;
.naturalis
nationaal natuurtiistorisch
museum
postbus 9517
2300 RA leiden
nederfand
Stoll & Bader
Buchhandlung und Antiquariat
jT'i.ellmi-H' tu.
/KS/
\
£
A
)
I
I .
J &
HANDBUCH
der
' J: ■
PHtSIOLOGIE OES MENSCHEN
t >
für Vorlesungen.
Von
Dr. Johannes Müller,
ordentl. fiflcntl. Professor der Anatomie und Physiologie an der KBnigl.
Friedrich Wilhelms -Universität und an der Königl. mcdiciir. - cliirurg. Militar-
Academic in Berlin, Director des Königl. anatom. Museums und anatom.
Theaters; Mitglied der Königl. Academie der Wissenschaften z.ii Berlin, der
Kaiser]. Academie der "Wissenschaften zu St. Petersburg, der Königl. Academie
der "Wissenschaften zu Stockholm.
ERSTER BAND,
Zweite verbesserte Auflage.
Mit Königlich "Würt emb ergis eben Privilegien.
C o b 1 e n z ,
Verlag von J. Hölscher,
1835;
.k
X •
4
V o r r c cl c.
Bei der Vergleichung der zweiten ALtliellung dieses Hand-
Luclies mit der ersten, wird der geneigte Leser bemerken, dass
ich von dem Plane der Behandlung unseres Gegenstandes nicht
ahgewichen Lin. In einer Wissenschaft, die ein so grosses Ma-
terial von Beobachtungen von so sehr verschiedenem Werthe
besitzt, wie die Physiologie, Ist die Kritik der Erfahrungen über-
all nur hei eigener Anschauung und Prüfung möglich. Obgleich
ich mir zur Pllicht gemacht habe, den actuellen Zustand unserer
Wissenschaft in den wichtigsten Erfahrungen der Physiologen dar-
zulegen, so habe ich mich doch überall lieber auf eigene als
fremde Anschauung gestützt, und ich habe nur zu bedauern, dass
diess nicht in allen Theilen der Physiologie möglich ist.
Ich machte mir überall zur Aufgabe, die Schwierigkeiten
anfzusuchen, und meinen Lesern alle wichtigeren Facta so zu zer-
gliedern, wie sie zur Auflösung der physiologischen Aufgaben füh-
ren, oder zur Lösung der letzten Geheimnisse führen könnten,
wenn unsere allgemeinen Kenntnisse von dem Principe des Le-
hens vollkommener wären. Mit allgemeinen Formeln von dem
Lehen in der ganzen Natur und dergleichen täuschen wir uns
nicht. Der exacte Physiker, der sich des Ausdruckes Lehen
nicht iür jede Art der Thätigkeit bedient, ist nicht so ver-
blendet, dass er nicht wüsste, wie in der Natur überall Thä-
tigkeit sey ; das weiss Jeder. Thätigkeit ist überall , selbst
die Ruhe der Massentheilchen ist durch die Thätigkeit der
Anziehung derselben gegen einander bewirkt. Hätte man die
VI
Vorrede.
Thäti’gkeit im Weltensystem von Anfang LeLen genannt, ich be-
diente mich des Ausdruckes Leben auch in diesem Sinne; aber
der Sprachgebrauch nennt eben die Thätigkeit der organischen
Wiesen Leben. W^er die W^eltkörper Organismen nennen will,
möge es thun, mir schien diess in jüngeren Jahren auch einmal ganz
passend. Die Erwägung, dass die Verschiedenheiten dieser unei-
gentlichen und eigentlichen Organismen grösser, als ihre Aehnlich-
keiten sind, hat mich bestimmt, diese von einigen Naturforschern
beliebte Bezeichnung fallen zu lassen. Die Wörter organisch und
organisirt haben hei uns immer bestimmte physiologische Be-
griffe, welche von einem ausgezeichneten Gelehrten missver-
standen worden sind. Organische Stoffe sind uns alle, die von
Organismen erzeugt sind. Organisirt sind uns nur diejenigen
Theile der Organismen, welche nicht bloss organische Zusam-
< mensctzungen enthalten, sondern die zu ihrer selbstständigen Er-
nährung und ihrem selbstständigen Wachsthnme nöthige Organi-
sation ihres Innern, das heisst Gefässe, enthalten. Ich denke, es
könnte Jedem recht seyn, wenn ich In diesem Sinne die Haai-e
und Nägel organische, aber nicht organisirte Theile nenne.
Der Plan dieses Werks, eine philosophische Zergliederung
der Thatsachen, welche von der Physik des Lehens vorliegen, ohne
Anwendung einer solchen Lösung der Aufgaben, welche sich
auf andere Hülfsmittel als die Analyse der Facta gründen, legt
uns hier die Bedingung auf, unseren Lesern ein speculatives
System vorzuenthalten. Es ist wahr, die empirische Physiologie
löst die letzten Fragen über das Leben nicht, aber die Philoso-
phie löst sie auch nicht auf eine solche Art, dass wir von dieser
Lösung in einer Erfahrungswissenschaft Gebrauch machen könn-
ten. Wir können nicht in diesem Augenblicke uns eines specu-
lativcn Beweises bedienen, wenn wir im nächsten Augenblicke
mit der Aengstlichkeit und Vorsicht eines empirischen Physikers
kein Wort mehr zu sagen uns getrauen, als was auf die Facta
gegründet ist, wenn wir am empirischen Beweise festhalten müs-
tcn. Von der Physiologie dürfen üherdiess keine möglichen
metaphysischen Theorien, sondern Beweise gefordert werden,
dass eine Theorie richtig oder unrichtig ist. Freilich haben wir
Vorrede.
VII
immer das Bedärfniss gefühlt, die Lücken, welche die empirische
Physik in unseren Ansichten von der Welt lässt, durch Philo-
sophie anszufüllen, und wir gestehen gern, dass wir weder dem
Studium ihrer Geschichte, noch ihrer Entwickelung in der neue-
ren Zeit fremd geblieben sind. Wir sind der Philosophie mit
redlichem Eifer in früheren Studien in leere und gedanken-
lose Systeme , wie in herrliche Denkmäler des menschlichen
Geistes gefolgt. Eine Lösung der letzten Fragen, die wir für
uns und Andere benutzen könnten, haben wir gesucht. Aber
wir haben diejenige Lösung nicht vor uns, die wir mit dem
Gange einer Erfahrungswissenschaft ohne Weiteres vereinbaren
könnten. Wäre Einer der Physiologen, der durch die Schärfe
und Gewalt seines Geistes ein System uns vorführte, das, wenn
auch nicht auf Thatsachen gebaut, mit den Thatsachen auf das
innigste ühereinstimmte, und wie aus einer Thatsache alle an-
deren erklärte, ich glaube, ich würde ihn erkennen; ich wäre
der Erste, ihn auf den Händen zu tragen. Auch wo uns die
Speculation verlässt, gehen wir uns gern noch gleich allen Men-
schenkindern der Poesie hin, und lassen uns gern von ihr zu
den Sternen tragen. Aber man verlange von uns nicht, dass wir
davon in einer exacten Untersuchung reden. Diese Bemerkungen
können hier gelegentlich zugleich als Erklärung über die realisti-
sche Haltung unseres Lehrbuches dienen. Die Physiologie befindet
sich jetzt in einer Periode ihrer Entwickelung, welche der Aufnahme
vorzugsweise speculativer Forschungen auf lange Zelt nicht günstig
ist. Diese Bichtung nach einer an einzelnen glänzenden, gröss-
tentheils aber verwirrten und erfolglosen speculativen Productlo-
nen reichen Periode hat grosse Fortschritte und Entdeckungen
erzeugt, während die Philosophie hinwieder uns gelehrt hat,
Beobachtungen zu würdigen und zu zergliedern. Rein Naturfor-
scher wird unsere Wissenschaft so bald leicht von dem realisti-
schen Gange ablenken, als derjenige, der solche wichtige That-
sachen entdeckt, w'oraus sehr viele andere erklärt werden.
In Beziehung auf vorliegende Abtheiiung des Handbuches
enthält das Vorbemerkte alles etwa in der Vorrede zum Ver-
sfändniss Mitzuthcilende. Indessen ergreife ich diese Gelegenheit,
VIII Vorrede.
noch einige Einzelheiten, die anderswo keine Stelle finden kön-
nen, za Berühren.
In der Vorrede der ersten Ahtheilnng ist eine von mir über
den Foetuszustand des Auges der Säugethiere gemachte Beobach-
Vasa capsulo-pnpdlaria, and die durch sie entstehende
Membrana capsalo-papillaris zur Sprache gekommen. Ich verfehle
nicht hier anzuzeigen, was seither über diesen Gegenstand verhan-
delt worden. Bestätigende Beobachtungen sind früher von Reich,
hernach von Valentin and Wagneu in v. Ammon’s Zeitschrift für
Ophthalmologie Ed. III. mitgetheilt worden. Vergl. Henee ebendas.
Bd. IV. und Mueleer in Jahresber. über die Fortschritte der anato-
misch-physiologischen Wissenschaften, in Mueeeer’s Ar dm für Anat. u.
Physiol. 18.34. p. 40. Auf meine in der Vorrede der 1. Abth. gemach-
ten Bemerkungen hat hinwieder der sehr verehrte Hr. Prof. Arnoed
in V. Ammoh’s Zeitschr. Bd. IV. erwiedert, worauf ich den geneigten
Leser, welcher sich für diesen Gegenstand interessirt hat, aufmerk-
sam mache, obgleich hierauf meinerseits nur zu wiederholen ist, was
bereits in der Vorrede des 4. Bandes und im Jahresberichte a. a. O.
bemerkt worden ist. Da Hr. Prof. Arnoed die Vasa capsulo-pupil-
laria des Fötusauges zugiebt, so kann ich laut Vorrede des 1. Bandes
weiter nichts verlangen , indem man die anderweitig von ihm be-
rührten Fragen für hors d’oeuvres in dieser Angelegenheit halten
kann. Recht sehr bitte ich, nachdem ich, was mir oblag, gethan,
nämlich die einst von Hunter gemachte, von Niemand beachtete
Entdeckung ans eigener Beobachtung wieder ins Leben gerufen,
dass nun andere Naturforscher diesen Gegenstand weiter durch
Untersuchungen von Augen injicirter Schaffötus oder anderer
Säugethierfötus pflegen wollen.
Die Jpbrbücher für wissenschaftliche Kritik haben es an
Theilnahme für das Lehrbuch der Physiologie nicht fehlen lassen.
So sehr ich mich durch die Theilnahme, welche ein so ausgezeich-
neter Gelehrter, als Carus meiner Arbeit schenkte, erfreuen musste,
so befremdend war mir eine Art zweiter Recension von einem
Ungenannten 'in denselben Jahrbüchern.. Der Verfasser dieser
letztem will beweisen, dass in meiner Arbeit über das Blut meh-
rere Beobachtungen Vorkommen, welche bereits Hewson gemacht
Vorrede.
IX
hate und die den Meisten unbekannt geblieben seyen. Ich
will hier beweisen: 1) dass die Schriften von Hewson dem medi-
cinischen Publicum allgemein bekannt sind, dass meine Beobach-
tungen über das Blut sogar in demselben Werke und in demsel-
ben Bande mit einem vollständigen Auszuge aus Hewson’s Beob-
achtungen erschienen sind; 2) dass die Puncte, in welchen sich
zwischen meinen und Hewsoh’s Beobachtungen Aehnlicbkeit zeist.
diejenigen] sind, in welchen sie mit allen von Hewson bis auf mich
folgenden eXacten Beobachtern und selbst mit älteren übereinstim-
men ; 3) dass auf die wesentlichen von mir gemachten Erfahrungen
weder Hewson noch irgend ein Anderer Ansprüche der Priorität hat.
1) Die Beobachtungen von Hewson über das Bkit sind allge-
mein bekannt und finden sich in demselben Werke, worin meine
Arbeit zuerst erschien, vollständig ausgezogen. Als Herr Prof.
Bubdach vor Herausgabe des 4. Bandes seiner Physiologie erfuhr,
dass ich Beobachtungen über das Blut anstelle, forderte er mich
auf, sie ihm als Zusätze zu seinem Werke mitzutheilen. Mein
Aufsatz erschien daher zuerst als Zusatz in Burdach’s Physiologie
Bd. 4. mit Beiträgen von J. Mueluer. Leipzig 1832. Prof. Burdach
war es nicht um eine Compilation zu thun, so ivenig als er früher
vom Hrn. v. Baer eine Compilation der Beobachtungen von Malpi-
GHi, WoLEF, Haller, Pander über das Hühnchen im Ei verlangt
hatte, er wollte und erhielt die eigenen Erfahrungen seiner Mit-
arbeiter ohne allen gelehrten Apparat, ln der Art, wie bei unsern
Nachbarn Jeder seine eigenen Beobachtungen ohne eine Idee an
die kluge Pbilisterei eines seiner Leser mitthellt. Prof. Burdach
hat selbst in diesem Werke auf 261 Seiten, nämlich von pag. 1 —
I 136. und von p. 334 — 489. eine vollständige Zusammenstellung
aller Beobachtungen über das Blut mit den nöthigen Citaten mei-
nem Aufsatze theils vorhergehen, theils folgen lassen. Die Be-
obachtungen von Hewson sind dort alle ausgezogen, nämlich auf
■p. 18. 19. 20. 22. 25. 26. 27. 37. 38. 62. 64. 90. 95. 96. 354.
369. 377. 394. 395. 398. 399. 412. Da meine Beobachtungen
dem chemischen Publicum besonders interessant seyn mussten, so
war es natürlich, sie in Poggendorf’s Annalen noch etwas erwei-
tert ferner mitzutheilen und nichts war natürlicher als eine Ab-
X
Vorrede.
kürzung davon in mein Handbuch aufzunehmen. In dieser Ab-
kürzung verwies ich in den ersten Zeilen {Physiol. p. 96.) auf
«ine andere vollständige Zusammenstellung aller fremden Beob-
achtungen über das Blut, nämlich auf E. H. Webek’s Anatomie
Bd. 1. Diess letztere Handbuch, welches sich in den Händen
nicht allein des medicinischen Publicums, sondern auch der Stu-
direnden befindet, enthält auch wieder Hewsok’s Beobachtungen
ansgezogen und es sind darin die Abbildungen von Hewson,
Prevost und Dumas, Fontoha, Home, Bauer über Kern und
■Schale der Blutkörperehen zu erblicken; dass ich hierauf ver-
wies, geschah nach dem in der Vorrede meines Handbuchs aus-
gesprochenen Grundsatz: „wo die Literatur gross ist, nur dieje-
nigen Schriften namhaft zu machen, in welchen man alle kleine-
ren Hülfsmittel angeführt findet.”
2) Die Punkte, in welchen sich zwischen meinen und Hew-
•soHs Beobachtungen Aehnlichkeit zeigt, sind diejenigen, in wel-
chen meine Beobachtungen mit allen früheren exacten Beobach-
tern ühereinstimmen, über welche Lei älteren sowohl, als neueren
guten Beobachtern kein Zweifel obwaltet. AVem als dem
Verfasser jener Critik kann es einfallen, einen Vorwurf daraus
zu machen, dass man von Form, Plattheit, Grösse, Kern und
Schale, Auflösbarkeit der Blutkörperchen in Wasser spricht,
ohne Hewson anzurufen. Sind diese Dinge denn nicht Allen be-
kannt und wiederholt man sie aus einem andern Grunde, als um
bei den Widersprüchen der exacten und unexacten Beobachter
auf eigene Erfahrung sich zu stützen? Hat man nicht schon vor
Hewson ihre Gestalt gekannt, wie Leuwehhoek. und [Fontana?
Haben nicht alle neueren Beobachter Magni, Rudolphi, Schmidt,
Young, Kater, Doellinger, Gruithuisen, Prevost, Dumas, Hodgkin,
Lister, Edwards, Dutrochet davon gehandelt und haben nicht alle
älteren den Kernfleck und alle neueren den Kern selbst heschwe-
ben? In diesem Punkt sind gar keine Entdeckungen möglich; aber
meine Mitthcilungen enthalten keine einzige bestätigende Thatsache,
die ich nicht unabhängig von allen Hülfsmitteln selbst gefunden
hätte. Dass die Blutkörperchen im Serum beobachtet werden müs-
sen, dass sie von Wasser aufgelöst werden, im Serum aber sich
Vorrede.
XI
nlclit verändern, findet man sogleich, es ist nur von schlechten
Beobachtern übersehen, und muss das erste seyn, was jedem Ob-
servator bekannt wird; von Hewson hat man es daher nicht ge-
lernt, man hat es lange vor ihm von Muys und seit beinahe ei-
nem Jahrhundert schon gewusst. Ich hätte es nicht einmal anzu-
führen gebraucht, hätte nicht Home so viel Sonderbares und Un-
richtiges von der Zersetzbarkeit der Blutkörperchen vorgehracht.
Die Auflöslichkeit derselben in Wasser musste natürlich in alle
chemische Handbücher übergehen. Das Einzige, worin Hewsoh’s
Beobachtungen bis auf mich isolirt geblieben sind, ist, dass er
die Blutkörper von Wasser rund werden sah und dass er sie un-
ter dem Microscop mit Salzen zusammenbrachte. Dies ist wahr-
haftig viel. In Hinsicht des ersten hat er sich geirrt, indem
er glaubte, die vom Wasser aufschwellenden Körper seyen mit
Flüssigkeit gefüllte Blasen, in welchen [der Kern hin und her
falle. Diess ist nicht so. Von Salzen werden diese Körper nicht
verändert. Das hat er richtig gesehen. Er wusste nicht, dass
sie auch von Wasser, das nur Zucker aufgelöst enthält, unver-
ändert bleiben, und daran hat er eben so wenig entbehrt als
ich, wenn ich übersah, dass er die Blutkörper von Wasser
rund werden und sich in Blasen verändern sah. Hieraus kann
man abnehmen, wie viel ich verloren habe, dass ich Hewsom’s
Schrift selbst zur Zeit meiner Arbeit weder besessen, noch ge-
sucht oder gesehen habe. Da Bürbach (p. -35.) von Hewson
erwähnte, dass er der Urheber der spätem HoMEscheii Theorie
der Blutgerinnung sey, so konnte ich auch hernach nicht sehr be-
gierig werden, seine Ansichten noch näher kennen zu lernen. Frei-
lich hat Bürbach hier dem trefflichen Hewson Unrecht gethan.
3) Auf die wesentlichen von mir gemachten Erfahrungen
über das Blut, die wahrhaftig den einfachen Titel „nach eigenen
Untersuchungen” rechtfertigen, hat weder Hewson, noch irgend
ein Anderer Ansprüche der Priorität. Kein anderer Naturfor-
scher hat die chemische Natur der Schale und des Kernes der
Blutkörperchen, die chemische Natur der Chyluskörperchen und
Lymphkörperchen durch chemische Versuche aufgeklärt. Ich
zeigte gegen Home die Unverändeilichkeit der Blutkörper durch
XII
Vorrede,
das Schlagen des Blutes, die unveränderte Beschaffenheit der
Blutkörperchen im Menstrnalblute, wo der Faserstoff fehlt, ihre
unveränderte Beschaffenheit im Arterien- und Venenhlut, und nach
der Unterbindung der Lungen der Frösche, die Auflösbarkeit
der Schale in Essigsäure, wodurch man die Kerne erhält. Ich
zeigte ferner das Verfahren, wie man die Kerne in Menge iso-
Jirt und ohne vorherige chemische Einwirkung erhalten kann
um damit chemische Versuche anzustellen. Ich beobachtete fer-
ner, dass wie die Essigsäure die Schale und nicht den Kern der
Blutkörperchen, die Alkalien den Kern und die Schale lösen. Ich
zeigte, wie man die Lymphe der Frösche zu chemischen Versuchen
gewinnt, wodurch man diese, sonst im ganzen Leben des Arztes ihm
nicht vorkommendc, Flüssigkeit mit leichter Mühe in den Vorle-
sungen zeigen kann. Wer hat früher wahre Lymphe des Menschen
beobachtet? Ich beobachtete, mit Dr. Nasse, die Lymphe und
Lymphkörnchen des Menschen, die von Niemand bisher gesehen
waren, und ihren Nichtantheil an der Coagulation derselben; das-
selbe zeigte ich von den Lymphkörnchen des Frosches, und zeigte
die Unauflöslichkeit der Chyiuskörpercheu der Thiere durch Aether;
woraus hervorgeht, dass sie nicht blosse Fcttlhelicben seyn können
wie man annabm. Auch die Grössenbestimmiiug der Lymph- und
Chyluskörneben ist hier wichtig, da sie fehlte. Ich fand die Chylus-
körnchen und Lymphkörnchen im Blute der Frösche gerade so, wie
ich sie in ihrer Lymphe gezeigt hatte. Ich zeigte ihre Aehnlichkeit
und Verschiedenheit von den Kernen der Blutkörperchen ; Hewsois
lässt die Blutkörper mitsammt der Schale in den Lympbgefässen und
der Milz entstehen. Wer hat früher untersucht, wie Gase, z. B.
Chlorgas, Sauerstoffgas, kohlensaures Gas auf die Blutkörperchen
wiiken? Endlich zeigte ich die Coagulation des Eiweisses von Chy-
lus und Blut, und des Käsestoffes der Milch von concentrirter Lö-
sung von Kali, wodurch auf einmal das Verhalten des Eiweisses an
der Voltaischen Säule aufgeklärt wird. Diese und andere Beobach-
tungen über Arterien- und Venenblut sind in mehrfacher Bezie-
hung interessant, aber die von mir gefundene Thatsache, dass
der Faserstoff im Blute aufgelöst ist, dass man seine Gerinnung
zwischen den Blutkörperchen unter dem Microscope beobachten
Vorrede.
XlII
kann, und dass man ihn von dem Blute des Frosches ahfiltx-iren
kann, dass man ihn auch heim Menschen vermittelst kohlensan-
ren Kalls als solchen darstellen kann, -während er nach den bis-
her allgemein angenommenen Ansichten von Home, Phevost und
Dümas, Edwards, Dütrochet in den Blutkörperchen stecken
sollte, ist ßiuß dßr bemerkcnswertheslen Beobachtungen in der
neuern Physiologie, wofür alle Naturforscher danken werden,
welche wissen, wie vcr-wirrt und ungewiss dieser Theil der iPhy-
siologie des Blutes war. /Was hier zu thun war, kann man aas
den eben angeführten vollständigen Zusammenstellungen der Beob-
achtungen von Btjrdacu und E. H. Weber sehen. Die älteren
Aerzte und mit ilmen Hewson, und unter den- neueren Naturfor-
schern Berzelius und Burdack glaubten, dass der Faserstoff im
Blute aufgelöst sey. Bürdach nennt bereits die Flüssigkeit des Blutes
Lympha sanguinis. Es kam nur darauf ari es zu beweisen, und es ist
nun durch die Filtration ein- für allemal bewiesen (die Frage vom
entzündlichen Blute ist eine ganiz,, andere). Der Kritiker übergeht
diesen wichtigen Theil meiner Beobachtungen mit Stillschweigen.
Niemand hat ferner früher den flüssigen Faserstoff, wie er durch
Filtration erhalten wird, Chemisch untersuchti-gexitiss. werden- die
Aufschlüsse über das Verhalten,; desselben, so' lapge er. flüssig
gegen Reagentien namentlich zum Aether im,. Gegensatz gegen
das Eiweiss auch ferner so b.enlerken$wer.tb bleiben, als sie .bis
jetzt waren. leb- zeigte .die . Grüssenuntersebiede., der Lymph-
und Chyluskprperehen und der - Kerne ^.er! Blutkörperchen von
den .Eleuieuten, der Gewebe, und an die Zu^an^njpnsetzungTbie-
riseber .Theile ans Blutkörpern, nud Kernen , tou Blntkörpera
wird Niemand so leicht mehr' denken,, Ich -habe ferner day.Ver-
lialten des Faserstoffes im lebendigciii flüssigen. Zustand gegen die
galvanische, Säule im Gegensätze gegen Schnh-. ui\d, Kern der
Blutkörperchen festgestellt'; -wie ich-, jüinwieder ■ bjewips , dass
das Blut kein eigenthümliches electrlsdies Verhalten hat;, dass
die Gerinnung der alkalinischen Faserstoff- Lösung am Zinkpol
von chemischer Einwirkung des Rupferdraths., die des Eiweis-
ses au beiden Polen von den Salzen desselben abhängig isf^
wie ich weiter sowohl Belungeri's als Dutrochet’s Versuche
XIV
Vorrede.
über das electrische Verhalten des Blutes entkräften konnte. Da ich
wusste, dass viel Alkali auch das Eiweiss des Blutes gerinnen macht,
so hatte ich auch die Ursache der bisher unerklärlichen Erschei-
nung eingesehen, warum das Eiweiss nicht bloss an einem Pole ge-
rinnt. Endlich mussten auch meine Erfahrungen zur Aufdeckung
der einfachen Ursache führen, warum Hermann’s bekannte Unter-
suchungen über das Blut unrichtige Resultate herbeiführen mussten.
In Hinsicht des entzündlichen Blutes halte ich nicht Alles zu thun.
Hier waren mehrere gute Beobachtungen vorhanden; z. B. Ba-
BiNGroN’s in meinem Memoire angeführte Beobachtung, dass der
Faserstoff der Speckhaut aus dem entzündlichen Blute abgeschöpft
werden könne. Wenn diess schon Hewsott beobachtet hat so
schmälert diess nicht mein, sondern Babington’s Verdienst. Die
Erfahrung bleibt auch nicht auf Hewson sitzen, denn dieser fuhrt
selbst etwas Aehnliches von De Haeit an ; wie ich eben sehe.
Meine Erfahrungen für die von Scudamore, Hunter und so man-
chem Andern vorgelragene Ansicht, sind wieder andere- ich be-
wies sie durch Behandlung des gesunden Blutes mit kohlensau-
rem Kali, wodurch ich eine künstliche scjiwache Speckhaut er-
zeugte. So viel von demjenigen Theile meiner Beobachtungen
in dem fraglichen Aufsatze, welchen unser Freund angetastet hat.
Wie ich die Lehre vom Blute angetroffen, und wie ich sie verlas-
sen, ist bereits durch das Urtheil der Sachverständigen festgestellt.
Berzehus Jahresbericht. Anteacta zwingen mich, den ,Verf. der Kri-
tik weder zu den Sachverständigen, noch zu den ünpartheiischen in
diesem Theile der Physiologie zu zählen. Derselbe liat ein ganzes
Buch über das Blut geschrieben, von welchem ich hier keine Kritik
zu geben habe, und 'von welchem ich nur anfiihre, dass es glück-
licherweise ohne Einfluss auf die Wissenschaft geblieben ist. In
diesem Buche werden die Blutkörperchen des lebenden Blutes
ganz gelängnet, denn die Bluttheilcben entstehen in jedem Au-
genblicke und vergehen in demselben wieder. Als diess auf Ru-
DOXPHi’s und Anderer Bedeuten sein natürliches Ende erreichte,
wurden aus den Blutkörperchen, die nun einmal mit Schale und
Kern nicht abzuweisen sind, Luftbläschen (merke wohl, sie sin-
ken im Serum unter). Und dieser selbe Beobachter ist es, der ei-
Vorrede.
XV
ner guten Beschreibung der Blntkörper den Vorwurf macht, dass
Hewson sie auch schon genau gekannt habe. Das Studium des
Hewsok ■wird dem Verfasser der Kritik übrigens ganz nützlich
seyn. Er hat darin schon gesehen, dass die Blutkörper existiren,
und wird auch noch weiter daraus ersehen, dass sie auch in den
Gef'ässen des lebenden Thieres existiren, was er Budolphi nicht
glauben wollte. "Was die von dem Verfasser getadelten Ansprü-
che betrifft, so pflegen wir uns mit Materien, die uns fremd sind
und fern liegen, gar nicht abzngeben, wir wollen aber überall
auf unsere eigene Anschauung in nnserm Fache, der Anatomie
und Physiologie uns berufen können, und haben nur zu be-
dauern, dass es nicht überall möglich ist. Daher wir uns denn
vollkommen zu derjenigen grossen Prätension, die uns der Ver-
fasser der Kritik vorwirft, offenherzig bekennen.
Am Schlüsse der Kritik macht der Verfasser im Vorüber-
gehen einen kleinen Versuch, mir die Priorität einer wichtigen
Entdeckung abzusprechen. Ich muss doch auch ein Beispiel
von dieser Art geben. Im Jahre 18.32 machte ich meine Ent-
deckung der Lymphherzen der Amphibien bekannt. Poggendohf’s
Annalen. 18.32. Heft 8. Ausführlicher wurde die Beobachtung
der vier Organe am 14. Februar 18.3.3 in der Royal Society of
London vorgelesen. Ein Jahr nach meiner ersten MittheilUng,
1833, kömmt die Beobachtung ohne Nennung meines Namens
auch in einem Werke von Panizza vor; und diess nennt unser
Freund ein Anschliessen an Panizza. Dieser Anachronismus er-
innert mich an einen ähnlichen gleich motivlrten unseres Freun-
des, wodurch er einen ausgezeichneten Pflailzenphyslologeh und
Reisenden brieflich einer französischen gelehrten Gesellschaft als
einen seiner fleissigsten Schüler (un de ses disclples les plus as-
sidus) abfertigend bezeichnet. Institut Journal general etc. 1834.
Unser guter Rath ist der: irren kann Jeder, aber Pflicht
ist, seinen Iprthum ausser Circulatlon zu setzen. Möge der Ver-
fasser jener Kritik zuerst durch ein offenes Zurücknehmen seiner
früheren Täuschungen in Hinsicht des Blutes die Achtung der
Sachverständigen in Anspruch nehmen, bis dahin vom Blute so
wenig als möglich Aufhebens machen und dann wiederkommen.
XVI
Vorrede,
Die wichtigeren Bereicherungen unserer Wissenschaft seit
dem Erscheinen der ersten und seit dem Drucke der zweiten
Abtheiinng des Handbuches, und einige, Berichtigungen und Nach-
träge habe ich am Ende der zweiten Abtheilung hinzngefügt;
man bittet den geneigten Leser gar sehr, sie nicht zu übersehen.
Besonders mache ich auf Ehrewbebg’s Entdeckung microscopi-
scher Crystalle in organischen Thcilen; auf Purkittje’s und Va-
lentih’s Entdeckung der Wimperbewegungen in den Schleimhäu-
ten; auf Mitscherlich’s, Gmelim’s und Tiedemanh’s Beobachtun-
gen in Beziehung auf den Mangel von Luft im Blute; aufEsERtE’s
Beobachtungen über die Verdauung; auf die eben erschienenen
Beobachtungen von Panizza über die Nerven wurzeln, die Plexus
und die Geschmacksnerven (siehe die Nachträge), und in Bezie-
hung auf die in der ersten Abtheilung unseres Handbuches be-
handelte Erection auf die von mir gemachte Entdeckung der bei
der Erection wirksamen Arterien im Menschen und den Thieren
aufmerksam, wovon in der zweiten Abtheiluag p. 804. . eine vor-
läpfige Mittheilnng gegeben ist. Haugsted’s Untersuchungen, , über
die Ihymus, Bjetzitis Beobachtungen über die Nebennieren der
Knorpelfische,, und T.^viranus Beobachtungen über die willkühr-
hchen Bewegungen der Gliedertbiere nach der Enthauptung sind
an den entsprechenden Stellen durch Versehen unbeachtet ge-
blieben und in den Nachträgen nachzusehen.
Der zweite Band des Handbuches der Physiologie beschäf-
tigt mich nun auf das angelegenthohste, und glaube ich verspre-
chen zu können, dass dessen baldiger Erscheinung kein Hipdevr
niss im Wege steht.
^ ' . ,1 , r.' ' f »
Berlin, am 26. November 1834. ^ ^ MI
..Äü «IjN, ■ r: .. ■>'. i ■ ' ll:.'; '• ■ '
' Df. 3. MÜlICF. "i'i.'
"» .'i- ' lic: ■ <-11 . Ik! i! -
-'IO V ‘oi) •■'ij' 1< i: o: '.r:-
1!; ; .Ml, . ' .Im o:.
Inhalt.
l'rolegomena.
!• Von der org.inisclien Materie 1
II- Vom Org.inismus und vom Leben 18
III. Von dem lliierischen Organismus und von dem tbieriseben Leben 39
IV. Ueber die den unorganischen und organischen Körpern gemein-
samen Wirkungen. Electricität, Wärme, Licht... 63
Ber speclellcn Physiologie Erstes Buch.
Von den allgemein verbreiteten organischen Säften, von der
Säftebewegnng und von dem Gefässsystem.
I. Ah schnitt,. \o Ta Blut.'.!.. .'...i..; .• 93
I. Microscopisch-mcchaaisghe .-Vualysc des Blutes 96
II. Chemische Analyse des Blutes 115
IIT. Analy se des Blutes durcli die gaivanlsclie Säule 127
IV. Von den organischen Eigenschaften und Verhältnissen des Blutes 134
• IL. Ahsclinitt. y on dem Krcl,slauf des Bl.utes .juud d,eyn Blut-
gefässsystem. 152
I* Von den formen des Gelässsysteras in derj Thieryvelt.. ib.
Von den allgemeinen Ei scheirinngcn des Kreislauls 161
llT, Vom Herzen als Ursache des KrcLsIaufs I77
IV. Von den einzelnen Thcilen des Gefässsystems Igg
V. Vom Vei-halten de^ Blutgefässe bei d^ Aufnahme und.- Aus-
scheidung der Stoffe 225
llj. Ahschnitt. Von der.Lyipphc und dem Jjjfmphgi^fässsyslera. 243
T. Von der Lymphe
11. Von dem Ursprung und Bau der Lymphgefässe 249
ill. Von den Actlonen Üer lympha(.lschen Gefässe- 260
Der peciellen Physiologie Zweites Buch.
Vpn den organisch -chemischen Veränderungen irv: den Säften
, , .. und den orga^isirten Theften.
1,'Ahschnitt^ Vom Athmcn. 277
I. Vom Athmen Ira Allgemeinen 277
11. Organologle d^cj- A^henjwerkzeuge 2^1
L Vom Aihmen des Mcnsc*hen und der Thlere...* 290
IV. Von den Vcräcderu'ngen des Blutes durch das .^thmen 306
V. Von dem chemlschcu Processy .dcs Athmens 1 316
VI. Von den Athemheweguugen und Äthemnerven i,.. 326
JL Ahschuitt. .jV^ on der Ernährung, vom W'aehsthum und von
.♦ der Wieder'crzeugung. 34l
E Von der Ernährung....... * j', . ib.
H. Vom* W^achsthum .ii, .. .. . ..'i 356
.1 IH; Voll den- VViedcrei’zeu^hg 364
IV
Seite
III. Abschnitt. Von der Absonderung. 407
I. Von den Absonderungen ira Allgemeinen 407
IL Ton dem innern Bau der Drusen 418
III. Heber den SccreUoi^process 444
iKt Abschnitt^ Von der Verdauung, ChyllficationundAus-
acbeidung der zersetzten Stoffe. 458
I, Von der Verdauung im Allgemeinen ib.
II. Von den Verdauungsorganen 467
ni. Von den Bewegungen des Darmkanals 478
IV, Von den Verdauungssäften 491
V. Von den Veränderungen der Speisen im Darmkanal 510
VI. Von der Chylification 539
VII. Von der Function der Milz, der Nebennieren, der Schilddrüse
und der Thymusdrüse 550
VIIT. Von der Ausscheidung der eersetzten Stolfe 560
Der speciellen Physiologie Drittes Buch.
Physik der Nerven.
J, Abschnitt, Von den Eigenschaften der Nerven Im Allge-
meinen 579
I. Vom Bau der Nerven ib,
11. Von der Reizbarkeit der Nerven 592
III, Von dem wirtsamen Principe der Nerven 616
II. Abschnitt, Von den Empfin dungsnerven, Bewegungsner-
ven und organischen Nerven. 625
I. Von den sensitiven imd motorischen Wurzeln der Rücken-
marksnerven 625
II, Von den sensitiven und motorischen Eigenschaften der Ge-
hirnnerven.» 634
'^III. Von den Eigenschaften des N'ervns sympathicus 646
III. Abschnitt, Ton der Mechanik des Nervenprincips. 652
1. Mechanik der motorischen Nerven 656
II, Mechanik der Empfindungsnerven 665
III, Von der Reflexion in den Bewegungen nach Empfindungen . 688
IV, Von der verschiedenen Action der sensihcln und motorischen
Nerven V. 701
V. Von den Gesetzen der Wirkung und Leitung in dem Nervus
sympathicus * 708
Vr, Von den Sympathien 732
IV. Abscfinitt. Von den Eigcnthümlichkeiten der einzelnen
Nerven, 752
I. Von den Sinnesnerven ib.
11. Von den Eigenlhümlichkeiten anderer Nerven 762
V. Abschnitt, Von den Centraltheilen des Nervensystems. .»• 782
I, Von den Centraltheilen des Nervensystems im Allgemeinen... 782
11. Vom Rückenmark. 789
III. Vom Gehirn 805
Berichtigungen und Nachträge. 847
P r 0 1 e g 0 m e 11 a.
Die Physiologie ist die Wissenschaft von den Eigenschaften
und Erscheinungen der organischen Köi'jicr, der Thiere und Pflan-
zen, und von den Gesetzen, nach -welchen ihre W^ii’kungeu erfolgen.
Die erste Frage, welche inan sich heim Eintritt in diese Wissen-
schaft zu beant-worten hat, ist die nach dem Unterschied der or-
ganischen und unorganischen Körper. Sind die Köqier, -welche
die Erscheinungen des Lehens, darhieten, in ihrer materiellen Zu-
sammensetzung von den unorganischen Körpern verschieden, de-
ren Eigenscliafteu die Physik und Chemie untersuchen? und da
die Erscheinungen in beiden Reichen so verschieden sind, sind
auch die Grnndkräfte, -welche sie bewirken, verschieden, oder
sind die Grundkr'afte des organischen Lehens nur Modificationen
der physischen und chemischen Kräfte?
I. Von der organischen Materie.
Empfindung,' Ernährung, Zeugung haben kein Analogon in
den übrigen physischen Erscheinungen, und dennoch sind die Ele-
mente der organischen Körper solche, -welche in die- Zusammen-
setzung der unorganischen Körper eingehen. Die organischen
Körper enthalten zwar als nächste Bestandtheile Materien, w'elche
nur ihnen eigenthümlich sind und w'elche durch keinen chemi-
schen Process künstlich erzeugt werden können, wieEiweiss, Fa-
serstoff etc. Allein bei der chemischen Analyse zerfallen alle diese
Körper in Elemente der unorganischen Körper. Die wesentlich-
sten Bestandtheile der Pflanzen sind Kohlenstoff, Wasserstoff
Sauerstofl', seltener Stickstoff; ausserdem finden sich bald seltener,
bald häufiger Phosphor und Schwefel (beide voi'züglich im Pflan-
zeneiweiss und Kleber, dann besonders in den Tretradynamisten
mit Stickstoff), Kalium (fast allgemein), Natrium (vorzüglich in den
Pflanzen des Meeres), Calcium (fast allgemein), Alumium (selten),
Silicium, Magnium (sparsam), Eisen undManganium häufig, Chlor,
Jod und Brom (beide in Seepflanzen). In der Thierwelt finden
sich diese Stoffe ausser Alumiiun wieder; Natrium ist häufiger,
Ealium seltener als in Pflanzen, Jod und Brom in einigen See-
thieren. Die Bestandtheile des menschlichen Körpers und der
höheren Thiere sind: Sauerstoff, Wasserstoff, Kohlenstoff, Stick-
stoff, Schwefel (vorzüglich in den Haaren, im Eiweiss und Ge-
hirne), Phosphor (vorzüglich in den Knochen, Zähnen und ira
Gehirne), Chlor, Fluor (vorzüglich in den Zähnen und Knochen),
Kalium, Natrium, Calcium ( vorzüglich in den Knochen und Zäh-
nen), Magnium (vorzüglich in den Knochen und Zähnen), Manga-
nium (in den Haaren), Silichun (in den Haaren), Eisen (vorzüglich
im Blute, im schwarzen Pigmente, in der Krystallinse). Der erste
m ii 1 1 G r’s Physiologie* 1
2
Prolegomena. 1, Organische Materie.
Ammonium
1.
aure |
[um 1
kolileusaures Ammonium.
Unterscliied der organisclien und unorganlsclien Körper betrifft
also die Zalil der in sie eingebenden Elemente. Nicht alle Ele-
mente gehen in die Zusammensetzung der organischen Körper
ein, mehrere sind für das Leben derselben schädlich. Der zweite
Unterschied betrifft die Art der Comhination. Die Verschieden-
heit der unorganischen und organischen Materie beruht höchst
■wahrscheinlich in folgender zuerst >»00 Foubcroy und Berzelius
dargestellten Eigenthümlichkeit :
1) In der unorganischen Natur gieht es nur binäre Verbin-
dungen, indem zwei einfache Stoffe sich unter sich -vei-binden,
oder diese binäre Verbindung wieder mit einem andern Stoffe
oder einer andern binären Verbindung sich vereinigt. Die Koh-
lensäure ist eine binäre Verbindung von Kohlenstoff und Sauer-
stoff, das Ammonium eine binäre Verbindung von Stickstoff und
Wasserstoff; Kohlensäure und Ammonlilm verbinden sich zu koh-
lensaurem Ammonium.
KohZL}
Wasserstoff!
Stickstoff J
Eine unmittelbare Verbindung von 3, 4, oder mehreren Stof-
fen unter einander, wo alle Bestaudtheile gleich mit einander ver-
bunden sind, scheint nur unter dem Einflüsse des thierischen
oder pflanzlichen Lebens oder der organischen Kräfte möglich.
So entsteht aus denselben Elementen Sauersloflj Kohlenstoff, Was-
serstoff, Stickstoff, welche durch binäre Verbindung kohlensaui-es
Ammonimn bilden, unter dem Einflüsse des organisclien Lebens
organische Materie. Diese Verbindungen nennt man nach der
Zahl der zugleich gebundenen Elemente ternäre und ijualerniwe..
So sind Pflanzenschleim, Zucker, Stärkmehl, Fett, ternäre Ver-
bindungen von Kohlenstoff, Sauerstoff und Wasserstoff. Quater-
näre Verbindungen sind der Kleber, der Eiweissstoff, der Faser-i
Stoff, der thierische Schleim, der Käsestoff, sie enthalten als vier-
ten Bestandthell noch Stickstoff. Alle chemischen Verbindungen
der unbelebten Natur sind binäre in erster 2. 3. 4. Ordnung,
nämlich entweder einfach binäre Verbindungen aus zwei Elemen-
ten oder Verbindungen eines Elementes mit einer binären Ver-
bindung, oder binäre Verbindungen von binären Verbindungen
der Elemente. Diese Theorie der Zusammensetzung der organi-
schen Körper aus ternären und quaternären Zusammensetzungen
ist zwar in neuerer Zeit, besonders in Beziehung auf einige Pro-
ducte aus organischen Körpern, wie Weingeist u. a. , in Zweifel
gezogen, hat aber immer noch namentlich in Beziehung auf die
höheren organischen Verbindungen, wie sie in den Pflanzen und
Thieren selbst verkommen, als Eiweiss, Faserstoff u. a. eine grös-
sere Wahrscheinlichkeit. Die Art der Verbindung der Elemente
ist jedenfalls in den organischen Körpern so eigenthümlich und
durch so eigenthümliche Kräfte bewirkt, dass die Chemie zwar
organische Verbindungen aufzulösen, aber keine zu bilden vermag.
Beraed, Proust, Doebereiker, HAXCHExr glauben zwar organische
Verbindungen künstlicherzeugt zu haben; allein diese haben sich
Eigenthümlichkeit der Zusammensetzung. 3
nicht hinlanglicli bestätigt, und es können nur Woehler’s Ent-
. ’^**gen hierher gerechnet werden. Bei Sättigung von wässe-
Ammonium durch Cyangas, enthält die Flüssigkeit viel Rlee-
wie Woeheeh entdeckt hat. Auch bei der Darstellung des
almms aus Kohle und kohlensaurem Kali, geht mit dem Kalium
®i*ie schwarze Masse über, die mit Wasser behandelt viel oxal-
saures Kali gieht. Die Kleesäure wird jedoch jetzt als eine bi-
näre Verbindung von Kohlenstoff und Sauerstoff' betrachtet; sie
zersetzt sich zwar, wenn man ihr alles Wasser entzieht; hierin
verhält sie sieh indess wie Salpetersäure, die heim Entziehen des
Jetzten Antheils von Wasser sich zersetzt. Mitscherlich Chemie
416.^ Nach Woehler’s Entdeckungen erhält man Harnstoff statt
cyanichtsauren Ammoniaks, wenn man frisch gefälltes Cyanicht-
saures Silberoxyd mit einer Auflösung von Chlorammonium üher-
giesst, wobei sich das Silbersalz in ChlorsiUjer verwandelt. Harn-
stoff bildet sich auch bei der Zersetzung des cyanichtsauren
Bleioxyds durch wässeriges Ammoniak. Die Auflösung enthält an-
fangs cyanichtsaures Ammoniak, aber nach dem Verdunsten der
Auflösung verwandelt sich das Salz in Harnstoff. So fand auch
WoEULER, dass sich Ammoniakgas und cyanichtsaurer Dampf zu
cyanichtsaurem Ammoniak condensiren, das sich aber beim
Schmelzen , Kochen oder fi'eiwilligen Verdunsten seiner Auflösung
in Harnstoff verwandelt. So bildet sich auch zuerst cyanichtsau-
res Ammoniak und daraus Harnstoff', wenn man cyanichte Säure
mit Wasser oder mit flüssigem Ammoniak zusammenbringt. Gme-
lik’s Chemie 3. 6. Berzelius Thierchemie. 356. Der Harnstoff
steht indess an der äussersten Grenze der organischen Stoffe, und
ist mehr Exeretum als Bestandtheil des thierischen Körpers. Der
Harnstoff ist vielleicht nicht einmal eine solche Verbindung, wel-
che die charakteristischen Eigenschaften der organischen Pro-
ducte hat.
2) Berzelius führt auch einen andern wesentlichen Unter-
schied an. In den organischen Verbindungen zeigen die Mi-
sclmngsgewichte kein so einfaches Zahlenverhältniss, als in den
unorganischen. So giebt es z. B. eine grosse Menge von Fettar-
ten, die Chevreul untersucht hat, und die nach ihm zum Theil
nur durch Bruchtheile in dem Zahlenverh'ältnisse der Molecule
von einander unterschieden sind.
3) Die organischen Körper bestehen ferner grösstentheils
verbrennlicher Substanz, und zwar enthalten die verbrennli-
chen Theile der Thiere und Pflanzen (mit Ausnahme der Säuren)
V? Sauerstoff, Wasserstoff und Kohlenstoff in einem solchen Ver-
1' V***sse, dass der Sauei stolf nicht hinreichen würde, den sämmt-
en Wasserstoff' in Wasser und den Kohlenstoff in Kohlensäure
’^^wandeln.
.‘ue ausführliche Entwickelung dieser Unterschiede findet
man in classischen Lehrbücheim über Chemie von Behze-
^trs Und von Gmelih, und über Anatomie von E. H. Weber.
HiLDEBRAKj,yg Handb. d. Anat. d. Menschen. 4. Ausgabe von E. H,
Webm. /. ßand.
in den organischen Körpern vorhandene organische Ma-
t
4 Prolegomena, 1 . Organische Materie. Fliulniss.
terie erhalt sich nur ■während des Lehens der organischen Körper
vollständig. Schon während des Lehens können Elemente oder
binär verbundene StofFe, von aussen auf die organischen Körper
wirkend, das Gleichgewicht der Stoffe in den organischen Ver-
bindungen stören, und die organische Combination zersetzen, wie
z. B. in der Verbrennung einzelner Theile des lebenden Körpers.
Zuletzt tritt diese Störung des Gleichgewichtes in jedem lebenden
Körper von selbst ein, der Zustand oder die Kraft, welche die
organischen Combinationen «‘hielten und umwandelten , werden
immer schwächer, bis sie nicht mehr im Stande sind, dem Stre-
ben der in der organischen Materie befindlichen Elemente zu
binären Verbindungen unter sich und mit anderen Elementen
das Gleichgewicht zu halten, und der organische Körper mit der
organischen Materie zerfällt. Dann ist die organische Combination
nicht allein ohne die organischen Erscheinungen, die sie vorhin
zeigte, sondern auch mehrentheils nicht fähig, sicli zu erhalten, son-
dern den chemischen Gesetzen der binären Combination unterwor-
fen, und zerfällt in binäre Verbindungen mit den Erscheinungen der
Gährung xind Fäulniss, stinkender Eäulniss besonders dann, wenn
die organischen Materien viel Stickstoff enthalten. Die Erfah-
rung zeigt also, dass bei den unorganischen Körpern die Verbin-
dung von der Wahlverxvandtschaft und den Kräften der verbun-
denen Stoffe abhängt, dass in den organischen Körpern dagegen
die bindende und erhaltende Gewalt nicht bloss die Eigenschaf-
ten der Stoffe selbst sind, sondern noch etwas Anderes, xvelches
der chemischen Wahlverwandtschaft nicht allein das Gleichge-
wicht hält, sondern auch nach den Gesetzen eigener Wirksam-
keit organische Combinationen verursacht. Von den impondera-
beln Materien haben Licht, Wärme, Electricität, auf die Verbin-
dungen und Trennungen der Stoffe in den organischen Körpern
elxen so Einfluss, wie auf die Verbindungen und Trennungen in
den xin organischen Körpern; aber nichts berechtigt uns, eines
dieser Agentien ohne Weiteres als letzte Ursache der Wirksam-
keit in der belebten organischen Materie anzusehen.
Die organischen Substanzen zerfallen nach dem Atifhören
des Lebens immer, wenn die Bedingungen zur Aeusserung der
chemischen Wahlverwandtschaft vorhanden sind. Die hierbei
stattfindenden Zersetzungen sind nach Gmelin folgende: Es wer-
den theils Bestandtheile der organischen Verbindungen abgeschie-
den, als Stickgas, Wasserstoffgas; theils vereinigen sie sich unter-
einander zu unorganischen Verbindungen, wie Wasser, Kohlen-
säure, Kohlenoxyd, Kohlenwasserstoffgas, ölerzeugendes Gas, Am-
moniak, Cyan, Blausäure, Phosphoiuvasserstoffgas, Hydrothionsäure,
theils vereinigen sie sich nach anderen Verhältnissen zu einer
neuen organischen Verbindung oder zu mehreren, Zucker aus
Stärkemehl. Bisweilen zerfällt aber eine organische Verbindung
einerseits in unorganische Verbindungen, anderseits in organische,
wie der Zucker bei der Gährung in Kohlensäure und Weingeist.
Im vollkonmien trockenen Zustande zersetzen sich die organischen
Verbindungen bei gewöhnlicher Temperatur nicht; zu dieser frei-
willigen Zersetzung ish wenigstens Wasser, oft auch die Luit
Zustand der mineralischen Stoffe in den urgan. Körpern. 5
nötliig. Gmelin erklärt den Umstand, dass die Zersetzung bei
T ‘^rgä'i'scben Substanzen nieht immer sogleieh naeli dem
n'^iV Thieres oder der Pflanze beginnt, aus dem Mangel der
jjj 'S®” Bedingungen für das Eintreten der AVablverwandtsebnft.
^^®”ä®Bjen Grund, warum z. B. gewisse unorganische
erbuidungen erst bei einer bestimmten Temperatur sich zerset-
*en. Gmemn’s Chem. 3. 9. Nasse thierischc TJicile zerfallen von
selbst, auch ohne atmosphärische Luft, unter Quecksilber, wie-
■wohl die atmosphärische Luft die Fäulniss am meisten, selbst
mehr als reines SaTierstofl'gas, befördert, so wie anderseits ein ge-
wisser Grad von Wärme nöthig ist. Die Productc der Fäulniss
thierischer und besonders menschlicher Substanzen sind kohlen-
saures Gas, zuweilen auch Stickgas, WasserstotFgas, Schwefelwas-
serstolTgas, Phosphorwasserstofigas und Ammoniak. Auch bildet
sich Essigsäure und zuweilen Salpetersäure, und cs bleiben ausser
dem langsamer sich zersetzenden Moder zuletzt die fixen Bcstaud-
theile, Erden, Oxyde, Salze, und bilden mit dem Moder Humus.
S. Weber 4. Zusg. eon Hii.debraxdt’s Anatomie. I. p. 70. Im
Wasser und in manchen Gräbern, selbst ohne Zutritt des Wassers,
erleiden thierische und menschliche Leichen eine Umwandlun?^
vieler Tlieile in eine fettige Substanz, adijiocire, Fettwaclis. Gai-
russAc und Chevreul halten diess für das schon im frischen Zu-
stande in den organischen Theilen enthaltene Fett, was übrig
bleibt, wenn die übrigen Substanzen zerstört werden. Denn
nach diesen beiden Chemikern soll die Menge des in frischen
Thierestheilen chemisch darstellbaren Fettes nicht geringer scyn,
als sich durch Fäulniss derselben Theile in Wasser ergiebt. Ber-
zelius dagegen glaubt, dass eine wirkliche Umwandlung von Fa-
serstoff, Eiweis und FärhstolF des Blutes in Fettwachs stattfinde.
S. Weber a. a. O.
_ Die rianptvcrschiedenheiten ln der Zusammensetzung der or-
ganischen Materie scheinen von dem Verhältnisse der Ä'iischungs-
gewichte der Elemente SauerstolF, Wasserstoflj Kohlenstoff, Stick-
stofl abzuhängen. Von diesen gilt es hauptsächlich, dass die or-
ganischen Verbindungen ternäre und quaternäre, aber keine bi-
nären Verbindungen sind. In welchem Zustande aber die sparsam
vorkommenden mineralischen Elemente in den organischen Ver-
nmdungen sind, ob ebenfalls zu quaternären und mehrfachen Ver-
nindungen verwandt oder als beigemengte binäre Verbindungen,
*st eine andere sehr wichtige und jetzt unauflösbare Fi’age. Von
thf y”®S”i‘igen Auflösung von Färbestoff des Blutes und anderen
• ®*'*scheii aufgelösten Substanzen kann man nach Engeliiart die
die 4'*”®®Ben Bestandtlieile trennen, indem inan Chlorgas durch
”'lösung leitet, worauf die thierischc Materie frei von erdi-
P metallischen Bestandtheilen zu Boden sinkt, ohne dass die
in *d Kohlenstoff, Stickstoff, Wasserstoff und Sauerstoff
in er organischen Materie aufgehoben wird. Berzelius lässt es
welcher Foim Schwefel und Phosphor in den Thicren
enthalten sind, ob im elementaren Zustande zu quaternären und
mehrlachen Verbindungen verwandt, oder mit ternären und qua-
ternären Verbindungen binär verbunden, oder ob jeder dieser
6 Prolegomena. 1. Organische Materie.
StoiFe in einer binären Verbindung wieder mit andern verbun-
den ist. Bei Verbrennung des Hirnfettes erhielt Vauquelin eine
nicht einäscberbare Kohle, die so viel Pliospborsäure enthielt,
dass diese den zur Verbrennung nötbigen Zutritt der Luft verhin-
derte. Nach Ausziehung der Phosphorsäure mit Wasser brannte
die Kohle wieder bis zu einem gewissen Grade, und hörte dann
wieder auf, worauf sie sauer geworden. Aus diesem Umstande,
sagt Berzelius, sieht man, dass die Kohle den Phosphor in einer
nicht flüchtigen Verbindung, und auf eine in der unorganischen
Natur bis jetzt noch unbekannte Weise enthalte. Thierchemie. 16.
Auch ist es nach Berzeeius cinigermassen wahrscheiidich, dass
das Eisen im Blule regulinisch und nicht als Oxyd enthalten ist.
Denn nach Engelhart’s Entdeckung wird dem aufgelösten Blut-
roth und anderen thierischen aufgelösten Substanzen dui-ch Chlor-
gas oder Chlorwasser alles Eisen, Calcium, Magnium und Phos-
phor entzogen, und diese Substanzen bleiben in dem durch Chlor
bewirkten Zustande aufgelöst, ivabrend die von allen erdigen
und metallischen Theilen befreite thleriscbe Substanz mit .Salzsäure
verbunden zu Boden fällt. Nun hat aber Chlor keine Verwandt-
schaft zu Oxyden, wohl aber eine sehr grosse zu regulinischen
Metallen; ferner wird Eisen von mineralischen Säuren nicht aus
dem Blute ausgezogen, da sie doch eine grosse Vervvandtschaft zu
Metalloxyden, aber keine zu regulinischen Metallen haben. Hier-
nach hielt es Berzeeixts für wahrscheinlicher , dass das Eisen im
Blute im regulinischen Zustande und nicht als Oxyd enthalten Ist.
Indessen haben Versuche von Heisr. Rose die Sache wieder zwei-
felhaft gemacht. Derselbe hat nämlich entdeckt, dass ein grosser
Theil nicht flüchtiger organischer Stoffe, wie Zucker, Stärke,
Gummi, Milchzucker, Leim, die Eigenschaft haben, dass bei Ver-
mischung ihrer wässerigen Auflösung mit einer kleinen Menge ei-
nes Eisenoxydsalzes, das Eisenoxyd bei Zusatz eines Alcalis nicht
niedergeschlagen wird, dass auch Blutwasser und verdünntes Ei-
weiss mit einem Eisenoxydsalze und katistischem Ammoniak ver-
setzt, kein Eisenoxyd niederschlugen. Diese Versuche Hessen wie-
derum vermuthen, dass das Eisen in dem Farbestoffe des Blutes
in einer analogen Verbindung von Eisenoxyd mit dem eigentlichen
Thierstoff enthalten sey. Gleichwohl glaubt Berzeeitjs das Letztere
nicht. Seine Versuche machen es nämlich wahrscheinlich, dass
die Art Verbindung, xvelche bei Rose’s Versuchen das Eisenoxyd
im 'Färbestoffe oder Eiweiss aufgelöst erhält, nicht die sey, durch
welche der Färbestoff des Blutes eisenhaltig ist, weil diese sonst
durch Einwirkung ' von Säuren, xvie in Berzelius vergleichenden
Versuchen, ihren Eisengehalt verlieren müsste. Berzelius Thier-
chemie. p. 61. Dass es anderseits im thierischen Körper nicht
blosse Verbindungen von thierischen Materien mit mineralischen
Elementen, sondern auch entweder beigemengte oder gebundene
binäre Verbindungen giebt, wie die Oxyde, Salze, wird aus vie-
len Thatsaohen wahrscheinlich. Hierher gehört 1. die Erscheinung
microscopischer kleiner Salzkrystalle in bloss ausgetrockneten thie-
rischen Säften. 2. Die Leichtigkeit, xvomit der Gehalt derPflan-
. zen an mineralischen Stoffen nach ihrem Standorte wechselt, was,
Organische Materie und Wasser. 7
Y^””|4‘®,®'neralisclien Elemente mir als Elemente in clio Bildung
'^i’ischen Materie eingingen, nicht der Fall seyn könnte,
c’ 1 ^Dichtigkeit, woraus die dem Blute zufällig beigemischten
‘ D im Harne wieder sich fibsetzen. 4. Kochsalz lässt sich, wie
p. ~®^HiETn bemerkt, aus dem festen thierischen Stoffe auswaschen.
^ysiol, 1. 29. 5. Der Zustand der phosphorsauren Kalkerde in
^Dn Knochen. Denn es ist, wie E. H. Webeh zeigt, gewiss, dass
Df phosphorsanre Kalk nicht als Phosphor, Sauerstoff und Cal-
cium in den Knochen enthalten ist, sondern dass der phosphor-
^ure Kalk als binäre Verbindung wieder mit dem Knorpel der
Knochen verbunden, oder vielleicht nur heigeincngt ist. Diess
beweist die Färherröthe, ruhia tiiictorum, die eine grosse Ver-
wandtschaft zum phosphorsauren Kalk, aber nicht zur Kalkerde
oder zum Calcium hat, und die von den Knochen eines lebenden
Thieres, das man ,nlt Färherröthe füttert, aus dem Blute bei der
Ernährung angezogen ivird. Anderseits zersetzen mehrere Säu-
ren die in den Knochen enthaltenen Kalksalze und ziehen sie
aus, ohne die Form des Knorpels zu verwandeln und ihn zu zer-
setzen. Weber 1. c. p. .318. 340.
Sieht man auf die Reste der thierischen Thelle, und sieht
man ah von dem, ivas in einzelnen Fällen Educt oder Product
der chemischen Analyse seyn kann, so kann man mit E. H. We-
BEr zwei Reihen binärer Verbindungen im thierischen und beson-
ders menschlichen Körper annehmen, nämlich:
1) binär zusammengesetzte Materien aus mineralischen Bestand-
theilen, wie phosphorsaures Natron, phosphorsaurer Kalk, phos-
phorsaure Magnesia, kohlensaures Natron, kohlensaurer Kalk, salz-
saures Kali, salzsaures Natron, Fluorcalcium, Kieselerde, Man-
ganoxyd, Eisenoxyd, Natron;
2) binär zusammengesetzte Materien aus zumTheil organischen,
‘Picil unorganischen Bestandtheilen. Hierher wäre das Ei-
weiss im Blute zu rechnen, wo es eine Verbindung mit Natron
bilden soll, Albuminat von Natron. Auch die milchsauren Salze,
milchsaurcs Kali, Natron wären hierher zu rechnen.
Wir gehen nun zur Betrachtung der einfachsten Formen über,
in welchen die organische Materie erscheint. Sie sind folgende:
1) die organische Materie Ist in vielen Säften In einem voll-
kommen aufgelösten Zustande; sie zeigt bei microscoplschen Un-
tersuchungen keine sichtbaren Molecüle. So enthält das Blutwas-
^ Thierstoff im aufgelösten Zustande, der sich erst durch die
j irkung der galvanischen Säule, oder durch Erhitzung und an-
j ^e chemische Einflüsse zu Kügelchen bildet. In demselben
iistan^lg befindet sich ein Theil der thierischen Materie in der
y*iiphe der Lymphgefässc.
1 Die lebenden festen Theilc befinden sich in einem nur
DEganischen Wesen eigenen Zustande der Aufweichung. Das
asser theilt ihnen die Eigenschaft der Ausdehnbarkeit, Biegsam-
ohne dass man sie nass nennen kann und ohne dass sie
Mdere durch Mittheilung dieses Wassers benetzen können. Diess
Wasser beträgt nach Bkrzelius bis J ihres Gewichtes. Es scheint
ihnen, -wie Berzelius bemerkt, nicht durch chemische Verwandt-
8
Prolegomena. 1. Organische Materie.
Schaft anzugehören, da es allmählig wegtrocknet und man es in
einer starken Presse zwischen Fliesspapier augenhücklich aus ih-
nen herausdrücken kann. Durch den Verlust des Wassers wird
in der thicrischen Materie mit Ausnahme einiger der niedersten
Thiere und Pflanzen, die heim Erweichen wieder aufleben, die
Lebensfähigkeit ganz zerstört. Behzelius Thierchemie p. 7. Nach
Cheykeue kann nur reines Wasser das Phänomen der vollen
Aufweichung hervorbringen, obgleich gesalzenes Wasser auch von
trockenen thicrischen Theilen, so wie Alcohol, Aether, Oel ein-
gesogen werden.
Nasse thierische Theile lassen aber durch ihre unsichtbaren
Poren, welche von dem Wasser erfüllt werden, zu, dass Stoffe,
die mit ihnen in Berührung kommen, wofern sie im Wasser auf-
löslich sind, sich in dem Wasser, was die thierischen Theile nass
macht, auflösen, oder wofern sic schon aufgelöst waren, weiter
vertheilen. Diess gilt auch für gasförmige Flüssigkeiten. Eben so
leicht giebt das Wasser der nassen thierischen Theile Aufgelöstes
an andere Theile ab, welche davon auflösen können. Die Ge-
setze der Anziehung der Stoffe bei der Auflösung und Mischung,
die Gesetze des Gleichgewichtes der Vertheilung mischbarer Flüs-
sigkeiten haben daher ancli in den nassen thierischen Theilen ihre
Anwendung. Da eine poröse organische Membran, wenn sie auf
beiden Seiten mit Wasser in Berührung steht, durch ihre Poren
ein Continuum von Wasser von dem einen zu dem andern Was-
ser bildet, so können Stoffe, in dem beiderseitigen Wasser aufge-
löst, jene Membran bis zum Gleichgewichte der Mischung und
Vertheilung allmählig durchdringen. Diess gilt auch für Gase,
die mit nassen thierischen Theilen in Berührung stehen. Wir
werden in der Folge sehen, dass hierbei, gleichwie bei porösen
unorganischen Körpern, ein merkwürdiges Gesetz obwaltet, dass
nämlich die dichtere Lösung durch die porösen Körper hindurch
mehr von der dünnem Lösung als diese von jener aufnimmt.
Die organischen Stoffe sind während des Lebens niemals kry-
stallisirt, und die Exeretionsstoffe der Thiere, Harnstoff und Harn-
säure und einige Fettarten, die fähig zu krystallisiren sind, kom-
men in den lehenden Theilen nicht krystallisirt vor, obgleich in
den Pflanzenzellen zuweilen krystallisirte mineralische Stoffe beob-
achtet werden. Häufig erscheint der organische Stoff zu rundli-
chen microscoplschen Moleculen gebildet. Diese organischen Mo-
lecule erscheinen nun theils in den Säften ; zu diesen gehören die
Blutkörperchen beim Menschen von einem Durchmesser von
— ToW eines P. Z. , die Körnchen des Chylus nach
Peevost und Dumas, des Speichels •30V0 nach Webeb. Die
Körnchen des Chylus, der Milch, der Galle sind rund, die des
Blutes sind platt, plattrund bei den Säugethieren , plattoval hei
den Vögeln, Amphibien, Fischen ; die Blutkörnchen enthalten im-
mer einen Kern in einer äussern Schale. Undeutlicher sind die
Kügelchen des geronnenen Eiweisses und Faserstoffes. Die Gewebe
der organischen und insbesondere thierischen Körper scheinen
aber selbst Vielen nur aus einer Aggregation von Moleculen zu
Fasern, Blättchen und Häuten zu Ijestehcn. Am deutlichsten
Molemle der organischen Materie, 9
CTs^einen diese Molecnlc im Geliirne und in der Substanz des
..J”. z- B. in der Reimbaut des Eies, undeutlicber in den
u Ilgen Geweben, wo es immer zweifelhaft ist, ob die Uneben-
Oberfläche durch microscopiscbe Täuschung nicht etwa
s Rügelchen ersclicincn. Der undurclisichtige Theil der Reim-
®iit des Vogelembryo zeigt z. B. ein Aggregat von ziemlich gros-
®Gii Kügelchen , die man schon mit einer einfachen Lupe sieht,
*i'id diese Kügelchen gleichen ganz den Kügelchen des Dotters
selbst. Allein schon die in der Keimhaut sich verbreitenden Ge-
tasse sind nach meinen Beobachtungen aus einer ganz unver-
gleichlich feinem Materie gebildet, so wie der durchsichtige mitt-
hre Theil der Keimbaut, area pellucida, und der Embryo selbst.
Es scheint hier wirklich, dass die Keimbaut durch Anziehung und
^Sgregation der Dotterkügelchen wächst; allein alle Formationen
in der Keimbaut selbst geschehen durch Auflösung und Umwand-
lung dieser aggregirten Theile in eine so zarte Materie, dass die
Elementarthcilchen derselben nicht deutlich erkannt werden kön-
nen, und dass sie jedenfalls unvergleichlich viel kleiner seyn müssen,
als die Aggregattlieile der Keimhautsubstanz. Nach meinen Beob-
achtungen beim Frosche sind die Primitivfasern der Muskeln
5 8 mal dünner als seine Blutkörperchen, und dünner als die
Kerne der Blutkörperchen ; die Muskelfasern der Frösche und
höheren Thiere unterscheiden sich wenig an Dicke, wohl aber
sehr ihre Blutkörperchen. Die Primitiviäsern der Nerven sind
nach meinen Beobachtungen bei Säugethieren -j — ^ so dünn als
die Blutkörperchen derselben, und dicker als die Kerne der letz-
teren. Beim Frosch fand ich die Primitivfasern der Nerven = i
des Durchmessers seiner Blutkörperchen, was hier wieder viel
weniger ist, als der Durchmesser der Kerne seiner Blutkörperchen.
Ich habe mich nicht überzeugen können, dass die Nervenfasern
aus aneinander gereihten Kügelchen bestehen. Sic zeigen aller-
dings aufeinander folgende geringe Unebenheiten, aber ziemlich
unregelmässig. Endlich macht die Entdeckung von Eurekberg,
dass Monaden von Linie noch zusammengesetzte Organe ha-
ben, diese Theorie der Aggregation aus Kügelchen, die selbst
grösser seyn sollen als ao’oo Linie, im höchsten Grade unwahr-
scheinlich. Die Zusammensetzung der Gewebe aus Moleculen ist
wegen der Unsicherheit, Unebenheiten von Kügelchen microsco-
pJsch zu unterscheiden, jetzt noch immer eine gewagte Hypothese,
^deiifalls sind aber die organischen Molecule nur die kleinsten
^i’inen, in welchen die zusammengesetzte organisclie Materie
®*'scbelnt, nicht aber die Atome der organischen Combination.
^ir kennen die Kraft, welche die organischen Körper be-
b nur an den organischen Körpern. Sic äussert sich nur an
J' '^J’ganischen Verbindungen, welche diese erzeugen, und nie
™l|. ®ht aus freien Stüeken aus den Grundelementen, wo sie zu-
“ ’§ Zusammenkommen, organische Materie. Frav behauptet
zwar, beobachtet zu haben, dass sich microscopische oder Infu-
®^°“®|'hiere aus reinem Wasser gebildet hätten, und Gruithuisen
will in Aufgüssen von Granit, Kreide und Marmor eine gallertar-
tige Haut entstehen gesehen haben, worin sich später Infusorien
10
Prolegomena. 1. Organische Materie.
bildeten. Auch auffallend ist, was Retzitjs (Froriep’s Notizen 5.
p. 56.) beobachtete, dass nämlich in einer Auflösung von salzsau-
rem Baryt in destillirtem Wasser, die ein halbes Jahr in einer
mit einem gläsernen Stöpsel verschlossenen Flasche gestanden
hatte, eine eigene Art Conferven sich bildete. Allein es ist bei
jenen merkwürdigen Erfahrungen wohl gewiss, dass jene Sub-
stanzen oder die Gefässe, oder das Wasser eine auch noch so
geringe Menge organischer Materie enthielten, wie denn nach
den Beobachtungen von Schultze Staubmolecule von organischen
Substanzen hinreichen, um unter günstigen Umständen die Phä-
nomene zu erzeugen, welche man zur generatio aequivoca der In-
fusorien rechnet. Selbst die Thiere sind nicht einmal im Stande
ans blossen Elementen oder ans blossen binären Verbindungen or-
ganische Materien zusammenzusetzen. Die Thiere wachsen durch
Aufnahme von schon vorher gebildeten organischen Materien von
anderen Thieren oder von Pflanzen; sie können nur die Zusam-
mensetzung der organischen Materie erhalten und umändern; die
Pflanzen scheinen dagegen nicht allein organische Materie von
Thieren und Pflanzen umzuwandeln, sondern auch zugleich aus
Elementen und binären Verbindungen der Elemente, wie Koh-
lensäure und Wasser zu erzeugen, obgleich sie ohne alle organi-
sche Materie des Bodens nicht gedeihen. Die Erzeugung der
organischen Materie aus binären Verbindungen in den Pflanzen
scheint deswegen anzunehmen nöthig, weil ohne diese neue Bil-
dung das Nutriment atif der Erde immer abnehmen würde, da
unaufhörlich Pflanzen und Thierkörper durch Verbrennen, Fau-
len etc. in binäre Verbindungen zersetzt werden.
Die einmal von Pflanzen gebildete oder in Pflanzen und
Thieren enthaltene und umgewandelte organische Materie ist wie-
der lebensfähig, wenn sie von einem lebenden Körper angeeignet
und der organischen Kraft desselben unterworfen wird. Auf
diese Art kömmt alle organische Substanz, welche auf der Erde
verbreitet ist, nur von lebenden organischen Körpern; der Tod
oder das Erlöschen der Kraft, welche organische Verbindungen
erzeugt und erhält, trifft das Einzelwesen, während die organische
Materie, so lange sie nicht in binäre Verbindungen zerfallen ist,
Lebensfähigkeit behält.
Die Lebensfähigkeit der organischen Materie besteht darin,
dass sie wieder einen lebenden organischen Körper ernähren kann.
Gewöhnlich entstehen organische Körper gewisser Art nur cyclisch
von organischen Körpern derselben Art, d. h. durch Eier oder
Sprossen. Es fragt sich aber, ob die organische Materie bei der
Zersetzung eines organischen Körpers nicht auch Organismen
anderer Art unter gewissen Einflüssen erzeugt, ob sie nicht allein
lebensfähig ist, sondern in modificirter Art fortlebt, ob sie unter
gewissen Bedingungen, nämlich unter Einwirkung von atmosphä-
rischer Luft, Wasser, Licht in kleinen microscopischen thierischen
W^esen, lebenden Infusorien zerfällt, oder unter anderen Bedin-
gungen, in niedersten Pflanzen, Schimmel wieder auflebt. In ei-
nem ausgedehnteren Sinne hatten schon die Alten, namentlich
Aristoteles die generatio aequivoca, die freiwillige Erzeugung
Generatio aeepiiooca, Infusoria.
11
der Thiere angenommen. Es Avar nämlich eine alte Tradition,
c ass aus der Fäulniss niedere Thiere, Insecten, Würmer erzeugt
F r ®®dten. Diese Meinung hatte sich in dem naturwissen-
ältlichen und mediclnischeii Aljerglauben bis ins 17. Jahrhun-
6rt erhalten. Da schrieb Redi seine experimenta circa generalio-
^^^ectorum und bewies, dass alle Beispiele, welche die Alten
Von generatio aequivoca aiifgeführt hatten, falsch seyen, dass alle
lese Würmer, Insecten aus Eiern entstehen, die vorher von
Ibieren an die Orte gelegt worden. Diese Beweise waren über-
zeugend, und kein untei’richteter Naturforscher glaubte fortan
inehr an die Fabel von der Erzeugung durch Fäulniss, so dass
nerSatz; omne oivum ex ovo unangetastet blieb. Später aber trat
Needham auf und zeigte, dass zwar durch Fäulniss keine Insecten,
aber doch kleine microscoplsche, bisher ungekannte Thierchen,
Infusorien, entstehen. XJebergiesst man thierische oder pflanzliche
Substanzen mit Wasser und setzt sie der atmosphärischen Luft
und dem Lichte aus, so zeigen sich bei gewöhnlicher Temperatur
der mildern Jahreszeit nach einigen Tagen, während sich die or-
ganische Materie allmählig zum Tbcil zersetzt, zum Theil um-
wandelt, zmn Theil ln Kügelchen, zum Theil ganz auflöst, entwe-
der Schimmel oder jene microscopischeft Thierchen, bei Avelcben
Ehrekberg jetzt die glänzende Entdeckung gemacht hat , dass sie
eine viel zusammengesetztere Organisation haben, als Jemand vor-
her geahnet hatte.
Die ersten Beobachtungen über die Entstehung der Infusorien
sind von Needham (nouv. observ, microscop.) mltgetheilt, später ha-
ben WrisbERG, 0. Fr. MuELLER, InGENUOUSS, G. R. TREVIRA^U.S,
Gruithuisen, Schultze um die Kenntniss dieses Gegenstandes sich
Verdienste erworben. Nach Wrisbero’s {ohserv, de animale, infus.)
Bei^achtungen erzeugen sich ohhe den Einfluss der Luft aus in-
lundirten^ organischen Substanzen keine Infusorien, wie z. B. wenn
die Infusion mit Olivenöl bedeckt wurde. Dagegen sind alle dem
Wasser beigemischten vegetabilischen oder animalischen Substan-
zen zur Erzeugung der Infusorien geeignet, wenn sie nur keine
saure oder scharfe Eigenschaft haben und nicliLs enthalten, was
die Fäulniss hindert. Die Entwickelung der Infusorien erfolgt,
nachdem die organische Materie einen gewissen Grad von Zer-
setzung unter Entwickelung von Luftblasen erlitten hat. Gleich-
zeitig mit dieser Entwickelung und später zeigt die Infusion eine
grosse Menge mlcroscopiscber Molecule, die bald zei’streut liegen,
- ^ d eine Art von Membran an der Oberfläche der Infusion
biUl,
Na g*' der Zertheilung der organischen Materien entstehen.
pRAY und Burdach sollten sich Infusionsthiere auch in
^^^*.*®®rstofFgas und Stickgas in der Infusion erzeugen. Die gene-
1 °‘^’iawoca der Infusionsthiere wurde von mehreren Naturfor-
^®sonders aber von Spallanzani {phjrsical. und mal hem.
landl,) angegriffen, welcher die Entstehung der Infusionsthiere
? durch Wärme, Wasser, atmosphärische Luft und Licht
edmgte Entwickelung von zufällig beigemischten Eiern jener
merchen erklärt. Indessen lehren Spallanzaiu’s eigene Versu-
che, dass gekochte oi’ganische Substanzen eben so taxiglich als
12
Prolegomena. 1. Organische Materie.
ungekoclite Zur Erzeugung der Infusorien sind, so wie denn aueli
destillirtes Wasser gleich dienlich zur Infusion ist. Sonst bewei-
sen Spallakzani’s Versuche nur, dass die atmosphärische Luft
zur Entwickelung der Infusorien nöthig ist, und dass sich in her-
metisch verschlossenen, mit Infusionen gefüllten Flaschen, die
eine Stunde lang in einem Gefä^se mit Wasser der Siedhitze aus-
gesetzt worden, keine Infusorien zur Zeit der spätem Untersu-
chung der Flaschen gebildet hatten. Spali.anzasi fand auch die
Stnictur der Infusionsthiere verschieden nach der Verschiedenheit
der Infusion. Versuche mit Samen von Wassermelonen, Kürbis-
sen, Hanf und Hirse zeigten, dass die Zahl der Infusorien gi össer
ist von dem wachsenden Reime, als von dem erst keimenden Sa-
men und mit dem Verderben des Samens ahnimmt. Auf kleine
Gattungen sollten grössere folgen, bis die Entwickelungsfähigkeit
nach einer gewissen Zeit verloren schien. Die Infusionsthiere von
unbeschädigtem Samen sollten grösser gewesen seyn, als die von
zerriebenem Samen. Aus Kornmehl erzeugten sich eben sowohl
Infusorien als aus bloss zerdrücktem Samen. Wurde aber die
Stärke des Mehls (amylum) von dem Kleber (gluten) abgesondert
und die Substanzen besonders infundirt, so erschienen in der In-
fusion von Stärke weniger oder gar keine Thiere, dagegen in der
andern Infusion ein Heer von belebten Wesen. Dagegen zeigten
sich in Infusionen von Gerste, türkischem Weizen, Bohnen, Wolfs-
hohnen, Reis und Leinsamen gar keine Thierchen. Trevibahus
Biologie II. p. 279 — 280. Da indess die Gattungen und Arten
der Infusorien eben so bestimmt sind, wie in den höheren Thler-
classen, und Spallahzani die Unterschiede der Form seiner Infu-
sorien nicht bestimmt hat, da wir ferner die Entwickelungsstufen
einer und derselben Speeles von Infusorien noch nicht kennen,
so verlieren Spallanzabi’s Versuche viel von ihrem Gewichte,
wenn er in Infusionen von Kürhissamen, Chamillensamen, Sauer-
ampfersamen, Korn, Spelz ganz verschiedene Thierchen entdeckt
haben will. Treviradus hat durch seine zahlreichen, mit mehr
Critik angestellten Beobachtungen der Hypothese von der genera-
tio aecfuivoca ein viel grösseres Gewicht gegeben. Seine Gründe
stützen sich auf folgende Umstände:
1) Verschiedene organische Substanzen mit einerlei Wasser
infundirt, erzeugen verschiedene Infusionsthiere, wie z. B. Kres-
sensamen und Roggensamen.
2) Der Einfluss des Lichtes hat auf die Beschaffenheit der
generatio aequiooca den grössten Einfluss. So erzeugt sich die
nach Priestley genannte grüne Materie, welche sich durch ihre
Eigenschaft, Sauerstoffgas auszuhauchen, auszeichnet, nur unter
dem Einflüsse des Lichtes, wenn Wasser, besonders Brunnenwasser
offen oder in verschlossenen, aber durchsichtigen Gefässen der
Sonne ausgesetzt wird, und zwar als eine aus runden oder ellipti-
schen Körnchen bestehende grünliche Kruste, worin man anfäng-
lich feine Bewegungen einzelner Molecule, und später sich unre-
gelmässig bewegende durchsichtige Fäden entdeckt. Diese Ver-
änderungen hat Ingenhouss ( Vermischte Schriften phys. medic. In~
halte) am längsten beobachtet. (Nach R. Wagher besteht die
Generatio aequiooca, Infusoria,
13
grüne Materie aas abgestorbenen Leibern grüner
. Euglena viridis und anderer Infusorien. Dann wären
lene bewcgUdien Fäden wohl eigene von der übrigen grünen
pne verschiedene Wesen, und IifoENHouss hätte unrichtiger
eise verschiedene Arten einfacher Wesen als Umwandlungen
^i’selhen Molecule angesehen.)
. 3) Auch die Eingeweidewürmer und die in dem Samen der
uere, selbst der wirbellosen, beobachteten microscopisclien
nierchen, die Samenthierchen , geschwänzte Körperchen mit
“Uerischen Bewegungen, sclieinen für die freiwillige Entstehung
lebender Wesen in organischer Materie zu sprechen.
4) ln Trevieasus Versuchen zeigten sich unter sonst glei-
chen Umständen in verschiedenen Infusionen verschiedene We-
sen, nämlich Infusionsthiere oder Schimmel, und die Ursache die-
ser Verschiedenheit lag nicht in dem Wasser, sondern an den
infundirten Substanzen.
5) Trevirakus beobachtete, dass in verschiedenen Hälften
einer und dei’selhen Infusion sich unter verschiedenen zufälligen
Bedingungen verschiedene Infusionsthiere erzeugten, nämlich aus
dem Aufgusse von Irisblättcrn mit frischem Brunnenwasser ent-
wickelten sich in einem längerii, mit Leinwand bedeckten, der
Sonne ausgesetzten Gefässe Infusionsthiere, in einem zweiten Ge-
fässe hei einem andern Standorte grüne Materie. So zeigten sich
m derselben Infusion von Boggenkörnern mit Brunnenwasser die
Producte verschieden, wenn Trevirakus in eine der Infusionen
eine Eisenstange gelegt hatte. Hiermit scheint übereinzustimmen,
dass Gleditsch auf verschiedenen, mit Mousselin bedeckten Me-
lonenstücken hei einem verschieden hohen Standorte ein unglei-
ches Verhältniss der erzeugten Gebilde, Schimmel, Byssus, Tre-
mellen fand. Man könnte hierzu noch hinzusetzen, dass Gruit-
auiSEN in Infusionen von Eiter und Schleim ganz verschiedene
nlusionsthierehen gefunden haben will. Aus allen diesen Grün-
nen hat G. B. Tecvuranus die Schlassfolgen gezogen : dass in der
ganzen Natur eine stets wirksame, absolut indecomponihle und
unzerstörbare (?) Materie vorhanden ist, wodurch alles Lebende
' on dem Byssus bis zur Palme, und von dem punktähnlichen In-
msionsthiere bis zu den Meerungeheuern Leben besitzt, und wel-
unveränderlich ihrem Wesen, doch verändei-lich ihrer Ge-
® alt nach, unaufhörlich ihre Formen wechselt, dass diese Materie
sich formlos und jeder Form des Lehens fähig ist, dass sie
5^'irch den Einfluss äusserer Ursachen eine bestimmte Gestalt
nur hei der fortdauernden Einwirkung jener Ursachen in
Kr'^^ '''«rharrt, und eine andere Form annimmt, sobald andere
sich wirken. Nach Wrisberg und Andern erzeugen
dirten ^'alusorien aus den sich ahlösenden Partikeln der infun-
nach f *^®®^anz selbst, welche sich allmählig zu bewegen anfangen ;
.. . „?^>Thuises erscheinen sie dagegen erst, wenn der Extra-
• ^cs infundirten Körpers von Wasser extrahirt worden.
Bl ^CHui.TzE sagt: Nie habe ich in einem Aufgusse von
’ ivr oder Ilirnsubstanz, ein Blutkügelchen, Milchkügelchen
o er ^ai'kkügelchen sich als Monade fortbewegen oder m eine
14
Prolegomena, 1. Organische Materie.
solclie verwandeln gesehen. Jedes einzelne dieser Kügelchen gieht
durch sein Zerfliessen zum Entstehen von mehreren hundert Mo-
naden den Stoff. Diess letztere widerspricht indess der Micro-
inetrie; denn nach Ehrenberg hat die kleinste sichtbare Monade
P. Linie im Durchmesser, diess ist -24^0^ Zoll. Die Blutkü-
gelchen des Menschen betragen aber •jtöo' — im Durch-
messer, die Milchkügelchen noch weniger. Schultze will die
Entstehung von Infusorien aus organischen Stauhtheilchen beob-
achtet haben, die sich In Wasser in einigen Stunden mit einem
trüben Ringe umgeben, der sich bis zum Zerfliessen des Stauh-
theilchens ansbreitet. Dieser Ring löse sich in Monaden auf.
Trevirahus Biologie II. p. 264 — 406. Gruitutjisek Beüriige zur
Physiognosie und Eautognosie. München 1812. 8. Burdach Physio-
logie. T. 1. G. A. S. ScHULTze microscopische Untersuchungen über
R. Browss Entdeckung lebender Theilchen in allen Körpern, und
Hier Erzeugung der Monaden. Carlsruhe 1824.
Wir gehen nun zur Critik der vorhergehenden Beobachtungen
über. Die Art, wie Versuche über generatio aeguivoca angestellt
werden können, lasst keine Gewissheit über nicht statt gefundene
Täuschung zu.
1) Diejenigen, welche mit ausgekochter organischer Substanz
an der atmosphärischen Luft experimentirt haben, können nicht
beweisen, dass die erzeugten Infusorien oder Schimmel nicht von
dem mit der atmosphärischen Luft zugeführten Staube vertrock-
neter Infusorien oder ihrer Reime herrühren. Vielleicht dass,
wie Alexander von Humboldt in seinen Ansichten der Natur deu-
tet, die Winde die Keime der einfachsten organischen Wesen
aus den trocknenden Gewässern emporheben und diese im Staube
von dem belebenden Wasser aufgenommen, wieder aufleben, wie
das Wiederaufleben von dem Räderthierchen, nach Spallanzani’s
bestätigten Versuchen, thatsächlich bekannt ist. Dass der überall
in der Luft nmherfliegeiide Staub kleine organische, im Wasser
aufquellende Theilchen enthält, hat neuerlichst Schultze zur Er-
klärung der Infusorien benutzt ; er hält diese gerade für einge-
trocknet gewesene Infusorien (Monaden), die durch Benetzung von
Neuem belebt werden. Indessen hält Schultze diese sehr häufige
Quelle der Infusorienbildung nicht für die einzige und gieht die
Umwandlung der organischen Substanzen in Protozoen zu.
2) Diejenigen, welche mit ausgekochtem organischen Stoff
expcrlmentirt ufid gemeines Wasser zur Infusion benutzt haben,
können eben so wenig die neue Bildung der Infusorien beweisen,
denn das Wasser kann diese als Eier oder wirkliche Infusorien
selbst enthalten haben, die sich schnell auf Kosten der infundir-
ten organischen Substanz vermehren. Die Anwendung eines
ganz reinen desllllirten Wassers ist fast in keinem Fall voraus-
znsetzen, da selbst fünfmal destillirtes Wasser noch organische
Theilchen enthalten kann.
3) Diejenigen, welche mit frischen organischen Substanzen
und destillirtem Wasser oder gar künstlich bereiteten Luftarten
experimentirt haben, können nicht beweisen, dass nicht etwa die
Eier der Infusorien oder diese selbst in der organischen Substanz
Generatio aequivoca. Infusoria.
16
den ’ H^icroscopisclie ThiercLen kennt man in leben-
• *®“en zwar wenige, und die gewölinlichen Kügelchen or-
divid iT Blutes, sind jedenfalls nicht in-
rpi . kelcbt; allein der Schleim enthält bereits microscopische
lerchen , der Darmschleim des Frosches wie der Same enlhal-
^ n »iicroscopische Thierchen ; in den Muscheln hat von Baer an
ßrschiedenen Stellen microscopische sich bewegende Theilchen
^sehen. Siehe JS'ov. act. nat. mr. 13. 2, p. 594. Die Samen des
exzens und einiger Agrost'is enthalten oft Vibrionen, die seihst
getrocknet Lei der Befeuchtung auflchen. Einige Thierchen, die
xn anderen Thiei'en Vorkommen, leben auch im Wasser fort, be-
sonders aber solche, die auf anderen Thieren leben, Epizoen.
4:) Endlich, wenn auch einige Beobachter mit ausgekochten
organischen Substanzen, mit destillirtem Wasser, mit künstlich
bereiteter Luft zugleich experimentirt haben sollten, so ist doch
xe zu einem entscheidenden Resultate nöthigc Genauigkeit hier
weder wahrscheinlich vorauszusetzen, noch überhaupt möglich,
a jedes zum^ Wechseln von Wasser benutzte Instrument in einer
absoluten Reinheit von allem Anflug organischer Theilchen hätte
seyn müssen , und jede Reinigung wieder eine Gelegenheit zu Irr-
thumern giebt.
Diese Bemerkungen widerlegen die generatio aequivoca nicht,
son ern zeigen bloss, dass ein entschiedener Beweis derselben
durch directe Beobachtung nicht wohl möglich ist. Nun hat aber
^hrenberg <^*dh genaue Untersuchungen der Organisation der
xieie und Pflanzen, welche durch generatio aequivoca entstehen
sollen, diese letztere wirklich ziemlich unwahrscheinlich gemacht.
hrenderg hat erstens das wirkliche Keimen der Pilz- und Schim-
Ffom ^'ova act. nat. cur. T.X. Vergl. Nees v.Esenbec.k
ffiPT-rl . 1 ScHiLLirfG in Kastner’s Archiv. X. p. 429.
srestpllT^ ^ wurde die Fortpflanzung der Schimmel und Pilze fest-
Schlm ’ 1*1 ^'^’^de gezeigt, wie man durch Schimmelsamen neue
den livii ^‘^^’dken kann, und es wurde wahrscheinlich, dass in
a en unerwarteter Entstehung von Schimmel auch durch
oder Atmosphäre verbreiteter Schimmelsame nur den zur
n wi^elung nöthigen Boden gefunden hat. Was nun die Infu-
xons-ihiere betrifft, so hat Eubenberg für’s Erste den zusammen-
A/o« dieser Thiere entdeckt, so dass selbst die kleinsten
Linie Durchmesser noch einen zusammengesetzten
Bei^***a Bewegungsorgane in Wimpern besitzen.
beobachtete Ehrenberg die Eier, die Fortpflanzung
tigheit f *i’ erregte den grössten Zweifel gegen die Rich-
setzten Beobachtungen, wo man ohne den zusammenge-
derselb *** kennen, das unmittelbare Entstehen
wollte Theilchen der infundirten Substanz gesehen haben
Formen hat es nie in der Gewalt gehabt, bestimmte
auch ze'^°** Infusorien durch bestimmte Infusionen zu erlangen;
“leichart^*** bald diese, bald jene Infiisorienformen Lei der
^wisse Behandlung. Vielmehr giebt es nach Ehrenbehg
Sreitete^ doch nur eine bestimmte Anzahl am meisten ver-
^ bormeii, deren Eier oder Individuen in allen Gewässern,
16
Prolegomcna, 1. Organische Materie.
selbst in einigen, vielleicbt aber nur sebadhaften Pflanzentbeilen
verbanden seyn mögen, and von denen sich dann bald die einen,
bald die anderen, je nachdem Eier oder Individuen davon im
Wasser waren oder hineingebraebt wurden, stark vermehren.
Die Vermehrung dieser Thiere scheint ausserordentlich schnell.
Ein Raderthierchen, Hydatina senta, das über 18 Tage beobach-
tet wurde und länger lebt, ist in ‘M — 30 Stunden einer vierfa-
chen Vermehrung fähig. Diese Vermehrung giebt in 10 Tagen
schon 1 Million Individuen, woraus sich die ausserordentliche Häu-
figkeit der Infusorien in einem Tropfen einer Infusion einiger-
massen erklären Hesse. Im Tbau und Regen hat EunENDEno nie
Infusorien bemerkt; sonst fand Ehresberg einige Infusorien in
Afrika und Asien, gleichwie in Europa, im Meerwasser wie im
Flusswasser, in den Tiefen der Erde wie auf der Oberfläche.
Aber die Entwickelung dieser Thiere scheint formenreich, und
man kann leicht verschiedene Arten dieser Thiere zu sehen glau-
ben, während man nur die Entwickelungszustände beobachtet.
Aus allen diesen Beobachtungen schliesst Ehre»behg, dass alle In-
fusorien, gleich den übrigen Tbieren, von Eiern entstehen, omne
viinim ex ovo, und lässt es ungewiss, ob die Eier zum Tlieil wirk-
lich das Product der generalio primitiva sind. Siehe Ehrevberg
in Poqgehdorf’s Annalen 1832. 1. Vergl. R. Wagner Isis 18-32.
383. Den von mehreren Männern beschriebenen Uebergang von
Infusorien in Priestleyscbe Materie hält Wagner für ausgemacht;
diese Materie ist aber nichts anders als der Rest von abgestor-
benen Infusorien, Euglena viridis. Dagegen bezweifelt Wagner
wohl mit Recht die von Mehreren beschriebenen TJebergänge der
Priestleyschen Materie in Conferven, Diven, Tremellen oder gar
Laubmoose. Die primitive Umbildung von noch unorganisirtem
Thierstoff zu gewissen Thieren lässt sich jetzt noch am meisten
bei den Eingeweidewürmern vertheidigen. Eine ganze Reihe von
Gründen für die generatio aequivoca beruht auf der Unmöglich-
keit, die erste Entstehung der Eingeweidewürmer ohne freiwillige
Zeugung zu erklären. 1. Die ungeheure Mehrzahl der Einge-
weidewürmer sind in der Organisation ganz von allen Geschöpfen
verschieden, die ausser dem thierischen Körper verkommen. Die
Aehnlichkeit einiger Distorna mit den Planarien des süssen und
salzigen Wassers ist nur scheinbar. 2. Die wenigsten Eingeweide-
würmer kommen in verschiedenen Gattungen von Thieren vor.
So sind die Bandwürmer des Menschen nur diesem eigen, dage-
gen die Leber egel, Distorna hepaticum, dem Menschen, Hasen,
Rindvieh, Cameel, Hirsch, Pferd, Schwein ; der Spuhlwurm, Asca-
ris lumbrkoides, dem Menschen, Schweine, Ochsen, Pferd gemein
scheinen. Die mehrsten Thiere haben ihre eigentbümlichen spe-
cifisch verschiedenen langeweldewürmer. 3. Viele Eingeweide-
würmer sind in ihrem Vorkommen apf gewisse Organe bescliränkt.
4. Die Eingeweidewürmer sterben in der Regel ausser dem leben-
den thierischen Körper. 5. Man hat diese Würmer schon in Em-
bryonen beobachtet. 6. Dass eine Uebertragung von Eingeweide-
würmern oder ihren Keimen durch die Nahrung nicht stattfinde,
beweisen die bloss von Pflanzen lebenden Thiere, die gleichwohl
Generaiio aeqiiiooca. 17
Eingeweidewürmer Laben. Nur in sehr wenigen
„gnom dieser Uebergang bei fleiscbfressenden Thieren an-
zuw werden, wie denn der Echinorhynchus der Feldmaus
„g ^^eim Falken, Würmer der Fröscbe zuweilen bei Scblan-
lin"^ der Fische, der Bothriocephalus solidus des Sticb-
de^* ™ Darmkaual der Sumpf- und Schwimmvögel gefun-
de sind. Allein viele andere Würmer kommen ausser
öl Darmkanale und den Wegen der Uebertragung vor. Siehe
Remser i'iler lebende WürrAer im lebenden Menschen. Wien 1819.
Ehrerberg sucht die generatio aeqiiiooca der Eingewcidewür-
er zu entkralten, indem er sich zu der alten Meinung hinneJgt,
onach die Eier der Eingeweidewürmer durch die Saflcirculation
Thelle des Körpers getrieben würden. Er nimmt
da« , weil die Genitalien der Eingeweidewürmer eine grosse
E*er enthalten , diese auch durch die Circulation im gan-
zen orper eines Tbieres verführt werden, iind nur unter clück-
^'en zu ihrer Entwickelung nöthigen Boden
*** werdra und anskommen, so dass alle Safte eines Tliieres
1 Eiern solcher Eingeweidewürmer iuficirt sind, die
aas Xhier m einzelnen Organen hat. Die Milch, wovon sich an-
aeieinclividnen derselben Art nähren, kann die Eier dieser Wür-
so?*" enthalten. Der Embryo der Säugethiere, in dem man
M Ul die' Eier von den Säften der
cpfnJ'T ^*‘'**' Eingeweidewürmer in gelegten Eiern .
p, Eschscholz fand welche in Hühnereiern. Btjrdach
te^^l können anfänglich von den Säften derMut-
/■'” i ‘^‘^r That, die Widerlegung der
schc?nr”i f®'/“'*’"''® hegieht sich hier in eben so grosse Unwahr-
eeweidpV" Annahme derselben. Die Eier der Ein-
ehe Würm^”*^V*°'^ offenbar zu gross, um aus den Organen, wp
viel 71. p.. *cben, in die Lympbgefässe zu gelangen, sie sind
Durcl ^ Capillargefässcn des Blutes von 0,00025 Zoll
nrnd circuliren und endlich gar in die Absonderungs-
kläri*^ o- Milch, den Dotter, zu gelangen; also die Er-
iran Vorkommens der Eingeweidewürmer durch Ueber-
ren^ oufRind z. B. bei pflanzenfressenden Säugethie-
kro gar sehr -den erfahrungsm'ässigen Daten der Mi-
meine, wenn man nicht annebmen will, auch die kleinsten
dgjjg E-cimstoff der Eingeweidewürmer, wie er von vorhan-
Pflan** gebildet worden, seyeii eben so fähig zur Fort-
ERng*”"8 als ein ganzes Ei. Von den Samenthiereben nimmt
Rum. sic jedem animalischen Wesen hei der Zeu-
S^nngeimpft werden.
ten ühr;"^^^'® Beobachtungen {Moo. act. nat. cur. XI 11.%) cnlhal-
geweidew"*'* noch manches Räthsel über die Zeugung von Ein-
gen sich Thierchen, die er Biicephalus nennt, erzeu-
■vorkomtn*** fadenförmigen Keimstöcken, welche in den Muscheln
einen W^**’ Bojakus und Baer haben in Limnaeus stagna/is
andern beschrieben, der wieder lauter Thlere einer ganz
Berlin Cerkarien, enthält, v. Norbmann {niicrugr. Beiträge,
■“■) hat Monaden im Körper lebender Eingeweidewür-
Physiologie. 2
Prolegomena. 1. Organische Materie.
mcr, Diplostomen, teoljaclitet, und im Innern von faulenden Eiern
von Lernaeen Infusorien entstehen gesehen. Anderseits verdienen
wieder die Veränderungen gewisser Eingeweidewürmer Beachtung,
z. B. der Ligula und des Bothriocephalus soUdus der Fische, die
erst in den Wasservögeln deutliche Genitalien erhalten; die an-
fängliche Gestalt einiger jungen Distomen, z. B. Bist, noditlosum
des Barsches, das nach v. Wokdmawn anfänglich ohne Saugnapf,
mit einer Spur von Auge, und mit Wimpern wie znm Schwim-
men im Wasser Besetzt ist. Die Infusorien und Binnenwürmer
der lebenden Pflanzen sind noch zu untersuchen. Wichtig ge-
nug, dass die kranken Samen von Agrostis-, Phalaris- und Triti-
cum-Arten nach Steimdtjcii {Analecten 1802.) und Bauer {Philos.
Trans. 1823.) Vibrionen enthalten, dass Bauer im Stengel der jun-
gen Weizenpflanze die Vibrionen wiederüind, die er dem Samen
eingeimpft hatte, und dass nach Steinbuch und Bauer die Wür-
mer der getrockneten Samen mehrere Jahre fähig blieben, im
Wasser wieder aufzulehen.
Die Bildung von Infusorien ist keine primitive Zeugung or-
ganischer Materie; sie setzt schon die Existenz von organischen
Wesen voraus, da nie organischer Stoff von selbst entsteht, son-
dern nur die lebenden Pflanzen fähig scheinen, aus binären Ver-
bindungen, wie Wasser iind Kohlensäure, ternäre organische Ver-
bindungen, organische Materie zu erzeugen, während die Thiere
nur von schon gebildeten organischen Materien leben, selbst aber
keine aus Elementen oder binären Verbindungen zu erzeugen ver-
mögen und also die Existenz der Pflanzenwelt zu ihrer Existenz
voraussetzen. Wie nun zuerst die organischen Wesen entstanden
sind, auf welche Art eine Kraft, die "zur Bildung und Erhaltung
der oiganischeii Materie durchaus nothwendig ist, aber anderseits
sich auch nur an organischen Materien äussert, zur Materie ge-
kommen ist, liegt ausser aller Erfahrung und Wissen. Es lässt
sich auch nicht der Knoten zerhauen, indem man behauptet, die
organische Ki’aft wohne von EAvigkeit der Materie bei, als wenn
organische Kraft und organische Materie nur verschiedene Be-
trachtungsweisen desselben Gegenstandes wären; denn in derXhat
sind die organischen Erscheinungen nur einer gCAvissen Comhlna-
tion der Elemente eigen , tind seihst die lebensfähige organische
Materie zerfällt in unorganische Verbindungen, sobald die Ur-
sache der organischen Erscheinungen, die Lebenskraft, auf hört.
Indess die Lösung jenes Problems xväre überhaupt nicht die Auf-
gabe der empirischen Physiologie, sondern der Philosophie. Da
die Ueberzeugung in der Philosophie und in den Naturwissen-
schaften eine ganz verschiedene Basis hat, so sind wir hier zu-
nächst darauf angewiesen, das Feld einer denkenden Erfahrung
nicht zu verlassen. Wir müssen uns also bescheiden zu wissen,
ilass die Kräfte, xvelche die organischen Körper lebend machen,
eigen thiimlich sind, und dann die Eigenschaften derselben näher
untersuchen.
Theilhaf^g^f «nc? Vntheilharkeit d. unorgan. u. organ. Körper, if)
Vom Organismus und vom Leben.
den organischen Körper unterscheiden sich nicht hloss von
^^organischen durch die Art ihrer Zusammensetzung aus Ele-
enten, sondern die beständige Thätigkeit, weiche in der lehen-
en organischen Materie wirkt, schaiFt auch in den Gesetzen ei-
nes vernünftigen Plans mit Zweckmässigkeit, indem die Theile
zum Zwecke eines Ganzen angeordnet werden, und diess ist ge-
rade, was den Organismus auszeichnet. Kant sagt: die Ursadie
er Art der Existenz hei jedem Theile eines lebenden Körpers
IS jm Ganzen enthalten, während bei todten Massen jeder Theil
sie in sich seihst trägt. Durcli diesen Charakter begreift man.
Warum ein blosser Theil des organischen Ganzen meist nicht fort-
e , warum der organische Körper ein Individuum, ein TJntheil-
iiares scheint. Insofern nun die Theile ungleiehartigo Glieder
eines Ganzen sind, kann auch der Stamm nacli dem Verlust eines
das Ganze iiitegrirenden Theiles nieht fortlehen. Kur dann, wenn
sehr einfache Thiere oder Pflanzen eine gewisse Summe gleich-
artiger Theile besitzen, oder wenn die zum Ganzen gehörigen
ungleichartigen Glieder in jedem Abschnitt des Ganzen sich fort-
^ ^^*^7 kann das Ganze sicli theilen, und die getrennten Stücke,
weiche nun aucli noch die ungleichartigen Glieder des Ganzen,
aßer von geringerer Anzahl enthalten, leben fort. Ahgeschnittene
Zweige von Pflanzen werden eingepflanzt wdeder zu neuen Indi-
viduen. Die verschiedenen Theile von Pflanzen sind einander
wde^d*° '^inlich, dass sie sich in einander umwandeln können,
GoFTH^f Wurzeln, die Staubfäden in Blumenblätter.
einfachpTm^^^^'^^*^'^^ i^anzcTz. Hieher gehören auch einige
Polvne die Polypen.* Stücke eines durchschnittenen
von wieder fortvvachseii gesehen, wie die Versuche
nifT Boesel und Anderen beweisen. Ehen so mit ei-
Ah 'l . '^^^oi’n, z. B. Naiden, hei welchen man in verschiedenen
sc mitten des Körpers ungefähr dieselben ungleichartigen, qua-
^orschiedenen 'Theile, wde des Darmes, der Nerven, der
u gefässe, sich fortsetzen sieht. Diese Thiere hat man durch
lei ung sich fortpflanzen gesehen. Bonnet will sogar ein Wie-
Ergänzen hei den Stücken eines getheilten
ser^^m**™^* ^ßdien. Allein eine solche Trennung die-
Bven ■wobei die getrennten Stücke nicht mehr die qualita-
2unij ü *^‘^*0*’ *^0® Ganzen enthalten, könnte auch keine Fortset-
Menscl*^* Bebens zulassen. Bei den höheren Thieren und heim
Glieder^j Sioht es gewisse Organe, d. h. qualitativ verschiedene
bun» d *^0* ohne Verlust des Lehens, ohne Aufhe-
auc^ “fgrifts vom Ganzen, nicht entfernt W’crden können und
Lunsen*^^ wie Gehirn und Rückenmark, Herz,
unhed’ ’ '^**^ßihanal etc. Andere Theile dagegen, welche keine
1 ßolhwendigcn Glieder im Begriff des Ganzen, oder welche
1 , ? Vorhanden sind, können entfernt werden , dagegen kann
IC 1 ein Theil der höheren Thiere getrennt fortlehen , weil
2*
iJO Prolegomena. 2. Oiganismus. Zweckmässigkeit d. Gestalimg.
keiner die integrirenden -qualitativen Glieder des Ganzen enthält.
Nur das Ei, der Reim selbst, ist in diesem Zustande, weil die or-
ganisebe Kraft die integrirenden Tbeile des Ganzen noeb nicht
gebildet bat, und entwickelt sieb getrennt von dem Ganzen zum
neuen Ganzen. Im Organismus ist also eine die Zusammenset-
zung aus ungleichen Gliedern beberrsebende Einheit des Ganzen.
Aus den eben mitgetbeiltcn Tbatsacben siebt mau, dass die or-
ganischen Körper nicht absolut untbeilbar sind, sie sind vielmehr
dann immer mit Erhaltung ihrer Kräfte tbeilhar, wenn die ge-
trennten Stücke noch die qualitativ verschiedenen Glieder des
Ganzen in einer gewissen Ausdehnung enthalten, und selbst bei
der Zeugung der höchsten Thiere und Pflanzen findet ja eine
Tbeilnng statt. Die unorganischen Körper kann man dagegen in
einem weit ausgedehntem Sinne theilen, ohne dass die Tbeile die
chemischen Eigenschaften des Ganzen verlieren , man kann sie
nach einem gewöhnlichen Ausdruck ins Unendliche theilen, d. h.
nach der atomistischen Lehre bis atif die Uratome, welche ihrer
Kleinheit wegen den Sinnen entgehen und in chemisch zusam-
mengesetzten Körpern bis auf die aus verschiedenen constituiren-
den Atomen zusammengesetzten Molecule, welche ebenfalls den
Sinnen entgehen. Doch gieht es auch unter den unorganischen
Körpern solche, w'elche nicht bis auf die Urtheilchen theilhar
sind, ohne von ihren Eigenschaften zu verlieren; ich meine die
Crystalle. Diese sind nur in gcw'issen Richtungen leicht theilhar,
und die Tbeile, die dadurch gewonnen werden, sind doch schon
oft von der Form des Ganzen verschieden, daher Einige auch
die Crystalle als Individuen betrachten, welche durch die fort-
gesetzte Thätigkeit der Kraft bestehen, die sie bildete, und ver-
gehen, w'enn äio äusseren chemischen (Verwittern) oder mechani-
schen Einflüsse über ihre Crystallisationskraft, Härte, das Ueber-
gewicht erlangen. Vergl. Moas Grundriss der ^lineralogie. I. Vor-
rede pag. 6. Allein wenn man auch die Crystalle in diesem Sinne
als Individuen betrachten wollte, so ist doch der grosse Unter-
schied, dass die Molecule der Crystalle gleichartig im ganzen
Crystall sind, und dass derCi-yslall wenigstens in gleichartige Ag-
gregate der Molecule theilhar ist, während die organischen Kör-
per aus ganz verschiedenen Gliedern eines Ganzen z. B. Geweben
mit besonderen Eigenschaften zusammengesetzt sind. Organische
Comhinationen sind übrigens nie in den organischen Köi-pern zur
Zeit ihres Lehens crystallisirt. Ist ein unorganischer Körper ein
Aggregat von verschiedenartigen gemengten Substanzen, so fehlt
der Bezug dieser Tbeile für das Bestehen des Ganzen.
Die Zusammensetzung' der organischen Körper aus ungleich-
artigen Gliedern eines Ganzen nach dem Gesetze der Zweckmäs-
sigkeit lässt sogleich «auch die Nothwendigkeit eines durchgreifen-
den Unterschiedes der äussern und innern Gestaltung der orga-
nischen Körper und Organe von den unorganischen Körpern ein-
sehen. Wii‘ bewundern in dem ganzen Thiere nicht allein den
Ausdruck der waltenden Kräfte, wie die Crystallisation der Erfolg
einer gewissen Kraft in einer binären Comhination ist, sondern
die Gestalt der Thiere und Organe zeigt auch wieder die ver-
Crystallisation und Organisation.
21
eine ■^'^sütimg der Kräfte,
,T’^‘^**^3J>ilirte IlaiTaonic der Organisation mit den Fäliigkeitcn
jede *Tri Ausübung dieser Fälligkeiten des Ganzen, wie
„g„ ^ *'\eil, z.'B. das Auge, Gcliörorgan, zeigt. Die Crystalle da-
die durclians keine Zweckmässigkeit der Gestaltung für
. ‘^bgkeit des Ganzen, weil der ganze Crystall nicht ein aus
Gcwclien zusammen^setztes zweckmässiges Ganze
) sondern durch Aggregation gleichartiger Elemente oder Bil-
'^ngstheile entsteht, welche denselben Gesetzen der crystalUni-
c len Aggregation unterworfen sind. Daher wachsen auch die
rystalle durch äussere Aggregation an die zuerst gebildeten Theile,
i agegen die verschiedene Organisation neben einander yerhunde-
ner Theile in dem organischen Körper meist gleichzeitig ist, so
t ass das Wachsthum der organischen Körper von allen Partikeln
t er Substanz aus gleichzeitig geschieht, während die Vermehrung
nnorganischen Körpern durch äussere Apposition
gesclueht. Sehr schöne weitere Vergleichungen zwischen der Or-
ganisation und Crystallisation hat E. 11. Weber in seiner allge-
laemen Anatomie gegeben.
Das Gesetz der organischen Gestaltung, Zweckmässigkeit, be-
lerrscht nicht allein die Bildung ganzer Organe, sondern auch
einfachsten Elementargewebe, wie cs sich denn in der Folge
wird, dass die mannigfachen Formen absondemder Driisen-
S«bude nur auf der verschiedenen ,A.rt beruhen, wie eine grosse
»«sondernde Fläche im kleinen Raume realisirt werden kann. Die
■'aserbildnng der Muskeln ist nothwendig, wenn ein Organ in ei-
«er gewissen Bichtung durch winkelförmige Kräuselung der Fa-
de^N werden soll, und so wird sich auch in der Physik
gewIssr^^S Zertheilung der Verven in eine
ortlicl einfacher, nicht communicirender Primi tivläsern
Diesell'^ «^'''«nwirknng , örtliche* Empfindung unmöglich iväre.
^ le Zweckmässigkeit zeigt sich eben so nothwendig in der
^^rgamsation der Pflanzen. Da die Organe der Pflanzen -weniger
• S ®*««ärtig und zahlreich und weniger im Innern verborgen
> sondern an der Oberfläche sieb ausbreiten, und iveil die
ten ^ der Aussenwclt weniger von einzelnen Punk-
AI? '«« der ganzen Oberfläche geschieht, so zeigt das
Fflanzenbildung eine mit vollkommner Zweckmäs-
hild^*^ vermehrende Oberfläche in den mannigfoltigen Blatt-
««d die einzelnen Formen der Oberflächenvermebrung
^ann*'^ reichlich, als sie die lebendigste Phantasie nicht erdenken
such i denn ein grosser Theil der Terminologie nur ein Ver-
«rö"llch ’ «iu mit der Natur gleichlaufendes Schema der
des^Ve K ^^»«^®«’'^6rmehrung durch AJjänderung der Blätter und
Einzige^ ^^^^*^***^* zu Stiel, Zweig, Ast, Stamm zu entwerfen. Das
passend^ man in den organischen und unorganischen Körpern
den ver kann, ist die Art, wie die Symmetrie in bei-
Die Cryslalle haben symmetrische und asym-
. •*’ 1 ^ Flächen, Winkel, Ecken. Auch dleThiere haben sym-
niet'^‘**^h*^ asymmetrische Theile, und die Gesetze der sym-
risc en asymmetrischen organischen Gestaltung zeigen
22
Prolegomena. 2. Organismus,
Shnliclie, mannigfaltige AL'änclernngen. Die Urform des tWeri-
sclien Reimes ist z. B. eine rundliche platte Scheibe, der Hah-
nentritt im Vogelei, besser die Keimscheihe, blastoderma, welche
im Ei des Eierstocks nach den Untersuchungen von Purkinje
und Baxh ein Bläschen zu seyn scheint. Scheibenförmig zeigt
sich der Keim auch bei Wirbellosen, wie ich hei Planarid gesehen.
Die Form des Eies und Dotters darf man mit der . Form des
Reimes nicht verwechseln. Anders sind die ausgebildeten Formen.
Wir unterscheiden z. B. einqn strahlenförmig .symmetrischen Ty-
pus in den Radiarien, mit gleichartigen Tlieilen um einen gemein^-
samen Mittelpunkt,- wobei das Asymmetrische bloss die Vorder-
und Ilinterseite der sternförmigen Organisation ist. Wir unter-
scheiden 2. die Symmetrie gleichartiger Theile auf einem ästigen
Typus, wie in den Pflanzen die Blätter und Blüthen das sich wie-
derholende Symmetrische, die Polypen das Symmetrische auf dem
verzweigten Polypenstamm sind. Wir unterscheiden 3. die rei-
henförmige Symmetrie in der Succession gleichartiger Theile von
vorne nach hinten bei den Würmern, wo die asymmetrischen
Theile nur Bauch und Rücken sind. 4. Endlich unterscheiden
wir die doppelseitige Symmetrie in der bloss seitlichen Wieder-
holung gleicher Theile bei den höheren Thieren und beim Men-
schen , wo das Asymmetrische die hinter einander liegenden Or-
gane, und die Asymmetrie von Bauch- und Rikkenfläche sind.
Bei vielen Thieren ist die seitliche Symmetrie zum Theil mit der
successiven Symmetrie von vorne nach hinten verbunden, wie bei
den höheren Thieren in den Wirbeln. Abgesehen davon, dass
die Symmetrie und Asymmetrie der crystallisirlen unorganischen
Körper immer in ebenen Flächen und geraden Linien stattfindet,
wovon sich das Gegcntheil bei den organischen Körpern zeigt, so
bleibt immer noch der grosse Unterschied, dass svmmetrische und
asymmetrische Theile derCrystalle eine einfache Zusammensetzung
haben, dass dagegen die Theile, welche sich bei organischen Kör-
pern symmetrisch wiederholen, seihst erst aus ungleichartigen Ge-
weben zusammengesetzt sind. Welche Ursachen übrigens die an-
geführten verschiedenen Typen der organischen Symmetrie be-
dingen , und welche Gründe in dem Keime zuerst die Lage der
Achsen z. B. für die doppelseitige Symmetrie, das Vorn und Hin-
ten, und die Bauch- und Rückenseite in den höheren Thieren
bestimmen, können wir eben so wenig ahnen, als die Ursachen
der symmetrischen Crystallbildung. Die Organtheile des Orga-
nismus' sind übrigens nie crystallinisch, und wenn auch einige
Fettarten im reinen Zustande crystallisiren, so gilt diess mir, wenn
sie den nusseren Einflüssen unterworfen und der Lebenskraft ent-
zogen sind; eben so mit dem Zucker, dem Harnstoff, der Harn-
säure. Die meisten Säfte und organischen Stoffe crystallisiren
nicht einmal ausser dem lebenden Organismus. Der Rückgraths-
kanal und die Schädelhöhle der Frösche enthalten um die Cen-
traltheile des Nervensystems eine Lage von breiartiger weisser
Materie, die nach EnRENBEiio’s. und Huschke’s Entdeckung ans
microscopischen Ci’ystallen von kohlensanrem Kalke besteht. An
der Bauchhaut der Fische und im Silberglanzc der Chorioidea
23
Erzeugung der Theilo des Ganzen.
der Fisclie hat EnRENBEaa auch mlcroscopische Crystalle aus ei-
^^'Sanischcn Materie entdeckt. Mueller’s Archiv für Anat,
p. 458.
Ich habe ]jis jetzt hloss die Eigenthümlichkelt der organi-
schen Körper untersucht, dass sie organische Ganze sind, aus un-
S^leichartigen Organen zusammengesetzt, welclie den Grund ihrer
Existenz in dem Ganzen haben, wie Rast sich ausdruckte. Die
J^cganisclie Kraft des Ganzen, welche die Existenz des Einzelnen
bedingt, bat aber auch die Eigenschaft, dass sie die zum Ganzen
nothwendigen Organe ans organischer Materie erzeugt. Einige
haben geglaubt, das Leben oder die Thätigkeit der organischen
Körper sey nur die Folj^e der Harmonie, des Ineinandcrgrellens
gleichsam der Räder der Maschine, und der Tod , sey durch eine
Störung dieser Harmonie bedingt. Die Harmonie, dieses Ineinan-
dergreifen findet offenbar statt; denn das Athmen in den Lungen
ist die Ursache der Thätigkeit des Herzens, und die Bewegung
des Herzens bringt in jedem Augenblick dem Gehirn das durch
das Athmen veränderte Blut, wodurch das Gehirn alle übrigen
Organe belebt, und wieder die Athernbewegungen bedingt. Der
äussere Impuls zu diesem Getriebe ist aber die atmosphärische
Lcilt beim Athrrien. Jede Verletzung einer dieser llaupttriebfe-
dern in dem Mechanismus des organischen Körpers, jede grössere
Verletzung der Lungen, des Herzens, des Gehirnes kann die Ur-
sache des Todes werden, daher man sic die cifria morlis genannt
hat. Allein diese Hai'monic der zum Ganzen nothwendigen Glie-
der besteht doch nicht ohne den Einfluss einer Kraft, die auch
durch das Ganze hindurch w'irkt, und nicht von einzelnen Thei-
len abhängt, und diese Kraft besteht früher als die harmonischen
beder des Ganzen vorhanden sind; sie werden bei der Entwik-
kclung des Embrvo’s von der Kraft des Keimes erst geschaffen.
ei einem zweckmässig zusammengesetzten Mechanismus, z. B. ei-
ner Uhr, kann das zweckmässige Ganze eine aus der Zusammen-
wirkung der einzelnen Theile hervorgehendc Thätigkeit zeigen,
die von einer Ursache aus in Bewegung gesetzt wird; allein die
organischen Wesen bestehen nicht bloss 'durch eine zuf ällige Ver-
bindung ihrer Elemente, sondern erzeugen auch die zum Ganzen
nothwendigen Organe durch ihre Kräfte aus der organischen Ma-
J^rie. Diese vernünftige Schöpfungskraft äussert sich in jedem
Thiere nach strengem Gesetz, w'ie es die Natur jedes Thieres er-
ordert; sie ist in dem Keime schon vorhanden, ehe selbst die
Späteren Theile des Ganzen gesondert vorhanden slüd, und sie ist
Welche die Glieder, die z'um Begriff des Ganzen gehören, wirk-
kel* ®^'*ougt. Der Reim ist das Ganze jwlentia, bei der Entwik-
des Keimes entstehen die integfirenden Theile des Ganzen
I V^ir sehen dicSs Werden des Einzelnen aus dem potentieU
+6+* vor unseren Augen bei der Beobachtung des bebrü-
A.II0 Theile des Eies sind bii auf die Keimscheibe,
»asoderrria^ nur zur Nahrung des Reimes bestimmt-, die ganze
Kiatt des Eies ruht nur in der Keimscheibe, und da äussere Ei n-
"j . jjogen fiix die Keime der verschiedensten organischen Wesen
gleich sind, so muss man die einfache, aus körnigem formlosem
Prolegomena. 2. Organismus,
24
Stoffe bestehende Keimscheibe als das potentielle Ganze des spä-
tem Thieres betrachten, begabt mit der wesentlichen und spe-
cifiscben Kraft des spätem Thieres, fällig, das Minimum dieser
specifisdien Kraft und Materie durch Assimilation der Materie zu
vei’grössern. Dieser Keim breitet sich zur Keimhaut aus, welche
den Dotter luuwächst, und die Organe des Thieres entstehen
durch Umwandlung des Keimes, indem zuerst die Elemente des
Nervensystems, des Damischlanchs, des Gefässsysteras entstehen,
und selbst wieder aus den Elementen der organischen Systeme die
Details der Organisation sich immer weiter ausbilden, so dass man
die erste Spur der Centraltheile des Nervensystems weder für
Gehirn, noch für Rückenmark, sondern» für das noch potentielle
Ganze der Centraltheile des Nervensystems halten muss. Auf glei-
che Ai’t entstehen die Theile des Herzens sichtbar aus einem
gleichartigen Schlauche, und die erste Spur des Darmschiauches
ohne Speicheldrüsen, Leber, Ist mehr als Darraschlauch, sondern
das potentielle Ganze des Digestionsapparates, weil Leber, Spei-
cheldrüsen, Pancreas, wie voabAER zuerst entdeckt hat, aus dem,
was man für Rudiment des Darmschlauches hält, wirklich sich
durch weitere \egetatlon sichtbar entwickeln. Es kann jetzt nicht
mehr bezweifelt werden, .dass der Keim nicht die blosseAIiniatur
der spätci-en Organe ist, wie Bosset und Haller glaubten, son-
dern dass der Keim das von der specilischen organischen Kraft
beseelte und bloss potentielle Ganze ist, welches aciu sich entwik-
kclt lind die Glieder zur Thäiigkeit des Ganzen neben einander
erzeugt. Demi der Keim selbst ist nur formlose Materie und die
ersten PLudimente der Organe werden nicht durch Vergrösserung
erst sichtbar, sondern ihr erstes Erscheinen ist deutlich und die
Rudimente sind sogleich schon ziemlich gross, aber einfach, so
dass wir aus der Umgestaltung des einfachen Organes die spätere
Zusammensetzung desselben entstehen scheu. Diese Bemerkungen
sind, heut zu Tage keine Meinungen mehr, sondern facta, find
nichts ist deutlicher als die Entstehung der Drüsen aus dem Darm-
schlauch, die Entstehung des Darms aus dem sich absondernden
Theile der Keimhaut. Hätte Er.vst Stahl diese Thatsachen ge-
kannt, so ivürde er noch mehr in seiner berufenen Ansicht be-
stärkt worden seyn, dass die vernünftige Seele selbst das primum
mooens der Organisation, dass sie selbst der letzte und einzige
Grund der organischen TJiätigkeit sey, dass die Seele ihren Köi’-
per nach den Gesetzen ihrer Wirksamkeit zweckmässig baue und
erhalte, und dass durch ihre oi’ganische Tliäligkeit die Heilung
der Krankheiten geschehe. SItahl's Zeitgenossen und Nachfolger
haben diesen grossen Mann zum Theil nicht verstanden, wenn sie
glaubten, nach seiner Ansicht sollte die Seele, welche vorstellt,
mit Bewusstseyn und Aljsicht, auch die Organisation betreiben.
Stahl’s Seele ist die nach vernünftigem Gesetz sicli äussernde
Kraft der Organisation selbst. Allein Stahl ist darin zu weit
gegangen, wenn er die mit Bewusstseyn verbundeneu Seelenäus-
serungen in gleichen Rang mit der zweckmässig, aber nach blin-
der Nothwendigkeit sich äussernden Oi'ganisationskratt stellte.
Die organisirende Kraft, die nach ewigem Gesetz die zum Be-
Lebenskraft und organische Materie. 25
wohl*' Gfinzen nöthigen Glieder erzeugt und belebt, residirt
nocl ^ einem Oi’gan; sie äussert sieb ln der Ernährung
das ' hirnlosen Missgeburt bis zur Geburt; sie verändert
der • vorhandene Nervensystem wie alle übrigen Organe bei
ten '’<^rwandelnden Insectenlarve, so dass dann mehrere Rno-
sie versclnvinden und andere sich vereinigen,
bewirkt, dass bei der Umwandlung des Frosches das Rücken-
. , ®*ch verküi’zt, in dem Maass, als der Schwanz seine Orga-
‘sation verliert und die Nerven der Extremitäten entstehen. Die
cwusstlos wirkende zweckmässige Thätigkcit wirkt auch in den
Erscheinungen des Instinctes. CuviEa’sagl davon sehr schön und
Verständlich , dass die Thiere beim Instinct gleichsam von einer
ängebornen Idee, von einem Traum verfolgt werden. Allein dasje-
was diesen Traum erregt, kann nur die nach vernünftigen
esetzen wirkende organisirende Ki’aft, die Endursache eines; Ge-
schöpfes seihst scyn. Diese ist vor allen Organen im Keim vor-
handen, und scheint daher auch im Erwachsenen au kein Organ
gehnnden; das BcuTisstsevn dagegen, welches keine organischen
froducte erzeugt, sondern nur Yorstelluhgen bildet, ist ein spä-
6s Erzeugniss der Entwickelung selbst und an ein Organ gebun-
66 > von dessen Integrität das Bewusstseyn ahhängl, wenn das,
i^ntum movens zweckmässiger Organisation selbst in der hirnlosen
^ issgehurt noch fortwirkt, ln den Pfl^zen fehlt das Bewusst-
Ph** dem Nervensystem, während die nach dem Ui'bllde der
tanzenspecies wirkende Kraft der Organisation vorhanden ist.
dai’f daher die. organisirende Kraft nicht mit etwas dem Gei-
^JJ^“6wusstseyn Analogen, man darf ihre blinde nothwendige Tha-
eit mit keinem Begriffhilden vergleichen. Unsere Begriffe vom
eani Ganzen sind bfossc bewusste Vorstellungen. Die or-
ist cln*^ ^vaft dagegen, die Endursache des organischen Wesens,
Or *^‘6 Materie zvveclunässig verändernde Schöpfungskralt.
ganischcs Wesen, Organismus, ist die factische. Einheit von or-
ganischer Schöpfungskralt und organischer Materie. Ob beide
^ema s getrennt gewesen seyen, ob die schaffenden Urbilder, die
wigen Ideen Plato.v’s, wie er im Timaeus deutete, zu irgend ei-
ner 4eit zur Materie gelangt sind, und sich von da an in jedem
^.6nd jeder Pflanze fortan verjüngen, ist kein Gegenstand
Wissens, sondern der iinerwelslichen Mythen, Traditionen,
uns die Grenze unseres blossen Bewusstseyns deutlich genug
die
anzeii
Thatsächliche ist, dass jede Thierfprm, jede l'llap'
6s b unabänderlich durch ihfe Producte erhält, und dass
I'flan^^ ®‘U6r ungefähr berechneten Anzahl von so vielen tauscjiff,
zujc Thicrarten keine wahj('en.Uehergänge vpn einer. Art
der Pf].*^***’ einer Gattung zur andern giebt; jede Familie
physiscl'**'*^'^ ’ . Thiere, jede Gattung, jede Art ist , an gewisse
wisse ^ßdingungen ihrer Existenz auf der Erde, an eine ge-
nisse „^”^P®^utur und bestimmte physisch-geographische Verhält-
iincndr vvelche sic gleichsam erschaffen, ln dieser
• 1 Mannigüdtigkeit der Geschöpfe, in dieser Gesetzmäs-
Uafürliehen KJ-assen, .ji’ijpiilien, Gattungen imd Arten,
sser sich eine das Eelicn auf der ganzen Erde bedingende ge-
26 Prolegomena. 1. Organismus. Form und Mischung.
meinsame Scliöpfungskraft. Aber alle diese Arten des Organis-
mus, alle diese Thiere, die gleichsam eben so viele Arten, die
umgebende Welt mit Empfindung undReaction zu geniessen, sind,
sind von dem Zeitpunkte ihrer Schöpfung selbstständig; die Art
vergeht mit der Ausrottung der productiven Individuen, die Gat-
tung ist nicht mehr fähig, die Art zu erzeugen, die Familie nicht
fähig, die Gattung herzustellen. Thierarten sind im Verlaufe der
Erdgeschichte durch Revolutionen der Erdrinde untergegangen
und in den Trümmern vergraben; sie gehören theils ausgcstor-
henen, theils noch lebenden. Gattungen an.
Das Sludinra der aufeinander liegenden Erdschichten, worin
die Reste organischer Geschöpfe Vorkommen, scheint zu beweisen,
dass nicht alle Wesen, welche ihre Reste auf der Erde zurückge-
lassen, zugleich auf der Erde gelebt haben, dass die einfachen
Geschöpfe auch zuerst die Erde bewohnt haben , und die Reste
der höheren Thiere und besonders des Menschen kommen nicht
in den tieferen Lagern solcher Niederschläge vor, welche orga-
nische Reste enthalten. Aber keine Thatsache berechtigt uns zu
Vermuthungen über den ersten oder spätem Ursprung der Ge-
schöpfe, keine zeigt uns die Möglichkeit, alle diese Verschieden-
heiten durch Umwandlung zu erklären, da alle Geschöpfe die ih-
nen gegebene Form unabänderlich erhalten.
Die faclische Einheit der organisirenden Kraft und der or-
ganisirten Materie licssc sich besser begreifen, wenn es sich be-
weisen liesse, dass die organisirende Kraft und alle Lchenser-
scheinungen erst die Folge, der Ausdruck, die Eigenschaft einer
gewissen Comhination der Elemente, die Folge der Mischung
seyen. Der Unterschied der belebten tihd unbelebten organischen
Materie bestände dann darin, dass in der letztem der Mischungs-
zustand der Elemente verändert worden. In der That hat Joii.
C. Reii. den kühnen Versuch einer solchen Darstellung in seiner
hei’ühmten Abhandlung über die Lehenski-aft, Reil’s Archiv Jiir
die Physiologie, I. BJ., gemacht, welche Einige, wie RtrDoi.riii,
als ein Meistei-stück betrachten, wie allein die Anfangsgründe
der Physiologie gelegt werden müssen. Reie leitet den Grund
der organischen Erscheinungen von der ursprünglichen Verschie-
denheit der Mischung und Form der organischen Körper ab.
Verschiedenheit der Älischung und Form sind nach ihm die Ur-
sachen aller Verschiedenheit der organischen Körper und ihrer
Kräfte. Werden zwei Principien, Mischung und Form, anerkannt,
so bleibt die Aufgabe ungelöst, und es frägt sich jetzt wieder,
wie die' Mischung zur Form, die Form zur Mischung kam. Dass
aber die Form der organischen Materie die Ai’t ihrer Wirkungen
nicht ürsprünglich bestimmt, zteigt sich darin unwiderleglich, dass
die organische Materie; aus Welcher alle Formen entstehen," an-
fangs fa^t formlos ist. Der KOhn ist lici allen Wirhelthicreri und
wahrscheinlich aheh hei den Wirbellosen, wie wir es von eini-
gen wissen und ich cs von P/anaria beobachtet habe, eine runde
Scheibe einfacher Materie; wU ist hier die Verschiedenheit der
Form' bei der Verschiedenheit der Thiere? Anderseits wird die
Form der unorganischen Körper immer erst durch ihre Elemente
Lelenskrajt und organische Materie.
27
Reil der Elemente bestimmt. Auch gieht diess
ist s zu; denn er sagt p. 17: „Form der Materie
W 1 1 Erscheinung, die in einer andern, nämlich in der
ist^‘‘ Grundstoffe und ihrer Productc, gegründet
U' ,”'®raus würde folgen, dass, wenn die Mischung allein die
^ Sache der organischen Kräfte wäre, die Mischung selbst zu-
2 ®'®h das formende Princip wäre. Da nun die Mischung in den
®r organischen Kräfte herauhten organischen Körpern unmittel--
ar Hach dem Tode nicht von der Mischung der Elemente wäh-
lend des Lehens verschieden scheint, so musste Reil annehmen,
ass es noch feinere, von der chemischen Analyse nicht erkenn-
are Materien gehe, welche in deiff helehten organischen Körper
noch vorhanden seyen, in dem todten aher fehlen. Es muss al-
Ordings in die Zusammensetzung der Stoffe im lebenden Körper
noch ein unbekanntes, im REiL’schen Sinne feineres, materielles
:^incip eingehen, oder die organische Materie muss durch die
Wirkung unbekannter Kräfte die damit verbundenen Eigenthüm-
l^hkeiten erhalten. Oh man sich diess Princip als imponderable
Materie oder als Kraft zu denken habe, ist eben so ungewiss, wie
nieselhe Erage hei mehreren wichtigen Erscheinungen in der Phy-
und die Physiologie ist hier nicht hinter den übrigen Natur-
^'ssenschaften zurück, denn die Eigenschaften dieses Priucips
sind in den Wirkungen der Nerven bald eben so gut bekannt,
die des Lichtes, der Wärme, der Electricität in der Physik,
■^of jeden Fall ist die Beweglichkeit dieses Priucips gewiss. Wir
orkennen die räumliche Ausbreitung dieses Priucips in unendlich
fielen Lebenserscheinungen. Wir sehen, dass steif gefrorne, der
laplindung und Bewegung beraubte Theile von der Grenze der
th ^1 Theile allmählig belebt werden, wir sehen diese Mit-
ei ung noch deutlicher nach dem aufgehobenen Druck eines
6rven, der das sogenannte Einschlafen der Glieder bewirkt hatte,
•r sehen den in der Entzündung von der Oberfläche des Or-
S^nes ausgeschwitzten Faserstoff belebt und orgauisirt werden.
le organische Kraft Avirkt über die Grenze der Organe hinaus
iGi der Umwandlung der Ihicrischen Materie in den Gefässen,
10* der Umwandlung des Chymus und Chylus, der in den Lymph-
8® ässen bei seinem Weiterrücken neue Eigenschaften erhält; sie
^rkt von den Wänden der Blutgefässe aus auf das Blut und be-
'Gossen Flüssigkeit, Avährend das Blut ausser den Gefässen
allen Bedingungen gerinnt, wenn es nicht zersetzt wird,
sßjj erwähne ich mit AuTENniETH die Fähigkeit der thieri-
iuitgg.i'^^®de, wodurch ihnen bald Lebenskraft enlzogen.j. bald
in ti *'^'**' und wodurch sich die Lebenskraft oft schnell
der L*T^ Organe anhäuft. Ich glaube nicht, dass die Wirkung
Eiweis'^ in dem nicht bebrüteten Ei den Dotter und das.
eine a* Fäulniss schützt, wie HÜnteh bemerkt, aber sogar
u p*R®tretene oder eingeschlossene oder krankhaft angesam-
• 'j 1 ^^äigkeit, selbst zersetzter Thierstoff, Eiter, Avird länger
• . . ^^''den Körper als ausser ihm vor Fäulniss bcAvahrt, was
IC 1 1 osg Abschliessen von der Luft verursacht, da sonst
gesunkenen Kräften oft schnell Blut und Eiter im Körper
28 Prolegomma. 3. Organismus, Lehenshedingungen.
sicli zersetzen. AtTTENHiexH Physiol. 1. So gewiss ntin mit allen
diesein Thatsachen die Existenz einer Oft sclinell wirkenden nnd
räumlich' sich aiisbreitenden Kraft oder eines Imponderablen
Stöflbs istj so wenig ist man berechtigt, denselben mit den be-
kannten imponderablen Materien oder allgemeinen Natnrkräften,
Wärme, Licht, Electricität, für identisch zu lialten, eine Verglei-
chung, die rielmcbr durch jede nähere Untersuchung widerlegt
wird. Die Untersuchungen über den sogenannten tliierischen
Magnetismus schienen Anfangs einiges Licht über diese räthsel-
hafte Kraft oder imponderahle Materie zu verbreiten. Man
glaubte, dass Bestreichen eines Menschen durch einen andern,
Händeauflegen und dergleichen, merkwürdige Wirkungen hervor-
hringe, die von einem üeberstromen des sogenannten thierischen
magnetischen Fluidmns herrühren; ja Einige haben dieses hypo-
thdtische Eluidura sogar durch gewisse Vorrichtungen anzidiäufen
geglaubt. Diese Geschichten sind indess ein hedauernswerthes
Irrsal von Lug und Trug und Abergliuihcn geworden, und es
hat sich nur gezeigt, wie unfähig die meisten Aerzte zu einer
era^pirischen’ Untersuchung sind, und wie wenig sie eine Vorstel-
lung von einer Prüfung haben, die in den übrigen Katurwissen-
schaftdix' zur allgemeinen Methode geworden ist. Kein einziges
Factum existirt über diesen Gegenstand unzweifelhaft, als die Ge-
wissheit unendlicher Täuschungen; in der Empirie der Arznei-
kunde zeigt sich auch keine Thatsache, welche sich mit diesen
wunderbaren Dingen in Yerhindnng bringen Hesse, als jene oft
wiederholten, aber äuch der Bestätigung bedürfenden Berichte
von der Heilung gelähmter Menschen, deren Glieder man in
frisch geschlachtete Thiere gehüllt, und die gerne geglaubten
Mährchen von Verjüngung der Alten und Kränklichen in dem.
Umgang und in der Ausdünstung gesunder Kinder, und umgekehrt.
So ■ viel wir jetzt gesehen haben, bestehen die organischen
Körper aus Materien, welche eine eigene, in der unorganischen
Natur nicht vorkommende, nämlich ternäre, quaternärei oder noch
mehrfache Combinatiou der Elemente zeigen ; diese Combinatio-‘
nen erzeugen sich nur in den organischen Körpern, so lange sie
lliätig sind oder leben. Die organischen Körper bestehen lebner
aus Organen, d. i. qualitativ vei’schiedeneu Gliedern des Ganzen,
die den Grund ihrer Erhaltung in dem Ganzen haben ; sie Jiesteä,-
hen nicht allein daraus, sondern sie erzeugen aus eigener Kraft’:
diese Glieder des Ganzen, das Leben ist daher keine blosse Folge
der Harmonie uud Wechselwirkung dieser Glieder, sondern, be-
ginnt sich zu'.uussern mit einer in der Alaterie des Keimes wir-
kenden Kraft; oder imponderaheln Materie, welche in die Zu-
sammensetzung derselben eingeht und der organischen Comlsina-
tion Eigenschaften! mittheilt, die mit dem Tode aufhören.
Das Wirken der organischen Kraft ist aber nicht unbedingt.:
Die zum Leben notliwendige Mischung und Kraft kann vorhan-
den :seyn und sich doch nicht durch Lebeusersebeinungen äus-
sern, und dieser ruhige Zustand der organischen Kraft, wie er in
dem. unbebrüteten belruchteten Keim des Eies, im Pflanzenei, so
lange es nicht keimt, statt findet, muss wold von dem Tode un-
Reizbarkeit. Lebensreiz.
29
toscliiedcn ■werden. Es ist ancli nicht Lehen, sondern specifische
I ®’^®fähigteit. Das Lehen seihst, die Aeusserung der organi-
des^T heginnt mit der Einwirkung gewisser Bedingungen
jjj wie der Warme, der atmospliarischen Luft, hei den
die im Wasser ausgebrütet -werden, der im Wasser aiifge-
Luft, und- der Ztifulir Jiefeuchteter Nabrungsstoffe, also des
anrungsstofTes und Wassers, und diese Bedingungen bleiben für
as Leben nothwendig, so lange es sich äussern soll.
Das Thier- ilnd Pflanzcnei bleibt nur so lange Reim, als es
'Vollkommen ruhig in keiner Wechselwirkung mit der Aussenwclt
erhalten wird; es bleibt dann entwickelungsfahig, und die schal-
ende Kraft des Reimes erh'ält sich, aber sie bleibt ruhig, ohne
sich zu 'äussei-n. So können Eier derXhiere ihre Entwickelungs-
labigkeit lange behalten, wenn sie nur der Einwirkung der Luft
Und Warme entzogen werden. So erh'alt sich die Reiinkraft vie-
ler Insecteneier im Winter und Eier von Insecten der übersee-
jschen Länder kommen in botanischen Gärten Europa’s aus, wüe
ich davon selbst ein Beispiel kenne. So soll sich die Reimkraft
uer Samen vieler phanerogamischen Pflanzen unter Wasser bis
Jahre, unter der Erde ausser aller Einwirkung der atmosphä-
nschen Luft Ijis 100 Jahre erhalten. Ann. d. Sc. nat. ff. V. 380.
J-Reviranus führt Beobachtungen von van Swieten an, dass Mi-
luosenkörner nach 80, und Bohnen naoh 200 Jahren noch ge-
Eimt hatten, und citirt eine andere Beobachtung, dass man so-
gar eine vielleicht 2000 Jahre alte Zwiebel aus der Hand einer
^ägyptischen Mumie noch zum Treiben gebracht habe. Trevi-
Rakus Erscheinungen u. Gesetze des organischen Lebens, p. 47. So-
sich Einflüsse der äussern Natur einwirken, entwickelt
oder der Reim, Avenu er zur Entwickelung geeignet ist,
nismu fault, wie dann auch der schon entwickelte Orga-
T> 1- die zur weitern Entwickelung nöthlgen äusseren
nigungen fehlen, entweder scheintodt wird, wie im Wintcr-
b^ d-^ f abstirbt. Die ruhende Lebenskraft des Keimes
le art also zwar keiner äusseren Reize zu ihrem ruhigen Fort-
es ®bcn, wohl aber das entAvickclte und sich äussernde Leben.
Die zum Leben nothwendigen, äusseren Bedingungen, Wärme,
asser, atmosphärische Luft und NahrungsstölF, bringen, indem
^ Lehen unterhalten, beständig StofTveränderungen in den
ganischen Körpern zu Stande, so dass sie sich mit den organi-
rpern verbinden, av ährend Bestandtheile der organischen
sierselzt und ausgeschieden werden. Man hat diese
desse^ RAze oder Lebensreize genannt; man muss sie in-
welch vielen anderen zufälligen Reizen wohl unterscheiden,
immer Leben nicht notliAvendig sind, und man muss sich nur
Lehens ? vlass diese Lebensreize die Erscheinungen des
und im materielle Veränderungen, Austausch pondcrabeler
zum T ^i^^^^vaheler Materien bewirken, indem sie beständig die
® ^eu nottiwpfnrlicrf* l\Tlc/'tmn(T Saff0, z. B. dcs Blutes,
veränderte Blut Avie-
- I 1 h “ *'othAA'endige Mischung der Säfte, z.
der '11*^0*'’ '**^*-^ durch die Lebensreize verän
® Sä*'® reizt, d. h. organische, zur Aeusserung des Lebens
o lAvendige^ materielle Veränderungen, Austausch pondcrabeler
30
Prolegomena. ‘i. Organismus,
und imponderabeler Materien in ihnen hervorhringt, die zugleich
mit einer Zei’setznng schon vorhandener Bestandth eile der Organe
und mit Ausscheidung derselben verbunden sind. Auch die Ner-
ven der Thiere bewirken wichtige materielle Veränderungen in
den Organen, und das in denselben wirkende, wahrscheinlich im-
ponderable Agens ist ein wichtiger innerer Lebfensreiz. Man hat
diese Eigenschaft aller organischen Körper, durch die genannten
Lebensreize gewisse zur Aeusserung des Lebens nothwendige be-
ständige materielle Umwandlungen zu erleiden, inciiahilitas, Reiz-
barkeit, genannt. Diese Reize sind gleichsam der äussere Impuls
für den Gang des Räderwerks der ganzen Maschine; so unpas-
send der Vergleich mit einem Mechanismus auch seyn*mag, die
organische Kraft, welche in den organischen Körpern den zum
Lehen nothwendigen Mechanismus erschafft, ist doch keiner Acte
ohne diesen äussern Impuls und ohne beständige materielle Um-
wandlungen mit Hülfe der äusseren sogenannten Lehensreize fähig.
Richeraud hat daher die Aeusserungen des Lebens nicht uneben
mit den Erscheinungen der Verbrennung und der Flamme ver-
glichen. Die Erscheinung des Feuers dauert nur so lange, als
die zur Verbrennung nöthigen Combinationün und Trennungen
stattlindeM; der Sauerstoff verbindet sich mit dem brennenden
Körper, Wärme wird entwickelt, und so lange Sauerstoff und
brennbare Materien zugefiihrt werden, dauern die Phänomene
des Feuers. Ich bin weit entfernt, das Leben als von einer Ver-
brennung abhängig zu machen, ich will nur sagen, dass hier, wie
dort, gewisse beständige Combinationen und Zersetzungen der
Materie die Erscheinungen dort der Verbrennung und Lichter-
scheinung, hier die Erscheinungen der organischen Kraft hervor-
bringen, dass die Lebensreize für die organischen Körper das-
selbe sind, was der Sauerstoff der Atmosphäre und das brennbare
Material für die Erscheinung des Feuers, wo man den Sauerstoff
doch nicht den Reiz der Flamme nennt, und dass der Name Reiz,
Lebensreiz, ohne sich die dadurch veranlassten materiellen Ver-
änderungen dabei zu denken, ohne beständige neue Bindung und
Ausscheidung ponderabeler und imponderabeler Materien ein lee-
rer, und sogar falscher Begriff ist. Man muss nur immer beden-
ken, dass die durch die Lebensreize bewirkten materiellen Ver-
äriderungen, obgleich Stoffe der unorganischen Natur dabei wir-
ken, nicht wieder binäre Verbindungen im Organismus erzeugen,
sondern nur binäre Verbindungen als zersetztes, wie Kohlensäure,
ausschciden, während der beim Athmen zum Theil an das Blut
tretende Sauerstoff das Blut verändert, und das veränderte Blut
in den mit der organischen Kraft begabten Organen ganz andere
materielle Veränderungen hervorbringen muss, als man sie sich
in einem todtcn Körper zu denken hat.
Diese allgemeinen Bedingungen des Lebens, die Lebensreize,
oder integrirenden^ Reize, sind für Pflanzen und Thiere gemein;
für die Pflanzen insbesondere ist auch das Licht unentbehrlicher
belebender Reiz, für die thierischen Körper ist es (obgleich Ent-
ziehung des Lichteinflusses scrophulös und rhachitisch macht), we-
niger unmittelbar nothwendig, wie viele Thiere, namentlich die
Reizharkeä. Lebensreize.
31
^^mgeweidewürmer , beweisen, und dessen Mangel wirkt auf die
die ' Organismen nur mebr in sofern scb'adlicli ein, als es
als Lebensbedingungen modificirt. Für die Thiere ist
unentbehrliche Lebensbedingung nicht bloss Aufnahme neuer
zu sondern auch vorzugsweise schon organlsirter Materien
I^^nnen, während die Pflanzen organisirte Materien thcils in
inare 'Verbindungen zerlegt als Nahrung aufnehmen, und bin'äre
Q ernäre Verbindungen verwandeln. Sonst ist die Nothwendig-
eit von neuer Materie, Wärme, Wasser und atmosphärischer Luft
ur die Entwickelung der organischen Wesen, _ihr Fortbestehen
unt ihr Wachsthum eine ganz unbedingte. Man hat sehr geirrt,
indem man diese belebenden Reize mit anderen Reizen zusammen-
gestellt hat, welche in die Zusammensetzung der organiichen Kör-
per nicht wesentlich cingehen, und ihre Kräfte nicht vermehren,
in mechanischer Reiz, welcher den Zustand einer empfindlichen
aut modificirt, z. B. Druck , bewirkt zwar eine Lebenserschei-
nung, Empfindung, aber belebt nicht und verstärkt nicht die or-
ganischen Kräfte ; dagegen tragen die zum Leben unbedingt notli-
wendigen Reize zu der Bildung der organischen Materie selbst
wesentlich bei. Die Nahrungsmittel für’s Erste sind nicht allein
teize der organischen Körper, sondern selbst lebensfähig, sie sind
Äeize, welche beleben und selbst belebt werden können. Der
ensch entbehrt sie ohne tödtliche Folgen im gesunden Zustande
aum länger als eine W’^oche, die höheren Thiere entbehren sie
°ine tödtliche Folgen nicht mehrere Wochen lang, die Amphibien
at man dagegen Monate lang fasten gesehen, wie von Schlangen
Und Schildkröten vorzüglich bekannt ist. Das Wasser, mag es in
^le organischen Verbindungen als solches eingehen , oder seine
■ "^^nte zu den organischen Verbindungen beitragen, ist auch ln
aus Zustande zur Acusserung des Lebens durch-
A f ” . weil die thierlschen Theile ohne im Zustande der
weichung von Wasser zu seyn, keines Lebens fähig sind. Die
luospbärische Luft endlich ist eine für die Lebensersebeinungen
so nothwendige Bedingung, dass das Leben der höheren Thiere
einen Augenblick besteht ohne Athmen, ohne die mit dem Ath-
en verbundenen Veränderungen des Blutes und ohne den Ein-
t Llutes auf die Organe. Die Zufuhr der NaErungsmlt-
die geraume Zeit lang fehlen, z. B. bei den Amphibien,
Aufnahme von neuen Nahrnngsstoffen aus dem Blute in die
dcu aber jene andere Veränderung, welche das Blut in
durch das Athmen hervorbringt , kann bei den Am-
Seeuu? kurze Zeit, und bei den Menschen nur einige
ivenn Wärme endlich, vorzüglich dann wuchtig,
bilden ** tLierische Wesen Anfangs selbst noch keine Wärme zu
zen und^ui”^^’ überhaupt aber für alle organische Wesen, Pflan-
znn<T de unentbehrlich, scheint auch in die Zusaminenset-
Process ^ ®*’Sanischen Wesen einzugehen. Denn die organischen
bestimint ^^”'^üern bei jedem Thiere und bei jeder Pflanze eine
binärer y > wir wissen auch, dass chemische Processe
dern e' ’ t^^^üangen, indem sie eine gewisse Temperatur erfor-
’ bestimmtes Quantum Wärme für die Bildung neuer Ver-
32
Prolegornena. 2. Organismus.
bmdnngen aLsorWren. Unter dem Einflüsse jener Bedingnngen,
Nalirungsstoff, Wasser, atmospliärisclic Luft und Wärme, entwik-
kelt sich das organische Wesen aus dem Keim von seihst, indem
Beständig vorliandene organische Materie zersetzt wird und die
Lehcnserscheinnngen seihst die Erscheinungen der beständigen
Bindung neuer Stoffe und Zersetzung vorhandener, so wie der
Veränderungen in der organisirten Materie sind. Ob auch Elec-
tricität zur Entwickelung des Lebens nothwendig ist, ist uns noch
ganz unklar.
Nun zeigt sich aber sogleich eine verschiedene Abhängigkeit
der lebenden Wesen gegen verschiedene Lebensreize. Edwards
hat beobachtet, dass neugehorne Avarmblütige Thiere am meisten
äussere Wärme nöthig haben, und ohne dieselbe nicht leben kön-
nen, AA'ährend diese Thiere A'iel länger ohne zu athmen lebend
unter Wasser zuhringen, als ErAvachsene. Ihre Fähigkeit im Was-
ser auszudauern, nimmt mit der Temperatur des Wassers von 0
— 20" zu, bleibt von 20 — 30" und A^ermindert sich von 30 — 40"
des Wassers. Edavards de Vinfluence des agens physü/iies sur la vie.
Paris 1824. Froriep’s Not. 150, 151. Vergl. Legallois eoep. sur
le pi'inr.ipe de la vie. Das ei’wachsene Thier ist durch dieLebans-
verhältnisse seiner Art und Gattung auf eine gewisse äussere Tem-
peratur und daher auf eine geAvisse geographische Verbreitung zu
seinem Gedeihen angeAviesen. Die Dauer der Picizharkeit ohne
Lebensreiz steht im Allgemeinen im umgekehrten Verhältniss mit
der Organisation. Die einfachsten Thiere entbehren diese Beize
am längsten. Mollusken, Insecfcn hat man Monate lang ohne Nah-
rung gesehen. Man sehe das ähnliche Beispiel A'om Scorpion in
meiner Abhandlung, Meckel’s 1828. Schlängen und Schild-
kröten leben Monate lang ohne Nahrung, während der Mensch im
gesunden Zustande kaum über eine Woche hungernd ausdauert.
Mehrere Insecten leben Tage lang in mephitischen Gasarten, die
OeJ//v/.slarve z. B. lange Zeit in irrespirahler Luft nach den Ver-
suchen von ScHROEDER VAN DER Kolk. Molluskcn hat man 24
Stunden unter der Luftpumpe erhalten. Die Amphibien leben sehr
lange ohne zu athmen, in luftlosem Wasser, nach Spallanzani und
Edwards z. B. einige Stunden, in lufthaltigem Wasser 10 — 20
Stunden, und Frösche, denen ich die Lungen exstirpirt, lebten noch
30 Stunden. Indessen gehören die vielen Erzählungen von lebend
gefundenen Kröten u.s.av. in Marmorhlöcken, in Bäumen, Avohl zu
den Täuschungen und zum physikalischen Aberglauben, Avenn gleich
Herissant und Edwards Amphibien in Gyps cingeschlossen, ^einige
Zeit lebend erhielten. Edwards hat sich überzeugt, dass Gyps für
atmosphärische Luft durchdringlich ist, daher Amphibien in Gyps
und Quecksilber eingeschlossen so schnell Avie hei der Suhmersion
in Wasser starben. Edwards in Meckel’s Archiv. 3. (jl7. Vergl.
Buckland Froriep’s Notizen. .3.3. Bd. Die Complication der Or-
ganhildung erhöht das abhängige Verhältniss der Organe von '
einander, daher einfache Thiere nach Verletzungen länger leben
als höhere Thiere. Der Scheintod lässt bei niederen Thicren
viel leichter Wiederaufleben zu. Spallahzani und Foktana sahen
vertrocknete Bäderthierchen selbst nach langer Zeit durch Wasser
er Zeugung und Vergänglichkeit der Organismen. 3.’J
was Ehresberg läugnet. Dasselbe haben Stein-
Bauer von den Vibrionen der kranken Samen des "Wei-
der r r einer jdgrosfis gesehen, als die Samen nach Jahren wic-
Ain pf. -wurden. Die grössten Verletzungen lassen bei
j. .*en noch lange Zeit Zeichen des Lebens zurück, und bc-
die lauge dauernde Reizbarkeit in Muskeln und Nerven
ser Thiere. Auch bei jungen Thieren sind wahrscheinlich
Ich^^r gi'össern Einfachheit die Lebenszeichen ausdauernder.
^ tiabe die Muskelreizbarkeit in getödteten Embryonen von
- ^^"nchen langer dauern gesehen, als in erwachsenen Kaninchen ;
sah lebende Kaninchen-Abe/i/j, aus dem Uterus genommen, 15
■nuten in der Luftpumjie ausdauern. Legaeuois hat hierüber
Clone Versuche angestellt. Es geht daraus hervor, dass, wenn
Thiere. nach der Geburt am 1. 5. 10. und so fort bis .30.
duröl) Untertauchen in Wasser, Ausschneiden des Herzens,
alle Brust zu tödten sucht, die Dauer der Sensibilität
e 0 Tage kürzer wird, so dass sie z. B. nach der Geburt 15
^ am 30. Tage 2;]- Min. beträgt. Dasselbe beobachtete Legal-
de'^lVT*' ^Bnsicht der Dauer des Kreislaufs nach Zerschneidung
Medulla spinalis, Amputation des Kopfes. Alle diese Erschei-
*jnn^n erklären sich völlig aus dem Satze, dass, je entwickelter
c 1 heile eines Ganzen sind, desto abhängiger sie von einander
müssen.
jr .. ^*^11 bleibt uns noch die Vergünglichheit der organischen
ccper und der organischen Materie zu untersuchen übrig.
Uie organischen Körper sind vergänglich; indem sich di
ben
das Le-
' Wut einem Schein von Unsterldichkeit von einem zum andern
erhält, vergehen die Individuen selbst, aber mit der
snec* ■■her Individuen stirbt auch eine Pllanzcii- oder Thiev-
sche K Goschichte der Erde beweist. Die oi-gani-
dne' ’ 1 ^ ergiesst sich gleichsam in einem Strom von den pro-
alten ] Theilen aus in immer neue producirte, während die
aljsterben. Diess hat Autebrieth schön geschildert. Au-
A diejenigen organischen Körper, welche durch
durcl krieclicnclen Pflanzen, oder wie manche Bäume
scld^ ^ abwärts gesenkte Zweige immer vvieder neue Wurzeln
neue^S**^ ®^®*’hen nicht. Bei diesen ist in einer gewissen Zeit der
öprosse jedesmal zugleich ein Theil des alten organischen
■■nd ein neuer für sich bestehender. Immer aber stirbt
djß r diesen Pflanzen der alte Stamm nach und nach ab, und
der • wirkt nur in dem neuen Sprossen fort, der auf
dern^^^*' ^_®he ebenfalls sich wieder verlängert, um auf der lan-
samme in^mer wieder abzusterben. Was hier in einem Zu-
und die^n”^^ geschieht, nämlich das Abslerben auf einer Seite
dem .Bildung eines nevien forllcbenden Körpers auf der an-
kommen R®sobieht abgebrochen beim Menschen und den voll-
Körper übleren. Das Kind löst sich als neuer fortdauernder
auf einn^'i*' Mutter früher ab, als diese stirbt, und diese stirbt
Physiol 1 ^ "ahrend die Sjjecies unsterblich scheint.“ Autebrieth
gehen ' Frage, warum die organischen Körper ver-
’ '■öd Warum die organische Kraft aus den producirenden
Müller’s m . . o
® PLysjologie, 3
34
Prolegomena. 2. Organismus.
Theilen in die jungen lebenden Producte der organischen Körper
übergeht nnd die alten producirenden Tbeile vergeben, ist eine
der sclnvierigsten der ganzen allgemeinen Physiologie, und wir
sind nicht ini Stande, das letzte Riithsel zu lösen, sondern nur
den Zusammenhang der Erscheinungen darzustellen. Es würde
ungenügend seyn, hierauf zu antworten , dass die unorganischen
Einwirkungen das Lehen allnihhlig aufreihen; denn dann müsste
die oi’ganische Kraft vom Anfang eines Wesens schon ahzuneh-
men anfangen. Es ist aber bekannt, dass die organische Kraft
zur Zeit der Mannbarkeit noch in solcher Vollkommenheit be-
steht, dass sie sich in der Keimhildung multiplicirt. Es muss
also, eine ganz andere und tiefer liegende Ursache seyn, welche
den Tod der Individuen bedingt, wahrend sie die Fortpflanzung
der organischen Kraft von einem Individimm zum andern und
auf diesem Weg ihre Uuverganglichkeit sichert. Man könnte
auch behau]iten, dass die zunehmende Gebrechlichkeit der orga-
nischen Körper im Alter durch die zunehmende Anhänfung ge-
wisser zersetzter Stoffe in ihnen entstehe, deren Wahlverwandt-
schaft sich mit der Lebenskraft in Gleichgewicht setzte; allein
auch dann müsste die organische Kraft von Anfang an ahnehmen.
So erklärt Dutrochet das Alter aus der zunehmenden Anhäufung
von Sauerstoff im thierisclicn Körper. Allein dieser Anhäufung
fehlt der Beweis. Wir sind hier bloss im Stande, den Zusam-
menhang der Erscheinungen mit der Entwickelung darznstellen.
Vergleicht man den Keim eines organischen Wesens mit seinem
Zustand im höchsten Alter, so besteht das Ganze, welches nach
Käst die Existenz der einzelnen Tbeile bedingt, im höchsten Al-
ter fast bloss in der AVechscl Wirkung der einzelnen Tbeile und
ihrer Kräfte, ■ähnlich einem Mechanismus, der bloss durch die
Wechselwirkung seiner Tlieile erhalten wird. In dem Keim da-
rrenen- ist die Kraft, welche den Grund zur Production aller
Theile enth'alt, noch tinverlhcilt vorhanden. Das organische
-Princip ist im Keim gleichsam im Zustande der grössten Concen-
tration. Die Enlwickelungsfähigkeit ist jetzt am grössten, die
Entwickelung am geringsten. Hat nun jene Kraft eine Zeitlang
gewirkt, ist der Organismus bis über die Jugend entwickelt, so
haben wir nicht mehr ein Einfaches mit der unvertheilten Kraft
des Ganzen vor Augen, sondern ein Mannigfaltiges mit verthcil-
ten Kräften. Je mehr aber die Kraft des Ganzen verthcilt ist,
je weniger noch unverwandte organische Kraft vorhanden, um
• so mehr scheint der Organismus die F'ähigkeit zu verlieren, durch
den Einfluss allgemeiner Lehensreize belebt zu werden, um so
geringer wird- gleichsam die Alhnität zwischen der organischen
Materie und den allgemeinen Lehensreizen, welche das Lehen
gleich der Flamme anfachen, daher nach vollendeter Entwicke-
iung, wenn das unsterbliche Lel)en gesichert seyn soll, die Erzeu-
gung eines Keimes nöthig ist, der wegen der noch unvertheilten
Kraft, auch gleichsam noch die grösste Affinität zu den Lebens-
reizen besitzt, die in dem Maass ahqimmt, als der Organismus
sich entwickelt. Diess sieht einer Erklärung gleich, im Grunde
■ift es aber nur eine Darstellung des Zusamraenhang-s der Erschei-
Wechsel der organischen Materie.
35
dass^si ^ 'vvelclier nicht bestimmt behauptet werden kann,
•’ichtlg ist.
Maleri nun zur zweiten Frage, warum auch die
vepfTT i- Vahrend des Lehens eines organischen Körpers
den^' ist und durch neue organische Materie ersetzt wer-
»nuss?
zeiot • 1 ®‘css ist Aveniger hei' den Pflanzen der rau um
storh wenigstens A’orzugsweise nur in dem allmähligen Ab-
Tie fiterer Blatter, dahingegen das einmal gebildete, wie
bemerkt, lange keinem .Stoffwechsel unterworfen ist,
ren *^**-*^ Zeitlang in seiner Mischung heharrt. In den Thie-
^®'8t sich dagegen ein beständiger Wechsel der Stoffe. Tie-
^^mank leitet indess diesen Unterschied davon fih, dass in den
^raftäiisserungen Ami'kommen, Avelche Veränderungen in
Je Substrate der Organe hervorbringen, wie es mit
*■ ”'rkung derNcr ven der Fall zu seyn scheine. Physiol. 1. 376.
ausfr bat sich mit der Auflösung dieser Frage in seinem
Po/n' ^''^bneten Werke, Theorie der organischen W esen, aus dem.
^^^len, ISiJrnlerg 1821, besonders beschäftigt.
„ . ^’adecki nennt die Materien, welche zur Nahrung der or-
13' Köi’per dienen können, die hclcbungsfähigen Materien.'
me' ® ^b'ipgsfähigkeit dieser Materien ist aber eine ganz allge-
Finfl"’ aller Formen gleich fähig, so lange nicht bestiinmte
Die ■'virken, und eben darum ohne bestimmte Form,
im ^|^S*'nisehe Materie strebt also, Avle SniAnECKi sich ausdrückt,
ein ^ S?"’‘^b)cn zum Lehen und zur Organisirung. Sobald aber
vid Theil derselben unter die GcAvalt ii-gend eines Indi-
Streh™* Smäth, ertheilt die individuelle Kraft diesem allgemeinen
örtlicli” p”® Sewisse Richtung; daher kommt die individuelle und
sondere q und die Gattung und Art des Lebens. Jede be-
Restrel *^S''’’*sation ist also nach Sniadecki der Erfolg zweier
hat ^^'^’Son, einer allgemeinen, welche in der Materie selbst statt
sirun^*^^^°^*^ 'welcher gCAvisse Stoffe zum Leben und zur Organi-
welcli ^bgemeinen streben, und einer ZAveitcu besondern,
chen^Ld^ Individuen statt findet, Avelche die Art eines sol-
The'l '*”'1 <Re Form der Organisation bestimmt. Dieses
ner ' *^ **^^ ‘lor belehharen Matene also, AA’clches die Wirkung ei-
bat mdividuellen Kraft zum Theil oder ganz erfahren
nicht”*' ‘^®”^ Maasse belebt ist, muss, Aveil es deshalb
*nm ® . o^bört hat, bclebbar zu seyn, vermöge dieser Eigenschaft
ganisch ' Rehen streben und zur Annahme aller anderen or-
hesltzt/^\,® ^'’nien , *'nr diejenige ausgenommen, Avelche es schon
rer Mate .®*^S^®^^bt man es also mit ganz unorganisirter belebba-
offenbar welche nach allen Formen gleich strebt, so muss es
seiner Eel^m"^®^'. ^’®^®bbar seyn als diese. Jene Verminderung
Annahme i. arkeit muss gleich seyn dem Streben, welches cs zur
tlet, AA’eil j‘®®®*' besondern Form hatte, in Avelcher es sich befin-
’ SisrAu*^. ”'*'*'* besondere Streben schon gesättigt und gestillt ist.
Materie schliesst hieraus: dass die Belebungsfählgkeit
wer-
Fall und
der
de
uer or^an" Individuen für diese im umgekehrten Verhältniss
^rfidire'n /**^beri Kraft ist, deren Einwirkung die Materie schon
oder die Materie, welche in die organischen Wesen
36
Prolegumena, 2. Organismus.
gelangt, und tliells von ilinen im /nstande der organischen Ver-
bindung aufgenommen, wie von Thieren, theils darin verwandelt
wird, wie von Pflanzen, verliert eigentlich so viel an Belebnngs-
fähigkeit, als sie an individueller Kraft gewnnt, folglich in dem
nämlichen Verhältniss, in welchem sie eine gegebene Gestalt an-
niinmt, verliert sie die Fähigkeit zu derselben. Sobald sie also
vollkommen organisirt wird und die ganze individuelle Kraft er-
leidet, wird sie' auch aller Lebensfähigkeit in Hinsicht dieses In-
dividuums beraubt. Sobald dieses erfolgt, verliert die organische
Kraft ihre ganze Gewalt über dieselbe, und diese Materie wird
mitten in dem lebenden Körper nicht belebbar und untbätig, und
foKlicb nur tauglich scyn, um aus deiuKörper geworfen zu wer-
den. Auf diese Art erklärt SsiADECRr den ewigen Wechsel der
or^anisirbaren Materien in den organischen Körpern. Nimmt man
diese Erklärung an, so lassen sich ohne Zweifel die allgemeinen
Vorgänge in den organischen Körpern weiter erklären, wie Snia-
DEcK-i mit wunderbarer Einfachheit und Consequenz getban bat.
Indessen lassen sich gegen die Triftigkeit dieser Sätze gegründete
Eiuwiirfe machen. Nach Sniadecki ist das einzig Wesenbafte in
den organischen Körpern nicht die organislrte Materie, sondern
die orgiiniscbe Kraft. Diese äussert sich so lange, als sic orgaui-
sirt d^ b. als nicht organisirte Materie vorhanden ist; das Orga-
nisirte seihst besitzt keine organische Kraft, und ist alsExcremenl
untauglich. Allein nach dieser Ansicht müssen die cxcrcmentiel-
len Stoffe den Character der vollkommenen Organis.ation an sich
traf^en, und für andere organische Wesen und ihre individuelle
Kraft sogleich wieder organisationsfähig seyn. Diess ist nicht dep
Fall. Die allgemeinsten Exeremente sind der Harn und die Kohr
lensäurc, welche heim Athmcn ausgeschieden wird. Allein diese
Materien sind für ihierischc Wesen gar nicht mehr Organ isirl)ar,
sie sind zersetzte Thierstoffe. Es lässt sich viel angemessener an-
nehmön, dass das von einejn organischen Körper Organislrte in
dem Maasse zugleich theilhaftig der organisirenden Kraft wird,
als es organisirt wird. Die organislrende Kraft ist in vielen ein-
fachen organischen Wesen theilhar, indem die organisirte Materie
"ethcilt w'ird. Diess führt ganz zum entgegengesetzten Grund-
satz von Sniadecri. Letzterer behauptet, die Materie verliert an
Fähigkeit zu leben, in dem Maass, als sie belebt wird. Wir sa-
gen, die Materie ist in dem Maasse belebt, als sie die belebende
kraft erliihreii hat, sie ist belebend in dem Maass, als sie schon
belebt ist, sic äussert die belebende Kraft auf andere Malörien,
sic äussert sic aber nur unter Einwirkung gewisser Lehensreize,
welche, indem sie sich auch mit den organisirten Theilen ver-
binden, andere Stoffe ausscheiden. Indem gewisse Lehensreize,
z. 15. heim Athmen, an das Wut übergehen, dann auf die organi-
schen Theile eluwirken, w'ird die Aifinität zwischen gewissen Thei-
len der organisirten Materie und dem Lehensreiz des Blutes grös-
ser als zwischen den Theilen der organisirten Materie unter sich*
Die Belebung der organisirten Materie durch eine Art, die mit
Ausscheidung verbunden ist, macht sie wieder zur Aufnahme von
rfahrungsstoften fähig; aber in dem Maasse, als eine Materie he-
fVecJisel der organischen Materie.
37
leben **' i Fälligkeit, selbst andere Materien zu, be-
oj.„„ organisiren, sie wird nicht lixcrement, sondern der
° Kraft der vorhandenen Materie theilhaftig.
Qj, ^i’sache, warum beständig organisclie Materien in den
rotm K-örpern zersetzt und ausgeworfen werden, könnte
ßie Y ersten Blick in folgeudeni Umstande suchen.
Au Nahrungsmittel in Nalirungsstoff kann die
U gewisser Stoife bedingen, Avelche ein Uehergewiclit
de Elemente enthalten. So sondern die Pflanzen, in-
ni sie Kohlensäure und Wasser in eine ternäre Verbindung zu
»Pl ®***®'istolf umwandeln., ülierflüssigen Sauerstoft aus. Bei den
Heren sind die Mauptexcretionsstolfe, welche vollends unbrauch-
'Hir Kohlcnsäura und Harn. Die Thicre scheiden zwar
‘■•st eben so viel Materie aus, als sie aufnehmen, allein ein Theit
t avon sind reine unbrauchbare Exereta, viele sind zu liesonderen
wecken bestimmt, oder werden zufälliger Weise mit ausgefiihrt,
miT t ^‘■'•'•Hschleim, vielleicht auch die Galle. Die Darmexere-
^ H e bestehen selbst xideder zum Theil aus den aufgenommenen
I? **'**'^nSmittelu. Dagegen xverden Kohlensäure und Harn nicht
aus den organisirten Theilen ausgcschiedeii, sondern sind
uch rein unbrauchbar. Nun ändert sich zwar die Bcscliaßenhelt
„? Gai ns nach den Nahrungsmitteln, und der Harn scheidet also
enbar auch noch unbrauclibare Theile der genommenen Nah-
d organlsirt xvird. Allein die Bestandtlieile
. * Harns werden doch bei Thieren , die gar keine Nahrung zu
1 H nehmen, und xvie manche Amphibien, Schlangen und Schild-
wK^*'’ ^^°Hate lang hungern, nicht verändert. Es ist also ge-
jäf) dass durch den Harn aus den schon organisirten Stollen der
Tpi .A'^^^rauchbare Theile ausgeschieden xverden, und dass das
pen'^d Unbrauchbar macht. So bilden ja auch die Pup-
zu ■ ^*'*®ctcn zur Zeit ihrer Verwandlung, xvo sie gar nichts
Q SIC 1 wehinen, doch Excretionsstolfe durch die Malpighischen
"'•sse. Und wir wissen durch Wubzer, Bauoxatelli und Cue-
diese Gefässe Harnsäure nusscheiden. So scheidet
CI tigf Embryo der höheren Thiere ein besonderes Exeretum
WoLFp’schcn Körper ab, noch ehe die Nieren in Fun-
stoft^ ^^ciEwürdig ist auch, dass die Exeretion von Harn-
aud 1 Harnsäure nicht allein bei den Wirbellliiercn, sondern
Aiir 1 Wirbellosen statt findet; wie denn die Insecten
cobs ^ ^^‘'Ipis^iischen Gefässe Harnsäure absondern, und Ja-
bei ^ Harnsäure in einem besondern Au.sscheidungsorgane
thierls'*! entdeckt hat. Was aber die Wecbselwirkung der
ben Av'ir'^'^ Körper mit der atmosphärischen Luft betrifft, so ha-
die Urs^ noch keine entfernt begründete Vorstellung über
aber die^ii'^ dieser für das Leben so nothwendigen Verknüpfung;
Element ^^H^c^^'cse, dass durch das Alhmcn die noch fehlenden
flüssi"et*^ ®*'‘^cug von Tlücrstolf liinzutreten, oder die über-
so^leicl ' '^'cser Bildung abgeschieden werden, widerlegt sich
sciion Fm Factum, dass die meisten Thiere den Thierstoff
l^auer ' l aufnelmien , und dass die Amphibien doch athmen,
* c der Atmosphäre verzehren, und Koldensäure ausathmen.
38
Prolegomena. 2. Organismus.
wenn eio auch keine Nahrung Monate lang zu sich nehmen. Die
hesüindigen Ausscheidungen, welche der Lehensprocess auch ohne
die Zufuhr von Nahrungsstoifen bewirkt, Kohlensäure und Harn-
stoff (und Harnsäure), sind unfähig andere thiei-ische Wesen zu
ernähren; die Kohlensäure ist bereits eine durch Zersetzung von
Thierstoft entstandene binäre Verbindung, der Harnstoff steht ei-
ner binären Verbindung sehr nahe, oder ist selbst vielleicht schon
binäi’e Verbindung, wenigstens ist seine Entstellung aus cyanicht-
saurem Ammonium, wieWoEULEn zeigt, überaus leicht. Da diese
Excretlonen fort und fort auch ohne alle Zufuhr von Nahrungs-
mitteln statt finden, so folgt nothwendig, dass das Leben an und
für sich mit einer beständigen Zersetzung schon organisirter Stolle
verbunden ist. Diess ist auch nicht anders möglich, wenn es wahr
ist, was vorher liewiescn worden, dass die organische Kraft in ei-
nem thieriseben Wesen sich nur so lange äussert, als gewisse Le-
Lensreize beständig materielle Umwandlungen in den lebenden
Theilen bewirken, wovon die Lebenserscheinungen nur die Er-
scheinungen sind, wie das Feuer die Erscheinung der materiellen
Umwandlung bei der Verbrennung. Der Antrieb zu diesen ma-
teriellen Umwandlungen geschieht durch das Atbmen ; das dui'ch
das AthmCn beständig veränderte Blut bewirkt wieder beständig
materielle Umwandlungen in den Organen; aus schon gewesenen
Bestandtheilen der Organe kommen die allgemeinen Zersetzungs-
producte, Kohlensäure und die an Stickstoff überaus reichen Be-
standtheile des Harns, Harnstoff und Harnsäure, und diese den
Lehensprocess begleitende Zersetzung der organischen Materie
macht wieder die Zufuhr neuer Nabrungsstoffe nötbig, welche die
organisirende Kraft erfahren. Ein organisirter Theil zeigt nur so
lange Lebensersebeinungen , und organlsirt so lange nur andere
Materien, als er beständig in seiner Ruhe diu’ch neue Aeusserun-
gen organischer Airuiität zwischen dem Blute und den Bestand-
tlieilen der Organe angeregt wird, wovon die Zersetzung gewisser
Theile der Organe bedingt ist, die wieder ersetzt werden durch
die Wirkung der organischen Kraft auf die neuen Nahrungsstolfe.
Die Nahrungsstoffe der Tbicre sind schon organisch zusam-
mengesetzte Materien derXhiei-e und Pflanzen; die Nahrungsstoffe
der Pflanzen sind tbeils Stoffe von Pflanzen undTliieren, im nicht
ganz zersetzten Zustande, tbeils selbst binäre Combinationen, näm-
lich Kohlensäure und Wasser. Man hat geglaubt, dass die Pflan-
zen aus reiner Kohlensäure und Wasser sich ernäbicn können,
indessen haben die Erfahrungen von Hassexfbatz, Th. de Saus-
sunE, Giobert, Link gezeigt, dass Pflanzen unter diesen Umstän-
den nur sehr kümmerlich oder gar nicht gedeihen, selten blühen
und fructiliciren. S. Tiedeamnn Physiologie /. 218. Es scheint
daher, dass die Pflanzen organische Materie aus binären Combi-
nationen (Kohlensäure und Wasser) nur dann bilden, wenn sie
zugleich von aufgelösten, niciit vollkommen zersetzten, organischen
Combinationen sich näbien. Den Pflanzen kann man aber das
Vermögen, organische Materie aus binären Combinationen zu bil-
den, deswegen nicht ganz ahsprechen, weil ohne diess Vermögen
die Pflanzenwelt und Thierwelt bald zu Grunde gelien würden-
Wechsel der organischen Materie.
