeben. 

iV.  Acini,  als  Driisenköriwr,  in  dem  hypothethischen  Sinne 
,^er  Schriftsteller  giebt  es  eigentlich  nicht;  es  gieht  keine  Ver- 
^nauelungen  der  Blutgefässe,  aus  welchen  auf  eine  geheimnissvolle 
^'■t  absondernde  Kanäle  entspringen  sollen,  welche  Vorstellung 
auch  dabei  habe;  es  giebt  keinen  ummttelbnren  Uebergang 
'tep  feinsten  Blutgefässe  in  die  Anfänge  der  absondernden  Ka- 
Dij,  System  der  absondernden  Kanäle  ist  ganz  eigen- 
^hrnheh  und  'in  sich  geschlossen,  xvie  es  von  allen  Formen  der 
*'üsen  erwiesen  worden  ist. 

. V.  Was  man  als  Drüsenkörner  beschreibt , diese  Acint 
nur  die  Haufen  der  Enden  der  absondernden  Kanäle, 
®Hbst  oft  Aggregate  und  Träubchen  kleiner  mikroskopischer  Bläs- 
I die  sich  init  Quecksilber  füllen  und  häulig  sogar  aufblasen 
*assc„.  Wirkliche  solide  Kölner  giebt  es  nur  in  den  Hoden  ci- 
, *8er  wenigen  Fische,  deren  Hoden  keinen  Ausführungsgang  la- 
, und  xvo  die  Samenkörner  in  die  Bauchhöhle  platzen  und  von 
aus  durch  eine  Oeft’iiung  ausgeführt  xverden. 

Vl.  In  vielen  Drüsen,  denen  man  fälschlich  Drüsenkörner  zu- 

^üller’s  Physiologie. 


440  II.  Buch.  Organ,  ehern.  Processe.  III.  Abschnitt.  Absonderung. 

i^esclirieljcn  liat,  gieLt  es  niclit  einmal  liolile  oder  Lläschenartigc 
Acini,  sondern  vielmelir  Lloss  lange  gewundene  KanVde  von  liberal 
gleicliem  Durelimesser,  wie  in  den  Nieren,  eben  so  wie  in  den  Hoden 
und  vielen  anderen  Drüsen;  oder  gerade  Robrelien,  wie  in  derTbra- 
nendrüse  der  Riesenscbildkröte,  in  den  CowPEn’scben  Drüsen 
Igels,  in  dem  Hoden  der  Sepie,  der  Fische  und  der  Frösche, 
den  vSteissdrüsen  der  Vögel,  in  den  Drüsen  der  Eierleiler  be> 
den  Rochen  und  Haien;  oder  Elinddarnichen,  wie  in  der  Lebe*' 
der  Krebse,  in  den  Drüsen,  welche  die  Cloake  bei  den  miinnb' 
eben  Urodelen  besetzen,  in  den  prostalischen  Drüsen  vieler  SaU- 
gelhiere.  Hohle  Endbläschen  {substantia  acinosa)  giebt  cs  aller- 
dings in  gewissen  Drüsen  von  trauhenlörmiger  Bihlung  der  Elc- 
mentarlheile,  rvie  in  den  Speicheldrüsen,  im  Pancreas,  in  dci' 
Milchdrüsen  der  meisten  Säugethierc,  in  der  Thräinnidrüse  der  Aö' 
in  der  IlARDEK’sclien  Drüse,  in  der  Leher  deJ 
de  Ausdrücke:  substantia  acinosa,  acini  u.  dg^’ 
passen  daher  allerdings  für  eine  gewisse  Classe  von  Di-üsen, 
sofern  acinus  lu’sprüngiich  Triiubchen  bedeutet.  Allein  diese 
deutung  ist  dui’ch  die  inannichlältigen  Hypothesen  nach  und  nach 
in  die  falsche  Bedeutung  Drüsenkorn,  körniges  Wesen'  lühergegaii- 
gen;  und  da  die  Bezeichnung  Acini  nur  für  einige  Drüsen,  aud* 
im  i-Icbligeii  Sinne  des  Wortes,  passt,  so  ist  cs  rälhlich,  hei  deiä 
Gebrauch  dieses  Wortes,  dem  sich  so  viele  falsche  Erklärung«'’ 
und  Hypothesen  angchängt  liahen,  sehr  vorsichtig  zu  seyn. 

Vil.  Es  ist  von  allen  Drüsen  erwiesen,  dass  die  Biutgefäss« 
nicht  in  diese  Elementartheile  übergehen,  dass  die  feinsten  Bbd- 
gefässchen  sich  zu  den  Wänden  jener  hohlen  Kanäle  und  ihre" 
Enden  verhalten,  wie  zu  jeder  andern  feinen  absoiidcrnden  Hauh 
z.  B.  der  Schleimhaut  der  Lungcnzellen.  Sie  ölfnen  sich  nicld 
mit  freien,  offenen  Endigungen  in  den  Anfängen  der  alisonder"' 
den  Kanäle  und  Höhlungen  der  Drüsen,  sondern  die  Arterie" 
gehen  auf  den  Elementartheilcn  der  Drüsen  durch  unendliche 
netzförmige  feine  Anastomosen  in  Venen  über,  wüe  wir  an  de'" 
Bau  der  mehrsten  Drüsen  gezeigt  haben. 

VIII.  So  wie  die  absondernden  Kanäle  der  Drüsen  mit  ih- 
ren blinden  Wurzeln  eigcnthümlich  und  selbstständig  sind, 
bildet  auch  das  Blutgefässsystem  in  jeder  Drüse  ein  vollkomin"" 
in  sich  geschlossenes  Ganze,  durch  den  vollkommen  geschlossen«" 
netzförmigen  Zusammenhang  der  haumformigen  Verzweigung«" 
der  Arterien  und  Venen. 

IX.  Man  hat  von  einigen  Drüsen  früher  einen  Zusamine"' 
hang  der  lymphatischen  Gefässe  mit  den  Ausführungsgängen  be- 
hauptet. CuuiKSuANK.  undA.  füllten  aus  den  Milchgängen  der  Mil«^*' 
drüsen  lymphatische  Gefässe  ; diess  geschieht  in  der  Regel  nichH 
die  Milchdrüsen  füllen  sich,  wie  Mascaoju  zuerst  zeigte, 
Quecksilber  tiis  in  ihre  Endbläschen  ohne  allen  Uehergaiig 
die  Lympbgefässe.  Walter  behauptete  aus  gewaltsamen  Injccti"- 
nen  einen  Zusammenhang  zrvischen  Lymphgefässen  und  Gail«"' 
kanälen.  Allein  diese  Gründe  sind  so  wenig  haltbar,  als  so  man- 
cher andere  von  gelegentlichen  Uebergängen  einer  Injectionsm"' 
terie  aus  einer  Ordnung  von  Gefässen  in  eine  andere,  nach  g«' 


gel  und  Säugethierc, 
Mollusken  u.  s.  w.  I 


2.  Vom  innem  Bau  der  Drüsen. 


441 


'''^Itsamen  Injectlonen.  Ueberhaupt  könnte  ein  Zusammenhang 
'ler  Lympbgefässc  nur  mit  den  stärkeren  ausfübrenden  Ka- 
■^alcn  möglicher  Weise  statt  finden ; denn  die  Lympbgefässe 
®‘öd  ja  ausserordendlich  stärker  als  die  feinsten  Elementavtheile 
der  Drüsen. 

X.  Das  System  der  absondernden  Kanäle , mit  blinden 
liohlen  Wurzeln  selbstständig  und  geschlossen,  ist  als  eine  Ef- 
florescenz  des  Ausführungsganges  zu  betrachten  und  bildet  sieb 
^äch  beim  Embryo  augenscheinlich  aus  einem  zuerst  astlosen 
Gang. 

XI.  Die  baumförmigen  Verzweigungen  der  Blutgefässe  be- 
gleiten die  aufkeimenden  absondernden  Gänge  und  legen  sich  mit 
ihrer  peripherischen  netzförmigen  Auflösung  über  alle  diese  blin- 
den Elementartheile  hin,  welche  sic  mit  Blut  tränken.  So  wie 
*ieh  die  innere  Flächenbildung  aus  der  einfachen  ebenen  Wand 
*Um  Blinddarm  und  verzweigten  Blinddärmchen  fortsetzt,  so  er- 
i'ebt  sich  Innter  und  über  dieser  Efllorescenz  die  Get  ässschicht 
der  einfachen  Wand,  ein  Process,  der  beim  Hühnchen  beohach- 
let  werden  kann.  So  entwickeln  sich  Jjeide  Systeme  an  einan- 
der aufsteigend,  je  mehr  sich  die  einfaclie  Wand  in  eine  innere 
h'lächenblldung  complicirtei*  ausbildct. 

XII.  Dadurch,  dass  die  verzweigten  Kanäle  und  Böhren, 
Welche  bei  einfacherer  Bildung  unter  den  Insecten  und  Crusta- 
‘^een  und  seihst  bei  höheren  Thieren  frei  liegen,  immer  mehr 
durch  neue  Efllorescenz  aneinanderrücken  und  sich  decken,  ent- 
zieht Parenchym.  Dieser  Entwickelungsgang  ist  bei  den  Embryo- 
’'en  augenscheinlich  gemacht  worden. 

XIII  Die  feinsten  netzförmigen  Blutgefässchen  sind  meist 
l'icl  dünner  als  die  dünnsten  Aeste  der  Ausführungsgäuge 
»der  Drüsenkanäle  und  ihre  blinden  Enden,  selbst  in  den  zusam- 
mengesetztesten drüsigen  Eingewciden.  Die  Elementartheile  dei 
Grüsen  sind  immer  noch  so  gross,  dass  sie  erst  von  den  feinsten 
hliitgefässnetzen  umspannt  und  umweht  werden  können.  Die 
^indcnkanäle  der  Nieren  sind  viel  stärker  als  die  feinsten  Blut— 
SP-fässe,  wie  durch  alle  Classen  der  Thiere  erwiesen  worden  ist. 
"ei  den  Speicheldrüsen  der  Menschen  und  der  Säugetbiere  sind 
die  feinsten  Blutgefässe  immer  noch  melu-mal  dünner  als  die  trau- 
*>cnförmi<r  verbundenen,  mit  Quecksilber  zu  füllenden  Endbläs- 
der  Spcichelkanäle.  Eben  so  beim  Paiicreas,  wie  ebenfalls 
durch  Injectionen  erwiesen  ist.  Auf  den  Zellen  dei  Harder  sehen 
^«■üse,  der  Tbränendrüse  und  Speicheldrüsen  der  Vögel,  die 
?de  mit  Quecksilber  auf  das  Artigste  injicirt  werden  können,  ver- 
^«■eiten  sich  erst  die  feinsten  Blutgefässchen,  wie  auf  anderen 
harten  Häutchen,  wie  auf  den  Lungenzellen.  Auf  den  Samenka- 
“alen  des  Hodens  verbreiten  sich  erst  die  Netze  der  feineren 
mitgefässchen.  Die  Harnkanäle  in  den  Nieren  der  Roehen  sind 
nicht  dünner  als  die  Samenkanäle  im  Hoden  des  Mensclien. 
J^»»dlich  zeigt  die  Entwickelungsgeschichte  aller  zusammengesetz- 

Drüsen  diesen  Unterschied  an  den  noch  frei  liegenden  Uru- 
*®äkanälen  zur  Evidenz.  . , , 

XlV.  Die  Ausbildung  der  Drüsen  in  der  Entwickelungsge- 

29* 


442  II.  Buch.  Organ,  ehern.  Processe.  III.  Abschnitt.  Absonderung. 


scliiclite  des  Embryo  Ist  eine  WIederbolung  ihrer  Ausbildung 
in  der  Tbierwelt.  Die  vollkommensten  und  zusammengesetzte- 
sten Drüsen  der  böberen  Tbiere  besteben  bei  den  Embryonen 
dieser  Tbiere  zuerst  nur  aus  den  freien  Ausfübrungsgangen,  gew* 
obne  alle  Zweige;  ans  diesen  Kanälen,  welcbe  dann  ganz  nnt 
den  Absonderungsorganen  der  niederen  Tbiere  Übereinkommen, 
effloreseirt  die  Verzweigung  immer  weiter. 

XV.  Es  giebt  sebr  viele  Modificafionen  im  Innern  Bau  ei- 
ner Drüse,  wodureb  sie  die  absondernde  Fläcbe  vermebrt;  aber 
keine  ist  einer  Drüse  ganz  eigentbümlicb  dureb  alle  Tbiere- 
Ganz  verschiedene  Drüsen  können  einen  gleichen  innern  Bau  ha- 
ben, w'ie  die  Hoden  und  die  Bindensubstanz  der-iVieren;  gleiche 
Drüsen  haben  oft  einen  ganz  und  gar  verschiedenen  Bau  bei  vei’' 
sebiedenen  Thieren,  wie  die  Tbränendi-üse  der  Schildkröte,  Vö- 
gel und  Säugetbiere.  Die  Speicheldrüsen  sind  bei  den  Vögeln 
nur  verzweigte  Gänge  mit  zelligen  Vorsprüngen ; bei  den  Säuge- 
tbieren  sind  cs  Träidicben  von  Zellen  zu  denen  eine  complicirlc 
VerzAveigung  der  Kanäle  führt.  \Me  verschieden  ist  die  innere 
Bildung  der  Leber  in  der  Tbierwelt,  bald  einfach  blinddarnrför- 
mig,  bald  büschelförmig,  bald  traubenförmig,  bald  schwammig, 
bald  aus  verzweigten  Kanälen,  mit  gefiederten  Elemenlarreiser- 
eben  endigend ! Wie  unendlich  mannichfaltig  die  Bildungen  der 
Samcukanälcben  im  Hoden!  Kur  die  Nieren  bebauplen  in  ihrer 
Bildung  durch  alle  Classen  das  Constante,  dass  sie  aus  unverä- 
stelten,  nicht  baumformig  vcrllieilten  Kanälen,  sondern  durch- 
gängig aus  langen  neben-  oder  durcheinander  liegenden  Böhr- 
cben  bestehen,  obgleich  in  der  Ordnung  dieser  Böbrehen  diC 
grösste  Verschiedenheit  herrscht. 

XVI.  Die  Drüsenhildnng  vervollkommnet  sich  nicht  in  der 
Tbierwelt  absolut,  sondern  in  jeder  Classe  der  Tbiere  treffen  avÜ 
rudimentäre  Drüsen  mit  höchst  einfacher  Bildung,  Avenn  diese 
Drüsen  der  Classe  zuerst  zukommen ; so  einfach  sind  die 
Speicheldrüsen  bei  den  Vögeln  und  Schlangen,  und  so  erschei' 
nen  die  Milchdrüsen  des  Schnabelthiers,  die  prostatischen  Drü- 
sen der  Nager,  das  Pancreas  der  Fische,  die  Leber  der  niederen 
Tbiere,  seUjst  hlinddarmförmig. 

XVII.  Die  Substanz  der  Elementartheile  der  Drüsen  i**^ 
durchgängig  weiss  oder  Aveissgraulich  oder  Aveissgelblich,  bei  äl' 
len  Drüsen,  so  verschieden  die  Secrete  der  Drüsen  sind.  Ein® 
Uebereinkunft  der  Drüsensubstanz  mit  ihrem  Secretum  besteht 
nicht. 


Mikroskopische  Messungen. 

Par.  Zoll. 

Feinste  Blutgefasschen  oder  Capillargefasse  (nach  E.  H.  ,~ 

. , BKn)  =Winr  — Wö-ffZ.  = 0,00025  — O.OOOa 

Dieselben  m den  Nieren  nach  meinen  Messungen  0,00037  — 0,000^ 

Dieselben  in  der  Iris  des  Menschen 0,00037  — 0,0004/ 

Dieselben  in  deuprocessus  ciliares  0,00053 

Kleinste  Lungenzellcheu  beim  Menschen  (nach  E.  H.  We- 

BER)  = 0,053  — 0,160  Lin.  = 0,00441  — 0,013«?^ 


2.  Vom  innern  Bau  der  Drüsen. 


443 


Par* 

^ylmdcrrormJge  Blinddärmchen  an  den  Lungen  des  Vo- 

^ gelembryo  0,004/4 

'■•leincntarhläsclien  der  Milchdrüsen  des  s«Hiigendeu  Igels  .... . 0,00/l.d  — 

dieselben  vom  Hunde  nut  Quecksilber  gefüllt 0,00260 

Hellen  in  den  Speicheldrüsen  der  Gans,  nach  raeincn  In- 

. jectionen  V ' i"i" 

.'»-'lleii  (Ici- Parotis  des  Neugehornen  Tnacli  E.  H.'VVebeR.S  la- 

jectionen) ; o’nn?«- 

, tesciben  vom  Hunde,  nach  meinen  Injectioncn  U,OUlot 

'Hellen  der  Thränendrüse  von  der  Gans,  nach  meinen  ln- 

, jectiohen  

gellen  des  Pancrcas  der  Gans,  mit  Quecksilber  gefnllt - 

^lernentarlheilc  der  Thränendrüse  der  lliescrischlldkröte  ...  0,UUiy4 
^'illcn  der  Harder'schen  Drüse  vom  Hasen,  nach  *^®*”*'*^ 

Injectioncn 

^'ementarlbläschcn  der  Leber  von  Helix  pomatica  0,UÜ30a 

^lementarrclscrchcn  der  Leber  eines  Ilchcretnbryo  von  1 Z. 

Länge  0,001/2 

^Udrelserchcn  der  G.allcnhanälehcn , auf  der  Oberfl.äche  der 

Leber  des  Kaninchens,  injicirt  0,00108- 

“•indd.arinc  hen  der  Wollf 'sehen  Körper  eines  Vogelcrabryo  0,0üd/7 

dieselben  von  einem  andern  Embryo 0,00.JUÜ 

*Wnkan.ilc  von  Pctroinyzon  m.ariniis  

•Ginkanälc  der  Nieren  vom  Zitterrochen  

{•'■»rnkauiile  der  Schlangen,  mit  Quecksilber  gelullt  0,II01.J2 

*;''<len  derselben  :,•••• 

■'iariikanälc  von  der  Eule,  vom  Ureter  aus  injicirt,  an  ihren 

0,001/4 

{J)riikanälc  des  Eichhörnchens  (Rindenkan.äle)  ............  0,00149 

»‘‘»ndenkan.äle  der  Pferdcnlcren  (vom  Ureter  .aus  injicirt) 

der  Oberllachc  der  Nieren  ; * 

"'illini’sche  Ilöhrcu  der  Marksubstana  von  Pfcrdenieren,  vom 

„ Ureter  aus  injicirt,  an  den  Papillen  am  stärksten 0.01.iU& 

?;«elben  von  mittlerer  Stärke  (injicirt)  ......  

fieselben  auf  Durchschnitten  der  llinde  am  feinsten  (injic.)  0,ÜUl4U- 
^^jeselben  in  der  Rinde  der  Nieren  des  Menschen,  nach 

V\^PRT?U  

?*esclhen  in  den  Pyramiden  n 00-00 

,A=‘h>ighi’schc  Körperchen  der  menschlichen  Nieren 0,00^10 

“‘«^selben  („ach  t 11.  Weber)  O-“' 

??strecktc  Arterien  der  Pyramiden  des  Hundes  ••••••• OiOJ”^ 

^?“^aelbcn  in  der  Nähe  der  Papillen,  wo  sie  Neue  bilden..  0,00042 

^'Oiinkanälc  eines  jungen  Hahnen  

l^nienkanäle  des  Eicliliörnehens  

® If  j .'"•••• OiOM™ 

‘»menkanalc  des  Menschen 

^•’iselbcn  mit  Quecksilber  gefüllt  aVmiqQH 

.^ÜlircQ  ln  den  Steissdrüsen  der  Gans  , 

^^^‘serlöimlge  Blltiddärmchen  oder  Röhren  von  den  Low- 

V V pcr’schen  Drüsen  des  Igels  * * ' ' * * I * */  * *u  ’ 

'‘«llrhen  an  den  Meiboniise.hen  Drüsen  des  Menschen  (nach 

L H yy  'BE  ^ U,UÜ23a 

^«'len  de'r  llardCT’sehen  Drüse  der  Gans,  mit  Quecksilber 
gefüllt  i — i — 'Lin.  . . , jT. 

*eUcu  in  den  Speicheldrüsen  von  Murex  ^ritonis  -g ^ in. 

*^'len  der  spongiösen  Leber  von  Mure*  tritoms  , — sLw, 


Zoll. 

.0,00928 

-0,00297 

-0,00117 

-0,00182 

-0,00188 

-0,00883 

-0,00175 


— 0,00633 


444  II.  Buck.  Organ,  ehern.  Processe.  III.  Abschnitt.  Absonderung. 


III.  Capitel.  lieber  den  Secretlons  - Process. 

1,  Von  den  Ursachen  der  Absonderung. 

Die  Absonderung  ist  nur  eine  besondere  Art  der  Vcrwan<l' 
hing  oder  Metamorphose,  ivelcbe  die  tbieriseben  Säfte,  das  BIM 
bei  dem  Durcbkrelseii  der  Organe  erleiden.  Das  Blut  kreist  in  alh'i* 
Organen  in  einem  überaus  feinen  Netzwerk  Ton  Blutgeläss-  . 
eben  aus  den  Arterien  nacb  den  Yenen.  Diese  Netze  sind  al- 
lenthalben geschlossen,  nirgends  giebt  es  Enden  der  Gelasse, 
sondern  allenthalben  nur  netzförmige  Uebergänge  der  Arterien 
in  Venen.  Die  feinsten  netzförm’gen  Blutströmeben  haben 
nur  eine  dichtere  Grenze  der  Substanz  zur  ^Vand,  licsondere 
Häute  giebt  es  hier  nicht  mehr;  wo  ein  Strömehen  entsteht  (unil 
neue  Strömehen  bilden  sich  immer  wieder,  wie  Beobachtung  beiin 
Embryo  und  bei  jungen Tbleren  lehrt),  da  entsteht  eine  Rinne  in 
dem  Ihldungssloffe,  die  mit  den  übrigen  netzförmigen  Strömehen 
in  Communication  tritt,  und  wenn  sie  im  Anfang  ohne  dichtere 
Begrenzung  ist,  doch  bald  eine  solche  erhalten  mag.  Wir  schlies- 
sen  dicss,  obgleich  wir  es  selten  sehen,  dass  die  Substanz  an  der 
Grenze  der  Strömehen  dichter  ist,  und  eine  Art  von  wandiger 
Grenze  bildet.  Siehe  oben  p.  205.  Indessen  können  solche  Wände 
jedenfalls  liier  nur  aus  einiger  Verdichtung  der  Substanz  bestehen 
und  der  Unterschied,  dem  Auge  ohnehin  meist  unerkennbar,  ist  ge- 
wiss so  gering,  dass  eine  freie  Wechselwirkung  der  Substanz  md 
den  Blutströmciien  statt  finden  kann.  Die  Substanz  tränkt  sich  md 
dem  Blute,  eignet  sich  dessen  Bestandtheile  an  und  verwendet  sie 
auf  die  jedem  Organe  cigenthümliche  Art. 

Alle  Absonderung  aber  geschieht  auf  Flächen,  seyen  cs  nn» 
einfache  Häute,  wie  die  serösen  Membranen  und  die  Schleim- 
häute, oder  scy  es  complicirte  innere  Flächenbildung  in  zellen- 
haften oder  kanalförmigen  Aushöhlungen  der  Drüsen. 

Innerhalb  der  absondernden  Häute  gehen  die  Arterien  wrt 
überall  durch  ein  Netzwerk  der  feinsten  Blutgefässchen  in  Venen 
über;  diess  geschieht  hier  in  der  Fläche  unzähliger  netzförmiger 
Verbindungen.  Die  häutigen  Wände  tränken  sich  während  de* 
Durchgangs  des  Blutes  durch  die  feinsten  Gefässnetze  mit  den 
aufgelösten  Thcilcn  des  Blutes,  verwandeln  es  und  lassen  das 
Verwandelte,  als  Sccret,  auf  der  häutigen  Fläche  ahfliessen. 

Die  complicirtcsle  Drüse  ist  auch  nur  eine  im  kleinsten 
Raum  construirte  grosse  Fläche,  sie  ist  mit  allen  ihren  inneren 
Gängen,  Kanälen,  jenen  Röhren,  oder  Zellen,  oder  Blinddärm- 
chen  immer  nur  eine  ungeheure  flächenhaftc  thierische  Grenz®; 
auf  welcher  die  Metamorphose  des  Blutes  statt  findet. 

Die  Elementarröhren  der  Nieren,  die  Elcmentartheile  der 
Leber,  wie  anderer  zusammengesetzten  Drüsen,  sind  in  ihrem  ganzen 
Verlauf  von  den  feinsten  Blutgefässnetzen  umsponnen,  haben  zwi- 
schen sich  nur  dünnes  Bindegswebe,  welches  die  Drüsencanäle 
verbindet  und  innerhalb  welchem  die  feinsten  Strömehen  de® 
Blutes  stattfinden.  Die  Elementarcanäle,  jene  Traulichen,  Röhr- 


3.  Ueber  den  Secretionsprocess.  Ursachen  der  Absonderung.  445 

chen  etc. , werden  also  überall  äusserlicli  von  feinen  Blutstromeben 
'»mspült,  sic  tränken  sieb  mit  diesem  Blute,  verwandeln  es  aut 
ß'i;cntliümlicbeArt,  und  lassen  aueb  das  Verwandelte  nach  Innen  ge- 
lten die  Ausfübrungsgängc  abllicsscn.  Diess  ist  der  emfaebe  1 rocess 
'lei' Absonderung,  der  sieb  von  derErnäbrung  nur  unterscbeidel, 
'Isss  das  Verwandelte  von  bäuligen  Grenzen  abfliesst. 

Man  bat  früber  die  Absonderung  in  den  Drusen  gegen  alle 
Analogie  auf  die  Enden  der  Driisenkanäle  oder  aut  ]ene  bypo- 
llietiscb  so  gebcimnissvollcn  Acini  verwiesen.  Diess  ist  sehr  un- 
feebt,  wie  bereits  E.  II.  Weber  bemerkt;  denn  die  Acrnt,  indem 
äalurgemässen  Sinne,  dass  es  boblc  Bläseben  sind,  cxistircn  in 
'li^n  wenigsten  zusammengesetzten  Drüsen ; die  Elementartbeile 
'ler  Leber  sind  Bciscrcbcn,  die  Elementar tbcile  der  Hoden  und 
gieren  blosse  Köbren  von  überall  glcicbcm  Durebmesser. 
^ielc  andere  Drüsen  haben  büscbelförmige  Blmddärmclien  am 
^nde  der  Kanäle  ohne  alle  Endanscbwellung.  Unsinnig  wäre  es, 
^‘er  zu  sagen,  der  Samen,  der  Harn  u.  s.  w.  wird  nur  in  ueii 
l'liiiden  Enden  der  Röbreii  abgesondert , die  Galle  nur  am 

Ende  der  boblcn  Beiscreben.  , . i <•  i 

Einige  zusammengesetzte  Drüsen  zeigen  überdiess  im  Verlaut  des 
'^Usfübrungsganges  überall  dieselben  Elcmentartlicile  als  Zellen 
die  Speicbcldrüsen  der  Vögel,  die  Tbränendruse  dersel- 
l’cii,  die  Meibomiseben  Drüsen  des  Menseben;  oder  Blinddarm- 
'=)ien,  wio  die  Leber  der  Krebse  und  die  Tbränendruse  der 
llcliildkrötcn. 

In  den  Drüsen,  welebe  aus  zusainmcngesetzten  Blinddar 
bestellen,  kann  man  e.uUicb  die  Grenze  der  Elementartbeile 
ä'ul  der  Auslübrungsgänge  gar  mclil  angeben.  t Al 

Es  ist  also  böebst  wabrscbeinlicli,  p gewiss,  dass  die  Abson- 
'Icriiug  auf  der  ganzen  CoiiLinuität  der  Drüseukanäle , also  aut 
®iuer  znsanuTieiibängendeu  l'läcbe,  gesebiebt.  i t c • 

DasBlut  wird  iii  den  Drüsen  u ic  in  allen  Organen  durcli  die  tein- 
steii  Verzweigungen  der  Arterien  in  ein- überaus  fmnes  Netzwerk  von 
^ti’ömcheii  vertbVilt,  aus  Avclcben  es  wieder  in  die  Antange  der  Ve- 
übergebt.  Die  Vasa  exbalaiilia  sind  von  den  alteren  Pliysiolo 
bloss  desswegen  erlünden  worden,  w'cil  man  t ic  I“.'’?'  , 
erläuterte  Besebaflenbeit  der  tbienscben  Gewebe  nicbt  kannte, 
“'d  allem  Aufgelösten  sieb  zu  tränken,  und  die  F ussigkeiten  eben 
t leicht  diirdi  ihre  porösen  Wände  an  andere  Tbcile  abzugeben. 

muss  sieb  also  eine  absondernde  Fläelie  nur  von  den  dicbtesten 

der  Capillargefässe  durebzogen  denken.  Man  weiss  sebon 
nabe  diese  Netze  der  Oberiläcbe  einer  von  Epidermis  unbe- 
deckten Haut  liegen;  man  weiss,  dass  ein  Hau  eben  von  dei 
^‘cke  der  ürinblase  eines  Frosches  scboii  nmerba  b einer  be- 
7"Hle  einen  aufgelösten  Stoff  dureb  sieb  biiulureb  lässt  und  cla 
r'd  zarte  Häutclum  der  Darrnzotten  vom  Kalb  und  Ochsen 
W0i74  p.  Z.  Dicke  noch  blutfübrende  Cainllargetässe 
l^ielie  pag.  233),  so  kann  man  sieb  nach  dieser  Dicke  ci” 
liHil  von  der  Tiefe  macben,  wclcbe  autgelöste  Stofte  i 

'Urebdringen  liaben,  um  aus  den  oberllacbUcbsten 
'apillargeiässnetze  bervorzudringen.  Aus  diesen  Netzen  er 


446  II.  Buch.  Organ,  ehern.  Processe.  III.  Abschnitt.  Absonderung. 

pillargefässe  dringen  nun  die  aufgelösten  Tlieile  des  Bluts 
Leichtigkeit  ln  die  Partikeln  des  spezifischen  Gewebes  der  absoH' 
dernden  Haut  ein;  hier  werden  sie  chemisch  verändert  und  drin' 
gen  gegen  die  Ohcrlläche  der  ahsonderndeu  Haut  hervor. 
Kraft,  durch  welche  das  chemisch  veränderte  Secretum  von  der 
secernirenden  Fläche  ahgestossen  wird,  ist  hiermit  noch  niehh 
sondern  hloss  die  Möglichkeit  des  Durchdring  ens  erklärt.  M*/* 
kann  diese  bei  manchen  Secretionen  so  profuse  Ergiessung  rrie 
so  vieles  andere,  nicht  im  Ernst  von  der  Kraft  des  Herzens  un» 
dem  Impuls  des  Blutes  abhängig  machen;  diese  mechanische 
Erklärung  u iirde  durchaus  nicht  ausreichen ; ausserdem  das* 
sie  ohnehin  bei  den  Absonderungen  der  Pflanzen  wegfällt,  war® 
auch  nicht  einzusehen,  wie  die  Absonderung  sich  unabhäng'8 
vom  Herzen  durch  specifische  örtliche  Beize  vermehrt.  Nuä 
fragt  sich  ferner,  warum  das  specifisch  veränderte  Fluidum  blos* 
nach  einer  Seite  bin  vordringt,  und  warum  der  Schleim  nicht 
eben  so  leicht  zwischen  den  Häuten  des  Darmkanals,  als  aid 
der  Innern  Haut  desselben  abgeschieden  wird?  warum  die  Galle 
aus  den  Gallenkanälchen  nicht  eben  so  leicht  durch  die  Ober- 
fläche der  Leber,  als  nach  Innen  Im  Verlauf  der  Gallenkanäl- 
chen Vordringen  kann?  warum  der  Samen  nur  auf  der  inncrä 
Fläche  der  Samenkanälchen  und  nicht  auf  der  äussern  Fläch® 
derselben  in  die  Zwischenräume  dieser  austritt?  Diese  Absclici- 
düng  des  Secretums  nach  einer  Seite  d(!r  secernirenden  Wände; 
nämlich  ins  Innere  der  secernirenden  Kanäle  und  nicht  nach 
aussen  ist  eines  der  grössten  physiologischen  Räthsel;  man  kan® 
sich  dasselbe  auf  zAvcifache  Art  hypothetisch  lösen : 

1.  Indem  man  annimmt,  dass  jene  die  secernirenden  Fla- 
chen durchziehenden  Capillargefässnctzc  durch  besonders  con- 
strnirte  organische  und  gleichsam  aushauchende  Poren  bloss  nach 
der  Innern  Fläche  der  secernirenden  Kanäle  offen  stehen.  Pa* 
Schwierige  dieser  Ansicht  liegt  darin,  dass  man  hierbei  etw®’ 
nicht  zu  Erweisendes  annchmen  muss,  und  dass  man  dann  w'®' 
der  andere  Poren  an  den  zartesten  Blutgefässen  annehme'* 
müsste,  durch  welche  die  zur  Ernährung  der  absonderiide*’ 
Kanäle  bestimmten  Flüssigkeiten  eindringen  müssten. 

2.  indem  man  wahrscheinlicher  annimmt,  dass  zwar  durd* 
blosse  Imbibition  oder  allgemeine  Porosität  (sogenannte  unorga- 
nische Poren)  die  flüssigen  Stoffe  aus  den  Capillargefässen  *" 
das  Gewebe  des  secernirenden  Organes  sich  verbreiten,  dass  abe* 
die  Oberfläche  der  secernirenden  Kanäle  die  Elemente,  die  sie  *** 
neuen  Stoffen  zu  verbinden  strebt,  chemisch  anzieht,  und  a" 
eine  freilich  unerklärliche  Weise  gegen  die  innere  Fläche  d®* 
secernirenden  Haut  oder  der  Drüsenkanälchen  verändert  abstösst- 
Vgl.  Mascagni  ISova  per  poros  inorganicos  secretiomim  theoria  vOSO' 
rtimquc  fy/nphailconim  historia  Herum  vulgata  et  parte  altera  auA^ 
in  qua  vasurum  minimoriim  vindicatio  et  secretionum  per  poros  *'*' 
organicos  rejufatio  continetur.  Auct.  P.  Lupi.  Romae  1793.  Dä®* 
es  hier  nicht  bloss  auf  Durchschwitzung,  sondern  auf  Actio'* 
der  absondernden  Wände  ankommt,  sieht  man  leicht  ein,  wei*** 
man  die  Menge  der  durch  eine  gereizte  Speicheldrüse  abgeson- 


3.  Ueher  den  Secretionsprocess,  Ursachen  der  Absonderung.  447 

"Werten  Flüssigkeiten,  die  Plötzliclikelt  und  Menge  der  Tlird- 
auf  augenblickliche  Wirkungen  bedenkt. 

. So  entblost  von  Tbatsacben  eine  solche  Annahme  von  An- 
!:'eliung  und  Abstossung  auch  ist,  so  ist  sie  doch  nicht  ohne  Ana- 
rSie  in  den  nhysicalischcn  Erscheinungen,  und  es  scheint,  dass 
der  Absonderung  eine  ganz  äbnlicbe  Ivi'aft  die  Ausscheidung 
wie  jene,  welche  hei  der  Resorption  die  Aufnahme  in  die 
i;ytttphgefassnelze  oder  Anfänge  der  Lymphgefassc  bewirkt, 
'^'änderbar,  dass  in  verschiedenen  Gewehctheilen  einer  und  der- 
*®lhen  Membran  oft  beiderlei  Kräfte  neben  einander  wirken  in- 
z.  B.  die  Schleiinbälge  der  Schleimhäute,  welche  absondern, 

den  anziehenden  und  aufsaiigendcii  Lymphgefässnetzen  dicht 

'^älier  umgeben  sind. 


V ergl. 


iigi 

oben  p. 


‘267. 


i:i  urngenen  siiiu.  l" . , ,,  , 

Die  Eigenthümlichkeit  und  Verschiedenheit  der  Absonderun- 
bängt  von  keinem  äusserliclicn  und  mechanischen  Grunde  ab. 
hat  sic  in  der  verschiedenen  Schnelligkeit  des  Blutlauts 


ln 


litlL  SU..  Ui  ^ ^ ~|*1  eil 

■verschiedenen  Organen  gcsuchl,  und  diese  verscliicdcne  bclmei- 
'gVeit  wäre  selbst  yVieder  'zu  beweisen.  Man  hat  sie  in  dem  yer- 
^'^’bedenen  Zustande  der  Blutgefässe,  und  ihren  Thoilungswinkeln 
S^sehen.  Aber  die  Blutgefässe  verhalten  sich  in  den  Nieren  fast 
in  den  Hoden,  in  den  Speicheldrüsen  nicht  viel  anders  als 
der  Leber,  wie  an  LiEDEEKUEus’schcn  Präparaten  zu  sehen ; sie 
‘‘'den  allenthalben  netzförmige  Anastomosen  zwischen  den  fmn- 

Arterien  und  Venen.  Man  hat  die  Ursachen  m der  Ver- 
^'^’dedenheit  der  Enden  der  Arterien  gesucht,  aber  diese  Enden 

®,*'stiren  nicht;  in  dem  verschiedenen  Durchmesser  der  aufnehmen- 

Kanäle,  und  dennoch  gcschchmi  die 
l^'^thümlichsten  Absonderungen  auf  ebenen  Hauten.  Alle  d ese 
r"’8e,  womit  HAller  sich  viel  zu  lange  aulgehaltcn  hat,  geben 
T'öe  Erklärung,  wenn  sic  auch  statt  fänden;  sie  sind  unzurei- 
^?«'Hle  und  unerwiesene  Beweismittel.  Und  wie  leicht  waren  alle 
mechanischen  Difficultäten  abzufertigen  durch  die  einzige 
f'i'ge:  ,^arum  wird  hier  Gehirn,  dort  Muskel,  dort  Knod.en 
l'^'^ildet;  entsteht  etwa  das  Gehirn  auch  durch  verschiedene  Wm- 

der  Gefässvertheilung?  _ ^ i • i i. 

, Die  Eigenthümlichkeit  der  Absonderungen  bängt  auch  nicht 
> dem  iu'nern  Bau  der  Drüsen  ab;  denn  jedes  Secret  wird  in 
J'»'  Thierwelt  bei  dem  verschiedensten  Bau  abgesondert  wie  ich 
>hl  ,,ur  Geniige  erwiesen  habe.  Man  denke  an  die  Sjyeichel- 
J‘  üsen  der  Viigel  und  der  Säugethlere,  an  d>e  Leber  der  krebse 
f^^'llusken,  WiiBeltbicrc,  an  die  ausserordendliche  \ erschiedenheit 
g'dern  Bau  der  Hoden,  in  dem  Bau  der  Tbränendruse  bei  den 
J'^^'ildkröten,  Vögeln  und  Säugethieren.  Ueberdiess  haben  ^ die 
>;^chiedensten  Absonderungen  bei  gleichem  Bau  der  Drusen  statt. 

; 'R  Rindenkanäle  der  Nieren  unterscheiden  sich  von  den  Saroen- 
^i“^'den  nur  durch  ihre  grössere  Feinheit.  Milchdrüsen,  bpei- 
f ‘•^Idrüsen,  Thränendrüsen  haben  eine  durchaus  gleiche  Bescna  - 

Die  Natur  der  Absonderung  bängt  daher  allein  von  der  ei- 
a®nthümliclien  sjiecifisch  belebten  organischen  Substanz  a , w cie. 
inneren  absondernden  Kanäle  der  Drüsen  bildet,  um  we  c e 


448  II.  Buch.  Organ,  ehern,  Processe.  III.  Abschnitt.  Absonderung. 

sich  gleich  hleiben  kann  hei  der  verschiedensten  Architektonik 
der  Drüsenkanale,  und  ausserordentlich  verschieden  ist  hei  s'®'' 
chem  Bau  der  letztem.  Die  Verschiedenheit  der  Ahsonderung 
beruht  daher  auf  demselben  Grunde,  wie  die  Verschiedenheit  dn 
Bildung  und  des  Lebens  in  den  Organen  überhaupt.  Der  einzig*' 
Unterschied  liegt  nur  darin,  dass  das  verwandelte  Blut  in  de'*' 
einen  Fall  dem  Organe  einverleibt  wird,  in  dem  zweiten  a^c' 
über  die  Grenze  desselben  als  Secret  hinaustritt. 

In  der  neuern  Zeit  hat  sich  von  Seiten  mehrerer  Chemikc*> 
namentlich  durch  Chevreuc,  die  Ansicht  geltend  gemacht,  da** 
alle  Absonderungen  ohne  Umwandlung  geschehen  und  dass  d*'* 
Blut  alle  Stoffe,  welche  Jsich  in  den  Secreten  vorfinden,  bered* 
enthalte,  dass  dagegen  den  Sccretionsorganen  das  Vennögen 
komme,  vorzugsweise  bald  den  einen  bald  den  andern  aus 
Blute  auszuziehen  und  in  ihr  Secret  zu  übertragen.  Hierh'’ 
spricht,  nach  Gmelin,  dass  die  Salze  des  Blutes  und  der  Secreff 
ungefähr  dieselben  sind,  dass  in  beiden  Osmazom  und  speichelslolkff' 
tige  Materie  (?)  vorkommt,  und  dass  man  im  Blute  bereits  aiick 
viele  von  denjenigen  Stoffen  gefunden  hat,  von  welchen  m*''' 
früher  glaubte,  dass  sie  nur  in  den  Secreten  Vorkommen,  ü'® 
Käsestofl,  Gallenfett,  Talg,  Oel,  Oelsäure.  In  der  Thal  ist  ncucV 
lieh  die  Existenz  von  Cholesterin  im  Blute  von  Botjdet  (r.***** 
critiijue  et  experimental  sur  Ic  sang.  Paris  18.3.3)  wieder  bestätigt 
worden.  Dennoch  aber  scheint  mir  jene  Ansicht  ein  gross*”’ 
Fehlgriff.  Fürs  Erste,  weder  Hornstoff,  noch  Schleim,  noch  G»'': 
lenstoff,  noch  Picromcl,  noch  Samen,  noch  wirklicher  Rasestolj' 
noch  wahrer  Spelcbclsloff  und  die  giftigen  Secreta  finden  s'*^' 
im  Blute;  zweitens  können  Bestandtheile  der  Secreta  durch 
bibition  zufällig  ins  Blut  gelangen,  ohne  dass  dless  ein  BcvfCi’ 
von  der  Existenz  derselben  als  Constituentia  des  Blutes  wä’'*’ 
Endlich  Ware  die  Existenz  aller  .Secrelc  im  Blute  gar  keine 
klärung ; denn  es  entstellt  nun  die  viel  schwierigere  Frage, 
sie  z.  B.  von  pflanzenfressenden  Tliieren  erzeugt  werden. 
erleidet  gar  keinen  Zweifel,  dass  die  wahren  Secreta  durch 
Secretionsorgane  selbst  eben  so  aus  einfacheren  Bestandtlff*' 
len  des  Blutes  gebildet  werden,  wie  es  von  den  festen  Tbeil”" 
gewiss  ist. 

Der  chemische  Process  der  Absonderung  ist  gänzlich  unbckanH*' 
Die  einfache  zu  erklärende  Aufgabe  ist,  wie  es  kommt,  dass  die 
cemlrenden  Wäude  sich  aus  demselben  Blute  zugleich  ernähren,  ‘1**^ 
heisst  ähnliche  Theile  anziehen  und  in  sich  verwandeln  und  auebü**'" 
der  unähnliche Theile  abstossen  oder  absondern.  Denn  das  SecreW'** 
ist  durchgängig  von  dem  secernirenden  Organe  chemisch  versch‘ß' 
den.  Die Drüsensuhstanz  besteht  in  der  Regel  nur  in  einem  ungci’O"' 
nencii,  nach  der  Zerkleinerung  leicht  von  Wasser  löslichem,  Eiiv'O***' 
Vgl.  pag.  i22.  tch  fand  die  Elementartheile  der  Secretionsorgane  i'”' 
mer  grau,  oder  XV  eissgrau,  oder  xvcissgelb;  so  sind  sic  selbst  in  d^^ 
Leber  beim  Embryo  weissgclbc  Rispen  und  nur  durch  die  hin' 
tigen  Capillargetässnetze,  xvelche  dazwischen  verlaufen,  ist  bei  n*’' 
bewaffnetem  Auge  das  Ansehen  braun.  Gleichwohl  ist  das  Scerß' 
tum  der  Leber  grün.  Der  Harn  ist  bei  den  eierlegenden  ThiC'  . 


3.  lieber  den  Secretionsprocess.  Ursachen  der  Absonderung.  449 


Welss,  dennocli  ist  die  Suhstanz  der  Nieren  ganz  verschieden, 
rtian  erkennt  den  grossen  Unterschied  in  den  Nieren  ganz 
eben  ausgekrochener  Vögel,  -vvo  der  weisse  Harn  die  feln- 
'“•J  Harnkanälchen  Ins  auf  die  Oherdäche  der  Nieren  anfüllt 
j?“  gleichsam  inpeirt.  Bebzewus  fand  hei  Untersuchung  dei‘ 
JßJ’ensubstanz  nicht  die  charakteristischen  Bestandtheile  des  Harns; 

Die  Substanz  der  Leber  enthält  zwar  nach  den 
'■•'tfii-suchungen  fette,  auch  in  der  Galle  vorkominende  Bestandtheile, 
h'*!  verwandelt  sich  leicht  krankhaa  in  Fett,  aber  die  wesentlichen 
^stiindtheile  der  Galle  hat  man  darin  noch  nicht  gefunden.  Bracon- 
j de  chim.  et  phys.  10.  189)  fand  in  81  Proc.  löslichen  Thei- 

der  Leber  6 stickstoffarme  Materie,  20Eiweiss,  4 eigenthümliches 
sehr  phosphorlialliges  Fett.  Kuehn  (Kastser’s  Archiv  13. 
hat  aus  der  Leber  ein  Fett  ausgezogen,  das  .sich  bestimmt  von 
■'olesterin  unterschied.  Dann  ist  auch  noch  zu  bemerken,  dass  es 
"*1  Unmöglich  ist,  eine  von  Galle  reine  Lchersuhstanz  zu  unter- 
)**®lien.  Bleiben  Avir  indess  hei  den  ahsondernden  Häuten  ste- 
die  äussere  Haut  enthält  keinen  Hornstoff,  den  sie  doch  ab- 
p.'^dert,  das  Gewebe  der  Choriodea  ist  gereinigt  ohne  schwarzes 
‘gnient. 


„1  Hs  ist  also  gCAviss,  dass  das  Secretum  von  dem  Secernens 
'«lisch  verschieden  ist,  und  dass  die  Secretion  durch  eine  blosse 

^ ^ .i'ilr. 

flfi 


'Hliissiming  der  schon  vorhandenen  Organtheile  der  Secrctions- 
S«ne  nicht  erklärt  Averden  kann,  dass  vielmehr  die  secerniren- 


W- 

'«de , indem  sic 

”'^*®li  auch  ein  Verschiedenes  ahscheiden. 

Hei  der  Ernährung  anderer,  nicht  secernlrender  Organe, 


durch  Ernährung  Achnliches  anzichen, 


a durch 


das  Organ 


die  äbn- 


j^'i'den  aus  einem  Theilcben  Blut  _ rr  ■ , r. 

^'«en  Bestandtheile  angezogen,  die  unähnlichen  m den  Kreislauf 
''««ckgecehen  • bei  der  Secretion  werden  unähnliche  nach  Aus- 
«ligestossen. 

5|  Mau  könnte  sich  nun  vorstellen,  dass  hei  der  Zerlegung 
«es  Bluttheilchens  a durch  ein  Sccretionsorgan,  die  Zerlegung 


»0 


Zellständig  und  rein  wäre , dass  das , was  an  das  Organ  zur 
•'«ahrung  übergebt,  und  das,  Avas  abgesondert  wird,  zusammen- 

’ r ^ t . • 1 T>1.,+ 


A «»cht,  wieder  "Blut  an.smachlc?  Drückt  man 
a,*'’'«  a,  ein  Moleciil  der  Materie  des  Secrctionsorganes  durch  as 
.so  Aväre  das  Secrct  nach  dieser  Vorstellung  a x. 


Molecul  Blut 


eil  richtig  oder  unrichtig  ist, 

hir  untersuchen , 


lässt  sioh  jetzt  gar  nicht 
daher  ich  mich  denn  auch  durchaus  nicht 


ivp  Ansiclit  erklären,  sondern  sie  als  eine  herücksichtigungs- 
jp  j'llie  Andeutung  für  fernere  Untersuchungen  hinstellen  Avill. 
j"'«Iälls  passt  diese  an  sich  an  so  einfache  und  deswegen  hlen- 
ilur  1 scl'un  uid't  auf  diejenigen  Absonderungen,  avo- 

«0  1 Hinte  etwas  entfernt  wird,  Avas  anderswo  gebildet 

«ueig  ^ie  ,ii,.  Absonderung  des  Harnstoffs. 

Hass  das  Secrct  in  dem  Laufe  durch  die  feinen,  und  oft 
llijJ  \««gen,  Drüsenkanälchen  noch  Aveiter  ausgebildet  Averde, 
gen  eher  vermuthen  als  beweisen.  Diess  war  man  immer 

kji  vom  Hoden  anzunehmen.  Da  indess  die  Länge  derHarn- 
'l®  nicht  minder  ist,  der  Harn  aber  bloss  Exeret  ist  und  kei- 


450  11.  Buch.  Organ,  ehern.  Processe.  III.  Abschnitt.  AbsonderunS' 


ner  Veredlung  Ledarf,  so  sielit  man  hieraus  schon,  dass  man 
der  Lange  der  Kanäle  mehr  die  Grösse  der  ahsondernden  Fläcl’®’ 
als  die  Veredlung  des  einmal  Abgesonderten  im  Auge  haben  m«*'' 
Die  chemische  Zusammensetzung  der  einzelnen  Absonderung*' 
flüssigkeiten  ist  bis  jetzt  für  die  Physiologie  der  AhsondcrimS 
Allgemeinen  von  -wenig  Interesse  und  nur  für  die  Lehre  von 
Functionen,  in  -welche  die  Secrcta  eingreifen,  von  Wichtigl^^' ' 
daher  die  Sccreta  unter  den  verschiedenen  Abschnitten  nach*'*' 
sehen  sind.  Die  allgemeiner  vorkommenden  Secreta  sind  bei 
ahsondernden  Häuten  ahgehandelt;  als:  Fett,  Schleim,  Serosih'*’ 
Synovia;  dagegen  -werden  Galle,  Speichel,  Succus  gastricus, 
creaticus  bei  der  Verdauung,  Ilarn  und  Schweiss  hei  den  A^*' 
Scheidungen,  Samen,  Milch  u.  s.  w.  bei  der  Zeugung  ahgehand^''' 
Ein  wichtiger  Gegenstand  sind  die  miki’oskopischen  Kügelchf" 
in  gewissen  Ahsonderungsllüssigkeiten,  wie  im  Samen,  indcrMh'*®’ 
In  der  Galle  der  Frösche  fand  ich  überaus  sparsame  RörnclF'’j 
von  ungleicher  Form  und  Grösse,  die  grössten  ohngefähr  5 
kleiner  als  die  Blutkörperchen  des  Frosches,  andere  noch  kleiu®*’ 
der  grüne  Theil  ist  aufgelöst.  "Weber  beschreibt  auch  KörnclF’' 
der  Galle.  Im  Speichel  fand  ich  überaus  sparsame  RörnclF'’’ 
Weber  findet  sie  grösser  als  Blutkörperchen  und  durchsichtig; 
grösste  Theil  der  Speichelm.-iterie  ist  oifetihar  aufgelöst.  So 
hält  auch  der  ganz  dupchsichtige  Theil  des  Schleims  nachW^®*" 
keine  Körnchen,  wohl  aber  die  im  Schleim  voi'handenen  F'*’' 
cken.  Meines  Erachtens  kann  man  den  hei  weitem  grösst®': 
Theil  der  Materie  des  Speichels,  der  Galle,  des  Schleims  so 
wie  des  Harns,  als  aufgelöst  betrachten.  Dagegen  enthalten 

Milch,  schwarzes  Pigment  und  Eiter  so  viele  Körncl>®''_| 


ehöf®; 

ilC" 


men , 

dass  dieselben  zu  den  wesentlichsten  Theilen  derselben 
müssen.  Die  Körnchen  des  schnarzen  Pigments  sind  n"  . 
E.  H.  Weber  ungleich  und  haben  im  Mittel  0,0015  p.  Lin. 

To'o  4 ?•  daher  ohngefähr  halb  so  gross  als  die  Fj'V 

körperchen.  In  der  Milch  sind  sie  nach  V^eber  sehr  durchsi® 
tig,  rund,  aber  ungleich,  im  Mittel  | i mal  kleiner  als  die  Bl"*' 
köi7)erchen.  Trevirasus  hält  sie  fiir  Fettkügelchen,  da  sie  n' 
zu  Boden  sinken  und  das  Licht  stark  brechen.  Weber  hält 
für  zusammengesetzt  aus  Käse  und  Fett.  Die  Eiterkügelchcn  s'JJ 
nach  Weber  rund  und  von  -30V0— TsVöP-  Z-,  die  meisten  j- 

sie  sind  daher  grösser  und  ohngefähr  noch  einmal  so  gross 
Blvitkörpcrchen.  Alle  diese  Umstände  beweisen,  dass  die  in 
gen  Ahsonderungsllüssigkeiten  vorkommenden  Körnchen 

ci' 


eränderten  Blutkörperchen  sind;  die  der  Milch  sind  zu  klein,  die  ‘ 
Eiters  zu  gross  dazu;  letztere  können  nicht  aus  den  Capillargefü*^ 
kommen,  dji  sie  seihst  etwas  grösser  als  die  feinsten  Ca])ilh'eS' 
fasse  sind,  Ucherdiess  ist  - - - .i 


Blutköriic 


eine  Ausscheidung  von 

iin  veränderten  Zustande  auch  schon  darum  nicht  möglich, 
damit  die  Zurückhaltung  wirklicher  Blutkörperchen  unverci" 
wäre.  Nach  meiner  Ansicht  entstehen  die  Kügelchen  der  l^Idp, 


-ive" 

l,iif 


:l) 


des  schwarzen  Pigments  und  des  Eiters,  entweder  indem  sie  ^ 
von  der  Substanz  der  ahsondernden  Oberflächen  abstossen, 
bei  den  eiternden  Oberflächen  wahrscheinlich  war,  oder  *' 


3.  Ueber  den  Secretionsprocess.  Einfluss  der  JScrucn.  451 

'^ein  der  aufgelöste  ThierstolF  des  Secretums,  nacK  der  Secretion, 
'y*®  ]>ei  der  Gerinnung  des  Eiweiss,  zum  Tlieil  in  Kügelclien 
formirt,  was  von  der  Milcli  und  dem  schwarzen  Pigment 
^ ‘‘hrscheinlicli  ist.  Authenrietu  erzählt  folgende  merkwürdige  Beoh- 
'"^Uung  {Physiol.  2.  119.).  Lässt  man  die  w'ässrip  Feuchtigkeit, 
")«lche  nach  ahgewischtem  Eiter  aus  der  Ohcrfläche  eines  ent- 
**‘ndeten  Theils  dringt,  zwischen  zwei  diu'chsicliligen,  feinen  Talk- 
^'ättchen  in  der  Wunde  liegen,  so  sieht  man  in  ihr  nach  und 
feine,  immer  sich  vergrössernde  und  undurchsichtig  wer- 
Sfle  Kügelchen  sich  hilden,  aber  diese  nicht,  wenn  die  Feuch- 
‘‘Steit  gänzlich  aus  der  Atmosphäre  lebender  Theile  entfernt 
Auch  Brugm.os  (l)iss.  de  pyogenia.  114,  Schboeder  van  der 
observ.  anat.  path.  21.)  giebt  au;  dass,  wenn  eine  eiternde  Stelle 
^^espühlt  worden,  nun  der  Eiter  als  eine  klai'C  Flüssigkeit  ah- 
^^sondert  und  erst  später  dicker  werde.  Vgl.  über  diesen  Ab- 
‘'mtiitt  Wedemever,  Ueber  den  Kreislauf  des  Blutes;  Doellin- 
Tf^as  ist  Absonderung?  Wiirzhurg  •i.ÜiQ, 


2.  Vom  EinQuss  der  Nerven  auf  die  Absonderung, 

Ueber  den  Einfluss  der  Nerven  auf  die  Absonderungen  ist 
noch  sehr  im  Dunkeln.  Es  ist  hier  zuerst  der  bekannte,  von  A. 
p^Iomboldt  an  sich  selbst  angestelltc.  Versuch  zu  erwähnen,  wo 
. üiunUch  zwei  Blasenpilaster  auf  die  Schultergcgcnd  sich  appli- 
die  eine  Wundsteile  mit  einer  Silberplalte  bedecken  liess 
mit  einem  Leiter  von  Zink  die  Kette  schloss , vvorauf  un- 
schmerzhallem  Brennen  eine  Flüssigkeit  aus  der  Wunde  floss, 
nicht  mild  und  ungefärbt  wie  vorber,  sondern  roth  ge- 
^var  und,  wo  sie  herablief,  den  Rücken  in  blaurothen 
, ‘■‘einen  entzündete.  {Ueber  die  gereizte  Muskel-  und  Eeroenja- 
324.)  Auch  Most  {Ueber  die  grossen  Heilkräfte  des  Galva- 
182.3)  will  in  der  galvanischen  Kette,  wenn  er  mit  dem 
ja  ^‘tiven  Pol  au  der  Ohrspeicheldrüse,  mit  dem  negativen  in  der 
10  Minuten  lang  schloss,  verstärkte  Absonderung  von 
jpeichel  gesehen  haben,  der  weder  alkalisch  noch  sauer  reagirte. 
^“■ecte  Versuche  über  den  Einfluss  der  Nerven  auf  die  Abson- 
/‘■‘“'S  sind  noch  wenige  angestcllt  worden;  doch  weiss  man, 
nach  Durchschneidung  des  Nervus  vagus  die  Absonderung 
i ^Ifigensal'ts  auihört.  Tieoemann  und  Gmelin,  Die  Kerdauujig. 
J ’^40.  Broihe  {Biblioth.  de  med.  britt.  Paris  1814)  zeigte  durch 
■ Reihe  von  Versuchen,  dass  Arsenils.  nach  Durchneidung  des 


Cfv 


tih  '“gns  und  sympathicus  nicht  die  reichliche  Absonderung 
B Magen  und  Darmkanal  hervorhringt,  welche  man  sonst  findet. 
U*®  Absonderung  der  Schleimhaut  in  den  Lungen  wird  ferner 
siaj‘  der  Durchschneidung  jeucs  Nrnwen  verändert  und  daher 
jene  schäumig- blutigen  Exsudationeu  ahzuleiten. 

Ueber  den  Einfluss  des  Nervensystems  auf  die  ürlnab- 


^“derung^  welcher  im  Allgemeinen  durch  das  den  Nervenzufäflen 
st  "'Minliche  Phänomen  des  wasserhellen,  an  den  gewöhnlichen  Be- 
->  '‘Mheilen  armen  Urins  erhellt  wird,  hat  Krimer  {Physiol.  Unte^u- 
'‘Sen)  Versuche  angestellt.  Derselbe  Avill  die  Nerven  der  Nie- 


452  II.  Buch.  Organ,  ehern.  Brocesse.  III.  Abschnitt.  Absonderung- 


ren  durchs chnitten  und  darauf  die  Absonderung  des  Urins  unt^!^ 
sucht  haben,  in  welchem  sich  der  Eiweiss-  und  Blutfärbestoff 
demselben  Grade  vei'mehren  sollen,  wie  die  eigentliümlichcn  h®' 
standtbeile  des  Urins  sich  vermindern.  Nach  Durchschueidu'’f 
des  Nervus  vagus  soll  die  Urinabsonderung  fortgedauert  hati®|'j 
aber  Rhabarber  und  blausaures  Kali  sollen  nicht  in  den  Ot' 
übergehen,  der  ausserdem  durch  das  in  den  Urin  übergehe** 
Blutserum  spccifisch  schwerer  werde,  durch  die  Vejrbindung  * ^ 
durchschnittenen  Nervenenden  mit  der  Säule  aber  seine  **®*^|. 
male  Beschaffenheit  wieder  erlange,  und  den  Uebergang  j***'.^ 
Substanzen  zulasse.  Nach  der  Durchschneidung  des  Rückenn>‘'’^.| 
in  der  Rücken-  und  Lendeugegend  werde  der  Urin  wasserl*®  ' 
Die  Durchschneidung  des  sympathischen  Nerven  am  Halse  i***®*^  ], 
den  Urin  alkalisch  und  eiweisstoffhallig;  die  Wirkung  der 
taischen  Säule  stelle  aber  seine  normale  Beschaffenheit  wie** 
her.  Siehe  Lvkd  {Physiologische  Resultate  der  Vivisectionen  nt“^ 
rer  Zeit.  Kopenhagen  1825  pag.  204),  wo  die  Versuche  von  Iv”'' 
MER  ausgezogen  sind.  Aehnliche  Beobachtungen  hat  Bra**®,®^ 
{Recherches  experiment.  sur  Ics  fonctions  du  syste'me  neroenx  gang‘f 
naire.  Paris  1830.  pag  269.)  durch  Unterbrechung  des  Nervenß'.'' 
flusses  in  den  Nierennerven  gemacht.  Er  durchscbnltt  die 
renarterie  eines  Hundes,  nachdem  er  sie  vorher  vor  und  hi**^^* 
der  Durchschnittsstelle  zweimal  unterbunden,  und  verband 
beiden  Stücke  der  Nierenarterie  durch  eine  eingebundene  Kai****'^' 
so  dass  die  Nierennerven  durchschnitten  waren,  ohne  dass 
Nieren  der  Zufluss  des  Blutes  abgeschnitten  war.  Die  hie*'f' 
innerhalb  mehrerer  Stunden  aus  dem  Ureter  aufgefangene  F**** 
sigkeit  war  roth  und  theilte  sich  in  fibröses  Gerinnsel  und  Ser**’’'' 
Die  Wiederholung  dieses  Versuchs  gab  dieselben  Resultate. 
gegen  hat  die  Durchschneidung  der  Nervi  vagi  keinen  Eio^^*** 
auf  die  Urinsecretion. 

Wenn  diese  Versuche  richtig  sind,  so  hört  die  chemische 
kung  der  in  jeder  Drüse  eigenthürnlichen  Drüsensuhstanz,  die  u***?^ 
dem  Nervcnclnfluss  sich  erhält,  ohne  diesen  auf,  indem  die  Besta'*,**' 
theile  des  Blutes  exsudiren.  DerEinfluss  derNerven  kann  nun  bei  |*j' 
der  Drüse  entw  eder  verschieden  und  eigenthümlich  seyn,  oder  er 
was  w'ahrscheinllcher  ist,  bei  allen  Drüsen  gleich,  und  es  Jjetl*"^ 
zur  Belebung  durch  ihn  bloss,  dass  die  specifische  Drüsensubst»"^ 
chemisch  wirksam  wird.  Auch  die  täglichen  Lebenscrfahrui’r'!^ 
geben  vielfältige  Beweise  von  dem  Einflüsse  der  Nerven  auf  ‘ 'j 
Absonderung.  Man  weiss,  dass  Minderung  des  Nerveneinfl**®*^, 
in  dem  Froststadium  der  Fieber  alle  Absonderungen  nicht  hl** 
vermindert,  sondern  sie  auch  arm  an  ihren  natürlichen 
theilen  macht,  und  dass  sich  diese  mit  dem  Wiedereintritt  * ^ 
Turgors  auch  wieder  einstellen.  Man  weiss,  dass  die  Trock*;''^ 
heit  der  Schleimhäute  und  der  Haut  oft  Zeichen  eines  veriu'j 
derten  Einflusses  der  Nerven  in  den  acuten  Krankheiten 
Hierzu  kommen  die  häufigen  Erfahrungen  über  den  Einfluss  der  iA 
denschaften  aut  die  Absonderung,  z.  B.  der  Thränen,  der  Galle, 
Milch,  ja  selbst  der  Gemüthsbewegungen  auf  die  Beschaffenheit  ^ 
Secretion  und  des  Zustandes  der  Wunden.  Vgl.  oben  pag- 


3.  lieber  den  Secretionsprocess,  Veränderur^  der  Absonderung,  453 

hat  sosar  behauptet  die  Gegenwart  des  Füllens  auf  die  Milch- 
^'^cretion  der  Mutter  Einfluss  habe.  Ohne  auf  die  Erzählungen 
''®ä  der  giftigen  Wirkung  des  Speichels  nach  Bissen  von  gcreiz- 
Thiercn  irgend  einen  Werth  zu  legen,  da  die  Erscheinungen 
“ü  Allgemeinen  vielleicht  nur  die  der  Bisswunden  ühcihaupt  sind, 
'St  doch  die  Thatsache  bekannt  genug  und  unzweifelhaft,  dass 
allein  durch  die  Gegeiwart  der  Speisen  im  Munde  die  Se- 
'*'®tion  des  Speichels  vermehrt  wird,  sondern  dass  auch  die  Vor- 
^"lliiug  leckerer  Speisen  die  Secretion  des  Speichels  hethätigt. 
^»rc  eg  möglich,  den  Einfluss  der  Nerven  eines  ahsondernden 
^‘'ganes  ganz  aufzuhehen,  so  würde  man  vielleicht  wie  nach  Durch- 
!5^"ieidung  des  Nervus  vagus  in  Hinsicht  des  Magensaftes,  immer 
‘*''len,  dass  die  Bildung  der  spccilischeu  Sccrete  durch  den  man- 
*’®*"dcn  Nerveneinfluss  gänzlich  aufgeholicn  wird.  Ich  hm  weit 
'^"tiernt  zu  glauben,  dass  die  von  dem  Lehen  ahhängendc  che- 
"^ische  Wirksamkeit  der  Drüsensuhstanz  nicht  einen  eben  so 
^J^ssen  Einfluss  auf  die  Secretion  der  Drüsen  liahe;  aber  diese 
j'önlsche  Wirksamkeit  der  Drüsensuhstanz,  welche  in  verschie- 
'*®Ueu  Drüsen  verschieden  ist,  kann  sich  wahrscheinlich  nur  un- 
dem  Einflüsse  der  Nerven  unterhalten. 

Auf  den  ersten  Blick  scheinen  sowohl  Cerehrospinalncrven 
'***  sympathische  Nerven  zur  Regulation  der  Ahsondcriing  fähig 
seyn.  Bekannt  ist  die  Verzweigung  des  Lingualis  in  der  Suh- 
|“^'illlardrüse  und  SuhllnguaUh-üse,  des  Nervus  glossopharyngeus 
Tonsillen,  eines  Z'weii^cs  des  JVervus  tlbialis  in  der  Kapsel 
Kniegelenks.  Aknoi-J)  nimmt  an,  dass  die  Zweige  des  ganglion 
■'."''tnaxiliarc  mehr  dem  AVuARTon’schcn  Gange  eigen  und  hei  den 
^''Spritzungen  des  Speichels  thätig  sind,  als  der  Drüse  seihst  an- 
®^f‘ören  und  dass  die  Speicheldrüsen  von  den,  ihre  Arterien  he- 
*^'®itenden  sympathischen  Zweigen  Beherrscht  werden.  Indessen 
f'^'den  auch  die  Cerchrospinaluerven  höchst  wahrscheinlich  von 
"Sern  des  Sympathicus  Begleitet,  wie  wenigstens  Retzius  vom 
.'''eiten  Aste  des  N.  trigeminus  Bei  Thiercn  gezeigt  hat,  und  wie  hei 
n*"  Thiercn  au  den  vielen  grauen  Nerven  zu  sehen  ist,  welche  vom 
1 ''."glion  oticum  über  den  Nervus  Buccinatorius  liingehen.  Nach 
""'scitigen  Lähmungen  des  Gehirns  und  Rückenmarks  ist  die  Ab- 
ijderimg  der  Haut  auf  der  leidenden  Seite  Bald  verändert, 
* ''  nicht  verändert. 

3.  Von  den  Veivindcrungcn  der  Absonderung. 

tjj,  Die  Ahsonderung  kann  von  örtlichen  sowohl  als  allgemeinen 
Rächen  verändert  werden.  . 

hl  l>er  Zustand  eines  absondernden  Organes  modihcirt  nicht 
d"®«  die  Quantität  sondern  auch  die  Qualität  der  Absonderung, 
i ^ Harn  ist  nach  Nervcnzufällen  wässrig  und  arm  an  den  nä- 
dg^'''"Bestandlhellen;  der  Schleim  ist  in  den  verschiedenen  Stadien 
Co!  ?''^napfe»s  verschieden,  Anfangs  wässrig  und  salzig,  «pater 
j^j^'sisteut;  endlich  hehl  die  Entzündung  in  der  Regel  m jedem 
^'^nderungsorgane  die  specilische  Ahsonderung,  wie  i»  jedem 
S^iie  die  Function  auf.  In  Beziehung  auf  Reiz  verhalten  sich 


454  II.  Buch,  Organ,  che/m.  Processe.  III,  Abschntit.  Absonderung- 

die  Absonderungsorgane  eigenthümlicli ; derselbe  vermehrt  Anfa^o’ 
die  Absonderung.  Dieser  Zustand  vermindert  sieb  in  demsem 
Grade,  als  die  Reizung  in  Entzündung  übergebt.  Im  erscblalü 
Zustande  der  Absonderungsorgane  mit  Auflockerung,  vermelir^^ 
die  Absonderungen  sich  in  der  Regel,  wo  jedoch  das  Secret 
Consistenz  verliert.  Im  erscblaflten  Zustande  mit  Verdicht'*”® 
des  Gewebes  des  Absonderungsorgans,  wird  die  Absonderung 
mindert.  Diess  wiederholt  sieb  in  allen  Absonderungsorga" 
in  den  Scbleindiäuten  der  Nase,  der  Conjunctiva,  aut'  der 

Alles  dieses  beobachtet  man  an  den  natürlieben  r 

gereizte  Geseb'^”^ 
die  Verstärkung  des  entzünde'; 

erschlaffte  Gescb"'” 
re'® 


sern  Haut. 

krankhaften  Absonderungen  auf  gleiche  Ai-t;  das 
sondert  reichlichen  Eiter  ab; 

Zustandes  bebt  die  Absonderung  auf;  das 


mit  aufgelockerten  Wänden  sondert  reieblicbe  wässrige  Seef® 
ab,  das  erschlaffte  Geschwür  mit  verdichtetem  Gewebe  von  E” 
zündiingsproducten  sondert  sparsam  ab. 

Der  aufgehobene  Nerveneinfluss  vermindert  die  natürlich  ^ 
Bestandtheile  eines  Absonderungsorganes;  der  Harn  wird  in 
venzufällen  wasserbell,  die  Haut  in  Fiebern  mit  geschwächt® 
Einfluss  des  Nervensystems  trocken,  die  Haut  ist  im  Froststad'"  ^ 
des  Fiebers  trocken.  Aber  räthselbaft  ist,  dass  eine  viel  stärk® 
Entziehung  des  Nerveneinflusses,  wie  in  der  Ohnmacht  die  M)*”” 
derung  so  ungemein  vermehren  kann,  wie  beim  kalten  Scbwc'^ 
bei  der  Diarrhoe  von  Schrecken,  Angst.  Die  qualitativen  Vcräi""' 
rungen  der  Secreta  durch  veränderten  Nerveneinfluss,  kennt 
mehr  aus  den  schädlichen  Wirkungen  dieser  Secreta,  wie  " ^ 
Milch,  der  Galle  nach  Leidenschaften,  als  aus  chemischen  E" 
tersuchungen.  ^ 

Dadurch,  dass  alle  Absonderungen  durch  die  Entziehung 
wisscr  Bestandtheile  des  Bluts  auf  die  Mischung  desselben 
ken,  kaxin  eine  Absonderung  aus  demselben  nicht  verändert  wcrd®  ’ 
ohne  dass  das  Gleichgewicht,  welches  die  verschiedenen  ^ ^ 
Sonderungen  gegen  einander  in  Hinsicht  ihrer  Wirkung  auf 
Blut  batten,  gestört  wird;  daher  die  Vermehrung  einer  Absoo”^' 
rung  die  Verminderung  einer  anderen  zur  Folge  hat,  was 
den  Antagonismus  der  Secretionen  nennt.  Auf  dem  Prinzip 
scs  Antagonismus  beruht  die  Hervorrufung  mancher  künstlic”^j, 
um  krankhafte  aufzuheben.  Hierbei  finden  folgende  Gesetze 

1.  Die  Vermehrung  einer  Absonderung  in  einem  Gewebe/, 


welches  weniger  reizbar  als  das  Organ  B ist,  kann  in  dem 
ganc  B die  Absonderung  nicht  antagonistisch  vermindern , 


Of' 

'*•'5 


z.  B.  künstlich  erregte  Absonderungen  in  der  Haut,  wie  <1"* 


rre"! 


Blasenpflaster,  in  der  Nähe  des  Auges,  bei  AugenentzündunS* 
fruchtlos  sind,  weil  das  Auge  reizbarer  als  die  Haut  selbst  is^ 

2.  Die  Vermehrung  einer  Absonderung  in  einem 
Gewebe  A kann  nicht  vermindcT’t  werden  durch  HervoiTixf"/ 
derselben  Absonderung  in  einem  anderen  Theile  des  Gewebes  ^ 
im  Gegentheil  wird  die  Absonderung  in  allen  Theilen  desselben 
wehes  eher  verstärkt  als  vermindert,  weil  die  verschiedenen 
eines  Gewebes  nicht  in  einem  antagonistischen,  sondern  in 
sympathischen  Verhältnisse  stehen.  Man  kann  also  eine  Blenn 


3.  Von  den  Veränderungen  der  Absonderung,  Metastasen.  455 

rliöe  tier  Genitalien  oder  Harnwerkzeuge  durch  eine  künstlich 
'Geregte  Diarrhöe  nicht  antagonistisch  heilen. 

3.  Dagegen  stehen  diejenigen  Gewebe  oft  in  einem  antagonisti- 
sch eu  Verhall  nisse  der  Alisonderung,  welche  nicht  zu  derselben 
^li>sse  der  Gewebe  gehören.  So  bewirkt  die  Vermehrung  der 
^'^sonderung  dureb  "die  Haut  eine  Verminderung  der  wässrigen 
^'^sotulerung  durch  die  Nieren.  Tm  Sommer  ist  die  Hautaus- 
‘^änstuii"  stärker  und  die  Nierenab.sonderung  verhältnissmässig 
Seringer^;  im  Winter  findet  das  umgekehrte  Vei’hältniss  statt.  Bei 

Ablagerung  wässriger  Flüssigkeiten  im  Zellgewebe  und  in  den 
^^eösen  Häuten  ist  die  äussere  Haut  trocken  und  der  Urin  spar- 
und  der  Fluss  des  Urins  steht  in  geradem  Verliällmsse  mit 
''er  .Abnahme  der  wasscrsüclitigen  Anschwellung.  Durch  Unter- 
''rückung  der  Ilautausdünstung",  durch  Erkältung,  entstehen  Blen- 
"orrhöen  der  Schleimhäute,  m den  Lungen  .'und  im  Darmkanal. 

4.  Nur  am  Ende  der  collirpiativen  Krankheiten  beschränken 
*‘ch  die  Absondemngen  nicht  gegenseitig  mehr,,  sondern  alle  wer- 
''en  zuletzt  durch  ErschlafTung  der  Gewebe  vermehrt,  wie 
''cnn  durch  den  sogenannten  colliijuativcn  Zustand,  z,  B.  colli- 
[l'iative  Diarrhöen,  "Scbw'cisse  und  Wasserergicssungen  vor  dem 
^ede  bei  den  Phlbisikern  entstehen. 

5.  Gewebe,  welche  gegen  einander  in  Antagonismus  treten, 
^''Crden  bestimmt  tbeils  dadurch,  dass  sie  cinigermassen  ähnliche 
flüssicvkeiten  im  natürlichen  Zustande  absondern,  gleichwie  die 
yei’mmderung  der  Wasserausscheidi^ng  durch  die  Nieren  auf  die 
^Crmehrun"  der  Wasserausscheiduiig  durch  die  Haut  wirken 
‘ävis,.  oder  das  antagonislisch  erregte  Ahsonderungsorgan  war 
'''iiieliiu  schon  zu  kra"nkhafter  Thätigkeit  prädispomrt.  So  be- 
''‘«■kt  die  Erkältung  bei  demjenigen  eine  Aftcclion  der  Schleim- 
''"Ht  der  Lungen,  welcher  zu  dieser  schon  vorher  disponirt  war, 
'"ä  Anderen  aber  aus  denselben  Gründen  leichter  eine  Verändc- 
»"äg  der  Schleimabsonderung  im  Darmkanal.  Vgl.  Heusivger, 
oeGr  den  Antagonismus  der  Jiixerctionen;  desselben  Zeitschrift  für 
'"■«•Ort.  Phrsik.  Bd.  I. 

Zuweilen  bewirkt  die  Unterdrückung  der  Absonderung  an 
"'äciu  Orte  das  Erscheinen  dessclhen  Fluidums  an  einem  ande- 
Orte.  Dieses  geschieht  vorzüglich  leicht  bei  denjenigen  Ab- 
*'">'lcrungsflüssigkeitcn,  welche  als  solche  schon  im  Blute  vorhari- 
sind.  Viearirendc  Blutungen  für  die  Menstruation  lassen  sich 
Nht  läugnen,  und  die  Unmöglichkeit,  den  im  Blute  bereits  vor- 
>idencu  Harnstoff  (siche  pag.  148)  durch  gänzlich  zerstörte 
^‘eren  mit  dem  Harne  abzusondern,  muss  mit  Harnstoff  gesebwän- 
Ausscheidungen  in  allen  übrigen  Theilen  des  Körpers  zui 
>'ge  haben  können.  Nysten  {lie'cherches  de  ciunue  et  de  physw- 
pathol.  Paris  1811.  pag.  263  — 293)  hat  die  Existenz  von 
."•'nstoff  in  lici  gänzlicher  Harnverhaltung  ausgebroebenen  Flus- 
j'8'teitcn  constatirt,  und  an  der  Ablagerung  harnsauren  Natrons 
**  den  Gichtknoten  ist  kein  Zweifel.  _ 

Ist  aber  ein  Absonderungsstoff  als  solcher  niclit  schon  uu  «tute 
«'‘^'landen,  so  kann  die  Unterdrückung  dieser  Absonderung  in 
dazu  bestimmten  Apparat  nicht  dieselbe  Absonderung  in  an- 
Physiologie.  30 


456  II.  Buch.  Organ,  ehern.  Processe.  III.  Abschnitt.  Absonderung. 

deren  Tlieilen  metastatiseh  verursachen,  und  was  man  auch  hiC' 
für  angeführt  hat,  beruht  auf  schlechten  Gründen. 

Nach  verhaltener  Aussonderung  der  Galle  kann  zwar 
schon  einmal  ahgesonderte  Galle  resorhirt  ins  Blut  gelangen 
von  dort  aus  in  anderen  Theilen  sich  ahlagern.  Dies  ist  a«  ^ 
ein  ganz  anderer  Fall,  der  keine  Aehnlichkelt  mit  demjenigen  li«' 
wo  ein  Absonderungsorgan  ganz  entfernt  wird;  hier  ist  kein  1^ 
parat  mehr  dazu  vorhanden,  wie  nach  Exstirpation  des  |.j, 
die  Bildung  des  Samen  unmöglich  wird.  Die  ott  wictlerlio 
Lehre  von  der  Möglichkeit,  dass  alle  spezifischen  Absonderung'^^ 
selbst  nach  Zerstörung  ihrer  Ahsonderungsorgane  aus  dem  Fla 
sich  wiedererzeugen  können,  hat  gar  keine  thatsächliche^ 
denn  alle  dafür  angeführten  Gründe  sind  bloss  von  denjenig®^^ 
Fallen  hergenommen,  wo  die  Absonderung  in  dem  ursprünglicn® 
Organ  nicht  aufgehoben,  sondern  die  Weiterförderung  des  Secf  ' 
tes  durch  mechanische  Hindernisse  gehemmt  war,  oder  wo  FcrA  |^ 
sonderungsstoff  als  solcher  im  Blute  schon  vorhanden  war,  a ^ 
es  vom  IJarnstoff  nach  PnEvosx  und  Dumas  Untersuchungen 
kannt  ist.  Die  einzige  Absonderung,  deren  Bestandtheile  im  ß 
nicht  als  solche  vorhanden  sind,  welche  sich  aber  immer  und 
allen  Orten  wiedererzeugen  kann,  indem  sich  mit  der  Entzünda*''’ 
das  Organ  dazu  von  neuem  bildet,  ist  die  Eiterung. 

In  allen  Fällen,  wo  nach  gänzlicher  Unterdrückung  ei" 
Absonderung  eine  antagonistische  entsteht,  zu  der  der  Stoff  i'it  ^ 
als  solcher  aus  dem  Blut  genommen  wci-den  kann,  ist  die  aid‘'^ 
gonistische  Absonderung  auch  durchaus  von  der  ursprünglicl‘‘^|. 
verschieden,  und  hat  nur  so  viel  Aehnlichkeit  mit  der  ersten, 
die  näheren  Bestandtheile  der  Absonderung  des  zweiten  Olga'' 
es  zulassen.  Wahre  Milchverselzungen  giebt  es  z.  B.  nichl ; 
TENRIETH  bemerkte  schon,  dass  dergleichen  Versetzungen  du' 
Mangel  an  den  wesentlichen  Bestandtheilen  der  Milch , näiiu' 
des  Milchzuckers  und  der  Butter,  sich  unterscheiden.  Diese 
Scheidungen  bestehen  vielmehr  nur  aus  den  näheren  Bestandtl' 
len  des  Bluts,  welche  zur  Umwandlung  von  Blut  in  Milch  F" 
verwandt  werden  können  , z.  B.  Eiweiss.  Ueber  die  ünsta^^^ 
haftigkeit  der  Eitermetastasen  und  die  Missverständisse, 
dux-ch  ünkenntniss  der  hierbei  stattfindenden  pathologischen  » 
gange  entstehen,  habe  ich  schon  pag.  262.  gehandelt.  ^ ^ 

Die  Drüsenkanälchen  scheiden  das  Secret  immer  nach 
(vergl.  p.  446.),  nur  in  seltenen  Fällen  scheint  die  neugebil 
Materie  sogleich  auch  weiter  und  ins  Blut  zu  gelangen,  wie  bei 
nach  Gemüthsbewegungen^  entstehenden  Fonn  der  Gelbsucht. 


4.  Von  der  Ausfiilirnng  der  Secreta. 

Die  Ausführungsgänge  der  Diüsen  enthalten  in  ihrem 
nern  eine  Schleimhaut,  welche  äusserlich  mit  eiiiei'  äus 
dünnen  Schicht  von  muskulösem  Gewebe  umlagert  ist. 


_ ^ ■ misc'' 

Existenz  von  Muskelfasern  lässt  sich  hier  zwar  gj^li 

nicht  nach  weisen,  aber  aus  physiologischen  Gründen  lass  __ 
daran  nicht  zweifeln;  denn  von  den  meisten  Ausführungsg 


4.  Von  der  Ausführung  der  Secreta. 


457 


gen  -weiss  man,  dass  sie  auf  Reize  sich  zusammenziehen  kön- 
So  hat  Rudolpui  schon  die  Zusainmenziehungsfahigkcit 
Ductus  choledochus  der  Vögel  beobachtet.  Icli  habe  die- 
Phänomen  öfter  gesehen,  •wenn  ich  bei  einem  eben  getöd- 
®ten  Vogel  den  Ductus  cboledocbus  mechanisch  oder  galvanisch 
Reizte ; die  darauf  erfolgende  Zusammenziehung  des  Ganges  ist 
Jl^'igeniein  stark  und  dauert  Minuten  lang,  worauf  sich  der 
j^ang  wieder,  wie  vorher,  erweitert.  Auf  gleiche  Art  habe  ich 
Kaninchen  sowohl  als  bei  Vögeln  an  den  Urcteren  auf  star- 
^en  galvaniscben  Reiz  örtliche  starke  Zusammenziehungen  eintre- 
gesehen.  So  bat  Tiedemann  Bewegungen  an  dem  Ductus 
aeferens  des  Pferdes  auf  angeljrachten  Reiz  beobachtet.  Tiede- 
'"ank,  Ueher  die  T'Vege,  auf  welchen  u.  s.  w.  p.  22.  Es  scheint  so- 
Sai",  dass  periodische  wurmförmige  Bewegungen  an  diesen  Aus- 
*Ahrungsg'angcn  statt  finden,  wenigstens  gilt  dieses  von  dem  Du- 
atus  clioledochus  der  Vögel;  denn  an  diesem  habe  ich  bei  einem 
a^en  getödteten  Vogel  regelmässig  in  Pausen  von  mehreren  Mi- 
*'.'*ten  Zusammenziehungen  beobachtet,  worauf  jedesmal  der  Gang 
*'ch  wieder  erw'eiterte.  Diese  Zusammenziehungen  fanden  in  je- 
Fall  merkwürdiger  Weise  aufsteigend  statt,  nämlich  vom 
■''»rtnkanal  gegen  die  Leber  bin,  und  werfen  ein  Licht  auf  die 
, wie  die  Galle  zu  gewissen  Zeiten,  statt  durch  den  D.  chole- 
*;®chus  auszuflicssen , vielmehr  zurückgehalten  und  in  das  Dlver- 
‘'^el  des  Gallengangs,  nämlich  die  Gallenblase,  getrieben  wird, 
denn  auch  noch  die  vollkommne  Verschliessung  der  Mün- 
, •'S  des  Ductus  choledochus  beitragen  mag.  Zur  Zeit  derVer- 
djäiung^  wo  die  Galle  der  Gallenblase  ausgeleert  wird,  erfolgt 
diese  Ausleerung  wahrscheinlich  bloss  durch  die  Oeffnung  des  Du- 
"j^ds  choledochus  unter  dem  Druck  der  umliegenden  Theile  und 
Bauchmuskeln  aus;  denn  die  Gallenblase  kann  sich  höchst 
Avahrscheinlicb  nicht  zusammenziehen,  wenigstens  konnte  ich  an 
Gallenblase  der  Säugethiere  und  der  Vögel,  selbst  bei  dem 
ettigjien  Reiz  durch  eine  galvanische  Säule,  keine  Zusarnmen- 
*®hung  bewirken,  und  es  unterscheidet  sich  dieses  Divertikel  von 
im  Ganzen  ähnlichen  Divertikeln  anderer  Ausführungsgänge, 
dmlich  der  Urinblase  und  den  Samenbläschen. 

Die  Beschaffenheit  der  inneren  Haut  der  Ausführungsgänge 
die  Contractilität  ihrer  mittlern  Haut  beweist  -offenbar,  dass 
^.'®se  Gänge  blosse  Ausstülpungen  der  Schläuche  sind,  in  welche 
Bihrcn,  wie  der  Ductus  choledochus  und  pancreaticus  aus  den- 
®'hen  Schichten  bestehend,  Fortsetzungen  der  Häute  des  Duode- 
sind. 

^ Welchen  Antbeil  die  Contractilität  der  Ausführungsgänge  an 
li^b  P'^tzlicben  Ausscheidung  des  Speichels  und  der  Thränen 
will  ich  hier  nur  fraglich  andeuten.  Auch  will  ich  hier 
Bemerken,  dass,  da  die  Contractilität  der  Ausführungsgänge 
Drüsen  factisch  ei-wiesen  ist,  der  Krampf  dieser  Theile  keine 
“sse  Einbildung  der  Aerzte  ist. 


30 


458  II.  Buch.  Organ,  chem.  Processe.  IV,  Abschnitt,  Verdauung. 


IV.  Abschnitt.  Von  der  Verdauung,  Chylificatio'’ 
und  Ausscheidung  der  zersetzten  Stoffe*). 

I.  Capital.  Von  der  Verdauung  im  Allgemeinen. 


Die  Nahrung  der  Thiere  sind  tliierische  Substanzen  und 
getahilien;  einige  leben  nur  von  diesen,  andere  nur  von  jene»’ 
andere  von  beiden  zugleich,  wie  auch  der  Mensch,  der  bei  bl»’’ 
animalischer  Nahrung  so  gut  wie  hei  bloss  vegetabilischer  Na’.' 
rung  ausdauert,  und  nach  diätetischen  Erfahrungen,  auch  na» 
seinem  gemischten  Zahnliau  der  gemischten  Kost  bestimmt  schein^j 
Sowohl  in  der  Pflanzennahrung  als  in  der  thierischen  Kost  s'» 
die  gewöhnlichen  Salze  enthalten,  welche  als  nothwendigc  B»' 
standtheile  des  Organismus  auch  als  Nahrungsstoff  ini  relativ»’’ 
Sinne  betrachtet  werden  können.  Von  blossen  mineralisclK' 
Stofien  lebt  kein  Thier;  nur  aus  Noth  oder  Vorurthcil, 
den  Bauch  zu  füllen , wird  zuweilen  von  Menschen  Erde  th»' ' 
allein,  theils  mit  organischen  Substanzen  genossen,  wie  von  d»’’ 
Otoraaken  und  Guamos  am  Oronoco  und  von  den  Bewohne»” 
von  Nenschottland  bekannt.  Es  leidet  keinen  Zweifel,  dass  di»’ 
Befriedigung  nur  eine  Täuschung  ist,  es  scheint  auch  nicht,  da*’ 
die  von  jenen  Völkern  genossene  Erde  zufällig  Nahrungsstol  - 
enthalte;  in  dem  von  den  Neuschottländcrn  genossenen  Steatit  ba 
Vauquelin  keine  Nahrungsstort'c  gefunden.  Siehe  v.  HuiMbol»’’ 
Reise.  4.  557.  E.udolphi’s  Physiol.  2.  18.  ^ 

Im  Thier-  und  Pflanzenreich  scheinen  alle  Stolfe  nahi’bj’ 
zu  seyn,  welche  einer  leichten  Auflösung  durch  thierlsche  Fl»’' 
sigkeiten  fähig  sind,  welche  keine  dem  ThlersLoff  eines  Thi»»» 
zu  heterogene  Comhinatiou  der  Elemente  enthalten  oder  weh’” 
keine  hervorstechenden  chemischen  Eigenschaften  und  keine  T»’’' 
denz  haben,  sich  auf  Kosten  der  lebendigen  Verbindungen  hi»’^ 
chemisch  zu  comhiniren.  Was  die  letzten  Eigcnschaiten  b”’ 
entweder  heterogen  oder  von  chemisch  eigcnlhiimlichen  AlfiH'j” 
ten  ist,  ist  entweder  Arzneikörper  oder  (im  relativen  Sinne) 

Dass  auch  die  narcotischeii  Gifte,  welche  keine  sichtbaren  Vei’änö 
ruugen  im  Organismus  und  nicht  wesentlich  Entzündungen  bewirk»’^’ 
durch  feinere  Umwandlung  der  Materie  vergiften,  indem  sie 
heterogene  und  chemisch  eigenthümliche  Stoffe  Zersetzungen  n” 


Die  hier  zu  untersuchenden  Processe  sind  zusararaengeselzlcr  als  die  ve  ^ 
hergehenden;  die  Kenntniss  der  Bewegung  der  Säfte,  der  Resorp» 
der  lluitigkcit  der  lymphatischen  Gefässe,  der  Absonderungen 
ihrer  XJntersuehiing  vorausgesetzt,  daher  diese  Materien  säramtlich 
dem  nun  zu  betraehtenden  Gegenstände  abgehandelt  werden  ninss 
Dagegen  werden  nim  bei  der  Darstellung  der  Vorgänge  der 
weitläufige  Erklärungen  über  dieseFunctionen , ilie  auch  ausser  den 
dauungsorganen  in  vielen  andern  Theilen  wirksam  sind,  vermieden  W 
den  können. 


1.  Von  der  Verdauung  im  Allgemeinen.  Nahrungsstoffe.  459 

binäre  Comblnatlonen  veriirsaclien , ist  mir  selir  •vvalirsclieinlic]i, 
tlieils  durcli  iliren  Gelialt  an  vegctabilisclien  Alcaloidcn,  Hieils 
^Urcli  Fontasa’s  BeoLachtungen,  dass  die  Avirksamsten  narcoli- 
«clinn  Gifte,  Viperngift  iindTicunasgift,  materielle  Umwandlungen 
^'«wirken  indem  beide  z.u  frischem  Blut  ausser  der  Ader  gemischt, 
^'■ssen„Gerinnbarkcit  Yerhindern,  Viperngift  m Wunden  lebender 
Tl'it^-c.iaebracht,  aber  das  Blut  schnell  gerinnen  macht.  Uelier 
'«getabilische  Gifte  siebe  die  toxicologisclien  ^Verke,  über  tbie- 
f’sUie  Giflc  Bunor.pui  1.  c.  Der  Begriff  Yon  Gilt  ist  sehr  re- 
Schlangengift  zersetzt  die  tbieriseben  Saite,  Avenn  es  iii  s 
gebracht  wii'd,  scheint  dagegen  iiu  Darmkanalc  zersetzt  und 
'‘nsclüullicb  gcrnaclit  zu  werden.  Vi])erngia  wirkt  auch  m den 
”'iinden  der  niederen  Wirbcltliiero,  namenllicb  der  Amphibien , 
''ei  Fröschen,  Blindsclileiclien  nur  sehr  langsam  und  liei  Schlangen, 
yif;  es  scheint,  oft  gar  nicht.  Doch  sind  die  meisten  Narcohea 
I“  grösseren  Gaben  auch  für  die  niederen  Thiere  todtlich.  Uie 
f-msäure  tödtet  ilen  Blutegel  so  gut  wie  den  Menschen,  Opium, 
Yomica  scheint  fiist  für  alle  giftig  (mit  Ausnahme  des  \ o- 
ü'jls  Buceros  Bliinoceros,,  der  Yon  Krahenaugen  leben  soll). 

Die  einfachsten  Nahriingsstoflc  sind  aus  dem  Pflanzenreich: 

1.  Die  säiierliclien  Safte  Yieler  Pflanzen  und  Fruchte. 

, 2.  Das  Stiukmelil  [Amylnm)  in  den  Samen  der  Graser,  der 

‘idlscnfrüchte,  in  den  Rnollen  der  Kartoffeln,  m der  Sagopalme, 

Lichen  Island.  , , r.  i „i. 

_ 3.  Der  Schleim  {Mudlago)  in  Wurzeln  und  Samen  und  a 

^iimmi  (verschieden  Yom  tbieriseben  Schleim,  m Wasser  löslich). 

4.  Der  Zucker  im  Safte  vieler  Pflanzen,  auch  ihrer  Fruchte. 
6.  Das  fette  Pflanzenöl  in  Samen  und  eiiiigen  Wurzelknollem 
6.  Das  Pflanzenciwelss  {Allmmen)  in  der  Pflanzenmilch,  m 

'‘''r  Milch  des  Milchhaums,  in  cniulsiycn  Samen. 

7 Der  Kleber  ( G/'ft''«)}  meist  niitEiweiss  Yerhunden,  in  den 
^etreidearten  und  anderen  Samen,  auch  in  süssen  Fruchten. 

5.  Fuiigin  in  den  ScliAvammcn.  , ■ i 

Viele  andere  Stolfc,  Avie  weingeistige  und  aromatische,  sind 

'''«Lr  B.elzmittcl  der  Verdauungsorgane  als  Nahrungsmittel.  Un- 

''frdauhch  sind  die  Pflanzenfaser,  Ilm  ' 

Harze,  Farhstofl'e,  Extractivstofle , die  Haare,  Fedein,  Ilorii, 
^‘‘^tten,  Sciiuppen,  Insectcnschaleii  und  überhaupt  aller  Hornsloft.. 

Die  Hauptnahrungsstoffc  des  Thierrcichs  sind: 

..  1.  Gclatina  in  den  Sehnen,  Knoclien  Knorpeln,  m der 

?üssern  Haut,  dem  Zellgewebe  und  vorzüglich  in  sehr  jungen 
‘deren  (Eigenschaften  siehe  oben  p.  I-äU)' 

. 2.  EiwcIss  {Albumen)  vorzüglich  m den  Eiern  Gehirn  und 

'®rven  im  Blute  etc.  ( Eigcnsehafteii  s.  oben  p.  123.). 

3.  Faserstoff  {Fibrina)  im  Fleisch  und  Blut  der  Thiere  (Ei- 

S^Uschafteii  s.  oben  ii.  120.).  aok  m 1 

4.  Das  thierische  Oel  und  Fett  (Eigenseh.  s.  ^^ii  p.  125,  d 

' 5.  Derliäsestotr  in  der  Milcli  mit  ihieriscliem  Fett  (Fu  ^ v 

^Käse  (Eiffenschaflen  s.  imten  ini  S.  Buclie  bei  demAr^  ® 

Der  letzte  Zweck  der  Verdauung  ist  1.  die  rp^^nr. 

^trungj  weil  nur  Aufgelöstes  fähig  ist  zur  Aufuahm 


460  II.  Buck.  Organ,  ehern.  Processe.  IV.  Abschnitt.  Verdauung. 


hirencle  Gef'asse,  und  2.  eine  Reductlon  dieser  verschiedenen  Be- 
standtheile  in  das  einfachste  Material  der  thierischen  Processe, 
Eiweiss,  ivelches  sich  in  dem  verdauten  Speisesafte  theils  autgß' 
löst,  theils  in  Kügelchen  enthalten  zeigt.  Die  Verdauung  hat  als® 
zum  Wesen,  dass  sie  nicht  allein  die  Stoffe  auflöst,  sondern  das* 
sie  alle  eigenthümlichen  Qualitäten,  welche  den  organischen  Stof- 
fen von  ihren  Quellen  noch  zukommen,  tilgt,  dass  sie  die 
rungsstoffe  auflöst  und  alles  in  Eiweiss  verwandelt.  Hierzu  s'"'® 
ausser  der  mechanischen  Zertrümmerung  chemische  Einflüsse,  Vd’' 
dauungssäfte  nöthig.  Diejenigen  Substanzen  sind  nun  am  leicW' 
verdaulichsten  und  nahrhaftesten,  welche  am  löslichsten  und  hd 
welchen  die  Reduction  in  Eiweiss  am  leichtesten,  oder  welch® 
selbst  eiweisshaltig  sind;  und  so  ist  der  Dotter  als  eine  concen- 
trirte  Auflösung  von  Eiweiss  (mit  Dotteröl)  der  iVahrungsstoa 
selbst,  aus  welchem  der  Embryo  unmittelbar  assimilirt  und  de*" 
keiner  vorbereitenden  Verdauung  bedarf.  Alles  wird  aber  unvci"' 
daulich  seyn,  welches  wegen  seiner  unauflöslichen  Beschaffenbed 
(wie  Holzfasern,  Hülsen)  keinen  Nahrungsstoft'  abgeben  kann,  od®® 
selbst  eine  chemische  Qualität  geltend  macht,  welche  die  im  0*’' 
ganismus  von  der  organischen  Krall  im  Gleichgewicht  gehalten® 
Tendenz  der  Elemente,  binäre  Verbindungen  einzugeben,  entfesscB' 
Man  muss  übrigens  zwischen  leicht  verdaulichen  und  nährende'* 
Stoffen  unterscheiden.  Ein  Stoff  kann  durch  seine  leichte  A»f' 
lösllchkeit  in  einer  Hinsicht  leicht  verdaulich,  aber  doch  wc"'§ 
nährend  scyn,  weil  er  durch  seine  Zusammensetzung  Avenig®*’ 
leicht  in  Eiweiss  venvandclt  werden  kann.  Andere  Stoffe,  di® 
an  sich,  einmal  aufgelöst,  wohl  nährend  sind,  können  durch  fl'''*’ 
scliAvere  Auflöslichkeit  fiir  schwache  Verdauungskräfte  schW®'' 
verdaulich  seyn.  Zu  einer  guten  Nahrung  gehört  also  nicht  all®®* 
leichte  Auflöslichkeit,  sondern  auch  nährende  Beschaffenheit. 
entfernter  eine  Substanz  in  Hinsicht  ihrer  Zusammensetzung  ’'’^®** 
demEüveiss  ist,  um  so  iveniger  ist  sie  nährend,  und  um  so  g«’®*' 
sern  Aufwand  der  Verdauungskrällc  nimmt  sie  zu  ihrer  VerAvaud- 
lung  in  Anspruch. 

Käme  es  bei  der  Verdauung  bloss  auf  die  Auflösting  an 
enthielten  alle  Nahrungsstoffe  eine  gewisse  Menge  eines  und  de^' 
selben  Nutrimentes,  das  keiner  weitern  chemischen  Verändern®? 
bedarf,  so  könnte  die  Verdaulichkeit  darnach  bestimmt  Avei’d®®’ 
wie  leicht  ein  vStoff  auflöslich  ist,  Avie  viel  Nutriment  von  d®®* 
Darmkanal  aus  ihm  ausgezogen  werden  kann  und  wie  leicht  di®’** 
Ausziehung  des  Nutrimentes  aus  den  übrigen  Beimisebungen  i*.^' 
Dieser  unrichtige  Begriff  von  Nahrungsstoff  liegt  dem  Hippocrat'" 
sehen  Satz  zu  Grunde,  dass  es  A^erschiedene  Arten  der  Alirncnt®! 
aber  nur  ein  Alimentum  gebe.  Die  in  Eiweiss  zu  verwandelnd®** 
Stoffe  enthalten  aber  zum  Tbeil  kein  pr'äformirtes  Eiweiss  in  s*®  *’ 
wie  die  vegetabilischen  Nahrungsmittel.  Das  Alimentum  in  1®' 
nern  Hippocratischen  Sinne  entsteht  daher  erst  durch  die  V®*"' 
dauung,  indem  die  in  Hinsicht  ihrer  Zusammensetzung  von  d®*^ 
sEiweiss  verschiedenen  Nahrungsstoffe  erst  in  die  Zusammensetz»®» 
des  Alimentum  umgewandelt  Averden  müssen.  . , 

Auf  eine  wichtige  Unterscheidung  der  Nahrungsmittel  in  sti® 


1.  Von  der  Verdauung  im  Allgemeinen.  Nahrungsstoffe.  461 

stofFreiclie,  stIckstolFarme  und  stickstofflose  hat  Magendie  aufiMrk- 
sam  gemacht.  Physiol.  ec?.  2.  ?.2.  486.  Meckel’s  ^/•cAce.  3.  311.  ah 
rungsmittel,  weiche  wenig  oder  keinen  Stickstoff  entludten,  sind. 

'li«  zuckerhaltigen  und  säuerlichen  l'ruchtc,  d-e  Oele,  Fette,  d e 

l^utter,  die  schleimigen  Vegetahilien,  der  raff.mrte  /ucker,  d 0 

Stärke  das  Gummi,  der  Pflanzenschleim,  die  vegetahiUsche  Gal- 
Hierher  gehören  die  Getreidearten,  der  Reis,  die  Kai  toffel. 
Stickstoffhaltig  dagegen  sind  Pflanzeneiweiss  Kleber,  Fungin  der 
Sclnvämme  und  einige  in  verschiedenen  Püanzen  vorkommende, 
'^ein  Flelschextract  ähnliche  Stolle.  Sie  fanden  sieh  v rzugheh  in 
»leu  Samen  der  Gräser,  in  den  Stengeln  und  J^^^ttern  der  Gi^aser 

äiid  Kräuter.  Auch  die  Leguminosen  (Linsen  Erbsen,  Boh- 
nen), die  Mandeln,  die  Nüsse  gehören  hierhtn-.  Aus  t e^  1 «- 

'eiche  sind  zu  nennen:  die  Gelatma,  das  Eiweiss, 

^toff,  der  Käsestoff.  Ausser  dem  Fett  enthalten  die  mmsten 
thierischen  Theile  vorzüglich  mehr  oder  weniger  St'ckstofF.  E n 
Schriftsteller  haben  für  eine  Quelle  des  Stickstoffs  in  den  tlnui- 
''elien  Körpern  das  Athmen  aus  der  Atmosphäre  gehalten,  andeie 
luiben  aiXommen,  dass  sich  Stickstoff  in  Thieren  aiis  anderen 
Lleracnten  erzeuge.  Ilicrhel  stützte  man  sich  auf  das  Beispiel  dei 
Pflanzenfressenden  Thiere,  die  sich  von  stickstofflosen  oder  stick- 
«tolfarmen  Stoffen  nähren  sollen,  auf  das  Beispiel  der  Neger,  we  - 
ehe  Zge  Zeit  bloss  von  Zucker  sieh  nähren.  MAOE.mE  hemerkt 
hievge-vSi  dass  fast  alle  Vegetahilien,  von  denen  sich  riiicre  und 
^lenlchen  nähren,  mehr  oder  weniger  Stickstoff  enthalten,  dass 
fler  u,^^^  eüie  Zucker  ziemlich  viel  Stickstoff  enthalte  dass  die  Vol- 
ler, r sich  mR  Reis,  Mnis^  “nlmSSif  ^s^e 
flirtÜ^in.  virThRren  (ILinde.;)  aus  biosyn  stlekstofilosen 
MlUcdu  ^ie”raffinlrtcm  Zucker,  mit  dest.lUrtcm  Wasser,  gemacht. 

Bie  erste,,  7 — 8 Tage  waren  die  Thiere  munter,  frassen  und 
leanken  wie  gewöhnlich,  in  der  zweiten  Woche  jllg 

■‘Uniagern,  ohglcich  der  Appetit  immer  gut  war  und  t»öhch 
Bnzeri  Zucke?  verzehrt  wurden  Die  Abmagerimg  X- 

der  dritten  Woche,  die  Kiple  nahincn  p’  ^‘'p?^®^lekelte 
een  die  Munterkeit  und  den  Appetit.  ^"/Leser  Ze  I entwm^ 
«ich  auf  beiden  Augen  eine  Exulceration  eier  Lo,  J.i  mR  Ausü^^^ 

pr  Augenfeuchtigkeiten  - cin^  ~ ^ J 

«Olten  Versuchen  bestätigte.  Ufagleicn  um  n 

^—4  Unzen  Zucker  frassen,  so.AViuden  sie  doch  ppp 
Sol.  1 1 • » ii^iT»  llPAVpoiiiiff  u.ni lind  cicr  Tod 

erfolT^’  *34*' Turn  (Maif  muss  hierbei  erwägen,  dass 

Cfe%li™  allei;^!ltimglst  dien  so  lange  aushalten.)  Bei  der 
Seetion  fand  sich  alles  Fett  verzehrt  die  Muskeln  waren 
"o  Volumen  vermindert,  Magen  pd  »"^'^pind  sehr  zusp 
•«engezogen,  Gallenblase  und  Urmblap  ausgedehnt  pE'*^P 
pd  den  Urin,  wie  bei  den  Pflanzenfressern,  nicht 
dem  alcalisch,  aber  auch  ohne  Spur  von  Harnsaure  **  ., 

Pflaten.  Die  Galle  enthielt  viel  Picromel,  woran  im  Galle 
^erhivoren  reich  ist,  das  man  aber  seitdem  auc  J".  •.  . 

' on  Fleischfressern  entdeckt  hat.  Die  Excremente  e 


462  II.  Buch.  Organ,  ehern.  Processe.  IV.  Abschnift.  Verdauung. 


wenig  Stickstoff,  dessen  sie  sonst  viel  enthalten.  Um  auszumit- 
teln,  ob  diese  Wii’kungen  dem  Zucker  eigentliümlicli  sind,  od»' 
nur  von  seinem  Slickstoflhiangel  herrühreri,  fütterte  Magespi® 
Hunde  mit  Olivenöl  und  Wasser.  Wahrend  15  Tagen  befanden 
sie  sich  wohl.  Darauf  tr.aten  mit  Ausnahme  der  Ulceration  det 
Cornea  dieselben  Plianomene  wie  hoi  den  mit  Zucker  gefütterten 
ein,  und  der  Tod  erfolgte  am  36.  Tage.  Urin,  Galle' vcrliiclten 
sieh  gleichwie  in  den  vorhei-gehcnden  Versuchen.  Hunde  i»**' 
Gummi  gefüttert,  was  mit  anderen  Mitteln  zusammen  sehr  nahr- 
haft, aber  keinen  Slickstoff  enth'alt,  zeigen  dieselhen  Phänomene- 
Eine  blosse  Ahdirung  von  Butter  crtinig  ein  Hmul  sehr  wohl 
Tage  lang,  darauf  wurde  er  mager  und  schwach,  und  starb  am 
36.  Tage,  obgleich  er  am  32.  Tage  Fleisch  erhalten  hatte.  D»* 
eine  Auge  ulccrirte,  Urin  und  Galle  verhielten  sich  wie  in  den 
früheren  Versuchen.  Magendie  überzeugte  sicli  durch  andere  Ver- 
suche, dass  gleichwohl  Zucker,  Gummi  iind  Oel  verdaut  wurden 
und  Chylus  ]>ildeten,  dass  also  der  Cliylus  nur  keine  nährenden  £>' 
genschaften  liatle.  Diesen  Versuehen  kann  man  die  Bemerkiinn 
hinzufügen,  dass  in  Dänemark  Verurtheilung  zu  Brot  und  Was- 
ser auf  4 Wochen  mit  der  Todesstrafe  gleichgesetzt  wird,  iin^l 
dass  Stark’s  Versuche  an  sich  selbst  mit  Alonate  langer  Zucker- 
kost seinen  Toil  bewirkten,  nachdem  er  äusserst  schwach  und 
gedunsen,  rothe  Flecke  im  Gesicht  bekommen  liatte,  welclm 
drolitcn  in  Geschwüre  aufzubrechen.  Durch  diese  Versuche  Ind 
Magendie  auch  einiges  Licht  auf  die  Ursachen  und  die  Behand- 
lung der  Gicht  xmd  des  Harngriescs  geworfen.  Die  von  diesen 
Krankheiten  befallenen  Personen  sind  meist  wohllehcnde  Fleisch- 
esser; die  meisten  Harnsteine,  der  Harngries,  die  Gichtknoten 
und  der  Schweiss  der  Gichtischen  enthalten  Harnsäure,  eine  Sub- 
stanz, die  sehr  reich  an  Stickstoff  ist.  Durch  Verminderung  dm" 
stickstofl  haltigen  Nahrungsmittel  kann  man  daher  wohl  der  Gicld 
und  der  Bildung  des  IJarngrieses  zuvorkommen  und  sie  mit  Er- 
folg behandeln. 

Tiedemann  und  Gmelin  haben  Magendie’s  Versuche  besfätigh 
Sie  fütterten  verschiedene  Gänse,  die  eine  mit  Zucker,  die  an- 
dere mit  Gummi,  die  drille  mit  Stärke;  alle  erhielten  zW' 
gleich  W asser.  Die  Gänse  nahmen  hierbei  beständig  an  Gewidd 
ab.  Die  mit  Gummi  gefutterte  starb  den  16.,  die  mit  Zucker 
den  22.  und  die  mit  Stärke  den  24.,  eine  andere  den  27.  Tagi 
nachdem  sie  bis  7]  ihres  G.-wichts  verloren  hatten.  Indessen 
starb  eine  Gans,  die  mit  gekochtem  und  zerhacktem  Eiweiss  g«' 
füttert  wurde,  trotz  der  stickstoffreichen  Nahrung  und  des  App®' 
tits  der  Gans,  ausgehungert  am  [46.  Tage,  nachdem  sie  fast  ? 
des  Gewichts  verloren  hatte. 

Diese  Versuche  würden  wie  die  von  Magendie  sehr  bewc*' 
send  seyn,  wenn  man  bei  demselben  Thiere  mit  verschiedenen 
stickstofflosen  vSubstanzen  in  der  Nahrung  abgewechselt  hätte- 
Denn  da,  wie  sich  auch  .aus  den  folgenden  Versuchen  von  Magendi® 
ergiebt,  das  unausgesetzte  Darreichen  einer  stickstoffhaltigen  Sub- 
stanz ohne  Abwechselung  mit  anderen  stickstoffhaltigen  Mitteln 
die  Thiere  in  manchen  Fällen  auch  nicht  erhalten  hat,  so  sind 


1.  Von  der  Verdauung  tm  Allgemeinen.  Nahrungsstoffe.  463 

Jcur  Versuclie  noch  nicht  ganz  conchisiv.  Vergl.  Londe,  Fko- 
“'sr’s  Not.  B.  13.  Nr.  10. 

TJeher  die  Fähigkeit  verschiedener  Substanzen,  zu  nähren,  hat 
‘^J^-'GENDiE  noch  l'olgende  Versuche  angestcllt:  1.  Ein  Hund,  wel- 
clier  Wcisshrot,  Weitzen  und  W'asser  zur  Nahrung  erhielt,  lebte 
über  50  Tage.  2.  Ein  anderer  Hund,  der  dagegen  bloss 
^f'furnisshrot  bekam,  erhielt  seine  Gesundheit  sehr  wohl.  3.  Ra- 
"'"chen  und  Meerschweinchen  mit  einer  von  lolgenden  Suhstan- 
Weitzen,  Haler,  Gerste,  Kohl,  gelbe  Rüben,  gefüttert,  star- 
1*^*'  mit  vollkornniener  Inanition  nach  15  Tagen  ah.  Mit  densel- 
Substanzen  zugleich  oder’  nach  einander  gefüttert,  lebten  sie 
ohne  Nachtheil.  4.  Ein  Esel,  der  mit  trocknem  und  spater 
gekochtem  lleis  gefüttert  -^vurde , lebte  nur  15  Tage.  Ein 
*^hn  dagegen  lebte  von  gekochtem  Reis,  ohne  Nachtheil,  mch- 
Monate.  5.  Hunde,  bloss  mit  Käse  oder  bloss  mit  harten 
■^'ern  gefüttert,  lebten  lange,  aber  sie  wurden  schwach  und  ma- 
vei  loi'en  die  Haare.  6.  Muskelfleisch  vertragen  die  Nagethiere 
lange.  7.  Wenn  man  ein  Thier  eine  Zeit  lang  mit  einer 
^^hrung  füttert,  von  der  allein  es  zuletzt  umkoramen  müsste,  so 
^''d.  es  durch  Herstellung  seiner  gewöhnlichen  Nahrung  nicht 
'^elir  gerettet.  Das  Thier  frisst  zwar  mit  Begierde,  doch  sein 
erfolgt  zur  seihen  Zelt,  als  wenn  es  mit  der  ersten  Nahrung 
*;gefüttert  vvorden  wäre.  Nach  Allem  diesem  scheint  die  Ver- 
^^'dedenhclt  und  Mannigfaltigkeit  der  Nahrungsmittel  eine  Haupt- 
'■'Sel  zur  Erhaltung  der  Gesundheit  zu  seyn. 

a Frout  reducirt  alle  Nahrungsmittel  der  höheren  Thlerc  aiM 
r,,J*-lassen:  Saccharina  (Zucker,  Stärke,  Gummi  u.  s.  w.), 
^'®osa  (Ocl  und  Fett),  Alhuminosa  (animalische  Materien  und 
^Sctahilischer  Gluten).  Das  Folgende  enthält  einen  Auszug  der 
*'ä>chten  von  Paoux,  welchen  Elliotson  in  seiner  Uehersetzung 
p*'*ßi-UMEKBACH’s  Pliysiologic  aus  einem  ungedruckten  Werke  von 
I "öui  über  die  Verdauung,  und  daraus  H.  Mayo  in  Outlines  of 
physiology.  3.  cd.  London  1833.  pag.  152,  mitgethcllt  haben, 
f >, Durch  die  Beobachtung,  dass  die  Milch  als  der  einzige  Stoff,  der 

gebildet  und  von  der  Natur  als  Nahrung  bestimmt,  im  We- 
h'ätlichen  aus  drei  Substanzen  zusammengesetzt  ist,  nämlich  aus 
^'ckerstüff,  Oclstoff  und  Käsestoff  oder  einer  dem  Eiweiss  ver- 
j '*ödten  Materie,  wiu  d ich  nach  und  nach  zu  dem  Schluss  veran- 
dass  alle  Nahrungsstoffc  bei  dem  Menschen  und  den  höheren 
j 'öoren  auf  diese  drei  allgemeinen  Quellen  reducirt  werden  könn- 
Desshalb  beschloss  ich,  sie  zuerst  einer  strengen  Prüfung  zu 
4^‘®^Yerfen  und  wo  möglich  ihre  allgemeinen  Beziehungen  und 
.^logieen  zu  erforschen.  Die  charactcristische  Eigenthümlich- 




Von  zuckerhaltigen  Körpern  besteht  darin,  dass  sie  einfach  aus 
i,,'*  (‘enstoff  mit  Sauerstoff  und  Wasserstoff  in  dem  Verhaltniss,  wor- 
j^^hese  Wasser  bilden,  zusammengesetzt  sind;  die  Proportionen  von 
jj.'^'den Stoff  wechseln  in  verschiedenen  Beispielen  von  ungefähr  3U 
^ 50  proc.  Die  beiden  anderen  Klassen  bestehen  aus  »'■'isam^ 
bji^o^setzlen  Basen  (wovon  der  Kohlenstoff  den  Hauptbestandtbcil 
p ^ gleichfalls  gemischt  und  modificirt  mit  Wasser. 

''hon  von  Kohlenstoff  in  ölhaltigen  Körpern,  die  in  dieser  B.ück- 


464  II.  Buch.  Organ.  chem.Processe.  IV.  Abschnitt.  Verdauung. 

sicht  die  oLerste  Stelle  einnelimen,  schwankt  von  ungefähr 
80  Proc.;  desshalb  können  die  Oele,  wenn  man  den  Rohlensto 
als  Maass  der  Ernahrungsfähigkeit  betrachtet,  was  in  gewiss® 
Hinsicht  auch  gethan  werden  kann , im  Allgemeinen  als  die  Ria**® 
der  nährendsten  Rörper  betrachtet  Averden.  Der  allgeineia^ 
Schluss  A'on  dem  Ganzen  ist,  dass  Rörper,  die  von  Natur  Avenig® 
als  30  oder  mehr  als  80  Proc.  Rohle  enthalten,  nicht  gut  ** 
alleinige  Nahrung  passen.  _ . 

Es  ist  noch  übrig,  zu  erforschen,  ob  Thiere  von  einer  eini^* 
gen  dieser  Rlassen  ausschliesslich  leben  können;  aber  bis 
sind  die  Versuche  durchaus  gegen  diese  Annahme,  und  die  ai' 
nehinlichste  Ansicht  ist,  dass  eine  Mischung,  zum  wenigsten  a'*’ 
2 Rlassen  dieser  Nahrungsstoffe,  wo  nicht  aus  allen  dreien,  da* 
nothwendig  ist.  Milch  ist  demnach,  wie  bewiesen  wurde, 
solche  Zusammensetzung,  und  zumeist  alle  Graser  und  Rraut®’^! 
die  für  die  Thiere  zum  Futter  dienen,  enthalten  Avenigstens 
von  jenen  drei  Stoffen.  Dasselbe  ist  ausgemacht  von  animalisd'®' 
Nahrungsmitteln,  welche  zum  wenigsten  aus  Eisveiss  und  Oel 
stehen;  kurz,  es  ist  AÜelleicht  unmöglich,  eine  Substanz  nanili'^ 
zu  machen,  die  von  höheren  Thieren  zur  Nahrung  benutzt  aT'I  ' 
welche  nicht  Avesentlich  eine  natürliche  Compositlon  A’on  wen'B 
steiis  ZAA'cien,  avo  nicht  von  allen  dreien,  der  obigen  drei  gi’os*® 
Rlassen  von  Nahrungsstolfen  darstellt. 

Aber  in  der  künstlichen  Nahrung  des  Menschen  sehen 
diess  wlehtige  Prlncip  A'on  Mischung  .am  strengsten  erwiesen. 
nicht  mit  den  Productionen,  die  die  Natur  freiwillig  sehafft, 
begnügend,  sucht  aus  jeder  Quelle  und  bildet  durch  die 
seines  Verstandes  oder  vielmehr  seines  Triebes  auf  jede  mögli®'.^ 
Weise  und  mit  jeder  Erkünstelung  dieselbe  wichtige  Nahrungsö’j^ 
schung.  Diess  ist,  mit  aller  seiner  Rochkunst,  wie  Avenig  er  a®®^ 
es  zu  glauben  geneigt  seyn  mag,  der  einzige  Endzweck  seiö 
Arbeit,  und  je  mehr  seine  Erfolge  sich  dem  nähern,  um  so  na'*, 
kommen  sie  der  Vollendung.  So  hat  schon  in  den  frühesten 
teil  der  Trieb  ihn  gelehrt,  Oel  oder  Butter  zu  mehligen  Substa*' 
zen  zu  mischen,  AAÜe  zum  Brot  und  zu  denen,  welchen  von  ^ 
dieser  Stoff  mangelte.  Derselbe  Naturtrieb  hat  ihn  gelehrt,  Thi®  ^ 
zu  mästen,  um  sich  ölhaltige  Substanzen  mit  Eiweiss  verbunö 
zu  verschaffen,  AA'elche  Verbindung  er  endlich  meist  zugleich 
zuckerhaltigen  Stoffen  in  Form  von  Brot  oder  Vegetabilien  S 
niesst.  Sogar  in  seinem  ausgewähltesten  Luxus  und  in  seinen  a 
genehmsten  Leckerbissen  ist  dasselbe  wichtige  Princip  ini 
behalten,  und  sein  Zucker  und  Rraftmebl,  seine  Eier  und  ^ 
in  all  ihren  verschiedenen  Formen  und  Verbindungen,  sind  ni® 
mehr  und  nichts  weniger  als  versteckte  Nachahmungen  des 
nabrungstypus,  der  Milch,  wie  sie  ihm  von  der  Natur  geh®’ 
wird.  “ -jj 

Die  Empfindungen  des  Appetits  und  der  Sättigung  sind  tu 
selbst  Geschmack,  theils  dem  Geschmack  analoge  EmpfindyaSf^^ 
gleichwie  die  Empfindungen , welche  Speisen  in  der 
keit  erregen.  Die  Empfindung  des  Appetits  wird  erhöht  im 
ter  und  Frühling,  durch  kalte  Bäder,  durch  Friction  der  I ® 


1.  Von  der  Verdauung  im  Allgemeinen.  Hunger.  465 

Unterleibes  und  dessen  Erschütterung  beim  Reiten,  so  -wie 
^irch  Anstrengung.  i i ■ r 

Die  Verdauung  erregt  ])ei  Gesunden  ein  wobltbätiges  <je- 
*tieingefülil  mit  Wärmeempfindung  verbunden;  diese  Gefühle  er- 
^‘»■ecken  sich  aber  nicht  bloss  auf  die  Verdauungsorgane  allein, 
“®ren  Hauptsensationsnerve  der  Nervus  vagus  ist,  sondern  auch 
M fast  alle  übrigen  Theile;  daher  es  wahrscheinlich  ist,  dass  die 
^’‘*‘egunff  der  sympathischen  Nerven,  die,  wie  spater  bewiesen 
^‘rd,  eine  grosse  Communicatioiisfahigkeit  ihrer  Zustände  haben, 

*‘®ran  Antheil  habe.  , vr  i 

Mangel  der  Verdauungskraft  ist  ein  Zustand  der  Verdaimngs- 
^gane,  wo  sie  theils  nicht  die  zur  Auflösung  bestimmten  t lussig- 
,®>ten  absondern,  theils  in  einem  Zustande  von  Reizbarkeit  oder 
^tonie  sind  und  durch  die  Nahrungsstoffe  mehr  mecbaniscli  zu 
Unangenehmen  Empfindungen  und  unangemessenen  Rewegungen 
?^^icirt  werdep.  Die  örtlichen  unangenehmen  Empfindungen  i er 
p®i'dauungswege  scheinen  vorzugsweise  in  dem  Nerv,  vagus  ihren 
‘''ff*  zu  haben,  dessen  stärkere  Reizungen  wenigstens  schon  in 
Speiseröhre  und  im  Schlunde  dieselben  Empfindimgen  von 
^•'^el,  wie  die  Reizung  des  Magens  selbst,  welche  dem  Erbrechen 
'.Ofliergeht,  bewirken.  Allein  die  Veränderung  in  der  Stimmung 
f * gesaminten  Nervensystems  ist  in  diesen  Fällen  eben  so  au  - 
j'''lend  und  scheint  auch  hier  von  dem  Nervus  sympathicus  ah- 

ZU.  sevn.  ,j  » • 

..  Bei  den  Phänomenen  des  Hungers  und  Durstes  sind  heiderlei, 
“'■ffiche  und  allgemeine,  Empfindungen  vorhanden,  allem  die  wei- 
‘**■611  Erscheinungen  werden  später  noch  unmittelbar  aus  dem 
“''soluten  Mangel_an  Nalirungsstoft'mi  und 


nuien  man^ei  an  . i i V i 

W Die  ersten  Phänomene  des  Durstes  sind  Trockenheit  der 
^age,  welche  am  meisten  verdünsten  (der  Luftwege),  später 
ieber,  Entzündung  der  Luftwege. 

^ Was  man  indessen  Durst  nennt,  ist  zuweilen  mehr  ein 
"effiirfniss  nach  Abkühlung  durch  kühle  Getränke,  wie  hei 
in  Fiebern  durch  vermehrte  Wärme  und  durch  ver- 
?'nderten  Turgor  bewirkten,  trocknen,  heissen  Zustande  der 
^^ftwege,  des  Mundes  und  der  Haut.  Die  Ausdünstung  ist  hier 
elier  vermindert  und  die  Trockenheit  entstellt  dadurch,  dass, 
^nngleicliBlut  in  die  Capillargefässe  fliesst,  che  Wec  isehvirkung 

Jffischen  Blut  und  den  von  der  organisirenden  Rraft  ^lebten  Thei- 
Was  man  Turgor  oUalis  nennt,  vermindert  ist.  Ohne  dass  die 
^«i-meprodiiction  in  den  inneren  Theilen  vermehrt  zu  seyn  braucht, 
'»'.scheint  die  Haut  heisser,  weil  die  Ausdünstung  fehlt  und  die 
^ff  dem  Unborgang  der  tropfbaren  Flüssigkeit  m den  gasformi- 
Zustand  verbundene  Abkühlung  wegfällt.  . ^ , 

1 Die  letzten  Folgen  des  unbefriedigten  Durstes  sind:  ein  fieher- 
Ufter  Zustand,  der  von  dem  eines  nervösen  Fiebers  nicht  verscUie- 
scheint  und  mit  Entzündung  der  Luftwege  verbunden  ist. 
j.  Die  örtlichen  Empfindungen  des  Hungers,  welche  sicii  aut 
i'^  Verdauungswege  beschränken  und  im  N.  vagus  ihren  i z zu 
.'*^en  scheinen,  sind  Gefühle  von  Druck,  Bewegung,  Zusammen- 
^•ehung,  von  Uebelkeit  mit  Rollern,  später  Schmerzen.  Als 


466  II.  Buch.  Organ,  ehern.  Processe.  IV.  Abschnitt.  Verdauung. 

Ursaclie  dieser  Empfindungen  hat  man  den  Speichel,  die 
eine  Reihung  der  Mageiiwände,  den  scharfen  Magensaft  angesclid'' 
Dumas  erklärt  den  Hunger  daraus,  dass  die  einsaugenden  Gefä**® 
des  Darms  sich  gegen  die  Magen-  und  Darmwändc  selbst  wendet' 

An  alles  diess  ist  wohl  nicht  zu  denken.  Die  Nahrungsind' 
tel  sind  adäquate  oder  homogene  Reizmittel  der  Vcrdauungsoi'' 
gane;  wenn  diese  fehlen,  liringcn  die  Nerven  den  Zustand  de* 
Organes  zum  Bcwusslseyn.  Die  örtlichen  Empfindungen  des  H'"'' 
gers,  wie  des  Appetites  und  der  Sättigung,  können  nach  d<^*^ 
Durchschneidung  des  N.  vagus  vielleicht  fehlen,  wie  BaACM^^  | 
{.Re.cherch.  sur  les  jonct,  da  syst.  gangUonaire.  Paris  1830.) 
Yersuchen  schliesst,  die  Empfindung  des  Hungers  wird  dui’*^'' 
Veränderung  der  Nerven  des  Magens,  vermöge  der  Ingesta,  durC'* 
stärkere  Empfindungen  und  Thätigkelten,  die  das  Sensoriniu  •*' 
Leidenschaften,  Meditationen  beschäftigen,  durch  die  Aenderiif^ 
des  Sensorlum  seihst  von  Opium  etc.  aufgehoben.  Darum 
häufige  Erscheinung  des  Fastens  hei  Irren,  weil  sie  durch  di» 
Alteration  des  Sensoriums  vielleicht  die  örtliche  Sensation  des  Ha'*' 
gers,  die  uns  zur  Nahrung  mahnt,  nicht  haben.  Nur  die  all?»' 
meinen  Folgen  des  Fastens  sind  unter  ungleichen  Zuständen  d»’ 
Verdauungsorgane  meist  gleich. 

Dahin  gcliören  die  Empfuidungen  von  allgemeiner  Hinfälh?' 
kelt,  die  wirklich  immer  mehr  zunehmende  Kraftlosigkeit,  Ahm»' 
gerung,  Fieber,  Irrereden,  die  heftigsten  Leidcnschatien  ahwech' 
selnd  mit  tiefster  Niedergeschlagenheit.  Die  Wärme  soll  um 
rere  Grade  sinken,  dem  von  CunniE  {IVirkungen  des  kalten 
warmen  PV assers  p.  267.)  hei  einem  von  Verschliessung  des  SchUm' 
des  Hungernden  widersprochen  wird.  Der  Athem  vvird  stinken»’ 
der  Harn  scharf  und  feurig,  die  Ljmpligcfässe  werden  nach  M*' 
GENDiE  und  CouLARD  blutig.  Dcr  Inhalt  dieser  Gefässe  soll  in  d»*^ 
ersten  Zeit  des  Fastens  grösser  sevn  (?),  später  immer  gering»^ 
auch  die  Lymphgefässe  des  Darms  sollen  indess  gegen  die  ni'd' 
lere  Zeit  der  Abstinenz  noch  etwas  weniges  Lymphe  führt'»' 
CoLEARD  DE  Martigsy.  Zusammcnziehung  des  Magens  ti'ij 
ein.  Die  Absonderungen  hören  . auf,  obgleich  hei  angef»»'^ 
ter  Gallenblase  doch  auch  immer  nochäiGalle  in  den  Darm  ili»*'' 

(ln  den  Magen  fliesst  sie  nach  MagehDie  n icht).  Der  Schl»)'^ 
der  Schleimhäute  vermindert  sich  wie  alle  der  Resorption  fähi?» 
Substanzen.  Eiter  der  Wunden,  Milch,  Speichel,  Gift  der  Schl»»' 
gen  werden  nicht  mehr  abgesondert.  Der  Urin  enthält  no» 
Harnstoff,  wie  Lass'aigse  (Journ.  de  chini,  med.  1825.  aer.)  hei  »*' 


nem  Irren  nach  einem  Hungern  von  18  Tagen  fand;  die  Harnw'* 
sind  nicht  notliwendig  entzündet,  die  Schleimhäute  blass.  ^»5,. 
CoEi.ARD  BE  Martigsy  A'ormlndert  sich  während  des  Hungers 
rehative  Quantität  der  Fibrine  im  Blute,  während  die  rclato 
Quantität  der  festen  Theile  der  Blutkörperchen  steigt.  IMagei*»' 
Journ.  de  Physiol.  7)  8.  p.  171.  Nach  dem  Tode  erscheint  d»‘ 
Magen  sehr  znsammengezogen. 

Aus  den  über  die  Lebensdauer  der  Thlere  und  des  Mensebe^^ 
angestellten  Versuchen  geht  hervor,  dass  warmblütige  Thiere  »»^ 
wenigsten  ausdauern.  Niedere  Thiere  mit  harten  Schalen  h»” 


2.  Von  den  Verdauungsorganen, 


467 


gern  ausserorclcntlicli  lange,  wie  icli  aus  Lrlefllchen  Mittheilnngen 
die  Booljaclitung  habe,  dass  ein  afrlcanlscher  Scorpion  auf 
einer  Reise  nacdi  Holland  und  dort  in  den  Händen  des  Dr.  He- 
noch  neun  Monate  ohne  etwas  zu  fressen  erhalten  wurde. 
^UDoLPni  erhielt  einen  Proteus  anguiuiis  5,  Zoys  10  Jahre  lang  in 
frneuertem  Brunnenwasser.  Auch  Wassersalamander,  Schildkröten 
"'i<l  Goldfische  kann  man  Jahre  lang  ohne  Nahrung  erhalten.  Von 
^lilancen  ist  es  hekannt,  dass  sie  oft  halbe  Jahre  lang  hunprn. 
^ogel  lehtcii  in  Rf.di's  Versuchen  5 bis  28  Tage;  cm  Se^ehund 
»Usser  Wasser  und  ohne  Nahrung  4 Wochen,  Hunde  25  bis  36 
|’»ge  ohne  Speise  und  Trank.  Menschen  ertragen  Hunger  und 
^urst  in  der  Regel  nicht  länger  als  eine  Woche,  den  blossen  I]frn- 
8'ä-  viel  länger,  in  Krankheiten  noch  länger,  besonders  Irre.  IVlo- 
“'ite  oder,  wohl  gar  Jahre  langes  Fasten  gehört,  wie  RuDOLPnr 
Recht  bemerkt,  zum  Betrug. 


II.  Capitel.  Von  den  Yerdauungsorganen. 

a.  D ai'mkaiial  im  Allgemeinen. 

, Es  seheint  ein  allgemeiner  Character  der  Thiere  zu  seyn, 
sie  eine  innere  Hohle  zur  Verwandlung  der  Nahrungsstolle, 
Verdauung  besitzen.  Diese  Höhle  wird  Darm  genannt,  we  - 
in  den  inehrsten  Fällen  schlauchförmig,  und  an  seinenr  obern 
^4  an  seinem  untern  Ende  geöffnet  ist,  zuweilen  jedoch  nur 
Mundöffnung  besitzt,  indem  die  Reste  der  Nahiungsstofe 
Sch  dieselbe  (ieflnung  ausgeworfen  werden,  durch  welche  sie 
''•'hlrin-en.  Ueher  Agastriea  s.  Meven  ac/.  na/.  r«r.  l.Wl.  ^oppl. 
, Bei  den  Infusorien  gieht  es  nach  Eubenbf.eo’s  grossen  Ent- 
lackungen nicht  nur  durchgängig  einen  mit  Wimpern  umgebenen 
^'Aäd,  sondern  Ehresberg  hat  auch  durch  Fültcrung  mit  larbi- 
Stoffen  die  Form  der  Vcrdauungsorganc  dieser  Thicre  er- 
"“Iteln,  und  die  Eintheilung  der  Hauptgruppen  dieser  Thierklas- 
auf  den  Bau  der  Verdauungsorgaiie  griinden  können.  8ie 
"*d  theils  darrnlose,  mit  mehreren  dem  Munde  «''Se'umgten  Ma- 
versehene  Thicre,  denen  eigentlicher  Darm  und  Aller  fehlt 
y die  Monaden  u.  a.;  theils  mit  einem  vollständigen  Darm  und 


hlit 


Der  Darm  ist  mit  vielen 


1,7  Mund  und  After  ausgestattete.  , • , , , i , • 

i‘'‘'ddarmförmigen,  gestielten  Magen  besetzt,  und  ist  bald  kreis- 
:>ig  ,,um  Munde  zurückkehrend,  wo  dann  After  und  Mund 
einander  an  dem  gewimperten  Umfange  des  oberen  Endes 
befinden,  wie  bei  den  Vorticellen ; theils  gegenmundig,  indem 
und  After  sich  an  entgegengesetzten  Enden  befinden;  theils 

i^cliselmündig , indem  entweder  Mund  oder  After  am  Ende  des 
sind;  ihcils  Ijauclimundlg , indem  sich  beide  Oefinungen 
A Ö^AUche  befinden.  Bei  einem  Infusorium  mit  Darmkanal,  r-o- 
cucuUulus,  sind  von  Ehrejsbeug  nun  auch  bereits  Zähne  am 
diindkopf  entdeckt  worden.  , p.. 

j Uie  Räderthiere,  welche  durch  die  mitWimpern  bese  z en  a- 
‘■''cgane  am  Kopfe  einen  Strudel  im  Wasser  erregen,  besitzen 


468  II.  Buch.  Organ,  ehern.  Processe.  IV.  Abschnitt.  Verdauung. 


einen  einfachen,  vom  Munde  zum  After  gehenden  Darm,  der  s® ' 
ten  mit  Blinddärmen  besetzt  ist,  und  sind  zum  Tlieil  mit  einei® 
von  Ebbekberg  entdeckten  Zahnsystem  versehen.  Die  meiste'* 
sind  am  Anfänge  des  Darms  mit  zwei  drüsenartigen  Rörpe®’’ 
versehen.  Ehrekberg.  Physikal.  Ahhandl.  der  Königl.  Akademie  dt 
TVissenschaften  zu  Berlin  1830  und  1831. 

Bei  den  Acalephen  oder  Quallen  fehlt  der  After  mit  dem  Da*’*^’ 
es  werden  die  NahrungsstolFe  entweder  durch  den  Mund  i" 
Magen  aufgenommen,  der  sich  gefässartig  im  Innern  des  Tl'i®’®* 
verzweigt,  wie  hei  den  Medus«i;  oder  die  Nahrungsstoffe  gel»"' 
gen  durch  Saugröhren  der  Fangarme  in  den  centralen  Mag®f' 
wie  bei  den  Rliizostomen ; oder  die  Nahrungsstoffe  scheinen  ’’’ 
einigen  Fällen  durch  Saugröhren  aufgenommen,  ohne  Magenhö'*' 
durch  gefässartig  verzweigte  Verdauungskanäle  verbreitet  zu 
den,  Avie  hei  den  Berenicen  und  anderen.  Auch  in  den  FäUf’’ 
wo  sich  ein  Magen  vorfindet,  gehen  von  diesem  gefässart'S*' 
Zweige  aus,  im  Innern  des  Thieres  sich  verbreitend.  Bei 
Polypen,  welche  theils  frei,  theils  festgeheftet  sind,  und  ll'®’* 
wieder  einfach,  theils  auf  einem  Poljpenstock  vereinigt  leb®"’ 
sind  die  Verdauungsorga  ne  bald  einfach,  und  aus  einem  hlind®” 
sackförmigen  Magen  bestehend,  wie  hei  den  Actinien,  Fung'"®''’ 
Madreporinen,  Tuhiporlncn,  Corallinen,  Pennatulinen,  Alcyoni"®'’’ 
Milleporinen,  Sertularien,  Ilydrinen;  bald  aus  einem  kurzen  Da rnik'*' 
nal  gebildet,  dessen  After  sich  neben  dem  Munde  öffnet,  Avie  hei  d®!' 
Alcyonellinen.  Siehe  Hemprich  et  Ehrenberg  Ay/nÄo/ae  physicae. 
malia  vertebrata  et  evertebrata  exclusis  insectis  perceiisuit 
BeroUnilSSi.  Vergl.  Meyen,  Isisi8‘2S.  N.  act.  nat.  cur.  T.XVI.  Suff' 

Bei  den  EingCAVcidcAvürmern  ist  der  Bau  der  Verdauungs®^ 
gane  ungemein  verschieden.  Bei  den  BlasenAvürmern  scheint  d‘ 
hlasenförmige  Körperhöhle  die  Verdauungsorgane  zu  vertret®'’’ 
So  scheint  es  wenigstens  heim  Cysticercus  undCoenunis  zu  sef’ 
Bei  den  Bandwürmern,  Cestoidea  ist  der  Darm  nach  Mehlis 


Bei  den  Tre«*®' 


il 

11- 

'®!' 

lä'i 


fach  beginnend  und  sehr  bald  gahelig  getheilt. 
toden  oder  Saugwürmern  fehlt  der  After,  und  der  Darinka"jl' 
ist  gefässartig  verzweigt,  obgleich  hei  den  Trematoden,  Avie  * 
bei  Distoma,  noch  ein  ZAveites  Gefässsystem  vorhanden  ist, 
ches  am  hintern  Ende  ausmündet,  und  welches  vielleicht 
den  feinsten  Zweigen  des  Darmkanals  in  Verbindung  steht. 

Lis  de  distomate  hepatico  et  lanceolato.  GöUingae  1825. 
distfuis,  anatom.  de  amphistorno  conico.  Gryphiae  1830.  Bei 
HakenAVÜrmern , Acanthocephala,  fehlt  der  After  und  der 
schenklige  Darm  endet  blind.  Die  Nematoidea,  BundAVÜrr**® J 
besitzen  einen  schlauchförmigen  Darm  mit  entgegengesetztem 
und  After.  Bei  den  der  Gruppe  der  EingeweideAVÜrmer, 
lieh  den  Trematoden,  so  verwandten  weisssaftigen  Würmern 
süssen  und  salzigen  Wassers  (Planaria,  Prostoma,  Derostoma  n-  •' 
zeigen  sich  auch  vrieder  auffallende  systematische  Unterschie  ' 
indem  Mund  und  After  bei  Prostoma  und  Derostoma  vorhandc  ' 
und  der  Darm  einfach  ist,  während  die  Planarien  einen  verzAV®’»^ 
ten  Darm  (Mund  an  der  untern  Fläche  des  Körpers)  ohne  d®'® 
liehen  After  besitzen.  Ehrenberg  symb.  phys. 


2.  Von  den  Verdauungsorganen. 


469 


Bei  den  Radiarlen  ist  der  Darm  zuweilen  vollständig  mit 
'^lund  und  After,  wie  Bei  den  Holotlnirien  und  Seeigeln,  indem 
Mund  und  After  Bei  den  ersteren  an  den  entgegengesetzten 
^nden-  Bei  den  Seeigeln  der  Mund  in  der  Mitte  der  unteren 
^'läcBe’  der  Alter  Bald  am  ScBeitel,  Wie  Bei  Ecliinus,  Bald  am 
^aude wie  Bei  Snatangus,  Befinden.  Bei  den  Asteriden  oder  See- 
sternen felilen  dagegen  der  After  und  Darm,  und  ietzlcrer  ist  durcB 
^'•nddarniförmige  AiiBänge  des  Magens  ersetzt,  waBrend  Bei  den 
flaarsternen,  Crinoidea,  der  Darm  und  After  wieder  vorBanden 
^'ud,  wie  Bei  den  Comatulcn,  wo  der  After  mit  dem  Munde  auf 
‘^er  untern  FläcBe  des  Körpers  liegt. 

Der  Darmkaiial  der  Anniilarien,  Crustaceen,  Spinnen  und  In- 
letten ist  immer  vollständig  mit  entgegengesetztem  Mund  und  At- 
ter; in  seiner  Organisation  Bietet  er  selir  viele  Manmgfaltigteiten 
^iir.  Wir  fuBren  Bier  nur  als  liesonders  merkwürdig  aut:  die 
-virie  der  ungemein  kurze  Darm  Bei  den  l’Balangicn  durcB 
l^'inddarmförmige'  Auswüchse  vergrössert  wird,  das  Zalmgerust 
dem  Magen  der  KreBse  und  mehrerer  Insecten  (OrtBoptera), 
’^nd  die  Zusammensetzung  des  Magens  Bei  einigen  tlciscBfressen- 
"lan  Insecten.  Im  Allgemeinen  Besteht  der  Darmkanal  der  Insec- 
tetv  aus  der  Speiseröhre,  aus  dem  Saugmagen,  der  jedoch  nur 
adligen  der  Hymenopteren,  den  Schmetterlingen  und  Zweiflüglern 
*'ikommt  dem  Muskelmagen  im  Innern  mit  Zähnen  oder  Horn- 
^®isten  Besetzt,  welcher  den  tleischfressenden  Käfern  und  den  mei- 
nen Ortlioptcren  zukommt;  dem  Chylus  bildenden  TBeil  des 
J^arms  Bis  zui-  Insertion  der  Malpigliischen  oder  sogenannten 
t^allengefässe,  und  dem  Afterdarra  von  der  Insertion  ]ener  Ge- 

*^assc  Bis  zum  After.  . , , -i  r i i 

Bei  den  WirBeltBieren  zeigt  sich  der  Magen  gewolmlich  als 

einfache  Erweiterung  des  Darms.  Die  Länge  des  Darms, 
Bei  den  Fischen  gewöhnlich  kurz  ist,  wird  zuweilen  durch 
^orsprünoe  der  Schleimhaut  compensirt,  indem  z.  B.  Bei  den  Bo- 
'^en  und  HaifiscBcn  die  innere  Wand  des  Darms  eine  spiralför- 
Klappe  vom  Magen  Bis  zum  After  Bildet.  Der  Atter  liegt 
®ei  den  Fischen  meist  vor  der  Harn-  und  Geschlechtsmündung. 

Der  Magen  der  Vögel  zeigt  eine  Zusammensetzung,  welche 
®^an  Bei  deii'^Fischen  und  AmpiilBien  noch  nicht  vorfindet.  Aus- 
^««'dem  dass  der  Kropt  als  sackförmiger  Anhang  der  Speiseröhre 
ziemlich  allgemeines  Organ  unter  den  Vögeln,  zur  vorläufigen 
^fM'eichun"  der  Nahrungsmittel  Bestimmt,  vorkomint,  und  nur 
den  Kletlervögeln , Sumpf-  und  Wasservögcln , den  Insecten 
‘•■essenden  und  straussartigen  Vögeln  fehlt,  zerfällt  der  Magen 
®®d)st  in  zwei  TBeile:  in\len  sogenannten  Vormagen  oder  Dru- 
^•'magen  (Proventriculus),  eine  Erweiterung  der  Cardia,  deren 
^ände  zwischen  Schleimhaut  und  Muskelhaut  mit  einer  ganzen 
ehicht  von  gesonderten  Drüscns'äckchen  Besetzt  sind,  un^  m 
Muskelmagen,  wclclier  uninittelBar  auf  den  erstem  to  gt. 
‘‘•'i  den  tleischfressenden  Vögeln  sind  die  Wände  des  Muskefina- 
^^•'s  dünner,  sehr  stark  dagegen  hei  den  Pflanzenfressern,  wo 
Muskelschicht  zwei  ungeheure  muskulöse  Schalen  Bildet,  die 
der  innern  Fläche  der  Schleimhaut  mit  einer  schwieligen. 


470  II.  Buch.  Organ,  ehern.  Processe.  IV.  Abschnitt.  Verdauung. 


tlicken  ScTiiclit  des  Epithellums  Ledeckt  sind.  Der  Dickdarn’; 
kurz  und  eng,  besitzt  an  seinem  Anfänge  zwei  Blinddärme, 
vorzüglich  bei  den  von  Vegetabilien  lebenden  Vögeln  lang  siiH’ 
Der  Mastdarm  öffnet  sieb  wie  bei  den  Amphibien  mit  de'* 
Ausfübrungsgängen  der  Harnwerkzeuge  und  Geschlecbtslbeile  **' 
die  Kloake. 

Bei  den  Säugetbieren  wird  vorzüglich  der  Unterschied  de 
Pflanzenfresser  und  Fleischfresser  wiclitig.  Der  bei  den 
vorkommende  Drüsenmagen  kommt  unter  den  Säugetbieren  ■* , 
gesonderte  Abtheilung  nicht  vor,  Aviederbolt  sich  bloss  in  de* 
Anbäufiing  mehrerer  Drüsen  an  der  Cardia  einiger  Säugetliie*''*’ 
wie  beim  Biber  und  Phascolomys  u.  a.  Siehe  Home  Lectures ^ 
comparatiue  Analomy.  Vul.  II.  Mueller  de  gland.  sccernenU“ 
peniiiori  structura.  Tab.  I.  Fig.  9.  10. 

Bei  mehreren  Nagethieren,  wie  beim  Hamster  und  der  'W"'’' 
serratte,  zerfällt  der  Magen  bereits  in  zwei  Hälften.  Bei  de*** 
B-iesen- Känguruh  unterscheidet  man  3 und  bei  den  Faulthier^l 
selbst  4 Abtbeilungen;  unter  den  Affen  haben  die  SemnopiMie*’* 
einen  zusammengesetzten  Magen,  welcher  aus  3 Tb  ei  len,  einer  P***' 
tio  cardiaca  mit  glatten,  einfachen  Wänden,  einer  sehr  weiF*’ 
sackförmigen  Portion , und  einem  langen , dickdarmähnlichen  K**' 
nal  besteht.  Bei  den  wiederkäuenden  Tbieren  zeigt  der  Alagf*' 
constant  4 Abtbeilungen.  Die  Zusammensetzung  des  Magens  *'’ 
jedoch  im  Allgemeinen  kein  Charakter  der  pflanzenfressende'* 
Säiigelbicre;  denn  bei  den  Einhufern  ist  der  Magen  einfach,  "" 
die  verschiedenen  Regionen  unterscheiden  sich  nur,  dass  die  P*’*'' 
tio  cardiaca  noch  mit  dem  Epithelium  der  Speiseröhre  überzöge** 
ist.  Unter  den  dickhäutigen  Tbieren  ist  der  Magen  im  Allgenie'' 
nen  bis  auf  die  dem  Pecari  und  JN'ilpfcrde  eigentliiirnlicben  M*'’ 
hänge  oder  sackförmigen  Erweiterungen  des  Magens  von  e*"’’ 
facbercr  Structui'.  Bei  den  wiederkäuenden  Tbieren  unter  d"'* 
Pflanzenfressern,  und  bei  den  Delphinen  unter  den  Fleiscbfr®*’^ 
sern  bat  der  Magen  eine  auffallend  zusammengesetzte  Striict"*' 
Bei  den  Wiederkäuern,  wo  sich  4 Magen  voi-finden,  gleicht  u*** 
der  letzte  durch  die  saure  Beschaffenheit  seiner  Absonderu'*9 
dein  Magen  der  übrigen  Säugethiere.  Die  drei  ersten  Alitbeilung®'*’ 
welche  noch  mit  Epithelium  bedeckt  sind,  können  als  Abthell"*r 
gen  der  Portio  cardiaca  lictrachtct  werden,  welche  zur  vorlä'd*'* 
gen  Erweichung  der  vegetabilischen  Nalu’ung  bestimmt  sind. 
ter  diesen  Abtheiliingcn  zeichnet  sich  die  erste  grosse  (Wa^^j 
Pansen)  durch  die  vielen  platten  Whrzen  seiner  Innern  FliF’j 
aus;  in  ihm  sind  die  Nahrungsmittel  noch  wenig  verändert  o*.’* 
werden  der  Einwirkung  des  Speichels  überlassen.  Die  zw'O* 
kleinere  Abtheilung,  welche  mit  der  ei’sten  in  einem  weiten  ^** 
sammenhange  steht,  ist  der  Netzmagen,  durch  die  zellenförmia®''j 
gezähneiten  Palten  seiner  Innern  Haut  ausgezeichnet.  Im  driP® 
Magen,  dem  Blättermagen,  bildet  die  Schleimhaut  eine  gro"*^ 
Anzahl  hoher  Längenfalten,  die  wie  Blätter  eines  Buchs  nebe”^ 
einander  stellen.  Das  in  dem  ersten  und  zweiten  Magen  ®*^^ 
weichte  Futter  gelangt  in  einer  gewissen  Zeit  wieder  nach  ü 
Speiseröhre  und  in  den  Mund  zurück;  erst  im  wiedergekäute* * 


2.  Von  den  Verdauungsorganen.  Darmkanalim  Allgemeinen.  471 

^erdauten  Znslande  gelangt  aus  der  Speiserölirc  in  den  dritten 
^»gen,  und  erst  von  liier  aus  durcli  eine  engere  Oedhung  in  den 
vierten  Magen,  Labmagen,  welcber  eine  vveicberc  Besebaflenbeit 
deiner  Sebreimbaut  und  eine  langlicbe,  fast  darmarlige  Form  be- 
*>tzt.  Man  kann  den  ersten  und  zweiten  Magen  als  Erweiterun- 
gen des  Cardiatbeils  der  Spelseröbre  und  des  Magens  betraebten. 
^nreb  Scbliessung  der  Rinne,  dureb  welche  sic  mit  der  Speise- 
•■«bre  zusamincnbiingen,  kann  die  Speiseröhre  an  dem  ersten  und 
*''^6iten  Magen  vorbei,  den  Bissen  in  den  dritten  gelangen  lassen. 
^'Rer  den  Cetaceeii  kommt  die  zusammengesetzte  Structur  so- 
^ol,[  j,0j[  den  grasfressenden  als  fleiscbfresscndcn  vor.  Die 

grasfressenden  Manati’s  haben  mehrere  Sacke  au  ilirein  Magen, 
die  flciscbfrcssendcn  Wallllscbe  haben  sogar’  lünl  und  mehr 
^'theilungcii  desselben. 

Der  Darmkanal  ist  bei  den  fleischfressenden  Säugetbieren  in 
Regel  viel  kürzer,  und  der  Unterschied  der  dünnen  und 
'^'cken  Gedärme  Aveniger  ausgeprägt;  dagegen  ist  der  Grimmdarm 
den  meisten  Grasfressern  sehr  weit  und  sehr  lang.  Merk- 
^ürdiire  Unterschiede  zeigen  sieb  auch  am  Blinddarm  fast  dureh- 
g'‘ngig  nach  der  Art  der  Nalirung.  Dieses  Darmstück  ist  in  der 
^eg'el  bei  reissenden  Tliiereii  äusserst  klein,  dagegen  bei  den 
^-■nhufern,  'Wiederkanern  und  den  meisten  Nagern  ungemein  lang, 
B.  beim  Pferd  2^  Fuss  lang,  beim  Biber  2 Fiiss  lang.  Beispiele 
Uebergang  der  tbleriscbeii  Nahrung  in  vegetablliscbe  bilden 
gewissen  Lebensabschnitten  die  pflanzenfressenden  Saugetbiere, 
*’^dern  sie  nach  der  Geburt  von  Muttermilch  crnabit  ner- 
^«1;  der  erste  Magen  der  Wiederkäuer  ist,  so  lange  sie  noch 
Milch  leben,  klein.  Grösser  sind  die  Veränderungen,  welche 
Darm  des  Frosches  durch  die  Verwandlung  erfährt.  Die 
^''»'ven  dieser  nackten  Amphibien  scheinen  bei  einem  aus- 
Serordcntlich  langen  Darmkanal  vorzüglich  von  Vegetabilien  zu 

b^ben. 

Y,  Das  allgemeinste  Resultat  dieser  Vergleichung,  auf  deren 
^®lail  die  vergleichende  Anatomie  einzugclicn  hat,  ist,  dass  die 
'^^rdaiuui"  der  Vegetabilien  ungleich  grossem  Aiifiyaiid  tbieri- 
?cber  Apparate  erfordert,  als  die  Verdauung  des  FleLches.  Der 
".‘"ige  Zusammenhang,  in  Avelcbem  die  gesammte  Organisation 
?‘äes  Thiers  zu  seiner  Nahrung  stellt,  ist  von  CuviEU  aut  eine  so 
‘«'vundernsAvürdige  Weise  geschildert  Avordeii,  dass  ich  mich 
l^'^bt  enthalten  kann,  diese' Darstellung  in  seinen  eigenen  Wor- 
Urmväh.  d.  Erdrinde,  nherselzt  vou  Noeggerath.  Bonn  1830. 
b7,  Aviederzugeben.  Cuvier  sagt:  Jedes  lebende  AVesen  bildet 
Ganzes,  ein  einziges  mul  ges'cblossenes  System,  in  welchem 
'b'e  Theile  gegenseitig  einander  entsprechen,  mul  zu  derselben 
^''‘biehen  Actioii  durch  Aveebselseitige  Gegeinvirkung  beitragen. 
Y'^iiier  dieser  Tlicile  kann  sieb  veräiulerii  ohne  die  Veränderung 
übrigen,  und  folglich  bezeichnet  und  giebt  jeder  Tlicd  eiii- 
genommen  alle  ülirigen.  W^enii  daher  die  EiiigCAveule  eines 
ybiei’s  so  organisirt  sind , dass  sie  nur  Fleisch  und  zAvar  bloss 
falsches  verdauen  können,  so  müssen  auch  seine  Kieler  zum 
*'®ssen,  seine  Klauen  zum  Festbalten  und  zum  Zerreissen,  seine 

^üller’s  Pliysiologie.  31 


472  II,  Buch.  Organ,  ehern.  Processe.  IV.  Abschnitt.  Verdauung. 

Zähne  zum  Zerscliiieitlen  und  zur  Verkleinerung  der  Beute, 
ganze  System  seiner  Bewegungsorgane  zur  Verfolgung  und 
iiolung,  seine  Sinnesorgane  zur  ahrnehmung  derselben  in 
Ferne  eingerichtet  seyn.  Es  muss  selbst  in  seinem  Gehirne  u 
nöthige  Instinkt  liegen,  sich  vcrljei’gen  und  seinen  Schlachtopfei’® 
hinterlistig  auflauern  zu  können.  Es  bedarf  der  Kiefer,  da®' 
es  fassen  könne,  einer  bestimmten  Form  des  Gelenkkopfes,  einß’ 
l)estimmtcn  Verhältnisses  zwischen  der  Stelle  des  Widerstati' 
des  und  der  Kraft  zum  Unterstützungspunkte,  eines  bestimHil®” 
Umfanges  des  Schlafrauskels , und  letzterer  wiederum  einer  b®' 
stimmten  Weite  der  Grube,  welche  ihn  aufnimmt,  und  einer 
stimmten  Convexität  des  Joebbogens,  unter  welchem  er  hinläu® 
und  dieser  Bogen  muss  wieder  eine  bestimmte  Stärke  haben, 
den  Kaumuskel  zu  unterstützen.  Damit  das  Thier  seine  Beute  fofj' 
tragen  könne,  ist  ihm  eine  Kraft  der  Aluskeln  nöthig,  durch  we'' 
che  der  Kopf  aufgerichtet  wird;  dieses  setzt  eine  bestimmte Foi’®' 
der  Wirbel,  wo  die  Muskeln  entspringen,  und  des  Hinterkoph’’ 
wo  sie  sich  ansetzen,  voraus.  Die  Zähne  müssen,  lun  das  Fleisc' 
verkleinern  zu  können , scharf  seyn.  Ihre  Wurzel  wird 
so  fester  seyn  müssen.  Je  mehrere  und  stärkere  Knochen  sie 
zerbredien  hestimmt  sind,  was  wieder  auf  die  Entwickelung  <1®' 
Theilc,  die  zur  Bewegung  der  Kiefer  dienen,  Einlluss  hat.  Da®® 
die  Klauen  die  Beute  ergreifen  können,  bedarf  es  einer  geniss®'’ 
Beweglichkeit  der  Zehen,  einer  gewissen  Kraft  der  Nägel,  xV® 
durch  bestimmte  Formen  allei'  Fussglieder  und  die  nöthige  V®*' 
theilung  der  Muskeln  und  Sehnen  bedingt  werden;  dem  Vord®' 
arm  wird  eine  gewisse  Leichtigkeit,  sich  zu  drehen,  zukoni®®'’ 
müssen,  welche  bestimmte  Formen  der  Knochen,  woraus  er  h®' 
steht,  voraussetzt;  die  Vorderarmknochen  können  aber  ihre  FoJ'*'' 
nicht  ändern , ohne  auch  im  Oberami  Veränderungen 
bedingen.  Kurz,  die  Form  des  Zahns  bringt  die  des  Condyl"’ 
mit  sich,  diejenige  des  Schulterblattes  die  der  Klauen,  grade  s® 
wie  die  Gleichung  einer  Curve  alle  ihre  Eigenschaften  mit  s® 
bringt;  und  so  wie  man,  wenn  man  jede  Eigenschaft  dersclh®'' 
für  sieh  zur  Grundlage  einer  besondern  Gleichung  nähme, 
wohl  die  erste  Gleichung  als  alle  ihre  andern  Eigenschaften  tf'®' 
derlinden  würde,  so  könnte  man,  wenn  eines  der  Glieder  ®|®* 
Thiers  als  Anfang  gegeben  ist,  bei  gründlicher  Reniitniss  ft® 
Lebensökonomie  das  ganze  Thier  darstellen.  Man  sieht  fern® 
ein,  dass  die  Thicre  mit  Hufen  sämmtlich  pflanzenfressende  sey 
müssen,  dass  sie,  indem  sie  ihre  Vorderfüsse  nur  zur  St® ' 
zuug  ihres  Körpers  gebrauchen  , keiner  so  kräftig  gebaut®'* 
Schulter  bedürfen,  woraus  denn  auch  der  Mangel  des  Schlü*' 
selbeins  und  des  Acromium  und  die  Schmalheit  des  Schult®®' 
blattes  sich  erklärt;  da  sie  auch  keine  Drehung  ihres  ^nrd® 
arms  nöthig  haben,  so  kann  die  Speiche  bei  ihnen  mit  der 
lenbogenröhre  vemvachsen,  oder  doch  an  dem  Oberarm  dur® 
einen  Ginglymus  und  nicht  durch  eine  Arthrodie  eingelenkt  sey"’ 
ihr  Bedüi’fniss  zur  Pflanzennahrung  erfordert  Zähne  mit 
Krone,  um  die  Samen  und  Kräuter  zu  zermalmen;  diese  Kro*’^ 
wird  ungleich  seyn,  und  zu  diesem  Ende  der  Schmelz  mit  K-**** 


2.  Von  den  Verdauungsorganen.  Häute  des  Darmkanals.  473 

'^liensuLstanz  abwechseln  müssen.  Da  bei  dieser  Art  von  Krone 
Reibung  auch  liorizontale  Bewegung  {muic.  pterfg.)  nöthig 
’R,  so  wird  hier  der  Condylus  des  Kiefers  nicht  eine  so  zu- 
sammengedrücktc  Erhabenheit  bilden,  wie  bei  den  Fleischfressern, 
wird  abgeplattet  seyn  und  zugleich  einer  mehr  oder  weni- 
platten  "Fläclie  am  Schläfenbein  entsprechen;  die  Schläfen- 
gfube,  welche  nur  einen  kleinen  Muskel  aufzunehraen  hat,  wird 
''oti  geringer  Weite  und  Tiefe  seyn. 


b.  Häute  des  Darmkanals.  . 

Der  Darm  ])esteht  aus  einem  serösen  Ueberzug  vom^  Perito- 
aus  einer  darunter  liegenden  Muskelhaut,  aus  einer  Tu- 
*''ca  propria , welche  eine  Art  Fascie  oder  festes  Gerüste  bildet, 
Welcliem  nacli  Aussen  die  Muskelfasei'n  anliegen^  und  nach  In- 
die  Schleimhaut  befestigt  ist. 

Bei  vielen  Fischen  setzt  sich  die  Schleimhaut  der  Speiseröhre 
•lurch  den  Luftgaiig  der  Schwimmlilase  in  die  innere  Haut  der 
‘^'=Wimmblase  fort,  welche  also  die  Natur  einer  Schleimhaut  hat. 
®ei  vielen  Fischen  fehlt  jene  Verbindung  der  Schwimmblase  mit 
Schlund.  (Vergl.  oben  pag.  298.)  Hier  scheint  es  sonder- 
^'ar,  dass  die  innere  Haut  der  Schwimmhlase,  obgleich  mucöser 
^atur,  doch  gegen  das  Gesetz  der  miicösen  Häute  einen  geschlos- 
senen’ Sack  "bildet.  Diese  Sonderbarkeit  verschwindet  indess 
^breh  die  von  Baeh  gefundene  Tliatsache  der  Entwickehingsgc- 
^ehichte  (Froriep’s  Notizen.  848.),  indem  nämlich  die  Schwii^- 
^^lase  als  eine  Ausstülpung  des  Schlundes  sich  ursprünglich  bil- 
'let,  bei  jenen  Fischen  also  eine  Abschnürung  einer  ursprünglich 
®kittfindenden  Coinmunication  einlreteu  muss. 

' Ueher  den  Bau  der  Darmzotten,  jener  Verlängerungen  des 
^chleimhäiitchens  im  Dünndarm,  und  ihr  Verhältniss  zur  Resc^- 
'•'bb  ist  bereits  früher  in  dem  Capitel  vom  Urspining  und  Ba.u 
Lymplwefässe  p.  249  gehandelt  worden.  Hier  sind  noch  die 
iUberhalb  des  Dünndarms  in  der  Sclileimhaut  vorkommenden 
Drüsen  zu  erwähnen.  Man  hat  dreierlei  Formen  davon  iintcrschie- 
1.  die  LiEBERKuEuw’schen  Drüsen.  Diess  sind  wohl  jene  un- 
*''liligen,  mit  dem  einfachen  Microscop  erst  erkennbaren  Locher- 
oder  Vertiefungen,  welche  im  ganzen  Laule  des  Dünndarms 
‘b  der  Mucosa  dicht  neben  einander  Vorkommen,  und  bei  hm- 
^bichender  Vergrösserung  ihr  das  Ansehn  eines  Siebes  geben, 
'^bn  diesen  Vertiefungen  ist  bereits  oben  p.  254  gehandelt. 

die  BRUNKER’schen  Drüsen.  Sie  sind  besonders  im  obern 
i^lieile  des  .Dünndarms  häufig,  und  sind  mit  blossen  Augen  er- 
'^bbtihare,  vereinzelt  stehende  Folliculi.  3.  die  sogenannten  Peyer- 
*?^en  Drüsen.  Diese  Organe,  welche  jedesmal  die  der  Inser- 
des  Mesenterium  entgegengesetzte  Stelle  des  Darnas  emneti- 
?en,  sind  bis  auf  den  heutigen  Tag  räthselhaffc  geblieben-  aus 
^bDoLPHi’s  Abhandlung  über  die  PEYER’schen  Drüsen  ( - n . . 

^'^ysiolog.  Abhandlungen.  Berlin  1802.)  hat  man  mir  das  Ahgemein- 
von  den  Formverschiedenheiten  dieser  meistens  ova  en,  ver- 
d'ckten  Stellen  der  Schleimhaut  kennen  gelernt.  Da  nun  aber 

QA  * 


474  II.  Buch.  Organ,  chem.  Processe.  IV.Abschnilt.  Verdauung. 


diese  Organe,  welclie  dem  Ileum  aiigeliören,  in  der  neuern 


Zeit 


durcli  iirrc  kranklialten  Veränderungen,  namentlicli  die  in  i|*' 
nen  sich  aus])ildenden  Pusteln  und  Geschwüre,  im  Typhus  a'*' 
dominalis,  von  grosser  Wichtigkeit  geworden  sind,  so  war 
genaue  Kenntniss  von  der  Structiir  dieser  Theile  dringend  noth' 
wendig  geworden,  um  endlich  7.11  wissen,  was  sich  in  jenen  F’’ ' 
len  krankhaft  verändert  und  worin  diese  Veränderung  besteht- 
W^as  icli  hier  mitlheile,  ist  das  Resultat  der  liier  von  Herrn  Boe»^ 
über  diesen  Gegenstand  angestellten  Beobachtungen,  wobei 
bemerke,  dass  icli  die  Beobachtungen  des  Verf.  seihst  verific* 
habe,  tjm  die  PEYEn’scheu  Drüsen  zu  untersuchen,  darf  lof” 
nur  den  Darmkanal  ganz  gesunder  Mensclien  zum  Gegenstand*' 
der  Beobachtung  wählen.  Es  ist  daher  besonders  die  Schleini-' 
haut  des  Darmkanals  der  durch  plötzliche  Todesart  Gestorbene'’ 
dazu  geeignet.  -In  vielen  chronischen  Krankheiten,  namentlie'’ 
in  den  Krankheiten  des  Darmkanals  selbst,  werden  diese  Thcik 
sehr  verändert,  und  man  erhält  aus  der  Beobachtung  in  jene" 
.Fällen  ein  durchaus  falsches  Bild  von  dem  Bau  dieser  Theile 
gesunden  Zustand.  In  allen  Fällen,  wo  die  PEVEn’schen  Drüs"" 
wie  neben  einander  stehende  seichte  Zellen  aussehen,  ist  der  g"' 
Sunde  Zustand  verloren;  denn  im  gesunden  Zustande  haben  je"’’' 
Organe  nichts  mit  offenen  Zellen  oder  Follikeln  gemein.  Lhite’' 
sucht  man  die  PEYEn’schen  Drüsen  von  einem  gesunden  ui'" 
durchaus  frischen  Darmkanal,  nachdem  man  die  Schleimhaut  saot^ 
abgewaschen  und  die  Drüsen  mit  einem  weichen  Pinsel  vorsich' 
tig  ahgcpinselt  hat,  mit  dem  Microscop,  so  gewahrt  man  am  leich' 
testen,  dass  das  dichtere  Anselm  der  Schleimhaut  an  den  Stelle"’ 
wo  PEYER’sche  Drüsen  sind,  zum  Theil  von  der  Grösse  und  .Stärk" 
der  hier  befindlichen  Darinzotten  herrührt,  welche  hier  im  Ga"' 
zen  breiter  und  vorzüglich  an  ihrer  Wurzel  breiter  ausgezog"" 
sind.  Die  grössere  Dichtigkeit  der  Schleimhaut  an  jenen  Steil"'' 
rührt  aber  nicht  bloss  von  der  Stäi-kc  ilcr  Flocken  her,  sonde''' 
liegt  auch  in  dem  Gew-ehe  der  Mneosa  seihst.  Untersucht  man  d"" 
Boden  der  Schleimhaut  der  PEYEii’schcn  Drüsen  zwischen  d"'' 
auf  ihr  sitzenden  Zotten,  so  bemerkt  man,  dass  die  in  der  gan*"'' 
Schleimhaut  des  Dünndarms  vorkommenden  Löcherchen  od"' 
Grübchen  (LiBBERKUEiiN’sche  Drüsen?)  auch  hierzwischen  den  Zot' 
ten  in  grosser  Anzahl  vorhanden  sind,  ohne  sich  von  ihre'" 
Verhalten  im  übrigen  Theil  des  Darmkanals  zu  unterscliC' 
den.  Man  sieht  aber  auch  zwischen  den  Zotten  grössere,  gcg’’' 
1 Linie  breite,  rundumschriehene  weisse  Stellen  der  Schleiinhai'h 
welche  beimMenschen  ziemlich  flach  und  wenig  erhaben,  bei  d"'^ 
Thieren  und  namentlich  bei  dem  Hund,  der  Katze,  dem  Kan'"' 
eben  ziemlich  hervorragend  sind,  und  beim  Hund  wie  weis’’® 
Papillen  aussehen,  in  anderen  Fällen  einige  Aehnlichkeit  mit  d"'’ 
Papillae  vallaUae  der  Zunge  in  ihrer  Form  haben,  indem  sie, 
bei  dem  Kaninchen  und  bei  der  Katze,  von  einer  kreisförmig"'’ 
Furche  umzogen  sind  und  eine  mehr  platte  Oberfläche  darbiete"- 
Beim  Menschen  sind  diese  runden  Stellen  fast  gar  nicht  crhabe'b 
sondern  flach  und  ohne  sie  umgrenzende  Furchen.  In  allen  F"  ' 
len,  sowohl  bei  Menschen  als  beim  Himd,  bei  der  Katze  und  de'" 


2.  Von  den  Verdauungsorganen.  Pey ersehe  Drüsen.  475 

K.anlnclien,  sind  diese  randen  weissen  Stellen  von  einem  Kranz 
''Oll  OelFniingcn  umgehen,  und  diese  OefFnungen  sehen  gerade  so 
*Uis  -wie  die  'Löchcrclien  zwischen  den  Zollen  auf  den  PEi'ER’schen 
I^i'üscn  in  der  ühiigen  Mueosa,  oder  wie  die  LiEB£HKUEaN’schen 
*oicroscopischcn  Driischen.  Sie  unterscheiden  sich  von  jenen  nur 
•ladurch,  dass  die  Oefliiuugcn  zuweilen  weniger  rundlich  als  linig- 
^'oli  sind,  so  zwar,  dass  der  Langendurcliniesser  dieser  OefFimn- 
S.on  in  der  Ilichtung  dßr  Kadien  jener  runden  weissen  Stellen 
^‘Ogt.  Dieser  Kranz  von  OelTnungcn,  deren  hei  Menschen  um 
®‘ne  solche  Stelle  gegen  zehn  und  mehr  sind,  ist  meistens  kreis- 
^rtnig , selten  etwas  unregelmässig.  Auf  den  runden  weissen 
^teilen,  die  hei  den  Tliieren  Papillen  sind,  sieht  man  in  den 
'''eisten  Fällen  keine  Spur  von  Oeffnungen,  nur  hei  den  Vögeln 
Selingt  es,  eine  kleine  Oeflhung  zu  sehen.  Ich  hahe  diess  Ver- 
'alten  hei  der  Katze  schon  in  meiner  Schrift  [De  penitiori  gland. 
^*''uctura)  dargestellt,  und  Tah.  I.  Fig.  11.  ahgehildet,  wo  noch 
lias  Eigcnthiiiiiliche  vorkommt,  dass  um  jeden  Kranz  der  OefF- 
"Ungen  herum  eine  scheidenlormige,  überaus  Feine  Falle  verläuft.^ 
^orr  Boedm  hat  den  Bau  hei  vielen  anderen  Thiercn  und" 
Menschen  untersucht.  Die  runden  weissen  Stellen,  auf 
"'eichen  keine  Oeffnungen  Vorkommen,  sind  in  der  Regel  von 
Rotten  enlhlösst;  nur  selten  und  ausnahmsweise  bemerkt  man 
Y®'  Menschen  auf  einer  odpr  der  andern  dieser  runden,  gegen 
' Linie  grossen  weissen  Stellen  Spuren  von  kurzen  Zotten,  oder 
*"ich  zuweilen  eine  ganz  kurze  pyramidale,  weissere  Zuspitzung 
flachen  Erhabenheit;  in  der  Regel  sind  diese  Stellen  ganz 
'^o.en.  Alle  Versuche  hei  Menschen  und  hei  Säugehleren,  aus  die- 
-«o  Stellen  ein  Secret  herauszudrucken  und  ihre  Follicularstru- 
zu  erweisen,  sind  missglückt;  auch  dringt  heim  Druck  auf 
''iese  Stellen  nichts  aus  den  rundum  stehenden  Oeffnungen  hervor, 
so  auffallender  ist  es,  dass,,  wenn  man  die  Oberfläche  die- 
Stellen  aufiitzt,  man  zu  einer  Aushöhlung  gelangt^  welche 
«en  Elmfang  der  weissen  Stelle  besitzt  und  ziemlich  tief,  aber 
l'.'eht  so  tief  als  hrnfit  ist;  dass  in  dieser  Aushöhlung  ein  grau- 
•cluveisser,  schleimiger  Stoff  enthalten  ist,  der  von  der  unge- 
dünnen  Decke  dieser  Sfellen  cingeschlossen  wird.  Die  Körn- 
ten dieses  Stoffes  sind  jnin*hi>i|itii  Li1iHWwrt  feiner  als  die  gcwöhnli- 
äö'i  Schleimkörncr.  . Es  geht  hieraus  hervor,  dass  weit  offene 
• ''.bicull  und  Zellen  in  dcn'PEYEn’schen  Drusen  gar  nicht  vorkom- 
Was  jene  Säckchen  sind,  bleibt  unbekannt.  Bei  den  Thie- 
, sieht  man  nach  dem  Abziehen  der  Mueosa  Vertiefungen  in 
'Tunica  propria,  welche  dem  Fundus  jenci"  Stellen  entspre- 
Erst  durch  Zerstörung  der  Oberfläche  der  weissen,  po- 
^'^nlosen  Stellen  entstehen  Zellen  oder  weit  offene  Folliculi,  wie 
sie  an  krankhaft  veränderten  oder  sogenannten  PEVEa’schen 
'^'isen  so  häufig  und  leicht  sieht, 

Die  dritte  Schicht  der  Verdauungswege  bildet  das  contra- 
Fasergewehe  oder  die  Muskeliiaut,  die  ohne  Elnterhrechung 
Schlund  bis  zum  After  sich  fortsetzt  und  Verlängerungen  in 
Ausführungsgänge  der  grossen  Drüsen  schickt,  indem,  wie 


476  11.  Buch.  Organ,  ehern.  Processe.  IV.  Ahschnät.  Verdauung. 

pag.  457.  gezeigt  worden  ist,  die  Ausfüliriingsgänge  dieser  Dr**' 
sen  irrltaLel  sind,  und  auf  Reize  und  ohne  Reize  sich  zusan>' 
nienzielien.  ^ ^ ^ 

Die  seröse  Haut  des  Darnikanals  gehört  dem  in  der  BancU" 
höhle  gelegenen  Theilc  desselben  an  und  entsteht  dadurch,  «If** 
der  Darmschlanch  von  Aussen  so  in  den  Peritonealsack  hinPi']' 
geschoben  ist,  dass  er,  wie  die  Leber  und  die  Milz,  zugleich 
nen  Ueberzug  von  dem  Peritoneum  erhält,  der  sich  hinter  de®* 
Darm  von  Leiden  Seiten  an  einander  legt  und  dadurch  das  G"®' 
kröse  oder  Aufhängehand  des  Darms  hlldet  Das  Gekröse  kofflö* 
an  dem  grössten  Theile  des  Darmkanals  vor,  nur  das  Duoden«*'’ 
hat  kein  Gekröse.  In  der  frühesten  Zeit  des  Emhryolebcns 
auch  der  Magen  ein  Gekröse,  Avie  ich  (Meckel’s  Arch.  1830. 
395.)  gezeigt  habe.  Durch  merkwürdige  Veränderungen  Avlrd  di®' 
ses  Gekröse  des  Magens  (Mesogastrium)  später  zum  grossen  Nel^/ 
indem  es  sich  heutelförmig  herabsenkt;  aber  erst  im  3 — 4.  MoHä^ 
des  Emhryolehens  verwächst  das  grosse  Netz  mit  dem  Colon 
dem  Gekröse  desselben  (Mesocolon  transversum),  so  dass  hierdurc** 
erst  jene  merkwürdige,  sonst  unerklärliche  Verbindung  des 
gens  mit  dem  Colon  durch  das  grosse  Netz  entsteht.  Eine  Vei”' 
hindung,  die  schon  bei  vielen  Säugethieren  (Hund,  Katze, 
Kaninchen,  Pferd)  fehlt,  indem  hei  diesen  das  grosse  Netz  od^’ 
Mesogastrium  sich  in  der  hintern  Unterleihswand  Inserirt, 
von  dem  Mesocolon  transversum  ganz  verschieden  ist.  Im  A“' 
fange,  und  zwar  in  der  4.  und  5.  Woche  des  Emhryolehens  d^* 
Menschen,  hat  der  Magen  noch  eine  fast  senkrechte  Lage,  inde*^ 
die  kleine  Curvatur  nach  rechts,  die  grosse  nach  links  liegt, 
der  Pylorus  nach  abwärts  gerichtet  ist;  so  ist  auch  die  Befesü' 
gung  des  Magens  an  die  hintere  Bauclnvand  noch  eine  senkrecld 
Falte,  Avelche  von  der  Mittellinie  der  Wirbelsäule  ausgeht, 
nach  links  gegen  die  grosse  Curvatur  des  senkrechten  Mag®® 
wendet  und  sich  hier  ansetzt,  um  mit  ihren  zwei  Blättern  d® 
Magen  zivischen  sich  zu  nehmen,  so  dass  sich  das  linke  Bl® 
dieser  Falte  über  die  vordere,  das  rechte  über  die  hintere  Fj“' 
che  des  Magens  umbiegend  lörtsetzt.  An  dem  obern  Theile  d® 
kleinen  Curvatur  treten  die  Blätter  wieder  zusammen  und  bild® 
vereinigt  eine  Falte  zui^L?fjer.  ^ 

Diese  von  der  Mittellinie  hinten  ausgehende  doppeltblättng^ 
Falte  des  Bauchfells,  welche  sich  links  wendend  die  grosse 
vatur  des  senkrechten  Magens  erreicht,  und  diesen  zwischen 
nimmt,  ist  jetzt  noch  ein  wahres  Magengekröse,  welches  ich,  ’ 
lange  es  als  solches  besteht,  Mesogastrium  nenne.  , . 

Da  nun  der  Ausgang  dieses  Magengekröses  jetzt  noch  in  ^ . 
Mittellinie  der  hintern  Bauebwand  ist,  das  Mesogastrium  »y  > 
um  die  grosse  Curvatur  des  Magens  zu  erreichen , sich  nach  1^ 
wendet,  so  entsteht  durch  dieses  Mesogastrium  hinter  dem  ® j, 
gen  ein  Beutel  von  halbmondförmiger  Form,  und  zwar  ein 
dessen  Eingang  an  dem  untern  Theil  der  kleinen  Curvatur 
ist,  dessen  vordere  Wand  der  Magen  selbst,  dessen  hintere  W» 
das  Mesogastrium  ist. 

Der  Eingang  in  diesen  Beutel  des  Mesogastrium  rechts  un 


2.  Von  (len  Verdauwigsorganen. 


177 


der  Leber,  unter  der  Falte,  welche  von  der  kleinen  Curvatur 
»n  die  Leber  geht,  ist  noch  sehr  gross;  er  ist  das  spatere  ^o- 
eamen  Winslowii.  Wach  oben  wird  dieser  Eingang  etwas  be- 
deckt, dadurch  eben,  dass  das  Peritoneum  von  der  spatem 
P’ossa  hepatis  transversa  faltenföraiig, als  Ligamentum  gastro- 
depaticum  zur  kleinen  Curvatur  des  Magens  tritt,  um  sich  über 
den  Maeen  in  die  Blätter  des  Mcsogastriura  forlzusetzen. 

Indem  aber  der  Magen  sehr  Irüh  sich  platt  legt,  wird  die 
Idichtung  des  Mesogastriim  von  der  des  Mesenterium  verschie- 
den; denn  das  Mesenterium,  so  lange  es  noch  senkrecht  ist, 
trennt  die  Bauchhöhle  zu  seinen  Seiten  hinten  m einen  gleichen 
‘■echten  und  linken  Thcil;  das  Mesogastriiun  aber  geht  zwar  auch 
senkrecht  von  der  Mittellinie  aus,  tritt  aber  nach  Imts  an  me 
grosse  Curvatur  des  Magens,  und  bildet,  statt  auf  beiden  Seiten 
des  Magens  gleiche  Bäume,  vielmehr  zu  seiner  Bechten  hinter 
dem  Magen  einen  blinden  Beutel  mit  rechter  Oeffnung,  wahrend 
die  der  linken  Seite  des  Darms  entsprechende  Seite  des  Magens 


*nr  vordem  geworden  ist.  . , , „ 

Der  hinter  dem  Magen  befindliche  Beutel  behalt  seine  Form, 
“urwird  der  Eingang  in  diesen  Beutel  auf  der  rechten  Seite  unter 
der  Leber  kleiner,  je  mehr  die  von  der  Leber  zur  kleinen  Curvatur 
gehende  Falte  des  Peritoneum  sich  hcrahzieht,  der  Pylorus  aber  sic  t 
»behr  gegen  die  Leber  aufriebtet,  und  der  Magen  überhaupt  aus  sei- 
ner senkrechten  Lage  in  eine  schiefe  übergebt.  So  lange  «Jer  Magen 
senkrecht  steht,  ist  die  Ausgaiigsstelle  iMcr  -^‘dioii  des  Äfeo- 

gastrium  hinten  auch  senkrecht  in  der  V ^ jes 

l^elsäule  indem  es  von  hier  links  nach  der  grossen  Curvatur  des 
Maget  sich  wendet  und  rechts  den  beschriebenen  1 eritonealheu- 
tel  Indem  aber  die  grosse  Curvatur  al  malilig  mehr  zur 

‘»htern,  die  kleinere  Curvatur  zur  obern  wird,  verändert  auch 
das  Mesogastriimi  allmählig  seine  Insertion  an  die  hintere  Baim  - 
'vand,  und  rückt  aus  der  mittlern  senkrechten  mehr  in  mne 
®':liiefe  Bichtung  nach  links.  Zugleich  w ird  der  dm  eh  das  M - 
«bgastrium  gebikletc  Beutel  da,  wo  er  mit  seinen  Lamellen  an 
die  grosse  cirvatur  des  Magens  tritt,  unten  ‘^twas  verlängert,  un 
dieser  von  dem  Magen  aus  sich  verlängernde  Thcil  des  lieutcls 

"‘"'w»“  S't,.  e„.Uid.  m a.,  de.  Ma- 

gens  die  Insertion  des  Mesogastrium  aus  ‘^^i.^^'^m'^Tbeil^mier 
läng  schief  nach  links  gewendet  hat  und  zuletzt  ziun  Theil  cp 
>ird,  so  rückt  der  in%lem  Peritonea  heutel  des  Mesogastriuna 
änd  Netzes  ein-eschlossene  Baum  ebenfalls  immer  mehr  nach  der 
linken  Seite  und  in  die  Quere,  und  es  "«l'^teht  vollends  der  obere 
>dntere  Peritonealraum  hinter  dem  Magen,  wahmnd  die^r 

früher  ganz  zur  rechten  Seite  des  JmnteUormigen  Mesogastrium  war. 

Noch  sind  das  Mesogastrium  oder  grosse  INetz,  und  das  ^ e 
«ncolon  transversum  in  keiner  Commnmcation  als  mittelbar  m 
die  hintere  Peritonealwand,  in  welche  tlie  Blatter  ä®  . • i 

^Irium  und  Mesocolon  übergehen.  Allein  je  mehr  t ^ fürkt 

^ägenförmig  aufstellt  und  höher  gegen  den  Magen 
der  Peritonealheutel  des  grossen  INetzes  oder  Mesog.  «■  « 


478  II.  Buch.  Organ,  ehern.  Processe.  IV.  Abschnitt.  Verdauung. 

sich  tiefer  aussackt,  und  seine  schiefe  Insertion  in  die  hintere 
Peritonealwand  herahrückt,  kommen  sich  die  Insertion  des  M«' 
sogastrium  oder  grossen  Netzes  und  die  Insertion  des  Mesocolo" 
transversum  immer  naher.  Auf  diese  Art  wird  das  zwischen 
Insertion  des  Mesogastrium  oder  Netzes  und  Mesocolon  transver- 
sum  liegende  Stück  der  liintern  Peritonealwand  immer  kleiner 
und  mehr  und  mehr  als  Fortsetzung  der  hussern  Lamelle  de* 
Netzheutels  herahgezogen,  bis  der  Zwischenraum  zwischen  der 
Insertion  des  Mesogastrium  oder  grossen  Netzes  und  des  Mesoco- 
colon  transversum  gleich  Null  wird.  Diese  Annäherung  schreite^ 
von  rechts  nach  links  vor,  weil  die  Insertion  des  Mesogastrium 
eine  nach  links  anfsteigende  schiefe  Linie  ist. 

Diese  \envachsung  ist  zuerst  von  Meckel  entdeckt  und  voU 
mir  bestätigt  worden.  Zuletzt  scheint  nun  das  Netz  hinten  m' 
das  Colon  transversum  sellist  sich  zu  inscriren.  Dann  geht  di® 
innere  Lamelle  des  Netzbeutels  über  die  obere  Seite  des  ColoU 
transversum  in  die  obere  Platte  des  Mesocolon  transversum , uud 
sofort  in  die  hintere  obere  Peritonealwand  über;  die  äussere  La' 
melle  des  Netzheutels,  welche  von  der  vordem  Fläche  des  IVla"' 
gens  kommt,  scheint  dann  über  die  untere  Seite  des  Colon  trau*' 
versum  in  die  untere  Platte  des  Mcsocolon  überzugehen,  obnieiel* 
sie  nur  am  Colon  transversum  verwachsen  ist. 

Die  Pedcutung  des  Netzes  für  die  Function  der  Verdauung*' 
Organe  kann  auf  keinen  Fall  gross  seyn,  da  es  schon  bei  meV 
rern  Säugethieren  seine  anatomisclien  Verbindungen  auf^iebt  iiud 
sich  als  ein  blosses  schlaffes  Baud  des  Magens  beweist.'’ 


III.  Capitel.  Von  den  Bewegungen  des  Darmkanales. 

Die  Muskelhaut  des  Darmkanals  gehört  zu  den  von  dem  Ner'"- 
sjmpathicus  abhängigen,  unwillkülirlich  beweglichen  Theilen,  auf 
welche  das  Nervensystern  der  willkührlichcn  Bewegungen  keine'’ 
unmittelbaren,  sondern  limitirten  Einfluss  liat,  wie  er  sich  in  de" 
mannigfaltigen  Sympathieen  dieses  Apparates  mit  dem  Gehirn  ui'J 
Bückenmarke  äussert.  Nur  am  Anfänge  und  Ende  dieses  unwil^' 
kührlich  beweglichen  Apparates  ist  er  mit  Muskeln  versehen, 
dem  Cerebrospinalneryensystem  unterworfen  unil  willkührlich  be' 
wegheh  sind.  Diess  sind  die  Muskeln  des  Mundes,  die  Kau-  n»‘^ 
öehUindmuskeln  einerseits  und  die  Aftermuskeln  andrerseits.  Per 
bchlund  ist  noch  willkührlich  beweglich,  die  Speiseröhre  nid'f 
mehr,  obgleich  der  Nervus  vagus  beide  versieht.  Diess  sonder- 
bare factum  lässt  sich  auf  doppelte  Art  erklären,  entweder  1. 
dureil,  dass  man  annimmt,  dass  der  untere  Theil  des  Nerv,  vagufi 
welcher  die  Plexus  oesopbagi  bildet,  durch  die  Verbindungen 
dem  Nervus  sympathicus  seinen  willkührlichen  Einfluss  verlicrb 
oder  2.  dass  man  naeh  der  Hypothese  von  Scarpa,  Arnold  un» 
Bichoff  {Aervi  accessorii  anatumia  et  phystologia.  Heidclb.)  an- 
nimmt,  die  motorische  Kraa  des  N.  vagus  sey  diesem  überhaupt 
nicht  original  eigen,  sondern  komme  ihm  von  dem  JNerv.  acces- 


3.  Von  den  Beivegungen  des  Darmkanals,  Scfdingen.  479 


wahrend  der  N.  vagus  seihst  hloss  Empfindungsnerve  sey, 
'voiiach  dann  die  Bcwegnngsäste  des  N.  vagus,  nämlich  Nervus 
P'iaiyngeus  und  Nervi  laryngel  von  dem  N.  accessorius  ihre  mo- 
I^Hsche  Kraft  erhiellcn,  der  untere  Th  eil  des  Nerv,  vagus  aber 
^®ine  motorische  Kraft  hesässe,  womit  denn  allerdings  die  That- 
*'*che  ühereinstimmen  würde,  dass  man  nach  Magetvdie’s  und  mei- 
üen  Versuchen  durch  auf  den  N.  vagus  appliclrte  Reize  durchaus 
'®ine  Bewegungen  des  Magens  hervorhringcn  kann.  Tiedemann 
***'d  Gmelin  wollen  auf  mechanische  Reize  des  Nerv,  vagus  zwar 
*‘'^lche  heohachlet  haben.  Ich  habe  indess  diese  Versuche  zu  oft 
****  Säugethieren  (Kaninchen,  Hunden)  und  Vögeln  angestellt,  und 
*üuss  annehmen,  dass  in  dem  TiEDEMANu’schen  Falle  ein  Beohach- 
^"•'gsfehler  stattgcfiinden  habe.  Welche  jener  beiden  Hypothesen, 
dem  verschiedenen  Verhalten  des  Nerv,  vagus  am  Schlunde 
an  der  Speiseröhre,  richtig  ist,  lässt  sich  hei  dem  jetzigen 
^hinde  unserer  Kenntnisse  noch  nicht  entscheiden.  Man  sehe  das 
Nähere  über  die  Physiologie  des  Nerv,  vagus  im  3.  Buch. 

Den  Mechanismus  des  Saugens,  Ergreifens  und  Kauens  setze 
als  bekannt  voraus.  Vcrgl.  Tueviranus  Biologie.  T.^  4.  Räth- 
J’^'haft  müssen  die  inneren  Gründe  solcher  instinktmässigen  Hand- 
!**ngen , wie  das  unmittelbare  Saugen  der  Neugebornen  seyn.  Es 
hier  schwer,  sich  vorläufig  mit  Cuvier’s  Antwort  über  Instinct 
*^*'rieden  zu  stellen , dass  diese  auch  noch  so  jungen  Thlere 
l'Urch  einen  in  ihrem  Gehirn  sich  mit  Nothwcndigkelt  wleder- 
^‘“lenden  Traum  von  Bildern  zu  solchen  Handlungen  genöthigt 
*****^1,  eine  gleichsam  angeborne  Idee,  welche  von  ihrer  Orga- 
Jl,‘8ation  und  ihren  Bedürfnissen  ausgeht,  wie  die  Gleichung  einer 
pi-ve  alle  Eigenschaften  der  letztem  mit  sich  bringt.  Man 
.^'»n  sich  indess  vorläufig  auch  mit  der  Antwort  begnügen,  dass 
dem  Sensoi-ium  des  Säuglings  ein  unwiderstehlicher  Trieb  zur 
, lstü|,^.^^ng  möglicher  Saugbewegungen  ist,  so  dass  Säuglinge 
‘^"ch  an  ihren  eigenen  Lippen  saugen  und  ahgeschnlttene  Köpfe 
junger  Thiere  noch  die  dargebotenen  Finger  umfassen,  wie 
■^'"er  gesehen. 

u Ausführlicher  werden  hier  nun  die  Schlingbewegungen,  die 
6\vegungen  des  Magens,  des  Wiederkäuens,  das  Erbrechen  und 
äfstosjjen,  die  Bewegungen  der  Gedärme  und  die  Ausleerung  der 
Peisereste  abgehandclt. 

1)  Schlingen. 

Das  Schlingen  hat  drei  Acte;  in  dem  ersten  passiren  die  von 
„'jE  Zunge  zu  einem  Bissen  gesammelten  Theile  zwischen  der 
^*^eriläche  der  Zunge  und  dem  Gaumengewölhe  l)is  hinter  die 
^'‘Ederen  Bogen  des  Gaumens,  im  zweiten  Acte  gelangt  der  Bis- 
bis  über  die  Constrictoren  des  Schlundes  hinaus , im  dritten 
f’***‘Et  er  die  Speiseröhre.  Diese  drei  Acte  erfolgen  überaus 
‘Hell  hinter  einander;  der  erste  wird  von  den  der  willkührli- 
Bewegung  fähigen  Muskeln  der  Zunge  unter  dem  Einllusse 
j.?*’  Nerv,  hypoglossus  mul  glossopharyngeus  mit  Willkühr  ausge- 
der  zweite  Act  erfolgt  zwar  unter  Mitwirkung  von  Muskeln, 
Eunr  Theil  auch  der  willkührlichen  Bewegung  fähig  sind,  wie 
oberen  und  unteren  Gatmaennjuskeln,  ist  aber  doch  eine  un- 


480  11. Buch.  Organ,  ehern.  Processe.  IV.  Abschnitt..  Verdauung. 

willkührliche  Bewegung ; denn  die  Bewegungen  zum  zweiten  Act® 
des  Sclilingens  erfolgen  unwiderstelilicli,  sobald  man  durcli  d*® 
Zunge  einen  Bissen  oder  Getränk  oder  Speichel  bis  an  eine  g®' 
wisse  Stelle  der  Zunge  gebracht. 

Der  dritte  Act  wird  unwillkührlich  von  Bewegungen  ausg®' 
führt,  welche  auch  sonst  nicht  willkührlich  seyn  können. 

Die  Ausführung  des  zweiten  Actes  ist  eine  sehr  zusammen' 
gesetzte  Operation,  worüber  die  Schriftsteller  der  verschiedenste’’ 
Meinung  sind.  Zur  Einsicht  desselben  ist  vorzüglich  eine  ricü' 
tlge  Ansicht  von  den  Stellungen  der  Bogen  des  Gaumensegels 
den  verschiedenen  Bewegtingen  desselben  nöthig.  Der  Gaume” 
hat  bekanntlich  zwei  untere  Muskelbogen,  den  vorderen  dufC” 
die  aus  den  Muse,  glossopalatini  gebildeten  Schenkel,  den  hinter” 
durch  die  aus  den  Muse,  phivryngopalatini  gebildeten  Sebenk®” 
Die  Schenkel  des  vordem  und  hintern  Bogens  weichen  jeder' 
seits  von  einander  und  hahen  die  Mandeln  zwisclien  sich,  lnde>” 
der  Schenkel  des  vordem  Bogens  sich  an  die  Zunge,  der  Sehe”' 
kel  des  hintern  Bogens  sich  nach  hinten  und  abwärts  an  d®” 
Schlund  anschliesst;  im  Gaumen  selbst  convergiren  jederseits  d'® 
Schenkel  des  vordem  und  hintern  Bogens,  und  daher  kann  mä” 
sich  die  Uvula  als  im  Mittelpunkt  der  Convergenz  oder  als  im  Mittet' 
punkt  eines  von  jenen  Muskelbogen  ausgelührten  Krenzge-o'ölh®* 
denken.  Ueber  die  "Wirkung  dieser  Muskeln  hat  neuerlich  Dz.oH”' 
[die  Functionen  des  weichen  Gaumens.  Halle  iWii.)  mehr  Licht  v®”' 
breitet.  Die  AVlrkung  des  vordem  Bogens  ist,  in  Verbindung  mit  d®t 
Zunge,  die  eines  Schhessmuskels,  und  der  vordere  Bogen  führt  i”’ 
B.echt  den  Namen  Constrlctor  isthmi  fauciurn.  Dieselbe  WirkuOs 
äussert  auch  der  hintere  Muskelljogen,  wenn  seine  oberen 
teren  Insertionspunkte  fest  sind.  Wenn  aber  das  Gaumense 
den  Muse.  tens.  veli  palatini  flxirt  ist,  wenn  die  unteren 
sich  durch  Zusanxmenziehung  des  Schlundes  selbst  einander  näher”' 
so  muss  die  Contractlon  der  Muse,  pharvngopalatini  bewirken,  d®*’ 
sieb  die  hinteren  Bogen  des  Gaumensegels  wie  zwei  Vorliä®?*^ 
von  den  Selten  einander  nähern  und  den  Durchgang  zvvdschen  d®” 
hinteren  Gaumenbogen  zu  einem  ritzähnlichen  Sciditze  mache”' 
welcher  unten  sich  erweitert.  Dzoisdi  hat  nun  bewiesen,  d«'®’* 
diese  Annäherung  der  Seiten  des  hintern  Gaumenhogens  oder  d®* 
hintern  Gaumenvorhangs  im  Schlingen  fast  bis  zur  Berühi’U”® 
erfolgt,  und  in  der  That  kann  man  sich  überzeugen,  wenn 
bei  untersuchendem  Finger  zu  schlingen  versucht,  oder  wenn  i”® 
am  Spiegel,  bei  hcriibgedrückter  Zunge  Scblingversuche  nia®”’ 
dass  diese  Annäherung  wirklich  erfolgt  und  dass  die  Muscnli  p^’” 
ryngopalatini,  durch  diese  Annäherung,  den  Weg  des  Bissens 
dem  obersten  Theil  des  Rachens  und  den  Choannen  mit  ein®”^ 
herabhängenden  und  schief  nach  liinten  und  unten  geneigten  P’ji 
num  inclinatum  absperren.  Das  Zäpfchen  ist  hierbei  erschh’ 
und  liegt  bei  der  Annäherung  der  Sclicnkel  des  hintern  Gauin®'' 
Vorhangs  vor  der  übrigbleibenden  Ritze.  leb  habe  diese  A® 
suche  wiederholt  und  sie  bestätigt  gefunden.  Es  ist  also 
tig,  wenn  die  meisten  Schriftsteller,  wie  auch  MagendiEj 
haupten,  die  Abschliessung  der  Choanen  von  dem  Schlund  S 


und 

gel  durc» 


3.  Von  eien  Bewegungen  des  Darmkanals.  Schlingen.  481 

*clielie  beim  Schlingen  durch  Hinaufziehen  des  Gaumensegels, 
Bewegung,  wodurch  überhaupt  beide  nicht  vollkommen  von 
®'ßander  abgeschlossen  werden  können.  Bei  allen  Bewegungen, 

'';o  der  INasenkanal  von  dem  Mundkanal  excludirt  wird,  geschieht 
‘jiess  durch  die  schon  beschriebene  Bewegung  der  Annäherung 
j *'  Schenkel  des  hintern  Gaumenbogens  oder,  wie  Dzondi  sagt, 
hintern  Gaumenvorhangs. 

Der  Mechanismus  des  Sehlingens  ist  demnach,  nach  Dzondi, 
^®lgender.  Im  ersten  Act  wird  der  Bissen  durch  Anpressen  der 
^änge  an  den  Gaumen  ])is  hinter  die  Gegend  des  vorderen  Gau- 
*^cnbogens  gebracht.  Im  zweiten  Act  bewirkt  die  Zunge,  inde^ 
sich  nach  hinten  zurückzieht,  und  der  sich  hinter  demBis^m 
*’isammenziehende  Muskel  des  vordem  Gaumenbogens  oder  des 
^nstrictor  isthmi  faucium,  die  weitere  Bewegung.  Die  Direction 
Bewegung  wird  bestimmt  durch  die  Wände  des  Rachens  in 
®'®sein  Moment.  Durch  die  Znrückbiegung  der  Zungenwurzel 
^ird  der  Kehldeckel  auf  den  Eingang  des  Kehlkopfs,  der  geho- 
und  nach  vorn  unter  die  Wurzel  der  Zunge  geschoben  wird, 
gedrückt,  und  der  Bissen  gleitet  ohne  Gefahr  der  Stimmritze  wei- 
l®*"-  Da’ nun  im  zweiten  Act  aucl)  die  Annähemng  der  Schenkel 
hintern  Gaumenbogens  eiutritt,  so  ist  der  Weg  in  die  Choannen 
‘'•'d  den  Obern  Theil  des  Rachens  abgesperrt,  und  der  Bissen  gleitet 
dem  Planum  inclinatum  des  hintern  Gaumenvorhanges  in  den 
‘V  angenäherten  Schlund,  durch  dessen  Contraction  er  in  die 
iPeiseröhre  weiter  gelangt.  Bei  dieser  Bewegung  sind  die  Zunge, 
"'e  Muskeln  des  vordem  und  hintern  Gaumenbogens  und  die 
'“^eren  Muskeln  des  Gaumensegels  (diu-ch  Anspannung  und  Fixa- 
‘■än  des  Gaumensegels)  und  die  Constrictores  pharyngis  zugleich 
‘*>atig,  während  das  Gaumensegel  weder  herabgezogen  noch  hinten 
e^gezogen,  sondern  nur  angespannt  uiid  ein  wenig  gehoben  ist. 
•che  Dzondi  l.  c.  Tah.  IV. 

In  der  Speiseröhre,  welche  keiner  willkiihrllchen  Bewegung 
ist,  wird  jede  erweiterte,  den  Bissen  aufnehmende  Stelle 
'''•••  dem  Bissen  zur  Contraction  gereizt;  diese  Avellenförmig  fort- 
^l'reitende  Contraction  erfolgt,  wie  man  namentlich  bei  Pterden 
'•eim  Trinken  sieht,  überaus  schnell;  nur  bei  grossen  Bissen  und 
häufigem  Schlingen  ist  die  Bewegung  langsam,  uml  man  tuhlt 
schmerzhafte  Forfrücken.  Der  Bissen  und  das  Getränk  sind 
'••erbei  in  jedem  Moment  von  contractilen  Wänden  eingeschlos- 
y®»,  die  sich  an  den  Bissen  anlegen.  Diess  fällt  weg,  wenn  die 
Speiseröhre  Iici  Sterbenden  bereits  gelähmt  ist,  wo  das  Getränk 
'*•*1  Kollern  hindurchfällt. 

Die  Bewegungen  des  dritten  Actes  sind  rem  unwillkührhch, 
J'*!  Werden  von  Muskelfasern  der  Speiseröhre  ausgeführt,  wel- 
'••e  keiner  Spur  willkührlicher  Bewegungen  fähig  sind.  Die  im 
freiten  Act  tbätigen  Muskeln  sind  willkührlicher  Bewegungeu 
?”‘S)  wie  die  Muskeln  der  Zunge  und  des  Gaumens  und  Schlun- 
und  in  der  That  kann  man  auch  ohne  Bissen, 
j .'•eben  nur  feucht  ist,  willkübrüch  schlingen  (obgleich  nicht  ott 
'•»ter  einander).  Man  kann  ferner  einen  Theil  dieser  Bewegun- 
wie  z.  B.  das  Annähern  der  Schenkel  des  hintern  Gaumen- 


482  II.  Buch.  Organ,  ehern.  Processe.  IV.  Abschnitt.  Verdauung. 


bogens,  willbülirlicb  veranlassen,  ebne  dass  es  ziim  Sclilinge/* 
kommt.  Man  kann  sogar  am  Spiegel  sieb  ül)er7,cugen , dass  vv't 
einigen  'willkübrlicben  Einfluss  auf  die  Muskeln  des  Sclilundkop' 
fes  ausser  dem  Schlingen  haben.  Allein  wenn  mehrere  dies®’ 
Bewegungen  (z.  B.  did  der  Zunge  und  des  hintern  Gaumenbog®”*' 
zu  gleicher  Zeit  willkührlich  oder  durch  Beiz  vorgenomraen  wef' 
den,  so  folgen  die  BcAvegungen  der  ganzen  zum  Schlingen  gd’®' 
rigen  Muskclgruppe  mit  den  Constrictoren  von  selbst,  und  ied®*^ 
bis  an  eine  gewisse  Grenze  im  Munde  gekommene  Theil  von 
tränk,  Bissen,  S])eicbel  muss  tinwiderstehlicli  verschlungen  werd®”' 

Das  Verschlingen  der  wahren  Schlangen,  welche  ihre  Ob®’’' 
kiefer  einigermassen,  wie  die  Hälften  des  Unterkiefers  v®" 
einander  entfernen  können  und  durch  ihre  langen , an  b®' 
weglichen  Ossa  temporalia  aufgehängten  Gelciikheine  für  den  tJä' 
terkiefer  den  Rachen  ungeheuer  erweitern  können,  ist,  Avie  B.”' 
DOLi’HE  richtig  bemerkt,  ein  Hcrüberzleben  der  SchlingwerkzeuS® 
über  die  grosse  Beute. 

Mac.f.ndie  [Memoires  sur  l’usage  de  f epiglotte  dans  la  degltd''' 
tion.  Paris  1813.)  hat  bestätigt,  Avas  schon  Galenus  berichtet,  d®’* 
sich  die  Stimmritze  selbst  beim  Schlucken  schlicsst.  Er  ist  ab®*^ 
wohl  zu  Aveit  gegangen,  wenn  er  glaubt,  aus  Versuchen  an  Tb’®' 
ren,  die  Entfernung  des  Kehldeckels  hebe  das  Schlingen 
auf.  Wenn  man  diess  auch  zugäbe,  so  ist  cs  eben  so  geA^b* 
aus  den  zahlreichen  Beobachtungen  über  Verlust  des  Kebldcckeb 
durch  Rehlkopfsschwindsucht  und  Reichel’s  Versuche,  de  usu 
glottidis.  Bcrol.  1816.,  dass  das  Schlingen  hierdurch  sehr  b®' 
schAA'ert  wird.  Vergl.  Rudoli'hi,  Physiol.  2.  p.  378.  Luvd,  f d'’' 
sectionen.  Kopenhagen  1825.  p.  9.  Bei  den  wallfischartigen  Tbi®' 
ren  ist  der  obere,  hier  schnabelförmige  Theil  des  Kehlkopfs  g®' 
gen  die  Nasenhöhlen  heraufgezogen.  Die  Speisen  gelangen  bi®® 
durch  den  Druck  der  Zunge  zu  den  Seiten  des  Kehlkopfes 
den  Schlundkopf.  Den  übrigen  Thieren  ausser  den  Säugethi®' 
ren  fehlt  das  Gaumensegel  und  in  der  Regel  aueh  der  Kcb*' 
deckel. 

2)  Beevegungen  der  Speiseröhre. 

Magesdie  hat  eine  eigentliümllche  Beobachtung  über 
rhythmischen  Zusammcnzlehungen  des  untersten  Theils  der  Sp®’' 
serohrc  ausser  dem  Schlingen  gemacht,  welche  ich  bestätigt  hab®' 
Diese  Zusammenziehungen  geschehen  A’on  oben  nach  der  CaiB’’’ 
hinab  und  schnell,  dauern  ungefähr  30  Secunden  und  nach 
gekdie  um  so  länger  (bis  10  Minuten),  je  voller  der  Magen  •■’.J 
Die  Zusammenziehung  geht,  nach  meiner  Beobachtung,  allmäbbn 
in  Ei’schlalfung  über,  Avorauf  AA'ieder  die  Zusammenziehung  folg’’ 
Magendie  konnte  zur  Zeit  der  letztem  nichts  vom  Contentip” 
des  Magens  in  die  Speiseröhre  treihen,  Avährend  bei  der  Evaa'®’ 
terung  die  Flüssigkeiten  durch  ihre  blosse  Sclnvere  hincIngliR®”' 
Was  aul  diese  Art  in  die  Speiseröhre  gelangte,  wurde  en'tAved® 
(obgleich  nur  seilen)  ausgeworfen  oder  (gewöhnlich)  durch  die 
sammenziehungen  der  Speiseröhre  in  den  Magen  wieder  zurü® 
getrieben.  Man  darf  sich  daher  die  Cardia  nicht  Jederzeit 
stark  geschlossen  denken;  bei  Dyspepsie  scheint  die  Erschlairn‘'r 


3.  Von  den  Bewegungen  des  Darmkanals.  Speiseröhre.  483 


loclj  hVuifiger  zu  seyn,  und  es  ist  liieraus  die  Eruetation,  das  Auf- 
*tossp,n  voll  Luft  und  Speisen  erklärlich,  sey  es,  dass  die  Zusarn- 
J*'finziehungen  des  Magens  im  Moment  der  Oeffnnng  der  Cardia  den 
‘iliult  hcrvOTtreiI)eii  oder  die  mit  der  Zusammcnzlehung  desZwcrch- 
erfolgte  Verkleinerung  der  Bauchhöhle  einen  Druck  auf  den 
^'■*gcn  anbringt. 

Magf.ndi  e’s,  Lagallois’s  und  Becfard’s  Versuche  haben  ge- 
*®*gt,  dass  die  Speiseröhre  heim  Erhrechcn  in  einer  dem  Schlin- 
entgegengesetzten  antiperistallischen  Bewegung  ist.  Bei  dem 
^J'hrechen,  welches  durch  Einspritzen  von  Bi’echweinstein  in  die 
’®nen  erfolgt,  sahen  sie  die  Bewegungen  der  Speiseröhre,  auch 
•'»chdem  sie  vom  Magen  getrennt  worden.  Lund  1.  c.  p.  15. 

3)  Bewegungen  des  Magens. 

. So  energisch  die  Zusammenziehungen  der  starken  Magenmns- 
hei  den  körnerfressenden  Vögeln  seyn  müssen,  so  gewiss  die 
!*'*chanische  Gewalt  in  dem  mit  Zähnen  hewaffneteu  Magen  vie- 
Cruslaceen  und  Orthopteren  unter  den  Insecten  wirkt,  so 
’^'^^'Wach  sind  die  Bewegungen  des  niembranösen  Magens  im  ge- 
*'!'Hlen  Zustande.  Man  sieht  zwar  immer  hei  Vivisectionen,  dass 
Magenwände  straff  den  Mageninhalt  umschliessen,  aber  der 
^^ttgen  zeigt  den  auffallendsten  Contrast  gegen  die  unaufhörlichen 
IJ'^t'istaltlschen  Bewegungen  der  Gedärme,  die  sie  besonders  auf 
Reiz  der  atmosphärischen  Luft  annchmen. 

Die  Reizung  des  N.  vagus  durch  (xalvanisrnus,  hei  Kaninchen, 
J^ändeu  und  fleischfressenden  Vögeln,  scheint  gar  keinen  Einfluss 
den  Magen  zu  äussern,  eben  so  wenig,  wie  die  Reize  des 
^''äglion  cocliacum  hei  Kaninchen.  IVur  Reize  auf  den  Magen 
angeivendet,  bewirken  sogleich  Zusammenziehung. 

Es  geht  hieraus  hervor,  wie  sehr  sich  diejenigen  täuschen, 
^"^Iche  hei  der  Zerkleinerung  der  Speisen  auf  die  Bewegungen  des 
I *§ens  viel  rechnen.  Die  pcristaltischen  Bewegungen  des  Magens 
ich  deutlich  nie  gesehen,  ich  beschreibe  sie  daher  nach  Ma- 
Pre'r.  elemenl.  de  physiol.  ‘i.ed.  'l.p.  p.87.  In  der  ersten 
"'jit  der  Verdauung  hleiht  der  Magen  gleichförmig  ausgedehnt, 
später  zieht  sich  die  Portio  pylorica  in  ihrer  ganzen  Ausdehnung 
''satnmen , vro  sich  die  In  Speisehrei  verwandelten  Nahrungsmit— 
I anhäufen,  während  die  weniger  alterirten  Stoffe  In  der  Portio 
™nica  sich  hefinden.  Die  pcristaltischen  Bewegungen,  die  sich 
Magendih  auch  nach  Durchschueidung  der  N.  vagi  fortset- 
sind  folgende.  Nachdem  der  Magen  einige  Zeit  unbeweglich 
^^''’esen,  zieht  sich  der  Anfang  des  Duodenums  zusammen,  ebenso 


Pylorus  und  die  Portio  pylorica;  diese  Bewegung  treibt  den 
ij  *y*>ius  gegen  den  Fundus.  Darauf  dehnt  sich  der  Magen  wie- 
und  nun  contrahirt  sich  die  Portio  pylorica  von  der  lin- 
ziu’  rechten  und  treilit  den  Chymus  gegen  das  Duodenum, 
durch  den  Pylorus  durchgeht,  weum  die  Speisen  die  ge- 
Auflösung  im  Magen  eriltten  haben.  Diese  Bewegun- 
uj  *?  wiederholen  sich  einigemal , darauf  hören  sie  auf,  om 
''oll  einer  besf.immten  Zeit  zu  AA'iederholen.  Ist  der  Magen 

’ so  beschränkt  sich  die  Bewegung  auf  die  denl  Pylorus  zu- 
'^hst  gelegene  Partie,  in  dem  Maass  als  er  sich  entleert,  dehnt 


484  II.  Buch,  Organ,  ehern.  Processe.  IV.  Abschnitt.  Verdauung. 


sich  die  Bewegung  aus  und  zeigt  sicli  auch  in  der  Portio  splC' 
nica,  wenn  der  Magen  fast  leer  ist. 

Schultz  {de  alimetäorum  concocLione.  Berol.  1834.)  nimmt 
dass  die  Bewegung  des  Magens  bei  Thieren  mit  stärkerem  Fu**' 
dus  so  stattfinde,  dass  die  Speisen  innerhalb  der  Leiden  Curva' 
turen  Cirkel  beschreiben , wie  heim  Kaninchen  und  beim  Pier, 
während  bei  den  reissenden  Thieren  mit  geringerm  Fundus 
Speisen  abwechselnd  gegen  den  Pylorus  hin  und  wieder  zurück' 
getrieben  werden;  daher  sollen  die  ersteren  Thiere  schwer, 
letzteren  leichter  brechen. 

Beaumont  hat  die  Bewegungen  des  Magens  an  einem 
sehen  beobachtet,  der  von  einer  Schusswunde  ein  ansehnlich*®* 
Loch  im  Magen  behielt,  dessen  Ränder  mit  den  Bauchwänden 
wachsen  waren.  W.  Beaumont  experimenis  and  observations  on 
gastric  Juice  and  the  physiology  of  digestion.  Boston  1834. 

Ausser  der  Verdauung  ist  der  Magen  zusiunmengezogen. 
bald  die  Speisen  in  den  Magen  getreten,  bewegen  sie  sich  a"” 
dem  Fundus  von  links  nach  rechts  entlang  der  grossen  Curvat**»» 
dann  entlang  der  kleinen  Curvatur  von  rechts  nach  links.  D*®) 
Bewegungen  sah  er  auch  an  den  Ortsveränderungen,  welche 
Kugel  des  in  den  Magen  gebrachten  Thermometers  erlitt. 
Umwälzungen  sind  in  1 — 3 Minuten  vollendet.  Sie  nehmen  O*'* 
dem  Fortschritt  der  Chyrnification  an  Schnelligkeit  zu. 

Nach  Beaumont  finden  in  der  Portio  pylorica  am  Anfa'*? 
des  conischen  Theils  derselben  3 — 4 Zoll  von  dem  dünnen  En**® 
eigenthümliche  Contractionen  und  Relaxationen  statt;  der  an  di®*® 
Stelle  gebrachte  Bulbus  des  Thermometers  wurde  von  Zeit 
Zeit  festgehalten  und  3 — 4 Zoll  weit  gegen  den  Pylorus  hing®'' 
zogen.  A.  a.  O.  p.  113. 

Im  Anfang  der  Verdauung  scheint  der  Pylorus  ganz 
schlossen.  Die  Verschliessung  des  Pylorus  kann  so  stark  seV**’ 
dass  nach  Wepfer,  Tiedemann  und  Gmehn  selbst  aus  dem  i***’^ 
geschnittenen  Magen  nichts  entweicht.  Nach  Abernethy 
hen  beim  Menschen  anfanp  nicht  einmal  leicht  Getränke  dm® 
den  Pylorus ; er  fand  bei  einer  Person,  die  sich  durch  Opivim  v®®' 
giftet  und  der  man  w'ährend  des  Lebens  viel  Flüssigkeit  eing®" 
flösst  hatte,  alle  Flüssigkeit  nach  dem  Tode  noch  im  Mag®1j 
Nach  Magendie  wird  durch  den  Magen  schon  der  grösste  Th®' 
der  Flüssigkeit  aufgesogen  ; doch  soll  beim  Pferd  das 
schnell  durch  den  Pylorus  durchgehen  und  liis  in  das  geräurmo 
Coecum  gelangen,  so  wie  auch  das  Futter  zum  Theil  unaufg®*®  | 
schon  durch  den  Pylorus  durchgeht.  Coleman  Hess  ein  Pferd  ''‘®^ 

Wasser  trinken ; nach  6 Minuten  fand  man  das  Wasser  schon  duT®^ 
den  Pylorus  und  die  dünnen  Gedärme  bis  in  das  Coecum 
Abernethy  physiol.  Lect.  180.  Gegen  das  Ende  der  Verdauu**» 
scheint  der  Pylorus  dem  Andr'ängen  eine  schwächere  Resist®*^^ 
entgegenzusetzen;  denn  bekanntlich  öffnet  er  sich  auch  für  ’*'^ 
verdaute  Dinge,  wie  Kirschkerne  und  andere  grössere  Körp®^^ 
Home’s  Meinung  von  einer  mittlern  Einschnürung  des 
während  der  Verdauung  ist  nicht  bewiesen.  Tiedemann  hat  m® 
davon  bei  Hunden  gesehen,  ich  auch  nicht. 


3.  Von  den  Bewegungen  des  Darmkanals.  Wiederkäuen.  485 
4)  Wiederkäuen. 

Bei  den  wiederkiVucnden  Thiören  führt  die  Speiseröhre  un- 
'‘'ittelhar  zugleich  in  den  ersten  (Pansen)  und  zweiten  Magen 
IBauhe).  Die  Speiserölirc  setzt  sich  aber  durch  einen  Halhkanal 
'•i  den  dritten  Magen  fort.  Nach  Flotjrens  neuen  Beohaehtungen 
i***!  Sehafe  {Revue  encyclopedique  Paris,  Noo.  1831.  pag.  542.)  ge- 
das  Futter  heim  ersten  Verschlingen,  gleicliviel  ob  Gras, 
Bafer,  Rühen,  in  den  ersten  und  zweiten  Magen  zugleich.  Als 
einem  Schaf  einen  Brei  von  gekauten  Rüljen  gab,  drang 
^‘®se  feinere  Masse  in  die  beiden  ersten  Magen,  und  ein  kleiner 
*^l‘eil  auch  in  den  dritten  Magen.  Aus  dem  ersten  und  zweiten 
gelangen  die  vorläufig  dort  von  dem  Speichel  und  den 
Mjsonderungen  dieser  Mägen  erweiehten  Speisen  durch  eine  Art 
Bfuctation  wieder  in  den  Mund,  und  werden  zum  zweitenmal 
Sfikäut,  worauf  sie  wieder  verschluckt  werden.  Was  nacli  der 
^^eiten  Deglulitlou  geschieht,  hat  nun  Floxirens  so  auszumitteln 
8®sucht,  dass  er  an  verschiedenen  Thieren  einen  Anus  contra 
''^turam  an  den  verschiedenen  Mägen  anlegte.  Die  Oeflüung,  wel- 
er  schliessen  konnte,  erlaubte  ihm  zu  beobachten,  was  in 
Magen  vorging.  Belm  Verschlingen  nach  der  Rumination 
gelangt  ein  Theil  des  Wiedergekäuten  zxvar  auch  noch  in  den 
Binsen  und  in  die  Haube,  aber  ein  grosser  Theil  folgte  der 
Balhrinne  der  Speiseröhre  und  in  den  dritten  Magen.  Fcoxtrens 
®*'Uärt  den  verschiedenen  Weg  der  Speisen  nach  der  ersten  und 
?^'’eiten  Deglutitiou  auf  folgende  Art.  Bei  der  ersten  Deglutition 
***■  der  Bissen  voluminös,  ei’  erweitert  die  Speisei’öhre  (auf  Ko-, 
jenes  Ualhkanals ) , und  gelangt  nothwendig  in_  den  ersten 
^^“geu.  Beim  zweiten  Sehlingen  sind  die  Speisen  weich  und  fol- 
ohne  Ausdehnung  der  Speiseröhre  der  iljneii  sich  anwelsen- 
Rinne,  wobei  jedoch  auch  wieder  ein  kleiner  Theil  in  den 
fKten  Magen  gelangen  kann.  Wenn  die  von  Magendie  und  mir 
Thieren  heobachteteü  i'hythmischen,  sich  wiederholenden  und 
-p**®  geraume  Zeit  anhaltenden  Zusammenziehungen  des  untern 
■^'»ells  der  Speiseröhre  auch  hei  den  Wiederkäuern  statt  finden, 
müssen  sie  die  Lefzen  des  Ualhkanals,  der  ln  den  dritten  Ma- 
§eo  führt,  zu  einem  ganzen  Kanal  formiren,  in  vvelcjxen  alles 
Zerthellte  eindringt,  dei’  aber  von  voliuninösen  Bissen  (bei  der 
Deglutition)  ausgedehnt  werden  muss.  Vergl.  Berthold, 
^iträgg  zur  jinat.,  Znolomie  und  Physiol.  Gott.  1831. 
a.  In  Hinsicht  des  Erbi-echens  fand  Flourens,  dass  während 
beiden  ei’sten  Mägen  leicht  die  Speisen  zum  Wiederkäuen 
g'**treiben,  der  vierte  Magen,  dui’ch  welche  xlas  Erbrechen  statt- 
ausserordentlich  schwer  zu  dieser  Bewegung  bestimmt 
***!•  Mem.  de  l’acad.  des  sc.  T.  12. 
b)  Erbrechen. 

j . Das  Erbrechen  ist  eine  mit  Ekel  vei’bundene  antiperistalti- 
äft  1 Bewegung  des  Magens  (zuweilen  auch  eines  Theils  des  Darms) 
^ n der  Speiseröhre,  begleitet  von  heftigen  Zusammenziehungen 
Ij  Bauchmuskeln  und  des  Zxverchfells , welche  erregt  werden 
durch  jede  auf  den  Schlund,  die  Speiseröhre,  den  Magen, 


486  II,  Buch.  Organ,  ehern.  Processe.  IV.  Abschnitt.  Verdauung. 

den  Darmkanal  unmittelLar,  oder  mittelbar  dureb  die  Nerven  diC' 
ser  Theile  einwirkende  starke  Reizung,  oder  welche  selbst  ö' 
folgt,  wenn  die  Reize  dieser  Theile  in  den  Kreislauf  von  ander*’ 
Orten  aus  eingeführt  werden.  So  entsteht  das  Erbrechen  dufC* 
mechanische  Reizung  des  Scblundkopfes  mit  einer  Feder,  mit  den’ 
Finger,  ja  selbst  durcli  einen  Bissen,  der  im  Schlunde  zu  lang® 
verweilt,  durch  alle  Mittel,  welche  den  Magen  mechanisch  oder 
chemisch  reizen,  durch  Entzündung  desselben  und  des  Darink”' 
nals,  durch  eingeklemmte  Brüche  und  Intussusceptionen  des  Dari”' 
kanals,  durch  Reizung  des  Gehirns  und  Unterbrechung  des  Hirne’*’.' 
Busses  nach  Durchschneidung  oder  Unterbindung  der  Nervi  vag*» 
zuweilen  selbst  durch  die  beim  Husten  sich  associirenden  Be^r«' 
gungen;  ferner  hei  Kopfverletzungen , endlich  durch  Einöössen ''O” 
Tartarus  cmeticus  in  die  Venen.  Alle  Reize,  welche,  in  gering®”’ 
Grade  örtlich  applicirt,  die  peristaltischen  Bewegungen  der  Jl®' 
reizten  Theile  befördern,  machen  in  heftigem  Grade  der 
kung  dieselben  Bewegungen  antiperistaltisch,  und  beivirkcn  du’’® 


O sJ  1 r . irt 

Consensus  der  Nerven  auch  die  Bewegungen  der  übrigen 
Erbrechen  concurrirenden , nicht  primär  gereizten  Theile.  N”® 
Dzosdi  ist  die  Stellung  des  hintern  Gaumenbogens  im  Erbrccb®** 
dieselbe,  wie  im  Schlingen,  und  indem  die  Schenkel  des  hint®®*' 
Gaumenbogens  sich  einander  nähern  und  ein  Planum  inclinatu”’ 
vom  Gaumensegel  bis  zur  hintern  Wand  des  Schlundes  bilden, 
hintere  Gaumenbogen  aber  mehr  aufgezogen  wird  und  das  Zaf*' 
eben  durch  die  Wirkung  seines  Muskels  sich  verkürzt,  ist  <^®'' 
Weg  bezeichnet,  durch  w'clchen  das  Erbrochene  in  den  Mund  g®' 
langt  und  die  Nase  vermeidet,  welches  letztere  freilich  nicht 
mer  geschieht,  da  die  unteren,  auch  bei  den  Annäherungen  scd' 
lieh  auseinander  w'eichenden  Schenkel  des  hintern  Gaumenbog®*’ 
den  Eingang  vom  untern  Theil  des  Sclilundcs  in  die  Choannen  ®'' 
leichtern.  Die  reissenden  Thiere  brechen  leicht,  das  Pferd  s® 
schwer.  j 

Magendie  hat  den  früher  von  Bayle,  Chiiiac,  Se:sac, 

J.  Huntek  angeregten,  von  Haller  aber  widerlegten  Z"'®’' 
fei  über  den  Anthell  des  Magens  am  Erbrechen  wieder 
gebracht,  und  behauptet,  dass  der  Magen  dabei  völlig  untbal*» 
sey,  und  das  Erbrechen  allein  aus  Zusammendrückung  des  V' 
der  VerklelncruniT  der  Bauchhöhle  durch  ’ 


ili® 


gens  vermöge  — „ 

Zusammenziebung  des  Zwerchfells  und  der  Bauchmuskeln  entsteOj^ 
Magekuie  beobachtete  bei  Hunden , denen  er  Brechmittel 
Einspritzen  in  die  Venen  oder  im  Magen  beigebracht, 
Zusammenziehungen  am  Magen.  Zog  er  denselben  aus  der  Ba”® 
höhle  heraus,  so  erfolgte  kein  Erbrechen,  sobald  er  aber 
Magen  in  die  Bauchhöhle  zurückbrachte , erfolgte  cs. 

!i” 
d®*’ 


Druck  mit  der  Hand  ersetzte  die  Bauchmuskeln ; zerschnitt 
die  letzteren,  so  bewirkte  das  Zwerch  feil  noch  Erbrechen) 
Verbindung  mit  der  weissen  Linie.  Die  Durchschneidu”S 
Zwerchfellsnerven  hob  das  Erbrechen  auf.  Ersetzte  er 
Magen  durch  eine  an  die  Speiseröhre  angebundene 
blase , so  erfolgte  das  Erbrechen  aus  denselben  ürsac 
wie  bei  dem  unverletzten  Magen.  MAiitGAVLT’s  Widerspru® 


3.  Von  den  Bewegungen  des  Darmkanals.  Erbrechen.  487 

SGgen  diese  Behauptungen,  welcher  nacli  Durchschneidung  des 
Zwerchfells  und  der  Bauchmuskeln  Erbreclien  sah,  veranlassten 
"^eitere  Untersuchungen.  Das  Comitd  der  Academie  fand,  dass 
ohne  äussern  Druck  auf  den  Magen  kein  Erbrechen  statt  findet; 
dieser  Druck  kann  aber  sehr  gering  seyn , tmd  Flüssigkeiten  köii- 
''on  nach  durchschnittenen  Bauchmuskeln  und  Lähmung  des 
Zwerchfells  durch  blosse  Annäherung  der  untersten  Rippen  zu 
Regio  epigastrica  in  die  Speiseröhre  getrieben  werden ; im  Ma- 
8on  selbst  entdeckten  sie,  ausser  den  vom  Erbrechen  unabhängi- 
§0n(?)  cirkelförmigen  Zusammenziehungen  in  der  Gegend  des  Pfört- 
keine  Bewegung,  dahingegen  Rudolphi  solche  Bewegung 
®Uch  nach  Durchscimeidung  der  Bauchmuskeln  gesehen  hat.  Ue- 
^er  die  den  Gegenstand  nicht  wesentlich  auf  klärenden , weiteren 
^^ersuche  von  Portal,  Bourdon,  Beclard,  Merat  gegen  Magen- 
und  Rostan,  Piedagkel,  Gondret  für  denselben,  kann  man 
angeführte  \Verk  von  Lund  nachschen.  Magendie’s  Versuch 
*Oit  der  Blase  beweisst  wohl  nicht  viel,  und  Rudolphi  bemerkt 
^Oit  Recht,  dass  durch  Einspritzung  von  Brcchweinstein  in  die- 
^enen  antiperistaltische  Bewegungen  in  der  Speiseröhre  entste- 
müssen,  welche  den  Inhalt  der  Blase,  der  ohnehin  nur  ziun 
kleinsten  Thcil  ausgeworfen  würde,  hinaufziehen  können.  Dieser 
^ersuch  verliert  aber  alle  Beweiskraft,  wenn  man  bedenkt,  dass 
Ursache,  warum  überhaupt  der  Mageninhalt  nicht  in  die 
Speiseröhre  auslaufeu  kann,  die  beschriebene  Zusammenziehung 
^er  Speiseröhre  an  der  Cardia,  bei  dem  Durchschneiden  der  Spei- 
seröhre an  dieser  Stelle  aufhören  musste,  jede  Flüssigkeit  also 
®Usfliessen  konnte  bei  der  geringsten  Veranlassung.  Aber  über- 
haupt kann  man  mit  Rudolpui’s  gerechter  Indignation  fragen,  wie 
^ann  der  Umstand,  dass  eine  Blase  nach  oben  entleert  wird, 
beweisen,  dass  der  Magen  beim  Erbrechen  unthätig  ist?  Ein 
Nichtiger  Umstand,  der  bisher  nicht  gewürdigt  worden,  ist  eine 
■^rt  von  unmerklichcr  Zusammenzielning  des  ganzen  Magens,  wo 
in  seinem  Volumen  im  Ganzen  kleiner  wird,  ohne  dass  man  an 
®'hzelnen  Theilen  Coutraction  sieht.  Diess  habe  ich  oft  ausser 
Erbrechen  beobachtet.  Mir  scheint  die  Contraction  des 
^hgens  im  Erbrechen  unzweifelhaft,  da  man  deutlich  die  Zusam- 
‘henzlehung  des  Magens  dal>ei  fühlt,  obgleich  man  im  allgemeinen 
Antheil  des  Magens  dabei  viel  zu  gross  angeschlagen  hat,  der 
"oim  Erbrechen  vo^1  unmittelbarem  Reiz  des  Magens  die  Reizung 
*yhapathisch  auf  andere  Muskeln,  namentlich  die  Bauchmuskeln 
^hd  das  Zwerchfell,  fortpflanzen  kann.  Diess  Letztere  ist  keine 
’hiTnuthung  mehr ; denn  ich  habe  mehrmal  die  Beobachtung  ge- 
"^^eht,  dass  die  mit  der  Nadel  bewirkte  Zerrung  des  N.  splanch- 
?*cus  in  der  Bauchhöhle,  wo  er  bei  Kaninchen  auf  der  linken 
,®‘te  an  der  Innern  Seite  der  Nebenniere  ziemlich  leicht  zu  fin- 
ist,  Zusammenziehungen  der  Bauchmuskeln  veranlasst.  (Beim 
.'ö'de  ist  diess  nicht  gelungen).  Da  nun  der  Nervus  sphmch- 
^*'^ös  die  Verbindung  zwischen  dem  Nervus  sympathicus  und 
Ganglion  coellacum  bewiikt,  der  Nervus  sympathicus  aber 
^‘eder  rnit  den  Spinalnerven,  und  durch  sie  mit  dem  Rük- 
®*nnark  zusammenhängt,  so  folgt,  dass  Reizung  des  Nervuis 

ü 11  e r’s  Physiologie,  32 


488  IJ.lhtch.  Organ.  cficm.Proccsse.  IV.  Absclmitt.  Verdauung. 


splaiiclinicus  entwetlor  olmc  oder  mit  Vormittelung  des  Rücken- 
marks durch  Nervonzusammenhang  die  Spinalnerven  der  RaucJi- 
muskeln  reizen  kann,  und  dadurch  in  Reizungen  des  Magen* 
durch  Vermittelung  des  G.  Cocliacum  und  des  Nervus  splanchnicu* 
Zuckungen  der  Bauchmuskeln  sympatliisch  entstellen  müssen. 
Beohachlung  macht  mir  Magendie’s  Theorie  von  der  Wirkung 
der  Brechmittel  überaus  unwahrscheinlich.  Er  nimmt  nämlic'* 
an,  ilass  die  Brechmittel  in  den  Magen  eingeflösst  auch  erst  nC’ 
Blut  aufgenommen  werden,  und  von  dort  aus  die  heim  Breche” 
concurrirenden  Organe  afficiren,  wie  heim  Erbrechen,  welche-'’  | 
durch  Einspritzung  von  Brechweiusteinlösung  in  anderen  Theile” 
und  in  die  Venen  entsteht.  Wenn  der  Nervus  splanchnicus  Zuk' 
kungen  der  Bauchmuskeln  erregen  kann,  so  ist  es  fast  erwiese”? 
dass  das  Erbrechen  von  Einnebmen  des  Brechmittels  durch  Pr”' 
pagation  der  Nervenreizung  erfolgt,  wie  denn  eine  andere  Ei’kl”' 
j-ung  auch  unmöglich  beim  Erbrechen  von  mechanischer  Reizu»? 
des  Magens,  von  mechanischer  Reizung  des  Darms,  von  Magß”' 
und  Darmentzündung,  von  mechanischer  Reizung  des  Schluiub’'’ 
statt  finden  kann.  Magekdie’s  Theorie  ist  daher  ungegründeb 
und  gerade  diese  Theorie  war  es,  wovon  seine  Ansiclit  von  de* 
Untb'aligkcil  des  Magens  beim  Erbrechen  eine  lilosse  Consecpie*'® 
war.  Siehe  übrigens  MAGEnniE  memoire  cuncernanf  l’inßumce 
l’emelä/ue  etc.  nouo.  bull,  de  ln  .toc.  philom.  T.  .3.  p.  .360. 

Wenn  es  nun  sehr  wahrselicinlich  ist,  dass  in  den  Mage*' 
gelangte  Brechmittel  schon  von  dort  aus , und  nicht  indc*” 
sie  ins  Blut  gelangen,  durcli  Nervenconsensus  die  Erbrechung-*' 
liewegungen  erregen , und  wenn  dicss  von  dem  Erbrechen , da* 
durch  mechanische  Reize  in  den  Verdauungswerkzeugen,  diu-cl* 
Darm-  und  Magenentzündung  erregt  wird,  gewiss  ist,  so  cid' 
steht  nun  die  Frage,  ob  der  Magen  und  Darm,  indem  sie  Erbi'C' 
dien  erregen,  mehr  durch  den  Nervus  vagus  auf  das  Gcliii’**? 
oder  durch  den  N.  splanchnicus  und  sympathicus  auf  Gehirn 
Rückenmark  (den  Eindruck  fortpflanzcnj  wmrauf  die  weiteren  Ilüli*' 
bewegungen  des  Erbrechens  durch  Wirkung  der  Spinalnerven  a” 
die  Bauchmuskeln  und  das  Zwerchfell  vom  Gehirn  und  Piückenmaik” 
aus  erlblgen.  Die  genannte  Beobachtung  über  die  Fähigkeit  de* 
Nervus  splanchnicus,  Zuckungen  der  Bauchmuskeln  zu  errege”* 
beweist  den  Antheil  des  N.  splanchnicus  an  jener  Transmissio*” 
Das  Erbrechen  von  Reiz  des  Schlundes,  in  dem  sich  vorzüglie* 
Aeste  des  N.  vagus  verzweigen,  beweist  den  Antheil  des  Nerv'”* 
vagus  an  jener  Transmission,  indess  ist  allerdings  wahrscheiuliß”* 
dass  N.  splanchnicus  und  vagus  zugleich  bei  der  Wirkung  ander”* 
Brechreize  im  Magen  und  Darm  die  Transmission  des  Rei*”* 
bewirken. 

Das  Erbrechen  von  Durchschneidung  und  Unterbindung  *1*^* 
Nerv,  vagus  (Mayer  in  Tiedemans’s  Zeitschrijt  2.  62.)  ist  schvr”*^ 
auf  eine  definitive  Art  zu  erklären.  Mau  kann  sagen,  *1'*^^* 
Aufhebung  des  Hirneinflusses  vom  Nervus  vagus  auf  den  M»' 
gen  wird  das  Gleichgewicht  der  Kräfte  in  dem  von  Nerv”* 
vagus  und  splanchnicus  zugleich  versehenen  Magen  aufgeh”' 
ben.  Noch  lässt  sich  indess  das  Erbrechen  daraus  erklären,  da** 


3.  Vun  den  Bewegungen  des  Darmkanals,  Erbrechen.  489 


Unterbindung  und  auch  die  mit  der  Durcliscbncidung  des  N. 
^‘*gus  verbundene  Quetschung  auf  das  Geliirn  wirkt,  und  da  die 
bilden  der  durcbselinittencn  Nerven  nolbwendig  in  Entzündung 
geratben  müssen,  so  ist  der  Eindruck  des  Hirnstücks  vom  N.  va- 
auf  das  Gehirn  derselbe,  als  ob  die  Endisweige  des  N.  vagus 
Magen  in  der  Magenentzündung  gereizt  werden,  und  cs  er- 
in  beiden  Fallen  dasscUje  Phänomen,  Erbrechen.  Auch 
"ie  ßurcbsclmeidung  anderer  Nerven  bewirkt  zuweilen  Erbrechen 
anderen  Nervcnzufällen,  wie  die  Durcbschneidung  desSebnerveii 
“CI  der  Exstirpatio  bulbi  oculi. 

Dass  die  Transmission  des  Eindrueks  durch  den  Nervus  va- 
Antlieil  am  Erbrechen  halie,  macht  Bracuet  [Recherches 
les  foncfions  du  Systeme  ganglionuire)  daraus  wahrscheinlich. 
’>Qnelque  soit  la  dose  que  vous  administriez  les  vomitlfs  et 
des  chiens , a qui  vous  avez  feit  la  sectioii 
leur  Impression  devient  nulle.‘‘  Diess  steht 


des  nei'fs  vagues, 


^“cilieli  mit  der  Erfahrung  im  Widerspruch,  dass  Hunde  nach 
“crn  Durchschneiden  des  Nervus  vagus  von  selbst  vorniren.  Vergl. 
'‘^en  p.  235. 

Bei  dem  Erbrechen  von  GehirnalTection  wirkt  die  Beizung 
B“lwcder  durch  die  des  Rückenmarks  auf  die  Sjnnalnervcn  und 
^Werchfell  und  Bauchmuskeln,  oder  durch  den  N.  vagus  auf 
‘Speiseröhre  und  Magen  und  durch  die  Verbindung  des  N.  vagus 
dem  sympatbicus,  nämlich  durch  den  N.  splanchnicus  auf  die 
|P‘nalnerven  und  das  Rückenmark.  Gcwöbidich  stellt  man  sich  vor, 
der  Nerv,  vagus,  von  Gehiruafiection  gereizt,  Contraction  des 
^“gcns  bewirkt.  Diess  ist  schwer  zu  glauben,  denn  wie  deut- 
die  Zusammeuziebungcn  der  Speiseröhre  sind , die  man 
prch  mechanischen  und  galvanischen  Reiz  des  N.  vagus  beAsdr- 
'Cn  k.ann  so  ist  es  mir  doch  in  den  vielfältisisten  Versuclien 


kann,  so  ist  es  mir  doch  in  den  vielfältigsten 
Kaninchen,  fleischfressenden  und  körnerfressenden  Vögeln  nie 
g®Mngen,  durch  die  stärksten  mechanischen  Reize,  und  selbst 
einer  sehr  starken  Säule  auf  den  isolirten  N.  vagus  auch  nur 
“•äe  irgend  deutliche  Zusaramcnzieliung  des  Magens  zu  erregen. 

“Ibst  der  dicke  Muskelmagen  der  Hühner  contrahirt  sich  hierbei 
' ärchaus  nicht.  Dagegen  zieht  sich  der  Magen  sogleich  bei  Säu- 
Bctliieren  und  Vögeln  zusammen,  wenn  man  Hin  selbst  reizt. 
^®'»iliche  Beobachtungen  haben  MAOEsniE  und  Mayo  gemacht. 

’ß  Bewegungen  des  Magens  scheinen  fest  allein  vom  Nervus 
'ytiapatbicus  abhängig,  wie  die  des  Darms.  Beide  können  sich 
gdgeschnitlen  noch  peristaltisch  bewegen,  wie  Wepfer  vom  Ma- 
ß “ und  Andere  vom  Dann  sahen. 

Nun  entsteht  immer  noch  die  Frage,  auf  welche  Art  Brech- 
dtel  wirken,  die  ins  Blut  gelangen,  ohne  erst  in  den  Magen 
j^‘“§eflösst  zu  seyn.  Diess  ist  nicht  ganz  klar,  oder  vielmehr  wir 
“S'tzen  keine  hinreichenden  Thatsachen,  diese  Frage  bestimmt  zu 
scheiden.  Im  Grunde  ist  es  einerlei,  ob  ein  Reiz  an  der  äus- 
j,*'“  Fläche  der  Organe,  oder  noch  unmittelbarer  durch  das  Blut  im 
,jp’'““chym  eines  Organes  wirkt,  wie  denn  auch  Arsenik  von  an- 
Theilen  aus  Magenentzündung  erregt.  Hiernach  scheint  cs, 
*5  der  ins  Blut  gekommene  Brcchweinstein  von  den  Blutgefässen 

32  * 


490  II.  Buch.  Organ,  ehern.  Proresse.  IV.Ahschnitt.  Verdauung. 

aus  auf  die  beim  Erl)reclieu  betlieiligten  Organe  wirke.  Alle**’ 
es  ist  imnier  noch  zweifelhaft,  oh  er  mehr  auf  die  organische» 
Excitatoren  der  Bewegungen,  Gehirn,  Rückenmark  und  Nerve») 
oder  unmiltclhar  auf  die  beweglichen  Organe  selbst  wirkt.  — 

6)  Bewegung  des  Darms. 