39
Durch die Thlere wird beständig eine grosse Menge organischer
? ^ersetzt, die '
Dflanzen erst in hrauchbare
“’pwandelt werden.
wenigstens für die Tliierc unbrauchbar und
brauchbare organische Coinbinationea
. I ^ - ..wi...... Da nun beständig durch Verbrennen und
1 ^re Zersetzung eine ungeheure Menge gebildeter Pflanzenma-
so^**^** Combinationen und in die Elemente zerlegt wird,
.Wurde das Nutriment der lebenden Thiere und Pflanzen ira-
kleiner werden, wenn die Pflanzen nicht wirklich das Ver-
hesassen, Aviccler neue ors^anisclie 'Materie aus Elementen
, hiniu-en Combinalionen zu bilden. Man kann also nicht an-
“ehinen, dass bloss die einmal vorhandene organische Materie in
6r Pflanzen- und Tliierwelt circulirt, indem sie aus einem We-
111 das andere übergebt. Die unaufhörliche Zerlegung orga-
juscher Körper setzt die Bildung von neuer organischer Materie aus
mären Cornljinationen und Elementen durch die Pflanzen voraus.
Nun wird die organische Kraft Ijei dem Wachstimm und der
.y^*^^P*lunzung der organischen Körper multiplicirt, denn aus einem
esen entstehen viele andere, und aus diesen wieder viele an-
Ire, während auf der andern Seite die organische Kraft der slcr-
enden organischen Körper zu Grunde zu gehen scheint. Da aber
me organische Kraft nicht etwa bloss aus einem Individuum in
j. * lindere übergeht, da vielmehr eine Pflanze , nachdem sie jähr-
ieh die Keime von sehr vielen neuen Producenten gleicher Art
j^*?*igt, immer noch fähig zu derselben Production, Produceut
1 einen kann, so scheint die Quelle der Vermehrung der organi-
®ebeu Kraft auch in der Organisation neuer Materien zu liegen,
Und tüejj zugegeben, müsste man den Pflanzen das Vermögen zu-
1*: i^nihen, indem sie neue organische Materien aus unorganischen
Oien unter dem Einflüsse des Lichts und der Wärme bilden,
auch die organische Kraft aus unbekannten Ursachen der Aussen-
W’C zu vermehren, während auch die Thiere die organische Kraft
ans den Nahn.ingsmitteln unter dem Einfluss der Lebensreize wie-
er erzeugen, und auch bei der Fortpflanzung vereinzeln können.
11 J>ei der Ausübung des Lebens ausser der beständigen Zerset-
zung von Stoffen auch organische Kraft beständig und wie sic
■verloren geht, isi gänzlich "unbekannt. So viel scheint aber ge-
tcn° man die Vennehrung der oi’ganischen Kraft aus unbekann-
sch ‘Im- Aussenwelt in den einmal vorhandenen organi-
sche” g ‘Pui'u nicht zugeben, so müsste man annchmen, dass die
j me unendliche Mulliplication der organischen Kraft bei dem
der • ‘"^m und der Fortpflanzung liloss eine Evolution in cinan-
jieijg*^'*'S®*oiiachtelter Keime sey, oder man müsste dasUnbegreif-
1 j^uelunen, dass die beim Fortpflanzen statlfindendu Thei-
1 v®*' organischen Kraft die Intensität derselben nicht schwä-
*umer aber würde die Tliatsache übi-ig bleiben, dass be-
dem Sterben der organischen Körper organische Kraft
uiwii sam oder in ihre allgemeinen physischen Ursachen auf-
gelöst Wird.
40
Prolegomena. 3. Thier - Organismus.
III. V on dem thierischen Organismus und von
dem thierischen Leben.
Entwickelung, Wachstlium, Reizbarkeit, Fortpflanzung, Ver-
gänglichkeit sind allgemeine Erscheinungen und Eigenschaften
aller organischen Körper und Folgen der Organisation; allein
nur die thierischen Körper zeichnen sich durch den Besitz ande-
rer Eigenschaften aus, die man darum -vorzugsweise animalische
Eigenschaften im Gegensatz der allgemeinen organischen nennen
kann. Hierunter sind das Vei-mögen zu empfinden und sich will-
kührlicli zu bcAvegen die vorzüglichsten. Man kann zwar den
Pflanzen die Bewegung nicht ganz ahsprechen, denn ihre Orga-
nisation ist mit unmerklichen Bewegungen begleitet, es findet
Saftbewegung in ilmen statt; sie wenden sich nach dem Lichte,
die Wurzeln wachsen nach dem bessern Boden hin , Pflanzen
ranken entlang den Körpern, die ihnen eine Befestigung darhie-
ten können, ihre Staubfäden neigen sich zum Grilfel zur Zeit
der Befruchtung hin; ja viele Pflanzen, besonders Mimosen, zei-
gen in den Blattstielen eine durch Reize ]>edinghare Bewegung,
wobei sich das allgemeine Gesetz wiederholt, dass organische
Theile von gewissen reizbaren Eigenschaften diese auf sehr ver-
schiedene Pieize auf gleiche Art aussern. Denn mechanische,
galvanische, chemische Einflüsse, wie Weingeist, mineralische Säu-
ren, Aelher, Ammoniak, Wechsel der Temperatur, der Erleuch-
tung, bringen denselben Erfolg hervor, Theviranus Biologie 5,
201 — 229. Endlich zeigt sich hei lledysarum gyrans ausser dem
allgemeinen Einflüsse des Lichtes auf die Bewegung des mittlern
Blattes ein unaufhörliches Erheben und Senken der kleineren Ne-
benblätter, seihst ohne dass äussere Reize die Phänomene bedin-
gen; auch einige der niedersten Pflanzen, wie die Oscillatorien,-
hewegen sich beständig pendelartig. Wenn nun aber auch das
Schlingen der Pflanzen nach Paem {ühcr das Winden der Pflan-
zen p. 48.) aus dem Umstande sich erklären lässt, dass Schling-
pflanzen mit den Spitzen der Zweige Kreise beschreiben und also
vermöge dieser Art des Wachsthums nahe Gegenstände erreichen,
so scheint das Winden der Cuscuta um bloss lebende Pflanzen
nicht ohne alle organische Anziehung zu seyn; es bieten sogar
die Bewegungen der Staubfäden und Blattstiele zu viele Aehnlich-
keit mit der Reizbarkeit der Muskeln dar, um sie nicht damit zu
vergleichen. Dutrocuet [rccherches anat. et physiol. sw la struc--
iure intime des aninmux et des vegeiaux) Init den Sitz der Reiz-
barkeit hei den Mimosen in der Rindensuhstanz eines Wulstes an
den Gelenken der Blattstiele entdeckt, ein Wulst, der nur den
reizbaren Mimosen eigen ist. Alle Bewegung hörte auf nach dem
AJjtragen dieses Organes, nach dem Abschneiden der ohern Hälfte
des Wulstes erfolgte noch Aufrichlen, aber nicht mehr Senken.
Hiernach glaubt Dutrochet, dass Heben und Senken durch ent-
gegengesetzte Krümmungen in der Rinde des Wulstes entstehen,
wie man denn in Scheiben der Rinde beider Hälften unter Was-
Unterschiede der Pßanzen und Thlere. 41
erfolgen sieht. Auf diese Art soll sich ein Blatt
als i die B.inde der untern Hälfte des Wulstes convexer
ohern Flache wii'd, und sich senken, wenn dieKrüm-
tej.*'? , ^ Rinde in der ohern Hälfte zunimnit. Andere Beobach-
te 1 hei der Bewegung der Wulste Farben Veränderung
'tgenommen, wieLisusAv, Ritter, Mayo, so dass man das Phä-
**ien auch vom Zuströmen der Säfte ahleiten könnte. Tiede-
AJfN Physiol. 1. 623. G. R. Treviranus Erscheinungen und Ge-
des organischen Lehens. I. 171 — 177. Es gieht also in den
wie die Muskeln oder wie
hei den Thieren; allein
Pfla
anzen ähnliche Organe, entweder wi
“.®*'ch Saflströrnung erectilen Theile
le tinerischen Bewegungen erfolgen nicht hloss durch Wirkungen
Reizes auf reizbare Theile, sondern aus Innern Bestimmungen
nicht beweglichen Tiieilen, denNeiwen, auf bewegliche. Du-
'^’aocHET hat zwar gesehen, dass, wenn er hei Mimosen den Focus
eines Brennglases auf ein einzelnes Blatt richtete, der Eindruck
1 nach und nach auf die übrigen Zweige und Blätter fort-
T* anzte, und er betrachtet die falschen Tracheen als die Organe
Leitung. Allein G. R. Trctiranus bemerkt hiei’bei mit Recht,
yjss diess nur Hypothese bleibe; denn Andere haben von der
Einwirkung des concentrirten Lichtes auf die Mimosen nur ört-
iclie Wirkung beobachtet, lind dann kann von einer örtlichen
ewcgung die ganze Pflanze zugleich erschüttert, zur Mithewe-
gereizt werden. Das Bewegungsvermögen der Thiere hat
. auch das Ausgezeichnete, dass die Bewegungen zum Theil
'®bt hloss durch die zweckmässige Organisation des Ganzen, son-
^ei'n durch Zwecke, welche ein einzelnes Organ, nämlich das
Q^San der Seelenänsserungen, bestimmt, veranlasst werden, d. h.
initV***^ ’’|''illkührlich sind. Anderseits muss man Reizbarkeit nicht
• I ®Pbndlichkeit verwechseln. Die Pflanzen sind reizbar, aber
nocl ; so sind die Muskeln auch vom Körper getrennt
de nicht empfindlich. Dass aber Empfindung in
cp” ■^*‘?*'zen Statt finde, kann ohne Acusserungen des Bewusst-
ä|j*.,*"®bt statuirt werden. Aeusserungen von Empfindung und
1 ^ubrliche Bewegung sind das einzige characteristische Merkmal
ä^^ ®^**Lichsten Tiiiere. Zusammengesetzte Thiei’c haben oft eine
^ ‘p und vegetabilische Form und sitzen mit dem Stamme im
ivillk”!’ individuellen Fähigkeiten der einzelnen Polypen, die
j^^^^*^brrichen Bewegungen jedes Polypen des gemeinsamen Stam-
aber nur eine organisatio animalis muUiplicata und
'"'lllk *i^^‘^”^^‘*^Les. Die Bewegungen der Infusorien sind frei und
^®nn daher immer gewisse einfache organische
sicht ”’i Spongien und mehrere sogenannte Aleyonien, ln Ilin-
sebo:.. ^ vegetabilischen oder animalischen Natur zweifelhatt
'eine,,
Ganzei ’ muss der Mangel aller willkührlichen Bewegung des
besser^' '^'^er der einzelnen Theile entscheiden, und diese müssen
„g„en vegetabilischen Seegehilden gezählt werden. Hier-
ni'ch zwar erinnern, dass der Embryo der Spongien
dem E {Edinh. phylos. Journal. Vol. XIII. ^.382.), gleich
gange der Polypen und Corallen, durch Wimpern Bewc-
o S *1 äussert, allein wir haben keine hinreichenden Unterscliei-
42
Prolegomena, 3. Thier- Organismus.
dungsmerkniale zwischen dem Emhryo der Spongien und Infuso-
rien des Meeres, dann aber hat man schon vielfach an dem Em-
bryo wahrer Vegetabilien, wie der Algen, solche Bewegungen
beobachtet. Solche Beobachtungen hat Trewpepohl an Conferva
däatata ß- Roth (Ecfosperma clavata Vaueh.) und G. B. Trevirasus
an Conferoa iimosa Dilltv. gemacht. Biologie T. 4. [t. 634. Neuer-
dings hat ÜKGER {Noo. ari. acad. ntii, cur. T. XIII. p. 2. p. 789.)
dieselben Beobachtungen mit Beachtung aller Uehergiinge an Con-
feroa dilaiata wiederholt, und es scheinen, wie auch G. B. Tre-
viranus gegen die von Vaucher gemachte Vermuthung einer
Täuschung durch Infusorien hehaujitet, jene aiifangs beweglichen
Keimkörner wieder in Algen, von denen sie gekommen, überzu-
gehen. Siehe Treviranus Biol. T. 4. Erscheinungen und Gesetze
des organischen Lebens. />. 51 und 183. Hieher gehören auch die
Zoocarpees von Borv St. Vincent, die als gegliederte Fäden in-
fusorienartig sich bewegende Reimkörner ergiessen , welche dann
wieder vegetabilisch werden und die er mit der ganzen Zunft
Arthrodiees zwischen Thicrwelt und Pflanzen stellt. Die Bewe-
gungen der Eier von Zoophyten durch Wimpern sind nicht für
willkührlich zu halten. Die Schwingungen der Wimpern an den
athmenden Kiemen einiger niederen Thiere sind wohl dasselbe
Phänomen. Nach den Untersuchungen von Nixzscii [Beiträge zur
Infusorienkunde, Halle 1817) wären einige vegctahilisclie und ani-
malische Inlüsorien sich sehr verwandt. So sollen sich Bacillaria
peciinalis und andere Arten ganz wie Pflanzen, andere Arten der
Gattung wie Thiere verhalten. Ehrekberg dagegen scheint eine
solche Verwandtschaft beider Reiche nicht anzuerkennen; er be-
merkt auch, dass die actlven Bewegungen bei Algen nicht die
Idee von Thierheit erwecken sollen. Nie hat er einen bewegli-
chen Algensamen die geringste feste Nahrunrg zu sich nehmen
gesehen, und so unterscheidet sich nach Eiirenbrg die l'rucht-
streuende Alge von der sie urnsch wärmenden Monade, wie der
Baum vom Vogel. Poogendorf’s Ann. 1832. 1. Derselben Mei-
nung ist nach eigenen Beobachtungen R. Wagner, indem er be-
merkt, dass die Bewegung jener K-eimkörncr nicht für thicrische
gehalten Averden könne, wenn sie gleich wundei’barer scheint
als die tactmässige Bewegung einiger niederen Vegetabilien, der
Oscillaloricn.
Die yrgane, durch welche die Ernpflndungcn und die Be-
stimmungen zur willkührlichen Bewegung, also die thiei-ischen
Verrichtungen der Thiere geschehen, sind das Nervensystem.
Von den Nerven zeigen sich die Organe der Thiere in eben so
grosser Abhängigkeit, wie die Pflanzen vom Lichte. Mat hat bis-
her Nerven ausser den Wirhelthieren nur hei einem Theile der
Wirbellosen verfolgt, und mau -war sehr einstimmig der Meinung,
dass bei den niederen Thieren gar keine Nerven vorhanden seyen,
indem die noch eintvehe Substanz in denselben Partikeln em-
pfindlich, beweglich und verdauend sey. In der That schien die
grosse Theilbarkeit der einfachen Wesen hiezu einigei-inaassen zu
berechtigen. Blan kannte also die Nerven der Infusorien, der
Corallenthiere und Polypen, der Acalephen, der meisten Einge-
Unterschiede der Pflanzen und Thiere.
43
von Sirongylus Gißos , einem Wurm
Spulil Otto das Nervensystem besclirieben. Beim
fässst-"^^*^'^ ist ein nervenartiger Strang zwisclien den zwei Ge-
/j niclit zu verkennen. Das Nervensystem von Distoma
Ma 'Mehlis, von Peniastoma und Diplozoon hat v. Nokd-
beschrieben. Kein Zweifel, dass es allen Eingeweidewür-
^ern zukömmt. Ferner batte Tiedemamn das Nervensystem der
^ “-^odermen , wenigstens der Seesterne entdeckt. Endlich hat
brenbeeg die grosse Entdeckung von der zusammengesetzten
‘Wung der niedersten Thiere, der Infusorien, gemacht. Eiiren-
BpiG Organisation der lufusionsihierchen. Berlin 4830. Bei den
einfachsten Infusorien hat Ehrekbeeg den Mund und einen zu-
*’l®”Y'^engesetzten Magen, liei andern Mund, Daim und After ent-
eckt. I30i jjßjj yoilkommneren Bäderthierchen und einigen In-
usorien hat Eheekbeeg selbst eine Art Zähne am Munde, männ-
‘ehe Und weibliche Geschlechtsorgane, Muskeln, Bänder, eine
pnr -von Gefässen nnd Nerven und Augenpunkte sehr deutlich
^ßschrieben und ahgebildet. Diese Augenpunkte, welche Eiieenbeeg
tvirkliche Augen hält, sind für die Controverse von demNerven-
^stcm der einfachsten Thiere von ganz besonderer Wichtigkeit.
B nun bei den schon viel zusammengesetzteren Planarien, bei
®'ien man das Nervensystem noch nicht kennt, eben solche dun-
Augenpunkte am Kopfe, wie bei vielen Ringelwürmern, deren
EBvensystem man kennt, Vorkommen, und da nach meinen Beob-
pbtungen die schwarzen Augenpunkte einiger Nereiden wirklich
Von schwarzem Pigmente becherförmig bekleidete Anscliwel-
Bi'g der Sehnerven darstellen, so ist es sehr wahrscheinlich, dass
Buch die Planarien und überhaupt alle niederen Thiere, die sol-
ste^ 4'‘SEnpunkte besitzen, Sehnerven und also ein Nervensy-
der^ Wenn Gruithuisen glaubt, dass jede dunkle Stelle
Haut gewissermaassen mit dem Sehen in Beziehung stehe,
t .b'‘‘^bt absorbire, so ist diess ganz unexact. Denn die
Este Bedingung , zum Sehen ist, dass der opticus specifische
^ensibilitat für das Licht besitze und nicht blosser Gefühlsnerve sey.
•edere Thiere, welche gegen das Lichtagens ohne Auge emplind-
i sind, können das Licht durch die Haut als Wärme empfin-
aber zur Lichtempfindung selbst gehört specifische Reizbar-
Daher besitzen die Würmer, wie einige Nereiden, ohne
^Bss Sie optische durchsichtige Apparate zur Unterscheidung der
w,^®”®lBnde besitzen, doch Nerven zur blossen allgemeinen Un-
Setj^ '^'^bing von Licht und Dunkel, und gerade die Existenz der
das zur allgemeinen Lichtempfindung bei einem Tbiere,
scheid^^®*^ Mangel optischer Apparate nichts Bestimmtes unter-
mer ^unn, beweist sehr , dass die Lichtempfindung doch im-
Behtun*n^ ' an bestimmte Nerven gebunden ist. Siehe meine Beob-
des sr^^^ über den Bau der Augen bei den Nereiden, Annales
iTT p-
von E ^ ^°Bime darauf zurück, dass es nach den Beobachtungen
Erlähr**^****^^®*^ über den Bau der Infusorien und nach meinen
schell über den Bau der einfachsten Augen, immer wahr-
B icher wird, dass alle Thiere ohne Unterschied Nerven be-
44
Prolegomena. 3. Thier - Organismus.
sitzen. Wie sciiwierig sind docli schon die Nerven der Seesterne,
ja mehrerer Mollusken, wie der Muscheln, zu untersuchen; wir
dürfen also nicht zu viel Werth darauf legen, dass selbst grössere,
einfache Thierc, wie die Actinien, die Medusen, ur^s keine deut-
liche Spur dieser Zusammensetzung darbielcn.
Die Thiere unterscheiden sich aber nicht allein von den Pflan-
zen durch das Empfinden und willkührliche Bewegungsvermögen.
Diese Attribute modiliciren auch nothwendig die übrigen Eigen-
schaften, welche die Thiere mit den Pflanzen gemein haben. Dless
hat CxjviER in der Einleitung zur vergleichenden Anatomie sehr
schön ausgeführt. Die Gewächse, an den Boden geheftet, ahsor-
hiren unmittelbar durch ihre Wurzeln die ernährenden Theile
der in sie eindringenden Flüssigkeiten, die Thiere hingegen, die
meist nicht an ihren Aufenthaltsort gebunden, ihn vielmehr ganz
verändern oder wenigstens als Polvpen eines festen Stammes ihre
Beute ergreifen, mussten den ihnen zur Ernährung nöthigen Vor-
rath von Säften mit sich fortnehmen können. Die allermeisten
haben eine innere Iiölile erhalten, in welche sie die zu Nahrungs-
mitteln bestimmten Stoffe bringen, und in deren Wänden die ein-
saugenden Gefässe bei den höheren Thiercn wurzeln, welche nach
einem sehr passenden Ausdruck Boeruave’s wahrhafte innere Wur-
zeln sind. Cu VIER vergl. Atiaf. T. I. p. 11. Bei einigen Thleren
fehlt der After, bei anderen ist selbst der Darm zweifelhaft. Doch
sollen die Bandwürmer nach Mehlis, gegen die gewöhnliche An-
nahme, einen gefässartlgcn , von der engen Mundöffnung begin-
nenden , bald gabelig getheiltcn Darm haben. Bei den Echino-
rynchen soll ein bekannter enger, zweischcnkelig gespaltener Canal
der Darm seyn. Eine besondere, zur ersten Assimilation bestimmte
Höhle ist noch aus einem andern Grunde nothwendig: der Nah-
rungsstoff der Thiere muss erst aufgelöst w'crden. Der Nahrungs-
stoff der Pflanze findet sich aufgelöst vor, und besteht theils aus
kohlensäurehaltigcm Wasser, theils aus aufgelösten organischen
Materien des humus. Die Thiere müssen ihren Nahrungsstoff, der
aus schon vorhandenen organischen Verbindungen liesteht, vor-
hereiten, zerkleinern, aullösen, daher ist die Verdauung eine bloss
den Thieren eigene vorbereitende Assimilation der Speisen.
Die Safthewegung der Pflanzen ist viel einfacher als bei den
Thieren , und immer ohne besondere bewegende Organe für die
Verbreitung, ohne Herz, ln einigen einfachen Pflanzen giebt es
eine rotatorische Bewegung des Saftes im Innern von Gliedern
oder in Zeilen. Corti hat diese Bewegung in Hev Chara entdeckt,
Foistaka, die beiden Treviranus, Amici, C. II. Sguultz, Agardh,
PiASPAiL, haben sie in den Charen wieder gesehen; Mea'en hat eine
ähnliche Bewegung in den Zellen der Vallisneria spiralis und in
den Haaren der Wurzclfasern von Hjdrocharis morsus ranae ent-
deckt. In den von Saftgefässen durchzogenen höheren Pflanzen
hat C. H. Schultz eine fortschreitende Bervegung des Saftes ent-
deckt. Ueher den Kreislauf des Saftes im SelwUkraut. JSerlin 1822.
C. H. Schultz, die' Natur der lebendigen Pßanze, Berlin An-
nales des sc. nüt. T. XXII. p.l5, 79. Nach Schultz ist diese letz-
tere Bewegung ein vollkommener Kreislauf, iu den einen Gefässen
Unterschiede der Pflanzen Und Tldere.
45
mu* tlen anderen absteigend, in Qciergefässen aber com-
beiderlei Ströme der verscbiedenen Gefässe. In den
I^crchsclinitten der Blattstiele vieler Pflanzen siebt man
1 dexitlicij^ dass der Saft in verscbiedenen Gefässen vcrscbie-
^ ®ne Ricbtung Lat, und diess habe icb selbst an feinen Durcb-
c mitten der Blattstiele von Feigenblättern sehr deutlicb gesehen.
^ nicht der Schnitt, die Zerschneidung der Gefässc an der Bich-
der Ströme Antheil haben, kann bloss durch Beobachtungen'
verschiedener Sti-örae in unverletzten Blattern ausgeniittelt werden,
^n den Blättern des Chelidonium, die mit dem lebenden Stamme
noch verbunden waren, habe ich seihst allerdings entgegenge-
^tzte Ströme gesehen. ^'Der Umstand, dass nach Dutrochet’s
•nGohachtungen in einem aufrecht stehenden dünnen Glascjlinder
Wasser, durch ungleiche Erwärmung an verschiedener Seite,
sich eine aufsteigende und ahtseigende rotatorische Bewegung
ninstellt, kann ohnehin nicht die Safthewegnng in den Pflanzen
erklären. Denn in diesem Falle ist die alleinige Ui’sache das
Aufsteigen der erwärmten und expandirten Molecule des Wassers,
Was gerade erst die Rotation bedingt. Es scheint daher, dass
Anziehung und Ahsfossnng von Seite der Blätter und Wurzeln
®uf eine noch ungekannte Art die Säfthewegung in den Pflanzen
^®rniltteln. Dass aber das Licht die Säfte anzieht, ist wohl ge-
da es offenbar das AVachsen der ganzen Pflanzen bestimmt,
den Thiercn sind dagegen die Triebfedern des Kreislaufes
^Giiiger äussere Einflüsse, sondern die Zusammenziehnng eines
Lentralorganes, des Herzens. Diess aber wird belebt von dem
urch Öen Einfluss der atmosphärisclien Luft heim Athmen ver-
änderten Blute. Ob vollkommene Circulation ein absolutes Prä-
V^®r Thiere ist, ist noch unklar; Avir kennen wenigstens
n ■Vielen einhichen Thiercn bis jetzt weder Herz noch Gefässe.
nc sehr wichtisen Unterschied bietet die Respiration der
Bei den Pflanzen und einfachsten Thie-r
* i>ciir
■Ihanzen und Thiere dar.
GO findet die Respiration auf ihrer ganzen Oberfläche statt. Bei
Gn zusauunen gesetzten Thiercn dagegen ist die Oberfläche nicht
unr^ichend zur W^echselwirkung mit der Atmosphäre, und Ci
Gines Organes, welches im kleinen Raume eine, ungeheure
p 'GAende Fläche der Atmosphäre darhietet. Allein auch die.
foducte der Respiration sind im Thier- und Pflanzenreich ver-
Bei den Pflanzen besteht die Assimilation zum Theil
^unr^icliend zur W^echselwirkung mit der Atmosphäre, und es
" reiches in ’ ’ "
Atmosphi
■Aioöucte der Respiration sind im Thier-
Bei den Pflanzen besteht die
stmr”’ binären Verbindungen, Kohlensäure (also Rohlcn-
Sauerstoff) und AVasser {Wasserstoff und Sauerstoff), in
Wrhindungen xmii Kohlenstoff , AVasserstoff, Sauerstoff, zu
■Vg,.V*'^*'Oiaterie umgewandelt werden. Da nun aber hei dieser
'wirir^v'^^’'*”S Gin Ueberschuss von Sauerstoff übrig bleibt, so
auch durch die Blätter ausgehaucht. Die Blätter nehmen
een v '^^*^®'osoure aus . der Atmosphäre auf, w'ie die üntersuchun-
V H Scheele, Ingenhouss, SrALLAHzASt, Senebier,
zerset^^'^^*"^^’ Saussure bcAveisen. Käralich die Blatter
die in der Luft enthaltene Kohlensäure so, dass der
pn,' ®®®lGff einem Antheile des Sauerstoffes sich mit den
änzen verbindet, während der grösste Theil des Sauerstoffes
46
Prolegomena. 3. Thier- Organismus.
an die Luft zurückgegehen wird. In der Nacht aber und im
Schatten., im krankhaften und welkenden Zustande nehmen sie
einen Theil des Sauerstoffes der Luft auf und dünsten Kohlen-
säure aus, aher weniger als sie am Tage aufnehmen. Tiedemann’s
Physiologie T. I. p. 273. Gitny Edinh. pldl. J, 1821. 7. Das Ath-
men scheint daher hei den Pflanzen eine blosse Correction der
Assimilation; durch das Athmen der Pflanzen verliert die Luft
beständig einen Theil der von den Thieren ausgehauchten Koh-
lensäure, und erhält einen lleichthum von Sauerstoff. DieThiere
leben nur von schon gebildeter organischer Materie, und ihre
Substanz enthält, ausser Kohlenstoff, Sauerstoff, Wasserstoff, auch
Stickstollj der vielen Pflanzen ganz fehlt und in anderen nur in sehr
geringer Quantität vorhanden ist. Da nun beständig eine grosse
Menge Thierstoff fault und in chemische Verbindungen sich zer-
setzt, die Thiere aber keinen neuen organischen Stoff aus einfa-
chen Elementen oder binären Verbindungen bilden können, so
sind die Pflanzen, welche dieses Vermögen besitzen, den Tliieren
durchaus nöthig; s'o wie die Thiere wiederum den Pflanzen nö-
thig werden. Denn die Thiere athmen gerade dasjenige aus, was
die Pflanzen einathmen, Kohlensäure, und athmen wieder ein,
was die Pflanzen ausathmen, Sauerstoff. Auf diese Art würde
ohne die Pflanzenwelt die Luft für die Thiere Irrespirahel Aver-
den ; duveh die Wechsehvirkung A'on Pflanzen und Thieren erhält
sich aber die fast absolute Gleichheit der atmosphärischen Luft
als eine Zusammensetzung von 79 Theilen Stickstoff und 21
Sauerstoff!
Da nun endlich die Pflanzen nur eine einfache Kraftäusse-
rung, nämlich die Vegetation besitzen, so bedürfen sie, ausser
Wurzel, Stengel, Blättern, nicht mannigfaltiger Organe, sondern
sic bieten, mit Ausnahme der FructificationsAverkzeuge, durchgän-
gig ähnliche Theile dar, indem sich das einfache Verhältniss von
Stengel zu Blättern immer Aveiter A'om Stammö und Theilen des
Stammes^ aus multiplicirt, ja sogar die Fructificationswerkzeuge
zeigen sich den Blättern versvandt und bilden sich zuAveilen in
Blätter um. Da ferner die Pflanzen A'or der Fmctification nur
eine Wiederholung ähnlicher Theile zeigen, ‘deren Anfänge im
Stamme zu einem ensemble verbunden sind, so sind auch diese
Theile seihst Avieder fähig, ahgetrennt selbstständig zu Averden;
denn es giebt ohnehin hier eine beständige Zeugung durch
Sprossen. Auch der Same ist ein selbstständiger Theil, der sich
von. den Sprossen nur darin Avesentlich unterscheidet, dass seine
Vegetationskraft gross, aber seine Vegetation seihst gering ist
oder noch gar nicht existirt. In den Thieren zeigt sich dagegen
die WechselAvirkung von Blutkreislauf, Athmen und Nersnen zum
Lehen durcliaus nothwendig. Die Nerven bedingen die Athem-
bcAvegungen, die Nerven wirken aber nicht ohne Blut, Avelches
geathmet hat, und das Blut fllesst allen Theilen und so den Ner-
ven nicht zu, ohne die Zusammenziehung des Herzens, das wie-
der von dem hellrothen Blute und der Nerveinvirkung abhängig ist.
Gehirn , Herz und Lungen sind daher gleichsam die in einander
greifenden Haupträder in der thierischen Maschine, welche durch
^’’undkräfie und organische Systeme der Thier e. 47
Be? beim Athmen in Bewegung gesetzt werden,
treil ^ ^chstliiime zcl^t sicli aucli nicht ein äusseres Hervor-
Crö ^'^iier Tbeile, älinlicb den alten, sondern meist eine Ver-
des Ganzen durch Vergrösserung aller zuerst gebilde-
de p des Innern tind Aeussern. Die Thiere wachsen in
Begel nicht auf Pllanzenart, nur die zusammengesetzten Po-
JPen wachsen durch Sprossenbildung. Die inehresten Thiere
ipj“ .’ l’e vollkommener sie sind, nicht ein Aggregat ähnlicher
durch einen Stamm verbunden,, sondern sie enthalten
lieile von ganz verschiedenen Eigenschaften, mannigfaltige Or-
die eine Zeugung durch Tlieilung wachsender Tlieile un-
luögUch machen, wenn nicht die sich abtrennenden Tbeile die
Wesentlichen Organe des Ganzen noch mit enthalten, wie beiPo-
vPen Und einigen Würmern, Nereiden, Naiden ii. A. , bei denen
^losNET, O. Fr. Mueller, Gruithuisen eine Fortpflanzung durch
:^V”®diche oder von selbst erfolgende Tlieilung gesehen haben.
Ranze Vergleichung hatte nur den Zweck, zu zeigen, wie
Existenz neuer Eigenschaften bei den Thieren auch diejenigen
t'uetionen modificirt, welche die Thiere mit den Pflanzen ge-
haben. ■ •
Die Vergleichung der Thiere mit den Pflanzen führte die
uen zur Methode, wie sie die Functionen der Thiere abzuhan-
hatten.
Die Functionen, welche die Pflanzen und Thiere mit einan-
’’ Remein zu haben scheinen, bat 'man organische oder vitale
''errichtnn gen genannt; sie hoben die Erzeugung und Erhaltung
^g^^' Thelle aus dem selbststäridigcn Ganzen zum Zweck. Sie sind
der organischen Afllnität unter den Wirkungen der
zünf 1 Drsache des Lebens. Die Functionen, welche vor-
cun«!'^' ^'® 41iierischen Wesen auszeichnen, Empfindungen, Bewe-
b o 11, Vorstellungen u. s. w., scheinen der Zweck des thierischen
!. j”® zu seyn, es sind die, welche das Thier characterisiren
Die'^A^’ cs auch nur einen Augenblick ausdauern sollte.
Alten haben sie im Gegensatz der erstei’en animalische Ver-
^'chtungen genannt.
uine dritte Reihe der Erscheinungen umfasst die Vorgänge,
Diese Eintheilung hat ihre Vortheile, kann aber auch
des t^'^^^^^'dnisse ei-zeugen. Die Kraft, welche die Entwickelung
des bedingt, Yst dieselbe, xvelche die beständige Erhaltung
darnao/'^'^’' und die Wiedererzeugung desselben verursacht, und
pfindun' ^'hrden also Vegetatioiiskraft, Bewegungskraft und Em-
sich gleichsam die Gründkräfte seyn ; allein es fragt
ob diese Trennung nicht künstlich ist.
zenlebe** sich vorstellen, dass die wesentliche Kraft des Pflan-
K-räften Vegetationskraft, in den Thieren noch mit anderen
wegune i^*^^^^uden sey, z. B. mit der Empfindungskraft und Be-
der oder mit der NervCnkraft, wenn man die Fähigkeit
* sigj, durch den Einfluss der Nerven zusammenzuzic-
48
Prolegomena. 3. Thier - Organismus.
Jien, niclit als xirsprüngliclie Kraft, sondern als Folge anselien will'
Man kann sicli -vorstellen, dass die Vereinigung dieser Kräfte irn
Keime exisürt und dass sie sieh von der Entwickelung an in den
verschiedenen Organsyslcmen, die in einander greifen, äussern, so
dass die \egetationskraft, von der Nervenkraft bestimmt, auch die
Organe des JS'ervenlehcns wiedei-er^eugt und lieständig erhält, die
Nerven aber wieder die Ursache sind,: dass organisirte Theile em-
pfindlich sind. Wenn man diess aber weiter durchdenkt, so ge-
langt man auf Widersprüche. '
Vielmehr scheinen diese Ilauptformen nur verschiedene Wir-
kungen einer und derselben ois essentialis der Thiere, bedingt
durch die verschiedene Zusammensetzung der verschiedenen Or-
gane. Es liegt etwas Absurdes in der Vorstellung, dass die Re-
productionskraft die jVervensubstanz erzeuge, während die Wirkun-
gen der gebildeten Nerven Folgen einjer Kraft seyn sollen, die
verschieden ist von der Kraft, welche die Neiwensubstanz bildet.
Die letzte Ursache des Lebens, welche in den Thieren wirkt, er-
schafft alle, zum Begriffe eines thicnischen Wesens gehörigen Theile,
und erzeugt diejenige Mischung in denselben, deren Erfolg Bewe-
gungsvermögen und Empfindungsvermögen oder Leitungsvermögen
für Eindrücke sind, die auf einen Cenirallheil der Einwirkungen
und der Rückwirkungen vcrpflahzt werden. Kur die verschiede-
nen Producte dieser ersten und einen Kraft der Thiere, dieses
alle Theile erzeugenden und wiedcrerzeiigenden p/:imnm mni>ens,
sind theils zur Umwandlung vön Materien fähig, die weiter ge-
führt für den Nutzen deS Ganzen hestiniunt sind, theils Bewegungs-
organe, theils Organe,: durch welche die Einwirkungen aller Or-
gane auf ein Centralorgan und die Rückwirkungen erfolgen. Die
erstereii sind die Reproductionsorgane, die zweiten die Muskeln,
die dritten die Nerven. Dann giebt es auch noch solche Theile,
die durch die schaffende und wredererzeugende Thätigkeit oder
die Grundursache aller Organe keine anderen wesentlichen Eigen-
schaften als physicalische Qualitäten .der Festigkeit, Elasticität, Zä-
higkeit u. s.w. erlangen, wie die Knpehen, Knorpel, Bänder, Sehnen.
Die Drüsen erlangen z. B. durch die Ernährung und Wieder-
erzeugung aus dem Blute die Fähigkeit, gewisse, Theile des Blutes
in ihrer Nähe anzuziehen, neu zu combiniren und auszusebeiden;
durch denselben Act der Ernährung, und Wicdcrerzeu£(ung aus
dem Blut erhalten die Muskeln die zur. Attraction ihrer Thcilchen
oder zur Bewegung durch gewisse, Ursachen nötbige Fähigkeit,
und diese Fähigkeit ist das Product jener Erzeugung, nicht aber
eine besondere Grundkraft, die von der Generationskraft verschie-
den wäre. .So erhalten die Nerven durch eben diese Urkraft der
IJildung xmd Wiedererzeugung aus dem Blute die Fähigkeit zu ih-
ren Lebenserscheinuugen, und .ihre Fähigkeiten sind nur die Er-
folge dieser Erzeugung. Ganz vei’kehrt scheint es aber nun gar,
die Wiedererzeugung zur Indifferenz der bewegenden und sensi-
tiven Kraft zu r^acben. Sicht ,nian von den Tbcilen ah, welche
durch den organischen Prpeess ihrer beständigen Wiedererzeu-
gung nur physicalische Eigenschaften der Elasticität, Festigkeit
^^tmdkräfte und organische Systeme der Thlerc. 49
kann man die Eigenschaften der übrigen
I ^ *'' Thieren folgendermaassen hezeiclmen.
Zweck 1 ^S‘’ne, welche die Mischung der Flüssigkeiten für den
l^lutaef verändern, wie die Absondcriingsorgane, die
I^Iiäno Ljinphgefässe, die Lungen. Das cigenthümliche
**aliru diese Organe darhieten, ist nicht etwa die Er-
än(jgj,^S’ *^^cnn diese kömmt allen Organen zu, sondern die Ver-
Ujjj. organischen Condjinatlon in den Flüssigkeiten, die
■^nif-'t^*^ Ol Berührung stehen, durch Aeusserungen organischer
Moskulöse Organe, welche auf gewisse Einflüsse sich zu-
Wo und deren Fasern sich kräuselnd gegen die Stelle,
jf Veränderung der Muskclsuhsfanz geschieht, verkürzen,
sche^^* Fähigkeit der Muskeln auf mechanische, chemi-
tahTw*'*^ o^ootrische Einwirkungen sich zusammenzuziehen, Irri-
and'e*-'^*^ Sooannt, und die H.ii.LEa’sche Irritabilität kann keinen
ypVjl *^**1 keilen als den muskulösen Tlieilen zugescliriehen werden,
hark andere sich durch Erscheinungen anderer Art von Reiz-
]3ß '^oszeichnen. Einige verwirrte Schriftsteller haben diesen
nen * ^ ' Irritabilität zu einer Formel für willkührliehe Fictio-
Ner so dass man sogar von einer Irritabilität in den
^ihil'ir*' S®®P*’ochcn, als wenn bald die Irritabilität, bald die Sen-
SCscl ‘^orselben verändert seyn könnte. Im lebenden Körper
<Ier AVirkungen der Muskeln immer unter dem Einllus»
]juj, \ '^^’kolnerven, und alles, was die Zusammensetzung der Nerven
'''enk 'verändert, bewirkt gleichsam eine Entladung der Ner-
ker d^”’ welche die Zusammenziehung der Muskeln bedingt. Da-
der Bewegungen, der Krämpfe und Lähmungen
den *ur Untersuchung der Gcäptze der Wirkunsen in
. , , J^erven zm-f
riellen Ver in i
Die Bewegung lindet hei allen mate-
ungen, hei der Generation, Ernährung, Ahsonde-
wirkt ’ Organische AlTinität zwischen Säften und Organen be-
Muskel ''J.?‘^*‘^'^o‘'-IIc'"a;gungen ; man muss sich W'ohl hüten, die
die n "/kr die einzigen der Bewegung fähigen Theile zu halten;
durch 'i^^'^^dsen Theile sind nur die einzigen Organe, welche
Ond , i|“‘^’^*‘*oimenziehung und Kräuseln von Fasern sich bewegen,
nißijt" " Theile, welche sich so zusammenzichen können, und
Miisk /'®®®oIkoh Muskeln sind, sind meist durch cingestreute
^kkrun* kesonders Muskelfasern, beweglich, wie die Aus-
contraigj^""§® der Drüsen, welche sich, wie ich zeigen werde,
Verände-^*" ^orven haben theils die Fähigkeit, hei
kewirken""®®*’ ihres Zustandes Bewegungen in den Muskeln zu
Sinnen de /''“krend die Veränderungen der Nerven seihst den
verinögetj *,k®°kachters entgehen, theils besitzen sie ein Leitungs-
hirn, dem r Veränderung ihres Zustandes nach dem Ge-
gane ansa ^ otralorgane, wovon Wirkungen auf alle übrigen Or-
finden nur diess nennt man empfinden. Empfindungen
in Verhi lange statt, als die Nerven noch mit dem Gehirne
ausgehend stehen. Viele vom Gehirn und Rückenmarke
M- ii " Nerven sind durch das Gehirn und Rückenmark will-
50
Prolegomrna. 3. Thier - Organismus.
kiilirliclic I^xcllatoren der Bewegung in den Muskeln , so lange
die Nerven nocli mit Geliirn oder Bückcninark in Verbindung
stellen , wälirend sie in dieser Verbindung und ohne diese \'er-
bindung auch iinwillküliiliclie Zusainmenziebungen der Muskcli'
bei einer Veränderung ilires Zustandes bewirken. Dagegen sind
die vom ISicrpus sympalhicus abbängigen bew'eglicben Theile dein
Willen entzogen und nur in einer bedingten Abhängigkeit von
dem Gehirn und Rückenmarke, mit ivelchen der Nervus sympa-
thicus mittelbar, nämlich durch Vermittelung wirklicher Cerebral-
und Spinalneren zusammenhängt, ln den Nerven zeigt sich die
grösste Beweglichkeit der organischen Kräfte, ohne Bewegung
der ponderabeln Masse, und ihre Wirkung ist zur Ausübung al-
ler Functionen nöthig, indem alle Theile durch Veränderungen
der Nerven auf Gehirn und Rückenmark zurückwirken, und von
diesen aus gewisse zu ihrer Action nothwendige Einflüsse erfahren.
Diese organischen Systeme greifen verschiedenartig in ein-
ander. Alle Organe sind nur durch den Antheil von Nerven, die
in ihre Gewebe treten, empfindlich, die Organe, die der chemi-
schen Verwandlung der Flüssigkeiten dienen, sind, wenn sie sich
zusammenziehen, nur durch eingestreute Muskelfasern zusamrnen-
ziehbar, und alle Organe oder einzelnen Theile, in welchen aus-
ser besonderen Lchenseigenschattcn auch noch Absonderungen
tropfbarer Flüssigkeiten für den Zweck des Ganzen stattfinden,
haben für diesen Zweck aucli eigenthümliche Gewebe, wie in
den Organen der Sinnesempfindung auch tropfbare Absondcnin-
gen duieh besondere Gewebe stattfinden.
Sowohl die AV'eehselwirkung dieser Systeme unter sich, als
ihre Wiedererzeugung aus dem Blute, kann ohne Afllnitätsäusse-
rung der poiiderabeln und impondcrabeln Alaterien mit orga-
nischer Auziehung nicht vor sich gehen. Die Renntniss dieser
Gesetze wäre von der grössten Wichtigkeit, allein wir kennen
kaum einige merkwürdige Facta, wie die Anziehung des Blutes
in Theilen, welche der Erection fähig sind, und wo eine grössere
Thätigkeit stallfindet, und jene merkwürdige Verwachsung zweier
Keime, woraus ein Thcil der Doppelmissgehurten zu crkläien ist,
was ohne Anziehung gleichartig gebildeter Theile nicht geschehen
kann,, da fast in der Regel gleichnamige Theile verwachsen, Ge-
sicht mit Gesicht, Schnauze mit Schnauze von vorn oder von
der Seite, oder Hinterkopf mit Hinterkopf, von der Mitte oder
von der Seite, Hals mit Hals oder Brust mit Brust, oder bloss
Bauch mit Bauch, oder Seite mit Seite, oder bloss Steiss mH
Steiss. Eine Verbindung, wobei immer die verwachsenden Theile
beider Embryonen gemeinsam und einfach w'crden, und sich
nach den Doppelhöhlungen bin theilen. Eine einzige Beobach-
tung organischer Anziehung und Abziehung an kleinsten Thei-
len wäre hier von unendlicher Wichtigkeit. Allein alle mein®
Bemühungen um ein Experiment in diesem Punkte sind frucht-
los gewesen, mochte ich einen blossgelegten und heraus präp»'
rirten Nerven eines Frosches unter das Microscop legen und da*
Ende mit Blulkügclchen umspült beschauen, oder Samen des Frc-
Geseiz,e der ihierischen Reizbarkeit.
51
dem Theilen des unbefrucliteten Eies vom Frosche unter
j^.'croscop heohachten.
Allaem‘1 besetze der Reizbarkeit der organischen Wesen sind im
ist^d schon im vorigen Abschnitt untersucht worden; dort
keit ] * , der Lehensreize zur Aeusserung der Tliälig-
tark ^■**^'”’***'^' Hier werden nun zunächst die Gesetze der Rciz-
tlem 1**^ Thieren näher bestimmt werden, ohgleicli es ])ci
Licl t Standpunkte der Wissenschaft kaum möglich ist,
■VFir* V/®*’ diese schwierigen Probleme zu verbreiten, und doch
ki'ejf diese Kenntniss so wünschensAverth , da die Arzneikunde
die grössten Anforderungen an die Physiologie zu machen hat.
ral 1 organische Kraft das Residtat der Mischung ponde-
de imponderabler Materien se3’n, oder selbst die Mischung
sie*^ ?*’Siifiischen Materie bedingen und erhalten, wir sehen, dass
Sich unter gesvissen Umständen in einzelnen Organen verstär-
der *^**”*’’ Actionen sind in diesem Falle grösser und dauern-
dej,’^^i® man in den Genitalien in der Schwangerschaft und in
de beobachtet. So nimmt die organisclie Kraft auch in
sf”? ^''iiher organisirten GeAveih der Hirsche ab, wenn es ab-
und verstärkt sich Avieder', Avenn es im organisirten Zu-
i'o von Neuem erzeugt Avird. Zu einem mehr belebten Theile
^i niehr Blut, und es wird mehr Blut als sonst in organi-
Oj, ^ Materie umgewandelt. Tiedemann sagt, dass ein gereiztes
S'än schnellere Veränderungen in seiner materiellen Zusam-
^'®®l^ung erfahre, und eben daher auch das Blut, Avelclics al-
im Stande ist, zu gesteigerten Kraftäusscrungen zu befähi-
rascher und in grösserer .Menge anziehe. Physiologie 1. 326.
dagegen ein organischer Thcil einen Schaden durch ma-
lelle UmAA'andlung erleidet, so entsteht in einem solchen Theile
Sei” grössere Thätigkeit zur Wiederherstellung dieses
ladens, Avenn die Zersetzung des organischen Theiles nicht zu
Vp ** S®wcsen. Die organischen Körper besitzen beständig das
der^Ti^^”’ Leben des Ganzen nöthige Zusammensetzung
'"Ärd ^ zu erhalten. So oft diese Zusammensetzung verletzt
aus i jenes Streben heilkräftig. Diess folgt schon
Sch dass die organischen Körper beständig der chemi-
gen”*' yinwirkung das GleichgcAvicht zu halten suchen. Deswe-
or„ einem verletzten Tlieilc noch mehr Blut zu, weil die
Thätigkeit sich in demselben vergrössert. Die Wech-
Anfiij^ der vermehrten organischen Thätigkeit, Avelche dem
des 8p? ‘l®!’ Zersetzung das Gleichgewicht zu halten strebt, und
in der'*^ eingetrelenen Strebens zur Zersetzung erkennt man
hauptpp ^'’tzündung. Deswegen lässt sich aber doch nicht be-
reit ict ’ ®ass die Entzündung Avesenllicb eine vermehrte Thätig-
niner örti*^*'*^®^^ ®i® zusammengesetzt aus den Erscheinungen
Und eine **^*’^u Verletzung, einer örtlichen Neigung zur Zersetzung
■Welche d” '^''8®genAvirkenden A'erstärkten organischen Thätigkeit,
Bei einen”*^ ^ersetzungsstreben das Gleichgewicht zu halten strebt.
l®n kömmt ■''®n Zersetzung in den Ihierischen Thei-
*ündutm ^ gan ni®iit dieser Rückwirkung, und die Ent-
^ entsteht nicht, wie bei den narcotiseben Vergiftungen.
52
Prolegomem. 3. Thier- Organismus.
Wenn sie aber entsteht, so kann die durch eine Verletzung be-
dingte Zersetzung bald so gross werden, dass die organische
Rüä.wirkiing das Gleichgewicht nicht zu halten vermag, und
dass örtlicher Tod cintritt. _ • j
Diese und viele andere Falle, ja schon die Ermüdung und
Erschöpfung nach grossen Anstrengungen zeigen uns, dass die
organische Kraft diirch die Ausübung der Functionen gleichsam
consumirt wird. Diess zeigt sich noch nach dem Tode. Denn
wenn man von zwei gleichen Muskelstücken eines frisch geschlach-
teten Thieres den einen Theil mit dem Messer zu kleinen Zuk-
kun^en reizt, wahrend man den andern sich selbst überlasst, so
wird der erste in dem Maasse früher seine Reizbarkeit verlieren,
als er sich mehr bewegt. Aute?irieth’s Phy.nol. I. 6.3. Jeder
Lichteindruck stumpft das Auge einigermaassen ab, und der glei-
che Reiz bringt kurz darauf keine gleiche Reaction hervor, bis
sich das Auge erholt hat. Man könnte diess daraus erklären,
dass ein Theil der Kraft zur Ausgleichung der durch den Reiz
bewirkten materiellen Veränderungen wirkt. Allein diese Ermü-
dung erfolgt auch in dem Falle, wo die Thätigkeit ohne äussern
Reiz vermehrt wird, sobald nur nicht die Kraft zugleich ver-
mehrt ist. Es scheint also, dass diese Thätigkeit selbst eine ma-
terielle Veränderung in den Organen hervorbringt. Vielleicht
indem jene beständige Veränderung der organischen Substanz
durch die beim Athmen veränderten Bestandtlieile des Blutes,
welche zum Leben, gleich wie die Zersetzung zu den Erschei-
nungen der Verbrennung nothwendig ist, beschleunigt oder ver-
mehrt wird , da doch zur Zeit dieser Beschleunigung nicht auch
die Wiedererzeugung aus den Naluningsstoffen vermehrt ist, son-
dern in der We'ise der Erholung erst allmählig geschehen kann.
Ueberhaupt aber, je thätiger ein Mensch ist, um so grösser scheint
die Zersetzung der Stoffe, und um so mehr hat jemand Bedürf-
niss nach Nahrungsmitteln. Menschen und Thiere, die nach sehr
heftigen Kraftäusserungen gestorben sind, wie z. B. ein zu Tode
gejagter Hirsch, sollen seihst schneller faulen als ein zu Tode
gebluteter Körper. Autenrieth, welcher diess bemerkt, führt
auch an, dass ein Muskel aus einem noch reizbaren Thiere ge-
schnitten, ungleich schneller faule, wenn er zu häufigen Zusam-
menziehungen vor seinem Absterben gereizt Avurde, als ein ande-
res gleiches Stück, das ruhig gelassen wurde. Physiologie I. Il5.
Vergl. A. V. Humboldt über die gereizte Bluskel- und Bttroenfaser.
In den Verrichtungen des Nervensystems ist die Erholung beson-
ders so nothwendig, dass seihst das gleichmässigste Leben des
Schlafes bedarf, der von selbst eintritt, auch wenn die das Ner-
vensystem in Thätigkeit setzenden Ursachen, die äusseren Reize,
fortdauern, weil die durch die Thätigkeit verursachte Verände-
rung im Nervensysteme letzteres unempfindlich für diese Ein-
drücke macht. _ -i «
Die beständige Wiederbelebung der organisirten Theile an»
den allgemeinen integrirenden Lebensreizen ist sonst meistentheiN
mit der Fähigkeit zu einer gleichmässigen Thätigkeit verbünd^*
Wird aber die Action verstärkt und beschleunigt, so muss Ruhe
Gesetze der thierischen Reizbarkeit.
63
erfolffy,, .... . 1 .
soll wenn so viel Fäliit^keit sicli zu neuen Actionen Lilden
’ Action verloren ist.
K.i'aft • »H gesunden Leben im Allgemeinen eben so viel
Tliati )!*'• ^*'^*'*’ gewissen Zeit wiedererzeugt wird, als durch die
'"i"^irksam geworden ist, so giebt es doch Falle, in
Sleic/*^*^- ^^^iedererzeugung allmalilig immer stärker wird, bei
S^regelter Thätigkeit oder bei abwechselnder Thä-
Weil ^ Ruhe. Diess ist namentlich in der Jugend der Fall,
sclien^^'r! entwickelten Gründen die Affinität der organi-
scliei . ‘ffin allgemeinen Lebensreizen um so grösser
Überl ’ weniger die Fntvvickehing vorgeschritten ist; aber
Hub ^’*rd durch eine nicht zu angestrengte Thätigkeit mit
Ueb^ ® ^^''^‘^üselnd die Kraft eines Oi'ganes vermehrt, wie in der
wech”f’ blosse Ruhe die Organe oft erschlafft. Ab-
üas G^el yon Thätigkeit oder Uebiing und Ruhe, darin liegt
Viellei tlie Kraft unserer Actiouen allmählig zu verstärken.
S^nes ^ durch die Actien ein Theil der Stoffe eines Or-
den is t*^*^*^*^*'.’ Leben überhaupt mit Zersetzung verbun-
nes o ’ wird ein Theil der Stoffe durch die Action ei-
ander zersetzt, während durch die vei’mehi-te Action ein
die .Theil inniger gemischt wird, so dass ein Organ dui’ch
j)eue zw'ar verliert, aber durch die Action fähiger wird,
TliäticTlr • ^ anzuziehen und sich zu verstärken. Wenn aber die
die\v' l ä'u häufig und zu stark wiederholt worden ist, so ist
Die t^^'^eerzeugung selbst geringer, und es tritt Erschöpfung ein.
ede^* dann der Fall, wenn die Consumtion organischer Kraft
Sei ^ II ^ Unwirksam- werden derselben durch verstärkte Aclion
jj- erfolgt, als die Wiedererzeugung in gleichen Zeiten ist.
hä^r^rr *^®‘^^*üplung ist um so grösser, je mehr und je edlere Tlicile
n lg und heftig in Thätigkeit versetzt werden, wie z. B. beim
Coitus fast das m
Theil Thätigkeit versetzt wird, und je mehr ein
selbst Actionen anderen Organen etwas niiltheilt, W'as er
je m <^5 eben bei den Nervenactionen scheint, und
njate^'^n Theil durch seine Aclion einen wesentlichen
ten aT Verlust für das Ganze erzeugt, wie bei den verstärk-
^irks' R- der Milch. Die augenblickliche Un-
“dwähl^ ‘^^’Sanischen Kraft nach der Thätigkeit, und ihre
*ehnitte^^ ^‘®‘^®^^**^'estellung bemerkt man selbst noch au abge-
^^ehse?*^^ 1 Frösche, indem wahrscheinlich durch
mit"^ j in ihnen enthaltenen Blutes und der
Salva ■ sich die Reizbarkeit herstellt. So macht
Reiz, auf abgeschnittene Froschschenkel wieder-
erst alhtiäfir*'’. unwirksam, und die Reizbarkeit stellt sich
Wirü ’S in der Zeit der Ruhe wieder her.
Fähigkeit f^*'* Urgan seltener in Thätigkeit gesetzt, so nimmt die
einem. eew‘ ^ürnere Actionen in der Ruhe nicht so zu, wie bei
in Thätinj^'' Thätigkeit. Das Auge sieht, je mehr
„1_
'en, z.
ganze Nervensystem in eine mit Consumtion von
®ehwächer"*V*'^**^ gesetzt wird, bei demselben Reize augenblicklich
g ’.i'ar es aber einige Zeit vollkommener Ruhe überlas-
ini Dunkeln, so werden nun zw’ar die Eindrücke viel
54
Frolegomena. 3. Thier - Organismus.
leWiafter empfunden. Stärkt man das Auge nach dem früheV
erörterten Gesetz durch ahwcchselnde Anstrengung und Ruhe all'
mälilig, so u-ird es auch fähig zu grösseren Anstrengungen, ohne
so ])ald als früher erschöpft zu werden ; lässt man das Auge ahef
lange Zeit in vollkommener Ruhe, so hat sich zwar wieder eine
grosse Empfindlichkeit, wie überhaupt nach der Ruhe, angesain-
melt, aber die Lebenskraft ist in diesem Theile nun um so schwä-
cher geworden, je weniger er geübt worden, und ein plötzlicher
starker Liehteiridruck vermag ein lange von dem Lichte ent-
wöhntes Auge selbst zu erblinden. Die Muskeln verlieren in lan-
ger Ruhe viel von ihrer Bewegkraft, wie sich z. B. die Fähig-
keit mancher Muskeln, als der ührmuskeln, verliert. AutenrietH
Physiol. 1. 104.
Bisher ist die Veränderung der organischen Thätigkeit der
Thiere bloss im Allgemeinen betrachtet worden. Jetzt soll un-
tersucht werden, wie die äusseren Einilüsse auf Veränderung
derselben wirken. Nicht allein die äusseren Lebensreize, welche
■das Lehen unterhalten , veranlassen zu organischen Wirkungen-
Alles, was die materielle Zusammensetzung und das Gleichgewicht
der Vertheilung imponderabler Materien in den orga ulscheu Thei-
Jen stört, kann auch die Actiou der Organismen und Organ«
verändern. Diese Veränderung nennt man Reaction, wenn si«
lebhaft ist; die Einwirkung, welche die Rcaction von Seiten des
Organismus hervorbringt , nennt man Reizung, fi-ritation, und di«
verändernde Ursache Reiz, Irritamentum. Die Rcaction gegen
einen Reiz ist immer eine Lebenserscheiuung, eine Aeusserung
einer organischen Eigenschaft des Organismus. Die Fähigkeit)
durch äussere Einwirkungen zu Kraft äusserungen bestimmt z«
werden, ist nicht den organischen und insbesondere tbierischen
Körpern allein eigen. Viele unorganische Körper entwickeln z. B'
Licht unter gewissen Bedingungen, z. B. beim Stoss, oder ent-
wickeln Wärme. Die Physiker machen es hierbei wahrschein-
lich, dass das Licht oder die Wärme vorher in den Körper"
gebunden waren , und durch den äussern Einfluss frei werde"-
iVoch mehr könnte man die elastischen Körper hieher rechne";
deren kleinste Theilcben so sehr einander anziehen, dass ein Ver-
such zur Verschiebung mehrerer Thcilchen olt aut alle zurück-
wirkt, und dass durch die Anziehungskräfte der Tbeilchen z"
einander eine' restitutio in integrum erfolgt, die sich unter de^
Phäriömen der- Elasticität und der Schallschwingungen äusser '
Allein kein linorganiscber Körper zeigt sich so gleichförmig
diesen Aeusserungen als die Organismen, welche' unter den ve"'^
sebiedenartigsfen Einwirkungen, vvelchc die Zusammensetzung Jf*
Theilcben stören; immer das nämliche Phänomen , zu dem «"j
Organ durch sein Loben befähigt wird, äussern. DIess rüb*’^
wahrscheinlich von' jener Grundeigenschalt der organischen
per her, ifen Störungen ihrer Zusammensetzung das Gleicbgewi« !.
zu halten, eine Kraft, ilie im gesunden Falle viel grösser ist
die Ursache'; welche die Zusammensetzung des organischen
pers stört. Jente Kraft, welche das Gleichgewicht in den orga*|‘
sehen Theilen nach einer Störung derselben wiederherstellt, '
Gesetze der thierisehen Reizbarkeil.
55
tl i 1
e einen Theil eigcntliümlich durch die beständige
‘^hcs* Und Wiedererzeugung' erhält. Das Phänomen, wel-
uieiio Herstellung des Gleichgewichtes erfolgt , ist zusain-
^’^eräuderung des oi’gnnischen Tli.eiles durch
les 7 Ursache und von dem Strehen des organischen Thei-
ee in inti'grum, zur Wiederherstellung des Gleich-
«0^ 1 Euthochet behauptet , dass alle erregenden Ursachen
sie h Organismus die gleiche Veränderung hervorhringen, dass
lue Oxydation des Ihnen ausaesetzten oraanlsch
•ciren
dir • ^ ^^‘y^^ution des Ihnen ausgesetzten organischen Slolles mo-
‘•ciren; nach Ihm sollen die erregenden Ursachen gleichzeitig
■*ä den Sauerstolf und auf den organischen Stoff wirken, um sie
Uner Verbindung zu bewegen. So ingeniös diese Ansicht ist,
^■''f sie (hsoli niMp tue rT:iii7. unhc
rundete Ahrniuthuin
zu bewegen.
1 “.V. ».iv/oii CHIC bis jetzt ganz _
jeu so wie Dutkocuet’s Uolgernng, dass die Excitahllital eine
"''‘Miche Verhrennharkeit sey. Diese soll in iler Jugend sehr
^*oss seyn, vvcil in dieser Lehensperiode der Organismus in ho-
Grade oxydirhar sey und nur wenig gebundenen Sanerstoft
*Csitze, itji Aller daRCgen sollen die Er
KUrjer •
*ö luibon ,
Zwar
liahen
im Verhältnisse
ts' b'
die
gnngsmillel wenig AVir-
Tendenz zur Oxydation geringer ist, und
der Menae des schon gehundenen Sauer-
FnoRiEp’s Nutizen 724.
den rilanz.en zeigt, aus
nächste Veränderung,
des lleizes und
bedingt,
*>toffes. Alles diess ist hypothetisch.
Zu einer jeden Reizung eines organischen Tlieiles gehört ir-
h®ud eine materielle A'^eränderung in demselben , die wir selbst
dem Reize des I.ichtes auf das Auge vorausselzen müssen;
•ä'uulich Lieht scheint in die Znsaimnnnsetzung vieler Körper ein-
Z'iigelien, und bewirkt chemische A'^eränderungen, wie sich an yie-
ten chemischen Präparaten und selbst
, neu cs Sauerstoff entwickelt. Die
Reiz hervorhringt, ist durch die Natur
^•■ganischen Körpers, welcher gereizt wiiah
Zusammendrückung, eine eheinische A’^eränderung;
uuf folgende Gi'genwirkung widerstrebt dieser
Ist yon der Natur des Reizes ganz yersehledcn, nicht mechanisch,
U'cht chemiscl), sondern eine Acusserung der Lehenseigeiischaft
eines Organes, xvle Empfindung als, Selunerzon, .oder Entzündung,
oder Zuckung. AVärmc, Tneetricflat, Licht thcilcn sich den orr
gauischen Körpern 'wie anderen nach ' allgemeinen jihysicalisch'cn
^osetzen mit, aber es entstellt bei der restitutio in integrum im-
uier zugleich eine Lehensäusserung, verschieden nach dcin'Theile,
^^olcher verändert wird, und die Phänomene bis zur Herstollnng
j, ® Oleichgewlchles sind, zusammengesetzt aus der AA''irkung des
ileu^^c der Reaction gegen den Reiz. Die chemisch xvii-kenk
hiu' verändern aucfi die organischen Körper und suchen
‘**0 Uerhindunuen auf Kosten der organischen Körper zu cr-
xvelche
des
z. P. eine
1 die dar-
A'erändeiiing und
lingt
und die AlUnität der
organischen
zoiirv ' v* ^J*uuunü,cn
iicss geli ^
? nicht hinrcicht, die organisehe Comhinatiou zu erhallen,
entst.r '^^lemischcn Einwirkung das Gleichgewicht zu halten , so
les ^ chemisches Product mit dem Tode des alllcivten Thci-
ral’ *' i'er A^erhrennung, bei der Einwirkung einer Minc-
eines caustisehen Alcali’s. Allein so lange der organische
^ f ^oloher einem chepiisch wirkenden Körper ausgesetzt wird,
56
Prolegomena. 3. Thier -Organismus.
nocli lcl)t, so lange ag'Irt er aucli in den ilim eigenen Wirkungen,
z. B. Empfindungen, Bewegungen, Entzündung. Chemische Ein-
flüsse, ivic Sauren, Alcallen, können zwar an dem Ort ilirer Ein-
■vvirkung auf organische Körper hinäre Verhiudungen hervorhrin-
gen und auf diese Art Bran^ oder Tod Bewirken; allein so weit
an einem so afificirten Theile noch Leben besteht, und an der
Grenze des Todes äussert es sich auch in den organischen Eigen-
schaften, wie Entzündung u. s. av.
Aber nicht allein ist die Wirkung der thicrischen Körper ge-
gen äussere Reize Rcaction in organischen Eigenschaften, sondern
die Art dieser Reaction, die Eigeilschaften, ivelche reagiren, sind
häufig verschieden nach der Nalur eines Theiles und seiner Zu-
sammensetzung. Daher bcAvirken z. B. mechanische, chemische,
electriscbc Reize, auf einen Muskel angewandt, dieselbe Reaction
des Muskels, nämlich Bewegung. Alle diese verschiedenen Reize
bewirken dagegen in einem Empfindungsnerven nur Empfindun-
gen, und die Art der Empfindung ist selbst bei verschiedenen
Kerverf verschieden, wenn gleiche, und bei denselben Nerven
gleich, wenn verschiedene Reize där'auf wirken. So z. B. bewir-
ken niechanisclie' und electrische Reize in den Sehnerven nur
Liclitempfindurigep als Eigcnschatten dieser Nerven, und scheinen
keinen Schmerz zu bewirken, wähi’eiid die Empfindungen des
Schmerzes und nicht des Lichtes in den Gefühlsnerven möglich
sind. So' erregen mechanische und electrische Reize, auf den Ge-
hörnerven wirkend, Tonempfindungen, der electrische Reiz in
dem Geruchsnerven Geruchsempfindungen. So erregen die vor-
deren W'urzeln der Rückenmarksnerven im gercizifen Zustande
von mcchanlsehem oder galvanischem Reize keine Empfindungen,
sondern Zuckungen in den Muskeln, aber die hinteren Wurzeln
dieser Nerven erregen unter denselben Umständen nur Empfin-
dungen, keine Zuckungen. Die Physiologie gewinnt eine eben
so sichere Empirie, .wie die übrigen NaturwlssenschaRen, wehn
sie die eigenthümlichc Reactlonsärt aller Theile des thiei'Isclien
Körpers kennt.
Es ist nun night anfrallend, dass die Symptome desselben
OrgaUjCs in ganz verschiedenöh " Zuständen sich oft sehr ähnlich
sind, weil es z. B. im Zustände Vpp gereizter Kraftäusserung so
gut wie im Zustande der Reizung bei abnehmender Kraft die
ihni eigenen Lebenseigenschaften mit mehr oder vveniger Eijcrgie
kmid giebt. Es giebt eine gervisse Gruppe von Hirnsymptömen,
llerzsymjitöraen , die in verschiedenen Krankheiten dieser Theile
Vorkommen.' Hierbei lässt slfcli ein Blick auf die Thorheit der
Ilomoiop'ätheh werfen, vvelche mit Mitteln, welche eine der Krank-
heit älinllche Wirkung bervorbiingcn, zu heilen glauben, wäh-
rend sie doch entweder gar. nichts thun, oder waflirenll die Natur
die ihr chii^cbot'encn Mittel anders vertvendet als der Arzt glaubt.
Wenn zwei Mittel einige ähnliche Symptome in einem Organe
beryorrufen, so beweist diess nöch nicht, dass sie ganz ähnliche
Wirkungen liervorbringen, sondern dass sie’ auf dasselbe Organ
wirken, wobei ihre qualitativen Wirkungen ganz Verschieden seyn
können. Syphilis und Mercurialkrankheit können wesentlich ver-
Wirklingsart der Arzneistoffe.
57
schieden
in h^T gleichen, dass gewisse Organe
lind * 1^*^ eiten ierslört sind. So zerstören Mineralsäuren
Tvird <lie organisöhen Tlieile gleich stark, und Niemand
, ®'^i'<‘üpten, dass sie Similia seyen. So kann also Mercur
Port ü®**'**^!® UimVändluhg der organischen Materie sie für die
der der syphilitischen Zerstörung unfähig machen, worauf
hin ",^*'‘’'i>ehe Lehensprocess (nicht der Mercur) die weitere Hei-
“"S bewirkt.
I . die Reize die Organe in Thätigkeit setzen, und jede ohne
Zeitige Vennehrnlng der organischen Kraft vermehrte Thä-
^gköit die Kraft für eine Zeit unwirksam macht, und gleichsam
*^suinirt, so consumiren auch die Reize und bewirken insofern.
1 sie nicht integriren, wie die allgemeinen Lehensreize, je-
csrnal einen Nachlass der hervorgerufenen Thätigkeit, auch wenn
^ortfahren einzuwirken. Hierdurch entsteht das Periodische
^ ancher Lehcnscrscheinun^n. Ein contractiles Organ, welches
naechanisch oder chemisch i’eizende Materie enthält, zieht
fnsammen. Durch diesen Act wird der contractile Theil
*“'gj sich in dem nächsten Momente gleich stark zusammenzu-
*Cien. aber die Erregbarkeit entsteht allmählig wieder, und der
”^Wauemde Reiz wird wieder wirksam. So können sich die
Csainmenziehungen von Zeit zu Zeit wiederholen. Wir ‘Sehen
^cses Schwanken in den Ondulationen der Iris hei gleichblei-
®edem Lichteinflusse , in den ■ periodischen Zusammenziehun«-
gcn des Mastdarmes, der Gedärme, des Magens, des Herzens, des
J;Jtcrus, der HarnhlaSe, -der Muskeln, welche die Contenta der
^^'»rnröhre lici dem Goitns äustreiben. Der Reiz zur Zusammen-
*'ehung ist hier oft äusserlich, 'ein Contentura, wie der Harnj die
■■^cremente u. s. w; Er scheint aber auch oft innerlich z. B.
urch die Nerven ztiznströmen, während die Contraction doch
w'''odisch ist, wici z. B. beim Herzen. Denn wenn auch das
durch seine Zusammenziehung al)wech8elnd Blut austreibt,
zugleich von der andern Seite Blut ei^fangen muss, und
^*eser Reiz des Blütes das' Herz zu periodischen Contracliouen
^/anlassen muss,' sh ist doch das Contentum des Herzens nicht
Hp und erste Ursache der rhytlimischen Contraction des
la ’ denn das Herz zieht sich auch ausgeschnitten noch
besonders bei Amphibien, im blutleeren Zustande rhylh-
l ''hsarnmeh , und es scheint nicht', dass bloss die Luft hier
bun« ersetze, ‘sondern dass ein innerer, von der Wechselwir-
der *’ Muskelfasern und der Nerven bedingter E.eiz stattfmde,
rucicJ'.®*'*odisch wirkt oder auf den das Organ nur periodisch
kann. ' ;
ganc a] welche zu häufig fortgesetzt werden, stumpfen die Gr-
aus iV machen sie für lange unfähig für diese Reize. Hier-
Wöhnun ^!'' '^’*'eil der Erscheinungen erklärlich, welche die Ge-
an welcf ^inen Gegevistand darhietet, obgleich viele Dinge,
Ken sich gewöhnt, nicht. bloss Anfangs Reizerschemun-
Aenden auch qualitative dauernde Veränderungen durch
das Un ”^i Zusammensetzung bewirken, woraus allem schon
'^‘i'bsainwerden dieser Reize erklärlich ist.
58
Prolegomena. 3. Thier - Organismus,
. Da' die grosse Menge auf den Organismus einwirkender Agen-
tien und Stoffe je nach ihrer Natur und Zusammensetzung die
Zusammensetzung der organischen Theile auf die mannichfaltig-
ste und im Einzelnen nicht zu hestirnmende Art ah'andern können»
so ist es nicht möglich, die Arzneimittel nach der Art ihrer Wir-
kungen unter allgemeine passende Gesichtspunkte zu bringen; diess
ist die schadhaffo Seite der Mrdicin. Die besten Schriftsteller
über diese Materie haben noch viel zu viel mit nicht existiren-
den und bloss gedachten Factoren und Polaritäten, unfruchtbaren
Formeln in unserer Wissenschaft zu thun. Doch kann es in*
Allgemeinen nur vorzüglich drei Arten dieser Einwirkung geben-
1) Reizmiiiel. Die wahren und wichtigsten Reizmittel sind
die Lebensbedingungen .selbst , die Lebensreize, durch deren be-
ständige Einwirkang auf die von der organischen Krallt beseel-
ten Thclle das Leben allein sich äussert, und die organische
Kraft sich vermehrt, ein gewisser Grad Wärme, atmosphärische
Luft, Wasser, Nahrungsstolfp, die schon organisirt waren, von
Pflanzen oder Thleren. Diese Einflüsse verändern nicht bloss
die Zusammensetzung der organischen Theile, und reizen nicht
blösä durch Veränderung des Gleichgewichtes, sondern gehen auf
eine für das Leben unentbebrliche Weise integrirend in die Zu-
sammensetzung der Organe ein. Nach einer Krankheit sind diese
beständigen Einflüsse, welche, indem, sie reizen, keine Erschöpfung
zulassen, auch die wahren und allem hinreichenden Mittel zur
Erholung der Kräfte. Ausser diesen Einflüssen giebt es noch
viele andere, welche nach dem vorher aiifgcstellten Begriffe von
Reiz auch Reactionen hervorbringen, aber nicht unbedingt und
überhaupt nicht alle integriren, sondern welche grosscntheils, aus-
ser dass sie Symptome, Erscheinungen hervorbringen, gar keinen
belebenden Einfluss auf die organischeu Körper, vielmehr im
Maasse der materiellen Veränderung, die sie bedingen, sogar sehr
nachtheilige Folgen haben. Die Verwechselung aller Einflüsse»
nach welchen nur das Gleichge^v;■icht in dem Organismus sich
herstellt., und welche dadui’ch Erschei.nungep bewirken, mit . sol-
chen Einflüssen, welche zur Ei’haltung des Lebens unbedingt nÖ-
thig. sind und integriren, hat in der Medicin unendlichen Nacb-
theil gehabt und vielen Menschen djis Leben gekostet, indem
niän' hierdurch zu dem, ' falschen Begriffe gelangt ist, dass, weil
gewisse Reize das Leben gleich dier Flamme aufacfien, Reizei'
überhaupt zum Leben nothwendig sey. Enter der Menge de'"
Einflüsse ausser den allgemeinen Lebensreizen giebt es nun wie'
der solche, w'elche bedingt unter gewissen Umständen auch ci'
nen den allgemeinen Lebensi’cizen ähnlichen localen, belebend.ef
-und stärkenden Einfluss haben, indem sie .nämlich durch ihre"
-ponderabel und imponderubel materiellen. Einfluss die ZusamracO'
-sofeung eines Organes integriren oder, so verändern, dass J'**
.Wiedererzeug-ung aus den nllgeincinen, Lehensreizen Igichter wird
-Alfes dieses ist aber durch den Zustand des kranken Organes hC'
dingt, und die Fäfle, in welclien soiebo im Rufe der Belehun?
und Stäx'kung stehende Arzneien diess, wirklich thun , sind ung®'
mein selten. Dagegen schon Mancher mit einem Quark
VVirkungsart der Arzneistoffe,
59
'"’olil unter den vorhandenen Umstanden oder überhaupt
Tod aher nur einen Aufruhr erregen, nicht stärken, zu
geh(f worden ist. Die zu den bedingt belebenden Stoffen
Vor Arzneien wirken durch ihre Züsammensetzung auch
^^'gsweise auf Organe von verschiedener organischer Zusam-
j] ®“®®t*ung belebend ein, und bilden natürliche Gruppen je nach
''“‘'^igswelsen Wirkung auf das Nervensystem oder auf die
jy/S“ne, welche der Umwandlung des Blutes bestimmt sind, u.s.w.
chrere Einflüsse dieser Ai't sind imponderahle Materien, wie
Electricität. Die Electricität hat man mit Erfolg in Läh-
^ungen angewandt. Die Wärme, derjenige Einfluss, der hei
Entwickelung des Embryo sclion nothwendig ist, hat aher
öueh noch einen eminenten Einfluss auf Belebung, wenn andere
dtel fruchtlos sind, z. B. in den Krankheiten der Nerven und
Rückenmarkes, Lähmungen, Neuralgia dorsalis, und anfan-
h^nder Tabes dorsalis, wenn die Application der Wärme z. B. in
®rin vou Moxen geschieht und oft wiederholt wird (auch wohl
neue Moxa auf das wuchernde Fleisch der alten Stelle),
^'johei freilich das Setzen nur einer Moxa Spielerei ist. Einen
Hachhaltigern Eindruck belebender Wärme, besser als Moxa
tind Glüheisen, bewirkt das anhaltende schmerzhafte Erhitzen
^‘Qes kranken Theiles durch eine nahe gehaltene brennende
Kerze, wobei man die wohlthätige Wirkung einer schmerzhaften
‘hitzung ohne Bi’andbildung und spätere Eiterung hat, die hier-
oft von keinem Nutzen ist, und wobei man zugleich die Wir-
lange unterhalten kann, während sie . hei der Moxa und dem
Elülieisen kurz und vorübergehend ist. Wie die Wärme in die-
sen Fällen wirkt, ist unklar; die Moxen wirken in Krankheiten
ües Rückenmarkes nur in der Nähe dieses Organes seihst,' wäU-
“^end doch allenthalben Schmerz erregt werden kann.
. Uer mechanische Einfluss ist in den Frictionen bedingt he-
ehender Reiz, wahrscheinlich, indem dadurch gelinde cheinischc
''^Wandlungen in der Zusammensetzung der Theile bewirkt wer-
^^''5 wodurch die Aflinität der Theile zu den allgemeinen Le-
ensreizen, die im Organismus selbst sind, zunimmt.
. A.uf der andern Seite können alle Mittel dieser Art, sowohl
Arzneien als die höheren Wärmegrade, wie in der Verhrenuimg,
■ Electricität, der mechanische Einfluss, als Druek, Quetschung,
“ ■ ■ ’ ä das Gegenfheil der
- , I^aterie so
•p höhen Grade ihrer Einwirkung gerade
s hervorhringen,. indem sie dann die 1
nicl dass die zum Lehen nöthigen Zusammensetzu^n
flü : xverden; deswegen sind die hier berührten Ein-
hclehen unter
organischen
ge'vv^'^ ^Pecielle, bedingt belebende Emflüsse, , Sie bei
Mate**^" Umständen, indem ihre Wirkung in. der c ^ i'
Dahe^*'^i die natürliche Zusammensetzung der Theile befördert,
ührin^ *'**in man sie homögene Reize nennen, wenn man alle
den ^7"* Reize, welche die natürliche Zusammensetzung und so
der Kräfte nur stören, heterogene Reize nennen
für d ''“n keinem belebenden, sondern nachtheiligem Einfluss
gene fi sind. Man bedenke aher nur, dass jedes horao-
®*zmittel durch. Anwendung unter unpassenden Umständen
60
Prolegomena. 3. Tfu er - Organismus.
zum 'heterogenen Reizmittel ivird, d. h. zu einem solchen, wel-
ches hloss den Zustand der Kräfte und die natürliche Zusam-
mensetzung stört. Nach diesen Erklärungen zerfallen die reizen-
den Eiilflüsse also 1. in allgemeine Lebensreize, 2. specielle Reize,
a.' homogene, h. heterogene. Ich erwähnte schon, dass nach Du-
TRoenET die wahren Erregungsmittel so wirken sollen, dass sie
die Bindung des Sauerstolles mit der organischen Materie heför-
dern und hesehleunigen. Vielleicht beruht die reizende chemi-
sche und dynamische Wirkung mancher Reizmittel wenigstens
darauf, dass sie die Affinität zwischen dem durch das Athraen zum
Reizmittel gewordenen Blute und der organischen Substanz beför-
dern, und die materiellen Umwandlungen in der organischen Ma-
terie durch dieses Prtneip im Blute verstärken und beschleunigen.
In Fällen, wo die Lebenskraft schnell abnim.mt, verlässt uns
übrigens der ganze Apparat unserer reizenden Arzneien, wovon ein
grosser Tlifeil ohnehin nur einen Aufruhr macht, ohne zu stärken.
2. Alf erantim-. Eine grosse Menge von Stoffen werden in der
Arzneikunde darum von grosser Wichtigkeit, weil sie eine solche
chemische Urtiwandhing in der organischen Materie erzeugen, wo-
durch die Materie' nicht etwa unmillelhur integrirt wird und an
Kraft gewinnt, sondern ein in der Zusammensetzung der Materie
Lefmdliölics' materielles Hindemiss zn gesunden Actionen oder ein
Reiz zu' kranken Action'en entfernt wird, oder die Organe so che-
misch yerändert 'werden , dass' sie von einem krankhaften Reiz
nicht mehr afficirt werden; oder w'eil die Materie so verändert
wird, dass gewisse zu fürchtende materielle Veränderungen und
ZErsht/üngen nieht mehr möglich w'crden (wie hei dem entzün-
'd,üngswidrigeTi Verfahren); oder endlich weil sie die BeschalFen-
heit der Nahrungssäfte venindern. ' Eine' grosse Menge wichtiger
M|ttel gehören unter ' die Alterantien. Der Arzt kann damit keine
krankhaft zusammen'gfesÖlzten Organe chemisch zu gesunden ma-
ibnCn', sdndern nur durch eine gelinde chemische Umwandlung
dW Antrieb gehen) dass die Natur selbst durch die unerschöpfte
Quelle der beständigen Wiedererzeugung die natürliche Zusam-
mensetzung wi'cd'erhcrstellt. Diese Mittel bieten wieder den Haupt-
untcrschied dar, ob sie in diesCr Art mehr auf das Nervensystem
'od'er' auf die übrigen vom Nervensystem abhängigen Organe wir-
ken. In der ersten Hinsicht Sind die wuchtigsten Alterantien die
sögCnäAnten'NarCotica, in letzterer die grosse Menge jener Arznei-
mittel, die auf die' Veränderungen der Materie in den übrigen
'Orgafrten ' Wdrkcn. Auch diese Mittel werden mittelbar, indem sie
“die Hindernisse zur Heilung entfernen, zu belebenden Reizen, so
wie ihre Anwendung seihst auch durch Veränderungen des Gleich-
gewichtes Reizungssymptome bewirken kann. Werden diese Mit-
tel 'unangemessen angewandt, sö wirken sie entweder als hetero-
gepd Reize' nachtheilig oder indem sie schnell zersetzen, mit der
Zei'setzung die' örganische Kraft aufheben, wie die Narcotica, Da
tititi aber alterireiide Mittel ganz verschieden nach ihrer Zusam-
riieiifeetzung in die Zusammensetzung der Organe eingrelfen, so
kghti ein ' Stoff seine Wirkung durch Sättigung vei^ieren und
'keihe Veränderungen mehr hervorbringen, während sie ein an-
Wirkungsart der Arzneistoffe.
61
hervoriringt. Eine grosse Menge der Fälle, welche
^ XLrsr‘l'»öiv»Ti*\»vciM »loT» Ä r»rfiai¥7KTi«tir»rr orfiTlrtPPTi. SlTlfl llIpllPT«
ZU
Erscheinungen der Angewöhnung gehören, sind hieher
^’irh die Anwendung der Ai’zneien zeigt unzählige-
uii davon. Die Organe hahen durch ein che-
.soM ^ Zusammensetzung veränderndes, alterirendes Mittel eine
Veränderung erlitten, dass dieser Stoff nicht mehr dieselbe
r Seite des Organismus gegen sich vorfindet, wäh-
hl” IV anderer Stoff noch hahen kann. Auch impondera-
® Materien wirken auf diese Art alterirend: das Auge wird für
grüne Farbe, die cs lange ansieht, immer unempfindlicher,
. Orüne wird immer schmutziger und grauer. Zu dieser Zeit
j aber die Empfindlichkeit des Auges für Roth ani grössten,
^^gegen langes Ansehen von Roth für Grün empfänglich macht.
^’dndert langes Betrachten eines gelben Feldes die Empfind-
'chkeit für Gelb, und steigert die für Violett und umgekehrt;
anges Ansehen von Blau steigert die für Orange, und umgekehrt,
fahrend die lange fixirte Farbe selbst immer schmutziger ge-
sehen wird.'
III. Zersetzende Mittel. Hieher sind diejenigen Einflüsse za
echnen, welche, ohne erst zu reizen oder eine unschädliche Al-
eration zu bewirken, sogleich die organisirten Theile zersetzen,
s gehören hieher theils Einflüsse, welehe im gelinden Grade
Einwirkung reizend, aber durch stärkere Einwirkung den
Island der Kräfte zu wesentlich stören, wie Wärme, Electrici-
at u. s. w. , theils Alterantia, die im höhern Grade von Einwir-
^’^ag die Zusammensetzung heftig verändern, indem sie mit einer
Gewalt der Wirkung, Coinbinationen mit organischen Stoffen
Erzeugen, weleher die organische Kraft das Gleichgewicht nicht
halten vermag, wie die Alterantia narcotica auf diese Art zu
^ersetzenden Stoffen werden, und die Alterantia, welche in die
üdung und Umwandlung der organischen Säfte eingreifen, z. B.
^timonialia, Mercurialia, Mineralsäurcu, Alcalien bei dem heflig-
ea Grade ihrer Einwirkung im concentrirten Zustande eben so
^ersetzend werden. Die Reize können auf doppelte Art desor-
Sanisiren. Erstens können sie nur in einem gewissen Grade
; bei höherem Grade der Einwirkung, statt selbst za
^^®8*'Een, oder die Integration durch Erregung neuer Affinitäten
hefördern, sogleich die Zusammensetzung wesentlich verändern.
*Un geht dem örtlichen oder allgemeinen Tode gar keine Rei-
^ie^l ®^®Er voraus, sondern die Zersetzung erfolgt unmittelbar,
sic]j .‘lenr Tode durch Electricität, Blitz u. s. w. Oder ein an
in sagten Weise integrirender Reiz setzt ein Organ zu lange
Sewisspt‘*=''L‘^‘‘> so dass nach den Gesetzen der Erregung in einer
Zeit mehr Kraft unwirksam wird, als in eben so viel
Heber • ® '"'leder wirksam werden kann. Dieses nennt man
hei jg Ein Organ wird dabei fortdauernd schwächer, wie
künde ^ ^alierreizung des Auges durch das Licht. Die Arznei-
Wenn von zersetzender Wirkung der Stoffe nur Gebrauch,
ku
T
Johs jj.
^‘rklich zerstören will.
• • •^awN, als er in den Elementa medicinae durch Entdek-
ö Einiger Gesetze der Reizbarkeit den ersten Schimmer eines
62
Prolfgomena. 3. Thier - Organismus .
wissenscliaftliclien Systems der Medicin in einer nocli rolien, für
die Anwendung gefälirliclien Gestalt gab, kannte so wenig als
seine Nachfolger in der Erregungstbeorie die durch die Alteran-
tien verursachte Wirkung. Nach der BROWK’schcn Theorie gieht
es keine Veränderung der erregbaren Kräfte ohne vorausgegan-
gene Erregung, und die Erregbarkeit sollte mit dem Leben nur
durch Ueberreizung erschöpft werden können. Die Brownianer
mussten behaupten, überall, wo eine Einwirkung erschöpft, ging
eine absolute Ueberreizung voraus. Sie führten als Be-weise' für
diese Behauptung an, dass gewisse Stoffe, die in geringem Maasse
angewandt einigermaassen reizen , ln grösserem Maasse eine ganz
andere Wirkung, und ira grössten Maasse Erschöpfung hervor-
bringen, w'ie z. B. Opium. Im letztem Falle, sagten sie, ist die
Zelt der Reizung ausserordentlich klein und unmerklich. So er-
klärten sie auch die Wirkungen aller schnell schwächenden Ein-
flüsse. Allein es gieht viele Stoffe, welche in kleinen Gaben schon
schwächer diese zersetzenden W'irkungen hervorbringen, Avie ir-
respirable Gasarten, das Viperngift u. s. av. Die Contrastimulisten
Rasoäi, Bobda, Breba, Tommasusi haben diesen Fehlgriff von
Brown und seinen Nachfolgern aufgegriffen, und die Stoffe, wel-
che statt zu reizen, gleichsam das Gegentheil davon thun, näm-
lich die Fähigkeit gereizt zu Averden vermindern, Conirasihnulan-
tien genannt, so dass sie ihre Arzneien in Siimulaniien und Con-
irasiimulantien eingetheilt haben; allein obgleich sie einen grossen
Missgriff von Brown eingesehen, so haben sie doch die'alteri-
rende Wirkung so vieler Arzneimittel, die oben festgestellt wor-
den ist, nicht erkannt.
Die Unterscheidungen von Brown ])eruhen auf einer ganz
einseitigen AnAvendung einiger AA'ohlgegründeten Facta von der
Reizbarkeit, und auf einer Vermengung der integrirenden Le-
bensbedingungen oder der Lebensreize, Wasser, atmosphärischer
Luft, Nahrungsstoff, bestimmter Wärmegrade mit denjenigen Stof-
fen, welche nur die Reaction der organischen Kräfte und die
gesunde Zusammensetzung A’erändern, und insofern reizen, ohne
zu integriren. Ein narkotisches Mittel, d. Ii. ein AÜerans der
Nerven, kann von Anfang bis zuletzt Symptome hervorbringen;
indem es die Zusammensetzung verändert, insofern wirkt es auf
jene Grundeigenschaft der organischen Körper von aussen, nach
inneren Gesetzen bestimmt, oder Avenn man will, gereizt zu wer-
den; aber dieser Reiz ist kein Reizmittel im tberapeutiseben
Sinne, wo man darunter einen die Organe belebenden und ihre
Zusammensetzung integrirenden Reiz versteht.
John Brown h.at die Krankheiten in sthenlsche und astheni-
sche eingetheilt. In den ersteren sollte die Lebenskraft vermehrt,
in den letzteren vermindert seyn. Indessen ist die Krankheit,
Avorin die Lebenskraft vermehrt ist, ein Widerspruch, und es
gieht nur unendlich viele locale oder allgemeine Fehler in der
Zusammensetzung der organisirten Tbeile, wobei die allgemeinen
Kräfte bald gleich von Anfang darniederliegen, oder im Anfänge
vorhanden, später abnehmen ; daher ist die naturhistorische Ein-
theilung der Krankheiten nach den aflicirten .Organsystemen und
Verschiedenheit der Krankheiten.
63
Mm Rrantheltslnldern die zweckmässigste.
inelirt'^ 'nireicr gern die Entzündung als eine Krankheit mit \er-
l>eit angesehen; die Entzündung ist eine Rrank-
tlig ’jVj'^^'tei gewisse Erscheinungen verstärkt sind, wie die Wärme;
•lere F Se in den kleinsten Gefässen ist grösser; an-
Q ■'^^scheinungen verändert sie, wälirend die Function eines
darniederlicgt und die Empfindungen eine heftige Vcr-
che'"'”' Durcli eine Entzündungsursache entsteht eine
tvir'^l*'-^'® Veränderung ln der Zusammensetzung eines Organes,
H'^1 siß ewf diese Art durch chemische AgCntien hervor.
kann eine chemische Affinität, eine Anziehung zwischen
?'■ vimt der chemisch veränderten Suhstanz eines Organes
^ ® eilen. Diese Affinität kann grösser als im gesunden Zustande
V*' dem helehten Theile und dem Blute seyn. Ob nun
diese verstärkte Affinität zwischen Suhstanz und Blut in der
^ntfundung Jiloss eine Verstärkung der natürliclien organischen
■wi\t' ist, wie sie sich in gewissen gesunden Phänomenen
^ *"hch verstärkt, wie in allen Phänomenen der Turgescenz,
oh diese Affinität wirklich verschieden ist von der lehendi-
o n Anziehung, und mehr eine neu entstandene chemische Affi-
V 'd Zwischen der zersetzten Suhstanz und dem Blute ist, ist
»iclit
ißit Sicherheit auszumachen. Wenn aber auch diese ver-
st'^ Affinität zwischen Blut und Substanz wirklich eine Ver-
•'ekung der heständigen Wechselwirkung zwischen Blut und Suh-
wäre, so ist die Entzündung doch noch keine Krankheit
'j'it vermehrter Lebenskraft, denn die Erscheinungen der Entzün-
^ung entstehen eben sowohl von den vorhandenen Streben zur
^crselzung, verursacht durch chemische Veränderung, als von
‘ Ifcaction der organischen Theile gegen diese Zersetzung.
^ Die innige Wechselw irkung aller Theile des Organismus, hc-
nders durch Vermittelung des Nervensystems, bewirkt in dem
"ereschen Köi-per eine Art Statik der Kräfte, wo eines alle übri-
sa”l auch eine auf einen Thell wirkende Rrankheitsnr-
'ndem sie Veränderungen pondcrahler und impondcrahler
erien bewirkt, wirkt durch eine Kette von Veränderungen oft
rad ®‘^^*®rnte Theile, welche für diesen Krankheitseinfluss ge-
■'on'^ s”' empfänglichsten sind. Nicht allein, dass die Entziehung
i^ui-1 en einem Orte die Anhäufung von ähnlichen oder
Stoffen an einem andern Ort verhindert, w'orauf die
he ' der Ausleerungen in anderen Orten als dem leidenden
T)|o 'V'ov'mnltvkftn rr /lor» 1 1 rrlf ^ in ^»inPlYl
Or
'■gan
Die Vermehrung der organischen Thäligkeit in einem
orgi,,,- viele andei'e Theile; so steht die Vermehrung der
der W' Thätigkeit in den Genitalien im Zusammenhang mit
Veränd"^*^^^^*^*®^'«^*”?! des Geweihes hei den Hirschen, mit der
welche vieler Organe bei dem Menschen, Verändcningcn,
rende p die Castration aufheht. Auch die integri-
’iamentf eines Theiles wirkt belebend auf das Ganze zurück,
durch d' ^ der Haut auf die Centralorgane des Nervensystems
dei-e H Nerven, wie man denn mit Erfolg Frictionen und an-
autreize zur Wiederbelebung anwendet.
64
Prolegomcna, 4. Physicalische Erscheinungen.
IV. Ueber die den unorganischen und organi-
schen Körpern gemeinsamen Wirkungen.
Die organisclien Körper Iheilcn die allgemeinen Eigenschaften
der ponderabeln Materie. Die Meclianik, Statik, Hydraulik finden
aueh hier ihre Anwendung, Mehrere Eigenschaften, welehe or-
ganische, Materien mit unorganischen gemein haben können, -wie
Cohärenz, Elasticitiit, u. s. w. entstehen aber nur unter dem lort-
•wahrenden Wirken der organischen Kraft zur Erzeugung einer ge-
wissen Mischung, wie die elastische Arterienhaut ilii-e Elast icitat
einige Zeit nach dem Tode verliert. Dann ist die Anwendung der
Mechanik, Statik, Hydraulik auf die organische Physik deswegen
beschrankt, weil die organischen Ursachen der Bewegung hier
am meisten interessiren. Auch die imponderahlen Materien, Ele-
ctricitat, Wärme, Licht, kommen in den organischen Körpern zur
Erscheinung. Mit diesen Wirkungen werden wir uns jetzt be-
sonders beschäftigen.
I. Entwickelung; von Electri cita t,
Frictlonselectricität kann bekanntlich vorzüglich an vielen
Körpern organischen Ursprungs entwickelt werden; die galvani-
sche oderBerührungs-Electricität entsteht nicht bloss durch Con-
tact von heterogenen Metallen; viele andere Materien (besonders
Kohle, auch Graphit) können nach den Untersuchungen von A.
V. Humboldt und Pfaff die elcctromotorlschen Metalle ersetzen,
und selbst verschiedene thierischc Theile wirken in leitender Ver-
bindung in schwächerm Grade ähnlich verschiedenen Metallen.
Es würde daher eine ganz falsche Vorstellung seyn, wenn man In
den Eigenschaften der verschiedenen Metalle allein die Ursachen
der galvanischen Electricität suchen wollte. Seebi-ck. hat entdeckt,
dass sogar homogene Metallstangen von verschiedener Temperatur
an einander gelegt, galvanisch werden, dass eine einfache Mctall-
stange an beiden Enden verschieden erwärmt, galvanische Electri-
cität erzeugt; so dass Heterogeneilät der Theile heim Contacte
durch Spannung der in allen Körpern vorhandenen electrischen
Materie,, in -f- E und — E , oder Veränderung des Gleichgewich-
tes in der electrischen Materie und leitende "Verbindung die all-
gemeinsten Bedingungen zur Erzeugung des Galvanismus zu seyn
scheinen. Unter diesen Umständen werden auch galvanische Er-
scheinungen an thierischen Theilen beobachtet. A. v. Humboldt
entdeckte, was ich öfter bestätigt gefunden habe, dass schwache
Zuckungen in einem Froschschenkel erfolgen, wenn man die Ner-
ven und Muskel mit einem frischen Stück Muskelflcisch zugleich
berührt. Diese Erscheinung gehört zwar zu den seltneren der
galvanischen Versuche, ich kann jedoch ihre Bichtigkeit bestätigen-
Buwtzen baute sogar eine schwache galvanische Säule yon abwech-
selnden Lagen von Muskellleisch und Nerven, Nach PaEvosx und
Dumas wirkt schon eine Kette von homogenem Metall, frischem
Electridtät. Electrische Fische.
65
Wenn Salzwasser oder Blut auf das Galvanometer.
^*‘'tina T**** Conductoren dös Galvanometers Platten von
nljigf, und an die eine ein Stück Muskelfleisch von ei-
losinirr bringt und die Conduetoren in Blut oder eine Salz-
strii entsteht eine Deviation der Magnetnadel des In-
saur Ehen so wenn man an einen Conductor ein mit salz-
an ‘^"timon oder Salpetersäure heleuchletes Stück Platina,
'“■idern Conductor ein Fragment von Nerve, Muskel oder
1 hj’ingt.und l)eide herührt. Magkndie Journal de Physiol.
sich" (SciiwEtoG. Journ. 56. 1.) hat ferner gezeigt, dass
all trockne Säulen auch aus organischen Körpern ohne
• * *‘*'"'irkung metallischer Körper errichten lassen. Conecn-
ni ^ Eosungen von organischen Körpern wurden aul dünnes Pa-
^“^getragen und a\is Scheihen dieses Papiers Säulen aufge-
d'ick ’ *^'‘*** rmglelcharlige Schichten durch zwei Papler-
gj ®** getrennt waren, die Eleclricität dieser Säulen ward an
Bohnenhergcrschen Electrometer geprüft. So zeigten sich.
positiv
Natron
gegen
negativ
Hammeltalg.
Hefen
Rohrzucker.
Hefen
—
Kochsalz.
Hefen
—
MilcFizucker.
Leinöl
Zucker.
Leinöl
— .
weisses Wachs.
Stärkemehl
— •
Gummi.
Gummi
—
Salcp.
Gummi
—
Traganthschleim.
Gummi
— .
Bärlappsamen.
Eiweiss
—
Gummi.
Eiweiss
—
Ochsenhlut.
Ochsenhlut
—
Belladonnenextract.
Ochsenhiut
—
Stärkemehl.
Die electrlschen Fische sind nach diesen Prämissen weniger
imd't • *’ “^gleich ihre Enlladungskraft nur während des Lehens
el , . * '"■?eslortcm Ncrveneinniiss statt findet. Die bekanntesten
ln Fische sind der Zitterrochen, Torpedo, wovon T. mar-
ocellata in den südlichen euro])äischen Meeren
Sen der Zitteraal, Gymnotus electricus, in mehreren Fl üs-
rii.. ^“'^'amerika, der Zitterwels, Silurus clcctricus seu Malante-
eleclric - "
^hln
i'icus, im Nil und im Senegal. Weniger bekannt sind
Zur ^'atiis electricus, Trichiurus electricus undTetrodon electricus.
pAntj '^"'ilniss der electrlschen Fische haben am meisten Walsu,
sehen Gay-Ltjssac und v. FIumboldt heigetragen. Die electri-
und der?”.*'® der Zitterrochen liegen zu beiden Seiten des Kopfes
ßseitirtg*^ und bestehen aus neben einander stehenden 5 —
Stellen ''•^'’äsmen , welche die ganze Dicke des Fisches an jenen
fassen „**“”®Emen. Jedes Prisma bildet eine mit Nerven und Gc-
grosse Röhre mit dünnhäutigen Wänden, in der eine
teter Qu (150) überaus dünner, parallel auf einander geschich-
gen mit einer zwischen alleu verbreiteten gallertartK
M- n ***S*^®it liegen. Zu diesen Organen gehen jederseits drei
Physiologie. 5
Prolcgomena. <1. Physicallsche Erschelrwiigen.
m
starke Nerven, vom N. vagiis, welclie verlier Zweige den Riemen
abgelien. Audi ein Ast vom N. qnintns verbreitet sieb in den
vordem Tbeil des Organes. ffuivTER Pliilos. transact. 1773. j). 'l-
lab. ‘IQ. Die Organe des Zitteraals und Zittcrwelses liegen nach
E.udoi.i’hi’s genauen Untersucbiingen zu beiden Seiten vom Kopl
bis zum Sebwanz und sind jcderscits doppelt, ein oberfläcblicbes
und tieferes; lieide sind durch eine Scheidewand, bei Gymnolus
seitlicJi nncli von Muskeln gclrcnnt. Bei Gymnofiis ele.rlricus be-
stehen die Organe aus liorizontalen , in der Lange des Fisches
ausgespannten Hiiiiten von -j Lin. Distanz, zwischen denen von
innen nach aussen gerichtete, senkrechte Scheidewände .sich lie-
fmden, in deren Zwischenräumen Flüssigkeit ist. Das kleinere tie-
fere Organ ist noch feiner getheilt. Die Nerven des Organes
sind 224 Intercostalnerven , die an der innern Seite des Orga: es
hinabgehen und sich in alle Lagen zertheilen, während feinere
Enden der Intercostalnerven unter dern kleinen Organ an die
Haut des Fisches gehen. Ein Nerve, der durch Zweige vom N.
quhtius und N. oagus zusammengesetzt wird, gelit oberflächlich,
ohne sich in dem Organe zu vertheilen, in die Riickenmttskcln.
EuDoupni in den Abhandlungen der Academie von Berlin 1820 — •
1821. p. 22!). lab. I. II.
Bei dem Zitterwels giebt es, wie Rudolpui gezeigt hat, auch
jederseits zwei electrische Organe, die ich nach Rudolpui und
nach eigener Anschauung dieser Theile beschreibe. Beide sind
durch eine aponeurotische Haut getrennt, das äussere liegt ober-
flächlich unter dem corium, das innere über der Muskelschicht,
die Nerven des äusseren kommen vom N. mgn.v ^ der unter der
aponeuro.ds inlirmedia licrgeht, aber diese mit seinen Zweigen
durchbohrt, um in das äussere Organ zu gehen; die Nerven des
innern Organes kommen von den Intercostalnerven und sind äiis-
serst fein. Das äussere Organ besteht ans sehr kleinen rauten-
förniigen Zellen, die man mit der Lonpe betrachten muss, das
innere scheint auch aus Zellen zu besteh.;n. Rudolphi nennt die
Subslanz des innern Organes flockig. R.udolphi in Abhandlungen
der Arademie zu Berlin. 1824.
Die Wirkungen der eleclrischen Fische auf thierische Wesen
gleichen ganz den electriscben Entladungen. Die Erschütterung
des Zitterrochens reicht bei der Berührung mit der Hand bis
zum Oberarme, die Zitteraale vermögen dagegen selbst Pferde
zu bekämpfen und zu schvvächen, vvas A. v. HuMnoi.uT so schön
in seinen Anxiehten der Natur beschriehen hat. Es steht lest,
dass sowohl beim Zitterrochen als beim Zitteraal , welche bisher
allein in Hinsicht der Wirkungen näher untersucht sind, die Iso-
latoren der Electricifät die electrische Kraft der Organe aufhal-
ten, und die Conductoren, wie Metall, Wasser, sie leiten, dass
sich die Entladung durch eine Rette von Personen fortpflanzL
wenn die äussersten Glieder den Fisch berühren. Walch hat
sogar beim Zitteraal electrische Funken entlockt, indem er deo
Schlag durch einen auf eine Glasscheibe geklebten und in der
Mitte durchschnittenen Staniolstreifen leitete; er sah mitPRiNGLEj
Magellas und Ingeüuouss den Funken von der einen Hälfte des
Electricitüt, Elecirische Fische.
67
andern üLerspringcn. Jovrn. de phys. 1776. Oct. .3.31.
in dem ”*7^***^ diesen Versucli n7it gleichem Erfolge wiederholt,
handr Fisch sicli in der Luft ])efand. Vctensk. Arad, nya
1801. 2. p. 122. Allein nie ist weder früher, noch hei
ten Vei'suchen von IIümbot.dt und Bonpi.and am Zit-
Cci' ’ '^^UMBOLDT, Gav-Lussac Und Data' am Zitterrochen die
^ ‘agste Reaction auf das Electrornctcr heracrkl AvorJen. Die
Int'^n • Entladung ist überdiess ganz Avillkührlich und an die
g| der Nerven jener Organe geknüpft. Man kann den
lan^ * Fischen das Herz ausschneiden, und sie können noch
od austheilen, aber mit der Zerstörung des Gehirns
Eurchschneidung jener Nerven hört das Vermögen der Ent-
•u iinpr f,uf; ZersWung des electrischen Oi-ganes einer Seite
die Wirkung des andern nicht auf. Auch ist es von allen
^achtern anerkannt, dass die Entladung nicht hei jeder Be-
so erfolgt, sondern A'on der Willkühr des Fisches ahhangt,
‘ass man ihn oft erst reizen 7nuss, oder dass, wenn v. Hum-
jjj Und Bonplakd den Fisch an Kopf und Sclnvanz anfassten,
hr]*' sogleich der Schlag erfolgte und auch nicht immer
den Schlag erhielten. Hieraus scheint hervorzugehen, dass
electrischen Fische seihst die Richtung der Entladung he-
j, '®*^en können. Zuweilen sträubt .sich das Thier hei Quäle-
^eien , ohne Schläge zu erlheilen. Die Schläge scheint es seihst
^7'^.'^ empfinden. Beim Zitteraal hemeikt 7nan hei der Ei-
gar
®*^liültei'nng gar keine BcAveguiAg, beim Zitterrochen nur eine
Bewegung der Brustflossen; dagegen sind die electrischen
psche in Wunden für den künstlichen galvanischen Reiz voll-
Gmmen sensibel. Andei’seits erleiden Zitteraale, indem sie den
Gulag eines andern leiten, keine krampfhaften BcAvegungen, wie
Hiu7Boi.nT gesehen. '
Her clectrische Schlag wli’d fühlbar, wenn das Thier zu des-
sen Ertheilung geneigt ist, sey es nun , dass man mit einem ein-
*e nen Finger nur eine einzige Oberfläche der Organe berühre,
' p’ man mit beiden Händen seine beiden Oberflächen oben
jpd unten anfasse, ln beiden Fällen ist es gleichgültig, ob die
^ Grson, welche den Fisch berührt, isolirt sey oder nicht. A'. Hum-
aapu Punkten stimmen nun Zitterrochen und Zitter-
Bot in einigen weichen sie ab. Gaa-Lussac und v. Hum-
G'ne^A dai üi)cr sehr schöne Aufschlüsse gegeben. Wenn
so ^ Gson den Zitterrochen mit cine7n einzigen Finger berührt,
Wet^„ GÜe Entladung, die Person mag isolirt seyn oder nicht.
seyij sie aber isolirt ist, so muss die Berührung unmittelbar
Währ» berührt den Zitterrochen mit Metall ohne Erfolg,
rere R ^ Zitteraal seihe Stösse durch das Mittel eines meh-
clne langen Eisentahes erthcilt. Wird ein Zitterrochen auf
die Sei”* ‘*dnne iVIetallscheihe gelegt, so fühlt die Hand, welche
*Aveite niemals eine Erschütterung, wenn gleich eine
haften Person das Thier reizt, und obschon die krampf-
thun Brustflossen sehr starke Entladungen dar-
roche hingegen der auf der Metallscheibe liegende Zitter-
vrie vorher, von Jemand mit der einen Hand gehalten,
5 *
68
Prolegomena. 4. Physicalische Erscheinungen.
mit der andern Hand an der oLern Fläclie berülirt, so wird als-
dann eine kräftige Erschi'itterung in Leiden Armen verspürt. Die
Empfindung ist die nämliche, wofern der Fisch sich zwischen
zwei Mctallscheihen liefiiidet, deren Ränder sich einander nicht
herühren, und wenn alsdann Leide Hände gleichzeitig an diese
Scheilicn gelegt werden. Wenn aller die Ränder Leider Metall-
scheihen sich herühren, so hört iede Erschütterung auf, die Kette
zwischen beiden Oherflächcn des electrischen Organes wird als-
dann durch die Scheiben gebildet, und die neue Verbindung,
welche durch Rerührung beider Hände mit den Scheiben zu
Stande kommt, hieilit ohne Wirkung.
Ungeschwächtc elcctrische Fische wirken gleich stark unter
dem W'^asser und in der Luft. Bilden mehrere Personen die Kette
zwischen der ohern und untern Fläclie des F’isches, so wird die
Erschütterung nur dann fühlbar, wenn jene Personen sich die
Hände benetzt haben. Die Wirkung wird dagegen nicht unter-
brochen, wenn zwei Personen, die mit ihren rechten Händen
den Zitterrochen halten, statt sich mit der linken zu fassen, jede
ein metallenes Stäbchen in einem auf einem isolirten Körper be-
findlichen W'assertropfen einsenken. Zuletzt muss noch .Spallan-
ZANi’s Beobachtung angeführt werden, dass der Zitterrochen seine
erschütternde Kraft durch Abziehen der Haut verliert. Gav-
Lussac et Humboldt, arm. de chemie 65. 15. A. v. Humboldt’s
Reise in die Acfpunoclialgegenden des neuen Continents. -3. Theil.
p. 295 — 324. Treviramus Biol, 5. 144 — ISO.
John Davy hat gefunden, dass die electrischen Organe des
Zitterrochens in der That auf das Galvanometer wirken, und dass
die Oherflächcn des electrischen Organes ein electrisch verschie-
denes Verhalten haben. Poggendorf’s Annalen. 1834.
Die electrischen Erscheinungen der electrornotorischen Fische
sind durch besondere Apparate bewerkstelligt. Oh aber sonst im
Thierreich und heim Menschen durch die gew'öhnlichen organi-
schen Thäligkeiten sich Electricität entwickele, ist eine andere
Frage. Elcctrische Materie ist Im Zustande des Gleichgewichtes
von -f-E — E in allen Körpern und lässt sich durch Contact auch
in den lebenden Fröschen in -f-E und — E trennen, d. h. zur
Ei\scheinung bringen. Im Frühjahre vor der Begattung besitzen
die Frösche eine ausserordentliche Reizbarkeit für das galvanische
Fluidum und dann, aber auch nur dann erhält man folgende von
mir beobachtete Phänomene. Man nehme einen auf die gewöhn-
liche Weise präparirten Froschschenkel, lege ihn auf eine Glasplatte.
Wenn man in die eine Hand eine Zinkplatte nimmt und mit dieser
Platte den IVerven berührt, w’ährend ein Finger der andern Hand
den Froschschenkel berührt, so entsteht jedesmal eine starke Zuk-
kung; mit einer Kupferplatte geht es auch, aber schwächer. Legte
ich den Nerven des Schenkels auf eine Zinkplatte und verband Ner-
ven und Schenkelmuskeln durch ein Stück von einem Frosch, so
entstand jedesmal auch eine Zuckung. Diess geschah sogar, weno
die Zinkplatte, worauf der Nerve der Schenkelmnskeln lag, der
Oberfläche des Schenkels genähert wurde. Endlich bewirkte ich
an einem blossen Unterschenkel mit heraushängendem Stamm des
^^^ctrische Erscheinungen Leim Frosch und beim Menschen,
69
selbst Zuckung, wenn ich den Nerven mit einem
ven [j- StViljclien dem Unterschenkel n'alierle und mit dem Ner-
Oberhaut des Unterschenkels berührte. Auch er-
^iede ^***^ Zuckung, wenn ich den Nerven vom Unterschenkel
nial Dieser Versuch, der auch v. Humboldt schon ein-
st
kel n -t 1 8“^' Metall dazu nothwendig; der Untersehen-
fs'ch t'^ “'Merer Art gelang, ist äusserst merkwürdig, und der ein
® S'dvanische Versuch, den man an einem Frosche machen
kel 8“^' kein Metall dazu nothwendig; der Untersehen-
Gla keraushängeudem Schcnkelnervcn muss aber auf einer
auf*^ hegen. Man hebt den Nerven auf einem Federkiel sanft
Ne herührt mit dem Nerven nur den Unterschenkel, den
*urüekbeugend, so erfolgt zuweilen eine Zuckung. Com-
d j^t der von mir angestellte Versuch, dass man zwischen
kel*' V des praparirten Froschschenkels und dem Unterschen-
Fr 1 sehliesst durch zwei lebende Frösche oder zwei
hjcine; ja seihst Stücke von einem todten faulenden Fnjsche
kel ^‘^hlicssung der Kette hinreichend. Legt man den Schen-
Miit^T^r*^*'’ Unterschenkel heraush'angt, in ein Schälchen
lind 1 ■ ^ oder mit Wasser (gleichviel) und verbindet das W.asser
au I ^herschenkelmuskeln mit einem Rupferdraht, so entsteht
Ven' eine Zuckung, eben so gut, wie wenn man den Ner-
di" den Oberschenkel durch einen Kupferdraht oder
ich*^^ Stück frisches oder faules Muskelfleisch vei’hindet. Als
^en Zuckung gesehen hatte, wenn ich mit meinem, elgc-
de hie Kette zwischen dem auf einer Zinkplatte licgen-
n Aerven und dem Unterschenkel schloss, glaubte ich, dass die
ßctricität meines eigenen Körpers dieses Phänomen bewirke; da-
kam ich aber sogleich zurück, als ich sah, dass ein todter
ein Stück faides Musk^llleisch dasselbe that, und als ich
Ul 1 ^”P^evdraht und Wasser die Kette zwischen Acre, ischiadicus
En ]|^^'^' ®‘^kenkelmuskeln schliesscnd, schon eine Zuckung hew'lrkte.
^ *eh beweist der Versuch, wo ich (fast wie v. llirMuoLDT) durch
Ve^^^t* Umheugen des Nerven gegen den noch mit der Oberhaut
Von Unterschenkel Zuckung bewirkte, ohne Zwischenstück
Ph" oder Muskollleisch , dass zum einfachsten electrischen
an Fröschen und 1 heilen eines Frosches bloss gegen-
Berührung des anderseits organisch zusammenhängenden
*^1* ^**'d Muskels nöthig ist, unil dass das Phänomen durch
''erst^ '®*'8'icder von Metall, Muskelstücken (faul oder frisch)* nur
freie^Pi Entweder entsteht nun in den lebenden Körpern
durch den Lehensprocess , die nach ihrer Ver-
hei-VQ^S heim Contact gewisser Theile überströnal und Zuckungen
nität es entsteht bloss durch die chemische Heteroge-
hei derl ^®vvcn und Muskeln eine electrische Spannung, welche
und die r '^‘^uartigen Verbindung ins Gleichgewicht gesetzt wird
gelingeu
'Zuckung bewirkt. Alle die hescluiehenen Phänomene
Eeizbarl ßegattungszeit, entweder wegen giösserer
oder w'egen wirklich stärkerer Electricitätsanhäufung.
vor da* vorher angeführten ßcohachtungen geht nun her-
der Xhl** in den thierischen Körpern im Tode wie im Lehen
gleichwie in allen andern Körpern, hefindliohe electiä-
70
Frulegomena. 4. Physicalische Erscheinungen.
sclie Materie unter fjewissen Umständen in Spannung tritt oder i»
-f-E und — E zerlegt wird. Die Entladung entstellt am Frosch-
Schenkel sogleich hei der Schliessung der Rette zwischen den ver-
schieden geladenen Muskeln und Nerven. Der Froschschenkel ist
aber in diesem Fall seihst das feinste Electrometer, indeiu die in ihm
seihst entwickelte Elcctricilät auch die Zuckung desselhen bewirkt.
Oh die verschiedene clcctrischc Ladung von einerseits organisch
verbundenen, arderselts änsserlich getrennten Muskeln und Nerven
des Froschschenkels, eine Folge des Lebensprocesscs ist, oder bloss
eine hier wie überall durch die chemische IJeterogenität der Stoffe
bewirkte elcctrische Spannung der vorher ruhend vorhandenen
electrischcn Materie ist, und ob daher selbst ein todter Nerve und
Muskel noch sich in diese elcctrische Spannung versetzen , lässt
sich nicht ausmachen; denn der todte Froschschenkel zeigt wegen
des Verlustes der Zusammenziehungskraft der Muskeln nicht mehr
die elcctrische Spannung an, wenn sie auch in ihnen vorhanden
wäre. Es ist ülier eine den Lcbensprocess begleitende Electrici-
tätserregung viel Fabelhaftes vorgebracht worden. DleWnhrhiit
ist, dass eie^^trische Erscheinungen ohne Friction in thierischen
Körpern nur sehr schwach sich äussern, obgleich die mannigfal-
tigen Stoffiimwandlungen nicht ohne einige Electricitätsentwicke-
lung Vorgehen zu können scheinen. Das einzige, was n.an vom
Menschen hierüber Thatsächliches hat, sind die Untersuchungen
von Pfaif und Aurews, Meckee’s Archiv 3. 161. Die Versuche
w'urden mit einem Goldhlattelectrometer angestellt, nachdem die
Personen sich auf ein Isolatorium begeben. Die Collectorplalte
des auf das Electrometer aufgeschraubten Condensators wurde von
der Person berührt, die obere Platte desselben war mit dem Erd-
boden in leitender Verbindung. Die Resultate sind:
1. In der Regel ist die cigenthümliche Electricität des Men-
schen im gesunden Zustande positiv.
2. Selten übersteigt sie an Intensität die Electricität, wel-
che das mit dem Erdboden in leitender Verbindung stehende
Rupfer mit dem Zink hervorbringt.
3. Reizbare Menschen von sanguinischem Temperament ha-
ben mehr freie E. als träge von phlegmatischem Temperament.
4. Des Abends ist die Menge der Electricität grösser als zu
den anderen Tageszeiten.
5. Geistige Getränke vermehren die Menge der Electricität.
6. Die Weiher sind öfter als die Männer negativ electrisch,
doeh ohne bestimmte Regel. Gardimi hatte zur Zeit der Menstrua-
tion wie auch während der Schwangerschaft negative E. gefunden.
7. Im Winter sehr durchkältete Körper zeigen erst keine
Electricität, die aber allmählig mit der Erwärmung zum Vorschein
kommt.
8. Auch der ganz nackte Körper, so wie jeder Theil des
Körpers, zeigt dieselben Phänomene.
9. Während der Dauer rheumatischer Krankheiten scheint
die E. auf 0 zu sinken und so wie die Krankheit weicht, wieder
zum Vorschein zu kommen, v. Humboldt [über die gereizte Mus^
kel~ und Nervenfaser. I. d. 159) wollte gefunden haben, dass Rheu-
Hypothese von der thierischen Electrtcität. 71
für den schwaclien Strom der einfaclien gulvanisclien
^^^fe^isoUrend soyen.
cdiclilet.
IE Jourii. de Phy-
den I?* '“««clic'LeLonsactloncn durch Electricität erzeugt wer-
i'n u • licsonders die Nervenaction, und dass clectrische Sti’öme
f^icl Körper ciiculireii, davon hat man viel g
* “jrser Art ist erwiesen. Person (Mvgend
j?! ’ j • -^16.) so wenig als ich haben je mit dem emplindlichsten
‘^tronieter Strömuiigen in den Nerven wahrgenommen. Dar-
l^er Werde ich auslurirlicher hei den Nerven handeln. Potjillet
sto 1 'jei der Acupiinctur electrischc Strömungen an den eingc-
clienen Nhdeln zu erkennen , hat aber seihst seine Täuschung
erkannt. (Magendie J. de PL 5. p. 5.) Hatte er in einen gc-
, en oder kranken Theil eine Stahlnadel cingcstoclieu und eine
Nadel in den Mund genommen^ und Lraclitc er nun die
s ”'|“**'^foren des Galvanometers mit beiden Nadeln in Verlnndung,
^*^*^rrkte er mehrmals kurze Zeit nachlier Schwankungen der
5^ v’*'®*^)'‘'del des Instrumentes, was ich hei Wiederholung des Ver-
El *'*püt l'and. PouiLLET kam aber auf den Gedanken, dass die
ricitai^ von der Oxydation der eingestochenen Nadeln herrühre,
tio^ ein sehr cmplindliches Galvanometer sclion die Oxyda-
on vo,i ii-iit keine Spur von Schwan-
^**8 ein, als statt der Stahlnadeln Nadeln von Metall genommen
teil das sich nicht leicht oxydirt, Gold, Platin, Silber, ln
el ^'''■. kann auch die Schwankung der Nadel durch Thermo-
d^*^f|*^üat veranlasst sej'n, insofern das eine Ende der Nadeln
^^reh thierische Theile erwärmt war, weil nach Sekbeck.’s EuG
^ckung schon eine einfache Metallstangc durch verschiedene Er-
■'•'iniing au beiden Enden galvanisch wird. Neulich hat Dosni
Ütelst eines sehr em])lindlichen Galvanometers wirklich eine elc-
*'i8ehe Reaction zwischen der Vuissern und iunern Ilautoberllä-
f entdeckt, welche er vmn dem alkalischen und sauren Verhal-
der Secrcta idileitct. Amt. des Sciences nat. 1834. l'ci>r. M.vx-
einem Kaninchen, dessen Magen und Leber mit de»
‘"enden eines emiilindlichcn Galvanomctei’s veriHindcn vvnrden,
^‘"e Abweichung von 15 — 20 gesehen. Dass diese lleaction nicht
sclV chemisch verschiedenen Natur der Secrcta abhänge,
sei* **^***^ daraus, dass die lleaction nach dem Tode der Thlere
jjg *| ®*^üwach War oder ganz aut hörte. An den Nerven selbst
au^j^^'^ütete Mattesci kein electrisches Verhalten; er fand aber
Scho’ Nerven , selbst wenn sie den Strom einer galvaui-
siel^ ^‘‘ule leiten, auf das Galvanometer nicht wirken, llieraus
veu ein, dass, wenn wirklich clectrische Ströme in den Ner-
•entde '"ären, sie durch das Galvanouietcr nicht leicht
Electr' V^'''“’üeu können. Mattemu L’iustUut J\r.7ö. lieber die
Urins Ader gelassenen Rlutcs, der Galle, des
nae g/ /?.!• Hei.lingeri {e%pcrimetüu in elcciriviiattm sant^uinis, uri-
Versucl d. A. d. Tor. K. 81. FnoniEr’s Ao/. 19. 177.)
vermin *1*^ ^"gestellt. Im entzündlichen Blut sey die Electricität
doch Längst ahgelassenes Blut soll seine E. "behalten. O wäre
die freie Electricität des Bluts überhaupt erwiesen!
^Evost und Dumas sehen die microscopischen ])latten Blut-
72
Proleg omena. 4. Physicalische Erscheinungen.
körperchen mit Kern und Sckale für galvanisclie Plattenpaare an.
nntl Dutrochet sucht sogar zu beweisen, dass die Kerne electro-
negativ, die Sclialc electropositiv sey. Eine Hypothese, welclie im
Ahsclinitt vom Blut aus empirischen Untersiicliungen entkräftet
werden wird. Dutrochet glaubte Muskelfasern zu bilden, als er
einen Tropfen von einer wässerigen Auflösung von Eiweiss mit
den Drähten der Säiile in Verbindung l)rachte. Es entstanden
an den Polen Wellen, an dem Kupfcrpol eine durchsiehtige, an
dem Zinkpol eine trübe Welle, die gegen einander wuchsen und
in der Bcrührungslinie eine gekräuselte Faser bildeten. Allein
diese Faser ist nichts als geronnenes Eiweiss und die von ihm
beobachtete Conlraction dieser Faser ist nur die mit Bewegungen
der sich berührenden Wellen verbundene Absetzung des Gerinn-
sels. Das gebildete Gerinnsel ist vollkommen ruhig.
Mehrere französische Gelehrten erklären mit der Electricität
ohne alle Beweise im thierischen Köi’per Alles, und schlagen die
Bahn ein, welche Muster, Abervf.thy, unter uns Proch.sska und
Andere gingen. Es reicht nicht hin, statt die Wirkungsart der
jVerven gründlich zu untersuchen, ein Gebäude von entfernten
Möglichkeiten aufzustellen. Im Buche von der Physik der Nerven
werde ich zeigen, dass, obgleich sich Wirkungen electrischer Ma-
terie in thierischen Thcilcn schon nach meinen eigenen Untersu-
chungen erzeugen lassen, doch die Wiikungsart der Nerven sich
ganz und gar von der der elecirlschen Materie verschieden zeigt.
Unter den Neueren hat Niemand mehr mit der Hypothese
von der Electricität als Ursache der Lebenserscheinungen ausge-
schweift, als der Chemiker Meissner. System der Heilkunde aus
den allgemeinsten Katurgesetzen. IVien 1832. Ohne allen Beweis,
ohne welchen heut zu Tage selbst mehr wahrscheinliche Hypo-
thesen als diese in der Physiologie nicht mehr gelitten werden
können, ohne allen Beweis lässt er in den Lungen durch den che-
mischen Process desAthmens, bei dem Austausch des LSauerstodes
der atmosphärischen Luft und der Kohlensäure aus den Lungen
das Blut sich mit clectrischem Fluidum laden, während dieses
Fluidum zugleich duroli liie Lungennerven und das Gangliensystem'
sich verbreiten und die Cenlralorgane des Nervensystems von hier
aus geladen werden sollen; er lässt das geladene Gehirn, worin
der Wille wirkt, durch Abgabe eines electrischen Funkens an den
bestimmten Nerven irgend ein bestimmtes Organ zur Thätigkcif
reizen. Das in die Muskeln strömende electrische Fluidum bilde
um alle einzelnen, der Länge nach fadenartig an einander haften-
den Atome des Muskels elcctrisehe Atmosphären, treibe dadurch
die Muskelfasern, welche an beiden Enden des Muskels fest ver-
bunden sind, in der Mitte auseinander und liewirke eben darum
die Verk ürzung; wie wenn man Holundermarkkügelchen auf eine**
Bindfaden leiht, mehrere solcher Fäden an beiden Enden verbin'
det und das Ganze an den electrischen Conductor hängend elC'
ctrisirt, worauf das Ganze sich verkürzt, indem die Faden anä
einander fahren. Es ist niclit allein dagegen zu erinnern , das*
die Muskelfasern bei der Zusammenziehung nicht aus einander
fahren, sondern sich kräuseln nnd im Zickzack parallel bleibeOi
HER
Cureii.
^^^ctriciicit^ Hypothese von der thierischen Electricität. 73
für den ganzen Traum an aller Erflilirung. Meiss-
‘II x- diese Art die sogenannten tliieriscli magnetischen
Atmos 1 - SGsunder Mensch, wenn er eine kleinere electrische
'"'ird d liesitzt, als ein Kranker mit gesteigerter Electricität,
dej Aufirgen der ll.iclien IJande auf den leidenden Theil
E^i^d *1111611 llerahführen und plötzliches Entfernen der
Sen- ^ einen Tlicil seiner electrischen Atmosphäre enlreis-
dert ’^weiten Fall, wenn die Electricität des Kranken vermin-
lllittl'^ä l^lsperimcntator durch denselhen Hergang eine
Diiii ''*'S seiner eigenen electrischen Atmosphäre verursachen,
cifät'r”^^ es auch Kränke gehen, die eine üheraus grosse Capa-
glj,**. ^Ifis electrische Fluidum besitzen und anderen Individuen
Kr^ Fluidum, seihst wenn sie wenig liahen, entreissen.
jg zu geringer Capacität für das electrische Fluidum sol-
Ext) • durch das Bestreichen seihst ihre Electricität an den
sitzt wenn er stärkere Capacität für Electricität be-
tör ' wodurch bald der Kranke, bald der Experimenta-
ters ^ I ’*'*'‘-l6t werden soll. Meissner a. a. O. p. 135. Man un-
S'cli^Fl lieber erst, oh heim Bebrüten, Athmen u. s, w.
jjgj* , ®elrlcilät erzeugt. Pouii.eet hat zu heweisen gesucht, dass
Po ^ Vegetation der Pflanzen sich sehr viel Electricität erzeugt.
untersuchte zuerst die Electricität liei der Kohlensäure-
gigJ*’'S; Er lirachte einen Cylinder von Kohle auf die Platte
äiid* Kondensators, zündete die obere Basis des Cylinders an,
lu*^ ^'’^terhlelt das Verbrennen durch einen massigen Luitstrom.
Augenblicken vvar der Condensator mit — E. geladen,
2o*j'fSßn die gebildete Kohlensäure, die in der Höhe von einigen
std^” ‘‘iner zweiten, mit dem Condensator in Verhindiing
landen Mcssingplatte aufgefangen wurde, -P E. zeigte. Zur
ersuchung der hei der Vegetation sich entwickelnden E. nahm
äus'^'^r^^ l^'-i Glasgefässe von 8 — 10 Zoll Durchmesser, die er
'Von und nur gegen den B.and hin in einer Ausdehnung
stellt ' ‘'"’S“* Firniss von Gummilack überzog. Diese
sie zwei Reihen auf ein sehr trocknes Holz. Er iülltc
tall Gartenerde und setzte sie in Communication durch Me-
des'^- '*'^*^’ vom Innern des einen Gefässes in das Inneie
reichten, so dass das Innere aller Gefasst einen ein-
tät Ko'iductor bildete. Wenn sich in diesen Gefässen Electri-
so kann sie sich in alle Kapseln vertheilen, und
nu^”.*l6s Firnisses am Rande nicht entweichen. Man bringt
obere Platte des Condensators mit einem der Gefässe
in Messingdraht in Verbindung, und die untere Platte
or Sil, ^"'^luug mit dem Boden. Kach dieser Vorbereitung säete
sich ]?| '^''^orner in die Erde. Hach einigen Tagen entwickelte
also ond zwar Harzelectrlcltät in den Gefässen, und
lange ''^^'‘^‘-'Iricität in den entwickelten Gasen. Diess gescliah so
ei de’ Euft des Zimmer feucht wurde. Annal. de rhirn.
Modific r*’ Versuche muss man mit der nöthigen
auf die K ” Pehrüteten Eiern und an Thieren in Beziehung
E-olilensäurebildung heim Athmen wiederholen.
74
Prolegomena. 4, Physicalische Erscheinungen.
2. 'S'i ärmcerzeugung.
Die Wärme des Menschen beträgt in den inneren Theilei’»
welche zunächst zugänglich sind, wie Mund, Mastdann u. s.
29,20“ —29,60» R. oder 36,50»— 37» C. oder 97,7» — 98,6"
Fahr. Die Wärme des Blutes 30|» — 31» R. (nach Magekdii^
31», nach Thomson 30-f»), in Krankheiten bis .32» — 33|-». h*
der Blausucht mit gestörter Ausbildung des arteriösen Blutes Jä
den Lungen -von Herzfehlern ist die Eigenwäi’me oft einige Grade
schwächer, z. B. 2t» R. in der Hand; in der Cholera asiat. fälH
die Wärme des Mundes auf 21» und 20» R. '■ Im Schlafe ist die
Wärme des gesunden Menschen nach Auteneieth 1^- Grad Fuhr'
geringer als hei Tage, Aliends soll die Wärme etwas grösser ah
des Morgens seyn. Bei höherer Temperatur der Atmosphäre i<'
wärmeren Climaten soll nach J. Davy die innere Körperwärme
um 1^ — 2 Grad Cent, steigen, und diess soll hei Menschen voä
ungleicliera Alter und hei Eingehornen eben so, wie hei eingC'
wandei'ten Fremden aus gfemässigten Climaten seyn. Mit dem
letztem Satze stehen indess die Versuche von Douville (Fkouiei?’®
Notizen. N. 686.) im Widerspruch.
Ueber die Temperatur der Thicre haben Tiedemann und
Rudolpui sehr ausführliche und vollständige Zusammenstellungen
der vorhandenen Beobachtungen geliefert, avo man auch die Lit-
teratur findet. Hiernach variirt die Temperatur der Säugethiere
in den verschiedenen Gattungen. Als Beispiele können dienen
der Ochse mit 37,2» bis 40» Cent., das Schaf mit 38 bis 40,
das Pferd mit 36,8 bis 36,11, der Elephant mit 37,5, das Meer-
schweinchen mit 35,76 bis 38, der Hase mit 37,8 (das Kanin-
chen mit 37,48 bis 40), das Eichhörnchen mit 10,56, Phoca vi-
tulina mit 38,89, der Hund mit 37,-39 bis .38,50, die Katze niü
37 bis 39,78, Vcspertillo noctula mit -38,89, Vespertilio pipi'
strellus mit 40,56 bis 41,11, Simia aigula mit -39,7. Die Ceia-
ceen unterscheiden sich kaum durch ihre Temperatur von de»
übrigen Säugethicren. Delphinus phocaena mit 35,50 bis- 37,5,-
Monodon monoceros .35,56, Balaena mysticetus -38,89. Siehe Tie-
demann’s Physiologie I. p. 454. Die Temperatur der Vögel scheint
fast durchgängig grösser als heim Menschen und bei den Säuge-
thierpn. Als Beispiele aus Tiedbmann’s Zusammenstellung führe
iv-li an: Larus mit 37,8, Tetrao albus 38,9, Hahn .39,44 bis 39,8b
(Henne 39,44 bis 43,-3) , Taube 41,5 bis 4-3,1, verschiedene Arten
Enten 41,11 bis 43,9, Vultur barhatus 41,94, verschiedene Fal-
kenarten 40,28 bis 43,18, Rahe 41,1 bis 42,91, A'erschiedene Ar-
ten Fringilla 41,67 bis 44,03, Parus major 44,03, liirundo lä'
gopus 44,0-3.
Die Fälligkeit, Wärme zu erzeugen, kommt den warmblütigen
Thieren nicht unter allen Bedingungen zu. Edwards fand »dieses
Vei’inögen hei alten Leuten geringer. Der Embryo der Säiige-
thiere hat nur die Temperatur der Mutter, und verliert sie aiü
der Mutier entfernt nach den Versuchen von Autenrietü und
ScHUETz [earperimenta circa calorern joetus et sanguinem. Tub. 1790-)'
Dasselbe schnelle Erkalten bemerkt man nach Edwards selb®*
IV ärmeerzeugung. fV int er schlaf .
75
soLald^^ • der meisten RaiiLtliiere und Nagetlilere,
dace^e Mutter entfernt werden,
an der Mutter liegend nur 1 — 2” Cent, kälter als die
dass ü sind. Dicss gilt auch von ganz jungen Vögeln, so
sie i,„ Sperlinge acht Tage nach dem Auskriechen, wälnend
17"
teil. (1
Weste .35 — 36“ Cent. Wärme hatten, ausser dem Weste hei
in einer Stunde auf 19“
sanken; andere Versuche zeig-
«e/i’ l-?* 1‘ieran nicht die Nacktheit schuld ist. Froriep’s 'Noti-
eet),-^^' ^»ch EowA-nus Untersuchungen kommen mehrere Säu-
als einem viel weniger entwickelten Zustande zur Welt
■yyg 'J'Mere, so die Hunde, Katzen, Kaninchen, diese ba-ben viel
blii ionere W'ärme als viele andere Säugethiere, welche nicht
njj I . geboren werden. Nach 14 Tagen gleicht sich dicss^ aus,
Gel erreichen dann das Stadium, welches diese bei der
schon haben. Vergl. Legau.ois, Meckel’s Archiv 3. 454.
*Ur 't- ,®*^^ehen ist bekanntlich das Bedürliiiss äusserer Wärme
''eeltung der eigenen Temperatur im Zustande des Neuge-
«lucli selir spross, wolil niclit minder als Lei den Raub-
eliu*^^" lind Nagethi'eren. Auch haben die statistischen Untersu-
in Edwards gezeigt, dass der Mangel an Temperatur
Ijgl bisher nicht gewürdigten Verhältniss Ursache der Sterb-
^"ci den neugebornen Menschen ist. Edwards de l 'tn-
''’aer^ physitjucs sur la vie. Paris 1824. Unter den er-
warmblütigen Thicren zeigt sich eine gewisse Unab-
die ‘^cr Wäiuneerzeugung von der äussern Tempei’atur,
-j,|.’cdess bei der verschiedenen geographischen Verbreitung der
ist*"^'^^ ^ind nach ihren inneren Lebensverbältnissen verschieden
jyj ’ Und deren Grenzen die Wanderungen vieler Thiere nach
Ver*^**P*^® des durch Jaln-eszelten bedingten Temperaturwechsels
Säm, P*®"' indessen dauern die Thiere der Polarländer, z. B.
r.'jt ü®*^'uere, nach Parry’s Beobachtungen, selbst bei der Tempe-
Gefrierpunktes vom Quecksilber (40" Cent.), ja bis 46“
466*^ aus. S. das Nähere bei Tiedkmann a. a. O. p. 461.
thie Säugethiere dagegen, die “Winterschläfer (Murmel-
beidPi ^*‘^^“®uschläfer, Hamster, Igel, Fledermäuse, Dachs, Bär,
geng.- ^*^cre unvollkommen), erhalten ihre sonst von den übri-
sigißplßcthieren nicht abweichende AVärme nur bei einer gemäs-
dcr V, '‘'‘äseren Temperatur, und verlieren an Temperatur mit
und Kälte , so dass sie in Asphjxie, Scheintod verfallen,
den jj^ccere bei 10 — 12"' Cent, unter Null sogar erfrieren. Mit
des Winterschlafes haben uns Pallas, Spal-
gili, PruneLle, Saissy besonders bekannt gemädht.
w
W.An,
»nter
M
ANi
. ■■iiersf.vi . — ’ a. ^ — j,..
einer X “'aler verfallen nicht in diesen Zustand, s lange sic in
erhält von 8 — 9“ B.. erhalten werden, die Haselmaus
Leliendigkeit,
. rm. 1810— 12.
■«'le Sai. ,,
Meckel’s' Spallanzaa’I anführt. Mein, de Turin. 1810-
Magili’s f'd' Physiol. B. p. 133. Saissy widerlegt auch
ab h ä
'"S>8
'Sähe, dass der Winterschlaf von der Temperatur un-
'^aruni'’ ^ I und bei späterem Herbst und fi'übercm Frühling
brachte Ar später einträte, noch früher aufliöre. Pallas
^Urrnelthiere in einem Eiskeller im Sommer, Saissy Igel
76
Prolegomena. 4. Physicalische Erscheinungen.
und SieLenschliifer auf dieselbe Art zum Scblafen. Dagegen e*''
■vvacben die Thierc im strengsten Winter, wenn sie in eine Teiö-
peratur von +9 — 10® gebracht werden. Im Winterscldaf'®
selbst behalten sie immer eine eigene Temperatur, die zwar m'*
der äussern immer sinkt, aber doch 2“ über dieselbe erhaben i«*'
Das Albrnen der Winterscbliifcr geschieht zwar fort, aber lanS'
sam und fast unmerklich, so dass das Murmel thier 7 — Srnal,
Igel 4 — 5mal, die grosse Haselmaus 9 — lOmal in der Minute
athmet. Irn tiefsten Erstarrnngsschlafe ruht indessen das Athmei'
gänzlich, und man kann die Tliiere nach Spallanzani’s Beobacli'
tungen dann in eine irrespirable Gasart bringen, ohne dass t’*
ihnen schadet. Ehe dieser Zustand eintritt, verbrauchen di®
Wintersebläfer nach Saissv’s Beobachlungen auch den SanerstoU'
geheilt der Atmosphäi’e. Dieser Verbrauch nimmt mit ihrer Wann®
ab , die Absorption von Sauerstolfgas und das Ausbauehen voH
Kohlensäure dauert aber bis zum Verbrauche der letzten Atoi»®
des Sauerstoflgases in der Atmosphäre, während die nicht wiä'
terscblafenden Thiere, Kaninchen, Hatte, Sperling, bereits sta«'
ben, nachdem sie wenig Sauei’stofl'gas unter Glocken verbraucld
ballen. Nach Pbunelle ist das Artei-ienblut der Fledei-mäuse io*
Winterschlafe weniger hellroth. Was den Blutlauf der Winter'
Schläfer im Erstarrungszuslande betrifft, so fand Saissa', dass sid*
das Blut schon zu Anfänge und gegen das Ende des ErstarrungS'
Zustandes äusserst langsam bewegt, dass bei völliger Erstarrung
jener Thiere die Haargefässe der äusseren Theile''fast leer, di®
grösseren GefAsse nur halb ausgedehnt sind. Nur in den Haupt'
stammen der Gefässe der Brust und des Bauches zeigt sich nocf>
eine undulatorische Bervegung des Blutes. Die Zahl der Her*'
schlage bei den Fledermäusen ist gegen 200 in der Minute, io*
Winterschlafe 50 — 55 nach Pruaeele. Die Einpflndungskral^
und die Bcizbai’keit der Muskeln gegen mechanische und galvS'
nisebe Beize sich zu contrahiren, nehmen im Winterschlafe ab)
indessen fehlen doch nur im tiefen Erslarrungsschiafe alle Spo'
ren von Reaction gegen Empfindungsreiz, was Saissy einigem®
nur bei Igeln und Alurrnelthieren fand.
Nach Saissy soll das Blut der Winter Schläfer (Mui'melthiei"®'
Igel) auch durch seinen geringem Gehalt an Faserstoff und E*'
weiss sich auszeichnen. Die Galle soll süssllch, das Fett nid*^
verändert seyn. Nach Prunelee und Tiedemaaa (Meckel’s Archi'^
'1.1. p. 4SI.) zeigt sich bei den Winterschläfern schon vor de’*'
Winterschlafe eine scheinbar drüsige, wohl nur fettige Masse a**’
Halse und im inediastino ant., die nach Jacobsom’s Bemerkuog
(ebend. .3, 151. 152.) unpassend mit der Thymusdrüse verglich®*'
wurde. Otto hat gefunden, dass bei diesen Thieren ein der E®'
rotis interna zu vergleichendes Gefäss durch den Steigbügel d®*
Trommelhöhle hindurch gebt. So ist es bei den Gattungen V®"
spertilio, Erinaccus, Sorex, Talpa, Ilypudaeus, Georhyehus (Le)'*'
mus), Myoxus, Mus, Cricctus, Dipus, Meriones, Arctopjys, .SciurO*'
die nach Otto sämmllicb bald mehr, bald weniger vollkomm®''
in Winterschlaf verfallen. Der von Mangili bemerkten KB*^^
heit der Hirngefässe widerspricht Otto bestimmtest; auch f®**
IVärmeerzeugung, Winterschlaf.
77
^)'PTq J*
Tlieilp Saissy bemerkte Stärke der Nerven der äusseren
■Wititei-*^!^^*^' -X///. P- !• Dass die
Wander*^ • Theil des Herbslfettes in NalirungsstolT ver-
nlcljt allgemein bekannt. Auch die Absonderungen hören
Fehpy,^®''*. Denn Pkuseli.e fand bei Fledermäusen vom 19.
Anlräf (■' März einen Gewichtsverlust von Dass die
bj. ^ des Fettes und die Vergrösserung der Drüsen in der
®clil*f Halse im Herbste nicht die Ursache des "Wintcr-
‘^*i''cb Einengung der Ites-|nrationsnerveti ist, wie Piur-
ijjj j® R'^abte, beweisen Pall.as Erfahrungen, der Winterschläler
H<is Sommer durch künstliche Kälte in den Schlaf brachte,
alle ^’i'^'^ßnniark ist beim Igel sehr kurz; allein diess ist kein
Charakter der Winterschläler, ' Die vorzüglichsten
über den Winterschlaf sind Saissy recherches exprrimen.
res ^ 1 r.hemiq
-'^"^f’nans. Paris et Lyon 1808., iiherselzt von Nasse, Reil’s
sur hl physujue des animaiix mananif
, in 1808., iiherselzt von Nasse, Reil
l8lV“'’ P- issY Mein, de Turin, 1810
Meckel’s Archiv für Physk
ini
Pf‘aen^
18.
Wi i“' ^tECKEL’s Archiv für Physiol. T. 3. Masgili über den
^'"fhlaf in Reil’s Archiv. Bd. 8. Phuhelle recherches sur les
^'ficnes et sur les causes du somrneil hivernal-, Arm. du miis.
!: Uilbert’s Annalen. Bd. 40. u. 41.
c;jj^^^®'*ej’steigt die äussere Temperatur die eigene Temperatur
einin ^^'^gethieres, so steigt zwar die W^ärme der letztem um
Hradc, aber nicht gleichmässig mit dem Wachsen der äus-
liat ^^''^l’®*’atnr. Duntze {exp. calorem animaliuni speciantia, Lugd.
'^nd' Hordyce, Banks, Blagden {phil. Iransact. 1775. v. 65.)
Delaroche und Berger haben Versuche hierüber angcstellt.
und Andere hielten mehrere Minuten in einer trocknen
üei ~t- 79® B. aus. Delaroche und Berger beobachteten
Ste' ®”'*'‘^üen in einer Temperatur von 50 — 90® Cent, nur ein
®erer einige Grade. Auch Vögel setzten sich in hoher äus-
^''urd *^™P®^®l-ur nicht mit dieser ins Gleichgewicht, sondern
clial^'^ üloss um 6 — 7® wärmer. Exp. sur les eff et s quune forte
phfs I- dans t economic animale. Paris 1806. Journal d.
der d Archiv 12. .370. Die Ursache davon liegt in
diese ‘^■e Verdünstung stattfindenden Kälteerzeugung. Dass
Beog.jpj’”* pbysicalische Erklärung richtig ist, folgt aus anderen
d:i
iirnnf von Delaroche, dass Tliiere in einer mit Wasser-
fiu(lg *} überladenen heissen Lu l't, worin keine Ausdünstung statt-
^ Ü selbst 3 — 4" B. wärmer w nlen als das
'^cr ...ülan darf aber nicht vergessen, dass die Verstärkung
^‘■Sachen in trockner Wärme nicht bloss pbysicalische
ni'PrYt Üat- dass rtip WäT’mp hipr eine oivcraniselie Ptinetinii
anr
uie vyaiiiic uici x' luivtiuix
seh^*' Avird die Verdünstung bei grosser innerer
eben pjgJ bäufig durch innere Ursachen verhiiulcrt, und in man-
sie trocke*^*^** *** Haut nur darum unerträglich heiss, weil
Dgjj ^ Und die Ausdünstung verhindert ist.
peratur Thieren hat man liäufig eine eigene Tem-
*be nicht statthaft ist. Was zuerst
betrifft, so haben Untersuchungen von J. Davy,
> VViLFORD, Tiedemann gezeigt, dass die Temperatur die-
78
Prolegomena. 4. Plijsicalische Erscheinungen.
ser Tliiere mit der äussern Temperatur im Allgemeinen bis
einem gewissen Punkte sinkt, aber doch die äussere meist u®'
1 oder mehrere Grade übertrifft, dass die Temperatur der A«','
phibien eben so mit der äussern Temperatur steigt,, aber nur b'*
zu einem gewissen Punkte stärker als dieselbe ist, bei liölierf''
Temperaturgraden aber selbst geringer ist. Besonders zablreic'’
sind die Versuche von Czermack über die Temperatur der Aß>'
pbibien. Baumgaertner’s und Ettisghausen’s Zeilschrift für Php
sik und Malheinatik, .3. Bd. -385.
Bei nackten Amphibien war das Plus der eigenen TemperR'
tur weniger gross als bei den beschuppten Amphibien. So irnf
die Temperatur eines Proteus 14" B. bei 10^ der Luft, 16^
bei 14" der Luft; 14"-® bei 10’ " des Wassers. Ein Frosch batt*’
7|^" B. bei 51-" des Wassers, 6^-" bei 10^" der Atmosphäre.
auffallendsten Unterschiede von mehreren Graden Beaumur faii*^
CzEBMACK bei Vergleichung der Temperatur der Eidechsen un<l
Schlangen mit der des Mediums. Vergl. J. Davy, Froriep’s Not. 579;
J. Davy fand die Temperatur einer Schlange 31, .370 C. bR'
27,50 der Luft, .32,22 bei 28,30 der Luft , die Temperatur eincf
Testudo mydas 28,8.9 bei 29,55 der Luft, 29,44 bei .30,00 der Luff
Tiedemakh beobachtete bei Fröschen eine Temperatur, di"
höher als die des Wassers war; als Wasser in der Aacht g®'
fror, blieb cs um den darin befindlichen Frosch ungefroren, uo*'
der Frosch batte +0,56" Temperatur. Tiedemakn Physiologie /■
Nach Delarociie besitzen auch die Frösche eben durch Au»'
dünstung das Vermögen, eine geringere Temperatur bei äusscrcf
Hitze zu erhalten. Dei.aeocue a. a. O.
Die Temperatur der Fische ist um ^ — 1,,-" höher als di"
des umgebenden Wassers, Avie die Versuche von Martise, J. ITu>''
TER, Broussonet, J. Davy', Despretz lehren. Broussoket fan"
bei kleinen Fischen die Temperatur A — | ® höher als im AVasseü
beim Aal beim Karpfen 1" höher. Despretz fand liei 10,83 C'
Temperatur des AVassers die Temperatur bei zwei Karpfe’’
= 11,69, bei zAvei Schleien =11,54. J. Davy fand die TernpC'
ratur eines Squalus 25 C. bei 2.3,75 des Meeres.
D.e kaltblütigen ThierC sind zum Theil auch dem Wintei''
schlafe unterworfen. Frakkein erwähnt von mehreren Fiscbeiä
dass sie, wenn sie aufs Eis gelegt werden, fast augenblicklie^'
erstarren, aber nach Stunden und Tagen Avieder aufleben. AIr''
will indess öfters beobachtet haben, dass Fische im Eise sich F'
bend erhalten, und dass das Wasser um dieselben nicht gefi'O'
ren Avar. Jahresbericht der Schwed. Acad., übersetzt oon J. MuE"'
LER 1824. Pallas (Budolphi Grundriss der Phjsiologie 1. p. l7p
berichtet das Wiederaufleben der Caranseben in Sibirischen b'*
auf den Grund gefrornen Seen, und erzählt eine ähnliche Beob'
achtung von Bell vom Wiederaufleben der Goldfische aus g"'
frorrem Wasser. Bei den Amphibien beobachtet man nicht p
lein den Winterschlaf, vor dessen Eintritte sich die Amphlhl‘"'
verkriechen, sondern auch den Sommerschlaf in den heissen
maten. In der trocknen Jahreszeit verkriechen sich die Ampbj^
bien und gerathen in einen dem Winterschlafe ähnlichen Zustaä”
Ursachen der Wärmeerzeugung.
79
ü])er 1, i Regenzeit wieder anfgeweckt werden. Hier-
aclituf,^ 7' kluMBOijDT in seiner Reise sehr interessante Reot-
ser "‘‘tgetheilt. Von höheren Thieren kennt man in die-
naiinte einziges Beispiel, nämlich vom Tanrec, dem so-
fiel von Madiigascar.
vollstv Temperatur der Wirhcllosen fehlt es noch an
die -w^'^en Beohachtungen; doch zeigen die vorhandenen, dass
Thier dei'selben zwar wie bei den . übrigen kaltblütigen
doch ''®*'änderlich ist nach der Temperatur des Mediums, aber
J^ann Insecten um einen Grad höher oder niedi’iger seyn
John die Versuche von Maetise, IIausmakm, Renggee und
Am ■ zeigen. Dagegen hat man in Bienenstöcken und
aj,„®‘^'diaufen schon eine sehr viel beträchtlichere Temperatur
®6im Flusskrebs sah Rudolphi das Thermometer
klein '^®®^Vassers auf 10 — 12" steigen. Aehnliche, obgleich
Unterschiede hat man hei Mollusken beobachtet. Eine
der einzelnen Beohachtungen findet man hei Rudolphi
J'^O. Teevieakus IJ/o/. 5. 20. Tiedemann Physiol. 476
Bei den Schnecken ist die Temperatur 1" höher als im
*um. Meckel’s Archiv 8. 255.
derb I ** Wirbellosen auch der Winterschlaf sich wie-
Aloll*' f’ man wenigstens sicher von den Insecten und den
'Jjjj der gemässigten und kalten Climate. Einige niedere
diuj^® cöi® ziemlich hohe Temperatur zu ihrem Me-
in 1 **dthig zu haben. Ausserordentlich scheint das Beispiel der
Scl/*^” '^'armen Quellen von Abano von 23" R. lebenden kleinen
nocl'*^*^'^^” ’ Cvclostomum thermale Ranzani. RuDiNLPni sah diese
die U.**' Wasser von 30" sich lebhaft bewegen. Indessen leben
ner
^'•igevreidcwürmer des Menschen und der Säugethiere in ei-
^ieichen, und die der Vögel in einer noch höhern Tempe-
■ji. y- Rudolphi bemerkt, dass die Entozoen der warmblütigen
jigj, i" der Kälte erstarren, aber durch warmes Wasser wie-
®ine ^".^^Ben , dagegen die der kaltblütigen sowohl die Kälte als
" loben Wärmegrad ertragen.
daj j,®" Winterschlaf der Schnecken hat Gaspaed beschrieben,
die nicht mehr schlagen und das Athmen aufhören,
Xliip„„‘®^^®*'®rzeugung verschnittener Fühlhörner Stillstehen. Diese
Wärme in einen Sommer-
und Reproduclion fort
Jas
"epe verschnittener Fühlhörner Stillstehen.
Schlaf ^""iallen auch bei grosser
daup,’ "."iiei jedoch Athmen, Herzschlag
'eil Archiv 8.
^Biep'isp^ wende mich jetzt zur Untersuchung der Ursachen der
deiihefj^'^" Wärmeerzeugung. Hier ist zuvörderst die Verschie-
J- Dav,. '' Temperatur in verschiedenen Theilcn von Interesse.
Ternperaj-^^^T iransact. 1814. Meckel’s Archiv II. p. 312. Die
Beim "immt gegen die äussersten Theilc hin ab, ivie z. B.
Uherschem'^^*"" die Achselhöhle 98 F. zeigte, die Leisten 96,5,
'Sonderbar • Unterschenkel 93 — 91, Fusssohle 90" hatten,
peratur d John Davy in mehreren Versuchen die Tera-
Was mir ^®®Idarms um etwas grösser als die des Gehirns fand.
Von ^ doch eher Beobachtungsfehler zu seyn scheint.
^"sserordentlichem Interesse sind J. Davy’s Versuche
80
Prolegometia. 4. Physicalische Erscheinung en.
über den UnterscTiied der Temperatur beider Blutarten. J. Dav^
tentamm experimentale de sanguine. Edinh. 1814. Mecrel’s
chiv 1. 109. Es waren an Schafen und Ochsen 11 Versuch^'
Zieht man aus Davy’s Versuchen das Mittel, so folgt, dass
Artericnhlut um etwa 1 — 1^ Grad Fahr, warmer ist als das Blu*
der Venen. Mayer (Meckel’s Arrhh .3. 337.) fand sogar, da^*
das Blut der oena jitgularis urn 1 — 2® II. kälter ivar als das Bl"'
der carotis-, niemals aber konnte er, Avie Davy, einen Unterschit'“^
in der Temperatur des Blutes beider Herzhälflen nachwcise»'
Aehnliches hatte Saissy' bei winterschlafenden Thieren beohachtd'
Diese Thatsachen führen zunächst zur üntersuclning der Tlieori^'
dass die thierische Wärme ihre Quelle in den Lungen hahC'
Wach der Hypothese von Lavotsier und Laplace, welcher
meisten neueren Chemiker gefolgt sind, wird heim Athmen d«*^
SauerstolF der Atmosphäre mit Rohlenstofl’ des Blutes verbundefli
und als Kohlensäure ausgeathrnet. Wenn nun beim Athmen rnelif
SauerstolF der Atmosphäre verschwindet, als in der ausgeathmc-
ten Kohlensäure enthalten ist, so ivird in einer zweiten HypO'
these angenommen, dass das nicht auf Kohlensäure verAsandt'''
Sauersloffgas sich durch Verbindung mit Wasserstoff des BluV*
in Wasser A'erwandle und ausgehaucht Averdc. Nimmt man dies®
Hypothese an, so kann man die Ursache der thierischen Tempe'
ratur in jener Wärme suchen, Avelche durch die Vereinigung de®
Sauerstoffes der cingeathrneten Luft mit dem vom Blute herstar»'
menden Kohlenstoff’ der Kohlensäure und des Sauerstoffes nii*
Wasserstoff zu Wasser entsteht. Crawford ( Versuche und Beot'
achtungen über die Wärme der Thiere. Leipz. 1799.) suchte dies®
noch wahrscheinlicher zu machen, indem er angab, Avie die Vef'
breitung der Wärme, die einmal in den Lungen entstanden, leich'
ter erklärt Averden könne, dass das arterielle Blut eine grösser®
Wärmccapacität als das venöse, ungefähr im Verhältnisse a'O"
11,5:10,0 besitze. So soll die in den Lungen entstandene Wärm®
zur Beibehaltung der Temperatur des arteriellen Blutes angewe"'
det, und dann überall im Körper frei werden, avo die ÖrgaU®
sich aus dem Blute ernähren, und das arteriöse Blut in venös®®
übergeht. J Davy hat indess gezeigt, dass die Wärrnecapacifijj
beider Blularten entweder gar nicht oder nur sehr unbedeutei"
(Avie 10,11:10,00) dirt’erire.
Es lässt sich aber direct berechnen, wie viel Wärme dui’C^*
das Athmen entstehen kann, angenommen, dass die chemlscl'®
oder Verbrennungstheorie vom Athmen richtig Aväre. Diese A’’"'
beit haben Dulokg und Despretz unternommen. Dulong bracld^
verschiedene, soAvohl fleisch- als pflanzenfressende Saugethic®'^
und Vögel in einen Behälter, worin die Veränderungen der L"'
bei dem Athmen bestimmt und die Producte quantitativ genicss®’’
werden konnten, vA'ährend der W'^ärmevcrlust der Thiere zuglei®
berechnet wurde. Dulong fand, dass von allen Thieren mcM
Sauerstoffgas verzehrt als in Kohlensäure verwandelt wurde.
den Pflanzenfressern betrug diese Absorption des Sauerstoffg**®*'’
tV Durchschnitt, bei den Fleischfressern Avar die gering®^®
Quantität des absorbirten d. h. nicht in ikohlensäure vervKandeh®
ff^ärmeer Zeugung, Ursachen, Atlancn, 81
i, die grösste Quantität i der verwandten Menge
seine V*^*' mau nun an, dass das Sauerstoffgas durcli
grosse'^ “* kolilensaures Gas beim Atlimen eine gleicli
'^ircb erzeugt, als dieselbe Quantität Koblensäuregas
daljgj^ ''®i'ln-ennung von Roble in Sauerstoffgas, und gebt man
Von der Bestimmung der Wärmequantilät aus, wie sie von
einbiisst. Kimmt mau ferner an, dass das Sauerstoffg;
Von*^ Atlimen absorbirt und der Luft nlclil in Form
voldensäure zuriiekgegeben wird, zur Bildung von Wasser
als wird , und dass dabei so viel Wärme sich entwickelt,
mit w”** ^ine , gleiche Quantität Sauerstoff durch Verbrennung
®sserstoli'" in Wasser verwandelt wird, so entspricht die
KoiT Q®®»tilät der Wärme, welche durch die Verbindung des
0 ®!'®loffes und Wasserstoffes mit Sauerstoff entstellt, 0,75 —
den ®*^i®®igen Wärme, welche in gleicher Zeit von lleisclifressen-
Vvii «Is pflanzenfressenden Thieren entwickelt wird. Also
}jg ® das Athmen im Durchschnitt | — -j der thierischen Wärme
;■/ ''^^vlngcn. Nach Beuzehus im Sehtvedischen ,J ahresherkhl ,
eo/i J. Mueller. Bonn 1824. /i. 67. Vergl. Neues Jour-
/w- Chemie und Physik., N. R. Bd. 8. A. 505.
Deseretz schloss Tbiere 1^ bis 2 Stunden in einem mit Was-
Umgebenen Behälter ein, zu welchem ununterbrochen Luft
mid zugeleitct wurde, und bestimmte deren Menge und Zu-
«mmensetzung vor und nach dem Versuche, so wie die durch
^Ideiische Wärme bewirkte Wärmezunalime des umgebenden
st ’ die durch Verbi’ennung des Kohlenstoffes und Wasser-
o tes beim Atlimen nach der chemischen Theorie hervorgebrachte
1?*'"^® betrug 0,75 — 0,91 von der, welche das Thier in der-
j entlässt. Gmelin’s Chemie T, 4. p. 1523, Ami. d, chim,
?hys. 26. 338.
Quelf^'* diesen Versuchen geht hervor, dass es noch andere
selbst
der thierischen Wärme als das Atlimen geben müsse.
AU • *nan der chemischen Theorie vom Atlimen huldigt.
Ver^l” ist äusserst unwahrscheinlich, dass sich das beim Atlimen
'’®®*^ende Wasser aus Elementen bildet, wie später beim Ath-
duss wird, und es ist vielmehr überaus wahrscheinlich,
Kot^^'*®®vstoff im Blute bleibt; man kann daher nur die von der
Wclcl *'*‘birebildung entstandene Wärme in Anschlag bringen,
^ der^ Dulowg bei Pflanzenfressern 0,7, bei Fleischfressern
blosse *®^‘*‘^ben Wärme beträgt. Ausserdem ist cs noch eine
Athtnen ^bothese , dass der Sauerstoff der Atmosphäre sich beim
obgleici Ikolilenstoö' des Blutes zu Kohlensäure verbindet,
Köhlens; Thatsachen es unwahrscheinlich machen, dass die
"wird schon im Blute gebildet ist, und nur ausgehaucht
verbind ''t'^”d der Sauerstoff der Atmosphäre mit dem Blute sich
Stoff ind V dieser letzten Ansicht würde sich der Sauer-
tes zu K E Wege der Circulation des Blu-
MUi *''^”^®®ääure verbinden, und dem Blute eine höhere Tem-
® *' ä Physiologie. ^
82
Prolegomena. 4. Physicalische Erscheinungen.
peratur mittlieilen , -woLel sich nun die Erscheiaiingen eben so
gut, .wie bei der andern Hypothese erklären lassen. Wo nuO
die Quelle der KoldensiUirebildung seyn mag, in den Lungen oder
im Blute, jedenfalls wäre der eingeatlimete Sauerstoff hierzu di®
nächste Veranlassung, und man könnte also das Alhmen unmit-
telbar oder mittelbar für eine Quelle der thierischen Wärme an-
sehen, und die von Dulong erlangten Resultate, dass von Rob-
lensäurebildung hei Pflanzenfressern 0,7, bei Fleischfressern 0,5
der thierischen Wärme entstehen, annehmen. Hieraus würde
sieb also erklären lassen, warum der Embryo noch keine merkli-
che eigene Wärme besitzt, weil noch kein Sauerstoff eingeatb-
met Avird, und warum Blausüchtige, bei denen die Verwandlung
des Blutes durch das Atbmen Avegen Fehler der Kreislaufsor-
gane gehemmt ist, um einige Grade zuweilen kälter sind, warum
die kaltblütigen Thiere, bei Avelcben nur ein Theil des Blutes
oxydirt AA'ird, nur eine sehr unbedeutende eigene Temperatur be-
sitzen. Bei den Amphibien atbmet nur ein Tbeil des Blutes Aväh-
rend des allgemeinen Kreislaufes. Bei den Fischen, wo zwar al-
les Blut Aväbrend des Durchganges durch die Riemen atbmet, ist
das Resultat doch nicht grösser als hei den Amphibien , Aveil der
rpiantitative Stoffwechsel heim Atbmen aus der in dem Wasser
aufgelösten atmosphärischen Luft ausserordentlich viel kleiner ist
als bei dem Lultatbmen. Lfm die chemische Theorie der Wär-
meerzeugung durch das Atbmen auf eine entscheidende Weise
zu prüfen, müsste man, in der Art wie Dulohg und Despketzj
Versuche an kaltblütigen Thiercn anstellen, um zu sehen, ob die
nach den quantitativ bestimmten Producten des Atbmens theore-
tisch berechnete Wärmeerzeugung nicht zu gross ist gegen die
sehr geringe von diesen Tbieren entwickelte Wärme. Diess ist
eine schöne Aufgabe für cjiemische Untersuchungen.
Indessen muss es noch andere Quellen der thierischen Wärme
geben. Einige, Avie Ph. v. Walther und Paris, haben eine Haupt-
quelle der Wärme darin gesucht, dass die Absonderungen aus
dem Blute Flüssigkeiten bilden, die eine geringere Wärmefas-
sungskraft als das Blut haben, so dass Wärme frei Averden muss.
Nach Crawpord ist die Capacität der Milch geringer als die des
Blutes. Nach Paris {London med. and phys, journ. 21. 1809.
Meckel’s yircldo 2. .308.) ist die Wärniccapacität des Urins 0,777,
des arteriellen Blutes 1,003. Damit stehen indess die Versuche
von Nasse (Meckel’s Archiv 1. 500.) im Widerspruch, der, so wi®
die Capacität des Blutes nach Davy kaum von der des Wassers
verschieden ist, so auch die der Absonderungen nicht verschieden
fand. Auf eine hei organischen Processen stattfindende Quelle
der Wärmeerzeugung hat Pothllet {ann. ehern, phys. 20. 14l.
Meckel’s Archiv 8. 233.) aufmerksam gemacht. Alle festen Kör-
per, sOAA'ohl unorganische als organische, Averden durch Benet-
zung mit verschiedenen Flüssigkeiten in ihrer Temperatur erhöht-
Viel grösser ist die Temperaturerhöhung hei organischen Sub-
stanzen, die in mehreren Fällen seihst 6 — 10“ Cent, betrug-
Hierauf könnte man besonders hei der Auflösung der Nahrungs-
mittel durch die Yerdauungsllüssigkeitcn rechnen, und vielleicht
Wärmeerzeugung. Ursachen.
83
die
der Verdauung stattfindende gelinde Wärmevermeh-
OuJl Allein grösser und allgemeiner Ist gewiss die
ces organischen Wärme, welclie bei den organischen Pro-
j-g durch die Wirkung der organisirenden Kräfte auf die Ma-
j nicht in einem, sondern in allen Organen erzeugt wird, so
ans* hohen Grade des Hungers, w'cnn vorhandene Materie
•yy. Snschieden, aber keine neue organisirt wird, nach Martine die
jjj bedeutend und um einige Grade ahnimmt, während doch
f ® *n der Kohlensäurehildung liegende Ursache der Wärme
s T|. (Dagegen ein von Currie erzählter Fall vom Ver-
^"^“hessen des Schlundes. Wirkungen des kalten und warmen Was-
Leipz, Bd. I. p. 267.) In der Entzündung erhöht sich unter
I ^^'^ehrtem Blutandrange die Temperatur des entzündeten Thei-
die Thomson jedoch nicht für grösser hält als im Blute der
B^Ossen Gefässe. Lect. on inßammtition. Edinh. 1813. 46. Mus-
® hewegung ei’höht die Temperatur, ficherhafte Beizung erhöht
'Während die Unterdrückung der organischen Kräfte in Ner-
Veri
ohne
j Zufällen, im Fieherfrost, die Temperatur vermindei’t,
Uss Athmen gleich verändert, (ln der Ohnmacht in
Hand nach Currie 22| R.) Da nun alle organischen Pro-
^ßsse am meisten von dem Einflüsse der Nerven auf die organi-
Materie abhängig sind, so darf man »ich nicht wundern,
Unn die Wechselwirkung der Organe mit den Nerven eine
ztauptqaeiig der Wärme ist. Diess haben die Versuche von Bro-
Chaussat und Andern gezeigt. Eluiot und Hone haben
Cohaehtet, dass nach der Dnrchschneidung der Nerven eines
'^hedes die Wärme desselben ahnehme, und Alle bestätigen diess
der Dnrchschneidung des Nervus vagus. Dieser Unterschied
p Ihermomctrisch messbar, dagegen man wohl das suhjective
®hihl der Kälte nach Veiletzung der Nerven eines Gliedes ua-
f*'scheiden muss. Eari.e fand bei einer Lähmung des Armes an
.gelähmten Hand 70® F., an der gesunden 92. Durch Ele-
"‘siren des Gliedes erhob sich die Temperatur zu 77. In einem
elrisi'
“■idern Falle hatte der gelähmte Finger 56, die gesunde Hand 62.
Chirurg. Transact. 7. p. 173. Meckel’s Archiv 3. p. 419.
«Uoi.Y, med.
12,
Transact. 7. p. 173.
, Chirurg. Transact. 3.
hfiODiE (Phil. Transact. 1811. 4. 1812. 378. Reil’s Archiv
5^,1 ,'^■^'7. 199.) fand, dass hei einem ThIere, dessen Kopf ahge-
*'‘tten ist, oder dessen Medulla ohlongata durchschnitten, oder
Gehirn zerstört, oder das durch Woraragift getödtet wor-
durch künstlich unterhaltenes Athmen mittelst Luftelnhlasen,
und Umwandlung des Blutes in den Lungen untei'hal-
Uhp ''^®*’den können , wovon er sich durch Analyse der Luftarten
ci^ ^^^^ägte, dass aber keine Wärme entwickelt wird, und dass
]j- ®'^|ches Thier schneller erkaltet, als wenn das Athmen nicht
unterhalten Avird, weil die eingcatlimctc Luft dasselbe
ll^.f’^'dt. Hali, fand dagegen, dass ein geköpftes Thier hei künst-
*ncd '‘**‘®H>«''ltenem Ath'men seine Wärme länger behielt. Load.
Arrt '^curn. .32. 1811. Vcrgl. Brodie ehend. p. 295. Meckei.’s
3. 429_ 4.34_ Legali.ois Versuche (ann. ehern, phys. 4. 1817.
'^wel’s Archiv 3. 436.) stimmen auch nicht ganz mit dem Re-
6 *
84
Prolegoviena. 4. Physicalische Ersrheinungen.
sultate von Brooie iiherein; er fand, dass Ldi jeder Erschwernng
des Allimcns, •wenn Thiere befestigt auf demEiicken liegen, weiiO
sie in verdünnter oder mit Stickgas oder Rolilcns'aure versetztet
Luft atbmen, eine Verminderung ihrer Temperatur stattfindet;
dass auch das Lufteinhiasen durch Ersciiwerung des Athmens di®
Ternperalur vermindert, und dass das stärkste Erkalten immet
dem geringsten Vcrhrauclie von Sauerstoffgas entspriclit. Eä'mer'T
fand Ijei Wiederholung der BRoniE’schcn Versuche mit Gifte®
und Lufteinhiasen nur eine Temperaturveränderung von 3® R. i®
74 Min. Meckel’s Archiv 1. 184. Wilson Philipp {Vjitersiiclmngf^
über die Gesetze der Functionen des Lehens, übersetzt von Sosthei-
MER Slultg. 1S2"2.) fand, dass eine zu frequente künstliche Re-
spiration schnell abkühlt, während eine gemässigte die Abkühlung
verlangsamt. Indessen sind Brodie’s Versuche in der Hauptsa-
che beweisend. Er hat gezeigt, dass gesunde Kaninchen in
Stunde 28,22 K. Z. kohlensaure Luft ausathmen, dass Kaninchen;
bei denen nach Vergiftung oder Zerstörung der MecUilla oblon-
gata das Athmen künstlich unterhalten wird, in -j Stunde noch
20,24 bis 25, .5.5, bis 28,27 K. Z. kohlensaures Gas ausathmeii;
dass also bei gesunden Kaninchen und bei getödteten mit künst-
lichem Athmen die Producte des Athmens fast dieselben sind;
und dass gleichwohl ein Kaninchen nach Durchschneidung der
Medulla oblongata in einer Stunde 6® F. Wärme verliert. Vcrgl.
über Brodie’s Versuche JN^asse’s Bemerkungen in Reil’s Archi>>
12. p. 401.
CiiAussAT (MecivET.’s Archiv 7. 282.) fand das beständige Sin-
ken der Temperatur bei Thieren, die auf dem Rücken liegend
befestigt sind, nicht bestätigt lici Hunden, er fand dagegen Bro-
hie’s BeobachtunftCn hcstäliet. Nach Verletzuna des Gehirns sank
die Temyieratnr in der 11. — 22. Stunde bis zum Tode von 40
auf 24® Cent. Die Durchschneiduiig des Nervus vagiis, welche,
ohne dass der chemische Athernprocess wesentlich verändert
wird, nach Leoallois durch Infiltration der Lungen mit Blut
oder Serum tödtet, bewirkt Sinken der Temyieratur, während
12 — 36 Stunden zu 36 — 37®, zuletzt bis zu 20® Gent. Bei allen
diesen Versuchen ist leider die Temperatur der atmosphärischen
Luft nicht angegeben. Bei Verletzungen des Rückenmarkes a®
verschiedenen Stellen zeigte sich der Einfluss um so grösser, j®
höher die Verletzung stattländ, so dass die Folgen im Verhält-
nisse der Zahl der unter der Verletzung vom Rückenmarke ab-
gehenden Nerven steigen, was im Allgemeinen auch für die an-
deren Folgen der Rückenmarksverlctzungen gilt.
CiiAussAT sucht zuletzt zu beweisen, dass auch der Nervus
synipathicus einen grossen Antbcil an der Ihierischen Wärm®
habe; denn er fand nach Verletzung des Nervus splanchnicus auf
der linken Seite, die er mit Exstirpation der Nebenniere (hei ei-
ner nicht zu grossen Wunde?) bewirkt haben will, dass die Tem-
peratur in 10 Stunden oder bis zum Tode von 40,19 bis 26® E.
fort und fort sank. Ferner unterband Cuatissat bei einem Hunde
die Aorta am Äortenschlitz und mass den Unterschied der Tem-
peratur in der obern und untern Hälfte desThleres; die Speise-
röhre zeigte hei dem wiederholten Versueh bis zum Tod eine e^'
was
Zeugung. Ursachen des Winter- und Summerschlafs. 85
TOntp^®’l*'?§ere Temperatur als der Mastdarm. Diesen geringen
rechnete Cuatjssat auf die Leim Athmen statt fm-
viel ^ ■^*?'^iihlung. Chaussat schliesst daraus, dass die Brusthöhle
lijil I ^^'’iger Antheil an der Warmebildung Lahe als die Bauch-
ral Einfluss der Nerven. Das Sinken der Tempe-
als"r DurcLschneidung des IServus vagiis könne man nicht
der n ^‘^"^^ßweis anfiihren, da dieser Nerve eben so gut Organe
kp , ‘‘“chhöhle versieht. Allein Chaussat legt hier auf schwan-
nde Versuebe, die wenig oder gar niebts beweisen, ein grosses
^itiwiirfe, die man denselben entgegen-
kann, vorauszusehen. ' . •
, *odesen beweisen mehrere der angeführten Erfahrungen je-
®malls, üiisj der Nerveneinllnss auf die organischen Processe ei-
, grossen Antheil an der Wärmeerzeugung ausser den Lungen
l'p^. ' ^^iernlt stimmt auch Berzelius überein. Was diese AuYeh.t ^
all?^*^ erhärten scheint, ist die schnelle und momentane, baid
w^^^eiue, bald ganz locale Temperaturerhöhung in Aufregungen
r ^ "Nerven, das allgemeine Wui’mwerdcn bis zum Sclnveissaus-
, in Leidenschaften, die aufsehiessende Gesichtswarme,
Y® che nicht bloss subjectives Ciefühl ist, die gben so schnelle
Minderung der Temperatur bei deprimirenden Gemüthsallecten,
cscheiiioQneii j die sämmtlich freilich aucli von vermehrtem und
^criniudertcm Blutzufluss, und zum Thcil von der veränderten
Cwegung des llei'zcns abgeleitet werilen können. Wir ziehen
Allem vorläufig den Schluss, dass Temperaturerhöhung bei al-
Cn organischen Processen statt findet, dass sie aber zum Thcil
bestimmt wird durch die von den Nerven abhängige Belebung
dur organischen Processe. Vergleicht man nun die warmhlüligeii
■Bhiere mit den kaltblütigen, so kann mau die Ursache des Tem-
peraturunterschiedes zunächst in der geringem Intensität des
Athemprocesses odea-, der organischen Processe überhaupt suehenj
hne eine Erscheinung von der andern abzuleiten, ist hier zu er-
dass bei den niederen Thieren die Nervenmasse in den
cntralthellen des Nervensystems im Verhältniss zu den Nci'vcu
^Ihst abninimt, dass das Athmen im Ycchältniss zur Masse dos
^ brpers weit geringer ist, dass die kaltblütigen Thiere weniger
Scnnnhai-p xheilc des Blutes besitzen, wie Prevost und Dumas
.eigen, wie' denn auch nach Saissy das Blut der W^iuterschläfer
demselben Fall seyn soll; ja dass nach Prevost und Dumas
jj'® i^ögel und einige Säugetbiere, bei grössei’er Quantität der
Y^äfkörperchen und des Faserstoffes im Blut, auch eine grössere
haben. '
der ■m®*' Venn man alle diese Thatsachen über die Ursaelien
Yj ’’ urmeerzeugung erwogen hat, lassen sich mit Erfolg, die
Y^ ccsucfiiingen über die von selbst entstehende Abnahme der
^ ®*^®öchungen über die ■von selbst entstehende Abnahme de
1 .^?^*^cci'zeugung im Winterschlaf und über die Ursache dieses
tife- ^‘‘knüpfen. Für’s Erste darf man den Winterschlaf elni-
der nicht isolirt betrachten, sondern man muss von
peratur^^*^^^**^ aüsgehen, dass alle Thiere, wenn die äussere Tem-
in Scheintod
^erf II ’^*''-er ein gewisses Minimum herabsinkt, m tk
i’äde ^Urieren, ohne dadurch die Fähigkeit zum ]Le))en 'ge-
verlieren, dass aber dieses Minimum nach der Örganisa-
86 Prolegomena. 4. PhysicaKsche Erscheinungen.
tion und geographisclien Verbreitung der tliierischen Wesen ver-
scliieden ist.
1. Der Menscb zeigt hierbei offenbar eine grosse Tenacitat
der organischen Kräfte, indem er unter allen Climaten, wo sich
thierische Wesen finden, im höchsten Norden, wie unter den*
Aequator, seine eigene Temperatur unter günstigen Bedingungen
erhält. Indessen wird auch er bei Mangel an Schutz durch Kälte
(Reizentziehung) scheintodt, und zwar um so leichter, wenn die
organische Kraft durch herauschende Mittel unterdrückt war.
2. Viele Thiere erleiden diesen Zustand leicht, wenn die
zu ihrem Lehen nöthige äussere Wärme, wodurch ihre geogra-
phische Verbreitung bestimmt ist, fehlt, und Vögel wandern we-
gen dieser Ursache.
3. Säugethiere, die bei einer gewissen niedern Temperatur
im erwachsenen Zustande nicht in Scheintod verfallen, verfallen
in Scheintod bei dieser Temperatur, wenn sie noch Jung sind,
wie Legallois Beobachtungen von 6 — Swöchentlichen Kanin-
chen zeigen, welche durch äussere Wärme wieder belebt werden
können. Da nun der beim Atbmen statt findende Stoffwechsel
als Ursache von Wärmeerzeugung durch die Kälte hier offenbar
nicht zunächst beschränkt wird, da alle beim Scheintode durch
Kälte eintretenden Symptome, Unempfindlichkeit, Schlafsucht,
Kraftlosigkeit, vielmehr eine durch Reizentziehung bedingte Ab-
nahme der organischen Kräfte zeigen, so muss man das gemin-
derte Atbmen als Folge, nicht als Ursache dieses Scheintodes an-
sehen, eben so wie bei der Ohnmacht durch Nervenznfälle, und
die Abnahme der eigenen Wärme ist eben so eine Folge der
Unterdrückung der organischen Krall, die auch ei'st durch Ver-
minderung der Athembewegungen und des Athmens die etwa io
den Lungen bedingte Wärmeerzeugung verhindern könnte. Die
Ursache, dass gewisse Thiere leichter in Scheintod durch Kälte
fallen als andere. Hegt also in ihrem zartem Bau und dem gros-
sem Bedürfniss ihres organischen Processes, durch Wärme ange-
facht und gereizt zu werden. Dieses muss man auch als Ursache
des Winterschlafs bei den Winterschläfern ansehen, bei dem nuT
das Eigenthümlichste ist, dass ihr Scheintod länger ohne Schaden
ausgedehnt werden kann. Die von Saissy und Andern angeführ-
ten Ursachen des Winterschlafs sind zum Theil blosse Folgen
von der Veränderung der organischen Kraft, zum Theil sind die
angeführten Umstände unrichtig, wie Oxxp von der snpponirteO
Grösse der äusseren Nerven bemerkt, so wie auch die von Mai^-
Gin behauptete Kleinheit der Hirngefässe nach Saissy und Oxxo
nicht vorhanden ist. Ueher die Kleinheit der Lungen lässt sich
nach Saissy’s Merkmalen nicht entscheiden.
Der Winterschlaf der Thiere gleicht daher ganz dem Wio'
terschlaf der Pflanzen durch Reizentziehung, auch der sogenannt®
nächtliche Schlaf der Pflanzen, die Lageveränderung der Blätter»
ist durch Reizentziehung, nämlich des Lichtes, bedingt, und tritl'
selbst zuw'cilen am Tag im Dunkeln ein (Journ. de phys. 52. 124.)>
während der Schlaf der Thiere durchaus nicht von Reizentzie-
hung bedingt ist, sondern von der durch Thätigkeit bedingten
Veränderung und Erschöpfung herrührt, daher auch zu jed®*’
Lichtentwickelung. Leuchtende Thiere,
87
^®Seszeit natürlicli ist, obgleicli er mebrenthells aus zufiilügen
mit der Naclitzeit zusammentrifft;
, -Der Sommersclilaf der Amphibien und des Tanrccs scheint
j fingen durch die von zu vieler Warme bedingte Umstimmung
'' ^»'ganisclien Theile zu entstehen. Der Wassermangel scheint
, hei den sommerschlalendcn Thiercn mit eine Hauptursache
, * \erkriecheus, und es ist also dieser Zustand durch Mangel
iP® einen und zu starke Wirkung eines andern Lebensreizes be-
Vergl. Pastrk JVbe. act. acad. nat. cur. 14. 661. Es
®*='»liessen sich diese Thatsuchen an die Erfahrungen über, die
“ßprimirenden Wirkungen eines liohen anhaltenden Wärmegrades
die Functionen des Nervensystems bei dem Menschen an, und
lassen sich die W^irkungen dei’ Wärme und Uälte hierbei sehr
parallelisiren. Beide können sowohl Umstimmung der Rciz-
"•»■keit als Reizung, Entzündung und Brand bewirken. Eine
^.‘ölfliche heftige Einwirkung der Kälte auf warme thiensche
ai'k^ wirkt zersetzend. Aeussci’st kalte Gegenstände fühlen s_ich
hf»*^” Schmerzhaft an und machen dann gefühllos. In noch hö-
, Grad entsteht Brand, örtlicher Tod. ln geringeren Grackn
ewirkt die Kälte, verletzend durch Wärmeentziehung, Entzun-
•lOgs- Reizungssymptome bei dem Streben der Theile zur
Erstellung des Gleichgewichtes. Bei einer mässigen Stärke wirkt
^alte augenblicklich erregend. So macht kaltes^ W^asscr au-
SCnhlicklich die Haut ganz roth, wie ich selbst beim Baden im
rtuss im October eraplund; dies ist aber nur momentan und cs
schnell Ei’scheinungen einer innern Umstimmung durch
^ ärmeentziehung. Man bedient sich der Kälte als Reiz in die-
ser A,rt zuweilen , um eine Umstimmung im Nervensystem zu he-
P''‘rken, die Avohlthätig werden kann. Auch ist kaltes Wasser
J’* Fiebern mit sehr heisser trockner blaut mittelbar oft ein bc-
l^^cndes Reizmittel und stellt den Turgor der Haut her, wie die
■irme in kalten Theilen. Die secondären Wirkungen anhalten-
cr Kältegrade sind immer Abspannung des Nervensystems. Die
® mählige Einwirkung der Kälte bis zu einem hohen Grade ver-
hetzt Menschen in den Scheintod und die Winterschläfer in Win-
e^schlaf durch Reizentziehung, während ein zu hoher Wärme-
allmählig auch die Functionen des Nervensystems, aber
^•''arscheiiilich durch Alteration herabsetzt, und in den Sandwü-
U^^ä gleichzeitigem Mangel an Wasser asphyctisch macht,
1 den Sommerschlaf der Amphibien und des Tanrecs in den
®^®sen Climaten bedingt.
3. Lichtentwickelung.
?^än weiss jetzt mit Sicherheit, dass das Leuchten des Mce-
jenes Licht, welches die bewegten Wellen, besonders hinter
Egclnden Schiffen, verbreiten, und welches bis zum 60. Grade
u icher Breite wahrgenommen worden, von thlcrischcn Wesen
erruhrt. theils Infusorien, wie neuerlich Quov und
AiMARn bestätigen, theils Polypen (Veretillum, Scefedern) bei
viM*^*' y°*’*hglich nur die Polypenblumen zu leuchten scheinen,
'^iedelcht alle Medusen der Tropenländer, auch einige War-
88
Prolcgomena. 4. PhysicaUsche Erscheinungen,
incr (Ncreklcn, Planarien) und Mollusken, tesondei’s Pholadeo,
Salpen, Pyrosouicn. Uekcr Polynoe fulgurans, ein RingelwürfU'
dien, ifelchcs an dem Leuditen der Ostsee Antheil Jiat, S. Eh-
KESB.rnr, in Por.OEynoRF’s Annal. d. Physik. 1831. 9. Es sdieint,
da*ss audi das Wasser, was von diesen Thieren alifliesst, Icuditet»
und dass das Leuditen naeli dem Tode der Tliiere einige Zeit
fortdauert. Bei den Pholaden versdiwindet das Lidit in der
Lultleere und kehrt heim Zutritt der Luft wieder. Getroeknete
Tliiere leuchten wieder etwas heim Reihen und Befeuehten mit
Wc-Mser. Meyen {no<>. ad. nat. cur. Fol. 16. Suppl.) untorscheidet
3 Arten von Lcnehten des Aleers: 1. von in Seeivasser anfgelds-*
tem Sehlcim, 2. durch Tliiere, die mit einem Icnchtenden Scldeii»
hedeekt sind (Medusen, Pholaden), 3. durch Tliiere mit Leucht'
Organen (Pyrosomen, Oniscus fulgens). Bei Carcinium npalinura
(Oniscus liilgens) liegen besondere Lcuditorgane im 4. und 5. Gliedc
des Leihes. Auch viele andere Crustacecn scheinen zu leuchten-
Die^ leuchtenden Insecten sind Elaler noctilucus, phosphoreus,
ignitns, Pausus sphaerocerus Afzel., Scarahaeus ])hosphoreiis, meh-
rere Ai’ten Lanipyrisj Scolopendra electrica. Tkeviraitos B/o/. 5.
97. Bei den leuchtenden Springkafern sind die Hauptstellcn?
welche leuchlcn, zwei ovale, mit dünnen durchsichtigen Platten
bedeckte Stellen zu den Seiten des Brnstschildes. ThevibanuS
fand die leuchtende Substanz einerlei mit dem Fettkörper der
Inscctcn. Bei dem Johanniswürmchen, Lampjris noctiluca, splen-
didula, strahlt das Licht aus der untern Seite der drei letzten
Bauchringe, hesonders aus 2 iveisslichen Puncten am letzten Ringe;
von Lampyris splendidula leuchten auch die Eier, und es scheint,
dass auch selbst Puppe und Larve nicht ganz ohne Licht sind.
Wach Trevirast/s sind hier die inneren Zeiigungstheile der Sit*
des Lichtes. Der scheinbar wittkührliche Enifluss des Thiercs
auf das Leuchten geschieht nach Tretirancs durch das Athern-
holen. Das Leuchten dauert in irrespiraheln Gasarten und im
luftleeren Raum nicht fort oder nimmt wenigstens ab, worin alle
Beobachter ausser MacartKey und Murray übereinstiinmen. Nach
dem Tode des Thieres ist die Fähigkeit zu leuchten nicht gari*
erloschen. Die leuchtenden Thcile fangen seihst getrocknet von
Neuem zu leuchten an, wenn man sie in Wasser aulweicht. Das
Licht der Riifer nimmt in Wasser erst nach einigen Stunden ab,
in Oel dagegen sogleich, kehrt aber wieder zurück, vvenn das
Thier, todt oder lebendig, in Dämpfe der rauchenden Salpeter-
säure gebracht wird. Siehe über alles dieses und das Nähere
Treviranus Biologie a. a. O. Tiedemaku’s Physiologie I. 48^ — 510-
Gmeliks Chemie 1. 81 — 86. Es scheint nach allen bisherigen Untersu-
chungen rREviRANus Ansicht am wahrscheinlichsten, dass das Leuch-
ten von einer phosphorhaltigcu Materie herrührt, die sich zwar
untci ‘ dem Einflüsse des Lebens conibiiurt, aber einmal gebildet
auch eiiiigermassen vom Lehen unabhängig ist.. Mehrere Erschei-
nungen könnten glauben machen, dass die Leuchtkäfer LichtsaU'
ger seyen, gleich den Bononiscbeii Steinen, und das am Tage ah-
sorbirte Licht Abends wieder von sich geben, wie Carradobi,
Beccaria, Momti glaubten, besonders da ausser vielen minerali'
sehen Substanzen (Schwefelbarynm mit schwefelsaurcm Baryt gC'
^ictdentwicklung und snhjective JJchtcmpfindung, 89
S^niscVi niit Scliwefell)lumen geglülit u. a.) aucli or-
me],] ® Theile im getrockneton Zustande (als Samen, Melil, Starke-
flaus’ Federn, Käse, Eigelh, Bruskelfleiscli, Seimen,
seil '‘s®! Leim, Horn) ziemKcli gute Liclitsauger sind. Indes-
dass j diesem, was Tonn und Murray gefunden haben,
Or|„ ^^’^chtkäler auch Abends leuchteten , wenn sie an du’nkeln
Gg " j*‘ifliewahrt waren, obgleich Macartkey und Macaibe das
503 Leohachtet buben wollen. Tiedemank’s Physiologie. I.
etw 1 höheren Tiiieren kennt man kein Leuchten, als
I Pliosphoresciren der Eidechseneier und das bisweilen he-
Ijgi Fbospboresciren des Harns. Das Leucblen der Augen
ligj^ Säugethieyen, besonders Rauhthieren und nament-
A.ber auch bei Kühen, Pferden, ist fast zum niedicinischen
den geworden. Diejenigen Tbiere scheinen zuweilen aus
S'änz leuchten , welche Licht von einem pigmentlosen
pinj^'^'^den Tapei.um reflcctiren, glcichisde bespnders auch das
des p”f ®*®A.uge der Aveissen Kaninchen leuchtet, Avie denn auch
Sa CHS Augen leuchten sollten. Prevost hat die
zeiotg Zuerst gezeigt. Biblioih. hrilaniii'que 1810, T. 45. Er
dass das sogenannte Leuchten der Thieraugen niemals in
Afjg J*'“'fiener pmikelheit und Aveder willkührlich noch durch
^®äde^ “pi'''orgebracht Avird, sondern durch Reflexion von einfal-
Selijg^*' ^‘clite entsteht. Gruituuiseh hat unabhängig hiervon das-
J);„ Schinden. Beitrüge zur Physiognosie und liautognusie p. 199.
],g _^*isicht theilt auch Runoi.i'ui {Physiologie I. 197.) mit und
djj dass das Leuchten nur hei einer gewissen Stellung, avo
*’cflectirte Licht in unser Auge geworfen wird, erscheint,
... ‘lass, Avie auch Gruithuisen schon bemerkte, auch die Au-
todter Katzen liei cünstiger Stellung leuchten. Ich liabe
Üen
di
Schrift Zur oer-
p. 49. erzählt.
?®d>en Beobachtungen gemacht und in meiner Sehr
P/iysm/og^ie des Gesichtssinnes, Lcipz. p.
® Laben die Albinos oder Kakerlaken bei ihrem scheinha-
‘'äh der Augen seUist die Emplindung des Lichtes. Man
Sen Beitrag zur nähern Kenntniss der Albinos. Meinin-
Yej,j jd. p. 70. Ferner hat Esser (Kastner’s Archiv. 8. 394.)
Sen über das Leuchten der Tnieraugeu angestcllt. Die Au-
®^'^“den, Kaninchen, Schafen und Pferden Icuch-
^ffol, ganz dunkeln Orlen. Die Reflexion des Lichtes
Ri sonst eben so gut noch nach Entfernung der llornhaut,
ßEM freue mich, mit diesen Beobachtungen auch Tie-
Icti ^.^‘^^‘dirungen übereinstimmend zu finden, tlcr das Lcuch-
getre*^ einem Katzenkopf bemerkte, der 20 Stunden vom Rumpfe
neuej!)-*’^, Physiol. jt. 509. Lm so befremdender ist es, dass
^atur„*^”*/. ninem sonst so ausgezeichneten Werke wie Rehgger’s
der Säugethierc von Paraguay abermals das Aus-
Avird **] Licht bei vielen aniericanischen Thieren behauptet
Ich kan*^ .nach Durchschneidung der Sehnerven aufhören soll,
auf djg ** Rüoeh meine Ueherzeugung von der Reflexion selbst
Glosse M* ,®iigniss nicht ändern, und cs Aväre überhaupt eine
wenn europäische Schrillsteller die Sache
‘nlicher fänden, weil sie von americanischen Katzen he-
90 Prvlegomena. 4. Physicalische Erscheinungen.
obachtet ist. Der verdienstvolle und hocbgescliatzte Rengge®
kann sich hierbei leicht getauscht haben. Wer für das Leuch'
teil der Katzenaugen aus Neigung eingenommen, dem empfehle®
wir, wie M'ir gethan hAben, eine Katze in einen absolut dunkel®
Raum mit sich zu nehmen und sich vom Gegentheil zu übcE'
zeugen, dabei aber die durch eine schnelle Bewegung unserer e*'
genen Augen und durch Zerrung des Sehnerven entstehende, blos*
subjective Li,chtempfindung nicht zu verwechseln.
Einige haben geglaubt,, die Empfindungen von Licht bei»®
Druck auf das Auge seyen auch hierher zu zählen. Allein dies®
Empfindung ist bloss subjectiv, wie der Schmerz in der Haut,
weil alle Reizungen der Kervenhaut des Auges, mechanische, eie'
ctrische, wie innere organische, z. B. der Blutandrang, Kervenver'
Stimmung, subjective Lichtempliiidung erregen. Niemals kann da*
ein Anderer sehen, wenn unser Auge die heftigsten subjective®
Empfindungen von Leuchten hat. Die subjectiveu Gesicbtsaffectio'
nen sind bei jedem sehkräftigen Auge nicht, selten und bei mi®
äusserst häufig, aber das sind subjective Bilder, Alfectionen def
Nervenhaut, welche keine äusseren Gegenstände beleuchten kön-
nen , weil sic ohne Entwicklung jenes imponderabeln Fluidum*
sind, welches auch in unserm Sehorgan Lichtempfindnng erregt
und Licht genannt wird; es sind blosse Empfindungen, die s®
wenig beleuchten, als mein Schmerz einem Andern Schmerz, mei®
Ohrenbrausen einem Andern Ohrenbrausen macht. Niemals fin-
det so etwas statt. Ich habe so viel mit subjectiven Gesichtsaf-
fectionen experimentirt, ich müsste es beobachtet haben. Ma»
vergleiche meine Bemerkungen über den ger ich ts-ärztlich vorge-
kommenen Fall, wo Jemand durch einen Schlag auf das Aug®
einen Räuber erkannt haben wollte. Müeller’s Ai-chiv für Anat-
und PhysioL 1834. p. 140.
Ueberslcht der speciellen Physiologie.
I. Von den allgemein verbreiteten thierischeii Säften, vo®
der Säftebewegung und dem Gefässsystem.
P. Von den organisch -chemischen Veräntlerungen in de®
organischen Säften und den organisirten Theilen.
III. Von der Physik der Nerven.
IV. Von den Muskelbewegungen, von der Stimme und Sprache-
V. Von den Sinnen.
VI. Von den Seelenäusserungen.
VII. Von der Zeugung.
VIII. Von der Entwicklung,
Der
^Peciellen Physiologie
Erstes Buch.
Von den allgemein verbreiteten organischen
von der Säftebewegung und von dem Gefässr
System.
\
T. Ahschnitt. Vom Blut. <
I. Von der mikroskopisch- meclianischen Analyse des Blutes-
II. Von der chemischen Analyse des Blutes.
III. .Von deir Analyse des Blutes durch die galvanische Säule-
IV. Von den organischen Eigenschaften und Verhältnissen des
Blutes.
//. Ahschnitt. Von dem Kreislauf des Blutes und deß®
Blutgefäss syst em.
I. Von den Formen des Gefässsysteins in der Thierwelt.
II. Von den Erscheinungen des Kreislaufes.
III. Von dem Herzen als Ursache des Kreislaufes.
IV. Von den einzelnen Theilen des Gefässsystems.
V. Vom Verhalten der Gefässwände hei. der Aufnahme und
Ausscheidung der Stoffe.
111. Abschnitt. Von der Lymphe und dem Lymphgefäss'
System.
I. Von der Lymphe. 0
II. Von dem Lymphgefässsystem.
III. Von den Actionen der Lymphgefässe.
»
Der speciellen Physiologie
Erstes Buch.
den allgemein verLreiteten organisclien Säften, von der
Säftebewegnng und von dem Gefässsystem.
I. Abschnitt. Vom Blut.
er ®lnt, dessen nicht genau bestimmS^are Menge man beim
wacbsenen Menschen sehr verschieden, von 8 — 30 Pfund gc-
e ><itzt, is|. (jjg Flüssigkeit, Avelche die Stoffe zur Bildung und
*'^ltung aller Tbeile des thicriseben Körpers enthält, -welche
zersetzte Materie ans den Theilen in sich zur Ausscheidung
besonderen Organen aufnimmt, und welche durch neue
^^äorungsstoffe, theils aus äusseren Stoffen, theils aus Materien,
'e Schon organisirt waren, von dem Lymphgefässsystein aus er-
S'Oizt wird. Die Umwandlung dieser Malericn in Blut ist wahr-
'einllch weniger eine Wirkung einzelner Organe, als eine all-
^‘ßieine Wirkung der organlsirten Theile, da die Keimhaut, zu
sich der Reim durch Anziehung und Umwandlung der
“Jiissigkeiten aushildet, vor der Existenz der mehrslen Organe,
'^i'd nachdem die ersten Spuren der Centraltheile des Nerven-
systems gebildet sind, innerhalb der Area vasculosa schon das
Blut erzeugt.
Das von den Lungen durch die Lungem^enen kommende
jermittelst der linken Herzkammer durch die Rörperarterie
die dem Körper zngetriebene Blut ist hochroth, das durch
jj ^°*’pervenen zurückkehrende, und vermittelst der rechten
T ^ durch die Lüngenarterie und Aeste wieder in die
^D* Blut isti dunkelroth.
- . "lot ist bei einigen Wirbellosen (Anneliden) auch roth,
.y ^ Mollusken wenigstens bei Planorbis röthlich nach Tke-
ist es^faril*^ zoeiner eigenen Beobachtung, bei vielen Wirbellosen
les den feinsten Gefässen eines durchsichtigen Thei-
liesteht frisch nach dem Ausflusse mikroskopisch untersucht,
'■ das Blut aus sehr kleineu rotheu Körperchen und einer
94 I. Buch. . V m den organ. Säften etc. I. AlscJm. Vom Blut,
klaren farblosen Flüssigkeit, Lympha seu Liquor sanguinis,
dien man nicht mit dem nach dem Gerinnen sich ahscheidendei'
Blutwasser, Serum, verwechseln muss. Von Thieren, welche grö«'
sere Blutkörperchen haben , die nicht durch ein Filtrum vo» ,
weissem Filtrirpapier gehen, wie beim Frosch, kann man nocl>
vor dem Gerinnen sogleich einen Thell des farblosen Liquor saH' '
guinis von den übriger. Theilen abseihen, und sich so eine AH' 1
schanung von der farblosen Blutflüssigkeit ausser den rothen Kör- j
perchen verschaffen. Die Körperchen des Blutes sind specifisd'
schwerer als die Flüssigkeit, und können daher keinen luftlör''
migen Stoff enthalten. I
Das Blut des Menschen hat ein speclifisches Gewicht voi*
1,0527 bis 1,057, einen salzigen Geschmack, reagirt schwach al'
calisch, und verbreitet einen eigenthümlichen Geruch, Halitu’
sanguinis, der etwas verschieden ist bei verschiedenen Thieren, uid
am stärksten am Blute des männlichen Geschle chtes bemerkt wird-
Das ans der Ader gelassene Blut gerinnt in der Kegel bei
allen Wirbelthieren nach 2 — 10 Minuten (beim Menschen nad*
3 — 7, bei Kaninchen schon nach 2 Minuten). Zuerst wird da*
Blut dabei zu einer zusammenhängenden gallertartigen Masse, die
sich nach und nach zusammenzieht, und zuerst tropfenweise,
dann immer^ stärker eine klare, schmutzig gelbliche Flüssigkeit
auspresst, das Serum, Blutwasser. Das rothe Gerinnsel wird Craf'
samentum, Placenta, Coagulum sanguinis, Blutkuchen genannt. Da«
Blutwasser von 1,027 bis 1,029 spec. Gew. ist von salzigem Gc'
scbmack, bei den höheren Thieren schwach alcalisch, bei den»
Frosche aber sehr undeutlich, fast indifferent. Hebmahv hielt
das Blut für sauer reagirend. Da der Farbestoff der Blutkörper'
eben sich in Lacmustinctur so gut wie in Wasser auflöst, so mus*
das mit Lacmustinctur versetzte Blut ein röthliches Serum gß'
ben, was Hermahn zu dem Fehlgrille veranlasst hat, das Seriiia
für sauer zu halten. Das Blutwasser enthält thierische Stoffe
aufgelöst, namentlich Eiweiss, Albumen, das aber nicht von selbst
gerinnt, sondern nur bei gewissen Einflüssen, wie von ErhilzuiioJ
70® Cent, oder Säure, Alcohol u. A. Wird das rotbe Coaguluß»
lange in Wasser ausgeu-aschen , so löst sich die rothe Materie
Cruor, in Wasser auf, und es bleibt eine weisse, fadenartige Mb'
terie zurück, welche man Faserstoff, Filrina, nennt. Dieser Stoff
sinkt in Blutwasser unter, gleiclnvie auch das ro^e CoaguliuiV
wenn es nicht zufällig beigemengte Luftblasen flb.hält. Be'
Schwangeren, Wöchnerinnen, im acuten Kbeuma^Lius und i''
Entzündungen, überhaupt aber, wenn das Blut langsafcr geriniih
senken sich die rothen Körperchen öfter schon vor dem Gerio'
nen unter das Niveau der Flüssigkeit; da nun aber doch di<^
ganze Masse gerinnt, so ist der obere Theil des Gerinnsels weis*?
Crusta inflammatoria, der untere roth. Wenn 1i-isches Blut gC'
schlagen wird, so werden die rothen Körperchen nicht mit voä
dem Coagulum eingeschlossen, und der Faserstoll' gerinnt soglcid*
in farblosen Fäden, die sich an den Stab aulcgen, während da*
übrige nun flüssig bleibende Blut die rothen Körperchen schwC'
bend enthält. Wird das frische Blut einer sehr niedern TempC'
95
Allgemeine Bescltreihung des Bluts. Gerinnen.
ausgesetzt, so gefriert es und kann aufbewalirt werden, so
«lass es erst beim Auftbauen gerinnt. Alkalien -verhindern die Ge-
i'innung, schon ein Zusatz von 0,001 Aetznatrnm, nach Prevost
lind Dumas ; auch einige Salze , sch-wefelsaures JMatron , salpeter-
*äures Kali, kohlensaures Kali und Natron dem aus der Ader ge-
ässenen Blut beigemengt , verhindern oder verzögern die Gerin-
'">ng des Blutes. Audi Viperngift und Ticunasgifl hat nach Fon-
Tana diese V/irkung, wenn 1 mit 20 Theilen Blut versetzt wird;
“"gegen Viperngift in Theile des lebenden Körpers gebracht, die
l»erinnung des Blutes schnell herbeiführen soll. Bei Menschen
““d Thieren, die vom Blitz oder starken electrischen Entladun-
getödtet sind, oder nach Vergiftungen von Blausäure, bei
Inieren, die bis zum Tode gejagt, beim Tode nach starken Schlä-
gen auf den Magen, worauf die Muskeln nicht todtenstarr wer-
sollen, vermisst man auch zuweilen die Gerinnung des Blu-
“s in den Gelassen. Abernetby phjsiol. lect. pag. 21fi.
, Das Blut gerinnt sonst ausser dem lebenden Rörpei" sowohl
der B.uhe, als wenn es bewegt wird, auch bei einer Terape-
|atur, welche der des lebenden Körpers gleich ist, es gerinnt im
h»ftleeren Batirn und in vollgefüllten, luftdicht verschlossenen Ge-
mässen und in nicht atmosphärischen Gasarten. Schroeder van der
Kolk commcnf. de sanguinis coagulatione. Groning. 1820. Biss. sisf.
^^'^‘^coagulaniüs historiam. Groning. 1820. Die einzige Ursache der
Y^finnung ist daher, dass sich' die Mischung^ des Blutes nur unter
“Om Einflüsse der lebenden Theile und namentlich der Gefässe
Orhält. Blut, welches im lebenden Körper aus den Blutgefässen
"ustritt, gerinnt auch meistens. Nach Schroeder’s Versuchen ge-
i'mnt das Blut ausserordentlich schnell nach gewaltsjimer Zerstö-
des Gehirns und des Rückenmarks, und^ man soll einige
"‘muten nach der Operation schon Coagula in 'den grossen Ge-
mässen finden. Mayer beobachtete, dass nach Unterbindung des
Kervus vagus das Blut in den Gefässen gerinne und so tödte, da-
ngen in 4 Versuchen bei 2 Hunden und 2 Kaninchen, die un-
or meiner Anleitung angestellt wurden, nach dieser Operation,
“ s die Thiere unmittelbar nach dem erfolgten Tod untersucht
^urden, nur 2mal im linken Herzen ein erbsengrosses Coagulum,
oines in den Lungengefässen- gefunden ward. Hewson, Parmen-
Tier sc. Dryeux und Schröder haben beobachtet, dass, je mehr
m Lebenskraft eines Thieres abnimmt, die Gerinnung des aus
^der gelassenen Blutes um so schneller eintritt. Mehrere
eobachter wollen eine Temperaturerhöhung bei der Gerinnung
jj^obachtet haben, wie Gordon, Thomson, Mayer, während J.
Schroeder diess auf das Bestimmteste in Abrede stel-
Tir** ■ Havy tentamen experimentale de sanguine. hdinb. 1814.
Ueb^^*“’? 1- r- li'?. Vergl. ebend. 2; 317. 3. 454. 3. 456.
BriT^r ®lut im Allgemeinen sind Parmentier und Deyeux in
Pr il,'2. n. 76., Hewson vom Blute. Nürnb. 1180.,
Arch^^ü^^^ Dumas, Bibliotheque universelle T. 17. p. 294. Meck.
Und b"p '* ^“uuamore über das Blut, ttus d. Engl. IViirzburg 1826,
humain Tlüerchemie 1831., Denis rech, experim. sur le sang
1830. nachzusehen.
I
9ß /. Buch, Von den organ, Säften etc. I. Ahschn. Vom Blute.
I. Capitel. Mikroskopiscli-mech.'inische Analyse
des Blutes.
(Nach eigenen Untersuehungen. PoGGEND. Annal. 1832. 8.)
a. Untersuchung der Blutkörperchen.
• lieber die Form der Blutkörperchen waren die Angaben
der Schriftsteller, welebe inan in E. IX. Weber’s Ausgabe von
HiLDEnRASDx’s Auotomic und Burdach’s Bhysiulogie. Bd. IV, voll-
ständig zusamrncngestellt findet, seltr verschieden. Die vorzüg-
lichsten Beobachter sind: Muys, Fowtana {Nouvi osservazioni so-
pra i globetti rossi del sangue,. Lucca 1766), Hewson {experimental
iiujuiries part. 3. Lond. 1777), Prevost und Dumas {Bihliuth. uni-
oers. T. 17. Meceel's Arcldv. T. 8.), R. Wagner zur vergleichen-
den Physiologie des Blutes, 1834. Was ich hier mittheile, ist bloss
das Resultat eigner Beobachtung. Um die ' Blutkörperchen zu
untersuchen, dai'f man sie nicht mit Wasser verdüntien, man
würde sie dann ganz anders sehen, als sie im lebenden Ivörpcr
sind; das Wasser verändert ihre Form augenblicklich, die ellipti-
schen Blutkörperchen Averden auf der Stelle rundlich, auch ver-
lieren die Blutkörperchen ihre Plattheit. Daher muss man die
Blutkörperchen entweder ohne Beimischung ganz dünn auf dem
Objectträger des Mikroskopes ausbreiten, 0(ier man muss sic
mit Blutserum verdünnen. Z. B. um die Blutkörperchen des
Frosches zu untersuchen, wende ich einen Tropfen Serum von
schon geronnenem Froschhlule an, und setze dazu etwas von ei-
nem Tropfen frischen Froschblutes. Wasser, Avorin etwas Koch-
salz oder Zucker aufgelöst ist, kann ebenfalls zur Verdünnung
angewandt werden. Diese Auflösungen verändern die Blutkör-
perchen durchaus nicht. Die Vermischung des Bluts mit Was-
ser und der Gebrauch schlechter Instrumente haben die verschie-
denen Angaben über die Form der Blutkörperchen A'eranlasst.
Ich finde die Blutkörperchen heim Menschen grösstentheils
gleich gross; einzelne sind ein wenig grösser als die Mehrzahl
derselben, aber nicht noch einmal so gross im Durchmesser.
Beim Frosch sind sie ebenfalls meistens gleich gross, doch sieht
man auch solche, die hei übrigens gleicher Form doch etwas
kleiner sind, und gleichsam noch in der Bildung hegrill'en zu
seyn scheinen. Nach Prevost und Dumas sind die Blutkörner-
chen des Embryo grösser. Beim Embryo des Kaninchens iaiul
ich sie sehr ungleich; hier sieht man einzelne, welche melir als
noch einmal so gross als die Mehrzahl im Durchmesser sind,
Avährend die Mehrzahl durchaus in der Grösse denen des etwuch-
senen Kaninchens gleich kommt. Die Blutkörperchen der Frosch-
larven scheinen etwas kleiner, als die der envachsenen Frösche,
und sind viel blässer. Die Gestalt der Blutkörperchen ist hei
verschiedenen Thieren sehr verschieden, sie sind indess, mögen
sie kreisförmig oder elliptisch seyn, immer platt. Runde Schei-
ben sind sie heim Menschen und den Saugetljieren; interessant
Aväre, Zu wissen, Avie sie Avohl heim Schnahelthicr und der Echidna
seyn mögen. Elliptisch finde ich sie, üliereinstimmend mit an-
1. Mikroskop, mechan. Analyse. Blutkörperchen. 97
eren BeoLaclitern, Lei den Vögeln (HuLn, TauLe), Lei den Am-
Wo s'^*^ • i Salamander, Eidechse), und hei den Fischen,
oh **i wie heim Karpfen, der runden Form nahem,
sei » '^hstandig rund zu seyn. RuDOLPin gieht sie von den Fi-
^wnd an, wie ich sie früher, als ich sic noch nicht gut zu
'verstand, hei Clupea alosa gefunden hahe; diess
eint ein Beohachtungsfehlcr zu seyn, oder es rührte von Ver-
der'^F^'^^ Wasser her, wovon die elliptischen Blutkörperchen
*■ rische, Amphibien, Vögel, nach meiner Beohachlung, jedesmal
'Vo*' ■werden. Später fand ich die Blutkörperchen
de” ^ wirklich elliptisch. Die elliptischen Körperchen
öial ’ind Vögel sind im Durchschnitt etwa noch ein-
^®ng als breit. Dass sie platt sind, diess hahe ich nicht
Am”! den elliptischen Körperchen der Fische, Vögel und
P nhien, sondern auf das Bestimmlcstc auch von den kreisför-
öinT Kalbes, der Katze, des Hundes, des Ka-
ond des Menschen gesehen. Hierzu bedarf man aber
sich ^Pi-iscBßr Instrumente. Von der Abplattung überzeugt man
^^®nn man den mit Serum, Kochsalz oder Zuckerwasser
so d””*'*^*-*' ®^’^Istropfen unter dem Mikroskop in Bewegung bringt,
^‘and** ''■cIc von den Blutkörperchen beim Fliessen sich auf den
dem Am plattesten sind sic, im Verh'ältniss zu den an-
y^tej-^V^'^^'^^ssern, bei den Amphibien und bei den Fischen;
Sehr ? Thieren finde ich sie am plattesten beim Salamander,
platt sind sie auch beim Frosch, iv'O ihre Dicke 8 bis 10
des v isb als ihr L'ängcndurchmesser. Die Blutkörperchen
Iien ^ ‘l®onders zeigen, wenn sic senkrecht auf dem Rande ste-
Erliöl von der Mitte der beiden Seitenfl'ächen hervorragende
2ßi sondern sind ganz gleichförmig platt; die der Frösche
fen i” zuweilen, nicht immer deutlich, ein auf beiden Sei-
•iem p'^'°*^“S®’'des mittleres Hügelchcn, wenn sie senkrecht auf
Ben AI ^ stehen, so wie es Pbevost und Dumas abgehildct ha-
. "Sleicli, wie ich sp'äter zeigen iverde, die Blutkörperchen
Sehen '”''®*** Kern haben, so ragt doch dieser nur bei den Frö-
gg ** '•*' Mitte etwas hervor; bei allen übrigen Thieren da-
^er Vaf.l*"!- nicht hervorragend. Die elliptischen Blutkörperchen
.jyjg sich ganz und gar ähnlich, zwar nicht so platt,
fähr T 1 sie sind jedoch entschieden platt, unge-
^ig Verh'ällniss, wie ein Brod hiesigen Landes. Dass
Von ko ^ Säugethieren und dem Menschen platt sind, da-
deru mich früher nicht überzeugen, wohl aber, nach-
koniite ^ kostbares FiiAUSHOFEii’sches Mikroskop anwendeu
dürfe. ’ Solernt hatte, dass man mit Wasser nicht verdünnen
und der S/ ist bei den Blutkörperchen des Menschen
in der 8ooz gleichförmig, und sie haben jedenfalls
gesehen w ” Erhöhung. Wenn sie auf dem Rande stehend
dunkler St ' ei-scheincn sie wie ein kurzer, gleich dicker,
last scharf ru-. beiden Enden nicht abgerundet, sondern
ansieht, “Bnlich einer Münze, die man gegen den Rand
ISfc flpT Öftnr» nrAl\T'Qii/'Kf 'S! tun
Weoen öfter gebrauchte Vergleich mit Münzen
'^Ofichtig, weil sie im Verh'ältniss zum Breitendurch-
ffluu
Physiologie.
98 /. Bv-ch. Von den organ. Säften etc. I. Abschn. Vom Blut.
messer niclit so tlünn wie Münzen sintl; sie sind beim Menschen
nur 4 l)is 5 mal so dünn als breit.
Die Blntkörpercben der nackten Amphibien sind die grössten,
die ich kenne; die der Vögel und Fische und beschuppten Am-
phibien sind kleiner. Die Blutkörperchen des Menschen und dcf
Saugethiere sind die kleinsten, und unter den Siuigethieren sinn
sic bei der Ziege am kleinsfen, wie Prevost und Dumas gefun-
den haben, und ich wiederfinde. Beim Kalbe sind sie ein We-
niges kleiner als beim Menschen. Beim Menschen fand ich ih-
ren Flachendurchmcsscr = 0,00023 — 0,00035 Par. Zoll. AV-
und E. Wkreb, so wie Wollastos, gehen sie zu 0,00020, Kate»
zu 0,00023, Prevost und Duma.s zu 0,00025 P. Z. an. Die Blut-
körperchen der Vögel, neben einander mit denen der Frösche
untersucht, sind etwa halb so gross, als die der Frösche, die der
Salamander sind etwas grösser, als die der Frösche, aber nicm
t grösser, sie sind etwas länglicher; die der Eidechse finde ich
ungefähr -| vom Durchmesser derjenigen des Frosches. Die Blut-
körperchen des Frosches sind, neben denen des Menschen unter-
sucht, ungefähr vier Mal grösser, der Fläche«idurchmesser der
Blnlkörperchen des Menschen mit dem Längendurchmesser der-
selben beim Fi-oscho verglichen. Auch das Blut der Wirbello-
sen enthält Körperchen, sie sind aber noch nicht gehörig un-
tersucht.
In der Mitte der kreisförmigen und der elliptischen Blutkör-
perchen sieht man einen Fleck, der in den kreisförmigen runJ,
in den elliiitischen elliptisch ist, und auf der Seite der Beleuch-
tuiw hell, ani' der Seite des Schattens dunkel erscheint; er sield
zuw'eilen, und zwar bei den Vögeln, Ampliibien und Fischen, Wi®
ein Kern im Innern aus, besonders bei heller Beleuchtung, rr®
die Schalten Wegfällen; zuweilen und zwar bei weniger hellef
Beleuchtung sicht er wie eine Erhöhung aus, und zwar bei dcij
Fröschen vorzugsn eise, durchaus nicht bei den Salamandern, nn‘
aueh nicht bei Vögeln und Fischen. Bei den Fröschen glaum
man deutlicher eine elliptische Erhöhung zu sehen, wenn di®
Körperchen in wenig Serum enthalten sind; alsdann glaubt ma'*
auch beim Frosch eine Vertiefung zwischen dem Avulstigen Rand®
und der mittlern elliptischen Erhöhung zu bemerken. Ich sag®
hier bloss, was man bei verschiedenen Bedingungen zu sehe®
glaubt, nicht' was ich dafür halte. Da nun aber die Blutkörper-
chen der Vögel, Salamander und vieler Fische, auf dem Rand®
stehend, an \len Seilenllächcn nicht eine mittlere HervorraguoS
zeigen, so kann ihr mittlerer Fleck auch keine Erhöhung seV®»
und der Fleck rührt von dem Kern des Blutkörperchens he®'
welches sich auf eine andere Art beweisen lasst. Da ferner d*®
Blutkörperchen des Frosches, auf dem Rande stehend, zuweil®®
ein flaches Ilügelchen an den Seitenflächen zeigen, so muss d®*
Kern hier auch eine wirkliche unbedeutende Hervorragung hd-
den. (R. AVagneb hat indess auch an den Blutkörperchen viel®
anderen Thiere, Amphibien und Fische diese Hervorragung heo®'
achtet.) Die kreisförmigen Blutkörnchen des Menschen und d®
Saugethiere, durch ein gutes Instrument beobachtet, zeigen wed®
1. Mikroskop, mechan. Analyse. Blutkörperchen.
99
dem Rande stehend irgend eine Spur von Ilervorragiing an
Seitenflächen, noch hat der Fleck, wenn inan sie gegen eine
Flächen ansielit, jemals das Ansehn einer Frliöhung. Die
Schriftsteller haben, indem sie heständig von einem Thier auf
5^3s andere schlossen, hier zum Thcil viel Verwirrung herein ge-
wacht. Die Beohachtiingen von Prevost und Dumas habe ich
wgegen in vielen Punkten bestätigen können. Die Rlutkörpcr-
chen des Menschen und der Säugethiere sehen zuweilen in ei-
geivissen Beleuchtung so ans, als ivenn sie vom Rande gegen
”‘e Mitte ganz selcht ausgchölilt wären. Der 0[)liker Youjvg ist
geneigt, den 'Fleck für eine wirkliche Aushöhlung zu halten, ich
^dl das nicht sagen. Es ist mir sogar ln hohem Grad unwahr-
,'jheinlich, weil ich mich zuletzt überzeugt habe, dass die Blut-
Wperchen des Menschen und der Säugethiere einen sehr kleinen
^*’n enthalten, der die Dicke des platten Blulkörpereliens hat.
ctin die Scheibchen schief stehen, so dass man etwas von der ei-
Fläche und etwas vom ohern Rande sieht, so bildet dei'
®re Rand einen dunkeln Halbkreis, nach der einen Seile con-
• nach der andern concav. Aus meinen Beobachtungen, die
Sogleich anführen werde, ergiebt sich unzweifelliaft, dass die
wkörperchen der Frösche und Salamander einen Kern enthal-
der sich ganz anders chemisch verhält, als die Rinde. Da
V den Blutkörperchen der Fische und Vögel dieser Kern mikro-
' ypisch gerade so erscheint, wie bei den Amphibien, so ist es
^ lon hieraus sehr wabrscbclnlich, dass auch die Blutkörperchen
Menschen und der Säugethiere einen Kern enthalten, was
''^b nur Avegen der Kleinheit nicht so leicht wie dort direct he-
^^hen lässt. Ich habe aber auch mit dem FRAusiiOFER’schen
.‘^roskope an den Blutkörperchen des Menschen hei einer gc-
^aen Beleuchtung ganz deutlich einen sehr kleinen , runden,
Wfbegränzten Kern gesehen, der mehr gelblich und glänzend
®sah, als der durchscheinende Umfang. Wenn man die Blut-
.^/?'^P®*’chen unter dem Mikroskope mit Essigsäure vermischt, so
üb*^^^ die Schale fast ganz aufgelöst, und cs bleihen dann diese
kleinen Kerne übrig, die beim Menschenblut sehr sclnver
^ sehen sind, während sie vom Froschblut als ganz deutliche
erscheinen, die man früher im Innern der Blutkör-
de*^*^u ” gesehen hat. Beim Menschen sind die Kerne im Innern
der ^ '^‘*^'^°*’perchen so klein, dass sie nicht dicker sind, als
j.jjJ^'^'^i'ehmesser der Dicke des platten Blutkörperchens, und da-
Jjilj^ ’^hssen sie nicht nothwendig eine Erhöhung in der Mitte
halten” Fföscbe, ^ so wie es aus dem Herzen selbst er-
^örne ^^' d) habe ich noch eine zw'eite, viel kleinere Art von
sindc^*^ gefunden, die sehr sparsam darin Vorkommen; sie
die eir^'r ^“'’d, nicht platt, und ungefähr vier Mal kleiner als
spgrsai^ ^®*^hen Blutkörperchen ; sie kommen ganz mit den sehr
3 l^örnchen der Lymphe der Frösche überein , die ich
Solchen **^ *’’" hesebreihen iverde, und sind offenbar Lymphkü-
ohen gelangenden Lymphe, oder Chyiuskügel-
lolleicht entstehen aus den Lymph- und Chyluskügelchen
100 I. Buch. Von den organ. Säften etc. I. Alschn. Vom Blut.
die Kei’ne der elliptisclien BluAörperchen. Docli sind die durct
Essi»s:iure von der Hülle befreiten Kerne der FroscliLlutkörper-
clicn zwar tingcfalir so gross, als die seltnere Art von Körnclieo
im Blut und als die Körnchen der Lymphe; allein die heideii
letzteren sind rund, die durch Essigsäure dargestellten Kerne der
elliptischen Blutkörperchen sind dagegen elliptisch, und heim Sa-
lamander sogar noch deullich platt. Auch sind die Chyluskügel-
chen von Säugethieren viel grösser, als die Kerne der Blutkör-
perchen derselhen Thlcre. Von den ganzen Blutkörperchen un-
terscheiden sieh aher die Chyluskügelchen dadurch, dass die Chy-
lusklioelchcn in Wasser ganz unauflöslich sind, wälirend die Blut-
körperchen in Wasser h'is auf ihre Kerne sich auflösen.
^ Man glaubt gewöhnlich, dass die INatur sehr schnell den zuD»
Blut gelangenden Chylus in Blut umwandele; diess mag allerdings
so se'yn. Indessen rverden die Chyluskügelchen im Blut auch
durch ihre Zerstreuung zwischen den rothen Blutkörperchen un-
sichtbar. Wenn man aher die Gerinnung des Bluts von Säuge-
thieren oder vom Menschen durch ein Minimum von unterkoh-
lensaurem Kali verlangsamt, so sinken die rothen Blutkörperchen
allmählig vor der Gerinnung einige Linien unter das Niveau der
Flüssigkeit, und die darüber stehende Flüssigkeit ist weisslich, of-
fenbar von den dem Blute heigemengten Chyluskügelchen. Bei
der gewöhnlichen Gerinnung werden die Chyluskügelchen zwi-
schen der ungelieuren Menge der rotlien Blutkörperclien mit in
das Coagulum eingcschlossen, daher das Serum durchscheinend
und nicht weisslich ist, während in obigem Versuche vor der
Gerinnung die leichten Chyluskügelchen im ohern, die schwereren
Blutköi’perchen im untern Theil der h lüssigkeit suspendirt sind.
So lange die Blutkörperchen im Serum des Blutes enthalten
sind, löst sich ihr Farhestoff nicht auf, wohl aber, wenn Wassef
damit in Berührung kommt. Was Home {Phil. Transact. I8I8J
von der leichten Zersetzbarkeit der Blutkörperehen gesagt hah
davon habe ich nichts bestätigt gefunden. Wenn Blut von San-
gethieren geschlagen worden ist, so behalten die Blutkörperchen
ihre Form, und mehrere Stunden später, ja seihst am andern
Tage, mit den besten Instrumenten untersucht, zeigen die Blot'
körperclien nicht die geringste Veränderung ihrer Form un‘
Grösse. Seihst naeh 24 Stunden ist fast nichts davon im Bluts«'
rum aufgelöst, und das Serum, welches in 24 Stunden einige Li'
nien hoch über den im Serum snspendirten Blutkörperchen stehti
ist gelb und farblos. Nach 12 bis 24 Stunden stehen die Blut'
körperclien von geschlagenem Schaf- und Ochsenhlut Lini«**
unter dem Niveau der Flüssigkeit. Von geschlagenem MenscheO'
hlut und Katzenblut sinken die Blutkörperchen etwas tiefer, näiO'
lieh 4 bis 6 Linien schon innerhalb einiger Stunden. Solch«
geschlagene und vom w'eissen Faserstoffgerinnsel befreite Blut b»
ganz das Ansehen des natürlichen Blutes, die Kügelchen schw«^
hen darin, und wenn das Blut vom Schaf und Ochsen h«
45® C. mehrere Tage steht, so bleiben sie doch darin susp«*’"
dirt und sinken nicht ganz zu Boden. Die rothen Körperch«*'
von geschlagenem Ochsen- und Schafblut senken sich in mehr^'
1. Mikrosk, median. Analyse. Blutkorperdien.
101
ren Tagen nur liöclistens 2^ Linien unter das Niveau der Hüs-
?*§^eit; das darüber siebende Serum, Anfangs farblos, färbt sieb
mehreren Tagen nur ganz unbedeutend, bringt man aber et-
■vvas Wasser zu gescblage'nem Blute von Sängetbieren, so lost sieb
Tbeil des Farbestoifcs im Wasser auf, und ein grosser Tbeil
Blutkörperchen sinkt zu Boden. Die Blulkörperelien des Fro-
sinken dagegen schon im blossen Serum des Froschblutes
«chnell zu Boden, und das Serum stobt farblos darüber; so erbal-
sieb die Rörpereben, bei nicht zu warmer \\ itterung , ohne
geringste Veränderung ihrer Form und Grösse mehrere läge
Um von Froschblut ein mit Blutkörperchen gemengtes Se-
i’Vim zu erhallen, nehme leb das sieb bildende Gerinnsel, so Avie
*^5 sich bildet, nach und nach heraus, bis sieb nichts mehr bildet;
3uch rübi’e ich das Gerinnsel vorher in der noch übrigen Flüs-
®*S^eit um, damit die sich anhängenden Blutkörperchen sich ab-
Auf diese Art erhält man,' nach weggenommenem Gerinn-
’ Blutserum mit einer grossen Menge von Körperchen, w’äh-
ein anderer Theil der Körperchen von dem Öcrinnsel ein-
pschlossen ist. In diesem Zustande können die im Scruna ent-
^'^Benen Blutkörperchen zu verschiedenen Versuchen dienen,
Vorauf man ihre Veränderung mikroskopisch untersucht, wäh-
^önd man frisches Blut wegen des sich bildenden Gerinnsels nicht
Sät zu Versuchen über 'das Verhalten der Blutkörperchen zu
^ärschiedenen Stolfen brauchen kann. •
Wenn mau zu dem, auf die angczclgte Art bereiteten, von
^firinusel befreiten Gemenge von Serum und Blutkörperchen des
^ rösches Wasser ziisetzt, und das Gemenge umrUhrt, so löst sich
är Parbestolf der Blutkörperchen allmählig im Wasser auf, und
hteibt zuletzt ein weisser Satz auf dem Boden des Uhrglases,
or nun aus runden Kügelchen besieht, die viermal kleiner sind
ä'S die Blutkörperchen, und der sich im Wasser nicht auflöst.
. Ol die Auflösung des Farbcsloffes in dem Wasser z,u befördern,
rst es gut viel Wasser zuzusctzen. Man vermischt in einem Uhr-
S äse das Gemenge von Serum und Blutkörperchen des Frosches
pb Wasser, so dass das Gläschen voll wird. Nun wartet mau
ärze Zeit, bis sich die Blutkörperchen zu Böden gesetzt haben,
senkt sodann das A’olle ührglas in ein grösseres Glas mit
asser vorsichtig so ein, dass der Satz des Ulirgläses nicht auf-
86'üttclt und zerstreut ivird. So lässt man das Glas 12 bis 24
unden stehen, worauf der rothe Satz iveiss geworden isL Mi-
ostoplsch untersucht, zeigt sich nup nichts mehr von den frü-
oBipti sehen Blutkörperchen, dagegen eine grosse Menge
Unt ^äinerer, rundlicher, nur zu;n Thöil ''ovaler Kügelchen.
Satz In den Zwischenzeiten vor Ablauf der
Stoff ■ pönden, so kann man sich üherzengön, dass der Farbe-
färbt ' • Maasse, als er sich iib Whisser auflöst und dasselbe
dass ^^än elliptischen Blutkörperchen entfernt hat, so
],jgibt • '"^'^oer kleiner iverden, während der Kern derselben
im Wasser unauflösliche farblose Kern
Versuch ' diesem welssen Satze kann man dann weiter kleine
® anslelleß, ' Im Wasser sieb selbst übei'lassen, löst er
102 I. Buch. Von den organ. Säften etc. I. Ahsclin. Vom Blut.
sich nicht auf, sondern bildet zuletzt ein schleimiges, noch aus
denselben kleineren Kügelchen bestehendes Wesen auf dem Bo-
den des Glases. In Alkalien wird dieser Satz aufgelöst; Essigsäure
verändert ihn in langer Zeit nicht. Der Actlon der galvanischen
Säule ausgeselzt, verhält er sich so, wie eine Auflösung von Ei-
dotter, wie später ausgefübrt werden soll.
Dass sieb der FarbestofF der Blutkörperchen ganz und In
allen Verhältnissen im Wasser auflöst, wie Berzeltus gegen Pre-
vosT und Dumas bemerkt, und dass er dann nicht" in kleinen
Fragmenten Im Wasser siispendirt ist, davon kann man sich
nicht allein am Blute des Menschen und der Säiigetbiere, sondern
auch viel sicherer an den Blutkörperchen des Frosches überzeugen.
Was aus den Kernen der Blutkörperchen des Menschen und der
Säugethiere Avird, Avenii die Blutkörpeixhen mit Wasser gemengt
Averden, lässt sich wegen ihrer ausserordentlichen Kleinheit nicht
ausmitteln, und es ist nach Analogie des Froschblutes nur Avahr-
scheinlich, dass die in Wasser unauflöslichen Kerne im Wasser
siispendirt bleiben, Avenn man geschlagenes und vom Gerinnsel
befreites Säiigethierblut mit so viel Wasser verdünnt, dass aller
FarbeslofF der Bl utkörperchen sich auflöst. Beim Gerinnen des
ungeschlagenen Säugcthierbliiles bleiben die Kerne der Blutkör-
perchen mit dem i'othen Coagulum verbunden, vielleicht selbst
noch, Avenn der Farbestoff aus diesem Coagulum schon ausgewa-
schen ist; vielleicht Averden sie auch hierbei mit ausgeivaschen
(ohne Avic der Farbestoff aufgelöst zu Averden). Berzelius scheint
die Unlösliclikeit des Farbestoffes im Serum von dessen Eiweiss-
gehalt abzuleiten, und bemerkt, dass, Avenn Wasser, Avornit der
Blutkuchen ausgewaschen Avorden, Fai’bestoff abselzt, diess von
anhängendem Serum herrühre. Ich tbcile ganz die Ansicht des
grossen Chemikers, dass der PVebestoff der Blutkörperchen im
Wasser In, allen Verhältnissen löslich ist; indessen glaube ich,
dass die Vichtauflösung des Farbestoffes Im Serum nicht allein
von der Auflösung des Eiweisses, sondern auch vorzüglich von
der Aullösung der Salze im Serum herrührt. Wenn ich auf
dem Objecllräger des Mikroskopes zu einem Tröpfchen Frosch-
blut einige Tropfen von einer AA'ässrigen Auflösung von Eidotter
ziisetzte, so sah ich die Blutkörperchen fast eben so schnell ihre
Gestalt verändern und rund Averden, als Avenn ich reines Wasser
zusetzte. Wenn icli aber zu einem Tropfen Froschblut Tropfen
A'on einer Auflösung eines solchen Salzes brachte, Avelches das
Blut nichl zersetzt, z. B. von untcrkohlensaurem Kali oder von
Kochsalz, so veränderte sich die Form und Grösse der Blutkör-
perchen ihirchaus nicht. Auch Zuckerwasser wirkt Avie Salzaiif-
lösung. Die Natur der Blutkörperchen wird sehr aufgeklärt
durch ihr Verhalten gegen verschiedene Rcagentien, Avelches man
mit dem zusamniengcselzten Mikroskope an den grossen Blutkör-
perchen der P’rösclie und Salamander allein deutlich beobachten
kann. Man kann hierzu Tropfen frischen Froschblutes nehmen.
Da sich indess in diesen ein Gerinnsel bildet, so ist es besser,
Avenn man sich auf die früher angezeigte Art durch Entfernen
des Gerinnsels ein blosses Gemenge von Serum und Blutkörper-
103
1. Mihrosk. rnechan, Analyse. Ydntkörpcrrhen.
des FroscliLliites bereitet. Man bringt einTröpCcben davon
den Objcctträgcr des Mikroskopes, nnd breitet es aus, dane-
ben bringt man einen Tropfen von einem P.cagens. M alirend
nun observirt, bringt man beide Tropfen mit einander in
'"cibinduniT, und betraebiet die Veränderungen der Blutkorper-
''‘‘en; oder man betraebtet zuerst die Blulkörpercben für sich,
*®tzt dann das Reagens auf dem Objectlräger biiizu und betracb-
*et sie Avieder. Dieser Melliode liabc icli imcb beständig bei den
^^genden Unlersticliun^en l)C(.ru:ut.
Selir merkwürdig ist die augenblickliche Veränderung der
Blutkörpereben dureb reines Wasser. Die Blutkorpereben des
funseben werden davon undeiitlicb, man siebt wegen dei Klem-
Bult das Nälierc nlcbt; doch glaube ich bemerkt zu babcii, dass
s>e ihre Plattbeil verlieren. Denn ich konnte beim \or])eilliesscn
ßltilkörperclien unter dem Mikroskope keine melir ti enncii,
fe einen scharfen Rand bei veränderter Stellung scbcnliessen.
^ Broscbblute siebt man aber Alles genau. So wie ein Troplen
“sser mit einem Tropfen Blutes in Berührung kommt, werden
j'."Seiibi;cklicb die elliptischen platten Körpereben rund, und ver-
“eren ihre Platllieit, so dass sieb beim Vorbeiniessen keine melir
“'‘l'stellen und einen sebarfen Rand seben lassen. Ob sie dabei
«xfscbwellen, weiss ich nicht; sie iverden kleiner, als der Langen-
'^'»»■cbniesscr der Ellipse war, aber doch grösser als der Breiten-
'J*'cliniesser derselben. Viele zeigen sieb ungleicb, uneben, yer-
flohen; die meisten sind rundbeb, aber ungciiaii. Der Kern
sieb durch die Berührung des Wassers bei vielen verschoben,
wird nicht mehr in der Mitte, sondern an der Seite gesehen
uiuleren fehlt er ganz; solcher sind jedoch nur wenige, und
“‘USR sebeinen durch die gewaltsame Veränderung, welche sie
'oru Wasser erlitten haben, ihre Korne ausgetrieben zu haben;
man siebt, so wie Blutkörperchen ohne Kerne, so auch el-
'Pbsclie Kerne ohne Hülle auf dem Sehfelde zerstreut, aber nicht
'li'eicb. Von den erwähnten kleineren Kügelchen des brosch-
^ Utes unterscheiden sich diese wenig zahlreichen ausgetriehenen
ui'ne durch ihre elliptische Gestalt. INacb und nach, wenn man
'Uebr W'^asser zusetzt, verändert sich auch die Grösse der rund
gewordenen, zum Tbeil noch kernhaltigen, zum kleinsten Theil
ernloscn Blutkörperchen. Sie werden niiter den Augen des
^«uhachters kleiner, zerfllessen, und zuletzt, nach einiger Zeit,
w nichts mehr übrig als die Kerne, die sieb im Wasser nicht
lösen. Wasser, u'oriii unterkohlensaurcs Kali, oder Kochsalz,
^‘ ur Salniiiik, oder Zucker aufgelöst worden, vei'äiidcrt nicht ini
die Form und Grösse der Blutkörperchen. Vur von
^11®',.’.'^ ur Aullösung von untcrkohlensaiirem Kali scheinen sic
de”^ F etwas klemcr zu werden. Bringt num Blutkörperchen
pj® , .*'°®ehos von dem vom Gerinnsel liefreilcn Gemenge von
p *V°*’Purchen und Serum mit verdünnter oder conceutrirter
."'Her dem Mikroskope in Berührung, so werden sm
liübe ^ uulÖrmUch, zum Theil rund, und ihre FarhestolF-
die elf r einigen Minuten fast ganz aufgelöst, so dass nur
ciiipiiscben Xvcnie iibriq zu bleiben scheinen^ TTclcbe zwiseben
104 I. Buch. Von den organ, Säften etc. I. Alschn. Vom Blut.
-5- bis -j von der Breite der ganzen Blntkörperclien im Breiten-
durcliniesser haben. Diess sind nicht etwa zusammengeschrnmpftß
Blutkörperchen, sondern es sind die unveränderten Kerne, die
man schon früher sah, und um welche herum die FarhestofFhülle
sichtbar kleiner wird, bis sie ganz aufgelöst scheint. Doch wird
nicht die ganze Rinde von FarhestoflT um den Kern aufgelöst;
denn mit dem FaAUNHorER’schen Mikroskope konnte ich mich
übei’zeugcn, dass ein sehr schmaler, überaus blasser, unscheinba-
rer Umriss um die deutlich erscheinenden Kerne herum geblie-
ben war, dessen Durchmesser aber sehr viel kleiner ist, als der
Durchmesser des ganzen Blutkörperchens. Diese Kerne entspre-
chen den Umrissen des ganzen Blutkörperchens. Beim Frosche
scheinen sic nicht platt zu seyn, wenigstens nicht merklich; beim
Salamander habe ich dagegen die Kerne, nach der Behandlung
der Ehitkörperchcn mit Essigsäure, ganz deutlich platt gesehen,
so platt wie die Blutkörperchen selbst. Belm Frosche sind sic
ungefähr noch einmal so lang als breit, obgleich es auch einzelne
gieht, die sich der runden Form mehr nähern; beim Salamander
sind die Kerne länglicher, und haben fast parallele Seiten, wäh-
rend sie an beiden Enden .abgerundet sind. Auf diese Art kann
man durch Essigsäure auch die überaus kleinen Kerne von den
Blutkörperchen des Menschen und der Säugethiere darstellen,
die man jedoch nur bei der grössten Aufmerksamkeit mit einen»
sehr klaren Instrumente sieht.
Versetzt man unter Umrühren ein vom Gerinnsel befreites
Gemenge von Blutkörperchen und Serum des Frosches in einiger
Quantität mit Essigsäure, so erleiden die Blutkörperchen dieselbe
Veränderung; aber man sieht nun auch, dass die Kerne, welche
sich zu Boden setzen, ein hellbraunes Pulver bilden, welches sich
in mehreren Tagen nicht aullöst, und später, mikroskopisch un-
tersucht, noch aus denselben unveränderten Kernen der Blutkör-
perchen besteht. Faserstoff und Elweiss wird sonst in Essigsäure
nicht braun, sondern durchscheinend und allmählig etwas dadurch
aufgelöst. Indessen scheint die braune Farbe des Pulvers voi»
etwas noch anhängendem und vielleicht chemisch veränderten»
Farhestoff herzurühren ; denn die Kerne der Blutkörperchen»
welche man durch Behandlung der Blutkörperchen mit Wassc*"
in grösserer Quantität auf die angezeigte Art erhält, sind weis^»
und bleiben, mit Essigsäure begossen, ein weisser Satz. D'®
hierzu angewandte Essigsäure war als chemisch rein geprüft
und etwas mehr concentrirt als die Essigsäure der preussische'»
Pharmacopoe.
Salzsäure löste luiter dem Mikroskope die Blutkörperche»»
nicht bis auf ihre Kerne auf, sic w'urden nur unmerklich kleiner*
Chlorgas entfärbte das Froscliblut; zuerst wird es nämlich bi’äun-
lich, aber schnell ganz weisslich; dabei gerinnt das Eiweiss >■'
Kügelchen. Später, mikroskopisch untersucht, zeigen sich in der
weissen Materie noch die Formen der Blutkörperchen, sie sin®
aber etwas kleiner. Man kann den Versuch so anstellcn, da**
man die Röhre, wodurch man Chlorgas leitet, mit Froschblut »f'
wendig bestreicht, oder dass man in ein mit Chlorgas gefüllt®^»
1. Mikrosk. mechan. Analyse. Blutflüssigkeit, Faserstoff. 105
englialsiges Glas Froscliblat liineinfliessen lässt und das Glas
sclinell verstopft. Das Blut fliesst nun eine Strecke an den Wän-
den lieral), gerinnt aber sehr scbnell. Sauerstoffgas und Kohlen-
säure verändern die Form der Blutkörperchen nicht.
. Liquor kali causlici veränderte die Form der Blutkörperchen
*'‘cht, sondern machte sie in ihren natürlichen Dimensionen im-
•^er kleiner so dass sehr schnell nicht allein die Hülle, sondern
auch der Kern ohne Spur aufgelöst wurde. Liquor ammonii cau-
löste die Körperehen noch schneller aul, und veränderte
Momente der Berührung schon die Körperchen ins Runde.
Auch die Kerne wurden spurlos aufgelöst. Alkohol verändert die
Körper nicht; sie schrumpfen nur ein wenig ein, und werden
^agen der Kügelchen von Eiweiss, die sich durch Gerinnung aus
Serum bilden und das Gesichtsfeld trüben, undeutlich.
Y^''ychnin und Morphium brachten in den Körperchen keine
afänderung hervor.
Die Blutkörperchen sind im arteriösen und venösen Blute von
^ sicher Form und gleicher Grösse , was mit den Angaben des
®Oiist genauen Ksutesbrubner im Widerspruch steht, welcher he-
^'‘uptet, dass die Blutkörperchen in den Capillargefässen etwas
®aschvellen, und dass zug leich ihre Ränder weniger umschrieben
?arden und etwas zerfliessen. Ich fand auch, dass die Form der
^qntkörperchen durchaus nicht verändert wurde, als ich Fröschen
^ *e Lungen ganz unterband und darauf abschnitt, worauf sie noch
Stunden ^lebten , wabrscheinlich durch Athmen mit der Haut,
die Fische in v. Humbolut’s und PaovESCAL’s Versuchen,
^eber die Blutkörperchen der Wirbellosen siehe die oben ange-
^^'»rte, sehr reichhaltige Schrift von Wagner.
b. Untersuchung der Blutflüssigkeit.
. Unter Blutflüssigkeit, Liquor sanguinis, verstehe ich die ^arh-
lose Flüssigkeit des Blutes ausser den rothen Blutkörperchen,
^nd Eviar so, wie sie vor dem Gerinnen des Blutes ist. Bei dem
Lei'iunen trennt sich diese Flüssigkeit in den Faserstoff, der vor-
aufgelöst war, und beim Gerinnen die rothen Körperchen
einschliesst, und in das Serum, welches nun noch den Ei-
Y'^Lsstoff aufgelöst enthält. Wir werden in dieser mechanischen
Analyse des Blutes zuerst den Faserstoff, dann das Seram ah-
tändeln.
1) Vom. Faserstoff,
, Lie gewöhnliche Ansicht von der Gerinnung des Blutes ist,
das rothe Gerinnsel sich durch Aggregation der Blutkörper-
ciien bilde, und dass die Kerne der Blutkörperchen eben dieta-
sind, die von einer Hülle von Farbestöff b'eklei-
der nach der Coagulation von den aggregirten Fa-
„ , otlkugelcben ausgewaschen werden kann, worauf wcisscs Coa-
guium zurückblcibt. Diese Ansieht haben besonders Home und
bevost und Dum SS vorgetragen, und DuTROCHEt bat sie bei sei-
nen neueren Untersuchungen über das Verhalten des Blutes zu
V£iniscli0j^ Säule voTftus^esetzt» IBEfizELius liät ind6s5 ftus
106 I. Buch. Von den organ. Säften etc. I. Ahschn. Vom Blut.
dem Umstande, dass die Lymphe aafgelösten Faserstoff enthält,
vermuthet, dass auch das Blut aufgelösten Faserstoff enthalten
müsse, weil die Lymphe gleichsam eine von dem Blute abgesei-
hete Flüssigkeit sey. Man könnte als noch triftigem Grund hin-
zufügen, weil die Lymphe selbst ins Blut gelangt. Bebzelixjs
stellte daher vermuthungsweise die Ansicht auf, dass beim Gerin-
nen des Blutes der im Blute aufgelöste Faserstoff fest werde und
die Blutkörperchen zwischen sich nehme. Diese Ansicht, dass
der Faserstoff im Blute aufgelöst ist, ist schon zu verschiedener
Zeit proponlrt worden. Ich bin so glücklich gewesen, einen de-
finitiven Beweis für Berzeuus Verrauthung zu finden, und bin
im Stande, zu zeigen, dass das rothe Coagulum des Blutes nur
ein Gemenge von Faserstoff, der vorher aufgelöst war, und von
Blutkörperchen ist.
Ich habe zuerst bemerkt, dass, w'enn man Froschblut in ei-
nem Uhrglas aulfängt, vor der Bildung des ganzen Blutcoagulums
schon farblose, wasscrhelle Gerinnsel entstehen, die man am BSnde
mit der Nadel her vorziehen kann; so sieht man auch Punkte und
kleine Läppchen von farblosem, wasserhellem Gerinnsel, wenn
man das Blut eine bis zwei Minuten nach dem Ausflusse vom Bo-
den des Uhrglases abfliessen lässt. Diese kleinen farblosen Ge-
rinnsel bleiben dann am Boden hängen. Um den Einwurf za
beseitigen, dass beim Abschneideu des Froschschenkels, wodurch
man am leichtesten einen Blutfluss verursacht, Tropfen Lymphe
mit ausgeflossen wären, deren aufgelöster Faserstoff diese Erschei-
nung bewirkt hätte, sammelte ich das Blut fernerhin aus der
Schenkelarterie, beim Frosche die Art. ischiadlca, welche an der
hintern Seite des Obei’schenkels zwischen den Muskeln verläuft,
und die man sogleich auffmdet, da sie neben dem grossen Ner-
vus ischiadicus, dem Schenkelnerven, wie die Physiker ihn ge-
wöhnlich nennen, liegt. Diese Arterie legte ich bloss, und sam-
melte das Blut unter mancherlei vorsichtigen Handgrilfen allein
aus diesem Gefässe, so dass ich sicher seyn konnte, dass ich rei-
nes Blut hatte. Eben so sammelte ich das Blut aus dem bloss-
gelegten und angeschnittenen Herzen, w;as viel leichter ist. Je-
desmal bemerkte ich vor dem vollständigen Gerinnen des Blutes
das Entstehen kleiner wasserheller Gerinnsel. Brachte ich einen
Tropfen reinen Blutes unter das Mikroskop und verdünnte ihn
mit Serum, so dass die Blutkörperchen ganz zerstreut aus einan-
der lagen, so konnte ich bei mikroskopischer Beobachtung sehen,
dass zwischen den Blutkörperchen in den Zwischenräumen ein
Gerinnsel von vorher aufgelöstem Stoff entstand, durch welches
nun allein noch die ganz zerstreuten Blutkörperchen zusammen-
hingen. So konnte ich alle Blutkörperchen, so zerstreut sie auch
w'aren, und so gross auch die Zwischenräume zwischen ihnen
waren, doch zu gleicher Zeit verschieben, wenn ich mit der Na-
del das die Zwischenräume ausfüllciulc Faserstofl'gcrinnsel zerrte.
Da die Blutkörperchen des Fiösches bei starken Vergrösserungen
so ungemein gross erscheinen, so lässt diese Beobachtung die
grösste Deutlichkeit zu, und es bleibt kein Zw'eifel übrig.
Es giebt indessen eine noch viel leichtere, und sogar noch
i. Mikrosk. mechan. Analyse, Bluifliissigkeit. Faserstoff, 107
Sicherere Art sicli zu überzeugen, dass Faserstoff im Froscbblute
^j'fgelöst ist. Da ich aus Erfahrung wusste, dass die Blutkörper-
^ des Frosches ungefähr 4mal grösser sind, als die Blutkör-
perchen des Menschen und der Säugethiere, so schloss ich, dass
““s Filtruin sie vielleicht zurückhält, während es die Blutkörper-
elien des Menschen und der Säugethiere durchlässt. So ist es,
auf diese einfache Auskunft kam ich, wie es gewöhnlich ge-
®eliieht, erst zuletzt; und nun freue ich .mich, durch einen leich-
Versuch in den Vorlesungen zeigen zu können, dass Faser-
®*ofr ixn Blute aufgelöst ist, der wasserhcll durchs Filtrum geht
dann gerinnt. Der Versuch lässt sich ganz im Kleinen mit
Blute eines einzigen Frosches anstellen; ein kleines gläsernes
’/chterchen und ein Filtrum von gewöhnlichem weissen Fil-
^'ä'papicr, oder nicht zu dünnem Di’uckpapier sind das Einzige,
inan nöthig hat. Das Filtrum muss natürlich vorher nass
und es ist gut, wenn mau das eingegossene frische Blut des
rosches schnell mit eben so viel Wasser versetzt. Was dann
dem Filtrum ahfllesst, ist ein fast ganz farbloses, klares Se-
von Wasser verdünnt, mit einem ganz leichten Anfluge von
von Farhestoff, welcher von zugesetzlera Wasser au%elöst
'y^i’den. Da indessen die Auflösung des Blutroths von Froschblut
ärch Wasser ziemlich langsam geschieht, so ist das Durchge-
kaum röthlich zu nennen, und zuweilen ganz farblos.
®ädet man statt des zugesetzten W^assers vielmehr Zuckerwas-
an (1 Theil Zucker auf 200 Theile und mehr Wasser), so
^‘i'd während der Filtration gar kein Bluti’oth aufgelöst, und das
.ärchgehende ist vollkommen farblos und ohne die geringste Spur
®'ner 'Beimischung, ünlcrsucht man das durchgehende Serum
dem Mikroskope, so bemerkt man keine Spur von Kügelchen
J'.*’*'!. In diesem klaren Serum entsteht nun innerhalb einiger
, wasserhelles Coagulum, so .klar und durchsichtig,
man es nach seiner Bildung nicht einmal bemerkt, wenn
jy'"' es nicht mit einer Nadel aus der Flüssigkeit hervorzieht,
^'‘ch nach verdichtet es sich und wird weisslich, fadenartig;
p *'eht dann gerade so aus, wie das Coaguhim der ipenschlichen
ynipüe in meinen Beobachtungen. Vergl. Abschn, 3. Auf diese
erhält man den Faserstofl’ von Blut irn reinsten Zustande, wie
bisher nicht dargestellt werden konnte. Um die rechte Sorte
} ‘ ^■‘‘■papier zu finelen, muss man erst einige Proben machen.
“as w eisse Filtrirpapicr zu dünn, so gehen einige wenige BLA-
^Pi-Perchcn mit durchs Filtrum, die man erst hei mikroskopischer
^jl'^'^rsuchung in dem klaren, farblosen Coaguhim hier und da
j^'^geschlossen findet. Hat man erst die rechte Sorte von Fil-
Wor^ '‘“fätefunden, so erhält man ein Coagulum von Faserstoff,
'"ich keine Spur eines Blutkörperchens vorkömmt. Es ver-
®toir seihst, dass nicht aller im Blute aufgelöste Faser-
"erl - erhalten wird ; der grösste Theil gerinnt in-
j,. ‘'öb des Filiriifns weil er nicht vor seiner Gerinnung durchs
Bl
bes
.üt* b®*‘**'3en kann,
es '"'■e man
Zu einem rohen Versuche kann man das
• ^ 1 -.c iiiciii es nach der Amputation eines Froschhei-
’m Knie erhält, und es sogleich in das mit etwas kaum süss-
108 I. Buch. Von dm organ. Säften etc. I. Alschn. Vom Blut.
licli sctmeckendem Zuckerwasser versetzte Filtrum ansträufeln
lassen. Allein dieser Versuch ist roh, weil hier etwas aus der
Lymphe von dem Beine , mit ausfliesscn kann. Um mit reinem
Blute des Frosches zu experimentiren, muss man das Blut aus
dem hlossgelegten und durchschnittenen Herzen seihst austriiii-
feln lassen. Der Faserstoff, den man in diesen Fällen erhält, ist
nicht deutlich körnig,, son,dern ganz gleichartig; erst wenn er
sieh zusammengezogen hat und weissllch geworden ist, sieht man
mit dem zusammengesetzten Mikroskope ein ganz undeutlich fein-
körniges Wesen, einen Anschein, der aber auch von Ungleichheiten
der Oberfläche herriiliren kann.
Man kann die Existenz von aufgelöstem Faserstoff im Blute
des Frosches, wie auch in dem der Säugcthiere und des Men-
schen noch auf eine andere Art beweisen. Indem man einem
Gläsehen voll Blut irgend eines Thieres oder des Menschen so-
gleich einige Tropfen von einer sehr concentrirten Auflösung von
unterkohlensaurem Kali zusetzt, wird die Gerinnung sehr lange
aufgehalten, und die Blutkörperchen senken sich allmälilig unter
das .JMiveau der durchsichtigen Flüssigkeit, ehe die Gerinnuiig eiri-
tritt. Nach k bis 1 Stunde bildet sich ein zartes Gerinnsfel; der
untere Theil des Gerinnsels ist, so weit die Blulkügelchen stehen,
xoth, der obere ist weisslich und fadenziehend.
Pbevost und Dumas haben die Quantität der Kügelchen im
Blute verschiedener Thiere aus der Menge des rothen getrockne-
ten Coagulums zu bestimmen gesucht, und diese Untersuchungen
sind sehr dankenswerth. Berzelius hat indess bereits bemerkt,
dass da.s Besultat einer solehen quantitativen Analyse nie genau
ausfallen könne, weil das Coagulum eine grosse Menge Serum in
sich einschliesse, das beim Trocknen sein EivVeiss und seine Salze
zurücklässt, während das Abwaschen nicht allein Serum, sondern
auch Blutroth entfernfen' würde. Da aber Prevost und Dumas
von iler Voraussetzung , aUsgingeii, dass der Faserstoff des Blutes
von den Kernen der Blutkörperchen herrühre, so bedürfen ihre
Besultate. einer neuen Correction. Was sie nämlich Menge der
Kügelchen nennen, muss Summe der Kügelchen und des vorher
aufgelösten Faserstoft'es heissen. Mit dieser Correction behalten
die' zahlreichen quantitativen Bestimmungen der beiden Naturfor-
scher ihren Werth. Diese Correction ist auch bei den sonst sehr
dankenswerthen quantitativen Analysen von Lecanu über die
Menge der Kügelchen in verschiedenen Temperamenten und Ge-
schlechtern nötliig. Um die Menge des Faserstoffes im Blüte
verschiedener Thiere und in Krankheiten zu bestimmen, bedarf
es ganz neuer Untersuchungen. Das beste Mittel dazu ist daS
Schlagen des Blutes:
Durch das Schlagen. des Blutes lässt sich der vorher . aufge'
löste Faserstoff des Blutes als farbloses öder fast farbloses Ge-
rinnsel erhalten, während die Blutkörperchen unverändert im Se-
rum suspendirt lileiben. Untersucht man das Blut nach dei»
Schlagen, so hat es noch ganz sein natürliches Ansehen, man (in'
det die Blutköroerchen gleichförmig schwebend, und, wofern kein
Wasser zum Blute gekommen ist, auch unverändert. 'Ich weis®
1. Mikroskop, mechan, Analyse. Blutßilssigkeit. Faserstoff. 1G9
iiiclit, -woran es liegt, dass Beezelius das Gegentlieil sagt. Er
bemerkt nämlich, dass, -wenn man nach dem Schlagen das Blut
*®it dem zusammengesetzten Mikoskrope untersuche, es keine
Blutkörperchen mehr i enthalte, sondern kleine, ungelöste, zerrie-
bene rothe Körperchen;, die in einer gelben Flüssigkeit sehwim-
•i^en, und die Berzei.ius für Theile der Farhestoffhülle ansieht,
bie gehen beim Filtriren durchs Papier; diess tbun indess auch
die Blutkörperchen des frischen Blutes von höheren Thieren.
Berzelius sagt, dass, wenn man das Blut mehrere Tage lang
bei 0® aufbewabre, diese rothen Tbeilchen langsam zu Boden
sinken und die Flüssigkeit sich über ihnen aufklare, wiewohl sie
*nweilen noch durch einen kleinen Theil aufgelösten FipbestolFs
^'bthlich bleibe. Berzelius Tlderchemie. Mit der Hochachtung,
die ich gegen diesen grossen Mann hege, muss Ich doch bemer-
ken, dass ich die Blutkörperchen in dem geschlagenen Blute, so
lange kein Wasser dazu kömmt, ganz unverändert wieder linde,
leb habe sie vom Kalbe und Ochsen, vom Menschen und von
der Katze in diesem Zustande mit dem FKAUsnoFEE’schen Mikro-
skope und noch einem andern Instrumente untersucht, und sie
'''eder in der Grösse noch in der Form verändert gefunden, so
dass ich sogar noch eben so gut ihre Abplattung erkennen konnte,
^ie im frischen Blute.
Das Schlagen des Blutes gewährt den ausserordentlichen,
dureh keinen Kunstgriff zu ersetzenden Vortheil, die unversehr-
1-En Blutkörperchen von dem vorher aufgelösten Faserstoffe ab-
*Uscheiden. Filtrirt man durch Leinentuch die aulgcschw'emm-
leu Theile ab und wäscht den Fäserstoff von anhängendem Se-
fuiu rein, so hat man nach dem Trocknen desselben sicher die
1*1 einer gewissen Quantität Blut enthaltene Menge des Faser-
stoffs. Dagegen lässt sieh die Menge der Blutkörperchen nicht
sicher bestimmen. Wenn man die Menge des rothen Coagulums
i*i 100 Th. Blut bestimmt und die Menge des Faserstoffs in 100
"Bh. Blut davon abzieht, so erhält man zwar die Menge der in
diesem Coagulum enthaltenen Blutkörperchen, allein vermengt
fnit einer unbestimmten Menge Eiweiss von dem Serum, welches
1*1 das Coagulum eingeschlossen war, und dessen Eiweiss und
balze beim Trocknen Zurückbleiben, Es giebt einen Ausweg,
den Lecahu zur Bestimmung der Menge des Blutroths eingeschla-
Sen zu haben seheint; allein er beruht auf einer Voraussetzung,
blan bestimmt die Menge von Eiweiss im Serum des Blutes, man
trocknet geschlagenes Blut desselben Thieres, vom Faserstoff
Befreit, ein und bestimmt die Menge Wasser, die es verliert,
^enn man nun voraussetzt, dass dieses Wasser ganz gleichlör-
*ii'S so viel Eiweiss aufgelöst enthielt, als man in dem Serum
Befunden hatte, wenn man also annimmt, dass das die Substanz
der Blutkörperchen durchdringende Wasser ebenfalls gleichviel
■Eiweis aufgelöst enthalte, so kann man die Menge des im cinge-
trockneten Gemenge von Serum und Blutkörperchen des geschla-
genen Blutes befindlichen Eiweisses bestimmen, und es bliebe die
Quantität der Blutkörperchen ül)rig. Dicss beruht aber auf einer
Suuz unerweisbaren Voraussetzung.
110 I. Buch. Von den organ. Säften. I. Ahschn. Vom Blut.
Da sich nur die Quantität des vorher aufgelösten Faserstof-
fes sicher; und zwar aus geschlagenem Blute bestimmen lässt, so
habe ich mich nur damit beschäiiigt. Vom 3627 Gran geschla-
genen Ochspiiblutcs erhielt ich 18 Gran -Faserstoff im getrock-
neten Zustande, von 3945 Gran Ochsenbltit; das nicht geschlagen
-wurde, 641 Gran rothes Coagulum im getrockneten Zustande; diess
macht auf 100 Th. Ochsenhiut 16,248 Th. trocknes rothes Coagulum,
-worin 0,496 Faserstoff enthalten sind. Nach Foubcrov enthält das
Blut 0,0015 0,004.3 trockne Fibrin, nach Bebzelitjs enthalten 1000
Th. 0,75, nach Lassaigne 1,2 trockne Fibrin. Aus 22 Beobachtun-
gen fand Lecanu {Transact. med. 6. Oct. 1831. 92.) die Men<»e der
trocknen Fibrin zul ,360 — 7,235 auf 1000 Th. Menschenbtut.
Pbevost und Dumas haben im arteriellen Blute mehr Blut-
körperchen gefunden als im venösen; diess muss auch wieder
heissen, mehr rothes Coagulum. Da das Arterienhlut ernährt,
und da beständig Lymphe mit aufgelöstem Faserstoffe von den
Organen kömmt, so lässt es sich schon erwarten, dass das Arte-
rienblut mehr Faserstoff enthalten müsse als das Venenblut. So
haben es auch Mayer und Bertbold in mehreren Versuchen ge-
funden. Es schien mir indess nolhwendig, mich hierüber durch i
einen Versuch seihst zu vergewissern. Von einer Ziege sam-
melte ich aus der Jugularvene 1392 Gran, kurz darauf aus der
Carotis 3004 Gran Blut. Beide Blutarten wurden geschla"en,
wobei das Ausspritzen des Blutes sorgfältig verhindert wurdet
Das Arterienhlut lieferte 14^ Gran, das Venenhiut 5| Gran trok-
kenen Faserstoff. Das Arterienhlut der Ziege enthielt also 0,483
Procent, das Venenhiut 0,.395 Procent aufgelösten Faserstoff.
Nach Denis verhält sich der Gehalt von Faserstoff im venösen
und arteriösen Blute wie 24:25; nach Berthold bei Ziegen wie
366:429, Lei Katzen wie 474:521, hei Hammeln wie 475:566,
hei Hunden wie 500:666. (Bundach Bhysiol. 4. 382.) Das Mittel
aus diesen Beobachtungen ist, dass sich der Faserstoff im Ar-
terien- und Venenhiut Avie 24:29 verhält.
Die Materie, welche bisher als Faserstoff des Blutes chemisch I
untersucht worden ist, ist der im Blute aufgelöste Faserstoff, der,
im Fall das Blut gesclilagen Avurde, rein erhalten ward, im Fall
der Faserstoff aus rolhern, ausgewaschenem Coagulum erhalten |
wurde, auch noch die Kerne der Blutkörperchen entFialten '
konnte. Der Betrag dieser Kerne kann indess nicht gross seyn,
denn wenn man rothes Coagulum auf dem Filtrum ausAräschst,
so ist die Quantität des erhaltenen Faserstoffs nicht merklich ver-
schieden von derjenigen, welche man erhält, Arenn man Blut
schlägt. Es könnte seyn, dass diese im Säugethier- und Men-
schenhlute jedenfalls kleinen Kerne heim Auswaschen sich gröss-
tentheils von dem Coagulum ahlösen und in einer Farhestoff-
auflösung mit suspendirt enthalten sind, so wie man heim blossen
Rütteln des rothen Coagutums vom Frosch und von Säugethieren
selbst eine ausserordenthehe Menge sich ahlösender unveränder-
ter ganzer Blutkörperchen mit Serum erhält. In einer Farhe-
stoffauflösung können diese Kerne nicht leicht mit dem Mikro-
skope entdeckt werden, wenn sie auch wirklich darin enthalten
1. Mikroskop, mechan. Analyse. Blutflüssigkeit. Faserstoff. 111
sind. Wenn man von Mensclienblut einen Tropfen mit mehre-
ren Tropfen Wasser nnter dem Mikroskope verdünnt, so werden
die Blutkörperchen ununterscheidbar, der Farhestoß löst sich im
Wasser auf, ohne dass man deutlich die Kerne sieht; vermischt
man einen Tropfen Menschenblut mit Essigsäure unter dem Mi-
kroskope, so sieht man nur mit genauer Noth noch die kleinen
Kerne. Oh die Kerne der Blutkörperchen, die ich vom Frosch-
blut erhalten habe, Fascrstoll' sind oder nicht, weiss ich nicht;
sie haben die allgemeineren Eigenschaften des geronnenen Faser-
stoffs und geronnenen Eiweisses, sie lösen sich leicht in Alkalien
und schwer in Säuren, selbst in Essigsäure verändern sie sich in-
nerhalb eines Tages nicht, da Essigsäure sonst von Faserstoff
etwas aufnimmt. In Essigsäure bilden die Blutkörperchen des
Frosches, in kleinen Mengen zugesetzt, ein braunes Pulver, das,
mikroskopisch untersucht, noch etiyas von der blass gewordenen
Farhestoffhülle zeigt. Faserstoff wird in Essigsäure durchsich-
tig; indess kann die braune Färbung der ellipsoidischen Kerne,
■wie ich schon bemerkte, vielleicht auch von anhängendem Far-
hestoff herrühren. Wenigstens färbte sich der weisse Satz von
Kernen der Blutkörperchen des Frosches durch Essigsäure nicht;
jener weisse Satz nämlich, den man erhält, wenn man ein Ge-
menge von Serum und Blutkörperchen mit viel Wasser verdünnt.
In der Entzündung und in einigen andei-en Fällen gerinnt
das Blut auf eine etwas abweichende Art. Nämlich ehe das
Flut ganz zu einer Gallerte gesteht, senken sich schon die
folhen Blutkörperchen unter das Niveau der Flüssigkeit, so
dass das flüssige Blut vor dem Gerinnen unten roth und oben
farblos oder weissllch aussieht. Nun erst gerinnt es zu einer
gallertartigen Masse, die unten roth, oben weiss oder graugelb
ist, und allm'ählig, wie gewöhnlich, das Serum austreibt. In-
dem sich der Kuchen zusammenzieht, verkleinern sich der obere
änd der untere Theil in ungleichem Verhältnisse; der graugelbe
oder weissgelbe obere Theil des Kuchens zieht sich fester zusam-
men, und sein Durchmesser wird zuletzt viel kleiner als der
tlurchmesser des untern Theiles des Kuchens, obgleich der Ku-
chen vorher in jeder Höhe den Durchmesser des Gefässes selbst
Falte. Die Ursachen dieser besondern Art der Gerinnung sind
folgende: Wenn sich im entzündlichen Blute die rothen Körper-
chen schon vor der Gerinnung durch irgend einen Grund sen-
hen, während sie sich im gesunden Blute bis zu der Zeit der
Gerinnung noch nicht gesenkt haben, so gerinnt zwar der Faser-
stoff in der ganzen Masse des Blutes, allein der untere Theil des
f^crinnsels enthält die gesunkenen rothen Körperchen eingeschlos-
scn , der obere Theil des Gerinnsels ist ohne rothe Körperchen,
'^od heisst nun crusta iuflammatoria, obgleich die Materie dieser
Kruste auch durch den rothen Kuchen verbreitet, und nichts
Leiter ist, als der geronnene, vorher aufgelöste Faserstoff. Dass
her farblose obere Theil des Gerinnsels sich enger und fester zu-
mininenzieht als der untere rothe Theil, ist sehr natürlich, weil
Oer untere rothe Theil des Faserstoff- Coagulums durch die mit
omgeschlossenen rothen Röi'perchen in einem gewissen Grade von
112 I. Buch. Fon den organ, Säften etc. I. Alschn. Vom Blut. \
Ansdehnnng erhalten wird. Man kann es dem Blute immer vor-
her schon ansehen, wenn es eine Kruste, d. h. einen ohern farb-
losen Theil des Coagulums erhalten soll; denn da die Bedingung
dazu die Senkung der rothen Körperchen unter das Niveau ist,
so sieht man an dem Blute, worauf nachher eine crusta inflam-
maloria entsteht, den obersten Theil der Flüssigkeit vor dem
Gerinnen zuerst durchscheinend, dann weisslich w'erden. Diess i
ist das durch die ganze Masse verbreitete, aufgelösten Faserstoff |
enthaltende Serum, welches vor dem Gerinnen des Faserstoffs ei- '
nen weisslichen opalisirenden Anschein erhalt. Hewson und Bad- :
BINGTOB [Medico-clururgical Transact. Vol. XVI. p. 11.) haben ge- ■
zeigt, dass man dieses farblose Serum vor dem Gerinnen mit ei- |
nem Lölfelchen abschöpfen kann, und dass dieses ahgeschöpftc Se- i
rum noch gerinnt. Dieses habe ich auch am Blute einer Schwan- '
gern bestätigt gesehen. I
Es fragt sich nun, was ist die Ursache, dass meistens im
Blute der Entzündung, des acuten B.heumatismus und der Schwan-
geren die rothen Körperchen vor der Gerinnung sicli senken,
wodurch der obere Theil des aufgelösten Faserstoffs farblos gerin-
nen kann. Man könnte die Ursache in einer geringem specifi-
schen Schwere der Blutflüssigkeit im Verhältnisse zu den rothen
Körperchen jener Blutarten suchen, jedoch ist, soviel man weiss,
Serum von entzündlichem Blute nicht specifisch leichter, als Se-
rum von gewöhnlichem Blute. Da entzündliches Blut, wie man
allgemein annimmt, in der Regel langsamer gerinnt als gesundes I
Blut, so können die rothen Körperchen des entzündlichen Blutes
noch vor der Gerinnung Zeit haben, sich unter das Niveau zu |
senken. Diess war schon Hewson’s Ansicht von der Entstehung j
der crusta inflammatoria. Um diese Ansicht zu prüfen, habe ich
eine Reihe von Beobachtungen mit verschiedenen Blutarten, und
zwar zuerst mit geschlagenem Blute angestellt. Ich wollte zu-
nächst wissen, in wie viel Zeit die Blutkörperchen im geschlage-
nen Blute sich zu senken anfangen. Ich habe schon bemerkt,
dass diess in geschlagenem Schaf- und Ochsenhlut überaus lang- I
sam geschieht; viel schneller senken sich die Blutkörperchen im '
gesclilagenen Katzenhiute und geschlagenen gesunden Menschen-
hlute ; sie sinken z. B. hier innerhalb einer Viertelstunde eine
Linie, und innerhalb mehrerer Stunden 4 bis 6 Linien unter das
Niveau. Allein dieses Factum ist doch nicht hinreichend, die
crusta inflammatoria zu erklären, wenn auch das entzündliche
Blut langsamer gerinnt, denn so langsam gerinnt es nicht, und
gleichwohl hat die crusta inflammatoria zuweilen eine flöhe von
Zoll. Nun habe ich ferner beobachtet, dass sich die Blutkör- '
perchen in Menschenhiut und Katzenblut (nicht in Ochsen- und
Schafhlut), dessen Gerinnung man durch Zusatz von etwas nn-
terkohlensaurem Kali verlangsamt, schneller unter das Niveau 1
senken als in geschlagenem Blute, woraus der Faserstoff entfernt
ist. ln allen Fällen bewährte es sich, dass die Blutkörperchen
von gesundem Menschenhlute, dessen Gerinnung ich aufgehalten
hatte, schon in 5 bis 6 Minuten um 1 bis Linien unter das
Niveau gesunken waren, und dass sie innerhalb einer Stunde 4
1. Microskop^ median. Amlyse. Blufmasser. ' 113-
bis 5 Linien unter dem Niveau standen. Das 'darüber stehende
Fluidum wurde .allmählig wcissUch, .und wenn nicht , zu viel koh-
iensaurcs Kali zugesetzt war, so gerann es iii einen weichen,' fa~.
denziehendcn Faserstoff’, der in einem Falle, .selbst hei nicht ent--
zündlichem. Blüt, ziemlich fest wurde und eine ArtiKlrUste bildete.
Von Katzenblut erhielt ich dieselben Resultate. . Indem ich also:
•be Gerinnung verlaugsamte, ibesa'ss ich das Mittel, den Vorgang:
bei der crusta iuflammatoria künstlich.. zu erzeugen. Der 'Unter-i
schied licgh Bür darin, dass der Faserstoff des farblosen Gerinn-
sels mehr weich und fadenziehend ist, was vielleicht Von dem
Finflusse des kohlensaurcn Kali herrührt. In wahrhaft entzünd-
licbern BJäifei ist die Kruste sglion (Tamm fest, weil, wie Scuda-
More gezeigt' hat, das entzündliche Blut mphr Faserstoff enthält.
Fragt .man, warum /die Bliitkörpercher) im frischen, gesun-
ken Blute bald sich, pi senk^ anf^ngen, während sie im geschla-
genen Blute, selbst ^'enrt. es e^izündliijli war, sich ungemein lang-
sam senken. So scheirtt die '.A'ntMlort schwer. "Da geschlagenes
Blut speCillsch leichtdr , ist^ als ' das Blut sonst ist, so muss das
Phänomen eine andere Ursache als ip der specifischen Schwere
bahep.' 'Vielleicht ist die Adhäsion Jcr Blutkörperchen zur Flüs-
sigkeit des Blutes, wprin noch ..Faserstoff aufgelöst ist, geringer
«Is , zufn,.^Serupi des; gpschtagenen Blutfe, jworaus der Faserstoff
enitfefnjl ist. ’ _
; John DAVv,hät ipdeßs därauf aufmerksam gemacllf,’ dass enU
zündh’ches Blul; ‘niehf. iminer langsamer gerinnt;' In diösen Fällen
bönnep i^ich vielleicht dife Blutkörperchen schon darum schneller
senken, . entzündliches Blüt ' mehf aufgelösten E’asersföff ent-
hält, da diel Änflöspng des Faserstpffsl im ' Blute überhaupt das
Blut geneigt macht,, ilie Blutkörperchen schneller sinken zu las-
sen' als es in Blut geschieht,; vfcoraus der Faserstoff entfernt ist.
Hierhac1\ sind' die tlaiiplnrsächrn des Sertkens der Blutkörper-
chen ünji der crusta' .inllamjmmatoria sowolii die langsiimere Ge-
sinnung, als die gf'ö^sspre j Q^nahtifät ' des aufgelösten Faserstoffs.
V^enn zuweilen .auch andere Blutarteh' feine lockere KWiste abset-
zen, unter UitiR'ändfen, Wo man 'mehr clhe äiifangende Zersfetrung
des Blute.». wermuflien sollte, als eine grössere Qupntität vOtt Fi-
brittj «o kann dicss hlhreichend aus der langsameren Gerinoupg
einbs sölcheü Blutes erklärt, wei'den, dä auch gesundes Blut,! wie
ich gezeigt habey ziemlifehoschueB die Blutkörperchen sinken fasste
'^ud später ein oberes , firbloses Gerinnsel bildet,, sobald, man nur
die Gerinnung verlangsamt.. i:i - . . !i . .,1 •; ■
' ■' 2) ■Vom-.Blufwasscr. .:.i Ai .. ,- i. . . ul- . ■ '
■ 'Die Blutflüssigkeit', //i7»ör sap?4««ls, welche den Faserstoff pufr;
enthält,' aeHelzt sich beim, Xleriftuen in eine.n flüssig., Idcir-
hendeo .Thöl .(und Faserstoff,, welcher . beim , GennnPn . die , BUit-
^bperohen • znäschen .sith niiiimt nnd ; iden, Blutkuchen , bildet.
neue ülirigilbleihende Flüssige wirdi/BAütwasser oder Serpm
geüünnt, ' welches also ovohl von der ursprüngUthen Blütflüssigkeäti
niitersolieiden ist. Das Serum ist gelblich, von' salzigem Ge-
^hmack und 1,027 bis 1 ,029 specifischem . Gewicht ; es reagirt
hei höheren Thieren deutlich alcalisch und .gesteht hpim Erhit-
Physiologie. B
114 I. Buch. Von den organ. Säften etc. I. Abschn. Vom Blut.
zeVi. l)ts 76“ — 75"' C. durtli Gerinnung des darin aufgelösten
Eiweisses {alLunicn} zu einer Gallerte ^ im luftleeren Raum, wie
inn'.dur atinospliäfisclien Luft, dagegen der Faserstoff vom Blut
aüsser' den Ad'ern 'ölinc' alle ätisseren Einflüsse von selbst gerinnt.
Der sVesentliclistb' Bestandtbeil des Blutwassers ist Eiweiss. Aus-
soixlem entliüit' das Semni freies Alcali (Natron ^ auch Kali nach
ÜFRZEMds),- walirsldlieinlicli mit' Eiweiss verbunden, und Salze von
diesen -Basen. Prevost und' Dum ss haben die relative Quantität
der festen Bestandtheile im' Blutwasser zu den übrigen Lei vielen
Thieren beätimint'.' ■ . • -
_;,i
.l'r!!.!' ■: -I
.;(!! / . ■»?r/| : .
-cli'-i , Uli 1,1, , : i
,.^enscL,„
. . S,inu <1 , Qa j 1 i ti]i(:^i e
'jlujid,,. .td .
,, Katz^r- ti id i
.^f^rdrus I.
Kalb , , !
,..S'chaaf ,■
Ziege
„|(eerspl!}iiWi9;ijen,,„
.(.Rabe,,
(Reiheri: I '
Entp^,,,,,i ... i,j
... - . li ■
Forelle ,,,,
Aalraupp , .,,;j
Aal. ,,,
LandspbiUjbrötp
b'rp^ji .,1 ,
lob Tlicile Blut. '
100 T Keile
• BJutwasser,
j
kuchen!
■ Wyiseri
J
En^eiss.
Wasser.
12,92'
■
78, .39
10,0
90,0
4,4,61
.
77,60.
9,2,
90,8
12,38,
6,55
, ^^>07
7,4
.92,6
12,0,4
, 8,.# .
79,5.3
9,6
90,4
, 9,20
8,9'7'
. 81,83
9,9
90,1
9,12
8,28
82,6
9,9
90,1
9,35
. sP'i
■ 8,5
91,5
10,26
8,34
81,46
9,3
90,7
9,38
6,83
.,83,79
10.9
89,1
12,^0 ■
10,0 .
90,0
14,66,
..m
7 9,70
6,6
93,4
5,92
$0,82
6,8
93,2
;
, 8,47
76,52 ,
9,9
90,1
15,71 ,
6,30
77,99
' 7,5
92,5
. 15,57 .
■ P»!
„79,74
5,5
94,5
6,.3^
,.ps'
.86, -37
7,7
92,3
4,81.
, ^,57
88,62
6,9
93,1
6,00
9,40,
84;60
10,0
90,0
15,06
. 8,06
76,,88
9,6
90,4
PQ:
4,64
88, 46'
5,0
95,0
H<rer
frera'us geht bervorj'da.ss beim Mensoheo im Bliitwasser. un-
anderweitige' Bestumltheile imd besonders Eiweiss auf-
gelöst'siiid , und dass sich diess VerbäUniss so ziemlich bei den
Tbiefen bis zu' tlen Fischen erhält'p'uviälrrend nur die relative
Menge dcs^ Rlutkucbens (Kügelchen- und) Faserstoff .zusammen) ira
Blute bei den nackten Amphibien und Fischen abnimmt. Beim
Menschen verhalten sich die festen Tlieile des Blutkuchens zit den
im*' Bhitwasser aufgelösten Theiten wie 12,92: 8,69 oder Unge-
fab'T'wie 3: 2. 'Das Blut der fltelechrffesSenden Thiere liefert mehr
Blutkuchen als das der pflaozönfressendeni ■ Nhch J. Davy liefert
das Blut vom Lamme sbeuigor und: weicheres Coagulum als das
vom' efwaohse'ften Söhähf}' wie denn auch: sowohl Fourcboy ab
idh das Qdö'^ilum' bhini' F^etus 'Weicher fanden- -Nach Bebiholp
[Beiträge -ZooV 'u, PkyshA,' Gott. 1831)’ scheint die , Menge
des Faserstoffs bei den kaltblütigen Thieren nicht geringer, wohl
abbr'die tloi Grüors,. ' ■> ) ' : , .
2. Chemische Analyse des Blutes. Farhe.sloff.
115
Lecanv hat das Blut hei den verschiedenen Geschlechtern,
Altern, Temjjeramenten untersucht. Diese Arbeit macht in die-
sem Theile der physiologischen Chemie eine neue Epoche , er
scheint mit Genauigkeit eine ausserordcnlliche Anzahl von Beob-
achtungen gemacht und verglichen zu haben, a. a. O. p. 94 —
107. Lecahu fand die Quantität des Wassers in 1000 Blut variiren
von 778,625 — 85.3,1-35. Mittel 815,880. Beim Weih ist die
Variation 790,. 394 — 853,135. Beim Mann ist die Variation
'778,625 — 805,263. Hiernach enthalt das Blut des Weibes
mehr Wasser,' was auch Denis fand in 24 Beobachtungen vom
Mann und 28 vom Weihe. Nach ihm variirt die Menge des
Wassers heim Mann von 805,00 — 7-32, heim Weihe von 848,
00 — 750,00, die beiden Mittel verhalten sich Avie 767 : 787.
Die Quantität des Wassers ist nach Lecanu in keinem bestimm-
ten Verhaltniss zu den Lebensaltern, dagegen Denis mehr Was-
ser hei Kindern und Greisen fand. In Hinsicht der Tempera-
mente fand Lecanu, dass das Blut der Sanguinischen weniger
Wasser enthält als das Blut der Phlegmatischen; hei sanguinischen
Weihfern väriirte die Menge des Wassers in 4 Beobachtungen
Von 790,394 — 796,175, hei phlegmatischen Weihern in 5 Be-
obachtungen von 790,840 — 827,1.30. Mittel heim sanguinischen
Temperament der Weiher 79-3,007, heim phlegmatischen Tempe-
rament der Weiher 803^710. Aus ähnlichen Beobachtungen an
Männern ergab sich daS Mittel für das sanguinische Tenipera-
merit der Männer 786,584, für das phlegmatische Temperament
der Männer 800,566. Die Differenz in plus A'on Wasser beim
phlegmatischen Temperament im ersten Fall 10,70-3, im zwei-
ten 13,982.
Die Menge des Eiweisscs variirt im Allgemeinen von 57,890
bis 78,270; imic'ss ist die Quantität des Albumen hei Männern
tlnd Weibern last gleich, auch zeigt sich kein bestimmter Unter-
-schied in den Altern von 20 — 60 Jahren, eben so wenig zeigt sich
oin auflällender Llnterschicd in den Temperamenten.
Die Menge des Blutkneheris (T'^aserstoff und Cruor) variirt im
Allgemeinen von 68,-349 — 148,450, Mittel 108,399. i Dieselbe
Variirt hei Männern von 115,850 — 148,450, hei Weibern von
68,349 — ^ 129,990. D* Blut der Männer enthält also nach Le-
canu ungefähr 32,980 mehr Bestandtheile des Blutkuchens, als
das der 'Weiber. Dagegen scheint die Quantität des Blutkuchens
•licht propörtionell mit dem Alter zuzunehmen, wenigstens nicht
Vorn 20.-»— 60. Jahre. Aber die Quantität desCoaguhims ist grösser
^eim sanguinischbn Temperament als heim phlegmatischen, was
®'ich Denis fand. Das Vcrhältniss des Coagulums väriirte in 4
Beobachtungen hei Weihern Von sanguinischem Temperament in
lOOO Theiien Blut von 121,720 bis 129,6.54, beim phlegma-
tischen Temperament in 5 Beobachtungen von 92,670 — • 129,990,
Mittel hehn sanguinischen Temperament der Weiber 126,174,
leim phlegmatischen Temperament der Weiber 117,300. Diffe-
•"coz 8,874. Bei den Männern väriirte das Verhaltniss des Coa-
§idums in 1000 Theiien Blut heim sanguinischen Temperament
*•1 5 Beobachtungen von 121,540 — 148,450, beim phlegmati-
8*
116 I. Buch. Von den organ. Säften etc. I. Abschn. Vom Blut.
sehen Temperament ergaben 2 Beobachtungen 115,850 und 117,
484. In der Menstruation scheint nach Lecahu das Blut des
Weihes an Coagulura zu verlieren.
II. Capitel. Chemische Analyse des Blutes.
(Nach Bf.rzet.ius Thierchemie u. A.)
Von den Kernen der Blutkörperchen hat man noch keine '
vollständige Analyse, weil sie nicht in grösserer Menge zu erhal-
,ten sind. Man kann sie von Froschhlut wegen der Grösse der
Blutkörperchen leicht gesondert erhalten. Die Methode zu ih-
rer Gewinnung habe ich schon angegeben. Man versetzt ein Ge-
menge von Blutkörperchen und Blutwasser, woraus der Faserstoff
entfernt ist, in einem Uhrglase mit Wasser, das allmählig den
Farhestoff aullöst, worauf der weissc Satz von Kernen der Blut-
körperchen zurück bleibt. Diese sind in Wasser anauflöslich,
verändern sich mit Essigsäure übergossen in mehreren Tagen
nicht, sind löslich in alcalinischem W'asser sowohl von Kali und
Katron als Ammonium. Hierdurch stimmen sie im Allgemeinen
mit dem geronnenen Faserstoff und EiAveiss überein, die: jedoch
löslicher in Essigsäure zu seyn scheinen. Zn einer vollständigen
chemischen Untersuchung sind der Farhestoff der Blutkörperchen,
der im Blut aufgelöste Faserstpff und die Bestandtheile des Blut- |
Wassers nach Abscheidung des Faserstoffs fähig.
i. FarhesioJJ, Blutroih, tiaemaiin, Cruorin. Berzeliüs unter-
sucht das Blutroth in 3 Zuständen: an den Blutkörperchen, oder i
im Blutw'asser aufgeschlemmt, 2. ira Wasser aufgelöst, 3. ira ge-
ronnenen, für Wasser unlösslichen Zustande. Das Blutroth der
Blutkörperchen besitzt die Eigenscbafl, bei Berührung von atmo-
sphärischer Luft oder von Sauerstoffgas letzteres anzuziehen ynd
sich heller roth zu fäi’ben. Hierbei wird Kohlensäure gebildet
und ausgeschieden, was Berthollet, CnniSTisoN (FnpniEP’s Not.
644.) und ich selbst fanden (p. 315.). Ein mit Blutkörperchen
gemengtes Blutwasser wird durch Hindui-chstreichen von Sauer- '
stoffgas durch und durch hellroth, bei der Berührung der atmo-
sphärischen Luft, Avie das Blut selbst^ an der Oberfläche hellroth.
ln längerer Berührung mit Sauerstoffgas schwärzt sich das Blut- i
roth (vielleicht von der Bindung von Kohlensäure) und kann '
dann nicht wieder hergestellt Averden. Kohlensäure, schweflichte I
Säure und überhaupt Säuren machen das Blut und Blutroth
schwarzbraun. Stickstoffoxydulgas wird in Menge von geschlage-
nem Blut aufgesogen und das Illut davon purpurroth, Avprauf at-
mosphärische Luft durch das Blut durchgetrieben, die natürliche
Fai-be wieder herstellt. Koble;n\'.asserstoffgas soll dem dunkeln
Blut eine hellere rothe Farbe mittheilen. Behzelius Thierchemie
48. Mehrere- Salze svie Chlornati-ium, salpetersaures Kali, schwe-
felsaures Natron, geben dem dnnkelrothen Blut eine hellrothe
Farbe. Schroedeb v. n, Kolk beobachtete, dass der electrische
Funke hellrothe Flecke auf venösem Blut bildete. Man erhält
den P’arbestoff des Bluts aufgelöst, indem man . Blntkuchen in
Wasser ausAväscht, wodiuch sich der Farhestoff in Wasser auf-
117
2. Chemische Analyse des Blutes. Farhestoff.
löst, woTjei sicli aber nicht verliüten lässt, dass die vom Coagn-
lum mit eingesclilossenen Kerne der Blutkörpercben zum Theil
sich mit ahlösen, in die ausgewaschene Flüssigkeit gerathen und
in die Analyse des BlutroLhs mit eingeheu. Das Blutroth löst
sich in Wasser in allen Verhältnissen auf.
Die Auflösung des Blutroths in Wasser röthet sich schwä-
cher an der Luft als das Blut seihst. Beim Abdampfen hei einer
Wärme bis zu 50" Cent, wird sie zu einer schwärzlichen Masse,
die sich zu dunkelrothern Pulver reiben und dann wieder in Was-
ser auflösen lässt, hei 70" C. coagulirt der Farhestoff in der
Wässrigen Lösung und ist dann unlöslich. Dasselbe geschieht
Von Alcohol , von Mineral- Säuren, auch wenn zur Behandlung
mit Essig- Säure Alcali, oder zur Behandlung mit Alcali Säure
hinzugesetzt wird. Die Niederschläge, die von Erd- und Metall-
oxyd-Salzen bewirkt werden, sind theils braun, theils schwarz,
theils rotli. Berzvlius a. a. 0. p. 50. 51. . o •
Im dritten Zustand als Coagulum durch Erhitzen bis 70 ist
der Farbestoff roth und körnig, in der Wärme getrocknet wird
er schwarz. Kochendes Wasser verändert den Farbestoff zuletzt,
so wie den Faserstoff. Auch bilden die Säuren mit coagullrtem
Blutroth so wie mit Faserstoff neutrale, in reinem Wasser lösli-
che Verbindungen, die vom Blutroth dunkelbraun sind. Alcalien
lösen das Blutroth auf, Gerhestoff schlägt es aus seinen Auflösun-
gen in Säuren und Alcalien nieder. Tiedemann und Gmelik ha-
ben entdeckt, dass der Farhestoff allmählig von Alcohol aufge-
löst und letzterer dadurch dunkelroth wird. Berz. a. a. (). p.
50 56. Durch Ausziehung aus geronnenem Blutroth mit Alco-
hol lässt sich das Blutroth vom Eiweiss trennen, welches von Al-
cohol nicht aufgelöst wird. Lecasu betrachtete deswegen die
Substanz der Schale der Blutkörperchen, die er Haematosin
nennt, als eine Verbindung von eigentlichem Blutroth, das er
Olohulin nennt, und Eiweiss. Hierzu ist aber kein Grund vor-
handen , da das hierbei erhaltene Eiweiss vom Serum oder gar
''’on den mit ausgewaschenen Kernen der Blutkörperchen her-
»’ühren kann. Lecawu in Poggendorf’s Annal. 1832. 4. 550.
^ach Micuaelis Analyse des Farbestoffs ist dessen elementare Zu-
sammensetzung in
arteriellem venösem Blut.
Stickstoff . . 17,253 17,392
Kohlenstoff . 51,382 53,231
Wasserstoff . 8,354 7,711
Sauerstoff . 2.3,011 21,666.
Hiernach stimmt die elementare Zusammensetzung des Blut-
^othes mit der des Faserstoffs, nur dass Blutroth eine grössere
Menge von Asche hinterlässt, und diese viel Eisen enthält. Denn
dass, wie Brande und Vauquei.tn glaubten, der Gehalt von Eisen
Blutroth nicht gxösser wie im Serum und anderen thierlschen
Theilen ist, haben "Berzet.ius und Engelhart widerlegt. Oehlen-
schlaeger hat auch Eisen im Blute von Hunden
«och nicht an der Mutter gesogen. Kasther’s Avehw. 1831.
Oct. p. 317 Das Elsen ist also kein zuhühges Ingestum
118 I. Buch. Von den organ. Säften etc. I. Alschn. Vom Bht.
aus den Nalirungsstoffen. Die Asche vom Blutroth ist immer al-
calisch und rothhraun, und Beträgt nach Berzelitjs 1-j his l-j
Procent vom Gewicht des getrockneten Farhestoffs, sowohl vom
Menschen- als Ochsenhlut, nach Michaelis 2,2 Proc. im Farhe-
stofF von Kalhshlut. Berzelius erhielt ans 1,3 Theilcn Asche von
100 Theilen getrokneten Farhestoffs
kohlensaures Natron mit Spuren von phosph'ors. Natron 0,3
phosphorsauren Kalk 0,1
reine Kalkerdc 0,2
Basisch phosphorsaures Eisenoxyd 0,1
Eisenoxyd 0,5
Kohlensäure und Verlust 0,1
In einem andern Versuch erhielt Berzelius aus 400 Gran
des getrockneten Blutroths 5 Gr. Asche. Diese war zusammen-
gesetzt aus Eisenoxyd 50,0 basisch phosphors. Eisen 7,5, phos-
ph ors. Kalk mit einer geringen Menge phosphors. Talks 6,0, rei-
nem Kalk 20,0, Kohlensäure und Verlust 16,5. Das allgemeine
Resultat von Berzelius Versuchen ist, dass das Blutroth eine
Quantität Eisen enthält, die etwas mehr als Procent seines
Gewichts metallischem Eisen entspricht. Das Mangan ist im
Blute noch nicht von Mehreren gefunden worden. Wurzer
(ScHWEiGG. J. 58. p. 481.) fand in 2 Grammen Blutkohle 0,108
Eisenoxyd und 0,034 Manganoxyd.
Das getrocknete und pulverisirte Blut reagirt nach Menghisi
durch seinen Eisengehalt gegen den Magnet, das eingeäscherte
Blutroth nach Scudamore nicht, allein keines der gewöhnlichen
für Eisenoxyd empfindlichsten Rcagentien, wie Biutlaugensalz,
Gerhestoff, Galläpfelsäure und die stärksten Mineralsäuren , hrin-
gen die geringste Reaction an unverhranntem Blutroth auf Eisen
oder phosphorsauren Kalk hervor, und es scheint daraus hervor-
zugehen, dass Eisen und Calcium nicht im Zustand eines Salzes
im Blute enthalten sind. Die Angabe von Fourcroy, dass das
Blutroth eine Aullösung von Basisch phosphorsaurem Eisnoxyd
in Eiweiss sey und dass der auch eisenhaltige, aber weisse Chyliis
das Eisen als neutrales phosphorsaures Eisenoxydul enthalte, ist
durch Berzelius Versuche widerlegt. Denn das basisch phosphor-
saure Eisenoxyd ist im Blutwasscr und Eiweiss mit oder ohne
Zusatz von Alcali unlöslich. Auch die Behauptung von Phevost
und Dumas, dass das Blutroth Eiweiss sey, welches Eisenoxyd
aufgelöst enthalte, schien nicht richtig, weil sonst Mineralsäuren
und Königswasser das Eisen aus unverhranntem Blutroth auszie-
hen würden. Berz. Thierchemie. p. 58.
Engei.hart {de oera materiae sanguini purpureum colorem im-
periienfis natura. Götling. 1825.) hat schöne Entdeckungen über
den Antheil des Eisens an dem Blutroth gemacht. Er zeigte zu-
erst, dass eine Aiillösung von Blutroth in Wasser^ die man mit
Schwefelwasserstoff imprägnirt, nach einiger Zeit die Farbe ver-
liert, zuerst violett, dann grün wird. Diese Reaction des Schwe-
felwasserstoffs ganz wie auf Eisen scheint zu beweisen, dass das
Eisen im Blutroth zu seiner Farbe beitrage. Dann entdeckte
Engelhart, dass sich der wässrigen Auflösung von Blutroth oder
■ 2. Chemische Analyse des Blutes, Farhestoff. 119
dem mit Wasser angerülirten coagulirten Blutroth und. anderen
thierisclien Substanzen alles Eisen, Calcium, Magninni, Pbosplior
entziehen lasse, wenn masi Chlorgas durch die Flüssigkeit leitet,
oder diese mit Chlorwasser versetzt. Die Auflösung von Blnt.-
roth wird zuerst grünlich, und zuletzt ganz entfarhb; die thleii-
sche Materie schlagt sicli in weissen blocken mit Salzsäure oder
Chlor verbunden nieder, wahrend Eisen, Calcium, MagniuiUj
Phosphor oxydirt oder mit Chlor verbunden, Eisen z. B. als Ei-
senchlorid, Phosphor als Phosphorsäurc, in der Aullösung 'bleiben
Und durch Filtration ahgeschieden werden können; wogegen die
thierische Materie bei der Verbrennung keine Asche mehr giebt.
Nun hat aber Chlor keine Verwandtschaft zu Oxyden, wohl aber
eine sehr’ grosse zu regulinlschen Metallen^ ferner wild Eisen
nicht von Salzsäure und änderen Minei'alsäuren aus dem
ausgezogen, da diese doch eine, grosse Verwandtschaft zu Metall-
oxyden, aber keine zu regulinischen Metallen haben. Hieimach
hielt es BEnzEcius für wahrscheinlicher, dass das Eisen im Blute
im regullnischen Zustande und niclit als Oxyd enthalten sey, ob-
gleich" man keine Analogie für die Annahme einer Verhin^dung
Von Metall mit Stickstoff, Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff hat.
Zu der Ansicht, dass das Eisen im Blut als Oxyd enthalten
sej', hat Heik». Rose (Poggekd. Ann. 7. Sl.) neue Stützen gelie-
fert. Rose wiederholte Engeeiiart’s Beobachtung. Wenn er die
Flüssigkeit nach der Veränderung durch Chlor und nach der
Präcipitulioii der thierischen Materie filtrlrte, so konnte das Ei-
sen aus der Flüssigkeit abgeschieden werden; wurde sie aber
nicht filtrix-t, sondern Ammoniak im TJebcrschnss zugesetzt, so
I löste sich wieder Alles zusammen zu einer dunkelrothen Farbe
auf, und es wurde kein Eisen abgeschieden. Rose vermischte
dann eine Auflösung von Farbestoll mit einer gewissen Menge
Eisenoxydsalz und setzte Ammoniak ira TJebersebuss zu, worauf
das Eisenoxyd in der Auflösung blieb und weder durch Schwe-
felwasserstoff noch Galläpfeltinctur niedergeschlagen werden
honnte. Rose fand ferner, dass ein grosser Theil nidit flüchli-
ger organischer Stoffe, als Zucker, Stärke, Gummi, Milchzucker,
Eelm u. a. , die Eigenschaft haben, dass bei Venuischung ihrer
Wässrigen Auflösung mit einer kleinen Menge eines Eisenoxydsal-
*es, das Eisenoxyd hei Zusatz eines Alculls nicht, oder nur , zum
Theil niedergcsclilagen wird. Dies,e Versuche führen wieder zu
Ansicht, dass im Blutroth Eisenoxyd in einer Verbindung
öiit dem Thierstoff sey.
' Dennoch glaubt Berzelius, dass die Art Verbindung, welche
Fei Rose das Eisenoxyd im Farbestoll oder Eiweiss aufgelösst
Enthält, nicht die sey, durch welche der Farbestoll eiseiihaltig
Et, weil sie sonst durch Einwirkung von Säuren ihren Eisenge-
j Falt verlieren müsste, und weil eine Verhiiidung von Farhesto
oder Blulwasscr und Eisenoxyd oder Eisenoxydul durch Zusatz
^oa einer Mineralsäure zersetzt wurde, indem Farhestoil oder
Eiweiss gefällt wurden, und das Oxyd in der Säure aufgelöst
"lieb.
j Berzelius glaubt daher, dass das Eisen im Blutroth im me-
120 /. Buch. Von denofgan. Söffen etc. I. Ahschn. Vom Blut.
tallischen Zustande vorkomme, und mit Stickstoff, Kolilenstoff,
Wasserstofi^ Sauerstoff, so wie mit kleinen Mengen von Phosphor,
Calcium und Magniiim organisch verbunden sey, und dass sich
beim Einäschern des Hlutroths dessen Beslandthelle oxydiren,
und ‘Phosphorsäure, Kalk, Talk und Eisenoxyd bilden. Für diese
Ansicht scheint auch der Zustand des Eisens im Chylus zu spre-
chen; denn hier muss das Eisen sich in einem ganz andern Zu-
stand und zwar als Oxyd vorfinden, indem es nach Emmert
(Reil’s Archiv. 8.) durch Salpetersäure ausgezogen wird. Und
dann mit Galläpfeitinctur einen schwarzen, mit hlausaurem Kali
einen blauen INiederschlag bildet. Indessen bekämpft Gmeiis
doch die Vorstellung von dem vorzugsweisen Anthcil des Eisens
an der Farbe des Blutroths, selbst angenommen, dass Eisen re- j
gulinisch mit Stickstoff, Sauerstoff, Wasserstoff, Kohlenstoff im I
Blulroth verbunden sey. Er sagt, die Entfärbung des Blutroths |
durch Chlor mit Entziehung von Eisen beweise nicht, dass diese |
Entziehung die Ursache der Entfärbung ist, denn cs könnte auch
das Chlor das Blutroth bloss durch Entziehung von Wasserstoff ,
oder Uebertragung von Sauerstoff auf dessen Bestandtheile ent- |
färben, und die dabei entstehende Salzsäure könnte dann das
Eisenoxyd der alcalischen Flüssigkeit aufnehmeii. HIefür führt
Gmelin an, dass, wenn man das mit Blutroth gemengte Blutwas-
ser statt mit Chlor mit überschüssiger kalter Salz- oder Schwe-
felsäure versetzt und von dem zwar verdunkelten, aber keines-
wegs entfärbten Blutroth ahfiltrirt, man in der Flüssigkeit durch
schwefelblausaures Kali ebenfalls das Eisenoxyd entdecken kann, also
sich Eisenoxyd ohne Zerstörung der Farbe entziehen lässt. Auch
liefere der durch wiederholtes Auskochen mit Weingeist gröss-
tentheils entfärbte Ilückstand von geschlagenem Blute beim Ein-
äschern noch eine merkliche Menge Eisenoxyd. Gmehn Chemie
4. 1169. ,
Eine eigenthümliche Ansicht über die Natur des Eisens im
Blut hat Treviranus aufgestellt. Wikterl erhielt, indem er Blut
mit Kali verkohlte, eine in Alcohol lösliche Substanz, die nicht
wie das blausaure Kali das Eisen aus seinen Verbindungen nie-
derschlug, sondern roth färbte. Nach Trevirasus soll diese Sub-
stanz, die Wikterl Bhitsäure nannte, auch im Speichel enthal-
ten seyn, und Speichel mit einer salpetersauren oder schwefel-
sauren Eisenauflösung blutroth werden (ich finde die Farbe nicht
blutroth, sondern gelbroth). Nach Treviranus ist diese Substanz
in Verbindung mit Eisen die Ursache der rothen Farbe des Blu-
tes. Gmelin hat nun gefunden, dass diese Substanz im Speichel
Schwefelblausäure ist (obgleich Kuehn wieder dieses bezweifelt)-
Siehe den Artikel vom Speichel.
Neulich hat Hermbstaedt aus der Beobachtung, dass aus fau-
lendem Blut und aus Eiweiss Schwefelwasserstoff sich entwickelt,
so wie aus mehreren Versuchen geschlossen, das Schwefel iru
Blut enthalten ist. Die Asche des Blutes enthält ein Alcali, ^e-
scs musste, schliesst Hermbstaedt, in der Blutkohle enthalten sejn-
Wird aber Blutkohle mit Kali oder Natron geglüht, so werden
Cyankalium oder Cyannatrium gebildet. Wird Cyankalium oder
121
2. Otemische Analyse des Blutes. Faserstoff.
Cyannatrium mit Schwefel geglüht, so entsteht Schwefel ■^Cyan-
Kalium oder Natrium, welche das Eisenoxyd hlutroth färben.
In der That soll Serum oder Eiweisslösnng, oder Milch mit Schwe-
felblausäure versetzt nach Hinzufügung einiger Tropfen Eisen-
chlorid hlutroth werden. Sc/itveigg. J. 1832. 5. u. 6. p. 314.
II. Faserstoff, Fibrin.
Man hat den Faserstoff bisher nur im geronnenen Zustande
Untersucht. Nach der von mir angegebenen Methode lässt sich
über auch der noch frische aufgelöste Faserstoff des Froschblu-
tes vor der Gerinnung untersuchen. Man bringt nämlich das
hlut vom Frosche schnell mit etwas Wasser oder besser Zucker-
■»vasser zugleich auf das Filtrum von weissera Filtrirpapier. Die
durchgehende farblose Flüssigkeit enthält Faserstoff aufgelöst, der
erst nachher gerinnt. Lässt man die durchs Filtrum^ gebende
Flüssigkeit in ein ührglas, das mit Essigsäure gefidlt ist, träu-
leln, so gerinnt der Faserstoff in der Essigsäure nicht. Enthält
das auffangende Uhrglas Kochsalzlösung, so gerinnt der Faser-
stoff des Froschblutes darin entweder gar nicht oder nur zum
Sehr kleinen Theil, wie auch Rochsalzauflösung dem frischen
Froschblute zugesetzt, die Gerinnung desselben ausserordentlich
lange aufhält, was auch unterkohlensaures Kali dem frischen
Froschblute in Auflösung zugesetzt verursacht, ohne die Gerin-
nung desselben ganz aufzubeben. Vom Blute des Menschen weiss
Ulan schon lange, dass einige Salze, schwefelsaures Natron, salpe-
tersaures Kali, in einiger Menge dem frischen Blute zugeselzt,
Sein Gerinnen verhindern. Man kann sich hiernach einen Begiifi
»nachen, wie die kühlenden Salze bei dem entzündungswidrigen
Verfahren auf das Blut wirken; sie wandeln den Faserstoff um,
der in der Entzündung eine so grosse Neigung hat, sich anzu-
bäufen , und in den Gelassen des entzündeten Organes und nach
Ausschwitzungen desselben auf der Oberfläche der Häute zu
gerinnen.
Dass wässrige Lösung von caustischem Kali oder Natron die
Gerinnung des aus der Ader gelassenen Blutes vom Menschen zu
einer zusammenhängenden Masse verhindert, wusste man schon
lange; nach Prevost und Dumas gerinnt das gelassene Blut der
böheren Thiere nicht mehr, wenn man es mit -yoTö caust. Na-
tron versetzt. Lässt man die vom frischen Froschblute durchs
Filtrum gehende Flüssigkeit in ein Uhrglas träufeln , worin sich
Fiquor kali caustici befindet, so gerinnt der Faserstoff nicht zu
®inem Klümpchen, sondern es entstehen allmählig ganz kleine
Flocken, die man aber nur bemerkt, wenn man recht genau zu-
sieht. Solche kleine Flocken entstehen noch deutlicher, wenn
*nan die Flüssigkeit in ein Uhrglas, das mit Schwefcläther ange-
fullt ist, träufe'ln lässt, und im Maasse der Verdunstung des Ae-
tbers neuen Aether zusetzt. Von Liquor ammonii caustici setzt
der aufgelöste Faserstoff des Froschblutes keine Kügelchen und
Flocken ab.
Den frisch geronnenen Faserstoff gewinnt man zur chcmi-
sehen Untersuchung durch Schlagen des Blutes, worauf der am
Stabe sich anhängende Faserstoff ausgewaschen wird, oder durch
122 I, Buch, Von den organ. Saften etc. I. Ahschn. Vom Blut.
Auswaschen des rothen Goagulums. In diesem Zustande ist der
Faserstoff specifisch schwerer als Wasser, als Bhitwasser und als
das mit Blutkörperchen versetzte Blutwasser von geschlagenem
Blute; in allen diesen sinkt der Faserstoff unter, wenn er von
anklebenden Luftbläschen befreit ist. Die weitere Bescbreibun.!^
ist nach Bebzelius. Der geronnene und ausgewaschene Faserstofl
ist weiss, durch Trocknen wird er gel])lich, hart und spröde,
nicht durchscheinend, und verliert | vom Gewicht. Von Was-
ser weicht er wieder auf, ohne sich aufzulösen. Er besitzt we-
der besondern Geruch noch Geschmack. Bei dem Wärmegrade,
wo er zersetzt wird, schmilzt er, bläht sich auf, entzündet sich
und hinterlässt eine glänzende Kohle, wie andere Körper, welche
Stickstoff enthalten. Die Kohle verbrennt zu einer grauweissen
zusammengebackenen, halbgcschmolzenen Asche, die ^ Procent
vom Gewicht des trocknen Faserstoffes ausmacht. Diese Asche
ist weder sauer noch alcalisch, hinterlässt nach dem Auflösen in
Salzsäure Spuren von Kieselerde, und besteht hauptsächlich aus
phosphorsaurer Kalkerde, etwas phosphorsaurer Talkerde und ei-
ner sehr unbedeutenden Spur von Eisen. Vor dem Vei'brennen
lassen sich die Bestandtheile der Asche nicht durch Säuren aus-
ziehen, und scheinen daher zu der chemischen Zusammensetzung
des Faserstoffes gehört zu haben. Im geronnenen Zustande ist
der Faserstoff sowohl in kaltem als in warmem Wasser unlöslich,
aber bei lange fortgesetztem Kochen mit Wasser verändert sich
seine Zusammensetzung, er schrumpft zusammen, erhärtet und
zerfällt zuletzt bei dem geringsten Druck. Es entwickelt sich
hierbei kein Gas, aber die Flüssigkeit wird unklar und enthält
nun eine aus den Bestandtheilen des Faserstoffes neiigebildete
Substanz aufgelöst. Diese Auflösung hat keine Aehnlichkeit mit
einer Lelmauflösung. Bebzelius Thierchemie, p. .35. .36. Faser-
stoff, geronnenes Ei weiss, Käsestoff und Blutroth haben übrigens
gemein, dass aus ilineii durch Kochen in Wasser kein Leim aus-
gezogen werden kann. Der Faserstoff mit einigen anderen Stoffen
(nicht Eiweiss) hat auch das Eigenthümllche, durch blosse Be-
rührung das Wasserstoffsuperoxyd zu zersetzen und mit Entwicke-
lung von Oxygen Wasser zu bilden, ohne dass sich der Faser-
stoff verändert. Bei grösseren Mengen von Faserstoff entwickelt
sich dabei Wärme. Zu Säuren und Alcallen verhält sich Faser-
stoff so, dass er bald die Bolle einer Basis, bald die einer Säure
oder wenigstens eines electronegativen Körpers spielen kann. Mit
concentrirten Säuren quillt er auf, gelatinirt, wird durchsichtig
und stellt einen sauren Körper dar, durch verdünnte Säuren
schrumpft der Faserstoff zusammen zu einer neutralen Verbindung
von Säure mit Faserstoff. Die saure Verbindung mit den Mine-
ralsäuren ist im Wasser unauflöslich, die neutrale auflöslich, da-
gegen sind die saure und die neutrale Verbindung des Faserstof-
fes mit Essigsäure beide im Wasser auflöslicb. Cyaneiseiikaliuto
bringt in der essigsauren Auflösung einen Niederschlag hervoO
was für den Faserstoff cluiracteristisch ist, da diess bei Zellge-
webe, Sehnengewebe, elastischem Gewebe der mittlern Arterien-
haut nicht der Fall ist. Diese Verhältnisse zu den Säuren sind
2. Chemische Analyse. Bliüwasser,
123
jedoch dem Eiweiss wie dem Faserstoff zugleich eigen. Nach
Caventou und Bourdois lösen sich Faserstoff, Eiweissstoff, Käse
Und Schleim in kalter concentrirter Salzsäure auf, und nehmen
bei + 18“ bis 20" nach 24 Stunden eine schöne blaue Farbe
®n, -^vas hei dem Leime und den Sehnen nicht der Fall ist. War
•ler Faserstoff hierbei nicht völlig frei von Farhestoff, so wird
•^ie Flüssigkeit statt blau, purpurfarben oder violett. Faserstoff,
J-iweissstoff und Käse stimmen auch darin überein, dass sie in
"Uendem Kali und Natron zu einer Gallerte aufgelöst werden,
uhne sich, wie der Hornstoff, in eine seifenartige Substanz zu
'’^rwandeln. Die Elemente des Faserstoffes sind nach den Ana-
b’sen von Gay-Lussac und Thehard, und nach den von Micuae-
tis in folgender Combination:
G. und T.
Mich.
arteriell
venös
Stickstoff 19,934
17,587
17,267 f
Kohlenstoff 53,360
61,374
60,440
Wasserstoff 7,021
7,254
8,228
Sauerstoff 19,685
2.3,785
24,065
[ehe Berzelius Thierchemie
p. 34 — 47.
E. H. Weber in
yiLDEBRANDT’s Anatomie /. p. 83.
Der Faserstoff findet sich ausser dem Blute noch im Chylus
^ud in der Lymphe im aufgelösten Zustande, im festen in den
"Muskeln, im Uterus. Die Fasern der Arterien enthalten dagegen
deinen Faserstoff.
III. Blutmasser. _ ^
Lässt man Serum ganz vollkommen durch Wärme bis 76
^oaguliren, und behandelt die eingetrockuete Masse mit kochendem
Y '^sser, das hierdurch Aufgelöste aber wiederholt mit Alcohol, so
^'Oirnt der Alcohol auf Chlor-Natrium, Chlor-Kalium, milchsaures
"Rtron, Osmazom, und das nicht vom kochenden W^asser und
^loohol Aufgelöste ist erst das reine Eiweiss. Das Blutwasser ent-
”*lt also an thierischen Thciien Milchsäure, Osmazom und Eiweiss.
1) Milchsäure, acidum galaciicum. Diese Säure besteht aus
Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff, sie ist der Essigsäure ver-
^äudt, ist aber nach Berzelius bestimmt von ihr verschieden;
^0 bildet mit Basen Salze von eigenthümlicher borm, die nach
®®zelius nicht durch Verunreinigung von Essigsäure mit einer
bieriscben Materie entstehen. Siehe das Nähere Tlderchemie p.
bO. jyjg j-gide Alilchsäure, nach der von Berzeeius neulichst
^Osehriebenen Methode dargestellt, ist farblos, ohne Geruch und
einem heissend sauren Geschmack, der bei Zusatz von Was-
f®*’ sehr rasch abnimmt. Milchsäure löst sich in Alcohol in al-
Verliältnissen, in Aether nur in geringer Menge auf. Die
’^dchsäure. findet sich ausser dem Blutwasser auch im Muskelflei-
^be und in der Krystalllinse ; ferner finden sich Milchsäui'c und
dchsaure Salze in vielen Absonderungssäften, besonders in der
, dch. Milchsäure und ihre Salze sind immer mit Osmazom verbun-
werden durch Weingeist gemeinschaftlich mit ihm ausgezo-
lassen sich aber dui'ch Galläpfelaufguss von ilini scheiden.
124 I. Buck. Von den organ. Säften etc. I. Ahschn. Vom Blut.
der das Osmazom niedersclil'ägt. Berzelius Thierchemie p. 576-^
584. E. H. Weder’s Anatomie I. B. p. 90.
2) ösmazom, Fleischexiract von Thouvenei. Es ist in kalleiB
und heissem Wasser, in kaltem und lieissem Weingeist auflöslicb,
zerfliesst an der feucliten Luft, schmilzt in der Wärme, und wird
durch Galläpfelaufguss aus seinen Auflösungen niedergeschlagen-
Das Osmazom kommt nach Gmelis auch im Speichel, pankreati-
sehen Safte und Magensafte vor. Berzelius hält das Osmazom
nicht für eigenthümlich , sondern für eine Verbindung von einer
thierischen Materie und milchsauren Salzen.
.3) Eiiveiss, albumen. Das Eiweiss bleibt nach der Ausziehung
der Milchsäure und des Osmazoms aus dem getrockneten Coo-
gulum des Serums zurück. Dieser Stoff findet sich ausserdem
in der Lymphe, im Chylus, in dem Weissen und Gelben des Eies,
in letzterem mit Oel gemengt, in dem Absonderungsproducte der
serösen Häute, in den Flüssigkeiten des Zellgewebes, im Humor
aqueus des Auges, im Glaskörper desselben, im Gehirne und den
Nerven mit phospborhaltigem Fette, in dem Inhalt der Graaf’-
schen Bläschen des Eierstockes der Säugethiere und des Menschen-
Hier ist zunächst vom Eiweiss des Blutwassers die Rede. Es giebt
davon zwei Zustände.
a. Eiweiss im aufgelösten Zustande. Es scheint im Blutwas-
ser mit Natron verbunden, was man Albuminat von Natron nennt.
Berzelius glaubt nicht, dass das Eiweiss im Blutwasser durch
das Natron aufgelöst erhalten werde; denn man kann das Natron
durch Essigsäure sättigen, ohne dass ein Niederschlag erfolgt. Zn
dieser Neutralisation sind nach Sthomeyer auf ^ Unze Blut lO
Tropfen destillirten Essigs nöthig. Wird Blutwasser oder Eiweiss-
auflösung bei einer nicht bis -f-60® C. gehenden Temperatur ab-
gedampft, so trocknet es, wird durchscheinend, und ist nachher
wieder in Wasser auflöslich. Bei 70 — 75“ C. gerinnt das Ei-
weiss und ist dann in Wasser unlöslich. Eiweiss mit sehr viel
Wa.^ser vermischt, wird durch Hitze nicht mehr fest, sondern
gerinnt ln Kügelchen zu einer milchartigen Flüssigkeit, die indes-
sen beim Abdampfen vollkommen geronnenes Eiweiss darstellt-
Das aufgelöste Eiweiss gerinnt durch die galvanische Säule, durch
Weingeist, Mineralsäuren, von Metallsalzen (z. B. von Zinn, Blei;
Wismuth, Silber und Quecksilber), von Chlor, von Galläpfelinfw'
sion und Eiweiss des Blutwassers nach Dutrochet’s und meinem
Beobachtungen durch sehr concentrirte Auflösung von fixem Al'
cali, xvenn wenig Blutwasser mit viel Liquor kali caustici versetzt
wird, dahingegen dieser nach meinen Beobachtungen nur das un-
verdünnte Eiweiss der Eier coagullrt. Liquor kali caustici schlägt
nach meinen Beohachtungen auch das Eiweiss der Lymphe un‘l
des Chylus nieder. Gmelin hat beohachtet und ich habe es h®'
stätigt gesehen, dass das Eiweiss der Eier auch von weingeist'
freiem Aether gerinnt, während dieser aus Blutwasscr nichts ni®'
derschlägt.
Meine Beohachtungen über den aufgelösten Zustand des F®''
serstoffes im frischen Blute haben mir Data zur Vergleichung de*
noch aufgelösten Faserstoffes vor dem Gerinnen mit dem aufg®'
125
2. Chemische Analyse des Blutes, Eiwelss.
lösten Eiweiss geliefert. Die Essigsäure schlägt nichts ans Blnt-
■Wasser, aber auch nichts aus der frischen Faserstoflösung nieder;
denn lässt man von Froschblut die durchs Filtrum gehende Flüs-
sigkeit in ein Uhrglas, das mit Essigsäure gefüllt ist, träufeln, so
gerinnt der Faserstoff in der Essigsäure nicht. Die Neutralsalze
Schlagen nichts aus Serum nieder, und mehrere derselben, kolj-
lensaures Kali und Natron, salpetersaures Kali, schwefelsatires
hatron (beim Frosche auch Kochsalz) erhalten den frischen Fa-
serstoff aufgelöst, oder verhindern dessen freiwillige Gerinnnngi
Licjuor ammonii caustlci schlägt nichts aus der frisch vom Frosch-
hlule ahfiltrirten Faserstofflösung nieder, so wenig als. aus aufge-
löstem Eiweiss. und Blutwasser. Liquor kali caustici schlägt das
Eiweiss aus Blutwasser nieder, eben so wie in kleinen Flocken
den Faserstoff der vom frischen Fro.schhiate ahgeseihten Faser-
Höfflösung, wenn man z. B. diese Flüssigkeit in ein Uhrglas voll
Liquor kali caustici träufeln lässt. Aelher schlägt nichts aus Blut-
tvasser nieder, aber wohl gerinnt der Faserstoff der .vom Frosch-
hlute abgeseihten Faserstotfauhösung in Flocken, wenn man die
■Flüssigkeit in ein Uhrglas mit Aether träufeln lässt; und im
^laasse der Verdunstung neuen Aether zusetzt. Künstlich be-
■'virktc Gerinnung von Faserstoff durch Liquor kali caustici oder
•Aether unterscheidet sich von der freiwilligen Gerinnung dessel-
Len, dass letztere. ein anfangs durchsichtiges, hCräach sich tn»-
Lendes und ganz fest zusammenhängendes Coagulnm liefert, wäh-
*'Pnd die künstliche Gerinnung von Fasez'stölf diesfcn wie sonst
das, .Eiweiss des Blutwassers in nicht fest zusammenhängenddrt
K.ngelchen absetzt. Die Hauptunterschiede des aufgelösten Fa-
*erstpffes vonEi'*'eissauflösung imBlutwlasseii .sind nun, dass erste-
^pr sich selbst überlassen von, .selbst gerinnt, dass! Eiweiss nur
durch Ditze und ReagentiCn gerinnt, . uild dassiFasefstoffflüssigj-
Leit von Aether, nicht aber Eiweiss in Kägelclhen gerinnt '
Vermischt man aufgelöstes Eiweiss mit 5!äuren oder Alkalien;
*e wird der Theil, der sieh mit den» .Reagens vei'bindet, dn- den-
^Ihen Zustand wig geronnenes Eiweiss. versetzt; selbst wenn' diess
■Reagens, kein Eiweiss niederschlägt; wie. .Essigsäure,: Ammonium
Und verdünnte Kalilösung; die essigsaufe EiWeissauflösung wird
^un Kali, die alcalische Auflösung' vonl Säure niedergeschlagen,
§anz -wie bei dem Farbestoffe. ' .
Wird Blutwasser mit kleinen Mengen Won Metnllsalzeh ver-
®hscbt und dazu etwas mehr paust. Kali gesetzt, ' als kur Zerset-
zung des Metallsalzes nöthig ist, so wird cllas .Oxyd nicht ■ nieder-
h®scb(lagen, sondern bleibt mit dem Eiweiss in löslicher Verhin-
Uung; Berzeciüs, der diess anführt, bemerkt,, dass durch' diesen
Lrnstand Metallsalze, oder Oxjule vom Darmkanal oder vbn der
^_äut absorhirt und yom Blntwasser aufgelöst geführt,, und durch
Exprptionen aasgeleert werden; wie man. denn nach deiu Ge-i
rauche .yon Quecksilber das Oxydul ip den . Flüssigkeiten des
örpers aufgelöst findet. Atj.tskrietb und, ZeLxer, Reic’s 8.
ouub,vrth, Horx’s Archio 1823. iVoe. 41 7. Caxtu, Mem d. Tor,
. •_ 1825. Buchner’s Topücol. 538. ('Sollten nicht die äusserst
**äigen Verbindungen der . MetaÜoxyde . mit Eiweiss für die arz-
126 I, Buch, Von den organ. Säfien. I. Abschn. Vom Blut.
neiliche Darreicliung passen?) Eiweiss oder Blntwasser mit con-
centrirten Auflösungen von Erd- oder Metallsalzen vermischt;
gerinnt, und das Coagulum entliiilt die Bestandtheile des Salzes.
Auch diese geronnenen Verbindungen der Salze mit Eiweiss vef'
dienen eine grössere Berüeksicbtigung in der Arzneikunde. Un-
ter den schon angeführten IMetallsalzen zeichnen sich das essig-
saure Blei, und noch mehr der Sublimat (Chlor-Quecksilber), als
die empfindlichsten Reagentien für Eiweiss aus. Sublimat trübt
noch eine Flüssigkeit, die nur -^Vö Eiweiss aufgelöst enthält-
Durch seine grosse Neigung, mit diesem Salze Verbindung einzn-
gehen, ist das Eiweiss das Gegengift desselben.
b. Eiweiss im geronnenen Zustande aus nggregirten Kügel-
chen» So verhält sich das Eiweiss chemisch ganz wie Faserstofl»
und Berzelius kennt kein verschiedenes Verhalten gegen Re-
agentien, ausser dass das geronneneEiweiss nicht das Wasserstoff-
snpei'oxyd zersetzt. Auch die elementare Ztisammensetzüng ist
wenig abweichend, wie sich aus den von Gay-LussXc, ThesarD;
Michaelis und Prout gegebenen Analysen ergiebt.
Gay-L. u. Tuew. Mich. Prout.
artorieU. ' venös;
Stickstoff 15,705 15,562 15,505 15,550
Kohlenstoff 52,883 ^ 63,000 52,650 49,750
Wasserstoff 7,540 6,993 7,359 8,775
Sauerstoff 2.3,872 24,436 24,484 26,925
Ueber das Verhältniss des Eiweisses zu den übrigen Bestand-
theilen des But Wassers giebt Berzelius Analyse Auskunft; ' lOO
Theile Blutwasser Von Menschenbhit enthalten- Wasser 90,59, Ei-
weiss 8,00; Osmaizoni j milchsaures Natron' 0,4 mit 'Chlornatriui»
0,6 durch Alcohol ausgezogen; verändertes Eiweiss, koblensaures
und phosphorsaures Alcali 0,41 in' Wasser löslich. Lbcanu bat
bei der Analyse des Blut-wassers auch sch wefeliaures Alcali, koh-
lensaure und phosph-orsaure Magnesia und phosphorsauren Kalk
gefunden. Berzelius vermuthet, dass die drei Hnuptbestandtheil®
des Blutes Faserstbff^ Blutroth und Eiweiss, nnr Modificationen
eines und desselben Hiierischen Stoffes sind, wie z. B. das Blut-
roth seine Eigenthümlichkeit dem Eisengehalt verdanken könnte-
Derselben Meinung ist Treviranus.
IV. Fette Materie im Blute,
I Das Blut enthält selten etwas weniges freies Fett, das man
dann auf der Oberfläche -scbillern sieht, allein das meiste def
fetten Muterie ist an Faserstoff, Farbefeloff und Eiweiss gebunden- |
Rocht ijian das mit Blutroth gemengte Blutwasser von gescblngC'
nem .Ochsenblute mit Weingeist, so enthalten die ersten Filtrate
näcli . Gmeliu Gallenfelt; Talgfett, Odfett, Talgsänre. Gmelis’*
Chemie A. 1163. Von 'jenem Fette glaubte Berzeliijs früher, das*
es. 'durch 1 die chemische Behandlung dcli erst bilde. Dass ab«*'
Fett in dem Faserstöfte'i in dpm Eiweiss, in dem Blutrothe, an* '
denen man Os ausziehtfj'“ im gebundenen Zustande wirklich ent-
halten ist, ist' deswegen- sehr wahrscheinlich, weil der Chyln*i
woraus dak Blut sich -hihlet, fette Materien im ungebundenen Zn-
stande in Form von Eilmlsipn enthält, die sich durch die Blut'
2. Chemische Analyse des Blutes. Fette Materien. 127
tilcinng wälirsclieinUch mit der andern thierischen Materie enger
Verbinden. Vom FaserstofFe' des Blutes hat Chetretii. mit Aether
eine fette Materie abgesondert, analog derjenigen , die man vom
Gehirne erhält, und wie diese vorzüglich merkwürdig durch den
Gehalt an Phosphor, den sie. im gehundenCn Zustande enthält,
^etzt ist Berzelixts auch der Meinung, dass jenes Fett nur Educt,
•'icht Product der Analyse sey, besonders, da Faserstoff durch
Ausziehen des Fettes mit Aether oder Alcohol chemisch nicht
'Verändert wird, und sich nach der Ausscheidung der geringen
^enge Fett durch fortgesetzte Behandlung kein Fett weiter aus-
*iehen lässt. Das Fett vom Faserstoffe ist nach Berzeeitjs in ei-
fern verseiften Zustande, denn die Auflösung desselben in kaltem
Alcohol röthet Lacmitspapier, zum Beweis, dass wenigstens ein
Theil davon in demselhen sauren Zustande wie nach dem Ver-
^cjfüngspröcesse seyrt rhüSse. BERZEtrus beschreibt von dem Fette
des' 'Faserstoffes zwei Modificationen, ünd schliesst mit der Bemer-
kung, dass es sehr den von Chevrettl hfeschriehenen sauren Sal-
den von Talgsäure und Oelsäure mit Kali gleiche, bis auf die
Rrössere Löslichkeit des erstem in Aether und Alcohol. Nach
^'lEvREUE beträgt , das Fett im Faserstoffe 4 4,5 Procent. Le-
fand im Blute' ■eine cryrtöllisirhare fette Materie nnd eine
^lige Materie. Von der erstem fand er 1,20 — 2,10, von der
•extern 1,00 — 1,.30 in 1000 Blutwasser. NachBouDET {Essai cri-
^i^ue et experimental sur le sang. Paris 183.3.) enthält das Blut
®Uch Ghblestrine, wiö schon Gmelin fand. ' “ ; ' _
Alle Fettarten yelchnen sibh in ihret Zusainmeriselzung' durch
dic^^ririge Mehge des Sauerstotes und dip überwiegende Menge
drs Köhlcnstöfibs aus. Merkwürdig ist, dass die frei im 'Körper
J'oi'kommenden Fettärten, Stearin und Eläin, welche im frei vör-
kommenden Fette immer mit einander verimnden sind, gar k'er-
Stickstoff enthaltetl. ■ ■
' Stearin Elain '
' -Sauerstoff 9,454 9,548
■Wässerstolf 11,770 ' • ‘ ' 11,422 ' " •
Kohlenstoff ■ ’ ‘ ' ' ; 79,030 ' .
' Andere Fettarlcn 'Sind, wicr das Frtt im Blute, an ^dere
^lierstoffd gehUnden, zuin Theil heim Erkalten ' crystallislrhar
'^öd stickstoffhaltig (Im Blpte und Gehirne auch phosphorhaUi^)i
’J'^d lassen sich nicht verseifen. Dlem Fettarten kommen aiWmr
"em Blute im Gehirne und den Nerven', in der Leber und' vicl-
®'uht noch in einigen anderen Theilen, vpr. \ ' ‘
Sieht man ah von dde dtfreh Ahsoriderühgen gehildeteh neuep
’^Pganischen Alaterie, wite vohr Gällenstöff, Räsestoff, Schleim etp;,
sind die näheren' BPstandt.heile aller festen Tlieile' des Körpd|rä
^eits im Blute ehtliälteri. als. Faserstoff) Eiwel.ss, Osniazoni,
^tehsänrej fettige -Mateüd; ' Nur der ih den Sehdenfäsern, Khör-
Knochep, serösen' Jläuten und im Zellgeivfehe üh'erhatiyt,
^sonders auch iin ZellgÖ-Wehe der Muskeln vorkomtriende Leim,
"'en, macht' hiervoff" eine Ausnahme. Zwar haben Pabmertipr.
DEYRtrx, .und Saissy ijp, Blutfe auch Leim 'oder GaÜbrte za
un geglaubt. Allein dieSs war offenbar' ein Irrthum. Es fragt
128 I. Buch. Von den organ. Säften etc. I. Ahschn. Vom Blut.
sicli indess, oL überhaupt der Leim niclit erst durch, eine vom
Rochen bewirkte Zersebtung entstellt. Leim wird ans den ge-
nannten Theilen durch kochendes Wasser dargestellt, er ist io
Weingeist und kaltem Wasser unauflöslich, was ihn vom Osma- |
zom unterscheidet, er gelatinirt heim Erkalten noch in der 150- !
fachen Menge Wasser, so dass in der Gallerte der Lelm mit
Wasser gebunden ist, und löst sich durch kochendes Wasser
wieder auf, was ihm von Faserstoif und Eiweiss unterscheidet.
Er ist in Säuren . und Alcallen allmählig löslich , von Gerhestofl
und von Chlor wird er niedergeschlagen. E. H, Weser hat die
Gründe zusammengestellt, welche es wahrscheinlich machen, dass
Leim 'slch durch Zersetzung der thierischen Materien hildet, eine
Meinung, welche Prochaska, Berzeiutis und Ficikiis theilen. Am
meisten spricht hiefür, dass nach Berthqllet Fleisch, welches
heim Rochen keinen Leim mehr gab, durch Faulen, in gesperr-
ter Luft mit Rohlens'äureentwickelung. die Fähigkeit erlangt, iwio-
der I>eim zu liefern. Vergl. Wienuolt, Meck.. A. 1, p. 206*
Berz. Thierch. p. 661. . ;
. Jff. Cupiiel. Analyse des Blute, s. durph die galvaniscEß
, u , ■ . Säule.
(Math ‘eigenen Beobachtungen. POCGEB. jfn«. 1832. 8.)
Dutrochet hat ingeniöse Versuche üjjer das Verhalten thje-
rlsglmr Substanzen gegen die galvanische Säule gemacht. ^Ann. d.
sp., X^l. Fhob,iep,’s Kot. N. 715.) Er glaulste auch durch
t^tühiooismus aus Eiweiss Muskelfasern zu liilden, und behauptetet
das? die Blutkörperchen elpctrische Pla^eopoare seyen, wovo»
des'' Rcrn electronegativ, , die, Schale eJl^ctroposltiv spy. ,
Wird ein Tropfen von einer wässrigen Auflösung von Eidot-
ter (worin sehr kleine mikroskopische Rügclchpn suspendirt sind)
galvanisirt, so bemerkt man bald die von Dutrochet, zuerst be-
obachteten Wellen. Die vom Rupferpol -pder negativen Pol aus-
gehende Weile^ worin sich das Alcali der/zepsetzenden ,^alze an-
häuft,, ist durchsichtig, wegen; Auflösung defj Eiweisses dnrgh da^
Alcali. Die vom positiven oder Zinkpol au^ehende Welle, v/O"
ript sich die Säpre , sammelt ist undurchsiehtig und weissiieh, be-
sonders, im Umfange der .Welle. Beide. Wellen streben cinau-
dep zn, und in der .BerüJ^rungslinic entsteht plötzlich ,ein line»'
res Gerinnsel, welches, ganz die Form;, der Berührungslinip, ui'd i
zuweilen, wie dep B.and der Wellen im , Act der Beriihrnng, g®' '
kräuselt list. . Die Berührung der bgiden; Wellen geschieht,
einer, lebhaften Eevypgupg in d.er Bwühpungslinie,^ worauf dt^
Ah,«?t?P"§ des , (iermifsel? folgt; siohald aber. die. Ähseizung
.Sescliehen ish. ist anesi:rubig, und an den»: P*' 1
rinusel laii öjwals die geringste Spur yon Bewegung zu bemeU |
kpp. Es Isf daher nnbegreillicb, wje ein , Beobachter lerst^**
Ranges, wie Dutrochet, jenes Eiwehsgerinnscl fiir eine d'uT^
Blectricität erzeugfe eontractUe Muskelfaser ausgeben konnte. ^
ist nichts als geronnenes Eiweiss. Dieses Gerinnsel hat überdies*» j
3. Analyse des Blutes durch die gahanische Säule. 129
so -wie das Eiweiss, welches sich heim Galvanislren des Blutse-
rums um den Zinkpol ansetzt, keine Consistenz, sondern besteht
aus Kügelchen, die sich leicht auseinander wischen lassen, und
Dur in der Form der Berührungslinie der beiden Wellen ohne
alle Cohäsion ahgcsetzt sind. Setzt man einen Tropfen Blutserum,
gleichviel oh vom Frosch oder von einem Siiugethiere, unver-
mischt mit Kügelchen, beiden Polen aus, so bemerkt man keine
deutlichen Wellen. Aber es erfolgt am Zinkpole die Absetzung
Von Eiwelsskügelchcn, die hier von innen nach aussen zunehmen,
indem die zuerst um den Pol abgesetzten nach aussen gedrängt
Werden, und beständig neue Absetzung erfolgt. Hach den An-
sichten, welche Dutrochet hei der Anwendung der galvanischen
Säule auf Thiersuhstanzen befolgt, müsste man das Eiweiss des
Blutserums für einen electronegativen Körper halten, weil es sich
am Zinkpol oder positiven Pol ahsetzt. Allein diese Absetzung
erfolgt durch das Gerinnen des Eivveisses von der am Zinkpole
sich anhäufenden Säure der zersetzten Salze; am Kupferpole
Schlägt sich das Eiweiss nicht nieder, weil es dort von Alcali
aufgelöst bleibt. Indessen wird doch hei einer sehr starken Säule
auch am Kupferpol Eiweiss niedergeschlagen, wie Gmelin gezeigt
Bat, entweder durch die sich dann entwickelnde Wärme, oder,
üoeh wahrscheinlicher, weil, wie Dutrochet und ich gefunden
Baben, concentrirte Auflösung von fixem Alcali auch Eiweiss nie-
derschlägt. OlT'enbar hängt es vom Salzgehalte der Flüssigkeiten
ah, dass Eidotterauflösung hei derselben Stärke der angewandten
Säule kein Gerinnsel am Zinkpol absetzt, sondern nur eine un-
durchsichtige Welle bildet und hei der Berührung der Wellen
Beider Pole gerinnt, dass dagegen Blutserum am Zinkpol Eiweiss
ahsetzt. Lassaigne brachte Eiweiss dui’ch Weingeist zum Gerin-
gen, und wusch es so lange mit Weingeist aus, bis salpetersau-
i'es Silber zeigte, dass kein Kochsalz mehr darin sejr. Von dem
Geronnenen löst sich 0,007 im Wasser auf. Dieses wenige Auf-
gelöste gerinnt durch die VoLTA’sche Säule darum nicht, weil kein
Kochsalz darin ist; denn es gerann, wenn Kochsalz zugeselzt
^urde. Ann. de chim. et de phys, T, XX. p. 97, E. H. Weber
Anatomie, I. A. 87.
Wenn ich meine Erfahrungen nach Dutuociiet’s Grundsätzen
•^vBlären wollte, so wäre das Eiweiss des Eidotters neutral, weil
erst hei der Berülu'ung der beiden Wellen gerinnt, das Ei-
^eiss des Blutserums dagegen electronegativ, weil es am Zinkpole
Sarlnnt. Man braucht aber nun nach meiner Erfahrung der Ei-
^otterauflösung nur etwas Kochsalz zuzusetzen, so gerinnt sie am
^iukpol, und es bilden sich keine Wellen.
^ Setzt man einen flach ausgebreiteten Tropfen Blutes vom
®rosch oder von einem Säugethiere der galvanischen Säule ans.
Bilden sich um den Kupferpol die gewöhnlichen Gashläschen,
^*0 Zinkpole gerinnt das Eiweiss als ein unzusammenhängender
Brei von Körnchen, gerade so, wie wenn Blutserum ebenso he-
Bandelt wird. Die Blutkörperchen häufen sich weder am positi-
noch am negativen Pol an; der Faserstoff gerinnt weder
^uher noch später als sonst, und weder am positiven noch am
“lUller’s Physiologie. 9
130 I. Buch. Von den organ. Säften etc. I. Ahschti. Vom Blut.
negativen Pole, sondern im ganzen aiisgeLreiteten Tropfen
zwisclien beiden Polen und rund berum in einiger Entfernung
der Pole. Unmittelbar um die Pole leiden die Blutkörper-
eben eine Zersetzung wogen der dort sich anhUufenden Sau-
ren und Alkalien. Der Faserstoff gerinnt im ganzen Tropfen^
ohne alle Vei’Vinderung der Blutkörperchen ; diese Gerinnung tritt
auf gleiche Art ein, wenn man arterielles oder venöses Blut von
Xaninclien statt Froschblut anwendet.
Nimmt man vom frischen Froschblute das sich bildende Coa-
gulum so lange heraus, bis sich nichts mehr bildet, so bleibt zu-
letzt ein Gemenge von Bhilkörperchen und Serum übrig. Ein
Tropfen von diesem rotben Satze flach ausgebreitet und dem gal-
vanischen Apparate aitsgesclzt, zeigt dieselben Phänomene wie
frisches Blut, mit Ausnahme des Faserstoffes, welcher hier fehlt.
Die Blutkörperchen häufen sich weder am positiven noch am
negativen Pol an, sie bleiben im ganzen Tropfen an ihrer Stelle- '
Ara Zinkpol entsteht der breiige Niederschlag von Eiweisskügel-
gclchen, wie beim Galvanisiren des Serums, nur dass er hier von
Blutkörperchen röthlich gefärbt ist; am Rupferpole bildet sich
der gewöhnliche Schaum und ein fadenziehendes, bräunliches
Wesen von zersetzten Blutkörperchen.
Befreit man rothes Coagulum von Säugethierhlut auf Fliess-
papicr vom Serum, so viel es möglich ist, so erhält man darauf
durch Auswaschen des Kuchens eine möglichst reine Auflösung
von Farhestoff, in welcher freilich immer etwas Eiweiss des Se-
rums, welches im Coaguluni eingeschlossen war, enthalten ist-
Wurde ein Tropfen der möglichst starken Auflösung von Farbe-
stoff der ' Voi.TA’schen Säule ansgesetzt, so erhielt ich verschie-
dene Be.sultnte, je nachdem ich mit den Kupferdrählen selbst '
die Kette schloss, oder dem sich stark oxydlrenden Kupferdrahte |
des Zinkpoles ein Endstück von Platindraht ansetzte, um die Oxy-
dation des Rupfers ausser Spiel zu lassen. Tm ersten Falle erhielt
ich Phänomene, welche von den von Dütäochet beschriebenen 1
verschieden sind, im zweiten Falle erhielt ich die von DutbocueT ]
beschriebenen Erscheinungen. Wandte ich blosse Rnpferdrälite j
zum Schliessen der Kette an, so entstand ein rothes, breiiges Ge- '
rinnsei von Eiweiss und Blutroth um den Zinkpol. Dieses Ge- ^
rinnsei nimmt immer mehr zu, indem der um den Pol entstan- f
dene rolhc Ring von dem weiter erfolgenden Absätze weiter aus- ,
gedehnt wird. Die nachfolgenden Absätze sind aber weniger rotlü I
meist weissgrau. Diese Gerinnung findet rund herum um de>* ,
Draht statt, indess wächst das Coagulum in der Richtung von*
Zinkpol gegen den Rtipfei’pol hin etwas mehr, als sonst in de*"
Peripherie des Zinkpoles. Diess ist eine Art Niederschlag, def
die Form der Welle in den früheren Versuchen hat, ‘ aber ao*
einem consistenten Brei besteht. Am Kupferpol bemerkt man di®
gewöhnliche Gasentwicklung und zuweilen eine sehr undeutlich*
vorhanden ist. Es ist die um den Kupferpol gewöhnlich stattfin"
Welle, in welcher der b’arbestofl eben so aufgelöst ist, wie
dem übrigen Tropfen; der Rand dieser Welle ist etwas röthe«';
Dutbochet nennt diess eine rothe Welle, wozu gar kein 'Grün*
131
3. Analyse des Blutes durch die galvanische Säule.
dende alkalische Solution des Thierstoffes, die hier, wie dasUehrlge
des Tropfens, Farhestofl' aufsjelöst enthiilt, während am Zink pol
Eiweiss und Farhestolf gerinnen. Duteociiet heschreibt die Phä-
nomene vom Galvanisiren der Farhestoffauflösung ganz anders,
vergl. Froriep’s l^ot. JV. 715. Es zeigten sich hei ilim zwei Wel-
len; die saure am Zinkpol war durchsichtig, und trieb, indem sie
wuchs, den rothen Farhestoff vor sicli her, welcher sich um die
Saure Welle her, so wie ausserhalb derselben anhäufte; die alka-
lische Welle am Kupferpol wurde dagegen durch den rothen Far-
hestoff seihst eingenommen. Die beiden Wellen bildeten, indem
sie sich verbanden, ein leichtes Coagulum, welches von dem Ei-
Weiss des mitausgewaschenen Serums herriihrt. Der rotheFarhc-
stoff verband sich fast sämmtlich mit diesem Coagulum. ^ Aus die-
sem Versuche, wo der rothe Farhestolf von dem positiven Pol
*urückweichen und am negativen Pol sich anhäufen soll, schliesst
Duteochet, d^iss diese Substanz positiv electrisch sey, ein Schluss,
Wozu dieser Versuch durchaus nicht berechtigt. Ich habe schon
erwähnt, dass, wenn ich Kupferdrähte zum Schliessen der galva-
nischen Kette an wandte, der Farhestoff sogleich mit Eiweiss um
den Zinkpol gerann, und dass das rothe Gerinnsel von neuem
Gerinnen von Eiweiss nur weiter ausgedehnt wurde. Setzte ich
dagegen an das sich heim Schliessen der Kette oxydirende Ende
des Kupferdrähtes, zur Vefmcidiing dieses Einflusses, ein Stück
sich nicht oxydirendes Metall, ein Stück Plalindraht an, so er-
liielt ich fast ganz die von Dutrochet heschriehenen Phänomene.
Es entstanden nun wirklich am Kupfer- und Zinkpol Wellen,
Welche gegen einander strehteh. Sowohl die AVelle des Kupfer—
Poles, als die des Zinkpoles, hatte eid'dn deutlichen rothen Rand;
diess hat Duteociiet an der Welle des Kuplerpoles übersehen,
'ind diess ist sehr wichtig. ' Die Welle des Kuplerpoles ist nicht
i’öther als der P’arhcstolf ausser der Welle, nur ihr Rand ist rö-
llier; daher ist es unrichtig, W'cnn Duteociiet sagt, dass sich der
J’arbestoff am Kupferpol anhäüfe ; ich habe den Versuch ausser-
ordentlich oft wiederholt, und nie diese Anhäufung gesehen. Der
i'othe Farhestolf entfernt sich sogar gewissermaassen in dem rothen
Eande der Welle des Kupferpoles eben so vom Kupferpol, wie in
dem rothen Rande der AV’^elle des Zinkpoles vom Zinkpol. W^enn
die Welle des Kupferpoles nicht röther als der Farhestofl im Tro-
pfen ausser der Welle ist, so ist dagegen die Welle des Zinkpo-
^es im Innern wirklich farbloser und weniger gelärht, als der
I'arhestoff ausser der Welle, aber doch auch nicht ganz farblos,
^er Rand der mehr durchsichtigen Welle des Zinkpoles ist rö-
f*‘er, als der Rand der W^elle des Kupferpoles, der jedoch ehen-
fälls durch seine stärkere Färbung auffällt; im Rande der Welle
‘Jes Kupferpoles ist der Farhestofl’ concentrirt aufgelöst; im Rande
der Welle des Zinkpoles besteht der Farhestolf aus 'sehr kleinen
wügelchen. Nach meiner Ansicht hat dieser Versuch grosse Aelin-
ijirhkeit im Erfolge mit dem, wenn man Eidotterauflösung der
Einwirkung der VoLTA’schen Säule aussetzt. Wendet man hei
der Farhestolfauflösung blosse Kupferdrähte zum Schliessen der
E-ette an, so gerinnt Farhestoff und Eiweiss am Zinkpol. Setzt
9 *
132 J. Buch. Von den organ, Säften etc. I. Ahschn. Vom Blut.
man ctAvas K.oclisalz zu Eiclotterauflösuiig , so gerinnt das Eiweiss
am Zinkpol. Vermlsclit man Farbestoftatillösung mit etwas Koch-
salz, so verliiilt sie sicli selbst am Platindrnhte gleich der mit
Kochsalz versetzten Eidotterauflösung, cs entstehen keine Wel-
len, und es bildet sich ein weissliches Gerinnsel am Zinkpol.
Wach allem diesem halle ich Dutrochet’s Behauptung, dass der
Farbestofl’ des Blutes elcctropositiv sey, für unerwiesen.
Duteochet, welcher die Kerne der Blutkörperchen für das-
jenige hielt, was den Faserstoff des Blntkuchens ausmache, löste
von Farbestofl’ ausgewaschenes Coagultim oder farblose Fibrlne in
schwach alkalinlschem Wasser auf. Eine solche Auflösung wurde
der Voi.TA’schen Säule ausgesetzt. Am negativen Pol entwickelte
sich in Menge Wasserstofl’gas, am positiven Sauerstoffgas; allein
die beiden Wellen waren nicht vorhanden, der aufgelöste Faser-
stoff häufte sich nur am positiven Drahte oder Zinkpol an; woraus
Duteochet schliesst, dass die alkalinische Lösung von Fibrin sich
wie ein Wciitralsalz verhalle, dessen Alkali sich nach dem negati-
ven, dessen Säure sich nach dem positiven Pol begieht, und dass
Fibrin negativ clecirisch scy. Nun w'ciss man aber, dass der Fa-
serstofl' sich zu den Alkalien und Säuren so verhält, dass er bald
die Rolle einer Basis, bald die einer Säure spielen kann. Aus
seinem Verhalten zu Säuren hätte man ganz das Gegentheil von
Dutrochf.t’s Behauptung schliessen können, indem er ja mit den
Mineralsäuren neutrale Körper bilden kann. Indessen war es nö-
thig, Dutrochet’s Versuche selbst zu wiederholen. Ich fand sie,
wie sich bei einem so genauen Beobachter vorausseben liess, in
den meisten Punkten bestätigt. Ich erhielt jedesmal, wenn ich
eine Auflösung von Faserstqflf des Blutes in schwach alkalinischem
Wasser auf einer Glasplatte oder in einem Uhrglase der Volta’-
seben Säule aussetzte, einen geringen Absatz von weissem, brei-
igem Coagulum am Zinkpol. Da ich nun den Faserstoff, von ge-
schlagenem Ochsenblute genommen, lange Zeit auf dem Filtrum
ausgewaschen hatte, so konnte ich ziemlich sicher seyn, dass er
rein von Serum und von den Salzen des Serums war, und es
scheint also die alkalinische Faserstoffauflösung wirklich auf den
ersten Blick sich in electronegatlven Faserstoff und electropositi-
ves Alkali zu scheiden. Bei diesem Schlüsse ist Indessen von den
mineralischen Bestandtheilen und Salzen, welche der ausgewa-
schene Fasei'stofF für sich als Bestandtheile enthält, abgesehen,
deren Zersetzung durch die Säule auch eine Entwickelung von
Säure am Zinkpole bedingen, und dadurch den Faserstoff durch
Bildung eines neutralen Körpers gerinnen machen konnte. In-
dessen lassen sich gegen den Versuch selbst noch gegründetere
Einwürfe machen. Der von Duteochet beschriebene Erfolg fin-
det nur statt, wenn man Kupfei'drähte zum Schliessen der Kette
braxicht, nicht aber, wenn man, um die Oxydation des Endes
vom Kupferdrahle des Ziukpoles auszuschliessen, dieses Ende mit
einem Stück Platindraht versiebt, wie ich bei jedem von mir
wiederholten Versuche gefunden habe. Duteochet scheint seine
Versuche bloss mit Kupferdrähten gemacht zu haben. Befindet
sich am Zinkpol Platindraht, so bleibt die Entwickelung von Gas
dieselbe, am Zinkpol aber sieht man noch mehr Gas in Bläschen
133
3. Analyse des Blutes durch die galvanische Säule,
als vorher, weil es nun nicht mehr, wie vorher, den Kupferdraht
sogleich oxydirt. Aber cs bildet sich auch nicht die entfernteste
Spur eines Gerinnsels am Zinkpol oder Platindraht. Hieraus
muss man schliessen, dass die Bildung von (lerinnsel aus alkalini-
scher FaserstolFauflösung am Zinkpol beim Ivuplerdrahte von der
Oxydation des Kupferdrahtes abhängig sey.
Genug dass FaserstolTauflösung in alkalinischem Wasser durch
die galvanische Säule nicht zersetzt wird, sobald man nicht den
sich oxydirenden Kupferdraht am Zinkpol hat, und dass also Fa-
serstoff sich nicht evident als electro negativer Körper verhält,
^ie sehr die Absetzung des Fiweisses und haserstofles aus Auflö-
sungen am Zinkpole diirch den Salzgehalt der Lösung bestimmt
tvird, sieht man aus folgendem Umstande: Alkalinische Lösung
'''on Faserstoff setzt niemals am Platindrahtc des Zinkpoles eine
Spur von Gerinnsel ah, aber diese Gerinnung erfolgt sogleich,
■Wenn man etwas Kochsalz zur Lösung zusetzt, wo dann die Salz-
säure des Kochsalzes am Zinkpole das Gerinnsel bildet. Hieraus
geht auch hervor, dass, wenn man mit einer Auflösung von Fa-
serstoff in schwach alkalinischem Wasser an der VoLTpschen
Säule experirnentiren will, der Faserstoff vorher von Serum voll-
kommen rein sevn muss, weil Serum Kochsalz enthält. IVIan er-
kält ihn von Serum rein, wenn man ihn von geschlagenem Blute
®ehr lange mit vielem Wasser auswäscht.
Dutrociiet hat den Faseiatoff des Blutes, den man aus dem
Dothen Coagulum erhält, Fiir die Kerne der Blutkörperchen ge-
kalten. Diess ist nicht richtig, da der Faserstoff, wie ich gezeigt
kahe, im Blute aufgelöst ist.
Da man, nach' der von mir angegebenen Methode, Faserstoff
«les Froschblutes ohne Blutkörperchen erhält, indem er farblos
®us frischem Blute durch eiiiFiltrum von weissem, nicht zu dün-
öem Filtrirpapiere geht, so schien cs mir sehr interessant, das
^erhalten des frischen, noch aufgelösten Faserstoffes vor dem
^»erinnen gegen die galvanische Säule zu prüfen. Zu diesem
Zwecke goss ich gleich viel destillirtes Wasser und Froschblut
®of dasFiltrum; die durchgehende Flüssigkeit wurde sogleich den
^olen der galvanischen Säule ausgesetzt. Am Zinkpol setzte sich
Eiweiss al>, der Faserstoü, wasserklar, sainnielte sich \ye-
arn Zinkpol noch arn Kupferpol, sondern gerann in der Mitte
der Flüssiü^keit und des Ülirglascs als ein isolirtes KUirnpcIjen,
Sorade so, als wäre die galvanische Säule gar nicht applicirt xvor-
Die Gerinnung des Faserstoffes erfolgte zur gewöhnlichen
und die Säule führte diese Gerinnung nicht erst herbei.
. Eiweissniederschlag am Zinkpol war von derselben Art, wie
^k ihn heim Galvanisiren der vorn Faserstoff klümpcheii befreiten
Flüssigkeit erhielt. ,
Ich habe auch die Kerne der Blutkörperchen vom Frosche
Hegen die VoLTA’sche Säule geprüft. Man bereitet sich ein Ge-
**ienge von Blutkörperchen und Serum, indem man das Gerinnsel
'ifnrüttelt und herausnimmt. Das Gemenge von Blutkörperchen
^>10 Serum wird in einem grossen Uhrglase mit Wasser versetzt,
^Cfigerührt und ‘24 Stunden stehen gelassen ; dann hat sich der
^bestofl aufgelöst; i’”'' cs sitzt auf dem Boden der weisse Sata
134 I. Buch. Von den organ. Säften etc. I. Ahschn. Vom Blut.
von Kernen der Blutkörperchen. Man saugt den grössten Theil
der überstehenden Flüssigkeit mit einem Tubulus vorsichtig auf.