Die  wurmförmigen  oder  peristaltischen  Bewegungen  des  Dan»*» 
ebenso  uuwillkührlich  wie  die  des  Magens,  scheinen  während  de» 
Lebens  schwach,  und  sind  nur  in  nervöser  Reizung,  die  sich  »» 
die  Gedärme  fort|)llanzt,  in  der  Dyspepsie  und  in  ki-amp' 
haften  Bewegungen,  namentlich  Ijei  einer  Reizung  und  im  Durc»' 
fall  schneller;  bei  eben  geöffneten  Thiereu  sind  sie  sehr  unmer^' 
lieh,  sie  verstärken  sich  aber  schnell  durch  den  Reiz  der  L»’ 
zu  einem  ausserordentlichen  Grade  von  Lebhaftigkeit;  die  Där»^® 
heben  und  senken  sich,  treiben  ihren  Inhalt  weiter  und  im  Ad' 
gemeinen  immer  mehr  nach  aliwärts.  Reizt  man  den  Darm  i»^' 
chanisch,  chemisch,  galvanisch,  so  zieht  er  sich  an  dieser  Sted 
allmählig  sehr  eng  zusammen,  der  höchste  Grad  von  ZusaminC»' 
Ziehung  erfolgt,  wenn  der  Reiz  schon  aufgehört  hat,  und  lä** 
allmählig  ebenso  wieder  ab.  Wendet  man  starke  galvanisch*’ 
Reize  auf  den  auf  einer  Glasplatte  isolirten  Nervus  splanchiiic»* 
oder  auf  das  Ganglion  coeiiacum  an,  so  verstärken  sich  die  B®' 
wegungen  allgemein;  Durchschncidung  der  Nervi  vagi  hebt  die»*' 
Bewegungen  so  wenig  als  Verletzung  der  sympathischen  Nerve» 
auf,  sie  dauern  an  dem  abgeschnittenen  Darmkanal  fort. 

Auf  dem  Wege  durch  den  Darmkanal  verliert  der  Darm'»' 
halt  durch  Resoi'ption  allmählig  immer  mehr  nahrhafte  Tbeü®’ 
und  es  werden  die  Reste  als  Excremente  im  Dickdarm  immer  co»' 
sistenter.  Der  Schliessmuskcl  des  Afters  ist  zu  jeder  Zeit  ausse*' 
den  Rothausleerungen  contrahirt.  Einen  geringen  Grad  bestand'' 
ger  Contraction  scheint  derselbe  mit  allen  Muskeln  gemein  *** 
haben,  die  man  wenigstens  dann  erst  ei'kennt,  wenn  ihre  Ant»' 
gonisten  durchschnitten  sind.  Die  Contraction  des  Sphinctei’ 
ist  aber  besonders  durch  die  Ansammlung  des  Roths  und  dessC» 
Reiz  im  Mastdarm  vermehrt;  sie  dauert  so  lange,  bis  sie  dur»» 
den  Andrang  der  Excremente  überwunden  wird;  die  Contractio»»*’ 
des  Sphincters  sind  der  willkübrlichcn  Verstärkung,  aber  nie» 
der  w'illkührlichen  Erschlaffung  fähig.  Die  Expulsioii  der  ExcfC' 
mente,  und  die  den  Widerstand  des  Sphincters  überwindende  GeW»^ 
kann  in  seltenen  Fällen  bei  welchen  Excrementen  ohne  Mitwirku»^ 
der  Bauchwände  durch  blosse  (unwillkührliche)  Contraction 
Mastdarms  erfolgen;  wie  Leg.vllois  und  Becl.vhd  {Bull,  . 
fac.  et  de  la  soc,  de  med.  181.3.  A.  10.)  nach  Wegnalimc  de 
Bauchmuskeln  gesehen  haben  wollen.  ^Gewöhnlich  sind  inde*’ 
die  Znsammenziehungen  des  Zwerchfells  und  der  Muskeln  dui'» 
Einengung  der  Bauchhöhle  mit  Erhebung  des  willkührlich  beweS^ 
liehen  Levator  ani  zurRothentleei’ung*iöthlg.  Alle  dleseBeweg»'J,^ 
gen  willkühi'licher  Muskeln  treten  auch  imwillkühilich  und  kramP  ^ 
haft  so  gut  wie  heim  Erbrechen  ein,  wenn  der  Reiz  der  ExcJ 
mente  auf  den  Mastdarm  anhaltend  und  sehr  heftig  ist. 

Jene  Bewegungen  können  auch  dui’ch  Verletzungen  undRr»» 
helten  des  Rückenmarks  (und  Gehirns)  gelähmt  seyn,  und  es  ka»  ’ 


4.  Von  den  Verdauungssäften.  Speichel. 


491 


naclidem  mehr  der  SpTilncter  ani  erschlafft,  oder  der  Mast- 
Oarm  und'  die  Bauchmuskeln  gelahmt  sind,  unwillkührlicher  Ah- 
Sang  oder  hfcstandige  Verstojilung  entstehen.  Nach  Krimer  ist 
Kothentleening  nach  Zerschneidung  der  Nervi  phrenici  und 
Rahmung  des  Zwerchfells  niclit  aul'gehohen,  wohl  aher  nach  Zer- 
schneidung der  Bauchmuskeln  oder  des  Rückenmarks  hei  Ilun- 
"^  Cn,  zwischen  dem  5 — 6.  Rücken«  irhel. 


IV.  Capitel.  Von  den  Verdauungssäften. 


. a.  Speichel.  Die  Absonderung  des  Speichels  scheint  in  der 
■fhierwelt  mit  Ausnahme  der  Walllische  und  Fische  last  allgc- 


*^®in  zu  seyn.  Die  Insekten  Besitzen  speichelabsonderndc  Schläu- 
che, Blinddärmchen  oder  Röhren,  die  Mollusken  ein  oder  meh- 


Cßre  Paar  zusammengesetzte  Speicheldrüsen.  Viele  Schlangen 
hallen  hloss  einfache  Speicheldrüsen.  Mit  der  S|)eichelahson- 
aerung  muss  man  die  Giftahsonderung  der  Schlangen  nicht 
y.CDvechseln ; denn  die  Giitschlangen  haben  ausser  den  gewöhn- 
:‘chen  Speicheldrüsen  auch  noch  die  besonderen  Giftdrüsen. 
Ph  die  giftigen  Säfte  der  Schlangen  (auch  der  Spinnen)  zur  Auf- 
^hsung  der  Speisen  Beiträgen,  ist  noch  unbekannt.  Die  Analogie, 
man  zwischen  diesen  Säften  und  dem  giftigen  Speichel  der 
Pändswuthkranken  gezogen  hat,  ist  aber  wohl  abergläuljisch; 
henn  in  der  Hundswuth  ist  die  Ansteckung  durch  den  Speichel 
Cär  zufällig,  und  nach  den  Versuchen  von  Hertwig  in  der 
fhierarzneischulc  zu  Berlin  können  andere  Säfte  der  Hundwuths- 
^canken,  wenigstens  Blut,  eingeimpfl  die  W^uth  erzeugen..  Hier- 


C^'t  fällt  auch  die  Hindeutung  auf  die  gilVige  Beschaffenheit, 


‘c-  lallt  aUCll  ttlU  lllllUCUlUlli^  <IL11  VllV 

'''eiche  der  Speichel  durch  Leidenschaft  erlangen  soll,  weg.  Die 
pateriellen  Veränderungen  in  Leidenschaften  sind  allgemeine,  und 
'^treffen  zugleich  mehrere  Absonderungen,  wie  besonders  von  der 


Dass  Bisswunden  gereitzer  Thiere  sich  von 


^^dch  bekannt  ist.  nass  msswunueu  gereii,/.ci  xuiciu 
SG^vöhnlichen  gerissenen  Wunden  unterscheiden,  davon  ist  der 
®"'eis  noch  zu  führen  *). 


j,  f)  Das  Sclilangcngift  ist  nach  FoNTANA  Weiler  .alkalisch  noch  sauer,  es  ist 
ln-  1 bestimmten  Geschmack,  es  sinkt  im  Wasser  zu  Boden  und 

^ acht  sich  nichtleleht  mit  dcmselheu.  ln  VVundeii  gebracht  macht  es  das  Blut 
lebenden  Thiere  schnell  gerinnen,  aus  der  Ader  gelassenes  Blut  verliert 
eiä  . 1''untana  durch  Zusatz  von  Viperngift  seine  Gerinuharkeit.  Das  Yipern- 
'.«st  weder  fiir  die  Vipern  noch  für  andere  Schlangen  tödlllch,  wenn  sie 
»„  werden.  Fontana  üher  das  Viperngift.  Berlin  1/87.  p.  15.  Dagc- 
sah  Kungger  Klapperschlangen  mit  von  Klapperschlangen  vergifteten 
t»dcn  bald  sterben.  Viperngift  tödlet  nicht  die  gehissencnBlulegel.Blindscldei- 
tia!'*’  f'"'  •'tf-  Schildkröten  ist  das  Gift  nur  zuweilen  tödilich,  allen  warmblu- 
Thieren  ist  cs  tödilich  , wenn  es  in  Wunden  gebracht  wird.  Ausser  den 
G,  ®’’den  scheint  dasGifi  nicht  tödilich  zu  wirken,  wie  avenigstens  llEt» 

■luf  f “nd  Pommer’s  Versuche  lehren.  Geber  die  Wirkungen  des  , 

P o-d^^'tde  Thiere,  siehe  FontaihA  l.  e.  und  RengGer,  Mkck.  frc/av  laiJ. 
(jb  ftte  gewöhnlichsten  Krscheinungen  sind  ausserste  Kraftlosigkcil,  ör.hwm- 
’ Grhrccheu,  Durchfall,  Zittern,  Lähmui\g,  die  gebissenen  Glieder  schwellen 


492  II.  Buch.  Organ,  ehern.  Proccssc.  IV.  Abschnitt.  Verdauung. 


UcLer  die  Quantität  des  Speicliels  hat  Dr.  C.  G.  Mitschk»' 
LicH  hei  einem  Menschen  mit  einer  Speiehelfistel  des  Ductus  Ste- 
nonianus  Eeobachtungen  niitgctheilt.  Die  Ausscheidung  hört  h®! 
vollkommener  Ruhe  der  Kaumuskeln  und  der  Zunge,  und  h®‘ 
Mangel  eines  ungewöhnlichen  Nervenreizes  auf;  unter  den  entgC' 
gengesetzten  Umständen  wird  sie  hervorgerufen.  Die  Menge  de 
abgesonderten  Speichels  beträgt  hei  einem  gesunden  Manne  in  ■*  . 
Stunden  aus  einer  Parotis  65  bis  95  Grammen,  der  aus  dem  Mnn 
ausgeworfene  Sjjeichcl  von  den  5 anderen  Drüsen  beträgt  6 mal  n'/'  * , 
als  der  Speichel  einer  Parotis.  Mitscherlich  über  den  Speien^ 
des  Menschen.  Rust’s  Mag.  1832.  Schultz  {de.  allmentorurn  coi^ 
coctione.  Berol.  18-34.)  sammelte  aus  dem  Ductus  Stenonianus 
ncs  Pferdes  in  24  Stunden  55  Unzen  und  7 Drachmen  Speich^*» 
wovon  12  Unzen  auf  die  innerhalb  2 Stunden  erfolgte  erste  Fdk 
terung,  10  Unzen  9 Drachmen  auf  die  Zeit  von  3 Stunden  zvi'*' 
sehen  der  ersten  und  zweiten  Mahlzeit  kommen.  , 

Ueber  die  chemische  Natur  des  Sjieichels  von  Menschen  uo 
Säugethieren  besitzen  wir  ausgezeichnete  Arbeiten  von  BerzelH''“ 
{Thierchemic),  Gmelin,  (Tiedemann  und  Gmelin  die  Verdauung  nü'' 
Versuchen.  Heidelb.  1826.)  und  Mitscherlich  {a.  a.  O.). 

Der  Mundspeichel  ist  ein  fadenziehendes  Gemeng  von  Sp®*' 
chcl  und  Schleim.  In  einem  hohen  schmalen  Gefäss  gesamtiiß^^’ 
trennt  er  sich  nach  Berzelius  allmählig  in  eine  obere,  klar®’ 
farblose  und  eine  untere  Schicht,  Avclche  ein  Gemenge  dcrsclh®.'’ 
Flüssigkeit  und  einer  weissen  undurchsichtigen  Masse  ist. 
Wasser  verdünnter  und  geschüttelter  Speichel  lässt  den  Schle“** 
vollständiger  zu  Boden  fallen.  In  Hinsicht  der  sauren  oder  alk”' 
lischen  Reaction  ist  der  Speichel  sich  nicht  gleich.  TiEnEMA’^’* 
und  Gmelin  fanden  ihn  hei  Menschen  meist  schwach  alkalisr*’’ 
zuweilen  neutral,  nie  sauer.  Schulze  {vergl.  ylnat.)  fand  ihn  he*’’’ 
Menschen  sauer,  wenn  er  lange  in  der  Mundhöhle  vci-weilt  hatte? 
alkalisch  immer  bei  Rindern.  Speichel  von  Hunden  und  Sd**'' 
fen  aus  dem  Stenon’scIich  Gang  selbst  aufgefangen  fand  GwEr'* 
alkalisch.  C.  H.  Schultz  fand  den  Speichel  des  Menschen  in 
Regel  alkalisch,  so  zwar,  dass  eine  Drachme  Speichel  zur  Satu*''*' 
tion  einen  Tropfen  Weinessig  erforderte.  Auch  der  Sjicichel  d'j 
Pferdes  war  alkalisch.  Nach  der  Saturation  soll  der  SpeiU* 
allmählig  wieder  alkalisch  Averden.  Dr.  Mitscherlich  fand  d 
Speichel  einer  Speichellistei  während  des  Essens  und  Ti'inkcä^j 
und  schon  nach  dem  ersten  Bissen , alkalisch , ausser  dieser  'A  ^ 
sauer.  Die  Alkalesceiiz  des  Speichels  soll  nach  Schultz  von 
monium  herrühren ; nach  Mitscherlich  dagegen  giebt  der  fris** 
Speichel  auch  beim  Eiwärmen  kein  Ammoniak,  und  das  f*® 
Alkali  ist  fix. 

Der  Speichel  enthält  sehr  sparsame  Körnchen,  wieLEUAVENRE»®*'’ 


li.-iuTig.  abi*r  nicht  immer  auf,  und  die  Wunde  -wird  unterlaufen.  Diese  ' 1^^,, 
ptome  treten  schon  nach  einigen  IVlinulen  ein,  der  Tod  erfolgt  schnell 
innerhalh  eines  lages,  oder  innerhalb  14  Tage.  Bei  der  Section 
hrandartige  Fleete  in  verschiedenen  Eingeweiden.  Die  Erzählungen  von 
nen  der  Thieie  durch  den  Blick  der  Schlangen  sind  Fabeln, 


4.  Von  den  Verdauungssäflen,  Speichel. 


49;i 


'^ebeb,  Tiedemann  und  Icli  gesehen;  sic  sind  diirchsiehtlg  und 
**Hch  Weber  grösser  ids  Blulkügclchen.  Nach  Bebzelius  enthalt 
'^er  Speichel  'des  Menschen  ohngelahr  1 Proc.  von  aufgelösten 
Steifen.  Der  Speichel  hatte  in'  MiTscuKBr.icn’s  Versuchen  ein 
^Pccihsches  Gewicht  von  l,00ßl  — 1,0088;  in  Scitut.Tz’s  Versuchen 
'latte  der  Pferdespeichel  ein  speciflsches  Gewicht  von  1,0125. 
^er  Rückstand  des  Speichels  nach  dem  Ahtrocknen  ist  durcli- 
®‘chtig.  Alcohol  zieht  daraus  eine  kleine  Menge  Osrnazoin  mit 
^twas  Chlornatriiim , Chlorkalium  und  nillchsauiem  Alkali  aus. 

in  Alcohol  ungelöste  Theil  ist  schwach  alkalisch  und  enthält 
^•itron.  Der  ausgezogene  Rückstand  Besteht  nun  aus  einem  (»e- 
*äeng  von  Schleim  (|)  und  einem  eigenen  Stoff,  Speichelstoff 
^*e  Auflösung  dcsselhen  im  Wasser  ist  etwas  schleimig  und  wird 
’^ärch  Rochen  nicht  unklar.  Beim  Ahdunsten  erhält  man  den 
Speichelstoff,  dev  nach  Bebzeeius  durchsichtig,  farhlos,  nach  PiE- 
^Emann  und  Gmelin  hellbraun  und  undurchsichtig  ^ Ist.  Nach 
^•tscheruch  ist  er  gelhhraun,  wenn  mau  das  Alkali  nicht  sät- 
^'§1,  und  zieht  Feuchtigkeit  aus  der  Luft  an,  ist  dagegen  last 
S'mz  weiss  und  zerfliesst  nicht,  wenn  das  freie  Alkali  zu  Anfang 
Analyse  neutralisirt  worden  ist.  Der  weissc  Speichelstoll 
,*1*1  sich  nach  dem  vorsichtigen  Eintrocknen  ganz^  (nicht  zum 
llieil  wie  der  braune)  im  Wasser  auf.  Der  Speichelstoff  des 
"Eutralisirten  Speichels  reagirt  nicht  alkalisch,  wie  Mitscuebivich 
‘emerkt;  ohne  Neutralisation  des  .Speichels  reagirt  er  alkalisch, 
^'t  Wasser  begossen  wird  der  Speichelstoff  wieder  aufgelöst  zu 
'=‘fter  klaren  Flüssigkeit,  die  nach  Berzemus  und  AIitscuerlicu  wc- 
•Jervon  Galläpfelinlüsio«,  Quecksilherehlorid,  Eisenchlorul  und  ba- 
'•schem  essigsauren  Bleioxyd  (Bebzeeius),  noch  von  starken  Sauren 
gefällt  wird',  nach  Gmelin  dagegen  von  Galläplehnlusion,  Ratk- 
"'asser  und  der  Auflösung  von  Alaun,  den  neutralen  Oxydsalzen 
RupCcr,  Blei  und  Eisen,  von  Quecksilberchlorid  und  salpeter- 
^■'‘äiem  Silheroxyd  gefällt  Avird.  Nach  Mitsc.uerlicii  fällt  salpeter- 
jJ'i'i’es  Silheroxyd  allerdings  den  Speichelstoff,  auch  essigsaurcs 
■’leioxyd,  letzteres  den  ohne  vorherige  Neutralisation  des  .S])eichels 
'^‘«■gestellten  Speichelstoff’.  Der  nach  Auszielumg  dos  Spcichel- 
*|'fffes  mit  kaltem  W^asser  zurückhlcihende  Schleim  enthalt  nach 
«Ebzelitjs  viel  Knochenerde , Avoraus  sich  Avahrscheinlich  der, 
phosphorsaiircm  Kalk  bestehende,  Weinstein  der  Zahne 
;«ltlet.  Tiedemann  und  Gmelin  erhielten  aus  dem  Speichel  des 
^Eäschen  beim  Abdampfen  1,14  bis  1,19  Proc.  feste  riieile,  die 
n’fSThcile  Asche  gaben,  wovon  0,203  in  Wasser  löslich  und 
3O47  pliospTxorsaiirc  Erdsalze  waren.  100  Ehedc  Euckstand  von 
y*^rdünnten  Speichel  gaben:  , , 

" Alcohol  lösliche, ' nicht  in  Wasser  lösliche  Suhstanzl 

• (phosphorhaltiges  Fett) 1 31,25 

'Alcohol  und  in  Wasser  lösliche  Stoffe:  üstnazom,  Chlor- i 
luilclisiuires  Kali,  Scliwerelcyankalium  , . ^ 

"«s  üei-  Lösung  in  kochendem  Alcohol  beim  Ei'kalten  nic- 

'lergefallene  thlcrische  Substanz  mit  schwcfelsaurcm  Rah 

«öd  etAvas  Chlorkalium • ■ 


4,25 

32,50 


494  II.  Buch,  Organ,  ehern.  Processe.  IV.  Abschnitt.  Verdauung. 


mir  in  Wasser  lösliche  Stoffe:  Spelchelstoff  mit  viel  pliospLor- 
saurem  und  etwas  schwefelsaurem  Alkali  und  Chlorkalium 
weder  In  Wasser  noch  Alcohol  lösliche  Stoffe:  Schleim, 
vielleicht  etwasEiweiss  mit  kohlensaurem  und  phosphor- 
saurem Alcali 


32,50 

20,00 


Nach  Dr.  Mitscherlich’s  Analyse  enthält  der  Speichel  f®*' 
sende  Salze: 

Chlorkalium  0,18  Pro*^' 

Kali  (an  Milchsäure  gebunden) 0,094 

Natron  (an  Milchsäure  gebunden) 0,024 

Milchsäure 

Natron  (wahrscheinlich  mit  Speichelschleira  verbunden)  0,164  ' 

phosphorsauren  Kalk 0,017 

Kieselerde 0,015  ^ 

Die  näheren  organischen  Bestandtheile  des  Speichels  verhielt^'' 
sich  in  Mitscherlich’s  Analyse  ähnlich  wie  in  der  von  Berzeei^®' 
Ein  von  Mitscherlich  gefundener,  in  Wasser  und  absolute’^ 
Alcohol  löslicher,  gelbröthlicher  Stoff  giebt  mit  Säuren,  Kali,  A^' 
monium  und  Sublimat  keinen,  mit  essigsanrem  Bleioxyd  und  E*' 
senchlorid,  salpetersaurem  Silberoxyd  einen  Niederschlag. 

Die  Existenz  der  Materie,  welche  TiEDEMASif  und  Gmeli'* 
als  Schwefelcyan  eweisen,  hat  zuerst  Trevirakus  im  Speiebß 
ermittelt.  Biolog.  4.  565.  Er  hatte  nämlich  gefunden,  dass  SpC' 
chel,  mit  einer  neutralen  Auflösung  eines  Eisenoxydsalzes  vef' 
mischt,  tief  dunkelroth  werde.  Tiedemaxv  undGMELiN  bestätigl^,'* 
diese  Färbung,  wobei  ich  jedoch  bemerken  muss,  dass  in  m®“' 
nen  Versuchen  der  Speichel  nur  rostfarbeiiroth,  nicht  purpurfa’’' 
ben  wurde,  ich  mochte  nun  verschiedene  Eisenoxydsalze  anwei'"' 
den.  Vergl.  oben  p.  120.  Ktjehs  bezweifelt  die  Gegenwart 
Schwefelcyan  im  Speichel,  weil  er  sowohl  nach  Ere’s  als  n»*^ 
Gmelin’s  Verfahren  keine  Schwefelsäure  entstehen  sah.  We®** 
Speicheldestillat  Eisenoxydsalz  röthet,  so  kann  cs  in  Folge  s'®*' 
essigsauren  Salzen  geschehen  seyn , — eine  Farbenveränd®' 
rung , die  wirklich  essigsaure  Salze  mit  salzsaurem  Ei*®®' 
Oxyd  bewirken.  Schweigger’s  J.  59.  378.  Vergl.  Schultz  ^ 
a.  0.  Kästner  bemerkt,  dass  die  durch  Essigsäure  erzeugte 
bung  doch  nie  vollkommen  blutroth  ist.  Hier  muss  ich  ^ 
erinnern,  dass  auch  die  des  Speichels  nicht  blutroth  ist.  Ee 
[Journ.  of  Sc.  litt.  a.  A.  — N.  S.  7.  60.)  hält  das  Schwefele/®' 
im  Speichel  durch  seine  Versuche  für  ganz  ausser  Zweifel  gesetzt  Io 
Von  den  animalischen  Stoffen  des  Speichels,  Speichelst®  ’ 
Schleim,  Osmazorn,  fanden  Tiedemann  und  Gmelin  ersten  be* 
Schaf,  letztes  beim  Hund  fast  gänzlich  fehlend.  ^ 

Der  an  den  Zähnen  sich  ansetzende  Weinstein  des  Mensen 
besteht  nach  einer  von  Berzelius  angestellten  Analyse  aus 

Speichelstoff 1,0 

Speichelscbleim 12,5 

phosphorsanren  Erdsalzen  ....  79,0 

von  Salzsäure  aufgelöstem  Thiersloff  7,5 


100,0 


4.  Von  den  Verdamngssäften.  Magensafi. 


495 


Bei  den  Insecten  ist  der  Speichel  nicht  genau  untersucht,  er 
'Scheint  nach  Resgger  {physiol.  Untersuchungen  über  die  tiderische 
^^^ushaltung  der  Insecten.  l'iib.  1817.)  alkalisch. 

b.  Succus  gastricus,  BTagensaß.  Die  Angaben  der  früheren  Na- 
Wforscher,  u’^clche  sich  mit  Untersuchung  des  Magensafts  be- 
®^iiäftigtcn,  widersprechen  sich  durchaus.  Spallanzahi,  der  zu 
^>^elscn  suchte,  dass  der  Magensaft  ein  Auflösungsmittel  für  die 
|peisen  in  und  ausser  dem  Magen  sey,  behauptete,  dass  er  voll- 
kommen neutral  sey,  und  Montegre  [sur  la  digestion.  Paris  1804.) 
joid  ihn  zwar  me'ist  sauer,  läugnete  aber  die  Aufli«ungskraft 
Magensaftes.  Helm  [^wei  KrankengescMchten.  IVien 
I ) fand  hei  einer  Person  mit  einer  Oelfnung  im  Magen 
^oine  saure  BeschalFenheit  des  Magensaftes.  Dagegen  haben 
;taiDET,  Carmis-ati,  Brugjiatelli,  Werker  die  saure  Beschat- 
•«•»lieit  desselben  beobachtet.  Die  Verschiedenheit  der  Angaben 
^Wde  indess  bereits  durch  Carmikati’s  Erfahrungen  {über  die 
^atur  des  Magensaftes.  Wien  1785.  8.)  einigermassen  aufgeklärt, 
nämlich  den  Magensaft  hei  fastenden,  fleischfressenden  Thie- 
niemals  sauer,  aber  diese  Reaction  deutlich  fand,  sobald  sie 
f'leisch  gemessen  hatten.  Derselbe  fand  auch  den  Magensaft  pflan- 
!;®»>fressender  Thiere  sauer,  dagegen  keine  vorstechende  Säure  ira 
Magensaft  des  Menschen  und  der  Thiere  von  gemischter  Nahrung. 
k'EDEMAKK  und  Gmelik  haben  diese  Frage  endlich  entschieden. 
^'0  fanden  die  im  Magen  nüchterner  Pferde  und  Hunde  vorkom- 
**'0nde  Flüssigkeit  fast  ganz  neutral  oder  nur  kaum  sauer,  dage- 
eine  entschieden  saure  Reaction , sobald  den  Thieren  nur 
Mechanische  Reize,  wie  Steine  oder  Pfeffer,  bcigebracht  worden, 
^iess  haben  auch  Lelret  und  Lassaigke  beobachtet.  In  diesen 
^»llenwar  nur  der  Magensaft  sauer,  die  Eigenschaft  rührte  nicht 
den  Absonderungen  in  der  Speiseröhre  her,  denn  letztere 
Mogirte  in  diesen  Fällen  nicht  sauer.  Für  diese  Säure  spricht 
^M'igens  die  allgemeine  Erfahrung,  dass  die  Milch  ira  Magen,  auch 
jungen  Thiere  und  im  4len  oder  Laahmagen  der  Wiederkäuer 

^®cinnt. 

Es  ist  interessant,  den  Grad  der  Acidität  des  Chymus  zu  ken- 
Schultz  hat  hierüber  Beobachtungen  angestellt.  Zieht 
Moö  das  Mittel  aus  diesen  Beobachtungen , so  erlordert  1 Theil 
^Hmus  etwas  mehr  als  1 Proc.  Kali  carhonicum  zur  Saturation. 

. Die  Quelle  der  Absonderung  des  Succus  gastricus  scheint  die 
>ere  Fläche  des  Magens  selbst  zu  seyn,  wenigstens  bei  den 
^‘‘■eren,  wo  keine  besonderen  Drüsen  zu  dieser  Absonderung 
''"'chanden  sind.  Tiedemakk  und  Gmelik  haben  die  das  Gerin- 
der  Milch  bewirkende  Eigenschaft  des  Magens  nicht  bloss 
der  Portio  pylorica,  sondern  auch  m der  Portio  cardiaca 
Mrgenommen.  Bei  mehrern  Säugethieren  kommen  übrigens 
^^sondere  Drüsen  im  Magen  vor,  wie  die  grosse  Druse  des 
{;‘«ers,  deren  Saft  wahrscheinlich  zur  Auflösung  der  Rind®» 
Cstimmt  ist , eine  ähnliche  Drüse  in  der  Portio  cardiaca  es 
‘‘‘‘Sens  hei  Myoxus,  und  es  gehört  hierher  ebenfalls  der  ^ro- 
UMriculus  der  Vögel,  zwischen  dessen  innerer  Haut  uncl  Mus- 
^®*^aut  sich  eine  ganze  Schicht  blinddarmförmiger  Drusen  mit 


496  11.  Buch.  Organ,  ehern. Processe.  IV.  Abschnitt.  Verdauung.  ■ 

gesonderten  Mündungen  befindet.  Diese  Drüsen  sind  immer  eio- 
laclie,  aggregirte  selten  Haufen  zusammengesetzter  Blinddärmcbe**' 
Sielie  darüber  Home  lectures  on  comparaiive  anatomy.  T.  II.  unu 
J.  MtrEELEn  de  penit.  gland.  struct.  Die  erste  genauere  cbemiscb® 
Untersuebung  des  Magensaftes  ist  von  Protjt  philos.  Transad' 
1824.  p.  1.  Er  zeigte,  dass  sich  im  Magensaft  des  Kaninchens? 
Hasen,  Pferdes,  Kalbes,  Hundes  freie  Chloi-wasserstoffsaure 
säure)  befindet,  auch  hat  er  svie  Childres  {Arm.  of  phüos.  J, 
1824.)  Salzsäure  in  der  von  Dyspeptischen  erbrochenen  FIiissighe‘| 
gefunden.  Auch  Prevost  und  Le  Rover  (Froriep’s  Not.  9.  19^-^ 
bestätigten  die  Salzsäure  im  Magensaft.  Leuret  imd  Lassaig^'^ 
haben  diese  geläugnet,  allein  Prout  bat  ihre  Einwürfe  widerleg^' 
Annals  of  philos.  N.  S.  Dec.  4826.  405.  Tiedeman:n  und  GmEEI*^ 
fanden  dagegen  3 Säuren  im  Magensaft:  1)  Salzsäure,  im  MngE”' 
saft  der  Hunde  und  Pferde.  2)  Essigsäure,  im  Magensaft  dersE^ 
ben.  Milchsäure,  die  der  Essigsäure  ganz  nahe  verwandt  ist,  h“' 
ben  auch  Chevreiti.  in  dem  Erbrochenen  eines  Nüchternen, 
Graves  in  dem  Erbroehenen  eines  Dyspeptischen  gefunden. 
DEMABN  und  Gmelin  l.  c.  p.  152.  — 3)  Butlersäure.  Diese  Säiü® 
fanden  die  deutschen  Naturforscher  zweimal  im  Magen  des  Pfei’dE*’ 
ScauLTz  liat  den  Cbymns  mit  Wasser  destillirt,  und  gefuiulEl’’ 
dass  die  Säure  bei  vielen  Thieren  zum  Theil  oder  ganz  llüchü:’ 
ist.  Eine  flüchtige  Säure  fand  sich  vor  bei  einem  Pferde, 
mit  Hafer,  bei  einem  Schweine,  das  mit  Erbsen,  bei  einem  R**'’ 
und  bei  Schafen,  die  mit  Gras  gefüttert  worden ; dagegen  Avar 
Säure  nicht  flüchtig  bei  allen  fleischfressenden  Thieren,  Ijci 
genden  Schafen,  bei  mit  Heu  gefütterten  Pferden  und  l)ei 
ninchen,  die  mit  Brot,  Gras  und  Kartoifcln  gefüttert  waren. 
Schafen,  welche  Hafer  oder  frisches  Gras  bekommen  hatten,  ■ä'®’ 
die  vSänre  im  ersten  Magen  flüchtig,  im  vierten  Magen  aber  nid'^' 
flüchtig.  Die  Säure  schien  nach  seinen  Versuchen  freie  Essig' 
säure  zu  seyn,  dagegen  die  Salzsäure  nach  Schultz  im  Chyi»“"* 
nicht  frei,  sondern  mit  Kali  verbunden  Vorkommen  soll. 

Die  im  nüchternen  Zustande  bei  den  wiederkäuenden  Tbi®' 
ren  in  den  beiden  ersten  Magen  sich  sammelnde  Flüssigkeit  ent' 
hält  viel  kohlensaures  Alkali,  nach  Prevost  und  Le  Rover  (PEf' 
RiEp’s  Not.  9.  /J.  194.);  Tiedemavb  und  Gmelib  haben  diess  b®' 
stätigt.  Nur  der  3.  und  noch  mehr  der  4.  Magen  enthält  saö' 
ren  Magensiift. 

Noch  niemals  ist  der  Magensaft  des  Menschen  in  so  grosse* 
Quantität,  so  rein  und  so  liäufig  untersucht  w'Orden,  als  von  Bbae'' 
mont,  welcher  bei  einem  Manne  mit  Magenfistel  während  mehrer®* 
Jahre  eine  grosse  Reihe  von  Versuchen  über  den  Magensaft  ***’' 
stellte.  Er  hat  cs  bestätigt,  dass  der  Magen  in  leerem  Zustan**® 
keinen  Magensaft  enthält,  und  dass  die  den  Magen  benetzet*« 
Feuchtigkeit  in  diesem  Zustande  nicht  sauer  reagirt;  sobald 
Speisen  in  den  Magen  gelangen,  tritt  diese  Absonderung  ein  i*'* 
der  Magen  reagirt  sauer.  Schultz,  welcher  die  Existenz  des  Ma' 
gensaftes  gänzlich  läugnet  und  die  saure  Reaction  des  Cbyn)** 
von  der  Zersetzung  der  Speisen  selbst  ableitet,  musste  einen  E***^ 
Wurf  gegen  seine  Ansicht  in  dem  Factum  finden,  dass,  wie  T*®' 


497 


4.  Von  den  Verdauungssäften.  Magensaft. 


^emakn  und  Gmelin  LeoLacTitet  liaLen,  die  Absonderung  des  Ma- 
gensaftes bei  nücliternen  Tbieren  durch  mecbaniscbe  Reize,  wie 
'erscblungene  Steine  hervorgerufen  werden  kann,  und  erklärt  den 
•»ierauf  Vorgefundenen  sauren  Magensaft  für  Reste  des  sauren 
^•‘ymus.  Nach  den  so  zahlreichen  Versuchen  von  Beaumomt 
’“ssl  sich  indess  nicht  an  der  Existenz  des  Magensaftes  zweifeln ; er 
die  Aljsonderting  des  Magensaftes  durch  künstlich  eingehrachte, 
'mechanisch  wirkende  Mittel,  wie  eine  Rautschuckröhre  oder  die 
^mgel  des  Tlici’mometcrs,  mit  welcher  er  den  Magen  reizte,  erst 
'iaiin  hervorgehraclit,  nachdem  er  sich  vorher  überzeugt  hatte, 
nichts  in  dem  Magen  war,  und  dass  die  Magenwände  nicht 
*muer  reagirten.  Nach  jener  mechanischen  Reizung  entstand 
"mn  in  allen,  so  oft  wiederholten  Versuchen  eine  ziemlich  be- 
^‘'üchtliche  saure  Absonderung,  so  dass  er  bei  jenem  Suhjecte 
mft  gegen  1 Unze  Magensaft  sammeln  konnte.  In  diesem  remen 
^'istan'de  ist  der  Magensaft  früher  noch  niemals  untersucht  wor- 
Beaumost  beschreibt  den  Magensaft  folgendeimassen : Der 
^^agensaft  ist  ein  klares  Fluidum  ohne  GeiTich,  von  etxvas  salzi- 
gmna  und  sehr  merklich  saurem  Geschmack;  er  schmeckt  wie  eine 
’^bune  Auflösung  von  Mucilago,  welche  von  Salzsäure  leicht  ge- 
^muert  ist;  er  ist  in  Wasser,  Wein,  Weingeist  auflöslich,  mit  Al- 
^'•lien  effervcscirt  er  leicht,  er  schlägt  das  Eiweiss  nieder,  fault 
*clir  schwer  und  hindert  die  Fäulniss  in  thierischen  Stoffen.  Spei- 
mliel  soll  dem  Magensalt  eine  hlauc  Färbung  xind  ein  schäuraiges 
^msehn  mittheilcn;  gegen  Nahrungsstoffe  verhält  er  sich  auch  aus- 
dem  thierischen  Körper  als  ein  Lösungsmittel,  wie  die  vielen 
"mii  Beaumont  angestellten  Versuche  beweisen.  Dieser  Autor  hat 
den  Magensaft  von  Dunolison  untersuchen  lassen.  Er  enthielt 
^meic  Salzsäure  und  Essigsäure,  phosphorsaure  und  salzsaure  Salze 
"hs  den  Basen  von  Kali,  Natron,  Magnesia  und  Kalk,  und  eine 
diierische  Materie,  welche  in  kaltem  Wasser  löslich,  in  heissem 
mber  unlöslich  ist.  Beaumont  hat  auch  den  Magensaft  von  Siu- 
'-'Man  untersuchen  lassen;  diese  Untersuchung  hat  aber  keinen 
^erth,  da  der  Magensaft  mehrere  Monate  bis  zur  Analyse  aulhe- 
'''alirt  wurde.  Er  verhielt  sich  auch  jetzt  noch  sauer,  nachdem  sich 
^'mreits  ein  ■ Häutchen  auf  ihm  gebildet  hatte;  er  enthielt  Salz- 
^mure,  eine  Sjuir  vmn  Schwefelsäure  und  wie  Sii.liman  veimu- 
^•»et,  auch  etwas  Phosphorsäure. 

,,  Beaumont  bemerkt  ausdrücklich,  dass  der  Magensaft  von 
^'einen  hellen  Punkten  oder  sehr  feinen  Papillen  allgesondert  zu 


erden  scheine. 

Die  Flüssigkeit  des  Kropfs  der  Vögel  reagirt  nach  Tiede- 
m,d  Gmei.in  gemeiniglich  sauer.  Die  Flüssigkeit  des  Drü- 
^eiijiiagens  enthielt  auch  im  nüchternen  Zustande  eine  freie  Säure, 
^•e  Milch  gerinnt  durch  den  Magensaft  der  Vögel.  Die  Säure 
"es  Magensaftes  rührt  von  Salzsäure  und  wahrscheinlich  auch  von 
■Essigsäure  her.  Trevihanus  {Biol.  IV.  p.  362.)  hat  die  Frage 


geregt,  oh  der  Magensaft  der  Vögel  Flusssäure  enthalte,  da  nach 
jäuGNATELLi  (Ceeli,  Annalen  1787.  /.  p.  2.‘i0.)  BergkrystaU  und 
Eat  in  Röhren  eingeschlosscn  nach  lOtägigem  Verweilen  im 
^gen  der  Hühner  und  Truthühner  deutlich  angegriffen  waren, 


498  11.  Buch.  Organ,  ehern.  Processe.  IV.  Abschnitt.  Verdauung. 


and  12  Lis  14  Gran  an  Gewicht  verloren  hatten  und  TaEViKArJt^® 
selbst  Aehnliches  an  einer  Porzellanschale,  worin  Clirnius  de*" 
Hühner  digerirt  wurde,  bemerkt  hatte.  Tiedemaitn  und  Gmee<^ 
konnten  diess  nicht  sicher  entscheiden.  Sie  digerirten  den Magensad 
von  Enten  in  einem  Platinticgel,  der  mit  einer  mit  Wachs  über- 
zogenen radirten  Glasplatte  bedeckt  war,  fanden  aber  nach  24  Stun- 
den keine  Spur  von  Aetzung  am  Glase.  Tiedemahu  und  Gme^^ 
schliessen  hieraus  nicht,  dass  der  Magensaft  der  Vögel  kein® 
Flusssäure  enthalte,  da  Fluorcalcium  wenigstens  in  verschiedenen 
thierisclien  Theilen,  wie  im  Harn  und  in  den  Knochen,  bereit* 
gefunden  ist,  l.  c.  T.  2.  p.  139.  Der  Magens.aft  der  Amphibien  re- 
agirt  meist  sauer,  auch  der  Magen  der  Fische  enthält  besonder* 
im  gefüllten  Zustande  auch  eine  freie  Säure.  Es  war  aus  anderen 
Gründen  wahrscheinlich,  dass  auch  hier  Salzsäure  und  Essigsäuf® 
die  Lösungsmittel  seyen.  Leuret  und  Lassaigae  {recherches  phpi^. 
pour  servir  a l’histoire  de  la  digestion.  Paris  1825.)  halten  die  fr®‘® 
Säure  des  Magensaftes  in  allen  4 Classen  für  Milchsäure.  Auc® 
bei  den  niedersten  Thieren  muss  der  Magensaft  wohl  auflösen‘ 
seyn.  So  ziehen  die  Medusen  und  Actinien  leicht  auflösbar® 
Thierc  mit  harter  Schale  aus. 

Da  cs  ausgemacht  ist,  dass  der  Magensaft  auch  ausser  d®®* 
thierisclien  Körper  auflösend  auf  thierischeTheile  wirkt;  so  finde  i®^* 
es  nicht  wunderbar,  wenn  der  Magen  nach  dem  Tode  zuwed®*' 
davon  angegriffen  wird  und  schneller  als  andere  Theile  si®'* 
erweicht,  wie  man  diess  besonders  bei  Kaninchen  und  klein®® 
Kindern  findet;  ich  habe  es  bei  ersteren  gesehen  und  ich  wci**' 
dass  es  nicht  von  der  Todesart  abhing.  Vergl.  über  die  widersp®®' 
chendenErklärungenRuDOLPHi’sPAyA/o/. //.  ‘A  119.,  wo  das  Factm® 
ungenügend  von  der  Fäulniss  abgeleitet  wird.  Es  ist  freilich  ein® 
Zersetzung , die  aber  ihre  localen  materiellen  Ursachen  hab®® 
muss,  und  wahrscheinlich  in  den  chemischen  Eigenschaften  d®* 
Magensaftes  hat. 

c.  Die  Galle..  Die  Absonderung  der  Galle  ist  eine  in  d®® 
Thierwelt  so  weit  verbreitete,  und  in  ihrer  Bedeutung  für  d®® 
Verdauungsprocess  doch  so  wichtige  Secretion,  dass  es  von  def® 
grössten  Interesse  ist,  zu  wissen,  ob  sie  überhaupt  jemals  au®® 
bei  den  niedersten  Thieren  entbehrlich  werden  kann.  Was  m®® 
bei  den  Würmern  als  erste  Anfänge  der  Gallenorgane  aiiseb®® 
konnte  und  angesehen  hat,  sind  die  blinden  Erweiterungen  od®® 
blinddarmförmigen  Anhänge  des  Darmkanals,  welche  bei  dem 
dicinlschen  Blutegel  ln  ihrem  einfachsten  Zustand  noch  blo**® 
Seltenerweiterungen,  bei  den  Aphroditen  lange  dünne  Blinddäri®' 
chen,  bei  verschiedenen  Würmern  aber  schon  verzweigt  s‘®|' 
und  endlich  Ijei  den  Planarien  und  Distomen  schon  einen 
ständig  verzweigten  Darmkanal  (ohne  After)  darstellcn. 
blinden  Anhänge  am  Magen  der  Seesterne,  welche  auch  k®*' 
nen  After  besitzen,  könnten  auch  als  analoge  Absonderungs®’' 
gane  angesehen  werden,  allein  es  lässt  sich  nicht  ei-mitteln , ® ’ 
und  w'as  alle  diese  Organe  absondern.  Bei  den  Insectcn  münd®'^ 
bald  tiefer  bald  höher  in  dem  Darmkanal,  immer  hinter  de® 
weiten  Theil  des  Darms,  den  man  für  den  Magen  hält,  die  s®' 


499 


4.  Von  den  VerJauungssäßen.  Galle. 

Senannten  Gallengefässe,  Vasa  Malpigliiana  ein,  lange,  meist  paa- 
gewundene  Röhren  mit  blindem  Ende.  Diese  Gefässe  ent- 
*‘alten  indess  keine  Galle,  sondern  nach  Wurzer  (Meckee’s 
Archiv  4.  21.3.  vergl.  2.  629.)  barnsiiures  Ammonium,  nach  Che- 
'■REul  (Straus -Duerckheim  consideraiions  generales  sur  l’anatomie 
anim.  articul.  Paris  1828.  4.  251.)  Harnsäure.  Diese  Gefässe 
*Ecemlren  iiberdiess  während  der  Entwickelung  der  Puppe,  wo 
"iöbts  verdaut  wird,  sehr  stark.  Sie  sind  also  offenbar  Ausschei— 
*^Ungsorgane , Vasa  urinarla.  Sie  münden  ei'st  binter  dem 
^lieil  des  Darms  ein,  worin  der  Chylus  gebildet  wird,  und 
^ei  den  Larven  oft  kiu-z  vor  dem  After.  Dagegen  giebt  es  bei 
'Mehreren  Insecten  höher  in  den  Daim  einmündende  Blmadarni- 
'Iien  oder  sogar  ähnllehe  Vasa  Malpigliiana  superiora.  Ich  bin 
Sfineigt,  mit  Meckel  {Jrch.  1826.)  letztere  für  die  gallabsondernden 
^Egane  zu  ballen.  Mit  solchen  Blinddärmchen  ist  der  bei  den 
^«ischfressenden  Käfern  auf  den  Muskelmagen  folgende  bäutige 
^I^gen  besetzt,  und  ähnliche  Schläuche  kommen  bei  mebreren  an- 
'^®ren  Insecten  vor.  Bei  vielen  Orthopteren,  Manlis,  Gryllus, 
^Utta  giebt  es  ähnliche  Blinddärmchen  hinter  dem  auch  hier  vor- 
*^ommenden  Muskelmagen,  und  bei  Locusta,  Acheta,  Gryllotalpa 
•Runden  die  Vasa  Malpigliiana  superiora  in  besondere  schlauchar- 
Anhänge  des  Darms  hinter  dem  Muskelniagen  ein.  V/as 
bei  den  Insecten  Magen  nennt,  jener  weitere  mittlere  Thed 
Darms,  bald  allein,  liald  hinter  einem  Muskebnagen,  ist  etwas 
8®>iz  anderes  als  der  Magen  der  höheren Tliiere;  die  Speisen  wer- 
*1®*!  hier  aufgelöst  und  dringen  von  hier  aus  m den  Fettkörper, 
alle  Organe  verhüllt;  dieser  Tbeil  des  Darms  ist  die  Pars 
^%lopoctica,  während  die  Excremeutbildung  von  der  Einniun- 
S>gsstelle  der  Vasa  Malpigliiana  oder  urinaria  anfangt.  Diese 
^Erlegung  wird  noch  sicherer,  wenn  wir  bei  den  Spinnen,  na- 
mentlich beim  Scorpion  am  obern  Tlieil  des  Darms  wahre  gal- 
®aabsondernde  Gefässe , am  untern  Theil  Vasa  Malpighina 
^treffen.  Siehe  meine  Schrift  de  penit.  gland.  struct.  Tab.  8. 
8. 

P„  Die  Leber  hat  bei  den  Wiibelthieren  zweierlei  zuführende  Ge- 
Arterien,  eine  zuführende  Vene  (Pfortader),  und  einerlei  rück- 
märende  Gefässe , die  rückfübreiiden  Venen  oder  Venae  bepaticae. 

<leraMenscben  und  den  Säugethieren  setzen  die  Venen  des  Ma- 
bEfts,  Darms,  Mesenteriums,  der  Gallenblase,  des  Pancreas  die  in  der 
, '^^Jer  nach  Art  einer  Arterie  sich  verzweigende  Pfortader  zusammen, 
aus  den  Capillargefässen  der  Leber,  zu  welchen  auch  die  Leber- 
w^erien  führen,  kehrt  das  Blut  durch  [die  Lebervenen  zurück  in  die 
j ^‘‘a  cava  inferior.  Bei  den  Vögeln  und  Amphibien  geht  zur  Pfort- 
auch  ein  Theil  des  Blutes'  der  untern  Extremität,  des  Schwan- 
Beckens.  Jacobson,  Meck.  Arch.  1817.  147.  Nicolai 
Y ^6.  404.  Die  Pfortader  erhält  zuweilen  bei  Fischen  auch  die 
der  Genitalien  und  der  Schwimmblase,  vergl.  üben  p.  426. 
Q**®*  sich  das  Blut  der  Pfortader  und  der  Leberarterie  »i  den 
e'^mUargefässen  der  Leber  vermischt,  und  von  dort  gemeinschaft- 
tv  ‘lie  Lebervenen  übergebt,  nicht  aber  2 CapillargePässsysteme 
Aschen  Pfortader  und  Lebervenen,  dann  zwischen  Arterien  und  Le- 


500  II,  Buch.  Organ,  ehern.  Processe.  IV.Ahschnüt.  Verdauung. 

hervenen  existiren,  scheint  der  überaus  leichte  Uebergang  der  injicir' 
ten  Flüssigkeiten  aus  einer  Ordnung  dieser  Gef  asse  in  die  andere 
beweisen,  worüber  häufige  Erfahrungen  von  Haller  {Eiern,  physiol.  lij'- 
23.),  F.  A.  Walter  {annotat.  acad.  Berol.  1786.),  Rudolphi  [Physiol 
II.  2.  p.  146.)  und  mir  {de  gland.  sfruef.  Uh.  9.)  vorhanden  .sin“' 
Bei  den  Fröschen  lassen  sich  die  netzförmigen  Verbindungen  *1“* 
feinsten  Blutgefässe  ohne  alle  Anstrengung,  und  fast  durch  eine*' 
geringen  Hauch  durch  die  Pfortader  aufhlasen;  hierbei  dringt 
die  Luft  sehr  leicht  durch  die  Lebervenen  in  die  untere  Hohlvcn®’ 
und  zwar  ehe  Zerreissung  der  Leber  erfolgt.  Was  die  Richtung 
der  feinsten  Zweige  der  Pfortader  und  Lcherarterie  auf  der  Obe*' 
fläche  der  Leber  ])Ctritft,  so  verbreiten  sich  nach  meinen  Beohacl*' 
tungen  die  Zweige  der  Pfortader  vorzüglich  zwischen  den  Acii'*.’’ 
nämlich  aus  der  Tiefe  gegen  die  Oberfläche  kommend.  Die  Zvfß'" 
gelchcn  der  Leherarterie  verbreiten  sich  dagegen  theils  auf  de’J 
Wänden  der  anderen  Gefasse,  theils  in  dem  serösen  Ueherzug  dß* 
Leber,  und  werden  nicht  so  schnell  dünner,  so  dass  man  oft  nici)_ 
unterscheidet,  was  Stämmchen  und  Zweige  sind.  Offenbar  ist  di*' 
Verbindung  des  serösen  Uebei'zugs  der  Leber  mit  der  gesain’**' 
ten  Ausbreitung  des  Peritonaeums  durch  gleiche  nämlich  aH®' 
riefle,  Geiässe  vorgesehen.  Daher  verbreitete  Entzündungen  d®’ 
serösen  Haut  des  Unterleibs  sich  auch  über  die  Oberfläche  d®* 
Leber  fortsetzen  können,  ohne  dass  Entzündung  der  Lebers»!’' 
stanz  statt  findet. 

Nach  Kiernam’s  Untersuchungen  verzweigt  sich  die  Lehera’’' 
terie  vorzugsweise  auf  den  Wänden  der  Gallengänge,  Gallcnbla'**’ 
und  der  andern  Blutgefässe.  KtERSAN  streitet  gegen  die  Annahr“®’ 
dass  in  dasselbe  Capillargefässnetz , aus  welchem  die  Anfänge  d®® 
Lebervenen  entstehen,  sowohl  das  arterielle  Blut  als  das  Venös®  , 
Blut  der  Pfortader  ergossen  werde.  Nach  Kierisaw  geht  das  fli"  I 
der  Arterie,  nachdem  es  die  W'ände  der  Gefasse  ernährt 
aus  den  Netzen  der  Arterien  in  Zweige  der  Pfortader  über, 
von  dort  ans  mit  dem  übrigen  Pfortaderblut  in  die  Leberven®'*' 
Die  Acini  der  Leber  dagegen  erhalten  vorzugsweise  venöses  Bi“  * 
welches  zwischen  den  feinsten  Gallengefässen  durch  Capillarg®' 
fässnetze  in  die  Lebervenen  üborgeführt  wird.  Siehe  die  Geg*-’“' 
gründe  oben  p.  4.30.  Nach  Kiernah  wdirde  die  Ahsondeiung  *i® 
Galle  mehr  aus  venösem  Blute  geschehen.  In  den  Gallengäng®'* 
kommen  auch  kleine  Schleimfolliculi  vor,  welche  Riehvas  »a®* 
gewiesen  hat;  derselbe  lässt  diese  Absonderung  des  Schleims  B'® 
wie  in  der  Gallenblase  von  arteriellem  Blute  geschehen. 

Dass  die  Gallenahsonderung  indess  atich  aus  arteriellem  Bl“ 
geschehen  kann,  beweisen  Fälle,  in  w'clchen  die  Pfortader, 
sich  in  der  Leber  zu  verbreiten , vielmehr  in  die  untere  > 
ader  überging.  Dieses  sah  Abernethy  ( Philos.  Transact.  1'^®' ' 
bei  einem  10  monatlichen  Knaben,  und  Lawrence  {Medico-cha"^ 
Transact.  5.  174.)  theilte  einen  Fall  von  einem  melu'jähng®^ 
Kinde  rnit.  Da  indess  in  dem  Falle  von  Abernethy  die 
umbilicalis  noch  diu-chgängig  war  und  sicli  in  der  Leber 
zweigte,  so  kann,  wie  Kiernan  bemerkt,  das  Arterienblut,  nachd®^^ 
es  durch  die  Vasa  vasorum  die  Leber  ernährt,  venös  geworo®  ’ 


4.  Von  den  Verdauungssäften.  Galle. 


501 


die  Zweige  der  UmLillcalvene- getreten  seyn,  so  wie  es  nach 
^'ekkak’s  Vorstellung  venös  geworden  sonst  in  die  Aeste  der  Pfort- 
üLcrgeht;  in  diesem  Fall  könnte  also  die  Absonderung  doch 
''Us  venösem  Blute  statt  gefunden  haben.  Kibruan  Philos.  Trans- 
18.3.3.  P.  II. 

U SiMOüf  {Now.  hüll,  des  sc.  par  la  soc.  phüomat.  1825.)  und 
^“».Lips  {Lond.  med.  gaz.  18.3.3.  Jun.)  schlossen  aus  Versuchen, 
'J‘‘*s  die  Galle  vom  Plbrtaderhlute  abgesondert  werde.  Da  in- 
in  Phillips  Versuclien  auch  nach  Unterbindung  der  Pfort- 
die  Ahsonderung  der  Galle  fortfahren  soll,  wiewolil  in  gerin- 
Sßpep  Menge,  so  schliesst  er,  dass  die  Galle  sowohl  aus  dem  arte- 
*'®llen  als  venösen  Blute  abgesondert  werde.  Nach  Unterhin- 
p'ig  der  Arteria  hepatica  fand  er  keine  Veränderung  der  Gal- 
'^äahsonderung. 

Die  Gallenblase  der  Wirhelthiere  zeigt  sich  in  der  Ent- 
"'^^kelungsgeschichtc  als  Divertikel  oder  Auswuchs  des  Ausfüh- 
'^'^Ogsganges  der  Leber.  Siehe  meine  Schrift  de  penit.  gland. 

jjeim  Menschen  und  Lei  mehreren  Säugethieren  kann 
aus  dem  Lebergang  dem  Ductus  choledocbus  zufliessendc 
durch  Verschliessung  der  Darmmündung  des  letztem, 
'^der  verlängerte  Contraction  des  Ganges  in  den  Ductus  cy- 
l'^'cus  und  die  Gallenblase  ausweichen,  wie  denn  diess  im  niieh- 
^•■äen  Zustand  vorzüglich  geschieht.  Bei  den  Thicren  erhält 
Gallenblase  aber  häufig  am  Halse  oder  Grunde  beson- 
Lebergänge,  Ductus  hepatico-cystici,  die  behn  Menschen 
®'cht  vorhanden  sind.  Bei  den  Vögeln  mündet  der  Lebergang, 
Ductus  cysticus  getrennt,  in  das  Duodenum.  Die  Gallen- 
erhält  ihre  Gallo  durch  besondere  Lebergänge  am  Halse 
, er  Grunde.  Bei  den  lleptilien  gelangt  die  Galle  durch  Aeste 
. Leberganges  in  die  Gallenblase.  Bei  den  Fischen  verbinden 
alle  Leberäste  mit  der  Gallenblase  oder  dem  Ausführungs- 
derselben.  Cuvier,  nergl.  Anat.  .3.  p.  597.  Wahre  Ductus 
j^Pätico-cystici  kennt  Rudolphi  Physiol.  {II.  2.  15.3.)  unter  den 
] '•Ussäugethieren  nur  vom  Rinde  (8 — iO.).  Mehrere  Thiere  ha- 
gar  keine  Gallenblase.  Hierher  gehören  unlei-  den  Säuge- 
v*ercu  die  Einhufer,  ferner  die  Hirsche  und  Rameele,  Elephant, 
t'‘shorn,  Daman,  Pekari , Hystrix  ; dorsata , Hiunster,  viele 
-r?,'.'«searten , die  Tardigraden , Rytina , der  Braunfisch  und 
^Qunler  unter  den  Cetaceeu’.  Unter  den  Vögeln  fehlt  sie 
Papagay , Kukuk  , Strauss  , Taube  , Holztaube  , und  Ha- 
^ ^‘ölui.  Unter  den  Fischen  fehlt  sie  bei  der  Lamprete 
dem  Querder  (nicht  den  Myxinoideen) , dem  Nilbarsch, 

n»  . . ...  . ..  I • — .1 T n 

äi, 


gestreiften  Plattfisch , der  Meerleier , dem  Lump  und  ei- 
Seiänen.  Siehe  Cuvier  1.  r.  p,  591.  Also  zeigt  sich 
.'lern  Mangel  derselben  nichts  Gesetzinässiges , obgleich  dic- 
^^“*gen  Thiere , denen  sie  fehlt , meist  Pflanzenfresser  sind 
äaehrcntheils  beständig  verdauen.  Allein  sehr  viele  PÜan- 
p ^fresser  besitzen  eine  Gallenblase.  Wo  sic  fehlt,  ist  häu- 
^ Ausführungsgang  der  Leber  sehr  erweitert,  wie  beim 

I^ie  Gallo  ist  grün,  bitter  schmeckend  und  ekelhaft  riechend. 


502  II. Buch.  Organ,  ehern.  Processe.  IV.  Abschnitt.  Verdauung. 


die  Lebergalle  heller,  die  Gallenblasengalle  wegen  Resorptip*’ 
flüssiger  Tbeile  consistenter  und  grüner,  von  aufgelöstem  Sclile*^ 
fadenziebend.  Sie  enthält  sparsam  weissliche  oder  graue  K-ügc*' 
eben;  beim  Frosch  sind  sie  nach  meiner  Beobachtung  von  uO' 
gleicher  Form  und  Grösse,  und  im  Durchschnitt  5 mal  klein®' 
als  die  Blutkörperchen  des  Frosches,  andere  noch  kleiner. 
die  Galle  grün  macht,  ist  aufgelöst.  Im  frischen  Zustand  ist  n* 
Galle  nach  Schultz  immer  alkalisch.  Die  Galle  gerinnt  nicht  bo^ 
Kochen  und  löst  Oele  nicht  auf.  Nach  Werner  soll  die  Ga* 
die  Gerinnung  des  Blutes  verhindern,  und  die  Auflösung  n 
Blutroths  im  Blutwasser  ausser  den  thierischen  Röi’pern  bed*"' 
gen.  Das  letztere  ist  unrichtig. 

Berzelius  Analyse  der  Ochsengalle  von  1807.  Wird  Ochs®"' 
galle  bis  zur  Consisteuz  von  Extract  abgedampft  und  dann 
Alcohol  vermischt,  so  bleibt  eine  gelbgraue  Substanz  der  Gaj' 
ungelöst;  sie  ist,  da  sie  auch  von  Essigsäure  aus  der  Galle  1*5®”^ 
dergeschlageu  wird,  nicht  Eiweiss,  sie  ist  vielmehr  der  Schl®'"’ 
der  Gallenhlase.  Diese  durch  Säure  aus  der  Galle  niedergescb^"' 
gene  Materie,  und  der  von  der  Gallenblase  abgeschabte  Schl®''” 
mit  Säure  behandelt,  verhalten  sich  ganz  gleicli.  „ 

Die  Auflösung  von  eingetrockneter  Galle  in  Alcohol  entha 
die  wesentlichen  Bestandtheile  der  Galle.  Destillirt  man  den  d'' 
cohol  ab,  löst  den  Rückstand  mit  wenig  Wasser  und  vermis®" 
ihn  mit  etwas  verdünnter  Schwefelsäure,  so  hat  man  in  d®'?’ 
grüngrauen  Niederschlag  eine  Verbindung  mit  dem  cbaracterish^ 
sehen  bittern  Stoff  der  Galle.  Denselben  Stoff  erhält  man 
gleicher  Verbindung,  wenn  man  von  Gallenschleim  befreite  G»*' 
mit  weniger  verdünnter  Säure  versetzt.  Die  Flüssigkeit,  wov**"' 
der  bittere  Stoff  niedergeschlagen  wird,  enthält  Osmazom,  Ko®"' 
salz,  milchsaures  Natron  gleich  dem  Blutwasser.  . 

Die  von  Schwefelsäui’e  mit  dem  bittern  Stoff  der  G»*  ' 
erhaltene  Verbindung  ist  in  Alcohol  wie  ein  Harz  aufl®’' 
lieh,  wird  d.araus  durch  Wasser  niedergeschlagen,  und  «"'S. 
die  Charactere  eines  Harzes.  Man  erhält  den  bittern  Stoff 
dieser  Verbindung,  indem  die  Auflösung  dieser  Materie  in  Al®"'j 
hol  mit  kohlensaurem  Baryt  digerirt  wird,  die  Schwefelsäure 
dann  abgeschieden  und  der  bittre  Stoff  bleibt  aufgelöst.  Bif^f' 
Lius  hat  diesen  Stoff  Gallenstoff  genannt.  Gmelin  hält  ihn  fü® 
Gemenge  von  mehreren  Stoffen.  Der  abgeschiedene  Gallenstoff  ®'' 


hält  eine  gewisse  Menge  Fett,  welches  sich  durch  Aether  dar® 
ausziehen  lässt.  Chevreul  und  Gmelin  haben  dieses  Fett  aus 


11* 

de® 


ÜLL  Ut*®» 

concentrirten  Galle  selbst  durch  Aether  ausgezogen.  Es  best®,^ 
theils  aus  verseiftem  Fett  (fetten  Säuren),  theils  aus  einen» 
genen,  nicht  mit  Alkali  verbindbaren  Gallenfett.  Der  reine  G® 
lenstoff  wird  von  Wasser  aufgelöst,  und  die  Auflösung  besitzt  Fa^ 
und  Geschmack  der  Galle.  Der  Gallenstoff  ist  gelbbraun 
lieh,  doch  scheint  die  Farbe  von  einem  Färbestoff  herzurüh^  ’ 
denn  der  Gallenstoff  lässt  sich  fast  farblos  darstellen.  Beim  j . 
hitzen  schmilzt  der  Gallenstoff  unter  Aufblähen,  verkohlt,  rau® 
entzündet  sich  tmd  verbrennt  mit  russender  leuchtender  Fla»®* 
und  hinterlässi  eine  schwer  verbrennliche  aufgeschwollene  Ko* 


4.  Von  den  Verdauungssäften.  Galle. 


603 


GallenstolF  ist  in  Wasser  und.  Alcohol  in  allen  Verhältnissen 
löslich,  aber  unlöslich  in  Aelher.  Der  GallenstofF  wird  auch  von  Al- 
~*li  aufgelöst.  Berzelius  glaubt,  dass  das  in  der  Galle  enthaltene 
^ohlensaure  Natron  mit  dem  GallenstofF  chemisch  verbunden  ist. 
’on  Galläpfelinfusion  wird  der  GallenstofF  aus  Wasser  nicht  gefällt, 
"'öhl  aber  von  Metallsalzen.  Nach  der  Analyse  von  Berzelius 
jätbalt  die  Ochsengalle; 

Jasser 90,44 

“atlenstofF  mit  Fett 8,00 

^allenblasenschleim  ■ 0,-30 

“Sinazom,  Kochsalz  und  milchsaures  Natron  .....  0,74 

Patron 0,41 

l*liosphorsaures  Natron,  pliosphorsaure  Kalkerde  und  Spu- 
ren von  einer  in  Alcohol  iinlösbchen  Substanz  . . . 0,1  ^ 

100,00 

Protjt’s  Analyse  stimmt  im'  Wesentlichen  mit  der  von  Ber- 
dagegen  erhielt  Thenard  (1806)  bei  einer  andern  Methode 
®äclere  Resultate  {mem.  de  la  soc.  d’arc.  1.  23.).  Er  analysirte 
Galle  mit  essigsaurem  Bleioxyd.  Nachdem  er  nämlich  eine 
ihm  für  Eiweiss  gehaltene  Materie  der  Galle  mit  Salpe- 
tersäure gefällt  hatte,  vermischte  er  die  Fdtrirte  und  verdünnte 
Flüssigkeit  mit  einer  Auflösung  von  basischem  essigsaurem  Blei- 
"^yd.  Dasjenige,  Avas  beim  Zusatz  von  Salpetersäure  ziun  Nleder- 
®phlag  ungelöst  bleibt,  nannte  er  Gallenharz.  In  dem  noch  flüs- 
**gen  Theil  der  mit  Bleisalz  versetzten  Galle  fällte  er  durch  neuen 
jäsatz  von  Bleisalz  eine  andere  Substanz,  welche  nach  Abschei- 
'^öng  des  Bleisalzes  ganz  in  Wasser  löslich  ist,  nämlich  eine  ex- 
‘ractartige,  süssliche,  bittere  Masse,  die  er  Picromel  nannte. 

Themaro’s  Gallenharz  ist  grün  und  bitter,  beim  Schmelzen 
"'‘rd  cs  gelb.  Es  ist  in  geringer  Menge  in  Wasser  löslich,  und 
^‘rd  daraus  durch  Schwefelsäure  gefällt.  Seine  Auflösung  in  Alco- 
ö"?!  wird  durch  Wasser  niedergeschlagen.  In  Alkali  ist  es  löslich  und 
2'*'d  daraus  durch  Säure  gefällt.  Picromel  ist  zähe,  hellgelb,  im 
^^Ussern  Avie  Terpenthin.  Es  ist  in  Wasser  und  Alcohol  löslich, 
nicht  in  Aether.  Es  Avird  von  basischem  essigsaurem  Blei- 
''’'yd,  von  Eisenoxydsalzcn  und  salpetersaurcm  Quecksllberoxydnl 
^®Fällt.  Gallenharz  ist  in  Picromel  auflöslich  und  es  wird  hier- 
öärch  wieder  Galle  gebildet.  Berzel.  TAlerc/i.  18.3.  1000  Theile 

'^hsengalle  enthalten: 

Wasser 875,6 

Gallenharz 30,0  ■ 

Picromel 75,4 

gelben  FärbestolF  der  Galle  . . . 5,0  ' 

Natron ®)0 

phosphorsaures  Natron  ....  2,5 

Kochsalz d,0 

schwefelsaures  Natron 1,0 

schwefelsauren  Kalk 1,5 

Spur  von  Eisenoxyd  . • . 


1000,0 

Berzelius  machte  es  wahrscheinlich,  dass  statt  dieser  beiden 
'iller’s  Physiologie.  d3 


504  II.  Buch.  Organ,  ehern.  Processe.  IV.Ahschnitt.  Verdauung. 

StofFe  Gallenliarz  und  Picromel  nur  der  einzige  GallenstofF  anzuneli- 
men  scy,  welcher  wegen  seiner  Eigenschaft,  durch  Verhindung  J»* 
Mineralsäure  ein  Harz  zu  bilden,  zur  Annahme  des  Gallenhar*®* 
veranlasst  habe.  Gmelin  hat  dagegen  Thenard’s  Ansicht  bestätigb 
dass  in  der  Galle  wirklich  Picromel  nebst  einem  Harz  enthalte*' 
ist,  oder  einer  Materie,  die  durch  geringe  äussere  Einflüsse  in  Ga*' 
lenharz  verwandelt  wird.  Gmelin  führt  in  seiner  Chemie  ‘i*'* 
Gallenharz  unter  den  stickstofffreien,  das  Picromel  unter 
stickstofibaltigen  Körpern  auf.  Das  Picromel  ist  seitdem 
Chevrf.ul,  Chevallieu  und  Lassaigne  auch  in  der  menschlich®f 
Galle  gefunden  worden,  wie  denn  Oefila,  Laugier  und  CavenTöJ* 
dasselbe  auch  in  menschlichen  Gallensteinen  entdeckt  haben.  Pi®  . 
Thewarti  wird  der  Gallenstoff  dem  Albumen  um  so  ähnliclier,  1® 
mehr  durch  einen  krankhaften  Process  die  Leber  sich  in 
zu  verwandeln  scheint.  Huenefeld  physiol.  Chem.  2.  108. 

Die  Picsultate  von  Gmelih’s  Analyse  der  Ochsengalle  gebe**'- 

1.  moschusartig  riechender  Stoff;  wird  durch  Destillation 
Galle  erhalten,  wobei  er  als  riechendes  Wasser  übergebt. 

2.  Gallcnfelt  Cholesti’in.  Bestandtheil  der  Gallensteine, 
Chf.vreul  in  der  frischen  Galle  nachgewiesen,  auch  in  andere” 
Theilen,  im  Blut  nach  Boudet,  sonst  meist  krankhaft  vorko***' 
mend,  wie  in  dem  Wasser  der  localen  Wassersüchten,  Hydrocei®* 
im  Markschwamm.  Man  gewinnt  das  Gallenfett  der  Galle,  inde*** 
man  die  abgedampfte  Galle  mit  Aether  schüttelt,  welcher  es  auszie^*^’ 
Nach  dem  Abdestilliren  eines  Thcils  des  Aethers  krvstallisirt 
beim  Erkalten  aus  dem  B.ückstand,  verunreinigt  mit  Oelsäure,  ■r”’' 
der  cs  sich  durch  Aullösen  in  kochendem  Alcohol  reinigen  lässh 
aus  dem  es  beim  Erkalten  ansebiesst.  Gallenfett  krystallisirt 
weissen  perlmutterglänzenden  Blättern,  ist  ohne  Geruch  und  F'®' 
Schmack  und  schwimmt  auf  Wasser.  Von  kaustischem  Kali  1®*? 
sich  das  Gallenfett  nicht  auflösen  oder  verseifen,  worin  einer  s®*' 
ner  HauptcharacLere  besteht.  Hierin  stimmt  es  mit  Hirnfett  üb®”' 
ein,  enthält  aber  keinen  Phosphor;  es  ist  das  kohlenstoffhaltig**^*^ 
aller  Fettarten.  Behzelius  Thierchemie.  185. 

3.  Oelsäure,  ein  blassgelbes,  halb  durchsichtiges  Oel,  Lacnn**' 
papier  röthend. 

4.  Talgsäurc,  krystallisirt  in  farlilosen  perlmutterglänzend®'’ 
Blättchen.  Die  Auflösung  in  Weingeist  röthet  das  Laemuspap*®*' 

5.  Cholsäure,  eine  neue  Suljstanz,  krystallisirt  in  feinen  P*?' 
dein,  von  scharfsüssem  Geschmack,  enthält  Stickstoff,  und  is^- 
kochendheissem  Wasser  etwas  löslich;  die  Lösung  röthet  Lacin®*, 
papier;  im  Alcohol  ist  sie  leicht  löslich.  Von  Schwefelsäure 

sie  aufgelöst  und  daraus  wieder  vom  Wasser  gefällt.  Die 
Cholsäure  gebildeten  Salze  sind  löslich  und  zuckersüss,  die  ^®'rg 
ist  stärker  als  Harnsäure  und  zersetzt  auch  in  der  Kälte  d' 
kohlensauren  Alcalien.  Berzelius  Thierchemie.  190. 

6.  Gallenharz,  in  Ider  Kälte  spröde,  bei  mässiger  WSr*^ 
weich,  von  brauner  Farbe,  hell  durchscheinend,  auflöslich  * ^ 
Alcohol  und  daraus  durch  Wasser  fällbar.  Es  brennt,  db® 
100  Grad  erhitzt , mit  russender  Flamme  und  aromatische  ^ 
Geruch,  und  hinterlässt  eine  schwammige,  leicht  verbren"' 


505 


4.  Von  den  Verdauungssliftcn.  Galle. 

Kohle.  In  concentrirter  Schwefelsäure  löst  es  sich  langsam 
'Wasser  schlägt  es  daraus  in  Flocken  nieder.  Es  wird  we- 


der 


von  Salzsäure  noch  Essigsäure  aufgelöst.  Es  verbindet  sich 


®>cht  mit  kaustischem  Kali,  diese  Verbindung  löst  sich  in  rei- 
‘'etu  Wasser  auf;  es  wird  leicht  von  kaustischem  und  kohlensau- 
Ammoniak,  nicht  von  kohlensaurem  Kali  aufgelöst;  alcohol- 


fr, 


®ier  Aether  löst  fast  nichts  auf.  Gmelin  a.  a.  O.  I.  57. 

7.  Taurin,  ein  neuer  Stoff,  in  grossen,  farblosen,  durchsich- 


Jigen  Krystallen,  irregulären  sechsseitigen  Säulen  mit  4-oder6sei- 
'•Ser  Zuspitzung.  Die  Krystalle  knirschen  zwischen  den  Zäh- 
und  schmecken  piquant;  sie  sind  weder  sauer  noch  alcalisch, 
'"^r'äjjdoru  sidj  selbst  hei  -I-100®C.  nicht  in  der  Luft.  Im  olfe- 
Feuer  kommt  das  Taurin  in  dicken  Fluss,  wird  braun,  bläht 
**.*^li  auf,  und  hinterlässt  eine  leicht  verbrennliche  Kohle.  Tau- 
ist  löslich  in  Wasser,  sehr  wenig  in  kochendem  Alcohol,  fast 
nicht  in  wasserfreiem  Alcohol;  es  enthält  etwas  Stickstoff. 

I.  c.  61. 

8.  Picromcl.  Thehahd’s  Picromel  ist  dickflüssig  und  wie  Ter- 
henthin.  Gmelin’s  Picromel  ist  undurchsichtig,  besteht  aus  krystalli- 
lj*®chen  Krümchen  und  ist  sehr  reich  an  Stickstoff.  Es  ist  in  kaltem 
•’^asser  leicht  löslich,  ebenso  in  Alcohol,  unauflöslich  in  Aethcr; 
'''  Concentrirter  Schwefelsäure  ist  es  leicht  löslich  mit  Wärme- 
tntwickelung,  beim  Erkalten  gesteht  es  zur  Hälfte  zu  einer  kry- 
^*^111111801160  Masse.  Mässig  concentrirte  Salzsäure  löst  Picromel 

Picromel  wird  nicht  von  Gall'äpfcUinctur  gefällt,  und  lässt 
nicht  in  Gährung  versetzen.  Tiievard’s  Picromel  soll  eine 
®rhindung  von  Picromel  mit  Gallenharz  seyn. 

9.  Färbestolf  der  Galle  (stickstoffhaltig).  Der  Färhestoff  der 
^alle  zeigt  ein  characteristisches  Verhalten  gegen  Salpetersäure 
-*'d  wird  vermittelst  derselben  auch  erkannt,  wenn  er  in  der 

das  Blut  und  den  Urin  aufgenommen  worden. 


^clbsucht  etc. 
tf 


^arn,  wenn  er  Färbestoff  der  Galle  enthält,  wird,  wenn  man  ihn  mit 
®'äetu  gleichen  Volum  Salpetersäure  vermischt,  zuerst  grünlich, 
^ ®än  dunkelgrün,  darauf  schmutzig  roth  und  später  braun.  Ber- 
Thierchem.  p.  4l0. 

10.  Osmazom.  H.  Eine  Materie,  die  beim  Erhitzen  Harn- 
entwickelt.  12.  Eine  pflanzenleimartige  Materie.  1.3.  EI- 
14.  Gallenblascnschleim.  15.  Käsestoff{?).  16.  Speichel- 
ofF(?).  ZAveiläch  kohlensaures  Natron.  18.  Kohlensaurcs  Am- 
19.  Essigsaures  Natron.  20 — 26.  Oelsaiires,  talgsaui’es, 
^ ^Isaures , schwefelsaures  vind  phosj)horsaures  Kali  und  Natron, 
°chsalz  und  phosphorsaurer  Kalk. 

Ij.  Gmeliw  hat  in  der  Galle  des  Menschen  Gallcnfett,  Gal- 
j,''>arz,  Picromel  und  Oels'äure  gefunden;  ausserdem  haben 
„ I?'^''*herz  und  Gugert  (Schw.  .Tourn.  50.  68.)  in  der  Menschen- 
ch  ? *'°ch  Färbestoff,  Speichelstoff,  Käsestoff,  Osmazom,  ölsaures, 
fg|  ^*iures , talgsaures,  kohlensaures,  phosphorsaures  vind  schwe- 
Natron  mit  wenig  Kali,  und  phosphorsauren,  schwefel- 
cÄ  kohlensauren  Kalk  gefunden.  Vergl.  Bebzei.'us  Thier- 

p.  206. 


506  H.  Buch.  Organ,  ehern.  Processe.  IV.  ALschniü.  Verdauung. 

BERZELitrs  Begleitet  die  cliemisclie  Beschreibung  der 
mit  der  Bemerkung,  dass  die  Zusammensetzung  der  Galle  wo 
einfacher  sey,  als  die  analytischen  Resultate  zu  erkennen  gehen, 
und  hält  es  für  sehr  wahrscheinlich,  dass  sie  die  eiweissartigen 
Bestandtheile  des  Blutes  zwar  wesentlich  verändert,  aber  mit  de» 
im  Blute  vorkommenden  Salzen  unorganischen  Ursprungs  ycr' 
mischt  enthalte,  und  dass  das  von  eiweissartigen  Bestandtheile»^ 
Hervorgebrachte  eine  so  grosse  Neigung  zu  Veränderungen  »‘^ 
der  Zusammensetzung  habe,  dass  es  durch  Einwirkung  von  u»»' 
gleichen  Reagentien*,  in  verschiedene  Verbindungen  zeyset*^ 
werde,  die  verschieden  ausfallen,  nach  den  zu  ihrer  Scheidu»»!^ 
eingeschlagenen  ungleichen  Methoden,  gerade  so  wie  Oele  n»»^ 
Fette  durch  Ein-wirkung  von  Basen  in  Zucker  und  in  fette  SäO' 
ren  lungewandelt  werden.  _ 

Nach  Berzelius  Analyse  der  Schlangengalle  enthält  dieseU» 
einen  eigenen  Gallenstoff,  der  von  Säuren  und  Alcalien  nicht  g®' 
fällt  wird.  Vom  Gallenstoff  der  warmblütigen  Thiere  unterscheid®^ 
er  sich  dadurch,  dass  er  vom  essigsauren  Blei  nicht  in  Gallenharz  u»» 
Gallenzucker  (Picromel)  zerlegt  werden  kann.  Er  ist  verbünd® 
mit  Färbestoff,  ähnlich  dem  Färbestoff  aus  der  Galle  ander®^ 
Thiere,  der  für  sich  in  Wasser  wenig  löslich  ist,  in  Verbindu«» 
mit  Gallenstoff  aber  sich  reichlich  darin  löst.  Die  VerbindoijS 
dieser  beiden  Stoffe  ist  der  unzersetzten  Galle  ganz  ähnli®‘‘' 
Ausserdem  enthält  die  Galle  der  Schlange  eine  geringe  Quanüt». 
eines  krystalllsirenden,  durch  eine  Lösung  von  kohlensaureni 
fällbaren  Gallenstolfe,  analog  demjenigen,  welchen  Gmelin  in  d® 
Galle  mehrerer  Cyprinusarten  fand,  und  welcher  dort  das  G»' 
lenharz  und  Picromel  ersetzt.  Nach  Gmelin  bewirkt  der  krystal*»' 
nische  Gallenstoff  der  Cyprinusarten,  wenn  er  mit  Galle  yer' 
Ihischt  wird,  eine  Gerinnung  zu  einer  grünlich-weissen,  körnig® 
Masse.  Leider  besitzen  wir  keine  Untersuchungen  über  die  Ga» 
der  Krebse  und  der  Mollusken.  ., 

Einige  Beobachtungen  über  die  Galle  hat  Schultz  angeste»  ^ 
Belm  nüchtei’nen  Ochsen  fand  er  12 — 16  Unzen  Galle  in  der 
blase,  nach  der  Verdauung  noch  2 — 4 Unzen  in  derselben,  bei 
grossen  nüchternen  Hunde  5 Drachm. , bei  einem  Hund  ^ 

Grösse  nach  der  Verdauung  2 Dr.  17  Gr.  Die  Galle  des  Geh* 
hatte  ein  specifisches  Gewicht  von  1,026 — 1,030;  sie  war 
alcalisch;  ihre  Neutralisation  erforderte,  wenn  sie  dick  war,  1 
Weinessig  auf  1 Unze  Galle,  dagegen,  wenn  sie  dünn  war, 
Drachm.  Weinessig.  Das  in  der  Galle  durch  Weingeist  ents  ^ 
hende  Coagulum  hält  er  nicht  ftir  Eiweiss,  sondern  für 
Spelchelstolf  ähnliche  Materie,  weil  nämlich  die  Galle  durch 
keine  Gerinnung  eingehe.  Die  weingeistige  Auflösung  der 
zur  Trocknung  eingedickten  Galle  war  auch  noch  alcalisch, 
her  hält  Schultz  die  gewöhnliche  Meinung,  welche  auch 
MANN  Lind  Gmelin  hegen,  dass  die  Alkalescenz  der  Galle 
kohlensaurem  fixem  Alkali  herrühre,  für  unrichtig;  s»® 
auch  nicht  von  Ammonium  her,  weil  das  Destillat  der  GaUe^ 
alcalisch  reagirt.  Schultz  nimmt  ein  organisches  Alcali 
Galle  an,  ähnlich  den  Pflanzenalcaloiden ; die  in  der  Galle  ^ 


4.  Von  den  Verdauungssäften.  Pankreassaft. 


507 


^ändene  Oelsäure  denkt  er  sich  in  einer  Verbindung  niit  die- 
sem alkalischen  Stoffe.  Das  von  Säuren  hervorgehrachte  Coa- 
Sulura  hält  er  nicht  für  Eiweiss,  sondern  für  einen  Nieder- 
jenes  Stoffes.  Diesen  Stoff  glavihte  er  so  darstellen  zu 
gönnen,  dass  er  durch  Essigsäure  einen  Niederschlag  der  Galle 
die  Essigsiiure  durch  Ammoiiiuin  iieutralisirtej  und  das 
cssiggaure  Ammonium  durch  Destillation  his  zum  Trocknen  ah- 
®chled.  Das  braune  bittere  Residuum  war  nun  ira  Wasser,  Es- 
und  Weingeist  löslich,  und  gab  alkalische  Anzeigen  gegen  ge- 
^othetes  Laemuspapier ; längere  Zeit  der  Luft  ausgcsetzt,  -rcrlor 
"liese  Materie  ihre  Alkalescenz  und  war  weder  im  Wasser,  Essig, 
Uoch  Weingeist  ganz  löslich.  Offenbar  war  diese  Materm  ein 
^ainenge  mit  Gallenhlasenschleim,  Avelcher  nach  BERZEuiur  von 
^^sigsäure  aus  der  Galle  gefällt  wird.  Nach  dem  Niederschlage  der 
^'‘lle  durch  Essigsäure  hieibt,  wie  Schultz  seihst  bemerkt,  noch 
®‘he  hitterschmeckende  oder  hiltersüsslich  schmeckende  Materie 
der  Auflösung  zurück.  Wie  mit  der  Annahme  eines  Alkaloi- 
in  der  Galle  die  Existenz  eines  krj'stallinischen  Gallenstofles 
•'i  der  ganz  neutralen  Galle  mehrerer  Cyprinusarten,  den  Gme- 
'■'»  fand,  vereinbar  ist,  kann  ich  mir  nicht  vorstellen.  Ueber- 
*^äupt  dürfte  die  Untersuchung  dieses  krystallinischen  von  K.ali 
fällbaren,  von  W^eingeist  und  W^asser  auflöslichen  Gallenstoffs 
^*'uchtharer  als  alle  bisherigen  Untersuchungen  über  die  Galle 
^erden,  und  unsere  Ansichten  über  die  Zusammensetzung  der  Galle 
"ei  den  höheren  Thieren  noch  bedeutend  reformiren.  Da  sich 
dieser  Stoff  auch  in  der  Schlangengalle  zeigt,  so  dürfte  er  leicht 
"‘öe  allgemeinere  Erscheimmg  und  in  manchen  Gallenarten,  in 
^enen  man  ihn  nicht  findet,  auf  irgend  eine  Weise  verhüllt  seyn. 
per  von  Gmelin  entdeckte  krystallinische  Stoff  ist  Ins  jetzt  nicht 
aller  Fischgalle  gefunden,  sondern  nur  einigen,  nicht  einmal 
®llen  Cyprinusarten,  nämlich  Cyprinus  leuciscus,  alhurnus  und 
"^rbus,  nicht  dem  Karpfen  eigen. 

Succiis  pancreaticus.  Ausser  Grakt’s  BeoLaclitinig  (Fro- 
^'Ep’s  JVo/izen.  11.  182.),  dass  bei  Loligo  sagittata  eine  dem 
Pancreas  analoge  Drüse  vorhanden  ist,  nämlich  zwei  hellrothc, 
Se'appte  mit  dem  Gallengang  verbundene  Drüsen,  kennt  man  das 
P^ucreas  nicht  hei  den  Wirbellosen.  Selbst  unter  den  Fischen 
es  nicht  allgemein,  hei  vielen  derselben  fehlt  es,  hei  anderen 
'*«d  Blinddärme  in  verschiedener  Anzahl  und  Ordnung  an  seiner 
1 *^^lle,  Appendices  pyloricae.  Bei  dem  Stockfisch  und  Schellfisch 
If^hfen  sich  diese  und  beginnen  sich  zu  theilen,  liei  Polyodon 
stellen  sie  einen  in  Abschnitte  äusserlich  gctlicilLen  Sack  ' 
beim  Thunfisch  sind  sie  sehr  verzweigt  und  bilden  eine  un- 
|eöeure  Anzahl  Büschel  blind  endigender  Röhrchen,  heim  Schwerin 
endigen  did  Zweige  des  grossen  Ausführungsganges  nnt 
"'tiem  Bündel  kiu-zer  zahlreicher  Blinddärmclien,  während  eine 
piueinsame  Haut  das  Ganze  umhüllt.  Beim  Stör  endlich  ist  tue 
^®h*e  Masse  scheinbar  parenchymatös,  und  besteht  aus  einem 
"uwammigen  Gewebe  von  kleinen  und  grösseren  Zellen,  und  bei 
' Haycn  und  Rochen  giebt  es  ein  dichteres  Gewebe  des  1 an- 
'^eas  wie  bei  den  hohem  Thieren.  Siehe  das  Nähcie  in  dem 


508  H.Iiuch.  Organ,  ehern.  Processö.  IV.  Abschnät.  Verdauung. 

Drüsenwerk  J.  Muelleh  de  penit.  gland.  struct,  Lib.  VIII.  Tab.  VH' 
Bei  den  Fischen  ist  der  Saft  der  .Blinddärme  klebrig  und  rea- 
girt,  wie  SwAMMEEDAM  lind  Tiedemasn  und  Gmelin  beobachte^ 
nicht  oder  sehr  wenig  sauer.  Hunden  hat  man  das  Pancrea* 
ganz  oder  grösstentheils  zerstört,  ohne  dass  ihre  Verdauung 
übrige  Gesundheit  gelitten  hätte.  Man  hat  nur  zuweilen  grösser® 
Gefrässigkeit  beobachtet.  Autesrieth  Physiol.  2.  69. 

In  der  neuern  Zelt  haben  Mayer,  Magendie,  Tiedemai*<* 
und  Gmelin  den  pancreatischen  Saft  der  höheren  Thiere  w**' 
tersucht.  Mayeb  (Meckee’s  Archit>  3.  170.)  fand  denselben» 
wie  er  in  einem  blasenartigen  Behälter  bei  der  Katze  sie® 
anijesammelt  hatte,  alkalisch,  durchsichtig.  Magendie  [physiob 

2.  3Ö7.)  fand  den  Saft  des  Hundes  gelblich,  geruchlos,  sal*‘§ 
schmeckend,  alkalisch,  auch  sollte  er  hier  wie  bei  den  Vög®l® 
in  der  Wärme  gerinnen.  Tiedemann  und  Gmelin  sammelten  de® 
pancreatischen  Saft  eines  grossen  Hundes  durch  ein  in  den  e»*' 
geschnittenen  Gang  eingelegtes  Röhrchen.  Alle  6 — 7 Secunde® 
floss  ein  Tropfen  aus  (in  vier  Standen  beinahe  zehn  Gramme®/' 
Der  Saft  war  klar,  etwas  opalisircnd,  liess  sich  in  Fäden  ziehe® 
und  schmeckte  schwach  salzig.  Dieselben  Versuche  machten 
an  einem  Schaf  und  an  einem  Pferde.  In  diesen  3 Fällen  re- 
agirte  der  Saft  anfangs  schwach  sauer,  nur  die  zuletzt  abflicsseinJe 
Portion  des  pancreatischen  Saftes  vom  Hunde  und  Pferde  f®" 
agirte  schwach  alkalisch.  A.  Schultze  fand  den  pancreatisch®® 
Saft  beim  Hunde,  bei  der  Katze  und  beim  Pferde  sauer,  cinro®* 
beim  Hunde  indifferent.  Die  vergleichende  Analyse  des  Saft®* 
Jener  3 Thiere  von  Gmelin  ergab  Folgendes;  Der  pancreatisch® 
Saft  ist  sehr  reich  an  Eiweiss,  er  enthält  kein  schwefelblausaur®* 
Salz  wio.  der  Speichel  enthalten  soll.  An  festen  Theilen  entbä* 
er  beim  Hunde  8,72  , beim  Schaf  4 — 5 Procent , die  fest®® 
Theile  sind; 

1.  Osmazom. 

2.  Eine  durch  Chlor  sich  röthende  Materie,  die  bloss  bei®* 
Hunde,  nicht  beim  Schafe  gefunden  wurde. 

3.  Eine  dem  Räsestolf  ähnliche  Materie,  wahrscheinlich  ®*' 
Speichelstolf. 

4.  Viel  EiweissstolF,  ohngefähr  die  Hälfte  des  trockenen  Rüc®' 
Standes  betragend. 

5.  Sehr  wenig  freie  Säure,  wahrscheinlich  Essigsäure. 

Asche  des  pancreatischen  Saftes  beträgt  beim  Hunde  8,28  Pr®®' 
vom  trocknen  Rückstand,  beim  Schafe  29,7  Proc. 

Sie  enthält  an  löslichen  Salzen;  , 

a-  Kohlensaures  Kali  (wahrscheinlich  essigsaures  im  Saft®® 
beim  Hunde  und  beim  Schafe. 

b.  Viel  salzsaures  Alkali. 

c.  Wenig  phosphorsaures  Alkali  beim  Hunde , und  he®* 

Schafe.  , 

d.  Sehr  wenig  schwefelsaures  Alkali  beim  Hunde  und  Scha  ® 
Das  Alkali  war  mehr  Natron  als  Kali.  Die  nicht  im  Wasser  1®  ' 
liehen  Salze  der  Asche  sind  wenig  kohlensaurer  und  phosph® 
saurer  Kalk. 


4.  Von  den  Verdauungssäften.  Darinsaft. 


509 


Aus  diesen  treffliclicn  Untersuclmngen  ergiebt  sich  die  Ver- 
®cliledenlielt  des  pancreatlschen  Saftes  und  Spelcliels,  denn  der 
Speichel  enlliiilt  Schleim  und  Spelchelstoff,  im  pancreatlschen 
^®ft  dagegen  kömmt  viel  Elweiss  und  K.asesto(r  vor,  kein  Schleim 
'‘ndAvenig  oder  kein  eigentlicher  Spcichelstoff,  Speichel  ist  alkalisch, 
^Uccus  pancreat.  frisch  säuerlich.  Der  Speichel  des  Schales  enthält 
®tyas  schwefclhlausaures  Alkali  (?) , der  pancreatische  Saft  nicht, 
übrigen  Salze  sind  olingefähr  dieselben.  Iiedemasn  und  Gmelin 

c.  p.  25—4.3.  - r.,-  , • 

Letjret  und  Lassaigwe  erhielten  beim  lebenden  Pferde  in 
*^‘ner  halben  Stunde  3 Unzen  pancreatlschen  Saft.  Er  war  klar, 
Schmeckte  salzig,  reagirte  alkalisch  und  enthielt  nur  Proc.  fester 
“estandtheile , die  sie  naeh  einer  wie  es  scheint  oberllach heben 
^Untersuchung  für  dieselben  wie  Im  Speichel  erklärten.  Wasser 
thierische  Materie,  in  Alkohol  auflöslich,  thierische  Materie, 
Wasser  auflöslich,  Spuren  von  Eiweiss,  Schleim,  freie  Soda, 
^^lorsodium,  Clilor]iolassiuui,  phosphorsaiire  Kalkerde  00,9. 

e,  Succus  cnterwiis,  XJel>cr  den  Bau  der  den  Darmsaffc  ab- 
®'^ndernden  Drüsen  ist  bereits  früher  geliaudclt  worden.  Man 
y^ngleiche  besonders  was  pag.  473.  über  den  Bau  der  räthsel- 
"»ften  Körper,  die  man  PEVER’sclie  Drüsen  nennt,  gesagt 
^nrden.  Besondere  Drüsenmassen  kommen  ausser  jenen  zwei- 
^l^iaft  drüsigen  Körpern  im  Darm  der  Tbierc  nicht  vor.  Der 
^ärinsaft  ist  von  Tiedematsn  und  GMUnif  bei  hungernden  PieC" 
untersucht  worden.  Bei  nüchternen  Hunden  erschien 
innere  Fläche  der  Schleimhaut  wie  mit  einer  dünnen  Lage 
®*ner  sehr  consistenten , wcissllcben  und  etwas  gelbgefarbten 
Materie  bedeckt,  und  es  fand  sich  nur  sehr  wenig  ergossene 
I ^alle.  Wenn  Kieselsteine  oder  Pfeiler  verschluckt  worden, 
war  eine  grössere  Menge  eines  dünnen  und  fadenziehenden 
^';lileimes  vorhanden,  und  die  Galle  war  reichlicher  ergossen. 

I sclileimigc  Masse  wurde  nacli  unten  im  Dünndarm  consisten- 

und  gelblich  oder  gelbbraun,  es  zeigten  sich  in  ihr  grun- 
S®lbe  oder  geUjbraune  Flocken , aus  Darmschleim,  Gallenschleim, 
uarz,  Fett  und  Färbestoff  der  Galle  bestehend.  Die  schleimige 


^lüssirrto:»-  äoo  Tin niirlürTns  der  Hunde  und  Pferde  enthält  im  ci 


OUlilClllA  Uca  X>llIlUti«A  AliJ  * 4*  1 * 1 

änden  sauer.  Im  Blinddarm  der  Pferde  dagegen  anc  sic  i 


510  II.  Buch,  Organ,  ehern.  Processe,  IV.  Abschnitt.  Verdauung. 

statt  freier  Säure  doppelt  kolüensaures  Natron,  Viridet 
prima  coctione)  hatte  im  Blinddarm  der  Kaninchen  gleiche  saure 
Reaction,  wie  im  Magen  gelunden. 

Uehcr  die  saure  Reaction  in  dem  Blinddarm  der  Thiere  hat 
Schultz  weitere  Versuche  angestellt.  Er  fand  bei  den  Thieren? 
•wenn  sie  fasteten,  leichter  eine  alkalische  oder  neutrale  Beschaf- 
fenheit der  Flüssigkeiten  im  Blinddarm,  -was  er  aus  der  Neutrali- 
sation durch  die  während  des  Fastens  weiter  bewegte  Galle  er- 
klärt , sonst  aber  und  während  der  Verdauung  reagirte  die 
Flüssigkeit  sauer.  Diese  Reaction  findet  sich  indess  gewöhnliri* 
bei  den  pflanzenfressenden  Thieren,  die  mit  einem  langem  Blind- 
darm ausgestattet  sind,  dagegen  sie  hei  den  Fleischfressern 
unvollkommenem  Blinddarm  meistens  fehlt.  Die  Saturation  der 
Säure  im  Chjmus  eines  Kaninchens,  das  von  Kartoffeln  und  Gr»* 
genährt,  und  2^  Stunden  nach  dem  Tode  geöffnet  worden,  er- 
forderte auf  2 Unzen  Chymus  des  Magens  .3^  Unzen  Ochsengalle; 
dagegen  waren  zur  Saturation  des  sauren  Inhaltes  des  Blinddärme® 
eines  Kaninchens  auf  1 Unze  Darminhalt  5 Drachmen  OchsengaA® 
nöthig.  18  Unzen  Chymus  aus  dem  Magen  eines  Pferdes  erforder- 
ten zu  ihrer  Saturation  15  Gran  Kali  carhonlcum  oder  1 Unze  Chf' 
mus  2^  Unze  Ochsengalle.  Zur  Saturation  von  1 Unze  Inhalt  d®® 
Coecum  gehörten  5 Unzen  Ochsengalle.  Der  Chymus  des  M*' 
gens  von  einem  Schwein  erforderte  1,04  bis  1,11  Proc.  Kali  cai’' 
bonienm,  der  Inhalt  des  Blinddarmes  dagegen  0,78  Proc.  K^I' 
carhonicum  zur  Saturation. 


V,  Capitel.  Von  den  Veränderungen  der  Speisen  ii” 
Darmkanal. 


Die  Auflösung  der  Speisen  setzt  voraus,  dass  die  Nahrung®' 
Stoffe  ihr  organisches  Gefüge  und  ihre  Cohäsion  verlieren , 
durch  das  Kauen  grosscntheils  geschieht.  Diese  ZertrümmeruöS 
findet  theils  im  Munde,  thells  im  Schlunde  hei  Schlundzähne*®^ 
wie  bei  einigen  Fischen , theils  im  Magen  durch  die  knorpelig®®* 
Magen'wände  des  Muskelmagens  bei  den  Körner  und  InsectE*® 
fressenden  Vögeln,  oder  durch  einen  mit  Zähnen  hewaffnct®'' 
Magen,  wie  hei  einigen  Crustaceen,  Insecten  und  Mollusken  stafl' 
Dieser  und  der  folgende  Act  in  den  Verdauungsoperationen, 
Auflösung,  lassen  sich  in  der  That  mit  den  gewöhnlichen  che'cn^' 
sehen  Operationen  vergleichen,  olme  dass  dem  Organismus  eW®® 
vergeben  ^ -HÜrd.  Der  Chemiker  pulvert  die  aufzulösenden  od®* 
zu  extrahirenden  Stoffe,  und  digerirt  sie  mit  dem  LösungsmiG®.* ’ 
auch  diese  Digestion  findet  in  dem  Kropfe  der  Vögel  und  *** 
den  Magen  der  Thiere  statt.  Nach  der  Extraction  der  lös- 
baren Stoffe  seiht  der  Cliemiker  das  Gelöste  von  dem  Unlös- 
lichen ab.  Auch  im  Verdauungsprocess  wird  also  zertrümmer  -t 
digerirt,  aufgelöst  und  das  Unlösliche  abgeschieden. 
a.  Speirhel. 

' Der  Speichel  macht  die  Speisen  zum  Verschlucken 


5.  Veränderungen  der  Speisen  im  Harmkanal.  Magenverdauung,  511 

*cliickt;  oL  er  etwas  zur  Auflösung  derselben  beitrage,  und 
'«'»e  weit  seine  Beslandtbeilc  eine  Rolle  in  der  cbeinischen  Ver- 
■^«ndlung  der  NabrungsstofFe  im  Magen  spielen,  ist  unbekannt. 
Seine  \Virkung  bei  der  Verdauung  sebeint  keineswegs  gross  zu 
da  er  den  Fisclicn  und  Cetaeeen  fehlt.  Spali.akzasi  und 
^^Saumur  wollen  gefunden  haben,  dass  Thiere  das  ihnen  in  dureli- 
^öcliertcn  Röhren  beigebracble  Futter  schneller  verdauten,  wenn 
«ä  vorher  mit  Speichel,  als  wenn  es  mit  Wasser  durchtrankt  war. 
SpAt.LAMZAKi’s  Versuche  über  das  Verdauungsgescimß.  Leipz.  1785. 
'fiEDEMABN  und  Gmelis  glauben,  dass  der  Speichel  durch  seinen 
^ehalt  an  kohlensaurcm,  essigsaurem  und  salzsaurem  Kali  und 
Patron  einigermaassen,  wiewohl  nur  schwach  auflösend  wii  'e  (.). 
Berzelius  dagegen  bemerkt,  dass  der  Speichel  an  und  für 
aus  den  NahriingsstolTcn  nicht  mehr  als  reines  Wasser  aus- 
*'ehe,  und  ich  muss  gestehen,  dass  mir  bei  den  vergleichungswcise 
Speichel  und  Fleisch,  so  wie  Wasser  und  Fleisch  angcstellten 
^ersuchen  kaum  irgend  ein  Unserschied  bemerklich  gewoi'den  ist. 

Sof^cnannle  dynamische  'Wirkungen  des  Speichels  kenne  ich 
'^'cht.  ^Auch  scheint  der  Speichel  nicht  durch  Zerstörung 
‘'er  ’specifischen  organischen  Eigenthümlichkeiten  der  Nabrungs- 
zu  wirken.  Die  giftige  Wirkung  des  Schlangengiftes 
'•nd  des  llundswuthgiftes  konnte  auf  dergleichen  Gedanken  brin- 
Sp»'.  Allein  ich  habe  schon  bemerkt,  dass  die  Giftdrüsen  der 
*^>ftscblangen  nicht  ihre  Speicheldrüsen,  sondern  Angriffsmit- 
tel sind,  und  dass  die  Giftschlangen  ausserdem  die  gewöhnlichen 
‘'Speicheldrüsen  der  Schlangen  besitzen.  Auch  ist  es  nur  zufällig, 
‘tass  der  Speichel  der  tollen  Hunde  vorzugsweise  giftig  erscheint, 
^cil  eewöhiilich  durch  den  Biss  die  Ansteckung  geschieht,  gleich 
"'ie  es  eben  so  zufällig  ist,  dass  das  venerische  Gilt  geAvohnlich 
^tui’ch  die  Genitalien  ansteckt,  indem  die  Bedingung  der  Ueber- 
t*'agung  auf  Schleimhäute  hier  am  häufigsten  statt  findet.  Nach 
^^ertwig’s  trefilichen  Arbeiten  über  die  Hundswutli  stecken  auch 
^hdere  Stoffe  der  tollen  Hunde,  als  Speichel  an,  wie  z.  B.  Blut, 
^venn  es  eingeimpft  wird.  Hertwig’s  BeUräge  zur  nähern  Keiiiii- 
>tiss  der  Wuthlu-ankheil.  Bert.  IS'iD.  p.  156.  160. 

Ob  der  Speichel  an  der  chemischen  Veränderung  der  Nah- 
'■'‘»gsstoffe  im  Magen  Antheil  habe,  iveiss  man  nicht.  Man  hat 
eine  BcoLachlung  dieser  Art,  welclier  noch  die  nÖtlnge  Be- 
«hitigung  fehlt,  nämiieh  die  Bemerkung  von  Leuchs  (Kastker’s 
1831.),  dass  Speichel  gekoehte  Stärke  in  Zucker  verwandeln 
was  insofern  interessant  ist,  als  auch  im  Magen  die  Stärke 
‘'i  Stärkegummi  und  allmählig  in  Zucker  verwandelt  wird. 
b,  Magenverdauung.  ]\Iagensaft. 

Irn  Magen  werden  die  Getränke  schon  grösstentheils  aiifge- 
und  gelangen  nicht  durch  den  Pylorus;  die  soliden  Theile 
Speisen  rverden  in  eine  zum  Theil  ganz  flüssige,  zum  >ei 
Kiigelchen  bestehende  Materie,  Chymus , bis  auf  die  unlosli- 
®üen  Theile,  aufgelöst,  was  nach  den  meisten  Beobachtern  schicht- 
^'eise  von  den  Magenwänden  aus,  nach  den  zahlreichen  Beobach- 
*'*’gen  von  Beaijmokt  innei’halb  des  ganzen  Magens  geschieht. 


512  II.  Buch.  Organ,  ehern.  Processe.  IV,  Abschnitt.  Verdauung. 


Ueber  die  Veränderungen  der  Speisen,  die  Zeit,  welche  zu  ihrer 
Auflösung  nöthig  ist,  haben  wir  Beobachtungen  von  Gosse 
sich  seihst,  bei  künstlich  erregtem  Erbrechen  (in  Spallanzani * 
Werke  mitgetheilt),  von  SpALLAUzAnr,  Stevens  {de  aUment.  concO' 
ctione.  Edinb.  1777.),  von  Tiedemann  und  Gmehn,  von  SchUET^ 
hei  Thieren,  und  die  bei  weitem  grössere  Anzahl  von  Beobach- 
tungen an  einem  Menschen  mit  perforirtem  Magen,  angestellt  vou 
Beaumont.  Spaluanzani  brachte  Katzen  ein  mit  Brot  gel'ülfl®* 
Böhrchen  bei ; das  Brot  war  nach  5 Stunden  zum  Theil  aufgelösb 
Fleisch  in  einem  ähnlichen  Versuche  nach  9 Stunden.  Seih*'' 
Knorpel  und  Knochen,  in  Röhrchen,  Sehnen  in  Leinewand  eiC' 
geschlossen,  waren  nach  längerer  Zeit  enveicht  oder  aufgelöst 
Geronnenes  Eiweiss  haben  Tiedemann  und  Gmelin  heim  Hun<l® 


nach  4 Stunden  zum  Theil  ungelöst,  zum  Tlieil  gelöst  gefunden" 
Bei  Hunden  zeigte  sich  Faserstoff  nach  4 Stunden  aufgequofleni 
ohne  faseriges  Gefüge,  und  zum  Theil  in  aufgelöstes  Eiweiss  vef' 
wandelt.  Thierleim  verliert  im  Magen  die  Eigenschaft  zu  gelal*' 
niren  und  seine  characteristische  Reaction  gegen  Chlor,  welche* 
ihn  sonst  fadenartig  fällt.  Käse  zeigte  sich  im  Magen  verflüssigt 
ohne  in  Eiweiss  verwandelt  zu  seyn.  Gekochtes  Stärkemehl  'ff'®*' 
nach  5 Stunden  in  Slärkegummi  und  Zucker  verAvandelt. 
her  (in  Essigsäure  und  Salzsäure  unlöslich)  war  nach  5 Stunde® 
unverändert.  Die  Milch  gerinnt  im  Magen  und  der  niederge- 
schlagene Käse  wird  wieder  aufgelöst,  während  die  Molken  'VfC*' 
ter  gehen.  Rohes  Rindfleisch  war  beim  Hunde  nach  4 Stunde® 
mit  einer  breiartigen,  gallertigen,  braunen  Masse  überzöge®' 
Knochen  und  Knorpel  wurden  hei  Hunden  nach  2 — 4 Stunde® 
an  den  Rändern,  Ecken  und  Oberflächen  etwas  erweicht  gefu®' 
den.  Brot  war  beim  Hunde  nach  2}^  Stunden  fast  vollständig 
aufgelöst.  Beim  Pferde  schien  das  Futter  den  Magen  in  wenig®^ 
aufgelöstem  Zustande  zu  verlassen. 

Beaumont  hat  -während  mehrerer  Jahre  Gelegenheit  gehaldi 
die  Verdauung  hei  einem  ihm  untergebenen  Menschen  zu  stud;- 
ren.  Dieser  Mensch  hatte  von  einer  Schusswunde  eine  ansehnli- 
che OelFnung  im  Magen,  deren  Ränder  mit  den  Rändern  de® 
Hautwunde  verwachsen  waren,  und  die  durch  eine  vom  ober® 
hintern  Rande  der  Wunde  ausgehende  Falte  der  Häute  de* 
Magens  bedeckt  war,  aber  durch  Eindrücken  der  Falte  weit  g®^ 
öffnet  werden  konnte.  Das  Loch  im  Magen  war  2 Zoll  uid®* 
der  linken  Brustwarze,  in  einer  von  dort  zur  Spina  oss.  ü- 
nistr.  gezogenen  Linie,  also  im  linken  ohern  Theile  des  Magc®*( 
nahe  dem  ohern  Ende  der  grossen  Curvatur,  H Zoll  von  d®® 
Cardia.  Lag  dieser  Mann  auf  dem  Rücken,  und  wurde  dann  J * 
Hand  auf  seine  Lehergegend  gedrückt,  und  der  Körper  zugl®!®, 
auf  die  linke  Seite  gedreht,  so  floss  Galle  durch  den  Pylorns  u®^ 
durch  ein  in  das  Magenloch  eingehrachtes  elastisches  Rohr 
Zuweilen,  aber  selten,  wurde  sie  mit  dem  Magensaft  auch  oli®^^ 
diese  Operation  vermischt  gefunden.  Der  Chymus  wurde  aus  de®j 
Magen  gewonnen,  wenn  man  mit  der  Hand  auf  den  untern  , 
der  Magengegend  nach  aufwärts  drückte.  Bei  vollem  Magen 
der  Inhalt  schon  beim  Druck  auf  die  Klappe  aus.  Der  le® 


5.  Veränderungen  der  Speisen  im  Darmkanal.  Magenverdauung,  513 


M ^ 
<len 


konnte  bis  zu.  einer  Tiefe  von  5 — 6 Zoll  untersucht  wer- 


wenn  er  durch  künstliche  Mittel  ausgedehnt  erhalten  wurde, 
konnte  man  Speise  und  Trank  eintreten  sehen.  TJeher  die 
J^^rdauungen  dieses  Mannes  hat  nun  Beaumont  ein  vollständiges 
^Om-nal  geführt.  Die  folgende  Tabelle  giebt  Aufschluss  über  die 
^^“t,  welche  zur  Verdauung  der  verschiedenen  Nahrungsmittel 
■Jöthig  war.  Die  Nahrungsstoffe  wurden  mit  Brot  oder  Vegeta- 
bilic  ’ ■ - • ■ 


>n,  oder  mit  beidem  genossen. 


^ahi 


fungsmittel 


^Idaunen 

^»•weinsfüs.'ic . . 
« ^Idpret,  IVisch 
ge- 

^ ^•‘ocfenet  , . . . . 
und  Milch 

P*‘*»thahn 

e > ■wilde  . . . 
^Weln,  jung 
. '^hixckt.  Fleisch 

^^stera 


^‘“dflehch, 
**‘isch  , . . , 


Zuberei- 

tung 


Speisezcit 


Arbeit 


massig 
St.  Ittin. 


ange- 
strengt 
St.  Min. 


Ruhe 
St.  Min, 


Bemerkungen. 


geschmort 

gekocht 

gebraten 

gekoclut 

kalt 

geröstet 


warm 

roh 

gedämpft 

roh 

gedämpft 

geröstet 

gebraten 


gekocht 


Sch 


.‘ycineflcisch, 
mch,  gesalzen 


F rühsLück 


Mittag 


F rühstück 
Mittag 


Frühstück 

Mittag 


Frühstück 


Mittag 

Frühstück 

Abendessen 

Frühstück 

Mittag 

F rühstück 


Mitta  g 


Frühstück 


1 00 
1 00 
l 35 


3 30 
3 00 
3 00 
3 30 

3 30 
3 00 

2 45 

3 00 


4 00 

3 38 

3 30 
3 30 


5 30 

3 30 

5 15 

4 30 

5 16 


3 30 


3 30 


z 1 


Austern  im  Ma- 
gen aufgehangen. 


nur  mit  etwas 
Vlrocknem  Brot 


3 45 


oder  Zwieback. 


4 00 
4 30 


Arbeit  bis  zur 
Ermüdung, 
krankh.  Aussehen 
des  Magens. 

■lei  Fett, 
ebenso. 

ebenso.  Inliegen- 
der Stellung. 


4 15 


ärgerte  sich  wah- 
rend des  Ver- 
suches. 


514  11.  Buch.  Organ.  chem.Processe,  IV.  Abschnitt.  Verdauung. 


Zuberei- 

tung 

Arbeit 

Nalirungsmittel 

Speisezeit 

massig 

ange- 

strengt 

Ruhe 

Bemerkungen. 

St.  IWin. 

St  Min. 

St.  Min. 

Schweinefleisch, 

unKcwöhnli*:^, 

frücli,  gesalzen 

gekocht 

Frühstück 

6 00 

— 

_ 

- 

4 30 

volles  Maul. 

— 

— 

— 

4 30 
4 30 

< — 

— 

— 

Mittag 

4 30 

Frühstück 

4 00 

— 

— 

Mittag 

_ 

3 30 

Schwein  etl  eisch, 

frirrh 

geröstet 

6 30 

ungcwöhnlii'b 

gebraten 

volles  jyiah*' 

— 

3 ]S 

— 

— 

l’rühstück 

4 30 



Hammelfleisch  . 

geröstet 

Mittag 

3 15 



— 

— 

gebraten 

l'rühstück 

3 30 

4 30 

3 00 

— 

— 

— 

Mittag 

— 

— 

krankli.  Aussch®^ 
des  Magen*' 

4 00 

— 

— 

Frühstück 

4 30 

— 

— 

volles  Mahl, 

hart  gek. 

3 30 

gekaut.  , 

Brot  oder 

weich  gek. 

und  Kaffee* 

— 

3 00 

— 

hart 

Mittag 

5 30 

Magen  krank* 

— 

— 

J^rühstücfc 

3 30 

— 

— 

wei<*h  gek. 

Mittag 

3 00 

gebraten 

Frühstück 

3 30 

mit  weich  S*' 

kochten  Eie*"**' 

— 

geschmort 

iVJittag 

Frühstück 

3 00 

4 00 

in  einem 

— 

gebraten 

— 

5 00 
3 30 

Z 

— 

eingeliöngt' . 
Magen  k.ao»' 

— 

— 

— 

4 15 

— 

volles  Mahh  *. 
Schwere  Arbjf^^ 

gekocht 

4 00 
4 00 

MitBrotu-Ka^^*^  1 
Mit  Brot 

Mittag 

__ 

VV  asser. 



— 

4 00 

- 

Kalbfleisch  . . . 

gebraten 

Frühstück 

4 00 

— 

— 

In  einem 

linbeutelchc^ 

emgebängl^' 

— 

— . 

Mittag 

4 00 

— 

— 

— 

— 

Frühstück 

4 00 

Magen  krank- 

■— 

— 

Mittag 

4 45 



__ 

— 

— 

Frühstück 

3 45 

— 

— 

Mittag 

4 30 

Magen  krank- 

— 

Frühstück 

5 30 

_ 



Fleischsiippe  «. 

Vcgetabilicn  . 

— 

— 

4 00 



»lagen  krank. 

Butterbrot 

niit  Kallec 

Frühstück 

4 15 

— 

Brot,  trocken.* 

— — 



3 45 

mit  Kar- 
toffelbrei 

Mittag 

3 45 

•>— 

5.  Veränderungen  der  Speisen  im  Darmkanal.  Magenverdauung.  515 

Es  wird  niclit  ohne  Interesse  seyn,  einige  Fälle  aus  dem 
Journal  von  Beaumost  noch  genauer  als  Beispiele  kennen  zu  lernen. 
Erste  Reihe.  Exp.  1.  Um  12  Uhr  brachte  Beaumont  dm-ch 
Magenöffnung  des  St.  Martin  an  Scidenfäden  ein  Stück  stark 
gewürztes  Boeuf  ä la  mode,  ein  Stück  gesalzenes,  fettes  Schweine- 
fleisch, ein  Stück  rohes,  gesalzenes,  mageres  Rindfleisch,  ein  Stück 
gekochtes,  gesalzenes  Rindfleisch,  ein  Stück  Brot  und  einen 
"•‘usch  rohen  geschnittenen  Kohl,  von  jedem  gegen  2 Drachmen. 

1 Uhr  Kohl  und  Brot  halb  verdaut.  Die  Fleischstücke  un- 
''erändert;  Alles  in  den  Magen  zurück.  Um  2 Uhr  Kohl,  Brot, 
^chweinefleisch  und  gekochtes  Rindfleisch,  Alles  verdaut  und  vom 
^udcn  cecangeiij  die  anderen  Stücke  sclir  "vvenig  verändert;  in 

Magen  zurück.  Um  2 Uhr  Boeuf  k la  mode  zum  Thed  ver- 
"faut;  das  rohe  Rindfleisch  wenig  macerirt  auf  der  Oberfläche, 
ößr  Versuch  wurde  wegen  Unwohlseyns  nicht  weiter  fortgesetzt. 

Tag  darauf  hatte  St.  Martin  Magenbeschwerden  und  Kopf- 
'^eh,  Verstopfung,  einen  schwachen  Puls,  trockene  Haut,  belegte 
^unge  und  zahlreiche  weisse  Flecke  oder  Pusteln  (Aphthen)  wie 
'ioagulirte  Lymphe  auf  der  iunern  Fläche  des  Magens.  Ein  älin- 
'•’^kes  Aussehen  beobachtete  Beaumont  später  öfter  bei  Magen- 
k^schwerden. 

Zweite  Reihe.  Exp.  33.  Um  1 Uhr  ass  St.  Martin  eine  Por- 
flon  geröstetes  Rindfleisch,  Brot  und  Kartoffeln;  nach  einer  hal- 

Stunde  glich  der  Mageninhalt  einer  dicken  Suppe,  um  4 Uhr 
"'ar  die  Chymification  vollendet,  und  um  6 Uhr  wurde  in  dem 
^agen  nichts,  als  etwas  mit  Galle  gefärbter  Succus  gastricus 

Befunden.  i i?- 

Exp.  42.  Um  8 Uhr  Frühstück  von  3 hart  gekochten  Eiern, 

Plannkucheii  und  Kaffee,  um  10|  Uhr  waren  keine  Theile  mehr 
Magen. 

Exp.  43.  Um  ll^Ulir  2 gebackene  Eier  und  3 reife  Aepfel; 
'^ach  40  Minuten  anfangende  Digestion,  um  12iUhr  Magen  leer. 

Exp.  44.  An  demselben  Tage  um  2 Uhr  geröstetes  Schwei- 
nefleisch und  Vegetabilien;  um  3 Uhr  halbe  Chymification,  um  4 
fö'  nichts  mehr  im  Magen. 

Exp.  45.  Um  8 Uhr  Gänsefleisch;  um  4 Uhr  waren  -g-  des 
^ageninhaltes  fortgegangen,  der  Rest  chymificirt,  um  4^  Uhr 
^86n  leer. 

Dräte  Redie.  Exp.  18.  Um  8^  Uhr  bängte  Beaumont  2 Drach- 
me« frische  Bratwurst  in  einem  feinen  Musselinsäckchen  in  dem 
^egen  des  St.  Martin  auf.  Der  letztere  nahm  durch  den 
auch  von  derselben  Wurst,  gebratenes  Hammelfleisch  und 
zu  sich.  Um  11|  Uhr  Magen  halb  leer;  der  Inhalt  des 
“^'‘tels  um  die  Hälfte  vermindert;  um  2 Uhr  Magen  leer,  Beutel 
leer  bis  auf  15  Gran,  bestehend  ans  dünnen  Stücken  von 
fi’^orpeligen  und  häutigen  Fasern,  und  dem  Gewürz  der  Wurst 
fitzteres  6 Gran).  . ^ 

, Während  der  Verdauung  ist  die  Temperatur  im  ^agen 
erhöht,  wie  Beaumont  gezeigt  hat;  sie  beträgt  im  Magen 
^'^^stant  100*  Fahrenh.,  und  nimmt  nur  bei  Anstrengungen  wie  in 
“^fleren  Theilen  um  einige  Grade  zu. 


516  11.  Buch.  Organ,  chem.  Processe.  IV.  Abschnitt.  Verdauung. 

Wälirend  der  Verdauung  ist  in  der  Regel  im  Magen  nu> 
seRr  wenig  Gas  enthalten.  Magendie  und  Chevreul  haben  ß* 
l)ei  einem  Hingerichteten  untersucht.  Es  bestand  ausi 
SauerstofFgas  . 11,00 

Rohlensäuregas  14,00 
Wasserstoffgas . 3,55 

Stickgas  . . . 71,45 

Die  Materien,  welche  Tiedemann  und  Gmelin  in  dem  Chy' 
mus  fanden,  sind: 

1.  Eiweiss.  Bei  Hunden,  nach  Fütterung  mit  gekoclitß” 

Eiern,  Faserstoff,  Fleisch,  Brot,  Kleber,  weniger  nach  FütteruöS 
mit  flüssigem  Eiweiss,  Käse,  Leim  und  Knochen.  , 

2.  Räsestoff ähnliche  Materie  hei  mit  flüssigem  Eiweiss 
mit  Faserstoff  gefütterten  Hunden. 

3.  Durch  salzsaures  Zinn  fällbare  Materie  nach  Klebe’’) 
Käse,  Milch  hei  Hunden,  nach  Stärkemehl  und  Hafer  hei 

den  (wahrscheinlich  Osmazom  und  Speichelstoff). 

Die  beiden  ersten  Magen  der  Wiederkäuer,  welche 
kohlensaures  Alkali  haltige  Flüssigkeit  enthalten,  können  hi®’"' 
durch  Pflanzeneiweiss  und  Kleber  aus  den  Pflanzen  auszieh®”' 
Das  ausgezogene  Flüssige  gelangt  in  den  dritten  Magen,  das 
aufgelöste  wird  wiedergekäuet  und  gelangt  in  den  dritten  Mag®"' 
Nach  TiEDEMAUif  lind  Gmelih’s,  und  nach  Prevost  und  LeRov®"’* 
(Frohiep’s  Not.  9.  194.)  Untersuchungen  enthält  das  Aufgelöd" 
der  Futtermasse  der  beiden  ersten  Magen  Eiweiss,  in  alkahscb®’’ 
Lösung;  nach  dem  Fressen  von  Hafer  enthielt  die  Flüssigkeit 
Chymus  der  ersten  Magen  so  viel  Eiweiss,  dass  sie  bei  -(-81“ 
gerann.  Von  weniger  nährender  Materie  bekam  sie  diese  Eig®_"' 
Schaft  nicht,  Prevost  und  Le  Rover  haben  die  Quantität  Eiw®’“ 
in  der  ausgepressten  Flüssigkeit  der  Futtermasse  des  P”"' 
sen  vom  Ochsen  sehr  gross  angegeben.  Bei  der  Verdauu"^ 
in  den  beiden  ersten  Magen  entwickelt  sich  auch  Schwefelwass®’' 
stoffgas,  Rohlensäuregas  und  Kohlenwasserstoffgas;  letzteres  bl®’" 
gasförmig,  während  sich  die  ersteren  in  der  Flüssigkeit  auflös®"’ 
Das  von  frischem  Klee  sich  entwickelnde  Gas  ist  nach  Lamev»"'' 
-undFREMY  Schwefelwasserstoffgas  0,80,  Kohlenwasserstoffgas  0,1"’ 
Kohlensäuregas  0,05.  Berzelius  T/iierchem.  p.  240.  Im  drift®" 
Magen  ist  das  abgesonderte  Lösungsmittel  sauer,  im  vierten  , 
saurer.  Der  Labmagen  der  Kälber  enthielt  in  Tiedemasis  "" 
Gmei.in’s  Untersuchungen  geronnene  Milch.  Im  Labmagen  ö" 
Ochsen  war  ein  weicher  gelblichbrauner  Brei.  Der  Labmag®" 
der  Wiederkäuer  enthielt  1.  Eiwelsstoff  bei  Ochsen  und  Kälb®*’"’ 

2.  durch  Salzsäure  sich  röthende  Materie  bei  Ochsen  und  Schaf®"’ 

3.  durch  salzsaures  Zinn  fällbare  Materie  bei  Schafen. 

Marcet  hat  gezeigt  und  Prout  bestätigt,  dass  bei  Hund®*)’ 
von  denen  der  eine  mit  thierischer  Nahrung,  der  andere 
Brot  gefüttert  wurde,  der  Chymus  bei  dem  erstem  weit 
stoffhaltiger  war  als  bei  dem  letztem.  Thomson  Annals  o/  pA"" 
1819.  Jan.  und  April.  ^ 

Bei  den  Vögeln  fanden  Tiedemann  und  Gmelin  in  der 
Extraction  der  Nalirung  im  Kropfe  gebildeten  Flüssigkeit  Eiw®’ 


Veränderungen  der  Speisen  imDarmkanal.  Theorie  d.  Verdauung.  517 

Nalirungsstoffe  aufgelöst,  so  dass  diese  Flüssigkeit  zuweilen 
der  Hitze  gerann,  Eiweiss  nach  dem  Genuss  von  Fleisch, 
^danzeneiweiss  nach  dem  Genuss  von  Getreide  und  Erhsen. 
^“ch  mehr  finden  sich  diese  Materien  im  Muskelmagen. 


Theorie  der  Magen vcrdauung- 

Unter  den  älteren  Lehren  üher  das  Wesen  der  Verdauung 
däd  mehrere  olfenbar  heutzutage  bloss  von  historischem  Werth, 
z.  B.  diejenige  von  der  Zerreibung  der  Nalirungsstoffe  durch 
d'e  Magenwände.  Es  sind  im  Magen  der  meisten  Thiere  keine 
'J'^chanischen  Hülfsmittel  dazu  vorhanden  (Vergl.  p.  483.),  und 
däiiii  haben  die  Versuche  von  Reaumur  und  Spallanzaui  gezeigt. 


in  durchlöcherten  Röhren  eingeschlossene  Substanzen,  — 
Reiche  gar  kein  Druck  statt  haben  koiiiiLe,  eben  so  leicht  ver- 
däiit  werden.  Eben  so  ist  es  kaum  nöthig,  zu  bemerken,  dass  die 
Theorie  von  der  Pulrefaction  der  Speisen  im  Magen  ungegrün- 
indem  keine  Zeichen  der  Fäulniss  an  den  verdauten  Stoffen 
'Vahrnehmhar  sind,  während  doch  hei  30®  R .Temperatur,  wenn 
Speisen  ihrer  blossen  Zersetzung  überlassen  wären,  sehr  bald 
^eichen  der  Fäulniss  eintreten  müssten..  Dann  aber  verlieren  selbst 
®*‘fangend  faule  Substanzen  während  der  Verdauung  die  Putre- 
‘'ation,  wie  Spaleanzasi  gezeigt  hat. 

Bei  dem  heutigen  Zustande  der  Untersuchungen  kann  es  zwei 
Besichten  über  das  W'esen  der  Verdauung  geben: 

1.  dass  das  Wesen  derselben  in  einer  chemischen  Verändc- 
der  Speisen,  Fermentation  oder  Oxydation  bestehe,  wodurch 
ihre  Cohäsion  verlieren  und  zerfallen.  Bei  dieser  Ansicht 
es  keinen  Magensaft,  und  was  man  so  nennt,  ist  das  Pro- 
'^'^ct,  nicht  die  Ursache  der  Verdauung. 

, 2.  dass  die  Verdauung  wesentlich  in  Auflösung  der  Speisen 

'^^rch  ein  Lösungsmittel,  den  Magensaft,  bestehe, 
n Die  erstere  Theorie  tritt  zuerst  bei  den  Alten  in  dem 
•^griff  der  Coctio  auf,  wobei  man  sich  eine  chemische  Verände- 
*^'*g  der  Stoffe  gedacht  haben  muss;  sic  erscheint  in  den  An- 
’'l'*^kten  von  Boerhave  von  der  Fermentation  wieder,  und  ist  in 
neuern  Zeit  durch  C.  11.  Schulz  durch  die  Ansicht  von  dem 
®*'fallen  der  Speisen  durch  Oxydation  erneuert  worden. 

Bei  der  Fermentationstheorie  dachte  man  sich  eine  chemi- 
che  Wirkung  der  Principien  der  Nahrungsstoffe  auf  einander, 
^'^Iche  entweder  durch  einen  Rest  der  vorhergehenden  Verdaii- 
j’gj  oder  durch  ein  von  dem  Magen  abgesondertes  Ferment  ent- 
soll.  Hiernach  wäre  also  die  Säure  im  Magen  ein  Pro- 
der  Fermentation.  Diese  Theorie  ist  weder  jemals  bewie- 
noch  ganz  widerlegt  worden.  Fände  in  dem  Magen  eine  Fcr- 
.^^®fttation  statt,  so  wäre  sie  gewiss  eigener  Art  und  würde  sich 
den  bekannten  Fermentationen  unterscheiden.  Die  neulich 
Schultz  vorgetragene  Theorie  der  Verdauung  geht  zwar 
ii*  b • Fermentation  aus,  ist  jedoch  im  Princip  ähn- 

j indem  sie  behauptet,  dass  die  Speisen  nicht  durch  einen  ei- 
Magensaft  aufgelöst  sondern  durch  Oxydation  umge- 


auf 


518  II.  Buch.  Organ,  ehern.  Processe.  IV.  Abschnitt.  Verdauung. 


wandelt  würden  und  dadurch  ihre  Cohäsion  verlören,  dass  abßJ' 
die  Säure  nicht  die  Ursache,  sondern  die  Folge  der  Bildung  de* 
Chyrmis  sey.  Schon  Mostegre  hatte  die  Existenz  eines  eigench 
Magensaftes  geläugnet.  Er  hatte  gefunden,  dass,  nachdem  er  ajl® 
Magenflüssigkeit  ausgehrochen,  und  den  etwtiigen  Rückstand 
Magen  durch  Verschlingung  von  Magnesia  neutralisirt  hatte,  di® 
darauf  genommenen  Nahrungsmittel  nicht  weniger  chymificirt  wuF' 
den  und  nicht  weniger  sauer  geworden  waren.  Er  hielt  also  de® 
angeblichen  Magensaft  für  nichts  anderes,  als  für  Speichel  und 
Magenschleim,  die  durch  die  Chjunification  verändert  worden- 
Man  sieht  leicht  ein,  dass  die  Chymification  in  diesen  Fällen  eh®® 
so  gut  durch  die  Absonderung  einer  neuen  Quantität  Magensaftf® 
erfolgen  konnte.  Die  Gründe,  welche  Schultz  für  jene  Theon® 
anführt,  sind  folgende  : Ein  eigener  Magensaft  existire  nicid- 
Was  Tiedemann  und  Gmelin  dafür  genommen,  seyen  Reste  vo® 
Chymus  gewesen;  ausser  der  Chymification  finde  keine  Säurehd' 
düng  statt,  und  könne  auch  nicht  durch  mechanische  Reiz®®» 
der  Magenwände  hervorgerufen  werden.  Diesem  Satz  in  d®*" 
ScHULTz’schen  Theorie  widersprechen  wenigstens  übereinsti®®' 
mende  directe  Beobachtungen,  sowohl  die  von  SpALLAirzA^fi,  Ti®' 
DEMANN  und  Gmelin,  als  die  viel  entscheidenderen  von  Beaumo!*®'' 
Dann  stützt  sich  Schultz  ferner  auf  die  Analogie  der  Pflanz®®' 
indem  die  Nahrungsstoffe  der  Pflanzen  auf  eine  ähnliche  Art  v®®' 
bereitet  würden,  und  der  Nahrungsstoff  in  dem  keimenden  S®' 
men  durch  eine  Art  Oxydation  in  Säure  und  Zucker  umgewa®' 
delt  und  löslich  werde.  Diese  Gründe  sind  sehr  gut,  es  frag* 
sich  hier  indess  wieder,  ob  es  bei  den  Thieren  ein  eigenes  b®' 
sungsmittel,  einen  Magensaft  gäbe,  der  sßUist  ausser  dem  Körp«’’ 
Nahrungsstoffe  aufzulösen  im  Stande  ist,  was,  wenn  man  au®® 
auf  die  älteren  unvollkommeneren  Erfahrungen  keine  Rücksicb* 
nehmen  will,  durch  die  zahlreichen  übereinstimmenden  Beobach' 
tungen  von  Beaumont  bejahend  zur  Evidenz  gebracht  wi®®' 
Endlich  stützt  sich  Schultz  auf  die  Erfahrung  von  der  Geri®' 
nung  der  Milch  durch  den  Älagen,  indem  das  Sauerwerd®" 
der  Milch  ein  Beispiel  für  die  Umwandlung  einer  nicht  sa®' 
ren  Nahrung  in  sauren  Chymus  darbiete.  Die  Milch  werde  au®® 
durch  eine  Infusion  des  trocknen  Kalbsmagens  geronnen,  nach' 
dem  alle  Säure  desselben  durch  Kali  carbonicum  abgestumP 
vrorden.  Ausserdem  mache  auch  eine  Infusion  vom  frischen 
gen  eines  durch  40  Stunden  hungernden  Hundes,  obgleich 
deutliche  Zeichen  von  Alkalescenz  darbiete,  die  Milch  gerinn®®’ 
endlich  gerinne  auch  die  Milch  im  Magen  sangendex*  juug*^/ 
Hunde,  deren  Magen  nach  12 — 16  Stunden  leer  sey  und  s*® 
neutral  oder  alkalisch  verhalte;  die  Gerinnung  erfolge  nur 
saraer,  als  wenn  sich  Säure  im  Magen  befinde.  Schultz  hält  u* 
gerinnenmachende  Princip  für  flüchtig,  weil  das  durch  Destiu^ 
tion  der  Magenflüssigkeit  gexvonnene  Wasser  auch  die  Milch  zu  ^ 
Gerinnen  billige;  dieses  Wasser  enthalte  Chlorammonium  _u®^ 
essigsaures  Ammonium.  Durch  essigsaures  Ammonium 
die  Milch  nicht,  wohl  aber  innerhalb  12  Stunden  durch  Chi® 
amntonium.  Daraus  schliesst  nun  Schultz,  dass  die  Gerinnu®» 


5.  Veränderungen  der  Speisen  im  Darmkanal.  Magenverdauung.  519 

Milch  unter  Mithülfe  nicht  trennbarer  organischer  Principien 
Und  durch  Chloranimonlum  erfolge.  Nach  der  Gerinnung  der 
^1‘lch  sey  das  Milchwasscr  wie  der  Käse  sauer;  diese  Säuerung 
®uheine  sich  hier  wie  in  den  übrigen  Speisen  zu  verhalten,  so 
alle  Speise  durch  die  Einwirkung  einer  niclit  säuern,  ja  oft 
®ngar  alkalischen  Flüssigkeit  in  Oxydation  übergehe  und  sauer 
U'erde',  so  sey  die  Säure  keine  Ursache,  sondern  die  Wirkung 
Auflösung  der  Speisen. 

Hiergegen  muss  inan  bemerken,  dass  die  Gerinnung  der 
^'Ich  und  die  Säurchildung  in  der  Milch  nicht  immer  gleiche 
^inge  sind.  Hie  saure  Milch  ist  zwar  geronnen,  aber  die  geron- 
nene Milch  nicht  immer  sauer.  Schon  unlängst  habe  ich  die 
®eohachtung  mitgctheilt,  dass  in  geringen  Quantitäten  Milch  der 
^Usestoff  auf  der  Stelle  durch  Liipior  kali  caustici  sämmlllch  nie- 
'^ergesch  lagen  wird,  wie  man  leicht  sehen  kann,  wenn  man  in  ein 
®hirkes  Uhrglas  mit  Milch  einige  Tropfen  von  Liq.  kali  caust.  giesst. 
^oggendorp’s  Annal.  1832.  8.  Dann  aber  kann  die  Gerinnung 
Milch  wohl  im  Allgemeinen  als  ein  Beispiel  von  freiwilliger 
^aurehildung  in  Nahrungsstoffen  dienen;  diese  Erscheinung  könnte 
sauren  Chymus  wohl  erklären,  aber  sic  erklärt  nichts  für 
'Ije  Auflösung  der  Speisen;  mit  dem  Sauerwerden  der  Milch  ist 
*’>ohts  gethan,  die  geronnene  Milch  muss  wieder  aufgelöst  wer- 
den, wenn  sie  in  Chymus  verwandelt  werden  soll,  und  so  ist 
^Iso  <he  Frage  noch  dieselbe,  wie  beim  Anfänge  der  Untersu- 
'^linng.  Man  bat  gesehen,  dass  Schultz  trotz  dem,  dass  er  ge- 
die  Idee  eines  "Magensaftes  streitet,  doch  zuletzt  auf  dieselbe 
*ärückkommt,  indem  er  die  Oxydation  der  Speisen  von  der  Eln- 
tvirkung  einer  Magenflüssigkeit  (a.  a.  O.  p.  102.)  ableitet.  Seine 
ft) eorie  unterscheidet  sich 'von  derjenigen  der  Gegner  nur  darin, 
diese  das  wirksame  Princip  lür  sauer  und  l'iir  wirklich  lö- 
®'^«d  halten,  Schultz  aber  diess  Princip  als  die  Ursache  der  ein- 
^fetenden  Oxvdation,  aber  an  und  für  sich  nicht  für  sauer  an- 
*‘eht,  und  dass  er  die  Auflösung  der  Speisen  nicht  von  der  lö- 
seiiden  Wirkung  dieses  Princips,  sondern  von  der  dadurch  er- 
folgenden fortschreitenden  Oxydation  ableitet.  So  wie  die  Sachen 
]*^tzt  stehen,  kommt  alles  daraul  an,  zu  entscheiden:  1.  ob  es  ei- 
»en  eigenen  Magensaft  giebt?  2.  ob  dieser  Magensaft,  gleichviel 
''Oft  welcher  Natur,  die  Speisen  in  und  ausser  dem  Körper  auf- 
*V'osen  im  Stande  ist?  und  3.  wenn  diess  geschieht,  ob  es  dureh 
Säure  dieses  Saftes  oder  durch  andere  unbekannte,  aber  als 
®xistirend  nachweisbare  Principien  erlolgt. 

^rste  Frage.  Giebt  es  einen  Magensaft?  Diese  Frage  ist  be- 
^jts  in  dem  vorhergehenden  Capitel  beantwortet,  wo  die  zahl— 
*■^101160  Versuche  von  Tiedemahn  und  Gmelin,  namentlich  aber  die 
®*'hcheidend  gewordenen  von  Beaumont  aufgeführt  sind,  welcher 
Magensaft  des  St,  Martin  im  nüchternen  Zustande  durch 
^®chanische  Reizung  in  merklicher  Quantität  zur  Absonderung 
®’'«chte,  und  aus  dem  Magen  durch  die  krankhafte  Oeffnung  des- 
heraiisnalim,  ^ i c • 

Zweite  Frage,  Ist  dei^  Magensaft  ein  lösendes  Mittel  der  Spei- 
innerhalb  und  ausserhalb  des  thierischen  Körpers.  Hier 

®tUUer'’8  Physiologie. 


520  11.  Buch.  Organ,  ehern.  Processe.  IV.  Abschnitt.  Verdauung. 

kommt  alles  auf  die  Möglichkeit  einer  künstlichen  Auflösung  der 
Speisen  ausser  dem  Magen  durch  Vermischung  derselben  mit  de]* 
Magensaft  an.  Die  künstlichen  Verdauungen  sind  zuerst  dui]C‘* 
SpAiiLAHZAKt  berühmt  geworden.  Spallaszani  verschaffte  sie** 
Magensaft  der  Vögel,  indem  er  kleine  Schwämme  an  Fäden  dui’C*‘ 
den  Mund  bis  in  den  Magen  brachte,  nach  einiger  Zeit  wiede*" 
herauszog,  und  mit  der  hierdurch  gewonnenen  Flüssigkeit  g®' 
kaute  Nahrungsmittel  vermischte,  und  nun  dieses  Gemeng  in  klei' 
nen  Glasgefässon  in  seiner  Achselhöhle  envärmte;  nach  15  Stim' 
den  oder  zwei  Tagen  schienen  die  Nahrungsmittel  in  ChymU’ 
verwandelt  zu  seyn.  Diese  V^ersuche  schienen  durch  die  'roä 
Mohtegrf,  im  Jahre  1812  dem  französischen  Institut  vorgelegteO 
Beobachtungen  widerlegt  zu  werden.  Mostegre  konnte  willkübi’' 
lieh  erbrechen;  er  verschaffte  sich  nüchtern  dadurch  den  vot' 
geblieben  Magensaft,  den  er  in  den  meisten  Fällen  merklich  saue* 
fand.  Nachdem  Stevens  bei  einer  künstlichen  Verdauung  6'^ 
ähnliches  Ilesultat  wie  Spai.lanzani  gefunden  hatte,  haben  TieP®' 
MANN  und  Gmelin  ebenfalls  mit  dem  Magensafte  zweier  Hund® 
eine  künstliche  Verdauung  versucht.  Im  ersten  Versuche  wn*"' 
den  10  Grammen  mit  -3  Grammen  gekochtem  Rindfleisch,  und 
Grammen  mit  einem  Würfel  von  der  Rinde  befreiten  Brotes  g®' 
mengt  und  in  einem  dritten  Gefässe  gleichviel  Fleisch  mit  de® 
innern  AVand  des  Magens  in  Berührung  in  denseUien  eingewickeH' 
Ebenso  verfuhren  sie  mit  Brot  tind  Magenhaut,  endlich  slellt®d 
sie  ein  gleiches  Stück  Fleisch  mit  Wasser,  und  ein  gleiches  StüP" 
Brot  mit  Wasser  zusammen.  Sämmtliche  Gefässe  Tpurdeii  ein®* 
Temperatur  von  30 — 40®  Cent.  8 Stunden  lang  ausgesetzt.  H®’ 
Fleisch  im  Magensaft  war  auf  der  Oberfläche  zu  einem  rötblich' 
weissen,  sehr  weichen,  leicht  abzuschabenden  Brei  erweich^ 
Das  Fleisch  in  der  Magenhaut  hatte  keinen  solchen  Ueberzog» 
war  höchstens  ein  wenig  weicher  als  das  mit  reinem  W^asser 
sammengcbrachte  Fleisch,  welches  ganz  hart  und  zähe  war,  ohP® 
dass  sich  etwas  Bcmcrkliches  absebaben  liess.  Das  Brot  im  AH' 
gensaft  war  in  eine  weiche,  leicht  abzuschabende,  weisslich® 
Masse  verwandelt;  fast  eben  so  weich  war  das  Brot  in  der  IVhT' 
genhaut  geworden,  während  das  Brot  im  Wasser  weniger  we'®^^ 
als  das  im  Magensafte  geworden  war.  ln  dem  zweiten  Versu® 
mit  62  Grammen  Magensaft  stellten  sie  in  verschiedenen  Gefäs^.® 
Magensaft  und  rohes  Rindfleisch,  Magensaft  und  gekochtes  F]' 
weiss,  Wasser  und  Rindfleisch,  Wasser  und  Eiweiss,  Wasser  •** 
10  Tropfen  destillirtcm  Essig  und  Rindfleisch,  Wassser  mit  che® 
so  viel  Essig  und  Eiweiss  zusammen.  Die  Temperatur  war 
in  dem  vorigen  A'ersuch,  die  Dauer  10  Stunden.  Das  Fleis® 
im  Magensaft  war  oberflächlich  sehr  erweicht,  so  dass  sich  ci*' 
breiartige  Materie  abschiibcn  liess,  das  Eiweiss  ira  Magensaft 
ebenfalls  oberflächlich  envcicht,  und  verhielt  sich  ungcfälm  cO^ ^ 
so,  wie  das  Eiweiss  in  dem  Magen  des  Hundes,  der  mit  gcro**^ 
neuem  Eiweiss  gefüttert  war.  Das  Fleisch  im  Wasser  war  wci*® 
lieh  und  ganz  fest,  während  das  im  Magensaft  blassroth 
den  war;  auch  das  Eiweiss  im  Wasser  war  ganz  fest.  Die  ** 


5.  Veränderungen  der  Speisen  im  Darmkanal.  Mageneerdauung,  521 

•lern  Stoffe  im  Essigwasser  hatten  gar  keine  Erweichung  erlitten. 
Tiedemawit  und  GMELtN  a.  a.  O.  p-  209.  210.  ^ 

Von  ganz  besonderer  Wichtigkeit  sind  nun  die  künstlichen 
Verdauungen  von  Beatjmokt,  welche  wir  hier  im  Auszuge  mit- 
^^eilen. 

Erste  Reihe.  Exp.  2.  August  7.  1825.  Beaumowt  gewann  von 
‘lern  Magensaft  des  St.  Martin,  nachdem  derselbe  17  Stunden  ge- 
fastet hatte,  auf  die  früher  hcscliriehene  Weise  1 Unze.  Darein 
legte  er  ein  ganzes  Stück  gekochtes,  frisch  gesalzenes  Bindflcisch 
''Oll  3 Drachm.,  und  setzte  das  Gefäss  im  Wasserhadc  einer  Tem- 
peratur von  100"  F.  aus.  In  40  Minuten  hatte  die  Digestion 
deutlich  auf  der  Oberfläche  des  Fleisches  begonnen,  nach  50  Mi- 
nuten war  die  Flüssigkeit  trüb  geworden,  die  äussere  Oherflä- 
ehe  begann  sich  zu  zerthcilen  und  lose  zu  werden;  nach  2 Stun- 
den war  das  Zellgewebe  zerstört  und  die  Muskelüisern  lose  und 
Unzusammenhängend  geworden ; nach  6 Stunden  waren  sie  fast  alle 
Räiizlich  verdaut  und  nur  wenige  Fasern  übrig  geblieben,  nach 
dd  Stunden  war  alles  verdaut.  Der  im  Anfänge  des  Versuchs  klare 
Magensaft  setzte  heim  Stehen  ein  feines  Sediment  zu  Boden.  Zu 
S'eicher  Zeit  mit  diesem  Versuch  hatte  Beaumont  in  den  Magen 
des  St.  Martin  ein  kleines  Stück  Bindfleisch  aidgehängt,  Avelches 
"ach  1 Stunde  so  wie  in  der  künstlichen  Verdauung  verändert, 
"ach  2 Stunden  aber  ganz  verdaut  war. 

Zweite  Reihe.  Exp.  24.  Decemher  14.  1829.  Beaumont  gc- 
P'ann  li  Unzen  Magensaft  durch  die  äussere  Oeffnung  des  Magens 
''Oft  St.  AIartin  nach  einem  Fasten  von  18  Stunden,  und  brachte 
diesen  mit  12  Drachm.  frisch  gesalzenen,  gekochten  Rindfleisches 
zusammen,  im  Wasserbad  von  100"  F.  Nach  6 Stunden  war  das 
Fleisch  halb  aufgelöst;  nach  24  Stunden  ivog  der  trocken  ge- 
fliietschte  Rest  5 Drachm.  2 Scrup.  8 Gr. 

Exp.  25.  20  Minuten,  nachdem  St.  Martin  eine  gewöhnliche 
Mahlzeit  von  gekochtem,  gesalzenem  Rindfleisch,  Brot,  Kartoffeln 
""d  Rühen  mit  einem  Glas  Wasser  zu  sich  genommen  hatte,  ge- 
wann Beaumont  durch  die  äussere  Oeffnung  ein  Gefäss  voll  des 
Mageninhaltes,  und  setzte  cs  einer  Temperatur  von  90  100“  F. 

""S;  Nach  5 Stunden  ffind  sich  nur  ein  geringer  Unterschied 
?^isclien  der  künstlichen  nncl  natürlichen  Verdauung.  Von  ahn- 

'chem  Erfolge  ist  das  Exp.  26.  -r,  c xt  n 

Hier  hatte  St.  Martin  eine  Mahlzeit  von  Brot,  8 Unzen  frisch 
§6salzenen,  magern  Rindfleisches , 4 Unzen  Kartoffeln  und  4 Un- 
gekochter  Rühen  zu  sich  genommen.  Nach  45  Minuten  nahm 
^®aumont  einen  Theil  des  Mageninhaltes  heraus.  Die  Textur  des 
" jeisches  war  in  kleine  Aveichc  und  pulpöse  Fetzen  aufgelöst,  das 
''Midum  trüb  und  leimig;  diese  Materie  wurde  Avie  gewöhnlich 
""'värmt.  Nach  2 Stunden  vom  Anflinge  des  Versuchs  nahm  Beau- 
eine  neue  Portion  Nahrung  licraiis,.  Diese  verhielt  sich  m 
/'ösicht  der  fortgeschrittenen  Verdauung  fast  eben  so  wie  bei 
künstlich  foitgesetzten  Verdauung;  Bel  der  letztem  waren 
alle  Partikeln  von  Fleisch  verschwunden  und  in  ein  röthlich- 
*'auües  Sediment  verwandelt,  während  lockere,  Aveisse  Coagula 
**  der  Oberfläche  der  Flüssigkeit  schwammen.  B'ei  der  zuletzt 

,34* 


522  II.Bucft.  Organ,  ehern.  Processe.  IV.  Abschnitt.  Verdauung. 

herausgenommenen  Portion  -wurde  die  künstliclie  Verdauung  fort- 
gesetzt. Nacli  3 Stunden  vom  Anfänge  des  Versuclis  hatte  di 
Verdaming  in  heiden  Gefässen  gleiche  Fortschritte  gemacht; 
andern  Morgen  (der  Versuch  war  um  3 Uhr  Nachmittags  hegoo- 
nen)  war  alles  verdaut  his  auf  einige  Ueherhleihsel  von  Vegeta- 
blllen.  Die  Contenta  der  Gläser  waren  in  dieser  Zeit  von  de 
Consistenz  einer  dünnen  Gallerte,  von  einer  helUjraunen  Fari^®’ 
salzigem  und  saurem  Geschmack. 

Exp.  27.  Mäi’z  17.  1830.  St.  Martin  trank  eine  Pinte  MdeO’ 
nach  15  Minuten  nahm  Beaumont  eine  Portion  aus  dem  Mage^i 
sie  bestand  aus  blossem  Gerinnsel  und  Milcliwasser.  Diese  Por- 
tion wurde  wie  gewöhnlich  erwärmt,  und  war  nach  8 Stunde® 
aufgelöst.  Zur  Zeit  des  Anfangs  des  Versuchs  stellte  Beaua'O^^ 

1 Drachme  Magensaft  mit  2 Drachm.  Milch  der  Temperatur  r®*' 
100"  F.  aus.  Tn  5 Minuten  bildeten  sich  welsse  Coagula,  vvelc® 
nach  15  Minuten  denen  des  Magens  glichen.  Diese  künstlic® 
Verdauung  gab  dieselben  Resultate  wie  die  erste,  und  in  ders® 
ben  Zeit.  2 Draclim.  Milch,  die  durch  Weinessig  coagulirt  'V''»®’ 
blieben  48  Stunden  lang  unverändert. 

Exp.  31.  März  9.  1831.  Beaumont  gewann  ans  dem  leeV^, 
Magen  des  St.  Martin  2 Unzen  Magensaft,  theilte  diesen  in 
gleiche  Theile,  und  legte  in  jeden  eine  gleiche  Quantität  Roa*^' 
heef:  Den  einen  Theil  erwärmte  er  im  Wasserhadc  hei  99“  ra 
den  andern  liess  er  an  der  offenen  Luft  hei  34"  stehen. 
selbe  Quantität  Fleisch  that  er  in  eine  gleiche  Quantität  Was*®*^ 
und  Hess  sic  unerwärmt  stehen.  1 Stunde  darauf  hatte  St. 

TIN  sein  Frühstück  aus  demselben  Fleisch  mit  Zwieback,  Butt®^ 
und  Kaffee  geendet.  Um  10  Uhr  nahmBEAUMONT  eine  Portion  tb®’ 
weise  verdauter  Nahi’ung  aus  dem  Magen  und  erAvärmte  sie 
gewöhnlich.  Das  Fleisch  der  künstlichen  Verdauung  und  Wär^ 
war  in  demselben  Zustande  wie  das  des  Magens,  das  Fleisch  o 
kalten  Magensaftes  Avar  Avenlger  verdaut,  das  Fleisch  in  dem  blos- 
sen Wasser  avar  nur  maccrirt,  noch  eben  so  Avie  nach  dem  Rau®’^ 

2 Stunden  45  Minuten  nach  Anfang  des  Versuchs  Avar  in  o® 
Magen  alles  verdaut  und  weggegangen.  Da  6 Stunden  nach  o® 
Anfänge  des  Versuches  die  Fleischstückchen  in  dem  Magens»* 
halb  verdaut,  nicht  Aveiter  aufgelöst  waren,  so  nahm  Beau»'® 
12  Drachm.  Magensaft  aus  dem  leeren  Magen  des  St. 

und  setzte  sie  zu  den  künstlichen  Verdauungen  mit  Magens» 
auch  zu  der  Masse,  die  aus  demiMagen  genommen  war.  Darauf  h 
gann  die  Vertlauuiig  Avieder  und  schritt  regelmässig  fort,  »" 
schneller  in  der  aus  dem  Magen  genommenen  Portion ; in  Io**  ^ 
rer  blieb  indess  ein  solides  Stück  Fleisch,  Avelches  wahrschein® 
ungekaut  vei-schlungen  Avar,  unaufgclöst.  Die  Gefässc  mit  * 
tem  Wasser  und  kaltem  Magensaft  waren  8 Stunden  nacb_A  ^ 
fang  des  Versuclis  Avenig  verändert.  Nach  24  Stunden 
die  Portionen  folgende  Erscheinungen : Die  eine  Stunde  nach  <- 
Essen  aus  dem  Magen  genommene  Portion  Avar  vollständig  ''' 
daut,  und  in  eine  dickiiehe,  breiige  Masse  von  röthlicbbran® 
Farbe,  verwandelt,  mit  Ausnahme  des  ungekauten  Stücks 
Diese  Portion  hatte  einen  scharfen  , ranzigen  Geruch , 


5.  Veränderungen  der  Speisen  im  Darmkanal.  Magenverdauung,  523 

"'ar  etwas  bitter.  Die  Portion  Magensaft  mit  Fleisch  war  sehr 
^^nlich  der  erstem,  obgleich  weniger  Yollkommen  verdaut;  sie 
"'ir  nieht  so  consistent,  aber  von  demselben  scharfen  Geruch 
bitterem  Geschmack,  zugleich  erapyreumatiseh  und  schwach 
•’aulig  riechend.  Die  kalten  Portionen  Fleisch  und  Magensaft,  Fleisch 
'‘nd  Wasser,  glichen  einander  sehr,  beide  waren  maccrirt,  aber 
i'icht  verdaut;  kaum  halle  der  Magensaft  etwas _ mehr  als  das 
^asscr  cingewirkt.  Dieser  hatte  übrigens  einen  eigenthümhehen 
.^esehmack  erhalten;  seine  Farbe  wax*  diinkelbi’aiin , die  wässi'ige 
^oi’tion  röthlichgraii.  Ungefähr  zur  selben  Zeit  des  andern  Ta- 
nämlich  eine  Stunde  spätei’,  als  der  Versuch  am  ersten  Tage 
^ßgonnen  hatte,  setzte  Beaxjmost  diese  beiden  Portionen  dem 
. ässerhade  aus,  und  bcliandcUc  sie  so  24  Slunden.  In  xlei  loi- 
^‘äii  iia  Magensaft  schritt  die  Verdauung  nun  denliieh  vor:  das 
J'läisch  vei’miiKlci'te  sich,  und  eine  dünne,  kleislerartige  blüssig- 
bildete  sich.  Die  wässrige  Portion  zeigte  keine  anderen  Ei- 
*clieiaangcn  als  die  einer  einfachen  Maceratiou;  gegen  das  Ende 
letzten  24  Stunden  begann  die  faule  Fermentation. 

Dritte  Reihe.  Exp.ih.  December  15.  1832.  Frühstück  von 
i^eefsteak,  Brot  und  Kaffee;  zur  selben  Zeit  kaute  Sx.  Martin  4 
^rachm.  Beefsteak,  welches  in  Magensaft,  der  vorher  aus  dem 
^ägen  genommen  wurde,  gelegt  wiu'tle.  Zu  einer  andern 
^äen  Quantität  Magensaft  legte  Beaumont  ein  gleiches  Stück 
Fleisch,  aber  ungekaut:  heule  xviirden  wie  gewöhnlich  erwäi’inl, 

I ®*^en  so  eine  gleiche  Portion  Fleisch  mit  einer  Unze  VVasseiv 

I mich  2i  Stunden  war  die  Mahlzeit  in  dem  Magen  beinahe  ver- 

7'ät  xind  mehr  als  die  Hälfte  schon  fortgegangen;  verglichen  mit 
künstlichen  Verdauungen  glich  dieser  Chymus  beinahe  dem 
gekauten  Fleieh  und  dem  Magensaft,  war  ahei'  mehr  verdaut  und 
vkuuer,  und  enthielt  Oellheilchen  und  Brot.  Das  ungekaiite 
fleisch’ war  nicht  so  dick  und  gelatinös,  von  dunklerer  Farbe; 
"‘'S  Stück  Fleisch  war  nicht  sehr  verkleinert,  die  Oberfläche 
*?'ö'  ein  wenig  zerstört,  erweicht  und  mit  einer  grauen  Haut  bc- 
"^ckt.  Die  wässerige  Portion  halle  keine  oder  xvenig  Verän- 
^ärung  erfahren.  Die  künstlichen  Vcrtlauungen  wurden  24 
,tunden  fortgesetzt:  die  aus  dem  Magen  genommene  Portion 
ich  fast  in  demselben  Zustande.  Der  Magensaft  mit  gekautem 
Ißisch  stellte  eine  dicke,  breiige,  halbflüssige  Masse  mit  einigen 
."Gütlichen  FlelschUhern  dar,  vvelche  auf  den  Boden  einer  gelb- 
i“^k-molklgen  Flüssigkeit  sanken.  Das  Fleisch  im  Wasser  hatte 
andere  Veränderung  als  anfangendc  Fäulniss  erfahren.  Das 
^'läiekaute  Fleisch  im  Magensaft  war  ungefähr  um  die  Hälfte  ver- 
^!fHlert,'dcr  Ilückstand  locker  und  weich;  das  Fluidum  war  trübe 
'"ff  einem  feinen  braunen  Sediment  wie  in  der  gekauten  Portion. 
, Exp.  23.  December  21.  Magen  nieht  ganz  wohl,  an  verschie- 
Stellen  mit  kleinen,  tief  rothen  Flecken.  Beaumokt  gewann 
^yrachm.  Magensaft  mit  gelber  Galle  gefärbt,  worein  Scrup. 
»"kautes,  gekochtes  Hühnerlleisch  und  ^ ScrupelBrot  gelegt  vyur- 
j,"")  das  Gefäss  wurde  in  die  Achselhöhle  gebracht;  eine  gleiche 
hxtur  reines  Wasser  und  Speise  wui'de  eben  so  placirt.  Zu  der- 
®®lhen  Zeit  frühstückte  St.  Martin  von  derselben  Nahrung;  nach 


524  II.  Buch,  Organ,  ehern.  Processe,  IV,  Abschnitt.  Verdauung. 

4|-  Stunden  war  der  Magen  leer.  Die  gekaute  Portion  im 
gensaft  war  nach  6 Stunden  ])is  auf  einige  wenige  Fibern  gan* 
verdaut,  die  Portion  in  Wasser  unverändert.  Nach  der  Filtration 
auf  dünnem  Mousselin  und  nach  Abtrocknung  in  Papier  wog  d“® 
Unverdaute  in  dem  Magensaft  15  Gr.,  das  im  Wasser  40  Gr. 

Exp.  28.  Decemher  27.  Nachdem  Beaumost  eine  Unze  Wf®' 
gensaft  gewonnen,  frühstückte  St.  Martin  .3  Unzen  gebratene* 
Hammelfleisch,  4 Unzen  Brot  und  eine  Pinte  Kaffee.  Von  der' 
seihen  Nahrung  brachte  Beaumont  2 Drachm.  wohlgekaut  in  diO 
Unze  Magensaft,  dieselbe  Quantität  gekaut  in  eine  Unze  Wasser^ 
und  brachte  die  Flaschen  in  die  Achselhöhle,  später  ins  Wasser' 
bad  von  96  — 100"  F.  3 Stunden  nach  dem  Frühstück  war  der 
Magen  beinahe  leer,  so  dass  man  eben  noch  1 Unze  Chymus  zur 
Vergleichung  gewann.  Die  Speise  in  dem  Magensaft  löste  sicu 
zur  Hälfte  auf,  die  im  Wasser  veränderte  sich  nicht.  Die  FluS' 
sigkeit  der  erstem  war  röthlichgrau,  die  der  letatern  durchsicb' 
tig.  Am  andern  Tage  setzte  Beau.mont  zu  der  Portion  mit  M“"' 
gensaft  aufs  neue  2 Drachm.  frischen  Magensaftes,  und  bracld*^ 
die  beiden  Gläser  wieder  in  die  Achselhöhle;  nach  10  Stunde** 
war  die  Verdauung  in  dem  Magensaft  vorgeschritten.  Das  n*' 
trirte  Sediment  vnirde  so  trocken  gepresst,  als  es  hineingehrad* 
war;  Es  wog  45  Gr.,  so  dass  also  1 Drachme  und  15  Gr.  aufg®" 
löst  waren.  Die  Flüssigkeit  AVar  haferschleimartig,  railchicht,  d*® 
Portion  im  Wasser  blieb  unverändert  und  wog  filtrirt  und  g®"" 
presst  1 Drachme  und  45  Gr. 

Exp.  33.  Januar  1.  1833.  Beaumont  nahm  Unze  Mage**' 
saft  aus  dem  gesunden,  reinen  Magen  des  St.  Martin,  legte  uU* 
9 Ulir  die  eine  Hälfte  von  2 Scrupeln  gesalzenen , magern? 
gekochten  B.lndflcischcs,  sehr  fein  zersclmlttcn,  in  die  haU*^ 
Unze  Magensaft , die  andere  Hälfte  in  ^ Unze  reines 
ser ; beides  nahm  er  in  die  Achselhöhle.  Zur  selben  Zn* 
frühstückte  St.  Martin  2 Unzen  gekochten,  gesalzenen,  mag®*"^ 
Rindfleisches,  Brot  und  eine  Pinte  Kaffee.  Um  12  Uhr  nahm  Be-*® 
MONT  1 tinze  des  nicht  ganz  verdauten  Inhaltes  aus  dem  5lagnf* 
wovon  hauptsächlich  das  Brot  als  Brei  zurückgeblieben  Avar. 
Speisctheilchen  mit  dem  Magensaft  im  Glase  erschienen  nicht 
vollständig  aufgelöst,  als  die  im  Magen,  der  etAva  zur  Hälfte  1® 
war.  Um  1 Ülir  der  Magen  leer  und  rein.  Am  3.  Januar 
mittags  8 Uhr  fügte  er  i Drachme  frischen  Magensaft  zu_de^ 
zerschnittenen  Fleisch  im  Glase  mit  Magensaft,  und  zugleich  , 
Drachme  Wasser  zu  dem  im  Wasser  digerirten  Fleisch, 
brachte  lieide  Gläser  in  die  Achselhöhle.  Am  4.  war  das 
fleisch  nocli  nicht  vollständig  aufgelöst,  wesshalli  noch  2 
frischen  Magensaftes  binzugefügt  Avurden ; zu  der  Digestion  im  _ 
ser  AVurden  zugleich  2 Drachm.  Wasser  zugesetzt.  Sie  *''***^-q,j 
im  Wasserbad  oder  in  der  Achselhöhle  gehalten.  Die 
mit  Wasser  fing  nun  an  sehr  übel  zu  rieeben.  Am  5.  um 
waren  die  Stoffe  im  Magensaft  gänzlich  aufgelöst,  und  ein 
röthlichgraucs  Sediment  war  aus  einer  undurchsichtigen , S* 
lichweissen  Flüssigkeit  mit  einem  graulichweissen  Häutchen 
der  Oberdäclie  zu  Boden  gefallen.  Die  wässrige  Digestion 


6.  Veränderungen  der  Speisen  tmBarmkanal.  Magemerdauung.  525 

stinkender  geworden ; die  Speisen  waren  eisen  so , wie  man 
zuerst  liincingelegt  liatte,  nur  ein  wenig  macerirt  und  mehr 
’^fttfärht  (die  Flüssigkeit  durchscheinend,  aber  dunkler  und  ein 
'W'enig  grünlicli);  kein  Zeichen  von  Lösung.  Am  10.  waren  die 
^ontenta  der  wässrigen  Digestion  ganz  stinkend;  die  Digestion 
*äit  Magensall  vollkommen  wohlriechend  und  mild. 

Exp.  48.  Ara  8.  Januar,  i Unze  Magensaft  wurde  ohne  SchAvie- 
^^jgkeit  hcrausgenommen.  In  zwei  gleiche  Theile  getheilt,  brachte 
Beaumont  in  besondere  Gläser;  in  ein  drittes  goss  er  2 Drachin. 
'-‘iufaehes  Wasser.  Zu  iedem  der  3 Gläser  Ihat  er  ein  einzelnes 
^tiiek  Schöpsenherz  von  11  Gr.  Ein  Glas  mit  Magensaft  und 
brachte  er  in  die  Achselhöhle,  das  andere  zugleich  mit  dem 
yasserglasc  stellte  er  unter  ziemlich  häuligem  Umschülteln  an 
*^'nen  kühlen  Ort  von  ungefähr  46“  Fahr.  Um  7 Uhr  INachmit- 
^Ss  war  das  Stück  im  warmen  Magensaltc  halb  verdaut;  die 
Flüssigkeit  undurchsichtig  röthlichhrann ; das  Herz  im  kalten  M<i- 
B^iisafte  sehr  wenig  angegrifleii,  an  der  Oberfläche  mit  einer  düii- 
glutinösen  Schicht  bedeckt  und  die  Flüssigkeit  ein  wenig 
l’^'übe. ' Das  Stück  im  Wasser  Avar  nicht  im  Mindesten  alTiclrt, 
'‘äd  das  Wasser  war  vollkommen  durchsichtig,  als  wäre  es  eben 
^Ingegossen.  Am  9.  Januar  9 Uhr  Vormittags  zeigten  die  3 
^luskelstückchen  folgende  Resultate:  das  im  warmen  Magensafte, 
es  herausgenoimnen  und  eben  so  trocken  gemaclit  war,  Avie 
Feim  ersten  Hineinlegen,  wog  T^^Gr. ; das  im  kalten  Magensidt, 

I ^Fen  so  behandelt,  Avog  12^  Gr.,  indem  es  durcli  Einsaugung  des 
' Flagensaftes  1^  Gr.  gewonnen  hatte;  das  irn  cintachen  vVasser 
11  Gr.,  hatte  also  Aveder  etwas  verloren,  noch  etAvas  gCAVOii- 
^.en.  Die  im  ersten  Glase  zurückgehlichenen  31  Gran  waren  in 
*^lnem  ganzen  Stücke  von  derselben  Form,  Avie  cs^  zuerst  hiiicin- 
plegt  Avar,  aber  sehr  zart  und  weich  und  kaum  im  Stande,  den 
Fi'ireichenden  Druck  heim  Aufheben  mit  den  Fingern  zu  ertra-' 
^*-0;  sjß  waren  ein  vmllständiger  Rrei.  Das  Miiskelstück  im  zwei— 
*^*^0  Glase  hatte  im  Uinliinge  ein  wenig  zugenommen,  erschien  gc- 
®cFwollen,  zart,  schleimig  und  wcicli,  hatte  aber  noch  hinrei- 
jFeude  Stärke  des  Gewebes,  um  einem  beträchtlichen  Druck 
F^itn  Aufheben  zu  widerstehen.  Es  war  nicht  aufgelöst.  Das 
FtÜck  im  Wasser  behielt  seine  Festigkeit  und  war  unverändert, 
man  einige  Blässe  der  Oberfläche  durch  die  Maceration 
‘^rechnet.  Ain  10.  Januar  Morgens  8 Uhr  zeigten  sich  fol- 
Sende  Erscheinungen;  Das  erste  Stück  in  dem  warmen  Magen- 
Avog  li  Gr.,  indem  es  in  23  Stunden  nur  2 Gr.  verloren 
F(>tte;  es  hatte  dieselbe  Form  und  ungefähr  diesellie  Consistenz 
gestern.  Ein  röthlichhraunes  Sediment  Avar  auf  dem  Bo- 
pa  der  molkenfarbigen  Flüssigkeit.  Das  zweite  Stück  im  kal- 
Magensafte  wog  etwas  über  9 Gran,  hatte  also  etiva  3ij  Gian 
^erloren;  das  im  Wasser  war  unverändert  und  wog  immer  nocli 
^ (iran  Am  10.  goss  Beauaiost  in  das  Glas  mit  dem  warmen 
'^‘agensaft  und  Muskelfleiscli  \ Drachme  frischen,  eben  herausge- 
»Oßunenen  Magensaft,  nahm  es  wieder  in  die  Achselhoule  aut, 
in  5 Stunden  war  der  Inhalt  bis  zu  einer  kaum  hemerkba- 
Spur  aufgelöst. 


526  II.  Buch.  Organ,  ehern.  Processe.  IV.  Abschnitt.  Verdauung. 


Das  Muskelstiick  im  kalten  Magensafte,  in  der  Temperatur 
zwischen  50  — 60“  F.  his  zum  11.  Morgens  9 Uhr  erhalten,  wog 
7 Gr.,  hatte  dieselbe  Form,  w'Ie  gestern,  und  dieselbe  Textur. 
Die  Flüssigkeit  war  mehr  undurchsichtig  und  milchicht  gewor.“ 
den,  und  der  Bodensatz  vermehrt. 

Das  Stück  im  Wasser  hatte  sich  nicht  verändert  und  wog 
genau  noch  11  Gran.  Um  9 Uhr  Vormittags  diese  zwei  Glasor 
in  die  Achselhöhle.  Abends  9 Uhr  war  der  Rest  des  Muskel- 
kelstiickes  in  d(;m  am  Morgen  in  die  Achselhöhle  gebrachten 
Glase  mit  Magensaft  fast  ganz  gelöst,  indem  mu'  1 Gr.  als  zarte* 
Brei  zurückhlieh. 

Das  Muskelstück  im  Wasser  blieb  unverändert,  und  wog  g®' 
rade  so  viel  als  zuerst;  aber  es  begann  einen  heftig  stinkenden 
Gerueb  zu  vci'breitcn,  und  in  wenig  Tagen  wurde  es  sehr  faulig" 
Es  wmrde  jedoch  seine  erste  BeschalTcnheit  durch  3 Drachm.  fr*' 
sehen  Magensaftes,  den  er  am  21.  hinzugoss,  fast  ganz  wieder  her- 
gestellt.  Als  cs  ins  Wasserbad  gestellt,  zu  digeriren  und  bald  dar- 
auf zu  cbyrnificiren  begann,  verlor  es  seinen  stinkenden  Gerue** 
und  erlangte  einen  stark  sauren,  oder  vielmehr  scharfen  Geschinac»' 

Exp.  58.  Januar  11.  Beaumovt  brachte  15  Gran  rohen  Beel- 
steaks in  kleinen  Stücken  in  .3  Drachm.  Magensaft,  15  Gr.  gebra- 
tenes Beefsteak  in  3 andere  Drachm.  Magensaft,  und  eine  glei- 
che Quantität  gebratenes  Beefsteak  in  3 Drachm.  Speichel.  Di®*® 
Gefässe  wurden  abwechselnd  theils  in  die  Achselhöhle,  thcils  i*’* 
Wassei’bad  gebracht.  jMach  2 Stunden  zeigte  der  Speichel  nicld’ 
als  einfache  Maceration,  die  anderen  2 Gefässe  zeigten  beti’äcl)!' 
liehe  Verminderung  und  thellweise  Auflösung  des  Fleisches.  PiaCi* 
4 Stunden  zeigte  die  Speichclportion  auch  keine  VeränderuuS' 
Eben  so  Exp.  60. 

Auf  diese  Art  sind  von  Beatjmont  noch  eine  Menge  künstli- 
cher Verdauungen  angestellt,  wie  in  den  Exp.  66.  78.  84.  85.  » ' 
95.  (Magensaft  und  Kartoffeln)  96.  101.  104.  105.  106.  109.  ll"' 
111.  112.  (Magensaft  und  Käse)  115.  Im  Allgemeinen  fand  i***" 
mer  derselbe  Erfolg  statt.  Der  Magensaft  zeigte  sich  als  Lösungs- 
mittel für  die  verschiedensten  Speisen.  Was  die  GlaubwürdiS' 
keit  des  Verfassers  betrifl’t,  so  ist  zu  erwähnen,  dass  derselbe  ***'' 
fällige  Erscheinungen  bei  den  Versuchen  immer  mit  grosser 
wissenhaftigkeit  angiebt,  und  dass  er  sich  auf  das  Interesse  n*® 
rerer  Gelehrten,  Silliman,  Rnigut,  Yves,  Hubbakd,  Dusoniss^^j 
Sewali.,  Jones,  IIenderson  an  diesen  Versuchen  bezieht.  « 

also  nach  diesen  Versuchen  nicht  entfernterweise  zweifelhaft,  ^ 
der  Magensaft  wirklich  in  und  ausser  dem  Körper  ein  LösuUg 
mittel  organischer  Substanzen  ist. 

Dritte  Frage.  Sind  die  lösenden  Principien  im  Magensa 
Säuren  oder  andere  unbekannte  Stoffe? 


ft® 


tief 


Tie0emakn  und  Gmelin  sind  vorzüglich  die  Urheber 
Theorie,  dass  <IIe  Auflösung  der  Speisen  durch  die  im  Magens®  ^ 
Vorgefundenen  Säuren,  also  durch  Essigsäure  und  Salzsäure 

Um  die  auflösende  Wirkung  der  im  Magen  vorkonuneu 
Säuren  auf  einige  nicht  im  Wasser  lösliche  organische  Stoffe  k® 


5.  Veränderungen  der  Speisen  im  Darmkanal.  Magenverdauung.  527 

2,^  lernen,  stellten  sie  diese  Säuren  mit  tlüerischen  Substan- 
bei  ungefähr  iO"  C.  einige  Wochen  zusammen. 

Die  aufzulösenden  Stoffe  waren: 

1.  Faserstoff’  aus  dem  Blute  der  Kälber. 

2.  Faserstoff  aus  dem  Blute  der  Ochsen. 

3.  Faserstoff  aus  dem  Blute  der  Pferde.  _ 

4.  Die  Haut  dicker  Venenstämme  von  einem  Pferde. 

5.  Die  Haut  dicker  Arterienstämme  von  einem  Pferde. 

6.  Hart  gekochtes  Hühnereiweiss. 

7.  Darmschleim  aus  dem  Dünndarm  eines  Hundes. 

8.  Darmschleim  aus  dem  Dünndarm  eines  Pferdes. 

. Ueherall  waren  die  Gewichtsverhältnisse,  wobei  diese  Mate- 
in  feuchtem  Zustande  bestimmt  wurden,  die  Temperatur  und 
Zeit  dieselben. 


■igsaure.  _ i i n 

1.,  2.  und  4.  absorbirte  sämmtllche  Essigsäure  und  schwoll 
^äiit  zu  einer  durchscheinenden  Masse  auf,  die  sich  beim  Er- 
''''‘rmen  mit  einer  neuen  Menge  von  Säure  völlig  löste. 

Bei  3.  5.  und  6.  blieb  wenig  flüssige  Säure,  welche  durch 

^alläpfeltinctur  und  blausaures  Eisenkali  stark  gefällt  wurde.  Der 
^'^%e(,|uollene  Rückstand  von  3.  und  5.,  mit  mehr  Säure  erwärmt, 
^'äi’dc  noch  gallertartiger  und  löste  sicli  grössten theils  auf;  der 

6.  war  m'inder  aufgcquollen  und  veränderte  sich  auch  in  der 
®i'nie  weniger. 

Der  Schleim  7.  und  8.  blieb  in  der  kalten  Essigsäure  ziem- 
, unverändert,  so  dass  sich  diese  mit  Galläpfeltinctur  nicht 
j'^ätlich  trübte;  doch  löste  er  sich  beim  Erhitzen  mit  frischer 
■^^igsäure  grösstentheils  auf. 

Salzsäure. 

Die  kalte  Salzsäure  hatte,  nach  der  Wirkung  der  Galläpfel- 
i'^ictur  zu  urtheilen,  von  den  Materien  1.  bis  6.  sehr  viel,  vom 
'^'^bleim  7.  und  8.  nur  wenig  gelöst.  Tiebemann  und  Gmeus 
'*•  O.  p.  3.32. 

1..  Beaumont  bat  auch  mehrere  Versuche  über  künstliche  Auf- 
'^siing  der  Nahrungsmittel  durch  Säuren,  und  zwar  im  Vergleich 
gleichzeitigen  Versuchen  mit  Magensaft,  angestellt.  _ 
yierte  Reihe.  Exp.  46.  Beaumont  nahm  3 Gläser,  goss  m das 
2 Draclim.  Magensaft,  in  das  zweite  2 Drachm  gewöhnli- 
Weinessig,  und  in  das  dritte  2 Drachmen  Wasser,  und 
“ä'e  jedem  einzelnen  10  Gr.  frisches  Eiweiss  hinzu. 

, Diese  drei  Glä-scr  in  die  Achselhöhle  genommen  und  2 Stun- 
7!»  lang  geschüttelt,  zeigten  Folgendes:  Die  Gerinnsel  im Magen- 
waren  halb  gelöst  und  die  Flüssigkeit  milchicht;  die  un 
,''einessig  und  Wasser  blieben  dieselben,  und  ihre  Flüssigkeit 
"'»Verändert.  In  5 Stunden  war  das  Eiweiss  im  Magensaft  voll- 
aufgelöst  und  die  Flüssigkeit  mehr  undurchsichtig 
W.'ss;  ln  den  beiden  anderen  Gläsern  zeigte  sich  dasselbe,  wie 
i"'  der  letzten  Besichtigung;  die  Gerinnsel  im  Weinessig  wogen 
"Vausgenbrnmen  9 Gr.,  die  im  Wasser  waren  zu  lose  und  schaumig, 
* dass  sie  hätten  herausgenommen  und  gewogen  werden  Können. 
Dritte  Reihe.  Exp.  115.  Beaumont  machte  verdünnte  Salz- 


528  II.  Buch.  Organ,  ehern.  Processe.  IV.Alschnät.  Verdauung. 


säure  in  Stärke  und  Geschmack  dem  Magensafte  so  ähnlich 
möglich,  und  nahm  davon  3 Drachm.,  vermischte  sie  mit  ^ 
Drachm.  bis  zu  fast  demselben  Geschmack  verdünnter  Essigsäure» 
und  goss  das  Gemisch  auf  1 Scrup.  fein  geschnittenes,  gebrate' 
nes  Rindfleisch.  Dieselbe  Quantität  eben  so  zubereitetes  Flehe* 
legte  er  in  4 Drachm.  Älagensaft.  Nachdem  beide  Gefässe 
Stunden  im  Bade  gestanden,  dann  herausgenommen  und  filtri* 
•worden,  wog  das  im  Magensafte  gewesene  Fleisch  nur  2 Gr., 
gegen  das  in  den  Säuren  digerirte  sich  nicht  aufgelöst,  sondr*'*' 
nur  sein  fibröses  Gefüge  verloren  hatte,  indem  es  eine  zilleriid**» 
gallertartige  Masse  bildete,  die  zu  zäh  war,  um  durchs  Filtr«*” 
zu  geben,  und  mehr  als  beim  Hineinlegen  in  die  Säuren 
Zugleich  erschien  es  nicht  dem  Chymus  ähnlich,  noch  dem  **’’ 
Magensafte  digerirten  Fleisch.  Nacli  abermaliger  achtslüntlin*',' 
Digestion  im  Bade  war  das  Fleisch  in  den  Säuren  fast  ganz  “**^' 
gelöst,  und  liess,  wenn  es  durchs  Filtrum  lief,  nur  eine  sehr 
ringe  Menge  der  gallertartigen  Substanz  zurück,  die  bei  der  **' 
stell  Untersuchung  so  häufig  war.  Die  Flüssigkeit  war  nun 
durch  Digestion  des  Fleisches  mit  dem  Magensaft  erzeugten  äh**' 
lieber,  obgleich  nicht  durchaus  gleichartig,  indem  letztere,  '*"" 
durchsichtig  und  von  weisslichgrauer  Farbe,  ein  dankelbrauiF*' 
Sediment  beim  Stehen  zeigte,  während  die  der  sauren  Digesli**'* 
ebenfalls  undurchsichtig,  aber  von  röthlichhrauner  Farbe 
und  kein  Sediment  absetzte. 

Zwei  Drachmen  Galläpfelinfusion  bewirkten  in  der  Digcsti*”' 
mit  Magensaft  einen  feinen,  röthlichbraunen  Niederschlag, "iud*^*!! 
die  Flüssigkeit  dieselbe  Farbe  annahm.  In  der  Digestion  >*?'j 
den  Säuren  brachten  die  2 Drachm.  Galläpfelinfusion  einen 
copiöseren  Niederschlag  hervor,  worüber  eine  klarere  und  diiiiuß*^*’ 
Flüssigkeit  von  weisslicher,  fast  durchsichtiger  Farbe  stand. 

Exp.  104.  Um  9 Uhr  Vormittags  nahm  Beaumont  40 
gekautes,  gekochtes  Rindfleisch,  theilte  es  in  2 gleiche  Th®*  ^ 
legte  den  einen  in  4 Drachm.  Magensaft  und  den  andern  i'*  , 
Drachm.  einer  Mischung  aus  3 Theilen  verdünnter  Salzsäure,  ä**^ 
4 Theil  verdünnter  Essigsäure,  die  durch  zugesetztes  "Wasser  d®** 
Magensaft  an  Geschmack  so  ähnlich  als  möglich  gemacht  ■''**’* 
und  stellte  beide  Gläser  ins  Bad.  Um  6 Uhr  des  Abends 
im  Magensaft  alles  aufgelöst;  die  Digestion  mit  den  Säuren  1***.^ 
bei  dem  Durchseihen  9 Gr.  Rückstand  von  gallertartiger  ^***'11, 
Stenz.  Die  Flüssigkeit  der  Digestion  mit  Magensaft  war  undui’® 
sichtig  hellgrau,  und  liess  beim  Stehen  ein  braunes  Sedi>y®' 
fallen;  die  andere  Avar  ebenfalls  undurchsichtig,  aber  röthh® 
braun,  und  zeigte  kein  Sediment.  ^ 

Exp.  105.  Früh  9 Uhr  nahm  Beaumont  40  Gr.  reine  troc 
Ichthyocolla,  theilte  sie  in  2 gleiche  Theile,  legte  den  einen 
Drachmen  einer  Mischung  von  Esssigsäure  und  Salzsäure, 
derselben  Art  vi'ie  im  Experiment  104  bereitet,  den  '***‘^*^*  riijj' 
4 Drachmen  Magensaft,  und  stellte  beide  ins  Bad.  U»*  ® 
Abends  war  die  Ichthyocolla  im  Magensafte  ganz  aufgelöst, 
in  den  verdünnten  Säuren  liess  3 Gran  Rückstand  von 
artiger  Consistenz  auf  dem  Filtrum.  Die  Flüssigkeit  in  der  Misch**  e 


5.  Veränderungen  der  Speisen  im  Darmkanal,  Mageni>erdauung.  529 

^oti  Magensaft  war  nndurclisichtig  welssUch,  mit  wenigem  feinem 
^®clunent  von  brauner  Farbe,  die  von  den  Sauren  ebenfalls  _un- 
’^'H'cbsicbtig,  aber  von  röthlicbbranner  Farbe,  dünner,  schleimi- 
Consistenz  und  ohne  Sediment.  Als  er  zu  letzterer  1 Drachm. 


^='Häpfelinfusum  zugoss,  entstand  sogleich  eine  reicbliche  rabm- 
‘*'>nliche  Flüssigkeit,  und  langsam  fiel  ein  zartes  compactes  Sedi- 
'*‘ent  zu  Boden.  Als  eben  so  viel  Galläpfelinfusiun  zu  den  Säu- 
gesetzt  war,  bildete  unmittelbar  darauf  die  ganze  Masse  ein 
P'^bes,  braunes  Coagulum,  das  nach  einigem  Rubigsteben  ein 
fufiges,  loses,  bräunlicbes  Sediment,  und  eine  bcUgefärbte,  durch 
^eben  weiss  und  milchig  werdende  Flüssigkeit  sich  abscheiden 
das  Sediment  wurde  compact  und  blieb  so. 

Die  Präcipitate,  nach  Hinzufügen  des  Galläpfehnfusum  her- 
^’isgenommen  und  filtrirt,  wogen;  Das  aus  dem  Magensaft  18  Gr., 
”'‘5  aus  den  Säuren  40  Gr. , indem  der  Gewichtsunterschied  un- 
Bßfälir  gleich  war  der  hineingelegten  Gelatina. 

Exp.  106.  Am  folgenden  Tage  früh  9 Uhr  wurde  ganz  das- 
*®lbe  Experiment  (105)  wiederholt.  Nachmittags  15  Minuten  nach 
tlbr  war  im  Magensaft  alles  bis  auf  eine  Kleinigkeit  aufgelöst, 
den  Säuren  fast  eben  so,  nur  blieben  6 Gr.  gallertartige  Sub- 
f«nz  auf  dem  Filtrum  zurück.  Die  Flüssigkeit  im  Magensaft 

eine  blaulichweisse  Farbe,  und  die  andere  eine  gelbliche 
trockene  Gelatina.  Um  6 Uhr  war  in  den  Säuren  die  Gela- 
"“a  aufgelöst,  und  die  überstehende  Flüssigkeit  m beiden  Gefas- 

sehr  älmlich.  . , . 

. Eine  Drachme  Galläpfelinfusum,  beiden  Mischungen  hmzup- 
bildete  sogleich  lose  hellgefärbte  Coagula  m beiden.  Aus 
Magensaftgemisch  fiel  ein  compactes  Sediment  zu  J^oden, 
Vorüber  eine  undurchsiclitige,  milchichte  Flüssigkeit  stand.  Die 
^^oben  Coagula  in  dem  Säuregemisch  blieben  lange  Zeit  durch 
ganze  Flüssigkeit  suspendirt  und  fielen  allmählig  nieder.  Nach 
Stunden  waren  beide  Niederschläge  am  Boden  zu  einer  com- 
bacten  Masse  geworden,  und  zeigten  deutliche  Theilchen  von 
ungelöster  Gelatina,  mit  einer  schmutzigxveiss  gefärbten, 

'Itarkälinlichen  Substanz  vermischt.  „ , . i rr.i  -i 

Exp,  96.  Nachmittags  3 Uhr  nahm  Beaumont  2 gleiche  Theile, 
l®den  zu  2 Drachm. , Speichel , machte  sie  säuerlich , den  einen 
Essigsäure,  den  andern  mit  Salzsäure,  bis  sie  ungefähr  den 
^'^sebmack  des  Magensaftes  angenommen  hatten,,  und  legte  dar- 
in  iedes  Glas  2 Stückchen  Pastinake  und  2 Stückchen  Moor- 
von  beiden  ie  eins  gekocht  und  das  andere  roh;  j^es  wog 
’*  G^r.  Nun  wurden  beide  Gefässe  ins  Bad  gebracht.  Den  fol- 
pnden  Tag  3 Uhr  Nachmittags  hatte  die  Moorübe  im  Speichel 
Salzsäure  nichts  an  Gewicht  verloren;  die  Pastinake  nur  £ 
n’’:  ln  der  Essigsäure  waren  beiderlei  Wurzeln  unverändert. 

7'de  Flüssigkeiten  waren  in  ihren  bemerkbaren  Eigenschattcn 
M Erscheinungen  dieselben  geblieben.  Nachdem  sie  noc  x 
/'i'xden  unter  häufigen  Bewegungen  im  Bade  gehalten  woraen, 
die  Pastinake  4 Gr.  und  die  Moorrübe  nichts  an  Gewicht 
erloren  in  der  Salzsäuremischung.  Die  Pastinake  m der  Essig- 
hatte  6 Gr.  und  die  Moorrübe  4 Gr.  verloren,  aber  es 


530  II.  Buch.  Organ,  ehern.  Processe.  IV.  Abschnitt.  Verdauung. 

«chien  melir  durch  Maceration  als  durch  Auflösung  wie  hei  de*' 
Verdauung  geschehen  zu  seyn. 

Er  mischte  nun  alles  zusammen  und  hielt  es  noch  24 
den  im  Bade,  wo  dann  der  ganze  vegetabilische  Ueherhleihs® 
12  Gr.  wog.  Die  Flüssigkeit  erschien  jetzt  ein  wenig  chymu*' 
artiger  und  mehr  trübe. 

Um  die  Richtigkeit  der  Theorie  von  Tiedemanv  und  Gmeii-'’ 
dass  das  auflösende  Princip  des  Magensaftes  die  Saure  desselh*^" 
sey,  zu  prüfen,  habe  ich  auch  sclion  längst  einige  Versuche  S® 
macht.  Ich  legte  Stückchen  Flciscii  von  einigen  Gran  und  kle'» 
Würfel  von  geronnenem  Eivveiss  in  gleiche  Quantitäten  sehr 
dünntcr  Salzsäure,  Essigsäure,  Weinslcinsäure  und  Kleesaui  ’ 
Obgleich  sich  nun  Isald  aus  der  Flüssigkeit  ein  Thcil  des  aufgelöst*^ 
Stoffes  mit  den  gewöhnlichen  Reagentien  niedersch lagen  h^*^ 
indem  eine  Trübung  entstand,  so  zeigte  sich  doch  die  Ilaiip^ 
masse  Fleisch  und  Eiweiss  von  einigen  Gran  seihst  nach  mchi 
ren  Tagen  durchaus  nicht  merklich  verändert,  ja  cs  hehleh 
sogar  die  kleinen  Würfelchen  von  Eiweiss  Wochen  lang  ihre  Ecs® 
und  Kanten.  , In  der  Digeslionswärme  wird  auch  niclit  viel  me  ^ 
auf  diese  Art  aufgelöst.  Unter  jenen  Säuren  schien  die  KIccsäiü®’ 
die  für  den  mensclilichcn  Körper  schon  in  kleinen  Quantität 
bekanntlich  ein  Gill  ist,  am  stärksten  zu  wirken.  Das  Menstrue’’’ 
wurde  nach  einiger  Zeit  trübe  und  cs  setzte  sich  auch  ein 
lieber  Satz  sparsam  zu  Boden ; aber  an  dem  Fleischstückchen 
dem  Eiweiss  zeigte  sich  doch  keine  merkliche  Veränderung. 
der  habe  ich  die  Versuche  noch  nicht  mit  Milchsäure  anstell 
können.  Zur  selbigen  Zeit  setzte  ich  ein  Gläschen  mit  verdün’’ 
ter  Essigsäure  und  kleinen  Fleischstiickchen  24  Stunden  demStfö  ^ 

einer  starken  galv. Säule  aus;  dasselbe  wurde  mit Kochsalzauflöswi’s 

versucht;  aber  auch  jetzt  zeigte  sich  keine  irgend  merklich 
stärkte  Auflösung.  So  gross  die  Aullösun^skraft  der  Säuren  *' 
mineralische  Substanzen  ist,  so  gering  ist  sie  für  organische  S«  ^ 
stanzen,  und  bedenkt  mau,  dass  verdünnte  oder  selbst  conce*’^ 
trirte  Säuren  ein  kleines  Stückchen  Fleisch  oder  Eiweiss 
einigen  Granen  in  vielen  Tagen  nicht  ganz  aufzulösen  ver'®®^, 
gen,  so  verliert  die  scheinbar  so  einfoche  Theorie  von  TiEDEM-'j',^ 
und  Gmelin  von  der  Auflösung  der  iVabrungsmlttel  durch 
Säure  des  Magensaftes  alle  Wahrscheinlichkeit,  die  sie 
für  diejenigen  nicht  haben  konnte,  welche  die  so  häufige 
zeitigkeit  von  Indigestion  mit  verstärkter  Säiirebildung  erW^ci^^ 
haben.  Obgleich  icii  tlaber  nach  den  Versuchen  von  BeaUJ'^* 
die  Auflösung  der  Nahrungsstoffc  durch  den  Magensaft  zng® 
muss,  so  muss  ich  gleichwold  behaupten,  dass  weder  die  .U» 
suchungen  von  Tiedemamn  und  Gmelik  , noch  die  von  BEAvM'^^.p 
noch  von  irgend  jemand  über  das  wirksame,  auflösende 
im  Magensaft  Aufschluss  gegeben  haben,  und  dass  Avir  dieses 
cip  nicht  kennen.  Diess  ist  dasselbe  Glaubensbekenntniss,  '"’® 
bereits  Berzelius  vor  längerer  Zeit  und  vor  der  Erscheinung 
Untersuchungen  venTiEDEMAKU  und  Gmeein  abgegeben  hat.  * 
gleich  die  Milchsäure  noch  nicht  in  Hinsicht  ihrer  auflöscu^j 
Fähigkeit  für  organische  Stoffe  untersucht  ist,  so  ist  es  doch 


5.  Veränderungen  der  Speisen  im  Darmkanal.  Magewerdauung.  531 

J^a^irscheinlich,  dass  sie  sich  sehr  von  Essigsäure  in  dieser  Bezie- 
unterscheiden  wird.  Alles  üherzeugt  uns  daher,  dass  das 
^'■'rksame  Princip  im  Magensaft  ein  noch  iinbekannter  organi- 
^clier  Stoff  ist,  der  auf  dieselbe  Art  wirkt,  wie  die  Diastase  auf 
Stärkmehl,  indem  es  dasselbe  auflöst.  Ich  erwähne  übrigens 
"'6  Diastase  hier  bloss  des  Beispiels  wegen.  Bis  jetzt  ist  keine 
I^>’8aniscbe  Substanz  liekannt,  welche  Fleisch  oder  Eiweiss  aufzu- 
ösen  im  Stande  wäre. 

Noch  in  einer  andern  Angelegenheit  muss  ich  meinen  Un- 
SWuhen  bekennen;  diess  betrilFt  die  Fähigkeit  der  Electricität, 
die  Wirkung  des  Nervus  vagus  bei  der  Verdauung  zu  ersetzen, 
j ‘*ch  der  Durcbschneidung  des  Nervus  vagus  auf  beiden  Seiten 
die  Verdauung  grösstentheils  auf.  Vergl  oben  pag.  337. 
®'Aisy,nE  sah  bei  Tauben,  dass  die  Wicken,  die  sie  genossen, 
**'^ch  jener  Ojieration  in  ibrem  Kropfe  unverändert  geblieben, 
dass  ihre  Cbymiflcation  ganz  aufgeboben  war.  Diesen  Er- 
halicn  auch  Legallois,  Dupuy,  Wilsoh  Philip,  Clarke, 
Hastings  gehabt.  Dagegen  sahen  Broughton,  Magendie, 
^Wret  und  LassÄigne  die  VerdWing  nach  der  Durchschneidung 
N.  vagus  Ibrtdauern.  Mayer  (Tiedemann’s  Zeitschrift  2.  1.) 
"eobachtete  auch  noch  einige  Fortdauer  der  Verdauung  und 
®aure  Reaction  des  Chyrnus  wenigstens  bei  den  Kaninchen.  Bra- 
ndet (recherrhes  sur  les  Jonct.  du  sjst.  gangl.  Paris  1830.)  sah  die 
Speisen,  wo  sie  die  Magenwändc  berühren,  in  allen  Versuchen 
"lürch  Cbymilication  verändert.  Da  sich  bei  Säugethieren  wegen 
meist  bald  erfolgenden  Todes  nicht  mit  voller  Sicherheit  über 
^'esen  Gegenstand  entscheiden  lässt,  so  habe  ich  mit^Herrn  Dr. 
^‘eckhof  mehrere  Versuche  an  Vögeln,  namentlich  Gänsen,  an- 
ßEstellt;  nachdem  diese  Tbicre  48  Stunden  gefastet,  wurden  sie 
Hafer  gefüttert.  Jedesmal  wurden  2 Tbiere  zugleich  zum 
pperiment  genommen.  Nur  dem  einen  Yvurde  der  N.  vagus  auf 
.'®'den  Seiten  durchschnitten,  das  andere  blieb  zur  Vergleichung 
Unversehrten  Zustande.  Nach  dem  Tode  iles  ersten,  der  in- 
|*Erliai],  5 Tagen  erfolgte,  wurde  auch  das  zweite  getödtet.  In 
®tzterem  war  der  Kropf  meist  leer,  im  ersteren  immer  ganz  voll 
Hafer,  im  Muskelmagen  fänden  sich  einige  Körner,  zum  Theil 
^^iTualmt.  Die  Magenflüssigkeit  reagirte  sauer,  nicht  so  sauer 
Y®  im  gesunden  Thier.  Hieraus  kann  man  schliessen,  dass  die 
'^®rdauung  nach  jener  Operation  grösstentheils,  aber  doch  nicht 
aufhört.  Tiedemann  sah  zwar  nach  der  Durchschneidung 
beiden  N.  vagi  bei  einem  Hunde,  dass  das  Erbrochene  so  we- 
y'S  sauer  als  der  MagenscMeim  reagirte,  und  auch  in  Mayer*s 
^ ^''Suchen  reagirte  der  Cbymus  hei  Katzen  und  Hunden  nicht 
aber  diese  Reaction  “^sahe  Mayer  bei  den  Kaninchen  nach 
Operation,  und  ich  habe  sie  in  den  mit  Dieckhof  angestellten 
j^^®uchen  niemals  fehlen  gesehen,  obgleich  sie  weniger  stark  als 
jj.  gesunden  Zustande  ist.  Nun  liat  Wilson  behauptet,  dass  man 
Verdauung  vermittelst  eines  electrischen  Stromes  durch  den 
J.®EVUS  vagus  wicderherstellen  könne,  so  zwar,  dass  man  den 
*äen  PqJ  Säule  auf  den  Nervus  vagus,  den  andern  auf  die 
Zinnfolie  belegte  Regio  epigastrica  appllcire.  Breschet  und 


532  11, Buch.  Organ.  chem.Processe.  IV,  Ahschnüt.  Verdauung. 

Vavassextr  haben  diese  Versuche  wiederholt.  Sie  fanden: 
einfache  Darchschneidung  der  Nervi  vagi  ohne  Suhstaiizverlu  ^ 
hebe  den  Verdauungsprocess  nicht  ganz  auf,  wohl  aber  die  Dui'C 
schneidung  mit  Substanzvcrlust.  Froriep’s  Not.  6.  264. 
Versuche  haben  gewiss  wenig  oder  gar  keine  Beweiskraft, 
gen  der  innern  Unwahrscheinlichkeit  dieser  Resultate ; denn  ißiK*  ^ 
ist  ein  Nerve  gelähmt  und  bleibt  es  für  eine  sehr  lange  Zeit, 
man  ihn  mit  oder  ohne  Suhstanzverlust  durchschnitten  hah®  ’ 
und  man  muss  von  der  Vorstellung  einer  in  den  Nerven  wirkenflCj^ 
electrischen  Kraft  sehr  eingcnorainen  seyn,  wenn  man  den  . 
alle  Facta  widerlegten  Glauben  hat,  die  gegenseitige  Berührung  ® 
durchschnittenen  Nerven  stelle  die  Leitung  des  NervenprmC’V 
her.  Nun  behaupten  sie  ferner,  dass  man  mittelst  der  Electr'®^ 
tat,  indem  ein  electrischer  Strom  durch  die  getrennten  Stü® 
geleitet  werde,  die  Verdauung  ganz  Aviederherstellen  könne.  ^ 
rechnen  hierbei  auf  die  verstärkten  Bewegungen  des 
Später  haben  Breschet  und  Edwards  { Archiv,  gen.  de  med. 

1828)  jene  Ansicht  reformirt;  sie  haben  als  Resultate  neuer  y' 
suche  angegeben,  dass  die  Durchschneidung  der  N.  vagi  die 
mifieation  verlangsame,  ohne  sie  ganz  aufzuheben,  dass  die  y 
langsamung  von  der  Lähmung  der  Speiseröhre  abhänge,  y 
diese  auch  die  Ursache  des  in  jenen  Fällen  stattfindenden 
Brechens  sey,  dass  die  Wiederherstellung  der  Chymificatiou 
electrischen  Strom  nicht  von  der  Electrlcltät,  sondern  von  ® ^ 
dadurch  bewirkten  Reizung  der  N.  vagi  abhänge,  indem 
nische  Reizung  des  untern  Endes  des  Nerven  dieselbe  vollk® 
mene  Wiederherstellung  der  Verdauung  wie  die  Electrlcltät 
wirke,  insofern  die  Bewegung  des  Magens  dadurch  wiederberg^jj 
stellt  werde.  Auch  in  den  Resultaten  dieser  zweiten  Reihe  ' 
Versuchen  liegen  innere  Unwahrscheinlichkeiten  j denn  d«^ 
Reizung  des  N.  vagus  kann  man,  wie  ich  schon  öfter  aus  Eiy 
rung  anfühi’te , die  Bewegung  des  Magens  nicht  ira  gering* 
verändern.  Vergl.  p.  489.  Würden  die  Verfasser  ihre  Versu® 
nur  länger  fortgesetzt  haben,  so  würden  diese  Widersprüche 
wohl  gehoben  haben ; sie  würden  vielleicht  gesehen 
dass  weder  der  mechanische  noch  der  electrische  Reiz  an 
N.  vagi  irgend  eine  Veränderung  der  Verdauung  bewirkt, 
sich  die  Thiere  gleich  verhalten,  mag  man  diese  Reize  anbv*  ^ 
gen  oder  nicht  anbringen,  wie  wir  es  in  unseren  Versuchen 
sehen  haben.  Ich  habe  mit  Herrn  Dr.  Dickuof  eine  ganze  R®j^(. 
von  Versuchen  an  Kaninchen  angestellt , weil  ich  längst  an  ® ^ 
Richtigkeit  der  so  bekannt  gewordenen  WiLSos’schen  Vei’S'i 
über  die  Identität  des  Nervenfluidums  und  der  Electricität 
feite.  Jedesmal  wurden  3 Kaninchen  zu  gleicher  Zeit  zum  ’ 
such  gezogen.  Alle  3 wurden  48  Stunden  hungern  gelassen  ? 
wurden  dann  mit  Kohl  gefüttert.  Das  erste  wurde 
versehrt  gelassen,  dem  zweiten  wurden  beide  N.  vagi 
durchschnitten;  bei  dem  dritten  geschah  nicht  allein  das  Letz 
sondern  es  wurde  auch  7 bis  8 Stunden  lang  ein 
Strom  durch  die  Nerven  auf  die  von  Wilson  angegebne 
geleitet.  Nach  dem  Tode  des  galvanisirten  Kaninchens  oder 


Veränderungen  der  Speisen  im  Darmkanal.  Dünndarmverdauung.  533 

^"'citen  mit  durchschnittenem  N.  vagus  wurden  auch  die  anderen 
Sßtödtet.  Das  unversehrte  Kaninchen  hatte  jedesmal  ganz  chy- 
'öificirt;  das  Futter  war  his  auf  den  unauflöslichen,  ziemlich 
j^ockenen  Rückstand  extrahirt;  hei  den  beiden  andern  war  das 
^Wter  fast  ganz  in  demselben  Zustande:  einmal  war  das  Futter 
galvanisirten  Kaninchens  etxvas  weniger  verdaut,  mehrmal 
^aren  beide  ganz  gleich  und  mehreremal  war  das  nicht  galva- 
**'sirte  vielleicht,  aber  kaum  etwas  weniger  verändert  als  das 
S^'vanisirte.  Eben  so  gross  ist  mein  Unglaube  an  die  Versuche 
^'*0  Matteucci,  der  eine  künstliche  Verdauung  aus  Fleisch  mit 
^'^chsalz,  unter  Einwirkung  der  Electricität,  bewirkt  haben  will. 
^^oaiEp’s  Not.  867.  Sich  stützend  auf  die  Versuche  von  Wilson 
®^cllt  sich  Matteucci  die  saure  Reaction  des  Magens  als  durch  einen 
f'isitiv  - electrischcn  Zustand  dieses  Eingeweides  hervorgehracht. 
Er  nahm  ein  Stück  gekochtes  Fleisch,  that  Wasser,  Koch- 
und  kohlensäuerliches  Natron  hinzu,  erhielt  diese  Älischung 
hiigß  2eit  in  einer  gehörigen  Wärme,  indem  er  sie  dabei  im- 
merfort zerrieb,  bis  sie  in  eine  breiige  Masse  verwandelt  war, 
ähnlich , welche  man  durch  das  Kauen  erhält.  Diesen  Brei 
^•■ächte  er  in  eine  mit  einer  Auflösung  von  Kochsalz  befeuchtete 
und  setzte  mit  dieser  die  Pole  einer  aus  18 — 20  Platten- 
Päaren  bestehenden  Säule  in  Verbindung.  Längs  den  Wänden 
Blase,  besonders  um  dem  positiven  Draht,  liabe  sich  eine 
m'^'ssliche,  dichte,  saure,  von  Blasen  von  Oxygengas  ausgedehnte 
^*^Jücht  gebildet.  Diese  Substanz  sey  flockig  gewesen,  und  sey 
"^cli  der  Auflösung  in  Wasser  erhitzt  geronnen.  Nachdem  ich 
m^^on  längst  mich  vergeblich  bemüht  hatte,  Fleischstückchen  in 
r'^re  oder  Kochsalz  mit  Hülfe  eines  clcctrischen  Stroms  aufzu- 
mussten  mir  diese  Resultate  sehr  unxvahrschelnlich  vor- 
*Ottinien.  Ich  habe  den  Versuch  von  Matteucci  mit  Dr.  Dieckhof 
Wiederholt;  xvir  brachten  von  demselben  Brei  von  Fleischstück- 
• en  Kochsalz  und  kohlensäuerlichem  Natron  2 Portionen 

***  Verschiedene  Blasen;  nur  die  eine  wurde  galvanislrt,  die  an- 


Wurde  sich  selbst  überlassen.  Nach  Beendigung  des  Ver- 
zeigte  sich  kein  irgend  bemerklicher  Unterschied  in  beiden 

ässigkeiten. 

Veränderung  des  Speisehreies  im  Dünndarm. 

V^ir  greifen  hier  den  Faden  der  klassischen  Untersuchungen 
I?"  Tiedemann  und  Gmelin  wieder  auf;  denn  sie  enthalten  auch 
das  einzige  Sichere,  was  wür  über  die  Veränderungen  des 
u 'yöius  wissen.  DerChymus  des  Duodenums  reagirt  sauer.  Sein 
auf  die  Darmwände,  der  sich  auf  den  Ductus  choledochns 
Ci  II  Gallenwege  überhaupt  fortpflanzt,  hat  Erglessung  von 
h und  Succus  pancreaticus  zur  Folge;  wenigstens  hat  Tiede- 
I Vsn  Gallenblase,  bei  Thieren,  während  der  Verdauung  fart 
p?  gefunden.  In  den  Contentis  des  Dünndarms  liess  sich  nach 
äiit  mit  Leim  dieser  nicht  mehr  erkennen,  nach  Fütterung 

hutter  wiude  das  Fett  wieder  erkannt,  nach  Fütterung  mit 
Undeutlich  der  Käsestoff,  nach  Stärkmehl  Reste  des  letz- 
nicht  immer,  statt  Stärke  wurde  Slärkezucker  gefun- 
' Von  Milch  zeigten  sich  in  der  ersten  Hälfte  des  Dünndarms 


534  ll.^uch.  Organ,  ehern.  Processe,  IV.  Abschnitt.  Verdauung. 

Klümpchen  von  Käse.  Nach  Fütterung  eines  Hundes  mit 
chen  fanden  sich  kleine  Knochenstücke  in  der  ersten  Hälfte  o 
Dünndarms,  in  der  zweiten  Hälfte  viel  phosphorsaurer  und 


mg  kohlensaurer  Kalk.  Bei  Pferden  war  nach  Fütterung  j 
Hafer,  in  der  ersten  Hälfte  des  Dünndarms  noch  Sfärkernelj 
vorhanden,  was  seine  Eigenschaft  im  mittlern  und  untern  Tl>® 
verlor. 

Die  Contenta  des  Dünndarms  reagirten  in  der  ersten  Häo 
desselben  immer  sauer,  aber  schwächer  als  die  des  Magens. 
Säure  nahm  in  der  zweiten  Hälfte  ah  und  verschwand  gewöb”' 
lieh  in  dem  Endstücke  des  Dünndarms.  Tif.demann’s  und  G-’f® 
lin’s  Untersuchungen  lassen  es  unentschieden,  oh  das  Verschivi*’' 
den  der  Säure  des  Chymus  von  der  Neutralisation  derselben  du*' 
das  kohlensaurc  Alkali  der  Galle  herrührt,  wie  Boeriiate, 

NER,  Prout  glauben,  oder  ob  der  untere  Theil  des  Dünnda*'^ 
alkalische  Absonderung  hat,  ob  sich  durch  anfangende  Fäul**' 
Ammoniak  entwickelt,  welches  die  Säure  sättigt,  oder  ob  der  Ch; 
mus  im  sauren  Zustande  resorbirt  wird  und  die  Säure  in 
Wegen  durch  die  Lymphgefässe  und  Lyraphdrüsen  verliert, 
der  Chylus  allerdings  alkalisch  ist»  Die  im  Chymus  des  Dü*"’ 
darms  enthaltenen  ihierischen  Materien  sind  vorzugsAveise:  ^ 

1.  Eiweiss;  seine  Menge  nimmt  in  der  letzten  Hälfte  " 
Dünndarms  ivegen  der  Resorption  des  Chymus  ah. 

2.  Käsestoff;  er  nimmt  auf  gleiche  Art  ab.  Von  beiden  1"*^ 

sich  nicht  angehen,  wie  viel  der  Verdauung,  Avie  viel  den 
dauungssäften , z.  B.  dem  pancreatischen  Salt,  angehöre.  T*"" 
MAHN  und  Gmeun  finden  es  möglich,  dass  der  Käsestoff  des 
creatischen  Saftes,  als  sehr  stickstoffreiche  Materie,  einen 
seines  Stickstoffs  an  weniger  stickstoffhaltige  Nahrungsstoffe  * ^ 
gehe  und  sich  damit  in  GleichgeAvicht  setze,  wodurch  solc" 
Nahmngsstoff  in  Ehveiss  A'erwandelt  werden  könnte.  -g 

3.  Durch  salzsaurcs  Zinn  fällbare  stickstoffhaltige  Mat® 


lU't 


o"’ 


(Speichelsloff  und  Osrnazorn).  Sie  nimmt  nach  unten  ab. 

4.  Durch  Chlor  sich  röthende  Materie,  Avahrschcinlich 
pancreatischen  Safte,  da  sie  sich  nicht  im  Magen  zeigt,  nicht 
der  Galle,  da  sie  auch  nach  Unterbindung  des  Gallenganges 
vorkommt.  Sie  findet  sich  nicht  in  Excrementen  wieder. 

5.  In  Weingeist,  nicht  in  Wasser,  lösliche  Materien:  “ 
Talg,  Farbestoff  und  Harz  der  Galle.  In  qualitath-er  Hinsicht 
scheiden  sich  jedoch  die  aufgeführten  Stoffe  nicht  von  denjen'o^^^ 
welche  Tiedemann  und  Gmehn  in  dem  Darmkanal  von 

nen  Tliieren  fanden.  Sie  sind  daher  ausser  der  von  den  * ‘ ^ 
rungsmittein  herrührenden  Menge  von  Ehveiss  wahrscheinlich* 
Verdauungssäften,  namentlich  dem  Succus  pancreaticus,  ‘'***»®  |.iß 
rend,  der  Ehveiss,  Käsestoff,  durch  Chlor  sich  röthende  M"  ® 
enthält. 

Hier  Aväre  nun  der  Ort,  den  Einfluss  der  Galle  auf  den 
mus  zu  untersuchen.  Beaumont  hat  einige  Versuche  über  . 
Verhalten  von  Galle  zum  Chymus  ausser  dem  lebenden  K** 
angestellt.  Wurde  Ochsengalle  mit  Chymus  aus  dem  Mage" 

St.  Martin  versetzt,  so  bildete  sich  ein  trübes,  gelblich-W®’ 


Veränderungen  der  Speisen  im  Jiavmknnal.  Diinndarmverdanung,  535 

f'luiclum  oder  vielmelir  feine,  weisse  Coagiila,  die  sich,  einige  Zeit 
Restanden,  in  hellgelbe,  zu  Boden  sinkende  Coagula  und  ein  trii- 
^‘es,  milcbfarhenes  Fluidum  sonderten.  Vermisebte  Beaumont  zur 
^ergleichun"'  Galle  und  verdünnte  Salzsäure,  von  beiden  1 Drachme 
•eit  2 Unzen  Wasser,  so  entstand  eine  ähnliche  Trübung,  aber 
«s  bildete  sieb  ein  tief  grüner,  gallertartiger  Bodensatz  in  einer 
^laulicbgrünen  Flüssigkeit  ohne  milchiges  Ansehen,  wie  in  der 
Mixtur  von  Cbymus.  XJeber  den  Anlbcil  der  Galle  an  der  Cby— 
*»>ilieation  lialien  auch  Tiedemakk’s  und  Gmeuin’s  Unlersuebungen 
^eine  vollen  Aufschlüsse  gegeben.  Durch  die  Säure  des^  Cbymus 
■'vird  aus  der  Galle  der'Scblcim  derselben  geronnen  mit  einem 
Rfossen  Tbeil  des  Farbestoffs  der  Galle  gelallt.  Ausserdem  wird 
^ällenfett  niedergescblagen,  welches  heim  Ausziehen  des  im  Was- 
unauflöslichen  Tbcils  der  Conteuta  des  Darms  mit  Weingeist 
^t'halten  wurde.  Die  von  Tiedemann  und  Gmeuin  im  Daimkanal 
R^fiindene  Talgsäure  erklären  sie  als  aus  der  Galle  abgeschie- 
den. Der  nicht  im  Wasser  lösliche  Tbeil  der  Contenta  enthielt 
*^allenharz,  welches  ein  excremcntieller  Stoff  zu  seyn  schien,  ohne 
^•nQuss  auf  die  Umwandlting  der  Nahrungsstoffe,  ein  Haupthe- 
®tandtheil  der  Excremente.  Tiedemann  und  Gmelin  fanden  die  von 
^ eener  circa  modum,  (juo  rhymvs  in  chylmmmdatur,  diss.inaug. 
P^aes.  Autenkieth.  Tiih.  1800.)  cingeführto  Ansicht,  dass  der  Chy- 
von  der  Galle  in  Form  von  Flocken  niedergeschlapn  werde,  un- 
^figründet.  Bel  Vermischung  von  Galle  mit  dem  flüssigen  Magcn- 
dthalt  erfolgen  nur  diejenigen  Niederschläge  aus  der  Galle,  wie  sie 
Vermischen  einer  Säure  mit  der  Galle  entstehen.  Die  sogenann- 
ten CliYlusflockcn  im  Dünndarm  sind  nur  Schleimflocken,  welche 
*'eli  auch  nach  Unterbindung  des  gemeinschaftlichen  Gallenganges 
Zeigten.  Der  resorptionsfähige  Cbymus  ist  flüssig.  Nach  Auten- 
und  A.  Cooi’er  wäre  der  Chylus  imDünndann  eine  ziemlich 
P'^'isistente,  zwischen  den  Zotten  ludlcnde,  an  der  Luft  gerinn- 
Materie.  Vergl.  Abernethy  physiol.  leci.  p.  189.  Nach  Tiede- 
*Gnn  und  Gmelin  ist  diess  aber  Schleim,  und  dann  muss  die  Ge- 
‘■'Onung  ein  Missverständniss  seyn.  Die  aus  der  Galle  zur  Um- 
^''aiidlxing  des  Chymus  anwendbaren  Flüssigkeiten , sind  wahr- 
f.'tieinlich  das  Dicromel,  das  Osmazom,  die  dem  Gliadin  ähn- 
Materie  und  die  Cholsäure,  weil  sie  nach  Tiedemann’s  und 
. 'ielin’s  Untersncliungcu  nicht  in  den  Excrementen  Vorkommen, 
I c.  1.  .362.^  2.  65.  Es  ist  nicht  wahrscheinlich,  dass  der 
j.'osse  Zweck  der  GaUe,  ausser  der  Ausscheidung  des  exerernen- 
t‘ellen  Gallenharzcs  und  Farbestoffs,  ist,  die  Säure  des  Chymus 
'*"*tistumpfen  und  ihn  zu  der  Umwandlung  vorzuhereiten,  die 
p in  den  Lymphgefässen  erfährt,  avo  er  als  Chylus  alkalisch  wird. 
Entweder  tragen  ihre  wesentlichen,  nicht  in  den  Exerementen 
I'J'iiommenden  Bcstandtheilc  dazu  hei,  die  fernere  Auflösung  des 
.ynius  zu  vollcmlen,  wie  Haller  glaubt,  oder  diese  Bestandlbei  e 
zur  Umwandlung  des  Chymus  in  den  Inhalt  der  LyuMi'i- 
S^/ässc  verwandt  werden,  so  wie  Prout  vermnthet,  dass  die  Bei- 
^nchung  der  Galle  zur  Erzeugung  des  Eiweiss-stoffes  aus  den 
) '‘ärungsmitlelu  beitrage.  Der  Chylus  der  Lympbgefässe  enthält 
'*üsser  dem  Eiweiss  weder  die  von  Tiedemann  und  Gmelin  im 
^ u 11  er’B  Physiologie. 


536  II.  Buch.  Organ,  ehern.  Processe.  IV.  Abschnitt.  Verdauung. 


Darmkannl  noch  geliintlenen  amlereii  tliierisclien  Materien,  noc  * 
jene  aufgelösten  Bestancltheile  der  Galle,  welclie  niclit  in  die  ES' 
cremente  iibergelien,  sondern  statt  alles  dessen  Eiweiss. 

Um  den  Anthuil  der  Galle  an  der  Umwandlung  der  Naß' 
rungsmittel  zu  ci'messen,  hatBRODiE((^uar/rr/K  J.  of  sc.  and  arts  l82d; 
Jan.,  Magendie  d.  physiol.  3.  93.)  den  Ductus  clioledochus 
Katzen  unterBunden , worauf  Gelbsuclit  eintrat , die  indessen 
W'eilcn  wieder  verschwand;  dann  war  an  der  Unterbindungsstell 
eine  Exsudation  Aa)n  gerinnbarem  Faserstoff  eingetreten,  wele** ' 
die  getrennten  Stücke  wieder  verband. 

Brodie  will  gefunden  haben,  dass  durch  Unterbindung  ö®* 
Gallenganges  die  Verdauung  im  Magen  nicht  gestört,  dass 
kein  Fbylus  mehr  aus  dem  Chymus  gebildet  wurde,  xind  da** 
weder  die  Saugadern  des  Darms,  noch  der  Ductus  thoracic^* 
einen  weissen  Chylus  enthielten.  Tiedemann  und  Gmelin  hab®” 
sich  durch  Prüfung  dieser  Erfahrung  in  zehn  Versuchen 
neues  Verdienst  erworben.  Am  2 — 3.  Tage  nach  der  Operatiö'' 
trat  Gelbsucht  ein;  diese  verschwand  zuweilen  wieder  nach  10"^ 
15  Tagen.  In  diesen  Fällen  batte  der  Gang  sich  wieder  herg®' 
stellt,  und  die  Ligatur  hatte  hier  entweder  durchgeschnitten  w’’, 
war  abgefallcn,  ehe  die  Durchschnittsfläche  verheilte,  oder  d'® 
coagulal)le  Materie  wurde  um  die  Ligatur  ergossen,  und  letzte^® 
hatte  sich  im  Innern  des  üusserlich  hergestellten  Ganges  abgesto*' 
und  war  durch  den  Kanal  selbst  ausgetreten.  In  13  — 26  Ta" 


sen. 

gen  war  der  Gang  wiederhergestellt  ij- 
deren  Fällen  trat  der  Tod  ein  nach  3 


efunden 


8.).  Ein  Hund,  bei  dem  die 


worden.  In  a’'' 
7 Tagen  (Versuch  !• 
Gel])sucht  blieb,  aber  der  Gaß» 


später  offen  gefunden  wurde,  hatte  26  Tage  gelebt,  als  er  getöd' 
tet  wurde.  In  einem  Fall  (Versuch  1.),  wo  ein  Hund  nach  j 


Tagen 


starb , -war  grosse 


eingetreten,  dass  das  Thier 


und  eine  solche  Maltigkßjj 
kaum  stehen  konnte.  Das  BaucW® 


Magerkeit 


zeigte  sich  nach  dem  Tode  entzündet,  oder  Spuren  der  staUS®jj. 


.11  Ul  U.C  VTclllClll 

Lymphgefässe  der  Leh® 
»estätigen  Brodie’s  Erß'**' 

1 Tnf /»vliinfliifio' 


fundenen  Entzündung.  In  dii;sen  Fällen  wurde  Galleiifärbesto'’ 
im  Blut  und  Urin  gefunden,  und  die 
w^aren  gelb.  Tjedemask  und  Gmems  bestätic 
rung,  dass  die  Verdauung  im  Magen  nach  Unterbindung 
Ductus  clioledochus  fortdauere.  Auch  die  Contenta  des  Düpß' 
darms  waren  nicht  wesentlich  von  den  gewöhnlichen  versch)®' 
den;  EIwcissstolF  wa\r  in  grosser  Menge  vorhanden.  Es  fand  s'® 
die  durch  Chlor  sich  röthende  Materie ; dagegen  war  die  Erk®** 
nung  des  etwa  vorhandenen  Käsestoffs,  so  wie  der  durch  salzsaui®’ 
Zinn  fällbaren  Materie  l erbindert.  Hieraus  ergiebt  sich  also  die  1®' 
rigkeit  der  Hypothese  von  Prout.  (Phout  über  die  Blutbildung, 
nals  üf  philosophy.  Val.  13.  p.  12.  265.  AIeck.  Arch.  6.  78.)  Die  CoH' 
tenta  des  Dickdarms  rochen  in  allen  Fällen  viel  übeler  und  f®**' 
liger  als  sonst  (nach  Leuret  und  Lassaigke  rochen  sie  fadeji 
die  Exeremeute  waren  weiss.  (Von  gleichen  Stücken  Milz, 
von  das  eine  mit  Ochsengalle,  das  andere  mit  gleichviel  W®* 
ser  von  mir  infundirl  wurde,  faulte  das  letztere  etwas  schnelleJ’*^ 
Der  Ductus  thoracicus  enthielt  bei  Hunden  mit  unterbundeneß 
Gallengange,  die  nüchtern  getödlet  wurden,  eine  helle  durch' 


Veränderungen  der  Speisen  im  DciJ'mkana/.  Dürmdarmt’erdaumig.  587 

Scheinende,  gelb  gefärbte,  bald  wenig,  bald  vollständig  gerin- 
>jende  Flüssigkeit.  Bei  Hunden,  die  nach  dieser  Operation  ge- 
füttert worden,  kam  in  den  Saugadern  des  Dünndarms  eine  helle 
‘furchsichtige,  nicht  Aveisse  Flüssigkeit  vor,  Avie  bei  Hunden,  die 
^«ter  gleichen  Umständen  nicht  gefüttert  wurden,  während  die 
Flüssigkeit  des  Dünndarms  bei  Hunden  mit  nicht  unterbundenem 
f^allengange  wcisshch  ist.  Der  Inhalt  des  Ductus  thoracicus  ge- 
winnt sowohl  nach  jener  Operation,  als  ohne  dieselbe,  und  es 
fühlet  sich  Im  ersten  Fall  ein  noch  grösserer  und  mehr  gerö- 
ffieter  Kuchen,  als  heim  Hunde,  dem  der  Gallengang  nicht 
Unterbunden  worden.  Das  Serum  des  ersten  war  trüb,  das 

ücs  letzten  weisslich.  Der  Cbylus  in  dem  Ductus  tlioracicus 

^nr  gewöhnlich  nach  dieser  Operation  röther  als  sonst.  Die 
Fcschaffenheit  des  Chylus  im  Ductus  thoracicus  beAveist  in- 
üess  hier  nicht  viel,  da  auch  die  von  anderen  Tbcilen  kommende 
Fymphe  gerinnt,  und  bei  hungernden  Thieren  sehr  lange  immer 
Uoch  Lymphe  im  Ductus  tboi-acicus  enthalten  ist,  wie  Coi.i.ard 
Marti GNA-  gezeigt  hat,  Avic  denn  auch  die  Lymphgetässe  des 
ffurms  bei  hungernden  Thieren  Lymphe  führen.  Es  bleibt  im- 
“Uer  sehr  Avichtig,  dass  der  Chylus  'im  gefütterten  Hunde  mit  un- 
terbundenem Gallcngang  durclislchtig  ist,  während  er  lieim  Hund 
‘u*  naturgemässeu  Zustande  weiss  ist.  Tiedemakn  und  Gmei.ih  le- 
|Cn  zwar  auf  diesen  Umstand  nicht  viel  GcAvicht,  indem  sie  die 
Bildung  von  Chv'his  auch  ohne  Ciralle  für  crAvIesen  halten.  Denn 
^gen  sie,  es  sey  bekannt,  dass  die  Aveissc,  milebige  Farbe  von 
Fetttheilchen  im  Cbylus  abhänge.  Aber  gerade  diese  ‘Nhirausset- 
*Ung  ist  Aveder  erAviesen,  noch  überhaupt  zu  erweisen.  Denn  so 
Hut  microscopische  Fetltheilcheu  in  die  Lym])bgofässe  eindringen 
'‘ÜHnen,  so  gut  können  auch  andere  Kügelchen  von  Eiwciss  etc. 
'Webrrehen , und  Avir  wissen  schlechterdings  nicht,  von  Avelcher 
f'lutur  die  im  Chylus  enthaltenen  Fwügelchen  sind.  Ich  halte  es 
’ücht  für  erwiesen,  dass  Chylus  ohne  Gallenabscheidung  sich 
ülde,  obgleich  ich  auch  nicht  das  Gegenlheil  behaupte.  Tir- 
j'EMANN  und  Gmelin  fühl'cn  Aveiter  dafür  an , dass  die  Hunde 
. Uge  nach  jener  Operation  noch  gelebt  hatten  (3  — 7 Tage), 
einem  Fall,  wo  trotz  der  Wicdei-hcrstcllung  des  Ganges  die 
f^elbsucht  hlieb,  26  Tage  bis  zur  Tödtung.  Allein  auch  diess 
ucAveist  nichts,  denn  Hunde  leben  ja  selbst  ohne  alle  Nahrungs- 
’uittel  gegen  .36  Tage. 

Leuret  und  Lassaiose,  welche  ebenfalls  behaupten,  dass  nach 
ifuterhindung  des  Ductus  choledochus  noch  die  Verdauung  und 
®Üdung  des  Chylus  fortdauere,  führen  an,  dass  die  Galle  die  Ei- 
HCßschaft  habe,  das  Fett  aufzulösen,  dasselbe  zu  zersetzen  und 
üamit  eine  Art  von  Seife  zu  bilden,  und  hierdurch  die  Verdau- 
des  Fettes  zu  beAvirken.  Nach  Tiedemanu’.s  und  Gmeltn’s 
y.ersuchen  (1.  78.  2.  263.)  ist  die  Galle  dagegen  nicht  im  Stande, 
kleinste  Alenge  Fett  aufzulösen,  und  sie  kann  deshalb  bloss 
‘‘bf  mechanische  Weise  durch  Suspension  des  Fettes  in  P;“*ikeln, 
dessen  Vertheilung  und  Resorption  heilragen.  Die  Galle 
Scheint  als  Reiz,  für  die  perislaltischen  Bewegungen  des  Darms 

.35  * 


5;i8  II.  Buch.  Organ,  ehern.  Processe.  IV.AbscJmUt.  Verdauung. 


nöthig  zn  seyn;  denn  bei  verhindertem  Aasflusse  derselben  findet 
Verstopfung  statt. 

Das  Gemiscli  von  Chymus,  Schleim,  Galle  nnd  pancreatischeni 
Safte  nimmt  an  Consistenz  im  untern  Thcil  des  Dünndarms  *** 
und  wird  dunkler  gefärbt.  Die  flüssigen  Theile  desselben  W6*’' 
den  von  den  Lympligefässnetzen  der  Darmwände  aufgenommei’- 
Alles  Festere,  der  Darmschlcim,  die  Hülsen,  die  Holzfasern, 
Hornstoff  und  diejenigen  Stoffe  der  Galle,  welche  exerementiejj 
sind,  als  Schleim,  Färbestoff,  Fett  und  Harz,  bilden  im  Endthed 
des  Dünndarms  den  Anfang  der  Excremente,  aus  welchen  jedoc'* 
im  Dickdarm  auch  noch  flüssige  Bestandtheile  aufgesogen  wef' 
den.  Tiedemann  und  Gmelin  halten  den  sauren  abgesonder' 
ten  Saft  des  Blinddarms  für  ein  ferneres  Lösungsmittel  voä 
Thierstoff.  Bei  den  pflanzenfressenden  Thieren  mit  vorzugswe**“^ 
grossem  Blinddarm  scheint  besonders  hierauf  gerechnet  zu 
und  es  ist  sehr  wahrscheinlich,  dass  beim  Pferd,  wo  die  ]Sah' 
rungsstoffe  in  einem  weit  weniger  aufgelösten  Zustande  den  PY' 
lorus  passiven,  auch  in  dem  ungeheuren  Dickdarm  der  Verdat' 
ungsprocess  fortdauern  muss.  Schultz  hat  über  die  VerdaunoS 
im  Dickdarm  mehrere  theoretische  Ansichten  mitgetheilt,  die 
der  Vollständigkeit  wegen  hier  anführen  muss.  Er  folgt  nicht  alle**’ 
Tiedemann  und  Gmelik  in  der  Annahme  einer  erneuerten  Ve*"' 
dauung  ira  Blinddarm  wegen  der  sich  dort  vorfindenden  Säure,  so**' 
dem  nimmt  auch  einen  gewissen  Antagonismus  der  Magenve*"' 
dauung  und  Bllnddarmverdauung  an;  bei  den  Wiederkäuern  falf? 
die  ersterc  in  die  Tageszeit,  die  letztere  in  die  Nachtzeit,  n**** 
die  erstere  beginne  dann,  wenn  die  letztere  aufhöre.  Waf® 
diess  richtig,  so  müsste  eine  Mahlzeit  innerhalb  24  Stunden  r®' 
gehnässig  den  ganzen  Darm  durchlaufen  haben;  dies  ist  aber 
der  regelmässig  so  der  Fall,  noch  überhaupt  richtig.  In  T*ep®' 
manh’s  Versuchen  an  Hunden,  denen  der  Ductus  choledochus  ****' 
terbunden  worden,  zeigten  sich  die  Exeremente  erst  2 Tage  na®'* 
der  Operation  weiss;  die  Wiederkäuer  behalten  zumal  denWan** 
ganze  Tage  voll  Futter,  und  es  kann  hier  Sceultz’s  Ansicht  «*>' 
möglich  richtig  seyn.  Schultz  nimmt  ferner  an,  dass  bei  der  Di**^' 
darmverdauung  der  Dickdarm  geschlossen  sey,  und  dass  währc*|® 
der  Chymification  und  Säurcbildung  im  Dickdarm  keine  Galle  •*' 
denselben  fliesse,  sondern  im  untern  Theil  des  Dünndarms  sich  aO' 
häufe,  und  nach  beendigter  Chymification  erst  in  das  Coec***** 
eintrete,  um  den  Chymus  zu  neutralisiren.  Man  sieht  leicht  e**** 
dass  diese  Ansichten  von  der  Art  sind,  dass  sie  sich  weder  he- 
weisen  noch  widerlegen  lassen. 

Wälirend  derVerdauung  entwickelt  sich,  ausser  der  verschl**®^' 
ten,  im  Magen  sich  zum  Theil  in  Kohlensäure  verwandelnden  Luftj  *”] 
Verlavif  des  ganzen  Darmkanals  Gas.  Seine  Beschaffenheit  hängt  ei**®’ 
Theils  von  den  Speisen,  andern  Theils  aber  von  dem  Zustande  d***" 
Verdauungsorganc  ab.  ln  Affcctionen  des  Nervensystems  ist  die«® 
Entwickelung  oft  sehr  reichlich,  es  ist  zuweilen  geruchlos,  riech 
meistens  nach  Schwefchvasserstoffgas  und  ist  oft  entzündlich,  h* 
kann  Wasserstoffgas,  Koblenwasserstoffgas,  Schwefelwasserstoffg*** 
seyn.  Nach  den  Beobachtungen,  welche  Magekdie  und  Chevbp^^ 


6.  Von  der  Chylification. 


539 


''on  diesen  Gasen  im  Darmkanal  von  Hingerichteten  machten,  Le- 
standen  sie  in  3 Fällen  im  Dünndarm  aus : 

K-ohlensäuregas  ....  24,39  40,00  25,00 

Wasserstoffgas  ....  55,53  51,15  8,40 

Stickgas ....  . . . 20,08  8,85  66,60 

im  Dickdarm,  Rectum. 
K.ohlensäuregas  ....  43,50  70,00  42,86 

K-ohlenwasserstoffg.  u.  Spuren 
von  Schwefelwassertoffgas  5,47 
WasserstolFgas  und  Kohlen- 

wasserstoffgas 11,60 

reines  KohlenwasserstofFgas 11,18 

Stickstoffgas 51,03  18,40  45,96 

Ueher  die  Zusammensetzung  der  Excrcmente  siehe  Berzelics 
V/tierch.  254.  Nach  seiner  Analyse  der  zusammenhängenden  Ex- 
'^^etnente  vom  Menschen  bestanden  dieselben 

aus  Wasser 75,3 

fGalle  • . . . . 0,9') 


im  Wasser  löslich 


(Galle  .....  0,0^ 

Eiweiss  ....  0,9 1 
eigener  Extractivstoff  2,7  f 
Salze l,2i 


5,7 


7,0 


extrahirter  unlöslicher  Rückstand  von  den  Speisen 
im  Dai’mkanal  hinzugekommene  unlösliche  Stoffe, 

Schleim,  Gallenharz,  Fett,  eigene  thierische 

Materie ^4,0 

102,0 

ln  der  Cloake  der  Vögel  und  Amphihlen  kommen  Harn  und 
^tcremente  zusammen. 


VI.  Capitel.  Von  der  Chylification. 

V.  Die  verdauten  Theile  des  Chymus  •werden  während  des 
J^archgangs  durch  den  ganzen  Darmkanal  von  den  lymphatischen 
afässen  aulgesogen.  W^ie  die  Resorption  in  allen  lymphatischen 
^fassen,  sowohl  denen  des  Darmkanals  als  denen  anderer  Theile, 
S^schieht,  ist  in  dem  I.  Buch,  3.  Abschnitt  vom  Lymphsystem 
^'iselnandergesetzt  worden.  An  den  Zotten,  in  welchen  die  Lymph- 
ässnetze  der  Tunlca  villosa  zum  Theil  entspringen,  erkennt  man 
mit  dem  Microscop  deutlich  sichtbare  Oeffnungen  auf  ihrer 
Jhöerfläche,  daher  können  auch  alle  leicht  sichtbaren Theilchen  des 
^*»ymus  nicht  ln  die  Anfänge  der  Lymphgefässe  aufgenommen 
^!''^^den,  sondern  nur  das  Aufgelöste  kann  leicht  durch  die  im- 
^'^htbaren  Poren  der  zartesten  Lymphgefässe  in  dieselben  ein- 
*'*>‘gen.  Wo  die  Rügelchen  des  Chylus  sich  bilden,  ob  aus  den 
J^fgelösten  Thellen  des  Chylus  innerhalb  der  Anfänge  der  Lymph- 
"®*asse  des  Darms,  wo  man  den  Chylus  schon  trüb  und  wciss 
."4  Kügelchen  enlhallend  anlrillt,  oder  ob  sie  sich  durch  eine 
“stossung  von  Theilchen  der  Lymphgefässe  bilden,  wie  Doeij.is- 
annimmt,  ist  nicht  gewiss;  doch  ist  letztere  Annahme  unAvahr- 


540  11.  Buch.  Organ,  ehern.  Procesne.  IV.Ahschnüt.  Verdauung. 


sclieiulicli,  da  die  weisse  Farbe  des  Cliylus  nach  der  Natur  dci 
Nahrungsmittel  variirt,  und  im  geraden  Verhältnisse  mit  der  Meng® 
des  genossenen  Fettes  zunehmen  soll.  Eine  schon  p.  249.  an-" 
gefiiln'tc  Beobachtung  von  dem  zuweilen  ganz  weissen  Serum  de» 
Blutes  bei  jungen  Kätzchen,  die  noch  an  der  Mutter  saugeä; 
könnte  cs  wahrscheinlich  machen,  dass  hier  doch  Kügelchen  der 
Milch  in  die  Lymphgefässe  eindringen.  Indessen  ist  jene  Erschei' 
nung  bei  jungen  Kätzchen  nicht  constant,  und  könnte  auch  eins  m* 
derselben,  zuweilen  bei  Erwachsenen  vorkommenden  Erscheinui'o 
seyn,  wenn  der  Chyhis  im  Blute  noch  nicht  verarbeitet  ist,  oder 
der  Chylus  viele  Fetttheilchen  enthalten  hatte.  Vergl.  p.  ‘1*“' 
und  p.  14.3.  Unsichtbare  Poren  müssen  offenbar  in  den  Wändet 
der  Lymphgefässanfänge  vorhanden  seyn,  weil  sie  Aufgelöste» 
aufuehnien;  aber  jedenfalls  können  diese  Poren,  seihst  wenn  »J® 
Kügelchen  hindurchlassen,  nicht  wohl  grösser  als  die  Chylusk**' 
gelchen  selbst  seyn,  die  nach  Prevost  und  Dumas  ^ Par.  Zo' 
Durchmesser  haben,  und  nach  mir  in  der  Mehrzahl  (Kalb,  ZIeg®> 
Hund)  4 Bis  mal  so  gross  sind  als  die  Blutkörperchen  eines  S'aä' 
gethiei's.  Denn  wären  jene  Poren  grösser,  so  würden  auch  grö»' 
sere  Thcilchen  des  Chymus  in  die  Lymphgefässe  übergehen.  Die»® 
finden  sich  aber  diu’in  nicht  vor;  nur  einmal,  nämlich  beim 
nineben,  sab  ich  die  wenigsten  der  Chyluskügelchen  grösser  9*’ 
die  Blutkörperchen,  und  nur  einmal  fand  ich  sie  gleich  den  Blui»" 
körpcrchen,  wie  bei  der  Ratze,  die  meisten  kleiner.  Indesse’' 
können  jene  grösseren  Röi’perchen  des  Kaninchens  wohl  kaU'’* 
durch  die  Wände  der  Darmzotten  eingedrungeii  seyn,  weil  mf** 
so  grosse  Oeffnungen  au  ihnen  müsste  erkennen  können.  Ob  d*® 
zwischen  den  Zotten  so  deutlich  sichtbaren,  zahlreichen  Oeffn»*’' 
gen,  w’elche  gegen  12 mal  grösser  sind  als  die  Blutkörperch^’ 
wirklich  blosse  Crypten  (LiEiiEnK.uEKN’sche  Drüsen)  sind,  oder 
leicht  mit  der  Resorption  in  Beziehung  stehen,  ist  noch  nie** 
ganz  ansgemacht. 

Chylus. 

Der  Chylus  ist  die  vom  Darmkanal  während  der  Verdatifl^^ 
in  die  Lymphgefässe  aufgenommene  Materie,  welche  sich  von  d® 
ausser  der  Verdauungszeit  in  diesen  Gelassen  enthaltenen 
phe,  und  der  Lymphe  anderer  Theile  durch  ihre  weisse  Far*^ 
unterscheidet.  Obgleich  der  Chylus  hei  den  Vögeln  in  der 
gel  nicht  weiss,  sondern  klar  ist,  und  bei  den  pflanzenfresse*', 
den  Tbiercn  meist  ebenfalls  nicht  so  trüb  ist,  so  ist  er  doch  hf^ 
den  Fleischfressern  (selljst  hei  den  Pflanzenfressern,  so  lang® 
jung  noch  von  Milch  leben)  immer  mehr  oder  weniger  trüb 
weisslich.  Die  Farbe  rührt  von  Kügelchen  her,  deren  Grö»»^ 
ich  oben  angegeben  habe.  Röthlich  ist  der  Chylus  nur 
nahmsweise  und  in  seltenen  Fällen,  wie  z.  B.  im  Ductus 
cus  der  Pferde;  ich  habe  ihn  bei  den  von  mir  untersuch  ® 
Thieren  (Kalb,  Ziege,  Hund,  Ratze,  Kaninchen),  auch  im 
thoracicus  nie  anders  als  weisslich  gesehen.  Der  Chylus 
alkalisch,  seinen  Geruch  haben  Einige  mit  dem  des  männlic ' 


Samens  verglichen 


Der  Cbylns  gerinnt  freiwillig,  einige  Zeit  nachdem  er 


di® 


6.  Von  der  Chrlificatkm.  Chylus. 


511 


befasse  verlassen  liat.  Reuss  und  Emmert,  so  wie  Tiedemann  und 
^'«ehn,  lia])cu  geluiidcn , dass  diese  Gerinnbarkeit  zunimmt,  je 
Reiter  der  Cliylus  im  lympliatiseben  System  Ibrtsclireilet,  so  dass 
^kylus  aus  den  Lym])bgefässen  des  Darmkanals  nicht  gerinnt, 
*®lbst  dann  selten  gerinnt,  wenn  ci'  durch  die  Mesenterialdriisen 
^‘Urcligegangen  ist.  Bei  dem  Gerinnen  (lOMinuIen,  nachdem  er 
'l'i®  dem  Gefäss  genommen  ist,  wie  ])ei  der  Lymphe)  sondert  sich 
, i"  Chylus  des  Ductus  Ihoracicus  in  Coagula  tind  Seriun.  Das 
'-•eronnene  ist  der  FascrstolF  des  Clivlus,  vei'rnengt  mit  einem 
'^•itheil  der  Riigelclien  des  Chylus.  Das  flüssige  Serum  ist  eine 
I 'iflösung  von  Eiweiss,  worin  ein  Tlieil  der  Kügelchen  des  Chy'- 
suspendirt  hleiht.  Zugleich  sondert  sieh  auf  der  Ohcrflache 
I * Chylus  eine  rahmartige  Masse  ah,  welche  aus  h ettkügelchen 
''^stellt.  jVach  der  Coagidation  wird  das  Coagulum  vom  Chy'- 
des  Ductus  thoracicus  in  freier  Luft  häufig  aufiallend  rotliei, 
der  Chylus  vorher  war.  Emmert  fand  hei  Vergleichung  des 
P'ylus  der  Lymphgefässe  aus  der  Cysterna  ehyli,  aus  dem  mitt- 
*•■'1  Theil  und  ohern  Tlicil  des  Ductus  thoracicus  tles  Pferdes,  dass 
Einwirkung  der  Luft  den  milch weissen  Chylus  der  Lymphge- 
*4sse  nur  wenig  veränderte,  w'ährend  der  Cysternenehylus  etwas 
!'‘t1dich  wurde;  letzterer  coagullrte  auch  zum  kleinern  Thed. 