Mengt man den weissen Satz mit etwas Wasser, und setzt einen
grossen Tropfen, auf einer Glasplatte ausgehreitet, der Volta-
schen Siiule aus, so hat man dieselben Phänomene, wie, wenn
man eine wässrige Eidotterauflösung der Säule aussetzt; es entste-
hen zwei Wellen." die des Zinkpoles ist trübe und treibt Kügel-
chen vor sich her, die des Kupfcrpoles ist durchsichtig und ent-
hält keine Kügelchen. In der Auflösung des Farhestolfes treibt
die Welle des Zinkpoles rothe Kügelchen, in dem Gemenge von
Wasser und Kernen der Blutkörperchen treibt die Welle des
Zinkpoles weisse Körperchen vor sich her. Hier ist kein ele-
ctrischer Unterschied zwischen Kern und Schale. Die Welle
des Zinkpoles ist hei der FarhestolFauflösung nur durchsichtiger,
hei dem Gemenge von Wasser und Kernen der Blutkörperchen,
so wie hei der Eidotterauflösung, die auch Kügelchen enthält,
trübe. Indem ich nun in den Resultaten meiner Beobachtungen
von Dütrochet in mehreren Punkten ahweiche, muss ich doch
der ingeniösen Art, mit welcher dieser geistreiche Naturforschei"
ein grosses Problem zu lösen suchte, meine grosse Bewunderung
zollen.
Sollte Jemand so glücklich seyn, die Electricität des Blutes
auf eine entscheidende Weise zu ermitteln, so könnte ich der
Wissenschaft zu diesem grossen Fortschritte nur Glück wünschen.
Bis dahin ist es angemessen, Erfahrungen, welche keine Schlüsse
erlauben, mit aller Schärfe der Kritik zu prüfen; weil sie allzu
leichtfertig von Andern aufgenommen werden, welche die Expe-
rimente nicht wiederholen. Ich habe schon erwähnt, dass man
mit dem Galvanometer keine elcctrischen Ströme in dem Blute
entdecken kann, ich erhielt keine Schwankungen der Magnetnadel
des Multiplicators, selbst als ich den einen Draht in eine Arterie,
den andern in eine Vene des lebenden Thieres einsenkte. Da- |
gegen glaubte Bellingeri ein Mittel gefunden zu haben, die Ele-
ctricität des Blutes an den Bewegungen der Froschschenkel zu I
prüfen, welche entstehen, wenn mau Blut und ein Metall mit den
Schenkelmuskeln und Nerven und unter einander in Verbindung
bringt. Er ging von der Thatsache aus, dass durch Contact
zweier verschiedener Körper die vorhandene Electricität in grös-
sere oder geringere Spannung tritt, und dass diese Spannung um I
so grösser ist, je weiter beide Körper in der nach ihrem electri- |
sehen Verhalten geordneten Reihe von einander ahstehen. Bel- '
lisgeri ordnete die Metalle folgender Maassen : Zink, Blei, Queck-
silber, Antimon, Eisen, Kupfer, Wismuth, Gold, Platina. Nun
verglich er das elcctrische Verhalten des Blutes mit dem der ge-
nannten Metalle, wenn Blut mit einem der Metalle in Contact,
und Blut und Metall mit Nerven und Froschschenkel in Verhio-
düng gebracht wurde , wobei die Zusammenziehung der Frosch-
schenkel als Electrometer diente. Nun soll ferner bei Fröschen,
die schon etwas von ihrer Reizbarkeit verloren haben, nach ihm»
von zwei Metallen, wovon das eine am Nerven, das andere am
Muskel angebracht wird, dasjenige sich positiv verhalten, dessen
3. Organ, Eigenschaften des Blutes, Belebender Emßuss, 135
AnLringung am Muskel Lei ScLliessting der Kette, und d^sen
Anbringung am Nerven entweder gar niclit oder nur l)eim
nen deV Kette Zuckung erregt. (Es ist woLl umgekelirt.) bo
Avill er nun gefunden Laben, dass das Tilut gegen verscbiedcne
Metalle sieb versebieden verhielt, dass beide Blutarten meist gleich,
dass sie in den meisten Fallen wie das Eisen sieb verhalten.
Diese sogenannte Electricität des Blutes soll sieb bmge nach dem
Aderlass erhalten (Froriep’s JVot. 408.). Vergl. p- /l.
Es ist unbegreiflich, wie man diesen Versuchen grossen Werth
licilegen konnte. Ich habe schon p. 68. meine im Frublinge vor
der Begattungsreit der Frösche angestellten Versuche er/.ahlt.
"Wenn 'man den Nerven des Froschschenkels in ein bchalehen
halt Blut oder Wasser (gleichviel) legt, und die Scbenkelrauskeln
Und die Blutflüssigkeit mit einem Stück Kupferdrath in Verbin-
dung bringt, so erhält man eine Zuckung des Froschschcnlvels.
ändern ich diese Versuche eben jetzt in kalter HerhstAvitterun^
(Ende October) wiederhole, erhalte ich dieselben Bcsultate, und
dherzeuge mich, dass die p. 68. berichteten seltenen electrischen
Phänomene nicht bloss vor der Begattungszeit im Frublinge, son-
dern auch in kalter Herbstwitterung gleich leicht emtreten. Hier
Eann man sich nun überzeugen, dass eine Kette von Kupier und
"Wasser zwischen Nerven und Muskel vollkommen gleich gut ist,
als eine Kette von Rupfer und Blut. Was hat man nun damit
gewonnen, wenn das eiectrische Verhalten des Wassers dasselbe
Et, als das des Blutes? Eabci kann es wohl scyn , dass nicht
einmal das Blut oder Wasser in dieser Rette ein Electromotor
Et, sie können eben so wohl blosse Leiter, und das Kupier mit
den Muskeln die Electromotoren seyn.
IK Capitel, Von den organischen Eigenschaften und
Verhältnissen des Blutes.
a. Belebender Einflnss des Blutes.
Das bellrotbe arterielle Blut, dessen Elutkörpercben nach
^•cuAELis kaum etwas weniger Kolilenstoff und kaum etwas mehr
^^uerstofF im. gebundenen Zustande enthalten^ wird auf dem Wege
^*trch die fernsten Gefässe des Körpers wieder dunkelroth oder
Venös, durch eine noch unbekannte Wechselwirkung mit der or-
§anisirlen ftlaterie, die die Organe fähig zum Leben, das Blut
‘‘her unfähig macht, diesen zum Leben nolliwcndigen Reiz wei-
auszuühen. Nur dadurch , dass das Blut wieder in den Lun-
ten helli’olh wird, indem es Sauerstoff ans der Luft aufnimmt
vi^d Kohlensäure ausscheidet, und zwar melir Sauerstoff aufmmmt,
‘‘E es Kohlensäure (nach der chemischen Theorie von Kohlenstoll
«es Blutes und Sauerstoff der Luft gebildet) ausscheidet, erlangt
ps wieder diese Fähigkeit. Da, wie wir später sehen werden,
‘«nerhalb einiger Minuten das Blut den ganzen Körper durch-
reiset, so eiiangen und verlieren also dieselben Thede des Blu-
in einigen Minuten einmal diese belebende Fähigkeit. 3Sui
136 I. Buch. Von den organ. Säften etc. I. Ahsclin. Vom Bhit.
im liellrotlien arteriellen Zustande ist das Blut fähig, das Leben
zu unterhalten, die Unterdrückung der Bildung des arteriellen
Blutes in den Lungen erstickt, d. li. macht scheintodt und todt,
vorzüglich, wie Bichat gezeigt hat, durch Lähmung der Funktio-
nen des Gehirns und Nervensystems. Doch ist diese Nothwen-
digkeit heim Neugehornen, noch mehr im Winterschlaf und
Scheintod und hei den niedern Thieren geringer, scheint seihst
hei dem Foetus der Säugethiere ganz zu fehlen. Siehe den Art.
vorn Athmen. Am meisten sind aber die Kräfte des Nervensy-
stems und des animalischen Lehens vom arteriellen Blut abhän-
gig, diess sieht man an den Erscheinungen der Blausucht, wo
durch Fehler in den Kreislaufsorganen (Olfenhleihen des beim
Foetus vorhandenen ductus arteriosus Botalli zAvischen arteria
pulmonalis und aorta, Olfenhleihen des beim Foetus vorhande-
nen foramen ovale in der Scheidewand der Vorhöfe) beide Blut-
arten immer zum Theil gemischt werden. Die Ernährung, die
Absonderung leiden hier wenig oder gar nicht, wenn auch das
Aussehen der Haut dunkler und bläulich ist; aber die Muskelkraft
fehlt, die geringsten Anstrengungen bringen Erstickungszufälle,
Ohnmächten und selbst Scheintod hervor, der Geschlechtstrieh
bildet sich nicht aus, die Wärme ist geringer. Es ist eine Nei-
gung zu Blutflüssen und seihst zu tödtlichen Blutungen vorhan- ,
den. Siehe Nasse über den Einfluss des hellrothen Bluts auf die |
Entwickelung und die Vei'richtungen des menschlichen Körpers
aus Beobachtungen hlausüchtiger Kranken, Reil’s Archiv. T. 10.
p. 213. Dass aber die vegetativen organischen Functionen weni-
ger vom arteriellen Blut ahhängen, sieht man auch daraus, dass
Absonderungen zuweilen von Organen geschehen, die nicht allein
arterielles, sondern noch mehr venöses Blut erhalten. So ge- ,
schiebt die Absonderung der Galle zum Theil vom venösen Blute
der Pfortader, die Absonderung des Harns zum gi-össern Theil
Lei Amphibien und Fischen aus Venenblut der zuführenden Nie-
renvenen, welche diese beiden Thierklassen ausser den rückfüh-
renden Nierenvenen und den Nierenarterien besitzen.
Unterbindung aller Arterienstärnme eines Gliedes bebt das
Bewegungsvermögen auf, und erzeugt zuletzt örtlichen Tod.
Grosse Blutverluste machen die höheren Thiere sogleich asphy-
ctisch, die kaltblütigen überleben aber lange die Entleerung des
grössten Theiles des Blutes, und Frösche leben selbst nach Aus-
sebneidung des Herzens noch viele Stunden lang, und sind allef j
Bewegung fähig. Aber selbst erschlaffte ausgeschnittene Theile,
wie das schon bewegungslose Herz des Frosches in v. Humboldt’®
Versuchen, scheinen durch Eintauchen in Blut wieder einiger-
rnaassen belebt zu werden.
Prkvost und Dumas haben gezeigt, dass das Blut seine be-
lebende Wirkung nicht so sehr durch das Blutserum als durch
die darin schwebenden rothen Körperchen äussert. Spritzt mal*
in die Gefässe eines bis zur Ohnmacht von Blut entleerten Thie-
res Wasser oder reines Serum von 30® C., so wird das Thier
nicht erweckt. Nimmt man dagegen Blut von derselben Art,
wird es durch jeden Stoss merklieh wieder belebt und zuletzt
bergestellt. Diese Versuch« sind von Dieffenbach bestätigt.
4. Organ. Eigenschaften des Blutes, ’Thiltigkeitsuusserung'en, 137
Diese WiederbeleLung soll nacli Prevost, Dumas und Dief-
eekeach and» erfolgen, wenn man den Faserstoff des Blutes durch
Schlagen entfernt, und das nicht mehr gerinnende Gemenge von
Illutkörperchen und Serum einspritEt. Da, wie ich gezeigt habe,
die Blutkörperchen in geschlagenem Blute durchaus unverändert
sind, so sollte man, in den wenigen Fallen, wo eine Infusion von
Jllut in die Adern eines lebenden Wesens gerechtfertigt und we-
gen Blutleere nöthig ist, lieber geschlagenes,^ von Faserstoff hc-
Ireites Blut von der geliörigen Temperatur injicirem Dieses ist
nnd bleibt vollkommen flüssig. Man vermeidet hierdurch die
Hauptbeschwerde der Transfusionen, dass nämlich das Blut wah-
rend dem Uebergang aus dem einen in den andern Körper allzu-
leicht gerinnt. Blut von einer, andern Art, dessen Körperchen die-
selbe Gestalt, aber verschiedene Grösse haben, bewirkt eine un-
vollkommene Herstellung, und gewöhnlich stirbt das Thier m o la-
gen. Der Puls wird dann beschleunigt, das Athmen bleibt
öial, die Wärme sinkt sehr schnell. Die Exretionen sind schlei-
öiig und blutig. Die geistige Thätigkeit scheint rieht ahgeändert.
öiess erfolgt a'ueh, wenn bloss das vom Faserstoff befreite, cruor-
l'altige Blutserum eingesprilzt wird. Einspritzen von Blut mit
Kreiskörperchen in die Gefässc eines Vogels (von elliptischen und
l^t'össercn Körperchen) bewirkt heftige und der stärksten Vergif-
hiiig Vihnllche NervenzulVdle, gewölinlich den Tod, selbst sehr
plötzlich, auch wenn eine geringe Menge eingespritzt wurde.
Vvar z. B. die Wirkung von Schaflilut auf Enten. In vielen Fäl-
Kn, wo Kuh- und Schafblut Ratzen und Kaninchen eingespntzt
'Vurde, fand für einige Tage Herstellung statt. Es bleibt imnrer
®<^hr merkwürdig, dass das Blut von Saugethleren tödtlich iur
^ögel ist. Von einem mechanischen Gesichtspunkt lässt sich dies
’^icht erklären. Denn die Injectlon von Flüssigkeiten, die Rügel-
clien grösser als die feinsten Blutgefässe besitzen, tödtet zwar
durch Verstopfung der Lungengefässe und Erstickung, aber die
^lutkörperchen der Sängethiere sind ja eben kleiner als die der
^ögel. Nach Dieffenbach’s zahlreichen Versuchen starben Tau-
schon von wenigen Tropfen Sängcthierblut. Fischblut so 1
®Uch die Sängethiere wie die Vögel tödten. Die Transfusion des
"lutes, von Dieffesbach. Berlin 1828. Eine unvorsichtige Inje-
'^lion von Luft in die Adern und das Blut eines lebenden Tbie-
tödtet fast auf der Stelle durch Hinderniss des Blutlaufs in
den kleinen Gefässen und im Herzen , indess sehr kleine Quanti-
l*ten nicht allein X'on atmosphärisciier Luft [und Sauerstoffgas,
®endern selbst x'on irrespirabeln Luftarten, wie Stickgas, Stickgas-
J'Vydul, Wasserstoffgas, Rohlenwasserstoflgas, Kohlensäuregas, Koh-
®uoxydgas, in Nysten’s Versuchen ohne tödtlichen Erfolg injicirt
■^wrdenj Nur Salpetergas, Schwefel wasserstoffgas, Ammoniakgas
’**>d 'Chlorgas waren absolut lethal. Nysten recherches de physiol.
* de chim. nathol. Paris 1811.
b. Thiitigkeitsäusserungen im Blute selbst.
, p- H. Schultz hat von einer sichtbaren lebendigen Wech-
^ Wirkung der einzelnen Blutmolecule und der Substanz^ der Ge-
gesprochen. C. H. Schultz der Lebensprocess an Blute.
138 I, Buch. Von den organ. Säften etc. I. Abschn. Vom. Blut.
Berlin 1822. Wenn man bei hellem Tageslicht durchsichtige,
vom Blut durchflossene Theile ohservirt, dagegen die Täuschun-
gen einer flimmernden, aber sehr undeutlichen Beleuchtung von
intensivem, durch durchsichtige thierische Theile refrangirtem
Sonnenlichte vermeidet, so bemerkt man in den Blutgefässchen
niemals die geringste Spur einer selbstständigen Bewegung der ein-
zelnen Blutrnolecule. Ich habe den Bliitlauf seit 10 Jahren in
den verschiedensten Theilen, hei jeder Gelegenheit mit verschie-
denen Instrumenten untersucht, nie habe ich aber hei guter Be-
leuchtung gesehen, was Schultz beschreibt, so wenig als Andere,
B.uDOLpni, PuEKiNjE, KocH, Meyen, icli meine das beständige Um-
wandeln und Untergeben und neue Bilden der Blutrnolecule.
Man überzeugt sich, dass die Blutkörperchen in dem allgemeinen
Strom sich passiv verhalten, auch beim Comprimiren der Gefässe
oder beim Druck auf das ganze Glied. Die Körperchen zeigen i
weder jetzt noch sonst eine Spur von Anziehung und Wechsel-
Wirkung gegen einander. Wenn man aber intensives Sonnen- i
licht durch durchsichtige thierische Theile durchströmen lässt, 1
so hört alle Klarheit des Bildes wegen des Lichtspieles durch so ,
viele wie kleine Linsen wirkende Körnchen des Blutes und die
Unebenheiten der Substanz auf; man sicht nicht mehr das Vor-
beisti'ömen der Körnchen, sondern einen allgemeinen Ausdruck
flimmernder Bewegung, wobei man oft selbst nicht mehr die
Bichtung des Stromes unterscheidet. Dieselbe Täuschung bat
statt, wenn man eine Flüssigkeit, worin Kügelchen enthalten sind,
wie Milch bei durchscheinendem Sonnenlicht über den Ohjeetträ-
ger des Mikroskopes fliessen lässt, oder auch wenn bei diesem
Licht klares Wasser über ein matt geschliffenes Glas fliesst. Vergl.
besonders Meyen, Isis 1828. 391. und die Recension eines Unge-
nannten, Isis 1824. .3. Noch unstatthafter ist es, die Blutkörper-
chen als Infusorien zu betrachten, wie Eber und Mayer gethan
(Mayer Supplemente zur Lehre vom Kreislauf. Bonn 1827). 'Ueber
die dem Blute mit Unrecht beigelegte Propulsivkraft, eine ihm 1
selbst eigene Kraft, sich bei der Circulation zu bewegen, eine
Kraft der Bewegung, die noch fortdauern soll, wenn die Kraft
des Herzens nicht mehr wirkt, siehe den Artikel vom Kreislauf.
Capillargefässe. Diese Annahme von Kielmeyeb, Trevirahus, Ca-
Rus, Doellinger und Oesterreicher schien am meisten gerecht-
fertigt durch die Beobachtung Wolff’s und Panuer’s, dass sich
das Blut beim Hühnchen in der arca vasculosa früher bildet als
das Herz schlägt, und dass das Blut von der Peripherie der area
vasculosa schon nach dem Herzen ströme, ehe noch das Her*
schlägt. Indessen ist der letztere Theil dieses Satzes nicht sicher,
und Baer ist zweifelhaft.; es scheint ihm sogar, dass zuerst Be-
W'egung im Herzen statt findet, etwas später die Strömung in
dem Raume des durchsichtigen Fruchthofes und zuletzt noch erst
ein Hinzuströmen des rothen Blutes aus der area vasculosa-
Burdach Physiol. 2. 261. Auch WEDE^,EyER hat sich nicht über-
zeugen können, dass nicht zuerst vor der Strömung das Iler*
schlage. Die übrigen Gründe für die Propulsionskraft des Blu-
tes stützen sich auf die Fortdauer der Blutbewegung in abgC'
4. Organ. Eigenschaften des Blutes. Thätlgkeitsäusserungen. 139
sclinittenen Tlieilen. Abgesehen davon, dass diese Kraft der Be-
'Wcgung in einer Flüssigkeit ohne eine Anziehung oder Abstos-
sung von Seiten eines andern Gegenstandes unbegreiflich ist, habe
ich zwar die Thatsachen , die man für jene Annahme anführt,
*um Thell bestätigt gefunden, ich konnte aber nicht diese Sehluss-
folge daraus ziehen. In einem abgeschniltenen Tlieile sieht man
^ittelst des Mikroskopes unter zwei Bedingungen noch fortdauernde
Bewegungen des Bluts in den feinsten IJehergangen der Arterien
“1 Venen: 1) so lange das Blut noch aus den durchschuittenea
^efussstämmen ausfliesst, was auf den Zustand des Blutes in den
«aargefassen wirken muss. So sieht man nach meinen Beohach-
fungeu noch langsame Bewegungen , und zwar von den feinen
belassen nach den grossem (also nach den OelFnungen der durch-
schnittenen Gefässstämme) bis 10 Minuten nach Abschneiden ei-
tles Fusses heim Frosch. Diese Bewegungen entstehen nach mei-
t^^cr Ansicht bloss durch das Ausfliessen des Blutes, wahrend die
t^etässe durch die Elasticilät einen engem Durchmesser an-
tiehrnen, als sie vorher im Zustande gewaltsamer Ausdehnung
hatten. Mau sieht dies Engerwerden auch unter dem Mi-
kroskop. Wird die Durchschnittsfläche, woraus das Blut ab-
; jcsst, mit dem Schenkel in die Höhe gehalten, so hört das Aus-
hcssen des Blutes früher auf, und schon nach 5 — 6 Minuten
'hrt alle Spur der Bewegung in den Capillargefässen auf. We-
hCMEYER’s Beobachtungen stimmen mit den meinigen sehr überein,
hur dass er die Zeit nicht angieht. Er sagt: Gleich nach dem
t‘Usschnelden des Herzens strömt alles Blut in fast ununterbro-
chenem Zuge aus Arterien, Venen und Haargefässen nach der
*^11046 hin, indem die Elasticilät der weichen Theile das Blut
hUs den kleinen Gefässen nach der kaum mehr Widerstand lei-
k*-cnden Wunde der grossen Gefässe hindrückt. Ueher den Kreis-
““f des Blutes. Hannover 18:28. p. 233. 2) Wenn man auf el-
hcn feuchten abgeschnittenen Theil das intensive Sonnenlicht
^‘rken lässt. Unter dem letzten Umstande trocknet und runzelt
Oberfläche des feuchten Thcils sichtbar schnell. Dies he-
^'rkt eine schnellere Entleerung der Capillargefässe, was heim
lu'chschcinen des intensiven Sonnenlichtes den schon berührten
iinuiernden Schein gewährt. Man wird daher, wie ich an ei-
cm ahgeschnittenen Fledermausflügel, noch viele Stunden lang
j.| teilweise, aber nur da eine Spur von flimmernder Bewegung des
feinsten Gefässen bemerken, wo man gerade das in-
Sonnenlicht augenblicklich durchscheinen lässt. Bei nack-
Auge sieht man das aussei’ordentlich schnelle Runzeln der
So Befeuchtet man die einschrumpfende Stelle wieder,
lört das Zusammenschrumpfen und damit auch die flimmernde
ewegung im Innern der Gefässe auf einige Augenblicke auf, he-
Un “her sogleich wieder mit der zunehmenden Verdünstung
So 1 ^^*^*^®®knung. Seihst nach 1^ Tagen konnte ich an dem
siv ^®*®’^‘^hteten Flügel noch ein Flimmern im Innern hei inten-
sehen. Nach Baumgaertner {Beobachtungen
^'eeven u. d. Blut. Freiburg 1830.) dauerte beim Frosch
ewegung des Blutes nach Unterbindung einer Arterie 3 — 5
140 I. Buch, Von den organ. Säften etc, I, Ahschn, Vom Blut,
Minuten, eine Bewegung, die der treffliche Baumgaeiitner ■von
Wechselwirkung der Nerven und des Blutes, nicht von der Ela-
sticität der vorher ausgedehnten Arterien ahieitet. Schon Ana-
stomosen können solche Erscheinungen hewirken. Leider bewei-
sen die sinnreichen von Baumgaertner angestellten Beobachtun-
gen nicht evident dasjenige, was sie sollen. Ich habe übrigens
heobaebtet, dass der Bluliauf in den feinsten Gefassen nach Com-
pression einer Arterie meist schnell aufbört. Gerade dann müsste
man die eigene Bewegung der Blutkörperchen sehen, wenn sie
wirklich existirte. Mortificirte ich das Herz eines Frosches durch
liq. kali caust., so konnte ich unter dem Mikroskop noch einige
Zeit Bewegung in den feinsten Gefassen sehen, wahrscheinlich
von der Zusammendrückung des Blutes in den Arterien durch
ihre elastische, früher stark ausgedehnte Haut. Das Blut blieb
einmal über eine Stunde flüssig in den feinsten Gefassen, und
bewegte sich von Zeit zu Zeit bald vorwärts, dann wieder rück-
wärts, dann stand es still, dann bewegte es sich wieder, wahr- j
scbeinlich je nach der Zusammendrückung der Gefässe durch
gelinde Bewegungen des Frosches oder einzelner Muskelpartien
des Beines. Ich läugne daher die eigen thümliche Propulsions-
kraft, und nehme nur die, den Kreislauf nicht nothwendig er-
leichternde, lebendige Wechselwirkung und Anziehung zwischen
Substanz und Blut an, wodurch unter sonst gleichen Umständen
ein mehr belebter Theil mehr Blut aufnimmt, als sonst und als
andere Theile und gewisse Theile seihst sich aufrichten, eine
Wirkung, welche man nicht aus der Zusammenzlchung der zu-
führenden Gefässe jener Theile erklären kann , da 1) diese Con-
tractilität der Gefässe, wie in der Lehre vom Kreislauf bewiesen
wird, nicht exlstlrt, und 2) keine dauernde Anfüllung dieser
Theile hervorhringen könnte. Selbstständige Bewegungen des
Saftes ohne Herz, wie hei den Pflanzen, kennt man bis jetzt auch
von niederen Thieren nicht mit Sicherheit. Nordmann hat sich
über einen von ihm beobachteten Saftumlauf in der Hülse von j
Alcyonella diaphana, den er der Saftbewegung in den Interrio- j
dien der Charen vergleicht, nicht weiter erklärt. Carus entdeckte i
an Echinus edulis in demjenigen zarthäutigen Wasserröhrenge- I
wehe, das den Saum zwischen den äusserst feinen Löcherchen der
Fühlergänge (ambulacra) immer begleitet, selbst wenn die Theil®
dieses GeAvehes abgeschnitten sind, eine Cirkelhewegung von Kü-
gelchen. Mikrograph, Beitrüge 2 H. Berlin 18-32. 75. Vergl. Tu*'
VIRANUS Erscheinungen und Gesetze des organ, Lehens, 1. 234. Di®
von Nobdmann atA Diplozoon und von Ehrenberg an Distomen '
beobachtete SafthcAA'egung in Gefässen, die ihren Durchmesser
nicht ändern und sich nicht zusammenziehen, kann hei einer g®'
wissen Bichtuug von Klappen allein schon durch die Zusaramen-
ziehungen des ganzen Körpers hervorgebracht werden.
Treviranus, Mayer und Andere haben die mehrere Secun'
den dauernde Durcheinanderbewegung der Blutkörperchen in ei-
nem Tropfen Blutes, der unter das Mikroskop gebracht wiriJj
für automatische Bewegung angesehen. Man kann diese momen-
tanen wirbelnden Bewegungen indess, wie ich öfter beobachteh
4. Organ. Eigenschaften des Blutes. Tblltigkeitsäusserungen. 141
und was entsclieidend ist, auch in Tropfen längst aus dem Kör-
per entlassenen Blutes sehen. Wenn inan z. B. sich von gerüt-
teltem Froschblut ein Gemenge von Blutkörperchen und Serum
hereilet und das Gerinnsel entfernt, und dann nach 12 — 24
Stunden einen Tropfen davon unter das Mikroskop bringt, so
sieht man dieselbe Verlheilung, dasselbe Strömen der Blutkör-
perchen, wie im frischen Blute. Diese Bewegung kann daher
Uicht lebendig scyn. An Blut von warmblütigen Thieren haben
solche Beobachtungen obncbin keine Beweiskralt, wegen der Be-
''^egung, die von der Verdunstung herrühren kann. Vielleicht
hat die kleine Formveränderung welche jeder Tropfen Flüssigkeit,
*ien man auf einer Glasplatte ausbreitet, an den Bändern, zuwei-
len schnell, erleidet, an jenen Bewegungen grossen Anthcil. Ich
habe ferner öfter bemerkt, dass man in einem verdünnten Bluts-
leopfen frischen oder altern geschlagenen Froschblutes nach dem
Aufliören der zuerst beschriebenen Bewegung sieht, dass einzelne
^er einander nahe liegenden Blutkörperchen sehr langsam sich
einander eUvas nähern. Diess hat indess wahrscheinlich auch
physikalische Ursachen, wde Ausdünstung und Adhäsion.
Heidmann (Beil’s Archiv. 6. 425.) hat Zusamtnenziehungen
’^nd Dilatationen iin Blute heim Gerinnen beschrieben, ich habe
sie nicht sehen können , so gewiss der geronnene Faserstoff sich
’iomerklich auf ein viel kleineres Volunen zusammenzieht. Dass
®her die von Tourdes und Circaud beobachtete Zusammenzie-
l*t>ng des geronnenen Faserstoffs durck Galvanismus nicht existirt,
l*et Heidmann selbst bewiesen, und ich habe nicht dergleichen
Sesehen, als ich in den p. 13-3 angefilirten Versuchen den durchs
hiltrum gehenden aufgelösten Faserstoff des Froschblutes galva-
*'^sirte und gerinnen liess.
Die Frage, ob das Blut eine bhendige oder nicht lebendige
^lüssigkeit sey, erinnert an einm kritischen Zustand unserer
Wissenschaft. Alles, was im Organismus auf eine von den unor-
Sanischen Gesetzen verschiedene Art Wirkungen zeigt, hat eine
^‘■ganische, oder, was dasselbe ist, lebendige Thätigkeit. Bloss die
^sten Theile als lebend betrachtm zu wollen, ist unangemessen;
denn feste organische Theile im strengen Sinne giebt es nicht,
^‘‘pt alle enthalten bis ^ ihres Cewichtcs Wasser, und eine he-
*t*inmte Grenze giebt es hier nidit. Betrachtet man nun die or-
S^nlsche Materie überhaupt als hbensfäbig, die organisirten Theile
'‘Js belebt, so ist doch die Wikung des Bluts schon aus physi-
^l'schen und chemischen Grünlen nicht zu begreifen. Der Sa-
ist nicht bloss Beiz für de Befruchtung des Eies, sondern
* er die Eier der nackten /mphibien und Fische ausser dem
^orper befruchtet, da das neue Individuum eben sowohl die Fä-
?‘gheiten, Aehnlichkeit, ja sebst Krankheitsanlagen des Vaters
SO ist der Samen offenbar, obgleich eine Flüssigkeit, eine le-
®tide und belebende. Der keinfähige Theil des Eies, die
ganz unorgaiisirte Aggregation von Ihierston,
r I d.ennoch von der ganzer organisirenden Kraft belebt und
«lebend, obgleich weich und der Flüssigkeit noch verwandt,
«h das Blut zeigt organisch« Eigenschaften, es wird von dem
142 J. Buch. Von den organ. Säften etc. I. Ahschn. Vom Blut.
belebten und gereizten Theil ungezogen , es besteht eine leben-
dige Wechselwirkung zwischen dem Blut und den organisirten
Theilen, in der das Blut eben so gut Antheil hat als die Organe
selbst. Der bei der Entzündung aussclnvitzende Faserstoff des i
Blutes ist anfangs flüssig, und bildet, indem er erhärtet, Pseudo- >
membranen; aber dieses Exsudat wird durch blosse Wechselwir-
kung mit dem exsudirenden Organe auch organisirt und von
Blut und Gefassen durchdrungen. Das Blut hat daher selbst schon
Lebenseigenschalten, und dasselbe gilt von allen thierisclien Säf-
ten, welehe nichts Zersetztes, w’ie Urin, Kohlensäure, aasführen.
Der Speichel, die Galle wirken assimilirend auf die Nahrungs-
stoffe, die Organe assimilirend auf das Blut, und hier gieht' es
keine scharfe Grenze zwischen lebensfähigen und belebten Stoffen-
Diejenigen aber, welche am wenigsten belebt sind, bleiben, so
lange, sie nicht zersetzt sind, lebensfähig.
c. Entstehung des Blutes.
Die Materialien zur Bildung des Blutes sind bei dem Er-
wachsenen die Contents der Lyinphgefasse, die klare Lymphe
und der weissliche Ghylns, wovon die erstere NahrungSstolfe aiis
dem Innern der organisirten Theile, der letztere die im Darmka-
nal durch die Lymphgcliisse ausgezogenen Nahrungsstoffe, in den
ductus thoraciCus und so fort ins Blut führen. Die Lymphe und
der Chylus enthalten aufgelöstes Eiweiss und aufgelösten Faser-
stoff, weniger als das Blut. Durch diese in der Lymphe aufge-
lösten Stoffe gleicht die Lymphe ganz der klaren Blutflüssigkeit,
liquor sanguinis, aus welche» das Blut besteht, wenn man von
den rothen Körperchen absidit. Dieser klare liquor sanguinis
enthält auch, wie ich gezeigt habe, den Faserstoff vor dem Ge-
rinnen aulgelöst. Mit vollem Rechte kann man daher den farb-
losen liquor sanguinis gleichsan die Lymphe des Blutes nennen,
und man kann behaupten, dass Lymphe Blut ohne rothe Körper-
chen, dass Blut Lymphe mit rofien Körperchen ist. Das Eiweiss
des Blutes hat seine Entstehung in der Verdauung, von da es in
die lymphatischen Gefässe übeigeht. Die verdauten Nahrungs-
stoffe enthalten im Darmkanal aifgelöstes Eiweiss, keinen gerinn-
baren Faserstoff^ dieser bildet sch erst in den Lymphgefässen
und gelangt so ins Blut. Merkwürdig ist die von mir beobach-
tete, fast eonstante Thatsache, dais hei länger autbewahrten, also
bungernden Fröschen das Blut h'uifig nicht mehr gerinnt, so xvi®
auch ihre Lymphe, die sonst geich dem Blute schnell ajerinnt, '
dann nicht mehr coagulirt. ImWIntei- gerinnt gleichwohl dn"
Blut der Frösche oft, wenn anch nicht so vollständig, gleich w'®
in allen Fällen,'' wenn ihr Blut nicht ganz gerinnt, auch ihr® ,
Lymphe nicht so fest coagulirt Diess finde ich so bei mehreren
der atisgegrahenen, sonst ganz mtntern Frösche. Der Chylus
weniger deutlich alkalisch als das Blut. Lymphe und Chylus enl'
halten weniger' feste Theile als das Blut und namentlich wenigOj
Faserstoff. 100 Theile Chylus enthalten nach TiEdemann n.oO
Gmelin 0,17 — 1,75 trocknen Faserstoff. In dem Chylus ■
4, Organ. Eigenschaften des Blutes. Entstehung desselben. 143
freies Fett vorlianden, das im Biete inniger geLunden zu irerden
scheint, auch ist das Eisen im Chylus weniger gebunden als im
Blute, und lasst sich nach Emmert nach Behandlung des Chylus
mit Salpetersäure durch Galla pfeltinctur darstellen. Die Lymphe
Und der Chylus enthalten jedoch auch eine eigene Art sparsamer
Eörnchen. Die äusserst sparsamen Körnchen der gerinnbaren
Broschlymphe, die man z. B. unter der Haut des Oberschenkels
heim Frosche antrifft, sind ungefähr 4mal kleiner als die tdlipti-
schen Blutkörperchen des Frosches, so gross als die elliplischeti
Kerne der Blutkörperchen des Frosches; sie sind indess nicht el-
liptisch, und noch weniger ganz länglich, wie die Kerne der Blut-
törperchen des Salamanders, sondern rund; sonst könnte man
vermuthen, dass sie die Kerne der Blutkörperchen würden. Die
Kügelchen des Chylus der höheren Thiere sind rund und nicht
platt, wie die Blutkörperchen, sie sind nach Leuret und Lassaigne
hei den Vögeln auch rund, während die Blutkörperchen dersel-
hen doch elliptisch sind. Von den Blutkörperchen unterscheiden
sich die Chyluskörperchen auch, dass sie im Wasser unauflöslich
sind, während sich die Schale der Blutkörperchen im Wasser auf-
löst. Von den im Wasser unauflöslichen Kernen der Blutkörper-
chen unterscheiden sie sich wieder durch ihre Grösse. ' Pkevost
'md DuAtAS fanden die Chyluskügcichen P. Z., was mehr
als halb so viel beträgt, als die Blutkörperchen des Menschen.
Ich habe die Chyluskügelchen jedesmal auf derselben Glasplatte
•uit den Blutkörperchen desselben Thieres untersucht, und fand
ihre Grösse bald gleich der der Blutkörperchen, wie bei der
Katze, bald und zwar meist etwas kleiner, wie beim Kalbe, bei
der Ziege, beim Hunde, bei welchem letztem ich sie von sehr
Verschiedener Grösse, die meisten sehr klein und alle kleiner als
die Blutkörperchen fand. Beim Kaninchen fand ich sogar die
l^hyluskügelchen zum Theil grösser als die Blutkörperchen; die
^leisten waren sehr klein, — f so gross als die Blutkörper-
*^hen, und einige waren offenbar grösser, wenigstens noch ein-
»öal so gross.
Nach AuTEimiETH soll der ins Blut ergossene Chylus in 10 bis
Stunden in Blut umgewandelt werden, weil man innerhalb
dieser Zeit noch häufig das Serum milchsveiss sehe. Vielleicht ge-
schieht indess diese Umwandlung noch langsamer; denn ich habe
Schon bemerkt, dass, wenh man in Blut mit etwas unterkohlen-
®*urem Kali die Gerinnung verlangsamt, heim Sinken der Blut-
kö^erchen die überstehende Flüssigkeit häufig etwas trübe und
^cisslich ist.
Wo das in der Lymphe und dem Chylus fehlende Blutroth,
^uvon man bloss in dem Chylus des Ductus thoraci'cus' zuweilen
®‘ne Spur findet, oder wo die Schale der Blutkörperchen entstehe,
ganz unbekannt, svenn auch das Athmen dabei eine B.olle zu
Spielen scheint. Hewson’s Hypothese, dass das Blutroth sich in
. Cr Milz und in der zuweilen etwas schmutzigröthlichen Milz-
l^aphö' bilde, hat keinen Grund; die Milz kann ohne beschwer-
che Folgen bei Thieren exstirpirt werden.
Ks ist völlig unmöglich, sich davon einen Begriff zu machen,
144 I, Buch, Von den organ. Säften etc, I. Ahschn, Vom Blut.
■was die eigenthüraliclie platte Form, die plattrunde Form dieser
Körpereben bei den Säugethieren , die platlovale Form bei den
übrigen Wirbeltbieren bedingt. Im ganzen Körper giebt es keine
äbnlicben Elementarformen. In dem bebrüteten Ei ist das ein-
zige Material zur ersten Blutbildung die Substanz des Keimes
oder der Keimbaiit selbst, die sieb wieder aus der Eiflüssigkeit
oder der Dottersubstanz vergrössert. In der Keimbaut erzeugt
sieb das Blut zuerst, ■vvle man genau beobaebten kann, ebe die
Gefässe, ebe die Drüsen gebildet sind, welche bei dem Erwach-
senen Einfluss auf die Blutbildung haben. Die ans der vergrös-
serten Keimsebeibe entstandene Keimbaut zeigt bald eine obere
dünnere Sebiebte (seröses Blatt), und eine untere dickere Schichte
(Scbleirablatt). Auch bildet sieb um die in der Mitte der Reim-
Laut sich zeigende Spur des Embryo ein durebsiebtiger Hof, orea
yellucida, während der äussere Theil der Keimbaut undurchsich-
tig bleibt , und dieser undurchsichtige Tbcil der Keimbaut wird
bald wieder durch eine Abgrenzung in ein äusseres und inneres
ringförmiges Feld abgetbeilt, beim Vogel in der Iß. — 20. Stunde
(v. Baer). Diese Abgrenzung scbliesst zunächst den einen Theil
des undurchsichtigen Stückes der Keimbaut ein, welches den in-
nersten oder durchsichtigen Hof der Keimbaut umgiebt, und aren
vasculosa genannt wird, weil sich innerhalb dieses Hofes das
Blut und die Gefässe bilden. So w'eit die Area A'asculosa reicht,
zeigt sich zwischen den beiden Blättern der Keimbaut eine kör-
nige Lage, welche sich bald in körnige dichte Inseln und durch-
sichtige Zwischenräume zertheilt, iu denen sich zuerst eine gelb-
liche, hernach rothe Flüssigkeit ansammelt, das Blut (zuerst in
der Peripherie der Area vasculosa deutlich). Die Blutkörperchen
des Vogelembryo sind nach Pbevost und Dumas von der Blut-
bildung in der Keimhaut an in den ersten Tagen rund, erst am 1
6. Tage fangen sie an elliptisch zu werden, am 9. Tage sind sie
alle elliptisch. Fhoriep’s ^ot. 175. Aehnliches haben HewsoN, '
Schmidt und Doellihger beobachtet. Schmidt über die Blutkörner. \
JViirib. 1822. Eben so Baumgaertser [über die Nerven und das
Blut. Freiburg 1830.) bei Amphibien und Fischen, E. II. Weber !
{Anatomie 4. 478.) bei Froschlarven. Nach Baumgaertmer entste- |
ben die Blutkörperchen folgendermaassen : Die Blutkörperchen |
sind zuerst runde, nicht platte Kugeln, aus einer Menge kleiner
Kügelchen zusammengesetzt, die den Dotterkügelchen gleichen;
indem sie allmählig durschsichtig geworden, verschwindet dieses
körnige Wesen, worauf der durchsichtige Ring sich ausbildet und
der Kern entsteht. Allmählig entsteht die elliptische Form. Auch
Weber sah die Blutkörperchen der jüngsten Froschlarven auch !
ans mehreren kleineren Körnchen zusammengesetzt. Diese Körn-
chen sollen sich nach Baümgaertner aus Dottersubstanz bilden-
Nach Doeleijiger [üenkschr. der Akad. zu München. 7. 169.) und
Baumgaerther sollen sich auch bei jungen Thieren, und als®
auch Wühl bei erwachsenen, Blutkörperchen bilden, indem Par-
tikeln der Organe sich ablösen, und mit den nächsten Blutström-
eben in Wechselwirkung treten. Es ist offenbar, dass das Blnl
aus der Substanz der die Dotterflüssigkeit aufnehmenden Keim'
4. Organ. Eigenschaften des Blutes, Blutbildung. 145
liaut selbst entstellt, und dass es keiner besondern Organe zu
dieser Umwandlung bedarf, da noch keine Organe wie der Darm-
Itanal, die Leber, die Milz, die Lungen u. s w. existiren. Diese
Tbatsaclie belehrt uns, dass wir den Vorgang der Blutbildung
lud Formation der rotlien Körperchen (aus den Cliyluskügel-
®^en?) nicht allzuselir in besonderen Organen des Erwachsenen
suchen müssen, und es ist sehr wahrscheinlich, dass unter dem
^•influss der allgemeinen Lebensbedingungen, wie sie beim bebrü-
teten Ei statt linden, auch beim Erwachsenen aus dem Chylus
Blut wird. Einen wesentlichen Antheil scheint dabei das Ath-
*Uen zu haben, insofern auch beim bebrüteten Ei der Einfluss
atmosplifiriscbcn Luft und bei den Wasserthieren des luft-
haltigen Wassers durchaus zur Entwicklelung nöthig scheint, und
Luft die beim Athmen gewöhnliche Veränderung erleidet,
***ag nun der Sanerstolf der atmosphärischen Luft in das Blut
^"■eten und Kohlensäure aus dem Blut entfernt werden, oder der
Sauerstoff der Luft mit KoldcnstolF des Blutes zu der ausgesebie-
*^nen Kohlensäure sich verbinden. Eine wichtige Beobachtung
^On Baer [de ovi mammaliiim genesi) könnte es sogar wahrschein-
Bch machen, dass zur ersten Entstehung des Blutes in der Keim-
haut bei den Säugethieren nicht einmal jene Luftveränderung nöthig
Denn Baer hat das Ei der Hunde zu einer Zeit beohachtet,
die area vasculosa der Keimhaut schon Blut und Gefässe ent-
hielt, aber das Ei noch ganz frei und ohne die Verbindung
dem Uterus , durch welche das Athmen ersetzt werden
hunnte, in demselben enthalten war, wobei Bcrdach vermuthet,
dass der den Äluttermund geschwängerter Säugethiere schlies-
l^ude Schleimpfropf doch atmosphärische L.ift zum Ei treten
*ässe. In diesem Zustand ohne Gefässverbindung mit dem Ute-
bleibt das Ei der Beutelthiere sogar, siehe Owen Bhilos.
‘‘unsact 18.34. p. 2. Beim Foetus der Säugethiere giebt es aber
®!*ch später noch keinen deutlichen Unterschied zwischen artc-
^'öseni und venösem Blut, und das Athmen wird durch einen un-
akannten Process anderer Art in de/ Verbindung des Eies mit
eui Uterus unnöthig. Wenigstens ist cs mir aus neueren Be-
.'achtungen immer unwahrscheinlicher geworden, dass irgend
merklicher Unterschied der Farbe zwischen dem Nabelarte-
^'enblut und dem aus der Placenta zurückkehrenden Nabelve-
Jeublut existirt. Siehe 2. Buch. 1. Ahschn. 3. Cap. Vielleicht ist
*** Athmen zur Bildung von Blutroth nicht mehr unmittelbar
^othig, ^vvle zum Leben überhaupt. Dagegen spricht freilich die
J;.fai:
irung, dass das Chyluscoagulum sich in seltenen (von mir
öthet. Die
US anderer
'^ch nicht beobachteten Fällen) an der Luft etwas rö
.jpBachtung , dass der Pferdechylus (selten der Chyh
^•ere, wenn er rein gewonnen ist), im ductus thoracicus et-
Uut ist, kann man vor der Hand noch nicht wohl be-
5^1 zur Entscheidung, ob vielleicht schon ln dem lympbali-
System die Bildung des Blutroths beginne, da gar leicht
Venenstamm einige Blutkörperchen in den ductus tho-
Gq**^'*,* treten und mit dem Chylus sich vermengen können.
Beobachtung, welche Trevisakus anführt, dass das Blut
Physiologie. 10
146 I. Buch. Von den organ. Säßen etc. I. Alschn. Vom Blut.
der erstarrten Frösclie im Winter weisslicli sey, lialie icli niemals
an ans der Eide gegrabenen Frösclien bestätigt gefunden, obgleich
ich fortwährend in der Winterzeit, wenn die Witterung das
Ausgraben zulässt, ausgegrabene Frösche, freilich nicht erstarrt,
erlia^te.
Dass das Flut durch das Athinen eine zur Unterhaltung des
Leliens nothwcrulige Veränderungen erleidet, beweiset der Tod,
der jedesmal eintrilt, sobald diese Function unterbrochen wird.
Die Natur dieses Einflusses lässt sich indess nicht weiter liestim-
men; den ganzen Einfluss des Athmens auf die Bildung des Blu-
tes können wir nicht im Einzelnen berechnen, wir haben keine
Gelegenheit zu beobachten, oh das' Blut ohne alles Athmen seine
rothe Farbe und die damit verbundenen Veränderungen nicht
annähme, ob sich keine Blutkörperchen bildeten, wir können im-
mer nur einen ausserordentlich kleinen Bruch dieses Anthells
beim Durchgänge des Blutes durch die Lungen beobachten, wo
das Blut, nachdem es in den Capillargefässen des Athemorganes
dem Einflüsse der atmosphärischen Luft oder bei Wassertbieren
des luflhaltigen Wassers ausgesetzt ist, seine dunkelrothe in hell-
rothe Farbe verändert, welche letztere wieder in den Capillarge-
fässen aller übrigen Theile des Körpers in Dunkelroth isich um-
wandelt. Allein "leider kennen wir auch bei dieser Veränderung
nur die Farbe, nicht die damit verbundene Umwandlung der
Materie, wie sich aus der bei der Lehre vom Athmen folgenden
Verbleichung des arteriösen und venösen Blutes ergeben wird.
Ehen so wenig lassen die Untersuchungen über die Verän-
dernnb der Luft, worin geathmet wird, einen sichern Schluss
zu, oh die, gegen das in der Luft verschwindende Sauerstolfga»
ausgeathmete, Kohlensäure durch Verbindung von Kohlenstoff
des Blutes mit Sauerstoff der Atmosphäre entstehe (Lavoisieb,
Laplace), oder oh Sauerstoff an das Blut übergehe und die etwa
schon im Blute praeexistirende Kohlensäure ausgeatbmet werde?
welche in den Wegen der Circulallon sich bildete (IIassenfraT*
und LAcniisoE),. Aus den Verdauungsorganen kann sie unmöglich
kommen, da Kohlensäure auch bei lange hungernden TbiereO j
ausgeathmet wird. Der weitere Verfolg dieser üntersuchungco
wird ln der Lehre vom Athmen gegeben. Hier kann das Besul'
tat derselben vorausgeschickt werden , dass sich die Veränderiin-
gen der Luft durch das Athmen nach den qualitativen Verhält'
nissen eben so gut erklären lassen , wenn man eine Bildung vo'*
Kohlensäure der ausgeathmeten Luft durch den eingeathmeten
Sauerstoff der Atmosphäre und den Kohlenstoff des Blutes aU'
nimmt, als wenn man annimint, dass der Sauerstoff ins Blut übe*"'
gehe und im Blute überall oder vorzüglich in den Capillargefä»'
sen des Körpers mit dem Kohlenstoff des Blutes Koblensäuf®
bilde, die aus dem Blute ausgeathmet werde, wenn Sauerstoff
die Stelle tritt. Da indess bei allen Thiercn und am meiste"
bei den Fischen mehr Sauerstoff aus der Luft oder aus dem luft'
haltigen Wasser beim Athmen verschwindet, als auf die ausge'
athmetc Kohlensäure verwandt wird, so ist die Aufnahme ei«^*
Thells des aus der Luft beim Athmen entschwundenen Saue«"'
4. Organ. Eigenschaften des Blutes. Bluthildung. Secretion. 147
Stoffs in das Blut sehr wahrscheinlich, mag nun die eine oder
die andere Theorie statthaft seyn. Der ins Blut iihergeliende
Sauerstoff, weleher es hellroth macht, scheint in demselben ge-
bunden zu werden, weil er sich nach neueren Versuchen nicht
daraus entwickeln lässt. Der Stickstoffgehalt der Alinos])häre
ivird durch das Athinen nicht wesentlich verändert. Der Sauer-
stoff und die Bel'reiung des Blutes von einem Theil von Kohlen-
stoff sind daher die Ursache, welche das arterielle Blut zu dem
‘‘lleiiiigen Beiz der helehlen Organe machen. Venöses Blut, wel-
ches diese Veränderung nicht erleidet, wirkt aut die helehten
Organe und ))esonders das Nervensystem tödtlich ein und nimmt
'hie Erregbarkeit, gleich wie Kohlensäure, Sch wel'el Wasserstoff,
^ohlenwassersloffgas und andere Gasarten, welche die Erregbar-
keit der Organe aufliehen und meist das hellrothe Blut dunkel
‘"achen. Cuvieu [Vergl. Anat. 4. p. 147.) nimmt zugleich an,
dass die arterielle Beschaffenheit im Blute schon auf dem Wege
durch den Körper bis zu den Capillargefässen durch materielle
kiinw'andlung ahnehme, und erklärt daraus die geringere Vitalität
der vom Herzen entfernteren Theile, Wir befinden uns hier
■"'ieder in einer völligen Ungewissheit, oh das venöse dunkelrotlie
bliit deswegen unfähig ist das Lehen zu erhalten, weil es etwas
äicht hat, was das arterielle hat, oder weil es eine hei der Wech-
selwirkung des arteriellen Blutes mit den Organen entstandene
Schädliche Comhination der Elemente erlitten, die hei dem Ath-
un d durch Ausscheiden der Kohlensäure wieder hergestellt
^'rd. Es hleiht immer sehr merkwürdig, dass das venöse Blut
des Embryo der Säugethiere, obgleich er nicht im eigentlichen
biiine athinet, diesen schädlichen, gleichsmn erstickenden Einfluss
"äf das Leben nicht hat, mag es nun seyn, dass diese schädliche
Beschaffenheit des venösen Blutes, wegen des Mangels des Alh-
^äens und des Mangels der Wechselwirkung wahrhaft arteriellen
Bluts mit den Organen, noch nicht sich bilden kann, oder well
das Athrnen durcli die Verbindung des Embryo mit der Mutter
®''setzl wird.
Da das Blut durch das Athrnen beständig Kohlenstoff ver-
wert, so scheint hiedurch die relative Menge des Stickstoffs im
Körpnr zuzunehmen. Cuvier glaubt, dass hiedurch die Animall-
^tion der thierischen Stoffe zunehme, weil der Charakter der
Tbierheit der Azotgehalt der Substanzen ist. Wenn diess rieh-
wäre, so müssten die Theile eines lebenden Thieres mehr
Bt'ckstoff enthalten, als das Fleiseh der Thiere, von dem sich
anderes Thier nährt, was ein Widerspruch ist. Bei den
leischfressern wäre das Athrnen in dieser Hinsicht kein Vor-
I ‘®‘l, und die Pflanzenfresser müssten mehr Athmungsbedürfniss
'"ben als die Fleischfresser, weil ihre Nahrungsstoffe weniger
Stickstoff enthalten. Allein die hei dem Athrnen durch Ausschei-
uuug von Kohlenstoff relativ steigende Menge des Stickstoffs im
. 'ierischen Körper bleibt überhaupt nicht, denn liestäiidig wird
dem Harn mit dem Hai’nstoff und der Harnsäure, welche
^®br Stickstoff enthalten , als irgend ein thicrischer Stoff, ein
Überfluss von Stickstoff aus dem Köi’per ausgeschieden.
10*
148 I. Buch. Von dm organ. Säften. I. Abschn. Vom Blut.
Den Einfluss der Milz, Nebennieren, Schilddrüse und Thy-
musdrüse auf die Blu'bcreilung kennt man durchaus nicht. Siehe
das Nähere im 2. Buch 4. Abschn.
Die Abscbeidungcn gewisser Stoffe aus dem Blute , welche j
aus der organischen Ockonomie entfernt werden, haben einen
grossen Antheil an der Erhaltung der reinen Mischung des Bluts.
Hieher gehört die Ausscheidung überflüssiger oder unbrauch-
barer eingelührter Theile, des Wassers (durch Lungen- und Hau t-
ausdünstu'ng und Harn) oder der durch die Nahrungsstoffe ein-
geführten mineralischen Stoffe (meist durch den Harn) und der
Stoffe, die einen üeberfluss von Kohlenstoff, oder Stickstoff; oder
Sauerstoff, oder Wasserstoff enthalten, durch die Lunge (Kohlen-
säure), oder durch die Leber (kohlenstoff- und wasserstoffreiche
Verbindungen), oder durch den Harn (stickstoffreiche Verbindun-
gen). Auch die Mischung des Blutes kann durch, im Organis-
mus neu entstandene Zersetzungsprodukte, die das Blut in sich
aufnimmt, gestört und die Ausscheidung nothwendig werden, wie
es mit gewissen Bestandtheilen des Harns zu seyn scheint. Hie-
nach begreift man, wie die einmal vorhandene Mischung sich er-
hält. Eine andere Frage ist, oh die Ausscheidung gewisser Stoffe
aus den ins Blut geführten Nuhrungsstolfen zur ursprünglichen
Erzeugung der Blutmischung wesentlich beilrage.
Die Harnsäure des Harns, ein stickstoffreiches Produkt, ge-
hört wohl unzw’cifelhaft zum Theil wenigstens hieher, da ihre
Quantität im Harn schon allein durch stickstoffreiche oder Fleisch-
Nahrung vermehrt wird, und da sie im Harn der pflanzenfressen-
den Säugctliiere von Harnbenzoesäure ersetzt wird.
Der flarnstoff wirdf^'nach der Entdeckung von Pbevost und
Dumas nicht erst durch das Organ seiner Ahsebeidung, die Nie-
ren, gebildet, sondern findet sich schon in dem Blute vor, wenn
die Nieren exstlrpirt worden sind, so dass diese IMaterie im ge-
sunden Blute eben darum nicht gefunden wird, weil sie bestän-
dig daraus abgeschieden wird. Nach Exstirpation beider Nieren |
treten die Zufälle am 3. Tage ein, nämlich braune, reichliche und j
sehr flüssige Stuhlgänge und Erbrechen, Fieber mit erhöhtci’
Temperatur bis 43“ Cent., zuweilen vSiiikcn bis 33"; der Pul* ^
wird klein, schnell, und steigt bis 200, das Athmeu häufig, kur*z
Zuletzt schwer. Am 5. bis 9. Tage erfolgt der Tod, der i'^
Mayer’s Versuchen (Tied. u. Tbevir. Zeitschrift für Physiol. 2. 2. j
278.) schon in 10 — 30 Stunden nach Zittern und Convulsionei» ^
erfolgte. Man findet Ergiessung eines hellen Serums in de»
Hiriihöhlen, die Bronchien voll Schleim, die Leber entzünde^
den Darm voll flüssigen, durch die Galle gefärbten Kothes, di®
Harnblase sehr zusammengezogen. Das Blut der operirten Thiei^
(Hunde, Kaizen, Kaninchen) war w'ässeriger, und enthielt Harnstoff)
der durch Alcohol ausgezogen wurde. 5 Unzen Blut eines Hunde*;
der 2 Tage ohne Nieren lebte, gaben über 20 Gran Harnstoff)
2 Unzen Katzenblut 10 Gran. BMoth. unioers. 18. 208. Mbc«-*
Arch. 8. 325. Vauquelin und Sec.alas haben diese Entdeckui^
bestätigt. Magekd. Journ. d. Physiol. 2. 354. Meck. Archiv.
229, Das Blut wurde getrocknet, der Rückstand ausgewaschen;
4. Organ. Eigenschaften des Blutes, ElutbUdung. Secretionen. 149
das Wasser abgedunstet, der Rückstand mit Alcoliol ausgezogen,
lind diese neue Auflösung wieder abgedunstet. Hiebei ist jedoch
die Vorsicht nötbig, das Wasser in der Kälte und neben Schwe-
felsäure im leeren Raume verdunsten zu lassen. So erhielten sie
aus dem Blut eines Hundes, dem 60 Stunden nach der Opera-
tion die Adern gcöfl'net wurden, Harnstoll. Der Harnstoff
and die Harnsäure sind die stichst, offreichsten organischen Stoffe,
die man kennt. Der Harnstoff enthält in 100 'llil. 46,65 Stick-
stoff, 19,97 Kohlenstoff, 6,65 Wasserstoff, 26,63 Sauerstoff,
^on der Harnsäure weiss man noch nicht, oh sie schon im Rlute
Vorhanden ist und das Zerselzungsprodukt nur ausgcscliieden
'"'ird, oder erst in den Nieren entsteht, obgleich hei den Gicht-
anlällen harnsaures Natron aus dem Rlute in verschiedene Theile,
R. in die Nähe der Gelenke, in Gichtknoten, abgelagert wird,
^or Harnstoff kann nach Woeiiler’s Entdeckung (wie pag. 5. an-
Rolührt wurde) künstlich gebildet werden, und enthalt dieselben
®estandtheile, wie cyanichtsaures Ammoniak, oder nach der neu-
aan, auf Woeuleu’s und Liebig’s Untersuchungen gegründeten
^Omenclatur (Rerz. Jahresh. 11.), wie cyansaurcs Ammoniak,
l'ie Harnsäure liefert nach Kodweiss hei allen Zcrsetzunj;en der-
®6lhen mit Salpetersäure auch Harnstoff. Berz. Ftuerclt. 702.
Da der Harnstoff im Blute seihst schon vorhanden ist, so
*^*00 man in Hinsicht seines Verhältnisses zum Blut annchmen:
dass er hei der Umwandlung der Nahrungsstoffe in die we-
sentlichen Bestandtheile des Blutes schon als eine unbrauchbare
^ondjination entstehe, oder 2. dass er erst ein Zersetzungspro-
*iiikt der organisirten Theile sey. Das Erstere könnte man da-
>‘aus schliesscn, dass Tiedemsni» und Gmei.in in einem ihrer Ver-
mit tlcm Cliylus das dem Osrnazoin des Cliylus beij’emiscl}te
Kochsalz statt in Würfeln in Octaedern anschicssen sahen, wäh-
^ond das Kochsalz in anderen dieser Fälle würdig war, der
^^ärnstoff aber sonst die Crystallisationsform des Kochsalzes in
^claeder umwandelt. Tikdemvisn und Gmelin Versuche über die
^^rdauung. 2. 91. Allein andere Gründe machen dicss unwahr-
®oheinlich. Denn einiger Harn wird auch hei Alonale lang hun-
B^riulen Amphibien gebildet, und Lassaigke hat im Harn eines
yorrückten, der 18 Tage hungerte, die F gstandtheile des gesun-
Harns gefunden. J. de Mm. med. . 272. Ferner ist der
**ärn der pllanzenfressenden Thicre, deien Nahrung doch sehr
Stickstoff enthält, nicht arns an stickstoffreichen Bestand-
w'eilon des Harns, wie Harnstoff. Es ist zwar gewiss, dass der
Y'Tn beständig Unhraiichharea aus den Nahr.ungsstoffen ausscliei-
sich nach\ler Nahrung verändert, z. B. mehr Harnsäure ent-
hei Fleischnahrung. Bei mit stickstofffreien Stoffen genalir-
Vögeln enthalten die Excremente wenig weisse Materie, Harn-
viel weniger als hei Fütterung mit Eiweiss. Tiedemanm u.
Y''SLiri die Verdauung. 2. 233. Bei pflanzen- und fleischfressen-
Thieren ist der Harn consequent verschieden (indem der
, ärn der pflanzenfressenden Säugethiere statt Harnsäure,
®nzoesäure enthält und statt sauer alkalisch ist, und der ttarn
Vögel saures harnsaures Ammoniak, der Harn der pflanzen-
150 I. Buch. Von den organ. Säften etc. I. Ahschn. Vom Blut,
fressenden Vögel aber keinen Harnstoff enthält) ; aber es ist doch
unzweifelhaft, dass gewisse Bestandtb eile des Harnes auch von Zer-
setzung des Blutes oder der organisirten Theile entstehen. Da es
also gewiss scheint, dass die Producte des Harnes nicht allein j
zur Erzeugung der Mischung des Blutes aus dem Blute ausge-
schieden werden, so kann man sich vorslellen, dass Harnstoff ent-
weder durch das Unhrauchharwerden der Bildungstlieilchen des
Blutes oder der Organe entsteht, oder dass bei der zum Lehen |
nothwendigen Wecliselwirkimg des arteriellen Blutes mit den Or-
ganen, entweder gewisse Bestandtheile des Blutes, oder der Or-
gane zu unhraiicliharen Comhinationen, d. h. zersetzt werden-
Das Letztere wird deswegen unwahrscheinlich, weil der Emhryn
auch wenigstens Harnsäure bildet, die sich in der Allantois nicht
allein der Vögel, sondern auch hei Säugethieren findet, die Säu-
gelhierloelus aber im Liter us der Mutter, dem eigentlichen Sinne
des Wortes nach, nicht athmen, wenn das Athinen auch durch
die \erhindung mit der Mutter ei’setzt ist. Uebiigens fängt die
Bildung von Zersetzungsproducten schon ausserordentlich frühe
hei dem Embryo an. Zwar bilden sich die Nieren in dem he-
lütetcn Vogelei erst gegen den 6. Tag, und hei dem Emhrye i
der Fische und Salamander nach meinen Untei-sui-hungen erst
iiach dem Emhryonenzustand im Larvenzustand; allein ausseror-
dentlich frühe sind andere Ausscheidungsorgane an der Stelle
der Nieren, die von Rathre und mir genau heschriehenen Wolff’-
sc len Köiper, bestellend aus hohlen, zu einem Ausführungsgange
verbundenen Blinddärnichen, Oi-gaiie, die sich heim Vogelem-
hryo schon am 3. Tage bilden, nach meinen Beohachtiingen vort*
Vogclemhryo später ein wirkliches gelbes, dem Vogelharn ähnli- I
c les Secret flus.sondei n, wälirond die Allantois der Vö^el zugleich (
naci, den ersten Tagen der Bchrütung schon Harnsäure enthält, l
wie Jacobson (Meckel’s Archiv 8. .3.32.) entdeckt hat. Diese Or- i
gane sind bei dem Embryo aller Wirhellhlere mit Ausnahme der ^
Lisehe vorhanden, sie verschwinden bald früher, bald später, hei
öen nackten Ainphihien ei-st mit dem Lai’venzustand, hei de» |
ogeln um die Zeit des Auskriechens und später, hei den Sä»' |
gethieren sehr früh und hei dem Menschen am aller früheste»- |
J. Mueller, Bildungsgeschlrhie der Genitalitn. Düsseldorf -18.30.
M I vei-liert das Blut an Zerset-zungsproduetc» |
ichsaure und milchsaures Ammonium, salzsaiires Arnmoniiiini
o 1 ensäuie. Die Alilchsnure, die auch im Harne ausgeschiede»
■wiri, ist nach Berzelius ein allgemeines Product der treiwlllige»
cisorung tliierischer Stoffe innerhalb des lebenden Körpers; s'®
nie sich in gi-osser Menge in den Muskeln, wird vom Blut® ^
uni i essen Alkali gesättigt, und in den Nieren mit saurem Har»® •
abgeschieden. [
Die Galle spielt eine wichtige, nicht näher gekannte Rolle 1
er Umwandlung der Nahrungsstolfe im Darme. Ihi-e ErgiessiiUa
m i cn|enigcn Tlieil des Darmes, wo die Bildung des Chymiis volj'
endet wird, hei Wirhelthieren und Mollusken beweist, dass
nicht bloss excrementiell ist; übrigens wird der quantitativ wi®^^
tigste Bestandtheil der Galle, das Picromel, offenbar auf die U»*'
I
4. Organ. Eigenschaften, des Blutes. Bluibildung. Secretionen. 151
Wandlung des Cliymus verwandt, da es sich unter den Excreinen-
ten nicht vorlindet. Aher die Galle enthalt gewiss auch excre-
öientielle Stoffe, von welchen das ßlut hefreit wird, und die we-
sentliche Theile der Darinexcreinente sind, wie das Gallenharz,
das Gallenfett und der Farbesloff der Galle, wovon sich wiederum
keine Spuren in dem Chylus vorflnden. Das Blut wird daher
durch die Leher von einem Ueberschuss von kohlenstolf-Ayasser-
stolllgen Bestandtheilen und von Fett befreit, wahrend in den
Vieren ein XJcherschuss von üherstickstoffreichen Bestandtheilen
‘»usgeschieden wird. Von den cxcrernentiellen Stoffen der Galle
ist der Farhestoff derselben stickstoffhaltig. Die Lungen und die
Leber können insofern verglichen werden, als beide kohlenstolf-
kaltige Producte ausscheiden, erstere jedoch im comhurirten -iu-
stande, Kohlensäure, letztere im comhustiheln Zustande. Schon
ältere Naturforscher, in der neuern Zeit Auteniueti], und beson-
ders Tiedemann und Gmelin haben auf ein gewisses Wechselwr-
lialtniss zwischen Lungen und Leher aufmerksam gemacht. Ob-
gleich es sich nicht durchführen lässt, dass die Grösse der Leher
i>n umgekehrten Verhältnisse mit dem Athmnngsorgane in der
Tliierwelt wachse, so sprechen doch pathologische Beobachtungen
für eine solche Beziehung.
Die excernirende Thätigkelt der Leher zeigt sich auch unter
Umständen, wo nicht verdaut wird. Denn obgleich das Frucht-
Wasser von dem Foetus in der spätem Zeit verschluckt wird, so
Lt doch die Leber sehr früh ausgehildet und sondert ah, und
die Galle, wenngleich Aveniger bitter und gefärbt, enthält nach
Lassaigne {ann. de chim. et de phys. 17. 304.) ci.ie grüne harzige
^laterie und einen gelben Farhestoff, aber kein Picromel. ln
der That sammelt sich die cxcrementielle Galle des hoetus mit
Larmschleim vermischt im untern Iheile des Darmes als soge-
nanntes Meconiurn an. So dauert nach Tiedemans’s undGMEi.iN’s
Untersuchungen die Absonderung der Galle in dem Darme hei
^interschlafeiulen Thieren fort. Diese Naturforscher führen auch
nn, dass nach Cuvier’s Beobachtung in mehreren Mollusken nur
der kleinste Theil der Galle in den ohern Theil des Darmes cr-
Sossen, und die übrige Galle durch einen hesondern Ausführungs-
'‘^anal entweder in den Blinddarm, wie hei Aplysia, oder gar m
die Nähe des Afters, wie hei Doris und Tethys, ausgeleert werdm
muss ich jedoch bemerken , dass cs noch sehr zvved'clhaft
»st, oh das Secret, welches hei den letztem in die Nähe des At-
ters ausgmehieden wird, Galle ist, und dass es keineswcges der
8*'össte Theil derselben seyn kann. Nach meinen üntersuchun-
S6n an mehreren grossen Doris fand ich den merkwürdigen Aus-
fdhrungsgang, dcii Cuvier entdeckt hat. Er scheint aber nicht
^ie die Gallenkanäle, aus den trauhenförmigen Bläschen der Le-
^»cr, sondern mit vielen Aesten, die zmn Theil zwischen den Lap-
l»en der Leber verlaufen, aus einem netzförmigen Gewebe, wel-
»^''es sich über die Oberfläche der ganzen Leher ausdehnt, zu
entspringen, ATährend ein grosser Stamm aus dem Innern der
^eker hinzukömmt. Mir scheinen hier zweierlei Ausscheidungen
»»»IS dem Blute, welches sich in die Masse der Leber verbreitet,
152 I. Buch. Von den organ. Säften etc. II. Abschn. Vom Blutkreislauf.
statt zu finden, während die Apparate der Umwandlung des Blu-
tes in zwei verschiedene Secrete docli vielleicht verschieden sind.
Dem Orte der Ausmündung nach hat jener Gang viel Aehnlich-
keit mit dem Ausführungsgange des saccus calcareus der Schnek-
ken, aber ihr Ursprung ist freilich sehr verschieden.
Die Häufigkeit der Leherkrankheiten in den heissen Climaten
und Jahreszeiten, so wie auch die der DarmkanalalTectionen un-
ter denselben Bedingungen, die Häufigkeit der Leber- und Un-
terlcihsaffeclionen bei feuchter und Sumpf-Luft sind noch ein
Rälhscl. Könnte man sich erklären, wie diese Umstände den
Kreislauf erschweren, und Stockungen des Blutes veranlassen, so
wäre fieilich leicht einzusehen, warum Leber und Darmkanal
biebei am meisten leiden, weil die Circulation in diesen Einge-
weiden doppelt erschwert werden muss; indem das Darmvenen-
und Pfortaderhlut nicht sogleich wieder in den allgemeinen Kreis-
lauf gelangt, sondern erst die Leber zu durchkreisen hat. Vergl.
Ttedemanv und Gmelis die Verdauung. H. Theil. Tiedemasn und
Gmeeih behaupten, dass die vermehrte Gallenabsondernng in tro-
])ischen Climaten die verminderte Purification des Blutes in den
Lungen compensirc, welche Mehrere von der Verdünnung der
Luft in Folge der Hitze ableiten. Stevens [obseru. on ihr. healthy
and diseascd propertie.t of the hlood , London 18.32. p. 59.) hält
diese Annahme für unrichtig. Denn in Westindien, wo die klein-
sten Inseln die trockensten und beissesten seyen, wo aber stagni-
rende 'W'asser fehlen, seyen die Einwohner frei von Leberkra"nk-
lieiten oder vermehrter Gallenahsonderung, und diese seyen in
Leissen Climaten nur bei Sumpfluft herrschend.
IL Abschnitt. Von dem Kreisläufe des Blute«
und von dem Blutgefässsystem.
I. Capitel. Von den Formen des Gefässsystems in
der Thierwelt.
Die organisch -chemischen Veränderungen des Blutes in ein-
zelnen Theilen, und die Nothwendigkeit dieser Veränderungen de*
Blutes für alle Theile, machen den Kreislauf des Blutes nnent-
behrheh. Die Ilaupttriebfeder dazu ist die rhythmische Bewe-
gung des Herzens. Das Herz ist derjenige Theil des Gefässsystems,
welcher duich Muskelsubstanz, die den Blutgefässen sonst feldb i
contractil ist. In der einfachsten Form ist das Herz daher selbst
noch gefässartig, wie die gefässartigen mehrfachen Herzen der
Anneliden, welche zugleich die Hauptgefässstämme sind, die con- |
tractilen Gefässstämme auf dem Darm der Holothurien, das ■
1. Formen des Gefässsystems in der Thierwelt.
153
*:inQ Reibe von commiinicirenden Kammern getlieilte Rückenge-
fass der Insectcn. Wie ricbtig diese Ansicht ist, sieht man sehr
dcullicli hei einzelnen Ahtheilungen der Rrehsc, z. B. den Squil-
leii, deren llcrz ein contractiles Rückengefäss ist, wahrend das-
'^elbe Herz hei den Decapoden eine kurze' und umschriebene
Ikammer darsteUt.
Bei dem Embryo der höheren Thiere ist das Herz anfangs
schl&uchartig, und nichts anderes als eine coutractile Ümhiegung
•fer Venenstämme in den Arterienstamm. Ja seihst heim Er-
wachsenen rechtfertigt sich diese Ansicht noch. Das Herz be-
klebt hier hei den höheren Tbieren aus einem kurzen doppelten
'niisculösen Schlauche, aber die contractile Substanz verbreitet-
'>ich noch eine Strecke auf die einmündenden Venenstämme, Und
^^ei- den Fischen und Amphibien sogar noch auf einen Theil des
Truncus artcriosus , den sogenannten Bulbus aortae. Dass sich,
'lie Stämme der Hoblvenen regelmässig wie das Herz selbst zu-
^»nnnenzleben, kann man beim Frosche unzweifelhaft sehen.
Spallanzawi nnd WF.nEMEYEu haben diess schon gesehen.
^Di.ler elementa physiol. T. 1. 125. Die Zusammenziehung er-
streckt sich, wie ich sehe, an der untern Ilohlvene bis an die
Teber, und dauert noch an Jen Venenstämmen rhythmisch fort
^äich Entfernung des Herzens. Zuerst ziehen sich die Hohlvenen,
•l^nn die Vorhöfe, dann die Kammer, dann der Bulbus aortae
'tisammen. Dieselbe Erscheinung von Contraction der Venen-
®tämme habe 'ich bei Säugethleren beobachtet, sowohl heim jun-
Sen Marder als bei der jungen Ratze, wo die Zusammenziehung
Hohlvenen und der Lungenvenen aber gleichzeitig mit der
^tisammenziehung der Vorhöfe ist. So weit man die Lungenve-
''enslämme in die Substanz der Lungen verfolgen kann, sieht
''Jan heim jungen Thiere die deutlichste Zusammenziehung der
Lungenvenen, die nur nach Quetschung dieser Venen aufhört.
Ltien 'so deutirdi ist die Zusammenziehung des Anfanges der
Obern Hob Ivene am Herzen; aber man kann während der Zu-
®animenziehungen deutlich sehen, wie weit sich die contractile
bobstanz der Hohlvene erstreckt. Ueber diese Grenze hinaus
*p'St der übrige Theil der Hohlvene keine Spur A'on Zusammen-
*iehung, und ist vielmehr' vom Blute strotzend und erweitert,
Zeit, Avo die an den rechten Vorhof stossenden Theile der
Jioldvenen zusammengezogen sind. An dem Anfangsstücke der
Hohlvenen der Schlangen hat Retzius, und an der untern Ilohl-
der Säugethiere hat E. B. Weber eine Schichte eigenthüm-
Whcr Fasern beschrieben.
Diese Beobachtungen zeigen, dass das Herz in seiner einfach-
Form nur der init Muskelsubstanz belegte, activ bewegende
^ beil des Gefässsystems ist, dass es immer noch Herz bleibt,
pOon es auch bei den niederen Thiercn nur einen conti'actilen
Def
Ossstamm darstcllt. Der übrige Theil des Gefässsystems be-
_ obt nur- aus Röhrenleitungcn, die in Hinsicht der Bewegung
JjOssiv sind, aber andere Avichtige Einflüsse habcij können, z. B.
'*** sie durch einen nicht näher gekannten Einfluss das Blut
154 I.Buch. Von den organ.Säfien etc. Il./ihschn, Vom Blutkreislauf .
flüssig erliülten, oLgleicli stillstehendes Blut auch in den Gefassen
gerinnt, und den Stoffwechsel durch ihre Wandungen vermitteln.
Die Circulation des Blutes (im Jahre 1619 von Harvev bei
hen höheren Thieren entdeckt), bewährt sich mit dem Fortschritte
der Beobachtungen immer mehr, auch bei den einfachen Thie-
ren, obgleich man sie noch nicht für einen allgemeinen Character
aller Thiere erklären kann. Aber je weiter die Beobachtungen
fortschreiten, je mehr entdeckt man Spuren von Gefiissen bei
den einfachsten Thieren. Ehrekbehg bat sie von den Rädcr-
thierchen beschrieben, und die mikroskopische Kleinheit scheint
eine solche Zusammensetzung nicht auszuschliessen.
Im Folgenden habe ich das Hauptsächlichste unserer mehr
sicheren Kenntnisse über die Formen des Gefässsystems zusam-
mengestellt. Bei mehreren niederen Thieren giebt es kleine cir-
kclförmige Kreisläufe von Körnchen, ähnlich wie bei den Cha-
ren. Diese Cirkelbewegungen scheinen von einem Herzen unab-
hängig zu seyn. Hieher gehören die von Nordmann in der Hülse
der Alcyonella diaphana, die von Carus unter den Ambulacra
der Seeigel beobachteten kleinen abgeschlossenen Kreisläufe;
auf- und absteigende Bewegungen in dem Stamme der Sertula-
rinen, die Meven {Nou. act. nat. cur. Vol. 16. Suppl.) und LisTkn
(Ptälos. Transact. 18-34.) beobachteten. Nach Lister hängen diese
Strömungen mit dem Magen zusammen und verändern von Zeit
zu Zeit ihre Richtung. Ehrenrerg (Mueller’s JrcMo 1834. 571.
678.) hat auch Cirkelbewegungen von Körnchen bei den Medu-
sen und, in den einziehbaren Fasern auf dem Rücken der Arte-
rien beobachtet. Diese Phänomene sind in Hinsicht ihrer Ur-
sachen und ihres Zusammenhanges noch nicht hinreichend zer-
gliedert, um davon fruchtbare Folgerungen für den gewöhnlichen,
vom Herzen abhängigen SäReurnlauf zu entlehnen, Vielleicht
hängen sie von Wimperbewegungen innerhalb der Gefässe ab.
Bel den Meduslnen geschieht die Verbreitung der Säfte durch
gefässartig verzweigte Magensäcke. Bei den Planarien und Saug-
eingeweidewürmern, Trematoda, giebt es zwar auch einen gefäss-
artig verzweigten Darm; allein bei Jenen bat Duges, bei diesen
haben Bojawus, Mehlis und Nordmann noch ein eigenthümliches
Gefässsystem entdeckt. Bei den Planarien ist diess schon ein
Blutgefässsystem, bei den Distomurn, Diplostonmm scheint es aber
nach hinten auszumünden. Nordmahn inicrograp/t. Beiträge 183^.
/. p. 39. 98. Aber bei Diplozoon, das mit den beiden letztgc- i
nannten auch zu den Trematoden gehört, bat Nordmann auf je- I
der Seite zwei Gefässe beschrieben, in denen sich das Blut in ent- !
gegengesetzten Richtungen ' bewegt. Bei den Trematoden soll nach 1
Ehrenberg und von Nordmann der Saft ohne Zusammenziehung j
der Gefässe flicssen, was schon durch die Zusammenzichungen '
des ganzen Körpers bei einer bestimmten Richtung der Klappen |
in den Gefassen statt finden kann. Bel den niederen Thieren, j
deren Kreislauf man genauer beobachtet hat, bei Echlnoderraen,
Planarien und Ilirudineen ist die Blutbewegung durch einfache, ,
doppelte oder mehrfache contractile GefässsVämme bewerkstellig* • '
1. Formen des Gefüsssystems in der Tlderwelt. 155
Die Gefässstämme sind aber keine Arterien- und Venenstämme,
sondern zum Tlieil contractile Herzen, die das Blut in die wi-
schensrefässe treiben.
Das von Tiedemann bei den Holotburien entdeckte Getass-
System eemeinscliaftlich «lul dem Darmkanale und dem At lemor-
gan scli'eint hierhin zu gehören (in der Haut ist überd, ess em
eigenes System von Wasserkanälen zur Anschwellung der l'uhl-
w'ärzchen). Anatomie der Röhrcnholot hurie etc. Bei den Würmern
mit rothem Blute giebt es auch noeb keinen deutheben Unter-
schied von Arterien- und Venenstämmen, sondern eintaehe, dop-
pelte und mehrtäche contractile Gefässstämme, welche sich ab-
wechselnd bald füllen, bald zusammenziehen, und das Blut durch
die zwiscbenliegenden Aeste und Gefässnetze treiben. ie_ u
sammenziehungen der Gefässstämme schreiten in einer gewissen
Richtung vorwärts, und treiben das Blut nach Duges en
grösseren Gefässstämmen im Kreise herum; entweder in horizon-
taler Biebtung, wie bei den Hirudineen, wo die Hauptstamme 7.U
teiden Seiten liegen, oder in verticaler Biebtung, wo die Uaupt-
stänime oben und unten liegen, wie bei den Lumbricinen , Are-
nlcolen, Naiden. Zu gleieber Zeit wirft sieb das Blut abwech-
selnd durch die Quergefässe von einer zur andern Seite, indem
der eine Stamm gefüllt wird , während der andere sich contra-
liirt, wie man diess von llirudo vulgaris weiss. Siebe J. Muel-
t-Ea Meckei.’s Arckiu 1828. und meine Beobachtungen über Are-
nicöla in Burdacb’s Physiolo/^ie. Bd. 4., über die Würmer über-
liaupt Duges Ann. des sc. nat. T. 15. Es giebt bei diesen Thie
ren einen unvollständigen Kreislauf (durch die Stämme), und zu-
gleich alternirende Fluetiiation. Ich glaubte zu sehen, dass bei
Hiriulo vulgaris beide Seitengefässe abwechselnd von hinten nach
Vorne zu leer werden. Duges dagegen behauptet, dass die Bewe-
gung im Kreise herum gehe. Die Athemorgane der Anneliden
sind mannichfach, Kiemenbüschel, wie in den Arenicolen, oder
Lungenbläschen, und erhalten ihr Blut wie die übrigen Organe
von Aesten der Haiiptgefässe. Die Nereiden haben nach B.
"Wagmer zivei Längsstämme, einen auf dem Bücken, der von hin-
ten nach vorn das" Blut treibt und pulsirt, den zweiten Bau-
ehe, unter dem Darme (oder dem Nervenstränge), der nicht pul-
set oder sich contrahirt; ausserdem finden sich Quergetässe,
obere und untere für die Leibesringe, letztere pulsiren lierrhch
’ind entspringen aus dem Bauchlangsstamme, sie gehen in die Bu-
derphitten oder Füsse (Kiemen); aus diesen entspringen the obe-
*■00 nicht piilslreiulen , die zum Bückenstamine gehen. Bei den
Thieren mit einem contractilen Gef ässtamme giebt es einen voll-
ständigen einfachen Kreislauf ohne Fluctuation, sondern arteriöse
Und venöse Ströme. So liei den Insecten, wo Carus den ein a-
oiien Kreislauf vom contractilen Bückengefässe aus und hinten
Rücken^efasse zurück entdeckt hat. Carus Entdec.iun^ eines
•^mkreislaujes etc. Leipz. 1827. Ahe. art. nat. cur.
Lie Strömehen sind sehr einfach und ohne Verzweigung; die
Strömehen sind sehr einfach und ohne Verzweigung, um
^hsse z. B. haben nur zwei einfache entgegengesetzte Strome, die
’ihmittelbar in einander umbiegen. Gefässströme der Organe
156 I, Buch. Von den organ. Saften etc. II. Abschn. Vom Blutkreislauf
sind nocli niclit bekannt. Doch habe ich schon im Jahre 18‘i4
den Zusammenhans; der Eierröhren mit dem RückengefiVsse oder
Herzen vieler Insekten entdeckt und beschrieben. JS'oo. act, nat.
cur. T. 12. 2. Vergl. Wagner Isis 1832. 320. Wagner hat diese
Verbindungen bestätigt; er hält sie aber mit Carus, TreviranuS
und Burmeister nicht Tnr Blutgefässe. Die Erklärung ist unge-
wiss, die Thatsachen sind unzweifelhaft., obgleich ich seihst jene
Verbindungen hei zwei Insekten vermisst habe. W^agner hat Ca-
rus Beobachtungen über den sichtbaren Kreislauf der Insekten
nicht allein bestätigt, sondern auch erweitert, er hat die Blut-
körperchen zu den Seiten des Darmes und Rückengefässes in
zwei venöse Ströme verlheilt fliessen gesehen, Avahrscheinlich
ohne Gefässe, und sah zugleich Blutkörperchen von diesen Strö-
men aus in das Riickeiigefäss durch Seitenspalten eintreten.
Schon Straus hat diese Seitenspalten an den verschiedenen Ab-
theilungen des Rückengefässes beschrieben. Nach Straus besteht
das Bückengefäss des ' Maikäfers aus acht Kammern, die durch
zweilippige, nach vorne gerichtete Klappen communiciren, und
das Blut von hinten nach vorne durchtreten lassen. Considera~
tions generales sur l’anatomie des animaux articules etc. Paris 182.9. [
Einen fast eben so einfachen Kreislauf scheinen die einfachen
Crustaceeu (Asseln, Daphnien) nach Zenker und Gruithuisen, und
die Spinnen zu besitzen. Die Lungen- oder Kiemen-Bluthahn ist
noch nicht von der allgemeinen Bluthahn abgesondert. Bei die-
sen niederen Crustaccen und hei den Lungenspinnen athmet ein
Thcil des Blutes in dem Athmenorgane während des Kreislaufes.
Bei den Insekten und Luftröhrenspinnen athmet das Blut im gan-
zen Körper, da sich die Luftröhren in allen Theilen bis auf das
feinste verzweigen. Bei den eigentlichen Krebsen gicht es entwe-
der ein langes röhriges Herz, wie hei den Squillen, oder ein kur-
zes und breites, wie bei den übrigen Krebsen. Die venösen
Ströme führen das Körpervenenhlut erst in die Kiemen, die Kie-
menVenen zum Herzen, das Herz zum Körper. Dass diese von
Audouin und Edward’s entdeckten Verhältnisse wirklich stattfin-
den, davon habe ich mich zu Paris am Hummer durch Injection
überzeugt, und ich halte die häutige Decke über dem Herzen
mit Meckel nicht für einen Vorhof, wofür ihn Straus nimmt.
Siehe Ann. des sc. nat. 1827. Tab. 24 — 32.
Bei den Mollusken ist der Kreislauf ähnlich wie hei den
Krebsen. Nur hei den schalenloscn Acephalen (Ascidien, Salpen) I
gehen die Kiemen venen unmittelbar zur Kammer, hei anderen, ^
wie bei den meisten Gasleropoden (Schnecken), gelangt ihr Blut
zuerst zu einem Vorhof , und bei den zweischaligen Muscheln lU
zwei Vorhöfe, und von dort zur Kammer. Das Körpervenenhlut
gelangt hei den meisten Mollusken ganz in die Kiemen, hei den
zweischaligen Muscheln (nacliBoJANUS Isis 1819.) gel.ingt ihr Rör-
pervenenhlut durch das von ihm für eine Lunge, von Neuern lui'
eine Niere gehaltene hohle, mit einem Auslührungsgange versC"
bene Organ, und dann grössten thcils in die Kiemen, während eiu
Theil sogleich, ohne erst durch die Kiemen zu gehen, in diß
Vorhöfe gelangt. Dagegen sagt Treviäanus {Erscheinungen u. Ge'
1. Formen des Gefässsystems in der Thierivelt. 157
setze des organ, Lebens. I. p. 227.), dass Lei den zweisclialigen
Muscheln ein Tlieil des RiemenvenenLlutes von den Riemen noch
erst das schwammige Organ durchkreise, und dann «im Herzen
gelange; so wie hei den' Schnecken , Lirnax und Helix, das Lun-
genvenenhlut zum Theil, ehe es zum Herzen gelange, zu dem
Karnsäure absondernden Organ (sacc. calcareus) gehe, und dann
sich wieder sammele, um in den Vorliof zu gelangen.
Bei den Sepien unter den Mollusken sind 3 getrennte Ram-
«nern vorhanden, das Rörperherz gieht die Rö^erarlerie ah, die
^örpervenen führen das Blut in 2 seitliche Riemen leizen , von
dort gelangt es durch die Riemenarterien in die Riemen und
durch die Riemenvenen wieder ins Aortenherz.
Sobald in der Thierwelt ein wahrer Rreislauf auttritt , Han-
gen alle ferneren Modificationen von dem Verhältnisse ab, weU
clies die Gefasse des Athemorganes (Lunge oder Rieme) oder die
befasse des kleinen Rreislaufes zu den Rorpergefassen oder den
befassen des grossen Rreislaufes haben. Entweder athmet nur
®>n Theil des Blutes während des grossen Rreislaufes, und der
l^leine Rreislauf ist nach Cuvif.r’s Ausdruck nur ein Bruch des
grossen, oder alles Blut muss zuerst den kleinen Rreislaut der
Lungen oder Riemen durchgehen, ehe es im Rörper verbreitet
^ird. Im ersten Falle befinden sich unter den Wirbellosen die
niederen Crustaceen (Spinnen?), Würmer, unter den Wirhelthm-
^en die Amphibien. Im zweiten Falle sind die Mollusken, die
eigentlichen Rrebse, die Fische, Vögel, Säugethiere und der
^lensch. Die Fische scheinen in dieser Hinsicht über den Am-
phibien zu stehen, und letztere sogar den Mollusken und Crusta-
eeen untergeordnet zu seyn. Allein Cuvier bemerkt richtig, dass
Athmen im Wasser weit unvollkommener als in der Luit sey,
dass also das halbe Athmen der Mollusken, Krebse und Fi-
Sehe hei einem ganzen kleinen Rreislaule im Resultate nicht ab—
Reiche von dem ganzen Ätlimen der Amphibien bei einem hal-
ben kleinen Rreis'laufe. Die luftathmenden Schnecken scheinen
®bn immer noch höher zu stehen, als die luftathmenden Amphi-
bien, insofern nur ein Theil des Blutes hei den letzteren, alles
Llut bei den ersteren athmet. Allein das Blut vertheilt sich in
"en Lungen der Schnecken nur ganz unbedeutend gegen die
''erästelung und den Gefässreichthum in den Lungen der Am-
PLihien. Die nackten Amphibien athmen in der Jugend, so lange
Larven sind, mit Riemen aus Wasser, und da dann nur ein
grosser Theil des Blutes athmet, bei den Fischen aber alles Blut,
^ in den Rörper zu gelangen, durch die Riemen muss, so sind
'ä Larven der Amphibien allerdings hierin den Fischen unterge-
^*'dnet. Diese Anordnung ist aber, "wie "wir sehen werden, noth—
]^endig hei den Larven der Amphibien, wenn sich aus ihrem frü-
^®rn Riemenkreislaufe der spätere Lungenkreislauf ausbildeii soll.
Die Mannigfaltigkeiten, welche die Natur in dem Ursprünge
"er Athemarterien und Athemvenen aus dem grossen Rreislaute
öRrhietet, sind sehr gross, und es scheinen selbst alle denkbaren
“Ue dieses Verhältnisses von der Natur erschöpft zu sey«-
A. Der kleine Rreislauf ein Theil des grossen Rreislaufes.
158 I. Buch. Von den organ. Säften etc. II. Alschn. Vom Blutkreislauf-
1. Der kleine Kreislauf ein Theil des venösen Gefässsystems-
Bei den zweisclialigen Miisclieln kehrt, wenn Bojanus Darstellung
riclitia; ist, ein Tlieil des Körpervenenhlutes unmittelbar zu den
Vorliöfen, der grössere Theil ilurchkreist die Kiemen, und kehrt
zu den Vorhöfen zurück. 2. Der kleine Kreislauf, ein Theil des
arteriösen Gcfasssystenis. Bei den Proteideen (Proteus) unter den
nackten Amphibien, und hei den Fröschen und Salamandern iffl
Larvenzustande geben die Aortenbogen die Kiemenarterien als
Seitenäste ab, und nehmen die Rienienvenen als Seitenäste auf-
3. Der kleine Kreislauf, ein Theil des arteriösen und venösen
Gef ässsysterns. a) Die Salamander und Frösche haben in der
späteren Zeit Lungen, keine Kiemen mehr, die Proteideen haben
Kiemen und Lungen durchs ganze Leben. Bei beiden sind die
Lungenarterien Aeste von Aortenbogen , die Lungenvenen gehen
zum linken Vorliof, die Körpervenen zum rechten Vorhof, wie
J. Davy, Martin St. Awge und M. Weder entdeckt haben-
li) Bei den beschuppten Amphibien geht die art. pulm. aus den»
Hauptarterienstamme, oder aus der Herzkammer selbst mit den
anderen Arterien hervor, Kiemenvenen zum linken, Körpervenen
zum rechten Vorhof der einfachen Herzkammer.
B. Der kleine Kreislauf im Gegensatz des grossen Kreislaufes.
1. Der kleine Kreislauf entstehend aus den Körpervenen und
rückkehrend zum Herzen: Mollusken, Krebse. 2. Der kleine Kreis-
lauf mit den Kiemenarterien entstehend aus dem Arteriensliele
des Herzens, und rückkehrend durch die Kiemenvenen zu einem
neuen Arterienstamme für den übrigen Körper: Fische. Ein Vor-
hof der Körpervenen, eine Kammer. 3. Der kleine Kreislauf
entstehend aus der Lungenkammer, rückkehrend zur Kammer de«
grossen Kreislaufes, a) Bei den Sepien sind das Aortenherz und
die beiden Kiemenherzen von einander getrennt, und ohne Vor"
liöfe.^ h) Bei den Vögeln, Säugethieren und dem Menschen giebt
es eine Lungen-, und eine Körperarterienkammer, beide mit ei-
nem Vorhofe; diese Herzen bilden ein vereinigtes Ganze, diß
Venae pulmonales münden in den Vorhof der Aorten kamnic*"
oder in den linken Vorhof, die Körpervenen in den Vorhof der
Lungenkammer oder in den rechten Vorhof.
Ein grosses physiologisches Interesse bietet hei den Wirbel-
thieren die Umwandlung des Kiemenkreislaufes in den Lungen-
kreislauf dar, die man in der Classe der Amphibien zu heohacb-
teil Gelegenheit liat. Das Herz der Fische hat einen Vorhof für
die Aufnahme der Körpervenen, und eine Kammer, aus welche^
der Truncus arteriosus mit einem contractilen Bulbus entspringf*
Der Truncus arteriosus theilt sich ganz in die Kiernenarterim’i
die Kieinenvenen treten zu den Körperarterien zusammen und
bilden die Aorta abdominalis an der Vorderseite der Wirbel'
Alle nackten Amphibien haben zwei nur innerlich getrennte Vor-
höfe und eine Kammer, zwei Coiidyli occipitales, keine Geliör-
sobnecke, keine Feiiestra rotunda, keinen Penis, keine wahre"
Rippen; alle beschuppten Amphibien (Crocodile, Eidechsen, Schla"'
gen, Schildkröten) haben zwei selbst äusserlich getrennte Vorhof®
und eine Kammer, einen Condylus occipitalis, eine Gehörschnecke
1. Formen des Gefusssystems in der Thiertvelt.
159
Und feiiestra rot., -wahre Rippen, deutlichen Penis und sind ohne
^erwandlune;. Alle nackten Amphibien scheinen in der Jugend
^^iemen zu haben, die nur bei den Proteideen durchs ganze
liehen bleiben ; man kann sie in 5 Ahtheilungen bringen.
I. Coeciliae, ohne Füsse und ohne Schwanz, wurmförmig.
Sie haben in der Jugend eine Kiemengrube, worin zwei Kiernen-
spalten jederseits am Halse, wie ich an Coecilia hypocyanea ent-
deckt habe; später Lungen ohne Riemen und oline Kiemenlöcher,
(iiir Zungenbein behält 4 Paar Bogen, bei der Larve 5.)
II. Derotremata. Sie haben Extremitäten und sind ge-
schwänzt, durehs ganze Leben Jederseits ein Loch am Halse ohne
^ahre äussere oder innere Kiemen; sie athmen mit Lungen. 4
^üsse. Hieher gehören Amphiuma und Menopoma.
HI. Proteidea. Sie haben Extremitäten und Schwanz und
ausser den Lungen durchs ganze Leben Kiemenspaltcn am Halse
’Uit äusseren büschelförmigen Kiemen. Siren , Menobranchus,
■ii'foteus, Axolotes.
IV. Salamandrina. Als Larven haben sie im ersten Sta-
dium äussere Kiemen und Kiemenspalten, keine Beine, aber ei-
Uen Schwanz; im zweiten Stadium haben sie ausser Schwanz 4
Extremitäten, wovon die vorderen zuerst hervorbrechen; zugleich
aussere büschelförmige Kiemen und Kiemenspalten, und Rudi-
Uiente von Lungen; sie gleichen also dann ganz dem bleibenden
Eiistand der Proteideen. Als erwachsene Thierc behalten sie
Schwanz, aber ihre Kiemen und Kiemeuspalten verschwin-
den, wenn sie den Larvenzustund verlassen.
V. Batrachia (Frösche und Kröten). Diese sind in der er-
sten Zelt des Larvenzustandes geschwänzt und ohne Beine, ha-
®eu Kiemenspaltcn, Kiemenbogen und äussere büschelförmige
Eiemen; im zweiten Stadium verlieren sie die äusseren Riemen
'’ud haben innere Riemen an den Kiemenbogen, aber die Rie-
Uien sind mit einer Membran bedeckt, welche nur eine Oeffnung
an der linken Seite (Frosch) lässt; sie sind auch jetzt noch ge-
schwänzt und ohne Beine. Bei der Verwandlung erhalten sic
ueine, wovon die -hintern zuerst hervorbrechen; sie verlieren die
Eiemen, auch ihr Schwanz verschwindet ganz durch Resorption.
^ lange die Salamander und Frösche Larven sind, sind ihre
^'rbelkörper an beiden Enden conisch ausgehöhlt, wie bei den
juchen, so sind sie bei den Coecilien, Derotremen und Protei-
^Cen durclis ganze Leben. Siehe J. Mueii.er in TtEDEMANw’s
wtir/ir. jür Fhysiol, 4. 2., über das Herz der Amphibien siehe
Weber Beitrüge zur Anatomie und Physiologie^ Bomt 18314.
^ci den Proteideen (Proteus) tliellt sich der truncus arteriosus
c*" einfachen Kammer sogleich in mehrere den Klemenbögen
atsprechende Aortenbogen für jede Seite, die sich hinten wieder
]i ^ ^ceta abdominalis vereinigen. Von diesen Aortenbogen ge-
cn die grossen Kiemenarterien aus, sie nehmen die Riemenvenen
ajf Bei den Salarnanderlarven vertheilt sich der truncus
^ wie beim Proteus zum grössten Tbeil in die Riemcn-
de ‘Ecse anastomosiren mit den Kiemenvenen oder Wurzeln
s- Eörperarteriensystems. Bei der Verwandlung zieht sich die
160 I.Buch. Vond. Organ. Süß en etc. II. Abschn. Vom Blutkreislauf.
Blutbalin von den Kiemen auf bleibende Aortenbogen zurück*
Rusconi amours des Salamandres. Milan 1821. Bei den Fröschen
gleicht der Kiemenkreislauf in der ersten Zeit des Larvenlebens,
•wo sie äussere Kiemen haben, dem Kiemenkreislauf der Salaman-
derlarven, irn zweiten Stadium, wo sie innere, bedeckte Kiemen
haben und die Lungen sich zu entwickeln anfangen, vertheilen
sich die Gefässe nach Huscure mehr wie bei den Fischen, der
truncus arteriosus vertheilt sich in die Kiemenarterien für 4 Kie-
menbogen, die Kieinenvenen laufen den Arterien parallel und
sammeln sich in entgegengesetzter Richtung, doch findet eine
kurze Anastomose am Anfang jedes Kiemenbogens zwischen Ar-
terie und Vene statt, die hei den Fischen fehlt. Nach der Um-
wandlung ist nur noch jederseits der Bogen übrig, der sich mit
dem der andern Seite zur aorta abdominalis vereinigt, und der
die art brachialis hinten abgiebt. Die Lungenarterien und die
Kopfgefasse sind aber nicht auch Aeste dieser Bogen, wie man
gewöhnlich glaubt, sie scheinen nur vom Anfang jenes Bogens
auszugehen; denn genau untersucht besteht jeder der 2 divergi-
renden Stämme, in welche sich der truncus arteriosus theilt, aus
drei verwachsenen Stämmen, deren Lumina nur durch dünne
Septa getheilt sind, die Reste von den Arterien der Kiemenbo^en,
die nur verwachsen sind. Die mittlere dieser Röhren geht in
die Aorta jederseits weiter, die untere giebt die art. pulm. und
ein Gefäss des Hinterkopfes, aber die obere geht in die Kopfge-
fässe über, welche bei ihrem Ursprung eine drüsenartige An-
schwellung, die sogenannte Carotisdrüse, zeigen. Diese Drüse be-
steht aus feinen Verzweigungen des eintretenden Stammes, die
sich aus der Drüse wieder zu einem Stamme sammeln, wie
Huschke {Zeitschrift für Physiologie 4. 1.) gezeigt hat. Die Drüse
soll ein Rest vom Capillargefässsystem des ersten Kiemenbogens
seyn. Ich habe mich überzeugt, dass die Drüse im Innern hohl
ist, und dass sich der -emtretende Stamm bis zu dem austreten-
den durch ein schwammiges Gewebe, das an den Aussenwänden
am dichtesten ist, fortsetzt, obgleich die äussere Oberfläche der
Wände bei feiner Injection auch das von Huschke beschriebene
Gefässnetz eintretender und austretender Gefässe zeigt. Die be- ;
schuppten Amphibien haben niemals Kiemen, und haben nur im
Foetuszustande wie alle übrigen Wirbelthiere Zustände der Meta-
morphose. In der allerersten Zeit des Foetuslehens haben all®
Embryonen am Halse Spalten und dazwischen bogenförmige Plat-
ten, in w'elchen die Aortenbogen verlaufen, die sich hinten wie'
der zu einem Stamme vereinigen. Diess hat Rsthke entdeckt,
man kann sich beim Embryo der Vögel am 3ten Tage der Be- I
brütung davon überzeugen, wie ich gesehen. Etwas Aehnliches,
nur weniger deutlich, findet auch bei den Saugethieren und dem i
Menschen, noch deutlicher aber bei den beschuppten Amphibie» 1
im Embryonenzustande statt. Diess sind jedoch keine Kieme»;
wozu Kiemenblättchen gehören, sondern bloss Kiemenbogen, WO'
raus bei den Fischen und nackten Amphibien wirklich durch
Verästelung der Aortenbogen Kiemen werden, die aber hei alle»
übrigen Thieren, den beschuppten Amphibien, Vögeln, Säugethie'
Formen des Gefässsystems in der Thierwelt.
161
ren allmälilig verscliwinden und zu Hörnern des Zungenbeins
Umgewandelt zu Avcrden scheinen. Siehe J. Mueli.er, Meck. j4r-
^hiv. 18.30. p. 419. Genug, dass hei allen Thiercn im früliesten
Zustande der truncns arteriosusin Aortenbogen sich theilt. Diese
Bogen bleiben sogar hei den heschiippteu Amphibien durchs
ganze Leben, zuweilen 2 auf jeder Seite (wie hei den wahren
Eidechsen, auch Blindschleichen), zuweilen einer auf jeder Seite
(wie bei den Schlangen). Bei den höheren Thieren, Vögeln, Siui-
pthieren , Mensch, welche 2 Herzkammern und 2 VoVhöfe ha-
ben, gi'ebt es nur im Foetuszustande mehrere Aortenbogen, und
*war anfangs jederseits mehrere, die sich hinten zur aorta des-
uendens vereinigen. Bei den Vögeln geben die vordersten von
Urei Bogen jeder Seite die Gefasse der vorderen Theile des Kör-
pers, die hinteren Bogen die Lungenarterien ab, später bleiben
uurebs Foetusleben des Vogels 2 arciis arteriosi (aus dem rech-
nen Ventrikel), welche die Lungenarterien ahgeben, und ein Arte-
i'ienstanim aus dem linken Ventrikel, der die Gefässe der vorde-
ren Theile des Körpers abgiebt und den arcus aortae bildet,
wach dem Auskriechen des Vogels werden die Lungenarterien
®Uch selbstständig; indem die Verbindung der arcus arteriosi des
‘■echten Ventrikels mit dem arcus aortae des linken Ventrikels
®'ngeht. S. Huschke Isis 1828. 160. Bei den Säugethieren und
uem Menschen bleiben durchs ganze Foetusleben 2 Aortenbogen,
U'e sich hinten zur aorta descendens vereinigen, und wovon der
®'ue aus dem linken Ventrikel entspringend die Gefässe der obe-
ren Theile des Körpers abgiebt, der andere aus dem rechten
'Sntrikel entspringend die Lungenarterie abgiebt, welche letztere
bach der Geburt selbstständig wird, während der Verbindungsbo-
(ductus Botalli) für den bleibenden arcus ventricidi sinistri
Uder den bleibenden arcus aortae schwindet. Da beim Foetus
Uulangs mehrere Arterienbogen jederseits vorhanden sind, so be-
6''ud't man, wie es kommt, dass der bleibende arcus aortae bei
Uun Vögeln und Säugethieren verschieden ist, bei ersteren von
®chts, bei letzteren von links sich hinter die Speiseröhre wendet,
eim Foetus stehen übrigens auch beide Vorhöfe mit einander
u Cornmunication durch das foramen ovale. Wenn diess Loch
Uder der ductus Botalli nach der Geburt krankhafter Weise of-
bleiben, entsteht Vermischung des arteriösen und venösen
‘Utes und die Blausucht.
, Bei den warmblütigen Wirhelthieren ist der kleine Kreislauf
jUr Lungen kein Theil des grossen mehr, sondern alles Blut muss
j ^uh die Lungen, wenn es in den übrigen Körper gelangen soll.
- üessen besitzen diese höheren Thiere so gut wie alle übrigen
irbelthiere einen kleinsten Kreislauf des Blutes, der ein blosser
nang des grossen ist, den Pfortaderkreislauf. So wie der Rie-
der mit Riemen versehenen nackten Amphibien als
Aft ®.u*ser Anhang der Arterien von diesen beginnt und in die
* j®*"*®*! zurückkehrt, so ist der Pfortaderkreislauf ein blosser
3ng üer Venen, ein Umweg, den ein Theil des Venenblutes
•yypot, ehe es zum übrigen Venenblut gelangt. Es giebt bei den
ielthieren 2 Pfortadersysteme, das der Nieren und das der
<!r’sPij,aioIogic. I,
11
162 I. Buch. Von den organ. Säften etc. II. Abschn. Vom Blutkreislauf.
Leber; ersteres kömmt nur bei den Fischen und Amphibien vof;
letzteres Imi allen, Avie beim Menschen. Bei dem Menschen und
den Süuselbieren l)ilden die Venen der Milz, des Magens, des ,
Darmkanal.s, Mesenteriums, der Gallenblase und des Pancreas die |
ia der Leber nach Art einer Arterie sich verzweigende Pfort-
ader; a>is den Capillargcfässen der Leber, zu Avelchen auch das
Blut der art. hep. strömt, kehrt das Blut durch die Lebervenen
in die vena cava^’nf. zum übrigen Venenblute. Bei den Vögeln,
Amjihibien und Fischen geht zur Pfortader der Leber auch ein
Theil des Blutes der untern Extremitäten, des Schwanzes, des
Beckens, J)e) den Fischen zuAveilen auch der Schwimmblase. Ja-
CODSOX, Nicolai, Bathre. Bei den Amphibien, die ausser den
Kiercnartcrien auch Pfortadern der Nieren haben, geht zu die-
sen ein Theil des Blutes der hinteren Extremitäten und des
Schwanzes. Hier geht das Blut der hinteren Extremitäten, der ^
Baticbmuskeln , des Schwanzes zur Pfortader der Leber und zn |
den Pfortadern der Nieren, und ZAvar bei einigen Amphibien, wie
Fröschen und Salamandern, zu diesen Eingeweiden allein, hei an-
deren (Crocodilen) zum Theil zur vena cava. Bei den Fischen
geht das Blut des Schwanzes und des mittlern Theiles des Bau-
ches bald allein zu den Nieren, wie im Gadus; bald geht das
Blut der hinteren Theile zu den Nieren, zur Leber und vena
cava, AvIe im Raipfen, Hecht, Barsch. Die Pfortader der Leber
erhält bei mehreren Fischen zuw'eilen auch die Venen der Geni-
talien und Schwimmblase, zinveilen gehen diese mit den rück-
führenden Nierenvenen zur vena cava. Jacobson Meck. Arch.
1817. 147. Nicolai Ins 1826. 404. Meckel, der die zuführen-
den Venen der Nieren auch für zurückfülirende hält, stützt sieb
vorzüglich auf die Vögel, avo Jacobson auch zuführende Nieren-
venen liescbrieben batte ; allein die Nichtexistenz derselben bei
den Vögeln, die schon von Nicolai bewiesen Avurde, ist keiä
Grund für die Nichtexistenz derselben bei den Amphiljien und
Fischen, wo sie Nicolai bewiesen hat. Beim Frosch geht daS
Blut der Bauchhaut fast ganz zur obern Hohlvene.*)
‘ i
II. Capitel. Von den allgemeinen Erscheinungen
des R r e i s I a u f s.
Das Herz des erAvaebseneri Menschen im mittlern Alter zieht j
sich 70 — 75mal in der Minute zusammen, in der Jugend häufi-
ger, im Alter seltener; z. B. beim Embryo ist die Zahl der
Eine aiisfiihilichcie Beschreibung der Formen des Kreislaufs in.
Tliierwelt g.ab ich in Burdach’S Physiologie ß, 4., wo folgend®
Druckfehler zu bcrichligen sind: pag. 152 Z. 16 lies er statt sie,
1,54 Z. 10 und pag. 255 Z. 2 lies sitccus calcareus statt s, externu’’^
pag. 160 Z. 3 V. u. lies untern statt obern, p. 164 Z. 13 Hess AnSt
heil statt Anhefton, p. 161 Z. 18 lies von der ‘i'heilung der Aort
impar, p. 169 Z. 9 lies inferior .statt interior, p. 171 Z. 25 ““
26 sind die Worte: wozu aber noch die von mir schon erwähnt^
venae abdominales posteriores kommen, zu streichen.
2. Allgemeine Erscheinungen des Kreislaufs. Herzschlag. 163
Scliläge 150, nach der Gehurt 140 — 130, im ersten Jahr 130 —
115, im 2. Jahr 115 — 100, im 3. Jahr 100 — 90, im 7. Jahr
5*0 — 85, 'im 14. Jahr 85 — 80, im Greisenallcr 65 — 50. Beim
sanguinischen Temperament ist der Herzschlag etwas häufiger als
heim phlegmatischen; ebenso heim wciblicheu Geschlechte. Bei
den Thieren vai'iirt die Zahl der Herzschläge sehr. Bei Fischen
hat man 20 — 24 Schläge beobachtet, beim Frosch gegen 60,
hei Vögeln 100 — 140, heim Kaninchen 120, bei der Katze 110,
heim Hund 95, beim Schaf 75, beim Pferd 40.
Nach dem Essen ist der Herzschlag häufiger, noch mehr bei
hörperliclien Anstrengungen; seltener ist er im Schlaf. Nach Par-
®OT steigt die Frequenz des Pulses, die in der Meeresfläche 70
betrug, bei 1000 Metres darüber auf 75, bei 1500 auf 82, bei
2000 auf 90, bei 2500 auf 95, bei 3000 auf 100, bei 4000 auf
hlO. Froriep’s hiOfizen 212. Vergl. Nick Uber die Bedingungen
der Häufigkeit des Pulses. Tüb. 1826. In Entzündungen und Fie-
bern ist der Puls viel häufiger als sonst; wenn die Kräfte abneh-
»len, häufig und schwach. In Nervenaffectionen mit mehr Unter-
drückung als Erschöpfung der Kräfte ist der Puls oft auffallend
langsamer.
Wird das Herz eines lebenden Säugethieres oder Vogels
hlossgelegt, so sieht man, das die beiden Herzkammern sich
gleichzeitig zusammenziehen, dass die beiden Vorhöfe mit dem
Anfang der Lungen venen- und Körpervenenstämme sich auch
ßleichzeitig zusamraenziehen, und dass die Zusammenziehung der
’Orhöfe nicht gleichzeitig ist mit der Zusammenzlebung der Kam-
*^ern. Bei warmblütigen Thieren geht die Zusammenziehung
der Vorkammern schnell vor der Zusammenziehung der Kammern
''nrher. Die kaltblütigen Thiere haben nur eine Kammer und
*Wel Vorhöfc, aber die nackten Amphibien und vielleicht alle
Attiphibien haben gleich den Fischen einen Theil, den die warm-
dütigen Thiere nicht haben, nämlich einen contractilen Bulbus
der Aorta. Nach iheinen Beobachtungen folgen sich die Contra-
^fionen der Venenstämme, der Vorhöfc, der Kammer und des
**lbus aortae beim Frosch in der Ordnung, wie sie genannt sind,
dass die Zwischenzeiten bei diesen 4 Momenten fast gleich
*'0(1; üie Zwischenzeit von der Contraction der Vorhöfe zur Con-
*'ftction der Kammer ist eben so gross, wie die Zwischenzeit
j'rischen der Contraction der Kammer und der des Bulbus. Ich
*?he mich wiederholt überzeugt, dass Vorhöfe und Kammei
j’rht in gleichen Zwischenzeiten wie die Bewegungen eines Pen-
‘'bwcchseln, wie Oesterreicher {Lehre vom Kreislauf des Blu-
Kürnb. 1826.) behauptet, sondern dass die Zeit von der
’^ntraction der Vorhöfe bis zur Contraction der Kammer klei-
ist, als die Zeit von der letzten bis zur ersten, -dass in der
^egel in den grossem Zeitraum a'Oii der Contraction der Kam-
, l,is Contraction der Vorhöfe gerade die Contraction des
aortae und der Venenslämme bincinfällt. Bei warmblüti-
^ n Thieren sah ich die Contraction der Vorhöfe zuweilen ei-
so^^J'I'^'mente fehlen , was au f Rechnung der Verletzung kömmt,
***t aber immer wie ein sehr schneller Vorschlag vor der Con-
11*
164 L Buch. Von den organ. Säften etc, II. Ahschn. Vom Blutkreislauf
traötion der Ventrikel, so dass die Zeit von der Contraction der
Vorhöte bis zur Contraction der Ventrikel jedenfalls ausserordent-
lieb viel 'kürzer ist als die Zeit von der Contraction der Ventri-
kel bis zur Contraction der Vorböfe.
Nur die Zusnrnmenziebunn (systole) des Herzens ist ein acti-
ver Zustand, die Erweiterung (diastole) ist das Moment der Rübe,
wo die Fasern erschlaffen und die Höhlen des Herzens in den
hiebei entstellenden bohlen Raum das nächste Blut anziehen,
was nach der Anordnung der Klappen zufliessen kann; die Herz-
höhlen sind daher in der Erweiterung, diastole, mit Blut gefiilB
und ausgedehnt. Die von Bichat und einigen andern französi-
schen Gelehrten angenommene active Erweiterung des Herzens
wird durch ein gutes Experiment von Oesterreicher l. c. 33.
widerlegt. Wenn man auf ein ausgeschnittenes Herz vom Frosch
einen Körper legt, der schwer genug ist, das Herz flach zu drük-
ken, und klein genug, dass man das Herz beobachten kann, sO [
sieht man, dass dieser Körper nur bei der Zusammenziehung des
Herzens gehoben wird, dass bei der Erweiterung aber das Her» |
platt bleibt. Hieraus geht hervor, dass die Erweiterung des Her-
zens nach der Contraction kein Muskularact des Herzens ist; in-
dessen können doch die Wände des Herzens in der Diastole nicht i
so schlaff, wie an einem ausgeschnittenen Herzen seyn, selbst !
wenn die Herzhöhle nicht mit Blut gefüllt wäre, well die Capd-
largefässe der Herzsubstanz zur Zeit der Erschlaffung von Blut
strotzen, während sie zur Zeit der Contraction zusammengedrückt
werden, und weniger Blut enthalten können.
Die Bewegungen der Herzkammern würden das Blut sowohl
in die Vorhöfe und Venen als in die Arterien treiben, wenU
nicht die Klappen durch ihren Bau und ihre Befestigung das Aus- j
treiben des Blutes nur in einer gewissen Richtung, und das Ein'
fliessen nur ln einer andern Richtung zuliessen. Die Vorhöl®
können durch ihre Contraction das Blut allerdings auch in di®
Venen zurücktreiben, wenn nicht der Strom des Venenblute»
nach dem Herzen diese Bewegung aufhält, aber der Fluss de*
Bluts aus dem Vorhof in die Kammer ist frei, denn die valvid*
an der Vorliofrnündung ist so befestigt, dass sie das Blut frei >1*
die Kammer strömen lässt; aber bei der Zusammenziehung de^
Kammer verhindert diese Klappe, indem sie durch den Druc*^ ,
des Blutes sich ausbreitet und vorlegt, das Rückfliessen in di® I
Vorhöfe.
Die Bewegung des Blutes aus der Kammer ist frei nach dei*
Arterien, weil die am ostium arteriosum der Kammern liegend^*
taschenförmigen Klappen, valvulae seminularcs, durch den Stro^
des Blutes aus den Kammern nach den Arterien auseinander svci'
eben, dagegen kann das einmal in den Arterien enthaltene
nicht in die Kammern zurück fliessen, weil die Blutsäule dci"
Arterien die taschenförmigen Klappen am ostium arteriosum de^
Kammern herabdrückt und ausbreitet. Das Herz bildet durc
diese Anordnung der Klappen eine Art Pumpenwerk, gleich^''’®
die gewöhnlichen Pumpenröhren mit 2 Klappen versehen sin“’
von denen die eine beim Aufziehen der Pumpenstange das W»®'
2. Allgemeine Erscheinungen des Kreislaufs, Herzschlag, 165
sw durclilässt, sicli nl>er Leim Senken def Pnmpenrtange wie-
der sehliesst, während die andere sich dem Wasser öffnet, die
sich dagegen heim Wiederatifziehen der Stange schtieSst, nni
das Zurückiliessen des schon geförderten Wassers verhindert.
Das ganze Gef ässsystem muss man sieh wälirend der Circula-
tion mit Blut gefüllt denken. Nur die Herzhöhlen ziehcis sich
iedesmal bis fast zur Leere zusammen, obgleich mehrere ßeoh-
achtunsjen zeigen, dass nicht alles Blut hd der-Zusammenziehung
der Kammern in die Arterien fliesst. Aber die Gefässe sind vom
Anfang der Arterien bis in die Capillargefässe, und von dort bis
*ur Insertion der Venenstämme ins Herz, sowohl während der
^usammenzielmng der Kammern, als zur Zeit der Rm’®
gefüllt; nii-gends"ist Luft, nirgends ein leerer Raum im Getasssy-
stein. Die' Zusammenziehung der Aorla-Rammcr kann Z.
in den Arterien enthaltene Blut nur dadurch weiter bringen,
dass sie mit 1—2 Unzen Blut (Inhalt 'der Kammer) mit Gewalt
gegen die in den Arterien enthaltene Blutsäijle drückt, und diese
^liitsäule rückt um so viel Pduirn weiter, als diese 1 2 Unzen
ßlut, mitten durch die Aortenklappen gedrängt, Rauin lu dem
^nfane der Aorta einnehmen. So die Zusammenziehung der
S.aminer nachlässt, hört die Ursache der Bewegung mit, aber das
lilut wird von den elastischen Arterien gegen den Widerstand
der Reibung in den kleinsten. -Gefässen fort getrieben es bildet
hniner>ein Continuurn von den Adrten-Klappen bis in die Capillar-
Seffisse, und fliesst beschleunigt, wenn die Aorten- Kammer wie-
der mit Gewalt mit 1 — 2 Unzen Blut den Anfang der Blutsaule
den Aortenklappen weiter drangt. Auf diese Art muss in ei-
her gewissen Zeit aus den Venen geradb' sö viel Blut Wieder ins
ftorz Strömen, als durch die Zusammenziehuivg der RammerQ
daraus hervor tritt; denn die ganze ühitmasse bildet einen gros-
Zirkel; vom Herzen zum Herzen, einen Zirkel, in dem an
jeder. Steife so viel Blut weiter rückt, als an i'eder andern. Bei
der Zusninmenzielriing der Kammern müssten dieSe fast leer w^er-
d®n, aber diese Leerheit kömmt nicht einmal zu Stande, denn
*uf der Stelle fliesst von den Venen imduVorböfen her wieder
das a torgo gedrängte Blut in die leer werdenden Kammern ein,
hnd eben so ist-es mit den Vorhölenl
Indem ; die Zusammenziehung der Kammern ln ledem Moment
die Blütrnasse in ddm Arteriensystem weiter drängt, werden die
Arterien ausgedehnt , und diesen von der Zusaihinenziehung der
Ratninef heriaihfenden Druck des Blutes gegen die elastischen
^«■lerienwände nennt man Puls. Wir werden später uns mit die-
ser Erscheinung besonders heschäftigen ; hier ist nur zu bcmei-
dass, der 'ftthibave Puls. der Arfeirien. mit der Zusammenzie-
®hng der Kammer bis auf einen ganz nnnierkllchen Zeitunter-
schied synchrobiseh' ist; am den feinsten Gelassen und an denVe-
‘'pn bemerkt man keinen PuU mehr. Mit dem Puls der Arte-
ten muss rriaii den Herzschlag, pulhis.icordis, nicht gleichstellen.
Puls ^1^,. Arterien ist, -vvie schon Soemmerrivg, Corrigas,
Stockes, BuRUAcft fanden und ich wieder finde, um einige i.er-
später als der Herzschlag. Der Herzschlag ist eine den Brust-
166 7. Buch, Von den organ, Säften etc. II. Abschn. Vom Blutkreislauf
wänden in der Gegend der 5 — 6. Rippe mitgetlieilte Erschütte-
rung, welche von dem Anschlag der Spitze des Herzens herrührt.
Aber man weiss leider noch nicht, oh das Herz bei der Zusam-
menziehung oder hei der Ausdehnung von dem aus den Venen
und Vorhöfen zufliessenden Blut an die Brustwnnd anschlägt.
1) Allgemein bis in die neuere Zeit hat man den Herzschlag
von dem Anschlägen während der Zusammenziehung der Kam-
mern abgeleitet Einige haben angenommen, dass die Herzkam-
mern bei der Zusammenziehung sich verlängern, und dadurch
mit der Spilze an die Brust schlagen. Diese Verlängerung exi-
stirt aber nicht. Senac {Teaite de la siruct. du cueur. Paris 174.9.)
hat das Anschlägen abgeleitet von der Ausdehnung der Arterien
durch das Blut bei der Zusammenziehung der Kammern, von
der Anfüllung der Vorhöfe zur selben Zeit, von der Streckung
des Bogens, der AorUi durch den Antrieb des Blutes. Indess ist
es, vvie Carson bemerkt, unrichtig, dass ein gebogenes bowegli- |
dies Rohr hei eingespritzter Flüssigkeit sich strecken müsse, da
der Druck der Flüssigkeit auf alle Wände gleich stark wird.
2) In neuester Zeit haben Corrigan, Stockes und BurdacH
gelehrt, dass dicss Anschlägen des Herzens gegen die Brustwand
von jener grössten Ausdehnung der Herzkammern herrühre, die
von der .Zusammenziehung der Vorböfe bedingt wird, und also
wie ein schneller Vorschlag der Zusammenziehung der Kammern
erst vorher geht. Siehe das Nähere Burdach’s Physiol. 4. p. 219
bis 222.
Ajigeregt durch die Bemerkungen des geistreichen und ver-
dienstvollen BuRDAca, halve ich neuerdings durch Eröffnung- einer
lebendigen Ziege mich über die Ursache des Herzschlags zu ver- •
gewissem gesucht, worauf ich bei früheren Vivisectionen nicht hin-
reichend geachtet habe, um' eine eigene Ueberzeugung zu habeni
Bei dieser Section .einer Ziege, bei welcher Prof. Aujers zngegen
war, konnten wir uns jedoch nicht überzeugen, dass die Ansicht '
von CoRRiGAsr, Stocke.s und Bubdach die richtige ist; vielmehr
haben wir gesehen, dass während der Rückenlage des Thiers das
Herz bei jeder Zusammenziehung. der Kammern sich deutlich et-
was erhob, und dass besonders auch die Spilze nach aufwärts
sich hob. Legte man die Hand auf das Herz, so war die fühl-
bare Erschütterung bei der Zusammenziehung der Kammern sO
gewaltsam und momentan-, dass man den Herzschlag oder da*
Anschlägen an die Rippen von keiner andern Ursache ableiteO i
zu können glaubte, während man bei der Diastole keine Erschüt-
terung liüilic. Man denke sich nicht das Herz während der Di**"
stole von den Brustwänden entfernt. Während des Lebens liegt
das Herz mit dein spitzen Ende an der Bruslwand an-, und di®
Erschütterung der Brustwand von der ZusammenzSchung der
Kammern wird als Herasehlag gefühlt, wobei das Herz sein®
Lage nicht sehr zu ändern brauciit. ■ .
Von dem fühlbaren mnd zuw-eilen aussen sichtbaren Her*'
schlag muss man 2 Töne unl.ci'scheiden, welche man hört, wen**
man das Ohr auf die. Stelle des Herzens anicgt, oder sich ein®* I
Stethoskops bedient. Man kann sie, wie ich finde, auch zuvvei' '
2. Allgemetne Erscheinungen des Kreislaufs. Herztöne. 167
len Nachts an sich selbst hören , wenn man auf der linken Seite
liegt. Diese Töne folgen schnell auf einander hei jedem fühlba-
ren Herzschlag, und lassen, wie der Herzschlag, eine Pause hinter
sich. Ich finde die Zwischenzeit zwischen beiden im Verhältnlss
*ur Pause wie 1 zu 3, oder ohngefähr {■ der Zeit zwischen zwei
Herzschlagen oder ■circa \ Secunde (12 Terzen). Auch linde ich
*>ach vielen mit Ausdauer fortgesetzten Beobachtungen, dass der
erste Ton synchronisch mit dem fühlbaren Herzschlag ist, und
auch fast synchronisch mit dem Puls an der art. maxill. externa,
*ler nur ein Paar Terzen auf den fühlbaren Herzschlag folgt.
Ich hörte den ersten Ton bei einer gesunden Weibsperson nur
man den Herzschlag fühlt, deutlich, den zweiten abei* fast
in ‘ der ganzen Ausdehnung der Brust bis an die Schlüsselbeine.
®ei Schwängern hört man die zwei Töne des Foetusherzschlages
^nreh die Bauchdecken hindurch.
Laenhec hat den ersten Ton von der Zusammenziehnng der
Hämmern, den zweiten von der Zusammenziehung der Vorhöfe
abgeleitet, was indess unzweifelhaft falsch ist, da die Zusammen-
Hehung der Vorhöfe als Vorschlag der Zusammenziehung der
Hämmern vorhergeht. Corrigam, Stock.es, Pigeaux und Burdacu
leiten den ersten Ton von der Zusammenziehung der Vorhöle,
*lcn zweiten von der Zusiunmenziebung der liamrncrn ab. Allein
der Piilä der Arterien ist so gut wie synchronisch mit dem Herz-
schlag^ oder folgt zu schnell (eiil Paar Terzen) auf den fühlba-
ren Herzschlag, der zweite Ton aber auf den ersten Ton und
*^nf den fühlbaren Herzschlag in der Zelt zwischen zwei ilcrz-
- schlagen oder 12 Terzen. Demnach kann der zweite Ton nicht
)(cn der Zasammenziehung der Klammern herrühien, und lolg-
bph könnte den Herzschlag, der mit dem ersten Tone synchro-
“isch ist j. nicht von deP Ausdehnung der Kammern und Zusam-
*®CnzlelHing- der Vorhöfe nach BuRnACH hergeleitet werden.
Wiluiäms 1 erklärt den ersten Ton für Wirkung der Zusam-
***cnziehüng der Katnmfern und Vorhöfe zugleich, als blitzschnell
®öf einander folgend' gedacht, der zweite Ton sey Wirkung der
Hlappen, Df.svihe behauptet, der erste Ton sey Wirkung der
~nsammenzrohpng. der Kammern.^ der zweite. Ton sey Wirkung
'■nrer . Erweiterung.! Siehe Burdacr’s Physiol. 4. Bd. 223.
; 'Han .erkliu-t den ersten Ton für Wirkung der Zusammen-
*iehung .(ler Venlrikcl, welcher die Zusammenziehung der Vorhöfe
j^Kni.sgeht, den zweiten Ton für Wirkung der Ausdehnung der
yciitrikel von Blut, das aus den VörhÖfen vor ihi'er Zusammen-
in die Vcnh-ikel von den Venen her durch die Visa
p- nu’öriit. Froribp’s Blot. 735.
Ich enthalte, mich in dieser schwierigen Frage des weitern
^^^bcils, und Behaupte bloss, was ich selbst ziemlich sicher aus^
zu haben giaubey dass beide Töne nur
Eichung
ströriit.
alte, m
, 7 — Behaupte ...... —
pnnlLeU zu haben glaube y dass beide Töne nur Zeit zwischen
'^ei Herzschlägen. 'dilferiren, dass ;dcr erste Ton synchronisch
* dem fülilbaren Hei^schla^ ist, und duss der Puls der Arte-
cn kaum einige Terzen später folgt, als der fühlbare Herzschlag.
Wenigstens überzeugt bin, dass der fühlbare Ilerzschlag
Zusammenziehung der Kammern ist, so hin ich auch gewiss,
168 I. Buch, Von den organ, Säften etc. II. Alsclm. Vom Blutkreislauf.
dass der erste Ton von der Zusammenzielmng, der zweite von
der Erweiterung der Kammern lierrülirt. (Nach MiCEiiDrE’s neue-
ren UnlersHchungen {arm. d. sc. nat. 1834.) hören die Töne so-
gleich auf, wenn hei einem Thiere die Brust geöffnet wird, und
keliren wieder, wenn man auf das Herz einen harten Körper
zum Ansclilagen auflegt. Er leitet den ersten Ton wie wir von der
Zusammenziehung der Kammern und dem Anschläge der Spitze
des Herzens, den zweiten Ton von dem Anschläge des Herzens
in der Erweiterung an die Brustwande ah.)
Wir gehen nun zur Beschreibung des grossen und kleinen
Kreislaufs über. Den grossen Kreislauf nennt man die Bahn des
Blutes von der linken Hälfte des Herzens durch die Arterien des
Körpers, durch die Venen des Körpers zurück nach dem reckten
Herzen; den kleinen Kreislauf nennt man die Bahn des Blutes
von dem rechten Herzen durch die Lungenarterie nach den Lun-
gen, und durch die Lungenvenen zurück nach dem linken Herzen.
Im Grunde gieht es also keine zwei Kreisläufe, sondern nur ei-
nen Kreislauf mit zwei Abtheilungen der Bahn, so dass in jeder
Abtheilung das Blut durch feinste Gefässe aus den Algerien wie-
der in die Venen übergeht.
a. Kleine BlntbaKn der Lungen.
Das Blut der vena cava inf. und sup. und der grossen Herz-
vene fliesst dem rechten Vorhofe in dem Maasse zu, als der linke
Ventrikel Blut clurcli die Arterien des Körpers treibt. Wäh-
rend der Contraction des Voi’hofes wird das Blut dieser Venen
kuiz aufgehalten; allein so w’ie der Vorhof ersclilalft, stürzt das
Blut der Venen in den rechten Vorbof, und zum Theil schon
in die rechte Kammer, sobald sie crschlalft ist. Nun contrahirt
Vorhof als Vorschlag der Conti-action der Kammer.
' '''i^cctionen sah ich . öfter zwei Zusammenziebungeh des
Vorhofes auf eine Zusammenziehung der Kammer, zuweilen aber
auch die Zusammenziehung der Vorhöfe fehlen. Beides scheint
jedoch Anomalie. Durch die Contraction des Vorhofes wird das
Blut durch diejenige Oeffnung getrieben, welche jetzt nicht ge-
schlossen ist. In die Hohlvenen fliesst das Blut nicht zurück,
weil der Strom des Venenhiutes durch die vis a tergo zum Her-
«n fortdauert, die valvula Thebesii der Herzveile ist durch den
Druck des Blutes im Vorhofe geschlossen. Das Blut strömt also
m die während der Contraction des Vorhofes erweiterte rechte
Kammer, die dadurch auf den höchsten Grad ihrer Anfüllung
gebracht w’ird. Zu der Zeit, wo der rechte Voihof sich wieder
erweitert, um das Blut der Venen aufzunehmen, contrahirt sich
die rechte Kammer, und treibt das Blut, da die valvula tricuspi-
dalis von dem Drucke des Blutes vor der Vorhofmündung der
Kammer ausgelireitet w'ird, durch das ostium ai’teriosum zW*'
sehen den hier aus einander weichenden valvulae semilunareS
in die art. pulmonalis. Aut diese Art gelangt das aus dem Kör-
per zurückkehrende Venenblut durch die Thätigkeit des rechte«
Herzens in die Blutbahn der Lungen. Indessen strömt doch
2. Allgemeine ‘Erscheinungen des Kreislaufs, Kleiner Kreislauf. 169
jedesmal alles Blut des Vorliofes bei dessen Contraction in
Kammer, vielmehr wird ein Theil in die obere und untere
Öoblvene zurückgedrängt. Jedenfalls wird durch die Zusammen-
^iehung des Vorhofes der Zufluss des Blutes von den Venenstiim-
®ien nach dem Herzen aufgehalten, der sonst beständig erfolgen
*ftüsste, weil das Venenhiut beständig durch den Strorn des Blu-
von der linken Kammer durch die Arterien, Capillargefässe
'ind Venen gedrängt wird. Bei Vivisection sieht man die gros-
sen Venen bei jeder Zusammenziehung des Vorhofes anschwellen,
'^^'d bei Tritonenlarven sah ich das Blut in der untern Hohlvene
'^'id den Lebervenen nur stossweise fortrücken. Dieses Zurück-
®trömen muss vermehrt werden , wenn die Kammer wegen ir-
Rend eines Hindernisses nicht alles Blut in die art. pulm. treiben
^«nn, entweder durch Suhstanzveränderung derselben, oder durch
■ erknöcherung der valvulae semilunares, oder durch ein Hinder-
ftiss (Jej. Bluthewegung in den Lungen. Dieser Bückfluss oder
''•pimehr rhythmische Aufenthalt in den Hauptstämmen der Venen
^'*‘d pulsus venosus genannt. Er kann sich nicht weit fortpflan-
weil die Venen zu nachgiebig sind, und die Stauchung nur
nächsten Theile des Venensystems erweitert.
, Das einmal in der arteria pulmonalis enthaltene Blut kann
der Relaxation der Kammer nicht wieder zurückfliessen, weil
Blutsäule die valvulae serninulares oder Taschenventile am'
?*tium arteriosum der Kammer ausbreitet. Die Bewegung des
aus dem rechten Herzen durch die Lungen nach dem lin-
Herzen, der kleine Kreislauf genannt, ist kein wahrer Kreis-
le'»*', indem das Blut am Ende dieser Bahn an einem andern
.*■••6 ankörnmt, als von wo es ausgegangen ist, sondern ist nur
iTheil der Bahn des ganzen Kreislaufes, und Avürde besser
Ungenhlutbahn genannt werden, im Gegensatz der Körperblut-
vvelche zusammen erst einen ganzen Kreislauf bilden. Auf
Lungenblutbahn gelangt das venöse Blut, von immer neuen
'“^'»tmassen aus der rechten Kammer getrieben, ans den Zwei-
der art. pulmonalis in die Capillargefässe der Lungen, duixK
Capillargefässe, wo es im Momente des Durchganges hellroth
J^der arteriös wird, in die venae pidmonales, und sofort in den
‘"jken Vorhof. Die Capillargefässe der Lungen sind, wie über-
> iietzformige Uebergänge der feinsten Zweige der Arterien in
feinsten Zweige der Venen; aber hier mit ausserordentlich
^J’Ren Maschen der Netze. Alle diese Capillargefässnetze sind
in der feinen Membran enthalten und ausgebreitet, welche
Lungenzellen bildet, in die sich die letzten Zweige der Luft-
endigen, und welche eine feine Fortsetzung der Schleimhaut
j.':*’ Luftröhre ist. Da diese von Capillargefässen durchzogene
“’e Membran von Zelle zu Zelle ein Cpntinuum bildet, so muss
sich das Innere der Jjungen, abgesehen von den Luftröhren,
1 ''terien und Venen, als eine im kleinen Raume realisirte unge-
eure Fläche vorslellen, durch zellenhafte Faltungen einer Mem-
^ S^hildet, die von CapillargefässnetzCn durchzogen ist, so dass
Prozess des Alhmens geschieht durch den Contact des Blutes
" der Luft, welche durch die Luftröhre eingeführt, die Wände
170 I. Buch. Von den organ. Säften etc. II. Abschn. Vom Blutkreislauf'
dieser Zellen berülirt, -während die Theilchen des Blutes, in de»
Capillargefässen der Zellenwände bis ins' Kleinste vertbeilt, vor-*
beiströmcn.
Bei den einfacheren Thieren, wie den nackten Amphibien»
bilden die Lungen noch blosse Säcke mit inneren zelligen Vor-
sprüngen. So sind auch die Riemen, die zweite Art des Athem-
Organes, eine grosse Vermehrung der Fläche im kleinen Baume»
aJjer bei den Kiemen ist die Vermehrung der athrnenden Fläche
nach aussen vorspringend, bei den Lungen sackförmig oder nach
innen verzweigt. Auch an den Kiemen vertheilt sich das Blut der
Kiemenarterien in eine ungeheure Ausbreitung durch die Capü'
largef'ässnetze aller Riemenbl'ätter und Blättchen , wovon jede*
seine kleine Arterie hat, die am Ende in eine kleine Vene um-
biegt, während zahlreiche cnpillare Queranastomosen zwischen
beiden in der Breite der Kiemenblättchen statt haben. Bei deO
Fröschen und Salamandern kann man die Bewegung des Blute*
durch die Capillargefässe der sackförmigen Lungen unter dem
Mikroskope beobachten. Siehe die Abbildungen von Cowpe®
Plul. Trans, ahridg. 5. dSl. von den Lungen des Salamanders .vo«*
Prevost und Dumas in Magendie prec. clement. de physioL T. 'T
Die Zwischenräume der Strömehen sind ganz regelmi'issig zer-
streute Inselchen, wie ich sehe, und kaum grösser ails die Ström-
ehen selbst. Noch deutlicher 'sieht man die Bewegung des Blute*
durch die Capillargefässe der Kiemen bei den Larven der Sala-
mander. Ruscopit della circolazione delle laroe delle Scilam. atpiäl-
Pavia 1817. Amours des.Salam, atpiat. Milan 1821., wo -jedoch di®
Quergefässe in den Kiemenblättchen übersehen sind. STEiwnucä
Analecten f. Naturkunde. Fürth 1802. Am genauesten sind Mar*'
HALL Hall’s Beobachtungen über den Kreislauf in den Lungen
der Salamander, Frösche und Kröten. A critical and experimental
essay an the circidatiön oj ihe blood. London 1831. Tab;
Die Zweige der Lungenarterien und Lungenvenen laufen hief
einander immer parallel, so dass in die Winkel der Arterienzweig*’
die Venenzweige, in die der Venenzweige die Arterienzweig®
eingreifen. An den Scheidewändchen der Lungenzellen, die nach
dem Innern der Lunge vorspringen, verbreiten sich ArterieU-
zweige und Venenzweige so', dass die Venenzweigelchen an dem
innern Rande der Scheidewändchen verlaufen. Die letzten Zweig*
der Arterien und Venen enden plötzlich in ein Zwischennetz vo® ]
Capillargefässen, während in allen andern Organen die Verzw®*' i
gung der Gefässchen immer fortschreitet, und erst umnei-kli®** •
in das Capillargefässnetz übergeht. Auf diese Art sind die let*"
ten Zweige der Arterien und Venen überall sieblörmig durchlö^
chert, um das Blut der Capillargefässe abzugeben oder auf*®'
nehmen. Marsiiall Hall’s naturgetreue Abbildungen sind
ausserordentlichem Interesse, besonders Tab. 8. ,
Die Zerstörung der Capillargefässnelze der Lungenzellcn o®
der Lungenzellen selbst durch Entzündung, Eiterung, Entartu®'
gen, hat zwei sehr wichtige Folgen, erstens die Verkleineru®»
der athrnenden Fläche, dessen Folge unvollkommene Ausbilo®®®
des Blutes und zuletzt Abzehrung seyn kann; zweitens Verklem®
2. Allgemeine Erscheinungen des Kreislaufs. Grosser Kreislauf. 171
und Verhinderung der Bluthahn, welche das Blut nehmen
öiuss, wenn es vom rechten zum linken Herzen, und so in den
Sanzen übrigen Körper gelangen soll. Bei den warmblütigen
Tliieren, wo alles Blut die Capillargefässnetze der Lungen passi-
ven muss, um in die Bahn des grossen Kreislaufes zu gelangen,
^uss jede Verkleinerung dieses Capillargefassnetzes der Lungen
*lnrch Zerstörung ein Hinderniss im Kreisläufe des Blutes über-
haupt bewirken, und bei den Lungenkranken müssen Anstrengun-
S'^n des Herzens, Neigung zur Blutanhaufung in den Lungen, und
Disposition zur Lungenentzündung und fieberhafte Aufregung et-
^as Gewöhnliches seyn. Jedes andere Organ kann ganz zerstört
®eyn, ohne dass der Blutlauf in den übrigen gehemmt wird, aber
'^ie Zerstörung der Lungen ist ein allgemeines Hinderniss des
J^reislaiifes , woraus die Warnung hervorgeht, dass die Lungen-
hvanken alles zu vermeiden haben, was noch mehr Hinderniss
J''d Aufregung in dem Kreisläufe verursacht. Es lässt sich auch
hieraus erklären, warum grosse Zerstörungen anderer Tbede,
^enn sie nur ohne beständigen Säfteverlust sind, nicht immer
h'ieher erregen, dagegen die Zerstörungen der Lungen so leicht
**dt hectisehem Fieber verbunden sind. Desorganisationen in an-
deren Theilen bewirken vorzugsweise nur örtliche Hindernisse
Circulation , z. B. Stockungen des Blutes und Austritt von
hiiitwasser in den örtlichen Wassersüchten, in der Bauchw'asser-
*'‘clit nach Desorganisation der Leber etc., ein Ausgang in Was-
®®vergiessung, der bei Lungenzerstörungen verhältnissmässig selte-
ist. Wehn die Capillargefässc der Lungen durch fremde
ftoffe verstopft werden, die ‘in den Kreislauf gelangt sind, wie
5'*vch Oel, Schleim, metallisches Quecksilber, Kohlenpulver, Sebwe-
*®lpulver, die in Venen injicirt worden, so ist der Tod uiiver-
*^6idlich, und folgt sehr schnell, wie Gaspard gezeigt hat.
, Öle Isolation der Blutbahn der Lungen von der Blutbann
übrigen Körpers würde vollständig seyn, wenn nicht die
"•’onchialarterien mit den feineren Zweigen der Lungenarterie
^''Uimunicirten. Bei Verengerungen der art. pulm. und ihrer
.^^ste werden diese Verbindungen stärker. Hören die chemischen
Plünderungen des Blutes in den Lungen auf durch Uiiterbre-
^>ung der Athembewegungen oder durch Athmen irrespirabler
^Psarten, so fliesst kein hellrothes, sondern duiikelrothes Blut
den Lungen zurück.
b. Grosse Blutbahn des Körpers.
Aus den Lungenvenen tritt das arteriell oder hellroth ge-
^'^vdene Blut in den linken Vorhof, und der sogenannte grosse
^•■Pislauf oder richtiger: derjenige Theil der Blutbahn, welchen
Blut im ganzen Körper mit Ausnahme der Lungen beim gan-
^veislaufe beschreibt, beginnt nun, um das arterielle
Vg, , sofort in die Capillargefässe des Körpers, und hier
j. los oder dunkelroth geworden, in die Körpervenen und end-
Vo",.!**™ rechten Herzen zurückzuführen. Wenn sich der linke
«of (gleichzeitig mit dem rechten) erweitert, stürzt das Blut
172 J. Buch. Von den organ, Säften etc. II. Ahschn. Vom Blutkreislauf
der Lungenvenen in den linken Vorliof, und zum Theil schon H'
die linke Kammer, sobald diese ersclilalTt. Die Contraction dieses
Vorhofes treibt das Blut in die erweiterte Kammer, die nun b'*
auf ihren höchsten Punkt gefüllt ist. Bei der nun folgenden Gon-
traction der litiken Kammer schliesst sich die valvula mitralis a'^
der VorhofsölFiiung derselben, und das Blut strömt zwischen den
aus einander weichenden valvulac sctnilunares am ostium arterio-
sum in die Aorta, welche die einmal in ihr enthaltene Blutsaule
nicht wieder zurücktreten lässt, da durch Druck von der Aorta
aus diese Taschenventile ausgebreitet werden. Die Gewalt, womit
sich die linke Kammer zusammenzieht, ist viel stärker als die der
rechten Kammer, auch sind bekanntlich die Wände der ersfern
gegen 3mal dicker als die der letztem, heim Erwachsenen. Diese
Gewalt der linken Kammer musste grösser seyn, da die Körper-
Lahn grösser als die Lungenhahn, und erstere einen ungleich
grössern Widerstand in den Capillargefässen aller Organe durch
Reibung darbietet.
Von der Aorta ans vcrtheilt sich das Blut, mit jedem Her«-
schlage von einer neuen Masse gedrängt, im ganzen Körper md
Ausnahme der Lungen, und geht durch die Capillargefässe in di®
Venen über.
Bei grossen körperlichen Anstrengungen muss die Bewegung
des Blutes in den Capillargefässen in einem grossen Theile de*
Körpers aufgehalten werden durch den Druck der wiederholten
Zusammenziehungen vieler Muskeln. Je ausgebreiteter dieses Flin-
derniss wird', um so mehr gleicht es demjenigen Aufenthalte def
Blutbewegung, der in den Lungen schon durch kleine Hinder-
nisse bewirkt wird. Es stellen sich dann auch ähnliche Wiikuo-
gen ein, die Blutsäule der Arterien setzt der Kraft des Herzen*
einen grössern Widerstand als gewöhnlich entgegen. Das Bh'
circulirt nicht frei und schnell' genug- durch die Lungen un
häuft sich an, so dass zu gleicher Zeit nicht Blut genug athmch
daher die Athembeschwerden bei solchen. Anstrengungen,- di®
man wohl weniger richtig von einem vermehrten Athemhedürl''
niss hei grösserer Muskelbewegung ableitet. Die anhaltende Z“'
sammenziehung der Muskeln bei gewissen Bewegungen , wo e"’'
zelne Glieder dauernd bewegt werden, ist auch mit einer Anhä®
fang des Blutes in diesen Theilen verbunden. Bei einigen Tin®'
ren, welche ihrer Glieder anhaltend zum. Klettern sich bedien®®»
hat die Natur den Aufenthalt der Bluthewegung aus der Zusai®^
mendrückung in den Arterien wenigstens dadurch beseitigt, da
sich die Stämme der Arterien der Extremitäten ganz oder ^
Theil sogleich in eine grosse Anzahl feiner anastomosirender
terien zertheilen, wie hei Bradypus, MYRMECOPnACA, Masis,
HOPS. Die Bildung kommt an den Gefassen der Glied maas*|^|,
und des Schwanzes vor, welche beide beim Klettern g®brau® ■
werden. Carlisle P/üios. Transact. 1800. Vrolik. de
art. extremitatum in nonnuUls animalibus dispositione. Amst. Ib
Meck. Vergl. Anat. 5. 339, *)
Mehrere andere , W»undernetzc sind noch rSthsclhaft, wie das
rctC
2, Allgemeine Erscheinungen des Kreislaufs, Grosser Kreislauf. 173
Die feinen Arterien stehen In jedem Organe, noeh ehe sie in
die Capillargefässnetze übergehen, unter einander in vielfacher
Verhindung, wie jede feine injicirte Membran zeigt, und an vie-
len Stellen erhält derselbe Theil zutülircnde grössere Arterien aus
sehr verschiedenen Gegenden des Gefässsystemes, wie das Gehirn
''on der carotis cerebralis und art. vertebralis. Jedermann kennt
die Verbindungen zwisehen den art. epigast. intercost. marnmar.
®tc. Dicss wiederholt sich an allen Orlen, und da das Capillar-
gefässsystem aller zusarnmenbängenden Tlieile conlinuirlich ist,
so sind alle zufübrenden und abführenden Gefässe in dem contl-
nuirllcberi Capillargefässnetze des ganzen Körpers verbunden, so
dh.ss, wenn das gewöhnliche zuführendc Getiiss eines Tlieils -ver-
schlossen wird, leicht ein neues dessen Stelle ersetzt. So sind
durch die feinsten Arterien und durch die Capillargefässnetze
alle juxtaponirten Theile eines Organes oder mehrerer Organe m
Wechselwirkung gesetzt. Die Capillargefässc des ganzen Körpers,
die Anastomosen der zufübrenden Gefässe bilden auf diese Art
®in ununterbrochenes Netzwei k, welches von unzähligen Arterien
aus Blut erhält, und von verschiedenen Wegen bald unmittelba-
rer, bald mittelbarer von Blut durchdrungen werden kann. Ohne
dass nun neue Gefässe entstehen, durch blosse Erweiterung fiü—
l>erer Communicationen können sich daher neue Wege der Zu-
lähr ansbilden, wenn die gewöhnlichen verschlossen sind, und
ao erklärt sich das Phänomen des Collateralkreislaufes, oder die
Wiederherstellung des Kreislaufes durch einen Theil nach Ver-
®chliessung seines grossen Gefässstammes. Im Anfänge erweitern
•'Ich eine Menge anastomosirender Zweige, und allmähhg bilden
*'ch einzelne stärkere Stämme wieder aus. Bei Phieren lässt
sogar die Aorta ahdoininalis ohne absolut tödtlicheii Erfolg
Unterbinden, dagegen man diese Operation beim Menschen bis-
l'cr zweimal nur mit tödtlichem Erfolge gemacht hat. Dagegen
®ät man beim Menseben schon alle übrigen grossen Arterien-
®tämme, welche zugänglich sind, mit Erfolg, wo es nöthig war,
äiiterhunden. Es sind sogar Erfahrungen vorhanden, dass, wenn
“lln Verschliessung nur allmählig geschieht, selbst die Verschlles-
^ng der Aorta "hinter dem Ursprünge der Arterien der pberen
^beile des Körpers die Entwickelung eines Collateral- Kreislaufes
’l'clit ausschliesst, so dass durch Erweiterung von Anastomosen
art. marnmaria int. und intercost. prima etc. mit den inter-
'^'»stal. doch wieder das Blut in den unter der Verschliessung be-
rairabile mehrerer S.äogelhicre, das aus Gehirnästen der arU carotis
communis bei den AA'icderkäuem und beim Schwein gebildet wird,
und dessen saraintlicbc Zweige sieb erst wieder zur c.irotis c^cbralis
sammeln. Bapp (Meck. Archiv 1827.) zeigt, dass bei den Thicrcn
uiit einem Wunderncu die Vertebralarlerie nicht zum Gehirne gc i ,
und mit der art. caroti.s externa zusammenbängt , wie bei Ziege und
Kalb, oder bei Verbindung mit dem Wundernetzo sieb doch m die
Nackcnmuskeln verbreitet, wie beim Schafe. Aehn Hebe Netze
terien finden sieb in der Augenhöhle der Wiederkäuer, KaUcn, vo^ei
»ach Happ und Barkow (Meck. Archiv 18*29.). Hier entspringen die
Arterien des Bulbus daraus. Bei einigen Vögeln ist an der art. libialis
antica ein Neu,
174 I. Buck, Von den organ. Säften etc. II. Abschn. Vom Blutkreislauf
findlichen Theil der Aorta dnrcli Umwege gelangt. Siehe den
von A. Meckel heobacliteten Fall Archiv 1827. Tab.^. In einein
ähnlichen von Reynaud (Froriep’s liot. 5.37.) beschriebenen Fall®
waren die Haiiptverhindnngen zwischen der Subclavia jeder Seite»
und dem unter der Verschliessung liegenden Theile der Aorta
durch Anastomosen der cervicalis profunda, transversalis cervicis»
intercostalis prima mit den Intercostalarterien , und zwischen der
Subclavia und der Cruralarterie durch directe Verbindung der
mammaria interna und epigastrica bewerkstelligt.
Das durch die Arterien verbreitete Blut, von immer neuen
Blutmassen aus dem linken Ventrikel gedrängt, folgt der durch
die Gefässe verzeichneten Bahn, und geht aus den feinsten Ar-
teilen durch die Capillargefassnetze in die feinen Venen über»
um sich weiter in grössere Venen zu sammeln, und dem rech-
ten Herzen wieder zuzuströmen. Diesen Uebergang kann ma«
in vielen durchsichtigen Theilen mikroskopisch beobachten, sO
dass er nicht allein ein Schluss aus der Bewegung des Blutes ia
den Arterien und Venen, sondern ein Gegenstand der unmittel'
baren Beobachtung ist.
Hierzu dient die Schwimmhaut der Frösche, der Schwan*
junger Fische und der Salamander-, Frosch- und RrötenlarveiV
das Mesenterium aller Wirbelthiere, die Flügel der Fledermäuse»
die Reimhaut des Eies der cierlegenden Thiere. Siehe die Ah'
blldungen der hlutführenden Capillargefässe von der area vasco'
losa des Eies in Pander Entwickelungsgeschicläe des Hühnchens la'
Ei; von jungen Fischchen Doellinger Denkschr. der Akad. def
Wissensch. zu München, Bd.7.; von der Schwimmhaut der Frösch®
Schultz, der Lebensprozess im Blute, Berlin 1822. Marshal*-
Hall tab. 3.; von verschiedenen Theilen der Frösche und Säu'
gethiere Raltesbrunner exp. circa statum sang, et vas. in inflant'
matione. Monach. 1826.; vom Gekröse der Frösche Reichel d^
sanguine ejusque motu. Xi/m. 1767. Marshall Hall a. a. O. tab.L\
vom Schwänze des Stichlings Marshall Hall a. a. O. tab. 1.; voi»
Fisch-, brosch- und Salainanderemhryonen und Larven Bau*'"
CAERTNEK Über Nerven und Blut. Freiburg 1830. Man sieht di®
Blutkörperchen deutlich aus sich verzweigenden kleinsten Arten®**
in nicht weiter dünner werdende Gefässe von netzförmiger B'l'
düng sich ergiessen, und sich aus diesen wieder in dicker vvef'
dende und aus Zweigen sich bildende Anfänge der Venen saä*'
mein. Die Blutkörperchen fliessen in den feinsten Capillargefässe**
einzeln hinter einander, und oft mit Unterbrechung; wenn s’®
einzeln fliessen, sind sie fast farblos, dichter gehäuft erschein®**
sie gelb, noch dichter gclbroth und roth. Bei den noch kräftig®^
Thieren fliessen sie anhaltend ohne Stoss; wenn die Thiere schwa®^
sind und die Bewegung sich verlangsamt, siebt man die stosS'
weise Bewegung, so dass sie zwar immer fort strömen, aber stosS'
weise schneller strömen; bei noch schwächeren Thieren werd®**
sie nur im Momente des Herzschlages fortgetriehen, und weich®'*
dann auch wohl wieder etwas zurück. Wo mehrere arteri®**'
Strömehen in eine Anastomose Zusammenkommen, ist ein
eben immer vorherrschend, und durchströmt die Anastomose »11®**’’’
2. Allgem. Erschein. Pfortadersystem. Geschwindigkeit d. Bluts. 175
sein Blut dem andern Strömchen beiznmengen. So sammeln
^nd tlieilen sicli die Strömchen auch in den netzförmigen fein-
sten Gefassenj, his alles wieder in den Anfängen der Venen ge-
surnmelt wird. Zuweilen verändert sich die Richtung eines Ström-
®liens, wenn ein anderes Strömchen stärker wird, und das frü-
here hestimmende schwächer, je nach dem Druck auf die Theile
Thieres. Alle Kügelchen gehen aus den Arterien in die Ve-
über, und Niemand ist cs leicht begegnet, was Doellinger
Besehen haben wollte, dass einzelne Kügelchen haften bleiben
'^ßd sich mit der Substanz verbinden. Ich glaubte früher zuwei-
len bei stockendem Kreisläufe so etwas zu sehen, aber bei weiter
fortgesetzten Beobachtungen sah ich auch die Kügelchen fort-
^iieken, wenn die Bewegung wieder anhielt. Drückt man das
^lied oder unterbindet man es, so steht alles augenblicklich stille
’^nd kein Kügelchen verändert seinen Ort mehr.
Während des Durchganges des Blutes durch die Capillarge-
^‘Isse wird das Blut dunkelroth. Die Bewegung des Blutes in
den Venen ist nicht stossweise verstärkt, sondern gleichförmig,
^‘ejcnigcn Venen, welche dem Drucke der Muskeln ausgesetzt
®*'’d, haben Klappen, Taschenventile, welche dem Blute die rück-
gangige Bewegung nach den Capillargefässen versperren, wodurch
ifder Druck auf die Venen, statt die Bewegung aufzuhalten, das
r'tit nach dem Herzen befördert. Die Klappen fehlen in den
^6nen der in Höhlen geschützten Theile ganz. In den Lungen-
^®äen hat Mayer unvollkommene Klappen beobachtet. An der
?fortader der Pferde hat E. H. Weber Klappen beobachtet, die
^einj Menschen fehlen.
c. Kleinste Blutbahn des P f or t a dersy stems. /
Die Venen, welche sich zur Pfortader der Leber vereinigen,
’dhren das Venenblut ihrer Theile zur Leber in das Capillarge-
?sssystem derselben, zu welchem auch das Blut der Leberarte-
gelangt. Vergl. p. 161. Auf diese Art gelangt also das Blut
Milzj\les Darmkanales, des Magens, des Pancrcas, des Me-
'^''teriums nicht unmittelbar, sondern auf einem Umwege in die
jjdere Hohlvene. Prof. Retzius in Stockholm hat indess beim
^schen aueh einige feinere Verbindungen ztvischen Darmvenen
li b Zweigen der untern Hohlvene entdeckt, wie er mir brief-
»nitgetheilt hat. Als er nämlich die vena cava und die vena
mit sehr feinen kalten Massen von verschiedenen Farben
b<iirte, fand er, dass das ganze Mesocolon und Colon sinistrum
beiden injicirt war, und dass beiderlei injicirte Gefässe an
Un i Stellen Anastomosen bildeten. Die Venen vom colon
„i ^ öiesocolon, welche dem Systeme der vena cava angehörten,
.Sen zur vena renalis sinistra, und lagen änsserlich, dahingegen
hg^^'gen, welche der Pfortader angehörten, grössten theils nä-
1 Schleimhaut lagen. Auch die äussere Oberfläche des
hatte Injection von der vena cava aufgenommen,
inf bat die v. mesente-rica minor durch Aeste der v. cava
Ungefüllt, und Schlemm hat offene Verbindungen der v.
176 I.Buck, Vondenorgan,\Säftenetc. II.Abschn. Vom Blutkreislauf-
mesent. minor mit Gefässen von der vena cava inf. am
gefunden. Eine Beobachtung, welche uns anzeigt, dass man nüt
Erfolg Blutentziehungen am After in Stockungen und Congesti*^’'
des Blutes, vielleicht sogar Entzündungen des Darmkanales, ma-
chen wird.
Das Blut der Pfortader der Wirbelthiere, und das Blut de''
venae renales advehentes bei den Fischen und Amphibien hat
zum zweitenmal den Widerstand der feinen Kanäle eines Capd'
largefässsystems zu überwinden, ehe es wieder zum Herzen ge-
langt. Bei den Larven der Salamander habe ich die Beohachtui'g
gemacht, dass man den Blutlauf in der Leber mit einem einfa-
chen Mikroskope hei Beleuchtung von oben betrachten kann-
Meckel’s Archiv 1828. Diese von B. Wagker bestätigte Beob-
achtung ist von grosser Wichtigkeit. Man kann liier ganz deu^
lieh sehen, dass das Blut der Pfortader hei dem Durchgang®
durch die Capillargefässe der Leber in die Lehervenen nur i®
den Interstitien der acini verläuft, und man kann hier sogar di®
einzelnen Blutkörperchen, so deutlich wie sonst in durchsichtige®
Theilen, beobachten. Siehe die Abbildung in meiner Schrift d®
gland. penit, struct. tab. 10. fig. 10. Ich habe bemerkt, dass da*
Blut In der Hohlvene, wie in allen Rinnen der Lehervenen, stoss-
weise floss, wahrscheinlich, weil während der Conlraction d®’
rechten Vorhofes das Blut aufgehalten wird, oder wegen der re-
gelmässigen Zusammenziehungen des untern Hohlvenenstammeäf
(die man hei Fröschen sieht). Es ist kein Unterschied in der Färb®
des Blutes in der Hohlvene, in der Pfortader, in den Leherve-
nea zu bemerken.
Nach der allgemeinen Beschreibung des Kreislaufes ist Jeftl
die Geschwindigkeit des Kreislaufes zu untersuchen und auszu-
mitteln, in wie viel Zeit das Blut den ganzen Circultus vollendef
Von der Geschwindigkeit des ausfliessenden Blutes kann ma®
nicht auf die Gescliwindigkeit in den Gefässen schliessen. De®
Ausfluss erfolgt unter dem ganzen Drucke, dem das Blut in de®
Gelassen ausgesetzt ist. ln den Gefässen kann jede neue Bi'd'
massc nur durch Weilerrücken der übrigen Masse fortgeschobe®
werden, und es muss der Widerstand der Reihung in den eng®'
ren Gefässen überwunden werden.
XJeher die Zeit, in welcher der Kreislauf des Blutes volle®'
det ist, sind sehr dankenswerthe Untersuchungen von Hering {Zed’'
Schrift für Physiologie, 3. p. 85.) vorhanden. Aus 18 Versuchen e"*
Pferden hat Hering folgende Resultate erhalten : Die Zeit, we^'
che eine dem Blute unmittelbar heigemischte verschieden stark®
Auflösung von hlaus. Eisenoxydulkall brauchte, um von der ein®®
Jugularvene eines Pferdes durch das rechte Herz, den klein®®
Kreislauf, durch das linke Herz, den grossen Kreislauf bis in
entgegengesetzte Jugularvene zu kommen, ist zwischen 20 und 2®’
und zwischen 25 und .30 Sekunden; von der Jugularvene bis
vena saphena magna nur 20 Sekunden, von der vena jugul- k’*
in die arterla masseterica zwischen 15 und 30 Sekunden, bis !**
die art. maxill. externa einmal zwischen 10 — 15 Sekunden, ®‘.**
andermal zwischen 20 und 25 Sekunden, von der vena jugul. b**
2. Alldem, Erschein. Pfortadersystcm. Geschwindigkeit d. Bluts, 177
die <art, metatarsi zwischen 20 und 25 Sekunden, 25 und 30
Secunden, und einmal mehr als 40 Secunden. Das Resultat war
Ziemlich gleich bei verschiedener Häufigkeit des Herzschlages.
Herihg’s Resultate stehen indess mit der Voraussetzung über die
^enge des Blutes und über die Menge Blut, welche mit jedem
Herzschlage weiter gebracht werden kann, im Widerspruch. Nach
^aiSDERG hatte eine Frau durch tödtliclien Muttcrblutsturz 26
•Ifund Blut verloren, und bei der EnthanpUuig einer Vollblütigen
^ttunelte man 24 Pfund Blut. Wenn man annimmt, dass 2 Unzen
"lut hei jedem Herzschlage des Menschen weiter gefordert werden,
dauert der Umlauf bei 20 Pfund (bürgerl. Gewicht) Blut 160,
"ei 10 Pfund Blut, wie Herbst die Blulmasse des Menschen
®ehätzt, 80 Heritschläge. Ueber die Blutmenge siehe Herbst de
quaniitate. Gotting. 1822. Mit mehr Sicherheit kann man
Uaher annebrnen, dass der Bluturalauf heim Menschen in 80 — 214
Herzschlägen, oder in 1 — 2 Minuten vollendet ist. Vergl. Bur-
*'^ca Physiol. 4. 101. 253.
Die Zeit, in welcher das Blut den Weg von der einen zur
pudern Herzhälfte, oder die Hälfte des Kreislaufes zurücklegt, ist
ly*" verschiedene Organe sehr verschieden. Das Blut, das von dem
’Uken Herzen durch die vasa coronaria cordis zum rechten Her-
gelangt, braucht einen ausserordentlich viel kürzeren Zeit-
*)''Um zu dieser Bahn, als das Blut, welches vom linken Herzen
®in Fasse zuströmt und zum rechten Herzen zurückkehrt, und so
ddet die Circulation vom linken Herzen zum rechten unendlich
verschieden grosse Bogen, wovon der kleinste der dui-cli
Kranzgefässe oder ernährenden Gefässe des Herzens selbst
Der "Weg vom rechten Herzen durch die Lungen zum lin-
y®" Herzen ist kürzer als die meisten dieser Bogen im grossen
^J'eislaufe, und das Blut legt diesen Weg ceteris paribus viel
®bncUer zurück als in den meisten Gefässen, welche zum gros-
" Kreisläufe gehören.
i 1 die Menge Blut, welche im grossen Kreisläufe in
«em Augenblicke enthalten ist, wegen der grössern Bahn aus-
^®"j’dentlich viel grösser ist, als die Menge innerhalb des kleinen
^'Gslaufes , so fliesst doch an einer gedachten Stelle der arteria
"lonalis in einem Zeiträume eben so viel Blut vorbei, als an
gedaehten Stelle der aorta; denn es kann an jedem Orte
Hauptstämme der in sich verschlossenen Bahn nur so viel
abfliessen, als an einer andern Stelle zuströmt. (Dagegen
jj*"' die Circulation in den kleineren Gefässen sehr variiren.)
"kt nian sich ferner die Uebergänge der Arterien in Venen
den Lungen und im übrigen Körper gleich dick, so müssen
Lungen auf einer gewissen Stelle ausserordentlich vielmal
*' Hapillai-gefjisse 'zusammengedrängt sejn, als auf einer gleich
Stelle im übrigen Körper. Diess bestätigt die Beobach-
z^j'>’ "'dein schon in den Lungen der Frösche die Zwischenräume
den Capillargefässen kaum grös
leiner als die C.Tnillarecfässe selbst di
«ch.
össer, beim Menschen
j — als die Capillargcfässe selbst dick sind, wie Cowper,
Marshali, Hali,, Prevost und Dumas (vom Men
ftj., gezeigt haben, und ich wieder
“llc-r’s Physiologie. I.
finde.
12
An den
178 L Buch. Von den Organ. Säften etc. II. Abschn. Vom Blutkreislauf'
Lunten tler Salamander und Frösclie wenigstens sind, wie WEDE-
rEYER und Marshall Halu zeigen, die feinsten Zweige der Lun-
<Tcn"efasse auf den Lungenzellcn gleiclisam sieLförinig durchlö-
cliert, und das Blut fliesst zwischen sehr kleinen Inselclien aU*
dem Siehe der einen Gefussclien in das Sieb der anderen G«'
fässeben über.
Endlicb ist zu bemerken, dass die Gesclnvindigkeit des Blute«
in den kleinen Aesten kleiner seyii muss, als in den Stämmen
der Gefi'isse überhaupt, weil die CapacitVit der Aeste eines Stam-
mes zusammengenommen gi’össer scheint als die area des Stamme«
selbst, ob'deieli dieses Vcrhältniss keineswegs als streng erwiesen
zu beWaebten ist. Denkt man sieb aber alle Aeste eines Organes
vereinigt, und den Kreislauf als eine in sieb zurüekkebrende Bahn
dieses Blutstroms, so gebt an allen Stellen dieser Bahn in gleicbef
Zeit glcicbvicl Blut vorüber, Av'äbrend die Tbeiicben derselben
Masse sieb scbneiler bewegen müssen, wenn die Röhren eng
werden, langsamer in weiten Röhren, so dass dort bei langsame^
Bewemng der Tbeiicben in weiteren, hier bei schnellerer Bewegung
in cimeren Röhren, doch überall dieselbe Masse Blut in gleich
viel Zeit an allen Stellen der Blutbabn weiter gefördert Yvird.
III. Capitel. Vom Herzen als Ursache des
Kreislaufs.
Das Herz zieht sich auf mechanische oder galvanische b''
rilation gleich den anderen musculösen Theilen zusammen. SoESf-
MERRtNG, Bebeemds, Bicuat liabcn den Einfluss des Galvanlsmu|
auf das Herz geliiugnet, allein ich habe häufig HuMBOLnT’.s und
Foweer’s A^ersuebe bestätigt gefunden, und sosvobl bei Fröschen'
als beim Hunde, bei denen die Zusammenziehungen des Heizen^
aufgehört hatten, durch ein einfiiches Plattenpaar oder durch ein®
schwache galvanische Säule die Zusammenziehungen erregt. D»*
Herz unterscheidet sich abör mit den nur unwillkührlich beweg-
lichen Theilen, Darmkanal etc., von den übrigen Muskeln, d««*
der Reiz nicht eine momentane Zuckung, sondern anlialtend cm
Reihe rhythmischer Bewegungen erregt, wie sie den meisten u»'
willkührlich beweglichen Theilen eigen sind. Da das Herz mi
gleich allen Muskeln durch Reize zur Contraction angeregt W’-r*^'
so liegt es sehr nahe anzunehnien: dass das Blut der Herzböhm'
selbst das Herz zu Contractiouen reizt, um so mehr, da das He*"^
sogleich schwächer schlägt, wenn es weniger Blut enthält. D“’
diese Contractiouen rhythmisch sind, hat man sich daraus erkla* ’
dass das Herz durch die Contraction den Reiz, nämlich das Bl»h
nach der einen .Seite entfernt, während diese Orts Veränderung y ^
Blutes wieder die Ursache ist, dass von Seilen der Venen
Herz wieder mit Blut gefüllt wird. Auch Hesse sich biermm^
einsehen, wie die Contraclionen der Vorkammern und Knmine^^
altcrnircn, da die eine ri<)hle durch ihre Contraction die Ursac
wird, dass die andere Höhle sich wieder anfüllt. So nothwen* 'c
indess eine gewisse Bluhrncnge und eine gewisse Anfüllung ®
.3. Ursachen der Herzthätigkeit. Athmen,
179
Herzhöhlen zur Unterhaltung der Thätigkeit des Herzens ist, und
so gewiss jede mechanische Ausdehnung des Herzens von innen
Zusammenziehung in ihm hervorrufen muss, so ist der Reiz des
Hlutes in den Herzhöhlen doch nicht der letzte Grund der
^^ythmischen Zusammenziehungen des Herzens. Denn auch das
blutleere Herz setzt seine Contractionen noch schwächer fort.
könnte das Rhythmische in der Contraction des Herzens
®iieh davon ahleiten, dass jede Zusammenzielmng das Blut in den
Ernährenden Gefässen des Herzens zuriiektreibt, mit dem Auf-
bören der Zusammenziehung aber wieder Zuströmen des Blutes
die kleinsten Gefässe der Herzsuhstanz unter dem heständi-
gEu Drucke des Blutes von den elastischen Arterienhäuten ein-
^ritt, so dass die feinsten Gefässe des Herzens ])ei jeder Erschlaf-
^*iog mit mehr Blut gefüllt werden, diese Anfüllung mit hellro-
^bem Blute nun wieder die Ursache der Contraction wäre. Diese
^Osicht wird aber durch denselben Einwurf widerlegt. Denn
,■*8 Herz der Thiere, besonders der Amphibien und Fische, zieht
*'Eh auch ausgeschnitten und blutleer rhythmisch, bei Amphibien
Stunden lang, und zwar in derselben Folge von Vorhöfen und
^auimer zusammen. Nun könnte man zwar diess von dem Reize
^Er Luft ableiten, und an jenes pag. 56. erläuterte Gesetz erin-
’jErn, dass, wenn ein Reiz auch beständig ist, die Contractionen
boch oft noch periodisch erfolgen können. Allein dasselbe ge-
*Ehleht im luftleeren Raume, und ohne einen inneren Grund
böunte sich nicht die regelmässige Aufeinanderfolge der Ventri-
Eular-Contraction auf die Contraction der Vorhöfe erhalten. Die
,1'sache muss also viel tiefer liegen. Es muss in der Organisa-
bon des Herzens und in der beständigen Wechselwirkung des
^butes in den kleinsten Gefässen mit der Herzsubstanz, oder in
er Wechselwirkung der llerznerven und der Herzsuhstanz etwas
*®86n, was entweder anhaltend wirkt, worauf aber das Herz
bach dem pag. 56. erläuterten Gesetze nur periodisch reagirt,
*^ber das selbst periodisch auf das Herz einwirkt. Die Lösung
'Eser Frage ist unendlich scliAvierig, bei dem jetzigen Stand-
hönkte der Wissenschaft unmöglich.
1) Abhängigkeit des Herzens vom Athmen. Sobald die chemi-
yben Veränderungen des Blutes in den Lungen aut hören, durch
j Erle tzun gen der Nerven, Avelche die Atliembewcgungen aufhe-
oder durch mechanische Hindernisse des AthmenS oder ir-
'Espirahle Luftarten, Avird die Lehensthätigkeit aller Organe ge-
Q. "'acht, und Lei den höheren Thieren sogar schnell aufgehoben.
gleich dann, wie Bichat und Emmert (Reil’s Archiv 5. 401.)
®*eigt haben , die Bewegung des dunkelroth gewordenen Blutes
^"terien nicht sogleich aufhört, und, obgleich das Herz
’p] . dern scheinbaren allgemeinen Tode selbst bei warmblütigen
I *|^®^En noch über Stunde in einzelnen Fällen schwach und
*u schlagen fortfährt, so wird es doch durch Hindcr-
Sch * Athrnens wenigstens so sehr in seiner Wirkung ge-
dass der Kreislauf schon bald nicht mehr unterhalten
Avg„ ^ann; dagegen sich bei allen Thieren, deren Athembe-
0"ngen durch Verletzungen des Gehirns, besonders der me-
12*
180 I. Buch. Von den organ. Säften etc. II. Abschn. Vom Blutkreislauf
dulla oblongata, oder durcli Vergiftung aufgelioLen sind, durch
künstlicli unterhaltenes Athmcn mit Lufteinlilasen und Ausdrüh'
ken, der Kreislauf \iel länger unterhalten lässt. Bel einen*
nach Unterhinduiig der Halsgefässc gcköplten Hunde sah BrO'
DIE unter künstlichem Athmen das Herz noch Stunden .^Sroa'»
und hei einem andern noch Stunden .30mal in der Minute
schlagen. (Reil’s Archiv 12. 140.) Bei den kaltblütigen Thierci*
ist dieser Einfluss des Athmens oder des hellrothen Blutes au*
das Herz viel geringer, denn ich habe Frösche, denen ich die
Lungen unterbunden und abgesebnitten batte, noch .30 Stundet*
bei andauernder Tbätigkeit des Herzens fortleben sehen. D“
nun aber Frösche nach der Zerstörung des Gehirns und Bük-
kenmarkes schneller die Kraft des Herzens verlieren (in 6 Stun-
den hören die Contractionen auf), so folgt hieraus, dass die Fr^
sehe nacli dem Absebneiden der Lungen entweder durch di<!
Haut das Athmen einigei maassen ersetzen können, oder dass seltf
wahrscheinlich das Gehirn und Rückenmark viel nötbiger sind
zur Unterhaltung der Bewegungen des Herzens, als das Athmei'
selbst. Denn Frösche leben, wenn sie weder mit den Lunge»
noch mit der Haut athmen können, in reinem Wasserstolfgaä
doch noch über 12 Stunden, wie ich selbst sah. Es könnte so-
gar die endliche Unterbrechung der Herztbätigkeit nach Unter-
brechung des Athmens grossentheils auch von der Veränderung
des Nervensystems herrühren, die erfolgt, wenn es kein hellro-
thes Blut mehr empfängt.
Die Störung des Krei.slaufes nach Unterbrecliung des Atb-
mens bei den höheren Tliieren ist jedenfalls nicht von dem Col-
lapsus der Lungen bedingt, insofern diese im collabirten Zustand»
dem Durchgänge des Blutes ein Hinderniss darbieten könnten-
Denn wie Bicuat und Emmeht zeigten, dauert die Bewegung de*
Blutes in den Arterien anfangs noch ungestört fort.
Goodwvm hat die Schwächung des Kreislaufes nach Unter-
brechung des Athmens bei den höheren Thieren davon abgelei-
tet, dass der linke Ventrikel kein hellrothes Blut mehr erhalt»i
und vorausgesetzt, dass zur Thätigkeit des linken Herzens diese»
Einfluss durchaus nothwendig sey. Dagegen erinnert Bicbat, das*
das bei nicht athmenden Thieren von den Lungen zum Herz»»
kommende dunkelrothe Blut die Zusamraenziehungen des Herze»»
nicht sogleich aufhebc. Obgleich diese und andere von Bic»-*’^
{rech, sur la vie et la mort) hiergegen angeführte Gründe g»*
nichts beweisen, so ist es doch durchaus nicht wabrscheinlie^**
dass beide Herzhöhlen eine specilische Reizbarkeit für vcrscbi»-
dene Blutarten haben. Denn beim Foetus, wo die Vorhöfc dur»**
das foramen ovale communiciren, und überhaupt kein Athi»»**
in den Lungen, sondern nur eine gewisse Veränderung des Blut»*'
in der placenla bewirkt wird, enthalten beide Herzliäiricn einer-
lei Blut. Wenn das hcllrothe Blut durch eine unmittelbare
kung auf das Herz zur Unterhaltung der Herzbewegung wirkhc
nothwendig ist, so ist BiciiA'r’s Meinung viel wahrscheinliche*»
dass durch Unterbrechung des Athmens das Herz darum sei»®
Reizbarkeit verliere, weil seinen Muskelfasern durch die Kra»*"“
3. Ursachen der Herzthütigkeit. Nervensystem.
181
Arterien oder ernährenden Gefässe des Herzens nun kein hell-
*'othes Blut, sondern dunkelrothes Blut zugefülirt wird. So ge-
wiss nun dieser Einlluss zu seyn scheint, so lässt sich doch nicht
Ermessen, in welchem Verhältniss dieses Bedürfniss zum Bedürf-
®>ss des Nerveneinllusscs auf das Herz steht, indem alle Verän-
derungen des Atlimens auch den Einfluss der Nerven auf die
’^rigeti organischen Thcile verändern.