Chvlus  aus  dem  ohern  Theil  des  Dnchis  thoracicus  er- 


542  II.  Buch.  Organ,  ehern.  Processe.  IV.  Abschnitt.  Verdauung. 

die  gleiclizeitige  anatomiscli-pliysiologisclie  und  chemisclio  TJui- 
sicht  ihrer  Versuche  das  entschiedenste  Uehergewicht.  Siehe 
B.  2.  p.  66 — 95.  Diese  Naturforscher  sagen,  alle  ihre  Versuche 

beweisen  auf  das  Bestimmteste,  dass  die  weisse  Trübung  des  Chy' 
lus  von  einem  fein  z.ertlieillcn,  darin  schwebenden  Fette  herrübrb 
Beim  Gerinnen  des  Chylus  trete  es  dem  geringem  Theil  nach  lO 
die  Placenta,  dem  grossem  Theil  nach  bleibe  es  im  Serum  vef' 
theilt,  aus  dem  es  sich  zuweilen  nach  oben  gleich  einem  Rahn* 
erhebe.  Tiedemann  und  Gmelin  liahen  aus  Chylusplacenta  öftß*’ 
ein  gell)lichbraunes  Fett  durch  Itoclicndcn  Weingeist  ausgezogcn- 
Beim  Schütteln  des  milchichen  Serums  mit  weingeistfreiem  A®' 
ther  erfolgte  allmUhlige  Ivlärung  des  Serums,  und  beim  Ab- 
dampfen des  Aethers  erhielten  sie  um  so  mehr  Fett  (Gemeug® 
von  Elain  und  Stearin),  theils  in  öliger,  thcils  in  talgartiger 
Form,  je  mehr  das  Serum  getrübt  gewesen  wai’.  TtEnEMA**®* 
und  Gmelik  schliessen  daraus,  was  auch  durch  die  Resultate  ver- 
schiedener Fütterung  beslätigt  wird,  dass  das  in  dem  thierischen 
Körper  enthaltene  Fett  aus  den  Speisen  in  denselben  übergehet 
und  dass  es  (wenigstens  im  Chylus)  nicht  in  einem  auflöslichef 
Zustand,  sondern  nur  fein  zertheilt  vorhanden  sej'.  Schafe  u*** 
Gras  oder  Stroh  gefüttert,  lieferten  einen  wenig  getrübten,  f*)^ 
klaren  Chylus.  Sehr  gering  war  auch  die  Trübung  hei  den 
flüssigem  Eiweiss,  mit  Faserstoff,  Leim,  Käse,  Stärkemehl,  Kleber 
gefütteiden  Hunden,  und  dem  mit  Stärkemehl  gefütterten  Pferde- 
Massig  trüb  war  der  Chylus  des  mit  Hafer  gefütterten  Schafe®' 
Starke  milchige  Trübung  zeigte  sich  dagegen  bei  Hunden  nac^' 
dem  Genuss  von  geronnenem  Eiweiss,  Milch,  Knochen,  Rindfleisch» 
bei  Pferden  nach  Hafer.  Am  stärksten  getrübt  war  der  Chylc’ 
des  mit  Butter  gefütterten  Hundes.  Nach  Unterbindung  des  Gal' 
lenganges  zeigte  sich  der  Chylus  weniger  milchig  als  sonst.  VieJ' 
leicht  rührt  diess  nach  Tiedkmakn  und  Gmelin  daher,  dass  d>® 
Galle  das  Vermögen  hat,  das  Fett  der  Speisen  mit  der  wässrig®'’ 
Flüssigkeit  in  einer  sehr  zarten  Suspension  microscopischer  Paf' 
tikelchen  zu  vcrtheilen. 


Tiedemasn  und  Gmelin  scheinen  den  Chylus  für  eine  rei**® 
Auflösung  von  ThierstofF  zu  halten,  in  welcher  keine  anderen  a*’ 
Fettkügelchen  schweben;  diese  Ansicht  jedoch  kann  ich  nicht  ga**.* 
thcilen.  Als  ich  milchiges  Serum  vom  Chylus  der  Katze  in 
nem  Uhrglas  mit  wcingeistfi'eiera  Aether  v-ersetzte,  schien 
zwar  anfangs  allmählig  das  Serum  etwas  aufzuklären;  aber 
blieb  doch , selbst  nach  langer  Fortsetzung  des  Versuclis  unt®*^ 
immer  neuem  Zugiessen  von  Aether,  unten  ein  trübes  Wesen  ***' 
rück,  und  als  ich  dieses  unter  dem  Microscop  untersuchte,  b®' 
merkte  ich  darin  die  ganz  unveränderten  Chyluskügelchen.  1® 
fütterte  einen  Hund  mit  Brot,  Milch  und  etwas  Butter,  und 
tete  ihn  5 Stunden  darauf.  Der  Chylus  des  Ductus  thoracic*^ 
wie  der  Lymphgefässe  war  weiss;  diesen  Chylus  untersuchte  i® 
trop'fenweisc  unter  dem  Microscop.  Hier  sah  ich,  dass  er  viß 
an  Grösse  sehr  ungleiche  Oelkügelchen  enthielt,  welche  ga|*^ 
dui'chsc'.heiuend  waren.  Der  weit  grössei-c  Theil  der  Chyluskn 
gelchen  war  aber  ganz  anderer  Art,  nämlich  vveisslich  und  nie  * 


543 


6.  Von  der  Chylißcatlon.  Oyylus. 

^orclischeinend,  sehr  klein  und  olingefähr  ^ bis  f so  gross  als 
Blutkörperchen  dieses  Hundes,  wie  ich  früher  auch  am  Kalbe 
Riesen  Unterschied  bemerkt  batte.  Die  kleinen  Kügelchen  sind 
‘J'  Ungeheurer  Menge  vorhanden  und  sind  offenbar  die  Ursache 
weissen  Farbe;  ihre  Gestalt  ist  nicht  so  regelmässig  wie  die 
Blutkörperchen.  Feltkügelchcn  sind  dless  wohl  nicht;  sie  sind 
'Ißiner  als  die  von  mir  und  Dr.  Nasse  in  der  Lymphe  des  Men- 
Sclien  gefundenen  Kügelchen.  Ich  habe  auch  die  Gerinnung  des 
“%lus  unter  dem  Microscop  an  grossen  Tropfen  beobachtet,  die 
mit  etwas  AVasser  vermischte,  um  die  Kügelchen  mehr  von 
P^äander  zu  entfernen  und  zu  sehen,  ob  das  Gerinnsel  durch 
*losse  AggregaLlon  der  Kügelchen  entsteht,  oder  durch  Gerin- 
*'üng  eines  voiher  aufgelösten  Stoffes,  welcher  beim  Gerinnen 
Kügelchen  in  sich  aufnimmt.  Die  ülicruus  zarten  Häutchen, 
'Reiche  entstanden,  bestanden  nicht  blos  aus  aggregirten  Kügel- 
sondern  es  war  iiocli  ein  durclisiclitigcr  Stoff  dazwisclien^ 
'Welcher  die  Kügelchen  zusammen  verband,  auch  wenn  sie  nicht 
'^'cht  aneinander  lagen.  Es  ist  also  gerade  so,  wie  bei  der  Lymphe 
'^'d  dem  Blut.  Auf  den  auf  einer  Glasplatte  ausgebreiteten  Chylus- 
l^^pfen  entstanden  aber  nicht  bloss  Häutchen,  welche  die  schwe- 
y*^aclen  Kügelchen  verbanden,  sondern  auch  an  einzelnen  Stellen 
kleine  Fettl'nselchen,  welche  fast  ganz  durchsichtig  waren,  und 
ich  nicht  weiss,  ob  sie  durch  das  Aneinanderfügen  und 
Erkalten  der  Oelkügelchen  entstehen.  Die  microscopischen  Un- 
^®*'suchungen  über  den  Chylus  sind  noch  in  der  Kindheit.  Vor 
^Uem  -wäre  das  Verhältniss  der  kleinen  Chyluskügelcben  zu  den 
I lutkörperchen  auszumitteln,  ob  die  Blutkörperchen  aus  den  Cby— 
äskugelchen  entstehen,  ob  die  von  mir  im  Blute  der  Frösche  und 
y^gel,  von  Home  im  Blute  des  Menschen  beschriebenen  kleineren 
^kgelchen  Chyluskügelcben  sind.  Dann  wäre  sehr  wmnschens- 
zu  wissen,  ob  die  Chyluskügelcben  hei  den  Thieren,  wel- 
elliptische  und  grosse  Blutkörperchen  haben,  wie  Amphibien 
j^äd  Vögel , im  Ductus  thoracicus  vielleicht  auch  schon  el- 
J'Ptisch  sind,  oder  nicht,  um  zu  erfahren,  wo  die  Form  der  Blu^ 
U>Terchen  entsteht.  Dicss  Hesse  sich  nm*  bei  grösseren  Amphi- 
wo  der  Ductus  thoracicus  leichter  zu  finden  ist,  oder  bei 
kcheu  ermitteln.  HunoLPHt  führt  zwar  aus  Leuret  und  Las- 
an,  dass  die  Chyluskügelcben  der  Vögel  rund  seyen,  wäh- 
^^nd  doch  ihre  Blutkörperchen  oval  sind.  Indess  sprechen  Leu- 
und  Lassaighe  hier  nicht  von  Chyluskügelcben,  sondern  Chy- 
'iskügclchen  aus  dem  Darm  der  A'^ögcl. 

Tiedemahn  undGMEEiN  haben  weitere,  sehr  ausgebreitete  Unter- 
^.'^hungen  über  die  Veränderungen  des  Chylus  nach  den  Nahrungs- 
^dteln  angestcllt.  Nach  ihnen  ist  der  Chylus  röther  bei  den  Pferden 
jP  kei  den  Hunden,  bei  diesen  rölher  als  bei  den  Schafen.  Bei  dem 
lUnde  röthete  sich  die  Placenta  des  Chylus  lebhafter  nach  der  Füt- 
nilt  flüssigem  Eiweiss,  Butter,  Milch,  Knochen,  und  mit 
^'cisch,  Brol  uiul  .Milch.  Der  Chylus  rvar  weiss  und  die  11a- 
wenig  rotli  nach  Fütterung  mit  Faserstoff,  Leim,  Käsematte, 
'Tkemehl  und  Butter,  und  mit  Kleber.  Nach  der  Fütterung 


544  II.  Buch.  Organ,  chem.  Processe.  IV.  Abschnitt.  Verdauung. 

mit  Eiweiss  zeigte  weder  der  ganze  Cliylus  noch  die  Placenta  ein® 
■ rotlie  FVirhiing,  wie  ich  auch  heim  Hunde  nach  Fütterung 
Brot,  Milcli  und  Butter  bemerkte.  Bei  den  im  nüchternen  Zu' 
Stande  gctödteten  Hunden,  so  wie  bei  den  Hunden,  welche 
kemehl,  Milch,  rohes  oder  gekochtes  B.indflelsch,  Rindfleisch  nn 
Semmel,  flüssiges  Eiweiss  und  SpelzbroTT^hd  bei  den  KatzeH; 
die  Brot  und  Milch,  oder  gekochtes  Rindfleikih  erhalten  hattcDi 
war  der  Chyhis  ebenfalls  nicht  roth  (Tiedemann  und  Gmeli^I' 
Pferde  im  nüchternen  Zustande  hatten  eine  mehr  dunkelrotb 
Flüssigkeit  des  Ductus  thoracicus,  als  diejenigen,  welche  H 
genossen.  Der  Chylus  der  Schafe,  die  nur  wenig  Heu  oder  Str® 
erhalten  hatten,  gab  ein  röthlichweisses  Coagulum,  der  Chjl'*'’ 
der  mit  Hafer  gefütterten  ein  weisses.  Aus  den  letzten  Erfahre**' 
gen  schliessen  Tiedemann  und  Gmelitt,  dass  der  Chylus  um 
weniger  rothen  FarbestolF  enthält,  je  besser  die  Thiere  gelüttet 
worden  sind , und  dass  das  Blutroth  sich  nicht  unmittelb** 


mittelst  der  Verdauung  erzeugt; 


die  namentlich  von  der  Ä^**? 

lO 


kommende  röthliche  Lymphe,  welche  Hewson,  Tiedemann  **'*' 
Gmelin  und  Fohmann  beobachtet,  und  die  auch  ich  bei  Ochs®'* 
theilweise  gesehen  habe,  wird  um  so  mehr  in  dem  Chylus  h®' 
merkbar  seyn,  je  weniger  Nahrungstolfe  vom  Darmkanal  aus  ® 
enthält. 

Der  Chylus  eines  mit  Hafer  gefütterten  Pferdes,  aus  d®** 
Saugadern  erhalten,  ehe  sie  durch  eine  Drüsenreihe  gegangen  wi*' 
i’en,  war  weiss,  röthete  sich  nicht  an  der  Luft  und  gab  au® 
eine  weisse  Placenta.  Der  Chyhis  aus  den  Saugadern  des 
senteriums,  welche  durch  Drüsen  gegangen  waren,  und  der  Cby' 
lus  des  Ductus  thoracicus  zeigten  sich  hellroth,  die  Lymphe  <'•**'' 
den  Saugadern  des  Dickdarms  war  blassgelb  und  lieferte  ®’^ 
weisses  Coagulum;  die  der  Saugadern  des  Beckens  war  roth,  «” 
gab  noch  ein  dunkleres  Coagulum  als  der  Chylus  des  Ductus  th® 
racicus.  Tiedemann  und  Gmelin  schliessen  aus  diesen  mit  Ej*' 
mert’.s  Erfahrungen  übereinstimmenden  Resultaten,  dass  der  jj 
Stoff  dem  Chylus  erst  durch  die  Mesenterialdrüsen  und  dur® 
die  Lymphe  der  anderen  Lymphdrüsen,  so  wie  durch  die  Ly*jj 
phe  der  Milz  aus  dem  Blute  rnitgetheilt  wird,  welches  die  E®]’!. 
largefässe  dieser  Theile  durchströmt.  Was  die  Lymphe  der  M*  , 
betrifft,  so  bat  zuerst  Hewson  ( Op.  posth.  ed.  Lugd.  Batav.  178 
gefunden,  dass  dieselbe  röthllch  wie  verdünnter  rotber 
ist  und  rothe  Kügelchen  enthält.  Tiedemann  und  Gmelin  bau 
diese  Farbe  bei  gefütterten  wie  nüchternen  Thieren  gesehen.  ,E®”* 
mann  {Saugadersfsi . der  Fische,  p.  45.)  hat  cs  bei  Viviseefion^.j 
der  Rochen  gesehen  und  behauptet,  in  der  Verdauung*** 
sey  die  Lymphe  der  Milz  bei  diesen  Thieren  röthlicher, 
längerer  Abstinenz  von  Nahrungsstoffen  werde  sic  indess  aU 
röthlicher , eben  so  wie  die  Lymphe  der  Leber.  Rudolp 
sagt,  die  Lymphgefässe  der  Milz  seyen  in  der  Regel  so 
die  der  Leber  und  anderer  Organe,  und  führen  auch  an  a 
deren  Organen  mitunter  eine  blutige  Flüssigkeit.  Hier  muss 
jedoch  bemerken,  dass  die  Lymphe  anderer  Organe  als  * 


6.  Von  der  Qiylification.  Chylus. 


545 


^arms  nie  weiss  ist,  und  dass  ich  in  einigen  Fällen,  wo  ich  im 
^•^hlachthause  gleich  nach  dem  Tode  die  Milzlymphe  der  Och- 
untersuchte  , sie  in  einigen  dickeren  Lyrnphgefässen  wie 
J'ßi'dünnten  rolhen  Wein  sah.  Freilich  folgere  ich  nicht  mit 
daraus,  dass  Elutkörpevcheii  in  der  Milz  gchildet  wer- 
Das  rothe  Princip  der  Lymphe  kann  auch  im  aufgelös- 
Zustande  in  die  Saugadern  gelangen.  Auch  ist  die  Fär- 
. der  Milzlymphe  durchaus  nicht  constant.  Seiler  sah 
hei  Pferden  einigemal  in  einzelnen  Lyrnphgefässen  der  Milz 
^^llilich,  hei  den  meisten  Pferden  farblos,  hei  Rinderrt  (?),  Eseln, 
^•^liafen,  Schweinen,  Hunden  niemals  gefärbt. 

, Ueher  das  Verhiiltniss  des  Faserstoffs  zum  Serum  des  Chylus  ha- 
Tiedemann  und  Gmelin  folgende  Resultate  erhalten.  Der  Chylus 
afir  Pferde  gerann  am  stärksten;  er  enthielt  in  100  Theilen  1,06 
“>65  frisch e'Placenta,  und  0,19  — 1,75  trocknen  Faserstoff.  Der  Chy- 
*Us  (Jgj.  Hunde  gerann  schwächer;  die  Menge  des  Gerinnsels  hc- 
in  100  Theilen  1,36  — 5,75,  und  des  trocknen  Geriniisels 
|)17 — 0,56.  Der  Chylus  der  Schafe  war  am  Arenigsten  gerinn- 
lOo’Thclle  enthielten  2,56  — 4,75  frischen,  und  0,24  — 0,82 
6ocknen  Kuchen.  Das  Contentum  des  Ductus  thoracicus  von 
^’^chternen  Thiercn  gerann  vollständiger,  und  enthielt  mehr  fri- 
und  trocknen  Kuchen  als  der  Cliylus  von  gefütterten  Thie- 
er  betrug  getrocknet  hei  nüchternen  Pferden  1,00  — 1,75, 
l®Uer  der  gefütterten  Pferde  0,19 — 0,78  Proc.  des  Chylus.  Hier- 
schliessen  Tiedemann  und  Gmelin,  dass  der  Faserstofl  des 
,^ylus  nicht  von  den  Nahrungsmitteln,  sondern  von  der  Lyrn- 
herrührt  und  seinen  Ursprung  dem  Blut  verdankt,  worin 
dessen  Erzeugung  annchmen;  sic  glaulien  nicht,  dass  aus  den 
f?lirungsstofFen  selbst  in  den  Chylificationswegen  Faserstoff  ge- 
’*ldel  werde.  Wenn  man  diess  zugiebt,  so  muss  man  auch  an- 
"^hnien,  dass  die  blasse  Lymphe  der  nicht  chylusführenden  Lymph- 
^'^l'usse,  wenn  sie  wirklich  heim  Weiterfortschreiten  an  Faserstoff 
***'nmmt,  keine  Umwandlung  ihres  Elweisscs  in  Faserstoff  erfährt, 
j'^ädern  nur  durch  Zumisehung  von  aufgelöstem  Faserstoff  des  Blu- 
auf  dem  Wege  ihres  Fortganges  gerinnbarer  wird.  Indessen  ist- 
ycse  Meinung  von  Tiedemann  und  Gmelin  über  dic^  matei'ielle 
^*iänschung  von  Faserstoff  zum  Chylus  in  den  Chylilicationswe- 
jetzt  eben  so  wenig  zu  beweisen,  als  die  entgegengesetzte 
'^'*sicht,  dass  der  EiAveissstoff  des  Chylus  seihst  zum  Theil  in  Fa- 
*®5stoff  umgewandelt  wird.  Um  hierüber  ins  Reine  zu  kommen, 
eine  noch  grössere  Reihe  von  Beobachtungen  nöthig  über 
Menge  der  festen  Theile,  besonders  des  Eiweisses,  die  sich  im 
^*■001  des  Cbylus  aufgelöst  finden  in  verschiedenen  Theilen  des 
pJöiphsystems.  Wenn  z.  B.  das  Serum  nach  Abscheidung  des 
I .'‘serstoffs  vom  Chylus  des  Ductus  thoracicus  Aveniger  Eiweiss  ent- 
als  das  Serimi  von  der  Lymphe  der  Extremitäten  und  der 
5 6ylus  der  Saugadern  des  Darms,  und  wenn  diess  constant  wäre, 
j^^ärc  es  ausgemacht,  dass  Eiweiss  in  dem  lymphatischen  System 
. I aserstoff  umgCAvandelt  würde,  indem  dann  die  Menge  des  Eiweisses 
**'inunt,  während  die  des  Faserstoffs  zunimmt.  Tiedemann’s  und 


546  II.  Buch.  Organ,  ehern.  Processe.  IV.  Abschnitt.  Verdauung. 


Gmehn’s  Versuche  haben  hierin,  wie  unten  ersehen  wird,  kein® 
constante,  sondern  vielmehr  widersprechende  Resultate  gehabt. 

Aus  beiden  Hypothesen  lässt  sich  die  Zunahme  des  Fasel"' 
stoffgeh  alles  im  Chylus  bis  zum  Ductus  thoracicus  erklären.  U®' 
her  die  letzte  schon  von  Emmert  beobachtete  Tbatsache  habe" 
Tiedemann  und  Gmelin  noch  folgende  Erfahrungen  gemacld' 
Beim  mit  Hafer  gefütterten  Pferde  gerann  der  Chylus  der  Saug' 
adern  vor  dem  Durchgang  durch  Drüsen  nicht.  100  Theile  Cbj' 
lus  von  Saugadern,  der  diu-ch  Mesenterialdrüsen  hindurchgega"' 
gen,  gabei#0,37  trockne  Placenta,  der  Chylus  des  Ductus  thora' 
cicus  0,19,  die  Lymphe  des  Beckens  0,1.3.  Bei  dem  nüchtern®" 
Pferde  enthielt  die  Lymphe  des  Ductus  thoracicus  0,42,  die 
Plexus  lumbalis  0,25  trockne  Placenta.  Das  Contentum  des  D"j 
ctus  thoracicus , in  welchem  Chylus  der  Darmsaugadern 
Lymphe  von  den  übrigen  Thellen  des  Körpers  zusammenkomffl®"’ 
statid  in  Hinsicht  des  Gehaltes  an  trocknem  Faserstoff  in  der  Mitt® 
zwischen  dem  Chylus  der  Chylusführenden  Saugadern,  und 
Lymphe  der  Saugadern  des  Beckens. 

Die  Menge  der  festen  im  Serum  aufgelösten  Stoffe  wechseh*^ 
in  Tiedemann’s  und  Gmelin’s  Versuchen  von  2,4 — 8,7  Pr"  ^ 
Bei  dem  mit  Hafer  gefütterten  Pferde  erhielten  Tiedemann 
Gmelin  4,9  Proc.  feste  Theile  des  Serums  vom  Chylus  der  Sa"0' 
adern  des  Gekröses,  3,04  von  dem  des  Ductus  thoracicus,  3,1  Pr"*’" 
ans  dem  Serum  der  Lymphe  des  Beckens;  das  Seriun  der  L}’"'"' 
phe  aus  den  Saugadern  des  Dickdarms  enthielt  gegen  4 Pr"''" 
Bei  dem  nüchternen  Pferde  dagegen  enthielt  das  Serum  von 
Lymphe  des  Ductus  thoracicus  4,7,  von  der  Lymphe  des  Pier"’ 
lumbalis  nur  3,7  Proc.  feste  Theile.  Im  Serum  des  Chylus  "Vf®' 
ren  enthalten  Eiweissstoff,  eine  in  Wasser  and  nicht  in  W®'®' 
geist  lösliche  Materie,  dem  Speichelsloff  verwandt,  ferner  in  W®*' 
ser  und  Weingeist  lösliche  Materie,  Osmazorn,  cssigsanres 
tron,  kohlensaures  Natron,  phosphoi’saures  Natron,  schwefelsaui"® 
Natron,  Kochsalz  (die  grösste  Menge),  kohlensaurer  und  pl’®'*' 
phorsaurer  Kalk.  Hieraus  geht  hervor,  dass  dieselben  Sah®' 
welche  im  Darmkanal  sich  hellnden,  auch  im  Chylus  vorkoinm®"' 
Bei  nüchternen  Thieren  enthielt  das  trockne  Serum  mehr 
weiss  und  speiclielstoffartige  Materie,  dagegen  weniger  osinaz"’*^^ 
artige  Materie,  und  weniger  Fett  als  das  Serum  gefüttei'^® 
Thicre.  ^ 


Analyse  des  Chylusserum  des  Pferdes  von  Gmelin. 

Braunes  Fett 

Gelbes  Fett 

Osmazorn,  essigsanres  Natron  und  Kochsalz  in  Octaedern 
krystallisirt,  wahrscheinlich  in  Folge  einer  thierischen 

Materie 

In  Wasser  lösliche,  in  Alcohol  unlösliche,  extractartlge  Ma- 
terie mit  kohlens.  und  sehr  xvenig  phosphors.  Natron  . 

Eiweiss 

Kohlensaurer  und  etwas  phosphorsaurer  Kalk,  beim  Ver- 
brennen des  Eiweisses  erhalten ■ • 


16, Oi 


6.  Von  der  Chylificatlon.  Chyhis, 


547 


Von  den  NahrungsstofFen  der  Thiere  Hessen  sich  In  der  Re- 
keine  unveränderten  Spuren  mehr  im  Chylus  erkennen,  nur 
^'»ss  nach  dem  Genuss  der  Butter  der  Chylus  überaus  reich  an 
Jett  war,  und  nach  dem  Genuss  von  Stärkemehl  im  Chylus  eines 

‘‘linde  ‘ ' 


s sich  Zucker  zeigte. 

Die  Veränderungen  des  Cliylus  im  lymphatischen  System, 
"“ügen  sie  nun  in  der  Beimischung  von  Materie,  oder  in  der  Um- 
J^nndlung  des  Cliylus  selbst  liegen,  geschehen  offenbar  von  den 
^ linden  der  Lymphgefässe  in  und  ausserhalb  der  Lymphdrüsen; 

^ in  den  letztem  auch  der  Einfluss  der  Wände  der  Lymph- 
S®fässnetze  die  Hauptsache  ist,  beweisen  die  Vögel,  Amphibien 
Fische,  welche  keine  Mcsenterialdrüsen  besitzen.  Man  muss 
daher  auch  die  Mesenterialdrüsen  selbst  nur  als  aus  den  Lymph- 
‘i^fässnetzen  der  eintretenden  und  austretenden  Lymphgefässe 
Jjisatnmengesetzt  denken,  worin  der  Contact  des  Inhaltes  mit  den 
j ^fassen  durch  Flächenvermchrung  vervielfältigt  ist.  Da  diese 
‘^Dnphgefässnetze,  wie  Injeclionen  von  Quecksilber  zeigen,  nicht 
klein  sind,  so  müssen  die  Lymphgefässe  in  jenen  Netzen 
flire  Wände  behalten,  und  diese  Wände  müssen  wie  in  den  eln- 
, Lymphgefässen  von  den  sehr  feinen  Capillargefässnetzen 
p’ii'chzogen  seyn  , so  dass  das  Blut  nur  mittelbar  durch  die 
J^npillargefässnetze  in  den  Wänden  der  Lymphgefässe  mit  dem 
j.'ylus  der  Lymphdrüsen  in  Berührung  kömmt,  wobei  aller- 
aufgelöste  Theile  des  Blutes,  vielleicht  der  Faserstoff,  durch- 
"'‘••gen  können,  vielleicht  auch  Färbestoff  des  Blutes,  der  sonst 
den  Blutkörnchen  haftef,  in  den  Zustand  der  Auflösung  tritt 
in  den  Chylns  übergeht.  Blutkörperchen  selbst  können  bier- 
nicht  in  den  Chylus  übergehen.  Ueber  die  sehr  zweifelhafte 
!y'?‘^iiahme  von  Chylus  in  fernen  Venen  der  Lymphdrüsen,  so 
ü])er  den  problematischen  Zusammenhang  von  Venen  und 
ynipligefässen  siehe  oben  p.  257. 

j Was  die  Aehnlichkeit  und  den  Unterschied  von  Chylns  und 
■'J^iphe  betrifft,  so  stimmen  Beide  darin  überein,  dass  sie  Rü- 
|j?‘chen  enthalten;  allein  die  der  Lymphe  sind  überaus  sparsam, 
j*®  Kügelchen  des  Chylus  machen  diese  weisslicli,  die  Lymphe 
si  meistens  farblos;  sie  stimmen  ferner  überein,  dass 

F'aserstoff  aufgelöst  enthalten,  doch  scheint  letzterer  in  ge- 
Quantität  in  der  Lymphe  enthalten;  denn  in  Tiedemann’s 
Pf  Cmelin’s  Beobachtungen  von  einem  mit  Hafer  gefütterten 
f gaben  100  Theile  Chylus  aus  den  Saugadern  des  Mesen- 
0,.37  trockne  Placenta,  die  Lymphe  des  Beckens  nur  0,13. 

Unterschied  kann  indess  auch  scheinbar  seyn  und  von  der 
J’a  Menge  der  im  Chylus  enthaltenen  und  vom  Coagulum  des 
P ^^estoffs  zum  Theil  mit  eingeschlossenen  Rügelchen  lierrühren. 

und  Chylus  unterscheiden  sich  aber  auch  sehr  durch 
ai{;j.U®hMt  von  Fett  in  dem  letztem,  welches  in  der  Lymphe 
j bemerkt  wird,  ein  Unterschied,  welcher  verursacht,  dass  der 
Oljg  ausser  dem  Gerinnsel,  auch  eine  rahmartige  Masse  an  der 
pkg*^  Uche  häulig  absetzt.  Die  Salze  des  Chylus  und  der  Lym- 
selij,  ^i^heinen  ohngefähr  dieselben , auch  die  Lymphe  enthält 
'iel  Rochsalz , und  reagirt  alkalisch.  Dass  die  häufig 


548  11.  Buch.  Organ.  chem.Processe.  IV . Abschnitt . Verdauung. 


rötliliche  Farbe  des  Cliylus  vom  Färbestofi'  des  Blutes  lierriihy 
wird  durch  Tiedemans’s  und  Gmelis’s  Versuche  bewiesen, 
che  gezeigt  haben,  dass  diess  Roth  von  Hydrotb ionsäure  grün  f?®' 
färbt  wird.  Dass  dieses  Blutrotli  aus  den  Nahrungsmitteln  ausg® 
bildet  'werde,  ist  gar  nicht  wahrscheinlich,  weil  auch  besond®* 
die  Lymphe  der  Milz  oft  röthlich  ist.  Eine  andere  Frage  ist,  ° 
das  Blutrotli  des  Chylus  und  der  Mllzlyinphe  den  Kügelchen 
selben  anhaftet,  wie  das  Blutrotli  den  Blutkörperchen,  oder  ® 
cs  aufgelöst  ist.  In  Tiedemann’s  und  Gmelik’s  Versuchen  ^ ^ 
nicht  allein  die  Placenta  von  röthlichem  Cliylus  röthlich,  sonde' 
häufig  auch  das  Serum  noch  röthlich;  indess  ist  das  Serum 
Chylus  selten  klar  und  enthält  immer  noch  Kügelchen,  und  L- 
MERT  will  sogar  nach  Ausivaschen  des  röthlichen  Chyluskucb® 
in  dem  Wasser  rolhe  Kügelchen  bemerkt  haben  (?).  Hewsöji  j 
In  der  rothen  Milzlyrnplie  rotlie  Körperchen.  Dieser  Punkt  >■' 
bis  jetzt  nicht  klar,  und  es  muss  weiter  hin  ausgemittelt  vvcrd®’' 
oh  das  rötbende  Prineip  des  Chylus  und  der  Mllzlymphc  aiifg® 
löst  ist,  oder  von  gerötbeten  Kügelchen  herrübrt.  Biutkörperd’ 
selbst  können  diess  indess  nieht  wohl  seyii,  weil  das  Durehg®'* 
von  Blutköi'perchen  durch  die  Wände  der  Ca]}illargefässe 
alle  Beobachtung  ist.  Vielleicht  gebt  der  Färbcstolf  der  Blutk®' 
perclicn  aus  den  Capillargefässen  der  Milz  in  einen  aufgelöd® 
Zustand  über,  und  dringt  in  die  Milzlyrnplie,  von  wo  aus  er  eid't'T 
der  im  Serum  des  Chylus  aufgelöst  ist,  oder  sich  mit  den 
,gelchen  verbindet.  Der  Färbestoff  des  Chylusgerinnsels  lässt 
übrigens  auch  wie  der  des  Blutcoagulunis  auswaschen,  wie 
MEHT  zeigte.  Vom  Blut  unterscheidet  sich  der  Chylus,  vvi® 
sich  im  Ductus  thoracicus  befindet: 

1.  Durch  die  Unauflöslichkeit  der  Chyluskügelchen  im 

ser,  während  die  Blutkörperchen  bis  auf  ihren  unlöslichen  h® 
im  Wasser  sich  leicht  auflösen.  . 

2.  Durch  den  Mangel  der  Substanz  des  Blutrothes.  (1'''^ 
constant.) 

3.  Durch  die  Form  der  Kügelchen  und  ihre  Grösse.  _ 

4.  Der  Chylus  reagirt  zwar  alkalisch,  wie  Emmert, 

LIK  und  Brakde  fanden,  aber  nach  Tiedemakn  und  Gmelik  scM'‘ 
eher  als  Blut,  und  zuweilen  gar  nicht.  js 

5.  Die  Quantität  der  festen  Stoffe  ist  im  Chylus  geringci' 
im  Blute.  1000  Theile  Chylus  enthalten  nach  Vauquelh’^ 

SO  — 90  Theile  feste  Substanz,  während  nach  Prevost  und 
MAS  1000  Theile  Blut  216  und  nach  Lecaku  485  feste  troc^ 
Theile  enthalten.  Nach  Reuss  und  Emmert  enthielten 
Blutserum  225,  dagegen  1000  Chylusserum  nur  50  feste  Thcd®’ 

6.  Im  Serum  des  Chylus  sind  nach  Tiedemakk  und 

bei  den  Schafen,  Hunden,  Pferden  2,4  — 8,7  Proc.  feste  jgi' 
enthalten,  nach  Prevost  und  Dumas  im  Serum  des  Blutes  di® 
Tliiere  aber  7,4  bis  9,9  feste  Theile.  .j^]i 

7.  Die  Quantität  des  Faserstoffs  ist  im  Chylus  ausserorden 
viel  geringer.  100  Tlieile  Chylus  von  Pferden  , Hunden , 
enthielten  nach  Tiedemakk  und  Gmelik  0,17  — 1,75  frockncn 
serstoff.  In  Ree^ss’s  und  Emmert’s  Versuchen  (Scherers 


6.  Von  fiel'  C'hylifieafion.  Ckylus. 


54.9 


5.  164.)  enthielten  4000  Theile  Blut  vom  Pferde  75  (nas- 
sen?)  Faserstoff,  1000  Theile  Chylus  nur  10. 

8.  Der  Faserstoff  des  Chylus  scheint  auch  in  seiner  Aushil- 
’liiug  einigermassen  von  dem  Fi^serstoff  des  Blutes  verschieden 

dem  Eiweiss  naher  zu  stehen;  denn  nach  Brakde  löst  Essig- 
säure von  dem  Chyluskuchen  (so  wie  von  Eiweiss)  nur  einen  klei- 
Theil  auf,  da  hingegen  der  Faserstoff  sonst  ziemlich  auflös- 
'’*^h  ist  in  Essigsäure. 

9.  Im  Chylus  ist  viel  freies  Fett  enthalten,  welches  den  Rahm 
**if  der  Oberfläche  bildet.  Blut  enthält  kein  freies,  sondern  ge- 
^^ndenes  Fett,  was  auch  ausserdem  im  Chyluskuchen  enthalten  ist. 

10.  Der  Chylus  enthält  Eisen  gleich  dem  Blut,  und  bringt 
**'esen  Stoff  aus  den  Nahrungsmitteln  ins  Blut.  Aber  das  Eisen 
®^eint  in  dem  Chylus  lockerer  von  anderen  Tlieilen  gebun- 

zu  seyn,  und  lässt  sich  daraus  viel  leichter  durch  Reagentien 
^•"Weisen,  als  im  Blut.  Die  salpetersaure  Auflösung  des  rötldichen 
^iiscrstoffs  vorn  Chylus  wird  nach  Emmeät  von  Galläpfeltinctur 
**liwarz,  und  gicht  mit  hlausaurem  Kali  einen  herlinerhlauen  Boden- 
Der  ausgewaschene  Kuchen,  von  Salpetersäure  aufgelöst, 
'''Urde  von  Kalllösung  bräunlich  und  gab  heim  Aufgiessen  von  hlau- 
^äUremKali  und  Salzsäure  ein  herliuei'hlaues  Präclpitat,  auch  das  zum 
^*iswaschen  des  Kuchens  gebrauchte  Wasser,  welches  im  Bodensatz 
^We  rothe  Körperchen  zeigte  (?),  zeigte  eine  Reaction  dieser  Ma- 
auf  phosphorsaurcs  Eisen.  Auch  das  Serum  des  Chylus 
*^'^®girte  auf  Eisen  selbst  dann  noch,  wenn  es  von  Eiweiss  befreit 
^^fden;  Reil’s  Arch.  8.  p.  167.  Das  Eisen  scheint  im  Chylus 
'(>ckerer  gebunden  als  im  Blute,  weil  es  sich  schon  durch  Salpeter- 
auszieheu  lässt,  und  mit  Galläpfeltinctur  einen  schwarzen,  mit 
|!|'^Usaurem  Kali  einen  blauen  Niederschlag  gieht.  Dagegen  vermu- 
Emmert,  dass  das  Eisen,  welches  sich  in  den  Nahrungsstoffen 
Diinudarms  vorfmdet,  einen  höheren  Grad  von  Oxydiition 
!"^sitze,  -weil  die  Flüssigkeit  aus  dem  Dünndarm  der  Pferde  sauer 
■"’eil  die  filtrirte  Flüssigkeit  aus  dem  Darm  des  Pferdes,  das 
J'l'*-  verdauten  Speisen  angefüllt  war,  mit  Galläpfeltinctur  And 
?'ausaurem  Kali  gleich  nach  der  Vermischung  einen  schwarzen  und 


1 

jjaueu  Niederschlag  gab,  während  der  Chylus  nur  sehr  langsam 
Eai-beveräuderung  zeigte. 


j Nach  der  Unlerhindung  des  Ductus  thoracicus  folgt  der  Tod 
j*'  der  Regel  unvermeidlich,  nach  Duverney  in  15,  nach  A.  Cooper 
9^ — 10  Tagen,  nach  Dupuytren’s  Versuchen  an  Pferden  in  5 — 6 
f zuweilen  unterliegen  die  Thiere  nicht,  w'cnn  noch  mch- 

Verbindungen  des  untern  Theils  des  Ductus  thoracicus  mit 
Obern  Theil  desselben  statt  finden,  auch  wohl  wenn,  wIcPakizza 
ScliAveincn , und  Wutzer  mit  mii'  einmal  beim  Menschen  sah, 
l^’^^'hiiiduugcn  mit  der  Vena  azygos  statt  finden,  oder  wenn  2 
^olus  thoracicl  vorhanden  sind  (Vögel,  Schildkröten). 

(•,j  Schriften  über  den  Chylus;  Werner  du  modo  quo  chymus 
r/.  mutatur.  Tübingae,  1800.  Horkel’s  Arddo  für  dir-  thie. 

® Chemie.  T,  1.  Heft.  2.  Emmert  und  Reuss,  Sciierer’s 
Emmert,  Reil’s  Archio  8.  p 


Ol 


5. 


154. 


"'erf/'" 

't'o  _ Chirurg. 


691. 
transact. 


1815.  6.  618.  Meck. 


Jour- 
145.  Marcet 
Arrh.  2.  268. 


r 


550  II,  Buch.  Organ,  ehern.  Processe.  IV.  Abschnitt,  Verdauung. 

Brande  philos.  iransact.  1812.  Meck.  Arch.  2.  278.  Prout 
naU  of  philos.  13.  p.  12.  263.  Meck.  Arch.  6.  78.  Ant.  MuellE» 
dissert.  e%p.  circa  chylum.  Heidelh.  1819.  Tiedemakn  und 
LIN  a.  a.  O.  2.  66. 

VII.  Capüel.  Von  der  Function  der  Milz,  der  Nebenniere”' 
der  Schilddrüse  und  der  Thymusdrüse. 

Die  hier  genannten  Drüsen  ohne  Ausfährungsgänge  (p.  418.) 
mit  einander  gemein,  dass  sie  dem  [durch  sie  strömenden  Blnte 
gend  eine  materielle  Veränderung  mittheilen,  oder  dass  die  von  ' ^ 
nen  abstammende  Lymphe  eine  besondere  Rolle  in  der  Chybn” 
tion  und  Blutbildung  spielt.  Denn  das  Venenbiut,  das  von 
kommt,  und  die  von  ihnen  kommende  Lymphe  sind  die 
von  ihnen  ausgeführten  und  in  die  allgemeine  Oeconomie  zuiti” 
fliessenden  Stoffe. 


A.  Von  der  Milz. 

1.  Bau  der  Milz.  (Mueller  im  Archio  der  Anat.  und 

1834.  1.)  ...  Ter 

Die  Milz  kömmt  nur  bei  den  Wirbelhieren  vor,  sie  ist  *”  • 
fast  durchaus  beständig.  Nach  Rathke  und  Meckel  sollte  sie  ” ^ 
den  Cyclostomen  ( Petromyzon,  Ammocoetes ) fehlen.  Mayer  (f 
RiEP’s  Notizen  737.)  hält  ein  drüsiges  Organ  an  der  Gar‘ 
von  Petromyzon  marinus  für  die  Milz.  Bei  Mysine  fehlt 
Milz  nach  Retzius  wirklich,  was  ich  von  diesem  Thiere  ^ 
von  dem  verwandten  Heptatrema  bestätigen  kann.  Sonst 
die  Milz  allgemein.  Sie  fehlt  weder  beim  Chamäleon,  vfO 
Treviranus  vermisst  hat,  noch  bei  den  Schlangen,  wo  sie 
Meckel  übersah,  bei  den  letzteren  liegt  sie,  nach  Retzius 
Mayer,  in  der  Nähe  des  Pancreas.  Bei  den  Cetaccen  ist  die  V' 
in  mehrere  Milzen  zerfallen.  Die  Milz  liegt  beim  Mensc” 
und  den  Säugethieren  in  demjenigen,  doppeltblältrigen  Theil  ” 
Peritoneums,  der  von  der  vordem  und  hintern  Fläche  des  r 
gens  zur  grossen  Cnrvatur  desselben  hingehend  zwischen  ^ 
grossen  Cnrvatur,  dem  Zwerchfell  und  dem  Colon  transve^s^^^ 


ausgedehnt  ist;  vom  Magen  ab  bis  zum  Colon  transversnm  - 
Netzbeutel  genannt  wird.  Da  dieser  Theil  des  Peritoneums  b”, 
Embryo  vor  dem  4.  Monat  mit  dem  Colon  noch  nicht  '''crW®”  ^ 
sen  ist,  sondern  in  der  hintern  Wand  der  Bauchhöhle  in 
Peritoneum  sich  inserirt,  oder  darin  fortsetzt,  so  ist  dieser, 
fangs  von  der  grossen  Cnrvatur  zur  hintern  Wand  der 
höhle  sich  erstreckende,  und  anfangs  noch  nicht  herabhängen 
Theil  des  Bauchfells  frühzeitig  ein  wahres  Magengekröse 
gastrium).  Siehe  oben  p.  476.  Die  Milz,  welche  zwischen  den  * 
Blättern  dieses  Theils  Hegt,  ist  also  ursprünglich  im 
kröse  enthalten,  gleich  wie  die  Lymphdrüsen  im  Mesenle””^|, 
enthalten  sind.  Betrachtet  man  nun  das  ganze  Gekröse  al» 
der  hinteren  Mittellinie  ausgehend,  wie  denn  auch  das  MaS 


7.  Function  der  Drüsen  ohne  Ausfährungsgängc.  Milz.  551 

gekröse  anfangs  von  der  hintern  MitteKinie  zur  grossen  Curvatur 
gelangt,  so  ist  also,  genau  genommen,  die  Milz  nicht  ein  Organ 
der  linken  Hidfte  des  Körpers,  sondern  der  Mittellinie  zwischen 
den  beiden  Blättern  des  Mesogastriums,  in  der  Gefässschicht  sich 
erzeugend.  Erst  allmählig,  da  die  Insertion  des  Mesogastriums 
•ft  die  hintere  Bauchwand  sich  nach  links  wendet,  kömmt  auch 
die  Milz  nach  links.  Die  Milz  ist  also  kein  Organ  der  linken  Seite, 
der  das  Paarige  der  rechten  Seite  fehlt,  eben  so  wie  auch  die 
Leber  ursprünglich  nicht  vorzugsweise  der  rech ten  Seite,  sondern 
üiit  gleichen  Hälften  der  Mittellinie  angehört. 

Die  Milz  ist  von  einer  festen  fdjrösen  Haut  überzogen,  wel- 
rke  viele  halkenartige  Fortsätze  durch  das  Innere  der  Milz  ans- 
*chickt,  durch  welche  das  zarte,  pulpöse,  rothe  Gewebe  der  Milz 
^Uspendirt  ist.  Innerhalb  dieses  rothen  Gewebes  kommen  bei 
•Hehreren  Thicren  weissliche,  runde,  mit  blossen  Augen  sichtbare 
L.örperchen  vor,  welche  von  Mai.pighi  zuerst  entdeckt  w'orden. 

Fast  alle  späteren  Schriftsteller,  welclie  sich  mit  Untersu- 
•^kung  der  weissen  Körperchen  der  Milz  abgegeben  haben,  haben 
den  Fehler  begangen,  dass  sie  ihre  Untersuchungen  nicht  mit 
kinreichender  Genauigkeit  an  den  von  Malpighi  namhaft  gemach- 
ten Thieren,  nämlich  dem  Rind,  Schaf,  der  Ziege,  dem  Igel  und 
klaulwurf,  angostellt  haben,  und  dass  sie  etwas  ganz  Unähnliches, 
das  man  zuweilen  bei  anderen  Thieren,  am  seltensten  beim  Men- 
*eken  findet,  mit  den  weissen  Körperchen  der  Milz  jener  Thiere 
'verwechselt,  und  von  der  Beschaffenheit  der  einen  auf  die  Be- 
'ekaffenheit  der  anderen  Thiere  geschlossen  haben.  Malpighi 
selbst  hat  mit  diesem  Missgriff  den  Anüing  dernacht,  obgleich 
*eine  Beschreihiuig  von  den  weissen  Körperchen  der  Milz,  von 
der  Untersuchung  dieser  Körperchen  von  dem  Rind,  der  Ziege 
Hnd  dem  Schafe  hergenommen  seyn  muss.  Nur  Wenige  haben  sie 
Leim  Menschen  geläugnet,  Avie  Rudolphi  ; diess  ist  in  so  fern  ganz 
*''ehtig  , als  die  von  MalpighI  Ijeschriebenen  Körperchen  sicher 
keim  Menschen,  so  wie  hei  vielen  Sängetbieren  nicht  verkommen, 
^ünmt  man  z.  B.  was  Dupuvtren  (Absolakt  Dlssei’t,  sijr  la  rate. 

X.)  über  die  Aveissen  Körperchen  der  Milz  des  Men- 
?eken  sagt,  so  kann  man  hei  Kenntniss  der  tragiiehen  Theile  in 
lenen  Säugethieren  nicht  genug  erstaunen,  Avic  Acrschiedene  Dinge 
^an  hier  zusammengeAA'orfen  hat.  Diese  Körperchen  sind  nach 
ßnPuYTHEN  und  Assolajst  in  der  Milz  des  Menschen  graulich, 
,®kr  Avelch  und  nicht  hohl,  und  haben  einen  Durchmesser  von 
? bis  1 Par.  Linie.  Sie  sollen  so  weich  seyn,  dass  sie  beim  Auf- 
keken  mit  dem  Messer  zerfllessen.  Nach  Meckel  sind  es  rundli- 
weissliche,  höchst  wahrscheinlich  hohle,  oder  wenigstens 
®®kr  weiche  Körperchen  von  i bis  1 Linie  Durchmesser,  sehr 
Safässreich.  Dergleichen  Aveiche,  heim  Druck  leicht  zerfliessende 
j,drperchen  sieht  man  allerdings  zuweilen  bei  dem  Hunde,  der 
Natze  und  in  sehr  seltenen  Fällen  deutlich  heim  Menschen,  bie 
es,  welche  nach  Home,  Heusinger  und  Meckel,  bei  Thieren, 
eingenommenem  Getränk,  betr'äclitlicli  anscliwellen  sollen, 
jHs  icli  fiezAA'eifle.  EtAvas  durchaus  Verschiedenes  sind  die  von 
■'hpighi  ursprünglich  gemeinten  Körpereben  der  Milz  einiger 
a 1 1 e r’s  Physiologie.  36 


552  II.  Buch.  Organ,  ehern,  Processe.  IV.  Abschnitt.  Verdauung. 

Pflanzenfresser.  Ueljer  die  Beschaffenheit  der  unbestimmten, 
weissen,  weichen  Pünktchen  ln  der  Milz  einiger  Säugethiere  hat» 
ich  nichts  lierausliringen  können;  aber  die  traubenförmigen  K-or- 
perchen  in  der  Milz  des  Rindes,  des  Schafes  und  des  Schweb** 
können  sehr  gut  in  Hinsicht  ihres  Zusammenhanges  und  ihi’ß* 
Beschaffenheit  untersucht  werden.  Folgendes  ist  dasjenige, 
ich  darüber  gefunden  habe. 

In  der  Milz  mehrerer  pflanzenfressenden  Thiere  (des  Rinde% 
des  Schafes,  des  Schw'eins)  giebt  es  gewisse  runde,  weisse  K-öJ' 
perchen  von  der  Grösse  von  \ bis  Millimeter;  diese  Körjie*'' 
eben  sind  ziemlich  hart,  und  weit  entfernt,  beim  Druck  zu 
fliessen.  Rtjdolpei  {Grundriss  der  Physiologie.  Band  IT.  Abthe‘' 
lung2.  p.  175.),  welcher  die  MALPionfschcn  Körperchen  i*' 
Recht  nur  in  der  Milz  von  Säugethieren  annimmt,  sagt,  daS’ 
sie  herausgehoben  zusammenfallen  oder  zerfliessen.  Diess  kai' 
sicherlich  nicht  von  den  weissen  Körperchen,  welche  hier  k®' 
schrieben  werden,  gelten,  da  diese  bestimmt  umschriebenen  u”, 
fast  durchgängig  gleich  gnissen  Theilchen  ganz  consistente 
dem  Druck  einigermassen  widerstehende,  beim  sanften  Zcrrelh®'! 
der  Milz  meist  unzerstörbare  Bildungen  sind.  Man  sieht  sie  b» 
an  der  Milz  des  Schweines,  Schafes,  Rindes,  auf  Durchschnitt® 
der  Milz,  oder  noch  besser,  Avenn  man  die  Milz  zerreisst,  auf  <1®!' 
Rissflächen,  oder  wenn  man  die  Milz  dieser  Thiere  einige  Z®' 
maceriren  lässt;  dann  nämlich  erweicht  sich  die  pulpöse  Substa®^ 
der  Milz  ganz  und  Avird  schwärzlich,  während  die  weissen  K®*' 
perchen  viel  länger  ungefärbt,  nämlich  weissgrau  und  unaufg®' 
löst  sich  erhalten.  Sind  zerrissene  Stücke  der  Milz  einige  Ze* 
maccrirt  worden,  so  erkennt  man  auch  deutlich  den  Zusajnmeß' 
hang  der  Körperchen;  man  sieht,  dass  sie  unter  einander  dur®^ 
Fäden  verbunden  sind,  und  man  kann  ganze  Büschel  dersefl»®*^ 
aus  der  halbmacerirten  Milz  des  Schweines  und  Schafes  absoi’' 
dem.  Bei  Untersuchung  der  frischen  Milz  dieser  Thiere  isl 
viel  schwerer,  den  Zusammenhang  dieser  Körperchen  zu  erk®®' 
nen ; nur  mit  grosser  Geduld  lassen  sich  Büschel  zusammenba*’' 
gender  Körper  rein  herauspräpariren,  indem  man  unter  der 
mit  Nadel  und  Pincette  arbeitet.  Heusinger  { lieber  den 
und  die  Verrichtung  der  Mih.  Thionoille,  1817.)  bemerkt, 
man  ein  Stück  Milz,  worin  sich  weisse  Körperchen  befinden,  * 
Wasser  einige  Zeit  zwischen  den  Fingern  reibe,  so  könne 
sie  in  kleinen  Häufchen  absondern,  so  dass  sie  nun  traubenar  » 
zusammenliängen  xind  an  kleinen  Stielchen  befestigt  schei»®'|j 
Diess  ist  ganz  richtig , kann  aber  bloss  von  den  hier  gemeim 
weissen  Körperchen  des  Schweines,  Schafes,  Rindes  gelten.  ,j. 

Diese  Körperchen  sind  rundlich,  zuweilen  auch  oval,  ^ r 
durchgängig  gleich  gross;  sie  variiren  beim  Schwein  und  ^ 
von  j bis  ■^Millimeter  Durchmesser,  beim  Rind  sind  sie  ein  ''f  ^ 
nig  grösser.  Am  leichtesten  ist  es,  sie  in  der  Milz  der  ScIiavCG^ 
und  Schafe  zu  untersuchen;  ich  kann  mir  es  nur  durch 
nen  Gedächtnissfehler  erklären,  dass  Rudolphi  diese  pj 

eben  beim  SchAveine  ganz  läugnet , da  sie  doch  bei  kein 
Thiere  leichter  zu  sehen,  leichter  zu  untersuchen  sind.  Ol* 


7.  Function  der  Drüsen  ohne  Ausfiihrungsglingc.  Milz.  553 

K.örperclien  auch  in  der  Milz  der  Ziege,  des  Maulwurfs  und  des 
Igels  Vorkommen,  wie  Mai.pigiii  angnh,  weiss  ich  nicht.  Bei  der 
Ziege  sind  sie  wohl  wahrscheinlich,  wie  Lei  den  Wiederkäuern 
überhaupt,  vorhanden;  hei  dem  Pferde  fehlt  auch  die  geringste 
Spur  dwrselhcn.  Die  weisscu,  ganz  weichen,  heim  Druck  leicht 
«erfliessenden  Pimkte,  die  inan  von  sehr  verschiedener  Grösse, 
Zuweilen  grösser  als  die  hier  gemeinten  K.öi’perchen , in  der  Milz 
Von  Hunden,  Ratzen,  selten  von  Menschen  wahrnimmt,  sind  et- 
was ganz  Anderes,  dessen  Bedeutung  mir  noch  nicht  klar  gewor- 
den ist.  , 1 • j- 

Bei  näherer  Untersuchung  sicht  man  nun,  dass  keines  dieser 
Köroerchen  isolirt  ist;  immer  wird  man  Jedes  Rörperclien  nach 
einer  oder  nach  beiden  Seiten  hin  in  Fortsätze  auslaufen  sehen. 
Zuweilen,  aber  selten,  sind  sie  unter  einander  eine  Strecke  wie 
K.nötchen  einer  Schum’  verbunden,  w'ährend  die  einzelnen  Knöt- 
chen wieder  feine  Würzelchen  ausschickeii;  meistens  sitzen  sie 
tiirz  gestielt  an  weniger  dicken  Fäden,  welche  Aeste  von  ande- 
• ren  Fäden  sind,  oder,  was  das  häufigste  ist,  sie  sitzen  an  der 
Seite  von  ästigen  Fäden  mit  schmälerer  oder  hreitercr  Basis  un- 
gestielt auf.  Die  Fäden,  welche  sie  verbinden,  werden  allmahhg 
dünner  in  der  Bichtuiig  der  Verzweigung  und  gehen  offenbar 
Von  grösseren  Strängen  aus.  Die  meisten  Körperchen  schicken 
überaus  zarte  Würzelchen  aus.  Die  stärkeren  Aeste,  weran  sie 
ützen,  zeigen  auf  dem  Durchschnitt  ein  Lumen,  Avie  sicli  hei  mi- 
ci’oscopischer  Untersuchung  erweist.  Was  aber  am  meisten  In- 
teresse erregt,  ist,  dass  man  die  Aeste,  woran  die  Körperchen 
sitzen,  nach  ihren  Stämmchen  hin  verfolgen  kann  und  diiss  man 
' liei  Verfolgung  dieser  Stämmchen  zuletzt  oftenhar  auf  die  Stämme 

der  Blutgefässe  der  Milz  getaugt.  t . c u • 

Als  ich  so  weit  in  der  Untersuchung  der  Milz  heim  Schweine 
gelangt  war,  wünschte  ich  vorzüglich  zu  wissen,  ob  die  Körper- 
chen ”dcr  Milz  an  den  VeiicnzAveigcn  oder  den  Arterienzweigen 
sitzen.  Sollten  sie  von  den  Veneiizweigen  ausgehen,  so  konnte 
»ftan  sich  denken,  dass  sie  einen  cigeiithümlichen  Saft  dem  Ve- 
‘»enhlute  der  Milz  zufüliren,  so  dass  die  Venen  gleichsam  die 
^Usführungsgängc  dieser  Drüschen  wären.  Diese  Ansicht  wider- 
legte sich  aber  "bald  bei  weiterer  Untersuchung,  indem  die  Stamm- 

elien  der  Zweige,  woran  die  Körperchen  sitzen,  sich  als  Arterien 
aviswiesen.  Sobald  ich  hierüber  im  Klaren  war,  konnte  ich  nun 
auch  heim  Schweine  von  den  Aestcii  der  Milzarterie,  indem  ich 
»ler  Verzweigung  folgte,  zu  denjenigen  Zwe,gcn  gelangen  mi  wel- 
die  KöriJerclien  sitzen,  i^un  "war  das  nähere  Verhältniss 
"ler  Körperchen  zu  den  Arterien  zu  entdecken  Hierzu  wurden 
Injectionen  der  Arterien  gemacht,  welche  hier  sehr  schwie- 
sind.  Die  Injection  erscheint  hier  in  den  noch  mit  blossen 
^Ugen  sichtbaren  Axterienzweigen,  wenn  rothe  Masse  '"1’^^ 
Jvorden,  als  ein  rotlier  Faden,  der  von  einer  weissen  Scheide  der 
ateinen  Arterie  umgehen  ist,  die  zuweilen,  aber  selten,  hier  und 
Jta  ein  blassblulig  fleckiges  Ansehen  hat,  was  man  imdi  wolil 
*acr  und  da,  aber  ausnahmsweise,  an  den  weissen  Körperchen 
'“'cht.  Es  rührt  dann  vielleicht  von  der  anliegenden  rothen  pul- 

36  * 


554  II.  Buch.  Organ,  ehern.  Processe.  IV.  Abschnitt.  Verdauung, 

pösen  Sul)stanx  der  Milz  her.  Diese  weisse  Scheide  nmgiebt  die 
kleine  Arterie  nicht  ganz  gleichförmig  dick,  sondern  die  die  Ar- 
terie enthaltende  Scheide  ist,  wie  man  besonders  heim  Schweine 
deutlich  .sieht,  an  vielen  Stellen  und  ganze  Strecken  weit  etwas 
platt,  auch  scheint  hier  die  kleine  Arterie  an  der  einen  Seite 
der  abgeplatteten  Scheide  zuweilen  deutlicher  durch,  als  an  dei 
andern.  Bei  der  weitern  Verzweigung  verliert  sich  diese  über- 
haupt nur  stcllenweis  vorkommende  Abplattung.  Die  weisse 
Scheide,  welche  unmerklich  mit  den  Aesten  der  Milzarterie  be- 
ginnt, begleitet  die  Artcrienästchen  bis  zu  den  feinsten  Zweigea- 
Diese  Scheiden  haben  auch  das  Merkwürdige,  dass  sie  nicht  i** 
gleichem  Grade,  wie  die  in  ihnen  liegende  kleine  Arterie,  bei  d®*^ 
Verzweigung  feiner  werden;  sie  behalten  vielmehr  zuletzt  ein® 
gew'isse  Dicke  und  sind  dann  die  an  Dicke  von  4 bis  ^ Milliin®' 
ter  varilrenden  Fäden,  woran  die  Körperchen  von  bis  Milb' 
meter  fest  sitzen.  Die  Körperchen  sind  also  blosse  Auswücbs® 
der  weissen  Scheide  der  kleinen  Arterien.  Ich  muss  noch  bß' 
merken,  dass  die  fraglichen  Fäden,  woran  die  Körperchen  sitze”’ 
durchaus  von  dem  librösen  Balkengewche  verschieden  sind,  W®^' 
ches  von  der  fibrösen  äussern  Haut  der  Milz  ausgehend,  die  bhd' 
rotbe  pulpöse  Substanz  dcrseUicn  in  allen  Richtungen  durchzieh 
und  diese  zarte  Masse  trägt,  und  dass  die  weissen  Fäden  de” 
Körperchen  in  keinem  Zusammenhang  mit  dem  fibrösen  Balken- 
gewebe  stehen. 

Da  ich  einmal  gefiinden  hatte,  dass  die  weissen  Körperebe” 
blosse  Auswüchse  von  feinen  Fäden  sind,  welche  feine  Arterie” 
enthalten,  so  wünschte  ich  zu  wissen,  ob  die  feinen  Körperebe” 
mit  der  Höhle  der  Arterien  Zusammenhängen  oder  wenigsten* 
Zweigclcben  von  ihnen  erhalten.  Durch  feine  Injectionen  vo” 
Leim  und  Zinnober,  oder  von  Quecksilber,  das  ich  mit  der  Stahl' 
spritze  Injlcirte,  fand  ich  nun,  dass  die  injiclrten  Zweigelcbe” 
der  Arterie  selbst  theils  an  der  Seite  der  Körperchen  sich  foid' 
setzen,  ohne  diesen  ein  Acstclien  abzugeben,  theils  gerade  dur®‘ 
einen  Theil  des  Körperchens  oder  durch  das  ganze  Körperebe” 
hindurch  gehen,  wobei  ]'edesmal  in  dem  Röi-perchen  nichts  vo” 
den  Arterienziveigelchen  bleibt.  Diese  feinen  Arterienzweigelcbe” 
scheinen  sich  w'cniger  durch  die  Milte  der  Körperchen,  als  ”” 
ihren  AVänden  fortzusetzen  und  dann  die  Körperchen  zu  verla®' 
sen.  VAenn  öin  Arterienzweigelchen  in  dem  Körperchen  sich  >” 
mehrere  Aestchen  theilt,  was  niemals  auf  der  Oberfläche,  sonder” 
immer  in  der  Dicke  seiner  Wände  geschieht,  so  gehen  diese  doc 
wieder  daraus  hervor,  um  sich  auf  das  feinste  in  der  umgeb®”' 
den  rothen,  pulpösen  Substanz  der  Milz  zu  verbreiten:  in  die* 
rothe  Substanz  der  Milz  gehen  überhaupt  zuletzt  alle  feinste”? 
pinselförmig  verzweigten  Arterien  hin.  Aus  allem  diesen  ist  i” 
zur  Gewissheit  geworden,  dass  die  weissen  Körperchen,  als  bl”*  ^ 
Auswüchse  der  Scheiden,  der  feinem  Verzweigung  der  eigen 
chen  Arterien  ganz  fremd  bleiben.  „ 

Die  Körperchen  haben  einen  Inhalt.  Die  darin  enthalW^ 
flüssige,  weisse,  breiige  Materie  besteht  grösstentheils  aus  fast 
ter  gleich  grossen  Körperchen,  welche  ungefähr  so  gross 


7.  Function  der  Drüsen  ohne  AusfüJirungsgänge.  Milz.  555 

ßlutkörp ereilen,  aber  nicht  wie  Blutkörperchen  platt,  sondern  un- 
i'egelmässig  kugelförmig  sind.  Diese  Körperchen  sehen  '^“ter  dem 
Microscop  gerade  so  aus  und  sind  eben  so  gross  wie  die  Körn- 
chen, welche  die  rothe  Substanz  der  Milz  ausmachen. 

Die  rothe  pulpöse  Suhslanz  besteht  aus  lauter  rotlihraunen  Körn- 
chen so  gross  wie  Blulkörperchen,  von  diesen  aber  verschieden 
dadurch,  dass  sie  nicht  platt,  sondern  unregelmässig  kugelig  sind, 
ßiese  Körnchen  lassen  sich  sehr  leicht  von  einander  ahlösen. 

Iß  der  durch  ihre  Aggregation  gehildeten  piilpösen  blasse  der 
Milz  verbreiten  sich  die  büschelförmig  verästelten  leinsten  Arte- 
rien, bis  in  die  venösen,  vielfach  unter  einander  aiiastoniosirendeu 
Kanäle,  in  welche  von  da  das  Blut  gelangt,  ehe  es  von  jedem 
Theilc  der  Milz  in  das  Ycnensfämmchen  desselben  übergeht,  öie 
Bind  sehr  merkwürdig.  Diese  ziemlich  starken  anastomosirenden 
A-nfänge  der  Venen  scheinen  kaum  noch  eine  Wandung  zu  lia- 

Eelraclitet  inan  ein  Sliickclien  der  Pulpa  der  Miiz 
•BO  siebt  mau,  dass  diese  Pulpa  wie  durchlöchert  ist,  mul  dass 
sie  gleichsam  ein  Netz  von  rothen  Balken  bildet,  deren  Durch- 
ßiess'cr  stärker  ist,  als  die  zwischen  ihnen  sich  findenden  Zvvi- 
Bchenräume  und  Kanäle.  Diese  venösen  Kanäle  sind  es,  welche 
I>eim  Aufblasen  der  Milz  von  den  Venen  aus,  jener  Substanz  ein 
wolliges  Anselm  geben.  Iiijicirt  man  Waclismasse  durch  die  Vc- 
ßen  so  erhält  die  Milz  das  Anselm  der  Corpora  cavernosa  peius. 
Zellen  sind  hier  nicht  vorhanden.  Die  zarte,  rothe,  von  venösen 
Kanälen  unter  den  mannichfaltigstcn  B.iehtungcu  diirchschniUeue 
und  durchlöcherte  Substanz  der  Milz  ist  so  weich  und  zerslm- 
bar,  dass  die  einzelnen  Theile  dieser  S.il^tanz  einer  Suspc.is.ou 
Ijedürfen,  und  diese  wird  dadurch  aiisgefuhrt,  dass  d.e  weiche 
Substanz  von  dem  librösen  Balkengewcbe,  welches  von  «Jer  äus- 
seren Haut  der  Milz  ausgebt,  in  den  mannichfaltigsten  Richtuu- 
gen  durchsetzt  wird.  Die  weisseu  Körnchen  verhalten  sich  zu 
der  rothen  Sulistaiiz  so,  dass  sie  von  dir  umgeben  sind,  ««<1  mcht 
so,  wie  Malpighi  annahm,  m Zellen  1 e ’ 

SB'eisseW^ürzelchen  gehen  von  den  weissen  Körnchen  m «le  lothe 
Substanz  über,  und  entl.Mten  zumTheil  deutlich  Arterienzweigelehcn. 

2.  Function  der  , 

Das  Einzige,  was  man  von  der  Bedeutung  der  Milz  kennt, 
ist,  dass  sie  keine  grosse  Bedeutung  in  der  tluerischen  Oecono 
"de  hat,  indem  sie  nach  übereinstimmenden  Erlabrungeu  vieler 
Beobachter  ohne  irgend  eine  erhebliche  Folge  exst.rpirt  weiden 
I^ann.  Nach  dieser  Exstirpation  bat  Dupuytrex  bei  Hunden  gros- 
sere Gefrässigkeit  bemerkt,  Mayer  rJurur^.  Zeit.  ISI»-  -K 

189.)  Vergrösserung  der  Lymphdrusen , was  wenigstens 
"ieht  constant  ist.  Auch  die  von  Einigeu  behauptete  ver- 
mehrte Harnabsonderung  nach  Exstirpation  der  Milz  ist  «.ach 
T^.euEMA««  und  Gmee.x  keine  wesentliche  mul  constantc  ^r- 
«riieinung.  Eben  so  wenig  beobachteten  sic  Krsdieinungen  v 
midechter  Verdauung,  wie  Meaj.  und  Mayer;  sie  wenn 

^eine  Veränderung  ln  der  Cralle,  und  es  ist  also  wnll- 

Mebrere  diese  sehr  bitter  und  dunkelgef ärbt  gehinden  * 

^®U.  Siehe  Tiedemann  und  Gmelin  hber  die  H e c.  f . 


556  II.  Buch.  Organ,  rhiin.  Proresse.  IV.  Abschnitt.  Verdauung. 

Die  Widerlegung  der  Hypothesen  über  die  Function  wir*' 
uns  nicht  lange  heschäftigen,  da  sie  zum  Theil  auf  ganz  unrich' 
tigen  Voraussetzungen  beruhen,  die  anderen  sich  aber  weder  be- 
weisen noch  widerlegen  lassen.  . , 

Widerlegen  lassen  sich  alle  Hypothesen , welche  die  Milz  a s 
in  einem  wesentliehen  Verhältniss  zur  Lcher  stehend  betrachten. 
Doellinger  betrachtet  die  Milz  als  das  Product  einer  symmetrischen 
Bildung,  die  Milz  sey  gleichsam  die  unausgcbildete  rechte  Lebei. 
Diess  ist  unrichtig,  weil  die  Leber  anfangs  ganz  symmetrisch 
und  in  gar  keiner  Beziehung  zur  Milz  steht,  und  weil  die  Mn 
selbst  sj'mmetrisch  ist,  indem  sie  in  der  Gefassschicht  der 
krösblätter,  nämlich  im  Magengekröse,  sich  bildet,  wie  früher  bC' 
merkt  wurde.  Auch  auf  den  Umstand,  dass  die  Milzvene  zuf 
Pfortader  geht,  und  auf  die  Hypothese,  dass  die  Milz  das  Bb> 
zur  Gallcnabsonderung  vorbereite,  ist  kein  Werth  zu  legen;  den” 
die  Beziehung  zur  Pfortader  hat  sie  mit  dem  ganzen  chylopoeti' 
sehen  System  und  bei  den  niedern  Wirbelthieren  sogar  mit  de” 
unteren  Extremitäten,  bei  den  Fischen  mit  den  Genitalien  un 
der  Schwimmblase  gemein.  Vergl.  oben  p.  161.  Einige  spreche” 
ohne  allen  Beweis  von  Desoxydation  des  Blutes  in  der  Milz.  A”' 
dere  lassen  durch  die  Milz  die  AJ)sonderung  des  Magensaftes  g®' 
fördert  werden,  weil  sie  bei  angefülltem  Magen  weniger  Bl” 
aufnehme  (?),  wieder  Andere,  wie  Lieutaud,  Morescht,  sehen  d*® 
Milz  als  einen  Blutbehälter  für  den  Magen  an,  indem  entwed®* 
durch  den  Druck  des  angefüllten  Magens  weniger  Blut  der  M” 
aus  der  Arterie  zufliessen  soll,  was  für  die  Thlere  nicht  pass  i 
wo  die  Milz  nicht  am  Magen  liegt , oder  indem  der  vef' 
dauende  Magen  mehr  Blut  anziehe.  Aehnllch  ist  die  Hypothes*' 
von  DonsoN  {Land.  med.  phys.  Joum.  Oct.  1820.  Froriep’s  ' 
615.).  Nach  ihm  soll  die  Milz  zur  Zeit,  xvo  der  Proeess  der  Bildu”!’ 
des  Chymus  zu  Ende  ist  anschwcllen,  nämlich  5 Stunden  nach  d®J 
Mahlzeit  habe  die  Milz  das  Maximum  iljres  Volumens  erreich  ’ 
12  Stunden  nach  dem  Füttern  sey  die  Milz  klein  und  enthalt® 
wenig  Blut.  Da  nun  nach  einer  Mahlzeit  eine  grössere  Quant*' 
tat  Blut  Im  Organismus  sich  befinde  als  zu  irgend  einer  ander” 
Zeit,  und  da  die  Blutgefässe  diese  Vermehrung  ohne  Nachtb®* 
nicht  aufnehmen  können,  so  sey  die  Milz  ein  Behälter  für 
Ueberschuss.  Nachdem  aber  die  Absonderung  dieses  Maxim”  ^ 
der  Blutmasse  wieder  vermindert  habe,  nehme  auch  das 
men  der  Milz  wieder  ab.  Die  Priünlssen  scheinen  mir  n*® 
erwiesen. 

Dobson  will  ferner  die  Versuche  von  MAOExriE  bestätigt 
ben,  nach  welchen  das  Volumen  der  Milz  durch  Iiijcction 
Flüssigkeiten  in  die  Venen  vermehrt  werden  soll.  Die  Anna 


men  von  Defermon  (Noui).  bihliolh.  med.  Mars  1824.  Froriep's 


jsot- 


148.),  dass  das  Volumen  bei  dem  Genüsse  verschiedener  , 
sich  verändere,  sich  unter  dem  Einfluss  des  Strychnins,  Kainpb®  ’ 
essigsauren  Morphiums  vermindere,  scheinen  mir  eben  so  ^ 
erwiesen.  Home  glaubte  einst  aus  der  unerwiesenen  pijig, 

dass  die  Milz  nach  Genuss  von  Getränken  anschwelle , die  b 
sigkeiten  sollten  auf  unbekannten  Wegen  aus  dem  Magen  zur  a 


7.  Function  der  Drüsen  ohne  Ausjükrunßsgät^e.  Milz. 


557 


und  von  da  zur  Harnblase  gebracht  werden,  was  er  später  zu- 
•’uckgenommen.  P/iilos,  transact.  1811. 

Die  Function  der  Milz  beruht  vvabrscbclnlich  entweder  in 
einer  unhekannten  Veränderung  des  durch  ilir  Gewebe  durch- 
gehenden Blutes,  wodurch  sie  ziu-  Blutbildung  beiträgt,  oder  sic 
Sondert  eine  eigenthümlicbe  Lyinpbe  ab,  welche  zur  Cbylifica- 
tion  beiträgt,  indem  die  Lymphe  zur  iiiirigcn  Lymphe  ergossen 
'^ird.  Nur  die  Venen  oder  die  Lymphgefässe  können  die  durch 
Jic  Milz  veränderte  thierische  Materie  auslübren;  Letzteres  ist 
die  Hypothese  von  Tiedemann.  Welche  von  beiden  Ansichten 
•'ichtig,  ist  unbekannt,  und  worin  jene  Veränderung  der  thieri- 
schen  Materie  besteht,  noch  weniger  bekannt. 

Das  Blut  der  Milzvene  ist  von  anderem  Vencnblute  inelit 
verschieden,  wenn  diess  gleich  von  Autenrieth  [Phrsiul. 
behauptet  ivorden.  TtEDEMANfi  und  Gmelin  sahcji  es  wie  anderes 
Illut  gerinnen.  Ver.mche  über  die  Wege  etc.  p.  70.  ■ r 

Hewson  hatte  die  Ansicht  aufgestellt,  dass  die  Mdz,  wie  die 
l>'mphatlscben  Drüsen  und  die  Thymusdrüse,  bestimmt  soy,  aus 
dem  arteriellen  Blute  einen  Saft  abzusoiidern,  welcher,  der  Lym- 
phe beigemischt,  die  Blutkörperchen  ausbilde.  Hewso?i  opm  posth. 
*'oe  rubrannn  sanguinis  partiridarum  thymi  et  licnts  descriptw.  178o. 
Jhess  kann  wohl  nicht  richtig  seyn,  da  die  Blutkörperchen  sich 
Chen  so  gut  nach  Exstirpation  der  Milz  ausbilden.  Hewson,  Tie- 
»emaen  und  Form  ASS  sahen  die  Milzlymphe  rölhlich;  diess  ist 
iodess  keine  constante  Erscheinung.  Seiler  sab  vwhl  einige  mit 
»■öthlicher  Lymphe  gefüllte  Lvmpbgefässe  auf  der  Obernaclie  der 
Milz  von  Pferden,  und  ich  sab  wiederholt  einige  wenige  der  vie- 
len grossen  Lvinphgefässe  auf  der  Oberlläche  der  Milz  des  Och- 
sen eine  blassrothe  Flüssigkeit  führen,  diess  scheint  jedoch  nur 
Von  etwas  aufgelöstem  Färbestoff  des  Blutes  herzurühren.  Aus- 
serdem sah  Seiler  jene  Färbung  bei  den  meisten  Pferden  nicht, 
ünd  bei  den  Eseln,  Rindern  (?),  Schafen,  Schweinen  und  Hunden 
niemals.  Anatom,  physiol.  Real-  Wörterbuch.  5.  330.  Vergl.  Jaek- 
■Vel,  Meckel’s  Areiüv.  6.  581.  Mehrercs  über  die  älteren  An- 
sichten siehe  bei  Seiler  a.  a.  O.  und  Heusisger  Ueber  den  Rau 
'»nd  die  Verricläur^  der  Milz.  ThionoiUe,  1817.  Mayer  behauptet 
l^eobachtet  zu  hahen,  dass  die  Milz  sich  bei  wiederkäuenden 
Thieren  nach  der  Exstirpation  wiedererzeuge,  indem  sich  nämlich 
»n  der  Stelle  der  Exstirpation  ein  Körper  von  der  Grosse  einer 
Lymphdrüse  nach  einigen  Jahren  wiederfmde;  diess  wäre  cm  sehr 
‘nteressantes  Factum,  wenn  es  sich  strict  beweisen  liesse;  diess 
‘st  aber  kaum  möglich,  da  die  Thiere  zuweilen  kleine  Neben- 
?nilzen  besitzen,  auch  ein  Rest  der  Drüse  zuruckgehlieben  seyn 
l^onnte.  Zum  Beweis,  dass  etwas  Milzsidistanz  sey,  gehört  die 
Darlegung  der  oben  beschriebenen  Bündelchen  von  weissen  Ror- 
herchen,  die  in  der  Milz  mehrerer  Wiederkäuer  vorhanden,  und 
leicht  präparirt  werden  können. 

B.  Von  den  Nebennieren. 

1.  Bau  der  Nebennieren  {nach  eigenen  Untersuchungen), 


558  II.  Buch,  ürgau.  ehern.  Prucesse.  IV.  Abschnitt.  Verdauung. 

Die  Nebennieren  kommen  bei  dem  Menseben,  den  Säugetbiereii, 
Vögeln  und  unter  den  beschuppten  Amphibien  wenigstens  bei  den 
Schlangen  vor,  wo  sie  Retzius  beschrieben  bat.  Bei  den  nackten 
Amphibien  und  bei  den  Fischen  fehlen  sie,  bei  einigen  der  nackten 
Amphibien,  nämlich  Fröschen,  Salamandern  und  dem  Axolotl» 
scheinen  sie  durch  gefranzte  Fettkörpereben,  die  am  oberen  Endo 
der  Nieren  ansitzen,  ersetzt.  Die  Nebennieren  bestehen  aus  ei' 
ner  gelben  Rindensubstanz , die  aus  senkrechten  Fasern  besteht, 
und  aus  einer  dunklen  schwammigen  Marksubstanz.  Wenn  sich 
eine  Art  Höhle  im  Innern  der  Nebenniere  vorfindet,  so  ist  dies* 
immer  die  Nebenniercuvene.  In  der  Rindensubstanz  baJjen  die 
kleinsten  Arterien  und  Venen  eine  ganz  eigentbümlicbe  Disposi' 
tion.  Sie  haben  nämlich  die  Form  gerader,  paralleler,  gleidi 
dicker,  sehr  enger  Röhrchen,  welche  alle  den  nämlichen  Durch' 
messer  haben,  und  in  der  schönsten  Regelmässigkeit  dicht  nebeo 
einander  von  der  Oberfläche  senkrecht  nach  innen  gehen,  und 
fast  so  eng  wie  die  gewöhtdichen  Capillargefässnetze  sind.  So 
bei  Injection  der  Arterie,  als  der  Venen,  erhält  man  dieselbe^ 
senkrechten  Gefässe  mit  sehr  länglichen  Alaschen  injicirt.  Ao 
der  äussern  Oberfläche  der  Nebennieren  liegt  ein  gewöhnliche* 
CapIIlargefässuetz,  dessen  Röhrchen  kaum  merklich  enger  sl»*^^ 
als  die  der  Corticalsuhstanz.  Alle  senkrechten  VenenzweigelcheO 
ergiessen  sich  in  das  Venengewehe  der  Marksuhstanz.  Die  Me- 
dullarsubstanz  der  Nebennieren  ist  sehr  sclnvammig  und  hcsteld 
grösstenthcils  aus  einem  Venengewebe,  welches  in  die  Zweige  det 
Vena  suprarenalis  übergeht,  die  im  Innern  des  Organes  ziemlich 
weit  ist.  Durch  die  Vena  suprarenalis  kann  man  daher  jO' 
nes  ganze  schwammige  Gewebe  aufhlasen.  Dieser  Bau , deO 
man  diu-ch  feine  Injectionen  sehr  gut  darstellen  kann,  ist  heil” 
Ochsen,  Kalb,  Schaf,  Schwein  [derselbe  w'Ie  heim  Menschen, 
indem  die  Nebennieren  sich  nur  durch  die  äussere  Form  und 
Oberfläche  unterscheiden.  Oh  das  Blut  während  des  Durch' 
gangs  durch  das  von  mir  beschriebene  Gefässgewehe  der  Rind® 
eine  eigenthümliche  Veränderung  erleidet,  und  als  veränderte* 
Blut  durch  die  Vena  suprarenalis  zum  übrigen  Venenhlut  8®' 
langt?  Die  Vena  suprarenalis  müsste  man  heim  lebenden  Thier® 
unterbinden,  was  auf  der  linken  Seite  angeht,  und  die  Feuch' 
tigkeit  im  Innern  der  Vene  und  Nebenniere  untersucheU- 
Dass  die  Nebennieren  bei  den  kopflosen  Missgeburten  vor' 
zugsweise  vor  anderen  Organen  fehlen  sollen,  ist  wohl  nieh*' 
begründet. 

2.  Function  unbekannt.  , 

Beim  Embryo  des  Menschen  sind  sie  nach  Meckel’s  uu® 
meinen  Untersuchungen  anfangs  grösser  als  die  Nieren,  und  h®' 
deken  selbst  die  Nieren,  wie  z.  B.  hei  einem  1 Zoll  langen  EmbryO' 
Erst  hei  10  12  Wochen  alten  Embryonen  sind  die  Nieren  deO 

Nebennieren  an  Grösse  gleich;  dagegen  sind  nach  meinen  Beoh' 
achtungen  die  Nebennieren  der  Säugethierembryonen  zu  keiner 
Zeit  grösser  als  die  Nieren.  Mit  den  Harnwerkzeugen  stebee 
diese  Organe  wohl  in  keiner  Beziehung.  Bei  der  Lageveränd® 
rung  der  linken  Niere  auf  die  rechte  Seite  sah  ich  die  Neben' 


7.  Function  der  Drüsen  ohne  Ausführuugsgänge.  Thyriiüsdrüsc.  559 

j'iere  an  der  gewöhnliclieii  Stelle;  eben  so  bei  der  Atrophie  der 
*riken  Niere  unverändert. 

C.  Von  der  Scliilddröse. 

1.  Bau  der  Schilddrüse,  • 

In  der  Schilddrüse  scheinen  sehr  kleine  Zellen  enthalten  zu 
deren  Zusammenhang  gleich  wie  der  eigentliche  Bau  der 
Schilddrüse  unbekannt  ist.  Im  Kropf  schwellen  diese  Zellen  an 
enthalten  eine,  albuminöse  Materie. 

2.  Function  der  Schilddrüse  unbekannt. 


D.  Von  der  T liymusdrüsc. 

1,  Bau  der  Thymusdrllse  (nach  Astley  Cooper  the  anaiomy 
A ihe  Thymus  gland,  Lund,  1832.) 

Die  Thymtisclriise  ist  verhältnissmässic;  Leim  Fötus  am  gröss- 
nach  der  Gehurt  wächst  sie  noch  und  bleibt  gross  irn  ersten 
hernach  vermindert  sie  sich  allmäh lig,  bis  sie  zur  Zeit 
pc  Pubertät  ganz  geschwunden  ist.  Die  Thymus  des  Kalbes 
jcsteht  aus  grösseren  und  kleineren  Lappen.  Jeder  Lappen  wird 
'^'•cch  zahlreiche  absondernde  Zellen  und  durch  grössere  Höhlen 
Behälter  gebildet.  Beim  Menschen  sind  die  grössten  Lo- 
nicht  grösser  als  eine  Erbse.  Bei  genauerer  Untersuchung 
*’cht  man  nach  Cooper,  dass  die  Lobuli,  wenn  sie  aus  einandei'  ent- 
^^ckelt  w'erden , zu  Kränzen  vereinigt  sind,  die  wie  Halsbänder 
grössere  und  kleinere  Perlen  erschienen.  Um  die  innei’e 
M^Cuctur  zu  beobachten,  muss  man  eine  leichte,  obei’flächliche 
^•^hicht  von  einem  oder  von  mehreren  Lappen  zugleich  weg- 
t.®linien , man  sieht  dann  eine  Menge  kleiner  Höhlen , diese 
jClilen  enthalten  zum  Tlieil  eine  reichliche  weisse  Flüssigkeit 
_ c Drüse.  Ans  diesen  Höhlen  gelangt  die  Flüssigkeit  in  einen 
|j®*>ieinsamen  Behälter,  und  der  letztere  bildet  einen  gemeinsa- 
Und  verbindenden  Raum  zwischen  den  verschiedenen  Lap- 
Und  ist  von  einer  zarten  Haut  ausgckleidet.  Auf  der  innerii 
. ^che  des  Behälters  bemci'kt  man  kleine  Oeffnungen,  welche  in 
Zellenförmige  Erweiterungen  führen,  und  diii’ch  diese  Erweite- 
p.7‘"Sen  führen  die  Höhlen  der  Lappen  zum  gemeinsamen  Be- 
/“uer.  Diese  Oeflimngen  sind  jedoch  nicht  so  zahlreich  als  die 
^'•Ppen,  weil  jede  Tasche  mit  mehr  als  einem  Lappen  zusam- 
^j!^»kängt.  Das  Wesentliche  des  Baues  besteht  also  darin,  dass 
kleinen  Zellen  oder  Höhlen  in  der  Sulistanz  der  Läppchen 
jj  ®tzt  zu  einer  taschenförniigeu  Erweiterung  an  der  Basis  jedes 
J^'tptlappens  führen,  und  dass  diese  taschenförmige  Erweite- 
durch  eine  kleine  OefFnung  wieder  mit  dem  gemeinsamen 
,,®ualler  In  Verbindung  steht.  Nach  Cooper  sitzt  beim  Kall>s- 


der 


äiit  jedem  Horn  der  Thymus  ein  grosser  Lymphgang, 

V,  ,®kier  Injection  leicht  angefüllt  werden  kann,  und  an  der 
indungsstelle 


(le^  endigt.  Indessen  ist  die  Verbindung  der  Lymphgefässe  mit 
**  Höhlungen  der  Drüse  nicht  erwiesen.  Die  Flüssigkeit  der 


der  beiden  Jugularveuen  in  die  Vena  cava  super. 


560  II,  Buch.  Organ,  ehern.  Processe.  IV.Ahschnüt.  Verdauung.  ^ 

Thymus  ist  weisslich  und  enthält  weisse  microscopische  Parlikeh'j 
gerinnt  von  Alcohol,  Mineralsäuren  und  Hitze.  Liquor  hali  caU' 
stiei  verwandelt  sie  in  einen  fadenziehendeji  StolL  100  The',' 
enthalten  16  festen  Stoff.  Die  Analyse  auf  die  näheren  ihiei'' 
sehen  Eestandtheile  ist  zu  unvollkommen,  als  dass  sie  hier  ang®' 
führt  werden  dürfte.  Die  Salze  sind  salzsaures  und  phospho'" 
saures  Kali  und  ])hos|)horsaures  Natron;  eine  Spur  von  PhoS' 
phorsäurc.  Faserstoff'  scheint  dieser  Saft  nicht  zu  enthalten, 
dadurch  unterscheidet  er  sich  von  der  Lymphe  und  dem  Chyhi  ■ 

2.  Function.  , j 

Nach  Cooper’s  anatomischen  Resultaten  zu  schliessen, 
aus  der  Thymus  ein  cigcnthi'imlicher  eiweissreicher  Stoff  durch 
Lymphgcfässc  in  die  Venen  ausgeführt;  über  die  Art,  wie 
Organ  zur  Bluthildung  des  Fötus  und  Rindes  beiträgt,  sehe'** 
es  ganz  unfruchthar,  Hypothesen  aufzustellen.  ( 

Tyson  {Land,  med,  .iurg..Touriial.  Jan.  1833.  Faoair.p’s  Ao/. 
stellt  die  Hypothese  auf,  dass  die  Thymus  heim  Fötus  das  u'*^^  | 

von  den  Lungen  ahlcite,  welches  nach  der  Gehurt  den  D*i".Sjg 
zugewendet  werde.  Dicss  ist  offenbar  eine  Verirrung,  wie  , 

Hypothese,  welche  die  Function  der  Thymus  als  eines  Theils  ^ | 

Fötus,  und  nicht  als  eines  Theils  auch  des  kindlichen  Aff*''  ; 
betrachtet. 


VIII.  Capitel.  Von  der  Ausscheidung  der  zersetzten  Stoff" 

Das  Lehen  ist  mit  einer  Ijcständigen  Zersetzung  der  org<‘"'^j 
sehen  Materie  verbunden,  deren  Ursachen  in  dem  allgemoh’"^, 
Theil  dieses  Handbuchs  p.  34.  und  .346.  untersucht  woi'den. 
Aeusserung  des  Lebens  ist  die  Einwirkung  äusserer  Reize 
wendig.  Diese  reizen  mit  Veränderung  der  materiellen  Zusa 
mcnsetznng,  und  es  entstehen  bei  der  Erzeugung  edlerer 
l)lndungen  nothwendig  immer  Ausscheidungen  von  unhrauchhi" 
Bestandtheilcn  der  zersetzten  Verbindungen.  Aljer  auch  die  H 
Wandlung  der  Nahrungsstoffe  in  Blut  macht  die  beständige 


Scheidung  von  unbrauchbaren  Bestandtheilcn  nothwendig. 


pi" 


Apparate,  Yvodureh  diese  Zersctzungsproductc  nicht  gebildet, 
dem  nur  nusgeschieden  Yverden,  sind  die  äussere  Haut  und 
Nieren.  Die  Natur  dieser  Ausscheidungen  soll  hier  untcrsi|^^^ 
werden.  Die  organischen  Bedingungen  aller  Secretionen  und  - 
cretionen  sind  in  dem  Abschnitt  von  der  Absonderung  p- 
zergliedert  Yvorden. 

JouN  Dalton  [Edinlmrgh  netv  philosophiral  Journal.  Nou.  1 
Januar  1833.)  stellte  an  sich  selbst  eine  Reihe  Y'on 
menten  über  die  Quantität  der  von  einer  gesunden  Person 
nommenen  Nahrungsmittel  in  Vergleich  mit  den  verschieß 
Exeretionen  an.  Die  erste  Reihe  derselben  dauerte  H 
wobei  im  Durchschnitt  täglich  9 t Unzen  oder  beinahe  ® ^ 
avoir  du  pois  an  festen  und  flüssigen  Stoffen  verzehrt  Yvur 
Der  Totalbetrag  des  in  14  Tagen  aus'geleerten  Harns  betrug 
Unzen,  der  der  Faeces  68  Unzen.  Auf  den  Tag  kamen  im  Du 


561 


8.  Ausscheidung  der  zersetzten  Stoffe. 

'’chnitt  Unzen  Harn  und  5 Unzen  Faeces,  zusammen  53^  Unzen. 

nun  täglicli  91  Unzen  verzeln-t  Avurden,  so  musste  bei  gleicb- 
'*leibendem  Gewicbt  des  Körpers  die  Ausdünstung  der  Haut  und 
düngen  31-^  Unzen  betragen.  Diese  erste  Reihe  der  Versuche 
l'är  im  Marz  angestcUt;  die  zweite  fiel  in  den  Juni,  die  dritte 
den  September.  Im  Sommer  wurden  4 Unzen  an  festen  Stof- 
weniger,  dagegen  3 Unzen  an  flüssigen  Stollen  mehr  aus- 
Seleert.  Durch  die  Ausdünstung  gingen  44  Unzen,  oder  6 Unzen, 
j?ebr  als  im  Frühling,  fort ; im  Herbst  wurde  die  Hallte  der  täg^ 
*‘^hen  Consumtion  durch  die  Ausdünstung  ausgeschieden.  ^ Dal- 
])erechnet,  dass  er  täglich  chva  il^  Unze  Kohlenstoff  in  den 
^^hrungsmitteln  zu  sich  nahm.  Das  Carbon  von  dem  Urin  rech- 
er  l^Proc.;  diess  giebt  auf  48i‘- Unzen  Urin  täglich  0,5  bis 
5)ß  Unzen  Kohlenstoff.  Hundert  Theile  Faeces  halien  | Wasser, 

I Cr  Rest  enthält  nicht  mehr  als  10  Theile  Kohlenstoff.  Diess 
^cträgt  in  5 Unzen  Faeces  Unze  Carbon,  also  werden  lOj  Unzen 
^ählenstoft’  durch  die  Perspiration  fortgeschafft.  Nach  früheren 
^ätersuchungen  ( Manchester  memoirs.  Nav  series.  Vol.  2.  p.  27 . ) 
!jf!ichte  Dalton  durch  das  Athmen  in  24  Stunden  2,8  Pfiind 
Jcoy  Kohlensäuregas  hervor.  Diess  betragt  gegen  0,78  Pfund 
fcoy  Kohlenstoff  oder  0,642  Pfund  avoir  du  pois  oder  10>- 
Päzen  avoir  du  i>ois.  Die  wässrige  Perspiration  der  Lungen 
beträgt  höchstens  1,55  Pfund  Troy  = 1,275  Pfund  avoir  du  pois 
^ 20-2*  Unzen  avoir  du  pois.  Fügt  man  dazu  10}  Unzen  Koh- 
Sstofl',  so  hat  man  30}  Unzen  fiir  das  in  einem  Tage  aus  den 
jängen  ausgeathmete  Wasser  nebst  Kohlenstoff,  und  zieht  man 
'ücse  von  37}  ab,  so  lileiben  für  die  unmerkliche  Ausdünstung 
■''“s  der  Haut  6}  Unzen  täglich,  welche  aus  circa  6}  Unzen  Was- 
und  -}Unze  Kohlenstoff  (?)  bestehen  werden.  Daher  würde 
clurdi  das  Athemholcn  fünfmal  mehr  Substanz  als  durch  die 
*i'*äze  Körperoberf lache  verlieren. 

Tn  den  6 Pfund  Nahrungsstoffen , die  man  täglich  zu  sich 
''^tat,  rechnet  Dalton  gegen  1 Pfund  Kohlenstoff  und  Stickstoff 
*ßsainmengenommcn ; das  Üebrige  ist  grösstenthcils  Wasser. 

Die  Ausscheidung,  fremdartiger,  in  den  Kreislauf  aufgenomme- 
Stolle  geschieht  nicht  durch  alle  Oberflächen  zu  gleicher 
?c>t  und  gleich  stark.  Es  zeigt  sich  vielmehr,  dass  eins  oder 
' ‘'s  andere  der  Ausscheidangsorganc  eine  grössere  Anziehung  ge- 
gewisse  fremdartige  Stoffe  äussert,  und  dieselben  leichtei 
'"'»sscheidet  als  andere.  So  hat  Magendie  {buUeiin  de  la  socicte 
1811.)  gezeigt,  dass  Alcohol,  Kampher  durch  die  Lun- 
aus  dem  Ihierischen  Körper  ausgeschieden  weiden.  Dagegen 
'IC^i’den  salinische  Stoffe  und  manche  Färbestolfe  leichter  durch 
l'e  Harnabsonderung,  verändert  oder  unverändert,  ausgestossen. 
'f  Allgemeinen  kann  man  sagen,  dass  diejenigen  Stoffe,  weiche 
.'•^'ch  ein  Ausscheidungsorgan  in  der  Regel  ausgesebieden 

auch  leicht  Reize  senicr  Thätigkeit  seyn  können,  und  es 
sich  aus  dieser  Bemerkung  die  harntreiliende  Wirkung  der 
.•^ätralsalze  aus  dem  Umstande  herleiten,  dass  diese  Salze  eben 
'üch  die  Nieren  meist  unverändert  wieder  ausgeschieden  werden. 
Woehler  (Tiedemamn’s  Zeitschrift.  I.  Bd.)  hat  ausgedehnte 


562  II.  Buch.  Organ,  ehern.  Processe.  IV.  Abschnitt.  Verdauung. 

Untersuchungen  über  den  Uebergang  fremdartiger,  in  den  Oi- 
ganismus  aufgenommener  Stoffe  in  den  Harn  augestellt,  welc 
im  Artikel  \on  dem  Harn  ausfübrlicber  mitgetbeilt  werden. 


I.  Hautausdunstung  und  Schweiss. 

Die  äussere  Haut  ist  der  Sitz  einer  zweifachen  Absonderung^ 
TOn  Fettabsonderung  und  von  Ausdünstung  ; erstere  findet  in  uco 
FollIcuHs  sebaceis  der  Haut  statt,  sie  ist  hoch  nicht  untcrsucu  ' 
Beim  Fötus  bildet  sie  einen  salbenartigeh  Ueberzug  der  Han,' 
Vernix  caseosa,  und  besteht  nach  Frommherz  und  Gugert  uns 
nem  innigeii  Gcmeng  von  einem  dem  Gallenfett  äbnlicben  r® 
und  Eiweiss,  welches  letztere  indess  vom  Liquor  atunii  berrn*' 
ren  kann.  . j 

Die  Quellen  der  wässrigen,  dunstförmigen  Absonderung  ^ 
die  Haut  und  die  Lungen.  Bei  stärkerer  Bewegung  und 
serer  äusserer  Wärme,  und  in  verschiedenen  Krankheiten, 
wenn  die  Ausdünstung  durch  Wacbstalfet  oder  Pflaster  verb'n 
dert  wird,  sammelt  sich  das  Ausgesebiedene  in  Tropfen,  ‘ 
Schweiss.  Die  Quellen  des  Sebweisses  sind  die  über  die  guu 
Haut  zerstreuten,  kleinen,  spiralförmigen  Bälge,  die  Sebweissk' 
näleben,  wclclic  Purkixjb  entdeckt  liat.  Siebe  oben  p.  417. 

Nach  Sanctorius  mühevollen  Untersuchungen,  wodurch 
durch  sinnreiche  Versuche  auf  der  Wage  die  Menge  der 
dünstenden  Materien  zu  bestimmen  sucht,  haben  in  neuerer 
besonders  Lavoisieh  und  SEGUiif  genauere  Untersuchungen  üh 
diesen.' Gegenstan  d angestellt.  Mein,  de  l’aead.  des  sc.  1790. 
de  chim.  T.  90.  Meckec’s  yirchb.  .3.  599.  Hiernach  ist  der 
lust  einer  Person  dui’ch  Haut-  und  Lungenausdünstung  in  ei^ 
Minute  17  — 18  Gr.  im  Durchschnitt,  11  Gr.  im  Minimum,  32 
im  Maximum  hei  ruhendem  Zustand.  Um  die  Wirkung  der  H‘**'^j.g 
und  Lungeuausdünstuug  abgesondert  kennen  zu  lernen,  hediß''  .^ 
sich  Seguist  eines  mit  elastischem  Harz  überzogenen  Taffetklc" 
das  keine  Luft  durch!  iess,  oben  offen  rvar,  und  für  den 
eine  von  Kupfer  umgebene  Mündung  hatte.  Dieses  Kleid 
nachdem  es  von  lSeguin  angezogen  worden,  oben  durch  ein  * , 

kes  Band  A'erschlossen , dann  die  Kupfermündung  um  den  ^ .jn 
geklebt  und  befestigt.  So  setzte  sich  Seguik  auf  die  Wage,  a'"'” 
gervosien,  lilieh  mehrere  Stunden  ruhig  und  wurde  wieder  g*^'' 

gab  de' 


gen.  Der  Unterschied  zwischen  beiden 


Wägungen 


i-O' 

ii' 


dieser  Zeit  durch  die  Lungenausdünstung  erlittenen  Verlust.  Hi®  | 

__/•  !•  T_  n 1* 1.  l-*  1.  .1 U*’  1 


auf  verliess  er  die  Hülle,  liess  sich  sogleich  wieder  wägen, 
nach  einer  bestimmten  Zeit  von  neuem  AVägen.  Der  Untci'S® 
der  letzten  Wägungen  gab  den  durch  Lungenausdünstung 
Hautausdünstung  zugleich  erlittenen  Verlust.  Die  Stditr 


Seti®" 


gab 


da-' 

7ß 


der  Lungenausdünstung  von  der  gesummten  Ausdünstung  g' 
Quantum  der  Haulausdünstuug.  Die  Resultate  dieser  lange 
mit  grosser  Genauigkeit  fortgesetzten  Versuche  ergaben: 

1)  W'ie  verschieden  auch  die  Menge  der  genossenen 
seyn  mag,  in  24  Stunden  kommt  ein  Mensch  im  ndiigen  Zus 
ohngefähr  auf  dasselbe  Gewicht  zurück,  so  dass  2)  wenn  <' 


8.  Ausscheidung  der  zersetzten  Stoffe.  Hautausdünstung,  563 

sonst  gleichen  Umstanden  die  Menge  der  Speisen  variirt,  oder  bei 
gleicher  Speisenmenge  die  der  Ausdünstung  abweicht,  so  wird 
die  Menge  der  Excremente  so  vermehrt  oder  vermindert,  dass 
doch  um  dieselbe  Zeit  dasselbe  Gewicht  wieder  eingetreten  ist, 
also  bei  gesunder  Verdauung  die  verschiedenen  Functionen  sich  un- 
terstützen und  vertreten.  3)  Bei  schlechter  Verdauung  wird  die 
Ausdünstung  vermindert.  4)  Bei  guter  Verdauung  hat  die  Menge 
der  Speisen  keinen  grossen  Einfluss  auf  die  Ausdünstung.  5)  Un- 
®iittelbar  nach  dem  Essen  wurde  am  wenigsten  ausgedünstet. 
®)  Aber  der  dmch  die  Ausdünstung  venirsachtc  Gewichtsverlust 
’W'ar  während  der  Verdauung  am  grössten.  7)  Der  grösste  Ge- 
■»fichtsverlust  durcli  Ausdünstung  ist  in  24  Stunden  5 Pfund,  der 
geringste  1 Pfund  11  Unzen  4 Drachmen.  8)  Die  Hautausdünstimg 
oängt  theils  von  der  Beschaffenheit  der  Luft,  theils  des  Rör- 
,hers  ab.  9)  Das  Mittel  des  Gewichtsverlustes  durch  Ausdünstung 
ist  18  Gr.  in  der  Minute,  wovon  11  auf  die  Hautausdünstung, 
auf  die  Lungenausdüustung  kommen. 

Die  Ausdünstungsrnateric  enthält  verdunstbare  Theile,  wie 
S-ohlensäure , Wasser  und  andere  Theile,  die  sich  auf  der  Haut 
ahsetzen  und  mit  der  Hautsalhe  den  Schmutz  bilden.  Nach 
'I'benjird  enthält  die  Haulausdünstungsflüssigkeit,  welche  er  in 
ainem  vorher  mit  destillirtern  Wasser  ausgewaschenen,  flanell- 
aeti  Hemde  sammelte,  Kochsalz,  Essigsäure,  etwas  phosphorsau- 
*’os  Natron,  Spuren  von  phosporsaurem  Kalk  und  Eisenoxyd 
aehst  einer  thierischen  Materie.  Schweiss,  der  in  Tropfen  von 
^6r  Stirn  gelaufen  war,  enthielt  Milchsäure  und  im  Alcohol  lös- 
Üchen  Stoff  (Osmazora)  und  eine  kleine  Menge  im  Alcohol  un- 
iöslichen  Stoff,  sehr  viel  Kochsalz,  Chlorammonium.  _ äbselmiho 
*ainmelte  die  flüssige  Ausdünstungsmaterie  seines  in  einen  Glass- 
aylinder  eingepassten  Arms,  indem  er  die  Oeffiiung  um  den 
Arm  mit  Wachstaffet  zuhand , während  der  Arm  nirgends 
1 ^as  Glas  berührte.  Der  Dunst  sammelte  sich  auf  den  Wänden 
^es  Glases  und  wurde  ti'opfhar;  die  Flüssigkeit  enthielt  essigsau- 
Ammoniak  und  Kohlensäure.  Kohlensäureaushauchung  hat- 
Ißn  früher  auch  Abernetiiy  und  Mackenzie  beobachtet,  während 
in  den  Versuchen  von  Priestley,  Fouhcroy  , Klapp, 
Shdon  nicht  statt  fand  (Meckel’s  ArcMo.  3.  608.).  Collard  de 
■^^Rtigny  (Magendie’s  Journal.  10.  162.)  hat  gefunden,  dass  die 
der  Haut  ausgehauchte  Luft  Kohlensäure  und  Stickgas  in 
«elir  variablem  Verhältniss  enthält.  Diese  Ausbauchung  ist  nicht 
{geständig  vorhanden,  sie  ist  coplös  nach  Anstrengungen  und  dem 
5*®en.  Zuweilen  war  das  Gas  bloss  Stickgas,  was  mit  den 
^^fahrungen  von  Ingeniioiiss,  Trousset  und  Barrtjel  überein— 
Zuweilen  war  cs  bist  blosses  Kohlcnsäuregas,  was  an 
Beobachtungen  von  Milly,  Cuuikshank,  Jurine,  Abernethv, 
^'^Ackenzie  erinnert.  Collard  will  nach  reichlicher  Flclschnah- 
pig  mehr  Stickstoff-,  nach  vegetabilischer  Nahrung  mehr  Koli- 
j*>säureaushauchung  bemerkt  haben.  Collard  hat  das  sich  von 
j®»"  Haut  entwickelnde  Gas  unter  einem  oben  verstopften  und 
'^^erlich  mit  ausgekochtem  Wasser  gefüllten  Trichter  gesammelt  (?), 
schliesst  hieraus,  dass  das  Kohlensäm'egas  der  Hautausdüu- 


564  II.  Buch.  Organ,  ehern.  Processe.  IV.  Abschnitt.  Verdauung. 


Fendi  tigkeit 


gcsiUtisjt 


stung  als  soldies  aus  dem  Körper  ausgesdiieden  werde,  da  ea 
auch  ohne  P>erührung  mit  der  atmosphärischen  Luft  austrete. 

Die  Trockenheit  der  Luft  vermehrt  die  Ausdünstung,  wiß' 
wohl  durch  diese  letztere  Ahkühlung  hervorgehracht  wird;  alleif* 
eine  grosse  Erhöhung  der  äussern  AVärme  gieht  ein  umgekehrtes 
Resultat.  Edwards  de  l’inßuence  des  eigens  physiques  sur  la 
Paris  1824.  Froriep’s  ISot.  150.  151.  Die  Transspiration 
reichlicher  hei  hcAvegter  Luft  und  hei  iiiederm  Luftdruck.  Ep' 
wards  untcrsclieidet  hei  der  Transspiration  dasjenige,  was 
physicalischen  Evaporation  zukömmt  und  auch  am  todten  Körp®^ 
in  dcnselhen  Umstanden  erfolgen  umrde,  und  das,  was  dem  E®' 
hensact  der  Haut  zukömmt;  letzteres  soll  nur  der  TotalsurniP® 
ausmachen,  wo  die  Temperatur  der  Atmosphäre  nicht  über  26 
ist.  Das  Product  der  physicalischen  Ausdünstung  ist  fast  rein®* 
Wasser,  das  der  organischen  führt  thicrische  Bestandtheile. 
physicalischc  Ausdünstung  wird  unterdrückt,  wenn  die  Luft  p’’ 
ist,  und  die  organische  Ausdünstung  W'iP 
aufgehoben,  wenn  das  Individuum  erkältet  wird.  Die  Tra»*' 
spiration  durch  die  Lunge  soll  nur  durch  physicalische  AusdüP' 
stung  statt  finden,  diese  Evaporation  kann  durch  eine  mit  Feuck'" 
tigkeit  gesättigte  Luft,  deren  Temperatur  eben  so  hoch  oder  höher'* 
als  die  des  Körpers,  vermindert  werden.  Erwärmung  und  E*' 
kältung  steht  mit  der  Ausdünstung  in  so  inniger  Beziehung,  da** 
auch  hiei'üher  das  Wichtigste  aus  Edvv^ards  Untersuchungen  ang®' 
führt  werden  muss.  Bei  gleicher  Temperatur  theilt  tropfbar®* 
Wasser  leichter  Wärme  mit  als  Wasserdunst,  dieser  leichter 
Wassergas,  dieses  mehr  als  trockene  Luft;  man  vertrügt  dal'®* 
hei  gleicher  Temperatur  die  letztere  länger.  Feuchte,  war'P 
Luft  erhitzt  uns  mehr,  iveil  sic  mehr  Wärme  mittheilt  als  tr"'^' 
kene,  und  weil  die  physicalische  jlusdünstung  in  letzterer  slärk®^ 
ist.  Bei  gleicher,  ja  seihst  hei  geringerer  Temperatur  err®» 
warme,  mit  Wassergas  und  besonders  mit  Wasserdampf  gesätt'g* 
Luft  eine  stärkere  Transspiration,  als  trockene  Luft.  Ist  die  T®^ 
peratur  der  Luft  geringer  als  die  des  Körpers,  so  entzieht  . 
trockene  Luft  uns  weniger  AVärme,  als  feuchte  Luft,  sie  hat  b.j 
gleicher  Temperatur  eine  Aveniger  erkältende  Wirkung, 
feuchte  Luft  besser  die  Wärme  leitet  als  trockene  Luft.  ,, 

Asselmino  hat  den  Schweiss  untersucht.  TiEDEjiANTi's  ß 
Schrift.  2.  .321.  Nach  dieser  Analyse  enthalten  100  Theile  cl"g 
trockneten  Schweisses:  g 

in  Wasser  und  Alcohol  unlöslich  (meist  Kalksalze)  . . . • 

in  Wasser,  nicht  in  Alcohol  löslicher  ThierstolF  (der  nach 
Berzei.ius’s  Ansicht  ohne  hinreichenden  Grund  von  AnseL' 
Mino  für  SpelchclslOiT  erklärt  wird)  und  Schwefelsäure  Salze 
in  wässrigem  Alcohol  löslich:  Kochsalz  und  Osmazom  . 
in  wasserfreiem  Alcohol  löslich:  Osmazom,  Milchsäure  und 
milchsaure  Salze  (von  Akselmiko  für  Essigsäure  und  essig- 
saure  Salze  genommen) 


2l 

4^ 


Berzelius  vermisst  in  diesem  Resultat  den  im  Schweiss 
handenen  Salmiak  und  das  milchsaure  Ammonium.  In  der  A 


8.  Ausscheidung  der  zersetzten  Stoffe.  Hautausdiinstung . 565 

getrockneten  Schweisscs  fand  ANSEi.Mino  kohlensaiircs,  sekwe- 
^elsaures,  pliosphorsaures  Natron,  und  etwas  Kali  nebst  Kocksalz, 
t^liospliorsauren  und  kotdensauren  Kalk  mit  Spuren  von  Eisen- 
In  dem  Scfiwciss  der  Werde,  welcher  bckanntlicli  ein 
^'eisses  Pulver  absetzt,  fand  Ahselmino  den  Harnstoft"  nicht,  den 
^ourcroy  darin  gefunden  liatte.  An  mebrereu  Theilen  des  Rör- 
ist  der  Scliweiss  eigentbümlich,  was  indess  auch  von  dem 
leeret  der  Folliculi  sebacei  herrübren  kann.  So  ist  der  Schweiss 
^er  Acbselhöblen  ammoniakaliscb  und  der  der  Genitalien  enthalt 
^^ttcrsäui'e ; endlicK  riecht  die  Ausdünstung  mancher  Thierc  und 
^^ciKschen  eigenthümlich ^ Lei  Thieren  haben  indess  solche  Gerü- 
häufig  in  besonderen  Drüsen  z.  B.  am  After,  ihren  Grund. 
Der  Zweck  der  Hautausdünstung  wird  aus  der  Analyse  nicht 
>lar,  denn  die  im  Schweiss  vorkommenden  Stoffe  kommen  auch 
">  dem  Harn  vor.  Da  indess  die  Hautausdünstung,  wie  aus  Se- 
'•TJin’s  Versuchen  hervorgeht,  in  dem  innigsten  Wechselverhält- 
''.'ss  mit  den  Ingestis  und  den  anderen  Exeretionen  sicht,  so  lässt 
*'ch  wohl  einigermassen  begreifen,  wie  die  plötzliche  Unterhre- 
derselben  so  grosse  Störungen  in  der  thierischen  Oecono- 
hervorhringt,  weil  sie  auf  den  Säftezustand  und  das  Gleich- 
|ewicht  der  Vertheilung  der  Säfte  im  ganzen  Körper  zurückwirkt, 
.ass  die  Hautausdünstung  uns  gegen  höhere  W^ärmegrade  schützt, 
1*^  früher  auscinandergesetzt  worden.  Siehe  p.  76.  Dass  bei  der 
Jautausdünstung  nicht  bloss  von  dem  Blute  verdunstet,  was  ver- 
*Vnsten  kann,  sondern  dass  Ausdünstung  und  Schweiss  wahre 
^^cretionen  sind,  beweisen  die  Krankheiten,  in  denen  diese  Ah- 
^''äderuugen , ti’Otz  einer  hohen  Temperatur  der  Haut,  zuweilen 
I ^atiz  aufgehoben  sind , wie  in  manchen  fieberhaften  Krankheiten, 
welchen  der  Einfluss  der  Nerven  auf  das  Hautorgan  beschränkt 
So  steht  auch  die  Hautahsonderung  in  dem  enpten  Verhältniss 
der  Harnahsonderung.  Es  scheint  zwar  voi-züglich  das  durch 
Hautausdünstung  entfernt  zu  werden,  was  hei  der  Tempera- 
des  Körpers  Gasgestalt  annehmen  kann,  während  durch  den 
die  mehr  tropfharflüssigen  Exereta  entfernt  werden.  Aber 
'•'ese  Sccretionen  stehen  auch  in  einer  Wechsel vrirkung.  Bei  ei- 
?®Ri  profusen  Harnfluss,  wie  im  Diabetes,  ist  die  Haut  trocken, 
l“  den  heissen  Jahreszeiten  und  Climaten  xvird  weniger  durch 
Harn  und  mehr  durch  die  Haut  ausgeführt,  irn  Winter  und 
j''  k-alten  Gegenden  ist  es  umgckelii-t,  und  dasselbe  Wechselver- 
[^Itniss  zeigt  sich  in  den  Krankheiten.  Aber  nicht  hloss  durch 
Antagonismus  der  Sccretionen  (p.  454.),  sondern  noch,  durch 
andere,  theils  in  der  Haut  seihst,  theils  in  ihrer  Wealiselwir- 
mit  anderen  Organen  liegende  Ursachen  wird  die  Hautahson- 
®>'Uug  verändert.  In  Beziehung  auf  den  Zustand  der  Haut  seihst  ist 
g^Jemerken,  dass  gelinde  Hautreize,  auf  die  Haut  selbst,  wie  warme 
applicirt  oder  von  dem  Blute  aus  wirkend  (Diaphoretica), 
Hautabsonderung  vermehren.  Befindet  sich  aber  die  Haut 
^‘‘  Zustand  einer  zu  grossen  Reizung,  so  wird  sie  roth  und  heiss 
perspirirt  nicht,  und  im  Zustande  der  Entzündung  sondert 
3 wie  in  der  Regel  entzündete  Theile,  gar  nicht  ali;  daher  be- 
**'ten  ausgebreitete  Hautentzündungen  durch  Störung  des  Gleich- 


566  11.  Buch.  Organ,  ehern.  Processe.  IV.  Abschnitt.  Verdauung. 


gewichtä  dei'  Vertliellung  der  Säfte  leiclit  antagonistische,  krank' 
hafte  Thätigkeiten , ivie  Entzündung  der  Schleimhäute.  So  hat 
man  bei  ausgedehnten  Verbrennungen  Entzündung  der  Darffl' 
Schleimhaut,  der  Lungcnschlcimhaut  entstehen  gesehen,  und  hc* 
den  cxantliematischen  Hautentzündungen  von  Ausscheidung  eine* 
krankhaften  Materie  durch  die  Haut  wäclist  die  Befürchtung  '‘i- 
nerer  Entzündungen  nicht  allein  in  dem  Maasse,  als  die  Aussche|' 
düng  der  im  Blute  vorhandenen  krankhaften  Materie  durch  di® 
Haut  verhindert  wird,  sondern  auch  in  dem  Maasse  der  Heftigk^** 
der  Hautentzündung,  und  in  dem  Maasse,  als  dadurch  die  Functiö” 
der  Haut  aufgehoben  -wird. 

Die  Thätigkeit  der  Haut  hängt  hinwieder  sehr  von  dem  2^' 
Stande  des  Nervensystems  und  des  Gefässsystems  ab. 

In  lieberhatten  Affectionen  wird  in  dem  Maasse  die  Absond^' 
rung  der  Haut  und  der  Schleimhäute  vermindert,  als  der  E‘‘'j 
fluss  des  Nervensystems  auf  die  peripherischen  Theile  geheiu'’' 
ist.  In  anderen,  nicht  fieberhaften  Zuständen  dagegen  bew'ii'^ 
eine  plötzliche  Entziehung  des  Nerveneinflusses,  wie  in  der  Oh'*' 
macht,  in  deprimirenden  Leidenschaften,  eine  profuse  Absonderu”? 
eines  kalten  Schweisses.  Die  Bedingungen  dieser  grossen  V®*' 
änderlichkeit  der  Ilautabsonderung  imter  verschiedenen  Umstai’' 
den  sind  noch  nicht  gehörig  physiologisch  zergliedert. 


II.  Harnabsonüerung. 

Durch  die  Harnahsonderung  werden  theils  zersetzte  und 
brauchbare  ThierstolFe,  wie  Harnstoff  und  Harnsäure,  die  wesc®^ 
liebsten  Bestandtheile  des  Harns  und  die  für  die  thierische 
conomie  überflüssigen  Salze,  theils  die  zufällig  in  den  KrelsI*'"' 
gelangten  fremdartigen  Substanzen  ira  veränderten  oder  unverü”' 
derten  Zustande  ausgeschieden. 

Die  Ausscheidung  des  Harns  ist  in  der  Thierwelt  sehr 
breitet,  selbst  die  Inseclen  sondern  in  den  sogenannten  Gail®*« 
gefässen  (besser  Vasa  Malpighiana)  Harnsäure  ab.  Vergl.  p. 
Man  hat  zwar  in  ganzen  Insecten  schon  Harnsäure  gefunden, 
Bobiquet  in  den  Canthariden  {arm.  de  chim.  76.),  und  daraus 
schlossen,  dass  die  Harnsäure  allgemeiner  in  dem  Insectenkörp 
verbreitet  sey.  Aber  bei  der  Untersuchung  ganzer  Insed® 
musste  man  nothwendig  die  Harnsäure  jener  Gefässe  mit  erhall®^j 
Auch  bei  den  Mollusken  kömmt  die  Harnabsonderung  vor, 
den  Schnecken  in  dem  sogenannten  Succus  calcareus  {torgan^ 
la  viscositA  CuviEa, ),  dessen  Ausführungsgang  neben  dem  M*** 
darrn  hergehend,  sich  dicht  an  dem  After  ausmündet. 
hat  in  jenem  Organe  Harnsäure  gefunden.  Mecrel’s  Archiv.  6.  3* 
Die  Ausscheidung  des  Harns  scheint  nur  unter  dem  nnverschi 
Einfluss  der  Nierennerven  .stattfinden  zu  können.  Ich  habe  o® 
lieh  mit  Dr.  Peipers  über  diesen  Gegenstand  eine  Reihe 
Versuchen  angestellt.  Wir  unterbanden  die  Nierengefässe 
Ausschluss  des  Harnleiters  bei  Thieren,  (Schafen  und 
so  fest,  dass  die  damit  einbegriffenen  Nierennerven  (wie  die  N 
ven  gewöhnlich  durch  die  Ligatur)  mortificirt  werden  muss 


8.  Ausscheidung  der  zersetzten  Stoffe.  Harnabsondei  'ung,  567 

darauf  lösten  wir  die  Ligatur  wieder,  so  dass  die  Circulation  des 
lutes  wieder  durch  die  Nieren  statt  fand.  Der  Harnleiter  wurde 
ach  aussen  geleitet  und  ihm  ein  Röhrchen  angehunden.  ln  den  mei- 
s eu  Pallen  wurde  darauf  gar  kein  Harn  mehr  abgesondert,  selbst  in 
ern  p^h  nicht,  nachdem  dieselbe  Operation  auch  an  der  zweiten 
lere  eines  Schafes  gemacht  worden,  wo  man  aber  die  Ligatur,  um 
le  Absonderung  auf  dieser  Seite  unmöglich  zu  machen,  liegen  h'ess. 
Ur  in  einem  einzigen  Palle  (Schaf)  dauerte  die  Absonderung  fort, 
^Urde  blutig  und  Hr.  Wittstock,  fand  in  dem  Secret,  ausser  den 
estandtheilen  des  Blutes,  Hippursäure  (Harnhenzoesäure).  Merk- 
"(ürdig  war  die  in  diesen  oft  wiederholten  Versuchen  sich  immer 
^ustellende  Erweichung  des  Gewebes  der  Nieren  nach  jener 
^ortification  der  Nerven.  Siehe  Peipebs  de  neroorum  in  secretiones 
^Uone.  Berol.  1834. 


Der  Harn.  (Nach  Bekzeeius  und  Woehler.) 

Der  Harn  des  Menschen  ist  klar,  ber.steingelb  und  aroma- 
hsch  riechend;  er  schmeckt  salzig  bitter  und  reagirt  stark  sauer. 
*Jer  Harn  der  Rinder,  Pferde,  Kaninchen  und  mehrerer  anderer 
pflanzenfressender  Sängethiere  ist  alkalisch  und  bei  einigen  nur  ganz 
^i’isch  sauer.  Der  Harn  der  pflanzenfressenden  Säugetliiere  ist  triiber 
ijnd  oft  fadenziehend,  und  zersetzt  sich  nicht  so  schnell  wie  der 
fler  Pleischfresser.  Das  specif.  Gewicht  des  Harns  des  Menschen  va- 
j'iirt  zwischen  1,005  bis  1,030.  In  Krankheiten  namentlich  in  der 
Jlarnruhr,  steigt  es  zuweilen  bis  1,050.  Zuweilen  trübt  sich  der  Harn 
P^im  Erkalten  und  setzt  dann  einen  grauen  oder  blassrothen  Nieder- 
^blag  ab,  der  sich  beim  Erwärmen  wieder  auflöst.  Nach  einigen 
jPagen  riecht  der  Harn  ammoniakalisch  und  reagirt  alkalisch,  und 
Pedeckt  sich  mit  einer  weissen  schleimigen  Haut,  in  der  sich,  wie  auf 
Pßr  Innern  Seite  des  Gefässes,  kleine  weisse  Krystalle  von  phosphor- 
saurer  Ammoniaktalkerde  zeigen.  Berzelius  Thierchemie,  p.  322. 

I.  JHesent liehe  BestandlheUe  des  Harns. 


Ausser  dem  Schleim  der  Harnwege,  der  im  Harn  selten 
'chtbar  ist,  enthält  der  Harn  wesentlich  nach  Berzelius  Analyse: 

Wasser 93.3,00 

Harnstoff 30,10 

freie  Milchsäure 

milchsaures  Ammoniak 
Osmazom  in  Alcohol  löslich 
Extractivstoff  in  Wasser  löslich 


1 


17,14 


Harnsäure  . 

Blasenschleim 

schwefelsaures 


Kali 

— — Natron 

phosphorsaures  Natron  .... 
zweifach  phosphorsaures  Ammoniak 

Chlornatrium 

Chlorammonium 

phosphorsaure  Ralkerde  und  Talkerde 
Kieselerde 


1,00 

0,32 

3,71 

3,16 

2,94 

1,65 

4,45 

1,50 

1,00 

0,03 


1000,00 

37 


HlüMer’s  Physiologie. 


5()8  IJ.Buch,  Organ,  ehern.  Vrocesse.  I V.  Abschnitt.  Verdauung. 

1.  Harnstoff.  Urea.  Von  Cruirshank  im  Harn  entdeckt. 
Man  erliält  dm,  Indem  man  den  Lelmtsam  zur  Honigdicke  a«' 
gedampften  Harn  mit  4 Weingeist  auszielit , und  den  Wein- 
geist verdunstet , und  reinigt  ilm  durch  wiederholtes  Auflösen 
Wasser  oder  Weingeist  und  Krystallisiren.  Ueher  andere 
Methoden  siehe  Gmei.in  Chemie.  4.  1014.  Berzelius  1.  c.  p 
349.  Die  Rrystalle  des  Harnstoffs  sind  feine  seidenglanzende 
Nadeln , oder  lange , schmale , vierseitige  Prismen,  oder,  inj 
unreinen  Zustande  , Blätter , rein  farblos , unrein  gelb  und 
braun;  er  ist  ohne  Geruch  und  von  kühlendem,  salpeterähn- 
lichcm  Geschmack;  er  reagirt  weder  sauer  noch  alkalisch,  di 
feuchter  und  warmer  Luft  zerfliesst  er.  Bei  +15®  Cent,  hedari 
der  Harnstoff  weniger  als  sein  gleiches  Gewicht  Wasser  zur  Am- 
lösung,  von  kochendem  W’'asser  wird  er  in  allen  VerhältnissciJ 
gelöst;  er  löst  sich  in  5 kaltem  Weingeist;  von  Gerbestoff  wird 
er  nicht  gefällt.  Bis  zu  120®  Cent  erhitzt,  schmilzt  er  ohne  Zer- 
setzung, noch  mehr  erhitzt  geräth  er  ins  Rochen,  und  es  subl'- 
mlrt  sich  kohlensaures  Ammoniak,  die  schmelzende  Masse  vpird 
nach  und  nach  breiartig,  und  hei  vorsichtig  geleiteter  Hitze  bleib 
zidelzt  ein  grauw'cisscs  Pulver  übrig,  welches  Cyansäure  ist,  di® 
sich  auch  hei  trockener  Destillation  der  Harnsäure  sublirhirt.  De* 
Harnslofl' gehl  mit  Säure  und  Basen  Verbindungen  ein,  ohne  sie 
neutralisiren.  Merkwürdig  ist,  dass  Salmiak  hei  Gegenwart  vo" 
flarnstoir  aus  seiner  wässrigen  Auflösung  statt  in  Octaedern  *'* 
Würfeln,  und  Rochsalz  statt  in  Wüi'feln  in  Octaedern  krystalb' 
sirt.  Salpetersäure  fällt  den  Harnstoff  aus  concentrirter,  wässrig®* 
Lösung,  als  Verbindung.  Der  Harnstoff  enthält  mehr  Sticksto** 
als  irgend  ein  thierisches  Product;  er  besteht  nach  Prout  aus: 
Stickstoff.  . 46,65 
Rohlenstoff  . 19,97 
W'asserstoff  . 6,65 

Sauerstoff  . 26,65 

WoEHLER  hat  entdeckt,  dass  man 
zusammensetzen  kann,  wenn  man  frisch  gefälltes  cyaniclitsaui’®* 
Silheroxyd  mit  einer  Auflösung  von  Chlorammonium  ühergiessh 
Hierbei  venvandclt  sich  das  Silbersalz  in  Chlorsllher,  und  sta* 
des  cyanichtsauren  Ammoniaks,  welches  sich  bilden  sollte,  entsteb 
Harnstoff.  Auch  entsteht  er,  vvenn  man  cyanichtsaures  Bleioxj'® 
mit  caustiscliem  Ammoniak  Jieliandelt;  die  so  erhaltene  Auflösim^ 
enthält  vor  dem  Abdampfen  noch  cyanichtsaures  Ammoniak  uO 
keinen  Harnstoff,  und  erst  nach  dem  A^erdiinsten  der  AullösuöS 
verwandelt  sich  das  Salz  in  Harnstoff.  Woehler  hat  ferner  g®' 

lünden,  dass  sich  Ammoniakgas  und  cyanichtsaurer  Dampf  zu  ein®* 

weisseii,  wolligen,  fein  krystalliiiischen  Alatcrie  condensiren,  x'’® ' 
che  cyanichtsaures  Ammoniak  ist,  die  sich  aber  heim  Scliinelze*|’. 
Rochen  oder  freiwilligen  Verdunsten  ihrer  Auflösung  in  Harnsto  ^ 
verwandelt.  So  bildet  sich  auch  zuerst  cyanichtsaures  Ammoniak  u*»* 
aus  diesem  Harnstoff,  wenn  man  cyaniehte  Säure  mit  Wasser  oo ^ 
mit  Ilüssigeru  Annnoniak  behandelt.  Endlich  entsteht  Harnsto j 
wenn  man  Cyangas  in  Wasser  leitet  und  dieses  sich  damit  z®* 
setzt,  WoEiiLER  in  Berzelius  Thicrchcmie.  p.  356. 


den  Harnstoff  künstli®^' 


8.  Ausscheidung  der  zersetzten  Stoffe,  üarnahsonderung,  5ß<> 


•3 


Prevost  und  Dumas  liaben  die  wiclitige  Entdeckung  gemacht, 
*hiss  sich  der  Harnstoff  im  Blute  vorfindet  nach  der  Exstirpation 
'jeider  Nieren,  so  dass  diese  Materie  im  gesunden  Blute  clien 
darum  nicht  gefunden  wird,  well  sie  beständig  daraus  abgeschie- 
den wird.  Nach  Exstirpation  beider  Nieren  treten  die  Zufälle  am 
Tage  ein,  nämlich  braune,  reichliche  und  sehr  flüssige  Stuhl- 
Sätige  und  Erbrechen,  Fieber  mit  erhöhter  Temperatur  bis  43“ 
ent.,  zuweilen  Sinken  bis  3.3”.  Der  Puls  wird  klein,  häufig 
di»d  steigt  bis  ‘200 ; das  Athmen  häufig,  kurz,  zuletzt  schwer.  Am 
9.  Tag  erfolgte  der  Tod.  Man  Endet  Ergiessung  eines  hellen 
erums  in  den  Hirnhöhlen,  die  Bronchien  voll  Schleim,  die  Leber 
entzündet,  die  Gallenblase  voll,  den  Darm  voll  flüssigen,  durch 
^alle  gefärbten  Kothes,  die  Harnblase  sehr  zusammengezogen. 
Pas  Blut  der  operirten  Thiere  (Hunde,  Katzen,  Kaninchen)  war 
"'assriger  und  enthielt  Harnstoff,  der  durch  Alcohol  ausgezogen 
'^urde.  5 Unzen  Blut  eines  Hundes,  der  nur  2 Tage  ohne  Nie- 
ten lebte,  gaben  iü>er  20  Gran  Harnstoff,  2 Unzen  Katzenblut 
Gran.  Ißihl.  unioers.  18.  208.  Meckei.’s  Archiv.  8.  325.  Vau- 
Quelin  und  Segalas  haben  diese  Entdeckung  bestätigt.  Magen- 
®'E,  Journal  der  Physiol.  2.  354.  Meckel’s  Archiv.  8.  229.  Das 
out  wurde  getrocknet,  der  Rückstand  ausgewaschen,  das  Wasser 
“ogedunstet,  der  Rückstand  mit  Alcoliol  versetzt  und  diese  neue  Auf- 
ösung  wieder  abgedunstet.  Hierbei  ist  Jedoch  die  Vorsicht  nölhig, 
as  Wasser  in  dci' Kälte  und  in  dein  durch  die  .Schwefelsäure  be- 
^ö'kten  leeren  Raum  verdunsten  zu  lassen.  So  erhielten  sie  aus 
aem  Blut  eines  Hundes,  dem  ßO  Stunden  nach  der  Opei’ation  die  Ader 
bEöffnet  wurde,  Harnstoff.  Diese  wiclitigen  Thatsacben,  die 
auch  MiTSCnERi.icH  mit  Gmelin  undTiEDEM  ANn  {dessenZeitschr.  V.  1.) 

®stätigt  hat,  bcAveisen,  dass  die  Ablagerung  urinöscr  Flüssigkeiten  in 
''®rschiedenen  Organen  nach  aufgehobener  Function  dm-  Nieren 
immer  eine  Folge  von  in  den  Harn  wegen  aufgesogenem 
th^^^  i>5t.  Vci-gl.  Nisten  rec.herches  de  Chimie  et  de  physiol.  pa- 


. Paris,  1811.  p.  263.  Meckel's  Archiv.  2.  678.  Wo  der 
.ai’nstoff  gebildet  wird,  und  von  welchem  Organ  aus  er  im  Blute 
leb  verbreitet,  ist  unbekannt. 

Reifen, 


Man  kann  Jetzt  nur  die  Frage  auf- 
. ob  er  sich  vielleicht  in  den  Lungen  bei  der  durch  das 
j Uöieu  stattlind  enden  chemischen  Veränderung  des  Blutes,  und 
der  Bildung  edlerer  Verbindungen  erzeugt.  Er  kann  aber 
^ 'ih  in  anderen  Tlieilen  bei  Ausbildung  der  Säfte  aus  der  gc- 
^,l^**)^euen  Nahrung  entstehen.  Es  xväre  sehr  wichtig,  zu  wissen, 
Tl  Harnstoff  nur  aus  zersetztem,  sehoii  vorher  ausgebildetem 
^^“erstoffe  entsteht,  und  sich  also  auch  bei  hungernden  Thiercn 
j^^Eeugt,  oder  oh  er  sich  aus  den  Nahrungsstoffen  als  ein  un- 
^ «uchbares  Pi-oduct  des  Vcrdauungsproccsses  erzeugt.  Tieoe- 
^UclT  Gmeliiv  haben  beobachtet,  dass  in  eineni'ihrer  \er- 

nji  f dem  Chylus  das  dein  Osmazom  des  Chylus  beige- 

Kochsalz  statt  in  Würfeln  in  Octaedern  auschoss,  Aväh- 
das  Kochsal 


Iz  in  anderen  Fällen  würflis;  w; 


Hierbei  könnte 
p.  91.  Um  dies 


Harnstoft  gedacht  werden,  1.  c.  p. 

müsste  man  Thiere  hungern  lassen,  dann  die  Nie 
cxstirpiren  und  das  Blut  auf  Harnstoff  untersuchen.  Bei  Vo 


570  II.  Buch.  Organ,  ehern.  Processe.  IV . Abschnitt . Verdauung. 

geln,  die  Tiebemann  und  Gmelim  mit  stickstofffreien  Substanzen 
terten,  nahm  die  Quantität  des  weissen  Harns  ab.  a.  aO.  2.  p-  *• ' j 
Es  scheint  indess  Harnstoff  auch  ohne  alle  Nahrung  im  B'" 
sich  durch  Zersetzung  von  Thierstoff  zu  bilden ; denn  Lassaiga^'' 
hat  im  Harn  eines  Verrückten,  der  18  Tage  hungerte,  die  Bj^ 
standtheile  des  gesunden  Harns  gefunden.  Journ.  de  chim. 

1.  272.  Her  Harnstoff  fehlt  im  Harn  in  mehreren  Krankheitei'- 
wie  in  Nervenzufällen,  wo  der  Harn  wässrig  wird.  Es  fehle'* 
dann  die  organischen  Stoffe  und  nur  die  Salze  sind  Vorhände"' 
Im  Diabetes  mellitus  enthält  der  Harn  statt  Harnstoff  Trauhew 
Zucker,  und  jener  kommt  in  demMaasse  wieder,  als  der  Zuckergeh« 
des  Harns  sich  vermindert.  Hier  wird  der  so  stickstoffreiche  Har"' 
Stoff  durch  eine  Materie  ersetzt,  welche  gar  keinen  Stickst« 
enthält.  Harnzucker  besteht  aus  39,99  Kohlenstoff,  6,66  Wasser' 
Stoff  und  5.3,33  Sauerstoff.  Prout.  Beim  Diabetes  insipidus , 
der  Harn  keinen  Zucker  enthält,  ist  der  Harnstoff  durch  ei"^ 
andere  Materie  ersetzt,  die,  grösstentheils  durch  Alcohol  auszie"' 
bar  mit  Osmazom  ühereinkömmt.  In  der  allgemeinen  Wasser' 
sucht  des  Zellgewebes,  die  man  Anasarca  nennt,  enthält  der  Ha''^ 
in  demMaass  Ehveissstoff  und  gerinnt  über  dem  Feuer,  als 
Stoff  darin  fehlt.  Eiwcissgehalt  mit  vermindertem  Harnstoffgeba' 
hat  man  auch  in  der  chronischen  Leherentzündung  mit  fortdai'' 
ernder  Verdauungsunordnung  (Rose  und  Henry,  Meckel’s  Arch'-'' 

2.  642.)  so  wie  gegen  das  Ende  aller  ahzehrenden  Krankhelte" 

bemerkt.  _ _ p 

2.  Harnsäure.  Acidum  urirum.  Man  gewinnt  die  Harnsäi"  _ 
aus  dem  Bodensatz  des  menschlichen  Harns  oder  dem  Harn  "" 
Vögel  und  Schlangen  durch  Auflösung  des  ahgedampften  Harns 
erwärmtem  wässrigem  Kali,  und  schlägt  aus  dem  Filtrat  die  Har"' 
säure  durch  Salzsäure  nieder.  (Gmelin  Chemie.  4.  8.39.)  Die 
säure  hildet  weisse,  wenn  unrein,  gelbliche  oder  bräunliche,  p""J 
glänzende,  feine  Schuppen,  sie  ist  geschmack-  und  geruchlos 
röthet  feuchtes  Lackmuspapier,  sie  braucht  nach  Prout  mehr  " 
ihr  zehntausendfaches  Gewicht  kalten  Wassers  zur  Auflösung , a""^ 
etwas  weniger  kochendes.  In  Alcohol  und  Aether  ist  die  Har"^ 
säure  unlöslich.  Bei  der  trocknen  Destillation  wird  sie  zersel^J 
es  sublimirt  sich  zuerst  kohlensaures  Ammoniak,  darauf  viel 
wasserstoffsäurc  und  braunes  Brandöl,  und  zuletzt  sublimirt 
eine  krystallinische  Masse,  Woehler’s  Cyansäure.  Zugleich  "" 
hält  aber  auch  das  Sublimat  eine  Menge  Harnstoff,  wie  WoebI  ^ 
entdeckt  hat.  (Pogc.end.  15.  529.  Berzel.  Thierchemie  p.^ 
Die  Zusammensetzung  der  Harnsäure  ist  nach  Prout’s  2 Analy®" 
Stickstoff  . . früher  40,25  später  31,12 

Kohlenstoff  . - 34,25  - 39,87 

Wasserstoff  . . - 2,75  - 2,22 

Sauerstoff  ...  - 22,75  - 26,77 

Der  warme  Harn  enthält  weit  mehr  Harnsäure 
sich  in  einem  gleichen  Volum  kochend  heissen  Wassers 
kann,  was  Prout  bestimmt  hat,  die  Harnsäure  als  harnsanres 
moniak  im  Harn  anzunehmen.  Gleichwohl  ist  die  aus 
Harn  niederfallende  Harnsäure  freie  Säure.  Dieser  Nieder^c 


8.  Ausscheidung  der  zersetzten  Stoffe.  Harnabsonderung.  57 1 

*st  Anfanss  pulverk  and  grau,  wird  aber  nach  und  nach  rosen- 
‘‘otli  und"  krvstallisu  L beim  Trocknen.  Die  rölhhehe  oder  ziegcl- 
nieblfarbiij^e  ‘Färbung  der  Harnsäure  riilirt  von  einem  der 

Saure  verbundenen  Färlmstort'  her;  bei  intermittirenden  Fiebern 
•»immt  dieser  rotbe  Färbestoff  der  sieb  niederscblagenden  Harn- 
S'bire  zu.  F.s  ist  nach  Berzehus  noch  sehr  zweifelhaft,  ob  die  rotlie 
Farbe  im  Bodensatz  der  fieberhaften  Harnarten,  wie  Prout  meint, 
''on  eingemengt  em  purpursauren  Ammoniak  herrührt  (Purpursaurc, 
'vird  durch  Behandlung  von  Harnsäure  mit  Salpetersäure  künst- 
lich erzeugt).  Uelirigens  scheint  auch  der  blassrothe  Bodensatz, 
"'ie  er  liänfig  im  Harn  gesunder  Menschen  vorkommt,  noch  von  dem 
^•egelmchllarlienen  Bodensatz  des  fieberhaften  Harns  verschieden. 
Siehe  üher  alles  dicss  Berzelius  Thierchemie.  .3o5.  , ^ j i 

Der  Harn  der  Thiere  ist  von  dem  des  Menschen  häulig  durch 
Jas  Verbältniss  von  Harnstoff  und  Harnsäure  verschieden.  Der 
Harn  der  fleischfressenden  Säugethiere  enthält  Harnstoff  und  liarn- 
*aure.  IVacb  Vauqueein  und  Coisdet  (Froriep’s  Ao/i-e«  J\r.  ii  .) 
sollte’ er  keine  Harnsäure  enthalten,  allein  Hifronymi  bat  sic  im 
Harn  vonTliieren  des  Ratzengcschlecbts  gefunden.  In  100  Ihei- 
Ich  Harn  waren  13,220  Harnstoff  mit  Osmazom  uncWreier  Milch- 
säure und  0,022  Harnsäure  enthalten.  Jahrh.  der  Chem  u.  Ihys. 
1829.  3.  322.  Der  Harn  der  pflanzenfressenden  Säugethiere  ent- 
halt Harnstoff,  aber  keine  Harnsäure,  an  deren  Stelle  bei  den  gras- 
Hessenden  Thieren  Harnbenzoesäure  in  harnbenzoesaureu  Salzen 
vorkommt.  Der  Harn  iler  Vögel  enthält  sehr  viel  Harnsäure,  die  als 

*'veifach  harnsaures  Ammoniak  vorhanden  ist;  der  H-'^n  dci  fleiso  » 

fressenden  Vögel  enthält  nach  Coivdet  Harnstoff,  allem  dieser 
frhlt  in  dem  Harn  der  pflanzenfressenden  \ ogel,  welcher  sau- 
»■es  harnsaures  Ammoniak  enthält.  Im  Harn  des  Strausses  be- 
fragt die  Harnsäure  „V  Gewichts.  Bekannlhch  ist  dei  \o- 

Selharn  eine  weisse,  breiartige  Flüssigkeit,  welche  Farbe  von  dem 
Farnsauren  Ammonium  herrührt.  Auch  der  Harn  der  Schlangen 
*^od  Eidechsen  ist  welss  und  der  der  Schlangen  sogar  bald  nach 
Jer  Ausleerung  erdig-hart;  er  enthält  harnsaure  Salze,  von  Kali, 
i^atron  und  Animouiak  und  etwas  phosphorsauren  Kalk,  abei  keine 
Spur  von  Harnstoff,  den  Scaor.z  (Froriep’s 

'‘’cht  im  Harn  der  Eidechse  fand.  Dagegen  scheint  d6r  Ham  dei 
“achten  Amphibien  und  Schildkröten  pnz  verschieden.  Nach  J.  Da- 
''»’s  Untersiichung  des  Kröten-  und  Froscl.harns  enthalt  dieser  sehr 
“assrige  Harn  Kochsalz,  Harnstoff  und  ein  wenig  phosphorsauren 
Halk  aufgelöst.  Nach  der  Untersuchung  einer  bedeutenden  Menge 
gelhbraunen  Harns,  die  sich  in  der  Blase  einer  grossen  Testudo 
(von  den  Gallopagos- Inseln  lebend  von  Meye^  m.tgehrachH 
durch  Mag.us  und  mich,  enthielt  dieser  Schddkrotenha.n 
Feine  Spur  von  Harnsäure,  dagegen  0,1  Ihoc  Harnstoff  und  ei- 

“fn  braunen,  in  Wasser  undWeingeist,  Kali  und  Salzsäure  loshcmi 

f “rbestoff.  Aus  dieser  Betrachtung  ergieht  sich,  dass  die 
tfreile  Harnstoff  und  Harnsäure,  wovon  der  erstere  46,  ciie  lei^ 
frne  40Proc.  Stickstoff  enthalten,  nicht  constant  nach  aei  lAan- 
"■“ng  der  Thiere  im  Harn  varilren.  Nur  zeigt  sich  hm  den  pllan- 
*cnfressenden  Säugelhieren  statt  der  Harnsäure  die  ai  n enzot- 


572  Jl.IJuc/i.  Oiyan.  ehern.  Processe.  IV.Ahschni/t.  Verdauung. 


säure;,  welche  nur  7 Proc.  Stickstofl'  enthält.  Auch  will  CiiEVRrui. 
hei  Hunden  gefunden  haben,  dass  hei  anhaltender  Pflanzenkost 
der  Harn  derselben  dem  der  Herhivoren  ähnlich  werde,  indem 
er  keine  Sjuir  von  Harnsäure  und  ])hosphorsaurem  Kalk  zeigt®* 
UvESKrELD  /diysioi.  Chemie.  1.  150.  Unter  den  Krankheiten  des 
Menschen  ist  es  besonders  die  Gicht,  woJjei  der  Harn,  gewölinlie^* 
sauic  und  mehr  Sedimente  bildend,  mehr  flarnsäure  enthält,  ’W'*® 
denn  auch  die  in  den  Gelenken  der  Gichtkranken  entstehend®') 
Knoten  liarnsanres  Natron  mit  etwas  harnsaurem  Kalk  sind.  B®' 
dem  die  Giclitparoxysmen  begleitenden  Fic])erzustande  nimmt  di® 
Säure  des  Harns,  wie  in  andern  Fällen,  ah.  Berzelius  Thlerchenii^- 
3S0.  Vergl.  Nystex  I.  c.  Atich  der  Schweiss  der  Gichtischen 
und  Steinkranken  enthält  vielleicht  Harnsäure. 

.4.110  diese  Umstände  machen  es  sehr  wahrscheinlich,  dass  ih® 
Quelle  der  Plarnsäurehildung  viel  tiefer  als  an  dem  Ort  ihrer 
Ausscheidung  liegt,  und  dass  sie  in  dein  innigsten  Verhältniss  mh 
der  Art  des  zugetuhrten  Nahrungsmaterials  und  der  Bluthereitiing 
steht,  wie  sie  sich  denn  auch  im  Harn,  hei  Pflanzennahrungj 
vermindert. 

ln  der  zuckrigen  Harnruhr  enthält  der  Harn,  nach  WoehlEB^ 
zvvar  Harnsäure  (Berzel.  Jahresh.  6.  2SS. , nach  Wittstocr  scheio^ 
auch  Harnhenzoesäure  darin  zu  scyn,  wie  bei  den  pflanzenfres- 
senden Säugethieren)  aber  dieser  Harn  enthält  keinen  Harnstolf) 
sondern  statt  dessen  im  Diabetes  mellitus  Harnzucker  (stickstoff- 
frei) und  im  Diabetes  insipidus  eine  osmazomartige  Materie. 

Prout  hat  über  die  elementare  Zusammensetzung  von  Ilaru- 
sloff,  Harnzucker  und  Harnsäure  folgende  Verhältnisse  mitgetheifl' 
Ann.  de  dum.  phys.  10.  .369.  Meckel’s  Archiu.  4.  140. 


Bestandtheile 


Wasserstoff. 

Kohlenstoff. 
Sauerstoff.  . 
Stickstoff  . . 


Harnstoff 


Harnzucker  Harnsäure 


6,65 

19,97 

26.65 

46.65 


16,66 

.39,99 

53,3.3 


2,75 

.34,25 

22,75 

40,25 


Nach  dieser  A.ufstellung  enthielte  der  Zucker  bei  gleicli®) 
Quantität  W^asserstoff  doppelt  so  viel  Kohlenstoff  und  Sauerstoff? 
als  der  HarnstofI',  aber  keinen  Stickstofl'. 

3.  Im  Harn  der  jungen  Kinder  (?)  und  der  grasfressenden  Thi®*'® 
findet  sich  auch  Harnbenzoesäure,  Urobenzoicum , als  harnben- 
zoesaurcs  Natron.  Diese  Säure  wird  aus  dem  Harn  jener  Thier^ 
Abdampfen  durch  Vermischen  mit  Salzsäure  gefall’ 
sie  bildet  lange,  durchsichtige,  4 seitige  Prismen,  hat  keinen  od®»’ 
niu’  schwach  bittern  Geschmack,  röthet  feuchtes  Lackmuspap*®*'; 
Nach  Liebig  ist  diese  Säure  eine  eigenthümliche  Säure,  und  nicB^ 
bloss  eine  Verbindung  von  Benzoesäure  und  thierischer  Materi®' 
Da  sie  hei  der  Zersetzung  Ammoniak  entwickelt,  so  gehört  si® 
unter  die  stickstoffhaltigen  Materien,  Gmei.in  hat  sie  als  Modi'*' 
cation  der  Benzoesäure,  noch  unter  den  stickstofffreien  aufgefühH- 
Die  Harnbenzoesäure  ist  in  kaltem  Wasser  schwer  lö.slich,  tnenf 
löslich  in  kochend  heissem  Wasser:  Alcohol  löst  weit  mehr  a«' 


8.  Aussc/ieiiiurig  der  lersetzlen  Slojje.  llarnabsonderung.  573 


Weniger  Aetlier.  Sie  bestellt  nach  Liebig  aus  Kohlenstoff  63,032, 
Wasserstoff  5,000,  Stickstoff  7,337,  Sauerstoff  24,631. 

4.  Mllrhsünre.  Nach  Berxei.ius  ist  die  Milchsäure  ein  allgc- 
“leines  Product  der  li’eiwilligen  Zerstörung  tliierischer  Stoffe  in- 
aerhalh  des  Körpers;  sie  bildet  sich  in  grosser  Menge  in  den 
i^Iiiskeln , wird  vom  Blut  und  dessen  Alkali  gesättigt,  und  in  den 
Vieren  des  Menschen  und  der  Thiere  mit  saurem  Harn  abge- 
schieden. Von  ihr  rührt  hauptsäehlich  die  saure  Beschaffenheit 
‘Ics  Harns  her,  oligleich  derselbe  auch  saures  phosphorsaures 
'Ammoniak  und  sauren  phosphorsauren  Kalk  enthält.  Behzelius 
’^bierchemie.  .338. 


5.  Salze.  Im  menschlichen  Harne  kommen  schwefelsaiu'e 
phosphorsaure  Salze  vor.  Berzelius  vermuthet,  dass  die 
''iauren  in  diesen  Salzen  durch  die  chemische  Wirkung  In  den 
Vieren  entstehen,  weil  in  den  übrigen  Flüssigkeiten  des  Körjiers 
War  Spuren  von  schwefelsauren  und  sehr  wenig  phosphorsaure 
yorkommen,  während  der  Harn  sehr  viel  von  beiden  enthält; 
Icncs  folgt  jedoch  nicht  nothwendig  aus  diesem.  Berzelius  ver- 
'äuthet,  dass  der  im  Faserstoff,  Eiweiss  etc.  befindliche  Schwefel  in 
Nieren  in  Schwefelsäure  verwandelt  werde,  während  sieh 
^ie  übrigen  Bestandthcile  zu  Ammoniak,  Harnstoll  etc.  verbinden; 
"iasselbe  vei-muthet  er  von  dem  Phosphor  mehrerer  festen  Thelle. 

Harn  der  grasfressenden  Thiere  fehlen  die  phosphorsauren 
^älzc,  und  statt  ihrer  sind  kohlensaure.  Kohlensäurcgas  ist  nicht 
^•eständig  im  Menschenharn  aufgelöst,  wie  Berzelius  und  Wouii- 
i-er’s  Versuche  beweisen.  Die  Kieselsäure  des  Harns  scheint  vom 
^i'inkwasser  herzurühren.  Die  in  den  Salzen  des  Harns  ent- 
^■älleneu  Basen  sind  Kali,  Natron,  Ammoniak,  Kalkerde,  Talkcrde. 
tlie  Salze  sind  Chlorkalium,  Chlorammonium,  phosphorsaurer 
*^älk  (im  Harn  sauer,  ln  den  Knochen  basisch),  viud  eine  geringe 
‘^lenge  Fluorcalciiun.  lieber  Alles  dlcss,  so  wie  über  die  zwei- 
felhaften Bestandthcile  des  Harns,  den  in  Avasserfreiern  Alcohol 
'äslichen  Extractivstoff  des  Harns  siche  Berzelius  Tkierchevde, 
fyeraus  hier  ein  kurzer  Auszug  gegeben  ist.  Heber  die  Varia- 
tion der  Menge  der  testen  Theile  des  Urins  nach  der  Nahrung, 
ohne  B.ücksicht  auf  die  qualitativen  Bestandthcile,  hat  Cuossat 
oine  sehr  sehr  detaillirte  Arbeit  (Magemdie’s  .lourniü  5.  65  225.) 

isdiefert,  die  keines  Auszuges  fähig  ist.  Vcrgl.  ülier  den  Harn 
O'ul  die  Hanibildung  die  in  Mecrel’s  Arvhh  2.  629  — 704.  ge- 
^Oiumelten  Aufsätze.  Prout,  Mecrel’s  Archiv  4.  140. 

Nysten  (l.  c.  und  Mecrel’s  Archiv.  2.  648.)  hat  den  Harn  nach 
der  Verdauung,  ürina  chyli,  mit  dem  wasserhcllcn  und  geschmack- 
osen  Getränksharn  Urina  potus,  verglichen.  Letzterer  enthielt 
f-^mal  weniger  Harnstoff  als  der  Verdauungsharu,  4inal  weniger 
^oliAvefelsaures,  salzsaures,  phosphorsaures  Natron  und  Ammonium, 
,®>nal  weniger  Harnsäure.  Entzündungshai  n (Peritonitis)  enthielt 
.*nal  mehr  Ilarnstoll'  als  Verdauungsharn,  mehr  aullösliche  Salze  und 
''*ol  Eiweiss,  das  im  gesunden  Harn  nicht  vorkömmt,  bn  Ei’ost- 
^tädluin  eines  Fiebers  ist  die  Hautausdünstuug  vermindert  und 
foe  Harn  w'ässriger,  weniger,  wie  Berzelius  glaubt,  weil  dasWas- 
was  mit  der  Hautausdünstung  sonst  Aveggebt,  nun  mit  dem 


574  II.  Buch.  Organ,  ehern.  Processe.  IV.  Abschnitt.  Verdauung. 

Harn  weggelit,  denn  es  wird  zur  Zeit  des  Frostes  wenig  Harn 
abgesondert.  Bei  der  weitern  Entwickelung  des  Fiebers  im  Sta- 
dium der  Hitze  wird  der  Harn  dunkler,  und  nun  fängt  er  an 
von  Quecksilbercblorid  gefällt  zii  werden,  weicbes  keinen  Nin- 
derscblag  bewirkt,  so  lange  der  Harn  seine  Säurereaction  behält. 
Je  mebr  sieb  der  Zustand  verscblirnmert,  um  so  gesättigter  wird 
der  Harn,  und  er  fängt  nun  an  von  Alaun  und  zuletzt  auch  von 
Salpetersäure  gefällt  zu  werden,  w'as  einen  ziincbmenden  Eiweissge- 
balt anzeigt.  Berzelius  Thierchemie.  .378.  Wenn  das  Fieber  ver- 
gebt, so  stellt  sieb  auf  einmal  die  freie  Säure  im  Harn  Avieder 
bei,  und  beim  Erkalten  setzt  er  Sediment  ab,  w'as  man  ber- 
kömmlicber  Welse  Crisis  durch  den  Harn  nennt.  Berzehüs  be- 
merkt mit  Recht,  dass  das  Sediment  keine  ausgeleerten  Rrank- 
beitsstolfe  enthält,  es  ist  nur  etivas  mebr  als  gewöbniieb  von  dem 
rotben  bärbestoll^  und  zuweilen  etwas  Salpetersäure  in  unbekann- 
ter Verbindung.  Bei  Fiebern  mit  regelmässigen  Paroxysmen  bietet 
der  Harn  ln  jedem  Paroxysmus  diese  3 Zustände  nach  einander  dar. 

II.  Zufiillige  Bestandtheile  des  Harns. 

WoEHT.ER  bat  eine  Reibe  sorgfältiger  Versuche  über  den 
Uebergang  von  Substanzen  aus  dem^Darmkanal  in  den  Harn  an- 
gestellt Tiedemasn’s  Zeitschrift.  I.  Bd.  Die  Resultate  dieser 
Versuche  sind  folgende. 

1.  Materien,  welche  sieb  nicht  im  Harn  wiederfinden  lassen: 
Eisen,  Blei,  Weingeist,  Scbwefelätber,  Kampber,  Dippelsöl,  Mo' 
sebus  und  die  barbestoffe  von  Cochenille,  Eackmus,  Saftgrün  un*l 
^canna.  Auch  die  Ivolilensaure  findet  sich  nach  dem  GenuS^* 
kohlensäurehaltli^cr  Flüssigkeiten  nicht  reichlicher  im  Harn. 

2.  Materien,  die  im  veränderten,  zersetzten  Zustande  im  Harn 
voikommcn:  blausaures  Eisenoxydkali  in  blausaurcs  Eisenoxydul' 
kali  verwandelt,  die  Verbindungen  des  Kali  und  xN^atron  mit 
Weingeist-,  Cltronen-,  Aepfel-  und  Essigsäure  ln  koblensaur® 
AlkaUen  venv-andclt;  das  hydrotbionsaure^Kali  in  schwefelsau- 
res  Kall  grosstenlheiJs  verwandelt;  Schwefel  gebt  als  Schwefel' 
saure  und  Hydrothionsäure  in  den  Harn  über,  Jod  als  bydriodsaures 
Salz,  Kleesäure,  Weinsäure,  Gallussäure,  Bernsteinsäure,  Benzoe- 
saubre  mit  Alkali  verbunden ; daher  Säuren  gegen  Harnsteine  g^' 
geben  aucli  fruchtlos  seyii  müssen. 

3.  Enverändert  geben  in  den  Harn  über:  koblensaures,  cliloJ’' 
saures,  salpetersaiires  und  scbwefelblausaures  Kali,  bvdrotliionsaU' 
res  jyah  (grosstentbeils  zersetzt),  blausaiires  Eisenoxvdiilkali , 

Rieselcrdekali,  weinsaiircs  Vickcloxydkab; 
r löslichem  (scbwefelsaurem)  Indig»- 

Snelbee  ’ Campecbeiiholz , rotben  Rübem 

Heidelbeucn,  Maulbeeren,  Kirschen,  viele  Riechstoffe,  zum  Tbe*l 
verändert  lerpcntbinöl  (nach  Veilchen  riechend),  da;  Riechende 
von  Wacholder,  Baldrian,  Assa  foctida,  Knoblauch,  Bibergeil 
Saffran,  Opium,  das  betäubende  Princip  des  Kamtscbadali>cbe;' 
Fliegensdiwamms,  und  im  krankhaften  Zustande  auch  fettes  Oel- 
ct  " TT  i'”’”'’j.  '^l’*''8ens  nur  aufgelöste  und  keine  körnige 

Stoffe  über.  Ueber  die  unerwiesene  Annahme  von  metastatischem 
kiter  im  Blut  und  im  Harn,  siehe  oben  p.  2fi2. 


8.  Ausscheidung  der  zersetzten  Stoffe.  Harnalsonderung.  575 


Die  Stoffe,  welche  nicht  in  den  Harn  übergehen,  werden 
Entweder  durch  andere  Wege,  wie  die  Ausdünstung,  ausgeschie- 
als  der  Kampher,  oder  werden  schon  ira  Darmkanal  in  ei- 
unauflöslichen  Zustand  versetzt. 

Woehler  macht  auch  darauf  aufmerksam,  dass  die  Salze, 
"'eiche  durch  den  Urin  ausgeleert  werden,  meist  auch  die  Urin- 
'''•sonderung  befördern.  In  Hinsicht  anderer,  sogenannter  harn- 
j*’eil)cnder  Mittel  macht  er  die  gewiss  von  den  Aerzten  zu  be- 
herzigende Bemerkung,  dass  manche  derselben,  wie  die  Digitalis, 
Jh't  IJnrecht  in  diesem  Rufe  stehen ; denn  diese  wirkt  nach 
^OEuLEE,  indem  sie  die  Ursache  der  Wassersucht  hebt,  worauf 
das  Wasser  von  seihst  auf  seinem  gewöhnlichen  Wege  ahgeschie- 
dr»  wird;  so  dass  in  diesem  Sinne  auch  die  China,  bei  Wasser- 
dichten, die  auf  Wechselfieber  folgen,  angewandt,  ein  sogenann- 
tes Diurcticum  wäre. 

INach  den  Untersuchungen  von  Woehler  ergiebt  sich,  dass 
d'e  Kiercn  nicht  bloss  die  Bestimmung  haben,  Harnstoff  und 
tlarnsäure  abzuscheiden,  sondern  dass  auch  alle  auflöslichen, 
i'cht  flüchtigen  und  nicht  innerhalb  des  thierischen  Körpers  zer- 
deizlen  Stoffe,  besonders  aber  auch  das  überflüssige  Wasser,  durch 
d'e  ausgeschieden  werden.  Ist  die  Wasserausscheidung  in  den  Nie- 
*■«>1  durch  Wasserabsetzung  in  anderen  Theilen,  wie  in  der  Was- 
dii'sucht,  verhindert,  so  Avird  der  IJai-n  eine  gesättigtere  Farbe 
"in  seinem  gewöhnlichen  Farhcstofl  annehmen,  ohne  dass  diess 
ihvas  mehr,  als  Ausscheidung  von  Aveniger  Wasser  anzeigt.  . 
Die  kohleiisauren  Alkalien  machen  den  Harn  alkalisch,  lösen 
Harnsäure;  ihre  Darreichung  ist  ein  ziemlich  sichei’cs  Mittel 
Bekämpfung  der  harnsauren  Diatbese;  da  nun  die  Pflanzensäu- 
"«n  und  pflanzensaurcn  Alkalien  bei  dem  Durchgang  durch  thie- 
*''sche  Körper  in  den  Harn  in  kohlensaurc  Alkalien  ver- 
tändelt Averden,  so  sind  auch  sie  mit  Erfolg  hei  der  harnsauren 
f^'älhese  des  Harns  anwendbar.  Doch  ist  diese  Diät  nur  heim 
Barngries  und  kleinen  Steinchen  wohl  anwendbar;  denn  wenn 
Ibisse  Steine  in  der  Blase  sind,  so  Averden  durch  einen  alkalischen 
tarn  die  erdigen,  phosphor-sauren  Salze  iin  Harn  unauflöslich  ge- 
'"acljt,  und  es  können  sich  neue  Niederschläge  aus  diesen  Salzen 
den  Harnstein  bilden.  Woehler  a.  a.  O.  p.  317. 

Die  Abscheidung  des  überflüssigen  Wassers  im  Blute  scheint 
ausserordentlich  schnell  zu  geschehen  und  fast  in  dem  Maass,  als 
Blut  wässrige  Flüssigkeiten  an  einer  andern  Stelle  aufnimmt, 
in  den  Magen  gekommene  Getränk  wird  giüsstentheils  ira 
v|agen  schon  aufgesogen  und  gelangt  nicht  einmal  in  Masse  in  den 
Väetidarm.  Ehen  so  schnell  wird  das  gleicbmässige  Verhältniss 
^'^''Zusammensetzung  des  Blutes  durch  die  Ausscheidung  desWas- 
durch  den  Harn  wieder  hei’gcstellt. 
j,  Ueber  die  Zeit  des  Uebergangs  aufgelöster  Stoffe  aus  dem 
^ä'^nkanal  ins  Blut  und  in  den  Harn  siche  oben  p.  234.  JVachWE- 
geht  blausaurcs  Kali  schon  innerhalb  2 — 10  Minuten  in  den 
j.ai'n  über.  STEUBEnoF.k  hat  hei  einem  Knaben  mit  Inversio  ve- 
urinariae  Versuche  üljer  die  Zeit  dieses  Ueberganges  mit 
^''schiedenen  Substanzen  angestellt.  Tiedemann’s  Zeitschrift,  2.  47. 


576  11,  Buch.  Organ,  ehern.  Processe.  IV.  Abschnitt.  Verdauung. 


Färherrötlie  zeigte  sich 

Indigo 

Rhabarber  

Gallussäure 

Campecheholzabkochnng  

färbendes  Princip  der  Heidelljceren  . . . 

— — der  schwarzen  Kirschen  . 

adstringirendes  Princip  der  Herba  uvae  ursi 


nach  löMIii' 
_ 15  — 
_ 20 
— 20  — 

— 25  — 

— 30  — 

— 45  " 

— 45 

— 55  ^ 

— 60  -- 


7a 


Pulpa  Cassiae  fistulae 
blausaures  Eisenoxydulkall 
Roob  Sambuci  .... 

Bei  allen  aus  dem  Darmkanal  in  den  Darm  übergegangene'’ 
Sulistanzen  war  ein  Wendepunkt  in  ihrer  Ausscheidung  mit  dei” 
Urin  zu  bemerken.  Dieser  trat  ein: 

mit  Färberröthe nach  1 Stunde. 


— schwarzen  Kirschen  . . . 

— — 

— Indigotinctur 

— ~ — 

— Campecheholzabkochung 

- H - 

— Rhabarbertinctur  .... 

— — 

— Herba  uvae  ursi  .... 

— li  — 

— Heidelbeeren 

— 2 — 

— Gallussäure 

— 

^2 

Pulpa  Cassiae  fistulae 


— 4 


% 


Das  gänzliche  Verschwinden  der  Substanzen  im  Harn  trat  ein: 
bei  blausaurem  Eisenoxydulkali  nach  3|  Stunden. 

— Indigo 

— Rhabarber 

— Campecheholzabkochung 
— Herba  uvae  ursi 
i — Heidelbeeren  . . 

— Färberröthe  . ...  . . — ,9 

— Gallussäure  ......  — 11  

— Pulpa  Cassiae  fistulae  . i — 24  — ^ 

Der  Harn  sammelt  sich  in  der  Urinblase,  deren  Sphirictc’'» 
wie  der  Sphincter  ani.  in  der  Regel  gesclilossen  ist  Wenn 
Quantität  des  Harnes  grösser  geworden  ist:,  wird  die  Wirku"S 
des  Sphincters  geschwächt;  es  entstehen  Znsammenziehungeii 
Grundes  der  Blase.  Wir  können  indess  durch  die  Wirkung  de* 
Musculus  pnbö-urethralis,  und  vielleicht  auch  durch  willkührlie" 
verstärkte  Zusammenziehung  des  Sphincters  den  Harn  zurücl''' 
halten.  Bei  der  willkührlichen  Entleerung  des  Harnes  wird  d’*^' 
sev.  unter  Mitwirkung  des  Zwerchfelles  und  der  BauchrnJiskfd”? 
welche  die  Bauchhöhle  verengen,  ausgeliicbcn.  Die  Conlractio" 
der  Urinhlase  ist  zwar  nicht  beständig  dem  Willen  unterworfc”  ’ 
aber  bei  der  allmählig  verstärkten'  Reizung  der  Blase,  venuöS® 
des  angesammelten  Harnes,  scheinen  wir  einigen  willkührlicb'"J 
Einfluss  äuf  ihre  Zusammenziehung  zu  erhalten.  ■ — Erection  u«' 
Hainlassen  schliessen  sich  aus.  Bei  det  Lähmung  des  unter'» 
Theiles  des  Rückenmarkes  entsteht  Incontinentia  urinae- 


D e 


1 ii  . 'r.  . 


peciellen  Physiolo  g i e 


Drittes  Buch. 


i!j 


‘ .111 

I ■•  l.  . T-  : •'  : '>'A  ./I 

,fll  * i 

, li.Il  IM'>  _• 

P h y IS  i k id  0 r Nerve  n.  . o . 

■Ii  ’J  / ; t II  V 

;i  ;>  ‘ iij.  i'.-.lt  n . / 

‘ '■j;  fi.^t  ^ 

ln;  .-1  ) iKt.j  •;! 'i'i. 

. . I ■_;(>  / 

■ r:  jif'.’  -''I—  = II'oV 

-j  !l  fl'  ■'  in'- 

. J /aU"  ' 


ii; 

■'l 

r 

!7 


.j  -t 

■ i -l  (';i 


niT 

;v 

r 


I.  Abschnitt.  Von  den  Eigenschaften  der  Nerven  im  AH' 
gemeinen. 

I.  Vom  Bau  der  Nerven. 

II.  Von  der  BeiziDarkeit  der  Nerven. 

III.  Von  dem  wirksamen  Princip  der  Nerven. 

IT.  Abschnitt.  Von  den  Emp fin d un gs n e r ven,  Bewegung*' 
nerven  und  organischen  Nerven. 

I,  Von  den  sensitiven  und  motorischen  Wurzeln  der  Rücken' 
marks  nerven. 

II.  Von  den  sensitiven  und  motorischen  Eigenschaften  de*' 
Geliirnnerven. 

III.  Von  den  Eigenschaften  des  Nervus  sympathicus. 

III.  Abschnitt.  Von  der  Mechanik  des  Nervenprin  cip®' 

I.  Mechanik  der  motorischen  Nerven. 

II.  Mechanik  der  sensibeln  Nerven. 

III.  Von  der  Reflexion  in  den  Bewegungen  nach  Empfindungen 

IV.  Von  den  Gesetzen  der  Wirkung  und  Leitung  in  dem  Ne*'' 

vus  sympathicus. 

V.  Von  den  Sympathien. 

IV.  Abschnitt,  Von  den  Eigenthümlichkeiten  der  ei**' 

zelnen  Nerven. 

I.  Von  den  Sinnesnerven. 

II.  Vom  Nervus  trigeminus. 

III.  Vom  Nervus  oculoinotoriuSj  trochlearis  und  abducens. 

IV.  Vom  Nervus  facialis. 

V.  Vom  Nervus  glossopharyngeus. 

VI.  Vom  Nervus  vagus. 

VII.  Vom  Nervus  accessorius. 

VIH.  Vom  Nervus  hypoglossus. 

V.  Abschnitt,  Von  den  Centraltheilen  des  Nervensystem*' 

1-  Von  den  Centraltheilen  des  Nervensystems  im  Allgemein®*'' 

II.  Vom  Rückenmark. 

III.  Vom  Gehirn. 


Der  speclellen  Physiologie 

Drittes  Buch. 


Physik  der  Nerven. 


^'Abschnitt.  Von  den  Eigenschaften  der  Nerven 
im  Allgemeinen. 

I.  Capitel.  Vom  Bau  der  Nerven. 

a.  Von  den  Hauptformen  des  Nervensystems. 

^^aeh  J.  MtiEiiER  Nov.  act.  nat.  cur,  T.XIF.  und  Meckel’S  1828.) 

In  der  Thierwelt  zeigen  sich  hauptsächlich  zwei  Formen  des 
^«rvensystems,  die  der  Wirhelthiere  und  die  der  Wirhellosen. 
^•^i  den  ersteren  ist  das  Gehirn  undurchbohrt  und  läuft  in  das 
^»ickenmark  aus;  bei  den  letzteren  stellt  das  Gehirn  immer  einen 
^Efvenring  dar,  durch  welchen  der  Schlund  durchgeht,  und 
'Welcher  über  dem  Schlunde  zum  Gehirne  anschwillt,  aber  auch 
ÜJ'ter  dem  Schlunde  eine  Anschwellung  zeigt,  von  welcher  der 
eitrige  Theil  des  Nervensystems  ausgeht,  der^  entweder  in  ein- 
*®lnen  Nerven  besteht,  oder,  wie  bei  den  Ringelwüimern,  In- 
Crustaceen  und  Spinnen,  einen  am  Bauche,  unter  dem 
^artn  verlaufenden,  von  Stelle  zu  Stelle  in  Knoten  anschivellen- 
Strang  darstellt.  Die  Frage,  in  welcher  Art  das  Nervensy- 
der  Wirbellosen  dem  der  Wirhelthiere  zu  vergleichen  sey, 
pt  schon  lange  die  Anatomen  und  Physiologen  beschäftigt.  So 
Ackermann,  Reil,  Bicuat  in  dem  Ganghensystem  der 
' ^'i-bellosen  eine  Analogie  mit  dem  Nervus  sympathicus  der 
^'i'belthiere  erkennen  wollen,  und  nach  vielfachen  hierüber  ge- 
ehrten Verhandlungen  haben  abermals  in  der  neuesten  Zeit  Ser- 
»ind  Desmoulins  diese  Analogie  zwischen  dem  .*7™“ 

ptbicus  der  Wirhelthiere  und  dem  Gangliensystem  der  Wirbel- 
aufgestellt.  Andrerseits  liaben  Scarpa,  BlumenbacHj  Cuvier, 


580  HI.  Buch.  Neroenphysik.  l.Ahschn.  Eigenschaflen  J.N.hnAUgem. 

Gall,  J.  F.  MecfvEl,  jene  Analogie  mit  besseren  Grüiulen  vCJ' 
worfen  mul  die  meisten  dieser  Anatomen  haben  das  Baucbinai>^ 
der  Gbedertbiere  ohne  Weiteres  dem  Rückenmaik  der  Wirlid' 
tlnerc  gleicl, gestellt.  Mecrei.  und  P„.  von  Waltuer  äussert«’ 
sich  sofort  bestimmter  dabin , dass  die  Fortsetzung  des  Him' 
in  tlen  Rumpf  bei  den  Wirbellosen  als  Vereirdgun«  des  spä' 
ter  getrennten  Nervensystems,  des  Rückenmarkes  und  des 
viis  sympatbicxis  der  Eingeweide  zu  lictracbten  sey,  so  dass 
Nervensystem  der  Wirbellosen,  seiner  Redeiitnng  nach  beide  FuO' 
clionen  cuthaltcnd,  hei  den  Mollusken  sich  mehr  zu  dem 
des  sympatbischen  Nerven,  bei  den  Gliederthieren  mehr  zu  Je«’ 
iypus  des  Rückenmarkes  binneige. 

Treviranus  und  E.  ]].  Weber  endlich  glaubten  die  Knote" 
der  Ganghenkctte  der  Gliedertbiere  nur  als  Knoten  der  Rücke"' 
marksnerven  anerkennen  zu  müssen,  so  dass  diese  verbunden 
vei-w  achsen  seyen , die  verbindenden  Strange  aber  lediglich 
die  e^ten  Rudmiente  des  Rückenmarks  der  Wirbelthiere  erscheine": 

Diese  Streitfrage  wird  nun  entschieden  dadurch,  dass  t"' 
den  nieisten  Gbedertbieren,  namentlich  bei  allen  Insecten,  aus*"*' 
dem  Baiichmarke  oder  der  Ganglienkette  der  Bauchseite  "1" 
zweites  Nervensystem  welches  lediglich  den  Eingeweide.,  bestimi"‘ 
ist,  voikommt,  und  dass  dieses  Nervensystem,  ebenfalls  aus  ei""’ 
Re.be  vor,  feinen  und  kleineren  Ganglien  bestehend,  auf  d"”’ 
parmkanal  und  besonders  auf  dem  Magen  seine  grösste  Entvvik' 
kelung  durch  feine  Gellecbte  erreicht,  mit  dem  Gehirn  ab"'' 
(lurcli  V\urzeln  zusammenbangt. 

Schon  Meckel  und  Treviranus  batten  gelegentlich  auf  e'"*’ 
Analogie  zwischen  dem  von  Lvoket  beschriebenen,  auf  der  Sp"’' 
serolire  verlaufenden,  unpaarigen  Nervus  recurrens  und  dem  N"’’' 
vus  svmpathicus  bmgewiesen.  Doch  ist  dieser  von  Lyonet  b"' 
scbriebene  Nerve  nur  die  einfachste  und  unausgebildctste  Fo""' 

Vb  f entwickelte  Forr»f 

ich  fast  he.  a len  Ordnungen  der  Insecten  untersucht  habe.  I',’ 
senien  misgebddeten  Former,  entspringt  dieses  Nervensystem 
feinen  Wurzclri  vom  Gehirn,  und  verlauft,  auf  den  R^ken  d"’ 
Speiseröhre  sich  hegebend,  zwischen  dieser'  und  dem  Herzen 
Alagen  wo  es  ein  besonderes  Geflecht  bildet,  das  von  ci"""' 
ziemlich  starken  Ganglion  entspringt.  Bei  diesen  entwickcH"" 

Centraltheil  dieses  Nervensv^t""?’ 
I„n”cn  Theil,  der  von  kleineren  Ansdhtt'fl' 

lu  igcn  aus  mit  dem  Gehirne  zusammenhangt.  Uebrigens 

sebiedenT.  Darrnkaual  verlaufende  Stamm  manche 

schiedenbeitcn,  er  verläult  bald  einfach  und  unpaarig  zum  Mag""' 
wo  er  o,„  „„a  „.Ao 

bald  sind  zwei  stiimmeben  vorhanden,  wie  z.  B.  bei  Grvllotalp!'' 
Diese  beiden  Nerven  schwellen  hier  an  dem  Muskeliiiagtm  5’' 
nem  Knötchen  an.  Bei  dem  von  mir,  in  den  Ko..  acL  T. 
beschriebenen  ExCmplar  vereinigten  sich  die  beiden  Striüigc  i"  "" 
Knötchen;  spater  sah  ich  beide  Nerven  mehrmals  ganz  gctrc" 


i)P 


und  jeden  sein  Knötchen  bilden, 
nicht  wieder. 


Die  erstcre  Varietät  sal 


1.  Vom  Bau  der  Iscrotu.  Hauptformen  des  J^etvensysterns.  58 1 


Spuren  des  Nervensystems  linden  sich  nach  Ehrenberg’s  Ent- 
^'fickuugen  schon  hei  den  Infusorien,  wenigstens  den  Räderthie- 
J'en.  Vergl.  oben  p.  42.  Unter  den  bekannteren  Formen  des 
^ßrvensystems  der  niederen  Thiere  kann  man  folgende  Typen 
Unterscheiden. 


I.  Typus  der  Radiarien. 

^'•■alillg  peripherische  Gliederung,  gleiche  Theile  in  der  Peripherie  eines  Centruras. 

Die  Urform  des  Nervensystems  ist  der  Ring,  dasjenige,  was 
bei  den  -wirbellosen  Thieren  den  Schlundiäng  nennen.  In 
^Silier  einfachsten  Form  erscheint  er  bei  den  Radiarien;  er  ist 
^ncli  ohne  Ganglien,  ohne  Fortsetzung  zu  einem  Markstrange. 
.|*®tn'ass  der  strahligen  Eintheilung  und  Zusammensetzung  des 
J^iers  ist  auch  die  Verbreitung  seiner  Nervenäste  angeoi'dnet. 
'/*  wenig  das  Thier  in  einen  gegliederten  Leib  sich  fortsetzt. 
Wenig  kann  hier  eine  Fortsetzung  des  Sclilundrings  in  einen 
flarkstrang  auftreten.  Wiederholung  derselben  thierischen  Theile 
'''  der  l'eripherie  des  Kreises  ist  hier  die  Urform  des  Thieres; 
’‘*'ter  diesen  Bedingungen  sind  alle  Nerven  des  Schlundrings 
y*^*ch,  keiner  ist  vorzugsweise  Markstrang,  kein  Theil  des  Schlund- 
I'hgs  vorzugsweise  Hirn.  Alle  die  straliligen  Aeste  eines  Nerven- 
^'^ises,  wovon  keiner  die  Priorität  hat,  sind  zusammen  dasjenige, 
bei  den  höheren  Thieren  die  Fortsetzung  des  Sclilundrings 
den  Markstrang  ist. 

//.  Typu.f  der  Eingeweidethiere,  Mollusken. 

Untergang  der  Gliederung  in  einem  nuislmlöscn  Einge-weidcsackc. 

In  der  Abtheiluiig  der  Weichthiere  oder  Elngeweidethiere 
|j’’*eiclet  diese  Urbildung  Veränderungen,  welche  nur  den  Verän- 
j^pingen  der  gesammten  Organisation  entsprechen.  Die  Symme- 
des  strahligen  Typus  liat  aufgehört,  und  der  Mangel  der 
ll^'^  übrigen  Wubellosen  eigcnthümlichen  Gliederung  ist  einer 
^**‘er  wesentlichsten  Charactere.  Das  Weichthier  ist  nur  ein  Con- 
_?^Ut  -von  Eingcw'ciden,  so  viel  ihrer  nöthig  sind  zum  Bestehen 
thierischen  Individualität,  deren  sensible  Functionen  meist 
ein  unbeholfenes  Tasten  und  Fühlen,  und  eine  träge  Ortsbe- 
®8öug  hinauslaufcn. 

^1  Der  Schlundring  erscheint  auch  hier  als  Urform,  seine  glei- 
strahligen  Nerven  für  gleiche,  peripherische  Theile  hat  er 
ijd  diesen  abgelegt.  Es  giebt  Sinnesnerven,  Eingeweidenerven 
j^'*d  Muskclnerven  und  da  die  Eingeweide  ohne  symmetrisclie 
und  Folge  zusammengehalten  sind,  auch  eine  successive 
ortsbewegender  Qlicder  fehlt,  so  bedarf  es  keines  geglie- 
Nervensystems. 

W , ^de  Ausbildung  des  Nervensystems  ei'scheint  hier  in  derEnt- 
^‘'jkeluiig  des  Schlundrluges  und  seiner  Nerven  zu  Ganglien, 
,lp^  die  Centra  für  die  Ausstrahlung  des  Nervenmarkes  wei'- 
Die  Stufen  der  Ausbildung  sind  in  dieser  Sphäre  folgende: 
1-  Obere  und  untere  Anschwellung  des  Schlundringes  (Gaste- 


582  111.  Buch.  Nervenphysik.  1.  Abschn,  Eigeuschafien  d.  N.  imAUg^’^- 


ropoden);  seitliche  Ganglien  am  Schlundring  mit  zerstreuten  An- 
schwellungen der  von  diesen  ausgehenden  Nerven  (Acephalen). 

2.  Der  Schlundring  als  massive  Hirnmasse,  Cephalopoden. 


lll,  Typus  der  Gliederthiere. 

Succession  ähnlicher  oder  gleicher  Glieder,  mit  ähnlichem  oder  gleichem  1** 
halte.  Längenglicdcrung. 

In  der  Ahtheilung  der  Gliederthiere  ist  die  Wiederhohii’? 
gleicher  oder  ähnlicher  Theile  in  der  Längenrichtung  der  Gm»“' 
character.  Das  Thier  besteht  aus  einer  successiven  GliederiiiV  | 
ähnlicher  oder  gleicher  Ringe,  welche  ebenfalls  ähnliche 
gleiche  Theile  des  Gefässsysterns,  der  Eingeweide  enthalten. 
Eingeweide  sind  nicht  mehr  als  ein  Convolut  durch  einen 
kulösen  Sack  verbunden , sie  erstrecken  sich  vorzugsweise  in  ' 

Dimension,  der  Länge,  der  muskulöse  Sack  ist  in  eine  gro** 
Menge  einzelner  Muskeln  für  die  articulirten  Theile  zerfallf®"  | 
Unter  diesen  Bedingungen  müssen  sich  der  Schlundring  und 
Knoten  wiederholen,  als  Bauchstrang  und  Markknoten  des 
gliederten  Leibes.  Es  gehören  hieher  die  Anneliden,  Insect^"' 
Spinnen,  Crustaceen.  . j 

Bei  allen  Insccten,  Spinnen,  Crustaceen  und  A nneliden  schei” 
übrigens  das  Gehirn  ohne  Ausnahme  über  dem  Schlunde  zu 
gen*).  Bei  den  Insecten  tritt  ausserdem  deutlicher  schon 
besondere  Nervensystem  der  Eingeweide  auf  dem  Rücken 
Darmkanals  auf,  das  auf  dem  Magen  seine  grösste  Entwi<^*^^|^ 
lung  erreicht,  und  mit  dem  Gehirne  und  Bauchmarke  duf*^ 


Wurzeln  zusammenhängt. 

In  der  Metamorphose  der  Larve  zur  Chrysalide  und 
vollkommenen  Insect  schliessen  sich  mehrere  Knoten  zus»'*^' 
men,  einzelne  Knoten  verschwinden,  andere  verschmelzen, 
den  Bedürfnissen  höher  entwickelter  Theile.  S.  oben  p.  364.  ^ 

Bel  einzelnen  Insecten  sind  alle  Knoten  und  Schlingen 
Bauchmarkes  zu  einem  soliden  Markstrange  vereinigt,  von 
alle  Nerven  des  gegliederten  Leibes  strahlig.  ausgehen, 
der  durch  den  noch  offenen  Schlundring  mit  dem  Hirng^“' 
glion  verbunden  ist.  So  bei  dem  Nashornkäfer,  selbst  im 
venzustande. 

Hier  sieht  man  die  Stranghlldung  mit  den  Knoten  in 
nen  einfachen  Strang  übergehen  und  es  scheint  das 
mit  dem  Rückenraarke  in  der  That  morphologisch  nicht 
sehr  von  dem  Nervensystem  der  Wirbellosen  verschieden- 
bleibt  nur  jene  den  W'irbellosen  eigenthümliche  Bildung, 
der  Schlundring  der  Speiseröhre  zum  Durchgänge  dient.  ^ 
drerseits  sehen  wir,  dass  hei  niederen  Wirbelthieren 


*')  Beim  Scorpion  tritt  der  Schlund  --uich  durch  den  Schlundring;  ^ 
der  hintere  oder  untere  Theil  des  Gehirns  ist  grösser  als  der 
was  mich  früher  zu  der  unrichtigen  Ansicht  leitete,  dass  das  Gehirp  ^ 
ter  dem  Schlunde  liege.  Auch  bei  den  Phasmen  ist  diess,  wo  J*' 
im  Jahre  1826  zu  sehen  glaubte,  nicht,  sondern  nach  neuerer  ** 
snehung  wie  bei  allen  Insecten. 


I,  Vom  Bau  ilci'  Keroeu.  Feinerer  Bau  der  J^rroen.  583 

^rsprungsstellen  Leträclitliclicr  Nervenmassen  aus  dem  Rücken- 
die  Knotenkildung  an  diesem  wieder  crsclieint,  wovon  die 
laclieu  (janglien  am  Halsmarke  der  Triglen  ein  Beispiel  geben, 
''*0  denn  aucli  die  Anscbwellnngen  am  Ui-sprniige  der  Arm-  und 
‘’clieiikelnervcn  bei  den  Scbildkröten,  bei  den  Vögeln  und  Säuge- 
oueren  bieber  gebörrn. 

, Auch  auf  die  Gleicbstellung  des  Nei’vensystcms  der  Mol- 
^sken  mit  dem  sympatbiseben  Nerven  der  Wirbeltbiere  kön- 
wir  keinen  Werth  legen.  Der  Mangel  der  Ganglienkette 
diesen  Tliicrcn  ist  eine  Folge  der  Abwesenheit  des  geglieder- 
Rumpfes.  Die  Vereinigung  dieser  Ganglien  in  eine  Kette  ist 
^bvas  Zufälliges,  d.  b.  nicht  ira  Nervensystem  selbst  wesentlich 
gelegenes,  nur  von  der  Gliederung  Abhängiges.  So  kann  in  der 
blasse  der  Glicderthiere,  bei  dem  Untergange  oder  dem  Zuriiek- 
Jfßten  der  gegliederten  Btldung,  die  Ganglienkette  durch  zerstreute 
Ganglien  der  IJirnnerven,  in  der  Art  wie  bei  den  Mollusken,  er- 
setzt werden,  Avie  diess  bei  den  Pbalangicn  der  Fall  ist.  Die  Gan- 
S'ien  der  Mollusken  sind  daher  zum  Theil  Ganglien  der  Eingeweide- 
J^Pven,  den  Rildungsprocessen  bestimmt,  andern  Theils  sind  die 
krnnerven  und  ihre  Ganglien,  Avelche  in  den  Bewegungsorganen, 
iin  Mantel  (Sepien),  sich  verbreiten  und  der  willkührlichen 
^''^stimmung  fähig  sind,  durchaus  dassellje,  Avas  bei  den  Glie- 
j^^J'thieren  die  MuskelnerA’en  der  Ganglienkette,  und  ganz  von 
^Her  Gleichstellung  mit  EingeAveidenerA’cn  auszuschlicssen. 


b.  Von  dem  feinem  Bau  der  Nerven. 

Die  Nerven  bestehen  aus  kleineren  Aind  grösseren,  parallel 
j*®ken  einander  liegenden  Bündeln,  Av^elche  ein  häutiges  Neurilem 
^’^sitzen,  in  der  Länge  eines  Stranges  zuweilen  von  Stelle  zu 
pelle  Zusammenhängen,  Avährend  die  im  Innern  dieser  Bündel 
'‘Agenden  Priinltlvfasern  der  Nerven  nur  parallel  aneinanderlie- 
Und  sich  nicht  mit  einander  vei’binden,  sondern  selbst  da, 
die  Bündel  zu  anastomosiren  scheinen,  nur  aus  einem  Bün- 
in  das  andere  übergehen,  um  sich  anderen  Fasern  anzidegen. 
Primitivfasern  der^Nerven  sind  sich  bei  verschiedenen  Thie- 
sehr  Vdinlicb  an  Form  und  Stärke;  bei  keinem  Thiere  be- 
®hen  sic  aus  aggregirten  Kügelchen,  sondern  immer  stellen  sie 
.‘‘‘lache  Fäden  \lar.  Nach  K-äause  betragen  die  Primitivfasern 
j,“*"  Nerven  des  Menschen  Par.  Lin.,  nach  R.  Wag- 

P“  3'i'o  j die  des  Frosches  nach  Demselben  Die  Primitiv 


I *Crn  eines  Spinalnerven  der  Katze  betragen,  wie  ich  sah,  gegen 
des  Durchmessers  ilirer  Blutköi’perchen.  Die  Nervenfa- 
des  Frosches  betragen  ungefähr  ^ ^ der  Blutkörperchen 

A*  Menschen  und  der  Blutkörperchen  des  Frosches;  sio 
j^peincn  feiner  als  die  Kerne  der  Blutkörperchen  dieser  Thiere. 
■ Capillargcfässe  verbreiten  sich  nicht  mehr  auf  den  Priraitiv- 


Nerven,  denn  sie  sind  selbst  stärker  als  diese,  und  sie 
mit  ihren  Netzen  nur  zwischen  diesen  Elementarfäden  bin. 
kiHREWBEHG  (Poggemdorf’s  der  Physik.  Bd.  XXVIII.  Hft. 

*at  eine  sehr  wichtige  Entdeckung  über  den  Bau  der  Fasern 
“tlcr’g  PhysiojQgie,  38 


8cb 
*■1 


584  in.  Buch.  Nervenphrsik.  /.  Ahschn.  Elgenschaflfii  d.  N.  im  Allgem. 

im  Gehirn  und  einigen  Nerven  gemacht.  Die  Corticalsubstan* 
des  Gehirns  bestellt  nach  ihm  aus  einem  dichten  Gefässnetz, 
dessen  Maschen  eine  sehr  feinkörnige  Masse  mit  hier  und  da  ein- 
gelagerten  grösseren  Körnern  enthalten  ist.  Die  grösseren  Körn- 
chen sind  frei,  die  sehr  kleinen  feinen  scheinen  durch  zarte  b®" 
den  reihenweise  verbunden.  In  der  Nähe  der  Medullarsubstan* 
tritt  das  Faserige  der  Coi'ticalsubstanz  immer  deutlicher  hervor- 
Die  Fasern  der  Medullarsuhstanz  sind  keine  einfachen  cylindri- 
schen  Fibern,  sondern  sie  gleichen  Perlenschnuren,  deren  Perle" 
sich  nicht  berühren,  sondern  durch  einen  dünnem  Faden  g®' 
trennt  sind.  Sie  sind  stets  gerade,  selten  in  zweie  gespalte".' 
sonst  nie  anastomosirend ; nach  Ehbekbebg  sind  sie  hohl.  Dieser 
letzte  Umstand  bedarf  vielleicht  noch  weiterer  Bestätigung,  währen^ 
der  von  Ehresbebg  entdeckte  knotige  Bau  der  Hirnfasern  im  All' 
gemeinen  leicht  bestätigt  werden  kann,  wie  ich  denn  selbst  spä' 
ter  diesen  Bau  an  Theilchen  der  Medullarsuhstanz,  die  zwische" 
zwei  Glasplättchen  gedrückt  ivurden,  ganz  so  wie  Ehbenberg  g®' 
sehen  habe.  (Nach  Krause’s  microscopischen  Untersuchung®" 
wären  die  Nervenfasern  des  Gehirns  nicht  Böhren,  sondern  so- 
lide Cylinder  aus  einer  zähen,  in  Wasser  löslichen  Substanz,  wd' 
che  Kügelchen  einschlicsst,  die  stellenweise  in  grösseren  Klümp' 
eben  zusammen  liegen,  und  dadurch  als  knotige  Anschwellung®" 
erscheinen.  Poggesd.  Ann.  1834.  N.  8.  Vergl.  Gegenbemerkungen  vo® 
Ehreisberg,  ehend.).  Der  Selinerve,  Gchornerve  und  Geruchsnerv« 
enthalten  eben  solche  variköse  Fasern,  auch  der  N.  sympathicuS’ 
alle  übrigen  Nerven  dagegen  bestehen  aus  cylindrischen,  parall®' 
len  Fasern  von  Linie  Dicke,  und  cs  scheint  nicht,  nach  de"’’ 
was  ich  mit  Herrn  Professor  Eiireneerg  zusammen  gesehen  hab®’ 
dass  die  hinteren  und  vorderen  Wurzeln  der  Rückejimarksnerv®" 
sich  in  dieser  Hinsicht  unterscheiden.  Alle  scheinen  am  Ü®' 
Sprunge  noch  knotige  Fasern  in  sich  zu  enthalten,  w^elche  ab®" 
bald  in  knotenlose  übei'gehen.  Im  N.  svunpathicus  dagegen 
Ehre5berg  überall  feine  knotige  Röhren  mit  stärkeren,  cylindi’®' 
sehen  gemischt.  Dass  die  Nervenfosern  der  mehrsten  Nerv®" 
keine  Anschwellungen  enthalten,  und  dasS  die  ältere  Vorstellu"? 
von  der  Zusammensetzung  aus  Körnern  tinrichtig  ist,  hatte  i®" 
selbst  schon  früher  bemerkt  und  bekannt  gemacht.  Wichtig  ***'’ 
was  Ehreübeeg  beobachtet  hat,  dass  die  cylindrischen  Nervenf®' 
sern  hohl  sind  und  eine  markige,  aus  kleinen  rundlichen,  jedo®" 
wenig  regelmässigen  Partikeln  bestehende,  ausdrückbare  M®**® 
enthalten.  Ehrenberg  hat  sich  überzeugt,  dass  die  Nervenfas®"" 
unmittelbare  Fortsetzungen  der  Hirnfasern  sind;  doch  ersehe*"" 
das  in  den  Röhrennerven  enthaltene  deutliehe  Nervenmark  efS 
dann,  wenn  die  Röhren  aus  dem  Gehirn  oder  Rückenmark  b®' 
reits  hervorgetreten  sind,  dagegen  zeige  dieselbe  markführend® 
Röhre,  so  lange  sie  noch  einen  Theil  des  Gehirns  bilde  und  knO' 
t'o  8""^  durchsichtiges  klares  Innere  ohne  Mark. 

Sehr  merkwürdig  sind  Ehrenberg’s  Beobachtung  en  über  "*« 
Ganglien.  Sie  haben  das  gemein,  dass  sie  aus  stärkeren,  cyb"' 
drischen  Nervenröhren  und"  aus  Anhäufungen  von  knotigen  Hi®"' 
röhren  bestehen,  die  in  ein  zartes  Blutgefässnetz  eingeschloss®" 


1.  Hau  der  .Nerperi.  Feinere  Structur  der  Nerven.  Pi'LmdLi>Jaserii.  585 


zwisclien  dessen  Maschen  grössere  Rörnchen  erscheinen, 
dieselben  Körnchen,  -welche  nach  EiiRENUEiift  die  Retina  bedecken. 

den  Ganglien  der  Riickeninarksnerven  der  V^ögel  sah  Ehrenberg 
Uur  cylindrischc  Fasern  lind  sehr  grosse,  fast  kugeli'örmige,  etwa -j'-g- 
Linie  dicke,  un regelmässige  Körper.  "VVenn  icli  Eurenbeeg  recht 
^'erstehe,  so  scheint  er  anziinehmen,  dass  die  Substanz  der  Kno- 
fcn  des  N.  syrnpalhicus  nvir  aus  einem  Gemisch  von  Gefässen, 
''On  sehr  zarten,  kaum  unterscheidbaren  Knotenröhren  (scheinbar 
feinkörnige  Marksubstanz),  und  von  einer  überwiegenden  Menge 
stärkerer  Rnotenröhren  — also  wahrer  Marksubstanz  bestehe. 
Diese  Hirnsubstanz  lagere  sich  um  cylindrische,  gewöhnliche  Ner- 
^enröhren,  welche  sich  in  den  Knote’n  nicht  verändern,  aber  durch 
Leiihiscliung  von  knotigen  Röhi’en  in  ihi’c  Bündel  verstärkt  werden. 

Bei  den  wirbellosen  Thieren  sind  die  knotigen  Fasern  nach 
Lhrenberg  in  einem  sehr  geringen  Verhältnisse  erkennbar,  wäh- 
*'end  die  Röhrensuhstanz  auch  in  den  Ganglien  deutlich  über- 
'W'iegend,  fast  ausschliesseud  vorhanden  ist. 

' Ehrenderg  hat  die  grösseren  Kügelchen  in  der  Corlicalsub- 
stanz  des  Gehirns  und  auf  der  huieru  Fläche  der  Retina  mit  den 
Kernen  der  Blutkörperchen  verglichen:  er  hat  jene  Kügelchen 
iler  peripherischen  Hirnenden  hei  Thieren  grösser  gefunden,  wo 
Such  die  Blutkörperchen  grösser  sind:  deswegen  stellt  er  die 
Hypothese  auf,  dass  die  Kerne  der  Blutkörperchen  gleichsam 
^ahrungsstolF  des  Gehirns  seyen,  wobei  indess  zu  bedenken  ist, 
dass  auch  die  feinsten  Capillargefässe  noch  Wände  besitzen , und 
dass  keine  andere,  als  aulgelöstc  Thcile  diese  Wänuc  diu^chdiiu— 
gen  können.  Diese  letztere  Ansicht  hat  er  besonders  in  einer 
Dratulationsschrift  zu  Hoeelahd’s  Jubelfeier  entwickelt.  An  dem- 
selben Orte  spricht  er  die  Ansicht  aus,  dass  bei  den  wirbellosen 
Thieren  das  Rückenmark  fehle,  indem  der  knotige  Bauchstrang 
Leine  varikösen  Röhren  enthalte.  Er  vergleicht  deswegen  diesen 
^Irang  mit  dem  N.  sympathlcus  und  den  von  mir  und  Brandt 
beschriebenen  Eingeweidenerven  mit  dem  N.  vagus.  Diese  Ver- 
Sleichung  scheint  mir  nicht  richtig,  indem  der  Eingeweidenerve 
der  Insecten  allerdings  an  mehrei’Cn  Orlen  den  Ganglien  des  N. 
^yjnpathicus  ähnliche  Knötchen  zeigt,  während  die  Aerven  vom 
Lauchstrange  sich  bei  den  Insecten  durch  ihren  Mangel  an  Gan- 
Shen  deutlich  als  Spinalnerven  ausweisen. 

Die  Hypothese,  dass  der  Eingeweidenerve  der  Insecten  dem 
Vagus  gleiche,  ist  neulich  auch  von  van  Deen  [diss.  de  diffe- 
et  nexu  inler  nervös  vitae  animalis  et  vilae  organicae , Lugd. 
LV.  18,34.)  vertheidigt  worden.  Mir  scheint  die  Analogie  dieser 
l^erven  mit  dem  N.  sympathlcus  der  Wirbelthiere  gegen  allen 
^"weifel  sicher,  weil  jener  Nerve  ein  ganzes  System  bildet,  wozu 
'öisser  dem  Hauptnerven  auch  noch  seitliche  Knötchen  Im  Kopte 
gehören  (wie  man  denn,  um  sich  von  dieser  Ansicht  zu  uber- 
*^eugen,  nur  die  Tafeln  von  Lyonet  und  von  mir  von  diesen  Knötchen 
betrachten  hat)  und  weil  kein  anderer  Nerve  als  der  N.  sympa- 
bicus  Nervensystem  der  unwillkührlichen  Bewegungen  seyn  kann. 

Von  ausserordentlicher  Wichtigkeit  ist  die  Kenntniss  des 
'“rlaufs  der  Primitivfasern  in  den  Nerven , denn  so  unentbehr- 

38  * 


586  III.  Buch.  Ncrvcnphfsik.  I.Ahschn.  Elgenschaftcnd.l^.im  AUgcm. 

lieh  auch  die  genaue  Renntniss  der  Verzweigung  der  Nerven 
so  handelt  es  sich  zuletzt  in  der  Physik  der  Nerven  nur  um  die 
Frao^c  wo  die  Primitivfasern,  die  in  einem  Bündel  enthalten  sine  • 
entspringen,  und  wo  sieh  ilire  Enden  befinden,  und  es  i st  we- 
nigstens für  viele  Fragen  der  Physik  der  Nerven  gleichgidtig’ 
in*’w'clches  Bündel  diese  Fasern  hineintreten  oder  wie  bald 
daraus  hervortreten , da  sie,  wie  man  bald  sehen  wird,  von  A"' 
fang  an  darin  selbstständig  und  isolirt  sind.  . 

Die  erste  und  wichtigste  h’rage  ist,  oh,  da  die  Nerven  sic’ 
vielfach  unter  sich,  und  seihst  die  Bündel  eines  Nerven  von  Stell 
zu  Stelle  Zusammenhängen,  dasselbe  von  den  in  diesen  Fasern 
enthaltenen  Primitivfasern  gilt.  Verbinden  sich  die  Primitiv^' 
sern  tinler  sich  niemals,  so  steht  das  Hirnende  einer  Primitivin- 
ser  immer  auch  nur  mit  einem  einzigen  peripherischen  Ende  ini 
Zusammenhang,  und  dem  peripherischen  Ende  entspricht  nur  ein® 
einzige  Stelle  im  Gehirn  oder  B.ückenmark,  und  so  viele  Mill'l' 
neu  ^rlmilivfascrn  zu  peripherischen  Thcilen  hingehen,  so  vid® 
peripherische  Punkte  des  Körpers  sind  im  Gehirn  repräsentir*'' 
Wenn  aber  die  Primitivfasern  theils  in  den  Bündeln  der  NerveU’ 
thells  in  den  Anastomosen  und  Plexus  Zusammenhängen,  un‘ 
nicht  bloss  juxtaponirt  sind:  so  repräsentirt  das  Hirnende  ein®’’ 
Primitivfaser  sehr  viele  peripherisclic  Punkte,  und  zwar  ah® 
Punkte,  deren  Fasern  unterwegs  in  einander  fllessen.  Da  m"* 
die  Nerven  überall  sich  scheinbar  verbinden,  so  würde,  wenn  si®'* 
auch  die  Primi livfasern  verbänden,  last  so  gut  wie  kein  einzig®^ 
Punkt  des  Körpers  im  Gehirn  isolirt  und  einzeln  repräscntii 
w'erden,  und  die  Reizung  einer  PrirniLivfascr  In  einem  Punkt® 
der  Haut  w'ürde  sich  auf  alle  Verbindungen  forlpflanzcn  müsset; 
d.  h.  es  würde  nicht  die  Empfindung  eines  Punktes  im  Gehir” 
entstehen  können.  Denn  die  Empfindung  eines  Punktes  im  G®' 
hlrn  hängt  otfenhar  davon  ab,  dass  da,  wo  das  Bewusstseyn  sl»' 
findet,  auch  nur  durch  Eine  Faser  und  au  Einem  Ort  ein  Ei“' 
druck  geschieht.  Man  sieht  leicht  ein,  dass,  w'cnn  die  Anastom®'’ 
sen  der  Nerven  für  die  Leitung  des  jfervcnprinclps  dieselbe  B®' 
deutung  hätten,  als  die  Anastomosen  der  Gcfässc,  gar  keine  öA' 
liehe  Nervenwirkung  vom  Gehirn  auf  die  peripherischen  Theu  ; 
und  von  den  peripherischen  Theilen  nach  dem  Gehirn  statt  ß*’' 
den  könnte.  Die  ganze  Möglichkeit  einer  exacten  Physik  d®^ 
Nerven  hängt  davon  ab,  ob  die  Primitivfasern  der  Nerven  in  d®'^ 
Anastomosen  der  Bündel  oder  Scheiden  sich  wirklich  oder 
verbinden.  Schon  Foktana  und  später  Prevost  und  Dumas  h®' 
ben  die  Beobachtung  gemacht,  dass  die  Primitivfasern  der  A®  ' 
veh  sich  ln  dem  Bündel  nicht  mit  einander  verbinden,  sond® 
nur  neben  einander  fortgehen.  Zu  dieser  Zeit  hat  man  schwer^ 
lieh  schon  eine  Ahnung  von  der  Wichtigkeit  dieser  Beobachtung 
die  Physik  der  Nerven  gehabt.  Vor  einigen  Jahren,  zur  selb 
Zeit,  als  ich  meine  Versuche  über  die  motorischen  und  sen 
hcln  Wurzeln  der  Nerven  bekannt  machte,  beschäftigte  ich^ 
mit  der  Untersuchung  jener  Frage.  Natürlich  lässt  sich 
nur  eine  Strecke  unter  dem  Microscop  untersuchen.  Durch  r 
rücken  von  Stelle  zu  Stelle  kann  man  aber  eine  grössere  GeWi 


1.  Bau  der Ncri>cii.  FeincreStriictur  J.JSeri’cn.  Primiiii'Jasern.  587 

lieit  crlialten,  oJj  solche  Vei'hintlungen  statt  liahen  oder  nicht. 

ist  es  mir  nie  gelungen,  hei  Beohachtung  der  auseinandei- 
8'^spreizten  Prlmitivrasern  eines  Ncrvenhündelchens  auf  einem 
sch^varzen  Blätleiien  unter  dem  einfachen  Microscop  solche  Ver- 
^^Hidungen  z,u  sclien:  immer  liefen  diese  Fasern  nebeneinander, 
^•jereinander  weg,  und  aucli  da,  wo  sich  zwei  Bündclehen  ver- 
^Janden,  liaho  ich  keine  wirkliche  Vereinigung  der  Fasern,  son- 
^^6rn  ganz  deutlich  eine  ganz  einfache  Juxtaposition  derselben  sc- 
hien können.  Man  kann  dieses  Verhalten  eigentlich  schon  aus 
*ler  imssern  Beschaffenheit  der  Verven  vor  und  »ach  einer  sol- 
'^licu  Vereinigung  erkennen.  Wenn  sich  die  J’rimitivfasern  iiei 
Jalchen  Vereinigungen  verhimden,  also  vei'schmölzen  und  also  an 
^ahl  gerlngei’  würden,  so  müsste  das  Bündel,  welches  aus  dei 
Bereinigung  zweier  hervorgeht,  halb  so  dünn  seyn  wie  beide  zu- 
‘’arnmen;  es  ist  aber  in  diesen  Fällen  immer  grade  so  dick  wie 
^eide  Bündel  zusammen  (mit  einziger  Ausnahme  des  N.  sympa- 
*-1110113).  Bilden  Nerven  einen  Plexus,  so  geht  aus  dem  Plexus, 
^fotz  aller  Kreuzung  der  Fasern,  doch  wieder  so  viel  TVerven- 
*öasse  hervor,  als  licrcingetrcten  ist.  Eben  so  verhält  es  sich  hei 
iler  Verzweigung  der  Nerven.  Ein  Nerve,  der  einen  /weig  ab- 
8ieht,  wird  gerade  so  viel  nach  der  Abgabe  des  Zweiges  dünner, 
Nervenfasex’n  von  dem  Stamm  in  den  Zweig  abgewichen  sind ; 
ünd  man  kann  mit  Hülfe  der  feineren  Zergliederung^  leieht  sc- 
dass  bei  der  Abgabe  eines  Zweiges  nicht  etwa  jede  Faser 
*«^lhst  sich  in  2 Theile  Ihcile,  wovon  der  eine  in  dem  Nerven 
'^Eibt,  der  andere  in  den  Zweig  übergoht,  sondern  dass  durch 
Verzwei-nuig  nur  die  Vertheilung  der  im  Stamm  schon  vor- 
^ndenen  Nervenfasern  ahgeändert  wird;  deswegen  können  auch 
‘ü  einem  Stamm  gar  verschiedene  Fasern  zusarmnenliegen , em- 
b*'iulliche  und  motorische,  und  oft  liegen  Nerveuästc  in  dem  gan- 
“"i'»  Stamm  schon  vorgcbildet  da,  welche  mit  den  übrigen  Thei- 
[?'i  des  Stamms  weder  eine  Verbindung  eingehen,  noch  Aehn- 
'i^hkeit  der  Eigenschaften  damit  besitzen.  So  z.  B.  betrachtet 
^öun  den  N.  mylohyoideus,  einen  Muskelncrvcn,  nur  ganz  roh 
einen  Ast  des  N.  alveolaris  inferior,  eines  Getühlsuerven,  denn 
beiden  Nerven  haben  gar  niclits  mit  einander  gemein,  als 
sie  beisammen  liegen;  mul  so  ist  es  sehr  oft.  Man  sicht 
*‘‘«i'aus  auch  ein,  dass  ^Identität  der  Eigenschaaen  der  Bündel  m 
Natur  eines  Nervenstammes  gar  nicht  liegt,  sondern  dass  er 
®'*er,  namentlich  in  einiger  Entfernung  von  seinem  Ursprung  vom 
^«*ürn,  eine  sehr  maimichfaltigc  Juxtaposition  von  ganz  verschie- 
Bündeln  seyn  kann,  je  nachdem  sich  verschiedene  Bündel, 
T zugleich  einem  Gllede  bestimmt  sind,  an  ihn  gclegcntüeh 
^üschliessen. 

Mit  der  eben  hier  erörterten  Ansicht  von  dem  unzusam- 
’^euhängenden  Verlauf  der  Primitivfasern  vom  Gehirn  bis  zu 
peripherischen  Thcilen  steht  eine  Vorstellung  im  Wuler- 
P‘’>ich,  dass  nämlich  die  Nerven  bei  ihrem  Verlauf  an  Alasse 
'Nehmen  sollen;  diess  ist  aber  ein  Missversfäiulnlss,  welches 
Soemmekrikg  lierrührt.  Allerdings  ist  ein  Nerve  dünnei', 
lange  er  noch  innerhalb  der  Dura  mater  liegt,  so  lange  er 


588  III.  Buch.  IScruenphysik.  I.Ab.tchn.  Eigenschaffend,  N'.imAUäcm. 

nocli  kein  Neurllem  Lesitzt.  Naclilicr  Lleibt  er  sich  gleich , 
lange  er  keine  Aeste  aligiehl.  Die  Aeste  zusammengenommen 
sind  jedesmal  gleich  dem  Stamm;  wenn  sieh  etwa  ein  kleiner 
Unterschied  zeigt,  so  kömmt  er  davon  her,  dass  an  den  Zweigen 
zusammen  mehr  Ncurilem  vorhanden  ist,  als  an  dem  Stamm. 

Was  ich  ehen  von  den  Nerven  hei  ihrer  Verzweigung  he- 
merkt  hahe,  gilt  auch  von  dem  Plexus  zweier  verscliiedenen  Ner- 
ven. Ich  hahe  mit  aller  Mühe  vor  einigen  Jahren  die  Verhin' 
düngen  des  Nf.  facialis  mit  dem  N.  infraorhitalis  im  Gesicht  des 
Kaninchens  und  Schafes  zergliedert,  und  mich  durch  genaue  gra- 
phische Aufnahme  des  Verlaufs  der  Primilivfasern  heider  Ner- 
ven üherzeiigt,  dass  sich  die  Fasern  hloss  aneinander  legen, 
neuen  Bündeln  sich  vertheilen.  Von  diesen  Principien  betrach- 
tet, muss  man  sich  also  die  Primitivfasern  aller  Cerehro- Spinal- 
nerven (wie  es  sich  mit  dem  N.  svmpathicus  verhält,  ist  mir  noch 
nicht  ganz  klai')  vom  Ursprung  his  zum  Ende  isolirt  denken,  und 
als  Strahlen  von  der  Achse  des  Nervensystems  ansehen.  Genau 
genommen  gehen  auch  diese  Strahlen  beinahe  in  einer  Linie  je- 
derseits  vom  llückenrnark  aus , nur  von  Stelle  zu  Stelle  wird 
bloss  eine  Summe  dieser  in  einer  fast  zusammenhängenden  Lim® 
entspringenden  Fasern  in  ein  Bündel  zusammengefasst , vvie  C* 
nämlich  für  die  VcrUieilung  derselben  an  ihre  peripherischen 
Stellen  am  bequemsten  ist. 

D iese  Ergebnisse  eigener  Beobachtung  hahe  ich  seit  Jahren 
in  meinen  Vorlesungen  vorgetragen ; im  Jahre  1830  halte  ich 
Gelegenheit,  sie  Herrn  Pi-ofessor  Scuroedeä  van  der  Roi.k  in  Ut- 
recht mündlich  milziilheilen , indem  ich  denselben  auffordertej 
diese  Beobachtungen  zu  -1)1111611;  jetzt  haben  diese  Ansichten; 
die  mit  denen  von  Fontasa  und  Prevost  und  Dumas  ühereiu' 
stimmen,  durch  das  Gewicht  derselben  Beobachtungen  von  Sei- 
ten meines  berühmten  Collegcu  Eurenberg  in  mir  noch  meh* 
sich  befestigt. 

Wie  sich  die  Enden  der  Nerven  verhalten,  ist  noch  ga*** 
unbekannt.  Dass  sie  Netze  bilden,  wie  Rudolphi  nach  den  Ner- 
ven der  Zunge  bemerkt,  gilt  hloss  von  den  mit  blossen  Auge® 
sichtbaren  Nervenfäden,  und  das  sind  auch  keine  Netze,  sonderU 
strickwerkartige  Vertheilungen  der  Fasern,  ohne  dass  die  Primiti'' 
fasern  sich  eben  verbinden.  Auch  was  Prevost  und  Dum  as  von  deu 
Nervenschlingcn  auf  den  Muskelhündeln  bemerken , erleidet  dem 
selben  Einwurf.  Wenn  sich  wirklich  die  Primitivfasern  zulet* 
netzförmig  ausbreiten,  was  ich  sehr  bezweifle,  so  müsste,  ivcu" 
nicht  dadurch  alle  örtliche  Empfindung  aufgehoben  werden  sollt®' 
wenigstens  das  von  einer  Primitivfaser  ausgehende  Netz  von  de® 
Netzen  der  übrigen  Primitivfasern  isolirt  scyn. 

Die  Ganglien  der  Nerven  lassen  sich  in  drei  Classen  bring®®' 

I,  Ganglien  der  hinteren  JE urzeln  der  Bilckenmarksneroen, 
gUon  der  grosseji  Portion  dc.s  Hei'oiis  trigeminus,  Ganglion  Nenn 
Ganglion  jugulare  Nervi  glossopharyngei. 

Die  hier  aufgeführten  Ganglien  haben  mit  einander 
dass  sie  einem  G'dublsncrven  angebören ; es  wird  aus  den  spa' 


1.  Bau  der  IS erven.  Feinere  St ructur  der  Serrcu.  Ganglien.  589 


Unlersucliungen  sich  ergehen,  dass  die  hinteren  Wurzeln  der 
I^uckenmarksnerven  nur  sensibel,  nicht  motorisch  sind.  Unter 
Ganglien  der  Rückenmarksnerven  zeigt  das  Ganglion  des 
Piückenmarksncrvcn  zuweilen  , das  der  beiden  letztem  im- 
'aer  Anomalien  in  Hinsicht  seiner  Lage.  Das  erstere  liegt  zu- 
'teilen  noch  innerhalb  der  Dura  maler.  M vyer  i\oe.  act.  mit.  cur. 

XVI.  Die  beiden  letzten,  sehr  zarten  Rückenmarksnem  en  ha- 
hen  Hire  Ganglien  nach  Schle.mm’s  Entdeckung  immer  noch  in- 
•'erhalb  der  Dura  mater.  Muei.ler's  ylrcliiu  für  Anatomie  und 
^h'siolügie.  18.34.  I.  In  dem  Verhidtnlss,  wie  die  hintere  Wur- 
zel zur  vorderen  W^urzel  der  Rückenmarksnerven,  steht  aber 
'“ich  die  Portio  major  nervi  trigemini,  die  ln  das  Ganglion  Gas- 
^^ri  anschwillt,  zur  Portio  minor,  die  an  dem  Ganglion  vorhei- 
gelit.  ScABP.\,  Ausold  und  Bisgiioif  betrachten  den  N.  vagus 
“^cgen  dessen  Knoten  im  Forarticn  jugxdare  auch  als  einen  bloss 
^Cnsiheln  Nerven , oder  vielmehr  als  die  eine  sensible  ^Vurzel  ei- 
tles gemischten  Nerven,  dessen  andere  oder  motorische  Wurzel 
der  Nervus  acccssorius  Willisii  sey,  daher  sie  die  motorischen 
^’iisern  des  Nervus  vagus  von  der  Verbindung  mit  dem  Nervus 
accessorlus  ahleiten.  Mayer  (a.  a.  O.  /l  743.)  hat  die  wichtige 
Entdeckung  gemacht,  dass  hei  melircren  Saugcthieren  (Ochse, 
^und,  SciiYvein)  eine  überaus  feine  hintere  AVurzel  des  N.  hy- 
l'oglossus  vorhanden  ist,  welche  von  der  hintern  Fläche  der 
^edulla  ohlongata  entspringt,  über  "den  N.  accessorius  weggeht 
“nd  ein  deutliches  Ganglion  über  dieser  Stelle  hddet , ohne 
•»nt  dem  N.  accessorius  zusammenzuhängen.  Aus  diesem  Gan- 
SEon  geht  ein  dickerer  Nervenläden  hervor,  welcher  durch  eine 
Eleffnun-  in  dem  ersten  Zahn  des  Ligamentum  denliculatum 
’nndiirchoeht  (oder,  wie  wir  es  neulich  sahen,  über  dem  ersten 
Eahn  des  Lig.  denliculatum  weggeht),  um  sich  zur  bekannten 
'■'"urzel  des  N.  hypoglossus  zu  begehen.  Diese  hintere  Wurzel 
‘‘“d  das  Ganglion  hat  Mayer  bis  jetzt  nur  einmal  Ijelm  Men- 
schen befunden.  Wir  haben  sie  bei  Menschen  wiederholt  ge- 
®^‘cht  Snd  nicht  gefunden,  aber  ggnz  tleutlich  heim  Ochsen 

. An  diese  Beobachtung,  die  nicht  vom  Mensclien  gilt,  schhesst 
^ph  eine  von  mir  beim  Menschen  gemachte  Beobachtung  an.  ( ue- 
jiin.  ( Vereins-)  Zeitung.  Berlin,  183.1.  Nr.  52.).  Ich  nahe  nämlich  an 
^cr  Wurzel  des  N.  glossopliaryngeus  des  Menschen,  von  welchem 
^'“'1  bisher  bloss  das  Ganglion  petrosum  am  untern  Ei)de  des 
cranien  lacerum  kannte,  ein  ganz  kleines  Ganglion  ge.lunden, 
'"’clches  an  der  hintern  äussern  Seite  der  Wurzel  dieses  Nerven, 
Obern,  der  Cavitas  cranii  zugewandten  Anfang  des  Foramen 
'‘cerum  Hegt.  Man  sicht  dieses  Knötchen  von  1 Millimeter  Länge 
wenn  man  die  Dura  mater  an  der  Durchgangsölfniing  weg- 
Senonimen  und  den  hintern  Rand  des  Felsenbeins  abgemeisselt 
Es  gehört  nicht  der  ganzen  AVurzel  an,  sondern  einem  Bun- 

c'chen  von  einigen  Fäden  '‘derselben,  weiches,  nachdem  es  durch 
1*^?  Ganglion  gegangen,  stärker  gexvorden  scheint,  übrigens  aber 
^C'nen,  von  äen  übrigen  Wurzelfäden  des  N.  glossopharyngetis 
''^chiedenen  Ursprung  hat. 


590  III.  Buch,  Neruenphysik.  I.Abschn.  Eigenscfiaftend.N.mAl/ßcm. 

Dieses  Ganglion  ist  in  den  meisten  Fällen  beim  Menscliei' 
vorlianden.  Mayer  war  diese  Entdeckung  beim  Menseben  ent- 
gangen, obgleicb  er  an  derselben  Stelle  beim  Ochsen  zwei  kleine 
Knöteben  riclifig  beobachtet  bat.  Das  MAYER’sehe  Kiiöteben 
der  hintern  Wurzel  des  Nervus  livpoglosstis  beim  Ochsen  schein^ 
übrigens  zu  beweisen,  dass  die  Nervenl'äden  in  dieser  Art  von 
Ganglien  sich  vermehren.  Dicss  ist  hier  ziemlich  sicher,  ''ve‘* 
man  Gelegenheit  hat,  den  Faden  vor  und  hinter  dem  Gan- 
glion zu  vergleichen,  ehe  der  Nerve  durch  ein  Ncurilem  ver- 
stärkt worden  ist. 

Das  seit  älterer  Zeit  schon  bekannte  Ganglion  petrosum  I'- 
glossopharyngei  scheint  die  Bedeutung  der  Ganglien  der  Empfin- 
dungsnerven  nicht  zu  haben  und  mehr  mit  denjenigen  Anschwel- 
lungen überein  zu  stimmen,  welche  zuweilen  entstehen,  wenn  Aeste 
des  N.  sympathicus  sich  mit  anderen  Nerven  verbinden,  wie  z. 
die  geringe  Anschwellung  des  N.  facialis  am  Knie  desselben  hier- 
her gehört,  wo  er  den  Ramus  petrosus  superficialis  N.  vidiau* 
aufnimmt.  In  der  That  verbindet  sich  das  Ganglion  petrosua> 
mit  einem  aufsteigendeu  Aste  des  Ganglion  ccrvicale  supremuöV 
und  durch  den  Ramus  tympanicus  Ganglli  petrosi  mit  dem  R*' 
mus  carotlco- tympanicus  N.  sympalhlci. 

In  den  Ganglien  an  den  Wurzeln  der  scnsibeln  Nerven  bre>' 
ten  sich  die  Faserbün deichen  pinselförmig  in  der  grauen  MassC 
aus,  und  sammeln  sich  auf  der  andern  Seile  wieder  zuin  Stamm, 
hierbei  die  Primitivfasern  wirklich  unter  einander  zusammeD' 
hängen  oder  nicht,  ist  noch  nicht  ganz  ausgemacht,  cs  scheh'^ 
indess,  so  viel  ich  an  den  Ganglien  der  Rückenmarksnerven  s®' 
hen  konnte,  hier  gar  keine  Vereinigung  der  Primitivfasern  stal^ 
zu  finden,  ich  konnte  nur  eine  pinselförmige  Entfernung  der  Büä' 
deichen  zwischen  der  grauen  Masse  sehen ; doch  ordnen  sich 
Primitivfasern  in  diesen  Ganglien,  wie  man  wenigstens  deutlich' 
an  dem  Ganglion  Gasseri  sieht,  anders,  und  sie  treten,  indem  sie  sid* 
anders  juxtaponiren,  in  andern  Bündejehen  hervor  als  sie  liereh*' 
getreten  sind.  Einige  Urnstände  machen  es  wahrscheinlich,  d»*’ 
diese  Ganglien  auch  Multiplicationsorgane  der  Fasern  sevn  kö**”^ 
nen , so  dass  vielleicht  eine  Primitivfaser  einfach  vom  Geh»'^ 
kommend,  in  der  grauen  Alasse  sieh  in  mehrere  thellt,  weld«'* 
sie  zugleich  repräseutirt.  Für  diese  Vermehrung  der  Faser" 
sprechen  wenigstens  einige  Beobaclitungen,  am  melken  das  Vc"' 
halten  der  von  Mayer  entdeckten  hintern  Wurzel  des  N.  hyp"' 
glossus  des  Ochsen,  die,  sobald  sie  durch  das  Ganglion  durciig"' 
gangen,  sehr  viel  stärker  geworden,  obgleich  sie  noch  innerbaO 
der  Dui'a  mater  liegt  und  durch  Ncurilem  sich  nicht  vcrstäi 
hat.  An  den  von  Schlemm  entdeckten  kleinen  Ganglien  der 
untersten  Rückenmarksnerven,  innerhalb  der  Dura  mater,  sie’ 
man  dagegen  von  dieser  Verstärkung  der  Nervenfäden  keine 
Man  vci’gleiche  übrigens  die  ti-effliche  Schrift  von  Wutzeb 
gangliorum  fabrica.  Berol.  i8X7. 

II.  Ganglien  des  Nervus  sympathicus. 

Das  Verhalten  der  Nervenfasern  in  diesen  Knoten  ist  * 
schwer  zu  enthüllen,  dass  wir  davon  noch  gar  keine  siebe 


1.  P om  Bau  der  Nerven.  B'cinereStructur  der  Nerven.  Ganglien.  591 


^''“iiutiiiss  lialjen.  Hier  wie  üLerall  kömmt  es  in  letzter  Instanz 
die  Haupt  trage  an  , oL  die  Primitivlasern  sicli  wirklicli 
'■erschmelzen  oder  auch  Idoss  juvtaponiren  , und  theilweise 
.reuzei,  mit  andern , oder  oIj  die  Primitivfasern  nur  in  der  pe- 
*''Plicrisch  en  Richtung  sich  theilen,  um  sich  darin  zu  multqjlici- 
*'611.  Wenn  irgendwo  eine  Multiplication  der  Fasern  in  den 
aiiglien  anzunehmen  ist,  so  Ist  es  gewiss  am  ehesten  in  den  Gan- 
jllien  des  IN.  svmpathicus,  wenigstens  scheinen  die  in  den  XJnter- 
6ihsgefl echten  sich  entwickelnden  Primitivl’asern , die  nun  sich 
|'6riplmrisch  Aerhrciten,  schwer  auf  die  Wurzeln  des  N.  sympa- 
**ieus  von  dcji  Rückenmarksnei’ven  zu  rcducircn.  Die  Gan- 
§hen  des  jV.  syuipathicus  hilden  wieder  zAvei  Rcilien.  Die  cr- 
*'■6  Umfasst  die  G re  nz kn  oten,  welche  da  liegen,  wo  die  Wur- 
des  JN.  syrnpathicus  von  den  Cerebral-  und  Spinalnerven 
j^minen,  sich  zum  Grenzstrang  verhinden.  In  diese  Reihe  ge- 
jören  alle  Ganglia  cervicalia,  intcrcostalia,  lumhalia,  sacralia 
li®*"  Nervus  sympalhicus.  In  die  /weite  Reihe  der  Ganglien  des 
''®i'vus  syrnpathicus  gehören  die  Ceniralknoten  oder  Geflechtkno- 
^®’ij  plexusartigeu  Knoten  in  den  Geflechten  des  Unterleibes. 

. 111.  Ganglien  an  den  Cerehrospinalnerven,  wo  sich  dieselben  mii 

^'^'eigen  des  Nervus  syrnpathicus  verbinden. 

Hierher  gehören  ilas  Ganglion  petrosum  N.  glossophai’yrigei, 
*p  Intumescentia  gangliiformis  am  Knie  des  N.  facialis,  das  Gan- 
^,‘*>11  sphenopalatinum  am  zweiten  Ast  des  N.  trigeminus,  das 
vP'igllon  ciliare,  vielleicht  auch  oticum  und  noch  einige  andere. 
5'6lit  überall,  wo  Faden  des  N.  syrnpathicus  mit  Fäden  der 
®i'e])ralnerven  zusammenstossen,  entstehen  Ganglien  an  den  letz- 
‘®*’'i;  diess  ist  vielmehr  nur  eiii  seltener  Fall,  denn  hei  der  gros- 
'*®**  Anzahl  der  Ursjwünge  des  N.  syrnpathicus  von  Cerebral- 
Spinal  nerven  befinden  sich  doch  an  der  Ahgangsstelle  dieser 
. 'ölen  von  den  Cerebral-  und  Spinalnerven  in  der  Regel  keine 
j *iotcn.  Wie  kömmt  es  aber,  dass  in  den  oben  erw'ähnlen  Fäl- 
^ liel  dem  Zusammenkommen  von  Fäden  des  N.  syrnpathicus 
h Cerebralnervcu  gangliöse  Anschwellungen  an  den  letzteren  ent- 
I ®uen.  Diess  scheint  mir  daher  zu  rühren,  dass  in  jenen  Fäl- 
Hn  der  Stelle,  wo  die  gangliöse  Anschwellung  liegt,  nicht 
^^Weige  der  Cerebralnerven  voin  Gehirn  ab  zum  N.  .syrnpathicus, 
^'.‘•'dern  vom  N.  syrnpathicus  an  die  Cerebralnervcn  stossen,  wel- 
baden  nicht  "der  Richtung  zum  Gehirn  am  Cerebralnervcn, 
^®»idorn  in  ])(U'iphcrischer  Richtung  an  diesem  fortgehen.  W’äre 
j^'Cse  Remerkung  durchgreifend,  so  hätte  man,  wenn  ein  Cere- 
y*'alnerve  idcht  an  seiner  Wurzel,  sondern  in  seinem  weitern 
j^®*'lauf  üei  Verbindung  mit  dem  N.  syrnpathicus  eine  Anschwel- 
zeigt,  an  dieser  Anschwellung  ein  Kennzeichen,  dass  die  an 
•yy*  Cerebralnerven  tretenden  Fäden  des  N.  syrnpathicus  keine 
y '**'*chi  des  Ictztei-n,  sondern  Reimengungen  des  N.  syrnpathicus 
**i  Cerebralnervcn  sind.  So  ist  das  Ganglion  ciliare  eine  Ver- 
von  Fäden  des  N.  trigeminus  (Radix  longa  a N.  nasali), 
jj*  bi.  oculomotorius  (Radix  brevis  a N.  oculomotoi’io),  und  des 
He  *y**'Pathicus,  eine  Vermengung,  welche  zum  Zweck  hat,  nicht 
äe  \\ujzela  des  N.  syrnpathicus  zu  geben,  sondern  baden  des 


592  III.  Buch,  Nervenphysik,  I.Abschn.  Eigenschaftend.  N.iniAUgeut. 

N.  syrnpathicus  mit  den  sensibeln  Fäden  vom  1.  Ast  des  JN.  tn- 
geminus  und  den  motorischen  Fäden  vom  N.  oculomotorius 
die  Ciliarnerven  zu  Lringeu.  Ehen  so  verhält  es  sich  mit 
Ganglion  sphenopalatinum  am  zweiten  Ast  des  N.  trigeminäS; 
welches,  da  der  Ah  sympathiciis  durch  Fäden  vom  Ganghon 
oticum  aus  nach  Bendz  sclion  mit  dem  Stamm  des  N.  trigeminu^ 
im  Ganglion  Gasseri  Verbindungen  eingeht,  nicht  bloss  Wurzeln  d®* 
N.  sympathiciis  abzugeben,  sondern  Fäden  vom  N.  Sympathien* 
zur  peripherischen  Vez'breitung  mit  dem  zweiten  Ast  des  jM.  1*'*'' 
geminus  aufzunchmen  scheint.  In  der  That  hat  Retzius  die**^ 
Fäden  desN.  sympathiciis,  welche  vom  Ganglion  sphenopalatinum 
in  den  zweiten  Ast  des  N.  trigeminus  peripherisch  fortlaufen,  beio* 
Pferd  deutlich  gesehen  und  beschrieben.  Isis.  1827.  Das  Ganglio*’ 
petrosum  V.  glossopharyngei  ist,  wie  ich  oben  zu  zeigen  gesund 
habe,  nicht  das  gewöhnliche  Ganglion  eines  Empfindungsnervc’h 
da  das  höher  am  N.  glossopharyngeus  liegende,  von  mir  beobad*-' 
tete  Ganglion  jugulare  die  Bedeutung  eines  solchen  hat,  sondo’" 
entsteht  durch  die  Verbindungen  von  mehreren  Zweigen  des 
sympathicus  mit  dem  N.  glossopharyngeus.  Bis  jetzt  lässt  sich  d'^’ 
Iragliche  Ansicht  noch  nicht  ganz  durch fiihrcn,  sondern  nur  als  o’" 
nen  Anhaltpunkt  zu  einer  künftigen  Entscheidung  der  Frage 
brauchen,  welche  von  den  vielen  Verbindungen  des  A.  sympath'' 
cus  als  Wurzeln  desselben,  und  welche  als  peripherische  Zweig''’ 
desselben,  als  Abgabe  an  die  Cerebralnerven  zu  betrachten  sind- 

Sollte  es  sich  bestätigen,  dass  die  bei  den  Verbindungen  yo” 
Zweigen  des  A.  sympathicus  mit  Zweigen  der  Cerebralnery®’’ 
zuweilen  vorkommenden  Ganglien  an  blossen  Verbindungsstelle'' 
und  nicht  an  Ursprungsstellen  des  A.  sym])alhicus  liegen,  so  wid''*'’ 
diese  dritte  Art  von  Knoten  noch  keine  besondere  Classe  bilde''’ 
sondern  nur  in  den  Bereich  des  A.  sympathicus  gehören,  und  ä''' 
ter  die  zweite  Art  der  Knoten  zu  subsumiren  seyn ; dann  whi'd 
man  dreierlei  Knoten  des  A.  sympathicus  besitzen. 

1.  Die  Centralknoten,  Geflechtknoten  oder  plexusartig®'' 
Knoten  in  den  Geflechten  des  Unterleibes. 

2.  Die  Knoten  des  Grenzstranges,  welche  jedesmal  an  d®_'' 
Verbindungsstellen  der  verschiedenen  Wurzeln  des  A.  sympad''' 
cus  liegen. 

.3.  Die  Verbindungsknoten  des  A.  sympathicus  an  Vei'b*"' 
dungsstellen  desselben  mit  Zweigen  von  Cerebrahierven,  ivel®' 
die  letzteren  und  nicht  den  A.  sympathicus  modificiren. 


II.  Capitel.  Von  der  Reizbarkeit  der  A^erven. 

Im  Anfänge  dieser  Schrill  sind  die  Gesetze  der 
Reizbarkeit  im  Allgemeinen  untersucht  worden.  Siehe  oben  p-  ^ 
Diese  Eigenthümlichkeit  der  organischen  Körper  ist  auch  i 
Nerven  eigen,  und  die  allgemeinen  und  verschiedenen  Kräfte 
Nerven  kommen  überall  durch  Reize  zur  Erscheinung.  Die  Ae 
gäbe  des  Physiologen  ist  aber,  nicht  allein  die  Gesetze  dieser 
gemeinen  Eigenschaft  zu  ergründen,  womit  sich  Brown  und  sei 


2.  Reizbarkeit  der  Nerven.  IVirkung  der  Rehe, 


593 


ger  leider  allein  bescliiiftigt  liaben;  sondern  die  eigen- 
biimlichen  Kräfte,  welcbe  gereizt  werden  können,  selbst  zu  un- 
®*’sucben,  und  hier  bat  sieb  der  Physiologie  ein  ganz  grosses  und 
**®ues  Feld  der  Empirie  erölTnct.  Um  die  Kralle  der  Nerven  ken- 
zu  lernen,  müssen  die  Wirkungen  aller  möglichen  Reize  auf  die- 
*?*''en  studirt  Averden.  Auf  diese  Art  erwirbt  die  Physiologie 
*^'5*6  äbnlicbe  empirische  Zuverlässigkeit,  als  die  Physik  und  Cbe- 
der  unorganischen  Körper. " Die  Reagentien  erzeugen 
!.')  den  chemischen  Wirkungen  nur  Producte,  Comhinationen, 
l^'Ornungen ; in  den  organischen  Körpern  und  insbesondere  auf 
Nerven  angCAvandt,  bringen  sie,  so  verschieden  sie  auch  seyn 
l'ögen,  nur  Erschciimingen  der  Aorhandenen  Kräfte  und  Verän- 
dieser  Krätte  hervor,  und  es  Avird  sich  zeigen,  dass  alle 
'‘nflüsse,  welche  auf  die  Nerven  Avirken,  entweder  reizen  oder 
'•^Reizbarkeit  selbst  verändern;  im  ersten  Fall  wirken  alle  Reize, 
Verschieden  sie  sind,  auf  dieselbe  Art,  und  die  verschieden- 
Ursachen  haben  gleiche  Wirkung,  weil  das,  woi'auf  sie 
''hken  , nur  einerlei  reizbare  Kraft  besitzt , und  weil  die 
'.^•'schiedensten  Dinge  nur  in  der  gleichen  Eigenschaft  als  Reize 
^'••wirken. 

1.  Ueber  die  Wirkuug  der  Reize  auf  die  Nerven. 

Alle  Reize,  soAVohl  tlie  inneren  organischen  als  die  unorgani- 
"bcn,  AAÜe  die  chemischen,  mechanischen,  caustischen,  electrisch- 
B^lvanischen,  bewirken,  auf  empfindliche  Theile  und  empfindliche 
i®*'ven  angCAvandt,  Empfindungen,  so  lange  die  Nerven  mit  dem 
^i'ckenmark  und  Gehirn  in  unversehrter  Verbindung  stehen, 
diese  verschiedenen  Reize  verhalten  sich  darin  gleich,  in 
gcAvlssen  Grade  angewandt,  heAvirken  sie  nur  Erscheinun- 
I''''  der  Empfindung,  im  höhern  Grade  angewandt,  bewu’ken 
Veränderungen  der  Empfindungskraft  selbst.  Alle  Reize,  so- 
, ?'d  die  inneren  organischen  als  die  unorganischen,  wie  die  che- 
^,'*chen,  mechanischen,  caustischen,  electrischen,  galvanischen,  be- 
auf  Muskelnerven  oder  Muskeln  seihst  applicirt,  Zusam- 
^ ''"Ziehung  der  Muskeln,  in  Avelchc  sich  der  gereizte  Nerve 
,.i®*'Wltet,  und  diese  erfolgt,  aa-ciiu  der  Reiz  auf  einen  Nerven 
'l'plicirt  Avird,  der  mit  dem  Gehirn  zusammenhängt,  sowohl, 
ist  derselbe  schon  vom  Gehirn  oder  Rückenmark  getrennt 

Sei,  NerAcn  haben  daher  durch  ihre  Reizbarkeit  die  Eigen- 
Zuckungen  zu  erregen  in  den  Muskeln,  worin  sie  sich 
‘'•‘feiten ; sie  thun  diess,  so  lange  jene  leben  und  nach  dem 
"de  ihre  eigene  Reizbarkeit  dauert.  Zu  den  Zusammenziehun- 
seh  •''•"'‘kein  von  Application  der  Reize  auf  die  Nerven 

jyj  ist  es  nöthig,  dass  das  gereizte  Nervenstück  bis  zum 
Vg  unversehrt  ist,  Avenn  auch  die  Verbindung  dieses  Ner- 
>nlt  dem  Gehirn  oder  Rückenmark  aufgehoben  ist.  An- 
wirken  alle  Reize  in  einem  ganzen  oder  verstüm- 
•^ßfven  Empfindung,  so  lange  noch  das  gereizte  Stück 
0(1  Nerven  eine  unversehrte  Verbindung  mit  dem  Rückenmark 
Gehirn  bat. 


594  III.  Buch.  Nervenphysik.  I.  Abschn.  Eigenschaften  d.  N.  iniAllgcin. 


1.  Mechanische  Reize. 

Jede  Art  lueclianisclien  Reizes,  Zerrung,  Druck,  Stechen,  be- 
wirkt in  den  Empliudungsnerven  unter  den  schon  erwähnten  B®' 
dingungen  Empfindungen,  so  lange  die  Nervenkratt  nicht  durch  die 
Heftigkeit  der  Einflüsse  (Druck)  seihst  aul’gehohen  wird.  Die  E"*' 
pfindung  erfolgt,  wenn  man  die  Nervenenden  oder  die  Aestc,  od®* 
den  verkürzten  Stamm  mechanisch  irritirt,  so  lange  die  Verh*“' 
düng  mit  dem  Rückenmark  und  Gehirn  statt  findet.  ln 
Gelühlsncrvcn  des  Rumpfes  und  ihren  Theilcn  Bewirken  meclin'''' 
sehe  Reize  nur  Empfindungen  des  Gefühls,  nämlich  Schnie*’*’ 
Taslgefühl,  in  dem  Gesichtsnerven  und  der  Markhaut  dag*^' 
gen  nach  Magendie’s  Reohachtung  kein  Schmerzgefühl , se'’'j  I 
dem  wie  Jeder  weiss  Lichtempfindung,  wie  Leim  Druck  u*'‘ 
Schlag  auf  das  Auge.  In  den  Gehörnerven  Bewirkt  der  w*®'  | 
chanische  Eindruck,  wie  das  Zittern  der  scBallleitenden 
dien  und  die  mechaniscBe  Erschütterung  des  Kopfes  iind  Ob*’ 
Beim  langen  Fahren  Tonempfindung,  dagegen  scheint  dies***  | 
Nerve  kein  Schmerzgefühl  zu  hahen. 

Ehen  so  wenn  man  einen  Muskelnervcn  mit  der  Nadel  zci’i' 
sticht,  cpietscht,  anzieht  und  dehnt,  erfolgt  jedesmal  Zusamnie“' 
Ziehung  des  Muskels,  und  zwar  so  heftig,  als  irgend  ein  gaW**' 
nischcr  oder  electrischer  Reiz  Muscularcontraction  Bewirken  kau’'' 


Der  mit  den  Muskeln  zusammenhängende  Theil  des  Nerven  b"' 
hält  diese  Kraft,  so  sehr  man  ihn  auch  verkürzt;  dagegen  erb’'' 
aen  niemals  Zuekuncen,  wenn  man  das  andere  Ende  der  dui’c'' 
sclmittcncn  Nerven,  welclies  mit  dem  Rückenmark  und 
zusarnmenBängt,  mecBanisch  irritirt. 

Die  Rewegungen,  welche  von  den  vonCercBral-  undSpi"”' 
nerven  versehenen  Muskeln  aBhängen,  sind  auf  den  mechunlscbe'' 
Reiz  dieser  Muskeln  oder  ihrer  Nerven  nur  Bloss  Zuckungen,  * 
so  lange  dauern,  als  der  Reiz  dauert,  in  den  Äliiskcln  dageg*’''' 
welche  vonv  Nervus  symjiallilcus  aBhängen,  wie  am  Magen,  Da’’’'' 
Uterus,  Ductus  cBoledochus,  Ureter,  flarnhlase,  sind  die  Be''*' 
gungen,  die  auf  mechanischen  Reiz  der  Muskelfasern  crfoli^’”’’ 
keine  Zuckungen,  sondern  anhaltend,  und  dauern  sehr  viel  b’’*, 
ger  als  der  Reiz  dauert.  Das  Herz  reagirt  auch  viel  länger  ‘ |^ 
der  Reiz  dauert,  und  der  Rythmus  der  Schläge  verändert 
auf  lange  Zeit,  wenn  man  das  Herz  nur  vorüBergehend  nicc 
nisch  reizt.  Es  ist  daher  eine  empirisch  festgestellte  Eigeuscb*’^ 
der  dem  N.  sympathicus  unterworfenen  Muskeln,  dass  die 
action  viel  länger  als  der  Reiz  dauert,  während  in  den  am»“' 
sehen  Muskeln  die  Rcaction  grade  so  lauge  als  der  Reiz  dauc* 
und  oft  schon  aufhöi't,  wenn  der  Reiz  noch  anhält. 

Wenn  mechanische  Reize  sehr  lieftig  wirken,  so  Bass 
zarte  Substanz  der  Pi-irnitivfascrn  leidet,  so  wird  die  b »Big 
der  Nerven,  Empfindungen  zu  erregen,  tladurch  aufgehoben, 
Bald  die  leidende  Stelle  zwischen  dem  Gehirn  und  dem  Rm? 
auch  wird  ein  Muskelnerve  unfähig  diii-cli  jede  Art  'on 
Rewegen  zu  veranlassen,  sobald  der  Nerve  zwischen  der  Stelle 
Reizung  und  dem  Muskel  gedrückt,  gequetscht  wird,  »»4 
eben  so  gut,  als  ob  der  Nerve  durchschnitten  werde.  Die 


hnzbarkeil  d.  Nerven.  Merhan.  Reize.  Temperaiur.  Chem,  Reize.  595 

P^'iidungskraft  des  Nerven  ivird  dalicr  dnrcli  jede  mechanische 
^erslörung  des  Nerven  zwisclicn  Gehirn  und  Reizung,  die  motori- 
durch  jede  mechanische  ZersLörnng  zvsdschcn  Reizung  und 
Jtuskel  unterhrochen.  Allein  die  mechanische  Zerslörung  durch 
l^i'iick  Ivdnnt  nur  örtlich  die  Kraft  der  Nerven,  und  ein  Nei've 
‘'’t  Kmplindung  noch  an  jeder  andern  Stelle  zwisclicn  der  Quet- 
*<^knng  und  Gehirn,  und  erregt  Bewegungen  hei  Reizung  jeder 
ijödern  Stelle  des  Nerven  zwischen  der  Quetschung  und  dem 
^^Uskel.  Wenn  man  aber  einen  Muskelnerven  in  seiner  ganzen 
^'öige  ausdehnt,  so  verliert  dieser  Nerve  oft  seine  Reizbarkeit  in 
feiner  ganzen  Länge,  und  seihst  der  Muskel  hat  zuweilen  seine 
^'»ilractioiiskraft  auf  jede  Art  der  Reize  verloren. 

2.  Temperatur. 

Die  Wärme  und  die  Kälte  erregen  auch  Empfindungen  und 
"^öscularcontractionen. 

, Wenn  man  einen  ATuskclncrven  oder  den  Muskel  seihst 
j^ennt,  so  erfolgen  Contractionen  desselben;  diese  sind  ausseror- 
j^ätlich  heftig,  wenn  man  den  Nerven  durch  die  Flamme  eines 
^'clites  brennt,  dicss  habe  ich  sowohl  hei  Fröschen  als  Kanin- 
K}en  gesehen  ; kleine  Wärmegrade,  wie  z.  B.  ein  erwärmtes  Stück 
I ‘Sen,  wirken  auf  die  Muskelncrven  nicht  so  heftig,  dass  Muscu- 
“‘'contraction  erfolgt. 

Dass  die  Kälte  eben  so  wirkt,  zeigt' bereits  die  ältere  Beoh- 
''“^‘tung,  dass  sogleich  heftige  Contractionen  in  einem  Rluskel 
'■f^elgen , wenn  man  kaltes  Wasser  in  die  Arterie  des  Muskels 
^‘“spritzt;  auch  kaltes  Wasser  auf  die  Oberfläche  eines  Mus- 
^®ls  gegossen,  erregt  Contraction.  Von  dieser  Wirkung  hat  man 
?''ch  bereits  Anwendung  in  der  practisclicn  Medizin  gemacht, 
man  hei  Atonie  des  Uterus  und  Gcbärmutterblutflüssen 
der  Geburt  kaltes  Wasser  in  die  Gcfässc  der  noch  anhän- 
^‘‘‘‘den  Placeuta  einspritzt.  So  erfolgen  auch  consensuelle  Zu- 
^^‘•itnenzlclmngcu  der  Iris,  wenn  man  kaltes  Wasser  in  die  Nase 
^‘‘lüift.  Grosse  Kälte-  und  Wärmegrade  zerstören  übrigens, 
sie  schnell  oder  allrnählig  wirken,  die  Nervenkraft,  und 
w erfolgt  Tod  oder  Scheintod.  Sehr  allmählige  Zunahme  der 
und  Kälte  kann  die  Reizbarkeit  latent  machen,  so  dass 
cy“iterschlaf  und  Sommerschlaf  bei  gewissen  Thieren  erfolgt, 
oben  p.  85. 

^ Die  rein  örtliche  Zerstörung  der  Nervenkraft  durch  Kälte 
Wärme  wirkt,  wie  die  rein  örtliche  Zerstörung  derselben, 
mechanische  Ursachen.  Ein  überaus  heftiger  Grad  von 
“stUcbei-  Kälte  zerstört,  eben  so  wie  die  Hitze,  die  Empfin- 
4.11*'^* ~ und  Bewegungskraft  in  den  entsprechenden  Theileti. 

alle  andere'  Stellen  der  Nerven  behalten  ihre  Reizbar- 
^ > und  der  am  Ende  verbrannte  Muskelnerve  bewirkt 

ly[ y^^öngen,  wenn  er  zwischen  der  verbrannten  Stelle  und  dem 
cl(  gereizt  wird,  wie  ich  mich  an  Fröschen  und  Kanin- 
“ überzeugte. 

Chemische  Reize. 

‘^Ile  chemischen  Reize  wirken  auf  die  Empfindungskraft  der 


596  III.  Buch.  Neri>enphysik.  I.  Ahschn.  Eigenschaften  d.  A'. 


lange  diese  nocli  mit  dem  Gehirn  und  Rückenrna 


arK 

ili 


Nerven,  so 

unversehrt  in  Verliindung  stellen.  Die  Alkalien  bewirken  aiic 
Zuckungen,  wenn  sie  auf  die  Nerven  applicirt  werden;  viele  <*'*' 
dere  Reagentien,  besonders  die  Sauren  und  die  Metallsalze,  1’®' 
wirken  dagegen,  auf  die  Nerven  applicirt,  keine  Spur  einer  Zu  ' 
kung,  sondern  nur  dann,  wenn  sic  auf  die  Muskeln  selbst  ang® 
wandt  werden,  so  z.  B.  die  mineralischen  Säuren,  Schw efelsäui 
Salpetersäure,  Salzsäure,  Sublimat,  salzsaures  Antirnonium, 
Alcohol.  Alle  diese  Mittel  zerstören  sogleich  im  concentrirl 
Zustande  die  Kräfte  der  Nerven,  und  machen  sie  unfähig 
anderen  Reizen  irritirt  zu  werden,  hinter  der  Stelle,  wo  ‘ 
Berührung  mit  den  Reagentien  statt  findet ; dagegen  beb®  ^ 
ten  die  Nerven  ihre  motorische  Krall  zwischen  der  cheniisc*'  ^ 
Zerstörung  und  dem  Muskel.  Alle  die  mihdI  »erst® 

ren  auch  das  MuskeKIeisch , 

Contactes  Zuckungen,  die  be....  

die  ich  aber  doch  einigemal  bei  Kaninchen  beobachtet  ha^j 
Dagegen  bewirken  Alkalien  oft  die  heftigsten  Zuckungen , sob® 
sie  auf  die  Nerven  applicirt  werden,  oft  viel  heftigere  als 
Galvanismus  eines  einfachen  Plattenpaars.  Bei  der  Appllcat' 
von  Kali  causticum  auf  einen  Nerven  sah  ich  wie  v.  Humboldt  * 
heftigsten,  anhaltenden  Zuckungen  in  allen  Muskeln  entsteh®"; 


genannten  Mittel  zei’*'  . 
bew'irken  aber  im  Moment 
beim  Alcohol  am  schwächsten  si® 


A.  V.  Humboldt 


l,a‘ 


die  von  diesem  Nerven  Aeste  erhalten.  ü.  ,.  ijui-iovr,.*.. 
das  Zittern  40  — 50  Secunden  beobachtet.  Derselbe  beobacld®^ 
auch,  dass  die  Zuckungen  erfolgen,  wenn  vorher  um  den  1^®^^ 
ven  eine  oder  mehrere  Ligaturen  gelegt  wor  den.  A.  von 
boldt  Versuche  über  die  gereizte  Muskel-  und  Nervenfaser. 

1797.  II.  Bd.  p.  363.  Hier  geschah  die  Fortleitung  des  Al®®^^, 


durch  die  Ligaturen.  Durch  die  Säuren  sah  Humboldt 


Zuckungen  entstehen;  die  einzigen  Substanzen,  w’elche  aut 

nr 1,  tj Zuckungen  erregen,  s'“'* 

salzsaure  Schwererde, 


Nerven  applicirt  nach  Humboldt  Zuckungen  erregen,  sind  K 


^ - . ht'' 

Natron,  Ammonium,  (Opium?),  salzsaure  Schwererde,  o-v  7) 

ter  Arsenik,  Breebweinstein  , (Alcohol,  oxygenirte  Salzsäi»®^',, 
Von  beiden  letzteren  habe  ich  keine  Zuckungen  gesehen, 
sie  auf  den  Nerven  allein  applicirt  wurden , auch  nicht 
Opium,  wenn  es  rein,  als  wässrige  Auflösung,  applicirt 
A.  v.  Humboldt  hat  die  Tinctur  angewandt,  bei  welcher  ' , 
leicht  der  Weingeist  wirkte , obgleich  auch  in  einem 
suche  von  mir  Opiumtinctur  unwirksam  war.  Auch  durch  j 
Blut  bewii'ken  reizende  Mittel  Nervenreizung.  Man  weiss, 
Brechmittel,  ins  Blut  eingespritzt,  eben  so  wirken,  wie  we>'*" 
in  den  Darmkanal  gelangen;  so  erregen  Brechweinstein  und  *®  , 
saure  Schwererde  bloss  in  Wunden  gestrichen,  Erbrec%^ 
Scheel  nordisches  Archiv  2.  St.  1.  p.  137.  ^Magesdie  sur  le  ‘'® 
sement.  p.  16.  30.  Bbodie  philos.  transaet.  1812.  rf'ti®'' 

4.  Eleetrische  Beize  {nach  J.  Muellek  in  dem  encyclop. 
terb.  der  medie.  Wissenschaften).  . gp, 

Die  Electricifät  bewirkt  in  den  Nerven  dieselben 
wie  die  mechanischen  und  chemischen  Reize.  Durch 
Zerrung  der  Nerven  erhält  man  die  Empfindung  eines  Schlages  if 


2.  Beizlarkeit  der  Nerven.  Electrische  Reite. 


597 


-Nerven,  wie  man  beim  Anstosseii  an  den  K.  iilnaris  erfährt;  das- 
fühlt  man  hei  einer  electrischen  Entladung  durch  einen 
J'Crvcn.  Man  darf  diese  Empfindung  nur  als  Gefühl  betrachten, 
nicht  die  Ursache,  die  Electricit'ät,  mit  der  Reaction  des 
'erven  verwechseln.  Die  Empfindung  des  Schlags  ist  nicht 
"hß  Action  der  Electricität,  sondein  die  Action  des  Nerven,  vvel- 
®her  hei  jeder  heftigen  Veränderung  in  dem  Zustand  seiner  klein- 
Theile  diese  Empfindung  hat,  mag  diese  nun  durch  thierische 
^6ize  oder  durch  mechanische  Einflüsse,  oder  durch  Electricität 
jJ'zeugt  seyn.  Die  Entdeckung  der  galvanischen  Electricität  im 
ähre  1790  hat  Gelegenheit  gegeben,  durch  Application  des  ele- 
^^h'ischen  Reizes  auf  einzelne  Nerven  die  Reizbarkeit  derselben 
zu  prüfen , obgleich  man  in  diesem  wichtigen  Agens  nicht 
den  Nerven  ähnlich  wirkendes  Fluidum,  sondern  nur  einen 
'*®äen  Reiz  zu  der  Zahl  der  bekannten  Reize  der  Nerven  kennen 
§elernt  hat.  Heterogene  Metalle  und  viele  andere  heterogene, 
*®lljst  thierische  Substanzen  gerathen  bei  der  Rerührung  in  ele- 
ktrische Spannung,  die,  wenn  eine  Leitung  durch  einen  leitungs- 
'®bigen  Körper  zAvlschen  den  beiden  Electromotoren  statt  findet, 
h.  wenn  die  Kette  geschlossen  wird,  sich  ausgleicht  und  die 
Scwöhnlichen , der  Electricität  eigenen  Erscheinungen  bewirkt, 
Y®nn  sich  ein  Reagens  für  die  Electricität  in  der  kettenartigen 
^i'bindung  findet.  Wird  ein  Froschschenkel  oder  irgend  ein 
'"'(lerer  muskulöser  Tbeil  eines  Frosches  oder  frisch  getödteten 
?"deren  Thieres  von  dem  Rumpfe  abgelöst,  die  Muskeln  von  den 
^"Utigen  Theilen  befreit  und  der  Nerve  frei  herauspräparirt,  so 
k^ss  er  durch  seine  Aeste  mit  den  Muskeln  noch  organisch  zusammen- 
^^"gt,  der  so  präparirte  Schenkel  auf  eine  isolirende  Glasplatte 
^’^^®gt  und  zwei  heterogene  Mctallplatten,  z.  B.  Zink  und  Kupfer, 
k"ter  sich  und  zugleich  mit  dem  Muskel  und  Nerven  in  Berüh- 
gebracht,  so  erfolgt  im  Moment  der  Schliessung,  oft  auch 
der  Trennung  dieser  Kette,  eine  Zuckung  des  Muskels.  Diese 
. ‘olgt  auch,  wenn  beide  Metalle  unter  sich  in  Contact  stehend 
I Nerven  zugleich  berühren,  oder  wenn  beide  den  Muskel  al- 
y'"  berühren.  Auf  diese  Art  angestelll , gelingt  der  galvanische 
^."^such  jedesmal.  Viele  andere  Modificationen  desselben  unter 
^'."fächeren  Bedingungen,  deren  Kenntniss  wir  den  grossen  Ver- 
^'"östen  Aldiki’s,  PfatEs,  Ritter’s,  vor  Allen  Alex,  von  Hum- 
j?k',DT’s  verdanken,  gelingen  aber  nur  bei  grosser  Reizbarkeit  der 
^'"sclie  vor  der  Begattungszeit,  in  der  kältern  Jahreszeit  nach 
nicht  im  Sommer,  wohl  aber  nach  meinen 
."bachtungen  wieder  im  Herbst,  wenn  die  Witterung  wieder 
zu  werden  beginnt.  Diese  einfacheren  Versuche  sind  ge- 
tL  ? für  die  Theorie  der  Erscheinungen  die  wichtigsten.  Es 
folgende: 

Pp-  Versuche  ohne  Ketten.  Bei  einer  grossen  Reizbarkeit  der 
cp  nach  Alex,  von  Humboldt’s  Entdeckung  hinrei- 

zwei  heterogene  oder  selbst  zwei  homogene  Metall- 
sich  berühren,  von  denen  eines  allein  den  Nerven  berührt, 
■"’o  heine  Kette  gebildet  wird;  ja  es  erfolgen  in 


®nen  Fällen  bei  einer  sehr  grossen  Reizbarkeit  des  Frosch- 


598  III. Buch.  IServeiiphysih.  I.Ahschn.  Bigenacliaficn  d.]\.  im 

sclienkels  selbst  Znckungen,  ivcnn  bloss  der  Nerve  mit  einer’’ 
einzigen  liomogenen  Metall  bcrübrt  wird  — ein  Fall,  der  zaV«"" 
ungemein  selten  sich  ereignet,  den  icb  aber  selbst  schon  beob- 
achtet  habe.  Pfaff  (Gkhi.er’s  phjsikal.  Wörterhuch.  IV.  2.  /5. 709-) 
sab  bei  sehr  reizbaren  Individuen  Zuckungen,  wenn  er  bloss  rnd 
dem  abgesebnittenen  Endo  des  Nerven  die  Oberfläche  von  Qncck' 
silber  berührte.  Icb  sab  das  Phänomen  mehrmals,  wenn  ich  tnd 
der  Spitze  einer  Scbecrc,  die  icb  in  der  Hand  hielt,  oder  i’“*' 
einer  Zinkplalte,  die  also  an  beiden  Enden  verschieden  erwar’J’*' 
waren,  den  Nerven  berührte.  Man  kann  diesen  Erfolg  tbo;'^ 
durch  die  Annahme  eines  geringen  chemischen  Unterschiedes 
dem  scheinbar  homogenen  Metalle,  tbeils  durch  die  Annaln”® 


Erfolg  hctci'O' 


eines  Wärmeuntersebiedes  in  demselben  auf  den 
gener  Metalle  rcduciren,  da  es  nach  den  neueren  Entdeckung;’’'' 

jerin-!' 


bekannt  ist,  dass  selbst  ein  homogenes  Metall  durch  die 
sten  chemischen  Unterschiede,  oder  durch  verschiedene  Erwi’’' 
mung  an  seinen  Enden  in  electrischc  Spannung  geräth.  Li'ss’ 
man  den  Nerven  auf  ein  Metall  hcrabfallen,  so  erleichtert  dief 
die  clectrische  Erregung,  vielleicht  mehr  durch  die  SchnclligkP>| 
der  Mittheilung  als  durch  die  Erschütterung.  Die  letztere  ’’ 
obnebln  nicht  die  Ursache  der  Erscheinung,  da  das  Herabfah*”' 
des  Nerven  auf  Glas  und  Stein  ohne  Erfolg  ist,  wie  die 
che  von  Humboldt,  Ritter  und  Pfaff  lehren. 

2)  Versuche  mit  kettenartiger  Verlindung.  Auch  die  Versuci'® 
mit  der  Rette  sind  hei  sehr  grosser  Reizbarkeit  bedeutend®’ 
Vereinfachung  fähig,  wobei  jedoch  bemerkt  werden  muss,  d»-'* 
diese  einfachen  Versuche  nur  in  kälterer  Jahreszeit,  Winter,  Frid’j 
ling  und  Herbst,  gelingen.  So  erfolgen  in  seltenen  Fällen,  '"''j 
TOTT  Humboldt  entdeckt  liat,  Zuckungen,  wenn  die  Glieder  d®* 
Rette  bloss  tbicrische  Theile  sind,  oder  wenn  sic  thlerlscbc  Tb®’  ^ 
und  ein  einfaches  Metall  sind,  indem  die  heterogenen  Meüd®' 
durch  heterogene  tbierische  Theile  ersetzt  werden. 

a.  Indem  ein  einziges  Metall  und  Nerve  und  Muskel  des  Fros®''' 
Schenkels  die  Rette  bilden.  Dieser  Fall  ist  mir  im  Frühling  vor  dj’’ 
Begattungszcit  der  Frösche  und  im  Spätherbst  sehr  oft  und  Ic’®]’ 
gelungen.  Legte  ich  den  Nerven  des  Schenkels  auf  eine  ZÜ»'’' 
platte  und  verband  Nerven  und  Schcnkelmuskeln  tlurch  cb’j'J 
diese  Zinkplattc,  indem  ich  die  Zinkplattc  den  Schenkelmiisk® ' 
näherte,  so  entstand  oft  eine  Zuckung.  Nocli  leichter  gelang  d’”' 
ser  Versuch,  wenn  die  Zinkplatte,  worauf  der  Nerve  des  Seb®”' 
kels  lag  und  der  Muskel  dui'ch  ein  Stück  von  einem  Frosch 
bunden  wurden;  oder  man  nimmt  in  eine  Hand  eine  Zinkpbd  / 
berührt  mit  dieser  den  Nerven  und,  indem  man  mit  seine”’  ’’’ 
genen  Rörper  die  Rette  schlicsst,  mit  der  andern  Hand  d® 
Froschschenkel. 

h.  Indem  der  Schenkelnerv'e  und  seine  Schcnkelmuskeln  ^ 
telst  feuchter  thlerischer  Theile  verbunden  werden.  Bei  sej^^ 
reizbaren  Froschschenkeln  kann  man  Zuckungen  erregen, 
man  zwischen  dem  herauspräparirten  Nerven  und  seinem  .jjf 
ein  getrenntes  Stück  Aluskelfleich,  das  an  einem  isolirenden 
von  Siegellack  befestigt  ist,  einschiebt  und  beide  berührt,  ’ 


2.  Reizbarkeit  der  Nerven.  EJectrische  Rehe. 


599 


^lex,  von  HtTMBOLDT  entdeckte  und  icli  melirmals  wieder  sah. 
^ofnplicirter  ist  der  von  mir  angestellte  Versuch,  dass  man  zwl- 
dem  Nerven  des  präparirten  Fi  Oschschenkels  und  dem  Un- 
terschenkel die  Rette  schliesst  mittelst  holder  Hände  durch  sei- 
‘‘eu  eigenen  Körper,  oder  durch  einen  oder  zwei  lebende  Frö- 
*ehe,  oder  durch  einen  oder  zwei  todte  Frösche,  oder  durch 
htucls.e  eines  Frosches.  Stücke  von  einem  todten  faulenden  Frosch 
*ind  seihst  zur  Schliessung  der  Kette  hei  hinreichender  Reizhar- 
r'iit  hinreichend;  man  erlangt  denselben  Erfolg,  wenn  man,  wie 
l'ih  that,  den  Schenkelnerven,  der  am  Unterschenkel  heraushängt, 
^ ein  Schälchen  mit  Blut  oder  Wasser  (gleichviel)  legt,  und  das 
•Nasser  und  die  Oherschenkelmuskeln  mit  einem  Stück  frischen 
®der  faulen  Muskelllcisches  verbindet. 

c.  Auch  wenn  nicht  die  Muskeln  des  Froschschenkels,  son- 
'*®J’n  nur  ihr  Nerve  sich  in  der  Kette  befindet,  kann  durch  ei- 

blossen  thierischen  Bogen  Zuckung  bewirkt  werden,  wie  von 
tlUMnoLDT  zeigte.  Er  berührte  den  Cruralnerven  (N.  ischladicus) 
^^it  seiner  einen  Hand  und  mit  einem  Stückchen  Muskelfleisch, 
^^elches  er  in  der  andern  Hand  hielt,  denselben  Nerven,  worauf 
^Uckung  entstand.  Wurde  statt  des  Muskelfleisches  ein  Stück 
^ifenbein  genommen,  so  blieben  die  Zuckungen  aus. 

d.  In  den  scUcnsteii  Fällen  erfolgen  selbst  kleine  Zuckungen, 
^aun  der  Nerve  gegen  den  organisch  mit  ihm  verbundenen  Mus- 

Umgebogen  und  der  letzte  mit  dem  Nerven  berührt  wird. 

, Die  ersten  Phänomene  dieser  Art  hat  von  Humboldt  gese- 
A.  VON  Humboldt  zog  einem  broscli  die  Haut  ab  und  prä— 
I*®rlrte  ihn  so,  dass  der  Rumpf  mit  den  Schenkeln  nur  durch  die 
^'Üblössten  ischiadischen  Nerven  zusammenhing.  Es  entstanden 
^®ftige  Zuckungen,  als  er  das  Muskelfleisch  der  Lende  leise  ge- 
den  ischiadischen  Nerven  zurückbeugte.  ( Ueber  die  gereizte 
und  Nervenfaser.  I.  32.)  Um  diesen  Versuch  richtig  zu 
j'®*'stehcn,  muss  man  wissen,  dass  von  Humboldt  unter  Frosch- 
?*'den  immer  das  Schcnkelflcisch,  unter  ischiadnerv  die  Stämme 
Nerven  für  die  unteren  Ertremitäten  über  dem  Becken,  un- 
Cruralnerven  dagegen  den  Ilauptnerven  für  die  untern  Ex- 
‘'eiuitäten  (N.  ischiadicus)  am  Schenkel  seiht  versteht.  (Am  an- 
^[^•'uhrten  Ort  p.  35.  Note.)  A.  von  Humboldt’s  Versuch  bestand 
p?,'*  darin,  dass  er  zwischen  dem  Becken  und  dem  Ende  des 
^^ckenmarks  alle  Theile  ausser  den  Nerven  wegnahm,  so  dass 
Rumpf  mit  den  untern  Extremitäten  nur  durch  die  Stämme 
Nerven  für  dieselben  zusammenhing,  und  dass  von  Humboldt 
das  Muskelfleisch  des  Schenkels  gegen  jene  Stämme  der  Ner- 
■jl'^'  uach  vorwärts  umbeugte.  Schon  Volta  hatte  bei  einem 
^‘**lichen  Vei'such  von  Galvani  eingeworfen,  dass  die  erfolgende 
^'''^kung  IjIoss  von  der  Zerrung  des  Nerven  abhänge,  also  nicht 
die  galvanischen  Phänomene  gehöre.  Nach  meiner  Beob- 
p ^bing  ist  diess  auch  in  diesem  HuMBOLDT’schen  Versuche  der 
g®!'-  die  Zuckung  erfolgte  öfters  schon  lange,  ehe  der  entblösste 
(lg  ''^'}kel  die  Stämme  der  Spinalnerv'cn  berührte.  Diese  Zerrung 
Nerven  ist  auch  nicht  wohl  zu  vermeiden,  da  der  N.  ischia- 
'^**5  sich  um  den  lilntern  Theil  des  untern  Beckenendes  herum- 
Physiologie.  39 


600  III.  Buch,  Nervenphysik.  I.  Abschti.  Eigenschaften  d.  N.  im  Altern. 

sclilägt,  um  zum  Sclienkel  zu  gelangen.  Der  Nerve  wird,  beii» 
ümbeugen  des  Sebenkels  nacb  vorn  gegen  den  Rumpf,  an  die- 
ser SteHe  gezerrt  oder  gedehnt;  bei  der  Zerrung  oder  Dehnung 
eines  Nerven  erfolgen  aber  immer  Zuekungen.  Derselbe  Eu'" 
Wurf  trifft  den  von  Gat.vavi  nngestellten  Versneb,  wo,  wenn  ein 
Froseb  abgezogen,  ausgeueidet  und  so  präparirt  wurde,  dass  _be> 
fast  ganz  weggesebnittenem  untern  Theile  des  Rüekgraths  (Steiss- 
bein)  die  Schenkel  nur  durch  die  genannten  Nervenstämme  nid 
dem  Rumpfe  zusammenliingen , heftige  Zuckungen  am  ganzen 
Froseb  entstanden,  sobald  die  Wadenmuskeln  des  Frosches  g®' 
gen  die  Schultern  zurückgcboigen  Avurden.  ln  diesem  Fall  Avurd® 
das  ganze  Rückenmark  gezerrt;  indessen  lässt  sich  der  Versucn 
doch  auch  so  anstcllen,  dass  diese  EinAvürfe  av  egfallen.  Nie  avoIH® 
es  ZAvar  a’on  Humboldt  gelingen,  Zuckungen  zu  erhalten,  Aveno 
er  nach  Abtrennung  des  Nerven  Amm  Rumpfe  den  Schenkel 
gen  den  NerA-en  und  diesen  gegen  jenen  bog;  auch  sah  er  kein® 
Zuckungen,  wenn  er  ohne  die  Muskeln  zu  berühren,  mit  einem 
abgeschnittenen  Neiwenstück  einen  Bogen  bildend,  den  Nerve’* 
des  Muskels  an  zwei  Punkten  berührte.  Dagegen  ist  dieser  voV' 
letzte  Versuch  Pfaff  sehr  häufig  gelungen,  besonders  Avenn 
Schcnkclncrve  in  einer  etwas  grossem  Strecke  mit  der  Haut  de’ 
Schenkels,  nicht  aber,  Avenn  er  mit  den  Muskeln  unmittelbar  "* 
Berührung  gebracht  Avurcle.  Gerade  auf  diese  Art  ist  der  Vet' 
such  auch  mir  gelungen.  Ich  bewirkte  (ira  Frühling,  A-or  dm 
Begattung  der  Frösche)  an  einem  blossen  Üuterscbenkel  mit  hm' 
aushängendem  Stamm  der  Schenkelnerven  Zuckungen,  indem  i®  ^ 
den  Nerven  mit  einem  isolirenden  Stäbchen  dem  TJnterschenk® 
näherte  und  mit  dem  Nerven  die  nasse  Oberhaut  dos  UnterscheU' 
kels  berührte;  auch  erfolgte  eine  Zuckung,  als  ich  den  Nerv®” 
vom  Unterschenkel  Avieder  abzog  {Physiologie  I.  p.  68.).  ln  di®' 
sein  Fall  bestand  die  Kette  aus  heterogenen  Substanzen,  nä*”' 
lieh  aus  Nerve,  Muskel  und  Haut.  Zwei  von  diesen  kann  roä” 
als  Electromotorcn,  den  dritten  als  Leiter  betrachten.  Es  epl' 
steht  ein  clectrischer  Strom  und  die  Nervenkraft  des  Nerven  ’’ 
das  Reagens  oder  das  Electrometcr,  indem  sie  in  Folge  des  c'®' 
etriseben  Stromes  gereizt  Zuckung  erregt.  Wird  dagegen  d®’ 
Nerve  des  Schenkels  einfach  gegen  den  von  der  Haut  cntblösst®’' 
Muskel  umgebogen,  so  sind  nur  zivci  Substanzen  A'orhanden,  tv”' 
von  die  eine  die  andere  an  zwei  Stellen  berührt,  aber  die  k®*' 
tenartige  Verbindung  zwischen  beiden  Substanzen  durch  ®’”' ^ 
dritten  Körper  fehlt.  Als  allgemeine  Bedingung  zu  Entsteboi’n 
von  Zuckungen  aus  galvanischen  Ursachen  kann  man  folg®”  j 
ansehen.  Zur  Erregung  von  Zuckungen  bei  der  Kette  sind  d® 
Substanzen  nöthig,  zwei  Electromotorcn  und  ein  Leiter,  der 
kettenartig  verbindet.  Diese  Electromotorcn  können  auch  b®^ 
lebte  und  unbelebte  thierische  heterogene  Theile  seyn , 
und  Muskel , ^ Muskel  und  Haut  u.  s.  w.  Leiter  iann  ^ 
ein  dritter  thierischer  Theil  seyn,  der  mit  einem  der  tbierisch®^ 
Electromotoren  homogen  seyn  kann;  ein  Stück  eines  Nerven 
die  organisch  verbundenen  Muskeln  und  Nerven  bilden 
eine  Kette,  aber  die  organisch  verbundenen  Muskeln  und  Ner® 


2.  Reizbarkeit  der  Nerven.  Electrische  Reize. 


601 


allein  sind  ohne  einen  dritten  ihnen  homogenen  oder  heteroge- 

Körper  nicht  zur  Kette  Innreichend.  Ein  Nerve  gegen  den 
^luskel  umgehogen,  giebt  keine  Zuckung,  wohl  aber,  wenn  er 
'‘*>er  die  noch  vorliandene  äussere  Haut  umgehogen  wird;  steht 
äher  der  dritte  Körper  mit  dem  Muskel  und  Nerven,  wenn  gleich 
^ißem  von  beiden  homogen,  nicht  in  organischer  Verbindung, 
*st  er  vielmehr  ein  getrenntes  Stück,  so  kann  er  als  Glied  der 
^ette  wirken,  wie  z.  B.  Zuckungen  entstehen,  wenn  man  durch 
*^611  Bogen  von  einem  ahgetrenn'tcn  Nervenstück,  oder  durch  ei- 
*>60  Bogen  von  einem  Stück  MuskeKlcisch,  die  organisch  verbun- 
denen Muskel  und  Nerven  ztiglcich  berührt. 

Sind  die  Electromotoren  blosse  Metalle,  so  sind  die  orga- 
''isch  verbundenen  Nerve  und  Muskel  Leiter  und  Electrometer 
Ungleich;  Leiter,  weil  Nerve  und  Muskel  nass  sind,  Electrometer, 
"'eil  die  Nervenkraft  in  Folge  des  Reizes  des  electrischen  Flui- 
dums Zuckung  erregt.  Sie  sind  hier  auf  gleiche  Art  das  Electro- 
*"etcr,  wie  unter  ähnlichen  Umständen  ein  nicht  thierisches 
Electrometer,  z.  B.  ein.  magnetischer  Multiplicator.  Es  können  aber 
die  Electromotoren  auch  thierische  Theile  seihst  seyn.  So  können 
die  organisch  v'erhundenen  Nerve  und  Muskel  als  heterogene  Sub— 
®lunzen  so  gut  wie  zwei  heterogene  todte  thierische  Theile  Electro- 
"lotoren  seyn;  insofern  sie  aber  lebend  sind,  sind  sie  auch  zugleich 
diis  Electrometer  durch  die  Reizung  der  Nervenkraft  in  Folge  der 
^iectromotorischen  Erregung. 

Bei  den  Zuckungen,  die  ohne  Kette  durch  blosse  Applica- 
tion von  einem  zweier  heterogener  sich  berührender  Metalle, 
"der  durch  Application  eines  einzigen  Metalles  auf  den  Nerven  ■ 
"utstehen , muss  man  den  Nerven  als  blosses  Electrornetei  he— 
ti'achten,  das  die  in  den  heterogenen  Metallen  oder  selbst  in  ei- 
"eui  homogenen  Metall  (durch  Thermoelectricität)  entstandene 
"^ectrische  Spannung  anzeigt. 

Nachdem  nun  die  allgemeinen  und  einfachsten  Bedingungen, 
"uter  welchen  durch  Galvanismus  Muskelcontractionen  entstehen, 
"Useinandergesetzt  worden,  muss  jetzt  von  dem  Verhalten  der 
d'ierischen  Theile  bei  der  Schliessung,  Oeffnung  und  während 
des  Geschlosscnseyns  der  Kette  gehandelt  werden.  Wird  das  po- 
sitive Metall  als  Nervenarmatur , das  negative  als  Muskelarmatur 
^®öutzt,  so  erfolgen  die  Zuckungen  meist  im  Augenblick  der 
^"tdiessung  der  Kette,  aber  keine  oder  wenigstens  weit  schwä- 
"nere  bei  der  Trennung  derselben.  So  verhält  es.  sich  auch, 
'""nn  das  positive  Metall  mit  dem  Centralende  des  Nerven,  das 
“"gative  Metall  mit  einem  den  Muskeln  nähern  Theile  des  Ner- 
'^on  verbunden  wird.  Indessen  giebt  es  rnannichfuche  Zustände 
pi'  Erregung,  in  welchen  diese  Erscheinungen  Abänderungen  er- 
*"*den;  im  ersten,  wenn  die  thierischen  Theile  noch  den  höch- 
sten Grad  der  Erregbarkeit  besitzen,  erfolgt  die  Schliessungszuk- 
""g  bei  der  negativen  Bewaffnung  des  Nerven,  und  nur  diese 
^ *ßin,  die  Trennnngszuckung  dagegen  bei  der  positiven  Bewaff- 
|?"g  des  Nerven;  jm  zweiten  Zustande  der  Erregbarkeit,  der 
Itnählig  ans  dem  ersten  sich  entwickelt  und  in  Verlurt  der  Er- 
"gharkeit  zuletzt  endigt,  erregt  die  negative  Bewaffnung  des 

39  * 


602  III.  Buch,  Nervenphysik.  I.Ahschn.  Eigenschaften  d.N, im  Allgem. 

Nerven  oder  des  Centraleiules  des  Nerven  die  Trennungsznekung, 
die  positive  Bewaffnung  die  Scliliessungszuckungj  die  Mittelstufe 
sey  die,  wo  Trennungs-  und  Schliessungszuckung  bei  jeder  Be- 
waffnung des  Nerven  gleieh  ist.  Nach  Pfaff’s  Untersuchungen 
hängt  das  Verhalten  indess  sehr  von  den  vorher  schon  angestell- 
ten  Versuchen  ab;  bleibt  z.  B.  die  Kette  ]>ei  negativer  Bewaff- 
nung des  Nerven  eine  Zeitlang  geschlossen,  so  kehrt  sich  das 
Verhältniss  nicht  um.  G-ehler’s  Physik.  Wörterb.  IV.  P.  II.  p- 
721.  Ueber  diesen  Gegenstand  haben  in  neuerer  Zeit  wieder 
Marianini  und  Nobili  Untersuchungen  angestellt.  Der  von  Rit- 
ter angenommene  Gegensatz  der  I'lexoren  und  Extensoren  in 
Hinsicht  der  Empfänglichkeit  für  den  galvanischen  Reiz  hat  sich 
nicht  bestätigt. 

In  der  geschlossenen  Rette  halten  sich  die  Muskeln  ruhigf 
und  es  wird  nur  ihre  Erregbarkeit  verändert.  Nach  Pfaff’s  Er- 
fahrung wirken  die  geschlossenen  Ketten  nach  Verschiedenheit 
der  Vertheilung  der  Metalle  an  die  Muskeln  und  Nerven  entwe- 
der deprimirend  oder  exaltirend.  Befindet  sich  ein  Froschpräpa- 
rat in  einer  Kette,  worin  das  positive  Metall  (Zink)  die  Nerven- 
armatnr  bildet,  so  vermindert  sich  die  Reizbarkeit  schneller  als 
an  einem  andern  Froschschenkel  ausser  der  Kette,  und  nach 
Pfaff  kann  man  meist  selbst  die  kräftigste  Reizbarkeit  durch 
Verweilen  des  Froschschenkels  binnen  einer  Viertelstunde  in  ei- 
ner solchen  Kette  so  weit  vermindern,  dass  er  auf  die  stärksten 
Reize  nicht  mehr  reagirt.  Ganz  anders  soll  die  Kette  ivirken? 
wenn  das  negative  Metall,  Rupfer,  an  dem  Nerven  applicirt  war; 
nach  einiger  Zeit  soll  nun  der  höchste  Grad  der  Reizbarkeit  ein- 
getreten seyn,  so  dass  im  Augenblick  der  Oeffnung  die  Muskeln 
zuweilen  in  den  stärksten  Tetanus  gerathen. 

Dass  die  Nerven  bei  der  Erregung  durch  galvanisches  Flui- 
dum keine  blossen  Leiter  der  Electricität  sind,  geht  daraus  her- 
vor, dass,  wenn  man  die  beiden  Armaturen  an  dem  Nerven  selbst 
applicirt,  und  also  einen  queren  galvanischen  Strom  durch  dir 
Dicke  des  Nerven  verursacht,  der^Nerve  zwar  die  Zuckung  be- 
wirkt, dass  aber  ein  gequetschter  oder  unterbundener  Nerve» 
über  der  verletzten  Stelle  armirt,  nicht  mehr  durph  die  ver- 
letzte Stelle  hindurch  wirkt.  Man  sieht  also,  dass  ein  gequetsch- 
ter oder  durch  einen  nassen  Faden  unterbundener  Nerve  kein 
Leiter  des  wirksamen  Princips  der  Nerven  mehr  ist.  Dennoch 
ist  er  aber  noch  ein  eben  so  guter  Electricitätsleiter,  wie  vor- 
her; denn  wird  der  Nerve  über  und  unter  der  Ligatur  armirt» 
so  geht  der  electrische  Strom  durch  die  Unterbindungsstellß 
durch,  und  das  Nervenprincip  in  dem  zwischen  Ligatur  und  Mus- 
kel befindlichen  Nervenstück  bewirkt  nun  die  Zuckung,  weil  es 
von  dem  electrischen  Strome  angeregt  wird,  oder  sich  in  der 
Kette  befindet.  Ein  merkwürdiger  Umstand  ist  der  von  Hum- 
boldt beobachtete,  dass,  wenn  man  durch  Armirung  eines  Mus- 
kels und  seines  vorher  unterbundenen  Nervens  über  der  Unter- 
bindungsstelle Zuckungen  erregen  will,  von  der  Unterbindungs- 
stelle des  Nerven  bis  zu  seinem  Eintritt  in  den  Muskel  durchaus 
noch  ein  Stück  freiliegenden  Nervens  seyn  muss.  Denn  unter- 


2.  Reizbarkeit  der  i^ernert.  Eleclrische  Reize.  603 

l^indet  man  den  Nerven  gleicl»  bei  seinem  Eintritt  in  den  Mus- 
und  armirtiden  Muskel  und  Nerven  über  der  Unterbindung, 
erfolgt  keine'  Zuckung.  Diese  letztere  erfolgt  aber,  wenn  man 
^®n  Nerven  ietzt  eine  Strecke  aus  dem  Muskel  berauspräparirt; 
*'uch  hört  die  Zuckung  auf,  wenn  zwischen  Unterbindung  und 
‘Hushcl  zwar  ein  Stück  Nerve  frei  liegt,  dieses  Stück  aber  mit 
‘'luskelfleisch,  nassem  Schwamm  oder  Metall  umgehen  wird.  Es 
scheint  also,  dass  in  diesem  Falle  der  Ners-e  zwischen  der  Unter- 
bindung und  dem  Muskel  isolirt  seyu  muss. 

Die  Zuckungen  sind  bei  allen  Froschschenkelversuchen  um 
?n  starker,  je  länger  das  zu  einem  Muskel  hingehende  Nervenslück 
ist.  Pfaff.  Die  tVirkungen  erfolgen  ferner  immer  in  der  Rich- 
inng  der  Verzweigungen  der  Nerven,  und  man  kann  durch  einen 
'Nerven,  welcher  allein  armirt  wird,  mit  der  einfachen  Rette 
beine  Zuckungen  in  Muskeln  erregen,  welche  höher  A'om  Stamme 
•ies  Nerven  ab  Aeste  erhalten.  Dagegen  zucken  bei  der  Armi- 
*'Ung  eines  Nervenstammes  immer  alle  Muskeln,  welche  von  dem 
Stamme  aus  nach  abwärts  Zweige  erhalten.  Bei  der  Armirung 
®ines  Stammes  armirt  man  nothwendig  alle  schon  in  ihm  vorge- 
bildeten Fasern,  die  in  die  Zweige  übergehen.  Da  die  in  dem 
Stamm  enthaltenen  Primitivfasern  seiner  Zweige  in  dem  Stamme 
"jeht  anastomosiren,  so  kann  die  Reizung  eines  Zweiges  auch 
*bcht  auf  die  höher  abgehenden  Muskelzweige  zurückwirken, 
yielleicht  hängt  indess  dle^AVirkung  der  Nerven  in  der  Richtung 
*brer  Verzweigung  auch  davon  ab,  dass  die  Muskelnerven  das 
^ervenprincip ' oder  die  Bewegung  desselben  bloss  in  der  centri- 
bigalen  Richtung  forlpflanzcn.  Die  Stärke  der  Zuckung  eines 
bluskels  hängt  übrigens  immer  davon  ab,  wie  viele  Nervenfasern 
‘desselben  in  der  Rette  liegen;  daher  ist  die  Zuckung  am  gering- 
sten, wenn  bloss  der  Muskel  in  der  Rette  liegt,  und  es  zuckt 
'lann  auch  nur  derjenige  Theil  des  Muskels,  dessen  Nervenzweige 
Strome  ausgesetzt  sind. 

Jede  Veränderung  in  der  Statik  des  eleclrischen  Fluidums 
“"^Heint  übrigens  Ursache  zur  Erregung  des  Princlps  der  Nerven 
werden.  Denn  nach  MARtANiNi  lässt  sich  nicht  allein  dimch 
^effnung  und  Schliessung  der  Rette  Zuckung  erregen,  sondern 
‘‘öch  durch  partielle  Ablenkung  des  Stromes  aus  dem  Frosch- 
*'=lienkel,  und  nach  Ermaw  entstehen  bei  geschlossener  Rette 
Contractlonen,  wenn  der  Nerve  so  gegen  sich  zurückgebo- 
wird,  dass  er  sich  in  neuen  Punkten  seiner  contmuirlichen 
trecke  berührt. 

Bei  dem  Absterhen  der  Erregbarkeit  in  den  vom  Ganzen  ge- 
'^‘■ennten  Thcllen  haben  Ritter  u.  A.  beobachtet,  dass  dieses  Ab- 
!terben  nicht  an  allen  Stellen  der  Nerven  zugleich,  sondern  vom 
Birnende  nach  dem  peripherischen  Ende  erfolgt. 

, Einige  von  mir  im  Jahre  1831  gemachte  Beobachtungen  ha- 
den  galvanisclien  Versuchen  an  Fröschen  ein  neues  Feld  er- 
öffnet (Fbouiep’s  Not.  646.  647.)-  Es  hat  sieh  nämlich  hierdurch 
dass  es  gewisse  zu  Muskeln  hingehende  Nerven  gieht, 
welche  man  vermittelst  Armatur  der  Nerven  selbst  keine 
’^ckungen  in  den  Muskeln  erregen  kann.  Hierher  gehören  die 


604  111.  Buch.  Nernenphysik.  I.Abschn.  Eigenschaftend.  N.  im  AUgem. 

hinteren  Wurzeln  der  Rückenmarksnerven,  weldie  für  einen  mas- 
sigen galvanischen  Reiz  ganz  unempfindlich  ;siüd,  wahrend  die 
vorderen  Wurzeln  derselben  für  den  galvanischen  Reiz  eine  aus- 
serordcnlliche  Empfindlichkeit  besitzen,  und  ])ei  unmittelbarer 
Armatur  derselben  die  heftigsten  Zuckungen  iler  Muskeln , 
welchen  diese  Neiwen  hingeben,  bewirken.  Bei  diesen  Versuchen 
öffnet  man  das  Rückgratb  der  Frösche  in  seiner  unteren  Hälfte, 
legt  das  Rückenmark  bloss,  hebt  eine  der  hinteren  Wurzeln  der 
Nerven  für  die  unteren  Extremitäten  mit  einer  Nadel  sanft  auf, 
und  schneidet  sie  mit  einer  feinen  Scheere  dicht  am  Rückenmark 
all.  Man  legt  dann  die  abgetrennte  Wurzel  auf  ein  ganz  klei- 
nes Glasplättchen  zur  Isolation,  und  ai-mirt  das  Ende  dieser  Wur- 
zel mit  einer  Zink-  und  Kupferplätte,  die  man  kettenartig  ver- 
bindet; es  entstehen  dann  niemals  Zuckungen,  wohl  aber,  wenn 
man  denselben  Versuch  mit  den  vorderen  Wurzeln  macht.  MaU 
kann  sogar  eine  kleine  galvanische  Säule  auf  das  Ende  der  hin- 
tern Wurzel  wirken  lassen,  ohne  dass  Zuckungen  entstehen.  Na-  i 
türlicher  Weise  darf  diese  nicht  zu  stark  seyn,  wie  in  den  ziem- 
lich ungeschickt  angestellten  Versuchen  von  Seüdebt,  sonst  spring* 
das  galvanische  Fluidum  auf  die  vordere  Wurzel,  als  einen  feuch- 
ten Leiter,  über,  mit  welchem  die  hintere  verbunden  ist,  und  e* 
können  Zuckungen  erfolgen.  Ich  habe  auch  gezeigt,  dass  unter 
den  3 Zungenherven  der  INcrvus  lingualis  bei  der  blossen  Arma- 
tur des  Nerven  keine  Zuckungen  der  Zunge  bewirkt,  während 
dieser  Versuch,  an  dem  N.  hypoglossus  angestellt,  jedesmal  Zuk- 
kungen  bewirkt.  Diese  letzteren  Versuche  sind  an  Säugethieren 
angestellt.  Aus  anderen  Versuchen  weiss  man,  dass  diejenigen  Ner- 
ven, die  hei  der  blossen  Ai’matur  derselben  keine  Zuckungen  de^ 
Muskeln  verursachen , Empfindungsnerven  sind.  Sonst  \önnen 
diese  Nerven  natürlich  auch  als  feuchte  thierisebe  Theile  Leiter 
des  galvanischen  Fluidums  wirken,  wie  jeder  andere  feuchte  thie' 
rische  Tbcil.  So  zum  Beispiel  erfolgen  Zuckungen,  wenn  ma** 
einerseits  den^  N.  lingualis  und  andrerseits  die  Zunge  armirt,  odef 
wenn  man  die  Armatur  auf  die  hintere  Wiu’zel  eines  Rückeu- 
marksnerven  und  auf  die  Muskeln  anwendet,  wobei  der  Nerve 
bloss  Conducton  ist,  und  nicht  als  lebendiger  Tbeil  wirkt.  S* 
geht  aus  diesen  Versuchen  das  merkwürdige  Resultat  hervor,  dass 
gewisse,  mit  Muskelnerven  zusammenhängende  Nei'ven  hei  der 
vanischeh  Erregung  doch  nicht  durch  das  Nervenprincip  auf  dj« 
Muskeln  wirken,  was  man  auf  zweierlei  Art  erklären  kann,  wed 
entweder  bloss  die  motorischen  Nerven  die  lebendi^m  Fähigkei* 
haben,  die  Muskeln  zu  erregen,  oder  weil  vlelleicbt”die  motori- 
schen Nerven  nur  centrifugale  Wirkungen  des  Nervenprincip* 
nach  den  Muskeln,  die  sensibeln  Nerven  nur  centripetnie  Wir- 
kungen gegen  Gehirn  und  Rückenmark  zulassen. 

Was  die  Wirkung  des  Galvanismus  auf  die  Sinnesorgane  be- 
trifft, so  hat  sich  gezeigt,  dass  das  electrische  Fluidum  in  alle" 
Sinnesorganen  verschiedene  Empfindungen  hervorruft,  und  zwar 
in  jedem  Sinnesorgane  die  diesem  eigenthümliche  specifische  Em- 
pfindung. Bekannt  ist  der  eigenthümliche  Geschmack  bei  der 
Bewaffnung  der  Zunge.  So  entsteht,  wenn  Zink  an  die  SpR*® 


2.  fieizbarkeit  der  hlectrlscke  lit’lze. 


605 


•ler  Zunge,  Silber  an  den  hintern  Theil  derselben  applicirt  wird, 
ein  säuerlicher  Geschmack,  welcher  bei  der  Umkehrung  der  Me- 
talle scharf  oder  laugenhal't  erscheint.  Diese  Erscheinung  lasst 
sich  selbst  bei  der  Anwendung  nur  eines  Metalles  und  eines 
feuchten  Erregers  bewirken,  wie  in  folgendem  von  Volta  ange- 
ääebenen  Versuche. 

Man  fülle  einen  zinnernen  Becher  mit  Seifen  nasser,  I\alk- 
*uilch  oder  besser  mit  massig  starker  Lauge,  fasse  den  Bcchei 
•uit  einer  oder  beiden  Jländen,  die  man  mit  blossem  \V  asser 
feucht  gemacht  hat,  und  bringe  die  Spitze  der  Zunge  mit  dei 
Flüssigkeit  in  Berührung,  so  entsteht  im  Augenblicke  des  Coii- 
tacts  die  Empfindung  von  einem  säuern  Geschmack  (Gehler’s  Phy- 
sik. WUrterh.  IV.  2.  p.  736.). 

Pfaff  bemerkt  hierbei,  dass  dieser  Versuch  zu  lieweisen 
Scheine,  dass  nicht  die  durch  Zersetzung  des  Kochsalzes  des  Spei- 
chels an  dem  positiven  Metalle  entbundene  Säure,  und  das  au 
'lern  negativen  Pole  freigewordeiie  Alkali  den  Gescbinack  bei  den 
galvanischen  Versuchen  verursache,  ln  der  That  hätte  er  in  ge- 
genwärtigem Versuche  bei  Berührung  der  Zunge  durch  eine  lau- 
genhafte ^Flüssigkeit  unmöglich  sauer  seyn  können.  Ueberhaupt 
"'ird  dieser  Geschmack  vom  Galvanismus  wohl  richtiger,  wie  al- 
ler Geschmack,  von  der  specifiseben  Reaction  der  Geschmacks- 
Nerven  abgeleitet,  so  dass  ein  Geschmack  nur  ein  suhjectiver  Zu- 
stand des  Geschinacksnerven,  nicht  aber  etwas  Aeusseres  ist. 

Eitvenlhümliche  Gerüche  von  Anwendung  des  Galvanismus 
auf  das  Geruchsorgan  sind  bis  fetzt  noch  wenig  bemerkt  w^or-^ 
^en-  doch  hat  Bitter  Gerüche  beobachtet;  auch  weiss  man,  dass 
'Ue'Reibungselectricität  den  Geruch  von  Phosphor  liervorruft. 
Fitter  ßeUräge  zur  nähern  Kcnnlniss  des  Galvanismus,  p.  160. 

ln  dem  Auge  erregt  dagegen  der  Galvanismus  die  specl- 
Ische  Empfindung  des  Sehnerven,  die  Lichtempfmdung , wenn 
Nian  nämlich  einen  leichten  galvanischen  Strom  durch  das  Auge 
leitet,  vermittelst  Application  der  beiden  Metalle  auf  feuchte 
|lieile,  welche  das  Auge  begränzen.  Wie  die  Empfindungen  von 
im  Au^c  hervorgeruieu  werden , haben  Ritter  und  1 uk- 
eezeißt.  "Es  sind  heutzutage  die  Zeiten  nicht  mehr,  in  wel- 
N>»en  man  diese  Lichterschciiuing  im  Auge  als  eine  Entwickelung 
'’on  Lichtmaterie  ansah.  In  diesem  Fall  müsste  das  hierbei  ent- 
N'ickelte  Licht  die  Fähigkeit  zu  beleuchten  haben,  und  man 
Niüsste  im  Dunkeln  dabei  sehen  können;  dless  ist  aber  nicht  der 
^Nll.  Die  Lichtempfmdung  ist  hier  vielmehr  die  gewöhnliche 
Feactlon  des  Sehuervens,  welcher  gegen  alle  Reize,  mechanische 
'NWohl  als  elcclrische,  -Licht  als  einen  Zustand  seiner  selbst  em- 
pfindet, der  bloss  subjectiv  und  die  QÄldität  der  Empfindung  ist, 
gleichwie  Wollust  und  Schmerz  Qualitäten  oder  Zustände  ande- 
rer Nerven,  nämlich  der  Gefühlsnerven  sind,  während  der  ^h- 
“Nrve  bloss  der  Empfindung  von  Licht  und  Farben,  nach  Ma- 
nesdie  aber  nicht  der  Empfindung  des  Schmerzes  fähig  ist.  Diese 
^nsicht  von  der  Natur  jener  Lichterscheinungen,  welche  nach 
einflussreichen  Versuchen  von  Purkinje  über  das  subjectiye 
‘^^hen,  und  nach  unseren  eigenen  zahlreichen  Erfahrungen  in 


{>06  llI.Buch.  Neri>enphfsik.  I.Abschn.  Eigeiixchaflend.h.imAllgejn. 


diesem  Felde  unausweichlicli  ist,  sehen  wir  auch  ron  Physikern 
des  ersten  Ranges  vorgetragen.  So  erklärt  nämlich  IPfaff  die 
erwähnte  Erscheinung,  indem:  „überhaupt  Reize  von  der  ver- 
schiedensten Art,  namentlich  mancherlei  mechanische,  die  auf  das 
Auge  einwirken,  in  dem  Sehnerven  die  specifische  Empfindung, 
dnreh  welche  er  reagirt,  Lichterscheinungen  unter  mancherlei  Ge" 
stalten,  als  Blitze  u.  s.  w.,  hervorbringen.“  Gleichwie  die  Electrici- 
tät  im  Auge  einen  Zustand  des  Sehnerven  als  Lichtempfindung  be- 
wirkt, so  bewirkt  sie  in  dem  Gehörnerven  einen  Zustand  als  Ton- 
empfindung. Volta  empfand,  als  sich  seine  Ohren  in  der  K-ctt® 
einer  Säule  von  40  Plattcnpaai-en  befanden,  im  Augenblick  der 
Schliessung  eine  Erschütterung  im  Kopfe,  und  einige  Augen- 
blicke nachher  ein  Zischen  und  stossweises  Geräusch,  wie  wenn 
eine  zähe  Materie  kochte,  welches  die  ganze  Zeit  der  Schlies- 
sung der  Kette  fortdauerte.  P/ulos.  transact.  1800.  p.  427.  Rif' 
TER  empfand  hei  der  Schliessung  der  Kette,  wenn  beide  Ohren 
sich  d^rin  befanden,  einen  Ton  wie  G der  ' eingestrichenen  Octavß 
oder  g;  befand  sich  nur  ein  Ohr  in  der  Kette,  so  war  vom 
positiven  Pol  aus  der  Ton  tiefer  als  g,  am  negativen  aber  hö- 
her. Ueber  die  Wirkungen  der  Electricität  auf  die  Absonderun- 
gen siehe  oben  p.  451. 


11.  Ueber  die  Vcr'inderung  der  Reizbarkeit  durch  die  Reize. 

Bisher  haben  wir  bloss  die  Erseheinungen  der  Kräfte  un- 
tersucht, welche  durch  die  Anwendung  der  Reize  entstehen.  Jet*t 
werden  wfir  die  Veränderungen  der  Kräfte  selbst  betrachten- 
Alle  reizenden  Einflüsse,  welche  in  den  Kerven  durch  Verände- 
rung der  Materie  Erscheinungen  ihrer  Kräfte  hervoixufen,  kön- 
nen auch  die  Reizbarkeit  seihst  verändern.  Bei  jeder  Reaction 
findet  ein  Aufwand  der  vorhandenen  Kräfte  statt,  insofern  s*® 
durch  Veränderung  der  Materie  bcwii'kt  wird,  je  länger  die  Rei- 
zung dauert,  um  so  grösser  ist  diese  Aferänderung.  In  dem  gesun- 
den Leben  ist  die  Erregung  nie  so  gross,  dass  durch  gewaltsame 
Veränderung  der  Materie  die  Fähigkeit  zu  Lebensäusserungen  mn 
eine  empfindliche  Art  verletzt  wird.  Die  Jieständige  Wiederer- 
zeugung, die  Ausgleichung  der  materiellen  Vcrändeningen  durch 
die  während  der  Ernährung  fortgesetzte  Wiedererzeugung,  gleicht 
die  täglichen  Veränderungen  aus.  Wenn  aber  die  Reizung  stär- 
ker wird,  so  reicht  die  Wiedererzeugung  nicht  so  bald  hin,  nm 
diesen  Verlust  zu  ersetzen,  und  die  Reizung  kann  so  stark  seyo, 
dass  sie  die  Summe  der  vorhandenen  Kräfte  erschöj>ft.  Dies® 
Verhältnisse,  welche  wir  in  der  Ausübung  der  MuskelhcAvcgung, 
Geschlechtstriebs,  der  Geistesfunctionen  täglich  kennen  lernen,  fin- 
den auch  bei  der  unmittelbaren  Anwendung  der  Reize  auf  <li® 
Nerven  statt.  Wenn  man  einen  Nerven  lange  galvanisirt,  so  wer- 
den die  Reactionen  immer  schwächer  und  zuletzt  Null , und  es 
bedarf  einiger  Zeit,  che  wieder  Reaction  erfolgt,  wenn  sich 
Hell  die  Nervenkraft  (durch  den  Contact  mit  dem  Blut)  wieder 
erholt  hat.  Es  ist  eben  so  mit  den  Empfindungen.  Je  läng®® 
man  ein  farbiges  Bild  ansieht,  um  so  schmutziger  wird  es  un 


Reizlarkeit.  d.^erven. 


Veränderung  dem.  Alterantia  nereina.  607 


'verscliwlndet  zuletzt  ln  Grau,  je  mehr  die  vom  Lieht  ge- 
‘■eizte  Stelle  an  Reaetionskraft  verliert;  diese  Stelle  sieht  zuletzt 
nicht  mehr.  In  allen  diesen  Fällen  wird  die  Reizbarkeit 
«Urch  die  Reizung  erschöpft,  und  nicht  durch  die  eigenthümli- 
ehe  "Wirkung  der  Einflüsse.  Die  Reizhax’keit  kann  aber  auch, 
Brown  nicht  glaubte,  was  aber  von  der  Theorie  des  Con- 
*'|>stimulo  besonders  anerkannt  worden  ist,  durch  Einflüsse  un- 
^dtelbar  ohne  Reizung  sogleich  erschöpft  werden;  wenn  eine 
fenidartige  Potenz  sich  unmittelbar  auf  Kosten  der  organischen 
S'^mbinationen  geltend  macht  und  den  Nerven  mit  der  Nerven- 
vernichtet.  So  wirkt  die  Electricität  im  höchsten  Grade 
Elfccts  im  Blitz,  eben  so  der  Druck,  die  Zerquetschung  des 
^arven  und  seiner  Primitivfasern,  ferner  die  Behandlung  der 
’acven  mit  chemischen  Agenlien,  welche  die  organische  Comlxl- 
^'ation  des  Nerven  aufheben,  und  zersetzen,  wie  die  minerali- 
**-lien  Säuren,  die  Metallsalze,  Alcohol  im  concentrirten  Zustande. 

Wirkt  diese  fremdartige  Gewalt  auf  alle  Nerven  zugleich, 
'''*6  die  Electricifät  in  dem  Blitz,  oder  eine  sehr  starke  Batterie, 
^|ler  wird  ein  Nerve  in  seiner  ganzen  Länge  ausgedehnt,  so  wird 
Reizbarkeit  in  dem  ganzen  IS  erven  oder  im  ganzen  Organismus 
^^fgehoben;  wirkt  sie  nur  auf  einer  Stelle  des  Nerven , wie  Cau- 
*hca,  Druck,  Quetscliung,  so  wird  auch  nur  diese  Stelle  gelähmt, 
Jiid  die  zwischen  der  Quetschung  und  dem  Muskel  befindlichen 
heile  des  Nerven  haben  ihre,  motorischen  Kräfte  behalten. 


Die  W'äi’me  und  die  Kälte,  welche  in  einer  gewissen  Stärko 
"hd  einer  gewissen  Zeit  Stimulantien  sind,  werden  deprimirend, 
®'^l>ald  sie  sehr  lange  im  stärkein  Grad  angewandt  w'erden. 

^ Die  Kälte,  welche  so  gut  wie  die  Wärme  Entzündung  und 
•"and  eriegcn  kann,  macht  die  Glieder  taub  oder  empfindungs- 
''*'d  ]>ewegungslos;  diese  Wirkung  kann  örtlich  und  allgemein 
die  Wärme  scheint  örtlich  ohne  Entzündung  und  Brand  zu 
j^^'egen,  nicht  die  Glieder  taub  zu  machen;  allein  die  allge- 
j^®‘ne  anhaltende  Wirkung  der  Wärme  ist  auch  Schwäche  der 
®*’venfunctionen. 


j . Bei  einigen  Einflüssen  geht  vor  der  Zerstörung  noch  eine  kurze 
ijj^’dation  vorher,  wie  beim  Quetschen  der  Nerven,  bei  der  Behand- 
^ derselben  mit  Alkali.  Dieselben  Reiznngserscheinungen  beob- 
^ ^let  man  noch  deutlicher  bei  einem  grossen  Theil  der  Narcoticä, 
Hauptworknng  scheint,  die  Mischung  der  Nerven  zu  verändem 
in  höherem  Grad  der  Wirkung,  die  Nervenkraft  aufzuheben. 
Eine  ganze  Abtheilung  von  Stoffen  besitzt  im  aiifgelös- 
y Zustand  einen  gewissen  Einfluss  auf  die  Kräfte  der  Ner- 
'ind  zerstört  dieselben , ohne  dass  diese  Stoffe  sich  auf 
Veyi  ^'Scnthümliche  Art  gegen  andere  chemische  Reagendcn 
■y  ®Ben,  ohne  dass  sie  caustlsch  sind,  und  die  organischen 
im  Allgemeinen  auflösen.  Diess  sind  die  Alte- 
nervina,  die  man  Narcotica  nennt.  Alle  diese  Mittel  alte- 
iR  .^ie  materielle  Zusammensetzung  der  Nerven.  Einige  sind 

}(  *^inen  Gaben  reizend  und  weniger  deprimirend,  wie  Opium, 
''omica,  alle  in  grossen  Gaben  sogleich  deprimirend  durch 


608  III.  Buch.  N eri^enphy.nk.  I.Abschn.  Eigenschaften  d.N.  im 

Alteration.  Dass  diess  durch  eine  unseren  Sinnen  und  dei’  che- 
mischen Probe  entgehende  Umwandlung  der  Nei-venmaterie  ge- 
schieht, ist  walirscheinlich  und  anzuncinnen  nothwendig;  allo" 
diese  Umwandlung  zeigt  sich  uns.  nur  an  dem  Verlust  derNci've»' 
kräfte,  und  der  durch  Karcotica  getödtete  Nerve  verhält  sich  deu* 
äussern  Anschein  nach  ganz  sowie  der  gesunde  Nerve,  wenigste”* 
wenn  man  reine  Narcotica  in  wässrigen  Auflösungen,  zum  Beisp'® 
wässrige  Auflösung  von  Opium,  anwendet.  j. 

Ehe  wir  nun  aber  die  Wirkung  der  narcotischen  Stoffe  ”^ 
die  Nerven  näher  untersuchen,  wollen  wii'  erwägen,  oh  es  nic” 
auch  Stoffe  gieht,  welche  die  Reizharkeit  der  Nerven  erhöhen. 

I.  Integrirende  Reize. 

Nach  früheren  Versuchen  war  es  sehr  wahrscheinlich,  da** 
es  viele  Stoffe  gieht,  welche  die  Reizbarkeit  der  Nerven  er- 
höhen, und  die  Heilkunde  erwartete  von  diesen  Versuchen  ei»®^ 
grossen  Erfolg.  A.  v.  Humboldt  über  die  gereizte  Muskel-  ”” 
IVereenfaser.  Allein  die  stärkere  W'^irkung  der  galvanisch®” 
Action  nach  Befeuchtung  der  Nerven  mit  Aqua  oxymuriatica  u” 
alkalischen  Solutionen  beweist  noch  nicht,  dass  die  Reizhark®' 
der  Nerven  durch  jene  Flüssigkeit  erhöht  werde,  sondern  he' 
weist  nur,  da.ss  die  galvanische  Action  stärker  ist.  Auch 
Pf.s.ff,  nord.  Arclue.  Bd.  i.  /).  17.  durch  Versuche  erwiesen,  d**’ 
die  mehrsten  jener  Stolle  nicht  durch  Erhöhung  der  Reizbarke” 
wirken,  sondern  insofern  sie  als  Glieder  der  galvanischen  Kett® 
den  galvanischen  Reiz  selbst  vermehren,  und  die  galvanisch® 
Action  bei  derselhen  Stärke  der  Reizbarkeit  erhöhen;  jene  Fl”*' 
sigkeiten  wirken  daher  nur  immer  stärker  als  das  W^asser,  welch®’ 
zur  galvanischen  Action  als  Leiter  nöthig  ist.  Die  Heilkun' 
hat  auch  ihi-e  Hoffmingen  auf  Mittel,  welche  die  Kraft  der  N®*' 
ven  verstärken,  ganz  aufgegehen , und  diese  Mittel  leisten  d»’' 
was  sie  sollen,  nur  in  den  Lehrbüchern  der  Materia  medica. 

Mittel,  welche  reizen  gieht  es  allerdings  genug,  wie  hi-ef, 
pher,  die  Ammoniakalien,  die  Electricität,  und  diese  Mittel  *'” 
vortrefflich,  wo  die  nicht  erschöpften,  sondern  hloss  geschw”®”' 
ten  Nervenkräfte  des  Reizes  bedürfen.  Sic  reizen,  sie  vei’U®*®' 
eben  eine  Nervenaufregung,  aber  sie  vermehren  nicht  die  S*-”*  . 
der  Reizhai’keil.  Die  Nervenkraft  nimmt  nur  zu  durch  diese!”® 
Processe,  wodurch  sie  beständig  wiedererzeugt  wird,  nändich  ® ^ 
beständige  Reprodiittian  aller  Theile,  aus  dem  Ganzen,  u”d  ” ji 
Ganzen  durch  die  • Assimilation.  Für  einen  geschwächten  1” 
des  Nervensystems  sind  gelinde  Reize  daher  nicht  darum 
lieh,  weil  sie  die  Reizbarkeit  erhöhen,  denn  das  thun  sie 
sondern  well  ein  gereizter  Theil  mehr  die  Ergänzung  des 
zpn  anspricht,  und  daher  vorzugsweise  wiedererzeugt  und 
wjrd.  So  stelle  ich  mir  die  nützliche  Wirkung  der  Reize 
Nervenkrankheiten  vor,  und  hier  ist  wieder  am  meisten 
Wärme  oder  das  Feuer  zu  halten,  denn  die  Wärme  ist  die 
Sache,  dass  zuerst  die  Erzeugung  der  Theile  aus  der 
nen  i^aft  des  Ganzen  beginnt;  daher  ist  auch  das  Feuer 
eine  recht  anhaltende,  langsam  abbrennende  Moxa,  oder  bessei 
lange  andauernde  Nähern  einer  brennenden  Kerze  an  den  leiden 


Reizbarkeit  d.  Nerven.  Veränderung  den-,  Alterantia  nervina.  60!) 

ihell  olme  Branderzeugung  das  allein  lieWalirteste  und  wirklich 
'ultreiche  Mittel  ln  den  anfangenden  Lähmungen,  Neuralgien,  Ta- 
dorsalls  u.  s.  w. 

11.  Alterirendc  Reize. 

Hieher  gehören  die  Narcotica,  welche,  indem  sie  reizen,  zu- 
gleich die  Nervenmaterie  zu  zersetzen  scheinen.  Insofern  diese 
httel  die  materielle  Zusammensetzung  der  Nerven  alteriren,  be- 
^l'ent  sich  die  Arzneikunde  derselben  in  kleinen  Gaben  zuweilen 
•ait  Erfolg  in  Lähmungen,  um  feinere  materielle  Veränderungen 
«er  Nerven  anszuglei  eben,  oder  nach  einer  solchen  Umstimmung 
1®*'  Natur  selbst  Gelegenheit  zur  Einleitung  der  Heilung  zu  ge- 
ln  stärkerem  Grade  angew'andt,  wirken  die  Alterantia  ner- 
'^'äa  seu  Nareotica  Sogleich  zersetzend. 

Die  Veränderung  der  Nerven  bei  unmittelbarer  Applica- 
des  Giftes  auf  dieselben  tritt  ohne  Zeichen  Von  Reizung, 
[•'»le  Zuckung  allmähli  ^ “ 

.*'^ohnclitete  , dass 

Häcklingen  errege.  Ich  seihst  habe  ule,  weder  bei  der  An- 
"’^ndung  des  Opiums  in  wässriger  Auflösung , noch  des  Sti’ych- 
’l’ös,  noch  des  spirituösen  Extractes  von  Nux  vomica  auf 
'ää  entblösstcn  Nerven  eines  Kaninchens,  der  Frösche  und  der 
^^■eten  Zuckungen  entstehen  sehen,  und  glaube  nicht,  dass  je- 
ein  Narcoticum,  unmittelbar  auf  einen  Nerven  angewandt, 
j^'äe  Zuckung  errege,  wenn  es  nicht  durch  das  Rückenmark  und 
*t‘hiri|  auf  die  Nerven  wirkt.  Strychnin  erregt  nicht  einmal 
Packungen,  wenn  es  gepulvert  auf  das  nasse  Rückenmark  eines 
'^‘'osches  angewandt  wird,  sondern  nur  wenn  cs  in  die  Blutmasse 
gelangt,  und  durch  das  veränderte  Blut  auf  das  Rückenmark, 
Jj"<l  letzteres  wieder  auf  die  Nerven  wirkt.  Ist  daher  ein  Thier 
|,"rch  Opium,  Strychnin  vergiftet,  so  hören  die  Zuckungen  einer 
^•xtremitäl  auf,  sobald  ihre  Nerven  durchschnitten  werden , und 
'^änichtet  man  einen  Theil  vön  dem  Rückenmark  eines  Thiers, 
man  es  durch  üpas  tieute  oder  Angustura  vergiftet,  so  wer- 
alle  diejenigen  Theile,  die  von  dem  vernichteten  Theil  des 
jjäckenmarks  ihre  Nerven  empfangen,  von  Zuckungen  befreit. 
I ‘eraus  geht  wohl  unwiderleglich  hervor,  dass  die  Narcotica  niclit 
'^*'ch  sich  selbst  und  auf  die  Nerven  selbst  wirkend  Zuckungen 


g bis  zur  Paralyse  ein.  A.  v.  Humboldt 
auch  das  Opium , nämlich  Oplumtinctur, 
ule. 


'p'^ägen , 
'’^'erns. 


sondern  durch  Vermittelung  des  Rückenmarks  und 


*icl, 


Eine  ganz  andere  Frage  ist,  ob  nafcotische  Gifte  nicht  durch 
- selbst  und  auf  die  Nerven  wirkend  die  Reizbarkeit  dir 
^även  erschöpfen  können,  auf  analoge  Art  wie  chemische'  Rciz- 
'lies  Reizbarkeit  der  Nerven  zerstören.  Diese  FVage  häbeü 
■fj  . ®iw-iftsteller  nicht  von  der  vorhergenden  getrennt,  lind  man  hat 
svetin  man  beide  gleicb  beantwortete.  Die  ge- 
’*'^'ähste  Wirkungsart  'der  narcotiscb'en  Gifte,  wenn  sie  die 
sig  ?”ädungskraft  und  Bewegkraft  der  Nerven  lähmen,  ist,  dass 
gef-****  Eiet  aufgenommen  werden,  vom  Blut  aus  in  den  Capillaf- 
jj.J'Ssen  . auf  das  Gehirn,  Rückenmark  und  die  Nerven  wirken. 
tUgi  ^eite  Wirkungsart,  ivelche  langsamer  geschieht  und  viel- 
isolirt  wirkt,  ist  dass  sie  die  Nervenkraft  örtlich  zerstören. 


610  III.  Buch.  Nervenphysik.  I.Abs'chji.Ei^enschafiend.N.imAUgem. 


1,  Wirkungsart  der  uarcotischen  Gifte  durch  das  Blut. 

Es  wurde  sonst  häufig  angenorninen , dass  die  allgenieineii 
Erscheinungen  hei  örtlichen  narcotisclien  Vergiftungen  durcl» 
Fortpflanzung  des  Zustandes  durch  die  Nerven  entstehen.  1” 
diesem  Sinne  hahen  seihst  neuerlich,  wo  man  hierülier  hesser 
belehrt  war,  Dupuy  und  Brächet  behauptet,  dass  man  Thici® 
durch  in  den  Magen  gebrachte  Gifte  nicht  vergiften  könne,  we'*‘* 
man  vorher  den  N.  vagus  auf  beiden  Seiten  durchschnitten  hab®' 
Diess  ist  jedoch  eine  grundlose  Behauptung,  denn  wir  haben 
den  vielen  Versuchen,  welche  Herr  Wersscheidt  unter  mCii'®* 
Leitung  über  diesen  Gegenstand  anstellte,  durchaus  keinen  Ü®' 
terscbicd  der  Zeit  in  dem  Eintreten  der  Vergiftungsznfälle  g®'’®' 
lien,  mochten  die  Nerven  vorher  durchschnitten  seyn  oder  nic^’*'‘ 
Es  ist  jetzt  erwiesen,  dass  die  Vergiftungszulalle  durch  Aufnabn‘® 
des  Giftes  in  das  Blut  durch  Imbibition  entstehen.  Ueber 
Schnelligkeit  dieses  Ueberganges  siebe  oben  p.  234.  Die  erst®*’ 
Beweise  für  diese  Tlieorie  der  Vergiftungen  hat  Fostana  geb®' 
fei't.  Foktasa  hat  Versuche  mit  Vipern-,  Tikunas-,  Kirschlorbe®^' 
gift  und  Opium  angcstellt.  Das  Bcsultat  allei'  seiner  Versuch® 
dass  diese  und  ähnliche  Gifte  nur  indem  sie  in  die  BlutmaS*^ 
ihre  allgemeinen  Wirkungen  hervorbringen,  dass  s'® 
aber  auf  die  Nci-vcn  nur  einen  örtlichen  Einfluss  haben. 

TANA,  Ahhandl.  Uber  das  Viperngift  etc.  aus  d.  Französ.  Berlin, 
Bbodie  durchsebnitt  in  der  Achselhöhle  eines  Kaninchens 
Nerven  der  Vorderbeine,  und  streute  Woraragift  in  eine 
am  Fusse;  die  Wirkung  des  Giftes  erfolgte  dennoch.  Er  n"' 
terband  das  Hinterbein  eines  Kaninchens,  die  Hauptnerven  a®“' 
genommen,  mit  einer  starken  Ligatur,  und  streute  Worara  in  ebj® 
Wunde  am  Bein;  die  Wirkung  blieb  aber  ganz  aus,  bis  er 
Ligatur  löste,  und  sogleich  ei'folgte  die  Vergiftung.  Fhilos.  trU'^^' 
ISll.  p.  178.  1812.  p.  107.  Wedemeyer  fand  durch  Versuc®® 


ist, 

gelangen 


mit  Blausäure,  die  so  heftig  wirkte,  dass  sie  in’s  Auge  und  ni®*' 
rere  Stellen  des  Körpers  gebracht,  innerhalb  einer  Secunde 
tete,  dass  sie  unmittelbar  auf  die  Nerven  angewendet,  gar  kc‘" 
plötzliche  Wirkung  liervorbrachte.  Physiol.  Untersuchungen  über 
^eru^nsf Stern  u.  die  Respiration.  Hannover, iHil.  p.  2.34.  Vrgl.E.MwE®^’ 
Tübing.  Blätter.  1811.  2.  Bd.  p.  88.  Sahb.  medic.  Zeitung, 

3.  Bd.  p.  62.  Meckel’s  Archiv  1.  176.  Schsell  Diss.  sist.  histor'e 
oeneni  upas  antiar.  Tubing.  ISib.  Emmert  amputirte  an  Thieren 


!l0 


eil® 

Extremitäten,  so  dass  sie  nur  mit  dem  übrigen  Körper  durch 
Nerven  in  Verbindung  standen,  das  in  den  Fuss  eingebrac®  ^ 
Gift  äusserte  keine  Wirkung.  Ebenso  wendete  er  das  Gift 
mittelbar  auf  die  Nervenstämme  an,  auch  hier  blieb  die  Wirk®"» 
aus.  G Viborg  {Act.  reg.  soc.  med.  Hafn.  1821.  p.  240.)  hat 
eine  Drachme  concentrirter  Blausäure  unmittelbar  auf  das 

entblösste  Gehirn  eines  Pferdes  gebracht,  ohn® 
send  eine  Wirkung  des  Giftes  zu  spüren,  Siche  Lund  Viviseclionen  r 
403.  104.  Hubbard  [Philadelph.  Journal.  Aug.  1822.)  hat 
Anwendung  der  Blausäure  auf  die  Nerven  sehr  schnelle,  ” 
gesehen,  gesteht  aber  selbst,  dass  wenn  er  den  Nerven 
durch  eine  untergelegte  Karte,  durchaus  keine  Wirkung  ei  ®‘ 


lii'izbark.  d.N.  Veränderung  ders.  Wb'kungsart  d.narcot.  Gifte.  611 


Die  schon  p.  226.  angeführten  Versuclia  von  Magetjdte, 
und  Emmeet  beweisen  auch,  dass  die  Aufnahme  des  Gif- 
j * in  die  Blutmasse  durch  Resorption  und  Tränkung  ausseror- 
'jfintlich  schnell  ist,  und  Emmeet  hat  gezeigt,  dass  die  Unterbin- 
Qiing  der  Aorta  die  Wirkung  des  in  die  Venen  eingebrachten 
'^'ftes  hemmt.  Emmeet  fand  die  schnellste  Wirkung  der  Angu- 
der  Upas  antiar,  der  Blausäure  2 — 5 Secunden.  TJeber 
7®  Schwierigkeiten  der  Erklärung  einer  so  schnellen  Wirkung, 
**®he  oben  p.  2-34. 

, Vor  Kurzem  habe  ich  selbst  einige  Versuche  über  die  Wlr- 
j äg  der  Gifte  auf  die  Nerven  angestellt;  ich  habe  bei  Kröten 
Schenkelnerven  blossgelegt,  tind  alles  Schenkelfleisch  abprä- 
h''*'irt,  so  dass  der  Unterschenkel  mit  dem  Oberschenkel  nur  durch 
Nerven  und  den  Knochen  mit  dem  Rumpf  in  Verbindung 
*^**nd.  Bei  diesen  Kröten  habe  ich  die  präparirten  Schenket  in  eine 
päflösung  von  essigsaurem  Morphium  und  in  concentrirte  Auf- 
®sung  von  Opium  getaucht,  und  lange  in  dieser  Stellung  erhal- 
Bei  diesen  Thieren  fand  durchaus  keine  Narcotisation  am 
^•Unpfe  statt,  selbst  viele  Stunden  nachher  waren  sie  noch  von 
unversehrter  Empfindung  und  Bewegung. 

Aus  allen  diesen  Versuchen  geht  hervor,  dass  die  schnelle 
?"gemeine  Wirkung  der  örtlichen  Vergiftung  nicht  durch  die 
.^fven,  sondern  durch  das  Blut  geschieht,  und  vom  Blute  wie- 
auf  alle  Theilc  wirkt.  Allein  es  lässt  sich  auch  beweisen,  dass 
allgemeine  W'lrkung  der  Gifte  erst  wieder  vorzugsweise  durch 
Centralorgane  des  Nervensystems  bedingt  ist , welche  das 
''®*'giftete  Blnt  narcotlsirt.  Denn 

1.  nach  einem  durch  Vergiftung  herbeigefübrten  Tod  äus- 
^ '■ft  die  Nerven  und  Muskeln  noch  eine  geraume  Zelt  hindurch 

^übarkeit. 

2.  Wird  einem  Thiere,  nachdem  man  die  nach  einer  Extremi- 
führende  Arterie  unterbunden  hat,  ein  Crift  beigebracht,  wel- 

j Zuckungen  erregt,  so  bemerkt  man,  dass  diese  Operation 
* J>en  Theil  vor  Theilnahme  an  der  allgemeinen  Wirkung  des 
jj'hes  nicht  sichert.  Ltjud  Vifis.  p,  109.  Dass  das  Herz  nicht 
j '^‘^h  Lähmung  desselben,  die  Wilson  bei  Behandlung  mit  Tabacks- 
”‘Usion  und  Tinct.  Opil  bei  Fröschen  sah,  die  Ursache  der  allge- 
j^iöen  Wirkung  des  Giftes  ist,  beweist,  wie  Lund  bemerkt, 
Umstand , dass  Frösche  die  Ausschneidung  des  Her- 
viele  Stunden  überleben.  Auch  die  Lungen  sind  nicht  die 
^^»■sache,  denn  künstliche  Respiration  vermag  die  Thiere  nicht 
kp  Man  muss  daher  annehmen,  dass  das  Gehirn  und  Rük- 

^l^'öiark  auf  dem  Wege  der  Circulation  dui’ch  das  Schlangengift  und 
®f®vke  Narcotica  zuerst  und  also  die  Hauptquellen  des  Nerven- 
da  angegriffen  werden.  Durchschneidet  man  bei  einem  Thiere, 
Nßr  Opium,  Strychnin,  Upas,  Angustura  vergiftet  ist,  die 

®n  einer  Extremität,  so  hören  die  Zuckungen  derselben  auf; 
Zuv  nach  Vernichtung  eines  Theils  vom  Rückenmark  die 
StJi  ®S6n  derjenigen  Theile,  deren  Nerven  von  der  vernichteten 
hjw  ® äbgehen.  Das  Opium  und  das  Schlangengift  scheinen  Ge- 
’^®d  Rückenmark  in  gleichem  Grade  zu  afficiren;  Strychnin 


(il2  HI.  Buch.  Ncrvenplifsifi.  I.Abschn.  Eigenschaftend.  N. im 

and  die  verwandten  Gifte,  Angustura,  wirken  in  noch  höherem 
Grade  auf  das  Rückenmark;  denn  Starrkrampf  und  Lähmung 
sind  die  Hauptsymptome,  und  diese  dauern  noch  fort  nach  dei 
Durchschneidung  des  Rückenmarks,  in  den  unter  dem  Schnitt 
gelegenen  Theilen,  wie  Racker  gezeigt  hat,  während  doch  dm 
Krämpfe  sonst  durch  Zerschneidung  der  Nerven  aufhören.  Auch 
bleiben  die  Zuckungen  im  ganzen  Körper  hei  der  Vergiftung  md 
Angustura,  wenn  das  Gehirn  abgeschnitteu  wird;  am  Kopfe  äiiS' 
sern  sich  die  Zuckungen  in  den  Ohren.  Ich  liabe  einen  Vet' 
such  bei  Fröschen  angestellt,  der  wiederholt  dieselben  Resultat 
gieht  und  sehr  instnictiv  ist.  An  einem  Beine  durchschnitt  ic“ 
alle  Gefässe  und  Aluskeln  des  Oberschenkels,  präparirte  sic  an» 
Oberschenkel  ah,  liess  aber  den  Nerven  unversehrt.  Nun  vct' 
giftete  ich  den  Frosch  mit  Nux  vomica.  Tn  dem  gesunden  B®'*' 
war  die  Reizbarkeit  viel  schneller  erloschen,  bald  trat  die 
wöhnliche  Folge  der  narcotischen  Vergiftung  bei  Fröschen  c»*?' 
dass,  wenn  man  sie  auch  nur  leise  berührt,  doch  der  ganze  Frosd* 
zuckt.  Nachdem  alle  diese  Zuckungen  am  ganzen  Frosch  aiifg®' 
hört,  zuckten  immer  nocli  die  ÄVadenmuskeln  des  präparif' 
ten  Beins,  sobald  ich  den  Frosch  an  irgend  einer  Stelle  des 
pers  berührte;  dasjenige  Bein,  welches  kein  Blut  mehr  erhie'*^' 
behielt  also  seine  Reizbarkeit  für  die  vom  Rückenmark  ausg®'j 
henden  Reize  viel  länger  als  das  andere  Bein,  dessen  Nerven 
Muskeln  durch  das  Blut  dem  Gifte  selbst  ausgesetzt  wurde»'' 
Man  geht  also  zu  weit,  wenn  man  behauptet,  die  Gifte  wirke»' 
nur  auf  die  Ccntraltheile ; sie  wirken  auch  durch  den  Kreislauf  »»" 
die  Nerven  selbst.  Die  Vergiftungszufälle  vom  Rückenmark  a»»* 
sind  erst  Zuckungen,  dann  Lähmung;  die  Vergiftungszufälle  de 
Nerven  selbst  sind  keine  Zuckungen,  sondern  Vernichtung  »1®' 
Reizbarkeit.  Ein  Bein  vom  Frosche,  das  vor  der  Vergiftung 
präparirt  worden,  erhält  auch  seine  Reizbarkeit  länger  als  d»* 
andere,  dem  das  Gift  durch  den  Kreislauf  zügeführt  werden  ka»'»'’ 
Vergl.  Lund  Vivis.  112.  Bäcker  commentatin  ad  quaest. 

Traject,  ad  Rhen,  1830.  So  viel  von  der  Wirkung  der  nai'e»»^' 
sehen  Gifte  durch  den  Kreislauf  und  das  Blut. 

2.  Oertliche  JVirkung  der  narcotischen  Gijte  auf  die  Nerven- 

So  gewiss  es  ist,  dass  die  allgemeinen  Wirkungen  der  hi’f 
dien  Vergiftung  durch  das  Blut  bedingt  sind,  so  wenig  lässt 
die  örtliche  Vergiftung  der  Nerven  selbst  läugnen , und  dies* 
gerade  der  Punkt,  über  den  fast  alle  neuere  Experimenfato» 
hinweggegangen  sind. 

Al.  v.  Humboldt,  Wilson,  Brodie  haben  gezeigt,  dass  Op» 
umtinctur  und  Tabacksinfusum  die  Kraft  des  Herzens  lähinß'j 
Humboldt  sah  die  Herzschläge  zuerst  sehr  schnell  werden 
dann  ganz  aufhören,  wobei  die  Vermehrung  der  Schläge  v»® 
leicht  auf  Rechnung  der  Tinctur  kömmt. 

Die  offenbarste  örtliche  Nervenlähmung  durch  ein 
sches  Gift  ist  die  Erweiterung  der  Pupille  und  Lähmung  der 
durch  Application  eines  Tropfens  einer  Auflösung  des  Belladon 
cxtractes.  Hier  dringt  das  narcotische  Gift  durch  Tränk»» 
bis  zu  den  Ciliarnerven,  die  sich  in  der  Iris  verbreiten  »»nu 


Rehbark.  d.N.  Veränderung  ders.  Wirkungsart  d.  narcot.  Gifte.  613 

selbst.  Dass  die  Wirkung  rein  örtlich  ist,  dass  die  Aufnahme 
Blut  auch  nicht  den  geiingsten  Antheil  hat,  sieht  man  daran, 
Jlass  die  Iris  des  gesunden  Auges  nicht  zugleich  erweitert  wird. 
|?ekannt  sind  aber  auch  die  örtlichen  narcotischen  Wirkungen  des 
''piums,  des  Morphiums  hei  Einreibungen,  wo  man  starke  Local- 
'''•i'kung  ohne  auffallend  allgemeine  Wirkung  erzeugen  will.  Eben 
die  örtlichen  Lähmungen  von  Bleivergiftung  an  den  Händen, 
.•ft  diese  örtliche  Wirkung  ausser  Zweifel  zu  setzen,  präpa- 
*''rte  ich  hei  einem  Frosch  den  Schenkelnervcn  weit  heraus, 
'ipd  legte  ihn  in  eine  Auflösung  von  essigsaurem  Morphium;  nach 
^'piger  Zeit  hat  das  Ende  des  Nerven  ganz  seine  Irritationsfähig- 
keit  verloren.  Dasselbe  erfolgte,  vvenn  ich  Muskeln  in  Opium- 
®'*flösung  tauchte,  wie  auch  A.  v.  Humboldt  bereits  gezeigt  hatte, 
p*  Ki'öten,  an  denen  die  Nerven  so  präparirt  waren,  dass  die 
k'iterschenkel  nur  durch  den  Schenkelnerven  mit  dem  itumpfe 
*'^sammenhingen , tauchte  ich  diesen  Unterschenkel  mit  dem 
' ®henkelneiv'en  in  eine  starke  wässrige  Auflösung  von  Opium; 
?®ch  kurzer  Zeit  war  alle  Irritationsfähigkeit  an  Nerven  und 
"'äskeln  für  den  galvanischen  und  mechanischen  Beiz  verloren. 
Aus  allen  dl(^en  Beobachtungen  ist  die  örtliche  Wirkung 
narcotischen  Gifte  auf  die  Nerven  unzweifelhaft.  Wir  müs- 
jetzt  zu  bestimmen  suchen,  oh  sich  diese  Art  der  Vergiftung 
Leiter  verbreitet  als  über  die  unmittelbar,  afficirtcn  Nerven 
Muskeln.  Ich  habe  dlrecte  Versuche  angestellt,  -welche  be- 
^®>sen,  dass  die  örtliche  Narcotisation  der  ganz  enthlössten  und 
''®i  praparirten  Nerven  nicht  schneit  sich  verbreitet,  sondern 
den  Ort  der  Narcotisation  beschränkt  bleibt. 

1.  Fürs  Erste  werden  die  Unterschenkelinuskeln  und  ihre  Nei’- 
nicht  mit  narcotisirt,  wenn  der  Ilauptschenkclnerve  selbst  durch 
Jr'ptauchen  in  essigsaures  Morphin  oder  Opiumauflösung  narco- 
war.  Der  mechanische  und  galvanische  Reiz  bewirkt  dann 
dem  ohern  Ende  des  Nerven  keine  Zuckungen  der  Muskeln 
wohl  aber,  wenn  sie  auf  die  unteren  Theile  des  Nerven 
Unterschenkelmuskeln  applicirt  wurden.  Die  narcotische 


ung  wirkt  also  vom  Nervenstamm  nicht  auf  die  Aeste. 


2.  Die  narcotische  Wirkung  auf  einer  Stelle  des  Nerven  wirkt 
j^'’ch  nicht  rückwärts  auf  das  Gehirn.  Ich  habe  schon  die  hie- 
gehörigen  Versuche  von  Kröten  erwähnt,  deren  Schenkel- 
ich  durch  Narcotisation  alle  Reizbarkeit  genommen  hatte, 
dass  dicss  auf  die  übrigen  Theile  des  Rumpfes  zurückwirkte, 
aber  allmählig  eine  Rückwirkung  erfolge,  machen  andere 
,, Jj^kachtungen  wahrscheinlich;  denn  durch  jede  örtliche  Er- 
j^ll  dpfung  der  Nervenkraft  durch  Entzündung,  Brand  entsteht 
^ '*'®klig  Erschöpfung  der  allgemeinen  Nervenkräfte.  Hier  1er- 
Pj**  'p'ir  nun  einen  wichtigen  Unterschied  in  der  Wirkung  der 
**  'üsse  auf  das  Nervensystem  kennen.  Denn 

die  Reize,  welche  Nervenerscheinungen  bewirken  durch 
^'^Pn  der  Nem-enkraft,  w'irken  augenblicklich  in  der  ganzen 
der  Ners’en  durch  alle  Fasern,  die  irgendwo  gereizt  wor- 
khe  Zuckung  erfolgt  auf  der  Stelle  in  der  Entfernung  an 
Entsprechenden  Muskeln,  wenn  die  Nervenfaser  irgendwo  in 


614  II J.  Buch,  üervenj/hysik.  I,  Ahschn.  Eigenschaft end.I^.  Im  AUgem- 

ihrer  Länge  vom  Stamme  his  zum  Muskel  gereizt  wird,  und  eben 
so  schnell  erfolgt  die  Empfindung. 

b.  Die  Einflüsse,  welche  die  Summe  der  vorhandenen  Krafl 
verändern,  nämlich  erschöpfen,  wirken  nicht  von  dem  örtlichen 
Theile  schnell  und  unmittelbar  auch  in  der  Richtung  der  Nervenfo' 
sern,  sondern  allmählig,  indem  sich  die  Kräfte  der  gesuiulen  un^ 
kranken  Theile  der  Nerven  in  Gleichgewicht  setzen,  und  der  örtU" 
che  Zustand  allgemeine  Symptome  erregt. 

So  wirkt  die  Erblindung  eines  Auges  zuletzt  allmählig  Ati’®' 
phie  des  Sehnerven , welche  eben  so  nach  Atrophie  eines  Tbä" 
iamus  n.  optici  erfolgt.  So  schreitet  die  Tabes  dorsalis  von  un- 
ten nach  oben  fort.  So  entsteht  nach  heftiger  Verletzung  ein- 
zelner Nerven  Veränderung  des  ganzen  Rückenmarkes,  Tetanus- 


in Ueber  die  Abhängigkeit  der  Nerven  vom  Gehirn  und 
R ü ck  enm  a rk. 


In  wiefern  zur  Erhaltung  der  Reizbarkeit  der  Nerven  ib*’^ 
dauernde  Communication  mit  dem  Gehirn  und  Rückenmark  notb' 
wendig  sey,  und  ob  die  Muskeln  ohne  die  Communication  ihre*" 
Nerven  mit  den  Centraltheilen  des  Nervensystems  ihre  Reizbaf' 
keit  zu  erhalten  vermögen,  diese  Frage  konnte  man  sich  hisb«*' 
nicht  mit  Sicherheit  beantworten,  ja  sie  ist  kaum  einigemal  bß' 
rührt  worden.  Man  weiss  zwar,  dass  die  Nerven  nach  derDurcb- 
schneidung  noch  eine  Zeitlang  in  dem  dem  Gehirneinfluss  entzog®' 
nen  Stücke  ihre  Reizbarkeit  behalten,  d.  h.  fähig  sind  , 
Reize,  die  auf  sie  angewandt  werden,  Zuckungen  der  Muskel” 
zu  bewirken;  allein  eine  ganz  andere  Frage  ist,  ob  die  Nery®'* 
fähig  sind,  die  Reizbarkeit  für  immer  unabhängig  vorn  Gehn’“ 
zu  behalten.  Nysten  hatte  behauptet,  dass  die  Muskeln  voU 
kurze  Zeit  nach  einem  apoplectischen  Anfalle  Verstorbenen  trot* 
der  Hirnlähmung  auf  galvanischen  Reiz  sich  zusammenzögen, 

STEN  recherches  de  physiol.  et  de  cMm.  pathol.  Ich  hatte  jedo®b 
gute  Gründe,  zu  glauben,  dass  die  Nerven  nur  kurz  nachher  n®'' 
ihre  Kraft  besässen,  diese  aber  nach  einem  längeren  Zeitraum 
vollkommen  untergehe,  so  dass  es  scheinen  sollte,  als  kämen  ^®” 
Nerven  nur  unter  dem  steten  und  unversehrten  Einflüsse  d®, 
Gehirns  eigenthümliche  Kräfte  zu.  Denn  einmal  hatte  ich  b®‘ 
Versuchen  über  Wiedererzeugung  des  Nervengewebes  an  ein®®* 
Kaninchen  die  Beobachtung  gemacht,  dass  der  untere  Theil  d® 
N.  ischiadicus,  den  ich  einige  Monate  vorher  durchschnitten  halt®? 
fast  alle  Kraft,  auf  Reize  zu  reagiren,  verloren  hatte.  tJeb®* 
diesen  Gegenstand  habe  ich  hernach  mit  Dr.  Sticker  neue 
suche  angestellt,  welche  jene  Vermuthung  vollkommen  bestätig 
haben.  Siehe  Sticker  in  Mueeler’s  Archiv  für  Anat.  und 
B.i.  Um  die  Regeneration  der  Nerven  zu  verhüten,  und  da 
untere  Nervenstück  sicherer  dem  Einflüsse  der  Centraltheile  i ®^ 
Nervensystems  zu  entziehen,  wurde  den  Thieren  ein  ganzes  Sto 
ans  dem  N.  ischiadicus  ausgeschnitten.  Obgleich  die  , 

nur  an  mehreren  Thieren,  nämlich  zwei  Kaninchen  und  cm® 


3.  Rehbark,  fJ.Neri>en.  Abhängigk.  ders,  o. "Gehirn  u.  Rückenmark.  615 

Hund  angestellt  worden,  so  haben  sio  doch  so  ühereinstimmende 
■Resultate  geliefert,  dass  man  auf  diese  Versuche  hauen  konnte. 

Zwei  Monate  und  drei  Wochen  nach  der  Durchschneidung 
“Cs  N.  ischiadicus  geschah  der  Versuch  an  dem  ersten  Kanin- 
chen. Sobald  der  Nerve  in  seinem  Verlaufe  zwischen  dem  Muse. 
"*ceps  und  semitendinosus  blossgelegt  war,  zeigte  sich  wider 
Hrwarten  und  zu  grossem  Leidwesen,  dass  die  Continuität  der 
Nerven  sich  wieder  bergestellt  hatte.  Der  Nerve  wurde  so- 
weit von  neuem  unterhalb  der  Narbe  durchschnitten  (wobei, 
merkwürdig  ist,  zwar  nicht  die  mindesten  Zuckungen  wahr- 
Seuommen  wurden,  das  Thier  aber  laut  aufschrie),  und  der  un- 
l’Cre  Theil  desselben  durch  Galvanismus  in  der  Form  eines  ein- 
htchen  Plattenpaares,  dann  auch  durch  Einschneiden  und  gewalt- 
*äme  Zerrung  auf  die  verschiedenartigste  Weise  gereizt;  allein 
c*  trat  keine  Spur  von  Zuckung  ein. 

Vergleichungswelse  wurden  darauf  die  Versuche  auf  der  an- 
^^ern  Seite  wiederholt.  Bei  der  Durchschneidung  des  Nerven 
besserte  das  Thier  den  lebhaftesten  Schmerz  und  es  entstanden 
*chr  heftige  Zuckungen,  und  nach  der  Durchschneidung  erreg- 
ten selbst  ganz  geringe  Irritationen,  sey  es,  dass  sie  auf  den  Ner- 
'^en  allein  — es  ist  hier  immer  der  untere  Theil  des  durchschnit- 
tenen Nerven  gemeint  — oder  bloss  auf  die  Muskeln  angewen- 
)äct  wurden,  die  kräftigsten  Zuckungen,  und  selbst  nach  deuj 
Tode  boten  sich  dieselben  Erscheinungen  noch  dar. 

Bei  dem  Hunde  waren  zwei  Monate  und  vierzehn  Tage 
**“ch  der  Durchsebneidung  des  Nerven  verflossen;  auch  hier  hat- 
ten sich  die  Enden  wieder  verbunden.  Die  Untersuchung  ge- 
schah ganz  auf  dieselbe  Weise  Avie  bei  dem  Kaninchen,  und  er- 
ßah  auch  für  den  Nerven  ganz  dasselbe  Resultat,  d.  i.  alle  Re- 
aktionsfähigkeit desselben  war  erloschen;  indessen  zeigten  die 
^tuskeln  immer  noch  eine  leise  Spur  von  Zusammenziehung,  wenn 
die  Reize  auf  sie  selbst  applicirte;  allein  gleich  nach  dem 
Tode  war  auch  diese  völlig  vei’SchAvunden,  während  in  dem  Un- 
JkTschenkel  der  andern  Seite  noch  die  ki'äftigsten  Zuckungen 
“krvorgerufen  werden  konnten. 

Fünf  Wochen  nach  Durchschneidung  des  Nerven  wurde  das 
*tVkite  Kaninchen  vorgenommen,  und  nach  einem  so  kurzen  Zelt- 
^üme  musste  man  auf  diese  Untersuchung  sehr  gespannt  seyn. 
Hier  fehlte  die  Zwischensubstanz  zwischen  den  Enden  des  durch- 
^“bnittenen  Nerven;  beide  Avaren  etwas  angeschwollen  und  hin- 
mit  dem  anliegenden  Zellgewebe  zusammen.  Es  war  jedoch 
ein  Stück  von  etwa  8 Linien  ausgeschnitten  worden,  während 
j ‘ den  anderen  Versuchen  dasselbe  nur  ungefähr  4 Linien  he- 
^®Sen  hatte.  Auf  keine  Weise,  weder  auf  mechanische,  noch 
^“cmische  — durch  Kali  causticum  — noch  auch  durch  Galva- 
es  möglich,  durch  die  Nerven  Zusammenziehung  der 
^ “skelii  zu  erzeugen;  eben  so  wenig  gelang  es  bei  diesem  sonst 
^ lebenskräftigen  Kaninchen,  auch  durch  directc  Insidtation 
Muskeln  Zuckungen  hervorzubringen.  Auf  der  bnken  Seite 
..Sahen  sich,  Avie  diess  natürlich,  sowobl  vor  als  nach  dem  Tode 
® schon  oben  angefülirten  Erscheinungen. 

®lüller’s  Physiologie.  40 


616  III. Buch.  Nervenphystk.  I.Ahschn.  Eigenschaflend. N.imAUgem. 

Die  gegenwärtigen  Versnclie  erweisen  jedenfalls,  dass  dic 
Kräfte  der  Nerven,  die  Muskeln  zu  Bewegungen  zu  veranlassen, 
so  wie  die  Reizbarkeit  der  Muskeln  selbst,  nach  gänzlicher  Aut- 
bebung  der  Communication  der  Nerven  mit  den  Centraltbeilen 
allmäUig  verloren  geben.  Sie  würden  iiuless  noch  ein  entscliei- 
denderes  Resultat  geliefert  haben , wenn  man  zur  Prüfung  der 
Reizbarkeit  der  Nerven  und  Muskeln  nicht  bloss  ein  einfaches 
Plattenpaar,  sondern  eine  kleine  galvanische  Säule  angewendet 
hätte.  Nur  dadurch  hätte  sich  mit  Bestimmtheit  unterscheiden 
lassen,  ob  alle  Kraft  in  den  Muskeln  in  zweien  der  Fälle  erlo- 
schen war.  Indessen  bew’cisen  die  Versuclic  schon  deutlich  ge- 
nug, dass  die  Reizbarkeit  der  genannten  Tbeile  sich  nach  unter- 
brochener Communication  der  Nerven  mit  den  Centraltbcile” 
nicht  erhält.  Man  kann  aus  diesen  Versuchen  auch  schlicssen, 
dass,  wenn  nach  Durchschucidung  eines  Nerven  sich  hierauf  w'e- 
der  die  Reizbarkeit  des  untern  Nervenstücks  und  der  Muskeln 
hergestellt  hat,  der  Nerve  auch  mit  Herstellung  der  LeitungS' 
kraft  in  der  Narbe  vollkommen  verheilt  war,  und  dass,  wen" 
die  Reizbarkeit  sich  nicht  erhält,  auch  keine  vollkommene  Ver- 
heilung und  Rcproduction  des  Nerven  statt  gefunden  haben  kann- 


III.  Capitel.  Von  dem  wirksamen  Princip  der  Nerve". 

(Nach  J.  MuELIER  im  Encyclop.  JA^Örterhuch  der  med,  Wissenschaften.') 

Die  Alten  hatten  weder  von  der  Natur  noch  von  den  Ge- 
setzen der  Wirkung  des  Kervenprincips  bestimmte  Vorstellungen- 
Das  wirksame  Princip  in  den  Nerven  nannten  sie  Nervengeister: 
sie  Hessen  sie  von  dem  Gehirn  ausgehen  und  die  anatomische 
Verbreitung  verfolgend,  die  organisirten  Tbeile  beseelen.  Nach- 
dem man  die  W^irkungen  und  Leitungsgesetze  der  ElecLricität 
durch  Reibung  näher  untersucht,  fanden  sich  viele  Aerzte  in  ih' 
ren  Vorstellungen  von  der  Action  der  Nerven  durch  Vcrgle'' 
chung  der  Nerven  mit  electriscben  Apparaten  erleichtert.  AbeJ' 
erst  durch  dic  Entdeckung  des  Galvanismus  ist  man  auf  ein® 
exacte  Untersuchung  dieser  und  ähnlicher  Hypothesen  geführl 
worden. 

, Nach  der  Entdeckung  des  Galvanismus  waren  viele  Natui"' 
forscher  geneigt,  die  Ursache  der  galvanischen  Erscheiuunge" 
in  einer  bisher  unbekannten  thierisenen  Kraft  zu  suchen, 
z.  B.  Aldini,  Galvani,  von  Humboldt,  Fowler  und  Andei’O- 
Pfaff,  Volta,  A.  Monro  dagegen  erklärten  sich  für  eine  von 
der  Mitwirkung  der  thierischen  Organe  ganz  unabhängige, 
durch  die  Wtechselwirkung  der  Metalle  und  Feuchtigkeit  erregt" 
Electricität.  Volta  aber  bewies  die  electrische  Natur  des  hieV" 
bei  wirkenden  Agens  zur  Evidenz,  und  als  endlich  die  galvai"" 
sehen  Erscheinungen  an  anderen  Körpern  ausser  Mitwirkung 
thierischer  Theile  bekannt  wurden,  war  an  der  Richtigkeit  der  Vol- 
TA’schen  Ansicht  kein  Zweifel  mehr.  Auch  A.  Monro  war  schon 
frühe  durch  seine  Versuche  zu  der  richtigen  Ansicht  gekommen, 


617 


3.  Vom  wirksamm  Princip  der  Nerven. 

•lass  das  galvanisclie  Fluidum,  welclies  die  Nerven  erregt,  electriseli 
dass  dasselbe  von  der  Nervenkraft  ganz  verscliieden  sey, 
and  dass  es  als  ein  blosser  Reiz  für  die  Nervenkratt:  wii'ke,  so 
^ass  die  Nervenkraft  die  Zuekungen  liervorbringe.  (A.  Monro’s 
and  R.  Fowleh’s  Ahhandlimgen  über  ihierische  Electricität.  Lpzg. 
^^96.)  A-  V.  Humboldt  batte  aus  mehreren  Versueben  den 
Schluss  gezogen,  dass  die  Nerven  eine  sensible  Atmospbare  um 
®'cb  besitzen,  weil  nämlich  das  galvanische  Agens  den  Zwisehen- 
faum  zweier  durch  einen  Schnitt  getrenntej’  Nervenstücke,  die 
sich  nicht  berühren,  überspringt.  Jetzt  weiss  man,  dass  dieser 
Zwischenraum  bloss  durch  einen  Leiter  von  Wasserdampf  ausge- 
füllt wird,  und  was  man  damals  für  die  sensible  Atmosphäre  der 
Nerven  nalten  konnte,  kann  hexitzutage  nur  als  Leitungsl ähigkeit 
der  Electricität  vermittelst  gasförmiger  Ausdünstungen  betrachtet 
'Werden.  Gerade  hier  zeigen  sieb  Electricität  und  Nervenkraft 
als  durchaus  verschieden;  denn  die  Nervenkraft  wirkt  durch  ei- 
nen unterbundenen  oder  durchschnittenen  Nervenast  nicht  mehr 
hindurch,  umhl  aber  sind  durchschnittene  oder  unterbundene 
Nerven,  wenn  die  Stelle  zwischen  zwei  Armaturen  liegt,  der  Lei- 
tung des  clectrischen  Fluidums  so  gut  fähig,  wie  vorher.  _ 

So  gewiss  es  nun  ist,  dass  der  Galvanismus  nicht  thierische 
Electricität  ist,  so  halien  doch  manche  Aerzte  und  selbst  grosse 
Physiker  nicht  aufgehört,  an  eine  gewisse  Aehnlichkeit  der  Ele- 
atricität  \ind  Nervenki-aft  zu  glauben,  die  sich  bei  näherer  Un- 
tersuchung als  die  grösste  Verschiedenheit  zeigt.  Unter  andern 
üaben  einige  Versuche  von  Urf,  und  W^ilson  Missvei’ständnisse 
Erzeugt;  'ÜRE  machte  galvanische  Versuche  an  dem  Körper  ei- 
äes  Gehenkten  eine  Stunde  nach  dem  Tode.  Die  IMedulla  ob- 
longata  wurde  blossgelcgt  und  ein  metallischer  Leiter  damit  in 
Berührung  gesetzt , Während  ein  anderer  Leiter  mit  dem  N. 
•schiadicus  in  Berülirmig  ge])racbt  wurde.  Diese  Leiter  wurden 
•'dt  einer  Säule  von  !270  Platten]iaaren  verbunden,  worauf  alle 
^tuskeln  des  Rumpfes  wie  bei  einem  heftigen  Schauder  in  Bewc- 
RUng  geriethen.  Als  die  Kette  zwischen  dem  N.  phrenicus  und 
dam  Zwerchfell  geschlossen  wurde,  zog  sich  das  Zwerchfell  bei 
jeder  Schliessiuig  zusammen,  und  als  man  mit  dem  Leitei’  auf 
dein  Polstück  hin  und  her  strich,  entstanden  eine  Menge  Stösse, 
^'e  bei  einem  schweren  Athmcn;  durch  die  Zusammenziehung 
des  Zwerchfells  und  die  Remission  in  dieser  Bewegung  hob  und 
*^nkte  sich  der  Bauch  abwechselnd,  wie  wenn  das  Leben  zurück- 
Wirte.  Als  nun  ferner  die  Gesichtsmuskeln  in  den  Kreis  der 
E-ette  gezogen  wurden,  entstanden  fast  leidenschaftlich  aussehende 
^•'d  schaudererregende  Bewegungen  der  Gesichtsmuskcln.  Diese 
"ersuche  haben  nichts  Ausgezeichnetes  vor  dem  gewöhnlichsten 
S^lvanischen  Experiment,  ausser  dass  sie  an  einem  Alcnschen  ge- 
macht wurden;  da  die  Ursache  der  bewegten  Gesichtszüge  die 
-j'isammenziehung  der  Gesichtsmuskeln  ist,  so  muss  die  kunstli- 
Erregung  dieser  Muskeln,  die  man  eben  so  gut  durch  me- 
chanische Reizung  ihrer  Nerven  in  Bewegung  setzen  kann,  eine 
Von  Grimassen  hervorbringen.  Eben  so  wenig  ist  das  schein- 
'•''e  Athmen  bei  periodischer  Schliessung  der  Kette,  wenn  der 

40  * 


618  III. Buch,  I^eroenphysik.  I.Alsclm.  Eigenschaft end. N .bnAllgcui. 

Zwerch fellnervc  in  der  Kette  liegt,  auffalleiul.  Man  hat  fernei 
viel  zu  grossen  Werth  auf  Wilsots  Philip’s  Versuche  gelegt. 
Dieser  hat  hehauptet,  ein  Jurch  die  Enden  des  durchschnittenen 
N.  vagus  zum  Magen  eines  lebenden  Säugethiers  geleiteter  gat- 
vanischer  Strom  könne  auf  Vdinliche  Weise  die  Verdauung  he- 
fijrdern,  als  die  Magennerven  selbst.  Wenn  diess  richtig  wäre? 
so  wäre  es  kein  Beweis  für  die  Aehnlichkeit  des  Nervenprincip* 
und  der  Electricifat;  denn  das  vom  Gehirn  abgewendete  StücK 
eines  durchschnittenen  Nerven  behält  noch  einige  Zeit  die  F»' 
higkeit,  auf  Reizung  in  einigem  Grade  seine  gewöhnlichen  Fun- 
ctionen auszuiiben.  Ferner  haben  Wiederholungen  der  Versi^ 
che  von  Philip  nicht  durchaus  dasselbe  Resultat  gehabt.  Nach 
Breschet  und  Milke  Edwards  wird  die  Verdauung  nVch  der 
Durchschneidung  des  N.  vagus  allerdings  etwas  unterstützt  durch 
einen  durch  den  durchschnittenen  Nerven  geleiteten  galvanischen 
Strom,  aller  nur  in  sofern,  als  dadurch  die  Bewegung  des  Alu- 
gens  erregt  wird.  Daher  hat  nach  Breschet  und  Edwards  auch 
eine  jede  mechanische  Reizung  des  untern  Endes  des  durchsclmitte- 
nen  N.  vagus  denselben  Nutzen  als  der  galvanische  Strom.  Arch.  gi^f- 
deMdd.  Fevr.  1825.)  Wir  halten  indess  auch  diese  Erklärung  tür 
nnrichlig  und  für  eine  Täuschung,  da  man  weder  durch  meclia- 
nische  Reizung  des  N.  vagiis,  noch  durch  die  blosse  Armatin 
desselben,  wenn  nicht  der  Magen  mit  in  die  Kette  gezogen  wird; 
Bewegung  des  Magens  hervorrufen  kann,  und  da  die  Bewegung 
des  Magens  überhaupt  die  Verdauung  nicht  bewirken  kann.  Vf 
Versuche  von  Wilson  sind  aber  ganz  unrichtig;  wir  haben  siC 
mit  Di\  Dieckhoff  an  einer  ganzen  Reihe  von  Thieren  wiedei’- 
holt  und  gar  keinen  Unterschied  hei  Thieren  mit  durchschnitte- 
nem Vagus,  mit  und  ohne  Anwendung  der  Electricität,  bemerkt- 
Siehe  das  Weitere  oben  p.  532. 

Wenn  in  den  Nerven  Electi’icität  wirkte,  so  könnte  sie,  da 
das  Neurilcm  feucht  ist  und  die  umliegenden  Theile  auch  feucld 
sind,  nicht  auf  die  Nerven  beschränkt  bleiben.  Man  hat  auch 
hypothetisch  eine  isolirende  Eigenschaft  der  Nerven  angenoiU' 
men.  Fechner  vergleicht  die  Nervenfäden  mit  von  Seide  übel’'' 
sponnenen  Leitungsdrälitcn.  (Biot  Experimental -Physik.  Bd.  II'‘> 
Allein  eben  das  Neurilem  ist  ein  vortrefflicher  Leiter  des  Galva- 
nismus, und  die  Nerven  sind,  w'ie  später  gezeigt  werden  wird; 
nicht  einmal  bessere  Leiter  der  Electricität  als  andere  nasse  thiC' 
rische  Theile;  denn  der  galvanische  Strom  folgt  nicht  nothweW' 
dig  der  Verzweigung  der  Nerven,  sondern  nur  das  Nervenpr***' 
cip  folgt  dieser  Verzweigung.  Der  galvanische  Strom  spriUo 
aber  eben  so  leicht  auf  nabe  thierische  Theile  über,  wenn  die*® 
ihm  einen  kürzern  Weg  von  Nerven  zum  andern  Pol  darbietc®' 
Auch  lässt  sich  die  Leitung  des  Nervenprincips  durch  eine  Liga- 
tur in  dem  Nerven  aufhehen,  welAe  für  den  galvanischen  Stronr 
ein  trefflicher  Leiter  bleibt. 

Man  erkennt  die  Electricität  an  den  Körpern,  welche  sie 
isolircn  und  W'elchc  sic  leiten;  diess  sind  die  einzigen  und  sich 
ren  Merkmale  derselben.  Gerade  in  dieser  Hinsicht  zeigt  sic 
das  Nervenprincip  verschieden,  und  es  kann  daher  keine  Elcc  i 


3.  Vom  wirksamen  Prlnclp  d.Nerii.  Vergleichung  mit  d.Electricit.  619 

cit'iit  seyn.  Es  lassen  sich  aber  auch  noch  andere  Beweise  aus 
den  schon  berührten  Eigenschaften  der  Nervenkraft  aulFühren; 

1)  Wenn  man  einen  Nerven  mit  beiden  Polen  arinirtj  oder 
einen  galvanischen  Strom  durch  die  Dicke  des  Nerven  gehen 
■i'sst,  so  zuckt  sein  Muskel,  nicht  weil  der  Galvanismus  bis  zum 
;Muskel  wirkt,  sondern  weil  durch  den  (jueren  Strom  durch  die 
blicke  des  Nerven  die  motorische  Kraft  des  Nerven  erregt  wird, 
Welche  nur  nach  der  itichtung  der  Verzweigung  wirkt,  gerade 

w'ie  wenn  man  durch  Brennen,  mechanische  Zerrung  oder 
durch  Kali  causticuTn  auf  den  Nerven  wirkt  und  dadierch  Zuk- 
tung  erregt. 

2)  ^^  enn  man  aber  nicht  den  Nerven  selbst  durch  beide 
l’ole,  sondern  mit  dem  einen  Pol  den  Muskel,  mit  dem  andern 
den  Ner  ven  armirt,  so  entsteht  nicht  ))Ioss  ein  galvanischer  Strom 
durch  die  Dicke  des  Nerven,  sondern  zwischen  beiden  Polen 
Von  dem  Nerven  bis  zum  Muskel,  und  cs  ist  gerade  so  gut,  als 
Wenn  der  Muskel  selbst  galvanisirt  w'ürde.  In  diesem  Falle  reizt 
Ulan  die  Nervenkralt  in  jedem  Punkte  des  Nerven  bis  zum  Muskel. 

3)  Daher  entstehen  auch  keine  Zuckungen,  wenn  ein  gc- 
ijuctschter  oder  unterbundener  Nerve  über  der  gequetschten  oder 
Unterbundenen  Sttdle'  mit  beiden  Polen  armirt  wird.  Hier  geht 
*War  der  Galvanismus  durch  die  Dicke  des  Nerven,  wie  im  er- 
sten Fall,  aber  die  Nervenkralt  wirkt  nicht  mehr  durch  die  gc- 
ilnetschte  oder  unterbundene  Stelle  hindurch. 

4)  Dennoch  ist  der  gequetschte  und  unterbundene  Nerve 
Vollkommen  leitungsfähig  für  den  Galvanismus,  und  sobald  nur 
•lie  Armaturen  über  und  unter  der  verletzten  Stelle  angebracht 
Werden,  geht  der  galvanische  Strom  durch  diese  Stelle  hindurch 
Und  es  erfolgt  eine  Zuckung,  weil  der  noch  gesunde  Nerve  zwi- 
schen Muskel  und  der  verletzten  Stelle  ei’regt  wird. 

5)  Die  Nerven  bleiben  auch  im  gänzlich  mortilicirten  Zu- 
stande, wie  alle  nassen  thicrischenTheile,  Leiter  des  Galvanismus, 
Während  sie  die  Fähigkeit,  Contractionen  der  Muskeln  zu  ver- 
ursachen, verloren  haben. 

6)  Endlich  zeigen  meine  eigenen  und  Sticker’s  Versuche, 
U'äss,  wenn  der  lebendige  Einfluss  der  Nerven  auf  die  Muskeln 
^uge  Zeit  aufgehoben  ist,  der  galvanische  Reiz  der  einfachen 
^ette  selbst  nicht  mehr  auf  die  Muskeln  wirkt  und  keine  Zuk- 

n mehr  in  ihnen  erregt,  w'ie  wir  bei  Säugethieren  gesehen 
, denen  mehrere  Monate  vorher  die  Nerven  so  durch- 
schnitten waren,  dass  sie  nicht  vollständig  an  einander  heilen 
*^unnten.  (Sticker  in  Müller  s Acckiu  für  Anat.  u.  Physiol.  1834.) 

..  Durch  die  Entdeckung  des  Electro- Magnetismus  hat  man 
“>C  feinsten  galvanometrischen  Instrumente  kennen  gelernt.  Va- 
^asseur  und  Beraudi  [Annali  universali  di  medina.  Maggio  1829. 
UoRiEp’s  Not.  Nr.  538.)  wollen  die  Beobachtung  gemacht  haben, 
Nadeln,  welche  man  in  die  Nerven  eines  lebenden  Thiercs 
® lebt,  magnetisch  werden  und  Eisenfeile  anziehen.  Nach  Durch- 
neidung  des  Rückenmarks  sollte  sich  die  magnetische  Kraft 
' cc  in  die  Nerven  cingestochenen  Nadeln  nicht  entwückeln,  wohl 
ucr  nach  Einathmcn  von  SauerstolFgas.  Die  Sehnerven  sollen 


^ahen 


620  III.  Buch.  JSerucnphysik.  I.Ahschn.  Eigenschaftend.  N, im. 4Uß^"*- 

die  elngestoclierien  Nadeln  niclit  magnetisclk  machen^  auch  nicht 
nach  dem  Eiiiathmen  von  Sauerstoflgas.  Nach  Durclischneldung 
und  Unicrhindung  der  Nerven  sollen  die  eingestochenen  Nadeln 
auch  nicht  magnetisch  vverden;  jedoch  soll  sich  bei  einer  Ent- 
fernmig  von  4 Linien  zivischen  den  Stücken  des  durchschnitte- 
nen Nerven  eine  schwache  NVirkung  auf  die  Nadeln  gezeigt  h^' 
hen.  Diese  Versuche  verdienen  das  grösste  Nlisstraucn,  wie  alle 
Versuche,  hei  welchen  Modiflcationen  eines  Phänomens  aufge- 
zeichnet werden,  ohne  dass  das  Phänomen  selbst  gehörig  consta- 
tirt  ist.  Ich  habe  es  mich  nicht  verdriessen  lassen,  diese  Versu- 
che an  einem  Kaninchen  zu  wiederholen,  und  habe  auch  nicht 
eine  Spur  von  magnetischer  Eigenschaft  an  den  eingestochenen 
Nadeln  bemerken  können. 

David  machte  in  einer  Inanguralthese,  Paris  1830,  Versuchn 
bekannt,  nach  welchen  Lcitungsdrähtc,  in  einen  entblössten  Nei^ 
ven  eingestochen,  auf  das  Galvanometer  wirken  sollen,  nämlich 
in  dem  Moment,  wenn  sich  das  Thier  gerade  bewege.  Werde 
die  Nadel  in  einen  von  dem  Rückenmark  abgesehnittenen  Nerven 
eingestochen,  so  zeige  das  Galvanometer,  wenn  die  Conductoren 
mit  der  Nadel  in  Verhindung  gebracht  werden,  keine  Bewegung; 
während  in  allen  mit  dem  Nervencentrum  zusammenhängenden 
Nerven  der  Versuch  gelinge.  Diese  Versuche  sind  mir  nicht  ge- 
lungen, und  ich  halte  sie  im  besten  Fall  für  blosse  Täuschung- 
Eben  so  wenig  hat  Persoh  mit  einem  sehr  empfindlichen  Galva- 
nometer Electricität  in  den  Nerven  entdecken  können.  PretoS'“' 
und  Dumas  {Journal  de  Physiol.  Tom.  III.)  haben  eine  Theoi’iß 
der  Mtiskelbewegiing  aus  electrischen  Ursachen  aufgestellt.  Di® 
Erklärung,  welche  sie  von  der  Zusammenziehung  der  Muskelu 
geben,  gründet  sich  auf  die  Voraussetzung,  dass  die  quer  übef 
die  Muskelbündel  verlaufenden  Nervenfasern  sich  anziehen  nuu 
dadurch  die  Miiskelbündel  verkürzen  — ■ eine  Hypothese,  •vvcl' 
che  dadurch  sehr  umvahrscheinlich  wii'd,  dass  die  unzählig®*’ 
Muskelfasern  dabei  als  ganz  gleichgültig  angenommen  werdej*' 
Dass  die  Electricität  die  gegenseitige  Anziehung  der  Nerven  **’ 
den  Muskeln  bewirken  soll,  ist  eine  zweite  Hypothese. 
electrische  Strömungen  in  den  Nerven  durch  das  Galvanonict®’’ 
nachzu weisen,  ist  es  nicht  zulässig,  dass  man  die  Drähte  d®* 
Galvanometers  auf  Nerven  und  Muskeln  zugleich  anwende;  de**” 
da  eine  Rette  von  heterogenen  thierisehen  Substanzen,  wie  Nef’* 
und  Muskel,  und  von  Metall  schon  Electricität  erzeugt,  so  würt 
man  bei  jenem  Versuch  mit  dem  Galvanometer  niclit  die  in  de^ 
Nerven  wirkende,  sondern  die  durch  die  Kette  erst  erzeug 
Electricität  prüfen.  Damit  man  also  bei  Verbindung  des  Galva 
nometcr  mit  Nerv  und  Muskel  nicht  erst  Electricität  ei’zcug®’ 
muss  man  die  Leitungsdrähte  des  Galvanometers  auf  einen 
ven  allein  anwenden  und  beobachten,  oh  ein  Nerv,  der  mit  de 
Gehirn  in  Verbindung  steht,  hei  den  willkührlichen  Bcwegm*S®^ 
Schwankungen  der  Magnetnadel  bewirke,  dann  könnte  man  hbe  ^ 
zeugt  seyn,  dass  die  vom  Gebirn  aus  erfolgende  Innervation  e* 
electrische  Sü'ömnng  scy.  Allein  Pbevost  und  Dumas 
hier,  dass  man  unter  diesen  Umständen  nie  eine  Ablenkung 


3.  Vom  wirksamen  Prlricip  d.Nerf.  Vergleichung  mit  d.Electricit.  021 

beoLaclite.  Die  Verfasser  liaben  bei  gesunden  Thieren 
]V.  vagus,  und  den  Plexus  iscbiadicus  bei  einem  Tliier  In 
b'tanischem  Zustand  galvanomciriscli  untersuebt,  allein  sie  haben 
"’eder  beim  Ver])ind.en  der  Drähte  mit  versobiedenen  Tlieilen 
des  unverletzten  Nerven,  noch  beim  Verbinden  mit  beiden  Stiik- 
^‘‘n  einfes  durebsebnittenen  Nerven  eine  Spur  von  Electrieität 
durch  SebAvankung  der  Nadel  des  Galvanometers  beobachtet. 
ld,e„  so  wenig  zeigte  eine,  an  einem  Seidenwurm- Spinnfaden 
'Uifgebängte  Nadel  eine  Spur  von  Dcclinatlon , wenn  mau  sie  in 
die  Nabe  des  in  Adlon  begriffenen  Muskels  undNervens  brachte; 
dass  diess  sieb  so  verhält,  kann  ich  nach  meinen  eigenen  Ver- 
’^Ueben  bestätigen.  Um  diese  Unemplindliebkeit  des  Galvanomc- 
lers  gegen  die  Nerven  zu  ci'klären,  und  diesen  Ilaupteinwurf  ge- 
ilen ihre  Hypothese  zu  beseitigen,  nehmen  Phevost  und  Dumas 
)'’ieder  eine  Hypothese  an,  nämlich  dass  der  galvanische  Strom 
‘u  den  Nerven  doppelt  sey,  dass  sich  beide  Ströme  neutralisiren, 
'u  dass  alle  Wirkung  auf  die  Magnetnadel  aufgehoben  Averde. 
^Vf.vost  und  Dumas  vergleichen  diese  beiden  hypothetischen 
''Ströme  mit  den  eleetrischcn  Strömen,  welche  in  entgegeiigesetz- 
fur  Richtung  die  Arme  des  Galvanometers  durchlaufen,  und  sich 
"u  Mulliplicator  des  Galvanometers  oder  in  den  Windungen  der 
^^eituugsdrähtc  begegnen.  Die,  Magnetnadel  soll  hierbei  dem 
j^biskel  gleichen,  welcher  eben  so  aaIb  die  Magnetnadel  die  Wir- 
kung der  entgegengesetzten  Ströme  ei’fährt.  Allein  Lei  den  Wir- 
kungen der  entgegengesetzten  Ströme  reagirt  das  GaUamometer ; 
"'ärmn  reagirt  es  nicht  bei  den  hypothetisch  vorausgesetzten  dop- 
pelten Strömungen  in  den  Nerven  .’  Ein  merkAVÜrdiger  Versuch 
**1  derjenige  dieser  berühmten  Gelehrten,  die  mechanische,  che— 
’Uischc,  caustische  Reizung  der  Nerven  auf  eine  electrische  zu- 
’’ückzutuhren.  Da  nun  gerade  ein  Hauptbeweis  gegen  das  electri- 
•''Clie  Agens  in  den  Nerven  in  dem  Umstand  liegt,  dass  alle  Reize, 
'?)uht  bloss  electrische,  auf  die  Nerven  wirken,  so  müssen  wir 
diesem  Theil  der  Arbeit  jener  Gelehrten  eine  besondere  Auf- 
P^ut'ksamkelt  widmen.  Pkevost  und  Dumas  wollen  zeigen,  dass 
pä  Feuer,  indem  es,  auf  die  Nerven  AA’irkcnd,  Zuckungen  erregt, 
*css  durch  Electrieität  thue.  Sie  bringen  zwei  gleiche  Platin- 
duahte  an  die  Enden  der  Conductoren  des  Galvanometers,  und 
'"lecken  den  einen  der  Platindrähte  in  die  Muskeln  des  Frosches, 
dem  andern,  welcher  rothglühend  gemacht  worden,  berüh- 
sie  die  Nerven;  es  entstehen  Zuckungen,  aber  auch  eine  Ab- 
d'ukung  der  Nadel  des  Galvanometers.  Der  Versuch  beweist 
durchaus  nicht,  was  er  soll;  denn  homogene  Metallstücke,  wovon 
jus  eine  erhitzt  ist,  erzeugen  für  sich  schon,  so  wie  heterogene 
/ulalle,  Electrieität,  es  müssen  also  Zuckungen  und  zugleich  eine 
U'eichung  der  Magnetnadel  stattfinden. 

Die  Verfasser  wollen  ferner  zeigen,  dass  chemische  Reize, 
ll'ulche  auf  die  Nerven  wirken,  diess  durch  Electrlcitätsentwicke- 
'Ug  thun.  Sie  bringen  an  dem  einen  der  Drähte  des  Galvano- 
j,  Ufers  ein  mit  salzsanrem  Antimon  oder  mit  Salpetersäure  be- 
^pUchtetes  Stück  Platina  an,  und  befestigen  an  den  andern  Draht 
’u  Fragment  von  Nerve,  oder  Muskel,  oder  Gehirn.  Bei  jeder 


62‘i  III.  Buch.  Nereenphfsik.  I.Abschn.  Eigenschafiend.N.tmAUge»^- 

Schliessung  der  Kette  lenkt  die  Nadel  ab;  diess  beweist  nocb 
weniger;  denn  hier  sind  die  allgemeinen  Bedingungen  derElectn- 
citätserregiing  durch  Heterogenität  vorhanden.  Von  derselben 
Art  ist  der  folgende  Versuch:  sie  befestigen  an  beide  Conducto- 
ren  des  Galvanometers  gleiche  Platten  von  Platina,  an  eine  der- 
selben ein  Stück  frisches  Muskclflcisch  von  einigen  Unzen  von 
einem  lebenden  Thiere,  und  tauchen  beide  Conductoren  in  Bbi 
oder  in  eine  leichte  Salzlösung,  worauf  eine  Ablenkung  der  Nade 
erfolgt.  _ _ . 

Den  Versuch,  die  mechanische  Reizung  auf  die  clectriscbe 
zurückzuführen,  geben  die  Verfasser  selbst  auf;  um  so  auffallen- 
der ist  es,  dass  Edwards  (Fhoriep’s  JSot.  No.  266.)  die  leiseste 
Berührung  der  Nerven  als  Electricilätsentwickelung  ansehen  wn  • 
Edwards  strich  die  Nerven  eines  Frosches  sanft  mit  Metall,  Horn; 
Glas,  Elfenbein.  Es  entstanden  Zuckungen;  diese  waren  stark; 
wenn  ein  isolirender  Körper  unter  dem  Frosche  lag,  wie'W  achs- 
taffet;  schwaeh,  oder  fehlten  ganz,  wenn  ein  leitender  Körper 
wie  Muskclflcisch  — unter  lag.  Ich  würde  mir  vergebliche  Mühe 
geben,  diess  zu  erklären;  die  Erklärung  davon  ist,  dass  dasFactun* 
nicht  richtig  ist.  Die  Unterlage  hat  durchaus  keinen  Einfluss 
auf  die  Stärke  der  Muskelaction  bei  mechanischer  Reizung. 

Die  neuesten  Versuche  mit  Anwendung  des  Galvanometer» 
sind  die  von  Person.  {Sur  l’hypothese  des  courans  electrics  dan^ 
les  nerfs.  Journal  de  Physiol.  Tom.  X.  1830.)  Alle  Versuche  voä 
Person,  mit  einem  äusserst  empfindlichen  Galvanometer  electn- 
sche  Strömungen  in  den  Nerven  zu  entdecken,  waren,  eben  s® 
wie  hei  Prevost  und  Dumas,  vergeblich.  Person  brachte  bc‘ 
Kaninchen  und  jungen  Katzen  die  Conductoren  des  Galvanome- 
ters in  Verbindung  mit  dem  vordem  und  hintern  Theile  de* 
Rückenmarks;  er  brachte  sie  ins  Innere  mehrerer  dicker  Nervem 
Er  wiederholte  diese  Versuche,  nachdem  er  in  den  Unterleib 
Tinctura  nucis  vomicae  eingespritzt,  um  die  dadurch  entstehen- 
den Zuckungen  galvanometrisch  zu  beobachten.  Aehnliche  Ver- 
suche wurden  hei  Aalen  und  Fröschen  gemacht;  nie  hat  PERse®* 
eine  sichere  Spur  von  Electricität  entdeckt.  Der  Verfasser  er- 
zählt hierbei  eine  Beobachtung,  welche  beweist,  wie  viel 
trauen  man  gegen  zufällige  Umstände  hei  solcher  Art  der  Un- 
tersuchungen hegen  muss.  Eines  Tages  brachte  Person 
nen  Tropfen  Wasser  auf  Zink,  um  sich  zu  überzeugen,  das^ 
das  Galvanometer  empfindlich  sey,  er  berührte  nun  mit  den 
men  des  Galvanometers  das  Wasser  und  das  Zink,  und  beobac  ' 
tete  Divialionen  der  Magnetnadel;  darauf  brachte  er  bei 
jungen  Hunde  die  Platindrähte  des  Galvanometers  in  Contact 
dem  Rückenmark,  und  sah  auch  eine  Diviation  von  30  bis 
Centlmetcrn;  allein  diese  Abweichung  kehrte  sich  um,  als  de 
Contact  umgekehrt  statt  fand,  was  den  Verdacht  einer  electr  ^ 
chemischen  Action  an  einem  der  Drähte  erregte.  Diess  war  auc^ 
der  Fall,  denn  als  Person  die  Drähte  in  Blut  brachte,  oder  ^ 
Wasser,  indem  er  mit  einem  der  Drähte  Zink  herührte, 
ein  galvanischer  Strom,  bis  das  Stückchen  Zink  oxydirt  wm. 
könnte  den  Beobachtungen  mit  dem  Galvanometer  den  VorW 


3.  Vom  cvirksamenPrtnctp  d.Nerp.  Vergleichung  mit  d.Electrkit.  623 

fnachen,  dass  diess  Instrument  nur  andauernde  Strömungen  an- 
*®*ge,  die  Muskelcontractlonen  dagegen  atwechselude  Zusammen- 
*ichungen  seyen.  In  der  Thal,  wenn  Pehson  einen  der  Drahte 
Galvanometers  mit  dem  Conductor  einer  electrischen  Ma- 
®'^1iine,  den  andern  mit  dem  Boden  in  Verhindung  brachte,  ent- 
stand  eine  regelmässige  Ablenkung  (k  chaque  tour  du  plateau), 
‘l'cht  aber,  wenn  der  Strom  in  eine  Reibe  von  Funken  venvan- 
•^elt  wurde.  Hiernach  ■wiederholte  Person  mehrere  seiner  Beob- 
^'^htungen  mit  einem  Instrument,  welches  für  succcssive  Strömun«. 

(courans  instantanes)  empfindlich  war;  allein  Person  konnte 
j'**ch  mit  diesem  Instrument  hei  Müskelcontractionen  keine  Ah- 
^®ökung  entdecken. 

Endlich  bemerkt  Person,  dass,  um  Muskelcontractionen  zu 
^^zeugen,  es  gar  nicht  nöthig  sey,  dass  ein  galvanischer  Strom 
'‘Je  ganze  Länge  der  Nerven  durcldaufe.  Derselbe  Erfolg  tritt 
®‘ä,  so  klein  auch  die  Stelle  am  Nerven  ist,  durch  welche  der 
^Ifom  von  einem  zum  andern  Pol  geht.  Wenn  man  einen  Nei’- 
''en  zerrt,  quetscht,  brennt,  so  zuckt  sein  Muskel;  eine  Ligatur 
’“'ter  der  Stelle  liebt  alle  Wirkung  auf.  Es  ist  gerade  so,  wenn 
einen  Nerven  mit  beiden  Polen  armirt  und  den  Strom 
'^ärch  die  Dicke  des  Nerven  gehen  lässt.  Man  nimmt  hier  zwar 
dass  der  galvanische  Strom  eine  Ablenkung  nach  der  ganzen 
’r'^nge  des  Nerven  erleide,  weil  die  Nerven  so  vorzügliche  Leiter 
Electricität  seyn  sollen.  Indessen  zeigt  Person  sehr  gut,  was 
selbst  auch  sehr  oft  beobachtet  habe,  dass  die  Nerven  nicht 
“®sser  das  galvanische  Fluidum  leiten  als  die  Muskeln  und  an- 
^'“•e  nasse  thierische  Theile;  dass  ihre  Leitungskraft  sich  nicht 
ändert,  wenn  man  sie  mechanisch  zerstört,  und  dass  das  Neuri- 
unfähig  ist,  die  galvanischen  Ströme  zu  isoliren.  In  der 
^l>at  geht  ein  galvanischer  Strom,  der  in  einen  Nerven  geleitet 
)yPd,  sogleich  in  Muskeln  und  fibröse  Theile  über,  sobald  diese 
einen  kurzem  Weg  darbieten.  Man  muss  hieraus  mit  Per- 
so  wie  aus  dem  ganzen  Gang  der  bisherigen  Verhandlung, 
^liliessen,  dass  ein  Bewegungsnerve  während  des  Lebens  und  der 
j ^Uer  seiner  Reizbarkeit  in  einem  solchen  Zustande  ist,  dass  al- 
was  plötzlich  den  relativen  Zustand  seiner  Moleküle  verän- 
eine  Contraction  des  Muskels  am  entfernten  Ende  erregt, 
’*.**'!  dass  electrische,  chemische  und  mechanische  Reize  hierbei 
®>ch  gleich  verhalten. 

j.  Hie  mit  dem  Galvanometer  angestellten  Versuche  zur  Prü- 
der  Electricität  der  Nerven,  so  gewiss  sie  keinen  Beweis 
die  Electricität  derselben  liefern,  können  eben  so  wenig  streng 
^^Weisen,  dass  keine  Electricität  in  den  Nerven  entwickelt  werde; 
poii  diese  Instrumente  sind  zu  unvollkommen.  Sie  wirken  meist 
^‘‘=ht  mehr,  wenn  wirkliche  Electricität  durch  ein  Metallplattenpaar 
P’twickelt  wird,  sobald  einer  der  Conductoren  des  Galvanome- 
nicht  das  Metall  seihst  berührt,  sondern  nur  durch  Vermit- 
eines  Wassertropfens  oder  Stückchen  Muskelfleisches  da- 
j'*-  in  Verbindung  steht.  Hieraus  sieht  man  deutlich  genug. 
Wenn  auch  Electricität  in  den  Nerven  wirkte,  sie  durch  das 
''Ivanometer  nicht  leicht  angezejgt  würde.  Dagegen  ist  der  Nerve 


624  HI.  Buch.  Nervenphysik.  I.Abschn.  Eigenschaften  J.N.  imAUscni. 

eines  Froschscbenkels  ein  viel  feineres  Electrometer,  welches  i»' 
dess  keine  Wirkung  zeigt,  wenn  der  Werve  eines  aligeschnitte- 
iien  Froschschenkels  mit  einem  andern  gereizten  Werven  in  Cou- 
tact  steht.  . 

Einige  haben  sich  hei  der  Hypothese  von  der  Wirkung  ^ 
Electricität  in  den  Werven  auf  die  eleetrisclien  Fische  gestid*  > 
aber  gerade  die  Existenz  dieser  einer  galvanischen  Säule  ähnhc 
gebauten  Organe,  welche  hei  Torpedo  aus  Säulchen  von  hne 
einander  geschichteten  dünnen  Platten  und  einer  dazwischen  hß' 
findlichen  verschiedenen  Materie  bestellen,  ist  der  Hypothese  vo« 
der  Electricität  in  den  Werven  durchaus  nicht  günstig.  DeD** 
nur  da  findet  hei  Thiercri  eine  electrischc  Wirkung  statt, 
besondere  Organe  dafür  vorhanden  sind;  wäre  aber  Elcctricii^*' 
das  Agens  der  Werven,  so  brauchte  es  hei  den  Fischen  keine* 
besondern  thierisch  - galvanischen  Apparate  , sondern  blosse* 
Conductoren.  Man  erzählt  zwar  häufig  wieder,  dass  CotugK*’ 
beim  Seciren  einer  lebendigen  Maus,  als  der  Schwanz  der  M»*** 
gegen  seine  Hand  schlug,  einen  heftigen  Stoss  empfand;  die** 
gehört  aber  nicht  hierher.  Denn  wenn  man  Thiere,  wie  Mäns®? 
Frösche,  Spinnen,  gegen  welche  man  eine  Aversion  leicht  b»  < 
schon  mit  einiger  Äiii’regung  in  den  Händen  hält,  so  köiin®” 
durch  eine  leichte  Veranlassung,  durch  Erschrecken,  auch  We*"' 
vensymptome  entstehen;  diess  hat  nichts  mit  einer  elcctrische'I 
Wervenwirkung  gemein.  Die  Empfindung  eines  Schlags  wie 
Anwendung  der  Electricität  Ist  ein  Phänomen,  welches  inden^c*'' 
ven  auch  bei  jeder  heftigen  Heizung  entsteht,  z.  B.  wenn  n***** 
erschrickt,  oder  wenn  man  den  W.  ulnaris  zerrt.  Der  SchlfS 
von  der  Electricität  ist  auch  kein  electrischer  Schlag,  sondei'** 
eine  Empfindung  durch  Electricität  veranlasst,  wie  sie  auch  dure 
mechanische  Einwirkung  verursacht  werden  kann.  Kästner  h®' 
richtet,  dass  er  heim  Schreiben  öfter  kleine  Stösse  in  den  k*"' 
gern  empfinde.  Vor  Jahren,  als  ich  von  einer  nervösen  Reizb»*’' 
keit  hefallen  war,  hatte  ich  diess  Symptom  sehr  oft,  sobald  *‘^ 
die  Hand  und  die  Finger  zu  sehr  anstrengte. 

Fasst  man  nun  alles  bisher  Verhandelte  zusammen,  so  ot' 
giebt  sich  als  Resultat: 

1)  Dass  in  den  Werveu  hei  den  Lehensactionen  keine  electi*' 
sehen  Sti-ömungen  staltfinden.  2)  Dass  die  electrischc  Kraft  vo*J 
der  Innervation  ganz  verschieden  ist.  3)  Electrischc  Strönu"ü? 
in  den  Werven  ist  also  eben  sowohl  ein  syraholischer  Ausdruc  > 
als  wenn  man  die  Wirkung  der  Wervenkraft  mit  dem  Lieb  ^ 
dem  Magnetismus  vergleicht.  lieber  die  Watur  des  Wervenpr*^' 
cips  ist  man  eben  so  ungewiss,  wie  über  das  Licht  und 
Electricität;  die  Eigenschaften  des  Wervenprincips  kennt  fast  ^ 
eben  so  gut,  wie  die  Eigenschaften  des  Lichtes  und  anderer  'ß*^ 
ponderabler  Agentien.  So  verschieden  diese  Kräfte  sind,  so 
derholt  sich  doch  hier  die  Frage,  ob  ihre  Wirkungen 
orts verändernde  Strömungen  einer  imponderablen  Materie  ents 
hen,  oder  ob  sie  durch  mechanischen  Impuls,  nämlich  ^***^.jg 
TJndulationen  eines  Fluidums,  wie  nach  der  Undulationstheo»_^ 
bei  dem  Licht  angenommen  wird,  erfolgen;  welche  Annahme 


H.  Abschn.  Von  den  Empfiriduftgsnenren  u.  Be*vegimgtnerven.  625 

ÖinsicKt  des  Nervenprincips  hier  die  richtige  sey,  ist  vor  der 
Wand  füi-  das  Studium  der  Mechanik  des  Nervensystems  gleich- 
gleichwie  die  Gesetze  der  Mechanik  des  Lichtes  durch 
Annahme  der  einen  oder  der  andern  diesex  Theorien  nicht 
''“geändert  werden  können. 


Ahschnill.  Von  tien  E m pfl  n dun gsner ve ti , 
liewegungsnerven  und  organisch  en  IS  erv eii. 

Capitel.  Von  den  sensitiven  und  motorischen  Wurzeln 
der  Rücken  marksner  veii. 

J.  MuErxEH,  Froriep’s  Kot.  Ko.  fil6.  647.  Annales  dts  scitneet 
naturelles.  1831.) 

Die  Thatsachc,  dass  diesel]3en  Nerven  am  Rumpfe  der  Em- 
IJ/'nclung  und  der  Bewegung  zugleich  vorstehen,  und  dass  die 
l'“'«  dieser  Functionen  in  einem  Nerven  zuweilen  durch  Lähmung 
'"ligehoben  wird,  während  die  andei’e  fortdauert,  ist  eines  der 
'''‘clitigsteu  Probleme  der  Physiologie.  Cuxules  Bell  hatte  zu- 
den  ingeniösen  Gedanken,  dass  die  hinteren,  mit  einem  Gan- 
P'oa  versehenen  Wurzeln  der  Spinalnerven  der  Empfindung  al- 
die  vorderen  Wurzeln  der  Bewegung  vorstehen,  und  dass 
''®  Primitivfaden  dieser  Wurzeln  nach  der  Vereinigung  zu  ei- 
Nervenstamm  für  das  Bedürfniss  der  Haut  und  der  Muskeln 
^“'äischt  werden.  Diese  Idee  liatte  er  in  einer  nur  für  den 
seiner  Freunde  bestimmten  Abhandlung,  an  idea  of  a new 
of  the  hrain  suhmilted  for  the  obseroation  of  the  authors 
iSlX  entwickelt.  Eilf  Jahre  später  trat  Herr  Magekdie 
derselben  Theorie  auf;  ihm  konnte  Bell’s  Entdeckung  nicht 
^''“ekannt  geblieben  seyn,  da  Shaw  im  Jahre  1821  in  Paris  in 
]^*'ehung  auf  Bell’s  Ansichten  über  die  Gesichtsnerven  mit  Herrn 
^‘‘iendie  A'ersuche  anstellte.  Allein  Herr  Magekdie  hat  das  Ver- 
fäst,  diesen  Gegenstand  hinsichts  der  Rückenmarksnerven  in  die 
j *perimentalphysiologic  eingeführt  zu  haben.  Magendie  behaup- 
aus  seinen  Versuchen,  dass  nach  Durchschneidung  der  hin- 
^ *'en  Wurzeln  nur  die  Empfindung,  nach  Durchschneidnng,  der 
^“rderen  Wurzeln  die  Bewegung  in  den  entsprechenden  Theilen 
“bre.  Magendie’s  Resultate  waren  nur  approximativ.  Nach 


‘h 


Sollten  die  hinteren  Stränge  des  Rückenmarks  und  die  hinte- 


j ^ AVurzeln  der  Rückenmarksnerven  vorzugsweise  der  Empßn- 
*?S)  die  vorderen  vorzugsweise  der  Bewegung  vorstehen,  ob- 
nicht  ganz  ohne  Empfindung  seyn.  So  fand  er  auch,  dass 
Sei  fPPiieation  des  Galvanismus  auf  die  vom  Rückenmark  abge- 
j^j^'nittenen  liinteren  Wurzeln  der  Rückenmarksnerven  auch  noch, 
die^*  nnr  schwache,  Contractionen  der  Muskeln  errege,  während 
Reiz  auf  die  vorderen  Wurzeln  angewandt,  heftige  Zu- 


626  IIL Buch. Neri>enphfsik.  n,Abschn,Empfindungs~  u.Bewegungsner»- 

sammenziehungen  bewirke.  J.  de  physiol.  2.  276.  Vergl-  De® 
MOui.i’JS  ct  Magekdie  Anatomie  et  physiologie  des  sysfemes 
Paris, 1825.  p.lll.  Diese  Versuclic  sind  bei  böhei-en  Thicren 
grausamsten,  w'elcbe  man  erdenken  kann.  Die  ungelieurc  Verw*^^ 
düng  zur  EröfFnung  des  Rückgratbs  in  einer  so  grossen  StrecK  > 
um  "die  Wurzeln  aller  Nerven,  die  zu  den  hinteren  Extremita^®^ 
geben,  zu  durcbscbneiden , ist  an  sieb  schon  scbnell  lebensg  ' 
fäbrlicb,  mit  enormer  Blutung  verbunden,  und  der  Tod  des 
res  erfolgt  unausblciblicb  in" kurzer  Zeit,  ebe  man  zu  iiberze®' 
genden  Resultaten  gelangt  ist.  Ein  wie  grosses  Erstaunen  dab®^ 
aucb  Bei,i.’s  Theorem  wiederum  in  den  Versuchen  von 
gekdie  billig  erregte,  so  blieb  doch  die  gehörige  Bestätig'^”® 
dieser  Versuche  aus.  Nur  Beclaed  hat,  aber  auf  eine  zu  oh®*^ 
Ilächliche  und  ungenügende  Art,  diese  wichtige  Frage  bejah®”^^ 
entschieden,'  indem  er  sagt:  Les  experiences  de  Mr.  Cu.  Bell, 
les  de  Mr.  Magenbie  et  les  miennes  propres  ont  clairement  detn»'^ 
ire,  (jue  la  racine  posieriewe  des  nerjs  spinaux  est  sensoriaJe  el 
racine  anlerieure  motrice.  Eiern,  d’anat.  gener.  Paris  182.3.  p.  6®  j 
Fodera’s  Versuche  waren  mit  so  widersprechenden  Symptonj^j, 
begleitet,  dass  es  unbegreiflich  ist,  wie  er  seine  Versuche  i® 
eine  Bestätigung  von  Magendie’s  Beobachtungen  ausgeben  konm  ] 
Belhisgeui  erhielt  g-anz  verschiedene  Resultate,  und  schloss 
seinen  Versuchen,  dass  die  innere  graue  Substanz  des  Rück®®' 
marks  der  Empfindung,  die  weisse  faserige  der  Bewegung  i 

stehe,  dass  die  vorderen  Stränge  des  Rückenmarks  und  die 
deren  W'urzeln  der  Flexion,  die  hinteren  der  Extension  der  | 

kein  bestimmt  seyen.  In  Deutschland  sind  diese  Versuche  i 

Sorgfalt  an  vielen  Thieren  von  Schoeps  wiederholt  worden. 
Meckel’s  Archiu  für  Anat.  und  Physiol.  1827.  Allein  die  P® 
sultate  sind  ganz  zweifelhaft  und  schwankend  ausgefalj® 
Auch  ich  batte  schon  im  Jahre  1824  diesen  Versuch  ohne  P 
sultat  bei  meinem  Aufenthalt  zu  Berlin  vorgenommen.  Ne®®^ 
dlngs  besch'äftigt  mit  Untersuchungen  über  das  NervensysI®^^.  ^ 
trieb  mich  die  Begierde  nach  Wahrheit  an,  eine  Reihe  , 

Versuche  naeh  einem  veränderten  Plane  an  Kaninchen  anz«*^®^  I 
len.  Denn  d.ass  die  bisherige  Art  der  Versuche  trügerisch 
beweist  der  Umstand',  dass  viele  Thierc,  vorzüglich  Kanin®*'^ 
durch  die  ersten  Handgriffe  des  Experiments  erschreckt  und  ®‘  j 
geschüchtert,  ohne  dass  man  bedeutende  Verletzungen 
einer  Art  vorgenommen  hat,  selbst  bei  den  heftigsten  Uautrei*.^^ 
nicht  einmal  beim  Zerquetschen  und  Zerschneiden  der  Haut 
gend  eine  Schmerzens'äusserung  von  sich  geben.  Wie  kann 
daher  in  der  kurzen  Zeit,  wo  ein  Thier  nach  der  Oeffnung 
Rückgraths  noch  lebt,  zuverlässig  entscheiden,  ob  das  Thier  » 
Empfindung  hat  oder  nicht? 

Ich  wusste,  dass  die  geringste  Zerrung  eines  angespanu^^^j 
Muskelnerven  mit  einer  Nadel  Zuckungen  in  den  entsprechen 
Muskeln  erregt.  Sind  nun  die  hinteren  Wurzeln  der 
ven  bloss  empfindend  und  nicht  bewegend,  so  müssen  sm 
Zerren  mit  der  Nadel  keine  Zuckungen,  die  vorderen 
aber  beim  Zerren  wirkliches  Zucken  bewirken;  um  die  klein 


1.  sensitioe  und  motorische  Wurzeln  der  Spinalnerven.  627 

:^^ckungen  zu  bemerken,  legte  ich  die  Maskein  der  hinteren 
^^tremitäten  bloss.  Diese  mehrfach  wiederholten  Experimente 
j‘‘eben,  wenn  man  gewissenhaft  seyn  wollte,  ohne  Resultat,  weil 
•irch  die  mit  der  Oeff'nung  des  Rückgraths  verbundenen  Er- 
1‘^Qütterungen  schon  kleine  Erzitterungen  in  den  Muskeln  einge- 
•'fiten  waren,  welche  alles  fernere  Experimentiren  unzuverlässig 
'“'■‘chten.  Nach  so  vielen  vergeblichen  Bemühungen,  um  das  ab- 
**^lute  Resultat  zu  erhalten,  von  welchem  Herr  Magendie  spricht, 
ich  an  zu  zweifeln.  Ich  verzweifelte  an  einem  entsclieiden- 
Und  zuverlässigen  Resultat  aller  solcher  Versuche.  Haben 
Och  Desmoülins  und  Magendie  selbst  nur  gesagt,  dass  in  dem 
^*Uem  Fall  Jost  aUc  Empfindung,  in  dem  andern  Fall  fast  alle  Be- 
^^Sung  aufhörg.  In  einem  absoluten  Resultate  kann  von  einem 
‘'^Iben  Erfolge,  von  keinem  fast  keine  Rede  seyn.  Ich  sagte  zu 
***'*■_  selbst:  Das  Theorem  von  Bell  ist  überaus  ingeniös,  allein 
ist  nicht  bewiesen,  Magendie  hat  es  auch  nicht  genügend  be- 
J^icsen,  und  es  kann  vielleicht  bei  höheren  Thieren  nie  genügend 
!!*hviesen  xverden.  Dieser  Meinung,  dass  der  gehörige  Beweis 
pie,  war  auch  E.  H.  "Weber  (erster  Baud  seiner  vortreffli- 
'il'on  Ausgabe  von  Hildebbandt’s  Anatomie.  Braunschweig  1830. 
■ 283.).  Zu  einem  guten  physiologischen  Experiment  gehört,  dass 
gleich  einem  guten  physicalischen  Versuche  an  jedem  Ort,  zu 
Zeit,  unter  denselben  Bedingungen  dieselben  sicheren  und 
^.^Zweideutigen  Phänomene  darbiete,  dass  es  sich  immer  bestä- 
o®-  Diess  kann  man  von  den  bisherigen  Versuchen  zum  Be- 
'^®iss  des  BfiLL’schen  Lehrsatzes  nicht  sagen.  Denn  die  Verlet- 
die  Entkräftung  ist  so  gross,  dass  die  Wahrscheinlichkeit 
j®*  Irrthums  grösser  ist  als  die  Wahrscheinlichkeit  des  Resul- 
,0'ts.  Ein  Fehler,  an  dem  so  viele  physiologische  Experimente 

j Sollten  aber  nicht  Experimente  für  oder  gegen  den  BELL’schen 
,®brsatz  gefunden  werden  können,  welche  eben  so  zuverlässig 
als  die  physiologischen  Experimente  von  Haller,  Fontara, 
^^vani,  A.  V.  Humboldt? 

Ich  kam  endlich  auf  den  glücklichen  Gedanken,  Frösche  zu 
fraglichen  Versuchen  nach  meiner  eben  erwähnten  Methode 
^ZUwenden,  Thiere,  welche  ein  sehr  zähes  Leben  haben,  die 
des  Rückgraths  lange  überleben,  deren  Nerven  die  läng- 


^eit  sensibel  bleiben,  und  bei  denen  die  dicken  Wurzeln  der 
i für  die  hinteren  Extremitäten  eine  sehr  grosse  Strecke 

. .Kanäle  des  Rückuraths  getrennt  x'erlaufen,  ehe  sie  sich  ver- 

- --  a _ n . . . . , „ . . 


Diese  Versuche  sind  mit  dem  glänzendsten  Erfolge  ge.* 
• worden ; sie  sind  so  leicht,  so  sicher,  so  entscheidend,  dass 


W'b  nunmehr  schnell  von  einer  der  allerwichtigsten  Walu- 

Cq  der  Physiologie  überzeugen  kann.  Die  Phänomene  sind  so 
überraschend,  dass  diese  Versuche  an  Einfachheit 
Hig  Gewissheit  des  Erfolgs  dem  besten  physicalischen  Experi- 
tum  crucis  an  die  Seite  treten  dürfen. 

Spj,  OelTnung  des  Rückgraths  bediene  ich  mich  einer  an  der 
an  der  Spitze  scharf  schneidenden  Knochenzange. 
® Operation  ist  in  einigen  Minuten  ohne  alle  Verletzung  des 


628  TU.  Buch.  NerucTipIiY.nh.  II.  Abschn.  Empßndungs-  u.  Bi-ccegurigsucr^’ 

Rückenmarks  vollbraclit.  Die  Frösclie  sind  darauf  ganz  munte« 
und  hüpfen  wie  vorher  herum.  Man  sieht  nach  Oeftnung  de 
Rückgraths  und  der  Häute  sogleich  die  dicken  hinteren 
zeln  der  Nerven  für  die  unteren  Extremitäten.  Man  hebe  c i 
Wurzeln  vorsichtig  mit  einer  Staarnadel  auf,  ohne  etwas  von  de 
vorderen  Wurzeln  mit  zu  fassen,  und  schneide  sie  an  der 
tion  am  Rückenmarke  ab.  Nun  fasst  man  das  abgeschnit^” 
Ende  mit  der  Pincette  und  zerrt  die  Wurzel  sellist  wiederhe 
mit  der  Spitze  der  Staarnadel.  Man  wird  sich  bei  jedem  ’ 
such  dieser  Art,  aucli  wenn  man  ihn  unzäbligemal  an  einer 
von  Fröschen  wiederliolt,  überzeugen,  dass  auf  die  mechanisf  ^ 
Reiiung  der  hinteren  lyurzeln  niemals  auch  nur  die  entfernteste 
einer  Zuckung  in  den  hinteren  Extremitäten  erfolgt.  Dasselbe  ka^,’’ 
man  an  den  sehr  dicken  liinteren  Wurzeln  der  Nerven  für  d> 
vorderen  Extremitäten  mit  demselben  Erfolg  wiederholen. 

Nun  hebe  man  eine  der  vorderen  eben  so  dicken  Wur*®  j 
der  Nerven  für  die  Hinterbeine  mit  der  Nadel  aus  dem 
des  Rückgraths  hervor.  Schon  bei  der  leisesten  Berührung  <5'®^ 
ser  Wurzeln  erfolgen  sogleich  die  nllerlebhaftesten  Zuckungen 
der  ganzen  hintern  Extremität.  Man  schneide  auch  diese 
zeln  vom  Rückenmark  dicht  ab,  fasse  das  abgeschnittene  En  ^ 
mit  der  Pincette  und  zerre  die  angespannte  Wurzel  mit  der 
delspitze.  Bei  jeder  Reizung  erfolgen  die  lebhaftesten  Zuckuog®‘'j 

Durch  Wiederholung  dieser  Versuche  an  einer  grossen  Za** 
von  Fröschen  kann  man  sich  überzeugen,  dass  es  durchaus  nnj 


möglich  ist,  durch  die  hinteren  Wurzeln  der  Spinalnerven 
Fröschen  Zuckungen  zu  bewirken,  dass  dagegen  die  gerings’ 
Reize  auf  die  vorderen  Wurzeln  sogleich  das  Spiel  der  heftig*' 


])«' 

ite» 

tei 


Zuckungen  bewirken. 

So  lange  beiderlei  Wurzeln  noch  mit  dem  Rückenmark 
Bünden  sind,  kann  man  durch  zerrendes  Aufheben  der  hinto  ^ 
Wurzeln  und  die  dadurch  bewirkte  Zerrung  am  Rückenm** 
selbst  auch  Zuckungen  in  den  Hinterbeinen  bewirken.  D'®  ^ 
entstehen  aber  nicht  durch  die  hinteren  Wurzeln  selbst,  sond® 
durch  das  zugleich  gezerrte  Rückenmark,  dessen  Reizung 
die  vorderen  oder  motorischen  Wurzeln  auf  die  Muskeln  w*' 
Wenn  daher  vorher  die  vorderen  Wurzeln  durchschnitten 
den,  so  kann  die  Zerrung  des  Rückenmarks  oder  der  hinteJ’^^|' 
noch  mit  dem  Rückenmark  zusammenhängenden  Wurzeln 
keine  Art  die  geringste  Spur  einer  Zuckung  erregen.  - 

Eben  so  entscheidend  sind  die  Versuche  mit  Anwendn  » 
des  Galvanismus  durch  einfache  Zink-  und  Kupfcrplatten. 

Die  Reizung  der  abgeschnittenen  vorderen  Wurzeln 
Galvanismus  bewirkt  sogleich  die  heftigsten  Zuckungen ; die 
sehe  Reizung  der  hinteren  Wurzeln  bewirkt  niemals  eine  Spuf 
Zuckung.  Dieses  Resultat  ist  äusserst  merkwürdig  und  war  . 
ganz  unenvartet:  denn  ich  hatte  mir  gedacht,  dass,  wenn 
die  hinteren  Wurzeln  bloss  empfindend  sind,  sie  doch  fähig 
ren,  das  galvanische  Fluidum  bis  zu  den  Muskeln  leiten  , 
es  ist  sogar  unvermeidlich,  dass  bei  heftigem  galvanischen 
einer  sehr  starken  Säule  das  galvanische  Fluidum  durch  die 


i.  Sensitwe  und  motoriich«  Wurzeln  der  Spinalnerven.  629 

Wurzeln  so  gut,  wie  durcli  jede  tliierlscho  Substanz  gelei- 
et  wird  (so  wie  es  in  Magendie’s  Versuchen  erging).  Allein  es 
***•  ganz  gewiss,  dass  der  galvanische  Reiz  eines  Plattenpaares 
*H’ch  die  hinteren  Wurzeln  nicht  auf  die  Muskeln  wirkt, 
u>'ch  die  vorderen  Wurzeln  sogleich  Zuckungen  erregt,  dass 
mechanische  Reiz  einer  Nadel  hei  den  stärksten  Zerrungen 
jj'emals  eine  Spur  von  Zuckungen  durch  die  hinteren  Wurzeln 
«fvorruft,  während  die  geringste  Zerrung  an  den  vorderen 
purzeln  sogleich  lebhafte  Zuckungen  bedingt.  Bei  der  Anwen- 
’j*'g  des  Galvanismus  auf  die  hinteren  Wurzeln  muss  man  sich 
hüten,  dass  die  Platten  irgendwo  andere  Theile  berühren. 
Die  Art,  wie  Bet.t,  und  Mageudie  den  BELL’schen  Lehrsatz 
beweisen  suchten,  lässt  sich  auch  mit  dem  sichersten  Erfolge 
Pröschen  anwenden.  Durchschneidet  man  bei  demselben 
''Osch  auf  der  linken  Seite  alle  .3  hinteren  Wurzeln,  auf  der  rech- 
Seite  alle  .3  vorderen  Wurzeln  der  Nerven  für  die  Hinterbeine, 
'st  an  dem  linken  Bein  die  Empfindung,  an  dem  rechten  Bein 
Bewegung  gelähmt.  Schneidet  man  dann  am  rechten  Bein, 
Elches  noch  Empfindung,  aber  keine  Bewegung  hat,  den  Fass 
j > so  zeigt  der  Frosch  den  grössten  Schmerz  in  allen  Theilen 
Körpers  dui’ch  Bewegungen,  aber  das  rechte  Bein  selbst,  an 
er  doch  den  Schmerz  fühlt,  kann  er  nicht  im  geringsten 
j.^'vegen.  Schneidet  man  dagegen  am  linken  Bein,  welches  keine 
j,'*ipfindung  aber  noch  Bewegung  hat,  den  Fuss  ab,  so  fühlt  es  der 
^'’osch  gar  nicht.  Dieser  Versuch  ist  wohl  der  überraschendste 
allen,  und  giebt  entscheidende  Resultate,  nicht  halben  Erfolg, 
man  beim  Frosch  gewiss  ist,  die  Wurzeln  der  Nerven  des 
j^.'^terbeins  sämmtlich  zu  durchschneiden,  indem  es  nur  sehr  we- 
8®»  aber  dicke  Wurzeln  sind. 

Diess  sind  die  Versuche,  welche  keinen  Zweifel  mehr  an 
Wahrheit  des  BEH-’schen  Lehrsatzes  übrig  lassen. 

Ich  bemerke  noch,  dass  das  Abschneiden  der  hinteren  Wur- 
Sen  Rückenmark  oft  ganz  deutlich  mit  Schmerzensäusserun- 
am  Vorderthell  des  Rumpfs  verbunden  ist. 

^er  ^^ci’S'ichen , wovon  bisher  die  Rede  gewesen,  wird 

Reiz  nur  auf  die  Wurzeln,  die  vorher  dicht  am 
I^ol  abgeschnitten  worden,  angebracht,  indem  man  Leide 

Sqi  *"if  das  Wurzelende  wirken  lässt,  und  also  einen  galvanl- 
fis  1 ® Strom  durch  die  Dicke  der  Nervenwurzel  erregt.  Nun  ist 
dass  die  Rumpfnerven,  die  aus  der  Verbindung  der 
entstehen,  Zuckungen  erregen,  sowohl  wenn  sie 
S^lvanisch  irritirt  werden,  als  wenn  der  eine  Pol  auf  den 
Pol  äiif  dci  Muskel  wirkt,  indem  im  erste- 
der  galvanische  Strom  nur  cjner  durch  die  Dicke  der 
j!)'  I®  letzten  Fall  vom  Nerven  bis  zum  Muskel  in  der  gan- 
ange  des  Nerven  durchgeht. 

wünschte  jetzt  zu  wissen,  und  jeder  wird  die  Frage 


die  hintere  Wurzel,  indem  sie  unfähig  ist,  bei  der 
, ^ baren  Reizung  Zuckungen  zu  erregen,  zugleich  unfähig 

galvanische  Fluidum  zu  den  Muskeln  zu  leiten,  wenn  die 


G30  in.  Buch.  Nerpenphrxik.  II.  Ahschn.  Empfindungs-  u.  Bewegungsnerv, 

hinteren  Wurzeln  mit  dem  einen  Pol,  die  Muskeln  mit  dem 
andern  Pol  in  Verbindung  gebracht  werden.  Hierdurch  ents  an 
eine  Reihe  interessanter  Experimente , welche  eben  so  constan 

Resultate  gaben,  wie  die  frülxer  mitgetheilten  Beobachtungen  nn 

welche  seitdem  sehr  oft  wiederholt  worden  sind.  Sämint  ic  i 
Versuche  wurden  an  Fröschen  angestellt.  Die  Wurzeln  wui  ^ 
immer  nach  der  schon  beschriebenen  W'eise  vorsichtig  und  saii 
mit  der  Nadel  aufgehoben,  und  dicht  am  Rückenmark  abgeschm  ' 
ten,  so  dass  sie  nur  mit  ihren  Rumpfnerven  in  Verbindung  stan- 
den. Zur  Isolation  wurde  immer  eine  Glasplatte  untergcschoim 
und  der  ganze  Frosch  auf  ein  Stück  Glas  gelegt.  Folgenu 
sind  die  constanten  Resultate:  . 

1)  Wenn  man  die  hinteren  Wurzeln  der  Spinalnepen  aliei 
mit  Leiden  Polen  eines  einfachen  Plattenpaares  in  VerhinduDfi 
bringt,  so  entsteht  niemals  die  geringste  Spur  einer  Zuckung. 

2)  Wenn  man  dagegen  die  hinteren  Wurzeln  mit  dem  ein«^ 
Pol,  einen  Muskel  der  unteren  Extremitäten  mit  dem  ander^j 
Pol  armirt,  und  also  einen  galvanischen  Strom  von  der  Wur*  ^ 
bis  zu  dem  Muskel  leitet,  so  entstehen  Zuckungen,  und  zW» 
bloss  in  den  innerhalb  des  galvanischen  Wirkungskreises  geleg 

nen  Muskeln.  u 

3)  Die  vorderen  Wurzeln  bewirken,  sowohl  unmittelbar 
beiden  Polen  vereinigt,  als  mittelbar,  indem  der  andere  Pol 
die  Muskeln  wirkt,  Zuckungen  in  allen  Muskeln  der  Extremd*' 
nicht  bloss  in  dem  galvanischen  Wirkungskreise,  sondern  bis  * 

den  Zehen  herab.  . -.xr  i md 

4)  Dasselbe  erfolgt,  wenn  man  die  hinteren  W'urzeln  n 

dem  einen  Pol,  die  vorderen  Wurzeln  mit  dem  andern  Pol 

Verbindung  bringt.  , • c m «eV»» 

Diese  Versuche  beweisen  so  bündig,  als  ein  achluss  scj 

kann,  unumstösslich : „ . , ,vbt 

a.  Dass  die  hinteren  W’^urzeln  der  Spinalnerven  zwar  nie 
isoliren,  sondern  wie  alle  ihierische  Theile  im  nassen  Zusta»  ^ 
den  galvanischen  Strom  passiv  von  einem  zum  andern  Pole  lei 
i).  Dass  sie  aber  keine  motorischen  Kräfte  oder  Reweguu» 
kräfte  haben,  und  durch  sich  selbst  keinen  Muskel  zur  Beweg»  » 

bestimmen  können.  u • j aal- 

c.  Dass  dagegen  die  vorderen  Wurzeln  nicht  allem  den  s 

vanischen  Strom  wie  alle  thierischen  Theile  leiten,  sondern 
sie  auch,  ohne  dass  ein  galvanischer  Strom  durch  sie  J, 

Muskeln  geleitet  wird,  bei  jeder  unmittelbaren  Reizung  du^^^ 
mechanische  oder  galvanische  Reize  eine  motorische,  nicht  g» 
nische  Kraft  in  der  Richtung  der  Nervenverzweigung 

Ich  werde  nun  zeigen,  dass  ein  Nerv  die  eigene  mo  o . 
Kraft  verlieren  kann,  wenn  er  die  Fähigkeit,  den  gü® 

Strom  auf  die  Muskeln  zu  leiten,  noch  behält.  Man  i^a- 
einen  Muskelnerven  mit  der  Pincette,  mechanischer  un  » |,j.; 
nischer  Reiz  über  der  gequetschten  Stelle  wirken  me‘.  ^^,^tei' 
wohl  aber,  xvenn  der  mechanische  und  galvanisclm  ^eiz  .j, 
der  gequetschten  Stelle  zwischen  dieser  und  dem  M»'’  ® „aW®' 
cirt  wird.  Dennoch  ist  ein  gequetschter  Nerv  fähigi  een  p 


1.  Sensätpe  und  moiorisck«  JV urzeln  der  Spinalnerven.  631 


•fischen  Strom  zu  den  Muskeln  zu  leiten,  und  es  entstehen  Zuk- 
kun  gen,  wenn  der  eine  Pol  auf  das  Ende  des  geqtietschtcn  Ner- 
''en,  der  andere  Pol  auf  den  Muskel  wirkt,  jßie  gequetschte 
Stelle  ist  also  leitungsfähig. 

Da  nun  endlich  der  geringste  mechanische  Reiz  mit  der 
^adel  oder  einem  nicht  metallischen  Körper,  einem  zugespitzten 
Federkiel,  dieselben  Wirkungen  auf  die  Muskelncrven  und  die 
''Orderen  Wurzeln  der  Spinalnerven  hervorhringt,  wie  der  nn- 
"littelhare  galvanische  Reiz  in  einem  transversalen  Strom  durch 
die  Dicke  des  Nerven,  nämlich  Zuckungen  in  dem  ganzen  Gliede, 
*o]^olgt: 

a.  Dass  der  unmittelbare  galvanische  Reiz  beider  Pole  auf 
die  vorderen . Wurzeln  nicht  anders  als  der  mechanische  Reiz 
'''irkt;  dass  der  Galvanismus  hierbei  nicht  als  Galvanismus  die 
kO'ächste  Ursache  der  Muskelcontraction  ist,  sondern  dass  der  gal- 
''anische  Reiz,  eben  so  wie  der  mechanische,  nur  die  motori- 
^ehen  oder  tonischen  Kräfte  der  tonischen  Nerven  zur  Aeusse- 


'’ung  erregt. 

h.  Dass  die  galvanische  Kraft  von  der  motorischen  oder  tonL 
^rhen  Kraft  oder  Spannkraft  der  Nerven  verschieden  ist,  und 
®ich  zu  dieser  nur  als  heftiger  Reiz  verhält. 

c.  Es  folgt  ferner,  dass  es  Nerven  giebt,  welche  keine  moto- 
rischen oder  tonischen  Kräfte  besitzen,  welche  durch  sich  seihst  nie- 
Oials  Zuckungen  erregen  können,  mögen  sie  mechanisch  oder 
Salvanisch  gereizt  seyn,  und  welche  den  galvanisclien  Strom  nur 
Passiv  leiten;  dass  es  dagegen  motorische  oder  tonische  Nerven 
fiiebt,  welche  hei  jeder  unmittelbaren  Reizung  ihre  tonische 
Jkraft  in  der  Spannung  der  Muskeln  äussern,  eine  Spannkraft, 
'Welche  immer  in  der  Richtung  der  Vemveigung,  niemals  riiek’- 
"'ärts  wirkt.  Denn  es  gehört  niclit  hieher,  wenn  galvanischeSü'öme 
*af  andere  Aeste  durch  nasse  Theile  übergeleitet  werden. 

d.  Dass  endlich  die  vorderen  Wurzeln  der  Spinalnerven  io- 
’^isch,  die  hinteren  nicht  tonisch  sind. 


Um  den  mitgetheiltcn  neuen  Erfahrungen  noch  ein  grösseres 
^oteresse  zu  gehen,  beschloss  ich  die  galvanische  Säule  statt  des 
einfachen  Plaltenpaares  anzuwenden.  Ich  errichtete  eine  voltai- 
Säule  von  34  Plattenpaaren,  die  Platten  von  etwas  mehr  als 
^ Quadratzoll.  Auch  diese  Versuche  wurden  an  mehreren  Frö- 
schen  wiederholt,  und  folgende  constante  Resultate  gefunden. 

1)  Die  hinteren  Wurzeln  der  Spinalnerven  für  die  unteren 
|ftremitäten  wurden  vom  Rückenmark  abgeschnitten,  das  Ende 
dieser  Wurzeln  auf  ein  Glastäfelchen  aufgelegt,  und  mit  beiden 
.®len  der  voltaischen  Säule  in  Verbindung  gebracht.  Nie  zeißte 
auch  nur  eine  Spur  einer  Zuckung.  Ich  wiederhole  hier  4*6 
'^“rsichtsmaassregel,  ja  keine  Fasern  der  vorderen  Wurzeln  mit 
lassen. 

, 2)  Die  vorderen  Wurzeln  erregten  unter  denselben  Umstän- 

''en  die  lajftigsten  Zuckungen  in  der  ganzen  Extremität, 

> 3)  Brachten  wir  die  hintere  Wurzel  mit  dem  einen  Pol,  die 

^"skeln  des  Olierschenkels  mit  dem  andern  Pol,  in,  Verbindung, 


Pliysiofo^ie, 


41  > 


632  III.  Buch.  Nervciiphysik.  II.  Abschn.  Empfindlings-  u.Betvegungsneic. 

so  entstanden  Zuckungen  am  ganzen  Beine,  vorzüglich  aher  m 
nerlialb  des  galvanischen  Wirkungskreises'.  ^ . r v 1 1 

4)  Die  vorderen  Wurzeln  mit  dem  einen  Pol,  die 
mit  dem  andern  Pol  armirt,  Bewirkten  noch  viel  stärkere  Zu  - 

Ich  wünschte  nun  zu  wissen , oh  die  Wurzeln  der  letzte 
Spinalnerven,  wenn  sie  in  einiger  Entfernung  vom  Rückenmar 
ahgeschnitten  werden,  und  wenn  die  noch  am  Rückenmark  an- 
sitzenden  Anfänge  der  Wurzeln  armirt  werden,  Zuckungen  i 
den  oorderen  Theilen  durch  Vermittelung  des  Rückenmarks 
erregen  im  Stande  sind.  Die  Resultate  waren  constant,  ahe 

unerwartet.  , , . i „n 

Weder  die  vorderen  noeh  die  hinteren  Wurzeln  bewirken,  we»" 
sie  allein  einfach  armirt  werden,  in  rückwärts  gehender  Bewegung» 
Zuckungen  an  den  vorderen  Theilen  des  Rumpls,  z.  B.  am  ' 
Es  scheint  also,  dass  die  Fasern  der  Nerven  im  Rückenmark 
nicht  communiciren.  Es  entstanden  aher  Zuckungen,  wenn  di« 
Wurzeln  mit  dem  einen  Pol,  die  entblössten  vorderen  Theile  cie* 
Körpers  mit  dem  andern  Pole  armirt  wurden,  was  ivieder  durc» 
die  Leitung  des  galvanischen  Stroms  auf  ferne  motorische  Ner- 
ven geschieht. 

Endlich  löste  ich  hei  einem  Frosch  alle  Wurzeln  der  Ner- 
ven am  grössten  Theile  des  Rückenmarks  von  hinten  bis  in  di® 
Gegend  der  Arme  dieht  am  Rückenmark  ab,  so  dass  der  hintere 
Theil  des  Rückenmarks  frei  emporgehoben  und  ein  Glastäfelche» 
nntergeschoben  werden  konnte.  Das  Rückenmarksende,  mit  bei- 
den Polen  verbunden,  erregte  Zuckungen  in  allen  Theilen,  wel- 
che noch  mit  dem  Rückenmark  in  Verbindung  standen.  Au 
diesen  letzten  Versuchen  folgt,  dass  das  Rückenmark  nicht  blo* 
das  Ensemble  der  Rumpfnerven  ist,  wie  ich  vermuthet  hatte,  son- 
dern dass  es  zwar  einige  Dinge  mit  den  Nerven  gemein  hat, 
einigen  aber  noch  von  ihnen  verschieden  ist.  Denn  die 
zeln  der  Spinalnerven  bewirken,  unmittelbar  gereizt,  in  rückwar 
gehender  Bewegung  in  den  vorderen  Theilen  keine  ZuckungßHi 
wohl  aber  das  Rückenmarksende.  . , 

Die  vorzüglichsten  der  hier  lieschriebenen  Versuche,  nämliu 
die  mit  dem  mechanischen  Reiz  und  mit  dem  einfachen 
paar,  habe  ich  nun  schon  alle  Jahre  wiederholt,  und  sie  ha 
mir  immer  dieselben  unzw'eideutigen  Resultate  gegeben.  So  ip 
che  ich  sie  nicht  allein  regelmässig  in  den  Vorlesungen  über 
Physiologie,  sondern  habe  sie  auch  in  Paris  vor  den  Herren 
v.  Htjmbolut,  Dutrochet,  Valenciehnes,  Laurillard,  und  em  u ^ 
dermal  vor  Herrn  Cuvier,  eben  so  in  Heidelberg  bei  ^ 

r^n  Tiedemarn  und  Arnold,  in  Bonn  mit  den  Herren  5 

und  ' WhiTzEu , ebendaselbst  mit  Herrn  Professor  Retzius 
Stockholm  wiederholt,  der  sie  wieder  mit  gleichem  Erfo  g 
wiederholte.  Gleichen  Erfolg  hatte  die  Wiederholung  der 
che  durch  Herrn  Thomson  in  Edinburg,  durch  Herrn  ^ 

in  Berlin  (Hecker’s  Arm.  Dec.  1832.).  Die  Versuche  mit  a 
mechanischen  Reiz  haben  Seubert  (de  fimet.  rad.  ant. 
nerv.  spin.  Cariiruhae  1833),  und  van  Deen  (de  differemti 


1.  Sensitive  und  motorische  W urzeln  der  Spinalnerven.  631 


wter  nervös  vitae  animalis  et  organicae.  Lugd.  Bat,  1834.)  mit  Er- 
folg  wiederliolt.  Die  galvanischen  Versuche  mit  der  Säule  sind 
Setibert  nicht  vollkommen  gelungen,  weil  er  sich  ungeschickt 
genug  dazu  angestellt  hat.  Statt  zuerst  mit  einem  Plattenpaare 
experimentiren,  hat  Herr  Settbert,  gleichsam  um  es  recht  gut 
machen , mit  50  Plaltenpaaren  operirt.  Nun  ist  es  aber  be- 
sonnt, dass  man,  um  locale  V'irkungen  zu  erzeugen,  hei  Thieren 
'’är  mit  ganz  schwachen  Apparaten  experimentiren  darf,  indem 
•®an  bei  einiger  Stärke  des  Apparats  nicht  mehr  sicher  ist,  ob 
*äan  bloss  den  durch  die  Pole  berührten  Thcil  galvanisirt,  oder 
das  durch  alle  nassen  Theile  leitungsfähige  galvanische  Flui- 
dum auf  andere  Theile  überspringt.  Es  ist  daher  kein  Wunder, 
'^'enn  Herr  Sewbert  in  einigen  Fällen  beim  Galvanisiren  der  hin- 
teren Wurzeln  der  Frösche  durch  eine  Säule  von  60  Plattenpaa- 
fen  doch  Zuckungen  entstehen  sah;  hätte  er  noch  mehr  Platten- 
Paarc  angewandt,  so  hätte  er  eben  so  gut  Convulsionen  des  gan- 
zen Frosches  erzeugen  können.  Diese  Betrachtung  drängt  sich 
^^ei  einiger  Renntniss  der  Wirkungsart  und  Leitung  des  galvani- 
schen Fluidums  dem  Leser  so  sehr  auf,  dass  ich  mich  bei  diesen 
Missgriffen  Seubert’s  nicht  länger  axifhalten  xverde.  Hätte 
derselbe  mit  einem  einfachen  Plattenpaare  operirt,  so  würde  er 
*^60  unabänderlichen  Erfolg  gesehen  haben,  wie  ich  ihn  jetzt 
Schon  so  ausserordentlich  häufig  und  nie  mit  irgend  einer  Aen- 
^Crung  gesehen  habe.  Nachdem  nun  Dr.  Seubert  mit  dem  ein- 
^ächen  Plattenpaare  diesen  Erfolg  gesehen,  liätte  er  zwei,  dann 
^cei,  dann  vier,  dann  fünf  u.  s.  w.  Plattenpaare  nehmen  müssen, 
^is  er  eine  Höhe  von  10  — 20  — 30  Paaren  erreicht  hätte ; 

würde  dann  die  Grenze  kennen  gelernt  haben,  bis  zu  wel- 
cher  er  bei  seiner  Säule  gehen  durfte.  Dann  wäre  er  nicht  Ge- 
fahr gelaufen,  den  Gegenstand  von  neuem  zu  verwirren,  und  es 
l'^äre  ihm  nur  zur  vollkommenen  Bestätigung  der  Versuche  Ge- 
'^genheit  übrig  geblieben.  Die  von  Scae'pa  [de  gangliis  nervorum 
origine  et  essentia  nervi  intercostalis.  Annal.  univers,  di  me- 
^oina  1831.)  erwähnten  Versuche  von  Pahizza  , welche  den 
®®EL’schen  Lehrsatz  erweisen,  sind  noch  nicht  näher  bekannt. 

So  definitiv  nun  die  Verschiedenheit  der  vorderen  und  hin- 
fcren  Wurzeln  in  Hinsicht  der  sensilieln  und  motorischen  Eigen- 
*^aften  erwiesen  ist,  so  wenig  ist  dieser  Unterschied  in  Hinsicht 
vorderen  und  hinteren  Stränge  des  Rückenmarks  erwiesen, 
habe  diess  schon  in  meinem  französischen  Memoire  in  den 
"^^»ales  des  scienc.  natur.  1831.  bemerkt.  Nach  SErBERps  Versu- 
’^^cn  scheint  die  vordere  Gegend  des  Rückenmarks  vorzüglich, 
nicht  allein,  der  Bewegung  vorzustehen;  die  hintere  vor- 
^gsweise,  aber  nicht  allein,  der  Empfindung.  Die  pathologischen 
die  man  in  Seubert’s  Schrift  zusammengestellt  findet,  ent- 
. Mten  auch  keine  vollen  Beweise  jener  Behauptung.  Üebrigens 
ft  es  kaum  möglich,  über  diese  Frage  genane  Versuche  an  Thie- 
anzustellen,  indem  man  bei  der  Intention,  auf  die  hinteren 
j^E'änge  durch  Schnitt  zu  wirken,  ohne  es  zu  wollen,  durch 
*lick  auf  die  vorderen  w'irkt. 


41 


634  in.  Buch.  Ncroenphysik.  IT.  Ahschn.  Empfindungs-  u.  Bea’egungsneru. 

II.  Capitel.  Von  den  sensitiven  nnd  motorischen  Eig®”" 
schäften  der  Gehirnnerven. 

Ohne  hier  schon  in  das  Detail  der  Physiologie  der  einzelnen 
Gehirnnerven  einzugehen,  untersuchen  wir  dieselben 
Hinsicht  ihrer  TJebereinstimmung  oder  Verschiedenheit  im  Ver- 
gleich mit  den  Rückenmarksnerveu.  Die  Gehirnnerven  können 
in  folgende  Gassen  gebracht  werden. 

1)  Reine  Sinnesnerven,  die  Nerven  der  höheren  Sinne,  Ner- 
vus olfactorius,  opticus,  acustiens. 

2)  Reine  Bewegungsnerven.  Nervus  oculomotorlus,  trochie*' 

ris,  abducens.  Da  diese  Nerven  mit  einfachen  Wurzeln  oh» 
Ganglion  entspringen,  auch  sich  nicht  durch  Nervenfäden  vo» 
Emplindungsnerven  verstärken , so  müssen  sie  vor  der  Hand  * ^ 
reine  Bewegungsnerven  gelten,  so  lange  es  nicht  durch  Versuc  * 
bekannt  ist,  ob  sie  auch  sensible  Fasern  enthalten,  d.  h.  be> 
Durchschneiden  schmerzen.  ^ 

3)  Gemischte  Nerven  mit  doppelten  Wurzeln.  Nervus  tng®^ 

minus,  Nervus  glossopharjngeus  (siche  oben  p.  589.),  Nei’vus  vag» 
cum  accessorio',  bei  mehreren  Säugethieren  auch  Nervus  hyp‘>' 
glossus  (siehe  oben  p.  589.)  . . 

4)  Gemischte  Nerven  mit  einfacher  Wurzel,  welche,  an  sie» 
motorisch,  durch  Verbindung  mit  sensitiven  Nerven  Empfindung*' 
fasern  erhalten.  Nervus  facialis,  N ervus  hypoglossns  des  Mensche»' 

Unter  diesen  Nerven  verdienen  vorzüglich  die  beiden  le^' 
ten  Classen  eine  besondere  Betrachtung. 

Gemischte  Hirnnerven  mit  doppelten  Wurzeln. 

Nervus  trigeminus. 

Dieser  Nerve  hat  bekanntlich  zwei  Wurzeln,  Portio  maj»^ 
welche  in  das  Ganglion  Gasseri  anschwillt,  und  Portio  minor  oh»^ 
Ganglion;  letztere  geht  an  dem  Ganglion  vorbei  zum  dritt» 
Ast.  Die  aus  der  gangliösen  Portio  major  oder  dem  Gang»® 
Gasseri  hervorgehenden  Aestc  des  N.  trigeminus,  Ramus  prn»®^ 
et  secundus,  sind  wahrscheinlich  bloss  sensibel.  Der  dritte  ^ 
des  N.  trigeminus,  welcher  zum  Theil  aus  der  nicht  gangliösen  P»  ' 
lio  minor  entspringt,  nnd  aus  dem  Ganglion  Gasseri  oder 
Portio  major  sich  verstärkt,  ist  motorisch  und  sensibel.  Betrac 
ten  wir  zuerst  die  Eigenschaften  des  ersten  Astes,  Ramus 
thalmicus.  Seine  Zweige  sind  der  N.  nasocillaris,  ein  Nerve, 
sich  durch  seine  vorzugsweise  Verbreitung  in  der  Nase  und  » ^ 
innern  Angenwinkel,  in  der  Conjunctiva  und  dem  Saccus 
malis  als  sensibler  Nerv  beurkundet.  Der  N.  frontalis 
dagegen  für  motorisch  gehalten  werden,  weil  er  sich  nicht  al  ^ 
in  der  Stirnhaut  und  der  Haut  des  obern  Angenliedes, 
auch  mit  kleinen  Zweigen  in  dem  Musculus  orbicularis  palp»» 
rum,  frontalis  und  corrngator  supercilii  verbreiten  soll.  Allem 
denselben  Muskeln  verbreiten  sich  auch  Zweige  des 
und  Ch.  Beli.  hat  wahrscheinlich  gemacht,  dass  der  N.  fron 
nur  sensibel  ist,  und  der  N-  facialis  die  motorischen  Zweige 


2.  Se7tsitii>e  u.  motorische  Eigenschaften  der  Gehirnneroen.  635 

Jene  Tlieile  aLgicbt.  Ueberdiess  fand  Arhold,  dass  die  Zweige 
^es  N.  frontalis  die  Muskeln  nur  durcliLoliren  und  zur  Haut  ge- 
uen,  wie  es  auch  mit  den  Zweigen  des  N.  inl'raorhitalis  und 
*öentalis  ist.  Beli,  diu’ehschnitt  ]3ei  einem  Mann,  der  an  Gesichts- 
Schmerz  litt,  den  N.  frontalis.  Diese  Durcljschneidung  war  sehr 
Schmerzhaft.  Dagegen  wurde  hei  einem  anderen  Kranken  der 
Musculus  corrugator  supercilii  gelähmt  durch  eiterige  Zerstörung 
des  ohern  Astes  vom  N.  facialis  hei  einem  Geschwuir  vor  dem 
^ssern  Ohr.  Neuerlich  hcrichtet  Beli.,  dass  er  zwei  oder  drei 
halle  von  Krankheit  des  N.  ophthalrnicus  heohachlet  hahe,  wo- 
bei gänzliche  TJnempfindlichlveit  des  Auges,  der  Augenlieder  ohne 
keidust  des  Gesichts  statt  fand.  Magekdie’s  Journal.  T.  Ä.  p.  9. 

Der  zweite  Ast  des  K.  trigeminus  ist  auch  ganz  sensibel, 
^nd  enthält,  wie  sich  sicher  beweisen  lässt,  durchaus  keine  moto- 
J'ischen  Fasern.  Mehrere  Zweige  desselben  zeigen  sich  als  sen- 
^hel  durch  ihre  Verbreitung  in  nicht  musciilöse  Thcile,  wie  der 
A.  dentalis  anterior  (Ast  des  N.  infraorhitalis)  und  posterior,  N. 
'•dianus,  N.  nasales,  palatini,  nasopalatinus  Scarpac.  Dass  derN. 
*Uhcutaneus  malae  und  infraorhitalis  auch  sensibel  sind,  geht  aus 
ihrer  vorzugsweisen  Verbreitung  in  der  Haut  hervor;  und  dass 
der  N.  infraorhitalis,  der  sich  vielfach  mit  dem  N.  facialis  verflechtet 
Und  seihst  mehr  durch  als  in  die  Gcsichtsmuskeln  verbreitet,  keine 
diotorischen  Fasern  enthält,  kann  sicher  bewiesen  werden.  C.  Bell 
^^posifion  du  syst.  nat.  des  nerfs.  1825.  Bell  in  Meckel’s  ulr- 
cAjc».  VIII.  p.  401.  Magendie  Journal.  Tom.  II.  p.  66.  C. 

■dELi.  physiol.  und  paihol.  Untersuchungen  des  Nervensystems,  übers. 
“"i*  Romberg.  Berl.  1832.  EscnRicax  de  fimctionibus  nervorum  fa- 
et  olfactus  organi.  Hafn.  1825.  Ger.  Bäcker  commentatio  ad 
l^aestionem  physiologicam  a facidlate  medica.  acad.  Rhenotraject.  a. 
^828  propositum.  Traject.  ad  Rhenum  1830. 

Bell  durchschnitt  hei  Thieren  den  N.  infraorhitalis  auf  der  lln- 
Seite,  den  N.  facialis  auf  der  rechten  Seite  des  Gesichts ; hier- 
auf folgte  complete  Unempfindlichkeit  der  linken  Seite,  Lähmung 
dcr  BcAvegung  auf  der  rechten  Seite.  Die  Durchschncidnng  des 
’•  facialis  erregte  Zuckungen  der  Gesichtsmuskeln,  die  des  N.  in- 
raorhltalis  nicht.  Bell  durchschnitt  hei  einem  Esel  den  N.  in- 
i'äorhitalis , hei  einem  andern  Esel  den  Nervus  facialis.  Hier 
ilieb  die  Sensibilität  und  verschwand  die  Muskelkraft;  dort  ura- 
gekehrt.  Beim  Esel  Ijrachte  die  mechanische  Reizung  des  N.  in- 
laorbitalis  heftige  vSchmerzen , aber  keine  Zuckungen  hervor. 
*6se  Versuche  sind  von  Schoeps  (Meckel’s  ylrchiv  1827.  p.  409.) 
'\*id  mir  (Froriep’s  Not.  Nr.  647.)  bestätigt  worden.  Bell  hat 
yäen  pathologischen  Fall  beobachtet,  wo  ein  Mann  nach  einer 
^Hetzung  des  N.  infraorhitalis  die  Empfindung  in  der  Ohciilppe 
yi'ior,  ohne  Verlust  der  Bewegung  (Magendie  Journal  de  Physiol. 
.“i”-  A.  p.  8.).  Bell  hat  sich  indessen  darin  geirrt,  wenn  er 
hauhte,  (lass  der  N.  infraorhitalis  doch  noch  zur  Bewegung  der 
5 heim  Ergreifen  des  Futters  diene.  Nach  der  Durch- 

iihneidung  des  N.  infraorhitalis  auf  beiden  Seiten  wollte  Bell 
eruerkt  haben,  dass  der  Esel  das  Futter  nicht  mehr  mit  den 
ippen  fasste,  sondern  bloss  die  Lippen  auf  den  Boden  drückte, 


636  III.  Buch.  Hervenphysik.  II.  Abschn.  Empßnduiigs-  u.  Bewegmigsner»’ 

um  mit  der  Zunge  das  Futter  zu  fassen.  Auch  Lemerkten 
und  ScaoEPS,  dass  nach  der  Durchschneidung  des  N.  facialis  au 
einer  Seite  die  Lippen  doch  noch  auf  lieideii  Seiten  ihre  Beweg 
lichkeit  Jieim  Ergreifen  des  Futters  geäussert  haben.  Diesen  rr 
thum  hat  zuerst  Mayo  berichtigt.  Anatom,  and  physiolog.  conunen  ■ 
Land.  1822.  p.  107.  Mayo  durchschnitt  den  Ramus  infraorbitalis? 
worauf  das  Thier  das  Futter  nicht  mehr  mit  der  Lippe  ergr*  ^ 
und  sich  der  Lippe  nur  heschwerlicli  heim  Rauen  bediente;  a 
es  konnte  die  Lippe  öfthen,  was  Bell  geläugnet  hatte. 
Phänomene  glaubt  Mayo  mit  Recht  aus  dem  Verlust  des  Gefu^* 
in  den  Lippen  zu  erklären,  denn  das  Thier  fühlte  das  FuRß 
nicht  mehr,  Yveun  es  auch  dasselbe  ergreifen  konnte.  Dass  abe 
die  Bewegung  der  Lippen  von  dem  N.  facialis  abhängt,  hat 
ausser  Ziveifel  gesetzt.  Denn  nach  dem  Durchschneiden  des 
facialis  auf  beiden  Seiten  erfolgte  zugleich  Lähmung  aller  ^ ^ 
sichtsmuskeln , auch  der  Lippen.  Die  Bewegung  der  Lippen  aa^ 
beiden  Seiten,  wenn  die  Durchschneidung  des  N.  facialis 
einerseits  statt  gefunden  hat,  erklärt  Bäcker  mit  Recht  aus  de  ^ 
passiven  Mitbewegen  der  gelähmten  Seile  bei  dem  Zusamroe" 
ziehen  des  Muse,  orbicularis  oris.  __  ^ 

Meine  eigenen  Versuche  über  den  N.  infraorliitnlis  an  R® 
ninchen  sind  folgende;  Der  N.  iufraorbitalis  erregt,  wenn  aiafj 
ihn  auch  noch  so  sehr  mit  einer  Nadel  reizt  und  zerrt,  oder  »M 
der  Pincette  quetscht,  niemals  eine  Spur  von  Zuckung  in  d®^ 
Muskeln  der  Schnauze.  Ich  schnitt  den  Nerven  dicht  an  de 
Austrittsstelle  durch,  wobei  das  Thier  ein  sehr  klägliches  G®' 
schrei  und  ungeheure  Schmerzensäusserungen  erhob.  Das  En‘  ^ 
des  Nerven  wurde  mit  beiden  Metallplatten  in  Verbindung  g® 
bracht,  nachdem  der  Nerv  auf  eine  Glasplatte  aufgelegt  wordeia 
Wir  sahen  keine  Spur  von  Zuckungen  in  den  enlblössten 
kein  der  Schnauze.  Wohl  aber  entstanden  Zuckungen,  als  de^ 
N.  infraorbitalls  mit  der  einen  Platte,  die  Muskeln  mit  der 
dem  Platte  armlrt  wurden,  weil  in  diesem  Fall  ein  galvanisch 
Strom  bis  zu  den  Muskeln  der  Schnauze  entstand  und  dort  Za  ^ 
kling  erregte,  an  der  der  Nerv  durch  seine  Kräfte  hein®^ 
Anthell  hatte.  Als  wir  darauf  auf  das  isolirte  Ende  des 
vus  infraorbitalls  beide  Pole  einer  galvanischen  Säule  von 
Plattenpaaren  wirken  Hessen , zeigten  sich  bei  Berührung 
einzelnen  Stellen  des  sehr  breiten  Nerven  keine  Zuckungen 
den  Muskeln  der  Schnauze,  wohl  aber  bei  der  Bernhning  ‘’j 
anderen  Stellen  kleine  Zuckungen,  was  uns  unerwartet  war 
was  man  nur  aus  zwei  Gründen  erklären  kann:  1.  daraus,  r“ 
sich  Aeste  des  Nervus  facialis  sogleich  an  den  Nervus  Bdra®^^ 
bitalis  an  tler  Austrittsstelle  anschliesscn , und  2.  daraus , 
bei  einer  starken  galvanischen  Säule  das  galvanische 
nicht  allein  wie  gewöhnlich  den  kürzesten  Weg  von  einem 
andern  Pol  nimmt,  sondern  durch  alle  Leiter  auch  in 
sich  verbreitet.  So  erregt  ein  gequetschter  Muskelnerv,  über 
gequetschten  Stelle  galvanisirt,  keine  Zuckdngen  mehr,  wei 
motorische  Kraft  unterbrochen  ist;  allein  der  Galvanismus 
hindurch  auf  das  untere  noch  gesunde  Stück,  wenn  man 


2.  Sensitive  u.  motorische  Eigenschaften  der  Gehirnnerven.  637 

kräftige  Säule  von  80 — 100  Plattenpaaren  und  beide  Pole 
dber  der  gequetschten  Stelle  anwendet. 

Ich  habe  nun  aus  den  Versuchen  von  Bell,  Schoeps,  Mayo 
*^nd  meinen  eigenen  Beobachtungen  bewiesen,  dass  alle  Zweige 
•Ißs  Ramus  primus  und  seenndus  nervi  trlgeralni,  welche  von  der 
§angliösen  Wui-zel  ausgehen,  sensibel  und  nicht  motorisch  sind. 

Der  dritte  Ast  des  N.  trigemlnus,  welcher  aus  der  Portio 
Jiiinor  oder  kleinen  Wurzel  und  aus  einem  Theil  der  Portio  ma- 
)'>r  zusammengesetzt  wird,  ist  offenbar  motorisch  und  sensibel 
^le  die  Spinalnerven,  nachdem  sie  aus  einer  gangliösen  sensibeln, 
'•nd  einer  nicht  gangliösen  moforischen  Wurzel  zusammengesetzt 
®>nd.  Diess  geht  aus  dessen  Verbreitung  hervor.  Vergleicht 
•*nan  nun  den  N.  trigeminus  mit  den  Spinalnerven,  so  gleicht  er 
dinen  auffallend  in  den  beiden  Wurzeln,  beide  haben  eine  gan- 
Sböse  sensible  und  eine  einfache  motorische  Wurzel;  allein  sie 
gleichen  sich  nicht  mehr,  sobald  die  Wurzeln  zusammengetre- 
Icn  sind.  Denn  in  den  Spinalnerven  venuischen  sich  die  Primi- 
hvfäden  der  sensiblen  und  der  motorischen  Wurzeln  zu  neuen 
Ordnungen  von  Verven,  welche  motorische  und  sensible  Fasern 
Enthalten.  Beim  N.  trigeminus  dagegen  bleibt  der  grösste  Theil 
'^er  sensiblen  Portio  rnajor  selbstständig,  und  der  Ramus  primus 
seenndus  trigemini  sind  nur  sensibel;  nur  der  dritte  Ast  gleicht 
^cn  Spinalnerven,  indem  er  aus  der  Verbindung  der  motorischen 
^ortio  minor  und  eines  Theils  der  sensiblen  Portio  major  entsteht. 

Der  N.  raassetericus,  temporalis  profundus,  ])uccinatorlus,  die 
b-aml  ptei-ygoidei,  N.  mylohyoideus  sind  offenbar  motorische  Ncr- 
''en.  Dass  sie  aber  auch  sensible  Fasern  enthalten,  sieht  man  an 
<len  Zweigen,  Avelche  der  N.  massetericus  dem  Kinnbackengelenk 
§'ebt.  Der  untere  hintere  Theil  des  dritten  Astes  vom  Nervus 
trigeminus  enthält  dagegen  nur  sensible  Fasern.  Der  Nervus 
^'iricularis  seu  temporalis  superficialis  ist  kein  Muskelnerve,  er 
'ßrbiudet  sich  mit  dem  Nervus  facialis,  sowohl  mit  dem  Stamm 
pts  seinen  Zweigen , und  erthellt  diesem  Nerven  zum  Theil  die 
^ßnsibilltUt,  die  er  ausser  seiner  motoi’ischen  Kraft  besitzt.  Der 
r'-äßius  auricularis  verbreitet  sich  bloss  in  empfindlichen  Thcilen, 
*'*1  äussern  Gehörgang,  äussern  Ohr,  in  der  Haut  des  Kopfes. 

Der  N.  alveolaris  inferior  giebt  den  N.  mylohyoideus  nicht 
sondern  wie  Bell  bemerkt,  haben  der  N.  alveolaris  und  mylo- 
[‘yoideus  gar  keine  Gemeinschaft,  indem  sie  auf  eine  Strecke 
i*“ss  pai-ailel  neben  einander  liegen  bis  zum  Foraraen  alveolare, 
y Stamm  des  Nerven  ist  aber  offenbar  nur  sensibel  durch  die 
^hnnerven  und  den  Ramus  mentalis.  Dass  letzterer  Empfln- 
,**ogsnerve  ist,  bcAveist  ein  von  Bell  [licobachtcter  Fall.  Bei 
^**1-  Ausreissen  eines  Zahnes  wurde  der  N.  mentalis  mit  verletzt 
!?**d  die  Unterlippe  empfindungslos  (Magemdie  J^ourna/.  T.X.  p.  8.). 

ass  Jej.  ]\T_  i;„gjialis  keine  motorische  Kraft  besitzt,  sondern 
^“iipfindungsnervc  der  Zunge  ist,  obgleich  er  sich  auch  in  dem 
**^genfleisch  verbreitet,  lässt  sich  gtanz  evident  Ijcweisen. 

I Schon  Desmoulihs  bemerkt,  dass,  -wenn  man  an  einem  Hunde 

N.  lingualis  zerrt,  das  Thier  schreit,  aber  die  Zunge  unbe- 


6li8  JIJ,  Buch.  Nervenphysik.  II.  Abschn.  Empfindungs-  u.  Bewegungsnerv). 

•weglicli  bleibt,  dass,  wenn  man  diesen  Nerven  nacb  dem  Tode  galva- 
nisirt,  die  Zunge  sich  nicht  bewegt.  Icli  habe  diese  Versuche  hei 
Kaninchen  während  des  Lebens  angestellt.  Der  N.  lingualis  be- 
wirkt keine  Spur  einer  Zuckung,  wenn  er  mit  der  Nadel  ge/.en 
wird,  und  selbst  dann  nicht,  wenn  die  beiden  Pole  einer  gaiva 
tuschen  Säule  von  6.5  Plattcnpaarcn  auf  ihn  wirken.  Wenn  le®*' 
aber  einen  Pol  auf  die  Zunge,  den  andern  auf  den  N.  lingua  is 
appllcirt,  so  entstehen  Zuckungen,  weil  der  Nerve  hier  bloss  ei» 
feuchter  thierischcr  Leiter  des  galvanischen  Fluidums  bis  zu  den 
Muskeln  der  Zunge  ist.  Fhoriep’s  Not.  647.  Auch  Magenb'® 
bat  nach  Durchschneidung  des  N.  lingualis  Empfindungslosigkei 
der  Zunge  ohne  Verlust  der  Bewegung  bemerkt.  Neuerlich^ 
habe  ich  mich  überzeugt,  dass  der  N.  lingualis  Schmerz  empß'*' 
det;  dass  er  auch  Nerv  des  Geschmackes  ist,  wird  später  erWi«' 
sen.  Aus  allem  bisher  Angeführten  geht  hervor,  dass  der  N. 
gemlnus  durch  seine  grosse  Wurzel  der  Empßndungsnerve  de® 
ganzen  Vorder-  und  vordem  Seitenthcils  des  Kopfes  (mit  Ae*' 
Schluss  der  eigentlichen  Sinnesfunctionen  des  Geruchs,  Gesich  h 
Gehörs),  und  dass  er  durcli  die  Portio  minor  der  motorische  Nei’V 
für  alle  Masticatlonsmuskeln  ist.  Daher  hören  nach  der  Durch' 
schneidung  des  Stammes  dieses  Nerven  in  den  Versuchen  vo' 
Magendie  alle  diese  Bewegungen  und  alle  Gefuhlsemphudungc 
am  ganzen  Kopf,  Auge,  Nase,  Zunge  auf,  wie  denn  auch  i" 
Krankheiten  des  Stammes  vom  N.  trigeminus  oder  seiner  Wu*’' 
zeln,  dci-selbe  Erfolg  von  Bell,  Magendie,  SEaap  beohach^ 
wurde.  Nach  der  Durchschncidung  dieses  Nerven  innerhalb  de^ 
Schädels,  die  Magendie  bei  Kaninchen  gemacht  haben  will, 
die  Eschricut  wiederholte , war  die  Empfindung  an  der 
zen  Seite  des  Kopfes  gelähmt.  Die  Nasenschleimliaut  wie  * 
Conjunctiva  war  unempfindlich,  und  Stiche  und  chemische  Bei*®’ 
wie  Ammoniakflüssigkeit,  brachten  keine  Schmerzen  mehr  ßervefj 
Das  Auge  war  trocken,  die  Iris  zusammengezogen,  das  Nicke 
des  Augenliedes  hatte  auf  der  kranken  Seite  aufgehört.  Am 
genden  Tage  war  das  unverletzte  Auge  vom  Reiz  des  Ammou'^ 
entzündet,  das  gelähmte  Auge  nicht,  und  die  Unempfindlichko^ 
batte  also  die  Ausliildung  der  Entzündung  verhütet,  ln  andercj^ 
Versuchen  bewirkte  die  Durchschncidung  des  N.  trigeminus 
mehreren  Tagen  Entzündung  der  Conjunctiv.a,  Absonderung  ci  ^ 
rigpr  Materie  von  den  Augenliedern,  im  Auge  selbst  Iritis 
Pseudomembranen,  zuletzt  zeigte  sich  Vereiterung  des  Aug®‘j 
Das  Zahnfleisch  verdirbt  und  lockert  sich  auf,  die  Zunge 
auf  der  Seite  der  Verletzung  weiss,  und  ihr  Epilhelium 
dickt  sich.  ■ . • a 

Die  Gefiihlscmpfindung  am  Auge,  z.  B.  in  der 
ist  wohl  zu  unterscheiden  von  den  Gesichtsempfindungen, 
so  wie  die  Cefühlscmpfindung  in  der  Nase,  die  sich  durch 
fühl  von  Wärme,  Kälte,  Trockenheit,  Kitzel,  Jucken,  ® 
äussert,  wohl  von  dem  Geruch  zu  unterscheiden  ist. 
Sichtsempfindung  hat  in  dem  Auge  nur  durch  den  N.  ’ jif, 
statt,  die  Gefühlsempfindungen  nur  durch  die  Zweige 
tfigeminus;  die  Geruchsempfindung  in  der  Nase  bat  elien  so 


2.  Sensitive  u.  motorische  EigenscJiaften  der  GelUrnntrven,  639 


^urch  den  Nerv,  olfactorius,  die  Gefühlsempfindung  nur  durch 
N.  nasales  vom  N.  trigeminus  statt. 

IServus  glossopharyngeus. 

Aus  den  o))cu  p.  589.  angeführten  Beohachtungen  von  mir 
'Ü>er  ein  an  einem  Theil  der  Wurzelfäden  des  N.  glossopliaryn- 
pus  hefindliches  Knötchen  über  dem  Ganglion  petrosum,  geht 
hervor,  dass  auch  dieser  Nerve  unter  die  gemischten  gehört,  wo- 
***it  auch  seine  Verbreitung  übercinstimmt.  Denn  er  versieht 
^■^eils  den  hintern  Theil  der  Zungenschleimhant , Iheils  die 
^chlundmuskeln  (namentlich  den  Muse,  stylopharyngeus),  und  dass 
motorische  Kraft  besitzt,  habe  icli  scUjst  beobachtet,  denn  ich 
hei  einem  Kaninchen  noch  nach  dem  Tode  durch  Galvani- 
*'ren  dieses  Nerven  Zuckungen  am  Schlunde  entstehen.  Beim 
Ollsen  und  einigen  anderen  Säugethieren , wo  die  von  Mayer 
®>itdeckte  kleine  hintere  gangliöse  Wurzel  des  N.  hypoglossus 
''Orkömmt,  gehört  auch  dieser  unter  die  gemischten  Nerven  mit 
’loppelten  Wurzeln,  obgleich  er  beim  Menschen  seinen  Wurzeln 
••ach  nur  motorisch  ist,  und  erst  auf  dem  Wege  seiner  Verbrei- 
tung durch  Verbindungen  sensible  Fäden  aufnimmt.  Bedenkt 
"'lan  nun,  dass  die  gewöhnlichen  Wurzeln  dieses  Nerven  in  ci- 
1 “Cr  Reihe  mit  den  vorderen  Wurzeln  der  Rückenmarksuerven 


®utspringen,  dass  er  ]>ei  einigen  Säugethieren  eine  hintere  Wurzel 
**at,  dass  die  hintere  Wurzel  des  auf  ihn  folgenden  ersten  Hals- 
**crven  zuweilen  fehlt,  und  dieser  dann  ausnahmsweise  dem  N. 
t'^TJoglossus  gleicht,  vvahrend  sich  der  N.  hypoglossus  des  Och- 
dem  gewöhnlichen  Verhalten  des  ersten  Ilalsnerven  ausnahms- 
weise nähert,  so  ist  cs  unzweifelhaft,  dass  der  N.  hypoglossus 
tfotz  seinem  Durchgang  durch  eine  im  Schädel  selbst  gelegene  OefF- 
"Ung . doch  gleichsam  als  dci-  erste  Spinalnerve  zu  betrachten  ist, 
'ter  nur  noch  mehr  als  der  erste  Halsnerve  und  die  untersten 
Spinalnerven  von  den  übrigen  Spinalnerven  abweiclit. 

Nervus  vagus  cum  accessorio  JVillisii. 


Der  N.  vagus  schwillt  in  seinem  ganzen  Stamm  innerhalb 
jtps  Foramen  lacerum  in  ein  Ganglion  an;  er  verhält  sich  also 
uier  wie  eine  blosse  Empiindungswurzel ; da  er  nun  gleich 
'•ach  dem  Durchtritt  durch  das  Forarnen  lacerum  einen  Theil 
des  Nervus  accessorius  in  sich  aufnimmt,  so  liegt  es  bei  dem 
Mzigen  Zustande  der  Wissenschaft  sehr  nahe,  auzimehmen,  dass 
“‘•r  N.  vagus  durch  die  Aufnahme  eines  Theils  des  N.  accessorius 
j'^die  motorischen  Fasern  für  den  Ramus  pharyngeus  und  die  N. 
■‘^•■yngei  erhält.  Daher  haben  ArhoEd  {der  Kopßheil  des  vegeia- 
'"eu  Nervensyst.  Ileidelb.  1831.)  und  Scarpa  {de  gangliis  nervorum 
Npie  essentia  nervi  infercostalis.  Ann.  univers.  di  medicina  1831.) 
'lese  Hypothese  fast  zu  gleicher  Zeit  voi'getrageu , welche  Bi- 
•'CiiOFF  in  seiner  schätzbaren  Schrift  {nervi  accessorii  If^illisii  anato- 
ei  physiologia,  Heidelb.  1832.)  weiter  ausgeführt  und  mit 
'"^len  und  wichtigen  Gründen  gestützt  hat.  Die  Gründe,  die 
dafür  anführen  kann,  sind  folgende:  Der  N.  accessorius 
heilt  sich  unterhalb  des  Ganglion  nervi  vagi  in  einen  äussern, 
Muse,  sternocleido-niastoideus  und  cuculiaris  bestimmten  Ast, 
"••d  in  einen  Innern,  mit  dem  N.  vagus  zusammenfliessenden  Ast. 


640  III.  Buch.  Nervenphjsik.  II.  Ahschn.  Empfindungs-  u.  Betvegungsnert’. 

Aus  dem  Zusammenfluss  des  N.  vagus  und  accessorius  entsteht 
der  Ramus  pharyngeus  nervi  vagi,  aber  ein  Thcil  des  N.  acces- 
sorius setzt  sich  tieler  im  N.  vagus  verflochten  fort,  tind  Bischoff 
vermnthet,  dass  von  diesem  Antheil  auch  die  N.  laryngei,  n“' 
mentlich  der  Laryngcus  inferior,  ihre  motorischen  Fasern  haben- 
Bei  den  Vögeln  und  Amphibien  ist  der  N.  accessorius  auch  nocn 
vorhanden.  Bojanus  hatte  ihn  von  der  Schildkröte,  Serres  von 
den  Vögeln  beschrieben;  Bischoff  hat  ihn  bei  mehreren  Vögel“ 
und  Aniphlhien  ausführlicher  als  einer  seiner  Vorgänger  unter- 
sucht. Er  entspringt  bei  den  Vögeln  nicht  zwischen  den  hinte- 
ren und  vorderen  Wurzeln  der  Rückenmarksnerven,  sondern 
über  den  hinteren  Wurzeln  aus  den  hinteren  Rückenmarkssträn- 
gen, und  reicht  bis  zum  dritten  Cervicalnerven.  Aufwärts  schlies* 
sich  der  Nerve  dem  N.  vagus  an , und  schwillt  mit  den  Wurzel“ 
des  N.  vagus  in  das  Ganglion  nervi  vagl  an,  so  dass  hier  der 
Nerve  ganz  in  den  N.  vagus  übergeht,  der  dann  wieder  eine“ 
Zwe>’g  für  die  Halsmuskeln  «abgiebt,  welcher  dem  äussern  Ast 
N.  accessorius  des  Menschen  entspricht;  auch  bei  den  Amphibie“ 
geht  der  N.  accessorhis  ganz  in  den  N.  vagus  über.  Zu  diese“ 
anatomischen  Gründen  von  Bischoff  für  die  Hypothese  von  ScarF'* 
und  Arwoed  könnte  man  noch  hinzufügen,  dass  der  grösste 
Thcil  des  N.  vagus  offenbar  sensoriell  ist,  und  die  auf  dem  M“' 
gen  sich  verbreitenden  Aeste  bloss  empfindlich  seyn  können,  i“' 
dem  es  nicht  möglich  ist,  durch  Reizung  des  N.  vagus  am  Hab® 
der  Thiere  Bewegungen  des  Magens  hervorzurufen.  Unter  de“ 
directen  Experimenten  von  Bischoff  für  seine  Ansicht  ist  nur  ei- 
nes von  der  Art,  dass  sich  einigermaasen  zuverlässige  Schlüsse 
daraus  ziehen  lassen.  Er  nahm  bei  einer  Ziege  einen  Theil  fI“* 
Hinterhauptbeines  weg,  und  durcbschnitt  alle  Wurzeln  des 
accessorius  innerhalb  der  Schädelhöhle  auf  beiden  Seiten.  Scho“ 
beim  Durchschneiden  der  Wurzeln  auf  einer  Seite  bemerkte  efi 
dass  die  Stimme  des  beständig  heulenden  Thieres  heiser  wur'^f-’ 
und  dass  die  Rauhigkeit  der  Stimme  immer  mehr  zunahm,  1® 
mehr  Wurzeln  er  auch  auf  der  linken  Seite  durchschnitt.  N“““ 
Durchschncidung  aller  Wurzeln  hörte  die  Stimme  ganz  auf:  h“' 
cus  omnem  vocem  amisit  et  summissum  quendam  ac  raucissim'i'“ 
tantummodo  emisit  sonum , qui  neutiquam  vox  appellafi  pot“'  • 
Diese  letzte  Bemerkung  ist  aber  kein  absoluter  Beweis  für  “i 
Hypothese.  Diese  Experimente  müssen  leider  wiederholt  werde“! 
um  über  den  interessanten  Gegenstand  ins  Klare  zu  komme“' 
Ausserdem  muss  ebenfalls  die  von  mir  bei  den  Rückenmark*' 
nerven  angewandte  Methode  des  mechanische»  und  galvanische^^ 
Reizes  auf  die  Wurzeln  hier  versucht  werden,  um  zu  sehen, 
bei  einem  frisch  getödteten  Thier  der  mechanische  und  galva“'^ 
sehe  Reiz,  auf  den  N.  accessorius  in  der  Schädelhöhlc  »och  a^ 
plicirt , Zuckung  des  Schlundes  verursacht , und  ob  der  ’ 
vagus  unter  denselben  Umständen  nicht  auch  Zuckungen 
Schlundes  verursacht.  Ich  habe  selbst  einmal  den  Versuc 
auf  diese  Art  angestellt.  Um  so  schnell  wie  möglich  zu  die^^ 
sen  Wurzeln  zu  kommen,  wurde  an  einem  grossen  leben 
Hunde,  dem  man  vorher  den  Schlund  blossgelcgt  batte, 


2.  Sensitive  u,  motorische  Eigenschaften  der  Qehirnnerven.  64i 

'Schädel  aufgesägt,  auch  der  Bogen  des  ersten  Halswirbels  mit 
einer  Rnochenzange  weggebrochen,  darauf  das  kleine  Gehirn  abge- 
tragen, bis  man  die  Wurzeln  des  N.  vagns  und  acceisorius  vor  sich 
Wte;  diese  wurden  von  der  Mcdulla  oblongata  abgeschnitten,  und 
KUn  wurde  die  Wurzel  des  N.  vagus  sowohl  mechanisch,  als  mit 
®'nem  einfachen  galvanischen  Plattcnpaar  gereizt.  Bei  der  me- 
chanischen und  galvanischen  Reizung  des  N.  vagus  entstand  ganz 
deutlich  eine  Zusammenziehung  im  Schlunde.  Dieser  Versuch 
spricht  durchaus  gegen  die  Theorie  von  Scarpa  und  Arnold,  in- 
*^ess  bin  ich  selbst  wieder  misstrauisch  dagegen  geworden.  Denn 
Cs  kömmt  darauf  an,  dass  man  bei  dein  Reizen  der  Wurzel  des 
vagus  mit  der  grössten  Vorsicht  alle  Wurzelfäden  des  Pf. 
Slossopharyngeus  ausschlicsst.  Indessen  lässt  sich  bei  Wiederho- 
Ittng  dieser  Versuche  nach  der  von  mir  angegebenen  Methode 
bald  die  Richtigkeit  oder  Unrichtigkeit  der  Hypothese  von  Ar- 
nold und  ScARPA  entscheiden.  So  vieles  für  diese  Ansicht  aus 
den  vorher  angeführten  schätzbaren  Beobachtungen  von  Bischofp 
CUch  spricht,  so  darf  man  doch  einige  anatomische  Gründe  da- 
gegen sich  nicht  verschweigen.  Der  erste  ist  der  Ursprung  des 
accessorius  mehr  aus  dem  hintern  als  vordem  Thcile  des 
liückenmarks,  namentlich  ganz  bei  Vögeln  und  Amphibien.  Doch 
'^iirde  diess  kein  vollgültiger  Einwurf  seyn ; da,  was  von  den  Wur- 
zeln der  Rückenmarksnerven  gilt,  von  den  Rückenmarkssträngen 
durchaus  nicht  ausgemacht  ist,  überdiess  der  Pf.  accessorius  deut- 
l'cher  Muskelnerve  ist.  Ein  anderer  wichtigerer  Einwurf  gegen 
iene  Theorie  liegt  in  der  öfter  stattfindenden  Beziehung  des  Pf. 
'‘ccessorius  zu  den  hinteren  Wurzeln  der  Halsnerven.  Mayer 
®'di  einmal  ein  kleines  Ganglion  an  einem  baden  der  hinteren 
^Viirzel  des  zweiten  und  des  dritten  Halsnerven,  welches  sich 
durch  einen  Faden  mit  dem  Pf.  accessorius  verband.  Mayer  sah 
^‘Uch  zuweilen  die  hintere  Wurzel  des  ersten  Halsnerven  mit 
dem  Pf.  accessorius  in  Verbindung.  Jet.  nat.  cur.  Vol.  XVI.  p.  2. 
^uteressant  ist  besonders  der  von  mir  selbst  beobachtete  Fall,  wo 
der  N.  accessorius  ganz  allein  die  hintere  Wurzel  des  ersten 
^dulsncrven  abgab , und  sich  an  der  Abgangsstelle  dieser  Wurzel 
der  letztem  ein  Knötchen  zeigte.  Muei.ler’s  Ardüv  für  Anat. 
'"‘d  Pfiysiol.  1834.  p.  12.  Diese  Fälle  beweisen  wenigstens  sehr 
^ustimmt,  dass  der  Pf.  accessorius  kein  blosser  motorischer  Äerve  seyn 
^‘*«11,  sondern  dass  er  entweder  immer,  oder  wenigstens  zuweilen 
üuter  der  oben  angegebenen  Bedingung  Empfindungsfasern  enthält. 

V*'spriinglich  motorische  Nerven,  welche  auf  ihrem  "W ege 
^■’Upfinilungsfascrn  durch  Verbindungen  mit  anderen  Nerven 

aufnehmen. 

Xervtis  facialis. 

. Der  JV.  fiicialis  ist  der  eigentliche  Bewegungsnerve  aller  Ge- 
'"'btsmuskeln  (mit  Ausnahme  der  Kaumuskeln),  des  Muse,  occipi- 
der  Ohrmuskcln,  des  Muse,  stylohyoideus,  des  hinteren  Bau- 
’^ues  vom  Muse,  digastricus  maxillae  inf.  (der  vordere  Bauch 
'^>rd  Vom  Pf.  mylohyoideus  aus  dem  dritten  Ast  des  N.  trigemi- 
versehen).  Bei  den  Vögeln  scheint  er  sich  bloss  im  Muse,  sty- 


642  in.  Buch.  Nervenphysik.  II.  Ahschn.  Empfindungs-  u.  Becveguiigsnerf. 

loglossus  zu  verbreiten.  Nach  der  Durchschneidung  des  N.  faciaUs 
hei  Tliieren  sind  die  Gesichtsmuskeln  samint  und  sondep  g®' 
lähmt.  Die  Augenhrauncn  werden  nicht  mehr  erlichen,  die  Au 
gen  nicht  mehr  geschlossen,  die  Ohrmuskeln  sind  gelähmt,  u ^ ^ 

Schnauze  hängt  unheweglich  etc.  Diese  Versuche  sind  vu**  ^ 

ScuoEPS,  Bäcker  und  von  mir  bestätigt  worden.  Bäcker  1^®'  i 
merkte  nach  Vergiftung  mit  Nux  vomica,  dass  nach  Durchschuei 
düng  des  N.  facialis  sogleich  die  Gesichtsmuskeln  ruhig  wurcmU^ 
während  die  übrigen  Muskeln  ihre  Krämpfe  fortsetzten.  D‘ 
Versuche,  welche  "ich  über  die  Kräfte  dieses  Nerven  angestel 
habe,  sind  in  Fhoriep’s  Notizen,  648.  erzählt.  Wenn  ich  d®* 
Nervus  facialis  mit  der  Nadel  reizte  oder  mit  der  Pincet  i 

quetschte , so  entstanden  die  lebhaftesten  Zuckungen  in  d®**  , 

Muskeln  des  Gesichts,  je  nach  den  verschiedenen  Aesten,  n'C' 
che  gereizt  wurden , in  der  Schnauze , in  den  AugenliedeE^ 
Dasselbe  erfolgt , wenn  man  mit  einem  einfachen  Plattenpo 
den  Nerv,  facialis  galvanisirt.  Der  Nerv,  facialis  ist  also  motoJ*  ^ 

scher  Nerv  aller  Gesichtsmuskeln;  pathologische,  von  Bell  hco^'  | 
achtete  Fälle  bestätigen  diess.  Ein  Mann  erhielt  einen  Pistole® 
schuss,  die  Kugel  drang  in  das  Ohr  und  verletzte  den  N.  facia 
an  seinem  Ursprung.  Es  erfolgte  Verlust  der  Bewegung  des  G® 
sichts  derselben  Seite,  ohne  Verlust  der  Empfindung.  D®* 
zweite  Fall  betrifft  einen  Mann,  der  durch  das  Horn  eines  Odi" 
sen  an  dem  Austritt  des  N.  facialis  verletzt  wurde.  Die  ga®/*^  ^ 

Seite  des  Gesichts  ist  unbeweglich,  die  Augcnlieder  dieser  Seff®  i 
bleiben  offen,  der  Mundwinkel  verzogen,  der  Nasenflügel  heiin^  ti®' 
fen  Athmen  unheweglich,  die  Gesichtsmuskeln  sind  aut  dies®*.  J 
Seite  endlich  atrophisch  geworden.  Die  Sensibilität  fehlt  h®  j 
diesem  Manne  in  den  gelähmten  Thellen  nicht.  Der  N.  facia  | 
wurde  hei  der  Exstirpation  einer  Geschwulst  vor  dem  Ohre  ^® 
theilt.  Derselbe  Erfolg.  Bell  in  Magendie’s  Journal.  T.  X.  p-  '' 
Bell  hatte  geglaubt,  verschiedene  Muskeln  des  Gesichts,/^ 

B.  der  Lippen,  der  Schnauze  könnten  in  Hinsicht  der  physi®  ' 
gnomischen  Bewegungen  gelähmt  seyn,  während  die  Kauhex''® 
gungen  dieser  Muskeln  fortdauern,  und  umgekehrt,  und 
diess  davon  ah,  dass  diese  Muskeln  Aeste  vom  N.  infraorhita 
und  vom  facialis  erhielten;  allein  hier  hat  sich  Bell  durchai^ 
geirrt.  Der  N.  infraorhitalis  hat  keine  Spur  von  motorisci®^ 
Kraft,  und  die  Muskeln  sind  nach  Lähmung  des  N.  facialis  j 

jede  Art  der  Bewegung  gelähmt,  ausser  den  eigentlichen 
muskelu,  die  aber  dem  N.  facialis  überhaupt  nicht  unterxyor 
sind,  sondern  von  der  motorischen  Portio  miuor  des  N.  trig®®* 
nus  ahhängen.  ^ 

Bisher  habe  ich  bloss  den  N.  facialis  als  motorischen  N®® 
betrachtet,  als  welchen  ihn  Bell  allein  kannte,  so  dass  er 
Nerven  für  allein  motorisch  und  nicht  für  sensibel  hielt.  Di 
ist  indessen  sicher  falsch.  . . 

SenoEPS  sah  die  Section  des  N.  facialis  lieim  Kanmc  i ^ 
schmerzlos,  hei  der  Katze  aber  sehr  schmerzliaft.  Ailein^ 
muss  sich  Schoep.s  geirrt  haben,  denn  die  Durchschneidung 
N.  facialis  ist  nach  meinen  Versuchen  an  K'auinche«  über 


2,  Sensitive  u.  moiorcsclte  Eigenschaften  der  Gehtrnnerven.  64S 

schmerzliaft,  so  dass  die  Tliiero  sehr  schreien,  wenn  der  Nerre 
'i'irchschnilten  wird.  Auch  Magendie  fand  die  Section  des  N. 
^äcialis  melir  oder  minder  schmerzhaft.  Mayo  bemerkte  eine  ge- 
*'"'ge  SensihilitVit  am  N.  facialis  des  Esels,  eine  sehr  ausgezeich- 
**eto  dagegen  heim  Pferd,  Hund,  Katze.  Auch  Bacree  fand  die 
^ßctioii  bei  Katzen  durchaus  schmerzhaft.  I.  c.  p.  64.  Ehen  so 
f'SCHEiCHT.  Ob  nun  a])er  die  sensiblen  Fasern  des  N.  faciaUs 
seihst  von  seinem  Ursprung  an  eigenthümlich , oder  oh  er 
von  seinen  zahlreichen  Verbindungen  mit  dem  N.-  trigemrous 
(n'amlich  mit  dem  N.  temporalis  superficialis,  suhcutaneus  malae, 
IJI'fraorhitalis,  mentalis)  her  hat,  ist  eine  andere  Frage.  Diese 
y’age  hatte  Escuricut  zum  Vortheil  der  letztem  Ansicht  entschie- 
den. Eschricht  durchschnitt  den  N.  trigeminus  in  der  Schädel- 
eöhle ; der  W.  facialis  war  hierauf  noch  schmerzhaft.  In  einem 
*^eiten  Versuch  durchschnitt  er  den  linken  N.  trigeminus;  der 
facialis  hatte  keine  Empfindung  mehr,  während  er  auf  der 
Sesunden  Seite  noch  Empfindung  hatte.  In  einem  dritten  Ver- 
buche durchschnitt  Eschricht  den  N.  trigeminus  sinister,  und  be- 
*Uerkte  am  vorderen  Theil'  des  N.  facialis  sinister  keine  Empfin- 
dung, wohl  aber  am  hinteren  Theil  des  N.  facialis  unter  dem 
“Ussern  Gehörgang.  Hieraus  und  aus  einem  ähnlichen  Versuch 
buldoss  Eschricht,  dass  der  N.  facialis  nach  Durchschneidung  des 
trigeminus  in  seinem  vordem  Theile  unempfindlich  werde, 
’U  seinem  hintern  Theile  aber  die  Empfindung  behalte.  Dass 
ij'u  Verbindung  mehrerer  Zweige  des  N.  facialis  mit  Zweigen  des 
infraorbitalis  nicht  dem  N.  facialis  die  Empfindung  nach  riick- 
^ärts  mittheile,  beweist  ein  ganz  guter  einlächcr  Versuch  beim 
^^unde  von  Gaedechess,  der  nach  Durchschneidung  der  Aeste  des 
facialis,  die  sich  mit  demN.  infraorbitalis  verbinden,  diesen  noch 
8®nz  empfindlich  fand.  Derselbe  durchschnitt  ferner  beim  Hunde 
p'uen  ansehnlichen  Ast  des  facialis,  der  sich  mit  dem  K.  in- 
Jj'uoibitalis  verband;  dieser  Ast  war  an  dem  Stück,  welches  vom 
facialis  getrennt  war,  unempfindlich,  hatte  also  seine  Emplin- 
nicht  vom  N.  Infraorbitalis,  mit  dem  er  noch  zusammen- 
JUg;  sondern  vom  N.  facialis  selbst,  oder  von  Verbindungen  des 
1 ; facialis  mit  Aesten  des  N.  trigeminus , die  viel  weiter  nach 
‘Uten  liegen , wie  z.  B.  vom  N.  temporalis  superficialis , der  sich 
dem  N.  facialis  schon  vor  und  unter  dem  äussern'  Ohr 
'''“'findet. 

, So  viel  ist  aus  den  Versuchen  von  Eschricht  gewiss,  dass 
, N.  facialis  nicht  alle  Empfindungsfasern  vom  iV.  trigeminus 
DIess  haben  Einige  dadurch  zu  erklären  gesucht,  dass  der 
^■facialis  selbst  durch  verschiedene  Wurzeln  zweierlei  Fasern 
malte  und  unter  die  gemischten  Nerven  gehöre.  Diess  ist  Ar- 
Ansicht,  welcher  die  Portio  intermedia  Wiugbergl  an  der 
^ jU'^äl  des  N.  facialis  in  diesem  Sinne  betrachtet,  ja  sogar  die 
bedeutende  Anschwellung  am  Knie  des  N.  facialis  für  ein 
sj.j'^Slion  eines  Empfindungsnerven  nimmt,  obgleich  diese  An- 
y^'U^Unng  den  ganzen  Nerven  cinninmit.  Diese  Ansicht  ist  auch 
gj,  *'  .*scroff  wiederholt  worden,  und  in  noch  einer  in  Heidelberg 
'“hienenen  Schrift  (Gaedechehs  nervi  fa^iaUs  physiologia  et 


644  ni.  Buch.  Nervcnphysik.  II.  Abschn.  Empfindungs-  u.  Bewe§ungsncrt>. 

pathologia  1832.)  mit  so  vieler  Bestimmtheit  und  Vertrauen  vor- 
o-etragen  worden,  dass  der  Verfasser  sogar  die  Funetionen  dieser 
zwei  hypothetischen  Wurzeln  unter  besonderen  Abschnitten  ab- 
handelt.  Mit  welchem  Recht  wird  aber  die  Anschwellung  des  . 

ganzen  N,  facialis  (die  noch  kein  Ganglion  ist)  für  ein  Ganghp®  i 

einer  empfindenden  Wurzel  dieses  Nerven  angesehen  von  denje- 
nigen, welche  aus  dem  Umstand,  dass  der  N.  vagus  ganz  * 

Ganglion  anschwillt,  mit  eben  so  viel  Bestimmtheit  schliessen,  das* 
er  blosser  Empfindungsnervc  scy? 

Indessen  der  N.  facialis  besitzt  nur  eine  Art  von  Wurzeifa' 
den,  er  ist  an  seinem  Ursprünge  kein  gemischter  Neive,  sonder** 
einfach;  auch  die  Existenz  der  Portio  intermedia  beweist  hif 
gar  nichts,  und  ist  überhaupt  von  keiner  Bedeutung,  da  sie  kei" 
Ganglion  hat;  denn  wollte  man  jedes  Wnrzelbündel  eines  Nerv®** 
für  eine  Wurzel  eigener  Art  halten,  so  würde  man  dem  N. 
cessorins  mehrere,  sogar  viele  Functionen,  dem  N.  hypoglossu* 
in  vielen  Fällen  zwei,  dem  N.  olfactorius  drei  Functionen  zuthe*'  j 
len  müssen.  i 

Wir  Werden  daher  darauf  angewiesen,  anzunehmen,  dass  d® 

N.  facialis  entweder  an  seinem  Urspmnge  noch  durchaus  ei**^ 
fäch  und  bloss  motorisch  ist,  oder  dass  er  sensible  Faden  seb**** 
voiti  Gehirn  an  enthält,  ohne  eine  sensible  Wurzel  zu  hab^P* 
worin  er  dann  eine  ganz  einzige  Ausnahme  machen  würde.  P*.® 
erstere  Annahme  ist  viel  wahrscheinlicher.  Es  lässt  sich  sogar  **** 
Bestimmtheit  die  Quelle  anzeigen,  woher  der  Rest  von  Empfiu**" 
lichkeit  kommt,  welchen  der  N.  facialis  unter  dem  äussern 
hörgang  noch  hat,  selbst  dann,  wenn  der  N.  trigeminns 
Stamme  durchschnitten  worden  ist.  Diess  ist  nämlich  eine  Ve*"'  I 
blndung  eines'  Zweiges  des  N.  vagus  mit  dem  Stamme  des  N.  f®' 
cialis  im  Fallopiscllen  Kanal,  eine  Verbindung,  die  beim  Mensch«^ 
sowohl  als  hei  Thieren  vorkömmt.  Diese  merkwürdige  Ziisa*)*' 
mensetznng  des  N.  facialis,-  welche  Alles  vollkommen  erklärt, 
zuerst  von  Cwier  beim  Kalb  beschrieben  worden.  Vergl. 
übers ^ von  Meck^t..  2.  p,221.  Der  N.  vagus  gieht  nämlich  u***"® 
spitzem  M'inkel  einen  starken  Ast  durch  einen  besonderen  | 

ehenkanal  zum  N;  facialis;  dieser  Ast  geht  mit  einem  klei**®  i 
Zweig  geradezu  in  den  N.  facialis  über;  mit  der  Fortsetztt**» 
des  Astes  verbreitet  er  nsich  am  äussern  Ohr.  Dieser  nach  A» 
vold’s  Entdeckung  auch  beim  Menschen  vorkommende  Ner*'  * 
den  wir  beim  Kalb  sowohl  als  beim  Menschen  gesehen  ^ 
ist  offenbar  die  Hauptursache  der  Empfindlichkeit  des  N.  fac*** ' i 
' Neh)us  hypoglossus^  ' ■ Aie  \ 

Dieser  Nerve  gehört  heim  Ochsen,  Hund,  Schwein  unter  ^ 
geihischten  Nerven  mit  doppelten  Wurzeln,  beim  Menschen  n® 
den  übrigen  Säu^ethieren  wahrscheinlich  unter  die  in  ihren»' 

Sprung  bloss  motorischen  Nerven,  welche  in  ihrem  Verlam  * ^ 
sible  Fasern  aufhehmenj  Hauptsächlich  ist  dieser  Neri'e 
risch,  wie  aus  meinen  Versuchen  an  Kaninchen  hervorgeht,  r 
»lEp’s  iVot.  647.  Wenn  man  nämlich  den  N.  hypoglossus 
quetscht  oder  mit  einem  einfachen  Plattenpaar  galvanisirt, 
stehen  die  heftigsten  Zuckungen  in  der  ganzen  Zunge  bis  an 


2.  Sensitive  u.  motorische  Eigenschaften  der  Gehirnnerven.  645 

^pitze.  Magemdie  hat  dasselhe  €auf  eine  andere  Art  ervriesen. 
I Section  des  N.  hypoglossus  an  einem  lebenden  Thiere  para- 
'ysirte  nämlich  die  Bewegungen  der  Zunge.  Dieser  Werve  ist 
älso  die  Ursache  der  Schlingbewegungen  der  Zunge  und  der  ar- 
nculirten  SpracldscAvegungen , so  weit  sie  von  der  Zunge  ahhän- 
Seine  Wirksamkeit  dehnt  sich  aber  nicht  bloss  auf  die 
^Unge  aus,  er  ist  auch  der  Nerve  der  grossen  Kehlkopfmus- 
*'eln.  Die  Vögel  und  die  höheren  Amphibien  (Schildkröten) 
'ahen  nocli  einen  Nervus  hypoglossus.  Bei  den  Fröschen  geht 
mit  einem  Aste  des  Nervus  vaeus  zur  Zunge,  Bei  den  Fi- 
schen fehlt  er. 

, Dass  der  N.  hypoglossus  auch  Sensibilität  besitzt,  behaupten 
^ksmouliws  und  Magendie,  indem  er  gezerrt  bei  Hunden  und 
patzen  Schmerz  verursache.  Bei  Hunden  kann  diess  von  der 
äer  vorhandenen  kleinen  hintern  Wurzel  desselben  herrühren. 
, ßi  der  Ratze  hat  Mayer  diese  hintere  AVurzel  nicht  gefunden; 
•er  kann  die  Sensibilität  desselben  von  Empfindungsfasern  her- 
die  er  von  anderen  Nerven  auf  seinem  Verlaufe  auf- 
JjUamt,  wohin  die  Verbindungen  desselben  mit  dem  Ganglion  im 
^wnam  des  Nervus  vagus  und  mit  dem  ersten  Halsnerven  zu 
*^®chnen  sind. 

So  weit  gehen  die  Untersuchungen  über  die  motorischen 
sensibeln  Eigenschaften  der  Gehirnnerven.  Ehe  wir  die  Ce- 
jfhrospinalnerven  verlassen,  muss  ich  eine  Bemerkung  über  die 
^•äpfindlichkeit  der  Muskeln  machen.  Man  muss  sich  , nicht  vor- 
*^*160,  dass  diese  Theile  unempfindlioh  sind,  weil  sic/vorzugs- 
'^eiso  motorische  Fasern  erhalten;  alle  Muskeln  besitzen  einen 
§®^issen,  wenn  auch  geringen  Grad  von  Empfindlichkeit,  wo- 
, ’H’ch  ihre  Zusammenziehungen,  die  Intensität  dei'selben  und  da- 
das  Gewicht  und  der  Widerstand  der  Körper,  die  unsere 
jy®'*'egungen  in  Anspruch  nehmen,  endlich  die  Müdigkeit  der 
^ *>skeln  ziun  Bewusstaeyn  kommen.  Diese  Empfindungen  müs- 
von  einem  gewisscar  Antheil  von  Empfindiingsfasern  herrüh- 
die  in  die  Muskeln  mit  den  motorischen  Fasern  übergehen; 
'»e  eigene  Schwierigkeit  liegt  nun  in  dem  Umstand,  dass  auch 
Muskeln.  Empfindlichkeit  besitzen,  welche  bloss  motorische 
erhalten,  wie  die  Augonmuskeln,  von  deren  Nerven  uns 
•Re  Verbindungen  mit  sensibeln  Nerven  bekannt,  sind.  Jeder- 
kel***'  dass  heftige  Bewegungen  in  den  Augenmns- 

dass 


puit  dem  Gefühl  einer  unungenelimen  Sparinuog  in  d< 
kgj  pegleitet  sind.  Wenn  man  nun  auch'  annehmen  wollte,  u«,» 
I **  der  kurzen  Wurzel  (a  Ni  ■ oculomotorio),  und 

tpis;  . Wurzel  (a  N.  nasali,  Zweig  des  ersten  Astes  vom  N. 

znm  Ganglion  ciliare  nicht  bloss  Fasern  dieser  Ner- 
*®rn**'  Cüiarnerven  übergehen,  sondern  auch  Empfmdungsfa- 
der  langen  Wurzel  des  Ganglion  ciliare  in  die  kurze 
iiUjj  untern  Ast  des  N.  ocnlomotorius,  und  rückwärts 

würde  man  doch  noch  keine  Em- 
trochlearis  und  ahducens  haben.  Man 
daher  annehmen,  dass  es  noch  feinere^  noch,  unbekannte 
•ödungen  der  drei  Muskelnerven  der  Augenhöhle  mit  dem 


G46  in.  Buch.  Neruenphysik.  IJ.Ahschn.  Empfindlings-  u.Bewegungsnen’- 

ersten  Ast  des  N.  trigeminus  gebe  (wie  ieli  einmal  eine  solch® 
gani  feine  Verbindung  zwischen  dem  ersten  Ast  des  N.  tngemi" 
nus  nnd  N.  trochlearis  fand),  oder  dass  diese  Nerven  trotz  dein? 
dass  sie  nur  eine  einfache  ganglienlose  Wurzel  haben,  doch  ei^ 
nigc  Empfindungsfasera  vom  Gehirn  her  schon  enthalten.  Di®*^ 
Nerven  verdienen  bei  dem  jetzigen  Zustande  unserer  Wis*®® 
schall  eine  grosse  Aufmerksamkeit. 