2) Abhängigkeit des Herzens von den Nerven. Obgleich die
Veränderung des Herzschlages in den Leidenschaften und anderen
Veränderungen des Nervensystems augenscheinlich ist, indem der
Öerzschlag z. B. in allen plötzlichen Leidenschaften, excitirenden
®OAvohl als deprimirenden , anfangs gestört, .dann häuGger, und
*War in ersteren heftig und häufig, in letzteren schwach und häu-
l'S wird, so haben doch Einige diesen Einfluss nicht nöthig ge-
*'ilten zur Bewegung des Herzens. Haller behauptete diese
^tiahhängigkeit, weil das ausgeschnittene Herz sich zusammen
ziehen fortfährt, weil die Reizung der Herznerven nicht jene
Konvulsionen erzeugt, die die Reizung der Nerven in den übri-
8on Muskeln erzeugt.
Die Untersuchungen über diesen Gegenstand beginnen wle-
mit der Arbeit von Soemmerring und Behreuds über die
herznerven' 17.92, welche zu beweisen suchten, dass die Herz-
®*d)stanz gar keine Nerven erhalte, und dass alle Fäden der Herz-
Oerveu in der Substanz des Herzens nur den Häuten der Herz-
Sefässe angehören. Hierdurch schien Haller’s Lehre von der
^Usauirnenziehungskraft der Muskeln bestätigt zu werden, dass
^öilich die Muskeln durch sich selbst und nicht durch ihre
^ochselwirkung mit den Nerven Bewegkraft besitzen, dass die
orven gleich wie die äusseren (mechanischen, electrischen, che-
^*schen) Reize Bewegungen der Muskeln veranlassen, und es
®^St also, dass das ilerz, indem es dem Einflüsse der Nerven
OiUzogen ist, durch das Blut seihst zu Bewegungen gereizt wird.
, oemmerrikq’s und Beurekds Versuche, dass der Galvanismus
. O'ne Zusnmmenziehungen des Herzens bewirke, da er diess doch
!* allen mit Nerven versehenen Muskeln thut, schienen diese An-
'cht noch mehr zu bestätigen. Allein Scarpa zeigte, dass die
^ oi'znerven allerdings auch sehr zahlreich in dem Miiskelflei-
V** des Hei’zens' sich verbreiten, v. Humboldt, Pfaff, Fow-
und Wedemeyer halien durch Galvanismus Zusammenziehun-
des Herzens bewirkt, und mir ist dasselbe sowohl bei Frö-
^oen als Säugethieren gelungen. Humboldt will sogar durch
^alvanisiren der nervi cardtaci bei Säugethieren Bewegungen
Herzens hervorgerufen haben. Ueler die gereizte Muskel, und
■^•'venfaser i. 342. Die Nerven können sonst, wie Burdac« mit
j^ocht bemerkt, auch als feuchte Leiter xvirken, wenn der eine
Sab “vif das Herz applicirt wird. Burdach
^ aber wirklich Verstärkung des Herzschlages eines getödteten
^u^^oohens, als er das Ilalsstiick des sympathischen Nerven oder
eb* Halsganglion armirte. Physiol, 4. 464. Solche Versu-
^0 über die motorische Kraft von Nerven ^ind bloss beweisend,
On die Nerven allein armirt werden, und wenn die galvanische
182 /. Buch. Von den orgein. Säften etc. II. Abschn. Vom Blutkreislauf'
Action sehr schwach ist. Starke Entladungen werden hierbe*
von jeder Stelle aus durch leuchte Leiter, und so durch Nef'
ven, zum Herzen seihst hloss durchgeleitet. Die Versuche voj*
Buudacii, in welchen er hei einem getödteten Kaninchen dui’C'i
Betupfen des synipath. Nerven mit caust. Kali oder ätzendeö'
Ammonium den Herzschlag wieder beschleunigte, sind daher u*®
so interessanter, besonders auch, da hei einem getödteten K-O'
niuchen keine schmerzhaften Empfindungen mehr einwirken, uiw
den Herzschlag verändern können. Dieser Versuch wollte
bei Wiederholung nicht so gelingen. Die Versuche, welche Br*'
CHET {rech, sur le syst, gangliunaire) und Andere über ReizuoS
der Nerven an lebendigen Tliieren angestellt haben, können
Hinsicht des Herzens gar nichts erweisen, da der Herzschlag s”
sehr hei schmerzhaften Empfindungen sich ändert.
Endlich unterscheidet sich das Herz wieder von anderei’
Muskeln, dass es ausgeschnitten und leer, besonders bei kaltbli*'
tigen Thieren, auch ohne Reiz sich zusammen zu ziehen fort'
fährt, .dass cs hierbei selbst die regelmässige Aufeinanderfolge
den Abtheilungen des Herzens beobachtet, Verhältnisse, die ma’’
nicht anders als aus einem specifischen Einflüsse der noch iihr*'
gen Nerven in der Substanz des ausgeschnittenen leeren Herzet'*
erklären kann, welcher somit die letzte Ursache der Contractiä'
neu des Herzens zu scyn scheint, um so mehr, da die ReiLungC'’
der Nerven durch Reizungen des Gehirns und Rückenmarkes^
und Leidenschalten einen so grossen Einfluss auf die Veränderunt'
der Thätigkeit des Herzens liahcn. Rennte man Einflüsse, tr®*'
che die Itclehende Wirkung der Nerven zerstören, ohne zugleic**
das Zusatnmenziehurigsvcrmögen der Muskeln auch aufzuhebc'’’
so würde man diese Frage bis zur Gewissheit entscheiden kö”'
nen; allein die Narcotica, welche an Nerven applicirt, diesen im
Fähigkeit nehmen, auf Reize, die auf die Nerven angchracht W**’’"
den, Bew'egung der mit ihnen verbundenen Muskeln hervorzufä'
fen, wirken eben so auf die Muskeln applicirt und machen s'®
unfähig, durch Reizung der Nerven ihre Zusammenziehungskr*'
zu äussern. Das O.pium auf das Herz eines Frosches angewan** ’
hebt dessen Bewegungen bald auf (obgleich mir diess mit wäs**^^
riger Aullösuug von Opium nicht, so wie Humboldt geling®
wollte). Indessen beweist die plötzliche Veränderung und St®
kling des Herzschlages nach einer gewaltsamen Zerstörung " .
ganzen Rückenmarkes jedenfalls, dass die Nerven des Herz®
einen grossen Antheil an dessen Bewegungen haben.
Ob dieser Einfluss unmittelbar von den Herznerven
ren Quellen, dem Nervus sympathiciis ausgehe, oder ob das ^
hirn und Rückenmark diese Nerven mit dci-jenigen Kraft vcr* .j
hen, wodurch sie die Bewegungskraft des Herzens erhalten, .p
eine andere Frage. Diese Frage wurde zuerst durch Bich>'*^,^(
Anregung gebracht. Bichat trennte gcn.uier die Functionen
physiologisch verschiedenen Nervenstämme , der Cerehro-Sp'®* ,
Nerven und des Nervus sympathicus. Die Nerven des Geh‘'^|,
und Rückenmarkes, w'elche willkührliche Bewegungen veranH^’^j.,
können, wenn sie sich in Muskeln verbreiten, sind in einer
3. Ursachen der Herzthätigkeit. Nervensystem.
183
seil Abliängigkeit von diesen Organen; die TJntcrbrecliung ihres
Zusamnienbanges mit dem Gehirn oder Rückenmarke liebt ‘men
tinlluss 7.ur Erregung AviUkübriieber RcAvegungen auf. Die INei-
''en des Rückenmarkes sind eben so gclalmit, Avenn die Leitung
^wischen ibneii und dem Gcliirn durcli V erlet/.ung des Rücs.cii-
»aarkes aufgeboben ist, obgleicli ein vom Geliirn oder Rücken-
»iiarke gcLreimler Fierve bei meebauiseber oder galvanischer Rei-
bung noch unwillkübrliche Bewegung des mit ilim verbundenen
^luskels bewirkt. Die A'on dem Nervus sympatbicus versehenen
'^lieile, Herz, Darmkaual, Uterus etc., haben dagegen mir uiuvill-
^bhrliche Bewegungen; der Nervus sympatbicus hangt niclit un-
‘nittelbar mit dem Gehirn und Rückenmarke, Avie die Lerebro-
^pinalncrveu, sondern nur mittelbar durch Vermittelung der
^®tztern zusammen. Bichat nannte das System dei Cerciio-
Spinalncrven das animalische, das System des Nervus syinpathi-
‘‘«s das organische Nervensystem, schrieb dem letztem eine ge-
''vlsse Unaldnüigigkeit von Gehirn und Rückenmark zu, und bc-
ti-achtete die Ganglien und Gelleclitc des N. symjiatliicus als des-
sen Ccntralthelle. In der neuern Zeit Ist die nach dem Kreis-
läufe des Blutes zweite grosse Entdeckung gemacht worden, niim-
l‘cb, dass die Spinalnerven, welche durch eine vordere oder bin-
tere Wurzel von dein Rückenmarke entspringen, dusch die vor-
‘lere Wurzel im Stande, sind, Bewegungen in den Muskeln hcr-
'^ui'zurufen, durch die hintere AVurzel, vvelcbe jnit einem Gan-
ülion versehen ist, aber empfindend sind. Belt, hat diese Entdek-
Wig cemaebt, und ich habe beiyicseii, dass meebauische uiu
galvanische Reize, auf die hinteren Wurzeln der Si>inalncrven ap-
Pliclrt, nicht im Stande sind, BeAvegung in den Muskeln zu erre-
gen, zu welchen die Spinalnerven hingeben. Siehi; 111. Buch.
liat nun iu der ueiioru Zeit zu zeigen gesuebtj dass der
^trvus sympathiais m» der Brust mit dem Anlaugo der Spi-
bainerven zusammenhangt, doch bloss mit den hinteren Wurzeln
^er Spinalnerven, nicht aber mit den vorderen in Verbindung
^‘lelic, und dass also der Nervus sympatbicus weder vom Ruckeu-
biiirke aus zur Erregung des Herzens bestimmt Averden könne,
boeli sellist motorisebe IWaft besitze. Scarva de ganglüs ne, yorum
^eijue origine .<;/ cssenUa n. intcrcostalis ad H. Webeiu ylnnal. imi-
‘'«'■■s'. d. medicina. Nßgg. e Giugn. 1831. Wutzer’s und. meine ei-
fteiien Untersuchungen, so wie die von Ret/.itjs und Mater, nalien
*bdess gezeigt, da-ss Sgarva’s s|)ätere Ansicht unrichtig ist, und
•lass die raini commiinicantes inlcr n. sympalhleum et nervös spi-
bales, soAvohl von der Aordern motorischen, als von der hintein
“«usihelu Wurzel der Spinalnerven ihre Faden erhalten. Siehe
blECK.EL’s Archiv 1831. 1. /T. 85. u. 260.
Mit der üntersuclnmg dos Einllusscs des Rückenmarkes und
*^cbirns auf die Bewegungen des Herzens hahen sich auf cxperi-
‘,^iiteUeni Wege besonders Legallöis, Philip, TREvmAsus, Nasse,
’^ebemeyer, Cliet und Flotjrevs .beschäftigt.
Legallois trat mit neuen Tliatsaclien in seinem Werke (ca.;?.
le prinr/pe de la t>ie. Paris 1812.) hervor, nach Avelchen der Grund
184 I. Buch. Von den organ. Säften etc. II. Abschn. Vom Blutkreislauf-
ier Herzthäti'gkeit nur in dem Rückenmarke gelegen seyn sollte. LS'
QALLOis Beweise lassen sich auf folgende Hauptpunkte reduciren.
Zerstört man hei einem Tliiere den Cervicaltheil des Rücken-
markes und die medulla ohlongata , so hört das Athmen wegen
der Zerstörung der Quelle der Athemnerven, nämlich der inc-
dulla ohlongata und des Rückenmarkes, auf. Der Herzschlag dau-
ert schwächer noch fort, ohne längere Zeit den Blutlauf unter-
halten zu können, und die zur Unterhaltung der Circulation nö-
thige Stärke der HerzheAvegnng lässt sich durch künstliche Re-
spiration nicht ervvecken. Die theilweise und in Pausen aufein-
ander folgende Zerstörung des Rückenmarkes unterhält die Her*-
Lewegung länger als die plötzliche Zerstörung.
Der Kreislauf des Blutes hört auch auf, wenn man nur den
untern Theil des Rückenmarkes durch Einstossen eines Griffels
vernichtet. Auch dann wird er durch künstliche Respiration
nicht wieder erregt.
Aus diesen Versuchen schloss Legat.lois, dass der Nervenein-
fluss auf die Herzthätigkeit von dem Rückenmarke ausgehe , und
zwar nicht von einem bestimmten Theile des Rückenmarkes, son-
dern von dem ganzen Rückenmarke. Wenn diess wahr ist, schloss
Legaluois, so wird nach Zerstörung eines Theiles des Rücken-
markes die Nervenkraft des unversehrten Theiles nicht mehr hin-
reichen, das Herz zur Bewegung der ganzen Masse des Blutes zn
erregen. Allerdings wird sie aber hinreichen, bei künstlichen»
Athmen das Blut durch einen Theil des Gefässsystems zu treiben-
Legallois schloss weiter, dass, wenn man nach partieller Zerstö-
rung des Rückenmarkes den Weg des Blutes durch das ganze
Gefässsystem, durch Unterbindung einzelner Gefässe einschränke,
der Blutlauf in diesen eingeschränkten Theilen noch unterhalten
werden könne. Und lege man die Ligatur immer näher den»
Herzen an, so würde man einen immer grössern Theil des Rük-
kenmarkes ohne Unterbrechung des Kreislaufes zerstören können-
Legaleois unterband an Kaninchen die Aorta in der Gegend dci"
Lendenwirbel, und zerstörte das Lendenmark. In anderen Fällen
schnitt er den Kopf ab, als er die Carotiden und Jugularvenei»
unterbunden, und zerstörte das Halsraark, indem er den Blutlatif
durch die künstliche Respiration unterstützte, und in noch grau-
sameren Versuchen nahm er die ganze untere Hälfte des Körper*
weg, nachdem er die grossen Gefässe unterbunden. In allen Fäl-
len dauerte der Kreislauf zwischen dem Herzen und den Ligä-
turen längere und kürzere Zeit fort, und in manchen FälleO;
nach Legallois Aussage, noch länger als — Stunden.
Aus diesen Versuchen schloss Legallois, dass der NervO*
sympathicus nicht unabhängig sey, dass er nicht bloss mit den*
Rückenmarke Zusammenhänge, sondern von ihm entspringe, un<l
dass es der eigenthümliche Charakter dieses Nerven sey, all®
Theile, in welchen er sich verbreitet, unter den Einfluss der nio-
torischeu Kraft des ganzen Rückenmarkes zu setzen. Das beriebt-
erstattende Comite glaubte, dass diese Versuche alle Schwierig'
keiten lösen, die sich früher über die Bewegungen des Herzen*
erhoben haben, wie namentlich, warum das Herz dem Eiuflu**®
3. Ursachen der Herzlhatigkeit. Nervensystem.
185
^er LeiJenscliaften unterworfen sey, warum es niclit dem Wil-
*6n gehorche, warum die Circulation in den hirnlosen Missgehxir-
*^6n oder Aceplialen bis zur Gehurt fortdanere.
Dass indessen Legallois Versuche nicht das ganze Verhält-
''•ss zwischen Gehirn, Rückenmark und dem sympathischen Ner-
ven aufgeklärt haben, ist durch Wilson Philipp’s Versuche ge-
zeigt worden. Untersuchungen über die Gesetze der Functionen des
liebem. Stuttg. 1822. Wird ein Thier durch einen Schlag auf
^®n Hinterkopf der willkührlichen Bewegung und der Empfindung
"ßraubt, so hört die Respiration auf, die Herzhewegung dauert
®l>er noch fort, und kann durch künstliche Piespiration noch
lange unterhalten werden. Wird nun das Rückenmark und Ge-
"irn ganz entfernt durch Ausschneiden, so schlagt das Herz den-
j’oeh fort, aber schwächer als gewöhnlich. Auch wenn das Rük-
^enmark und Gehirn mit einem heissen Stahe zerstört wird, dan-
in der Regel die Bewegung des Herzens fort. Philip schliesst
hieraus das Gegentheil der Resultate von Legallois, nämlich dass
die Thätigkcit des Herzens dem innern Grunde nach unabhängig
von Gehirn und Rückenmark. Aber beide Organe, Gehirn
höd Rückenmark haben gleichwohl nach Philip’s Versuchen ei-
h^n grossen Einfluss auf die sympathischen Affectlonen des sym-
pathischen Nerven und des Herzens.
Philip sah, dass, wenn er Weingeist auf das blossgelegte
^^hirn oder auf das Rückenmark aufträiifelte, die Bewegung des
^®ezens sich vermehrte, deutlicher, wenn der Weingeist auf den
M^lstheil des Rückenmarkes , schwächer , wenn er auf den Lum-
i'dtheil applicirt wurde. Opium und Tabaksabsud w irkten ebenso,
reizende Wirkung trete bei dem Opium und Tabak vor der
^'rcotischen ein, denn allmählig werden nun die Bewegungen des
^®i'zens langsamer. Diese Reize wirken durch das Gehirn und
dekenmark noch immer auf die Eingeweide, wenn sie durch
• i'ohirn und Rückenmark keinen Einfluss mehr auf die willkühr-
l'cli
'®n Muskeln haben. (Von allem diesem sah Marshall Hall
Gegentheil. Weder Opium noch Weingeist brachten Be
fehlem, igjing hervor, und Öpiumvergiftung vernichtete bei dem
^jirrkrampfe auch den Kreislauf.) Das Herz steht nach Philip
allen Theilen des Gehirns und Rückenmarkes in Relation,
l^'^isse willkührliche Bewegungen aber nur mit gewissen Theileu
Gehirns und Rückenmarkes. Philip hat auch gezeigt, dass der
’^duss des Geh irns und Rückenmarkes' auf den N. sympathicus
yd die Eingew'eide sich ganz verschieden zeigt nach der Art der
^Hetzujjg, Wird das Gehirn zerstört durch Ausschneiden einzel-
Jh't oder das ganze Gehirn entfernt, wird das Rückenmark
n 1 ®***®®i heissen Stabe langsam zerstört, so schlägt das Herz
'"'ie vor noch geraume Zeit schwächer; allein die Herzthä-
jA ist gebrochen , wenn die Zei’störung schnell und wie zer-
5^,j^**'®tternd geschieht. So wenn das Gehirn eines lebenden Fro-
Jiii ^'”6™ Hammer zerschmettert wird, so reagirt das Herz
®*^hwach und langsam mehr, es liegt halbe Minuten still,
non das Rückenmark schnell txnd gewaltsam zerstört, so
die Bewegung wieder für eine Zeitlang erloschen. Nachher sam-
186 I.Buch. Vond.organ.Säftenetc. lI.Abschn. Vom BbitkreislanJ-
melt sicla die Contractionskraft wieder. Clift sah das Herz der RaT'
pfen nach Zers törung des Rückenmarkes noch 11 Stunden schlagen.
FnouRENs schliesst nach seinen Versuchen an Fischen, das*
die Thatigkelt des Herzens nur vom Athrnen ahliiinge, und das^
sie aufhöre dui’c)i Aufhebung der Atliemhewegungen bei Ver-
letzung der medulla ohlongala, von welcher die AthembeweguO'
gen ahhängen, dass hei Fischen, deren Atliemhewegungen allen’
Von der medulla ohlongata ahhangen, und nach Verletzung de®
Rückenmarkes deswegen Ibrtdauern können, auch der RreislaU’
deshalh fortdaurc. Dagegen hat M vRShalt, Hai.l [an essay on
circidaUofi. Loitd. 1831.) hei Fischen auch nach Zerstörung de’
medulla ohlongata den Kreislauf sehr lange fortdauern gesehen-
Marshali. Hall lasst indess das Herz immer in einer hedingteO
Abhängigkeit vom Rückenmarke und Gehirn sejn. Vergl. TrevI'
RAKUS Biol. 4. 644., Clift Phä. Trans. 1815., Wedemever PUysioj-
Unters, über das Nervensystem und die Respiration, llaniiov. 181’-
Nasse in Hork’s Ardi. 1817. 189. Flourens Versuche über
Eigenschaften und Verrichtungen des Nervensystems. Leipz. 1S2'1-
Eine ausführliche Prüfung von Leoallois Versudien, und ein®
lichtvolle Darstellung der ganzen Streitfrage hat Nasse gegehei'-
Nasse Untersuch, zur .Lebensnaturlehre. Halle 1818. Vergl. Lund Phf"
siol. Resultate der V iviseci Ionen neuerer Zeit. Kopenh. 1825. 162-
Fasst man die Resultate von Legallois, \Vilson u. A.
den schon bekannten Thatsachen zusammen, dass das ausgeschnit-'
lene Herz, besonders hei Amphibien und Fischen, noch lange foi4'
aeblügt, 'dass, deprimirende All’ectionen des Nervensystemes d*®
E-raft des, ■ Herzschlages schwächen, und dass mit der nervöse”
Qhinpacht auch Schwächung des Kreislaufes verbunden ist, so folgi).
,1) Dass Gehirn und Rückenniark einen grossen Einfluss a”*
die Besvegung des Herzens, haben, dessen Bewegungen heschlc”'
rtigen, verlangsamen, schwächen und verstärken können.
2). Dass die Herzhewegung aber nach der einfachen Tre”'
nung des Rückenmarkes und Gehirns vom Körper noch eine Zeif"
lang fortdanert (nach Flourens bei Kaninchen mit Pulsation d”*'
Qarotiden unter künstlicher Respiration über eine Stunde), da*’
die .Herzbewegungen aber viel schiväober sind, und der Kreisln“
nicht vollständig längere Zeit unterhalten wird.
;, 3) Dass die Bew-egung des Herzens auch beim Hera”*'
schneiden des Herzens, also bei der Trennung desselben vön de’“
grössten Theile des N. „sympathicus nicht sogleich aufhört.
Rückenmark und Gehirn stehen nicht zu dem Herzen
einem solchen Verhältnisse, dass die Entfernung der ersteren gf'
ivide das Princip der Bewegungen in dem Herzen aufhebt; d‘®
Herznerven können noch einen Thell des belebenden Einflus*®*
enthalten,, sel.bst derjenige Theil derselben, der noch in ei”®“*
ausge-schnilteneti .Herzen. «ntbaltcii ist. Aber Gehirn und Rücke”'
mark müssen gloiehu-.olil als eine Hauptcpielle des Nerveneinflus*^
überhaupt angesehen werden, ihre Verniclitung schwächt dasH“*^,
in hohem Grade, so dass es ZAvar noch lange sich bewegt, “^*"1
nicht mit der zur Unterhaltung des Kreislaufes nothwendig®^
vollständigen Kraft. Wenn es ein Mittel giebt, den Grad A’®'
3. Ursachen der Herzthätigkeit. Nervus sympathicus. 187
Abliängigkeit zu messen, so ist es das von Nasse angeweh-
*iete. Er jnaass die Hölie des Blutstromes aus einer durchschnitte-
•>en Arterie im normalen Zustande, zerstörte hierauf das Rük-
^enmark oder einzelne Tlieile desselben, und fand nun, dass der
^lutstrom nach einigen Minuten in einem der Verletzung ange-
*iiessenen Grade abgenommen batte. Auf Jeden Fall ist aber der
^Grvus sympatbicus vom Gcbirn xuid Rückenmarke durebaus
•licht in der Abhängigkeit wie die Cerebrospinalnerven. Diess
ßebt allein schon aus der Eeobaebtung hervor, dass bei Fi-
schen sich die Contractionen des Herzens nach Zerstörung des
Gehirns und Rückenmarkes selbst noch einen halben Tag lang
^i'halten.
Eine noch grössere Unabhängigkeit vom Gehirn und R.ücken-
•Harke scheint die Blutbewegung bei hirn- und rückenmarklosen
Missgeburten zu haben. Allein wir besitzen über diese Monstra
Hoch nicht hinreichende anatomische Kenntnisse, um sie auf eine
Hitscheidende Art zur Lösung der schwebenden Frage anzüwen-
den. Bei den bemicepbalen Missgeburten wird das Gehirn meist
durch Gehirnwassersuebt zerstört, und dieselbe Krankheit kann
HUch das Rückenmark zerstören.
Bel den kopflosen Missgeburten fehlt in der Regel (nicht
irtimer) auch- das Herz, und die Gefässe bestehen in der Regel
••ur aus zwei Gefässsystemen , welche nicht durüh die Stämnie,
Sondern durch die Capillargefässe Zusammenhängen, so dass die
^abelgefässe Zweige dieser Stämme sind. Tlie.T>miA^v'.‘ytnalomie'd,
^Pfl. Missgehurten. Landsh. 1813. Nur in dem Wirrsrow’scheü
valle (Tiedem. p. 71.) hing die Nabelvene mit den! Arterienstamme
Zusammen, wie beim Embryo das Herz eine gleiebe Umbi-egung
des Venenslammes in den Arterienstamm ist. Es ist' nitht anzu-
Hßbmen, dass bei den acepbalen Missgeburten ohne Hörz Wicht
•loch ein Kreislauf stattgefunden habe. Eine Stelle der Gefäss-
*b'>mme selbst kann hier durch Zusammenzje'hang da^ Herz er-
fHh-t haben, wie denn das Herz 'bei dem Embryo in frühester
^cit nicht von der Form eines Gefässes ab weicht. liWetin nun
Cin Kreislauf stattfand, so konnte er ohne Gebifn die längste
pCit bestehen, ja da auch das Rückenmark in einigen dieser Fälle
Rillte, so scheinen diese Äfonstra den Beweis zu liefern, ' dass d^r
:^i'eisiauf des Blutes in ihrem doppelten GefässsystemC 'oluie den
influss des Gehirns und Rückenmarkes geschehen kann, und
“o clie contractilen Tbeile der Eingeweide, die vom sympatbi-
chen Nerven versehen sind, von dem Gehirn und Rückenmarke
Sanz und gar unabhängig seyn können. . .
Rhacuet [recherclies experimentales sur les fonctions du Systeme
^Igl/onairc. Paris 1820.) bat die Fälle von Acepbalis' gesamhielt,
ci denen auch das Rückenmark ganz fehlte. Vergl. Meck.
, I. Elbett de acep/ialis. Berol. 1-821. Besondei’s merkwürdig
^ der Fall von Ruvscu {thesaur. anat. IX. p. 17. Uah. 1. ßg. 2.)^
^,0 freilich an dem Mutterkuchen eines -woblgebildeten Foetus
j .'•H untere Extremität hing. Eine Frucht, die fast au^ einer
j. ossen Extremität bestand, an einem Nabelstrange hing. Und Ge-
'isse, Arterien und Venen, und einen kui’zen Stumpf von Rük-
188 I. Buck. Von den organ, Säften etc. II. Abschn. Vom Blutkreislauf
kenmarb enthielt, hatEMMEHT (Meck. Arch. 6.) beschrieben. Vgl-
den ähnlichen Fall Hayn monstri unicum pedem referentis de-
scriptio anatomica, Berol. 1824. In mehreren Fällen hat die Er-
klärung des Kreislaufes in der Missgeburt ohne Herz und Rük-
kenmark keine Schwierigkeit, wenn die Gefässe des Monstrums
bloss Zweige der Gefässe des Nabclstranges eines andern gesun-
den Foetus sind, wie in RuDOLPni’s Fall, von einem Monstrum;
das 'aus einem blossen Kopf bestand {Abhandl. d. Akad. zu BeA-
1816.). Ehen so in dem von mir beobachteten, ganz ähnlichen
Fall von einem Kopf, der durch eine Arterie und Vene mit den
Habelgef ässen eines vollständigen Rindes zusammenhing. Muel-
ler’s Archiv 1834. 179. Vergl. den Fall des rudimentären Mon-
striuns, das Gurlt {palhol. Anat. 2. Bd, tab.lG.ßg. l — 4.) ah-
bildet. PiuDOLPHi erklärt den Kreislauf der übrigen herzlosen
Monstra so, dass das Blut der Mutier vom Mutterkuchen durch
die Nabelvene zum Foetus gelangt, die sich in ihm gleich einer
Arterie vertheilt, und dass die Arterien des Foetus das Blut zum
Nabel und Mutterkuchen zurückbringen. Encyclop. JVörlerhuch
der med. IVissensch. I. 226. Diese Erklärung ist aber sehr ge-
wagt, da die Gefässe des Foetus oder Muttei-kuchens nicht ei-
genilich mit den Gefässen des Uterus Zusammenhängen.
Dass der .sympathische Nerve lieim Embryo zuerst entstehe,
ist eine sonderbare, bloss hypothetische Behauptung von Acker-
mann. Auch ist es zu tadeln, dass der sehr verdiente BolandO
die erste Spur der Bückenwirbel beim Vogeleinbryo zur Seite
des Rückenmarkes für Ganglien des N. sympathicus erklärt.
.Nicht allein Gehirn und Rückenmark, sondern der Lebens-
zustaad aller Organe, und dadurch der ganze Organismus, wirken
durch die begleitenden Nerven der Blutgefässe auf den Sympa-
thikus zuilick, und bestimmen seine ihm eigenthümliche motori-
sche Kraft zur Wirkung. Die beständige Quelle der Zusammen- t
Ziehung des Herzens ist daher primo loco die motorische Krall i
des Nervus sympathicus. Aber die Ursache für die Erhaltung der
letztem, und ihre Erregung ist nicht allein Gehirn und Rücken-
mark, sondern sind wahrscheinlich die Lebensreize aller Organe,
welche durch die Gefässnerven auf die Centraltheile des Sympa- |
thicus zurückwirken. Hierdurch wird cs möglich, dass eine ört'
liehe Krankheit kranke GemeiTigefühle im ganzen Körper erregh
und jede heftige örtliche Krankheit den Herzschlag und Pnb
verändert.
Die Veränderungen, welche die feinsten Wurzeln des Sy’’)'
pathicus in irgend einem Theile durch örtliche heftige Rrankhei' ■
ten erleiden, und die Rückwirkung dieser Veränderung auf
Centraltheile des Nervus sympathicus, die Herznerven und Geliecht®?
so wie auf das Gehirn und Rückenmark, scheinen eine llaiipl'
rolle in jenen Erscheinungen zu spielen , die w'ir Fieber nenne"'
Ueber den Einfluss der einzelnen Regionen des Nervus syi"'
pathicus auf die Thätigkeit , des Herzens hat man noch keine B"'
obachtungen. Man weiss nur, dass in 13 Versuchen von
MEH die Durchsebneidung des Sympathicus am Halse überhaup
4. Von d, einzelnen Tlieilen d. Gefiisssystems. Arterien. Puls. 189
gar keine erhebliclie Folge hatte, t. Pommer’s Beiträge zur JVa-
tur^ und Heilkunde, lleilhronn 1831.
Da mehrere Hirnnerven mit dem N. sympathicus in inniger
Verbindung stehen, und da insbesondere der JV. vagus an der Zu-
sammensetzung der Herzgeflechte wesentlichen Anlheil hat, so wäre
es sehr wünschenswerth,' auch den Einfluss dieser Nerven auf die
'Thiitigkeit des Herzens zu kennen. Emmert bemerkte nach Durch-
«chneidung des N. vagus nur eine geringe Störung im Kreisläufe.
l^iCHAT und Legallois erklären mit Recht, dass die Veränderun-
gen in dem Herzschlage nicht mit Sicherheit der Dnrchschnei-
flüng des Nerven zugeschrieben werden können, da sie eben so
gut von Schmerzen und Furcht herrühren können, und dass sie
keinesfalls bedeutend sind.
IV. Capüel. Von den einzelnen Theilen des
Gefäs ssystems.
a. Von den Arterien.
Die mittlere Arterienhaut besteht aus kreisförmigen platten
Vasei'n und Faserhündeln, welchen die Arterien ihre grosse Ela-
^ticität verdanken, d. h. ihre Fähigkeit naeh vorheriger Ausdeh-
*"*ug wieder sich zu verengern, eine Eigenschaft, die ihrem Ge-
^ ehe physicalisch zukömmt, und auch nach dem Tode noch län-
gere Zeit bis zur Zersetzung in ihnen bleibt. Dieselbe Faserhaut,
‘*‘6 man wohl von Muskelfasern unlerscbeidcn muss, ist die Ur-
®®che, dass die Arterien auch im leeren Zustande nicht collabi-
sondern walzenförmig bleiben, und dass sie der grössern oder
g^ritigei’n Anfüllung sich anpassen. Von den Muskellasern unter—
®^>ieidet sich dieses nur den Arterien, nicht den Venen zukora-
*^^6nde Gewebe auch in chemischer Hinsicht, wie Behzelius ge-
*®‘gt hat. Die Muskelsubstanz ist weich und schlalf, und enthält
J^ehr als | ihres Gewichtes Wasser. Die Arterienfaser ist trok-
und sehr elastisch, Muskelsubstanz verhält sich chemisch wie
. “serstoff des Blutes, ist aullöslich in Essigsäure, schwer löslich
hfineralsäuren, mit denen sie schwer auflöslicbe Verbindungen
.fldet. Die Arterienfaser ist unauflöslich in Essigsäure, aber
,*cht auflöslich in Mineralsäure, und diese Auflösung wird we-
von Alcali noch von Cyaneisenkalium gefällt, was geschehen
wenn sie Faserstoff enthielte. Diese Renntniss ist wich-
*b tür die Untersuchung der Bewegung des Blutes in den Ai'terien.
Eom Puls.
n In den Arterien fliesst das Blut mit stossweise verstärkter
.eschwindigkeit, die Gewalt seines Stromes vermehrt sich mit je-
neuen, ‘durch die Contraction des Ventrikels in die Aorta ge-
»ebenen Blutwelle. So sah Hales das Blut in der in eine Arterie
g®hrachten Röhre bei jedem Pulsschlage um 1 oder einige Zoll
^®'gen. Da nun das Blut der Arterien durch die Haargefässe
des Widerstandes, den es in diesen engen Röhren erleidet,
scLnell entweiclien kann^ tvls es in die Ai'terien getrieben
so übt das Blut in den Arterien gegen ihre elastischen
190 I. Buch. Von den organ. Säßen etc. II. Ahschn. Vom Blutkreislauf-
Wände einen Druck aus, -vFodurcli es wie jede comprimirte FIÜS'
sigkeit nach allen Richtungen auszuweichen strebt. Diesen Druck
des Blutes auf die Arterienwände hei der Contraction der Ven-
trikel fühlt man an ihnen als Puls. Der Puls der Arterien isl
also irn Allgemeinen synchronisch mit der Zusaramenziehung der
Ventrikel; diese letztere ist seine Ursache.
Die elastischen Wände der Arterien müssen in Folge dieses
Druckes bei jedem Herzschlage ausgedehnt werden, und zur Zeit
der Diastole der Ventrikel vermöge ihrer Elasticität wieder auf
ihren vorigen Zustand reducirt werden. Diese Ausdehnung der
Arterien kann in der Länge und in der Breite erfolgen, und sie
erfolgt in der That in beiden Richtungen , aber in der Länge
viel merklicher als in der Breite. Die Arterien werden im Mo-
mente des Pulses der Länge nach ausgedehnt, und deshalb ver-
schieben sie sich und schlängeln sich und strecken sich wiederum
zur Zeit der Ruhe des Ventrikels; sie rverden aber auch im Mo-
mente des Pulses ein wenig in der Dimension der Breite aus-
gedehnt. Die Ausdehnung in die Breite i.st von Rudolphi, La-
MURE, Arthaud, Parry lind Doellihger geläugnet worden. Da-
gegen haben sie Bicbat, v. Walther, Tiedemaks, Meckel, Ha-
STiiic.s, Magendie und Wedemeyer gesehen. Die Erweiterun" der
Arterien im Puls muss jedenfalls kleiner seyn, da sie nicht immer
gleich deutlich wabrgenommen und von mir selbst nur zuweilen
deutlich gesehen wurde. Dass sie aber existirt, davon kann sieb
jeder Beobachter an der ganzen Verzweigung der arteria pnlnio-
nalis beim Frosche überzeugen, wo man nicht allein die Schlän-
gelung der Arterien, sondern auch ihre Erweiterung gleich deut-
lich siebt. Ausserdem habe ich die Erweiterung der "aorta abdo-
minalis beim Frosche und einmal vollkommen deutlich beim K.»'
ninchen gesehen. Vergl. E. II. Weber Anatomie T. 3. p. 6'
Poiseuille (Magexdie Jou?-n. T.9. /J. 44.) hat durch einen inge-
niösen Versuch sogar die Grösse der Erweiterung an den Arto-
rien gemessen. Er entblösste die carotis communis eines lebei*-
digen Pferdes auf 3 Decirnetcr, und schob eine oll'ene Röhre vo" '
weissem Blech, die durch ein schmales Deckelstück verschlicss- ;
bar war, darunter. Mit diesem Stücke verschloss er die RöhfO
wieder, verschloss die Enden mit Wachs und Fett; den inner''
Raum der Röhre um die Arterie herum füllte er durch eine >"
die Röhre eingesetzte Glasröhre von aussen mit Wasser an. 5®'
jedem Pulsschlage stieg das Wasser in der 3 Millimeter weite"
Glasröhre um 70 Millimeter, und fiel um eben so viel jedesui"^
darauf. Das eingeschlossene Stück Arterie war 235 MiH'"'’ i
lang, und nahm 2106 Quadratniilim. Raum ein; da es nun durd'
jeden Pulsschlag 3mal 70 = 210 Quadratmillim. an Umfang
nahm, so folgt, dass es ungefähr um seines Raumes aiisg"' .
dehnt wurde.
Man nimmt gewöhnlich an, dass der Puls in allen Arteri®"
bei verschiedener Entfernung vom Herzen gleichzeitig sey. We'''"
BRECHT, Liscovius lind E. H. Weber {Adnotat. analom.) haben
dess das Gegentbeil gezeigt, und in der That ist es leicht, si®"
vom Gegentheil der Behauptung von Bicuat zu überzeugen.
4, Vojt d. einzelnen Theilen d. Gefässsfsiems. Arterien. Puls. 191
Ä.rterien piilsiren in der Näte des Herzens isochroniscli mit der
^ontractlon des Ventrikels, denn der pulsus cordis ist die Zu-
^amrnenziehung der Ventrikel, der pulsus artcrlarum aber die bier-
<Jurch lind durch den Druck des Blutes bewirkte Ausdehnung der
A.rterien. Allein bei grösserer Entrernung vom Herzen ist der Puls
^er Arterien nicht mehr ganz synchronisch mit dem Herzschläge,
Und varilrt davon nacli Webeä um i Secunde. So ist der
^nls der ail. radialis schon um etwas später als der Puls der
uarotis communis. Der Puls der maxill. ext. dagegen, bei unge-
fähr gleicher Entfernung vom Herzen, isochroniscli mit dem Puls
der art. axillaris. Der Puls der art. mctatarsea auf dem Fuss—
^’iicken um etwas später als dei' Puls der maxill. ext. und der
f'nls der carotis comm. E. H. Weber hat in der Abhandlung
(de puisu non in Omnibus arleriis plane synchronico) die XJrsa-
®lien dieses Zeitunterschiedes gezeigt. Wäre das Blut von ganz
festen Röhren eingeschlossen, deren Wände keiner Ausdehnung
fällig wären , so xvürde sich der Stoss des von der Herzkammer
*U die Arterien getriebenen Blutes bis zu den Enden der Blut-
®'äule mit derselben Schnelligkeit fortpflanzen, mit welcher der
^uhall durch diese Flüssigkeit sich fortpflanzt (d. h. viel schneller
der Schall in der atmosph. LuR); dann würde der Druck des
^'utes mit einem ganz unmerklichen Zeitverlust bis zu den Enden
'(«r Arterien sich 'fortpflanzen. Da aber die Arterien einiger Aus-
dälinung in die Breite und noch grösserer in die Länge fähig
*'ud, so bewirkt die Zusammendrückung des Blutes vom Herzen
ääs zunächst nur die Ausdehnung der nächsten Arterien. Worauf
diese durch ihre Elasticicität sich wieder zusammenziehen, und
die nächsten Forsetzungen der Arterien durch das comprimirte
"jät ausdehnen, die auch wieder durch ihre Zusammenziehung
d'G nächsten Thcile ausdehnen und so weiter, so dass ein, wenn
^äeli noch so kleiner Zeitraum verstreicht, ehe die AVelle, d. h.
sciccessive Zusammendrückung des Blutes, Erweiterung und
Verengerung der Arterien Ijis zu den entfernten Arterien gelangt.
7 Eber vergleicht diess mit der Fortpflanzung der Wellen, die
in einen See geworfener Stein bewirkt. Auch diese W^ellen
pflanzen sich nicht mit der Schnelligkeit des Schalles fort. Die
' clinelligkcit dieser Fortpflanzung ist vielmehr nach den Versu-
7*ea der Gebrüder Weber {IF elknlelire. Leipz. 1825. p. 188.) in
2.3 Zoll tiefen Wasser 5^ Par.’ Fuss in einer Secunde. Bi-
äXT verwechselte die Bewegung der Wellen in einem Flusse mit
^®>ner Strömung, und glaubte, der Puls rühre nicht von den fort-
*r \^®itenden AVellen, sondern von dem allem Arterienblute
Zeit mitgetheilten Stoss her. Die Bewegung derWel
r, -»ici z.eil mitgetueiiten ocoss ner. jluc Bewegung uci
aber immer von der durch Stoss bewirkten fortgepflanzten
scillni.«.^^ niemals von der Strömung ab, so dass das Wasser w-
sich hebt und senkt, aber an seinem Orte lileibt, wäh-
j, ” ’^’eUe sich hebt und senkt, aber an seinem Urte nleibt, wan-
sf;. fliß Welle und Oscillation weiter fortschreitet , die also be-
lei r 'S in anderen Theilen Wassers stattfindet. Daher auch die
yXp Körper auf den Wellen sich zxvar heben und senken,
** bei dem Fortschreitcii der Wellen an ihrem Orte hleiben.
Zur Fortpflanzung des Pulses wird eine continuirliche Blut-
192 I. Buck. Von den organ. Säften etc. II. Ahschn. Vom Blutkreislauf
säale erfordert; wären die Arterien an einzelnen Stellen leer,
würde, wie Weder seliliesst, die Fortpflanzung des Pulses viel
langsamer seyn oder ganz unterbrochen werden. Denn von Blut
leere Stellen der Arterien müssten erst vom Strome des Blutes
gefüllt werden, ehe der Stoss sich fortpflanzen könnte, und def
Strom des Blutes ist doch Jedenfalls viel langsamer als die Fort-
pflanzung des Stosses. Daher leitet es Weber ab, dass der Puls
in einer aneurysmatischen Arteriengeschwulst mit dem Herzschlag®
und dem Puls anderer Arterien nicht synchronisch ist. Denn da*
Coagulum im aneurysmatischen Sacke oder nicht ganz mit Blut
gefüllte Räume desselben können ein Hinderniss der Fortpflan-
zung des Stosses seyn. Nach allem diesem ist der Puls der Ar-
terien die TVirkung der fortgepflanUen Oscillation in den Arterien-"
häuten und dem Blute der Arterien, welche ihre Ursache in dein
Drucke des Blutes vom Herzen aus hat. Weber adnotat. unatonn
et physiol. prolus. I.
Weber hat noch weitere sehr nützliche Bemerkungen über
den Nutzen der elastischen Haut der Arterien mitgetheilt. In dem
Zeitraum von einem Herzschlage zum andern rückt das Blut in
der Aorta nur um so viel weiter, als das vom Herzen ausgeflos-
sene Blut Raum in dem ersten Stücke der Aorta einnimmt, d. h-
einige Zoll. Die elastische Haut der Arterien bewirkt aber durch
ihren beständigen Gegendruck, dass das Blut nicht bloss absatz-
weise, sondern ununterbrochen vorwärts gedrückt wird; das Blut
fliesst aus einer geöflheten Arterie ununterbrochen, und der Strom
wird nur in den grösseren Arterien w’ährend Jedes Herzschlages
augenblicklich verstärkt, eine Verstärkung, die nm so weniger
merklich ist, Je kleiner die spritzenden Arterien sind. Weber be-
merkt, dass das Herz einige Aehnlichkeit mit den Feuerspritzen
habe, dass aus ihm die Flüssigkeit durch periodisch Aviederholte
Stösse ausgetrieben wird. Der Zweck beider Instrumente erfor-
dert es aber, dass die Flüssigkeit ununterbrochen ausströme, diess
ist in beiden dadurch bewirkt, dass bei Jedem Drucke dieser
Pampenwerke nicht nur die Flüssigkeit fortgestossen , sondern
auch ein elastischer Körper gespannt w'ird, welcher auf die Flüs-
sigkeit zu drücken und sie auszutreiben fortfäbrt, während das
Pumpenwerk -selbst nicht drückt. Dieser elastische Körper ist
bei den Arterien die elastische Wand derselben, bei den Feuer-
spritzen die in ihrem Windkessel über dem Wasser befindlich®
Luft. Weber l. c. de utäitate parietis elastici arteriarum. Anatoim^^
3. p. 69. (Es ist eben so mit dem Regulator der Gebläse.) B®*
Verknöcherung verliert sich diese Elasticität, daher die Anlag®
zu Schlagfluss, Gangrän etc.
Durch ihre Elasticität besitzen die Arterien die merkwürdig®
Fähigkeit um so enger zu werden , Je -weniger sie Blut enthal-
ten, und, wie beim Blutflusse aus durchschnittenen Arterien, ans-
treiben können. Wenn eine Arterie durchschnitten ist, so wir^
der Blutstrom allmählig immer kleiner. Bei einem Pfei’de, das Huif-
TER zu Tode bluten Hess, fand er, dass die Aorta um mehr ah
Yö, die Iliaca •^, die Cruralls sich im Durchmesser verengerte®»
und dass Arterien von der Dicke der art. radialis im Mensche»
4. Von d, einzeln. Theilen d. Geßisssyst. Arterien, ContraciUitUt. 193
Jjis zum Schliessen sich verengten, ABERUETnr physiol. lect. 224.
Je starker die Kraft des Herzschlages ist, um so mehr werden die
Arterien ausgedehnt, und um so mehr Blut ist in ihnen im Ver-
lüUtnlss zu den Venen enthalten; je schwäclier der Herzschlag ist,
'»m so mehr kann die Elasticität der Arterien dem Antriehe des
Blutes das Gleichgewicht hallen, um so enger sind die Arterien
'md um so weniger Blut enthalten sie im Vcrhältniss zu den Vc-
«en. Diese Folge tritt vor dem Tode ein, daher zum Tlieil die
Jilutleere der Arterien nach dem Tode; sie sind eigentlich gros-
sentheils nicht ganz leer, sondern viele enthalten so viel Blut, als
im verengtesten Zustande zu fassen vermögen. Bei einer Vi-
'^isection kann eine unverletzte Arterie ihren Durchmesser all-
'^'ählig verkleinern, wie Pahiiy, Tiebemasn und auch ich gesehen
^ähen. Diess braucht man aber weder von dem B.eize der Luft
öoeh überhaupt von der vitalen Contraclilität der Arterien ahzu-
‘®iten, sondern es ist eine nolhweudige Folge von der vermin-
'^®rten Kraft des Herzens.
Die iiltereu Schriftsteller und mehrere neuere haben die nach
Ausdehnung der Arterien erfolgende elastische Zusammenzie-
^Ung der Arterien fälschlich für einen Muscularact, und die Fa-
der Arterienhaut für Muskelfasern gehalten, wovon sie sich,
Bebzelius gezeigt hat, in jeder Hinsicht unterscheiden. Die
Fähigkeit, sich nach der Ausdehnung zusammenzuziehen, behalten
Arterien noch lange nach dem Tode, Tage lang, und die
^toss-vvrelse in die Arterien gestorbener Thiere getriebenen Flüssig-
keiten bieten dieselben Erscheinungen des Pulses und der darauf
}'’lgenden Zusammenziehung dar, wie im lebenden Körper. Man
für die nicht existirende Äluscularcontractilitiit verschiedene
'*Hinde aus der vergleichenden und pathologischen Anatomie hei-
S^hracht, welche gar nichts beweisen. Allerdings ziehen sich das
Spfäsaartige Herz der Insecten und die Hauptgefässstämme, nicht
®mtnat alle Gefässst ämme der W^ürnier, wie hei den Blutigcln,
örch Muskularcontraction zusammen. Allein diess sind eben die
tei'jen jener Thiei’e, tind es lasst sich zeigen , wie das Herz hei
niederen Thieren immer mehr die Form eines länglichen
y’^hlauchcs annimmt, wie es denn hei dem Embryo in frühester
• nur ein erweiterter Theil des Gefässsyslems ist. Das Herz
j '• daher ln der Thierwelt überhaupt, nur der mit Muskelsuhstanz
/"kleidete und contractile Theil des Gefässsyslems, der bald kurz,
."‘d lang ist. Man hat auch für die Muscularcontractilität der
j, Herien die kopflosen Missgeburten angeführt, hei denen das Herz
regelmässig fehlt, und deren Circulationssystcm aus zwei Ge-
ij^®®®ystemen besteht, die an zwei verschiedenen Stellen, nämlich
Set- Placenta und in den Organen des Körpers, durch Capillar-
asse Zusammenhängen , allein hier ist wohl das Herz auf die
0 |"che Schlauchform reducirl; in manchen Fällen sind auch die
des Acephalen nur Acsle der Nabelgefässe eines zweiten
Sß|^’’kändigen Embryo. Vergl. p. 187. Der bulbus aortae der Fi-
lic}*^ nackten Amphibien zieht sich allei’dings ganz deut-
®eh was Spallanzabi, Wedemeyer und ich hei Frö-
und Salamandern gesehen, und ich habe auch sellsst den
Ittiill
cr's Physiologie. 1,
13
194 /. Buch. Von den organ. Säften ete. IJ. Ahschn. Vom Blutkreislauf-
bulbus aortae der Frösche an der abgescbnittenen Aorta nocli
sieb ganz
vollkommen und so deutlich wie das Herz selbst zU'
sammenzieben gesehen. Allein dieser Theil ist von der Aorta
ganz verschieden, gehört zum Herzen nnd ist jenen Thieren, wel-
che durchs ganze Leben oder in der Jugend einen Kieraenkreis-
lauf haben, eigenthümlich. Man sieht hier gerade ganz deutlid»?
dass die Aorta der Frösche über dem deuUrch muscnlösen Bul-
bus wahrend der Contraction des letztem keine Spur von Coo-
tractilität besitzt, und es ist vollkommen unrichtig, wenn SrALtAJ*-
[de’ fenomeni della circolazione, Modena 17734, der sonst g®'
*]iar 1_ t H A a « ^ ^ i*^T
ZATJl
gen die Muscularcontractilität der Arterien streitet, behaupte^
die aorta dcscendens der Salamander bewege sich ausgeschnitten
noch fort. Makshall Hall wollte bei dem Frosche und der
Kröte eine auch nach Entfernung des Herzens noch pulsirend®
Arterie gefunden haben, die über dem grossen Querförtsatze de»
dritten Wirbels hergehen soll. Diese Beobachtung ist indess feh-
lerhaft. An dieser Stelle habe ich allerdings ein eigenes pulsireu-
des Lvmphherz gefunden, das aber mit keiner Arterie, wohl aber
mit einer Vene zusammenhangt. Siehe Abschn. 3. ,Cap. 2. Die oS-
cillirende Besvegung des Blutes nach Unterbindung der Aorta de»
Frosches, wobei das Blut unregelmässig bald eine Strefcke vorwärl*
rückt, bald Avieder zurücktritt, ist auch kein Beweis für MuscU-
larcontractlon der Arterien, obgleich es Hall dafür anfuhrt. Die*»
hängt ganz von der fortdauernden Elasticität der Arterien und voO
mechanischen Hindernissen ab. Die vena cava der Fische besitz*
nahe am Herzen Muscularcontractilität, und zieht sich nach NvsTEj^
auf galvanischen Reiz zusammen. Nysten l. c. p. .351. Dless sah
auch Wedemeyer bei warm- und kaltblütigen Thieren. 1. c. P-
Nach meinen Beobachtungen ist diess vollkommen richtig; irh
sah die Stämme der untern und der beiden oberen Hohlvenen d®*
Frosches, der Lungenvenen und Hohlvenen bei jungen warmblü-
tigen Thieren ohne Reizung sich dentlich rhythmisch contra-
hiren und die Venenstämme des Frosches sich auch nach abg®'
schnittenem Herzen und Vorhof rhythmisch zusammenziehen'
aber die übrigen Venen zeigen keine Spur von Contractilität, »r®'
der nngereizt noch gegen galvanischen Reiz, und wenn FlourZI*-
regelmässige Contractionen der Hauptvenenstämme - des Unterleib®^
beobachtet hat, so rühren diese wohl oflonbar von den von »n'
entdeckten Lymphherzen des Frosches her, welche- die Lymp*’
in die venae jugulares und ischiadicae hineinpumpen. Das Ca**-
dalherz des Aals am Ende der vena caudalis ist contraotil, ab*
die Vene selbst durchaus nicht. So scheinen auch die Arterl®*'
der Brustflossen der Chimaeren nach Duvernöy, und der Zitt®®
rochen nach J. Davt accessorische Herzen zu habfen. Man b®
für die Muscularcontractilität der Arterien den Umstand
führt, dass der Puls an den gleichnamigen Gliedern zuweilen • ^
Stärke verschieden ist, wie in Lähmungen; allein hier sind
dere örtliche Ursachen vörhanden, und diess kann erklärt werd®®j
In gelähmten Gliedern ist die Wechselwirkung zwischen Blut
Substanz vermindert, sie sind schlalF und welk, und oft wenig
ernährt. Dagegen die vermehrte Wechselwirkung zwischen Sn
4. Von d. einzeln. Ilteilen d. Gefilsssfst. Arterien. ContractilitiU. 195
stanz und Blut in activen Congestionen einen grossem Zufluss
des Blutes und starkem Puls durcli verstärkte organische Aflini-
tät Bewirkt. In entzündeten Theilen wird der Puls stärker ge-
fühlt, bei der Anhäufung des Blutes und dem gchejnmten Durch-
gänge durch die Capillargefässe. Dass aber der Puls in ver-
scbiedphen Theilen an Frequenz verschieden sey, darüber existirt
keine zuverlässige Beobachtung, und es ist unbegreiflich, wie
Schriftsteller heut zu Tage ein solches Mährchen ohne Prüfung
üacherzählen können.
Der Ausfluss des Blutes aus einer an zwei Stellep unterbun-
denen Arterie beim Anstich, ist auch nur eine Folge der elasti-
schen Contraction der Arterien. Man hat endlich für die Muscu-
darcontractilität der Arterien und ihren 'vitalen Anlheil an der
Bewegung des Blutes angeführt, dass die gangraena senilis vor-
zugsweise bei Verknöcherungen in den Arterien stattfindet. Al-
lein Wedemeyer bemerkt, dass die gangraena senilis zuweilen
ohne diese Verknöcherungen, und die Verknöcherungen ohne
gangraena senilis verkommen, so dass die gangraena senilis noch
andere Ursachen zu ihrer Entstehung erfordert, und das alte
Balsum cum hoc, ergo propter hoc nichts erklärt. Siehe über
Alles diess : Wedemeyer 1. c. Wenn nun alle bisherigen Gründe
für die , Musöularcontractilität der Arterien auf nichts beruhen,
sind offenbare Gegenbeweise gegen die Contractilität derselben
''Drhanden.
Bebzelius bemerkt mit Becht, dass die stärksten galvanischen
*^*04 elektrischen Reize keine Spur von Contraction an den Artc-
•"ieii erregen. Nystes [rec/iere/i'es de physiol. et pathol. cliimiques,
•Born 4811,) stellte öfter galvanische Versuche an der Aorta kurz
''Qrher enthaupteter Verbrecher an, bemerkte aber keine Spur
^un Contraction. Derselbe entdeckte keine Spiir von durch Gal-
vanismus en'egter Contraction an der aorta ahdominalls der Fische.
Mellon Bichat hatte ähnliche Resultate erhalten p dann hat Wed e-
^Eyer an vielen Thieren mit einer galvanischen Säule von 50
■\lattenpaaren an den Carotiden^ und an der aorta thoracica nie
ainei Spur vdn, Muscularcontraction bemerkt; ich habe sehr oft
Galvanismus als Prüfungsmittel hierzu, benutzt, .und weder
uei Fröschen mit geringen und starken galvanischen Reizen, noch
Säugethieren , namentlich Kaninchen, mit einer . Säule von
, “ 80 Plattenpaaren die gearngste Spur von Contraction bewir-
®n können. Man hat zwar bemerkt (Bichat, Treviramus), dass
VV^h das Herz nicht empfänglich für den galvanischen Reiz sey,
®von Humdoedt gerade das Gegentheil beohachtete. (Ueier die
^eeizte Muskel- und Nervenfaser 1797. /. .340.). Allein Pfaff, J.
Meckel, Wedemeyer haben auf entschiedene Art diese Em-
l änglichkeit am Herzen bemerkt, und ich selbst habe nicht al-
jjj** an dem schon ruhenden Froschherzen mit einem einfachen
attenpaar Zusammenziehung auf derÄtelle erregt, sondern auch
dessen Herz schon zu schlagen aufgehört hatte,
di I ^ Reiz einer Säule von 40 Plattenpaaren auf der Stelle
^ ^.^^^^Beste Contraction erregt. •
Der mechanische Reiz bewirkt so wenig als; der : galvanische
1.3*
196 I. Buch. Von den organ. Säften etc. II. Absehn. Vom Blutkreislauf-
Reiz Contractlonen der Arterien. Dagegen ist es nicht zu laugnen,
dass manche chemische Substanzen, z. B. Mineralsäui-en, salzsanref
Kalk, an den Arterien Zusainmenziehiingen bewirken; sie thin*
diess aber niu’, indem sie eine eberaisebe Veränderung in der Sab-
stanz der Arterien bervorbringen , was oft davon abbängt, dass
der Sid)stanz ein Theil ihres Wassers entzogen wird. Weber’s
Anat. .3. Diese Veränderungen beweisen nichts für die Muscular-
contractilität der Arterien. Die Reizbarkeit der Muskeln dauert
hei Sängethieren nie über J Stunden nach dem Tode, in der Re-
gel viel kürzere Zeit; jene Veränderungen lassen sich aber noch
Tarfe lang nach dem Tode, und zwar nicht allein an den Arte-
rien, sondern auch an anderen Tbeilen, welche keine Musculär-
contractilität haben, erzeugen, wie an der Haut. Sab doch ZiM-
meumann (de irritabilitate. Göll, 1751.) selbst das Fett von Schwe-
felsäure sich znsammenziehen. Tiedemann und Gmeliu sahen, dass
Schwefelsäure Arterien -zusammenzog, die schon ein Jahr in Wein-
geist aufbewabrt waren. Versuche iiher dieJVege etc. 68. So er-
zeugt auch, wieWEDEMETEn bemerkt, heisses und kochendes Was-
ser noch am 4. Tage in der menschlichen Haut eine der Muscu-
larcontraction sehr ähnliche Contraction und Kräuselung, und ähn'
liehe Zusammenziebungen kann man mit Säure in längst erstor-
benen Muskelfibern, am Bauchfell, in der äussern Haut erzeugen-
1. c. p. 75. Alles diess beweist, dass die meisten thierischen Theile?
ohne Unterschied, ob sie Muscularcontractilität besitzen oder
nicht, Segen chemische Einflüsse durch Aeusserung von cbemi-'
scher Affinität im lebenden und todten Zustande Zusammenziehun-
gen zeigen können, w'elcbe aber von der Muscularcontraction
ganz verschieden sind, welche letztere nach dem Absterben der
Theile nicht mehr erregt werden kann, und welche nicht allein
auf chemische Einflüsse, sondern auch auf mechanische und gal'
vaniscbc Einflüsse deutlich und schnell sich äussert. HastiWG*’
hat sich in seiner Abhandlung über die Irritabilität der Arterien
(über Entzündung der Schleimhaut der Lungen, übers, v. Busch.
men 1822.) getäuscht, indem er die durch chemische Mittel verur-
sachte Zusammenziehung fiir Muscularcontraction hielt, und' be-
sonders auch darin , dass er die auf die Erweiterung oder de"
Puls der Arterien folgende Zusammenziehung- derselben nicht
ihrer Avahren Ui’sacbc erkannte, die als Elasticität del Arterien'
wände so. gut in den todten und mit Flüssigkeit stosSweise cing®'
spritzten Arterien, als während des Lebens alle Phänomene er-
zeugt, welche man eben durch eine nicht zu rechtfertigende An-
nahme erklären wollte. Vergl. Parhy über die Ursache des artf-
Pulses. Hannoo. 1817.
Aus allen diesen Thatsachen folgt, dass rhythmische Muscn-
larconti’actionen der Arterien durchaus nicht bei dem Kreislan*
wirken, und dass die Verminderung des Durchmessers der Arf®'
rien nach der Ausdehnung durch den Impuls des Blutes Folge ihr®
Elasticität ist. Ob die bei Blutstillung verwundeter Arterien, bei*^
Blosslegen und beim Drehen der Arterien beobachteten Vereng“’'
rungen derselben ganz nur eine Folge der Elasticität sind, odei ® ^
eine lebendige, allmählig, nicht rhythmisch wirkende Zusammen
4. Von d. tim. Theden d. Gefässsyst. Arterien. Kraft d. llerzem. 197
V
^ieliungsliraft der Arterien {ionus) ausser der Elasticit'at mitwirke,
■vvie Parry, Tiedemakn und E. II. Weber {Anat. 4. 75.),, (Tie-
J'emann aucli am Stamme der Lympbgefässe) annelimen, war
jetzt zweifelhaft; Schwann hat sie aber im Mesenterium
des Frosches und der Feuerkröte auf die Anwendung von kaltem
Jasser wirklich beobachtet (vergl. pag. 389.). Da also diese le-
bendige Fälligkeit wirklich existirt, so lässt sich daraus sehr gut
die tiieilwcise Leerheit der Arterien nach dem Tode erklären,
^'eil die Arterien dann ihre lebendige unrnerkliche Contractilität,
durch welche sie das Blut zuletzt noch weiter getrieben, verlie-
^*^0 und wieder weiter werden, worauf bloss ilire physicalische
■blasticität bis zur Entmischung zurück bleibt.
Nach der bisherigen Untersuchung ist es gewiss, dass die
einzige Kraft, durch welche sich das Blut in den Arterien bewegt,
die Kraft des Herzens ist; es fragt sich jetzt, Arie gross dieselbe
’ft, um die Phänomene, w'elchc sie bewirkt, zu erzeugen, und wie
^eh die Kraft und Geschwindigkeit des Blutes in verschiedenen
^heilen des arteriellen Systems verhält. Hai.es, Haemastafik, Statik
Geij/üt.f. 1748. p.l — 41. beobachtete, wie hoch das Blut
Glasröhren stieg, die er in die Arterien eingefügt hatte; ans
der A. crui-alis des Pferdes stieg es 8 — 9 Fuss, aus der A. temp.
des Schafes 6.j,^bei Hunden 4 — 6 Fuss, während es in der
j ena jug. beim Pferde nur 12 — 21 Zoll, beim Schafe 5i Zoll, bei
^‘Unden 4 — St,- Zoll stieg. Wir werden indöss liierulier vor-
*)*8lich die genauen Untersuchungen von Pöiseuille zu Ratbe
^jelien. Magend. Journ. 8. 272. Poiseuiei.e bediente sich eines
^'genen von ihm erfundenen Instrumentes. Diess besteht aus einer
b*ngen Glasröhre, welche in ihrem Anfänge an einer kurzen
.drecke horizontal, dann unter rechtem Winkel herabsteigt, und
1" «in langes Stück wieder aufsteigt. Wird Quecksilber ln den
*)-‘fab- und aufsteigenden Theil gebracht, so nimmt es ein glei-
®hes Niveau in beiden Schenkeln ein, und bei einer senkrechten
lellung der« Schenkel ist die Höhe der Quecksilbersäule in bei-
unten cornmunirenden Schenkeln gleich. Rann nun das
j *it aus einer Arterie durch den horizontalen Schenkel in den
)®rabsteigcnden .Schenkel gelangen, so drückt es mit der Kraft,
•irch die es in den Arterien bewegt wird,, auf d.os Quecksilber
herabsteigenden Schenkels, und das Quecksilber wird in die-
j?*'? Schenkel fallen, und in dem" aufsteigenden sich erheben.
Siebte das Quecksilber vorher in beiden Schenkeln bis zum Ab-
hänge des Horizöntalstückes der Röhre, so wird die Tiefe, zu wel-
es in dem einen Schenkel fällt, summirt zur Höhe, zu wel-
es in dem andern steigt, die ganze Höhe der Quecksilbersäule
.J'geben', welche dem Drucke des Blutes das, Gleichgewicht hält,
^nvon indess die Schwere der. Blutsäule, die an die Stelle der
Quecksilbersäule in den berahsteigendcn Schenkel tritt, abgezogen,
j^ieden muss; die mehr als lOmal kleiner ist, aU eben so viel
j, aass Quecksilber. Poiseuille berechnet die Kraft, womit sich das.
*ler r" Arterien bewegt, nach Gesetzen der Hydrostatik aus
Qu lies Durchmessers der Arterie und der Höhe der
ucksilbei’säule; die Kraft des in den Arterien bewegten BlutesL,
198 I. Buch. Von den Organ. Säften etc, Il.clhschn. Vom BlutkreislauJ.
wird nämlich durch ' das Gewicht einer Quecksilbersäule gemes-
sen, deren Basis ein Zirkel ist vom Durchmesser der Artei-ic, und
deren Höhe die Differenz des Quecksilberstandes im Instrumente
ist. Um die Gerinnung des Blutes bei dem Eindringen in die
horizontale Röhre zu verhüten , wurde dieser Theil der Röhre
vor dem Quecksilber mit einer Auflösung von unterkohlensaurein
Kuli gefüllt, was das Blut flüssig erhält. Nach Poiseuille ist der.
Druck eines Theilchens Blut in den grösseren Arterien gleich;
sic mögen nun dem Herzen näher oder ferner, etwas grösser
oder kleiner seyn, z. B. Carotis und Aorta, Carotis und Cruralis-
So war die Höhe der verdrängten Quecksilbei'säule an allen Ar-
terien desselben Thieres gleich. Nach Poiseuilee hält das Blut
einer Arterie beim Hunde einer Quecksilbersäule von 151 Mil'
limet. oder einer Wassersäule von 6-j Par. Fuss, Lei Rindern ei-
ner Quecksilbersäule von 161 Millim. oder einer Wassersäule von
6 Fass 9 Zoll, bei Pferden einer Quecksilbersäule von 159 Millim.^
und bei jenen Säugethieren im Mittel von 156 Millim. oder einer
Wassersäule von 6 Fuss 7 Zoll das Gleichgewicht.
PoiSEUit-LE sah auch vermittelst seines Instrumentes, was Hae-
EER und Magekdie schon beobachtet batten, dass die Stärke des
Bluttriebcs in der Exspiration, Avobei die Brust mit Zusammen-
drückung der Gefässslämme verengert Avird, vermehrt ist, so dass
die Quecksilbersäule bei jeder Exspiration etAva? steigt, bei der
Inspiration fällt. Dieses Steigen und Fallen ist bei Arterien in vev-
schiedener Eiitfe],’nung vom Herzen gleich, und es beträgt 10 — 26
Millim. bei ruhigbr Respiration. Diese Verstärkung des Blutfrie-
bes durch das Ausathmen ist bei manchen Menschen besonders
gross, so dass der Puls an der art. rad. bei langem anhaltendem
Einathmcn unfühlbar wird, ln diesem Falle bin ich; ich mache
•auf der Stelle den Puls der art. rad. verschwinden, sobald ich
nur tief inspirirc und den Albern cinhalte, was einiges Licht
auf die Muhrchen von willkürlicher Veränderung des Herzschla-
'ges Avirft.
Da sich nun endlich nach Poiseuiele’s Versuchen ein Theil'
eben Blut in den verschiedensten Arterien mit gleicher Kraft bC'
Avegt, so schloss er, dass man, um die Kraft des Blutdruckes K'
einer Arterie von bestimmtem Caliber zu messen, nur den Umfang
derselben, und die Höhe des Blutdruckes im Instrumente zu neh'
men habe; denn die Kraft des Blutes in einer bestimmten Artei’iC
Avird durch das Gewicht einer Quecksilbersäule repräsentirt, derei*
Höhe das Instrument angiebt, urd deren Umläng der Umfang de*
Arterie ist. Nimmt man min mitPoisEuiEEE in einem Manne vo*’ 1
29 Jahren den Durchmesser der Aorta bei ihrem Ursprünge
Millimeter, so beträgt der Flächeninhalt des Umfanges 908,283'
Quadratmillimeler. Nimmt man nun für die Höbe der Säule de’
Instrumentes beim Menschen das Mittel der anTliieren beobach'
.teten höchsten und niedrigsten flöhen zwischen 180 und 140 Md'
limetef, also 160 Millimeter, so giebt .908,2857X160 = 145325,7/
Cnb. Millimeter Quecksilbersäule, deren Gewicbt= 1,971779 I/*'
logr. oder 4 Pfund, 3 gros, 43 gr. statische Kraft des Blutes ****
4. Von d. eiiu, Theüen d. Gefässsyst, Capülargefässe. Bau ders. 199
Momente, wo es in die Aorta strömt. So erhält man für das Rind
10 Pfund, 10 Unzen, 7 gros, 61 gr., für die art. radiaüs 4 gros.
Ehemals glaubte man, dass die stumpfen und spitzen Win-
kel, unter welchen die Aeste von den Gefässen abgehen, einen
Einfluss auf die Geschwindigkeit haben, indem die stumpfen Win-
kel die Bewegung mehr hemmen. Weber {/Inat. 3. 41.) bemerkt
kingegen, dass diess nur einen Einfluss auf die Geschwindigkeit
einer Flüssigkeit habe, wenn sie hei ihrer Fortliewegung so we-
*^ig Widerstand lindet, dass ihr Lauf durch Summirnng der Stösse,
^ie sie empfängt, nach einer bestimmten Richtung hin beschlen-
{'igt wird. Im entgegengesetzten Falle befindet sich die Flüssigkeit
den Röhren überall unter gleichem Drucke, und strebt mit
gleicher Kraft nach allen Richtungen hin. Dagegen muss das
klut in den kleineren Arterien dadurch langsamer fliessen, als in
4en grösseren, dass die Summe der Inmina der Aeste immer grös-
ser ist, als das lumen der Stämme, weil eine engere Röhre hei
gleicher Kraft schneller von dersellaen Masse erfüllt und durch-
strömt wird, als eine weitere Röhre, die in kurzen Abschnitten so
^lel enthält, wie eine engere Röhre in längeren Abschnitten. Ur-
®*ehen, welche die Geschwindigkeit der Bluthewegung überhaupt
''«rmindern, sind weniger die häufigen Anastomosen der Arte-
r*ßn als die immer mehr zunehmende Reihung an den Wänden
den kleinsten Gefässen. Die Anastomosen erleichtern die Mit-
^keiiung des Blutes. Wenn zwei Arterien anastomosiren, so gehen
den anastomosirenden Gefässen, oder aus der Anastomose seihst
■^^ste hervor. Im erstem Falle wird, so weit ^nan diess mit dem
Mikroskope beobachten kann, die Anastomose in der Pachtung
"ärchströmt, welche am wenigsten Widerstand darhietet, und
Blut geht aus der Anastomose ln das Gefäss über, dessen
'^eite gross genug ist, um das Blut von zwei Gefässen zugleich
^'^fzunehmen. In" solchen Fällen wird aber die Anastomose im-
in einer Richtung durchströmt. Gieht die Anastomose selbst
®*f>en Ast ab, so strömt das Blut von zwei Seiten zugleich in die-
Ast weiter, oder in der einen Richtung weiter,
v. Während des Lehens muss nach Einwirkung eines zufälligen
^fftckes die Richtung, in welcher die Anastomosen durchströmt
'''erden, selir veränderlich seyn.
b. Von den C apillarg efäss en.
1. Bau der Capülargefässe.
u. ln allen organisirten Thellen geschieht der Uchergang des
mtes aus den feinsten Zweigen der Arterien in die feinsten Zweige
Venen durch netzförmige mikroskopische Gefässchen, in de-
Maschen die cigenüiche Substanz der Gewebe liegt. So sieht
j^'^n es ajj feinen Injectionen, eben so hei mikroskopischer
^®nbachtung des Blutlaufes an lebenden durchsichtigen Theilcn,
an der Schwimmhaut, den Lungen und der Harnblase der
Schwänze der Froschlarven, am bebrüteten Ei, an
Fischchen, an den Kiemen der Larven der Wassersalaman-
200 I. Buch. Von den organ. Säften etc. II. Ahschn. Vom Blutkreislauf
der, an den Flügeln der Fledermäuse und im Gekröse aller Wir-
helthiere, endlich seihst an undurchsichtigen Theilen der Larven
der Salamander mit dem einfachen Mikroskope^ wie ich in Meck*
Archiv für Aruif. u. Phfsiol. 1829. heschriehen habe. Die fein-
sten Arterien bilden hei der Verzweigung immer mehr Anastomiv
sen unter einander, und diese Anastomosen gehen zuletzt in ein
continuirliches Netz über, von denen aus sich die VenenanfängC
wieder sammeln. Man nennt diese netzföi-migen Uebergänge dei’
Ai’terien in Venen wegen ihrer Feinheit Capillargef ässe. Es lässt
sich nicht bestimmt angeben, w'o die feinsten Gefässe auf hören
Arterien zu seyn und w'O die feinsten Venen in diesem Netz®
anfangen. Denn der TJebergang ist allmählig; aber die netzför-
migen Uebergänge haben doch das Eigenthümliche, dass die Ge-
fässchen einen gleichen Durchmesser behalten, dass sie nicht mehr
in einer Richtung dünner werden, wie Arterien und Venen, und
dass gerade, wo die Gefässchen wieder in zunehmenden Zw®»'
gen sich sammeln, Arterien- und Venenanfänge allmählig daraus
heiworgchen. Diess berechtigt aber nicht, mit BicavT ein eige-
nes Cajjillargefässsystcm im Unterschiede von Arterien und Ve-
nen anzunchmen.
Die feinsten Capillargefässe sind dem Durchmesser der Blut-
körperchen angemessen ; man misst sie an fein injicirten Theilen*
Der Durchmesser derselben variirt von — töW 1*1 1»'® sTo*»
P. Zoll; im Durchschnitt ist er am häufigsten 0,00025 — 0,00050*
Die feinsten Capillargefässe hat man im Gehirne beobachtet, wo siC
nach E. H. Weber’s Messungen bis = 0,00019 P. Z. betragen;
in den Nieren des Menschen betragen sie nach meinen Messungen
0,000*37 — 0,00058, in den processus ciliares 0,00053. E. H. We-
ber fand ihren Durchmesser in der Schleimhaut des Dickdarmes
0,000.33 — 0,00050, in einer Lymphdrüse eben so, in der äussern
Haut 0,00080, in einer entzündeten Haut 0,00025 — 0,00050.
mit Blut gefüllten Zustande, wo sie wohl nicht so ausgedehnt ah
im injicirten Zustande sind, sind sie noch wenig gemessen Avorden*
Weber fand sie am Hodensacke eines neugebornen Rindes,
sich die Oberhaut abziehen Hess = 1^* ^* ganz junge'*
Thieren sind die Capillargefässe grösser, so wie auch die Bhit"
körperchen des Embryo zum Theil grösser sind. Keine andere'*
Elemente^ der thierischen Gewebe sind viel feiner. Die Muske '
fasern, welche man früher Avohl zu fein angegeben hat, sind naC *
Prevost und Dumas -g-jVo P* Z. = 0,00012. Die Primitivfaser**
der Muskeln des Menschen sind 5 — ömal feiner als seine Bh* '
köi-perchcn. Ich fand die Primitivfasern der Nerven bei Säug®'
thieren y — i so dünn .als die Blutkörpci'chen breit sind.
Mit anderen Kanälen verglichen, sind die Capillargefässe i***'
mer kleiner, die Gallenkanälchen der Leber, die Harnkanälchel
der Nieren sind , avo sie am feinsten sind, immer noch einige***'.^
stärker als die Capillargefässe, so dass letztere sich in ihren
schenräumen und ihrem Bindegewebe oder InterstitialzellgcrvC^^^
verbreiten. So fand ich die duetiis uriniferi serpenlini cortica
der Pferdenieren in jicirt =0,00137 —0,00182 P. Z. ; die Harnka'
nälchen der Schlangennicren bis ans Ende mit Quecksilb®*' S
4. Von d. einz. Theilen d, Gefasssyst. Capillargefüsse. Bau ders. 201
füllt 0,00232 — 0,00423 nach meiner Injection. Die gefiederten
^linden Enden der HarnkanVdchen hei den Vögeln fand ich ini
injicirtcn Zustande =0,00174 P. Z., die feinsten Gallenkanälchen
der Leher liis ans Ende nach meinen glücklichen Versuchen heim,
f^aninchen mit Leim und Zinoher injicirt, fand ich =0,00108
~--0,00117 P. Z. Die feinsten hläschenförmigen Anfänge, derSpei-
®lielkanälchen der parotis injicirt, fand E. H. Weber =0,00082,
•'ach meinen neueren Messungen sind sic beim Hunde mit Queck-
silber gefüllt 0,00187. Die hläschenförmigen Anfänge 'der Kanäle
^ pancreas der Gans mit Quecksilber injicirt, fand ich 0,001.37
0,00297. In der Milchdrüse vom säugenden Igel fand ich sie
®300712, beim säugenden Hunde injicirt =::0, 00260. ■ Die Samen-
f^anälchen im Hoden des Menschen haben nach meinen Messun-
nicht injicirt 0,00470, mit Quecksilber gefüllt 0,00945. Siehe
das Weitere über’ meine alteren Injcctionen und Messungen Meck..
j'iir Anat. u. Vhys. 1830. J. Mueli.er de glandularum stru-
^tura penüiori earumque prima formalione in homine et animalibus.
^'ps. fol. cum iah. 17. p. 112. Alle diese verschiedenen Elemente
I Gewebe, Drüsenkanälchen, Muskeltäsern, Nervenfasern, wer-
den von den Netzen der Capillargefässe umgeben und verbunden.
Primitivfasern der Muskeln, die Primitivfasern der Nerven
Erhalten selbst keine Gefässe mehr, denn sie sind selljst dünner
die feinsten Capillargefässe. Nie sieht man bei Untersuchung
**'*scher glücklicher Injcctionen von diesen Theilen andere Capil-
^fgefässe, als solche, die sich in den Zwischenräumen der Pri-
*’iitlvfasern verbreiten. Es ist wohl eben so mit den feinsten Drü—
®®ökanälchen. Die Capillargefässe der Nieren legen sich überall
*^ischen und über die ductuli uriniferi bin, aber diese seihst
^'ii'den nach meinen Beobachtungen niemals injicirt.
. Die Form der Capillargefässnetze ist im Allgemeinen sehr
^"'fach, und variirt bloss in dem Unterschiede von engeren und
'Weiteren Maschen der Netze, gleichförmigen oder länglichen Ma-
In den Muskeln und Nerven bilden die Capillargefäss-
auch längliche Maschen an den Primitiv fasern, und diesen
Jjütsprechend. Was SoEMMEHniNr. und Doelusger, und nament-
Berres in seinen verdienstlichen Untersuchungen {med. Jahrh.
• Österr. Staates. Bd. 14.) über den Unterschied der kleinsten
®fässe in den verschiedenen Geweben beobachtet haben, ist
richtig, gilt aber nicht von den feinsten Capillargefässnetzen
sondern von der Form der in diese Netze sich verzwei-
8®''den kleinsten Arterien und Venen. So bemerkt Soemmerring,
die Verzweigung in den dünnen Därmen einem unbelaubten
®’^*öchen, im Mutterkuchen einem Q'^üstchen, in der Milz el-
Sprengwedel, in den Muskeln einem Reiserhündel, in der
I einem Pinsel, in der Leber einem Sterne, in den Hoden
' im Adergellechte des Hirnes einer Haarloeke, in der Itiech-
'’üt einem Gitter ähnlich sej. In den Riemen nehmen Arterien
I sj* . teilen die Riehtung der Kiemenblätter, so dass das arteriöse
*'omchen au der einen Seite aufsteigt, an der andern das ve-
R fiGrabsteigt. In den Sehnen ist die Vertheilung der Gefässe
E. II. Wejjeu dendritisch, ohne dass diese Gefässe genau
202 J, Buch. Von den organ, Säften etc. II. Ahschn. Vom Blutkreislauf-
mit den länglich reiserförmigen Gefässen der Muskeln Zusammen-
hängen. In der Nierenrinde giebt es eigenthümliche glomeruh
von Blutgefässen mitten in den Capillargefässnetzen. Diese run-
den Körperchen, corpora Malpigliiana, sind blosse Knäuel des in
sie einjretenden arteriösen Zweiges, auf dem sie wie eine Frucht
aufsitzen; sie stehen durchaus nicht im Zusammenhänge mit den
Harnkanälchen, was man früher angenommen hat, wie meine
Untersuchungen und die von Huscbke und Weber zeigen. MüeI'
LER de gland. struct. penit. p. 100. 101. Huschke hat neuerlichst
bewiesen, dass die feine Arterie, die in diese Körpereben tritb
nach vielen Windungen wieder aus denselben hervortritt, uin
in das Capillargefässnetz über zu gehen, wie sieb beim Wasser-
salamander beobachten lässt. Tiedemasn und Tbevirakus Zeit'
Schrift für Physiologie. 4. Bd. 1. II. p. 116. iah. 6. fig. 8. An den
Enden der Zotten der placenta des Menschen biegt eine Capil-
lararterie in eine Capillarvene um, wie E. H. Weber’s schöne
Untersuchungen zeigen, Anatomie 4. In der Vertbeilang der fein-
sten Arterien giebt es also viele Formen, allein in den Capillar-
gefässnetzen selbst giebt cs keinen weitern Unterschied; als die
Grösse der Maschen, und ihre mehr längliche oder gleichförmig®
Gestalt. Davon habe Ich mich besonders bei Untersuchung der
Drüsen überzeugt, wo, so verschiedenartig die Anordnung der
feinsten Drüsenkanäle seyn mag, die Capillargefässe selbst aber
nur Netze sind, und die Vertheilung der Drüsenkanälchen nicht
nachahmen. In der Marksubstanz der Nieren, wo die Harnka-
nälchen zu pyramidenförmigen Büscheln zusammen treten , bilden
die feinen Arterien, und wie ich neuerlichst durch Injection mich
abermals überzeugt, auch die Venen lauter langgestreckte Ge-
fässc zwischen den Ha/nkanälchen , so dass man sie gewöhnlich
für von den Blutgefäs'sen aus injicirle Harnkanälchen fälschlich
gehalten hat; allein auch diese gestreckten Blutgefässe bilden wi®'
der sehr längliche Maschen von Capillargefässen , Indern sie voi>
der Rinde gegen die Nieren warzen feiner werden, und bilden z»'
letzt ein Netz an den Warzen selbst um die Mündungen def
Harnkanäle. So gehen auch die Gefässreiserchen zwischen de»
Nerven- und Muskelfasern fort, allein die Capillargefässe sii'd
hier urn die parallelen Fasern eben so gut Netze, wie in de®
Hoden um die gewundenen Samenkanäle, und in der Nierenrind'^
um die gewundenen HarnkaMälcben. Die feinen Arterien folg®"
zwar in den Kiemen der Salamanderlarven der Vertheilung d®*"
Kiemenblättchen, und gehen in herabsteigende Rieraenbhd'
äderchen über; allein zwischen beiden ist ein Netz auch in de*’’
feinsten Blättchen, welches Rusconi und Andei’e übersehen hä"
ben ; ich sah die Bewegung dei' Blutkörperchen durch dieses Ne^j'
Die dichtesten Netze mit den kleinsten Alaschen finden I
in den Lungen, in der Chorioidea, schon weniger in der Iris u”’
im Ciharkörper ; ferner in den Lungen, Leiter, Nieren, Schleh’’
häuten, Lederhaut. In der Choriodea des Truthahns finde ■*'
die Zwischenräume gerade so breit, oder noch kleiner, als d®
Durchmesser der Capillargefässe. In den Lungen des Mensch®”
sind die Zwischenräume fast noch kleiner als die Strömeh®”'
4. Von d. einz. Theäen d. Gefüsssyst. Capillargefüsse. Bau derf, 203
^eber Anat, 4. 203. In den Nieren des Menschen und des Hun-
finde ich den Durchmesser der injicirten Capillargefässe im
^Erhältnisse zu den Zwischenräumen wie 1 : 4 — 1 : 3. Im Ge-
hirne, das zwar eine sehr grosse Menge Blut erhält, aher auch
'*1*5 Blut im Innern in seinen sehr feinen Capillargefässen in we-
"'Ser zahlreiche Netze vertheilt, sondern dieselbe Blutmenge
^Bneller wieder ahgieht, fand E. H. Weber das Verhällniss des
Durchmessers der Capillargefässe zum Längendurchmesser der
laschen =1:8 — 10 , zum Breitendurchmesser der Maschen
'''ie 1:4 — 6. In Schleimhäuten, z. B. ln der Conjunctiva pal-
Pebrarum, und in der Lederhaut fand Weber die Röhrchen viel
^cker als in dem Gehirne, aher die Zwischenräume enger, im
Verhältnisse zu diesen wie 1 : 3 — 4. An der Rnochenhaut wa-
*^^0 die Zwischenräume viel grösser. Siehe E. IT. Weber’s Aus-
§ahe von Hildebranbt’s Anat. 3. Bd. p, 45. Die Knochen, Knor—
} Bänder, Sehnen haben die wenigsten Blutgefässe und Capil-
^'’gefässe. An den Grenzen zwischen Muskel- und Sehnenfa-
?®rn man den grossen Unterschied in dem Gefässreichthum
beider, die Blutgefässchen der Muskeln kehren hier nach Doel-
*-<kger grösstenthells um, und hängen nicht eng mit den sparsa-
Gefässen der Sehnen zusammen. Dasselbe Verhältniss he-
^bachtete Prochaska zwischen dem freien Theile der Synovial-
j^^äte, und demjenigen, welcher die Gelenkknorpel überzieht.
''Gchask.a disquisitio anatomico-pbysiologica organismi humani. Vien-
1812. p. 96. Weber 4 c. 3. p. 43. Eine sehr schöne Injection
Knorpel der Luftröhre, des Kehlkopfes, der Rippcnknorpel
GfR Fuchse sah ich im Museum von Fremery in Utrecht. Zwei-
D®‘[»aft schienen die Gefässe noch in der innern glänzenden
jpl^icht der serösen Häute; nach den Injectionen von Bleuland,
ich zu Utrecht sah, habe ich Anstand, Rudolphi’s Meinung
theilen, dass die Gefässe der serösen Häute in dem snbserö-
Zeligewebe sich befinden; van der K.olk besitzt Injectionen des
^ ^Htoneums, die keinen Zweifel übrig lassen, dass diese Häute
^p'bst Gefässe enthalten. Obsert>. anat. path. 27. Zweifelhaft sind
im Glaskörper, in der Substanz der Cornea,
f . Das Resultat der mikroskopischen Beobachtungen und der
?Gsten Injectionen ist, dass die Capillargefässe nur Uehergänge
Arterien in die Venen sind, und dass keine andere Art von
^®Tässen aus ihnen entspringt, dass die feinsten Arterien an kei-
Stelle aufhören, ohne durch Capillargefässe in Venen übeMU-
IjGen, mit einem Worte, dass es keine feinsten Gefässenden glebt.
muss diess Ergebniss der feinen Anatomie um so sicherer
tg*!®lellen, da Haller leider die Hypothese von den offenen Ar-
j^^'enenden, von denen er 5 Arten, Oefthung in Membranen, in
a^'^Pb gefässe, in secernirende Kanäle, in Fett, endlich in Venen
*>ahm, nur zu sehr nach den rohen physiologischen Vorstellun-
gen Vorgänger befestigt hat. Allein in jenen Zeiten wa-
5ich oft'enen Gefässenden ein nothwendiges Postulat, wed man
off. ”'^bt einmal die Absonderung des Schleimes und Fettes mine
Rän*^^ Dlutgefässenden denken konnte. Von allen diesen Ueber-
existirt kein einziger, als der beständige Uebergang der
204 I, Buch. Von den organ. Säften etc, II. Alschn. Vom Elutkreislnuf
arteriösen in venöse Kanäle. Nadidem MAscAGur, Hunteb, FrO'
CHASKA, SoEMMERRiNG sclion jene Hypotbese glücklich hekärop**'
hatten, hlieb der Uehergang der Blutgefässe in die secernirendt’'*
Kanäle der Drüsen immer noch zweifelhaft. Indessen haben me»'®
Untersuchungen , über alle Drüsen ausgedehnt, um den Bau u»®
die feinsten Anfänge der secernirenden Kanäle kennen zu lerne»)
so wie die ähnlichen Beobachtungen von IIuscuke und Webe»)
Ai'heiten, Avelche sich auf bessere Hülfsmittel, nämlich Injccti»®
der secernirenden Kanälchen selbst, Anwendung des Mikroskopen^)
Entwickeluugsgeschichte des Emhrjm, gründen, für die NiehteA*'
stenz dieses Zusammenhanges in allen ahsondernden Drüsen ent-
schieden, und bewiesen, dass die "W urzeln der secernirenden K»'
näle, wie mannigfaltig sie auch in den A'erschiedenen Drüsen ge-
bildet sind, blinde Anfänge haben. J. Mueller de gland. strud-
■penil. Lips. 1830. - Auch die vasa exliahuitia, welche seihst BicaAt
noch als offene Seitenzweige der Capiüargefässe supponirte, sin»
eine reine Fiction, und eine exhaiirende Membran, w'ie das pei'j'
toneum, enthält nur Capillai'gefässnetze mit flächcnhaller Ausbrei-
tung, so dass Flüssigkeiten aus den Capillargefässen in die. Höh-
len nur eben so ausdünsten können, xvie sie die Substanz der Or-
gane selbst tränken, dui’ch die Permeabilität alter ihierische»
Th eite für aufgelöste Stoffe, durch die zwar nicht sichtbare, aber
doch nothwendig vorhandene allgemeine Porosität der thierische»
Substanz auch in ihren kleinsten der Aufweichung fähigen Mole-
culen. So dringt, wie Mascaghi zeigte, wenn man Arterien »»^
einer durch Zinnober gefärbten Leimauflösung einspritzt, eine un-
gefärbte Flüssigkeit wie Thau auf der Oberfläche der Häute her-
vor, ohne dass die Farhetheilchen durchgelassen werden. D»**
es vasa serosa, d. h. so feine Zxveigelchen der Blutgefässe geh»)
die keine Blutkörperchen, sondern nur die Lymphe des Blute*
durchlassen, ist möglich, lässt sieh aber nicht beweisen. Aber
man führt für jene Hypothese einige Theile an, in denen ma»
noch keine rothes Blut führende Gefässe entdeckt hat, iiäralic^^
die Cornea, die Linsenkapsel, den Glaskörper. Die Gefässe der
Cornea in der Substanz derselben sind zweifelhaft, und noch »‘®
injicirt worden. Indessen gieht es penetrirendc Geschwüre de*
Hornhaut, "W'^uchernng derselben, welche ohne Gefässe nicht denk'
bar sind, und es ist hieraus walu’scheinlich, dass sie Gefässe e»l'
hält. Dass aber das Bindehautblättchen der Hornhaut wenigste»*
bei fast ausgetragenen Kalbsfoetus Blutgefässe besitzt, welche Bh'
enthalten, und noch mehr als eine Linie über den Ilornhautr»**
mit der Loupe verfolgt werden können, habe ich wiederholt S®'
sehen, und Hehle hat diese Gefässe fein injicirt und ahgebihl®*''
Sie messen 0,00070 — 0,001.33, und die dünnsten Zweige war®**
nicht injicirt; ihre Stämmclien, die von einem krcisförmigeij
f ässe , das um die Hornhaut herlief, in das Bindehautblättcb®**
drangen, waren noch etwas dicker. Die Präparate davon h®
■wahre ich bei mir auf. Herr Prof. Wutzer hat sie gesehen. P®** ’
Retzius hat durch Injection dieselbe Beobachtung an Erwachs®^
nen gemacht Diese nur der äussersten Oberfläche der Hornha»
angehörenden Gefässe beweisen zugleich, dass das Biudehauthla
'4. Von d. einz. Theilen d, Gefdsssyst. Capiäargefässe. Bäu ders. 205
-vtelclies Eble der HpEnliaut aLspricht, ■wirklieh existirt.
Be:sle de memhrana pupiUari aliistjue membranis oeuli peltucenUbus.
Bonnae 1832. Dass nun bei der Ehtr.ündnng die Hornhaut blut-
führende Gefässe enthält, ist bekannt. Ich sab in Utrecht bei
^cuftoEDER von einem leicht entzündeten Auge die schönste In-
icclion, sowohl ' der Bindehaut als der Membrana Descemetii.
Die hintere Wand der Linsenkapsel enthält hei ausgebildeten
fallieren noch blutführendc Gefässe von jenem Aste der arteria
®*^ntralis, der sich durch den Glaskörper dahin begiebt. Diess
habe ich an frischen Kalbs- und Ochsenaugen gesehen, wo die Ge-
füsse der hintern Kapselwand, die von einem starken Aste der
centralis herrühren, zuweilen noch blnthaltig sind.^ Dasselbe
*ah ZiHN. HEiti.E hat gezeigt, dass diese Gefässe’ beim Foctus
l^it Gefässen der zonula Zinni und des corpus ciliare Zusammen-
hängen, und diese Verbindung injicirt und abgebildet. Beim Em-
hj'yo der SäugCthiere hängen sie durch eine sehr gefässreiche,
''Cii yjjjj. beobachtete Haut, memhrana capsulo-pupillaris , mit den
p®fässen der memhrana pnpillaris zusammen, indem diese neue
Y*'*t zwischen dem innern Piande der Iris und dem inncril Rande
Zonula oder dem Rande der Linsenkapsel ausgepannt ist, lau-
parallele Längsgefässe enthaltend, die von der Iris und Pu-
P'liarmembran zur Zonula und zur hintern Kapselwand gehen.
der vordem Kapselwand sind die Gefässe äusserst schwer nacli-
^''^eisen. An enztündeten Augen sind sie auf der vordem und
hintern Kapselwand deutlich, wie ich von einem cataraetösen
^'•§6 eine vortreffliche Injection dieser Art bei Scuboeder' vas
Kolk in Utrecht sah. ^ Die’ Zonula Zin'ni' ist nach Henles
Schroeder’s Injection :ein gefässhaltiges Organ, und scheint
h*" die Ernährung der durchsichtigen Theile von grosser Wich-
dSkeit. Vom Glaskörper habe^ich noch nie eine Injection gese-
ScanoEDER hatte etwas, was' man aber auch für anhaften-
FarbestofF halten konnte, und Henle hat mit auch etwas
ähnliches; gezeigt, es ■war aber nicht überzeugend. GleichwsBhl
phe ich es nicht auf. Alles Bisherige macht es aber wahrschein-.
üass auch Gornea: und 'Linsenkapsel, denen man vasa serosa
j'?*chreiben wollte, wirklich Blutgefässchen besitzen, und von der
j^Jäsenkapsel des Ochsenauges ist ja ohnehin gewiss,! wie von .dot
lj!**dehant der Cornea beim ausgetragenen Schaffoetus, dass sie
enthalten. Freilich sind die Gefässe des Bindehautblattchchs
Cornea unendlich weniger zahlreich, als die! der Gonjunctiva
j und es ist . hier ein ähnliches Verhältniss, ■ W’ie zwischen
Theile der Synovialhaut, welcher frei istj Und 'demjenigen,
• 'Gelenkköpfe ühenzieht. E.. H. W^erer bemeiit sehr richl*
dass eine einfache Schicht von Ilaargefüssiietzon mit blossen
jjj gar .nicht erkannt werde, dahef" das Aussehlsn jener Theile
ts beweist. Das Mesenterium zwischen den -rioch mit blossen
sichtbaren Gefässen scheint auch gefässlos und durchsich-i
enthalt aber lauter .Gapillargefässnetze hei Au'wendung des
'Pos. . Siehe über alles diess Herle.
tigg "wichtige Frage ist, ob die feinsten Capillargefässe liän-
’Vände haben. Es ist ein allgemeines Zeugniss von Malpighi
206 , Jj Buck. Von den organ. Säften etc. II: Abschn. Vom Blutkreislauf
bis DoEi,i.iifG£R, dass bei lebenden Tbieren mit Hülfe des MibrO'
sköpes keine bäiitigen Wände an <lenselben zu entdecken sin®'
DoELniKGER [Denkschriften der Acadcmie zu München 7.) siebt d»*
.Blut als fliesser.den ThierstolF, den TbierstofF als festes. Blut a®'
.Gruithuisen Sab das Bbit zwiscben itten acini der Leber be“®
Frosche frei . strömen. Viel deutlicbci' »st dieser Anschein na®®
meinen Beobachtungen ■ an der Leber der, Tritonlarven, ■weiche i®‘‘
allein zu diesen Beobachtungen geeignet fand, da man hier au®‘
in undurchsichtigen Theilen mit dem einfachsten Mikroskope d®®
Blutlauf beobachten kann. Siehe Mecrel’s Archio 1829.
Wedemever zweifelte an den häutigen Wänden, nachdem ®’^
die l)reiten Blutströmchen und die kleinen Sübstanzinaeln in d®''
Lungen der: Salamander beobachtet hatte. So läugnen C. Fr. Wotf*'
Hüster, Doeuuhgbr, Gruithuisen, Baümgaebtueb , ■ WedemeyeW
Meyen und Qesterreicher die Existenz der häutigen Wände s®
den Gapillargefässen. Dagegen Leeuwekiioeck, Halcer, Spall-aE''
zASi, Prochaska, Bichat, Berres, Rudolphi feine unsichtbare l«ä®'
tige Wände an ihnen annehmen. Das Entstehen neuer Gefäss®’
■was Doei.i.ikoer . tJnd Oesterreicher als Grund der Kichtexiste®*
der Membran ansehen, beweist indess nichts für die schon gebw
delen Gefnsse. Allein genauere Untersuchungen scheinen gera-
dezu die Hypothese von der Nicbtexistenz-. der häutigen "Wänd®
XU- widerlegen. Schon hat man dagegen angefiihrt deu Ueb®®'
gang: der eingespritzten Flüssigkeiten aus den Arterien in die Ve-
nen, ohne dass sie zugleich ins ZellgeSvebe austreten, das Ueb®®-
einanderweggehen der Strömchen,: ohne dass sie sich verbind®®'
Auch beweist dieiAIenge der Ströme, i und die Kleinheit der di'-
zxvischen liegendeti Inseln in 'der Lungenmembran der .Frös®h®
und Salamander eher das Gegeittheil; denn diese kleinen Ins® '
eben müssten wohl zuweilen selbst an, den Strömungen Anth®'
nehmen.. Es giebt. auch directe Beweise von der Exis-tenz feinst®^
Wände um die' Capillargefässströmehen. Hierzu bedarf es ei®^
ganz zarten Parenchyms, welches sich in Wasser leicht auflock®®jJ
und. die. .Netze der Gapillargefässe zurück lässt. So zeigten s'®,
die; Capillarge£nsse der Nieren, welche diei dnetus urinifori
cales umwehen, -äls etwas Selbstständiges, wenn ich Stückchen
Nierensuhstanz vom Eichhörnchen nur knrze .Zeit in Wasser
geweicht hatte, und dann mikroskopisch untersuchte.' In “
Ghoribidea Iris und im Ciliärkörper zeigen sich die Capillarf?
fasse noch deutlicher ;als selbstständig. Am evidentesten kön®®^
sie aber an icinem Organe erwiesen werden, welches Trevira®, ^
entdeckt hatj Ich meine das platteriartige Organ in der Schn®®^
des iGehörofganes der Vögel... i Nach den Beobachtungen
Wisdischmiamk) (de- penitiori auris Struclura in amphibüs, ® ,
Bannae 1831: Dips, eipud Voss).- sind' diese Platten nur di®
ten. und' Runzeln einer Haut, welche sich' über die Spiralpl® ^
in! ? der Schnecke der Vögel wölbt. Diese Haut ist überaus
und pulpös; die weiche Substanz dersolhen wird ■ aber' 'von ^
ausserordentlich schönen Gefässnetze durchzogen,' welches
DisenwANif von der Carotis aus injicirt hat; sie löst.'sich
in Wasser auf, und es bleibt das wunderschöne Gefässnetz
Von d. eint. Theil. d. Cefässsyst. Capillargefässe. Bluibecvegmtg. 207
jeeren Maschen zurück. Auch im nicht injicirten Zustande er-
>^lton sich nach Auflösung der pulpösen Substanz die schönen
äs,-, netze. Siehe Windischmann /. c. iab. II. Uebrigen^ muss
^an sich die Wände der Capillargefässe nur als dichtere Grenze
^er Substanz, niclit aber als sehr selbstständige Membranen äenkeri.
2. Bluibetvegung in den CapiUargefiissnetzen,
Untersucht man die durclisichtigen Th eile eines lebenden
Uiieres unter dem Mikroskope, so bernei-kt man, dass die pulsa-
bJrische oder die rhythmisch verstärkte Bewegung des Blutes in
kleinsten Arterien und in den Haargefässen aufhört, wenigstens
'ei erwachsenen Thieren, und dass das Blut continuiriieh gleich-
armig strömt. Wenn die Thiere aber schwächer werden, so he-
®ierkt man, dass das Blut mehr pulsatorisch fliesst, und riiän be-
merkt dann ein zwar continulrlicbes , aber pulsweise yerstäfktes
prtrücken der Blutkörperchen in den kleinen Arterien lind Cä-
Pillargefässen. Diess beobachtet man auch bei ganz jungen Thie-
vrenn sie nicht gerade geschwächt sind. JVimmt die Kraft
es TJerzens noch mehr ab, so siebt man die Blutkörperchen in
kleinsten Arterien und in den feinsten Haargefässen gar nicht
continuiriieh bewegt, sondern nur stossweise fortgeschoben,
hei grösserer Schwäche weichen sie selbst nach jedem Ruck
'vieder etwas zurück. Diese Beobachtungen sind bereits ganz ko
WEurivfEYEH gemacht, und ich muss sie als das Resultat aller
einer Beobachtungen betätigen. Sie sind von grosser Wich-
„Skeit, denn sie beweisen, dass selbst im Zustande der grös'rteR
Sch
enh
Wache das Blut durch die Capillai-gefässe-, an deneh raah irti
J^^’gen Zustande nio die geringste Spur einer Veränderung ' db's
'ircliniessors wahrnimmt, von der Kraft des Herzens fortgetrie-
wird. Dass die continuirliche, aber pulsatorisch verstärktfe
cwggjjjjjj Blutes der Arterien in den Haargefässen im un-
c *^b Wachten Zustande gleichförmiger wird, könnte ein blosser
Allein seyn, wegen der ausserordentlichen, unter dem Mikrd-
5 r® scheinbar vergrösserten Geschwindigkeit, so dass diese pul-
j^'^*’*®che Verstärkung bei langsamen Be^regun gen deutlicher äver-
g ** i^iüsste. Allein da das Blut aus den Venen öffenbar ohne
^1 Ur von Puls gleichförmig ausfliesst, sö' ist es gewiss, dass in den
^j***’Sßfassen wirklich die pulsatorisch verstärkte Bewegung ip
Pul übergeht, und mir bei grosser Schwache zur
verstärkten, und im höchsten Grade der SchVäclle
die pulsatorischen wird. Die 'Ursachen 'dieser "merkwür-i
üien*^ Rrtcheinung suche ich in Folgendem:/So wie die]zt(säm-
^^'^'’Rc^te Luft in dem Windkessel der Feuerspritze, Ab^h 'so
Puls erweiterte, durch ihre Elastieität sicli^Vepen-r
-Arterie die pulsatörische Bew;egung des Blutes in' Röh Ar-
tci
rien
**ide ‘^‘'nkinuirlichen, aber pulsatorisch verstärkten Bevve^rig,
des p 1 ^ ^urengerung der Arterien auch in den Zwisdhenzeiten
*''icke'* Blut' fortzutreiben Ibrtfährt" Däs stossWeise Fort-
P*‘esst*' Blutes in der Aorta von jeder neuen in die Aorta ’ge-
P^nsir^” ®*'***‘^bt in den kleineren Arterien, wegen der cöm-
in ver^ V ä ^“®^®bnnng der Arterien. Ungleiche Hemmungen
sc leden feinen Gefässen, wodurch das Blut in dem einen
206 I. Buch. Von den organ. Säften etc. II. Ahschn. Vom Blutkreislauf
Gefässclien bald aufgehalten wird, wabrend es in dem andern
^•ascb fortfliesst, solche tinglelche Einflüsse müssen immer mch*'
im weitem Verlaufe der Gefiissc die Bewegung vielfach modifl'
ciren. Aber der stossweise Druck des Herzens wird zuletzt nicld
mebr l^enmrkt werden. Wenn aber ein Thier sehr sclnvach ish
und die Stosskraft des Herzens abniinrnt, so werden auch d“’
elastischen Wände der Arterien hei jedem Puls von weniger Bhd
erweitert, und werden auf das Blut weniger drücken, d. h. din
Ursache, welche die stossweise Bewegung des Blutes in den Ar'
terien zur coutinuirlichen macht, hört auf, und das Blut flie^*'
nur , stossiycisc, und nun lässt sich dieser schwache Stoss noch m
den Haargefässen mit dem Mikroskope erkennen. Nach K.oci<
soll ,die. oscillircnde Bewegung des Blutes hei schwachen TliierC*
nijcjit vom Herzschlage abhängig seyn. Meckel’s Arcldo für Anal'
U. fliy^iol. (). Bd. p. 216. Mir schien sie dagegen wie Wedemeve»
ganz abhängig von den schwachen Zusainmenziehungen des Her-
zens, wodurch das Blut den Widerstand der Capillargefässe nid»*’
jibgrwinden kann, xind beim Nachlasse jeder Zusammenziehunö
des . Herzens, trotz der Klappen, wieder etVas zurückfliesst.
. Die Grösse des Widerstandes, welchen die Haargefässe den*
Blute darbieten, lässf sich aus Hales und Reill’s Versuchen er-
messen. Keiei. verglich die aus der durchschnittenen Schenkel'
arterie und aus der Schenkelvcnc eines lebenden Hut>des ansflie^'
sendq Bliitmcngen , die, sich wie zu 3 verhielten, so dass det
Widerstand also fä der Kraft des Ärterienb lutes beträgt. Nad*
fl-AEgs, (Weber Anat. 3. 41.) floss, als er das Innere der art. m®'
sent. eines todten 'Thiei-es dem Drucke einer 4^- Fuss hohen WaS'
sersäulp aussetzte, und den Darm dem Mesenterium gegenüber
zerschnitt, aus den durchschnittenen feinen Gefässen in einer Ze*
nur der Wassermenge aus, die aus den durchschnittenen Stiüi*'
men dieser Gefässe ausfloss, so dass der Widerstand der klei'*'
sten Gefässe .a|so -y der Kraft des Druckes betrug.
I . Da das Blut zni’ Zeit des Pulses in den Arterien pulswe*^®
schneller fliesst, und die Bewegung in den verschiedenen
gefässen, wie man unter dem Mikroskope sieht, verschieden schn^
isty , so. lässt sich nur die mittlere Geschwindigkeit des Blutes J*'
den Haargefässen mit der .mjttlern Geschwindigkeit desselben
d.en Arterien vergleichen. Wäre die Summe der Lumina der A® .
eines. Q-efässes jedesmal gleich dem Lumen des Stammes, und
Summe, aller H^rgefässhamina gleich dem Stamme der Aorta, ,
ren die .Räume, durch welche des Blut lliesst, bei zunehmend®
Vertb,eilupg do.ch .beständig gleich weit, so würde die mittl®*^
Geschwjpdigkeit des Blutes in den Haargefässen eben so gross ® _
in , ipn a^rterien ersten Ranges seyn müssen, so wie unter gleic'*®
Voraussetzungen uueh die., mittlere Geschwindigkeit des Veucnh
teS|j.derMiC'Cschwrindigkeit des^. Ai-terienblntes gleich .seyn müs^ ^
Ppnn die Krall, yon welcher das Blut in den Arterien götrien®.
wirdj, ; jsL zwar .viel grösser als, das,, was in den Venen '' on dies
übrig ist, aber die in den Arterien giössere Kraft
wegung hat auch den ganz^ Widerstand bis durch die Capd ‘
gefässe zu überwinden, das Blut der Venen hat ihn üherwundE
4. Eim. Thcile d. Geflisssyst. Caplttargefässe. Bluibetvegung, 209
da die Summe des Widerstandes im ganzen Haargefässsy-
Stern und in den Arterien auf die ganze Blutsäule his zum Her-
ren zurück wirkt, so hat die ganze Ki-afl des Herzens sogleich
Schon am Anfänge der Aorta diesen Widerstand zu überwinden,
ynd hei gleicher Weite der Räume müsste sich das Arterienhlut
jedem Tlieile mit gleicher Geschwindigkeit und nicht schneller
®ls das Venenblut bewegen, so wie es aus den Capillargefässen
hervorkömmt. Die Vergleichungen des Arterienblutflusses und des
''cnenhlutllusses geben gar keine richtige Vorstellung von der Ge-
schwindigkeit des Arterienhlutes und des Venenhlutes, sondern
hloss von der Bewegungskraft der beiden Blutarten; dahingegen
dire Geschwindigkeiten erst gefunden werden, wenn man den
^iderstand, den diese Kraft erleidet, ahzieht. Hieraus folgt nun,
dass, wenn die Wege des Blutes von dem Stamme his in die Aeste
gleich weit bleiben, seine Geschwindigkeit in den Arterien im
^äpillargefässsystem und in den Venen gleich seyn müsste.
Da nun aber die Summe des Raumes der Aeste bei gewisser
■hänge immer grösser ist, als der Raum eines gleich langen Stam-
dics, so ist dennoch die Geschwindigkeit in den engeren Stämmen
grosser als in den zusammengenommen weiteren Aesten , und
diese Geschwindigkeit nimmt im geraden Verhältnisse der Raum-
'''ergrössernng his durch die Haargefässe ah.
, Verschiedene Schriftsteller haben geglaubt, die Kraft de»
pCrzens reiche nicht aus, um das Blut durch die Haargefässe zu
:*]cihen, und es bedürfe hierzu besonderer Hülfskräfte, welche
'*'erzu supponirt worden sind, wie die Zusammenziehung der Haar-
B^fasse, oder die selbstständige Bewegung des Blutes, wovon die
^.^obachtung nichts zeigt. Dass die Bewegung des Blutes durch
Haargefässe bloss das Herz bewirkt, zeigt unumstösslich die
Beobachtung, dass die stossweise Bewegung sich bei schwachen
j-l'ieren bis in die Haargefässe fortpflanzt, und die Thatsache,
'•äss das Blut ans den Venen eines Tliieres bei jeder Exspiration
^arker ausströmt, wobei die Zusammendrückung der Gefässe der
*''ist durch die Exspiration, die den Strom des Arterienhlutes
.^fst'ärkt, selbst durch die Haargefässe hindurch wirkt. Diess
eweist auch folgender Versuch von Magendie. Er unterband
Schenkel eines Hundes, ohne dass die Schenkelarterie und
^pl>enkelvene in der Ligatur mitbegrilFen waren. Wurde nun
Pj® ^chenkelvenc besonders unterbunden, so schwoll sie von dem
jj**^*®, welches aus dem Schenkel zurückkehrte, an, und ergoss
j Blut strahlförmig beim Anstechen, Als man die Schenkelar-
comprimirte, hörte der Strom des Venenblutes allmählig auf
fliessen, stellte sich aber wieder her, als man aufhört^ die
^*'terie zu comprimiren. Poiseuille hat mittelst des schon öfter
j^,'''‘‘Bnten Instrumentes den Druck des Blutes in dem peripheri-
Stücke einer Vene gemessen, und bei wiederholten Versu-
jj gefunden, dass dieser Druck dem des Blutes in den Arte-
j®*» durchaus proportional, ist, mit Jenem abnimmt und zunimmt.
'Jsllee’s Archii, 1834. p. 365.
f Bewegung des Blutes in den verschiedenen Capillarge-
und kleinsten Arterien ist verschieden schnell, je nach den
210 L Buch. Von d. organ.Säflenetc, Il./ibschn. Vom Blutkreislauf ■
Hmdernissen, tvelche den Strom durcli anastomotische Zweigelclien
auflialten. Wedemeyer liat über das Verhalten der Strönichcn,
die sich vereinigen, Folgendes bemerkt, was ich mit der Natar
vollkommen übereinstimmend finde. Zuweilen fliessen die hlutkoi
perchen aus einem Kanälchen einem zweiten Strömehen schnell,
und wie wenn sie äiigezogen würden, zu. In anderen Fällen
der Strom, in den sie' hinüber fliessen, rasch, sie selbst aber werde"
in dem zufübrenden Strömehen aufgelialten, und es gelingt ihnc"
nur gelegentlich, sich mit dem Strome zu vereinigen. Zuweile"
wird selbst aus dem reissendev. Strome cm Rügelcben eine Streck«
in den schwächern Kanal zurück geschleudert, und dann wieder
iurück getrieben. Ich bähe auch bemerkt, dass ein und dasselbe
Verbindungskaiiälchea zwischen zwei zufübrenden Strömen das Bl"^
zuweilen in der eineii, zuweilen in der andern Richtung erhält,
und dass Veränderungen im Drucke, ln der Lage,' Bewegungen iC
ThiereS, immer die Ursache dieser Veränderungen sind; so Wi«
denn alle diese Verhältnisse der Strömung hier nach rein mecha'
pischen Ursachen, eben so wie in einem bewässerten Terrain, va-
riiren. In den 'feinsten Capillorgefässen, welche nicht roth, auc"
hiebt einmal gCllV auSsehen, 'sondern ganz durchsichtig- sind, sieb
mau' die Blniköl‘percheii nicht mehr dicht hintereinander oder
nebeneinander lliessen; hier hnijen die Körperchen uur hintereii'-
ünder Raum, alie’r-'sie fltesbeti in üngleichen Zwischenräumen gC'
trennt und bald sieht man Kügelchen dadurch rinnen, bald wi«'
der nicht, bald wieder mehrere. Indessen habe ich niemals Räum«
bemerkt, welche anhaltend ohne Kügelchen gewesen wären, niid
w^elche die Benennung vasa serosa rechtfertigten (vergl. Seite 204. ,
und Weuemeyeh, der diess gesehen haben will, gesteht selbst,
dass er von Zeit zu Zeit doch Kügelchen durch solche Gefäss
habe hindurch gehen gesehen. Die Kügelchön xotiren hem’
Durchslrdmcn der Capillargefässc nicht; beim Frosche scheine^
sie meist mit dem Längendurchmesser in der Achse des Gefuss«^
zu strömen, aber häutig ist ihre Achse auch schief gestellt, u"
ihre Lage erleidet vielfache Verändeniiigen durch den mechaoi'
sehen EinHuss der 'Wände, wobei sich die Kügelchen ganz p»*'
siv verhalten, und hie eine Spur selbstständiger Bewegung zeigc"^
Mehrere Beobachter haben angegeben, dass die Kügelchen
weilen an 'den engen Wänden zusammengedrückt und verlange*^
"tviirclen« Di6s3 liabc icli nie £*GsG?icnj und cs ist ■vielleicht
Täusciiung, je nachdem die Beobachter die platt elliptischea K"*'
Eer'clieii der Tliicre' von der einen' oder andern Seite geseh^^
ahen. DöEm,iNdER 'lind DuThoenET- behaupten gesehen zu "‘Ij.
hen, dass Blutköiperchcn in 'Gelässrinaen stockend sich hier
deiii Gewebe verbunden haben. Ich habe zwar auch häufig
solches Stocken, besonders bei schon geschwäcliten Thieren h«"
achtet'j und habe es früher für möglich gehalten, dass Blntkör^^
clifeü irtif diese Art ihre Bewegung verlieren könnten; allein S
nauere Beobachtungen haben mich gelehrt, dass diese stockem .
Kügelchen bald auch wieder frei werden, und dass es nur
grosser Scliwädie eine vollkommene Stockung, nämlich die Gen^^
niuig in den kleinen Gefässen gieht, die gewiss eher das Geg«
4. Einz. Theile d. Gefdsssyst. Capiüargeßlsse. Blutl/ewegung. 211
tlieil der Ernährung ist, als dieselbe erklären kann. Die von
Boellinger angenommene Ernährung durch Vereinigung der Kü-
gelchen mit dem Gewebe ist von keinem einzigen Beoliachter he-
slätigt worden, und ich werde später aus anderen Beobachtungen
Sehr wahrscheinlich machen , dass die Ernährung nicht auf diese
Alt geschieht. Immer sieht man alle Kügelchen, welche in die Ca-
l>illargefässe strömen , mit Schnelligkeit in die venösen Ström-
chen übergehen, und keine Kügelchen hei einem lebenskräftigen
Thiere zurück bleiben. Prevost und Dumas haben zwar in dem
Arterienblute mehr Kügelchen als in dem Venenblute zu finden
geglaubt, diess ist aber ein theoretischer Irrtbum; sie haben die
Kügelchen für die alleinige Materie des Faserstoffes im Blute ge-
kommen; da der Faserstoff aber, wie meine Beobachtungen zei-
gen, im Blute aufgelöst ist, so ist es ganz unrichtig, nach der
Quantität des Gerinnsels in beiden Blutarten die Menge der Kü-
gelchen zu schätzen.
Sobald man das Glied comprimirt, hören alle Strömungen
kuf, und jedes Kügelchen haftet unbeweglich auf der Stelle, die es
'^orher einnahm. Nach Kielmeyer haben Treviranus, Carus, Doel-
k'NGER und Oesterreichejl dem Blute eine eigene Propulsionskraft,
*ich nach den Capillargefässen hin, und von diesen ab zu bewe-
gen, angenomiüen,. eine Kraft, die nach dem Aufhören der Herz-
^'lätigkeit noch und unabhängig von derselben im Leben wirken
^kll. Ich habe . mich schon in der Lehre vom Blute aus Gründen
dagegen ausgesprochen. An sich kann das Blut eine gewisse Di-
^Getion nicbt .haben, , es müsste denn von der Suljstanz der Capil-
kfgefässe angezo.gen werden, wie Baumgaertner und Koch anzu-
^®hmen scheinen. Würde nun wirklich das Blut von den Capil-
^krgBfässen und der lebenden Substanz angezogen, so kann es sich
'^khl darin anhäufen, wie es in den Phänomenen der Turgescenz
^^leiut; aber man sieht nicht ein, wie eine solche Anziehung den
^rpislauf unterstützen köniiite, denn das Blut wird dadurch zum
Aufenthalte in den Cnpil|argefässcn bestimmt; oder man müsste
?’>eder annehmpn, .dass das Blut nur so lange von der Substanz
den Capillargeffässen angezogen ^werde, als es airs den Arterien
kommend noch hellroth ist, ,dass aber mit der Umwandlung in
Venöses Blut diese, gegenseitige Verwandtschaft von Blut und Sub-
*fanz auf höre. Dann allein könnte in den Capillargefässen eine
Bülfshraft des Kreislaufes liegen. Die Turgescenz gewisser Theile
gewissen Zeiten beweist dagegen gar nichts für diese Hülfs-
Valt, denn diese bedingt zwar Anziehung, aber auch Anhäufung
‘^Blntps. Ich komme wieder darauf zurück, was bei der Lehre
Blute bemerkt worden, wo ich meine Versuche über die
auer der Blulbewcgung in abgescbhlttcnen Theilen, und ohne
klutio continui mit Mortification des Herzens durch Kall causticura
dröschen erzählt habe, p.' 138. Obgleich die bloss durch An-
^*®hung liedingte Saftbewegung der Pflanzen uns die Möglichkeit
jk ähnlichen Phänomenen i>ei Thiercn zeigt, so haben AVir doch
L * letzt keine hinreichenden empirischen Gründe für dieselbe; ich
te L schon bemerkt, dass ich die rhythmische Oscillation des Blu-
kei stockendem Kreisläufe nicht für einen solchen Grund an-
14*
212 I. Buch. Von den organ. Säften etc. II. Alschn. Vom Blutkreislauf
sehe, nnd die von scharfsinnigen Männern, BAVMGAERraER und
Koch, beigehrachten Gründe nicht für hinreichende Beweise halte-
Die Iheilwcise Leerheit der Arterien nach dem Tode, während
die Venen gefüllt sind, könnte vielleicht in so fern als ein Grund
iiir die Anziehung des arteriellen Blutes nach den Capillargefäs-
sen betrachtet werden, als bis jetzt keine recht genügende Er-
kläruii" der Leerheit nach dem Tode möglich ist.
Man kann die Frage von der Unterstützung des Kreislaufes
durch Anziehung des Blutes nach den Capillargefässen verneinen,
und doch diese Anziehung allein, in Fällen, wo eine Anhäufung
von Blut in gewissen gesunden Theilen, in denen sich ein thäti-
geres Leben zeigt, zugeben, wie ich schon bemerkte. Diese Art
der Anziehung bewirkt Anhäufung, nicht Unterstützung des Kreis-
laufes. Bei den Pflanzen sind diese Phänomene ganz augenschein-
lich ; dem Fruchtknoten, der das belVuchtete Ei einschliesst, fliessf,
wieBuRDAcn sagt, mehr Saft zu; ubi Stimulus ibi aflluvus. Aehn-
liche Phänomene giebt es auch bei Thieren.
Alle diese Phänomene örtlicher, vom Herzen unabhängiger
actlver Säfteanhäufung, die nicht durch ein Hinderniss des Rück-
flusses entsteht, hat man unter dem Namen Turgescenz,^ turgor
vitalis zusammen gefasst. (Hebenstreit de turgore eitali,
1795., welche Abhandlung indoss wohl keine richtige Ansicht
dieser Gegenstände enthält.) "
ln vielen Lebensumständen wird die Weeliselwirkung zwischc**
Substanz und Blut, die organische Affinität zwischen beiden, wel-
che in der Ernährung ein Factum ist, unter Anhäufung des Blu-
tes in den erweiterten Gefässen der Organe vermehrt. So he*
der Brunst in den Genitalien, bei der Schwangerschaft im Ute-
rtis, im Magen, der in der Verdauung blutreicher ist, bei de*"
Wiedererzeugung der Geweihe, wo die Höcker der Schädelknu-
chen, auf welchen die Gtrweihe aufsitzen, gleichsam ein wahr'
haftes Aufsteigen der Säfte wie in den Pflanzen zeigen, nachdeu*
sie bis dahin auch von Blut durchzogen aber blutarm waren. A***
häufigsten sind diese örtlichen Anhäufungen des Blutes, Gefässer-
Weiterungen und Gefässentwickelungen aber beim Embryo, r
nach den verschiedenen Organen, svelche gerade als success*/
nothwcndige Theile oder Glieder des Ganzen durch die produc*'
rende Kraft entstehen. Die Kiemen der Salamander und Frösch®»
der Schwanz der Frosch larven sterben dagegen ab, wenn die af'
ganische Affinität zwischen Substanz und Blut anfhört. Man h®
zur Erklärung dieser Phänomene an verstärkte Contraction der A*"'
terien gedaclit. Allein die 'pulsatörisohen MuscularcontractioU®
existiren nicht, und dauernde- Zusammenziehungen der Arteri®*h
wenn sie nicht wurmförmig fortschreitend sind, oder wenn *
nicht durch besondere Klappen unterstützt sind, können ke*' ^
Turgescenz hervorbringen. Es ist unvermeidlich zur ErkläruCc
der vermehrten Blutmenge des Uterus in der Schwangerschaft,
Erklärung der Turgescenz der Knochenhöcker, welche das G ^
weihe hervortreiben , eine örtlich vermehrte Affinität zwis®h
Blut und Substanz anzunehmen. Diese Veränderung kann aU®
plötzlich eintreten, und es gehören hierher die plötzlichen B*
4. Einz. TMle d. Gefusssfst. Capillargef. Turgescenz. Erectlon. 213
anliiVufungen irn Gesicht Lei der Scliamröthe, am ganzen ^-Opf Lei
liefligen LeidenscLal’len, Zustände, in welchen die localen Phäno-
mene oflenhar durch Nervenwirkung bedingt sind. Eben so gclio-
*'en hierher die activen Congestionen des Blutes zu Organen, wc -
*^116 in einem gereizten Zustande sich befinden, zum Gehirn u. s.
Vgl. Bokohdeu, Meck. Archiv 1827. 537. Wedemever l. c. 412.
Wenn die Gefässe eines Organes, in dem die Aflimtät zwi-
*ehen Blut und Suhstanz gesteigert ■werden kann, einer beträcht-
lichen Erweiterung l'ähig sind, so findet Anschwellung dieses Or-
ganes und Erection desselben statt. Erectil sind der Penis, weni-
ger die Clitoris, in geringerem Grade auch die Brustwarzen des
Weihes und die erectilen Anhänge am Kopfe einiger \ ogel , wie
«les Truthahns, Meleagris gallopavo. DieErectionen scheinen daher
“^it in eine Ordnung* mit den ehen genannten Phänomenen zu ge-
hören, sie hilden aber eine besondere Reihe, weil zur Erection
®in eigenthümliciier Bau der Gefässe, nämlich beträchtliche Er-
'^eiterungsfähigkeit derselben bei einem sehr sinuöseu Bau der
^enen gehört. In diesem Falle bilden die erweiterungslähigen
^'^enen die zahlreichsten Anastomosen und Geflechte, und der Raum
®Her dieser erweiterten Gellechte ist ohne Vergleich grösser als
zufuhrenden und ahluhrenden Kanäle. Im nicht erweiterten
Anstande Hiesst diesen (Jefässen so viel Blut zu, als Blut ahlliesst.
^urch eine gesteigerte Affinität zwischen dem Blute nud den
fänden der Gefässe wird vielleicht das Blut in ihnen zurück ge-
halten. Sie schwellen um so strafier an, wenn die Zwischenräume
Venenpcllechte von einem fibrösen Faden- oder Balkengewcbe
'unterstützt sind, welches letztere mit einer fibrösen äussern llaut
*nsammen hängt, wie an den corpora cavernosa penis. Injections-
ffiassen gelangen aus den Arterien der Ruthe ziemlich leicht in
die Venen, besonders an dem corpus cavernosum der Urethia
^'nd der Eichel; M. 3. Webe» hat mir eine Suite schöner Injectio-
des Penis von den Arterien aus gezeigt. Vergl. Cuvie» vergl.
•dnat. 4. 468. Moresciii, Meck. Archiv 5. 403. Ribes, ebend.
'^d7. TiEDEMAHn, Meck. Archiv 2. 95. Panizza osservazioni an.
^'"opo-zooiomico-Jisiologiche, Eavia 1830. Zwischen den anasto-
'nutiscl,en Venen des corpus cavernosum penis liegen beim Pferde
hlassröthliche Faserhündel, welche im Allgemeinen der Länge
"ach verlaufen, aber balkenartig Zusammenhängen. Mikroskopisch
^uiersucht zeigen sie sich nicht "wie Muskeirascrn; heim Ikochen
heben sie selbst nach 7 Stunden keinen Lelm. Die essigsaure
Auflösung wird von Cyaneisenkalium gefällt; daraus kann man
'lidess juir scliliessen, dass das fragliche Gewebe nicht in die
jlasse der niedcrii Gewebe, des Zellgewebes, Sehnengewehes und
"lastischen Gewebes gehört. Beim Versuche an einem lebenden
;^l'erde konnte ich an diesem Gewebe durch eine galvanische
affie keine Contrnctlon erregen. S. Mueller’s 1834. 50.
p. 26.
Die Ursache der Erection ist bekanntlich vorzüglich örtliche
"der vom Gehirn und Rückenmarke ausgehende Nervenreizuiig.
. eizung des Rückenmarkes und Zerstörung desselben mit einem
Wissen Stabe bei einem Thiere bewirkten Erection und Ejaculation,
214 I. Buch. Von den organ. Säften etc. II. Ahschn. Vom Blutkreisliiuf-
so wie auch Congestion zum Gehirn und Rückenmark diess ver-
ursacht, wie zuweilen bei Erhängten. Die Ruthennerven, deren
Zweige sich in dem Gef’ässgewebe der Ruthe verbreiten, sind diC
nächste Ursache zur Anhäufung des Blutes in demselben. GveS-
THER hat beobachtet, dass nach Durchschneidung dieser Nerven
Leim Pferde das Glied nicht mehr erigirt werden kann. MecE-
Archiv 1828. 364. Als der operirtc Hengst zu einer Stute ge-
bracht wurde, zeigte er zwar Lust zum Bedecken, allein die Ru-
the blieb schlaff hcrabhängend. Am andern Tage war sie ge-
schwollen, aber nicht erigirt.
Einige französische Schriftsteller, Chaussier und Adblon, und
unter uns Stieguitz {pathologische Untersuchungen 1. 175.) nehmen
an, dass der Zufluss des Blutes bei der Erection nicht das Erste,
sondern die selbstständige Expansion des Gewebes das Ursprüng-
liche, die Anfüllung mit Blut die Folge bei der Erection sei-
Hiergegen kann erwiedert werden, dass wir bis jetzt kein Bei-
spiel einer activen Erweiterung kennen, und dass die künstliche
Einspritzung des Penis die Erection vollständig nachahmt. Stieg-
litz vermuthet zugleich, dass die Stämme der Venen vielleicht
auch einer Verschliessung durch Zusammenziehung fähig seyeu-
Versuche an der vena dorsalis penis des Hundes und Schafbok-
kes, die ich anstellte, sind dieser Hypothese geradezu entgegen-
Krause (Stieglitz a. a. O. p. 188.) theilt den musculi ischiocaver-
nosi die Fähigkeit zu, die Venen des Penis zu drücken, und
die Erection zu bexvirken. Housto.v {Dublin Hospital Report^
1830. T. 5. Stieglitz a. a. O. 189.) hat sogar bei Thieren beson-
dere Muskeln zwischen Penis und Schaambogen zur Compression
der Vena dorsalis penis beschrieben. Sie sollen von den Schaam-
beinen entspringen, und sich über der Vena dorsalis mit einan-
der in der Mittellinie verbinden. Sie sollen eine dünne Schicht®
musculöscr und sehniger Fasern bilden. Diese Fasern solle®
Lelm Menschen undeutlich seyn. Ich habe sie niemals finde®
können. Man kann zwar, wenn die Erection eben beginnt, dure®
eine willkührliche Zusammenziehung der Muskeln des Damme’
diese momentan verstärken, aber diese Verstärkung ist nur m®'
mentan, wenn nicht die wahren Ursachen zur Erection vorh®®'
den sind. Mau kann die Musculi ischiocavernosi willkührhc
znsammenziehen, aber hierdurch kann man keine Erection h®'
wirken, wenn der Penis schlaff ist.
Nach einer von mir gemachten Entdeckung über den incrE'
würdigen Bau gewisser Artei’ien im Innern der corpora caverno**
lernen wir ganz neue Elemente der Erklärung der Erection k®®'
nen. Ich habe nämlich gefunden, dass es ausser den letzten f®“’'’
sten, in Venenanfänge übergehenden und zur Ernährung der cm
poca cavernosa dienenden Zweigen der arteriae profundae
noch eine ganz andere Art von Zweigen derselben giebt, vvel®.j.
theils kurze rankenartige Auswüchse von ^ Mlllim. Dicke,
Quästchen solcher rankenartigen Auswüchse mit gekrümim
stumpfspitzen, blinden Enden giebt, die ich arteriae hclici®'
nannte. Diese Auswüchse ragen sämmtllich in die venösen f
len der corpora cavernosa penis hinein; sie finden sich vorE®h
4. Eint. TheÜe d. Geßisssjst. Capillargefusse. Ereciion. 215
licli im hintern Theile der c. cavernosa peni? und des c. ca-
^crnosum uvellirac. Obglcicli sich an den Wanden diesei reien
Arterienauswüchse, die sich am deutlichsten heim Meuse len zei
gen, keine. Oeffnungen sehen lassen,, so erleidet es doch keinen
Zweifel,! dass sie cs sind, weiche das Blut, das Lei der li-rnalnung
^Wch die Yiql feineren Zweige der arteriae profundae penis m
«lie Venenanfänge übergel.t, hei der Erection sogleich in die
venösen Zellen ergiessen. Bei der Injection der art. profunda
l'enis geht die Masse von Leim und Zinnober jedesmal in die
Zellen über; beim Auswaseben der aussesclirtiltenen eavernosen
Jvörper finden sich dann die art. helicinae injiciit- ei ‘ ei e-
l^endigen Ergiessung des Blutes aus diesen Banken müssen die-
sellien durch den vom Ilückcninarke ausstrpmenden
duss das Blut in grösserer Quantität anzieben. DiCsC .n c c
'^«ng wirft zugleich ein neues Licht auf die Wechsel Wirkung t es
J^lutes, und der kleinsten Gefässe in anderen XluMlen
«len turgor vitalis. Siehe ÄluEreER’s Ardtw f. Anal. «
1^34 p 202. iah. 13. Aus den cavernösen Körpern lliesst (las
^lut ’thmls durch Emissarien an den Seiten und an der Oberlla-
dieser Körper zurück in die Zweige der vena dorsalis pciiis,
^^cils durch tiefere Venen, die an der Wurzel dei c. cavei-
“osa l.ervorkommen, unmittelbar in den plcxus pub.cus hinter
'V Svmphvse der Schaambeiue, wohin auch die vena doisalis
^Ijerg^U Da diese Lieferen Venen gar nicht in die vena dorsa-
gehen, so kann auch keinerlei, Druck auf die vena dorsalü
^«■sLbe der Blutanhäufung im renls werden. S. Muei-uer i
Wörierb. d. medidn. JEdsen-wh f
Es ist sehr wahrscheinlich, dass inaucbe Mittel, wie dm
gentia, Alaun etc., in der lebenden th.erischen A atcrie überhaupt,
'»■id so auch in den kleinen Gef ässen, eine Annäherung der Molc-
eine Verdichtung bewirken, vermöge welcher der Durchmes-
dieser Theile kleiner wird. Denn anders könuciyvir uns wol.l
Wirkungen dieser Stoffe und der Kälte bei BhBlkissm. aus
'‘usgescbnltlenen kleinen Arterien nicht erklären, Die Wanne
‘^«knt das Blut und die Capillargefässe, wie die Stoffe, -
Sei aus. Dass die Elkerstoffe und die Capillargefa^sse y®''“®"
Zustande gegen solche Einwirkung eine grössere Contracti itat je
^t^en, ist set- wahrscbeinlicb, fast gewiss, denn nur elmnden
Wper bewirkt die Kälte durch sogenannten liautkrampt dm Lr-
“'^lieinung der Gänsehaut in der Form von kleinen Er iclningen,
Welche nicht von blossem ZurücktriUe des Blutes von den ausse-
Thellen oder vermindertem Turgor berrühren kann, da clie
S‘'"sehaut nur im lebenden Körper möglich ist. Wollte man diese
Erscheinung allein von dem Sielitharwerden der Folliculi dt
E?ut durch den Gollapsus der Zwlscbciistellen ahleiteii, wie ic
‘‘‘r die Sache vorgestellL habe, so müsste diese Frscbei.iung a« cU
Tode möglich seyii. Die Ersclieimmg der Gansebaut 1 ^
‘uli eine Art lebendiger scbwacber Contractililat
, eiche die Foülculi sichtbarer werden. Eine .m”
. utsersebeinung kömmt an der A^orliaut durch Emwi ^ Von
^■'lle, und iin höchsten Grade an der tunica dartos voi. Von
216 I. Buch. Von den organ, Säften etc. II. Abschn. Vom Blutkreislauf
der Muscularcontractilität nriterscheidet sich diese nnmerklichc
Contractllilät , dass die Reaction allmälilig und schwach erfolßih
und dass die Nervenkraft unter allen Umständen in den Muskel*'
Contraction erregt, während die unmerkliche Contractilität der
Haut sich nur auf gewisse Reize, z. B. Kälte oder hei KervenatU'
ction, äussert, aber nur in solchen Umständen, welche zugleich
den Trieb des Blutes nach der Haut vermindern, walirscheinlich
durch consensuelle Wirkung auf die Kraft des Herzens; dagegen
alle Reize der Haut, bei welchen ein starker Zufluss von 13ln^
zur Haut erfolgt, immer mit Turgor, aber nicht mit den Ersehe*'
nungen des Haiitkrampfes verbunden sind.
Wie weit die unmerkliche Contractilität in den thierischen
Theilen verbreitet ist, lässt sich nicht angeben. Sie kömmt wahr'
scheinlich in stärkerm und geringerm Grade allen weichen org«'
nisirten thierischen Theilen zu, und es ist nichts entgegen, si®
auch in den kleinen Arterien und Haargefässen vorauszusetzen-
IVur ist nicht alles, was überhaupt reizt, ein Reiz zur Aensserung
der unmerklichen Contractilität, und es hängt die Zusammenziehung
der kleinen Gefässe, z. B. bei Operationen, von plötzlichen speci'
fischen Einflüssen, wie Kälte, ab, welche die Verdichtung, die A**'
näherung der Molecule der Arterien bewirken, während ander®
Reize ganz verschiedene Erfolge haben können , indem sie d*®
Turgescenz vermehren, wie Wärme etc. Der Galvanismus bewirkt
in den Capillargefässen nach Wedemeyer niemals eine Contractioa»
sondern Stockung des Blutes durch Gerinnung desselben; dag®'
gen will Wedemeyer eine deutliche anhaltende Verengerung
den kleinsten Arterien auf galvanischen Reiz beobachtet habe*')
und zwar sowohl, wenn er den negativen Pol, als wenn er de**
positiven auf die Gefässchen applicirte, so dass die Zusammen'
Ziehung nicht von der Entwickelung der Säure am positiven Pol®
(aber doch vvohl vom Alkali am negativen) herrühren könnte.
Es schien anfangs, dass directe Versuche über die Wirkn**S
von verschiedenen Stoffen bei der Application auf die Capillarg®'
fasse unsere Kenntnisse über die Fähigkeit derselben, die Capilh>r'
gefässe zu verengern, oder vielleicht durch Vermehrung derT**»'
gescenz zu erweitern, sehr vermehren würden. Allein wir befind®'*
uns in einer gänzlichen Verwirrung über die Zustände, weftd'^
verschiedene chemische Substanzen auf die Capillargefässe app^‘'
cirt, in ihnen hervorrufen. Thomson, Wilson, Hastings, Kalte"'
Brunner, Wedemeyer undKoen haben hierüber interessante Bco')'
achtungen angestcllt. Man beobaclitet auf Application che**"'
scher Agentien auf die kleinen Arterien, Haargefässe und Ve"®'*
zweierlei Veränderungen, ln vielen Fällen tritt Erweiterung d®*^
Haargefässe nach einigen Minuten ein, wie z. B. immer nach Al*'
plication des Kochsalzes (Thomson, Hastings, Wed EMEYER, Oeste"'
REICHER und Koch). Doch sah Wedemeyer, dass die kleinen *kT'
terien des Mesenteriums durch Kochsalz sich zuerst um ^ '^***^'
Durchmessers verengten, und dass dann eine grosse Erweite*'"'’®
' eintrat. Nach Application v’on Ammonium hat Thomson Ver®"^ j
gerung der Gefässe mit Abnahme der Schnelligkeit der Bluth®^*^^
gung, Wedemeyer und Hastings dagegen Erweiterung der
4. Einz. Theile d. Geßlsssyst. Capittargejässe. Entzündung. 217
fässe mit Stockungen Leobaclitet; Oesterreicher sali auf Appli-
cation einer schwachen Äuüösung von Ammonium Erweiterung,
*>äch Application concentrirter Stoffe Verengerung der Gefässe mit
Endlicher Stockung der Blutbewegung; Weingeist verengerte die
gefässe in Hastings Versuchen, eben so ivie heisses Wasser bei
^i'öschen , Eis zog Gefässe ebenfalls zusammen. Häufig be-
merkte Hastings, dass diese Mittel zuerst Verengerung, späterhin
Erweiterung bewirkten. Wedemeyer sah von tinct. opii, acidum
m'^taricuni, höchst verdünnter Salzsäure, Alcobol keine constanle
Resultate. Nur in ein paar Fällen sah er, dass Alcobol auf Ar-
terien und Haargefässe applicirt, den Blutlauf licnimte, ohne
*^ech in den Arterien eine deutliche Contraction hervorgebracht
***■ haben, ln den Fällen, wo Stoffe eine Erw'citerung hervor-
}*ringen, sieht man in der Regel auch Stockung des Blutes, nur
■tiiOMSoN bemerkte bei der Erw'eiterung von Kochsalz bald ver-
***ehrte Schnelligkeit, bald Stockung. Man bemerkt auch bei
'[crengerten Gelassen bald vermehrte, bald verminderte Schnel-
'gkeit. In einem verengerten Kanäle muss die Schnelligkeit ceteris
^'‘riljus zunehmen, nach einer andern Ursache dagegen abnehmen,
m^nn die Ursache, welche den Kanal zusammenzieht, auch das
"lut zäher macht und zum Gerinnen bringt, ln einem erweiter-
Kanäle müsse das zugeführte Blut ceteris paribus langsamer
me®*en, nur insofern die' von aussen bewirkte Erw'eiterung die
Eriction vermindert, wird das Schnellerlliessen begreiflich. Die
E*'klärnng jener Phänomene ist jetzt noch ganz unmöglich.
, Es kann seyn, dass die Zusammenziehung in allen jenen Fäl-
eine active Contraction der thieiüscben "l heile, es kann aber
^'»«h seyn, dass sie eine bloss chemische Wirkung ist, und in der
^^^ten Materie eben so w'irkt, indem eine Materie z. B. den thie-
Theilen einen Theil ihres Wassers entzieht. Es kann seyn,
«ass aie Wirkung der Stoffe, welche Erweiterung der Haargefässe
^*^dinge[j , durch vermehrte Turgescenz oder organische Affinität
*'^'schen Blut und Substanz wirkt ; es kan« aber auch diese Er-
mEehiung eben so gut durch blosse Endosmose «'folgen. Siehe 5.
Ein Salz durchdringt die Theile bis zu den Capillargefäs-
dieses Salz strebt sich in dem Blute aufzulösen; das Blut
J Capillargefässe strebt das Salz zu lösen. Durch diese Anzie-
muss das Blut in den Capillargefässen aufgehalten und an-
werden, und die Gefässe müssen sich erweitern und die
Itttliewegung stocken. Es ist sogar wahrscheinlich, dass in der
;^\®Sel, .vvenn ein Salz Erweiterung der Capillargefässe bewirkt,
'®ss durch blosse Endosmose geschieht.
h>a die genannten Versuche mit Application fremder Materien
die Capillargefässe in Hinsicht der Resultate so verschiedene
^Wslegung zulassen, so tragen sie auch fast gar nichts zur Erklä-
des Zustandes der Capillargefässe in der Entzündung bei,
de' müssen uns beschränken, hier bloss das Thatsächliche
Entzündungsprozesses mitzutheilen, wie es besonders Thom.son,
^^.*^t®nbrunner und Koca kennen gelehrt haben. Tuomson über
SiT j übers, von Krukenberg. Halle 1820. Kalten-
exp, circa statum sanguinis et vasorum in. inßamnmtione.
218 I. Buch. Von den organ. Säften etc. II. Ahschn. Vom Blutkreislouj-
Monach. 1826. Eine kritische, auf eigene Beohachtungen gesUiUt«
Arbeit hat K-och, Meck. Archiv f. Anat. u. Fhrsiol. 6., geliefert. ^
Ein entzündetes Organ enthalt zu jeder Zeit der Entzündung
mehr Blut in den kleinsten Gefässen oder Capillargefässen ; alle*“
die Bewegung des Blutes durch die Gefasse ist in verschiedene''
Zeiten ganz verschieden, iin Anfänge sti’ömt^das Blut nicht
in Menge dem entzündeten Parenciiyma zu, es wird auch wiede“
ohne grosses Hinderniss in die Venen weiter geführt; in dem Gra
aber, als die Entzündung weiter schreitet, stockt die CirculatK’*'
zuerst in einzelnen, dann in immer mehr aasgefüllten Capillarg®'
fassen, und im höchsten Grade der Ausbildung sind alle Capilla»'
gefasse mit wahi'scheinlich geronnenem, jedenfalls aber auf irge"''
eine xVrt zersetztem stockendem Blute gefüllt. Nach Kocu soll sic '
dabei der Färhestoff der Blutkörperchen im Serum auBösen, w»’
im gesunden Blute unmöglich ist, und mir auch noch in der Eid
zündung zweifelhaft scheint, da die faserstodigen Exsudate hhit'c
seyn müssten. Nach Roch entstehen keine neuen Gefaise in cid'
zündeten Theilen (wobei aber zu erinnern ist, dass sie jedenfalh
sicher oft in dem exsudirten Faserstoffe entstehen). Membranen»
xvelche eine freie Oberfläche darhieten, ergiessen im Zustande der
höchsten XJeherfüllung der Capillargcl ässe den im Blute aufgelöste''
Faserstoff, welcher dann auf der Oberfläche der Membran coag«'
lirt und eine Pseudomembran bildet. Wo die Exsudation nicld
erfolgen kann, häuft sich die gerinnbare Materie in den Capillai’'
gefässen der Organe selbst an. Wenn diese Stockung nur in eii’'
zelnen Strecken der Capillargefässe stattfindet, andere aber noc“
eine unvollkommene Circulation in dem Organe unterhalten, so u
das Organ bloss verdichtet, was man in den Lungen hepatisi'' »
in anderen Organen verhärtet nennt. Wenn aber durch die Uc*'
tigkeit der Entzündung alle Circulation in einem Organe aufhörh
und alle Capillargef ässe nicht allein coagulirtes, sondern auch zcf'
setztes Blut enthalten, und die Substanz selbst zersetzt ist, f
wird ein solcher Theil brandig , d. h. es tritt örtlicher Tod c'“'
Thomson (Meck.. Archiv 1. p. 448.) hat beobachtet, dass die G“'
fasse im Brande zuweilen mit coagulirtem Faserstoffe gelullt, **''
weilen durch Entzündung verwachsen sind. Brand tritt leicht“
hei geschwächtem Nerveneinflusse und in gelähmten Theilen
Wird endlich die Entzündung noch längere Zeit durch n“''j
Ursachen oder durch die Dauer der allen hingehalten, so u'i''
die Substanz der Organe auf eine eigenthümliche Weise zerset* ^
es stossen sich nämlich die zersetzten Theilc als Eiter ab, “'''
aus Kügelchen bestehende Materie, die grösser sind als die
körperchen. Niemand, auch Raltenbrunner nicht, hat die L''
stehung des Eiters noch gehörig mikroskopisch beobachtet.
kann hierzu kein kaltblütiges Thier bi'auchcn, und man inü’"
die Untersuchung an Säugethicren, Fledermausllügeln anstell““' ^
Zwar beginnt die Entzündung mit Phänomenen, die der
gescenz ähnlich sind. Die Organe nehmen durch veränderte oiF|^
iiischc Affinität zwischen Blut und Substanz mehr Blut auf
sonst, und verhindern seinen Ausfluss. Allein man muss sich
hüten, diess vermehrtes Leben zu nennen, was eine Störung
4. Einz, Theile d. Gefüsssyst. Capillargefässe. Nerveneinfluss. 219
^ttnction bewirkt, und ein Bestreben der Natur zur Folge batj die
durch den Entziindungsreiz verursachte materielle Veränderung,
®iue die Action des Organes verhindernde Verletzung, wieder aus-
*'Jgleicben. Wäre das Leben erhöht, so würden die krankhaften
^äsgange der Entzündung nicht eintreten. In der Wiedererzeugung
der Geweihe, in dem Phänomen der Erection, in der Turgescenz
des Uterus nach der Conception ist wirklich Turgescenz mit örtlich
Vermehrter Lebenskraft verbunden. Reizung und Lebenskraft steigen
der gewissermassen in gleichem Grade, aber in dem Phänomen
der Entzündung steigt nur die materielle Veränderung; der Schein
^on Turgescenz, wobei die materiell veränderten Theile das Blut
V'irückbalten oder anziehen, um ihren Zustand wieder herzustel-
geht allmäblig mit der Anhäufung des Blutes und mit der
*ä«teriellen Veränderung des Organes in örtlichen Tod über, so-
d^ld die materiell veränderten Theile die Fähigkeit, welche sie im
8®sunden Zustande haben, die vitalen Eigenschaften des Blutes
erhalten, verlieren und das Blut sich innerhalb der Capillar-
Sefugse zersetzt. Entzündung entsteht von Reizung der Capillar-
S^Iässe, ist aber an sich weder ein vermehrtes noch ein vermin-
dertes Leben, weder Sthenie noch Asthenie, sondern ein eigen-
tümlicher Zustand, der bald mit noch normalen allgemeinen Le-
‘‘'^nskräften, bald mit unterdrückten Lebenskräften verkömmt,
im Maasse seiner Ausbildung in einem wichtigen Organe je-
d®smal auch die Lebenskräfte erschöpft, wenn sie im Anfänge
?mht erschöpft waren; sie ist wesentlich eine durch materielle
''®riinderung bewirkte krankhafte Wechselwirkung zwischen Sub-
und Blut, zusammengesetzt aus einer öi-tlichen Verletzung,
^äer örtlichen Neigung zur Zersetzung und einer organischen
j Tätigkeit, welche dem Zersetzungsstreben das Gleichgewicht zu
l'alten stiebt, was zuweilen unter den Erscheinungen einer hei-
®äden Wunde gelingt, zuweilen nicht gelingt..^
. Wenn die Haut in Entzündung versetzt wird, durch einVe-
so sondert sie zuerst statt Perspiration und Schweiss eine
v.‘Ü8sinkeit ab, welche nur aufgelöstes Eiweiss enthält; wird die
**Gündung aber heftiger, so kann jede Haut Faserstofl aus-
jV-üwitzen, und in der letzten Zeit der Entzündung wird nur
“«r gebildet.
. Verschiedene Schriftsteller haben in der neuern Zeit zu be-
jj®'sen gesucht, dass die Nerven einen grossen Antheil an der
^®Wegung des Blutes in den Capillargefässen haben. Trevirahus
Baumgaeutker haben am meisten diese Ansicht unterstützt.
^ gewiss es ist, dass vom Einflüsse der Nerven die Turgescenz
Theile abhängt, ihre Anziehung gegen die ernährende Flüs-
st" so wenig wird der Kj’eislauf hierdurcli nothwendig unter-
zahlreichen, von dem trefllichen Bausigaertser ange-
Versuche beweisen den Antheil der Nerven an demKreis-
hg.:.,üorcli die Capillargefässe durchaus nicht evident. Dieser Avahr-
sgj^üende Forscher ist aufrichtig genug, zu gestehen, dass viele
ingeniösen Versuche nicht stringent beweisen; allein durch
■yyjp unvollkommener Beweise wird die Sache nicht besser be-
sen. Baumgaertner bewirkte zwischen dem Nervus ischiadicus
220 I, Buch, Von den organ, Säften etc, II, Abschn, Vom Blutkreisl(i<‘f'
und den Fnsszelien eines Frosches einen starken galvanischeo
Strom, welcher die Reizbarkeit dieser Pierven zerstörte, wora«
der Blutlauf in den rnehrsten Fällen in dem Gliede auf hörte. P*
aber hier durch den starken galvanischen Strom die Nervenkrai
zerstört wurde, so wurde auch die Ursache aufgehoben, wcld*®
die Gerinnung des Blutes verhindert, und ausserdem bewirkt sehe**
der Galvanismus die Gerinnung des Eiweisses im Blute. PJaC**
Zerstörung des Rückenmarkes und Gehirns sah Ba-umgaehtser de"
Blutlauf sich verlangsamen, obgleich das Herz noch fortscldug; alle'"
die BcAvegung des Herzens selbst war geschwächt, und alle Versuch"'
■ wo es auf ein unbestimmtes Mehr oder Minder ankömmt, beAveis""
nicht. Trevibanus hatte behauptet, , dass nach Durchschneiduna
des Nervus ischiadicus der Blutlauf in der SchAvimmhaut aufhör"'
diess fand jedoch Baumgaertner selbst nicht bestätigt, wenn d'"
Schwimmliaut gehörig nass erhalten wurde. Die zahlreichen
suche von Wilsos Philip {an experimental inquiry into the
oj the oital functions, London 1817.) beweisen nichts Aveniger
den Einfluss der Nerven auf die BcAvegurig des Blutes in den Ca'
pillargefässen. Die von ihm auf Gehirn und Rückenmark apph'
cirten Narcotica, Opium, Infiisum nicolianae, machen die Bewegui’s’
des Blutes in den Capillargefässen langsamer, aber durch das Her*j
die plötzliche Zei'störung der Centraltheile des Nervensysten'*
hebt den Kreislauf in den Capillargefässen auf, aber durch d»’
Herz. Koch (Meck.. Archio 1827. p. 443.) hat einen ingeniö.s""
Versuch angestellt, iirn zu sehen, ob die Nerven Antheil an d""^
Blutbewegung in den Capillargefässen haben, ein Versuch, d""
durch seine Einfachheit wirklich zu einem Resultate führen könnt"'
Er beobachtete nach Amputation des Beines eines kleinen Froscb"*
in der Schwimmhaut des amputirten Gliedes nur 3 Min. lang
wegung. Wenn er aber alle Theile bis auf den Nervus ischiadi""*
durchsebnitt, so dauerte ilie BeAvegung — ^Stunde. Ich hab"
diesen Versuch wiederholt , er hat mir aber nicht dieselben B"'
sultate geliefert. Nach völliger Amputation des Beines bei stai'b"^
Fröschen sah ich in der ScliAvimmhaut langsame Bewegungen no"
10 Minuten lang, und es war kein Unterschied, als ich den 1^"*^
vus ischiadicus allein die Communicatiou bilden Hess. Etwas,
hier Irrthum veranlassen kann, ist, dass der Frosch die Musk"^^
des amputirten Unterschenkels noch Avillkührlich bcAA'egt, so
der Nervus ischiadicus unverletzt ist und die Communication
hält. Nach einer Zusainmenziehung dieser Muskeln sieht
inimer wieder eine kleine BcAvegung in dem Blute der CapiB“'*
gefässe, welche aber eine ganz mechanische Ursache hat. .jj
Bei den Fröschen kann man leicht das Rückgrath öffnen» "
hinteren "Wurzeln der Nerven für die Hinterbeine vom Bück^^
mark ahlösen, und mit einer Zink- und Knpferplatte salvanis“^^j,
Diese hinteren Wurzeln der Spinalnerven erregen keine Zuckui'r ii
in den Muskeln, Aveiin man sie mechanisch oder galvanisch du
Zuckuo?
Application beider Pole auf die Wurzeln irritirt, dageg
deren Wurzeln unter diesen Umständen auf der Stelle .
erregen. Ich wollte niiii sehen, ob Application des Gah’aii'y"
auf eine hintere Wurzel die BcAvegung des Blutes in der ScIiaa''"
4. Von den einzelnen Theilen des Gefässsfstems. Ven$n. 221
Leschleunigt, ein delicater und etwas complicirter Versuch,
“ei dem mir Herr Stud. Hoevel assistirte. Ich fand durchaus
keine Veränderung der Bluthewegung mit dem Mikroskope in dem
“omente, als der Assistent die Kette an der hintern Wurzel
®ehloss. Die vorderen Wurzeln eignen sich zu diesem Versuche
^'cht, weil dann Zuckungen entstehen, welche die Bluthewegung
^erändern. Es könnte indess freilich seyn, dass gerade die vor-
deren Wurzeln Einfluss auf die Turgescenz in den Capillarge-
fässen ansiibten. Erwägt man alles diess, so folgt, dass die A'er-
wahrscheinlich nicht zur Unterstützung des Kreislaufes in den
^^einen Gefässen beitragen, obgleich es gewiss ist, dass die An-
d'üifung des Blutes in gewissen Theilen hei der Turgescenz vor-
*dglich von einer gewissen Affinität zwischen Substanz und Blut
dßrrührt, und von den Nerven vorzüglich abhängig ist. Zur Un-
|®rhalturig des Kreislaufes in den kleinen Gefässen ist übrigens
^dinerlei Hülfskraft nöthig, weil selbst hei geschwächtem Herzen
des Frosches das Blut noch stossweise in den kleinen Gefässen
durch die Kraft des Herzens weiter getrieben wird.
c. Von den V en en.
Wenn die Kraft des Herzens ansreicht, das Blut durch die
^^terien, durch die Capillargefässe, und trotz aller Hindernisse
)''ieder durch die Venen zum Herzen seihst zu treiben, so dringt
^Uerhalb einer gewissen Zeit so viel Blut durch die Vetren wie-
ins Herz, als durch die Arterien aus ihm heraustritt. Die
des Herzens kann aber auch für diesen Zweck noch durch
“«sondere Hülfsmittel unterstützt seyn Diess sind die Klappen,
^«Iche so angeordnet sind, dass abwechselnder Druck auf die
"enen die Bewegung des Blutes nach dem Herzen befördert, wäh-
der Mangel an gehöriger Körperbewegung schon aus diesem
'^unde den Kreislauf erschweren muss. Eigenthümliche Bewe-
gungen der Venen giebt es ausser an dem Anfänge der Hohlvenen
|.ud der Lnngenvenen nicht, und man sieht hei Säugethiefen deut-
*uh die Grenze, wie weit sich diese Bewegung der Ilohlvenen
^fstreckt, weil der darüber hinaus gelegene Theil der Venenstämme
Juirnehr ausgedehnt ist, während sich die contractilen Anfänge
Hohlvenen verengern. Flourens, der die Abdominalvenen-
Ärnrne der Bfrösche sich bewegen sah, kannte den Einfluss der
yuiphherzen der Frösche nicht, welche die Lymphe in die Ve-
l^®“stämme treiben. Aber bei dem Aal giebt es nach Marsualt.
^i-i-’s Entdeckung eine Art Hülfsherz am Schwanzende, ein Or-
das ich bei anderen Fischen nicht gefunden habe. FBofefEv’s
hegt zu den Seiten des letzten Schwanzitfrbels,
doppelt und treibt dak Blut, das 'es aus den feinön Venen des
j^odes der Schwanzflosse anfnimmt, in die vena caödalis; ■ Vit^
j^^uere halten die Kraft des Herzens für nngeniigendi ünd scht'ei-
der Saugkraft des Herzens einen gewissen Ähtheif'än 'dern
zu, indem nach dieser Ansicht- nach der ^ustdnnieilrie-
der Höhlungen diese wieder zu einem mittlern Zustande
■Erweiterung gelangen, und einen relativ leeren Raum bilden.
222 I. Buch. Von den organ. Säften etc, II, Ahschn. Vom Blutkreislo'^!'
ZtiGSNBTJEHLER dUs. de motu sang, per oenas, Archiv der Med. tin^
Chir. Schovelt. Aerzte. 1816. Sciiubahth in Gilbeht’s Annalen 181''
Dagegen Carus, Meck.. Archiv 4. 412. Die Erweiterung
Herzhöhlen nach der Zusammenziehung ohne eine Flüssighed’
welche sie aasdehnt, kann zwar nur gering seyn. Es fragt sic*’
aber, wie viel auf die Saugkraft des Herzens bei der Circulatio*'
zu rechnen ist. Die grossen Venen werden bei der ZusamrnC"'
Ziehung des Vorhofes vom Blute voller, indem ein Theil des BH'
tes zurückprallt, oder das zuströraende Blut aufgehalten wie**'
und während der Ervveiterung leerer. Diess haben Magesd'®’
'WEDEMErER gcschen , und ich habe mich davon beim
überzeugt. Diess Factum muss man kennen zur Bcurtheiln":’
der Versuche. Wedemever und Guenther öffneten einem Pfci'^’’
die vena jug., nachdem sie oberhalb untea-bunden war, in dic-^
wurde ein Catheter gesteckt, der mit einer gebogenen Glasröh*^
verkittet war. Die absteigende längere Branche der Glasroüb’
(2 Fuss) wurde in ein Glas mit Wasser gehalten. Anfangs träte**
Inspiration und Herzschlag fast gleichzeitig und gleich schnW
SOmal in der Minute ein, eben so häufig stieg das gefärbte Wb’'
ser 2 und mehrere Zolle in der Glasröhre rasch auf, und sa'|
dann jedesmal auf seinen li-ühern Standpunkt zurück. Allmäbi’l'
wurden die Inspirationen doppelt so häufig als die PulsschU'gf’
und nun sahen Wedemeyer und Gitekther lange Zeit, dass
Flüssigkeit niebt bei jeder Inspiration, sondern bei jedem Pu*^
schlage, und mithin gleichzeitig bei jeder Erweiterung des Vorhoi?*
aufstieg. Dieser Versuch scheint die Saugkraft des Herzens
ser Zweifel zu setzen. Dass indess diese Kraft nicht die vorzii^'
lichste Ursache ist, durch welche das Blut sich in den Venen
wegt, beweist das Factum, dass die Kraft des Herzens bis in
Venen reicht, dass ein durchschnittener Venenstamm fortdaußf”^
aus dem dem Herzen entgegengesetzten, mit den Capillargefäss®*!
und Arterien in Verbindung stehenden Stücke Blut ergiesst.
der Zusammendrückung der Brust durch das Ausathmen wer<if'
die Gefässe der Brust comprimirt. Dieser Druck hält das Blut
den Venenstämmen auf, und verstärkt den Strom in den Arteri***’’
Mageispie zeigte, dass die Arterien bei der Exspiration stärb**
spritzen; er durchschnitt den Venenstamm eines Gliedes, unt«**"'
band das zum Herzen gewandte Stück, und beobachtete nun,
das Venenblut bei jeder Exspiration mit verstärktem Strome
.Offenbar ' ist nun doph die Zusammendrückung der Gefässe b
der Exspiration eine weit geringere Kraft, als die des Herzeu**^
. Keulich hat Barrx .den Untersuchungen über die BeweS**'’^
des Elutes in den Venen eine neue Wepdnng gegeben. Im voB
Zustande erfüllt das Herz dpn Herzbeutel ganz. Wenn es sich
^ÜSWlPCläHebt, SQ- entsfelit ,ein relativ leßrer Raum in demselh®’
.vPgsr Blgf. :der Vgneni^bMüWe . muss die VA)rhöfe füllen, und di**
V-ßWl-iv legren Bnum des Herzbeutels auszufüllen streben.
i^CGf .üPch mehr Gewicht auf die; Inspiration , er behaup
_4Hrichi dasiiEiaaJ,huien. oder Erweitern der Brusthöhle entstehe
. der Bros thölile ein relativ leerer Raum, und es müsse daher
.Flüssigkeit von aussen i oder von innen streben, diesen Raum
4, Einz, Thetle d. Geßisssyst. Venen. Einfluss d. Athmens, 223
*unelimen. Von aussen tliut es die atmosphärische Luft, indem
die Lungen im Maasse der Erweiterung der Brusthöhle aus-
‘l'ihnt, von innen müssen vermöge des äussern Luftdruekes die
Flüssigkeiten der Gefässe Zuströmen, und die Gefässstamme sich
^trotzend füllen. Da aber nach jeder Zusammenziehung des Her-
zens in dem Herzbeutel ein relativ leerer Raum entsteht, den die
®'ch mit Blut füllenden Yorhöfe auszufüllen streben, so muss das
Zuströmen des Blutes nach der Brusthöhle im Acte der Inspiration
"öich vorzugsweise nach den Yorhöfon stattfinden. Froriep’s No-
n. 260. 374. 393. 394. Barry schob eine gebogene Röhre
die [geöffnete und oberhalb unterbundene vena jugularis eines
Fliieres, und liess das untere Ende in ein Gefäss mit gefarbtur
Flüssigkeit halten. Er sah, dass, bei jeder Inspiration die gefärbte
Flüssigkeit in der Röhre aufstieg, hei der Exspiration aber still
^ oJqj. seihst theilweise zurück trat. Wenn die Röhre djc;-
Apparates in den, Herzbeutel seihst gebracht wurde, so heoh-
'*^htote er auch das Aufsteigeri der Flüssigkeit. P)i
PoisEUiLi-E hat diesen Gegenstand auf eine zuverlässigere Art
^ötersucht. Er bediente sich des schon beschriebenen, dem He-
F^rbaromelcr ähnlichen Instrumentes. Während sich die Röhre
}** einer verticalcn Lage befindet, wird eine Auflösung von unter-
.^lilensaurem Natron hinein gebracht, welches, die Eigehschafthe-
das Blut, mit welchem sie sich vermischt, in llüssigem Zu-
*l»nde zu erhalten.. Die Flüssigkeit füllt den kleinen herabsLei-
S^äden Schenkel, und steigt im grossen aufstetgenden Schenkt;!
, 's zu gleicher Höhe des horizontalen Anfangsstückes. Dieser Punkt
der Nullpunkt der Scala, welche in Millimetern auf , dem gros-
verticalen Schenkel yerieichnet ist.: Indem man nun in eine
.®ne das an dem horizontalen-Theile angeschrauhte Anfangsstück
®‘"führt, wird die Flüssigkeit, wenn eine Anziehung durch Sawgpn
® "Itfindet, zum Theil in die Vene übertreten, und in derp- langen
^^fticalen Schenkel unter Null fallen, im umgekehrten Falle steigen.
®clidem das Instrument in die ven. jug. ext. eines Hundes, ein-
h^lübrt M'ar, beobachtete man, dass die Flüssigkeit im Mpmentß
Exspiration steigt, im Momente der Inspiration fällt. Das
^^®igeu betrug SSMillim. , das Fallen — 90, später das erste 60,
zweite — 70. Bei grossen Anstrengungen Jietrug das Steigen
— 4 in -1 iVTili:rn4>iiu-. da.s Fallen ; — 2,40
_^Qrend der Exspiration 140 — 155 iVIilliniöt*^G das hallen ; 2,40
^'-^0 beim Einalbmen. Diese Versuche,, welehe wlederhölt , glci-
4. ® Resultate, lieferten,' bestätigen die Schlusslblge von Barby, dgss
Brust im Augenblicke des Einathmensi in iden starken Venen-
."lämen der Brust eine Annäherung des Blutes: der Venen erzepgt.
^.^^uerseits kann die Exspiration die Bewegung d(3S Veneoblutes
,J®ät in allen Venen aufhalten, weil dicvlkiappeplin., den. VönpH»
dom Muskeldrucke ausgesetzt .sind, :dasiZtir.ückweichen d^
ätes verhindern. , i . n
Y Barry hat den Einfluss des Einathmens auf die Anziehung
dg^^ählutes, überschätzt. Dieser Einfluss . zeigt si.eh nur an den
Bmst nahen Veneustämmen. Dagegen erld^lt.
n Vei'äuderung des Niveaus an seinem InstrniuEnte, ä« den te^-
ets ' Venen’, z. B. den Venen der Extremitäten, Das Ematl»-
224 I. Buch. Von den organ. Säften etc. IT. Ahschn. Vom Blutkreislauf-
men entleert die Venenstämme der Brust, das Blut der andere”
Venen findet dadurcli weniger Widerstand; aber dieser Einfl”®*
ist nicht die Hauptursacbe der Bewegung des Venenblutes,
fällt ohnebin bei den nicht durch Erweiterung der Brust,
dem durch Schlucken einathmenden Amphibien, bei den Fische”
und im Foetus weg.
Es ist also keinem Zweifel unterworfen, dass die Kraft, ■vv”*'
che das Blut in den Arterien bewegt, auch seine Bewegung in de”
Haargefässen, und sein Zurückströmen in den Venen bis z””'
Herzen bedingt, und dass die Anziehung des Blutes in den Haiip*'
■venenstämmen beim Einatbmen, die Saugkraft, die Klappen
Venen nur einen Theil des Widerstandes, den das Blut auf di”'
sem Wege erfährt, wieder aufheben. Dass die Capillargefäs'®
diese Kraft nicht aufheben, wird auch aus dem Kreisläufe d”*
Fische bewiesen, deren Arterienblnt noch zu allen Organen S®'
führt wird, nachdem es zuvor schon durch das Capillargcfässsy'
stem der Kiemen durchgegangen ist. Die Kraft des Herzens h”
hier das Blut durch zwei Capillargcfässsystcme, zuerst durch d*®
Kiemen, dann durch die Arterien, die, wie wir von Nysten Yf'*”
sen, hier auch nicht contractil sind, und wieder durch das Cap”'
largefässsystem des ganzen Körpers zu treiben. So reicht
die Kraft des Herzens hin, das Blut bei allen Wirbelthieren no”'
durch das Capillargefässsystem der Pfortader zu treiben, nach'
dem es schon die Capillargefässe des Darmes, der Alilz eF'
durchgegangen ist.
Die Veränderungen der Bluthewegung, welche durch
Athembewegungen entstehen, bewirken in einigen Tlieilen e”'*'
Art von Ansclnvellung, indem die Zusammendrückung der Br”
im Ausatbmen die Gefässstämme comprimirt, das Blut der ArJ*'
rien stärker aus der Brusthöhle anstreibt, und das Einströmen ”,
Venenblutes in den rechten Vorhof aufhält. Man sieht da”*^
nicht atllein die Jugularvenen beim Ausathmen voller, sondef
selbst das Gehirn zur Zeit des Athmens blutreicher werden, ’
dass das blossgelegte Gehirn auch bei Menschen, svelche trep”'
nirt sind, beim Ausathmen sich etwas erhebt, und beim Einat”
men senkt. Magendie will diess auch vom Rückenmarke he”
achtet haben. Während des Lebens kann bei geschlossen”
Schädel keine Bewegung des Gehirnes durch das Atbmen 6”^*^
hen, da die Schädelhöhle von festen Wänden eingeschlossen
und das Gehirn sein Volumen nicht verändern kann. Was
darüber vorgebracht hat, lässt sich leicht durch die physicaUs”
Unmöglichkeit widerlegen. i, I
Wenn die Bewegung des Blutes in den Venenstämmen
mechanische 'Hindernisse gehemmt wird, so entsteht Erguss '' 1
■\yässerigen ' ei weisshaltigen Theilen des Blutes in die Höhlen
ins Zellgewebe. Faserstotf wird nicht ei'gossen, vielleicht ^
die Lymphgefässe beständig aufgelösten Faserstoff abführen.
Häutig findet man in den Arterien nach dem Tode Blut,
bei Erhängten, Ertrunkenen, im Kohlendampfe Erstickten, ■
Entzündungen, in verknöcherten Arterien. Siehe Otto path. j
1. 343. Aber gemeiniglich findet man die Arterien leerer 1
5. Verhalten der Gefässe hei der Resorption und Exsudatton. 225
Venen. Es ist bekannt, dass die Arterien gcwöbnlicb sieb
•n dem Maasse verengern und verkürzen, als sie weniger Blut
«ntlialten, d. h. bis aut' eine gewisse Grenze. Die elastische Ver-
Cngerung der Arterien treibt nun im Tode noch das Blut in ei-
J'em gewissen Grade weiter, insoweit nämlich die Arterien stre-
"6n, ihren spätem engen Zustand einzunchmen. Einige Zeit
•'ach dem Tode muss die Menge der Flüssigkeiten in den Gefäs-
beträchtlich vermindert seyn, weil bei der Fähigkeit der thie-
J‘>schen Theile, durch ihre Porosität sich mit wässerigen Flüssig-
keiten zu imbibiren, sie flüssige Theile des Blutes durchlassen.
^^eson (Meck. Archiv 6. 604.) schreibt das Leerseyii der Arterien
^'orzüglich den Lungen zu; indem diese nach dem letzten Athemzuge
durch ihre Elasticität sich zusammenziehen, soll ein leerer Raum
^Utstehen , den die Flüssigkeiten durcli Ervveiterung der* venösen
"tämme der Brust und der Lungen einnehmen sollen. Carsok
die Arterien voller bleiben, wenn er bei sterbenden Thieren
den Brustkasten öffnete. Allein die Elasticität der Lungen kann
‘'icht so gross seyn.
Pabey, welcher ZAvar die rhythmische Contractilität derArte-
läugnet, aber den Tonus oder die uninerkliche gleichförmige
kontractilität derselben ausser der Elasticität annimmt, erklärt die
krsclieinungen folgendermaassen s Nach dem Tode ziehen sich
Arterien durch ihren Tonus starker zusammea, als sie durch
,'•'0 Elasticität gethan haben würden, wodurch das Blut zum
ili
Tlieir in die Venen getrieben wird. Bald hört der Tonus auf,
die Arterien werden nun wieder weiter. Diese Veränderun-
pö des Durchmessers der Arterien will Pahay nach dem Tode
,^®ubachtet haben. Bei der unerwiesenen Hypothese, dass die
kueilcbcn des arteriellen Blutes von den Thcilchen der Substanz
^''gezogen werden, aber dunkelroth geworden, diese Anziehung
.,®*'lieren, Hesse sich eine Erklärung aufstellen, die unwahrschein-
'®lier ist.
^npitel. Vom Verhalten der Blutgefässe bei der
Aufnahme und Ausscheidung der Stoffe.
a. Von der Resorption.
5 , Vor der Entdeckung der Lymphgefässe durch Asellius 1622
. ^fieb man den Venen die Resorption zu. Nach dieser Entdek-
Und nachdem man die Lymphgefässe in den meisten Orga-
kennen gelernt hatte, hielt man sie für die alleinigen Organe
j. *■ Resorption. Die Ansicht von der Resorption der Lymphge-
sRRzt sich auf das Anschwellen der Lymphgefässe des Dar-
Zeit nach dem Essen; ferner auf das anatomische Ver-
Eni”''**’ diese Gefässe durch Klappen den Lauf des Cbylns
ge». Rymphe gegen den ductus tboracicus befördern, den ent-
d^^"S®®etzten hemmen müssen. Indessen bat man in verschie-
Zeiten dagegen gewarnt, dass man die Lymphgefässe nicht
Einzige Organe der Resorption betrachten könne. Bekannt
’k'iUer's Physiologie. 1. 15
226 T. Buch. Von den Organ. Stiften etc. II. Ahschn. Vom Blutkrehlauj-
ist die Resorption der Knoclienmasse ini Innern der Knochen he‘
Entstehung ihrer Zellen, die Absorption der Alveolen der Zähne,
hei den Alten, und doch existiren in den Knochen keine Lympu-
gefässe. Man kennt die Resorption von Eiter, Stücken der Cry-
stalllinse und Blut im Auge, von dessen Innerm doch keine Lymp
eefässe bekannt sind. Endlich dürfte man nur an die Aufsaugung
der Dotterflüssigkeit von der Keimhant erinnern, von welcher
Niemand behaupten wird, dass sie in den ersten Tagen schon
Lymphgefässe besitze, xvenn nicht auch die wirbellosen Tinern
(ohne Lymphgefässe) dasselbe lehrten. Allein die Thatsache einer
unmilterbaren Resorption in das Blut ohne Vermittelung der
Lymphgefässe musste auf einem langwierigen experimentellen
Wege gefunden xverden, wobei sich Magesdie, Emmebt, Mav:^»
Lawrence, Coates, Tiedemann, Gmelin und Westrumb vorzügli^®
Verdienste erworben haben. Delille und Magendie trennten bc^
einem Hunde den Schenkel vom Körper bis auf die art. und ven.
cruralis, welche die Communication mit dem Stumpfe unterhielten-
Diese beiden Gefässe wurden rein präparirt und ihre äussere
Zellhaut xveggenommen , 2 Gran eines sehr starken Giftes (upä*
tieute) wurden darauf in den Fuss elngebracbt (enfonces). Di®
Wirkung des Giftes war eben so schnell, als wenn der Schenke*
unverletzt geivesen, so dass die Symptome in 4 Minuten sich zeig
ten, und das Thier in 10 Minuten dem Tode unterlag. MagendI®
und Delille machten einen ähnlichen Versuch an der Dari»'
schlinge eines Hundes, dessen Lymphgefässe durch eine gut«
Mahlzeit vorher sichtbar gemacht worden. Die Darmschling®
wurde an zxvei Stellen unterbunden, mit einem Zwischenraui»®
von 4 Decimeter. Sie unterbanden auch die Lymphgefässe dieser
Schlinge mit zxvei Ligaturen, und schnitten sie dazwischen Anrc -
Sic überzeugten sich, dass keine weiteren Lymphgefässe von de
Darmschlinge führten, so dass dieselbe nur durch die Arterie®
un<l Venen mit dem Kreisläufe in Verbindung stand. Dara®
injicirten sic in die Darmschlinge 2 Unzen decoct. nuc. voni., de
Ausfluss xvurde durch eine Ligatur gehindert. Nach 6 Minute
zeigten sich die Symptome der Vergiftung. Meck. Arch. 2. 181
p. 25-3. precis de p/ijsiol. 2. 203. . ^
Magendie legte bei einem jungen Hunde von 6 Wochen e'®^
Jugniarvene bloss, und isolirte sie in ihrer ganzen Länge, p® ® ^
er eine Karte darunter bringen konnte. Dann liess er auf die Ve®^
eine wässerige Auflösung von extract. nuc. vom. spiriL wirk^^
Die Vergiftungssymptome zeigten sich vor der 4ten, bei erwac
senen Hunden nach der lOten Minute. Physiol. 2. 279. ^
Segalas (Magendie Journal de Physiol. 2. p. 117.) hat
Versuche auf andere Art wiederholt. Er konnte nach Unterb*^^
düng der Blutgef ässe oder der blossen Venen einer Darmschh®»
und bei unversehrten Lymphgefässen, in einer Stunde nicht ei®
Hund durch Application des Giftes in der Darmschlinge tödte®:^^
Mayer’s Versuche mit Einspritzung von blausaurem Kal'
die Lungen verdienen eine umständlichere Erwähnung.