III.  Capitel.  Von  den  Eigenschaften  des  Nervus 
sympathicus. 

Die  Kenntniss  der  verschiedenen  Kräfte  des  N.  Sympathie*' 
lässt  sich  in  folgende  Sätze  zusammenfassen. 

4)  Der  nerms  sympathicus  hat  Empfindung. 


— ,j  .■  Einige  Beoback' 

ter  haben  diesem  Nerven  die  Fähigkeit,  Empfindungseindrücke  * ^ 
leiten,  abgesprochen.  Bichat  hat  das  Ganglion  coeliacum 
Hundes  mechanisch  nnd  chemisch  gereizt,  ohne  Schmerz  zu  ® 
regen.  Dupur  schnitt  den  Thieren  das  Ganglion  cervicale  in*  ' 
rius,  ohne  dass  sie  Schmerz  empfanden,  aus.  Auch  WuT* 
konnte  an  den  Lendenknoten  eines  Hundes  keinen  Schmerz  ® 
regen.  De  gangl.  fahrica.  Berol.  1817.  Damit  stimmen  auch  ® 
Beobachtungen  von  Magehdie  und  Lobsteib  überein.  Dageg®'^ 
hat  Floureks  bei  solchen  Versuchen  immer  mehr  oder  ‘'venig  . 
deutliche  Zeichen  des  Schmerzes  beobachtet.  Versuche  über 
Nervensystem,  p.  ISI.  Brächet  sah  bei  seinen  Vei’suchen  h‘* 

bald  nicht.  Recherches  sur  les  joncH^ 


Schmerzensänsserungen , 

du  syst,  nerveux  ganglionaire.  Paris  1830.  p.  307,  Auch  Mater 
beobachtet, 

Supremum, 


lis* 

le 


eilt- 


so»' 

eJ" 


dass  beim  Durchschneiden  des  Ganglion  cervi®*^ 
wie  bei  Reizung  des  Plexus  solaris,  die  Tin®* 
deutliche  Schmerzensäusserungen  von  sich  gaben.  Act.  nat 
XVI.  p.  2.  Diesen  letzteren  Naturforschern  muss  ich  nach 
nen  Beobachtungen  durchaus  beistimmen.  Ich  sah  nicht 
mehrmals  bei  meebaniseher  und  chemischer  Reizung  des  Gang® 
eoeliacura  bei  Kaninchen  deutliche  Zeichen  des  Schmerzes, 
dem  habe  auch  bei  den  mit  Dr.  Peipebs  angesteüten,  p.  566 
wähnten  Versuchen  beim  Unterbinden  der  Nierennerven 
ganz  deutliche  Zeichen  eines  lebhaften  Schmerzes  bcobacn.^j^ 
Man  begreift  nicht,  wie  verdienstvolle  Männer,  wie  noch  n®** 
Arnold,*  dem  N.  sympathicus  die  F.'diigkeit,  Empfindungen 
Bewusstseyn  zu  bringen;  absprechen  konnten,  da  doch  die  k®** 
haften  Empfindungen  der  von  diesem  Nerven  versehenen 
weide  zu  sehr  den  [Beweis  des  Gegentheils  führen.  Ich 
E.  H.  Weder  vollkommen  beistimmen,  wenn  er  sagt  : ich  » 
Thcils  halte  die  alltäglichen  Beobachtungen  über  die  Schm® 
in  diesen  Theilen,  welche  unempfindlich  seyn  sollen, 
achtenswerther  als  jene  Experimente.  Hildebrasdt’s 
mie.  3.  355.  Gleichxvohl  sind  die  Empfindungen  in 
Nervus  sympathicus  versehenen  Theilen  ungleich  *‘***^“ 
und  dunkler  als  in  allen  anderen  Theilen;  denn  ivu  jjii 

den  selten  die  sehr  kalt  oder  heiss  genossenen  bpeis® 


617 


3.  Eigenschaften  des  Nermis  sympathicus. 

^agen,  oder  elaen  so  wenig  bringen  heftige  Reize  d:er  äussern 
Haut,  wie  Senf,  Meerrettig  etc.,  in  diesen  Tlieilen  Empfindungen 
fiervor,  und  nur  sehr  heftige  Eindrücke  können  die  ganze  Em- 
Pfindungskrart  dieser  Theile  so  stark,  wie  in  anderen  Organen 
«'»fregen,  was  man  durcli  die  Reil’scIic  Hypothese  erklärt  hat, 
dass  die  Ganglien  des  N.  sympathicus  die  Natur  einc.s  Halbleiters 
‘>abeu,  gewöhnlich  die  Leitung  schwächerer  Eindrücke  verhin- 
dern, und  nur  bei  grosser  Intensität  der  Reizung  die  Leitun" 
*ulassen.  Obgleich  diese  Ansicht  sich  nicht  streng  beweisen  lass” 
*0  scheint  doch  eine  Beobachtung  von  Bkachet  { a.  a.  O.  p.  307. ) 
dafür  zu  sprechen.  Brächet  will  nämlich  an  einem  lebenden 
Schaf  die  Ganglia  thoracica  des  N.  sympathicus  gereizt  haben. 

durchschnitt  die  Rippenknorpel  der  rechten  Seite,  ziemlich 
®ahe  am  Brustbein,  hielt  die  LuJige  gegen  das  Sternum  und  er- 
nannte nun  die  Ganglia  thoracica  des  N.  sympathicus  zu  den 
Seiten  der  AAirbelsäule.  Brächet  beobachtete  keine  Schmerzens- 
reichen, wenn  ^ er  die  Ganglien  des  N.  sympathicus  oder  den 
Hrenzstrang  zwischen  diesen  Ganglien  stach;  als  er  aber  einen 
^amus  communicans  des  N.  sympathicus  mit  einem  Spinalnerven 
•■eizte,  entstanden  deutliche  Schinerzenszeichen,  was  er  in  wie- 
derholten Versuchen  wiedersah.  Auch  beobachtete  derselbe  dass 
^»anglien,  welche  anfangs  unempfindlich  schienen,  durch  öftere 
Reiziing  empfindlich  wurden. 

2)  Der  Neri>us  sympathicus  besitzt  motorischen,  aber  unmiUkühr- 
‘‘chen  Einfluss  auf  die  von  ihm  versehenen  Theile.  Da  die  Zusam- 
men zichung.sk  raft  der  Muskeln,  wie  aus  meinen  und  Sticker’s 
''ersuchen  hervorgeht,  von  ihrer  Wechselwirkung  mit  den  Ner- 
ven abhäi|gt,  einige  Zeit  nach  der  Durchschncidung  ihrer  Ner- 
ven, wenn  diese  unverheilt  sind,  so  gut  wie  die  Nervenreizbar- 
vergeht,  so  folgt,  dass  auch  die  Zusammenziehungen  der  un- 
^''dlhührlichen  Muskeln  unter  der  Herrschaft  der  Nerven  stehen 
messen,  und  nicht  wie  Haller  glaubte,  ihnen  als  Muskel  selbst 
msen  sind.  Wir  besitzen  auch  einige  directe  Beweise  vom  moto- 
^'schen  Einfluss  des  N.  sympathicus  auf  die  Muskeln.  A.  v.  Hum- 
j^oldt  hat  durch  Galvanisiren  der  N.  cardiaci  bei  Säugethieren 
ewegungen  des  Herzens  hervorgei-ufen.  Da  die.se  Versuche 
mit  dem  einfachen  galvanischen  Reize  angestellt  waren,  so 
äben  dieselben  allerdings  einen  hohen  Werth.  Auch  Bur- 
Verstärkung  des  Herzschlages  eines  getödteten  Kanin- 
. als  er  das  Halsstück  des  .sympathischen  Nerven  oder  das 

Halsganglion  armirte.  Physiol.  4.  464.  Ebendersellje  hat 
Sc/  getödteten  Kaninchen  durch  Betupfen  des  sympathi- 

Nerven  mit  caustischem  Kali  oder  ätzendem  Ammonium 
Herzschlag  wieder  beschleunigt,  was  mir  nicht  gelingen  wollte, 
sah , als  er  das  zweite  Ganglion  lurnbare,  das  durch  un- 
8tes  Glas  isolirt  war,  durch  die  Pole  einer  Säule  armirte, 
i’heile  des  Unterleibes  und  selbst  die  Schenkelmuskeln 
^eile  in  Zittern  gerathen  (a.  a.  O.  ]).  127.),  und  ich  selbst 
das’  • N.  splanchnicus  eines  Kaninchens  durchschnitt, 

*>er  Dai-mkanal  verbundene  Stück  auf  ei- 

a.splatte  isolirte,  und  mit  einer  Säule  von  65  Plattenpaaren 
äHer’s  rijvsjüjogic. 


048  UI-  Uarli.Nen’cttjjhysik.  II.  ALtrlm.  Enipfiuduni^s-  u.  Bewegungsnet  <■’. 

armirte,  die  peristaltlsclien  Bewegungen  des  ganzen  Darms  leb- 
hafter werden,  und  als  sic  schon  aulgchört  hallen,  sich  wieder  ci- 

ncuern.  . . • 

Die  letzten  Versuche  von  Wtjtzer  und  nur  beweisen  ^ 
fTcntlich  nicht  viel  und  sind  fehlerhaft,  weil  die  galvanische  Actiou 
zu  stark  war;  in  diesem  Iftill  kann  das  galvanische  Fluidm» 
durch  einen  Nerven  als  durch  einen  blossen  nassen  Leiter  bis  z« 
dem  beweglichen  Thcile,  dem  Darm,  fortgepflanzt  werden,  und 
es  ist  eben  so  gut,  als  wenn  man  den  Darm  seOist  galvanisu 
hätte.  In  Wutzek’s  Fall  sprang  sogar  das  galvanische  FluidunV 
nicht  das  Nervenprincip,  auf  die  Schenkelnerven  oder  den  Plexus 

lumhalis  und  sacralis  über.  ^ r-.  n 

3)  Der  Neruus  syrnpalhicus  besitzt  organischen  Einfluss;  er  tiC' 
herrscht  die  Erru'ihrung  und  Jbsonderung.  Alle  Blutgefässe  werden 
von  Zweigclchen  des  N.  sympatlilcus  verfolgt;  diese  Zweige  niüs' 
sen  einen  wichtigen  Einfluss  auf  den  Stofiwechsel  haben.  Gleich' 
wohl  besitzen  wir  nur  einige  directe  Erfahrungen  über  diesen 
Einfluss.  Petit  beobachtete  nach  Durchschneidung  des  N.  sym- 
pathicus  am  Halse  ein  Trübwerden  der  Augen,  was  nach  v.  PoM' 
mer’s  Versuchen  keine  wesentliche  Erscheinung  ist.  Dagegen 
sahen  Dupuy,  Dupuytren  und  Bresciiet  hei  Pferden,.  Tleiicn  sie 
den  obersten  Ilalskiioten  weggenommen,  Augeneiitzündung,  gäiiZ' 
liehe  Abmagerung  und  Hautwassersucht  an  den  Extremitäten» 
und  einen  allgemeinen  Hautausschlag  {Journal  de  med.  T,  37.) 
und  Mayer  sali  nach  Unterbindung  des  N.  syrnpatliicus  zuweilen 
eine  heftige  Augenentzündung  entstehen.  Mau  kann  hieher  auch 
die  p.  566.  angeführten  Beobachtungen  von  Peipers  und  mir  rech' 
nen,  wo  nach  Unterbindung  der  Nierennerven  in  der  Regel  alle 
Absonderung  aufhörle  und'  die  Niere  erweichte.  Diese  Thid' 
Sache  ist  hier  um  so  wichtiger,  als  man  hei  Unterbindung  de» 
N.  renales  den  einzigen  Fall  hat,  die  sämmtlichen  Nerven  eines 
Organes  wegzunehmen,  während  sonst  die  Durchsebneiduug  ei 
nes  Nerven  nur  einen  Theil  des  Nerveneinflusses  aufheht,  inde»* 
die  mit  den  Blutgefässen  zu  einem  Thelle  hingehenden  Nerv®'' 
noch  unversehrt  sind.  Ob  die  Cerebrospinalnerven  auch  eineä 
organischen  Einfluss  auf  die  Ernährung  der  Theile  ausüben  kc>ii' 
neu,  ist  noch  unbekannt.  Die  hiefür  autzufülirenden  Thatsachc 
(siehe  oben  p.  355.  451.)  lassen  sieh  auch  so  erklären,  dass  di - 
Cercbrosplnalnerven  auch  organische  Fasern  vom  N.  s^npptliicu 
enthalten,  was  wenigstens  von  einigen  ganz  gewiss  ist.  ^ 

Es  entsteht  nun  die  Frage,  ob  in  dem  N.  syinpathicus 
einerlei  Art  Fäden  enthalten  sind,  und  oh  diese  zur  ErnähruUci 
Emplindung  und  Bewegung  gleich  tauglich  sind,  indem  sic 
pflndungsactloucn  erregen , insofern  sie  auf  das  Gehirn 
keil,  Ernährungsactionen  und  Bewegungsaetlonen,  insofern  sie 
peripherischer  Richtung  thätig  sind.  Dless  ist  an  sich  schon 
wahrscheinlich.  Es  würde  dann  nämlich  jede  Reizung  der 
sonderurig  im  Darmkanal  auch  mit  vcririehrter  Bewegung, 
vermehrte  Bewegung  mit  vermehrter  Absonderung  verbun 
seyn.  Es  wird  daraus  schon  vorläufig  wahrscheinlich,  dass  au 
im  N.  sympathicus  Empfindungs-  und  Bewegungsüisern  entlia 


3.  Eigr.nschafien  des  Nen>us  sympathicus.  ß.|y 

ja  dass  er  sogar  noch  eine  dritte  Art,  nämlich  organische 
hasern  zur  Regulirung  der  chemischen  Processe  enthärt.  Um 
diese  Frage  genauer  zu  beantworten,  müssen  wir  den  Zusammen- 
hang des  N.  sympatliicus  mit  den  Emplindungs-  und  Bewegungs- 
i'erven  genauer  erwägen. 

Der  iXerv.  sympatliicus  nimmt  Nervenfasern  und  wahre  Wur- 
zeln von  allen  Rückenmarksnerven  und  von  einem  Theile  der 
llirnnervcn  auf.  Nimmt  man  die  drei  grossen  Sinnesnerven,  den 
N.  oÜäctorius,  opticus,  acusticus,  die  man  als  Fortsätze  des  Ge- 
driis  betrachten  kann,  aus,  so  gieht  cs  vielleicht  keinen  einzigen 
Nerven,  mit  -welchem  der  N.  sympatliicus  nicht  in  Verbindung 
stände,  und  wenn  die  Verbindung  mit  zwei  Augenmuskelnerven 
I üoeh  nicht  bekannt  sind,  so  ist  es  doch  nicht  wahrscheinlich, 
dass  sie  hier  fehlt.  Pau/.i  will  eine  Verbindung  des  N.  sympa- 
mit  dem  N.  trochlearis  gefunden  haben  ( Muklleii’s  Archiv 
i iw  Anal,  und  Physiol.  ±HU.  p.  191.);  mittelbar,  nämlich  durch 
das  Ganglion  ciliare,  steht  wenigstens  auch  der  N.  oculomotorius 
•äit  dem  N.  sympatliicus  in  Verbindung.  Verschmelzende  Ver- 
hindungen  des  N.  sympatliicus  mit  den  grossen  Sinnesnerven 
halte  ich  nicht  für  erwiesen.  Die  von  Tiedemann  beobachteten 
sympathischen  Fäden  an  der  Arteria  centralis  retinae  (vergl.  oben 
P- 335.)  können  nicht  als  Verbindungen  mit  der  Retina  betrachtet 
^erden,  sondern  begleiten  hier  wie  sonst  die  Blutgefässe,  und 
hegen  bloss  der  Retina  sehr  nahe. 

Die  Frage,  was  man  als  Wurzeln  des  N.  synipathicus  und 
'^as  als  Verbindungen  desselben  zu  betrachten  habe,  ist  schwie- 
*"*8  zu  lösen;  aber  wir  stehen,  bei  dem  jetzigen  Zustande  der  mi- 
'^roscopischen  Anatomie  der  Nervenverbindungen,  der  Lösung 
'dieser  Frage  näher  als  jemals.  Man  kann  mit  der  grössten  Wahr- 
scheinlichkeit alle  Verbindungen  des  N.  sympatliicus  mit  den 
^iiekenmarksnerven  hei  ihrem  Austritt  aus  dem  Rnckgrath  als 
'N'ui  zeln  des  N.  sympatliicus  ansehen ; ^iess  sind  nämlich  keine 
fahren  Verbindungen,  sondern  es  geht  hier  ein  Theil  der  vom 
liickenmark  kommenden  Fasern  der  Rückenmarksnerven  in  den 
sympatliicus  über;  diese  Fasern  haben  eigentlich  gar  keine 
Czieüung  zum  Rückenmarksnerven,  sondern  es  ist  die  sogenannte 
’h'Urzel  eines  Rückenmarksnerven  vielmehr  die  gemeinsame  Wur- 
dieses  Nerven  und  des  Nervus  sympatliicus ; man  kann 
®'ch  davon  bald  durch  Untersuchung  einer  solchen  Stelle  über- 
j®ägen , indem  man  sieht , dass  der  grösste  Theil  der  Fasern 
sogenannten  Ramus  communicans  nervi  sympathici  Fortsetzun- 
sind  der  in  der  Wurzel  des  Rückenmarksnerven  schon  ent- 
^ altenen  Fasern.  Von  den-  Verbindungen  des  Nerv,  sympatliicus 
!'■  den  Gehirnnerven  sind  noich  so  wenige  untersucht,  dass 
so  gut  wie  kein  Material  zur  Entsclieidung  jener 
'»ge  vorhanden  zu  seyn  scheint:  was  nämlich  Wurzel' des  N. 
jjj’^'PMhicus , und  was  blosse  Verbindung  mit  den  Gehirnnerven 
Vy  Unter  denjenigen  Nerven,  w'elche  ganz  oder  zum  Theil 
«den  vom  Gehirn  zu  dem  N.  synipathicus  leiten,  schei- 
vorzüglich  der  N.  abducens,  trigeminus,  vagus,  hypoglos- 
( vielleicht  auch  glossopharyngeus)  zu  nennen;  obgleich  ich 

42* 


650  TU.  Buch.  Nerpenphysik.  II.  Ahschi.  Empfindungs-  u.  Be<vegungsnerp. 

gestehe,  <lass  liier  mlcroscopisclie  XJntersucliungcn  weiter  anf,e 

stellt  werden  müssen.  , , • w„r.7rln 

Wuu  fragt  sich,  oh  der  N.  sympathicus  durcli  seine  Wur/.ei 

7Aie1eich  motorisclie  und  sensible  Fäden  vom  Rückenmai;k  un 
Gehirn  erhalte.  Nach  Scakpa’s  und  Wutzeh’s  früheren  Gntci- 
suchniigen  verbindet  sich  der  N.  sympathicus  mit  jeder- der  ^ 
den  Wurzeln  der  Rückenmarksnerven,  und  erhielte  also  na 
den  oben  mitgethcilten  Ansichten  sowohl  motorische  als  sensim^ 
Fasern  wie  er  nach  den  von  ihm  beherrschten  Functionen  nei 
Eingeweide  haben  muss.  Die  Empfindlichkeit  ist  zwar  in  ei 
voni  N.  sympathicus  versehenen  Organen  nicht  sehr  stark,  al) 
entschieden  vorhanden,  nur  dunkel  und  in  Hinsicht  , des  Or  " 
nicht  deutlich  und  umschrieben,  kann  aber  in  Krankheiten  cb 
so  lebhaft  und  bestimmt  werden,  als  in  allen  anderen  Thcilen- 
Die  vom  N.  sympatliicus  verselicncn  Eingeweide  sind  übrige*^ 
nur  unwillkührlich  beweglich.  Dieser  letztere  Umstand  ha 
ScARPA  in  der  neuern  Zeit  verleitet,  dem  N.  sympathicus  allen 
motorischen  Einfluss  abziisprechen,  und  die  Ursache  der  ReWC' 
gungen  der  unwillkührlich  lieweglichen  Theilc , allem  in  cW' 
Li^Theilen  selbst  zu  suchen.  Diese  Ansicht  gründete  sich  be- 
sonders auch  auf  neue  Beobachtungen  von  ihm  über  den  Ui- 
spriing  des  N.  sympathicus,  welchen  ci'  bloss  von  den  hintere 
Wurzeln  der  Rückenraarksnerven  ableitet.  Scarpa  de  gangu^ 
neivorum  deque  essentia  nend  sympaihici,  am.  unw.  de  medicinH- 
1831.  Dieser  grosse  Anatom  hat  ein  Beispiel  gegeben,  wie  man 
im  Alter  nicht  gegen  die  Fortschritte  der  Wissenschaft  einge- 
nommen seyn  sollte  (Einige  antiquiren  sich  schon  vor  dem  Alterb 
Scarpa  hat*  gerade  in  seiner  letzten  Schrift  den  lebendigsten  Anthei 
an  der  grossen  Umgestaltung  der  Ncrvcnphysiologie  gezeigt;  abe 
in  Hinsicht  jener  Behaiqitüng  von  dem  Ursprung  der  Rucken- 
marksnerven  hatte  ihn  die  Schärfe  seiner  Sinne  verjassen.  Un- 
tersuchungen von  mir  (Meck.ei.’.s  Archiv.  1832.  p.  85.),  RETZit 
(cbeiid.  p.  260.),  Mayer  (Noo.  act.  XVI.  p.  2.)  und  Wutzer  (MtJEi'' 
JiEr’s  1834.  305.)  haben  nämlich  erwiesen,  dass  die 

here  Darstellung  von  Wutzer  über  den  Ursprung  des  N.  syn^' 
pathieus  von  lieiderlei  Wurzeln  der  Rückenmarksnerven  die  gan 
richtige  war.  Mater  hat  sogar  die  dem  N.  sympathicus  angeb  ' 
renden  Fasern  an  den  Wurzeln  der  Riiekenmarksnerven  bis  z« 
Rückenmark  selbst  verfolgt.  Der  N.  sympathicus  entliält  a 
motorische  und  sensible  taserii.  Obgleich  in  diesem  Nerven 
stem  eine  grosse  Verwirrung  der  Fasern  herrscht,  so  ist  es  t , 
nicht  sehr  wahrscheinlich,  dass  gerade  diese  motorischen 
sensibeln  Fäden  während  ihres  Verlaufes  sich  unter  einan 
verbinden  sollten,  es  ist  vielmehr  A’or  der  Hand  wahrschelnhc  i^^^ 
dass  diese  scheinbare  Verwirrung  nur  eine  complicirtere 
flechtiing  der  Primitivfasern  ist.  „ 

Aber  es  entsteht  nun  die  wichtige  Frage,  ob  eine  Gat 
dieser  Fäden,  oder  beide,  auch  R.egulatorcn  der  ErnVdirung  si 
welche  der  N.  sympathicus  olfenbar  in  den  von  ihm  verseb 
Organe  und  vielleicht  in  allen  Theilen  beherrscht,  oder  o 
besondere  organische  Nervenfäden  im  N.  sympathicus  ausser 


3.  Eigenschaften  des  Neivus  sympathicus. 

Jiiolorisclien  und  sensiljeln  Fäden  £;icLt.  Ohgleicb  diess  jetzt 
noch  nicht  delinitiv  hcjaht  werden  kann,  so  ist  es  doch  walir- 
scheinlich,  denn  die  sympatlüscben  Nerven  zelclincn  sieli  durch 
ihre  graue  Farbe  aus;  glcichwolil  ist  der  Grenzstrang  des  N.  sym- 
Pathiens  nocli  etwas  weisslich  und  ist  jedenfalls  nicht  so  grau  als 
nie  grauen  Fäden  aus  den  Ahdominalganglien.  Es  scheiiit  daher 
nls  bestände  der  ]\.  sympathicus  aus  motorischen  und  sensiblen 
rasern,  zu  welchen  noch  eine  andere  Art  von  Fasern  von  grauer 
Farbe,  organische  Fasern,  hinzugekommeu  wären.  Dieser  Unter- 
schied von  verschiedenen  Fasern  im  N.  sympathicus  wird  auch 
deswegen  wahrscheinlich,  weil  so  wie  der  Neivus  sympathi- 
ciis  motorische  und  sensible  Fasern  zu  enthalten  scheint,  so 
^uch  die  Cerelu’al-  und  Spinalnerven  (einige  wenigstens  ganz 
deutlich)  graue  organische  Fasern  vom  N.  svm])athici>s  eingeweht 
enthalten.  Man  wird  unwillkiihrlich  zu  dieser  Ansicht  hingetrie- 
oen,  wenn  man  die  merksvürdigen  und  nicht  genug  zu  heachten- 
den  Beobachtungen  von  Retzius  (/j/j  1827.)  ül>er\lie  im  N.  tri- 
gcminus  des  Pferdes,  namentlich  im  zweiten  Ast  vom  Ganglion 
sphenopalatinum  aus  entliaUenen  grauen  sympathischen  Fasern 
kennt,  graue  Fasern,  welche  sich  ganz  deutlich  unterscheiden 
lassen,  graue  Knötchen  innerhalb  des  Nervenstammes  bilden,  und 
Sich  sowohl  über  den  zweiten  Ast  hin  und  in  demselben  bis  in 
die  Nervi  nasales  und  die  Nasenschleimhaut,  als  auch  nach  aut- 
'värts  bis  in  die  Orbita  und  zum  Ganglion  ciliare  verfolgen  las- 
sen. Ich  habe  die  von  Retzius  beobachteten  gangliÖscii  Nerven 
keim  Ochsen  aufgesucht,  wo  sie  leicht  zu  fimlen  sind  und  auf 
der  innern  Seite  des  zweiten  Astes  mehrere  kleine  Ganglien  bil- 
den, die  mit  dem  Ganglion  sphenopalatinum  und  dem  N.  vidia- 
äus  Zusammenhängen,  und  zu  den  zur  Nase  und  zum  Gaumen 
Rehenden  Nerven  vorzüglich  gehören.  Beim  Ochsen  gielit  der 
ilamus  profundus  nervi  vidiani,  deutlich  vom  N.  sympathfciis  kom- 
'äetid,  sowohl  Fasern  zum  Ganglion  sphenojialatinum,  als  viele  fort- 
•äufende  Zweige  in  die  Nasen-  und  Gaumennerven  selbst,  und  hier 
*^iinn  man  deutlich  sehen,  dass  dieser  Nerve  nicht  vom  N.  trige- 
*®inus  entsprängt,  sondern  als  ein  organischer  Nerve  vom  Nerv, 
^tnpathicus  kömmt  und  sich  mit  seinen  Fasern  in  peripherischer 
Verbreitung  den  Zweigen  des  zweiten  Astes  anschliesst.  Diess 
’^t  hier  so  deutlich,  dass  gar  kein  Zweifel  dai'über  seyn  kann, 
leser  Neiwe  ist  überdiess  gnmlieh;  er  ist  also  keine  Wurzel  des 

• sympathicus,  die  mit  dpm  N.  trigeminus  vom  Gehirn  ab 
^nd  vom  Ganglion  sphenopalatinum  aus  zum  N.  sympathicus 
Singe,  sondern  es  ist  ein  Fascikel  organischer  Nervenfasern  vorn 

• sympathicus,  und  zur  peripherischen  Einmischung  in  den  zwei- 
en A.st  des  N.  trigeminus  bestimmt.  AanoLD  hält  den  Ramus 
jäperficialis  nervi  vidiani,  der  ein  besonderer  Nerve  und  nicht 

osser  Ast  ist,  für  einen  wirklichen  Abgang  vom  zweiten  Ast  des 
^ • trigeminus  und  eine  Beimischung  zum  N.  facialis.  Beim  Och- 
sieht  man  auch  leicht,  dass  sich  auch'  organische  Fasern  in 
en  ersten  Ast  des  N.  trigeminus  einmischen , nämlich  von  dem- 
^cnige,,  Theil  des  N.  sympathicus,  der  sich  mit  dem  N.  ahducens 
rbindet.  Dieser  Theil  schickt  auch  ein  ganzes  dickes  Fascikel 


(15  J III.  Uiu  h.  Neroeiiphrstk.  III.  Alschn.  Mechanik  d.  Nereenprinrips. 

or"anisclier  Fasern  unterhalb  des  Ganglion  Gasseri  in  den  zweiten  Ast. 
ÜCTllanius  buccinatorins  vom  dritten  Ast  desN.  tri^emin.  erhalt  beim 
Ochsenein  ganzes  Fascikel  grauer  organischer  Fasern  vom  Ganghon 
oticum.  AVenn  sich  diese  vorläufig  bloss  llieoretisclien  Ansicliten 
bestätigen  sollten,  so  dürfte  man  den  N.  sympathieus  nicht  me  n 
als  ein  den  Eingeweiden  und  unwillkührUch  beweglichen  Theihm 
bloss  bestimmtes  System  betrachten,  sondern  man  müsste  annei 
men,  dass  die  grauen  Fasern  des  N.  sympathicus  eben  so  in  dm 
übrigen  oder  Cerebrospinalnerven  eingreifen,  und  zur  ErnährunS 
auch  der  von  ihnen  versehenen  Theile  bestimmt  sind,  als  der  ?«• 
sympathicus  hinwieder  auch  motorische  und  sensible  Fasern  d^ 
Cerebrospinalsystems  zu  den  Eingeweiden  hinleitet.  Vorläufig 
kann  man  sich  an  die  oben  erwähnten  Beispiele  halten,  dass 
nämlich  zu  der  Nasenschleimhaut  sensitive  Fasern  vom  zweiten 
Ast  des  N.  trigeminns  und  die  von  Retzius  beobachteten  organi 
sehen  Fasern  hingchen,  und  an  den  Ciliarneryen  vom  Ganglion 
ciliare  hat  man  sogar  ein  Beispiel  von  Association  von  sensitiven 
Fasern  des  N.  trigeminns  (radix  longa  a nervo  nasali),  von  moto- 
rischen Fasern  (radix  brevis  a nervo  oculomotorlo)  und  von  or- 
ganischen Fasern  vom  N.  sympathicus.  AVahrscheinhch  würde 
man  die  ILnolcn  des  N.  sympathicus  als  dem  organischen  Ihei 
dieses  Nerven  vorzugsweise  aiigehörend  betrachten  müssen.  Vei- 
gleicht  man  mit  diesen  Ansichten  EaaENBERG’s  Beobaehlungen, 
dass  in  den  Ganglien  des  N.  sympathicus  innerhalb  der  graue» 
Masse  varicöse  Hirnnervenröhren  neben  einfacheii  cyliiidrische» 
Nervenfäden  durch  einander  liegen,  so  erhält  die  eben  vorgc 
tragene  Ansicht  noch  einige  Wahrscheinlichkeit  mehr.  VVeitei 
kann  man  vor  der  Hand  nicht  gehen.  Ueber  diesen  Gcgenstaii' 
hat  ein  neuerer  talentvoller  vSehriftsteller  v.vn  Deen  {dt;  difjere.idi 
ei  nexu  intcr  neruos  vitae  atümalis  et  orgaiucae.  Lugd.  Bat.  183 
ausführlicher  gehandelt. 


J]J.  Ahschnilt.  Von  <lcr  Mechanik  ties 
Nervcnprinclps. 

(Nacli  eigenen  Untersuchungen.) 

Unter  Mechanik  des  Nervenprincips  versteht  man  hier  ‘j“*' 
selbe,  was  unter  Mechanik  des  Lichts  in  der  Physik  verstanden  Wir(^^ 
nämlich  die  Gesetze,  nach  welchen  die  Leitung  der  Wirkung  ’ 
den  Nerven  erfolgt,  oder  die  Lelire  von  der  Bewegung  des  t ® 
venprincips.  Ob  bei  der  Wirkung  der  Nerven  von  einer 
zur  andern  mit  nnraessbarer  Geschwindigkeit  eine  impondei_-^^ 
ble  Materie  den  Nerven  durchströme,  und  in  dem 
tenen  Nerven  selbst  durch  Reiz  entladen  den  Nerven 
ströme,  oder  oh  die  Wirkung  des  Nervenprincips  bloss  e» 


Schnelligkeit  der  Nercenwirkung. 


653 


Vom  Geliirn  oilor  tlurcli  oinen  Ilfeiz  im  Norvcn  crrcj^te  Os- 
cillution,  Sclnvinciung  tles  schon  diirin  vorhandenen  imponclc'raheln 
Jveryenprincips  ist,  ist  jetzt  noch  ungcAviss , nntl  eben  So 
Wenig  ganz  bestimmt  zn  beantworten  als  dieselbe  Frage  von 
dem  Lichte,  ob  nämlich  die  J'iinanalions-  oder  LTndidalionstheo- 
vic  lichtig  sev.  IJie  Gewissheit  darüber  ist  vor  der  Hand  für  das 
Studium  der  Mechanik  des  JVcrvonjirincips  eben  so  wenig  nöthig, 
«Is  die  Erkenntniss  der  Mechanik  des  Lichtes  bei  d(Sr  Reflexion’ 
Refraction  u.  s.  w.  von  der  Entscheidung  der  Richtigkeit  einer 
|encr  beiden  Theorien  abhängig  war.  AVir  wcrd(‘n  übrigens  dicsb 
vragc  im  vierten  Capitcl  dieses  Abschnittes  unterziehen.  ' 

Bei  der  Ycrgleichimg  der  vedsctiicdencn  Thcile  des  Nerven- 
systems zeigen  sich  Conductoren  und  Motoren  des  Nei’venprincips. 
Bie  Conductoren  sind  die  Nerven,  die  Motoren  die  Ccntralor- 
üane.  Dii;  Nerven  zeigen  sich  indess  nicht  als  Idosse  Cönducto- 
len,  sic  sind  vom  Gehirn  getrennt,  in  der  ersten  Zeit  immer 
"och  Motoren  und  Conductoren  zugleich,  intlcrn  Reize  änf  sie 
«ngcAvandt  sie  t.ur  Böweguiig  der  Muskeln  crnigCn;  allmählig 
«lier  verlieren  sie,  vom  Gehirn  gcifi-ennt,  die  Fähigkeit,  Motoren 
soxvohl  als  Conductoren  des  Nci'venprinCips  zu  seyn.  Stellt  man 
^•cli  den  Nerven  als  Conductor  vor,  so  kann  man  sich  die  Lei- 
tung auch  xvieder  wie  die  AVirkung  des  Nervenprineip^  doppelt 
denken.  Entweder  wird  das  iniponderable  Fluidum  der  Nerven  in 
einer  gewissen  Richtung  durch  dun  Conductor  als  ein  Strom  gc- 
eitet,  oder  cs  wird  die  Oscillatiou  dieses  Fluidums  nur  in  den 
Nervenfasern  angeregt.  Die  Schnelligkeit  der  Nervenwirkung'  ist 
•Entweder  die  Schnelligkeit  der  Leitung  des  imponderaheln  Nerven- 
jNiidums  vom  Gehirn  zu  den  peripherischen  Theilen  und  umge- 
j'-ehrt,  oder  die  Schuelligkcif,  mit  der  eine  vom  Gehirn  oder  einer 
''elitdjigcn  Stelle  des  Nerven  aiisgebcnde  Schwingung  bis  zu  seinem 
peripherischen  Ende  und  umgekehrt  sich  verbreitet.  AVelche  von 
jjeiden  Vorstellungen  die  rieb fige  ist,  ist  für  dieFi-age  von  Schiiel- 
'iskeit  der  Nei'venwirkung  auch  wieder  gleichgültig.  ' 

Alle  Versuche,  die  Schnelligkeit  dieSer  AYirkiing  zu  messen, 
'cruhen  auf  keiner  erfalirnngsmässigen  sichern  Basis.  Haller 
■Schrieb  dem  Nervensaftc  eine  Gesclnvindigkeit  von  9000  Fuss 
Jb  der  Minute;  Sauvages  von  32100,  ein  Anderer  von  57600 
^illionen  Fuss  in  der  Sccundc  zu.  (Haller  Eiern,  IV,  />.  372.) 
^''CVAKiiER  VOX  IluMDOLDT  sagtc  zur  Zcit,  als  das  galvanische 
^8ens  noch  mit  dem  Agens  der  Nerven  für  identisch  gehalten 
'^(ärde,  hei  den  längsten  Leitungen  ist  cS  nie  möglich  gewesen 
ji'nen  Unterschied  der  Zeit  zwischen'  der  Entstehung  der  Mus- 
elbewegung  selbst  und  der  2—300  Fuss  dax'on  geschehenen  Be- 
idirung  der  Muskel-  und  Nijrvenleiter  zu  bemerken.  Da  ich 
'I*^**5  '^agt  Humboldt,  den  vierten  Theil  einer  Secundc  noch  sehr 
eutlich  unterscheide,  so  ergiebt  sich  hieraus  eine  Gcschwiudig- 
®it  von  1200  Fass  in  einer  Secunde.  Man  weiss  jetzt,  dass 
\ ''^se  Berechnung  nicht  für  die  Schnelligkeit  der  Ncrvenwii’kung, 
ändern  für  die  Schnelligkeit  der  Leitung  des  galvanischen  Flui- 
^yms  gilt.  AVir  werden  wohl  auch  nie  die  Mittel  gewinnen,  die 
cschwindigkcit  der  Nervenwirkung  zu  ermitteln,  da  uns  die 


654  III.  Buch,  Nercenphfsik.  ]III.  Ahschn.  Mechanik  J.  JScrfcnprincips. 

Vergleiclmng  nngelieurer  Entfernungen  felilt,  aus  der  die  Schnel- 
ligkeit einer  dem  Nerven  in  dieser  Hinsicht  analogen  Wirkung 
des  Lichtes  berechnet  werden  kann.  Neuerdings  ist  man 
auf  eine  Verschiedenheit  der  Beoljachtung  kleinster  Zeittheile 
durch  den  Gehörsinn  und  Raumthcile  durch  den  Gesichtssinn 
von  Seiten  der  Astronomien  aufmerksam  geworden  , 

Einigen  wahrscheinlich  machen  könnte,  dass  die  Schnellighei 
der  Nervenwirkung  zwischen  verschiedenen  Theilen  des  Nerven- 
systems und  seihst  hei  verschiedenen  Individuen  verschiede» 
ist.  Das  Detail  dieser  Beobachtung  ist  von  Herrn  Nicolai,  Di- 
rector  der  Mannheimer  Sternwarte,  und  durch  Herrn  Profes^s»*' 
Trevirasus  hei  der  Versammlung  der  Naturforscher  zu  Heide' 
herg  mitgetheilt  worden.  Es  ist  zu  wichtig,  als  dass  ich  es  nicb 
ganz  erwähnen  sollte. 

„Ein  sehr  grosser  Thcil  der  astronomischen  Beohnchtiinge» 
besteht  darin,  dass  man  an  einer  Secundenulir  die  Momente  h^' 
ohachtet,  wenn  ein  Stern,  vermöge  der  scheinbaren  tägliche» 
Umdrehung  der  Himmelskugel  um  ihre  Achse,  vor  den  Microine' 
terfädeii  eines  feststehenden  Fernrohrs  vorübergeht.  Der  B.au^i 
den  ein  Stern  während  einer  ganzen  Seciinde  im  Fernrohr  diirc> 
läuft,  ist,  zumal  wenn  dasselbe  stark  vergrössert,^  so  bedeuten  > 
dass  man  das  Moment  des  Vorüberganges  des  Sterns  vor  de»* 
Microrneterfaden  nicht  etwa  auf  eine  halbe  oder  drittel  Sccuiide) 
sondern  bei  einiger  Uebung  und  bei  günstigem  Zustande  de*” 
Luft  selbst  bis  auf  ^ Secunde  anzugeben  vermag.  Zu  diese» 
Beobachtungen  werden  mithin  zu  gleicher  Zeit  zwei  Sinne  » 
Itequisition  gesetzt,  das  Gesicht  und  das  Gehör.  Während  m»' 
mit  dem  Auge  das  stetige  Fortrücken  des  Sterns  im  Fernro » 
verfolgt,  bemerkt  das  Ohr  die  einzelnen  Secundeiischlüge  de^ 
nebenstehenden  Pendeluhr.  Zum  Behüt  der  oben  angczcigt»'^ 
genauen  Taxation  des  wirklichen  Vorüberganges  des  Sterns  '» 
dem  Micrometcrläden  bemerkt  man  sich,  wenn  der  Stern  herß‘  . 
nahe  an  den  Faden  gerückt  ist,  diejenige  Entfernung,  die  er  " 
einem  gewissen  Secundenschlag  noch  diesseits  vom  Faden  »“** 
und  eben  so  diejenige,  die  bei  dem  nächst  folgenden  Secunde»^ 
schlag  bereits  jenseits  des  Fadens  stattfiiidct.  Aus  der  \ erg  » 


la»» 

Je’ 


chung  der  Grösse  dieser  beiderseitigen  Abstände  lässt  sich  sod 
mit  grosser  Schärfe  das  wahre  Moment  des  Norüliergangcs 
Sterns  vor  dem  Faden,  oder  der  jedesmalige  Bruchtheil  der 
cunde,  in  welchem  der  Sternübergang  erfolgt  ist,  angebeii. 
reits  vor  einigen  Jahren  bemerkte  der  bcrülimte  Director  der 
nigsberger  Sternwarte,  Herr  Professor  Bessel,  dass  er  das 
des  Appulses  eines  Sterns  an  die  Fäden  des  Fernrohrs  meik*^^^j. 
anders  angab,  als  seine  Mitbeobachter.  Die  Aufmerksamkeit 
diesen  Gegenstand  verdoppelte  sich  also,  und  cs  wurde  zum 
einer  nähern  Untersuchung , desselben  eine  eigene  Beihe  von 
obachtungen  angestellt.  Der  Erfolg  war  aber,  dass  Bessel  ****^jg^ 
andere  Momente  angab,  als  seine  Mitbeobaebter,  und  diese 
der  unter  sich  mehr  oder  weniger  von  einander  differirten, 
rend  die  Besultate  eines  jeden  einzelnen  Beobachters  ganz 
trefflich  harmonirten.  Auch  ich  sagt  Nicolai,  habe  bis  J 


Schnelligkeit  der  Ncri>enivirkurtg. 


655 


Zweimal  Gelegenliclt  geliait,  hierüber  Untersuchungen  anzustel- 
Iiii  Früliling  1827  hatte  Ich  das  Vergnügen  eines  Besuchs 
Herrn  Professor  KnonRE,  DIrector  der  Kalsci'lichen  Stern- 
^Wirte  zu  ISIcolajcf.  Sein  Aufenthalt  in  Mannheim  wurde  so- 
Sndcli  ])enulzt,  urn  gemeinschaftliche  Beobachtungen  anzustel- 
Es  ergab  sich  aus  der  Vergleichung  unserer  Besultate 
grosser  Schärfe,  dass  Herr  Knobre  um  die  heträchtllchc 
^i'össe  einer  lialhen  Secundc  die  wahren  Beohachtungsmoincnte 
Spater  angah  als  ich.  Vor  wenigen  Wochen  habe  ich  diesen  lu- 
1-aressanten  ersuch  mit  einem  andern  geschickten  Beobachter, 
“Cm  durch  mehrere  astronomische  und  mathematische  Arbeiten 
Wreits  auf  das  rühmlichste  bekannten  Herrn  Thomas  Clausen 
•*“s  Dänemark  wiederholt.  Es  fand  sich,  dass  dieser  um  ^ Se- 
C'iiidc  die  Bcobachtungsmomente  später  angab  als  ich.  Bei  an- 
“eren  Beobachtern  sind  diese  Unterschiede  noch  ■viel  grösser;  so 
®leigt  z.  B.  die  Differenz  der  Angaben  zwischen  den  Profcssoi-en 
hessEL  und  K-norbe  bis  auf  die  enorme  Grösse  von  einer  ganzen 
^Cciuule,  um  welche  dieser  die  Momente  später  angiebt  "als  je- 
®er.  Ucberl)aupt  sind  bisher  über  diese  Merkwürdigkeit  von 
'ächrereu  Beobachtern  so  viele  sichere  Proben  angestcllt  Avor- 
•Icn,  dass  das  Factum  selbst  über  allen  etwanigen  Zweifel  weit 
ci'haben  ist.  “ Isis  1830.  p.  678. 

Nicolai  behauptet,  dass  diese  merkAVÜrdige  Erscheinung  nicht 
Widers  als  durch  eine  Verschiedenheit  in  der  Schnelligkeit  der 
'’irkung  A'om  Auge  zum  Bewusstseyn  und  vom  Ohr  ziuu  Be- 
Wusstsevn  erklärt  AA'crden  könne.  Nimmt  man  nämlich  an,  dass 
*“i  vereinigter  und  auf  denselben  Gegenstand  gerichteter  Tiiä- 
k^keit  dieser  beiden  Sinne  ein  solches  Individuum  früher  sicht 
es  hört;  dass  dagegen  hei  einem  andern  Individuum  beide 
,o‘flexc  in  einem  mindci'cn  Grade  verschieden,  oder  zu  gleicher 
^'ät,  oder  seihst  in  umgekehrtem  Sinne,  d.  h.  das  Sehen  später 
das  Hören  erfolgen,  so  erklärt  sich  die  Erscheinung  vollkom- 
'“en  und  uugezAvnngen.  Es  würde  aber  daraus  die  wichtige  Fol- 
hCrung  hervorgehen,  dass  die  WechseUvii’kung  zwischen  Sinnes- 
“fganen  und  dem  BcAvusstseyn  nicht  völlig  momentan  ist.  Aus 
lesen  Erscheinmigen  Hesse  sich  hoffen , dem  Problem  von  der 
' ehnelligkeit  der  Nervenwirkung  näher  zu  kommen,  wenn  nicht 
“ach  eine  ganz  andere  Erklärung  derselben  möglich  und  sogar 
Wahrscheinlicher  Avärc.  Es  ist  bekannt,  dass  das  Bewusstseyn 
““'hf  leicht  zweierlei  Empfindungen  mit  gleicher  Intensität  der 
iilmerksamkcit  haben  kann,  und  dass  das  Bewusstseyn,  wenn 
“ichrere  Empfindungen  zu  gleicher  Zelt  stattfinden,  entweder  nur  ei- 
oder  abAA'echselnd  verscliiedencn  die  Aufmerksamkeit  zuwendet. 

Clin  daher  zu  gleicher  Zeit  etwas  gehört  und  mit  dem  Gesichl 
,y’^®cvirt  werden  soll,  so  ist  es  unvermeidlich,  dass  nicht  zuerst 
gehört  und  dann  gesehen  wird.  Der  Zeitunterschied  zwischen 
Weierlei  bewussten  Empfindungen  ist  aber  hei  verschiedenen 
^ ciischen  verschieden,  AV'ie  denn  Manche  viel  zu  gleicher  Zeit 
“ipllnden  und  merken.  Andere  aber  hierzu  eine  merkliche  Zeit 
“Whig  l.aben. 

Hie  Zeit,  in  welcher  eine  Empfindung  von  den  äusseren 


I 


656  IIT.  Buch.  Nervenphysik.  III.  Alschn.  Mechanik  d.  Nen’enprincip-i.. 

Theilen  auf  Gehirn  und.  Rückenmark,  und  die  Rückwirkung 
die  äusseren  Tlieile  diircli  Zuckungen  erfolgt,  ist  auch  unendüc  i 
klein  und  unmessbar.  Wenn  man  Frösclie  mit  Oiiitim  oder  "h'- 
vomica  vergiftet,  so  Averden  sic  zuerst  so  ungeheuer  sensihe , 
dass  die  geringste  Berührung  der  Haut  eine  Zuckung  am  ganzen 
Rumpfe  erregt.  Hiftr  erfolgt  die  Wirkung  von  der  Haut  /.uep 
auf  das  Rückenmark,  und  vom  Rückenmark  auf  alle  Muskcli'- 
Dennoch  ist  es  mir  unmöglich  gCAvesen,  den  geringsten  Zeitunter- 
schied zwischen  der  Berührung  und  den  Zuckungen  zu  hernci’kef- 


I.  Capilel.  Mechanik  der  motorischen  Nerven. 

I.  Von  den  Gesetzen  der  Leitung  des  N er v enpr i n cips  in  J*’" 
Bewegungsnerven. 

/,  Die  motorische  Kraft  a>irkl  in  den  Neroen  nur  in  der  Bid‘' 
hing  der  zu  den  Muskeln  hingehenden  Brimiiivfasern,  oder  in 
Bichl ung  der  Verzweigung  des  Ncroen  und  niemals  rückwärts. 
ist  eine  allgemein  bekannte  Erfahrung,  dass,  wenn  man  eine*’ 
Muskelnervcu  reizt,  die  Zuckung  in  keinem  andern  Muskel  eiO' 
tritt,  als  in  welchem  sieh  der  Nerve  vcrzAvingt.  Reizt  man  ciur*' 
Nervenstamm  causlisch,  mechanisch,  clcctrisch  oder  durch  unio'^' 
tclbarc  Anwendung  beider  garvanischen  Pole  auf  den  Nerven , 
zucken  die  Muskeln  aller  Nervenztveige  des  gereizten  Stamice''’ 
und  niemals  ein  anderer  Muskel.  Man  kann  daher  auch  nieitiaj’ 
durch  unmittelbare  caustische,  mechanische  oder  galvanische  R®'' 
zung  eines  Nerven  durch  beide  Pole  Zuckungen  in  Muskeln  •'*' 
regen,  welche  von  Nervenzweige'n  abhängig  sind,  die  üh*^* 
der  gereizten  Stelle  vom  Stamme  abgehen.  Nie  erfolgt  d'’*' 
Spur  einer  Zuckung  in  den  Muskeln  des  Oberschenkels,  vve"'‘ 
man  den  untern  Tlieil  des  N.  ischiadieus  reizt,  wo  er  die 
für  die  Oberschenkel  schon  aligcgeben  hat.  Es  ist  daher  cd® 
sichere  Thatsachc,  dass  die  motorische  Kraft  der  Neroen  nur  in 
Richtung  der  Neroenzweige , niemals  rückwärts  wirkt.  Man  ka»" 
zwar  auch  Zuckungen  in  allen  Muskeln  erregen,  die  in  dem  S‘' 
vanischen  .Strome,  oder  deren  Nerven  in  dem  galvanischen  .Stroi“' 
liegen,  AVenn  man  den  einen  galvanischen  Pol  auf  den  Nerva 
am  untern  Theile  des  Röi'pers,  den  andern  Pol  auf  Muskeln  ' 
obern  Theile  applicirt,  und  dann  zucken  auch  die  Muskeln  p ^ 
obern  Theile;  allein  diese  AnAvendungsart  des  Galvanismus  ’ 


wie  Ich  schon  öfters  bemerkte,  durchaus  verschieden  von 


def 


unmittelbaren  Reizung  der  Nerven  durch  beide  Pole.  Im 
Fall  wird  nur  der  Nerve  und  seine  motorische  Kraft 
durch  Anwendung  eines  galvanischen  Stromes  durch  die  Dic 


des  Nerven,  tind  acr  Erfolg  ist  durchaus'  eben  so,  als  wenn  man 


de" 

der" 


Nerven  mechanisch  reizt ; im  ersten  Fall  dagegen,  wo  A'ich;  aiio 
Theile,  Nerven  und  Muskpln  in  dem  galvanischen  Strom  zwisc 
beiden  Polen  liegen,  Avird  jeder  Aluskel  und  jeder 


an  seinem  Ort  von  dem  galvanischen  .Strome  gereizt,  _ ^^^1) 
Muskeln  zucken,  die  in  dem  galvanischen  Strome  liegen;  a 


Mechanik  der  motorischen  JServcn.  Gesetze  der  Leitung. 


ß57 


^^ussen  die  Muskeln  zucken , die  zwar  nicht  im  galvanischen 
' h'oine  liegen,  deren  Nervenstiimme  aher  dem  galvanischen  Strome 
^"sgeset/.t  sind.  Es  wicderliolt  sich  also  auch  nur  wieder  diese 
'•"'•slanle  Ertahrungstliatsache,  dass  ein  unmittelbar  auf  jede  Art 
•gereizter  Muskelnerve  mit  motorischer  Kraft  nur  auf  die  Mus- 
seiner  Nervenäste  wirkt,  niemals  aber  auf  die  Nervenzweige 
^Jx’iickwirkt,  die  oberhallj  der  gereizten  Stelle  vom  Nervenftam'ni 
''"sehen. 

II.  Die  zweite  überaus  wichtige  Thatsache  ist,  dass  die  me- 
'' ^nische  oder  gahanische  Reizung  eines  Theiles  eines  Neroenstam- 
nicht  die  motorische  Kraft  des  ganzen  Stammes , sondern  nur 
'r  des  isolirt  gereizten  The.ils  in  Anspruch  nimmt,  so  dass  nicht 
^ 'e  Muskeln  zucken,  welche  von  dem  Stamme  Zweige  erhalten, 
^"»dern  nur  diejenigen,  welche  von  dem  gereizten  Theil  eines 
firvenstammes  aus  Zweige  erhalten.  Diese  Versuche  kann  man, 
an  grösseren  Nervenstämmen  zu  operiren,  an  Kaninchen  ina- 
">en.  Man  legt  den  N.  ischiadicus  gerade  an  seinem  Austritt 
'''is  dem  Hecken  bloss.  Man  kann  dort  leicht  verschiedene  Ab- 
teilungen desselben  mit  der  Nadel  isolirt  reizen,  Abtheilungen, 
^elclie  später  erst  aus  dem  Stamme  sich  als  Aeste  entwickeln, 
•tan  wird  sich  überzeugen,  dass  immer  nur  diejenigen  Muskeln 
*"cken,  in  welche  sich  der  gereizte  Theil  des  Nervenstammes  ver- 
>eigt,  nicht  aber  andere  Muskeln  des  Ober-  oder  Unterschen- 
®ls.  Um  die  kleinsten  Zuckungen  der  Muskeln  zu  sehen,  muss 
jä'in  vorher  die  Haut  vom  ganzen  Bein  bis  zum  Fuss  an  dem  Ic- 
"äden  Thier  abziehen.  Als  ich  den  Nerv,  ischiadicus,  ehe  er 
!,*"b  iu  den  Nervus  peronaeus  und  tibialis  tliieilte,  in  mehrere 
tindel  trennte  und  jedes  dieser  Bündel  isolirt  reizte,  sah  ich  bei 
’etn  einen  Bündel  eine  andere  Zuckung  in  anderen  Muskeln  am 
“äterschenkel,  als  ]>eim  Reizen  anderer  Bündel,  und  so  heweg- 
sich  denn  bald  die  AVadenmüskeln,  bald  streckten,  bald  beug- 
sich  die  Zehen.  Ja  ich  konnte  Zuckungen  in  verschiedenen 
‘ «Uen  der  Wadenmuskeln  bemerken,  wenn  ich  den  N.  pero- 
in  verschiedene  Bündel  abtheilte,  und  jedes  dieser  Bündel 
y't  der  Nadel  reizte.  Dasselbe  sieht  tnan  bei  galvanischen 
tJ’suchcn  mit  iinmitlelbarcr  Reizung  einzelner  künstlich  abge- 
"derler  Bündel  des  Nervus  ischiadicus  beim  Frosch. 

. . Uebcreinslimmende  alltägliche  Erscheinungen  sind,  dass,  ob- 
Jj  t'ch  dieselben  Nerven  oft  Aeste  an  vielerlei  Muskeln  geben, 
Hirneinfluss  sich  doch  auf  die  Aeste  oder  einzelnen  Bündel 
Stammes,  die  zu  einzelnen  Muskeln  g'-hen,  isoliren  kann, 
j'  '"se  Isolation'  erwirbt  sich  diirch  Uebung  bei  angeborenen  Fä- 
l^keilen  in  hohem  Grade,  dagegen  ungewandte  Menschen  statt 
j^'äzelner  Muskeln  immer  ganze  Muskelgruppen,  die  von  dcnsel- 
li^l*  abhängig  sind,  zusammenziehen.  Am  deul- 

'sten  zeigt  sich  diess  bei  den  Gesichtsmuskeln, 
p.,  Kn  Riiehenmarksneroe , der  in  einen  Plexus  tritt  und  zur 

M/fJl 


^ eines  grossen  Nervenstammes  mit  anderen  Riiekenmarksnerven 
motorische  Kraft  nicht  dem  ganzen  Stamme  mit, 
‘ ern  den  Fasern,  in  welche  er  sich  vom  Stamme  bis  in  die  Zweige 


658  in.  Buch.  Nervenphysik.  HI.  Abschn.  Mechanik  d.  Nen’enprincips. 


fortsetzt.  DIess  kann  man  diircli  selir  interessante  Versuche  heu» 
Frosche  l)eweisen. 

Belm  Frosch  kann  man  die  Spinalnerven  einzeln  reizen? 
welche  zur  Bildung  des  N.  ischiadicus  zusammen  treten , ehe  sie 
sicli  vereinigt  hahen.  Man  reizt  sie  einzeln  entweder  niechatiisc  ' 
mit  der  Nadel,  oder  galvanisch,  indem  man  beide  Pole  aul  den 
Nerven  wirken  lässt  und  einen  galvanischen  Strom  durch 
Dicke  des  Nerven  gehen  lässt,  wobei  man  jeden  Nerven,  iler 
Plexus  liciträgt,  von  den  übrigen  auf  einer  Glasplatte  isolirt. 
wird  hierbei  linden,  dass  beim  Beizen  der  einzelnen  Nerven, 
zum  N.  ischiadicus  zusammentrelen,  nicht  gleiche  Zuckungen  >" 
den  Illnterbelnen  erfolgen,  sondern  verschiedene,  hei  dem  eine'* 
Nerven  am  Oberschenkel,  bei  dem  andern  am  iUntersebenk*^ 
oder  am  Fuss.  Unter  den  drei  Nerven,  welche  den  Plexus  de* 
hinteren  Extremität  bilden,  bewirkt  der  erste,  gereizt,  Zuckung®" 
an  der  Innern  Seite  des  Oberschenkels,  der  zweite,  der  mit  d«'" 
dritten  den  N.  ischiadicus  bildet,  allein  gereizt,  Zuckungen  d®* 
Muskeln  des  Oberschenkels  und  Unterschenkels,  aber  nicht  d®’ 
Fusses,  der  dritte  Bewegungen  des  Oberschenkels,  Unterschenk® 
und  Fusses.  Es  geht  also  hieraus  unwiderleglich  hervor,  da'’’ 
die  motox-ischc  Kraft  der  Nerven,  die  zürn  Stamme  des  N.  iscl»*' 
dicu»  zusammentrelen,  nur  ln  besonderen  Tbeilen  dieses  Sta^' 
mes  isolirt  wirkt  und  auch  nur  auf  besondere  Aeste  des  N.  isch®'' 
dlcus  motorisch  wirkt,  dass  also  die  Fasern  der  Nerven  einzeln® 
Isolirte  motorische  Wirkungen  besitzen,  wenn  auch  Bündel  d®/ 
Fasern  in  gemeinsamen  Scheiden  liegen,  so  wie  der  Plexus  iscbiad>' 
cus  Bündel  von  Nervenfasern  mit  isolirten  motorischen  Wirku®' 
gen  empfängt,  aber  auch  in  einer  neuen  Ordnung  die  Fas®* 
mit  motorischen  Kräften  in  die  Aeste  vvieder  abgiebt.  Die  b'®’ 
erwähnten  Beobachtungen  habe  ich  im  Zusammenhang  mit  d®" 
übrigen  in  diesem  Abschnitt  anzuführenden  Thutsaclien 
vor  einigen  Jahi'cn  gemaclit.  Mit  grossem  Vergnügen  finde 
in  der  Schrift  von  van  Deen  {de  differenfia  et  nexu  in! er  ' 

vitae  ammalis  et  organicac.  Lugd.  Bat.  1834.)  eine  Reihe  selir  ieS"' 
niös  angestellter  Versuche  über  denselben  Gegenstand  beschrieb®'.'' 


Der  Verf.  beschreibt  zuerst  die  Rückenmarksnerven  desFrosches, 


di® 


zu  den  Hinterbeinen  gehen,  genauer.  Der  erste  geht  zwischen  7 
8 Wirbel  ans  und  verbreitet  sich  in  der  Leistengegend  in  der  Ib'" 
und  den  Muskeln,  auch  den  Muskeln  des  Oberschenkels,  N.  ingu"  | 
lis;  der  zweite  geht  zwischen  8.  Wirbel  und  Os  saerüm  aus  u^‘. 
vcrJjindet  sich  mit  dem  dritten,  der  zwischen  Os  sacrum  und  ^ 
coccygis  ausgeht,  zum  Nerv,  ischiadicus.  Noch  ein  vierter 
geht  durch  ein  kleines  Loch  im  obern  Di’ltttheil  des  Steissb®"^^ 
aus,  und  verzweigt  sich  in  der  Haut  des  Dammes,  N.  puden* ' 
Der  N.  pudendus  ist  der  dünnste,  erbesteht  nur  ans  einer 
Wurzel.  Die  drei  ersten  Nerven  bilden  einen  Plexus  zvvisc  i 
Darmbein  und  Steissbein.  Der  N.  inguinal is  hängt  durch  ®^^^ 
sehr  kurzes  Verbindungsstück  mit  dem  zw'citen  Nerven  zusa 
men,  so  dass  das  Verbindungsstück  meist  vom  zweiten  koinp' 
sich  an  den  N.  inguinalis  anschliesst,  selten  vom  N. 
kommend  sich  an  den  zweiten  N.  anschliesst.  l^’orner  veibi» 


1.  Mechanik  der  motorischen  Nerpen.  Gesetze  der  Leitung.  659 

S'eh  der  ganze  zweite  Nerve  der  Extremität  mit  dem  ganzen  drit- 
eii  Nerven;  aus  dieser  Verbindung  entsteht  der  N.  iscliiadicus, 
‘er  sich  sowohl  an  der  Haut  des  Oberschenkels,  Unterschenkels 
^nd  Fusses,  xvie  in  den  Muskeln  dieser  Tlieile,  verzweigt.  Der 
’•  pudendus  hängt  durch  einige  Zweige  mit  dem  N.  ischiadicus 
**Jsammen.  Der  Verfasser  dnrchschnitt  Jeden  der  in  den  Plexus 
ratenden  Nerven  einzeln,  und  fand,  dass  trotz  der  Verbindung 
«'eser  Nerven  untereinander,  doch  verschiedene  Muskeln  gelähmt 
^'uden.  Nach  Durchschueidung  des  N.  inguinalis  führte  der 
' rösch  noch  alle  Bewegungen  mit  den  Beinen  aus,  mit  Ausnahme 
®r  Anziehung  des  Oberschenkels  zu  dem  Bauche.  Nach  Durch- 
*rnueidung  des  zweiten  Nerven  xmr  dem  Plexus  liörte  alle  Bewe- 
f)'ing  der  Muskeln  des  Oberschenkels  und  Unterschenkels  aut^ 
^•ihrend  die  Bewegung  am  Fusse  noch  unverselu't  blieb.  Wurde 
er  Verbindungszweig  des  N.  inguinalis  mit  dem  zweiten  Nerven 
* ürchschnitten , so  konnte  der  Frosch  nicht  mehr  das  Bein  zum 
nterleib  anzichen;  nach  der  Durehschneidung  des  N.  inguinalis 
batcr  dieser  Verbindung  wurde  dasselbe  beobachtet.  Wurde  der 
ischiadicus  von  seinen  beiden  AVurzeln  aus  eingeschuitten 
^der  der  Länge  nach  getheilt,  so  war  die  Folge  dieselbe,  als  wäre 
der  ganze  Stamm  des  N.  iscbiadicus  durchschnitlcn  worden,  wor- 
:j!*is  VAM  Deen  schliesst,  dass  innerhalb  der  Verbindung  beider 
yerven  eine  Ki-euzung  der  Nervenfasern  Leider  Nerven  statt- 
"'de;  denn  es  waren  soxvohl  der  Oberschenkel  als  Unterschenkel 
'»d  Fuss  gelähmt.  Nach  Durchschneidung  des  dritten  Nerven, 
d*^r  die  zweite  AVurzel  des  N.  ischiadicus  bildet,  war  der  Fuss 
'äuil  Unterschenkel  grossentheils)  gelähmt.  Durch  Durchschnei- 
d[*ng  des  zweiten  Nerven  oder  der  ersten  Wurzel  des  N.  isebia- 
dicus  höi'te  die  Flexion  und  Extension  des  Oberschenkels  auf, 
^'ährend  die  Bewegung  am  Fusse  und  untern  Theile  des  Un- 
^®*'schenkels  fortdauerte 


■(J, 


IV.  Alle,  motorischen  Fasern  wirlcen  isoUrt  pon  den  Stämmen  der 
«'•een  bis  zu  den  . letzten  Verzweigungen.  Die  übereinstimmende 


*Üersucbung  von  Foktana,  Phochaska,  Pkevost  und  Domas,  Eu- 


j -yBERG,  W'm  zER  und  mir  über  den  Bau  der  Nerven  und  das  Ver- 
‘*uen  der  Primitivfasern , welche  im  ersten  Abschnitt  mitgethcilt 
^ Orden  sind,  haben  gezeigt,  dass,  so  vielfach  die  Anastomosen 
Or  Nervenbündel  untereinander  sind,  die  Primitivfasern  der  Ner- 
^onbündel  doch  an  keiner  Stelle  sich  verzweigen,  sondern  pa- 
‘‘Uel  nebeneinander  fortgehen,  dass  sie  in  den  Plcxfts,  Anasto- 
^.osen  ersten,  zxveiten  und  dritten  Grades  auch  nicht  communi- 
sondern  nur  in  neuer  Ordnung  von  den  Scheiden  zus.am- 
■|  .Oogefasst  werden,  dass,  xvo  sich  Nervenäste  mit  einander  ver- 
die  Primitivfasern  sich  auch  nur  in  einer  neuen  Ordnung 
Einander  legen  und  vertheilen,  sich  aber  nicht  x^erbinden,  und 
also  die  Primitivfasern  aller  Nervenzxveige  eines  Stammes, 
Sb  endlich  in  die  feinsten  Aestc  entwickeln,  schon  in  den 
,.i'''‘'yoen  j)arallel  nebeneinander  enthalten  sind,  dass  der  Slamm 
^icb*  ‘^os  Ensemble  von  allen  Primitivfasern  ist,  die 

einerseits  mit  dem  Gehirn  und  Rückenmark  verbinden. 


«äd: 


*'erseits  in  den  Muskeln  und  der  Haut  entxvickehi.  Diess 


660  III.  Huch,  Nervenphysik.  III.  Ahschn,  Mechanik  d.  Nervenprincips. 

Resultat  der  anatoinlsclien  Untersuchungen,  welches  wohl  von  allen 
Hirn-  und  Spinalnerven  gilt  und  wovon  vielleicht  der  Nerv»» 
sympathicus  eine  Ausnahme  macht  (was  aber  nicht  erwiesen  isW» 
ist  von  der  unschätibarsteu  Wichtigkeit  für  die  Physiologie  dei 
Nerven.  Nach  meinen  Beobachtungen  habe  ich  nie  eine  Stelle 
eines  Nerven  oder  eine  Anastomose  gefunden,  wo  die  Prim*' 
tivfasern  sich  mit  einander  verbunden  oder  verzweigt  hätte''? 
wenn  die  Bündel  sich  hloss  mit  ihren  Scheiden  verbinden; 
ich  nun  sehr  viel  solcher  einzelnen  Stellen,  die  unter  das  Se»' 
feld  eines  einfachen  Microscops  gebracht  werden  können,  g»"* 
genau  untersucht  habe,  so  schliesse  ich  von  dem  Theil  am 
Ganze,  dass  die  Primitivfasern,  welche  an  allen  Stellen,  <•'* 
man  untersucht,  gleich  parallel  fortgehen,  dicss  überhaupt  voi" 
Gehirn  und  Rückenmark  zu  den  peripherischen  Theilen  thiin. 

Ich  habe  nun  so  eben  ln  den  vorhergehenden  Erfahrung*' 
gesetzen  bewiesen,  dass  die  Bündel  der  Primitivfasern,  die  in  C' 
nen  Stamm  treten,  in  den  Stämmen  isolirt  ihre  Kräfte  aussei" 
ohne  die  übrigen  Primitivfasern  zu  erregen;  aber  seihst  einzeln^ 
Theile  eines  Muskels  können  sich  isolirt  zusammenziehen, 
die  einzelnen  Portionen  der  Flexores  communes  und  des  Extensä' 
communis  digitormn  für  die  einzelnen  Finger.  Da  aber  all'" 
Primitivfasern  anatomisch  geschieden  sind,  so  folgt  aus  der  Vet' 
bindung  dieser  anatomischen  Thatsache  mit  der  physiologisch^"’ 
dass  alle  Primitivfasern  in  den  Stämmen  und  Aesten  in  ihr"'' 
motorischen  Kräften  isolirt  sind.  Die  Reizung  der  Primitivläscf" 
an  ihrem  Ursprung  am  Rückenmark  und  Gehirn  muss  daher  i*"' 
lirt  in  den  gereizten  motorischen  Fasern  fortwirken,  und  ka»" 
nur  bestimmte  Muskelgruppen,  oder  Muskeln,  oder  sogar  M»*' 
kelstellen  afliciren,  wie  auch  die  Ei’fahrung  zeigt.  Denn  ei'"' 
vom  Gehirn  und  Rückenmark  ausgehende  Reizung  bewirkt 
Willen  eine  isolirte  Reizung  einzelner  Muskeln,  und  wenn 
unwillkührlich  ist  und  schwach  wirkt,  entsteht  nicht  eine  schvf"' 
che  Zuckung  eines  ganzen  Muskels,  sondern  oft  ganz  kleiner 
kelstellen  am  Augenlied,  wie  diess  in  der  Geschichte  der  Hirn- 
Rückenmarksirritation  und  Lähmung  so  häufig  ist.  Allein  so 
eher  dieser  Schluss  ist,  so  lässt  sich  der  Satz  doch  auch  dir"*^ 
beweisen.  Man  präparire  sorgfältig  ohne  Zerrung  eines  Nerv'"'' 
heim  Frosch  ein  Fäserbündelchen  des  ganzen  Schenkelnerven  " ’ 
und  galvanisire  es  durch  Anwendung  beider  Pole  und  der  K"* 
auf  dieses  Bündelchen.  Obgleich  diess  gegen  die  Schenkelmuskel 
zu  noch  in  den  ganzen  Stamm  zu  den  übrigen  Nervenfasern  » 
ganzen  Stammes  tritt,  so  zucken  doch  nicht  alle  Muskeln  “ 
Schenkels,  sondern  es  entsteht  eine  ganz  geringe  Zuckung  " 
einer  einzelnen  Stelle  der  Wadenmuskeln,  Zehenbeuger,  Zeli"'*^ 
Strecker,  Fussmuskeln,  “welche  wahrscheinlich  von  der  Forts" 
zung  jener  Fasern  im  Stamme  versehen  wird. 

Zur  Zeit  als  man  die  thierische  Electricltät  noch  für 
Ursache  der  Nervenkraft;  hielt,  musste  man  annehmen , dass 
Nervenkralt  auch  über  die  Nerven  in  Distanz  wirke,  und  A.  y 
Humboldt  und  Reil  haben  diess  bekanntlich  bis  zur  Idee  ei» 


1.  Mechanik  der  motorischen  Nerven.  Gesetze  der  Leitung.  661 

Aerveimliiiospli'are  ausgedehnt.  Diess  war  dazumal  sehr  natür- 
denn  so  wie  die  Voranssetzunf;,  so  ist  der  Schluss.  Ist  die 
clcctrisch  und  der  Galvanismus  ein  physiologisches 
«anomen,  wie  man  anfangs  glaubte,  so  sind  auch  die  Zuckiin- 
86>i,  welche  zuweilen  hei  Anwendung  des  Galvanismus  folgen, 
^choii  elic  man  den  Nerven  oder  Muskel  mit  dem  zweiten  Pole 
•^riilirt,  eine  Wirkung  der  Nervenatmosphare.  A.  v.  Humboldt  hat 
'-uerst  die  Entdeckung  gemacht,  dass  lieterogene  Metalle  schon 
|»lvanl3ch  reizen,  wenn  eins  derselben  in  einer  Entfernung  von 
i Linien  tlem  Muskel  oder  dem  Nerven  nahe  konmit.  Jedem, 
galvanische  Versuche  an  Fröschen  macht,  wird  diess  he- 
’iiint  seyn,  ich  habe  cs  unzählige  Male  gesehen.  A.  von  Hum- 
oi.DT  hat  auch  gezeigt,  dass  die  Leitung  des  galvanischen  Stro- 
ms unter  diesen  Umständen  von  einem  unmerklichen  Verdam- 
nieii  von  Flüssigkeiten  abhängt,  dass  sie  sogleich  auf  hört,  sobald 
^eine  unmerkliche  Verdunstung  stattliuden  kann,  und  dass  der 
''•hm.dus  um  so  hehiger  wirkt,  Je  leichter  und  schneller  das  an- 
gewandte Fluidum  verdampft,  dass  mit  dem  Anhauchen  trockner 
■''letallplatten,  welche  keine  Reaction  mehr  hervorhringen , die 
8=ilvanische  Reizung  sogleich  erfolgt.  Alan  musste  dazumal,  als 
j'‘aa  den  Galvanismus  für  eine  Lehensäusserung  Ihierischer  Theile 
'.'clt,  diese  für  die  Physik  selir  wichtige  Entdeckung  in  Hin- 
•clit  ihres  Werthes  lür  die  Physiologie  übersehiVtzen. 

I Diese  schönen  Beobachtungen  von  Humboldt  können  indess 
jcutzutage  nicht  mehr  für  die  Hypothese  angeführt  werden,  dass 
'iic  Nerven  eine  sensible  Atmosphäre  besitzen  sollen.  Denn  Was- 
l^rgas  ist  eben  so  gut  Leiter  des  galvanischen  Stromes  als  tropt- 
'•ires  Wasser  nach  rein  physicalischen  Gesetzen.  Die  Erfah- 
'üiijr  imd  namentlich  alle  in  diesem  Alischuitte  angeführten  ün- 
®i’siiehungcn  beweisen  vielmehr,  dass  nicht  allein  die  Nerven 
Sondern  auch  ihre  Primi tivfasern  vollkommen  unfähig  sind,  ihre 
l‘oturische  Kraft  einander  in  der  Dicke  der  Nerven  mitzWhei- 
und  dass  die  motorische  Kraft  immer  nur  in  der  Continui- 
der  Fasern  wirkt. 

oh  führt  auch  eine  andere  sehr  interessante  Be- 

Achtung  an,  welche  sehr  missverstanden  werden  kann.  Er  sagt 
n' ^Venu  der  Nerve  eines  Thiers  der  Länge  nach 
. Hleischt  wird  und  auch  nur  ein  einziges  Fäserehen  übrig  bleibt 
'wlics  die  Armatur  mit  dem  Muskel  verbindet,  so  zeigen  sich 
galvanischen  Erscheinungen  in  eben  der  Stärke,  als  wenn  der 
CG  noch  seinen  unverletzten  Durchmesser  hätte.  A.  v.  Humboldt 
diese  Erscheinung  aus  der  Beobachtung  der  anastomosi- 
hf-  ^•^üänge  der  Nerven  von  Reil;  Reil  kannte  indess  die 
^^^•öiitivfaseru  der  Nerven  nicht  und  wusste  nicht,  dass  sie  in 
' ^nastomosen  der  Stnyigf^  nicht  anastomosiren.  Allein  das 
'^1)1  ”njiBOLDT  beobachtete,  au  sich  wichtige  Phänomen  lässt  keine 
Physiologie  zu.  Wenn  man  die  Pole  der 
nul  Muskel  und  Nerven  zugleicli  applicirt,  so  ist  ein  Fä- 
j>i,^  ein  so  guter  Leiter  des  galvanischen  Stromes  bis  zum 
V Theil  des  Nerven  und  Aluskels,  als  ein  ganzer  Nerve,  und 

on  Humboldt  hat  selbst  entdeckt,  dass  der  galvanische  Strom 


fi62  III.  Buch.  Nervenphysik.  III.Ahschn.  Mechanik  d.Nerocnpnncipi. 

auf  diese  Art  durch  ganz  zerschnittene  auf  -j  Linien  von  einan- 
der entfernte  Nerven  wirkt.  Wenn  man  aher  einen  Nerven  an 
einer  Stelle  nach  v.  Humboldt  bis  auf  ein  Fäserchen  zerfleisc  i j 
und  dieses  Fäserchen  allein  durch  Anwendung  beider  Pole  au^ 
das  Fäserchen  galvanisirt,  so  entstehen,  wie  ich  schon  oben 
merkt  habe,  nur  Zuckungen  in  dem  Theile,  in  welchen  das  kf' 
serchen  hingeht,  obgleich  es  unter  der  verletzten  Stelle  noch  >' 
einem  ganzen  Nervenstamme  enthalten  ist. 

II.  Ueber  die  asso  dir t cn  B ewegu n gen  o d er  Mi tb ew c gunge”' 

Unter  Mitbewegungen  verstehe  ich  diejenigen  Bewegung'^'^ 
der  Muskeln,  welche  mit  intendirten  willkührhchen  Bewegungen 
gegen  den  Willen  zugleich  erfolgen.  In  früheren  Zelten  wurden 
mehrere  dieser  Erscheinungen  mit  vielen  anderen  nicht  hiebe 
gehörenden  associirte  Bewegungen  genannt.  Wir  meinen  hini 
nur  diejenigen  Bewegungen,  die  durch  Bewegungen  hervorgei-«' 
fen  werden.  Im  gesunden  Zustande  sind  diese  Bewegungen  sehe" 
sehr  hänfig;  wir  Vollen  die  Muskeln  des  äussern  Ohres  bewege^' 
aber  wir  bewegen  bei  dieser  Intention  auch  den  Museuhrs  ep>' 
craniiis  und  mehrere  Grcsichtsmuskeln  mit.  A\  ir  wollen  die 
senlKigel  heben  und  senken,  aber  wir  runzeln  zugleich,  obi'^ 
dass  wir  es  w'ollen,  die  Augenbraunen.  Ueberhaupt  können  di® 
wenigsten  Menschen  die  Bewegungen  einzelner  Gesichtsmuskeb* 
isoliren;  sie  können  vielmehr  die  einzelnen  Gesichtsmuskeln  i'i>* 
bew'egen,  wenn  sie  in  einer  Gruppe  von  anderen  Gesichtsniu^' 
kein  mitspielen.  Die  Dammmuskeln,  Muse,  sphincter  ani,  levato 
ani,  transversus  perinaci,  bulbo- cavernosus,  ischio-cavernos«’’ 
pubo-urethralis  w'erden  fast  immer  zusammen  bewegt,  wenn  d«^ 
Wille  auch  nur  einen  einzigen  intendirt.  Am  aufFallendstcn  ze'g^ 
sich  diese  Association  hei  der  Bewegung  der  Iris.  Wir  si» 
nämlich  nicht  im  Stande,  die  Augen  durch  den  Muse.  rect. 
nach  innen  zu  kehren,  ohne  zugleich  die  Iris  milzubewegen 
zusammenzuziehen.  Auch  kann  das  Auge  nicht  nach  innen 
aufwärts  gewandt  w'erdcn  (Muse,  oblicj.  inf.),  ohne  dass  die 
enge  wird.  Die  Bewegung  dieser  Muskeln  und  der  Iris  bäno 
von  Aeslen  desselben  Nerven  ab,  nämlich  des  N.  oculomotori'i*^ 
welcher  die  kurze  oder  motorische  NYurzel  des  Ganglion  eiha  ^ 
abgiebt.  Es  springt  daher  bei  der  Intention  des  Willens 
den  N.  oculomotorius , und  zwar  auf  die  jene  Muskeln  versehen^ 
den  Primitivfasern,  das  Nervenprincip  immer  auch  etwas  auf 
nen  andern  Theil  der  Primitivfasern  des  N.  oculomotorius 
jenigen,  welcher  sich  in  die  kurze  Wurzel  des  Ganglion  j 
fortsetzt,  über.  In  allen  übrigen  Muskeln  zeigt  sieh  g.anz  etu'  ^ 
ähnliches.  Den  meisten  Menschen  ist  es  schwer,  die 
Bäuche  des  Muse,  extensor  communis  digitorum  willkührlich  ^ 
Thätigkelt  zu  setzen  und  die  einzelnen  Finger  z.  B. , den  3. 

4.,  die  keine  besonderen  Strecker  haben,  allein  zu  erbeben; 
Anstrengungen  gar  wirken  viele  Muskeln  durch  Association  J 
ohne  dass  diese  Bewegungen  irgend  einen  Zweck  haben;  dei  * 
•gestrengte  bew'egt  seine  Gesichtsnuiskeln,  als  wenn  er  mit  dense 


, 1.  Mechanik  der  motorischen  Keroen.  Miibavcgnnffcu,  (;q:> 

*um  Heben  der  Last  beitragen  könnte;  ];ei  jedem  angestrengten 
A.tbmen  und  bei  gescbwäcbten  Mensclien  wirken  die  Gesiqlits- 
*iiuskeln  zum  Atbmen  unwillkührllcb  mit,  ebne  dass  die  Znsam- 
|üen7.iebung  dieser  Muskeln,  ausser  dem  Heben  der  Nasenflügel 
Tgend  etwas  zum  Atbmen  Ijeitragen  könnte.  Es  sind  dieser  Er- 
scheinungen so  viele,  und  sic  treten  so  häufig  und  alltäglich  ein, 
dass  diese  wenigen  Beispiele  eines  immer  in  dei-selben  Weise 
Sich  wiederholenden  Phänomens  genügen  können.  Doch  muss 
*ch  eine  Thatsache  noch  besonders  bervorlieben,  weil  sie  uns 
die  ausgebildetste  Tendenz  zur  Mitbewegung  zwischen  gleichen 
Thcilen  der  rechten  und  linken  Seite  zeigt.'  Diess  ist  die  will- 
s-ührliche  Bewegung  der  Iris.  Die  Bewegung  der  Iris  ist  immer 
Sleichzeitig  in  beiden  Augen,  sowohl  die  'durch  den  äussern  Beiz 
«ervorgerufenc  als  die  von  innen  intendirle,  und  die  Bewegung 
erfolgt  immer  auf  durchaus  gleiche  Art,  mag  der  Reiz  von  innen 
oder  aussen  ^ auch  nur  auf  ein  Auge  wirken.  Ist  nur  ein  Auge 
geöffnet,  sö  ist  die  Weite  der  Pupille  bei  dem  auf  Ein  Auge  statt- 
findenden Lieb  teindrucke  grösser,  als  wenn  beide  Augen  bei  glei- 
chem Lichteindruck  offen  sind.  Ist  der  Lichteindruck  auf  beide 
A^ugen  versebieden,  so  ist  gleichwohl  die  Grösse  der  Pupille  auf 
^^eiden  Augen  gleich,  und  entspricht  dem  Mittel  aus  beiden  Licht- 
cindrücken.  So  verliält  es  sich  aber  auch  bei  von  innen  inten- 
dirten  Bewegungen  der  Iris.  Wir  können  die  Iris  immer  will- 
tührlich  bewegen  durch  Association,  wie  ich  schon  anführte, 
Oämlich  durch  Bewegung  des  Auges  nach  innen,  oder  nach  in- 
*ien  und  oben;  aber  das  Merkwürdigste  hierbei  ist,  dass  die  Iris 
fieider  Augen  sich  verengt,  wenn  nur  Ein  Auge  ganz  nach  innen 
gestellt  wird,  das  andere  aber  seine  geindc  Stellung  behält.  Ich 
fiesitze  das  Vermögen,  die  Iris  durch  Einwärtswenden  der  Au- 
8en  zu  verengern,  was  jeder  Mensch  hat,  in  einem  ganz  ausser- 
ordentlichen Grade.  Scbliesse  ich  Ein  Auge  yl  und  sehe  mit 
dem  andern  B gerade  aus  und  unverwandt,  so  bewege  ich  die 
}c‘s  des  unverwandten  Auges  B ganz  nach  Willkühr,  je  nachdem 
Job  das  bedeckte  Auge  ^ einwärts  oder  auswärts  drehe.  Hier 
die  Ursache  der  wunderbaren  Bewegung  verdeckt,  und  die 
ewegung  erscheint  um  so  aufl'allender,  als  das  Auge,  worauf  die 
''orbor  gene  Ursache  mitwirkt,  ganz  unverwandt  ist.  Sogleich 
^'rd  aber  dem  Beschauer  die  Ursache  offenbar,  sobald  ich  das 
. Oge  B öffne,  wo  man  dann  siebt,  dass  ich,  sobald  ich  die  Iris 
l*'  dem  unverw'andten  Auge  B verengern  will,  das  Auge  ^ nach 
'**Oen  stelle.  Offenbar  muss  nun  im  Gehirn  eine  durch  die  La- 
^rung  der  Fasern  bedingte  Intention  seyn  zur  Association  der 
. 'rkungen  in  den  Primitivfasern  der  N.  oculomotorii,  welche 
'*  die  kurze  Wurzel  des  Ganglion  ciliare  gehen.  Ein  interes- 
Y*'tos,  nach  unseren  Principlen  leicht  erklärbares  l’actum  ist  die 
^.orengerung  der  Iris  beider  Augen  im  Schlafe.  Diess  ist  auch 
. Oe  Mitbewegung,  deren  Ursache  die  Stellung  der  Augen  nach 
^^Oen  und  oben  im  Schlafe  ist,  wo  mit  der  Thätigkcit  des  ent- 
Prechenden  Zweigs  des  Oculomotorius  auch  die  Mitreizung  der 
Ganglion  ciliare  gehenden  Fasern  des  Oculomotorius  vom 
0 )irn  aus  erfolgt.  Ausser  der  Iris  haben  noch  viele  an- 

^älicr’K  Pliyslologio.  43 


664  III.Buck.Nerpenphfsik.  UL  Jhschn.  Mechanik  d.Nerpenpritidps. 

clere  Muskeln  beiJei-  Selten  die  Tendenz  zur  Association  iji- 
rer  Bewegungen  vom  Gehirn  aus.  Es  geliört  Ucbung  ‘ “ J 

ein  Auge  allein  orten  zu  halten,  also  bloss  den  Muscnlus  e « 
tor  palpebrae  superioris  einer  Seite  durch  den  Ner\us  ' 

motorius  zu  bewegen.  Wenige  Menschen  können  die  Gcs'f“ 
muskeln  der  einen  Seite  durch  den  N.  facialis  anders  wir*- 
lassen  als  auf  der  andern  Seite.  Ich  vermag  die  Ohrmuskeln 
bewegen,  selbst  die  kleineren,  wenigstens  ganz  deutlich  den  Mi  ^ 
antitragiciis ; aber  wenn  ich  diess  an  einem  Ohre  thun  wiü,_8 
schiebt  cs  immer  zugleicli  an  dem  andern  Ohre.  Ich  weiss  nic  ’ 
ob  ein  Mensch  den  "Muse,  stylohyoidcus  einer  Seite  allem  ' 
«eil  kann.  Selbst  am  Rumpfe  zeigt  sich  eine  ähnliche  Teiide 
zur  gleichzeitigen  Bewegung  derselben  Muskeln,  aber  viel 
«er  ; die  Bauchmuskeln  und  Dammmuskeln,  das  Zwerchfell 
fast'  immer  von  beiden  Seiten  zugleich,  und  selbst  die 
und  Muskeln  der  Extremitäten,  wenn  sie  auch  in  dieser  Hinsic 
freier  sind,  entziehen  sich  doch  dem  allgemeinen  Gesetze 
ganz;  wenigstens  ist  es  bekanntlich  schwer,  entgegengesetzte 
tireiide  Bewegungen  einer  gewissen  Richtung  z.  B.  um  eine  g 
meinschaflliche  Querachse,  mit  beiden  oberen  oder  beiden  iin 
ren  Extremitäten  zu  vollziehen,  während  gleichartige  Bewegu 
qeu  mit  Leitlen  Extremitiiten  zugleicli  scLr  erlciclitei’t  sind. 

” Die  Theorie  aller  dieser  Erscheinungen  ist  offenbar.  Da  di^ 
Primitivfasern  aller  wdlkiilirlichen  Nerven  im  Gehirn  zuld*^ 
sammt  und  sonders  cxplicirt  werden,  um  dem  Einfluss  der 
dankenhestimmung  oder  des  Willens  unterworfen  zu  werden  , 
kann  man  sich  die  neben  einander  im  Gehirn  zum  Vorsche* 
kommenden  Anfänge  aller  Nervenfasern  willkübrlicher 
«leichsam  xvie  die  Tasten  eines  Claviers  vorstellen,  xvclche 
Gedanke  spielt  oder  ansehlägt,  indem  er  die  Strömung  oder  Schwi'^^ 
gung  des  Nervenpriiicips  in  einer  gewissen  Anzahl  Primitivfaser  J 
und  dadurch  Bewegung  veranlasst.  Am  Ursprung  dieser 
muss  aber  die  Leitung  der  Hirnsubstanz  die  gleichzeitige  A 
ction  nahe  liegender  Primitivfasern  erleichtern,  so  dass  ^ 
Intention  des  Willens  schwer  wird,  sich  auf  einzelne  Primitiv 
sern  zu  beschränken.  Diese  Fähigkeit  der  Isolation  wird  a ’ ^ 
durch  Uebung  erlangt,  das  heisst,  je  öfter  eine  gewisse  ZahlR»^^ 
mitivfasern  der  Intention  des  Willens  ausgesetzt  wird,  um 
mehr  erhalten  sie  die  Neigung,  der  Intention  allein,  ohne 
beuliegenden  Primitivfasern,  zu  gehorchen,  um  so  mehr 
sich  gewisse  Wege  der  leichtern  Leitung  aus.  Wir  sehen  m % 
wissen  Künsten  diese  Fähigkeit  der  Isolation  auf  den 
Grad  der  Ausbildung  gebracht,  wie  beim  Spielen  musicalis® 
Instrumente,  besonders  beim  Clavierspielen.  _ . |.j 

Alle  Mitbewegungen  haben  ihren  Ursprung  im  Gehirn  j,;, 
durch  eine  Conmiunication  der  Primitivfasern  in  einem  rao  ^ 
sehen  Nerven  können  sie  nicht  erklärt  werden,  weil  die  gj, 
tivfasern  nicht  communiciren,  und  w'eil  die  Reizung  . gu 

les  von  einem  grossen  Nerveiistainm  niemals  auf  die  ubri^^^ 
Theile  des  Nervenstammes,  sondern  mir  auf  die  Fortsetzung 
Fasern  des  gereizten  Theiles  vom  Stamme  wii’kt.  Siehe  oben  p- 


2.  Mechanik  der  Empfindungsnerpcn.  Gesetie  der  Leitung,  665 


Durch  den  N.  sympathicus  können  die  Mitbewegungen  auch 
nicht  erklärt  werden,  weil  dieser  auch  keine  Verbindungen  der 
Einzelnen  Theile  eines  motorischen  Nerven  unterliält,  aueh  niclit 
^ie  symmetrisehen  Nerven  beider  Seiten,  sondern  nur  das  Ge- 


■nrn  und  Rückenniark  diese  verbindet. 


II.  Capitel.  Mechanik  der  Empfindungsnerven. 

I.  Von  den  Gesetzen  der  Leitung  in  den  sensibcln  Nerven. 

Um  Empfindung  zu  haben,  muss  ein  Nerve  noch  mit  dem 
Organe  des  Bewusstseyns,  mit  dem  Gehirn  unmittelbar  oder  mit- 
telbar durcli  das  Rückenmark  zusammenbängen.  Betrachten  wir 
Jetzt  auch  Jiier  das  Verhältniss  der  Nervenäste  zu  den  Nerven- 
stämmen. 

I.  Wenn  ein  Nereenslamm  gereht  ist,  so  haben  alle  Theile, 
'■^'elchc  Ziveige  von  dem  Stamme  erhalten , Empjlndung  der  Heizung, 
^nd  es  ist  eben  so  gut,  als  wenn  alle  letzten  Aeste  desselben  gereizt 
'Werden.  Reizt  man  einen  Zweig  eines  Nervenstammes , so  ist  die 
Empfindung  des  Reizes  auf  den  Theil  ]>eschrankt,  zu  welchem 
ieser  Zweig  liingeht.  Reizt  man  den  Stamm  aller  Zweige,  so 
die  Empfindung  auf  alle  Theile  ausgedehnt,  zu  welchen  Zweige 
'tieses  Stammes  hingehen.  Diese  Versuche  kann  man  begreiJIlch 
*im-  an  sich  seihst  anstcllen,  sie  liefern  alter  eiten  so  sichere  Re- 
*’Ultate,  wie  die  Versuche  über  Bewegung  hei  Thicren.  Wenn 
blau  den  N.  cubitalis  .absichtlich  über  der  Innern  Seite  des  Ell- 
l^ogens  oder  über  dem  Condylus  internus  zerrt  oder  quetseht, 
•ödem  man  mit  den  Fingern  den  N.  cubitalis  hin  und  her  schiebt 
bnd  drückt,  so  hat  man  die  Empfindung  von  Prickeln  und  N.a- 
^elstichen,  oder  von  einem  Stoss  in  allen  Theilen,  in  welchen 
**ch  der  N.  cubitalis  endlich  verzaveigt,  namentlich  in  der  Fläche 
'^nd  auf  dem  Rücken  der  Hand,  in  dem  4.  und  5.  Finger.  Drückt 
^an  stärker,  so  hat  man  auch  Empfindungen  im  Vorderarme. 
Y'irch  starkes  Auf-  und  Ahwürtsslreichen  mit  dem  Daumen  an 
innern  Fläche  des  Oberarms  und  durch  Druck  ln  die  Tiefe 
obersten  innern  Theile  des  Arms  trifft  man  leicht  dpn  Ner- 
^bs  radialis,  medianus,  und  man  hat  ähnliche  Empfindungen  in 
den  Theilen , wo  sie  sich  verbreiten.  Drückt  man  einen 
B*‘cssqn  Nervenstamm  für  ein  g.anzes  Glied,  z.  B.  den  Nervus 
l^chiadicns,  so  hat  man  die  bekannte  Empfindung  von  Prickeln, 
'^delstichen  und  Einschbafen  im  ganzen  Beine,  und  leicht  kann 
*dän  es  durch  eine  besondere  Lage  des  Ober.scbenkels  heim  Sit- 
so  cinrichten,  dass  der  N.  ischiadicus  bei  seinem  AustritI 
'.^don  gedrückt  wird.  Auf  diese  Art  kann  man  nach  und  nacb 
Stellen  finden,  wo  man  durch  mechanische,  ganz  unschäd- 
Reize  an  vielen  auch  kleinen  Nerven  ähnliche  Versuche 
seinem  eigenen  Körper  anstellen  kann , wie  sonst  über 
. ewegungen  an  Thieren  angeslcllt  werden.  Man  wird  sich  dabei 
DfJer  überzeugen,  dass  bei  Reizung  eines  Stammes  jedesmal  die 
”*Pfindung  in  den  äusseren  Theilen  aller  seiner  Aeste  stattfin- 

43  * 


«66  III.  Buch.  NerPenphfsik.  III.  Ah.<<chn.  mcrhanlkd.Ncrucnprlncips. 
dol  <'cr;Klc  so  wie  Lei  Reiziins^  eines  MuskclnervensUuunics  tLc 

Bcwc'^'^ingeii  in  «len  Muskeln  aller  seiner  Acste  staltlindcn. 

Ist  aUo  Ller  gerade  so  wie  bei  der  niotorisebcn  Kraft,  ‘I’'' 

diese  nocli  auf  die  Muskeln  dureli  Reizung  des  Nerven  •vvnkc 
kann,  wenn  der  Nerve  selion  niebt  mebr  mit  dem  Geliirn  z ' 
saumienbängt , die  Empfindung  aber  nur  stattlindet,  wenn  i 
Reizung  der  Nerven  noch  zu  dem  Gebirn  gelan.^. 

If  Die  Rciamg  eine.i  JSen’cnza’eiges  i.if  mit.  hmpßiidimg  ' 
gleitet,' die  auf  die  Verbreit ung  dieses  Zu^eiges  he.^rhriiukt  ist,  ^ndjni  ' 
mit  Empfindung  in  den  Neruenz.ueigen , die  höher  uom  ISteruenstaW 
oder  uon  demselben  Elexus  abgehen.  Die  Tbatsacben,  welche  Ine' 
her  gebdren,  sind  zu  bekannt,  als  dass  ich  sie  einzeln  auffuln'  ‘ 
müsste.  Die  Reizung  der  Haut  wird  immer  da  empfunden,  " 
sie  staltf.ndet,  wenn  sieb  nicht  ihre  Folgen  durch  Entzünde^ 
und  dann  also  auch  die  Reizung  ausdebnt.  Ich  habe  schon  n- 
Beispiel  vom  N.  cubitalis  angeführt.  Die  Empfindungen  die  ‘ 
Reizung  desselben  am  Ellbogen  beschränkt  sich  bloss  auf  die) 
nigen  Thcile,  in  welcbqn  er  sich  ausbreitet,  auf  die  Fläche  m 
den  Rücken  der  Hand,  rfc^i  4.  und  5.  Finger.  Niemals  wirkt  t w 
Reizung  auf  den  Plexus  bracbialis  und  die  übrigen  Nerven  desselhc 
zurück:  Dass  ein  Empfiudungsnerve,  der  mit  einem  andern  empfiiK  . 
liehen  Cei'clirospinalncrven  anastomosirt,  nicht  die  Empfindungen  a'^ 
den  Stamm  des  zweiten  Nerven  überträgt,  dass  die  Anastomos^ 
vielmehr  nur  eiuApparat  zur  weitern  peripberisehen  Vertbeilung 
Primitiv  fasern  ist,  geht  aus  den  p.  613.  angeführten  Versucht 
von  Gahdeciiens  am  N.  facialis  und  inlraorbitahs  hervor;  ^ 
bei  den  Anastomosen  zwischen  Aesten  beider  Nerven  gebt  . 

vom  N.  infraorbitalis  auf  den  Stamm  des  N.  faeialis  zurück,  o‘i 
vom  N.  facialis  auf  den  N.  Infraorbitalis  zurück,  sondern  von  h ^ 
den  Nerven  gehen  die  Fasern  aus  der  scheinbaren  Anastotn'i’ 
nur  peripherisch  weiter.  Als  Gaedechens  einen  Zweig  des 
facialis  zum  N.  infraorbitalis  durchschnilt  und  das  dahmgehen^^ 
Stiiek  des  N.  facialis  reizte,  entstanden  keine  Empfindungen,  ^ _ 
gin»  also  vom  N.  facialis  von  dort  aus  nichts  durch  den  N. 
fraorbitalis  zum  Gehirn  zurück.  Eben  so  wenig  wird  man  an  t 

nem  vom  Stamme  des  N.  infraorbitalis  abgetrennten,  noch 
dem  N.  fiicialis  zusaramenhiüigeuden  Stück  des  N.  infraorbn' 
Sclimerzen  erregen  können.  Es  ist  also  gerade  so  wie  mi 
motorischen  Kraft,  welche  nach  Reizung  eines  Nervenzweigs  ^ 
mals  Zuckungen  durch  Nervenzweige,  die  hoher  aus  demStai  ^ 
entspringen,  zurückwirkend  erzeugt.  Man  wird  diess 
für  die  Hegel  bei  den  Centralnerven,  die  vom  Gehirn  und 
keumark  entspringen,  anerkennen,  aber  man  wird  mir  die 
pathischen Empfindungen  einwerfen;  ich  werde  die  letzteren  sp« 
befriedigend  erklären,  und  erwähne  hier  nur,  dass  Zweige 
Hirn-  und  Rückenmarksiierven  in  der  Regel  nur  dann 
sehe  Empfindungen  bewirken,  wenn  sie  auf  das  p. 

Hückeiimark  zurückwirken.  Wo  Letzteres  statt  hat,  wie 
lieiiu  Nervus  inideiidus  im  Coitus,  ist  eine  Empfindung,  die  « 
Reizunc  der  Zweige  bewirkt  wird,  nicht  auf  diese  Zweig 
schränkt , sondern  wirkt  auch  von  den  Centralthcden  a 


2.  Mechanik  der  Ernpßndungsneri>cn.  Gesetze  der  Leitung.  G67 

Jere  Thellc  und  erregt  Empfindungen  in  anderen  Thcllen.  Rcl- 
*iing  der  Eichel  bewirkt  wollüstige  Empfindungen  der  Eichel, 
allein  später  auch  im  Unterhfihe  und  in  den  Samenljläschen. 

Von  allen  Cerehralnerven  haben  der  N.  vagus  und  trigemi- 
'*Us  die  meisten  sympathischen  Empfindungen.  Reizungen  der 
^chleimhaut  des  Schlundes,  Kehlkopfs  luüjen  Empfindungen  zur 
l^elge,  die  nicht  auf  diese  Theile  beschränkt  sind.  Reizung  des 
trigeminus  in  den  N.  dental ihus  durch  cariöse  Zähne  haben 
ausgebreitete  und  sehr  täusclieude  Empfindungen  in  anderen 
^heilen  zur  Folge;  Reizung  der  Haut  des  äussern  Gehörganges 
'u  dem  ]V.  temporalis  superfieialis  dureh  mechanische  Irritation, 
bewirkt  immer  sogleich  eine  unangenehme  Empfindung  von  Kit- 
tel im  Gaumen  und  Scliluude. 

Ich  muss  bemerken,  dass  es  noch  keinesweges  erwiesen 
’st,  (lass  solche  sympathische  Empfindungen  durch  Verbindun- 
gen der  Nerven  mit  dem  Nerv.  sympathicHS  vermittelt  werden, 
and  dass  eine  andere,  viel  häufigere  Art  der  Sympathie  durch 
ll^Uckwirkung  der  Empfindungsnerven  auf  das  Gehirn,  und  die 
Ausbreitung  des  Eindrucks  auf  andere  Emjifindungsfascrn  vom  Ge- 
birn  aus  hier  wahrscheinilchcr  stattfindet , wovon  bei  der  fol- 
Senden  Untersuchung. 

III.  Verschiedene  Theile,  in  der  Dicke  eines  Empßndungsncri>en 
Spreizt,  hemrken  dieselben  Empßndungen,  me  wenn  verschiedene  End- 
^Weige  dieser  Theile  des  Stammes  gereizt  werden.  Beweis.  Wenn 
aian  den  N.  cubitalis  auf  die  schon  beschriebene  Art  an  sich 
halbst  mechanisch  reizt,  besonders  Indem  man  ihn  mit  den  Fin- 
Sarn  drückend  hin  und  her  schiebt,  so  hat  man  die  Emplintlung 
''Oll  Prickeln,  Nadelslechen  in  der  Hohlhand,  im  Rücken  der 
bland  und  am  4.  und  5.  Finger.  Aber  je  nachdem  man  gerade 
Afückt,  tritt  das  Prickeln  bald  am  4.,  bald  am  5.  Finger,  bald 
“1  der  Hohlhand,  bald  auf  dem  Rücken  der  Hand  ein,  und  in 
Aer  Ilohlhand  wie  auf  dem  Rücken  derselben  wechselt  auch  der 
des  ])rickelnden  Punktes,  je  nachdem  sich  der  Druck  am 
cubitalis  ändert,  also  verschiedene  Fasern  dieses  Nerven  oder 
^ äserbündel  mehr  gedrückt  werden  als  andere.  So  wird  man 
auch  finden  bei  Reizung  der  Nervenstämmc  arn  Oberarm;  al- 
•eiu  beim  N.  cubitalis  lässt  sich  gerade  am  besten  der  Druck 
äuf  verschiedene  Theile  in  der  Dicke  des  Nerven  isoliren,  je 
J),ächdem  man  bald  drückt,  bald  den  Nerven  in  der  Furche  am 
“Undylus  internus  humeri  am  Ellbogen  mit  dem  Finger  der  an- 
uern  Hand  hin  und  her  schiebt.  So  habe  ich  auch  durch  hefti- 
Ijen  Druck  auf  den  N.  infraorbitalis  an  der  Auslrittsstelle  aus 
Foramen  Infraoi’bitale  das  Prickeln  an  der  Wange  und  der 
berlippe  an  verschiedenen  Stellen  empfunden,  je  nachdem  der 
läick  und  das  drückende  Hin-  und  Hersehieben  wechselte.  Die 
Application  des  Druckes  auf  den  N.  infraorbitalis  ist  übrigens 
j^‘ul  schwerer,  weil  man  die  Austrittsstelle  des  Nerven  durch 
^uck  und  die  erfolgenden  Gefühle  erst  bestimmt  ausmittcln  muss. 
^ IV,  Die  Empfindungen  der  feinsten  Nervenfasern,  wie  die  der 
'^''venstiimme , sind  isolirt  und  vermischen  sich  nicht  mit  einander 
den  äusseren  Theilen  bis  zum  Gehirn.  Bmvels.  Dieser  Schluss 


668  III. Buch.  Neroenphysik.  III.Abschn.  Mechanik  d.Nervenpnnctps. 

ergiebt  sieb  aus  den  vorher  mitgetheilten  Thatsachen 

Gesetzen.  _ i ,nd 

Ich  habe  zuerst  ans  meinen  eigenen  Beobachtungen  i 

aus  den  Untersuchungen  von  Fostana  , Prevost  und 
MAS,  Ehrekderg,  Wutzer  bewiescn , dass  alle  PrimitivfaseH 
eines  Nerven  sicli  niemals  verzweigen  oder  verbinden , wc 
der  im  Stamme  noch  in  den  Anastomosen  der  Nerven , 
die  Primitivfosern  bloss  aus  einer  Scheide  in  die  andere 
Scheide  übergehen  und  neue  Ordnungen  bilden , indem  ^ 
sich  nur  parallel  an  andere  Primitivfasern  anlegen.  Ich  haije 
gezeigt , dass  der  Nervenstaram  auf  diese  Art  das  Ensemb 
aller  Primitivfasern  ist , die  sich  aus  seinen  Aesten  entwi 
kein,  und  dass  also  eine  prästabilirlc  Harmonie  der  Fasern  des  | 

Stammes  mit  den  Elementen  der  feinsten  Zweige  existirt.  Ic  * j 
liabe  ferner  IjCTviescnj  dass  die  Stämme  der  Nei*ven  dieselbe  Eni 
pfindung  haben  als  alle  Zweige  zusammen,  dass  ein  Ast  des  Stam-  i 
rnes  bei  dem  Heiz  keine  Empfindung  in  anderen  Aesten  desseften 
Stammes  erregt,  dass  ein  Theil  eines  Stammes  eben  solche  E^ 
pfindungen  luvt,  als  wenn  einzelne  Theile  von  den  Zweigen  de» 
Stammes  oder  der  Theile,  wo  sie  hingehen,  gereizt  werden- 
Fasst  man  diess  Alles  zusanmien,  so  wird  man  den  von  mir  au_' 
gestellten  Schlusssatz  zugeben  müssen,  obgleich  er  nur  approxi- 
mativ und  nicht  von  jeder  feinsten  Primitivfaser  erwiesen  ist- 
E.  H.  Weber’s  schöne  Versuche,  nach  welchen  die  Unterscheidiings- 
kraft  für  die  Distanz  zweier  die  Haut  berührender  Röi-per  in  ver- 
schiedenen Thcilcn  sehr  verschieden  ist,  und  nach  welchen  meb- 
rere  Theile  des  Körpers,  wie  die  Ziuigenspitze,  die  Distanz  zwciei 
Körper  schon  auf  | Linie  Entfernung,  andere,  wie  die  Mittel- 
linie des  Rückens,  nur  auf  30  Linien  Entfernung  unterscheiden; 
ist  kein  Einxvurf  wider  jenen  Satz;  denn  jene  Unterscheidiings 
kraft  bängt  wohl  davon  ab,  wie  viel  oder  wie  xvenig  Primitivia- 
sern  sensibler  Nerven  zu  einem  gewissen  Felde  des  Hautorgaiiß 

hingehen.  ' 

V.  Da  die  Stämme  der  Nerven  das  Ensemble  der  Pnmitivja- 
sern  sind,  die  sich  in  den  Aesten  entwickeln,  jede  Faser  trotz  ihre 
Länge  doch  nur  in  einem  Punkt  mit  dem  Gehirn  zAisammenhängt  ^ 
nur  einen  Punkt  repräseniirt , so  ist  die  Empfindung  gleich , ob  i 
selben  Primitivfasern  im  Stamme  oder  in  den  ylesten,  oder  m « 

Haut  gereizt  werden.  Beweis.  Es  ist  bekannt,  dass  in  je 
Theile  des  Körpers  wie  in  der  Haut  die  Empfindungen 
in  Hinsicht  des  Orts  als  verschiedene  empfunden  werden,  da» 
in  jedem  kleinsten  Theile  andere  Priinitivfasern  der  Nerven  au 
gebreitet  sind.  Dadureh  dass  diese  Primitivfasern  von  verscüi  ' 
denen  Theilen  in  den  Stämmen  sich  nicht  verbinden, 
einzeln  zum  Gehirn  gelangen,  ist  es  möglich,  dass  das  Ge  i 
bestimmte  und  deutliche  Empfindung  von  allen  Theilen,  die  v 
Centralnerveu  versehen  sind,  hat.  Die  Deutlichkeit  der  Emp  * ^ 
diing  hängt  hier  durchaus  davon  ab,  wie  viel  Primitivfasern 
nen  bestimmten  Theil  des  Körpers  mit  einem  bestimmten  J- 
des  Geliirns  in  Verbindung  setzen.  Würden  sich  dagegen 
von  verschiedenen  Thcilcn  koirujienden  Primitivfasern  in 


2.  Mechanik  der  Empfindungsnerven.  Gesetze  der  Leitung,  669 

Nerven  vei'binden,  so  wäre,  gar  keine  bestimmte  Empfindung 
*äöglicb,  sondern  die  Empfindungen  verschiedener  Theile  müssten 
äls  identiscb  vom  Gebii-n  percipirt  werden. 

Es  fragt  sieb  nun,  wenn  die  Priraitivfasern  der  Nerven,  die 
'm  Stamme  vereinigt  zusammenliegen,  in  den  Aesten  ausgebreitet 
^Verden,  an  vcrscbiedenen  Stellen  ihrer  Länge  gereizt  sind,  was 
bir  eine  Empfindung  sie  ba])en,  ob  die  Empfindung  auch  dann  in 
Hinsicht  des  Orts  immer  eine  ist,  oder  ob  die  Empfindungen  an 
Verschiedenen  Stellen  in  der  Länge  der  Primitivfasern  als  ver- 
schiedene unterschieden  werden.  Kann  ich  es  aus  der  Empfin- 
dung wissen,  ob  ein  und  dassell)e  Bündel  Piämitivfasern  an  sei- 
i>em  Stamme,  in  den  Aesten  oder  in  der  Haut,  wo  sie  sich  ent- 
wickelt haben,  gereizt  wird?  Hie  Antwort  ist  zum  Thcil  in  den 
Vorher  mitgetbeilten  Beobachtungen  enthalten. 

1)  Wenn  der  Stamm  eines  Nerven  gereizt  wird,  so  ist  die 
Empfindung,  als  w'enn  alle  die  Primitivfasern  gereizt  würden. 
Welche  sich  in  die  äusseren  Theile  begeben,  und  die  Empfindung 
bat  eben  so  gut  scheinbar  in  den  äusseren  Thellen  statt,  als 
Wenn  diese  selbst  gereizt  werden. 

2)  Wenn  verschiedene  Primitivfasern  in  einem  Nervenstamme 
gereizt  werden,  so  ist  die  Empfindung,  als  wenn  verschiedene 
Eunkte  an  den  äusseren  Tbeilen  gereizt  werden. 

•3)  Die  Reizung  jedes  Astes  ist  mit  Empfindung  begleitet  an 
den  Tbeilen,  zu  wclclien  der  Ast  hingebt. 

Es  scheint  also  gleich,  wo  die  Primitivfasern  gereizt  wer- 
den: In  den  Stämmen  selbst,  wm  sie  noch  neben  einander  liegen, 
den  Aesten,  wo  sie  sich  in  Bündel  abgetbeilt  haben,  oder  in 
den  äussersten  Tbeilen,  wo  sie  sich  ganz  vereinzeln.  Wird  die 
Haut  gereizt  durch  Nadelstiche  oder  indem  Mücken  darüber  lau- 
fen, sind  also  die  Enden  der  Primitivfasern  irritirt,  so  haben  wir 
dort  die  Empfindung  von  Nadelstichen  und  Mückenlaufen;  wei-den 
dagegen  die  Massen  der  Primitivfasern  in.  einem  kleinen  Zweig 
Finger  gedrückt,  so  entsteht  die  Empfindung  von  Nadelsti- 
chen und  Mückenlaufen  in  der  Haut  der  Finger;  wird  ein  gan- 
zer Stamm  gedrückt,  so  entsteht  dieselbe  Empfindung  von  Na- 
delstichen und  Mückenlaufen  in  der  Haut,  wo  die  letzten  En- 
den der  Primitivfasern  des  Stammes  bingchen.  Ist  der  Druck 
'‘uf  den  Stamm  z.  B.  des  Nervus  cubitalis  oder  eines  anderen 
der  innern  Seite  des  Oberarms  plötzlich  und  stark,  so  ist  die 
Empfindung  wie  von  einem  electrischen  Schlag  in  allbn  Fasern, 
welchen  sich  der  Stamm  verbreitet;  aber  dieser'  Schlag  fühlt 
®ich  scheinbar  nicht  da,  wo  der  Nerve  gedrückt  wird,  sondern 
da,  wo  die  Primitivfiisern  des  Nervciistammes  in  der  Haut  der 


E:  ° 


‘Oger,  der  Hand,  in  den  Muskeln  des  Vorderarms  sich  enden, 
s gehören  hieber  auch  die  Phänomene  bei  der  Durchschneidung 
der  Nerven  beim  Menschen  in  Amputationen.  Im  Momente  der 
Hurchsebneidung  der  Nerven  werden  die  heftigsten  Schmerzen 
Scheinbar  in  dem  zu  amputirenden  Theile,  worin  sich  die  durch- 
^bnlttenen  Nerven  verbreiten,  empfunden.  Diess  ist  etwas  ganz 
cnstantes,  wie  mir  der  erfahrungsreiche  Dirigent  der  chirurgi- 
schen Abthcllung  des  Krankenhauses  zu  Hamburg  tlerr  Dr.  FaicK.fi 


670  UI. Buch.  Nerpenphfsik.  III.Abschn.  Mechanik  d.Nerpenprtnccps. 

versicliert  liat.  Da  jede  Primitivfaser  eines  Nerven  Lei  Ihrer  Läng® 
vom  Gehirn,  durch  den  Stamm  des  Nerven  in  die  Aeste,  his^  in  die 
Haut  nur  in  einem  Punkte  nämlich  am  Ende  mit  dem  Gehirn  zu- 
sammenhängt, so  scheint  es  ganz  consequent,  dass  diese  Primitivta- 
sern  unten  in  der  Haut,  in  der  Mitte  oder  im  Stamme  alhcirt,  diese - 
hen  Empfindungen  hahcn  sollen;  denn  alle  Empfindungen,  die 
ihrer  ganzen  Länge  stattfinden,  können  sie  doch  nur  in  einem 
einzigen  Punkte  mit  dem  Gehirn  oder  dem  Organe  des  Bewusst- 
seyns  in  Verbindung  bringen.  Es  scheinen  daher  alle  Primitiv- 
fasern eines  Nerven,  mögen  sie  lang  oder  kurz  seyn,  immer  nur 
einen  Punkt  im  Gehirn  zu  repräsentiren , der  immer  dieselbe 
Empfindung  zum  Bewusstseyn  bringt,  mag  die  Faser  in  der  Hau 
afficirt  seyn  oder  im  Stamme.  Wir  scheinen  hei  Reizung  der 
Nervenfasern  an  verschiedenen  Orten  ihrer  Länge  die  Empfin' 
düngen  immer  in  der  Haut  zu  haben,  weil  sie  in  der  Regel  im' 
mer  dann  entsteht,  wenn  die  Haut  oder  die  Hautenden  der  Pri' 
mitivfasern  afilcirt  werden.  So  richtig  diese  Schlüsse  aus  de® 
bisher  angeführten  Beobaehtungen  sind,  so  ist  diese  Theorie 
der  Empfindungen  doch  noch  ziemlich  weit  von  einem  voll' 
kommenen  Beweise  entfernt,  wie  sich  aus  Folgendem  ergieht. 

VI.  Eine  sonderbare  und  den  eben  angeführten  ThatsacheU 
evidersprechende  Erscheinung  ist,  dass,  obgleich  heim  Druck  auf  eV' 
nen  Neroenstamm,  die  Empfindungen  in  den  äusseren  Theilen  zu  seft* 
scheinen,  doch  auch  ein  heftiger  Druck  des  Stammes  zugleich  an  der 
Druckstelle  des  Stammes  empfunden  zu  werden  scheint.  Diese  Er- 
fahrung macht  man  sonst  nur  selten,  indem  man  sich  an  de® 
Nervus  ulnaris  anstösst.  Man  kann  aber  ohne  gewaltsame  Ei®' 
griffe  auch  Versuche  darüber  an  sich  anstellen.  Drückt  ma® 
nämlich  den  Nervus  ulnai’is  über  dem  Condyhis  internus  h®' 
meri  allmählig  verstärkt  an  den  Knochen  an , indem  man  ih® 
Lei  dem  Druck  zugleich  fixirt  und  nicht  verschiebt,  so  vvir® 
zwar  der  ganze  Arm  unter  der  Druckstelle , und  zwar  so  wei 
sich  der  Nervus  ulnaris  verzweigt,  schmerzhaft,  allein  ein  leb' 
hafter,  nicht  bloss  von  der  Empfindlichkeit  der  umherliege®' 
den  Theile  herrührender  Schmerz,  der  seinen  Sitz  im  Stamm® 
des  Nervus  ulnaris  hat,  fühlt  sich  auch  an  der  Druckstell®' 
Diess  dürfte  nach  Analogie  der  vorhergehenden  und  noch  spä' 
ter  zu  beschreibenden  Erscheinungen  nicht  seyn,  und  es  schein  t 
dass  uns  hier  noch  etwas  Piäthselhaftes,  für  die  Theorie  der  Em' 
pfindungen  Wichtiges  verborgen  ist.  Man  beobachtet  etwa* 
Aehnliciies.-hei  den  Neuromen.  Die  characteristischen  Symptom® 
dieser  Geschwülste  der  Nerven  sind  zwar,  dass  die  Schmer' 
zen  in  allen  Theilen,  zu  welchen  der  Nerve  hingeht,  z.  B.  b®^ 
einer  Geschwulst  des  Nervus  ulnaris  am  Oberarm , die  Schmer 
zen  in  der  Hand  und  am  4.  und  5.  Finger  furchtbar  heftig  au  ^ 
treten,  wie  denn  auch  im  Moment  der  Durchschneidung 
kranken  Nerven  über  der  Geschw'ulst  in  jenen  Theilen  _ ‘ 
furchtbarsten  Schmerzen  eintreten  (von  mir  selbst  hei  em 
vom  Professor  Wutzer  im  chirurgischen  Clinico  gemach  e 
Durchschneidung  des  Nervus  ulnaris  am  Oberarm  über 
Neuroma  desselben  beobachtet).  Vergl.  AronssohN  ohsero. 


2.  Mechanik  der  Empfindui^snerven,  Gesetze  der  Leitung.  671 

les  tumeurs  developpdes  dam  les  nerfs.  Strasb.  1822.  p,  9.  Allem 
®ttch  das  Nenroma  selbst  pflegt  sehr  schmerzhaft  und  empfind- 
bch  zu  seyn.  An  diese  Erfahrungen,  dass  ein  Nervenstamm  af- 
bcirt  sowohl  an  den  Tbeilen,  zu  welchen  seine  Zweige  hingehen, 
äjs  an  sich  selbst  Empfindungen  verursacht,  schliesst  sich  eine 
«nnliche  Erscheinung  vom  Rückenmark  an,  bei  dessen  Krankhei- 
ten die  Schmerzen  in  der  Regel  in  allen  unter  der  afficirten 
Stelle  liegenden  peripherischen  Theilen,  allein  zuweilen,  obgleich 
gelten,  wie  bei  der  Neuralgia  dorsalis,  auch  in  der  Mittellinie 
“es  Rückens  vorgefunden  werden. 

Leider  haben  die  Chirurgen  die  herrliche  Gelegenheit,  Be- 
frachtungen über  die  Erscheinungen  bei  der  Durchscbneidnng 
“er  Nerven  anzustellen,  bis  jetzt  so  wenig  benutzt.  Hätten  die 
Chirurgen  öfter  ein  mehr  allgemeines,  physiologisches  Interesse 
äls  das  beschränkte,  welches  sie  durch  die  physiologischen  Vor- 
gänge der  Entzündung  an  die  Physiologie  knüpft,  so  hätten  sie 
üns  mit  sehr  wichtigen  Erfahrungen  in  Hinsicht  der  Nervenphy- 
*ik  bekannt  machen  können.  Man  sollte  denken,  bei  einem  so 
gewaltsamen  Eingriff  in  die^  Organisation  eines  Menschen,  wie 
flie  Amputation  oder  die  Durchschneidung  eines  Nerven,  müss- 
ten sich  dem  Operateur  die  wichtigsten  physiologischen  Fragen 
ättf  drängen. 

VlI.  Auch  die  Verbreitung  der  Schmerzen  in  den  Neuralgien, 
^ch  dem  anatomischen  Verlauf  der  Nerven  widerspricht  der  früher 
erwähnten  Theorie  der  Empfindungen.  Die  Schmerzen  in  den  Neural- 
gien werden  nach  dem  ganzen  Verlauf  eines  Nerven  (also  nicht  in  den 
peripherischen  Enden  der  Nerven)  empfunden:  so  sagen  die  Aerzte, 
ünd  es  scheint  zuweilen,  aber  durchaus  nicht  immer  der  Fall  zu 
feyn.  Beim  nervösen  Hüftschmerz  müsste  nach  jener  Theorie,  wenn 

Stamm  des  Nerven  leidet,  das  ganze  Bein  ohne  Unterschied 
®äf  das  heftigste  schmerzen.  Wenn  aber  der  Schmerz  im  Ischiad- 
?erven  gefühlt  würde,  so  müsste  er  einen  schmerzhaften,  schon 
^ Oberschenkel  in  zwei  Zweige  (N.  tibialis  und  peronaeus)  sich 
fallenden  Strom  darstellen,  und  die  Ströme  des  Schmerzes  anato- 
jüisch  nach  der  Verbreitung  derAeste  des  N.  peronaeus  und  tibia- 
hingehen,  was  mit  der  Beschreibung  der  Ischiadik  nicht  stimmt, 
mehreren  Fällen  von  reinen  Neuralgien,  die  ich  in  Berlin  unter- 
®ächte,  verliefen  die  Schmerzen  durchaus  nicht  nach  der  anatomi- 
phen  Verbreitung  des  Nerven ; ich  sah  z.  B.  eine  Neuralgie  des  Ge- 
®ichts,  die  vom  Scheitel  anfangend  durch  die  Orbita  auf  die  Wange 
ll'ig  und  dort  endete.  Bei  einer  andern  Neuralgie  konnte  man  den 
• ulnaris,  so  gut  als  den  N.  radialis  im  Verdacht  haben,  und  doch 
^®sste  beides  nicht  recht.  Eben  so  sah  Ich  eine  Neuralgie  am  Schen- 
j^P  > die  der  Arzt  wohl  gewöhnlich  für  Ischiadik,  aber  ein  Anatom 
würde.  Dagegen  sah  ich  auch  wieder  eine  Neu- 
ai  fler  N-  facialis  und  lingualis,  wo  die  Schmerzen,  wenn  auch 
sik*^  doch  öfter  unter  dem  Ohr  hervorzukommen  und 

Seil  im  Gesicht  zu  verbreiten  schienen.  Bei  dem- 

bj,  Manne  ging  der  Schmerz  oft  gegen  die  anatomische  Ver- 
"'arf  sich  oft  vom  Gesicht  auf  die  Zunge.  In  diesem 
e bilden  die  Neuralgien  aber  einen  Einwurf  gegen  die  früher 


672  in.  Buch.  Nervenphystk.  III.  Abschn.  Mechanik  d.  JServenprindps. 

erwälinte  Theorie  der  Empfindungen.  Wenn  die  oben  erwähnten 
Thatsachen  gegen  Jene  Theorie  von  der  Mechanik  . P • 

düngen  sprechen,  so  sind  ihr  die  folgenden  wieder  gnnslig;  me 
fehlt  uns  ein  ‘ufschluss,  der  diese  AVidcrsprüche  aufteilt. 

■ VIIT.  JVcmi  die  Empfindung  in  dm  äusseren  Theden  dura 
Druck  oder  Durchschneiden  uoUkommm  gelähmt  ist,  so  kann  der  ge- 
feilte Stamm  des  Nerven  noch  Etripfmdangen  haben,  a>dche  in  de' 
analogen  äusseräi  Theden  zu  seyn  scheinen.  Beweis.  Es  giem 
hekanntlich  Lähmungen,  hei  welchen  die  Glieder  durchaus  keine 
Empfindliclikeit  für  äussere  Reize  hahen,  und  wobei  gletcliwon 
die  hefti'^sten  Sehmerzen  in  dem  für  äussere  Reize  unemplint' 
liehen  Thcile  stattfinden.  Solche  Glieder  kann  man  stechen,  an- 
schneiden,  stossen,  ohne  die  geringste  Empfindung,  und  <]ennoc  j 
sind  die  Schmerzen  aus  inneren  Ursachen  ziweilen  stark,  isc 
dem  bisherigen  rohen  Zustande  der  Nervenphysiologie  waren 
diese  Fälle  ein  Widerspruch,  ein  unauflösliches  Räthsel.  In  Bonn 
habe  ich  einen  solchen  Fall  bei  einem  gewissen  Heideniieich  gf' 
sehen,  der  an  'den  unteren  Extremitäten  vollständig,  sovvohl  in 
Hinsicht  der  Empfindung  als  der  Bewegung,  gelähmt  ist.  Von 
Zelt  zu  Zelt  werden  die  Glieder  von  Zuckungen  ergriflen,  wob 
heftige  Schmerzen  Irri  ganzen  Beine  eintreten,  aber  die  Lm- 
pfindung  für  äussere  Reize  nicht  wiederkehrt.  vVenn  die  äusse- 
ren Tlieile  der  Nerven  gelähmt  sind,  so  kann  die  Irritation  der 
Stämme  noch  die  heftigsten  Schmerzen  verursachen,  welche  m 
den  äusseren  Tlieilen  zu  seyn  scheinen  (Anacsthesia  dolorosa)- 
Man  siebt  leicht  ein , dass  die  schmerzhaften  Lähmungen  t o 
Empfindung  vorzüglich  solche  sepi  niiisscn,  wo  die  äussere'' 
Theile  der  Neryen  gelähmt  sind,  die  Stämme  und  Ursprünge  alic 
noch  unversehrt,  also  in  den  rein  örtlichen  Lähmungen  der  Ner' 
ven  hei  vollkommener  Integritift  des  Gehirns  und  Rückenmark  i 
wie  in  den  örtlichen  rheumatiscb  - gichtiiclien  Lähmungen,  ' 
örtlichen  Lähmniigcn,  die  durch  Druck  auf  die  Nerven, 
«^angliöse  Anschwellungen  der  Nerven  veruwacht  sind. 
erzählt  einen  Fall  {med.  chirurg.  transart . 1.  M'i.  ]NlECK.Er.’.s 
.3.  419.)  von  Lähmung  des  Armes  durch  einen  Schlüsselbcinhruc^^ 
Die  Fiiiger  und  der  ganze  Arm  waren  empfindungslos  gegen  äus- 
sere Eindrücke,  dennoch  empfand  der  Kranke  bei  jedem 
such  das  Glied  zu  bewegen,  bisweilen  sogar  hei  voller  Ruhe,  he 
tige  Schmerzen  in  den  Fingerspitzen. 

" Hierher  gehört  auch  die  durch  unzählige  Erfahrungen  o 
stätigte  Thatsache,  dass  die  Durchschneidung  der  Nerven  bei  i ^ 
ralgien  in  der  Regel  nichts  fruchtet,  und  dass  die  Schmerzen 
•wie  der  kehren , obgleich  die  Nerven  durchschnitten,  ja  stuckw 
ausgeschnitten  waren,  so  dass  die  Schmerzen  in  der  Wange  e 
so  heftig  wurden  als  zuvor.  In  der  That,  wenn  der  ^ 
stamm  die  Ursache  der  Neui’algie  ist,  kann  die  Durchsc  i 
dun«!-  des  Stammes  z.  B.  des  Nervus  facialis,  infraorhitalis,  i 
aus  "nichts  fruchten,  denn  der  Stumpf  des  Stammes , der  i'^ 
mit  dem  Gehirn  in  Verbindung  steht  und  noch  alle  riniii  i 
sern  enthält,  die  sich  in  der  Haut  entwickelten,  hat,  wie  wir 
sen,  bei  seinen  Reizungen  dieselben  Empfindungen  sclicin  . 


2.  MecJuinik  der  Empfindungsnerven.  Gesetze  der  Leitung,  673 


^en  äusseren  Theilen,  als  wenn  diese  selbst  affieirt  sind.  Nur  selten 
fracbtet  die  Durchschneidung  der  Nerven  und  die  Ausschneidung 
eines  Stückes,  und  natürlich  nur  dann,  wenn  die  Ursache  der 
Neuralgie  in  den  Aesten,  nicht  im  Stamme  war. 

Mit  der  Dnrchschneidung  eines  Nerven  hört  daher  nur  die 
Möglichkeit  auf,  mit  dem  Hautende  der  Nervenfasern  äussere  Ein- 
drücke zu  empfinden,  weil  der  Eindruck  nicht  mehr  zum  Ge- 
hirn geleitet  werden  kann.  Aber  dieselben  Empfindungen,  die 
sonst  aus  äusseren  Eindrücken  entstehen,  werden  aus  innerer  Ur- 
sache erscheinen,  wenn  nur  die  Primitivfasern  des  Stammes  mit 
dem  Hii’n-  oder  Rückenmark  in  Verbindung  stehen. 

Wenn  ein  Nerve  zufällig  z.  B.  am  Finger  durchschnitten 
^ird,  so  tritt  im  Zeiträume  der  Wundentzündung  Schmerz  in 
dem  gelähmten  Theile  des  Fingers  ein,  während  derselbe  Theil 
gar  kein  Gefühl  gegen  äussere  Reize  hat.  Die  Empfindung  des 
Schmerzes  vergeht  wieder  nach  der  Wundentzündung,  und  nun 
Ist  der  Theil  wieder  ganz  empfindungslos.  Von  besonderem  In- 
teresse ist  in  dieser  Hinsiebt  eine  Beobachtung  von  Gruithuisen 
än  sich;  die  ich  schon  p.  385.  berührt  habe.  Nach  einer  Ver- 
ts'undung  am  Daumen,  welche  den  N.  dorsalis  radialis  pollicis 
dürchschnitt,  wurde  die  Seite  des  Daumrückens  bis  unter  den 
Nagel  ganz  unempfindlich.  Zur  Zeit  der  Entzündung  wurde  diese 
öautstelle  sehr  schmerzhaft;  diese  Schmerzen  verschwanden  nach 
acht  Tagen  mit  der  Heilung,  worauf  der  für  äussere  Eindrücke 
'loempfindlichc  Zustand  allein  übrig  blieb.  W^enn  Gruithuisen 
später  auf  die  Narbe  klopfte,  batte  er  die  Empfindung  von  Prik- 
aeln  unter  dem  Nagel.  Beiträge  zur  Physiognosie  und  Eautognosie. 

Everard  Home  erzählt  in  den  PhU.  transact.  einen  Fall  von 
^sichts'schmerz.  In  einem  Falle,  wo  man  die  Durchschneidnng 
des  Nerven  verrichtet,  gelang  die  Vereinigung  per  primam  inten- 
*^ionem  nicht,  und  während  der  Zeit,  dass  die  Wunde  offen  war, 
^erursachte  der  entzündliche  Zustand  des  getrennten  Nervenen- 
des dem  Kranken  Anfälle,  die  denen  glichen,  welche  er  vor 
der  Operation  erlitten  hatte.  Als  aber  die  Wunde  vollstän- 
Ijig  geheilt  war,  trat  kein  solcher  Anfall  wieder  ein.  J.  Swan 

die  Localkrankheiten  der  Nerven,  übers,  von  Fkanciie.  Leipzig 
1824.  p.  78. 


^ Die  Phänomene  beim  sogenannten  Einschlafen  der  Glieder  von 
■^^i^ck  auf  die  Nerven  sind  auch  Erläuterungen  davon.  Der  Druck 
®^f  die  Nerven  hebt  die  Leitung  von  den  peripherischen  Enden 
Nerven  auf;  aber  derselbe  Druck  affieirt  auch  den  centralen 
L^eil  des  Nerven,  daher  die  Empfindung  von  Formicatio,  Prik- 
Stechen  in  dem  Beine,  welches  gleichwohl  seine  Empfind- 
’clikeit  für  äussere  Eindiücke  verliert. 

. Häufig  entsteht  auch  das  Gefühl  der  Formicatio  scheinbar 
äusseren  Theilen,  wenn  doch  die  Nervenursprünge  vom  Rük- 
^nmark  oder  Gehirn,  oder  diese  Theile  selbst  affieirt  sind.  Bei 
Gefühl  von  Formicatio  in  einem  Gliede  kann  man  noch  gar 
lebt  wissen,  ob  die  Ursache  in  der  Haut,  im  Nervenstamme 
am  Ursprung  der  Fasern  im  Rückenmark  ist.  Oft  ist  die 
i'sache  im  Rückenmax'k.  Das  Rückeumai'k  hat  fast  in  allen  sei- 


674  III. Buch.  Nerpcnphjsik.  III.Ahschn.  Mechanik  d.Nert>eripi 

nen  Krankheiten  Formicatlo,  schelnhar  in  der  Haut, 

Lei  der  Rückenmarkslähraung  ist  die  Formicatio  oft  n 
Theilen,  welche  unterhalb  der  Verletzung  Nerven  erhalten  ; | 

der  Tabes  dorsalis  ist  die  Formicatio  nicht  etwa  in  der  >ft«eu 
nie,  sondern  am  ganzen  Körper  in  der  Haut.  (Ich  weiss  ' 
keiner  Beohachtung,  dass  Formicatio  in  Schleimhäuten  'Wiftrate- J 
Man  sieht  aus  dem  eben  Vorgetragenen,  dass  die  Auia  d 
leptica  (aucli  eine  Art  Formicatio)  vor  dem  Anfall  in  den  ausse 
ren  Theilen,  nur  in  den  äusseren  Thcden  vorzukommcu  sclieint, 
währ?nd  ihre  Ursache  und  ihr  Sitz  doch  im  Rückenmark  odei 
Gehirn  ist.  Sie  ist  der  erste  Anklang  der  weiteren  Rückenmark 
affectionen  und  Gehirnaffectionen,  die  irn  Verfolg  des  Anfalls  auftr 
ten  Wenn  der  epileptische  Anfall  zuweilen  durch  Zusammenschnu 
ren  des  Gliedes  über  der  Aura  epileptica  aufgehoben  w'^d,  so  ge- 
schieht diess  wohl  nicht,  weil  etwas  Krankhaftes  fortzuschrei 
gehindert  würde,  sondern  weil  durch  das  Zusammenhinden 
heftiger  Eindruck  auf  das  Scnsonuni  erfolgt.  Doch  «»oss  h - 
merkt  werden,  dass  hei  der)enigen  Form  der  Epilepsie,  wc\c 
durch  Geschwülste  von  Nerven  entsteht,  durch  die  I^S»tor  ein 
Gliedes  wirklich  die  Fortleitung  der  Reizung  zum  Rückenmark 

wo  Oberarm  über  dem  Ellbogengelenke 

ein  Tonrniquet  an,  so  kann  man  alle  Theile  der  Hand  zum  Ge- 
fühl des  Einschlafens,  zuletzt  zu  Empfindungslosigkeit  bringen. 
Zuerst  entsteht  Prickeln  und  Nadelstechen,  dann  allmähhg  Taub- 
sevn  und  das  Gefühl  von  Kälte,  zuletzt  anfangende  Empfindungslo- 
si<ikelt  für  äussere  Reize.  Wenn  man  nun  die  Nervenstamrne  in  de 
Achselhöhle  und  am  Oberarm  durch  einen  zerrenden  priff  reiz  , 
so  hat  man  eben  so  deutliche  Empfindungen  eines  electrische 
Schlages  in  der  Hand,  als  wenn  die  Nerven  des  Vorderarms  u 

der  Hand  nicht  ciiigeschlafen  sind.  , . , .r.. 

IX.  Wenn  das  Glied,  in  welchem  sich  ein  Nervenstamm  ^ 
breitet,  durch  Amputation  entfernt  ist,  so  kann  der  Stamm  der  jSe 
uen  weil  er  das  Ensemble  der  verkürtten  Primitivfasern  noch  ent- 
hält, Empfindungen  haben,  als  wäre  das  amputirte  Glied  noch  vor- 
handen. Diess  dauert  durchs  ganze  Lehen.  Die  Erfahrung,  das 
die  Amputirten  noch  Empfindungen  haben,  als  wäre  das  ampi' 
tirte  Glied  noch  vorhanden,  ist  allen  Chirurgen  bekannt;  es  i 
niemals  anders.  Gewöhnlich  sagt  mau,  diese  Smnestauschunge^^ 
dauern  einige  Zeit  fort,  so  lange 

Chirurgen  bis  zur  Heilung  bleiben.  Die  Wahrheit  ist  aber,  d«  ^ 
diese  Sinnestäuschung  immer  bleibt,  dass  sie  sich  durchs 
Leben  mit  gleicher  Lebhaftigkeit  erhält,  wie  man  sich  ol^crze 
acn  kann,  wenn  man  irgend  Amputirte  lange  Zeit  nach  ‘ 
mitalion  befragt.  Zur  Zeit  der  Entzündung  des  Araputatio  ^^^ 
stumpfes  und  der  Nervenstämme,  sind  die  Empfindungen  ■ 
lebhaftesten,  und  die  Kranken  klagen  dann 
tice  Schmerzen  in  dem  ganzen  Glicde,  welches  sie  vor 
lien.  Nach  der  Heilung  bleiben  die  Empfindungen  -oruck,^^.^  ^ 
man  überhaupt  von  einem  gesunden  Gliede  hat,  und  ba  ^ 
durchs  ganze  Lelien  hindurch  ein  Gefühl  von  honnicc  , 


2.  Mechanik  der  Empfmdungsnerven,  Qesetze  der  Leitung.  675 

''On  Schmerzen  scheinhar  in  den  ausseren  Theilen , welche  nicht 
^ehr  da  sind.  Diese  Empfindungen  sind  nicht  unbestimmt,  son- 
dern der  Kranke  iulilt  deutlich  die  Schmerzen,  die  Formication 
den  einzelnen  Zehen,  in  der  Fusssolile,  am  Fussrüeken,  in  der 
■Haut  etc.  Lächerlich  sind  die  idealistischen  Erklärungen  dieses 
Richtigen  Phänomens  aus  der  Imagination  etc.  Die  Physiologen 
®ahen  es  lange  Zeit  als  eine  Curiosität  behandelt.  Allein  die 
Untersuchungen  derjenigen  Amputirten , die  mir  zugeschickt 
^urden  und  die  ich  aufTinden  konnte , haben  mir  erwiesen, 
dass  das  Gefühl  sich  nie  ganz  verliert.  Die  Amputirten  werden 
^ *nletzt  so  sehr  daran  gewöhnt,  dass  sie  gar  nicht  mehr  dar- 
I achten ; allein  sobald  sie  wieder  darauf  aufmerksam  sind, 

1 das  Gefühl  sogleich  vorhanden,  und  sie  fühlen  oft  Zehen, 
■ringer,  Fusssohle,  Hand  ganz  deutlich.  Noch  viel  stärker  wird  das 
Uefühl,  wenn  man  ein  Band  oder  Tourniquet  um  den-Amputa- 
honsstumpf  legt,  oder  wenn  man  ihn  so  drückt,  wie  sonst  ge- 
schieht, wenn  das  Einschlafen  eines  Gliedes  erfolgt.  Dann  tritt 
Sogleich  Formication  ein,  das  Gefühl  von  Ameiseidanfen  erscheint 
*0  der  Hand,  im  Fuss,  in  der  ganzen  Extremität,  durchaus  mit 
derselben  Deutlichkeit,  als  wenn  sie  noch  vorhanden  wären. 
■Uie  Amputirten  haben  daher  nach  der  Operation  auch  dann 
lebhaftesten  wieder  das  Gefühl  ihres  verlornen  Gliedes,  wenn 
oer  Chirurg  wegen  anderweitiger  Ursachen  wieder  das  Tourni- 
lOet  an  legt. 

Haben  die  Kranken  auch  vor  der  Amputation  an  einem 
'“etlichen  schmerzhaften  Schaden  gelitten,  so  wird  doch  nach 
der  Amputation  das  ganze  Bein  schmerzhaft  gefühlt,  und  das 
^änze  Bein  schmerzt  scheinhar,  wenn  der  Nerve  durchschnit- 
ist  und  der  Amputationsstumpf  sich  entzündet. 

Ich  rede  nicht  von  den  Träumen  der  Amputmten,  von  den 
allen  Empfindungen  des  ganzen  seheinharen  Beins,  wenn  der 
^lümpf  desselben  durch  die  Lage  gedrückt  wird,  da  die  Empfin- 
''og  diuchaus  hei  den  Amputirten  durchs  ganze  Lehen  bleibt. 
Beispiele. 

1)  N.  N.  eine  Frau,  welche  eine  Lähmung  der  Empfindung 
**0  Arme  hatte,  bekam  einen  Bruch  des  kranken  Arms,  der  dar- 

in  Brand  überging  und  amputirt  werden  musste  im  Clin, 
pirurg.  zu  Bonn.  Die  Amputation  war  ohne  Empfindung.  Al- 
die  Durchschneidung  des  Nerven  musste  die  Ursache  gewe- 
soyn,  dass  das  Gefühl  in  dem  Nervenstamrae  wieder  erregt 
j '■de.  Schon  in  der  Nacht  klagte  die  Frau  über  Schmerzen  in 
'^'=0  Fingern. 

2)  JoH.  WoLFF,  ein  Schneidergesell  in  Bonn,  ist  vor  12  Jah- 
am  ersten  Dritttheil  des  Oberschenkels  wegen  Garies  im  Clin. 

l****Qrg.  amputirt  worden.  Er  hatte  sogleich  noch  das  Gefühl, 

. ® Wäre  das  Bein  vorhanden,  und  klagte  die  folgenden  Tage  sehr 
Schmerzen  im  Beine  bis  in  die  Zehen.  In  denselben  Ta- 
Wurde  ein  Anderer  am  Arm  amputirt,  der  auch  darauf  über 
j^btuerzen  in  der  Hand  und  am  ganzen  Arme  klagte.  Diesen 
Ho*!  12  Jahren  untersucht.  Er  hat  immer 

'“b  das  Gefühl,  als  wären  die  Zehen  und  die  Fussohle  vorhan- 


676  III.  Buch.  Nerveriphysik.  III.Ahschn.  Mechanik  d.Nei'venprinctps. 


den,  tind  zuweilen  heftige  Schmerzen  in  der  Fusssohle,  die  er 
nicht  mehr  hat.  Zuweilen  schläft  der  Stumpf  heim  Liegen  ein, 
und  es  tritt  dann  Formlcation  in  den  Zehen  ein,  die  auch  sonst 
öfter  vorhanden  ist.  Ich  legte  an  den  Amputationsstumpf  des 
Oberschenkels  ein  Tourniijuct  an,  so  dass  der  Stumpf  des  N- 
ischiadicus  gedrückt  wurde;  sogleich  sagte  Wolff,  dass  ihm  das 
Bein  wie  einschlafe,  und  er  konnte  ganz  deutlich  die  Formica- 
tion  in  den  Zehen  unterscheiden. 

3)  W.  N.,  Stud.  Chirurg.,  ein  Jude,  wurde  wegen  eines  Gcleiik- 
ühels  am  Ellbogen  im  Oberarme  amputirt.  Er  hatte,  so  lange  ei’ 
beobachtet  wurde,  nicht  die  Empfindung  des  verlornen  Arme* 
verloren. 

4)  Herr  Stud.  Schmidts  aus  Aachen  ist  seit  13  Jahren  am  Ober- 
arm amputirt;  die  Empfindungen  in  den  Fingern  haben  nie  aufgC' 
hört.  Herr  Schmidts  glaubt  die  Hand  immer  in  einer  gekrümmten 
Stellung  zu  fühlen.  Das  seheinbare  Priekeln  der  Finger  ist  vorhan- 
den, vorzüglich  wenn  der  Stumpf  aufliegt  und  die  Stämme  der  Arm- 
nerven  gedrückt  werden.  Ich  legte  einen  Druck  gegen  die  Nerven- 
stämme  des  Ainputationsstumpfes  an,  sogleieh  trat  die  Empfindung 
von  Einschlafen  scheinbar  im  ganzen  Arme  bis  in  die  Finger  ein- 

5)  N.  N. , mein  Comraissionär  zur  Zeit  meines  Aufenthalts  in 
Leyden,  ist  vor  12  Jahren  am  Oberarm  amputirt  worden.  Er 
hat  zuweilen  Gefühle  von  Formication,  wie  In  den  Fingern,  be- 
sonders wenn  der  Arm  aufliegt. 


6)  Vir  quidam  in  nosocomio  judaico  berolinensl,  cui  pes  si- 
nister et  alter,  eui  braehium  sinistrurn  aniputalum  erat,  diceban| 
ambo,  alter  post  hebd.  14.,  alter  17.:  se  per  operationum  nifin 
commodi  nactos  esse;  aller  querebatur  de  dolore  vehemeiiti  p®' 
dis  et  alter  brachii,  cum  tarnen  non  tarn  male  eos  habulsset  quam 
in  primis  hebdomadibus  post  factam  operationein  et  uterque  no_n 
per  hebdoinades,  sed  per  menses  hosce,  sensus  hujus  fallacis  d‘' 
minutlonem  habere  fatebatur.  Lemos  dlssert.  inaug.  quae  dolofC^^ 
memhri  ampulaii  remanentem  expUcat.  Hai.  1798.  p.  33. 

7)  Nune  temporis  etiam  ibi  versalur  juvenls,  cui  ante  novcm 
menses  braehium  sinistrurn  demtum  est.  In  hoc  eadem  sensaim 
sub  quinto  et  sexto  mense  post  operationem  decessit,  sed  men*® 
octavo  aliquot  dies,  ubi  vehementior  esse  eoepit,  habuit,  ut  inte''' 
diu  tantum  ope  oeull  et  nocte  opc  inanus  allerins  jacturae  hujn 
se  convincerc  posset.  Ibid.  p.  33.  Der  Verfasser  dieser  Disserta' 
tion  erklärt  das  Factum  ungenügend  aus  der  Association  der  bd' 
den  Extremitäten,  welche  selbst  erklärt  werden  sollte. 

8)  Ein  Chausseegeldeinnehmer  in  der  Nähe  von  Halle, 
in  den  Freiheitskriegen  der  rechte  Oberai-m  durch  eine 
nenkugel  zerschmettert  und  dann  amputirt  wurde,  hat  noch  ^ 
(1833)  bei  Aenderungen  in  der  Atmosphäre  deutliche  rheuma^^^ 
sehe  Schmerzen  im  ganzen  Arme,  und  fühlt  dann  das  an 
Jahre  lang  entfernte  Stück  desselhen  empfindlich  gegen  Euttd'o^ 
Dass  nie  die  subjective  physiologische  Ein])findung  des  abgesc 
ten  Gliedtheils  verloren  wird,  bestätigte  auch  er  vollkommen- 

X.  TH enn  die  Fasern,  die  von  dem  Stamme  in  die  Aeste  u 


2.  Mechanik  der  Empfindungsnerven.  Gesetze  der  Leitung.  677 


Sehen,  an  verschiedenen  Stellen  gereizt  sind,  so  hat  man  nicht  örtlich 
verschiedene  Empfindungen,  sondern  im  Momente  der  doppelten  Rei- 
bung eine  verstärkte  Empfindung  in  denselben  Theiien,  zu  welchen  die 
Endfasern  hingehen.  Man  lege  sicli  ein  Toiirniquet  um  den  Arm 
diclit  über  dem  Ellbogen,  und  bringe  die  Hand  zum  Gefühl  des 
Einschlafens  mul  der  Emplindnngslosigkeit.  Wenn  rn.in  das 
' Xourniquet  -wieder  entfernt,  so  wird  das  Prickeln  wieder  stark. 
Wahrscheinlich  weil  das  nun  wieder  in  den  Arm  strömende  Blut 
wieder  die  Nerven  reizt.  In  jedem  Moment,  wo  man  die  prik- 
Xelnden  Finger  berührt,  wird  die  Empfindung  von  Prickeln  stär- 
Iter.  Wenn  man  aber  die  Nervenstämme  in  der  Achselhöhle  und 
Und  am  Oberarm  in  diesem  Zustande  zerrt,  so  wird  die  prik- 
kelnde  Empfindung  eben  so  verstärkt,  als  wenn  man  die  prickcbi- 
den  Finger  selbst  aneinander  reibt.  Alle  diese  Thatsachen  be- 
weisen einstimmig,  dass  die  in  den  Stännnen  enthaltenen  Primi- 
Uvfasern,  welche  sich  bei  ihrer  Verzweigung  in  empfindende 
Theile  begeben,  an  jedem  Orte  ihrer  Reizung  iimner  dieselbe 
Empfindung,  nämlich  die  scheinbare’  in  dem  peripherischen  Ende, 
haben,  dass  also  die  Empfindungen  aller  Theile  durch  Primitiv- 
fasern, die  sich  mit  dem  Rückenmark  und  Gehirn  verbinden, 
Präsentirt  werden. 

XI.  Gleichwie  sich  die  relative  Lage  der  Primitivfasern  an  ih- 
^en  Ursprüngen  vom  Gehirn  und  Rückenmark,  wo  sie  Empfindungen 
erregen,  nicht  ändert,  wenn  die  relativ^  l.age  derselben  an  ihren  pe- 
ripherischen Enden  sich  verändert , so  werden  auch  die  Ortsempfin- 
dungen der  Primiiivfasern  nach  der  Ordnung  ihres  Ursprungs  sich 
richten,  und  nicht  nach  der  veränderten  relativen  Lage  ihres  periphe- 
rischen Endes.  Der  Beweis  davon  liegt  in  den  Erscheinungen, 
Welche  bei  künstlicher  Lageveränderung  der  peripherischen  En- 
den eintreten,  wie  z.  B.  bei  der  Transplantation  von  Haullappen. 
Wird  bei  dem  künstlichen  Nasenersatz  ein  Hautlappen  der  Stirn 
än  der  Nasenwurzel  umgekehrt  und  mit  dem  Nasenstumpf  zu- 
sammengeheilt, so  hat  die  angehellte  Nase,  so  lange  die  Brücke 

der  Nasenwurzel  nocTi  nicht  durchschnitten  ist,  durchaus  die- 
selben Empfindungen,  wie  wenn  die  Stirnhaut  sonst  gereizt  wor- 
den wäre,  d.  h.  man  empfindet  die  Berührung  der  neuen  Nase 
^ der  Stirn.  Diess  ist  eine  bekannte  chirurgische  Erfahrung, 
yiess  dauert  aber  natürlich  nur  so  lange,  als  die  Communication 
der  Nervenfasern  an  der  Nasenwurzel  zwischen  der  Stirn  und 
der  neuen  Nase  noch  besteht.  Nach  dem  Durchschneiden  jener 
"feile  hört  diese  Versetzung  der  Empfindung  auf;  die  neue  Nase 
dann  empfindungslos;  später  scheint  sich  einige,  aber  schwa- 
che, Empfindung  wieder  in  derselljen  anszubilden. 

Eine  zweite  ganz  ähnliche  und  auf  dieselbe  Art  zu  erklä- 
^cwde  Erscheinung  ist,  dass,  wenn  man  den  Zeigefinger  und  Mit- 
elfinger  einer  Hand  kreuzweise  übereinander  legt,,  und  z-wischen 

zugewandten  Seiten  der  gekreuzten  Finger,  die  sonst  die  entge- 
gengesetzten Seiten  derselben  waren,  eine  kleine  Kugel,  z-  B.  eine 
.ebse,  hin  xind  her  rollt,  man  zwei  Kugeln  zu  fühlen  scheint.  Bei 
em  Berühren  einer  kleinen  Kugel  mit  zwei  natürlich  nebeneinan- 
CHiegenden  Fingern  fühlt  man  eigentlich  keine  Kugel,  sondern 


678  III.  Jjurh.  Ncivc/iphfsih.  III,  Ahschn.  Mechanik  d.  Neivenprinclp!'’. 

zwei  Convcxifäten , welche  die  Vorstellung  oder  der  Schluss  zui’ 
Kugel  ergänzt,  indem  die  Phantasie  sich  vorstellt,  dass  zwei  ne- 
heneinander  liegende,  mit  ihren  Convexitäten  x'on  einander  ahgc- 
waiidte  Kngelsegmente  zu  einer  Kugel  gehören.  Kreuzt  man 
nun  die  Finger,  und  macht  die  Leiden  äusseren  entgegengesetz- 
ten Seiten  der  zwei  Finger  zu  inneren,  einander  zugewandten 
Seiten,  so  hehalten  die  Empfindungen  der  Fasern  ihre  relatü^ 
Lage,  wüe  die  Fasern  zuletzt  zum  Gehirn  kommen,  und  als  wenn 
keine  Kreuzung  stattgefiinden  hätte,  d.  h.  die  Empfindung  eines 
nach  aussen  wirklich  convexen  Kugelsegementes  bei 
X,  wird  nach  / auf  die  entgegengesetzte  Seite  trans- 
ponirt,  eben  so  x nach  j'.  Der  Inhalt  der  Empfin- 
dungen bei  X und  f bleibt  ganz  unverändert,  eben 
so  der  Inhalt  der  Empfindungen  bei  x'  xind  ,r',  aber 
die  Eindrücke  sind  nach  der  Transposition  nicht 
mehr  zwei  von  einander  abgewandte,  sondern  zwei 
einander  zugewandte  Convexitäten;  diese  muss  die 
Vorstellung  zu  zxvei  Kugeln  ergänzen,  da  zwei  ein- 
ander zugewandte  Convexitäten  nicht  einer  und  derselben  Kuge*? 
wohl  aber  zwei  Kugeln  angehören  können.  Diese  Erklän-ing  de’ 
Phänomens  habe  ich  schon  1826  in  meiner  Schrill:  Physiologi'- 
des  Gesichtssinnes.  Lpzg.  1826.  p.  84.  gegeben,  wo  überhaupt  scho*’ 
die  ersten  Elemente  des  mechanischen  Tlieiles  der  Nerveuphysi'’ 
angedeutet  wurden. 

XII.  Erhält  ein  Theil  durch  eine  Nervenanastomose  verschiedet^ 
Nerven  gleicher  Art,  so  kann  nach  der  Lähmung  des  einen  der  dt' 
der e Nerve  nicht  die  Empfindung  des  ganzen  Theiles  unterhalten,  vid' 
mehr  entspricht  der  Umfang  der  noch  empfindlichen  Stellen  der  Ztl 
der  noch  unversehrten  Primitivjasern.  Anastomosiren  zwei  Nel' 
ven  mit  einander,  so  kann  die  eine  Wurzel  der  Anastomose  nicb 
die  andere  ersetzen,  so  wie  die  Arterien  dui’ch  Anastomose  einaä' 
der  ersetzen,  sondern  ülierall,  wo  zwei  Cerebrospinalnerven  sic* 
aneinander  legen,  um  einen  dickem  Stamm  zu  bilden,  werde’’ 
durch  die  Lähmung  der  einen  Wurzel  dieses  Stammes  auch  a*' 
Primititivl'asern  gelähmt,  die  von  diesem  Würzelchen  in  den  Stain”' 
treten,  und  es  bleiben  nur  diejenigen  Fasern  des  Stammes  nbr'S’ 
die  von  der  noch  nicht  gelähmten  Wurzel  kommen.  Auf  diese  A* 
kann  nach  der  Durchschneidung  des  N.  ulnaris , xvelcher  den  ' 
und  4.  Finger,  zum  Theil  auch  3.  Finger  versieht,  dieser  mc’j 
durch  die  Communication  dieses  Nerven  mit  dem  N.  medianus  n**^ 
radialis  ersetzt  werden,  sondern  die  Durchschncidung  des  N. 
ris  lähmt  die  Empfindung  in  diesen  beiden  Fingern,  wie 
ist.  Bleibt  noch  eine  geringe  Spur  von  Empfindlichkeit  an  * ^ 
Aussenseite  des  4.  Fingers  zurück,  so  muss  sie  von  den 
fasern  herrühren,  die  vom  N.  medianus  sich  zum  Ramus  yolaris 
N.  ulnaris  gesellen.  Die  geringe  Empfindlichkeit,  die  im  ^ 
von  einem  der  Nerven  zurückbleibt,  kann  also  immer  aus 
communicinendeii  xuul  nur  scheinbar  anastomotischen  Fasern 
derer  Nerven  erklärt  werden.  Diese  Facta  werden  vollkoinin^,^ 
durch  die  Geschichte  der  örtlichen  Lähmungen  erläuler^  j 

nem  Falle,  in  welchem  Earle  {Med.  chirurg.  trausaef.  Vol. 


2.  Mechanik  der  Empfindungsnerven.  Gesetze  der  Leitung.  670 


einen  Theil  des  Ulnarnerven  hinter  dem  Condyliis  int.  ossis  hn- 
meri  ausschnitt,  konnte  der  kleine  Finger  noch  fünf  Jahre  nach 
der  Operation  nicht  gebraucht  werden,  und  hatte  nur  unvoll- 
kommene Empfindungen.  SwAN  bemerkt  hierbei  mit  Recht,  wenn 
die  vermeinte  Communication  aucli  nur  in  einem  geringen  Grade 
Vorhanden  wäre,  würden  dann  nicht  die  Anastomosen,  welche 
«wischen  dem  Theil  des  Ulnarnerven,  der  unterhalb  der  Trennung 
liegt,  und  dem  Nervus  medianus  und  radialis  stattfinden,  eine 
hinlängliche  Verbindung  jenes  Theiles  mit  dem  Gehirn  unter- 
halten haben,  wenn  jenes  Fortleiten  des  Nerveneinflusses  so 
leicht  wäre?  a.  a.  O.  p.  68.  Swan  erzählt  p.  69.  einen  andern 
h’all,  wo  nach  einer  Schnittwunde  am  Vorderarm,  drei  Zoll  vom 
Handgelenk,  wobei  der  N.  radialis  und  medianus  durchschnitten 
Worden  zu  seyn  schienen,  im  Daumen  und  den  beiden  nächsten  Fin- 
gern, so  wie  in  den  Theilen  der  Hand,  welche  diesen  entspre- 
chen, auf  dem  Rücken  und  in  der  Fläche  das  Gefühl  verloren 
War,  dagegen  in  dem  4.  und  5.  Finger  und  in  den  Theilen  der 
Hand,  in  welchen  sich  der  N.  ulnaris  vertheilt,  das  Gefühl  erhal- 
ten war. 


Wenn  daher  Nerven  vielfache  Anastomosen  zu  bilden  schei- 
nen, und  in  den  Bündeln  desselben  Stammes  nach  meinen  Beobach- 
tungen oft  von  zwei  Zoll  zu  zwei  Zoll  Anastomosen  ihrer  Scheiden 
eingehen,  während  die  Primitivfasern  parallel  fortgehen,  so  hat 
die  Natur  nichts  den  Anastomosen  der  Gefässe  Gleiches  gebildet, 
Sondern  vorgesehen,  dass  dieselben  Theile  Priinitivfasefn  von  ver- 
schiedenen Nerven  atis  erhalten.  Diese  Anordnung  war  darum 
lun  so  nützlicher,  als  sonst  durch  Verletzung  eines  Nerven  die 
Verbindung  eines  Theiles  mit  dem  Gehirn  ganz  aufgehol)cn  wäre. 
Hie  Anastomose  der  Bündel  der  starken  Stämme  ohne  Anasto- 
•uose  der  Primitivfasern  hat  auch  noch  andere  Gründe. 

1)  Die  bewegenden  und  empfindenden  Primitivfasern  nach 
dem  Bedürfniss  empfindlicher  und  bewegender  Theile  zu  ordnen 
’ind  beständig  ahzuändern,  wie  es  die  Mannichfaltigkeit  der  Or- 
gane erfordert,  da  diese  Mannichfaltigkeit  bei  der  gleichen  Mi- 
■^ehuiig  aller  motorischen  und  sensibeln  Fasern  noch  nicht  vor- 
Sosehen  ist. 

2)  Indem  man  die  Primitivfasern  der  Wurzeln  der  Spinal- 
*'erven  bei  ihrer  Insertion  im  Rückenmark  weiter  verfolgt,  so 
®'eht  man,  dass,  wenn  gleich  die  Bündel  der  Wurzeln  äusserlich 
^om  Rückenmark  durch  Zwischenräume  getrennt  sind,  die  tieferen 
Pfsprünge  der  angrenzenden  Nerven  eine  continuirliche  Reihe  von 
Hasern  bilden.  Die  Sammlung  dieser  in  einer  Reihe  entspringen- 

Fasern  in  Nerven  ist  daher  ein  Umstand,  der  bloss  für  die 
jßijueme  Verbreitung  berechnet  scheint.  Sollen  daher  die  Fasern 
uieser  Collectivstränge  nicht  das  einfache  Ordnungsverhältniss, 

sie  im  Rückenmarke  haben,  ändern,  so  müssen  die  Unter- 
schiede der  ahgetrennten  Stämme  wieder  durch  gegenseitiges  Ab- 
Schen  von  Primitvfasem  aufgehoben  werden. 

3)  Endlich  sind  auch  die  Plexus  der  Cerebrospinalnerven, 

Welchen  neue  Ordnungen  von  Nerven  hervorgehen,  die  zu- 

'^cUen  stärker  sind  als  die  einzelnen  eintretenden  Nerven,  noch 
Pbfiiologie. 


680  HI.Buch.  Nervenphfsik.  III.Ahsclin.  Mechanik  rl.Nerpenprincips. 

notliwcndlg.  Dena  lilei’tliirch  werclen  gewisse  Summen  von  Pn-j 
mitivfasem  für  gewisse  naliirliclic  Gru]>pen  von  liewegliclien  uni 
empfirullichen  Thellen  vereinigt,  wodurch  die  weitere  Vertlieilung 
eines  einer  Gruppe  bestimmten  Nerven  erleichtert  wird.  Diese 
let/.lc  Sammlung  könnte  man  aber  vielleicht  bloss  als  ein  durc' 
die  Lage  der  Tbeile  nützlich  und  bequem  gewordenes  anatom'' 
sches  Verhaltniss  betrachten. 


11.  lieber  die  Iriadiation  der  Empfindungen  oder  die 
M i t c ra  p f i n d u n g e n. 

Zuweilen  erregt  eine  Empfindung  eine  andere,  oder  die  Eni' 
pfindungen  breiten  sich  krankhafter  Weise  weiter  als  die  aflicirteu 
Tbeile  aus.  Diese  Erscbeiniingen,  die  icXiMitempfmdungen  nennC? 
sind  Im  gesunden  Leben  nicht  selten.  Man  kann  die  Erregung  de* 
Kitzels  in  der  Nase  durch  Sehen  in  helles  Liebt,  auch  die  ausge- 
dehnten Empfindungen  von  einer  beschrankten,  durch  Kitzeln  er- 
regten Stelle,  und  die  ausgcdcbnteu  Empfindungen  von  Reizung 
der  äusseren  Geschlechts  tbeile  beim  Coitus,  die  Empfindungcib 
welche  ein  in  unserer  Nähe  gefallener,  erschreckender  Schuss  er- 
regt, die  rieselnden  Empfindungen  und  Schauergefiible  beim  Ho- 
ren gewisser  Töne,  z.  B.  des  gekratzten  Glases,  dieselben  Empfio' 
düngen  beim  Beissen  'auf  sandige  Substanzen  hieher  rechnen- 
Dagegen  gehören  noch  viel  mehr  pathologische  Phänomene  hie- 
her,  wie  z.  B.  die  Ausbreitung  des  Zahnwehes  über  den  Ort  de’ 
Reizes  auf  das  ganze  Gesicht,  die  Ausbreitung  der  Schmerzen 
von  einem  afficirteu  Finger  auf  die  Hand,  den  Arm,  die  andere" 
Finger,  ohne  dass  man  immer  eine  materielle  Mittheilung  de" 
krankmachenden  Ursache  annehmen  darf.  Besonders  ausgedebn 
sind  diese  Irradiationen,  wenn  eine  Nervengeschwulst  heftige  Ei"' 
pfindungen  verursacht,  und  nun  auch  die  umherliegenden  Theil"» 
ja  selbst  entfernte  Tbeile  zu  schmerzen  anfangen,  wie  man  eine'* 
hieher  gehörenden  Fall  in  London  nied.  Gazette  1831,  FRORirf’* 
Not.  888.,  erzählt  findet,  wo  nach  einer  Amputation,  durch  ei"*' 
am  Knochen  und  der  Narbe  festgewachsene  Geschwulst  des^ 
ischiadicus  die  Haut  des  ganzen  Amputationsstumpfes,  zuwcil"'* 
auch  entfernte  Theile,  wie  die  Bauchdecken,  sehr  schmerzha 
wurden,  ohne  alle  entzündliche  Symptome,  Empfindungen,  welc"^^ 
nach  der  zweiten  Amputation  ganz  aufhörten.  Man  braucht  sic 
nur  an  einer  Stelle  der  Haut  heftig  und  etwas  anhaltend  zu  ver- 
brennen, um  sich  zu  überzeugen,  dass  hier  Mitempfindungen  ''* 
benachbarten  Nervenfasern  entstehen,  auf  welche  sich  die  Krank- 
heitsursache selbst  nicht  ausdehnt.  Für  das  gesunde  Leben  vv"*' 
den  dergleichen  Mitcinpfindungen  sehr  hinderlich  seyn,  daher 
die  Natur  durch  Isolirung  der  einzelnen  Fasern  der  Nerven  ver 
hütet  hat;  denn  wenn  die  Fasern  von  zehn  verschiedeneuen  Ste 
len  der  Haut  In  eine  irgendwo  zusanimcnllössen , ehe  sie^  zu^^ 
Gehirn  kommen,  so  könnte  das  Gehirn  auch  nur  eine 
Empfiiulmig  von  zehn  verschiedenen  Stellen  der  Haut  und 
einem  Orte  haben;  und  wenn  die  Primitiv  fasern  der  Nerven  v 


2.  Mechanik  der  Empßndungsnerpen.  Irradiation,  Mitempfmdung.  681 

einer  Stelle  mit  den  Primitivfasern  von  neun  anderen  Stellen  zn- 
sanimenflössen,  die  getrennt  zum  Geliirn  gelangen,  so  würden  im 
Zustande  der  Gesundheit  von  der  Erregung  einer  einzigen  Stelle 
der  Haut,  zugleich  noch  neun  andere  Etiipfindungen  von  anderen 
Tlieilen  mit  zum  Gehirn  kommen  müssen.  Diess  geschieht  nun 
im  Zustande  der  Gesundheit  in  der  Pegel  niclit,  und  es  kann 
auch  nicht  geschehen,  vveil  die  Primitivfasern  der  Nerven  auf 
ihrem  Wege  zum  Gehirn  isolirt  hleiben.  Wie  ist  nun  aber  jene 
ausnahmsweise  stattfindende  Mitempfindung  zu  erklären?  Da 
^ch  an  jeder  Stelle  der  Haut  hloss% durch  die  Heftigkeit  einer 
Empfindung  Mitempfindungen  erregen  lassen,  so  kann  man  jene 
Erscheinung  nicht  durch  eine,  in  einigen  Nerven  ausnahmsweise 
stattfindende  \erhindung  der  Primitivfasei'n  erklären.  Die  Er- 
klärung muss  vielmehr  auf  alle  Empfindungsnerven  passen.  Ehen 
So  wenig  lässt  sich  die  Irradiation  der  Empfindung  durch  die 
Annahme  netzförmiger  Verbindung  der  Primitivfasern  an  ihren 
peripherischen  Enden  in  der  Haut  erklären.  Erstens  ist  eine 
solche  Annahme  uuerwiesen,  und  es  würde  durch  die  Existenz 
eines  solchen  netzförmigen  Zusammenhanges  der  Pi’imilivfasern 
an  den  peripherischen  Enden,  wie  es  von  den  zarten  Blutgefäs- 
^n  bekannt  ist,  vielmehr  alle  Bestimmtheit  und  Schärfe  der 
Empfindung  auf  hören  müssen;  die  Ii’radiation  müsste  nicht  al- 
lein ein  ganz  gewöhnliches  Phänomen  hei  allen  Empfindungen 
was  si®  nicht  ist,  sondern  es  müsste  alle  öi’tliche  Empfin- 
dung aufgehoben  seyn,  denn  die  Beizungen  würden  durch  alle 
diese  Netze  eben  so  leicht  zu  allen  anderen  Primitivfasern  als  zu 
denjenigen  gelangen,  welche  direct  von  jenem  supponirten  Netz 
2um  Gehirn  führen.  Man  kann  zwei  Erklärungen  der,  Erschei- 
nung aufstellcn. 

1)  Man  erklärt  solche  Mittheilung  der  Empfindun"  aus  vor- 
ausgesetzten Eigenschaften  der  Ganglien  der  EmpfindumTsnerven. 
bekanntlich  haben  alle  eigentlichen  Gefühlsnerven  ein  Gaimlion 
an  ihrer  Wurzel.  Reil  {Arcldv  für  Physiol.  Bd.  7.)  verglich  die 
Ganglien  des  Nervus  sympathicus  mit  Halbleitern,  welche  die  zu 
selixvachen  Eindrücke  ira  Nervus  symjiathiciis  nicht  zum  Gehirn 
leiteten,  während  sie,  wie  ein  Halbleiter  der  Elcctricität  grössere 
^engejj  angehäufter  Electricität  durchlässt,  auch  sehr  hcftif’e 
Beizungen  leiten  sollten,  und  welche  auch  den  Einfluss  des  Ge- 
hirns und  Rückenmarks  auf  den  N.  sympathicus  nur  heschränkt 
Anlassen  sollten.  Diese  Hypothese  könnte  man  nun  auch  auf  die 
yanglien  der  Empfinduiigsnerven  anwenden;  man  könnte  sa'‘en 
lese  graue  Masse,  durch  weiche  die  Primitivfasern  ohne  Neuri- 
um durchgehen,  ist  als  Halbleiter  nicht  im  Stande,  eine  schwa- 
^*e  Reizung  der  einzelnen  Primitivfasern  in  sich  seihst  fortzu- 
^ anzen  und  den  anderen,  durch  das  Ganglion  durchgehenden 
^^asern  mitzutlieilen,  daher  geschieht  hei  schw'achen  Empfin- 
Jingen  die  Leitung  von  einer  Empfmdungsfaser  nicht  durch  die 
blaue  Masse  nach  den  Selten,  sondern  nur  durch  die  Prlmitivfaser 
alche  das  Ganglion  durchzieht,  durch.  Werden  aber  Empfindun- 
L ” heftig,  so  wird  der  Halbleiter  des  Nervcnlluidums  zum 
alter,  und  lässt  einen  Theil  jenes  Princips  auf  die  anderen  d is 

44*  ’ “ 


682  III.  Buch.  Nereenphystk.  III.  Ahschn.  Mechanik  d.  Nereenprincips. 

Ganglion  durchzielienden  Primitivfasern  überspringen,  wodurch 
eine  Irradiation  der  Empfindung,  eine  Mitempfindung  entsteht. 

2)  Die  zweite  Erklärung  der  Mitempfindnngen  nimmt  auf  diese 
hloss  vorausgesetzte  und  unerwiesene  Eigenschaft  der  Ganglien  der 
Empfindungsnerven  keine  Rücksicht;  sie  leitet  die  Mitempfindnng 
von  Irradiation  der  Reizung  im  Rückenmark  oder  Gehirn  seihst  ah, 
auf  ähnliche  Art,  wie  hei  den  reflectirten  Bewegungen  von  dem 
Empfindungseindrnck  im  Rückenmark  sich  eine  Irradiation  bis  zu 
den  motorischen  Nerven  bildet  (Cap.  III.).  Hier  wäre  nur  der  Un- 
terschied, dass  die  Irradiation  des  ursprünglichen  Empfindungsein- 
druckes im  Rückenmark  nictt  zu  motorischen  Nerven,  sondern  zu 
den  in  der  Nähe  entspringenden  anderen  Empfindungsfasern,  oder 
wenigstens  ausser  den  motorischen  Nerven  auch  zu  Empfindungs- 
nerven gelangte.  Für  die  Richtigkeit  dieser  letztem  Erklärung 
spricht  die  Analogie  der  Irradiation  der  Empfindungseindrücke  im 
Rückenmark  bis  zu  motorischen  Nerven,  und  zugleich  der  Um- 
stand, dass  auch  Empfindungsnerven  ohne  Ganglien,  wie  die  Mark- 
haut des  N.  opticus  bei  der  Lichtempfindung,  einiger  Irradiation 
fähig  sind,  also  die  erste  Erklärung  nicht  ausreicht. 

Wie  soll  man  sich  nun  die  secundärc  Erregung  der  anderen  Em- 
pfindungsfasern oder  Empfindungsnerven  vom  Gehirn  und  Rücken- 
mark aus  denken?  Durch  Reflexion  vom  Geliirn  und  Rückenmark 
aus?  Geht  in  diesen  Nerven  ein  Strom  vom  Gehirnende  oder  Rük- 
kenmarksende  des  Nerven  bis  zum  peripherischen  Ende  des  Nerven 
und  wieder  rückwärts,  oder  wird  durch  Reflexion,  wenn  kein  Strö- 
men, sondern  Oscillation  des  Nervenprincips  stattfindet,  vom  Gehirn 
aus  ein  zweiter  Nerve  in  Oscillation  gesetzt?  Höchstwahrscheinlich 
findet  jedenfalls  eine  Reflexion  vom  Rückenmark  oder  Gehirn  aui 
einen  Empfindungsnerven  statt.  Doch  muss  man  bemerken,  dass  zu 
dieser  Erklärung  die  Voraussetzung  gehört,  dass  in  den  Empfin- 
dungsfasern die  Strömungen  oder  Schwingungen  eben  so  gut  rück- 
wärts als  vorwärts  stattfinden  können.  Oh  diess  möglich  ist,  oder  ob 
in  den  Empfindungsnerven  hloss  centripetale  Bewegungen  stattfin- 
den  können,  ist  noch  unbekannt.  Daher  es  interessant  ist,  auch 
eine  Erklärung  für  den  Fall  zu  kennen,  wenn  keine  centrifugale 
Bewegung  in  den  Empfindungsnerven,  sondern  nur  in  den  moto- 
rischen möglich  seyn  sollte.  Da  es  für  eine  Empfindung  gleic  ‘ 
scheint,  ob  das  Ende  oder  die  Mitte,  oder  der  Ursprung  ei- 
ner Faser  im  Gehirn  und  Rückenmai'k  afficirt  wird;  vielmehr  iß 
allen  diesen  Fällen  die  Empfindung  nur  eine  und  dieselbe  ish 
und  in  den  äusseren  Theilen,  zu  welchen  der  Nerve  hingeht,  an- 
genommen wird,  so  kann  durch  blosse  Irradiation  eines  Eindruc  * 
von  einem  Empfindungsnerven  in  der  Substanz  des  Rückenmar 
und  Gehirns  seihst  bis  auf  die  Ursprnngsstellen  anderer  Fasern, 
Ausbreitung  der  Empfindung  entstehen.  Wir  wissen  ja,  dass  bei 
Afiectionen  des  Rückenmarks  die  Empfindungen  auch  in  den  ättS' 
seren  Theilen  zu  seyn  scheinen , wie  z.  B.  die  Entzündußo 
des  Rückenmarks  mit  den  heftigsten  Schmerzen  in  den  Glieder 
verbunden  ist,  während  doch  die  Nerven  dieser  Thcile  voi^^ 
Rückenmark  aus  nach  aussen  hin  keine  Empfindungen  errege 
können.  Auch  die  Empfindung  der  Formication  in  der  äuss 


2.  Mechanik  d.  Empfindungsnerven. , Vermischung  d.  Empfindungen.  683 

Haut  ist  oft  nur  eine  im  Rückenmark  selbst  ihre  Ursache  habende 
Empfindung;  ja  diese  Empfindung,  wenn  sie  nicht  durch  Druck 
die  Nerven  seUist  verursacht  wird,  ist  sogar  ein  fast  constanlcs 
Symptom  aller  Rückenmarksaffectiouen,  mögen  sie  vorübergehend 
®ayn,  wie  in  der  Epilepsie,  oder  dauernd  wie  bei  Ncuralgia  dorsalis 
Und  Tabes  dorsalis.  Dieser  Empfindungen  im  Rückenmark  wiitffTnan 
®ich  auch  nicht  dort  bewusst,  wo  man  sich  die  Lage  desseUien 
''orstellt.  Das  Ameisenlaufen  findet  bei  Rückenmarkskrankheiten 
Uicht  im  Laufe  des  Rückgraths  statt,  sondern  ehen  in  allen  Thei- 
^n,  zu  welchen  der  verletzte  Theil  des  Rückenmai’ks  Nerven  schickt. 
Ehen  so  mag  es  auch  wohl  mit  der  Irradiation  der  Empfindungen  seyn. 


irr.  Ueber  die  Vermischung  oder  Coincidenz  mehrerer 
Kmpfindungen. 


Die  Schärfe  und  Deutlichkeit  der  Empfindungen  scheint  von 
der  Zahl  der  Prünitivfasern  abzuhängen,  welche  sich  in  einem 
Theile  verbreiten;  je  sparsamer  diese  Fasern  aber  einem  Organe 
*Ugetheilt  sind,  um  so  eher  wirken  die  Eindrücke  auf  mehrere 
Uaheliegende  Theile  nur  auf  eine  einzige  Primitivfaser,  und  um 
*u  leichter  müssen  diese  Eindrücke  auf  verschiedene  Theile 
der  Haut  mit  einander  verwechselt  werden.  E.  H.  Weber  hat 
^hr  interessante  Beobachtungen  üher  den  Grad  der  Schärfe  der 
h-mpfinduiigen,  in  Hinsicht  der  Unterscheidung  der  Distanzen  an 
den  verschiedensten  Thcilen  des  Körpers  angestellt.  Annotat. 
^naf.  ei  physiol.  p.  14 — 81.  Diese  Versuche  wurden  so  angestellt, 
dass  die  Haut  bei  verschlossenen  Augen  mit  den  Schenkeln  eines 
^tangencirkels , dessen  Enden  mit  Rorkstöpseln  versehen  waren, 
uerührt  wurde.  Weber  suchte  dann,  bei  welcher  Entfernung 
der  beiden  Schenkel  diese  Entfernung  bemerkt  werden  konnte, 
“ei  diesen  zahlreichen  Versuchen  haben  sich  folgende  Resultate 


^J'geben;  Vor  allen  Thcilen  zeichnen  sich  die  Enden  des  dritten 
lingergliedes  und  die  Zungenspitze  durch  die  Deutlichkeit  der 
i*“pfindungen  aus;  hier  wurde  nämlich  schon  eine  Entfernung 
beiden  Schenkel  von  S Linie  bemerkt.  Auf  dem  Rücken  der 
^änge  war  schon  eine  Entfernung  von  2 Linien  nöthig,  wenn 
J'^ei  und  nicht  eine  Empfindungen  entstehen  sollten.  Mit  den 
:^‘ngerenden  und  der  Zungenspitze  bemerkte  Weber  leichter  die 
P'stanz  in  longitudinaler  Richtung;  auf  dem  Rücken  der  Zunge, 
Gesicht,  am  behaarten  Theil  des  Kopfes,  am  Halse,  am  gan- 
Arme  und  Fuss,  dagegen  leichter  bei  transverseller  Stellung 
beiden  Schenkel.  Die  folgende  Talel  giebt  die  Feinheit  des 
Pfuhls  in  den  verschiedenen  Theilen  nach  den  Distanzen  der 
chenkel  an,  welche  nöthig  waren,  dass  zwei  und  nicht  eine 
^•“pfindung  entstanden.  ,, 

Ungenspitze 

ularfläche  des  3.  Fingergliedes ^ 

“the  Oberfläche  der  Lippen ^ 

j^ularfläche  des  2.  Fingergliedes  . 2 . 

ursalfläche  des  3.  Fingereliedes • • - 3 

^^enspitze  3 


6‘84  III,  Buch.  Nervenphysik.  III.  Abschn.  Mechanik  d.  Nervenprincips. 


Volarfläclie  über  den  Capitula  oss.  metacarpi 
Zungenrücken  1"  von  der  Spitze  .... 
nicht  rother  Thcil  der  Lippen  ..... 
Rand  der  Zunge  1"  von  der  Spitze  .... 

Mittelhand  des  Daumens 

Spitze  des  grossen  Zehen 

Dorsalfläche  des  2.  Fingergliedcs  ..... 
Volarfläche  der  Hand 


Wangenhaut 

äussere  Oherfläche  der  Augenlieder 

Schleimhaut  des  harten  Gaumens 

Haut  üljer  dem  vordem  Theile  des  Jochheins  . 
Plantarfläche  des  Mittelfusses  des  grossen  Zehen 
Dorsalfläche  des  1.  Fingerglicdes 


Dorsalfläche  über  den  Capitula  oss.  metacarpi  . . 

Schleimhaut  am  Zahnfleisch 

Haut  hinten  über  dem  Jochbein 

unterer  Theil  der  Stirn • . 

unterer  Theil  des  Hinterhauptes • 

Handrücken 

Hals  unter  dem  Unterkiefer  . . ■ 

Schfeitel  . . . ' 

an  der  Kniescheibe  . . . . . ■ 

Haut  über  dem  Heiligenhein 

am  Acromion 

ani  Gesäss 

am  Vorderarm  . . . . . . . . . . . . 

am  Unterschenkel  heim  Knie  und  Fuss  .... 
am  Fussrücken  hei  den  Zehen  ....... 

auf  dem  Brustbein 

am  Rückgrath  an  den  5 obersten  Rückenwirbeln  . 

am  Rückgrath  Ijeihi  Hinterhaupt 

am  Rückgi’alh  in  der  Lendengegend 


am  Rückgrath  in  der  Mitte  des  Halses 


4 

4 

4 

4 

5 
5 
5 
5 
5 
fi 
7 
7 

7 

8 
9 

10 

10 

12 

14 

15 

15 

16 
18 
18 
18 
18 
18 
18 
20 
24 
24 
24 
30 
30 
30 
30 


am  Rückgrath  in  der  Mitte  des  Rückens 

in  der  Mitte  des  Arms 

in  der  Mitte  des  Schenkels 

An  den  Theilen  von  schärferer  Empfindung  wurde  di 
Distanz  der  Schenkel  des  Cirkels  scheinbar  grösser  emplund^’’' 
als  an  den  Theilen  mit  unbestimmterem  Gefühl.  Wurde  cio® 
horizontale  Linie  um  den  Thorax  gezogen,  und  die  Schenkel  de 
Cirkels  ln  dieser  Linie  aufgesetzt,  so  wurde  die  Distanz  an 
Stellen  vom  und  hinten,  in  der  Mitte  deutlicher  empfunden- 
Wurde  der  Cirkel  in  der  Gegend  jener  Linie  parallel  mit  d®’ 
Längenachse  des  Körpers  aufgesetzt,  so  zeigten  sich  vier  Stcflc 
von  deutlicher  Empfindung,  zwei  in  der  vordem  und  InnteC 
Mittellinie,  zwei  an  den  Seiten.  Wurden  in  einer  Längenlnn 
vom  Kinn  bis  zur  Schaam  die  transversell  oder  longituthn  ^ 
gestellten  Schenkel  des  Cirkels  aufgesetzt,  so  war  die 
keit  der  Empfindung  am  Kinn  am  stärksten,  am  Halse  scliW 
chCr,  am  Brustbein  wieder  stärker,  am  obern  Theil  des  Baue  > 


Mechanik  d.  Empfindungsnerpen.  Vermischung  d.  Empfindungen,  685 


Wieder  sclnväclier,  ;im  Naliel  wieder  stärker,  in  der  Gegend  der 
Syrnpliyse  der  Scliaambeinc  W'ieder  .seliw'äclier.  ln  der  liintcrn 
Mittellinie  war  die  deutlichste  Emplindnng  unter  dem  Hinter- 
haupt und  am  Steiss.  In  der  Seitenlängslinie  des  Rumpfes  war 
die  Empfindung  deutlicher  unter  der  Achsel  und  in  den  Weichen. 

Die  Deutlichkeit  der  Emplindnng  hängt  nicht  gerade  von 
der  Gegenwart  und  Zahl  der  Papillen  ah.  Denn  die  Rruslwar- 
*en  h.-itten  eine  undeutliche  Empfindung,  und  die  Empfindung 
auf  der  Zunge  war  nur  an  der  Spitze  am  deutlichsten;  deshalb 
nimmt  Webeh  an,  d.ass  der  Unterschied  von  der  Zahl,  dem  Laufe 
Und  der  Endigung  der  Nervenfäden  ahhängc.  Ich  theile  ganz 
diese  Ansicht  und  hemerkc  bloss,  dass  vielleicht  auch  die  leich- 
tere oder  schwierigere  Irradiation  au  verschiedenen  Stellen  des  Ge- 
hirns und  Rückemnarks  einigen  Antlieil  an  diesem  Phänomen 
haben  kann. 

Die  feinste  Empfindung  der  Distanzen  findet  auf  der  Mark- 
haut des  Auges  statt.  Für  die  Mechanik  der  Empfindungen  ist 
es  interessant,  dass  die  Grösse  der  Kügelchen  in  der  Markliaut 
init  der  Q^rösse  eines  kleinsten  empfindlichen  Punktes  auf  dersel- 
ben übereinstimmt.  E.  H.  Weber  Anatomie  I.  p.  165.  Weber 
fand  die  Kügelchen  der  Netzhaut  = xn\ö  his  -g-jVo  P-  im 
Durchmesser;  der  kleinste  Gesichtswinkel,  unter  welchem  zwei 
Dünkte  unterschiediai  werden  können,  ist  40''.  Daraus  berechnet 
Smitu,  dass  ein  kleinster  cmpfindliclier  Punkt  der  Markhaut  des 
Au  ges  -sTiVn  beträgt.  Weber  bemerkt  hierbei,  dass,  w'eun 

Zweierlei  Eindrücke  auf  einem  solchen  Punkte  stattfinden,  sie  als 
ein  einziger  empfunden  w'crdcn  müssen.  Batjmgaeutker  erklärt 
das  Undeiitlichwerden  von  Gegenständen,  deren  Ausdehnung  un- 
fer  i;i  Secunden  erscheint,  aus  der  physiologischen  Irradiation. 
Zeitschrift  für  Physik  und  uerevandte  Wissenschaften,  11  ,Bd,  3,IIft, 
P.  2:16. 

Eine  sehr  merkwuirdige  Yermisclmng  oder  Identification  der 
Empfindungen  findet  in  einem  einzigen  Fall  bei  den  Empfindun- 
Sen  der  gleichnamigen  Nerven  der  rechten  und  linken  Seite, 
•lämlich  der  beiden  N.  optici  statt.  Diess  ist  eine,  im  ganzen 
Organismus  sonst  nicht  voikommende  Erscheinung,  welche  auch 
j'ar  in  besonderen  Verhältnissen  der  Structur  ihre  Ursache  ha- 
ben kann.  Die  Empfindungen  der  glciclinamigcn  Gefühlsncrven 
der  rechten  und  linken  Seite  werden  im  Ijcwusstscyn  sonst  nie 
^'1  einem  Ort  empfunden.  Was  die  rechte  Hand  empfindet,  wird 
jpcht  an  demselben  Orte  empfunden,  wie  die  Empfindungen  der 
.■äken  Hand,  sondern  es  werden  die  Eindrücke  beiderlei  Nerven 

Bewusstseyn  nebeneinander,  nicht  ineinander  gesetzt.  Bei 
«en  'Augen  oder  den  Sehnerven  tritt  aber  die  Anomalie  ein, 
tass  gewisse  Fasern  des  einen  , Sehnerven  , mit  gewissen  Fa- 
*ern  'des  andern  Sehnerven  mir  eine  einzige  gemeinsame  Em- 
P mdiuig  haben  , wodurch  das  einfache  Sehen  luit  zwei  Au- 

bedingt  wird.  Es  haben  zwar  Einige  bchaupl#tj  wir 

J'rclisetsweise  immer  mir  mit  einem  Auge  sähen.  Wei'  aber  an 
glciclizcitigen  Xhätigkeit  beider  Augen  zweifeln  kann-,  hat 
"e  die  so  häufig  in  demselben  Gesichtsfelde  vorkoinmendeu  Doppel- 


686  III, Buch, Nervenphysik.  III,Ahschn,  Mechanik d,Neri>enprincips, 

bilder  der  Gegenstände  beoLacbtet,  wovon  das  eine  dem  einen,  das 
andere  dem  andern  Auge  angehört.  Um  sich  davon  zu  überzeu- 
gen, betrachte  man  zwei  in  einer  geraden  Linie  in  einiger  Entfer- 
nung hintereinander  stehende  Körper,  z.  B.  Stecknadeln  oder  die 
hintereinander  gehaltenen  Finger.  Fixirt  man  nun  den  näher» 
Finger,  indem  beide  Augenaclisen  d.irin  Zusammenkommen,  so 
sieht  man  den  fernem  Finger  doppelt,  fixirt  man  den  ferner» 
Finger,  so  sieht  man  den  nähern  doppelt;  durch  Schliessen  des 
einen  Auges  kann  man  sich  bald  überzeugen,  dass  eines  der  Dop- 
pelbilder dem  einen,  das  andere  dem  andern  Auge  angehört. 

Dass  es  in  beiden  Augen  gewisse  Theilc  der  Markhäute  oder 
des  Sehnerven  giebt,  welche  identische  Empfindungen  haben, 
und  andere,  welche  nicht  identische  Empfindungen  haben,  kann 
man  auch  durch  einen  sogenannten  subjectiven  Versuch  bewei- 
sen; nämlich  durch  Druck  auf  gewisse  seitliche  Stellen  des  ge- 
schlossenen Auges  iin  Dunkeln,  und  die  durch  Druck  der  Mark- 
haut entstehenden  Lichtbilder.  Diese  Druckbilder  erscheinen 
immer  umgekehrt.  Drückt  man  das  Auge  unten,  so  erscheint 
das  Druckbild  oben  im  Sehfelde  des  Auges,  drückt  man  oben, 
so  erscheint  es  unten ; drückt  man  an  der  rechten  Seite , so  er- 
scheint es  links,  und  umgekehrt.  Wenn  man  nun  die  linke  Seite 
beider  Augen  drückt,  so  entsteht  statt  zwei  Druckbilder  nur 
eins,  dagegen  man  beim  Druck  des  einen  Auges  auf  der  linken, 
des  andern  auf  der  rechten  Seite  zwei  einander  entgegengesetzte 
Figuren  sieht.  Drückt  man  beide  Augen  oben,  so  erscheint  nur 
ein  Druckbild  unten;  drückt  man  beide  unten,  so  erscheint  nur 
ein  Druckbild  oben.  Drückt  man  aber  das  eine  Auge  oben,  das 
andere  unten,  so  erscheinen  zwei  Bilder,  das  eine  oben,  das  an- 
dere unten.  Bei  diesen  Versuchen  muss  man  nicht  an  dem  vor- 
dem Umfange  des  Auges  drücken,  weil  dort  keine  Markhaut  sich 
befindet,  sondern  man  muss  das  Auge  in  der  Tiefe  drücken- 
Diese  Versuche  beweisen  schon  die  Identität  der  Empfindungen 
in  gewissen  Stellen  der  Netzhäute  beider  Augen,  die  Differen* 
der  Empfindungen  an  anderen  Stellen;  beide  Markhäute  müssen 
in  der  Empfindung  gleichsam  als  ineinander  liegendi'gedacht  werden, 
so  dass  alle  Punkte  der  Markhäute  der  beiden  Augen,  welche  (das  Aug® 
als  Kugel  gedacht)  in  gleichen  Länge-  und 
Breitegraden  liegen,  für  die  Empfindung 
identisch  sind,  alle  anderen  Punkte 
der  beiden  Markhäute  sich  gegenein- 
ander als  different  verhalten,  gerade 
so  wie  verschiedene  Punkte  der  Mark- 
haut eines  einzigen  Auges.  Noch  viel 
bestimmter  lässt  sich  diess  durch  soge- 
nannte objective  Versuche  zeigen. 

ln  beistehender  Figur  sollen  die 
Augen  mit  ihren  Achsen  den  Punkt 
a fixiren;  die  Netzhäute  seyen  in  10 
Maasstheile  getheilt,  dann  wird  der 
Punkt  a in  dem  Auge  A bei  5,  und 
eben  so  in  dem  Auge  B erscheinen; 


a h 


2,  Mechanik  d,  Empfindungsnerven.  Vermischung  d.  Empfindungen.  6S7 

der  Punkt  I ersclieint  in  beiden  Augen  gleichweit  von  5 nach 
links  entfernt  bei  4.  Also  nimmt  das  Bild  in  beiden  Augen  die 
Maasstheile  4 — 5 ein;  es  wird  einfach  gesehen;  diese  Stellen  sind 
identisch;  denn  1 ist  mit  1,  2 mit  2,  3 mit  3,  4 mit  4,  5 mit 
5 identisch.  Fällt  alser  das  Bild  nicht  auf  solche  identische  Stel- 
len, so  erscheint  es  doppelt,  z.  B. 

In  der  zweiten  Figur  sollen  die  bei- 
den Augen  so  gestellt  seyn,  dass  sie  den 
Punkt  a fixiren ; ist  diess  ein  Object,  so 
wird  es  einfach  gesehen,  alles,  was  vor 
oder  hinter  a liegt,  erscheint  dagegen  in 
Doppelbildern.  Z.B.  b hinter  demFixa- 
tionspunkt  a,  wirft  das  Bild  in  demAuge 
A auf  6,  in  dem  Auge  B auf  4,  erscheint 
doppelt;  von  zwei  hinter  einander  ge- 
haltenen Fingern  erscheint  der  hintere 
doppelt,  wenn  der  vordere  flxirt  wird. 

Die  Entfernung  der  Doppelbilder  be- 
trägt die  Distanz  von  6 — 4 im  Verhält- 
niss  zum  ganzen  Sehfeld  1 — 10,  und  der 
Ort  ist  6 und  4.  Der  Punkt  c in  belste- 
hender  Figur,  welcher  vor  dem  Fixa- 
tionspunkt a liegt,  wirft  dagegen  sein 
Bild  in  A auf  4,  in  B auf  6;  er  wird  doppelt  gesehen,  denn  4 
ist  nicht  mit  6,  sondern  4 mit  4,  und  6 mit  6 identisch.  So 
erscheint  von  zwei  hinter  einander  gehaltenen  Fingern  der  vor- 
dere doppelt,  sobald  der  hintere  fixirt  wird.  Man  sieht  also 
deutlich,  dass  beide  Sphären  der  Augen,  auf  das  feinste  in  Brei- 
ten- und  Längengrade,  Minuten,  Secunden  eingetheilt,  in  allen 
gleichnamigen  Punkten  identisch,  in  allen  verschiedenen  different 
sind,  und  dass  sich  die  Entfernung  der  Doppelbilder  jedesmal 
nach  der  Entfernung  der  afficirten  Theile  beider  Netzhäute,  diese 
als  auf  einander  liegend  gedacht,  bestimmen  lässt. 

Da  die  Sehnerven  beider  Seiten  durch  Einheit  der  Empfindung 
bei  der  Affection  gewisser  Theile  von  allen  anderen  Nerven  abwei- 
Oien,  alle  anderen  Nerven  aber  durch  den  getrennten  Verlauf  der 
Brimitlvfasern  übereinstimmen,  so  muss  man  auf  den  Gedanken 
kommen,  dass  in  den  Sehnerven  auch  die  Organisation  der  Pri- 
^•tivfasern  verschieden  seyn  müsse,  und  dass  die  Fasern  beider 
Sehnerven,  welche  einfach  sehen,  auch  nur  in  einem,  statt  in 
^'''^eien  Punkten  mit  dem  Gehirn  Zusammenhängen.  Diess  lässt 
*ich  im  Allgemeinen  zwar  von  den  einzelnen  Fasern  noch  nicht, 
®ber  doch  von  den  Faserbündeln  erweisen.  Denn  bekanntlich 
8oht  jede  Sehnervenwurzel  vom  Chlasma  nervorum  optioorum 
laicht  zu  einem,  sondern  zu  beiden  Augen,  indem  die  äusseren 
asern  einer  Sehnervenwurzel  am  Chiasma  zur  äussern  Seite  des 
j^ehnerven  ihrer  Seite  fortgehen,  während  die  inneren  Fasern 
^^'euzend  zur  Innern  Seite  des  Sehnervens  der  andern  Seite,  und 
*um  Auge  fortgehen,  so  dass  der  äussere  Theil  der  Netzhaut 
einen  Auges,  und  der  innere  Theil  der  Netzhaut  des  andern 
'^ges  von  der  einen  der  beiden  Sehnervenwui'zeln  gebildet  wer- 


688  III.  Buch.  Nervenphysik.  1 II.  Alschn.  Mechanik  d.  Nervenprmcips. 

.den,  oder  mit  andern  Worten,  dass  die  linken  Tlieile  der  beiden 
Netzliäute  von  den  zwei  Branchen  der  linken  Sehnervenwurzel, 
die  rechten  'Theile  der  beiden  Netzhäute  von  den  zwei  Branchen 
der  rechten  Sehnervenwurzel  gebildet  werden,  was  ganz  mit  den 
Facten  über  das. einfache  Sehen  ühereinstimmt.  In  Hinsicht  des 
Baues  des  Chiasma  nervofum  opticorrum  siehe  J.  Mueller  ecr- 
gleichende  Phy.'iwlogiß  des  Gesichtssinnes,  p.  96.  117 — 134.  Diese 
Theorie  des  einfachen  Sehens  ist  schon  von  Newton  in  den  opti- 
schen Qu'ästionen , neulich  aher  von  Wollaston  {am,  de  chim. 
et  phys.  18‘24.  Ne/j/.)  vorgetragen  worden.  Allein  die  blosse  Thei- 
lung  einer  Sehiiervenwurzel  in  zwei  Branchen  für  die  identischen 
Theilc  beider  Markhäute  erkläi’t  die  Erscheinung  nicht  vollständig  i 
denn  der  linke  Theil  der  Netzhaut  Ä yoR  1 — 5 ist  nicht  durch- 
weg identisch  mit  dem  linken  Theil  der  Netzhaut  B von  1 — 3, 
sondern  gewisse  Punkte  des  linken  Theils  beider  Netzhäutb  sind 
nur  identisch,  nämlich  die  gleiche  Längen-  und  Breitengrade  in 
beiden  Sphären  einnehmen;  1 ist  mit  1,  2 mit  3 mit  .3,  4 mit 

4 n.  s.  w.  identisch;  1 des  einen  Auges  gber  nicEt  identisch  md 

5 des  andern  Auges.  ' Dahpr  fordert  'pfie  Theorie  zur  Erklärung 
des  einfiichen  Sehens,  dass  nicht  hl^ss  eine  Sehnervenwurzel  sich 
in  zwei  Branchen  theilt,' sondern  dass  $ich  jede.  Primltlvfper  einer 
Sehncrvenwurzel  im  Chiasma  in  zwei  Branchen  für  die  beiden 
Sehnerven  thellt , so  dass  die  identischen  'Fasern  beider  Sehner- 
ven nur  in  einem  Punkt,  liämlich  durch  eine  Wurzell^aser)  mh 
dem  Gcllirii  jsusammenhängen , und  daher  nur  einen  Eindruck 
'trotz'  zwei  keciplenteh  bilden.  Siehe  diej  Figur. 

So ' weit  relclleii  inddss  nicht  die  anatomischen. 

Data;  denn  bis  jetzt  lässt  sich  Theilung 

■jeder  Fasgr  im  Chiasma  nicht  bc'wewcn.  So  be- 
friedigend die  Lösünä  d6s  Problems  scheint,,  die.  ich 
obdn ' geg'ehbn,  ünd  die  idh  bereits  1826  gab,' so  stim- 
men döch  mehrerg  l!)ata'  mjt  ' dieser  Suppqsitipn  im  Chiasnpa  nicht 
überein.'  ErsfenS  njiüSste' die  Sehnervgnwürzet  hoch  einnaal  so  diii'” 
als  der  Sehnerve  sejm,  und  dann  ^ii'pte, 'jeder  Punkt  dei|'  NetZ' 
haut  das  Ende  einer  Faser  des  Sehncryen  seyn.  Wenn  diess  waf®’ 
so  müssten  im  hintern  Theil  der  Netzhaut  noch  alle  Fasern  zij' 
samrhen  liegen,  die  sich  weiter' vorn  a'ushr'elt'cn ; und  es  müsste  d»® 
‘Netzhaut  von  hinten  hieb  vorn  an  t)ick'c'.ahnehnlen.  Auch  müsste 
bei  einer  Verletzung  dfer  eitlen  8eite  des  Gehirns  immer  dl® 
Hälfte  beider  Augen  del'ähmt  seyn, , da'gpggn  darauf  entweder  Blind' 
heit  des  einen  öder , des  andern  folgt  und  Fei  ttieren  sogar  jedeS' 
mal  Blindheit  des  enfgegengesetzteh  Auges'  eintritt.  TJebrigens  .1^ 
die  J von , rnir  gegcberic  Lösung,  wenn  gleich  hyjiothetlsch,  do®,*' 
d'I'e  einzige,  welche  jetzt' hio^iclj  ist. 

III.  Capiiel.  "Von'  d'er/ Reflexion  ih  den  Bewegung®** 
nach  ' Empfindungen.  , ... 

Die  Beobachtungen,  Avclche  in  diesem  Cäpltel  vorgetrage** 
werden,  sind  neu  und'  zeigen  einen  . ahih’maligen  entschiedene 


•3.  Von  der  Reflexion  in  den  Bewegungen  nach  Empfindungen.  689 

Portscliritt  unsernr  Wissenscliaft  an.  Sie  betreffen  Pliänomene 
Von  sogenannten  syrapalliischen  Bewegungen  nacb  Empfindungen, 
Welche  inan  sonsl  sehr  freigebig  durch  den  N.  sympathicus  aus- 
iiben  liess,  von  denen  sieb  indess  evident  erweisen  lasst,  dass  sie 
Sanz  unabhängig  von  dem  N.  sympathicus  erfolgen.  J>a  die  hic- 
ber  gehörigen  Erscheinungen  ungemein  zahlreich  sind,  und  einen 
grossen  Theil  der  Erscheinungen  umfassen,  welche  man  sonst 
ohne  allen  Beweis  von  dem  N.  sympathicus  ahleitete,  so  scheint 
sich  die  Bedeutung  des  N.  sympathicus  in  der  Erklärung  der 
hprvensympathien  immer  mehr  zu  vermindern.  Wie  sehr  sich 
dieser  Theil  der  Physiologie  umgcstaltet  hat,  geht  deutlich  her- 
vor, wenn  man  die  Erklärung  eines  grossen  Theils  der  Kerven- 
sympathien  vergleicht,  welche  der  trcllliche  Tiedemahn  im  Jahre 
1825  [Zeil.whrift  für  Physiologie  I.)  versuchte.  Die  Erklärungen 
der  Sympathien  durch  den  JV.  sympathicus  erklären  alles  und 
wieder  gar  nichts.  Denn  wie  sollte  es  wohl  um  diese  Lehre  ste- 
hen, wenn  die  augenscheinlichsten  und  so  oft  eintretenden  Sym- 
pathien zwischen  Uterus  und  Brüsten,  Parotis  und  Hoden,  Rehl- 
hopf  und  Hoden,  und  so  viele  andere  dieser  Erklärung  unzu- 
gänglich sind.  Wir  wollen  nicht  geradezu  läugneu,  dass  der  N. 
sympathicus  nicht  auch  hei  einigen  sympathischen  Erscheinungen 
oine  Rolle  spiele.  Nur  läugnen  wir  geradezu,  dass  der  N.  sym- 
Pathicus  in  allen  den  sogenannten  sympathischen  Erscheinungen 
Otitwirke,  ■welche  in  diesem  Capitel  untersucht  werden,  und  wir 
finden  es  sehr  wahrscheinlich,  dass  der  N.  sympathicus  über- 
haupt dem  grössten  Theile  derjenigen  Nervensympathien  fremd 
*st,  hei  welchen  auf  Empfindungen  Bewegungen,  oder  auf  Em- 
pfindungen andere  Empfindungen,  oder  auf  Bewegungen  Bewe- 
gungen stattfinden.  Die  Erklärung  der  Sympathie  durch  Nerven- 
''^erhindung  wuirde  an  sich  schon  durch  die  microscopische  Ana- 
tomie der  Primitivfasern  sehr  misslich.  Denn  was  soll  aus  die- 
sen Erklärungen  werden , wenn  wir  bis  jetzt  zivar  Verbindungen 
ficr  Bündel  der  Nerven,  aber  keine  Vereinigungen  der  Primitiv- 
fiisern  kennen.  Daher  eine  blosse  Nervenverhindung  zumal  ohne 
t^anglion  an  jener  Stelle  an  und  für  sich  hei  dem  heutigen  Zu- 
stande der  Wissenschaft  gar  keine  Sympathie  mehr  erklären  kann. 

Die  hier  zu  untersuchenden  Phänomene  sind  fast  zu  gleicher 
^oit  von  mir  und  Mabshali.  Hall  heohachtet  worden.  Wie  der 
Svösstc  Theil  der  Nervenphysik , wie  sic  hier  gegeben  wird,  he- 
*’oits  seit  mehreren  Jahren  vollendet  war,  so  war  auch  dieses  Ca- 
Pffel  üher  die  reflectirlen  Beivegungen  nach  Empfindungen  seit 
|*;ohreren  Jahren  schon  fast  gerade  so  niedergeschriehen ,'  wie  es 
J*®*"  gegeben  wird.  Dass  diese  Erklärung  aufrichtig  ist,  geht  aus 
Uer  ersten  Ahtheilung  dieses  Handbuchs  hervor,  welches  im  Ei’üh- 
'**g  183.3  erschien,  und  welches  p.  333  — 335.  schon  die  Grund-, 
^tze  über  die  reflectirteu  Bewegungen  und  Eirrpfindungen  aus 
oohachtungen  entwickelt,  welche  hier  weiter  ausgeführl  werden. 
Merkwürdiger  AVeise  sind  dieselben  Ideen  selbst  mit  denselben 
oispielen  und  Beobachtungen  an  narColisirten  Thicren  in  dom-' 
Kolben  Jahre  von  Marsball  Hai.l  iu  iUexi  • plfllos.  Iransaci.  1833. 
’^vgetragen  worden.  Obgleich  diese  idequ  unabhängig  von  ein- 
•’der  entstanden  waren,  so  ist  doch  die  grosse  Uebereinstirn- 


690  Ul.Buch.  Nervenphysik.  lU.Abschn.  Mechanik  d.Nervenprincips. 


mang  in  den  BeoLachtungen  und  Erklärungen  nicht  schwer  zu 
begreifen,  wenn  man  bedenkt,  wie  die  Ausbildung  der  Nerven- 
physik eine  Consequenz  erlangt  hat,  welche  die  entferntesten 
Beobachter  gleichzeitig  zu  gleichen  neuen  Beobachtungen  und 
Erklärungen  fuhren  kann.  Ich  werde  in  dem  Folgenden  meine 
Beobachtungen  so  mittheilen,  wie  sie  ursprünglich  entstanden 
sind,  und  sie  darauf  mit  den  Resultaten  des  englischen  Arztes 
und  Physiologen  vergleichen. 

Wenn  Empfindungen,  welche  durch  äussere  Reize  auf  Eni- 
pfindungsnerven  hervorgebracht  werden,  Bewegungen  in  anderen 
Theilen  hervorbringen,  so  geschieht  diess  niemals  durch  ciiieWech- 
sel Wirkung  der  sensibeln  und  motorischen  Fasern  eines  Nerven  selbst, 
sondern,  indem  die  sensorielle  Erregung  auf  das  Gehirn  und  Rük- 
kenmark,  und  von  diesen  zurück  auf  motorische  Fasern  wirkt. 
Dieser  für  die  Physiologie  und  Pathologie  äusserst  wichtige  Satz 
bedarf  eines  strengen  Beweises,  der  sehr  gut  empirisch  geführt 
werden  kann,  und  erklärt  dann  eine  Menge  physiologischer  und 
pathologischer  Erscheinungen. 

Ich  werde  zuerst  beweisen,  dass  die  motorischen  und  sensi- 
heln  Fasern  eines  Nerven  nach  der  Verbindung  beider  Wurzeln 
keine  Verbindung  mit  einander  eingehen,  sondern  getrennt  bis 
zu  ihren  respectiven  Tlieilen  verlaufen,  und  dass  daher  auch  in 
den  Fällen,  Wo  die  Nervensympathie  nicht  im  Spiele  ist,  die  sen- 
sorielle und  motorische  Faser  eines  Nerven  selbst  durchaus  keine 
Wechselwirkung  haben. 

Der  Beweis  dieses  Satzes  lässt  sich  leicht  auf  folgende  Art 
führen;  Reizt  man  einen  gemischten  Nerven,  den  man  durchge- 
■schnitten , an  seinem  centralen  Stücke , wodurch  heftige  Schmer- 
zen entstehen,  so  kann  das  Thier  zwar  diese  Schmerzen  durch 
Bewegungen  zur  Flucht,  Schreien  u.  s.  w.  ausdrücken , allein 
die  mit  dem  gereizten  Nervenstumpf  zusammenhängenden  Mus- 
kelnerven werden  nicht  zu  Actionen  veranlasst.  Es  entstehen 
keine  Zuckungen  in  den  Muskeln,  die  von  dem  Nervenstumpf® 
Aeste  erhalten. 

Man  kann  diesen  Satz  auch  folgendermaassen  beweisen : D» 
die  drei  Nerven  für  die  hintere  Extremität  beim  Frosch  einen  Ple- 
xus bilden,  der  wieder  zwei  Nerven  abgiebt  (siehe  oben  p.  658.),  so 
durchschneide  man  einen  der  letzten  Nerven  und  isolire  ihn  von 
allen  . seinen  Verbindungen  mit  Muskeln,  und  reize  dann  mecha- 
nisch das  centrale_Stück.  Diese  Zerrung  bewirkt  eine  centripetalc 
Erregung  der  sensoriellen  Fasern  dieses  Nerven,  allein  die  anderen 
Muskelnerven , die  aus  demselben  Plexus  hervorgehen , erregen 
bei  der  Quetschung  des  isolirten  Nerven  keine  Zuckung  ihrer 
Muskeln.  Dass  ferner  die  bei  narcotisirten  Fröschen  und  anderen 
Thieren  auf  jede  Berührung  eintretenden  allgemeinen  Zuckungen 
nur  durch  das  Rückenmark  und  Gehirn  selbst  vermittelt  werden^ 
lässt  sich  definitiv  beweisen.  Denn  schneidet  man  ein  Glied  des 
narcotisirten  Frosches  ab,  so  bewirkt 
keine  Zuckungen  dieses  Gliedes  mehr, 
diese  Versuche  beim  Erdsalamander. 

Der  gefleckte  Erdsalamander  behält  nach  Durchschneidung  des 


e Berührung  derselpe« 
Noch  instructiver  sin 


3.  Von  der  Reflexion  in  den  Bewegungen  nach  Empfindungen.  691 

Rüctenmarks  überaus  lange  die  sogenannte  Erapfindungskraft  in  allen 
Theilen  unter  dem  Schnitte,  oder  wenn  man  diess  nicht  Empfin- 
dungskraft nennen  will,  die  Fähigkeit,  Empfindungseindrücke  auf 
das  Rückenmark  zu  verpflanzen  und  durch  Zuckung  zu  reagiren. 
Seihst  das  Schwanzende  ist  noch  empfindlich,  ja  diese  Empfind- 
lichkeit ist  durch  die  Durchschneidung  des  Rückenmarks  chen 
so  erhöht,  als  hei  Fröschen,  welche  vorher  narcotisirt  waren. 
Berührt  man  einen  ahgeschnittenen  Theil  des  Rumpfes  vom  Erd- 
salamander nur  ganz  leise,  so  zieht  er  sich  jedesmal  zusammen; 
diess  dauert  noch  Stunden  lang.  Allein  diess  interessante  Pliänomen 
zeigt  sich  nur  dann,  wenn  in  dem  ahgeschnittenen  Theile  noch  Rük- 
kenmark  enthalten  ist,  nicht  aher  in  den  ahgeschnittenen  ganzen 
Gliedern,  welche  nichts  vom  Rückenmark  enthalten.  Diese  inter- 
essanten Thatsachen  beobachtete  ich  bereits  vor  mehreren  Jah- 
ren, 1830,  als  ich  mit  Herrn  Johdan  Versuche  über  das  Gift  der 
Hautdrüsen  heim  gefleckten  Salamander  anstellen  wollte. 

Es  geht  hieraus  hervor,  dass  die  bei  den  Thicren  auf 
Berührung  einzelner  Theile  erfolgenden  allgemeinen  Zuckiuigen 
nicht  durch  Communication  sensorieller  und  motorischer  Fasern 
der  Nerven  geschehen,  sondern  dass  das  Rückenmark  das  Binde- 
glied zwischen  der  sensoriellen  - centripetalen  , und  der  allge- 
meinen motorischen -centrifugalen  Erregung  ist. 

Das  Phänomen  allgemeiner  Zuckungen  nach  örtlichen  Em- 
pfindungen ist  daher  auch  vom  N.  sympathicus  unabhängig,  und 
ist  durch  eine  Irritation  des  Rückenmarks  bedingt,  wodurch  jede 
ganz  örtliche,  sensorielle- centripetale  Erregung  sich  auf  das  ganze 
Rückenmark  und  Gehirn  verpflanzt,  und  von  dort  ans  nothwen- 
dig  alle  motorischen  Fasern  anregt.  Jene  Irritation  wird  aber 
durch  folgende  Ursachen  erregt: 

1)  Bei  manchen  Thieren  durch  blosse  Zerschneidung  und 
Quetschung  des  Rückenmarks,  So  zucken  die  Schildkröten  noch 
Jiach  abgeschnittenem  Kopf,  so  oft  sie  berührt  werden;  so  zucken 
ganz  junge  Vögel  bei  der  Berührung  im  Moment  nach  der  De- 
capitation.  So  zucken  alle  Theile  des  zerschnittenen  Rumpfes 
heim  Erdsalamander  nach  der  Berührung. 

2)  Ferner  wird  das  Rückenmark  in  diesem  Grade  irrltirt 
durch  das  erste  Stadium  narcotischer  Vergiftung  hei  den  Frö- 
schen, auch  hei  den  Säugethieren,  die  nach  Vergiftung  mit  Nnx 
'’omica  sogleich  zucken,  wo  und  wie  man  sie  anfasst.  Diess  Sta- 
dium der  reizbaren  Schwäche  geht  bei  der  Narcotisation  fast  im- 
’ßer  dem  Stadium  der  paralytischen  Schwäche  voraus. 

3)  Auch  andere  Ursachen,  welche  das  Gehirn  und  Rncken- 
^^k  durch  Reizung  schwächen,  bewirken  dasselbe  Phänomen. 
~ci  Menschen  mit  reizbarer  Schwäche  des  Nervensystems  bewirkt 
icde  unvorhergesehene  Empfindung,  Schall,  Berührung,  mechani- 
sche Erschütterung,  ein  allgemeines  Zusammenfahren.  So  bei  Men- 
schen, die  durch  Reizung  der  Genitalien  und  dadurch  des  Rücken- 
^^ks  oder  durch  andere  Ursachen  sich  eine  reizbare  Schwäche 

Rückenmarks  zugezogen  haben.  Man  kann  hiebei  einen 
hek  auf  das  Wesen  der  Nervenirritation  thnn.  Alle  Nerven- 
Cizung  kann  hintereinander  drei  Zustände  bedingen.  Zuerst 


692  III.  Buch.  Nercenphfsik.  III.  Ahschn.  Mechanik  d.  Nereenprincips. 

Reizung,  wobei  die  Kräfte  noch  unversehrt  scheinen;  2.  in  dem 
Maasse,  als  die  Reizung  wiederholt  wird,  reizbare  Schw'äclie; 
3.  atonische  Schwäche. 

4)  Eine  örtliche  heftige  Erregung  eines  Empfindungsnerven 
kann  durch  die  Heftigkeit  der  centripetalen  Erregung  des  Oc- 
hirns  und  Rückenmarks  auch  Zuckungen  und  Zittern  veran- 
lassen, wie  nach  einem  heftigen  örtliehen  Verbrennen,  heiin 
Zahnausreissen  etc. 

5)  Oertllche  Reizungen  der  Nerven  durch  Entzündung  odei’ 
knotige  Anschwellung  bewirken  auch  öfter  allgemeine  Krämple? 
selbst  Epilepsie. 

6)  Die  von  der  Örtlichen  sensoriellen  Erregung  entstehende  Irri- 
tation des  Rückenmarks  kann  bei  heftigen  Verletzungen  so  stark  seyn, 
dass  die  Zuckungen  beständig  sind  und  selbst  ohne  Uerührung  fort- 
dauern.  Diese  von  heftigen  örtlichen  Nervenverletzungen  entste- 
hende Irritation  des  Rückenmarks  ist  der  Tetanus  traumaticus.  Jede 
heftige  Irritation  des  Rückenmarks  überhaupt  ist  Tetanus , sey  sie 
durch  narcotisebe  Gifte  oder  örtlich  und  mittelbar  veranlasst.  Ich 
habe  hier  gezeigt,  wie  die  Entstehung  des  Tetanus  traumaticus  aus 
einfachen,  empirisch  festgestellten  Thatsachen  zu  begreifen  ist. 

7) ^  Auch  die  heftige  Irritation  der  sympathisch en  Nerven  des 
Darmkanals  erregt  dui’ch  Rückwirkung  auf  die  Centraltheile  sC- 
cundäre  allgemeine  Krämpfe,  und  so  sind  die  Krämpfe  in  der 
sporadischen  Cholera  zu  erklären;  so  die  Zuckungen  in  Krank- 
heiten der  Eingeweide  bei  Kindern. 

Die  bisherigen  Betrachtungen  führen  uns  indess  hier  nu> 
zunächst  zur  Fcftstellung  der  Thatsache,  dass,  wo  immer  durch 
örtliche  Empfindung  allgemeine  Zuckungen  entstehen,  dicss  durc  i 
keine  andere  Verbindung  sensorieller  und  motorischer  Fasern  gC' 
schiebt  als  die  des  Rückenmarks.  In  sehr  vielen  Fällen  entstehen 
aber  nach  örtlicher  Reizung  der  Nerven  nicht  allgemeine,  sondern 
örtliche  Zuckungen,  die  indessen  auch  immer  durch  das  Rük- 
kenmark  als  Bindeglied  der  sensoriellen  und  motorischen  Fasern 
erklärt  werden  müssen.  Die  Fälle,  welche  sich  hierbei  aufstd' 
len  lassen,  sind  folgende: 

1)  Am  einfachsten  ist  der  Fall,  wenn  die  örtliche  sensoriell 
Reizung,  auf  das  Rückenmark  oder  Gehirn  vei'pflanzt,  bloss  ört- 
liche Zuckungen  erregt,  und  zwar  in  den  nahe  gelegenen  ThedeH) 
deren  motorische  Fasern  in  der  Nähe  mit  den  sensoriellen  vo^ 
Rückenmark  abgehen.  Hieher  gehören  die  Krämpfe  und  t** 
Zittern  in  Gliedern,  welche  sich  heftig  verlirennen  etc.  Gewis®^ 
sehr  reizbare  Theile  des  Organismus,  wie  die  Iris,  ziehen 
überaus  leicht  zusammen,  wenn  auch  nur  schwache  Reize  ai* 
dere  sensorielle  Nerven  erregen,  und  die  Reizung  der  letzt« 
zum  Gehirn,  und  vom  letztem  durch  den  N.  oculoraotorlus 
die  kurze  Wurzel  des  Ganglion  ciliare,  die  Ciliarnerven  und_  ‘ 
Iris  verpflanzt  wird.  Man  weiss  schon  lange,  dass  die  Iris  n'C 
reizbar  für  das  Licht  ist,  dass  das  Licht  nur  durch  Vermi 
lung  des  Sehnerven  und  Gehirns  auf  die  Iris  wirkt;  denn  dicss  e 
giebt  sich  aus  den  Versuchen  von  Lambert,  Fontaha,  Calda  ^ 
Lichtstrahlen  durch  einen  kleinen  Kegel  von  Papier,  oder  i u 


3.  Von  der  Reflexion  in  den  Bewegungen  nach  Empfindungen.  693 

eine  kleine  Oeffnung  in  einem  PapierHatt  durch  die  Pupille  ein- 
ladend und  also  die  Netzhaut  treffend,  hringcn  die  Iris  sogleicli 
zur  Bewegung,  sind  aber  ohne  Einfluss,  wenn  die  Lichtstrahlen 
auf  die  Iris  "selbst  einlallcn.  Ferner  ist  die  Iris  eines  amauroti- 
schen Auges  unbeweglich,  so  lange  das  gesunde  Auge  geschlossen 
ist,  zieht  sich  aber  zusammen,  wenn  das  Licht  den  Sehnerven 
des  gesunden  Auges  anregt.  Die  Ausnahmen,  in  welchen  die  Iris 
der  amaurotischen  Augen  noch  Beweglichkeit  besass  (siebe  Tie- 
demakn  in  dessen  Zeitschrift  1.  p.  252.),  mögen  wohl  auf  einer 
unvollkommenen  Amaurose  beruhen,  oder  wenn  nur  ein  Auge 
arnaurotisch  war,  so  war  die  Ursache  der  Bewegung  der  Iris  im 
amaurotischen  Auge  das  Offenseyn  des  gesunden  Auges.  Die  Be- 
weglichkeit oder  Unbeweglichkeit  der  Iris  eines  amaurotischen 
Auges  kann  und  sollte  nur  untersucht  werden,  wenn  das  gesunde 
Auge  geschlossen  ist.  Jede  Beobachtung,  in  welcher  diese  Vor- 
sichtsmaassregcl  nicht  beobachtet  worden,  hat  gar  keinen  Werth; 
daher  hat  sich  auch  v\n  Deen  in  seiner  sonst  schätzbaren  Ar- 
beit {de  differentia  et  nex,u  inter  nervös  vitae  animalis  et  organicae. 
J-'Ugd.  Bat.  1834.  58.)  getäuscht,  wenn  er  bei  einem  Kaninchen, 
dem  er  ein,  Hemisphaerium  des  Gehirns  abgetragen  und  den 
Sehnerven  dieser  Seite  durchsclmitten,  hei  Anwendung  eines  Lich- 
tes Zusammenzichung  der  Iris  sah,  und  daraus  schliesst,  dass  der 
i'i.  opticus  keinen  Einfluss  auf  die  Iris  hahe.  Da  nämlich  van 
Deen  das  Licht  vor  beide  Augen  (ante  oculos)  brachte,  so  musste 
dasselbe  erfolgen,  wie  w'cnn  die  Iris  eines  amaurotischen  Auges 
durch  den  Lichteinfluss  auf  das  gesunde  Auge  bewegt  wird.  Tie- 
fem ann^s  intei’Cssante  Entdeckung,  dass  die  Arteria  centralis  reti— 
äae.  von  einem  feinen  Zweigelchen  vom  Ciliarknoten  begleitet  wird, 
bann  hier  ülierhaupt  nichts  erklären.  Denn  alle  Gefässe  werden 
■'^on  Nerven  begleitet;  dicss  Zweigelchen  verbreitet  sich  aber  mit 
der  Arteria  centralis  retinae,  und  steht  mit  der  Betina  in  keinem 
Erwiesenen  Zusammenhang.  Diese  Rückwirkung  vom  Gehirn  auf  die 
Dis  geschieht  durch  den  N.  oculomotorius,  welcher  nach  Mayo’s 
^ersuchen  hei  jeder  Reizung  eine  Zusammenzichung  der  Iris  erregt. 
^'Iaoendie  J.  d.  physiol.  T.  3.  348.  Wir  wissen  durch  denselben  Verf, 
^■‘ss  das  Hirnende  des  durchschnittenen  Sehnerven  gereizt  noch  Con- 
Daction  der  Iris  bedingt.  In  der  Zusammenzichung  der  Iris  zeigt 
’^'eh  also  eine  Art  Statik  der  Erregung  zwischen  centripetaler  senso- 
•■'eller  und  ccntrifugaler  motorischer  Wirkung  durch  Vermittelung 
des  Gehirns.  Auch  andere  Nerven  können  diese  Statik  verändern, 
die  sensoriellen  Aestft  des  N.  trigeminus,  so  dass  kaltes  Was- 
in  die  Nase  geschlürft  die  Iris  verengt.  Unter  diese  einfa- 
Eberen  Fälle  der  reflectirtcn  Erregung  gehört  auch  das  Blinzen 
Augenlieder  von  längerem  Lichteindruck,  oder  von  einem 
starken  Schall  (was  hat  der  N.  opticus  mit  dem  N.  acusticus  zu 
hun?),  oder  von  einem  drohenden  Gesichtseindruck. 

Fei  ner  gehören  hieher  die  Zusammenziehungen  aller  Damm- 
!*'askeln,  Muse,  sphinct.  ani,  levator  ani,  bulbo- cavernosus, 

das 
und 


■ .«-cavernosus  nei  üer  Aiistreinung  ues  oaamens,  m "‘ö- 
J'Eitatioii  der  Gefühlsncrven  des  Penis;  In  diesen  Fällen  ist 
I bekennaark  das  Bindeglied  zwischen  den  Empfindungen 


694  III.  Buch,  Nercenphysik.  III.  Abschn,  Mechanik  d.  Nercenprincips. 


Bewegungen.  Entblösste  Muskeln , deren  motorisclie  Nerven 
durct  Reizung  der  Muskeln  selbst  mitgereizt  werden,  bedürfen 
zwar  jener  centripetalen  und  centrifugalen  Wirkung  nicht,  um  Zuk' 
kungen  zu  erregen.  Allein  die  Muskeln,  welche  von  empfindli- 
chen Häuten  überkleidet  werden  und  nicht  der  Reizung  selbst  bloss- 
liegen, müssen  die  Reizung  zur  Bewegung  erst  durch  sensorielle 
Erregung  ihrer  empfindlichen  Decke,  centripetale  Wirkung  diesei" 
sensoriellen  Nerven  und  centrifugale  motorische  Erregung  voni 
Gehirn  aus  erfahren.  So  können  die  Zusammenziehungen  der 
Stimmritze  und  Luftwege  von  irrespirablen  sauren  Gasarten  nichl 
unmittelbar  durch  Reizung  dieser  Wege  erfolgen,  sondern  durch 
centripetale  sensorielle  und  centrifiigale  motorische  Erregung- 
Diess  hat  weitläufiger  Brächet  bewiesen.  Denn  wenn  man  den 
N.  Vagus  eines  Thieres  auf  beiden  Seiten  durchschneidet,  so  wirkt 
eine  reizende  chemische  Substanz,  die  man  in  'die  Euftröhrn 
bringt,  nicht  mehr  als  Reiz  zum  Husten.  Der  Husten  von  Rei- 
zen in  den  Luftwegen  entsteht  nur  durch  sensorielle  centripe- 
tal  und  centrifugale  motorische  Erregung.  Es  ist  eben  so  md 
der  Zusammenziehung  des  Sphincter  ani  und  Sphincter  vesica® 
nrinariae.  Diese  Muskeln  können  selbst  nicht  von  den  Reizen 
der  Excremente  und  des  Harns  zur  Contraction  gereizt  werden? 
sondern  diese  Stoffe  wirken  auf  die  Empfindungsnerven  der 
Schleimhaut,  und  erregen  das  Rückenmark,  welches  als  beständig 
mit  motorischer  Nervenkraft  geladen  auf  diese  Muskeln  zurück- 
wirkt; daher  nach  Verletzung  des  Rückenmarks  auch  die  Zn- 
sammenziehung  dieser  Muskeln  aufhört. 

2)  Der  zweite  Fall  ist,  wo  die  sensorielle  Erregung  rein  ört- 
lich beschränkt,  die  rückwirkende  vom  Gehirn  aus  aber  ausgebrci- 
teter  ist,  wie  schon  aus  jenen  den  Husten  begleitenden  Phänomenci* 
hervorgeht,  bei  welchem  nicht  allein  die  N.  vagi,  sondern  we- 
gen der  Brust-  und  Bauchmuskeln,  die  N.  spinales  mitwirkee' 
Ehen  so  ist  es  mit  einer  Menge  krampfhafter  Athembewegungcf» 
dem  Niesen,  Scli luchsen,  Erbrechen  etc.,  welche  alle  von  Reize® 
innerhalb  des  Schleimbautssystems  der  Respirationsorgane  uo® 
des  Darmkanals  entstehen,  von  Reizungen  dpr  Empfindnngsnerve® 
dieser Theile,  die  auf  das  Gehirn  reflectirt  werden,  und  dort  di® 
Quelle  der  respiratorischen  Bewegungen  in  der  Medulla  oblong**® 
in  Thätigkeit  setzen.  Ich  habe  schon  oben  p.  333.  die  merk- 
würdige Eigenthümlicbkeit  angeführt,  dass  das  System  der  Athei®’' 
nerven  durch  locale  Reize  in  allen  Schleimhäuten  in  Thätigke* 
gesetzt  werden  kann.  Vom  Munde  bis  zum  After,  von  der  N**® 
bis  in  die  Lungen  sind  die  Schleimhäute  zu  dieser  Reflexion  f*' 
hig.  Denn  alle  diese  Bewegungen,  Husten,  Niesen,  ErhrecheOi 
krampfhaft,  unwillkührlicher  Stuhlgang,  unwillkührliches , 
Zwang  verbundenes  Harnlassen  entstehen  von  heftigen  Reizen  i® 
den  Schleimhäuten  des  Rachens,  der  Speiseröhre,  des  Mage®*' 
des  Darms  und  in  der  Schleimhaut  der  Respirationswerkzeng®' 
Das  Niesen  erklärte  man  sonst  als  eine  krampfhafte  Affection  “C 
Zwerchfelles;  Tiedemann  {Zeitschrift  für  Physiol.  I.  p.  278.),  o® 
Arnold  {der  Kopfiheil  des  vegetat.  Nervensystems,  p,  181.)  spreche 
noch  davon;  indess  hat  das  Niesen  mit  dem  Zwerchfell  offenh 


3.  Von  der  Reflexion  in  den  Rewerpnigen  nach  Empfiiidungen,  695 


gar  nichts  zu  tluin;  denn  das  Niesen  ist  eine  lieftige  Exspiration, 
das  Zwerclifell  aber  ist  kein  Muse,  exspiratorius , sondern  das 
Gegentheil.  Bei  der  unrichtigen  Supposition;  dass  das  Kiesen 
durch  das  Zwerchfell  erfolge,  liess  man  die  Reizung  der  Nasal- 
nerven auf  das  Ganglion  spheno-palatinuni,  den  N.  vidianus,  sym- 
Pathicus,  die  Ilalsnerven,  den  N.  phrenicus,  den  Willisischen  Bei- 
neiven  und  den  N.  facialis  sich  forlpflanzen.  Tiedemann  a.  a.  O. 
p.  278.  Hier  fallt  nun  offenhar  der  N.  phrenicus  ohnehin  aus. 
Her  sehr  hochgeschätzte  TiEnEMASs  sueht  auch  zu  beweisen,  dass 
das  Niesen  nicht  von  einer  reflectirten  Reizung  vom  Gehirne  aus- 
gehe, und  beruft  sich  darauf^  dass  ein  Mensch  ohne  Geruchssinn 
doch  von  Tabak  geniest  habe.  Warum  sollte  er  es  nicht,  da  bei 
dem  Mangel  der  Geruchsnerven  doch  die  gewöhnlichen  Gefiihls- 
nerven ' der  Nase , N.  nasales  hier,  wie  überhaupt  hei  dem  gesun- 
den Menschen,  die  Empfindungen  des  Kitzels  haben.  Man  zer- 
gliedere aber  doch  nur  die  Erklärung  einer  Sympathie  durch  den 
N.  sympathicus  durch  die  feinere  Anatomie.  Wie  soll  auch  das 
Niesen  durch  eine  Nervenverhindung  erklärt  werden,  womit  man 
Alles  und  gar  nichts  erklären  kann?  Alles  kann  man  damit  er- 
lilären,  weil  der  N.  sympathicus  sich  mit  fast  allen  Nerven  ver- 
bindet; nichts  kann  man  damit  erklären,  weil  nicht  entfernter 
Weise  einzuschen  ist,  warum  eine  Reizung  dieses  Nervens  von 
der  Nase  aus  gerade  Niesen  und  nicht  vielmehr  vieles  Andere, 
*.  B.  eine  verstärkte  Bewegung  des  Darmkanals,  hervorhringen 
Soll.  Nichts  kann  man  damit  erklären,  weil  keine  Verbindung 
des  N.  sympathicus  mit  einem  anderen  Nerven  eine  Verschmel- 
zung der  Fasern  ist.  Bei  dem  Niesen  z.  B.  ist  eine  heftige  Zu- 
saminenziehung  aller  Exspirationsmuskeln  vorhanden;  alle  Prlmi- 
livfasern  der  fntercostalnerven,  welche  die  Zusarnmenziehung  der 
brust  und  des  Bauches  bewirken,  müssen  dabei  irritirt  seyn.  Wie 
tollten  aber  alle  diese  Fasern  vom  N.  sympathicus  irritirt  werden 
können,  der  an  jeden  dieser  Nerven  ein  Faserbündelchen  an- 
schliesst,  das,  weit  entfernt,  seine  Primitivfasern  mit  allen  Prlmitiv- 
fasern  eines  Spinalnerven  zu  verschmelzen,  sie  nur  mit  diesen  vom 
Rückenmark  empfängt.  Da  nun  Primitivfasern  anderen  Fasern,  die 
*'ehen  ihnen  liegen,  zumal  in  einer  motorischen  Wurzel  ohne  Gan- 
glion, nichts  mittheilen  können,  so  ist  hier  auch  die  sympathische 
^ffection  aller  Primitivfasern  eines  fntercostalnerven  durch  den 
svmpathicus  eine  reine  Unmöglichkeit.  Alle  diese  Sympathien 
‘Ips  Niesens,  Hustens,  Erbrechens  sind  abgemacht,  sobald  man 
*116  reflectirende  Eigenschaft  des  Rückenmarks  und  Gehirns  kennt, 
die  vvir  früher  erwiesen  haben,  und  es  liegt  nichts  Schwieriges 
*®ehr  in  der  Erklärung,  sobald  man  von  der  Thatsache  ausgeht, 
*l®ss  alle  respiratorischen  Nerven,  N.  facialis,  vagus,  accessorius, 
phrenicus  und  die  übrigen  Spinal-Athemnerven  des  Rumpfes  durch 
jbren  Ursprung  von  der  Mcdulla  oLlongata,  oder  ihre  Abhängig- 
von  derselben,  leicht  /u  convulsivischen  Bewegungen  in 
^Hskeln  erregt  werden,  durch  alle  Reize,  die  von  den  Empfin- 
duiigsnerven  der  Schleimhäute  auf  das  Rückenmark  oder  die  Me- 
'^’zlla  ohlongata  geleitet  werden. 

Bei  jedem  heftigen  Reiz  in  den  Gedärmen,  in  den  Urin- 
^üller’e  Physiologie.  45 


6ÖÖ  III.  Buch.  Nereenpfyrsik.  III.AhscIm,  Mechanik  d.üerocnprincips. 

Werkzeugen,  in  dem  Uterus  tritt  leicht  Zusammenziehung  des 
Zvverclilells  und  der  Bauchmuskeln  ein,  wodurch  die  Bauchhöhle 
verkleinert  und  der  Inhalt  derselben,  nach  ohen,  wenn  er  im 
Magen  enthalten  ist  (Erhreclicn),  oder  nach  unten  durch  den 
Ma.stdarm,  durch  die  Uarnwerkzeuge,  durch  die  Genitalien,  wie 
hei  der  Gehurt,  ausgetriehen  wird.  Der  Stuhlzwang  ist  dieselbe 
Erscheinung  für  die  unteren  Theile  des  Darmkanales,  was  das 
Erhrcciien  für  die  oheren.  Der  Harnzwang  zieht  dieselben  Be- 
wegnngen  in  Leidenschaft,  die  Geburt  nimmt  dieselben  Muskeln 
in  Anspruch,  welche  beim  Erbrechen  den  Mageninhalt  nach  oben 
auswerfen;  auch  die  nach  dem  Tode  noch ' erfolgende  Gehurt, 
gleich  wie  das  feste  Anlegen  des  Schlundes  um  einen  in  den- 
selben gebrachten  Finger  bei  einem  geköpften  jungen  Thiere,  zei- 
gen uns,  von  welchem  wiclitigen,  mit  dem  Leben  aufs  innigste 
verknüpften  Einflüsse,  diese  Fähigkeit  des  Rückenmarks  ist,  durch 
örtliche  Erregungen  seiner  Empfindungsnerven  zu  motorischen 
Entladungen  gereizt  zu  werden.  Mag  hei  mehreren,  der  hieher 
gehörigen  Reizungen,  heim  Erbrechen  etc.,  der  N.  sympathicus  ir- 
gend eine  Rolle  spielen,  so  Ist  es  keine  andere  als  diejenige,  die 
Reizung,  wie  alle  andei’cn  Empfindungsnerven,  auf  das  Seusoriurn 
zu  reflectiren.  Dass  er  aber  diese  Wirkung  haben  kann,  lasst 
sich  durch  einen  Versuch  zeigen:  ich  liabe  namlicli  beim  Kanin- 
chen durch  Zerrung  des  N.  splanchnicus  in  der  Bauchhöhle  an 
der  innern  Seite  der  Nebenniere,  mehrmals  Zuckungen  der  Bauch- 
muskeln beobachtet,  und  habe  diess  Phänomen,  obgleich  mir  der 
Versuch  beim  Hunde  nicht  gelingen  wollte,  doch  wiederholt  bei 
Kaninehen  gesehen. 

3) .  In  den  unter  2.  erwidinten  Fällen  ist  die  reflectirte  Be- 
w^ung,  die  auf  Empfindung  folgende  Bewegung  auf  eine  grosse 
Gruppe  von  Nerven  ausgedehnt,  auf  die  respiratorischen  Nerven, 
und  sie  entstellt  am  leichtesten  durch  Reizung  der  Schleimhäute; 
es  kann  jedoch  bei  höherer  Reizung  die  Ausdehnung  der  re- 
flectirten  Bewegungen  noch  grösser  werden  und  fast  alle  Rumpf' 
nerven  afliciren,  wenn  sich  die  Irritation  des  Rückenmarks  aiiS' 
dehnt.  Hieher  sind  die  Fälle  der  sporadischen  Cholera  zu  rech- 
nen (die  asiatische  Cholera  führe  ich  wegen  der  Dunkelheit  der 
Krankheit  nicht  auf),  wo  hei  grosser  Heftigkeit  auch  Krämpf® 
am  Rumpfe  eintreten  können. 

4)  Bei  den  reflectirteu  Bewegungen,  die  durch  heftige  ErH' 
pfindungen  der  äusseren  Hautnervea  und  nicht  der  Schleimhaut- 
nerveu  entstehen,  wird  die  Gruppe  der  respiratorischen  Bewe- 
gungen auch  nicht  in  Mitleidenschaft  gezogen,  sondern  es  ent- 
stehen leichter  Krämpfe  der  Muskeln  tles  ganzen  Rumpfnerven- 
systems ohne  krampt  hafte  Athembewegungen.  Der  höchste  Grad 
ist  der  epileptische  Krampf  von  örtlicher  Nervenaffection  und  der 
Tetanus  trauinaticus  von  Verletzung  eines  Nerven. 

Vergleicht  man  die  erste  Darstellung  der  Phänomene  der. 
Reflexion  in  der  im  Frühling  1833  erschienenen  1.  AJitheihmS 
dieses  Handbuches  p.  333.,  die  Ich  hier,  mit  Bezug  auf  W'* 
Deeh’s  Beobachtungen,  eivveitert  habe,  mit  der  Darstellnng  von 


3.  Von  der  Beflexlon  in  den  Bewegungen  nach  Empfindungen.  697 

MxnsHALL  Hall,  so  findet  sicli  in  den  Ideen  und  Beispielen  eine 
merkwürdige  Uehereinstimmung. 

Madsuall  Hall  untersclieidct  vier  Arten  von  Muskelzusam- 
menziehung: 1.  die  willkührliche,  welche  vom  Gehirn,  2.  die 
respiratorische,  welche  von  der  Mcdulla  ol)longata  ahzuhängen 
scheint,  3.  die  unwillkührliche,  welche  von  den  Nerven  und 
Muskeln  nhhängt,  und  die  unmittcll)are  Anwendung  des  Reizes 
auf  die  mit  Nerven  versehenen  Rfuskcln  oder  ihre  Nerven  erfor- 
dert, und  4.  die  reflectirende,  ivelche  zum  Theil  fortdauert,  nach- 
dem die  willkührliche  und  respii’atorisclie  aufgehört  liahen,  und 
an  die  Medulla  spinalis  gcLunden  ist.  Sie  hört  nach  Entfernung 
des  Rückenmarkes  auf,  wenngleich  die  Irritabilität  sich  nicht  ver- 
mindert. Bei  dieser  vierten  entspringt  der  motorische  Reiz  nicht 
m einem  Centraltheil  des  Nervensystems,  sondern  in  einiger  Ent- 
fernung vom  Gentium;  sie  ist  weder  willkührlich,  noch  in  ihrem 
Verlaufe  direct,  sondern  vielmehr  erregt  durch  cigenthümlichc 
Reize,  die  nicht  unmittelbar  auf  die  Muskeltaser  und  die  moto- 
rischen Nerven  einwirken , sondern  auf  häutige  Ausbreitungen, 
■von  denen  der  Reiz  zum  Rückenmark  geleitet  wird.  Marshall 
Hall  erläutert  die  Wichtigkeit  dieser  reflectireiulen  Function 
des  verlängerten  Markes  und  Rückenmarkes  durch  einige  Bei- 
spiele. Das  Aufnehmen  des  Futters  ist  ein  willkührlicher  Act 
'md  kann  nach  Entfernung  des  Gehirns  nicht  mehr  vollzogen 
Werden ; der  XJehergang  des  Bissens  über  die  Glottis  und  durch 
den  Pharynx  hängt  von  der  reflectirenden  Function  ab,  und  fin- 
det noch  statt,  wenn  das  Gehirn  entfernt  worden.  Obgleich 
öänilich  die  hierbei  thäligen  Muskeln  auch  Avillkührllch  thätig 
seyn  können,  so  bewirkt  doch  die  Gegenwart  des  Bissens  im 
Schlunde  eine  Reihe  von  heftigen  Bewegungen,  die  oben  p.  47.9. 
Umschrieben  xvorden  und  Avelchc  dadurch  entstehen,  dass  der 
Reiz  des  Bissens  auf  die  empfindliche  Schleimhaut  wirkt,  und 
diese  Empfindung  die  Medulla  ohlongata  zur  Entladung  in  die 
'Notorischen  Nerven  anregt.  Den  weitern  Act  der  Deglutition  in 
der  Speiseröhre  hält  Mahshall  Hall  für  die  Wirkung  des  un- 
riittelhar  auf  die  Muskelfiber  des  Oesophagus  wirkenden  Rei- 
mes und  das  Resultat  der  Irritabilität  des  letztem,  welches  sehr 
Zweifelhaft  erscheinen  dürfte.  Sellist  an  geköpften  Jungen  Thie- 
kann  man  übrigens,  wie  schon  angeführt,  noch  die  durch 
I ''Jechanische  Reizung  des  Schlundes  erfolgende,  reflectirte  moto- 
! ''Sehe  Erregung  beobachten.  Marshall  Hall  zeigt  nun  den 
dauernden  Einfluss  dieser  Function  an  den  Sphincteren.  Der 
I Nphincter  ani  bleibt  hei  einer  Schildkröte  nach  der  Enthauptung 
Beschlossen,  so  lange  der  untere  Theil  der  Medulla  spinalis  un- 
verletzt ist,  wird  aber  sogleich  schlatf  und  öffnet  sich,  wenn  man 


^ egungen  hörten  sogleich  auf;  so  bleibt  es  auch,  wenn  das  Thier 
■8®''®**!-  “wird.  Wird  es  aber  gereizt,  so  bewegt  sich  das 
se'**^*'  ^'ei  Jeder  veränderten  Lage  neue  Theile 

mer  Oberfläche  mit  dem  Boden  in  Berührung  kommen.  All- 

45  * 


•n.uetenmark  wegnimmt. 


1 Marshall  Hall  durchschnitt  das  Rückenmark  hei  einer  leb- 
^ften  Coluber  natrix  zwischen  dem  2.  und  .3.  W^irbel.  Die  Be- 


698  III.  Buch.  Nercenphyslk.  III.Abschn.  Mechanik  d.  Nerfcnprincips.- 

malilig  kömmt  das  Thier  wieder  zur  Ruhe;  aber  die  geringste 
Berührung  erneuert  dagegen  die  Bewegung. 

Marshali,  Hall  zeigt  i’echt  schön  das  Verhältniss  der  wul- 
kührlichen,  respiratorischen  und  rellectirten  Bewegungen,  indem 
er  zugleich  zu  beweisen  sucht,  dass  die  nacli\erlust  des  Gehirns 
statlfindcnden  reflcctirlen  Bewegungen  nicht  von  wahrer  Empfin- 
dung, sondern  nur  von  der  hei  den  Empfindungen  stattfindenden 
centripetalen  Nervenwirkung  abhängig  sind.  Empfindung,  'Willej 
Bewegung  seyen  die  drei  Glieder  der  Rette,  wenn  eine  Bewegung 
durch  Schmerz  herheigeführt  wird;  werde  aber  das  mittlere  die- 
ser Glieder  zerstört,  so  höre  die  Verbindung  zwischen  dem  er- 
sten und  ZAveiten  mit  dem  Bewusstseyn  auf.  Wir  glauben  auch, 
dass  die  nach  Verlust  des  Gehirns  stattfindenden  reflcctirten  Be- 
wegungen auf  Hautreize  keinen  Beweis  enthalten,  dass  die  Haut- 
reize noch  wahre  Empfindung  im  Rückenmark  erregen  können; 
es  ist  viclmeiir  die  gewöhnlich  auch  bei  den  Empfindungen  statt- 
findendc  centripetale  Leitung  des  jVervenprincips,  die  aber  hier 
nicht  mehr  Empfindung  ist,  weil  sie  nicht  mehr  zum  Gehirn, 
zum  Organ  des  Bewusstscyns  geleitet  wird.  Auch  während  dem 
gesunden  Leben  erfolgen  viele  reflcctirte  Bewegungen  durch 
Hautreize,  welche  nicht  als  wahre  Empfindungen  zum  Bewusst- 
seyn kommen,  aber  doch  heftige  Eindrück.e  auf  das  Rückenmark 
erregen  können,  wie  z.  B.  die  dauernde  Zusammenziehung  der 
Sphincteren  vom  Reiz  der  Exereraente  und  des  Harns.  Allein 
Marshall  Hall  geht  doch  zu  weit,  wenn  er  annimmt,  dass  hm 
dem  gesunden  Leben  jede  Bewegung  auf  wahre  Empfindung  vom 
Willen  bedingt  werde,  und  alle  Erregungen  der  empfindlichen 
Thelle  hei  den  rcflectirten  Bewegungen  ohne  Empfindung  seyen- 
Denn  die  reflcctirten  Bewegungen  des  Kiesens,  Hustens  und  viel® 
andere  erfolgen  von  wirklichen  Empfindungen. 

Die  reflectirten  Bewegungen  und  die  unwlllkührllchen,  nicht 
reflcctirten  Bewegungen  sind  nicht  mit  einander  zu  verwechseln- 
Wird  die  Stimmritze  eines  Thieres  berührt,  sagt  Marshall  HalL; 
so  folgt  eine  Zusammenziehung;  eben  so,  wenn  das  Herz  berühr^ 
wird.  Durch  Entfernung  des  Gehirns  tritt  keine  Aenderung  ein- 
Nimmt  man  aber  die  MediUla  oblongata  weg,  so  hören  die  Con- 
tractionen  des  Larynx  auf  Reize  auf,  während  die  des  Herzen» 
selbst  nach  Entfernung  der  Medulla  spinalls  fortdauern.  _ 
Wirkung  des  Reizes  auf  das  Herz  ist  eine  unmittelbare  (Irritabi- 
lität); ein  auf  den  Larynx  angebrachter  Reiz  muss  dagegen  zuf 
Medulla  oblongata  fortgepflanzt  werden  und  die  Contraction  er- 
folgt' mittelbar  von  dieser  aus.  Bei  einer  Schlange  trat  naci 
Entfernung  des  Kopfes  eine  Bewegung  des  Larynx  ein,  w’elcher  ab- 
wärts gezogen  und  geschlossen  wurde,  sobald  Marshall _ 
eine  Stelle  ' Innerhalb  der  Zähne  des  Unterkiefers  oder  die  Pi®' 
senlöclier  berührte.  Diess  fand  nach  Entfernung  der  Medul  a 
oblongata  nicht  mehr  statt.  Marshall  erwähnt  zuletzt,  als  zur 
reflectirenden  Function  gehörend,  das  Blinzeln  der  Augenlieder, 
wenn  dieselben  berührt  werden,  die  clgenthümliche  Wii’kung  a 
die  Respiration  durch  Ritzeln,  oder  wenn  kaltes  Wasser  ins  Ge- 
sicht gespritzt  wird;  dasiNiesen  durch  Reizen  der  Kasenschleimhau  , 


3.  Von  äer  Reflexion  in  den  Bewegungen  nach  Empflndungen.  699 

Husten,  Erbrechen  durch  Reizen  des  Larynx  oder  Pharynx,  Te- 
ftcsmus  durch  Reizung  des  Masldarms,  und  Strangurie  durch 
Rejzung  der  Blase. 

Man  sieht,  dass  die  Krämpfe  in  den  Krankheiten  eine  sehr 
'verschiedene  Quelle  haben  können.  Es  giebt  nämlich  krampf- 
hafte Affectionen,  welche  ihren  Sitz  in  den  motorischen  Nerven 
selbst,  oder  ihre  Ursache  im  Gehirn  und  Rückenmark  haben; 
^her  auch  reflectirte  Krämpfe,  deren  Ursache  in  Reizungen  von 
■knipfindungsnerven  liegt,  wie  die  nach  Intestinalrcizungen,  bei 
der  Dentition,  Odontalgie,  und  überhaupt  nach  schmerzhaften 
Nervenleiden  von  organischen  und  nicht  organischen  Fehlern,  oft 
Erfolgenden  Krämpfe. 

Die  Phänomene,  welche  wir  bi.sher  zuerst  nach  unsern  elge- 
*ien  Beobachtungen,  dann  nach  denen  von  Marshall  IIai.l  be- 
schrieben haben,  haben  zwar  alle  mit  einander  gemein,  dass  das 
Rückenmark  das  Bindeglied  zwischen  einer  sensorischen  und  mo- 
lorischen Bewegung  des  Nervcnprincips  ist,  indess  lassen  sich 
auch  noch  bestimmter  die  Wege  bezeichnen,  w’elchc  bei  den  re- 
Hectirten  Bewegungen  von  den  Emplindungsnervcn  auf  die  mo- 
lorischen Nerven  im  Rückenmark  tlic  Leitung  bewirken.  Die 
Scwöhnlichstc  Art  der  rellectirten  Bewegung  ist,  dass  die  Muskeln 
des  Gliedes,  an  welchem  man  heftige  Empfindungen  erregt,  bewegt 
"’crden,  wie  beim  Verbrennen  der  Haut  Zuckungen  zunächst  in 
dem  vmrbrannten  Gliede,  und  im  Anfänge  der  Nnreotisation  ei- 
*'Es  Tliieres  bei  Empfindungsreiznng  der  Haut  am  leichtesten 
auch  die  Muskeln  des  gereizten  Gliedes  bewegt  werden,  wie  der 
Rissen  die  reflectirte  Jlewcguug  der  Schlingwerkzeuge  hervor- 
Rcingt,  und  der  Stauh  in  der  Coujunctiva  blosse  Empfindung  er- 
regend, das  reflectirte  Schliessen  der  Augcnlicder  hervorruft,  und 
"'•e  endlich  die  Reize  des  Urins  und  der  Excremente  mittelbar 
®uf  die  Bexvegung  der  Sphincteren  xvirken.  Sobald  daher  die  Em- 
bfinduiigsbewegung  das  Rückenmark  erreicht  hat,  so  geht  die 
Bewegung  nicht  auf  das  ganze  Rückenmark  über,  sondern  am 
Elchtesten  auf  diejenigen  motorischen  Nerven,  welche  den  näch- 
“^Icn  Urspi  ■ung  an  den  gereizten  sensibeln  Nerven  haben;  oder 
anderen  Worten,  der  leichteste  Weg  der  Strömung  oder 
Schwingung  ist  von  der  hintern  Wurzel  eines  Nerven  oder 
^'Uzelnen  seiner  Primitivfasern  nach  dessen  vorderer  Wurzel  oder 
^oh  den  vorderen  Wurzeln  mehrerer  nahe  gelegenen  Nerven. 

sehen  daraus,  dass  das  Princip  der  Nerven  bei  diesen  Strö- 
^Uiigen  oder  Schwingungen  die  kürzesten  Wege  nimmt,  um  von 
■*^aipfindungsfasern  durch  das  Rückenmark  auf  Bewegungsfasern 
wirken;  gleichwie  die  Electricität  auch  den  kürzesten  Weg 
^Eu  einem  zum  andern  der  genäherten  Poldräthe  nimmt. 
^‘Ehtiger  ausgedrückt  und  in  die  Sprache  der  Nervenphy- 
übersetzt,  heisst  diess  jedoch  so,  dass  bei  heftiger  Er- 
Egung  der  motorischen  Eigenschaft  des  Rückenmarkes  durch 
j|Uen  Empfindungsnerven  zunächst  nur  derjenige  Theil  des 
j'ickenmarkes  erregt  wird,  und  wieder  Zuckung  erregt,  welcher 
Cm  Empfindungsnerven  den  Ursprung  giebt,  und  dass  die  Erre- 
anderer  Theile  des  Rückenmarkes  und  der  davon  entsprin- 


700  III.  Buch.  JServenphfsik.  III.Abschn.  Mechanik  d.Nercenprlncips. 

genden  motorischen  Nceven  in  dem  Maasse  abnimmt,  als  sie  sich 
von  der  durch  den  Empfindungsnerven  erregten  Stelle  entfernen. 
Dasselbe  gilt  auch  von  den  Illrnnerven,  deren  reflectirte  Er- 
scheinungen Mahsuall  IIai-l  fast  ganz  unbekannt  geblieben  zu  seyn 
scheinen.  Die  grossen  Sinnesnerven  sind  vorzüglich  geneigt,  re- 
flectirte Bewegungen  der  jiiotorischcn  Gehirnnerven  zu  verursa- 
chen, und  namentlich  der  INI.  opticus  und  acusticus ; beide  bewir- 
ken bei  grellem  Licht  und  starkem  Schall  eine  reflectirte  Erre- 
gung des  N.  fixclalis,  und  dadurch  Schliessen  oder  Blinzeln  der 
Augenlieder.  Der  N.  opticus  bewirkt  hinwieder  leicht  die  re- 
flectirte Erregung  <les  N.  oculomotorius  durch  Bewegung  der 
Iris,  und  erregt  heim  Sehen  von  intensivem  Licht  eine  reflectirte 
Alfection  des  Pi.  facialis  mit  anderen  Nerven  im  Niesen.  Aber 
auch  der  grosse  Gelüblsncrve  des  Vorderhauptes  und  Gesichtes, 
die  grosse  Portion  des  N.  trigeminus  kann  den  N.  oculomoto- 
rius und  facialis  durch  Vermittelung  des  Gehirns  erregen;  so  ent- 
steht Zusammenzichung  der  Iris  von  in  die  Nase  eingezogenem 
kalten  Wasser,  und  von  Ritzel  in  der  Nase  entsteht  Niesen  und 
die  damit  verbundene  Thätigkelt  des  N.  facialis  hei  Erregung  der 
Gesichtsmuskeln.  Kurzum  wir  sehen,  dass  von  den  motorischen 
Gehirnnerven  die  zum  Ciliarknoten  und  also  zu  der  Ins  ge- 
henden Thelle  des  Nervus  oculomotorius  und  der  Nervi  fa- 
cialis am  leichtesten  durch  Reflexion  erregt  werden,  und  dass 
sowohl  Gesichts-  als  Gefühls-  und  Gehöreindriieke  die  erregende 
Ursache  seyn  können;  dalier  zwischen  den  Urspiiingen  des  N. 
opticus,  trigeminus  und  acusticus,  und  den  Ursprungsstellen  jener 
motorischen  Nerven  im  Gehirn  eine  durch  die  erste  Formation 
prästabilirtc  leichtere  Lcütung  slattfinden  muss.  Diejenigen  Em- 
pfindungsnerven und  molorisehen  Nerven,  deren  Wechselvvirkung 
durch  das  Gehirn  und  Rückenmark  erleichtert  Ist,  zeigen  mit 
jenen  Centralthellen  eine  Art  Statik,  eines  verändert  das  andere, 
wie  das  Steigen  einer  Waageseliale  das  Sinken  der  anderen  be- 
dingt , das  Fallen  des  Fluidums  in  dem  einen  Schenkel  einer 
zweischenkligen  Röhre  das  Steigen  in  dem  andern  bewirkt  In» 
zur  Herstellung  des  Gleichgewichtes.  Ist  auch  ein  Empfindungs- 
nerve für  gewöhnlich  nicht  Im  Stande,  eine  reflectirte  Bewegung 
hervorzurufen,  so  tritt  sie  doch  bei  einiger  Heftigkeit  der  Empfin- 
dung sogleich  auf,  und  das  Rückenmark  und  Gehirn  rellectiren  dann 
die  von  Seiten  der  Empfindungsnerven  erhaltene  Strömung  oder 
Schwingung  in  diejenigen  motorischen  Nerven,  zu  welchen  diß 
Leitung  von  jenen  Empfindungsnerven  durch  die  Fasern  des  Ge- 
hirns und  Rückenmarkes  am  leichtesten  ist. 

Eine  andere,  sehr  gewöhnliche  Bahn  der  Leitung  von  Em- 
pfindungsnerven  zu  motorischen  Nerven  durch  Vermittelungj 
des  Rückenmarks  und  der  Medulla  ohlongata , ist  die  dn 
Erregung  des  Schleimhautsystems  und  der  secundären  Affection 
der  Respirationsmuskeln  im  Erbrechen,  Stuhlzwang,  Gebären^ 
Harnzwang,  Husten,  Niesen,  Schluchzen  etc.  Ausser  dem  eben 
erörterten  statischen  Gesetz,  dass  Nerven  verwandten  Ursprun- 
ges, oder  von  nicht  allzu  entferntem  Ursprünge  zu  den  Erschei- 
nungen der  Reflexion  sich  eignen,  ist  das  am  häufigsten  eintre- 


4.  V on  d.  verschiedenen  Action  der  sensibeln  u.  motorischen  Nerven.  701 


tende  Gesetz  der  Nerveiistatlk,  der  Reflexion  das  eben  erwälinte. 
Daher  in  der  Medulla  oblongata  nnd  dem  Rückenmark,  zwischen 
•len  Emplindungsni'rven  der  Seliicimliäiite  (N.  trigcminus  — Nase; 
''Hgus — Luftröhre,  Lungen,  Sebbnul,  S|)ei.soröbre,  Magen;  N.  sympa- 
Ibicus — Darmkanal,  Uterus.  Aest(!  des  Sacralplcxns  undN.  sympalh. 
Zur  Urinblase  und  zumMastdarrn)  und  den  motoriseben  Respirations- 
Nerven  (N.  facialis,  accessorius,  N.  spinales)  eine  leichtere  Leitung 
praformirt  seyn  muss,  ■während  dagegen  die  zu  den  Extremitäten 
gehenden  N.  spinales  von  dieser  Harmonie  ausgeschlossen  sind. 

Tritt  aber  eine  gewisse  Irritation  des  Rückenmarkes  und  Ge- 
Ihrns  durch  Narcosis  oder  andere  Ursachen  ein,  so  kann  jede 
■Em]ifindung  eine  Entladung  des  Rückenmarkes  nach  allen  rnoto- 
‘■ischen  Nerven  bexvirken,  auch  zu  denjenigen,  welche  sonst  am 
schwersten  mit  afficirt  werden,  zu  den  motorischen  Nerven  der 
Extremitäten. 


IV.  Capitel.  Von  der  versch  iedenen  Action  der  sensibeln 
und  motorischen  Nerven. 

Die  Erfahrung  hat  uns  bis  jetzt  gelehrt,  dass,  -wenn  ein 
Punkt  des  Nerven  gereizt  wird,  die  Wirkung  sich  in  der  ganzen 
EVinge  der  Fasern  äussert,  nnd  in  den  motorischen-  Nerven  dort 
Bewegung  erregt,  wo  die  Fasern  mit  Muskeln  Zusammenhängen, 
*n  den  sensibeln  Fasern  Empfindung,  ■wenn  die  Fasex’n  noch 
luit  den  Centraltheilen  Zusammenhängen.  Nun  könnte  es  schei- 
Nen,  dass  sich  der  Effect  der  Nervenreizung  von  dem  gereizten 
Punkte  auf  gleiche  Art  nach  dem  peripherischen  Ende  des  Ner- 
''en  und  nach  dem  Ccntralende  desselben  fortpflanze.  Es  fragt 
*ich  aber,  ob  diess  wirklich  geschieht,  und  oh  die  Fortpflanzung 
'iur  Reizung  nicht  in  einer  gewissen  Richtung  allein  geschieht, 
Nb  hei  den  sensibeln  Fasern  der  Nerven  die  Wirkung  nicht  etw’a 
bloss  nach  dem  Gehirn,  bei  den  motorischen  Fasern  bloss  die 
äuigekebrte  Richtung  nach  den  Muskeln  stattliiulc.  Man  nahm 
^iess  gewöhnlich  an,  so  lange  es  nicht  bekannt  war,  dass  die 
''Nusibeln  und  motorischen  I''asern  verschieden  sind.  Jetzt  wie- 
)^erholt  sich  diese  Frage  wieder,  und  die  Lösung  dieses  Problems 
Et  von  äusserster  Wichtigkeit  für  die  Physik  der  Nerven.  Es 
Nnndelt  sich  also  darum,  z\i  wissen;  ist  die  Kraft  der  motorischen 
Easern,  Muskeln  zur  Zusammenzichung  zu  reizen,  qualitativ  von  der 
Eral't  der  sensibeln  Fasern  verschieden,  oder  ist,  was  hier  ver- 
schiedene Kräfte  genannt  werden,  bloss  verschiedene  Richtung 
Nervenwirkung,  centrilügal  in  den  motorischen  Fasern,  cen- 
tripetal  in  den  sensibeln. 

Es  ist  bekannt,  dass  die  Wirkung  bei  den  Muskelnerven  im- 
nur  in  der  Richtung  der  Nervenzweige  erfolgt,  und  dass 
Muskeln  nicht  zucken,  xvelche  Nervenäste  vom  Stamme  er- 
'alten  über  der  Stelle  der  Pieizung , dass  dagegen  nach  abwärts 
le  Wirkung  sich  auf  alle  Muskelnerven  ausdchiit,  die  von  dem 
tarnme  unter  der  gereizten  Stelle  abgehen.  Diese  Thatsache 
Scheint  zu  beweisen,  dass  die  Nervenwirkung  in  den  motorischen 


702  III.  Buch.  Neroenphfsik.  III.  Alschn.  Mechanik  d.Nervenprinctps, 

Nerven  nur  in  centrifugaler  Riclitung  erfolgt,  vom  Stamme  nach 
den  Aesten.  Allein  diess  lässt  sich  sehr  wohl  aus  Thatsaclien 
ganz  anders  erklären.  Die  inicroscopische  Anatomie  der  Nerven 
lehrt,  dass  die  Primitivfasern  in  den  Stämmen  sich  nicht  verbin- 
den, dass  also  der  Nervenstamm  nur  das  Ensemble  aller  unend- 
lich vielen  Primitivfasern  ist,  die  aus  dem  Stamm  mit  den  Ae- 
sten hervorgehen.  Die  Primitiv  fasern  der  Aeste,  die  in  verschie- 
dener Höhe  vom  Stamme  abgehen,  hängen  diiher  gar  nicht  im 
Stamme  zusammen,  die  motorischen  Fasern  laufen  getrennt  bis 
zum  Rückenmark  oder  Gehirn,  und  die  Reizung  eines  Astes  kann 
daher  rückwärts,  wenn  eine  Rückwärts  Wirkung  stattfindet,  keine 
Theile  des  Stammes  mit  afficiren , sondern  diese  Rückwärtswir- 
kung würde  sich  auf  die  Primitivfasern  des  gereizten  Astes  be- 
schränken, welche  im  Stamme  ohne  Verbindung  bis  zum  Gehirn 
oder  Rückenmark  fortlaufen.  Wenn  also  auch  ausser  der  Wirkung 
nach  den  Muskeln  eine  Rückwärtswirkung  des  in  einem  Punkte 
gereizten  motorischen  Nerven  nach  dem  Gehirn  und  Rückenmark 
stattfände,  so  könnten  wir  sie  nicht  an  Zuckungen  anderer  Theile 
merken,  weil  die  Fasern  eines  Stammes  mit  keinen  Fasern  höherer 
Aeste  Zusammenhängen.  Diese  Rückwärtswirkung  kann  auch  im 
Rückenmark  isobrt  bleiben,  wenn  die  Fasern  im  Rückenraark  sich 
nicht  verbinden,  sic  kann  auch  keine  Empfindung  im  Gehirn  und 
Rückenmark  erregen,  wenn  die  Fasern  der  motorischen  Nerven  im 
Gehirn  und  Rückenmark  isolirt  sind  und  nicht  mit  scnsibeln  Fasern 
Zusammenhängen.  Eben  so  mit  den  an  einem  Punkte  ihrer  Länge 
gereizten  sensiheln  Fasern.  Die  scnsibeln  Fasern  bewirken  nur  Em- 
pfindungen, wenn  sie  mit  dem  unversehrten  Rückenmark  und  Gehirn 
Zusammenhängen.  Hieraus  könnte  man  auf  eine  blosse  centripetale 
Wirkung  der  sensiheln  Nervenfasern  schliessen,  allein  dieser  Schluss 
ist  eben  so  fehlerhaft,  denn  nur  der  centripetale  Strom  von  jenem 
Punkte  kann  bewusst  werden,  weil  nur  er  von  dem  Centralorgane 
empfunden  wird,  der  entgegengesetzte  Strom  der  sensiheln  Fasern 
kann  nicht  bewusst  werden,  wenn  er  auch  stattfindet. 

Wenn  es  geAviss  wäre,  dass  die  Muskeln  auch  ohne  die  Ner- 
ven durch  sich  selbst  Contractiliiät  besitzen,  und  dass  aller  Ner- 
venreiz nur  Avie  andere  Reize  auf  die  Muskeln  wirke,  dass  an- 
dere Reize  nicht  erst  auf  NerA'en  wirken  müssen,  um  BcAvegungen 
hervorzurnfen ; vA'enn  diess  gCAviss  wäre,  so  liesse  sich  weiter  be- 
weisen, dass  die  scnsibeln  Fasern  nur  ccntripetal  nach  dem  Ge- 
hirn und  nicht  rückwärts  wirken.  Denn  Avie  ich  entdeckt  habe, 
sind  die  sensiheln  Fasern  in  den  Muskeln  Zuckungen  zu  bcAvirken 
auch  dann  unfähig,  vienn  sie  sich  wirklich  in  Muskeln  verbreiten, 
wie  der  N.  lingnalis,  der  Avenigstens  mit  dem  Muskelnerven  N.  hype- 
glossus  anastomosirt.  Allein  obige  Voraussetzung  ist  falsch;  die  Mus- 
keln besitzen  ohne  die  Wechselwirkung  mit  den  Nei-ven  keine  Con- 
tractilität;  sie  verlieren  ihre  Contractionskraft  auf  alle  Reize,  AA'enn 
ihre  Nerven  lange  Zeit  vom  Gehirn  getrennt  Avaren ; sie  verlie- 
ren ihre  Reizbarkeit  in  gleichem  Grade,  als  die  Reizbarkeit  der 
Nerven  erlischt,  wie  die  Versuche  von  mir  und  Sticicer  zeigen- 
Siehe  oben  p.  614.  In  diesen  Versuchen  hatten  die  Muskeln, 
zu  welchen  ein  durchschnittener  Nerve  Iiingeht,  nach  mehrere»A 


4.  Von  d.  verschiedenen  Actlon  der  sensiheln  u,  motorischen  Nerven.  703 

Monaten  in  zwei  Fällen  alle  Reizbarkeit,  und  in  einem  Falle  fast  alle 
Reizbarkeit  für  den  galvanischen  und  mechanischen  Reiz,  in  glei- 
tihem  Grade  als  die  Nerven  selbst  verloren,  so  dass  zu  den  Zu- 
sammenziehungen  der  Muskeln  durchaus  ihre  Wechselwirkung 
*oit  den  Nerven  nöthig  ist.  Da  nun  die  sensiheln  Nerven  auch 
dann,  wenn  sie  sich  in  Muskeln  (wie  der  N.  lingualis  in  der  Zunge) 
Verbreiten,  keinen  Einfluss  auf  die  Muskeln  haben  (siehe  oben  p. 
628.),  so  folgt  ganz  evident,  dass  die  motorischen  Nerven  allein 
*n  jener  Wechselwirkung  mit  den  Muskeln  stehen.  Diess  kann 
aber  auch  ivieder  eben  so  gut  von  einer  elgenthümlichen,  nur 
den  motorischen  Nerven  eigenen  Qualität  herrühren,  als  von  ei- 
ner, nur  den  motorischen  Nerven  zukommenden  centrifugalen 
Riclitung  der  Nervenwirkung. 

Getrieben  von  dem  Eifer,  über  diesen  äusserst  wichtigen 
Funkt  auf  empirischem  Wege  ins  Reine  zu  kommen,  habe  ich  in 
den  Wirkungen  der  narcotischen  Gifte  ein  Mittel  zur  dereinsti- 
gen  Lösung  des  Problems  gefunden.  Die  Frösche  werden  näm- 
lich nach  der  Vergiftung  mit  Opium  so  äusserst  reizbar  im  Rük- 
i^enmark,  dass  jede  auch  noch  so  geringe  Erschütterung,  z.  B. 
das  leise  Klopfen  auf  den  Tisch,  auf  welchem  der  Frosch  liegt, 
oder  das  Fallenlassen  eines  Fusses  eine  Zuckung  am  ganzen  Kör- 
per bewirkt.  Nicht  allein  die  Erschütterung  des  Rückenmarkes 
Selbst  thut  diess,  sondern  auch  eine  ganz  örtliche  Empfindung, 
die  auf  das  Rückenmark  verpflanzt  wird.  W enn  man  den  Frosch 
*0  diesem  Zustande  irgendwo  sticht,  ohne  die  geringste  Erschüt- 
terung, so  zuckt  er  in  allen  Theilen  seines  Körpers.  Hiebei 
V'irkt  die  peripherische  Reizung  eines  Empfindungsnerven  auf 
das  ganze  Rückenmark,  und  das  Rückenmark  auf  alle  Theile  zu- 
rück. Das  Rückenmark  ist  hier  die  Vermittelung,  denn  die  ab- 
Soschnittenen  Theile  oder  Theile  deren  Nerven  durchschnitten 
®'nd,  zucken  dann  nicht  mehr  bei  der  Erschütterung.  Diese  That- 
«ache  vorausgesetzt,  wollte  ich  bei  einem  Frosch  die  hinteren 
’^der  sensiheln  Wurzeln  der  Nerven  für  ein  Hinterbein  durch- 
^ohneiden,  den  Frosch  vergiften,  und  dann  sehen,  ob  die  Ner- 
Ven  dieses  Beins,  welches  noch  durch  die  vorderen  oder  mo- 
mrischen  Wurzeln  mit  dem  Rückenmark  zusainmenliängt,  wenn 
Sie  gereizt  werden,  so  gut  wie  die  Empfindungsnerven  diese  Rei- 
*Ung  auf  das  äusserst  gereizte  Rückenmark  fortpflanzen  können 
centripetaler  Bewegung,  und  ob  also  die  Reizung  eines  Bewe- 
fiongsnerven  ln  einem  empfindungslosen  Bein  rückwärts  auch  noch 
^dgemeine  Zuckungen  in  einem  vergifteten  Frosch  bewirkt.  Der 
■•Erfolg  Jes  wiederholten  Versuchs  ist  dagegen.  Diese  Zuckungen 
Erfolgen  nicht , wenn  die  Reizung  des  Bewegungsnerven  ganz 
^ ine  alle  Erschütterung  des  ganzen  Frosches  geschieht,  z.  B. 
nreh  Schneiden  eines  Nerven  mit  der  Scheere;  auch  die  meeba- 
•sche  Reizung  des  Nerven  mit  der  Nadel  und  Pincette  bringt 
ann  keine  allgemeinen  Zuckungen  am  ganzen  Frosch  hervor, 
Onn  nur  keine  Erschütterung  des  Frosches  dabei  stattfindet. 

diese  Versuche  gut  anzustellen,  muss  man  erst  das  Gift  bei- 
,1’ingen,  und  wenn  sich  die  erste  Wirkung  zeigt,  wenn  nämlich 
Frosch  beim  Klopfen  auf  den  Tisch,  worauf  er  liegt,  zu 


704  III.Buch.  Nervenphjrsik,  III.Alschn.  Mechanik  d.Nervenprindps. 

zucken  anfän^t,  schnell  das  Riickgrath  öffnen,  und  auf  einer 
Seite  alle  drei  hinteren  Wurzeln  der  Nerven  des  einen  Hinter- 
beines durch scluieidcn,  während  die  andere  Seite  unversehrt 
bleilit;  darauf  präparirt  man  eben  so  schnell  den  Schcnkelnerven 
auf  beiden  Seiten  heraus  und  schneidet  ihn  über  dem  Knie  ab, 
so  dass  er  am  Obei’schenkel  heraushängt.  So  ist  der  Frosch 
zum  Versuch  präparirt.  Bricht  man  aber  vor  dem  Beibringen 
des  Gilles  das  Rückgrath  auf,  so  verliert  er  vor  der  Vergiftung 
so  viel  Blut,  dass  das  Gilt  hernach  nicht  mehr  recht  i’esorbirt 
wird.  Dieser  Versuch  ist  übeidiaupt  schwer,  und  man  muss  ili» 
oft  anstellen,  bis  man  zu  einem  reinen  Experiment  kommt.  Auch 
darf  die  Dosis  des  Giftes  nicht  zu  stark  seyn,  damit  die  Paralyse 
nicht  zu  schnell  einlritt.  Am  bessten  ist  Opium,  Nux  vomica  macht 
zu  schnell  paralytisch.  Ist  nun  der  Frosch  vergiftet,  das  llück- 
grath  aufgebrochen,  sind  die  hinteren  oder  sensiljeln  Wurzeln  der 
Nerven  des  llintei-beins  auf  der  einen  Seite  durchschnitten  und 
der  Schenkelnerve  herauspräparirt,  so  schneide  man  am  Schen- 
kelnerven dieser  Seite,  der  durch  die  Empfindungswurzeln  nichts 
mehr  zum  Rückenmark  leiten  kann,  ein  Stückchen  mit  der 
Scheere  bei  Vermeidung  aller  Erschütterung  ab.  Dabei  wird 
keine  Zuckung  des  ganzen  Frosches  eintreten.  Schneidet  man 
aber  eben  so  an  dem.  Schenkefnerveu  der  andern  Seite,  dessen 
Empfindungswurzcln  noch  mit  dem  Rückenmark  Zusammenhän- 
gen, ein  Stückchen  mit  der  Scheere  ah,  so  entsteht  jedesmal 
eine  Zuckung  des  ganzen  Frosclies,  zum  Beweise,  dass  die  moto- 
rischen Nerven  oder  vorderen  Wurzeln  allein  keine  Reizung  rück- 
wärts zmn  Rückcnmai'k,  welche  die  allgemeine  Zuckung  bewirkt, 
fortleiten  können,  und  dass  zu  dieser  Rückwärtsleitiing  zum  Rük- 
kenmark  nur  die  Ernpfindungsuerven  fähig  sind.  Bei  diesen 
äusserst  xvichtigen  Versuchen  muss  man  beim  Schneiden  der  Ner- 
ven alle,  auch  die  geringste  Erschütterung  vermelden.  Denn 
wenn  man  beim  Schneiden  des  Schenkelnerven,  dessen  hintere 
Wurzeln  resecirt  sind,  ungeschickt  verfährt,  so  dass  sich  die  Er- 
schütterung mechanisch  bis  auf  den  Rumpf  des  Thieres  fortpflanzt, 
so  ruft  das  erschütterte  Rückenmark  sogleich  eine  Zuckung  her- 
vor. Dass  hier  die  Erschütterung  des  Rückenmarks  die  Ursache 
ist,  beweist  der  Umstand,  dass  selbst  nach  Durchschneidung  des 
Nerven  noch  eine  zerrende  Erschütterung  am  Bein,  die  der» 
Rumpfe  mitgetheilt  wird,  allgemeine  Zuckungen  erregt.  Ich  habe 
noch  folgenden  zweiten  Versuch  zur  Lösung  des  Problems  aus- 
gedacht,  aber  noch  nicht  angestellt. 

Es  ist  bekannt,  dass  die  Iris  in  beiden  Augen  sich  immer 
gleichzeitig  bewegt,  und  dass  der  Reiz  eines  Auges  hinreicht,  um 
eine  gleiche  Verändemng  in  beiden  Pupillen  hervorzubringem 
Es  ist  auch  bekannt,  dass  das  Licht  nicht  unmittelbar  auf  d'® 
Irls  wirkt,  sondern  dass  die  gereizte  Netzhaut  auf  das  Gehin^ 
wirkt,  und  die  Zusammenziehung  der  Iris  erst  Folge  der  Rück- 
wirkung vom  Gehirn  ist.  Denn  die  für  das  Licht  sonst  unbe- 
wegliche Iris  eines  amaurotischen  Auges  wird  noch  bewegt,  wenn 
das  Licht  auf  das  gesunde  Auge  ivirkt.  Es  ist  auch  bekannt, 
dass  der  N.  oculomolorius  Beweguugsnerve  für  die  Iris  ist,  wie  Mavo 


4.  Von  rf.  verschiedenen  Action  der  sensibeln  u,  rnotorischenNerven.  705 

gezeigt  hat.  Es  fragt  sich  nun:  wenn  man  den  N.  oculoniotorlus 
®ines  Auges  reizt,  wirkt  diese  Reizung  rückwärts,  wie  im  Seh- 
nerven, auf  das  Gehirn,  und  erfolgt  eine  Verengung  der  Iris  im 
A^uge  der  anderen  Seite?  Bei  diesem  Versuch  müsste  man  aher 
ftiit  Sicherheit  wissen,  dass  der  N.  oculomotorius  keine  Enipfin- 
dungsfaserxi  enthält.  Vergl.  oben  p.  645. 

Der  zweite  Theil  der  Frage,  oh  die  Nervenwirkung  in  den 
■Empfindungsnerven  nur  centripetal,  nicht  auch  rückwirkend 
^öin  Gehirn  und  Rückenmark  ist,  Hesse  sicli  insofern  auch  für  die 
flösse  centripctale  Wirkung  entscheiden,  als  alle  Empfindungen  mit 
centripetalen  Wirkungen  verbunden  sind.  Es  gieht  aher  auch  Em- 
pfindungen, die  sich  vom  Rückenmark  hei  Leidenschaften,  Vorstel- 
• Jungen  in  der  ganzen  Länge  der  Nerven  bis  zu  den  Zehen  fort- 
^upflanzen  scheinen.  Allein  diese  Hessen  sich  auch  anders  erklä- 
ren. Ich  habe  gezeigt,  dass  die  Einpfindungsfasern  aller  Theile 
eines  Nerven  im  Stamme  und  in  den  Wurzeln  enthalten  sind, 
Und  dieser  Stamm  beim  Druck  dieselben  Empfindungen  liat,  aL  die 
Aeste  zusammen.  Wenn  also  die  Wurzeln  der  Nervenslämme  eines 
Gliedes  durch  centripctale  Nervenwirkung  Eindruck  auf  das  Rücken- 
mark machen,  so  müssen  die  Empfindungen  in  dem  GHede  zu  scyn 
Scheinen.  Wenn  nun  durch  eine  Ursache  plötzlich  die  Empflndungs- 
*raft  im  Rückenmark  verändert  wird,  durch  Schreck,  so  machen 
die  Fasern  der  Empfiudungswurzeln  einen  anderen  Eindruck  als 
'’orher,  was  als  Empfindungen  in  den  Gliedern  gefühlt  werden  muss. 

Eine  vom  Gehirn  aus  centrilügal  in  einem  entschiedenen  Em- 
pfindungsnerven erfolgende  Erregung  ist  die  des  Nervus  lacry- 
malis  in  gewissen  Leidenschaften  und  Vorstellungen.  Wäre  es 
gewiss,  dass  vom  Nervus  sympathicus,  der  seine  Zweige  zum 
Ganglion  Gasseri  schickt,  ;kcine  Zweige  in  dem  Ramus  ophthal- 
micus  mit  dem  Nervus  lacrymalis,  wie  mit  anderen  Zweigen  des 

, dass  auch 
verbreiten. 
- - - ymalis  vom 

Ganglion  Gasseri  feine  Zweige  des  N.  sympathicus  erhalte. 

. Hiernach  bleibt  es  bei  den  wenigen  Thatsacben,  die  wir 
m diesem  Punkte  besitzen , doch  zweifelhaft , ob  die  sensi- 
mln  und  motorischen  Fasern  sich  nur  durcli  die  Richtung 
der  Nervenwirkung  oder  durch  die  Qualität  der  Kräfte ' un- 
terscheiden, ob  die  Quelle  der  cpialitativen  Empfindungen  im 
Geliirn  und  Rückenmark  ist , die  Empfindungsnerven  nur  die 
Excitatoren  sind,  so  dass  einerlei  Excitatoren  verschiedene  Em- 
pfindungen erregen  können , wenn  sie  mit  verschieden  em- 
pfindenden Tlieilen  des  Gehirns  in  Verbindung  stehen,  ob  da- 
S®gen  die  motorischen  Fasern  nur  centrifugale  Excitatoren  für 
Muskelkraft  sind.  Einigermaassen  widerspricht  dieser  Annahme 
Umstand,  dass,  wenn  «auch  dieselben  Reize  durch  verschie- 
äne  Sinnesnerven  verschiedene  Empfindungen  erregen,  so  wie 
„ ßchauischer  und  galvanischer  Reiz  Licht  erregt  im  Sehnerven, 
^*^hall  im  Hörnerven,  Schmerz  in  den  Gefühlsnerven  erregt, 
manche  Reize  nur  auf  einzelne  Nerven  zu  wirken  im  Stande 


^'erv.  trigemmus  lortgehen,  so  wäre  dicss  cm  Beweis 
^ie  Empfindungsnerven  Erregungen  in  jeder  Richtung 
Es  ist  aber  zu  vermuthen,  dass  auch  der  N 


706  nl.  Buch,  Nervenphysik,  III.  Abschn,  Mechanik  d.  Nereenprincips. 

sind.  So  •wirkt  das  Lichtagens  nur  auf  den  Selinerven  und  als  erwär- 
mend auf  die  Gefühlsnerven,  nicht  auf  andere,  und  der  Geruchsnerve 
scheint  nicht  durch  andere  Ilei?e  als  Riechstoffe  und  Electricität  zu 
Gerüchen  hestimmt  zu  werden.  Woraus  man  schliessen  könnte,  dass 
die  Excitatoren  der  verschiedenen  Sinnescentra  im  Gehirn  und  Rük- 
kenmark  auch  seihst  nicht  hlosse  Leiter,  sondern  auch  qualitativ  ver- 
schieden sind  und  an  der  Qualität  der  Empfindung  Antheil  haben. 

Wie  dem  nun  sey,  es  ist  jedenfalls  nicht  erwiesen , dass  die 
sensibeln  Fasern  nur  centripetale,  die  motorischen  Fasern  nur 
centrifugale  Wirkungen  haben,  und  dass  sich  die  Wirkung  ei- 
nes motorischen  oder  sensibeln  Nerven,  wenn  er  irgendwo  ge- 
reizt wird,  nicht  gleichsam  wellenförmig  in  zwei  Richtungen 
verbreitet  vom  Punkte  der  Reizung. 

Dass  in  den  Empfindungsnerven  nur  centripetale  Strömun- 
gen oder  Schwingungen  fortgepflanzt  werden,  dagegen  scheint 
auf  den  ersten  Blick  der  Umstand  zu  sprechen,  dass  einige  Em- 
pfindiingsnerveh  einen  offenbaren  organischen  Einfluss  auf  die  Er- 
nährung und  Absonderung  haben,  wie  der  N.  vagus,  der  N. 
lacrymalis  u.  a.  Der  N.  vagus  wird,  wieE.  11.  Weber  [(inat.  nern 
sympalhici)  gezeigt  hat,  bei  einigen  Thieren  zum  grossen  Theil  selbst 
Vertreter  des  N.  sympathicus,  wie  bei  den  Schlangen,  wo  er  einen 
grossen  Theil  des  Darmkanals  versieht.  Indem  daher  der  N.  sympa- 
thicus und  der  N.  vagus  sich  gleichsam  gegenseitig  vertreten  und  be- 
schränken können,  scheint  der  Beweis  geliefert  zu  seyn,  dass  in 
einem  Empfindungsnerven  nicht  bloss  retrograde  Strömungen 
oder  Schwingungen  stattfinden  können.  Indess  hat  dieser  Ein- 
wurf keinen  grossen  Werth;  denn  die  organischen  Wirkungen  des  N. 
vagus  rühren  doch  höchst  wahrscheinlich  aus  beigemischten  or- 
ganischen Fasern  des  N.  sympathicus  her,  mit  dem  er  sich  so 
vielfach  verbindet.  Ueberhaupt  enthält  ein  Nerve,  der  eine 
Strecke  sich  verbreitet,  ganz  andere  Elemente,  als  bei  sei- 
nem Ursprünge;  die  Natur  kann  auf  seinem  Wege  noch  viele 
andere  Fasern  ganz  andrer  Ordnung  zu  ihm  gesellen.  Ein  leb- 
haftes Beispiel,  wie  ein  motorischer  Nerve  von  organischen  Fa- 
sern begleitet  wird,  und  wie  die  organische  Wirkung  von  der 
motorischen  verschieden  seyn  muss,  haben  wir  an  dem  N.  buc- 
cinatorius  des  Ochsen,  der  ein  Büschel  grauer  organischer  Fa- 
sern vom  Ganglion  oticum  anfnimmt,  die  mit  ihm  hingehen,  um 
sich  wahrscheinlich  in  der  Mundschleimhaut  und  den  Wangen- 
drüsen zu  verbreiten.  Hier  sehen  wir,  dass  für  die  motorische 
Strömung  w'ie  für  die  organische  verschiedene  Leiter  nöthig  sind; 
denselben  Beweis  können  wir  aber  auch  von  den  Empfindungs- 
nerven führen.  Denn  wir  sehen,  dass  die  N.  nasales  vom  zwei- 
ten Aste  des  N.  trigemlnus  auch  wieder  von  grauen  organischen 
Fasern  des  N.  sympathicus  begleitet  werden,  welche  beim  Och- 
sen theils  vom  Ganglion  sphenopalatinum,  theils  vom  N.  sympa- 
thicus selbst,  nämlich  vom  Ramus  profundus  nervi  vidianl  kom- 
men und  zur  Schleimhaut  der  Nase  gelangen.  Siehe  oben  p.  6nl- 
Wir  sehen  daher  hier  deutlich,  dass  die  Empfindungsfasern  zur 
Erregung  der  Absonderungen  nicht  hinreichen,  und  wir  schhes- 
sen  daraus,  dass  die  Wechselbeziehung  des  N.  vagus  und  sympa- 


4.  Von  d.  oerscldedenen  Action  der  sensileln  u.  motorischen  Neroen.  707 


thicus  Lei  gewissen  Thieren  kein  voller  Beweis  für  die  AnnaLme 
centrifugaler  Strömungen  oder  Schwingungen  in  den  Empfindungs- 
uerven  seyn  könne.  Und  so  lässt  es  sich  ohne  eine  centrifugale 
^Virkung  in  den  Empfindungsnerven  erklären,  dass  gewisse  Theile 
der  Haut,  zu  welchen  doch  nur  Empfindiingsnerven  gelangen, 
doch  einer  grossen  Veränderung  der  Absonderung  des  Blutreich- 
thums, Turgors,  unter  verschiedenem  Nerveneinflusse  fähig  sind, 
wie  die  Veränderung  der  Hautabsonderung  und  die  Hautröthe  in 
den  Leidenschaften,  besonders  die  Schaamröthc,  beweisen. 

Da,  nach  den  oben  mitgetheilten  merkwürdigen  Experimenten, 
die  Hypothese  wenigstens  Gründe  für  sich  hat,  dass  in  den  Empfin- 
dungsnerven centripetale,  in  den  motorischen  Nerven  centrifugale 
Schwingungen  oder  Strömungen  stattfinden , so  xrirft  sich  die 
Frage  auf,  ob  vielleicht  diese  beiden  Leiter  zusammen  einen  Cir- 
kel  bilden,  in  welchem  hestänüig  das  Nervenfluidum  von  den 
Centraltheilen  nach  den  motorischen  Nerven,  von  den  peripheri- 
schen Enden  der  letzteren  durch  die  sensiheln  Nerven  nach  den 
Centraltheilen  zurück  stattfindet.  Man  könnte  sich  das  Leben 
beständig  mit  einer  Circulation  des  Nerveufluidums  verbunden 
denken;  diese  würde  nur  so  unmerklich  seyn,  dass  davon  nur 
das  unmerkliche  beständige  Spiel  der  Muskelfihern  in  der  schein- 
baren Ruhe,  und  das  Gleichgewicht,  welches  sich  die  verschiede- 
nen Muskeln  lialten,  und  wiederum  das  undeutliche  Gefühl  aller 
Theile  in  einem  gesunden  Menschen  lierrühre.  Diese  Hypothese 
Von  der  Circulation  des  Nervenfluidums  oder  seiner  Schwingun- 
gen in  den  beiden  Classen  der  Leiter  wird  aber  aus  mehreren 
Gründen  sehr  unwahrscheinlich.  Denn  dä  viele  Nerven  bloss 
sensibel  sind,  so  müssten  diese  der  Circulation  entbehren,  oder 
Inan  müsste  wieder  annehmen,  dass  in  ihnen  neben  Empfindungs- 
fasern  auch  eben  so  viele  andere  mit  centrifugalen  Wirkungen 
enthalten  seyen,  die  nur  deswegen  keine  Bewegungen  hervorrn- 
fen,  weil  sie  sich  nicht  in  Muskeln  endigen.  Sieht  man  nun  gar 
bloss  auf  die  motorischen  und  sensibein  Nerven,  welche  durch 
A^nastomosen  der  Bündel  Zusammenhängen,  wie  z.  B.  N.  facialis 
**nd  infraorbitalis,  so  können  solche  Anastomosen  noch  weniger  die 
Wege  für  einen  Cirkel  des  Nervenfluidums  darbieten.  Denn  er- 
stens sind  diese  Anastomosen  keine  Verbindungen  der  Primitiv- 
fasern,  und  dann  springt,  w’ie  Gaedechens  Versuche  zeigen,  eine 

N.  facialis  erregte  Reizung  nicht  durch  eine  solche  Anasto- 
®*ose  auf  den  Stamm  des  N.  infraorbitalis  über,  indem  das  peri- 
pherische Stück  des  durchschnittenen  N.  facialis,  das  zu  einer 
Solchen  Anastomose  gehört,  gereizt  keine  Schmerzen  verursacht. 
Aus  Allem  diesem  gebt  hervor,  dass  eine  regelmässige  Circulation 
“6s  Nervenfluidunis  vom  Gehirn  und  Rückenmark  durch  die  Ner- 
y®*!,  und  zu  jenen  zurück,  sich  nicht  erweisen  lässt  und  für 
Ftzt  sehr  unwahrscheinlich  ist. 

Obgleich  nun  für  die  Hypothese  von  der  verschiedenen 
h’ömung  oder  Schwingung  des  Nervenprincips  in  den  motori- 
schen und  sensibein  Nerven  ein  auf  Beobachtung  gegründeter 
®*upirischer  Beweis  von  mir  vorgebracht  worden,  so  wird  dieser 
“ch  durch  mehrere  andere  Gründe  so  neutralisirt,  dass  man  dar- 


708  III.  Buch,  Neroenphysik^  III,  Ahschn.  Mechanik  d.  Neruenprincips. 

auf  mit  Siclierlielt  niclit  forthauen  kann.  Ein  Umstand  besonders  er- 
regt zuletzt  noch  grösseres  Bedenken.  Es  ist  nämlich  oben  p.  614. 
bewiesen  worden,  dass  zur  Erhaltung  der  Reizbarkeit  der  motorischen 
Nerven,  ihre  Verbindung  mit  den  Ccntraltheilen  nothwendig  ist;  diess 
scheint  liir  eine  gleiche  Abhängigkeit  aller  Nerven,  auch  der  Empfin- 
dungsnerven, vom  Gehirn  und  Rückenmark  zu  sprechen.  In  diesem 
Falle  würden  diese  aber  centrifugale  Ausstrahlungen  auf  die  Empfin- 
dungsnervjen  haben.  Spätere,  nach  glücklichen  Ideen  angestellte 
Versuche  oder  neue  Entdeckungen  müssen  darüber  entscheiden,  und 
wir  dürfen  uns  jetzt  nur  darüber  freuen,  dass  die  Erörterung  die- 
ser wichtigen  Frage,  von  deren  definitiver  Entscheidung  sdele  an- 
dere ahhängen,  durch  die  oben  mitgetheilten  Beobachtungen  we- 
nigstens schon  in  das  Gebiet  der  empii’ischen  Physiologie  gehört' 

V.  Capitel.  Von  den  Gesetzen  der  Wirkung  und  Leitung 
in  dem  Nervus  sympathicus. 

Unsere  Kenntniss  von  der  Mechanik  des  N.  sympathicus  isl 
noch  äusserst  unvollkommen ; kaum  hat  sich  die  Physiologie  hier 
über  die  Aufstellung  einiger  Hypothesen  erhoben,  welche  sich 
sämmtlicb  weder  erweisen,'  noch  entschieden  widerlegen  lassen' 
Dieser  Nerve  muss  sich  in  seinen  Wirkungen  von  den  Cerehro- 
spinalnerven  wesentlich  unterscheiden;  denn  die  von  ihm  verse- 
henen Theile  haben  undeutliche  und  vage  Empfindungen  und 
nur  unwillkührliche  und  periodische  Bewegungen.  Der  einzig^ 
Weg,  hier  ins  Reine  zu  kommen,  ist,  die  Thatsachen,  welche  wir 
von  der  Mechanik  der  Cerehrospinalnerven  kennen,  mit  den  Er- 
scheinungen des  N.  sympathicus  zu  vergleichen  und  durch  neiir 
Beobachtungen  zu  untersuchen,  in  wie  weit  die  Mechanik  diese« 
Nerven  von  der  der  übrigen  Nerven  abweicht.  Es  fragt  sich 
also;  sind  die  Wirklingen  der  Fasern  des  N.  svmpathicus  wi^ 
bei  den  Cerehrospinalnerven  getrennt,  oder  können  die  einzelnen 
Fasern  desselben  durch  Zusammenhang  ihre  W^irkungen  einander 
mittheilen;  findet  eine  Vermehrung  der  Fasern  auf  dem  Fort- 
schritte der  Vertheilung,  namentlich  in  den  Ganglien  statt,  uuJ 
ist  vielleicht  die  Irradiation  des  motorischen  Einflusses,  und  die 
Coincidenz  der  Empfindungen  bei  diesem  Nerven  das  Normale- 
Sind  die  Ganglien  Multiplicatoren  des  Nerveneinflusses  und  gleich- 
sam kleine  unabhängige  Nervencentra,  Radiationspunkte?  Findet 
etwa  in  diesen  Organen  eine  Reflexion  des  Nerveneinflusses  i** 
gewissen  Richtungen  statt?  Sind  die  Ganglien  die  Ursachen» 
dass  die  Empfindungen  undeutlich  und  vage  werden,  sind  sie  Or- 
gane der  Irradiation  oder  der  Vermischung  der  Empfindungen» 
oder  sind  sie  Halbleiter,  welche  die  Empfindungseindrücke  i” 
ihrer  Wirkung  auf  das  Gehirn  und  das  Rückenmark  hemmen» 
und  den  Einfluss  des  Willens  auf  die  dem  N.  sympathicus  unter- 
worfenen Theile  ahhalten?  Oder  sind  die  Ganglien  des  N.  sym- 
pathicus vielleicht  mehr  dem  organischen  Einflüsse  des  symps' 
thischen  Nerven  bestimmt,  kleine  Nervencentra,  von  welchen 
der  Nerveneinfluss  für  die  Beherrschung  der  chemisch -organi- 


5.  Mechanik  des  N.  sympathicus.  Unwillkührliche  Bewegungen,  709 . 

sclien  Vorgänge  ausstralilt?  Findet  in  den  organisclien  Nerven 
I eine  centripelalc  oder  centrifugale,  oder  allseitige  Wirkung  von  den 
* gereizten  Stellen  aus  statt  ? Alle  diese  Fragen  lassen  sick  leider  fetzt 
uocli  durcliaus  nicht  hestimmt  heantworten.  Das  einzige  Sichere, 
"Was  wir  von  den  Wirkungen  des  N.  sympathicus  wissen,  liegt 
Alm  Theil  ausser  der  Beantwortung  dieser  Fragen  , und  na- 
iiientlich  können  wir  keine  einzige  der  oben  berührten  Hypothe- 
sen von  den  Ganglien  des  N.  sympathicus  weder  bestimmt  wider- 
legen noch  beweisen. 

Der  Grenzstrang  des  N.  sympathicus  ist  ohnstreitig  für  das 
ganze  System  des  N.  sympathicus  wichtig,  insofern  in  diesem  die 
Wurzelfäden  von  Gehirn-  und  Ilückenmarksnerven  zur  weitern 
Ausstrahlung  gesammelt  werden;  indessen  scheinen  die  einzelnen 
I Verhindungsfäden  zwischen  den  Knoten  nicht  absolut  zur  Thä- 
tigkeit  des  N.  sympathicus  nöthig  zu  seyn;  wenigstens  hat  sich 
in  v.  Pommer’s  Versuchen  an  Thieren  gezeigt,  dass  der  N.  sym- 
palhicus  zwischen  dem  ersten  und  zweiten  Halsganglion  auf  bei- 
den Seiten  durchschnitten  seyn  kann,  ohne  dass  innerhalb  7 — 8 
Wochen,  wie  lange  die  Thicre  beobachtet  wurden,  irgend  eine 
erhebliche  Folge  eingetreten  wäre.  v.  Pommer,  Beiträge  zur  Na- 
tur- und  Heilkunde.  Heilbronn  18.31.  Hieraus  geht  zugleich- hervor, 
dass  der  Kopftheil  des  N.  sympathieus  von  dem  Brusttheil  ohne 
Nachtheil  für  das.  Leben  isolirt  seyn  kann,  indem  der  untere 
Halsknolcn  und  der  Brusttheil  des  N.  sympathicus  das  ihnen  von 
den  Centraltheilcn  des  Nervensystems  zuslrömendc  Nervenprincip 
I mehr  von  den  Spinalnerven,  mit  welchen  sic  in  Verbindung  ste- 
hen, als  von  den  Cercbralnerven  erhalten.  Indessen  könnte  man 
aus  der  Unschädlichkeit  der  Zertheilung  der  beiden  Nervi  sym- 
I pathici  am  Halse  auch  schliessen,  dass  wenigstens  andere  Ver- 
hindungen  des  Kopfthcils  mit  dem  Brusttheil,  z.  B.  durch  die  die. 
Arteriac  vertebrales  begleitenden  Fäden,  jene  Verbindungen  er- 
setzen können.  Fände  das  Letztere  erweislich  statt,  so  wäre  zu- 
I gleich  der  Beweis  geliefert,  dass  die  Anastomosen,  welche  in  den 
Cerebrospinalnerven  bloss  scheinbar  sind,  in  dem  N.  sympathicus 
'"'irklich  seyen,  und  dass  eine  Communication  der  Zustände  die- 
ses Nerven  durch  alle  seine  Verbindungen  stattfinde. 


1 Von  den- Wirkungen  des  N.  sympathicus  bei  den 

u nwi  11  k üh  r)  ic  h en  Bewegungen. 

/.  Alle  dem  N.  sympathicus  unterworfenen  Theile  sind  keiner 
'^dltcührlichen  Bewegung  fähig.  Das  Herz,  der  Darmkanal,  die 
Ausfuhrnngsgänge  der  Drüsen,  der  Uterus,  die  Samenbläsclien 
lefern  hierzu  die  Beispiele.  Es  scheint  sogar,  dass  wenn  ein'  Cc- 
fehrospinalnerve  sich  vielfach  mit  dem  N.  sympathicus  verbindet, 
seinen  willkührlichen  Einfluss  verliert,  wie  diess  z.  B.  mit  dem 
.Utern  Theile  des  Nervus  vagus  der  Fall  ist.  Die  Speiseröhre 
j?*',  *'ur  unwillkührlich  beweglich,  obgleich  der  Schlund  willkühr- 
bewegt  werden  kann.  “Wenn  dalier  die  motorischen  Nerven 
Speiseröhre  wirklich  noch  vom  N.  vagus  kommen , und  die 


710  III,  Buch.  Nervenphysik.  III.Ahschn,  Mechanik  d.Nercenprincips, 

motorischen  Fasern  des  N.  vagus  nicht  vielleicht  schon  nach  Aha 
gäbe  des  N.  pharyngeus,  laryngeus  superior  und  inferior  ganz 
aufhören,  so  hat  der  untere  Theil  des  JV.  vagus,  der  an  der  Spei- 
seröhre, und  dem  Magen  sich  verbreitet,  seinen  willkührlichen 
motorischen  Einfluss,  den  er  in  den  JV.  laryngei  und  dem  N* 
pharyngeus  noch  hat,  ganz  verloren.  Eben  so  verhält  es  sich 
mit  dem  Mastdarm  und  der  Harnblase,  welche  ausser  sympathi- 
schen Nerven  auch  Zweige  des  Plexus  sacralis  erhalten,  die  aber 
entweder  ganz  oder  grösstentheils  der  Willkühr  entzogen  sind. 

Auf  der  andern  Seite  sind  alle  Muskeln,  welche  von  Cere- 
brospinalnerven allein  versehen  werden,  auch  der  willkührlicbeo 
Bewegung  fähig.  Die  kleinen  Muskeln  des  Ohres  können  we- 
nigstens von  einzelnen  Menschen,  xvie  von  mir,  willkührlich  be- 
wegt werden.  Der  Musculus  cremaster,  ein  Fortsatz  des  Muscu- 
lus  obliquus  internus  und  transversus,  kann  auch  von  Einigen 
willkührlich  bewegt  werden,  obgleich  sehr  Viele  darauf  keinen 
Einfluss  haben. 

II.  Die  von  dem  N.  sympatiiicus  versehenen  Theile  bewegen 
sich  in  schwächerem  Grade  noch  fort,  wenn  sie  aus  ihren  natürlichen 
Verbindungen  mit  dem  übrigen  sympathischen  System  und  aus  dem 
ganzen  Organismus  entfernt  sind.  Das  Herz  schlägt,  aus  dem  Or- 
ganismus entfernt',  noch  lange  Zeit  fort,  bei  Amphibien  stunden- 
lang; der  Darmkanal  setzt  ausgeschnitten  seine  peristaltischen 
Bewegungen  fort.  Man  sah  den  ausgeschnittenen  Eierlciter  einer 
Schildkröte  seinen  Inhalt  noch  austreiben. 

III.  Daher  haben  alle  vom  N.  sympatMcus  versehenen  bewegli- 
chen Theäe  eine  gewisse  Unabhängigkeit  von  dem  Gehirn  und  Rük- 
kenmark.  Wie  weit  diese  geht,  ist  schon  im  I.  Buch  p.  183.  un- 
tersucht worden.  Als  Hauptresultat  können  wir  hier  erwähnen» 
dass  nicht  allein  das  Herz  nach  Zerstörung  des  Gehirns  und 
Rückenmarkes  noch  lange  schxvach  schlägt,  sondern  dass  es  auch 
constatirte  Fälle  von  Embryonen  giebt,  hei  welchen  sowohl  da* 
Gehirn  als  das  Rückenmark  während  des  Lebens  im  Ei  langsam 
zerstört  worden  sind.  Siehe  Eschhicut  über  GesichtsverdoppelunS 
mit  Mangel  von  Gehirn  und  Rückenmark,  Mueller’s  Archiv,  183d> 
p.  268.  Vergl.  oben  p.  186. 

IV.  Gleichwohl  sind  die  Centralorgane  des  Nervensystems  einet 
activen  Einflusses  auf  die  sympathischen  Nerven,  und  ihre  motori- 
sche Kraft  fähig.  Ans  den  Versuchen  von  Wilson  und  anderen» 
■welche  p.  185.  angeführt  sind,  ergiebt  sich,  dass  die  Bewegung^ 
der  vom  N.  sympathicus  versehenen  Theile  zwar  nach  plötzlich^*’ 
Zerstörung  des  Gehirns  und  Rückenmarkes  nicht  sogleich  aufbd' 
ren,  dass  man  aber  doch  bei  unversehrtem  Gehirn  und  Rückenmark 
durch  Verletzung  und  Reizung  derselben  auf  die  Art  und  Schnellig- 
keit des  Herzschlages  einwirken  kann;  wie  dennWiLSONPaiLip  durch 
Auftröpfeln  von  Weingeist  und  Tabaksinfusum  auf  das  Gehirn  der 
Thiere  dieBewegungen  des  Herzens  beschleunigt  haben  will.  S.  oben 
p.  184,  Viel  augenscheinlicher  ist  die  Wirkung  der  Leidenschaften*' 

V.  Nach  den  Versuchen  von  Philip  haben  auch  nicht  ein- 
zelne Theile  des  Gehirns  und  Rückenmarkes  allein  auf  einzelne 
Theile  des  sympathischen  Systems  und  der  von  ihm  abhängige’’’ 


5.  Mechanik  des  N.  sympathicus.  Unwiükuhrliche  Bewegungen.  711 

Bewegungen,  wie  des  Herzens,  Einfluss,  sondern  das  Gehirn  und 
das  ganze  Rückenmark  oder  jede  Strecke  desselben  können  die 
Bewegungen  des  Herzens  verändern.  Wenn  sich  diess  hestiitigte,  so 
Wäre  es  ein  wichtiger  Unlerschietl  der  Cerehrospinalnerven  und 
Sympathischen  Nerven.  Denn  die  lleizTing  gewisser  Theile 
des  Eiiekenmarkes  bedingt  immer  nur  die  Bewegungen  gewis- 
ser Muskeln,  welche  gerade  dorther  ihre  Nerven  erhalten- 
iei  den  unwillkührlichen  Bewegungen  scheint  aber  jeder  Theil 
des  Rückenmarkes  auf  das  sympalhische  System  im  Ganzen  wir- 
ten zu  können.  AVenn  diess  ganz  vollkormnen  bewiesen  w'äre 
Was  es  nicht  ist,  so  w'ürde  das  sympathische  System  seine  Kräfte 
aus  sehr  vielen  Wurzeln  zugleich  erlatigcn,  und  hernach  nach 
seiner  Verbreitung  so  vertheilen,  dass  nie  eine  vollkommene  Iso- 
lation eines  beweglichen  Theiles  von  den  anderen  stattfände;  w^as 
sich  ohne  eine  gewisse  Communiention  der  Primi livfasern  des 
N.  sympathicus,  die  in  defc  Cerehrospinalnerven  fehlt,  oder  ohne 
eine  Coincidenz  und  weitere  Irradiation  in  den  Ganglien  nicht 
denken  lässt.  AA  ären  diese  Ideen  richtig,  so  müsste  die  Reizung 
einer  einzigen  AVhirzel  des  N.  sympathicus  auf  das  ganze  sympal 
thische  System  sich  aushreiten,  und  sowohl  beschleunigte  Herz- 
hewmgung,  als  beschleunigte  Darmbewegung  u.  s.  w.  hervorrufen, 
Und  es  würde  eine  gewisse  Wurzel  wegen  des  vorzugsw-eisen 
Antheils  ihrer  Fasern  an  einem  unwillkührllch -beweglichen  Organ 
nur  vielleicht  vorzugsweise  das  eine  oder  andere  Oi-gan  mehr 
als  die  anderen  heherrschen.  Wir  müssen  uns  gestehen,  dass 
wir  über  diese  wichtigen  Fragen  noch  gar  keine  sicheren  direeten 
Versuche  haben. 

Ich  galvanisirte  den  N.  splanchnlcus  eines  Kaninchens,  den 
ich  durchschnitten,  an  dem  peripherischen  Ende,  welches  ich  auf 
einer  Glasplatte  isolirt  hatte,  mit  einer  Säule  von  65  Plattenpaa- 
ren. Hierbei  entstanden  vermehrte  peristaltisehe  Bewegungen 
des  Darms,  w'oraus  sich  schliessen  Hesse,  dass  dieser  Nerve  auf  den 
ganzen  Darmkanal  und  nicht  auf  einen  einzelnen  Theil  desselben 
»nfluire,  dass  also  dieser  Nerve  die  Fähigkeit  habe,  seine  Zustände 
sämmtlichen  Nerven  der  Magen-  und  Gckrösgencchlc  zu  commu- 
niciren.  Derselbe  Erfolg  trat  ein,  als  ich  hei  Kaninchen,  deren 
öarmkanal  hlossgelegt  war,  und  hei  denen  die  peristaltischen  Be- 
wegungen des  Darms,  die  sich  anfangs  an  der  Luft  verstärken,  schon 
Sehr  matt  geworden  waren,  das  Ganglion  coeliacum  mit  Kall  causti- 
eum  betupfte.  Die  Bewegung  des  Darms  wurde  sogleich  sehr  lebhaft. 

VI.  Hie  Zusamntenziehungen  der  Organe,  welche  von  dem  N. 
\Ympathicus  alhängen,  sind  auf  die  Reizung  ihrer  selbst  oder  ihrer 
Berven  keine  vorübergehende  und  momentane  Zusanmenziehungen, 
Sondern  entweder  länger  dauernde  Contractionen , oder  länger  dau- 
^^nde  Modificat Ionen  der  gewöhnlichen  rhyf hniischen  Zusammenzie- 
kungen,  daher  die  Reaction  gegen  den  Reiz  hier  entschieden  länger  dau- 

als  die  kurze  Einwirkung  des  Reizes  selbst.  Reizt  man  den  Darm 
hei  einem  geöffneten  Thiere  an  einer  Stelle  chemisch,  mecha- 
nisch, galvanisch,  so  tritt  die  Zusammenziehung  ganz  allmäh- 
hg  ein,  und  oft  in  ihrer  ganzen  Stärke,  wenn  die  Ursache 
nngst  zu  wirken  aufgehört  hat.'  Bei  dem  Herzen  geschieht  dasselbe, 
Miiller’s  Physiologie.  46 


712  III.  Buch.  Nereenphysik.  III.  Ahschn.  Mechanik  d.  Neruenprincips. 

was  am  Darm,  auf  andere  Art:  statt  einer  anlialtenden,  nicTit  pe- 
riodisclien  Zusammcnzielmng  Lewirkt  ein  yorübergelicnder  Reiz 
eine  anlialtende  Reihe  periodischer  Schliigc.  Das  Herz  ist  gegen 
mechanischen  wie  galvanischen  Reiz  rcizhar.  A.  v.  Humboldt 
und  auch  ich  haben  am  Herzen  der  Frösche  auf  den  galvani- 
schen Reiz  Zuckung  cintreteii  gesehen;  dagegen  wirkt  der  Gal- 
vanismus nicht  imiWr  angeiihlicklich  auf  Zusammenzichung  des 
Herzens,  sondern  verändert  oft  nur  die  Zahl  der  folgenden 
Schläge  im  Allgemeinen.  Auch  der  mechanische  Reiz  he- 
wirkt^’an  einem  langsam  schlagenden  Herzen  nicht  immer  so- 
oleicli  eine  Zusammenziehung,  sondern  oft  erst  nach  einigen  Se- 
cunden;  er  wirkt  aber  offentiar,  wie  man  sicht,  wenn  das  ausge- 
schnittene Herz  eines  Frosches  lange  nicht  geschlagen  hat.  Es 
ist  also  hier  derselbe  Fall,  wie  im  Darmkanal,  die  Zusammenzie- 
hung beginnt  oft  erst  einige  Zeit  nach  der  Reizung  und  dauert 
länf'er  als  die  Reizung.  Was  aher  das  Herz  auszeichnet  ist,  dass 
ein  vorübergehender  Reiz  nicht  eine  anhaltende  Zusammenzie- 
hung des  Herzens,  wie  des  Darmes  hervorbringt,  sondern  die 
o^anze  Reihe  der  folgenden  Pulsationen  verändert.  Wenn  das  Herz 
eines  Thleres  lange"  Zeit  alle  4 — 5 Secunden  geschlagen  hat,  sO 
schlägt  cs  nach  Anwendung  eines  voriibergehonden  Iteizes  lange 
Zeit,  nach  einer  andern  Periode,  z.  B.  alle  Secunden  oder  alle 
zwei  Secunden;  und  wenn  es  ganz  zu  sclilagen  aufgehört  hat, 
so  bewirkt  ein  vorübergehender  Reiz,  dass  es  nicht  Einmal,  son- 
dern vielmal  in  einer  gewissen  Periode  sich  ziisammenzieht.  Es 
ist  also  hier  durchaus  wie  hei  anderen  musculösen  Theilen , die 
vom  IN.  sympathiciis  abhängig  sind,  z.  13.  dem  Darm,  mit  demtJn- 
tcrschied,  dass  die  anhaltende  Rcaction  auf  vorühcrgcheiidc  Reize 
beim'  Darm,  Duclus  choledöchus,  Spliincter  vesicae  sich  nicht  i» 
periodische  Zuckungen  theilt,  sondern  zusammenhängend  ist, 
Leim  Herzen  dagegen  sich  auf  periodische  Zuckungen  vertheilt, 
und  darin  die  Perioden  verändert.  Dasselbe  hat  statt,  wenD 
man  die  Reize  nicht  auf  die  Muskeln  selbst , sondern  auf  de*' 
N.  sympathicus  anwendet.  Als  man  hei  einem  geöffneten  Thiere, 
nachdem  die  Pulsationen  des  Herzens  langsamer  geworden,  deo 
N.  cardiacus  magnus  galvanishtc.  So  wurden  die  Pulsatloiic*’ 
schneller,  aber  dieser  neue  Typus  der  Pulsationen  dauerte  übß* 
die  Reizung  foi’t.  DIess  haben  A.  v.  Humboldt  und  Bukdac“ 
heohachtet.  Als  ich  den  N.  splanehnicus  ln  dem  erwähnten  VeT' 
suche  beim  Kaninchen  reizte,  dauerte  die  schnelle  und  stärker® 
Bewegung  aller  Gedärme  sehr  lange  Zelt  fort,  nachdem  die  R®‘' 
zung  nur  vorübergehend  w'ar.  , 

F//.  JJie  letzte  Ursache  der  unwillkührlichen  Bewegungen 
die  Ursache  ihres  Typus  liegt  weder  in  dem  Gehirn  noch  Rücken- 
mark, sondern  ln  dem  N.  .’sympalhicus  seihst;  aher  diese  Bewegungen 
hehaiten  ihren  Chararter,  auch  ohne  den  Ei/i/lu.ts  der  Ganglien,  sei ^ 
wenn  der  N.  sympathicus  an  einem  Organe  bis  auf  die  in  dem  O - 
gane  .seihst  sich  oerhrcitenden  Zweige  entfernt  ist,  deren  JVedise 
Wirkung  mit  den  Mu.skelfasern  allein  zur  Unterhaltung  jener  Rewe^ 
gungen  hinzureichen  scheint.  Bekanntlich  zieht  sich  das  Herz  C 


5.  Mechanik  des  N.  sympathicus.  Urwillkührliche  Bewegungen.  713 

nes  Tliieres  auch  ausgeschnitten  und  blutleer  immer  nocli  rhyth- 
toiscli  zusifrnmen;  diese  Bewegungen  dauern  am  ausgcschnitteneH 
Froschherzeu  noch  Stundenlang;  Avoraus  allein  liervorgeht,  dass 
Jie  Ursache  dieses  Rliythmus  nicht  in  dem  abwechselnden  Ein- 
Und  Ausströmen  des  Blutes  gelegen  seyn  kann,  sondern  dass  sie  in 
dem  Orgiine  seihst  hegt.  Da  nun  in  allen  anderen  heivcgliclien 
Theilen  die  Beuregung  des  Muskels  immer  von  der  Innervation 
desselben  ahhängt,  auch  die  Beivegkraft  der  Muskeln  nach  meinen 
Und  Stictcer’s  Versuchen  mit  der  Reizbarkeit  deriVerven  verloren 
geht  (p.  614.),  so  folgt,  dass  die  letzte  Ursache  des  Rhythmus, 
der  rhythmischen  Bewegungen  der  Herzkammern  und  Vorhöfo 
Und  der  abwechselnden  peristaltischen  Bewegungen  der  Gedärme, 
Von  der  Wechselwirkung  der  sympathischen  Nerven  und  der  mus- 
ciilösen  Thcile,  und  von  einer  periodisch  wirkenden  Ausströmung 
des  Nervenprincips  in  dem  K.  sympathicus  ahhängt.  Man  könnte 
sich  auch  die  Wirkung  der  Nerven  hierbei  perennirend,  die  Re- 
action  der  Muskeln  aber  periodisch  vorstellen,  insofern  die  Reiz- 
4>arkeit  der  Muskeln  für  den  Sti'Om  des  JVervenpnncips  durch 
•hre  Zusammenziehung  verändert  würde  (vergl.  p.  51);  allein 
diese  Erklärung  würde  geiviss  unrichtig  seyn;  denn  man  sicht 
nicht  ein,  vvarum  das  Herz  seine  Empfänglichkeit  für  einen  pe- 
vennirenden  Strom  des  Nervenprincips  jeden  Augenblick  verlie- 
ren und  wieder  gewinnen  soll,  da  doch  die  Avillkührlichen  Mus- 
keln diese  Reizbarkeit  hei  einer  sehr  lange  dauernden  Bewegung 
So  lange  für  den  continuirlichen  Strom  Lehaltcn;  üherdiess  liegt 
ein  entscheidender  Beweis  in  dem  Umstande,  dass  der  Rhythmus 
der  Aufeinanderfolge  der  Contractionen  der  Vorkammern  und 
K.ammern  sich  auch  am  blutleeren  Herzen  erhält,  wo  die  Ur- 
sache offenbar  in  einem  innern,  die  Abwechselung  regulirenden 
Princip  liegen  muss. 

Daraus,  dass  abgeschnittene,  nnwillkührlich  bewegliche  Theile 
tvie  Herz,  Darmkanal,  denTyjms  ihrer  rhythmischen  oder  peristal- 
hschen  Bewegung  fortsetzen,  sielit  man  "deutlich,  dass  dieser  Ty- 
pus vom  Gehirn  und  Rückenmark  unabhängig  ist,  und  wir  ha- 
ben so  eben  bewiesen,  dass  er  in  dem  N.  sympathicus  seihst 
hegt.  Nun  liegt  uns  oh,  den  ziveiten  Theil  des  oben  aufgestell- 
len  Satzes  zu  beweisen,  dass  die  Starnmtheile  des  N.  sympathicus 
•lud  die  Ganglien  zur  Eidialtung  dieses  Typus  auch  nicht  nöthi<» 
®ind,  sondern  auch  die  letzten  VerzAveigungen  des  N.  sympathicus 
^uch  die  Fähigkeit  haben,  diesen  Typus  der  unAvillkührlichcn 
hcAvcgungen  zu  reguliren.  Es  ist  nämlich  gar  nicht  nöthig,  dass 
, die  Stämme  der  N.  eardiaci  zur  Unterhaltung  der  Bewegungen 
des  Herzens  vorhanden  seyen;  das  Herz  des  Frosches  schlägt 
doch  periodisch  fort,  seihst  Avenn  man  die  ganze  Basis,  die  Vor- 
höfe bis  auf  die  Kammer  ahgeschnitten  hat.  Elicn  so  dauern 
d'e  peristaltischen  Bewegungen  des  Darmkanals  nicht  allein  fort, 
^enn  man  den  Darm  mit  saramt  dem  Mesenterium  und  den 
§*uigliösen  NerA’enplexus  A'on  dem  Rumpfe  trennt,  sondern  auch, 
'''dun  man  den  Darm  seihst  von  diesen  Plexus  isolirt,  indem 
ihn  dicht  an  der  Insertion  des  Mesenteriums  ahschneidet. 
h diesem  Falle  sind  nur  die  periplierischen  inneren  Verzwei- 

46  * 


714  III.  Buch.  Nervenphysik.  III.  Abschn.  Mechanik  d.  Nerpenprincips, 

cuneen  des  N.  sympatliicns  an  dem  Herzen  und  Darm  nocli  üLrig; 
nnd^  dennoch  bewegen  sich  diese  Organe  mit  ihrem  gewöhnli- 
chen Typus  geraume  Zeit  fort. 

VIII.  So  gewiss  indess  nach  diesen  Beobachtungen  die  üusser- 

sten  und  kleinsten  Theile  des  N.  sympathicus  die  Bewegungen  der 
unwillkührlichen  Theile  noch  regulircn  können,  so  haben  doch  sowohl 
das  Gehirn  und  Rückenmark,  als  die  Ganglien  selbst  im  gereizten  Zu- 
stande den  grössten  hnjluss  auf  den  Modus  dieser  Bewegungen  j so 
lange  die  Organe  noch  durch  Ncroenoerbindung  mit  jenen  Zusammen- 
hängen. Gehirn  und  Rückenmark  sind  aber  als  die  letzten  Quellen 
auch  der  Thätigkeit  des  N.  sympathicus  anzusehen,  wenn  diese  sich 
nicht  erschöpfen  soll.  Denn  bekanntlich  verändert  sich  der  Herz- 
schlag hei  jeder  Leidenschaft,  und  die  Bewegungen  des  Darm- 
kanals werden  hei  Irritation  des  Rückenmarks  ebenfalls  verän- 
dert; auch  sind  die  Centralorgane  des  Nervensystems  für  diß 
nnwillkührlich  beweglichen  Theile  als  für  die  Dauer  nothwendige 
Quellen  des  Nervcnprincips  anzuschen ; indem  liei  Lähmungen 
des  Rückenmarkes  auch  die  Beweglichkeit  des  Darmkanals  ab- 
nimmt, und  Trägheit  desselben  eintritt.  Aber  auch  die  Reizung 
der  Ganglien  selbst  wirkt  auf  alle  von  ihnen  aus  zu  den  unwiU- 
kührlich  Lewegliclicn  Tlicilen  liingehenden  Nerven,  wie  folgende 
Versuche  ])ewcisen.  Ich  habe  schon  oben  ei'vvähnt,  dass  ich 
durch  Galvanisircn  des  durchschnittenen  N.  splanchnicus  eines 
Kaninchens  an  dem  zum  Ganglion  coeliacum  gehenden  Stück, 
welches  auf  einer  Glasplatte  lag,  vermehrte  Bewegung  des  gan- 
zen Darmkanals  hervorbraclite.  Diesem  Versuch  konnte  man 
den  Vorwurf  machen,  dass  das  galvanische  Fluidum  von  65  Plat- 
tenpaaren  viel  zu  stark  war,  und  dass  es  deswegen  durch  die 
tbierischen  Theile  als  durch  blosse  nasse  Leiter  bis  auf  den 
Darm  selbst  überspringen  konnte , so  dass  man  nicht  vie 
mehr  gethan , als  wenn  man  den  Darm  seihst  galvanisli’t 
hätte.  Indessen  habe  ich  in  diesen  Tagen  noch  einige  Versuche 
angestellt,  welche  ganz  cntsclieidcnde  Resultate  gaben.  Ich  legie 
bei  einem  Kaninchen  den  ganzen  Darmkanal  bloss,  und  zu  glei- 
cher Zeit  das  Ganglion  coeliacum.  Sobald  der  Darmkanal  eines 
Thieres  der  atmosphärischen  Luft  ausgesetzt  ist,  werden  sein® 
Bewegungen  sehr  lebhaft;  diess  dauert  eine  ganze  Zelt,  aüm'ähhg 
nehmen  sie  wieder  ab,  bis  sie  ganz  schwach  werden.  Diesen 
Moment  wartete  ich  ab.  Ich  betupfte  dann  das  Ganglion  coe- 
liacum  mit  einem  Stückchen  Kali  caustieum,  worauf  sogleich  ' 
peristaltischen  Bewegungen  des  Darmkanals  wieder  lebhaft  wui" 
den.  Dieser  Versuch  gab  mir  bei  AV  iederholung  dasselbe  gan 
unzweideutige  Resultat.-  Also  sind  die  Ganglien  fähig,  im  Zn' 
stände  der  Reizung  das  Nervenprincip  bis  zu  den  feinsten 
breitungen  des  N.  sympathicus  in  beweglichen  Theilen  in 
tigkeit  zu  setzen;  obgleich  die  Thätigkeit  dieser  Theile  im  A 
meinen  fortdauert,  wenn  die  Ganglien  enlferiit  sind.  ^ 

IX.  Aus  den  bisherigen  'Thalsachen  geht  hervor,  dass  der  ^ 
sympathicus  durch  die  GenirallheUe  des  Nervensystems , Gehirn 
Rückenmark,  als  Quellen  des  Ncroenprincips  gleichsam  geladen  wer ^ 
kann,  dass  er  aber,  einmal  geladen,  seine  Ladung  mit  dem  Nerve  - 


5.  MecJianik  des  N,  sympathicus,  Unwillkührliche  Bewegungen.  715 


prlncip  hehält,  und  fortfährt,  dasselbe  nach  seiner  gewöhnlichen  Thli- 
tigkeit  auszuströmen,  auch  wenn  die  fernere  Ladung  vermindert  würde, 
Und  erst  von  einer  gewissen  Zeit  an  sich  kräftiger  erneuerte.  T'V or- 
aus  em  Theil  der  Phänomene  des  Schlafs  erklärlich  wird.  Wahrend 
das  Sensorium  commune  im  Schlafe  grossentlicils  unthatig  wird, 
fährt  die  Bewegung  des  Herzens,  Darmkanals  wenig  oder  gar 
nicht  -verändert  fort.  Denn  die  von  dem  N.  sympathicus  abhän- 
gigen Thcile  sind  von  einer  theihveisen  und  vorübergehenden 
Ruhe  des  Sensoriums  nicht  abhängig,  so  lange  sie  noch  gleich- 
sam mit  Nervenprincip  geladen  sind.  Im  Gegentheil  scheint  sich 
die  Ausstrahlung  des  Kcrvenjiriiicips  von  den  Centi’altheilcn  her 
dem  svmpathischen  Theile  des  Nervensystems  um  so  mehr  zuzu- 
wenden, als  die  Verwendung  desselben  für  die  Thätigkeit  der 
Sinne  und  der  Seelenoperationen  jetzt  durch  die,  vermöge  der 
täglichen  Reizung  eingetretenen,  materiellen  Veränderungen  der 
Sinne  und  gewisser  Theile  des  Gehirns  während  des  Schlafes  auf- 
hört. Auch  in  der  Ohnmacht  wird  zwar  die  Thätigkeit  des  Her- 
zens geschwächt,  aber  sie  erhält  sich  in  viel  höherem  Grade,  als 
die  aller  von  Cerebrospinalnerven  versehenen  Theile.  Hier  zeigt 
sich  also  etwas,  was  sich  noch  an  dem  ausgeschnittenen  Herzen 
Und  Darm,  nur  geringer,  eine  Zeit  lang  offenbart.  Verliert  aber 
das  Gehirn  und  Rückenmark  zu  sehr  die  Fähigkeit,  Quelle  des 
Ncrvenprincips  zu  seyn,  ist  keine  Erholung  in  grösseren  Zwi- 
schenräumen mehr  möglich,  so  kömmt  auch  das  sympathische 
System  in  den  Fall,  in  welchen  das  System  der  Cerebrospinal- 
uerven  täglich  einmal,  nämlich  im  Schlafe,  verfällt;  dann  entsteht 
eine  Erschöpfung,  welche  gleichsam  nicht  durch  fernere  Ladung 
mehr  ausgegliclien  werden  kann;  so  entsteht  jener,  den  Tod 
verkündende,  häufige,  schwache,  kaum  fühlbare  Puls,  am  Ende 
der  acuten  Krankheiten.  Vergl.  Wilsos  Philip  Philos.  transact. 
1S3.3.  1.  äIuei.i.er’s  Archiv  für  Anat.  und  Physiol.  1834.  137. 

A.  Die  örtliche  Application  der  Narcotica  auf  den  N.  sympa- 
thicus wirkt  nicht  narcotisirend  in  die  Ferne  auf  die  unwillkährlich 
beweglichen  Organe;  aber  die  letzteren  können  durch  die  ÜSarcotisa- 
tion  der  feinsten,  in  ihnen  selbst  sich  verbreitenden  Fasern  des  N. 
sympathicus  paralysirt  werden.  Diess  Verbältniss  ist  ganz  wie  bei 
den  übrigen  oder  Cerchrosjiinalnervcn,  indem  die  örtliche  Appli- 
eation  eines  Narcoticums  hier  gerade  so  weit,  und  nicht  weiter 
^irkt,  als  es  den  Nerven  berührt,  avo  es  die  Reizbarkeit  dessel- 
keu  aufheht.  Indessen  zeigt  sich  doch  hier,  und  zwar  hei  dem 
klerzen,  noch  ein  ganz  merkwürdiges  und  bis  jetzt  nicht  erklärli- 
ches Verbältniss  zwischen  der  äussern  und  innerii  Oberffäche 
des  Organes.  Applicirt  man  nämlich  ein  Narcotlcurn,  -w’ie  Opium 
Purum  oder  Extractum  nucis  vomicac,  aul  die  äussere  Oberlläche 
des  Herzens,  so  scheint  dlcss  sehr  xvenig  oder  gar  nicht,  xvenig- 
®tens  ei’st  sehr  allmählig  zu  wirken;  die  rhythmischen  Bewegun- 
gen des  ausgeschnittenen  Frosch herzens  dauern  darauf  sehr  lange 
fort;  bringt  man  aber  ein  wenig  Opium  oder  Extractum  nucis 
'^otnicae  mit  der  iimern  Wand  der  Herzkammer  in  Berührung, 
®o  steht  das  Herz  sogleich  für  immer  still,  öfter  schon  nach  ei- 
‘‘igen  Seenuden.  Diess  ist  eine  xvichtige  Entdeckung  von  HetiRr 


716  III.  Buch.  Nervenphysik.  III.Abschn.  Mechanik  d.Nervenprincips. 

[Edinb.  med.  and  surg.  Journal.  1832.),  welclie  Icli  öfter  am  Froschlier- 
zen  bestätigt  babe.  Diese  Tliatsacbe  ist  aucli  ein  neuer  Beweis,  (lass 
die  Bewegungskraft  der  Muskeln  von  ihrer  Wechselwirkung  mit 
den  Nerven  abliängt,  und  ihnen  ohne  die  Nei’ven  nicht  eigen  ist. 
Wir  haben  hier  den  Fall,  dass  wir  die  Muskelkraft  der  ober- 
flächlichen Schichten  des  Herzens  durch  Narcolica  nicht  leicht 
paralysiren  können,  während  wir  durch  Application  des  Giftes 
von  innen  mit  den  inneren  Muskelschichten  auch  die  äusseren 
tödten;  eine  Wechselwirkung,  welche  nicht  von  den  Muskel- 
fasern seihst,  sondern  von  den  Nervenfasern  ableitbar  ist. 
Diese  schnelle  Wirkung  des  narcotischen  Giftes  ist  auch  nicht 
davon  erklärbar,  dass  das  Gift  von  innen  schnell  durch  die 
Wände  des  Herzens  durchdringe.  Denn  wenn  man  die  Vor- 
höfe des  Froschherzens  ganz  ahgeschnitten , wie  ich  that,  und 
mm  in  die  olFcnc  Kammer  ein  wenig  Gift  bringt,  so  muss  das- 
selbe hei  der  nächsten  Zusarnmcnzichung  eher  ausgetriehen  wer- 
den als  tiefer  eindringen,  was  ohnehin  nicht  durch  Getässe  ge- 
schelien  kann.  XJehrigens  erklärt  [ene  merkwürdige  Beobach- 
tung Avohl  auch  die  Schnelligkeit  der  narcotischen  Vergiftung» 
wenn  ein  Gift  einmal  mit  dem  Blut  bis  zum  Herzen  gekommen  ist. 

XI.  Von  den  in  die  Ganglien  tretenden  W urzeljäden  und  volt 
den  Ganglien  kann  das  Neruenprincip  nach  allen,  aus  einem  Gangliol^ 
kommenden,  peripherischen  Neroenausstrahlungen  .sieh  verbreiten;  und 
es  scheint  sich  gerade  umgekehrt,  wie  in  den  Plexus  der  CerebrO' 
Spinalnerven  zu  verhalten,  in  welchen  keine  Communicat ion  der  IVir- 
kung  stattfindct.  Man  hat  für  diesen  Avichtigen  Satz  jetzt  nur 
die  ZAvei  oben  angeführten  Beobachtungen  von  mir  über  den 
splanchnicus  und  das  Ganglion  coellacum.  Als  ich  nämlich  defl 
N.  splanchnicus  eines  Kaninchens  mit  einer  Säule  von  65  Plat- 
tenpaaren galvanisirtc,  A'ermehrten  sich  sogleich  die  peristaltischeU 
BcAvegungen  nicht  eines  einzelnen  Theilcs  des  Darmes,  sondern 
des  ganzen  Tractus  intestinalis;  und  als  sie  beinahe  aufgehört 
hatten,  konnten  sie  dadurch  Avieder  lebhaft  erneuert  AverdeO' 
Als  hei  ZAvei  anderen  Kaninchen,  liei  denen  die  peristaltiscbei* 
Bewegungen  schon  sehr  schwach  geworden,  Kali  causticum  aiu 
das  (ranglion  coeliacum  aufgetupft  wurde,  erneuerten  sich  di® 
peristaltischen  BcAvcgungen  sogleich  mit  grosser  Lebhaftigkeit  atn 
ganzen  Darmkanal.  Das  Ganglion  coeliacum  Avirkt  also  nicht  a« 
einen  einzelnen  Theil  d(!S  Darms,  sondern  wie  ein  ungeheurßf 
Nervenstamm  auf  den  ganzen  Darmkanal,  wie  auf  alle  Theiw 
eines  Gliedes  zugleich. 

XII.  Die  Gesetze  der  Reflexion,  welche  im.  III.  Capitel  von  det^ 
Cerehrospinalnerven  auf  gestellt  wurden,  gelten  auch  von  den  sympO' 
thischen  Xerven,  d.  h.  heftige  Empflndungseindrücke  in  den,  eoc'* 
N.  sympathicus  versehenen  Theilen  können,  auf  das  Rückenmark  ccT' 
pflanzt,  Bewegungen  in  den  von  Cerebrospinalnerven  versehenen  Jhefl 
len  hervorbringen.  So  entstehen  die  Zuckungen  bei  Reizungen 
Darmkanal  der  Kinder,  indem  die  Reizung  A'on  dem  N.  syiä' 
pathicus  auf  das  Rückenmark,  und  von  diesem  auf  die  CerebrO' 
Spinalnerven  reflectirt  wird.  Es  gehören  ebenfalls  hieher  di 
das  Erbrechen  begleitenden  Krämpfe  der  Atbemmuskeln , 


5.  Mechanik  des  N.  sympathicus.  U iwillkührliche  Bewegungen.  717 

fern  das  Erljreclien  von  Reizen  im  Darmkanal  erregt  wird.  Die- 
selbe Entstellung  liaben  alle  krampfhaften  Zufälle,  welche  ihre 
Ursache  in  iirlliclien  Fehlern  der  OrMiie  des  Unterleibes  ha- 
ken. Es  lässt  sich  aber  auch  diese  Reflexion  durch  einen  Ver- 
such erweisen.  Ich  habe  nämlich  heim  Kaninchen  schon  mehr- 
nials  heobachtet,  dass  man  durch  Zerrung  des  mit  der  Pincette 
aufgehohenen  N.  splanchnicus  niil  der  Nadel,  rcllectirtc  Zuckun- 
gen der  Bauchmuskeln  derselben  Seite  bewirken  kann.  Ein 
Versuch,  dei’  mir  wiederholt  heim  Kaninchen,  nicht  aber  heim 
Hunde  gelang. 

XIH.  Die  lif’ßexion  con  Eriipßndiingseiitdriicken  in  den  vom  N. 
sympathicus  versehenen  Theilen  auf  Pdiekenniark  und  Gehirn,  und 
von  dort  auj  die  mot arische  Thiitigkeit  des  iV,  sympathicus,  findet 
auch  statt  , allein  in  einem  geringeren  Grade , als  hei  den  Ce— 
rchrospinalnerven.  Ein  Beispiel  davon  ist  der  Harndrang,  die 
Nothwendigkcil,  öfter  Harn  zu  lassen,  oder  die  Zusammenziehun- 
gen der  Harnblase  von  scharfen  Eigenschaften  des  Harns;  denn 
j liier  wirkt  die  Schärfe  nicht  auf  die  Muskelfasern  der  llarnhlasc, 
sondern  zunächst  nur  auf  die  Empliiidungsncrvcii  der  Schleim- 
I baut.  Es  gehört  ferner  bicher  die  Veränderung  der  "VVcite  der 
I*iipille  Lei  verscliiedenen  K.riink.licIlsziist.i\ncloii  des  Darnikunuls^ 
* die  Veränderung  des  Herzsclilagcs  hei  Krankheiten  der  Untcr- 
leibsorgane,  das  Erbrechen  hei  Kranklieilcn  der  Lehcr,  der  Nie- 
ren, des  Uterus  etc.  ]Man  hat  alle  diese  Phänomene  auch  aus 
einer  sympathischen  "Wirkung  des  W.  sympatliicus  selbst,  ohne 
Antheil  des  Gehirns  und  Rückenmarks  erklärt;  da  jedoch  alle 
ähnlichen  Erscheinungen  an  dem  Gerehrospiiial-Nervensystem  zur 
Vermittelung  der  sensoriellen  und  reflcclirten  motorischen  Wir- 
kung die  Centralorganc,  Gehirn  und  Rückenmark,  notliig  haben, 
I so  ist  es  vor  der  "Hand  wahrselieinlicher,  dass  das  Gehirn  und 
Rückenmark  auch  bei  den  Rcncxionserscheinungcn  in  den  vom 
N.  sympathicus  versehenen  Theilen  die  Vermittelung  zwischen 
der  sensoriellen-centripctalen  und  motorischen-centrifugalen  Wir- 
kung bilden.  Vergleicht  man  die  Reflexionserscheimingen  in  den 
Cerebrosplnalnervcn  mit  denen,  bei  welchen  die  ursjirüngliche 
Und  redectirte  Erregung  in  den  vom  N.  sympathicus  versehenen 
Theilen  staltfindet,  so  zeigt  sich,  dass  sie  in  den  ersteren  viel  leb- 
bafter  und  leichter  emtreten,  als  in  den  letzteren.  Denn  wie 
bäullg,  schnell  und  leicht  sind  diese  Erscheinungen  heim  Huslcn, 
Riesen,  Erbrechen  u.  s. w.,  Avie  gross  die  Zahl  der  hiehei’  gehöri- 
gen, im  3.  Capitel  erläuterten  Erscheinungen  gegen  die  Rellöxi- 
ouserscheinungen  im  N.  sympathicus.  Auch  der  Umstand,  dass 
Harmentzündungen  nicht  so  leicht  und  stark,  als  Entzündungen 
underer  mit  CcrebrospinalnerA’Cn  A crsehcner  Theile  den  3 u 
•f-  h.  Herzschlag  verändeim,  scheint  dafür  zu  sprechen,  dass  f.  le 
Reflexion  vom  sympathischen  Nerven  zum  Rückenmark,  lun 
der  zum  symipathischen  Nerven  scliAvercr  ist,  als  die  ä in  ic  le 
b-eflexion  beim  Cerebrospinal  - Nervensystem,  oder  die  cis  crc 
Tbatsache  wird  durch  die  letztere  erläutert.  Versuche  über  die- 
sen Gegenstand  lassen  sich  schwer  anstellen,  und  diejenigen,  wel- 
®be  ich  angestellt  habe,  zeigen  wenigstens  keine  besondere  Nci- 


718  III.Euch.  Nervenphfsik.  III.Ahschn.  Mechanik  d.Nervenprincips. 

gang  der  vom  N.  sympatlilcus  verselienen  Tlieile  zur  sensonell 
motorisciien  Reflexion  im  N.  sympathicus  seihst.  Ich  legte  en 
Darmkanjil  eines  lebenden  Kaninchen  bloss,  und  erregte,  indem 
icli  um  eine  Stelle  des  Dünndarms  eine  feste  Ligatur  anlegte, 
eine  heftige  sensorielle  Erregung,  worauf  ich  den  Darm  wieder 
in  die  Unterleibshöhle  zurückbrachte.  Ich  wollte  nun  sehen,  o J 
diess  Ursache  würde,  dass  durch  Reflexion  vom  Rückenmar 
nach  der  Umgegend  jener  Stelle  hin,  eine  enge  Zusammenziehnng 
des  Darms  zu  beiden  Seiten  der  Ligatur  bis  in  einige  Entfernung 
hin  erfolge.  Diess  geschah  aber  nicht,  auch  nicht,  als  ich  die- 
sen Versuch  wiederliolte. 

XIV.  Auch  die  Reflexion  oon  Wirkungen,  die  von  den  Lcre- 
brospinalne.rven  ausgehen , auf  das  Rückenmark  verpflanzt , von  dort 
auf  das  syrnpafhisehe  Nervensfst cm  reflectirt  werden , ^ ist  eine  ziem- 
lich hütifige  Erscheinung.  Als  Beispiele  solcher  Wirkungen  kann 
man  liier  anfüliren,  die  bei  heftigen  wollüstigen  oder  schmerz- 
haften Empfindungen  der  Haut  entstehende  Veränderung  des 
Herzschlages;  die  Bewegung  der  Iris  von  Empfindungseindrücken 
durch  den  Sehnerven,  Gehörnerven,  N.  trigerninus,  wovon  das 
Nähere  p.  700.  angeführt  worden;  die  Zusammenziebung  der  Sa- 
menbiftseben  von  Reizung  der  Getühlsncrven  der  Ruthe. 

XV.  Es  cntslehl  mm  die  Frage:  Oh  in  dem  X.  sympathicus, 
vermöge  der  Ganglien,  nicht  auch  unabhängig  vom  Gehirn  und  Rücken- 
mark ReflexioJiserschcinungcn  möglich  sind.  Diese  interessante 
Frage  lasst  sich  jetzt  noch  nicht  bestimmt  beantworten.  Wäre 
diese  Art  von  Reflexion  möglich,  so  würden  die  sympathischen 
Nerven  von  den  Cerebrospinahierven  eine  merkwürdige  Ausnahme 
machen,  und  durch  die  gangliöse  Natur  jener  Nerven  wäre 
leicht  eine  Wechselwirkung  der  sensoriellen  und  motorischen  Fa- 
sern möglich,  die  bei  den  Cerebrospinnlnerven  ohne  \ermit- 
telung  des  Gehirns  und  Rückenmarks  niemals  stattfindet.  Bet 
den  von  Cerebrospinalnerven  versehenen  Muskeln  eines  vom  Rumpfe 
getrennten  Gliedes,  zuckt  von  dem  gereizten  Muskel  jedesmal  nur 
der  eben  gereizte  Theil  desselben,  und  nicht  der  ganze  Mus- 
kel und  nicht  eine  Muskelfaser  in  ihrer  ganzen  Länge.  Die 
Frage  ist  also  die,  ob  man  z.  B.  an  einem,  mit  dem  Mesen- 
terium und  den  gangliösen  Plexus  ausgeschnittenen  Darmkana 
eines  lebenden  Thieres  durch  Reizung  einer  einzelnen  Stell® 
Zusammenziehungen  in  einigem  Umfange,  Zusammenziebung  ei- 
nes ganzen  Darmstückes  hervorbringen  kann.  Diess  ist  aber 
nicht  möglich.  Jedesmal  zieht  sich  nur  der  gereizte  Thed 
des  Darms  zusammen;  ja  es  verbreitet  sich  eine,  durch  Quet- 
schung mit  der  Pincette  an  einem  Punkte  des  Darms  angebracht® 
Reizung,  nicht  einmal  cirkelförmig,  wie  ein  Ring  um^  das  ganz® 
Rohr,  sondern  cs  entsteht  eine  ganz  beschränkte  Einziehung  d®*" 
Darrawaiid  an  jenem  Punkte,  während  die  entgegengesetzte  ^tel  ® 
der  Darmwand  ganz  platt  und  ruhig  bleibt.  Diess  habe  i® 
nicht  allein  am  Darmkanal  wiederholt  gesehen,  sondern  auch  aiP 
Uterus  eines  trächtigen  Kaninchens  in  gleicher  Art  beobachte  • 
Jedesmal  entstand  an  der  gereizten  Stelle  des  Uterus  eine  klein 
Kiirte  Zus.ammenziehung  der  nächsten  Muskelfasern  gegen  den  eineü 


5.  Mechanik  des  N,  sympalhicus.  Unwillkuhrliche  Bewegungen.  719 

Punkt  liin,  aber  der  ganze  übrige  Uterns  blieb  rubig.  Also  scheint 
un  den  meisten,  dem  N.  sympathiens  unterworfenen  Tbeilen  eine 
vom  N.  sympatbicus  selbst  und  allein  abbängige  Reflexion  nicht 
uiöglicb.  Man  ist  selbst  nicht  einmal  im  Stande,  jene  reflectirten 
Zusammenzieljungen  des  Darms  von  einer  gereizten  Stelle  dessel- 
ben aus  bei  einem  Tliiere  bervorzubringen , dessen  Darm  noch 
ln  unversehrter  Verbindung  mit  dem  Rumpfe,  und  also  mit  dem 
Rückenmark  durch  den  N.  sympathiens  stellt,  und  eben  so  ist 
es  mit  dem  Uterus  der  Thiere.  Aber  an  dem  abgesebnit- 
tenen  Herzen  scheint  es  wirklich , als  wenn  die  Reizung  ei- 
ner einzigen  Stelle  sich  auf  das  ganze  Herz  verbreiten  könnte. 
Wenn  man  das  Herz  eines  Fi'osches  ausschneidet  und  auf 
dem  Tische  so  lange  liegen  lässt,  bis  sich  die  Häufigkeit  der 
Schläge  sehr  vermindert  bat,  und  nur  von  Zeit  zu  Zeit  eine  Zu- 
samraenziehung  eintritt,  ist  der  Zeitpunkt  gekommen,  wo  man 
Untersuchungen  über  die  Reizbarkeit  des  Herzens  anstellen  kann. 
Reizt  man  dann  das  Herz  mechanisch  mit  einer  Nadel,  so  erregt 
man  eine  Zusammenziehung,  die  man  nun  nicht  mehr  mit  den 
*um  geAVÖlinlichcn  Rhythmus  gehörenden  Zusamraenziehungen 
Verwechselt.  Es  ist  nun  sehr  merkwürdig,  dass,  wo  man  auch 
den  mechanischen  Reiz  auf  das  Herz  anbringe,  dieReaction  doch 
immer  so  ist,  als  ob  man  das  ganze  Herz  gereizt  hätte.  Es  er- 
folgt nändich  nicht  eine  Zuckung  der  gereizten  Stelle  des  Her- 
zens, sondern  des  ganzen  Herzens.  Es  scheint  also  für  gewiss 
daraus  bervoi’zugeben , dass  sich  im  Herzen  die  örtliche  Verände- 
rung der  Reizbarkeit  durch  den  Reiz  mit  dem  Zustande  der 
Reizbarkeit  des  ganzen  Herzens  ins  Gleichgewiclit  setzt,  so  dass 
man  von  jedem  Punkte  des  Herzens  gleichsam  die  Statik  in  derVer- 
tbeiliing  der  Kräfte  des  Herzens  verändern  kann.  Da  nun  eine 
Solche  A^usgleichung  nicht  von  den  Muskelfasern  seihst  abhängen  kann, 
so  haben  wir  an  dem  Herzen  allerdings  den  höchst  merkwürdi- 
gen Fall  eines  dem  N.  sympathiens  unterworfenen  Organes,  wo 
eine  an  demselben  angebrachte  Reizung,  ohne  Mitwirkung  der  Cen- 
h’alorgane  des  Nervensystems  sich  verbreitet  (Irradiation),  und 
'ivieder  auf  das  Ganze  motorisch  zurückwirkt.  Diess  setzt  aber 
eine  Communicatlon  der  Nervenfasern  im  ganzen  Herzen  voraus. 
Riese  Verbindung  der  Fasern  und  die  Communicatlon  der  Rei- 
bung muss  selbst  in  der  feinsten  peripherischen  Nerven  Verbrei- 
tung in  dem  Muskellleisch  des  Herzens  liegen;  und  das  Phäno- 
Uien  kann  nicht  durch  Wirkung  des  Empfindungseindruckes  auf 
liie  Stämme  der  Herznerven,  und  reflectirende  Rückwirkung  aut 
das  ganze  Herz  erklärt  werden.  Denn  wenn  man  die  Stämme 
der  Hertsnerven  mit  sammt  den  Vorliöfen  ganz  von  dem  Frosch- 
herzen abschneidet,  so  dass  bloss  die  Kammer  übrig  bleibt,  so 
dauert  das  oben  beschriebene  Phänomen  dennoch  fort.  Diess 
*st  ein  ganz  ausserordentlich  merkwürdiges  Verliältniss.  Die  ein- 
*®lnen  Tlieile  eines  Muskels  hängen  sonst  ln  ihrer  Gesammtwirkung 
*uir  von  ihrem  Nervenstamm,  die  einzelnen  Theile  des  Nerven- 
starnmes  von  dem  Gehirn  und  Rückenmark  ab;  in  diesem  haben 
^de  von  den  einzelnen  Nervenfasern  abhängigen  Theilchen  eines 
Muskels  ihre  Einheit.  Bei  dem  Herzen  ist  alles  anders;  alle 


720  III.  Buch.  Neri’cnphf.iik.  III.  Ahschn.  Mechanik  d.  JSeroenprincips. 

Muskelfasern  sind  liier  durcli  die  Wecliselwirkung  der  Nerven- 
fasern selbst  in  Consens.  Diess  Organ  zeigt  uns  das  einzige  Bei- 
spiel einer  Wiederholung  jenes  Gesetzes,  was  von  dem  ganzen 
Organismus  gilt,  in  sich  selbst  als  einem  kleinen  abgesonderten 
organischen  System,  nämlieb  des  Gesetzes,  dass  im  Organismus, 
durch  die  Verbindung  aller  Tbeile  vermöge  der  Centralorgane, 
ein  Thcil  alle  bestimmen  kann.  Denn  so  kann  die  Veränderung 
eines  Tlieiles  des  Herzens  alle  liestiriimcn. 

XVI.  J£s  ist  noch  ganz  unbekannt,  ob  der  N.  sympathicus  sym- 
pathische Betvegungen  non  der  Beizung  eines  Organes  aus  in  einem 
andern  hervorrufen  kann;  weil  sieb  närxilich  alle  bieher  gehörigen 
Ersebeinungen  auch  durch  die  Vcrniiltclung  des  Gehirns  und 
Bückenmarkes , oder  durch  das  im  S.  Capitel  erläuterte  Phäno- 
men der  Rellexioii  erklären  lassen. 

XVII.  Es  ist  nicht  ernoiesen,  und  mehrere  Beobachtungen  spre- 
chen dagegen,  dass  die  Ganglien  als  Isolatoren  im  Stande  sind,  den 
vom  Gehirn  und  Rückenmark  ausgehenden  motorischen  Einfluss  zU 
hemmen;  aber  es  ist  wahrschcinlirh,  dass  sie  es  sind,  (vodurch  be- 
wirkt wird,  dass  hei  diesem  motorischen  Einfluss  nur  der  Modus,  der 
Zustand  der  Bewegung  verändert  wird;  ein  Einfluss,  der  indess  nicht 
bloss  den  Ganglien,  sondern  allen  sympathischen  Xeroen  zukbmmt. 
Ich  bemerke,  dass  hier  uiebt  von  willkiibi'lichcni,  sondern  von 
motorischem  Einfluss  im  Ällgeme.incu  die  Rede  ist.  Jeder  weiss, 
wie  leicht  und  schnell  eine  Veränderung  in  den  Centralorgancn 
des  Nervensystems  auf  das  ganze  sympathische  System  wirkt,  wie 
schnell  eine  leidenschaftliche  Aufregung  den  Schlag  des  Herzens 
umändert,  Bewegungen  des  Darmkanals  mit  Kollern  hcrvorrult; 
wie  ein  iN'ervcnanläÜ,  bei  dem  die  Centralorgane  des  Nervensy- 
stems afficirt  waren,  mit  Rollern  im  Darmkanal  endigt.  Wir 
werden  später  sehen,  dass  die  Ganglien  auch  keine  Isolatoren 
für  retrograde  oder  centripetalo  Wirkungen  im  N.  sympathicus 
sind;  indem  ich  durch  Zerrung  des  N.  splanchnicus  beim  Kaninchen 
in  demselben  Moment  eine  reüectirte  Zuckung  an  den  Bauchmuskeln 
derselben  Seite  bewirkte;  was  beweist,  dass  die  Reizung  des  N- 
splanchnicus  in  den  Ganglien  des  N.  intercoslalis  oder  des  Grenz-* 
Stranges  kein  Hinderniss  fand,  um  nach  dem  Rückenmark  zu  gC' 
langen.  Nur  diess  zeigt  sich  überall,  dass  der  motorische  Ein' 
fluss  der  Centralorgane  des  Nervensystems  auf  den  sympathischen 
Nerven  wirkend,  nicht  jene  schnellen,  der  Dauer  des  Reizes  ent- 
sprechenden Zuckungen  hervorbringen  kann,  wie  bei  den  Wir' 
kungen  auf  die  Cerebrospinalnerven,  sondern,  dass  durch  den 
motorischen  Einfluss  des  Gehirns  und  Rückenmarkes  mehr  nui’ 
der  Zustand,  der  Modus  einer  anhaltenden  Reihe  von  Bewegun- 
gen verändert  wird.  Indessen  besitzen  doch  nicht  bloss  die  Gan- 
glien, sondern  der  ganze  N.  sympathicus,  auch  die  feineren  NeV' 
venzweige  desselben  die  Fähigkeit,  schnelle  Einwirkungen  aul 
die  dem  N.  sympathicus  unterworfenen  Tbeile  so  zu  modificiren, 
dass  nicht  Zuckungen,  sondern  länger  dauernde  Veränderungen 
des  Modus  der  Bewegung  eintreten,  wie  oben  bewiesen  w'orden- 
Denn  an  dem  abgeschnittenen  ermatteten  Herzen  kann  man  durc  i 
einen  momentanen  Reiz  auf  eine  geraume  Zeit  die  Art  des  Herz- 


5.  Mechanik  des  N.  syrnpathicus.  UnwillkührUche  Bewegungen.  721 


Schlages  verändern,  ur.d  der  abgeschnittene  Darm  zieht  sich  auf 
angebrachten  Reiz  viel  länger,  als  dieser  dauert,  zusammen,  und 
erreicht  den  höchsten  Grad  der  Conlraction  erst  lange  nachdem 
ein  momentan  -wirkender  Reiz  aufgehört  hat. 

XVIII.  Es  ist  noch  nicht  entschieden,  dass  die  Hemmung  des  IVil- 
Icnscinjlusscs  auf  die  vom  N,  syrnpathicus  versehenen  Theile,  von  der 
Eaiur  der  Ganglien  abhängt.  Dieser  Satz  bedarf  keines  -weitern 
Beweises,  da  uns  keine  hinreichenden  Gründe  für  die  erste 
Ansicht  bekannt  sind.  Ich  muss  jedoch  bemerken,  dass  es  im 
Allgemeinen  viel  -\vahrscheinlicher  ist,  dass  die  Ganglien  nicht 
die  Ursache  der  Isolation  des  Willcnseinflusses  sind.  Denn  da 
sie,  Avie  vorher  bewiesen  wurde,  den  motorischen  Einfluss  auf 
das  sympathische  System  nicht  isoliren,  sondern  das  ganze  sym- 
pathische System  (nicht  bloss  die  Ganglien)  diesen  Einfluss  all- 
mähliger  und  dauernder  wirkend  macht,  so  könnte  ein  vom 
Willen  ausgehender  motorischer  Einfluss  der  Centralorgane  auf 
den  N.  syrnpathicus  so  gut,  wie  aller  motorischer  Einfluss  kein 
absolutes  Hinderniss  in  den  Ganglien  des  N.  syrnpathicus  finden. 
Es  scheint  daher,  dass  die  Unfähigkeit  zu  Avillkülirlichen  Bewe- 
gungen in  allen  vom  N.  syrnpathicus  versehenen  Theilen  nicht 
von  dem  N.  syrnpathicus  und  den  Ganglien  abhängt,  sondern  da- 
durch bedingt  ist,  dass  die  Fasern  des  N.  syrnpathicus  im  Rücken- 
mark und  Gehirn  nicht,  Avie  die  Fasern  anderer  Nerven,  bis  zu 
der  Quelle  des  W'illenseinflusses  gelangen.  Die  dem  W.  sympti- 
thicus  unterAvorfenen  Theile  gleichen  daher  in  Hinsicht  des  Man- 
gels der  Whllensbestiinmung  einigermassen  den  für  den  Willen 
gelähmten,  willkührlich  beweglichen  Theilen.  Hier  kann  die 
Eeitung  des  durch  den  Willen  bewirkten  motorischen  Stromes 
Zu  dem  Nerven  an  einer  Stelle  im  Laufe  des  Rückenmarkes  ge- 
hemmt seyn,  gleichwohl  bleiht  dieser  Nerve  noch  für  unwillkiihr- 
liche  motorische  Einflüsse  von  dem  unter  der  Verletzung  liegen- 
den Theile  des  Rückenmarkes  empfänglich.  Man  vci’gleiche  über 
diesen  Gegenstand  Rob.  Whatt  on  the  vital  and  others  involuntary 
^otions  of  animats.  Edinh.  1751. 

XIX.  In  gewissen,  von  dem  N.  syrnpathicus  und  den  Spinalner- 
ven zugleich  abhängigen  Theilen  scheint  ein  willkiihrlichcr  Einfluss  erst 
’tach  einer  lange  dauernden  centripeialcn  oder  sensoriellen  Einwirkung 
«tattzufinden.  ' So  ist  es  mit  der  Harnblase ; diess  ist  ein  in  Hinsicht 
Seines  Verhältnisses  zum  Gehirn  und  Rückenmark  noch  sehr 
riithselhaftes  Organ.  Es  ist  von  rein  sympathischen  Zweigen  des 
Plexus  hypogastricus  und  von  nicht  sympathischen  Nerven,  näm- 
lich ZAveigen  der  .Sacralneiwen  versehen.  Es  scheint  in  der  Regel 
*1610  Einfluss  des  W^illens  ganz  entzogen  zu  seyn;  und  doch  scheint 
®Sj  als  Avenn  wir  zuAveilen  durch  eine  blosse  intendirte  Zusamrnen- 
*lehung  der  Harnblase,  ohne  die  Mitwirkung  des  Zw’ci'chfelles 
^ind  der  Bauchmuskeln,  den  Harn  austreiben  können.  Es  scheint 
sage  ich,  denn  gCAviss  ist  es  nicht.  Auch  E.  H.  Webe»  {/Ina- 
^ornie  .3.  p.  354)  nimmt  einigen  Einfluss  des  Willens  auf  die  Urin- 
J^lase  an.  W^enn  diess  nun  so  sich  verhält,  so  tritt  jene  Fähig- 
^it  doch  erst  nach  einer  langen  Ansammlung  des  Urins  in  der 
Harnblase  ein;  also  nachdem  diese  Flüssigkeit  einen  dauernden 


722  III.  Buch.  Neroenphysik.  III.  Ahschn.  Mechanik  d.  ISieroenprincips. 

Empfindungseindrack  auf  die  Empfindungsnerven  der  Blase,  und 
so  auf  das  Rückenmark  gemaclit  hat.  ' 

XX.  Manche  dem  N.  sympatidcux  unierivorfenen  Theile  sind  za'ur  j 
nur  umviUkiihrlich  heweplirh,  perathen  aber  in  Mitbewegung  (/i.  662.),  j 

wenn  wiUkiihrlich  bewegliche  Theile  bewegl  werden,  so  da.is  von  dem  \ 

wiUkiihrlir.h  molorischen  Einfluss  etwas  auf  sie  gegen  den  IVillen  über-  j 
springt,  gerade  .90,  wie  wenn  dem  Willen  unterworfene  Theile  gegen 
unserri  Willen  mit  andern,  mit  bewegt  werden.  Ein  Beispiel  dieser  j 
Art  liefert  die  Iris.  Von  diesem  Tlieil  ist  es  schwer  zu  sagen,  i 
oh  er  wirklieh  zu  den  von  dem  N.  - sympathicus  oder  von  den 
Cerehralnerven  ahhängigen  Theilen  gehöre.  Seine  Bewegung  ist 
unwillkührlieh,  gleicht  aber  doch  den  Bewegungen  mehrerer 
schwachen  willkü'hrlichen  Muskeln,  die  in  der  Regel  allein  nicht 
willkührlicli  bewegt  werden  können,  wohl  aber  dureh  Mitbeive- 
gung  mit  anderen  Avillkührlichen  Muskeln  sieh  zusammenziehen 
können,  wie  die  Ohrmuskeln  bei  mehreren  Menschen,  wie  bei 
mir,  mit  dem  Muse,  epicranins  bewegt  werden  können,  und  man- 
che Menschen  den  sonst  dem  Willen  entzogenen  Cremaster  mit 
Anziehung  der  Batichmuskcln  liewegen  können.  Da  indess  die 
kurze  motorische  Wurzel  des  Ganglion  ciliare  (a  N.  oculomoto- 
rio)  ihre  Faden  durch  dieses  Ganglion,  das  mit  dem  N.  sympa- 
thicus  zusammenhängt,  durchgehen  lasst,  so  ist  es  wahrschein li' 
eher,  dass  die  Iris  zu  den  eigentlich  unwillkübrlichen , vom  N- 
sympathicus  abhängigen  Theilen  gehört.  Nun  ist  es  äusserst 
merkwürdig,  dass  man  die  Iris  willkührlicli  milbewegen  kann, 
wenn  man  gewisse  Aeste  des  N.  oculomotorius  willkührlicli  m 
Thätigkcit  setzt,  wue  z.  B.  jedesmal,  wenn  man  das  Auge  nach 
innen  oder  nach  ohen  und  innen  dreht;  denn  dann  wird  die 
Iris  bei  allen  Menschen  zusammengezogen  oder  die  Pupille  enge. 
Man  hat  also  hier  das  merkwürdige  Beispiel,  dass  mit  der  wiU- 
kührlichcn  Intention  in  einem  Cerebrospinalnerven  zugleich  schein- 
bar willkührlicli  etivas  auf  einen  dem  N.  sympathicus  unterwor- 
fenen, sonst  unw’illkührlichen  Theil  üherspringt.  Vielleicht  ge- 
hört cs  auch  biehcr,  dass  man  bei  einem  grossen  Bedürfniss  zui» 
Harnlassen  durch  Thätigkeit  der  Muskeln  der  unteren  Extremi- 
täten beim  Geben  oder  Laufen  den  Harn  länger  zurückbehaltcn, 
also  die  Thätigkeit  des  Musculus  sphincter  vesicae  verstärke»  . 
kann.  Endlich  scheint  ein  solches  Üebergehen  des  Nervenei»'  | 
Busses  selbst  auf  das  Herz  bei  starken  Muskelanstrengungen  statt- 
zulindcn. 

Das  merkwürdige  Phänomen  der  beschleunigten  Herzbew»- 
gung  bei  willkührlichen  Anstrengungen  bat  noch  gar  keine  hin- 
reichende Erklärung  gefunden.  Man  bat  gesagt,  bei  Anstrengun 
gen  ivird  eine  grössere  Menge  arteriellen  Blutes  gebraucht,  deS' 
wegen  muss  das  Herz  das  Blut  schneller  durch  die  Lungen  trei- 
ben; aber  aus  einem  grössern  Athembedürfniss  folgt  deswege» 
nicht,  dass  das  Herz  diesem  Zwecke  gemäss  bewegt  werde,  hlujl 
bat  jenes  Phänomen  ferner  aus  der  Störung  des  Blutlaufcs 
die  Lungen  und  durch  das  Herz,  vermöge  der  Hemmungen  de 
Kreislaufes  erklärt;  indessen  tritt  die  beschleunigte  Herzbewegui^ 
auch  bei  Anstrengungen  der  blossen  unteren  Extremitäten,  bei 


5.  Mechanik  des  N.  sfmpatiticus.  Sensorielle  Wirkungen.  723 

Bergsteigen,  Laufen,  ein.  In  diesem  Falle  sieht  man  nicht  ein, 
wie  der  Lauf  des  Blutes  durch  die  Lungen  und  das  Herz  ver- 
hindert sevn  sollte.  Denn  wenn  auch  wegen  der  beständigen 
Zusammenziehungen  der  Muskeln  der  unteren  Extremitäten  der 
Lauf  des  Blutes  durch  die  unteren  Extremitäten  gehemmt  wird. 
So  wird  er  deswegen  nicht  in  den  Lungen  und  dem  Herzen  ge- 
hemmt; sondern  das  Blut,  welches  nun  nicht  die  kleinen  Gefässe 
der  unteren  Extremitäten  durchgehen  kann,  kömmt  auch  nicht 
zum  Herzen  zurück,  und  wird  sich  also  nicht  in  den  Lungen 
Und  im  Herzen  anhnnfen.  Der  Erfolg  muss  vielmehr  derselbe 
seyn,  wie  wenn  man  sich  in  aller  Buhe  um  beide  Oberschenkel  ein 
Tourniquel  legt  und  die  Blulbewegung  in  den  unteren  Extremi- 
täten hemmt,  worauf  keine  beschleunigte  Herzbewegung  eintritt. 
Es  wäre  daher  wohl  möglich,  dass  diese  so  gewöhnliche  be- 
schleunigte Herzbewegung  bei  Anstrengungen,  die  bei  nerven- 
schwachen Menschen  so  stark  wird,  eine  zwar  unmerkliclie, 
aber  zuletzt  immer  stärker  hervortretendc  Mitbewegung  wäre, 
ein  Ueberspringen  des  Nervenprincips  von  dem  in  so  grosser 
Kraftanstrengung  begriffenen  Kückenrnark  auf  die  sympathi- 
schen Nerven,  gleichwie  die  Iris  sich  unwillkührlich  bei  willkühr- 
licher  Anstrengung  des  N.  oculomotorius  mitbewegt.  Da  diese 
Erklärung  indess  nicht  direct  als  richtig  erwiesen  werden  kann. 
Und  nur  an  ein  analoges  wirkliches  Factum  sich  anschliesst,  so 
kann  sie  vor  der  Hand  nur  als  eine  Andeutung  für  fernere  Un- 
tersuchungen in  diesem  dunkeln  Felde  liingesteüt  werden. 

2.  Von  den  sensoriellen  Wirkungen  des  N.  sympa thicus. 

I.  Die  Empfindungen  in  den  vom  N.  sympaihicus  versehenen 
Theilen  sind  schwach,  undeutlich  und  nicht  umschrieben,  und  nur  bei 
heftigen  Reizungen  deutlicher  und  bestimmter.  Die  hieher  gehöri- 
gen Thatsachen  sind  schon  oben  p.  646.  angeführt  worden.  Viel- 
leicht hat  daran  eine  Communication  der  Primitivfasern  Antheil. 
Durch  stärkere  wiederholte  Beizung  wurde  in  Brachet’s  Versuchen 
die  Empfindung  in  den  Ganglien,  die  anfangs  fehlte,  deutlicher. 

II.  üb  in  diesen  Theilen  die  Irradiation  der  Empfindungen  über 
die  von  dem  Reh  afficirten  Stellen  hinaus  ein  gewöhnliches  PhiinoJ 
ujen  sey , und  das  Vage  der  Empfindungen  von  der  Irradiation  ab- 
biinge,  ist  imbekannt;  es  ist  nicht,  erwiesen,  ob  ein  Empfindungs- 
Eindruck  in  dem  Nervus  sympathicus  selbst  sich  weiter  aus- 
hreiten  kann,  ob  die  Irradiation  der  Empfindungen  von  der  Corn- 
^'^unication  der  Primitivfasern  des  N.  sympathicus  und  den  Gan- 
glien abhängt,  oder  ob,  wenn  eine  leichte  Irradiation  in  den 
''Om  N.  sympathicus  versehenen  Theilen  stattfindet,  diese  auf  die- 
selbe' Art,  w'ie  in  den  Cerebrospinalnerven  geschieht.  Siehe  oben 
P-  6S0.  Da  die  Communication  der  Primitivfasern  in  dem  N. 
^yuipathicus  viel  wahrscheinlicher  als  in  den  Cerebrospinalnerven 
'st>  so  ist  auch  die  Wahrscheinlichkeit  dafür,  dass  Empfindungs- 
'■eizungen  sich  schon  durch  die  Communication  der  Primitivfa- 
®ern  verbreiten,  und  dass,  wenn  eine  gereizte  Stelle  durch  Gom- 
'"ünication  der  Primitivfasern  an  mehreren  Punkten  auf  das 


724  III.Buch.  Neroenphystk.  III.Abschn.  Mechanik  d.Nervenprincips. 

Rückenmark  wirken  kann,  auch  dadurch  die  Unhestlinmtheit, 
Verwechselung  und  Vervielfachung  der  Emplindungen  erleichtert 

27/.  Die  im  JV.  sympathicus  staUfindenden  Empfmdtingseindriicke 
sind  hiitifig  unJjeivussi , und  kommen  gleiriuvohl  zum  Bürkenmark. 
Eine  centripetale  Wirkung  eines  Empfindnngsnerven,  zum  Ruk- 
keninark  gelangend,  kann  bewusst  oder  unhcAvusst  seyn;  nn  er- 
sten Fall  muss  sie  mit  LebhaRigkeit  bis  zum  Organe  der  Seele 
fortgepflanzt  werden;  im  zweiten  Fall  bleibt  die  V irkung  au 
das  Rückenmark  isolirt,  sie  wird  nicht  empfunden,  kann  sieb 
aber  durch  andere  Zeichen  als  bis  zum  Rückenmark  gelangt  er- 
weisen, z.  B.  durch  rcflectirte  BcAvegungcn.  Ein  Thed  vom  Rum- 
pfe eines  gefleckten  Erdsalamanders  ohne  Kopf  zeigt  uns  ein 
Beispiel  von  centripetaler  Empfindungserregung,  ohne  wirkliche 
Empfindung;  denn  wenn  wir  die  Haut  dieses  Rumpfstückes  be- 
rühren, erfolgt  eine  Krümmung  des  Stückes  durch  Zusammenzic- 
hung  der  Muskeln,  die  durch  eine  Reflexion  vom  Rückenmarke 
entsteht,  und  nicht  entstehen  kann,  wenn  in  dem  Rumpfstücke 
kein  Rückenmark  enthalten  ist.  Solche  Erscheinungen  von  cen- 
tripetalen  Wirkungen  in  Empfindungsfasern  bis  zum  Rückenmark 
ohne  walire  Empfindung ^ aber  mit  Reflexion  der  Wirkung  auf 
die  Muskeln  sind  nun  auch  in  dem  gesunden  Leben  häufig,  und 
gerade  im  N.  sympathicus  die  gewöhnlichen.  Man  kann  deutlich 
beweisen,  dass  solche  nicht  bewusste  Empfinduiigswirkungen  im 
N.  sympathicus  dennoch  zum  Rückenmark  gelangen.  Durch  je- 
den ‘ Reiz  im  Mastdarm  kann  die  Bewegung  _ des  .Sphincler  aiU 
verstärkt  seyn,  durch  unempfundene  Reize  im  31agen  entsteht 
gleichwohl  die  beim  Erbrechen  stattfiiulende  Mitaffection  der 
Athemmuskeln.  Diese  Action  der  von  Cerehrospinalnervcii  ver- 
sehenen Athemmuskeln  kann  im  Erbrechen  durch  einen  un- 
bewussten Empfindungsreiz  in  jedem  Organe  des  Unterleibes, 
durch  den  Darmkanar,  Leber,  Nieren,  Uterus  angeregt  werden- 
Hier  liegt  der  Ausgang  der  Wirkung  im  N.  sympathicus.  Die 
Reflexion  geschieht  motorisch  nach  Cerebrospinalnerven,  nicht 
nach  dem  W.  sympathicus.  Und  nun  lässt  sich  wieder  beweisen, 
dass  das  Bindeglied  zwischen  der  centripetalen  Wirkung  des  N- 
sympathicus  und  der  motorischen  in  den  Cerebrospinalnerven 
wirklich  das  Rückenmark,  und  nicht  der  N.  sympathicus  durch 
seine  Nervenverhindungen  ist.  Denn  der  N.  sympathicus  verbin- 
det sich  zwar  mit  allen  Sjiinalnerven,  die  beim  Erbrechen  tliätig 
seyn  können,  aber  diese  Verbindung  ist  ein  einfaches  Anschlies- 
sen  der  Fasern  des  Ramus  communicans  nervi  sympathici  an  dm 
beiden  Wurzeln  des  Spinalnerven;  da  nun  die  motorische  Wur- 
zel des  Spinalnerven  nicht  einmal  ein  Ganglion  hat,  so  fVdlt  hm*' 
auch  die  Erklärung  weg,  dass  die  Wirkung  des  N.  sympathicus 
vom  Ramus  communicans  sich  hier  in  einer  gangliösen  Masse  ver- 
theilen  und  alle  durchgehenden  Fasern  der  motorischen  Wurz® 
mit  alUciren  könne.  Die  centripetale  Wirkung  im  N.  sympathicus^ 
welche  unbewusst  und  unempfunden  eine  rcflectirte  motorisci 
in  einem  Cerebrospinalnerven  hervorbringt,  wirkt  also  olfenba 


5.  Mechanik  des  N.  s)-mpathicus.  Sensorielle  Wirkungen.  725 


auf  diese  Nerven  nicht  durch  sympathische  Verbindungen,  son- 
dern durch  das  Bindeglied  des  Itiickeninarks. 

IV.  Bei  den  Rcßexionsbcwcgungen , die  \>on  Empfindungsein- 
driickcn  des  N.  srmpalhictis  angeregt  werden,  ist  der  Empfindungs- 
eindruck  in  der  Regel  iinhewusst , während  er  hei  den  Reflexionsbe- 
'^egungen,  die  durch  Empfinduugseindriieke  der  Cerehrospinalnen^en 
angeregt  werden,  immer  bewusst  ist.  In  dem  vorhergehenden  Satze 
ist  bewiesen  worden,  dass  die  von  Empfindungseindrücken  im  N. 
sympathicus  angeregten  Reflexionshewegungen  durch  das  Rücken- 
mark als  Bindeglied  der  centripetalcn  und  centrifu gal -motorischen 
Wirkung  bewirkt  sind.  Vergleichen  wir  nun  das  ganz  verschie- 
dene Verhalten,  wenn  die  erste  Ursache  zur  Reflexion  in  einem 
Uheil  des  N.  sympathicus  oder  in  einem  Cerehrospinalnerven 
liegt.  Liegt  die  Ursache  im  N.  sympathicus^  so  wird  sie  in  der 
Regel  nicht  empfunden;  obgleich  ihre  Wirkung  zum  Rückenmark 
gelangt,  zeigt  sie  sich  doch  nur  in  der  motorischen  Reflexion 
Vom  Rückenmark.  So  ist  es  wenigstens  in  der  Mehrzahl  der 
halle.  Bei  den  von  dem  Magen,  Darmkanal,  Nieren,  Leber,  Ute- 
rus erregten  Erhrechungshewegungen  der  Rumpfathcrnmuskeln, 
wird  die  Ursache  im  Magen,  Darm,  Nieren,  Uterus,  Leber  sehr 
häufig  hnd  in  der  Regel  nicht  empfunden;  d.  h.  die  nach  dem 
Rückenmark  und  Gehirn  gelangende  centripetale  Erregung  kömmt 
nicht  zum  Bewusstseyu.  Bei  allen  Rellexionshcwegungen  von  Ge- 
rehrospinalnerven  aus  wird  dagegen  die  erregende  Reizung  deut- 
lich empfunden.  Auf  eine  Reizung  der  Sclileinihaut  des  Kehl- 
kopfes, der  Luftröhre,  der  Lungen  entsteht  durch  Reflexion  eine 
Action  in  vielen  Spinalnerven  bei  den  das  Husten  beglei- 
tenden Bewegungen  der  Rumpfmuskeln;  aber  jener  Reiz  in  der 
Schleimhaut  bringt  eine  deutliche  Empfindung  hervor.  Bei  dem 
Erbrechen  von  Kitzel  im  Schlunde  wird  dieser  (leutlich  empfunden. 
Rei  den  kram])fhaften  Athcmbcwegungcn  mit  Action  der  Spinal- 
herven  im  Niesen  wird  die  erste  Ursache  der  Reflexion  in  der 
Rase  deutlich  empfunden.  Bei  der  Verengerung  der  Iris  von  LichL- 
veiz  wird  das  Licht  als  Licht  deutlich  empfunden;  eben  so  bei 
tlem  Niesen,  welches  durch  Lichtreiz  auf  das  Auge  entsteht. 

V.  Die  Ganglien  des  N.  sympathicus  hemmen  nicht  die  Fortlei- 
^Ung  der  cenlripetalen  Wirkungen  des  ]Si.  sympathicus  zum  Rücken- 
mark; sie  sind  keine  Isolatoren  für  diese  Wirkungen.  Diess  ergiebt 
sich  aus  den  Thatsachen,  welche  in  den  vorherigen  Sätzen  an- 
gerührt  worden  sind;  denn  wenn,  wie  gezeigt  wurde,  bei  den 
Reflexionen,  wie  beim  Erbrechen  von  Reizen  im  N.  sympathicus, 
eine  Fortlcilung  zum  Rückenmark,  obgleich  ohne  Bewusstseyu, 
§eschieht,  so  können  die  Ganglien  nicht  Isolatoren  für  diese  Fort- 
leitung seyn.  Es  lässt  sich  dieser  Satz  aber  auch  direct  aus  dem 
®chon  öfter  angeführten  Versuch  beweisen,  dass  es  mir  mehrmal 
gelungen  ist,  bei  einem  Kaninchen,  dem  die  Bauchwandungen  ganz 
durchschnitten  waren,  durch  Zerrung  des  N.  .splanchnicus  mit 
dur  Nadel  eine  in  demselben  Augenblicke  erfolgende  Zuckung 
der  Bauchmuskeln  hei’vorzubringen,  W'as  wiederholt  bei  Ranin- 
ulien,  nicht  aber  bei  einem  Hunde  gelang.  Daraus  geht  hervor, 
duss  die  am  Grenzstrange  des  N.  sympathicus  befindlichen  Knoten, 


726  III.  Buch,  Neruenpkfsik.  III.  Abschn.  Mechanik  d,  Neruenprincips. 

von  welchen  der  N.  splanchnlcus  entspringt,  keine  Isolatoren  für 
centripetale  "WirkTingen  im  N.  syrnpatliicus  nach  dem  Rücken- 
mark seyn  können. 

VI.  Ans  den  vorher  angeführten  Thatsachen  geht  aher  aucn 
hervor,  dass  die  Ganglien  nicht  die  Ursache  der  Beu’usstlosigked 
der  Reizungen  in  dem  i\.  sympatldcus  seyn  können.  Nach  BraciiE”^ 
soll  zwar  die  Empfindung  in  den  Ganglia  thoracica  und  ihren 
Verhiiulungsfaden  scliw'ach  seyn  oder  fehlen,  dagegen  in  den 
Rami  commiinicantes  der  Ganglia  mit  den  Spinalnerven  deutlich 
seyn,  und  die  Verletzung  deutliche  Schmerzensemplindung  hervor- 
hringen;  diess  lässt  sich  aber  vor  der  Hand  mit  den  vorher  zer- 
gliederten Thatsachen  nicht  gut  vereinigen.  Denn  es  wurde  un- 
ter III.  und  V.  bewiesen,  dass  die  Reizungen  des  N.  sympathi- 
cus  eben  so  wüe  die  der  Cerebrospinalnerven,  aber  unbewusst, 
zum  Rückenmark  verpflanzt  werden.  Sollten  daher  die  Ganglien 
bloss  die  Qualität,  den  Inhalt  des  Eindrucks  hei  einer  centripeta- 
len  Leitung  verändern,  dass  die  ^Vil’kung  zwar  fortgeleitet  wird, 
aher  das  Qualitative  des  Schmerzes  daran  autgelioben  wird- 
Diese  Fragen  w’crden  so  abslract,  dass  man  darauf  nicht  antwor- 
ten kann.  Auf  das  llewusstwerden  selbst  können  die  Ganglien 
nicht  iullulren.  In  den  Ganglien  sel)>st  kann  die  Ursache  nicht 
liegen,  dass  bei  den  cenlripetalcn  Wirkungen  im  N.  sympathicuS 
durch  die  Ganglien  hindurch  das  Bewnsstseyn  ausfällt;  indein 
das  Bewusste  an  einer  Ernpfiiulungswirkung  erst  dadurch  ent- 
steht, dass  diese  Emplindungswirknng  zum  Organe  der  Seele  ge- 
langt. Es  muss  daher  die  Ursache,  dass  die  Empfindungswir- 
kungen des  N.  syinpathicus,  obgleich  sie  zum  Rückenmark  ge- 
langen, doch  nicht  zum  Bewnsstseyn  kommen,  nicht  in  den  Gan- 
glien, sondern  darin  liegen,  dass  diese  Wirkungen  im  Rücken- 
mark selbst  sich  ausgleichen,  und  nicht  bis  zu  der  Quelle  de* 
Bewusstwerdens  der  Empfindungen  fortgepflanzt  werden.  Be* 
den  Cerebrospinaliierven  gelangen  die  Empfindlingswirkungen  in*- 
mer  zur  Quelle  des  Bewusstwerdens  im  Gehirn;  wenn  sie  zu- 
weilen nicht  empfunden  werden,  so  liegt  die  Ursache  dari<*> 
dass  die  Seele  ihre  Intention  auf  anderes  gerichtet  hat. 

VII.  In  manchen  Füllen  erregen  he.ßige  Reizungen  in  den  i>of^ 
N.  sympatldcus  versehenen  Theilen,  Empfindungen  in  diesen  Thef' 
len  selbst;  in  anderen  Füllen  sind  die  Empfindungen  von  scluv“' 
cheren  Reizen  in  den  afficirten  Theilen  undeutlich,  und  deutliche  Et”' 
pfindungen  in  anderen , von  Cerebrospinalnerven  versehenen  TheiM^ 
vorhanden.  Beispiele  der  ersten  Art  zeigen  uns  die  Entzündung®^ 
des  Darmkanals,  der  Leber,  Beispiele  der  zweiten  Art  die  lebhat- 
ten  juckenden  Empfindungen,  welche  in  Krankheiten  des  Dariu- 
kanals,  wie  in  der  Wurmsucht,  an  der  Nase  und  am  After,  *1 
chronischen  Krankheiten  der  Nieren  und  Blase  an  der  Eid*®^ 
beobachtet  worden  sind,  während  der  Sitz  der  Reizung  oft  g®* 
nicht  durch  deutliche  Empfindungen  an  dem  Orte  selbst  sich  kunu- 
giebt.  Es  gehören  eben  so  bieher  die  Schmerzen,  die  man  bei  Hei'*' 
krankheiten  zuweilen  in  den  oberen  Extremitäten,  bei  Leberkrank- 
heiten in  der  Schulter  beobachtet  hat.  Diess  sind  Irradiationen,  gaO 
ähnlich  den  früher  p.  680.  bei  der  Irradiation  der  Cerebrospina 


6.  Mechanik  ^es  Jf,  sympatläcus.  Sensorieüß  Wirkungen.  727 

nerven  anfgefülirten  ErscKeinnngen.  Es  ist  hier  ungewiss,  oh 
die  Irradiation  im  N.  sympatliicus  selbst  bis  zu  Cerebrospinal- 
nerven sieb  fortpflanzt,  oder  ob  die  Irradiation  erst  durch  die  Ver- 
breitung der  Eindrücke  in  dem  Ilückenmark  und  Reflexion  entsteht. 

VIII.  Biese  secundären  Empfindungen  in  Cerebrospinalnerven, 
nach  Reizungen  des  N.  sympatliicus  zeigen  sich  besonders  an  den 
Endtheilen  der  afficirten  Apparate;  so  entsteht  Jucken  in  der  Nase 
bei  Wurmreiien  im  Darmkanal,  Afierjucken  bei  Wurmreizen  im 
Dickdarm,  Jucken  und  Schmerzen  der  Eichel  bei  Krankheiten  der 
Nieren  und  Harna>ege.  Man  erklärt  diese  secundären  Empfindun- 
gen in  Cerebrospinalnerven  gewöhnlich  durch  die  Verbindungen 
des  N.  sympathicus  mit  Cercbrospinalnerven , und'  rechnet  vor- 
zugsweise auf  die  Ganglien  der  Empfindungswurzeln  der  Spinal- 
nerven, durch  welche  die  Primitivfasern  der  Wurzeln  des  N. 
sympathicus  eben  so  gut,  wie  der  Cercbrospinalnerven,  durchge- 
hen. Diese  Erklärung  lässt  sich  weder  bestimmt  erweisen,  noch 
bestimmt  widerlegen ; doch  verliert  sie  einigermassen  an  Wahr- 
scheinlichkeit, wenn  man  bedenkt,  dass,  diese  Ganglien  der  Em- 
pfindungsnerven schon  nicht  die  Miteiu'pfindnngen  der  Cerebro- 
splnalnerven  erklären  können,  indem  oft  Nerven  in  einander 
Mitempfindnng  erregen,  die  in  keiner  Verbindung  stehen  und 
selbst  der  Ganglien  entbehren,  wie  z.  B.  die  Mitempfindung  des 
Kitzels  in  der  Nase  vom  Sehen  in  <lie  Sonne  von  keiner  Ner- 
venverbindung  erklärt  werden  kann.  Denn  wenn  auch  Zweige 
des  N.  sympathicus  v'om  Ganglion  spbenopalatlnum  zum  Ganglion 
ciliare,  und  Zwelgelcben  vom  sympathischen  Nerven  an  den  Gefäs- 
sen  der  Retina  beobachtet  worden  sind,  wie  sie  eigentlich  an  allen 
Gefässen  verkommen,  so  kennt  man  doch  keine  bestätigte  Verbin- 
dung des  N.  opticus  und  den  N.  nasales  selbst.  Eben  so  wenig  lässt 
sich  die  Veränderung  des  Sehens,  des  Hörens  bei  Krankheiten 
der  TJnterleibsorgane  durch  eine  solche  Verbindung  erklären,  da 
sie  hier  eben  so  wenig  existirt.  Man  denke  sich,  dass  der  N. 
sympathicus  wirklich  einige  Zweigelchen  in  die  Retina ' selbst 
schicke , so  Hesse  sich  selbst  daraus  nicht  einmal  die  Ver- 
breitung einer  Alfection  vom  Darmkanal  bis  zur  Retina  mit 
Veränderung  des  Sehens  erklären.  Denn  dazu  müssten  alle  Fa- 
sern des  Sehnerven  durch  eine  gangliöse  Masse  durchgehen. 
Wir  wissen  aber,  dass  eine  Reizung  eines  einzelnen  Punktes  in 
der  Retina  beschränkt  bleibt;  die  Verbindung  des  N.  sympathi- 
cus mit  der  Retina  in  einem  einzigen  Punkte  würde  also  auch 
bloss  möglicherweise  eine  Mitempfindung  in  diesem  einzigen 
Eunkte,  und  nicht  eine  allgemeine  Veränderung  des  Sehens  her- 
vorbringen können.  Wir  stossen  daher  bei  der  Erklärung  der 
secundären  Empfindungen  von  dem  N.  sympathicus  auf  dieselben 
Schwierigkeiten,  wie  bei  der  Erklärung  der  Irradiation  bei  den 
Cercbrospinalnerven,  und  es  wäre  wohl  möglich,  dass  alle  Mit- 
®Wpfinduugen  in  Cercbrospinalnerven,  die  vom  N.  sym])athicus 
^ogeregt  wei'den,  auch  erst  durch  Vermittelung  des  Rückenmar- 
kes und  Gehirnes  entstehen.  Dagegen  scheint  zwar  auf  den  er- 
sten Blick  zu  sprechen,  dass  in  den  vom  N.  sympathicus  verse- 
henen Theilen, ,da  wo  die  Reizung  ist,  oft  gar  nichts,  aber  wohl 
MUlIer’s  Pbfsiologie,  47 


728  HI.  Buch.  ]\'crt>enphfsik.  III.Abschn.  Mechanik  d.  Nervenprincips. 


in  einem  Rückenniarksnerven  etwas  empfunden  wird;  allein  die 
centripetale  Erregung  in  dem  N.  sympathicus  kann  sehr  wohl  zum 
Rückenmark  gelangen,  ohne  dass  sic  als  solche  zum  Bewusstseyn 
kömmt,  und  doch  vom  Rückenmark  weiter  Wirkungen  hervor- 
hringen,  z.  B.  hewnsste  Empfindungen  in  andern  Nerven  erregen- 
Dass^  diess  möglich  ist,  ist  unter  111.  bewiesen  worden. 

Man  sieht  aus  allem  diesem,  dass  die  Theorie  dieser  refle- 
ctirten  Empfindungen  vom  N.  sympathicus  aus  noch  ganz  im 
Dunkel  und  wenigstens  noch  sehr  zweifelhaft  ist. 

3,  Von  den  organischen  Wirkungen  des  Nervus  sympathicus. 


Die  Gesetze  dieser  Wirkungen  sind  uns  am  meisten  unbe- 
kannt. Wir  wissen  nicht  einmal  mit  Bestimmtheit,  oh  alte  orga- 
nischen Nerven  Wirkungen  vom  N.  sympathicus  herrühren,  und 
ob  auch  die  Absonderungen  derjenigen  Theile,  welche  mit  Cere- 
hrospinalncrvcn  versehen  sind,  mit  von  organischen  Nerven,  wel- 
che die  Gefässe  begleiten,  oder  auch  von  den  Cerebrospinalner- 
ven seihst  regulirt  werden  können.  Indessen  ist  es  freilich  vv'ahr- 
scheinlicher,  dass  diese  vegetativen  Veränderungen  überall  von 
organischen  Nerven  abhängig  sind,  und  wenn  die  Durchschnei- 
dung der  Spinalnerven'  auweilen  auf  die  Emährung  der  Theile 
einigen,  obgleich  geringen,  Einfluss  hat,  so  kann  diess  eben  so- 
wolil  von  der  Durchsclineidung  der  ihnen  eingewehten  organi- 
schen Fasern  herrühren.  Da  diess  sich  indess  nicht  mit  Sicher- 
heit entscheiden  lässt,  so  ist  nicht  möglich,  nur  einige  Grundzüge 
von  der  Mechanik  der  organischen  Wirkungen  zu  entwerfen. 
Bei  einem  Versuche  dazu  kann  inan  hypothetisch  die  in  den  Ce- 
rehrospinalnerven  wirksamen  organischen  Fasern  für  eigenthüm- 
lieh  halten;  und  es  fragt  sich,  vorausgesetzt,  dass  alle  organischen 
Wirkungen  im  ganzj;n  menschlichen  Körper  von  eigenthümlichen 
organischen  Nervenfasern  abhängen:  welche  sind  die  Gesetze  die- 
ser Wirkungen?  Ist  eine  Bewegung  oder  Osclllation  des  Ner- 
venfluldums  in  diesen  Nerven  nur  in  der  Richtung  von  den 
Stämmen  und  Ganglien  nach  den  Aesten  ( ccntrifugale  Wirkung); 
oder  auch  umgekehrt  möglich,  oder  wirkt  das  Nervenprincip  i® 
diesen  Nerven  nach  allen  Richtungen,  so  dass  eine  Nervenfaser 
eben  so  gut  den  belebenden  Einfluss  nach  einer  Drüse  hin  aus- 
strömen  kann,  als  eine  reflcctirende  Wirkung  nach  anderen  orga- 
nischen Nerven  von  einer  gereizten  Drüse  aus  ausühen  kann  • 
Stehen  ehe  organischen  Nerven  durch  ihre  Communicationen 
in  Wechselwirkung,  dass  man  von  einer  Stelle  aus  die  Absonde- 
rung einer  ganzen  Fläche  vermehren  kann;  oder  ist  bei  alle» 
solchen  Reflexionen  das  Rückenmark  als  aufnehmendes  nn® 
ausschickendes  Bindeglied  thätig?  Die  Thatsachen  lassen  sic» 
auf  beide  Arten  erklären;  und  es  lässt  sich  jetzt  nicht  mit  Gewis®' 
heit  bestimmen,  welche  Erklärung  die  richtige  ist.  Doch  gi»» 
es  gewisse  Fälle,  in  welchen  die  eine  oder  die  andere  Art  de* 
Wirkung  wahrscheinlicher  ist. 

/.  von  nach  Empfindungen  durch  Reflexion  Absonderungen 
entfernten  Thcilen  erfolgen,  ist  wahrscheinlich  das  Gehirn  und  Rü  - 


5.  Mechanik  des  N,  sympathicus.  Organische  Wirkungen,  729 

kenmark  das  Bindeglied.  Die  Empfindungsreizung  könnte  entwe- 
der von  den  Ganglien  der  Wurzeln  der  Empfindungsnerven,  durch 
welche  auch  Fasern  des  N.  sympathicus  durchgehen,  ohne  zum 
Rückenmark  zu  kommen,  zu  den  organischen  Fasern  gelangen, 
oder  vom  Rückenmark  ans  auf  diese  reflectirt  werden.  Das 
letztere  ist  offenbar  das  wahrscheinlichere,  da  die  Reflexion 
durch  das  Rückenmark  in  den  motorischen  Reflexionen  eine 
Thatsache,  die  Mittheilung  der  Wirkungen  der  Fasern  in  den 
Ganglien  der  Empfindungsnerven  eine  unerwiesene  Hypothese 
ist.  Die  Thatsachen,  welche  hieher  gehören,  sind  sehr  häufig. 
Nach  Einwirkungen  auf  die  inneren  Schleimhäute,  z.  B.  nach  Ge- 
tränken, bricht  oft  sogleich  ein  allgemeiner  Schweiss  aus.  Nach 
heftigen  Empfindungen  entsteht  zuweilen  mit  Zufällen  der  Ohn- 
macht ein  kalter  Schweiss.  Bei  den  letzteren  Erscheinungen  ist 
die  Reflexion  durch  das  Rückenmark  ganz  offenbar,  da  die  Er- 
scheinungen bei  der  Ohnmacht  eine  Breite  haben  können,  dass 
sie  nur  durch  das  Rückenmark  erklärt  werden.  Zweifelhafter  ist 
diese  Erklärung  bei  einigen  andern  Phänomenen  dieser  Art.  Nach 
einer  mit  Empfindungen  verbundenen  Reizung  der  Conjunctiva 
oculi  et  palpebrarum  entsteht  ein  Thränenfluss ; nach  heftigen 
Empfindungen  in  der  Schleimhaut  der  Nase  durch  fixe  Reizmit- 
tel, die  auf  die  Schleimhaut  der  Nase,  oder  flüchtige,  die  in  den 
Mund  gebracht  werden,  entsteht  ebenfalls  Thränenfluss.  Senf 
und  Meerrettig  erregen  zuweilen  schon  vom  Munde  aus  diese 
Erscheinung.  Man  pflegt  diese  Ersclieinungen  so  zu  erklären, 
dass  man  die  Empfindungsreiznng  von  dem  N.  elhmoidalis  auf  den 
Stamm  des  ersten  Astes  vom  N.  trigeminus,  und  von  dort  ans 
wieder  auf  den  N.  lacrymalis  reflectiren  lässt;  so  erklärt  man 
auch  den  Thränenfluss  von  Reizung  der  Conjunctiva,  indem  man 
die  Empfindungsreizung  der  Conjunctiva  auf  den  Stamm  des  er- 
sten Astes,  und  dort  wieder  auf  den  Ramus  lacrymalis  sich  re- 
flectiren lässt.  Indessen  ist  diese  Erklärung  für  beide  Fälle  feh- 
lerhaft. Denn  ein  Cerebrospinalnerve  kann,  da  keine  Communi- 
catlon  der  Primitivfasern  in  ihm  stattfindet,  auch  keine  Empfin- 
dungsreiznng eines  Theiles  seiner  Fasern  auf  andere  reflectiren. 
Andere  erklären  jene  Erscheinungen  von  Sjunpatbie  der  Nasen- 
schleimhant  mit  der  Tbränendrüse  durch  das  Ganglion  spheno- 
palatinum,  welches  nach  Einigen  durch  sympathische  Fäden  mit 
dem  Ciliarknoten  verbunden  seyn  soll.  Da  nun  dieser  durch  die 
lange  Wurzel  des  Ganglion  ciliare  mit  dem  N.  nasalis,  und  also 
mit  dem  Stamme  des  ersten  Astes,  der  den  N.  lacrymalis  abgiebt, 
■verbunden  ist,  so  sey  der  N.  lacrymalis  mit  dem  Ganglion  sphe- 
nopalatinnm  in  unmittelbarem  Zusammenhang.  Gegen  diese  Er- 
klärung lässt  sich  dasselbe  einwenden,  wie  gegen  die  vorige,  in- 
dem eine  Reizung,  die  zum  Ganglion  ciliare  auf  den  N.  nasalis 
his  in  den  Stamm  des  ersten  Astes  des  N.  Irigeminus  gelangt, 
ohne  Communication  der  Fasern  nicht  auf  den  Ramus  lacrymalis 
i'eflectirt  w’erden  kann.  Andere  endlich  lassen  die  Empflndungs- 
>’eiznng  von  der  Nase  auf  das  Ganglion  Gasseri  am  Stamme  des 
1^-  trigeminus,  und  von  dort  auf  den  ersten  Ast  des  N.  trigemi- 
Oäs  und  den  Ramus  lacrymalis  reflectiren.  Gegen  diese  Erklärung 

47* 


730  III.  Buch.  Neroenphysik.  III.Abschn.  Mechanik  d.  Nervenprinc^s. 

Hesse  sich  nichts  einwenden,  wenn  man  wüsste,  dass  das  Ganghon 
Gasseri,  als  Ganglion  eines  Empfindungsnerven,  Ursache  einer 
Sympathie  und  Reflexion  seyn  könnte,  wenn  es  bewiesen  wäre, 
dass  in  einem  Empfindungsnerven,  wie  der  N.  lacrymalis,  centri- 
fugale  Strömungen  stattfinden  könnten,  und  wenn  es  erwiesen 
wäre,  dass  der  N.  lacrymalis  wirklich  der  Thränendrüse  Fasern 
abgäbe,  welche  der  Absonderung  verstehen.  Da  die  Absonderung 
der  Thränen,  wie  überall,  wabrscheinlicb  von  bloss  organischen 
Fasern  des’  N.  sympathicus  bestimmt  wird,  so  würde  immer  die 
Erklärung  noch  am  einfachsten  seyn,  welche  die  Empfindungs- 
reizung von  der  Nase  auf  das  Ganglion  sphenopalatinum,  und 
bei  dem  Zusammenhänge  aller  organischen  Nerven  auf  irgend  ei- 
nem Wege  auf  die  Thränendrüse  durch  organische  Fasern  re- 
flectiren  lässt.  Ob  diese  Art  von  Reflexion  von  Erapfindungsner- 
ven  auf  organische  unmittelbar  ohne  Mitwirkung  des  Gehirns 
und  Rückenmarkes  möglich  ist,  ist  aber  gerade  der  Gegenstand 
der  Frage,  und  ich  weiss  keine  andern  Gründe,  als  die  Möglich- 
keit einer  solchen  Erklärung,  und  die  Unmöglichkeit,  sie  geradezu 
zu  widerlegen,  für  diese  Annahme.  Eine  sehr  häufige  Reflexion 
von  Ernpfindungsreizung  auf  Absonderung  ist  auch  die  oft  schnell 
vermehrte  Absonderung  des  Speichels  Ijei  der  Aufnahme  der 
Speisen  in  den  Mund.  Es  ist  hier  eben  so  ungewiss  , wie 
man  eine  solche  Reflexion  erklären  soll.  Die  Erklärung  dieser 
Reflexionen  durch  Mitwirkung  des  Gehirns  und  Rückenmarkes 
als  Vermittler  der  sensoriellen  und  vegetativen  Wirkung  hat 
wenigstens  die  Analogie  ähnlicher  Reflexionen  von  sensoriellen 
Wirlcungen  auf  motorische,  durch  Vermittelung  des  Gehirns  und 
Rückenmarkes,  für  sich.  Einige,  welche  in  ihren  Ansichten  von 
den  Ganglien  so  weit  zu  gehen  scheinen,  dass  nach  ihren  Vor- 
stellungen das  Ganglion  sphenopalatinum  am  zweiten  Ast  des 
Nerv,  trigeminus  fast  bloss  für  solche  Sympathien  gemacht  zu 
seyn  scheinen  sollte,  sollten  doch  bedenken,  dass  das  Ganglion 
sphenopalatinum  viel  wichtigere  Functionen  erfüllt,  indem  es, 
wie  man  am  besten  beim  Ochsen  und  Pferde  sieht,  eine  Menge 
von  organischen  Fasern  zu  der  Schleimhaut  der  Nase  sendet, 
welche  dort  gewiss  der  Absonderung  vorstehen. 

II.  Die  verschiedenen  Thcilc  einer  absondernden  Haut  stehen 
unter  einander  in  Consensus;  so  dass  der  Zustand  einer  Stelle  auf 
die  Beschaffenheit  der  ganzen  Ausbreitung  einer  Schleimhaut  Einfluss 
hat.  Es  ist  in  diesen  Fällen  einfacher,  die  Erscheinungen  durch 
Commmiicalion  der  organischen  Fasern  zu  erklären.  Schon  die  tag' 
liehe  Erfahrung,  dass  es  allgemeine  Affcclionen  einer  Schleim- 
haut, einer  serösen  Haut  giebt,  zeigt  uns  eine  Sympathie  in  der 
Ausbreitung  der  Membranen,  welche  wohl  durch  Communicatiou 
organischer  Fasern  erklärt  werden  könnte.  Hier  ist  diese  Er- 
klärung wahrscheinlicher;  aber  auch  sie  lässt  sieh  nicht  direct 

beweisen.  _ ,, 

///.  Zuweilen  wirkt  der  vegetative  Zustand  eines  Organes,^'' 
Entzündung,  die  Absonderung  desselben  auf  die  Hervorrufung  von  Ent- 
zündung, Absonderung  in  anderen  Theüen.  In  diesem 
wir  ein  Beispiel  der  Reflexion  von  organischen  Fasern  eines  Ihei 


5.  Mechanik  des  N,  sympatUcus.  Organische  Wirkungen.  731 

auf  organische  Fasern  eines  andern,  ohne  Mitmrkung  der  Cerehro- 
spinalnerven.  Eine  Entzündung  des  Hodens  kann  sich  auf  die 
Parotis,  eine  rothlatifartige  Entzündung  der  Haut  auf  die  Hirn- 
häute versetzen;  die  Unterdrückung  einer  Alisonderung  kann 
eine  andere  in  einem  andern  Theil  verstärken.  Wahrscheinlich 
sind  alle  diese  Erscheinungen  von  Veränderungen  in  den  die 
Blutgefässe  begleitenden  organischen,  zum  N.  sympathicus  gehö- 
rigen Fasern  verbunden.  Hier  frägt  sich  nun  wieder,  ob  solche 
Beflexionen  bloss  durch  Veränderung  der  Statik  des  N.  sympa- 
Ihicns  stattfinden,  oder  ob  das  Gehifn  und  Rückenmark  wieder  zwi- 
schen einer  centripetalen  und  centrifugalen  Wirkung  den  Ausschlag 
giebt.  Wir  haben  noch  keine Thatsachen,  dieseFrage  zu  entscheiden, 

I indess  ist  das  erste  in  mehreren  Fällen  wahrscheinlicher.  In  Mayeh’s 
Versuchen  (vrgl.  oben  p.  648.)  entstand  zuweilen  nach  Unterbindung 
des  N.  sympathicus  am  Halse,  also  des  Verbindungstheiles  zwischen 
dem  ersten  und  zweiten  Halsknoten,  eine  AfFcction  von  Theilen, 
die  erst  wieder  von  dem  ersten  Halsknoteu  influencirt  scheinen,  näm- 
lich des  Auges,  Augenentzündung.  Das  cigenthümliche  Verhalten 
der  organischen  Nerven,  dass  man  weder  Anfang  noch  Ende  leicht 
Unterscheiden  kann,  dass  sie  sich  nicht  wie  Stamm  und  Aestc  zu 
einander  verhalten,  sondern  auf  ihren  Wegen  sich  vermehren  kön- 
nen, spricht  allerdings  für  die  Möglichkeit  einer  allscitigen  Wir- 
I tung  in  diesen  Nerven,  so  dass  sie  keiner  centripetalen  und  ceu- 
trifugalen  Strömung  allein,  sondern  einer  nach  allen  Richtungen 
ausgehenden  Vertheilung  ihrer  Wirkungen  von  den  Centralpunk- 
ten der  Ganglien  fähig  sind;  für  diese  Ansicht  sjiricht  auch  der 
Umstand,  dass  ein  Weg,  einen  Theil  mit  organischen  Nerven  zu 
versehen , durch  einen  andern  ersetzt  w erden  kann.  Naeh  der 
Unterbindung  eines  Arterienstammes  werden  die  Nerven  der  Ar- 
terien ohne  Zweifel  mit  verletzt;  dennoch  erfolgt  kein  Absterben, 
keine  Atrophie,  kein  Auf  hören  der  Absonderung,  so  dass  es 
scheint,  dass  die  Gefässnerven  der  Collateralgefässe  diesen  Ein- 
fluss ersetzen  können,  oder  dass  organische  Fasern  in  den  Sjii- 
Ualnerven  diesen  Mangel  ersetzen.  Auf  der  andern  Seite  kann 
■wieder  der  Einfluss  der  Spinalnerven  aufhören,  ohne  dass  Atro- 
phie erfolgt.  Es  gehört  auch  hieher,  dass  nach  Durchschneidung 
des  N.  sympathicus  auf  beiden  Seiten  in  v.  Pommer  s Versuchen 
gar  keine  merkliche  nachtheilige  Wirkung  eintritt,  so  dass  viel- 
leicht andere  Wege,  wie  der  die  Arteriae  vertebrales  begleiten- 
den Fäden,  jene  Theile  des  Nervus  sympathicus  ersetzt  ha- 
Ben.  Jedenfalls  entsteht  eine  Versetzung  eines  pathologischen 
' Processes  immer  dahin,  wo  die  Disposition  zu  dem  Sitz  des- 
selben ist,  bei  dem  Lungenkranken  von  der  Haut  nach  den 
Lungen,  Lei  dem  Leberkranken  von  der  Haut  nach  der  Leber, 
hei  dem  Menschen  mit  reizbarem  Darrakanal  nach  diesem  u.  s.w. 
hei  der  Statik  der  Absonderungen  kömmt  übrigens  nicht  bloss 
flas  Nervensystem,  sondern  die  Natur  der  verschiedenen  Abson- 
herungsmatcrien  und  ihr  Verhältniss  zu  den  Bestaiidthcilcn  des 
hlutes  und  zu  einander  in  Betracht.  Unter  diesem  letzten  Ge- 
sichtspunkte ist  die  Statik  der  Absonderungen  indess  schon  oben 
P-  454.  betrachtet  worden. 


732  III.  Buch.  Nereenphysik.  III.  Ahschn.  Mechanik  d.  Nervenprincips. 

IV.  Die  Ganglien  scheinen  die  Centraltheile  zu  seyn,  von  wel- 
chen der  vegetative  Einßuss  auf  die  verschiedenen  Ttieile  ausströmt. 
Nach  Verletzung  des  obersten  Halsknotcns  hat  man  eine  Augen- 
entzündung, ja'  selbst  allgemeine  Erscheinungen  der  veränderten 
Ernährung  beobachtet. 

V.  Dieser  ausstrahlende  Einßuss  der  Ganglien  scheint  eine  ge- 
wisse Unabhängigkeit  von  dem  Gehirn  und  Rückenmark  zu  behaupten, 
insofern  die  Ausbildung  des  Embryo  mit  Zerstörung  des  Gehirns 
und  Rückenmarkes  möglich  ist.  Siehe  oben  p.  187.  Vergl.  Muel- 
lek’s  Archiv  für  Anatomie  und  Physiologie  1834.  p.  268. 

VI.  Indessen  scheint  doch  auch  das  Gehirn  und  Rückenmark 
die  Ilauptqueüe  zu  seyn,  wodurch  auch  das  organische  Nervensystem 
sich  allmäJdig  integrirt,  indem  gewisse  Gehirn-  und  Rückenmarksläh- 
mungen  auch  mit  Atroplde  verbunden  sind.  Vergl.  die  Bemerkun' 
gen  über  den  Schlaf  oben  p.  715. 

Indem  wir  die  Untersuchungen  über  den  N.  sympathicus 
schliessen,  müssen  wir  bedauern,  wie  vieles  noch  hier  dunkel  ist; 
indessen  glauben  wir  gezeigt  zu  haben,  wie  man  in  den  Unter- 
suchungen über  diesen  Nerven  verfahren  müsse,  und  manches 
wurde  durch  Anwendung  der  Mechanik  der  Cerebrospinalnerven 
auf  den  N.  sympathicus  klar,  dessen  Eigenschaften  Herrn  Ma- 
gehdie  so  unbekannt  schienen,  dass  er  Anstand  nahm,  ihn  für 
einen  Nerven  zu  halten. 


VI,  Capüel.  Von  den  Sympathien. 

In  den  vorhergehenden  Capiteln  sind  so  viele  Formen  sym- 
pathischer Erscheinungen  durch  die  Mechanik  und  Statik  der 
Nerven,  ohne  Antheil  des  N.  sympathicus  erklärt  worden,  dass 
dieser  Nerve  nunmehr  noch  eine  geringe  Rolle  in  der  Erklä- 
rung der  Sympathien  spielt.  Die  Phänomene  der  Irradiation^ 
der  Coincidenz  der  Einpfndungen,  der  Mitbewegungen,  der  Rß' 
flexion  gescbchen  nicht  durch  den  N.  sympathicus,  und  umfassen 
den  bei  W'citem  grössten  Tlieil  der  sympatliischen  Erscheinungen; 
welche  man  ehemals  durch  diesen  Nerven  verrichten  liess.  Aä 
der  Wahrheit  dieser  letzteren  Erklärungen  haben  schon  viele  nam- 
hafte Forscher  gezweifclt;  denn  die  alltäglichen  sympathischen  Ef' 
scheinungen  zwischen  allen  Theilen,  gerade  die  jErscheinung®/* 
des  gesunden  Consensus  zwischen  Uterus  und  Brüsten,  so  ’n''® 
mehrere  der  merkwürdigsten  pathologischen  Sympathien,  waren 
niemals  durch  den  N.  sympathicus  erklärbar.  Nur  in  einig®** 
pathologischen  Sympathien  zwischen  den  Sinnesorganen  und  dem 
N.  sympathicus  hat  man  diesen  Nerven  in  der  neuern  Zeit  wieder 
scheinbar  mit  mehr  Erfolg  zur  Erklärung  der  Sympathien  angewandt; 
wozu  die  trefflichen  Untersuchungen  von  Tiedemakn,  HmzEL,  A®' 
BOLD  viel  heigetragen  haben.  Indessen  werden  diese  Versuch® 
durch  die  feinere  Anatomie  der  Nerven  wieder  schwankend,  indem 
diese  uns  lehrt,  dass  wenn  auch  der  N.  sympathicus  sich  mi 
Gehirn-  und  Rückenmarksnerven  verbindet,  diess  noch  durchat;^ 
kein  Beweis  für  einen  physiologischen  Zusammenhang  der  p®®*' 


6.  Sympathieen,  S.  verschiedener  Theile  eines  Gewebes.  733 

pherischen  Theile  beider  Nerven  ist.  Denn  überall,  wo  an  sol- 
chen Verbindungen  des  N.  sympathicus  und  der  Gehirn-  und 
Rückenmarksnerven  keine  Ganglien  des  Sympathicus  liegen,  dui-ch 
welche  alle  Fasern  des  Cerebrospinalnerven  durchgehen , fällt 
die  Erklärung  eines  physiologischen  Zusammenhanges  weg;  aus- 
serdem, dass  er  schon  bei  solchen  Verbindungen  mit  Ganglien 
hypothetisch  ist,  und  die  Ganglien  auch  Apparate  zur  Einmi- 
schung organischer  Fasern  in  die  Cerebral-  und  Spinalnerven 
seyn  können.  Da  aber  ferner,  wo  der  N.  sympathicus  mit  mo- 
torischen Wurzeln  der  Spinalnerven  ziisammenhängt,  gar  keine 
Ganglien  Vorkommen,  sondern  diese  Verbindungen  eben  nichts 
anders,  als  ein  blosses  Auschliessen  von  Primitivlasern  sind,  so 
ist  das  Bereich  des  N.  sympathicus  in  allen  Ncrvensympathien 
mit  Bewegungen  anatomisch  noch  mehr  geschmälert.  Die  posi- 
tive Kenntniss  der  Erscheinungen  der  Irradiation,  Coincidenz, 
Mitbewegung  und  Reflexion,  und  die  grosse  Wahrscheinlichkeit, 
dass  diese  Phänomene  in  den  Cerebrospinalnerven  ganz,  und  in 
den  sympathischen  Nerven  wenigstens  zum  Tlieil  durch  Mitwir- 
kung des  Gehirns  und  Rückenmarkes  erfolgen,  hat  das  Wirkungs- 
feld des  N.  sympathicus  in  den  Sympathien  noch  viel  mehr  ge- 
schmälert, und  ihm  durch  Aufstellung  einer,  für  jetzt  schon  ziem- 
lich exacten  Statik  der  Nerven,  den  bei  weitem  grössten  Thcil 
der  Sympathien  ganz  entzogen.  In  dieser  Wendung  zeigt  sich 
etwas  Aehnliches,  wie  in  der  Pathologie  der  Fieber;  deren  Zahl 
um  so  grösser  war,  je  weniger  man  die  Krankheiten,  welche  die 
Fiebersymptome  erzeugen,  kannte,  und  welche  in  dei  neuem 
Pathologie  als  Krankheiten  eine  beschränkte  und  sehr  zweifel- 
hafte Rolle  spielen. 

Nachdem  wir  in  den  vorhergehenden  Capiteln  schon  die 
Gesetze  für  die  Erklärung  eines  grossen  Theiles  der  Sympathien 
kennen  gelernt  haben,  werden  wir  uns  jetzt  kurz  fassen,  und 
die  Sympathien  mehr  unter  allgemeinen  physiologischen  Ge- 
sichtspunkten auffassen. 

Die  sympathischen  Verhältnisse  der  verschiedenen  Theile 
des  Organismus  lassen  sich  unter  folgende  Gesichtspunkte  bringen. 

I.  Sympathien  der  verschiedenen  Theile  eines  Gewebes 
unter  sich. 

Diess  ist  eine  der  häufigsten  Arten  des  Consensus.  Die  ver- 
schiedenen Ausbreitungen  der  Schleimhäute  theilcn  sich  ihre  Zu- 
stände mit;  die  serösen  Häute,  die  fibrösen  Häute  u.  s.  w.  sind 
in  demselben  Falle.  Bei  der  consensuellcn  Erregung  verschiede- 
ner Theile  eines  Gewebes  ist  die  consensuelle  Affection  mit  der 
ursprünglichen  in  der  Regel  eins.  Die  Entzündung  pflanzt  sich 
fort,  die  Schmerzen  dehnen  sich  im  Umfange  des  Gewebes  aus; 
die  veränderte  Absonderung  ergreift  in  derselben  Art  die  naüe- 
iiegenden  Theile  des  ursprünglich  aflicirten  Gewebes. 

a.  Zellgewebe. 

Schon  das  Zellgewebe  besitzt  eine  grosse  Neigung  zur  Mil- 
tbeilung  seiner  Zustände  über  seine  Verlängerungen  hin.  Die 


734  III. Buch,  Nervenphysik.  Ill.Jbschn.  Mechanik d.Nereenprinc^s. 

Krankheiten  desselben,  das  Emphysem,  das  Oedem,  die  Zellge- 
webeverhärtung , die  Fettsucht,  die  Entzündung  und  Vereiterung 
des  Zellgewebes,  liefern  Beispiele  davon.  Diese  Krankheiten 
sehreiten  oft  über  ganze  Streeken  des  Zellgewebes  zwischen  den 
Muskeln,  Gefässen,  aponeurotischen  Ausbreitungen  hin,  indem  sie 
bloss  das  interslitiäre  Zellgewebe  verfolgen.  Deswegen  wird  auch 
die  Kenntniss  der  natürlichen  Grenzen  der  Zellgewebeausbreitun- 
gen, nämlich  der  Fascien,  für  die  Würdigung  der  Zellgewebeei- 
terungen so  wichtig. 

b.  Aeuxsere  Haut. 

So  offenbar  der  lebhafte  Verkehr  der  äussern  Haut  mit  in- 
neren Theilen  ist,  so  zeigt  uns  doch  dieselbe  keine  sehr  lebhafte 
Wechselwirkung  ihrer  Zustände  in  verschiedenen  Theilen  ihres 
Verlaufs.  Eine  reine  Hautentzündung  kann  beschränkt  seyn. 
Indessen  besitzt  sie  als  Ausscheidungsorgan  für  gewisse  Stoffe 
auch  eine  gewisse  Affinität  gegen  in  den  Säften  circulirende  feh- 
lerhafte Materien;  wodurch  ihr  allein  eigenthümliche  Krankhei- 
ten, acute  und  chronische  exantliematische  Hautenzündungen,  sich 
in  ihr  in  einer  flächenhaften  Ausbreitung  ausbilden.  Viel  häufi- 
ger sind  indess  die  Sympathien  der  äussern  Haut  mit  den  inneren 
Theilen,  für  welche  sie  die  gemeinsame  Grenze  nach  aussen  hin 
bildet;  wovon  die  Beispiele  später  angeführt  werden. 

c.  Schleimhäute, 

Die  Schleimhäute  haben  eine  grosse  Neigung,  ihre  Zustände 
einander  nach  dem  Verlaufe  der  Membranen  mitzutheilen.  Der 
Catarrh  der  Lnngenschleimhaut  zieht  leicht  dieselbe  Aflection  in 
der  Wasenscbleimhaut  in  Folge.  Der  Catarrh  der  letztem  affi- 
cirt  die  Schleimhaut  der  Thränenwege  und  die  Conjunctiva.  Im 
Stadium  irritationis  des  Schnupfens  ist  das  Auge  wie  die  Nasen- 
schleimhaut röther  und  trockner;  im  zweiten  Stadium  werden 
beiderlei  Theile  feucht.  Auch  die  Schleimhaut  der  custachischen 
Trompete  und  Trommelhöhle  kann  im  Catarrh  afficirt  seyn, 
was  sich  durch  das  nicht  selten  begleitende  Symptom  catai-rhali- 
scher  Affectioner,  Schwerhörigkeit  und  Ohrenbrausen,  äussert. 
Im  Catarrh  der  Nasenschleimhaut  ist  auch  die  Schleimhaut  der 
Stirnhöhlen,  wahrscheinlich  auch  der  anderen  Nebenhöhlen  der 
Nase  alllcirl;  man  empfindet  einen  dumpfen  Druck  in  der  Ge- 
gend der  Stirn.  In  einem  gleichen  engen  Zusammenhänge  ste- 
hen die  verschiedenen  Theile  des  Schleimhautsystems  des  TractuS 
intestinalis.  Der  Zustand  des  Magens  wirkt  auf  den  des  ganzen 
Darmkanals,  und  verändei't  seine  Secretlonen.  Die  Schleimhaut 
des  Mundes  wird  der  Ausdruck  des  Zustandes  der  Schleimhaut 
des  Magens  und  Darmkanals.  Aus  einer  trocknen  Zunge  schlles- 
sen  wir  mit  Recht  auf  einen  ähnlichen  Zustand  In  der  Schleim- 
haut der  Speiseröhre  und  des  Magens,  aus  der  Röthe  derselbe^ 
aus  dem  Beleg  auf  gleiche  Zustände  innerhalb  des  Alagens  und 
Darmkanals.  So  stehen  wieder  die  Schleimhäute  der  Genitahe® 
und  Harnwerkzeuge  im  sympathischen  Zusammenhänge.  D*® 
häufige  Irritation  der  Geschlcchtstheile  bewirkt  leicht  einen  chro- 
nisch-inflammatorischen Zustand  der  Harnblase,  der  Nieren  un 
Phthisis  vesicalis , Phthisis  renalis,  so  wie  sich  zur  Phthisis  laryn-" 


0.  Sympatldeen,  S.  perschiedener^  Theäe  eines  Gewebes.  735 

gea  und  tracliealis  später  Plithisis  pulmonalis  gesellt.  Aber  nicht 
blo^s  die  anatomisch  zusammenhängenden  Schleimhäute,  sondern 
selbst  die,  ganz  getrennten  haben  eine  ähnliche,  obgleich  gerin- 
gere Tendenz  zur  Mittheilung  ihrer  Zustände.  Man  kann  des- 
halb eine  vennehrte  Absonderung  in  einer  Schleimhaut  nicht 
durch  eine  vermehrte  Absonderung  in  einer  andern,  oder  durch 
Antogonismus  heilen.  Man  kann  eine  Blennorhoe  der  Genita- 
lien nicht  durch  künstliche  Diarrhoe  heilen.  Zuweilen  sehen  wir  die 
Schleimhaut  der  Athernorgane  im  Consensus  mit  derjenigen  des 
Magens;  es  ist  bekannt,  dass  manche  Zustände  des  Magens  eine 
Äeizung  auch  in  den  Athemwerkzeugen  unterhalten , Tussis  ga- 
strica.  Am  Ende  des  Phthisis  pulmonalis  entsteht  auch  ein  in- 
flammatorischer Zustand  in  der  Muscosa  des  Darmkanals,  wüe 
die  Darmgeschwüre  der  Phthisiker  zeigen.  Endlich  zeigen  uns 
die  colliquativen  Blennorhoeen  der  Schleimhäute  ein  Beispiel  ei- 
nes gleichen  Zustandes  im  ganzen  Schleimhautsystera,  der  von 
einem  einzelnen  Theile  desselben  ausgehen  kann;  wie  z.  B.  so- 
wohl in  den. Lungen  als  im  Darmkanal,  oder  in  den  Genitalien 
die  erste  Ursache  einer  alhnähligen  Veränderung  aller  Schleim- 
häute liegen  kann. 

d.  Seröse  Häute. 

Bei  einer  primären  AfFection  einer  serösen  Haut  werden  in 
der  Folge  oft  alle  anderen  serösen  Häute  in  dieselbe  AfFection 
gezogen.  Zum  Hydrops  ascites  gesellt  sich  in  der  Folge  Hydro- 
thorax;  doch  gehören  nicht  alle  Fälle  von  Wassersucht  in  ver- 
schiedenen Theilen  hlehcr.  Die  Wassersucht  entsteht  oft 
durch  eine  Entmischung  des  Blutes  gleichzeitig  in  mehreren 
Theilen,  oder  auch,  wenn  die  Circulation  ln  einem  wichti- 
gen Organe  unterbrochen  ist.  In  diesen  Fällen  geht  also  die 
Sympathie  nicht  sn  sehr  von  den  serösen  Häuten  selbst  aus,  als 
Von  der  Verbreitung  der  Ursache. 

Eine  reine  Sympathie  der  serösen  Häute  ist  aber,  wenn  in 
folge  einer  primären  Entzündung  einer  serösen  Haut  auch  die 
anderen  serösen  Häute  sich  entzünden.  So  folgt  zuweilen  der  Ent- 
zündung des  Bauchfelles  Entzündung  der  Pleura,  Entzündung  der 
Arachnoldea,  und  diese  letzte  in  dem  wichtigsten  Organe  ist 
vielleicht  die  Ursache  des  Todes. 

e.  Fibröses  System, 

Die  fibrösen  Häute  stehen  unter  einander  in  einer  solchen 
angen  Verbindung,  dass  eine  örtliche  Verletzung  derselben  sehr 
häufig  bedeutende  ausgebreitete  Zufälle  nach  sich  zieht. 

Zu  den  fibrösen  Häuten  gehören  die  Beinhaut,  die  Dura  ma- 
ter,  die  Sclerotica,  Albuginea  des  Hodens,  äussere  Haut  der 
^ilz,  die  Sehnen,  Bänder  und  sehnigen  Mnskelscheiden.  Eine 
ürtliche  rheumatische  AfFection  setzt  sich  leicht  über  alle  fibröse 
Verbindungen  fort,  wechselt  ihren  Ort,  indem  sie  aber  immer  gern 

natürlichen  Verbindungen  der  fibrösen  Häute  verfolgt.  Die 
Verletzung  der  Bänder , Aponeurosen , des  fibrösen  Bänder- 
gewebes  an  Fuss  und  Hand  ist  oft  mit  ausgebreifeten  Zufällen 
Verbunden;  die  Entzündung,  die  Anschwellung,  die  Schmerzen  setzen 
®ich  nämlich  von  der  ursprünglichen  Stelle  der  Reizung  zuweilen 


736  III,  Buch,  Nervenphysik,  III,  Abschn,  Mechanik  <1.  Nervenprinclps. 

üher  die  Muskelsclieiden,  ja  über  die  Beinhaut  der  Knochen  fort. 
Die  gichtische  Entzündung  des  Auges,  welche,  wie  die  Gicht  nkey" 
haupt,  das  fibröse  Gewebe  liebt,  so  in  dem  Auge  ihren  Sitz  in 
der  Sclerotica  hat,  ist  mit  ihrem  Schmerz  nicht  auf  das  Auge 
fixirt,  sie  zeichnet  sich  vor  allen  anderen  Augeneutzündungen  da- 
durch ans,  dass  die  ganze  Seite  des  Gesichtes,  im  Verfolg  der 
Beinhaut,  die  Scheide  des  Schläfenmuskels,  die  Galea  aponeurotica 
von  den  lebhaftesten  Schmerzen  ergriffen  sind. 

Die  innere  und  äussere  fibröse  Haut  des  Cranlum,  nämlich 
die  Dura  mater  des  Gehirns,  die  Beinhaut  des  Schädels  und 
die  Galea  aponeurotica  stehen  in  Consensus,  und  wieder  rod 
der  Sclerotica.  Affectionen  der  Dura  mater  erregen  Allectionen 
der  Sclerotica;  Affectionen  der  Galea  aponeurotica  und  Beinhaut 
können  sich  auf  die  Dura  mater  versetzen.  Umgekehrt,  ist  die 
Dura  mater  örtlich  entzündet,  so  ist  es  auch  zuweilen  die  Bein- 
haut  äusserlich. 

Dass  bei  den  Sympathien  des  fibrösen  Systemes  auch  die 
Nerven  im  Spiele  sind,  lässt  sich  theils  aus  dem  Vorbandenseyn 
organischer,  die  Gefässe  begleitender  Nerven  in  allen  gefässhal- 
tigen  Theilen  schliessen;  aus  Arnold’s  Entdeckung  kennen  wii 
aber  auch  geradezu  die  Existenz  von  Nervenzweigen  in  einer 
fibrösen  Haut,  in  der  Dura  mater,  welche,  wie  mein  verehrter 
College  Schlemm  bestätigt  gefunden  hat,  Zweige  vom  ersten  Ast 
des  N.  trigeminus  erhält. 

f,  Knochenßeeeehe  und  Knorpelgewebe, 

Sympathien  des  Knochengewebes  unter  sich  sind  selten. 
Wohl  ist  in  manchen  Krankheiten,  wie  in  der  B.liachitis  und  inj 
zweiten  Stadium  der  Venerie,  das  ganze  Knochengewebe  überall 
afllcirt,  aber  diese  Büdungskrankheiten  kann  man  weniger  uO' 
ter  die  Sympathien  rechnen ; die  Reizung  ist  hier  allgemein 
mit  fehlerhafter  Bildung  ' der  Knochenmaterie.  Indessen  gieb 
es  doch  auch  deutliche  Beispiele  von  reiner  Sympathie  ■ de* 
Rnochengewebes.  Wenn  nämlich  eine  Krankheitsursache  aut 
die  Oherfläche  eines  Röhrenknochens  wirkt,  so  wird  in  de»’ 
darauf  folgenden  Entzündung  nicht  leicht  die  blosse  Ober*' 
fläche,  sondern  die  ganze  Dicke  des  Knochens  bis  zur  Mark' 
höhle  aflicirt;  in  der  ganzen  Dicke  verändert  sich  das  KnocheO' 
gewebe;  und  eben  so  folgt  nach  Zerstörung  des  Markes  eine* 
Röhrenknochens  auch  wieder  Entzündung  und  AufschwelluUö| 
sowohl  innen  als  aussen  bis  zur  äussern  Oberfläche.  Ueberhaup 
ist  das,  was  man  Exostosen  nennt,  in  der  grössten  Mehrzab 
der  Fälle  keine  Krankheit  der  Oberfläche  des  Knochens,  sonder** 
der  ganzen  Dicke  des  Knochens,  wie  ich  mich  durch 
schneidung  vieler  Exostosen  überzeugt  habe.  Daher  entspric^^ 
einer  äussern  Exostose  an  einem  Röhrenknochen  in  der 
eine  innere  Exostose  gegen  die  Markhöhle.  (Man  sieht,  gelegep  ' 
lieh  gesagt,  hieraus  allein  schon  deutlich,  wie  wenig  richtig  ‘V 
wenn  man  der  Beinhaut  einen  wesentlichen  Antheil  an  der  Bi 
düng  der  Exostosen  zuschreibt.) 

Von  den  Knochen  kennen  wir  bis  jetzt  keine  Nerven,  dürle* 


6.  Sympathieen,  S.  oerschiedener  Theile  eines  Gewebes.  737 

jedoch’  die  Existenz  von  Gefässnerven  in  ihnen  so  gut,  -wie  in 
allen  gefässhaltigen  Theilen  voraussetzen. 

g.  Muskelgewebe. 

Man  hat  dem  Muskelge-wehe  die  Fähigkeit,  sympathisch  er- 
regt zu  -werden,  in  hohem  Grade  zugesprochen.  Man  hat  ange- 
führt, dass  die  Reizung,  welche  die  Contraction  eines  Muskels  zur 
Folge  habe,  häufig  von  einer  Menge  sympathischer  Convulsionen 
anderer  Muskeln  begleitet  sey.  Allein  diese  Sympathien  beruhen 
nicht  in  dem  Gewebe  selbst,  sondern  in  der  Sympathie  der  Be- 
wegungsnerven; 'der  Muskel,  dessen  Bewegungsnerve  von  dem 
übrigen  Nervensystem  getrennt  ist,  ist  zwar  selbst  noch  erregbar 
auf  einen  äusseren  Reiz,  er  pflanzt  diesen  aber  nie  fort  auf 
andere  Theile  desselben  Gewebes,  es  entstehen  keine  sympathi- 
sche Convulsionen. 

Die  sympathischen  Krämpfe  des  Muskelsystems  sind  daher 
nicht  eigentlich  Sympathien  des  Gewebes  unter  sich,  sondern 
Sympathien  der  Nerven.  Die  übrigen  wenigen  Krankheiten, 
welche  noch  in  den  Muskeln  Vorkommen,  wie  die  Entzündung  und 
Eiterung  sind  auch  immer  beschränkt,  sie  verbreiten  sich  nicht 
wie  in  den  anderen  Geweben,  sie  sind  auf  die  örtlichen  Stellen 
der  Reizung  beschränkt.  Ausser  den  sehr  seltenen  Muskelent- 
zündungen, den  Degenerationen  und  dem  Krampfe  kennt  man  aber 
fast  gar  keine  Krankheit  der  Muskeln  weiter.  Alles  diess  überzeugt 
Uns,  dass  das  Muskelgewebe  keiner  lebhaften  Sympathie  in  sich 
Und  mit  anderen  Theilen  unterworfen  sey. 

h.  Lymphatisches  System. 

Zu  dem  lymphatischen  System  gehören  die  Lymphgefässe 
Und  die  Lymphdrüsen. 

Krankheiten  des  lymphatischen  Systems  sind  sehr  selten  ört- 
lich; wenn  sie  ursprünglich  entstehen  und  nicht  sympathische 
Krankheiten  anderer  Organe  sind,  befallen  sie  in  der  Regel  das 
ganze  System  unter  der  Form  einer  ja  gewisse  Krankhei- 

ten sind  auf  das  Gewebe  des  lymphatischen  Systems  fast  beschränkt, 
wie  z.  B.  die  Scrofeln.  Geht  aber  die  Reizung  von  einer  örtli- 
chen Stelle  des  Lymphsystems  aus,  [so  verbreitet  sie  sich  schnell 
Sympathisch  über  grosse  Strecken.  Ist  eine  Lymphdrüse  primär 
durch  äussere  Reizung  in  Entzündung  gesetzt,  so  werden  bald 
die  umliegenden  Drüsen  ergriffen,  sie  schwellen  an,  wenn  sie 
auch  selbst  nicht  in  Entzündung  gerathen.  Manche  primäre 
Reizungen  des  Lymphsystems  gehen  von  Giften  aus,  die  von  den 
hymphgefässen  aufgenommen  worden.  Wird  an  einer  Stelle 
Quecksilber  eingerieben,  so  entsteht  oft  eine  ausgebreitete  Reizung 
des  lymphatischen  Systems,  und  die  Lymphdrüsen  der  verscliiedenen 
Stellen  des  Körpers  können  gleichzeitig  in  Affection  gezogen 
■'yerden.  Die  Entzündung  der  Lymphgefässe,  die  von  einer  ört- 
lich giftigen  Einwirkung  ausgeht,  verbreitet  sich  schnell  über 
alle  Verzweigungen  in  einem  Gliede,  und  in  einem  solchen  Falle 
*sl  die  Haut  überall  nach  dem  Verlaufe  der  Lymphgefässe  von 
i’uthen  Streifen  durchzogen. 

Eben  so  häufig  sind  die  Sympathien  der  Lymphgefässe  mit 
den  Lymphdrüsen.  Eines  der  gewöhnlichsten  Phänomene  in  den 


738  III.  Buch.  Neruenphysik.  III,  Abschn.  Mechanik  d.Nercenprincips. 

Bildangskrankheiten  der  grossen  Eingeweide  ist  dio  Anschwellung 
der  Lymplidriisen  in  der  Umgegend. 

So  schwellen  die  Lymplidriisen  des  Halses  an  bei  organischen 
Krankheiten  der  Organe  des  Halses,  der  Glandula  thyreoidea; 
bei  den  Bildungskrankheiten  der  Brüste,  namentlich  beim  Krebs 
der  Weiberbrust,  die  Axillardrüsen;  die  Lymphdrüsen  des  Unter- 
leibes bei  den  organischen  Krankheiten  des  Magens,  des  Darm- 
kanals überhaupt,  die  Lymphdrüsen , welche  die  Gallengänge  be- 
gleiten, bei  den  organischen  Krankheiten  der  Leber,  die  Ingui- 
naldrüsen in  den  organischen  Krankheiten  der  Hoden,  der  Ure- 
thra, der  Prostata. 

Eben  so  häufig  sind  die  sympathischen  Anschwellungen  der 
Lymphdrüsen  bei  entzündlichen  Aifectionen,  wie  nach  Stichwunden, 
Zerreissungen , Zerquetschungen.  Nach  der  Anwendung  eines 
Blasenpllasters,  welches  Entzündung  der  Haut  setzt,  schwellen 
oft  die  Lymphdrüsen  an,  eben  so  beim  Blutschwären,  beim 
Wurm  am  Finger.  In  dem  letzten  Falle  sind  sogar  oft  die 
Lymphgefässe  des  ganzen  Armes  bis  zu  den  Achseldrüsen  im  Zu- 
stande der  Beizung.  Bei  der  Entzündung  der  Harnröhre  im  Tripper, 
in  den  entzündlichen  Krankheiten  der  Hoden  schwellen  oft  die  In- 
guinaldrüsen als  sogenannte  Bubonen,  bei  entzündlicher  Affection 
der  Mamma  die  Axillardrüsen,  bei  entzündlicher  Affection  der 
Parotis  die  Halsdrüsen  an. 

Diese  sympathischen  Anschwellungen  unterscheiden  sich  von 
der  ursprünglichen  Affection  meist  dadurch,  dass  sie  verschwinden, 
sobald  die  Krankheit  des  primär  afficirten  Organs  aufhört, 
dass  sie  chronisch  sind  hei  einer  chronischen  Krankheit,  acut 
bei  einer  acuten,  und  endlich,  dass  in  der  sympathischen  Affection 
sich  das  Gewebe  ausser  der  Anschwellung  von  dem  natürlichen 
Zustande  in  der  Regel  nicht  entfernt. 

Im  Allgemeinen  kann  man  sagen,  dass  man  von  Jeder  Stelle 
der  Körperlläche,  die  mit  Lymphgefässen  durchzogen  ist,  eine  weit 
verbreitete  lymphatische  Irritation  erregen  kann.  Diese  Irritation 
kann  sowohl  durch  eine  materielle  Einimpfung  eines  Krank- 
heitsstoffes, als  nach  einer  Verletzung  erfolgen,  wobei  keine  Ma- 
terie aufgenommen  und  verbreitet  wird,  wie  nach  mechanischer 
Verletzung  oder  nach  Verbrennung.  Man  sieht  also  daraus,  dass  zu 
dieser  Sympathie  die  materielle  Verbreitung  eines  Krankheitsstoffes 
in  den  Lymphgefässen  wenigstens  nicht  nöthig  -ist.  Die  lympha- 
tische Irritation  kann,  wie  von  Verletzung  der  äussern  Kör- 
peroberfläche, eben  so  leicht  von  ursprünglicher  Reizung  der 
Innern  Körperoberfläche  erfolgen.  Und  wir  haben  hier  eine 
ganz  parallele  Reihe  von  Erscheinungen.  So  wie  nach  Entzün- 
dung der  Haut  durch  Verbrennung  eine  lymphatische  Irritation 
der  Umgegend  bis  zu  den  nächsten  Lymphdrüsen  entsteht,  ehe® 
so  erfolgt  auf  Entzündung  der  Mucosa  des  Darmkanals,  wenn 
sie  einigermaassen  andauert,  eine  Irritation  der  Lymphgefässß 
und  Lymphdrüsen  des  Mesenteriums,  und  gerade  diejcnig®’' 
Lymphdrüsen  und  Lymphgefässe  entzünden  sich  und  schwellen 
an,  welche  den  entzündeten  Stellen  des  Darmkanals  entsprechen} 


6.  Sympathieen.  S.  verschiedener  Theile  eines  Gemehes.  739 

wie  wir  ein  so  deutliclies  Beispiel  bei  den  Darmgescbwüren  im 
Typhus  abdominalis  sehen. 

Zuweilen  enthalten  die  von  einem  eiternden  Theile  kommen- 
den Lymphgcfässe,  gleichwie  die  Venen,  Eiter.  Siehe  Cruveillier 
Anat.  path,  livr.  13.  Auch  die  entsprechenden  Lymphdrüsen  kön- 
nen vereitern.  Man  würde  unrichtig  schliessen,  dass  dieser  Eiter 
durch  die  Lymphgefässe  aufgesogen  worden.  So  wie  er  in  den 
Venen  des  Amputationsstumpfes  von  Venenentzündung  entsteht, 
eben  so  entsteht  er  in  den  Lymphgef'assen , die  von  einem  ent- 
zündeten Theile  kommen,  von  Fortpflanzung  der  Entzündung. 
Die  Entzündung  und  Vereiterung  der  Lymphdrüsen  des  Mesen- 
teriums hei  Darmgeschwüren  im  Typhus  abdominalis  liefert  deut- 
lich den  Beweis , dass  wenigstens  in  diesem  Falle  der  Elter  in 
den  Lymphgefässen  und  Lymphdrüsen  seihst  entstanden  ist. 
i.  Blutgefässe. 

Wenn  man  bedenkt,  dass  die  Sympathien  des  Pulses  mit 
den  Krankheiten  der  Organe  nicht  so  sehr  Sympathie  der  Arterien 
selbst  als  des  Herzens  sind,  und  wenn  man  ferner  in  Erwägung 
zieht,  dass  die  örtlichen  Krankheiten  der  Arterien  ziemlich  beschrankt 
sind  auf  die  Stelle  der  Reizung,  und  nicht  die  Tendenz  haben, 
sich  in  der  Breite  auszudehnen,  wie  die  Entzündung  und  Erwei- 
terung der  Arterien,  so  sind  wir  zu  dem  Schlüsse  berechtigt, 
dass  die  Sympathien  der  Arterien  im  Allgemeinen  geringe  sind. 
Wenigstens  dürfen  wir  dicss  von  den  Häuten  der  grösseren  Arte- 
rien und  Zweige  annehmen. 

Aber  dem  Nervensystem  werden  wir  einen  Einfluss  auf  den 
Zustand  der  Arterien  zuschreihen  müssen,  welcher  unabhängig 
von  dem  Herzen  ist,  diess  beweisen  die  Veränderlichkeit  des 
Hautturgors  in  den  Leidenschaften,  die  örtlichen  Congestionen  und 
wieder  der  Collapsus , die  in  Folge  einer  bloss  leidenschaftlichen 
Aufregung  in  den  äusseren  Theilen  entstehen. 

Es  ist  schwierig  zu  unterscheiden,  ob  bei  einer  allgemei- 
nen Affection  der  Venen  diese  ursprünglich  von  einem  Theile 
des  Venensystems  ausgegangen  und  sich  allmählich  sympathisch 
Verbreitet,  oder  ob  die  nächste  Ursache  der  Krankheit  auf  einen 
grossen  Theil  des  Venensystems  zugleich  gewirkt  hat.  Indessen 
Zeichnet  es  das  Venensystem  ans,  dass  seine  Krankheiten  in  der 
Siegel  keine  ganz  örtlichen  sind,  wie  die  Atonie  und  Varicosität 
der  Venen  zeigen. 

Einen  dlrecten  Beweis  von  der  ansgebreiteten  Sympathie 
der  Venen  giebt  die  Venenentzündung;  sie  entsteht  örtlich  im 
^erlaufe  einer  Vene  durch  Ursachen,  welche  überhaupt  Venen- 
entzündung setzen,  z.  B.  durch  einen  schlechten  Aderlass,  durch 
die  Verletzung  eines  Varix,  ferner  in  Amputationswunden,  am  Ute- 
der  Wöchnerinnen,  verbreitet  sich  aber  von  der  örtlich  ent^ 
kündeten  Stelle  so  schnell,  dass  sie  in  kurzer  Zeit  alle  Venen- 
®tämme  des  Gliedes  erreicht.  Die  Venenentzündung  ist  daher,  wenn 
nicht  auf  der  Stelle  richtig  erkannt  und  behandelt  wird,  ge- 
wöhnlich tödtlich;  sie  geht  in  Eiterung  der  Venen  über.  Eine 
*^orkwürdige  Sympathie  der  Venen  unter  sich  ist  die  Erschlaffung 
'^d  Erweiterung  der  Venen  in  der  Umgegend  einer  Geschwulst 


740  III.  Buch.  Nerfcnphysik.  III.  Ahschn.  Mechanik  d.  Nert>enprincip.i. 

mit  entartetem  Gefässsystem.  Diese  Disposition  zur  Enveiterung 
und  Erschlaffung  der  kleinen  Venen  zeigt  sich  zuweilen  über 
den  ganzen  Körper  verbreitet,  bei  Cachexien  und  Dyskrasien, 
und  erzeugt  eigenthümliche  Farbenveranderung , wie  z,  B.  die 
blauen  Ringe  um  die  Augen  u.  a. 

k.  Drüsengemebe. 

Wenn  auch  gewisse  Krankheiten,  wie  die  Scrofelsucht  und 
der  Krebs,  die  Tuberkeln,  als  Bildungskrankheiten  vorzüglich 
das  drüsige  Gewebe  ergreifen,  so  ist  doÄ  ein  allgemeines  Leide« 
des  Drüsengewebes  in  diesen  Krankheiten  nicht  ans  Sympathie  zu 
erklären,  sondern  es  liegt  in  der  Natur  dieser  Krankheiten,  dass 
sie  diess  Gewebe  besonders  ergreifen , und  die  Verbreitung  geht 
nicht  so  sehr  von  einer  örtlichen  Reizung,  sondern  von  einer 
allgemeinen  Anlage  des  Drüsengewebes  aus,  die  sich  dann  zU 
einer  vollkommenen  Krankheit  ausbildet,  wenn  das  Drüsenge- 
webe örtlich  gereizt  wird.  Gleichwohl  ist  es  nicht  zu  bezwei- 
feln, dass,  wenn  eine  Krankheit  in  einer  einzelnen  Drüse  beginnt, 
sie  durch  die  Sympathie  der  verschiedenen  Theile  der  Drüse 
leichter  die  ganze  Drüse,  als  die  fremdartige  Umgebung  errei- 
chen wird,  tjnter  die  sympathische  Reizung  des  Drüsengewebes 
gehört  aber  folgende  Thatsache : 

Dass  alle  Absonderungsorgane,  wie  sie  ihre  Reizung  auf  die 
Ausführnngsgänge  reflectiren,  so  auch  in  einen  Zustand  sympathi- 
scher Reizung  gerathen,  wenn  ihre  Ausführungsgänge  ursprünglich 
gereizt  werden;  so  bedingt  die  Gegenwart  der  Speisen  im  Munde 
einen  grossem  Zufluss  des  Speichels  aus  den  Speicheldrüsen,  die 
Gegenwart  einer  Sonde  in  der  Blase  die  vermehrte  Absondemng 
des  Urins  aus  den  Nieren  (?),  die  Reizung  der  Glans  penis  eine  ver- 
mehrte Absonderung  des  Samens,  die  Reizung  der  Schleimhaut 
des  Auges  eine  vermehrte  Absonderung  der  Thränen.  So  ist  es 
ebenfalls  Thatsache,  dass,  während  die  Speisen  noch  im  Magen 
enthalten  sind,  der  Ausfluss  der  Galle  in  den  Dünndarm  nuf 
gering,  dass  sich  dieser  aber  im  zweiten  Stadium  der  Verdauung, 
wenn  der  Chymus  mit  der  innern  Haut  des  Dünndarms  in  Berüly 
rnng  kommt,  sehr  vermehrt,  und  dass  umgekehrt  im  Hunger  d»n 
Ausscheidung  der  Galle  sehr  vermindert  ist. 

Die  Materialien,  welche  wir  in  diesem  Alischnitte  mitgethen 
haben,  hat  vorzüglich  Bichat,  in  seiner  allgemeinen  Anatom*®, 
dem  Lichte  der  physiologischen  Anatomie  zugänglich  gemacht, 
ein  W^erk,  welches  mehr  wahren  Inhalt  der  allgemeinen  Patho- 
logie, als  unsere  mehrsten  Lehrbücher  der  allgemeinen  Patholo' 
gie  enthält.  Auf  welche  Art  die  Sympathien  der  verschieden®® 
Theile  eines  Gewebes  erfolgen,  ist  sehwer  zu  entscheiden.  Einig® 
leiten  dieselben  unabhängig  von  den  Nerven,  von  der  Glelchhei^ 
und  dem  continuirlichen  Verlaufe  eines  Gewebes  ab.  Ist 
Verbreitung  der  Entzündung  z.  B.  durch  diese  Art  von  Anste 
kung  möglich?  Ist  die  Materie  eines  Gewebes  unabhängig 
dem  Einfluss  der  Nerven  fähig,  durch  eine  Art  von 
Gewebetheile  gegen  einander  eine  Reizung  weiter  zu  leiten  ? »V 
sind  nicht  im  Stande,  diese  Frage  zu  lösen.  Andere  leiten  ^ 
Sympathien  im  Verlaufe  des  Gewebes  von  den  Nerven  ab.  Da 


6.  Sympathieen.  S.  verschiedener  Gewebe  unter  sich.  741 


viele  der  hieher  gehörigen  Erscheinungen  auf  diese  Art  erklärt 
werden  müssen,  scheint  daraus  hervorzugehen,  dass  auch  Schleim- 
häute, welche  anatomisch  nicht  Zusammenhängen,  seröse  Haute, 
Welche  untereinander  keine  Communication  haben,  doch  Erschei- 
nungen von  Sympathie  darbicten.  Siehe  oben  p.  735.  Gleichwohl 
lassen  sich  diese  Erscheinungen  auch  so  erklären,  dass  eine  in 
das  Blut  anfgenommene  oder  dort  ausgehildete  krankhafte  Mate- 
rie eine  Affinität  gegen  das  ganze  Schleimhautsystcm  n.  s.  w.  hat. 
Bei  der  Ausbreitung  der  Empfindungen  in  den  verschiedenen 
Theilen  eines  Gewebes  sind  aber  offenbar  die  Nerven  mit  thätig; 
Und  hier  frägt  es  sich  nun,  ob  die  Irradiation  z.  B.  in  den 
Schleimhäuten  durch  einen  vorauszusetzenden  Zusammenhang  der 
peripherischen  Nervenzweige,  oder  durch  Mitwirkung  der  Cen- 
traltheile  erfolgt.  Vergl.  oben  p.  727. 


II.  Sympatliicu  verscliiedcner  Gewebe  unter  sieh. 

Diese  zw'elte  Form  von  Sympathie  ist  viel  seltener  als  die 
erste.  In  der  Regel  geht  eine  krankhafte  AlFection  innerhalb  ei- 
nes und  desselben  Gewebes  viel  leichter  von  einem  auf  ein  an- 
deres Oi^an  über,  als  dass  in  einem  und  demselben  Organe  ein 
Gewebe  seinen  Zustand  einem  andern  Gewebe  überträgt.  Die 
Tunica  mucosa  des  ganzen  Darmkanals  kann  krankhaft  ahson- 
dern,  ohne  dass  die  Tunica  muscnlaris  mit  afficirt  ist;  unter  ei- 
nem krankhaften  serösen  Ueberzuge  des  Herzens  kann  gesunde 
Muskelsubstanz  liegen ; die  Tunica  mnsculosa  des  Darmkanals 
kann  ohne  Veränderung  der  Tunica  mucosa  und  serosa  desselben 
krampfhaft  afficirt  seyn.  Die  Tunica  serosa  kann  Wasser  abson- 
dern, ohne  Mitleiden  der  andern  Häute  eines  Organes.  Indessen 
giebt  es  doch  Sympathien  dieser  Art.  Es  ist  hier  zu  bemerken, 
dass,  wenn  die  Sympathien  verschiedener  Theile  desselben  Ge- 
webes in  der  Regel  gleiche  Zustände  bedingen,  in  den  Sympa- 
Ihlcu  verschiedener  Gewebe  die  Affectionen  der  in  Wechselwir- 
Itung  tretenden  Gewebe  nach  ihren  Lehenseigenschaften  auch 
Verschieden  sind;  nur  die  Entzündung  ist  auch  hier  eine  in  glei- 
cher Art  sich  mittheilcnde  Veränderung.  Die  hieher  gehörenden 
Consensuellen  Erscheinungen  sind  vorzüglich  folgende : 

1)  Zwischen  der  äussern  Haut  und  den  ScJdeindüiuten.  Diese 
®ind  sehr  häufig.  Viele  Krankheiten  der  Schleimhäute,  nament- 
lich die  Entzündungen  und  Blennorhoeen , entstehen  oft  durch 
Wirkung  einer  Krankheitsursache  auf  die  äussere  Haut,  und  um- 
gekehrt.  Auf  Erkältung  der  äussern  Haut  erfolgt  Lungenentzün- 
‘lung,  Halsentzündung,  Darmentzündung  etc.,  oder  catarrhalische 
^ffectionen  dieser  Häute,  und  zwar  jedesmal  in  der  Schleimhaut 
desjenigen  Organes,  welches  nach  individuellen  Eigenthümlich- 
^eiten  mehr  als  die  äussere  Haut  in  der  Disposition  zu  Krank- 
heiten ist.  Nach  ausgedehnten  Verbrennungen  der  äussern  Haut 
^htsteht  zuvveilen  Entzündung  der  Lnngenschleimhaut,  Magen- 
^Bleimhaut.  In  den  exanthematischen  Affectionen  der  äussern 
Y®ut  leiden  zuweilen  die  Schleimhäute  mit.  Andrerseits  verän- 
eine  Krankheit  der  Schleimhäute,  z.  B.  ein  gastrischer 


742  III.Buch,  liervenphjsik.  IILAbschn,  Mechanik d.Nervenprinclps. 

Zustand,  die  Absonderung,  den  Turgor,  die  Farbe  der  äussern 
Haut.  Aucb  wirkt  man  durch  die  äussere  Haut  consensuel 
auf  die  Scbleimbäute,  wie  bei  Anwendung  der  Kälte  auf  die  äus- 
sere Haut  bei  Blutungen  aus  Sclileimbäuten.  ^ ^ 

2)  Zwischen  der  äussern  Haut  und  den  serösen  Häuten.  H*® 
Wasserergiessungen  der  serösen  Häute  vermindern  regelmässig 
die  Absonderung  der  äussern  Haut,  und  durch  Unterdrückung 
der  Hautabsonderung  entstehen  hinwieder  zuweilen  Wasserer- 
giessnngen  in  den  serösen  Häuten,  sowohl  bei  vorher  gesundem 
Zustande  der  Haut,  als  bei  Störungen  der  Hautexantheme.  End- 
lich verursachen  Krankheitseinllüsse,  welche  auf  die  äussere  Ham 
wirken,  nicht  selten  Entzündungen  der  serösen  Häute.  ^ 

3)  Zwischen  dem  Hrüsengewehe  und  den  Schleimhäuten.  Ich 
habe  schon  oben  erwähnt,  dass  eine  Drüse,  die  in  eine  Schleim- 
haut ansführt,  in  lebhafter  sympathischer  Verbindung  mit  dieser 
Schleimhaut  steht,  wie  denn  das  Drüsengewebe  nicht  allein  al9 
eine  Verlängerung  'des  Ausführnngsganges , und  dieser  als 
Setzung  der  Schleimhaut  betrachtet  werden  kann , sondern  auc 
die  dem  Darmkanal  adnexen  Drüsen  aus  dem  Darmkanal  selbs 
anfangs  hervorkeimen.  Siehe  oben  p.  362.  Wir  dürfen  uns  daher 
nicht  wundern,  wenn  die  Reizung  der  Mundschleimhaut  die  Ab- 
sonderung des  Speichels  vermehrt,  die  Reizung  der  Conjunctiva 
einen  Thränenfluss,  die  Indigestion  eine  Salivation  bewirkt. 

4)  Zwischen  den  Schleimhäuten  und  den  serösen  Häuten  zeigt 

sich  seltener  eine  solche  Wechselwirkung. 

5)  Zwischen  den  fibrösen  Häuten , der  Markhaut  der  Knöchel* 

und  dem  Knorpel-  und  Knochengewehe  findet  hingegen  eine  sehr  in' 
nige  Beziehung  statt.  Der  Zustand  der  Beinhaut  wirkt  auf  den 
des  Knochens  und  umgekehrt.  Nach  Entzündung  der  Belnhaut 
folgt  häufig  Aufschwellung  des  darunter  liegenden  Knochens,  und 
bei  Knochenauftreibungen  wird  auch  die  Beinhaut  verdickt- 
Nach  Entzündung  der  Markhaut  der  Knochen  entsteht  auch  Aul- 
Schwellung  der  ganzen  Dicke  des  Knochens.  Nach  Zerstörung 
der  Beinhant  erfolgt  die  äussere,  nach  Zerstörung  der  Markham 
die  innere  Necrose  der  Röhrenknochen.  Siehe  oben  p.  389.  Die«® 
Wechselwirkung  gründet  sich  vorzüglich  auf  den  Umstand,  da«* 
sowohl  von  der  Beinhaut  als  von  der  Markhaut  aus,  unzählig® 
feine  Gefässe  von  aussen  und  innen  in  das  Innere  des  KnocheO* 
eindringen.  . 

Ein  aufmerksamer  Arzt  wird  diese  Beispiele  von  Syrnpathma 
zwischen  verschiedenen  Geweben  leicht  vei-mehren  können. 
Erklärung  dieser  Sympathien  kann  nicht  in  allen  Fällen  diesm 
seyn.  Absondemde  Häute  stehen  an  und  für  sich,  abgesebe^ 
von  den  Nerven,  durch  die  Wirkung  des  Zustandes  der 
derungen  auf  die  Säftenmasse  in  einem  antagonistischen  Verbal ' 
nisse.  Siehe  oben  p.  454.  Andere  Erscheinungen,  bei  welche^ 
weniger  allein  die  Absonderung  als  der  gesummte  Lebenszustao 
der  Häute  verändert  wird,  wie  bei  der  l^haften  Wechsel wirkuob 
der  Haut  und  der  Schleimhäute,  gehören  mehr  zu  den 
menen  der  durch  Mitwirkung  der  Nerven  zu  erklärenden  J 

Siehe  oben  p.  731.  In  Hinsicht  der  Wechselwirkung  der  Drus 


Sympathien.  S.  der  Gewebe  mit  den  Organen.  743 

mit  den  Schleimhäuten  ist  es  ungewiss,  oh  die  Sympathie  durch 
Reflexion  oder  durch  Wechselwirkung  der  Nerven  selbst  unter 
Mitwirkung  des  N.  sympathicus  erfolgt.  Die  Wechselwirkung 
der  äussern  und  innern  Beinhaut  der  Knochen  mit  den  Knochen 
ist  endlich  durch  ihre  Gefässverhindungen  und  die  Wechselwir- 
kung ihres  Gefässgewebes  zu  erklären. 

III.  Sympathien  der  einzelnen  Gewebe  mit  ganzen  Organen. 

Die  Krankheit  eines  ganzen  Organes-,  an  welcher  ein  weiter 
verbreitetes  Gewebe  Antheil  hat,  theilt  sich  den  Fortsetzun- 
gen dieses  Gewebes  über  das  ursprünglich  aflicirte  Organ  hin- 
aus mit,  und  umgekehrt  kann  der  Zustand  eines  Gewebes  auf  den 
eines  zusammengesetzten  Organs  wirken. 

Als  Beispiele  dieser  Art  von  Sympathie  kann  man  vorzüglich 
das  Verhältniss  der  Eingeweide  zu  der  äussern  Haut,  zu  den 
Schleimhäuten,  serösen  Häuten  anführen. 

Durch  die  äussere  Haut  kann  eine  Krankheitsursache  zu  je- 
dem zur  Krankheit  disponirten  Organe  Eingang  finden,  und  an- 
derseits können  Reizungen  und  Ableitungen,  auf  der  äussern  Haut 
angebracht,  wieder  auf  die  Krankheitszustände  jedes  besondern 
nahegelegenen  Organes  wirken.  Auch  werden  Blutungen  innerer 
Theile  durch  Wirkung  der  Kälte  auf  die  Haut  gestillt.  Endlich 
kann  sich  eine  exanthematische  Krankheit  der  flaut  auf  alle  in- 
neren Theile  versetzen. 

Die  serösen  Häute  participlrcn  immer  an  den  Zuständen 
der  Organe,  welchen  sie  einen  Ueberzug  geben.  Bei  den  or- 
ganischen Bildungskrankheiten  der  Eingeweide  leiden  die  serösen 
Häute  nicht  allein,  wo  sie  das  Eingeweide  überziehen,  sondern 
in  ihrer  ganzen  Ausbreitung  mit.  So  entsteht  in  Folge  einer 
organischen  Krankheit  der  Lungen  Brustwassersucht,  des  Her- 
zens Herzheutelwassersucht,  der  Leber  Bauchwassersucht,  der 
Gebärmutter  und  der  Eierstöcke  Bauclnvassersucht,  bei  organi- 
schen Krankheiten  des  Hodens  Hydrocele.  Dabei  gilt  das  Er- 
fahrungsgesetz, dass  gewöhnlich  die  dem  kranken  Organe  zu- 
nächst gelegenen  serösen  Häute  sympathisch  aflicirt  werden. 
Ferner  sind  in  den  Krankheiten  der  Eingeweide,  an  welchen 
Schleimhäute  participiren,  die  Schleimhäute  in  grösserer  Ausdehnung 
immer  aflicirt.  Bei  den  organischen  Krankheiten  der  Gebärmut- 
ter entsteht  weisser  Fluss.  Bei  den  Krankheiten  der  Lungen  sind 
die  Schleimhäute  der  Bronchien  aflicirt.  Bei  den  Bildungskrank- 
beiten des  Magens,  des  Darmkanals  entsteht  oft  eine  anhaltende 
Verstopfung  aus  Mangel  an  Absonderung  in  der  Schleimhaut  des 
Traetus  intestinalis. 

Bei  dem  entzündlichen  Zustande  einer  Schleimhaut  ist  das 
ganze  System  ergriffen,  die  nahegelegcnen  Muskeln  sind  ent- 
weder in  ihren  Bewegungen  gehemmt,  wie  die  Schlundniuskeln 
iß  der  Entzündung  des  Schlundes,  oder  sie  sind  kramj>niaft  af- 
ficirt,  wie  das  Zwerchfell,  die  Intercostalmuskeln  im  Reizhusten, 
'''welcher  von  der  Schleimhaut  der  Lungen  ausgeht.  Mechani- 
sche Reizung  der  Schleimhaut  bringt  dieselbe  Wirkung  her- 
M ü 1 1 e r’d  Physiologie,  48 


744  III.  Buch.  Nerpenphfsik.  III.Ahschn.  Mechanik  d.Nervenprincips. 

vor.  Man  kennt  die  Krämpfe,  welclie  von  meclianiscker  Irri- 
tation der  Stimmritze  entstellen,  das  Würgen  nacli  der  Heizung 
der  Schleimliant  des  Sclilundcs;  die  Reizung  der  Sclileimliaut  der 
Blase,  der  Ureteren  durch  Steine,  durch  Entzündung  bewirkt 
Krampf  des  Sphincter  ani,  des  Sphincter  vesicae  urinariae,  An- 
ziehung des  Hodens  durch  den  Musculus  cremaster.  Wir  ha- 
ben schon  oben  gesehen,  dass  die  Reizung  der  Schleimhäute 
durchgängig  krampfbafte  Athembcwegungen , wie  beim  Erbre- 
chen, Niesen,  Schluchzen,  Husten  u.  s.  w.  ei'zeugen  könne, 
und  verweisen  in  Hinsicht  der  Erläuterung  dieser  Erscheinungen 
auf  p.  333. 

Von  allen  Membranen  haben  die  fibrösen  die  geringste 
Wechselwirkung  mit  anderen  Organen,  selbst  mit  den  Organen, 
welcbe  sie  umkleiden.  Diese  zum  Schutz  und  zur  Befestigung 
bestimmten  Theile  sind  in  dieser  Hinsicht  fast  Isolatoren.  Nur 
die  Entzündung  der  fibrösen  Häute  kann  wegen  des  Blutverkehrs  und 
der  Wechselwirkung  der  Gefässe  heftige  Symptome,  auch  in  den 
von  ihnen  umkleideten  Organe  hervorbringen,  gleicliwie  die  Ent- 
zündung der  Dura  mater  mit  heftigen  Hirnsymptomen  verbun- 
den  ist. 

Die  Sympathien  einzelner  Gewebe  mit  ganzen  Organen  tinaen 
übrigens  theils  in  den  Gesetzen  der  Reflexion  (p.  688.,  716.,  725., 
728.),  wenn  solche  Theile  in  keiner  Verbindung  stehen,  vrie  die 
Haut  und  innere  Organe,  tlieils  in  der  Wechselwirkung  der  Ge- 
fässverbindungen  und  Gefässnerven  verbundener  Theile  (wie  des 
Uterus  und  der  Schleimliant  der  Genitalien)  ihre  Erklärung. 

rV.  Sympathien  ganzer  Organe  unter  sich. 

Obgleich  es  zu  den  Grundbegriffen  des  Organismus  gehört, 
dass  ein  Organ  auf  alle  anderen  wirken  kann : so  ist  doch^  die 
Leitung  der  Zustände  vorzüglich  zwischen  den  Organen  gewisser 
Systeme  oder  Organgrnppcn  erleichtert.  Die  bieher  gehörenden 
Sympathien  sind  folgende: 

1)  Zwischen  Organen,  welche  eine  gleiche  Bildung  und  Fun- 
ction haben,  wie  zwischen  den  verschiedenen  Speicheldrüsen, 
zwischen  dem  Herzen  und  den  Blutgefässen,  zwischen  Magen 
und  Darmkanal,  zwischen  den  Ccntralorgaiien  des  Nervensystems. 

2)  Zwischen  Organen,  welche,  obgleich  von  verschiedener 
Bildung,  doch  zu  demselben  Organsystem  gehören,  wie  die  ver- 
schiedenen Organe  des  chylopoetischen  Systems  (Darmkanal,  Drü- 
sen, Milz),  des  uropoetischen  Systems,  der  Genitalien,  der  beiden 
letzteren  unter  sich,  des  respiratorischen  Systems(Kchlkopf,  Luft- 
röhren, Lungen). 

3)  Zwischen  Organen,  welche  in  anatomischem  Zusammen- 
hänge durch  Gefässe  und  ihre  Nerven  stehen , wie  Lungen 

und  Herz.  _ _ j i r 

4)  Zwischen  allen  wichtigeren  Eingeweiden  und  den  Oen- 
traloi-rranen  des  Nervensystems.  Hieher  gehören  die  Mit-Affection 
des  Gehirns  bei  Entzündung  der  Eingeweide,  der  Leber,  der 
Luncen,  des  Darmkanals,  die  Affectionen  des  Magens  und  der 


6,  Sympathien.  S.  der  Nerven,  745 

Leber.  Polycbolie,  Leberentzündung,  naeh  Verletzungen  und  Rei- 
zungen des  Gebirns  etc. 

Die  sympatbiscben  Erscbeinungen  dieser  Art  werden  tbeils 
durch  die  Abhängigkeit  verschiedener  Organe  eines  Systems, 
oder  anatomisch  zusammenhängender  Theile  von  {gleichen  Ans- 
strahlungspunkten des  Nervcneintlusses,  tbeils  dxirch  den  Einfluss 
der  Centralorgane  des  Nervensystems  auf  alle  Organe  erklärt. 
Dass  die  Ccntralorgane  hierbei  wahrscheinlich  einen  grossem  Ein- 
fluss als  die  Communicaüon  der  sympathischen  Nerven  ausühen,  sieht 
man  an  gewissen,  durch  Nervenzusammenhang  oder  anatomischen 
Zusammenhang  ganz  unerklärlichen  Sympathien,  wie  zwischen 
Brust  und  Genitalien,  zwischen  Kehlkopf,  Athemw'erkzeugcn, 
und  Genitalien  bei  der  Entwickelung  der  Pubertät,  bei  Ausschwei- 
fenden und  Castraten.  Sympathien,  welche  bis  jetzt  auch  keiner 
andern  Erklärung  als  derjenigen  der  Reflexion  fähig,  sind  die  der 
Parotis  und  des  Hodens,  deren  entzündliche  Affectionen  sich  zu- 
weilen von  einem  auf  das  andere  Organ  versetzen. 

V.  Sympathien  der  Nerven  selbst 

Obgleich  die  Nerven  die  Ursachen  des  grössten  Tbeils,  wenn 
nicht  aller  consensuellen  Erscheinungen  sind,  so  trennen  wir 
doch  diejenigen  Sympathien,  hei  welchen  die  Wechselwirkung 
bloss  zwischen  Nerven  erfolgt,  oder  wo  wenigstens  ein  Nerve  es 
ist,  w'elcher,  dem  Einflüsse  eines  andern  Theiles  ausgesetzt,  sym- 
pathische Erscheinungen  zeigt.  Man  kann  die  hieher  gehörigen 
Facta  folgendermaassen  ordnen: 

I.  Sympathien  der  Nerven  mit  den  Centraltheilen  des  Nerven- 
systems. Die  Nerven  erfordern  zu  ihrer  naturgemässen  Tliätigkeit 
nicht  allein  den  beständigen  Einfluss  der  Centralorgane,  wie  meine 
Und  Sticrews  Versuche  (p.  614.)  zeigen,  nach  welchen  ein  von 
dem  Gehirn  und  Rückenmark  längere  Zeit  getrennter  Nerve 
gänzlich  seine  Reizbarkeit  verliert;  auch  die  Ccntralorgane  kön- 
nen durch  die  Nerven  verändert  werden.  Die  hieher  gehörigen 
Phänomene  sind  zum  Tlieil  schon  in  dem  Capitel  von  der  Re- 
flexion p.  688.  angeführt  w'orden.  Wir  bedienen  uns  dieser  Wech- 
selwirkung in  einer  Menge  von  Fällen  zur  Heilung  von  Ki-ank- 
heiten  der  Ccntralorgane.  Wir  erregen  das  Rückenmark  selbst, 
indem  wir  die  von  ihm  cntspringendcTi  Nerven  durch  Bürsten 
der  Haut  und  andere  Friclionen,  durch  .Senfteige,  Rlascnpfla- 
ster,  Moxen,  Haarseile  u.  s.  w.  reizen ; wir  w'irken  auf  das  Gehirn  und 
Rückenmark  vermittelst  der  Nerven  hei  den  kalten  und  warmen 
Fädern,  bei  den  Sturzbädern,  beim  Auftröpfeln  kalten  Wassers 
®ut  Hautslellen.  Bisher  waren  diese  Thatsachen  zwar  bekannt, 
Weniger  aber  diejenigen  physiologischen  Thatsachen,  aus  welchen 
^an  jene  ableiten  kann;  jetzt  aber  kann  man  sich  aus  den  bei  der 
Lehre  von  der  Rellexion  erläuterten  Erscheimingcn  einen  deutli- 
chen Begrifl'  von  dem  Processe  jener  Wechselwirkung  machen. 
An  jedem  Theile  des  Körpers,  namentlich  der  Haut,  kann  man 
uurch  mechanische,  galvanische,  chemische  Einwirkung  in  den 
"'^on  dort  entspringenden  Nerven  eine  heftige  ccntripetale  Wir- 

48  * 


746  IILBuch.  Nervenphysik.  III.Ahschn.  Mechanik  d.Neroenprincips. 

kung  erzeugen,  welclie,  wenn  sic  öfter  wiederholt  wird,  im  Stande 
ist  den  gesunkenen  Lehensprocess  in  denjenigen  Thcilen  des  Ge- 
hirns und  Rückenmarkes,  von  welehen  jene  IVerven  entspringen, 
anzufachen  und  so  niittell)ar  auch  auf  antlere  Theile  der  Central- 
or^ane  zu  wirken.  Für  die  Therapie  ergiebt  sich  aus  diesen  Be- 
trachtungen, dass  wir  auf  die  Centralorgane  auf  sehr  verschiedene 
Art  einziiwirken  vci’mögen,  nämlich: 

1)  Durch  unmitteihnre  Einwirkung  auf  dieselben  durch  in  den 
Darmkanal,  oder  durch  die  Haut  eingellösste  und  ins  Blut  auf- 
genommene Materien,  eine  Methode,  die  sich  in  sehr  vielen  Fäl- 
len w'egen  der  Unwirksamkeit  solcher  Mittel  erfolglos  zeigt. 

2)  Durch  Wirkung  auf  die  von  den  Centralorganen  entsprin- 
genden Nerven,  wovon  die  Therapie  die  herrlichsten  Erfolge  sieht. 

II.  Sympathien  der  Bea’e^niigs-  und  Empfindungsnerven.  In 
dem  vorhergehenden  Falle  haben  wir  nur  die  Veränderung 
der  Centralorgane  seihst  durch  Eindrücke  auf  die  Emplindungs- 
nerven  ins  Auge  gefasst;  hier  erwägen  wir  die  hierbei  auch 
erfolgenden  Rückwii  klingen  von  den  Centralorganen  auf  an- 
dere^ Empfindungsnerven  oder  Bewegungsnerven.  Die  centri- 
petale  Erregung  der  Empfindungsnerven  wirkt  nicht  hloss  auf 
die  Centralorgane,  sie  ivird  auch  von  diesen  redectirt.  Diese 
Rellexion  findet  auch  zwischen  verschiedenen  Enipfindungsner— 
ven  statt.  Daher  sind  wir  im  Stande,  die  Thätigkeit  eines 
Empfindungsnerven,  der  unserer  Beliandhing  nicht  zugänglich  ist, 
wie  des  Geliürncrven,  des  Gesichtsnerven,  durch  Reizung  anderer, 
ihm  physiologisch  und  in  Hinsicht  des  Ursprunges  verwandter 
Empfindungsnerven  anzuregen.  Hierauf  gründet  sich  die  Behand- 
lung der  Schwerhörigkeit,  der  Amblyopie  mit  Hautreizen  u.  s.  w. 
Die  Beispiele  von  Reflexion  von  Enipfindungsnerven  auf  Bewe- 
gungsnerven dui-ch  Vermittelung  des  Rückenmarks  und  Gehirns 
haben  wir  schon  oben  p.  688.  ausführlich  mitgetheilt.  Ich  er- 
wähne hier  nur  als  Anhaltspunkte  die  auf  Reizung  der  Retina  er- 
folgende Bewegung  der  Iris,  die  krampfhaften  Athemhewegungen 
des  Hustens,  Erbrechens,  Niesens,  Schluchzcns  u.  s.  w. , auf  Em- 
pfindungsreizungen in  der  Sclileimhaut  der  Lungen,  des  Schlun- 
des, Magens,  .Darmkanals,  das  Niesen  nach  Lichtreiz,  die  Bewe- 
gungen der  Augeulicdcr  auf  Empliudiingsz’ciznng  der  Retina  und 
des  Nerv,  acusticus.  Die  Erklärung  aller  dieser  Erscheinungen 
ist  bereits  gegeben ; an  ihnen  hat  der  Nervus  sympathlcus 
gar  keinen  Aulheil;  die  Reflexion  erfolgt  hier  überall,  wie  be- 
wiesen worden ,.  durcli  Vei'iuittelung  des  Gehii'ns  und  Rücken- 
markes. Durcli  die  Reflexion  von  den  Empfindungsnerven  auf 
die  Bewegungsnerven  vermittelst  des  Gehirns  und  Rückenmarkes 
heilen  wür  zuweilen  örtliclie  Lähmungen  einzelner  Nerven,  z.  B. 
des  N.  faeialis,  die  Ptosis  ])id])ebrarum  durch  Reizung  der  Ge- 
sichtsnerven u.  s.  w.  .Bei  allen  diesen  seit  langer  Zeit  erjirobten 
Heilversuchen,  die  unter  1.  und  11.  erwähnt  worden,  zeigt  sich 
jetzt  schon  die  innigste  Durchdringung  unserer  physiologischen 
und  praktischen  Kenntnisse.  Welclier  Fortschritt  liegt  in  der 
Erkenntniss,  dass  mau  und  w'arum  man  durch  künstlicli  erregte 
Empfindungen  wohlthätig  auf  Bewegungen  wirken  kann! 


747 


6.  Sympathien.  S.  der  Nerven. 

III.  Sympathien  der  paarigen  Nerven.  Dahin  gehören  vor- 
züglich die  paarigen  Sinnesnerven,  wie  die  beiden  Optici,  die 
Acustici,  die  Olfaetorii,  und  die  Nerven  des  Ciliarsysteras. 

Bei  einer  primären  Affection  des  einen  AugCs , wo  die  Reizung 
ursprünglich  nur  auf  dieses  eingewirkt  liat,  erfolgt  zuweilen  Er- 
kranken des  andern  Auges  an  derselben  Krankheit.  Ist  ein  Ä.uge 
durch  Entzündung  zerstört  worden,  so  wird  zuweilen  auch  das 
andere  ergriffen  und  zerstört.  Die  Aö’ectionen  des  innern  Ohres 
bleiben  nicht  immer  isolirt.  Ist  erst  das  eine  Ohr  taub  gewor- 
den, so  wird  es  auch  oft  das  andere.  Die  Sympathien  der  Be- 
wegungsnerven des  Auges  und  namentlich  der  Ciliarnerven  sind 
bekannt  genug.  Die  gleiche  OelFnung  der  Pupille  beider  Augen  bei 
den  verschiedensten  äusseren  Einflüssen  auf  das  eine  und  andere, 
ist  auch  in  der  Gesundheit  von  dieser  Sympathie  bedingt.  Diese 
Sympathien  der  paarigen  Nerven  äussern  sieli  sehr  häulig  in 
den  sogenannten  Neuralgien,  in  den  schmerzhaften  Aftectionen  der 
Nerven,  ln  Folge  des  nervösen  G'csichtsschmcrzes  auf  der  einen 
Seite  wird  zuweilen  auch  der  entsprechende  Nerve  der  andern  Seite 
aflicirt.  Der  Zahnschmerz,  der  seinen  Grund  in  einem  cariösen 
Zahne  hat,  wird  nicht  allein  an  der  Stelle  der  Reizung,  sondern 
zuweilen  auch  in  dem  entgegengesetzten  paarigen  Nerven  gefühlt. 

IV.  Sympathien  der  Bewegungsnerven  unter  einander.  Die  hie- 
her  gehörigen,  äusserst  zahlreichen  Phänomene  der  Association 
der  Bewegungen  oder  Mitbewegungen,  wodurch  die  Intention  zu 
einer  Bewegung  auch  andere  Bewegungen  unwillkübrlicb  bervor- 
ruft,  sind  schon  p.  662.  erläutert  und  erklärt  worden. 

V.  S^mpatlden  der  Empfindungsnerven.  Die  Sympathien  der 
Empfinduiigsnerven  zeigen  uns  vorzüglich  drei  Formen,  welche 
bloss  durch  die  Ausdehnung  und  Entfernung  der  in  Consensus 
gezogenen  Thcile  verschieden  sind. 

a.  Im  ersten  Falle  breitet  sich  eine  heftige  Empfindung,  die 
an  einer  einzigen  Stelle  erregt  worden,  in  Neryen  derselben  Art, 
oder  in  anderen  Nervenfasern  desselben  Nerven  aus;  wie  bei  der 
durch  eine  ganz  örtliche  heftige  Verbrennung  entstehenden  Irra- 
diation der  Empfindungen  in  die  benachbarten  Hautstelleii. 
Die  Erklärung  dieser  Erscheinungen  ist  schon  oben  bei  der  Lehre 
von  der  Irradiation  behandelt  worden. 

b.  Im  zweiten  Fall  zieht  der  eine  Empfindungsnerve  einen  Em- 
pfindungsnerven anderer  Art,  aber  in  demselben  Organe  in  Affection. 
Diese  Art  von  Sympathie  beobachten  wir  vorzüglich  zwischen  den 
eigentlichen  Sinnisnerven  und  den  sogenannten  Ilülfsnerven  der 
Sinnesorgane.  Ausser  den  eigenthümlichen  Sinnesempfindungen 
eines  Sinnesorganes  kommen  nämlich  in  jedem  Sinnesorgane  au<di 
t>och  die  allgemeinen  Empfindungen  des  Gefühls  für  Widerstand, 
^Värme,  Kälte,  Wohllust,  Schmerz  in  ihm,  aber  durch  andere 
Nerven  vor.  Im  Auge  ist  der  N.  opticus  nur  der  Llcbtempfm- 
dung,  nach  Magendie  nicht  der  Gefühlsempfindung  fällig;  dage- 
gen besitzt  das  Auge  in  den  Zweigen  vom  ersten  Aste  des  N. 
Digeminus,  die  sich  in  der  Conjunctiva  verbreiten,  und  in  den  Ci- 
Barnerven  auch  Gefühlsempfindung;  diese  sind  also  die  llüU's- 
®enren  des  Auges.  Das  Gehörorgan  besitzt  ausser  dem  N.  acu- 


748  III.  Buch.  Netvenphfsik.  III.  Ab.^chn.  Mechanikd.  Neroenprlnrips. 

sticas,  die  yom  N.  facialis,  glossopliaryngeus,  sympatliicus,  Ram. 
secundus  «nd  tertius  N.  trigcmini  und  Ganglion  oticum,  in  der 
Trommelliöhle  sich  verbreitenden  Hülfsnerven,  wovon  ausführli- 
cher in  der  speciellen  Physiologie  der  einzelnen  Nerven.  Von 
diesen  in  der  Schleimhaut  der  Trommelhöhle  sich  verbreitenden 
Nerven,  und  von  den  zahlreichen  Nerven  des  aussern  Ohrs  und 
äussern  Gehörganges  rührt  offenbar  die  Gefühlsempfindung  des 
Gehörorganes  her.  Die  Nase  ist  nicht  allein  der  Sitz  des  Ge- 
ruchs durch  die  Geruchsnerven,  welche  nach  Magehdie  keiner 
Gefühlsempfindung  fähig  sind,  sondern  auch  lebhafter  Gefühls- 
eindrücke durch  die  N.  nasales  vom  zweiten  Aste  des  N.  trigemi- 
nus  fähig,  wohin  die  Empfindungen  von  Widerstand,  Wärme, 
Kälte,  Kitzel,  Schmerz  u.  s.  w.  in  der  Nase  gehören.  Die  Zunge 
ist  sowohl  der  Geschmacksempfindung  als  der  Gefühlsempfindung 
fähig,  wie  jedem  bekannt  ist. 

In  jedem  Sinnesorgane  kann  die  eine  Art  dieser  Empfindungen 
aufgehoben  seyn,  während  die  andere  verharrt.  Die  Sinnesner- 
ven und  Gefühlsnerven  der  Sinnesorgane  sind  nun  einer  sehr 
lebhaften  sympathischen  Action  fähig.  Hieher  hat  man  unter 
anderen  auch  die  nach  Verletzung  des  N.  frontalis  zuweilen 
beobachtete  Blindheit  gerechnet,  von  der  es  jedoch  noch  zwei- 
felhaft ist,  oh  sie  hieher  gehört.  Man  glaubt,  dass  die  Verlet- 
zung des  Nervus  frontalis  auf  den  Stamm  des  Nerv,  ophthalmicus 
zurückwirke,  der  auch  den  N.  naso-ciliaris  abgiebt,  welcher 
letztere  die  lange  Wurzel  des  Ganglion  ciliare  bildet.  Allein  die 
Ciliarnerven  können  nur  die  Iris  lähmen,  nicht  die  Retina,  mit 
welcher  sie  in  keiner  Verbindung  stehen.  Viel  naUirgemässer 
scheint  mir  die  consccutive  Blindheit  nach  Contusionen  der  Stim- 
gegend  von  der  Erschütterung  des  Auges  und  Sehnervens  er- 
klärt zu  werden.  Der  treffliche  v.  Walther  scheint  mir  za 
weit  gegangen  zu  seyn,  wenn  er  so  viel  Gewicht  auf  das  Ci- 
liarnervensystem bei  den  Amaurosen  und  Amblyopien  legte. 
Viele  andere  Ei’schelnungcn  zeigen  uns  aber  unzweideutige  Be- 
weise von  Wechselwirkung  der  Sinnesneiwen , wie  die  auf  Rei- 
zung der  Retina  erfolgende  Bewegung  der  Iris,  der  Angenlieder, 
und  die  Thränenabsonderung.  Eben  so  stark  sind  aber  auch  die 
Wirkungen  der  Sinnesnerven  auf  einander,  wie  die  Empfindung 
des  Kitzels  in  der  Nase  nach  dem  Sehen  in  die  Sonne;  die  Em- 
pfindungen von  Schauder,  Rieseln  nach  gewissen  Tönen  u.  s.  W. 
bezeugen.  Wie  diese  Erscheinungen  zu  erklären  sind,  ist  nach 
den  in  der  Mechanik  der  Nerven  aufgestelltcn  Grundsätzen  nicht 
sehr  zweifelhaft.  Da  uns  zuverlässig  erwiesene  Verbindungeo 
dieser  Sinnesnerven  mit  jenen  Hülfsnerven  durch  den  N.  sympa- 
thicus  nicht  bekannt  sind,  so  müssen  diese  Phänomene  auch  nuT 
durch  das  Gesetz  der  Reflexion,  nämlich  durch  Vermittelung  de* 
Gehirns  zwischen  der  centripctalen  Erregung,  z.  B.  des  Sehner- 
ven und  der  Rückwirkung  auf  die  Nasennerven  ibeira  Niesen 
und  Gefühl  von  Kitzel  in  der  Nase  nach  dem  Sehen  in  die  Sonne, 
erklärt  werden.  Tieuemann  hat  in  der  von  ihm  gegebenen  vollständi- 
gen Darstellung  aller  Sympathien  der  Sinnesorgane  {Zeüschr.  f.  Phf- 
siol.  I.  2.37.)  die  Thatsache  hervorgehoben,  dass  alle  Sinneswcrkzeugß 


749 


6.  Sympathien.  S.  der  Nerven. 

Zweige  von  dem  sympatbisclien  Nerven  erlialten.  Diess  ist  niclit 
zu  läugnen ; zur  Erklärung  der  Sympatliien  der  Sinnesnerven  mit 
anderen  Empfindungsnerven  ist  aber  erforderlich,  dass  nicht 
das  Sinnesorgan  überhaupt,  welches  ein  sehr  zusammengesetzter 
Theil  von  juxtaponirten  Geweben  ist,  sondern  der  Sinnesnerven 
selbst  eine  solche  Verbindung  eingehe.  Nun  hat  man  zwar  auch 
solche  Verbindungen  beschrieben.  Tiedemasn  selbst  beobachtete 
Zweige  der  Ciliarnerven,  welche  die  Art.  centralis  retinae  bis 
auf  die  Netzhaut  begleiten;  diess  ist  aber  keine  Vei’bindung  des 
Sehnerven,  oder  der  Retina  mit  dem  N.  sympathicus ; denn  solche 
zarte  Gefässnerven  giebt  es  überall;  ich  habe  sie  z.-B.  weit  hin 
an  den  Zweigen  der  Arteria  profunda  penis  in  den  Corpora  ca- 
vernosa  penis  verfolgt.  Hirzel  (Tiedemann’s  Zeitschrift  1.  229.) 
beobachtete  mehrmal  eine  Verbindung  zwischen  dein  Ganglion 
sphenopalatlnum  und  dem  Sehnerven.  Arhold  verfolgte  einen 
solchen  Faden  nur  bis  in  die  Scheide  des  Sehnerven,  und  läug- 
net  die  Verbindung  mit  diesem  selbst.  Varrehtrapp  {observ.  anat. 
de  parte  cephalica  N..  sympathici.  Francof.  1831.)  sah  diesen  Faden 
niclit.  Wenn  aber  auch  der  N.  sympathicus  wirklich  einen  Fa- 
den an  den  Sehnerven  ahgäbe,  der  mit  diesem  verschmölze,  so 
lässt  sich  daraus  auch  noch  nicht  viel  erklären ; denn  zu  einer  voll- 
ständigen Wechselwirkung,  wie  sie  bei  den  Sympathien  stattfin- 
den müsste,  müsste  dieser  Verbindungsfaden  des  N.  sympathicus 
mit  allen  im  Selinerven  enthaltenen  Fasern  sich  verbinden;  die 
Verbindung  mit  einer  oder  einigen  Fasern  würde  nicht  hiurei- 
chen.  Dasselbe  lässt  sich  von  dem  Gehörorgan  bemerken.  Die 
in  dasselbe  eintretenden  Zweige  des  sympathischen  Nerven  kön- 
nen keine  Sympathien  des  Gehörnerven  erklären,  weil  sie  sich 
nicht  mit  dem  Gehörnerven  verbinden ; sie  sind  besonderen  vege- 
tativen Functionen,  der  Schleimabsonderung  in  der  Trommel- 
höhle u.  a.,  bestimmt.  Arhold  [d.  Kopf  theil  d.  vegetat.  Nervensy- 
stems. lleidelb.  1831.)  hat  Verbindungen  des  N.  facialis  mit  dem 
N.  acustlcus  beschrieben.  Es  geht  nämlich  vom  Knie  des  N.  fa- 
cialis ein  von  Arhold  vom  sympathischen  System  abgeleiteter 
Nervenfaden  rückwärts  zum  N.  acusticus.  Hier  fragt  sich  wieder, 
versclimilzt  dieser  Faden  mit  dem  ganzen  N.  acusticus,  oder  ge- 
sellt ör  sich  bloss  juxtaponirt  den  Fäden  desselben  bei,  um  orga- 
nischen Functionen  im  Labyrinthe  vorzustehen.  Varrentrapp 
fand  überdiess  jene  Verbindung  nicht  wieder.  Arnold  fand  auch 
eine  zweite  Verbindung  des  N.  facialis  mit  dem  N.  acusticus,  die 
Varrentrapp  bestätigte".  Von  der  kleinern  Portion  des  siebenten 
Paares  geht  im  Meatus  audlt.  int.  ein  Faden  zum  Hörnerven. 
Diese  Verbindung  dürfte  wohl  auch  keine  Wechselwirkung  bei- 
der Nerven  erklären  können;  den  Fasern  des  N.  acusticus  wird 
hier  ein  der  Gefühlsempfindung,  nicht  Gehörempfindung  be- 
stimmter Faden  des  N.  facialis  juxtaponirt. 