2 — 5 Minuten kann dieses Salz schon im Blute gefunden
in dessen Serum durch Anwendung von salzs. oder Schwefels-
5. VerJtalten der Geßisse lei der Resorption,
227
senoxyd ein grüner oder blauer Niederschlag erfolgt. Dieser TJe-
ßergang ins Blut ist zu schnell, als dass er durch Vermittelung des
langsameren Laufes der Lymphe erklärt werden könnte. Bei
Einspritzung jener Salzauflösung in die Lungen zeigte sie sich
*'Jerst im Blute, viel später im Chylus, früher im linken Herzen,
^ann im rechten Herzen noch keine Spur zu erkennen war, was
®>ch umgekehrt verhalten müsste, u'^enn die Aufsaugung durch die
Eympligefässe geschehen wäre, indem die Lymphe zunächst in das
wörpervenenhlut geführt wird. Schon 8 Minuten nach der Ein-
®hssung in die Lungen erkennt man die Flüssigkeit im Harn. Man
l'emerkt sie ferner in der Haut, in der Feuchtigkeit der Gelenk-
|*hhlen, in der Höhle des Unterleibes, in der Brusthöhle, im Herz-
~6utel, im Fette, in den fibrösen Häuten, z. B. dura mater, in
~6n Aponeurosen, in der Arachnoidea, in den Kapsel- und Seiten-
l*andern, inneren Gelenkbändern (z. B. lig. cruciat. des Kniege-
lenkes, lig. teres der Pfanne), in der Korpelhaut, in den Klap-
pen des Herzens.
^ Von den Absonderangsorganen wurden nur die Nieren und der
Earn gefärbt, weil das hlaus. Kali, wie die meisten Salze, durch
nie Nieren wieder ausgeschieden wird. Die Leber zeigte keine
Färbung an ihrer äussern Oberfläche, wohl aber in ihrem Paren-
jedoch nur an Stellen, wo grosse Gefässe lagen, und wo
nas Zellgewebe der capsula Glissonii sie umgab. In der Galle liess
^•®h keine, in der Milch nur eine unbedeutende Farhenveränderung
^•'k^ennen. Deutlicher war die Färbung, namentlich des Zellgewe-
jp* in Hoden, Speicheldrüsen und Puncreas. Die Milz zeigte keine,
Nebennieren kaum eine Farbenverändernng. Gar keine Far-
etjveränderung zeigten die Muskeln, ausser an Stellen, wo fibröse
,**äute die Muskelbündel bekleideten. Die Nerven wurden zwar
ausserlich grün, aber diess rührte von dem sie umgebenden Zell-
kewebe her. Das Nervenmark, das Gehirn und Rückenmark zeigte
ast gfip keine Farbenveränderung. In den Knochen keine Spur
on Farbenwechsel. Da indess das blaus. Kali durch das Blut
alle Theile gleich verbreitet wird, so scheint es, dass es von
**'igen Tbeilen vielleicht verhüllt oder zersetzt wird, so dass
j®*sen Entdeckung durch Reagentien unmöglich gemacht wurde.
Archio. T. 3. 1817. 485.
Die Versuche, welche die Akademie der Medizin von Philadel-
phia anstellte [Philadelph. Journ. N. 6. Froriep’s Not. N. 49.), schel-
zum Theil mit Mayer’s Resultaten und allen den vorherge-
®oden iin Widerspruch zu stehen, und für die vorzugsweise Auf-
^hhme durch die Lymphgefässe zu sprechen. Allein sie sind nach
Jp*" ■"'ie sie, angestellt wurden, nicht beweiskräftig. Die Aka-
de**^*^ fand nach Injection in das Abdomen oder den Darm von
*■ Solution von blausaurem Kali, 35 Minuten und mehr nacb-
r der Mehrzahl der vielen Versuche den Chylus deutlich
i Zusatz von Eisensalz blau gefärbt, dagegen sich in dem Se-
tei^ Blutes und im Urin meist auch eine schwache Färbung
Zeitraum von 35 Minuten ist viel zu gross; man
je ■'''ie in Mayer’s Versuchen, mehrere Minuten nach der In-
Blut und Harn untersuchen c.» .i.o
müssen.
Denn so wie die
15*
'228 J. Von den organ, Säften etc. II. Ahschn. Vom BluikreiAouf-
Verswclie angestellt minien, heweisen sie nur, dass cliemisclie
A"entien auch durch die Lymphi>efässe aufgesogen werden.
fanden die Verfasser in einem Falle (N. 36.) 2 Minuten, nachdei»
eine Ratze 1 Unze von der lilausauren Kaiisolution versclilungel)
als sie die Katze verhltiten liessen, das Salz im Urin, wenn gleich
nicht im Serum des Blutes und im Cliylus, wo das Salz doch
lediglich in das Blut, und vom Blute in den Harn gelangt sey»
konnte. Die Commission der Akademie unterband in mehrere"
Fallen die vena portarum, welche das Blut vom Darme aufniinmti
gleichwohl erzeugte nux vomica in eine Darmschlinge gebracht?
nach 23 und mehr Minuten Tetanus, während die blosse Unter-
bindung der vena portarum in anderen Fällen zwar auch, aber
ohne Krämpfe tödtete.' Diese Versuche scheinen zu beweisen?
dass die Lymphgefässe des Darmes das Gift ins Blut gebracht
batten. Diess kann auch wohl seyn in einem Zeiträume von 2»
Minuten, ohne dass daraus die Resorption in das Blut in kürzere^
Zeit widerlegt wird. Auch anastomosiren Zweige der DarravencP
mit Zweigen der untern Hoblvene. Siehe oben p. 175.
Westrumb fand nach Einspritzung von blaus. Kali in de"
Magen diess schon nach 2 Minuten im Harn, ohne dass Lymph®
und Chylus blaus. Kali enthielten. Die Ureteren waren durchschiiit'
ten und daran Röhrchen liefestigt w'orden, woraus der Harn auF
gefangen wurde. Meck. Archlo 7. 525. 540.
Tiedemabs und Gmei.tn fanden in ihren zahlreichen Vers"'
chen mit FärbestolFen und Salzen, die sie in den Mund eingcg"'
ben, und die leicht als solche oder durch Reagentien erkannt wcf'
den, nach mehreren Stunden niemals etwas von Färhestoffen
den Chylus übergegangen, obwohl diese Stoffe im Blute und
Urin erkannt wurden, und obgleich sie bis in den Darm gelang
W'aren. Von Salzen fand sicli unter zahlreichen Versuchen n"®
einigemal etwas in den Chylus übergegangen; bei einem Pferde?
das schwefelsaures Eisen bekommen batte, so wie einmal blausa"'
res Kali im Chylus eines Hundes vorkam, dagegen nicht in eiu"*'|
andern Versuche; schwefelblaus. Kali zeigte sich im Chylus ei"®’
Hundes. Der Einwurf, dass die Substanzen schon aufgesogen se)"
konnten, widerlegt sich aus dem Umstande, dass der Darm "O®
eine Menge aufsaugharer Stoffe enthielt. Diese Resultate, 'vvel®"^
durch die Genauigkeit der Versuche einen hoben Grad von
verlässigkeit haben, stimmen mit den von Halle (Foubchoy sy '
des comiaiss. chim. 10. 66.) und Magesdie {physiol. ed. 1. ^
157.) gemachten Versuchen überein. Dagegen sie mit den V®*!
suchen von Martin Lister und Musgrave {Phil. Trans. 1701.
von Munter, Haller und Blumenbach im Widerspruch stehof'
wie denn auch Viridet und Mattei an dem Chylus eine g®*
und rotbe Farbe nach Füttern mit Eigelb und rothen
bemerkt haben wollen. .
Fodera füllte bei einem lebenden Thiere eine Darmschh"»^
mit einer Auflösung von blausaurem Kali, und unterband sie
zwei Stellen, tauchte die Darmschlinge dann in eine Solution ''j ^
schwefelsaurem Eisen, und sah die Lymphgefässe und Venen ^ f
werden. Recherch. exp, sur Pexhalation et tabsorption. Par.
5. Verhalten der Gefässe bei der Resorption.
229
^ghroeder d. Kolk sali Lei diesem Experimente Lloss die blaue
arJ)e in den Lympligef assen , aber nicht in den Venen. Das
'•usaure Kali im Dai'ine batte nach eiijer halben Stunde noch
llJcht seine b'arbe ver.indert, so dass das schweleUaure Eisen noch
'cht durch die ganzen Dai'mwändc eingedriingen war. DIcss bc-
^«ist nicht absolut gegen den unmitüdharen Üchergang der Stolle
* Blut. Denn die ins Blut iihergegangenen kleinen Quantitäten
j erden sogleich weiter bewegt, dagegen die Bewegung des Chy-
^s in den Lymphgefässen nicht sehr, schnell ist. Auch ist eine
»ue Farbennuance am Blute selbst iiiisserst schwer, und nur si-
®*er am Blutscrurn zu erkennen, LswaESCE und Coates erkann-
das Salz nicht eher im Bhite, bis es sich. im obern Thcile
ductus . Ihorac. zeigte, Fror;. NoI. 77.
Mehrere Versuche, sind mit Unterbindung des ductus thora-
^'eus von Baooip, M.sr.ENniE, Delillij und Seoalas angestellt wor-
Bropie sah tödtliclm Wirkung des Weingeistes, dos Wor.a-
p^adtes,, auch nach Unterbindung . des ductus Ihoracicus. Brodie,
"d. Trans. ISdl. BerL’s Archio. T. 12.
Da der, ductus thora.cicus .zuweilen Nervenverbindnngen bei
liieren eingeht, zuweilen xvie beim, Schweine, Zweige in die
cna Hzygos übergehen, zuweilen sogar seihst ein rechter ductus
^.oraci.cus vorhanden ist, ..flie . Lymphgela.sse aber vielfach mit
^'»arider in Verbindung stehen, sq kann die Unterbindung des
j^"ctus thoracicus, den Ugbergang, der vergifteten Lymphe in das
nicht labsolul hindern, ..^EAquEET’s Versuche zeigen den nn-
dtelharen Uehergang von ■ Steifen in , das Blut durch den Man-
jenes Ueberganges. njicli' Unterbindung der Blutgefässe. Em-
■'T Unterband die aortu iibdorninalis. IVun braebtie. er blausau-
Kali und ein DecQct .dpr., angustura virosa in verschiedene
"nilen der Füsse., ,Das bbius^jurp Kali wurde resorhirt und hn,
ge ‘ingustnra wirkte nicht vergiftend wie
j,i '''°*<'dich. ln einem andern Versuche, sah Esimert nach Unter-
^ der aorta ahdomiiialjs von Blausäure, die in eine Wunde
So* gcl)racht wortfen, sqlhst nach 70 Stunden keine Fol-
tj,. I’ jBs aber dann das, Ligament von der Aorta gelöst wurde,
/ '* Vergiftung nach .einer halben Stunde ein. Meck. Arrhie
;[c, /i" 17S. Schkelj, diss. sist. hist, veneni upas aniiar. Tub.
rac]' Tabing. Bläu er ,.3., U ' 'iSiE?. Schaeee de rffcctihus ventni
Phy ae/lebori- nigri.. Tub. 1819. Vergl. ,Westru,''b
Untersuchungen über die Einsaugung.ikrqfl der Venen.
^ 18‘25. Tibdemans und Gmeiin, Versuche über die Wege,
Substanzen ms, dtm Blasen und Uarmkana! ins Blut ge-
^^^'^''^^- .1820. Seiler und Ficmus in Zeitschrift für Na-
de ahsorpt ione oenosa. Vra-
Uun^‘ Lebküchner diss. uirum per vioejüium adhuc anima-
QppP ^^'"aranas. atipie i/asorum. paricte-i nulteriae. pondmibilcs Ulis
P'-^-ore queant nec ne. Tub, 1819. Wedeaiever über
‘**»8S Uaniiovcr 1828. 421. JAcon.s,;« endlich, hat gezeigt,
!''“®^«res Kali hei den Mplliiskon, welche keine Lymphge-
Ir^ . doch leicht von allen Oberflächen ins Blut ge-
o • und daraus wieder durch die Sepretionsorgaue (Lunge, Le-
230 I. Buch. Von den organ. Säften etc. II. Ahschn. Vom Blutkreislauf.
ber, saccus calcarens) ausgeschiedea wird. Froriep’s Notizett
14. /J. 200.
Der UeLergang von Stoffen unmittelbar in die CapiUargeräss
des Blutes ist nach allen diesen Versuchen, am meisten aber durc»
die überaus schnellen Wirkungen eines Giftes erwiesen, da sie»
eben so bestimmt beweisen lässt, dass die allgemeinen Vergiftungs-
wirkungen nicht von dem Nervenzusarnmenbang, sondern nur
von dem Kreisläufe abbängen. Siebe das erste Capitel der Ner-
venpbysik. Gleichwohl Hessen sich alle diese Erscheinungen auch
aus der Resorption der Lympbgefasse erklären, wenn die Annahme
einiger Neueren von der Communication der Lymphgefässe un»
kleinen Venen in oder ausser den Lymphdrüsen richtig wären-
Allein dieser Einwurf lässt sich durch Thatsachen über die Imbi-
bition der thierischen Gewebe vollkommen widerlegen. Man ha
diesen XJehergang bisher von einer eigenen Resorplionskraft dß*"
Venen abhängig gemacht. Allein es lässt sich zeigen, dass aufgelö-
ste Stoffe auch ohne die eingebildeteResorptionskraft der Venen n*
das Blut der Capillargefässe dringen, und wenn diess ist, so ver-
breiten sie sieb daruni zönachst mit dem Venenblnte, weil allc^
Blut aus den Capillargefässen von den Arterien aus die BeweguOfl
nach den Venen und nach dem Herzen hat. Das Urpliänomen
des unmittelbaren Ueberganges von aufgelösten Stoffen ins Blut if
die Tränkung der thierischen, auch todten Theile mit Flnssigkei
durch ihre unsichtbare Porosität oder die Imbibition, und inso-
fern diese Resorption auch von ganz todten thierischen Theil^^
ausgeüht wird, werden wir sie mit Recht im Gegensatz der lym-
phatischen Resorption die unorganische tlennen. ■ 2 ^
Gase und tropfliare dünnflüssige Stoffe durchdringen mit “O !
was sie aufgelöst enthalten, nasse thierische Theile. ZweieH
Gase ln und ausser einer nassen thierischen Blase, die vorh
trocken gewesen seyn kann, setzen sich ins Gleichgewicht ®
Vertheilung. Ein Gas durchdringt eine nasse Blase, urn vo^
darin befindlicher Flüssigkeit absorbirt zu werden ; schon hiero''
sieht man, wie luftförmige Stoffe beim Athmen an das Blut tr
ten können, ohne dass Blutkörperchen ausfliessen. Denn die Ga. ^
durchdringen die Häute, welche von Capillargefässen und kro^
sendem Blute durchzogen sind, und lösen sich im Blute "'O*
Capillargefässe auf, während die Häute der Gefässe zwar di^^
ihre allgemeine unsichtbare Porosität für Gase und tropfbar •
sige aufgelöste Stoffe permeabel sind, aber keine dem Durchm ^
ser der Blutkörperchen entsprechende Oeffnungen haben. ^
berbindet man ein mit Wasser gefülltes Glas dicht auf dem
ser mit einer feuchten Thierblase, und streut ein Salz
feuchte Blase, so löst sich das Salz in dem die Poren der
durchdringenden Wasser auf, und theilt sich von diesem
dem Wasser des Gefässes mit. Die Grundursache der Imbibi '
der Permeabilität der thierischen Theile, ist daher das
der Stoffe, sich in der Flüssigkeit, in der sie aufgelöst wor
gleichförmig zu verbreiten. Ein aufgelöstes Salz strebt sie *
einer andern Flüssigkeit, womit es sich mischen kann, weile
vertheilen, wie Salzwasser und Wasser sich ins Gleichges^
5. Verhallen der Gejässe hei der liesorptlon. Endusmose, 231
der Verthellung setzen. Da nun die tliierischen Thelle von "wäs-
serigen Flüssigkeiten "weicli, und ihre Poren von "wässeriger Flüs-
sigkeit angefüilt sind, so wird ein aufgelöster Stoff sich dem AVas-
ser dieser Poren mittheilen, und selbst durch die Poren einer
Memhran hindurch sich wieder in Flüssigkeiten, welche die Mem-
bran berühren, weiter zu vertheilen streben, bis das Gleichge-
wicht der Vertheilung zwischen zweien die Membran berüliren-
den Flüssigkeiten hergestellt ist. Es giebt indessen besondere
"Umstände, wo die Imbibition durch. Capillarität iind^ Anziehung
''erstarkt wird. Das Erstere ist der Fall beini Aufweicben eines
trockenen thierischen Theiles, "WO die Capillarität der leeren Po-
*'en das Eindringen der tropfbarflüssigen Stoffe befördern muss.
Itas Zweite zeigt sich in dem Phänomen der Endosmose und Ea;os_
^ose, Diess ist ein zuerst von Parbot entdecktes, von Porret
;>nd Dutrochet u. A. weiter untersuchtes Phänomen. Bringt man
*•> eine Glasröhre, die unten mit Thierblase ziigebunden ist, eine
Auflösung von irgend einem Salz, von Zucker, so dringen die
'^tieilchen desselben zwar in die Poren der Blase, aber nicht aus-
sen hervor. Stellt man die gefüllte Itöbre in ein Gefäss mit
'lest. Wasser, so steigt allmählig das Niveau der Innern Flüssig-
keit und bisweilen um mehrere Zoll. Durch B.eagentien erkennt
l^an aber auch, dass zugleich Theilchen der Auflösung in das
Nässere Wasser durchgedrungen. Das Steigen des Niveaus, dauert
lange fort, bis beide Flüssigkeiten in und ausser der Bölire
^*^ftiogen gewordon sind. Entbält die Röhre Wasser^ d.as äussere
*^efäss die Salzlösung, so sinkt das Wasser der Röhre. Enlhal-
beide Gefässe Lösung verschiedener Salze von gleiolier Gon-
^^ntration^ so verändert sicli das Niveau nicht, aber beiderlei
Salze vermischen sich. War dagegen die eine Lösung concentrlr-
so erhöht sich ihre Oberfläche. Dieselben Phänomene heob-
"'^htet man, wenn man statt Thierblase mineralische poröse Itör-
anwendet. Man hat zwei Erklärungen des Phänomens. Die
®rste von Magkus und PoissoN besteht darin, dass die Attraction
^Wischen den Theilchen einer Salzlösung zusammengesetzt ist aus
den gegenseitigen Attractlonen des AVassers und Salzes, und aus
d®*" Attraction der homogenen Theile des AVassers für sich und
des Salzes für sich. Dies^e vereinte Attraction ist grösser als die
er Wasserpartikelchen. Berzee. Thierchem. 128. Die zweite Er-
ärung besteht in Folgendem: Die thierisclie Blase lässt sich in-
''^fern sie porös ist, als ein System capillarer Röhrchen betrach-
®ä, welche anziehend auf die durchgehenden Flüssigkeiten wir-
welche sich durch das die Poren ausfüllende AVasser anszu-
^ ziehen streben. Nimmt man nun an, dass eine dieser Flüssig—
®iten eine stärkere Anziehung zum Stoff der Blase erleidet, so
•, 'J’d sie länger beim Durchgang diu’ch die. Capillarporen aufge-
älten, als die andere, die darum in ihrem Gefässe fallen muss.
1^'J’d sie länger beim Durchgang diu’ch die. Capillarporen aufge
äffen, als die andere, die darum in ihrem Gefässe fallen muss
as Niveau der ersten "wird aber so lange steigen, bis der zu
®hmende Druck der steigenden Wassersäule iener stärkeren An-
'®hung das Gleichgewicht hält. Biot Experimental--Physik,^ri'
'^nFEcuHER. t. p, 384. Vergl. Poissok, Pogsebd. 11. 134
232 I. Buch. Von dm organ. Säften etc. JI. Abschn. Vom Blutkreislauf
Fischer eliend. 126. Macntjs ebend. 10. 153. Wach, Schtveigo-
Journal 1830. p. 20.
Dutrochet bat jene Erscbeinungen Endosmose tind Exosmose
nach dem Steigen der einen oder andern Flüssigkeit bei ver-
schiedenen Bedingungen genannt. Es ist ohne Zweifel, dass bei
dem unmittelbaren Uebergange von aufgelösten Tbeilen in dieCa-
pillargefässe und das Blut, sowolil Endosmose als einfache Imbi-
bition stattfindet. Dutrochet bat diess durch Versuche versinii'
liebt. Er nahm ein Stück Darm von einem jungen Hühnchen,
füllt« es zur Hiilfte mit einer Lösung von Gummi, Zucker oder
Kochsalz, und legte cs, an beiden Enden zugebunden, in ein®
Schale mit Wasser, worin es sieb bald so füllte, dass es ausge-
spannt wurde. Enthielt das Darmstück reines Wasser, und lag in
Zuckerwasser, so wurde es allmahlig schlaffer, während zugleich
Zucker in den Darm ülierging. Dutrochet fahren/ iWueV/at diimoU'
vement vital. Paris 1826. JS'oup. rech, .tur 1’ endosmose. Paris 1828>
Seine Hypothese, dass hierbei electrische Wirkungen stattfiii'
den, hat sich nicht bestätigt. Es ist auch nicht constant, dass di®
dichtere Lösung mehr von der dünnem , als diese von jener an-
zieht, wovon die Gase besonders schon das Gegent.heil zeigen, son-
dern es scheint die chemische Constitution und das pbysicalisch-
ebemisebe Verhältniss der Flüssigkeit zur Thierblase dabei ein®
grosse Rolle zu spielen. Wässeriger Weingeist in einer Thierblas®
aufbewahrt, concentrirt sich, indem bloss das Wasser verdunstet-
Vergl. Staples Versuche in Kksthz^’s Archio für Chemie. Bd.3.
1 — 3. p. 282. Ein Darmstück eines Huhns mit wässeriger Lösunj?
von Mimtsseligummi und Rhabarbarin zum Theil gefüllt, und zU'
gebunden in Wasser gelegt, schwoll auf, während Rhabarbarin
heraustrat. Aehnliche Säcke mit schwacher Lösung von schwefel-
saurem Eisenoxydul in Wasser gelegt, das Blutlaugensalz enthidb
schwollen auch auf, weil Wasser eingedrungen war; sie hatlcn
an die umgebende Lösung Eisensalz abgegeben und dieselbe g®-
bläuet. Im Darme w'ar aber keine Spur von blauer Farbe. D'®
Verhältnisse, die bei den Gasen statlfinden, sind sehr merkwürdiif'
Faust hat hierüber Versuche angestellt. Froriep’s iNot. J\’. 6Jh-
Eine mit atmosphärischer Luft halbgefüllte Blase unter einer nd*'
kohlensaurem Gas gefüllte Glocke schwoll an, eine mit Wassci-
stbifgas gefüllte Blase unter eine mit kohlensaurem Gas gefiiHJ®
Glocke gebracht, schwoll bis zum Zerplatzen auf. Dagegen ®''’
leichteres 'Gas in der Glocke das Zusammenfallen der mit d®*’*
schwereren Gas gefüllten Blase bewirkt.
Ich wünschte 'ZU wissen, wie schnell etwas durch Imbibiti®"
in die erste Schicht der Capillargcfässe eines von Epidermis frei®"
Theiles, und so in das Blut cindringen kann. Da das zarte Häid''
eben der Darmzoltcn vom Kalbe und Ochsen von 0,00174 P'. j’
Dicke noch blutführende Cnpillai'gefässe enthält, so kann rium si®
nach dieser Dicke einen Begriff von der Tiefe machen, bis zu >''® '
eher aufgelöste Substanzen cindringen müssen, um in die ef’
Schicht von Capillargef ässen einer von Epidermis freien Haut ®i"
zudringen. Ich spannte nun über ein Gläschen von sehr dünn®*^
Hals die ürinblase eines Frosches, und bei einem zweiten V®
5. Verhalten der Geßlsse bei der Resorption. Vergiftung. 233
die Lunge eines Frosclies, naclKlem ich vorher etwas von
®iner Auflösung von hlausaurem Kali in das Glöschen gethan
öatte; auf die Oberfläclie des nassen Häutchens hraclite ich mit
Einern Pinsclchen etwas von einer Auflösung eines Eisensalzes (salz-
*aures Eisenoxyd). In dernselhen Moment drehte ich das Gläschen
so dass das hlausäurc Kali die innere Fläche des Häutchens he-
^•ilirte. ln nicht längerer Zeit als einer Secunde halte sich ein
schwacher blauer Fleck gel)ildet, der bald slärker wurde; daraus
Seilt hervor, dass aufgelöste Stoffe spurweise innerhalb einer Se-
kunde eine Membran von der Dicke einer ausgespannten Urinhlase
^es Frosches durchdringen, Diese Membran enthält noch mehrere
yautschichten, und ist-'sehr viel dicker als das organisirte Häutchen
Darmzotten von 0,00174 P. Z. Man kann also annehmen, dass
®ine aufgelöste Substanz spurweise schon innerhalb einer Secunde
I?’ die oberflächlichen Capillargefässc eines von Epidermis freien
. lieiles und so ins Blut gelangt. Da nun das Blut nach Hering
■j, nach Anderer Berechnung in 1 — 2 Minuten im ganzen Kör-
l'p*' heruingetrieben wird (p. 176.), so kann man annehmen, dass
®'äe Spur einer aufgelösten Sulistanz, die mit einer epidermislosen
'^•'Sanisirten Haut in Beriibrung kommt, innerhalb 2 Minuten
*Pur\veise durch den Kreislauf verbreitet seyn kann.
V Die narcotiseben Gifte wdrken zwar durch Zerstörung der
l^^i'vcnkrälte, allein sie bringen aufNerven, örtlich applicirt, nur
?Hliche AVirkungen hervor. Tauchte ich den Nerven eines ahge-
*üsten Froschschenkels, einige Zeit in eine wässerige Opiumauflö-
so verlor die eingetauehte Strecke desNcryen ibre Reizbar-
d. h. ihre Fähigkeit, auf Beize Zuckungen des Schenkels zu
^iTcgcn. Allein unter der mit dem Güte in Berührung gekomme-
‘1®“ Stelle behielt der Nerv seine Reizbarkeit, woraus, folgt, dap
.'’s Opium die Nervensubstanz selbst verändert, dass aber die
''’^diche narcotische Vergiftung nicht durch die Nerven zpr all-
ü^rueinen Vergiftung vei'brcitct .wird. Aufh wird ‘ein Frosch,
p®*" Sonst gegen Opium sehr pmplindlich ist, iunerhafb raehrerep
Ständen, nicht vei'giltet, wenn man den Schenkel so arnputirt,
■rl’ss nur der Nerve die Communicaliön zwischen Rumpf und
,, ätersehenkel unterhält, und nun, den Dnterscbenk.el in eine
j Piuinauflösung gesenkt erhält, .den Fro.s,ch aber so befestigt, dass
j*’*' Rumpf desselben nicht durch Rewegung des hrosclies von
Opiumauflösung bespritzt wird. Diese Versuche, wie so, viele
’dere von namhailen Physiologen angestcllte Versuche, bewei-
”> dass die .narcotiseben Gifte ihre allgemeinen Wirkungen auf
Cal ^‘^'''önsy'.stem nach ihrer Aulnahme äns Blut durch . die Cir-
jj'ätion ausühen. > Dupuv und Bb.ichet, behaupten zwar, dass
] Thiere nicht durch narcotische Gilfe, die in den Magen ge-
], werden,, vergiften könne, W'cnn. nian, dqn Nervus ;yagus
Hier Seiten. cUirch'schnitten habe, odop.idäss. die Thicrg dann
^^‘äigsteus später stürben; allein wir haben hier , ip
an Saugethieren ,. die, Herr Werk scuEigT .darüber, -mder
^.'«er Leitung, anstellte, durchaus keinen Untepschipd in der
»rkiing der in den Magen gebrachten narcothehen Gifte gese-
Wenn wir bei Xhieren gleicher Art .und Grösse den Nervus
234 I. Buch, Von den organ. Säften etc, II, Abschn, Vom Blutkreishwf'
vagws beider Seiten vor der Vergiftung durchschnitten oder nicht
durchschnitten. ^ t
I>ie schnelle Wirkung der meisten narcotischen Gifte läs*
sich nach den oben angeführten Thatsachen über die Aufsauguc?
durch Imhiliition vollkommen erklären. Di6 Blausäure jedoch au^
sert ihre Wirkung schon lange vor — 2 Minuten, innerhalb v'®*'
eher sie in das Blut durch die Capillargefässe eingedrungen uO®
verbreitet seyn könnte. Auch die weingeistige Aullösung des E*'
tracti nucis vomicae spirituosi bewirkt, in einiger Quantität
den Mund von jungen Kaninchen gebracht, den Tod auf der Stell®’
dagegen dieses Gift, in einiger Entfernung vom Gehirn auf eine®
blossgelcgten Nerven, z. B. den Nervus ischiadicus, applicirt,
keine allgemeinen Wirkungen hervorbringt; wie denn auch Wed*'
MEYER beobachtet hat, dass concentrirte Blausäure, auf einen blo*'
sen Nerven applicirt, nicht wirkte. Die schnellen Wirkungen d®^
Blausäure kann man nur aus ihrer Flüchtigkeit und Expansion*'
kraft erklären, durch welche sie sich schneller in dem Blute vC®'
breitet, als die Clrculation desselben geschieht, und durch welch®
sie, selbst abgesehen von der Verbreitung durch das Blut, dj
tbierischen Theile schnell zu durchdringen fähig ist, durch W®*'
che sie ferner um so schneller materielle Veränderungen in d®>®
Centralorgane des Nervensystems, im Gehirn, bewirkt, je näh®®
dem Gehirn sie applicirt wird. Schliesslich erlaube ich mir ei"®
Bemerkung über die materielle Veränderung durch narcotisd'®
Gifte, Dass nämlich die narcotischen Gifte bei ihrer Wirku"?
auf die Nerven auch durch materielle Veränderung wirken, w"
wenigstens daraus gewiss, dass einige schon das Blut materiell 'C'
ändern. Denn abgesehen von den bekannten Wirkungen der Bl""'
säure, bewirkt das Viperngift und das Ticunasgirt, nach Fonta"*’
wenn es aus der Ader gelassenem Blute zugesetzt wird, dass ""
Blut nicht mehr gerinnt, während Viperngift, in Wunden v"
Thieren gebracht, nach Fostasa, das Blut des noch lebend®^
Körpers zum Theil gerinnen machen soll, worauf ein Zusta"
entsteht, der dön in der heftigsten asiatischen Cholera nicht ""
ähnlich ist. Fontana über das Viperngift etc. Berlin 1787. __
Durch die schnelle Aufnahme aufgelöster Stoffe in die
pillargefässe und ihre schnelle Verbreitung durch den Kreisl""^
erklärt sich vollkommen leicht der schnelle Uehergang der
senen aufgelösten Stoffe in den Harn, ohne dass man in die B"*’;1‘
rei verfallen kann, geheime Harnwege, zwischen Magen und ■
ren auzunehmen. Nach Westrumb erfolgt dieser Uebergang
löslichen Salzen schon in 2 — 10 Minuten spurweise. Denn ""®|,
dieser Zeit konnte er blausaures Kali, das einem Thiere g®8®,
worden, in dem Urin entdecken, indem er den Urin unmitt"'"
aus dem Harnleiter des eröffneten Thicres aulllng. ln der * ,
gel erfolgt dieser Uebergang aber viel später, wie aus StE"®*
geh’s Versuchen hervö'rgeht. Siehe den Art. vom Harn.
Die durch Imbibition durch die Wände der CapillargC'^.^t '
netze zum Blute dringenden Stoffe müssen jedenfalls aiifg® ,
seyn, sie dürfen nicht aus Kügelchen bestehen. Es folgt
hieraus, dass die verdauten Stoffe und der Kügelchen enthail®”
5. Verh. d. Gefdsse bei d. Resorption. Uebergang i. d. Urin. 235
^^ylns nicht durch die Imhihition in die Capillargef ässe elndrin-
S®*» und zum Venenhlute gelangen können. Tiedemann, Gmelin
***'d Mayer haben zwar Chylusstreifen im Blute der Darmvenen
'»nd der Pfortader gefunden. Allein diese Materie kann nicht
'‘ürch die Wände der Capillargef ässe eingedrungen seyn, denn
*on5t müssten diese auch Blutkörperchen durchlassen. Vielleicht
f'^lirten diese Chylusstreifen von der noch problematischen Ver-
**ödung der Lyniphgef'ässe mit den kleineren Venen her.
Die Endosmose erklärt nicht die Aufsaugung aller Flüssigkel-
von thierischen Geweben. Wenn die Flüssigkeiten des thie-
*''sclien Körpers concentrii-tere Auflösungen sind, als die aufzu-
sangenden Flüssigkeiten z. B. in der Pleura, in den Lungen, so
Y^rden letztere nach den Gesetzen der Endosmose leiehter in
, thierischen Theile übergehen, als die thierischen Flüssigkeiten
®raustreten. Wenn aber die aufzusaugende Flüssigkeit eine
S'^ich concentrirte Auflösung ist als die Flüssigkeiten der thieri-
*chen Theile, so werden zwar nach den Gesetzen der Imbibition
^•derlei Flüssigkeiten sich durchdringen, allein die Quantität
Flüssigkeiten wird auf beiden Seiten nicht verändert; und
die thierischen Flüssigkeiten weniger concentrirte Auflö-
f'^'^gen sind, so wird die Quantität der aufzusaugenden Flüssig-
*'t nach den Gesetzen der Endosmose selbst wachsen. Hieraus
»®^t man, dass die Imbibition nur die Vermischung, z. B. den
ebergang von Giften etc., nicht aber die quantitativen Verhält-
•sse der Aufsaugung erklärt. Denn eine in der Pleura befindli-
Quantität Flüssigkeit, deren Eiweiss und Salze gleich con-
®®ätrirt sind, wie die des Blutes, wird sich durch Imbibition
j^'^fchaus nicht vermindern, sondei-n nur Salze an das Blut abge-
und davon empfangen, aber ihre Quantität behaupten, ja so-
I?*' VEachsen, wenn die Lösung der Salze in der Flüssigkeit der
concentrirter ist.
^enn nun angesammelte Flüssigkeiten aufgesogen werden,
o»uss diess entweder in vielen Fällen auf eine durch Imbibi-
bon
Mi
und Endosmose unerklärliche Weise, vermittelst der Lymph-
j ässe geschehen, oder man muss annehmen, dass die Anziehung
yenenblutes nach dem Herzen die Aufsaugung verstärkt.
.*®lleicht erleiden die Gesetze der Endosmose dadurch eine die
gj ®äugung begünstigende Veränderung, dass die thierischen Theile
Anzlehnng gegen die in ihnen circulirenden Flüssigkeiten
^ suhen, w'odurch verhindert wird, dass diese gegen die aufzu-
jjjI Sunden Flüssigkeiten ausgetauscht werden, da doch sonst ein
^ber Austausch erfolgen müsste. Wasser z.’ B. wird das Be-
®ben haben, sich in dem Blute der Capillargef ässe zu vertheilen,
das Blut, mit den Capillargefässen in lebendiger WechseL
'^ng, hat wohl nicht das Bestreben,' sich in dem aufzusaugenden
vertheilen-. Vielleicht haben die Blutkörperdhen selbirt,
P- 103. gezeigt worden, eine so ausserordentliche Anzic-
hej reinen Wasser haben, an der Aufsaugung desselben
'bj'em Durchgänge durch die Capillargef ässe' einigen Ahtheil.
eijjg b das Blut in den Capillargefässen, oder diese selbst auch
dpn gewöhnlichen physicalischen ■ Gesetzen abweichende
236 I. Buch. Von den organ, Säften etc. II. Abschn. Vom Blutkreislauf-
organiscbe Aniieliung auf gewisse Stoffe änssern, ist eine ganz a"'
dere Frage. Diess ist zweifelliaft, nur yon einem Orte ist es
wiss , nänilicli von den Capillargefässen der Placenta. Da da^
Lyrapligefasse der Placenta und des Nabelstranges durchaus zW^'
felliaft sind, so muss der TJebeigaiig der' ei nälirendcn Fliissigt*^*'
teil yon der Mutter in das Rind durch die Capillai-gefasse in de*
Placenta erfolgen. Eine eigentliche Cornmunication zwischen de*'
Gefässcn der Mutter und denen des Foetus findet nicht stad"
Die Arterien des Uterus gehen in die Venen des Uterus, die A*’'
terien des Kindes in der Placenta nur in die Venen des Kind®*
über. Weber hat über die Art dieser Gemeinschaft sehr inte*"'
essante Aufschlüsse gegeben. Anat. 4. 496. Die feinsten \e>''
zweigungen derGefasse in der Placenta finden auf zoltenförrnig'**’
Fortsätzen derselben statt. Auf diesen ganz geschlossenen vef'
zweigten Zotten verbreiten sich die feinsten Arterien und gehe*'
durch einfache U*Jah*egung in feine Venen über. Die 13üscl**d
dieser Zotten mit den capillaren Umbiegungen der Arterien
Venen sind nun in die sehr dünnhäutigen Venen der Mutter a'*
der innern Fläche des Uterus eingesenkt, und werden von de***
venösen Blute der Mutter umspült. Wahrscheinlich zieht das Bl**^
des Foetus hier aufgelöste Stoffe aus dem Blute der Mutter «*'*
während das Foetusblut durch die Capillargefässe der Zotten fliessh
Hier findet ohne Zweifel zwischen Blut der Mutter und Bh'*
des Rindes eine Art Endosmose statt, wodurch das Blut des Ri**'
des durch die zarten Häute seiner Gefässe mehr aufnimmt als ab'
gieht, aber diese organische und lebendige Endosmosc ist von de'*
Gesetzen der chemischen Durchdringung bei den von DutrochS'^
beschriebenen Erscheinungen ganz verschieden. Bei den wiedr*’'
Eäuenden Thieren stecken die Zotten der Cotyledojven des E**'’’
nicht in Venen des Uterus-, sondern in scheidentormigen Vert'**'
lungen des Uterus, gleich wie Wurzeln. Allein, diese Verlief'*'’^
gen im Uterus sind mit den Capillargefässen des Uterus aii-^?*-’'
kleidet, während die selbstständigen Capillargefässe des Kin*^**’
sich nur auf den Zotten der Cotyledonen verbreiten.: Hier
sen die Capillargefässe der Mutter Stoffe ausscheiden , die
den iCnpillargefässen des Rindes angezogen werden.
Ob die Venen auf die durch Imbibition m die Cnpillargcf****
eindringenden aufgelösten. Stoffe auch eine Anziehung ausübc*'’
.vermöge der Bewegung des Herzens! und des bei der Ausdrhin**
der entleerten Höhlungen entstehenden hohlen Raumes, deö ‘U
Venenblut zunächst, auszufüllqn strebt, un.d der dadurch auf .
Venen bis in.di.e Capillargefässe zurückwirkt, ist noch zwe***-.^
Jiaft. ■ Jedonfälls muss aber die .Bewegung des Blutes, die 1*"*’'^^,
tion befördern, insofern, mit der Enlfernuög des durohgedrun?
men d.lc -. Ursache . der .Irrdiibilion,. nämlich das Vermögen *
Stoffe, . s*öh in FiUitssigkeiten gleichförmig aus^ubreiten, unterhatt
die- Sättigung älso immer -n-icdcr au.fgeboben wird. _ ^
K . [ EoDRRa bat d,ie Beobachtung gemacht, dass der Galvanis*
die! Resorption beschleunigt. Es wurde blaus. Rah in die
eingespritzt, söbwefels. Eisen in den Unterleib. Gewöhnlich 8 _
hen 5 — 6 Minuten vorüber, ehe beide Substanzen sich v®*”"
I
». Verhalt, d, Gefässe bei der Resorption, Resorption d.'Haut. 237
allein ihre Verbindung ist augenblicklich, wenn das Zwerch-
einem leichten galvanischen Strom unterworfen wird. Das-
selbe Phänomen soll sich zeigen, wenn die eine Flüssigkeit in
TJrinhla.se, die andere in den Unterleib, oder in die Lungen
in die Pleurasäcke ge])racht wird. Journ. de physiol. 3. p.'ib.
Nerven haben auf die unorganische Imbibition keinen Ein-
’vvir haben keinen Unterschied in der Aufsaugung der Gifte
*'äch Durclischneidung des Nervus vagus gefunden.
Die Stolfe, welche in das Blut der Darmvenen durch Imbibi-
hon gelangen, kommen nic.'it sogleich in die Hohlvene, sondern
dem Darmvenenblut durchkreisen sie zun.achst erst die Leber,
'tnd kommen dann erst in den ganzen Kreislauf. Magehdie hat
beobachtet, dass dieser Umweg durch die Leber die Wirksamkeit
''’J'ncher Stolle verändert. So bewirkt eine Gramme Galle oder
atmosphärische Luft in die ven. crur. eines Thieres einge-
?|’*’itzt, sogleich den Tod. Diess hat bei der Injection in die
f*ortader gar keinen Nachtheil. Manche Stoffe erleiden schon
barmkanal eine Veränderung, weil sie durch Wunden, nicht
''ber iin Dartiikanal aufgesogen werden. So soll Viperngift in-
^®t'lich genommen nach Redi undMANGiLi (Meck. -i. 1817.
^ 619.),'Stevess {on the blood. p. 137.) keine giftigen W'irkungen
''üssern; und nach Coihdet soll der Speichel der Hydrophobi-
^'^ben nicht durch den Darmkanal anstecken. Frobiep’s Rot.
^b23. Septbr. 170.
, Magesdie hat die Beobachtung gemacht, dass Ueberfüllung
Blutgefässe mit Flüssigkeit die Resorption schwächt. Nach
*äspritzung von M^asser in die Venen eines Thieres fand die Ab-
^'^'’Ption y’on fremdartigen Stoffen durch thieiische Häute nicht
die sich nach einem Aderlässe wieder einstellte. Dagegen
'^sehleunigte ein Aderlass die Absorption, so dass Phänomene, die
®'^Ust nur nach 2 Minuten, jetzt schon in Minute eintraten.
, Am schnellsten geschieht die Aufsaugung in den Schleimhäu-
Serösen Häuten und Wunden, viel langsamer in der mitEpi-
p®’'uus überkleideten Haut, und überhaupt scheint die äusserste
/^bichte der belebten Haut ein weit geringeres Absorptionsver-
1 jbgen zu besitzen, vielleicht weil sie Hornstoff absondert. So
j *“ihen zuweilen in Ritzen der Haut eingeriebene, aus Rörneben
*^stehende Farhestoffe oder Pulverkörner von einer Explosion, das
b"**«! Leben hindurch unaufgelöst, und werden nicht absorbirt.
^j''‘'nke, welche lange salpet'ersaures Silber nehmen , werden in
Haut zuletzt schieferfarben und schwärzlich, wahrscheinlich
®8en einer chemischen Verbindung mit dem Thierstoff. Gleich-
^“ '1 lasst sich die Resorption der 'mit Epidermis bedeckten Haut
^'''bt bezweifeln, wenn die Stoffe aufgelöst oder von thierischen
ten leicht löslich sind. Da dieser Theil am häufigsten mit
tiQ*'^*^'‘rligen Stoffen in Berührung kommt, und auch derApphea-
der Arzneien fähig ist, so ist die nähere Untersuchung hier-
Wichtigkeit. Seiler und Ficikus fanden bei Pferden,
bu m initRalibleiauflösung benetzt erhalten würden, dieses
bat”- ® und im Chylus wieder. Westrumd (Meck. Arch. 1827.)
®ine Vollständige Arbeit geliefert. Vergl. Sewall, Meck,. .drcA.
238 I. Blich. Von den organ. Säften etc. II. Abschn. Vom Blutkrekln'if’
2. 146. Alle metallUclien Präparate wirken, in die Haut eing®'
rieben, in geringerem Grade als innerlich. Das Queeksilber he'*
auf diese Art die Syphilis und bewirkt Speichelfluss; tart. stibi"^’
erregt Erbrechen nach Letsom und Brera; Arsenik vergift®
durch die Haut. Auch die vegetabilischen aufgelösten und aU*'
lösbaren Stoffe -wirken. So erregt nach Hali.er weisse Niesswu*^^
auf den Unterleib gelegt, Erbrechen und heftiges Purgiren, wc*’"
die Füsse mit Abkochung dieser oder der schwarzen NiessW»®*
gewaschen werden. Sahadillsnmen erregte in Lentik’s Beobacb'
tung die heftigsten Kj-ämpfe, und in den Bauch eingerieben P'*®'
giren; Canthariden erregen Harnstrenge; Narcolica narcotisire**'
Campher ist nach Magesdie in der Lnngenausdünstung erkennba*’’
Terpenthinöl am Veilchengeruch des Urins; Quecksilber im Bb'b
Speichel, Harn^ Milch, nach Bloch, AuTENBtETu und. Zeller, a'’‘‘
Cantu, nach Fricre (IIorn’s Archiv 1826. 459.) auch in den K.f®'
eben; blausaurcs Kali, Rhabarber, Farberröthe geben sich 'l**
Blute, Harn etc. zu erkennen. Allein sehr viel starker wirkt
Application aller Arzneien und Gifte auf die von der Oberb»“
(durch Blasenpflaster) entblöste Haut (methodus endermica).
Ob die mit Oberhaut bedeckte Haut Wasser aufzunehni®”
fähig ist, ist lange, ein Streit gewesen und schwer auszumittell*’
weil die Haut durch Ausdünstung Wasser verliert. Sicher ist
Epidermis hygroscopisch und quillt im Wasser auf. Die
Wiegen des Körpers und des Wassers hei Bädern angestclftf''
Versuche von Falcoser, Alexander und Andern halte ich
unzuverlässig. Seguin und Currie erhielten überdiess keine
wichtsznnahme. Seguin Ann. de chimie T. 90. 185. T. 92.
Meck. Arcidv 3. p. 585. Dann beweisen allerdings solche Ver'"’’j
che, wo im Wasser aufgelöste Färbestolfe oder blausaures K
nach einem Bade sich im Urin erkennen Hessen, wie WestbU'"®
und Stuart’s Versuche zeigten, nicht für die Aufsaugung
Wassers selbst, da Salze durch eine von zwei Seiten mit Wa«*®
in Berührung stehende thierische Membran durchdringen könn"®’
ohne dass sich das Niveau des Wassers verändert. Die
ption von Gasarten durch thierische Theile theils durch das Al*’'
men, theils in der Haut selbst ist durch die Versuche von Ab®®,
NETHY, Cruikshanr, Autenrieth , Beddoes, Collard de MarTiO®.’
ausser Zweifel gesetzt. Dass hierbei die aus der Umgebung **]*
genommenen Gase sich jmit den tropfbaren Flüssigkeiten b''*“
und den Gaszustand verlassen, versteht sich von selbst. Mehr®'
haben Absorption des Stickgases durch die Haut beobaclft®.^
Beddoes sah den Arm eines Negers in Chlorgas für einige f
bleich werden, Abernethy beobachtete, dass Sauerstoffgas,
gas, Kohlensäure und andere Gasarten, die er unter mit
silber gesperrten Glocken auf seine Hände einwirken Hess, ^
deutend vermindert wurden. _ ^
In Hinsicht der Resorption innerer Theile bleibt es
zweifelhaft, welchen Antheil daran die Aufnahme in die
fasse oder in die Lymphgefässe hat. Doch giebt es viele
spiele aufiallender Resorption innerer Stoffe in Theilen,
Lymphgefässe man nicht kennt, wie in den Knochen.
239
5. Verhalten der Gefässe bei der Resorption.
Von vielen anderen Ersclielnangen ist es darchaus zweifelhaft.
Welche Ordnung von Gefässen das aus inneren Theileu Aufge-
’}Oinmene zuerst gelangt, wo nämlich ausser Blutgefässen auch
^ymphgefässe vorhanden sind. Hierher gehören z. B. die Wie-
lieraufsaugung des in der Gelbsucht abgelagerten Farbestoffes der
Y''lle und die Aufnahme angesammelter Secreta, Galle, Harn, in
"'e Säftemasse, das Verschwinden der Thymusdrüse bis zum 12.
das allgemeine Schwinden des Fettes hei Hungernden,
^hwindsüchtigen und nach Säfteverlusten, im Winterschlaf, das
schnelle Schwinden der W^arzen an den Fingern. Diese Er-
scheinungen sind nicht alle von gleicher Art. Von der Aufsau—
von Säften, welche ausser der Wechselwirkung mit den.
,*pUlargefässen sind, indem sie keine Theile der Organe selbst
muss man diejenigen Fälle unterscheiden , wo die Partikeln
'jci' organisirten Theile seihst zwischen den Capillargefässen schvvin-
Bei diesem Process, wie er in dem schwindenden Schwänze
der Froschlarven, der memhrana pnpillaris, hei der Entstehung
p®*" Zellen in den Knochen stattfindet, scheint die Auflösung der
^^ctikeln zwischen den Capillargefässen fast das Wesentlichste za
wobei denn das Aufgelöste mit den Blutströmchen nur in
. cchselwirkung zu treten braucht, oder (ausser den Knochen)
'^’clleicht in die Lymphgefässe aufgenornraen wird. Unter den
''^8äuisirten Theilen zeigen die Knochen die auffallendsten Phä-
jCftiene dieser Art von B.esorption. Ihre Zellen entstehen erst
jy^'nach hei dem Kinde und vergrössern sich durch Resorption.
Diploe der Schädelknochen schwindet im Alter, und diese
erden dünner. In der Jugend entstehen die Sinus frontales,
^P'renoidales. Seihst Theile, welche nicht organisirt sind, sondern
mit organisirten Keimen in Verbindung stehen, wie dieWur-
1*^ ** der Zähne, sind der Resorption unterworfen. Die W^urzeln
ersten Zähne schwinden zur Zeit des Zahnwechsels, und
u'*'’*‘'merring hat beobachtet, dass sie weich werden, wahrschein-
durch Auflösung. Vom Rau des menschlichen Rörpers I. 226.
I ' Indess werden auch bei der Caries der Zähne von feh-
I. *^ rafter Zusammensetzung der Elemente der Zähne diese durch
i^Iundflüssigkeit angegriffen und erweicht. Ob necrotische
j^^^henstücke durch lange Berührung mit thierischen Theilen
‘stanz verlieren, ist noch unbekannt.
Wird die Ernährung durch Krankheiten des Blutes, durch
J, *hamng etc. vermindert, so ist die Resorption grösser als die
der Theil schwindet. Ob in der Phthisis Mus-
sch'**^’'** oder nur Zellgewebe schwindet, ist ungewiss, doch
die zarten Muskeln zu schwinden, wie der platysmamyoi-
Sqi V'®d einige Muskeln des äussern Ohres. In der Lähmung
Rj ^’oden aber häufiger die Muskeln, und namentlich hat Schroe-
X.,, V K-olk die Umwandlung in Fett bemerkt. Knorpel,
*äel , Gehirn und Nerven schwinden in der Lungenschwjim-
hei '“'eh Desmouliks und ScHHOEnER’s Untersuchungen nicht.
'a f ® 'Semeinen Ursachen der Atrophie schwinden- die Theile
Pel "^iSeoder Reihe, Fett, Zellgewebe, Muskeln, Knochen, Knor-
‘ ehneii. Bei anhaltendem Druck kann jedes Gewebe resor-
240 I, Buch. Von d. organ, Säften etc. II. Abschn. Vom Blutkreislauf-
birt werden, wenn seine Ernäliran!^ aufhört. Das Schwinden
Knochen von Druck hieiht indess immer noch rälhselhaft, dei'®
wenn das Aufhören >ler Ernähruns’ von Druck die alleinic;e Ui'
Sache wäre, so müssten auch die Gelenkköpfe an den untcrcj'
Extremitäten schwinden. Vielleiclit wird durch eine um s'®'
greifende Geschwulst, Aneurysma, Schwamm, Entzündung
Umgebung und auch der Knochen bewirkt, die Folge davon >'
Auflockerung, und im aufgelockerten Zustande ist der Knocb®''
leichter der Resorption fähig, sobald seine Ernährung durch Druc
beeinträchtigt wird. Doch entsteht hierbei keine Caries. Verg''
Scuroeder V. D. Kolk in Luchtmahs de ahsorpiionis sanae et mof'
losae disc-tniine. Traj. ad li. 1829.
Bekanntlich befördert die Jodine das Schwinden und d*®
Resorption der organischen Theile.
h. Von der Ausschwitzung, exsudatio.
Viele Stoffe, welche in thierischen Flüssigkeiten aufgelöst sini
namentlich die fremdartigen, welche in den Kreislauf eingedruO'
gen, sich im veränderten oder unveränderten Zustande mit deäj
Blute verbreiten, werden nach den Gesetzen der Imbibition nä
Endosmose ausgeschieden. Blausaures Kali, durch Endosinosc
den Kreislauf aufgenommen, durchdringt nach denselben Gesetz®"
auch die thierischen Gewebe, welche an die Aussenwelt grenze"/
und mischt sich den natürlichen Absonderungsflüssigkelten b®'’
so dass es bald in den versebiedensten Äbsonderungsllüssigkeite"'
im Harn z. B. nach Westrümb 2 — 10 Min. nach der Applicati""
spurenweise wieder erscheint. Die in dem Absonderungsorga"
entl^altcnc Flüssigkeit (z. B. der in den Ilarnkanälcben enthalte"
Harn) und das mit blaus. Kali imprägnirte Blut sind die beid®"
Flüssigkeiten, welche sich durch die thierischen Wände nach rc"’
physicalischen Gesetzen in Gleichgewicht ihrer aufgelösten TliC
setzen können. In der Gelbsucht werden auf diese Art
sämmtliche innere Organe und auch Absonderungsflüssigkeit®"’
wie der Harn, von dem im Blutwasser aufgelösten Färbestoff d
Galle durchdrungen. ,
Die verdnnstbaren Theile des Blutes, natürliche oder fret»_ ^
artige beigemischte, können von den freien Oberflächen der t]"®'
rischen Membranen verdunsten, sofern sie nicht durch eigenthü"*
liehe Anziehung von dem thierischen Gewebe zurückgehalten
den. Wenn Druck den Durchgang durch die Poren der tbi"®*^
sehen Wände begünstigt, so müssen nach physicalischen fxcsetz
auch tropfbare Flüssigkeiten in freie mit Gas oder Dunst geff' ^
Räume durchdringen. Diess geschieht nach dem Tode s® ' ^
durch blosse Schwere, so dass Blutwasser und später aufgelö*^^
Färbestoff die Gewebe durchdringen und sich in freien Räun® ^
ansammeln können. Die Galle durchdringt dann die Gallenbl"-
und färbt anliegende Theile gelb. Während des Lebens hält
Resorption diesem Durchdringen der Membranen durch eine
ganische Anziehung das Gleichgewicht; allein verschiedene
eben in Krankheiten heben dieses Gleichgewicht auf, «n®
5. Verhalten der Gefässe bei der Exsudation.
241
Rammelt sich dann Wasser mit aufgelöstem Thierstoff und Salzen
den Höhlen und im Zellgewebe, und verursacht die Erschei-
nungen der Wassersucht und des eiweissstofFlialtigen Urins. Nach
•erscliliessung grosser Venenstämme der Eingeweide und derEx-
h'ernitäten entsteht Exsndation von eiweisshalfigem Wasser aus
“em Blute in den anliegenden serösen Säcken oder im Zellgewebe,
besonders der unteren Extremitäten, und man kann, wie Bouii.-
tAüD gezeigt hat, eine Wassersucht des Zellgewebes künstlich er-
*eugen durch Unterbindung grosser Venenstämme. Die Wasser-
^'icliten nach Degeneration der Eingeweide entstehen vielleicht
®Uch zürn Theil von Verschliessung der Circulationswege dieser
Eingeweide. Aus denselben Ursachen könnte man die Exsuda-
Eon des aufgelösten Faserstoffes in den Entzündungen erklären,
"^gleich für die Qualität der ausschwitzenden Materie noch be-
Sondere Ursachen einwirken.
Hiernach scheinen die Exhalatlonen (Dunst) und Exsudatio-
(tropfbar Flüssiges) nach rein physicalischen Gesetzen der Im-
^'^ition , Endosmose und des Druckes auch im lebenden Körper
*** erfolgen. Dem ist aber nicht so. Nach physicalischen Ge-
^^t^en könnte alles Aufgelöste durchdringen. Im lebenden Rör-
durchdringt aber nicht alles Aufgelöste unter dem Einflüsse
Endosmose und des Druckes die thierischen Gewebe, sondern
Exbalirte und Exsudirte ist oft nur ein Theil der im Blute
?.^fgelösten Stofle. So exsudirt in der Entzündung unter der ört-
‘'^hen Blutanbäufung aufgelöster Faserstoff durch die Häute, Fa-
*®*‘stofr, der, w'ie ich bewiesen habe, im lebenden Blutwasser auf-
^®*bst ist. Bei den Wassersüchten, wie sie z. B. durch verhinder-
Rückfluss des Blutes bewirkt xverden , epudirt dagegen nicht
Faserstoff des Blutes, das Exsudat gerinnt nicht von selbst,
^^ädern nur durch Reagentien werden Stoffe daraus niederge-
®hlagen, es enthält nur den aufgelösten Eiweisssloff des Blutes,
^'•äraus geht hervor, dass dem Durchdi ingen des aufgelösten Fa-
^Jirstolfes" in den Wassersüchten noch durch eine Kraft das Glelch-
ij^^'yicht gehalten seyn muss, welche in der entzündlichen Exsu-
“hon gelähmt ist, und diess muss eine Anziehung des lebenden
evvebes zum aufgelösten Faserstoff seyn, während dasselbe Ge-
A hei der Wassersucht eiweissstoffiges Wasser durchl.ässt. Im
■Yy'ange der Entzündung wird nur JBlutwasser , wie in einer
"^nde oder nach dem Legen eines Blasenpflasters, hei heftigerer
j^.^fziindung auch Faserstoff ausgeschieden. Dass ähnliche Ver-
^'tnisse bei der Exhalation z
B. der Haut stattlinden, ist wahr-
®*nlich, dagegen unwahrscheinlich, dass alles von den thieri-
Oberflächen exbalirt, was verdünslhar ist.
Sch,
Sch,
^cr Ausscheidungen sind gar nicht nach den Gesetzen
Endosmose zu erklären, z. B. die des Harnsloffes aus dem
‘^nreh die Nieren. Diess ist wirklich eine blosse Aiisschei-
SCftf’ Harnstoff wird nicht ln den Nieren erst gebildet,
tiof Rrevost und Dumas haben entdeckt, und Segalas besüi-
hl“ ’ nach der Exstirpation der Nieren der Harnstofl im
do ^ ^nhinden wird. Diese allerdings aufgelöste Materie wird
im Blute nur so lange nicht gefunden, als sie nicht durch
s Physiologie. 1.
16
‘242 /. Buch. Von den organ. Säften u. dem Gefässsystem.
die Nieren daraus ausgescliieden wird. Wenn aber Harnstol
sclion im Blute aufgelöst ist, warum wird er allein durcli oi
Nieren ausgeschieden und nicht durch alle anderen Äbson
rungsorgane? Die Gesetze der Endosmose reichen zur ErklarnUo
dieser wahrhaften Ausscheidung nicht ans.
Auch andere Ausscheidungen geschehen ausBestandlheilen o'-'
Blutes und erfolgen nur unter bestimmten Örtlichen Bedingunge'»
wie der Menstrualfluss. Nach Lavagna, Toulmouche, Brand
und meinen eigenen Beobachtungen enthält das Menstrma bU
keinen Faserstoff. Es formt sich allerdings im Urin oft in Rlu«
pen aber diese Klumpen sind wie Brei und bestehen vorzugbc
nnr^aus den rothen Körperchen. Dass das Menstrualhlut nur en]
concentrirte Auflösung von Farbestoff der Blutkörperchen sey,
Brande behauptet, ist gewiss falsch; ich habe bei Untersuchun»
des Menstrualblutes wirkliche unveränderte Blutkörperchen dar
gefunden. Diess setzt voraus, dass im Uterus der Menstruirendc^
eine solche Auflockerung der Capillargefässwände eintrete, da-
sie zu dieser Zeit Kügelclien durcblassen. An Venenmundunge
ist hierbei so wenig als an irgend einem Orte zu denken.
giebt keine Venenmündungen. i. i
Die langsame Ausscheidung von Blut, welche die Patholo-
Diapedesis (per sccrctioneni) nennt, kann auch keine eiiifacb
Ausscheidung seyn; sie setzt auch Auflockerung der Gefässiväod^
voraus, und ist in vielen Fällen, wenn nicht in allen, gCAviss >'
einer Zerreissung der kleinsten oder Caplllargcfässe begründci
wie hei dem Blutspeien und blutigen Auswurf in der Limgenci)
Zündung. Dass aber der die Blutkörperchen färbende Stell si
unter besonderen Umständen in Blutwasser der lebenden Tlnei
autlösen könne, und blutig gefärbtes Blutwasser diirchschwiBD
könne, hat Wedemeyer {üher den KreidauJ. Hannooer 1828. 4t)U-
wahrscheinlich gemacht. Bei Pferden, welchen viel warmes Was»
in die Venen gegossen wurde, trat Exsudation von blutigem v a ^
ser aus der Nase und in die Bauchhöhle ein. Bekanntlich Iiat
Färbestoff der Blutkörperchen die Eigenschaft sich im Wasser aw^
zulösen. So scheint sich auch Bhitrolh im Serum beim Scorb«J
im morbus maculosus, und nach dem Schlangenbiß (AutenbiK^u
Physiol. 2. 154.) aufzulösen. Nach einem geistreichen Arzt
die Diapedesis ein Diirchdringen von bloss aufgelöstem Blutro^^^
nicht von Blutkörperchen seyn. Diess ist schwer zu
und vor dem Beweis nicht annehmbar. Selbst das blutige
des Blutes im Scorbut enthält vielleicht nicht einmal Fm'bes^^^^
aufgelöst, sondern zerstreute Kügelchen, was immer leicht r
schehen kann, wenn das Blut nicht fest gerinnt.
Die Erscheinung von Kügelchen in den Secreta setzt .
Bildung derselben im Momente der Abscheidung voraus.
dem Blute aus den Capillargefässen können diese nicht
gehen. Die Kügelchen des Eiters sind grösser als die |,gii
perchen, zum Theil noch einmal so gross (Weber), sie
nicht aus den Blutkörperchen ihre Entstehung nehmen,
entweder abgestossene Theilchen der eiternden Oberfläcl^;
bilden sich erst im Momente der Abscheidung, da der Eite
III, Ahschn. l^on der Lymphe und dem Lymphßefässsystem, 243
^lomente der Bildung dünn und klar nach Brugmabs und Au-
temrietu abgeschieden werden soll. Die Ausscheidung von EI-
terkügelchen , die ins Blut gekommen, durch die Nieren, er-
scheint daher als eine reine Unmöglichkeit, nur die näheren Be-
standtheile des Eiters im aufgelösten Zustande können .abgeschie-
den werden. ■ ■
ITI, Abschnitt. Von der Lymphe und dem
Ly mphgefässsy Stern.
I. Capvtel. Von der Lymphe.
Die Lymphe ist der Inhalt der lymphatischen Gefässe. Sie
eine hlassgelbe klare und, wenn sie nicht mit Blutkörpercheij
*äfullig verunreinigt worden, in der Regel nicht rötliliche klüs-
^SWt. Beim Frosch ist sie ganz klar, nicht einmal gelblich; heim
^cnschen haben sie Wutzeu, H. Nasse und ich gelblich klar
*®ohachtet. Die Lymphe ist geruchlos, reagirt schwach alcalisch,
schmeckt salzig. Die Lymphe des Darmkanals, wenn sie auf-
Scsogene Nahrungsstoffe enthält, ist weniger klar, sondern immer
ycht- oder weniger getrübt, bald gelbgrau, bald Aveisslicb , von
grossen Menge von runden Kügelchen. Die Lymphe des
‘^i’taes wird bei gefütterten Thiercn Chylus genannt.
y. Lymphe und Chylus enthalten aulgelöstes Eiweiss und aulge-
Faserstolf. Der leztere gerinnt in der Lymphe innerhalb
, ^linuten zu einer Gallerte. In Reui^s und Emmeht’s Untersa-
^ (Scheeer’s Journ. 5. 691.) gaben 92 Gr. Lymphe des Pfer-
t J Coagiiinm im weichen Zustande, ako inoch nicht ^ Pfoc.
^ ®cknen Faserstolf. Die übrige Flüssigkeit hintcrliess ahgedun-
Proc. trocknen Rückstand, vorzüglich Eiweiss. und Koch,
j B.ETJSS, Emmert und Lassaigne 'erhielten ovön der Lymphe
hti*i wie ich und Nasse von der Lymph«^ des Menschen,
sg *ch in allen Fällen von der Lymphe der Frösche, den Fa-
8g ganz farblos. Nur Tiedemank und Gmeein geben deiiFa-
der Lymphe von Thieren blassrölhlich an, was vielleicht
sai **^^^*h'ger Verunreinigung von etwas Blut herrührte. Las-
giebt die Zusammensetzung der Pferdclymphc folgender-
Cl^*®** an: Wasser 92,500, Faserstoff 0,330, Eiweiss 5,736,
Chlorkalium, Natron, phosphorsaurer Kalk zusam-
1,434. Tjedemabb und Gmelih fanden in der Lymphe auch
16 *
244 I. Buch. Von d. organ. Säften etc. III. Abschn. Lymphsystem.
Spelclielstoff, Osmazom, kolilen-, schwefel-, salz- und essigsaa-
res Natron und Kali nebst phospborsaurem Kalk. , , ^i,
Von der Lymphe unterscheidet sich der Chylus dadnrcip
dass der Chylus ‘freies Fett enthält, dass die Menge der festem
Theile in ihm grösser ist (100 Chylus aus den Lymphgefässen de
Mesenteriums vom Pferde gaben Tiedemakn und Gmelin 0,d
trocknen Faserstoff, die Lymphe des Beckens nur 0,13), und da*
der Chylus viel mehr Kügelchen enthält und trüber ist. Die Kü-
gelchen der Lymphe sind sparsam und sind bisher ühersehedi
Dr. H. Nasse und ich haben sie in der Lymphe des Menschen»
und ich sehr häufig in der Lymphe der Frösche gesehen.
Die Lymphe des Menschen scheint zuerst von uns untersuc»
zu seyn. Denn Soemmerrikg’s Lymphe aus Varices von Lymp *'
„efässen, die nicht gerann, konnte keine Lymphe seyn.
Im Winter 1831 — 1832 bot sich in Bonn diese ausserordenl-
liehe Gelegenheit dar, Lymphe des Menschen zu untersuchen, h
chirurgischen Clinico des Hrn. Professor Wutzer befand sich ei'
junger Mensch, dem, in Folge einer vor längerer Zeit erlittene^
Verletzung am Fussrücken, beständig Lymphe aus der, allen vei-
suchen zur Heilung trotzenden, kleinen Wunde ausfloss. Wen'
man über den Rücken der grossen Zehe in der Richtung gege
die Wunde hinstrich, floss jedesmal eine Quantität ganz klar«*
Flüssigkeit, zuweilen spritzend, hervor. Diess war Lymphe. Si»
setzte*^nach ungefähr 10 Minuten ein spinngewebeartiges Coag"-
lum von Faserstofi' ah. Hier konnte man nun Lymphe in Meng®
sammeln. Was mich am meisten zu wissen interessirte , war: o
die Lymphe Kügelchen enthalte, welche alle neueren Beobach-
ter, Reuss und ErMERT, Soemmerrikg, Tiedemakn und Gmee' ’
Brahde, Lassaigne, nicht beobachtet haben; u'ogegen Hews"
in der freilich zweideutigen Lymphe von der Thymusdrüse d'^
Kalbes unzählige weissc Körnchen von der Grösse der Kerne d«
Blutkörperchen, und in der röthlichen Lymphe der Milz rofl'^
Körperchen gesehen haben wollte. Bei der mikroskopischen L"^
tersuchung jener Lymphe des Menschen sah ich, dass die Ly*’
plie, obgleich sie klar und durchsichtig war, doch eine^ Me"S
farbloser Kügelchen enthielt, die kleiner schienen, als die Blu^^
körpcrchen des Menschen, und sehr viel sparsamer darin entb®
ten waren, als die Blutkörperchen itn Blute. Diese Kugelen
verbinden sich beim Geiännen zum kleinern Theil mit dem ^
guluin. Der grösste Theil bleibt im Lymphserum suspend'»^'
bas Coagulum besteht, wenn es sich zusammengezogen hat, »
einem weissem fadenartigeu Gewebe. Das Merkwürdigste ist n
aber, dass das. Gerinnsel nicht durch Aggregation der Kügelc*'
entsteht, sondern man sieht, dass eine vorher aufgelöste Ma
gerinnt und die zerstreuten Kügelchen zum Theil in sich "
nimmt. Untersuchte man das Gerinnsel von einer sehr kle"'^^
Quantität Lymphe, die man in einem Uhrglase hatte
lassen , so erkannte man die Lyrnphkügelchen bei starker
grösserung eben so zerstreut in dem Coagulum, wie sie ij,
in der Lymphe selbst erschienen. Die Materie, welche die Ly^f^g
kügelchen verbindet, lässt sich besonders an dem zarten ß®
1. Von der Lymphe. Lymphe des Menschen und der Frosche. 245
•les Coagulum beobachten ; sie ist ganz gleichartig, schwach darch-
Wchtend, und besteht nicht deutlich aus Kügelchen, die, wenn
dai’in enthalten sind, sehr viel kleiner scyn müssen, als die
Kügelchen der Lymphe. Vergl. H. Nasse, Tiedemann’s Zeii-
ocftrlß V. Diese neuen Beobachtungen beweisen, dass, obgleich
die Lymphe Kügelchen suspendirt enthält, doch der Faserstoff
ihr aufgelöst ist. Beim Menschen wird sich die Gelegenheit
®ebr selten darbieten , jene Beobachtungen zu wiederholen. Da-
S®gen werde ich jetzt angeben , wie man sich zu jeder Zeit, wo
*Äan Frösche haben kann, die Lymphe dieses Thieres sehr leicht
^nd rein verschaffen kann. Es ist bekannt, dass die Haut der
^•"ösche überaus locker mit den Muskclschichten verbunden ist.
^ass zwischen beiden ansehnliche Lymphräume enthalten scyn
öiussen, erkennt man schon an der Natur der zwischen Haut
Muskeln enthaltenen Flüssigkeit. Wenn man bei grossen
**■0801160 die Haut am Oberschenkel anschneidet, und, indem
®^an die Zerschneidung grösserer Blutgefässe vermeidet, die Haut
®ine Strecke weit von den Muskeln «ablöst, so fliesst öfter (nicht
**>itner) eine klare, farblose, salzig schmeckende Flüssigkeit aus,
zwar oft sehr reichlicli, wenn der Frosch sehr gross und
jyisch war. Diese Flüssigkeit ist Lymphe. Der Beweis davon
in dem Umstande, dass diese Flüssigkeit innerhalb mehrerer
^'nuten ein ansehnliches, anfangs wasserhelles Coagulum absetzt,
j?* sich allmälilig zu einem fadenartigen sveisslichen Gewebe ver-
i*^btet. Wenn man von einer Anzahl grosser Frösche die Lymi-
sammelt, so erhält man genug, um eine nähere Untersuchung
^öziistellen. Das Faserstoll'gerlnnsel einer gewogenen Quantität
^*nphe wurde getrocknet ' und mit einer sehr empfindlichen
^“age gewogen; so erhielt ich aus 81 Th. Froseblymphe einen
trocknen Faserstoff; ein Verhältniss, welches wegen der
lenge des Faserstoffes sehr merkwürdig scheint, Avenn sich auf
w'oi einzigen Versuch hei so kleiner Quantität ein bestimmter
^^^rtli legen Hesse. Bewahrt man Frösche lange auf, so gerinnt
Scwonnene Lymphe nicht mehr, so wie aucli ihr Blut ent-
y®der sehr Avenig oder gar kein Gerinnsel absetzt. Die Frosch-
f***phe enthält im frisehen Zustande Kügelchen, jedoch ausser-
Pj'dcntlich sparsam darin zerstreut. Sie sind ungefähr AÜermal
filier als die elliptischen Blutkörperchen des Frosches. Sie sind
jJ''*d Und nicht platt. Da man heim Einsclineiden der Haut des
^^osclies jedesmal auch einige Blutgefässe zerschneidet, so ist es
^''■''ermeidlich, dass sich bei mikroskopischer Untersuchung in
Lymphe einige elliptische Blutkörperchen zeigen. Diese Bei-
j^®j*Sung ist aber ganz unbedeutend, und die Lymphe bleibt Avas-
Durch diese Beobachtung hat man den grossen Vortheil,
schnell und zu jeder Zeit Lymphe verschaffen zu können;
de ***‘'*1 kann so die Haupteigenschaften derselben, da sie mit
*■ **ieiischUchen sehr übercinkömmt, in den Vorlesungen zeigen,
^“gegen man bisher keinem Arzte einen Vorwurf machen konnte,
die'^j seinem ganzen Lehen keine Lymphe gesehen hatte,
. doch sonst in den pathologischen Werken und von den Aerz-
■''*‘^1 bespi'ochen Avird, so dass sie wegen Unkenntniss der
246 I. Buch. Von den urgan. Sliften eic. III. Alschn. Lymphsystem.
wahren Natur der Lymphe vielerlei der verschiedensten Dingß
mit diesem Namen helegen. Nicht allein faserstoflhaltige und ei-
weisshaltige Exsudate, sondern auch Wundflüssigkeiten und eitef'
förmige Stolle, besonders aber alle Materien, welche- sic nicb
genau kennen, werden von ihnen Lymphe genannt.
Diese Versuche vom Frosche liefern die Bestätigung jener
Beobachtung von der menschlichen Lymphe. Es ist sehr instrU'
ctiv, unter dem Mikroskope die Ent.Uehung des Gerinnsels in e*"
nem Tropfen Froschlymphe zu untersuchen, wo man sich auf d»^
Bestimmteste überzeugen kann , dass die hier in ganz grossen
Zwischenräumen zerstreuten Kügelchen gar keinen Antheil
der Gerinnung des vorher aufgelösten Faserstoffes haben. Der
Eiweissstoff der Lymphe lässt sicli auf die gewöhnliche Weise ao*
der Lymphe niederscblagen. Merkwürdig ist aber, dass nicht al-
lein die Froschlyraphe von viel zugesetztem liquor Kali caustic*
trüb wird, und dass der Chylus der Säugethiere von zugesetzteiö
liquor Kali canstici sogleich das Eiweiss ahsetzt, sondern daS’
nach meiner Beobachtung das Eiweiss auch aus kleinen Quanti-'
täten Blutwasser von viel zugesetztem liquor Kali caustici nieder-
geschlagen wird. Die Kaiiauflösung • muss aber ganzir.concci*-
trirt seyn. ' . , '
Die Lymphe scheint unter gewöhnlichen Umständen än de*'
meisten Theüen farblos zu seyn, zuweilen hat man sie rötblich
gesehen; Mageiid!e, Tiedemasn und Gmehk sahen sie so hei 1®'
Stenden Thieren, aber diese Färbung ist in den LymphgöfässeU
der Milz nicht selten. Hewsön, FoaMAHu, Tiedemasn und GmB'
LIN haben diess bemerkt. Seiler hat es nur ausnahmsweise gC'
fanden. Budolpiii hält es für zufällig. Ich habe incicss im Schlacht^
hause an der Milz des Ochsen wiederholt unter den vielen uii‘
ansehnlichen Lymphgefässen der Oberfläche der Milz jedesro''
einige bemerkt, deren Lymphe schmutzig röthlich war. Ich halt®
diese ganz leichte durchscheinende Färbung nicht wtc Hew'SC
für Färbung von rolhen Körperchen des Blutes. Ich gla-nh
vielmehr, dass die Lymphe in dem blutreichen Gewebe der M''
vom Färhestofle des Blutes etwas aufgelöst hat.
Der Chvlus der Thiere ist last immer trüber als ihre Lyp'
phe, und diese Trübheit scheint von den Kügelchen des Cbyh‘^
herzurühren. Bei den Säugethieren ist der Chylus meist weis='
lieh, besonders nach fettiger und Fleischnahrung. Bei Vögc'J^
ist der Chylus nicht weiss, sondern mehr durchscheinend. *'(.
ductus thoracicus der Pferde, seltener bei anderen Thieren, ^
der Chylus röthlich, und sein Coagulum wird dann in der L'“
noch rölher.
Was <!ie Vergleichung der Blutkörperchen und Chyluskör*
eben betnlft, so sind die' Chyluskiigcichcn der Säugethiere, j
ich vom Kaninchen, von der Katze, vom Hunde, vom Kalbe
von der Ziege mikroskopisch untersucht habe, nicht platt, ^
die Blutkörperchen, sondern rund. Prevost und Dumas lai*
die Chyluskügclchen Par. Zoll, was mehr als halb s®
beträgt," als die Blntkörperehen des Menschen. (Siche E. D- __
der in Hii.debrawdt’s Anatomie 'I. S. 160.) Ich habe die Chj***
1. Von der Lymphe. Vcrglekhuiig der Lymphe u. des Chylus. 247
tügelclien jedesmal auf derselben Glasplatte mit den Blutkörper-
clieii desselben Tbieres untersucht, und fand ihre Grösse bald
gleich der der Blutkörperchen, wie bei der Katze, bald, und
Zwar meistens, etwas kleiner, wie beim Kalbe, bei der Ziege,
Beim Hunde; bei welchem letztem ich sie von sehr verschiede-
öer Grösse, die meisten sehr klein, und alle kleiner als die Blut-
körperchen fand. Beim Kaninchen fand ich sogar die Cbyluskü-
gclchen zum Theil grösser als die Blutkörpci’cbcn, die meisten
^aren sehr klein, bis -j so gross als die Blutkörperchen; viele
^aren nicht kleiner als die Blutkörperchen , und einige waren
.^ffenbar grösser, wenigstens noch einmal so gross; fein zertbeiltc
k etttheilchen waren diess nicht, wie ich solche allerdings von
''^sehnlicher Grösse ganz deutlich in dem Chylus eines mit But-
gefütterten Hundes von deu anderen Rügelchcn versebieden
®*'k-annte. Damit stimmen R. W.vgker’s Beobachtungen überein.
kiEcKER’s ylnn. 4834. Mueli.er’s Arrhjv 1835. 107. Auch Wag-
ist in Hinsicht der Identität der Lymph- und Cliyluskör-
Perchen mit den Kernen der Blutkörperchen sehr zwcilelhaft.
verdanken Tiedemann’s und Gmecik's klassischen Untersu-
‘'Vngen olfenbar das Meiste, ja fast Alles, was wir über den ebe-
*''*schen Hergang der Verdauung wissen; sie haben uns auch die
y^Uständigsteu Aufschlüsse über den Chylus geliefert, mit denen
meine wenig zahlreichen Beobachtungen über den Chylus
Ü‘cht entfernter Weise vergleichen kann. Indessen inuss ich doch
l'me Behauptung hcsti-eiten, welche Tieuemakn und Gmeeijs- sehr
'ßslimmt aussprechen, dass nämlich alle Trübung und alles weiss-
*cbe Ansehen des Chylus von suspendirten Fettkügelchen her-
*'''hre. Tiede-mami» und Gmelin scheinen den Chylus für eine
^'“Pkommene Auflösung der Thierstoffe zu halten, in welcher keine
^"deren Kügelchen als Fettkügeichen schweben. In der That
y^cn sie gesehen, dass beim Schütteln des milchigen Serums
Chylus mit weingeistfreiem Aethcr alhnäblige Klärung des
firums eintrat. Die Gewissheit über den IJj'sprung der Kügel-
^'en irn Chylus ist von ausserordentlicher Wichtigkeit; denn
v.^f'n z. B. Chylus ganz aufgelöster Thierstofl wäre, und bei der
^Sorption keine Kügelchen in die Lymphgefässe eindrängen, als
Q^za bloss flüssige Fetltheilchen , so wäre cs denkbar, dass die
, *^irnungen, die man bisher vergebens an den Zollen des Darm-
j^tials gesucht hat, wirklich fehlen könnten, und dass diu An-
der Lymphgefässnetzc keine grösseren Poren hätten, wie
weiche Thiersubstanz, welche für Aufgelöstes permeabel ist.
? *st mir aber wahrscheinlich, dass aus dem Darmkanal auch
, 'fklich Kügelchen in den Chylus übergeben, und dass es nicht
^ °ss fein zertheilte retttröpfchen sind. Als ich milchiges Serum
.'"w Chylus der Katze in einem Uhi-glase mit weingeistfreiem
'yetl
^ tuer versetzte, schien sich zwar anfangs allmählig das Serum
aufzuklären; aber es blieb doch, selbst nach langer Fort-
Versuches unter immer neuem Zugiessen von Aethcr,
uin trübes Wesen zurück, und als ich dieses unter dem
'^®®kope untersuchte, bemerkte ich darin die ganz unverän-
''mn Chylnsi^ngeichen. Ich gebe gerne zu, was Tiedemaujs und
248 I. Buch. Von d. organ. Säften etc. '///. Abschn. Lymphsystem.
Gmelin so allgemein beobachtet haben, dass der Cbylus bei fet'
tiger Nahrung trüber wird; allein ich kann nicht annehmen, dass
alle Kügelchen des Chylus Fetttheilchen seyen. Wenn aber ancb
der Aether das Chylusserum wirklich ganz klar machte, so würde
daraus doch noch nicht folgen, dass die Kügelchen blosse Fett-
theilchen seyen. Denn die Lymphe ist ganz klar, und enthalt
doch zerstreute Kügelchen.
Die sparsamen Kügelchen der Lymphe müssen bei der Re-
sorption von den Partikeln der Organe abgestossen werden, oder
sich in der Lymphe bilden. Dass^die Kügelchen des Cbylus erst
in den Lympbgefässen entstehen, dafür sind keine Beweise vor-
handen. Diese Bildung der Kügelchen müsste schon in den Lymph'
gefassnetzen der Darmhiiute stattfinden; denn beim Kalbe,
man an der Oberfläche des Darmes sehr gut die mit Chylus g®'
füllten Lymphgefässc sehen kann, habe ich in dem Chylus diese*'
Gefässe schon die gewöhnlichen Kügelchen bemerkt. Nach eine*"
Hypothese von Doellisger würden sich die Kügelchen im Chyh**
auch ohne Durchdringen der Lyrnphgefässwände und ohne Pore'*
erklären lassen. (Fboriep’s JSotizen, Bd. 1. n. 2.) DoeelingE®
nimmt an, dass die Zotten äusserlich durch Aggregation und Ap'
Position von Bildungstheilchen aus dein Chylus des Darmkanale®
wachsen, wie die Keimscheibe des Embryo vor dem Entstehe'*
der Blutgefässe aus der Dotter.substanz dureh Apposition wächst-
Während nun die Darmzotten äusserlich Stoff ansetzen, soll sld*
ihr Inneres in Chylus auflösen; allein Beobachtungen machen die^®
Hypothese unsvahrscheinlich. Der Chylus ist bei Säugcthiere'*
immer mehr oder weniger trüb nach der Fütterung, und unter-
scheidet sich hierdurch constant von der Lymphe oder dem B**'
sorptionsproducte anderer Theile, er variirt offenbar nach dC
Natur der Nahrungsmittel. Jedermann weiss, wie schnell Fli**'
sigkeiten im Darnikanale aufgesogen werden, die doch schwerl'C'*
bloss unmittelbar in die Capillargefässe und so ins Blut gelange**’
und dass Farhcstoffc, wenn gleich selten, doch einigemal in de'*
Lympbgefässen beobachtet worden sind. Schlemm hat eine B®'
obachtung an jungen Kätzchen, die noch an der Mutter trinke"i
ge.macht, wodurch es einigermaassen wahrscheinlihh wird,
bei ihnen wirklich Milch ins Blut gelangt. Eine BeobachtunS’
die RuDOLPiii und ich verificirt haben, und welche auch Ma'®“
bestätigt hat. (Siehe Froriep’s I\ot. JV. 536. 565.) Diese K-d*'
eben haben zuweilen, nicht immer, eine gewisse Zeit nach de]**
Trinken ein gelbrolhes Blut, welches beim Gerinnen sich in
rothes Congulum und milchweisses Serum scheidet. Rudolf**
und Mayer behaupten es auch von ganz jungen Hunden,
ich indess in einem Falle nicht gefunden habe. Bei jungen Th'**^
ren scheinen also wirklich die Kügelchen der Milch, svelche
die Milch weiss machen, in die Lymphgefässc des Darmka'*'**
zu gelangen, gleichwohl gerinnt ein Theil der Milch im
jener Thiere, wie Mayer bemerkt. Kastiier [das tveisse m'*
Erlangen 1832.) wollte die Wiederholung von Scrlemm’s Be** ^
achtung nicht gelingen. Eine ausführliche Untersuchung des Chy*
wird übrigens bei der Verdauung im 2. Buch 4. Abschn.
2. Von den Lymphgefässen, Ursprung der Lymphgefässe, 24.9
Capitel. Von dem Ursprünge und Bau der Lymph-
gefässe.
Verhalten der feinsten Lymphgefässe.
. Die Avichtigen älteren Untersuchungen über den Bau der
bympligefässe sind in der von Lvdavig herausgegehenen Samm-
‘•iDg der Schriften von Mascagki, Cruirshask und Anderen zu-
^animengestellt. In der neuern Zeit hat dieser Gegenstand Avich-
Aufschlüsse erhalten, besonders durch die ausgezeichneten
'^J'heiten von Fohmann [das Saugadersyst. der JVirhelt liiere. I. H.
^‘•^idellj. 1827. fol.), von Laute [essai sur les oaisseaux lymphati-
%es. Strash. 1824. j4nn. des sc. nat. T. .3.) und von Panizza {os~
^^ruazioni antropo-zootomico-fisiologiche. Paoia 18-30. fol., und
^^pra il sisterna linfatico dei rettUe ricerche zOotomiche. Paoia 1833.)
. . Die Anfänge der Lymphgefässe zeigen sich in Quecksilber-
^'*]ectionen in einer zweifachen Form.
. 1) Als Netze mit bald länglichen, bald mehr gleichförmigen
Y^sclieii. Die Maschen sind häufig Meiner als der Durchmesser
I *■ feinsten Lymphgefässe selbst, und letztere erscheinen daher
T ein sehr eng zusammengezogenes NetzAverk von unregelmäs-
?'S®r Bildung, so dass die ungleichen Theile des engen Netzwer-
dem Unaufmerksamen Avie Aggregate von Zellen erscheinen
1^.. Aiuin, u iitiuiiiici K^ai
®>inen, Avährend sie doch nur Ungleichheiten und kleine Er-
''®rterungen des Netzwerkes bei sehr engen Maschen sind. In
^!*deren Theilen, avo das Netzwerk viel weitere Maschen hat, ist
cI® netzförmige Bildung sogleich in die Augen fallend. Die
‘^rke des Durchmessers dieser Gefässe in den Netzen ist sehr
j^®*’schieden, niemals aber sind sie so fein als die Capillargefässe,
blossen
den
<»114
i - ich kenne keine Lymphgefässe, welche nicht mit
sichtbar Avären. Am feinsten müssten sie Avohl in
^'^nien seyn, nach Fohmann’s schöner Entdeckung und nach
ht*^^** Ahbildun gen. Dass es noch feinere Lymphgefässe giebt,
sehr unwahrscheinlich, weil eben die Lymphgefässnetze, wie
sie jetzt kennen, nur sehr kleine Zwischenräume zwischen
*'^>1 lassen.
•^) ln anderen Fällen sieht man die Anfänge derselben nicht
Netze, sondern als mit einander zusammenhängende kleine, mehr
Weniger regelmässige Zellen. So waren die Lymphgefäss-
4g^‘^tionen des Naheistranges, die zweifelhaften Lymphgefässe
Cornea, die ich gesehen. So fiel die Injection auch am
hj|j **^kanale aus, Avenn ich beim Kalbe eines der mit Chylus ge-
Darme hervorkommenden Lymphgefässe gegen den
*^1*^'' Widerstand der Klappen zu überwinden.
fr
ych
alle
eine Stahlspritze mit Quecksilbpr füllte, was mir in einem
N®! gCAvaltsamer Injection ziemlich gut gelang. Die grosse
kleinen Zellen, die sich dann füUen, führt aut den
Sey ^•'ken, dass das Zellgewebe selbst der Anfang der Lymphgef ässe
ZeJi k^oHMAKN ist sogar der Meinung, dass alles, Avas Avir für
Scwebe ansehen, Lymphgefässe sind. Tiedemahn Zeitschrift f.
250 I. Buch. Von d. organ. Säften etc. III. Ahschn. Lymiihsystein.
Physiol. 4. 2. Diess scheint mir noch sehr prohlematisch.
Zellen werden dann besonders als Anfänge der Lymphgefäs*®
zweifelhaft, wenn sie sich gerade vorzugsweise hei solchen
len vorfinden, in denen man sonst keine längeren regelmässig®”
Lymphgefässe antrifft, wie an dem Naheistrange und der Corn®”j
Vergleichung glücklicher und weniger gelungener Injectionen u”
eigene Versuche machen mich glauben, dass viele der sogenaiin'
teil zellenförmigen Lymphgefässanfänge gar keine wahren Lymim'
gefässe sind, und dass die Lymphgeiässanfänge in der Reg-
auch im dichtesten Zustande gedrängte, oft regelmässige
bilden. So gross meine Bewunderung der herrlichen Lymphg®'
fässinjectlonen des trefflichen Foumavv ist, die ich wiederholt i”'
Museum zu Heidelberg gesehen, so sehr ich anerkenne, dä^
diese Arbeiten alles ühegctrelfen, was ich in dieser Art von Lymi'”'
gelassen gesehen hahg, so weiss ich jedoch sehr gut einen IJ”'
terschied zwischen den vielen gelungenen Injectionen und eri”'
gen weniger guten zu machen, und hege den bescheidenen Zu'®*'
fei, dass nicht alles Lymphgefässe sind, was man bei Injection®”
erhält. So kann ich idic von mir gesehenen Quecksilberanltd'
lungen unter der Conjunctiva corneae oder zwischen den L»'
mellen der Cornea nicht für Lymphgefässe halten, ln Hinsic”
der von Fokmahn {Zeitschnft für Physiol. 4. 2.) beschrieben®”
Lymphgefässe des Nabelstranges bin ich ganz ungeiviss. Ich i”'
jicirte nach Fohmanii's Vorschrift den I^abelstrang, es gel:'”!j
mir die Quecksilberinjection (mit einem Stahlspritzchen) selb^
am Nabelstrange eines ömonatlichen Foetus stellenweise, so da»’
ich die Injection aufbewahren konnte. Ich erhielt lauter kln”®
mit Quecksillier gefüllte, Zellchen von -t — Millim. Diese Z®* '
dien sind gewiss niplit künstlich gebildet, die meisten sind
gleich gross, und aus einem Zellchen rückt das Quecksilber
das andere ohne alle Extravasation. Dgr grösste Tlicil des
w'cbeS des Nabelstranges um die Blutgefässe besteht aus ih"®'”
Nur an der Insertio: umbilicalis des Nahelstranges füllten
mehrere ganz kurze parallele Ranälchen. Ich weiss nicht,
jene Zellen Lymphzellen sind, und liezweiüe, dass sie der
Sorption dienen. _
Die Lymphgefässe des Darmkanales entspringen im Do”
darni, zum Theil in den Darmzotten, aber auch in der
Schleimhaut des Dartnkanales. Bei Injection der Lymj)hgd‘'*_
netze der Schleimhaut des Darmes dringt kein Quecksilber ”® ^
vor. Auch die Darnizotten haben keine offenen Enden,
Liebekkueun, CnuiRSuANK, Hedwig und Bi.euland fälschlich
genommen. Siehe Rijdolphi, anatomisch -physiol. Abhandlw^V
Alb. Mecrel in Mecr. Archio T. 5.
Eine wichtige Bemerkung wäre cs, wenn der leichte
i)li
gang von Milch, der nach meinen Versuchen in die LyH'}’'T(;|i
fasse eines mit dem Gekröse ausgeschnittenen frischen, mit
Injicirlen Darmstückes erfolgt, ohne Zcrrcissung des
Darmhäutchens vor sich ginge. Wenn man ein ausgeschnitft j,
Stück Darm des Schaafes an einem Ende zuhindet und m‘
ner Spritze dieses Darmstück strotzend mit Milch füllt, so e>
2. Von den Lymphgefässen. Vripruiig der fymphgefäsee,- 251
sogleipli die Lymphgefässe des Darmesv ausgedehnt vön Milch,
sehr schnell in ihnen fortrückt. Wenn man - die Milch in
'len Lymphgefässen nach der .Richtung der Klappen fortstreicht,
bemerkt man sogleich, wie. die vom Ilarme kommenden Lymph-
§efässe sich wieder füllen, hesonders wenn man den Darm 'Com-
lüftoirt. Am schnellsten folgt die Anfüllung der Lymphgefässe
''»‘t Milch, wenn man das strotzende Darmstück durch Zusam-
Jn der Längenrichtung zu verkürzen sucht, weniger,
'^enn man cs von der Seite compi'imirt. Nimmt man statt Milch
®*ee feine lujectionsmasse von Zinnoher, so füllen sich die Lymph-
S^fasse sehr schwer, und mit Quecksilber gar nicht. Mit einem
'j^llkommen aufgelösten Farhestort, wie z. B. mit löslichem In-
c'8*^, kann man indess auf diese Ai’t sehr leicht Injectionen der
lymphgefässe des Gekröses machen. Dieser von mir heohachtete
f'^liuelle üebergang scheint aber jedesmal mit Zerreissung des
'"öersten Darmhäutchens an einer Stelle zu erfolgen, denn die
Y*lullung der Lymphgefässe erfolgt plötzlich, und ])ei Untersu-
'^aung der innersten Darmhaut findet man diese oft hier und da
Dem zufolge lege ich auch auf diesen leichten Ueber-
P*'g, den ich nur beim Schaafe, aber hei keinem andern Thiere
j j^ehachtete, in der gegenwärtigen Frage keinen Werth. Es
***eiht indess immer zweifelhaft, ob die Chyluskügelchen schon
H^hiljjQ^ in die Lymphgefässe des Darmes eindringen, vorzüglich
*PHcht dafür die verschieden trübe Beschaffenheit des Chylus
?®®h Maassgabe verschiedener, Nahrung. Nun fragt sich,- wo- sind
^fnungen für diesen Durchgang, die jedenfalls grösser seyn
***üssten, als die in anderen weichen, thierischen Theilpn voraus-
^''mtzenden Poren, vermöge welcher sie. für "Wassef- und lür
^"Pgelöstes permeabel sind; denn die Capillargefüsse sind zwar
^^fiueahel für Flüssiges und Aufgelöstes, aber nicht für die Blut-
“eperchen. Alle guten Beobachter stimmen darin, überein, dass
jP tlen Darmzotteu keine Spuren von Oeffnungen zu bemerken
Und ich selbst habe hei wiederholten Untersuchungen der
j^'*»'mzotlen von Kaninchen, Kalb, Ochsen, Schwein und von der
j^tze niß eine Oeff'nung an dem Ende der Darrozotten bemerkt,
dieser Stelle sind die Oeffnungen der Darmzotten jedenfalls
Folgendes ist das Resultat meiner mikroskopischen Untersu-
über den Ban der Darmzotteu. Die Zotten sind bald
^‘l'^enförmige, bald blättchenförmige, oft pyramidale, kurze Fort-
*e der innersten Haut des Darmes von ^ bis 1, höchstens 1-j
Länge, w'elche ihr, im Wasser vergrössert, das Ansehen
dichten Pelzwerkes geben. In dieser Art kommen sie in
v;^f| Fegel nur heim Menschen, den meisten Säugethieren und
Vögeln vor. Bei einigen Fischen bemerkt man etwas Aehn-
*011*^*’ Fei einer Schlange, Python hivitatus, hat Retzius
Fortsätze der innersten Darmhaut beschrieben, wel-
äoL schwerlich für etwas Anderes halten kann, obgleich Ru-
Fischen und Amphibien wahre Zotten abspricht.
Meckel hat Unrecht, wenn er alle Zotten auf ein an der
® breites, an der Spitze verschmälertes Blatt reduciren will.
252 I. Buch. Von den organ. Säften etc, III. Abschn. Lymphsystem.
Sie sind allerdings bei den meisten Säugthieren platt, wie be*^
Kaninchen, Hund, Schwein; allein beim Kalbe, Ochsen, Sch»
sind viele Zotten walzenförmig; zuweilen findet man in eiuß'
Theile des Darmes mehr platte, in einem andern Theile
ben mehr walzenförmige Zotten, wie beim Ochsen und Sch*>** ’
zuweilen stehen platte und walzenförmige vermischt, wie ehe''-
falls beim Ochsen und Schaafe, und bei denselben Thieren, h®'
sonders beim Schaafe bemerkt man oft an manchen Stellen pl**^ J
breite Zotten mit walzenlormigen Endzipfeln. Indem die Zotte
an der Basis breiter werden und in Fältchen zusammenhängCj
geben sie in die Fältchen über, welche bei vielen V^ögeln u»^
bei deri Amphibien die Zotten ersetzen. Diesen üebergang be'
oLaclitet man sogar an einem und demselben Thiere, Iin
Theile des Dünndarmes des Kaninchens sind die pjTamidalf'
Zotten an der Basis in Fältchen vereinigt, im mittlern Thei
sind sie mehr abgesondert, Das Ende der Zotten ist bald ’
bald etwas zugespitzt, bald wie ahgeschnitten, letzteres bc> ^
Hunde. Rudolphi glaubte früher, dass die Zotten ohne Blutg®^
fasse seyen, und k. Meckel hielt die in sie hei Injectionen eiä'
dringende Masse für imbibirt und extfavasirt. A. Meckel, •>
sonst die besten Abbildungen der Zotten gegeben hat, konn
bei dieser Behauptung unmöglich gute Injectionen von Darmzoi'
ten vor sich gehabt haben. Ihre Gefässe lassen sich nicht alle'j
sehr schön injiciren, sondern ich habe einmal heim Kalbe, u'‘
später wieder beim Hunde, die ich unmittelbar nach dem “jj
ohne auszuwaschen, untersuchte, seihst noch Blut in den zart*’'
Gefässen der Darnizotten mit und ohne Lonpe gesehen. 0°*®,
LiNGER , Seiler und IjAuth haben diese Gefässe nach Injcctioi
beschrieben und abgehildet. _ .j^
Die Zotten zeigen niemals am Ende eine Oeflimng, ^ ,
von Bleülaivd vi. A. angenommenen Mäuler am Ende dersc
gehören seit Rudolphi’s Widerlegung unter die Fabeln. Ihr E«'*^
zeigt dasselbe zarte Gewebe, wie ihre ganze Oberlläche. Bcik’.j
PHI hat unsere bisherigen Kenntnisse vom Bau dieser Theile
folgenden Worten zusammengCl’asst: „Niemals haben sie eine
bare Oeffnung, in ihrem Innern sind Netze von Blutgetässen, ‘ ^
sich aber selten anders, als durch Einspritzen darslellcn jassf |
so wie auch in ihnen die Netze der Saugadern anlängen.'
wichtiger Umstand scheint mir , dass die Darmzotten zum
im Innern hohl sind und aus einem überaus zarten Häutcli^^
bestehen, in welchem die Blutgefässe verlaufen. Diese cii'h'®
Höhlung fiind ich vorzüglich dann, Wenn die Zotten walzen
mig sind. Ich ward zuerst sehr überrascht hei einem ganz ’V.gii
untersuchten Darme vom Kalbe, dessen Lymphgelässe
Cbyhis enthielten, zu sehen, dass die Zotten im Innern nid *■
selben weissen, undurchsichtigen Materie von oben bis ^nten .
füllt waren. Später untersuchte ich den Dünndarm eines
bes und fand die Zotten nicht mit weisser Materie angen*
Jjes, llTia itiiiu. uie iüOLieii iiiGiic «*•!. ,
sondern leer und deutlich hohl, wie Rudolphi selbst einmal ,
F’erkel beobachtet bat. Hier, wie ferner an den Zotten des ^
sen, konnte ich unter dem Mikroskope diese zarten Theile
253
2. Von Jen LympJigefässen. Bau der Darmzotten.
"I®!“ Nadel aufritzen ; auch heim Kaninchen glaubte ich die hlatt-
fcrmigen, etwas breiten Zotten hohl zu sehen. A. Meckel hat
einmal einen Anschein von Hohlheit gesehen und ahgebildet;
äher für Umbiegung der Blättchen erklärt, woran bei meinen
Beobachtungen nicht zu denken ist.. Die Dicke des Häutchens,
^'oraus dis "Zotten heim Kalbe bestehen, habe ich durch Verglei-
ehung zu 0,00174 P. Zoll ausgemittelt. Tn dieser Dicke verlaufen
'‘'so die blutführenden Capillargefässe der Darmzotten, die man
“«f 0,00025 bis 0,00050 P. Zoll schätzen kann. So leicht ich
l'^ich beim Kalbe, Ochsen, Schaafe und Kaninchen von der Hohl-
iler Zotten überzeugen konnte, und zwar an denjenigen Zot-
welche weniger platt und breit, sondern schmal oder gar
Walzenförmig waren, so wenig konnte ich es an den Zotten der
^atze, des Schweines und des Hundes; die des Hundes scheinen
5“'' in ihrem obern Theile hohl zu seyn; auch die.Fältchen im
J-arnikanale der Fische, wie des Aales, des Karpfens und der
W'äpea alosa, sind durchaus nicht hohl, sondern fest an einander
*®8ende Duplicaturen. Auch die im Darmkanale des Schaafes
gewissen Stellen vorkommenden platten, breiten Zotten be-
^’janden offenbar nicht aus einer einfachen Höhlung, eben so we-
'''S) wie solche ganz breite Zotten im Darme des Kaninchens;
überhaupt scheinen alle breiten, platten Zotten mehr, als
einfache Höhlung, als Anfang der Lymphgefässe zu enthal-
Die Darmzotten des Menschen zeigten nämlich auf der hie-
Anatomie bei einem Menschen, dessen Lymphgefässe des
. “eines bis in die Zotten mit w'cissem Chylus gefüllt waren, eine
Höhlung von oben bis unten j wie die mikroskopiscHe
• “tersuchung von Henle und die von Sciiwamh ausgeführte In-
dieser Zotten mit Quecksilber von den deutlich sichtha-
Lymphgefässen der Mutosa bewies. Das Quecksilber füllte
® Zotten bis an die blinden Enden.
Man kann etwas für liphle Zotten halten, was ganz davon
^^fschieden ist. Diess ist eine Art Epitheliura, wenn gleich
ausserordentlicher Zartheit. Rudolphi hat das Epitheliura
vom Dachs erwähnt. Bei Kälbern und jungen Ratzen
sehr leicht, sicli zu überzeugen, dass die Zotten von ei-
cli*'' l®icht abstreifbaren , überaus zarten, unorganisirten Häut-
^ überzogen sind , welches sich wie ein Handschuh von den
he I ** ablöst; es ist sehr zart und zerreiblich. Um diess zu
^ ?hachten, darf man das Darmstück nicht sehr auswaschen,
I es sich sonst von selbst löst. Beim Ochsen ist es noch
zarter und nicht leicht zu beobachten; es wäscht sich wie
(Jjg® schleimige Materie ab, an der man nur hier und da noch
•ler der Zotten erkennt. Mit dem festen Epithelium an-
Ve;®’’ Schleimhäute lässt sich diess nicht vergleichen. Es ist
gg W ^P’^^^^^alsartige Masse, sondern, wenn auch zusammenhän-
4hj iiautartig, doch dem Schleime so verwandt, dass mir die
'^.“j'crung hier zwischen Epithelium und Schleim in der Mitte
Stehen scheint.
Higj,! ^gleich ich niemals am Ende der Zotten eine Oeffnung be-
habe, und obgleich ich bei früheren Untersuchungen nie-
254 I. Buch. Von den organ. Säften etc. III. Ahschn. Ijympksystem.
mals auf der ganzen Oberfläclie der Zotten kleine Löcliercb®''
sehen konnte, so habe ich doch nenlicb an sehr ausgewascbene**
Darmstücken des Schaafes und Ochsens auf den Wänden
Darmzotten, und zwar auf der ganzen Oberfläche der ZotteO'
ganz' undeutliche zerstreute Grübchen bemerkt, die man 'W'®’
fiir schief durchgehende Oeffnungen halten könnte. loh tlic‘‘
diese von mir wiederholte Beobachtung jedoch nur mit grossß*
Zurückhaltung und viel Misstrauen mit. Die Untersuchung mi***
mit einem einfachen Mikroskope geschehen, und das kleine Oh"
ject muss in Wasser über einer schwarzen Unterlage beobacht^
werden. Den Anfang der Lymphgefässe in den Darmzotten kac"
man übrigens in dem früher angeführten Versuche heobaclilß'''
Spritzt man Milch in das Innere eines Darmstückes vom Scha»'
ein, bis sich die Lymphgefässe, wahrscheinlich durch ZerreissuäS
des innersten Häutchens, plötzlich füllen, so findet man herna<^
auch wohl die Darmzotten hier und da mit Milch gefüllt.
muss den Versuch sehr oft anstellen, mn eine zufälligerweise
folgte Anfüllttng der Damzotten mit Milch zu erhalten, die wal’’"
scheinlich nicht von der innern Fläche der Zotten ans, sonde’’*'
rückwärts von den durch Zerreissung angefülltcn Lymphgefäß*'
netzen erfolgt. Untersucht man solche mit Milch gefüllte
mit dem Mikroskope, so glaubt man in den dünnen walzenföri®*'
gen Zotten nur einen einfachen Kanal zu sehen: die hreÜ'^'’’
platten Zotten enthalten mehrere unregelmässige anastomosiren*!^’
meistens aber von der Basis nach dem Ende der Zotte gei'ir^’'
tete Kanäle, welche hier blind endigen oder sich in die fing*^!'
förmigen Fortsätze der platten Zotten fortsetzen. Diese Kaii'j
in den platten Zotten liegen dicht an einander, wie ein se*
unregelmässiges Netzwerk; sie sind viel stärker als die hlutfin^^^
renden Capillargefässe zu seyn pflegen. Die Darmzotten , mög‘
sie nun Oeffnungen haben oder nicht, können unmöglich die a**’
zigen Organe der Einsaugung seyn, da sie so vielen Thieren w
len. Diese Betrachtung führte mich zur mikroskopischen Unt^'^
suchung des Häutchens, von dem die Darmzotten ansgehen,
welches allen Thieren gemein ist.
Untersucht man ein wohl ausgewaschenes Stückchen
Dünndarme eines Sängethieres , und die Beschaffenheit des Häj* ^
chens , welches die Zotten an der Basis verbindet, mit dem
fachen Mikrosko pe , so erkennt man ohne viele Mühe eine ■.
derbare Menge von sehr kleinen Oeffnungen, die ungefähr ’I ..
.3 mal so gross als die Blutkörperchen des Frosches, und 8
12mal so gross als die der Säugethiere sind. Diese Oeffnungß
stehen hei den Säugethieren zuweilen so dicht an einander ,
die Brücken zwischen denselben kaum so dick als die O® j-»,
gen selbst sind. Meistens sind sie jedoch mehr zerstreut; iu "
sem Falle gehen diese Vertiefungen dem innersten Darmliäut®
ein schwammiges, überaus zartes Ansehen. Selbst die
Zotten erscheint 'heim Schaafe und Ochsen wie durchlöcl'®^_|,
Es sind die Oeffnungen der mikroskopischen Lieberkubki'''*® ,
Drüschen. Siehe Boehm de gland. intestinal, struct. Berol.
Gegen den Ursprung der Lymphgefässnetze aus mikr®*
2. Von den LymphgefUssen. Bau der Lymphdrüsen. 255
Piscli sichtLaren OefFnungen sprechen des trefflichen Fohmans
Beobachtungen, welcher hei den gelungensten Quecksilberiujectio-
öen der Lymphgefässnetze in den Darmhäuten der Fische nie-
Quecksilber aus der innern Fläche des Darmkanales heraus-
^ornmen sah. Dasselbe beweist die oben angeführte, Scuwann
^hingene Injection einzelner Darmzotten des Menschen mit
Quecksilber von den Lymphgefässen der Mucosa.
^ Die Lymphdrüsen, welche den Vögeln fast ganz (ausser am
ӊlse) fehlen, und bei den Amphibien und Fischen gar nicht
^urhanden sind, scheinen hei Vögeln, Amphibien und Fischen
Burch blosse Geflechte von Lymphgefässen ersetzt. ''Auch die
Bympbdrüsen selbst bestehen nur aus netzförmigen Anastomosen
päd Verwickelungen der Lymphgefässe. Die Vasa lymphatica
'äterentia einer Lymphdrüse theilen sich beim Eintreten in die-
selben in kleine Zweige, und aus kleinen Zweigen bilden sich
^Ueder die Vasa efferentia derselben, welche weniger zahlreich
P''d etwas stärker sind. Da aber beide im Innern der Lymph-
Q'Use durch die Netze der Lymphgefässe, woraus die ganze
I fiise besteht, anastomosiren, so kann man aus den ersteren die
®lztern durch diese Drüsen hindurch mit Quecksilber füllen.
> einfachen Lymphdrüsen sehen wie blosse Geflechte der
l^yuipbgefässe aus, eine mit Quecksilber geft’"*" a-;;..!, —
dagegen ein scheinbar zelli^es Ansehen.
Befs'
J^yuipbgef ässe aus , eine mit Quecksilber gefüllte stärkere Drüse
dagegen ein scheinbar zelliges Ansehen. Indessen scheinen
diese Zellen nur kleine Erweiterungen geschlängelter Lymph-
ässe zu seyn, so wie auch die Lymphgefässnetze in anderen
1 *cilen, wenn man nicht auf die kleinen Maschen Acht giebt,
zellig anssehen. Hierfür spricht auch das Fortschreiten
,1. ■ Quecksilbers beim Anfüllen der Drüse.
Ul-
Es lassen sich wohl
I Entgegengesetzten Ansichten von Crxjikshanii, der hier Zel-
annimmt, mit denen von Meckel, Hewson und Mascaoni,
„^lalie sie für Erweiterung der Lympbgefässschlingen halten.
V
.3.
'.^'■Einigen. Siehe übrigens über diese Controverse E. H. Weber
p. 109 — 113. Dass die Lymphgefässe in den Drü-
wie in anderen Theilen, noch in ihren Wänden von Capil-
b^BEfässnetzen durchzogen sind, ist unzweifelhaft; selbst die
^yEipbgefässe des Darmes haben nach Fohmann’s Untersuchun-
noch eine innere Haut bis in die Netze, und dass in den
S(;/'^^otten noch Capillargefässe zalilreich enthalten sind, ist
• erwähnt worden. Daher sind die Lymphgefässanfänge
'•ha
tat
“'s El
'*Er noch als eine sehr zusammengesetzte Bildung zu betrach-
äls Thelle, deren Wände blufführende Capillargefässnetze
Ben "®’”Ente enthalten. Die Lymphgefässe ausser den netzförmi-
tß^ Anfängen sind aus zwei Häuten gebildet, einer äussern glat-
Ey einer innern, welche Klappen bildet, die den Lauf der
k^l PbE gegen die Lymphgefässstämme erleichtern und umge-
Erschweren. Beim Walllisch fand Abernethy die Gekrös-
^®En sackartig
^ derb sind. Froriep’s Not. N. 158.
E. sackartig (?) gebildet, während sie beim Delphin nach
Ub,
Ei-h
^än ist zu untersuchen, ob die Lymphgefässanfänge oder
®i>pt die Lymphgefässe ausser der Verbindung des Lymph-
256 I. Buck. Von den organ. Säften etc. J/J. Abschn. Lymphsystem.
gefässstammes, ductus thoracicus, mit dem Venensystem nod*
mit anderen Kanälen zusammenliängen.
Crtjik-Shank J J. Fb. Meckel d. Aelt. und Panizza haljc”
Lei Injectionen der dnclus lactiferi der MilcLdrüse und
ductus hepaticus, auch das Quecksilber in die Lymphgefäß*®
übergehfen gesehen. Auch Walter erfüllte Lympbgefässe durd*
Injection der Gallenkanhle der Leber. Hieraus darf man ah®“’
nicht schliessen, dass die Lymphgefässanfänge mit den absondera'
den Kanälen der Drüsen in offener Verbindung stehen. And*
ich Labe neulich bei Injection der Milchdrüsen des Hundes eia®
Injection der umherliegenden Lympbgefässe erhalten, allein die*®
erfolgte gerade dann, wenn die glückliche Injection der blä*'
chenibrmigen Enden der ductus lactiferi nicht gelang; wea”
also Extravasat entstanden war, das hierbei in keine Theile *®
leicht übergeht als in die Lympbgefässe, weil die Anfänge def'
selben viel weiter als die Capillargefässe sind. Wenn jener offeä®
Zusammenhang wirklich bestände, den Panizza läugnet, und d<!*'
gewiss nieht stattfindet, so könnte er nur zwischen Lymphgefäß^
sen und den Stämmchen der absondernden Kanäle staltfindeai
denn die netzförmigen Anfänge der Lympbgefässe sind ausserO’'
dentlich viel grösser ' als die blinden Anfänge der absondernd«^®
Kanälchen in den zusammengesetzten Drüsen. Der ZusammC®'
hang von Lymphgefässen und Arterien, wovon Magendie so a®'
benbei spricht, ist eben so wenig statthaft. Dagegen sind <J‘®
Verbindungen der Lympbgefässe mit kleinen Venen in der neue®®
Zeit wirklich durch Fohmann’s Untersuchungen wieder Gege®'
stand der Controverse geworden. Bei den Vögeln gehen na®,^
Fohmann, Lauth und Panizza die Lymphgefässe auf eine
blossem Auge erkennbare Art in die Venen des Schenkels u''
Beckens über. Ich werde in der Folge nach eigenen Beobi>Cy
tungen den Zusammenhang der Lymphgef ässe des Schenkels ba*'®
Frosche mit der Vena ischiadica anführen. Eine ganz and®*^
Frage ist, ob einzelne Lymphgefässe mit kleineren Venen zusai®
menhängen. Fohmann behauptet diess von den Lymphgefäss®
der Vögel, Amphibien und Fische, und hat es sogar abgebild®|'
Dass dieser Zusammenhang bei Menschen und Säugethieren, a'*-
che Lymphdrüsen besitzen, ausser den Lymphdrüsen nicht
finde, erkennt Fohmann an. Lippi’s Versicherungen und
düngen von einem solchen Zusammenhänge verdienen nach ® ^
Kritik dieser Arbeiten durch Fohmann und Panizza kein
deres Zutrauen. Lippi iUustrazioni fisiologiche e paihologiche j
sistema linfatico-chilifero etc. Firenze 1825. Fohmann l, c. P' ^
Dagegen behauptet Fohmann, dass ein solcher Zusammenb®®®
beim Menschen und den Säugethieren in den Lymphdrüsen sl®.
finde, veie ihn auch J. Fr. Meclel d. Aelt., Pu. F. Meckel»
Quecksilberinjection der Lymphgefässe beobachteten,
auch von Beclard bestätigte Uebergang ist überaus leicht,
Vasa inferentia einer Ly*®l ^
der aus den Drüsen hervofjj.^^
eine Anfiillung der Vasa
man erhält nach Injection der Vasa inferentia einer Ly*®!'
drüse oft schon eine AnfüUung
Lenden Venen viel schneller als
der Vasa
rentia lymphatica der Drüse. Diess hat indess Fohmann zu
eiP®
2. Von dem Lymphgeßisssystem. Verbindung mit Venen. 257
fri'uiig veranlasst. Er sali Lei einer Phoca Lei Injectlon der
'asa lympLatica inferentia jener Masse von LympLdrüsen des
^ekröses, welclie man liier Leim Hunde und Delphin pancreas
^ellii nennt, dass nur die Venen nach Injection der Drüsenmasse,
•'•cLt aLer Vasa lympLatica efferentia derselben sich füllten, und
^liloss daraus, dass diese Drüsenmasse keine solche besitze.
anat. Untersuc/iungen über die Verbindung der Saug-
^deru mit den Venen, lleidelb. 1821. RosEHrnAi. (Fbor. Vot. 2.
5.) Lat diess berichtigt. Er fand Leim Seehunde, dass alle
*^}’Qiphgefasse- des Dünndarmes; iu jene Drüse gehen, dass aber
der Drüse ein grosses Lyijiphgefäss Leryoirgeht, ductus Po-
^•dhalianus, ■während nach Piudolphi Leim Hunde und Leim
■^ßlphin aus jener Drüseumasse .eine Meng^ Vasa efferentia lym-
Pöatica Lervorgehen. Vergl. Rudolphi Physiologie 2. Bd. 2 Ahlh,
241 — 250. Posentual’s Ahbildungen, Non. act. nat. cur. T. 15.
RosEiiTHAi.’s Beobachtungen sind von Rvox {Edinb. med.
^''S. Journ. I, Juli 1824. Fbokiep’s Notizen N. 158.) bestätigt
Worden.
I . Indessen bleibt es ein Factum, dass die Veneh sich überaus
aus den LympLdrüsen füllen. Auch SeußOEDEa vah der Kolk
diesen leichten TJebergang, ohne dass etwas in den Ductus
Ji'^racicus gelangte. Luciitmahs de absorjdionis sanae et morbosae
^^eünine. Traj.ect. ad /i/ien. . 182.9. Pasizza (p. 56.) sah beim
Seil
Weine eine Lympbdrü^e mit zAvei Vasa inferentia, das Queck-
jjj gjjjg derselben injicirt, ging ganz iu die Vene der Drüse,
dem andern Vas inferens ging dagegqn das Quecksilber in
Vas efferens über. Gerber und Alb. ]\I¥CRel (J. P’r. MEciyEps
■^'^biv 1828. p. 172.) sahen auch den Iciclilen üehergang in die
®*»en. Allein A. Meckel bezweilelt die Beweiskraft, wie Ru-
und E. IL Weber, und führt als Gegeugrund an, dass
das Kebenhodengefäss bei Injection desselben in Hunden
■ ^loiässig Venenanfüllung bcAAurke. Wenn ich die Extravasale
j,' Venennetze bei Injection der Drüsencanäle von ihrem Ausfüh-
j^^gsgange aus bedenke, Extravasation, die mir gerade dann cr-
wenn die vollkommene Injection der Drüsencanälclien
die Acini nicht gelang, w'enn ich die Extravasation aus den
**etus .lactiferi in die Lyrapbgefässe bedenke, die auch dann
j wenn die Injection der Acini nicht gelingt, so zweifle
Rer wirklichen Zusammenhänge der Lymph-
®j‘ässe und feinen Venen in den Drüsen. Die geronnene Lym-
Drüsen bietet, dem Quecksilber Widerstand dar; es
Sg./Ieht im Innern Zerreissung, und da die Lymphgefässwände
het**^ von Capillargefässnetzen durchzogen sind, die mit Venen-
> ^en in Verbindung stehen, so muss die Zerreissung ' “
eines
^g^Phgefässes im Innern der Drüse nothwendig mit Zerreissung
df- ^‘'pfllargefässe und der Venennelzc verbunden seyn. So
wie E. H. Weber bemerkt, auch sehr leicht Flüssigkei-
Zweigen der Lungenarterie in die Luftröhrenäste,
dass doch ein natürlicher
Zusammenhang,
,, hier bestände.
Rial Gesichtspunkte betrachte ich den TJebergang aus
Ordnung der Gefässe in die andere, aus Blutgefässen in
V Ü e r’ s Physiologie. 1. 17
258 I. Buch. Von den organ. Säften etc. UI. Absclin. Lymphsystem.
absondernde Gefässe und umsjekelirt in den Drüsen. Vergl-
E. II. Weber .3. 113 — 121. Wenn ich aber jemals aus-
ser einer Drüse einen unmittelbaren Zusamtnenbang eines Lympb-
get'üsses mit einer feinen Vene sabe, so würde ich dieses als au-
genscheinlich zugeben, ohne den unsiohtbaren Zusammenhang ‘O
einer Drüse anzuerkennen. Da man indess diesen freien Zusai»'
menbang von Lymphgefässen und feinen Venen von Mensebeu
und Säugethieren nicht kennt, so bleibt bei Menschen und Sän-
gethieren bloss die Verbindung des Hauptstammes der Lympbge-
fasse mit der Vena snl)clavia" sinistra, und kleiner Stämmcheu
mit der Vena jug. int. dextra und subclavia dextra. Andere Ver-
bindunn^en mit Venenstämmen scheinen hier nur Ausnahmen
seyn, wie ein Fall, den Hr. Prof. Wutzer und ich bei einef
Leiche sahen, wo vom Ductus tboracicus ein Lymphgefäss un-
mittelbar in die Vena azygos überging. Siebe Wutzer in Mueb-
uer’s Archiv 1834. Diess verdient Aufmerksamkeit, da Paniz*-'
beim Schweine regelmässige Verbindung zwischen der Vena azV'
gos und Zweigen des Ductus tboracicus gefunden hat. Verg'-
Otto ptith. ylncit. 366.
Da man an den Lymphgefässen nie Bewegungen wahrgenoui-
men hat, so ist es ohne Zweifel von grosser Wichtigkeit, dass e»
beim Frosche nach meiner Beobachtung pulsirende Säckcbei'
oiebt, die mit den Lymphräumen Zusammenhängen und <lie nia**
wohl für eine Art Lymphherzen wird ansehen müssen. Ich hab®
zwei Paare dieser Organe gefunden, das eine liegt in der Reg'*’
ischiadica unter der Haut, das ahdere über dem dritten Halswif'
bei, mehr verborgen. Die Organe pulsiren ganz unabhängig voi»
Herzen, selbst nach Aiisschneidung desselben und Zcrschneiduno
des ganzen Frosches, die Pulsationen der oberen sind nicht i^'
mer "gleichzeitig mit den Pulsationen der unteren, und selbst d>®
der paaiigci? Organe beider Seiten sind nicht immer gleichzeitig'
Sie ziehen sich circa 60mal in der Minute zusammen. Die p»*'
sirenden Organe enthalten farblose Lymphe, und man kafm vo"
ihnen aus die Lymphgefässstämme und Lymphräume der Extr®'
mifäten auf blasen. Bläst man ln das untere Lyraphherz, so f“'
len sich die Lvmpbgefässstämme und Lymphräume des ScheO'
kels unter der Haut und zwischen den Muskeln, und ein obef'
flächlicher Lymphgang des Rückens. Einigemal füllte sich
feiuhäutiger Gang, der die Aorta abdominalis begleitete. Be'»"
Aufblasen der oberen Lymphherzen schwellen Lymphräume de
Achsel an. Die unteren Lymphherzen ergiessen die Lymphe
einen Zweig der Vena ischiadica. Die oberen Lymphherzen et'
giessen die Lymphe in einen Zweig der Vena jugularis, der
aus dem Organe hervorgeht, und bei jeder Zusammenzieh»"»
des Organes angeschwellt wird. Diese Vene geht vorffa»"'^
nimmt eine Vene des Hinterkopfes auf, die Vena ^ug. geht da"^
abwärts, nimmt eine Vene von der K;ble auf und mündet
in die obere Hohlvene. Dies6 Organe scheinen allen Amphib'®
eigen zu seyn. Die unteren habe ich schon ausser dem BV"*" '
und den Rröten, bei den Salamandern und Eidechsen gef»nd »
wo sie an der Wurzel des Schwanzes seitwärts hinter dem Hat
3. Actionen der LympiigefÜMe.
25«
tein Hegen und schwieriger zu finden sind, dagegen sie beim
frösche sogleich unter der Haut gefunden werden. Die oberen
Organe habe ich bis jetzt bloss in f'roscliartigen Thieren aufge-
*Wcht. Mueller, Poggend. Ami. 1832. Hfi. 8. Philosophie. Transact,
^033. p. 1. Pakizza hat die unteren pulsirenden Lymphherzen
^'rch bei den Schlangen gefunden. Siehe Mueller’s Archiv
^^34. p. 300.
III, Capitel. Von den Actiouen der lymphatischen
Ge fasse.
Während das Blut durch die Capillargef ässe oder Uebergänge
Arterien in Venen von 0,00025 — 0,00050 P. Zoll fliesst, ge-
die Blutkörperchen, indem sie einen belebenden Einfluss auf
A ® Organtheilchen , an denen sie Vorbeigehen, ausüben, und da-
dunkelroth W'crden, sichtbar in die Venen über, die aufgelö-
^en ganz flüssigen Theilo des Blutes aber, nämlich das aufgelöste
■•-•Weiss und der aufgelöste Faserstoff, können während des Durch-
*^römens der Capill arge fasse, wie alles Aufgelöste, durch die zar-
Wände der Capiilargefässe zum Theil wenigstens durclulrin-
und die Pai’tikeln der Organtheile zwisclicn den Capillarge-
^ssnetzen tränken, wobei diese aufgelösten Theile des Blutes zur
^ruährung und Absonderung verwandt, werden müssen. Daher
von den Organen abfliessende Venenhlut weniger Faserstoft
^*>ehe p. 110.) enthält, indem derselbe im Arlcrienblute 0,483
, im Venenblute der Ziege 0,-395 proc. nach meiner Beoh-
^ttung beträgt. Die aufgelösten Theile des Blutes, Eiweiss und
®*erstofF, werden also in Menge die kleinsten Theilchen der Or-
patie tränlcn, 'zu ihrer Ernährung dienen, und was überflüssig
wird ir den überall in den InterStItien der Organtheile vorkom-
6nden Ljmphgefässnctzen sich sammeln, ohne dass ein unmit-
®lbarer Uebergang aus den Capillargefässen in die Lymphgefässe
*ärch Vasi serosa, die keine Blutkörperchen durchlassen, nöthig
erwiesen wäifc. Die zur Ernährung überflüssigen, rein aul-
^östen T.'ieile des Blutes werden daher durch die Lymphgefässe
"jeder in die Blutmasse gebracht. Natürlich muss nun die Lym-
^ in Hinsicht ihrer Zusammensetzung, ganz inil dem flüssigen
Th
®ile des Blutes übereinstimmen, und das Blut selbst aus Lyra-
hej* j' Faserstoff und Eiweiss) und rothen Körperchen
^he
Dass die, von den Organen durch die Lymphgefässe
§*fühpte Lymphe grossentheils ihren Ursprung aus den die Ge-
® tränkenden flüssigen Theilcn des Blutes hat, und . nicht ganz
gebildet wird, wird aus der von mir gemachten , leicht zu
•‘holenden- Beobachtung bewiesen, dass, wenn das Blut der
**10111 gerinnt, jedesmal auch ihre Lymphe nicht gerinnt,
die
So~ ihr Blut gerinnt, jedesmal auch ihre Lymphe gerinnt.
Ji'j,..8®*'innt das Blut des Frosches oft im Sommer nicht, wenn
8 oder mehr Tage ausser ^ asser aufhewahrt werden,
es frisch, ohne Ausnahme ausser den^Adern ganz gerinnt.
so verhält es sich jedesmal mit der Lymphe der Lymph-
17*
260 1. Buch. Von den organ. Säften etc. III. Ahschn. Lymphsystem.
räume des Frosclies. Der eigentluimliclie Zustand oder der Man-
»»el des Fasex’stofFes im Frosclililute zu gewissen Zeiten bestinii®
also durchaus denselben Zustand des Faserstoffes oder den M»"'
gel desselben in der Lymphe.
1) Resorption der tymphatischen Gefä.sse. ^
Dass die Lyrnpbgefässe oder Saugadern würklich auch ant'
sangen j könnte man zuerst fiir zweilelliaft halten ^ wenn^
Lymphe nicht nach meinen Beohachtungen auch eigenthümlicli
Parlikelchen führte, wenn die Resorption durch die Lymphg«'
fasse des Darmcanales nicht eine ausgemachte Thatsache wä«'®’
und die weisse oder mehr opalartigc Farbe des Chylus sich nicb
nach den Nahrungsmitteln änderte. Indessen kennt man auc
einige Thatsachen von Aufsaugung von Stoffen durch ander
Lvmphgefässe als die des Darmcanales. Nicht allein dass di®
Lympbgcfässe nach Einreihungen reizender Stoffe |oft schmeiß'
häft werden, worauf rötbliche Streifen im Verlaufe der Lymp**'
gefässe zuweilen sich zeigen und die benachbarten Lymphdrüse®
anschwellen. Auch in der Nähe eigenthümlicher thierischcr Stoi'
hat man die Lymphgefässe damit angefiillt gesehen. Ich V*
keinen Werth auf Mascagki’s in dieser Rücksicht etwas aben'
teuerlicbe Behauptungen legen, dass man bei Tliieren, die
Folge von PiilraonaU oder Abdominal- Haemorhagien gestorbe«»
die Lymphgefässe der Pleura und des Peritoneums mit Blut g®'
füllt gesehen. Assai.iki, Saunders, Mascagtsi und SoemmehbiS®
beobachteten Galle in den von der Leber kommenden Lympb'
gefässen bei Verstopfung der Gallengänge. Weber 3. p. 1’^ '
Tiedemahn und Gmelin fanden nach Unterbindung des Ductu
choledochus bei Hunden die Lymphgefässe der Leber mit hoc»'
gelber Flüssigkeit gefüllt, die Lymphdrüsen, zu welche» sich jefl
begeben, gelb, und Bestandtheile der Galle selbst ii der
gefärbten Flüssigkeit des Ductus thoracicus. Die V srdauuK
nach Versuchen. 2. 40. In der Nähe von Knochengeschwülst®**
fand man in den Lymphgefässen Kalkerde. Otto xathol, AnO*'
4. 372. . .. e
Magenbie, welcher die Resorption der lymphatischen Gefäs^
bezweifelt, erzählt einen von Dupuytren beobachteten Fall.
Frau, welche eine ungeheure fluctuirende Geschwidst an dei’
neru Seite des Schenkels hatte, starb. Einige Tage vor ^
Tode hatte sich eine Entzündung des Unterhautzellengewebes ®
dem Schenkel eingestellt. Bei der Section der Haut, welche
Geschwulst bekleidete, sah Dupuytren sich weisse Punkte auf
Lippen des Einschnittes bilden, u id es zeigten sich weisse Li»'^
in dem Unterhautzellengewebe j die man für mit Eiter gefü*
Lymphgefässe erkannte. Die Schenkeldrüsen waren mit
ben Materie angefüllt, wovon die Lendeplyraphdrüsen und ®
Ductus thoracicus keine Spur zeigten. Magehdie citirt auch
anderrn Fall aus dem Hotel Dieu, wo sich in Folge einer c® .
plicirten Fractur ein grosser Abscess gebildet hatte, und E*
sich in den Venen und Lymphgefässen zeigte, die von dem
ken Tbeile her kamen. Freds de physiol. 2. 218. Dagegen
Andral bei häufigen Untersuchungen der Lymphgefässe i“
3. Actionen der Lymphgefässe. Resorption,
261
Umgegend der Eiterheerde keine mit Eiter gefüllt. Meck. Arch.
227. Da der Eiter Kügelchen enthält (grösser als die Blut-
körperchen, zum Theil noch einmal so gross nach Weber), so
^itt hier dieselbe Frage ein, wie in Hinsicht der Resorption der
Kügelchen des Chylus, welche ihrem Durchmesser entsprechende
UefFnungen in den Lymphgefässnetzen voraussetzen. Indessen
^ie Lymphgefässe, die im Parenchym der Theile wurzeln, kön- .
®6n nicht einmal solche Oeffnungen haben, da sich ihnen keine
freie Oberflächen darhieten. Die aufgelösten Theile des Eiters
■können leicht von den Lymphgefässnetzen aufgesogen werden,
®l>er die Erscheinung des körnigen Eiters in den Lymphgefässen
*'^l>eint mir nichts mit der Aufsaugung zu thun zu haben; durch
®ätzündung der Lymphgefässe kann sich Eiter in ihnen bilden,
"''ich nach Zerstörungen kann der Eiter ganz mechanisch diese
^ßfässe infillriren. AVenn sich Eiter im Blute vorfindet, z. B. in
«en Venen, so ist er in der Regel in den Venen durch Venen-
entzündung gebildet, und dann nicht aufgesogen, oder hei der
^ßrstörung von Capillargefässen eines Theilcs durch Eiterung ist
Eiter mechanisch in die zerstörten kleinen Venen cingedriin-
So z. B. kann Eiter aus verschlossenen Ahscessen an einem
■^•»iputationsstumiif in Blutgefässe gelangen, ohne anfgesogen zu
Werden, oder hei der Entzündung der bei der Amputation durch-
*'^^nittenen Gefässstämme kann sich im Innern der Gefässc Ei-
fr*“ Ibllden. Wirklicher Eiter in den Venen vei’ursacht dann als
*’^*'setzte Materie wieder Ablagerung und Entzündung, und da-
^'**'ch die Entstehung neuer Abscesse in anderen Thcllen, wie
dless nach gros'sen Eiterungen und bei eiternden Amputa-
^‘onswunden nicht selten sieht, auf rvelche z. B. oft zerstreute
^'*scesse der Leber und Lungen, der Muskeln oder irgend eines
Bädern Theiles folgen. Dieser Eiter ist nicht aufgesogen, das
^'’fre schwer sich zu denken. Siehe die trefflichen Bemerkungen
i?’* Cruveilhier in anat. pathol. bei dem Artikel V cncnentziindimg.
Folgen von Eiter im Blute sind secundäre Entzündungen
^***d wieder Abscesse, aber keine eiterigen Absonderungen, z. B.
I"* den Nieren. Dass körniger Elter, in der Blutmasse enthalten,
y den Nieren abgesondert werde, halte ich für unmöglich. Nur
fr® näheren Bestandtheile des Eiters können hierbei abgesondert
^*’den ; Eiterkügelchen im Blute können nicht aus dem Blute
^''gesondert werden, da die Capillargefässe keine Art von Kü-
pfrhen durchlassen können. Wii’d wirklich in Folge einer Ei-
^»'Ung eines Theiles plötzlich auch Eiter von den Nieren abge-
^®odert, so musste Eiter in das Blut cingedrungen seyn, und Ent-
^•jdung und Abscesse in den Nieren bewirkt haben. Was man
, ®hrentheils für metastatischen Eiterharn hält, ist ein nicht un-
‘■^uchtes Sediment im Harne.
Magendie hat zuerst die resorbirende Kraft der Lymphge-
8®läugnet, derselbe sonst sehr verdienstvolle Schriftsteller,
Un 1 • den Nervus sympalhicus für keinen Nerven halten möchte.
Sei dahrhundeft die Lymphgefässe der Amphibien und Fi-
geläugnet hat. Hohtek hatte behauptet, dass gefärbtes
26‘i I.Buch. Von den org an. Säften etc. III.Abschn. Lymphsystem.
Wasser in die 'Darmliölile eines Thieres eingespritzt, sich in ‘har-
zer Zeit in den Lyraphgefässen wieder zeige. Diess hatFtAHDß'
Lei Pferden nicht gefunden. Magendie und Düpuytben habei'j
wie der Ersterc versichert, diese Versuche mehr als loOinal
derholt, und niemals die aufgesogenen Substanzen in den Lyrnp *
gefässen gefunden. Dagegen haben Mayer und Scheoeber V-
Kolk die zwar langsame, aber doch offenbare Resorption
fremdartigen Stoffen im Darmcanal beobachtet. Die Atadei»*
von Philadelphia sah blaus. Kali (aber nicht vegetabilische F»<^
bestoff’e), Lawresce und Coates blaus. Kali aufgesogen; Hal^*|
und Andere fanden nach Eingehen von Farbestoffen in den Ducju’
thoracicus diese nicht wieder, wahrend sie ins Blut und de'*
Kreislauf übergegangen waren. Vergl. Tiedemahm und Gmel*
Versuche über die Wege, auf welchen Stoffe vom Magen und IJarif
canal ins Blut gelangen. Heidelberg 1820.
Die meisten Beobachtungen lehren, dass man zwar Reso^’
tion fremder aufgelöster Stolle, aber nur der Salze durch d*
Lymphgefässe bemerkt hat. Ich habe pag. 228. Tiedemanh’s u"^
Gmelik’s zahlreiche Erfahrungen angeführt, aus welchen hervoJ"^
geht, dass Färbestoffe im Darm nicht von den Lymphgefäss*''^
aufgenommen werden, obgleich diese Stoffe Im Urin und im Bl*'
erkannt wurden. Nur Salze iänden sie einigemal in den Chyl**
übergegangen, so unter zahlrciehen Versuchen nur einmal etu",
Eisen bei einem Pferde, das schwefelsaures Eisen bekommen, u"
einmal blausaures Kali im Chylus eines Hundes und schwel"'
blausaures Kali im Chylus eines Hundes. Hierzu kann ich e'**^
eigene Beobachtung vom Frosch hinzufügen. Ich steckte ei""^
Frosch mit den Beinen bis nahe an den After in ein Gelass "*'^
blausaurer Kalilösung, und Hess ihn darin 2 Stunden eiugezwä"S^
Darauf wusch ich ihn sorgfältig, trocknete die Beine ab, und u*'j^
tersuchte die Lymphe unter der Haut dui’ch Eisenoxydsalz, "
Llausaures Kali durch die Lymphgefässe absorbirt worden, d‘
Lymphe wurde sogleich ganz hellblau, das Serum des Blu ^
reagirte kaum deutlich auf hlausaurcs Kali. In einem ^wed®^
Versuch, wo ich den Fi'osch 1 Stunde in der Lösung Hess, reag"
die Lymphe nicht. .
Fasst man alle Thatsachen zusammen, so geht daraus br^j
vor, dass die Lymphgefässe zwar resorbiren, dass sie in der
nur Flässigkeiten eigenthümlicher Art hierbei autsaugen ,
welche sie wahrscheinlich eine Affinität haben, dass fremdai
Stoffe schwer und nur ausnahmsweise in die Lymphgefässe
dringen, wie Salzlösungen, während die meisten Färbestou" .
der Regel gar nicht einmal in die Lymphgefässe eindringen.
gewöhnliche Rcsor.pÜonsprodukt der Lymphgefässe ist der
Circulalion aus den Capillargefässen in die Partikeln der
eindrmgcndc Liquor sanguinis. Indessen gehen doch auch
Molecuie aus dem Parenchyma der Theile in die Lympbg"*‘Gg
über, wie die eigenthümlichen Kügelchen der Lymphe,
die Lymphgefässe des Darms nicht allein Aufgelöstes aus
Nahrungsstollen, sondern selbst die Chyluskügelehen aufzus'***bjj^
scheinen. Alan sieht, dass die organische Resorption der Ly***
263
3. Actioncn der Lyrnpfigefässe. Resorp/ion.
gefässe weit von der Imbibition der CapilLirgefasse mit allen
aufgelösten fremdartigen Stoffen verscbieden ist; sie unterscbeidel
‘'ich aucb von der Resorption der Wurzelfasern der Pflanzen,
Welche alles Aufgelöste einsaugen. Tiedemann Physiol. 1. 223.
Aus der Vergleichung des Cliylus der Lyiupligelasse und des
hpeisebreies des Darmcanals crgiebt sich sogleich schon, dass die
Lymphgefässe nicht allein resorbiren, sondern auch das Resoi-
Wte umwandeln; denn nur wenn der Nahrungsstolf in den Lymph-
gefässen enthalten ist, erhält er die Eigenschaft von selbst, zum
fheil zu gerinnen, und je weiter er in den Lyinphgefässen fort-
schreitet, nimmt diese Eigenschaft zu. Vielleicht verwandeln auch
die Lymphgefässe des übrigen Körpers Eivveiss in gerinnbaic Ma-
terie. Man sieht jedenfalls ein, dass hierin die organische Re-
sorption der Lymphgefässe diu-chaus von der Imbibition und dem
Unmittelbaren Uebergange der aufgelösten Stoffe in das Blut ver-
schieden ist. Es ist wahrscheinlich, Avie E. IL Weber zu zeigen
gesucht hat, dass die Lymphgefässe auch bei der Resorption
fremdartiger Stolle eine Umwandclung derselben bestreben. So
'*at Emmert beobachtet, dass man nach Unterbindung der Aorta
“Bdominalis durch das Gift der Angustura virosa, welches m eine
^unde des Fusses gebracht wurde, Tbierc nicht vergüten konnte,
^ud dass nach dieser Unterbindung auch RIausäure, auf dieselbe
^eise applicirt, keinen Erfolg batte. Da nun diese Gifte duich
'pibibition auch in die Lymphgefässe gelangen können, und durch
*'Cj obgleich langsamer als durch die Blutgefässe verbreitet wer-
so muss man ' zur Erklärung dieser Beobachtungen anneh-
*üen, dass die Lym])hgefässe auch bei der Resorption fremdartiger
^folfe dieselben unnvandeln. _
Ich gestehe, dass mir der Act der Resorption in anderen TIuu-
On sowohl, als im Darm völlig rs'ithselhafl ist. Die Cajilllarilät,
welcher man zur Erklärung thierischer Vorgänge so freigebig
‘St, erklärt nur die Anfüllung von Capillarröliren, vyenn diese leer
®*0d, oder wenn sie abwechselnd leer werden ; sic erklärt aber
“‘cht das Aufsteigen der Säfte. Als ich die Lymjihgefässe des
f^ckröses durch Ausdehnung der Darmwände mit injicirter Milch
Kefüllt sah, glaubte ich augenblicklich, .mir die Resorjitiou nu
f^ormcanal erklären zu können. Von dieser Idee kam ich aber
^'"gleich zurück, als ich bedachte, wie gering die Zusammenzie-
^Ungen der Gedärme sind, welche man bei unmlttelbai'er Oednuug
ps Bauches findet, und dass die dünnen Gedärme meistens col-
erscheinen. Noch mehr kam ich von dieser Ansich t zurück,
ich einsah, dass meistens, und vielleicht immer, diesen In-
l®ctionen eine Zerreissung des innersten Darmhäutcheiis voiaus-
gßht. X5ei der Resorjitiou muss irgend eine Anziehung staUfindeii.
if>d einmal die Lymphgefässe bis über die Muskelbaut gefüllt,
muss auch die schwächste Coiitraction des Darms den Cbyb's
"Eiter treiben, indem die zwischen den Fasern der Muskelliaut
erlaufenden Lymphgefässe comprimii't werden. Jede Coinpre.ssion
Lymjihgefässe bewirkt aber eine Bewegung des Cbylns nac i
Cisternä cbyli, wegen des Baues der Klappen in den l^ymp i-
Sßfässen. Die einmal entleerten Lymphgefässnetzc müssen sic i.
264 J. Buch. Von den organ. Säften etc. HI. Alschn. Lymphsystem.
wenn die Zusammenzieliung eines Darmstücks nacHässt, wege**
Entstellung leerer RVuimc lullen. Alles diess kann aller nicht ein-
mal in anderen nicht contrahirharcn Thcilen stattfinden ; und hei
den Fischen fehlen die Klappen der Lyinphgefasse. Es ist daher
wahrscheinlich, dass hierbei noch eine andere Art ■von Anziehung
stattfindet; und cs hleibt nicht zweifelhaft, dass diese keine ph/-"
sikalische, z. B. Capillarifat, sondern eine noch unbekannte orga-
nische Anziehung ist. An den Zotten selbst habe ich durchaus
keine Bewegungen gesehen, als ich bei einem lebenden Kaninchen
den Darm aufsebnitt und die innere Fläche desselben in warmem
Wasser beobachtete. Auch habe ich nie, weder an den Lymph'
gefässen des Gekröses, noch an der Cisterna chyli, noch am DuctuS
thoracicus , irgend eine Spur von Bewegung gesehen ; auch a^
ich auf den Ductus thoracicus einer möglichst schnell lebendig
geöffneten Ziege eine starke galvanische Säule wirken liess, sah
ich keine Zusammenziehung, erst nach einiger Zeit schien der
Gang an dieser Stelle etwas enger, und zeigte mehrere ganz un-
bedeutende Einschnürungen.
Da die Resorption der lymphatischen Gefässe hei den Thie-
ren in so grosses Dunkel gehüllt ist, so scheint es mir zweck-
massig, die Gesetze dieses Processes bei den Pllanzen zu unter-
suchen. In keinem Punkte gleichen- sich vielleicht die Pflanzen
und Thicre so sehr, als in dem Aufsteigen der Säfte von den
Resorptionsflächen in den lymphatischen Gefässen bei den Thie-
ren, und dem Aufsteigen der Säfte ii^ den Gefässen der Pflanzen-
Dütbochet hat bewiesen, dass die Organe, welche das Früh-
lingsaufsteigen der Säfte in den Pflanzen bewirken, die Endtbeil®
der Wurzeln sind, und dass die ganze Kraft, mit welcher der
Saft emporgetrieben wird, a tergo von der Wurzel aus wirkt-
Dütbochet schnitt an einer Weinrebe von 2 Meter Läng®
das Ende ab, und überzeugte sich, dass die verkürzten Steng®*
den Saft fort und fort ununterbrochen ergossen. Die Ursache
des Aufsleigens ist also keine Attraction von dem obern Tbei|
der Pflanze auf die Säfte im untern Theil des Stengels. Daram
schnitt er die E.ebe über der Erde ab, während er das ober®
Ende des abzuschneidenden Stücks beobachtete. Im Aloment de*
Durchschnittes hörte das Ansfliessen aus dem obern Ende de®
abgeschnittenen Rebe auf. Die Ursache des Aiifsteigens liegt ah®
auch nicht im Stengel. In der That ergoss das Stück des Sten-
gels, das noch mit den Wurzeln in Verbindung stand, ununte*'
broeben noch immer Saft; Dütbochet entfernte darauf die Erd®
um die Wurzeln, und durschnitt diese. Die untern Stücke d®®
Wurzeln ergossen noch immer Saft, und so schritt er mit d®***
Abschneiden nach abwärts fort, wobei er immer länd, dass d'®
unteren Theile nocli immer Saft ergossen, bis er an die Wurz®*'
enden selbst gelangte, die daher, indem sie der Sitz der bestä®'
digen Resorption sind, zugleich durch die beständige Aufnahiö®
der Sälte das Aufsteigen der schon resorbirten Säfte beding®"'
Dütbochet setzte eine der Radicellen, die mit einem wcisslich®"
Conus enden, mit dem Ende in Wasser, und beobachtete mit d®
Loupe, dass der Durchschnitt sich mit Wasser bedeckte, da
1
3. Actionen der Lympligefässe, Resorption.
265
dnrcli das Centralsystem anstrat. Dutrochet Vagent immddiat du
*^ouvement vital. Paris 1826. 90. Die Aufsaugung der Stoffe ver-
möge der Wurzeln durch die blossen Wurzelspitzen haben schon
:!rE EA. Baisse und Hai.es gezeigt. Hales tauchte die Spitze einer
"aumwurzel in Wasser, -womit eine Glasröhre gefüllt war, und
•üid, dass die Wurzel in 6 Minuten eine merkliche Menge -von
Wasser eingesogen hatte. Agardk allgemeine Biologie der
ßonzen. Greijstvald 1832. p. 9.
„ Diese Wurzelenden sind die Organe , welche Decandolle
ypongiola nennt. Agardh bemerkt, dass die Wurzelspitze dem
Prigen Theile der Wurzel sonst nicht ungleich organisirt ist, als
ass die Zellen klein und dadurch gehäuft sind, obgleich diesel-
Zellen, w'elche in diesem Augenblick klein und gehäuft sind,
''J'd dadurch einsaugen, nach einiger Zeit ausgewachsen sind, und
j'*cbt einsaugen, indem sie diese Function neu entstandenen Zel-
uberlassen, welche später und unterhalb ihrer gebildet wer-
• Die Spongiola oder Papilla saugt übrigens nur Wasser und
^ diesem aufgelöste Stoffe ein.
Agardh erklärt das Aufsteigen der Säfte aus einer polari-
j Thätigkeit der Wurzeln und der Blätter, indem die er-
..^•'en Säfte anziehen, die letzteren Stoffe aushauchen, und hält
fiir etwas w'eiter Unerklärliches, gleichwie die polarische
'^hon des Magnetes. Diese Erklärung lässt sich jedenfalls nicht
^ die Thiere anwenden, wenn ich mich jener Sprache bedie-
** soll, da hier nur das eine Moment in den Anfängen der
y*Upbgef-ässe existirt, anderseits die Lymphe aber in das Blut
j ®*'geht. Dagegen ist es -von grossem Interesse für uns, zu wis-
dass, wie De la Baisse, Hales und Dutrochet zeigten, das
^i’^fteigeii der Säfte in den Pflanzen allein schon durch die Thä-
^^Skeit üer Wurzel und der Spongiola, nämlich durch ihre be-
**ädige Resorption geschehen kann.
Obgleich die Darmzolten keine zur Aufsaugung durch Lymph-
j| nöthigen Organe sind, vielmehr die lymphatische Resorp-
'i;|. durch die netzartigen Lyniphgefässanfange in den meisten
^ ohne Zotten, ja bei vielen Thieren sellxst im Darm ohne
ten geschieht, so kann man doch die Zotte mit der Spongiola der
vergleichen ; nur muss man bedenken, dass auch in den
4ls Anfänge der Lympligefässe nicht anders gebildet sind,
*11 den zotteniosen Theilen.
Dutrochet erklärte die Resorption bei Pflanzen und Thieren
dsjj * die Endosinose. Es ist jedoch nicht schwer einzusehen,
® Erscheinungen der Endosmose durch todte thierische
durchaus nicht hinreichen, die Aufsaugung in beiden
öti,, *u erklären. Denkt man sich die Lympligefässe des
Mer T Oekröses, z. B. mit Säften gefüllt, und die Darmzotten
Mfj>g|Ty”*P*’S®fi'Ssnetze mit Chymus in Berührung, so würden die
iä die***T Theile des Chymus nach den Gesetzen der Endosmose
^üflej .^y“’P^?6fässe eindringen, und die aufgelösten, Theile des
Mt Lymphgefässen dagegen heraus dringen, und sich
Chymus mischen ; ist der Chymus flüssiger 'als der Chylus,
hält er dünnere Lösungen, so wird mehr Chymus in die
266 I. Blich. Von den organ. Säften etc. III. Ahschn. Lymphsystem.
Lympligefässe eindringen, als Chyhis Lerausdringen. Enthält
gegen der Chymus dichtere Lösungen, so wird mehr Chylus
den Lymphgefässen heraus dringen, als Chymus herein j.
Von einem solchen Spiel können die wnnderharen Wirkungen o
Aufsaugung nicht abgeleitet werden. Nur wenn der in den Lymp
gefässnetzen einmal enthaltene Chylus eine durch den Lehensp*'
cess selbst entstandene chemische Verwandtschaft zu demChy»» ,
des Darmcanals äusserte, und diesen anziehen könnte, ohne da
er selbst von dem Chymus angezogen würde, könnte man
Resorption auf eine den Gesetzen der Endosmose analoge Art
klären. Aber diese Verwandtschaft, diese Anziehung würde d»
lebendige seyn, indem im todten Zustand eine solche Anziebu s
nicht existjrt. _ •[
Wollte man die Aufsaugung durch Anziehung der Flüssigi^ ^^
von der äussern Fläche der Lymphgefässe und durch Abstossu'^.^
von der innern nach den Lymphgefässen erklären, so giebt
weder Thatsachen, diess zu beweisen, noch es zu widerlegen.
Mechanische Apparate zur Aufsaugung des Chylus sind -vva’^^
scheinlich in den Anfängen der Lymphgefässe nicht Vorhand^ ’
da die Aufsaugung in den Pflanzen ohne dieselben geschic
Hier Avirkt eine noch ungekannte Anziehung, wovon bei derA^
Sonderung gleichsam das Gegeutheil statt findet, indem die
wandelten Flüssigkeiten nur nach der freien Seite der absoiulef
den Flächen ahgestossen Averden, und durch immer neue Abä‘’‘'
derung in den Ausführungsgängen weiter rücken. In vielen TI'
len kommen auf derselben Fläche Aufsaugung durch die Lymp^^^,
gefässe, und zugleich Absonderungen durch ahsondernde Org‘*
vor, wie auf den Schleimhäuten. _ .
Da die Eesorptionskraft der Lymphgefässe eine organi»^^^
Eigenthümlichkeit derselben ist, so muss dieselbe auch unter K ,
wissen Einflüssen, welche in die Organisation eingreifen, ci
und vermindert werden. So scheint sie in der Entzündung
mindert, wie Avtenrieth bemerkt, weil sich in diesem ^
eine dauernde ödematöse Geschwulst im Umfange des entzü'*
ten Theils bildet. Physiologie 2. 224. Wie die Mittel, welciic
dem Rufe stehen, die Resorption anzuregen, diess thun,
zweifelhaft; es lässt sicli deren Wirkung nur in einigen
einsehen. Es giebt StolFe, Aselehe im Stande sind, die
den Elementartheilen der GeAvehe angehäuften überflüssigen
terien zu erweichen und aufzulösen, resolventla. Wie diess g,,,
lieh ist, scheinen die organischen Flüssigkeiten schon zu
in welchen häufig der eine StolF das Menstruum des andei" ij,
so dass z. B. Thiersloffe durch organische Bindung mit mnie
sehen Stoffen, z. B. mit Alcali, wie im Blutwasser, oder
anderen organischen Stoffen in einem Zustande vollkommene!
lösung sind. So ist das Picromel das Aullösungsrnittel des *
ten Gallenhcstandtheils, des Gallenstoffes. Die Anwendung
'■*! . .'H
Resolventien in der Arzneikunde ist aber sehr beschränkt,
viele Stoffe, die ausser dem Körper thierlsche Stoffe
im Stande sind, auf lebende thierische Theile zerstörend
Dass die Lymphgefässe nach dem Tode noch aufsaugen
3, Actionen der Ljmphgefiisse. Bewegung der Lymphe. 267
^alte ich für ganz unerwiesen. Vergl. E. H. Weber Anatomie
101.
2. Veränderung der lymphatischen Flüssigkeiten durch die
^ymphgeßisse.
Die von Caplllargef ässnetzen durchzogenen Wi'inde del Ly mph-
SGf'ässe scheinen die Mischung des Chylus und der Lymphe zu
^ßrändern. . Auf dieselbe Art wirken die Lymphdrüsen , welche
als Apparate dienen, die Oberfläche der Einwirkung zu ver-
Bj’össern, da sie hei den niederen Wirbeltbieren durch blosse
^ lexus ersetzt werden, und in der That weiter ausgebildete Plexus
®**id. Der Chylus der Lympbgefässe des Gekröses ist nach Tie-
^Emaün und Gmelin nicht gerinnbar, bis er die Lymphdrüsen
^urchgegangen ist. Die Lympbgefässe und Lymphdrüsen schei-
also durch die Einwirkung ihrer Wände das Eiwelss des
Stylus zum Theil in Faserstoff umzuwandeln. In manchen Krank-
fjeiten ist diese Wirkung der Lyraphgefässe auf die Mischung
I *fes Inhaltes verändert, oder sie leiden von der Einwirkung feh-
‘ßrhaft gebildeter Säfte, wie in der Scropbelsucht.
Die Lympbgefässe haben eine eigenthümliche Empfindlichkeit
^®Sen fremdartige Materien, sie werden durch die Resorption der-
schmerzhaft, zuweilen entzündet und angeschwollen, und
ässen sich dann als rolbe Streifen durch die Haut erkennen,
'^äter denselben Umständen schwellen die dem Resorptionspunkte
l'ähe gelegenen Lymphdrüsen an, und werden auch schmerzhaft.
<ier Regel verschwindet die Anschwellung, wenn keine neue
Uterie mehr aufgesogen wird, zuweilen geben die Drüsen in
j*'tzündung und Eiterung über. So schwellen die Lymphdrüsen
Nähe nach Inoculation eines thierischen Giftes unter die Epi-
an, so nach der Application eines Blasenpflasters, nach
Schlangenbiss, nach einem Schnitt oder Stich bei der Section
fauligen Cadavers, nach der Inunction von Brechweinstein-
von Quecksilber, in der Nähe eines Blutschwäres, eines
j^Gündeten Theiles, in dem sich Eiter bildet; so schwellen die
J'ßuinaldrüsen an beim venerischen Harnröhren -Schleimflusse,
u auch ohne diesen nach venerischer Infection der Genitalien.
4®**^ Verhältniss, wie die oberflächlichen Drüsen zur Haut,
5^1 ®**>en die Mesenterialdrüsen zum Darm zu stehen , welche
■p ^ hei der Entzündung und Verschwärung des Darms (im
"Phus abdominalis) sich auch entzünden,
ff- Bewegung der Lymphe.
Magendie erhielt bei einem gefütterten Hunde von mittlerer
aus dem angeschnittenen Ductus thoracicus alle 5 Minuten
ijjj^l'^hr i Unze Chylus. Die Ursachen seiner Bewegung sind
Man weiss nicht, ob die Lympbgefässe und der Duc-
°*'®cicus Lymphe und Cliylus durch unmerkliche fortschrei-
sajj ® ^usammenziebungen forttreiben. Tiedemamn und Gmeein
meclianiscbe und chemische Pieizmittel keine Zusam-
Sc;J***®^'^ngen an dem Ductus thoracicus entstellen, was früher
(i^l {de irrüab. uas. lymph. Lips. 17S9.) gesehen haben wollte
dig diese Zusammenziehung nicht, als ich bei einer Ziege
§älvanische Säule auf den Ductus thoracicus einwirken liess,
268 I. Buck. Von den organ, Säften etc. UI. Abschn. Lymphsysteni-
und sali erst nacli einiger Zeit einige ganz tniLedeutende E*’’'
Schnürungen). Doch beobachteten sie, dass der angestochen®
Brustgang seinen Inhalt in einem Strahle ansleerf. Daher
annehmen, dass die Lymphgefässe, ohne rhythmische Contraction
zu besitzen, doch ihren Inhalt weiter fordern. Die Klapp®”
müssten eine solche Bewegung, wenn sie wirklich existirt, e®'
leichtern. Durch die Richtung derselben muss Lymphe w”
Chylus bei einigem äusseren Druck auf die Lymphgefässe dur®
die Muskeln ohnehin von selbst weiter rücken. Die Saugkraft d®’
Herzens hei der Ausdehnung der Höhlen des Herzens, weld’”
das Venenblut' anziehen muss, muss auch auf den mit dem y®'
nenblute der Yen. subclavia sinistra durch den Ductus thoraci®®*
zusammenhängenden Chylus anziehend wirken, und kann alle'”
schon bewirken, dass der Chylus der Bewegung des Venenblut®’
nach dem Herzen folgen muss, dagegen wegen einer Klappe ke'”
Venenhlut durch den noch von der Contraction des Herzens hc®'
TÜhrendeii Impuls in den Ductus thoracicus fliessen kann. De«”
die Zusammenziehung des Herzens, welche das Blut durch dj®
Capillargefässe und von diesen wieder zum Herzen führt, wüi®
das Venenblut der Vena subclavia sonst eben so gut nach de®*
Ductus thoracicus als nach dem Herzen treiben können. Die oi'"
ziehende Kraft dagegen, welche durch die Ausdehnung des H«®'
zens und den dadurch sich bildenden leeren Raum auf das ^®'.
nenhlut wirkt, wirkt gleich anziehend auf den Chylus wie
das Venenblut. Indessen ist doch die Saugkraft des Herz®”’
nicht die erste Ursache der Bewegung des Chylus, denn n»®,’
Autenrieth {Pfysiol. 2. 115.), TiEDEMAurf und Cartjs (Meck, '
4. 420.) wird der Ductus thoracicus auch unterhalb einer Ligat”
von der vordringenden Lymphe bis zum Zerplatzen ausgedehid'
Die Bewegung der Lymphe und des Chylus in den lympt'®'
tischen Gefässen hängt daher höchst wahrscheinlich grösstenth®' '
von der fortdauernden Resorption in den Lymphgefässnetzen ® ’
gerade so wie das Aufsteigen der Frühlingssäfte in den Pflan*®
nur von der beständigen Resorption in den Wurzeln abhängt.
Die von mir entdeckten Lymphherzen in der Classe
Amphibien müssen die Bewegung der Lymphe in hohem ^®‘*, j
fördern, sie bewirken den unmittelbaren Erguss der Lymphe
untern Theile des Körpers in die Vena ischiadica, des ober« ^
einen Ast der Vena jngularis. Bei den Säugethieren und
Menschen gelangen Chylus und Lymphe allein in die Scblü*’ j.
beinvenen und namentlich der Chylus und grösste TlieÜ ‘
Lymphe durch den Ductus thoracicus in die Vena suhclavi®
si'
nistra zum Venenblut, und sind in dem Blut der Vena cava ■
oft noch spurweise zu erkennen. Im Blut selbst werden
während der Circulation auf die pag. 142. dargestellte Art
vollkomrUienem Blut umgebildet. An dem Ductus thoracicus
an der Cisterna chyli, an den Lympbgef'ässen der Säugelb'®^^^
überhaupt, und ausser den Lymphherzen an den Lyrnphgcfa^'^j,
der Amphibien habe ich nie eine Spur von Bewegung hem®*
können. . , pp..
Die Schnelligkeit der Lymphhewegung ist uns gäiizllcb
3. Aclionen der Lymphgefässe. Bewegung der Lymphe. 26Ö
bekannt. Sie scheint viel geringer zu seyn, als die des Blutes,
^''d ist von Crtjikshank und Autenbieth überschätzt vrorden.
"fan kann sich eine ungefähre Vorstellung davon machen aus der
ziemlich kurzen Zeit, in ■welcher die mit Chylus gefüllten Lymph-
S^fässe des Mesenteriums 'hei erölfneten Thieren unscheinbar
Werden und aus der Menge der aus dem Ductus thoraci-
ausfliessenden Flüssigkeit. In Magekdie’s Versuch Lei einem
^'inde mittlerer Grösse floss in 5 Min. | Ünze Chylus aus dem
^•^geschnittenen Ductus thorac., in dem Versuch von Collard de
7*Rtigny 9 Gran Lymphe in 10 Min. aus dem Ductus thorac.
^[••es seit 24 Stunden hungernden Kaninchens. Nachdem Collard
j ® Lymphe in dem Lymphgefässstämmchen des Halses eines Hun-
durch Compression fortgeschafft hatte, füllte es^ sich von
in 7 Min. und in einem zweiten Versuch in 8 Min. Juorn.
^'physiol. T. 8. Bei der oben angeführten Beobachtung von der
%fnphe des Menschen füllten sich die Ljrophgefässe des Fuss-
Rekens und der grossen Zehe innerhalb einer ^ — T Stunde so,
man in einem Uhrglase ziemlich viel sammeln konnte. Bei
Fröschen ist die Menge der Lymphe ausserordentlich gross,
. ‘ ihren ansehnlichen Lymphräumen. Nimmt man die Capacität
j"*« jeden ihrer 4 Lymphherzen zu 1 Cub. Linie an (die vor-
sind kleiner, die hinteren grösser), so treiben die 4 Lymph-
• '^•‘^en in einer Minute 60 mal 4 = 240 Cubiklinien Lymphe
die Venen, wenn die Lymphherzen sich ganz entleeren,
j d®in sie entleeren nur einen Theil ihres Inhalts bei jeder Zn-
*'*'teenziehung.
<V«)L* vjX. v\ il'. .V- "'|
.wUil''' ■. ih oil'> ' lii .iif'ic ji!: l‘>w Jiii.'il i ■'
.(i'-flrviv/' #1'' j: ' ''n f A I/Hii .<? t i.r t inv/ ‘'yM
■ ‘(l> ^iiij iri!!')i*(u HO /ijij A f ■ ii!)- luo./J
-jionw.^' II kii! vtU lio< '>'111 -i i.l'jl'iff n' ,!r.\ u.>.\ noi
■jMliii ii'.'i'iiij i'J !')(1 «'Jiiii! ili': *',>!>
-i;.)ii'i<)l! J fioh <•111: ■i‘’l) rib - 10; ''in; n-'i''i5’a'
ji'oüi « !d!l ' il-jM. i.‘! /' i'; :A ii-iliji-i ,■ li- -.o ^
!!!■.>[> <-Ul\ .•ui fiiü Oin J '- .1111' ?• lli ■• •0:; •IO’!‘>l I IO. ' i
Ol > Jio/ il'iiiJ'i'iY iii'ilj ni j.'ju'foill ■ lii-iijH o'iii
.o.;iOi!J jirib i-ijs .iiitA ttL iii •iilirm/.! nviO *i f.
u!i/..i.riO iiiol)iion/l- .iii'iii'.iiiiiic.H frt!iiri^p!ii];! u ioiMiV, li; Jiti^
-ii'jll j^-iiiitwj/liil! r')h 1: jil'xtimsl.’irjiiT.ipiiijni I J aiur. iii •iil(|iir;.[
1(0/ xl'ii^ '!> ollliil 'f'.txl'ji-op.f-jo'i nuii'i''j'if).iO)D iloiiiii
.\vuih\. .(lil* (li ifoiv.'io / ii'ilio'M.v iii oii'i ui Jioo .iiilA 7 iii mW
tiov piiuliioiiJo'.tl ir>;lo i'j!) iiii.
r-i-i-.Il'! '■'!) Mfr. 'lib |loi> fl’jlljlii II 1' - ll) 'l;-:;;
,o» ubniit?. Y — i 'loiii-i (ÜMliKiLi ‘iii'jX r 1 ih Kkv' ;
■ioU iil'iciirxif.'- I'ii/ i! iHfiii i'tiip o. jii- 111 flmv; w;
,>..'U'rp (! liHirjlinri'j ■hi; •!;! 1 , /vl 'j.»!' j - ti ahjoi'i ‘
ii.tjcY oü) iiiitii Wiiiui/. .H'iioii; ii''|iii I J ii'ul- ' .ihIm.'iiii na iili
-•;o/ -iii;, iiii oiiiisl .(iii.) J, .i\' , 1- 'i-mt; •. 'i>j t
-ilHiri'i.l ! lüi n idiri’il !■' . i ' ■ is; 11 • iOliiii! ';!!• .■i.jiii 'i.i ii -i'’'’: ( >
riil’jiiiv.i Ot ' r:r: i li.os Oi) 1 >(<i ) ui ir; “
.ii;i i'o’lic) .';ni,p ilii'. 11 ><: OiiJiliii /.! -liji lUi ■. , 03113 A jilx
-51X i:M* e-xib jiioiX loio.;. 'um li.i'io'iiluo -lit lO’
.V;:;oii v>Sf!->Xi'*'gJ^
' , ... ■ (mHA ’iti A'. \
.11 : i , Jll: ';.-i / . I'ii .'l'l'iiflil “■ liri^ in, /" .1
wi'iiMA ■•ij^ i(j jj
•' i 'i'.il; i,iui -■■il; (l■)llri)Av n( )j> ii'' / .i!l
■ ''"'iiitA rül; il'i'lofjd.'noV ir)I> it‘> . /f
Der.
• M! imihl r ’ll j' iot'' *' tl')ll:>'i(ll )ll3 lll ifi llO l .V
• f' ./•»■inoriiiJA Imu /^sdiaodiA ir !i ViuY .1 •'
^'P‘Vc i e 1 1 e'ö'^ P h^v s i^o 1 ö% i e
II i| II 3X1 333 jsi T ' IllfH ^
.yiiiriili.üil, ■■ A' . 'Y .r
Zweite s ''’B ü'c^hA ■
.;>nii“ri3X''.', ; , m //' -(‘ijj uu7 ,11 F
fi in 311 HU ul A jaf) iio Y AV.niVd.A. . AVI
.lIMflistlld.'ifA rili n‘.iy!II'!3l)II0i!ClA II 1> HU / .1
.U'llä'lG. lll Hl.vl (! 1 'lllli liiui) ll<.l7 .11
den organisch - chemisctie^ ' Veraiulerüngen in*_den
""‘'Saften 'ünd ’deh* brgahis^‘rfen"'Theilen.''
- U l - A I V . ■) ) X TI . ÜU 'I 1 3 i; ■■ -UH /.
.!:.r:io.'tiii:ll7i lifi piuujl 'i A 'lub iluY
.nimij;-K.i-^;i:i.lJlifjTl/ hdI) iioY .il
.-i.'Hiii.’.nii.li i,y1j ir.Ji woY .lil
IIII i ' I — Iiui;lri‘j7 ii ;!i jiu .Yl
viliiriiiti nii c; iuffi', -lüfi i-j/ aob «uY .Y
.iiijilii iiül/'t,') tj1> iji'Y .i Y
• ’l .-luififinl j'/l •j->u , xlil" 'lyli rioiJ'jiiU 'J 7;<f) iiu / .H /
.■ifjj'i'o'uni V di' i 'li ti'iii iii-i; ihliluiuÄ
.•jf-ojil u 'ixiyi'i i\ gaiiliiyiL's-i-'A 'vjL uoY .ili f.
i
I
1. Abschnitt. VomAthmen.
I. Von dem Atlimen im Allgemeinen.
II. Organologie der Athemwerkzenge.
III. Von dem Atlimen des Menschen und der Tlilere.
IV. Von den Veränderungen , des Bluts durch das Athme»'
V. Von dem chemischen Process des Athmens.
VI. Von den Athemhewegungen und Ath'emnerven.
4. IJ. AhscJinä^ Vjop, der Eriiährji^ng, ,vom WachsthuJi»
^ und von*der Wiedererzeugung.
%
I. Von der Ernährung.
II. Von dem Wac^thum.. f) | i .
III, Von der Wiedererzeugung.
III. Abschnitt. Von der Absonderung.
I. Von den Absonderungen im Allgemeinen.
II. Von dem Innern Bau der Drüsen.
III. Von dem.Secret^onsprocess. ,
»loh M' a ' M'Mi Kiiiriil
•Mi fl'll
'je. Vjon d^rV^
Ausscheidung der zersetzten Stotie.
I. Von der Verdauung im Allgemeinen.
II. Von den Verdanungsorganen.
III. Von den Bewegungen des Darmkanals.
IV. Von den Verdauungssäften.
V. Von den Veränderungen der Speisen im Darmkanah
VI. Von der Chylification. ^
VII. Von der Function der Milz, der Nebennieren,
Schilddrüse und der Thymusdrüse.
VIII. Von der Ausscheidung der zersetzten Stoffe.
Der speciellen Physiologie
Zweites Buch.
''ö den organiscli-cliemisclien Veränderungen in den organischen
Säften und den organisirten Theilen.
Q Wenn die Elemente, welche ausser dem Organismus sich
f'i’ch ihre eigene Affinität binär verbinden, im Organismus durch
der binären Verbindung widerstrebende Kraft zu ternären
quaternären Verbindungen vereinigt werden, so ist es ge-
dass diese Affinität von einer eigentbümlichen, in der unor-
"?®ischen Natur nicht erkennbaren Kraft oder der Mitwirkung
8 Unbekannten imponderabeln Materie bedingt wird, von dem-
oen Princip wahrscheinlich, welches die zweckmässige Erzeu-
und Erhaltung aller Oi’gane des Ganzen einleitet. Es wäre
^ P S^nz unerwiescne Hypothese, wenn man der Electricität die
^®rgabe ertheilen wollte, alle organischen Verbindungen zu er-
8®n. Ehe die Eigenschaften jener Kraft bekannt sind, kann
sie als eine zwar gewisse, aber nicht näher zu bezeichnende
®sse, als Lebensprincip oder orgatiisirende Kraft anerkennen.
^Uf nach welchem die von diesem Princip belebten Theile
^ andere Stoffe wirken, ist das der Assimilation. Wir haben
das Eigenthürnliche derselben auseinander zu setzen.
Sj. _^Ian kann die im Organismus erfolgenden Umwandlungen der
*® in rein chemische und orgfinisch-chemische eintheilen.
der •u*'** chemische Umwandlungen erfolgen nach den Gesetzen
Vej,j^y'^®^dverwandtschaft der Stoffe, wie sie sich bei den binären
an j,'pdungen äussern, in dem Maass, als die organisirende Kraft
■Wnij '^uuss auf die Gebilde verliert, oder unfähig wird, der Ge-
Sew ®^emischen Affinität zu binären Verbindungen dasGleich-
zu halten.
dej. j °*'®entrirtc Säuren und Alcalien binden sich mit den Stoffen
Setzß^”®®den Thierkörper, und erzeugen neue Körper mit Zer-
der thierischen Materie. Im verdünnten Zustand dienen
Physiologie. I, 18
274 II- Buch. Von den organisch-chemischen Processen.
die Salzsäure und Essigsäure im Magensafte selbst zur Auflösung
der Speisen. Nach Brrthollet wirken die cauterisirenden Me
talloxyde und metallisclien Salze dadiircli, dass sie Oxygen an i
tbicrisebe Materie ablreten. Beim Gidiraucb des salzsauren Spi®''*
glanzoxyds wird der unorganisclie Körper reducirt, der org^«'"
sebe verbrannt. Salzsaurcs Quecksilberoxyd (Cblormercur im Ma'-
des Chlors) wird dureb mehrere organische Körper in salzsaiie®
Quecksilberoxydul {Cblormercur im Mm. des Chlors) verande» •
Solche rein chemische Verhältnisse finden häufig selbst in iic
Therapie ihre Anwendung. Die Eigenschaft des Eiweisses,
aufgelösten Sublimat niederzuschlagen und sich mit ihm zu 6*"“’. ^
unlöslichen Stoff zu verbinden, veranlasste Orfila zu der
lieben Idee, das Albiimen als Gegengift zu versuchen. Huenefei-
physiol. Chemie. 1. 65. S9. Ein Gegengift muss, wie Hueinefee^
bemerkt, eine starke chemische Affinität zu dem Gilt, aber ger"’§^
cbcmiscbc Affinität zum Ibierischen Körper haben, damit es C'
sev, das Gift bis in das Innere des Körpers auf unscbädlicbe A*
zu vei-folgen. Der Schwefel neutralisirt den Arsenik und mae"^
ihn, indem er eine unlösliche Verbindung verursacht, wenig®
schädlich. Aus diesem Grunde sind auch beim Gebrauche vo
Quecksilbermitteln gegen Syphilis solche Präparate, welche Schn
fei enUiallcn, unwirksam. * Huenefeld /. c. 1. 66. SchwefelsaU'
auflöslicbe Salze sind Gegenmittel gegen Baryt und Bleisalzvf®'
giftung, weil Baryt und Bleioxyd mit Schwefelsäure sich zu W'
lösliciren Verbindungen vereinigen. Ebend. 67. Magnesia sturnp*
die Mn'’ensäure ab. Kohlensäure Alkalien xverdrn mit Erffi
gegen harnsaure Sedimente und Steinbildung im Harn gegeh®
weil die Harnsäure dabei aufgelöst und der Harn alcalisch w"
Aus demselben Grunde w-irken pflaiizensaure Alcalicn vortheilha '
weil sie im thicrischen Körper in kohlensaure Alcalieii urngewa ^
delt xverden oder als solche in den Harn iibergeiien. In den
schwüren des Hospitalbrandes und in Rrebsgeschwüren hat ni')^
mit Erfolg Salpetersäure, Chlor, chlorigsaure Salze angewandt,
Beziehung auf die Bildung von Schwefelwasserstoff, Ammon''^^
und Hydrotbion-Ammoniak in diesen Geschwüren. Aus denis®^^
ben Gesichtspunkte lässt sich die Anwendung der Mineralsäur®^
im Faulfieber bei herrschender Tendenz zur Alcalität betracht®^^
Huekefeld l. c. T2. Die Rubia tinetorum hat eine grosse An*'^jj
hung zur pborpborsauren Kalkerde, und äussert diese selbst
im Organismus, indem sie eingenommen nur die Knochen
färbt. Endlich werden vielerlei fremdartige Stoffe in den
lauf aufgenommen, sie verwandeln sich zum Theil und xver
verändert oder unverändert ausgeschieden.
2. ln anderen Fällen wirken Stolle, besonders zersetzte Th' ^
Stoffe, die in kranken Th ierkörpern erzeugt worden, aut
chemischen Fermentationsprocess analoge Art auf lebende
ein. Die Contagien verursachen die Erzeugung ähnlicher ^
Setzung und Mischungen in anderen lebenden Wesen.
3. Chemische Verbindungen und die Elemente können
auch, indem sie fehlende Bildungstheile zu Erzeugung
ganischer Verbindungen liefern, statt diese zu zersetzen, '
II. Buch. Von den organisch-chemischen Processen.
275
inelir befördern, und die Wirkungen der organisclien Kraft un-
terhalten. So ist ein gewisser Antheil mineralischer Stoffe in den
Nahrungsmitteln nothwendig. Die Veränderung des Blutes heim
Athrnen ist eine organische Umwandlung, wobei eine binare,
durch das Alhmen erzeugte Verbindung ausgescliieden wird.
4. Die organischen Stofl'e seihst können dagegen wieder, in-
dem sie auf einander wirken, gegenseitige Zersetzungen bedingen,
''velcbe noch ausser den Wirkungen der organisircnden Kraft er-
fol gen. Speichel soll nach Leucbs gekochte Starke in Zucker
tirnwandeln (Poggend. yinn. 1831. 5.), und Stärkemehl itn Magen
der Thiere in Stärkegummi und Zucker umgewandelt werden, ^vie
Tiedemank und Gmeein zeigen. Fibrin oder Muskelfleisch sollen
tvässerige Zuckerlösung wie liefe in Gährung setzen, während
Davy mittelst Bindfleiscli auf diese Art in 3 — 4 Tagen keinen
Nlcohol, sondern Gummi erhielt. Kastn. .dreh. 1831. 396. Zu
Solchen chemischen Umwandlungen werden auch innerhalh des
Organismus organische Säfte verwandt, wie Speichel, Magensaft,
Galle, succus pancreaticus. Zwar sind hier ejuaternäre Verbin-
dungen der gegenseitigen Einwirkung unterworfen, und die Pro-
ducle können quaternäre Producte bleiben, ohne in binäre zu
Verfallen. Indessen erleiden einmal gebildete organische Materien
Nässer dem organischen Körper hei W'echselwirkung mit unor—
S'inischen Verbindungen häufig nur eine Veränderung der orga-
’dschen Verbindung. Im Organismus selbst ist die Wirkung or-
5l|«uscher Flüssigkeiten auf einander noch durch das Lebensprin-
®'P verändert. Die Wirkungen des Speichels, der Galle bei der
y^rdauung lassen sich niclil aus ihrer Wirkung aut organische
'Crbindungen ausser dem Organismus ermitteln.
5. Die organische Assimilation zeigt sich zunächst in der Ah-
'’äderung der Mischung organischer Flüssigkeiten durch Wcchsel-
'^'i'kung mit den von dem Lebensprincip beseelten Wänden der
^•'Saulsirten Theile. So verändert sich die Mischung des im Darm-
^•Uial aufgesogenen Chylus im lymphatischen System, und er ent-
*“»lt mehr Faserstoff, wenn er durch mehr Lymphdrüsen durch-
S’^gangen ist. Diese Drüsen, welche den Vfögeln, Amphibien, Fi-
*chen fehlen, sind nur Apparate, um die Einwirkung der organi-
®'^hen Oberflächen auf den Chylus zu vergi'össern. ln den Ah-
^'^nderungen ist dasselbe Phänomen rnodilicirl, indem die von den
’^*'8anislrten Thellen verwandelten Bestandtheile des Blutes ahge-
* *^®sen werden.
^ 6. Endlich zeigt sich die Assimilation noch merkwürdiger In
, Umwandlung der organischen Flüssigkeiten zu Bildungsthei-
der Organe selbst, indem das Blut in den Capillargcfässen
den kleineren Partikeln der Nerven, Muskeln, Schleimhäute,
.•"usen etc. in Berührung kommt, jedes Organ die Bestandtheile
Blutes assimilirt, ihre Mischung hierzu verändert, sich durch
g^J'ä.nung derselben vergrössert, aber ihnen auch die Fähigkeit
h, selbst wieder zu beleben und zu organisiren. AVunder-
sicl^' organisirende Kraft so lange erhält, indem sie
tUil^ mehr Alasse ausdehnt. Das Urphänomen dieser Assi-
‘■'tion zeigt sich vor der Entstehung der Gefässe und des Blu-
48*
276 II. Buch. Von den organisch-chemischen Processen.
tes an der Reimsclieibe des Eies (Blastoderma), indem diese
am Rande auf Kosten der Dotterfliissigkeit zur Reimhaut
„rössert. Das Eiweis des Dotters erleidet allmählig eine chemisc ^
Umwandlung seiner Zusammensetzung, und verliert zuletzt
Gerinnbarkeit in der "Wärme. "Wenn einmal Getässe gebild^
sind, so geschieht das Wachstluim durch Vergrösserung der Paf'
tikeln zwiseken den Capillargef ässen und durch Entstellung
Gefässe. Sind in einem organisirten Tlieil oder belebten Sto
(a, b, c, d) die Elemente, die In jedem organischen Molecule i"
bestimmtem Vei’hältnisse verbunden sind, so bedingt die organis*'
rende Kraft des lielebten Theiles nicht allein die Bindung von
b c, d zu Bildungstheilchen, sondeiAi auch die "Vereinigung def
letzteren zu organischen Productionen, und zwingt die organischen
Fluida, ihre Zusammensetzung auch zu der Verbindung (a, b, c, ob
d. b. ziv Atomen dieser Zusammensetzung zu ändern und die»®
Atome, sich mit dem assimilirenden Organ zu verbinden. "VVenO
hier von Atomen geredet wird, so sind darunter nicht organischO
Kügelchen verstanden, sondern jene unsichtbaren Atome, wie si
in der Chemie als kleinste Theilchen einer Verbindung supponn^
werden. Die Erzeugung der organischen Erscheinungen, der Alns
kelbewcgungen etc., befördert beständig die Zersetzung einer gO'
■wissen Quantität Materie, die durch die Nahrungsstoffe wieder
zu"eführt wird, und so unpassend in anderer Hinsicht der Vo'
gliTich ist, so gleicht die thierische Maschine doch hierin jede*"
andern Maschine, die mit Zersetzung einer Materie ihre Kräfto
produeirt, und wie die Dampfmaschine eine gewisse Menge neu«
zersetzbarer Stoffe zu ihrem Gange erfordert. Das Wunderbar^
bei der Assimilation ist nun, dass der Organismus, indem er zcij^
setzte Bestandthelle seiner selbst auswirft, und organische Kr«^
in neuer Materie zur Erscheinung bringt, durch die AusscheldiiO»
der zersetzten Bestandthelle seiner seihst nicht sobald an organ*
scher Kraft verliert; daher es fast scheint, dass entweder das o*
ganisirende Princip die zersetzten Bcstandtheilc verlässt und
mit neuer Materie bindet, oder dass die Nahrungsstoffe selbst eo'^
Quelle zur Vermehrung der organischen Kraft sind, währeiO^
diese auf der andern Seite durch Zersetzung von früheren
standtheilen des Thierkörpers unwirksam wird. Vergl. pag. 3 •
Das erste allgemeine Gesetz der verschiedenen Production
scheint allerdings, wie Autenbietii bemerkt, das Gesetz der A«
Ziehung ähnlicher Theile unter sich zu seyn. Aber die Theilc i ^
der belebten Organe haben schon eine grosse Anziehung zu
selbst, sie verlassen ihre Verbindung nicht, um sich mit
eben des ernährenden Fluidi zu vereinigen, sie ziehen die aiia
gen Theilchen des Blutes an, nur das Blut scheint hierbei
zugsweise eine Trennung seiner Elemente zu erfahren. Ich kai
diese Bemerkungen nicht besser als mit einigen Worten von A ^
TEMRiETH schlicssen. Der Knochen sondert nur Knochenerde, ,
Muskel Faserstoff und Cruor ab, es vermehrt sich auch ein
dernatürlich entstandener Scirrhus, ein Steatom immer
gleiche Art. Die Vermehrung durch Anziehung des Aehnheö ^
findet nicht hioss in den chemischen Bestandtheilen eines Orga
I. Abschnitt. Vom Athmen. Allgemeines.
277
statt, Ancli in seinen Bildnngsgesetzen findet sicli etwas Aelinli-
clies. Ein polypöser Auswuchs der Mutterscheide, der Innern
^^asenhaut entfernt sich weniger durch seine chemische Mischung
'ds durch seine Organisation von den ihn umgehenden gesunden
Theilen. Einmal entstanden aher wächst er ])ls aut einen gewis-
sen Grad immer auf eine ähnliche Art fort. Eine Narhe wird,
'ingeachtet sie eine von der ursprünglichen Organisation der Haut
ahweichende Structur besitzt, doch immer wieder auf eine ähn-
liche Art ernährt; sie wächst selbst mit dem übrigen Rörper.
A-utehrieth Phjsiol. 2. 181.
I. Abschnitt. Vom Athmen.
1. Capitel. Vom Athmen im Allgemeinen.
Der wesentliche athemhare Bestandtheil der Atmosphäre ist
^er Sauerstoff derselben, den sie imVerhältniss von 21 Th. Sauer-
®loffgas auf 79 Theile Slickstoflgas enthält. Der Kohlensäurege-
l'alt der atmosphärischen Luft ist in der Regel äusserst gering.
hlOOOVolumtheile atmosphärischer Luft enthalten nach de Satjs-
4,15 Rohlensäuregas. Auf dem Lande rv'ar das Maximum
das Minimum 3,15. In der Stadt Genf war der Kohlen-
?''uregehnlt der Luft um 0,31 Th. auf 10000 Th. Luft vermehrt.
"eRzelitjs Jabrb., übers, v. Woehler 11. 64. Hierzu kommen
«nliche Verunreinigungen, wie eine die Silherauflösung bei Ein-
}^*i'kung des Lichtes rÖthende organische Materie, die sich auch.
'"1 Regenwasser findet. Gmelin’s Chemie 1. 412. In der Luft, in
Reicher Menschen und Thiere athmen, vermindert sich der Ge-
l‘aU an SauerstolF, an dessen Stelle fast eben so viel Kohlensäure
Belm Athmen in reinem Sauerstoffgas wird die Luft eben
verändert. Ohne das Athmen für eine Verbrennung zu erklä-
kann man doch die Aehnlichkelt zwis,chen den Veränderun-
der Luft durch das Athmen und das Verbrennen nicht ver-
^^nnen. Hier wie dort scheint das Stickgas indifferent zu seyn,
k*id nur den Process durch seine Beimengung zu mässigen.
Bei der Betrachtung der Gasarten, in Beziehung auf das Ath-
und die Alhemorgane, muss man wohl unterscheiden, dass
Gasart den belebenden Process ira Athmen nicht unterhalten
ohne dass sie deswegen gerade giftig ist. Stickgas und
ilB II. Buch. Organ, chemische Processe. I. Abschn. Athmen.
WasserstofTs'as sclieinen für das Atlimen indifferent, sie unterhal-
ten rein geathmct das Lehen nicht, ehen weil Sauerstoffgas fehlt,
und sind daher, der zum Athmen nöthigen Menge Sauerstoffgas bei-
gemengt, unschädlich. Andere Gase sind nicht indifferent, sondern
wegen der Affinität zu thierischen Stoffen geradezu giftig. Dann
muss man unterscheiden, dass manches Gas in die Äthemorganß
eingeführt werden kann und doch giftig ist, dass es aber gewisse
Gase gibt, die nicht einmal in grosserer Menge in die Athernor-
gane eingefiihrt werden können, rveil sie krampfhafte Zusammen-
ziehungen der Respirationsorgane, -vorzüglich Versclilicssung der
Stimmritze bedingen.
I. Gase, welche den chemischen Process des Athmens unter'
halten.
I. Dauernd und ohne Nachtheil für das Leben. Die atmo-
sphärische Luft. 2. Eine. Zeitlang, aber nicht dauernd; Sauer-
stolfgas und Stickstoffoxydulgas. Beim Athmen in Sauerstoffgn*
soll das Blut selbst in den Venen hellroth werden. Es soll zu-
letzt zerstörend wirken. Dagegen haben Allen und Pepys beim
Menschen keine Beschwerden, und liei einer Taube nur Unruhe,
nach dem Versuch aber Erholung bemerkt. Lavoisier und Sr-
GUiN sahen bei Meerschweinchen, die 24 Stunden in Sauerstoffge*
athmeten, keine Beschwerde. Allen und Pepys fanden beim Ath-
men in Sauerstoffgas mehr Kohlensäure als beim Athmen in at-
mosphärischer Luft gebildet. Dagegen wollten sie bei einer Taube
weniger Kohlensäurebilduug als in atmosphärischer Luft gefunden
haben. Schwindsüchtige befinden sich beim Athmen in Sauer-
stoffgas schlechter.
'Stickstoffoxydulgas unterhält zirar das Leben eine kurze Zeih
wdrkt aber doch schnell berauschend und betäubend, wobei Exal-
tation, subjective Sinneserscheinungen, Verwirrung des Geistes,
und zuletzt Ohnmacht cintreten. H. Davy Untersuchungen üb^
das oxydirte Stickgas, Lemgo, 1814. Ein Theil des Gases xvi*
beim Athmen dieser Gasart im Blut aufgelöst, welches purpui-
roth wird, die Farbe des Gesichtes, der Lippen, wird wie di®
eines Todten. Es entwickelt sich aus den Lungen Stickgas m'
kaum etwas Rohlensäuregas. _
II. Gase , welche zwar inspirahcl sind , aber nicht den chein^'
sehen Process des Athmens unterhalten.
1. Gase, die keinen positiven giftigen Einfluss ausüben, soä
dem nur aus Mangel der Gasart, die allein das Leben unterba ^
tödten. Stickgas und Wasserstoffgas. Nach Lavoisier’s und
guin’s Versuchen athmen Meerschweinchen in einem Gemeiio^
von gleichviel SauersLoffgas und W assei’stollgas ohne besondi
Beschwerde, indem sie ehen so viel Sauerstoflgas verzehren, j
in einem Gemenge von gleichviel Sauerstoffgas und Stickgas, ^
kein Wasserstoffgas absorbiren. Beim Athmen von Wasserstou^“^^
wird nach Allen und Pepys Stickgas aus dem Blut ausgehaiic
Nach Allen, Pepys und Wetterstedt (Beezel. Tluerchem. 1
macht Wasserstoftgas schläfrig. Frösche, die ich in mirem®
Wasserstoffgas, wie es eben aus Zink und verdünnter Scbw'e
säure bereitet wird, athmen Hess, wurden schon nach einig
1. Vom Aikmen irn Allsemeinen, Irrespirable Lufiarten. 279
Stunden wie sclielntodt; als icli aLer das Wasserstoffgas zu sol-
ciiem Zweck reinigte und von dem stinkenden Oel vermittelst
Hindurchleiten durch Weingeist befreite, lebte ein Frosch dann
Über 12 Stunden, indem er noch von Zeit zu Zeit athmete; nach
■^2 Stunden war er scheintodt, bewegte sich aber noch etwas, als
heraiisgenomrnen gekniffen wurde. In anderen bullen lebten
^ie Frösclie selbst 'in gereinigtem Wasserstoffgas nur 3—4
Stunden.
2. Giftige Gasarten. Roblen wasserstoffgas, Phosphorwasser-
«toffgas, Schwetelwasserstoffgas, Arsenikwasserstoffgas, Ko.hlenoxyd-
S^s, Cyangas? Atmosphärische Luft, die Schwelelwasser-
^lofl'gas enthält, tödtet nach Tuesard einen Vogel, -bFo cnen
Huntlj ^0 ein Pferd. Diese Gasarten tödten auch, wenn sie m
'^leinen Quantitäten ins Blut injicirt werden. Kysten. Vergl.
bas- 1-36. ....
JII. Gase., welche in grösserer Menge gar nicht einmal inspt,-
'■"■t werden können, indem sie eine krampfhafte Versehliessung der
^Gmmritze bewirken. In kleinerer Quantität erregen sie Husten.^
Alle sauren Gasarten, auch Koldensäure, ferner Chlor-, Stick-
stoffoxyd-, Fhiorboron-, Fluorsilicium-, Ammoniiikgas. Berzel.
'^hicrcii. 103. Gmei.in Chem. 4. 1527. Atmosphärische Luft mit
'’aehr als 10 proc. Kohlcnsäuregas ist bald erstickend. Flüssigkeit,
Nasser reizt wie feste Körper auch zu krampt hattcr Verscldies-
®'‘og der Slimmritze bis zum Ersticken, sehr wenig dagegen,
t^enn etwas Flüssigkeit einmal in den Lungen ist, und man kann
^Orch eine Oeffnung der Luftröhre ziemlich viel Wasser ein-
^Pritzen. Der Tod erfolgt im ersten Fall durch die Versehliessung
*^0*" Stimmritze, xvelche bei einem Loch in der Luftrohre ganz
''^Schädlich ist. .
Die Thiere, welche im Wasser leben, athrnen zum Thed at-
**'osphärische Luft an der Ohertläche des Wassers, rsde die Am-
bjdhien iindWassersäugethiere, durch Lungen, zum Theil athmen
®*o das Wasser seihst, oder vielmehr die im Wasser aufgelöste
t'ift, wie die Fische durch Kiemen. Das Wasser der Seen,
b^bisse und des Meeres enthält nämlich auch atmosphärische Luit
vielmehr Sauerstoffgas und Stickgas in bestimmten 1 ropor-
^‘onen aufgelöst, welche es aus der Atmosphäre absorbirt. v. lluM-
und Pbovekcal entwickelten durch Kochen aus Seinewasser
”,0264 — 0 0287 Theile seines Volums- Luft. : Diese enthielt 0,306
"'S 0,314 Theile Sauers+offgas und 0,06 bis 0,11 Theile kohlen-
^''ures Gas. Man darf sich' also nicht vorslcllen, dass das Wasser
®"lbst eine Veränderung durch das Athmen erleide, nur die darin
®"fgelöste Luft wird verändert, Sauerstoff daraus, absorbirt, iind
^pMensaure aus^eschieclen. Fische alliinen ini Wasser, ■welches
"'d Sauerstoffgas und Wassei'stoffgas irnprägnirt ist, nur das <si.-
das Wassersloffgas, bleibt 'unverändert. In ausgekochtem
.'Nasser sterben die Fische wegen Mangel an Sauerstoffgas schnell,
'"iierhalb 4 Stunden, wobei sie ihre Athembewegungen fortsetzen.
. "'estley sah Fische in luftfreiem, mit Stickoxydgas (.Salpetergas)
‘^prägnirtem Wasser 10 — 15 Min. leben, als aber die geringste
•^^nge atmosphärischer Luft hinzukam, starben sie unter Krampten.
280 II. Buch, Organ, chemische Processe, I. Ahschn. Athmen.
Der cljetnisclie Process des Atlimens ist niclit wesentlich von
den Alhmenhewegnngen ajjliängig; diese dienen nur znr Ventil^'
tion, d. li. das während dem Leständigen cliemisclien Process z^i'
sehen Luft oder Wasser und Blut vei’änderte Medium, Luft oder
Wasser, auszutreiben und frische Luft oder Wasser in den App®'
rat des chemischen Processes zu bringen. Die Lungen bieten
durch ihre innere Oberfläche eine ungeheure Fläche zur Wech'
selwirkung zwischen Blut und Luft dar, diese Wechselwirkung
beständig, weil die Lungen auch beim Ausathmen nicht von Lu^
leer werden. Die Verengerung und Erweiterung des Brustkastens»
dem die anliegenden Lungen folgen, werfen einen Theil der Pi'O'
ducte ans dem Beservoir der Lungen von Zeit zu Zeit aus, und
fuhren das neue Material zur neuen Production in das Beservoif
der Lungen. Die Fische nehmen das frische Wasser durch de"
Mund auf und treiben einen Theil darauf zwischen den Kieme®
heraus, wobei sie die Kiemendeckel ölfnen und sch Hessen.
Die menschliche Lunge enthält nach H. Davy nach möglichst
starkem Ausathmen noch 35, nach gewöhnlichem Ausathmen lO“
Cubikzoll Luft; nach Davy w'Crden gewöhnlich 10 — 13 C. Z. eio'
und ansgeathmet. Hebest (Mecr. Arch. 1828.) fand, dass grösscf®
Erwachsene hei ruhigem Einathmen 20 — ^25 C. Z., kleinere lö — -l®
C. Z. ein- und ausathmen.
Das Athemhedürfniss ist sehr verschieden, am grössten h®*
den Wirhelthieren, und unter diesen hei den warmblütigen.
warmblütigen Thierc sterben in der Luftpumpe schon innerhalb
einer Minute, Vögel in 30 — 40 Secunden. Amphibien dagegob
leben ziemlich lange im luftleeren Raume und irrespiraheln GaS'
arten, eine Schildkröte starb unter Oel in Carradori’s Versuche®
(an/2, d. chim. ei d. phjs. 5. 94.) erst in 24 — 36 Stunden. Frösch®
sterben unter Oel in weniger als 1 Stunde, unter lufthaltige"®
Wasser leben sie (durch Athmen mit der Haut) lange; nach E®'
WARDS lebten Kröten in der Seine in verschlossenen Köi’ben, TaS
lang, in luftlosem Vi"asser nach Spallanzani und Edwards eii'lS»®
Stunden. Edwards, Meck. Arch. 5. 141. Nach meinen Vei'»®'
eben lebten Frösche mit untei’bundenen und ausgeschnitten®®
Lungen circa 30 Stunden, wahrscheinlich durch Athmen mit d®
Haut. Ein Fi’oscb zeigte einmal in den vorher erwähnten Y®^
suchen in reinem Wasserstoft’gas noch nach 12 Stunden deutil®''
Lebenszeichen’ und athmete von Zeit zu Zeit, und war selbst na
22 Stunden nur scheintodt. ,
Wach V. Hümboldt’s und Provencjal’s Versuchen lebten Gol
fische in ausgekochtem Wasser 1 Stunde 40 Min.; nach
"Versuchen sterben Fische in wässeriger Kohlensäure und kohl®®^
saurem Gas in wenigen Minuten, während sie in Stickgas
Wasserstolfgas, worin sie ihre Kiemendeckcl schliessen, erst i®
Stunden sterben. Die Insecten sterben in Oel nach CarR*®®^^
sogleich, auch schnell nach Thevibakus, wenn man ihre Em
eher mit Oel bestreicht. Dagegen lebten Blaps- und Tenem|^^
Arten in BioFs Vei-suchcn unter der Luftpumpe in verdün®
Luit von 1 — 2 Millimeter Spannung 8 Tage. Bremsenlarven
ten nach den Versuchen von Schroeder v. d. Kolk lange
2. Organologie der Alhemwerkzevge. Lungen und Kiemen. 281
J'espiraLeln Gasarten. Die Larven einiger Insecten leben in fan-
^6nden Theilen von Pflanzen und Thieren und scheinen wenig
b’eies Sauerstoffgas zu bedürfen, obgleich man kein Insect kennt,
^ßlcbes nicht ein Luftrohrensystera und also Luft im Innern ent-
*‘*elte. Berzelius sah Larven in Quelhvasser leben, das koblen-
^aures Elsenoxydul und etwas Schwefelwasserstoffgas enthielt,
“'utegel scheinen lange ohne WasserernQuerung zu leben. Holo-
^^urien starben in Tiedemass’s Versuchen in Seewasser, das nicht
^»■neuert wurde, in einem Tage. Die Eingeweidewürmer scheinen
“«t-ch ihren Aufenthalt in belebten W'^escn das Athmen nicht zu
“pdürfen. Aber überhaupt scheint das Athmen zum Leben der
5‘edersten Thiere nicht wesentlich nothwendig zu seyn. Ueber
Athmen im Winterschlaf, siehe oben pag. 75., über das Ath-
der Thiereier unten Cap. 3, Die vorzüglichsten Arbeiten
'^»er das Athmen sind: Goodwyn on the connexion of life with
\^^piraiion. London 1788. Lavoisier et Seguin Ann. d. Qdm.Ql.
“^8. Menzie’s tejüamen physiol. de resp. Edinh. 1700. Grell Ann.
2. 33. H. Davv, Gilb. Ann. Iff. 2.98. Peaff, in Gehleic
de Chem. 5. 103. Provengal et Humboldt, Schweigg. J. 1.
Edwards Ann. de Chini. et de Phys. 22. 35. Dulokg,
^pttWEiGG. J. 38. 505. Despretz Ann. d. Chim. et de Phys. 26.
“■^7. SpALLAirzAHl mcm. sur la re^dration. Geneve 1803. Haus-
de anirn. exsang, respi. Hannop. 180.3. Sorg de resp. insect.
? »erm. Rudolst. 1805. Nitzsch, de resp. animallum. Viteb. 1808.
VssE, Meck.. Arch. 2. 195. 435. Trevirahus, ZcÜschr. für Phy-
4. 1.
II. Capitel. Organologie 'der Athemwerkzenge. '
Viele der niedersten Thiere scheinen mit der ganzen Haut
athmen. Das Alliemor^au entsteht, indem ein zur cliemischen
^f^'Snderung der Luft oder des luftlialtigen Wassers bestimmter
der Haut sich in einem kleinen Raume zu einer grossen
^“erflächc, welche den Contact zu Vermehren bestimmt ist, ver-
Ij^össert. Diese Vergrösserung der die Luft zersetzenden Ober-
geschieht entweder nach innen in den Lungen vXs s^chför- ^
oder verzweigte Höhlungen, oder durch Vei’mehrung der
berflgelie nach aussen, in der Kieme in Form von Blättcim,
'''eigen, Rammen, Quasten, Wimpern, federförmigen Auswüch-
j "i Formen, die so mannigfaltig sind, dasß die JJatur hierin gleigh-
^ die Aufgabe gelöst zu haben scheint, die denkbaren Formen
**■ Ffachenvermehrung nach aussen durch yorspringeiide Bildun-
t." *u realislren. Diese Art des Respirglionsorganss nennt rngn
ßig A.rt der Respiration$organe ist y'urch Contag^
^ll*^‘'^®brung der thieriseben Tbeile und' der Luft in einem durch
® Organe verzweigten Luft v.öbrensystem gegeben , welches sich
^ ' ^en feinsten Zweigen bis ln die kleinsten Theile aller Organe
^,/breitet. Diess ist das Tracheensystem der Insectea und
»j ^*'®pinnen. Die Lnngen athmen gemeiniglich nur doch
^ öS Ausnahmen, wie z. B. das Respirationsorgan der Holouin-
ü82 II. Buch. Organ, chemisch» Frocesse, I. Abschn. Athmen.
rien, -welches einen hohlen Baum mit hohlen Endzweigelchen
stellt, der von seiner Innern Fläche aus athmet, indem er
Wasser aufniinmt, das von Zeit zu Zeit ausgetrieben wird,
Kiemen athmen meistens Wasser, aber zuweilen auch Luft,
die Kiemen der auf dem Lande lebenden Crnstaceen, der LanJ"
assein. Lungen und Kiemen, in ihren extremen Formen durd'"
aus verschieden, nähern sich doch oft so sehr, dass es schn'®*^
ist, zu bestimmen, ob etwas Lunge oder Kieme ist. iVicht all®'®
dass die Kiemen der Cyclostomen, der Haien und der Roch®®
in den Wänden von Kiemensäcken angebracht sind, dass
Kieme der Ascidien unter den Molhi^sken ein Kiemensack i^f>
dem Athemorgan der Lungenspinnen ist die Vermischung
Charaktere noch grösser. Diese Organe hal>en die Charakl®’’
der Lungen und Kiemen zu gleicher Zeit, und wurden vicllc'®'
mit eben so viel Recht oder Unrecht von Treviranus Kiem®®’
als von mir Lungen genannt. Diess sind Säckchen, welche
Aufblasen durch ihr Luftloch fächerförmige blinde VorspriiäS^
am Rande des Säckchens zeigen, wie ich heim Scorpion gez®'»
habe, während das Innere der vSäckchen zugleich durch eine A®
zahl zarter Scheidewände in innere Fächerchen ahgelheilt
Diese Organe athmen Luft. Das Tracheensystem der Itiscci®
athmet meist Luft durch Luftlöcher ein; allein einige derjenir
i,.r®
Insecten, die im Wasser leben, athmen die im Wasser aufgelö- .
Luft durch kiemenförmige Anfänge des Tracheensystems, so J®’’
e®
sie die im Wasser aufgelöste Luft durch diese Tracheenkieif ^
in gasförmige Luft verwandeln, die dann in ihrem Luftröhren»?
steme weiter verbreitet wird. jjg
Bei den Infusorien scheinen die einzigen Athemorgane '
zarten, nur hei den ^ärksten Vergrösserungen sichtbaren
pern zu seyn, womit viele Iheilweise oder ganz besetzt sind. ^
den Polypen scheint die ganze Körperoberfläche dem AthemP'^^^
cess zu dienen. Bei einigen, wie den Alcyonellen, scheinen ‘
Büschel zugleich Riemen zu sevn. Unter den Echinodermcn ® ^
■ - - - - y - . ..-or»
oder Bäumchen mit Endzellchen, welches das Wasser durch
aus athmet. Bei den Seesternen sind die Respirationsorgane
Tiedemann weiche Röhrchen auf der Haut des Thiers, in w®
da: Wasser eindringen kann. Tiedemann Ana/omie d. BöhrO' .^^
lothurie eic. Bei den Anneliden sind die Ätbemorgane theiU
hüschtlförmige Kiemen, in Form von Zweigelchcn wie "’.jgii)
Arenicolun , und ähnliche Organe an den Füssen der
bald Alheiubläschen, die unter der JH aut verborgen liegen i
Lumbricinen, Naiden
, , — . — —
merkt; dass die eigentlichen Athembläschen der Hirudo 111®®' ^
tropfbarflüssige Absonderung, etwäs weniges weissliche 31®
det das Athemorgan bei den Holothurien ein hohles Strauch"^^U
al.®'!’
Stamm aufnimmt, und von der innern Oberfläche des Org®- r,
' iiiw
wovon jedes durch eine Oetrnurig nach aussen führt, wie b®' ^
id ’.K I
Hirudineen; ich habe indess ei"®®®' ^.jii®
¥ I
ilä
enthielten. .gii
Die Mollusken athmen theils durch Kiemen Wasser,
durcli Lungen Luft. Im ersten Fall sind z. B. die CephaföP®
ein Theil der Gasteropoden , die Acephalen, im zweiten F®
2. Organologie. Tracheensystem der Iiisecten.
283
sicli ein Theil der Gasteropoden , wie z. B. die Hellcinen
Limacinen. Die Kiemen stellen Falten oder Blätter da r, die
Parallel nebeneinander verbunden sind, oder von einem Scbafte
^*8eben, wie bei den Sepien, oder verzweigt sind, wie bei den
wo sie um den After stellen. Bel den zweiscbaligeii Mu-
sind jederseits 2 in der Länge des Tbieres verbuafende
'^“Ppelwandige Blätter, zwischen deren Lamellen zugleich die Eier
Wangen können, um sich zu entwickeln. Siebe v. Baeb, Meck.
1830. Bei den Ascldien bilden die Kiemen eine snekför-
5'ge Vörballe des Darmscblaucbes, wo die innere Haut gitter-
jWuige Vorsprünge bildet. Die luftatbrnenden Gasteropoden le-
theils im AVasser, wie z. B. die Süsswasserscbnecken , und
^^Ven Luft an der Oberfläche des AVassers, wie die Llmnäen
ll »•, tbeils leben sie auf dem Lande, wie die Limacinen und
s®''clnen. Das Albcmorgan ist eine sackförmige Lunge, deren
^liernloch sieb rbytbmiscb öffnet und schliesst.
, Bei den Crustaceen sind die Kiemen entweder wasserathmend,
bei den meisten, sie sind dann theils federförmig vereinigte
. i'Ber, wie bei den Braebiuren, theils Büschel von Fäden aus-
Hi ■ . .
le
'“'ckende Fortsätze, wie bei den Macruren, tbeüs einfache Blät-
j*') Avie bei den Whisserasseln. Die luftathmenden Kiemen der
/‘“Ailasseln stellen auch einfache hoble Blätter dar. Bei mehre-
. 1 t t
Lrustaceen sind die Kiemen mehr hlasenartit
g , wie hei den
^^Phipoden. Die Kiemen der Crustaceen sind entweder mit den
*'ssen verbunden oder mit der Unterseite des Bauches.
Die Spinnen zerfallen in Lungenspinnen und Tracbeenspin-
Die Atbemorgane der Lungenspinnen liegen an der untern
des Hinterleibes, bald 1 Paar, wie hei den meisten Spinnen,
2 Paar, wie hei den Mygalen, bald 4 Paar, wie hei den Scor-
Wf'idcn. Diese Organe, welche ich in Meck, ^rcJilo 1828. und
1828. 707. weitläufiger beschrieben habe, sind Säckchen, zu
y. Hien jedesmal ein Luftloch führt. In diesen Säckchen sind
11
‘<■‘11
— «-11 JCAlC91J(l(ll. *»***»...
, parallele Scheidewändchen oder Blätter aufgestellt. Die Ab-
...... J,
j '‘langen zwischen diesen Blättern springen am untern Rande
Kieme heim Aufblasen vor, so d ' “ '■
8 , Oßi hintern Rande abgetheilt ist.
Pllin
so dass die Kieme auch äusser-
Dic im Wasser lebenden
P“>nen, wie Aranea aquatica, nehmen zwischen den Haaren ih
. Keibes Luft mit in das Wasser hinab, die sie verzehren; doch
, ‘^cioes L,utt mit m das Wasser liinan, tue sic vcizcmcn, uocu
l'^hien die Hydrachnen so wie die Pyenogoniden nicht Luft zu
Die Tracbeenspinnen, wie Solpüga, Chelifer, Phatangium,
Sei,
o. & AA) - I AJ X / AI
sij] “'‘e Acariden verlialten sich im Bau ihrer im ganzen Körper
ti, ' ''erhreitenden Luftröhren , die durch Luftlöcher Luft erhaU
’i'id aussebeiden, wie die Insectcn. Duges hat auch Spinnen
?(,{®dera, Se gesti'ia) heohaebtet, welche Lungen und Luftröhren
‘<‘h haben. Die beiden hinteren der 4 Stigmen derselben
Traclieal-Stigmen.
*n ] Insecten haben ein Tracheensystem, die meisten athmen
Duft, diese nehmen die Luft durch eine Anzahl Luftlöcher,
meist an den Seiten der Leihesringe auf. Siehe die
lijy ' <‘*ingen des ganzen Luftröbrensystems mehrerer Insecten bei
de Serhes, Isis 1819. 4. Die Luftröhren führen die Luft
284 II, Buch, Organ, chemische Processe. I, Abschn, Athmen,
von den Stigmata theils in Säckchen, wovon die ührigen
röhrenstämmchcn ausgehen, theils in Längsstämme, die sich dar
das ganze Thier bis in die kleinsten Theile verzweigen. Bei mC '
reren, besonders hei den Orthopteren, sieht man deutliche Athc»^
Bewegungen durch abwechselnde Erweiterung und Verengerai's
des Hinterleibes. Vor dem Fliegen scheinen die Käfer sich
mehr Luft zu füllen, wobei ihre Flügel, die ebenfalls Lnftröhr
enthalten, sich entfalten. Treviranus hat neulich behauptet, da^^
die Stigmata einiger Insecten ganz undurchhohrt sind. Die®*
indess von Buemeister bereits verneint. Burmeister EntomoloS'
Berlin 1832. p. 172. Ueher den Bau der Luftlöcher siehe Ba>‘
MEISTER ehgnd. i i t n ai*
Einige Insecten leben im Wasser und athmen doch Lutt ^
der Oberfläche des AVasscrs, wie die Larven mancher Dipt^lj
die Wasserwanzen und einige Käfer, die im Wasser leben.
Ilytisken kommen an die Oberfläche des Wassers und nehn“'^|
die Luft in Luftlöcher am After auf. Die Hydrophilen neh»'^^^
Luftblasen zwischen dei» Haaren ihres Körpers mit in die Ti« '
Beide Käfer haben iluiq Luftlöcher als Larven am Schwänzen^ '
Buemeister. Die Larvep.der gemeinen Stechmücke, Culex
haben eine Athemröhre am letzten Hinterleibsringe, die PupP'^^^
derselben 2 Athemröhren aus dem Brustkasten hervorragend. A'^
dere dieser Mücke verwandte Gattungen dagegen athmen als.B®’
yen Wasser mit Kiemen. Aber die Larven der Federmücky
Chironornus, haben wieder zwei Athemröhren am Schwanzghey
Bei den Stratiomys endigt das letzte Glied de? Leibes in
Athemröhre. Sehr interessant ist die Athemröhre der
der Gattung Eristalis, die im Schlamm von Pfützen, Gossen 'y
Abtritten leben. Das , letzte Glied des Leibes verlängert
eine häutige Röhre, in welcher eine zweite hornige steckt, y
wie, die Atbenuöhre der Culex und Stratiomys zur Suspen®‘_j^
auf der Wasseroberfläche mit einem Borstenkranze versehen
Die Larve richtet dieses Rohr, dessen inneres Stück, wenn ^
nöthig ist, hervorgeschohen wird, bis an die Oberfläche des'
sers, die Röhre kann: zu diesem Zwecke aussorordentlich ver y
gert werden,, während die Larve auf dem Grunde lebt und j
der Oberfläche des Wassers athmet. Buemeister EntomoIoS^^^^^
178. Auch einige Wasserwanzen, Kepa und Ranatra haf
Athemröhren.
Einice Insecten, die als Larven im Wasser leben, athn*
J V4AV.. ■■ ?
obgleich sie in ihrem Innern ein Luitröhrensystem haben, zun*'
"VVas-ser. Diese besitzen statt Luftlöcher, Kiemen, als Anfäng®
Laftröhren. Diese Kiemen haben die Function, die im
aiftgelöste Luft von dem Wasser ahzuscheiden, und im gaste
een Zustande dem Luftröhrensystem zu überliefern. jlc
Die Kiemen sind theils haarförmige Fäden, deren
Anfänge der Luftröhren enthält. Diese Haare sind bald
vereinigt, bald verz^yeigt. Solche Kiemen haben z. B. die
und Puppen mehrerer Mücken. Blattförmig sind die
mehrerer Neuroptera. Mit haarförmigen Kiemen an den
der Ringe athmen die Larven des Drehkäfers Gyrinus. A-m
2. Organologie. Kiemen der Fische. KiemengerüsL
r
.-v-r»
■T *
“gsten sind die Kiemen bei den Larven der Nenropteren, Bei
^pbemera sind es flossenartige Kiemenblättchen an der Seite des
Leibes, im Innern der Blättchen beginnen die Zweige der Luft-
l'oliren. Die Riemen der Larven der Wasserjungfern liegen im
®^zten Leibesringe, bei Agrion bilden sie 3 grosse gefranzte Blät-
Die büschelförmigen Riemen der Larven der Libellen liegen
Mastdarme, so dass die büschelförmigen Enden der 'Luftröh-
^.^ästamme, die Haut des Mastdarms durchbohrend, in die Höhle
p®* Mastdarms hereinragen. Die Larven der Phryganeen und
ßdablls besitzen faden- oder blattförmige Fortsätze an den Seiten
Hinterleibs. Unter den Dipteren atlimen die Larven der
J'üonomus Luft durch Athemröhren, die Puppen aber die im
Jasser aufgelöste Luft durch Riemenbüschel am Brustkasten.
,|*öpheles athmet als Larve mit Riemen am Schwanzende, mit
k^heiuröhrcn als Puppe. Unter den Schmetterlingen lebt die
einer Motte, Botys stratiotalis, im Wasser. Eine ausführ-
Y'cre Darstellung der Athemorgane hat Burmeister in seiner
naalzbaren Entomologie gegeben, wovon hier ein Auszug mitge-
5 worden. Abbildungen der Riemen der Wasserinsecten hat
j^’'’^Kow in Heusingeh’s Zeitschrift für organ. Physik. B. 2. gege-
Wenn die mit Riemen athmenden Larven und Puppen sich
»®*'"'andeln, verlieren sie ihre Riemen, und athmen Luft durch
'Blöcher.
1| , Ueber den Bau der Kiemen der Fische hat Rathke gründ-
5 Untersuchungen angestellt. , Untersuchungen Hier den Kiemen^
und das Zungenbein der Wirbelthiere. Riga und Dorpat
Das Folgende ist zum Theil ein Auszug derselben.
^ 1. Kiemengerüst. Der Unterkiefer der Gräthenfische ist an
5^'^ Quadratbein aufgehängt, einem Suspensorium, welches hier
>nehreren Stücken besteht, an welche sich hinten noch 3
*'^ke des Riemendeckels anschliessen.
'Ic Unterkiefer folgt nach hinten bei den Gräthenflschea
, ^ungcnbeingürtel. Diess sind 2 aus mehreren Gliedern be-
(, ®nde Bogen, deren Extreme mit dem Quadralbein verbunden,
Sa unten in der Mitte hinter der Zungenstütze vereinigt
iigj »Zwischen sich oft eine Copula und unter sich den Zungen-
haben. An den Bogen des Zungenbeins die knöchernen
J^ranchiostegi, Kiemenhautstrahlen.
4 j. Hinter dem Zungenbeingürtel liegen bei den Gräthenfischen
(il^^»ochen gürtel, die Riemenbogen, an welchen die Riemenblätt-
i'ej ^ die Zähne eines Kammes befestigt sind. Das gefäss-
n der Kiemenblättchen ist durch knorpelige Stützen,
*^*attchen , entsprechend getragen, welche man den radii
big ^ des kiemenlosen Zungcnbeingüi-tcls vergleichen kann.
doj^V^ßienbogen bestehen aus mehreren Stücken, meist vier, in
ütj j “'otersten weniger. Bei vielen Gräthenfischen befinden sich
Innern Seite der Kiemenbogen mehrere kleine Rnochen-
kleinen Zähnen.
Kens
Ist das oberste Glied eines Kiemen-
stärker bewaffnet, so wird es zum obern Schlundknochen,
superius. Zwischen den unten paarweise verbun-
^ieinenbogen befinden sich 2—4 Knochen- oder Knorpel-
286 II, Buch. Organ, chemische Processe. I, Alschn. Athmen.
stücke als Copulae derselben. Hinter dem letzten Paare der
menbogen liegen die unteren Sclilundknocben oder die Scliluo '
kicfer aus einem Stücke Jederseits bestehend. Sie stellen
sam einen Ricmenbogengürtel dar, der aber ohne Riemen
Die Riemenbogen und Sclilundkiefer liegen bei den meisten
sehen unter dem Schädel, bei anderen zum Theil unter den
steil Wirbeln.
In den Haifiseben und Rochen tragen die knorpeligen Q"j|j
dratbeine den Unterkiefer und die Zungenbeinbogen. ' Soi'®,
mit dem Quadratbein als dem Zungenbeinhogen sind RnoiP'^
streifen in Form von Strahlen verbunden. Die Rnorpelstral'*
des Quadratbeins entsprechen den Riemendeckelstücken, wele ^
bei den Gräthenfischen am Quadratbein angeheftet sind, die Re®*^
pelstrahlen der Zungenbeinbogen entsprechen den radii
chiostegi der Gräthen fische. Die 4 knorpeligen Riemenbogen
Haifische und Rochen liegen unter dem Anfänge der Wirbelsä'j
Sie bestehen aus
4 Segmenten.
Eine Rnorpelplatte hinter
Je"
sei'«-
Riemenbogen entspricht den Scblundkiefern der Grälhenfisc'
Die Riemenbogen tragen auch Rnorpelstreifen , die nach auS’‘^’
und hinten Avie Strahlen gerichtet sind. .
Bei den Larven der Salamandrincn, Frösche und bei ® ^
Proteideen ist das knorpelige Riemengerüst zum Theil aus
liehen Theilen gebildet. Das Quadratbein trägt den Unterkic*'^’
in der Regel auch das vordere Zungenbeinhorn. Die Riemei'*'‘’U
gen bestehen nieht aus mehreren Segmenten; es sind 4 Bo?, ^
(beim Proteus 3), sie sind an die einfachen oder doppelten
teren Zungenbeinhörner befestigt, die Rathre für Segmente o
Riemenbogen selbst ansieht.
Bei der Verwandlung bleiben die Zungenbeinhörner Be*’ j ,,i
trachier und Salamandrincn nebst dem Milteistück und veräno'^^j,
sich. Die Riemenbogen verschwinden, nur von dem ersten BOa
verbindet sich ein Rest mit den 2 Zungenbeinhörnern beim
lamander. Siebold. Bel den Coecilien besitzt das Zungen^
durchs ganze Leben 4 Paar Bogen. Vcrgl. Rusconi descrt^^
anatondca degli organi della circolaziune delle Larve delle Salamon^
SiEBOLD observ, de Salamandris et Tritonibus. Berol. 1828.
roerkenswerth ist, dass die Hörner des Zungenbeins bei .y
dechsen selbst, im erwachsenen Zustand noch 2 Paar oder s®
3 Paar Bogen darstellen. Rathke hat nun eine gleichlauf®
Reihe von Beobachtungen an Embryonen der Säugethiere
stellt, woraus ebenfalls hervorgeht, dass die zarten RiemenbOs^,,
derselben, wie bereits pag. 160. erwähnt Avurde, in das Zu'Jr jj,,
bein zuletzt reducirt werden, indem namentlich der Ztingcnb
bogen vorderes, der erste Riemenbogen zweites Horn i ,)ii
genbeines wird, dass aber die Riemenbogen nichts zurAusbiü^ j
des Rehlkopfcs beitragen, dieser vielmehr selbstständig entst®j^jp
2. Kiemenbliitier. Die Riemenblälter der Grälhenfische ,
den an jedem Bogen eine doppelte Reihe von lanzettförO’^^ßD
Blättchen, die wie Zähne eines Rammes auf den Riemco ^
aufsitzen, an ihrer Basis sind sie häufig auf eine gewisse Höh®^
einander verwachsen. Die Riemenblätter schicken wieder 1
‘2. Orffanologie, Kiemen der Fische. Kiemenhlütter. 287
l^'einere BlättercKen aus. Die Kiemenarterien treten am untern
■•^nde der RiemenBogen ein, verlaufen in der Furche an der C9n-
des Bogens bis zum obern Ende, dünner werdend, die
^'fimenvenen in umgekehrter Richtung, so dass diese unter der
^'rhelsaule zu dem Arteriensystem zusammen treten. Auf jenem
^Rg gieht jede art. hranchialis so viel Aeste als Rieinenhlätter.
p'cseAeste theilen sich zweimal gabelförmig, und führen in quere
ppillargefäse der feinsten Kiernenljiattclien, aus welchen auf ähn-
’clie Art die Venen auf der entgegengesetzten Seite der Kiemen-
- "ttchen entstehen. Guvier hist. nat. des Poissons. Tah. 8. Ueher
j’ehenkiemen siehe Ratuke a. a. O., über die haumförmigen Ne-
J®>»kiemen des Heterohranchus anguillarls Burdach’s Phfsiol.4. 161,
^'^Renbeeg hat bei Sudis aegyptiaca ein mit den Kiemen verbun-
äusserst rathselhaftes spiralförmiges Organ entdeckt. Ueher
runzeligen Nebenkiemen der Anahas und anderer Fische, die
^Rsser dem Wasser einige Zeit zubringen, siehe Guvier hist. nat.
Poissons. Tab. 205. 206. Im Fötuszuslande besitzen die Hai-
"‘^che und Rochen auch fadenförmige äussere Riemen, die merk-
'''’irdiger Weise auch aus dem Spritzloch (vor dem Quadratknor-
hervorragen, wodurch dieses Loch an die übrigen wahren
^‘Einenlocher erinnert.
Die vStöre besitzen eine halbe Kieme am Kiemendeckel, eben
die Haifische und Rochen am Gürtel vor den Kiemenbogen,
den Gräthcnfischen und bei dem Stör sind die Riemenbogen
Reh jigp iuissern Seile frei, und nur von dem beweglichen Kie-
RRdeckel bedeckt, oder von der Kiemenhaut bis auf eine OelF-
bedeckt, wie beim Aal. Bel den Haifischen, Rochen dage-
' geht von jedem Kiemenbogen zwischen den Kiemenblättchen
^1.
vordem und hintern Seile eine häutige Fortsetzung bis zur
die bei diesen Thieren die Riemen ganz bis auf 5 Oeffnun-
j®.** bedeckt. Dadurch entstehen vollständige Scheidewände zvvi-
'Rfi Schlund und Haut, in welchen die Kiemenbogen eben lie-
i'J- Von diesen Riemenbogen gehen die Kiemenblälter als pa-
^ ‘leie Fältchen der Schleimhaut, welche diese Säcke auskleidet,
h'®' Von den 5 Oeffnungen zu 5 Riemenhöhlen liegt die erste
j!*'ter der ersten oder halben Kieme und dem 1. Rierneiibogen,
2., .3,^ 4_ Oeffnung zwischen den 1 — 2., 2 — 3., 3 — 4. Kie-
j^.Räbogen , die 5. Oeffnung hinter dem 4. Kiemenbogen. Die
ätere Wand der 5. Kiemenhöble ist ohne Kiemenblättchen.
Q ^^ei den Gvclostomen giebt es auch Riemensäcke mit äusseren
j “äungen, indem je zwei Kiemen zu einem Sack sich verbin-
U •. Die Riemenbogen fehlen, und statt deren giebt es bloss
S 1 1 ge Scheidesvände, welche nach zwei Seilen hinten mit
bii *1 ®*’^baul ausgekleidet sind. Starke Falten dieser Schleimhaut
die Riemenbläller. Bei Ammocoetes sind 6, bei Petro-
7 Kiemensäcke und Oeffnungen. Bei Ammocoetes öffnen
inneren Kiemenlöcher der Säcke in den Schlund, gleich
(la_ Kiemeuspalten der Gräthenfische. Bei den Petromyzen
dgj öffnen sich die 7 inneren Kiemenlöcher in einen vor
Peiseröhre liegenden, am Ende blinden, vorn mit dem Munde
*^*nenhängenden Bronchus.
288 II. Buch, Organ, chemische Processe. I. Abschn. Athraen,
Die Frosclilarven haben in ihren auf der rechten Seite
auf der linken Seile bis auf ein kleines Loch bedeckten Rienie®'
höhlen 4 mit Riemenblättchen versehene Kiemenhogen. In
Kiemenhöhlen brechen auch die vorderen Extremitäten hervO^^
Die Salamanderlarven haben bei 'äusseren Kiemen 4 Kiemensp®
ten. Unter den Proteiden hat Siren 3, Proteus 2, Axolotl 4
menspalten, heim letzten ist die erste Spalte zwischen dem .has-
tigen Riemendeckel und 1. Bogen; der 4. Bogen ist angewachseS^'
Alle Proteideen haben wie die Salamander keine innere,
äussere Riemenbüschel, von Riemenbogen ausgehend. Bei de
Proteus sind nach Ruscosi die Kiemenarterien die Aeste ^
truncus arteriosus, die Kiemenvenen vereinigen sich zu dem Af'
teriensystem des Körpers, aber die Kiemenarterien anastomosir®
auch mit den Wurzeln des Arteriensystems. Ebenso hei de
Larven der Salamander, so dass die Riemengefässe gleichsam Ae«
von Aortenbogen sind, auf welche sich die Blutbewegung nae^
dem Verluste der Riemen zurück zieht. Die Kiemenarterien
Venen der Froschlarven verlaufen in entgegengesetzter BichtinJ'
anastomosiren aber auch mit einander. Vergl. oben pag. 1 s '
Die Proteideen und die Frosch- und Salamanderlarven in o«
spätem Zeit athmen ausser dem Wasser durch Kiemen auch B“*
durch die Lungen. _ _ .
3. Kiemendecken. Bei den Gräthenfischen sind die Klena®
durch die Deckelstücke, welche dem Quadratbein verbunden si« '
gemeinschaftlich gedeckt, Bel den Haifischen und Rochen,
die Riemen bis auf blosse kleine Oeffnungen zwischen 2 Rieme'^
bogen von der Haut bedeckt sind, giebt es nicht allein an de
Quadratknorpel jene die Rieinendeckelstücke vertretende RnO '
pelstreifen, sondern mit jedem Riemenbogen liegt noch unter
Haut ein Knorpelstrellen parallel. Diese bilden eine obere
eine untere Reihe, in welchen gleichsam die Stücke des Kieme®
deckeis der Gräthenfische mulliplicirt sind. Rathke a. m
Tab. III. fig. 1. 2. Diese äusseren Kiemendeckelknorpel bild®^
sich bei den Petromyzen zu einem sehr zusammengesetzt
’äussern Rnorpelskelet der Kiemen aus, während das Kiemenb
genskelet bei diesen Tbieren in den Scheidewänden der Kiem^'
sacke fehlt. _
Bei den Salamanderlarven, dem Proteus und Axolotl ist
kiemendeckelartige Platte vorhanden, die aber keine Rnocb«^^
oder Knorpelstücke enthält, und die häutige Riemendecke
Froschlarven, welche die Kiemen bis auf die eine kleine Oeff'*® ‘
auf der linken Seite bedeckt, ist auch eben bloss membraOj,^
Hieraus geht nun hervor, wie Rathke bewiesen hat, dass
Kiemendeckelstücke am Quadratbein der Fische keinem Rnoc^^^
bei höheren Thieren entsprechen, sondern den Fischen
thümliche Bildungen sind, die am wenigsten mit den tjchöi^^^
chelchen der höheren Thiere verglichen werden können.
letztere nicht aus Theilen der Kiemenbogen entstehen, wie Ho*® j(
vermuthet hatte, geht aus der Beobachtung von Windiscb*‘j^^|^
hervor, dass der Axolotl Kiemenbogen und doch 2 Gehörknoc
eben (ohne Trommelhöhle) besitzt.
2. Organoldgie. Structur der Lungen.
289
UeLer den Bau der Atliemwerkzeuge der Ampliiblenlarven
*ncl Proteideen siehe Cutier oss. fossil. T. 5. 2. Humboldt und
Leohneht. aus der ^ool. Tiih. ISOö, Buscosn^ Confi-
^^■UcHi del proieo angutno. Paina 1819. J. Mueller’s Beiträge zur
^ Urgeschichte und Anatomie der Amphibien, in Tiedemank’s Zeit-
für Physiologie. 4. 2. und vergleiclie oben pag. 159.
Die Lungen der Amphibien sind eigentlich blosse Säcke, mit
^•lenförmigcn Vorsprüngen iiii Innern, wodurch die Fläche ver-
ehrt wird. Die Lungen der meisten nackten Amphibien haben
eine häutige, meist sehr kurze Luftröhre, bei den Batrachiern
älirt der Kehlkopf fast sogleich in die häutigen Bronchien. Die
j^ste Erscheinung von Knorpelstücken in den Bronchien ist bei
äetviethra, wo sie ganz unregelmässig verzweigte und selbst
^‘>rchlöc[,erte Platten bilden, ohne alle Aehnlichkeit mit Luftröh-
®nringen. Knorpelringe kommen an den Bronchien der ver-
j, ®*'dten Pipa vor. Die Luftröhre der Coecilien enthält schon
®geltnnssige Knorpclringe. Bel den beschuppten Amphibien ver-
p’'ossert sich die athmende Fläche durch Vermehrung der Zellen
Innern. Die Lungen der Vögel füllen nicht, wie hei den
augethieren, den grössten Theil der Brustliöhle aus, sondern lie-
hen ini hintersten Theil derselben (an den Bippen sogar verwach-
während Brusthöhle und Bauchhöhle noch nicht durch ein
p'''®rchfeU geschieden sind. Auf der Oberfläche der Lungen be-
den sich aber OelFuungen, welche die Luft aus den Lungen
Jupiter in grosse Zellen um den Herzbeutel her und zwischen den
.'j^S^weiden des Unterleibes führen, so dass man durch die Luft-
^ hre diese Zellen aufblascn kann. Durch Anlüllcn der Zellen
sich indess, wie Kohlrausch {de avium saccorum aeriorum
Gott. 1832.) zeigt, der Vogel für den Zweck des Fliegens
^ '^ht leichter machen. Diese Zellen stehen sogar durch beson-
Oeffnungen mit den hohlen Knochen in Verbindung, so dass
>neisten Knochen (mit wenigen Ausnahmen) mit Lull gefüllt
d. Hierdurch ist der Körper des Vogels natürlich leichter, als
^dön seine Knochen Mark enthielten. Wenn ein Vogel aus ei-
te*" ^^ddeutenclen Höhe, wo die Luft sehr verdünnt ist, in dich-
Luft sich herahsenkt, so wird die Tension der Luft im In-
d seines Körpers sich mit der Tension der Atmosphäre schnell
^as ^^dichgewicht setzen. Die Lungen der Vögel haben noeh
pj'l^dsgezeichnete, dass ihre Luftröhrenzweige zuletzt kurze blinde,
ejij"dnartig neben einander liegende Röhren bilden, derenWände
-Structur haben. Beim Embryo der Vögel sind diese
noch deutlicher und von einander mehr getrennt mit
kg^dnschwellungen. Siehe Retzius, Froriep’s JVot. 749. Retzius
Bq d^I^t auch, dass die Röhrchen bei den Vögeln mij; einander
8i^j*^’*uiciren. Die Lungen des Menschen und der Säugethiere
kg ''’un jenen wesentlich verschieden gebaut, dass, wie Retzius
feinsten Luftröhrenzweige, ohne Cellulae parietales
in Cellulae terminales führen. Die Zellen commuöi-
®^^Lt miteinander, sondern nur mit ihren znführenden Luft-
l^25^''*weigelchen. Nach Reisseisen {de fabrica pulmonum. Berol.
•) hat in der Lunge des Menschen jede Zelle noch ihre
290 n. .Buch. Organ, chemische Processe. T. Abschn. Athmen.
kleine Arterie und Vene, zwischen denen 'die CapillargefässneU®’
Letztere sind ausserst dicht, so dass die Zwischenräume fast klei-
ner sind als der Durchmesser der Capillargef ässe. Eine Lunge”'
zelle ist 20 mal im Durchmesser grösser als der Durchmesser eine*
Capillargefässes in den Wänden dieser Zelle. Da derDurchmesser dei
Lungenarterie kleiner als der Durchmesser der Aorta, de*'
Durchmesser der ersten zu dem der zweiten wie 5 zu 6, so s'”*'
kalten sich ihre Durchschnitte wie 25 zu 36, oder fast wie 2 zu
Verhielten sich die feinen Zweige der Lungenarterienäsle z”*"
Lungenarterie so, wie die feinen Zweige der Köi-perartcrien z”
der Aorta, so würden die Durchschnitte der Capillargefässe de*"
Lungen des Haums einnehmen, den die Durchschnitte allß*'
Capillargefässe des übrigen Körpers fassen. Diess ist aber sei**'
unwahrscheinlich, daher man annehmen muss, dass die Raumvc*^'
mehrung hei der Verzweigung der Körperartcrien in einem sve**'
grossem Verhältnisse zunimmt als in den Lungenarterienästen. Jhi*
Athmen geschieht durch Contact der Luft und des Blutes, w»'*'
rend dieses durch die unzähligen Capillargefässe der Lungenz”^'
len vertheilt vorüber strömt, wobei die kleinsten Theilchen d®*
Bluts der Einwirkung der Atmosphäre auf der ungeheuren Co”'
tactsfläche aller Lungenzellcn ausgesetzt werden. Die Wechsel'
Wirkung geschieht durch die zarten Wände der Capillargefäs*®
nach den Gesetzen, welche schon pag. 230 — 236 erläutert wo*"'
den sind.
III. Capitel. Vom Athmen des Menschen und der
T h i e r e.
1. Vom Athmen in der Luft.
Die ersten genauen Versuche über das Athmen sind von h^'
voisiER und Seguin angestellt. Man fand, dass die ausg eathm”^®
Luft mehr Kohlensäure und Wasser enthielt, dass der Gehalt
SanerstofFgas darin geringer ist, als in der eingcathrneten L”* '
und dass die Luft durch das Athmen etwas mehr SauerstolfS*^*
verliert, als Kohlensäure erzeugt wird. Weil nun ein Maass Sau”*^'
stolTgas, das durch Verbindung mit Kohlcnstoll' Kohlensäure
zeugt, wieder ein Maass Kohlensäurcgas bildet, so schloss i””"’
dass der grösste Theil des beim Athmen verschwindenden Sau”*
stoffgases durch Verbindung mit Kohlenstoff des Blutes in dv.j
Lungen Kohlensäure bilde, die frei werde, und der übrige
des beim Athmen verschwindenden Sauerstoffgases durch Verbj”^
düng mit Wasserstoff des Blutes das ausgeathmete dunstförM*'»^
Wasser bilde. Die . Menge des durch die Lungen ausgeschi®”
nen Wassers beträgt bei einem Erwachsenen in 24 Stunden
dem Mittel der Beobachtungen von Lavoisieh, Menzies, Abehk®'*^'’ J
Thomson und Hales 7963 Gran. Vergl. den Artikel Ausdünsi^,^^
im 2. Buch. 4. Abschn, 7. Cap. Dieses Wasser enthält etwas tb*
rische Materie. Gmeein Chemie 4. 1324. uj
H. Davv athmete fast eine Minute lang (19 Respiratio””
161 Rubikzoll Luft, welche 117 C. Z. Stickgas, 42,4 C. Z. Sauf^’jj
stoffgas, 1,6 C. Z. kohlensaures Gas enthielten. Hernach ent”*
3. Athmen d. Menschen u. d. Thiere. Ailnnen in der Luft. 291
'lie Luft 111,6 C, Z. Stickgas, 23,0 C. Z. Sauerstoffgas, 17,4 C. Z.
■^ohlensaures Gas. Gilb. Arm. If), .307. In einer Minute Avurden
«Iso 15,8 C. Z. kolilensaures Gas ausgescliieden. Allen und Pepys
'abeu eine sehr musterhafte Uijtei'suchung des Atlimens ange-
Phil. Transact. 1808. 1809. Schaveigg. J. B. 1. und Meck.
■^fch. 3. 233.
Einathmungen und Ausathmungen geschallen aus und in ver-
®chiedenc Gasometer. Der 13. Versuch ist A'On besonderem In-
gresse. Ein Wassergasometer Avar das Reservoir der atmosphä-
''■schen Luft, Avelche eingcathmet Avurde, Quecksilbergasometer
' 'enten zum Auffangen der ausgealhmeten Luft. jVachdem 11
v.«ecksilbergasonieter mit ausgealhmeter Luft angefüllt waren,
Uhr der Athmciule so lange fort in dem zAVÖlftcn zu athmen, bis
US Wassergasometer wieder mit frischer Luft gefüllt Avar. Dann
^Urden wieder 11 Quccksilhergasornetcr und spater ebenso zum
2*’Ütenmal mit aiisgeathmeter Luft gefüllt. Der Versuch dauerte
Min. Die Avährend dieser Zeit eingcathmete Luft betrug
• tl ausgeathmete 9872 C. Z. Hundert Theile der ausge-
u hnieten Luft gaben bei der Prüfung 8 Theile Kohlensäure, 13
. '•Uerstoff, 79 Stickstoff. Hiernach beträgt die ganze Menge der
vj. Minuten erzeugten Kohlensäure 789,76 C. Z., oder für die
*htiuie 32 C. Z. engl.
Als in dem 14. Versuch 300 C. Z. atmosphärische Luft 3 Mi-
jjUten lang geathmet Avordeo, betrug die Kohlensäure doch nur
Theilen Luft. Häufige Vviederholung der Versuche
l’Suh, dass tlie eingeathmete Luft mit 0,08 bis 0,085 proc. Koh-
^'.'''hire beladen ausgeathmet Avird, und dass, Avenn man das Ein-
j ‘UAeii derselben Luft so oft als möglich Aviedcrholt, die Menge
erzeugten Kohlensäure nicht über 0,10 in 100 Th. der gan-
Luftmasse beträgt. Während im 13ten Versuch bei 24^ Mi-
langem Athmen frischer Luft 789,76 C. Z. oder in der
“'»Ute 32 C. Z. Kohlen säure ausgeathmet wurden, Avurde (Ver-
uh 3 Minuten langem Athmen derselben 300 C. Z. Luft
lg“ X 9,5 = 28,5 C. Z. oder in einer Minute 9,5 C. Z. Koh-
^ sauve gebildet und ausgeathmet. Im Versuch 13 Avaren in ei-
^Lnuie = 403 G. Z. frische atmosphärische Luft durch
“Suu S^öuugen, imVersuchll in einer Minute nur^=z: 100
AA'ar im Versuch 13 in 1 Minute circa 4 mal mehr
Luft durch die Lungen gegangen, als im Versuch 14, und
dpi**' uueh 3,3 mal mehr Kohlensäure als im Versuch 14 gebil-
^ »»'Orden.
( Vgf und Pepts nehmen als Mittel ihrer Beobachtungen
11 an, Avo während 11 Minuten 302 C. Z. engl. (250
C, 2' Kohlensäure ausgeathmet wurden, Avas 22,7 franz.
dasj ‘.Kohlensäure auf die Minute beträgt. Sie fanden ferner.
Bis *^*' ^lonsch beim Athmen in Sauerstoffgas mehr Kohlensäure
AiQa c "“»»osphärischer Luft erzeuge. So wurden beim Athmen
l'djO ^'»orstoffgas im Versuch 17 auf 100 Theile Sauerstoffgas
*^“V®'>*öure erzeugt. Hierbei wurde eine beträchtliche
^tickgas entwickelt. Beim mehrmaligen Ein- und Ausath-
Ofselben atmospb. Luft fanden sie weniger kphlensaures Gas
19»
292 II. Buch. Organ, chemische Processe, I. Ahschn. Athmen.
vor als Sauerstoff verschwunden war, z. B. 86 Stickgas, 4 Sauer-
stoff^as, 10 kolilens. Gas, da doch 17 Sauerstofigas verschwunden
waren/ Diess erklären sie dadurch, dass vom Blut ein Theil de*
kohlensauron Gases zurückgeh alten wurde. _
Bei ihren Versuchen mit Meerschweinchen (Meck. Archiv o-
233.) fanden Ai.les und Pepys, dass heim Athmen von atmosphä-
rischer Luft 'ein Volum Sauer^toffgas durch ein Volum Kohlen-
säure ersetzt werde. Beim Athmen von reinem Sauerstoffs“*
wurde etwas mehr Sauerstoffgas ahsorhirt als Kohlensäure erzeugh
und durch eine entsprechende Menge Stickgas ersetzt, ehens
beim Athmen eines Gemisches von Wasserstoffgas und Sauerston'
gas, in dem Verhältnisse wie Stickgas und Sauerstoffgas in de»
atmosphärischen Luft.
Bei einem 20 Jahre später angestellten Versuch mit Tauben»
fanden sie, dass in reinem Sauerstoffgas mehr von diesem ahsot
birt werde, als zur Bildung der ausgeathmeten Kohlensäure vC'
wandt wird. _ . ^
Dulong (Schweigg. Journ. 38. 505.) brachte die Thiere in n*'
nen Apparat, zu und von dem beständig Luft zu- und abgeleiff
werden konnte, so dass die Veränderungen der Luft quantitati^
bestimmt werden konnten. Vergl. den von Ali.e:? und Pepys a”'
gewandten Apparat (Meck. Archiv 3. Tal>. 5.). Dulosg fand, da*
alle Thiere, fleisch- und pflanzenfressende, Säugethiere undVög“'»
mehr Sauerstoffgas verschwinden machten, als Kohlensäure
dessen Stelle trat. Bei den pflanzenfressenden Thieren betr>>?
die Menge des nicht durch Kohlensäuregas ersetzten Sauersto»'
gases im Durchschnitt derjenigen Menge, die durch Kohle'j
räuregas ersetzt war, bei den Fleischfressern dagegen
Aehnliche B.esultate, nämlich einen Verlust von Sauerstoffgas, fa”^
Despretz in seinen schon hei dem Artikel von der thierischa^
Wärme pag. 81. erwähnten Versuchen. Das erzeugte Kohle*»
säuregas betrug -f — -l vom verschwuP-denen Sauerstoffgas. ,
Nach Davy, Pfaff, Berthollet, Ali.es und Pepys zeigt
die atmosphärische Luft nach einmaligem Ein- und Ausathn» ^
dem Umfange nach vermindert. Nach Allen und Pepys
diese Verminderung, die sie nur ylj fanden, von zufälligen
ständen abzuleiten (?). Wird dieselbe Luftmenge wiederholt e»
und ausgeathmet, bis sie nicht mehr vertragen wird, so zeigt
eine deutliche Volumsverminderung, nach dem Mittel der Beoba*»^^
tungen von Lavoisier, Goodwyn, Davy, Alles und Pepys, P^'*
.55. Gmelib’s Chemie 4. 1525. „
Gmelin hat die Resultate der verschiedenen Analysen
Davy, Berthollet, Allen und Pepys, Menzies, Prout zusanini^|^f
gestellt. Zieht man aus diesen Resultaten das Mittel, so
sich, dass 100 Theile einmal eingeathmete Luft nach
athmen 5,82 kohlensaures Gas enthalten. Nach Prout’s
eben (Meckel’s Archiv 2. 145. Schweigg. Journ. 15. 47.) i*t
Menge der ausgeathmeten Kohlensäure am grössten zwischen^^p
Uhr Morgens und 1 Uhr Mittags,, das Minimum dagegen
8^ Uhr Abends bis Rt- Uhr Morgens. Wenn die Menge
bildeten Kohlensäure aus irgend einem Grunde vermehrt >
3. Athmen d. Menschen u, d. Thiere. Alhmen in der Luft, 293
sinkt sie nachher in demselben Maasse unter den einer ge-
wissen Periode angemessenen Grad herab. Die Menge der gebil-
deten Kohlensäure nimmt bei demselben Menschen ab in depri-
''‘irenden Leidenschaften, nacli heftigen Bewegungen, beim Genuss
Von weingeistigen Flüssigkeiten, von Thee, bei vegetabilischer
^»hrung und nach längerem Gebrauch von Quecksilber. Dage-
gen wird die relative Menge der durch das Athmen gebildeten
^Kohlensäure durch einen niedem Barometerstand vermehrt. We-
gon Krankheiten siehe Nysten a. a. O.
Berechnet man die Menge des durch das Athmen entstehen-
den Koblensäuregases auf 21 Stunden, so betragt diess nach La-
JW'sier und Seguin 14930 C. Z. oder 85.34 Gran franz., nach
31680 C. Z. engl, oder 17811 Gr. engl., nach Allen und
39600 C. Z. oder 18612 Gran engl. Diess beträgt an auf
*^ehlensäurebil.;lung verwandtem, und also aus dem Blut wegge-
B^ogenem KohlenstoIF nach Lavoisier 2820 Gran franz., nach
4853 Gran engl., nach Allen und Pepys 5148 Gr. engK
"ach Berzelius Bemerkung sind diese Resultate indess- offenbar
zu gross. Denn da die feste Nahrung an -y ihres Ge-
W'chtes Wasser und das andere selten mehr als sein, halbes
"^wicht Kohlenstoff enthält, so wären schon oj i>r..„4 fester
r^hruna nöthig, um die Quantität Kohlenstoff zu ersetzen, die in
Stunden durch das Athmen ausgeschiedeu wird, abgesehen von
^öderen Excrctionen,
Ueber das Athmen der Frösche habe ich mehrere Versuche
^''gestellt. Die Frösche wurden bei zusammengepressten Lungen
Kehle in einen mit Quecksilber gesperrten graduirlen Cy_
*'nder gebracht, und die Quantität der erzeugten Kohlensäure
““vch eingebrachtes Kali causticum an der Absorption des Gases
Soßiessen.
1) Ein Frosch von 440 Gran Gewicht bildete in 6 Stunden
^ einem Cylinder von 10 C. Z. atmosphärischer Luft | C. Z.
^ehlensäure.
Y 2) Ein Frosch von 655 Gran bildete in 8 C. Z. atmosph.
Luft li c. Z. Kohlensäure in 12 Stunden, bei 27 Z. 9^ L. Lnft-
und 10“ R.
p 3) Ein sehr grosser Frosch von 1260 Gran bildete in 16*
Z. atmosph. Luft in 14 Stunden 2 C. Z. Kohlensäure bei 27
L. Luftdruck und 6® R. Diess beträgt, auf 28" Barometer-
*^and tind 15“ R. Temperatur und 6 Stunden Athmen redneirt:
Im ersten Versuch auf 440 Gran Thier in 6 Stunden 0,66,
«Weiten Versuch auf 655 Gran Thier in 6 Stunden 0,63, im
^vitten Versuch auf 1260 Gran Thier in 6 Stunden 0,88 C. Z.
Kohlensäure.
A,, Ich habe diess wieder auf 100 Gran Thier und 100 Min.
"Ihmen reducirt, und mit Versuchen von Treviranus {Zeitschrift
Physiologie. 4. 1. p. 23.) an Kröten und Fröschen zusammen-
|*ftellt, wobei Treviranus die Luftmenge auf 15“ R. Temp. und
® ‘ Luftdruck berechnet und auf 100 Gran Thier und 100 Mi-
'^len Athmen reducirt hatte.
294 II. Buch. Organ, chemische Processe. I. Abschn. Athmen.
, Arten der Thierci
Beobachter,
P. C. Z, Kolilens. iur
tOO Gr. Thier nntl
100 Min. Athmen.
Bufo cinereiis A. . .
Treviranu.s
0,02
Bufo cinereus B. . .
Treviranus
0,03
Rana temporaria A. .
Treviranus
0,10
Rana temporaria B. .
Treviranüs
0,14
Frosch A
Müluer
0,041
Frosch B
Müller
0,027
Frosch C
IVIÜLLER
0,01.9
Mittel
0,039
Es folgt als Mittel von 7 Bcobaclitungen , dass 100 Gra*’
Kröte odei* Frosch in 100 Minuten 0,04 Kohlensäure durch Ath'
men bilden. Nach Edwahd's [inßitence des agens physicjues sur
vie. Paris 1824. p. 648.) hihlete ein Frosch Kohlensäure in 2l
Stunden einmal 5,24 Centil. hei 27" C. = 2,55 P. C. Z. h^j
15" R.; ein andermal, 2,57 Ccnlil. hei 18" C. = 1,30 C. Z. h®*
15" R. ; ein andermal 2,44 rpntil. he! 1.1" C. = 1,25 C. Z. h®*
15® R. maenc in 6 Stunden 0,63 C. Z. 0,32 C. Z. 0,3l
if'" ^ Beohachtungen von mir zusammen^esteUh
gieht für 6 Stunden folgende Quantitäten Kohlensäure- ^
0,66 C. Z.
0,63 »
0,S8 *
0,63 » V
0,32 «
0,31 »
Mittel 0,57 C. Z.
Trevibamus Versuche an 2 jungen Fröschen lasse ich ausser der
Berechnung. Also bildet ein ervrachsene.r Frosch in 6 Stunde»
etwas mehr als -y C. Z. Kohlensäure.
Teevirahus hat die Resultate einer ganz vortrefflichen Arbeit
über das Athmen. der niederen Thiere auf gleiche Verhältnisse,
nämlich auch auf 15* R, und 28" Luftdruck, 100 Gran Thier
und 100 Minuten Athmen rednclrt, wodurch man eine sehr i»'
teressante Zusammenstellung gewinnt. Hieraus geht nun hervor,
dass die wirbellosen Thiere, Insecten und Mollusken und Wür-
mer, im Verhältniss zu ihrer Masse, nicht weniger Kohlensäur®
bilden, als die Amphibien, Treviranus hat auch die an Säug®'
thieren und Vögeln von anderen Beobachtern angestellten Ver-
suche auf 100 Gran Thier und 100 Minuten Athmen berechn®^’
woraus folgende Tabelle entstanden ist.
I
.‘1. Athinen d. Menschen u. d. Thiere. Alhrnen in der Luft. 295
Thiere.
Beobachter.
Excernirtes
kohlens. Gas.
Absorbirtes
Sauerstoffgas.
-Meerschwei neben
Kaninchen . . .
Katze
Taube
Berthollet
Allen u. Pepys
Despretz
Berthollet
Despretz
Despretz
IAllen u. Pepys
0,42 C. Z.
0,60
0,47
0,44
0,66
0,99
0,96
0,67 C.Z.
0,74
0,68
0,60
0,98
1,58
1,14
Zielit inan aus illescn Daten das Mittel, so bdden 100 Graa
?ä«Setlder in 100 Minuten 0,52 C. Z. Kohlensäuref-as, 100 Vogel
•» 100 Min. 0,97 C. Z. Koldcnsäurcgas. Da nun lÖO Gran Kröte
Oller Frosch in 100 Minuten 0,05 C.' Z. Rohlensäurcgas bilden, so
*oldet ein Gcwichtstlieil eines kaltblütigen Thiers, und zwar Ani-
Pliibiunis, in gleicher Zeit 10 mal weniger Kohlensäuregas als
«in gleicher Gcwichtstlieil Säugethier, und 19 mal weniger Koh-
loosäuregas, als ein gleicher Geuaclitstheil Vogel. Bei Insecten
"'»t Tre-virasus in den meisten Fällen sogar eine eben so starke
Kolileiisäurebildung gefunden, als sie bei Säugethieren stattfindet,
J'ligleich sic in einigen Fällen' sieh den Verhältnissen derAmphi-
O'Cn nähert. Treviranus erklärt die Kaltblütigkeit dieser Thiere
h'otz ihrer starken Kohlensäurebildung aus der bei ihnen statt-
llädenden Aushauchnng von Slickgas, wobei Wärme wieder la-
lent werde.
, Wenn man diese Menge bei Insecten auch für allzu gross
^*lt, und diese Thiere wegen der Kleinheit und Trüglichkeit der
llosultate ausser der Berechnung lässt, wenn man bloss die
Pl'ibien mit Säugethieren vergleicht, so kann man doch mit eini-
lor Wahrschehilichkeit die Temperatur der Säugethiere und die
‘^j'ltblütigkeit der Amphibien nicht davon ableiten, dass eia Ge-
'^lehtstheil eines Frosches in einer Zeit 10 mal weniger Kohlen-
bildet, als ein gleicher Gewichtstheil Säugethier. Vgl. p. 81.
, Es scheint nach den raehrsten Beobachtungen unzweifelhaft,
beim Athmen weniger Kohlensäure gebildet wird, als Sauer-
®^offgas verschwindet. Nur Alles und Pepvs hatten diess beim
j ^hineu in atmosphärischer Luft nicht beobachtet. Indessen ba-
sie die geathmete Luft für kohlensäurefrei genommen, was
^Sleich schon einen bedeutenden Unterschied im Resultate macht.
■Ich Treviranus Versuchen an niederen Thieren ist die Erzeu-
des kohlensauren Gases abhängig von der Temperatur des
®diums. Eine Honigbiene excernirte beinahe 3 mal so xlel Koh-
Jensäure hei 22* als bei 11^“. Im Allgemeinen athmeten die
^■iiere in freier Luft weniger Kohlensäure aus, als sie Sauerstoff-
absorbiren. Die kaltblütigen Thiere sollen oft 3 mal so viel
''äerstoffgas verzehren, als sie Kohlensäure bilden.
Mollusken verxeliren aber niebt allein alles Sauerstoffg«^
1^ Euft, sondern fahren nach dieser Absorption noch fort Koh-
^''Ȋure auszuhanchen. Allgemein wurde in Treviranus Unter-
2.96 II. Buch. Organ, chemische Processe. I. Abschn. Alhmen.
sucliungen Stickgas ausgescLieden, in einigen Versuclien selbst
mehr als Kohtensäuregas.
Bei den höheren Thieren hat man zuweilen eine Absorption
von Stickgas der Atmosphäre, zuweilen Aushauchunc von Stickgas
beobachtet. a o
1) H. Davy (Gilb. Ann. 19. 298.) glaubte beobachtet zu bä-
hen, dass beim Atlimen Verminderung des Stickstofi'gehaltes der
Atmosphäre staltfinde, welche nach Davy .j'y des absorbirten
Sauerstoffgases, und in 24 Stunden 2246 Grau engl, betragen soll-
Auch Pfaff (Gehi.ebs Journ. der Chemie. 5. 103.) bat eine Ver-
minderung des Stickgases von ^g- — yiy der eingeathmeten Buff
beobachtet. G.melin’s Chemie. 4. 1.524.
2) Andere, wie Alles und Pepys, bemerkten weder eine
Vermehrung noch Verminderung des Stickgascs beim Athmen der
atmosphärischen Luft.
3) Mehrere Beobachter haben beim Athmen in atmosphäri-
scher Luft Vermehrung des Stickstoffgehaltes der Luft beobach-
tet, wie Bekthollet, Nysten, Dulong und Despretz. Am ent-
scheidensten erscheint dicss llesultat in Despretz Versuchen, der
die Ausbauchung von Stickgas gewöhnlich, aber bei Pflanzenfres-
sern stärker als bei Fleischfressern fand. Diess Letztere ist des-
wegen unerklärlich, weil die Pflanzenfresser stickstoffärmere Nah-
rung als die Fleischfresser geniessen. Despretz fand, dass die
Ausbauchung von Stickgas y — von demjenigen Sauerstoffga^
ausmacht, welches beim Athmen verschwindet, ohne auf Kohlen-
säure verwandt zu iverden. Am entscheidendsten Hesse sich die
Ausbauchung von Stickgas in einer Luft ermitteln, die kein Stick-
gas enthält. So fanden Allen und Pepys allerdings, dass Meer-
schweinchen , die in Sauerstoff oder einem Gemenge von Sauer-
stoffgas und Wasserstoffgas athmeten, Stickgas aushauchten. Dies*
Stickgas konnte nicht schon vorher in den Lungen gewesen seye-
Denn in Allen und Pepys Versuchen war die Menge des ausge-
hauchten Stickgases grösser als das Volum des athmeuden Thiers-
Ans diesen Versuchen scheint also hervorzugehen:
4) dass beim Athmen in atmosphärischer Luft Stickgas so-
wohl ans der Luft an das Blut treten, als Stickgas aus dem Bluf
frei werden kann, und dass man die Anshauchung des Stickgases
deswegen nicht bemerkt, weil sie von der Absorption von Stick-
gas der Luft compensirt wird, und dass sie erst beim Athmen h»
stickstoffleerer Luft bemerklich wird. Edwards [Ann. de chü’^'
et de phys. 22. 35.) erklärt aus der Ungleichheit der Ausbauchung
von Stickgas und der Aufnahme desselben die Ungleichheit in den
\ der Beobachter. Collard de Martighy [J, d. physiOy
1830.) fand eine Vermehrung des Stickstoffs beim Ausathmen,
denn Collard auch eine Exhalation von Stickgas durch die
beobachtete. Da nun Stickgas, wie alle Gase, von den nassen
thierischen Häuten und von der äussern Haut absorbirt wi*'d>
so nimmt Collard an, dass Absorption und zugleieh Exhalation
von Stickgas in den Lungen statt finde, dass letztere aber grösser
sey. Berzelius (Jahrb, 4, 217.) widersetzt sich der Voi’steflung
3. Mimen d, Menschen u. d. Thiere, Manen im Wasser. 297
gleiclizeittger Exlialation und Aufsaugung von Stickgas, weil
Sie
Ungereimt sey.
2) Vom Aihmen im Wasser.
Was den zuletzt Leriibrten Gegenstand noch A'erwickelter
^^clit, ist, dass die Fische nach A. v. Humbocdt und Pkovencal
ziemlich viel Stickgas aus dem Wasser ahsorhiren. Sie
A®ssen in 4000 Cuhikcentimeter Wasser 8 Stunden 30 Min. athmen.
dem Athmen enthielten 2582 Th. diesem Wassers 524 Th.,
demselben 453 Th. Luft. Den Verlust von 71 Th. halten
tiir. Wirkung der Respiration, und berechnen das Maass des
^Scernirten und absorbirten Gases nach dem Unterschiede dessen,
,3* vor d^m Athmen in den 524 und nach dem Athmen in den
Theilen enthalten war. In jenen fanden sie 155,9 SauerstolT-
*'**> 347,1 Stickgas, 21,0 kohlensaures Gas; in diesen 10,5 Sauer-
289,3 Stickgas, 153 kohlensaures Gas. Hiernach wären
Athmen 145,4 Sauerstoflgas nebst 57,6 Stickgas absorbii’t
^tni kohlensaures Gas excernirt. Thevibanus vermuthet in-
dass die nach dem Athmen fehlenden 71 Tlieile Luft mit ver-
] ‘Uiicktem Wasser in den Magen gekommen seyen. Indessen
v. IIuMnoi.DT und Pbovencal doch keinen Verlust von
•y^ässerstoffgas beobachtet, als sie Fische in luftleerem, bloss mit
asserstoff und Sauerstofl' künstlich geschwängertem Wasser ath-
*** Hessen. Scbweigg. J. 1. p. 111.
Man sieht übrigens aus den von Humboldt und Pkovencal
?8estellten Versuchen, dass auch die Fische mehr Sauerstoffgas
sorbiren, als Kohlensäure ausathmen. Die Kohlensäure beträgt
,'l'^kstcns ^ des verschwundenen Sauerstoffs und oft nur i des-
®'hen,
g Naeh den Untersuchungen von Humboldt und Pkovencal be-
stfiff ** Fische in den Flüssen in Rücksicht auf den Sauer-
ugehalt der umgebenden Flüssigkeit in der nämlichen Lage, wie
b;.. Ul einem Gasgemeng, welches weniger als 0,01 Sauerstoff ent-
bi A‘**'kuiendes i’hier. Denn die im Wasser aufgelöste Luft geht
gg^.uber 0,027 des Volums des Wassers, und 0,31 von der auf-
3gJ'sten Luft sind reiner Sauerstoff. JVach Tkeviranus Reduction
Sei I . ukachlungen von Humboldt und Pboven9al bilden 100 Gr.
beim Athmen 0,01 C. Z. Kohlensäure, in 100 Minuten,
^g^*'®ud 100 Gran Säugethier, wie wir oben gesehen, 0,52 bil-
SQj.f.^ko circa 50 mal weniger in gleicher Zeit. Die Fische ab-
Oj, nicht allein mit den Kiemen, sondern mit der ganzen
(>5j fu*che SaueTstoffgas, wogegen sie Kohlensäure erzeugen. Diess
im lufthaltigen Wasser, aber nicht in der freien Luft.
kol^'^ULDT brachte den Kopf von Fischen in Halsbänder von Kork-
®ia Wachsleinwand überzogen. Der Fisch wurde dann ln
lil^ ^ykndrisches Gef äss gebracht , so dass der Kork den Pfropf
^ef - und Kopf und Kiemen nicht mit dem Seinewasser des
in Berührung waren. Die Fische lebten an 5 Stunden
4,tbj^®*'ünderten das Wasser durch ihre Haut auf die bei dem
*0 L®** gewöhnliche Art. Die Fische athmen mit den Kiemen,
■ Uge sie nass sind, auch in freier Luft, und absorbiren nicht
'‘ud nicht weniger Sauerstoff, als In lufthaltigem Wasser,
\
298 ' II, Buch. Organ, chemische Processe. I. Abschn. Athmen.
So reduclrte eine Schleihe in 19-^ Stunden ein Gasvolumen vo''
133,9 Cal). Centimet. atmosphärischer Luft auf 122,9, und
Fisch hatte 0,52 Cub. Cent. Sauerstofl’gas ahsorbirt. Hieraus f*'
giebt sich, dass das Athmen im Wasser sich weniger wesentb®
vom Athmen in der Luft unterscheidet, als es auf den erst®”
Blick scheint. Zum Athmen in der Luft ist auch eine nasse
nere Oberfläche der Lungen nöthig. Cohitis fossilis, der si®
viel im Schlamm aufhält, verschluckt nach Erman Luft an d
Oberfläche des Wassers, wonach die Luft im Darmkanal d'
beim Athmen gewöhnliche Veränderung erleidet, und die verä**
derte Luft durch den Darmkanal wieder entleert wird *).
Viele Thiere, welche durch Kiemen Wasser athmen, er*®”
gen durch die Riemen merkwürdige Bewegungen in demWas*®^
Diese Bewegungen sind zuerst, bei den Salamandcrlarven
Steinbuch {Analecten zur ISaiurkundß. Fürth 1802.) beschrieb^
und vollständig dargelegt, später von Siiarpey (Fboriep’s Not.
618.) weiter verfolgt, und an mehreren Thieren beobachtet fl'®
•) Die Schwimmblase der Fische enthalt zwar auch saucrstolTlialtige
allein diese Luft dringt nicht von aussen herein, jondern wird von .
innern Oberfläche des Organes selbst abgesondert. Die darin entha*
Luft enthält bald mehr, bald weniger Sauersloffgas oder Stichgas
die atmosphärische Luft. Saucrsloflarme Liifi fand darin ^
Landseefischen. Gilb. jinn. 30. 113. Dagegen fand BlOT (GilB.
26, 454.) bei Fischen, die in einer grossen Mccresliefe leben, iB
Schwimmbhise derselben eine Luft, die 60 — 87 proc. Sauerstollg|’*
hielt, während das Meerwasser in der Tiefe nur '29 Saucrstolf
Stickstoff enthielt. Sonst ist der Lnftgchalt bei derselben Fi.schart
veränderlich. Im Frühling und Sommer soll die Luft s.iiicrstolK^ t
als im Herbst seyn. Bisweilen fehlt das Sauerstoffgas gäntlich.
Delaroche Schweigg. J. 1. 164. Configliachi ebend. 137.
A,
Menge
035^''
. V. Humboldt und Proven^al ist das mittlere Resultat einer g«*'’
lengc von Versneben über die Luft in der Schwimnibl.ise der
0,071 Sauerstoff, 0,05*2 Kohlensäure, 0,877 Stickstoff. Fische,
einen Gang mit dem Schlunde, wie beim Karpfen. Die Oelfuung < |j,,j
Ganges ist zuweilen weit, beim Karpfen aber so eng, dass durc ^
"eicht nur bei grosser AusdehiJWt’o,*,5C
v,\/ix zjrtuv,! oiwi I , «wtiai.xjsaui ^ i . |
man die Schwimmblase extirpiit hatte, brachten beim Athmen
Tatr Kohlensäure hervor; obwohl sie viel Sauerstoff und Sticksto»
Ta 7 ,
sorbirten.
Bei vielen Fischen communicirt die Schwimmblase
keine Luft aufgenommen und vielleicht nur nei grosser 2\u5uv;iy^ Y *'jj,.(
Blase etwas ausgeschicdeu werden kann. Bei vielen Fischen
Verbindung. Diese haben gewöhnlich ein rothes, gefässreiche«,
thümliches Gewebe in den Wänden der Schwimmblase zur Ah^. ijch
rung der Luft, die auch in den Fischen mit Luftgang wahrsche*
abgesondert wird; bei vielen Fischen fehlt die Schwimmblase c»'”
Aal hat den Luftgang und jenes drüsige Gewebe, Bei den 3
hat die Schwimmblase viele blinde hohle Fortsätze, die In *^^***®q ßf*
ten verzweigt sind. CXJVIER hist, nat. des poiss. tab. 138.
mehreren Fischen der Gattungen Cyprinus, Cohitis, Spams, Cl«P*'
slirt eine von E. H. Weber entdeckte Verbindung der
mit dem Gehörorgan/ wovon spater, "Wenn die Schwimmbla, ^
Fische zerrissen ist, so verlieren sie nicht immer und nothwcB
Gleichgewicht, sie fallen nicht immer auf die Seite, VV^ahrsche***^ ^^5'
ihre Luft besummt von Zusammendrücken der Bauebwände
dehnung das spccifiscbe Gewicht des Fisches zu andern.
SCHER über die Schwimmblase der Fische. JLpu 1795.
VIRANUS vermischte Schriften, % Bd. 156.
3. Athnen d, Menschen u, d. TMere. Athmen im Wasser. 299
Steikbuch Lesclireibt die wunderbare Erscheinung an den
j'* ainanderlarven folgendermaassen. Wenn man den Kreislauf
die Kiemen unter dem Mikroskop beobachtet, so bemerkt
dass kleine im Wasser schwimmende Körpereben von allen
®>ten her schnell auf die Oberfläche der Riemen zufabren und
gleicher Geschwindigkeit plötzlich von dieser Oberfläche wie-
Beobachter findet in den Wegen dieser von
Seiten her in gleichmässiger Dauer zu- und abströmenden,
tauspnrl T'ßn'Fia»-»#! An nn/t entmin Airlnn/t nn XT ä—
tausend Winkeln sicli durchkreuzenden und schneidenden Kör-
«'^‘'chen einen solchen Wirrwar, aus dem man sich kaum heraus-
j 'len mag. Jedes Körperchen im Wasser nähert sich anfangs
5 l?*am, dann immer schneller den Riemen, und fährt meist in
([. Richtung auf die Fläche eines Kiemenblättchens hin und
Nach meinen Beohach-
iedoch nicht immer sogleich
eben so schnell wieder davon ah
jj'*8®n findet dieses Zurückfahren
sfe' ’ Körperchen, nachdem sic die Kieme erreicht,
*um Theil an einer Seite des Rierncnästchcns eine Strecke
aiif, auch wohl an der andern Seite herunter, und fahren dan'n
;'eder
von der Kieme .ah. Ich kann nicht bestimmen, oh sie in
Richtung der Kiemenarterie aufsteigen, in der Richtung der
der
tg ^'^"^fvene ahsteigen. Merkwürdig ist nun, dass die ahgeschnit-
Riemenstücke noch dieselbe Anziehung und Abstossung auf
))g assertheilchen und damit -zugleich auf die im Wasser schwe-
Partikelchen äussern. Steinbijck hatte diess schon gese-
Sharpey hat cs bestätigt und ich liahe es auch gesehen,
dip* ''^'geschnittene Kiemenstückchen wird durch die Strömungen,
],p’ in dem Wasser herveiTuft, zugleich seihst mit bewegt, und
din- "'"iht Kreise im Wasser, indem die KiCrnenstückchen bestän-
den Enden der Kiemenblättchen voraus gerichtet sind.
du/1 R®wegungen ahgeschnittener Stücke der Riemen imWasser
^Uf 1 Strömungen, die sie im Wasser erregen, werfen Licht
>Pg| beständige Drehen der Embryonen der Mollusken, im Ei,
hnt LEErWENHOEK und Carus beobachtet haben {Noo. act.
äoe' d3. 253.) und rvelches ich seihst am Embryo von Lim-
1^2^* ^lägnalis gesehen habe. Vergl. E. H. Weber Meck. Archiv
s *
dgp b arpey fand, dass die äusseren Kiemen der Froschlarven in
Zeit des Lebens nicht allein das beschriebene Phäno-
liöp- sondern dass fast die ganze Oberfläche des Larven-
'^Bsselbe Phänomen hervorbrachte. Eine allgemeine Strö-
dps & begann am vordem Theile des Kopfes, und setzte sich längs
Bauchs und der beiden Seiten bis zur Schwanz-
"iie j; Pas Vermögen Strömungen zu erregen, ist bloss auf
l'Oa Oberfläche der Haut besclu’änkt; wenn man Stücke
I ^'tik^i' R^^***' ^blöste und in Wasser that, bewegten sich die
l*ippg^®*^ben hn Wasser nach der äussern Oberfläche der Haut-
^ehpe Theile, welche vom Thier ahgelöst sind, erregen
^«i ^ ® Stunden nach ihrer Trennung noch Strömungen, und
**'*•>. *<: 8®*’**'gsten Portion ist diese Fähigkeit noch wahrzuneh-
wenn man eine Froschlarve mitten
der Länge nach spalte, so treffe man einen Ponet, der
300 II. Buch,, Organ, chemische Proctsse, I. Abschn, Athmen.
mitten im Kopfe zu liegen scheine, und welcher eben diese F®'
higkeit habe, einzelne, im Wasser schwimmende Molecule an*’*'
ziehen. Sowohl nach Steiwbücu als nach Sharpey zeigt sich
den späteren inneren Riemen der Froschlarven - keine Spur
ses Vermögens, eben so wenig an den Riemen der Fische na®
beiden. Zur Zeit wo die Froschlarven Extremitäten bekomm®"’
verliert sich auch nach Sharpey das Vermögen der Rörperoh®*''
fläche Strömungen zu erregen. Zur Zeit, wo die hinteren F*'
tremitäten hervorsprossten, exlstirte die Strömung nur noch ""
der Schwanzwurzel, so wie an einer kleinen, an die Anfiigest®'
der Hinterbeine grenzenden Portion der Körperoherfläc" '
Sharpey hat die Strömung schon im Ei des WassersalamanJ?’^*
beobachtet. _
Sharpey hat Strömungen des Wassers auch ah den Rienif
der Mollusken beobachtet. Bei der Miessmuschel, Mytilus eduk’J
streicht das Wasser am hintern Ende des Thiers nnunterbroclj®
in die Riemenhöhle ein , und unfern desselben Orts durch ®'"
besondere Oeffnung wieder aus. Sharpey fand, dass an ei"® ^
abgeschnittenen Stück Kieme längs deren Oberfläche eine
terbrochenc Strömung erregt wurde, und dass sich die R'®'*^
nach der entgegengesetzten Richtung durch das Wasser bew®?^ '
Die Hülfskieinen und die innere Oberfläche des Mantels bracht®'
dieselbe Wirkung hervor. Pulver im Wasser wird längs
Oberfläche der Riemen von der Basis bis zum Saume be'ä®S|
worauf es gegen den vordem Th eil des Thieres rückt. Bei
Mollusken entsteht die Strömung von den Bewegungen win*>?
Wimperhaare, welche auch an den Kiemen der Federhuschp®'-
pen, wie schon Steinbucu beobachtete, dieselbe Strömung h® ^
Vorbringen. Werden die Kiemen in süsses Wasser gebracht? ’
hören die Bewegungen der Wimperhaare, die Strömungen
Wassers augenblicklich auf. Bei einer Süsswassermuschel
die Strömung an der äussern Seite der äussern Kieme vom
nach, der Basis gerichtet. Auch bei anderen Mollusken sah Sa*
PEY Strömungen um die Kiemen. Die Ainphitriten unter "
Anneliden und die Actinien gehören ebenfalls hierher. ^
Die Strömungen, welche die letzten Thiere erregen, w.,
von den Bewegungen ihrer Wimpern her. Purkinje und
LEKTIN haben die Wimpern aber auch an den Salamanderkiel® '
ja sogar die Wimperbewegungeri in allen Schleimhäuten der
phibien, Vögel, SäUgethiere (mit Ausnahme der Schleimhaut
Darms, der Harnwerkzeuge und männlichen Geschlechtstheile) ®'
deckt. Muei.ler’s Archiv. j.S34. p. 391. 1835. 128. 159. _
Kikje et Valentin de phaenomeno generali et fundameniali
vibratorii confinui in membranis cum epeternis tum internis anin“^
plurimorum. JVratisl, 1835.
3. Vom Athmen der TMereier.
Die Embryonen der Batrnchler, der Haien und Rochen,
des Schwertfisches besitzen selbst äussere Riemen im Foe^®’ ^
Stande zum Athmen des Wassers, und das Drehen der
nen der Mollusken im Ei scheint zu beweisen, dass sie s®
Strömungen durch die Thätigkeit ihrer Athemorgane erreg®®'
3. Athrnen d. Menschen u. d. TIticre, ' Thiereier.
301
Mehrere Beobachtungen beweisen , dass die Eier der eierle-
8**iden Thiere bei ihrer Entwickelung die Luft so verändern, wie
^^racbsene Thiere, und .ohne atmosphärische Luft und lufthaltiges
'"asser sich nicht entwickeln. So verdirbt der Embryo des Vo-
^®leies, wenn das Ei mit einem Firniss oder Oel überzogen wird. '
^»ch Michellotti’s Versuchen mit Insecteneiern zersetzten diese
"'ährend der Entwickelung die Luft, doch nur bei +15® bis 20®,
''vährend sie unter 0 die Atmosphäre nicht verändern. In irrespi-
"®heln Gasarten findet keine Entwickelung statt. Pfaff und
^®iedlaendeb. Franzos. Amt. i, f/. 48. Bubmeisteb EV/tomofo^'ta 365.
'’^geleier entwickelten sich im warmen ' Wasser nicht und eben
Wenig nach Vidohg’s Versuchen in irrespirabeln Gasarten.
^^handl. für Thierärzte und Oeconomen: 4. 445. Dagegen will
*‘*'Man [Isis 1818.) beim Bebrüten von Eiern in irrespirabeln Gas-
Entwickelung beobachtet haben. Schwann {de necessilate
^^rts atmosph. ad evol. puIli in ovo. lierol. 18.34. Mtjelleb’s Archiv.
*”•15. p. 121.) hat dagegen mit sehr genauen Versuchen diejenigen
Vibobg bestätigt. Er hat gezeigt, dass bei der Bebrütung
Hühnereiern in sauerstofl'freien Gasarten zwar die Vergrös-
^^fung der Reimhaut, die Trennung in ein seröses und Schleim-
, die Bildung der area pellucida vor sich gehen, aber weder
Blut noch der Embryo gebildet wird. Eier, welche 24 Stun-
in WasserstolFgas bebrütet waren, entwickelten sich bei Fort-
l®Hung der Bebrütung in atmosph. Luft weiter, dagegen die 30
‘ mnden und darüber in WasserstolFgas bebrüteten Eier sich in
atmosph. Luft nicht weiter entwickelten,
f . Da die atmosphärische Luft durch die Poren der Eisöhale
•■eien Zutritt hat, so ist es fast unmöglich, dass nicht eine Wech-
."•''■irkung zwischen dem Blute in den Gelassen der Allantoishlase
j®’’ Vogeleies und der Luft stattfinde, ja es scheint sogar der
|. ''äptxweck der Allantoide zu seyn, eine Gef ässentwickelung' mög-
^^st nahe an die Oberfläche zu bringen. In den Eiern der Vö-
Verdunstet beständig Wasser aus dem Eiweiss, mögen die Eier
^ebrutet werden oder nicht. Diese Ausdünstung, scheint in bei-
Pallen ziemlich gleich zu seyn, und durch diese Ausdünstung
v®s Wassers' vermindert sich das Volum des Eiweisses in beiden
und weicht, je älter ein Ei wird, immer mehr von dem
^**ftpfen Theil der Eischale zui-ück.' Hierdurch entsteht ein
der durch die Poren der Schale mit atmosphärischer Luft
In Bischof fand in dieser Luft mehr Sauerstoffgas als
fler atmosphärischen Luft, indem es in verschiedenen Eiern
j *) 22 bis 24;t- proc. vom Volum der Luft variirte. Schweigg.
fand in dieser Luft 25-t — 26® Sauerstoff-
ab*’ Bebrüten nahm der Saucrstoffgehalt bis auf 17,9 proc.
^ I Und cs fanden sich dafür 6 proc. Rohlensäuregas. Schweigg.
^30. 1, 363. Bebzelius Jahresb. 11. 336.
Mle- erste Entwickelung des Eies der Säugethiere ist nicht
j ®'U ohne atmosphärische Luft, sondern selbst vor der Verbin-
Uterus der Mutter möglich, wenn das Ei
Bloss von den Secretenides Uterus umgeben ist. Die Eier
^ugethiere athmen im gewöhnlichen Sinn des Wortes nicht.
302 II. Buch. Organ, chemische Proces.ie. I. Abschn. Alhmen.
sondern dieser Process ist durch die Verbindung mit der IVlutl®''
ersetzt. Nach E. ■ H. Weber’s schönen Beobachtungen sind d'®
Zotten der Placenta des Menschen, auf welchen die feinsten
gelchen der Nabelartericn in die feinsten Zweigelchen der Nabe*'
vene übergehen, wicQuasten oderFranzen in die sehr dünnlii"*'
tigen venösen Sinus des Uterus der Mutter, welche zwischen
Läppchen der Placenta verlaufen , eingesenkt, und w'crden '’O'*
dem Blute der Mutter uraspült. Dagegen findet diese Umspniu":)
bei den wiederkäuenden Tliieren mit zerstreuten Placenten od^*
Cotyledonen nicht statt, sondern die Zotten der Cotvledon«"
stecken in scheidenartigen Vertiefungen des Uterus ganz lose i»"*^'
gleichsam wie Wurzeln im Boden. Diese Scheiden sind auf d*'
renWänden bloss mit den Capillargefässen der mütterlichen
fasse ausgekleidet, und es wird hier in diesen Scheiden wie
der ganzen Innern Fläche des Uterus eine wcissliche Materie ab'
gesondert. Eine Communication der Gefässhöhlen der Mutter
des Kindes findet übrigens hier so wenig wie beim Menschen stad'
Dass in der Placenta eine das Athmen der übrigen Thierei®'^
ersetzende Function statt finde, ist wahrscheinlich aus der tödt'
liehen Folge, welche die Unterbrechung des Blutlanfs in den ?**'
belgefässen hat, ferner aus dem Umstand, dass eben das Athiw®"
zur Entwickelung der übrigen Thiereier nöthig ist und durch
Allantoide geschieht, welche dieselben Gefässe erhält, wie
Chorion des Menschen und der Säugethiere, Vasa umhilicalia, ui’“
weil endlich in einer und derselben Tliierclasse lebendig gebärei»“®
und eierlegende Thiergattungen zugleich Vorkommen! So entwickeb*
sich die Eier der meisten Eidechsen und Schlangen in der Lna’
die Eier der Lacerta crocea, der Blindschleiche und der Vip^’’’
im Eierleiter. Ja selbst in den Eiern der Eidechsen hat die
Wickelung des Embryo längst begonnen, wenn die Eier
werden. Es scheint also, dass der Eierleiter, in dem die Eier
Vipern ohne nähere Verbindung mit der Mutter sich entwick^^*”’
durch Absonderung eigenthümlicher Flüssigkeiten gleichsam
Alhmen der übrigen Amphibieneier ersetze, .und eben so sclieiid
bei den Säugelhiercn zu seyn. Hiefür spricht, dass die Eiscb*'
lenhaut der Lacerta crocea und der Vipern ein zartes lläutcb'^'*
ist, w'ährend sie bei den eierlegenden Eidechsen und Schlang®'*
sehr fest ist. v. B.\eb, Meck. Arch. 1828. 573. Indess muss a®
Process, welcher bei den Säugethieren in der Placenta das An''
men ersetzt oder unnöthig macht, doch ganz eigenthümlicher^
seyn. Denn ein merklicher Unterschied der Farbe zwisc'*®
dem Blute der Nabelarterien und dem Blute der Nahelvene ß’’
bei dem Menschen und den Säugethieren nicht statt. Wäre
Nabelvene der Atheravene, die Nabelarterien den Atheraarter*®|^
(bei den Fröschen und Salamandern Aeste der Aorta) ganz *
vergleichen, so müsste das Blut der Nabelvene heller seyn als
der Nabelarterien, der Rörperarterien überhaupt und der K®’
pervenen des Foetus. Einen solchen Unterschied haben
Hunter und Osiander nie beobachtet. Autenrieth und
{eopp. circa calorem foetus et sanguinem. Tub, 1795.) haben
Kaninchen nie einen Unterschied der Farbe bemerken kenn
3. ^thmen d. Menschen u. der Thier c, . Thiereier.
303
Eh
oeii so wenig Emmert Lei MeerscliweincLen. Re
I)age.''^en nn i1r»n r^pfsiti^nii rlpc PJmrifMi« fipi
^'^MEKBÄCH
^•Hlen
iL's Jrch. 10.
en an Jen Gefässen Jes Chorions
und Emmert einiger Unterschied der Farbe statt
soll. Freilich wollten Herissant und Diest (Haller Disp. V.
52ß.) und Baudelocque (Bichat anat. gen. 2. 4(i5.) einen
^ '^terschied bemerkt haben. Bicuat erklärt sich einmal dagegen,
p. 343. Ein andermal sagt er, dass der Unterschied bei
ßerschweinchen nicht gross sey, l. c. p. 465. Auch ich habe
Kaninchen, Meerschweinchen und Ratzenfoetus schon früher
^l®[Wals einen Unterschied bemerken können. Und doch sind
®'nere Thicre hier el)en so gut, ja noch besser zu Beobachtun-
geeignet, als grössere Thiere. Ich habe zwar auch zur sel-
^eii Zeit, da ich als Studirender mich für jenen Gegenstand in-
•■essirte, einst bei Vivisection eines hochträchtigen' Schaafes ei-
. solchen Unterschied zu bemerken geglaubt, und andere Um-'
^*^hende glaubten es auch, und Joerg will am Chorion des Pfei’-
einen Unterschied bemerkt haben. Joerg die Zeugung. Leipz.
15. 273. Allein meine späteren Beobachtungen sind jener ei-
'* Vom Schaaf nicht günstig, sondern stimmen mit den von mir
jj kleineren Thiereh früher gemachten Erfahrungen. Da in
in^*^** viel weibliche Schaafe geschlachtet werden , so kann man
^ der ersten Winterhälfle jederzeit Eier von den Schaafen (selbst
Kühen) mit sammt dem Uterus erhalten und man erhält sie
p . «och warm. Regelmässig Avurden mir im Winter solche
zu anatomischen Zwecken zugebracht, und nie habe ich
er einen deutlichen Unterschied wahrnehmen können. Auch
'«'ied:
^ach j; fj Weber [Anat. 4. 524.) findet kein Unterschied bei-
Blutarten beim Foctus slatt, und die Geburtshelfer haben
j^*®sen auch nicht gesehen. Gleichwohl ist der Unterschied des
,,^''86nvenenbluts von dem Körpervenenblut bei den Amphibien
so deutlich, dass man beide Blutarten am linken und rech-
Vorhof, ja selbst noch neben einander am Ventrikel an der
je unterscheidet. Bei den Fischen dagegen habe ich freilich
vi |.l®t*t noch keinen evidenten Unterschied des Blutes bemerkt,
Sa weil sie in einem Medium athmen, welches nur 0,01
'*fi«toir enthält, wälirend die Luft 0,21 enthält.
Eell Kabelgefässe des Fötus färbt sich an der Luft
wie cs Venenblut des Erwachsenen thut. Ich habe diess
gesehen; vielleicht geschieht es ein Avenig langsamer und Ave-
stark, was Fourcroy gesehen haben will. Das Blut der
gßlässe und des Fötus gerinnt Aveniger fest, wie schon Four-
io^l und ich öfter beobachtet habe. Bei Vivisection eines
‘^•'«chtigen Schaafes gerann das in ansehnlicher Quantität ge-
Nabelvenenblut langsamer als das Blut der Nabeharterien,
Sclj.''*'^Eeinlich, weil jenes zuerst gewonnen Avurde. Ich habe auch
eing^ Kdher gesehen, dass, als ich etwas Blut der Nfibelgefässe
5iej Katzenfotus in ein mit Kohlensäurcges gefülltes Gläschen
Iri) Bess, jenes dunkler, violett wurde. Dass diese Beobach-
tvi^j Nichtig war, habe ich vor Kurzem am Blute eines- Schaaffötus
dejn . gesehen. Auch hierin gleicht das Blut der Nabelgefässe
lute der Venen, das ebenfalls (nicht bloss Arterienblut) in
304 II. Buch. Organ, chemiscfie Processe. I. Ahschn. /Ithmen.
K-olilensäure noch dunkler -wird. Wenn man etwas Blut der N*'
Lelgefässe in einem Uhrgl'aschen der Luftpumpe anssetzt, so vC*''
ändert es seine Farbe nicht, es wird weder heller noch dunkle*'
und wenn ich es in einem frühem Versuch ein wenig dunklet
zu sehen glaubte, so war diess gewiss, wie ich aus neueren V®*"'
suchen schliesse, nicht richtig beobachtet.
■ Erhitzt man Blut des Erwachsenen allmählig in einem Gefä**
mit Gasentwicklungsrohr bis 200“ F. (74,6 E,.), also zuletzt ül>**
■ die Gerinnungshitze des Eiweisses, so entwickelt sich keine F'*
auß dem Blute, weder SauerstolFgas, noch Kohlensäuregas, und <■)*
.übergehende Luft ist nur die unveränderte atmosphärische, die
Gefäss und Gasentwickelungsrohr enthalten war. II. Davy ni***’
sich bei einem fi-ühzeitigen Versuch dieser Art getäuscht hab®*’’
als er eine Entwicklung von Luft bemerkt haben wollte, und v>‘*
Andere sind in dieselbe Täuschung verfallen. Als ich auf
Art das bei Vivisection eines trächtigen Schaafes erhaltene Nab«'
venenblut erhitzte, so konnte der Erfolg auch kein anderer sey“'
Die übergehende Luit konnte nur die unveränderte des Gefä-^'**
seyn. Eben so beim Erhitzen der durch Zerschneidung der -N“'
belgefässe und Placenta von Katzenlotus in warmem Wasser
haltenen wässerig blutigen Auflösung. -
Davy wollte einmal bei einer Temp. von 108 bis 200“ _ '
(3.3,7 — 74,6 R.), als eb frisches Arterienblut des Kalbes in
an einem Ende verschlossene Glasröhre that und in Blut
derselben Art umstürzte und sie dann dem Sonnenlicht ausseU^^J
SauerstolFgas entwickelt haben. Beddoes Contribulions p. 182. ' ^
ich nun früher bei Vivisection einer trächtigen Katze das hj“
der zerschnittenen Nabclgefässe in Wasser aufling, und die r *
centa in diesem Wasser zerschnitt, mit der blutigen Flüssigk
ein kurzes am Ende verschlossenes Glasröhrchen füllte, in d«J^
selben Flüssigkeit umstürzte und nun dem Lichte aussetzte, kon**
ich keine Entwicklung von Gashläscheii beobachten. Vor eim^®
Zelt habe ich diess mit Nabelvenenblut des Schaalfötus so
derholt, dass ich den Apparat so gelinde erwärmte und selb
dann keine Anhäufung von Gasbläschen in dem Ende des
röhrchens bemerkt. Aber selbst am Arterienblute des Erwacb*®^
nen lässt sich Davy’s Versuch nicht mit jenem Erfolg wieder'*
len, und es muss Lei Davy eine Täuschung, vielleicht von '*“
chanlsch heigemengten Gasbläschen statt gefunden Laben. "
Allem geht nun hervor, dass sich das Blut des Fötu«, seiner ^
terien wie Venen, der Nabelarterien und der Nabelvene gar m«
merklich von dem Venenblute des Erwachsenen unterscheidet.
Blut, welches durch die Nabel vene aus der Placenta zum
zurückkehrt, wird thells durch den Ductus venosus Arantn
gleich zum Rörpervenenblute des Fötus in die Vena cava *'’^V
führt, theils gelangt es in die Pfortader, so dass es mit dem " yg.,
^derblute die Leber durchkreist, und nun erst zum übrj^gen
neoblute gelangt. " ^gs
Einige haben behauptet, der Liquor amnli, wovon
umgeben ist, diene zum Athmen der Frucht durch die Haut, ^
weil man Liquor amnii auch in die Luftröhre eingedrungeo »
3. Athmen d. Meiischew u. Thier e. Athmen d. Thier eter, 305
funden hat, ium Athmen durch die Lungen. Scheel de liq. amnii
et usu. Hafn. 1709. Leclarc und Geoffroy St. Hilaire ha-
dieses Athmen des Fötus angenommen. Ja, da Rathre hei
oetn Embryo der Wirhelthiere kiemenbogenartige Fortsatze am
**alse entdeckt hat, so gJaiibten Andere, dass diese auch zum
'^uimen dienen könnten. Diese zarten Foi-tsälze mit Zwischen-
®Palten kön nen aber beim Vogelembryo nur in den ersten Tagen,
am 3 — 4. Tag, wo ich sie gesehen, deutlich beobachtet wer-
und sie sind nichts anders als ein allen Wirbelthieren ge-
^a^iinsames Gerüst, auf dem sich bei den Fischen und einigen Am-
P‘*ibien, die als Larven oder später noch Kiemen haben, wirk-
‘che Kiemerdjlättchen entwickeln, während diese Entwicklung bei
übrigen Th^eren durchaus fehlt, und die Bogen in die Hör-
des Zungenbeins umgevvandelt werden. Vergl. oben pag. 286.
nun der Liquor amnii nicht zum Athmen dienen kann, geht
j'^hon aus den von mir in der Jugend angestellten Versuchen
•Crvor, in welchen Fische in Liquor amnii der Kuh und des
A^haafes bald starben und nicht länger als in Oel (40 Min.) leb-
p**! während sie in derselben Quantität Rheinvvasser 'sehr viel
ausdauerten. Die Beobachtung von Lassaigne {arch. gen.
1 uiey. 2. 308.) , dass sich in dem Liquor amnii einer Sau Luft
®hmd, welche sich hinsichtlich ihrer Zusammensetzung aus Oxy-
Und Azot sehr der atmosphärischen Luft näherte, kann nicht
.'*'d richtig angestellt gewesen seyn, oder der Liquor amnii muss
längeres Liegen des Eies, an der Atmosphäre oder durch
j *^‘»00 des Liquor amnii an der Atmosphäre Luft absorbirt ha-
Y®*’" Da ich mich unniöglich mit einigen früheren fehlerhaftea
j^’^fsuchen, aus welchen ich bereits auf den Mangel respirahler
in Liquor amnii schloss, befriedigen konnte, so habe' ich mit
^®8*erde die Gelegenheit ergriffen, diesen Gegenstand auf eine
P|p8fältige Weise zu ermitteln. Da rnan sich heim Erhitzen einer
Ussigiieit; in einem Gefässe mit Gasenlwicklungsrohr leicht hei
j.'^j^^’^hnung der in .dem Gefässe vorhandenen Luft irren kann, so
ue ich den Versuch so an: Ich füllte ein anatomisches, 10 Zoll
li Zoll breites Glasgefäss von 17 Cubikzoll Inhalt, wel-
Uh? uach Cubikzoll gradüirt worden, mit Liquor amnii des Schaafs,
stürzte es in einem Gefässe mit derselben Flüssigkeit um.
a Gefäss machte ich mit warmem Wasser voll und erhitzte
PY 8“iizen Apparat bis zum Kochen in dem untern Theile der
dg^**’8^eit. Wenn sich hier eine Luftart in dem Liquor amnii
Glasröhre befand, so musste sie sich in dem obern Ende der
'Ifr ^ '>usammelu. Es entwickelte sich aber ausser dem sich wie-
«iit '^“‘^‘^lensirenden und schnell verschwindenden Wassergas nur
*i(i^ kleine Menge Schaurp, die noch nicht ^ Cubikzoll Raum
So fand ich es auch in einem zweiten und dritten Ver-
’ind ich erhielt nicht mehr Luft, seihst als ich das Kochen
fortsetzte. Prof. Bergemann war bei diesem Versuche ge-
\vi^^®*’t'g, und überzeugte sich, dass hierbei keine Luft entwickelt
'die ' einem 4. Versuche eiliielt ich würklich ein wenig Luft, ,
nach dem Erkalten noch nicht verschwunden war, es
aber sehr wenig und betrug, als ich sie in eine ganz kleine
" Physiologie, 1. 20
306 II. Buch. Organ, chemische Processe. I. Absclm. Athmen.
Eprouvette üLergeleitet hatte, aus den 17 Cuhikzoll liquor
nur Cuhikzoll. Diese Luft verminderte sich weder von ^
whsscr, noch von Auflösung von Schwefelkall und enthielt dah
sicherlich weder respirirte Luft, Kohlensäure, noch respirahle L«
Vcrgl. Weder. Anat. 4. 491. _ ^ 5
Von meinen früheren Versuchen ist noch anzuführen, n
Kanmehenfoetus von 4 Zoll Länge, aus dem Uterus der lebend
Muiter genommen, mochten sie mit geschlossenen oder geöffne*
Eihüllen der Luftpumpe ausgesetzt werden, nach 15 Min. «ehe'
todt waren, und heim Herausnehmen wieder sich hewdgten. Di
beweist aber nichts in der Frage über das Athmen. Die L«
pumpe hebt hier bloss den Luftdruck auf.
JV.' Capilel. Von den Veränderungen des Blutes
durch das Athmen.-
^Nacli eigenen Beobachtungen.)
Durch das Athmen wird das Blut hellroth, an der Oberfl«‘^^’|j
ebenso, wenn Venenhlut an der Lull steht, und durch und du'
hellroth, weuir Blut mit Sauerstolfgas geschüttelt wird. He"'''’,,
wird das Blut auch hei Beimengung von Zucker, von Ncuti-alsal* j
wie Salpeter, Glaubersalz, Salmiak, Kochsalz, kohlen.saurem h- .j,
Kalilösung macht das Blut (wie ich sehe) braun, und es ist
Irrthuni, wenn in einigen Büchern das Gegcntheil steht. In
moniakgas soll das Blut nach TuEWAnD und Huenefeld kirscbrij^^^
werden. Chlor macht das Blut braun, dann weiss, Säui-en
eben es braun, Kohlensäure aber dunkler roth, violett, zuU^^
fast schwärzlich. Blausäure allein soll d-as Blut nach WedemEIj
heller roth machen (?). Nach Hertwicb macht sie indess das 9
auch ganz dunkel. Froriep’s VW. 759. Schwefelblausäure mach ,
nach Stevess dunkler. Kohlenoxydgas, Kohlenwassersloll'gas,
petergas machen das Blut nach Hueivefeld violett, StickslolU^||,
duUas, Ilydrogengas, nach Huenefeld purpurfarben oder ri*
braun. Blut mit Ilydrogengas geschüttelt, sah ich seine
gar nicht verändern. Rohlenwasserstolfgas soll nach Berz^'-^^,,
dem schon etwas dunkeln Blute eine hellere Farbe
Man sieht, dass das Blut äusserst emplindlich für vielerlei
in Hinsicht seiner Farbe ist. Der Halilus des Blutes scheint
wichtige Materie des Blutes zu seyn. Man weiss aber nicht,
er im Arterien- und Venenblute verschieden wäre.
Die specilische Schwere des arteriösen und venösen h» ^
ist nach J. Davy fast gleich, 105,0.3 ; 105,49. Vergl.
Physiol. 4. .381. Nach ihm verhält sich die Wärmecapacitat
erstem zu der des letztem wie 10,11 1 10,10.
Das Arterienblut ist nach J. Davy um 1 — l-j® Fahrenh.
mer als das venöse Blut (vergl. pag. 80.), was Krimer und
damore bestätigen. Andere Beobachter hatten keinen UntersC^j^
bemerkt. Burdach’s Physiol. 4. 382. Nach Autehrietu,
Davy, Bertrold und Blundell gerinnt das Arterienhlut sehn
als Venenblut, wovon Thakrah das Gegentheil beobachte
BuRDAca’s Physiol. 4. 382. Nach Mayer, Blaihville und ^
4. Veränderungen des Blutes durch das Athmen.
307
das Venenblut etwas weniger Serum und mebr Kucben.
Arterienblut entbäit iiacb Mayer mebr Fascrstoft', und giebt
in dickem festen und glanzenden Bündeln, was schon Emmert
ab. Die grössere Menge des FaserstolFs Im Arterienblut ist
Berthoi.d und Denis (Burd. PÄri/o/. 4. .382.) , und von inir in
®‘ner Beobachtung bestätigt worden. Nach Denis verhalte sich
Gebalt von Faserstoff Im venösen und arteriösen Blut beim
^Unde wie 24 ; 25, nach Beethold bei Ziegen wie 366 ; 429, bei
Tatzen wie 474 ; 621, bei Hammeln wie 475 566, bei Hunden
500 ; 666. Nach meiner Beobachtung an der Ziege enthielt
as Venenblut 0,.395, das Arterienblut 0,483 Procent Faserstoff,
*eht man das Mittel aus diesen 6 Beobachtungen, so verhält sich
Faserstoff im Venen- und Arterienhlute wie 24 ; 29.
Die weichere Beschaffenheit des Faserstoffs im Venenblut, die
J^aon Emmert beobachtete, könnte auf die Verrnuthung führen,
ass durch das Athmen der Faserstoff weiter ausgebihlet werde,
y dessen lässt sich die weichere Beschaffenheit auch aus der grossem
•^•'theilung der geringem Menge von Faserstoff in gleicher Quan-
dät Blut ableiten. Die geringere Menge des Faserstoffs im Ve-
ßnblute rührt auch wohl bloss von dem Verlust eines Theils des
jdfgelösten Faserstoffs in den Capillargefässen bei der Ernährung
theils von der Abführung von aufgelöstem Faserstoff aus dom
^^awebe der Organe durch die Lymphgefässe, eine Quantität Fa-
j^ji’stoff, die erst wieder durch den Ductus thoracicus zumVenen-
^ 'de gelangt. Dass aber das Athmen auf die Ausbildung des Fa-
j^istoffs dennoch einwirke, wird wahrscheinlich daraus, dass das
Ijdt des Fötus viel weniger Faserstoff enthält, obgleich er mit
jj'Techt darin geläugnet wurde, und dass bei der Blausucht von
*^*’zfehlern, wie Offenbleiben des Ductus Botalli oder des Forainen
im Septum atriorum (vvegen geringerer Gerinnbarkeit des
j. dtes?) Neigung zu Blutungen beobachtet worden ist, obwohl die
'‘^würdige Neigung zum Verbluten aus kleinen Wunden von
Cr*" ®^"w^ucht verschieden ist. Dass das venöse Blut weniger
j.^dor (Blutkörperchen) enthalte, wie Denis behauptet, halte ich
hypothetisch. Wir besitzen kein Mittel, die Menge der
'l^körperchen in einer Blutart zu .schätzen. Vergl. oben pag. 110,
®fris rech. exp. siir le sang Inmain. Paris 1830.
widersprechenden Beobachtungen über die Wassermenge
Cb , . ‘‘len Blutarten hat Burdacb {Physiol. 4. 383.) zusammen-
eesteHt.
Vergleichung beider Blutarten auf ihre letzten Bestand-
® ‘St von Abildgaard und Michaelis angestellt worden. Nach
C5li’‘?'^'A‘>D sollte Venenblut um -j'j — weniger Nitrum zu al-
vermögen, als Arterienblut. PrArf , 'Äord. Arch. 1. 493.
hat beide Blutarten durch Verbrennung mit Rupfer-
^ analysirt. Schweigg. J. 54. Er fand
20*
1
308 II. Buch. Organ, chemische Processe. I. Ahsrhn. Aihmen,
Ivolilensloff
Stickstoff.
Wasserstoff
Sauerstoff
im A'enös. EiAveiss
» arteriösen »
, 52,650
53,009
15,505
15,562
7,.359
6,993
24,484
24,4.3^
im venösen Cruor
n arteriösen »
53,231
51,382
17,.3.92
17,253
7,711
8,354
21,666
23,011^
im ven. Faserstoff
» arteriösen ”
50,410
51,374
17,207
17,587
8,228
7,254
24,065
23,78^
Macaire und Marcet {ann. d. chim. et jthys. 7’. 51. p. 3S2.) habe
ähnliche Versuche mit ähnliclien Resultaten angestellt.
Hiernach scheint, dass der arteriöse Cruor Aveniger RohleO'
Stoff enthält, als der venöse, was sehr gut mit der Aussclieid«'’»
von Kohlenstoff als Kohlensäure in den Lungen stimmen -würd«^
Das Arterienhiut enthielte mehr Sauerstoff, was für eine Aufnahm
von Sauerstoff in das Blut heim Athmen zu sprechen schei" '
Indessen liesse sich doch auf diese gefundenen Verhältnisse
dann Werth legen, Avenn sie durch Aviederholte Analysen hestä^'j
dig gefunden werden. Denn sonst kann ein kleiner Unterscln®^
in der Austrocknung der zti anal3'sirenden Stoffe schon gro»>
Differenzen in den Resultaten erzeugen.
Das arteriöse Blut wird in den Capillargefässen des Kprp®*^^
dunkelroth, das venöse Blut wird in den Capillargefässen
Lungen hcllroth. Hört das Athmen auf, so fliesst dunkelrolb^^
Blut von den Lungen. Wird aber nach Tödtung eines Thie**'
das Athmen künstlich unterhalten, so wird das Blut in den L«^'
gen auch wieder hellroth. Die Durchschneidung der JVerven d
Lungen (nervi vagi) hebt diesen Process nicht auf, das Blut rötb
sich dann eben so gut noch in den Lungen, so Avie das Blut sellj*^
ausser dem Körper noch an der Luft seine Farbe ins Hellrot ‘
verändert, -und Sauerstoff in die Venen der Thiere eingespi’u^
das Venenhlut hellroth macht. ^
Die Kenntniss der Ursachen dieser Veränderungen führt
Theorie des Respiralionsprocesses und zur Entscheidung der
ob die heim Athmen entAveichende Kohlensäure aus dem
bloss ausgehauclit wird, oder durch Verbindung von Kohlenst*’
des Blutes mit Sauerstoff der Luft sich erst bildet.
a, ß eo b a c Ii t u n g e II über das arltinellc Blut.
1. Das hellroihe, arterielle Blut wird unter der Lußp"'"^^^
nicht dunkler. Beccaria und Rosa haben behauptet, dass das
terielle Blut unter der Luftpumpe dunkler Averde. Siehe
in Meck. Archiv 2. 207. Wie erstaunte ich, als ich diesen ’
such mit dem arteriösen Blute der Carotis einer Ziege wiederho^^J
und nun fand, dass es unter der Luftpumpe nicht im ft
seine Farbe verändert und hellroth bleibt. Auch das an der
allmählig hellroth gewordene Venenhlut wird unter der Luftpi^"
nicht wieder dunkelroth. rfa/jSi
2. Arterienblut enthält kein locker gebundenes Sauerslojjo
das man durch Erhitzung des Blutes darstellen könnte. H. H j^t
beobachtete im Jahre 1799, dass 12 Unzen arterielles Kalb«
4. Vcrlindcriuiaen des Blutes durch das Athmeii,
309
Stunde lang bei einer Temperatur von 96 — 108 — 200® F.
®*'‘*itzt, 1,8 C. Z. Gas gaben , wovon 1,1 C. Z. koblensaures Gas
'***d 0,7 C. Z. SauerätolFgas waren. Gild. ^nn. 12, 593. Ber-
zweifelt an der Riebtigkeit dieser Beobaebtung, welche
Ijnter die frühesten Ei-fabrungen von II. Davy gehörte. In der
.bat, wenn Davy den Versudi so anslcllte, dass er. das Blut In
>etn Kolben mit Gasentwicklungsrobr, das atmospb. Luft ent-
|elt, erhitzte, und die übergegangene Luft analysirte, so kann ein
^ einer Feli'ler in der Messung bei der Analyse, die ohnehin mit
**'1 unsicbern Salpetergas-Eudiometer -angestellt war, leicht je-
Resultat erklären. Dass sieb aus Arterienblut kein Sauerstoff-
entwickeln lässt, bat kürzlich Collard be Martiony bewie-
Er füllte eine Glasröhre von 35 — 36 Zoll Länge, die oben
erschlossen und unten leicht gekrümmt war, mit Quecksilber,
. ed liess in dem obern Theil derRöhre durch Aufslellcn derselben
j Quecksilber den leeren Raum des Barometers entstehen. An
* offene Ende brachte er nun die ai't. cruralis eines Hundes,
er durchschnitten mit den Fingern zuhielt, und liess das Blut
dem Quecksilher der Röhre aufsteigen, so dass es einen Zoll
über dem Quecksilber stand. Nach 1^ Stunden war das
^vUecksilber beträchtlich gefallen. Darauf .wurde die in der ba-
jv.'botrischen Leere entwickelte Luft in eine mit Quecksilber ge-
do Und ln Quecksilber aufgestellte Eprouvette geleitet. Die
bj^*’*Uge Menge des Gases w’urde darin ganz von Kali causticura
„^orbirt,- enthielt also keinen Sauerstoff, sondern war Kohlen-
j AIagehd. Jouru. de pUjsiol. 1830. Zur Ermittelung dieses
^ ‘"’ierigen Gegenstandes habe ich iiuch einen Versuch auf eine
'^'■e, sehr zuverlässige Art angestellt. Ich sammelte Arlerien-
einer Ziege aus der Carotis. Diess Blut wurde geschlagen,
K Ilüssig zu erhalten. Beim Schlagen des arteriellen Blutes
zwar der etwa darin aufgelöst enthaltene Sauerstoff ent-
Y *^ben, allein das^ arterielle Blut bleibt beim Schlagen hellroth.
W** Blute w'urde nun eine am einen Ende verschlossene
tVe' ^läsröhre, von 12 G. Z. Inhalt gefüllt, und in einem sebi^'
hohen Glasgefäss, über dessen Boden Quecksilber stand,
Sostürzt, so dass das Blut, durch Quecksilber abgesperrt, dem
j^^äospljj^rischen Druck ausgesetzt war. Das äussere Gelass wurde
äp? warmem Wasser gefüllt, und diess Wasser bei einer Tera-
' ''i'btiiw •'y» 1-P f r*i .. 1 E_!i tl! l-_*
®tur von 50 — 52® R. mehrere Stunden erhalten. hierbei
sich nur Avenige Gasbläschen in der Röhre. Zum
wurde der Apparat zuletzt erhitzt, bis das Eiwels's des
onten gerann, und die äussere Flüssigkeit köchte. Die kleine
«Igj Gas, die sich seit der ganzen Zeit in dem obersten Theile
^lei angesammelt hatte', betrug, als sie in eine ganz
*v ühergcleitet Avorden, noch nicht -jL- C. Z. Also
'Ml '^^'^’otheil Blut hatte ungefähr Proc. Gas entAvickelt, das
kej^^cheinlich nur mechanisch durch das Schlagen des Blutes sich
zin^^'^ongt hatte. Als ich ein Stückchen Phosphor ■ in die win-
y kleinen Eprouvette brachte, leuchtete dieses
-'^itlang, es musste also avoIiI atmosphärische Luft seyn, da
Sauerste flgas olme Stickgas nicht das Leuchten- des Phos-
I
, 310 II. Buch, Organ, chemische Frocesse, I. Abschn. Athmen,
pliors liervorLringt. Auch wurde nur — oder -j- der Giisniengc
absorbirt, worauf das Leuchten aufbörte. Aus diesem Versuch^
kann man, glaube ich, mit Sicherheit schliessen, dfiss sich aii*
arteriellem Blute kein Sauerstolfgas durch Hitze entwickeln lasst-
Ich habe diesen Versuch mit 8 Unzen ungeschlagenen Arte-
rienhlutes des Menschen ebenso wioderJioIt, welches Prof. Wutzb®
aus der Art, temp. hei einer Augenentzündung Hess und mir g“'
tigst zurtellte. Es entwickelte sich keine Spur von Gas.
Gleichwohl scheint sich sowohl heim Athmen als heim Röthei’
des Blutes an der Luft Sauerstoffgas mit den Blutkörperchen
verbinden, aber wahi'scheinlich auf eine so innige Art, dass
sich durch massige Hitze nicht wieder davon trennen lasst.
Davy (Gilb. Aim. 12. 592.) erzählt folgenden Versuch: Es wui'“®
in eine Phiole von 12^ C. Z. , die mit sehr reinem Sauerstollg**
gefüllt war, der Blutstrom aus der Mediauvene eines Mannes
eingelassen, dass keine äussere Luft mit hineindringen könnt®'
Das Blut wurde sogleich hellroth. Als sie halb voll war, wui'ä®
sie zugestopft, in Quecksilber von 90“ F. getaucht, und eine halb®
Stunde darin gelassen. Beim Herauszichen des Korkes stürzt®"
schnell ungefähr 2 C. Z. Quecksilber in die Flasche. Es haH®
also eine Gasverschluckung statt gefunden. Das rückständige
betrug Sj'ö C. Z. Sauerstoffgas und C- 2. kohlensaures GaS-
b. Beobachtungen über das venöse Blut
1. Vcnenhlut wird unter der Luftpumpe nicht heller. Ich kon»!®
an ganz frischem, noch flüssigem Venenblute des Menschen eb®"
so wenig unter der Luftpumpe ein Hellerwerden, als an bcH''"^
them Blute unter der Luftpumpe ein Dunkclrothwerden beobac"'
teil. Das Hellrolhwerden des Blutes beim Athmen kann a»
nicht von Ausbauchung der etwa im Blute vorhanden
,e a®*
senen Kohlensäure herrühren, sondern die hellrothe Farbe
Arterienblutes muss entweder von Entfernung eines Theiles ''"jj-
Kohlenstoff beim Athmen herrühren, der sich mit dem Sauerst"
der Atmosphäre zu entweichender Kohlensäure verbindet, "" ^
es rührt wahrscheinlich von der Bindung eines, Theils des SaU®®
Stoffs mit den Blutkörperchen her. .j
2. Auch das mit Ko/densäure künstlich imprägnirte Blut ä"
unter der Lujtpumpe nicht heller roth. Ich goss circa eine
von geschlagenem Ochsenblut, das eine halbe Stunde vorher b®^^
Schlachten gesammelt war, in eine mit Kohlensäure gefüllte
hälsige Flasche, verschloss dieselbe möglichst dicht, und schütt®*^^
das Blut, wobei es schnell ganz violett dunkelroth wurde,
ich ein Uhrgläschen voll dieses Blutes der Luftpumpe aussßt*
und keine Farbenveränderung bemerkte.
def
3. Mit Kohlensäure künstlich imprügnirtes Blut wird un
Luft wieder etwas heller. Diess habe ich hei derselben Uel^®|[^
heit beobachtet. Es scheint also ziemlich deutlich, dass das
rolhwerden des Blutes an der Luft und beim Athmen nicht
der Entfernung von Kohlensäure ans dem Blute, sondern von
Einwirkung des Sauerstoffes herrührt. ' -fd
4. Mit Kohlensäure imprügnirtes, ganz, dmkelviolettes Bbd
4. Veränderungen des Blutes durch das Athmen.
311
Sauerstoffgas wieder hellroth. Icli hatte verlier zwei Flaschen,
eine mit Kohlensäure, die andere mit Sauerstodj'as gefüllt,
die Flasche mit Kohlensäure goss ich etwas Ochsenblut, schüt-
zte es, bis cs ganz violett- dunkelroth geworden, und Hess es
j‘.**ige Zeit stehen. Dann goss ich das aulfallend, dunkle Blut in
‘e mit SauerstolFgas gefüllte Flasche, die ich schnell verstopfte,
schüttelte das Blut mit dem .Sauerstoflgas, in dem es sehr
^ehnell wieder hellroth, fast so hellroth wie arterielles Blut wurde.
5. IVcnn Blut, das mit Kohlensäure künstlich imprdgntrt ist,
^ Sauerst ofjgas geschüttelt wird, so enthält das Gas hierauf Koh-
Denn ais ich nach dem Versuche Nr. 4. die Flasche in
asser ölfnete, und das Blut durch Verdünnung desselben mit-
tZugiessens von immer mehr Wasser zu entfernen suchte, die
.asche nun mit dem Finger unter dem Wasser schloss, und in
^'"em Gefässe mit Kalkwasser uiustülpte, entstand eine Trübung,
fahrend von dem Gas der Flasche etwas ahsorbirt wurde. Oh
‘'^se Kohlensäure die vorher .dem Blute künstlich irnprägnlrte
oder oh sie sich durch Vcrhiiulung von Kohlenstoil des
'ates mit dem SauerstolFgas der Flasche gebildet hatte, will ich
"Entschieden lassen.
6. Aus Vencnhlut lässt sich durch Erhitzung, und durch die
. J'pumpe keine Kohlensäure
1), ^scheidune von Kohlcnsii
e entwickeln. II. Davy heobachtetc die
h -■ »ciieiciung von Ko li len säure aus dem Arterienhlut, l’i C. Z.
sollten 1,1 C. Z. Kohlensäure enthalten haben. Davy füllte
eine kleine Schaafhlase mit Venenhiut des Menschen, tauchte
*E darauf in Wasser von 112“ F., und fing das sich entbindende
Ws • -
^ im pneumatischen Apparate auf. Es bestand aus Kohlensäure
aus wässerigem Dunst. Gilb. Ann. 12. 594, Vogel fand,
(lyj Blut unter der Luftimmpe schäumend Gas entwickelte,
gM dass sicli heim Hindurchleiten des Gases durch Kalkwasser
Wenig kohlensaurer Kalk bildete. Sckweicg. Journ. 11. 401.
j^®anlich'e Beobachtungen will Brande gemacht haben; er mittelte
dass in Arterien- und Venenblut Kohlensäure, enthalten sey,
dass dayon in einer Unze Blut 2 C. Z. enthalten seyen. Ann.
-f fktm, et de phys. 10. 207. Home und Bauer bestätigten dicss,
iRiIq- « ' • . ... l._l.
"m Barytwasser mit Blut zugleich unter der Luftpumpe koh-
^"'■yureii Baryt bildete. Philos. Transact. 1818. 172. Mecrel’s
5. 3()9. Philos. Transact. 1820. Zur Entscheidung der
oh das Gas durch den Verdauungsprocess gebildet werde,
Wde einem Manne, nachdem er gegessen und Porter getrunken,
«cf M"*" Das Blut entwickelte unter der Luftpumpe
viel kohlensaures Gas. Endlich hatte \auch ..Scudamore {an
Oft ihc blpod'. Land. 1824.) Kohlensäure im Blute beobacli-
Reid Clanny fand neulich, dass in 16 Unzen Blut 1 C. Z.
Y^olensäure enthalten sey. Beurend’s Rep. der med. J . iliat 1832.
'’Sh Mueller’s Archia. 1835. 120.
Um so belrcmdcnder war es, dass John Davy ganz das Ge-
1 ^heil dieser Erfahrungen beobachtete, dass nämlich frisch ge-
j^^Enes Blut keine Spur von Kohlensäuregas, weder im luftleeren
Erhitzen bis zum Gerinnen in Dcsidlationsge-
sen abgiebt; dass das Blut vielmehr -i- seines Volums Kohlen-
312 II. Buch. Organ, chemische Processe. I, Ahschn. Aihmen.
s'äuregas ahsorLirt (von MiTscnERLiCH, Tiedemaü?? und Gmeeis
stätigt), welclies dabei vom Alcali im Blute gebunden wird, so das*
es selbst bei einer Temp. von 03" C. daraus nicht wieder zu cf'
halten ist. .Journ. de ehern, me'd. 5. 246. Jahrab. von Bebzelie'®'
10., 233. Feoriep’s iVoA 21. 209. ’Txt.nt.isw-frs Zeitschr. f; PhYsiol-
Seither sind neuere .Versuche über den Rolilensäurcgelialt de®
Blutes von Collard de Martigny angestellt worden. AIace^p'®
Journ. de physiol. 10. 126. Er brachte sowohl Arterien- als
nenblut in den luftleeren Raum des schon beschriebenen Bai'*®'
raeterapparates, und wollte nun bei so kleinen Mengen Blut (5®'
funden haben, dass es kohlcnsaures Gas ausdünste, wovon d»’
Yenenblut melir enthalten soll, als das arterielle. Diesen Versuche*’
mit überaus kleinen Quantitäten Blut geht wohl aller Werth a^'
Neuerlich hat Dr. Strohmeyer abci-mals gezeigt, dass sie**
aus Blut weder mit der Luftpumpe, noch durch Erhitzen desse*'
ben Kohlensäure entwickelt. E. C. F. Strohmeyhr liberutnne
dum sangulne continetur? Diss. inaug. Gotting. 1831. ScuwEiO*’’
Journ. iS31.
Bei diesem Widerstreit der Beobachtungen schien es mir durc^*'
aus nothwendig, mich durch eigene Erfahrungen von der WahC'
heit zu überzeugen. Hr. Prof. Bergemann interessirte sich
diese Untersucliung, und wir machten sie gemeinschaftlich. R®
füllte einen Kolben fast ganz mit ganz frischem Schaafblute (cif*'*
1 Pfund), so wie es beim Schlachten bei Durchsebneidung d®*'
'Halsgefässe gewonnen wurde, und verstopfte ihn sogleich. P"*
Laboratorium des Hrn. Prof. Bergemann befand* sich ganz in d®t
Nähe dos Orts, wo das Blut gewonnen wurde, und, es konnte d®’
ganz frische Blut sogleich auf Kohlensäureentwicklung gep®**
werden. Der Kolben wurde nun mit einem Gasentwicklungsroo
verbunden, und dieses mit der mit Quecksilber gefüllten Epr**“")
vette des Quecksilherapparates in Verbindung gesetzt, darauf d®
Kolben im Wasserbade 3^ Stunden lang anfangs bis 60" , spa*®
bis 70und74" R., 200® F., erhitzt. Die aus dem Gasentwicklung®'
rohr übergehende Luft wurde in der Eprouvette durch Kalkn*'®
ser auf Kohlensäure geprüft. Von G. Z. , die aus dem P®*"
'entwicklungsrohr übergegangen waren, sind C. Z. absorb’''j
also noch nicht C. Z. Kohlensäure ausgeschieden worden,
es war fast nur die vorher im Gasentwicklungsrohr vorband®'
Luft übergegangen. Jenes y C. Z. Kohlensäure könnte sich
auch erst während des Versuchs durch Wirkung der irn Rohr ®” _
haltenen Luft auf das Blut gebildet haben. Diesen Versuch h«
ich hernach mit Venenblut des Menschen wiederholt. Das
Gefäss wurde sogleich verstopft und der Versuch nach der A
Scheidung des Serums vorgenommen. Durch Kali caust. 'ffW*'
nur .5^ C. Z. der übergangenen Luft absorbirt. ^
Auch habe ich bei wiederholtem Versuche mit der Luftpo*®’^
kein Koblensäuregas aus dem Blute, wie es beim Schlachten ®
halten wird, entwickeln können.
Eben so wenig konnte ich aus Ochsenblut, wie es
Schlachten erhalten wird, Kohlensäure entwickeln, als ich
313
4, Veränderungen des Blutes durch das Athmen,
geschlagenem Oclisenljliit gefüllte Eprouvette in ein Glas voll
. iit umstürzte, und diesen Apparat langsam, zuletzt l>is zura Ge-
*''onen des Eiweisses erhitzte. Hierbei entwickelte sich keine ir-
gend merkliche Quantität Luft, sondern es sammelte sich nur ein
^atiz kleines Gashtäschcn in dem obersten rhcilc der Röhre. Ich
^ahe diesen Versuch noch einmal mit Schweinehlut so angestellt,
es geschlagen wurde, ohne mit der atmosphärischen Luft in
Berührung zu kommen. Das Blut wuirde nämlich in einem lan-
Ren vollen verstopften Gefäss, worin sich ein Eisenstähehen he-
gerüttelt, und das Gefäss darauf in einem Schälchen mit
xuecksilher umgestüi-zt , und der Apptirat in ein hohes Gefäss
R^stellt, div,s mit w armem Wasser gelülli wurde. Das Wasser w'urde
'Mehrere Stunden lang bis .52“ R. erhitzt, es entwickelte sich keine
^öft bjg ayf 0iij sranz unbedeutendes Gashläschen. ^
Die Untersuchungen von Mitscheblich, Gmelin und Tiede-
{Zeitschr. für Physiol 5.) haben ähnliche Resultate geliefert.
Wurden an einem lebenden Hunde die A. undV. cruralis bloss-
in dieselben kleine metallene, mit einem Hahn versehene
■^^öhren befestigt; aus diesen wurde das Blut in mit Quecksilber
Rpiullte und in Quecksilber urngestürzte Cylinder gelassen, nach-
man vorher sd viel Blut auslliessen licss, dass alle in dei
; ®*'l)indungsrohre enthaltene Luft ausgetrieben wurde. So wurde
Blut innerhalb des Cylinders, welcher halb damit gefüllt war,
die Luftpumpe gebracht. Obgleich beiiri Auspumpen Blasen
^•jistanden, wodurch das Quecksilber des Cylinders, welches um
H Zoll höher stand als in der Schaale, um 1 Zoll herabsank, so
p'Sle sich doch beim ällmähligen Zulassen voii Luft unter die
^'ocke der Pumpe, dass die Blasen schnell verschwanden, dass
*1« also nicht aus einem Gase bestehen korinten und dass sie bloss
mit Wasserdampf gefülltes Volumen waren. Beide Blutarten
^®*'liielten sich bei diesen Versuchen gleich.
1. Blut, welches künstlich mit Kolilensäure imprägnirt ^ ist, ent—
'^^^clt auch kaum etwas KoMensäure unter der Lujtpumpe. ' Das mit
p'*'>lensäure versetzte Blut wurde zuerst wieder in ein offenes
4 fass ausgegossen, und dann in einer Flasche auf eine passende
, Unter der Luftpumpe behandelt. Da sich das Kalkwasser nicht
•■übte, so kann ich auf ein schwaches Ralkhäutchen , das ^h
eim Herausnehmen des Apparats zeigte, keinen Werth legen. Das
f'itwar während des Auspumpens nicht heller geworden. Vergl.
Dzvr oben p. 310. t i «
8. Mit’ diesen Thatsacheii stehen wieder Versuche von Hoff-
unä Steveks in Widerspruch, nach welchen sich zwar durch
Luftleere und Wärme keine Kohlensäure aus dem Blute ent-
^‘^'^eln lasst, Avohl aber, Avenn dasselbe mit einer andern Gasart,
5 Wasserstoffgas, geschüttelt wird. Muellek’s ^yre/uV. 1835. 110-
? ■W'ie diese Versuche aiigcstellt scheinen, beweisen sie fredich
"^mviel; denn Avenn das zu solchen Versuchen angewandte Was-
®*'stoffgas nicht erst, ehe es zum Blute gelangt, durch Auflosiin-
von Kali und Kalkwasser mehrmals hindurchgeleitet wird, so
‘'malt es schon Kohlensäure. „
9. Blut, dunkelroihes , welches durch Beimengung von balzen
314 II. Buch. Organ, chemische Processe. I. Abschn, Athmen.
heüroth wird, entwickelt dabei keine Kohlensäure. Ich füllte eine
Eprouvette mit geschlagenem Ochsenblut, setzte eine ansehnliche
Quantität Salpeter hinzu, und stürzte die Eprouvette in einen*
Gefäss mit geschlagenem Ochsenblut um, und erhitzte den Ap'
parat. Es entwickelte sich kein Gas.
Stevens [pbsero. on tlie hcalthy and diseased properties of
hlood. Land. 1832.) hat einige interessante Beobachtungen über
den Antheil der Salze an der hellem Farbe des Bluts gemacht.
10. Die rothe Farbe des Blutcoagulums wird im destilUA^’^
W asser dunkler, und zwar schwärzlich. Dass Blutcoagulum in
stillirtem Wasser, welches die Salze auszieht, dunkel und von Sah'
lösung wieder heller roth wird, hat B. Füoriep bestätigt. Frobiei’’'*
Not. 759. Diese Färbung erfolgt auch im luftleeren Raum. MuE^'
lek’s Archiv. 1835. 1J9. Hieraus schliesst Stevens, dass nicht da*
Oxygen der Atmosphäre, sondern dass das salzhaltige Serum da*
Blut hell färbe, daher sey hei Mangel der Salze im 'ßlut, wie ■"
der Cholera, im gelben Fieber, das Blut dunkler, röthe sich a"
der Luft nicht, wohl aber bei Zusatz von Salzen. Hieraus schlies)^
nun Stevens, dass die dunkle schwärzliche Farbe des Blutes dl«
natürliche des FarbestolTs sey, und dass der FarbestolT der Bltd'
körperchen nur so lange roth sey, als er mit salzigen Theilen de*
Serums in Berührung ist. Daher könne sich Blutcoagulum, da-’
in destillirtes Wasser getaucht worden, an der 'Luft nicht mch*’
hellroth färben, es färbe sich aber sogleich, wenn man es in eine
Salzlösung tauche. Stevens hält <lic supponirte Kohlensäure
Veiienblut für die Ursache der dunkeln Farbe diese« Blutes; s**'
bald diese an der Atmosphäre oder beim Athmen aus dem Blid®
entfernt werde, werde das Blut von selbst und nicht durch de”
Sauerstoß hellroth. i Wenn diess richtig wäre, so müsste Venc”‘j
blut unter der Luftpumpe hellroth werden, was nicht der F”;
ist. Ebenso müsste das dunkeirothe Blut auch in WassersloHg”’
hellroth werden, weil darin eben so gut Kohlensäure sich cid'
wickeln kann, indem ja eine mit Wasserstoßgas gefüllte Bla*”
Kohlensäuregas bis zum Zerplatzen anzieht. S. p. 232. Ohne d'”
Nothwendigkeit der Salze im Blute zur Erzeugung der hellroll»-'”
Farbe zu leugnen, muss man doch gestehen , dass der Sauerstol’i
wenn er aut die von salzigem Serum umgebenen Blulkörpercb””
wirkt, die Ursache zur hellem Färbung wird, ohne dass der Sal^'
gehalt im Blute sich ändert.
11. Blut mit atmosphärischer Luft geschiittelt, verwandelt
Thed des Sauerstoffs, derselben in Kohlensäure. Bertuoleet (SciivTE*””
Journ. 1. 181.) liess geronnenes Blut mit atmosphärischer Luft ”*
einem Manometer von 28,91 2 C. Decimeter 24 Stunden bei ei»«”
Temperatur von 24 — 25» C. stehen. Die Luft enthielt hernac”
3,91 Kohlensäure in 100 Th., und es war eben so viel Sauerst»
gas verschwunden. Zwei andere Vei’suche ergaben etwas wenic«^^
J. Davy hatte seltsamer Weise die Farbenveränderung d«’
Blutes von der atmosphärischen Luft in Zweifel gezogen, und
hauptet, dass das Blut in Wasserstoß’gas sich eben so verhak '
Diess ist aber bestimmt ein Irrthum. In Wasserstoßgas veräud«*^^
das Blut seine Farbe durchaus nicht, und wenn dasselbe Blut da»
4. Verändeningen des Blutes durch das Athmen.
315
****1 atmospliärischer Luft gescliüttelt wird, wird es hellrotli. Chri-
^Tisos (Froriep’s Ao/. ^44.) Ijat die Kolilensäurebildung bei Be-
tthrung des Blutes mit atmospbäriscber Lull neuerdings erwiesen.
'Oe mit Blut vollgefüllte Flascbe, in welcber ein Stück Blei lag,
^OrJe verstopft und gescbüttelt, dass das Bleistück den Stab beim
^eblagen des Blutes ersetzte, und das Blut flüssig erbalten wurde.
* ‘oses flüssige Blut wurde in einer Flascbe mit atmospbäriscber
^ült gescbüttelt. Curistison beobacbtete hierbei, jedesmal (bei 13
^ersuchen) eine Volumverrainderung der Luft. Zur Ermittelung
6r K.oblensäurebildung diente folgender Apparat, dessen ich mich
l'joli bei dem später zu crwäbnenden Versuche bediente. Die
lasche, worin die atmosphärische Luft und das Blut sieb befan-
'j") batte 2 Oelfnungen, die mit einem Hahn versehen waren;
1*01 der einen war die Gasentwicklungsröhre, die in die Eprou-
®tte Quecksilberapparates führte, mit der andern ein hoher
siebter verbunden. Nachdem Luft und Blut gescbüttelt worden,
l^Orde die Luft durch Zugiessen von Wasser ^urch den Trichter
das Gasentwicklungsrohr und in die Eprouvette getrieben,
ooip. 44 — 52« F. Die Quantität der gebildeten Rolilensäure
7,''*’ immer kleiner als die des verschwundenen Sauerstoffs. Die
. *'®orption des Sauerstolles der Luft betrug 0,57 bis 1,4 C. Z. auf
^ C. Z. Blut. Die gebildete Kohlensäure betrug nie mehr als
C. Z.
. leb habe den Versuch von CagisTisoN kürzlich mit seinem
^PParate wiederholt, mit dem Unterschiede, dass die Flascbe ohne
'dine war,, wobei der Trichter bis auf den Boden der Flascbe
j®'chte. Die Flascbe hielt 17 C. Z., davon 10 C. Z. atmospb.
1 Olt, und 7 C. Z. Schweineblut. Curistison hatte das Blut zu
^Orze Zeit gescbüttelt, ich schüttelte den Apparat sehr häufig in-
*''*''''alb 0 Stunden. Nach 6 Stunden leitete ich durch Druck
im Trichter zugegossenen Wassers den grössten Theil der
bis auf den Schaum in 2 mit Quecksilber gefüllte Eprou-
otten des Quecksilberapparates. In der Eprouvette A betrug die
'Sorption der Kohlensäure durch Kali caust. des Gases. Die
O^Ü^ovette A enthielt 3,7 C. Z. Gas. In 3,7 C. Z. waren also
.’ ‘ L. Z. Kohlensäure gebildet, ln der Eprouvette B betrug die
'Sorption -jy des Gases. Die Eprouvette enthielt 4,7 C. Z. Gas.
j^svin waren also 0,28 C. Z. Kohlensäure; zusammen 0,45 C. Z.
ohlen.säure in 3,7 + 4,7 C.' Z. Diess macht auf die 10 C. Z.
^loiosph. Luft, die mit 7 C. Z. Blut geschüttelt wurden, \ C. Z.
^olilensäure.
1-2. Ich habe schon früher erwähnt, dass weder Sauerstoff-
noch Kohlensäuregas die Form der Blutkörperchen verändert.
als ich Froschblut mit diesen Gasen schüttelte, traten ziwar
gewöhnlichen Farbenveränderungen ein, aber die darauf mi-
j^oskopisch untei'suchten Köiperchen zeigten sich unverändert.
^"Utere Versuche habe ich in Poggend. Ann. 1832. beschrieben,
d dort auch angeführt, dass ich Kaetehbbunner’s Angabe nicht
®st'ätigt gefunden habe, dass die Blutkörperchen - beim üeber-
j*Og aus den Arterien in die Venen ,sicli etwas verändern sollen.
, ' Blute des' linken Vorhofs der Frösche oder der Lungenvenen
des
^uft
316 II. Buch. Organ, chemische Processe, II. Ahschn. Athmen.
sind die Blutkörperchen durchaus so, wie im Blute des rechte^
Vorhofs oder der Körpervenen.
V, Capitel. Von dem chemischen Process des
Athmens.
Es würde eine selir ßilscheVorstellung seyn, wenn man sic^*
dächte, während des Einalhrnens dringe der Sauerstoff der eingf^'
athmcteu Luft durch die Capillargefässhäute in den Wänden di-t
Lungenzellen bis zu dem Blute derselben ein , und beim Ausath'
men werde Kohlensäure aus dem Blute durch die Gcfässwäi'd®
hindurch ausgehaucht Die Aufnahme von SauersloflP in das Bläh
welches durch die Capillargefässe jder Lungenzellen wände ströiuh
und die Ausbauchung von Kohlensäure findet vielmehr hestämhS
ohn« Unterbrechung, sowohl während des Ausathrnens, als wäh'
rend des Einathmens statt. Die Bewegung des Einalhrnens ui'ö
Ausathrnens ist nichts anders, als eine abwechselnde Erweiterui'S
und Verengerung der Brust und der Lungen ; die Lungen_ werdej'
dabei nie leer von Luft, und enthalten unter fortdauernder Aul'
nähme von Sauerstoff ins Blut, und Ausbauchung von KohleusäurC)
theils atmosphärische Luft, theils etwas der ausgehauchten Koh'
lensäure. Durch das Ausathmen wird die veränderte Luft n‘‘*
grossentheils entfernt, und die Luft der Lungen erhält einen neud*
Zufluss respirahler atmosphärischer Luft. Bei vielen Thieren Ich'
len die Athenihewegungen am Athemorgane ganz, und es find®*^
nur der beständige SlolFw'echsel statt, wie an den vorstehende*
unheweglichen Kiemen der Salamanderlarveni
Wie der Sauerstofl' der Atmosphäre beständig durch dieWänd^
der Lungcnzellen in das diese Wände durchströmende Blut, uiJä
aus demselben durch die Wände der Zellen die Kohlensäure S®'
lange, bedarf keiner Erklärung, nachdem im vorigen Buch p“?'
2.30. die Permeahililät der weichen thicrischen Thciie, namentlich
Häute, für flüssige und gasförmige Stoffe erwiesen worden i^’*'
Eine nasse Thierblase, welche mit einer von der Atmosphäre vcf'
schiedenen Luftnrt gefüllt ist, erhält nach einiger Zeit diese Lul
nicht mehr, sondern atmosphärische Luft. Beiderlei Lultarfc*'
setzen sich durch die Wände der nassen Blase hindurch ins Gleich'
gewicht der Vertheilung. Derselbe Process findet zwischen z"'®'
verschiedenen Lösungen statt, die eine thierische AIcmbran '’Oi*
2 Seiten berühren. Dunkelrothes Blut in einer nassen Thicrbh’^';'
soll sich durch die Wände der Blase hindurch von der atmospl'“'
rischen Luft hellroth färben. Durch die feinen Wände der L'“*'
gcnzellen muss diese Durchdringung ausserordentlich sclinell
schellen, und das die Capillargefässe dieser Lungcnzellen wäim
durchströmende Blut muss dieser Aufnahme theilhaftig werJ*^*^'
Hierzu kommt, dass das Blut, namentlich die rolhen Blutkörpc*'
eben, eine ausserordentlich grosse Verwandtschaft zu dem Sauc*
Stoff haben, indem sich dunkles Blut auch ausser dem Körpe*
schnell auf der Oberfläche hellroth färhf, wobei Kohlensäure aU
dem Blute ausgehaucht wird. Aber sogar alle feuchte organisc
5. Vom chemischen Process des Athinens.
317
'^'‘listnnzen IiaLen clieEigenschaft, in Berührung mit der Luft ei-
''eii Tlieil ihres Sauerstoffs in K.ohlensäm’egas zu verwandeln.
'^ERz. Tluerck. 94.) Die Blutkörperchen hesitzen diese Fälligkeit
in einem viel hohem Grade. ' In der That dauert die heslän-
hellrothe Färbung des Blutes in den Lungen , selbst nach
^ärchschneidung der Lungennerven, nervi vagi, fort.
, Die Vertheilung des Blutes in so unendlich viele feine Capil-
, 4*^fässe in den Wänden der Lungenzellen hat also offenbar
'p» Zweck, den Contact der kleinsten Theilchen des Blules mit
Luft in der ungeheureh Oherlläche aller Lungenzellen zu ver-
’^'^liren, indem die' ganze, die Lungen durchströmende Blutmasse
dieser ungeheuren Contactsfläche vertheilt wird. Oh das Ge-
^ehe der Lungen einen speciGschen Einfluss auf Veränderung der
ftrnosphare besitzt, der grösser ist, als in ailderen Tlieilen, ist
"niiier noch zweifelhaft, da die Blutkörperchen seihst hierbei die
yaiiptrolle zu spielen scheinen, da auch gleiche Veränderungen
l®*" Luft von andern thierischen Oberflächen wie auf der Haut
p®*' Fische und Frösche, im Darrnkanal (bei Cobitis fossilis) statt
5''den; da nach Durchsebneidung der Lungennerven der chemische
^J’oeess des Athmens fortdauert. Gewisse, durch den Athernpro-
®®*s bewirkte Bewegungen des Wassers, die man um die ersten
Nässeren Kiemen der bVoschlarven bemerkt, Gnden nach Sharpey
^,®®h an den Seiten des Leibes derThierchen statt; endlich leheü
Frösche nach meinen Versuchen nach Unterbindung und Aus-
*®|>neidung der Lungen, selbst noch 30 Stunden durch Athmen
der liaut in der Luft fort, während sie in ausgekochtem
, f'sser untergetaucht, viel schneller sterben. Die Lungen sind
”®*'ch ihre Organisation, durch die Feinheit der zu durchdrin-
^®’’dcn Membran, durch die Grösse der Contactsfläche der am
‘*^®>sten geeignete Theil zu dem chemischen Processe des Athmens.
. 'Ueher ilio Theorie des chemischen Processes beim Athmen
*"id verschiedene Ansichten aufgestellt worden.
1. Nach Lavoisier, Laplace und Prout haucht das Blut be-
*tandig in die Lungenzcilen eine Flüssigkeit aus, die vorzüglich
I ®^‘le'nstoff und Wasserstoff enthält. Diese vereinigen sich mit
?®'n iauerstoff der Luft zu Kohlensäure und Wasser, welche beim
^’^sathmen entfernt werden. Diese Annahme einer ans Kohlenstoff
M^asserstoff bestehenden Flüssigkeit Ist vom chemischen Ge-
,'.®utspuncte sehr gewagt. Gmeius's Chem. 4. 1529. Da . man bei
'eser Theorie die thierische Wärme aus der Kohlensäure- und
^ l^sserbildung ausser dem Blute, nämlich Innerhalb der Lungen-
®kea erklärt, so muss bemerkt werden, dass die Lungen im All-
"®**'einen keineswegs wärmer als andere Theile sind.
y 2. Die von den meisten Chemikern getheilte Ansicht ist die
i'*** II. Davy, dass die Luft durch die Wände der Lungenzellen
^ ‘las Blut der Capillargefässe eindringe, dass die nun im Blute
j^rHeiöste Luft wegen Verwandtschaft des Sauerstoffs zu den Blut-
^j®*'perchen zersetzt und Kohlensäure frei wird, wobei zugleich
grösste Theil des Stickstoffs wieder entweiche. Gilb- Jtin.i9.
gab nach seinen Athemversuchen mit oxydirtem Stickgas
Wasserstoffgas zu, dass etwas kohlensaures Gas ans dem ve-
318 II. Buch. Organ, chemische Processe. II. Ahschn. Athmen.
nösen Blute selbst entwickelt werde. Nach der letztem Ansicli^
nimmt man die Wärmeerzeugung von der Rohlensäurebildung
Blute der Lungen an; und dieser sind die Beobachtungen vo»
Davy günstig, dass das Blut des linken Herzens und der Artei'i«"
(Carotis) um 1 — 1^“ Fahr, wärmer seyn soll, als im rechten
zen und in den Venenstämraen (Jug.).
3. Einige, welche von der Tliatsache ausgehen, dass
Athmen mehr Sauerstoff verschwindet, als Kohlensäure gebil‘1®*
wird, die Kohlensäurebildung in den Lungen oder in den Get äss®"
der Lungen zugeben, aber die Wassererzeugung leugnen, nehi»*^"
an, dass durch Verbindung von Sauerstoff der Luft mit Kohlf’'
Stoff des Blutes Kohlensäure sogleich beim Athmen entstehe, d“’’
jener Antheil von Sauerstoff, der nicht auf Kohlensäurcbildui'S
verwandt werde, mit dem Blute gebunden werde, und daher
Blut hellroth färbe, dass die Blutkörperchen mit gebundenem Sanf'
Stoffe das Leben der organischen Theile anregen. Dass beim Athiä®"
mehr Sauerstoff’ verschwindet, als Kohlensäure gebildet wird,
rechtigt durchaus nicht zu der Annahme von Lavoisier,
Dulong und Desphetz, dass dieser Antheil von Sauerstoff auf
Bildung des ausgeathmeten Wassers durch Verbindung von
serstoff des Blutes und Sauerstoff verwandt werde. Das in ‘l*”'
Lungen ausdünstende Wassergas aus einer , Erzeugung vonWas***^
aus Elementen abzuleiten, ist auch überaus gewagt, weil unt®’
den obwaltenden Umständen von nassen thierischen Oberfläche”’
besonders bei der Temperatur der warmblütigen Thiere, Was«”*^
verdunsten muss. Die Hypothese der Wassererzeugung in ‘1®.-
Lungen ist daher bloss zum Vortheile der Verbrennungstheoi''®
von Lavoisier und Laplace erfunden, aber nicht erwiesen
den. Nach den Versuchen von Collabb de Martigsy wird
jeder Gasart, z. B. auch Wasserstoffgas, Wassergas ausgeathi”®*’
wo also kein Sauerstoff zur Erzeugung von Wasser vorhand”®
war (doch ist nach meiner Ansicht dieser Versuch nicht
stringent, weil Thiere, die in irrespirable Gasarten gebracht
den, immer noch atmospärische Luft in den Lungen haben). N”®'
Magenuie soll sich die Quantität des beim Athmen transpirn'^®*
Wassers vermehren, wenn man einem Thiere Wasser von d®f
Temperatur des Körpers in die Venen injicirt Magekdie
elementaire de physiologie. 2, cd. 2. 246. Man kann daher w® '
die Wassererzeugung in den Lungen nicht anders als eine d«®
gewagtesten Hypothesen ansehen, welche nur von Chemik«’’"'
nicht von Physiologen lange Zeit hin angenommen werden konn^®^
und es ist ganz einfach, die Aushauchung von Wasser ans d®®
Lungen gleichwie von der Haut als eine blosse Aushauchung
dem Blute zu betrachten, obgleich diese Aushauchung nicht
rein physikalische Verdampfung ist, wie sich deutlicher bei ^
Hautausdünstung un 7. Abschn. dieses Buches ergeben wird. .
nun kein Wasser in den Lungen erst entsteht, so muss dasje»*?^
Sauersloffgas, welches nicht auf ein gleiches Maass Kohlensäi'^
beim Athmen verwandt wird, wirklich ins Blut übergehen ;
verschwindende Ueberschuss von Sauerstoffgas ist in den
Versuchen über das Athmen in der Luft und im Wasser vo*'
5. Vom rheinischen Process des Athmens.
319
kommen constatirt. Walirscheinlicli wird also ein Theil des Saner-
^tofts der L\ift mit ' dem Blute verbunden, und ist die Ursache der
hellroiben Färbung des Ärterienblutes und des Blutes an der Luft,
^ie man weiss, wird auch ein Gemeng von Blutkörperchen und
^ci’uin, oder gescblageties Blut durch blosses Hindurchstreicben
SnuerstolTgas durch und durch hellroth. Für dieSe Bindung
Sauerstoff an das Blut spricht auch ein pag. 310 erwähnter
''ersuch von H. Davy, und die Beobachtung, dass beim Schütteln
Luft und Blut sehr viel mehr Sauerstoffgas absorbirt, als
^öhlensäurc ge])ildet wird. Es sprechen ferner dafür Nysten’s
^ersuche mit Gaseinspritzungen in die Adern der Thiere, wobei
^®UerstofFgas das dunkelrotbe Blut in den Venen hellroth färbte,
also gar keine gebildete Kohlensäure ausgeschieden wurde.
■^'"STEN rech, de physiol. et de chim. pathol. Die Verbindung des
^‘'uerstolls mit dem Arterienblute scheint aber sehr innig zu seyn,
sich der Sauerstoff nicht daraus wieder entwickeln lässt.
4. Nach Lagrange und Hassenfbatz wird der Sauerstoff' der
atmosphärischen Luft nur locker vom Blute gebunden (im Blute
®ät'gelöst oder mit den Blutkörperchen verbunden), und bildet erst
Mlirend der Circulation mit dem Kohlenstoffe des Blutes Koh-
mosäure, die im Blute absorbirt ist, bis sie in den Lungen aus
j^m Blute frei wird. Lagrange stützte diese Ansicht zum Theil
''***’auf, dass arterielles Blut in verschlossenen Gefässen nach eini-
Zeit von selbst wieder dunk'ler wird. Da nun das arterielle
f^ät bis in die feinsten Arterien immer noch hellroth ist, und
J^^'m Durchgang durch die Capillargefässe des Körpers erst dun-
^clroth wird, so kann man, w'cnn man der Ansicht von Lagrange
^^'Rethan ist, die Kohlensäurebildung doch nur in den Capilhsr-
B^fässen des Körpers annelimcn. Nach dieser Ansicht müsste das
.®nenblut vorzüglich Kohlensäure aufgelöst enthalten, das Arte-
^'®iiblut müsste locker gebundenen Sauerstoff enthalten. Diese
^'•siclit ist unter einem grossen Theil der Physiologen verbreitet,
B*'d stützt sich vorzüglich auf die Versuche von Vogel, Home,
^ande, ScunAMORE, CoLLARD DE Martigny, dass Vcnenblut wirk-
Kohlensäure enthalte, und H. Davy’s Versuch, dass sich aus
^'‘terienblut Sauerstoffgas entwickeln lasse. Nach dieser Theorie
es erklärlich, warum die Lungen nicht wärmer als andere
. ''eile sind. Fr. Nasse hat in einer ausgezeichneten Abhandlung
das Athmen (Meck. Arch. 2. 195. 435.) alle früheren diese
^J'sicht stützenden Thatsachen zusarninengestellt. Ich sehe diese
Mißhandlung als eine sorgfältige Prüfung der früheren Arbeiten
die Veränderungen des Blutes beim Athmen' an. Wir ha-
indess gesehen, dass* mehrere der Beobachtungen, worauf man
*®h f'dj. Lagrange’s Ansicht berufen kann, das Zutrauen nicht
i®ß'dienen, welches man ihnen geschenkt hat, dass das Arterien-
'*1 durch Hitze keinen Sauerstoff, das Venenblut durch Hitze
Unter der Luftpumpe keine Kohlensäure aushaucht, dass auch
^‘'^caria’s und Rosa’s Beobachtungen in Hinsicht der Farbenyer-
uefmjgen des Ärterienblutes unter der Luftpumpe unrichtig sind,
dass weder Arterienblut unter der Luftpumpe dupkel, noch
320 II. Buch. Organ, chemische Processe. II. Abschn. Athmen.
VenenTjIut unter der Luftpumpe hellrotli wird. Siehe oben p^g'
306—313.
Vor Kurzem hat Stevens eine eigentliümliche Ansicht id)«‘
den chemischen Process des Athmens aufgcstellt, welche auf
ersten Blick sinnreich erscheint. Stevens sagt, oler Farbestoff J®*
Blutkörperchen ist an sich dunkel, durch das Serum wird er hcö'
rolh, weil die Salze das Blut helh'oth machen. Die hellrod*®
Farbe ist daher die natürliche Farbe der Blutkörperchen, so lang®
sie von Serum umgeben sind. Bringt man Wasser mit bellrotht'*fJ
Blutcoagulum zusammen, so wird das hellrothe Blut dunkel, ■"'®‘
das Serum des Coagulurns ausgewasclien wird. (Diese FarheiivB*"'
änderung tritt selbst hei geringen Quantitäten Wasser ein, wie i®**
sehe, sie ist eine Folge der AuHösung des Farbestcdfs in Wasse*"’'
Kohlensäure macht das hellrothe Blut dunkel. Diese Kohlensäu*'®
entstellt nach Stevens in den Capillargefässen des Körpers, dab®*^
ist das Venenblut dunkel; in den Lungen wird diese Kohlensäuf®
ausgeschieden, daher tritt wieder die natürliche Farbe des- Blut®*'
die hellrotlie, ein, ohne dass der Sauerstoff die Ursache der 1*®^^"
rothen Färbung wäre. Bis dahin klingt diese Theorie sehr e**?'
fach und bestechlich. Der Einwurf, dass das Alcali im Blute J‘®
Kohlensäure binden müsste, entkräftet er durch die Annahii*®|.
dass das Alcali im Blute unterkohlensaures sey, welches auch **•*
Pflanzenfarhen wie Alcalien wirkt, und daher die alcalischc B®'
schaffenheit des Serums erklären kann. Wäre Stevens Ansic‘‘
richtig, so müsste Venenblut unter der Luftpumpe durch das E>'^'
weichen der Kohlensäure und ebenso durch blosse Erhitzung *'*1''
hellrothen Blute werden. Diess geschieht aber alles nicht,
wir oben gesehen haben. Die Ui’sache der dunkeln Farbe J®’
Venenblutes kanrt daher nicht eine im Blute aufgelöste und lei®*'
zu entbindende Kohlensäure seyn; kurz, Stevens Theorie des Am'
mens kann nicht richtig seyn.
5. Nun bleibt noch eine 5. Ansicht vom Athmen übrig;
die Kohlensäure nicht durch Verbindung von Sauerstoff der L***
und Kohlenstoff des Blutes entstehe, weil die Ausbauchung ''®'’
Kohlensäure in sauerstofffreien Gasen fortdauere, dass daher “1
Kohlensäure aus den letzten Bcstandtheilen des Blutes sich
andere Secreta bilde. Man kann für diese Vorstellung die A“'
Sonderung verschiedener Gase durch die Schwimmblase' der Fis®,
anführen. Nach dieser Ansicht wäre die Kohlensäure • nicht
Venenblute nothwendig pi’äexistirend, sondern sie würde im Al®'
mente des Durchganges des Blutes durch die Capillargefässe y®
Lungen ohne Mitwirkung des Sauerstoffs der Lull gebildet.
Ansicht stützt sich auf Beobachtungen, dass die Bildung von K** ’
lensäure . in sauerstofffreien Gasen bei kaltblütigen Thieren 1®* ^
dauert; Beobachtungen, welche schon Spallanzani gemacht
Edwards wiederholt. Wenn diese Beobachtungen richtig s*'*j[
so sind sie unstreitig von ausserordentlicher Wichtigkeit, und p*
Unrecht von den Physikern bisher übersehen worden. Es .
mir von airsserordentlichem Interesse, diese Facta zu verifi®**’®
So wie die Sachen jetzt sieben, hängt die Entscheidung der g®
5. Chemifcher Process des Aihmens.
321
Frage vom cliemisclien Process des Atlimens von der Beant-
®rtung von folgenden 3 Fragen ab.
1 Ist Robicnsäure im Venenbliite verbanden? Die Lnft-
‘^*'6 und die Wärme entwickeln nacb den obigen Versuchen keine
^'‘i’aiis. Anderseits sind dieVersuebe von IIoi-fmann und Stevesss,
nach Wasserstoffgas aus dem Blut Kohlensäure entwickele, noch
hinlänglich bestätigt.
Wird Kohlensäure von kaltblütigen Tliiercn in reinem
lasserstoffgas oder reinem Stickgas ausgehaucht? Wir Averden
®n, dass diess unzweifelhaft ist.,
sä Blut mit atmosphärischer Luft geschüttelt Kohlen-
Siehe ohen pag. 314. Die letzte Thatsache mit der
nnd mit der Thatsache, dass der Mensch in reiner Luft
mehr Kohlensäure bildet als in schon geathmeter Luft (pag.
Stoff Kohlensäure durch Verbindung von Saner-
^hat Kohlenstoff des Blutes entsteht. Die zweite
^atsache zeigt das Gegentheil. Hier ist der Knoten, dessen
späteren Untersuchungen Vorbehalten ist. Ich werde nun
VqJI ganzen Verfolg der Untersuchungen über das Aushauchen
tgj, Kohlensäure in sauerstofffreien Gasarten mittheilen. Die äl-
^ p*’®“ohe an warmblütigen Geschöpfen von H. Data’ (Gilb.
CouTANCEAN uiid Kysten (Meck. z/rc/i. 2. 256.) hewei-
nichts, da die Lungen von solchen Thicren, die kurze'Zeit
at>th ?*®o*’stoifgas gebracht Averden, noch Kohlensäure von vorher
Fli’ h)ie Versuche Averden nur dann bcAveiscnd, wenn
lange in Wasserstoffgas oder Stickgas ausdanern können,
^enn die erzeugte Kohlensäure beträchtlich ist. Diess hat
Sg '|*äDs beobachtet; nämlich ein Frosch hauchte einmal inWas-
in 8j Stunden 2,97 Centil. = 1,49 P. C. Z. Kohlen-
ia ''OS, was indess nicht richtig seyn kann, da ein Frosch selbst
le^®.!^mosphärlscher Luft in dieser Zeit lange niebt so viel Koh-
1{ "Ore bildet. Inßuence des agens physiques p. 44.5. CollAbd de
(Magendie Jo«77i. de physiol. p.Pll.) hat diese Ver-
tit^^® mit Stickgas ausgefülirt, und auch Anshauchnng einer Quan-
Kohlensäure beobachtet, die nicht viel kleiner war als in
H *?os Versuch. Er nahm den Frosch in Zwischenzeiten von
SaL ■“ Stunden ans der mit Stickgas gefüllten Glocke heraus,
die Luft in einem andern Gefäss auf durch eine beson-
det,p'^°*’*’mlitung, füllte die Glocke wieder mit Stickgas und Hess
Vgj, *‘osch wieder darin athmen. Diess wiederholte er bei jedem
dia ^*^ '0 mehrere mal. Beim Einbringen des Frosches wurden
eiaj Ongen und Kehle zusammengedrückt. Diese Methode hat
{"raj , ^ortheile, allein bei dem öfteren Wiedereinbringen des
*I‘l*är' * "wird jedesmal doch wieder eine kleine Quantität atmo-
Athg 'voller Luft durch seine auch noch so sehr comprimirten
ä»e^i 'Organe in den Versuch gebracht. Collahd hat nicht be-
er das Stickgas bereitet und gereinigt hat. Die Re-
f der Versuche \’on Collard sind folgende.