Dasselbe  was  von  dem  Verhältniss  der  Sinnesnerven  zu  ih- 
ren Hülfsnerven  bemerft  ivurde,  gilt  von  den  entfernteren  Symjia- 
thien  der  Sinnesorgane  mit  den  Abdomlnaleingeweiden.  Man 
liat  zuweilen  in  Störungen  der  Verrichtungen  der  TJnterlelbsein- 
geweide  Amblyopie,  Ohrenbrausen  u.  s.  w.  beobachtet;  auch  diese 


750  III.Buch.  Nervenphysik.  III.Ahschn.  Mechanik d.Nervenpnndps. 

Wechselwirkungen  erklären  Viele  durch  den  Antheil  des  N.  sym- 
pathicus  an  den  Verrichtungen  der  Sinnesorgane,  da  doch  diese 
Erscheinungen  viel  leichter  aus  der  Impression,  welche  die  Ver- 
änderungen der  Unterleibsnerven  auf  die  Centralorgane  machen, 
und  aus  der  Rückwirkung  der  letzteren  auf  die  Sinnesorgane  er- 
klärt werden.  Man  kann  diese  Veränderungen  der  Sinnesorgane 
in  Unterleihskrankheiten  nicht  so  isolirt  betrachten;  oft  zeigt  sich 
das  ganze  Nervensystem  mit  alterirt;  hartnäckige  Cephalalgien 
sind  der  Affection  der  Sinnesorgane  vorausgegangen  oder  noch 
vorhanden,  das  Geraeingcfiihl  der  gesamraten  Sensationsnervpn, 
der  Rückenmarksnerven  ist  alterirt.  Mit  einigen  Ausstrahlungen 
des  N,  sympathicus  auf  die  Sinnesorgane  kömmt  man  hier 
nicht  aus. 

Alles  diess  beweist,  dass  die  bisherigen  Erklärungen  der  Sym- 
pathien der  Sinnesorgane  unter  sich  und  mit  anderen  Organen 
durch  den  N.  sympathicus,  wenn  gleich  nicht  widerlegt,  aber  weit 
von  einem  empirischen  Beweise  entfernt  sind,  und  dass  die  trelh- 
lichen  Männer  Tiedemans  und  Arnold,  indem  sie  sich  fast  an  die 
Spitze  der  Vertheidiger  jener  Hypothese  gestellt  haben,  nach  ei- 
ner einmal  gangbar  gewordenen  Theorie  ans  ihren  schätzbaren 
anatomischen  Beobachtungen  mehr  geschlossen  haben,  als  wozu 
diese  zu  berechtigen  scheinen. 

Nachdem  wir  die  verschiedenen  Formen  der  Sympathien 
zergliedert  haben,  ist  es  nöthig,  noch  einen  Blick  auf  die  An- 
wendung zu  werfen,  welche  die'  Therapie  von  den  Sympathien 
macht.  Die  Lehre  von  der  Statik  des  Consensus  belehrt  uns, 
wie  wir  uns  hüten  müssen,  den  krankhaften  Zustand  des  Orga- 
nes A durch  Wirkungen  auf  das  Organ  B zu  verstärken ; sie  zeigt 
uns  aber  auch  die  Mittel,  den  Zustand  des  unzugänglichen  Orga- 
nes A durch  angemessene  Veränderung  des  Organes  B mit  zu 
verändern.  Die  higher  gehörigen  Heilmethoden  haben  den  Na- 
men der  Ableitung  und  Gegenwirkung  erhalten , indem  sie 
durch  die  künstliclie  Veränderung  des  einen  Organs  einen  Zu- 
stand in  einem  andern  Organe  zu  entfernen  beabsichtigen.  Die 
hieher  gehörigen  Fälle  sind  folgende: 

1)  Erhöhung  der  Thätlgkeit  des  krankhaften  Theiles  A durch 
künstliche  Erhöhung  der  Thätigkeit  des  sympathischen  Theiles  B. 

2)  Verminderung  der  Irritation  des  Theiles  durch  Er- 
schlaffung des  sympathischen  Theiles  B.  Dieser  Erfolg  darf  am 
meisten  bei  den  Nervensympathien  erwartet  werden,  besonders 
überall,  wo  die  Gesetze  der  Reflexion  von  Empfindtmgsnerven 
auf  das  Gehirn  und  Rückenmark,  und  von  dort  wieder  auf  die 
motorischen  Nerven  in  Betracht  kommen.  Die  ganze  peripheri- 
sche Ausbreitung  der  Hautnerven  giebt  dem  Arzt  ein  grosses 
Feld  der  mittelbaren  Einwirkung  auf  das  Gehirn  und  Rücken- 
mark. So  erhöht  die  Thätigkeit  der  peripherischen  Nervenenden 
in  der  Haut  durch  Frictlon,  Electrlcität , Moxen,  kalte  Bäder, 
Senfteige  u.  s.  w.  erzeugt,  die  Tbätigkeit^der  Centralorgane;  die 
Erschlaffung  der  peripherischen  Nervenenden  in  der  Haut  durch 
laue  Bäder  w’irkt  besänftigend  auf  die  Irritation  der  Centralorgane. 

3)  Verminderung  der  krankhaften  [Absonderung  des  Theiles 


751 


6.  Sympathien.  Antagonismus. 

A durch  Vermehrung  der  Absonderung  des  Thelles  JS,  oder  durch 
Erzeugung  einer  ähnlichen  Absonderung  in  dem  Theile  B. 
diesem  Falle  ist  die  Wirkung  ganz  die  entgegengetetzte  des  vor- 
bergehenden  Falles.  Dort  erzeugte  die  Wirkung  auf  A die  glei- 
che in  B.  Hier  erzeugt  die  Wirkung  auf  A die  entgegenge- 
setzte in  B.  Dieser  Widerspruch  erkläi-t  sich  aus  dem  schon 
p.  454.  erläuterten  Antagonismus  der  verschiedenen  Absonderun- 
gen. Jede  Vermehrung  der  Absonderung  muss  als  Entziehung 
aus  der  Masse  der  Säfte  betrachtet  Averden,  und  modificirt  also 
das  Gleichgewicht  der  Vertbeilung  der  Säfte.  Auf  diese  Art  ist 
die  Wirkung  der  Blasenpfiastei’j  Fontanellen  bei  der  Disposition 
innerer  Theile  zu  krankhaften  Ablagerungen,  die  Wirkung  der 
Diuretica  bei  den  Wassersüchten  u.  a.  zu  betrachten.  Es  ist 
nur  zu  bemerken,  dass  eine  künstliche  Absonderung  auf  einer 
Schleimhaut  die  krankhafte  einer  andern  Schleimhaut,  also  des- 
selben Gewebes,  nicht  leicht  vermindert,  weil  innerhalb  desselben 
Gewebes  ähnliche  Zustände  sich  zu  verstärken  streben.  Vgl.  p.  733. 

4)  Verminderung  der  Congestion  von  Blut  in  dem  Organe  A 
durch  eine  künstlich  erregte  Congestion  B ; Avie  bei  der  Wirkung 
der  heissen  Fussbäder.  Dieser  Fall  gleicht  dem  vorhergehenden 
Und  widerspricht  den  beiden  ersten,  erklärt  sich  aber  auf  die- 
selbe Weise. 

5)  Verminderung  des  Zustandes  x in  dem  Theile  A durch 
künstliche  Erzeugung  eines  davon  verschiedenen  Zustandes  )'  in  dem 
Xheile  B desselben  Gewebes.  Eine  Methode,  der  Avir  uns  häufig  mit 
dem  grössten  Erfolge  bedienen.  Absonderung  und  Entzündung  sind 
besonders  in  einem  absondernden  Theile  fast  als  entgegengesetzte  Zu- 
stände zu  befrachten.  Die  Entzündung  hebt  immer  die  natürlichen 
Absonderungen  auf.  Daher  die  Entzündung  der  Schleimhaut  des 
Äaehens  mit  Erfolg  durch  künstlich  erregte  Diarhoe  behandelt 
■wird.  Es  lässt  sich  diese  Methode  eben  so  auf  verschiedene  Ge- 
webe anwenden.  Eine  Diarhoe  vermindert  die  Congestion  zu  dem 
Kopfe.  Dieser  Fall  gehört  jedoch  dann  schon  unter  das  bei 
4.  aufgstellte  Verbal tniss. 

6)  Verminderung  des  Zustandes  x in  dem  Organ  A dureh 
Erzeugung  desselben  Zustandes  x in  dem  Organe  B.  Dieser  Fall 
Scheint  den  meisten  vorher  angeführten  zu  Avidersprechen,  und 
ist  die  Erklärung  desselben  sehr  scliAver.  Wollte  man  ganz  in 
der  Nähe  eines  entzündeten  Theiles  eine  künstliche  Entzündung 
bewirken,  so  Avürde  die  erste  dadurch  nicht  vermindert,  sondern 
i'ermehrl  werden,  zumal  in  Theilen  desselben  Gewebes,  welche 
Alllinität  zur  Mittheilung  haben.  Und  dennoch  beschränkt  zu- 
'"'eilen  eine  in  einer  gewissen  Entfernung  von  dem  entzündeten 
Organe  yl  erregte  Entzündung  des  Organes  B die  erstere.  Man 
behandelt  Augenentzündungen  durch  künstlich  erregte  Hautent- 
^■ündungen  in  einiger  Entfernung  vom  Auge.  Man  erregt  Haut- 
entzündungen in  Gelenkkrankheiten  u.  s.  w.  Der  Erfolg  dieser 
■*hethode  scheint  zu  beweisen,  dass  ZAvlschen  den  Reizungszuständen 
der  Caplllargefässe  zweier  Organe,  besonders  wenn  sie  verschie- 
denen Gewebes  sind,  nicht  dasjenige  Reflexionsvcrhältnlss  herrscht, 
'i'elches  Avir  so  deutlich  in  den  unter  1.  und  2.  erläuterten  Fällen 


752  III.  Buch.  Neruenphjsik.  IV.  Alschn.  Eigenth,  der  einz.  Nerven. 

zwischen  peripherischen  und  centralen  Theilen  heohachten,  wo 
die  Reizung  der  peripherischen  Nervenzweige  die  Reizung  der 
Centralorgane  nicht  aufheht,  sondern  auch  die  Thatigkeit  der 
letzteren  erhöht. 


Abschnitt.  Von  den  Eigenthümlichkeiten 
der  einzelnen  Nerven. 


I.  Capitel.  Von  den  Sinnesnerven. 

Man  hat  die  Nerven  immer  als  Leiter  für  die  Wechselwir- 
kung  unserer  Organe  mit  der  Aussenwelt  angesehen,  und  so  be- 
trachteten die  Aerzte  die  Sinnesnerven  als  blosse  Leiter  für  die 
Qualitäten  der  äusseren  Dinge,  so  dass  die  Nerven  gleichsaiß 
passiv  die  Eigenschaften  der  Körper  dem  Bewusstseyn  überbrin- 
gen  sollten,  ohne  et\tas  an  den  Eindrücken  von  diesen  Qualitä- 
ten zu  verändern.  In  der  neuern  Zeit  hat  ein  Tbeil  der  Physio- 
logen angefangen,  diese  Vorstellungen  von  passiver  Leitung  der 
Eindrücke  durch  die  Nerven  zu  analysiren.  Sind  die  Nerve» 
bloss  passive  Leiter  für  die  Eindrücke  des  Lichtes,  der  Tonschwin- 
gung, der  Riechstoffe:  wie  kömmt  es,  dass  derjenige  Nerve,  wel- 
cher die  'Riechstoffe  riecht,  nur  für  diese  Art  von  Eindrücke» 
empfänglich  ist,  für  andere  nicht,  und  dass  ein  anderer  Nerve 
hinwieder  die  Riechstoffe  nicht  riechen  kann;  dass  der  Nerve, 
welcher  die  Lichtmaterie  oder  die  Oscillationen  derselben  empfin- 
det, die  Oscillationen  der  schallleitenden  Körper  nicht  empfindet, 
und  der  Gehörnerve  für  das  Licht,  der  Geschmacksnerve  für  di® 
Gerüche  unempfindlich  ist,  der  Gefühlsnerve  die  Schwingungen 
der  Körper  nicht  als  Ton,  sondern  als  Gefühl  von  ErzitteriiO- 
gen  empfindet.  Diese  Betrachtungen  haben  die  Physiologen 
genöthigt,  den  einzelnen  Sinnesnerven  eine  specifische  Empfäng- 
lichkeit für  gewisse  Eindrücke  zuschreiben,  vermöge  welcbci 
sie  nur  Leiter  für  gewisse  Qualitäten,  nicht  aber  für  ander® 
seyn  sollten. 

Die  Vergleichung  der  Thatsachen  mit  dieser  Erklärung,  a» 
welcher  man  noch  vor  10  und  20  Jahren  nicht  im  geringsten 
zweifelte,  zeigte  aber  bald,  dass  sie  unbefriedigend  ist.  De»n 
dieselbe  Ursache  kann  auf  alle  Sitmesorgane  zugleich  einwirkeO; 
wie  die  Electrlcität;  alle  sind  dafür  empfänglich,  und  dennoc» 
empfindet  jeder  Sinnesnerve  diese  Ursache  auf  eine  andere  Art» 
der  eine  Nei-ve  sicht  davon  Licht,  der  andere  hört  davon  ein®n 
Ton,  der  andere  riecht,  der  andere  schmeckt  die  Elcctricita  > 
der  andere  empfindet  sie  als  Schmerz  und  Schlag.  Ein  NerV® 
sieht  von  mechanischem  Reiz  ein  leuchtendes  Bild,  der  ander^ 
hört  davon  Brausen,  der  andere  empfindet  Schmerz.  Der  v®® 
mehrte  Reiz  des  Blutes  erregt  in  dem  einen  Organe  sponta» 


1.  Von  den  Sinnesnerven. 


753 


Lichtempfinclungen,  in  dem  andern  Brausen,  in  dem  andern  Kit- 
zel, Schmerz  u.  s.  w.  Wer  die  Wothwendigkelt  fühlte,  die  Con- 
sequenzen  dieser  Thatsacheu  durchzudenken,  musste  einsehen, 
dass  die  spccifisclie  Empfängliclikeit  der  Nerven  für  gewisse  Ein- 
drücke nicht  hinreicht,  da  alle  Sinnesnerven  für  dieselbe  Ursa- 
che empfänglich,  dieselbe  Ursache  anders  empfinden;  und  so 
lernten  Einige  einsehen,  dass  ein  Sinnesnerve  kein  bloss  passiver 
Leiter  ist,  sondern  dass  jeder  eigenthüraliche  Sinnesnerve  auch 
gewisse  unveräusserliche  Kräfte  oder  Qualitäten  hat,  welche  durch 
dieEmpflndungsursachen  nur  angeregt  und  zur  Erscheinung  gebracht 
Werden.  Die  Empfindung  ist  also  nicht  die  Leitung  einer  Qualität  oder 
eines  Zustandes  der  äusseren  Körper  zum  Beevusstseyn , sondern  die 
Leitung  einer  Qualität ^ eines  Zustandes  unserer  Nerven  zum  Bewusst- 
^eyn,  veranlasst  durch  eine  äussere  Ursache.  Wir  empfinden  nicht 
das  Messer,  das  uns  Schmerz  verursacht,  sondern  den  Zustand 
unsei'er  Nerven  schmerzhaft;  die  vielleicht  mechanische  Oscilla- 
tion  des  Lichtes  ist  an  sich  keine  Lichtempfindung;  auch  wenn 
sie  zum  Bewusstseyn  kommen  könnte,  würde  sie  das  Bewusstseyn 
einer  Oscillation  seyn:  erst  dass  sie  auf  den  Sehnerven  als  den 
Vermittele!'  zwischen  der  Ursache  und  dem  Bewusstseyn  wirkt, 
wird  sie  als  leuchtend  empfunden;  die  Schwingung  der  Körper 
ist  an  sich  kein  Ton:  der  Ton  entsteht  erst  bei  der  Empfindung 
durch  die  Qualität  des  Gehörnerven,  und  der  Gefühlsnerve  em- 
pfindet dieselbe  Schwingung  des  scheinbar  tönenden  Körpers  als 
Gefühl  der  Erzitterung.  Wir  stehen  also  bloss  durch  die  Zu- 
stände, welche,  äussere  Ursachen  in  unseren  Nerven  erregen,  mit 
der  Aussenwelt  empfindend  in  Wechselwirkung. 

Diese  W^dirhelt,  welche  sich  aus  einer  einfachen  und  unbe- 
fangenen Zergliederung  der  Thatsachen  ergieht,  fül)rt  uns  nicht 
allein  zur  Erkenntniss  der  eigenthüralichen  Kräfte  der  verschie- 
denen Empfindungsnerven,  abgesehen  von  ihrem  allgemeinen  Un- 
terschiede von  den  motorischen  Nerven,  sondern  zeigt  uns  auch 
den  Weg,  eine  Menge  von  irrthümlichen  Vorstellungen  über  die 
Fähigkeit  der  Nerven,  einander  zu  ersetzen,  aus  der  Physiologie 
ein-  für  allemal  zu  verbannen.  Man  weiss  längst,  dass  Blinde  die 
Farben  mit  den  Fingern  rächt  als  Farben  erkennen  können  j aber 
wir  sehen  nun  die  Unmöglichkeit  davon  aus  Thatsachen  ein. 
Welche  erklärend  für  viele  andere  Thatsachen  sind.  Wie  sehr 
sich  auch  das  Gefühl  der  Finger  hei  einem  Blinden  durch  Ue- 
Lung  steigern  mag,  es  bleibt  immer  Qualität  der  Gefühlsnerven, 
Gefühl.  Welcher  gebildete  Arzt  möchte  nun  wohl  an  solche 
Mährchen  glauben,  wie  an  das  Lichtempfinden  und  Sehen  mit 
den  Fingern,  mit  der  Herzgrube  bei  den  sogenannten  Magneti- 
schen. Die  Finger  und  die  Herzgrube  sind  erweislich  und  fa- 
ktisch keiner  Lichtempfindung  f ähig  (jeder  Fall,  der  das  Gegentheil 
Lei  einem  Magnetischen  zeigen  soll,  ist  arger  Betrug);  aber  selbst, 
'^^enn  diese  Theile  das  Vermögen  der  Lichlempündung  hätten, 
So  würden  sie  nicht  sehen,  nicht  die  Gegenstände  unterscheiden 
Lönuen;  denn  dazu  gehören  optische  Apparate.  Ein  Köi'per, 
'‘''clcher  leuchtet  oder  Llchtmatcrie  ausströmt,  strahlt  das  Licht 
''^on  jedem  Punkte  über  alle  Theile  einer  empfindenden  Mem- 


754  III,  Buch,  Nervenphysik,  IV,  Abschn,  Eigenth,  der  einz,  Nerven, 


bran  gleicliförmig  ans.  Die  LicTitmaterie  von  a,  b,  c,  d — n -wird 
über  jeden  Punkt  der  empfindenden  Membran  verbreitet;  wenn 
a,  b,  c,  d — n gesehen,  d.  h.  als  Punkte  von  einander  unterschie- 
den werden  sollten,  müsste  die  Lichtmaterie,  von  o.,  b,  c,  d — ” 
kommend,  auch  wieder  in  solchen  einzelnen  Punkten  auf  der 
empfindenden  Fläche,  in  entsprechenden  Punkten  a,  b,  c,  d — n 
sich  isolirt  sammeln.  Also  ist  das  Sehen  durch  andere  Theile, 
als  das  Auge  aus  doppelten  Gründen  absurd:  erstens,  weil  andere 
Theile  als  das  Auge  der  Lichtempfindung  überhaupt  unfähig  sind, 
und  zweitens,  weil  zürn  Sehen  optische  Apjrarate  zur  Sonderung 
des  Lichtes  nöthig  sind. 

Hieraus  widerlegen  sich  auch  die  oft  noch  gangbaren  Vor- 
stellungen von  Compensation  des  N.  opticus  durch  den  N.  trige- 
minus,  des  ]V.  olfactorius  durch  denselben  u.  dergl. 

Einigen  Thieren  mit  Augen  hat  man  den  N.  opticus  abge- 
sprochen, und  die  Gesichtsempfindung  durch  den  JV.  ophthalmicus 
n.  trigenilni  geschehen  lassen , wie  Leim  Maulwurf  und  Proteus 
anguinus.  Diess  beruht  indess  beim  Maulwurf  auf  nicht  hinrei- 
chend genauer  Untersuchung,  und  wahrscheinlich  ist  es  eben  so 
beim  Proteus.  Der  Maulwurf  besitzt  einen  ungemein  feinen  Seh- 
nerven und  ein  sehr  zartes  Chiasma  n.  opticorum,  wie  mir  Dr. 
Heiji.e  gezeigt  bat.  Von  den  Cetaceen  bat  man  gesagt,  dass  der  Ge- 
ruchsnerve, welcher  nach  Blaikville,  Mayer,  Treviravus  äusserst 
fein  und  rudimentär,  aber  doch  vorhanden  ist  (Trevirahus  Bio- 
logie V.  342.),  durch  die  Nasaläste  des  N.  trigeminus  ersetzt  werde. 
Wie  wenig  diese  Annahme  gerechtfertigt  ist,  geht  aus  der  Bemerkung 
hervor,  dass  wir  nicht  den  entferntesten  Beweis  haben,  dass  die 
Cetaceen  riechen.  Magendie  hat  sich  in  den  Theorien  aus  falsch 
verstandenen  Beobachtungen  von  dem  Ersetzen  eines  Nerven 
durch  den  andern  am  weitesten  hinreissen  lassen.  Er  glaubte 
zeigen  zu  können,  dass  der  N.  olfactorius  gar  nicht  Geruchs- 
nerve sey,  und  dass  der  Geruch  den  N.  nasales  des  N.  trigeminus 
zugethcilt  werden  müsse.  Magendie  Journal  de  physiol.  T.  iV, 
169.  MAGEumE  bemerkte,  dass  die  Zerstörung  der  Geruchsner- 
ven die  Empfindung  für  Essigsäure,  flüssiges  Ammonium,  Laven- 
delöl, Dippelsöl,  welche  in  die  Nase  gebracht  worden,  nicht  auf- 
hebt, indem  die  Thiere  die  Nase  mit  den  Füssen  rieben  und 
niessten.  Diess  beweist,  wie  Eschricht  (Disx,  de  funct,  primi  et 
quinti  paris  in  ol/actorio  organo,  Milgehdie  Journal  de  physiol,  T,  Vl- 
p.  339.)  zeigt,  und  jeder  leicht  einsieht,  dass  die  Geruchsnerven 
eben  nur  die  Geruchsnerven  und  nicht  die  Gefühlsneiven  der 
Nase  sind.  Denn  alle  die  genannten  Stoffe  erregen  auch  das  all- 
gemeine Gefühl  der  Nasenschleimhaut,  welches  von  den  Nasal- 
ästen des  N.  trigeminus  abhängt.  Fleisch  erregt  nur  die  Ge- 
ruchsempfindung , und  hier  gesteht  Magendie  selbst,  dass,  wenn 
einem  Hunde  ein  in  Papier  gewickeltes  Stück  Fleisch  hingelegf 
wurde,  nachdem  ihm  die  N.  olfactorii  zerstört  worden,  er  dies* 
nicht  bemerkte.  Dass  der  Geruch  bei  Mangel  der  Geruchsner- 
ven oder  nach  Zcrstöi’ung  derselben  bei  Menschen  fehlte,  haben 
die  Fälle  von  Humus,  von  Roefink,  Maghesus  und  Opfert^ 
von  Balonus,  Loder  und  Serres  gezeigt.  Vergl.  Eschricht  a.  »• 


1.  Von  den  Sinnesnerven. 


755 


O.  Bäcker  comment.  ad  quaest.  phfsiol.  Traject.  1830.  Dagegen 
■Wollen  Mery,  Berard  Lei  Verh'artung  der  Geruclisnerven  oder 
der  vorderen  Lappen  des  Geliirns  Gerucli  Bemerkt  haben.  Mert 
fei.  de  l’anat.  et  cMrurg.  par  Portal.  T.  III.  p.  603.  Magesdie 
Journal.  V.  17.  Aber  wer  steht  uns  dafüi-,  dass  diese  M'änner  sich 
nicht  eben  so,  wie  MAOEsniE  getäuscht,  und  die  Gefüblsemplin- 
dungen  der  Nase  mit  den  Gcruchseinpfindungen  verwechselt  Laben. 

Sonst  nahm  man  an,  dass  der  Gehörnerve  bei  den  Fischen 
Von  dem  N.  trigeminus  ersetzt  werde.  Noch  Scarpa  und  Cuvier 
glaubten  diess.  Diess  haben  Treviranus  und  E.  H-  Weber  wi- 
derlegt. Bei  einigen  Fischen  gellt  nach  Weber  {de  aiire  et  auditu. 
Lips.  1820.)  ein  Faden  vom  N.  trigeminus  zum  N.  acusticus,  wie 
bei  Silurus  glanis  und  Muraena  anguilla.  Es  giebt  aber  nach 
Weber  einen  llülfsncrven  des  Gehörorganes,  der  bald  selbststän- 
dig vom  Gehirn,  bald  vom  N.  tiägcminus  oder  vom  N.  vagus 
entspringt,  und  zur  Ampulla  des  hinteren  Kanales  und  zum  Sacke 
geht.  Die  Rochen  haben  einen  vom  Gehirn  selbst  entspringen- 
den N.  accessorius  nervi  acustici,  die  Zitterrochen  und  Haien  haben 
ihn  nicht.  Uebrigcns  ist  der  N.  acusticus  auch  Lei  den  Rochen 
nach  Weber’s  genaueren  Untersuchungen  vom  N.  trigeminus  ge- 
trennt und  diesem  bloss  juxtaponirt,  und  Desmoulins  hat  sich 
hier  geirrt,  obgleich  er  die  Trennung  bei  den  Gräthenfischen 
kannte.  Weber  a.  a.  O.  p.  33.  101.  Man  muss  auf  die  Be- 
obachtung, dass  der  Nervus  acusticus  accessorius  zuweilen  vom 
bf.  vagus  oder  trigeminus  entspringt,  auch  uiclit  zu  viel  Werth 
legen.  Diess  ist  wohl  doch  nur  ein  juxtaponirtes  Fortgehen 
ganz  verschiedener  Fasern,  so  wie  wir  in  dem  N.  lingualis  des 
Menschen,  welcher  wirklich  Geschmacks-  und  Gelühlsnerve  der 
Mutige  zugleich  ist,  das  Zusammenlicgcn  ganz  verschiedener  Ge- 
schmacks- und  Gefiihlsfasern  voraussetzen  müssen.  Daher  geht 
®Uch  aus  der  von  Treviranus  (Tiedemann’s  Zeitschrift.  V.)  beob- 
achteten Varietät  für  die  Physiologie  nichts  hervor,  dass  nämlich 
bei  einigen  Vögeln  der  N.  vestibuli  ein  Ast  des  N.  facialis  seyn 
äoll.  Bei  der  Gans  ist  der  N.  vestibuli  ein  Ast  des  eigentli- 
olien  N.  acusticus,  und  der  N.  facialis  geht  nur  dicht  über  ihn 
bin.  W^as  könnte  überhaupt  eine  Juxtapositlon  von  functionell 
Verschiedenen  Fasern  in  einer  Scheide  lür  die  Physiologie 
beweisen? 

Nur  der  N.  lingualis,  Ast  des  N.  trigeminus,  zeigt  uns  das 
deutliche  Beispiel,  dass  im  ganzen  Verlaufe  eines  Nerven  ganz 
Verschiedene  Empfindungsfasern  enthalten  seyn  können,  aut  ähn- 
bche  Art,  wie  in  den  Spinalnerven  sensorielle  und  motorische 
fasern  zusaminenliegen.  Denn  nach  der  Verletzung  dieses  Nerven 
bbrt  der  Geschmack  auf  (Muei.ler’s  Archiv  1831.  p.  132.  Magendie 
Journ.  4.  181.),  aber  auch  die  Gefühlsempfindung  der  Zunge 
b'üigt  von  ihm  vorzugsweise  ab;  denn  die  Quetschung  oder 
Diirchschncidung  dieses  Nerven  bei  Thieren  bewirkt  die  hcltig- 
*1^0  Schmerzen,  wie  Desmoui.iss  sowohl,  als  ich  beobachtet  haben, 
dagegen  der  N.  hypoglossus  Bewegungsuerve  ist.  Siehe  oben  p.  637. 
" diesem  Falle  bleibt  uns  nichts  anders  übrig,  als  in  dem  Zun- 
b’^Oast  des  N.  trigeminus  ausser  den  Gefühlsfasern  auch  die  Fasern 


756  III.  Buch,  Nervenphysik.  III.  Abschn.  Eigenth.  der  eim.  Nerpen. 

für  die  Geschmäcte  der  Zunge  juxtaponirt  anzunelimen.  Bei  den 
Vögeln  ist  der  Gesclimacksnerve  sogar  ein  Ast  des  Nervus  glos- 
sopharyngeus,  Lei  den  Fröschen  ein  Ast  des  Nervus  vagus.  Auch 
heim  Menschen  sind  die  Schlnndnerven  ekelhafter,  dem  Geschmack 
verwandter  Empfindungen  fähig.  Bei  keinem  Thiere  ist  ein  be- 
sonderer Geschmacksncrvc  vorhanden,  bei  allen  übrigen  Sinnen 
ist  ein  besonderer  Sinnesnerve  da. 

Nach  der  Durchschneidung  des  Stammes  des  Nervus  tri- 
geminus  in  der  Sch'adelhöhle  will  Magexuie  bemerkt  haben, 
dass  fast  alle  Sinnesfunctionen  aufgehört  haben.  Journ.  de  phf~ 
sioL  IV.  .302.  Dass  das  Sehvermögen  erloschen  seyn  sollte, 
schloss  Magesdie  daraus,  dass  das  Thier  das  Licht  der  Lampe 
nicht  bemerkte.  Allein  Kaninchen  reagiren  hiergegen  oft  nicht, 
ohne  dass  man  den  Nervus  trigeminns  darum  z.u  zerschneiden 
braucht.  Auch  gesteht  Magesdie  selbst , dass  beim  Einfal- 
len von  Sonnenlicht  in  einen  dunkeln  Raum  die  Augenlie- 
der des  Thieres  sich  schlossen,  und  noch  deutlicher  bemerkte 
man  diess,  als  das  Licht  durch  eine  Linse  gesammelt  ins  Auge 
einfiel.  Magendie  beweist  nun  durch  Experimente  an  Thieren, 
was  wir  leider  aus  so  vielen  Erfahrungen  an  Menschen  wissen, 
dass  nach  der  Lähmung  des  N.  opticus  der  N.  trigeminus  nicht 
das  Licht  empfinden  kann;  allein  Magendie  meint,  die  Sensibili- 
tät des  N.  trigeminus  sey  wenigstens  behülflich  und  nöthig  für 
die  volle  Sehkraft  des  Nervus  opticus.  Bei  einer  solchen  Idee 
kann  ich  mir  nichts  Richtiges  und  Klares  vorstellen.  MagendiE 
glaubte  auch,  dass  der  N.  trigeminus  zum  Hören  nöthig  sey;  al- 
lein seine  Beweise  sind  hier  eben  so  schwach.  Wenn  ein  Thier 
nach  Durchschneidung  eines  so  ungeheuren  Nerven,  als  der  N- 
trigeminus  ist,  nicht  sogleich  noch  für  andere  Reizversuche  aut- 
geiegt  ist,  so  beweist  diess  nichts  weiter,  als  eine  sehr  grosse 
vorausgegangene  Verletzung.  Wir  wissen  ja,  dass  nach  Durch- 
schneidung  grosser  Nervenstämme  wie  des  N.  opticus  selbst  schlimnie 
Neiü'enzufälle  entstanden  sind.  Nach  meiner  Ansicht  hat  der  N- 
trigemimis  durchaus  keinen  Einfluss  weder  auf  das  Sehen,  noch 
das  Hören  und  Riechen.  Bei  einem  Epileptischen,  der  an  eind' 
Augenentzündung  und  Verdunkelung  der  Cornea  rechter  Seit^ 
litt",  und  bei  dem  das  Sehen  auf  diesem  Auge  aufhörte,  hernach 
auch  die  Angenliedei’,  Nase  und  Zunge  rechts  unempfindlich  und 
das  rechte  Ohr  taub  wurden,  das  Zahnfleisch  scorbutisch  vvurdE) 
beobachtete  Serres  eine  Entartung  der  Portio  major  N.  trigemin’ 
bis  zur  Pons  Varolii.  Magendie  .Journ.  de  physiol.  V.  233.  Al' 
lein  die  Blindheit  war  eine  Folge  der  Verdunkelung  der  Cornea- 
Alle  übrigen  Veränderungen  der  Sinne  werden  mit  den  Convnlsio- 
nen  der  rechten  Seile  aus  der  Degeneration  des  Gehirns  erklaibai- 
Die  Consequenzen  aus  diesem  Falle  werden  übrigens  ganz  durC'' 
einen  andern  Fall  von  Entartung  des  ganzen  Stammes  des  N.  tn- 
geminus  wideidegt,  in  welchem  Dnempliudlichkeit  der  ganzO' 
linken  Kopfteite,  der  Nase,  Zunge,  des  Auges,  bei  vollem  Schvei' 
mögen  stathländ.  Mueller’s  Arclih'  für'  Anal urnie  und  Ehysiulogi^' 

1834.  p.  132.  • c-  s- 

In  dem  Vorhergehenden  haben  wir  gezeigt,  dass  die  Sinne 


1.  Von  den  Sinnesneroen.  Gefühlsneroen, 


757 


nerven  sellistständig  sind,  und  einander  weder  ersetzen  noch  nn- 
terstützen  können.  Wir  werden  nun  einige  speciellere  Betrach- 
tungen über  die  Kräfte  der  einzelnen  Empfindnugsuerven  anstellen. 


I.  G ef  ü h Isn er V cn. 

Die  allgemeinst  verbreitete  Art  der  Empfindung  ist  das  Ge- 
fühl. Dieser  Sinn  erstreckt  sich  über  alle  nervenreicben  Therle  des 
ganzen  Körpers  mit  Ausnahme  der  eigenthümlichen  Empfindungs- 
nerven der  höheren  Sinne.  Alle  Gehirn-  und  B.ückenmarksnerven 
niit  Ausnahme  des  Sehnerven,  Ilörnerven,  Geruchsnerven  schei- 
nen durch  ihre ' sensibeln  Fasern  Gefühl  zu  haben,  auch  im  N. 
sympathicus  und  den  von  ihm  A'ersebenen  Eingeweiden  findet 
diese  Empfindung,  obgleich  viel  schwächer,  dunkler  und  undeut- 
licher, statt.  Wir  nennen  die  eigentbümliche  Kraft  der  Em- 
pfindung in  verschiedenen  Sinnesnerven  die  Energie  derselben. 
So  sind  die  Energien  des  Gefühlssinncs  die  Tastgcfühle,  wodurch 
wir  Form,  Widerstand,  Druck,  Rauhigkeit,  die  Zusammen ziehungs- 
kraft  und  Mattigkeit  der  Muskeln,  Leichtigkeit,  Schwere,  theils  durch 
die  Grade  des  Eindrucks,  theils  durch  die  Ausdehnung  desselben, 
theils  und  insbesondere  die  Leichtigkeit  und  Schwere  an  dem  Grade 
der  nöthigen  Zusammenzichung  unserer  Muskeln  empfinden.  Die 
Energien  des  Gelühlssinnes  sind  ferner  Lust  und  Schmerz  mit  den 
Unendlich  vielen  Aloditicationen  dieser  Empfindungen,  als  Jucken, 
Kitzel,  und  die  vielen  Arten  unangenehmer  GefühlsempGndungen. 
ßie  dritte  Art  der  Empfindung  des  Getühlssinnes  ist  die  der 
Wärme  und  der  Kälte,  welche  nicht  immer  von  physicalisclier 
Kälte  und  Wärme  entsteht,  sondern  sehr  häufig  snhjectiv  ist. 

Alle  diese  Empfindungen  dreifacher  Art  sind  in  allen  mit  Nerven 
Versehenen  Theilen,  mit  Ausnahme  der  höheren  Sinnesnerven,  mög- 
lich; diese  Empfindungen  sind  den  Nerven  selbst  cigenlhümlich,  sie 
entstehen  nui-,  sobald  die  Nerven  auf  irgend  eine  Art  gereizt  werden. 
k>er  Schnierz  ist  nichts  Objectives,  sondern  nur  die  Enrpfindungs- 
ärt  unseres  Sinnes;  avich  das  Tastgefühl,  denn  wir  fülilen  eigent- 
lich nicht  die  Körper  selbst,  sondern  wir  empfinden  nur  die 
Gefühle  unserer  Nerven,  welche  durch  die  Körper  erregt  wer- 
den, und  wir  urtheilen  von  der  Gestalt  und  Grösse  des  Körpers 
äUs  der  Grösse  der  fühlenden  flaullläche,  welche  beim  Tasten 
thätig  ist.  Daher  werden  auch  die  Empfindungen  des  Gefühls- 
*'nnes  eben  so  häufig  aus  inneren  als  äusseren  Ursachen  ange- 
^ugt,  und  bei  jeder  innern  Veränderung  des  Züstandes  dieser 
Nci'ven  finden  verschiedene  Gefühle  von  Wohl-  ur»d  Krankseyn 
statt.  Tastgeiühl,  Lust,  Schmerz,  Empfindung  von  Kraft,  Schwä- 
Kalt,  Warm  sind  daher  Eigenschaften  dieses  Sinnes  seihst, 
^ass  auch  die  Empfindungen  von  Kalt  und  Warm  nicht  von 

äussern  physicalischen  Wäraie  allein  abhängen,  sondern  nur 
dadurch  erregt  werden,  beweist  die  subjective  Empfindung  von 
I alte  und  Wärme,  welche  thermometrisch  nicht  messbar  ist,  wie 
euu  überhaupt  Gefühl  von  Wärme  stattfindet,  wenn  die  Ge- 
ühlsnerven  irritirt  sind,  und  das  Umgekehrte  im  Gegentheil,  so 
'‘SS  auch  die  physicalische  Wärme  "die  Gefühlsnerven  nur  an- 


758  III-  Buch.  Neroenphysik.  IV.  Ahschn,  Eigenth,  der  einz,  Nerven. 

regt,  Kälte  aber  sie  deprimirt.  Die  Gefulilserapfindungen  aus 
inneren  Ursachen  begleiten  im  ganzen  Bereiche  der  gemischten 
Nerven  auch  ohne  äussere  Ursachen  schwach  und  sanft  die  Aus- 
übung der  Functionen.  Diess  ist,  was  man  Gemeingefühl,  Coenaes- 
thesis,  genannt  hat,  womit  sich  mehrere  Physiologen  viel  zu  viel 
zu  schaffen  gemacht  haben. 

Die  sensibeln  Fasern  sind  in  allen  Rumpfnerven  mit  moto- 
rischen Fasern  nach  dem  Bedürfniss  der  Theile  begleitet,  bald 
gemischt , bald  in  grösserer  Masse  einzeln  vertheilt , wie  im 
N.  trigeminns.  Diese  Vermischung  von  Primitivfasern  verschie- 
dener Kräfte  findet  in  den  höheren  Sinnen  nicht  statt.  Die  Seh- 
nerven , Hörnerven,  Geruchsnerven  sind  ganz  selbstständig ; nur  in 
den  Geschmacksnerven  scheinen  Fasern  von  allgemeiner  Gefühls- 
sensibilität und  diejenigen  für  die  Geschmacksempfindungen  ver- 
einigt zu  seyn. 

II.  Gesclimacksnorven, 

Der  Geschmacksnerve  und  Gefühlsnerve  der  Zunge  ist 
der  Nervus  lingualis , wie  p.  756.  bewiesen  wurde.  Die  Ge- 
schmäcke  scheinen  verschiedene  Zustände  dieses  Nerven  zu  seyn, 
denn  sie  entstehen  oft  auch  aus  inneren  Ursachen  sulijectiv,  und 
die  Electricität  erregt  auch  Geschmäcke  ohne  eigentliche  schmeck- 
bare Substanz.  Gewöhnlich  erklärt  man  zwar  die  durch  Galva- 
nismus erregten  Geschmäcke  durch  Zersetzimg  der  Speichelsalzc, 
allein  diese  Erklärungsart  scheint  nicht  ganz  durchführbar. 
Pfaff  (Gehler’s  physic.  Wörterh.  4.  2.  p.  736.)  führt  einen  merk- 
würdigen Versuch  von  Volta  an.  ' Wenn  man  nämlich  einen 
zinnernen  Becher  mit  Seifenwasscr,  Kalkmilch,  oder  besser  mit 
mässig  starker  Lauge  anfüllt,  den  Becher  mit  der  mit  Wasser 
befeuchteten  Hand  fasst,  und  die  Zungenspitze  mit  der  Flüssig- 
keit in  Berührung  bringt,  so  entsteht  im  Augenblicke  des  Con- 
tacts  ein  saurer  Geschmack,  wobei  Pfaff  bemerkt,  dass  nach 
diesem  Versuche  nicht  die  durch  Zersetzung  des  Kochsalzes  des 
Speichels  an  dem  positiven  Metalle  entbundene  Säure,  und  das 
an  dem  negativen  Pole  freigewordene  Alkali  den  Geschmack 
bei  den  galvanischen  Versuchen  erzeuge. 

IIT.  Gcruclisnerven. 

Die  Geruchsnerven  sclieinnn  bei  allen  inneren  und  äusseren 
Reizungen  keine  andere  Empfindungen  als  Gerüche  zu  haben,  und 
der  Geruch  ist  nicht  etwas  äusseres,  sondern  eine  dem  Geruchs- 
nerven  allein  eigene  Qualität,  welche  durch  die  Reize,  und  durch 
die  Art  der  Reize  in  bestimmter  Art  hervorgerufen  wird. 

Fürs  erste  sind  die  Geruchsnerven  unfähig  andere  Gefühlß 
zu  ha]>en;  sie  empfinden  nicht  Licht,  Farbe,  Ton,  Gefühl,  Schmerz- 
Dass  sie  keiner  Schmerzensempfindungen  fällig  sind,  hat  Magesd'® 
bewiesen,  denn  die  entblössten  Geruchsnerveii  des  Hundes  zeigen 
sich  heim  Anstechen  und  Berühren  mit  flüssigen  Ammonium  a s 
ganz  unempfindlich  für  Gefühlseindruck,  d.  h.  sie  haben  die  E'" 
genschaflen  nicht,  welclie  die  Gefühlsnerven  haben. 


1.  Von  den  Sinnesneroen.  Sehneroen. 


759 


Ob  die  Geruchsnerven  bei  mechanischer  Reizung  einen  Ge- 
ruch empfinden,  ist  noch  ungewiss,  es  ist  nicht  bekannt,  dass 
Erschütterungen  der  Luit,  welche  bis  zum  Geruchsnerven  ge- 
langen, eine  Gernchsempfindung  erregen  können.  Dass  aber  die 
Electricität  die  Eigenschaft  der  Gernchsnerven  erregt,  zei"t  die 
allgemein  liekannte  Erfahrung,  dass  die  Entwickelung  derElectri- 
citat  von  der  Electrisirmaschine  mit  einem  Phosphorgeruch  ver- 
bunden ist.  Auch  Ritter  will  bei  ±knwendung  des  Galvanismus 
auf  die  Nase  einen  schwachen  ammoniakalischen  Geruch  bemerkt 
haben,  was  indessen  wohl  leicht  eine  Gefühlsempfindung  in  der 
Nase  seyn  konnte. 

Sonst  sind  die  Gerüche  aus  inneren  Ursachen  bei  nervösen 
"Verstunmungen,  die  durch  Sympatliie  auf  die  Geruchsnerven  wir- 
ken, sehr  häufig,  wie  die  alltägliche  Erfahrung  zeigt.  Denn  wie 
oft  behauptet  iemand,besonders  Kranke,  etwas  zu  riechen,  was  andere 
nicht  riechen,  wie  oft  wird  eine  und  dieselbe  Substanz  von  den 
einen  als  angenehm  empfunden , welche  anderen  unangenehm  ist. 

In  Kränkelten  des  Gehirns  finden  zuweilen  beständige  Gerü- 
che eigentliünJicher  Art  statt.  Froriep’s  Not.  N.  776. 

Die  Geruchsenergien  der  Thiere  scheinen  verschieden  zu  seyn. 
So  sind  die  grasfressenden  Thiere  unempfindlich  für  Fleischgerü- 
che, die  fleischfressenden  unempfindlich  für  die  vegetabilischen  Ge- 
rüche. A.  V.  Humboidt  sagt;  Sonderbar,  dass  ein  so  fein  er- 
regbares Organ  wie  die  Hundsnase,  von  den  Wohlgerüchen  der 
Blumen  gar  nicht  afficirt  zu  werden  scheint,  dahingegen  eine  Ele- 
phantennase  so  empfänglich  dafür  ist. 

IV.  Sehnerven. 

Dass  die  Markhaut  des  Auges  und  der  Sehnerve  durch  das 
äussere  Agens,  das  wir  Licht  nennen,  nicht  allein  die  Empfindung 
von  Helligkeit  und  Farben  habe,  sondern  dass  bei  jeder  andern 
irgend  möglichen  innern  oder  änssern  Reizung  des  Sehnervens 
und  der  Markhaut  dieselben  Empfindungen  Vorkommen,  welche 
das  äussere  Licht  hervorbringt,  ist  bier  zu  beweisen. 

Schon  Darwin  (Zoonomie)  und  Elliot  {über  die  Sinne.  Leipz. 
1785.)  haben  auf  die  sogenannten  subjectiven  Empfindungen  von 
Licht  und  Farbe,  letzterer  besonders  auf  die  Druckbilder  auf- 
merksam gemacht,  und  Elliot  bat  es  schon  bestimmt  ausgespro- 
chen, dass  die  Empfindungen  von  Licht  und  Farbe  dem  Au"e 
eigen  sind  und  durch  Reize  erweckt  werden.  Newton  {quaest. 
opt.)  stellte  sich  die  Action  des  Lichtes  als  Schwingungen  vor, 
dass  wir  vermöge  der  Schwingungen,  also  der  Impulse  des  Lich- 
tes auf  die  Markhaut,  sehen,  und  dass  die  verschiedenen  Farben 
von  der  verschiedenen  Geschwindigkeit  der  Schwingungen  ab- 
Jiangen.  Dieser  Ansicht  von  der  mechanischen  Wirkung  des 
Eichts,  dessen  eigentliclie  Natur  wir  nicht  kennen,  nähert  sich 
die  neuere  Physik  wieder  sehr  an.  Wir  müssen  uns  hü- 
ten, dass  wir  die  Reactlon  des  Sehnerven  gegen  den  Lichtreiz 
*^it  der  Natur  des  Lichtreizes  nicht  verwechseln,  wie  es  gew'öhn- 
hch  bei  denen  geschieht,  die  über  diese  Dinge  nicht  nachden- 
Mülle  Physiologie»  4 9 


760  III.  Buch.  Neruenphysik,  IV.jibschri.  Eigenth.  der  einz.  Nerven. 

ken.  Das  Qualitative  der  Lickt-  und  Farbenempfmdnng  entstellt 
nur  durch  das  Auge,  durch  den  Selinorven  seihst,  dessen  ihrem 
Wesen  nach  ungekannte  Kräfte  dem  Bewusstseyn  immer  die  Em- 
nfindun»  des  geiärliten  oder  ungefärbten  Lichtes  vorführen,  so- 
bald ein  mechanischer  oder  anderer  Impuls  auf  diesen  Nerven 
stattfindet.  Mehrere  Physiker  haben  die  durch  Druck,  Elcctri- 
cität  u.  a.  in  dem  Auge  entstehenden  Licht-  und  Farhenhilder 
von  dem  Freiwerden  physicalisChen  Lichtes  in  dem  Auge  er- 
klärt. Diess  ist  aber  kein  freies  physicalisches  Licht,  was  aus 
dem  Auge  auströmte,  und  womit  man  andere  Gegenstände  h^ 
leuchten  könnte,  wie  schon  oben  p.  89.  gezeigt  wurde,  auch 
sind  die  Erzählungen  von  Ausströmen  von  Licht  aus  den  Kat- 
zenaugen für  fabelhaft  zu  erklären,  und  durch  Täuschungen  von 
reflectirtem  Licht  entstanden.  Katzenaugen  leuchten  im  Dunkeln 
nicht  und  wer  für  diese  Ideen  aus  Neigung  eingenommen  ist,  den 
laden^  wir  ganz  einfach  ein,  wie  wir  gethan , eine  Katze  mit  Mcli 
in  einen  absolut  dunkeln  Raum  zu  nehmen,  um  sich  vom  Ge- 
centheil  zu  überzeugen. 

Denkende  Physiker  haben  öfter  Anstand  genommen,  die 
durch  mechanische  und  clectrische  Ursachen  im  Auge  entstande- 
nen Lichterscheiiiungen  für  olijectives  Licht  zu  hallen.  So  sagt 
A.  V.  HuMBOi.nr  bei  Gelegenheit  der  galvanischen  Lichterschei- 
tmn«-'  {Ueher  die  gereizte  Muskel-  und  Nervenfaser.  T.  i.  p.  .313.) 

Fifr  Mitwirkung  des  freien  Lichtes  bei  diesem  Galvanisiren  ha- 
ben wir  also  gar"  keinen  Beweis.  Jedes  Organ  giebt  die  Erschm- 
nunc,  welclie  seiner  Energie  angemessen  ist.  Ein  gereizter  Seli- 
nerve  kann  daher  nicht  fibröse  EeAvegung,  sondern  nur  Lichtem- 
pfindung  herv-orbringen , er  mag  vom  galvanischen  Fluidum  oder 
bloss  mechanisch  gereizt  seyn.  Ich  besinne  mich,  selbst  bei  einer 
unvorsichtigen  Bereitung  der  ox-ygenirten  Salzsäure,  wo  meine 
Geruchsnerven  bis  zur  Betäubung  von  vSauerstoff  gereizt  wurden, 
lange  einen  bliträbnlichen  Schein  vor  den  Augen  gpehen  zu  ha- 
ben. Meine  Pupille  veränderte  sich  eben  so  wenig  als  bei  den 
unt^lücklichen  Menschen,  welche  ein  Druck  aufs  Hirn  ganze  Rei- 
hen von  Lichtern  sehen  liess,‘<  und  Anmerkung  ebendaselbst: 
,Auch  mannichlältige  innere  Reize  bringen  hei  verschlossenen 
Aut'en  Licht-  und  Fnrbenerscheiniingen  hervor,  deren  Gesetze 
Herr  Darwin  mit  unglaublichem  Scbarlsimi  entdeckt  hat.  Blitze 
beim  Envachen  und  Aufschlagen  der  Augenlieder  erklärt  man 
aus  einem  electrischen  Reiben  der  Augenwimpern,  eine  Erklä- 
rung, die  wohl  mehr  künstlich  als  wahr  ist. ‘‘ 

Eben  so  wie  v.  Hümboi.dt,  erklärt  auch  Pfaff  diese  Er- 
scheinungen (Gehi-er’s  phys.  Würterh.  IV.  2.), „indem  überhaupt 
Reize  von  der  verschiedensten  Art,  namentlich  mancherlei  me- 
chanische, die  auf  das  Auge  einwirken,  in  dem  Sehnerven  die  spe- 
cifische  fimpfmdung,  durch  welche  er  reagirt,  Lichterscheinungen 
unter  raanclierlei  Gestalten,  als  Blitze  u.  s.  w.,  hervorbringen. 

In  der  neuern  Zeit  hat  man  durch  die  Bemühungen  'von 
Goethe  {Farhenlehre) , von  Purkinje  {Beiträge  zur  Kenntniss  des 
Sehens.  Prag,  , von  IIjort  {de  functione  retinae  partieuta  l. 

Christianiae  1830.)  die  grosse  Menge  der  subjectiven  Lichterschei- 


1.  Von  den  Sinnesnerven.  Gehörnerven.  761 

hnngen,  d.  h.  der  Lichtcrscheinungen  aus  anderen  Ursachen,  als 
dem  äussern  Lichte,  besser  kennen  und  würdigen  gelernt.  Diese 
Erscheinungen  entstehen  durch  alle  Reize,  welche  überhaupt  auf 
den  Sehnerven  und  die  Markhaut  zu  wirken  im  Stande  sind. 

1)  Von  mechanischem  Druck,  Stoss.  Hieher  gehören  die  von 
Elliot  und  PuRKisjE  beschriebenen  Licht-  und  Farhenbilder, 
welche  den  gedrückten  Stellen  der  Markhaut  entsprechen.  Die 
Zerrung  des  Sehnerven  bei  plötzlicher  Wendung  der  Angen  ist 
im  Dunkeln  mit  Lichtsehen  verbunden;  und  die  Zerschneidung 
des  Sehnerven  bei  der  Exstirpatio  oculi  ist,  wie  mir  mein  Freund 
Toürtual  aus  eigener  Erfahrung  bei  Anstellung  dieser  Operation 
mitgetheilt  hat,  mit  dem  Sehen  von  grossen  Lichtmassen  ver- 
bunden; während  die  Markhaut  und  der  Sehnerve  nach  Ma- 
CENDiE  {Journ.  de  phfswl,  IV.  180.)  keines  Schmerzgefühles  Lei 
mechanischen  Verletzungen  fähig  ist.  Die  unangenehme  Em- 
pfindung im  Augapfel  nach  dem  Sehen  in  sehr  helles  Licht, 
scheint  zwar  auf  den  ersten  Blick  dafür  zu  sprechen,  dass  der 
Nervus  opticus  auch  einiger  Gefühlsempfindung  fähig  sey.  Allein 
diese  Empfindung  kann  auch  rellectirt  seyn  und  in  den  Ciliar- 
nerven ihren  Sitz  haben. 

2)  Von  Electricität.  Hieher  gehören  die  von  Ritter  {BeL 
träge  zur  nähern  Kenntniss  des  Galvanismus),  P.urkihje  und  Hjort 
beschriebenen  Phänomene. 

3)  V Dn  Einwirkung  des  Blutes.  Hieher  gehören  die  Licht- 
und  Farbenerscheinungen  in  der  Congestion  und  Entzündung 
des  Auges. 

4)  Von  Verstimmung  des  Nervensystems  und  der  Centralorgane ; 
wohin  die  mannichfaltigsten  subjectiven  Licht-  und  Farbener- 
scheinungen, und  leuchtende  Phantasmen  zu  rechnen  sind. 

V.  Gekorncrren. 

Die  Energien  des  Gehörnerven  sind  die  Tonempfindungen,  wel- 
che aus  den  mannichfaltigsten  inneren  und  äpsseren ; Ursachen, 
am  gewöhnlichsten  aber  durch  mechanische  Eindrücke,  durch 
Schwingungen  in  ihm  entstehen,  die  auf  den  Gefühlssinn  nur 
Gefühlseindrücke  hervorbringen.  Die  Ursachen  sind  also  wieder; 

1)  ^Mechanische,  wie  die  Schwingungen,  heftige  Erschütterung 
des  Kopfes  bei  einem  Schlage  u.  s.  w. 

2)  Mlectrische.  Volta  empfand,  als  sich  seine  Ohren  in  der 
Kette  einer  Säule  von  40  Plattenpaaren  befanden,  im  Augenblicke 
der  Schliessung  eine  Erschütterung  im  Kopfe,  und  einige  Augen- 
blicke nachher  ein  Zischen  und  stossweises  Geräusch,  wie,  wenn 
eine  zähe  Materie  kocht,  welches  die  ganze  Zeit  der  Schliessung 
fortdauerte.  Philos.  Transact.  ISOO.  p.  427.  Ritter  empfand  hei 
Schliessung  der  Kette,  wenn  beide  Ohren  sich  darin  befanden, 
einen  Ton  wie  G der  eingestrichenen  Octave,  oder  ^ ; befand  sich 
*iur  ein  Ohr  in  der  Kette,  so  war  vom  positiven  Pol  aus  der 
Ton  tiefer  als  g,  am  negativen  aber  höher. 

3)  Die  Wirkung  des  Blutes  auf  den  Gehörnerven  bei  der 

49  * 


762  III.  Blich.  Netvenlipysik.  HI.  Ahschn.  Eigenth.  der  einz,  Nerven. 

Cons’estlon  unci  Ent/ÄinclTing  des  Innern  Ohres  bewirkt  auch  suh- 
jective  ToneiDjdlndmigcn. 

4)  Eben  so  erscheint  das  Ohrenklingen  nnd  Brausen  in  den 
mannichtaltigsittin  Formen  hei  fast  allen  allgemeinen  AfFectionen 
des  Nei'vensyBterns,-  und  bei  den  AlTectionen  der  Centralorgane. 

Da,  wie  wir  sbhen,  die  Electricitiit  und  der  mechanische 
Impuls,  in  jedem  Sinnesnerven  andere  Erscheinungen  hervorbrin- 
gen, so  liegt  die  Ursache  der  verschiedenen  Empfindungen  offen- 
bar in  den  Nerven  scUtst,  oder  in  den  Centrallheilcn,  zu  wel- 
chen die  verschiedenen  Sinnesnerven  hingchen.  Welche  von  die- 
sen beiden  Annahmen  die  richtige  ist,  lässt  sich  jetzt  noch  nicht 
sicher  entscheiden.  Im  ersten  Falle  sind  sich  die  Conductoren 
gleich,  die  fortgepflanzten  Oscillationcn  oder  Strömungen  des 
iVervenfluidums  erzeugen  erst  das  Qualitative  einer  Empfindung, 
Licht,  Ton,  Schmerz,  Geschmack  in  den  qualitativ  verschiedenen 
Ursprungsstellen  dieser  Nerven  im  Gehirn;  im  zweiten  Falle  sind 
die  Sinnesnervon  nicht  bloss  gleichartige  Conductoren,  sondern  ihre 
Reactionsart  schön  qualitativ  verschieden,  und  in  den  Nerven  selbst, 
•nicht  im  Gehirn  liegt  die  Ursache  der  Verschiedenheit  der  Empfin- 
dung einer  und  derselben  Ursache,  wie  der  EIcctricitätvon  verschie- 
denen Nervenu  -Für  die  letztei’C  Ansicht  spricht  einigermaasseii  der 
Umstand,  dass,'  wenn  auch  dieselben  Reize  durch  verschiedene 
Sinnesnerven  verschiedene  Empfindungen  erregen  , doch  manche 
Reize  nur  auf  einzelne  ' Nerven  zu  wirken  im  Stande  sind.  So 
wirkt  das  'äussere  Lieh t^ nur  auf  den  Sehnerven,  und  als  crw'är- 
mend  auf  die  Gefiihlsnerven,  nicht  auf  andere,  und  der  Geruchs- 
nerve scheint  nicht  durch  andere  Reize,  als  Riechstofle  und  Ele- 
ctrieität,  zu  Gerüchen  bestimmt  zxi  werden.  Woraus  man  schlies- 
sen  könnte,  dass  die  Nerven  als  Exeitatoren  der  verschiedenen 
^ Sinnescentra  im  Gehirn  und  Rückenmark  auch  selbst  nicht  blosse 
Leiter,  sondern  auch  qualitativ  verschieden  sind,  und  an  der 
Qualität  der  Empfindung  Authcil  haben. 

ff.  Capitk.  Von  den  Eigeiilhümlichkeiten  anderer  Nerven. 

' • Aügennerven. 

Qb  der  , N.  oculomotorlus.,  ahducens  und  ^trochlearis  ausser 
ihrer  jnötorlschcri  Kraft  auch  sensibel  sind,  ist  noch  unbekannt. 
Desmouliss  behauptet,  dass  sie  gezerrt,  gctpietscht  keinen  Schmerz 
verursachen.  Allein  die  Entscheidung  bei  so  kleinen  Nerven  ist 
schwierig  unter  voi'ausgegangencn  starken  Verletzungen  zur  Bloss- 
legung dieser  Nerven.  Der  N.  oculomotorius  versieht  den  Mus- 
culus  levator  palpebrae  sup.,  den  obern  und  untern  graden  Au- 
genmuskel, den  graden  innern  und  den  schiefen  untern,  und  giebt 
durch  den  Nervenzweig  des  untern  schiefen  Augenmuskels  die 
kürze  Wurzel  des  GaWglion  ciliare  ab,  während  die  lange  Wur- 
zel vom  N,  nasalis  berkömmt,  welche  letztere  auch  einen  Faden 
vom  Plexus  cavernosus  des  N.  sympathicus  erhält. 

Eine  besondere  Betrachtung  ’ verdient  der  Einfluss  des  N. 
oculomotorius  und  nasociliaris  auf  die  Iris,  Desmouhüs  führt  an. 


Von  den  Augenneroen, 


763 


dass  nach  den  Erfahrungen  von  Fowleu,  Reinhold  und  Nystets 
der  Galvanismus  durch  das  dritte  Paar  Contraction  der  Iris  l)c- 
■wirke.  Dass  der  JV.  oculomotorius  durch  die  kurze  Wurzel  des 
Ganglion  ciliare  die  Bewegungen  der  Iris  hestimml,  und  dass  die 
lange  Wurzel  vom  N.  nasociliaris  trigemini  hieran  keinen  Antlieil 
hat,  ist  durch  Mayo’s  schöne  Untersuchungen  erwiesen.  Auaio- 
jtdcai  and  physiological  commeniaries.  London  Mageudie  •/our- 

nal  de  Phys.  T.  .3.  p.  248- 

Folgendes  sind  die  Resultate  der  Versuche  an  1.3  lebenden 
Tauben  angestellt,  von  denen  wir  aus  Muck  {De  gangllo  ojdithal- 
mico.  Landish. 'ISlö.)  wissen,  dass  sie  zwei  Wurzeln  des  Ganglion  ci- 
liare, eine  vom  N.  oculo  motorius,  die  andere  vom  N.  trigemimis  haben. 

1)  Die  Durchschneidung  des  N.  opticus  in  der  Schädelhöhle 
bewirkt  die  Erweiterung  der  Pupille,  die  sich  nicht  mehr  zusam- 
menzieht, ohngeachtet  des  heftigen  Lichtreizes.  Auch  Magesdie 
sah  nach  Durclischneidung  des  N.  opticus  bei  Hunden  und  Kat- 
zen Erweiterung  der  Pupille,  und  Unbeweglichkeit  der  Iris.  Da- 
gegen bei  Kaninchen  und  Meerschweinchen  Unbeweglichkeit  und 
Verengung. 

2)  Die  Sectlon  des  N.  oculomotorius  im  Schädel  einer  leben- 
den Taube  bewirkt  denselben  Erfolg;  in  beiden  Fällen,  sowohl 
nach  der  Durchschneidung  des  N.  opticus  als  des  N.  oculomoto- 
rius, behält  das  Auge  seine  Sensibilität  auf  der  Oberfläche. 

3)  Die  Section  des  N.  trigemimis  in  der  Schädelhöhle  be- 
wirkt keine  Veränderung  in  den  Bewegungen  der  Iris,  aber  die 
Oberfläche  des  Auges  verliert  ihre  Sensibilität  (durch  die  Aeste 
des  N.  ophthalmlcus,  die  sich  in  der.  Conjunctiva  verbreiten). 

4)  Wenn  man  den  N.  opticus  in  der  Schädelhöhle  einer  le- 
benden Taube,  oder  unmittelbar  nach  der  Dccapitation  mecha- 
nisch reizt,  zieht  sich  die  Iris  jedesmal  mit  Verkleinerung  der 
Pupille  zusammen.  (Ist  auch  von  Flourens  gesehen.) 

5)  Wenn  man  den  N.  oculomotorius  auf  diesellje  Art  zerrt, 
hat  dasselbe  statt. 

6)  Wenn  man  das  fünfte  Paar  zerrt,  erfolgt  keine  Verände- 
rung der  Pupille. 

7)  Wenn  man  die  Sehnerven  in  der  Sehädelhöhle  einer 
Taube  unmittelbar  nach  der  Dccapitation  durchschneidet,  und 
den  Tbeil  der  Sehnerven  zerrt,  der  mit  dem  Auge  verbunden  ist, 
erfolgt  keine  Veränderung  der  Fupille;  wenn  man  dagegen  den 
Theil  des  Sehnerven  zerrt,  der  mit  dem  Gehirn  verbunden  ist, 
so  erfolgt  Verengung  der  Pupille,  eben  so  als  wenn  der  Nervus 
opticus  nicht  durchschnitten  wäre. 

8)  Die  Section  des  fünften  Paares  bewirkte  keine  Modifica- 
tion  in  diesem  Erfolge. 

9)  Nach  der  Section  des  dritten  Paares  im  Gegcntheil  hat 
die  Reizung  des  Nervus  opticus,  sey  er  noch  ganz  oder  durch- 
schnitten, gar  keinen  Einfluss  auf  die  Pupille. 

Aus  diesen  Versuchen  kann  man  mit  Sicherheit  scbliessen, 
dass  der  N.  oculomotorius  die  motorische  Kraft  dem  Ganglion 
ciliare  und  den  Ciliarnerven  crtheilt,  dass  der  Lichtreiz  nicht  un- 
mittelbar auf  die  Ciliarnerven  wirkt,  sondern  dass  die  Irritation 


764  III.  Buch.  Nervenphysik.  IV.Abschn.  Eigenth.  der  einz,  Nerven. 

der  Netzliaat,  des  Sehnervens  auf  das  Gehirn  wirkt,  und  vom  Ge- 
hirn auf  den  N.  oculomotorius  und  die  kurze  motorische  Wurzel 
des  Ganglion  ciliare  zurückwirkt.  Diess  geht  auch  aus  der  be- 
kannten Erfahrung  hervor,  dass  das  amaurotische  Auge,  wo  die 
Netzhaut  gelähmt  ist,  die  Beweglichkeit  der  Iris  durch  Licht- 
reiz auf  das  amaurotische  Auge  verloren  hat,  dass  die  Iris  dieses 
Auges  sich  aber  bewegt,  wenn  das  Licht  auf  das  andere  gesunde 
Auge  einfällt.  Es  folgt  ferner  aus  Mayo’s  Versuchen,  dass  die 
allgemeine  Sensibilität  des  Auges  vom  Nervus  trigemlnus  ah- 
liängt,  der  durch  Zweige  des  Nervus  ophthalmicus  die  Sensi- 
bilität der  Conjunctiva , durch  die  lange  Wurzel  des  Gan- 
glion ciliare  die  Sensibilität  im  Innern  Auge  bewirkt.  Die 
sympathischen  Zweige  beherrschen  die  Ernährung  des  Auges; 
wir  haben  schon  gesehen  wie  der  Nervus  sympathicns  durch 
seine  Verbindung  mit  dem  Ganglion  ciliare  Einfluss  auf  die 
Ernährung  des  Auges  hat,  und  nach  der  Zerstörung  des  Gan- 
glion cervicale  supremnm  Augenentziindung  mit  Exsudation 
folgt.  S.  oben  p.  648.  Die  Section  des  Nervus  trigeminus 
hat  bei  den  Kaninchen,  Meerschweinchen,  Hunden,  Katzen 
nach  Magendie’s  Versuchen  Unbeweglichkeit  der  Iris  zur  Fol- 
ge; und  die  Pupille  ist  bei  den  Hunden  und  Katzen  weit, 
eng  bei  den  Kaninchen  und  Meerschweinchen.  Desmouliks  Anat. 
des  syst.  nerv.  T.  2.  p.  712.  Hier  muss  eine  Rückwirkung  auf 
das  Gehirn  stattfinden. 

Ich  werde  mich  jetzt  mit  der  Art  des  Einflusses  des  N.  ocn- 
lomotorius  auf  die  Bewegung  der  Iris  beschäftigen,  worüber  ich 
mehrere  eigenthümliche  Beobachtungen  gemacht  habe.  Der  N. 
oculomotorius  bewirkt  häufig  eine  Contraction  der  Iris,  sobald  er 
willkührlich  thätig  oder  unwillkührlich  afficirt  ist.  Da  der  N. 
oculomotorius  von  den  graden  Augenmuskeln  nur  den  RCctus  ex- 
ternus  nicht  versieht,  so  kann  man  also  bei  willkührllcher  Dre- 
hung des  Auges  nach  aussen  gewiss  scyn,  dass  der  N.  oculomo- 
torius nicht  thätig  ist;  hei  willkührllcher  Drehung  des  Auges 
nach  innen,  dass  der  N.  oculomotorius  thätig  ist.  Man  wird  sich 
aber  überzeugen,  dass  die  Pupille  bei  gleicher  Lichtintensität  klei- 
ner vvird,  sobald  das  eine  Auge  geschlossen  ist  und  das  andere 
ganz  nach  Innen  gedreht  wird,  dass  die  Pupille  grösser  wird, 
sobald  das  Auge  nach  Aussen  gedreht  wird.  Hieraus  geht  unwi- 
derleglich hervor,  dass  bei  jeder  willkührlichen  Bewegung  des 
Auges,  wobei  der  Zweig  des  N.  oculomotorius  zum  Innern  graden 
Augenmuskel  thätig,  die  Iris  mit  thätig  ist,  und  dass  sie  unthätig, 
die  Pupille  weit  wird,  wenn  der  N.  abducens  wirkt. 

Wird  das  eine  Auge  nach  Aussen , das  andere  nach  Innen 
gedreht,  so  bemerkt  man  keine  auffallende  Veränderung  der 
Pupille,  wegen  der  entgegengesetzten  Bedingungen.  Convergiren 
beide  Augen  stark,  so  ist  die  Verengung  der  Pupille  am  stärksten, 
mag  man  nun  einen  seitlichen  nahen,  oder  einen  geraden  na- 
hen Gegenstand  betrachten;  je  mehr  die  Augen  dagegen  pa- 
rallel stehen , und  die  Musculi  recti  interni,  welche  vom  Nervus 
oculomotorius  abhangen,  unthätig  werden,  um  so  weiter  wird 
die  Pupille. 


Von  den  Augennerven. 


765 


Durch  den  Zusammenhang  der  motorischen  Wuriel  des  Gan- 
glion ciliare  mit  dem  N.  oculomotorius  kann  man  daher  die  Iiis 
sympathisch  ivillkührlich  verändern,  d.  h.  die  Iris  zieht  sich  von 
seihst  zusammen,  sobald  die  Willkühr  auf  den  N.  oculomotorius  al- 
lein wirkt.  Da  man  nun  heim  Sehen  in  der  Nähe  die  Augenach- 
sen convergirt,  und  die  Augen  mehr  nach  innen  dreht,  beim 
Sehen  in  die  Ferne  mehr  von  einander  entfernt,  so  wird  die 
Pupille  beim  Sehen  in  der  Nähe  viel  enger,  heim  Sehen  in  die 
Ferne  viel  weiter.  Die  Bewegungen  der  Iris  hei  den  Vögeln 
sind  nicht  gerade  mehr  willkührlidi  als  die  unseren;  die  Pupille 
der  Vögel  wird  sehr  eng,  wenn  man  auf  sie  zugeht  und  sie  in 
Leidenschaften  setzt. 

Ich  werde  nun  zeigen,  dass  nicht  allein  der  schon  genannte 
Zweig  des  N.  oculomutorius  zum  Museulus  rectus  internus  diesen 
sympathischen  Einfluss  auf  die  Bewegung  der  Iris  hat,  sondern 
auch  andere  Zweige,  namentlich  der  Zweig,  der  zum  Ohliijuiis 
inferior  geht,  dasselbe  thun.  Der  Museulus  ohliquus  inferior  rollt 
das  Auge  so,  dass  die  Pupille  nach  oben  und  eiuwärts  steht.  Macht 
man  diese  Bewegung  willkührlich,  so  wird  die  Pupille  sehr  eng. 
Diese  Bewegung  des  Auges  wird  von  seihst  unwillkührlich  im 
Einschlalen,  'im  Sehlaf,  in  der  Trunkenheit  und  in  Nervenzufällen 
ausgefülirt;  daher  findet  man  im  Schlafe  die  Pupille  eng. 

Die  im  Schlafe  verengerte  Pupille  kann  sich  iibrigens  durch 
die  Beizung  des  Lichtes  noch  enger  zusammenzietien,  wie  Haw- 
Kiifs  hei  Mayo  aus  Beobachtungen  berichtet.  Beim  Erwaclien  wird 
die  Pupille  mit  einigen  unregelmässigen  Contracllonen  wieder 
weiter. 

Die  vergleichende  Anatomie  bestätigt  im  Allgemeinen  die 
physiologischen  Resultate.  Die  Ciliarnerven  bestehen  constant 
aus  Zweigen  des  N.  oculomotorius  und  des  N.  nasalis;  hiebei  lin- 
den folgende  Verschiedenheiten  statt: 

1)  Zweige  vom  N.  oculomotorius  und  nasalis  verbinden  sich 
als  Wurzeln  zum  Ganglion  ciliare.  Die  Ciliarnerven  sind  theils 
Zweige  des  Ganglion,  theils  des  N.  nasalis  selbst.  So  ist  es  nach 
Mtjck’s  und  Tiedemakn’s  ausführlichen  und  genauen  Untersuchun- 
gen beim  Hund,  Hasen,  Ochsen,  Schaf,  Ziege,  Hirsch,  Reh,  Schw'ein, 
Eule,  Taube,  Papagey,  Gans,  Truthahn,  Kiebitz,  (Schildkröte  Bo- 

JANUS). 

2)  Das  Ganglion  gehört  zunächst  der  Wurzel  des  N.  oculo- 
motorius an,  und  die  Ciliarnerven  des  Ganglions  gehen  zmn  Theil 
zum  Auge,  und  verbinden  sich  zum  Theil  schlingenförmig  mit 
den  Ciliarnerven  des  N.  nasalis,  die  auch  zum  Fheil  allein  zum 
Auge  gehen.  So  ist  es  bei  der  Katze,  hei  Falken,  Reihei’,  Ra- 
ben, Hahn,  Ente,  Mergus  und  Sterna.  Ich  halte  diesen  Fall 
bloss  für  eine  Varietät  des  ersten. 

.3)  Beim  Kaninchen  fand  Mtjck.  gar  keine  Verbindung  der 
Radix  N.  oculomotorii  und  des  N.  nasalis,  sondern  beide  Neiven 
geben  einzeln  für  sich  die  Ciliarnerven  ab.  Nach  Retzius  liegt 
das  Ganglion  fast  in  der  Scheide  des  N.  oculomotorius. 

4)  Desmouuks  läugnet  die  Ciliarnerven  des  N.  nasalis  ganz 
beim  Kaninchen,  Meerschweinchen  und  der  Wasserratte,  so  dass  der 


766  HI.  Buch.  Nervenphysik,  IV.  Abschn.  Eigenth.  der  einz.  Nerven. 

N.  ocalomotorins  allein  Ciliarnerven  abgäbe.  Diese  Thiere,  wie 
die  Nager  übei’baupt,  sollen  nnch  kein  Ganglion  haben  (?). 

5)  Es  giebt  kein  Thier  mit  beweglicher  Iris,  welches  nicht 
Ciliarnerven  vom  N.  oculomotorius  erhielte,  und  wo  der  N.  nasa- 
lis  allein  Ciliarnerven  ahgäbe.  Der  N.  ocnlomotorius  bleibt  im- 
mer ein  Hauptnervc  für  die  Ciliarnerven,  so  lange  die  Iris  be- 
weglich ist.  Zwar  hatten  Muck  und  Tiedemann  behauptet,  beim 
Pferde  linde  weder  ein  Ganglion  statt,  noch  gebe  der  N.  ocnlo- 
motorius Ciliarnerven  ab,  allein  IIetzius  bat  sowohl  das  ausseror- 
dentlich kleine  Ganglion,  als  die  Verbindung  mit  den  zwei  Wur- 
zeln aufgefunden.  Isis  1827.  p.  997.  So  ist  es  auch  wahrschein- 
lich ein  Irrthum,  wenn  nach  Muck  beim  Eichhörnchen  der  N. 
oculomotorius  nichts  zu  den  Ciliarnerven  beitragen  soll. 

6)  Bei  den  Fischen  ist  die  Iris  fast  durchgängig  ganz  unbe- 
weglich. Das  Ganglion  ciliare  fehlt  nach  Desmoulins  ; er  fand  bei 
Muraena,  Silurus,  Squalus  gar  keine  Ciliarnerven  zum  Auge  (?).  Bei 
den  Fischen  mit  einer  Glandula  chorioidalis  sollen  Aeste  vom  N. 
ophthalmicus  zum  Auge  treten;  beim  Rochen  mit  beweglicher 
Iris  Aeste  vom  N.  oculomotorius,  und  bei  Plcuronectes , wo  die 
Iris  beweglich  seyn  soll,  vom  N.  oculomotorius  und  opbtlialmlcus. 
Muck  und  Tiebemann  fanden  bei  Salmo  Ilucho  Ciliarnerven  vom 
N.  oculomotorius  und  nasalis,  die  sich  zum  Theil  verbinden; 
beim  Karpfen  vom  N.  oculomotorius.  Nach  Schlemm’s  Untersu- 
chungen und  Mittheilungen  an  mich  unterscheiden  sich  die  Fi- 
sche von  den  übrigen  Thieren  in  Hinsicht  der  Ciliarnerven  nicht. 
Er  fand  in  der  Regel  die  gewöhnlichen  beiden  Wurzeln.  Bei  den 
Vögeln,  mit  einer  Nickhaut,  giebt  der  N.  abducens  die  Zweige 
der  Muskeln  der  Nickhaut  ab, 

Einfluss  des  Gehirns  auf  die  Augennerven.  Desmoulins  und 
Magendie  berichten , dass  nach  Section  der  Pedunculi  cercbelli 
ad  pontem  bei  dqn  Säugethieren  das  Auge  der  verletzten  Seite 
vorwärts  und  abwärts , das  Auge  der  andern  Seite  aufwärts 
und  rückwärts  gerichtet  wird.  Dasselbe  Resultat  fand  sich  nach 
der  Section  der  Pons  Varolii. 


Nervus  trigeminus. 

Von  der  sensibeln  und  motorischen  Portion  dieses  Nerven 
ist  schon  in  dem  Abschnitte  von  den  Empfindungs-  und  Bewe- 
gungsnerven ausführlich  gehandelt  und  gezeigt  worden,  dass  der 
erste  und  zweite  Ast  dieses  Nerven  bloss  sensorielle  Zweige 
abgeben,  der  dritte  Ast  aus  beiden  Portionen  des  Nerven  ge- 
mischt, Ibeils  sensensorielle,  theils  motorische  Aeste  abgiebt, 
so  dass  unter  die  sensoriellen  der  Ramus  alveolaris  inferior, 
temporalis  superficialis,  lingualis,  unter  die  motorischen  der  Ra- 
mus masseteriens , buccinatorius , temporales  profundi,  pterygoi- 
deus,  mylohyoideus  gehören.  Ueber  die  in  dem  Ramus  lingualis 
wahrscheinlich  enthaltenen  doppelten  Empfindungsfasern  verschie- 
dener Qualität  für  Gefühls-  und  Geschmacksempfindungen» 
auch  schon  p.  755.  gehandelt  worden. 

1 


Vom  Nervus  trigeminus. 


787 


Dieser  wiclitlgc  Nerve,  welcher  die  Empfindung  am  vordem 
Und  Seitcntheil  des  Kopfes  und  im  Kopftheil  der  Schleimhäute 
(Con juncliva , Nasenschleimhaut,  Mundschleimhaut)  unterhält,  und 
durch  die  Portio  minor  zugleich  der  Bewegungsiierve  der  Kau- 
muskeln ist,  steht  durch  jeden  seiner  Ilauptäste  mit  dem  N. 
sympathicus  in  Verbindung,  wodurch  den  Zweigen  dieses  Nerven 
Wahrscheinlich  organische  Fasern  eingeweht  werden. 

1)  Die  erste  dieser  Verbindungen  ist  die  des  N.  nasociliaris 
mit  dem  Ganglion  ciliare,  welches  einen  Zweig  vom  N.  sympa- 
thicus erhält.  Beim  Ochsen  sieht  man  leicht,  dass  sich;,  auch 
organische  Fasern  in  den  ersten  Ast  des  Nervus  trigeminus 
von  demjenigen  Theile  des  N.  sympathicus  einmischen,  der  sich 
mit  dem  N.  abducens  verbindet. 

2)  Die  zweite  ist  die  des  zweiten  Astes  mit  dem  N.  sympa- 
thicus, vermittelst  des  am  zweiten  Aste  befindlichen  Ganglion 
sphenopalatinum , grade  da,  wo  der  dem  sympathischen  System 
angehörende  Ramus  petrosus  profundus  n.  vidiani  vom  caroti- 
schen  Theile  des  N.  sympathicus  kommend,  sich  mit  dem  zwei- 
ten Aste  des  N.  trigeminus  verbindet.  Beim  Ochsen  gicht  der 
Ramus  profundus  n.  vidiani,  deutlich  vom  N.  sympathicus  kom- 
mend, sowohl  Fasern  zum  Ganglion  sphenopalatinum,  als  viele 
fortlaufende  Fasern  zu  den  Zweigen  des  zweiten  Astes.  Der  Ramus 
superficialis  n.  vidiani,  welcher  vom  zweiten  Ast  des  N.  trigeminus 
zum  N.  facialis  geht,  scheint  ganz  anderer  Bedeutung  zu  seyn,  als 
der  vom  N.  sympathicus  zum  zweiten  Aste  des  N.  trigeminus  gehende 
sogenannte  Ramus  profundus  n.  vidiani.  Abnold  hält  den  Ramus 
superficialis  n.  vidiani  für  einen  wirklichen  Abgang  vom  zweiten 
Aste  des  N.  trigeminus,  und  eine  Beimischung  zum  N.  facialis. 
Der  zweite  Ast  des  N.  trigeminus  erliält  übrigens  noch  von  einer 
andern  Seite  organische  Fasern.  Nämlich  wie  ich  Leim  Ochsen 
sah,  giebt  der  mit  dem  N.  abducens  sich  verbindende  Theil  des 
N.  sympathicus  ein  ganz  dickes  Fascikel  organischer  Fasern, 
Unterhalb  des  Ganglion  Gasseri  in  den  zweiten  Ast  des  N.  trige- 
Uiinus.  Bei  den  Vögeln  findet  eine  Verbindung  des  N.  sympathicus 
durch  einen  dem  N.  vidianns  ähnlichen  Nerven  mit  dem  er- 
sten Aste  in  der  Orbita,  statt  mit  dem  zweiten  Aste  des  N.  tri- 
geminus statt.  Schlemm. 

3)  Die  dritte  Verbindung  des  N.  sympathicus  mit  dem  N. 
trigeminus  ist  die  des  dritten  Astes  durch  das  Ganglion  oticum  Ar- 
Uoldi.  Diess  an  der  innern  Seite  des  dritten  Astes  liegende,  beim 
^lenschen  wie  bei  den  Säugethieren  vorkommende  Ganglion  ist 
''on  Arnolo  entdeckt  worden.  Arkold  ( Ueher  den  Ohrknoten. 
Heidelh.  1828.  Vergl.  Schlemm,  Froriep’s  Not.  660.  Müel- 
tER,  Meckel’s  Archiv.  1832.  p.  67.  Hagenbach  distj.  circa  musc. 
^ris  infernae  adjectis  animadversionibiis  de  ganglio  otico.  JBasil  183.3. 
IIendz  de  annsiomosi  Jacohsonii  et  gangho  Arnoldi.  IJafn.  1833.) 

hängt  mit  dem  Stamme  des  dritten  Astes  zusammen,  und 
schickt  organische  Fasern  zu  den  Zweigen  des  dritten  Astes, 
^aim  Ochsen  ganz  deutlich  ein  Büschel  von  Fasern  zum  N.  buccina- 
torius.  Nach  Bendz  hängt  dieser  Knoten  mit  den  vegetativen  Nerven 
zusammen,  welche  von  dem  Ganglion  cervicale  supremiun  n.  sym- 


768  III.  Buch.  Neroenphfsik.  IK  Ahschn.  Eigenth.  der  einz.  Nerven. 

patliicl  die  Carotis  facialis,  sofort  die  Art.  maxillaris  interna,  und 
dann  die  Art.  meningea  media  begleiten. 

Von  dem  Ganglion  geben  zwei  Nerven  zur  Trommelböble,  der 
eine  gehört  ihm  selbst  an^  der  andere  scheint  bloss  von  dem  Ganglion 
zu  kommen,  und  ist,  wie  Schlemm  erst  erwies,  immer  ein  Zweig  von 
dem  N.  pterygoideus  internus.  Dieser  letztere  Zweig  ist  der  Be- 
wegungsnerve des  Musculus  tensor  tympani;  beim  Kalbe  tritt  er 
durch  das  Ganglion  oticum  durch.  Der  andere  Nerve,  N.  petro- 
sus  superficialis  minor  Arnoldi,  welcher  vom  Ganglion  selbst  ent- 
springt, gehört  zum  sympathischen  System;  er  dringt  in  einen 
eigenen  Kanal  des  Felsenbeines,  welcher  vor  und  an  der  äus- 
sern  Seite  des  Aditus  canalis  Fallopiae  liegt,  tritt  durch  diesen 
Kanal  in  die  Trommelhöhle  ein,  und  verbindet  sich  mit  der  Ja- 
cobsonschen  Anastomose.  Er  giebt  auch  einen  kleinen  Ast  zu 
dem  Knie  des  N.  facialis.  Diese  Anastomose,  deren  Hauptbogen 
auf  dem  Promontorium  der  Trommelhöhle  liegt,  verbindet  den 
N.  tymjianicns  ganglii  otlci  mit  dem  Ramus  carotico-tympanicus 
n.  sympathici  und  dem  Ramus  tympanicus  ganglii  petrosi  n.  glos- 
sopharyngei  zu  einer  Schlinge  von  organischen  Nerven.  Der 
Zweig  vom  N.  glossopharyngeus  scheint  nicht  von  diesem  Nerven 
zu  kommen,  sondern  zu  ihm  binzngehen,  und  an  der  Stelle  des 
Ganglion  petrosum  ihm  organische  Fasern  einzumischen. 

Zu  der  Jacobsonschen  Anastomose  kommt  noch  ein  anderer 
feinerer  Zweig,  nämlich  der  R.  petrosns  profundus  minor  n.  vi- 
diani,  von  Ahsold  entdeckt,  sowohl  von  Bendz  als  von  mir  wie- 
dergefnnden.  Dieser  ganze  Apparat  von  organischen  Nervenfa- 
sern, der  vom  Ganglion  oticum  ausgeht,  scheint  dazu  bestimmt, 
dem  dritten  Ast  des  N.  trigeminus,  dem  siebenten  und  neunten 
Nerven,  organische  Fasern  einzumischen,  und  die  Trommelhöhle, 
namentlich  die  Schleimhaut  mit  organischen  Fasern  zu  versehen- 
Dagegen  scheint  das  Ganglion  oticum  in  keiner  Beziehung  zuro 
Gehör  zu  stehen.  Man  begreift  nun  bei  der  Menge  der  organischen 
Fasern,  welche  dem  N.  trigeminus  eingewebt  sind,  warum  die 
Durehschneidung  des  N.  trigeminus  in  Magendie’s  Versuchen  die 
vegetativen  Functionen  des  Auges,  des  Zahnfleisches,  der  Zunge 
veränderte  (siehe  oben  p.  638.);  auch  sieht  man  die  Neigung 
der  Schleimhäute  des  Auges,  der  Nase  und  der  Trommelhöhle 
zu  gleichzeitigen  catarrhallschen  Affectionen  ein.  S.  oben  -p.  73*- 

Das  Ganglion  maxillare  am  Ramus  lingualis  des  dritten  Astes  des 
N.  trigeminus  gleicht  darin  dem  Ganglion  ciliare,  dass  es  von  orga 
nischen  Fasern  und  von  Fäden  des  animalischen  Nervensystems  zu- 
sammengesetzt wird.  Von  vegetativer  Seite  geht  zu  diesem  Knote» 
nach  Haller’s,  Bocr’s,  Arnold’s  Beobachtungen  ein  Faden  vom  Gan- 
glion cervicale  snpr.  n.  sympathici,  der  mit  der  Gesichtsschlagadcr 
zum  Ganglion  maxillare  gelangt.  Von  diesem  Zweige  und  von  der 
gangliösen  Masse  mögen  die  organischen  Wirkungen  des  Gan- 
glions auf  die  Absonderung  des  Speichels  in  der  Glandula  subma- 
xillaris  abhängen.  Ausserdem  geht  zu  dem  Knoten  nach  Abnol» 
ein  Zweig  der  an  dem  N.  lingualis  angeschlossenen  Chorda  tyr»' 
panl,  während  die  Fortsetzung  dOTsclbcn  im  N.  lingualis  bleib  ^ 
Da  die  Chorda  tympani  vom  N.  facialis  kömmt,  der  ein  motori' 


Vom  Nervus  trlgemirms. 


769 


scher  Nerve  ist,  so  mag  von  diesen  Fäden  die  motorische  Wir- 
kung der  ans  dem  Ganglion  maxillare  auf  den  beweglichen  Du- 
ctus Whartonianus  (siehe  oben  p.  457.)  ausstrahlenden  Fäden  her- 
riihren.  Dann  gehen  nach  Arnold  auch  noch  einige  Fäden  vom 
N.  lingualis  selbst  zum  Ganglion  maxillare  ab,  welche  die  Sensa- 
tion in  der  Drüse  und  dem  Ausführungsgange  unterhalten  mö- 
gen. So  gleicht  also  dieser  Knoten  in  Hinsicht  seiner  Wurzeln 
Von  dreifacher  Bedeutung  dem  Ganglion  eiliare.  Das  Ganglion 
ölaxillare  giebt  nach  Arnold  graue  Fäden  theils  an  die  Drüse, 
theils  an  ihren  Gang,  theils  aber  auch  an  den  N.  lingualis  ab. 
Arnold  leitet  hieraus  die  stärkere  Ausscheidung  des  Speichels  bei 
Reizungen  der  Geschmacksnerven  ab;  indessen  kann  diess  Abge- 
ben von  organischen  Fasern  an  den  N.  lingualis  auch  wohl  nur 
ein  Einmischen  von  vegetativen,  zur  peripherischen  Verbreitung 
bestimmten,  Fasern  seyn. 

Die  vergleichende  Anatomie  des  N.  trigeminus  ist  freilich 
noch  in  manches  Dunkel  gehüllt,  doch  verhält  sich  dieser  Nerve 
bei  den  höheren  Thieren  fast  ganz  so  wie  beim  Menschen,  so- 
wohl in  Hinsicht  seiner  Verbreitung  als  seiner  physiologischen 
Eigenschaften.  Er  ist  der  Hauptgefühlsnerve  des  Gesichtes.  So 
rühren  nach  Rapp  {die  Verrichtungen  des  fünften  Nervenpaares. 
Leipz.  1832.  4.)  die  Empfindungsfasern  der  Bälge  der  Tasthaare 
der  Thiere  vom  N.  infraorbitalls  her,  während  die  Bewegung  der 
Bälge  durch  den  N.  facialis  versehen  ist. 


Wo  das  Tastgefühl  Lei  den  Thieren  in  der  Schnauze  eine 
grössere  Rolle  spielt,  ist  immer  der  N.  infraorbitalls  stärker,  wie 
hei  den  mit  einem  Rüssel  versehenen  Thieren. 

Die  vergleichende  Anatomie  zeigt  uns  bei  den  niederen 
Wirbelthieren  mehrere  Eigenthümlichkeiten  des  Nervus  trige- 
öiinus.  Desmoulins  hat  bemerkt,  dass  bei  den  Fischen,  deren  Kopf 
fast  ganz  mit  harter  Bedeckung  begleitet  Ist,  wie  bei  Trigla,  wo 
also  das  Gefühl  in  demselben  Grade  vermindert  ist,  die  Zweige 
des  N.  trigeminus  ausserordentlich  klein  sind,  und  sich  meist  nur  in 
den  Muskeln  der  Kiefern  und  des  Zungenbeins  verzweigen.  Bei 
den  niederen  Wirbelthieren  dehnt  sich  sonst  der  Bereich  des  N.  tri- 
geminus über  einen  grossem  Thcil  der  Körperoberfläche  aus,  als 
öei  den  höheren  Thieren.  Bei  den  Zitterrochen  wird  der  vor- 
dere Theil  des  electrischen  Organes  auch  von  einem  Aste  des  N. 
föigeminus  versehen,  während  die  Hauptnerven  dieser  Organe 
^este  des  Nervus  vagus  sind.  Bei  den  Rochen  geht  ein  Ast 
des  Nervus  trigeminus  zu  der  Ausstrahlung  der  Schleimröh- 
unter  der  Haut.  Bei  den  Batrachiern  sind  die  motorischen 
^öste  nach  Desmoulins  (2.  751.)  nicht  allein  auf  die  Kaumuskeln 
"^schränkt,  sie  gehen  auch  zu  den  Muskeln  der  Stimmritze. 

dem  Karpfen  erhält  der  letzte  Hirnnerve,  welcher  zu  den 
“uskeln  der  Brustflosse  geht,  nach  Weber’s  Untersuchungen  auch 
®*öen  Antheil  vom  N.  trigeminus.  Weber  Mecrel’s  Archiv  1827. 
P-  313. 


- . E.  H.  Weber  hat  die  Entdeckung  gemacht,  dass  mehrere 
•sehe  neben  dem  gewöhnlichen  N.  lateralis,  der  ein  Ast  des  N.  va- 
8ds>  an  der  Seite  des  Fisches  oberflächlich  in  den  Rumpfmuskeln 


770  III.Buch.  Nerpenphfsik.  IV.Ahschn.  Eigenih.  der  cinz.  Nerven. 

l)is  zum  Scliwanz  verläuft,  auch  noch  einen  anderen  Längenerven 
vom  N.  trigeminns  haben.  Dahin  gehören  der  Wels  und  die 
Aalraupe.  Weber  de  aiire  et  auditu  Lips.  1820.  Meckee’s  Archiv 
1827.  p.  304.  Dieser  N.  lateralis  trigemini  verbindet  sich  auf  I 
das  innigste  mit  den  Spinalnerven,  was  der  N.  lateralis  vagi  nicht 
thut.  Bei  den  Fischen  sind  der  N.  vagus  und  trigeminns  gcmei-  i 
niglich  die  stärksten  Nerven  des  Gehirns,  ihre  Entwickelung  ent- 
spricht der  Stärke  der  Anschwellungen  des  verlängerten  Markes, 
wo  sich  am  Ursprünge  des  N.  vagus  oft  ein  eigener  Hirnlappen  ent- 
wickelt; der  N.  trigeminns  entspringt  heim  Karpfen  von  einer  vor- 
dem unpaaren,  heim  Wels  von  einer  seitlichen  Anschwellung  j 
des  kleinen  Gehirns,  wie  Weber  fand. 


Nervus  facialis.  , 

Wenngleich  der  N.  facialis  einen  gewissen  Antheil  sensibler 
Fasern  enthält  (siehe  oben  p.  643.),  so  ist  er  doch  der  Hauptbe- 
wegungsnerve des  Gesichtes.  Sein  Bereich  ist  der  ganze  Umfang 
der  Gcsichtsmuskeln,  der  Ohrmuskeln  bis  zum  Musculns  occipita- 
lis,  und  ausserdem  beherrscht  er  noch  einige  andere  Muskeln, 
den  Musculus  bivcnter  maxillae  inf.  (den  liintcrn  Bauch,  der  vor- 
dere ist  vom  N.  mylohyoideus  versehen),  den  Musculus  stilohyoi- 
deus  und  den  Hautmuskel  des  Halses.  Er  ist  daher  auch  der 
physiognomische  Nerve  und  zugleich  der  Athemnerve  ’des  Gesich- 
tes, insofern  er  bei  allen  verstärkten  oder  angestrengten  Atheni- 
bewegungen,  besonders  bei  geschwächten  Menschen  mitafficirt  ist. 
Siehe  oben  p.  .3.32.  In  dem  Grade,  als  bei  den  Thieren  die  Ge- 
sichtsmuskeln und  der  physiognomische  leidenschaftliche  Ausdruck  | 
abnehmen,  wird  auch  dieser  Nerve  kleiner.  Bei  den  Thieren  | 

mit  beweglichem  Rüssel  ist  der  N.  facialis  sehr  stark,  und  beim  | 

Elephanten  der  Ast  des  N.  facialis  zum  B.üssel  so  stark,  wie  der 
N.  ischiadicus  des  Menschen,  während  die  Aeste  vom  fünften 
Paare  an  das  tastende  Endstück  des  Rüssels  gehen.  Die  bewegli- 
chen Barthaare  der  Thiere  erhalten  die  Nervenfädcn  ihrer  Muskeln 
von  dem  N.  facialis,  während  das  Gefühl  der  Haarbälge  von  dem  N- 
infraoi'bitalis  abhängt.  Beli.  expos.  da  syst.  nat.  des  nerfs.  p.  55. 
Vergl.  Rapp  a.  a.  O.  Bei  den  Vögeln  bat  der  N.  facialis  als  physiogno- 
mischcr  Nerve  aufgehört.  Nur  bei  mehreren  Vögeln  mit  beweglichen 
Ohrfedern,  und  zur  Aufrichtung  der  Halsfedern  durch  den  Hals- 
muskel  ist  er  physiognomisch  noch  von  Bedeutung,  und  derWeS 
zum  Ausdrucke  der  Leidenschaften;  sonst  verbreitet  er  sich  nni' 
mehr  in  den  Muskeln,  die  er  beim  Menschen  ausser  den  Gesiebts- 
muskeln  versieht,  den  Muskeln,  welche  die  Kinnlade  abziehen 
und  das  Zungenbein  erheben,  und  im  Ilautmuskel  des  Halses. 
Bewegungsnerve  ist  er  immer  noch,  so  weit  er  da  ist,  und  es  i**' 
wohl  ein  Missverständniss , wenn  Treviranus  an  diesem  Nerven 
zeigen  zu  können  glaubt,  dass  ein  Nerve  seine  Function  verän-' 
dem  könne,  indem  seine  Bewegungsfunclion  bei  den  Vögeln  last 
ganz  aufhöre.  Vielmehr  ist  er  bei  den  Vögeln,  wie  bei  de" 
Menschen,  immer  noch  eigentlicher  Muskelnerve.  I3ei  den  Schild"' 


I 


Vom  Nerous  facialis  and  glossopharyngeus.  771 

kröten  gleicht  seine  Verbreitung  derjenigen  der  Vögel.  Bei  den 
Fischen  fehlt  der  N.  facialis. 

Die  heim  Menschen  und  den  Säugethieren  vorkommende  Ver™ 
hindung  des  N.  facialis  und  des  N.  lingualis  durch  die  durch  die 
Trommelhöhle  durchtretende  Chorda  tympani  ist  völlig  räthselhaft, 
Cloquet  und  Hireei.  behaupten,  dass  der  N.  petrosus  superficia- 
lis n.  vidiani,  ■welcher  vom  z'weiten  Aste  des  JV.  trigeminus  zura 
Rnie  des  N.  facialis  geht,  sich  bloss  an  den  N.  facialis  anlege, 
in  dessen  Scheide  liegend,  und  als  Chorda  tympani  von  ihm  -wie- 
der ahtretcj  um  zum  N.  lingualis  zu  gelangen.  Nach  Arnold’s 
Untersuchungen  ist  diese  Behauptung  indess  ungegründet,  indem 
es  ohne  gewaltsame  Trennung  nicht  möglich  ist,  eine  solche  An- 
ordnung zu  erhalten.  Nach  Vaerentrapp  {ohserv.  anat.  de  parte 
cephalica  n.  symp,  Francof.  18.31.),  verläuft  der  N.  petrosus  super- 
ficialis, nachdem  er  zum  N.  facialis  getreten,  nicht  neben  ihm, 
sondern  er  geht  zum  Theil  in  ihn  über,  so  zwar,  dass  nur  ein 
Theil  über  das  Knie  des  N.  facialis  weggeht,  ohne  sich  fest  zu 
verbinden.  Dieser  Fortsatz  wäre  nach  Varrentrapp  schon  als 
Chorda  tympani  zu  betrachten.  Der  Stamm  der  Chorda  tym- 
pani lässt  sich  nach  Varrentrapp  am  N.  lingualis  bis  in  die  Nähe 
des  Ganglion  maxillare  verfolgen,  wo  er  sich  in  zwei  Zweige 
theilt,  wovon  der  eine  in  das  Ganglion  maxillare  übergeht,  der 
andere  in  dem  N.  lingualis  weiter  hingeht.  Nach  Arnold  {KopJ- 
theil  des  vegetat.  Nervensystems.  Ileidclb.  1831.  p.  119.)  verläuft 
die  Chorda  tympani  in  der  Scheide  des  N.  lingualis,  geht  sehr 
häufig  mit  demselben  sogleich  Verbindungen  ein,  und  theilt  sich 
endlich  in  zwei  Fäden,  einen  schwachem,  der  sich  in  das  Gan- 
glion maxillare  einsenkt,  und  einen  sfärkern,  der  sich  in  dem  N. 
lingualis  verliert.  Da  die  Zweige  des  Ganglion  maxillare  sich 
nicht  bloss  in  der  Glandula  submaxillaris,  sondern  auch  auf  ih- 
rem Ausführungsgange  verbreiten,  xvle  Arnold  sah,  so  ist  es  nach 
meiner  Meinung  für  jetzt  am  meisten  gerechtfertigt,  die  Bewe- 
gung des  Ausführungsganges  (siehe  oben  p.  457. ) von  diesen  von 
dem  motorischen  N.  facialis  kommenden  Nervenfäden  der  Chorda 
tympani  abzuleiten.  Eine  mir  nicht  xvahrscheinliche  Erklärung 
dieser  Verbindung  hat  Arnold  (a.  a.  O.  p.  183.)  gegeben.  Im 
Allgemeinen  hat  Arnold  selbst  schon  auf  die  Beziehung  des  Gan- 
glion maxillare  auf  die  Bewegungen  des  Ductus  AVhartonianus  auf- 
merksam gemacht. 

Nervus  glossopharyngeus. 

Ueher  die  Stellung  des  N.  glossopharyngeus  im  System  der 
Nerven  ist  schon  im  dritten  Abschnitt  p.  639.  gehandelt  worden, 
■hs  gehört  dieser  Nerve  unter  die  gemischten,  welche  sensorielle 
’**'d  motorische  Fasern  enthalten.  Diess  ergiebt  sich  theils  aus 
uem  von  mir  an  einem  Theil  der  Wurzel  des  N.  glossopharyn- 
S®us  entdeckten  Ganglion  (siehe  oben  p.  589.),  theils  aus  seineir 
Verbreitung  in  empfindlichen  Thcilen,  am  hintern  Theil  des  Zun- 
§®nrückens,  in  den  Papillae  vallatap,  und  in  den  Mandeln  und  in 


772  III.  Buch.  Neri>enphfsik.  IV.  Abschn.  Eigenth.  der  eim.  Nerven. 

bewegliclien  Theüen,  im  ScHande.  Vergl.  p.  639.  Ob  dieser 
Nerve  auch  dem  Geschmack  bestimmte  Fasern  enthält,  ist  noch 
zweifelhaft.  Der  Umstand,  dass  der  Nervus  gustatorius  der  Vögel 
und'  einiger  Amphibien  ein  Ast  des  Nervus  glossopharyngeus  zu 
seyn  scheint,  spricht  dafür.  Beim  Frosch  ist  sogar  der  N.  gusta- 
torius ein  Ast  des  N.  vagus.  Wir  wissen  überhaupt  nicht,  wie 
weit  sich  der  Geschmack  ausdehnt.  Die  Empfindungen  des  Ekels, 
welche  im  Schlunde  vorzüglich  ihren  Sitz  haben,  haben  viele 
Aehnlichkeit  mit  Geschmacksempfindungen;  von  ihnen  ist  es  auch 
wieder  zweifelhaft,  ob  sie  in  dem  Schlundaste  des  N.  vagus  oder 
des  N.  glossopharyngeus  entstehen. 

Der  Ramus  tympanicus  des  N.  glossopharyngeus  muss  wahr- 
scheinlich als  ein  vom  N.  sympathicus  zum  N.  glossopharyngeus  ge- 
hender Ast  betrachtet  werden,  wie  oben  p.  592.  768.  gezeigt  wurde- 
Von  dieser  Verbindung  in  der  Trommelhöhle  oder  der  Jacohson- 
schen  Anastomose,  und  der  Verbindung  mit  dem  Ganglion  oticum 
ist  schon  oben  p.  768.  gehandelt.  Ueber  analoge  Nerven  hei  Vö- 
geln siehe  Weber  anat.  comp.  n.  symp.  p.  26.  38.  Breschet  in  Muee- 
ler’s  Archiv  für  Anat.  und  Physiol.  1834.  p.  16.  Der  N.  glosso- 
pharyngeus  der  Vögel  verbindet  sich  durch  einen  Ast  mit  dero 
N.  vagus,  und  verbreitet  sich  zuletzt  in  der  Zunge,  deren  Ge- 
schmacksnerve er  nach  W^eber  ist,  und  mit  einem  zweiten  Aste 
theils  am  obern  Kehlkopf,  tbells  herabsteigend  an  der  Speise- 
röhre. Bischoff  beschreibt  auch  bei  Iguana  einen  zur  Zunge 
gehenden  N.  glossopharyngeus.  Bel  den  Fischen  hat  man  einen 
vordem  Ast  des  N.  vagus,  der  beim  Karpfen,  wie  die  übrigen 
Kiemenäste  des  N.  vagus  mit  einem  Ganglion  versehen,  ist,  aber 
durch  ein  besonderes  Schädelloch  durchgeht,  und  sich  im  ersten 
Kiemenbogen,  aber  auch  auf  der  Zunge  bis  zur  Haut  in  der 
Nahe  der  Mundöflhung  verzweigt,  Nervus  glossopharyngeus  ge- 
nannt. Man  sieht  deutlich  aus  diesen  Varietäten,  wie  auch  an® 
dem  Mangel  des  N,  accessorius  bei  den  Fischen,  dass  der  N.  va- 
gus, glossopharyngeus  und  accessorius  nur  ein  gemeinsames  Spj- 
stem  bilden,  dessen  Zertheilung  in  den  Thierklassen  sehr  varii- 
ren  kann. 


Nervus  vagus. 

Dieser  gemischte  Nerve,  der  seinen  motorischen  Einfluss  viel' 
leicht  und  ziemlich  wahrscheinlich  von  seiner  Verbindung  mit  detö 
Innern  Aste  des  N.  accessorius  erhält  (siehe  oben  p.  639.),  ver- 
breitet sich  constant  in  den  Stimm-  und  Athemwerkzeugen,  den* 
Schlunde  und  dem  Magen.  Sein  sensorieller  Einfluss  erstreck 
sich  über  alle  diese  Theile;  durch  einen  durch  das  Felsenbein  g^' 
henden  Ramus  auricularis  dehnt  sich  sein  sensorieller  Einfluss  aucö 
selbst  noch  auf  das  äussere  Ohr  aus,  ja  durch  die  Verbindung 
des  Ramus  auricularis  N.  vagi  mit  dem  N.  facialiss  innerhalb  de’ 
Felsenbeines  ertheilt  er  dem  N.  facialis  wahrscheinlich  seine  Ei»' 
pfindlichkeit.  S.  p.  644.  Von  dem  N.  vagus  sind  die  Empfindunge' 
des  Hungers  und  der  Sättigung,  und  die  mannichfaltigen  Gefüb  > 


Vom  Nerpus  pogus. 


773 


Welche  das  gesnnde  nnd  kranke  Athmen  begleiten,  abhängig. 
Nach  Brächet  soll  die  Empfindung  des  Hungers  nach  Durch- 
schneidung dieses  Nerven  anfhören.  Recherches  sur  les  fonctions 
du  syst,  ganglionaire.  Paris  1830.  p.  179.  Bei  einem  Rinde  mit 
dopjjeltem  Kopfe  nnd  Brust  und  einfachem  Unterleib,  war  der 
eine  Theil  nicht  gesättigt,  'vvenn  der  andere  getrunken  hatte, 
Wahrscheinlich,  weil  der  Magen  doppelt  war.  Ebend.  p.  183. 
Die  zugleich  motorischen  Aeste  des  N.  vagus  sind  der  N.  pha- 
ryngeus  und  die  N.  laryngei. 

Durch  die  Durchschneidung  des  N.  laryngeus  inferior,  oder 
des  N.  vagus  am  Halse  auf  beiden  Seiten  wird  die  Bewegurtg  der  klei- 
nen Kehlkopfmuskeln  unvollkommen  gelähmt;  die  Stimme  ver- 
schwindet, aber  sie  erscheint  nach  einigen  Tagen  wieder,  weil 
der  N.  laryngeus  superior  seinen  Einfluss"  noch  ausüht.  Dass  der 
N.  laryngeus  superior  sich  bloss  in  den  Äluskeln  verbreite,  wel- 
che die  Stimmritze  verengern,  der  N.  laryngeus  inferior  in  de- 
nen, welche  die  Stimmritze  erweitern,  wie  "Magehbie  behauptet, 
hat  sich  nach  Schlemm’s  Untersuchungen  nicht  bestätigt.  Auf 
den  Magen  hat  der  N.  vagus  keinen  motorischen  Einfluss;  und 
man  kann  durch  Galvanlsiren  und  mechanische  Reizung  dessel- 
ben am  Halse  keine  Bewegungen  des  Magens  hervorbringen,  wie 
die  Versuche  von  Magendie,  Mayo  nnd  mir  beweisen.  Siehe 
oben  p.  489.  Der  N.  vagus  enthält  viele  organische  Fasern  vom  N. 
sympathlcus,  welche  theils  den  Stamm,  theils  die  Aeste  desselben 
Vom  N.  sympathlcus  aufnehmen.  Von  diesen  Einmischungen 
rührt  wahrscheinlich  der  organisch- chemische  Einfluss  dieses 
Nerven  her. 

Der  chemische  Process  der  Respiration  nnd  der  Schleimab- 
sonderung in  den  Lungen  hängt  zum  Tlieil  von  diesem  Nerven 
ab ; wenigstens  entstehen  nach  Durchschneidung  des  N.  vagus  am 
Halse  Blutaustretungen  in  den  Lungen,  nnd  wenn  auch  der  che- 
mische Process  der  Respiration  anfangs  nicht  wesentlich  gestört 
wird,  so  sterben  doch  die  Thiere  innerhalb  einiger  Tago^  und 
Vögel  leben  höchstens  bis  zum  5. — 8.  Tage.  Siehe  obön  p.  337. 
Auch  die  Absonderung  des  Magensaftes  wird  von  den  organischen 
Wirkungen  des  N.  v'agus  beherrscht.  Nach  Durchschneidung 
des  N.  vagus  am  Halse  wird  die  Absonderung  des  Magensaftes 
*war  nicht  ganz  aufgehoben,  aber  vermindert  (siehe  oben  p.  531.), 
Und  eben  so  ist  es  mit  der  Verdauung,  die  bei  länger  lebenden 
Vögeln  ganz  evident,  aber  viel  langsamer  vollbracht  wird.  Dass 
die  vom  N.  vagus  abhängigen  chemischen  Processe  in  den  Lun- 
ten und  im  Mägen  nach  der  Durchschneidung  dieses  Nerven  am 
Halse  auf  beiden  Seiten  nicht  sogleich  und  ganz  aufhören,  er- 
Härt  sich  hinreichend  daraus,  dass  der  N.  vagus  seine  organi- 
schen Fasern  nicht  bloss  in  seinem  obern  Stamme  enthält,  sondern 
dass  auch  der  untere  Theil  desselben  noch  viele  Verbindungen 
*^it  dem  N.  sympathlcus  eingeht,  welche  durch  die  Durchschnfei- 
duiig  des  N.  vagits  am  Halse  nicht  gelähmt  werden  können. 

Die  Schleimabsonderung  in  den  Athemorganen  scheint  überall 
’^utcr  der  Einwirkung  der  dem  N.  vagus  beigemischten  organi- 
®ben  Fasern  zu  geschehen,  und  daher  nimmt  wahrscheinlich 


774  UI.  Buch.  Nerpenphysik,  IV.Abshcn.  Eigenth,  der  dnz.  Nerven. 

auch  der  N.  laryngens  inferior  bei  seiner  Umbiegung  nach  auf- 
wärts so  bedeutende  Verbindungen  von  dem  N.  sympatbicus  auf. 

Nach  Durchschneidung  desN.  vagus  auf  beiden  Seiten  ist  die  Auf-  I 

saugung  der  Flüssigkeiten  oder  ihnen  beigemischter  fremdartiger  ^ 
Stoffe  r Gifte  etc.  im  Magen  nicht  aufgehoben.  Die  von  Dupuy  und 
Bbacbet  angestellten  Versuche,  nacli  denen  die  Aufsaugung  der  Gifte 
ün  Magen  nacJi  jener  Operation  aufgehoben  seyn  soll,  sind  offen- 
bar nicht  richtig,  und  werden  durch  die  von  mir  und  Anderen 
angestellten  Versuche  vollkommen  widerlegt,  nach  welchen  diese 
Operation  nicht  im  geringsten  den  Erfolg  verändert.  Siehe  oben 
p.  234.  Die  Durchschneidung  des  N.  vagus  auf  beiden  Seiten 
des  Halses  tödtet  zwar  in  den  nächsten  Tagen,  Indessen  ist  diese 
Operation  nicht  tödtlicli,  wenn  sie  bloss  auf  einer  Seite  vorge- 
nommen, oder  wenn  sie  auf  der  andern  nach  so  grosser  Zwi-  ^ 
schenzeit  angestellt  wird,  dass  der  erst  durchschnittene  Nerve  wie-  | 
der  vollständig  verheilt  ist.  Siehe  oben  p.  381.?  _ _ I 

In  vergleichend  anatomischer  und  physiologischer  Hinsicht  i 
bietet  der  N.  vagus  viele  Merkwürdigkeiten  dar. 

1)  Bei  den  Vögeln  und  beschuppten  Amphibien  (Crocodil), 
wo  der  N.  accessoriüs  mit  dem  Stamme  des  N.  vagus  verschmilzt^ 
giebt  der"  N.  vagus  auch  einen  Ast  oder  mehrere  Aeste^  zu  den 
Halsmuskeln.  Bischoff,  n,  accessorü  anatomia  et  physiologia.  Hei- 
delb. 18.32.  p.  41.  45. 

2)  Bei  den  Fröschen  geht  aus  dem  Ganglion  n.  vagi  ein  Ast 
zu  den  Kiefermuskeln,  Weber  anat.  comp.  n.  symp.  44. 

3)  Bei  den  Fröschen  giebt  der  N.  vagus  auch  einen  BamiiS 
lingualis,  welcher  wahrscheinlich  den  sensoriellen  Bamus  lingualis  | 
n.  trigemini  ersetzt;  wälirend  der  gewöhnliche  motorische  Ast 
vom  N.  hypoglossus  vorhanden  Ist.  Weber.  Auch  bei  den  Schlau-  I 
gen  utid  Crocodilen  ist  der  Ramus  lingualis  n.  vagi  nach  Weber  , 
und  Bischöfe  vorhanden.  Der  Letztere  beschreibt  auch  einen 
Ast  des  N.  vagus  beim  Crocodil  zu  den  Muskeln  des  Zungenbei- 
nes, a.  a.  O.  p.  45. 

4)  Der  N.  recurrens  kömmt  noch  bei  den  Säugethieren , Vö- 
geln und  Amphibien  vor. 

Bei  den  Batrachiern  erhält  der  Kehlkopf  nach  Desmotjlij'S 
einen  Ast  des  N.  trigeminus ; allein  Weber  hat  gezeigt,  dass  ein  Ast 
des  N.  vagus  einen  zurücklaufenden  Zweig  zum  Kehlkopfe  giebt- 
Anat.  n.sympath.  p.46.  Der  Kehlkopf  der  Vögel  erhält  einen  Ast  yoHJ 
nennten  Nerven,  die  Luftröhre  und  der  untere  Kehlkopf  der  Vöge^ 
erhalten  Zweige  vom  N.  vagus,  aber  die  langen  Muskeln,  welche  be‘ 
vielen  Vögeln  die  Luftröhre  verkürzen,  erhalten  Zweige  von  eincin 
besondern  Bamus  dcsccndens  n.  hypoglossi.  Siehe  oben  p.  -330. 

5)  Bei  den  Fischen  giebt  der  Nervus  vagus  die  Kiemenner- 

ven, einen  Ramus  intestinalis  für  Schlund  und  Magen,  bei  deä* 
Zitterrochen  und  dem  Zitterwels  auch  die  Nerven  des  electrische'^ 
Organes  ( siehe  oben  p.  64. ) , beim  Karpfen  auch  den  Zahnner- 
ven für  die  Gaumcnkuochenzähnc , und  hei  rdlcn  Fischen  den 
N.  lateralis.  , 

Beim  Karpfen  erhält  der  N.  vagus  nach  Bischöfe  auch  ein 
Wurzel  vom  N.  trigeminus. 


Vom  Neri>iis  oagiis. 


775 


Der  N.  vagns  der  Fische  vermehrt  seine  Suhstanz  ofFenhar 
in  dem  Ganglion  desselben,  so  dass  die  Aeste  zusammen  viel- 
mal dicker  sind  als  die  Wurzeln,  Ja  sogar  einzelne  Aeste  stärker 
als  die  Wurzeln  sind.  In  dem  Ganglion  scheinen  die  Primitiv- 
fasern der  W^zeln  durch  Theilung  und  Multiplication  die  Sub- 
stanzvermchrung  zu  bilden,  so  dass  viele  Primilivläscrn  der  Aeste 
durch  eine  Primitivfaser  der  Wurzel  vertreten  sind.  Beim  Zan- 
der und  heim  Wels  bilden  alle  Aeste  zusammen  ein  Ganglion, 
heim  Karpfen  nur  die  Kiemennerven  einzelne  Ganglien , -wobei 
sich  die  Suhstanz  vermehrt.  Weber  anat.  comp.  n.  symp,  p.  62. 
p.  66.  Meckel’s  Archiv  1827.  Tab.  IV.  Fig.  25.  26. 

6.  Einer  der  merkwürdigsten  Aeste  des  N.  vagus  hei  den 
Fischen  ist  der  Kerve  der  Seitenlinie,  welcher  zwischen  den 
Muskeln  nicht  fern  von  der  Haut  bis  zum  Schwänze  hingeht, 
und  Zweige  den  Muskeln  (?)  und  der  Haut  gieht.  Desmoumms  be- 
hauptet, dass  dieser  Nerve  nicht  wohl  sensibel  sey.  Allein  er  ist 
sicher  nicht  motorisch,  wenn  er  sich  in  Muskeln  auch  verzweigt; 
denn  mit  einer  Batterie  von  40  Plattenpaaren  konnte  ich  heim 
Karpfen  durch  Galvanisiren  des  Nerven  seihst  keine  Zuckungen 

i in  den  Muskeln  erregen.  Vah  Deek  hat  diesen  Nerven  auch 

I bei  den  Froschlarven,  und  als  einen  bleibenden  Nerven  heim  Pro- 

teus anguinus  entdeckt.  Mueller’s  Archiv  für  Anatomie  und  Phy- 
siologie  18.34.  p.  477. 

I 7)  Sehr  merkwürdig  sind  die  Aeste  des  N.  vagus  zu  dem 

contractilen  Gaumenorgan  der  Cyprinen.  Siehe  Meckel’s  Archiv 
1827.  .309.  Weber  hat  zuerst  entdeckt,  dass  diess  Organ  eine 
höchst  merkwürdige  Contractilität  besitzt;  denn  wenn  man  das- 
selbe mit  einem  spitzigen  Körper  sticht  oder  drückt,  so  erhebt 
sich  die  gereizte  Stelle  sogleich  in  Gestalt  eines  kegelförmigen 
Hügels,  dessen  Spitze  der  gereizte  Punkt  ist,  bleibt  einige  Secun- 
den  erhoben  und  ^nkt  sich  hierauf  wieder;  dabei  sieht  man 
keine  Veränderung  der  Farbe,  die  auf  ein  Zuströmen  von  Blut 
deuten  könnte.  Ich  halte  diess  Organ  nicht  für  ein  Geschmacks- 
organ, sondern  für  einen  ganz  eigenlhümlichen  contractilen  Schling- 
apparat. Ich  habe  bemerkt,  dass  das.  Organ  sich  in  jeder  Bich- 
tung  zusammenziehen  kann,  und  dass  überall  kegelförmige,  li- 
neare oder  breite  Erhebungen  folgen,  je  nachdem  man  mit 
einem  spitzen  Körper  aufdrückt  oder  Striclie  macht,  oder  mehr 
auf  die  ganze  Fläche  zugleich  wirkt.  Wenn  Ich  die  Pole  einer 
Säule  von  40  Plattenpaaren  auf  das  Organ  anw'andle,  entstanden 
die  heftigsten  Zuckungen,  und  die  Bichtiing  der  Bewegung  wurde 
immer  durch  den  Strom  bestimmt;  das  Organ  kann  ganz  zu 
®inem  Klumpen  in  der  Mitte  anschwellen  (und  so  wirkt  es  wahr- 
schelnlich  beim  Schlingen)  oder  in  jeder  Bichtung  Zusammenzie- 
hungen  bewirken,  die  auch  sogleich  erfolgen,  w'cnn  man  das  Or- 
§3n  ausdehnt.  Im  letzten  Fall  erfolgt  die  Zuckung  in  der  Richtung 
der  Ausdehnung.  Ob  diess  Organ  willkührlich  beweglich  ist,  ist 
laicht  auszumitteln ; auf  das  Galvanometer  wirkt  es  nicht.  Deut- 
sche Fasern  enthält  es  nicht;  das  Contractile  an  dem  Organe  ist 
®iir  die  1-^  Linien  dicke  Oberfläche,  in  der  Tiefe  liegt  eine  fet- 
**go  Unterlage,  welche  nicht  contractil  ist. 

Miiller’e  Physiologie. 


50 


776  III.  Buch.  Nert>enphf.iik.  IV.Ahsclin.  Elgenth.  der  einz.  Nerven. 

Kein  Theil  eines  Tliieres  Lat  so  viel  Nerven,  als  dieses  Or- 
^an,  sie  kommen  sämmtlicL  vom  N.  vagus.  Galvanismus  auf  die 
Nerven  angewandt  wirkt,  alier  keine  kegelförmige  Erhebung,  son- 
dern ausgehreitete  Zuckung. 

S)  E.  H.  Weber  Lat  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass 
der  N.  vagus  in  einem  WecLselverhaltniss  zu  dem  N.  sympathi- 
cus  steht,  hei  den  Schlangen  ist  z.  E.  der  N.  sympathicus  aus- 
serordentlich wenig  entwickelt,  dagegen  der  Earaus  intestinalis 
Nervi  vagi  um  so  starker;  hei . den  Fröschen  ist  es  umgekehrt. 
Auch  liei  den  Fischen  sind  die  Intestinaläste  des  Nervus  vagus 
sehr  stark. 


Nervus  acccssorius  "WilHsli.  j 

Ueher  das  Verhältniss  dieses  Nerven  zum  N.  vagus,  in  Be- 
ziehung auf  die  motorische  Eigenschaft  des  N.  vagus,  ist  schon 
oben  p.  6.39.  gehandelt  worden.  Dieser  Nerve  kömmt  nur  hei 
den  Säugethicren,  A^ögeln  und  Amphibien,  nicht  liei  den  Fischen  . 

vor.  Bei  den  Vögeln'und  Amphibien  verhält  er  sich  ihst  als  eine  | 

Wurzel  des  N.  vagus , indem  er  ganz  in  denselben  übergeht,  der  i 
hinwieder  einen  Ast  in  die  Halsmuskeln  abgiebt,  welcher  dem  N.  | 
acccssorius  der  Säugethicre  zu  entsprechen,  scheint.  Siehe  das  ] 
Nähere  in  Bischoff  nervi  accessorü  IViUisu  amitomia  et  phrsiolugia. 
lleidelh.  1832.  Der  Bereich  des  N.  acccssorius  der  Säiigethiere,  I 
so  weit  er  sich  nicht  mit  dem  N.  vagus  verbindet,  ist  der  Mus— 
culus  stcrnocleidomastoideus  und  • cucullaris.  Die  Ursache  ^ des 
sonderbaren  Ursprungs  und  Verlaufs  dieses  Nerven  kennt  man  nicht. 

Nervus  hypoglossus. 

Die  Stelle  dieses  im  Wesentlichen  motorischen,  aber  zugleich 
mit  empfindlichen  Fasern  begabten  Nerven  im  System,  welcher 
in  einigen  Säugelhieren  nach  Mayer’s  Entdeckung  seihst  eine 
feine  Innterc,  mit  einem  Ganglion  versehene  Wurzel  hat,  ist 
schon  im  dritten  Abschnitt  p;  644.  licslimmt  worden.  Er  ist  der 
motorische  Nerve  der  Zunge,  hei  allen  Bewegungen  dieses  Orga- 
nes zum  Sprechen,  Käuen,  Schlingen  u.  s.  w.  Die  Zerrung  des- 
selben hei  Thiereil  bewirkt  heflige  Zuckungen  der  Zunge.  Er 
ist  aber  auch  der  Bewegungstierve  der  gi-ossen  Muskeln  des  Kehl- 
kopfes und  Zungenbeines,  'des  Musculus  geniohyoideus,  hyothy- 
reoideus,  omohyoideus,  sternothyreoideus,  sternohyoideus. 

Folgende,  von  Montault  in”  der  Academie  de  Medecine  vor- 
getragene Beohachtung  ist  für  die  Physiologie  des  N.  hypoglossus 
von  Wiciitigkeit.  Nach  einem  Fall  auf  das  Genick  entstanden 
Spannung  und  Zittern  der  Muskeln  des  Halses,  heftige  Schmer- 
zen an  der  linken  Seite  des  Kopfes  und  Halses  und  heschwerh-' 
ches  Sprechen.  Die  Zunge  wmdc  alhnählig  verkleinert,  vorzüg' 
lieh  au  der  linken  Seite  atrophisch,  und  heim  Ausstrecken  nach 
der  rechten  Seite  hingezogen.  Der  Geschmack  war,  auf  beiden 


Vom  Nerms  hypoglossus. 


777 


Seiten  der  Zunge  vorhanden.  Später  entstand  eine  kleine  Ge- 
schwulst hinter  dem  Zitzenfortsatz , das  Schlacken  wurde  be- 
schwerlich, Schluchzen,  Aphonie  und  Erbrechen  kamen  hinzu, 
zuletzt  epileptische  Anfälle.  Bel  der  Section  fand  sich  zwischen 
der  linken  Hinterhauptsgriihe,  der  linken  Hemisphäre  des  kleinen 
Gehirns  und  der  Mediilla  ohlongata  eine  hydatidöse  Geschwulst, 
worin  eine  Menge  Hydatidcn.  Diese  Cyste  hob  die  linke  Hemi- 
sphäre des  kleinen  Gehirns  auf,  und  drängte  die  Mcdulla  ohlon- 
gata etwas  nach  rechts;  sie  drang,  innerlialb  der  Arachnoidea 
gelegen,  einige  Linien  tief  in  den  Rückgratskanal,  und  war  zu- 
gleich in  das  Foramen  condyloideum  antcrius  eingesenkt.  Von 
der  Basis  der  Cyste  ging  eine  Verlängerung  durch  die  vordere 
Portion  des  Foramen  lacerum  sinistriim  nach  Aussen  unter  das 
obere  Ende  des  Muscul'us  complexus  und  sternocleidomastoideus. 
Innerhalb  der  Schädelhöhle  waren  die  hellieiligten  Nerven  gesund, 
vom  Austritt  aus  dem  Cranium  an  war  der  linke  Hypoglossus 
atrophisch'  bis  zur  Zunge,  auch  der  N.  glosso])haryngeus,'  nicht 
aber  der  Vagus  und  Accessorius.  Die  Muskeln  der  Zunge  und 
des  Gaumensegels  auf  der  linken  Seite,  und  das  linke  Stimmhand 
wurden  atrophisch  gefunden.  Dieser  Fall  zeigt,  dass  der  N.  lin- 
gualis  Geschmacksnerve  der  Zunge  ist,  und  dass  die  Lähmung 
Und  Atrophie  der  Zunge  von  der  Atrophie  des  N.  glossopharyn- 
geus  und  hypoglossus  ahhing.  Er  war  von  Dupuytren  richtig 
diagnosticirt  worden,  welcher  voraussagte,  dass ‘der  N.  hx'poglos- 
sus,  und  zwar  von  seinem  Austritt  aus  der  Schädclhöhle  an, 
krankhaft  verändert  sey,  weil  hei  einem  Leiden  dieses  Nerven 
an  seinem  Ursprünge,  Paralyse  der  Gliedmassen  vorhanden  seyn 
musste.  Mueuler’s  Archiv  für  Anatomie  und  P/ijxiol.  18114.  p.  130. 

Bei  den  Vögeln  verbreitet  sich  der  N.  hypoglossus,  nachdem 
er  sich  durch  einen  Zweig  mit  dem  N.  vagus  verbunden,  haupt- 
sächlich mit  zwei  Aesten,  mit  dem  einen  in  den  Zungenheinmus- 
keln, mit  dem  andern  an  der  Seite  der  Speiseröhre.  'Weder 
anaf.  comp.  n.  symp.  p.  40.  Wir  haben  auch  heim  Truthahn  ei- 
nen langen  herahsteigenden  Zweig  an  dem  langen  Muskel  beob- 
achtet, welcher  die  Lnfti'öhre  verkürzt.  S'iehe  oJ)en  p.  330.  Bei 
den  Fröschen  geht  der  N.  hypoglossus  mit  dem  Zungenaste  des 
N.  vagus  zur  Zunge  (Weber  1.  c.  p.  45.).  Zu  den  Muskeln  der 
Zunge  haben  auch  Bojanus  und  Biscnorr,  jener  bei  der  Schild- 
kröte', dieser  hei  einer  Iguana,  den  N.  hypoglossus  treten  gesehen. 
Pei  den  Fischen  fehlt  der  N.  hypoglossus,  statt  dessen  findet  sich 
Pei  dem  Wels  und  dem  Karpfen  nach  Weber’s  Beobachtung  ein 
eigener  Nerve,  der  mit  drei  Wurzeln,  einer  hintern  gangliösen  ent- 
springt und  durch  ein  besonderes  Schäclelloch  durchgehend,  zu  den 
Muskeln  der  Brustflosse  geht.  Belm  Karpfen  verbindet  sich  die 
gangliöse  Wurzel  mit  einer  Wurzel  vom  N.  trigeminus.  Vcrgl.  Bi- 
schoff  a.  a.  O.  p.  49. 

Bedenkt  man,  dass  der  N.  spinalls  primus  des  Menschen  zuwei- 
len  nur  eine  vordere  Wurzel  hat,  dass  der  N.  hypoglossus  des  Men- 
schen nur  eine  vordere,  bei  einigen  Säugethicren  aljer  zugleich  eine 
h'ntere  Wurzel  hat.,  so  tritt  der  N.  hypoglossus  ganz  in  die  Ka- 
tegorie der  Spinalnerven,  und  ist  gleichsam  der  erste  Spinalnei-ve, 

50* 


778  ni.  Buch.  Neruenphjsik,  IV.  Abschn.  Eigenth.  der  einz.  Neruen. 

der  aber  nocb  durch  den  Schädel  heraustritt.  In  diesem  Betracht 
kann  der  eigene  letzte  Nerve  mit  doppelten  Wurzeln  des  Welses 
und  der  Cyprinen  auch  als  erster  Spinalnerve  betrachtet  vrerden, 
und  so  gleicht  er  auch  dem  N,  hypoglossus  der  Säugethiere,  ob- 
gleich er  sich  in  der  Brustflosse  verbreitet;  nur  in  Hinsicht  die- 
ser Verbreitung  ähnelt  er  einigermaassen  dem  N.  accessorius  der 
hofieren  Thiere. 

Beim  Wels  und  Karpfen  schickt  aber  der  N.  vagus  auch 
Nerven  zur  Brustflosse,  und  bei  Gadus  Iota  schickt  sogar  der  N. 
trigeminus  einen  Ast  zur  Kelilflosse.  Wereb,  Mecrel’s  Archiv 
1827.  p.  303. 


Nervus  sympathicus. 

Die  Physiologie  dieses  Nerven  ist  bereits  in  verschiedenen 
Abschnitten  des  IV.  Buches  zur  Sprache  gekommen , und  so  sind 
im  dritten  Abschnitt  dritten  Cap.  (p.  646.)  die  sensoriellen,  moto- 
rischen und  organischen  Eigenschaften  desselben  im  Allgemeinen, 
und  im  fünften  Cap.  (p.  708.)  die  Mechanik  seiner  Wirkungen 
untersucht  worden.  Hier  ist  der  Ort,  das  Eigentbümliche  dieses 
Nerven  in  einzelnen  Thierclasscn  und  Thleren  zu  erwähnen,  wo- 
bei wir  uns  aber  nur  auf  diejenigen  Verhältnisse  beschränken 
müssen,  welche  in  physiologischer  Hinsicht  von  Wichtigkeit  sind. 
In  Hinsicht  des  anatomisclien  Details  müssen  wir  auf  die  Werke 
von  Weber  {anai.  comp.  n.  symp.  Lips,  1817.),  Lobstein  [de  n. 
symp.  hum.  fabrica,  usu  e.l  morbis.  Paris.  1823.),  Wutzer  [de  gan- 
gliorum  fabrica.  Bcrol.  1817.),  IIirzel  (Tiedemasn’s  Zeitsciw.fär  Phy- 
siol.  I.)  Arnold  {der  Kopßhed  des  vegetativen  Nervensyst.  Heidelb. 
1831.),  Varrestrapp  {obs.  anat.  de  parte  cephaUca  n.  symp.  Fran~ 
cof.  und  Giltay  {de  n.  sympathico  diss.  Lugd.  Bat.  1834.) 

verweisen. 

Das  organische  Nervensystem  scheint  ln  der  ganzen  Thier- 
welt verbreitet.  Es  ist  bei  den  wirbellosen  Thieren  vorhanden 
(p.  580.);  bei  den  Knorpelfischen  hat  es. Giltay  beschrieben,  und 
wenn  cs  bei  Peteomyzon  noch  nicht  gefunden  worden,  so  ist  es 
doch  gewiss  vorhanden,  denn  es  kann  durch  keinen  andern  Ner- 
ven compensirt  werden.  Mehrere  Beobachter,  Bock,  HirzeLj 
Cloqtjet,  haben  eine  Verbindung  des  Plexus  caroticus  n.  sympathici 
mit  der  Glandula  pituitaria  heim  Menschen  und  den  Säugethie- 
ren  angenommen,  so  dass  die  Hypophysis  cerebri  gleichsam  der 
CentralUieil  des  N.  sympathicus  wäre;  eine  solche  Verbindung  sab 
Arnold  mit  dem  Trichter,  nicht  mit  der  Hypophysis. 

Bei  den  Vögeln  liegt  die  Pars  cervicalis  n.  sympathici  I** 
dem  Canal  der  Querlbrtsätze  der  Halswirbel,  wo  bei  den  Säuge- 
thieren  und  dem  Menschen  nur  ein  vcrhältnissmässig  sehr  dün- 
ner Strang  des  N.  sympathicus  liegt. 

Ausser  den  grossen  Sinnesnerven  scheint  dieser  Nerve  durch 
alle  Classen  mit  dem  grössten  Theile  der  Hirnnerven  und  allen 
Rückenmarksnerveii  Verbindungen  einzugehen,  wenngleich  diese 
Verbindungen  noch  nicht  überall  aufgefunden  sind.  Mehrere 


77.9 


Vom  Neroits  sympatliicus. 

dieser  Verhindtingen  zeigen  Lei  einzelnen  TLiei’en  eigentLümli- 
che,  für  die  Physiologie  seiner  Wirkungen  wichligc  Verliältnisse. 

Es  ist  schon  ohen  hei  der  Classilication  der  Ganglien  p.  591. 
angeführt  worden,  dass  die  Verhindnng  von  Zweigen  des  N.  sym- 
pathicus  mit  Hirnnerven  an  diesen  zuweilen  knotige  Anschwel- 
lungen erzeugt;  und  wir -haben  diese  als  eine  besondere  Art  von 
Knoten  betrachtet.  Es  gehören  hieher  z.  B. 

1)  das  Ganglion  petrosum  n.  glossopharyngcl  des  Menschen 
und  der  Säugethierc,  wo  es  einen  Ast  von  der  Jacobsonschen 
Anastomose  der  Trommelhöhle  empfängt,  der  mit  dem  Eamus 
carotico  - tympanicus  n.  sympathici,  und  einem  Ast  des  Gan- 
glion otieum  zusammenhängt.  S.  p.  768. 

2)  Die  Intumescentia  ganglüformis  des  N.  facialis,  welche 
mit  derselben  Anastomose  durch  ein  Fädchen  zusammen  hängt. 

3)  Das  Ganglion  sphenopalatinum  am  zweiten  Aste  des  N. 
trigeminus,  welches  einen  vom  N.  sympathleus  kommenden  Faden, 

, den  N.  vidianus  profundus,  in  den  zweiten  Ast  bringt,  und  von  wo 
aus  organische  Fäden  auf  die  Zweige  des  zweiten  Astes  hin- 
gehen, p.  651. 

4)  Das  Ganglion  oticura  am  dritten  Aste  des  N.  trigeminus, 
von  welchem  aus  organische  Fasern  in  die  Zweige  des  dritten 
Astes  eingemischt  werden.  Siche  ohen  p.  768. 

5)  Die  Intumescentia  ganglüformis  n.  vagi  unter  dem  andern, 
dem  N.  vagus,  als  sensibelm  Kerven,  eigenen  Ganglion. 

6)  Das  Ganglion  ciliare,  wo  in  die  Verbindung  der  beiden 
Wurzeln  dieses  Knotens  ein  Zweig  des  N.  sympathleus  einge- 
mischt wird. 

7)  Das  Ganglion  maxlllare,  wo  in  die  vom  N.  lingualis  kom- 
menden Zweige  zu  der  Glandula  suhmaxillaris  ein  organischer  Fa- 
den eingemischt  wird.  Siehe  ohen  p.  768. 

8)  Die  Pars  cephalica  n.  sympathici  bildet  hei  den  Fischen 
an  dem  N.  vagus,  glossopharymgcus , und  hei  Trichiurus  auch  an 
dem  N.  trigeminus  Ganglien. 

Es  lässt  sich  diese  Tabelle  aber  auch  auf  einige  Rücken- 
•narksnerven  ausdehnen.  Auch  an  diesen  sitzen  zuweilen  knotige 
Anschwellungen  von  Einmischung  des  N.  sympathiens ; Anschwel- 
lungen, welche  man  wohl  von  den  Knoten  der  EmpCndungswur- 
*eln  der  Rückenmarksnerven  unterscheiden  muss. 

9)  So  befinden  sich  an  den  Verbindungsstellen  des  im  Cana- 
l's  vertehralis  liegenden  Theiles  des  N.  sympathicus  mit  den 
Öalsnerven  der  Vögel  kleine  Ganglien  an  den  Spinalnerven ; Knöt- 
®lien,  die  von  den  Knoten  der  hintern  Wurzeln  der  Spinalner- 

unterschieden  sind.  Ehen  so  verbindet  sich  der  jVervus 
Sympathicus , wo  er  aus  dem  Canalis  vertehralis  hervortritt, 
^it  dem  vorletzten  und  letzten  Cervicalnerven  und  ersten  Rrust- 
*terven,  welche  den  Plexus  hrachialis  bilden,  durch  Hülfe  von 
Ganglien,  die  an  der  äussern  Oberfläche  dieser  Nerven  hegen, 
^hrend  die  Ganglia  spinalla  sich  an  der  hintern  Fläche  befinden. 

p.  32.  Giltay  de  nervo  sympathico  diss.  Jjugd.  Bat.  1834. 
h'  lOO.  Die  durch  Verbindung  des  N.  sympathicus  mit  den  Flü- 
Selucrven  entstehenden  Ganglien  flicssen  zuweilen  in  eins  zusammen. 


780  III.  Buch.  Nervenphysik.  IV.Abschn.  Eigenth.  der  eim.  Nerven. 

■wie  bei  der  Taube.  Weber  bemerkt  hierbei,  dass  blerdurch  die 
Grösse  des  Ganglion  cervicale  inferiiis  der  Sängethiere  erläutert 
werde,  welches  an  dei^sclljen  Stelle  liegend  sich  mit  den  den  Ple- 
xus bracbialis  bildenden  Nerven  durch  Fäden  verbindet. 

Schon  aus  diesen  Verbindungen  gebt  hervor,  dass  der  N. 
sympathicus  an  den  Verbindungsstellen  mit  Gehirn-  und  Riicken- 
marksnervcn  nicht  etwa  bloss  sensorielle  und  motorische  Fasern 
erhält,  die  man  allerdings  in  den  zwei  Wurzeln  der  Spinalnerven 
bis  zum  Rückenmark  verfolgt  hat  (siehe  oben  p.  650.),  sondern 
dass  der  N.  sympathicus  an  jenen  Stellen  auch  organische  Fa- 
sern in  die  Cerebrospinalnerven  einmengt.  An  mehreren  solchen 
Verbindungen,  sowohl  solchen,  wo  Ganglien  liegen,  als  an  den  nicht 
gangliösen,  lässt  sich  diess  augenscheinlich  ei'weisen.  Ich  habe 
schon  früher  diese  wichtigen  Thatsacben  angeführt,  dass  man 
von  dem  Ganglion  olicum  aus  die  grauen  Fasern  über  den  N. 
bncclnatorius  des  Ralbes  weit  verfolgen  kann,  dass  das  Gleiche 
■vom  Ganglion  sphenopalatinum  gilt,  indem  Retzius  beim  Pferde  von 
diesem  Knoten  aus  die  grauen  Fasern  über  die  Zweige  des  zwei- 
ten Astes  des  N.  trigeminus  verfolgte,  und  ich  beim  Ochsen  den 
Ramus  profundus  n.  vidiani  vom  N.  sympathicus  kommend,  seine 
Fasern  über  den  zweiten  Ast  bis  zur  Nase  ausbreiten,  den  rnit 
dem  N.  abducens  sich  verbindenden  Zweig  des  N.  sj'mpatliicns 
aber  ein  ganzes  Fascikel  von  Fasern  auf  den  ersten  Ast  des  N. 
trigeminus  nach  der  Augenhöhle  ahgeben  sah,  während  Varbektrapp 
ebenfalls  beim  Menschen  Fädchen  aus  dem  Plexus  cavernosus 
zum  ersten  Aste  des  N.  trigeminus  treten  sah.  Wenn  es  gleich 
richtig  ist,  was  Retzius  beobachtete,  dass  Fasern  vom  Nervus 
sympathicus  auch  in  Hirnnerven , wie  eben  Im  Nervus  trigeminus 
aufwärts  in  der  Richtung  gegen  das  Ganglion  Gasseri,  gleich- 
sam wie  W^urzeln  verlaufen , so  beweisen  doch  die  angeführten 
Fälle  ganz  oflenbar  das  Einmischen  organischer  Nervenfasern  in 
Cerebrospinalnerven  zur  peripherischen  Verbreitung  mit  diesen; 
und  wir  dürfen  in  den  mehresten  Nerven  solche  nach  der  Peri- 
pherie hingehende,  eingemengte  organische  Fasern  voraussetzen, 
wodurch  die  eigentliche  Bedeutung  der  Verbindungen  des  N. 
sympathicus  mit  Gehirn-  und  Rückenmarksnerven  recht  ins  Licht 
gesetzt  wird.  _ 

Diese  durcli  Thatsaclien  gestützten  und  mit  den  lierrscnen— 
den  Voi’stellungen  von  dem  Zweck  jener  Verbindungen  contra- 
stirenden  Ideen  werden  durch  neuere  Beobachtungen  von  Gil- 
TAv , die  ich  so  eben  kennen  lerne,  noch  mehr  befestigt.  Dieser 
Beobachter  hat  nämlich  in  der  vorher  angeführten  Schrift  meh- 
rere Thatsacben  bekannt  gemacht,  in  welchen  sich  die  organi- 
schen Fäden  neben  den  Cerebral-  und  Spinalnerven,  getrennt 
bingehend  in  die  Organe  beobachten  liessen.  Gii.tay  hat  bßt 
mehreren  Fischen  von  der  Pars  cephalica  nervi  sympathici> 
welche  von  dem  N.  trigeminus  ausser  dem  Cranium  entspringt 
und  rückwärts  unter  dem  N.  glossopharyngeus  und  vagus  hin- 
geht, organische,  deutlich  zu  unterscheidende  Fäden  zu  dem  N- 
glossopharyngeus,  und  mit  diesem  zur  ersten  Kieme,  und  eben 
so  einen  bcsondeni  Faden  mit  dem  N.  vagus  in  die  Kiemen 


Vom  Nerms  sprtpathicus. 


781 


treten  gesehen,  wo  dieselben  von  den  Aesten  der  Cerebrospinal- 
nerven getrennt,  bloss  neben  diesen  liegend  sie  begleiten.  Diess 
bat  er  deutlich  an  Fischen  der  Gattungen  Acanthuriis,  Platyce- 
phalus,  Holocentrus,  undeutlich  auch  bei  Pleuroncctes  Platessa 
gesehen  und  abgebildet.  Diese  Aeste  sind  wohl  von  denjenigen 
Aesten  des  N.  sympalbicus  zu  unterscheiden,  welche  sich  mit  dem 
N.  glossopbaryiigeus  und  mit  dem  Ganglion  u.  vagi,  gleichsam 
als  Wurzeln  des  N.  sympatbicus  verbinden. 

Ein  äbnlicbes  Verhalten  zu  Rückenmarksnerveu  bat  Giltay 
ebenfalls  in  einigen  Fällen  beobachtet.  Bei  Bufo.  asper  sab  er 
den  N.  sympatbicus  in  der  Älitte  des  Körpers  des  zweiten  Wir- 
bels unter  der  Anbangsplatte  der  Schulter  einen  Ast  in  die  Mus- 
keln (?)  abgeben,  der  sich  in  zwei  Aeste  spaltete,  wovon  der  eine 
rücklaufend  an  den  N.  spinalis  (1.  dorsi)  gegen  den  Wirbel  bin- 
gebt,  sich  also  wie  eine  Wurzel  verhält,  während  der  andere 
mit  dem  N.  spinalis  fortgebt,  um  sieb  in  der  vordem  Extremität 
zu  verzweigen.  Bei  Calotes  guttiirosa  sab  Giltay  einen  Zweig 
des  jV.  sympatbicus,  der  sieb  mit  der  Arleria  subclavia  und  den 
Nerven  der  vorderen  Extremitäten  in  diesen  verbreitete.  Eben 
so  sah  er  bei  Iguana  delicalissima  einen  Ast  des  N.  sympalbicus 
I den  ersten  Nerven  der  vorderen  Extremitäten  begleiten.  Diese 
letzteren  Tbatsacben  beweisen  mehr  als  irgend  ein  anderes  Fa- 
1 ctum,  dass  zu  den  organischen  Functionen  die  sensoriellen  und 
I motorischen  Nerven  nicht  binreijlien,  dass  die  Wirkung  der  or- 
ganischen Nerven  durchaus  von  der  der  sensoriellen  und  motori- 
schen Nciven  verschieden,  und  zur  Regulirung  der  cberniscbeii 
' Processe  der  Ernährung  und  Absonderung  bestimmt  ist. 

Fasst  man  diess  Alles  zusammen,  und  wirft  man  einen  Blick 
auf  die  allgemeinen  Eigenschaften  des  N.  sympatbicus,  die  wir  oben 
p.  616.  untersucht  haben,  so  ergiebt  sieb,  dass  der  N.  sympatbicus  in 
den  sogenannteuVerbindungen  mit  anderen  Nerven,  sowohl  Wurzcl- 
fäden  durch  Gehirn-  und  Rücken rnaiksnerven  x'on  den  Central- 
theilen  erhält,  als  peripherisch  auszuhreitende  organische  Faden 
in  die  übrigen  Nerven  einmengt,  so  wie  hinwieder  die  von  dem 
N.  sympatbicus  versehenen  Eingeweide  in  den  zu  ihnen  hinge- 
Kenden  Aesten  des  N.  sympatlncus  höchst  wahrscheinlich  nicht 
blosse  organische  Fasern,  sondern  auch  sensorielle  und  motorische 
Fasern  erhalten,  welche  von  den  Ccrebrospiualneryen  aus  dem 
System  der  sympathischen  Nerven  cingeweht  werden.  Je  weiter 
*nan  diess  durchdenkt,  um  so  unwahrscheinlicher  werden  die  Ideen 
Von  anderen  Bestimmungen  des  N.  sympathieus,  von  der  llarmo- 
*>10,  welche  der  N.  sympatbicus  zw'isclien  allen  anderen  Neiwen 
Vinterhalten  soll,  die  in  der  That  auf  eine  viel  wirksamere  Art 
liurcb  die  Centralorgane  selbst  unter  einander  verbunden  sind. 

Die  zu  den  Centraltbeilen  tretenden  Fäden  der  urgainscben 
^^erven  erfahren  den  Einfluss  der  Centraltbeile,  und  thcilen  ihn 
i^om  ganzen  organischen  System  mit,  wodurch  der  Einfluss  des 
sympatbicus  auf  die  Ernährung  und  Absonderung  verändert 
wird.  Diese  Verbindung  mit  den  Cciitrallheilen  mag  zur  Erhal- 
tung  der  Wirksamkeit  des  N.  sympatbicus  notbwendig  seyn  (siebe 
viben  p.  714.),  während  die  unmittelbare  Quelle  seiner  Tbätigkeit 


78‘i  HI.Buch.  Nereenpliysik.  V.Ahschn.  Centraltheile  d,Neri>ensyst. 

ii)  jenen  grossen  Centralmassen  liegt,  welclie  die  Unterleihsge- 
flechte  und  überhaupt  die  Ganglien  sind,  von  welchen  der  orga- 
nische Einfluss  in  die  peripherischen  Verbreitungen  des  N.  sym- 
pathicus,  auch  in  jene  die  Cerehrospinalnerven  begleitenden  or- 
ganischen Fasern  bis  zu  den  Gapillargefässactionen  zur  Ernährung 
aller  Theile  ausstrahlt. 


F'.  Abschnitt,  Von  den  Centraltheilen  des 
Nervensystems. 

/.  Capitcl.  Von  den  Centraltheilen  des  Nervensystems 
im  Allgemeinen. 

Die  Centralorgane  des  Nervensystems  bewirken  die  vereinte 
Th'ätigkeit  aller  Nervenfunclionen,  theils  ausser  der  Herrschaft 
der  Seele,  theils  unter  derselben;  sie  sind  diejenigen  Theile  des 
Nervensystems,  durch  welclie  alle  Nerven  oder  Leiter  vereinigt  wer- 
den, welche  als  Erreger  (Motoren)  sowohl  automatisch  beständig  oder 
abwechselnd,  als  Avillkübrlich  auf  die  von  dem  Sensorium  commune 
der  Centralorgane  ausgehenden  Bestimmungen,  die  motorischen 
Nerven  zur  Bewegung  der  Muskeln  in  Thätigkeit  setzen,  welche 
die  Wirkungen  der  sensoriellen  Nerven  entweder  auf  motorische 
unbewusst  reflectiren,  oder  im  Sensorium  commune  der  Central- 
theile  zum  Bewusstseyn  bringen,  durch  welche  auch  die  organi- 
schen Nerven- Wirkungen  in  ungestörter  Kraft  erhalten  werden, 
durch  welche  das  Nervenprincip  beständig  erzeugt  und  wieder- 
erzeugt wird,  und  ohne  welche  sich  die  Thätigkeit  und  Reizbar- 
keit der  Nerven  als  Leiter  auf  die  Dauer  nicht  erhält.  Diess  ist 
die  allgemeine  Definition  des  Gehirns  und  Rückenmarkes  als 
selbstständiger  Erreger  gegen  die  Nerven  als  Conductoren  des 
Nervenprincips.  Dass  sich  durch  die  angeführten  Eigenschaften 
die  Centralorgane  von  den  Nerven  unterscheiden,  ist  aus  den  in 
der  Nervenphysik  mitgetheilten  Thatsachen  nicht  schwierig  zn 
beweisen. 

1)  Die  Centralorgane  vereinigen  alle  Nerven;  diess  gilt  sogar  von 
den  sympathischen  Nerven,  die,  wie  am  Ende  des  vorigen  Abschnittes 
gezeigt  worden,  an  so  vielen  Punkten  durch  Fasern  mit  den  Central- 
theilen Zusammenhängen.  Es  zeigt  sich  nur  der  Unterschied  der 
Cerehrospinalnerven  von  den  organischen  Nerven  in  Beziehung 
auf  die  Centralorgane,  dass  die  ersteren  viel  unmittelbarer  von 
den  Centralorganen  ausstrablen,  während  die  organischen  Nerven 
zwar  auch  ihre  Fasern  in  Begleitung  der  Cerehrospinalnerven 
mit  dem  Gehirn  und  Rückenmark  in  Wechselwirkung  bringen, 
aber  doch  auch  ihre  untergeordneten  Centraltheile  in  ihren  eige- 


Von  den  Centraltheüen  des  Nerpensystems  im  Attgemeinen,  783 

nen  Ganglien  nnd  Geflechten  haben,  von  welchen  der  organische 
Einfluss  zunächst  ausstrahlt,  wenn  sich  auch  die  Thätigkeit  die- 
ses Systems  ohne  die  Mitwirkung  des  Gehirns  nnd  Rückenmarkes 
auf  die  Dauer  nicht  erhalten  kann.  Vergl.  p.  714. 

2)  Die  Centralorgane  sind  Erreger  für  die  motorischen  Ner- 
ven als  Conductoren  der  motorischen  Entladung  des  Nervenprin- 
cips  nach  den  Muskeln.  -Diese  motorische  Thätigkeit  äussert  sich 

a.  theils  als  beständige  Ausstrahlung,  wie  wir  das  Beispiel  in  der 
beständigen  Beherrschung  der  Sphincteren  sehen,  deren  Zusam- 
rnenziehungen  nach  Verletzungen  der  Centralorgane  aufhören; 

b.  theils  durch  abwechselnde  rhythmische  Bewegungen,  wie  in 
der  Abhängigkeit  der  Bewegungen  des  Athmens  von  der  Medulla 
oLlongata  (siehe  oben  p.  331.);  c.  theils  als  Entladungen,  die  wiil- 
kührlich  von  dem  Sensorium  commune  der  Centralorgane  ausge- 
hen, welches  den  spontanen  Actionen  der  Seele  unterworfen  ist. 

Gegen  diesen  motorischen  Einfluss  verhalten  sich  die  moto- 
rischen Nerven  auf  doppelte  Art.  Die  Nerven  einer  Classe  ver- 
halten sich  gegen  denselben  als  blosse  Conductoren.  Sie  sind 
zwar  auch  beständig  motorisch  geladen,  und  können  künstlich, 
wie  der  Nerve  des  Froschschenkels,  durch  mechanische  Reize  zu 
Entladungen  bestimmt  werden;  aber  sie  entladen  sich  im  Zu- 
stande der  Gesundheit  nicht  spontan,  sondern  auf  den  Einfluss 
der  Centralorgane;  diess  sind  die  motorischen  Cerebrospinal  ner- 
ven. Die  Nerven  der  andern  Classe,  dem  Einflüsse  des  Sensorium 
commune  ln  Beziehung  auf  willkührliche  Actiouen  ganz  entzogen, 
können  zwar  auch  von  den  Centralorganen  zu  beständigen  oder 
rhythmischen  Actionen  bestimmt  werden,  haben  aber  das  Ei- 
gentluimliche,  dass  sie  auch  selbstständige  Entladungen  bewir- 
ken, wenn  sie  gleich  auf  längere  Dauer  zur  Reproduction  ihres 
Nerveneinflusses  der  Centralorgane  bedürfen;  dahin  gehören  die 
motorischen  W^irkungen  des  N.  sympathlcus.  Die  von  ihm  be- 
herrschten Theile  ziehen  sich  spontan,  auch  getrennt  von  dem 
Einfluss  der  Centralorgane  zusammen,  wie  das  Herz,  der'Darmkanal 
u.  s.  w.,  aber  die  Kraft  und  Dauer  ihrer  Zusammenzichungen 
hängt  durchaus  von  dem  Verkehr  ihrer  Nerven  mit  den  Cen- 
tralorganen ab.  Vergl.  oben  p.  185.  714.  Bel  vorübergehen- 
der Ermüdung  und  auch  in  dem  Schlafe  nach  der  täglichen 
Action  des  Nervensystems,  tritt  einmal  eine  Relaxation  in  den 
"Wirkungen  der  Centralorgane  auf  die  peripherischen  Theile  ein; 
aber  diese  vorübergehende  Veränderung  in  den  Centralorganen  ist 
noch  nicht  im  Stande,  die  Actionen  der  dem  sympathischen  Sy- 
stem unterworfenen  spontanen  Bewegungen  wesentlich  zu  verän- 
dern. Nur  wenn  die  Ermüdung  in  den  Centraltheilen  dauernder 
wird,  wenn  diese  Organe  wesentlich  verletzt  werden,  erlahmen 
auch  die  dem  sympathischen  System  unterworfenen  Bewegungen, 
weil  ihre  Kraft  und  Dauer  von  den  Centraltheilen  auch  abhängt. 

Man  darf  sich  aber  nicht  verstellen,  dass  während  der  täg- 
lich einmal  eintretenden  Ermüdung  der  Centralorgane  und  des 
Schlafes  die  Centralorgane  überhaupt  unthätig  würden.  Diese 
Ermüdung  ist  zwar  allgemein,  aber  nur  das  Sensorium  commune 

Centralorgane,  jener  Theil  des  Gehirns,  welcher  den  Actionen 


784  UI.  Buch.  Neroenpkfsik.  V.Abschn.  Centraliheile  d.  Nervensyst. 

der  Seele  unterworfen  ist,  wird  vorzüglich  untliätig;  nur  die  willtühr- 
liclien  Bewegungen  fallen  unter  den  motoriscbeir  Actionen  der  Cen— 
tralorgane  w'älirend  des  Sclilates  ganz  aus.  Alle  übrigen  Bbeile  der 
Centrälorgane  setzen  ihre  Tbatigkeit  wie  während  des  Wachens  fort. 
Diess  sieht  man  an  der  Fortdauer  der  von  den  Centralorganen 
ahhängigen  beständigen  Zusammenziehungen  der  Sphincteren  und 
den  rhythmischen  Athembcwegungen , welche  beide  von  'H'ahren 
Cerehrosplnalnerven  ausgeführt  werden.  Gewisse  Muskeln  sind  also, 
obgleich  von  Cerebrospinalnerven  versehen,  auch  während  des 
Schlafes  beständig  thätig;  immer  sind  die  Sphincteren  geschlos- 
sen, immer  bewirkt  der  Schlat  eine  fixirte  Stellung  des  Auges 
nach  oben  und  innen,  immer  die  constant  damit  verbundene 
Contraction  der  Irls  mit  Verengung  der  Pupille;  die  Schlies- 
sung des  Mundes  findet  auch  im  Schlafe  gewöhnlich  statt.  Kurz, 
wir  sehen,  dass  auch  im  Scldafe  der  ganze  motorische  Apparat 
der  Centralorganc,  des  Gehirns  sowohl  als  des  Rückenmarkes, 
fortwirkt,  dass  nur  die  willkührliehe  Excitation  dieses  dauernd 
th'ätigen  motorischen  Apparates  während  der  Uiithätigkelt  des 
Sensorlum  commune  auf  hört.  Daher  müssen  wir  auch  eine  wäh- 
rend des  Schlafes  fortdauernde  W echselwlrkung  der  Ceiitralor- 
gane  mit  der  motorischen  Thätigkeit  des  sympathischen^  Systems 
nothwendlg  voraussetzen,  ohne  welchen  Einfluss  die  Kraft  der 
Bewegungsactionen  im  sympathischen  System  sogleich  ahnehmen 
würde,  wie  wir  in  der  Apoplexie,  in  den  von  den  Centralorgauen 
eintretenden  Ohnmächten  und  bei  der  künstlichen  Zerstörung 
des  Rückenmarkes  (siehe  oben  p.  185.)  deutlich  sehen. 

3)  Die  Centralorgane  erfahren  ■ die  Wirkungen  der  sensoriel- 
len Nerven,  und  pllanzen  sie  entweder  unbewusst  reflectirend 
auf  die  Ui’sprünge  der  motorischen  Nerven  fort,  wodurch  die 
reflectirten  Bewegungen  (siehe  oben  p.  688.)  entstehen;  oder  sie 
leiten  diese  Wirkungen  zu  dem  Sensoriura  commune  der  Central- 
organe, wodurch  sie  während  der  Thätigkeit  des  letztem  bewusst 
werden.  Im  ersten  Falle  gelangen  die  centripetalen  W'^^irkungen 
der  sensoriellen  Nerven  nur  bis  zur  Excitation  des  motorischen 
Apparates  der  Centralorgane,  der  vorzüglich  seinen  Sitz  im  Rük- 
kenmark  hat,  aber  sich  auch  in  das  Gehirn  verzweigt;  im  zwei- 
ten Falle  gelangen  diese  Wirkungen  zu  einem  besonderen  Theil 
der  Centralorgane,  ohne  Reflexionshewegungen  zu  erregen,  in 
dem  Sensorium  commune  zu  dem  Bewusstwerden  der  Seele. 
Nicht  selten  geschieht  Beides;  die  Empfindungen  werden  bewusst, 
und  erregen  zugleich  Reflexionsbewegungen,  indem  die  Leitung 
zugleich  nach  dem  motorischen  Apparate  der  Centralorgane  und 
nach  dem  Sensorium  commune  geschieht,  w'ie  hei  dem  Husten 
von  dem  empfundenen  Reiz  in  der  Luftröhre,  hei  dem  Schliessen  der 
Augenlicder  von  heftigem  Schall,  hei  der  Zusammenziehung  der  Iris 
von  Reizung  der  Retina  durch  Lichtsehen.  In  Hinsicht  der  Theo- 
rie und  Gesetze . dieser  W'lrkungcn  muss  hier  auf  das  dritte  Cap. 
des  HI.  Ahschn.  p.  688.  und  p.  716.  verwiesen  w'erden.  Da  die 
Reflectionserscheinungen  nicht  von  dem  Sensorium  commune, 
sondern  von  dem  motorischen  Appariite  der  Centralorgane  ab- 
hängig sind,  der  letztere  aber  im  Schlafe  zu  wirken  fortfährt. 


Von  den  Centr  alt  heilen  des  Nervensystems  im  Allgemeinen.  785 

so  finden  sie  auch  im  ScWafe  eben  so  gut  wie  im  Wachen  statt; 
wie  der  »Husten  von  Reizen  in  der  Luftröhre,  und  viele  andere 
Erscheinungen  während  des  Sclilafes  beweisen. 

4)  Die  .organischen  Ncrvenwirkungen  werden  durch  die  Cen- 
tralorgane des  Nervensystems  in  ungestörter  Kraft  erhalten.  Hier 
zeigt  sich  dasselbe  Verhalten  zwischen  dem  N.  sympatliicus  und 
den  Centralorganen,  wie  in  Hinsicht  der  Bewegungen  der  dem 
N.  sympatliicus  unterworfenen  Theile.  Die  Ernährung  und  Ab- 
sonderung geschehen  unter  einer  gewissen  selbstständigen  Action 
der  organischen  Nerven.  Embryonen  sind  zwar  bis  zur  Reife  bei 
Zerstörung  des  Rückenmarkes  -und  Gehirns  ernährt  worden.  Siehe 
oben  p.  186.  Vergl.  Eschricht  (in  Mueller’s  Archiv  für  Anatonde 
und  Physiologie  1834.  p.  268.).  Ja  zuweilen  werden  Theile  von 
Embryonen,  ein  einzelner  Kopf,  eine  Extremität,  ernährt,  welche 
nicht  einmal  ein  Herz  besitzen,  und  wo  das  Blut  durch  das  Herz 
eines  andern  Embrj’O  zugelührt  wird,  indem  die  Gefässe  des  de- 
fecten  Embryos  von  der  Nabelschnur  des  gesunden  ausgehen. 
Siehe  Rudolphi  Abhandl,  der  Acad.  zu  Berlin.  1816.  und  Mueller  in 
dessen  Arcldv  für  Anatomie  und  Physiologie  1834.  p.  179.  Aber 
beim  Erwachsenen  leidet  die  Ernährung  oft,  wenn  auch  nicht 
immer,  bei  Lähmungen  des  Gehirns  und  Rückenmarkes,  die 
gelähmten  Theile  sind  hei  Verletzungen  derselben  leichter  dem 
Brand  unterworfen,  und  bei  heftigen  acuten  Leiden  der  Centralor- 
gane mit  Unterdrückung  ihrer  Actioncn  entsteht  oft  spontan  der 
Brand  in  einzelnen  Theilen.  Bei  der  Tabes  dorsalis  verschwin- 
det zuletzt  die  Fähigkeit  zur  Erection  durch  Blutanhäufung  in  dem 
erectilen  Gewebe  des  Penis  und  zur  Zeugung. 

5)  Das  Nervenprincip  wird-  in  den  Centralorganen  erzeugt 
und  wiedererzeugt.  DIess  geht  aus  den  von  mir  und  Sticker 
angestellten  Versuchen  (siehe  oben  p.  614.)  hervor,  nach  welchen 
die  von  den  Centralorganen  getrennten  Nerven  eines  Gliedes  in 
der  ersten  Zeit  zwar  noch  motorische  Kraft  besitzen,  indem  sie, 
gereizt,  Bew'egungen  der  von  ihnen  versehenen  Muskeln  erregen, 
nach  welchen  aber  diese  Nei’ven,  sofern  sie  nicht  wieder  verhei- 
len, nach  mehreren  Monaten  alle  Reizbarkeit  für  mechanischen 
Und  galvanischen  Reiz  verloren  haben,  so  dass  also  die  bestän- 
dige Wechselwirkung  der  Nerven  und  der  Centralorgane  zur  Er- 
haltung der  Kräfte  der  Nerven  nöthig  ist,  während  die  Centfal- 
organe  ihre  Kräfte- auch -nach  dem  Verlust  ihrer  Conductoren  be- 
halten. Die  Erhaltung  der  Reizbarkeit  der  Nerven  ist  indess 
nicht  bloss  von  dem  beständigen  Einfluss  der  Centralorgane,  son- 
dern auch  von  ihrer  Thätigkeit  selbst  abhängig.  Wenn  ein  Nerve 
sehr  lange  Zeit  nicht  in  Thätigkeit  gesetzt  wird,  so  verliert  er 
immer  mehr  an  Kraft  für  fernere  Thätigkeit.  Die  meisten  Men- 
schen haben  keinen  Einfluss  auf  kleine  Muskeln  durch  Mangel 

Uebung,  und  nach  Erblindung  des  Auges  atrophirt  in  später 
Zeit  der  Sehnerve  bis  gegen  das  Gehirn  hin;  ja  Magehhie  hat 
sogar  diese  Atrophie  bei  Vögeln  durch  künstlich  bewirkte  Er- 
blindung schon  in  einigen  Monaten  erzeugt. 

Die  Scheidung  der  belebten  thlerischen  Materie  in  Cen- 


786  III, Buch.  Nervenphysik.  V.Absclin.  Centraltheile  d.Nereensyst. 

tralorgane,  und  die  ■von  den  Centralorganen  aLliängigen  Theile, 
ist  nicht  bloss  ein  Attribut  aller  tbieriscben  Wesen;  der  Trieb 
zu  dieser  Scheidung  ist  sogar  der  keimfähigen  Materie  von  An- 
fang an  eingepflanzt,  und  es  scheint,  dass  mit  der  Aeusserung 
dieses  Triebes  die  ganze  Organisation  beginnt.  Die  p.  42.  ange- 
führten Beobachtungen  über  die  zusammengesetzte  Structur  der 
einfachsten  Thiere  machen  es  ■wahrscheinlich,  dass  es  hei  allen, 
auch  den  scheinbar  einfachsten  Tliicren,  Nerven  und  von  den 
Nerven  ahh'ängige  Tlieile  gieht,  und  wo  die  Anatomie  des  Ner- 
vensystems möglich  ist,  sehen  wir  auch  wieder  eine  Sonderung 
desselben  in  gewisse  wichtigere  Centraltheile  und  ihre  Conducto- 
ren,  die  Nerven.  Beim  Embryo  der  höheren  Thiere  beginnt  sogleich 
diese  Sonderung  schon  in  der  Keimhaut,  in  deren  Achse  sich  der 
mit  den  Kräften  der  Centralorgane  hegeistete  Theil  der  thieri- 
schen  Materie  anhäuft,  während  sich  um  dieselbe  die  davon  ab- 
hängigen- Tlieile  gestalten.  Aber  auch  in  dem  von  den  Central- 
theilen  abhängigen  peripherischen  Theile  des  neuen  Wesens 
schreitet  eine  ähnliche  Sonderung  fort,  indem  sich  dieser  wieder 
in  die  Conductoren  des  Ncrvenprincips,  die  Nerven  und  die  von 
ihnen  den  Einfluss  der  Centralorgane  empfangenden  Gewebe  hi- 
stologisch und  virtuell  sondert.  Die  Entstehung  der  Centralor- 
gane bedingt  die  Entstehung  der  peripherischen  Theile ; die  Ent- 
stehung der  Nerven  in  dem  pcrijiherischen  Theile  des  Thieres 
bedingt  zugleich  die  Entstehung  der  wieder  von  den  Nerven  be- 
seelten Gewebe.  Mit  dieser  Sonderung  zwischen  Cerrtralorganen 
und  peripherischen  Theilen  ist  das  Gehirn  und  Rückenmark 
virtuell  vorhanden;  weder  das  eine  noch  das  andere  entsteht 
früher;  die  Ausbildung  der  einzelnen  Regionen  der  Centralorgane 
ist  erst  wieder  die  Folge  fortschreitender  Entwickelung  und  Son- 
derung. Eben  so  ist  es  mit  der  histologischen  Sonderung  des 
peripherischen  Theiles;  sobald  sie  beginnt,  ist  gewiss  der  ganze 
Nerve  vorhanden  , nicht  das  äussere  Ende  des  Nerven  ist  das 
Erste,  das  den  Ccntralorganen  entgegenwüchsc.  Wenigstens  hat 
diese  Ansicht  von  Sekres  {anat.  comp,  du  cervemi)  durchaus  keine 
thatsächliche  Basis ; und  die  dafür  angeführten  Beobachtungen 
haben  in  den  classischen  Untersuchungen  von  Baer  über  die 
Entwickelungsgeschichte  des  Embryo  keine  Bestätigung  ge- 
funden. 

Vergleicht  man  nun  die,  niederen  Thiere  mit  den  höheren 
in  Hinsicht  des  Gegensatzes  der  Centraltheile  und  peripherischen 
Theile , und  wieder  der  Centraltheile  und  des  peripherischen 
Nervensystems,  so  zeigt  sich,  dass  dieser  Gegensatz  bei  den  nie- 
deren Tbifiren,  wenngleich  vorhanden,  doch  weniger  ausgebil- 
det ist.  Nach  der  von  EiiREnnERG  entdeckten  zusammengesetzten 
Structur  der  für  so  einfach  gegoltenen  Wesen,  der  Infusorien 
und  Medusen  muss  man  die  Existenz  der  Nerven  in  allen  Thie- 
ren  annehmen.  Siehe  oben  p.  42.  Vergl.  über  die  Medusen 
Ehreniierg  in  Mtjeller’s  Archio  für  Anatomie  and  Physiologie  1834. 
Wir  dürfen  jetzt  keinen  Augenblick  mehr  zweifeln,  dass  auch 
die  Polypen,  Planarien,  obgleich  ihre  Nerven  noch  nicht  ent- 
deckt sind , dieselben  besitzen.  Aber  das  die  Centraltheile 


Von  den  Centraüheilen  des  Nervensystems  im  Allgemeinen.  787 

belebende  Princip  muss  liier  noch  mebr  über  das  Nervensy- 
stem verbreitet  seyn,  als  bei  den  höheren  Thieren,  weil  die 
Theilung  dieser  Tliicrc  in  Stücke  den  Organismus  nicht  zer- 
stört, vielmehr  zur  Entstehung  mehrerer  Organismen  die  Ver- 
anlassung giebt.  Bei  einigen  Anneliden,  die  ein  deutliches  Ner- 
vensystem haben,  die  aber,  in  zwei  Theile  getheilt,  in  den  Thei- 
len  ibrtleben,  wie  die  Nereiden,  Naiden,  ist  diess  ganz  offenbar. 
Die  aus  einem  knotigen  Nervenstränge  bestehenden  Centi-altheile 
müssen  also  hier  das  wirksame  Princip  der  Centraltheile  in  einer 
grossen  Ausdehnung  enthalten.  Und  bei  den  Polypen  und  Pla- 
narien, die  man  in  mehrere  fortlebendc  Stücke  durch  Theilung 
in  verschiedener  Richtung  sondern  kann,  muss  die  Vertheilung 
der  mit  den  Kräften  der  Centraltheile  begabten  Materie  noch 
grösser  seyn.  Der  der  belebten  thierischen  Materie  eingepflanzte 
Trieb,  sich  in  Centraltheile  und  abhängige  Theile  zu  sondern, 
zeigt  sich  sogleich  in  dem  abgetrennten  Stücke  der  Planarie  wie- 
der, gleichwie  in  dem  Keime  der  höheren  Thiere.  Dass  ans 
diesem  Stücke  ein  neues,  mit  allen  Organen  begabtes  Thier  wird, 
ist  eben  die  Aeusserung  jenes,  aller  belebten  tbierischen  Materie 
einwohnenden  Triebes. 

Das  vorher  von  den  Ringelwürmei’n  angeführte  Beispiel  zeigt 
uns,  dass  der  knotige  Nervenstrang  derselben  das  wichtigste  Le- 
bensprincip  der  Centralorgane  nicht  bloss  in  dem  ersten  oder 
Hirnknoten,  sondern  in  dem  ganzen  knotigen  Strange  enthält; 
denn  mit  der  individuell  belebten  Materie  ist  hier  das  Lebens- 
princip  selbst  tbeilbar.  Nun  fragt  sich,  wie  weit  eine  solche 
Ausdehnung  des  centralen  Lebensprincips  in  dem  Nervensystem 
der  zunächst  folgenden  Thiere  besteht. 

Die  gegliederten  Thiere,  obgleich  sie  noch  mit  einem  knoti- 
gen Nervenstränge  gleich  den  Anneliden  begabt  sind,  leben  ge- 
tlieilt  nicht  wieder  fort;  mögen  sie  auch  nach  einer  solchen  Thei- 
lung, nach  dem  Verluste  des  Kopfes  und  Hirnes,  noch  zucken, 
so  zeigen  diese  Bewegungen  nichts  Willkührliches  mehr,  und  wie 
ihr  Gehirnknoten  an  Umlang  gewann , so  scheint  auch  er  nur 
mehr  der  Sitz  des  centralen  Lebensprincips  (man  entschuldige 
den  Ausdruck)  zu  seyn.  Wie  wichtig  auch  die  grosse  oder  kleine 
Zahl  der  übrigen  Knoten  des  centralen  Bauchstranges  seyn  mag, 
ihre  Bedeutung  ist  der  des  Hirnknotens  untergeordnet;  mögen  sie 
als  motorische  Apparate  für  die  von  ihnen  zunächst  abhängigen 
Glieder  noch  so  wichtig  seyn,  sie  sind  gleichwohl  von  dem  centra- 
len Einflüsse  des  Hirnknotens  abhängig,  und  eben  so  verhält  es 
sich  mit  den  Mollusken.  Die  Schnecken,  die  nach  Spallakzani’s 
Versuchen  nach  Abtrennung  des  Kopfes  diesen  wiedererzeugt 
haben  sollen,  hatten  durch  die  Art  des  geführten  Schnittes  das 
Hirn  gar  nicht  verloren  (Schweigger  Naturgeschichte  der  skelet- 
losen ungegliederten  Thiere.  Lpzg.  1820.  p.  685.),  und  kein  Thier 
dieser  Classe  lebt  nach  dem  Verluste  dieses  Organes  fort.  Bei 
den  Muscheln  treffen  wir  in  der  That  den  Hirn'knoten  ähnliche 
»»nd  gleich  grosse  Knoten  in  entfernten  Theilen  des  Körpers  zer- 
streut an.  Ein  solcher  liegt  injdera  contractilen  Fusse,  ein  ähn- 
hcher  am  Aftertheile  des  Körpers;  diese  Knoten  sind  mit  den 


788  III.  Buch,  Neroenphysik.  V.Abschn.  Centraltheile  d.Nervensyst. 

heiden  seltliclien  Hirnknoten  des  ScMundrlnges  dnrch  Nerven 
verbunden ; aber  wir  dürfen  diese  Knoten  trotz  ilirer  überein- 
stimmenden Grösse  niciit  für  gleich  an  Hedeutiing  halten.  Zu 
dem  centralen  Nervensystem  der  Crustaceen  und  Spinnen  gehö- 
ren auch  bedeutende,  das  Hirn  an  Grösse  zuweilen  selbst  über- 
treffende  Knoten  des  Bauchslianges,  wie  bei  den  kurzschwanzigen 
■Krebsen  und  den  eigentlichen  Spinnen.  Gleichwohl  scheinen  die 
grossen  Massen  nur  Cenlrala]iparate  für  die  Bewegungskraft  der 
Füsse  zu  seyn,  die  von  ienen  Knoten  ihre  Nerven  erhalten,  und 
der  Regulator,  der  Entlader  dieser  motorischen  Apparate  ist 
doch  das  Gehirn.  Eben  so  ist  es  wahrscheinlich  bei  den  Mu- 
scheln. Diess  zeigt,  dass  unter  den  Centraltheilen  des  Nerven- 
systems Avieder  eine  Unterordnung  lierrscht,  Avclche  nicht  imtaer 
im  Verhältniss  der  Masse  steht,  und  führt  uns  auf  einen  Avichti- 
gen  Unterschied  in  den  verschiedenen  Regionen  der  Gentraltheile 
der  Wirbelthiere,  Amrzüglich  des  Gehirns  und  Rückenmarkes. 
Die  dauernde  Bewegung  grosser  Muskclmassen  kann  grosse  mo- 
torische Apparate  der  Gentraltheile  des  Nervensystems  erfordern, 
wahrend  das  Organ,  von  Avelchem  diese  Apparate  in  Thätigkeit 
gesetzt  Averden,  von  ihrer  Entwickelung  nieht  abhängig  ist. 

Bei  allen  höheren  tind  niederen  Wirbel tliieren  entspricht  die 
Masse  des  Rückenmarkes  im  Allgemeinen  dem  Umfange  der  da- 
von beherrschten  Kör|Aertheile;  das  Rückenmark  eines  Fisches 
ist  verhältnissmässig  nicht  viel  geringer  als  das  Rückenmark  eines 
Menschen;  aber  das  Gehirn  nimmt  bei  den  höheren  Thieren  in 
gleichem  Verhältniss  mit  der  Ausbildung  ihrer  intellectuellen  Fä- 
higkeiten zu.  Bei  den  Fischen  besteht  das  Gehirn  nur  aus  meh- 
reren vor  der  Mcdulla  oblongata  liegenden  AnschAVcllungen.  Das 
Gehirn  der  Amphibien  ist  grösser  als  das  der  Fisehe,  das  der 
Vögel  grösser  als  das  der  Amphibien,  das  der  Säugethiere  übertrifft 
das  Gehirn  der  Vögel,  das  menschliehe  übertrifl’t  alle.  Wir  Avollen 
diese  Vergleichung  durch  Angabe  von  ZahlenA'erhältnisscn  später 
weiter  äusführen. 

Man  sieht  aus  den  bisherigen  Betrachtungen,  dass  die  Ver- 
gleichung der  Stärke  der  Nerven  mit  den  Centraltheilen  des  Ner- 
vensystems (zusammengenommen)  bei  verschiedenen  Thieren  we- 
nig geeignet  ist,  physiologische  Aufschlüsse  zu  geben.  Die  Stärke 
der  Nerven  wird  zwar  im  Allgemeinen  im  Verhältniss  zu  den 
Centraltheilen  bei  den  niederen  Wirbelthieren  zunehmen;  aber 
riebtiger  ausgedrückt,  nimmt  sie  nur  im  Verhältniss  zum  Gehirn  aul- 
fallend zu.  Ein  andei«!’  Apparat  der  Gentraltheile,  das  Rückenmark, 
welches  ausserdem,  dass  es  ein  Leiter  vom  Gehirn  zu  den  von 
ihm  entspringenden  Nerven,  und  umgekehrt,  ist,  eine  den  Bewe- 
gungskrälton  des  Körpers  entsprechende  motorisch  geladene  Säule 
darstellt,  seheint  überall  diesen  Bewegungskräften  durch  seine  Masse 
und  ■ den  A’On  ihm  entspringenden  Nerven  durch  chen  dieselbe 
(nicht  durch  Länge  und  Kürze,  die  sehr  variirt)  zu  entsprechen. 
Das  Rückenmark  von  GfidusLota  verhält  sich  zur  Masse  des  Körpers 
nach  CAaus,  Avie  1 :4S1,  bei  Salamandra  terrestris  Avie  1:190,  bei  der 
Taube  wie  1 : 305,  bei  der  Ratte  Avie  1 : 180,  bei  der  Katze  wie  1 : Kil- 
Allerdings  giebt  es  bei  den  Fischen  Nervenstämme , Avie  der 


Von  den  Centrältheilen  des  Nervensystems  im  Allgemeinen.  789 

Nerv,  trigeminus  und  Nerv,  vagus,  -welclie  den  Durchmesser  des 
Rückenmarkes  zuweilen  geradezu  ühertrefFen.  Indessen  kömmt 
es  hei  der  Vergleichung  der  Nerven  imd  des  Rückenmarkes  hei 
verschiedenen  Thieren  wohl  auf  die  Dicke  der  Nerven , aher 
nicht  auf  die  Dicke  des  Rückenmarkes,  sondern  ehen  so  gut  auf 
dessen  Länge,  oder  richtiger  auf  Vergleichung  der  ganzen  Masse 
des  Rückenmarkes  mit  der  Summe  der  Stärke  aller  daraus  eul^ 
springenden  Nerven  an.  Dann  aher  kann  die  Stärke  derjenigen 
Hirnnerven,  welche  aus  den  Rückenmai-ksfortsetzungen  ini  Ge- 
hirn entspringen,  nicht  fruclithar  mit  der  Stärke  des  eigentlichen 
Rückenmarkes  hinter  dem  Gehirn  verglichen  werden. 

Die  hisherigen  Betrachtungen  sollen  uns  den  Weg  zur  genaue- 
ren Untersuchung  der  Kräfte  des  Gehirns  und  Rückenmarkes 
seihst  eröffnen.  Die  wichtigsten  Schriften  über  die  Physiologie  des 
Gehirnes  und  Rückenmarkes  sind:  Gkll  eXSvvBj.ive.m  AnaJ.  et  phy- 
siol.  du  Systeme  neroeux.  Paris  1810.  f.  Ti£demakn  ylna/owfc  u.  Bil- 
dungsgeschielite  des  Gehirnes,  I\iirnherg  1816.  4.  Bürdacu  vom  Bau 
und  Leien  des  Gehirns.  1 — .3.  Bd.  Leipz.  1819 — 26.  4.  Carus 
Versuch  einer  Darstellung  des  Nervensystems  und  insbesondere  des 
Gehirns.  Leipz.  1814.  4.  Desmoulihs  et  Magekdie  anaiomie  des 
systemes  nerveux,  Paris  1825.  2 Vol.  8.  Serres  Anatomie  comparec 
du  cerveau.  Paris  1824.  2 Vol.  Rolando  faggio  sopra  la  vera 
strutiura  del  ce.rvello  e sopra  le  funzioni  del  sistema  nervoso.  cd,  3. 
Tor/uo  1828.  3 Vol.  s.  Flouuehs  l'tWz/rÄe  u.  Untersuchungen  über  die 
Eigenschaften  und  Verrichtungen  des  Nervensystems.  Leipz,  1824.  8. 
Fortsetzung.  Leipz.  1827.  8.  Treviranus,  in  Tiedemanh’s  Zeitschr,. 
ür  Physiol.  Bd.  IV. 


II.  Capitel.  Vom  Rückenmark. 

Das  Rückenmark  unterscheidet  sich  schon  anatomisch  von 
den  Nerven;  es  enthält,  wie  das  Gehirn,  varicöse  Nervenfa- 
sern (siehe  oben  p.  583,),  die  unter  den  Nerven  bloss  in  den 
grossen  Sinnesnerven  verkommen;  es  enthält  in  seinem  Innern 
graue  Substanz,  die  sich  heim  Durchschneiden  als  ein  liegendes 
Kreuz  darstellt,  so  dass  die  Figur  derselben  in  dem  vorderen  und 
hinteren  Strange  sich  jederseits  hornartig  verlängert,  Aher  auch 
die  Anordnung  der  'weissen  Substanz  ist  ganz  von  der  Ordnung 
der  Nervenbündel  verschieden.  Rachetti  und  Rolando  haben 
die  Beobachtung  gemacht,  dass  die  weisse  Substanz  in  von  aus- 
sen nach  innen  gehende  Lamellen  getheilt  ist,  die  man  dnüch 
längere  Aufbewahrung  von  Rückenmarksdurchschnitten  in  Koch- 
salz sichtbar  machen  kann ; ,fcuud  Rolando  behauptet,  dass  die 
Marksubstanz  aus  lauter  aneinander  liegenden  Falten  einer  ab- 
wechselnd urageschlagenen  Markhaut  bestehe,  so  dass  dünne  Fort- 
sätze der  Gefässhaut  zwischen  diese  Falten  von  aussen  eintreten, 
während  von  innen  dümje  Lagen  grauer  Substanz  dazwischen 
treten.  In  der  weissen  vordem  Commissur  des  Rückenmarkes 
soll  die  Markhaut  von  der  einen  zur  andern  Seite  herüber  ge- 
«en,  -während  dieser  Uehergang  hinten  fehle. 


790  III.  Buch.  Neroenphysik.  V.  Ahschn.  Centraltheile  d.  Neruensyst. 

ln  phy,siologisclier  Hinsiclit  stimmt  das  Rückenmark  mit  den 
Nerven  darin  überein,  dass  es  die  Wirkungen  seiner  Nerven  auf 
das  Gehirn  so  fortpflanzt,  wie  die  Geliirnnerven  es  unmittelbar 
auf  das  Sensorium  eommune  tlinn,  und  dass  es  die  Hirnwirkun- 
gen  auch  wieder  zu  seinen  Nerven  so  leitet,  als  wenn  diese  un- 
mittelbar von  dem  Gehirn  selbst  entsprangen;  in  anderen  Punkten 
unterscheidet  sich  das  Rückenmark  aber  wesentlich  von  den 
Nerven  durch  ihm  selbst , als  Centi'altheil,  und  nicht  den  Nerven 
zukommende  Kräfte.  Wir  werden  beiderlei  Eigenschaften  ge- 
nauer untersuchen. 

1)  Das  Rückenmark  als  Leiter,  Conductor  des  Nervenprincips 
oder  der  Osciüationen  desselben.  Alle  Uirnnerven  sind  unmittel- 
bar und  alle  Spinalnerven  mittelbar  durch  das  Rückenmark  un- 
ter den  Einfluss  des  Gehirns  gesetzt.  Sobald  dieser  Einfluss  un- 
terbrochen wird,  gelangen  die  Reizungen  der  Empfindungsnerven 
nicht  mehr  zum  Bewusstseyn,  und  das  Gehirn  kann  nicht  mehr 
willkührlich  die  motorische  Kraft  derjenigen  Nerven  anregen, 
welchen  sein  Einfluss  entzogen  wird. 

Die  Ursachen,  welche  die  Gemeinschaft  des  Gehirns  und 
Rückenmarkes  mit  den  Nerven  unterbrechen,  sind  Druck  auf  die 
Nerven,  Zerstörung  und  Zerschneidung  derselben,  und  Lähmung 
ihrer  motorischen  Kraft  durch  auflösbare  Stoffe , z.  B.  bei  der 
Bleivergiftung. 

So  oft  diese  Ursachen  auf  einen  Nerven  wirken,  sind  alle 
unter  der  verletzten  Stelle  ahgehenden  Zweige  der  willkührtichen 
Erregung  der  motorischen  Kraft  entzogen,  und  die  von  diesen 
Zweigen  versehenen  Muskeln  sind  In  Hinsicht  der  willkührlichcn 
Bewegung  gelähmt,  und  in  demselben  Theile  hört  die  Empfin- 
dung gegen  äussere  Reize  auf. 

Diejenigen  Nervenzweige  dagegen,  welche  über  der  verletz-  * 
ten  Stelle  des  Nerven  entspringen,  sind  dem  Einfluss  des  Gehirns 
und  der  Willensbestimmung  auf  ihre  Muskeln  nicht  entzogen, 
weil  ihre  Primilivfasern  noch  unversehrt  mit  dem  Gehirn  Zusam- 
menhängen. Auch  haben  aus  demselben  Grunde  alle  sensibeln  Ner- 
venzweige noch  Empfindung,  Avelche  über  der  verletzten  Stelle 
von  ihrem  Stamme  entspringen',  und  also  noch  durch  ihre  Pri- 
mitivfasern mit  dem  Gehirn  oder  Rückenmark  Zusammenhängen. 

Die  Verletzung  eines  Nerven  an  einer  Stelle  helft  nur  die 
Gemeinschaft  mit  dem  Gehirn  oder  dem  Organe  des  Bewusstseyns 
und  der  willkührlichen  Excitationen  auf,  dagegen  behalten  die  un- 
ter der  verletzten  Stelle  gelegenen  Theile  des  Nerven  ihre  motori- 
sche Kraft  selbst  eine  geraume  Zelt  unversehrt,  und  es  ist  ntm 
der  Hirneinfluss  auf  dieselben  aufgehoben.  Wenn  man  daher  ei- 
nen Nerven,  welcher  durch  Entziehung  des  Hirncinflusses  ge- 
lähmt ist,  oder  nicht  mehr  mit  dem  Gehirn  zusammenhängt, 
sticht,  quetscht,  brennt,  ätzt,  electrisirt,  galvanisirt,  so  hat  zwar 
keine  Empfindung  statt,  weil  die  Reizung  nicht  mehr  zum  Ge- 
hirn gelangt,  aber  es  zucken  dennoch  die  Muskeln,  zu  welchen 
dieser  Nerve  Zweige  schickt,  weil  nur  der  Hirneinfluss  auf  die 
motorische  Kraft,  nicht  aber  die  motorische  Kraft  des  Nerven 
unter  der  verletzten  Stelle  gelähmt  ist.  Nur  wenn  ein  Nervo 


2.  Vom  Rückenmark. 


"91 


melirere  Monate  dem  Einflüsse  der  Centraltheile  entzogen  ist,  ver- 
liert er,  vpie  meine  und  Sticker’s  VcrsucLe  (siehe  oben  p.  6i4.) 
gezeigt  haben,  seine  Reizbarkeit  ganz. 

Beim  Menschen  und  den  höheren  Thieren  verhVdt  sich  da- 
her das  Rückenmark  zum  Gcliirn  gerade  so,  wie  alle  IJirnnerven 
zum  Gehirn,  und  das  Rückenmark  ist  als  gemeinsamer  Stamm 
aller  Rumpfnerven  zu  betrachten , obgleich  cs  auch  noch  eigen- 
thümliche  Kriifte  vor  den  IVervenstammen  voraus  hat.  Durch 
das  Rückenmark  werden  die  Primil  ivfasern  aller  Rumpfnerven 
mit  dem  Gelyrn  verbunden,  während  die  llirnnerven  unmittelbar 
zum  Gehirn  treten. 

Die  Verletzung  des  Rückenmarkes  unterhiicht  den  von  dem 
Gehirn  ausgehenden  Einfluss  zu  den  Nerven,  und  die  Rück- 
wirkung des  Rückenmarkes  auf  das  Gehirn  von  denjenigen  Rük- 
kenmarksnerven,  welche  unter  der  verletzten  Stelle  ihren  Ausgang 
vomRückenmark  nehmen.  Alle  Theiie  die  von  diesen  letzten  Nerven 
versehen  sind,  sind  dann  empfindungslos,  und  keiner  willkührlichen 
, Bewegung  mehr  fähig.  Dagegen  liehalten  diejenigen  Riiekenmarks- 
nerven,  zwischen  deren  Ursprung  vom  Piückenmark  und  dem  Gehirn 
noch  die  Gemeinschaft  von  Rückenmark  und  Gehirn  besteht,  die 
willkührliche  Bewegung  und  die  Empfindung.  Verletzung  des 
untersten  Theiles  des  Rückenmarkes  bewirkt  Lähnuing  der  un- 
teren Extremitäten,  des  Mastdarms,  der  Blase,  Verletzung  des- 
selben höher  hinauf  bewirkt  Lähmung  jener  Theiie  sammt 
den  Bauchmuskeln,  noch  liöhcr  Jiinauf  Lähmung  aller  dieser 
Theiie  sammt  den  Brustmuskeln;  Verletzung  des  Rückenmarkes 
am  Halse  unter  dem  4.  Halsnerven  bewirkt  auch  Lähmung  der 
Arme, 'aber  nicht  des  Zwerchfells,  wegen  des  Ursprunges  des  N. 
phrenicus  von  dem  4.  Halsnerven;  Verletzung  des  verlängerten 
Markes  bewirkt  Lähmung  des  ganzen  Rumpfes.  Wenn  eine  Ver- 
letzung von  unten  nach  aufwärts  v'orschreitet,  so  schreitet  auch 
die  Lähmung  von  unten  nach  aufwärts  vor,  wie  in  der  Tabes 
dorsalis.  Das  Rückenmark  verhält  sich  also  hierbei  ganz  als 
Stamm  der  Rumpfnerven.  Reizt  man  den  obefn  Thcil  des  Rük- 
kenmarkes  mechanisch  oder  galvanisch,  so  zucken  alle  Muskeln 
des  ganzen  Rumjifcs,  gerade  so,  wie  durch  Reizung  eines  Ner- 
Venstammes  alle  Muskeln  seiner  Zweige  zucken.  Diirchschnei- 
det  man  einen  Nerven,  so  ist  das  denn  Hirneinfluss  entzogene 
Stück,  wenn  es  gereizt  wird,  fähig,  Zuckungen  in  den  Muskeln 
dieses  Nerven  hervorzurufen;  durcbschneidet  man  das  Rücken- 
mark eines  Thieres,  so  ist  das  dem  Hirneinfluss  entzogene  Stück 
des  Rückenmarkes,  wenn  cs  gereizt  wird,  fähig,  noch  alle  Ner- 
ven, die  von  ihm  entspringen,  und  dadurch  ihre  Muskeln  zu 
excitiren. 

Allein  das  Rückenmark  vertritt  nicht  allein  alle  Rumpfner- 
ven  in  genere  im  Gehirn,  sondern  auch  die  einzelnen  Primitiv- 
fasefn  der  Rumpfnerven;  denn  die  Affection  gewisser  Theiie  des 
^Rückenmarkes  unterbricht  nur  den  Hirneinfluss  zu  gewissen  Mus- 
keln des  Rumpfes,  und  die  Verletzung  gewisser  Theiie  des  Gehirns 
«at  auch  nur  die  Lälimung  gewisser  Theiie  des  Rumpfes  zur  Folge. 
MiiUer’e  Physiologie.  51 


792  III.  Buch.  Nervenphysik.  V.  Ahschn.  Centraliheile  d.  lAervemyst, 

Die  halbseitige  Ursache  der  Lähmung  im  Gehirn  und  Rücken- 
mark bedingt  auch  nur  eine  halbseitige  Lähmung  am  Rumpfe, 
und  je  kleiner  die  Verletzung,  je  weniger  sie  von  den  Strängen 
des  Rückenmarkes  umfasst,  um  so  weniger  Theile  sind  durch  sie 
dem  Hirneinduss  entzogen.  Rcdcnkt  man  ferner,  dass  es  vom 
Gehirn  ahhängt,  wie  viel  Muskeln  des  Rumpfes  jedesmal  bewegt 
werden,  so  sclicint  daraus  nothwendig  hervorzngehen,  dass  die 
Primitivfasern  der  Nervenstärnme,  welche  ins  Rückenmark  treten, 
auch  im  Rückenmark  sich  nicht  verbinden,  sondern  parallel  ne- 
ben einander,  wie  ira  Stamme  eines  Nerven  zum  Gehirn  treten, 
um  isolirt  dem  Gehirn  örtliche  Empfindungen  mitzutheilen,  und 
isolirte  Excitationen  zur  Bewegung  zu  erhalten.  Denn  wenn  sich 
die  Primitivfasern  der  Nerven  im  Rückenmark  verbänden,  so 
wäre  eine  örtliche  Empfindung  am  Rumpfe  eben  so  wenig  mög- 
lich , als  eine  isolirte  Zusammenziehung  einzelner  Muskeln  am 
Rumpfe.  Auch  die  Ursache  der  Zuckungen  im  Gehirn  und 
Rückenmark  wirkt  auf  einzelne  Theile  am  Rumpfe,  und  so  ent- 
stehen auch  Empfindungen  in  einzelnen  Theilen  des  Rumpfes, 
bei  Verletzungen  gewisser  Theile  des  Rückenmarks  und  Gehirns. 

Microscopische  Untersuchungen  zeigen  in  der  That,  dass 
das  Rückenmark  besonders  die  weisse  äussere  Substanz,  aus  lau- 
ter parallelen,  nicht  communicirenden  Fasern  besteht,  welche 
vom  Gehirn  bis  zu  der  Cauda  eqidna  herahzugehen  scheinen. 

Auf  welche  Art  die  Primitivfasern  der  Nervenwurzeln  mit 
den  Primitivfasern  des  Rückenmarkes  Zusammenhängen,  ist  noch 
nicht  ausgemacht.  Bekannntlich  inseriren  sich  die  vorderen  und 
hinteren  Wurzeln  in  den  vorderen  und  hinteren  Strängen  in  ei- 
ner seitlichen  Linie,  jederseits  etwas  entfernt  von  der  Mittellinie. 
Die  Wurzelhündcl  der  Cauda  equina  inseriren  sich  hier  dicht 
neben  einander  ohne  Unterbrechung,  die  Wurzeln  der  übrigen 
Nerven  dagegen  mit  scheinbarer  Unterbrechung,  indem  die  Fa- 
sern zwar  aus  einander  fahren,  aber  die  Büschel  der  Nervenwurzeln 
sich  nicht  erreichen.  So  ist  es  scheinbar  in  den  genannten  seit- 
lichen Insertionslinien,  wo  die  Faserbündel  die  pia  mater  durch- 
bohren. Allein  von  jener  Insertionslinie  aus  fahren  sie  noch  wei- 
ter aus  einander,'  und  wenn  man  sie  nocli  tiefer  verfolgt,  so 
sieht  man,  dass  die  Wurzelanfänge  aller  Nerven  ziemlich  ein« 
nicht  unterbrochene  Längslinie  bilden,  so  dass  die  Wurzel  ei- 
nes Spinalnerven  erst  entsteht  durch  das  Zusammenfassen  einer 
gewissen  Anzahl  der  Primitivhündel,  welche  hinter  einander  ohne 
Unterbrechung  vom  Rückenmark  ahgehen. 

Durch  diese  Beobachtung  vereinfacht  sich  also  sehr  das  Ver- 
hältniss  der  Primilivfasern  der  Nerven  zum  Rückenmark.  Sieht 
man  von  dem  hündelfÖrmigen  Zusammenfassen  der  Primitivfasern 
zu  Nervenstämmen  ah,  und  betrachtet  man  die  Ursprünge  der  Pri- 
mitivfasern im  Rückenmark  hinter  einander,  ihre  Isolation  in  den 
Nervenstämmen,  ihr  Auseinandergehen  in  der  letzten  Verzwei- 
gung, so  gleicht  das  Rückenmark  einem  aus  Nervenfasern  gebil- 
deten Stamme,  von  welchem  ununterbrochen  mit  Regelmäs- 
sigkeit vorn  und  hinten  viele  Millionen  Primitivfasern , thed* 


2.  Vom  Rückenmark. 


7Ö3 


von  motorischer  Kraft,  thells  von  sensibler  Kraft,  gleichsam 
wie  Strahlen  za  allen  Theilen  gehen,  welche  zwischen  ihrem 
Ursprünge  im  Rückenmarke  uiul  "ihren  peripherischen  Enden  in 
so  viel  grössere  und  kleinere  Biindei  durch  Nervenscheiden  zu- 
samrnengefasst  sind,  als  cs  Rückenmarksnerven  und  Zwci'U!  der- 
selben gieht.  Wir  haben  aber  schon  gesehen,  dass  diess  Znsarn- 
menfassen  ohne  alle  wahie  Verbitidnng  der  Primitivfasern,  und 
ohne  Mitlheiinng  der  Urkräfte  der  Primitivfasejii  gesehiehü 

Oh  die  Primitivfasern  des  Rückenmarkes  geradezu  vom  Hirn 
kommend  in  die  entsprechenden  Primitivfasern  der  Spinalnerven 
übergehen,  oder  oh  sie  die  entsprechenden  Fasern  der  Nerven  ah- 
gehen,  wahrend  sie  in  der  Länge  des  Rückenmarkes  noch  weiter 
gehen,  ist  schwer  zu  sagen;  da  uns  Beobachtungen  über  den  un- 
mittelbaren  Zusammenhang  der  Priniitivfasern  des  Rückenmarkes 
mit  den  Priniitivfasern  tler  Nerven  abgehen. 

• ’^ergleichende  Anatomie  gieht  uns  über  das  Verhält- 

mss  der  Nerven  zum  Rückenmark  keine  Aufschlüsse.  Wir  finden 
sehr  abweichende  Aerhältnisse  in  der  Länge  des  Rückenmarkes  vor. 
Beim  Igel,  dessen  Hautmuskel  eines  bedeutenden  Nerveneinflusses 
bedarf,  während  die  Haut,  mit  Stacheln  bewaffnet,  wenig  der  Ge- 
fühlseindrücke fähig  ist,  hört  es  so  fiühzeitig  auf,  dass  die  hin- 
tere Hälfte  desselben  fehlt;  bei  den  meisten  anderen  Sängethie- 
ren  nimmt  es  fast  die  ganze  Länge  des  .Canalis  vertebralls  ein, 
und  bei  den  Kaninchen,  Meerschweinchen  reicht  es,  trotz  der 
Kürze  des  Schwanzes,  über  die  Heiligenbeinwirbel  hinaus  (Des- 
MouLiNS,  a.  a.  O.  2.  p.  5-3.9.);  zum  Beweise,  dass  seine  Verlän- 
gerung nicht  allein  von  der  Länge  und  Stärke  des  Schwanzes 
abhängt.  Beim  Känguruh,  wo  der  sehr  starke  Schwanz  mehr 
zur  Stütze  als  zum  Tasten  dient,  soll  das  Rückenmark  nach 
Desmoulivs,  nicht  länger  als  bei  den  Hunden  seyn;  dasselbe 
soll  bei  den  Affen  mit  Greifschwänzen  sich  mit  einem  noch 
bedeutenden  Volum  bis  zu  den  Heiligenbeinwirbeln  {verlängern. 
Bei  Tetrodon  mola,  einem  Fisch,  der  "fast  so  hoch  als  lang  isL 
ist  das  Rückenmark  auf  den  ersten  Blick  gar  nicht  vorhanden. 
Das  Gehirn  endigt  in  einem  äusserst  kurzen  keilförmigen  Stumpfe 
des  Rückenmarkes,  von  weichem  die  Wurzeln  der  Nerven  wie 
Saiten  in  einer  vordem  und  hintern  Reihe  neben  einander  ab<»e- 
hen.  Bei  den  meisten  Thieren  ist  das  Rückenmark  ein  Strang, 
der  in  dem  Grade  nicht  abnimmt,  als  Nervenwurzeln  von  ihm 
abgehen,  (wie  man  besonders  bei  r*’ischen,  Schildkröten  siebt),  und 
der  tief  unten  noch  fast  eben  so  dick  wüe  oben  ist.  Es  ist  also 
Wahrscheinlich,  dass  die  Prhnitivfasern  des  Rückenmarkes  vom  Ge- 
hirn kommend,  zwar  an  den  entsprechenden  Stellen  Wurzelfasern  der 
Nerven  abgeben , aber  doch  nocli  weiter  im  Rückenmark  forlge- 
oder  dass  noch  andere  Fasern  im  Rückenmark  Vorkommen. 
Hieraus  wäre  es  vielleicht  erklärlich,  dass  die  Cauda  eejuina  eines 
Prosches  isolirt  und  galvanisirt  durch  beide  Pole  keine  Zuckun- 
Sen  in  dem  vordem  Theile  des  Körpers  hervorbringen  kann, 
J^phl  aber  das  Rückenmarksende  selbst,  w'cnn  es  galvanisirt  wird 
Wiehe  oben  p.  6.32.). 


51 


794  III.  Buch.  Nervenphysik.  V.  Ahschn.  Centraliheüe  d.  Neroensyst, 

Die  Enttleclinng , dass  die  vorderen  "Wurzeln  der  Riiclien- 
marksnerven  Idoss  rnotoriscli,  die  liinteren  bloss  sensibel  sind 
(siebe  oben  p.  625.),  bat  auf  die  Gesebiebte  der  Lalimungen  sehr  | 
viel  Liebt  geworfen.  Bekanntlich  ist  zuweilen  die  Empfindung 
eines  Gliedes,  oder  der  ganzen  Seite,  oder  der  ganzen  unteren 
Theile  des  Körpers  gelahmt,  wabrciid  die  Bewegung  unversehrt 
ist;  in  anderen  Fallen  ist  die  Bewegung  gelahmt  und  die  Em- 
pfindung unversehrt;  in  anderen  Fallen  sind  beide  zugleieh  ge- 
lähmt. iN'un  fragt  sieb,  wiederholt  sieb  der  Unterseliied  der  sen- 
soriellen Nerven  und  motorisehen  Nerven  auch  am  Rüekenmark, 
laufen  die  sensoriellen  Fasern  von  den  motorisehen  Fasern  des 
Rückenmarkes  verschieden  zum  Gehirn?  Die  Verschiedenheit 
der  Lähmungen  scheint  diess  zu  beweisen,  denn  anders  ist  es  un- 
möglich, jene  merkwürdigen  pathologischen  Thatsachen  zu  erklä- 
ren” Aber  ein  Anderes  ist,  bestimmt  anzugeben,  welches  die  mo- 
torischen, welches  die  sensibeln  Theile  des  Rüekenmarkes  sind.  Ent- 
weder, kann  man  sagen,  sind  die  vorderen  Stränge,  aus  welchen  , 
die  motorischen  Wurzeln  entspringen,  selbst  bis  zum  Gehirn  mo- 
torisch, die  hinteren  Stränge,  aus  welchen  die  sensibeln  Wurzeln 
entspringen,  bis  zum  Gehirn  bloss  sensibel;  oder,  könnte  man 
fragen,  ist  etvv'a  die  weisse  Rindensubstanz  des  Rückenmarkes 
der  einen,  die  graue  Substanz  der  andern  Function  bestimmt? 

Für  die  erstere  Annahme,  welche  Bell  und  AIagendie  theilen, 
siebt  es  keine  ganz  genügenden  Beweise,  weder  experimenteller  noch 
pathologischer  Art.  Sichere  Experimente  sind  unmöglich  zu  ma- 
chen; denn  indem  man  durch  Schnitt  auf  die  hinteren  Stränge 
des  Rückenmarkes  wirkt,  drückt  man  zugleich  die  vorderen.  So  ! 

definitiv  die  Resultate  in  Hinsicht  der  vorderen  und  hinteren  j 

Wurzeln  der  Rückenmarksnerven  sind,  so  wenig  sind  sie  es  in  j 

Hinsicht  der  vorderen  und  hinteren  Stränge  des  Rückenmarkes, 
die  sich  überdiess  als  getrennt  nicht  einmal  anatomisch  nachwei-  i 
sen  lassen.  Dicss  habe  ich  schon  bei  Bekauntmaebung  meiner  [ 
Versuche  über  die  Wurzeln  in  meinem  französischen  Memoire 
{ann.  des  scicnc.  nat.  1831.)  erklärt.  Magendie  {.lountat  de physiol.  T.3. 
153.)  fand  die  hinteren  Stränge  sehr  empfindlich,  die  vorderen 
nicht  empfindlich,  aber  sie  erregten  gereizt  heftige  Zuckungen. 
Später  {Journ.  de  physiol.  3.  /).  368.)  gab  er  zu,  dass  das  Resultat  | 

nicht  absolut  sey.  Bäcker  {nomment,  ad  (juaest.  physiol.  Z7//r«y.  1830.)  1 

fand  nach  Durchschneidung  der  vorderen  Stränge-  nur  die  Be-  , 

wegung,  nach  Durchschneidung  der  hinteren  nur  die  Empfindung 
gelähmt;  er  sah  bei  Thieren,  denen  er  die  vorderen  Stränge 
des  Rückenmarkes  im  Rückenlheil  durchschnitten,  nach  Vergütung 
der  Thicre  mit  Nux  vomica  bloss  in  den  vorderen  Extremitäten 
Krämpfe  entstehen.  Seubert’s  Versrehe  hatten  in  Hinsicht  der  Ner- 
venwurzeln ein  entscheidendes,  in  Hinsicht  des  Rückenmarkes  ein 
unsicheres  Resultat.  Die  vordere  Gegend  scheint  nach  diesen  Ver- 
suchen vorzüglich,  aber  nicht  allein,  der  Bewegung  vorzustehen, 
die  hintere  vorzüglich,  aber  nicht  allein,  der  Empfindung.  LIe-  i 

bereinstimmend  damit  sind  die  älteren  Versuche  von  Schoep* 
(Meckel's  Archiv.  1827.),  wonach  die  Section  der  vorderen  Stränge 


2.  Vom  Rückenmark, 


795 


des  Bückenmarkes  die  Sensibilität  schwäcbt,  nacli  der  Section 
der  vorderen  Stränge  eine  grössere  Sensibilität  zurückbleil)t,  als 
iiacb  Section  der  liintercn  Sti  änge,  nach  der  Section  der  hinteren 
Stränge  die  Bewegung  der  Extremitäten  aut'bört,  die  aber  wie- 
derkehrt,  nach  der  Section  der  vorderen  Stränge  die  Bewegung 
ganz  aui'liört.  Die  patliologlschen  Fälle,  die  man  in  Seub'erFs 
Schrift  (tJe  fiinct.  rad.  ani.  et  post.  nero.  spin.  Carhruliae  1833.) 
zusarnmengeslcllt  findet,  bestätigen  die  Hypothese  nur  zum  Thell, 
mehrere  Fälle  sprechen  geradezu  dagegen,  xvie  auch  der  Um- 
stand , dass  der  motorische  Nervus  accessoi’ius  bei  Vögeln 
und  Amphibien  ganz  aus  den  hinteren  Strängen  entspringt. 
Bellingebi  {de  medulla  spinali,  ylußiist.  Taurin.  1823.)  bebauptW, 
die  hinteren  Wurzeln  hätten  einen  dreifachen  Ursprung  %'on 
den  hinteren  Hörnern  der  grauen  Substanz,  von  der  weissen 
der  hinteren  Bündel  'des  Rückenmarkes , von  den  Seitenbün- 
deln; die  vorderen  AVurzeln  auch  einen  dreifachen  Ursprung 
von  den  voi  deren  Bündeln,  von  den  vorderen  Seiteneinschnitten, 
von  den  Seitenbündeln.  Wären  diese  Angaben  richtig,  was  sehr  zu 
bezweifeln  ist,  so  würden  die  hinteren  Wurzeln  allein  mit  der  grauen 
Substanz  Zusammenhängen.  Bellinoeei  nimmt  ohne  Beweise  an,  dass 
die  innere  graue  Substanz  der  Empfindung,  die  weisse  der  Be- 
•wegung  vorstehc,  dass  die  vorderen  Stränge  des  Bückenmarkes 
und  die  vorderen  Wurzeln  der  Bewegung  der  Beugemuskeln,  die 
hinteren  der  Bewegung  der  Streckjmiskcln  bestinunt  seyen;  diess 
ist  wenigstens  in  Hinsicht  der  Wurzeln  durchaus  unrichtig.  Nach 
E.  H.  Weber  soll  es  zuweilen  gelingen,  die  Spuren  der  Nerven- 
wurzeln  überhaupt  bis  zur  grauen  Substanz  zu  verfolgen,  was 
dagegen  Rolando  bezweifelt  hat.  Ueber  den  Antheil  der  grauen 
und  weissen  Substanz  an  den  beiden  Functionen  lassen  sich  lei- 
der durchaus  keine  Experimente  anstellen,  und  was  alle  Experi- 
mente über  die  vorderen  und  hinteren  Stränge  unsicher  macht  ist 
die  Reilexionsfähigkeit  des  Rückenmarkes,  eine  sensorielle  Affe- 
ction  nach  dem  motorischen  Apparat  zu  verpflanzen.  Wenn  z.  B. 
die  vorderen  Stränge  wirklich  allein  motorisch,  die  hinteren 
bloss  sensoriell  sind,  so  müsste  doch  eine  Verletzung  der  hinte- 
ren Stränge  leicht  schon  deswegen  durch  Mitalfection  der  vor- 
deren Stränge  Zuckungen  bewirken,  weil  das  Rückenmark  bei 
allen  heftigen  Verletzungen  in  den  reflectirenden  Zustand  geräth 
wo  dann  jede  Reizung  der  sensoriellen  Nerven,  auf  das  Rücken- 
mark verpflanzt,  sich  auf  die  motorischen  Nerven  reflectirt.  V"l. 
oben  p.  688.  ^ 

Die  Fasern  des  Rückenmarkes  gelangen  durch  die  Medulla  ob- 
longata  zum  Sensorium  commune.  Ohne  hier  die  Eigenschaften 
der  verschiedenen  Thcile  des  Gehirns,  und  ohne  die  übrigen  Eigen- 
thümlichkeiten  des  Rückenmai'kes  sclion  hier  zu  untersuchen,  wol- 
len wir  hier  nur  erwägen,  dass  das  Rückenmark  die  Primitivläsern 
“Iler  Spinalnerven  einzeln  durch  seine  Fasern  im  Gehirn  vertritt,  so 
Wie  die  Hirunerven  durch  ihre  Primitivfasern  sich  im  Gehirn 
)^rtreten.  Das  Gehirn  empfängt  die  Eindrücke  aller  sensibeln 
■fasern  des  ganzen  Organismus,  wild  ilrrer  bewusst,  und  weiss 


796  {II.Buch.  Nervenphysik.  V.Abschn.  Centraltheile  d.  ISeroensyst, 


den  Ort  der  Empfindung  nach  der  Äffection  der  verschiedenen 
Primitivfasern ; das  Gehirn  excitirt  wiederum  die  motorische 
Kraft  aller  motorischen  Primitivfasern  und  des  Rückenmarkes 
hei  der  willkührlichen  Bewegung.  Wir  ))cwundern  in  dieser 
Thätigkeit  einen  unendlich  complicirten  und  feinen  Mechanismus 
der  Anordnung  der  EIcmenlej  wahrend  die  Kräfte  seihst  durclinus 
ideeller  Art  sind.  So  verschieden  die  Thätigkeit  ist,  so  gleicht  doch 
die  Action  des  Gehirns  hei  der  Erregung  eines  gewissen  Theils  unter 
den  unendlich  vielen  Primitivfasern  dem  Spiel  eines  vielhesnite- 
ten  Instrumentes,  dessen  Saiten  erklingen,  so  wie  die  Tasten  he- 
rührt  sind.  Der  Geist  ist  der  Spieler  oder  Excitator,  die  Pri- 
mitivfasern aller  Nerven,  die  sich  im  Gehirn  aushreiten,  sind  die 
Saiten,  und  die  Anfänge  derselben  die  Tasten.  Kiemeyer  {Mate- 
rialien zur  Errepungstkeoric.  Glitt.  1800.)  erklärt  die  willkührlichen  , 
Bew'egungen  daraus,  dass  die  vSpannuug  der  Antagonisten  aufgehoben 
W'erde;  allein  einzelne  Muskeln  hewuigen  sich,  w'enn  die  Antago- 
nisten durchschnitten  sind,  noch  willkührlich. 

Die  iVerven.stänime  und  das  Rückenmark  als  Stamm  der 
Rumpfnerven  gleichen  sich  auch  darin,  dass  bei  Affectionen  des 
letztem  Empfindungen  scheinbar  in  den  äusseren  Theilen  entste- 
hen, gleichsam  als  wären  die  äusseren  Tlieile  selbst  der  Sitz  der 
Alfection.  Ehen  .so  ist  es,  wie  wir  gesehen  haben,  hei  der  Affe- 
ction  der  Nervenstämme.  Beim  Druck  auf  die  Nervenstämme 
entstellt  das  Gefühl  von  Ameisenlaufen  in  der  Haut,  beim  Druck 
auf  das  Rückenmark  entsteht  dieselbe  Formication  in  allen  Thei- 
len, welche  unter  der  verletzten  Stelle  ihre  Nerven  erhalten. 
Bei  den  Geschwülsten  der  Nerven  sind  die  Theile,  zu  welchen 
die  Enden  der  Nerven  hingehen,  von  den  heftigsten  Schmerzen 
befallen;  beim  Durchschneiden  der  Nerven.stämine  schmerzen  die 
äusseren  Theile;  eben  so  ist  es  mit  dem  Rückenmark,  welches 
bei  entzündlichen  und  anderen  Allectionen  oft  die  heftigsten 
Schmerzen  scheinbar  in  den  äusseren  Theilen  erregt.  Selbst 
wenn  vollkommene  Empfindungslosigkeit  für  äussere  Reize  vor- 
handen ist,  können  die  Verletzungen  des  Rückenmarkes  doch  noch 
subjective  Empfindungen  erregen,  welche  scheinbar  in  den  äus- 
seren Theilen  sind.  Hieher  gehört  besonders  das  Ameisenlaufen 
in  den  unteren  Extremitäten,  bei  gänzlichem  Verlust  aller  Em- 
pfindung für  äussere  Reize  und  der  Bewegung.  Siehe  Ollivier 
Krankli.  des  Riiekenmarkes,  iihers.  von  Radius.  Leipz.  1824.  p.  156. 
Allein  die  suhjectiven  Empfindungen  in  den  Extremitäten  bei 
vollkommener  Empfindungslosigkeit  und  Lähmung  der  Bewegun- 
gen können  auch  die  heftigsten  Schmerzen  in  den  äusseren 
Theilen  seyn,  wie  in  dem  schon  erwähnten  Falle  von  Heydeix- 
REica  zu  Bonn,  wo  bei  Lähmung  der  Bewegung  vollkom- 
mene Empfindungslosigkeit  in  den  unteren  Extremitäten  ist,  und 
dennoch  von  Zelt  zu  Zeit  die  heiligsten  Schmerzen  in  den 
enipliiulnngslosen  Theilen  sich  einstrllen.  Am  häufigsten  ist  die 
Foi  inicalion  in  den  äusseren  Theilen  als  Symptom  von  Rücken- 
rnarksall'eclion,  wo  diess  Symptom  fast  niemals  fehlt.  Die  Formi- 
cation ist  hier  dasselbe  als  das  Ohreuklingea  für  den  Hörnerven, 


2.  V om  Rückenmark. 


797 


Und  die  fliegenden  Mücken  und  andere  krankhafte  siibjective  Siii- 
neserscheinungen  für  das  Gesichtsoi’gan ; und  so  wie  die  subjectiven 
Sinneserscheinungen , welche  von  der  Bewegung  des  Blutes  in 
der  Netzhaut  beim  gesunden  Menschen  entstellen,  durch  einander 
springende  Pünktchen  sind,  welche  überall  zu  sevn  scheinen,  wo 
man  hinsieht,  so  ist  die  Formicalion  oder  das  Gelubl  von  lau- 
fenden Punkten  wahrscheinlich  eine  Empfindung  der  Bluthewe- 
gung  in  den  Capillargel'ässen  des  kranken  Theiies  vom  Rücken- 
mark, scheinbai’  in  den  äusseren  Tlieilcn  ernpiünden.  In  anderen 
Fällen  hat  man  statt  der  Formicalion  ein  unaufhörliches  Jucken 
in  den  Beinen  bemerkt,  welches  beim  Kratzen  nicht  verschwin- 
det. Ol.LIVIER  p.  309. 

Unter  die  subjectiven  Emjifindungen  bei  Rückenmarksaft'e- 
otion  gehört  auch  die  Aura  epileptica  der  Epileptischen  in  den 
Estremitäten,  oft'  zuerst  an  den  Fingern  und  Zehen,  ein  der  For- 
mication  ähnliches  Gefühl,  welclies  immer  mehr  fortschreitet  und 
den  Antull  verkündeti  Die  Efhdirung,  dass  Umbinden  des  von 
der  Aura  epileptica  befallenen  Theiies  den  Anfall  oft  verhindere, 
begünstigt  die  Vorstellung,  dass  die  Aura  epileptica  ihre  Ursache  in 
den  Enden  der  Nerven,  und  nicht  irn  Rückenmark  hahe,  Diess  Bin- 
den mag  wohl  als  heftiger  Hautreiz  wirken.  Nur  hei  der  Epilepsie 
von  Norvengeseh  Wülsten  ist  die  ' ura  in  den  Nerven  selbst  und  hemmt 
die  Ligatur  allerdings  das  Forlschreiten.  Vergl.  oben  ]).  674. 

Da  der  Silz  der  Eiiipfindnugen  weder  in  den  Nerven,  wel- 
die  die  dazu  nöthigen  Sti-omnngen  oder  Schwingungen  des  Ner- 
venprincips  zum  Gehirn  bringen,  noch  in  dem  Rückenmarke  ist, 
welches  diese  Wirkungen  auch  wie  die  Nerven  zu  dem  Senso- 
rium  . commune  leitet,  da  die  Empfindung  erst  durch  die  Wir- 
kung der  Fasern  der  Nerven  und  des  Rückenmarkes  auf  das  Sen- 
soriuin  comimmc  in  dieserti  entsteht,  so  ist  cs  leicht  bfegrelllich, 
warum  das-  Scosorium  commune  die  Erregungen  der  Fasern  des 
Rückenmarkes  kuob  wie  die  der  Nerven  in  gleicher  Art  empfin- 
det, wenn  auch  die  Alfection  dieser  Fasern  in  verschiedenen, 
Punkten  ihrer  Länge  stuttfindnt-,';  denn  eine  auch  noch  su  lange 
Faser  wirkt  nur.  mit  ihrem  Ilirncnde,  auf  das  Sensorinm,  und 
die  an  vei’schiedcnen  Punkten  dieser  Fasern  süiltfindenden  Irri- 
tationen können  immer  nur  durch  dasselbe  Hirnende  der  Fasern, 
anf  'das  Sensorium  wirken.  Wir  treffen  indess  bler  bei  dem- 
Rückenmark  auf  denselben  Widerspruch  wie  bei  den  Nerven. 
Gleich  wie  ein  Nervenstamm  gedrückt  , gestossen,  sowohl  Empfin- 
dungen scheinbar  an  seinem  peripherischen  Ende  und  ah  dem 
Stamme  selbst  bewirkt,  w'ie  der  Stoss  auf  den  Ni.  ulnaris  sowohl 
Empfindungen  im  4.  und  5.  Finger,  als  an  dem)  Nervenst-amme 
selbst  erregt,  sO'  kann  auch  eine  Verletzung  deS  Rückenmarkes 
sowohl  Empfindungen  in  allen  Theilen,  deren  Nerven  unter  der 
verletzten  Stelle  entspringen,  hewirkeu ,'  als  auch  der  verletzte, 
Thell  des  Rückenmarkes  selbst  sclimcrzhaft  empfunden  wird. 
Vergl.  oben  p.  670.  Viele  Fälle  dieser  Art  gehören  zwar  nicht 
hleher,  indem  Krankheiten  des  Rückgraths  seihst  und  der  häu- 
tigen Umgebungen  des  Rückenmarkes,  ausser  den  Pliänomenen  des 
Drucks  auf'  das  Rückenmai'k  nothwendig  auch  mit  Gefühl  in 


798  III,  Buch.  Nemenphysik.  V.  Ahsdin.  CentraÜheile  d,  Nervensjsi. 

den  verletzten  Umgehungen  hegleitet  sind.  Aher  es  gieht  auch, 
reine  Rückenniarkssch merzen,  Rachialgie.  Die  Ursache,  warum 
die  Empfindungen  hald  in  den  äusseren  Theilen , hald  im  Riicken- 
marke  seihst  empfunden  werden,  ist  uns  noch  unbekannt. 

Wir  hahen  bisher  die  Aehnlichkeiten  der  Nerven  und  des 
Rückenmarkes,  oder  dasselbe  als  einen  Conductor  der  von  ihm 
ausgehenden  Nersen  bis  zum  Gehirn  und  umgekehrt  betrachtet; 
wir  werden  jetzt  die  Eigenschaften  des  Rückenmai’kes  untersu- 
chen, welche  es  von  den  Nerven  unterscheiden,  und  welche  ihm 
als  Theil  des  Centraiapparatcs  zukomraen. 

2)  Das  Rückenmark  als  Theil  der  Centralorgane.  Schon  der 
Bau  des  Rückenmai’kes  zeigt,  dass  dasselbe  mehr  als  einen  Con- 
duclor  der  Fasern  der  Nerven  zum  Gehirn  darstellt;  wäre  diess 
der  Fall,  so  müsste  das  Rückenmark  in  seinem  ohern  Theile  bloss 
die  Summe  aller  Fasern  enthalten,  die  sich  von  oben  bis  unten 
aus  ihm  entwickeln,  gleich  wie  ein  Nervenstamm  nur  alle  Fasern 
zusammen  enthält,  • die  hei  seiner  Verzweigung  sich  von  ihm  ab- 
lösen.  Das  Rückehmark  müsste  aüo  von  oben  bis  unten,  je  mehr 
Nerven  von  ihm  abgehen,  in  demselben  Maasse  dünner  werden, 
oder  einen  unten  zugespitzten  Keil  darsteüen.  Diess  ist  nicht 
der  Fallj  wemj  sich  auch  sein  Durchmesser  im  Allgemeinen  von 
oben  nach  unten  vermindert.  Selbst  an  seinem  Ende,  wo  die 
letzten  Nerven  abgehen,  enthält  es  noch  mehr  Masse,  als  die  Mut- 
terfäden der  dort  abgehenden  Nerven  hptragen,  überdiess  schwillt 
es  am  Abgang  der  Nerven  der  Exlremitäton  an  und  hei  mehreren  Fi- 
schen schwillt  es  sogar  an  seinem  Ende  in  einen  unten  zugespitzten 
Kolben  an.  (Ei  IJ.  Weber  in  MECKEt’s  v/rc;/)«  1827.  p.  .3^16.)  Ausser- 
dem enthält  das  Rückenmark' zweierlei  Substanzen,  wie  das  Gehirn. 
Es  lassen  sich  aher  auch  die  Eigenschaften  und  Kräfte^  wodurch 
sich  diess  Organ  von  den  Nerven  uhterschoidet,  deutlich  nachweisen. 

a).  Das  Rückenmark  besitzt  die  Fähigkeit,  sensojrielle  Reizungen 
seiner  Empfindungsnerven  auf' die  motorischen  'Nerven  zu  refle- 
ctiren.  Eis  ist  Reflector.  Diese  Eigenschaft,  wodurch  aut  eine 
Empfindung.  Bewegungen  erfolgen,  ohne  dass  beiderlei  Nerven 
durch  ihre  Prinritivl'usern  cOmmuniciren,  ist  schon  oben  Lei  der 
Lehre  von  der  Reflexion  untersucht  worden.':  Kein  Nerve  an 
sich,  der  von  den  Centrallhoileri  'getrennt  wäre,  besitzt  da.s  Ver- 
mögen der  Reflexion.  • Die 'refleötirende  Thätigkeit  de^  Rücken- 
markes und  der  Medulla  ohlongnta  ist  an  sich  schon,  ein  gesun- 
des Phänomen,  doch  in  einer  .gewissen  Beschränkung.  .Die  Rei- 
zung der  .Sclileiinhaut  dos  Schlundes" bewirkt  reflectirte- Schling- 
bewegungen, die  Reizung  der- Schleimhaut  des  Kehlkopfes,  der 
Lufti  öhre,.d'er  Lungen  krimipf hafte  Athembewegungen  der.Ruinpf- 
muskeln,  die  Reizung  der  Schleimhaut  des  Magens  die  Erbre- 
ch ungshewegungen  der  Rnmpftnuskcln.  Den  ganzen  Umfang  die- 
ser Erscheinungen  hahen  wir  bereits  oben  p.  688.  zergliedert. 
Wir  hahen  dort  gezeigt,  dass  zwei  Nerven,  die.  nicht  durch  die 
Centralorgane  vereinigt  sind,  aucll  nicht  mehr  das  Phänomen 
der  Reflexion  darhieten,  und  dass  cs  am  leichtesten  zwischen  sen- 
soriellen und  motorischen  Nerven  verwandten  Ursprunges  statt- 
findet,  ' . Daher  bei  Verbrennung  dnr  Haut  des  Armes  leichter 


2.  Vom  Rückenmark. 


I 


m 

Zuckungen  der  Armmuskeln  als  der  Fussmuskeln,  Lei  Reizung 
der  Schleimhaut  des  Schlundes  leichter  krampfhafte  Schlingbe- 
wegungen,  hei  Reizung  der  Schleimhaut  des  Kehlkopfes  leichter 
Bewegungen  des  Kehlkopfes  als  anderer  Theüe  erfolgen;  wir  ha- 
ben ferner  gezeigt,  wie  unter  gewissen  Bedingungen  der  ganze 
Apparat  der  Athemnerven  von  einer  einzigen  Stelle  einer  Schleim- 
haut aus  in  Reflexiousbewegungen  gerathcn  kann,  und  wie  bei 
krankhafter  Irritation  des  Rückenmarkes,  wie  man  sie  durch  Nar- 
cotisation  erzeugt,  alle  motorischen  Nerven  durch  eine  blosse  Be- 
rührung der  Haut  in  Thätigkeit  gesetzt  werden.  Auch  die  Zer- 
schneidung des  Rückenmarkes  versetzt  diess  Organ  in  diesen  Zu- 
stand. Aussei’ordenllich  auffallend  ist  diess  bei  Salaraandra  ma- 
culata.  Wenn  man  diesem , Tliiere  den  Kopf  abnimmt,  so  bleibt 
der  Rumpf  auf  den  Füssen  stehen,  und  sobald  man  die  Haut 
reizt  oder  auch  nur  berührt,  windet  sich  der  Rumpf.  Dieses 
Vermögen  der  Reflexion  bleibt  mehrere  Stunden  lang  in  al- 
len Stücken  des  Rumpfes,  die  noch  elwas  vom  Rückenmark  ent- 
halten. Schneidet  man  das  ganze  Thier  in  der  Hälfte  durch, 
so  besitzt  das  untere  Stück  dieselbe  Kraft  wie  das  obere;  man 
kann  den  Schwanz  in  viele  Stücke  theilen,  jedes  Stück,  welches 
noch  etwas  vom  Rückenmark  enthidt,  zieht  sich  zusammen,  so- 
bald man  es  nur  auf  das  leiseste  berührt;  ja  selbst  das  Schwanz- 
ende windet  sich  noch,  sobald'  es  berührt  wird.  Alle  diese  Theile 
enthalten  noch  etwas  vom  Rückenmark,,  wie  ich  mich  überzeugt, 
und  diess  Thier  besitzt  keine  eigcnllicbo  Cauda  etpiina.  Dass 
das  Rückenmark  die  Ursache  der  auf  die  Berührung  erfolgenden 
Windungen  ist,  lasst  sich  tliatsaehlich  beweisen.  Denn  nur  die- 
jenigen auch  kleinsten  Theile  des  Salamanders  behalten  diess, 
Vermögen,  welche  noch  etwas  vom  Rückenmark  enthalten;  die- 
jenigen dagegen  nicht,  welche  nichts  davon  enthalten,  mögen  sie 
sonst  auch  noch,  so  gross  seyn.  Schneidet  man  ein  Bein  des  Sa- 
lamanders ab,  so  ; zeigt  es  auf  meehauische  Reizung  der  Haut 
keineiSpur  der  Bewegung,  und  dennoch  bewegt  sich  das  Schwänz- 
ende noch,  sobald  man  es  berührt. 

Die  zum  Rückenmarke  :gelangende.  Sensation  bewirkt  beim 
Salamander  nicht  allein,  die  Bewegung  der  unter  dem  Hautreiz 
gelegenen  Theile,  sondern  der  ganze  Rumpf  bewegt  sich,  wenn 
auch  nur  die  Schwanzspitze  gereizt  wird.  Diis  Rückenmark  die- 
ser Thiere  verhält  sich  daher  durchaus  anders  als  ein  Stamm! 
von  Nerven;  denn  ein  Stamm  von  Nerven,  vom  Rückenmark  und 
Gehirn  getrennt,  empfindet  nicht,  und  bewirkt  auch  keine  Bewe- 
gung auf  Veranlassung  einer  Reizung  der  Enipfindungsnerven' 
der  Haut.  ■ ■ 

Ä)  Das  Rückenmark  .ist  der  Reflexion  von  Enrpfmdungsner- 
ven  auf  Bewegungsnerven  fähig,  ohne  selbst  zn  empfinden.  Die 
Hehauptung,  dass  das  Rückenmark  auch  zu  dem  Sensorium  com- 
mune gehöre,  stützt  sich  auf.die  Thatsache,  dass  bei  geköpftea 
Thieren  Reize  ,an  der  Haut  des  Rumpfes  angebracht,  Bewegun-i 
gen  in  nahen  und  entfernteu  Theilen  desselben  liervorbringen- 
Allerdings  zieht  der  Rumpf remes  Frosches,  dessen  Hirn  voz» 


800  III,  Buch,  Nert>enphjrsik,  F,Abschn,  Centraltheile  d,  ]Sert>ensysl. 


Rückenmark  getrennt  ist,  auf  einen  Hautreiz  oft  ein  Glied  an. 
Die  Schildkröten  thun  cs  auch ; diess  findet  aber  seine  volle  Er- 
klärung in  der  reflectirenden  Function  des  Rückenmarkes,  in  dem 
Vermögen,  die  centripetale  Wirkung  eines  Empfindungsnerven  auf 
motorische  Nerven  zu  reflectiren;  wovon  in  dem  Gapitel  von  der  Re- 
flexion w’eitläiifig  gehandelt  worden.  Wir  hahen  dort  gezeigt,  dass 
die  Reflexion  von  einer  Empfindungsreizung  auf 'einen  Bewegungs- 
nerven durch  das  Rückenmark  am  leichtesten  hei  Nerven  nahen 


Ursprunges  geschieht;  und  övCdarf  vins  nicht  wundern,' wenn  auf 
Reizung  der  Haut  des  Fusscs  der  Fuss,  auf  Reizung  der  Haut 
des  Armes  der  Arm  angezogen  wird.  Diess  geschieht  eben  so 
unwillkührlich  in  heftigen  Verbrennungen  hei  Menschen;  ja  es 
geschieht  auch  hei  jedem  Menschen  in  den  Reizungen  der 
Schleimhaut  des  Schlundes,  des  Kehlkopfes,  der  Luftröhre.  Im-’ 
mer  entstehen  dann  nnwillkührlich  die  Reflexionshewegungen  am' 
leichtesten  an  demselhcn  Thsiile,  an  dem  Schlunde,  durch  unwill- 
kührlichc.s  Schlingen,  an  dem  Kehlkofife  durch  Verengerung  der 
Stimmritze  u.  s.  vv.  Das  Anziehen  der  Estremitlitcn  hei  einem 
geköpften  Frosche  auf  Reizung  der  Maut  derselben  geschieht  da- 
her eben  so  wenig  bewusst  mul  mit  Absicht;  als  der  allgemeine 
tetanischc  Krampf  bei  Rerübi'ung  der  llaui  einer  geköpften  Sa- 
lamandra  inacidata  ode.r  eines  narcotisirlcn  Frosches.  Es  ist  liier 
nur  noch  der  Beweis  zu  führen,  dass  es  auch  im  gesunden  Zu- 
stande des  Menschen  renectirte  Bewegungen,  nach  Erregung  von 
Empfindungsnerveny  ohne  iilles.Bevvusstseyn  gieht.  Bei  den  von  dem 
kranken  Magen,  Darrnkanal,  Nieren,  Leber,  Uterus  erregten  Erbre- 
chuhgsbewegungen  der  Rumpfmuskeln  wird  die  Ursache  in  Ma- 
gen, Darm,  Nieren,  Uterus,  Leber  kehr  häufig  und  ih  der  Regel 
nicht  empfunden ; (1.  h.  die  nach  dem  Rückenmark  und  der  Me- 
dulla*  obiongata  gelangende  centripetale  Eri-Cgung  der  Empfin- 
durigsnerven  kömmt  nicht.  zui»>''I5ewusstsej'n.  Und  so  sehen  wir 
deutlich,  dass  dns.  Rückenmark  hei  der  Reflexion  nicht  nothweu- 
dig  empfindet;  und  dass' jene 'Be  weise  von  dern  mit  Bewusstseyn 
verknüpften  Lmpfindungsvermö^en  des  Ritckimmarkos  tingegrün- 
det ‘sind;  Auch  der  vom  ‘ Rumpf  getrennte  Kopf  kann  unv  Re- 
fLesiönsörscheimingen  zeigen  y ohne  dass  eine  entfernte  Wahr- 
scheinlichkeit voi-handen  wäre;  dass  ein  vom  Rumpfe  getrennter 
Kopf  eines  MönsChen  oder  höhern  Thieres  noch  bewusst  empfinde. 
Der  mit  einer  solohen  Verletzung  verhundehe  Blutverlust  ist  girösser, 
alsi  irgend  einer,  der  beim  Menschen  gewöhnlich  schon  das  Bewiisst- 
seyu  üiinmt;  ahgeselien  voh  den  atideren  Folggn  einer  solchen  Ver- 
letzung wie  die  Zerschneidung  des  ohersten  Theiles  des  Rücken- 
markes. Wenn  der  Kopf  eines  Hingerichteten  bei  Reiziin’g  des 
S-tumpfes  vom  Riiekemsnärk’  Zuckimüeii  in.  den  GosichLimuskelii 
efsfcheineh  lässt,  so  ist  es  nicht'  asidcrs  möglich;  ja  es  würde  uns 
nicht  einmal  wundern,  wenn  die’ Reizung  der  Haut  des  Kopfes 
aa  eineim  entliauiTleteii'  fChierii  o<h>r.  Menschen  noch  Reflexionshe- 
•weguMgen  bewirkte;  denn  diesk  wftrö'’duröl4rtus  dasselbe  Phäno-t 
men,!  .wie  die  Rellexion  aw  .Sli'icken' ■eines  zerstückelten  Salaman- 
ders ; und  eben  so  ist  die  Erscheinung  zu  beurtheilen , dass  an 
einem  vom  Rumpfe  getrennten  Kopfe  einer  jungen  Ratze,  wel- 


2.  Vom  Rückenmark, 


801 


chem  man  den  Finger  in  den  Schlund  bringt,  der  Schlund  sich 
fest  um  den  Finaer,  wie  zum  Schlincen  anleat.  ' 

f)  Das  Rückenmark  ist  ein  motorisch  geladener  Apparat, 
welcher  selbst  nach  der  Trennung  vom  Creliirn,  und  ohne  äus- 
sere Reize  durch  Entladung  autoniaüsche  Bewegungen  hervor- 
hriiigen  kann.  Diess  ist  hei  den  Nerven,  wenigstens  denjenigen 
des  Cerehrospinalsystems,  nicht  der  Fall,  ohgleicli  die  motorische 
Thätigkeit  des  syrnpalhischen  Systems  hierin  dem  Rückenmark 
gleicht.  Siehe  oben  p.  712.  Ein  Gehininei  vc  oder  Spinalnerve, 
der  von  den  Centralllieilen  getrennt  ist,  liewirkt,  olirie  dass  er 
gereizt  wird,  keine  Bewegungen  in  den  Muskeln  möhl’;  das 
Rückenmark  dagegen  kann,  auch  von  dem  Gehirn  getrennt,  noch 
Entladungen  nach  den  Muskeln  bewirken.  Die  Sälamandra  ina- 
ciilata  steht,  wenn  man  ihr  den  Kopf  ahgescliiiitten  hat,  noch 
auf  ihren  Füssen.  Der  Rumpf  der  eiilliaupleten  Frösche  hesvegt 
sich  zuweilen  (nicht  immer,  und  häufig  gar  iiiclit]  noch,  er  zieht 
ein  Bein  an  oder  'streckt  es.  Der  Äal  sriitdet  sich  nach  dem 
Abschneiden  iles-  Kopfes  noch  geraume  Zeit.  IVIan  hat  daraus 
geschlossen,  dass  auch  das  Rückenmark,  nicht  bloss  das  Gehirn  der 
Sitz  der  willkührlichen  Intention  sey,  und  mir  selbst  schien  diess 
einst  eine  sehr  heweiski’äftige  Thatsache.  So  ist  es  aber  nicht; 
denn  das  Rückenmark,  welches  beständig  während  des  Lehens 
g visse  Muskeln,  ohne  allen  Willenseinfliiss  in  Thätigkeit  setzt, 
k.ion  wohl  auch  noch  ohne  willkülirliche  Intention  gewisse  Grup- 
pen von  Bewegungen  ausführen,  wie  Flexioif,  Exteiision,  vSprung, 
deren  Gruppirung  in  den  Gentraltheilen  schon  vorgebildet  ist. 
Auf  der  andern  Seite  sprechen  wenigstens  alle  an  ' dem  A^TUnscheii 
und  den  höheren  Tliieren  gesammelten  Erfahrungen  gegen  den 
Sitz  einer  willkührlichen  Intention  im  Rückenmark.  Alle  Vei‘- 
letzungen  des  Rückenmarkes  entziehen  heim  MCnSchen  immer 
und  ohne  Ausnahme  sämintliche  unter  der  Verletzung  ahgehende, 
Nerven  dem  Einflüsse  des  Willens.  Bei  den  Experimenten  än- 
Amphibien  muss  inan  sehr  vorsichtig  seyn.  Ist  der  Kopf  zu  kurz 
vom  Rumpfe  abgeschnitten,  so  enthält  das' Rumpfstück  nöch' ei- 
nen Tlieil  des  verlängerten  Markes,  und  dann  ist  allerdings  noch 
Avillkührlicbe  Bewegung  des  Rumpfes  möglich,  so  gut  'dCih  olierü'' 
Theile  des  Rumpfes  eines  hinter  dem  Kopfe  getlieilten  FrÖscliAs' 
noch  bewusste  Empfindung  und  Willkühr  zukömmi,'  Wie  man 
deutlich  genug  in  Experimenten  sieht.  Koch  ein  ‘anderer'TJrrt-’ 
stand,  auf  den  M.\RSHAT.t,  Hall  (siehe  oben  p.  697.)  aüfmerkinfn’ 
gemacht  hat,  verdient  grosse  Beachtung.  Eine  enthätipfetfe 
Schlange  licfindet  sich  in  dem  zu  den  Rellexiönserschei'nuüg'rti' 
geneigtesten  Zustande.  Eine  Berührung  ihrör  Haut  ruft  reflöi' 
ntirte  Bewegungen  hervor;  'durch  diese  Bewegungen  enUtteh'eWi 
wieder  'neue  Berührungen  an  verschiedenen  llifeilen  'des  KöriVCW^ 
die  immer  wieder  neue  Bewegungen  veranlassen.  Ist  das  Thiein 
endlich  in  Ruhe  gekommen;-  so  reicht  eine  klein^  Erschütterung 
oder  Berührung  ‘ hüi,  difsselbe  iSpiel  zu  wiederliolbn.  • ■ ' 

d)'  Das  Rückenmark,  zu ' aütomatiseben  \Virkung<ih  auf  die' 
Bewegungsnerven  fähig',  lasst  im  Zustande  der  Gesündlieit  einüb 
grossen  'Theil  der  Bewegungsnerven  j namentlich  ' die  der  Ortshe’- 


802  III.  Buch.  Neruenphysik.  V.  Abschn,  Centraltheile  d.  Nerpensyst. 

wegung,  ruliig,  aller  auf  viele  andere  Nerven  wirkt  es  in  einem 
fort  motorisch,  indem  es  sie  in  beständigen  unwillkührlichen  Zu- 
sammenziehungen erhält,  die  erst  mit  der  Lähmung  des  Rücken- 
markes aufhören.  Hieher  gehören  a.  der  Willkühr  zugleich  un- 
terAVOrfene  Muskeln,  wie  der  Sphincter  aui,  b.  der  Willkühr  ent- 
zogene Muskeln,  der  Sphincter  vesicae  minariae,  der  Darmkanal, 
das  Herz  etc.  Für  diese  Wirkungen  des  Rückenmarkes  muss  in 
idemselben  ein  eigener,  mit  dem  Sensorium  commune  weniger  in 
Wechselwirkung  stehender  Apparat  vorhanden  scyn,  den  wir  in- 
dess  anatomisch  nicht  nachweisen  können.  Rci  niederen  Wir- 
hclthierch  kann  seihst  die  Gemeinschaft  des  Gehirns  und  Rük- 
kenmarkes  aufgehoben  seyn,  und  diese  motorische  Ausstrahlung 
des  Rückenmarkes  daiiert  doch  noch  auf  die  Sphincteren  fort, 
wie  Marshaul  Hali,  hei  der  Schildkröte  sah,  deren  Sphincter 
ani  nach  der  Enthauptung  geschlossen  hlieh,  und  erst  nach  der 
Zerstörung  des  Rückenmarkes  sich  löste. 

,e)  Das  Rückenmark  besitzt  eine  grosse  Mittheilbarkeit  sei- 
ner Zustände  von  einem  Theile  desselben  auf  den  andern;  hier- 
durch unterscheidet  e*  sich  durchaus  von  den  Nerven.  Hierüber 
sind  die  .schon  p.  632.  von  mir  mitgetheilten  Versuche  belehrend. 
Ein  Nerve  eines  Frosches  wird,  sofern  das  Rückenmark  nicht  ir- 
ritirt  ist,  wenn  er  galvanisirt  wird,  seinen  Zustand  nicht  auf  das 
ganze  Rückenmark  übertragen.  Reizt  man  eine  vordere  oder 
iiintej’e  Wurzel  der  letzten  Rückenmnrksuerven  des  Frosches,  die 
man  durcbgcschnitten,,  an  dem  mit  dem  Rückenmarke  zusam- 
menhängenden Stücke  durch  ein  einfaches  Plattenpaar,  so  wirkt 
diess  : Ojic^it  durch  das  Rückenmark  durch  bis  zu  den  vorderen 
Theileir  des  Körpers,  und  es  entstehen  keine  Zuckungen  am 
Kopte.  Reizt  inan  aber  das  Ende  des  Rückenmi^rkes  auf  diese 
Art,  so  zucken  auch  die  Muskeln  der.  iV.orderen  Theile  des  Kör- 
pers., Hieraus,  begreift  man,  wie  eine  Rückenmarkskrankheit,  auch 
wenn  ^ie  anfangs  ihren  Sitz  in  dcip  untern  Theile  des  Rücken- 
mqi'kes  hat,  alirnählig  doch,  schon  dur'ch , blosse  Wechselwirkung, 
auch  dje  oberen  Rmnpflheile,  die  Theile  des  Kopfes  aflicirt,  wie 
z.  R.  Irei  der  durch  Ausschwcilüugen  , bedingten  Schwäche  des 
untern,  Theiles  des  Rückenmarkes  Amblyopie,  Ohrensausen  etc. 
Vorkommen.  ■. 

/)  Bei  einer  grossen  Irritation  des  Rückenmarkes,  in  der 
Entzündung,  .nach  heftigen  Reizungen  der  Nerven  (Tetanus  trau- 
maticus),  und  in  der  Narcotisation  gerälh  das  ganze  Rückenmark 
in:  diesen  Zustand,  auch  nach  allen  willkührlichen  Muskeln  be- 
ständige Entladungen  zu  bewirken.  Jene  Tension,  die  es  im  Zu- 
stande der  Gesundheit  auf  die  Sphincteren  ausübt,  ist  dann  all- 
gemein; es  .entstehen  allgemeine  Convulsionen  oder  tetanische 
Krämpfe,  die  sich  von  Zeit  zu  Zeit  wiederholen,  und  in  man- 
chen iMuskciln,  wie  den  Kaumuskeln,  .selbst  anhaltend  sind.  Diese 
Zusfände  sind  bald  acut,  wie  in  den  oben  angeführten  heftigen 
Verletzungen,  bald  chronisch,  wie  in  der  Epilepsie,  mag  die  Irri- 
tation npn  yon  Krankheiten  der  Centralorgane  selbst  (Epilepsie 
cerebralis,  spinalis),  oder  von  einzelnen  Nerven,  z.  R.  Nervenge- 
scbwülsten,.  ,sicR  ausbreiten.  Eine  ähnliche,  aber  geringere  Reizbar- 


2,  Vom  Rückenmark. 


803 


keit  des  Rückenmarkes  mit  leiclit  aüwecliselnden  Bewegungen 
■ zeigt  sich  auch  in  den  clonischen  KrampfTormen,  Chorea  St.  Viti  etc. 
g)  Bei  der  Karcotisation  durch  die  Gifte,  welche  Krämpfe 
erteugen,  ist  das  Rückenmark  und  nicht  die  Nerven  die  Ursache 
der  krampfhaften  Bewegungen.  M'^enn  man  ein  Thier  durch 
Kux  vomica  oder  Strychnin  vergiftet,  und  vorher  die  Nerven- 
stämme  der  Extremitäten  durch  sch  neidet,  so  entstehen  hei  dem 
erfolgenden  Starrkrämpfe  keine  Krämj)fe  in  den  Theilen,  deren 
‘ Nerven  vorlier  durchschnitten  waren.  Es  geht  daraus  hervor, 
dass  jene  Gifte  auf  die  Ceulraltheile,  und  durch  diese  auf  die 
Nerven  wirken.  Wenn  man  das  Rückenmark  seihst  vor  der  Ver- 
giftung eines  Tliieres,  oder  nach  derselben  durchschneidet,  so  erfol- 
gen die  Krämpfe  dennoch  in  den  Theilen  hinter  dem  Durchschnitt. 
Diese  Gifte  wirken  daher  auf  jeden  motorisch  geladenen  Theil 
des  Rückenmarkes  bis  zum  Tode.  Bäcker  commentatio  ad  quae- 
stionem  physiologicam.  Trajert.  1830. 

A)  Das  Rückenmark  ist  aber  durch  seine  motorische  Spannung 
die  Ursache  der  Kraft  unserer  Bewegungen.  Die  Intensität  unse- 
rer Kraftanstrengungen  hängt  grossentheils  von  diesem  Organe  ab. 
Wenn  auch  der  grösste  Theil  der  motorischen  Nerven  in  der 
Regel,  ohne  das  Hinzukommen  der  Willenshestirnmungen,  von 
ihm  unthätig  gelassen  wird,  so  hängt  von  ihm  doch  die  Stärke 
und  Dauer  der  motorischen  Entladungen  ab,  welche  das  Senso- 
rium  commune  willkührlich  bewirkt.  Beständig  enthält  diess  Or- 
gan gleichsam  einen  Vorrath  von  motorischer  Kraft,  und  wenn 
es  durch  die  Fortleitung  der  Nervenfasern  vom  Gehirn  ans  als 
Conductor  der  von  dem  Sensoriurn  commune  ausgehenden  Os- 
cillation  wirkt,  so  hängt  die  Intensität  der  erfolgenden  Wirkung 
nicht  bloss  von  der  Stärke  des  Willens,  sondern  von  dem  Quantum 
des  in  dieser  Säule  angehäuften  motorischen  Nervenprincipes  ab. 
Daher  kann  das  Rückenmark  auch  seine  Fähigkeit  als  Conductor 
behalten,  xvährend  es  die  zweite  Eigenschaft,  die  Kraft  der  Mus- 
kelbewegung, aufgegehen  hat;  diess  geschieht  bei  der  Tabes  dor- 
salis.  Bei  dieser  nur  nach  Ausschweifungen  erfolgenden  Krank- 
heit mit  Atrophie  des  Rückenmarkes,  ist  anfangs  kein  einziger 
Muskel  der  unteren  Extremitäten  gelähmt;  alle  gehorchen,  und 
seihst  in  einem  vorgerückten  Stadium  der  Krankheit  noch  dem 
Willen,  der  Kranke  kann  alle  Bewegungen  ausführen,  und  das 
Rückenmark  ist  offenbar  noch  ein  unversehrter  Conductor  für 
die  von  dem  Sensoriurn  commune  ausgehende  Oscillation  oder 
Strömung.  Aber  die  Kraft  der  Bewegungen  ist  erloschen;  der 
Kranke  kann  nicht  lange  stehen,  gehen,  und  die  Abnahme  der 
Kräfte  nimmt  immer  fort  bis  ziun  gänzlichen  Erlöschen  zu,  worauf 
die  Eähmung  vollkommen  ist.  Man  muss  diese  Art  der  Läh- 
mungen  sehr  von  anderen  unterscheiden,  wo  die  Leitunj^  in  der 
Motorischen  Säule  an  einer  Stelle  unterbrochen  i t,  die  entspre- 
chenden Muskeln  dem  Willen  nicht  mehr  gehorchen,  und  alle 
dbrigen  die  ganze  Kraft:  der  Bewegung  behalten  können. 

i)  Aber  nicht  allein  die  Intensität  der  Bewegungen,  auch 
die  Intensität  der  organischen  Nervenwirkungen  hängt  von  diesem 
Organe,  ah,  die  Ausiidmng  des  Geschlechtstriehes  ist  durch  dasselbe 


804  III.  Buch.  Nerpenphfsik.  V.  Abschn,  Centraliheüe  d.  Nereensyst. 

bedingt.  Unstreitig  ist  das  Rückenmark  bei  dem  Coitus  am  mei- 
sten in  AfFection ; man  siebt  diess  aus  den  heftigen  Reflexionsbe- 
wegungen,  die  nach  den  Empfindungsreizungen  der  Ruthennerven 
folgen,  aus  den  Reflexionshewegiingen  der  Samenhinsehen  und 
der  Daimnmuskeln.  Die  auf  die  Ausübung  des  Geschlcchtstrie- 
bes  folgende  Abspannung  kann  nur  ln  dem  Rückenmarke  ih- 
ren Grund  liahen.  Erst  allmahlig  wird  dieses  Organ  wieder 
in  die  zum  Geschlechtstriebe  nöthige  Tension  seiner  Kräfte  ver- 
setzt; es  entsteht  wieder  jener  Ueherfluss,  jene  Spannung  des 
wirksamen  Princips  in  diesem  Organe,  wo  jede  Stimmung  des 
Sensoriums  auf  geschlechtliche  Gegenstände  Erection  bewirken,  wo 
die  Vorstellung  den  geladenen  Zustand  des  Rückenmarkes  gleichsam 
entladen  kann,  um  auf  den  von  ihm  ausstrahlenden  organischen 
Nerveneinfluss  jene  Anhäufung  des  Blutes  in  der  Ruthe  zu  be- 
wirken. Diese  Potenz  des  Rückenmarkes  geht  aber  durch  Alfe- 
ctionen  des  Rückenmarkes  auch  verloren.  Wie  diess  Organ 
auf  die  organisch -chemischen  Vorgänge  des  Capillarsystems  durch 
die  organischen  Nerven  Einlluss  hat,  sieht  njan  nicht  allein  an 
der  veränderten  Hautahsonderung  bei  Ohnmächten , sondern 
deutlicher  noch  an  der  Bcschafienhcit  der  Haut  bei  Menschen, 
bei  denen  das  Rückenmark  durch  Ausschweifungen  gelitten  bat. 
Wenn  nämlich  die  Ausübung  des  Coitus  zu  häufig  auf  einander 
erfolgt,  so  tritt  nicht  allein  Kraftlosigkeit  ein , sondern  auch  ver- 
minderter Turgor  der  Haut,  verminderte  Perspiration,  Trockenheit 
derselben,  verminderte  Wärmeerzeugung,  Kaltwerden  der  Füsse, 
Hände,  Genitalien.  Aber  seihst  die  Wirkung  der  Nerven  durch 
das  Rückenmark  bei  der  Erection  scheint  mehr  organisch  zu 
seyn,  als  mit  den  sonstigen  Wirkungen  der  Cerebrospinalnerven 
übereinzukommen.  Durch  Action  der  Muskeln  ist  die  Erklärung 
der  Blutanhäufung  im  Penis  nicht  möglich.  Nach  einer  vor  Kur- 
zem von  mir  gemachten  Entdeckung  über  den  merkwürdigen 
Bau  gewisser  Arterien  im  Innern  der  Corpora  cavernosa  lernen 
wir  aber  ganz  neue  Elemente  der  Erklärung  der  Erection  kennen. 
Ich  habe  nämlich  gefunden,  dass  es  ausser  den  letzten  feinsten, 
in  Venenanfänge  übergehenden,  und  zur  Ernährung  der  Corpora 
cavernosa  dienenden  Zweigen  der  Arteriae  profundae  penis  noch 
eine  ganz  andere  Art  von  Zweigen  derselben  gieht,  welche  theils 
kurze  rankenartige  Ausw  üchse,  theils  Quästchen  solcher  rankenarti- 
gen Auswüchse  sind,  und  welche  sämmtlich  mit  einem  blinden  stum- 
pfen oder  Stumpfspilzen  Ende  in  die  Zellen  ilcr  Corpora  caver- 
nosa frei  heremragen.  Obgleich  sich  in  den  Whinden  dieser 
freien  Arterienauswüchse,  die  ich  zuerst  beim  Menschen,  hernach 
auch  hei  Affen,  Hunden,  Pferden,  immer  aber  im  hintern  Theile 
der  Corpora  cavernosa  am  deutlichsten  fand,  keine  Oeffnnngcn 
sehen  lassen,  so  erleidet  es  doch  keinen  Zweifel,  dass  sie  es  sind, 
welche  das  Blut,  das  bei  der  Ernährung  durch  die  viel  feineren 
Zw'eige  der  Arteriae  profundae  penis  in  die  Venenanfänge  über- 
geht, bei  der  Ereetion  sogleieh  in  Masse  in  die  venösen  Zellen  er- 
giessen.  Diess  ist  aber  nicht  anders  denkbar,  als  dass  diese 
ranken-  und  quastarligen  Arterienauswüchse  bei  der  Erection 
durch  den  vom  Rückenmark  ausströmenden  Nerveneinfluss  da® 


2,  Vom  Rückenmark, 


SOS 


Blut  in  grösserer  Quantität  aus  den  Arterienstämmen  durch  eine 
organische  Affinität  anziehen , und  ira  selir  erweiterten  Zustande 
dieser  Auswüchse  frei  in  die  Zellen  ergiessen.  Die  die  Arte- 
riae  pröfundae  heglei tcnden  Nervenzweige  sind  deutlich  grau,  sie 
gehören  dem  organischen  Nervensystein'an ; ich  habe  sie  an  dem 
Stamme  und  den  Hauptästen  derArteria  profunda  penis  verfolgen 
können.  Diese  Entdeckung  wirft  zugleich  ein  neues  Licht  auf 
die  Wechselwirkung  des  Blutes  und  der  kleinsten  Gefässe,  auf 
jene  Anziehung,  aut  jenen  Turgur  vilalis,  den  man  immer  anneh- 
men musste,  für  welchen  man  aber  keine  solche  Thalsachen  kannte, 
die  für  viele  andere  Thatsachen  erklärend  sind.  Alle  diese 
Erscheinungen  sind  aber  olfenhar  von  der  Thätigkeit  des 
Rückenmarkes  a]>hängig.  Dieses  Organ  ist  auch  der  Gegen- 
stand einer  krankhalten  Impression  hei  allen  fieberhaften  Affe- 
ctionen,  und  die  dem  Fielicr  eigene  Veränderung  der  Sensatio- 
nen, der  Bewegungen  und  der  organischen  Wirkungen,  Absonde- 
rungen, Wärmeerzeugung  sind  nur  durch  den  Antheil  eines  sol- 
chen Organes  erklärlich,  wie  dasjenige  ist,  dessen  Eigenschaften, 
wir  in  diesem  Capitel  zu  zergliedern  gesucht  haben.  Da  die  Af- 
fectionen  der  Cerebrospinaluerven  nicht  leicht  Fieber,  sondern 
leichter  andere  Nervenkrankheiten  erregen,  und  da  das  Fieber 
durch  nichts  leichter,  als  durch  Veränderung  der  Capillargefäss- 
actionen  in  irgend  einem  Theile,  sey  es  nun  Veränderung  des 
Zustandes  der  Sclileimhaute,  oder  Entzündung  in  irgend  einem 
Organe,  entsteht,  so  liegt  cs  sehr  nabe,  anzunehmen,  dass  hei  dem 
Fieber  eine  solche  auf  das  Rückenmark  verpflanzte  und  von 
dort  auf  alle  Nerven  rellectirte  Impression  staltfinde,  welche  von 
einer  heftigen  Affection  der  organischen  Nerven  irgend  eines 
Theiles  (bei  Entzündung  oder  anderer  Reizung)  ausgelit. 

Was  die  organischen  Wirkungen  des  Rückenmarkes,  vergli- 
chen mit  denen  des  Gehirns,  betrifft,  so  wissen  wir  aus  Flou- 
BEHS  Versuchen  uncl  den  Bestätigungen  von  Hertwig,  dass  ein 
Vogel  nach  Wegnahme  der  Hemisphären  des  grossen  Gehirns, 
wenn  man  ihm  das.  Futter  einstopit,  doch  noch  geraume  Zeit  er- 
nährt werden  kann,  ohne  abzumagern.  Hertwig  experimenta  quae- 
dam  de  effeciilms  laesionum  in  parlibus  encephali.  Berol.  1826. 


111.  Capitel.  Vom  Gehirn. 

I.  Vergleichung  des  Gehirns  der  Wi  r b eit  liiere. 

In  keinem  Theile  der  Physiologie  kann  man  grössere  Anfor- 
derungen an  die  vergleichende  Anatomie  machen,  als  in  der  Phy- 
siologie des  Gehirns.  Hier  zeigen  sich  nach  der  Entwickelung 
der  mtellectuellen  Fähigkeiten  in  den  verschiedenen  Classen  die 
grössten  Unterschiede,  welche  für  die  Deutung  der  Hirntheile 
von  der  grössten  Wichtigkeit  sind;  aber  auch ‘die  Nothwendig- 
keit,  über  die  Bedeutung  der  Hirntheile  Versuche  an  Thieren 
anzustellen,  macht  uns  die  Vergleichung  der  Gehirne  der  Thiere 
so  unentbehrlich.  Daher  habe  ich  für  nöthig  gehalten , vor  der 


806  III,  Buch,  Ncrvenphysik,  V,  Abschn,  Centraltheile  d,  Nervensyst. 

Untersucliung  der  Eigenschaften  und  Kräfte  des  Gehirns  eine 
Vergleichung  des  Gehirns  der  Wirbelthiere  yorauszuschicken. 
Diese  Betrachtungen  müssen  von  dem  Fötuszustande  des  Gehirns 
des  Menschen  und  der  höheren  Thiere  ausgehen,  weil  dieser,  wie 
überhaupt  hei  Vergleichungen  dieser  Art,  mehr  sichere  Verglei- 
chungspunkte darhietet. 

Schon  hei  einer  oherliächllchen  Vergleichung  des  Gehirns 
des  Menschen  mit  dem  der  höheren  Wirbelthiere  zeigt  sich,’  dass 
die  Hemisphären  des  grossen  Gehirns,  welche  mit  ihrem  hintern 
Theile  beim  Menschen  nicht  allein  die  Vierlüigel,  sondern  seihst 
das  kleine  Gehirn  überragen,  ohne  mit  den  Theilen,  welche  sie 
bedecken,  zu  verschmelzen,  bei  den  Thieren  sich  mehr  und  mehr 
nach  vorn  zurückzichen , und  die  hei  dem  Menschen  bedeckten 
Theile  von  oben  frei  lassen.  Bei  den  Nagethieren  sehen  wir 
schon  das  kleine  Gehirn  frei,  bei  den  Vögeln  sind  es  auch  die 
Vierhügel,  und  noch  mehr  ist  diess  bei  den  Amphibien  der  Fall. 
In  demselben  Grade,  als  sich  die  Hemisphären  verkleinern,  ver- 
grössern  sich  bei  den  Thieren  die  Vicrhügel,  und  wenn  diese 
bei  den  Amphibien  noch  bedeutend  kleiner  als  die  Hemisphäi-en 
des  grossen  Gehirns  sind,  so  ist  hei  den  Fischen  das  Verhältniss 
dieser  Theile  so  verändert,  dass  man  in  Zweifel  ist,  was  man  für 
das  eine  und  für  das  andere  halten  soll.  Das  Gehirn  dieser  Thiere 
zeigt  uns  nämlich  nur  eine  Reihe  von  thells  paarigen,  theils  un- 
paarigen Anschwellungen.  Die  hinterste  unpaarige,  über  dem 
verlängerten  Marke  gelegene,  den  vierten  Ventrikel  deckend, 
ist  das  kleine  Gehirn;  vor  ihm  Hegt  ein  Hügelpaar,  oft  das 
grösste,  hohl  in  seinem  Innern,  von  welcheiri  grösstentheils  die 
Sehnerven  entspringen;  vor  diesen  liegen  ein  Paar  solide  An- 
schwellungen, m der  Mitte  noch  zusammenhängend,  und  vor  die- 
sen oft  noch  zwei  von  einander  abgesonderte  Anschwellungen 
am  Ursprünge  der  Geruchsnerven.  Nur  das  Fötusgehirn  der  hö- 
heren Thiere  gleicht  einigermaassen  dem  Hirn  der  niederen  Wir- 
belthiere; denn  die  Hemisphären  sind  klein,  überragen  anfangs 
weder  das  kleine  Gehirn,  noch  die  Vierhügel,  i nd  es  giebt  eine 
Zeit,  wo  die  Vierhügel  nicht  kleiner  sind  a'i  die  Hemisphären 
des  grossen  Gehirns.  In  diesem  Falle  findet  man  eine  ähnliche 
Reihe  von  Anschwellungen,  wie  am  Gehirn  der  Fische,  zu  hin- 
terst das  unpaare  kleine  Gehirn;  vor  ihm  die  grossen  blasigen 
Vierhügel,  noch  nicht  in  das  voidere  und  hintere  Paar  abge- 
theilt,  im  Innern  hohl  (Ventriculus  Sylvii,  wo  später  der  Aquae- 
ductus Sylvii  ist);  vor  ihnen  die  Hemisphären,  bei  den  Säuge- 
thieren  mit  den  Lobi  olfactorli  an  ihrem  vordem  Ende.  Siehe 
Tiedemann  a.  a.  O.  Das  Gehirn  der  Säugethiere  ist  indess  in  der 
jüngsten  Zeit  des  Fötuslehens  nicht  hinreichend  genau  bekannt, 
um  fruchtbare  Vergleichungen  mit  dem  der  Fische  anzustellen. 
Hierzu  sind  nur  von  Baer’s  Beobachtungen  am  Hühnerembryo 
(BuRDAcn’s  Physiologie,  2.)  geeignet.  Nach  von  Baer’s  Untersu- 
chungen zeigt  das  Gehirn  des  Vogelembryos  von  hinten  nach 
vorn  folgende  Anschwellungen; 

1)  das  unpaare  kleine  Gehirn,  den  vierten  Ventrikel  über 
der  Medulla  oblongata  überdeckend,  vor  ihm 


3.  Vom  Gefiirn.  Vergleichung  des  Gehirns  der  Thiere.  807 


2)  Die  Blase  der  Vierliügel,  von  welclien  vorzüglich  der  N, 
opticus  entspringt,  hohl  in  ihrem  Innern,  mit  dem  Ventriculns 
Sylvii,  der  auch  in  den,  beim  Envachsenen  aus  einander  nach 
unten  gedrängten  Vierhügellappen  oder  Lohi  optici  enthalten  ist. 

3)  Die  Blase  des  dritten  Ventrikels.  Der  dritte  Ventrikel, 
welcher  von  den  Sehhügeln  seitlich  und  von  dem  Trichter  un- 
ten begrenzt  wird,  ist  nämlich  heim  Embryo  noch  nicht  von 
den  noch  sehr  kleinen  Hemisphären  bedeckt;  aber  gleichwohl  ist 
er  anfangs  oben  nicht  offen,  vielmehr  besitzt  er  eine  blasige  Decke, 
welche  erst  später  in  der  Mittellinie  vom  eine  Spalte  erlangt, 
indem  diese  Blase  in  der  Mittellinie  von  vorn  nach  hinten  auf- 
reisst,  während  sich  der  hintere  Theii  der  Decke  zur  spätem 
Zirbel  zusammenzieht,  so  dass  die  spätem  Schenkel  der  Zirbel 
die  frühere  Ausdehnung  der  mittlern  Decke  andeuten.  In  der 
Blase  des  dritten  Ventrikels  sind  die  Sebhügel  enthalten. 

4)  Vor  der  Blase  des  dritten  Ventrikels  liegt  die  Doppelblase 
der  Hemisphären,  hohl  und  auf  ihrem  Boden  die  gestreiften  Kör- 
per enthaltend.  Diese  Blase,  anfangs  kleiner  als  die  Blase  der 
Vierhügel  oder  Lohi  optici,  vergrössert  sich  und  wächst  nach 
hinten  allmählig  über  die  Blase  des  dritten  Ventrikels  und  seine 
Spalte  hinüber;  anfangs  ist  diese  Blase  an  ihrer  hintern  Grenze 
gegen  die  Blase  des  dritten  Ventrikels  nicht  eingerissen,  d.  h.  die 
Fissura  cerebri  magna  des  grossen  Gehirns,  durch  welche  man 
beim  Erwachsenen  unter  dem  hintern  untern  Bande  der  Hemi- 
sphären in  die  Höhle  der  Hemisphären  gelangt,  ist  anfangs  nicht 
vorhanden;  so  dass  man  zu  einer  gewissen  Zeit  nur  durch  die 
Spalte  der  Blase  des  dritten  Ventrikels  in  die  Blasen  der  Hemi- 
sphären, die  mit  der  Blase  des  dritten  Venti-ikels  Zusammenhängen, 
kommen  kann.  Nachdem  aber  die  Grenze,  wo  der  untere  hin- 
tere Band  der  Hemisphärenblasen,  welche  die  Blase  des  dritten 
Ventrikels  lientelförmig  hinten  überragen,  und  der  vordere  Band 
der  letzten  Blase  Zusammenhängen,  jederseits  eine  Querspalte  er- 
halten hatte,  ist  die  Fissura  cerebri  magna  entstanden,  durch 
welche  man  bekanntlich  beim  Gehirn  des  Erwachsenen  nach 
Wegnahme  der  Gefässhaut,  unter  den  hinteren  Schenkeln  des 
Fornix  in  die  Seitenventrikei  gelangen  kann. 

Hierauf  lassen  wir  eine  kurze  Beschreibung  des  Fischgehirns 
folgen.  Am  besten  geht  man  mit  Cuvier  von  dem  Cerebellum 
aus,  über  welches  kein  Zweifel  obwalten  kann. 

1)  Cerebellum,  es  ist  unpaarig,  liegt  quer  über  dem  verlän- 
gerten Marke,  und  deckt  den  vierten  Ventrikel,  der  sich  unter 
ihm  nach  hinten,  wie  bei  allen  Thieren,  öffnet. 

2)  Lobi  optici.  Vor  dem  kleinen  Gehirn  liegen  ohen  ein  Paar 
hohle  Lappen,  an  einer  Mittelfurche  ihrer  obern  Wand  verbun- 
den; sie  geben  dem  N.  opticus  den  Ursprung,  und  dürfen  mit 
dem  Thalamus  der  höheren  Thiere  nicht  verwechselt  werden. 
Ihre  Wände  enthalten  zwei  Faserschiehten,  die  äussere  Lage 
streicht  von  hinten  und  aussen  nach  unten  und  innen,  die  innere 
Lage  strahlt  von  unten  nach  aussen  und  oben  in  den  Wänden  der 
Lohi  optici  aus.  Auf  dem  Boden  liegen  ( nur  bei  den  Rnochen- 
fischen)  zwei  Paar  Körperchen,  die  aussen  von  einem  grauen 

Mmier’s  Physiologie,  52 


808  III.  Buch.  Nerpenphf-fik.  V.Ahschn.  Centraltheile  d.  Nerpcnsyst. 

Wulst  lunajeljen  sind,  von  welchem  die  innere  Ausstrahlung  aus- 
geht; vor'  diesen  ist  eine  Vertiefung,  der  dritte  Ventrikel,  der 
zur  Hypophysis  führt;  vor  dem  dritten  Ventrikel  ist  die  vordere 
Commissiir.  Von  diesen  Lappen  gehen  die  Sehnerven  ab,  und  zwar 
von  der  äussern  Faserschicht.  Vor  den  grauen  Körperchen  öff- 
net sich  die  unter  ihnen  aus  dem  vierten  Ventrikel  kommende 
W^asserleitung  in  den  dritten  Ventrikel.  Am  vordem  Fnde  der 
Lohi  optici,  zwischen  diesen  und  den  Lohi  anteriores,  befin- 
det sich  in  der  Mittellinie  eine  Oeffnung,  welche  schlecht  zu 
der  Ansicht  derjenigen  passt,  welche  diese  Lappen  mit  den  He- 
misphären der  höheren  Thiere  vergleichen.  Der  N.  trochlearis 
entspringt  hinter  den  Lohi  optici,  und  hinter  den  grauen  Kör- 
perchen vor  dem  kleinen  Gehirn. 

.3)  Unter  den  Lohi  optici  liegen  an  der  Basis  des  Gehirns 
vor  der  Medulla  ohlongata  zwei  kleine  Anschwellungen,  Lohi  in- 
feriores; auch  von  ihnen  gehen  nach  Cuvier  Fasern  zum  Sehner- 
ven ah,  was  Gottsche  laugnet.  Sie  enthalten  selten  eine  Höhle, 
die  mit  dem  dritten  Ventrikel  communicirt. 

4)  Lohi  anteriores;  sie  sind  grau,  liegen  vor  den  Lohi  optici, 
sind  in  der  Regel  kleiner  als  jene,  ausserordentlich  gross  sind  sie 
bei  den  Rochen  und  Haien;  sie  sind  in  der  Mittellinie  verbun- 
den durch  eine  oder  zwei  Comraissuren ; ihre  Oberfläche  zeigt 
zuweilen  Windungen.  Sie  sind  nicht  hohl;  ausser  bei  den  Haien 
und  Rochen,  wo  sie  grösser  sind  als  die  Lobi  optici.  Von  ihnen 
entspringen  die  Geruchsnerven  entweder  unmittelbar  oder  mit 
einer  Anschwellung;  diese  Anschwellungen  der  Gernchsnerven, 
Lobi  olfactorii , sind  dann  aber . von  einander  getrennt  und  ohne 
Commissiir. 

5)  Bei  einigen  Fischen  (Muraena)  findet  sich  eine  Art  Glan- 
dula plnealis;  sie  liegt  dann  vor  den  Lobi  optici,  und  ist  durch 
zwei  Schenkel  an  die  hintere  Basis  der  Lobi  anteriores  befestigt. 

6)  Die  meisten  Fische  haben  Anschwellungen  des  verlänger- 
ten Markes,  welche  dem  Ursprünge  des  N.  vagus  entsprechen, 
Lohi  posteriores.  Cuvier  hLtt.  uat.  des  poissons.  T.  1. 

Bedenkt  man,  dass  am  Ursprünge  der  JV.  olfactorii  aus  den 
Lobi  anteriores  oft  ein  Tuberculum  olfactorium  sich  befindet, 
aus  den  Lobi  optici  die  Sehnerven,  aus  den  Lobi  posteriores  die 
N.  vagi  entspringen,  so  sieht  man  deutlich,  wie  die  Lappen  des 
Gehirns  der  Fische  grossentheils  durch  Centralmassen  für  die 
Hauptnerven  entstehen,  gleich  wie  selbst  am  Rückenmark  der 
Triglen,  wo  die  grossen  Nerven  für  die  freien  Fortsätze  unter 
ihren  Brustflossen  entspringen,  eine  Reihe  von  fünf  Paar  An- 
schwellungen, und  am  Ursprünge  der  Armnerven  und  Schenkel- 
nerven am  Rückenmark  bei  allen  Wirbelthieren  Anschwellungen 
des  Rückenmarkes  sich  befinden. 

Ueber  die  Deutung  des  Fischgehirns  im  Vergleiche  mit  dem 
Gehirne  der  höheren  Thiere  glebt  es  folgende  Ansichten. 

1)  Einige,  wie  Cuvier,  vergleichen  die  Lobi  optici  der  Fi- 
sche mit  den  Hemisphären  des  grossen  Gehirns  der  höheren 
Thiere;  diese  stützen  sich  auf  die  Existenz  des  dritten  Ventrikel* 


3,  Vom  Gehirn,  Vergleichung  des  Gehirns  der  Thiere,  809 

auf  dem  Boden  des  mittlern  Tlieiles  der  LoLi  optici,  auf  die 
vor  diesem  Ventrikel  befindliclie  Commissor;  sie  vergleichen  die 
Anschwellungen  hinter  dem  dritten  Ventrikel  auf  dem  Boden  der 
hohlen  Lobi  optici  mit  den  Vierhügeln;  die  Lobi  olfactorii  vor 
den  Lobi  optici  vergleichen  sie  mit  den  Lobi  olfactorii  der  Am- 
phibien, Vögel  und  Säugethiere  am  Anfänge  ihrer  Hemisphären. 
Gottsche,  dessen  treffliche  und  genaue  Arbeiten  über  das  Gehirn  der 
Fische,  in  Mvellee’s  Archiv  1835.  mitgetheilt  werden,  neigt  sich 
ebenfalls  zu  dieser  Ansicht  hin.  Dagegen  spricht  die  Lage  der  Zir- 
bel vor  den  Lobi  optici,  die,  wenn  diese  die  Hemisphären  reprä- 
sentirten,  vor  den  Vierhügeln  liegen  müsste,  die  Kleinheit  der 
Hügelchen  auf  dem  Boden  der  hohlen  Lobi  optici,  da  hingegen  die 
Vierhügel^  der  Vögel  und  Amphibien  sehr  gross  und  hohl  sind; 
die  Commissuren  der  sogenannten  Lobi  anteriores  der  Fische,  spre- 
chen nicht  dagegen,  da  auch  die  Lobi  der  Geruchsnerven  bei  den 
höheren  Thieren  eine  Commissur  haben. 

2)  Die  Meisten,  wie  Aesakv,  Carus  (er  nennt  die  Lobi  optici 
Sehhügel),  Tiedemann,  Serres,  Desmoulins  halten  die  L,  optici  für 
Analoga  der  Vierhügel  der  höheren  Thiere,  die  vor  ihnen  liegenden 
meist  soliden  Lappen  für  die  Hemisphären ; und  diese  stützen  sich  auf 
die  Grösse  der  Vierhügel,  und  ihre  Hohlheit  Lei  den  Vögeln  und 
Amphibien,  als  Theile,  die  nach  abwärts  an  Grösse  immer  znneh- 
men,  auf  den  theilweisen  Ursprung  der  Sehnerven  aus  den  Corpora 
quadrigemina  bei  den  höheren  Thieren,  auf  die  sehr  bedeutende 
Grösse  und  Hohlheit  der  Corpora  quadrigemina  bei  dem  Fötus 
der  höheren  Thiere,  welche  zu  einer  gewissen  Zeit  des  ersten 
Fötuslebens  sogar  alle  Theile  des  Gehirns  an  Grösse  ühertreffen. 
Für  diese  Ansicht  I spricht  auch  die  Lage  der  Zirbel  vor  den 
Lobi  optici  der  Fische.  Dagegen  sprechen  aber  die  Solidität  der 
vor  den  Lobi  optici  liegenden  Lappen,  die  man  mit  den  He- 
misphären vergleicht  (sie  sind  nur  Lei  den  Knorpelfischen  hohl), 
die  Anschwellungen  auf  dem  Boden  der  Lobi  optici,  die  in  den 
Corpora  quadrigemina  der  höheren  Thiere  nicht  Vorkommen,  die 
Lage  des  dritten  Ventrikels  auf  dem  Boden  der  Lobi  optici  und 
die  Commissur  vor  diesem  Venlrikel. 

3)  iTrevirasus  vergleicht  die  Lobi  optici  der  Vögel  mit 
dem  hintern  Theile  der  Hemisphären  der  Säugethiere  mit  sammt 
den  Vierhügeln,  namentlich  der  Vereinigung  der  Corpora  geni- 
culata  mit  den  Vierhügeln;  vorzüglich  gründet  sich  diese  An- 
sicht darauf,  dass  in  die  hohlen  Lobi  optici  der  Vögel  und  Am- 
phibien der  hintere  Theil  der  Sehhügel  hincinragt.  Hiernach 
wären  nun  die  Lohi  optici  einer  Vereinigung  des  hintern  Thei- 
les  der  Hemisphären  mit  den  Wänden  der  beim  Fötus  ganz  hoh- 
len Vierhügel  gleich  zu  achten.  Diese  Ansicht  ist  ofienbar  die 
wahrscheinlichste;  sie  wird  noch  mehr  durch  von  Baer’s  Beob- 
achtungen am  Gehirne  des  Vogelfötus  gestützt,  wo  zwischen  den 
Hemisphären  und  hohlen  Vierhügeln  noch  die  Blase  des  dritten 
Ventrikels  liegt;  die  im  Gehirn  der  Fische  mit  der  Höhle  der 
Vierhügel  zusammengeflossen  zu  scyn  scheint.  Die  vordere  Oell- 
ßung  der  Lobi  optici  der  Fische  in  der  Gegend  der  Zirhcl 

52  * 


810  III.  Buch.  Neroenphysik.  V.Ahschn.  CentraUheile  d.  Neruensyst, 

könnte  mit  der  ln  der  Hirnblase  des  dritten  Ventrikels,  nacb 
VON  ÜAER  slcli  bildenden  S])aUe  verglichen  -werden.  Dass  die 
Lobi  optici  der  Fische  grossctilheils  mit  den  Vierbügeln , die 
vor  ihnen  liegenden  Lappen  mit  den  Hemisphären  Übereinkom- 
men, lehren  auch  die  Experimente  von  Flouress  über  die  Kräfte 
dieser  Theile  hei  ilen  Fischen  im  Vergleich  mit  den  Eigen- 
schaften der  Hirntheile  der  S'äugethiere,  Vögel,  Amphibien. 
Die  Lohi  inferiores  der  Fische  werden  von  Desmoulins  mit 
den  Corpora  mammlllaria  der  Säugethiere , von  Cuvier  mit 
den  Lobi  optici  der  Vögel  verglichen,  die  noch  tiefer  herahge- 
stiegen  wären.  Indessen  sind  die  Lobi  optici  der  Vögel,  obgleich 
sie  ganz  aus  einander  und  nach  unten  und  aussen  gedrängt,  nur 
durch  eine  Querlunde  vereinigt  sind,  wenn  auch  die  Corpora  ge- 
niculata  nach  Treviranus  mit  ihnen  verschmolzen  seyn  mögen, 
doch  vorzüglich  den  grossen  Vierhügeln  des  Fötus  der  Säuge- 
thiere zu  vergleichen,  und  also  auch  den  Lobi  optici  der  Fische 
analog.  Gottsche  läugnet  die  Fasern  des  Sehnerven  von  den 
Lohi  inferiores. 

Vergleicht  man  die  Amphibien  und  Vögel  mit  den  Säuge- 
thieren,  so  zeigt  sich,  dass  die  ersteren  zwar  den  Fornlx,  aber  noch 
nicht  die  grosse  Commissur  der  Hemisphären,  das  eigentlielie  Corpus 
callosum  besitzen,  vvelches  zuerst  hei  den  Säugethieren  vollstän- 
dig auftritt;  dass  ihre  Lohi  optici  noch  hohl  sind,  während  die 
Vicrhügel  der  Säugethiere  nur  den  Aquaeductus  Sylvii,  und  nur 
im  Fötuszustande  ' eine  Höhlung  enthalten,  und  dass  die  Lohi 
optici  noch  nicht  wie  die  Corpora  quadrigemina  der  Säugethiere 
in  ein  vorderes  und  hinteres  Hügelpaar  zerfallen.  Die  Eminen- 
tiae  candicantes  werden  noch  vermisst.  Auch  fehlt  den  Vögeln 
und  Amphibien  der  aussen  sichtbare  Theil  des  PonsVarolii,  wel- 
cher letztere  ihnen  indess  mit  Unrecht  ahgesprochen  wird,  weil  die 
tiefem  Querfasern  zwischen  den  Bündeln  der  Medulla  ohlongata 
auch  hoi  den  Säugethieren  und  dem  Menschen  doch  zum  Pons  ge- 
hören. Die  Seitentheile  des  kleinen  Gehirns  sind  w'eniger  als 
bei  den  Säugethieren  ausgehildet.  Die  Säugethiere , mit  dem 
Menschen  verglichen,  zeigen  immer  noch  eine  relativ  geringere 
Ausbildung  der  Hemisphären;  so  dass  vielen  die  Abtheilung  des 
Gehirns  in  mehrere  Lappen  ganz  ahgeht,  und  erst  die  Wieder- 
käuenden,  Reissenden,  Dickhäutigen  und  die  Einhufer  eine  deut- 
lichere Abtheilung  in  zwei  Lappen  zeigen,  die  mehr  dem  vor- 
dem und  mittlern  als  hintern  Lappen  des  Gehirns  des  Menschen 
entsprechen,  womit  der  Mangel  des  hintern  Horns  der  Seiten- 
ventrikel bei  den  meisten  (mit  Ausnahme  der  Affen,  Seehunde, 
Delphine)  ühereinstimmt.  Auch  die  Windungen  sind  bei  vielen 
Säugethieren,  wie  den  Nagethieren , Fledermäusen,  dem  Maul- 
wurf, dem  Igel,  den  Gürteltliieren  und  Ameisenfressern  noch  kaum 
angedeutet,  und  nur  hei  den  reissenden  Thieren,  den  Wiederkäu- 
ern, Einhufern,  Dickhäutigen  und  Affen  deutlich,  aber  einfacher  als 
hei  dem  Menschen.  S.  Carus  vergl.  Zoot.  1.  75.  Die  untere' Commis- 
sur des  kleinen  Gehirns,  Pons  Varolii,  erscheint  zwar  hei  den  Säu- 
gethieren  schon  aussen  sichtbar,  ist  aber  noch  schmal ; daher  man 
die  Pyramiden  des  verlängerten  Markes  in  ihrem  Verlaufe  weiter 


3.  Vom  Gehirn,  Kräfte  desselben.  Seelenleben,  811 

Lloss  liegen  sieht,  -wo  sie  heim  Menschen  von  der  nntersten  Lage 
der  Querfasern  des  Pons  viel  mehr  bedeckt  werden.  Bel  vielen 
Säugethieren  sind  auch  Bündel  der  Querfasern,  welche  das  ver- 
längerte Mark  umfassen , hinter  der  eigentlichen  Brücke  liegend, 
von  dieser  geb-ennt.  Trevirakus  oermisclile  Sehriflen.  .3.  12. 

An  dem  verlängerten  Marke  sieht  man  die  oliven  förmigen  Kör- 
per weder  äusserlich  gut,  noch  die  zackige  Figur  im  Innern  deut- 
lich, die  markigen  Querstreifen  auf  dem  Boden  der  vierten  Hirn- 
höhle fehlen  in  der  Regel,  und  das  kleine  Gehi»rn  besitzt  eine 
geringere  Zahl  der  Blätter,  wie  es  im  Allgemeinen  an  Grösse 
dem  menschlichen  nachsteht;  dahingegen  die  Flocken,  wie  hei 
den  Vögeln  stärker  entwickelt  sind,  und  wie  dort  oft  eigene  Vertie- 
fungen des  Felsenbeines  in  Anspruch  nehmen.  Die  Lohi  olfacto- 
rii  am  vordem  Ende  der  Hemisphären  des  grossen  Gehirns  der 
Vögel  sind  in  den  Riechkolben  der  Säugethiere  noch  vorhanden, 
die  sich  aber  von  den  Riechnerven  des  Menschen  darin  untei- 
scheiden,  dass  sie  hohl  sind,  und  dass  ihre  Höhlen  in  unmittel- 
barer Verbindung  mit  den  Seitenhöhlen  der  Hemisphären  des 
grossen  Gehirns  stehen. 

II.  Von  den  Kräften  des  Gehirns  und  von  den  Seelcntliätig- 
kei,ten  ira  Allgemeinen. 

Das  Gehirn  der  Thiere  vergrössert  sich  von  den  Fischen 
bis  zum  Menschen,  nach  der  Entwickelung  der  intellectuellen 
Fähigkeiten,  mehr  und  mehr.  Aus  den  von  Carus  {Lehrbuch  der 
eergl.  Zootomie)  angegebenen  Verhältnissen  ergiebt  sich,  dass  es 
sich  zur  Mas-se  des  ganzen  Körpers  bei  Gadus  Iota  wie  1 : 720, 
Leim  Hecht  wie  1:1305,  beim  Wels  wie  1:1837,  beim  Salaman- 
der wie  1:380,  bei  der  Landschildkröte  wie  1:2240,  hei  der  Taube 
wie  1 : 91,  heim  Adler  wie  1 : 160,  heim  Zeisig  wie  1 : 231,  bei 
der  Ratte  wie  1 : 82-,  beim  Schaf  wie  1 : 351 , beim  Elephanteii 
wie  1 ; 500,  heim  Gibbon  wie  1 : 48,  heim  Winselaffen  wie  1 : 25 
verliält.  Das  grösste  Gehirn  eines  Pferdes  wiegt  nach  Soemmer- 
B.1KG  1 Pfund  14  Loth,  das  kleinste  eines  ausgewachsenen  Men- 
schen 2 Pfund  11  Loth;  doch  zeigt  das  Pferdegehirn  auf  seiner 
Grundfläche  gegen  zehnmal  dickere  Nerven  als  das  des  Menschen. 
Das  Gehirn  unseres  75  Fuss  langen  Wallfisehes  wog  5 Pfund  lOj 
Loth,  das  Gehirn  des  Menschen  dagegen  wiegt  nach  Soemmerriitg 
2 Pfund  11  Loth  bis  3 Pfund  3f  Loth.  Bedenkt  man  nun,  dass 
das  Rückenmark  bei  weitem  weniger  bei  den  niederen  Wir- 
Lelthieren  ahnimmt,  indem  es  sich  z.  B.  bei  Gadus  Iota  zur 
Masse  des  Körpers  wie  1 : 481 , hei  Salamandra  terrestris  wie 
1 : 190,  bei  der  Taube  wie  1 : 305,  bei  der  Ratte  wie  1 : 180 
Verhält,  so  ergiebt  sich  deutlich,  dass  die  Entwickelung  der  in- 
tellectuellen Fälligkeiten  in  der  Thierwelt  nicht  von  der  Stärke 
des  Rückenmarkes,  sondern  des  Gehirns  abhängig  ist.  Wir  sehen 
aus  den  bedeutenden  Variationen  des  Verhältnisses  in  einer  und 
derselben  Classe,  dass  die  Grösse  des  Gehirns  im  Allgemeinen 
auch  hier  nicht  genau  auf  die  Beherrschung  der  Masse  des  Kör- 
pers berechnet  ist,  dass  die  Stärke  der  motorischen  Apparate  für 


812  III,  Buch.  Neroenphysik,  V.  Abschn,  Centraltheäe  d.  Nercensysi, 

die  Beherrsclrnng  der  Muskelmassen  nicht  in  ihm,  sondern  in 
dem  Rückenmarke  zu  suchen  ist. 

Indessen  schreiten  nicht  alle  Theile  des  Gehirns  in  der  Thier- 
welt mit  der  Entwickelung  der  intellectuellen  Fähigkeiten  gleich 
fort.  Das  Uebergewicht  des  Gehirns  der  höheren  Thiere  über 
das  der  niederen  entsteht  vorzüglich  nur  durch  die  Ausbildung 
der  Hemisphären  des  grossen  Gehirns.  Das  kleine  Gehirn  ist 
zwar  bei  den  höheren  Thieren  verhältnissmässig  auch  grösser  als 
bei  den  niederen,  aber  in  einem  weit  schwächeren  Verhältnisse. 
Die  Vierhügel  sind  geradezu  verhältnissmässig  kleiner,  und  eben 
so  sind  das  verlängerte  Mark  und  seine  Verzweigungen  in  das 
Gehirn  bei  dem  Menschen  verhältnissmässig  nicht  grösser  als  bei 
irgend  einem  Thiere.  Durch  diesen  Theil  müssen  bei  allen  Thie- 
ren auf  gleiche  Art  alle  Nervenfasern  des  ganzen  Rumpfes  in 
das  Gehirn  eintreten.  Wir  sehen  daraus  schon  vorläufig,  dass 
das  Gehirn  Theile  enthält,  die  bei  allen  Wirbelthieren  eine  glei- 
che Bedeutung  haben  und  gleich  wichtig  für  das  Leben  sind; 
wie  denn  in  der  That  die  Verletzung  der  Medulla  oblongata  für 
alle  gleich  tödtlich,  gleichsam  das  Centi’um  des  Lebens  und  aller 
willkühr liehen  Bewegungen  angreift,  während  die  Verletzung  der 
Hemisphären  bei  den  Amphibien  eine  weit  geringere  Störung  in 
den  Lebensverrichtungen  erzeugt,  als  die  Verletzung  dieser  Theile 
bei  den  mit  höheren  intellectuellen  Fähigkeiten  begabten  Wesen. 

Ohne  indess  jetzt  schon  die  Kräfte  der  verschiedenen  Hirn- 
theile  ausser  den  intellectuellen  Fähigkeiten  zu  untersuchen,  wol- 
len wir  zuerst  das  Verhältniss  der  Seelcnthätigkeit  zu  dem  Ge- 
hirn überhaupt  betrachten.  Die  vergleichende  Anatomie  zeigt 
uns  schon,  dass  wir  in  dem  Gehirne  die  Quelle  der  intellectuel- 
len Fähigkeiten  suchen  müssen,  und  sowohl  die  Versuche  an  den 
Thieren,  als  die  Geschichte  der  Verletzungen  desselben  im  Vergleich 
mit  anderen  Organen,  bestätigen  es.  Es  ist  nun  hier  zu  bewei- 
sen, dass  die  Seelenfunctioncn  in  keinem  andern  Theile  des  Nerven- 
systems, noch  des  Körpers  überhaupt,  als  in  dem  Gehirne  stattfinden. 

Was  zuerst  die  Nerven  betrifft,  so  zeigen  die  Folgen  ihrer 
Verletzung,  dass  sie  von  dem  Hirneinflusse  getrennt,  auch  dem 
Willenseinflusse  und  dem  Bewusstwerden  ihrer  Zustände  entzo- 
gen sind;  das  Rückenmark  verhält  sich  in  dieser  Hinsicht  ganz 
gleich  den  Nerven.  Siehe  oben  p.  191.  Jede  Rückenmarksver- 
letzung entzieht  mit  dem  Hirneinflusse  auch  den  W’^illenseinfluss 
auf  alle  unter  der  verletzten  Stelle  abgehenden  Nerven,  dahin- 
gegen alle  über  der  verletzten  Stelle  des  Rückenmarkes,  so  wie 
der  obere  Theil  durchschnittener  Nerven  noch  Empfindungen 
zum  Bewusstseyn  bringen  können,  und  den  Willenseinlluss  von 
dem  Gehirne  aus  erfahren;  der  vordere  Rumpftheil  des  Frosches 
hinter  dem  Kopfe  von  dem  Stamme  getrennt,  empfindet  noch  und 
bewegt  sich  noch  willkührlich.  Durch  diese  Theilung  hat  also  das 
Organ  der  intellectuellen  Vermögen  nichts  von  seinen  Kräften, 
sondern  nur  an  dem  Bereich  der  Theile,  über  welche  es  herrscht, 
verloren,  gerade  so,  wie  der  Arnputirte  durch  den  Verlust  sei- 
ner Glieder  nichts  von  seinen  intellectuellen  Fähigkeiten,  sondern 
nur  an  Mitteln  einbüsst,  sie  handelnd  zu  äussern. 


3.  Vom  Gehirn.  Krüße  desselben.  Seelenleben.  813 

Noch  weniger  als  das  Rückenmark  kann  irgend»  ein  anderer 
Theil  des  Rumpfes  der  Sitz  der  Seelenfunctionen  seyn.  Die  Glie- 
der können  amputirt  werden;  die  Eingeweide  können  !> räudig 
d.  h.  todt  sevn,  und  die  Seele  kann  klar  seyn,  so  lange  das  Le- 
hen in  diesen  Fällen  besteht;  ja  es  kann  nach  dem  Eintritt  des 
Brandes  in  einer  entzündlichen  Krankheit  sogar  die  ganze  Klar- 
heit des  Bewusstseyns , die  verloren  war,  wieder  eintreten.  Dass 
in  entzündlichen  Krankheiten  wichtiger  Eingeweide  oft  Delirien 
eintreten,  darf  uns  nicht  wundern;  denn  von  jeder  Stelle  des 
Körpers,  auch  von  solchen,  die'  man  ohne  Verlust  dek*  Seelenfä- 
higkeiten amputiren  kann,  wie  die  Extremitäten , kann  eine  hef- 
tige entzündliche  Alfection  durch  die  auf  das  Sensörium  commune 
gemachte  heftige  Impression  Delirium  erzeugen.  Eine  heftige 
Hautentzündung  bewirkt  Delirium:  warum  sollte  es  nicht'  die 
Entzündung  eines  Eingeweides  thun ; und  doch  kann  jener  Theil 
der  Haut  mit  dem  ganzen  Gliede  fehlen,  und  die  Seele  nichts 
entbehren.  Hört  nun  dieser  heftige  Eindruck  eines  kranken 
Theiles  auf  die  Centralorgane  durch  den  Brand  oder  Tod  dieses 
Theiles  auf,  so  ist  auch  gleichsam  der  Schleier  gehoben,  weichet 
das  Sensörium  commune  klar  zU'  wirken  hinderte,  und  auf  kurze 
Zeit  bis  zu  dem  Tode  tritt  die  ganze  Klarheit  des  Bewusstseyns 
oft  wieder  ein.  Auf  diese  Art  lässt  sich  zeigen,  dass  alle  in  den» 
Unterleibe  enthaltenen  Eingeweide  der  Sitz  von  Seelen  lünctionen 
nicht  seyn  können.  Die  entzündlichen  Krankheiten  der  in  der 
Brusthöhle  enthaltenen  wichtigen  Theilc,  der  Lungen  und  des 
Herzens  können  schon  tödten,  ehe  es  zu  einer  Störung  des  Sen- 
soriums  kommt.  Wir  können  indess  an  ihren  chronischen  Krank-’ 
heiten,  an  ihren  Degenerationen  auch  mit  Evidenz  zeigen,  dass 
sie  der  Sitz  von  Seelen  Verrichtungen  nicht  sind.  Der  Lungen- 
kranke verliert  nichts  von  seinen  Seelenkrältcn  trotz  der  gänzli- 
chen Zerstörung  seiner  Lungen.  Der  Herzkranke  kann  im  höch- 
sten Grade  geängstigt  seyn,  wie  es  jedesmal  hei  Störungen  des 
Kreislaufes  geschieht;  aber  seine  Seelenfunctionen  sind  unverändert; 
und  deutlich  sehen  wir,  dass  jedes  Organ  mit  Ausnahme  des  Ge- 
liirns  entweder  langsam  aus  der  thierischen  Oeconoinie  herans- 
trelen,  oder  kurze  Zeit  plötzlich  ausfallen  kann,  ohne  Störung 
der  Seeleiifunctiönen. 

Ganz  anders  verhält  cs  sich  bei  dem  Gehirne;  jede  lang- 
same oder  plötzliche  Störung  seiner  Verrichtungen  verändert 
auch  die  iiitcUectnellen  Fähigkeiten.  Die  Entzündung  dieses  Or- 
ganes ist  nie  öhne  Delirien;,  und  später  ohne  Stumpfsinn;  der 
Druck  auf  das  grosse  Gehirn  bewirkt  immer  Delirium  oder 
Stumpfsinn,  je  nachdem  es  mit  oder  ohne  Reizung  stattfindet;  so 
wirkt  aller  Druck,  rühre  er  von  Knocheneindrücken,  fremden 
Körpern,  Wasser,  Blut,  Eitet  hör.  Dicselhen  Ursachen  heben, 
oft,  je  nach  dem  Sitze  des  Uebels,  die  Fähigkeit  der  willkührlichen' 
Bewegung  oder  das  Gedächtniss  auf.  So  wie  der  Druck  weggenom- 
men  ist,  mit  der  Erhebung  des  Rnocheneindruckes,  tritt  die  Besin- 
nung, das  Gedächtniss  oft  wieder  ein ; ja  man  hat  sogar  beobachtet^- 
dass  der  Kranke  seinen  Gedankengang  sogleich  da  fortsetate,  wo  er 


814  III.  Buch.  Nereenphysik.  V.  Alschn.  Centraltheile  d.  Nervensyst. 

durch  die  Verletzung  unterbrochen  worden.  Bei  der  Verletzung  des 
grossen  Gehirns  bei  den  Thieren  tritt  Stumpfsinn,  Besinnungslo- 
sigkeit ein ; und  so  sind  auch  Lei  den  meisten  Geisteskranken  be- 
deutende materielle  Störungen  im  Gehirn  vorhanden,  wenn  wir 
auch  in  anderen  Fällen,  besonders  in  denjenigen,  wo  die  Geistes- 
krankheiten erblich  sind,  die  feineren  materiellen  Veränderungen 
einer  bei  microscopischer  Feinheit  wirkenden  Faserung  nicht  mit 
unseren  schlechten  Hülfsmitteln  und  Kenntnissen  erkennen  wer- 
den. Man  hat  zwar  hiergegen  eingeworfen,,  dass  man  sehr  bedeu- 
tende Zerstörungen  einer  ganzen  Hemisphäre  ohne  Störung  des 
Geistes  vorgeliinden  hat;  indessen  zeigen  die  Versuche  an  Thie- 
ren, dass  seihst  plötzliche  Verletzungen  bloss  einer  Hemisphäre 
nicht  sogleich  vollen  Stumpfsinn  erzeugen,  dass  dieser  erst  dann, 
ganz  auftritt,  w'enn  beide  Hemisphären  entfernt  sind,  so  dass  es 
scheint,  dass  die  Hemisphären  in  den  Seelenverrichtungen  einan- 
der unterstützen,  ja  ersetzen  können. 

Mehrere  ausgezeichnete  Gelehrte , wie  namentlich  Nasse, 
haben  eine  der  uusrigen  gerade  entgegengesetzte  Ansicht ; in- 
dem sie  anerkennen , dass  das  Gehirn  der  Sitz  der  höheren 
Seelenverrichtungen  sey,  behaupten  sie  gleichwohl,  dass  auch  an- 
dere Organe,  z.  ß.  die  des  Unterleibes  und  der  Brust,  eine  ge- 
wisse Beziehung  zu  den  Seelenverrichtuugen  haben ; ja  sie  neigen 
sich  sogar  zu  der  Ansicht  hin,  dass  die  Quelle  der  Leidenschaf- 
ten in  diesen  Organen,  die  davon  so  leicht  afficirt  werden  können, 
wohl  seyn  könne,  und  sie  stützen  ihre  Ansicht  theils  auf  die  Af- 
fectionen  dieser  Organe  in  den  Leidenschaften,  theils  auf  ihre 
krankhaften  Veränderungen  bei  manchen  Irren.  Bei  aller  Hoch- 
achtung, die  ich  vor  diesen  trefflichen  Männern  hege,  muss  ich 
mir  alle  Mühe  geben,  die  Nothwendigkelt  einer  solchen  Annahme 
zu  widerlegen.  Gewiss  finden  sich  der  Darmkanal,  die  Leber, 
die  Milz,  d.ie  Lungen,  das  Herz  bei  Irren  oft  krank,  und  selbst 
zuweilen,  wenn  man  nicht  gerade  eine  grobe  materielle  Verände- 
rung im  Gehirn  auillnden  kann.  Ich  will  auch  gerne  zugeben, 
dass  die  RrarJiheit  eines  Eingeweides  Veranlassung  zur  Entwicke- 
lung einer  Geisteskrankheit  geben  könne,  wie  andere  veranlas- 
sende Ursachen.  Aber  ich  schliesse  daraus  nicht,  dass  dieses 
oder  jenes  Eingeweide  die  Quelle  von  gewissen  geistigen  oder 
leidenschaftlichen  Beziehungen  sey.  Zur  Erzeugung  jeder  Gei- 
steskrankheit gehört  eine  Disposition  im  Gehirne;  wenn  diese  er- 
worben oder  gar  erblich  da  ist,  so  reicht  jede  anhaltende  Stö- 
rung der  Functionen  der  Ccntralorgane  durch  eine  Krankheit 
irgend  eines  Eingeweides,  vermöge  der  auf  die  Centralorgane 
stattfindenden  Impression,  und  durch  die  Gesetze  der  Mittheilung 
der  Zustände  im  Rückenmarke  und  Gehirne  hin,  diese  Disposi- 
tion zum  Ausbruche  zu  bringen;  gerade  so,  wie  jeder  Theil  der 
Körperoberfläche,  der  ohne  Verlust  der  Se.ele  entbehrt,  abge- 
schnitten werden  kann,  doch,  so  lange  er  lebt,  durch  eine  hef- 
tige Mittheilung  seiner  krankhaften  Stimmung  auf  das  Gehirn 
sympathisch  Delirium  desselben  bewirken  kann.  Daher  kann 
auch  bei  einem  Irren  dieser  Art  bei  Entfernung  der  materiellen 


3.  Vom  Gehirn,  Kräfte  desselben,  Seelenleben.  815 

Störungen  in  den  Eingewelden,  welche  entfernter  oder  näher 
auf  das  Gehirn  inflniren,  die  Disposition  wieder  zurücktreten. 

Was  nun  aher  die  Beziehung  der  Eingeweide  zu  den  Lei- 
denschaften betrifft,  so  sind  diese  zwar  nicht  zu  läugnen,  jedoch 
bleibt  in  den  hieher  gehörigen  Erfahrungen  der  Physiologie  aus- 
serordentlich viel  zu  lichten  übrig.  In  diesem  Theile  unserer 
Wissenschaft  herrschen  noch  ziemlich  allgemein  Vorstellungen, 
welche  sich  noch  wenig  von  den  Ueberlieicrungen  des  Vol- 
kes entfernen.  Dass  die  Leidenschaften  vermöge  eines  im  Ge- 
hirn stattfindenden  veränderten  Zustandes  entweder  excilirend 
oder  deprimirend  auf  das  ganze  vom  Gehirn  abhängende  Ner- 
vensystem wirken,  ist  bekannt.  In  den  excitirenden  Leiden- 
schaften finden  Spannungen,  und  selbst  eonvulsivische  Bewe- 
gungen gewisser  Muskeln , nämlich  vorzüglich  aller  von  dem  re- 
spiratorischen System  der  Nerven  (Nervus  facialis  eingeschlos- 
sen) abhängigen  Muskeln  statt.  Die  Athembewegungen  werden 
bis  zum  Weinen,  Seufzen,  Schluchzen  verändert,  die  Gesichts- 
muskeln verzerrt;  in  den  deprimirenden  Leidenschaften,  wie  in 
der  Angst,  im  Schrecken,  in  der  Furcht,  sind  alle  Muskeln  des 
gesummten  Körpers  abgespannt,  indem  der  motorische  Einfluss 
des  Rückenmarkes  und  Gehirns  abiiimmt.  Die  Füsse  tragen 
nicht,  die  Gesichtszüge  werden  hangend,  das  Auge  starr,  der 
Blick  gebannt,  ohne  Ausflucht,  und  diess  kann  bis  zur  momen- 
tanen Lähmung  des  ganzen  Körpers  und  besonders  der  Schliess- 
muskeln  fortschreiten.  Die  Bewegungen  des  Herzens  werden  in 
beiderlei  Leidenschaften  häufiger,  in  den  excitirenden  zugleich  hef- 
tig, in  den  deprimirenden  häufig  und  meist  schwach.  Die  Empfin- 
dungen werden  in  einigen  oder  vielen  Theilen,  besonders  im  Ge- 
sicht und  den  Atliemwerkzeugen  und  Verdauungswerkzeugen, 
oft  im  ganzen  Nervensystem  verändert.  Die  organischen  Wir- 
kungen der  Leidenschaften  verändern  die  Absonderungen  der 
Thränen,  der  Haut,  die  in  den  deprimirenden  Leidenschaften  kal- 
ten Schweiss  absondert,  der  Galle,  deren  Ausscheidung  öfter  ge- 
stört wird,  so  dass  sie  in  die  Blutgefässwandungen  eindringt  und 
Icterus  erzeugt,  des  Urins,  der  wässrig  wird,  wie  bei  allen  Ner- 
venaffectionen ; sie  modificiren  zugleich  die  Actionen  der  kleinen 
Gefässe,  wodurch  der  Turgor  der  Haut  verändert,  und  diese 
bald  roth,  bald  auch  blass  wird.  Kurz,  cs  erfolgen  die  Wir- 
kungen der  Leidenschaften  erstens  auf  die  Athemnerven,  den 
N.  facialis,  N.  vagus,  die  N.  spinales  respiratorii  mit  sarnmt 
dem  N.  phrenicus,  dann  aber  durch  das  Rückenmark  auf  das 
ganze  Rumpfnervensystem,  sowohl  der  animalischen  als-  or- 
ganischen Nerven.  Aber  ich  kenne  keinen  einzigen  Beweis,  son- 
dern blosse  Traditionen,  dass  eine  Leidenschaft  bei  gesunden 
Menschen  mehr  auf  ein  Organ  als  auf  ein  anderes  wirke.  Man 
sagt,  das  Herz  habe  eine  Beziehung  zur  Freude,  zum  Kummer, 
^tir  Angst;  aber  in  welcher  heftigen  excitirenden  oder  in  wel- 
cher deprimirenden  Leidenschaft  wird  es  nicht  verändert?  Ist 
Cs  nicht  wie  mit  den  Thränenwerkzeugen,  welche  in  jeder  hefti- 
Scn  Leidenschaft  ergriffen  werden  können,  da  jede  Leidenschaft, 
Aerger,  Zorn,  Freude,  Bewunderung,  Rührung,  Traurigkeit, 


816  III.  Buch,  Neroenphysik.  V.Abschn.  Centrahheile  ti.  Neroensyst. 

Schrecken,  Angst,  Furcht,  his  zum  Weinen  sich  steigern  kann. 
Man  hat  behauptet,  die  Leher  stehe  in  einer  engen  Beziehung 
zu  den  Leidenschaften  des  Zorns  und  des  Aergers;  diess  ist  eine 
uralte,  in  viele,  auch  physiologische  Schriften  ühergegangene, 
aber  ganz  falsche  Behauptung.  Wohl  werden  manche  Menschen 
nach  diesen  Leidenschaften  an  der  Leber  afficirt,  sie  bekommen 
eine  gelbe  Farbe,  Schmerzen  in  der  rechten  Seite,  oder  gar  Le- 
berentzündung. Aber  diess  geschieht  nur  denen,  welche  leber- 
krank sind,  oder  welche  eine  angeborne  Disposition  zu  Leberaf- 
fectionen  haben.  Den  meisten  geschieht  nach  dem  heftigsten 
Zorne  und  Aerger  nichts  der  Art,  hier  darf  ich  mich  ganz  auf 
die  Erfahrungen  meiner  Leser  berufen.  Wie  viele  sind  unter 
uns,  welche  nach  Aerger  und  Zorn  von  allem  dem  nichts  em- 
pfinden, die  vielmehr  sich  den  Magen  verderben,  weil  es  der 
leicht  ergreifbare  Theil  ist,  während  ein  Anderer  auf  diese  Lei- 
denschaften seine  Verdauungsorgane  ganz  ungeschwächt  empfin- 
det, aber  jedesmal  bei  Zorn  und  Aerger  eine  heftige  AlFection 
des  Herzens  erleidet,  weil  es  der  bei  ihm  leicht  angreifljare  Theil 
ist;  und  so  ist  es  mit  allen  Leidenschaften.  Keine  einzige  wirkt  regel- 
massig mehr  auf  die  Leber,  regelmässig  auf  den  Magen,  das  Herz; 
bei  dem  gesunden  Menschen  breiten  sich  ihre  Wirkungen  radia- 
tim  vom  Gehirn  über  das  Rückenmark,  über  das  animalische  und 
organische  Nervensystem  aus.  Alles  Specielle  ist  auch  individuell. 
Der  Schamröthe  scheint  es  eigenlhümlich,  dass  sie  die  Haut  des 
Gesichtes  röthet,  indem  eine  Anhäufung  des  Blutes  in  den  klei- 
nen Gefässen  stattfindet;  allein  viele  Menschen  werden  von  Aer- 
ger, Zorn,  Angst  roth;  und  andere  werden  in  der  Scham,  im 
Aerger,  im  Zorne  so  gut  wie  in  der  Angst,  im  Schrecken,  in  der 
Furcht  blass.  Nur  bei  dem  Hepatischen,  bei  der  hepatischen 
Constitution  erfolgt  auf  eine  heftige  Leidenschaft  Gelbsucht,  Le- 
berentzündung. Kurz,  wir  sehen,  dass  die  Wirkungen  der  Lei- 
denschaften auf  die  verschiedenen  Regionen  der  von  dem  Ge- 
hirne abhängigen  Tbeilc  nichts  für  die  Hypothese  beweisen  kön- 
nen, dass  die  Leidenschaften,  oder  überhaupt  gewisse  Seelenver- 
richtnngen  ihren  Sitz  ausser  dem  Gehirne  hätten. 

Wenn  wir  nun  theils  aus  vergleichend  anatomischen,  theils 
aus  physiologischen  und  pathologischen  Gründen  mit  Bestimmt- 
heit anerkennen  müssen,  • dass  der  Sitz  der  Seelenwirkungen  im 
Gehirne  und  in  keinem  andern  Theile  ist,  dass  die  Nerven  diese 
Wirkungen  anregen  und  vermöge  ihrer  Kräfte  ausführen,  und 
dass  alle  übrigen  Theile  die  Wirkungen  der  Nerven  erfuhren,  so 
ist  damit  nur  bewiesen,  dass  die  Seele  durch  die  Organisation 
des  Gehirns  wirkt  und  thätig  ist;  es  ist  aber  nicht  damit  be- 
häuptet,  dass  ihr  Wesen  bloss  seinen  Sitz  im  Gehirne  hat.  ■ Es 
könnte  wohl  seyn,  dass  die  Seele  nur  in  einem  Organe  von  ei- 
ner bestimmten  Struetnr  wirken  und  Wirkungen  [empfanget 
könnte,  und  doch  vielleicht  allgemeiner  im  Organismus  verbröi- 
tet  wäre. 

Wir  wollen  hier  einige  Thatsachen  hervorheben,  welche 
entschieden  beweisen,  dass  die  Seele,  wenn  sie  auch  nur  m 
dem  Gehirne  wirksam  ist,  doch  nicht  ganz  auf  dasselbe  be- 


3,  Vom  Gehirn,  Kräfte  desselben,  Seelenlehen,  817 

schränkt  Ist.  Es  genügen  diess  zu  beweisen  zwei  Thatsachen. 
Die  eine  ist,  dass  die  niederen  Thiere,  wie  Planarien,  Polypen, 
Würmer,  theilbar  sind,  und  dass  Polypen  und  Würmer,  wie 
die  Naiden,  Nereiden  (siehe  oben  p.  19.),  selbst  durch  Theilung 
ihres  Körpers  zeugen.  Diese  Thatsache  zeigt  uns,  dass  das  Le- 
bensprincip  mit  der  Materie  theilbar  ist,  indem  aus  getrennten 
Stücken  neue  Individuen  entstehen.  Man  kann  diese  Thiere 
zwar  beseelt  in  dem  Sinne,  wie  die  höheren  Thiere,  nicht  nen- 
nen; indessen  hat  jedes  der  getrennten  Theile  seinen  besonderen 
Willen  und  seine  besonderen  Begehrungen,  und  da  zum  Empfin- 
den auch  Bewnsstseyn  und  Aufmerksamkeit  gehört,  so  haben  wir 
den  Beweis,  dass  das  psychische  Princip  dieser  niederen  Wesen, 
mag  es  mit  dem  Lebensprincip  eins  oder  nicht  eins  seyn,  wie  dieses 
mit  der  Materie  theilbar  ist.  Die  zweite  Thatsache  ist,  dass  das 
psychische  Princip  wie  das  Lehensprincip  auch  hei  den  höheren 
und  höchsten  Thieren,  ja  seihst  beim  Menschen,  in  einem  beschränk- 
ten Sinne  theilhar  ist.  Die  höheren  Thiere  und  die  Menschen 
erzeugen  zwar  keine  neuen  beseelten  Individuen  durch  Theilung 
ihrer  seihst  in  mehrere  Stücke;  wohl  aber  durch  Erzeugung  des 
Samens  bei  dem  Manne,  und  des  Keimes  bei  dem  Weibe.  Wie 
die  Zeugung  des  neuen  Individuums  bei  der  Berührung  des  weib- 
lichen Keimes  und  des  männlichen  Samens  stattfinden  mag,  wir 
wissen,  dass  bei  den  Fischen,  Fröschen,  Salamandern  die  blosse, 
selbst  künstlich  ausgefiihrte  Beinihrung  von  Samen  und  Ei , ohne 
allen  Antheil  von  Selten  des  Männchens  und  Weibchens  zur  Er- 
zeugung des  neuen  Individuums  hinreicht,  wie  denn  nach  SpALiAir- 
ZAi»i  Eier  des  Frosches  mit  Froschsamen  befeuchtet,  befruchtet  sind. 
Es  geht  daraus  hervor,  dass  der  Keim  des  Weibchens  und  der 
Same  des  Männchens  Alles  enthalten,  was  'zur  Aeusserung  des 
individuellen  Lebensprincipes  und  der  psychischen  Functionen 
der  Thiere  nöthig  ist.  Der  Keim  und  der  Samen,  oder  einer 
von  beiden  muss  also  das  Lebensprincip  und  das  psychische  Prin- 
cip gleichsam  latent  enthalten;  denn  sonst  könnte  es  sich  nicht 
bei  der  Entstehung  des  neuen  Individuums  äussern.  Eben  so 
müssen  wir  auch  bei  den  höchsten  Thieren  und  dem  Menschen 
nothwendig  annehmen,  dass,  wie  der  Same  und  das  Ei  alle  Bedin- 
gungen zu  einem  neuen  belebten  und  beseelten  Wesen  enthalten, 
sie  auch  selbst  entweder  beide,  oder  eines  von  beiden  das  Lebens- 
princip und  das  psychische  Princip  im  latenten  Zustande  ent- 
halten. Ob  das  neue  Individuum  ausser  (wie  bei  den  Eierlegern) 
oder  in  dem  mütterlichen  Körper  (wie  hei  den  Lebendiggebä- 
renden) sich  entwickelt,  macht  in  dieser  Frage  gar  nichts  aus. 
Wir  sehen  ans  dieser  Folge  von  Thatsachen  und  Vernunflschlüs- 
sen,  dass,  obgleich  die  höheren  Thiere  und  der  Mensch  nicht 
Hiehr  durch  Zertheilung  in  mehrere  Stücke,  neue  belebte  und 
heseelte  Individuen  zeugen,  sie  doch  insofern  noch  in  Hinsicht 
des  Lebensprincipes  und  psychischen  Principes  theilbar  sind,  als 
Theil  ihrer  Materie,  die  Zeugungsflüssigkeiten,  mit  diesen 
Frincipien,  mögen  sie  eins  oder  getrennt  seyn,  beseelt  ist. 
Wenn  diess  aber  so  ist,  so  ist  das  psychische  Princip  offenbar 
oicht  auf  das  Gehirn  beschränkt,  sondern  auch,  wenngleich  im 


818  III,  Buch,  Nervenphysik,  V,  Abschn.  Centraltheile  d,  Neroensyst. 

latenten  Zustande,  in  Theilen,  die  vom  Geliirne  weit  entfernt 
von  dem  Ganzen  aLtrennLar  sind,  enthalten;  und  diess  ist  es, 
was  wir  beweisen  wollten. 

Ob  das  Lebensprincip  und  das  psychische  Princip  von  dem 
Gehirne  aus  in  einem  latenten  Zustande  auf  den  Wegen  der  Ner- 
ven zum  Samen  oder  Keime  gelange,  ob  es  im  latenten  Zustande 
im  Blute  verbreitet  werde,  ob  es  im  latenten  Zustande  im  ganzen 
Körper  verbreitet  sey,  während  es  nur  frei  im  Gehirne  als  dem 
zu  seiner  Wirksamkeit  organisirten  Apparate  wirkt  und  Wir- 
kungen anderer  Theile  empfängt,  alles  diess  ist  nicht  zu  beantwor- 
ten, auch  wäre  die  Beantwortung  für  die  gegenwärtige  Untersu- 
chung gleichgültig;  es  ist  genug,  dass  wir  wissen,  dass  der  Same 
und  Keim  nicht  allein  die  Kraft  zu  einem  belebten  Individuum 
enthalten,  sondern  auch  das  psychische  Princip  des  neuen  Wesens 
im  latenten  Zustande  enthalten  müssen.  Es  ist  fi'u’  unsern  Zweck 
jetzt  genug,  zu  wissen,  dass  andere  Theile  des  Körpers,  als  das 
Gehirn,  auch  noch  an  dem  psychischen  Principe  Tlieil  haben, 
dass  aber  diess  Princip  nur  in  dem  Gehirne  frei  und  thätig  er- 
scheint, w'eil  hier  die  Organisation  zu  allen  seinen  Bewegungen 
und  Wirkungen  auf  die  Kräfte  anderer  Theile,  auf  die  motori- 
schen Apparate,  und  zur  Aufnahme  der  Wirkungen  der  sen- 
sibeln  Leiter  ist.  Nur  in  dem  Gehirne  ist  Bewusstseyn,  Vorstel- 
lung, Gedanke,  Wille,  Leidenschaft  möglich,  und  wenngleich  das 
Princip  zur  Erzeugung  der  Vorstellungen,  Gedanken  u.  s.  w.  in 
dem  befruchteten  Keime  latent  vorhanden  ist,  so  muss  dieser  be- 
seelte Keim  doch  erst  die  ganze  Organisation  des  Gehirns  er- 
schaffen, dass  das  psychische  Princip  frei  werde,  und  dass  Vor- 
stellungen, Gedanken,  Wille  u.  s.  w.  erscheinen  oder  wirken.  In 
der  hirnlosen  Missgeburt , die  während  des  Lebens  im  Uterus 
bis  zur  Gehurt  noch  ernährt  wird  und  leht,  wurde  das  zur  spä- 
tem Aeusserung  der  Seele  von  dem  belebten  Keime  erzeugte 
Organ  schon  zu  einer  Zeit  (durch  Wassersucht)  zerstört,  ehe  es 
zum  Freiwerden  des  psychischen  Principes,  zur  Aeusserung  der 
Seelenfähigkeiten,  ausgehildct  war. 

Ob  das  psychische  Princip  durch  eine  Verletzung  des  Gehirn- 
baues selbst  wesentlich  modilicirt  werde,  ob  in  den  Geisteskrankhei- 
ten die  Thätigkeit  der  Seele  durch  die  Verletzung  des  Gehirns  bloss 
verändert  werde,  oder  ob  die  Seele  an  sich  krank  seyn  könne,  kann 
nach  den  vorausgeschickten  Betrachtungen  und  Thatsachen  jetzt  er- 
örtert werden.  Da,  wie  wir  hier  gesehen  haben,  die  Existenz  der 
Seele  von  dem  unverletzten  Baue  des  Gehirns  nicht  abhängt,  da 
sich  ihr  Daseyn,  wenn  auch  latent,  auch  in  dem  von  dem  Mut- 
tersfamme  abgestossenen  Keime  erweist,  so  kann  auch  keine  Ver- 
änderung des  Baues  des  Gehirns  das  Wesen  der  Seele  seihst  ver- 
ändern, sondern  ihre  Thätigkeit  nur  zu  kranken  Actionen  zwin- 
gen. Nur  die  Thätigkeit  der  Seele  hängt  von  der  Integrität  des 
Faserbaues  und  der  Mischung  des  Gehirnes  ah.  Die  Art  der 
Thätigkeit,  und  die  Art  des  Baues  und  Gebirnzustandes  laufen 
immer  parallel;  der  letztere  bestimmt  immer  die  ej'stere,  »her 
das  Wesen  der  Seele,  ihre  latente  Kraft,  so  weit  sie  sich  nicht 
äussern  muss,  scheint  durch  keine  Hirnveränderung  bestimmbar- 


3.  Vom  Gehirn.  Kräfte  desselben,  Seelenleben.  819 

Hält  man  sich  hieran,  so  sind  alle  weiteren  Erörterungen  über 
die  letzte  Ursache  der  Geisteskrankheiten,  ülier  den  Antheil  des 
Gehirns  und  der  Seele  an  denselben  abgeschnitten,  und  der  Arzt 
hat  bei  allen  abnormen  Geisteszuständen  immer  und  zuerst  nur 
den  Zustand  der  materiellen  Veränderung,  welche  die  Seele  zu 
kranken  Actionen  zwingt,  oder  ihre  Thätigkeit  unterdrückt,  ira 
Auge  !zu  behalten.  Wir  kennen  aus  Berichten  zwei  Fälle  von 
angebornem  Blödsinn  mit  einem  so  niedrigen  Schädel,  dass  die 
Abbildungen  an  den  Zustand  des  Schädels  bei  der  Hemicephalie 
erinnern,  obgleich  das  Cranium  vollständig  vorhanden  ist.  Es  sind 
die  zwei  in  der  Colonie  Riwitsblott,  eine  Meile  von  Bromberg,  leben- 
den Söhne  der  WittAve  Sohn,  der  eine  von  17,  der  andere  von  10 
Jahren.  Beide  sind  bei  dem  besten  Wohlseyn  so  stupid,  dass  sie 
sich  des  W'eges  nach  Hause  auch  bei  einer  geringen  Entfernung 
nicht  erinnern,  dass  sie  sich  nicht  ihre  Beinkleider  öffnen  kön- 
nen, obgleich  sie  mit  allen  Bewegungskräften  eines  gesunden 
Menschen  ausgerüstet  sind,  und  auf  alle  Theile  ihres  Körpers 
den  Einfluss  des  Willens  besitzen,  den  sie,  obgleich  lenksam  und 
ohne  Bosheit,  nur  zum  Essen  und  Trinken,  und  zum  Zerstören  von 
allem,  was  ihnen  in  die  Hände  fällt,  benutzen  können.  Auch  in 
diesen  denkwürdigen  Fällen  dürfen  wir  keine  angeborne  Krank- 
heit der  Seele,  keinen  ursprünglichen  Mangel  des  psychischen 
Princlpes  voraussetzen;  gewiss  Avar  die  Anlage  zu  der  höchsten 
Vollkommenheit  in  dem  latenten  Zustande  des  psychischen  Prin- 
cipes  im  Keime  vorhanden;  aber  keine  Entwickelung  der  Fähig- 
keiten der  höheren  Seelenäusserungen  war  bei  der  unvollkomme- 
nen Ausbildung  deo  Gehirns  möglich,  gleich  wie  die  bei  dem 
gesunden  Menschen  eintretende  plötzliche  Veränderung  des  Hirn- 
zustandes augenblicklich  auch  die  Aeusserungen  der  Seele  krank- 
haft oder  ihre  Kraft  sogar  latent  macht,  die  nach  der  Wegnahme 
des  Druckes  auf  das  Gehirn . oft  mit  der  ganzen  Klarheit  des 
Bewusstseyns  Aviederkehrt.  Da  die  Materie  durch  die  Thätigkeit 
immer  zugleich  verändert  wird  (siche  oben  p.  51.),  so  versteht 
es  sich  von  seihst,  dass  abnorm  angestrengte  Thätigkeit  der  Seele, 
und  eine  durch  eingegangene  Lebensverhältnisse  bedingte  ein- 
seitige Richtung  der  Gelstesthätigkeit , oder  die  hervorgerufene 
Heftigkeit  der  Seelenzustände  auch  Avieder  auf  die  Organisation 
des  Seelenorganes  zurückwirken  muss.  Wie  sehr  auch  die  Ent- 
fernung dieser  Ursachen  in  den  Augen  des  Arztes  wichtig  ist; 
der  Zustand  der  Organe  bleibt  hier  wie  überall  das  Object  des- 
selben; und  die  Sündhaftigkeit,  womit  schwärmerische  Aerzte 
sich  so  viel  zu  schaffen  machen,  ist  nicht  das  Wesen  der  Gei- 
steskrankheit, sondern  kann  nur  mit  in  den  grossen  Kreis  ihrer 
Veranlassenden  Ursachen  gehören. 

Ob  das  Lebensprincip , von  welchem  im  Keime  die  ganze 
Organisation  ausgeht,  und  welches  auch  das  Organ  für  das  Wir- 
ken des  psychischen  Principes  erzeugt,  von  dem  letztem  wesent- 
lich verschieden  sey,  oder  ob  die  Thätigkeit  der  Seele  nur  eine 
Species  der  Wirkungen  des  Lehensprincipes  sey,  ist  eine  in 
der  empirischen  Physiologie  ganz  unlösbare  Frage.  Wir  wissen, 
dass  das  Lebensprincip  ohne  Seelenäusserungen  i'ortwirken  kann; 


820  III.Buch.  Nervenphysik,  V.Abschn,  Centraltheile  d.Nervensyst, 

denn  das  Lebensprinclp  erbält  auch  die  hirn-  und  rückenmark- 
lose  Missgeburt  noch  bis  zur  Geburt  lebend.  Daraus  kann  man 
nicht  schliessen,  dass  das  psychische  Princip  von  dem  Lebens- 
princip  dem  Wesen  nach  verschieden  sey;  denn  "wir  haben  schon 
gesehen,  dass  es  einen  latenten  Zustand  des  psychischen  Princi- 
pes  in  einem  belebten  Körper  auch  ausser  dem  Gehirne  giebt. 
Man  kann  aber  eben  so  wenig  daraus  schliessen,  dass  das  psychische 
Leben  nur  eine  Species  der  Wirkungen  des  Lebensprincipes  sey; 
wir  sehen  nur,  was  auch  die  Schöpfung  des  ganzen  Embryos  vor 
der  Entwickelung  der  Seelenfähigkeiten  beweist,  dass  die  Thä- 
thigkeit  der  Seele  zur  Aeusserung  des  Lebensprincipes  nicht  noth- 
wendig  ist;  dagegen  wissen  wir  eben  so  bestimmt,  dass  die  Thä- 
tigkeit.  der  Seele  ohne  die  Mitwirkung  des  Lebensprincipes  in  ei- 
nem thieriscHen  Körper  nicht  möglich  ist;  denn  das  Lebensprin- 
cip  erschafft  und  erhält  die  zur  Thätigkeit  der  Seele  nothwendige 
Organisation  des  Gehirns. 

Für  die  Ansicht,  dass  das  psychische  Lehen  nur  eine  Mani- 
festation des  Lebensprincipes  der  thierischen  Körper  überhaupt 
sey,  kann  man  anführen,  dass  das  psychische  Princip  nicht  bloss 
in  einer  Classe  von  thierischen  Wesen,  im  Menschen,  dass  es 
vielmehr  bis  zu  den  niedersten  Thieren  erscheint.  Denn  alles 
Thierische  ist  beseelt,  was  der  Sinncserscheinung  auch  ausser 
den  Sinnesempfindungen  bewusst  ist,  was  vorstellt,  was  Begeh- 
rungen und  Vorstellungen  von  ihrem  Objecte  und  ihrer  Befrie- 
digung hat,  was  durch  Vorstellungen  und  Begehrungen  zu  Wil- 
lensactionen bestimmt  wird.  In  diesem  Umfange  kommen  psy- 
chische Erscheinungen  bis  zu  den  niedersten  Thieren  vor;  bei 
den  höheren  Thieren  treten  zumal  auch  Leidenschaften  auf.  Auf 
der  andern  Seite  lässt  sich  für  die  Unabhängigkeit  des  psychi- 
schen Principes  von  dem  Lebensprincipe  anfiihren,  dass  eine 
ganze  Classe  der  organischen  belebten  Wesen,  die  Pflanzen,  aller 
psychischen  Erscheinungen  entbehren.  Indessen  lässt  sich  dieser 
Einwurf  wieder  durch  die  Annahme  eines  latenten  Zustandes  der 
psychischen  Seite  des  Lebensprincipes  anfheben,  und  wo  eine 
Hypothese  bloss  insofern  Haltung  hat,  als  sich  eine  grosse  Anzahl 
der  Thatsachen  daraus  erklären  lassen,  wird  dieselbe  durch  eine 
andere,  welche  die  Thatsachen  eben  so  erklärt,  neutralisirt. 

Beide  Principien  stimmen  in  ihren  Wirkungen  darin  überein, 
dass  ihre  Erscheinungen  das  Vernünftige  seyn  können;  aber  das 
Vernünftige  des  psychischen  Lehens  ist  blosses  Bewusstseyn  des 
Vernünftigen,  ohne  alle  schaffende  Einwirkung  auf  die  Organisa- 
tion, auf  die  Materie;  das  Vernünftige  der  Thätigkeit  des  Le- 
bensprincipes ist  die  Erzeugung  der  zweckmässigen  Organisation 
in  der  belebten  Materie.  Die  in  der  Organisation  des  einfach- 
sten Wesens  sich  ansdrückende  Vernunft  ist  vielleicht  erhabener 
als  das  Höchste,  was  das  Bewusstseyn  eines  thierischen  Wesens 
oder  Menschen  vorzustellen  vermag.  Alle  Probleme  der  Physik 
sind  vor  dieser  schaffenden  Thätigkeit  gelöst.  Vor  der  Natur, 
welche  das  Auge,  das  Gehörorgan  erzeugt,  sind  keine  Probleme 
über  die  Physik  des  Sehens,  des  Hörens  verborgen.  Sie  ist  auch 
die  Ursache  des  Instinktes,  d.  h.  sie  ist  die  Ursache,  dass  in  dem 


3.  Vom  Gehirn.  Kräfte  desselben.  Seelenleben.  821 

Sensorinm  eines  Thieres  Tränme  entstehen,  die  es  za  zweekmäs- 
sigen,  zu  seinem  Daseyn  nöthigen  und  vernünftigen  Handlungen 
nöthigen,  ohne  dass  die  Seele  des  Geschöpfes  das  Geringste  von 
diesem  vernünftigen  Vorgänge  und  seinem  Zusammenhänge  einsieht. 

Wenn  es  einen  waliren  Grund  für  die  Ansicht  giebt,  dass 
das  psychische  Leben  auch  nur  eine  Art  der  Manifestation  des 
Lebensprincipes  der  thierischen  Wesen  ist,  so  ist  es  der,  dass  bei- 
derlei Wirkungen  der  Ausdruck  der  Vernunft  seyn  können,  dass 
die  Erzeugung  der  Organisation  des  niedersten  Thieres  bei  der 
Entwickelung  des  Reimes  der  Ausdruck  der  höchsten  Vernunft 
ist,  und  dass  das  darin  waltende  Vernünftige  alle  bewussten  See- 
lenwirkungen dieses  Geschöpfes  weit  überstrahlt.  Ernst  Stahi. 
Hess  Alle  thierischen  Wirkungen,  weil  sie  zweckmässig  sind,  von 
der  Seele  ausgehen.  Diese  Seele,  wenn  von  ihr  das  psychische 
Leben  im  engem  Sinne  abhängig  ist  und  auslliesst,  ist  in  Stahl’s 
Sinne  freilich  etwas  ganz  Anderes  und  Höheres,  als  was  wir  ge- 
wöhnlich Seelenleben  nennen.  Man  sieht  leicht  ein,  dass  Stahl’s 
Theorie  die  Anschauung  von  der  vernunftgemässen  wirkenden 
Kraft  in  jedem  lebenden  Wesen  zu  Grunde  liegt,  dass  er  das, 
was  wir  gewöhnlich  Seelenleben  nennen,  als  einen  Ausfluss  jener 
letzten  Ursache  eines  Geschöpfes  ansah.  Aber  wenn  diese  letz- 
tere Ansicht  auch  richtig  seyn  sollte,  was  sich  empirisch  nicht 
beweisen  lässt,  so  muss  man  doch  immer  festhalten,  dass  in  das 
bewusste  und  denkende  Seelenwirken  nur  ein  kleiner  Tbeil 
von  den  Wirkungen  jener  höhern,  vernunftgemäss  wirkenden  Le- 
bensseele fällt,  welche  die  letzte  Ursache  eines  Geschöpfes  ist, 
und  welche  in  seiner  Organisation,  in  seinen  instinktmässi<»en 
Trieben  alle  Schicksale  desselljen  im  Zusammenfluss  mit  der  äus- 
sern  Welt  vorsieht. 

Man  fragt,  ob  das  psychische  Princip  eine  Thätlgkeit  der 
Materie  oder  selbstständige  Kraft  sey,  ob  es  an  den  Leih  bloss  ge- 
bunden sey,  oder  ob  es  nichts  anders,  als  der  Ausdruck  eines  ge- 
wissen Zustandes,  einer  gewissen  Zusammengesetztheit  der  Mate- 
rie sey.  Bewegung,  Thätigkeit  ist  vielleicht  der  Urzustand  der 
Materie,  da  selbst  die  Ruhe  der  Massen  von  der  Anziehung  ihrer 
Theilchen  abhängt.  Wenn  es  aber  keinen  Körper  ohne  Energie, 
ohne  Kraft,  ohne  Thätigkeit  giebt,  ist  nicht  die  Seele  selbst  auch 
der  Ausdruck  des  Zustandes  und  der  Zusammensetzung  der  Ma- 
terie in  den  lebenden  Wesen?  Erscheint  die  Seele  nach  dem 
Tode  nicht  mehr  an  den  Leibe,  weil  die  Materie  ihren  bisheri- 
gen Zustand,  ihre  Zusammensetzung,  die  vereinte  Wirkung  und 
Anziehung  ihrer  belebten  Atome  verloren  hat,  die  nun  nach 
einem  veränderten  Zustand  in  andere  Erscheinungsweisen  über- 
gehen ; oder  erscheint  die  Seele  nicht  mehr  an  dem  Körper,  weil 
sie  nicht  mehr  an  den  Körper  gebunden  ist. 

Allerdings  sind  die  Erscheinungen  des  Seelenlebens,  mag  es 
ein  Ausfluss  des  Lebensprincips  seyn,  oder  von  einem  selbstständigen 
ttit  dem  Leben  verknüpften  Princip  abhängen,  durchaus  an  die 
Organisation  des  Gehirns  geknüpft;  ohne  die  Unversehrtheit  die- 
ses so  zus^nengesetzten  Faserbaues  erfolgt  keine  Wirkung  der 
eele  auf  die  belebten  Werkzeuge  des  Körpers;  oder  mit  anderen 


822  III.  Buch,  Nert>enphfsik,  V,  Ahschn,  CeJüraltheile  d.  Nervensyst. 

Worten,  erscheint  sie  nicht  an  diesem,  aber  sie  kann  an  ihm  la- 
tent seyn,  wie  ihre  Quelle  in  den  Zeugangsflüssigkeiten  der  tliie- 
rischen  Wesen  vorhanden,  aber  latent  ist.  Indess,  hier  wieder- 
holt sich  dieselbe  Frage:  ist  auch  der  latente  Znstand  der  Seele 
nur  die  Ruhe  der  einer  gewissen  Zusammensetzung  der  Materie 
eingehornen  Kraft,  oder  kann  das  Princip,  unabhängig  von  aller 
Materie,  sich  mit  dieser  verbinden  und  sie  verlassen.  Fliessen  die 
nach  dem  Materialismus  allein  thätigen  Atome  nach  der  Zerle- 
gung der  mit  dem  latenten  Zustande  des  Lebens  beseelten  Mate- 
rie in  die  Welt  zurück,  um  wieder  zur  Quelle  des  Lebens  sich 
zu  einen,  wenn  sie  in  einer  gewissen  Art  wieder  zusammengesetzt 
werden;  oder  ist  das  latente  Lebensprincip  und  psychische  Prin- 
cip auch  von  dem  Zerfallen  der  Atome  unabhängig;  ist  seine 
Substanz  immateriell,  und  weder  die  Thätigkeit  der  Atome  der 
Materie,  noch  die  Thätigkeit  der  in  gewisser  Art  vereinten  Atome 
der  Materie?  Obgleich  man  keine  Lösung  dieser  physiologischen 
Fragen  von  der  empirischen  Physiologie  erwarten  darf,  so  gieht 
es  doch  Thatsachen,  welche  hei  dem  Versuche  dieser  Lösung  zu 
benutzen  sind.  Es  gieht  allerdings  Ki'äfte  der  JVatur,  oder  im- 
ponderahle  Substanzen,  welche,  wenn  auch  nicht  von  der  Mate- 
rie unabhängig,  doch  ohne  eine  Veränderung  in  dem  materiellen 
Zustande  des  Körpers  sie  verlassen  und  auf  andere  übergehen 
können,  wie  Licht,  Electricltät , Magnetismus.  Die  Existenz  die- 
ser Principien,  ihr  Erscheinen  an  den  Körpern,  und  ihr  Ueber- 
strömen  von  einem  auf  den  andern  Körper  zeigt  uns  deutlich, 
dass  jener  Materialismus,  welcher  ausser  den  Kräften  der  Atome 
nichts  anerkennt,  grundlos  ist;  und  ohne  entfernter  Weise  das 
Lebensprincip  und  psychische  Princip  mit  jenen  imponderabeln 
Substanzen  oder  Kräften  vergleichen  zu  wollen,  sehen  wir  we- 
nigstens, dass  in  den  Thatsachen  der  Physik  nichts  ist,  welches 
die  Möglichkeit  eines  von  der  Materie  unabhängigen,  wenngleich 
in  den  organischen  Körpern  in  der  Materie  wirkenden  immate- 
riellen Princips  aufhöbe. 

Wir  müssen  hier  ein  anderes  Räthsel  berühren  , dessen 
schon  im  Anfänge  dieses  Lehrbuches  p.  38.  gedacht  wurde.  Es 
ist  die  Frage  nach  der  Ursache  des  beständigen  Vergehens 
und  der  Wiedererzeugnng  belebter  und  beseelter  individueller 
Wesen.  Das  Lebensprincip  wächst  nicht  allein  an  Intensität 
während  des  Wachsthums  der  organischen  Körper,  es  ver- 
vielfältigt sich  auch  durch  die  Theilung  und  Zeugung.  Aus  ei- 
nem lebenden  Wesen  entstehen  viele  andere,  eben  so  kräftige 
und  productive,  aus  diesen  wieder  andere,  während  die  organi- 
sche Kraft  der  sterbenden  vergeht  oder  latent  wird.  Diese  Ver- 
vielfältigung belebter  Wesen  geschieht  nicht  bloss  durch  ein  Ue- 
bertragen  i^des  wirksamen  Principes  von  dem  Producenten  auf 
das  Product.  Denn  der  Producent  bleibt  auch  nach  der  Ver- 
vielfältigung zu 'neuen  Productionen  fähig,  bis  er  zuletzt  vergeht. 
Dasselbe  gUt  aber  von  dem  psychischen  Princip.  Der  Zeugende 
verliert  dasselbe  nicht  durch  das  Zeugen  eines  neuen  beseelten 
Producenten,  aber  nach  der  fortdauernden  Erzeugung  neuer  be- 
seelter Wesen  wird  die  Psyche  der  zeugenden  Eltern  mit  dem 


3.  Vom  Gehirn.  Verlängertes  Mark. 


823 


Sterben  für  uns  latent.  Wie  ist  es  nun  möglich,  dass  das  Le- 
bensprincip  xind  die  Psyche  sich  in  immer  neuen  Individuen 
ins  Unendliche  multiplicirt,  während  doch  die  Producenten  nach 
der  Production  beseelt  lileihen  und  später  vergehen ; M’ie  ist 
diese  unendliche  Multiplieation  des  psychischen  Principes  mit 
dem  Lebensprincip  denkbar?  Darauf  giebt  es  zwei  Antwor- 
ten, deren  sich  keine  erweisen  lässt.  Die  erste  ist  die,  dass 
das  Princip  des  Lehens  und  das  psychische  Princip  in  allen 
Materien,  durch  deren  Aneignung  die  thierischen  Kjörper  wach- 
sen und  2ur  Multiplieation  fähig  werden,  im  latenten  Zustande 
vertheilt  seyen , und  durch  die  Organisation  in  den  belebten  und 
beseelten  Körpern  in  Erscheinung  treten.  Diess  ist  die  Lö- 
sung'j  welche  der  Pantheismus  aiif  jene  Frage  ertheilt.  Diese 
Lösung  ist  es,  welche  an  der  Unsterblichkeit  der  individuell 
beseelten  Wesen  zweifelt,  und  auf  die  Unstei’hlichkeit  des  Welt- 
geistes reducirt  ist.  Die  zweite  Antwort  ist,  dass  das  Lebens- 
princip und  psychische  Princip  nicht  latent  in  allen  zur  An- 
eignung dienenden  Materien  verbreitet  sind,  dass  das  Lebens- 
princip vielmehr  nur  in  den  belebten  Wesen  ist,  und  dass  das 
psychische  Princip,  so  lange  sie  leben,  an  ihre  Materie  gebunden 
ist.  Bei  dieser  Ansicht  lässt  sich  die  Multiplieation  der  beseelten 
Individuen  nur  durch  die  Annahme  erklären,  dass  das  psychische 
Princip,  wenn  es  sich  durch  die  Zeugung  ins  Unendliche  mnlti- 
plicirt,  eine  Substanz  sey,  welche  durch  Vertheihing  nie  weder 
vergehen  noch  an  Intensität  geschwächt  werden  kann.  Dieses 
Princip  würde  von  allen  Kräften  sieh  dadurch  unterscheiden,  dass 
es  eine  durch  Theilung,  selbst  bis  ins  unendliche,  unveräusserli- 
che und  nicht  zu  schwächende  Kraft  wäre.  Eine  Supposition, 
die  für  unsern  Verstand  unbegreiflich  ist,  und  wozu  doch  jeder 
gedrängt  wird,  der  dem  Pantheismus  entgegenstrebt,  und  mit  dem 
uns  eingebornen  Glauben  an  die  Unsterblichkeit  nicht  des  psychi- 
schen Prineipes  überhaupt,  sondern  der  individuell  beseelten  Wesen, 
den  Abgrund,  welchen  keine  Wissenschaft  ausfüllen  kann,  überflügelt. 

Die  specielle  Physiologie  des  Seelenlebens  folgt  erst  später 
nach  der  Physiologie  der  Sinne  im  sechsten  Buche  dieses  Werkes. 
Hier  kömmt  dieser  Gegenstand  nur  in  den  allgemeinsten  Bezie- 
hungen zum  Gehirne  vor. 

III.  Von  dem  verlängerten  M.irkc. 

Durch  das  verlängerte  Mark  ist  das  Gehirn  mit  dem  Rücken- 
mark in  Wechselwirkung,  die  Kenntniss  des  Verlaufs  der  Stränge 
desselben  ist  daher  für  den  Physiologen  von  besonderer  Wich- 
tigkeit. Bubdacii  hat  diesen  Gegenstand  in  seinem  verdienstvol- 
len Werke  über  den  Bau  und  das  Leben  des  Gehirns  mehr  als 
Andere  aufgehellt.  Man  unterscheidet  jetzt  folgende  Stränge  des 
verlängerten  Markes : 

1)  die  Pyramiden;  sie  bilden  sich  nach  Bubuach  aus  Grund- 
fasern und  Kreuzungsfäsern.  Die  Grundfäsern  liegen  an  der  vor- 
deren Fläche  des  grauen  Kernstranges,  sie  bilden  die  hintere 
^»nd  des  vorderen  Einschnittes  des  Rückenmarkek^'  steigen  aber 

Müller’s  Physiologie.  53 


824  III.  Buch,  Neroenphysik,  V.  Ahschn.  Centraltheile  d.  Nerpensyst. 

am  Halse  3|  — 1|-  Zoll  unter  der  Brücke  schräg  nach  vorn  her- 
auf, so  dass  sie  anfangs,  die  Seitenwände  des  vordem  Einschnit- 
tes Bildend,  zuletzt  zu  Beiden  Seiten  des  Einschnittes  an  der 
vordem  Fläche  des  Rückenmarkes  hervortreten,  und  an  der  In- 
nern Seite  des  innern  vordem  Rückenmarkstranges  sich  hervor- 
drängen. Die  Kreuzungsfasern  sind  ein  Arm  des  Seitenstranges 
des  Rückenmarkes,  welcher  hinter  der  Olive  weggeht,  schräg 
nach  innen  und  vorn  anfsteigt , und  mit  den  Grundfasern  an  der 
Oberfläche  zur  Seite  des  voidern  Einschnittes  des  Rückenmarkes 
1 Zoll  unter  der  Brücke  hervortritt.  Nur  die  Kreuzungsfasern 
kreuzen  sich,  d.  h.  kommen  von  der  einen  Seite  des  Einschnittes 
zur  andern,  und  legen  sich  an  die  entgegengesetzten  Grundfa- 
sern an.  BuRnACH  a.  a.  O.  2.  .31.  Die  FaSern  der  Pyramiden  ge- 
hen durch  die  Bündel  der  Querfasern  der  Brücke  in  die  Hirn- 
schenkel über. 

2)  Die  Hülsenstränge  sind  nach  BuRnAcu  die  an  der  innern 
und  äussern  Seite  der  Olive  verlaufenden  Faserhündel,  welche 
an  der  Oberfläche  des  verlängerten  Markes  nicht  hlossliegen. 
Der  vordere  Uülsenstrang  entsteht  aus  den  Markfasern  am  vor- 
dem Einschnitte  des  Rückenmarkes,  welche  an  der  Stelle,  wo 
die  Pyramiden  hervortreten,  von  der  Pyramide  nach  aussen  ge- 
drängt werden.  Der  äussere  Hülsenstrang  ist  der  äussere  Theil 
der  vordem  Rückenmarksstränge  an  der  Innern  Seite  der  vor- 
dem Wnrzelreihe.  Beide  Hülsenstränge  liegen  an  einander  bis 
da,  wo  die  Olive  zwischen  ihnen  hervortritt.  Die  inneren  Hül- 
sensträngc  gehen  durch  die  Brücke  mit  den  Pyramiden  in  die  Hirn- 
schenkel über.  Die  äusseren  Hülsenstränge  treten  nach  oben 
und  innen  um  den  obern  Theil  der  Processus  cerebelli  ad  Cor- 
pora quadrigemina,  und  sofort  in  die.  Basis  der  Vierhügel  über. 

3)  Die  Olive  entsteht  durch  die  Ausbreitung  des  vordem 
grauen  Stranges  im  verlängerten  Marke.  An  dieser  Stelle  geht 
von  dem  grauen  Strange  eine  mit  weisser  Markmasse  ge- 
füllte, gefaltete  graue  Blase  ah,  die  auch  äusserlich  mit  Mark- 
masse überzogen  ist.  Die  graue  gefaltete  Blase  und  der  markige 
Kern  erscheinen  auf  dem  Durchschnitte  als  Corpus  dentatum 
der  Olive. 

4)  Der  Seitenstrang  des  Rückenmarkes  giebt  am  Anfänge  des 
vei’längerten  Markes  die  Kreuzungsfasern  der  Pyramiden  nach 
innen  ah,  der  übrige  Theil  schlägt  sich  über  der  Olive  in  den 
Schenkel  des  kleinen  Gehirns  zum  verlängerten  Marke,  und  geht 
auch  ziun  - Theil  im  äussern  Theile  der  Rautengrube  fort.  Bur- 
dach a.  a.  O.  p.  35. 

5t  Der  Keilstrang  entsteht  aus  den  die  hinteren  grauen  Stränge 
des  Rückenmarkes  bedeckenden  Markfasern,  welche,  an  der  obern 
Seite  des  Seitenstranges,  gelegen,  mit  den  Fasern  des  Seitenstran- 
ges  zusammen  den  Schenkel  des  kleinen  Gehirns  zum  verlänger- 
ten Marke  bilden ; seine  inneren  Fasern  laufen  als  äussere  Theile 
der  Wände  der  Rairtengruhe  fort  nach  dem  grossen  Gehirne. 

6)  An  :dcr,  innern  hintern  Fläche  des  Kcilstranges  liegt  der 
zarte  ’S  trung,i- dessen  innere  Seitenfläche  die  Seitenwand  des  hin- 
tern Einschnittes ' bildet , und  ziun  Theil  an  der  entsprechenden 


3.  Vom  Gehirn.  Verlängertes  Mark. 


825 


Fläche  des  Stranges  der  andern  Seite  dicht  anliegt.  An  der 
Spitze  der  Rautengruhe  schwillt  dieser  Strang  an  und  bildet  einen 
keulenförmigen  \Vulst.  Burbach  a.  a.  O.  p.  37. 

7)  Die  runden  Stränge  kommen  durch  das  Äuseinanderwel- 
chen  der  zarten  Stränge  als  Seitenwände  des  Bückenmarkskana- 
les zum  Vorscliein,  sic  kommen  zwischen  den  auseinanderwei- 
chenden zarten  Strängen  in  die  Rautengruhe,  und  gehen  durch 
den  Einschnitt  getrennt  vorwärts,  den  Boden  der  Rautengruhe 
bildend,  und  bis  in  den  vordem  und  untern  Umfang  der  Was- 
serleitung sich  fortsetzend, 

Auf  eine  ausführliche  Beschreibung  der  Hirnfaserungen  kann 
man  sich  hier  nicht  einlassen  und  verweist  auf  das  Werk  von 
Eubdacu  und  Lahgenbeck’s  Icones , und  in  Hinsicht  der  Zusam- 
menstellung der  neueren  Forschungeij  über  den  Bau  des  Gehirns 
auf  E.  H.  Wf.brr’s  Anatomie.,  und  eine  sehr  zweckmässige,  klare 
und  genaue  Darstellung  desselben  von  D’Alton  im  XI.  Bande  des 
encyclopädisehen  IV örierbi^hs  der  medieirtischr./i  Wissenschaften. 

Was.  die  Kräfte  des  verlängerten  Afarkes  betrifft,  so  ist  zu- 
erst zu  bemerken,  dass  es  im  Allgemeinen  die  Eigenschaften  des 
Rückenmarkes  theilti  es  ist  so  gut  wie  das  Rückenmark  Refle- 
ctor,  ja  kein  Tliell  des  ganzen  Nervensystems  ist  so  sehr  zui- Re- 
flexion geneigt,  als  dieser  Theil;  depn  die  Reizungen  der  voin 
verlängerten  Marke  entspringenden  Nerven  bringen  vor  allen  an- 
deren Nerven  am - leichtesten  Reflexionsbewegungqn  hervor;  es 
gehört  mit  zu  den  motorisclien  Apparaten,  und  kein  Theil  des 
Nervensystems  hirt  einen  so  grossen  Einfluss  auf  Hervorbrin- 
gung von  Bewegungen,  als  dieser;  de|)n  bei  Reizung  desselben 
erfolgen  Zuckungen  am  ganzen  Rumpfe,  und  bei  der  Verletzung 
dessellxen  ift  der  ganze  Rumpf  gelähmt.  Aber  wodurch  sich  das 
verlängerte  Mark  vor  allen  Theilen  der  Centralorgane . auszeich- 
net, sind  folgende  Eigenschaften. 

1)  Es  ist  die  Quelle  aller  Athembewegungen,  wie  schon  oben 
p.  331.  aus  den  Versuchen  vop  Legallois  gezeigt  wurde.  Wird 
das'  Gehirn  von  vorn  nach  hinten  bei  einem  Thiere  zerstört,  §o 
hört  das  Athmen  erst  auf  bei  der  Verletzung  der  Medullu  oblopr 
gata.  In  diesem  Organe  liegt  also  die  Quelle  der  periodischen 
Inspirationen,  der  veränderten  Atliemhewcgungfin,  der  krankhat- 
ten, Respirationsbewegungeii  bei  den  Reizungen  der  Empfindung^ 
nerven  in  den  Schleimhäuten.  Auf  dasselbe,  virkeu  dje  Leiden- 
schaften  hei  Erregung  aller  Respirationm«rvpn,  dep  N.  facialis 
eingeschlossen;  in  ihm  ist  das  Primum  movens.  zu  den  Bewegun- 
gen, die  das  Weinen,  Lachen,  Schluchzen,  Seufzen,  Gähnen,  Hu- 
sten, Erbrechen  u.  s,  w.  begleiten  oder  bewirken;  bei  welchen 
Bewegungen  immer  das  ganze  System  der  respirptprischen,  Ner- 
ven und -der  N.  facialis  afficirt  ist;  So  wie.  ein  Theil  dieser  Be- 
wegungen von  dem  verlängerten  .Marke  aus,  in  Leidenschaften 
bewirkt  wird,  so  entstehen  'Siß  .durch  eine  Wirkung  des- Semso- 
riums  auf  das  verlängerte  Murk ,,  oft  auch  durch  blosse;  Vorstel- 
lungen, wie  das  La«ben,  Weinen,  Gähnen.  Die  Disposition,  zum 
Gähnen  scheint.  ]>ei  dem  Zustande  der  Ermüdung  in  den  Cen- 
traltheilen  des  Nervensy^ems  immer  vorhanden  zu  .seyn;  , tritt 

53* 


826  IIT.  Buch.  Ncrpenphysik.  V.  Ahschn.  Ceniraltheüe  d.  Nervensyst. 

dann  die  Vorstellung  vom  Gälinen  dazn,  indem  wir  Andere  g'ali- 
nen  sehen,  so  wird  die  Disposition  oftienhar  und  wir  gähnen 
wirklich.  Bei  dieser  Bewegung  ist  wieder  das  System  der  respi- 
ratorischen Nerven  und  der  Nervus  facialis  alllicirt,  sowohl  die 
Gesichtsäste  als  derjenige,  der  sich  im  Musculus  digastricus 
verbreitet. 

2)  Es  ist  der  Sitz  des  Willenseinflusses.  Denn  wie  die  Ver- 
suche von  FLOtruESS  zeigen,  sind  die  Thiere,  welche  die  Hemisphären 
des  grossen  Gehirns  vei^oren  haben,  zwar  betäubt,  aber  noch  fähig, 
Bewegungen  willkührlich  auszufiihren ; andrerseits  behalten  die 
Thiere  diese  Fähigkeit  auch  nach  Hinwegnahme  des  kleinen  Ge- 
hirns, wodurch  bloss  die  Kraft  der  Bewegungen  und  die  Fähigkeit 
zu  zusammenhängenden  Ortsbewegungen  aufgehoben  wird.  Vergl. 
über  hirnlose  Missgeburten  mit  willkührlicher  Bewegung,  oben 
p.  333.,  Mueller’s  Archia  1834.  p.  168. 

3)  In  diesem  Organe  ist  auch  der  Sitz  des  Empfindungsver- 
mögens; nicht  allein  dass  alle  Gehirnnerven,  mit  Ausnahme  des 
ersten  und  zweiten,  mit  den  Fortsetzungen  des  verlängerten  Markes 
im  Gehirne  oder  mit  diesem  selbst  Zusammenhängen,  wird  dieser 
Satz  auch  durch  die  Geschichte  der  Verletzungen  der  Hirntbeile 
erwiesen.  Aus  den  Versuchen  von  Magesdie  und  Desmouliss 
geht  hervor,  dass  ein  Thier  nach  dem  Vo'liistc  der  Hemisphä- 
ren des  grossen  Gehirns  und  des  kleinen  Gehirns  das  Empfin- 
dungsvermögen nicht  verloren  hat.  Mit  der  Hinwegnähmc  der 
Hemisphären  werden  zwar  die  Centralorgane  des  Gesichtssinnes 
und  Geruchssinnes  entfernt,  und  es  tritt  Blindheit  ein;  dagegen 
Scheint  das  Bewusstwerden  der  Empfindungen  nicht  an  die  He- 
misphären des'  grossen  Gehirns  geknüpft  zu  seyn.  Floukens  hat 
zwar  aus  Seinen  Versuchen  über  Hinwegnahme  der  grossen  He- 
misphären geschlossen,  dass  diese  Theile  allein  die  Centralorganc 
der  Empfindungen  seyen,  und  dass  ein  Thier  nach  der  W'eg- 
nahme  derselben  gar  nicht  empfinde.  Indessen  folgt  diess  nicht 
aus  seinen  sonst  so  interessanten  Versuchen,  sondern  gerade  das 
Gegentheil,  wie  schon  Cuvier  in  seinem  Berichte  über  diese  Ver- 
suche bemerkt  hat.  Es  wird  zwar  ein  Thier  nach  dem  Verluste 
der  Hemisphären  des  grossen  Gehirns  stumpfsinnig,  aber  gleich- 
wohl zeigt  es  ganz  deutliche  ZeiClten  von  Empfindung,  nicht  von 
blosser  Reflexion.  Es  bestimmt  sich  selbst  nicht  mehr  zu  Bewe- 
gungen, aber  weün  man  es  ’stösst,  zeigt  es  das  Benehmen  eines 
eben  aufwaChenden  Thieres.  Bringt  man  es  in  eine  andere  Lage, 
so  sucht  es  das  Gleichgewicht;  auf  den  Rücken  gelegt,  steht  es 
auf;  angestosaen,  hüpft  es;  Vögel  in  die  Luft  geworfen,  machen 
Versuche  zu  fliegen;  Frösche  hüpfen  fort.  Wohl  hat  das  Thier 
kein  Gedächtniss  mehr,  es  überlegt  nicht,  aber  es  empfindet  den- 
noch, und  reagirt  gegen  Empfindungen  durch  Bewegungen,  wel- 
che keine  blossen  Reflexionsphänomene  sind.  CtrviEn  vergleicht 
diese  Thiere  ganz  richtig  einem  schlafenden  Menschen,  auch  die- 
ser sucht  im  Schläfe  noch  eine  bequeme  Lage;  er  empfindet. 
Cuvier’s  Bencht  etc.  in  Flouhess  B'ersuche  und  Untersuchungen 
über  die  Eigenschaften  und  Verrichtungen  des  Nervensystems.  Lpzg. 

1824.  p.  71. 


3.  Vom  Gehirn.  Verlängertes  Mark.  827 

Mau  muss  bei  den  Empfindungen  eines  gesunden  beseelten 
Wesens  wohl  die  Empfindungen  selbst  von  der  Aufmerksamkeit 
auf  dieselben,  und  von  der  Fähigkeit,  Vorstellungen  aus  den  Etn- 
pfindurigen  zu  bilden,  unterscheiden.  Die  Aufmerksamkeit  scheint 
eine  Thätigkeit  der  Hemisphären  des  grossen  Gehirns  zu  seyn; 
mit  ihrem  Verluste  tritt  Stumpfsinn  ein,  die  Empfindung  bleibt. 
Dagegen  kann  ein  gesunder  Mensch  unter  einer  gewissen  Anzahl 
zugleich  stattfindender  Empfindungen  einer  einzigen  derselben 
seine  Attention  zuwenden,  und  sie  zur  herrschenden,  zu  derjenigen 
machen,  deren  er  sich  in  ihrem  ganzen  Umfange,  in  ihrer  ganzen 
Stärke  bewusst  wird,  die  Vorstellungen  in  ihm  erregt,  während 
andere  Empfindungen  zwar  auch  bewusst  werden,  aber  undeut- 
lich sind,  wenn  die  Attention  auf  sie  nicht  gerichtet  ist.  Ja 
■wir  sind  selbst  im  Stande,  in  einem  Gesichtseindrucke  von  einer 
architectonischen  Rose  oder  zusammengesetzten  andern  Figur, 
bald  den  einen,  bald  den  andern  durch  das  Ganze  durchstrehen- 
der  Theil  der  Figur  mit  Attention  stärker  zu  empfinden,  wo- 
durch wir  zur  Zergliederung  zusammengesetzter  Figuren  bestimmt 
werden.  So  sind  wir  auch  fähig,  unter  einer  Menge  zugleich 
wirkender  miisikalischer  Instrumente  ein  einzelnes  und  oft  das 
schwächste  mit  Aufmerksamkeit  zu  verfolgen,  während  die  Töne 
der  anderen  Instrumente  des  Orchesters  nur  dunkle  Empfindungen 
in  uns  erregen.  Und  so  hängt  also  die  Deutlichkeit  der  Empfin- 
gen von  der  Mitwirkung  edlerer  Organe  ab,  welche  nach  dem 
Verluste  der  Hemisphären  des  grossen  Gehirns  verloren  sitid, 
während  das  verlängerte  Mark  dunkler  Empfindungen  fähig  ist. 

Einige  haben  geglaubt,  dass  das  verlängerte  Mark,  wie  es 
der  Sitz  des  Willens  ist,  auch  das  Centralorgan  für  alle  Em- 
pfindungen sey.  Diess  scheint  uns  ein  Missverständniss,  wenn 
man  unter  dem  verlängerten  Marke  bloss  den  angeschwollenen 
obersten  Theil  des  Rückenmarkes  versteht,  und  nicht  zugleich 
die  Fortsetzungen  desselben  in  das  grosse  Gehirn  im  Sinne  hat. 
Allerdings  ist  das  verlängerte  Mark  im  engem  Sinne  das  Central- 
organ für  alle  Gcfühlsempfindungen,  und  sie  finden  nach  dem 
Verluste  des  grossen  Gehirns  noch  statt,  aber  ohne  Attention. 
Andrerseits  giebt  es  aber  auch  für  den  Gesichtssinn  und  den 
Geruchssinn  Centralapparate,  die  in  den  Hemisphären  des  gros- 
sen Gehirns  liegen.  Nach  ihrer  Verletzung  hört  das  Sehen  und 
Riechen  auf,  wie  z.  B.  nach  Verletzung  des  vordem  Vicrhügelpaa- 
res,  des  Thalamus  opticus,  und  überhaupt  der  tieferen  Theile  der 
Hemisphären  Blindheit  eintrilt.  Es  scheint  also,  dass  die  Cen- 
tralorgane der  verschiedenen  Sinne  lür  sich  bestehen;  mögen  sie 
auch  zum  Theil  zu  den  Verlängerungen  des  Systems  der  Stränge  der 
Medulla  oblongata  gehören,  so  scheint  doch  ihre  Wirkung  isollrt 
stattfinden  zu  können,  und  erst  durch  Mitwirkung  der  Hemi- 
sphären des  grossen  Gehirns  mit  den  Ceutralorgancn  der  Sinne 
tritt  die  Attention,  die  deutliche  Anschauung  der  durch  die  ver- 
schiedenen Centralorgane  der  Sinne  dargebotenen  Empfindungen 
ein.  Diess  ist  vor  der  Hand  wahrscheinlich,  doch  zum  Beweise 
fehlt  noch  manche  Thatsache.  Es  scheint  zwar  einerseits  ge- 
wiss, dass  nach  Wegnahme  des  Centralapparates  für  das  Sehen 


828  in.  Buch.  Nervenphysik.  V.  Abschn.  Centraltheile  d.  Nervensysl. 

noch  durch  das  verlängerte  Mark  die  Gefühlsempfindungen  mit 
Bewusstseyn  stattfinden  können ; aber  wir  wissen  andrerseits  nicht, 
ob  nach  dem  Verluste  des  verlängerten  Markes  in  den  Centralor- 
ganen der  übrigen  Sinne  noch  Empfindungen  stattfinden  können. 
Mit  der  Verletzung  des  verlängerten  Markes  hört  das  Atbmen 
auf,  dadurch  sinkt  das  Leben  auf  ein  Minimum  herab,  bei  wel- 
chem es  unmöglich  ist,  Beobachtungen  über  die  Fortdauer  der 
Sinnesempfindungen  des  Gesichtssinnes,  Geruchssinnes  u.  s.  w. , an- 
zustcllen.  Immer  bleibt  es  aber  jetzt  am  wahrscheinlichsten, 
dass  die  Hernisjjhären  des  grossen  Gehirnes,  und  nicht  das  verlän- 
gerte Mark  es  sind,  in  welche  die  Wirkungen  der  verschiedenen 
Centralapparate  der  Empfindungen  enden,  und  wo  die  von  einan- 
der unabhängigen  Empfindungen  zu  Sinnesanschauungen  umge- 
staltet werden. 

Was  den  Gehörsinn  betrifft,  so  nimmt  man  gewöhnlich  an, 
dass  sein  Centralorgan  der  Boden  des  vierten  Ventrikels  sey, 
weil  die  Fasern  'des  Gehörnerven  von  dort  entspringen.  Fnou- 
»EHS  hingegen  behauptet,  dass  nach  dem  Verluste  der  He- 
misphären des  grossen  Gehirns  das  Gehör  aufhöre,  obgleich  Vö- 
gel nach  dem  Verluste  noch  Monate  lang  erhalten  werden  kön- 
nen, wie  Flourens  und  Hertwig  beobachtet  haben.  Mag  indess 
auch  die  Gehörempfindung  an  die  Integrität  des  Bodens  des  vier- 
ten Ventrikels  geknüpft  seyn,  so  scheinen  doch  die  weisseu  queren 
Markfasern  der  Rautengrube,  welche  durchaus  nicht  constant  mit 
dem  Gehörnerven  Zusammenhängen,  und  zuweilen  deutlich  über 
die  obere  Wurzel  des  Gehörnerven  in  die  Schenkel  des  kleinen 
Gehirns  zur  Brücke  übergehen,  nicht  die  wichtige  Rolle  bei  den 
Gehörempfindmigen  zu  spielen,  welche  man  ihnen  so  oft  beilegt. 
Wir  besitzen  das  Gehirn  eines  Mädchens  in  unserem  Museum, 
das  nach  einem  Falle  auf  den  Nacken  und  das  Hinterhaupt  all- 
mählig  am  ganzen  Körper  gelähmt  wurde , und  wo  sich  auf  dem 
Boden  der  Rautengrube  auf  den  queren  Markstreifen  eine  Exsu- 
dation  von  Faserstoff  befand,  ohne  dass  das  Gehör  dieses  Sub- 
jectes  gelitten  hätte.  Siehe  Fiscber  de  rariore  cncephalitidis  casu. 
ßerol.  1834. 

IV.  Von  den  Vierhügcln. 

Die  Vierhügel  der  Säugetlnere  und  die  Lobi  optici  der  Vögel, 
Amphibien  und  Fische  gehören  zu  dem  Centralapparate  des  Gesichts- 
sinnes mit  den  Thalami  optici  der  höheren  Thiere.  Nimmt  man 
bei  einer  Taube  einen  der  Lobi  optici,  oder  bei  einem  Säugethiere 
eine  Hälfte  der  Corpora  quadrigemiua  weg,  so  erfolgt  nach  FloU" 
REHS  (bei|Säugethieren  nacliMAGESDiE  nicht)  Blindheit  auf  der  entge- 
gengesetzten Seite,  aber  die  Regenbogenhaut  auf  diesem  Auge  bleibt 
noch  lange  beweglich.  Die  Thiere  drehen  sich  oft  um  sich  selbst,  und 
zwar  nach  der  Seite,  wo  der  Körper  weggenommen  worden,  was 
auch  Magekdie  und  Desmoulins  fanden.  Dieses  Drehen,  welches 
auch  bei  Fröschen  bemei’kt  wird,  scheint  die  Folge  eines  Schwin- 
dels zu  seyn.  Wurde  unversehrten  Tauben  das  eine  Auge  zuge- 
bunden,  so  drehten  sie  sich  auch,  aber  nicht  so  heftig,  und 


3.  Vom  Gehirn.  Vierhilgel. 


829 


nicht  so  lange,  als  die  verstümmelte  Tanhe.  Bei  der  Ver- 
letzung der  Vierhügel  treten  immer  Conviilsionen  auf  der  entge- 
gengesetzten Seite  des  Rumpfes  ein;  auch  wird  die  entgegenge- 
setzte Seite  des  Körpers  von  Muskelschwächc  befallen. 

Eine  merkwürdige  Ersclieiiiung  ist,  dass  die  Contractilität 
der  Iris  nach  der  oberllächlicheu  Verletzung  eines  Lohus  opti- 
cus nicht  verloren  geht,  während  die  vollständige  Wegnahme  ei- 
nes Lohns  opticus  die  Contractilität  der  Irls  auf  hebt;  dahingegen 
mit  der  Verletzung  eines  Lohus  opticus  jedesmal  das  Gesicht  auf 
der  entgegengesetzten  Seite  verloren  geht.  Flottbeks  erklärt 
diess  daraus,  dass  eine  unvollkommene  Exstirpation  der  Lohi  op- 
tici die  Excitabilität  der  Sehnerven  nicht  auf  hebt,  weil  sie  nicht 
alle  Wurzeln  der  Sehnerven  zerstört.  Von  der  Excitation  der 
Sehnerven  durch  das  Licht  hängt  aber  die  Bewegung  der  Iris 
ab;  denn  sobald  Floubess  die  Sehnerven  selbst  reizte,  entstand 
eine  Contraction  der  Iris,  und  nach  Durchschneidung  der  blossen 
Sehnerven  zieht  sich  die  Iris  nicht  mehr  gegen  Lichtreiz  zusam- 
men. Diese  Ei'klärung  ist  auch  richtig;  indess  lässt  sich  die 
Fortdauer  der  Bewegung  der  Iris  gegen  das  Licht  nach  der 
oberflächlichen  Verletzung  des  Lohns  opticus  einer  Seite  auch 
noch  einfacher  erklären.  Denn  zur  Bewegung  der  Iris  ist  o*  al- 
lein schon  hinreichend,  dass  der  Sehnerve  der  andern  Seite  von 
dem  Lichte  gereizt  wird,  wie  auch  im  gesunden  Zustande  die 
Iris  des  einen  Auges  auf  die  Reizung  der  Retina  des  andern  Au- 
ges contrahirt  wird.  Durch  die  Üntersuchungen  von  Hebtwig 
{Exp.  de  effectibus  laesionum  in  pariihus  encephaU.  Berol.  1826.) 
sind  die  Versuche  von  Floubeks  fast  durchgängig  bestätigt  wor- 
den. Dieselben  zeigten  nämlich,  dass  die  theilweise  Verletzung 
eines  der  Vierhügel  bei  Säugethieren  und  Vögeln  Muskelschwä- 
che und  Verlust  des  Gesichtes  auf  der  entgegengesetzten  Seite 
des  Körpers  hervorbringt,  dass  das  Sehen  nach  einer  theil- 
weisen  Verletzung  der  Vierhügel  zwar  auf  eine  Zeitlang  ver- 
schwindet, aber  dann  wiederkehrt;  -dass  die  Bewegung  der  Iris 
durch  theilweise  Verletzung  eines  der  Vierhügel  nicht  aufge- 
hoben wird,  sondern  zuweilen  fortdauert;  dass  durch  die  tie- 
fere oder  gänzliche  Exstirpation  der  Vierhügcl  sowohl  das  Seh- 
vermögen als  die  Contraction  der  Iris  gänzlich  verloren  gehen; 
dass  die  Verletzung  der  Vierhügel  in  dem  Auge  fast  dasselbe 
bewirkt,  als  die  Verletzung  der  Sehnerven;  dass  auf  die  Ver- 
letzung eines  der  Hügel  eine  Muskelschwäche  auf  der  entgegen- 
gesetzten Seite  des  Körpers  eintritt,  aber  einige  Zeit  darauf  wieder 
verschwindet;  dass  mit  dieser  Verletzung  auf  einer  Seite  zugleich 
eine  schwindelartige  Bewegung  der  Thiere  im  Kreise  entsteht; 
dass  durch  die  Verletzung  der  Vierhügel  bloss  die  genannten 
Erscheinungen,  nicht  aber  irgend  eine  andere  Störung  z.  B.  des 
Gedächtnisses,  des  Bewusstseyns  bewirkt  wird. 

Hertwig’s  Beobachtungen  weichen  nur  darin  von  denen  von 
Floubeks  ab,  dass  Hebtwig  bei  Verletzung  der  Vierhügel  keine 
Convulsionen  entstehen  sah,  dalier  es  wahrscheinlich  ist,  dass 
Floubeks  abweichende  Resultate  von  einem  zu  tiefen  Eindiängcn 
Abhängen. 


830  III,  Buch.  Nert>enphjrsik.  V.Abschn,  Centraliheile  d.Nervensyst. 

V.  Vom  kleinen  Gehirne. 

lieber  die  Kräfte  des  kleinen  Gehirns  haben  Rolando,  Ftoti- 
REHS , Magendie,  Schoeps  und  Hertwig  interessante  Versuche  an- 
gestellt. Aus  den  Untersuchungen  von  RoLAnno  {Journal  de  phf- 
siol.  1823.,  Saggio  sopra  la  vcra  siruttura  del  ceroello,  edit.  3. 
Torrn.  1828.  3 Vol.)  ergiebt  sich,  dass  die  Abnahme  der  Bewe- 
gungen mit  der  Verletzung  des  kleinen  Gehirns  im  geraden  Ver- 
hältnisse steht,  dass  die  Thiere  durch  diese  Verletzung  nicht  be- 
täubt werden,  und  ihre  Empfindungskraft  in  allen  Theilen  be- 
halten, dass  sie  aber  die  Krall  ihrer  Muskelbewegungen  verlieren. 
Die  Thiere  haben  die  Augen  offen,  sie  betrachten  alle  Gegen- 
stände, aber  umsonst  versuchen  sie  sich  in  der  zur  Ortsverände- 
rnng  nöthigen  Bewegung.  Ein  Thier,  dem  die  eine  Seite  des  kleinen 
Gehirns  weggenommen  ist,  fällt  auf  dieselbe  Seite,  und  kann  sich 
auf  dem  Beine  derselben  Seite  nicht  mehr  erhalten  (?).  Diese  Beob- 
achtungen bestimmten  Rolando  zu  der  unenveislichen  Annahme, 
dass  das  kleine  Gehirn  das  Erzeugungsorgan  für  das  Nervenprincip 
sey,  welches  er  mit  dem  electrischen  Principe  vergleicht,  und  dass 
die  abwechselnden  Lagen  von  grauer  und  weisser  Substanz,  wie  auch 
Reu,  glaubte,  als  eine  galvanische  Säule  wirken.  Die  Versuche  von 
Flovrens  sind  in  ihren  Resultaten  klarer  und  entscheidender.  Er 
ftind,  dass  die  Thiere  bei  dem  Abtragen  des  kleinen  Gehirns 
keine  Empfindungen  zeigen  (Versuche  etc.  p.  18.).  Nahm  er  bei 
Vögeln  Schnitt  für  Schnitt  das  kleine  Gehirn  weg,  so  trat  Schwä- 
che der  Mnskelbewegnngen  und  Mangel  an  Üebereinstimmung 
derselben  ein.  Nach  der  Wegnahme  der  oberflächlichen  und 
mittleren  Lagen  wurden  die  Thiere  unruhig,  ohne  in  Convulsion 
zu  gerathen;  sie  machten  heftige  und  ungeregelte  Bewegungen, 
aber  sahen  und  hörten.  Als  die  letzten  Lagen  -weggenornmen 
wurden,  verloren  die  Thiere  die  Fähigkeit  zum  Springen,  Flie- 
gen, Gehen,  Stehen,  zur  Erhaltung  des  Gleichgewichtes.  Wurde 
ein  Vogel  in  diesem  Zustande  auf  den  Rücken  gelegt,  so  konnte 
er  nicht  mehr  aufstehen,  er  flatterte  beständig' und  zeigte  keine 
Betäubung;  er  sah  den  Streich,  den  man  nach  ihm  fuhren  wollte, 
und  wollte  ihn  vermeiden.  Es  blieh  also  Wille,  Empfindung  und 
Besinnung,  und  nur  die  Kraft  und  Fähigkeit,  die  Bewegungen  der 
Muskeln  gruppenweise  zweckmässig  zu  Ortsbewegungen  zu  ver- 
binden, war  verloren,  und  seine  Anstrengungen  zur  Erhaltung 
des  Gleichgewichtes  waren  wie  die  eines  Trunkenen  (a.  a.  O.  p.  34.). 
Aus  diesen  Versuchen,  die  Flouress  in  allen  Thierclassen  über- 
einstimmende Resultate  gaben,  schliesst  derselbe,  dass  das  kleine 
Gehirn  weder  zu  den  sensoriellen,  noch  zu  den  intellectuellen  Appa- 
raten gehört,  dass  in  ihm  nicht  die  Quelle  der  Avillkührlichen  Be- 
wegungen liegt,  dass  es  zwar  zu  den  motorischen  Apparaten 
gehört,  dass  es  aber  bei  Verletzungen  nicht  wie  andere  motori- 
sche Apparate,  Rückenmark  und  verlängertes  Mark,  Convulsionen 
bewirkt,  dass  vielmehr  durch  seine  Verletzung  nur  die  Kraft  der 
Bewegungen  und  die  Fähigkeit,  sie  zweckmässig  zu  den  Ortsbe- 
Avegungen  zu  coordiniren,  verloren  geht.  Wenn  diese  Ansicht  rich- 
tig ist,  so  muss  im  kleinen  Gehirne  die  Mechanik  zu  der  gruppen- 


3.  Vom  Gehirn.  Kleines  Gehirn. 


831 


weisen  Erregung  der  Muskeln  vorgebildet  scyn,  so  dass  jede  Störung 
der  Stmctur  dieses  Organes  gleichsam  die  prästabilirte  Harmonie 
zwischen  diesem  Centralapparate  und  den  Muskelgruppen  und 
ihren  nervösen  Leitern  aufhebt.  Bemerkenswerth  ist  noch,  dass 
die  Verletzungen  des  kleinen  Geliirns  immer  ihre  Wirkungen  kreu- 
zend auf  der  entgegengesetzten  Seite  des  Rumpfes  zeigen. 

Diese  Beobachtungen  sind  durch  die  Versuche  von  Hebtwig 
bestätigt  worden.  Aus  diesen  ergieht  sich , dass  das  kleine 
Gehirn  für  sich  nicht  sensibel  ist,  durch  seine  Reizungen  keine 
Convulsionen  der  Muskeln  eintreten,  dass  seine  ungestörte  Wir- 
kung zur  Verbindung  der  Bewegungen  für  einen  gewissen  Zweck, 
z.  B.  des  Fliegens,  Stehens,  Laufens,  zur  Erhaltung  des  Gleich- 
gewichtes nöthig  ist,  dass  die  Verletzung  desselben  weder  auf  die 
Sinne  noch  auf  andere  Functionen  des  Körpers  Einfluss  hat. 
Gleichwohl  sah  Hebtwig,  dass  die  Kraft  des  kleinen  Gehirns 
nach  einer  theilweisen  Zerstörung  sich  allmählig  wieder  herstellte. 
Die  kreuzende  Wirkung  des  kleinen  Gehirns  wird  von  Hebtwig 
bestätigt. 

Magendie  sah,  dass  Igel  und  Meerschweinchen,  denen  er  das 
grosse  und  auch  das  kleine  Gehirn  weggenommen  hatte,  sich 
noch  die  Nase  mit  den  Vorderpfoten  rieben,  wenn  man  ihnen 
Essig  unter  die  Nase  hielt.  Derselbe  will  nach  der  Verletzung 
des  kleinen  Gehirns  beobachtet  haben,  dass  die  Thiere  sich  an- 
strengten, vorwärts  zu  gehen,  und  durch  eine  innere  Gewalt  ge- 
nöthigt  wurden,  rückwärts  zu  gehen.  Nach  der  Verletzung  der 
Pedunculi  cerehelli  ad  pontem  und  des  Pons  selbst  auf  einer 
Seite  sah  er  constant,  dass  die  Thiere  sich  nach  derselben  Seite 
herumwälzen.  Diese  Wirkung  erfolgt  sogar  durch  jeden  Verti- 
calschnitt,  welcher  die  über  dem  vierten  Ventrikel  liegende 
Markmasse  trifft,  zeigt  sich  aller  am  stärksten  nach  Verletzung 
der  Pedunculi  ad  pontem.  Zuweilen  sollen  die  Thiere  60mal  in 
der  Minute  sich  umdrehen,  und  er  sah  diese  Bewegung  acht  Tage 
ohne  Aufhören  fortdauem.  Diese  Bewegungen  sind  keine  Convul- 
sionen, sondern  werden  willkührlich  von  dem  Thiere  ausgefiihrt, 
als  wenn  eine  innere  Gewalt  es  dazu  nöthigte,  oder  als  wenn  es 
von  Schwindel  ergriffen  wäre.  Durch  die  Durchschneidung  des 
Schenkels  der  andern  Seite  soll  man  das  Gleichgewicht  wieder 
hersteilen  können.  Hebtwig  sah  auch  Drehungen  nach  rechts 
nach  Verletztung  des  Pons  auf  der  rechten  Seite  heim  Hunde; 
dabei  war  das  eine  Auge  nach  oben,  das  andere  nach  unten  ge- 
dreht. Derselbe  beobachtete  hei  Verletzungen  des  Pons  auf  der 
Oberfläche  mässigen  Schmerz,  und  schreibt  dem  Pons  eine  kreu- 
zende Wirkung  zu.  Convulsionen  beobachtete  er  nach  Verlet- 
zungen des  Pons  nicht. 

Der  Pedunculus  cerehelli  inlerior  (Corpus  restiforme)  gehört 
zum  System  des  verlängerten  Markes;  nach  seiner  Verletzung 
treten  nach  Rolando’s  Versuch  an  einer  Ziege  Convulsionen  ein, 
Wobei  der  Körper  des  Thieres  auf  die  verletzte  Seite  sich  krümmte. 
^oggio  ed.  3.  p.  128.  Die  Pedunculi  cerehelli  anteriores  (ad  Corp. 
fluadrig.)  bewirkten  nach  demselben  Autor  verletzt  auch  Con- 
''ulsionen,  die  entgegengesetzten  Extremitäten  waren  mehr  he- 


832  III.  Buch,  Nerpenphfsik,  V,  Ahschn,  Centraltheile  d.  Nervensjsl, 

wegt;  das  Thier  (Kaninchen)  fiel  nach  Sprüngen  immer  auf  die 
verletzte  Seite. 

Nach  Gall  soll  das  kleine  Gehirn  das  Centralorgan  des  Ge- 
schlechtstriebes seyn.  Diese  Ansicht  stützt  sich  nicht  auf  sichere 
Thatsachen.  Burdach  hat  die  hielier  gehörigen  Thatsachen  zusam- 
mengestcllt,  a.  a.  O.  3.  p.  423.  Nach  Buedach  kömmt  die  Affection 
der  Geschlechtstheile  unter  17  Fällen  von  Fehlern  des  kleinen  Ge- 
hirns, und  unter  332  Fällen  von  Fehlern  des  grossen  Gehirns  ein- 
mal vor.  In  apoplectischen  Fällen  mit  Erection  hat  man  Bluter- 
guss im  kleinen  Gehirne  gefunden  (Sebres  im  Journal  de  physiol. 

3.  114.).  Dunglisom  beobachtete  hei  einer  Entzündung  des  klei- 
nen Gehirns  mit  seröser  Ergiessung  Priapismus.  Bei  Zerstörung 
des  Bückenmarks  in  Tlüeren  bewirkt  man  auch  zuweilen  Erection.  ^ 
Heusinger’s  Beobachtungen  (Meckel’s  ArcMo.  ß.  551.),  der  hei  zwei 
Vögeln,  die  plötzlich  gestorben,  einen  strotzenden  Zustand  der  Ho- 
den und  Blutergiessung  im  kleinen  Gehirne  fand,  können  ivohl  nicht 
als  Beweise  lür  Gaul’s  Ansicht  angeführt  werden,  und  alle  übrigen 
von  Bubdach  angeführten  Fälle  von  gleichzeitigen  Krankheiten  des 
kleinen  Gehirns  und  der  Genitalfunctionen  beweisen  im  Grunde 
auch  nicht  viel.  Die  Coincidenz  der  Bückenraarkskrankheiten  mit 
Affection  der  Genitalien  ist  noch  häufiger.  Auch  steht  die  Ent- 
wickelung des  kleinen  Gehirns  in  keinem  Verhältnisse  mit  der 
Energie  des  Geschlechtstriebes  in  der  Thierwelt.  Diess  Organ 
ist  bei  den  nackten  Amphibien,  wo  es  eine  blosse  Leiste  über 
den  vierten  Ventrikel  darstellt,  ausserordentlich  klein,  und  gleich- 
wohl ist  der  Geschlechtstrieh  dieser  Thiere  zum  Sprüchworte  ge- 
worden, obgleich  hei  den  nackten  Amphibien  die  Erection  weg- 
fällt. Gegen  die  Hypothese  spricht  ferner  ein  Präparat  des  ana- 
tomischen Museums  zu  Bonn  von  dem  kleinen  Gehirne  eines 
Mannes,  hei  dem  man  hei  der  Section  eine  Atrophie  der  einen 
Hälfte  des  kleinen  Gehirns  fand.  Siehe  Weber  in  noo.  act.  nat.  cur.  14. 
111.  Dieseil  Mann  war  an  einer  entzündlichen  Krankheit  ge- 
storben, und  hatte  einen  eher  zu  starken  als  zu  schwachen 
Geschlechtstrieh;  er  war  verhelrathet  und  Vater  von  mehreren 
Kindern.  Am  merkwürdigsten  sind  aber  die  von  Cruveilhier 
{Anat.  pathol.  Uvr.  15.  18.)  mitgetheilten  Thatsachen.  In  dem  ei- 
nen dieser  Fälle,  nämlich  von  einem  21jährigen  Individuum, 
landen  sich  zwei  grosse  tuberculöse  Massen  in  der  linken  Hemi- 
sphäre des  kleinen  Gehirns,  ohne  paralytische  Symptome,  ohne 
Kopfschmerzen  und  ohne  eine  positive  krankhafte  Erscheinung  in 
den  Genitalien.  Da  dieses  Individuum  keine  Neigung  zu  den 
Vergnügungen  der  Liebe  gehabt  haben  soll,  so  könnte  man  die- 
sen Fall  als  einen  Beweis  lür  die  GAuu’sche  Hypothese  ansehen. 
Indessen  zeigt  uns  der  zweite  Fall  eine  Coincidenz  des  vollkom- 
menen Mangels  des  kleinen  Gehirns  mit  Neigung  zur  Mastupra- 
tion;  diess  war  ein  eilfjähriges  Mädchen.  Im  7.  Jahre  zeigte 
dieses  Subject  eine  grosse  Schwäche  In  den  Extremitäten,  Man- 
gel an  Intelligenz  und  eine  undeutliche  Articulation.  Im  elften 
Jahre,  zur  Zeit,  wo  das  Individumn  genauer  beobachtet  wurde, 
war  die  Schwäche  in  den  Extremitäten  so  gross,  dass  cs  kaum 


8.  Vom  Gehirn.  Grosses  Gehirn. 


833 


die  Beine  bewegen  konnte,  die  nichts  von  ihrer  Senslbiliüit  ver- 
loren hatten.  Die  Bewegung  der  Arme  war  gestattet;  der  intel- 
Icctnelle  Zustand  war  stumpfsinnig.  Die  Person  starb  au  einer 
enUündlichen  Krankheit.  Die  Fossae  occipitales  inferiores  wa- 
ren mit  Serosilät  gefüllt.  Statt  des  kleinen  Gehirn^  fand  sich 
nur  eine  kleine  häutige  Querbinde  über  dem  verlängerten  Marke, 
die  jederseits  in  eine  Haselnuss  grosse  Anschwellung  überging. 
Der  Pons  fehlte  durchaus,  die  Oliven  waren  undeutlich.  Man 
sehe  die  Abbildung  bei  Cruveilhier  Uvr.  15. 

VI.  Von  den  Hemisphären  des  grossen  Gehirns. 

Schon  die  stufenweise  Entwickelung  der  Hemisphären  des 
grossen  Gehirns  bis  zum  Menschen , die  Coincidenz  der  Atrophie 
und  des  Mangels  der  Windungen  derselben  mit  Idiotismus  zeigen, 
dass  man  in  diesem  Organsysteme  des  Gehirns  den  Sitz  der  höheren 
Seelenthätigkeiten  suchen  muss.  Es  ist  aber  auch  direct  durch 
Versuche  bewiesen , dass  dem  so  ist.  Besonders  sind  Flourens 
Versuche  auch  in  diesem  Punkte  sehr  lehrreich  geworden,  und 
Hertwig’s  Versuche  haben  sie  im  Wesentlichen  nur  bestätigen 
können.  Die  Hemisphären  des  grossen  Gehirns  zeigen  beim  An- 
stich und  Anschneiden  selbst  keine  Empfindlichkeit.  Der  Ort 
des  Gehirns,  wo  die  Empfindungen  zu  Vorstellungen  gestaltet, 
die  Vorstellungen  aufbewalirt  werden,  um  gleichsam  als  Schatten 
der  Empfindung  wieder  zu  erscheinen,  ist  selbst  nicht  empfind- 
lich. Diese  Erfahrung,  die  auch  Hertwig  machte,  stimmt  auch 
mit  Erfahrungen  am  Menschen  hei  Kopfverletzungen  überein; 
denn  oft  genug  hat  man  schon  beobachtet,  wo  man  hervorge- 
quollene Theile  des  Gehirns  von  den  gesunden  ablösen  musste, 
dass  diess  auch  bei  einem  Subjecte  mit  klarem  Bewusstseyn  ohne 
alle  Empfindung  geschehen  kann.  Bei  der  Verletzung  der  He- 
misphären entstehen  auch  keine  Convulsionen , sondern  die  ein- 
zige constante  Folge  jeder  tiefem  Verletzung  der  Hemisphä- 
ren ist  Blindheit  des  Auges  der  entgegengesetzten  Seite,  und 
Stumpfsinn.  Dass  die  oberen  Theile  der  Hemisphären  keine  Mus- 
kelzusammenziehungen bewirken  können,  hatten  schon  Haller 
und  ZiKN  gefunden.  Auch  die  Corpora  striata,  die  Sehhügel  be- 
wirken gereizt  nach  Floureks  keine  Zuckungen,  und  Lorry  hatte 
dasselbe  schon  von  dem  Corpus  callosum  ausgemittelt. 

Die  vonFLouREHS  und  Hertwig  über  die  Function  der  Hemi- 
sphären an  verschiedenen  Tliieren  angestellten  Versuche  stimmen 
im  Allgemeinen  sehr  überein.  Ich  werde  das  sehr  interessante  Detail 
eines  Versuches  von  Flourehs  an  einer  Taube  mitthcilen.  Als 
Flourens  der  Taube  die  rechte  Hemisphäre  weggenommen  hatte, 
War  sie  auf  der  entgegengesetzten  Seite  blind.  Gleichwohl  dau- 
erte die  Contractilität  der  Iris  auf  diesem  Auge  fort,  aus  Grün- 
den, die  schon  oben  p.  830.  angegeben  worden.  In  allen  Thei- 
len  der  entgegengesetzten  Seite  des  Rumpfes  zeigte  sich  eine 
deutliche  Schwäche.  Diese  Schwäche  ist  indess  nach  Flourens 
^wohl  in  Hinsicht  des  Grades  als  der  Dauer  eine  veränderliche 
Erscheinung.  Bei  allen  Thieren  kommen  die  Kräfte  bald  wieder 


834  ///.  Buch.  Nerpenphfsik.  V.  Alschn.  Centraliheüe  d.  Neroensyst. 

ins  Gleicligewiclit , und  das  Missverli'ältniss  zwischen  Leiden  Sei- 
ten stellt  sicTi  wieder  her.  Die  Tauhe  sah  auf  der  verletzten 
Seite  sehr  gut,  sie  hörte,  stand,“  ging,  flog  ohne  Hinderniss.  Nach 
Wegnahme  beider  Hemisphären  entsteht  Verlust  des  Gesichtes 
und  Muskelschwäche , die  jedoch  weder  bedeutend  noch  an- 
haltend ist.  Eine  solche  Taube  flog,  wenn  man  sie  in  die  Luft 
warf;  sie  ging,  wenn  man  sie  stiess.  Die  Iris  war  in  beiden  Augen 
beweglich;  die  Taube  hörte  nicht,  sie  bewegte  sich  nicht  frei- 
willig, immer  zeigte  sie  sich  in  der  Art  eines  schlafenden  Thie- 
res,  und  wenn  man  sie  reizte,  so  zeigte  sie  das  Wesen  eines  er- 
wachenden Thieres.  In  welche  Lage  sie  nun  auch  gebracht 
wurde,  so  setzte  sie  sich  ins  Gleichgewicht;  auf  den  Rücken  ge- 
legt, stand  sie  auf;  Wasser,  das  man  ihr  in  den  Schnabel  gab, 
trank  sie;  sie  widerstrebte  den  Bemühungen,  den  Schnabel  zu 
öffnen.  Flourehs  vergleicht  ein  solches  Thier  mit  einem  Wesen, 
das  immer  zu  schlafen  genöthigt  ist,  aber  selbst  das  Vermögen 
zu  träumen  verloren  hat. ' Die  Versuche  an  Sängethieren  fielen 
fast  eben  so  aus.  Hertwig’s  Versuche  stimmen  mit  denen  von 
Flourens  überein.  Er  fand  die  Hemisphären  des  grossen  Ge- 
hirns nicht  eippfindlich , und  nur  bei  der  Verwundung  der  Basis 
des  Gehirns  zeigte  ein  Hund  Zeichen  des  Schmerzes.  Ein  Hund, 
dem  Hertwig  beide  Hemisphären  weggenommen,  bewegte  sich 
nicht  mehr  freiwillig  von  dem  Orte,  wo  er  lag,  sondern  war 
ganz  stumpfsinnig;  angeregt,  that  er  einige  Schritte,  sogleich 
fiel  er  aber  wieder  zu  Boden  und  in  Schlafsucht.  Einen 
Schuss  hörte  er  nicht.  Eine  Taube,  welcher  Hertwig  den  obern 
Theil  der  Hemisphäre  wegnahin,  hatte  Gesicht  und  Gehör  verlo- 
ren, und  sass  wie  schlafend  da.  Er  fütterte  sie;  Erbsen,  die  ihr 
bloss  in  den  Schnabel  gegeben  wurden,  verschlang  sie  nicht,  wohl 
aber,  wenn  sie  auf  die  Zunge  gelegt  wurden  (Reflexion) ; die  Mus- 
keln waren  wenig  geschwächt;  sie  stand  fest  und  flog,  in  die 
Luft  geworfen.  Dieser  Zustand  dauerte  bis  zum  15.  Tage,  W'o  das 
Gehör  und  die  Empfindlichkeit  grösstenthcils  wiederkehrten;  diese 
Taube  lebte  drei  Monate.  Eine  Henne,  der  beide  Hemisphären 
bis  fast  auf  die  Basis  ausgeschnitten  waren,  hatte  Gesicht,  Ge- 
hör, Geschmack,  Geruch  verloren,  sass  immer  an  einem  Orte 
und  gab  kein  Zeichen  x'on  sich,  bis  sie  heftig  angeregt,  einige 
Schritte  tliat.  In  diesem  Sopor  lebte  das  Thier  ohne  Wieder- 
herstellung der  Sinnesthätigkeit  drei  Monate.  Scuoeps  hat  ähnli- 
che Versuche  angestellt.  Meckel’s  Archio.  1827. 

Offenbar,  wie  aus  diesen  Versuchen  und  den  Folgen  des  Drucks 
auf  die  Hemisphären  des  Menschen  hervorgeht,  sind  diese  Theile 
des  Gehirns  der  Sitz  der  Seelenfunctionen,  der  Ort,  wo  die  Em- 
pfindungen nicht  bloss  bewusst  werden,  sondern  zu  Anschauungen, 
Vorstellungen  umgeschaffen,  und  von  wo  aus  die  Seelenthätigkcit 
als  Aufmerksamkeit  bald  mehr  diesem,  bald  jenem  1 heile  der 
sensoriellen  Einwirkungen  sich  zuwendet.  Welcher  Unterschied 
in  Hinsicht  der  Kräfte  der  grauen  und  markigen  Substanz 
obwalte,  ist  gänzlich  unbekannt.  Mit  der  Ausdehnung  der 
Oberfläche  der  Hirnwindungen  nimmt  offenbar  die  Capacität  des 
Seelenvermögens  in  der  Thierwelt  zu;  aber  wir  kennen  nicht 


3.  Vom  Gehirn.  Grosses  Gehirn. 


835 


entfernterweise  den  Einfluss  der  grauen  Einde,  in  welche  die 
unendliche  Menge  der  Fasern  des  Stahkranzes  zuletzt  ausstrah- 
len. Welche  VerändeiTing  in  den  Markfasern  oder  der  grauen 
Miisse,  oder  dem  sie  beseelenden  Principe  vorgeht,  wenn  eine 
Vorstellung  eine  Impression  auf  die  leicht  veriüiderliche  Materie 
des  wunderbaren  Baues  macht,  ist  gänzlich  unbekannt.  Wir 
wissen  nur,  dass  jede  Vorstellung  ein  in  dem  Gehirne  bleibender 
unveräusserlicher  Eindruck  ist,  der  in  jedem  Augenblicke  wieder 
auftauchen  kann,  wenn  die  Thätigkeit  der  Seele  sich  ihm  zuwen- 
det, wenn  die  Aufmerksamkeit  auf  diesen  Eindruck  sich  spannt, 
und  dass  nur  die  Unmöglichkeit,  vielen  Gegenständen  zugleich 
aufmerksam  zu  seyn,  jenes  Vergessen  erzeugt.  Wir  müssen  uns 
alle  diese  Bilder  im  latenten  Zustande  als  unvertilgbare  Eindrücke 
des  Gehirns  denken.  Eine  Hirnverletzung  kann  einzelne  oder 
alle  verwischen.  Man  hat  nach  Hirnverletzungen  das  Gedacht- 
nichtniss  für  Hauptwörter,  Zeitwörter  und  Lebensabsehnitte 
schwinden  und  wiederkehren  gesehen.  Die  Erhebung  eines  ein- 
zigen Bildes  ins  aufmerksame  Bewnsstseyn  modilicirt  die  Coexi- 
stenz  und  stört  das  Gleichgewicht  aller  übrigen;  daher,  wenn 
die  jedesmalige  Stärke  der  zugleich  vorhandenen  latenten  Vor- 
stellungen bekannt  wäre,  die  durch  eine  Vorstellung  hervorzu- 
rufende verwandte  Vorstellung  fast  berechnet  werden  könnte, 
w'enn  nur  die  erste  bekannt  ist. 

Dass  es  im  Gehirne  eine  affective  Provinz  oder  ein  affecti- 
ves Element  gebe,  bei  dessen  Anregung  jede  Vorstellung  an  af- 
fectiver Stärke  schwellen  kann,  und  welches  hei  seiner  vorzugs- 
weisen Thätigkeit  jede  auch  noch  so  einfache  Vorstellung 
zum  affectiven  leidenschaftlichen  Zustande  macht , und  auch  im 
Traume  den  Bildern  affective  Farben  und  Nüancen  giebt,  ist  im 
Allgemeinen  zw^ar  wahrscheinlich,  lässt  sich  aber  weder  im  Allgemei- 
nen streng  beweisen,  noch  örtlich  nachweisem  Noch  viel  weniger 
lässt  sich  aber  beweisen,  dass  selbst  ausser  dem  leidenschaftlichen 
Elemente  der  Seele  nuclx  die  verschiedenen  Richtungen  der  Gei- 
stesthätigkeiten  und  Leidenschaften  ihreil  hesondern  Sitz  in  den 
Provinzen  der  Hemisphären  haben.  Dieser  Ansicht  von  Gall, 
auf  welche  sich  die  Cranioscopic  gründen  soll,  steht  zwar  aus 
allgemeinen  Gründen  keine  Unmöglichkeit  entgegen,  aber  es  giebt 
durchaus  keine  Thatsachen,  welche  nur  entfernter  Weise  die 
Richtigkeit  einer  solchen  Ansicht  im  Allgemeinen  und  die  Rich- 
tigkeit der  Durchführung  im  Einzelnen,  zu  erweisen  im  Stande 
wären.  Es  lässt  sich  keine  Provinz  des  Gehirns  nachweisen, 
worin  das  Gedächtniss , die  Einbildungskraft  u.  s.  w.  ihren  Sitz 
hätten.  Immer  kann  .dus  Gedächtnisä  durch  Verletzung  der  He- 
misphären an  irgend  einemTheile  ihres  Umfanges  verloren  gehen; 
und  so  ist  es  mit  allen  Hauptvermögen  oddr  Richtungen  dar 
geistigen  Thätigkeit.  Bedenkt  man  auf  der  andern  Seite  die  zum 
Theil  ganz  unpsychologischen,  von  Gau4  zusammengehrachWa 
Ürvermögen,  so  kann  man  diese  durch  nichts  zu  beweisenden 
^illkührlichkeiten  ohne  Weiteres  von  den  Forum  wissensehatt- 
lioher  Untersuchungen  ausschliesseii.  Ganz  interessant  ist  in 
dieser  Hinsicht , was  Napoleon  über  Gall’s-  System  gegen 


836  IILBuch,  Nertfcnphyslk.  V.Abschn.  Centrallheüe  d.Nervensyst. 

Las  Gases  äusserte : „ er  schreibt  gewissen  Hervorragnngen 
Neigungen  und  Verbrechen  zu,  die  nicht  in  der  Natur  vor- 
handen sind,  die  nur  aus  der  Gesellschaft,  ans  der  Convention 
hervorgehen.  Was  würde  aus  dem  Organe  des  Diebstahls 
werden,  wenn  es  kein  Eigenthtun  gäbe;  aus  dem  Organe  der 
Trinksucht , wenn  keine  geistigen  Getränke  , aus  dem  Ehr- 
geiz, wenn  es  keine  Gesellschaft  gäbe.“  Obgleich  Gall  kein 
Organ  der  Trinksucht  annahm,  so  ist  doch  diese  Bemerkung  in  Be- 
ziehung auf  die 'schlechte  psychologische  Grundlage  der  GAuGschen 
Organe  richtig.  Indessen  wirft  Napoleon’s  Bemerkung  nur  die 
‘Art  der  Durchführung,  nicht  das  Princip  des  GAin’schen  Systems 
um.  Was  das  Princip  betrifft,  so  ist  gegen  dessen  Möglichkeit  im  All- 
gemeinen a priori  nichts  einzuwenden;  aber  die  Erfahrnng  zeigt, 
dass  jene  Organologie  von  Gall  durchaus  keine  erfahrungsmäs- 
sige  Basis  hat,  und  die  Geschichte  der  Kopfverletzungen  spricht 
sogar  gegen  die  Existenz  besonderer  Provinzen  des  Gehirns  für 
verschiedene  geistige  Thätigkeiten.  Nicht  allein , dass  die  höhe- 
ren und  niederen  intellectuellen  Fähigkeiten,  Denken,  Vorstellen, 
Phantasie,  Erinnern,  an  jeder  Stelle  der  Oberfläche  der  Hemi- 
sphären durch  Verletzung  beeinträchtigt  werden  können;  man 
hat  auch  oft  genug"  gesehen,  dass  die  verschiedenen  Theile  der 
Hemisphären  die  Thätigkeit  der  anderen  Lei  den  intellectuellen 
Functionen  unterstützen  können,  und  man  hat  bei  Menschen  wo 
die  Entfernung  zerstörter  Parthien  der  Oberfläche  der  Hemisphären 
nöthig  war,  öfter-  keine  Aenderung  in  den  moralischen  und  intelle- 
ctuellen Eigenschaften  derselben  eintrelen  gesehen.  Magesdie  hat 
vollkommen  Hecht,  wenn  er  die  Craniologie  in  eine  Categorie 
mit  der  Astrologie,  Alchimie  stellt. 

Was  dat  Verhältniss  beider  Hemisphären  zu  einander  betrifft, 
so  scheint  es, ‘dass  die  Integrität  einer  Hemisphäre  die  andere  bei 
den  intellectuellen  Functionen  ersetzen  kann.  Wenigstens  hat  man 
in  einigen  Fällen  boständige-Zerstörnngen  in  der  einen  Hemisphäre 
ohne  Störung  des. Geistes  schon  vorgefunden,  und  Cruveilhier  (JLwf. 
8.)  hat  den  lall  einer  Atrophie  der  ganzen  linken  Hemisphäre  des 
-grossen  Gehirns  in  einem  42jährigen  Manne  bei  ungestörtem  Gei- 
stesvermögen miU^etheilt.  Die  atrophirte  linke  Hemisphäre  hatte 
ohngefähr  die  Hälfte  der  Grösse  der  rechten,  alle  Theile  der 
ersten  sind  gleichmässig  atrophirt;  daher  sind  das  Grus  oe- 
rebri,  das  Gorpus  mammillare,  der  Thalamus  opticus,  das  Cor- 
pus-^Striatum,;  der-  Ventrikel  dieser  Seite  kleiner.  Das  kleine 
Gehirn  wur  auf  beiden  Seiten  ziemlich  • gleich  ausgebildet;  die 
rechte  Hemisphäre  ein  wenig  kleiner.  In  diesem  Falle  war  die 
entgegengesetzte  Seite- dos  Rumpfes  v<m  Jugend  auf  unvollkommen 
gddhznt,  so.-dasg‘  die-  Person  nochi  an-  einem  Stocke  gehen 
■Jsönnte;-  die  Glieder -dieser  Seite  waren  ahgemagert. 

' ‘ ^ Die  Commissuren  Scheinen  die  Ursache  der  Einheit  der 
-Wirkungen  beider-  Hemisphären  zu  seyn.  Welcher  Antheü 
-dem -Balken  hierbei  zukomme,  ist  noch  nicht  ganz  gewiss; 
doch  scheint  die  Theilung  desselben  und  des- Eornix,  nach  ei- 
ner Beohachtimg  von'  Reil  (Reil’s  Archw.  11.  341.)  zur  Aus- 
übung der  niederen  Seelenthätigkeiten  nicht  nöthig.  Reiu 


3.  Vom  Gehirn.  Grosses  GeJiirn. 


837 


fand  diesen  Mangel  iei  Erhaltung  der  Commissuren  hei  einer 
stumpfsinnigen  Frau,  die  gleichwohl  zu  gewöhnlichen  Aufträ- 
gen und  Geschäften  j wie  Dotenlanfen,  fähig  war.  Dass  man  hei 
einer  chronischen  Hirnwassersucht  mit  Zerstörun«»  des  Balkens 
Blödsinn  heohachtete,  beweist  wegen  der  Complication  nicht  viel. 
Indessen  hat  man  bei  Blödsinnigen  schon  Geschwülste  und  Hydati- 
den  auf  dem  Balken  gefunden,  und  La  Pevbonnie  beobachtete  bei 
Verletzung  des  Balkens  Verlust  des  Gedächtnisses.  Die  bieher 
gehörigen  Beobachtungen  findet  man  von  TREvinAinjs  [Biol.  6. 
258. ) und  Bükdaoh  a.  a.  O.  gesammelt.  DireCte  Versuche  über 
die  Bedeutung  des  Balkens  sind  noch  wenige'  geüiacht.  Satjckrotve 
durchschnitt  den  Balken  bei  einem  Hunde;  es  erfolgte  Betäulning 
mit  heftigem  Schütteln  und  Schluchzen.  Das  Thier  sah  und 
hörte,  aber  roch  nicht,  und  empfand  nicht  an  den  Ohren,  an 
der  Nase,  und  bei  Verletzungen  der  Muskeln.  Burdach  3.  486. 
Holando  machte  dieselbe  Operation  an  einer  Ziege,  a.  a.  O.  2. 
218.  Das  Thier  stand  einige  Zeit  unbeweglich,  wurde  darauf 
unruhig  und  lief  vorwärts.  Es  wurde  zwei"  Tage  erhalten;  all- 
mählig  wurde  es  schwach,  konnte  sich  kaum  erheben,  und  zitterte 
am  ganzen  Körper,  der  kalt  war. 

Die  Bedeutung  der  Hypophysis  und  der  Zirbeldrüse  sind  so 
gut  wie  gänzlich  unbekannt.  Gbeding  fand  zwar  bei  Seelen- 
krankheiten öfter  Rrankeiten  der  Hypophysis;  allein  man  liat  in 
Geisteskranklieiten  schon  in  allen  Theilon  des  Gehirns  Entartun- 
gen gefunden.  Wenzel  fand  die  Hypophysis  bei  Epileptischen 
öfter  krankhaft.  Burdach  3.  467.  Descartes  Hypothese  dass 
der  Sitz  der  Seele  in  der  Zirbel  sey,  ist  längs  vergessen  und  auf- 
gegeben. Diese  zeigt  sich  nach  GeorgeFs  Erfahrungen  in  Geistes- 
kranken sogar  selten  verändert.  Buhdach  3.  467. 

Die  Anwendung  der  Resultate  der  pathologischen  Anatomie 
auf  die  Physiologie  des  Gehirns  kann  iihrigens  immer  nur  sehr 
beschränkt  seyn.  Wir  kennen  die  Gesetze  der  Mittheiluna  zwi- 
schen den  verschiedenen  Hirntheilen  nicht,  und  wir  können  nur 
im  Allgemeinen  für  gewiss  annehmen,  dass  eine  organische  Krank-, 
heit  in  einem  Theile  des  Gehirns  auch  Veränderungen  der  Fun- 
ction anderer  Hirntheile  nach  sich  zieht;  ohne  dass  wir  immer 
aus  diesen  und  den  pathologisch— anatomiscbeii'  Resultaten  sichere 
Schlüsse  machen  dürften.  Degenerationen  in  den  verschiedensten 
Theilen  des  Gehirns,  welche  nach  den  Versuchen  nidit  unmit- 
telbar mit  den  Centralor^anen  des  Sehsinnes  Zusammenhängen 
bewirken  gleichwohl  oft  Bimdheit;  diess  darf  uns  um  so  weniger 
wundern,  als  wir  selbst  in  Rückenmarkskrankheiten,  wie  bei  der  Ta- 
bes dorsalis,  öfter  Amblyopie  erfolgen  sehen.  Dasselbe  .gilt  von  der 
B^entung  der  oi^anischen  Veränderungen  der  verschiedenen 
Hirntheile  in  Beziehung  auf  die  Geisteskrankheiten  bei  welchen 
sich  öfter  Degeneration  in  Hirntheilen  vorgefunden  hat,  die  nicht 
der  wesentliche  Sitz  der  inteUectuellen”  Functionen  sind..  i Die 
verdienstlichen  Sammlungen  und  Berechnungen,  welche  Buedach 
über  die  Coincidenz  der  Degenerationen  der  Gehirn  theile  mit 
gewissen  Veränderungen  der  Functionen  gegeben  hat,  liefern  für 
üas  Ehengesagte  eine  Fülle  von  Beispielen.  Ferner  muss  bemerkt 


838  III.  Buch.  Nervenphysik.  V.  Abschn.  Centraltheüe  d.  Nereensyst. 

werden,  dass  eine  chronisehe  Veränderung  im  Gehirne,  wenn 
sie  hloss  durch  Druck  wirkt,  und  keine  volle  Atrophie  der  ge- 
drückten Theile  erzeugt,  durch  ihre  allmählige  Entwickelung  die 
aflicirten  Theile  vorhereiten  und  an  ihr  Daseyn  gewöhnen  kann. 
Daher  der  grosse  Unterschied  der  plötzlichen  und  chronischen 
Verletzungen  des  Gehirns  in  Hinsicht  der  Folgen.  So  konnten 
z.  B.  so  wiclitige  Theile,  wie  die  Varolshrücke  und  die  Hirn- 
schenkel, durch  eine  langsam  sich  entwickelnde  perlartige  Fett- 
geschwulst in  ihren  Wirkungen  nicht  wesentlich  verändert  wer- 
den, wie  ein  von . Cruveilhier  {Anat.  path.  Iwr.  2.)  mitgetheilter 
Fall  beweist,  in  welchem  weder  die  Bewegung  noch  die  Empfin- 
dung alterirt  waren, 

VII.  Meclianilc  des  Gehirns  und  Rüekenmarks. 

Unter  Mechanik  des  Gehirns  und  Rückenmarkes  versteht 
man  hier  die  Gesetze,  nach  welchen  die  Verbreitung  und  Lei- 
tung der  Wirkungen  in  den  Faserungen  des  Gehirns  und  Rük- 
kenmarkes  erfolgt;  wir  reden  also  hier  auch  wieder  in  demsel- 
ben Sinne  von  Mechanik,  wie  die  Physik  hei  der  Mechanik  des 
Lichtes.  So  ausgebildet  bereits  die  Mechanik  der  Nei'ven  ist,  so 
dunkel  ist  die  der  Centralthcile ; die  Primitivfnsern  der  JVerven  in 
derselben  Scheide  zusammenliegend,  theilen  sich  ihre  Zustände  nicht 
mit,  und  wirken  isolirt  von  den  peripherischen  Theilen  zu  den  Cen- 
traltheilen  und  von  diesen  zurück.  Wenn,  wie  es  wahrscheinlich  ge- 
macht worden,  diese  Fasern  Röhren  sind,  worin  das  Nervenmark  ent- 
halten ist,  so  scheinen  die  Wände  dieser  Röhren  für  ihren  Inhalt  iso- 
lirend  zu  Seyn.  Die  Gehirn-  und  Rückenmarksfasern  verhalten  sich 
ganz  anders;  das  Mark  ist  bei  ihnen  nicht  in  so  deutlichen  Schläuchen 
enthalten,  und  zwischen  ihnen  hat  man,  besonders  in  der  grauen  Sub- 
stanz, noch  eine  ungefaserte  körnige  Masse  beobachtet,  welche 
die  Leitung  von  einer  zur  andern  Faser  einigermaassen  zu  erleich- 
tern scheint,  auch  da,  wo  keine  Commuuicationen  der  Fasern 
stattfinden.  Daher  vielleicht  die  Miltheilbarkeit  dei-  Zustände 
des  Gehii’ns  und  Rückenmarkes,  die  Erscheinungen  der  Reflexion 
von  den  Empfinduugswurzeln  auf  die  in  Hinsicht  des  Ursprunges 
nahen  Bewegungswurzeln.  Nichts  destoweniger  erfolgt  die  Lei- 
tung in  den  Faserungen  des  Rückenmarkes  in  der  Regel  immer 
leichter  in  der  Richtung  der  Fasern  als  in  abweichenden  Rich- 
tungen; sonst  wäre  die  motorische  Excitation  der  Ursprünge  ge- 
wisser Nerven  des  Rumpfes,  und  die  kreuzende  Wirkung  des  Ge- 
hirns auf  die  Spinalnerven  nicht  möglich.  Die  Gesetze  der  Lei- 
tung der  grauen  Substanz  im  Innern  des  Gehirns  und  Rücken- 
markes nnd  auf  der  Oberfläche  des  grossen  Gehirns  sind  uns 
gänzlich  unbekannt.  Auch  müssen  wir  uns  bescheiden,  die  Mit- 
wirkungen der  Faserungen  bei  alten  intellcctuellen  Functionen 
des  Gehirns  von  unseren.  Betrachtungen  gänzlich  ausznschliessen. 

Ausser  der  Reflexion  der  Wirkungen  von  den  Empündungsfa- 
sem  auf  die  Bewegungsfasem  durch  das  Rückenmark,  deren 
Thatsachen  p.  688.  erläutert  worden,  deren  Erklärung  ans  der 


3.  Vom  Gehirn.  Mechanik  der  Hirncvirkungen. 


839 


Structun  des  Rückenmarkes  und  Gehirns  noeh  nicht  möglich  ist, 
hat  die  Mechanik  des  Gehirns  und  Rückenmarkes,  die  in  den 
Centraltlieilen  -wirkenden  motorischen  Apparate,  vorzüglich  aher 
die  Wege  der  Leitung  hei  den  Empfindungen  und  Bewegungen, 
die  hierbei  stattfindende  Kreuzung  zu  untersuchen. 

Unter  den  motorischen  Apparaten  müssen  wir  diejenigen, 
deren  Verletzung  Zuekungen  hervorhringt,  von  denjenigen  un- 
terscheiden, deren  Verletzung  die  Kraft  der  Bewegung  vermin- 
dert, ohne  dass  Zuckungen  entstehen.  Diess  ist  eine  wichtige 
Unterscheidung,  die  wir  Flouretts  verdanken,  und  welche  einst 
für  die  Pathologie  der  Hirnkrankheiten  von  Wichtigkeit  werden 
dürfte.  In  die  erste  Classe  gehören  nach  Floitrens  und  Hert- 
wig’s  Versuchen  nur  die  Vierhügel,  das  verlängerte  Mark  und 
das  Rückenmark;  in  die  letzte  Classe  alle  sonst  im  'Gehirne  ent- 
haltenen motorischen  Apparate,  namentlich  die  Sehhügel,  ge- 
streiften Körper,  überhaupt  das  grosse  Gehirn,  so  weit  es  auf 
Bewegung  Einfluss  hat,  ferner  Pons  Varolii  und  kleines  Gehirn. 
Nach  der  Verletzung  dieser  Theile  nimmt  die  Kraft  der  Bewe- 
gung ab,  aher  es  entstehen  keine  Zuckungen,  während  nach  Ver- 
letzung des  verlängerten  Markes  und  Rückenmarkes  unfehUsar  Zuk- 
kungen  erfolgen.  Obgleich  nun  hei  der  Wechselwirkung  der  ver- 
schiedenen Theile  des  Gehirns  -wahrscheinlicli  auch  andere  Theile,  als 
das  verlängerte  Mark  und  die  Vierhügcl,  in  Krankljeiten  sympathisch 
Zuckungen  bewirken  können,  wie  auch  die  Patliologie  bestätigt; 
so  geht  doch  aus  den  oben  mltgetheilten  Thatsachen  so  viel  her- 
vor, dass,  wenn  die  Kraft  bew'eglicher  Theile  aus  Krankheitsur- 
sachen in  den  Centraltheilen  ahgenommen  hat,  diese  Ursachen 
eben  so  gut  in  den  gestreiften  Köi^pern,  Thalami  optici,  Hemi- 
sphären, Pons,  Ccrehellnm,  Medulla  oblongata,  Medulla  spinalis 
liegen  können,  dass  aher,  rvenn  Krampf  oder  Zuckung  und  Läh- 
mung ihre  Ursache  in  den  Centraltheilen  haben , diese  viel  eher 
in  den  Vierhügeln,  im  Rückenmark  und  verlängerten  Mark,  als  in 
den  übrigen  der  oben  genannten  Theile  zu  suchen  ist. 

Ein  anderer  für  die  Mechanik  der  Centraltheile  wichtiger 
Umstand  ist  die  Ki-euzung  der  Wirkungen.  Aus  den  über  die 
Verwundung  des  Rückenmarkes  und  verlängerten  Markes  beiThie- 
ren  angestclltcn  Versuchen  und  aus  pathologischen  Beobachtun- 
gen ergiebt  sich,  dass  die  Wirkungen  dieser  Theile  auf  die  Ner- 
ven sich  nicht  kreuzen.  Eine  Verletzung  des  verlängerten  Mar- 
kes oder  des  Rückenmarkes  bewirkt  Imm.er  Zuckung  oder  Läh- 
mung auf  derselben  Seite.  Diess  ist  für  das  Rückenmark  leicht 
erklärlich,  weil  es  in  ihm  keine  Kreuzung  der  Fasern  von  rechts 
nach  links  und  umgekehi-t  giebt.  Tn  Hinsicht  des  verlängerten 
Markes  ist  das  Ergebniss  der  Versuche  von  Flouress,  Hertwig 
nicht  ganz  mit  der  Structur  übereinstimmend;  denn  da  von  den 
Strängen  des  verlängerten  Markes  wenigstens  die  Pyramiden  sich 
kreuzen,  die  anderen  Stränge  aber  auf  derselben  Seite  des  Rük- 
kenmarkes  fortgehen,  so  sollte  man  erwarten,  dass  je  nach  der 
Art  der  verletzten  Theile  des  verlängerten  Markes  bald  eine 
kreuzende,  bald  eine  gleichseitige  Wirkung  erfolge.  Lorry  hatte 
m der  That  auch  beobachtet,  dass  bei  Verwundungen  des  ver- 
Physiologie*  54 


840  III.  Buch.  Nerpenphysik.  V.  Ahschn.  Centraltheile  d.  Nerpensyst. 

längerten  Markes  die  Zuckungen  stets  auf  der  verwundeten,  die 
Lähmungen  auf  der  entgegengesetzten  Seite  seyen.  Indess  sind 
die  Resultate  der  Versuche  von  Flourehs  und  Hertwig  durchaus 
dagegen.  Aher  man  muss  hedenken,  dass  die  Versuche  meist 
wohl  nur  an  den  nicht  kreuzenden  seitlichen  Strängen  des  ver- 
längerten Markes  angestellt  wurden;  und  es  ist  sehr  wahrschein- 
lich, dass,  wenn  eine  Verwundung  die  Pyramiden  des  verlänger- 
ten Markes  über  der  Kreuzung  trifft,  aucli  Kreuzung  der  Wir- 
kungen erfolgen  wird.  Die  Wirkungen  des  kleinen  Gehirns  der 
Vierhügel,  der  Hemisphären  und  der  darin  enthaltenen  Theile 
ist  fast  immer  kreuzend;  die  Verletzung  des  kleinen  Gehirns,  der 
Vierhügel  und  der  Hemisphären  des  grossen  Gehirns  bewirkt 
immer  die  Sehwäehe  auf  der  entgegengesetzten  Seite , die 
Verletzung  der  Hemisphären,  der  Vierhügel  bewirkt  Blindheit 
auf  der  entgegengesetzten  Seite.  DIess  ist  das  allgemeine  Re- 
sultat der  Versuche  von  Floerens  und  Hertwig.  Von  dem 
grossen  Gehirne  hatten  diess  schon  theils  Versuche,  theils  pa- 
thologische Beobachtungen  von  Calbaiii,  Arsemann,  Valsalva^ 
Wenzel  u.  A.  erwiesen.  Siehe  Treviranes  Biul.  6.  117.  Bürdacr 
a.  a.  O.  ■?.  365.  Magendie  sagt  dasselbe  von  den  Hemisphären, 
und  er  bewirkte  durch  Exstirpatien  eines  Auges  bei  Vögeln  so- 
gar in  kurzei’  Zeit  Atrophie  des  entgegengesetzten  Lohns  opticus. 
Die  Vierhügel  zeigen  bei  Verletzungen  derselben  die  kreuzende 
Wirkung  nacli  Floerebs  vorwärts  und  rückwärts,  nach  vorn 
auf  die  Augen,  nach  hinten  auf  die  anderen  Theile  des  Körpers. 
Mit  diesem  B.esultate  stimmen  auch  die  meisten  pathologischen 
Beobachtungen  überein ; und  man  hat  nur  selten  Ausnahmen 
beobachtet,  welche  Treviranus  (B/o/.  6.)  und  Burdacu  zusam- 
mengestellt haben.  Aus  Burdacr’s  Zusammenstellung  von  268 
Fällen  mit  einseitiger  Abnormität  des  Gehirns  ergiebt  sich,  dass 
auf  diese  Zahl  10  Fälle  mit  Lähmung  beider  Seiten,  und  258 
mit  Hemiplegie  kommen,  und  dass  unter  diesen  nur  15  mit  gleich- 
seitiger Lähmung  sind.  Die  Convulsionen  wai’en  in  25  Fällen 
gleichseitig,  in  3 Fällen  ungleichseitig. 

Nach  diesen  Thatsachen  lässt  sich  wohl  die  Entstehung  des 
alten,  schon  von  Hippocrates  an  geltenden  Dogma  erklären,  dass 
bei  Gehirnwunden  die  Convulsion  auf  der  verwundeten,  die  Läh- 
mung auf  der  entgegengesetzten  Seite  sey.  Man  kann  nämlich 
durch  eine  gewisse  Art  der  Hirnverw'undung  beide  Erfolge  zugleich 
erzeugen,  indem  man  Lähmung  bedingende  und  Zuckung  bedin- 
gende, kreuzende  und  nicht  kreuzende  Theile  verletzt.  Niemand 
hat  diese  Verhältnisse  mehr  aufgeklärt  als  Flourebs.  Durch  Ver- 
letzung des  Rückenmarkes  und  des  verlängerten  Markes  bewirkt 
man  Lähmung  und  Zuckung  auf  derselben  Seite,  durch  Verletzung 
der  Vierhügel  Lähmung  und  Zuckung  auf  der  entgegengesetzten 
Seite.  Durch  Verletzung  der  Thalami,  Corpora  striata,  Hemi- 
sphären des  grossen  und  kleinen  Gehirns  licwirkt  man  Lähmung 
auf  der  entgegengesetzten  Seite  ohne  Zuckung.  Wird  aher  das 
kleine  Gehirn  und  das  verlängerte  Mark  zugleich  auf  einer  Seite 
verwundet,  so  hat  man  lähmungsartige  Schwäche  auf  der  entge- 
gengesetzten, und  Zuckung  mit  Lähmnng  auf  dei'selbeu  Seite. 


841 


3.  Vom  Gehii-n.  Mechanik  der  Hirnwirkungen. 

Siehe  Flourens  a.  a.  O.  p.  108.  So  viel  Licht  indess  die  Versu- 
che von  Flourens  üher  die  Kreuzung  der  Lährnun.en  und  Con- 
vnlsionen  werfen,  so  scheint  derselbe  doch  aus  seinen  Versuchen 
zu  viel  gegen  die  Möglichkeit  von  gleichseitigen  Convulsionen 
hei  Hirnfehlern  auf  einer  Seite  geschlossen  zu  hahen.  Es  ist  zu 
aulFtillend,  dass  in  Hurdacu  s ^nsanimenstellung  von  einseiti'^en 
Hirnfehlern  die  Convulsion  in  25  Fällen  gleichseitig,  nur  in  3 
Fällen  ungleichseitig  erfolgte;  unter  diesen  Jleoliachtungen  sind 
uns  gerade  diejenigen  von  Wichtigkeit,  wo  bei  ungleichseiti»er 
Lähmung  gleichseitige  Convulsion  erfolgte.  Hei  Fehlern  in  dem 
Corpus  Striatum  einer  Seite  ko.mmcn  auf  36  Fälle  von  ungleich- 
seitiger Lähmung  6 Fälle  mit  gleichseitiger  Convulsion,  und 
keine  mit  ungleichseitiger  Convulsion  'vor.  Diess  dürfte  ziem- 
lich deutlich  für  den  alten  Satz  sprechen,  dass,  wenn  hei  einsei- 
tigen Hirntehlern  mit  ungleichseitigen  Lähmungen  Convulsionen 
Vorkommen,  diese  leichter  gleichseitig  als  ungleichseitig  sind. 

Die  Erklärung  der  kreuzenden  Wirkung'  durch  di'e  Kreuzung 
der  Fasciculi  pyramidales  des  verlängerten  Markes  liegt  zu  nahe, 
als  dass  sie  nicht  seit  der  Kenntniss  dieser  Kreuzung  als  Ursa- 
che der  kreuzenden  Hirn  Wirkungen  angenommen  worden  wäre. 
Es  lieweist  auch  die  Kreuzung  dieser  Fascikel  in  Uehereinstim- 
mung  mit  der  kreuzenden  Wirkung  des  Gehirns  auf  den  JRumpf, 
dass  die  Pyramiden  unter  den  Strängen  des  verlängerten  Markes 
vorzüglich  es  sind,  welche  den  motorischen  Einfluss  vom  Gehirn 
auf  den  Kumpf  leiten.  Da  indess  die  übrigen  Fascikel  des  ver- 
längerten Markes  sich  nicht  kreuzen,  so  fehlt  es  auch  nicht  an 
einem  Erklärungsgrunde  für  die  ausnahmsweise  stattiiiidende 
gleichseitige  Wirkung  des  Gehirns  auf  den  Rumpf. 

Eine  ganz  besondere  Schwierigkeit  bietet  das  Verhalten  der 
Hirnnerven  ln  Beziehung  auf  Kreuzung  und  Vichtkreuzung  der  Wir- 
kungen dar.  Denn  da  diese  grösstentheils  üher  der  Kreuzung  der 
Pyramiden  ihren  Ursprung  nehmen,  so  lässt  sich  die  Rreuzuim  der 
Pyramiden  auch  nicht  als  Erklärung  der  kreuzenden  Wirkung  der 
Hirnverletzungen  aut  die  Hirnnerven  annehmen;  und  was  die  Sache 
noch  verwickelter  macht,  ist  der  Umstand,  dass  die  Hirnner- 
ven heim  Menschen  wenigstens  eben  so  häufig  eine  gleichseitige, 
als  eine  kreuzende  Wirkung  des  Gehirns  erfahren.  Ich  verwe'ise 
in  dieser  Hinsicht  auf  die  von  Burdach  mit  einem  hewunderunfs- 
würdigen  Fleisse  zusamniengeslellten  Thatsachen.  Bei  einseiti"em 
Hirnfehler  erfolgte  Lähmung  der  Gesichtsmuskcln  in  28  Fällen 
auf  der  entgegengesetzten  Seite , in  10  Fällen  auf  derselben 
Seite.  Lähmung  des  Augcnliedes  erfolgte  gleichseitig  in  6,  kreu- 
zend in  5 Fällen;  Lähmung  der  Augenmuskeln  gleichseitig  in  8, 
kreuzend  in  4 Fällen;  Lähmung  der  Ii-is  gleichseitig  In  5,  kreu- 
zend in  5 Fällen.  Buddach  3.  372.  Die  Zunge  ist  in  der  Regel 
gegen  die  gelähmte  Seite  des  Gesichts  hingezogen.  Burdach  3.  377. 

Beim  Menschen  beobachtet  man  in  Hirnfchlern  eben  so  oft 
eine  ^gleichseitige  als  eine  kreuzende  Lähmung  des  Auges.  Burdach 
3.  378.  Da  zu  der  Zusammensetzung  des  Sehnerven  jedes  Au- 
ges beide  Hemisphären  beitragen,  indem  jede  SelmerveDwurzel 
im  Chiasma  Fasern  für  beide  Augen  ahgieht,  so  ist  die  Gleich- 

54* 


842  UI.Buch.  Nervenphysik.  V.Ahschn.  Centralihelleil.  Nerpensjsi. 

zahl  der  kreuzenden  und  nicht  kreuzenden  Wirkung  leicht  ein- 
sichtlich. Aber  nach  der  Theorie  sollte  durch  einen  einseiti- 
gen Ilirnfehler  weder  eine  kreuzende  noch  eine  gleichseitige 
Blindheit,  sondern  halbseitige  Lähmung  der  Markhäute  Leider 
Augen,  also  Halbsehen  Erfolgen;  indem 'die  linke  Sehnervenwnir- 
zel  in  den  linken  Theil  der  Sehnerven  beider  Augen,  die  rechte 
Sehnervenwurzel  in  den  rechten  Theil  der  Sehnerven  beider 
Augen  im  Cliiasma  übergeht.  Man  bat  zwar  schon  öfter  Halb- 
sehen als  vorübergehendes  Symptom  beobachtet.  Siehe  Muel- 
LER  s Pkysiol.  d,  Gesichtssinnes,  p,  93.  Aber  bei  einseitigen  Hirn- 
fehlern kömmt  nicht  Halbsehen,  sondern  in  der  Regel' Blindheit 
des  einen,  oder  des  andern,  oder  beider  Augen  vor.  Sehr  merk- 
würdig ist  der  Unterschied  des  Menschen  und  der  Thiere,  dass 
bei  ersterem  Hirnfebler  eben  so  leicht  eine  gleichseitige  als 
eine  kreuzende  Blindheit  hervorbringen,  während  bei  den  Thie- 
ren  immer  auf  einseitige  Hirnverletzungen  kreuzende  Blindheit 
eintritt.  Diess  erklärt  sich  indess  aus  der  bei  den  Thieren  ver- 
schiedenen Mischung  der  Fasern  in  dem  Cliiasma  der  Sehnerven. 
Bei  den  Thieren  scheint  der  grösste  Theile  der  Fasern  kreuz- 
weise zur  entgegengesetzten  Seite  zu  gehen,  und  diess  ist  wohl 
durch  .den  Umstand  notlnvendig  bedingt,  dass  die  Thiere  mit 
dem  grössten  Theile  der  Sehfelder  ihrer  divergirenden  Augen 
ganz  verschiedene  Gegenstände  sehen.  Nur  die  mittlern  Objecte 
zwischen  beiden  Augen  werfen  ihr  Bild  auf  beide  Au^^en;  also 
nur  ein  kleiner  Theil  des  Sehfeldes  beider  Augen  ist  Identisch. 
Beim  Menschen  aber  sehen  die  geometrisch  coi'respondirendcn 
Theile  beider  Markhäute  bei  der  gewöhnlichen  Stellung  beider 
Augen  immer  dasselbe  Object.  Diese  geometrisch  übereinstim- 
menden Idieile  ihrer  Sehnervenbaut  haben  nur  eine  Empfindung 
trotz  zwei  Organen.  Und.  damit  stimmt  der  Bau  des  Chiasmas 
heim  Menschen  überein,  dass  nämlich  Jede  Sehnervenwnrzel  die 
äusseren  Fasern  des  Sehnervens  derselben  Seite,  und  die  inneren 
Fasern  des  entgegengesetzten  Sehnervens  ahgieht.  Vergl.  oben  p.  687. 

Aus  den  vorher  entwickelten  Thatsachen  der  "Mechanik  des 
Gehirns,  und  aus  den  schon  in  der  Lehre  vom  Rückenmark  auf- 
gestellten Grundsätzen  der  Mechanik  desselben  lässt  sich  nun 
eine  Classification  der  Lälimungen  und  Krämpfe  in  Hinsicht  ih- 
res Ursprunges  gehen. 

^.  Lähmungen.  Die  Lälimungen  sind  theils  Nervenlähmun- 
gen, die  ihren  Sitz  bloss  in  einem  einzelnen  Nerven  und  nicht 
im  Gehirne  und  Rückenmarke  haben,  theils  Hirn-  und  Rücken- 
markslähmnngen.  Die  ersteren  entstehen  durch  alle  Ursachen 
welche  >n  den  Nerven  örtlich  die  Leitung  aufheben,  wie  rheu- 
matisebe  Affectlon^  Durchsebueidung,  Geschwülste  der  Nerven  etc. 
Bei  den  letzteren  ist  die  Ursache  nicht  in  den  Nerven,  sondern 
m den  Centraltheilen  zu  suchen.  Die  meisten  Lähmungen  sind 
Hirn-  und  Rückenmarkslähmangen.  Von  diesen  ist  hier  zunächst 
die  Rede.  Diese  Lähmungen  sind  theils  halbseitig,  Hemiplegie, 
theils  Querlähmungen,  Paraplegie;  im  erstem  Falle  ist  die  läh- 
mende  Ursache  auf  einer  Seite  des  Gehirns  oder  Rückenmarkes, 
im  letztem  ist  sie  entweder  auf  beiden  Seiten,  oder  auch  auf 


843 


3.  Vo?n  Gehirn.  Mechanik  der  Ilirncvirkungen. 

einer  von  beiden,  denn  eine  Querläbmung  erfolgt  auch  öfterä, 
wenn  auch  die  Ursache  nur  auf  einer  Seite  des  Gehirns  ist. 

1)  Rückenmarkslahmungen.  Sie  haben  das  Eigeulhüinliche, 
dass  der  Sitz  der  Lähmung  in  der  Regel  aus  dom  Umfange  der 
gelähmten  Thcile  berechnet  werden  kann.  Denn  bei  Rücken- 
marksverletzungen sind  iti  der  Regel  alle  Tlieile  gelähmt,  welche 
unter  der  verletzten  Stelle  des  Rückenmarkes  von  der  Fortsetzung 
des  vei'letzten  Stranges  Nerven  erhalten.  Bei  einer  Rücken- 
marksläliranng  mit  blosser  Lähmxing  der  unteren  Extremitäten, 
der  Schliessinuskein  ist  in  der  Regel  der  untere  Theil  des  Rük- 
kenmarkes  leidend;  Hegt  die  Ursache  höher,  so  ist  der  Umfang 
der  gelähmten  Thcile  grösser.  Eine  lähmende  Ursache  unter 
dem  vierten  Ilalsnerven  lähmt  die  oberen  Extremitäten  allein 
oder  mit  allen  tieferen  Theilen ; aber  nicht  den  N.  phrenicus. 
Eine  höhere  Verletzung  lähmt  auch  diesen  Nerven.  Eine  läh- 
mend^ Ursache  an  der  Mcdulla  oblongata  lähmt  den  ganzen 
Rumpf  und  auch  die  von  dei’  Medulla  oblongata  entspringenden 
Kopfnerven.  Ich  kenne  einen  Fall  von  Krankheit  der  Medulla 
oblongata  von  Druck  einer  kleinen  Geschwulst,  wo  eine  unvoll- 
kommene Lähmung  allmählig  an  allen  Muskeln  des  ganzen  Kör- 
pers zugleich  eintrat,  und  sowohl  die  Arme  als  die  Beine,  die 
Zunge,  wie  die  Augen  und  Gesichtsmuskeln  alTicirt  waren.  Im 
Allgemeinen  gilt  bei  Rückenmarkslähmungen  die  Richtschnur, 
dass  die  Höhe  der  gelähmten  Theile  nach  dem  Ursprünge  ihrer 
Nerven  den  Sitz  der  verletzten  Stelle  des  Rückenmarkes  andeu- 
tet.  Bei  einer  Verletzung  des  Lcndenthciles  des  Rückenmarkes 
sind  nothwendig  die  unteren  Extremitäten  gelähmt,  und  niemals 
die  oberen  Extremitäten.  Bei  einer  Lähmung  der  Arme  von 
Rückenmarksleiden  reicht  die  Ursache  sicher  über  den  Ursprung 
der  Armnerveu  hinauf,  deswegen  brauchen  aber  nicht  die  unte- 
ren Extremitäten  zugleich  gelähmt  zu  seyn.  Immer  ist  die  Wir- 
kung auf  derselben  Seite  der  Ursache.  Ist  die  Empfindung  ge- 
lähmt, so  ist  es  wahrscheinlich,  aber  nicht  gewiss,  dass  die  Ur- 
sache in  den  hinteren  Strängen  des  Rückenmarkes  sey;  ist  die 
Bewegung  gelähmt,  so  ist  sie  häufiger,  aber  nicht  constant  in 
den  vorderen  Strängen.  Siehe  oben  p.  794. 

Diese  Lähmxingen  sind  bald  vollkommene,  bald  unvollkom- 
mene, Paresls.  Bei  den  vollkommenen  ist  die  Leitung  des  Hirn- 
einflusses an  einer  Stelle  des  Rückenmarkes  aufgehoben,  bei  den 
unvollkommenen  ist  die  Leitung  vorhanden,  der  Wille  wirkt  auf 
alle  Muskeln,  aber  die  Kraft  erlischt,  wie  bei  der  Atrophie  des 
Rückenmarkes,  Tabes  dorsalis. 

2)  Hirnlähmungen.  Sie  können  sich  an  Jedem  Theile  des 
Rumpfes,  am  Gesicht,  wie  an  den  oberen  und  unteren  Extremi- 
täten äussern.  Eine  Lähmung  der  W^adenmuskeln  oder  der 
Schliessmuskeln  kann  daher  eben  so  gut  eine  Rückenmarks-  als 
eine  Hirnlähmung  seyn.  Dass  es  eine  Hirnlähmung  sey,  kann 
erst  daraus  geschlossen  werden,  dass  zu  den  gelähmten  Theilen 
xind  Functionen  auch  solche  gehören,  die  von  Hirnnerven  ab- 
hängig sind,  wie  die  Augenmuskeln,  das  Sehvermögen  des  Auges, 
das  Gehör,  die  vSprache  oder  Bewegung  der  Zunge,  die  Ge- 


844  in.  Buch.  Neroenphysik.  V.  Ahschn.  Centraltheile  d.  Neruensyst. 

siclitsmuskelii  u.  s.  w. ; diese  Lähmungen  sind  aucli  wieder  Läh- 
mungen der  Empfindung,  oder  der  Bewegung,  oder  beider  zu- 
gleich. Bei  den  Lähmungen  der  Bewegung  kann  die  Ursache 
in  den  gestreiften  Körpern,  in  den  Thalami,  in  den  Decken  der 
Hemisphären  selbst,  in  den  Vierhügeln,  irn  Pons,  in  der  Medulla 
ohlongata,  im  kleinen  Gehirne  seyn.  Serres,  Bouillaud,  Piner- 
Grand-Chaimp  behaupten  nach  ihren  Beobachtungen,  dass  die 
Lähmung  der  vorderen  Extremitäten  öfter  von  Verletzung  der 
Thalami,  die  Lähmung  der  hinteren  Extremitäten  öfter  von  De- 
generationen der  Corpora  striata  ahhänge;  diess  ist  keinesweges 
festgestellt.  Bel  den  Lähmungen  der  Empfindung  kann  die  Ur- 
sache sehr  verschiedene  Sitze  haben.  Blindheit  erfolgt  am  häu- 
figsten von  Degeneration  der  Hemisphären,  besonders  der  Thalami, 
ferner  der  Corpora  quadrigemina;  Mangel  der  Gefühlsempfindung 
bei  Kranklieiten  der  Medulla  oblongata.  Die  Lähmung  ist  bald 
vollkommen,  bald  unvollkommen;  Theile,  welche  verletzt  am  leich- 
testen die  Kraft  der  Bewegung  rauben,  sind  die  Corpora  striata, 
thalami,  die  Schenkel  des  grossen  Gehirns,  Pons.  Unvollkommene 
Lähmung  erfolgt  am  leichtesten  von  Krankheiten  der  Hemisphä- 
ren des  grossen  Gehirns  und  Krankheiten  des  kleinen  Gehirns. 
1 heile  des  (»ehirns,  ivelche  ausser  Lähmung  auch  leicht  Krämpfe 
erzeugen,  sind  die  Vierhügcl,  die  Medulla  oblongata  und  die  Ba- 
silarlheile  des  grossen  Gehirns.  Die  Wirkungen  der  lähmenden 
Ursache  erfolgen  an  dem  Rumpfe  in  der  Regel  kreuzend  an 
dem  Kopfe  eben  so  oft  gleichseitig  als  kreuzend. 

B.  Convulsionen.  Sie  haben  ihre  Ursache  theils  in  den  Ner- 
ven, theils  in  dem  Gehirne,  theils  im  Rückenmarke. 

1)  ln  den  Nerven.  Hieher  gehören  die  durch  örtliche  Ner- 
venkrankheiten, Nervengesch Wülste,  Neuralgien,  oder  überhaupt 
heftige  Empfindungen,  und  bei  Kindern  durch  alle  örtlichen 
Krankheiten  erregten  Convulsionen  von  Leitung  der  centripetalen 
Erregung  auf  das  Rückenmark  und  Gehirn,  und  R,eflexion  auf 
die  motorischen  Nerven. 

2)  Im  Rückenrnarke.  Die  Gesetze , nach  welchen  die  Läh- 
mnngen  erfolgen,  gelten  auch  hier  für  die  Convulsionen. 

. 3)  Im  Gehirne.  Ehen  so  verhält  es  sich  mit  dem  Gehirne; 

nur  ist  zu  bemerken,  dass  die  Hemisphären  des  grossen  Gehirns, 
des  kleinen  Gehirns,  der  Pons  mehr  zu  den  Lähmung  bedingenden, 
die  Vierhügel  und  die  Medulla  oblongata  zu  den  Lähmung  und 
Convnlsion  bedingenden  Theilen  des  Gehirns  gehören. 

Nachdem  wir  die  Gesetze  der  Mechanik  des  Gehirns  und 
Rückenmarkes  bisher  bei  der  Fortpflanzung  der  Wirkungen  un- 
tersucht haben,  ivenden  xvir  uns  zuletzt  zu  den  aus  dem  aufge- 
hobenen Gleichgewicht  der  Hirnwirkungen  erfolgenden  statischen 
Erscheinungen.  Nach  Verletzung  gewisser  Theile  des  Gehirns 
treten  Erscheinungen  ein,  als  wäre  das  Gleichgewicht  s'on  Kräf- 
ten aufgehoben , die  sich  nun  einseitig  äussern.  Diese  Erschei- 
nungen bilden  eine  ganz  besondere  Classe.  Man  zerstört  einen 
Theil,  und  der  gleichnamige  der  andern  Seite  scheint  darauf  in 
eine  verstäikte  Wirkung  zu  treten.  Das  Drehen  der  Thiere  im 
Cirkel  nach  einer  Seite  tritt  nach  MAGEyniE  nach  Verlet- 


3.  Vom  Gehirn.  Mechanik  der  Hirnwirkungen. 


845 


Zungen  der  Brücke  auf  einer  Seite  ein;  Sclinittc  in  den  linken 
Theil  der  Pons  verursaclien  das  Dreben  nacli  der  linken  Seile 
und  umgekehrt,  flat  man  die  drehende  Bewegung  des  Thieres  nach 
einer  Seite  durch  Verletzung  der  Pons  auf  derselben  Seite  bewirkt, 
so  kann  man  diese  Bewegung  dadurch  aufbeben,  dass  man  die 
Brücke  auch  auf  der  andern  Seite  durebschncidet.  Heiitwig  sah 
nach  Durclisclineidung  der  Pons  auf  einer  Seite  nicht  allein  die 
Cirkelbew'Cgung,  sondern  auch,  dass  beide  Augen  verdreht  wur- 
den, indem  das  eine  nach  oben,  das  andere  nach  unten  gewandt 
war.  JVach  queren  Durcbscbnitt  in  die  Brücke  konnte  ein  Hund 
zwar  stehen,  konnte  aber  keinen  Schritt  tbun  ohne  zu  fallen; 
die  willkübrlicben  Bewegungen  w'aren  nicht  aufgehoben  und  die 
Empfindungen  unverändert. 

Die  Durchsebneidung  der  Schenkel  des  kleinen  Gehirns  zur 
Brücke  bewirkt  nach  Magendib  ebenfalls  ein  Ilerurnwälzen  der 
Thiere  nach  der  Seite.  Diese  Bewegung  soll  zuweilen  so  schnell 
erfolgen,  dass  das  Thier  mehr  als  fiO  Urndrebungen  in  der  Minute 
macht;  Magendie  will  diese  Bewegungen  acht  Tage  lang  fort- 
dauernd gesehen  haben,  ohne  dass  sie  einen  Augenblick  aufge- 
hört  hätten. 

Nach  Wegnahme  der  gestreiften  Körper  auf  beiden  Seiten 
tritt  nach  Magekdie’s  Versuchen  bei  den  Thieren  ein  unwider- 
stehlicher Trieb,  vorwärts  zu  entflieh  en,  ein,  der  sich  auch  nach 
dem  Verluste  des  Gesichtes  zeigen  soll. 

Magendie  hat  auch  nach  Verletzungen  des  kleinen  Gehirns 
bei  Säugethieren  und  , Vögeln  eine  Neigung  zu  Bückw’ärtsbewegun- 
gen  bemerkt;  dieselbe  Erscheinung  soll  zuweilen  nach  Verletzun- 
gen des  verlängerten  Markes  erfolgen;  so  sah  Magendie  Tauben, 
denen  er  eine  Nadel  in  das  verlängerte  Mark  gestochen,  länger 
als  einen  Monat  immer  rückwärts  geben;  er  erzählt,  dass  sic  sogar 
rückwärts  flogen.  Endlich  will  Magendie  bei  gewissen  Verletzun- 
gen des  verlängerten  Markes  eire  Tendenz  zur  Kreisbewegung 
wie  auf  der  Reitbahn,  entweder  nach  rechts  oder  links,  bemerkt 
haben.  Diess  sab  er  bei  einem  3 — 4 Monate  alten  Kaninchen, 
wo  er  die  vierte  flirnböble  blosslegte,  das  kleine  Gehirn  aufliob, 
und  einen  senkrechten  Einschnitt  ln  die  Rautengrube  3 — 4 Milliiu. 
von  der  Mittellinie  macht;  beim  Einschnitte  nach  rechts  drehte 
sich  das  Thier  rechts  herum. 

Aus  diesen  wichtigen  Thatsacben  schliesst  Magendie  auf  ge- 
wisse im  Gehirne  vorhandene  Impulse  zu  Bew’egungen,  wovon  der 
eine  nach  vorn,  der  andere  nach  hinten,  der  eine  nach  rechts, 
der  andere  nach  links  das  Thier  zu  Bewegungen  bestimmen,  de- 
ren Detail  es  willkührlich  ausführt,  und  welche  sich  im  Zustande 
der  Gesundheit  das  Gleichgewicht  halten,  üb  diese  Erklärung 
richtig  sey,  lässt  sich  jetzt  nicht  entscheiden.  Man  sieht  leicht 
ein,  dass  ein  Thier  zu  solchen  Bewegungen  auch  bestimmt  werden 
kann,  wenn  dui'ch  die  Art  der  Verletzung  eine  gewisse  einseitige 
Art  der  Bewegung  des  Nerven]>rincipes  im  Gehirne  cinträte,  in 
defl  Sinnen  als  scheinbare  Schwindelhewegung  entweder  der  Ob- 
jecte oder  seines  eigenen  Körpers,  welchen  das  Thier  entweder 
zu  widerstehen  sucht  oder  welchen  es  schwindelnd  folgt. 


846  III.  Buch.  Neivenphysik,  V.  Ahschi.  Cmiraltheilc  d.  Nerveiisysi. 

Die  zuletzt  betrachteten  Ei’scheinungen  aus  der  Statik  der  Ner- 
ven sind  motorischer  Art;  cs  gieht  aber  auch  ähnliche  Erscheinungen 
sensorieller  Art.  Es  gieht  Einwirkungen  auf  das  Gehirn,  -welche  keine 
rotatorischen  Bewegungen,  sondern  rotatorische  Empfindungen  her- 
vorrufen.  Hieher  gehören  die  i’ota torischen  Schwindelempfindungcn, 
welche  am  meisten  vom  Gesichtssinne  bekannt  sind.  Es  ist  eine  be- 
kannte Tbatsache,  dass,  wenn  man  sich  eine  Zeitlang  schnell  um 
seine  Achse  dreht,  man  nicht  allein  die  Besinnung  zu  verlieren 
anfängt,  sondern  auch  beim  Stehenbleihen  dann  die  Gegenstände 
selbst  sich  in  derselben  Richtung  zu  drehen  scheinen.  lieber 
diese  Erscheinungen  hat  Pukkixje  sehr  merkwürdige  Beobach- 
tungen angestellt,  und  in  den  medicinischen  Jahrbüchern  des 
Oesterreichischen  Staates  Bd.  6.  mitgetheilt.  Es  geht  daraus  hervor, 
dass  man  die  Richtung  der  Rotation  der  Bilder  durch  die  Stel- 
lung des  Körpers  und  insbesondere  des  Gehirns,  und  die  spätere 
Stellung  desselben  beim  Stehenbleihen  modificiren  kann.  Es  steht 
in  der  Gewalt  des  Experimentators,  eine  horizontale  oder  verti- 
cale,  oder  schiefe  Kreisbewegung,  oder  eine  tangentiale  Schein- 
bewegung der  GegenstäiKle  durcli  Drehung  des  Körpers  zu  be- 
wirken. Nur  wenn  der  Kopf  die  gewöhnliche  aufrechte  Stellung 
beim  Drehen  hat,  erfolgt  beim  Stehenbleiben  bei  aufrechtem 
Kopfe  die  horizontale  Kreisbewegung  der  Gegenstände;  hält  man 
aber  den  Kopf  beim  Drehen  hinten  über,  und  stellt  ihn  beim 
Stillstehen  gerade,  so  ist  die  Scheinhewegung  wie  die  eines  Ra- 
des um  die  Achse  in  einem  vertical  gestellten  Kreise,  und  so 
kann  man  die  Scheinhewegung  jedesmal  nach  dem  Unterschiede 
in  ^ der  Lage  des  Durchscimil'tes  des  Kopfes  beim  Drehen  und 
beim  Stillstehen  ändern.  "Wenn  der  Körper  auf  einer  Scheibe 
liegend  mit  dieser  gedreht  wird,  entsteht  auch  eine  tangentiale 
Seileinbewegung.  Aus  der  Wiederholung  dieser  Versuche  er- 
giebt  sich,  dass  der  Durchschnitt  des  Kojifes,  als  einer  Kugel, 
um  deren  Achse  die  wahre  Bewegung  geschah , jedesmal  die 
Scheinbewegung  der  Gegenstände,  bei  der  nachmaligen  Lage  des 
Kopfes,  -vv-ährend  des  Stehcnbleibens  bestimmt.  PuRitiNJE  schllesst 
aus  diesen  merkwürdigen  Versuchen , dass  durch  die  Drehung 
des  Kopfes  und  ganzen  Körpers  die  Theilchen  des  Gehirns  die- 
selben Bewegungstendenzen,  wie  die  Theilchen  einer  geschwun- 
genen Scheibe  erhalten  müssen,  und  dass  diese  Störung  ihrer 
Ruhe  sich  durch  die  scheinbaren  Schwindelhewegungen  äussert. 
Man  kann  sich  das  Phänomen  vielleicht  besser  so  versinnlichen, 
dass  man  es  von  den  Eindrücken  des  Blutes  auf  die  Hirnmassc  in 
einer  Richtung  ableitet.  Es  wäre  indess  auch  möglich,  dass  durch 
die  Drehungen  eine  Aberration  eines  feinem  Principes,  als  der  Ilirn- 
theilchen  oder  des  Blutes,  durch  Aufheben  des  Gleichgewichtes  der 
Kräfte  eine  Aberi'alion  des  Nervenprlncipes  selbst  stattfände,  welche 
den  Sinnen  als  Scheinbewegung  der  Gegenstände  vorkömmt.  We- 
nigstens bewirken  Narcotlca  ohne  mechanische  Störungen  auch 
Schwindelhewegungen.  Jedenfalls  bieten  diese  Erscheinungen  eine 
sehr  interessante  Parallele  sensorieller  Phänomene  zu  den  vorher 
beschriebenen,  durch  das  Aufheben  des  Gleichgewichtes  der  Kräfte 
in  den  motorischen  Theilen  entstehenden  Cirkclbewegungcn  dar. 


Berichtigungen  und  Nachträge. 


Erste  Abthellung. 

P.  2.  Z.  15.  V.  u.  hinter  „Elemente“  Folgendes  einzuschalten: 
Die  Theorie  der  Zusammensetzung  der  organischen  Körper  aus 
ternären  und  quaternären  Zusammensetzungen  ist  zwar  in  neuerer 
Zeit,  besonders  in  Beziehung  auf  einige  Producte  aus  organischen 
Körpern,  wie  Weingeist  u.  a.  m.,  in  Zweifel  gezogen,  hat  aber  im- 
mer noch,  namentlich  in  Beziehung  auf  die  höheren  organischen 
Verbindungen,  wie  sie  in  den  Pflanzen  und  Thieren  selbst  Vorkom- 
men, als  Eiweiss,  Faserstoff  u.  a.,  eine  grosse  Wahrscheinlichkeit. 

P.  22.  Z.  2.3.  einzusclialten : Der  Rückgrathskanal  und  dlo 
Schädelhöhle  der  Frösche  enthalten  um  die  Gentraltheile  des 
Nervensystems  eine  Lage  von  breiartiger  weisser  Materie,  die 
nach  EHKEHBEao’s  und  Huscure’s  Entdeckung  aus  microscopischen 
Krystallen  von  kohlensaurein  Kalke  besteht.  An  der  Bauchhaut 
der  Fische  und  im  Silberglanze  der  Chorioldea  der  Fische  hat 
Eurehberg  auch  microscopische  Krystalle  aus  einer  organischen 
Materie  entdeckt.  Mueleer’s  Archiv  für  Anat.  und  Phjsiol.  p.  158. 

P.  32.  Z.  16.  st.  in  destillirten  1.  in  lufllosen. 

P.  32.  Z.  17.  st.  10  12  Stunden  1.  einige  Stunden. 

P.  32.  Z.  26.  Vergl.  Buckland  in  Froriep’s  Not.  34.  Bd. 

P.  65.  Z.  10.  V.  u.  sL  Welsch  1.  Walsu. 

P.  65.  Z.  5.  V.  u.  st.  Fahlberg  1.  Fahlenberg. 

P.  68.  Z.  4.  Nach  neueren  Versuchen  von  John  Davy  an  Zit- 
terrochen wirkt  das  Organ  derselben  allerdings  auf  das  Galvano- 
meter. Poggendorf’s  Annalen.  1833. 

P.  80.  Z.  8.  st.  angewandten  1.  verwandten. 

P.  89.  Z.  29.  Vergl.  Mueller’s  Archiv  für  Anat.  und  Physiol, 
1834.  p.  140. 

P.  95.  Z.  21.  v.  u.  st.  Durchschneidung  1.  Unterbindung. 

P.  105.  Ueber  das  Blut  der  Wirbellosen  siehe  B,.  Wagner’s 
lehrreiche  Sclirift  zur  vergleichenden  Physiologie  des  Blutes.  Lpzg.  1833. 

P.  122.  Z.  8.  hinter  auflöslich  einzuschalten : Cyaneisenkalium 
bringt  in  der  essigsauren  Auflösung  einen  Niederschlag  hervor, 
was  für  den  Faserstoff  characterlstiscli  ist,  da  diess  bei  Zellge- 
webe, Sehnengewebe,  elastischem  Gewebe  der  mittleren  Arterien- 
haut nicht  der  Fall  ist. 

P.  126.  Z.  25.  V.  u.  zuzusetzen:  Nach  Boudet  (Essai  critique 
et  expertmeiüal  sur  le  sang.  Paris  1833.)  enthält  das  Blut  auch 
Cholesterine,  wie  schon  Gmelin  fand. 

P.  139.  Z.  20.^  v.  u.  zuzusetzen:  Carus  entdeckte  am  Echi- 
iius  edulis  in  demjenigen  zarthäuligen  Wnsserröhrengewehc,  das 


848 


Berichttgungen 


den  Saam  zwisclien  den  äusserst  feinen  Löcherclien  der  Fühler- 
gänge (Ä.mbulacra)  innen  bekleidet,  selbst  wenn  die  Theile  dieses 
Gewebes  abgeschnitten  sind,  eine  Cirkelbewegung  von  Kügelchen. 

P.  14.3.  Z.  27.  Diese  Körperchen  sind  nach  neueren  Beob- 
achtungen kleine  Crystalle. 

P.  155.  Z.  16.  V.  u.  st.  den  Pteropoden  und  schalenlosen  1. 
den  schalenlosen. 

P.  169.  Z.  4.  st.  .3.35.  1.  3.31. 

P.  187.  Z.  22.  zuzufügen:  Eben  so  in  dem  von  mir  beobach- 
teten, ganz  ähnlichen  Falle  von  einem  Kopfe,  der  durch  eine 
Arterie  und  Vene  mit  den  Nabelgef'ässen  eines  vollständigen  Kin- 
des zusammenhing.  Mtjeller’s  Archiv  18-34.  p.  179. 

P.  202.  Z.  14.  Ucber  die  verschiedenen  Formen  der  Capil- 
largefässe,  siehe  Berres  interessante  Beobachtungen.  Med.  Jahrh. 
des  Oesterr.  Staates.  Bd.  14.  Mueller’s  Archiv  1834.  p.  32. 

P.  212.  Z.  4.  Zusatz.  Man  sehe  über  den  hier  verhandelten 
Gegenstand  die  interessante  Abhandlung  von  Poiseuille  in  Muel- 
ler’s Archiv  18-34.  p.  365. 

P.  214.  Z.  3.  V.  u.  Unsere  Ansichten  von  der  Erection  er- 
halten durch  die  von  mir  gemachte  Entdeckung  der  bei  der 
Erection  wirksamen  Arterienzweige  eine  ganz  andere  Wendung. 
Siehe  die  2.  Abth.  dieses  Handbuches  p.  801. 

P.  224.  Z.  8.  V.  u.  Während  des  Lebens  kann  bei  geschlosse- 
nem Schädel  keine  Bewegung  des  Gehirns  entstehen,  da  der  Schädel 
von  festen  Wänden  eingeschlossen  ist,  und  das  Gehirn  sein  Volumen 
nicht  verändern  kann.  Was  man  darülier  vorgehracht  hat,  lässt 
sich  leicht  durch  die  physicalische  Unmöglichkeit  widerlegen. 

P.  244.  Z.  9.  V.  u.  Zusatz.  Siehe  Dr.  Nasse’s  Beobachtun- 
gen in  Tiedemakn’s  Zeitschrift.  Bd.  5.  Hjt.l. 

P.  256.  Z.  11.  V.  u.  st.  Lymphdrüsen  1.  Lymphgefässen. 

P.  262.  Z.  1.  V.  u.  st.  Atlas  1.  Anat. 

P.  270.  Z.  12.  V.  u.  st.  phjs.  1.  physiol. 

P.  281.  Z.  16.  st.  Chim.  1.  Chim.  et  de  Phys. 

P.  281.  Z.  17.  st.  Chim.  1.  Chim.  et  de  Phys. 

P.  284.  Z.  10.  st.  am  1.  als  Larven  am. 

P.  298t— 299.  st.  ScRARREY  1.  Scbarpey. 

P.  300.  Z.  11.  V.  u.  Die  Strömungen  rühren  auch  an  den  Sala- 
manderlarven von  microscopischen  Wimpern  her.  Nach  Purk.ihje’s 
und  Valestik’s  wichtiger  Entdeckung  sind  auch  alle  Schleimhäute  der 
Amphibien,  Vögel,  Säugethlere  (mit  Ausnahme  derjenigen  des  Darm- 
kanales, der  Harn- und  männlichen  Geschleclitstheile)  mit  microsco- 
pisch  sich  bewegenden  Wimpern  besetzt,  die  sich  noch  lange  nach 
dem  Tode  bewegen.  Nun  begreift  man  auch,  wie  der  Same  zum  Ei 
gelangt.  Siehe  Müeller’s  Arc/dv  für  Anat.  und  Physiol.  1834.  p.  .391. 

P.  301.  Z.  11.  ln  Dr.  ScuwASii’s  genauen  Versuchen  fand 
keine  Entwickelung  der  Eier  in  irrespirabeln  Gasarten  statt. 
Schwann  Biss,  de  necessitate  ai’ris  aimosph.  ad  evolutionem  pulli  in 
ovo  incubito.  Berol.  1834. 

P.  307.  Z.  13.  st.  weitere  1.  weichere. 

P.  313.  Z.  16.  In  Mitscherlich’s,  Gmelin’s  und  Tiedemahh’s 
Versuchen  konnte  auch  keine  Kohlensäure  aus  Blut  entwickelt 


und  Nachträge. 


849 


werden.  Siehe  TiEDEMAms’s  Zeitschrift.  Bd.  5.  Hfl.  1.  Nach 
Hoffmann  {Land.  med.  gazette.  Mueller’s  Archio  18.34.  p.  105.) 
soll  Venenhlut  mit  WasserstofFgas  geschüttelt,  Kohlensänre  ent- 
wickeln, welche  durch  Warme  und  die  Luftpumpe  nicht,  wohl 
aber  bei  dem  Einflüsse  anderer  Gase,  atmosphärischer  Luft  oder 
Wasserstoffgas  frei  werde. 

P.  .315.  Z.  5.  st.  7.  1.  10. 

P.  .315.  Z.  5.  st.  10.  1.  7. 

P.  .324.  am  Ende  hinzuzufügen:  Gegen  diesen  Versuch  konnte 
man  immer  noch  den  Einwurf  machen,  dass  die  Frösche  in  ih- 
ren Lungen  einen  Theil  atmosphärischer  Luft  in  den  Versuch 
mitgebracht,  und  doch  auch  ihr  Darmkanal  Kohlensäuregas  ent- 
halten konnte.  Ich  habe  daher  auch  die  Versuche  so  wiederholt, 
dass  ich  die  Frösche  in  einem  eigenen  Apparat  zuerst  dem  luftleeren 
Raume  €Hissetzte,und  diesen  mit  gereinigtemWasserstoffgase  anfüllte. 
In  einem  Versuche  wurde  auch  dieses  Wasserstoffgas  wiederholt  aus- 
gepumpt, um  den  letzten  Antheil  atmosphärischer  Luft  aus  dem 
Raume  zu  bringen.  Auch  überzeugte  man  sich  durch  eine  Probe, 
dass  das  Wasserstoffgas  nach  Absorption  des  Wasserdainpfes  von 
salzsaurem  Kalke  durch  Kali  causticum  nicht  vermindert  wurde.  Die 
Frösche  wurden  drei  Stunden  in  dem  Wasserstoffgase  gelassen,  sie 
waren  schon  viel  früher  scheintodt.  Dann  wurden  die  Frösche 
herausgenommen  und  alles  Wasser  aus  dem  Gase  entfernt,  da- 
durch , dass  ein  Röhrchen  mit  salzsaurem  Kalke  wiederholt  in- 
nerhalb eines  ganzen  Tages  in  den  Raum  gebracht  wurde,  bis 
der  salzsaure  Kalk  darin  trocken  blieb.  Erst  dann  wurde  das 
Gas  auf  Kohlensäure  mit  Kali  causticum  geprüft.  In  beiden  der 
angestellten  Versuche  zeigte  sich  die  gewöhnliche  Ausbauchung 
von  Kohlensäure,  welche  im  ersten  Versuche  0,3,  im  zweiten 
0,-37  Cubikzoll  betrug. 

P.  340.  Z.  16.  zu  streichen:  Indessen  bin  ich  doch  etc.  bis 
Z.  28 des  N.  vagus  angestellt.  Die  hier  vorgetragene  An- 

sicht ist  nicht  richtig.  Die  Ursache  der  Aveissen  Coagula  im 
Herzen  ist  bloss  die  Senkung  der  Blutkörperchen  vor  der  Ge- 
rinnung des  Blutes,  gleichwie  auch  nach  meinen  Beobachtungen 
sich  die  Crusta  inflammatoria  erzeugt.  Siehe  in  Hinsicht  der 
Beweise  Puoedus  über  den  Leichenbefund  in  der  Cholera.  Berl.  18.3.3. 

P.  .358.  Z.  17.  Eine  genaue  Zusammenstellung  aller  Beobach- 
tungen hat  All.  Thomson  (Fboriep’s  Not.  Nr.  783.)  gegeben. 

P,  368.  Durch  ein  Versehen  haben  der  24 — 26.  Bogen  un- 
richtige Seitenzahlen  erhaften,  und  sind  die  Seiten  jener  Bogen 
mit  den  Seitenzahlen  369  — 406  zu  bezeichnen. 


Zweite  Ahlheilung. 

P.  447.  Z.  8.  Zusatz.  WoLLASTON  nimmt  an,  dass  bei  den 
Secretionen  ein  electrischer  Process  stattfinde.  Er  nahm  eine 
zwei  Zoll  lange,  f Zoll  dicke  Glasröhre,  und  verband  das  eine 
Ende  derselben  mit  Blase;  dann  goss  er  Wasser  in  die  Röhre, 
worin  Kochsalz.  Die  Blase  wurde  äusserlich  befeuchtet  und 


850 


Bericfdigmgen 


auf  ein  Stück  Silber  gesetzt;  nun  wurde  ein  Zinkdratli  durch 
das  eine  Endo  mit  dem  Silber,  durch  das  andere  mit  der  Flüs- 
sigkeit in  Berührung  gebracht.  Es  erschien  reines  Natron  an 
der  änssern  Fliicbe  der  Blase.  Eberle  gelang  dieser  Versuch 
nur  bei  einer  starkem  galvanischen  Action.  Eberle  Physiologie  der 
Verdauung,  p.  1,37. 

P.  d.'iS.  Z.  12.  V.  n.  lieber  den  Einfluss  der  Nerven  auf  die 
Absonderung  sind  die  spater  p.  566.  angeführten  Beobachtungen 
von  Peipers  zu  vergleichen. 

P.  5.32.  Z.  18.  st.  1828  1.  1825. 

P.  533.  Z.  16.  V.  u.  Zusatz.  Eberle’s  Schrift  üher  die  Physio- 
logie der  Verdauung.  Würzh.  1834,  enthält  mehrere  sehr  merk- 
würdige Beobachtungen  über  die  Verdauung,  die,  wenn  sic  bestä- 
tigt werden  sollten,  den  Untersuchungen  eine  ganz  neue  Wendung 
geben  würden.  Der  Verfasser  überzeugte  sich  zuerst  durch  Versüß 
che,  dass  weder  die  Essigsäure  noch  die  Salzsäure  im  verdünnten  Zu- 
stande so  viel  von  organischen  Stoffen  lösen,  dass  man  auf  sie  hei  der 
Auflösung  der  Nahrungsmittel  im  Magen  rechnen  könnte.  Hier- 
durch werden  unsere  eigenen  Erfahrungen  über  diesen  Punkt 
(siehe  oben  p.  5-30.)  bekräftigt.  Dagegen  hat  der  Verfasser  die 
sehr  merkviTirdige  Beobachtung  gemacht,  welche,  wenn  sie  sich  be-' 
slätigen  sollte,'  eine  wichtige  Entdeckung  seyn  würde,  dass  der  saure 
Schleim  des  Magens,  welcher  während  der  Verdauung  zwischen 
den  Nahrungsmitteln  und  den  Magenwänden  sichtbar  wird,  ein 
treffliches  Lösungsmittel  organischer  Substanzen  ist,  und  dass  da- 
durch der  Faserstoff,  das  geronnene  Eiweiss,  Käse,  in  kurzer  Zeit 
vollständig  ausser  dem  thierischen  Körper  chymlflcirt  werden, 
während  die  Veränderung  durch  diese  blossen  Säuren  des  Ma- 
gensaftes auf  keine  Weise  gelingt,  Eberle  hat  ferner  beobach- 
tet, dass  man  sich  einen  künstlichen  lösenden  Magensaft  bereitet, 
wenn  man  die  innere  Haut  irgend  einer  Schleimhaut,  die  selbst 
getrocknet  seyn  kann,  z.  B.  von  der  Uriablase,  mit  Essigsäure 
und  Salzsäure  behandelt.  Getrocknete  Blasenliäute  schwellen  mit 
diesen  Säuren  zu  einer  Gallerte  auf;  die  daraus  ausgepresstc 
Flüssigkeit  zeigte  sich  als  Lösungsmittel  für  organische  Stoffe. 
Alle  Nahrungsstoffe  wurden  davon  enveicht  und  binnen  2 — 6 
Stunden  in  eine  breiige  Masse  verwandelt.  Schleim  des  Magens, 
der  nicht  sauer  ist,  von  nüchternen  Ttiieren,  und  Schleim  aus 
der  Nase,  Luftröhre,  chimificirt  nicht;  verbindet  man  ihn  aber 
mit  Salzsäure  oder  Essigsäure,  so  gelingt  die  Chymification,  Zu 
dem  Schleime,  den  Eberle  gewöhnlich  benutzte,  bediente  er  sich 
der  Schleimhaut  des  Labmagens  der  Kälber.  Sie  wurde  mit  kal- 
tem Wasser  ausgewaschen,  bis  sie  nicht  mehr  sauer  reagirte, 
liieranf  getrocknet;  so  oft  er  nun  Schleim  nötbig  hatte,  nahm  er 
ein  Stück  davon,  zerschnitt  es  in  kleine  Stücke;  dann  wurden 
diese  in  mässig  warmem  Wasser  erweicht.  Werden  keine  Säuren 
zugegossen,  so  zeigt  sich,  wenn  diese  Stücke  mit  Nahrungsstoffen ■ 
versetzt  werden,  bald  Fäulniss;  giesst  man  aber  10 — 12 Tropfen 
Salzsäure  oder  mehr  Essigsäure  zu  den  Scbleimhautstückchen , so 
löst  sich  die  Schleimhaut  in  eine  grauliche  schleimartige  Masse, 
die  sich  in  Fäden  ziehen  lässt.  Wird  nun  der  künstliche  Schleim 


und  NacJiträgs. 


851 


mit  Wasser  verdünnt,  so  wird  diese  saure  Flüssigkeit  dem  Magen- 
safte 'iihnlicli  und  die  künstliche  Chymification  soll  bei  massiger 
Wärme  damit  gelingen.  Geronnenes  Eiweiss  mit  der  Flüssigkeit  ver- 
setzt, zeigte  sich  nach  4 Stunden  grösstentheils  erweicht,  und  nach 
5^  Stunden  in  einen  homogenen  Brei  verwandelt.  Diess  wäre  sehr 
merkwürdig,  denn  blosse  sehr  verdünnte  Säuren  lösen  das  geronnene 
Eiweiss  in  einer  Woche  noch  nicht  auf,  wie  ich  ays  eigener  Erfah- 
rung weiss.  Faserstoff  aus  Ochsenblut  fing  nach  zwei  Standen  an 
schmierig  zu  werden;  durch  Zusatz  von  neuer  lösenden  Flüssigkeit 
wird  der  Faserstoff  zuletzt  auch  in  einen  schleimartigen  Brei  verwan- 
delt. Dasselbe  geschieht  beim  Kleber  in  vier' Stunden.  Speichel, 
Osmazom  wirken  durchaus  nicht  so  wie  der  saure  Schleim.  Nach 
Eberle  dient  der  Speichel  bei  der  Verdauung  zur  Erleichterung 
der  Zersetzung  der  Nahrungsstoffe , denn  diese  gehen  mit  Spei- 
chel viel  leichter  in  Zersetzung  und  Fäulniss  über. 

P.  5-38.  Z.  2.  Zusatz  aus  Eberle’s  Sclirift  über  die  Verdauung. 
Wurde  ein  Gemisch  von  Chymus  und  Galle  mit  Wasser  ver- 
dünnt und  fiUrirt,  so  fand  sich  bei  allen  Versuchen  das  Picro- 
rael  der  Galle  in  dem  Filtrate;  der  Schleim,  das  Harz,  das  Fett, 
die  Fettsäuren  und  der  Farbcstoff  der  Galle  blieben  dagegen  mit 
den  ungelösten  Theilen  des  Chymus  auf  dem  Filler.  Diess  zeigte 
sich  bei  dem  Chymus  der  verschiedensten  Nahrungsmittel.  Eberle 
bereitete  eine  künstliche  pancrealische  Flüssigkeit  aus  dem  Pan- 
creas  des  Ochsen  durch  Digestion  desselben  mit  Wasser,  Auspres- 
sen und  Filtriren.  Chymus  wurde  nach  dem  Zutritte  dieses  Saf- 
tes flüssiger,  und  nicht  ganz  verflüssigte  Nahrungsstoffe  zerflos- 
sen und  gingen  leichter  durch  das  Filter;  daher  wirke  der  Pan- 
creassatt  lösend.  Derselbe  vermöge  auch  etwas  Fett  aufzuneh- 
men, und  was  man  von  der  Galle  vermuthet  habe,  gelte  von 
dem  paucreatischen  Safte.  Bei  dem  Scbiitteln  von  künstlicher 
pancreatischer  Flüssigkeit  mit  Oel  bildete  sich  eine  trübe  Flüs- 
sigkeit; in  der  Ruhe  schied  sich  zwar  viel  Oel  ab , aber  diess 
war  weisslich  getrübt  und  fein  zertheilt,  mit  dem  Ansehen  eines 
Rahmes.  Der  Verfasser  hat  auch  interessante  Beobachtungen 
über  den  Darmsaft  angestellt,  der  nach  ihm  zur  fernem  Auflö- 
sung der  ungelösten  Chymustheile  beiträgt. 

P.  558.  Z.  3.  Retzius  hat  auch  die  Nebennieren  der  Knor- 
pelfische entdeckt.  Oiscro.  in  aiiat.  chondropterygiorum.  Lundae  1819. 

P.  560.  Nach  Haugsted  kömmt  die  Tiiymusdi'üse  nur  bei 
den  Säugethieren  vor,  und  ist,  wie  bereits  Jacobson  fand,  im  Win- 
terschlafe nicht  grösser.  In  Hinsicht  der  vergleichenden  Anato- 
mie der  Thymus  verweist  man  auf  die  fleissige  Schrift  von  Haug- 
STED,  Thymi  in  liomine  ac  per  seriem  animalium  descr.  anatomim, 
pathologiai  et  physiologica  cum  iah.  Jlafn.  1832.,  ausgezogen  in 
Hecker’s  Annalen.  25.  54.  * 

P.  626.  Z.  26.  st.  der  Flexion  I.  die  Bewegung  der  Flexoren. 

Ebeiid.  st.  der  Extension  der  Muskeln  1.  der  Bewegung  der 
Extensoren. 

P.  659.  Z.  21.  V.  u.  Panizza  hat  neuerlich  aus  ähnlichen 
Versuchen  am  Brosche  ganz  das  Gegentheil  geschlossen.  Nach 
Durchschneiduag  der  ersten  vordem  Wurzel  der  Nerven  des 


852 


Berichtigungen  und  Nachträge. 


HinterLeines  eines  Frosches , bewegte  dieser  das  Bein  nach 
wie  vor;  nach  der  Durchschneidung  der  zweiten  Wurzel  war  die 
Bewegung  geschwächt,  und  nach  Durchschneidnng  der  dritten 
Wurzel  die  Bewegung  erst  ganz  aufgehoben.  Hieraus  schliesst 
PanizZa,  dass  in  dem  Plexus  eine  Mittheilung  geschehe.  Ricer- 
che  sperimentali  sopra  i nervi.  Pavia  1834.  p.  40.  Etwas  Aclinliclies 
sah  er  hei  Säugethiei-en;  diese  Versuche  sind  nicht  hinlänglich 
genau.  Bei  Wiedei-holung  derselben  hätte  Panizza  bald  sehen 
können,  dass  nach  Durchschneidung  des  ersten  Nerven  die  Ad- 
duction  gelähmt  war,  und  dass  auch  die  beiden  anderen  Nerven 
verschiedene  Wirkungen  haben,  wie  van  Deen  und  ich  beobach- 
tet haben.  (Panissa  bestätigt  übrigens  durch  seine  Versuche  den 
BELLSchen  Lehrsatz  von  den  Wurzeln  der  Nerven.) 

P.  756'.  Z.  7.  Zusatz.  Nach  Panizza’s  Versuchen  {Ricerche 
sperimentali  sopra  i nervi.  Pavia  1834.)  dauert  der  Geschmack 
der  Thiere  nach  Durchschneidung  des  N.  lingualis  fort;  indem 
sie  Brot,  Milch,  Fleisch,  mit  Coloquinten  oder  Infusion  von  Quas- 
sia,  zwar  zu  fressen  versuchen,  aber  sie  sogleich  verschmähen, 
während  sie  nach  Durchschneidung  des  N.  glossopharyngeus  auch 
Bitterkeiten  verschlucken.  Panizza  betrachtet  daher  den  N.  lin- 
gualis  als  blossen  Gcfublsnerven,  den  N.  glossopharyngeus  als  Ge- 
scbmacksnerven.  Wenn  diese  Ansicht  richtig  seyn  sollte,  so  ist 
doch  Panizza’s  Ansicht  nur  zmnTheil  richtig,  indem  dieser  Nerve 
zugleich  deutlich  Muskelnerve  ist;  was  seine  Wurzel  mit  einem, 
nur  einem  Tbeile  der  Fäden  angehörenden  Ganglion,  und  die 
oben  angeführten  Versuche  beweisen.  Parry  [Eiern,  of  pathol. 
and.  Therap.  V.  1.)  beobachtete  einen  Fall,  wo  der  Geschmack 
auf  der  einen  Seite  von  einem  Drucke  auf  den  N.  lingualis  aus- 
ser der  Schädelhöhle,  verloren  ging.  Vergl.  Treviranus  Riol.  6. 
234.  Nach  Magendie  und  Desmoulins  ist  nach  Durchschneidung 
des  N.  lingualis  Gefühl  und  Geschmack  der  Zunge  verloren.  Des- 
moulins anat.  des  syst.  nerv.  2.  717. 

P.  787.  Z.  19.  V.  u.  Die  hier  gemachte  Bemerkung  von  den 
Gliederthleren  bedarf  einer  Berichtigung.  Nach  Treviranus 
Beobachtungen  zeigen  die  Insecten  nach  Wegnahme  des  Kopfes 
allerdings  oft  noch  willkührlicbe  Bewegungen.  Ein  Carabus  gra- 
nulatus  lief  nach  wie  vor  heriun;  eine  Bremse,  auf  den  B.ücken 
gelegt,  strengte  sich  an,  auf  die  Beine  zu  kommen.  Treviranus 
führt  auch  die  interessante  Beobachtung  von  Walckenaer  über 
eine  Cerceris  ornata  an,  welche  einer  in  Löchern  lebenden  Biene 
nachstellt.  Walcrbnaeh  stiess  einer  solchen  Wespe  im  Augen- 
blicke, wo  sie  in  das  Loch  der  Biene  eindringen  wollte,  den 
Kopf  ab;  sie  setzte  ihre  Bewegungen  fort,  und  suchte  umgekehrt 
dahin  zurückzukehren  und  ciuzudringen.  Treviranus  Erschei- 
nungen und  Gtsetze  des  organischen  Lebens.  2.  194. 


Berlin,  gedruckt  bei  den  Gcbr.  Viiger. 


t 


I:« 

L.v 


I 


*1 

. t' 


■'•X 


l 

I 


i 

t 


i. 

I 


r 


/