Frosch bildete in 7.^ Stunden 2,80 Centilitres Koh-
diess macht 1,41 P. C. Z.
“Uer's Physiologie.'!,
21
322 II. Buch. Organ, chemische Proccssc. J. Ahschn. Aihtnen.
B. 3 Frösche hildeten in 8 Stunden 7,98 Centilitres Foh
Icns'aure; diess macht auf einen Frosch 1,34 C. Z. ,
C. 2 Frösche hildeten in 8} Stunden 5,22 Centilitres F® *
lensäure. Diess macht auf einen Frosch 1,31 C. Z.
D. 2 Frösche hildeten in 8 Stunden 5,43 Centilitres F« '
lensäure. Diess macht auf einen Frosch 1,36 C. Z. .
E. 2 Frösche hildeten in 7^ Stunden 4,89 Centilitres Fo
lensäure; diess macht auf einen Frosch 1,22 C. Z. ,
F. 2 Frösche hildeten in 9 Stunden 5,15 Centilitres F»
lensäure; diess macht auf einen Frosch 1,29 C. Z.
G. 2 Frösche hildeten in 8 St. 40 Min. 5,70 Ccntild
Kohlensäure; diess macht auf einen Frosch 1,43 C. Z.
Es schien mir durchaus nöthig, die Versuche von .
und CoLLAED ZU wiederholen. Da mir 20 Pfund Quecksilbei
Gebote standen, so konnte ich den Versuch schon in einem gross
Gefäss anstellen. • . , ■ i.«il'
A. Ein Cylinder von 20 C. Z. Inhalt wurde mit QuecK
her gefüllt, und mit Hülfe einer geschliffenen Glasplatte in
silher umgestürzt, der Cylinder darauf mit Wasserstoffgas
Zink und verdünnter Schwefelsäure bereitet) gefüllt. Nun
ich 4 Frösche hei Zusammendrückung ihrer Lungen in den '■
linder. Nach 4 Stunden machten sie keine Athemhewegungen in^ ,
obgleich sie noch Lebenszeichen von sich gaben. Nlich 12 jj
den nahm ich sie heraus, sie waren todt, und lebten an der
nicht wieder auf. Kali caust. in den Cylinder gebracht, abSj
birte li C. Z. Kohlensäure; diess macht auf Jeden Frosch
C. Z. Bei diesem Versuche war das Wasserstoffgas ungereio'r^
es enthält dann ein stinkendes Oel und selbst etwas Kohlensa«
Gmelis’s Chemie. 1. 217. r,. , „aC'
B. Bel einem mit Prof. Bebgemash gemeinsclialtUch
stellten Versuche wurde das Wasserstoffgas durch Weingeist
chen gelassen, und ein kleinerer Cylinder von 10 C. Z. Inhalt
gewandt. In diesem reinen Wasserstoffgas lebte ein Frosch
12 Stunden noch matt mit lange aussetzenden Athenibewegu'>S
und war selbst nach 22 Stunden nur scheintodt. Bei der l’rü
der Luft mit Kali caust. wurde | C. Z. absorbirt. Der
lebte wieder auf und wurde von Prof. Bergemakn noch zu ^
reren anderen Versuchen, nämlich zu 4 mit Wasserstoffgas o»
mit Stickgas gebraucht. Nach einiger Zeit wurde er mir
eingehändigt. Ich fand ihn ganz lebhaft. Sein Blut gerano
sonst bei Fröschen. _
C. Ich liess einen Frosch 4 Stunden in W^asserstoffgE*
men, das ich vorher durch Weingeist hatte streichen lassen-
war nach 4 Stunden scheintodt. Sein Herz setzte Minuten
im Schlagen aus, er lebte an der Luft wieder ganz auf.
selben Cylinder wurde ein zweiter Frosch 2^ Stunden n ^
gelassen, worauf er scheintodt schien. Bei der Untersuchnnp
Luft durch Kali caust. wurden 0,83 C. Z. Kohlensäure abso
Luftdruck 27 Z. 2 L.
D. Ich liess 2 Frösche 6 Stunden in Wasserstoffgas ‘
das ich hatte durch Auflösung von Kali caust. streichen
5. Chemischer Process des Athmens.
323
Waren zuletzt sclieintodt. Es hatten sich 0,66 C. Z. Rohlen-
«*>nre gelilhlet. Luftdruck 27 Z. 5 L. Tcmi). 17“ R.
E. Das zur Entwicklung des AVasserstoffgases hestimmte
etiiss war jedesmal fast voll, so dass es nur sehr wenig atmo-
sphärische Luft iiher der Flüssigkeit enthielt, und man Hess je-
cstnal eine grosse Menge Gas Weggehen, ehe man das Wasser-
stolFgas auffing, so dass man in dieser Hinsicht sicher war. Um
allen Verdacht von Reimengung von Sauerstoffgas hei dem
’usserstoffgas zu entfernen, hrachtc ich in das schon durch Ka-
‘losung geleitete, in dem Cylinder angesararneltc WasserslotFgas
Kugel von Platinaschwamm, und Hess sic darin 24 Stunden
'®&en. Darauf hrachtc ich einen Frosch in den Cylinder, wie
Se Wohnlich mit zusammengedrückten Lungen, er war nach 8
^nuiden sclieintodt. Die Absorption von Kohlensiiiiregas betrug
. ln allen Versuchen geschah die Uehcrlcituiig und Sperrung
Y®* Gases mit dem Quecksilherapparat. Ich habe noch 3 andere
®^'suche angestellt, wo ich das Gas aller, nachdem es aufgefan-
War, mit Liquor kali caustici schüttelte. Das Resultat der
tlieniversuche war ganz analog. Im Versuche F. waren nach
^ Stunden durch den Frosch 0,37 C. Z. ,' im Versuche G. 0,41
I ■ im Versuche H. 0,4 C. Z. Kohlensäure gebildet. Diese 3
® *ten Versuche halte ich aber für fehlerhaft, da das Wasser,
j. ‘^it ich das zur Reinigung des Wasserstolfgases angewandte
causticum ausgespült, wie alles ungekochte Wasser etwas
enthielt, und also auch etwas Luft an das WasserstoIFgas
Auswachsen ahgegehen haben könnte.
Ein Frosch, den ich durch Verbrennung von Phosphor he-
^f'Ktes Sti ckgas atlinieii Hess, lebte darin 6 Stunden. Kohlen-
^'Ui’e A C. 2. Ich freue mich, hierbei auch einige Versuche von
•jof. Rergemasn anführen zu können. Folgende Notizen hat er
niitgetheilt. Die Versuche wurden mit Wasserstoffgas und
ickgas angestellt in einem Zimmer, dessen Temperatur nicht
Y -F- 10“ und nicht unter -f- 4“ war. Ein und derselbe
*’osch wurde zu allen Versuchen benutzt. Es wurde eine Ver-
ehi'ung des Gasvolumens hcohachtet, diese war in den ersten 3
’^tiden, sowohl bei der Respiration des Frosches in Wasserstoff-
j als in Stickgas, am stärksten. Nach Verlauf von 4 — 5 Stun-
A®!* bahm die Lebenstbatigkeit des Frosches bedeutend ah. Das
j ^aien war ungleicliförmig und nach 8 — 9 Stunden hörte es in
^'*gen Zeiträumen ganz auf, konnte jedoch durch eine gelinde
j®'''egung des Cylinders wieder liervorgebracbt Werden. Nach
j.®*’ Beendigung der Versuche war der Frosch immer ganz be-
> nach wenigen Stunden jedoch
^ 7 »«woi* wenigen oLuimeii |edocb hewcgte er sich freiei', und
einigen Tagen konnte er zu neuen Versuchen benutzt wer-
ibidem einzelnen Versuche hatte der Frosch seine gelb-
® Farbe in eine dunkelbraune verwandelt. Das angew’andte Hy-
/“gen war aus Zink und verdünnter Schwefelsäure bereitet und
j'j Alcohol gereinigt. Das Stickgas wurde aus der atmosphä-
Luü’t durch einen brennenden Körper abgeschieden und
‘auf ijjif Kalkwasser geschüttelt. Geringe Antlieile Oxygen
21 *
324 II. Buch. Organ, chemische Proce.ise. I. jihschn. Atlmen.
Weiten jedocli in solchem Azot immer zurück. DleVersnche f*!’
Stickgas können daher auf eine grosse Genauigkeit keine A«'
Sprüche machen. Der Frosch wurde mit eingedrückter Kehle >
die Gasart gebracht. Die Menge des angewandten Wassei’slo '
gases und Stickgases variirte von 7 — 8 C. Z. Die Resultate ‘ ^
Versuche von Prof. Bergemann habe ich in einer Tabelle ‘
meinigen zusammengestellt. Unter den von mir augestellten Vc '
suchen habe ich die Versuche A. F. G. H.j weil sie nicht §***
fehlerfrei sind, hier nicht mit anfgelührt.
Beobachter
Gasart
Nummer
des
Versuchs
Dauer
des
Varsuchs
Menge der
gebildeten
Kolilensäui^
Mueller
Stickgas
A
6 St.
0,25 C. Z.
Bergemann
»
A
44
0,75
»
«
B
12
0,5
M. u. B.
Wasserstoffgas
B
22
0,5
Mueller
C
6\
0,83
»
D
6
0,.33
n
»
E
8
0,4
Bergemann
A
10
0,55
D
B
12
0,8
n
C
13
0,7
»
i D
14
0,5 ^
Gegen diese Versuche konnte man immer noch den Ein''''’'5_
machen, dass die Frösche in ihren Lungen einen Tlieil atmospl’‘|'
rischer Luft in den Versuch mitgebracht, und dass auch '
Darmkanal Koblensäuregas enthalten konnte. Ich habe daher ‘ ^
Versuche so wiederholt, dass ich die Frösche zuerst dem lulUf®.
ren Raum aussetzte und diesen mit gereinigtem Wasserstollr’'‘j
anfüllte. In einem Versuche wurde auch dieses WasserstoHS^^
wiederholt ausgepumpt, um den letzten Antheil atmosph. Luft ^
dem Raume zu bi’ingen. Auch überzeugte man sich durch
Probe, dass das Wasserstoffgas nach Absorption des Wasserdamp!
von salzsaurem Kalk durch Kali canst. nicht vermindert w«*’
Die Frösche wurden 3 Stunden in dem Wasserstoffgas
sie waren schon viel früher scheintodt. Dann wurden die Frös*-
herausgenommen, und alles Wasser aus dem Gase entfernt,
durch, dass ein Röhrchen mit salzsanrem Kalk wiederholt
halb eines ganzen Tages in den Raum gebracht wurde, bis
salzsaure Kalk darin trocken blieb. Erst dann vvurde das
auf Kohlensäure mit Kali caust. geprüft. In beiden der
stellten Versuche zeigte sich die gewöhnliche Ausbauchung
Kohlensäure, welche im ersten Versuche 0,3^ im zweiten ’
Cubikzoll betrug. , p.
Die Menge Kohlensäure, welche ein Frosch in 6 — 12
den in saüerstofffreien Gasarten bildet, kann man ohne Irrt**,.^
also auf ^ f G. Z. anschlagen.
Frosches im Durchschnitt nur
de»
Da die Lungen und
1
'7
C. Z. enthalten,
5. Chemischer Process des Atimcns.
323
^®rselben bei jedem Versuche zugleich vorher ausgedrückt war,
'ind wenn auch etwas atmosphärische Luft und Rohlensaure zu-
rückgeblieben, diess doch sehr wenig seyn konnte, so lässt sich
schon von Spallanzani gefundene Resultat nicht in Abrede
stellen, dass die kaltblütigen Thiere auch in sauerstofffreier Luft
’^ftfabren Kohlensäure auszuhauchen, und dass diess selbst fast
viel als beim Athnien in atmosphärischer Lrift beträgt, indem
r'n Frosch nach den pag. 294 mitgetheilten Versuchen in 6 Stun-
im Durchschnitt 0,57 C. Z. Kohlensäure in atmosphärischer
erzeugt.
Man scheint aber berechtigt zu der Ansicht, dass die hier
Sebildete Kohlensäure zum Theil blosse Secretion der Lungen oder
Haut ist, da sie sich nicht im Venenblute vorfindet, und sich
^''abhängig von der atmosphärischen Luft erzeugen kann. Diese
Von Koblensäurebildung lässt sich ganz der Kohlensäurebil-
bei der Gährung vergleichen, wo die Kohlensäure sich auch
*^une wesentlichen Einfluss des Sauerstoffs der Luft aus den Ele-
*^611160 der organischen Stoffe bildet. Man sollte hiernach er-
^ärten, dass bloss die Lungen oder die Haut das eigentbümliche
^fniögen besässen, Kohlensäure abzuscheiden und das Blut allein
atmosphärischer Luft geschüttelt keine Kohlensäure bilde,
ist aber nicht so, wie pag 314. gezeigt worden. Blut bildet
!?d atmosphärischer Luft geschüttelt, auch ‘Kohlensäure, und zwar
' Z. Blut mit 10 C. Z. atmosphärischer Luft fast beständig
S'^schüttelt, geben in 6 Stunden | C. Z. Koblensä.ure, was freilich
“asserordentlich wenig ist. Die Lehre vom Athmen befindet sich
aller in einer jetzt unauflöslichen Schwierigkeit. Blut bildet mit
aci Sauerstoffe der atmosphärischen Luft etwas Kohlensäure ohne
.'a Einwirkung des lebenden Organs, indem es hellroth wird,
7« Blut entliält keine Kohlensäure praeexistirend und doch hau-
Amphibien ohne Mitwirkung' von Sauerstoffgas fast eben so-
Kohlensäure als in -der Atmosphäre aus. Ich will diess
j^albsel nicht durch die Bemerkung zu lösen suchen, dass das
at der Frösche vom Athmen in der Luft noch viel Sauerstoff-
gebunden enthalte, das auch beim Athmen in Wasserstoffgas
mit Kohlenstoff des Blutes Kohlensäure in den Lungen er-
,,^ge, sondern ich will diess Resultat meinel- eigenen unpar-
. ‘aiiseben Forschungen nur getrost weiteren Untersuchungen
'‘‘‘erllefern.
1 Man könnte glauben, dass die imVcnenblute etwa doch vor-
®ödene Kohlensäure in so geringer Quantität darin enthalten sey,
. äss sjß Untersuchungen entgehe. Sie müsste aber nach den
jJ^^^octen des Athmens ziemlich beträchtlich im Blute vorhanden
H», Wenn sie bloss ausgebaucht würde.
Airnint man 2 , Unzen Blut für jeden Herzschlag gefördert
7. so erhält man, dass 10 Pf. in einer Minute an den Lungen
''“'heigeijen und dass 10 Pf. Blut also 22,7 C. Z. Kohlensäure
J^Bialten müssten, die in einer Minute ausgeschieden we^e"-
“amt man auch das von Alles und Pepys gefundene Resultat
,7 22,7 C. Z. Kohlensäure uni die Hälfte zu gross an, wie es
®<m wirklich zu gross ist, nimmt piuii au, dass, wie m Davx&
326 II. Buch, Organ, chemische Processe. I. Al/schn. Athmen.
Versucli in einer Minute 15,8 C. Z. Engl. = 13 C. Z. Franz, ausit®'
athmet werden, so müssten doch 13 C. Z. Kohlensäure in 5 oder 10 l’i-
Blut aufgelöst seyn. Es ist noch nicht die Zeit gekommen, die**
Bäthsel zu lösen, und es lässt sich für jetzt aus den ohigen Tlii**"'
Sachen nur schlicssen, dass sich unabhängig von der cingeathme'
ten Luft Kohlensäure im Blute der Lungen bilden und daraä*
sich entwickeln kann.
In neuerer Zeit haben Mitscuerlicu, Gmelih und TiEDEM 'j*/
eine ganz eigenthümliche Theorie des Athmens entwickelt.
gehen von der Existenz der Essigsäure oder Milchsäure ira freit!'’
oder gehundenen Zustande in den- meisten Secreten und im Blu|®
aus, welche sich im thicrischen Körper seihst erzeugen muss,
sie in viel kleinerer Menge in der Nahrung enthalten ist, als
durch Schweiss und Urin beständig ausgeleert wird. Nun hab^"
sie ferner ausgemittelt, dass das venöse Blut mehr unterkohlC'
saures Alcali enthält als das arterielle, indem 10000 venöses Bl" .
wenigstens 12,3 und 10000 arterielles Blut wenigstens 8,3 geh""'
dene Kohlensäure enthalten. Dicss wenden sie auf ihre llyp'’'
these an , dass sich heim Athtnen unter reichlicher BerühruOr
mit der Luft Essigsäure erzeuge, welche das kohlensaure Al""
des venösen Blutes zersetze, worauf die Kohlensäure ausgeatlu""
werde. Sie vermuthen, da.ss der Sauerstolf der Luft heim Al'*'
men theils direct an Kohlenstoff und Wasserstoff trete und Ko^'
lensäure und Wasser erzeuge, zum Tliell sich unmittelbar
den im Blute enthaltenen organischen Verbindungen vereinigt
Hierdurch Averden nun organische Pi-oducte, die zum Lehen
thig sind, erzeugt. Zugleich ist diese Bildung aber auch mit
ner Umwandlung organischer Stoffe in niedere, wie z. B. Es’'^'
säure oder Milchsäure, verbunden, ivelche einen Thcil der
Blute enthaltenen kohlensauren Materie zersetzt und diese Ko".'
lensäure in die Lungenzellcn austreibt. Tiedemanr Zeilsclw- J‘
Physiol. 5.
VI, Lapitcl. Von den Athemhewegungen und
Athemnerven.
a. A th e ni 1) e wegun g en.
Das Ein- und Ausathmen geschieht bei dem Menschen
den Säugethicren durch Erweiterung und Verengerung der Br"*
liöhle. Sobald die BrnstAvände sich ausdehnen, und die Brustbö",
erweitert wird, dringt dieiLuft in der Luftröhre und ihren Z"'"'
gen bis in die Zellen nach, die sich in dem Maasse ausdebn""’
als die Brusthöhle sich erweitert, so dass also die Oberfläche
Lungen durchaus den sich ausdehuenden Wänden der Bi'ustbob
folgt. Diess ist nur so lange möglich, als die Brusthöhle von
Seiten geschlossen ist, und so lange kein Druck der Luft
aussen dem Druck der Luft von der Luftröhre aus das
gesvicht hält. Bei penetrifenden.Bnistwunden aber ist kein
Einathmen mehr möglich, weil der Luftdruck dann dui'cb ‘
Wunde auf die äussere Oberfläche der Lungen Avirkt, und
Luftdruck von der Luftrölirc her das Gleichgewicht hält. ^
6. Alherrdteweguiigen und Athemncrven.
327
Lungen bleiben dann collabirt, wenn auch die Brustwande sieb
aiisdebnen. Ziu- Erweiterung der Prustbölile beim Emathmen
«ient ganz vorzüglich das Zwerebfell. Im erschlafften Zustande
das' Zwcrclilcll gewölbt, bei der Contraction desselben wird es
und indem seine Wölbung herabsteigt, erweitert es also
Brusthöhle, wodurch zugleich die Eingeweide der Bauchhöhle
'’on oben gedrückt werden.' Dieser Druck auf die Bauchein^e-
'»eide von oben beim Einathmeii verursacht das Hervorlreiben
derselben nach vorn oder das sclieinbare Anschwellen des Bau-
®Les beim Einathmen. .
Sobald das Zwerchfell erschlafft, welchen die Eingeweide
Rieder mehr zurück, und der Bauch wird flacher. Beim leisen
Linathmen bewirkt das Zwerchfell zum grossen Theil allem die
Lrweiterun':' der Brust. Die seitllc.he Erweiterung der Brust p-
®®>‘ieht vorzüglich durch die Wirkung der miiscull intercostales,
““er auch durch Untorstützung der musculi scaleni, Icvatores co-
*'-äruiri, des serraliis posticus superlor, und der Brustmuskeln uber-
,'‘«pt. Das Ausathmen kann beim ganz ruhigen Athmen schon
j^rch blossen Collapsiis, durch die Elasticltät oder Herstellung
vorher ausgedehnten Theile in den Status cpio erfolgen , und
ruhige Ath'inen scheint weniger aus der Abwechslung antago-
|*_>stlscber Muskelbewegungen, als vielmehr periodisch^ Inspira-
Lotisbewegungen zu bestehen. Hierbei wirken zwar die Exspira-
‘ensrnuskeln durch jenes massige Contractionsspiel, welches allen
“^»iskeln auch ausser den stärkeren Ziisammenzlehiingen eigen ist,
W'-enigstens erfolgt das Ausathmen von selbst, so wie die
["«piration aufhört. B'eim starkem Ausathmen wirken diep Mus-
starker, noch mehr, und selbst krampt hart, vpnn Reizung
den Lungen oder im Kehlkopfe statt findet, und Husten ein-
*''tt. Die Exspirationsinuskelii sind die Bauchmuskeln, wcc e pc
j.'Ppeu niederziehen, und durch Zusammendrückung _ ^
Baucheingeweide gegen das erschlaffte Zwerchfell m die Hohe
.®*flen, und so die Brusthöhle auch von unten verengern. Diess
i"»d der gerade, die schiefen, der ijuere Bauchmuskel, der muscu-
quadra'tiis lumborum, inusculus serratus posticus inlerior, muscu-
*** sacrolumbaris und longissirnus dorsi.
V Das Ausathmen wird unterstützt 1) durch die Elasticitat der
Luffwege, nachdem ihre Ausdehnung durch die Lutt aufphort haL
^ Durch ZusammeuzieLuii^ von Muskellasern clei u ^^8®
Beim Einathmen ist die Stimmritze weiter , beim Ausathmen
f^Ser. Die Lullröhrenzweige werden beim Einathmen weiter,
Ausathmen enger. Die Lull wird entweder durch Mund
’^der Nage aufgenom'men und ausgetrieheu. Beim At p®’* ^
'j'® blosse Nase ist der Ausgang durch den Mund durch Anlegen
hiiuern Theils der Zunge wider den Gaumen gephlosscu, beim
^thiueii diircli den Mund ist das Gaumensegel erboben. Duip
^öiiaberung. der bintern Guumenbogen gegen einander, wopren,
''‘fiDzoaui entdeckt hat, eine vollständige Verscbliessung ein ,
durch Anlegen des hintersten Ibeils der Zunge •
pumen, kann sowohl der Mund als die Käse von -den ^espi -
'öiiswegen abgeschlossen werden. Eine Bewegung,
328 II, Buch. Organ, chemische Proccsse. I, Abschn. Athmen.
kürlicli gescliielit, -wenn man den Athen» anhält, und das Durch-
strömen übler Gerüche durch die Nase autgehoben wird. Dzond*
die Functionen des weichen Gaumens, Halle 1831.
Bei den Vögeln dringt die Luft beim Einathmen nicht alle'"
in die Lungen, sondern auch in die grossen Zellen. Es giebt hie^
kein vollständiges Zwerchfell mehr, sondern nnr einige Muskelzip^®
steigen vom hintern Winkel der 3., 4. und 5. Rippe za ein®*'
fibrösen Haut an der untern Fläche der Lungen empor. Die £*■'
Weiterung der Brust erweitert die grossen Zellen, welche mit de"
Lungen in Verbindung stehen, wodurch die Luft genöthigt
sich in die Lungen zu stürzen. Die Luft wird aus den Zell®"
und den Lungen durch die Thätigkeit der Bauchmuskeln aiisg®'
trieben. Unter den Amphibien athmen die Chelonier, deren R'F'
pen unbeweglich vei-bunden sind, und die nackten Amphihi®"’
welche keine wahren Rippen haben (Coecilien, Derotemata, P'"'
teiden, Salamandrina, Batrachia) bloss dui’ch Verschluckung d®®
Luft ein. Die Frösche schliessen den Mund, erweitern die
höhle an der Kehle, wodurch ein leei-cr Raum entsteht, den d'“*
Luft, durch die Nasenlöcher eindinngend, einnimmt. Dann
heil sie die Kehle zusammen, verschliessen den Schlundkoptj
treiben diii’ch die Zusammenziehung der Kehle die Luft duf®^
die Stimmritze in die Lungen, während sie durch einen eig®"'
thümlichen Mechanismus die Nasenlöcher schliessen. Die
wird theils durch die Bauchmuskeln, theils durch die Elastici^^
der Lungen hei geöffneter Stimmritze ausgetriehen. Sobald d'«
Frösche den Mund nicht mehr schliessen können, können sie aud'
nicht mehr athmen. Das Ausathmen gescliieht hei den Schild'
kröten durch Zusammenziehung der Bauchmuskeln zwischen d®"*
Bauchschild und den hinteren Exti'emitäten. Die mit beweglich®" ■
Rippen versehenen Amphibien athmen durch Erweiterung
Verengerung der Körperhöhle vermöge der Rippen. Ueber di®
Athemhewegungen der Fische und ihren Mechanismus siehe C"'
viEE Vergl. Anat. T, 4. 222.
Die Hypothese von der Mitwirkung der Lungen bei d®"
Athemhewegungen ist seit den ältesten Zeften bald erhoben, baW
verworfen worden. Für diese Hypothese stritten Avebboes, R'"'
LAN, Plateb, Sennert, Bbemond {mcm. de l’acad. d. sc. Par. 17311-)'
gegen dieselbe Th. Babtuolin, Diemerbröck, Mayow und HaU-®"’ ■
Haller elementa physiol. T. 3. 7. 8. p. 226. Die Ersleren sah®"
hei Thieren, deren Brusthöhle geöffnet war, die Lungen
immer zusammen fallen, sondern in einigen Fällen sich dauei’""
bewegen, obgleich die Brustmuskeln ausser Thätigkeit waren.
der neuern Zeit haben Flormasm und Rudolphi diese Hvpoth®’®
vertheidigt. Rudolphi anat. physiol. Ahhandl. p. 111. Florm"*.'*
sah, dass die Lungen eines ersäuften Hundes selbst nachZersebn®*'
düng des Zwerchfelles noch fortfuhren sich zu bewegen, RunoU"!
sah die Bewegung der Lungen an einem erdrosselten künde, h®‘
entferntem Brustbeine, zerschnittenem Zwerchfelle und lutere"'
stalmuskeln. Man leitete schon solche Bewegungen der Lang®**
von den Erschütterungen des Brustkastens ab, sie können auch
wohl von den Zusammenziehungeii des Herzens, und von den v""
6. Athemhewegwngen und Athemnerven.
329
'r lieoljacliteten Zusammenzieliungen der Lungenvenen herrüliren.
■'i'i.F.a hatte ilie so etwas gesehen, er sah immer die Lungen bei
? ständiger Oeffnung der Brusthöhle ganz collabirt; ich hahe auch
dergleichen gesehen, und ich vermuthe hei den Erfahrungen
ehrwürdigen Männer Fi.obmasn und Rudolphi eine Täuschung.
Weitere Auseinandersetzung dieser Controverse hat hioss ein
pschichtliches Interesse. Die Gründe und Gegengründe wieder-
'^len sich, und man ist zuletzt auf das Zeugniss seiner Augen
^•*gewiesen , das nach meinen Erfahrungen gegen die Hypothese
jPeicht. Tiedemann sah Bewegungen an dem Athemorgan der
Tbeviraihjs hatte an den Lungen der Frösche auf
Pplication von Opiumtinctur und Belladonnenextrapt Bewegungen
^®sehen. Icli weiss nicht, ob der berühmte Verfasser der Biologie
. 'erauf noch Werth legt. Die Frösche füllen von der Reble aus
Lungen mit Luft, die beim Oeffnen der Stimmritze und
j^'^senlöcher entAveicht. Ist die Stimmritze geöffnet, so sind die
j^’*''gen für immer collabirt, [und man kann keine Zusammenzie-
j^egen an ihnen erregen. Vergl. über diesen Gegenstand Lajhd
^'^ectionen p. 243 — 250,
Dagegen ist die Contractionsfähigkeit der Luftröhre und ih-
^ ^ Aeste wohl Aveniger zu bezweifeln. Man könnte vermuthen,
öle Luftröhrenäste an den von Houstoun, Bremond, Flor-
^ und Rajdolpui gesehenen Phänomenen Antheil haben. In-
ist es doch problematisch, dass die Fleichfasern der Luft-
We rhythmische BcAvegungen ausühen. Die queren Fleischfa-
j. Q der Luftröhre an ihrer hintern Seite sind bekannt. Fleisch-
sollen sich auch noch an den ziemlich kleinen Zweigen der
l^öhrenäste hnden. Diese Fasern sind durch Reisseisen de
^ '■'ca pulmonum. Berol. 1822. fol. am meisten berühmt gewor-
.^“Isseisen wollte die Fleischfasern mit der Loupe noch an
jj kleinen Luftröhrenzweigen erkannt haben, an welchen er keine
''Orpel mehr Avahrnahm.
Es ist merkwürdig, dass die Contractionskraft der Muskelfa-
der Luftröhre und Luftröhrenzweige noch durch keinen di-
t Beweis entschieden ist. Alle Ausführungsgänge der Drüsen
gV®** Wahre Muscularcontractilität, sie sind unAvillkürlich beweg-
lio '' Ductus choledoclius iler Vögel kann man bei Vivisec-
sich rhythmisch bewegen sehen, Avie ich mehrmals selbst
Reize sah. Die Ureteren sah ich bei Sängethieren undVö-
bp ** starken galvanischen Reiz sich zusammenziehen. Tie-
t . -'Mn sah Zusammenziehungen am Ductus deferens des Hoden
Dferde. Aber die Zusammenziehungen der Luftröhrenfasern
.Reize sind bis jetzt nur von Rrimer {Untersuchungen über die
jjg Ursache des Hustens, Leipz. 1819.) gesehen worden. We-
sJever dlige gen beobachtete bei einem Hunde und einem Meer-
Z^^'''einchen Aveder auf mechanische, noch auf galvanische Rei-
^^'§en auf den ganzen Umfang der Luftröhre, mit und ohne
ha. der Schleimhaut angewandt, irgend etwas von Con-
'jtion. Dagegen zeigte sich in den Bronchialzweigen von | 1
fjjjt'^.Durclimesser eine allmählige Verengerung ihres Lumens,
ois zum gänzlichen Erlöschen desselben. Bei einem lebenden
330 II. Buch. Organ, chemische Processe. I. Abschn. Athrnen.
Hunde befreite Wedemeyer die Luftrölire 2 Zoll lang von alle'**
Zellgewebe, und schnitt vorn ein Stlick aus der Luitröhe aus-
Wedemeyer sah bei der Reizung der hinternWand der Luftröb*'*'’
durch mechanischen und galvanischen Reiz keine Spur von Zu'
sammenziehnng. Wedemeyer öllhete nun schnell die Brust, nal>**‘
die Lungen mit ihren Bronchien lieraus, und machte mellte* *■
Durchschnitte derselben. Die Stamme der Bronchien zeigten t**'"
Zeiclien einer Zusammenziehungskraft. Dagegen glaubte We**^'
MEYER in kleineren Aesten von cii’ca 1 Linie Durchmesser aut
galvanischen Reiz eine deutliche Constriction zu sehen, doch S®'
schah diess sehr langsam. Den letzteren ähnliche Beobachtung^**
machte bereits Varsier. Man sieht, dass die Luftröhre bis '*'
ihre Verzweigungen sich wahrscheinlich nicht bei den Athenih*'
wegungen rhythmisch rnitbewegt. Eine rhythmische Bewegu'*»’
die in diesem Falle willkürlich seyii könnte, wäi’e ein ganz i^**'
lirtes Factum. Denn der Ductus choledochus zieht sich z«'**^
auch rhythmisch zusammen, aber diese Bewpgungen sind du**
aller Willkür entzogen, dahingegen rhythmische Bewegungen
Luftröhre, welche mit den anderen Respirationsbewegungeu gleic'*'
zeitig geschehen, auch mit diesen der Willkür unterworfen s®/
müssen. Ein solcher Einfluss der Willkür bis auf die Z"'***'!
des AusfüHrungsganges eines Eingeweides ist im höchsten Hra'*_
unwahrscheinlich. Vielleicht könnte eine beständig sich äussernj'*'
Contractllltät in den Fasern der Luftröhi’enzweige, bei dem NaE'*''
lass jeder Ausdehnung durch Inspiration, zur rhythmischen ^e*'
engerang wirken. Diess könnte aber auch durch blosse Ela’J*'
cität erfolgen. Bei den Vögeln giebt es allerdings willkürliE'*
Verkürzungen der Luftröhre durch besondere Muskeln, M. sl®!
notracheales und M. ypsilotracheales (und bei vielen Vögeln ■*
den Zweck des Gesanges an dem untern Kehlkopfe bei der Tl****^
lung der Luftröhre noch besondere Muskeln). Sehr interess»*'^
ist, dass jene Muskeln, wie ich sehe, von einem besondern i''®*^-
ven versehen sind, einem zweiten Ramus descendens N. liypoglö^*’^
der bis fast zum untern Kehlkopfe herabgeht, und (bei dem T*)“'
bahn) die M. sternotracheales und ypsilotracheales versieht, *^
rend der N. recurrens, grösstentheils der Speiseröhre besti»*a^J
einen veidiältnissmässig nur kurzen Ramus traehealis entgE’n^,j
schickt. Ich habe ijioch keine Gelegenheit gehabt, DesmoCE'^^^
Angabe zu prüfen, dass die Muskeln des untern Kehlkopfs,
den unteren Cei’vicalnerven versehen sind. Beim Menschen s‘*l*‘*‘'^^
die Erweiterung der Luftröhrenzweige und die von Einigen beoha*-
tete Verkürzung der Luftröhre beim Einathrnen, die V erläiige‘’"''|[
beim Ausatbmen eine bloss mechanische Folge der Ausdehnung '*!
Verengerung der Brust zu seyn. Der Kehlkopf selbst rückt
heftigen Einathrnen ein wenig nach abwärts, und beim Ans"
men wieder aufwärts.
1>. Linfluss der Nerven auf das Athr
Die Athembewegungen sind sehr zusammengesetzt, und ^
Wirkungskreise sehr verschiedener Nerven unterworfen. Gl®***
de***
6. Aihemhewegungen und Athemnerven.
331
''’olü ist die Quelle der gemeinscliaftliclien Thätigkeit dieser Ner-
eine und dieselbe. Die Atbembewegungen besteben 1) aus
euegungcn im Gesiebte, die sicli aber nur selten rbytbmiscb
''Ussern, wie die Erbebung und Senkung der Nasenflügel, die An-
^ ‘’eiignug mehrerer Gesiclitsmuskeln lieim Atbmen. Diese Bewe-
ÜUnge,, erfolgen bei unwillkürlicben heftigen Atbembewegungen,
bei grosser Sebwnebe selbst mit, sie sind Ton dem Nervus
te.s
'^<alis abhängig, den Cuables Belt, den Athemnerven des Gesicb-
Heiint, 2) Erweitern der Stimmritze beim Einatbmen, Veren-
kern derselben beim Ausathmen. Diese Bewegung ist ganz von
«rn Nervus vagus, und zw'ar von seinen beiden Rcblko])fästen,
eryus laryngeus superior et inferior seu recurrens abhängig.
'j Erweiterung der Brust beim Einatbmen. Nervi spinales. Ner-
'*** respiratorius externus Bellii. Nervus accessorius Willisii, in-
*^^crn er den M. cucullaris beim Heben der Schulter beherrscht.
■ Eusammenziebung des Zwerchfelles beim Einatbmen. N. pbre-
■ Endlich Zusammenziebung der Bauchmuskeln beim Aus-
btnen. Nervi spinales. Wir sehen, dass zu dem System der
g^heinnerven der Nervus facialis, vagus, accessorius, und viele
|P'ealnerven, die sich in den Rumpfmuskeln verbreiten, gehören,
'^der dieser Nerven bat seinen verschiedenen Wirk unaskreis, und
der eine ohne den andern vernichtet werden. Die Durch-
”neldung jedes dieser Nerven bebt seinen Antbeil an diesen Bewe-
"dngen auf. Aber die Vernichtung der Medulla oblongata bebt alle
/!m])ewegungen zu gleicher Zelt auf, auch die Wirkung dnr-
hldgen Nerven, welche von dem Rückenmark entspringen. Das
*’*pkenmark verhält sich zu dieser Quelle der Atbembewegungen
“®‘cbsam als Stamm der Nerven, die von ihm abgehen. Dureb-
^'^bueidet man das Rückenmark oberhalb des Abgangs der Dor-
^“luerven, so xverden die Bewegungen der Rippen und derBaueb-
äskeln gelähmt, die anderen Bewegungen dauern fort. Dureb-
‘‘'leidet man das Rückenmark über dem Zw’ercbfellsnervcn, so -wird
’^h dieser mit untbälig, xväbrend die von der Medulla oblon-
^ Selbst abgebenden Nerven noch wirksam sind. Die unter der
^^®*'letzung abgebenden Nerven sind zwar noch wirksame Erreger
I Bewe gütig, w'enn man sie einzeln reizt, aber sie können nicht
li I serocitsiiiiieti Quelle aller gleichzeitigen -unwillkür-
'“ti und willkürlichen Atbembewegungen aus bestimmt werden,
der Vcrlelzimg der Medulla oblongata hören alle Atbembe-
I yHuiigen zunleicb auf, sowohl dieienissen, die vom N. vagus ab-
*'**'lien, als ehe des Rumpfes. . .
j Eegallois bat dieses Verbältniss gezeigt; er bat bew’iesen,
Ve« anderen Tbelle des Gehirns die Quelle der Atbembe-
sind, und dass man bei einem Thiere das Gehirn von
ÄI )* “‘“'E hinten allmäblig abtragen kann, bis bei Verletzung der
‘lulla oblongata, an einer dem Abgänge des Nervus vagus ent-
).gj®*^Eenden Stelle, alle Atbembewegungen zu gleicher Zeit aufhö-
äe 1 deswegen ist auch die Medulla oblongata gleichsam dervul-
a|i ®Eelste Theil, wenigstens derjenige, dessen Verletzung unter
Verletzungen der Nerven und der Centraltbeile des Nerven-
‘2nis die gefährlichsten Folgen bat.
332 II. Buch. Organ, chemische Processe, I. Abschn. Athmen.
Die Verletzung des Nervus vagus am Halse lähmt die unte*"
der Verletzung des Nerven abgehenden Zweige, also den Nervu*
recurrens. Die Folge davon ist, dass das Thier die Stimme vcf'
liert, und die Oeffnnng der Stimmritze erschwert wird.
Stimme kehrt jedoch nach einigen Tagen wieder, weil die IVI^S'
kein des Kehlkopfes gemeinschaftlich von dem Nervus larynge“*
Superior und inferior versehen werden. Nach DurchschneiduOs
des Nervus laryngens snperior und des recurrens auf beiden Sc*'
ten ist der Kehlkopf ganz gelähmt. Magendie’s Behauptung, d**’*
der Nervus laryngens inferior sich nur zu den Muskeln begc^*®’
welche die Erweiterung der Stimmritze bewirken, der N. laryngc”!
Superior zu denen, welche die Stimmritze verengern, hat sich
näherer Untersuchung durch Schlemm und Andere nicht bestätig^'
Beiderlei Nerven verbreiten sich in beiderlei Muskeln. Wenn **
einen Unterschied in den Functionen beider Nerv'en giebt,
entsteht er gewiss nur dadurch, dass der Nervus recurrens 1*®*
seinem merkwürdigen Verlaufe und seinen Verbindungen mit dc^
N. sympathicus, plexus cardiacus nicht allein Fasern von dem ■'vi*'
kurlichen Bewegungsnerven Vagus, sondern auch viele Fasern
Sympathicus enthält. Wir wissen nicht, ob der N. recurrens
kürliche Bewegungen der Kehlkopfmuskeln hervorbringen kao**'
Andere tiefe Zweige des N. vagus, welche sich viel mit dem Sy***'
pathicus verbinden, sind keiner Leitung zur willkürlichen Bev'"®'
gung mehr fähig’ wie die der Speiseröhre, des Magens.
Hier ist der Ort, Charles Bell’s Ansichten über dieAthe*®'
nerven zu entwickeln. Der Anbick eines Menschen, im Zustand®
aufgeregter Thatigkeit, überzeugt uns, dass die vom Athmen ab'
hängigen Bewegungen fast über den ganzen Körper sich erstrecke®’
indem sie dann an Bauch, Brust, Hals und Gesicht beobacht®
werden. Die Athemnerven gehören einem zweifachen System
Die einen dem Systeme der Spinalnerven, welche 2'WurzeIn, e'®
hintere sensibele, mit einem Ganglion versehene, und eine
dere motorische Wurzel ohne Ganglion haben. Zu diesem Systc*®
gehören alle Spinalnerven, und der Nervus trigeminus. Zu die^®***
Systeme der Nerven gehören unter den Athemnerven diejenig®'J
Spinalnerven, welche ziu- Bewegung der Brust- und Bauchmusk«*®
heim Athmen dienen. Das zweite System von Nerven, wel®®*"
auch Athemnerven abgiebt, besteht aus Nerven, die nur mit W®®'
zeln einer Art entspringen, diese Athemnerven sind der Ner^®^
facialis, vagus, accessorius Willisii. Bell vermuthet, dass ein .
sonderes System von Fasern in der Aledulla oblongata un*l
Bückenmark die gleichzeitigen und übereinstimmenden Wirkung®'
der Athemnerven der 2 Systeme beherrsche. Alle Alhemncr'®^
dienen auch vorzugsweise dem Ausdruck der Leidenschaften. A***’®
der Concurrenz eines grossen Thcils der Spinalnerven zum Ath'**® ^
unterscheidet Bell als besondere Athemnerven für besondere B
gionen :
1) Nervus vagus, Athemnerve des Kehlkopfs.
' 2) N. facialis, Athemnerve des Gesichtes. Die Wirkung^
dieses Nerven treten beim Athmen um so mehr hervor, je
strengter es ist, z. B, hei aufgeregter Thatigkeit und bei sehr g
6. Athemhecvegungen und Athemneroen,
333
^cWächtcn Menschen. Die Erhebungen und Senkungen der Na-
sfinflügej und die VerzeiTun^en der Gesichtsmuskeln bei diesem
‘"'östlichen Athmen sind von jenem Nerven abhängig. Die Durch-
**^hncldnng dieses Nerven nimmt dem Antlitze seine Sympathie
!?*t (len Athcmorganen und den Ausdruck des Afiectes. Bei den
Diieren nimmt die Ausbildung dieses Nerven mit dem Mangel
leidenschaftlichen Bewegungen in ihrem Gesichte ab.
3) Der obere Rumpfathcmnerve , Nervus accessorius Willisii,
**’*sgezeichnet durch seinen merkwürdigen Verlauf, dass seine vom
®oern Theile des Rückenmarks kommenden einfachen, zwischen
doppelten Wurzeln der Spinalnerven entspringenden Wurzeln,
*1^ seinen Wurzeln von der Medulla oblongata aufsteigen, dass er
*lso mit einem grossen Theile seiner Wurzeln in die Schädelhöhle
^'^fsteigt, um als Nervenstamm wieder aus ihr herauszutreten.
**eser Nerve verstärkt zum Theil den Vagus, und beherrscht die
i^ätigkeit des Muse, cucullaris bei Ausübung seiner Functionen
Athemmuskel , indem er durch das Heben der Schulter die
^•"äst von ihrem Gewichte befreit, Durcbschneidet man den
]®*'rus accessorius bei einem lebenden Thiere, so hört nach Beli.
Mitwirkung jenes Muskels beim Athmen auf, w’ährend die Fä-
^‘§^eit desselben zu willkürlichen Bewegungen (durch Aeste von
®*'''ical-Nerven) noch fortdauert.
j. 4) Der grosse innere Athemnerve. Nervus phrenicus. Zwerch-
^llsrierve.
. Auf den Nervus tboracicus posterior ist von Bell mehr Ge-
*cht gelegt worden, als er verdient.
1 Die Quelle aller dieser Nervenwirkungen ist, wie wir gesehen
?®üen, die Medulla oblongata. Ihre Verletzung hebt alle Athem-
"ewegungen auf. Dagegen eine Verletzung des Rückenmarks im
■ Halswirbel, welche den N. phrenicus noch nicht betheiligt,
JJ^^h Bell das Athmen durch den Nervus phrenicus, accessorius
respiratorius externus noch nicht aufhebt. Hier erfolgt die
j^Xsplf^tion durch blosse Elasticität der Brust- und Bauchwände.
j^Segen athmet nach Bell ein neugebornes Kind noch, wenn
A»t Hehirn grösstentheils zerstört ist, wenn nur die Quelle der
®®>nnerven in der Medulla oblongata unverletzt ist. Bell phy~
L pathol. Untersuchungen des Nervensystems , übers, von M. H.
Berlin 1832. p. 126. 338. Vergl. Mueller’s Archiv.
'*•^4. 168.
j. Ich habe schon angeführt, dass das ganze respiratorische Sy-
SeltT I^^rven dem Ausdrucke der Leidenschaften dient. Das-
. Ibe vielen anderen Fällen gleichzeitig oder
^Mzelnen Theilen seiner Wirkungssphäre afflcirt. Die asthma-
fe Nervenaffectionen sind ein Beispiel von convulsivischer Af-
«üF u" Systems aller Athemnerven. Aber ein Umstand, wor-
Bell nicht aufmerksam gemacht ha.t, und der mir sehr viel
Jeht ul,er viele Erscheinungen zu verbreiten scheint, ist, dass das
der Atliemnerven durch locale Reize in allen Theilen,
^ .'^Be mit Schleimhäuten versehen werden, in krankhafte Thätig-
^ 'I zu Erzeugung convulsivischer Bewegungen gesetzt werden
''C- Reize auf die Schleimhaut der Nase bewirken Niesen» Reize
334 II. Buch. Organ. chemLiche Proresse. I. Absclm. /lihmen.
im ScHund, in der Speiseröhre, im Magen, im Darm bewii'^^®"
die Concurrenz der respiratorischen Bewegungen znm Erhreche”’
heftige Reizung im Mastdarme, in der Urinhiasc, im Uterus,
wirken die Concurrenz der respiratorischen Bewegungen
unwillkürlichen Stuhlgang, und Ilarnlassen und zum AustreÜ’®*'
der Frucht. Heize der Schleimhaut des Kehlkopfes, der Bid^'
röhre, der Lungen', ja selbst ein Jucken erregender Reiz in
eustachischen Trompete liewirken Husten.
Alle diese Bewegungen, Husten, Erbrechen, krampfhaft
willkürlicher Stuhlgang, unwillkürliches, mit Zwang verbünde"®’^
Harnlassen, werden mit Hülfe der Respirationsbewegiingen ausS*^'
führt. Der locale Reiz wirkt hier von der innern Haut der Ei»;
geweide auf die darin sich verzweigenden Aeste des Sympathi»»’’
hei Magen, Schlund, Kehlkopf, Lungen auch auf die Aeste
N. vagus, in der Nase auf Nasaläste des N. trigeminus, und
flectirt sich auf die Quelle der Athemhew'egungen in der MeiE».'
oblongala und auf das Rückenmark, von welchen aus nun
Gruppen der respiratorischen Bewegungen ausgehen, welche E*"'
brechen, Husten, Niesen etc. bewirken. Reizung der Nasal»*’^
des N. trigeminus in der Nase bewirkt Niesen, und selbst du»'’'
wenn die Reizung secundär ist, wenn z. B. der Reiz des Son»»"'
lichtes auf den Sehnerven zuerst, dieser auf das Gehirn
das Gehirn eine secundäre Erregung der Nasennerveu und glei»'’'
zeitig der Athemnerven verursacht. Ich niese, wie viele And®'?’
sobald ich helles Sonnenlicht sehe. Reizung des vagus allein
Kehlkopf, Luftröhre, Lungen en'egt Husten, Reizung des Schl«»'';
astes des vagus und des glossopharyngeus im Schlunde, des vui}’”
im Magen erregt Erbrechen. Wir wollen nun die einzelnen Gj'»P'
pen dieser sympathischen Respirationsbewegungen durchgehe»-
Alle einzelnen Athembewegungen können isolirt ausgef»''*^^
werden, und verbinden sich zuw-eilen zu Gruppen, wie sie i»
Regel beim Athmen nicht stattfinden.
Die Zusammenziehung des Zwerchfells, verbunden mit d®“
Athembewegungen zum Ausathmen, findet beim gewaltsamen A»’’'
treiben eines Körpers aus Theilen der Bauchhöhle, willküil“’j
oder unwillkürlich statt, z. B. willkürlich beim Stuhlgang »'?
Harnlassen, unwillkürlich beim Erbrechen, Gebären, unwifik»'''^
eben Stuhlgang nach zu langem Znrückhalten der Exerem®",
und beim unwillkürlichen Harnlassen nach zu langem Zurückh» '
ten des Harns. Sowohl der Schlund als Magen, als Mastda''’’j
die Urinblase, der Uterus, alle diese Theile stehen durch
Nerven in einem solchen Zusammenhang mit den Gehirn-
Rückenmarksnerven, dass jeder heftige Reiz in Schlund,
Mastdarm, Urinblase, Uterus nicht bloss die ZusammenzieE»^-
dieser Theile, sondern auch die Zusammenziehung der Ba»‘’
muskeln und des Zwerchfells verursacht zum Austreiben des
zes nach oben oder nach unten. Diese Wirkung geschieht <1»''^^
Reflexion der Reizung von Aesten des Nervus vagiis im Schl»''
und Magen auf das Gehirn und von sympathischen Zweige"
Magens auf das sympathische System und auf Gehirn und
mark, durch Reflexion
der Reizung
Nerven des Mastd»»'*''
6. Athembeivegungen und Aihemneruen.
335
‘Jes Uterus, der Urinblase, tbeils sympatliiscben Nerven, tbeils
festen der Sacralnerven auf das Rückenmark. Bei allen jenen
“e\ve^ungen zum Austreiben eines Tlieiles nach oben oder nach
’"iten, wird die Slirnruritze eine Zcillang verschlossen.
Für die Genesis des Erbrecbcns ist eine Bcobaclitung von
J''»' sehr instructiv, dass, wenn man bei einem Kaninchen die
^iiterleibsböble öffnet, und den N. splancbnicus (an der innern
‘^•^ite der Nebenniere) auf der linken Seite blosslegt, diesen Ncr-
mit einer Nadel zerrt, öfter eine Zuckung der Bauchmuskeln
^ötstelit. Belm Hunde habe ich diess nicht wieder gesehen,
j Beim Husten wird die Reizung des N. vagus in Kehlkopf,
*'Uftröbre, Lungen auf die Mediilla oblongata verpflanzt. Die
"fedulla oblongata erregt darauf Zusammcnzielmug der Stimmritze,
kratnpfbarten Exspirationsbewegungen der Brust- und Baueb-
'*>üskeln, wobei in )cdcr Exspirationsbewegung die vorher ge-
*®'dossene Stimmiätze sich etwas öffnet, und ein lauter Ton ent-
Das Zw'ercbfell )jat mit dem Husten nichts zu tbun, als
zuweilen vor dem Husten ein tieferes Einatbmen erfolgt.
^<>eb Krimer [Untersuchungen über den Husten) und Brächet kann
nach Durcbsclineidung des Nervus vagus auf beiden Seiten
einem Tbiere keinen Husten mehr durch heftige Reizung der
l**eern Fläche der Luftröhre erregen. Nach Durebsebneidung des
sympathicus am Halse kann mau nacliKRiMER allerdings noch
^•isten erregen.
> Wir sind im Stande, den Eingang in den Kehlkopf nicht
'•oss durch die Schliessung der Stimmritze, sondern seihst im
lachen von dem Nasenkanal und IMundkanal ahzuschllessen. Diess
S^schleht durch die vonDzoNui entdeckte Annäherung der hinte-
Gaurnenhogen, die sich fast gleich zwei von der Seite sich
|*?hernden Vorhängen aneinander legen, und durch Anlegen des
‘‘‘ntern Theils der Zunge gegen dieses Planum incliuatum. Diese
“CWegung geht jedesmal dem Niesen vorher.
jj Das Niesen ist eine heftige plötzliche Zusammenziehung der
^^spivrttlonsmuskeln , nachdem die Luitgänge vorher vorn ahge-
*®lffosscn' waren. Diese Vei’schliessung ändert sich im Moment
’l®*' heftigen Exspiration in ein plötzliches Oeffnen des Mundgan-
Und Nasencanales zugleich, oder des Nasencanales allein. Mit
Zwerchfelle, das so viele ältere und neuere Autoren nach
T'Q Volksglauben eine Rolle spielen lassen, hat das Niesen gar
“'chts zu thun. Das Zwerchfell ist kein Musculus exspiratorius,
nur bei dem dem Niesen vorhergehenden tiefen Einatbmen ist
Zwerchfell thätig. Die weitläufigen Nervensympathien zur Er-
„‘^«■ung des Niesens scheinen ganz unuöthlg. Bel der falschen
*'*Pposition, dass das Niesen durch das Zwergfell erfolge, liess
die Reizung des Nasalnerven auf den tiefen Zweig des N.
^nianus und auf den sympathicus, und von dort auf die Hals-
®i"ven und den N. phrenicus sich fortpflanzen. Selbst Arnold
^Pricht noch davon. Da nicht das Zwerchfell, sondern dieExpl-
^*tionsmuskeln den Act des Niesens (mit vorhergehender Ab-
^hliessung des Mund- und Nasencanals) bewirken, so ist es am
fotachsten, als Vermittler zwischen den Nasalästen des Trlgemi-
336 11. Buch. Organ, chemische Processe. I. Abschn. Aihmen,
nus, den Exspirationsmuskeln und den Muskeln des Gaumensegel«)
die Medulla oblongata selbst anznseben, nach Analogie der sy®'
patbischen Bewegung der Iris durch den Licbtreiz. Denn b'*''
wirkt, wie es sich deutlich zeigen lässt, der Licbtreiz weder oO'
mittelbar auf die Ciliarnerven, noch von der Netzhaut auf
Ciliarnerven. ,Die Arteria centralis ist zwar nach TiedemaNJ**
Entdeckung von einem feinen Zweigelchen vom Ciliarknoten bß'
gleitet. Diess Zwcigelchen verbreitet sich aber auf der Arten*
centralis retinae, und steht mit der Retina in keinem erwiesene*
Zusammenhänge. Bei voller Lähmung der Retina bewirkt das Lic*_
in der Regel keine Zusammenziebung der Iris mehr, wohl ab*'
noch durch das gesunde Auge eine Zusammenziehung der Irls de*
kranken Auges. (Es giebt indess Ausnahmen von dieser Reg**’
welche Tiedemann Zeitschr. für Physiol. 1, 252. zusammengestd*
hat.) Die Bewegung der Iris erfolgt daher auch ollenbar durcb
eine Reflexion der Reizung der Retina auf das Gehirn, vom f»*'
hirn zurück auf den N. oculomotorius , und das Ganglion cilia*’®'
Die Sympathieen eines grossen Theils von Nerven mit einer ört'
liehen Reizung durch Vermittelung des Gehirns und Rückenmark’»
werden sehr gut erläutert durch die bei der Narcotisation eii'*l
Thiers erfolgenden Erscheinungen, wo eine leise Berührung ***
der Haut schon allgemeine tetanische Krämpfe erzeugt.
Das Gähnen ist eine tiefe und langsame Inspiration und E?'
spiration mit Antheil der Respirationsmuskeln des Gesichts,
vom facialis abhängig sind. Der Mund wird dabei weit geöffn^b
eine Bewegung, die auch vom N. facialis durch den Muse, dig*'
stricus beherrscht wird. Das Gähnen erfolgt gewöhnlich nach
ner Ermüdung, besonders leicht und häufig bei Menschen
gereiztem und geschwächtem Nervensysteme, auch bei der Schläh
rigkeit, bei dem Eintritte eines Fiebers. Dass es von Hindernissf
im kleinen Kreislauf entstehe, scheint mir eine durchaus falscb*
Snpposition. Lachen und Weinen sind auchimit Äffectionen
Respirationsnerven, im Gesichte und am Rumpfe verbunden.
Das Schluchzen ist eine wahre Zwerchfellsaffectlon, ein abrup'
tes Einathmen bloss durch das Zwerchfell; zuweilen zieht sich d**
Zwerchfell zusammen, während die Stimmritze zugleich gescbloss**
ist. Das Schluchzen entsteht;^ meist durch Druck auf Schlu**)
Speiseröhre beim Verschlingen zu grosser Bissen, oder bei **
schneller Aufeinanderfolge der Verschlingungen. Häufig ist es
Zeichen von NervenalFection. Nach Krimeh soll man das Schlucb"'
zen bei Thieren durch Reizen und Drücken des linken Mag^*'
mundes hervorbringen können.
Alle Athembewegungen erfolgen ausser dem Einfluss des Wih***^
unwillkürlich, und sind doch auch innerhalb einer gewissen Greo*
dem Willen unterworfen. Sie erfolgen, ohne dass wir es wi«*®”’
im Schlafe imd zu anderer Zeit in beständigem Rhythmus; bäi^.^
als blosse periodische Inspirationen, in deren Zwischenzeiten d'®
Theile wieder durch die Elasticität sich verengern , häufig
als abwechselnde Inspirations- und Exspirationsbewegiuigen. S**'
die Lungen zum Theil zerstört, oder mit Blut überfüllt, so kau^
in gleichen Zeiten viel weniger geathmet werden, und die Athen«'
6. Athembewegungen u. Atkemnerven. Erstes Atlimen. 337
jievegmigen sind dann in gleichem Grade schneller. Die Athem-
^swegungen sind insofern dem Willen unterworfen, als wir den
®‘'otritt der einzelnen Athemzüge, aber nur innerhalb einer ge-
wissen Grenze, willkürlich bestimmen, dieselben verkürzen, ver-
***'gern, verschieben können, tiijjd die Athembewegungen auf ein-
elne Gruppen der Itespirationsmuskeln beschranken können, in-
eiu wir z. B. bald mit den Brustwänden, bald mit^ dem Zwerch-
®}‘e, bald mit beiden zugleich die Inspirationsbewegung machen,
lese Willkür üben wir wie bei fast allen Bewegungen, die von
rphirn- und Rückenmarksnerven abhängig sind, aus, und dieWill-
’i*' dauert so lange, als die entsprecheftden IVervcn noch mit dem
®hirne und Rückenmark in Verbindung stehen. Ausserordentlich
*äerkwürdig und räthselhaft ist nun aher der Rhythmus der un-
Wdlkürlicheu Athembewegungen, welcher, wie ivir schon gesehen
j®hen, auch in der Medulla oblongata seine Quelle hat. Bei dem
j.^tus fehlen diese Athembewegungen bis nach der Geburt. Es
sehr nahe zu glauben, dass der Einfluss der atmosph. Luft
die Lungen-, Luftröhren- und Kehlkopfiicrven die Ursache
Athembewegungen sey, insofern die Reizung der feinsten
^''■eige der Nervi vagi in diesen Theilen nach dem Gehirne und
Quelle der Athembewegungen verpflanzt werde. Diess ist in-
Unzweifelhaft falsch; denn w'enn diess richtig wäre, so müsste
Zerschneidung der Nervi vagi am Halse mit gleichzeitiger
.'•i'chschneidung des höher abgehenden Nervus laryngeus supe-
hei Thieren das Athmcn ganz auf heben, weil dadurch die
jj**ipßndung des Reizes der atmosph. Luft in den Lungen und im
^lilkopfe aufgehoben wird. Ich habe diess beim Kaninchen ge-
, ich habe den Nervus vagus auf beiden Seiten durchschnit-
j und nachdem ich eine Oeffnuiig in die Liifti'öhre zur Unter-
*uung des Athmens gemacht, auch den Nervus laryngeus supe-
durchschnitten, ja hernach den ganzen Kehlkopf ausgeschnit-
j "'j aher der Rhythmus der Athembewegungen dauerte unverän-
lurt, so wie er nach der Durchschneidung der Nervi vagi
L ft*?*' pflegt. In dem Fötuszuätande ist aber allerolings die
^ uröhre und der Kehlkopf in einem unempfindlichen Zustande,
j**. der Liquor amnii nach Scheel’s Untersuchungen in beide ein-
während beim Erwachsenen die geringste Flüssigkeit au
Stimmritze heftige Bewegungen erzeugt.
Ilie Ursache des ersten Athmens nach der Geburt scheint
^hein in dem Reize zu liegen, welchen das in den Lungen
j^^ieich sich oxydirende Blut auf das Gehirn, und vorzüglich die
f *dulla oblongata als Quelle der Athembewegungen ausübt, wäh-
jj j diese Organe bisher in einem mehr schlummernden Zustande
Cs** ^®fanden. Das Blut des neugebornen Kindes wird, sobald
ft 1 Schoren ist, in den Lungen schon hellroth, das hellrothe Blut
in wenigen Augenblicken ins Gehirn, und auf der Stelle
die Athembewegungen. Bei dem Athmen der Frösche
i,ji^3sserstoffgas oder in Stickgas hören die Athembewegungen
d^j^hg nach einigen Stunden auf, weil der dazu nöthige Reiz,
j'jj* **®lh’othe Blut fehlt. Werden die Frösche in die atmosphä-
^'-he Luft gebracht, so kehren sie, wenn nur ihr Herz, wenn
“'ler’s Physiologie. I. , 22
338 II. Buch. Organ, chemische Proce.^se. P, Abschn. Athmen.
gleicli in noch so grossen Pausen, schlägt, ins Lehen zurück, lO'
dem ihre Athemhewegungen alimVdilig wieder finfangen. Verg>’
oben meine und Bebgem.ans’s Versuche pag. 322. 323.
Baiitei.s {die Respiration als vom Gehirne abhängige Bewcg>AS
und aht chemischer Process. Breslau 1813. ÖÖ.) ])ehauptete, die AH'
hätiCung des Yenösen Blutes im Gehirne heim Ausalhmen
Einlluss auf die Hirnwirkung ])eira Athmen. Allein Trevira*'^,
sah die Athemljewegungeii der Frösche nach Unterbindung h®'
Blutgefässe fortdauern '{Biol. 5. p. 2G0.) und Legaleois sah c**
hauptete Kaninchen den Mund wiederholt wie zum Athmen ölfo®
und schliessen. /. c. p. 29,
Die Zerschneidung des Nervus recui’rens auf beiden Scü®
ist bei jungen Thieren oft tödtlich, wie Legallois fand; bei
wachsciien Thieren ist sie nicht tödtlich. Die Zerschneidung
nes Nervus vagus ist nicht tödtlich, aber die gleichzeitige
schneidung beider Nervi vagi ist immer tödtlich, der Tod erle*»
innerhalb mehrerer Tage. Die Ursachen des Todes nach dh*
Operation haben die Physiologen seit Bufus Ephesius und ^
i.ENtrs beschäftigt, in der neuern Zeit hat man diese UntcrsuchuH^
gen gründlicher angestellt, aber man kann immer noch nicht
gen, durch welche Entziehung zunächst diese Verletzung tödf®
Die Athemhewegungen sind davon grösstentheils unabhängig. B ,
Nervus recurrens wird zwar dabei und also die Muskeln des Kc*'
kopfes halb gelähmt; allein man Aveiss, dass die DurchscheidH”®
der Nervi rccurrentes keinen tödtlicben Erfolg hat. ■DePTJTT*®|
{Biblioth. m£d. 17.) fand, dass ein Pferd, dessen beide Nervi
durchschnitten waren, innerhalb einer Stunde, ein Hund innerb*
2 — 3 Tagen stirbt, und dass der Tod mit immer iunehmeo**
Beschwerden der liespiration erfolgt. Das Blut in den Cai’otid
war allmählig dunkler geworden. Hieraus schloss man, dass *
chemische Proeess des Athmens durch jene Verletzung aufgehoö .|
werde. Diese Ansicht war indess schon darum verdächtig,
das Blut schon ausser dem Ihierischcn Körper die beim Ath*H^
gewöhnliche Veränderung erleidet. In Hinsicht der Kritik
Beobachtungen verweise ich auf die unten augeführtdn vorlrc® ^
eben Ahhandlungcn von Emmert, welche die vollständigste A
sammenstellung der früheren Versuche enthalten.
Bald zeigte auch Blainville {Npuv. bullet, de la soc.
180S.) durch Versuche an Vögeln, dass diese nach Durchschi' ^
düng der Nervi vagi eben so viel Saucrstofl'gas verzehren H®
Kohlensäure absondern, als im gesunden Zustande, dass die
des Bluts sich cljen so noch in den LuhgCn verändert,
Die
gel leben nach dieser Opci'alion noch ziemlich lange, 6 — 7 *
Kaninchen sterben schon nach circa 7 Stunden. Die Vögel
ben nach völliger Abzehrung. Daher Bi.ainvillk die Ursache *
Todes in der, .Störung derVerdäuung sucht, was jedenfalls ,
nicht auf die Kaninchen und .Säugethiere überhaupt passt. . g
{.fourn. gen. d. mcdec. T. .33. 1808. llec.) fand, dass atmosphärisH^^^
Luft oder SauerstoUgas in die Lungen eingeblasen dem Arteri®^^
blute w'ieder cihe bcllrothc Farbe mittheilt. Nach Emmerts
suchen an Kaninchen Archiv 9. 380; 11. 117.) wird
6. Athemhewcgungc.n u. Alhemnerven. N. cagus.
339
:^l-lirncn n.ncli jener Operation seltener, langsamer, Lescliwerllclier.
"•ese Erscheinung ist ghnz constant und cs ist in der That sehr
'nteressant, wie ich hei Kariinclicn und Vögeln heobachtete, dass
^''1 dem Moment an, wo beide Nerven durchschnitten sind, die
'^tliernzüge tief und langsamer werden. Emmert fand die Uin-
'y*'f>dlun£f des Blutes in den Lungen nicht sehr verändert, er leitet
|V.!* ‘1er Thiere zum Theil von der Lähmung der eigen-
tümlichen Bewegung der Bronchien ah. Emmert hat zugleich
••raur aufmerksam gemach l, dass der sympathische Nerve und der
fl ^'tgus unter den SängethierQn nur bei den Kaninchen am
mlse getrennt sind, dass sich aber bei den meisten Sängethieren
N. sympathicus bald nach dem Austritt aus dem Ganglion
ttervicale Supremum mit dem N. vagus verbindet, und dass man
mier den N. vagtis nicht ohne den N. sympathicus unterbinden
durchschneiden kann. (Nach Bischof hängt der N. sympa-
.“tus nur beim Schwein (?), Kaninchen, Manlwurf, Waldmaus
*'!‘tkt mit dem Vagus fest zusammen. Nervi accessorü anatomla et
^‘yAologia. JleitleA. 1832. ■, auch nicht beim Stachelschweine nach
^®|ncr Beobachtung.) Emmert erklärte nun den verschiedenen
ffolg der Versuche von Dupüttren, Br,Aiavii.tE und Ändern von
liurchschneidung beider Nerven oder des einen, nach den
^^fschiedenen Thieren, welche angewandt wurden. Von Dupuv-
“En waren beim Pferde beide Nerven, in Emmert’s' Versuchen an
''[■dnehen, und Beainviele’s Versuchen an Kaninchen und Vö-
pEln War dagegen bloss der N. vagus durchschnitten worden. Dass
jdess diess keinen besondern Einlluss haben kann, geht aus v.
QMmer’s Versuchen hervor, nach Avelchen die Durebtehneidung
Nervus sympatbicus auf beiden Seiten bei Tliieren am Halse
ohne Avichlige Folgen ist. Diese Versuche wurden bei Ka-
^“>chcn upd Hunden, bei letzteren so gemacht, dass die Scheide,
j^'^lche den Sympathicus und Vagus einschliesst, geöffnet, und der
•y*Opathicus allein durchschnitten wurde. Die Thiere zeigten bis
7. und 8. Woche, so lange sie beobachtet wurden, keine wich-
Veränderiuig. Vergl. pag. 188. Nach Arnemann sterben Hunde
'’^ot immer nach Durchschneidung der Nervi vagi.
, Nach Provencal (■/. gen. de med. 31. 1810. Jane.) hört der
.^mische Process des Athmens nach jener Operation nicht auf,
J'i'd aber vermindert. Er fand, dass die Thiere weniger Sauer-
ji^dgas verzehren und weniger Kohlensäure bilden, und dass die
j ‘ßrische Wärme abnimmt. Legai.i.ois, der bereits gefunden
j ‘Iß, dass ein Thier um so kürzere Zeit ohne Respiration aus-
^’'äert, je älter es wird, fand auch , dass nach der Durchschnei-
der Nervi vagi der entgegengesetzte Fall eintritt. Ein neu-
Mb;
«ei
‘‘rner Hund stirbt nach jener Operation schon in ^ Stunde,
rcnd sie ein erwachsener Hund 1 — 2 Tage ühcrleht, wie denn
Rn* jungen Thieren selbst die Durchschneidung der Nervi recur-
5 in -t Stunde tödtet, so dass bei -jungen Thieren die Ur-
V., schnellen' Todes nach der Dui’chschneidung der Nervi
l'8* die gleichzeitige Lähmung der von ihnen ahgehenden Nervi
*^yDgei inferiores und die Paralyse der Muskeln des Kehlkopfes
22*
340 II. Buch. Organ, chemische Processe. I. Ahscitn. Athmen.
zu seyn sclieint. Daher auch die Tracheotomie das Leben etvT**
'verlängert. Legallgis überzeugte sich auch, dass die Stimmrit***'
die sich heim Einathmen erweitert, hei jungen Thieren nach d'®'
ser Operation sich fast gänzlich schliesst. Legallois fand naC^
der Durchschneidung der Nervi A'agi eine Ergiessnng einer
serösen schaumigen Flüssigkeit in den Lungen, welche die von “C
Lähmung der Muskeln zur Erweiterung der Stimmritze herrühren
Athembesclfwerde vergrösscrl. Beide Ursachen, welche sich n
der Durchschneidung der Nervi vagi vereinen , scheinen hier
endliche Suffocation und den Tod zu bewirken, der nach d®
blossen Durchsclineidiuig der Nervi recurrentes bei erwachsene
Thieren nicht erfolgt. Nach Dupuv sterben Pferde und Sch»
nach der Durclischneidung der Nervi vagi in einer Stunde, 'vven*'
aber die Tracheotomie gemacht worden , nach mehreren Tag®®'
Hier ist gleichsam die Wirkung der Lähmung der Nervi rec'*®^
rentes getrennt von der Wirkung der Lähmung der Pulmon®^
zweige der Nervi vagi. Indess glaubt Dupuy, dass die Lähniä®'’
der Lungen nicht allein durch die Ergiessung von Flüssigkeit® ’
sondern auch durch vermindertes Athmen Suffocation heA<i‘
Die Ursache der Ergiessung von Flüssigkeiten aus den Lung®®^
gefässen in die Lungenzellen und die Bronchien ist übiägens lei®
aus den pag. 241. 'angesteliten Betrachtungen cinzusehen.
Nach Rrimeb soll nach der Durchsclineidiuig der Nervi
eine Ergiessung von Faserstoff in die Lungenzellen erfolgen, ■" ’
wenn es richtig, eine Thatsache von Wichtigkeit wäre. ,j
Mayer (Tiedem. Zeüschr. für Physiot. 2. 74.) beobachtete ®
eine constante Erscheinung nach zahlreichen Versuchen über ®
Unterbindung und Dupchschneidung des N. vagus, dass, wenn ®
Tod längere Zeit nach der Operation erfolgt, in dem Blute n
Lungen und des Herzens sich feste weisse Coagulationen vorfiuu
welche die Ai'terien und Venen der Luns^en, so wie auch _ ^
Höhlen des Herzens ganz ausfüllen. Diese Coagulationen s'®,
noch weich und bestehen aus schwarzem Gerinnsel, wenn
Tod bald nach der Unterbindung oder Durchschneidung
vagus eintritt; aber wenn der Tod erst .(;i„r.ripn ou
■6
, aber wenn der Tod erst nach 48 Stunden
später eintritt, so sind diese Coagulationen weiss. • Diese Beoba j
lungeu sind sehr intferessant. ln 4 Versuchen, bei 2 Hunden ^
2 Kaninchen, die unter meiner Leitung angcstellt wurden, fa®
sich nach Durchschneidung der Nervi vagi, als die Thiere S® .j
unmittelbar nach dem erfolgten Tode untersucht wurden , jgii
mal im linken Herzen ein erbsengrosses Coagulum, keines m
Lungengefässen. Eine z-Weite Erscheinung und Ursache des ^
des, die zwar nicht immer nach dieser Operation, aber
häufig eintritt, ist nach Mayer das Hineintreten von aus
Magen regurgitirtem Futter durch die ohnehin mehr ersch^
und unempfindliche Glottis in die Luftröhre und Bronchien,
Mayer Avird nach der Operatiön der Herzschlag viel sehne
die Respiration immer langsamer.
Reiht man alles' zusammen, was die verschiedenen Beoba
tungen ermittelt, so tödtet die Unterbindung oder Durchsch®
I
II, Abschn. Ernährung, Wachsthum, Wiedererzeugiing. 341
^Ung des Nervus vagus durch den Zusammenfluss verschiedener,
***16121 SufFocation hcrhciluhrcnder Umstände.. Diese sind:
1. Die unvollkommene Lähmung der Lewegungen zur Ver-
****derung der Stimmritze.
2. Die Exsudationen in den Lungen.
3. Der veränderte chemische Proccss in den Lungen.
4. Die von Maykr beobachtete Gerinnung des Blutes in den
^^fässen. Vergl. über diesen Gegenstand Lusn Vieisectionen p.
‘“22 — 24.3.
if. yibschnitt. Von der Ernährung, vom
Wachsthum und von der Wieder-
erzeugung.
/. Capitel. Von der Ernährung,
a. Proccss der Ernährung.
. Die Ernährung ist kein Gegenstand mikroskopischer Beohach-
^ **§• Doellinger und Dütrochet wollen zwar bemerkt haben,
Blutkörperchen in den Capillargefässen ilire Beweglichkeit
i. d'beren und sich mit der Substanz verbinden, .rieh habe auch
j ein Stocken der Blutkörperchen beobachtet; allein fortge-
^®tzte Beobachtungen haben mich immer gelehrt, dass im Zu-
I öde der kräftigen Gesundheit eines Thiers die Blutkörperchen
den mikroskopisch untersuchten Theilen immer aus den Arte-
ls*,®/* in die Venen übergehen, und ich halte die Theorie der Er-
j*hrung durch Aggregation der Blutkörperchen oder der Kerne
Blutkörperchen für entschieden falsch. So weit ist die Mi-
jjJ^'^etrie und der Gebrauch guter Instrumente in der Physik der
S^nischen Körper schon gekommen, dass sich ans der blossen
.y^**auen Vergleichung der Grössen jene Theorie widerlegen lässt.
j, *n einer solchen Genauigkeit gehört, habe ich in der Vor-
^ ® zu diesemWerke auseinandergesetzt, und bemerkt, dass mi-
5^“^®trische IVIessungen, um als Basis für wissenschaftliche Unter-
j^'^l^ngen und Vergleichungen zu dienen, nicht bloss direct ge-
lich müssen, sondern dass das Wichtigste und ünerläss-
bstc für diesen Zweck ist die Vergleichung eines Körperchens,
312 II, Buch. Organ, chemische Processe. II. A/ischn. Ernährung-
Aas als Einlieit oder Maassstnl> £;el)raucht werden kann, mit eine'’*
andern zu messenden Tlieile, neben einander unter dem Mikroskop)
Avie zum Beispiel die mikroskoplsclie Vergleichung der Blutkör-
perchen des Menschen mit l’rimitivfascrn der Nerven, der Muskel”)
die zu gleicher Zeit observirt werden. Da nun die Blutkörp<”'
eben des Menschen nach nabe übercin.stimmeiiden zuverlilssigere''
Beobachtungen von Kater, W'oLLASTON, I’revost und Dcmas,
BEH, Wagner und von mir sehr sicher zu 0,00020 P. Z. ai'n®”
98.), so bat man einen s*'
nommen werden können (vere
pag,
ehern Maassstab. Ich bediene mich zur Vergleichung als Maas’'
stab der Blutkörperchen des Menschen, die man .sogleich dur”
einen Hautritz an sich selbst haben kann, und der Blutkör])’”''
eben des Frosches, die im Durchmesser circa 4 mal grösser si””’
so wie der durch Essigsäure dargestellten Kerne der Blutkörp®*'
eben der Frösche, die im Durchmesser \ — ^ so gross als d’
ganzen Blutkörperchen sind.
Die Blutkörperchen sind offenbar zusammengesetzte Körp***^*
sie enthalten bei den Fischen, Amphibien, Vögeln, Säugethic*'®'*
und Menschen Kerne. Die Form der Blutkörperchen ist eig®'*'’
thümlicli und stimmt nicht mit den Elementen der Organe üb”^'
ein, was man auch darüber zu voreilig gesagt hat. Die Musk”
fasern und Nervenfasern sollten zwar aus aggregirten Kügeld*®"
.bestehen. Allein die Blutkörperchen sind bei keinem Wirhi*'
thiere Kügelchen, sondern Scheiben. Prevost und Dumas
Edwards halten die Kerne der Blutkörperchen für die Eleiuc*' ^
der E'asern. Allein so gross auch meine Hochachtung für d'”’
Naturforscher ist, so kann ich doch einen Widerspruch iluer 'k**
sichten mit meinen Beobachtungen nicht unberücksichtigt lass”*)'
Ich habe mich niemals deutlich überzeugen können, dass die
mitivfasern der Muskeln und Nerven aus Kügelchen bestehen)
sehe nur Fasern mit dicht folgenden Anschwellungen In d
Muskeln, wie denn auch C. A. Schultze {uergl. Anat. 123.) **.
Kügelchen in den Muskelfasern nicht linden konnte. Ich t”*^
sie noch weniger in den grösstentheils ganz gleichförmigen 1^*^
venfasern, sondern nur Unebenheiten der Oberfläche. Nur
man bei dem Schimmer des Sonnenlichtes observirt, sieht p’* ^
wie in allen Geweben, Kügelchen, die man aber nicht von ^
ebenheiten der Oberfläche unterscheiden kann. Von den
Schwellungen der Fasern des Gehirns und Rückenmarks,
senweuungen der fasern des GenirnS und ffuckenmarKs, ,
Ehrenberg entdeckte, rede ich nicht. Diess sind Varicositä
der Nervenröhren mit ansehnlichen gleichförmigen Zwis””
stellen.
Die Blutkörperchen des Frosches sind nach meinen
suchungen 3^ — 8 mal grösser als die Primitivläsern seiner
kein. Die' Blutkörperchen des Kaninclicns sind 5 — 6 mal
als die Primitivfasern der Muskeln, die perlschnurartig 'igp
wenn sie nach litägiger Maceration (Winter) sichtbar
sind. Die Primitivfasern der Nerven, welche dicker sind,
der Muskelfasern, stimmen auch nicht mit den Verhältnissen
Blutkörper und ihrer Kerne überein. Zudem sind die h®*
1, Von der Ernü/wuiig. Verhalten des Bluts.
343
Blutkörpcrclieii , wie ieB liaLe, ^ar keine Kügeleken
den Amjdilljienj sondern elllptiscli und Leim Salamander so-
platt; wie können daraus die Primitiviasern der Muskeln und
Nerven entstellen?
. Die Capillargelässe verbreiten sieb zuletzt niclit melir auf den
V’unitivfasern der Muskeln, der Nerven ; dazu sind diese zu klein,
sind ja dünner als die Capillargeltisse von 0,00020 0,00050
^•Z. Durclimesser. Der Stoifwecli.sel kann dalier nur durcli die
,?Pillargefässw'ande liindurcli gescliolien. Diese Ernälirung durcL
I Gapillargefässwände liindurcli geschielit aus aufgelösten riiei-
des Blutes, wälirend die unaulgelösten Blutkörperclien siebt-
er aus den Ai-tericn iii die Venen übergeben. Die wicbtigslen
Materiale der ErnVdirung sind olfenbar das Eiweiss und der auf-
8elöste FaserstolF. Ein Tbeil dcrs'erben kann die Wände der Ca-
Pillargef'isse durebdringen, sie tranken die Partikeln der Gewebe,
I?d die Lympbgefasse fübren die zur Ernabrung überflüssigen
£*'eile des in die Partikeln der Organe eindringeiulcn aufgelösten
j ^jserstolfs und Eiweisses aus den Geweben wieder ab, ins Blut,
ist nun von Wicbligkeit, zu wüssen, dass die Capillargefiisse
noeb Wandungen haben, was pag. 205. liewdcsen worden,
.'clits kann zu den Organtbeilen aus dem Blute und von jenen
Blut, ohne im aufgelösten Zustande die Capillargefässe zu
‘^^*rcbdrln''en. Die auf den ersten Blick zur Erklärung der Er-
^»Wung Icicbterc Vorstellung, dass das Blut in den Capillarge-
^^ssen nur in Ausböblungcn der Substanz fliesse, zeigt sieb bei
|;älierer Untersuebung unstattbaft. Dagegen sind die für Aufge-
Y^tes durcbdriuglicben Wiüide der CapillargcfVissc aueb kein Hin-
i^rniss für die Anziehung der aufgelösten Theilc des Blutes. Die
^^eälirung gesebiebt nun, indem die kleinen Partikeln der Oi-
8^üe iu den Alaseben dei* Gapillargetässnetze die autgelöstcnTbcile
Blutes anziebeu und aueb wobl Stoffe au das Blut abgeben.
^'LDßAEn’s Ideen von der Metamorphose des Blutes in den klei-
Gefassen sind gewiss ohne den Gebrauch des Mikroskops
***lstanden.
Ob der rotbe Farbestoff der Blutkörperchen auch an Organe,
Farbestoff zu enthalten scheinen, wie die Muskeln, etwas ab-
8^1ie, indem davon etwas aufgelöst wird, oder ob die Aluskeln
Stoff, der sich an der Luit staiker rötbet, selbst bilden, ist
““gewiss. Jedenfalls sind'die Blutkörperchen selbst als ganze Kör-
'^“i'cben keine- Alateriale der Ernabrung dnrbb Aggregation tler-
Sie geben beständig aus den Arterien in die Venen über.
Bife Wirkung iu der tbieriseben Ockouomie ist gewiss iiusserst
"ficbtig, sie erleiden die beim Atlimen stattfmdende Veriinderuiig,
Be Werden bebii Durcligange durch die Capillargefässe des Kör-
wieder dunkelrotli.' sde sind hier iu einer Wecbsclvvirkung
den Partikeln der Organe, welche sic duukelrotb macht,
“alirend die Blutkörperchen doch nur an den Organtbcilchen vor-
““ergebeii. Sie erleiden bei jedem Cireuitus innerhalb 3 Min.
T- 116.) ciimial die bellrotbe Färbung iu den Lungen, ciuma! die
““ökelrotbc in den Capillargefässen des Körpers, sie u erden in
344 II. Buch, Organ, chemische Processe. II. Abschn. Ernährung.
24 Stunden circa 480 mal licllroth und dunkelroth. Sie übe«
im hellrothen Zustande auf die Organe, und namentlich auf
Wers'en, einen zum Leben nothwendigen Reiz aus. Dieser R®’*
ist aber von der Zuführung neuen Stoffes durch die Ernährung
ganz verschieden. Dutrocitet glaubte, dass sie elektrische Strü"
mungen bewirken ; das 3. Capitel der Lehre vo7n Blute (pag. 12®''
war der empiriselien Untersuclmng dieser Hypothese bestimmt-
In der Ernährung wiederholt sich das Grundgesetz der of'
ganischen Assimilation. Jedes Organtheilcheii zieht ähnliche .Theü'
eben aus dem Blute an, und wandelt sie so um, dass sie des L®'
bensprincips des Organes selbst theilhaftig werden. Der JVerv®
bildet Nerven-, der Muskel Muskelsubstanz, selbst die organisirl**’’
pathologischen Producte assimiliren. Die Hauluarze vergrösser^
sich, das Geschwür ernährt seinen Boden, seine Ränder auf
für eine bestimmte Lebensart und Absonderung nöthige 'VVeis®^
und die Umwandlung der Nabrungsmateriale in ein krankhaft pr^'
ducirendes Organ kann zum Ruin des Ganzen werden.
Die näheren Bestandtheile der Organe sind zum Thcil sebo"
im Blute vorhanden, das Eiw^elss, das in so vielen Theilen,
im Gehirne und in den Drüsen, in der Zusammensetzung so
1er anderen Gebilde im mehr oder weniger modificiiten'Zustan‘l®
vorkömmt, ist in dem Blute schon vorhanden, der Faserstoff
Muskeln und musculösen Thcile ist die gerinnbare, im Blute nn®
in der Lymphe aufgelöste Materie, das stickstofflose Fett finJ«*
sich im freien Zustande in dem Chylus, das Stickstoff- und phos-
phorhaltige Fett des Gehirns, der Nerven, ist im Blute scho"
vorhanden, iind mit dem Faserstoffe, Eiweiss und Cruorin gebun-
den. Das Eisen der Haare, des schwarzen Pigmentes und
Crystalllinse findet sich schon im Blute vor, die Kieselerde un®
das Mangan der Haare, das Fhiorcalcium der Knochen und Zähnß
sind, wegen ihrer geringen Menge vielleicht, im Blute noch nin*‘‘
entdeckt worden. Diese Materien werden von den Partikeln
Organe, worin sie Vorkommen, thcils aus dem Blute als Aelinlick^
ausgezogen, tlieils werden die näheren Eestiindtheile der
neu zusammengesetzt; denn unmöglich lässt sich die Ansicht durc^*^
führen, dass alle Bestandtheile der' Organe schon als solche
Blute vorhanden sind, vielmehr zeigen die organischen Suhst^**""
zen der meisten Theile theils viele Modificationen von Eiwc'**’
Faserstoff, Fett, Osmazom, theils ganz eigenthümliche Materiß**'
wie der Leim der Knochen, der Söhnen, der Knorpel, wovu”
sich im Blute kein Analogon zeigt. Auch die Substanz des
wehes der Gefässe, die verschiedenen Drüsensubstanzen lasse“
Hch nicht ganz auf Jene einfachen Bestandtheile des Blutes ziirüel^'
führen. Selbst die Vergleichung des Faserstoffs der Muskeln
dem Faserstoff des Blutes ist nicht strenge. Denn geronnene*
Faserstoff, geronnenes Eiweiss, zeigen bis auf das Verhalten
Wasserstoffsuperoxyd fast gar keine chemischen Unterschiedei
p. 125, und der wichtigste Unterschied ist nur, dass der im Blut“
aufgelöste Faserstoff Jedesmal gerinnt, sobald er den thieriscbe“
Körper verlässt, Eiweiss aber nicht von selbst, sondern nur b®*
1. Von der Ernährung. Unterschied von der Enfzändiing. 345
70 — 750 Q^gj, Säuren, concentrirte Auflösung von fixem
Metallsalze gerinnt. Der TaserstofF der Muskeln verhält
*“=1» chemisch kaum ähnlicher dem geronnenen Faserstoff, als
* cui geronnenen Eiweiss. In Hinsicht der Lehenskräfte ist aher
Faserstoff der Muskeln von heiden verschieden. So ist auch
' Vergleichung der Nervensubstanz mit Eiweiss und stickstoff-
*"*d phosphorhaltigem Fett nur durch den jetzigen Zustand der
?*'Sanischen Chemie zu entschuldigen.' Bei der Assimilation findet,
*"dem die Partikeln der Organe zwischen den Capillargefäss-
*frömchen aufgelöstes Eiweiss und Faserstoff u. A. anziehen, nicht
“'•ein Aneignung der ähnlichen Theile, und Umwandlung der
‘•'»ähnlichen in ähnliche statt, sondern die assimilirenden Theil-
*'>en der Organe theilen auch den assimilirten Theilchen des
^Wes ihi-e Kräfte mit.
. Die Organe können an Umfang znnehmen, ohne dass sie as-
'äniliren, dann häuft sich der Eiweissstoff und Faserstoff des Blu-
im rohen Zustande unassimilirt zwischen den Organtheilchen
'i’’; wie in der Entzündung; eine Bemerkung, welche hinlänglich
i*"» grossen Unterschied der Entzündung von einer vermehrten
J;>'nidirung zeigt. In der Schwangerschaft nimmt das contractile
.^ewehe des Uterus an wahrhaft assimilirten contractionsfähigen
jj'eilchen zu, aber in der Entzündung des Uterus wird nichts
I'*'ser Art bemerkt; die Assimilation der Theilchen des Blutes
järt in der Entzündung auf, der aufgelöste Faserstoff schwitzt
"rch die Häute durch, oder häuft sich in den Interstitien der
I •’Sane an; diese nun das A'^olum des Organes vermehrende Ma-
'‘'■'e ist in den Entzündungen aller Organe dieselbe, wahrend die
'Geschiedenen Gewebe bei der Ernäbrutjg die Theilchen des Blu-
.G* je nach ihren verschiedenen Bedürfnissen assimilirend verän-
Die Entzündung ist also oftenbar kein vei’mehrter plasti-
l^her Process, wofür er so oft ausgegehen wird. Es erklärt sich
^'Gfaus sehr gut, warum ein Beiz, welcher die Thätigkeit eines
jjGganes fördert, von einem Entzündungsreize sehr verschieden ist.
j giebt manche Stoffe, welche die Assimilation vermindern, In-
, sie entweder die Theilchen der Organe oder des Blutes ver-
i**'dern. Die Jodine z. B. beschränkt Lei längerem Gebrauche
i?fallend die Ernährung. Die Neutralsalze, die Mercurialien, der
jJ^ftarus stibiatus und andere beschränken die Assimilation. Diese
*ttel verändern zum Theil zunächst das Blut , wie es z. B. hei
Aj“ fühlenden Salzen offenbar ist, welche selbst dem aus der
] "Gr gelassenen Blute zngesetzt, seine Fähigkeit zu gerinnen auf-
j^GGn, also die Natur des Faserkoffs verändern; hierdurch wer-
diese Mittel auch zur Beschränkung der Entzündung wichtig,
jj. Zuweilen ist die Ausbildung der Säfte, des Chylus und des
sf -GS fehlerhaft, entweder durch Bildung fehlerhafter Nahrungs-
st ff ’ oder durch die Wirkung eines eingeimpften Krankheits-
wie hei der Syphilis. In allen diesen Fällen, wenn die
fehlerhaft sind, leidet auch die Assimilation. Es entstehen
1 .iägerungen fehlerhafter Stoffe, Entzündungen , Geschwüre, wie
G* der ScrophelsucKt, Arthritis, Lepra, Herpes, Scorbut, Syphilis etc.
346 II. Buch. Oraan. chemische Proc
ccssc.
II. Ahschn. Ernährung-
Alle diese unter sich äusserst verschiedenen Krankheiten, welch®
man Dyskrasien nennt, hahen«idas gemein, dass sic sich durch
Ausscheidungen krankhafter Stoffe auf der Haut, durch Ausschhig®
und Geschwüre der Haut, oft durch Geschwüre in Schleimhä“'
ten, im höchsten Grade durcli Degenerationen der Knoche®
äussern. Mehrere Arzneistoffe, welche selbst die Assimilation ■ver-
ändern (Altcrantien p. 59.) und liei längerm Gchrauche auch Ij®'
schwüre und Knochenkrankheiten erzeugen, wie der Mercur, ‘h>’
Antimon, sind zuweilen in einigen dieser Fälle hülfreich, niehj
weil similia similihus curantur, sondern weil sic die Fähigk®‘
haben, die Zusammensetzung der organischen Theile zu alterir®®’
wodurch vorher stattgefundene Affinitäten aufgehoben und nc®®
eingeleitet werden können, worauf die beständige Wiedererz®®'
gung aller Theile nach demUrbilde des Ganzen von, selbst (nich
der Mercur) die weitere Ausgleichung und Heilung bewirkt.
In mehreren dieser Kranklieiteu ist das lymphatische Syslci®'
die Lymphgefässe und Lymphdrüsen, besonders mit aflicirt.
dem gewöhnlichen Gesichtspunkte, dass die Lymphgefässe bl®’*
eben zur Aufsaugung dienen, lässt sich diess Leiden des lympb®'
tischen Systems bei mehreren dieser Krankheiten, besonders. b®‘
der Scrophclsucht, nicht recht verstehen. Wenn man aber wC'*’’
dass die Lymphe (ausser den Lyraplikügcichen) fast ganz mit d®®!
Liquor sanguinis (ohne die Blutkörperchen) übereinkommt, «“®
dass man die Lymphe gleichsam Blut ohne rothe Körperch®®’
das Blut Lymphe mit rothen Körperclicn nönnen kann, ind®®’
die Lymphe und der Liquor sanguinis aufgelöstes Eiweiss ®®®
aufgelösten gerinnbaren Faserstoff enlhalteo; wenn man wei'’)'’
dass die Lymphgefässe den bei der Circulation tlicilweise in
Partikeln der Organe eindringenden Liquor sanguinis wieder,
viel zur Ernährung überflüssig ist, abführen so sieht man leicl)^
ein, dass die Veränderungen in der Mischung des Liquor sang®)'
nis nicht allein die Capillargefässe irritireu und Entzündung ®‘
den Capillargelässen erregen müssen, sondern dass eine und di®'
selbe Flüssigkeit aucli wieder in den lymphatischen Gefässen 1®’*'
tation erzeugen muss. Daher mangelhafte Bereitung des Blid®))
chemische Veränderungen in der Mischung des Blutes nothwe'®'’^
auch in vielen Fällen Krankheitserscheinungen in den kleiiist®"
Blutgefässen und im lymphatischen Systeme erzeugen luüss®®'
welches zugleich, wie wir pag. 267. gesehen haben, so vielen A®'
thcil an der Umwandlung des Eiweisses in aufgelösten Faserst®
hat. Alle andere im Blute aufgelösten Theile, Salze, ihre fehl®*'
hafte Mischung müssen auch wieder auf den Zustand der Ly®*!’
gefasse Einfluss haben. In denjenigen Krankheiten, in welc*>®|*
die aufgelösten Theile des Blutes weniger fehlerhaft gebildet **'*'.(
als der Cruor oder die Blutkörperchen, welche nicht in
Lymphgefässe eingeheji, werden auch weniger Krankheitsersch®*'
nungen in dem lymphatischen System auftreten, wie im
but. Das fernere Studium der Mischungskrankheiten der S<d j
wird daher in der früher angegebenen Analyse der Lymphe ®®‘
des Blutes eine solidere Basis erhalten. ^ ^
Die Ernährung aller Theile nach dem Urbilde des Ganz®'
1, Von der V^niiihrung. Wechsel der Malerie.
347
eine Fortdauer der Kraft voraus, die alle Unterscliiede, alle
^ •’gane zuerst als Glifedcr des Ganzen oder Thcile des llegriöes
*!'‘*eugt, jener Kraft, welche in dem Keime vor der Erzeugung
Organe vorhanden ist, wenn der Keim noch das thierische
’^esen pofentia ist, welches actu hei der Entwicklung seine Or-
Bi'ne erzeugt, erneut und erhält. Die Erni'dirung ist also gleielj-
die fortdauernde Wiedererzeugung aller Theile durch die Kraft
Ganzen; aber diese Wiedererzeugung ist hei dem erwachsenen
*^®öschen nur durch Assimilation, durch Verhindung der neuen
•üterie mit den assimilirenden Theilen möglich, während hei
^ern Emhryo ohne organisirtc Grundlage die linvertheilte Kraft
-5® Ganzen die organisirtc Grundlage vielmehr erst erzeugt,
gleichwohl sind alle Organe bis zum Zei'lälle des Ganzen zum
^äsaminenwirken aller assimilirenden Theile von der einen orga-
*l'sirenden Kraft des Ganzen beherrscht, deren Wirkungen wir
j'J’ch Ausgleichung feiner materieller Veränderungen in den Krank-
*'^itea als Heilkraft der Natur bewundern, w'ährend die Herstel-
verlorner organisirtcr Theile in den meisten Fällen nach der
^•■ften Zeugung ihr unmöglich ist. Vergl. Prolegomena pag. 23,
'* einigen 'Krankheiten zeigt sich eine solche fehlerhafte Bildung
“i’r thi'erischen Materie, dass die Assimilation zu den Gewebetheil-
*^‘en der Organe in einzelnen Theilen ganz aul'gehohen wird,
'jnd wegen des Vorwaltens fremdartiger Affinitäten nur . Afterbil-
f'ungen entstehen, wie bei dem Krebs und Markschwamm.
. Mit dem Leben ist ein beständiger Wechsel der Materie ver-
l^äuden. Diess zeigt das Bedürfniss der Nahrungsstoffe im Ver-
'*'ltnlss der Ausscheidungen. Nun frägt sich aber: wechseln die
""standtheile der Säfte, oder wechseln selbst die Materien der
^‘‘ganisirten Theile?
1. Wechsel der Materie in den Säften. Es liegt am näch-
den Wechsel der Materie zunächst in den Säften anzuneh-
und zu behaupten, dass dieser tägliche Umtausch von meh-
*eren Pfunden Nahrung gegen mehrere Pfunde zersetzter Stoffe,
^ mit der llautausdünstung, beim Athmen, mit dem Harnabgang
**• s. w. verloren gehen, bloss innerhalb der Säfte vor sich gehe,
''^ährend die organisirten Tb eile selbst daran wenig Antheil neh-
Die Säfte erleiden, indem sie zui' Unterhaltung des Lebens
.®«eu, beständige Zersetzungen, und man könnte hierin die thie-
'■‘sche Maschine mit einer andern Maschine, z. B. Dampfmaschine,
^®*'gleichen, welche eine gewisse Quantität Brennmaterial zur Er-
feugung der Wasserdämpfe erfordert, durch welche sie wirksam
Dass der Wechsel der. Säfte am grössten ist, ist auch nn-
*Weifeiijj,ft. Das Seltenwerden der Harnabsonderuiig bei hun-
S^rnden Amphibien, z. B. .Schildkröten, belehrt uns zur Genüge
®''über. So könnte mau annehmen , dass die Zersetzung einer
l^^vissen Quantität der Säfte bei der Unterhaltung des Lebens die
^össcheidung der zersetzten Stoffe, und die Zufuhr der neuen
^nrungsstolie nöthig machen.
'2. W echsel der Materie in den organisirten Theilen. Man-
?he Püönomene scheinen mit dem Wechsel der thiei'ischeu Materie
den organisirten Theilen schwer zu verehiigen, wiö z. B. die
348 II. Buch. Organ, chemische Processe. II. Abschu. Ernährung.
Erhaltung der Erinnerungen, welche \on gewissen Eindrücken
das Sensorium abhängig sind. Mögen diese Eindrücke auf «i“*
Sensorium und die damit verbundenen unbekannten feinen Vei"'
änderungen der Materie irgend welchen Antheil an den WirkuH'
gen der Seele bei den Erinnerungen haben, jedenfalls muss ni»**
solche Veränderungen in dem Sensorium selbst supponiren. Den»
mit der organischen Veränderung des letztem wird auch der
Schatz an früher gewonnenen Eindrücken verändei’t und verrido'
dert, und das Gedächtniss für einzelne Reihen der Ideen, fiü'
Architektonik der Sprachen, ja selbst, wie es scheint, oft für g®'
wisse Theile der Sprache, Ilauptwörter, Namen etc., für räuiO'
liehe Anschauungen, Perioden des vergangenen Lebens, aufgeh^'
hen. Wie ist nun die Erinnerung, das geistige Leben des
sehen, als eine consequente Entwicklung aus der Vergangenheit
denkbar., wenn man einen grossen Wechsel der Materie in dcir*
Gehirne und den Nerveni annimmt? Dieser Wechsel scheint w'®'
nigstens in dem Gehirne und den Nerven sehr gering zu seyH'
Wenigstens müsste man zuerst annehmen, dass die Thcilchen
Gehirns, von welchen das Bewahren und Festhalten gewiss®'
Vorstellungen abhängt, ihren Zustand eben so auf die neu®"
Theilchen übertragen, wie die Theilchen einer Hautwarze bei d®®
Assimilation die Erhaltung der eigenthümlichen Mischung und d®*’
Form verursachen, und fein Schwamm bei Ijcständigen Zersetzu"'
gen die Wiedererzeugung der Mischung und Form des Gewch®’
bedingt.
In den meisten Theilen ausser den Nerven sind dagegen vi®|
unzweifelhaftere Zeichen des Wecitsels der Materie vorhanden, und
gerade die Knochen, welche noch am stabilsten scheinen, un"
doch so deutliche Spuren des Wechsels der Materie zeigen, sch®*'
nen zu beweisen, dass der Wechsel der Materie sich nicht lud
die Säfte Ijcschränkt, sondern ein ausgedehntes Phänomen au®'*
in den orgauisirten Theilen ist, Hieher gehören z. B. die Eid'
Stellung der Zellen in den Knochen, die "Entstehung der Stil'"'
hein- und Keilbeinhöhlen in der Kindheit, die Resorption
Knochen beim Druck von Geschwülsten, die Resorption der A'
veolen bei den Alten, das Dünnerwerden des Schädels bei den A*'
ten und vieles Andere. Die Vergrösserung der Knochenhöhl®'^
mit dem Wachsthum der ganzen Knochen, ja überhaupt i^'?’
Wachsthum eines so festen Körpers von allen Partikeln aus, d'®
Veränderungen seiner Form beim Wachsthum sind nicht deu*^'
bar, ohne eine beständige Wegnahme von Knochenatomen au ö®'
wissen Stellen, und Apposition an anderen Stellen, also nicht oh""
beständigen Wechsel der Mgterie. Von anderen Theilen fehl®"
uns die Beweise des W'echsels der Materie mehr. Es gehöi®"
indessen hieher die bei der Regeneration der Schwämme wie
Blutschwamms beständige Zersetzung auf ihrer Oberfläche,
Schwinden der Theile im Hunger, in der Atrophie, hei mehrer®^
chronischen Krankheiten, und das Wachsen, Formverändern u"^
Schwinden der Geschwülste, Warzen, die oft schnelle Restauf"'
tion nach voiheriger Abmagerung. Die wieder aufgelösten Thei
1. V'on der Ernährung. JE'eehsel der Materie.
349
•müssen entweder sogleich in, die Blutgefässe oder in die Lymph-
R^fässe, wo diese vorhanden sind, iihergehen. *
Die Resorption der Lymphe kann indess nicht allein als Wie-
deraufnahme von vorher organisirten Theilchen der, Organe in die
^üftemasse, und die Lymphe nicht bloss als Colliquament der Or-
Sane betrachtet werden; denn die Lymphe ist, wie pag. 142.243.
gezeigt worden, ausser den Lymphkügelchen der farblose ijiquor
Sanguinis, welcher hei der Circulation zum Theil durch die Ca-
Pillargefässe in die Partikeln der Organe eindringt, zu ihrer Er-
fahrung dient, und dessen überflüssige Theilchen wieder in den
'‘^^erall in den Interstltien der Organtheilchen beginnenden Lymph-
pfässnetzen sich sammelh. Daher auch die Lymphe^ durchge-
''ends gleich ist, und überall sich als Liquor sanguinis verhält,
h. autgelösten Faserstoff und Eiweiss enthält.
Der Wechsel der Materie in den organisirten Theilen lasst
schon als nolhwendig zu der beständigen Vei'änderung ihrer
, ^rui erkennen. Die Organe verändern von Kindheit auf beständig
*hre Form, und diese Veränderung im Ganzen kann nur durcli
^®ränderung in den kleinen Partikeln der Organe zwischen den
^apillargefässen bewerkstelligt werden. Hierbei lässt sich denken,
die resorbirten Theile wieder ins Blut gelangen, und bald
'yieder zur Ernährung an anderen Stellen verwandt werden. Nun
•'■agt sich aber, ob es nicht einen Wechsel der Materie in den
^''ganisirten Theilen giebt, wobei wirklich zersetzte Bestandtheile
'•er Organe ins Blut wieder aufgenommen werden, um aus der
^^•ierischen Oeconomie ganz entfernt zu werden. Leider besitzen
Y**" zur Entscheidung dieser Frage keine Thatsachen, als das Ende
Lebens überhaupt, die Gewissheit, dass im Alter immer mehr
'^•a Anhäufung unwirksamer Bestandtheile in den Organtheilen zu-
j'''iamt, die Knochen an thierischer Materie verlieren (pag. 352.),
!^alkerde in den Wänden der Arterien (zwischen mittlerer und
•äuerer Haut) und in anderen Theilen abgelagert wird. D’Outrepont
de perpetua materiei organico-animalis vlcissiiudine. Hol. 1798.
Jrch. 4. 460.) nimmt an, dass das Leben selbst nur durch
*"•<1 mit einem beständigen Wechsel der Materie in den Säften
|••'d den oi’ganisirten Theilen bestehe. Dass das Leben mit einer
^^ständigen Zersetzung der Materie verbunden ist, ist schon oben
34. entwickelt worden. Jede Action verändert die Mischung
••es agirenden Theiles, und erfordert eine Restauration der Mi-
schung, die mit der Erholung erst allmählig erfolgt. Es scheint
'•'•her wirklich, dass auch die organisirten Theile einer allmähli-
Zersetzung ihrer Bestandtheile unterworfen sind, die von
Iwer Action untrennbar ist, und die Restauration veranlasst. Schon
"» den Prolegomena ist pag. 52. dasjenige angeführt worden, was
über die Statik zwischen der Zersetzung bei den Aetionen
der Restauration wissen. Aber leider lassen sich alle diese
*®>Aen Verhältnisse nicht der Berechnung unterwerfen. Wir ha-
hier nur ganz schwache Anhaltspunkte, wie eben die Ermü-
^••••g nach den Aetionen, die Nothwendigkeit einer grossem Menge
•"äffigerer Nahrung nach grossen geistigen und Muskel-Anstren-
^•••igen ; dagegen zeigt uns die Unveränderlichkeit gewisser in die
350 II. Buch. Organ, chemische Processe. II. Ahschn. Ernährung-
Haut eingericLener FarbestofFe eine Grenze auf der entgegenge-
setzten Seite. Innerhalb dieser Grenzen zeigen sich wieder sein'
verschiedene Anzeigen des Stoffwechsels in den organisirten The''
len, wie z. B. das oft schnelleVerschwinden der Ilautwarzen,
rasche Stoffwechsel bei der Resorption der Knochen und
Heilung der Knochenverletzungen, die ganz allmählig erfolgend*^
Reduction eines unförmlichen Gallus in einen solchen, welch®*^
mehr den natürlichen Formverhaltnissen der Knochen entspricl'h
wobei nach Monaten selbst in den zusammcngeheilten Knoche"
an der Stelle der Zusammenheilung die früher ausgefüllte Knoche".'
höhle sich wieder herstellt; dagegen die geringe VeränderlichkC*
der Flecken in der Cornea uns wieder zeigt, wie der Stoffwech-
sel hier im umgekehrten Verhältnisse mit der Sparsamkeit
Blutgefässe steht. Der Stoffwechsel ist übrigens in der Jugc"*
am grössten, und nimmt im Alter immer mehr ab.
b. Chemische Zusammensetzung der organisirten Thcilc.
Nach Berzelius Thierchemie.
1. Gehirn, Rückenmark und Nerven. Das Fett wird
dem zerriebenen Gehirne durch kochenden Alcohol oder AethC
ausgezogen, worauf das Eiweiss des Gehirns und die zerriebene"
Blutgefässe Zurückbleiben. Das Hirnfett ist ein stickstoffhaltig"*
Elain, und Stearin. Erstcrcs ist ein Oel, es riecht wie friscbf
Gehirn, und schmeckt ranzig, es fault wie andere thierische Stoß"
an der Luft. Es wird von kochendem Alcohol in grösserer Meng®
als von kaltem gelöst. Das Stearin besteht aus weissen atlasgl""'
zenden Schuppen. Nach Gmelin und Kueiin enthält dieses Stear’"
wieder 2 besondere Stearinarten, das blätterige und das pulver-
förmige. Das erstere ist dem Gallenfett, Cholestrine, ähnlich»
unterscheidet sich aber von ihm darin, dass es phosphorhaltig
Das Hiinfelt unterscheidet sich von anderen Fettarten, dass "*
sich nach Vaijquelin nicht mit Alcali vereinigen oder verseile®
lässt, dass es ausserdem Phosphor enthält (auch das gebunde"®
Fett im Blute und in der Leber enthalten nach Chevheue m"‘
Bracoknot Phosphor). Die nicht cinäscherbare Kohle, welch"
nach Verbrennung des Hirufettes zurück bleibt, enthält’ nämlich
so viel Phosphorsäure, dass diese den zur Verbrennung nöthig"®
Luftzutritt verhindert. Nach Ausziehung der Pliosphorsäure durch
Wasser, brannte die Kohle wieder eine Weile, und hörte wie^f®
auf; sie war nun wieder sauer geworden; woraus folgt, dass d'®
Kohle des Hirnfettes den Phosphor in einer nicht flüchtieen Ver-
bindung enlhidt. Nach VAuijUELiif beträgt der Phosphor ungefah®
1 Iroc. vom Gewichte des frischen Gehirns, oder -J von dem t*"*
Hmnfettes, was Berzelius unwahrscheinlich findet. Die übrig"®
Theile des Gehirns sind Eiweiss und Salze (phosphors. Salze un“
kohlens. Alcah?), Das Gehirn enthält nach Vauquelin:
1 . Ernährung. Chemische Zusmmensetzung der Organe. ,351
Eiweiss 7,00
Hi"“ IE"
Pliosplior 1,50
Osmazom . . . . . . 1,12
Säuren, Salze, Schwefel . 5,15
"Wasser 80,00
100,00
II,
Das Gehirn enthält ausserordentlich wenig erdige und salzige
®standtheile. 50 Gran getrockneten Ralhsgehirns gaben John
j'ur 2 Gran Asche; 100 Theilc getrockneter Gehirnsubstanz ent-
‘älten nach Sass und Pfafp 3,36 fixe Salze, 100 Theile getrock-
•Jeter Muskelsuhstanz 7,5 fixe Salze. In Hinsicht der Litteratur
chemischen Untersuchungen der Hirnsubstanz verweise ich
E. H. Weber Ana/. 1. p. 257.
Verdüniilc Salzsäure löst nach Reil das Neurilem der Ner-
auf. Alcalische Lösung löst dagegen das Mark der Ner-
''®n auf.
, 2. Muskeln. Das Muskelfleisch wird von langem Kochen
. ‘Irter, und gicht die farblose Fleischbrühe ah, die erkaltet ge-
'^linlrt, was von dem Leim herrührt, in den das Zellgewebe
''*'ch Berzelius durch Rochen verwandelt wird. Gegen Säuren
Alcalien verhält sich Muskelsuhstanz v^ie Faserstoff. Beim
^*^rken Auspressen von zerhacktem Fleische fliesst eine saure
Flüssigkeit ah. Diese enthält 1) Eiweiss und Cruorin.
Milchsäure. 3) Salze, milchsaures Kali, Natron, Kalkerde und
^alkerde, Spuren von milchsaurem Ammoniak, Cblorkalium und
^Mornatriuin (im Alcohol löslich); ferner phosphorsaures Natron,
piospüorsauren Kalk (in Alcohol unlöslich). 4) Extractartige Ma-
*^*’‘en, a) durch Alcohol ausziehbar, Osmazom (von Fleischgeruch),
^^^Ichcs nach Berzelius ein Gemenge von mehreren Substanzen
h) durch Wasser löslich, sauer, enthält Milchsäure. Dicss
'‘h’aet ist wieder ein Gemenge mehrerer Wasserextracte, unter
''^^Iclien das Zomidin, welches den Fleischgeschmack hat. Fleisch
j”'! concentrirter Sclnvefelsäure behandelt, bildet eine Substanz,
j^äcine, die den Geschmack der Fleiscldirühe hat. Berzel.
'"W/. 406. 688.
Rerzehtjs und Braconhot haben das Muskelfleisch des Och-
arialysirt:
^leischfaser, Gefässe, Nerven 15,8
Zellgewebe, im Kochen zu Leim gelöst 1,9
lösliches Eiweiss und Farbestoff . . .
Mcoholextract mit Salzen ......
^asserextract mit Salzen
Liweisshaltiger phosphorsaurer Kalk .
Wasser (und Verlust)
Berz.
Bhac.
17,70
18,18
2,20
2,70
1,80
1,94
1,05
0,15
0,08
—
77,17
77,03
100,00 100,00
352 II. Buch. Organ, chemische Processe. . II. Ahschn, Ernährung.
Sass und Pfaff liaben vergleicliendc Analysen der Musk®''
Substanz und Hirnsubstunz angestellt. Meck. Arch. 5. 332.
Muskelsubstanz. Hirnsubstanz.
Kohlenstoff .
. 48,30
53,48
Wasserstoff .
. 10,64
16,89
Stickstoff
. 15,92
6,70
Sauerstoff .
. 17,64
18,49
Fixe Salze .
. 7, 5
3,36
Phosphor
1,08
Hieraus folgt also, dass die Muskelsubstanz viel mehr Stick'
stoffj die Hirnsubstanz mehr Wasserstoff enthält.
3. Rnocben. Knocbcn mit verdünnter Salzsäure bebandel^’
lassen den Knorpel zurück, während die Knocbenerde von
Säure aufgelöst wird. Der Knorpel verwandelt sieb beim KocliC'
ganz in Leim. Die Knochenerde der höheren Thiere besteht f®**
grösstentbeils aus pbospborsaurer Kalkerde mit kohlensaurer Kalk'
erde, und mit geringen Quantitäten phospliorsaurer Talkerde
Fluorcalcium. Die phosphorsaure Kalkerde der Knochen ist b®'
siscb in einer eigenthümlichen Verbindung, die man sonst inu”*’
durch Niederschlagung der phosphorsauren Kalkerde mit übC'
schüssigem Ammoniak erhält. Im Urin ist die phos phorsau*^
Kalkerde sauer und aufgelöst, in der Knochenerweichung sehe'"
mehr dieses aufgelösten Salzes durch den Urin ausgeschieden
werden.
Berzelitis Analyse von Knochen des Menschen und des Rind^'
Mensch.
Ochse.
Knorpel in Wasser völlig löslich
. 32,171
Gefässe
. 1,13J
Basische phosphorsaure Kalkerde
. 51,04
55,45
Kohlensäure Kalkerde . . .
. 11, .30
.3,85
Fluorcalcium '
. 2,00
2,90
Phosphorsaure Talkerde . . .
. 1,16
2,05
Natron mit sehr wenig Kochsalz
. 1,20
2,45
100,00
100,00
Die Knochen eines Kindes enthalten nach Schreger
Erwachsenen des Greises ^ erdige Bestandtheile. E. H.
BER Anat. 1. 316. Ueher kranke Knochen Bostock, Med.
Transact. Vol, 4.
Dass die phosphorsaure Kalkerde als solche in den Knoch""
vorkömmt, beweist die Afliniüit der Rubia tinetörum zu den K""'
eben lebender Theile, welclie sie roth färbt.
3. Die Knorpel der Knorpelfische geben erst nach dSstü""'^
gern Kochen eine lelmartige, von Galläpfelinfusion fällbare, “b"
nicht eigentlich gelatinirende Materie, wie ich den Angaben
Ckevreui. widersprechend fand. Beim Menschen giebtes einige Kno*^
pel, welche beim nicht sehr langen Kochen keinen Leim geben,
nach Berzelius die Knorpel, welche die Gelenkenden dberkl^
den, nach E. H. Weber und Berzeliüs die Knorpel der Nase, des G ^
res, der Augenlieder, des Kehlkopfes, der Luftröhre, nachWE"®
auch die Rippenknorpel. Die Knorpel, welche Knochen unbeW"»
1, Ernährung. Chemische Zusammensetzung der Organe, S53
lieh verbinden (Synchondrosis) und die Rippenknorpel, welche im
^Iter Rnochenerde absetzen, liefern nach Berzelius Leim. Die
Jl'Ppenknorpel eines ‘iOjährigen Mannes gaben Frommherz and
"Ugert nach dem Verbrennen eine Asche, aus welcher sich die
^ohle nicht vollständig wegbrennen Hess. Vom Knorpel enthielten
löo Theile Asche
Roblensaures Natron .... 35,06
Schwefclsaures Natron . . . 24,24
Chlornatrium 8,2-3
Phosphorsaures Natron . . . 0,92
Scbwefelsaures Kali .... 1,20
Kohlensäuren Kalk .... 18,37
Phosphorsauren Kalk . . . 4,05
Phosphorsaure Talkerde . . 6,90
Eisenoxyd und Verlust . . . 0,99
_ Bei einer 6.3jährigen Frau waren dieselben löslichen Bestand-
^cile in geringerer Menge, der phosphorsaure Kalk in grösserer
penge als der kohlensaure Kalk enthalten. Die Knorpel enthal-
f ihres Gewichtes Wasser.
, 4. Unter den drüsigen Organen sind die Nieren und die
•^eher chemisch untersucht worden. Als Bracobsot die Leber-
l'ihstanz des Ochsen zu Brei zerrieben und mit Wasser versetzt
wurde der grösste Theil der Lebermasse aufgelöst. Die
jl^dchige Flüssigkeit gerinnt beim Erhitzen. Aus dem Coagulum
.^®st sich durch Terpentinöl ein fettes Oel auszieben. Das nach
^^rflüchtigen des Terpentinöls bleibende fette Oel war rothbraun,
^*lh erstarrt, und hatte Geruch und Geschmack der Ochsenleber.
Y* Fett war nicht sauer, und also nicht vorher verseift, war
mit kaustischem Natron verseifbar, ohne dass sich Ammoniak
?**twickelte. Diess Fett ist indess pho^horhaltig, es verhält sich
Verbrennen wie Hirnfett. Die Auflösung, woraus sich durch
'*^*‘l»itzen das Eiweiss abgesetzt hatte, röthete das Laemuspapier,
schien eine vom Osmazom etwas verschiedene Substanz zu
^äthalten.
100 Theile eigentlicher Lebersubstanz enthielten
Wasser
Fjweiss '
Eine wenig Stickstoff haltige, in Wasser leicht, in Al-
cohol wenig lösliche Materie 6,07
Eeberfett 3,89
Ehlorkallum 0,64
Ealkerde eisenhaltig 0,47
68,64
20,19
Salz von einer brennbaren Säure mit Kali
0,10
100,00
G einer Analyse der Menschenleber wollen Frommherz und
j^Wgert auch KäsestolF, Speichelstoflf gefunden haben. In derLe-
des Rochen fand VAtiQUELiN ein Oel, das mehr als die Hälfte
^ni Gewichte der Leber betrug. Berzelius sclriliesst aus diesen
y *^*^^suchungen, dass die Leber eine emulsionsartige Verbindung
Eiweiss mit einem fetten Körper enthalte, gemischt mit meh-
ü Iler’ 6 Physiologie, I, 2.3
354 n. Buch. Organ, chemische Processe. II. Ahschn. Ernährung.
ren anderen ThierstofFen, Avie Osmazom und einem oder 2 ande-
ren in Alcohol unlöslichen, in Wasser löslichen Stoffen. BeR*®*"
Thierch. 164 — 170.
Bebzexivs hat die Pferdenieren chemisch untersucht. Die zer-
riebene Masse rvurde in Wasser fast ganz zu einer milchige''
Flüssigkeit. Die geringe zurückbleibende faserige Masse bestand
Arahrscheinlich aus Blutgefässen. Die flüssige Masse gekann durck
Hitze. Das Coagnlum enthielt A-iel Fett, und bestand aus EiAreisS-
Die Flüssigkeit, Avorin sich das Coagulum gebildet hatte, Arar sa«eb
von Milchsäure, und enthielt thierisclie Materie, die nach dem Ak-
dampfen theils in Alcohol (Osmazom), theils in Wasser löslich Avaö
Die chemischen Eigenthümlichkeiten der Faserhaut der
terien sind schon pag. 189. mitgetheilt. Ueber die Haare und
anderen hornstoffartigen Materien, über die Zähne und die Cry*
stalllinse, siehe das folgende Capitel.
D ie serösen Häute sollen durch Kochen ausziehbaren Lei""
enthalten, und liierin mit dem ZellgeAvebe übereinstimmen. Vo"
den Schleimhäuten Aveiss man nur, dass sie in Wasser selbst bei"!
Kochen unlöslich sind, von Säuren dagegen leiclrt zu einem Br"‘
aufgelöst Averden. Berzel. Thierch. 137. Die Lederhaut löst siek
durch langes Kochen ganz in Leim auf, von Säuren und Alcali""
Avird sie leicht zu einer Gallerte aufgelöst. Die aufgCAveichte Ha“*'
mit Auflösung von scliAvefels. Eisenoxyd ^ oder mit Sublimat k«'
bandelt, verbindet sich mit dfem Metallsalze, auch der Gerbesto**
verbindet siclf mit dem HautgCAvebe; in beiden Fällen fault
Haut nicht mehr. Berz. 282.
Unter den verschiedenen Theilen des Auges stimmt die SH"'
rotica ganz mit dem Verhalten der fibrösen Häute überein, i“'
dem sie beim Kochen Leim liefert; auch die Cornea ist leimg“'
bend, aber weniger leicht als die Sclerotica. Sie schwillt in k“'
ebendem Wasser ausserordentlich auf, in verdünnter Salzsäu^"
löst sie sich in der Hitze auf. ln Essigsäure quillt sie auf.
Essigsäure, Asomit sie digerirt wurde, wird von Cyaneisenkali“'“
sowohl, als Alkali gefällt, was unter gleichen Umständen bei
Selerotica nicht geschieht, zum Beweise, wie Berzelius bemerk*’
dass die Cornea auch eine kleine Menge Faserstoff, oder coaf''"
lirtes Eiweiss enthält. Berzelius Thierch. p. 422. Der Glaske"'
per gehört wohl zu den organisirten Theilen. Vergl. oben p. 26“'
Deswegen wird seine chemische Zusammensetzung hier angeg“'
ben. Berzelius hat ihn vom Ochsen untersucht. Er besteht
Kochsalz mit ein wenig durch Alcohol extrahirbarer Materie 1,4*’
in Wasser löslicher Materie 0,02, Eiweiss 0,16, Wasser 98,40.
c, ^Einfluss der Nerven.
Ueber die Nothwendigkeit des Nervenelnflnsses auf die Ern*k'
rnng ist man noch selir im Dunkeln. Lähmungen des
und Rückenmarkes zeigen zuweilen gar keinen Einfluss auf
Ernährung, dagegen bcAvirken sie im Fortschritte der Lähm““®
oft Abzehrung. Zuweilen ist die Lähmung frühzeitig mit Ab*“ ^
rung verbunden. Aus ersterer Tbatsache folgt jedoch nicht,
die Nerven keinen Einfluss auf die Ernährung haben. Nach
355
, 1. Von der Erniihrung. Einfluss der fli er t>en.
Lähmung, die vom Gehirn und Rückenmark durch Verletzungen
derselben ausgeht, ist der Einfluss des Willens auf die Bewegung
‘^er Muskeln, und die Leitung der Empfindungseindrücke auf das
?ensorium commune aufgehoben. Die Nerven selbst können noch
l'x'en Nervencinflttss behalten. Die Muskelnerven verlieren z. B.
'»'nerhalb 2 Monaten die Fähigkeit, durch Reize, welche auf die
“'Liskelnerven selbst wirken, Zusaramenziehungen der Muskeln zu
Erregen.
In vielen Fällen sind die gelähmten Theile abgezehrt, welker,
'^‘»dAvas besonders den Einfluss der Nerven auf die Ernährung er-
weist, die gelähmten Tbeile sind leicht nach Verletzungen dem
, ande unterworfen. Schröder v. d. K.olk hat beobachtet, dass
gelähmten Gliedern zuweilen Umwandlung der Muskelsubstanz
Fett und Verknöcherung der Arterien erfolgt.
Bei dem Embryo zeigt sich die Ernährung von dem Gehirne
unabhängig, indem z. B. hirnlose Missgeburten vollkommen
^•■nährt, bis zur Geburt ausgebildet werden. Dagegen hat man
dem Mangel gewisser Nerven immer auch einen entsprechen-
Mangel des Organes gefunden, und bei dem Mangel der Or-
entsprechenden Mangel der Nerven. Tiedemann beobachtete
'** Fällen Mangel der Riechnerven mit undurchlöcherter Sieb-
platte und Gaumenspalte. Der Mangel der Augen ist mit Mangel
j|n'er Nerven verbunden. Tiedemasn’s Zeitschr. J, Physiol, I, /6.
5*ver hat eine Missgeburt besclirieben , an welcher die unteren
ptremitäten bis auf den Defect von 2 Zehen an der linken vor-
'“»äden waren, aber mit dem Mangel des Urinsystems und sehr
Mangelhafter Entwicklung der Genitalien auch die Cauda equina
MLr mangelhaft entwickelt war, Indern das Rückenmark in der
des 12. Rückenwirbels stumpt endigte; die Nerveh der
^nteren Extremitäten waren vorhanden. Tiedemann’s Zeitsclir, für
fflsiol. 2. 41. Bei mehreren defccten Missgeburten sollen zvvar
Me Nerven gaim gefehlt haben, diess kann man aber ziemlich
®Mher auf dm Schwierigkeit und Ungenauigkeit der Untersuchung
Mliieben. Vergl. Mayer a. a. O. Bei den acephalcn Missgebur-
die bloss aus einer Extremität bestanden^ (siehe oben p. 187.)
doch noch eine knotige Nervenmasse gefunden worden, von
^.®lcher die Nerven der Extremität abgelien, und welche als Ru-
M^ient des Rückenmarks zu betrachten ist. Die gegenseitige Be-
Organe und der Nerven lässt sich sehr gut bei dei
der Insecten und Amphibien beobachten. So wan-
...... ....s Nervensystem der Insecten bei der Verwandlung
I‘‘'chden spälerenOrgaiiUieilen um; bei der Raupe sind die Kno-
i“ des Nervenstranges gleich den Abtbeiliingen des Körpers mehr
SMichartig, bei der Verwandlung, wenn sich einzelne Abtheilun-
des Körpers weiter ausbilden, Extremitäten und Flügel ent-
®Mhen, verschmelzen mehrere Knoten zu grösseren Massen, den
enlsprechenclj welche neue Organe erluilten haben. Herold
''^‘^icklungsgescMchte des Schmetlcrlings. Casseli^l^. Bei der Vei-
j!®ndlung der Froschlarven schwindet mit dem Schwänze das End-
‘ Mil das Rückenmarks, während mit den Extremitäten ihre Ner-
sich bilden.
.y'igung der
23*
356 II. Buch. Organ, chemische Processe. II. Ahschn. Erniihrung.
Man muss sicli übrigens wobl Lüten, die gegenseitige Bedni'
gung von Nerven und Organ so zu verstehen, dass die Erzeugung -
der Organe von der Präexistenz der Nerven abhänge. In <1®*'
Reirnsubstanz, in welclier noch die ganze organisirende Kraft ruhb
■werden Nerven und Organ durch eine und dieselbe Kraft erzei'gl"
Wenn aber einmal die Organe erzeugt sind, scheint ihre b®'
ständige Restauration von dem Einflüsse der Nerven zugleich 'W'®'
sentlich abzuhängen. Mehrere Thierc bilden, selbst im spätere
Leben, verlorne Theile wieder. Die Salamanderlarven erzeuge®
abgeschnittene Extremitäten, Kiemen, Unterkiefer, Auge
Hier ist cs zweifelhaft, ob die in dem Ganzen verbreitete org®'
nisirende Kraft, wie bei der ersten Entwicklung, diese Theile na®'*
erzeugt, oder ob die noch unversehrt vorhandenen Centralthe'*®
des Nervensystems die Wiedererzeugung der Theile, zu welche®
sie Nerven ausschicken, einleilcn. Der Salamander soll die I-*'
tremltät nicht wieder erzeugen, wenn der Nerve über dem Stump*®
abermals durchschnitten worden (?).
Gegen den Einfluss der Nerven auf die Ernälirung kön®*®
man anführen, dass die Knochen sich regencriren, ohne Nerve®
besitzen, indessen doch auch die ernährenden Gefässe der K.®®'
eben so gut wie andere Theile mit feinen Zweigelchen von
ven, die dem N. sympalhicus angehören, versehen seyn könne®*
Wir besitzen wenig directe Erfahrungen über den Einfl®**
der Nerven bei den Actionen in den kleinsten Gefässen. MAOt’*'
DIE sab, dass Brechmittel in die Venen eingespritzt, Lungen- ®®‘^
Magenentzündung bewirken, dass diese aber viel geringer
wenn die Nervi vagi vorher dui-chschnitten wai-en. MageSP'®
beobachtete, dass auch nach Durchschneidung des N. trigemi®®*
starke Reize an dem Auge keine Augenenlzündung erregten, J®*’
aber nach einigen Tagen an dem Auge sich eine Entzündung i®'*
Exsudation im Innern einslellte, auch wenn das Auge nicht g®'
reizt worden. .Jouni. d. physiol. 4. 176, 304. Dupur hat nafi
Ausschneidung des Ganglion cervicale supremum Nervi sympathi®'
eine Augenentzündung entstehen gesehen, was M.AYEtt bei Untc»^
bindung des N. sympathicus bestätigt hat. Gbaeee undWALTiiE®*
Journ. 10. 3. SciiBÖDER durchschnitt hei einem Hunde an fl®*”
einen Beine den N. ischiadicus und crui'alis, und verwundete bei*!®
Füsse. Am folgenden Tage war die Wunde des paraljdische®
Beines trockner als die des gesunden; innerhalb .3 Wochen e®^
wickelte die Wunde des gesunden Fusses viel stärkere Entz®®'
dungsphänomene ; es entstand Eiterung und Granulation, an d®*®
paralytischen Fusse fehlte fast die Entzündung der Wunde,
weisse Materie wurde ausgeschieden, welche verschorfte.
Wunde war blass. Observ.anat. paihol.I%2Q. 14. Ich habe n®®**
Durchschneidung des N. ischiadicus, die ich wegen Reproducti®**
der Nerven vornahm, unter mehreren Fällen beim Kaninchen
mal beobachtet, dass das Thier an dem paralytischen Beine
der Ferse sich .lufging, wo ein Decubitus entstand. Es
hieher auch die plötzlichen Veränderungen des Zustandes ®®.j
Wunden nacli Gemüthsbewegungen , worauf Wunden oft sch®®
2. Vom Waclisthum. JVachsthum durch Intiissusceptio. 357
gutes Ansehen verändern, wieVERiNG und Langenbeck herich-
Siehe Schröder v.^ d. Kolk. a. a. O. p. 28.
Ueber den vorzugsweisen Anlheil des sympathischen Nerven
der Ernährung im Gegensätze der Cerehro-Spinal-Nerven weiss
nichts, als dass die Ernährung eines Theiles nach Durch-
chneidang seiner vom Gehirne oder Rückenmarke kommenden
^i’ven nicht aufhört.
II. Capiiel. Vom Wachsthum.
_ Das Wachsthum der Thelle organischer Wesen geschieht auf
?''’6ifache Art. Entweder geschieht das Wachsthum von allen
'ßineij Partikeln zwischen den Capillargefässen .aus, indem sich
**'8leich die Anzahl der Gefässe vermehrt, und so wachsen die
y’'8anisirten, mit Blutgefässen versehenen Theile, oder dasWachs-
^*Una geschieht durch schichtweise Apposition von BildungsstolF,
Von einer organisirten Matrix abgeschieden avird, während die
'**'ch Apposition wachsenden Theile nicht organisirt sind.
Von dem Wachstlmm der organisirten Theile durch
Intussusccptio.
Die Erzeugung von Gefässen scheint fast überall zu den er-
Acten der organisirenden Kraft zu gehören. So entstehen
in dem hei der Entzündung und nach der Conception im
*-®t'us ausgeschwitzten Faserstoff, durch Wechselwirkung der aus-
6®schwitzten Materie mit der exsudirenden organisirten Ober-
*ehe. Von allen organischen Materien ist es der im Blute auf-
8«löste Faserstoff, der diess Princlp des Lebens in sich enthält,
er selbst im ausgeschwitzten Zustande noch organisirt wird,
jJ'^ald er mit organisirten Theilen in Berührung ist. Die erste
'ätstehnng und Vervielfältigung der Gelasse lässt sich ln der
^®inihaut des Eies beobachten. Die Keimscheibe vergrössert sich
Keimhaut; diese zeigt bald eine obere dünnere Schichte (se-
®ses Blatt) und eine untere dickere Schichte (Schlcimhlatt). Um
in der Mitte der Keimhaut sich zeigende Spur des Embryo
„^'Scheint ein durehsichtiger Hof, area pellucida, während der
^•‘ssere Theil der Reinihaut undurchsichtig bleibt, und dieser nn-
4^*'chsichtige Theil der Keimhaut wird bald wieder durch eine .
.. 8*’enzung In ein äusseres und inneres ringförmiges Feld abge-
j beim Vogel in der 16. — 20. Stunde. Diese Abgrenzung
^'^l'iiesst zunächst den einen Theil des undurchsichtigen Stückes
Ij®*“ Keimhaut ein, xvelches den innersten oder durchsichtigen
der Keimhaut umgiebt, und area vasculosa genannt wird, weil
’'^n innerhalb dieses Hofes das Blut und die Gefässe bilden. So
die Area vasculosa reicht, zeigt sich zwischen den Blättern
Keimhaut eine körnige Lage, welche sich bald in körnige
*'^hte Inseln und rinnenförmige Zwischenräume zertheilt, in de-
^ sich zuerst eine gelbliche, hernach rothe Flüssigkeit, das Blut,
^*ämelt. Zuerst sieht man das Blut in der Peripherie der Area
®*culosa. Allmählig theilt sich die körnige Lage zwischen beiden
358 II, Buch. Organ, chemische Processo. II. Ahschn. Ernähruiig-
Blättern überall in solche Substanzinseln' und Rinnen. ^ Das
selbst entsteht, -wie die grossen Gefässslämme, auch zwischen bei
den Blättern. G. F. Wolff {Theorie der Generation. Berl. j
hat nun auf eine bewundernswürdige Weise gezeigt, wie “f
Rinnen erst die Gefässwände allmäblig entstehen, indem «l'e
ttanzinseln zuerst in der Mitte durclisiebtiger werden, und *
mäblig sich der dichtere und undurchsichtigere Thcil der Sul^
Stanzinseln gegen die Strömcben hin verschmälert, in Sleich^
Grade, als die Durchsichtigkeit der Substanzinseln von der
sich ausdehnt. Bei ganz jungen Thieren, z. B. jungen Fischche^
lässt sich, wie Döli.inger {Denkschriften der Academie zu Muncite'-
7.) that, das Entstehen neuer Strömcben während des Wac>^
thums des Schwanzes beobachten. Bei ganz jungen Fischchc
kehrt anfangs das arterielle Strömehen am Schwänzende o»«^
Weiteres in einem venösen Strömehen um, mit dem V*
des Fischschwänzchcns vermehren sich die Gefässschlingen. A
einfachsten wäre nun, sich vorzustellen, dass die organische Su
stanz um die Strömehen her die flüssigen Theile des Blutes, a« ^
gelöstes Eiweiss und Faserstoff anziehen, und indem sie sich üa-
mit tränken, sich wie beim ersten Entstehen der Gefässe j
Keimhaut in Rinnen und feste Zwischenstellen theile. So la*’
sich auch die Entstehung der neuen Gefässe in dem ausgeschwd*'
ten Faserstoffe bei den Entzündungen am leichtesten denken, i»'
dem nämlich der e-Vsiidirte Liquor sanguinis sich allmählig vC*'
dichtet, aber auch durch die permeabehi Capillargefässwändcbe
hindurch wieder Liquor sanguinis anzieht, der sich in den en
stehenden Rinnen der Suhstanzinseln vertheilt, worauf später au*^^
Blutkörperchen in die erweiterten neuen Gefässchen aufgenoiU^
men werden. Denn dass sich die Gefässenden in die neue M®
terie verlängern sollen, ist eine ungereimte Vorstellung, zumal
es keine Gefässenden , sondern nur Capillargefässübergänge z'^*
sehen arteriösen und venösen Strömehen giebt.
Eine genaue Zusammenstellung aller Beobachtungen hat At-*"
Thomsok, Fäohiep’s Eot. N. 783, gegeben.
Mit dieser Vorstellung von der Entstehung der neuen Gefä* ^
sind aber die Beobachtungen von Döllinger nicht übereinsin®^
mend. Dölubger hat eine doppelte Entstehung neuer Strömen®.^
beschrieben. 1) Did arteriellen Strömehen bahnen sich neue b®
tenwege in die wachsende Substanz. Es ist jedoch unwahrseb®*
lieh, dass die Blutkörperchen sich solche neue Wege zuerst
nen und zufälligerweise ein venöses Strömehen wieder antrel ®
Die Einmündung der neuen Strömcben in ein venöses Ströme
wäre neuerdings zu erklären, worin ja überhaupt die ganze Sebvf
rigkeit liegt. So lange nicht durch Tränkung der Substanz
Liquor sanguinis und Theilung der Partikeln zwischen arterm»^^
und -fenösen Strömehen neue Rinnen entstehen, ist die Einm‘L^
düng der neuen Strömehen in venöse Strömehen sehr scbwi*^^!®
einzusehen. Denn sonst wird sich das Blut eher anhäufen j
regelmässige Capillargefässverbindnngcn erzeugen. 2) Eine
Art der Entstellung neuer Strömehen hat Döllinger
massen dargestellt : In der Nähe des fliessenden Blutstroms
5ä. Vom tlchslhum. achsthum durch, Intusnusceptiu. 35ü
Streifen dea uiiljewegliolien Thierstoft’es in Bewegung; es hil-
sich gleichsam ein bewegliches Säulehen aus dem, was Döe-
J^tsoER, Schleimkörner nennt, ein Säulehen, das mit einem Ende
an den Blutstrom unter einem rechten Winke! austösst, mit
andern von ihm abgekehrt ist. Dieser Streifen schiebt sich
hin und wieder dein Blutstrome zu, vom Blutslrom ab, alles
P'ilsirend; die Körnchen, aus welchen der oscillirende Streifen
®steht, legen sich in Ordnung au einander, und nehmen allmählig
be;,linimtere, weniger verflossene Gestalt an, indem sie deut-
ch Oval werden; endlich tbellt sich die oscillirende Masse in 2
‘«■ömchen, deren eines in arteriöser, das andere in venöser B.ich-
dass ich diese Erscheinung nicht
^**.**§ läuft. Ich gestehe ge
ßicht für den aewöbnllchi
neuer
eht die Oscillation von
„ iui den gewöhnlichen Vorgang bei der Enlslehun
fförnchen halten möchte. Entweder g
arteriellen Strömehen aus oder nicht. Gebt sie nicht dav'on
''***> so ist die Verbindung dieser Oscillation eben so schwer ein-
***sehen, als die Verbindung von 2 Strömehen selbst, warum es
'®h überhaupt jhandelt. Geht die Oscillation von dem arteriellen
j^fömehen aus, und kehrt das Strömehen, wie in Döli.ingeb’s
®obachtuug, gegen den Ausgang zurück, so hat man einen schlin-
0 öförmigen Anhang einer Arterie, nicht aber eine neue Schlinge
"''Sehen Arterie und Vene. Erstei-es ist aber nur in dem Falle
^''glich, den Döli.imger auch hervorgeboben hat, nämlich am
"de der Hauptarterie, wo diese im Schwänze der jungen Fiseh-
gerade zur Hauptvene lunkehrt. Dieser Fall wäre auch an
• *'*’ Spitze der Kiemenblättchen denkbar, wo arterielle Strömehen
^ Venöse umkehren. Meyen {Isis 1828. Tah. VI, ßg. 3.) hat in-
wirklich an der Kieme der jungen Salamanderlarve die
. ""hachtung gemacht, dass das arterielle Strömehen ein Aestcheu
der Seitensprosse eines Kiemenblättchens ansschickte, und die
f ".^j'^örperchen daraus auch wieder aufnahm. Späterhin ist es
"ilich anders, indem die Arterie eines Kiemenblättchens von der
l^j.^vie des Kiemenstämmchens ausgeht, die Vene des Kiemen-
jj"^lchens nicht zu der Arterie, sondei’n zur Vene des Kiemen-
^''Bttmehens zurückkehrt. Auch sonst bei den Thiercn sind die
hßgen der kleinsten Gefässe nicht zugleich Anhänge von ei-
^""lei Gefässart, z. B. der Arterien, sondern nur zwischen Arte-
und Venen. Weitere Beobachtungen müssen noch über die
nß'icj' Capillargefässströmchen an Salamanderkiemen
""deren Theilen angestellt werden, um ins Klare zu kommen,
j "lebt die oben von mir aufgestellte Ansicht, für welche vor
jj ^ Hand noch keine hinreichenden Beobachtungen vorhanden
in vielen Fällen der Natur entspricht,
sin über das Wachsthura verschiedener Theile
"och wenig vorhanden. Wahrscheinlich findet es überall in
^ Weise statt, dass sich sowohl die Elementartheilchen dei' Ge-
zwischen den Strömehen bald an Zahl, z. B. Fasern der
do ""d Nerven, vermehren, bald an Grösse zunehmeu, in-
Partikeln zwischen den Strömehen mehr Stoff apponiren,
indem die Zahl der Capillargefässe in gleichem Vei'-
"'sse mit den wachsenden Partikeln zunimmt. Ehe wir vom
N
360 11. Buch. Organ, chemkc/ie Processe. II. Abschn, EniäJa'unS-
Wachsthum der Knochen handeln, müssen wir einige Bemerkun-
gen über ihre Structur voraus schicken. lieber die feinere
Structur der Knochen hat unter Purkinje’s Anleitung Deutsch
penitiori ossium struciura ohseroationes. Dissert. inaug. Vratisl.c.tab.i'i
eine sehr gute Arbeit geliefert, die erste nach langer Zelt, welc“
über diesen Gegenstand wirklich neue Aufschlüsse darbiete •
Diese Arbeit beschäftigt sich mit dem feinsten Bau derKnocbeä)
wie er unter dem MIcroscop an feinen Lamellen von Knochen'
Substanz erscheint, deren Kalkerde durch Säuren extrahirt '
Untersucht man feine transverselle Knochcndurchschnitte von 1®®'
gen Knochen, so sieht man die Querdurchscbnitte der Länge"'
Canäle, auf Längendurchschnitten sieht man die LängendurctJ'
schnitte der Längscanälcben, welche Mark fuhren und nur h]
und da Zusammenhängen. In den spongiösen Knochen sind ü*
Markcanälchen durch Zellen ersetzt. Durchaus neu sind die »"J'
kroskopischen Aufschlüsse über den feinem Bau des Knochenku"*'
pels. Auf transversellen Durchschnitten zeigen sich nämlich " .
jedes Knochenkanälchen concentrische, dünne Streifen, und
den Radialdiu-chschnitten zeigt sich, dass diese concentrischcn Str"*^
fen der Länge nach verlautende, die Canälchen umgebende b*
mellen sind. Diese Schichten haben einen Durchmesser von J
Die Zwischenräume zwischen den concentrischcn Schichten
die Markcanälchen werden von Lamellen ausgefüllt, die in gross"®
Kreisen um die grosse Markböhle concentrisch laufen. An d"
breiten Schädelknochen und anderen platten Knochen liegen "}
Schichten parallel mit der Fläche derselben. Sehr merkwürd'S
ist nun , dass durch die Dicke der Schichten lauter dicht ^
einander liegende Streifen gehen, welche also zur Länge die ..
der Lamelle von haben. Deutsch hält diese Linien 1 ^
Canälchen; löset man eine Schicht von der andern ab, und h
trachtet man sie unter dem Mikroskop, so erscheinen die En"
dieser transversellen Streifchen meist dreieckig; Deutsch vern»®^
thet, dass in diesen überaus feinen Canälchen (?), wovon Niem®"
bisher eine Ahnung hatte, die Kalkerde abgelagert sey.
ist nicht' wahrscheinlich, da die erste Erscheinung der Ossiß"®
tion ein mikroskopisches Netzwerk ist. Ausserdem hat Pub*-'®
noch eine Art von zerstreuten rundlichen Körperchen, die j
pelkörperchen, in der mikroskopisch untersuchten Rnorpelsubst® .
der Knochen entdeckt, die viel grösser sind, als die Durchschm
der zuletzt beschriebenen Canälchen. Diese Untersuchungen
den lamellösen Bau der Knochenknorpel sind auf der hies*o.g
Anatomie von Hrn. Miescheh' wiederholt und fast durcbg'®"Oj^
bestätigt gefunden worden. Herr Miescheh hat jene Knorp
körpereben auch in nicht ossificirenden Knorpeln und
dem Callus der gebrochenen Knochen wiedergefunden; nur
Ohrknorpel und der Kehldeckel bestehen aus zelligem
Man weiss, dass die Knochen vorzugsweise auf der b)berß®
und am Ende der Diapbysen wachsen, indem hier neue
pelschichten entstehen , die organisirt sind und ossificiren.
sieht man, weil die Knochen nach aussen hin sich vergro**
während das Innere der Knochen, was früher Knochen geW"
2. y offt W achsthum. Wachsthum durch Intussusceptio. 361
Rieder resorbirt und Rnoclienhölile wird. Die hieher gebören-
den Thatsachen findet man in E. H. Weber’s classischera Werke
beer die Anatomie des Mensclicn im ersten Theile desselben und _
Dictionnaire des Sciences rnddicales^ art. osteogenie. T, 38. p. 445.
^isammengestelit. Nach Duhamel umschliesst ein um einen Röb-
*’®oknocben eines Jungen Tbieres gelegter Ring nach einiger Zeit
••'cbt mehr den Rnocben, sondern das Rnocbenmark. Die Rno-
J^hen verändern sieb bis in das böebste Alter, wie denn z. B. im
*<>ben Alter die Ilirnscbale dünner wird, indem die schwammige
■“'ploe zum Tbeil verschwindet. Die Färberrötbe, Rubia tincto-
welche eine chemische Verwandtschaft zur phosphorsauren
^®lkerde hat, und bei der Fütterung von allen Theilen vorzugs-
weise nur die Rnocben und die Zähne roth färbt, färbt bei den
^äochen das ganze Gewebe roth. Bei den jungen Tauben hat
***ese durchgängige rothe Färbung der Rnochen nach Morand
*^14 Gibson schon in 1 Tage statt, während die Rnochen erwach-
sener Tauben erst nach 14 Tage langer Fütterung rosenroth
Werden. Indessen scheinen doch die Oberfläche und die Enden
.er Rnochen vorzugsweise zu wachsen, wie die von Weber ci-
^‘rten Beobachtungen beweisen. Duhamel fand, als er die Thiere
abwechselnd mit Färberrötbe fütterte, und wieder nicht fütterte,
^Wechselnde Schichten weisser und rother Substanz, was sich
^'^er selten bei jungen Thleren zeigt. Zur Zeit der Fütternng
^jt Färberrötbe wurde die äusserste Schichte roth gefunden,
^•ernach räumte Duhamel zwar die Intussusception der Rnochen
behauptete aber doch, mit Grew, dass die Rnochensubstanz
Vorzugsweise an der, Oberfläche schichtweise sich bilde, wie die
^■•gen des Holzes an den Bäumen. Diess Alles ist nichts weniger
*ls gewiss; denn in Morand’s Versuchen wurden die Rnochen
Erwachsener Tauben durchweg roth, und Duhamel sah selbst,
*^*ss die Rnochen eines Hahns in 16, die einer Taube in 3 Ta-
in ihrer Dicke roth wurden. Gibson, Meck. Archiu 4. 482.
Röhrenknochen wachsen vorzugsweise auch an der Grenze
*^ischen den schon verknöcherten Stücken der Rnochen und dem
^och knorpelig gebliebenen Theile, welcher das Mittelstück von
4on Epiphysen in der Rindheit trennt. Diess scheint der Ver-
W*ch von J. Hunter zu zeigen, nach welchem Löchei* in die bei-
4en Enden des Mittelstücks eines Röhrenknochens beim jungen
bchweine gebohrt, nach einigen Monaten sich nicht von einander
Eotfemt hatten, so dass die über den Löchern befindlichen Strecken
4es Rnochens vorzugsweise gewachsen seyn mussten. DasWach^
bum der Röhrenknochen dauert daher auch nur so lange in die
■bänge fort, als die Epiphysen und das Mittelstück noch durch
En»e Lage Rnorpel getrennt werden. Siehe ÄIeckel, Handb. d.
*^nschl, Anat. 1. 378. E. H.Wrber Anat. 1. 339., wo man auch
4ie Nachweisungen über die Litteratnr findet.
Die Rnochen sind anfangs beim Fötus knorpelig, und entlml-
W zu allererst keine Zellen und Markhöhlen. Die Zeilen der
Wochen felilen lange, sie entstehen zum Thell schon, ehe die
Worpelsubstanz des Rnochens durch Vergrössening des Gehaltes
■'ü phosphorsaurer Ralkerde verknöchert. Die Verknöcherung
362 II. Buch, Organ, chemische Processe. II. Abschn. Ernährung.
findet von einzelnen Rnochenkernen aus statt, von welchen
die Rnochenlamellen und Fasern (an den platten Schädelknochen
radiatim) ausgehen. Der Anfang der Verknöcherung geschieh*
schon im 2. Monat der Schwangerschaft, Steisshein, Kniescheih®»
die meisten Hand- und Fusswurzelknochen verknöchern erst nn®.^
der Geburt. Die Entwicklungsgeschichte der Knochen wird übr*'
gens im 8. Buche dieses Werkes abgehandelt.
Es ist eine ganz irrige Vorstellung, wenn man glaubt,
organisirter Theil könne das Ernährungsorgan eines andern or-
ganisirten Theiles seyn, z. B. die Knochensubstanz werde voi\
Beinhaut gebildet, der Knochen von der Beinhaut ernährt.
Knochensubstanz muss, weil sie selbst organisirt ist, auch seih**
assimiliren. Nur nnorganisirte Theile, welche keine Gefässe ent-
halten, wie die Haare, Nägel, Zähne, Crystallllnse, werden vom
einer organisirten Matrix erzeugt, und durch Apposition neue"
Stoffes erhalten. Dass die Knochensubstanz durch die Beinha"*
gebildet werde, diese Vorstellung halte ich für eine des jetzig®"
Zustandes der Physiologie unwürdige Barbarei. Die Knochen e"'
halten von der Beinhaut und vop der Markhaut aus Gefässe, s'®
sterben daher ah, wenn Beinhaut oder Markhaut in einer Streck®
zerstört sind; die äusseren Schichten sterben ab bei der Zersti'-
rung der Beinhaut, die inneren bei der Zerstörung derMarkhaot
der Knochen. Allein daraus folgt nicht, dass diese Häute di®
phosphorsaure Kalkerde im Knochen absetzen. Die Beinhaut h*
das Vehikel der Gefässe, welche in den Knochen eindriug®"^
darum stirbt er ab, wenn seine Gefässe an dieser Stelle zerris'
sen sind.
lieber das Wachsthum der Primitivfusern der Muskeln uud
der Nerven ist man völlig im Dunkeln. Man weiss nicht, ob di®
Zahl der Muskel- und Nerverfasern von der ersten Erzeugung
an constant bleibt, und sich nur ilire Länge und Stärke vef-
grössert, oder ob ihre Zahl bei dem W^achsthume und bei d®"
Uebung zunimmt. Genaue mikrometrische Messungen über d®"
Durchmesser der Muskel- und Nervenfasern in verschieden®"
Altern, über den Durchmesser der Nervenfasern in der Atroph'®
der Nerven, z. B. in der Cauda equina bei der Tabes dorsal^/
müssen angestellt werden. Durch die interessante Schrift vo"
Valentin, Tiistoriae evolutionis syst, muscularis prolusio. Vratisl. 183'A
ist der Anfang in diesem Theile der Untersuchungen gemacht-
Nach ihm bestehen die Muskeln anfangs bei dem ganz jung®"
Embryo aus deutlichen Kügelchen, welche hernach verschwinde"?
so dass an die Stelle eines perlschnurähnlichen Fadens ein gleich-
förm^ walzenförmiger tritt. Die Fasern sind nach ihm bei j«":
gen Embryonen der Säugethiere und Vögel immer dicker als be‘
älteren. Die ersten perlschnurartigen Fasei’n sollen 3 und mehr-
mal dicker als die Muskelfasern älterer Embryonen seyn, so da«*
also aus den ersten Fäden hernach mehrere dünnere sich zu hd'
den scheinen. Da die Primitivfasern der Nerven und Muskeln
klein sind, dass sie selbst keine Capillargefässe besitzen, und d»
diese nur in ihren Zwischenräumen verlaufen (vergl. pag. 201.)?
2. Vom fVachsthum. Wachsthum durch Intussusceptio. 363
^uss dasWachsthnm durch Anziehung der aufgelösten Theile des
“lutes geschehen.
, , Ueber dieEntstehung und daS'Wachstham derDrüsenoanälchen
“eiin Fötus habe ich einige nähere Aufschlüsse gegeben, obwohl
Beobachtungen über die Entstehung der Leber, des Pancreas,
Speicheldrüsen, der Kieren nicht ein ganz gleiches Verhalten
^^Igen. Rolando, Baer und ich haben gezeigt, dass die Leber
jls ein kleiner Auswuchs der Darmwände entsteht, der zuerst im
lunern hohl ist. Indem die Substanz in der Dicke der V^'^ände
®*®ses Auswuchses sich vergrössert, entstehen darin Träubchen
Canälen, von welchem es ungewiss ist, ob sie gleich anfangs
sind; die Höhle in der Basis des Auswuchses wird aber ver-
J'^eigt. Die Nieren des Vogelembryo bilden nach meinen Beobach-
"“gen anfangs einen gallertartigen ReimstofF, Blastema, welcher
der Oberfläche ein gewundenes Ansehen bat. Der Saum die-
Windungen enthält hernach die (anfangs) blasigen Enden der
^'•t'allel aus der Tiefe heraufsteigenden Harncanälchen, welche
^^ti’ch den Keimstoff verbunden sind. Erst allmählig bilden sich
blasigen Enden der Harncanälchen (auf Kosten des Blastema)
und werden gefiedert; am vollständigsten habe ich die Aus-
j lldung der Speiclielcanälchen in der Parotis und die Entwick-
der Thränendrüse hei Säugethieren beobachtet. Nach E. H.
YEber’s und meinen Beobachtungen ist die erste Spur der Spei-
pßlcanälchen der Parotis der in einer gallertartigen Materie
'®gende Ausführungsgang, der mehrere blinde Zweigelchen aus-
*^liickt. Nach meinen Beobachtungen zeigt sich hier in der Folge
sehr merkwürdiges Verhältniss zwischen dem Keimstoff der
^•'üse, Blastema und den Canälchen. Bei einem Schaafemhryo
^“n 4 Zoll Länge ist das Blastema nicht mehr gallertartig, son-
Y^n eine grauliche gelappte Materie, innerhalb welcher die Spei-
Y'elcanälchen ganz weiss verlaufen, und Sprossen mit blinden
^“den ansschicken. Das Blastema umgiebt diese ganze VerZwei-
?^äg, so dass die Zweigelchelchen nicht bis an den Rand der
Y*ppchen des Blastema fortschreiten. De glandularum siruciura
tob. 6. fig. 11. Bei älteren Embryonen, wie z. B. bei ei-
Schaaffötus ^ßg. 11.), war das Blastema schon viel melm
^^gezehrt, und umgab die viel mehr ausgebildeten Sprossen der Spei-
'^“elcanälchen und ihre Enden nur sehr sparsam, gleichsam als wenn
^ Zuletzt in den Bindestoff oder das Interstitial-Zellgewebe zwischen
, Canälchen einer Drüse verwandelt würde. Bei der rhränendrüse
5. fig, 8. haben sich mir diese Beobachtungen über das Verh'ält-
des Blastema zu den Drüsencanälchcn bestätigt,
j Die Frage, bis auf welche Theile sich das W'achsthum durch
^lussusceptio von den kleinsten Partikeln aus ausdehnt, ist identisch
“**t der Frage, welche Theile organisirt sind oder Blutgefässe
^Ibalten. In den Sehnen, Bändern, Knorpeln sind Blutgefässe,
^'^än auch sehr sparsam, enthalten. Im Museum von Fremerv
Utrecht sah ich eine sehr schöne Injection der Rippenknor-
der Knorpel des Kehlkopfs, der Luftröhre von einem, wenn
mich recht erinnere, jungen Fuchs. Von den Gefässen der
'^rnea, des Glaskörpers, der serösen Haute ist pag. 204. gehan-
364 II. Buch. Organ, chemisdte Pfocesse. II. Absclm. Ernährung.
delt worden. Zweifelhaft sind die Gefässe noch von der innere
Haut der Blutgefässe.
«
b. Von dem Waehsthume der unorganislrten, gefSsslo»«:“
Theile durch schichtweise Apposition.
Die unorganisirten, gefässlosen Theile werden durch eine of-
ganisirte Matrix erzeugt, und vergrössern sich durch fortgescfttc
Apposition von einer Seite. Ihre Matrix ist bald eine ehe«®
Oberfläche, bald vorspringend, bald sackförmig geschlossen.
gehören hieher 1) das Horngewehe, 2) das Za'hngewebe, 3] J®*
Gewebe der Crystalllinse.
Bei den niederen Thieren werden auch die Schalen hlos*
■ durch schichtweise Absonderung gebildet. Die Form der Schal®
der Mollusken hängt ganz von der Form ihres Körpers und de/'
Oberfläche ah, welche die kohlensaure Kalkerde, vermischt nid
einer thierischen Materie, ahsondert. Die kleinen äussersten B/'
mellen der Schalen der Muscheln sind z. B. zuerst gebildet, di®
innersten oder grössern Lamellen sind zuletzt gebildet. Boua»®'*
hat gefunden, dass die kohlensaure Kalkerde in diesen Schichte®
ein mikroskopisch erkennbares crystallinlsches Gefüge hat.
I, F om Ilorngetvebe. Zum Horngewebe gehören die Epidef'
mis der Haut, und das Epithelium der Schleimhäute, die Haare»
die Stacheln, die Nägel, Klauen, Hufe, die Hörner, die Federn*
a. Epidermis, Epithelium.
Das Epitlielium der Schleimhäute ist im Munde am deutlich'
fiten, undeutlicher in der Speiseröhre, deutlich im Muskelmagc®
der körnerfressenden Vögel, wo es zu Hornplatten anschwihli
deutlich auch in der obern Hälfte des Magens der Pferde; i®*
Darmcanal scheint es ganz überaus zart zu werden, und ist nO®
in dem zerreiblichen, unorganislrten Ueberzuge der Darmzottc®
zu erkennen, den ich pag. 253. beschrieben habe; es steht bi®*'
dem Schleime sehr nahe. Auf der schleimabsondernden äusscr®
Haut der nackten Amphibien ist auch ein Epithelium vorhand®®’
'VVagler erwähnt das Häuten derselben; und ich habe wenigst®®*
die Oberhanthülle einer Wassersalamanderlarve gesehen, die d*®'
ser abgeworl'en hatte. Wie die Schleimhäute Epithelium und *®'
gleich Schleim absondern, ist schwer sich vorzustellen, wenn i»®“
nicht annimmt, dass die Schleimabsonderung von den in d®®
Schleimhäuten zerstreuten Folliculi, die Bildung des Epitheli®®*
von den Zwischenstellen geschehe. An manchen grossen Streck®®
der Schleimhäute sclieint indess die Bildung des Epithelium d®*®
Schleim verwandt, wie im Dünndarm an den Darmzotten, ®®
manche^ Strecken des Schleimhautsystems, in welchen es kei®®
Folliculi giebt, wie in der Schleimhaut der Kieferhöhlen, Stic®'
höhlen und Keilbeinhöhlen, in. der Conjuuetiva bulhi oculi sehe*
nen die Scldeimhäute hloss Schleim abznsondern, so dass *®'
Bildung von Schleim nicht nothwendig Folliculi mucosi nöthig *
seyn scheinen.
Die Oberhaut, Epidermis, besteht aus Schichten von Blatte®^
die man wenigstens deutlich an der Oberhaut der Hohlhand «®
2. VornWachsihum. JVachsthum durch Appositio. Oberhaut. 365
^ttsssolile, Lesonders durcli Koclicn, nacliweisen kann. Die in-
nerste Lage der Epidermis Ist noch weich, und wird gewöhnlich
^^alpighlscher Schleim genannt. Die Olierhaut des Negers ist
®^wärzlich, noch mehr iihcr die innerste Schichte derselben, oder
''er Mucus Malpighii. Die organisirte Matrix der Epidermis ist
Selbst hei dem Neger weiss. E.,H. NVeber Anat. 1. 187. Vergl.
^Kieer, Pierer’s med. Realtvörterbuch. luiegumenie. Oh und wie
"'«‘t sich die Oberhaut in die Haarhälge und Folliculi sebacei
[ortsetze, ist nicht sicher aasgemittelt. Au der abgezogenen Ober-
haut haben die Meisten keine Poren hemerkt, die man aber auch,
'^pnn sie vorhanden sind, so wenig wie Einstiche in Gummi ela-
*t'cunj bemerken könnte. Nach EicanoRN und Lautu setzt sie
®‘uh in die Haarbälge fort, bis zur Stelle, wo das Haar gebildet
und beim Abziehen der Epidermis werden solche Scheiden
aft sichtbar. Nach EicHuoBif soll man an abgezogener Epidennis
hei schiefer Richtung die Löcher, durchweiche die Haare gehen,
^"erdings sehen können. Ueber die sogenannten Schweissporen
den Art. äussere Haut, im 3. Abschn. dieses Buchs.
Die Oberhaut wird schichtweise von ihrer Matrix, der ober-
Schichte des Coriums abgesondert. Wird sie bei der Haut-
putziindung, wie sie durch das Legen eines Blasenpnasters oder
hei der Verbrennung entsteht, durch das unter ihr abgesonderte
^eiTim aufgehoben, so erzeugt sie sich wieder; eben so geht sio
hei der Hautentzündung durch Exantheme in Lappen verloren.
Und erzeugt sich wieder. Beim Menschen und bei den Säuge-
yüeren wird sie von Zeit zu Zeit in kleinen Läppchen abgestossen,
!*ei den Amphibien zusammenhängend, bei dem Hauten, eben so
den Insecten vor ihrer Verwandlung, und bei den Spinnen.
‘ den Schlangen , welche eine von der Cutis gebildete Capsel
Uber das Auge besitzen , hinter welcher sich das Auge frei be-
und welche an der Innern Seite von der Con|unctiva über-
v'^guft ist, sondert diese Capsel äusserlich auch Epidermis ab, die
uitn Häuten mit abgeworfen wird. Bei den Schildkröten und
*'ucodilen vvird die Epidermis an mehreren Stellen in starkem,
^Us Lamellen bestehenden Hornplatten abgesondert. Unter den
ubildcrn der Crocodile liegen auf dem Rücken Rnochenkerne,
Puutknochen. Diese sind aber organisirt, auch die Schuppen der
puechsen, die oft ganz hart sind, sind keine blossen Hornp aU
i**» Sondern enthalten, wie z. B. bei den Leguanen, Blindschlei-
. , härtere organisirte Schnppenkörper , welche die Hornsub-
'“uz bloss in dünnen Lamellen als Epidermis absondern,
j. Bei den Hautschwielen des Menschen wird die Oberhaut zu
Auken Schichten gebildet ; bei den sogenannten Elsteraugen , bei
Hautwarzen und bei der Ichthyosis scheint aber ein Thell
US organislrten Coriums in eine hornige Substanz umgewandelt
’^erden.
Vom Wasser cpiillt die Oberhaut selbst am lebenden Körper
Cp V K-ochen wird sie nicht weiter verändert. V®“ /pn-
>*ül' Schwefelsäure wird sie allmählig, von Alcalien eic
H j^uidst; von salpetersaurem Silber wird sie grau, zuletzt schwarz-
Uj auch beim langen innern Gebrauche des salpetersauren Sil-
366 II. Buch. Organ, chemische Processe. II. Abschn, Ernährung-
bers, wobei das Silber sich mit dem Schwefel der thierisclie”
Theile zu Schwefelsilber verbindet. Mit GerbestofF, welcher
mit dem Corium beim Gerben verbindet, verbindet sich die Ep’'
dermis nicht. Die Epidermis bildet sich nach Meckel bei de”’
Embryo schon im 2. Monat.
b. Nägel, Klauen, Hufe.
Die Art, wie der Nagel erzeugt wird, ist noch immer nic^'J
so klar aufgehellt, wie es gewünscht werden kann. Die Ni'S®
stecken bekanntlich ' mit ihrem hintern Theile oder mit der Ni*'
gelwurzel in einer Vertiefung des Coriums. Diese Vertiefung
mit Papillen besetzt, auch der Theil des Coriums, worauf
Nagel aufliegt, ist mit in Längsreihen gestellten Papillen beset^l'
So weit der Nagel hinten weiss ist, ist das Corium weisslich,
weit er röthlich ist, ist es röthlich, so dass diese Farbe blo**
durchscheint. Nach M. Weder {ZergUederungskunst 1.) und LaV'*^**
(memoire sur divers points (fanatomie) läuft die Epidermis uotßf
dem Nagel bis zum hintern Ende des Nagels weg, und schliesd
sich auch oben an das hintere Ende des Nagels an. Nach LauT^
wird die Nagelsubstanz schichtweise theils von dem Corium, Avof'
auf der Naget liegt, theils noch mehr hinten von dem Boden dj’’^
Furche abgesondert, so dass er theils in der Dicke wächst, the^
durch Apposition von hinten vorgeschoben wird. Man begreif
indess hier nicht das Fortlaufen der Epidermis unter dem Nag®^’
welche Epidermislamelle Lauth für die tiefe Schichte deJ Nag®)*
nimmt. Weitere Untersuchungen müssen lehren, ob nicht di®
Papillen der Furche, von welcher der hintere Theil des Nag®j’
ausgeht, allein die ganze Dicke des Nagels absondern, und d'®
untere Seite des Nagels mit der unter ihm frisch abgesondert®®
Epidermislamelle bloss conglutinirt ist. Krankhaft gebildete g®'
krümmte Nägel bestehen deutlich aus dachziegelförmig aufein®”'
der und hintereinander liegenden Schichten, so dass die Schid*'
ten schief von ohen und hinten nach unten und vorn gerich^^
sind. Bei den Hufen wird die Hornsubstanz nicht von ei”®*^
Furche, sondern von einem bestimmten Theile der Oberfläche d®*
Fingergliedes abgeschieden. Ueber den Bau der Hufe und Klai’®”
siehe Hetisiwger Syst. d. Hisiologie. I. Die Nägel entstehen na®**
J. Fr. Meckel erst im 5. Monate des Fötuslebens.
c. Haare.
Die Bildungsstätte der Haare ist der Haarbalg, ein längÜ®**^*
Säckchen, auf dessen Boden das Haar, durch den noch weieb®.**
Theil, die Haarzwiebel, -befestigt ist. Mehrere Beobachter,
Heusinger {Syst, d, Histolog. Eisenach. 2. 182.3.) und Edle
Lehre von den Haaren. JTien 1831.), beschreiben 2 Substanzen d®®
Haare, eine feste gleichartige Bindensubstanz, und eine inn®®®’
mehr zellige Substanz. Heusinger stützte sich hierbei vorzüglj® *
auf den MÜigen Bau der Marksubstanz der Behhaare. In d®
von den Haaren verschiedenen Stacheln der Igel und Stach®’'
Schweine bemerkt man ganz deutlich beide Substanzen. Di®
nere, lockere ist auf dem Querdurchschnitte strahlig. Die B®®
stenhaare des Schweins bestehen nach Edle ans einer zelÜS®”
Marksubstanz und aus einer Binde, die aus mehreren Fasern h®
stellt j -welclie sich leicht zersplittern.
®*'suchungen der Menschenhaare bei
2, Vom Wachsthum. W achsthum durch Apposltio. Haare. 367
Nach E. H. Weber’s Un-
— «..jj.,., bestehen diese aas einer ganz
S'eichartigen Substanz, ohne Unterschied von Mark, und Rinde,
«ach Weber sind die Menschenhaare meist platt, ‘auf dem Durch-
jJ^'mitte nach einer Seite oft etwas ausgehöhlt, nierenförmig; so
*nde ich wenigstens auch die Form meiner Kopfhaare. Die
‘iaare der Fledermäuse sind knotig, die der grauen Thiere, wie
"’ause, schwarz und weiss gefleckt. In Hinsicht der vielen Man-
'Ӥfaltigkeiten in dem Baue der Haare, verweise ich auf Heusih-
*^®R’s und Eple’s vorzügliche Schriften und deren Rupfer. Heu-
***oer und Eble haben den Ursprung der Tasthaare der Thiere
genau untersucht. Der Haarschaft fängt auf dem Boden des
Jaarbalges mit einer Anschwellung an, die Wurzel oder Zwiebel
Haares; sie ist weicher als das Haar, und zeichnet sich durch
stets gleichbleibende weisse Farbe vor den übrigen Theilen
Haares aus ; sie ist hohl, und enthält in sich den eigentlichen
^®Rrkeini, Pxdpa pili, eine wahrscheinlich gefässreiche Verlänge-
des Bodens des Haarbalges. Ausserdem wird das Tasthaar
1? dem Haarbalge noch von einer röthlichen weichen gallertar-
Scheide umgeben, welche mit der innern Wand des Haar-
''Iges organisch zusaminenhängt. Heusinger beschreibt auch
*'.®'^h ein Oberhäutchen an der innern Fläche dieser Scheide, das
in die Oberhäut des Coriums verfolgen lässt. Der Haarkeim
in den Tasthaaren nach Heusinger und Eble länger ^ als^ in
eren Haaren. Eble hat bei der Katze durch feine Injection
®*7^iesen, dass die Scheide des Tasthaars in dem Haarbalgc gefäss-
®**5h ist. und die Iniectionsmasse färbte selbst den Haarkeim roth.
Ist
, — ist, und die Injectionsmasse färbte selbst den Haarkeim roth,
(lass sich deutliche Gefässe nachweisen Hessen. A. a. O.
'§• 121. 122. Im Haarbalg des Menschen ist es Eble nicht gelun-
die weiche Scheide nachzuweisen. Die Haarzwiebel besteht
aus dem weichem Theile des Haars und dem darin eintre-
JJäden Keime. Die Zwiebel ist keulenförmig und dicker gls die
, Msetzung des Haars. Die pulpöse Substanz oder der Haar-
j^®itn verliert sich nach oben in die Marksubstanz des Haars,
man alles zusammen, so scheint sich die Haarsubstanz durch
äsonderung von Hornmasse auf der Oberfläche des conischen
*'8Rnisi];‘ten Haarkeims zu bilden. Das Wachsthum der Haare
j^^^hieht übrigens durch immer weitere Apposition von Bildungs-
^ cilchen am Insertionspunkte des Haares. An keiner andern
wächst das Haar; die änssersten Theile des Haares sind
die zuerst gebildeten. Uebrigens hat auch der Keim des
jj^äres seine Entwicklungszustände, und von diesen hängt natür-
jV* die verschiedene Form des Haares an ver.schiedenen Theilen
Länge, und die bei Thieren oft vorkommende Farben ver-
4b i^'^^nheit an verschiedenen Theilen seiner Länge ab. So ist
eh der Anfang der Stacheln spitz, der mittlere Theil ist der
JJßiteste, und das Insertionsende ist wieder dünner. Da diese
erk IzTirkr» rilP VGr—
5 , successiv hintereinander gebildet werden, so kann die ver-
^ ■'mdene Dicke der ebengebildeten Theilchen nur von versebie-
j®äen Entwicklungszuständen der Matrix abhängen. Dass etwas
ähnliches bei den Haaren stattfindet, zeigt das nicht seltene Vor-
3C8 II. Buch, Organ, chemisch« Processe. II. Alschn, Ernährung.
kommen von Haaren, deren Insertionsende dünner ist.
Entwicklungsznstände des Reims sind am deutlichsten und merk'
würdigsten bei der Entstehung der Federn.
Edle bestreitet die Behauptung von Lautb, dass die Epi'^®*^'
mis sich im Haarbalge bis zur Insertion des Haares fortsetze»
dieser sehr bestimmt an den Tastliaaren des Fuchses und d®*'
Fischotter gesehen haben will. Nach Lauth geht die Epider®*^
im Innern des Haarbalges cöntinuo in die Basis des Haares über»
so dass das Haar statt Epidermis durch die starke Absonderoö^
des conischen Haarkeims entstehe, auf welchem die Basis d®*
Haares aufsitze. Siehe Lautb, Memoire sur dltfers points
tomie fig. 9.
Beim Weichselzopfe werden die Haare klebrig. Hierbei kai'"
sich vielleicht der Haarkeim etwas verlängern, wenn es
seyn sollte, dass die Haare schmerzen, und dicht an der Wur*®|
abgeschnitten, bluten sollen (?). In den Tasthaaren der Hunde j*
der Keim nach Heusikger’s Beobachtung so lang, dass sie be'*"
Abschneiden dicht über der Haut einen Tropfen Blut ausscheid®*’’
was Eble auch von den Tasthaaren bemerkt.
Die Haare werden durch Reiben elektrisch; wenn ich
der Collectorplatte eines gewöhnlichen Condensators nur g®***
leise einmal über meine Kopfhaare streiche, so bewirkt die d®***
Bohsenberg. Elektrometer genäherte Platte schon eine starke
weichung des Goldblättchens. So verhalten sich aber die Haaf®
im todten wie im lebenden Zustande. In Hinsicht der che®*'
sehen Zusammensetzung der Haare folge ich Berzelius Thi®*''
Chemie. Die Haare bestehen aus Hornstoff; ihre verschiedci*®
Farbe rührt nach Vauquelin von einem gefärbten Fett her; b®'**’
schwarzen Haare zugleich von Eisen, ScTiwefeleisen ? Nach
ziehen des Fettes, vermittelst Alcohol oderAether, wird das fl“®*
graugelh, so dass im Alter die graue Farbe der Haare von ein®***
solchen Fehler in der Absonderung der Bildungstheile des Haa®®^
herrührt, dass das gefärbte Fett fehlt. Alcohol zieht auch Os®®C
zom mit den begleitenden Salzen, Clilornatrium, Chlorkalium u"**
etwas Chlorammonium aus, welche nach Berzelius bloss von d®®
den Haaren anklebenden Ausdünstungsmaterie herrühren.
Hornstoff des Haares verhält sich wie der Hornstolf des floJ’*’^
Der Hornstoff wird weder von Wasser, noch von Alcohol,
von Aether aufgelöst. Concentrirte Schwefelsäure löst ihn nif*!
auf. Das von kalter Salpetersäure aufgeweichte Horn löst si®
hernach beim Kochen mit Wasser' za einer Flüssigkeit, die *’*’.®j
dem Abdampfen beim Erkalten gelatinirt. Diese Gallerte
indess von kaltem Wasser wieder aufgelöst, die Auflösung du®®rf
GmbestolF gefällt. Kaustische fixe Alcalien lösen den Horns***^
leicht, kaust. Ammonium gar nicht auf, wodurch sich der
Stoff sehr von coagulirtem Faserstoff und Eiweiss unterscheid®^
Von letzterem unterscheidet er sich auch durch seine Unauf®’'
lichkeit in Essigsäure, und dass sich der Hornstolf mit
einem seif’enartigen Körper, Hornkali, vereinigt. Vergl. pag- 1
Im papinschen Digestor gekocht, lösen sich die Haare nach VA '
QUELiN in Wasser auf. Die Auflösung enthält Schwefelwasserst® '
2. Vom Waclisthxim. IVacfisthum durch jdppositio. Stacheln. 369
Chlor entfärbt die Haare, und vereinigt sich hernach damit zu
®iner klebrigen bittern Materie. Epidermis und Haare vereinigen
®'cb mit Metalloxyden; sie werden schwarz von salpetersaurem
•Iberoxyd, wobei der Schwefel des Haares mit dem Silber sich
Schwefclsilber 'Verbindet. Behzelius Tfderch. 299. Beim Er-
•'**en schmilzt das Haar, und verbrennt leuchtend mit Hornge-
^ich; bei der trocknen Destillation entwickelt es Aminoniak und
••hwefelwasserstofl’. Die Asche des Haares macht nach Vauque-
*‘1’* proc. vom Gewichte des Haars. Sie enthält Eisenoxyd,
®‘'ie Spur von Manganoxyd, schwefelsauren, pliosphorsauren, koh-
®äsauren Kalk und eine Spim x'on Kieselerde; die schwarzen
paare enthalten am meisten, die hellen am wenigsten Eisen;
®Utere dagegen phosphorsaure Talkerde. Die Haare bestehen
*a*ist aus Kohlenstoff, 'V\''asserstoffi Stickstoff vind Sauerstoff. Aber
Vcrhältniss ihrer Vereinigung kennt man noch nicht.
. d. Stacheln. Ueber den Bau und das Wachsthum der Sta-
**®ln siebe dieses Handb. 1. Aufl. p. 368. Boeckh de spinis hi-
Beruh 1834. und MuELLEn’s Archiv 1835. p. 236.
e. Hörner. Mit den Hörnern muss man nicht die Geweihe
»^•■Wechseln. Letztere sind zu einer gewissen Zeit organisirt, die
•orner nie; die Matrix der Hörner ist die Oberfläche knöcher-
Fortsätze; die Stirnhörner der xviederkäuenden Thiere bilden
, durch schlcbtformige Absonderung der Hornsubstanz auf der
. Verflache der knöchernen Matrix des Horns oder des Stirn-
^•nfortsatzes, welcher die Form des Horns bestimmt; diese
j’^hichten verhalten sich also so, dass eine gleichsam in der an-
**■•• steckt, und dass die jüngeren zugleich die unteren und in-
.®*’en sind, und immer eine grössere Basis erlangen. Das Horn
Nashornes hat keine innere Matrix wie die Stirnhörner der
•ederkäuer, sondern geht von der Nasenhaut aus. Diese Hör-
j sind also solid, und haben das Eigenthümliche, dass sie aus
^•iter Fasern, gleichsam aus verklebten Haaren, bestehen.
^ f. Federn. Die Federn bestehen 1) aus dem hohlen Kiel,
in seiner Höhle ein vertrocknetes, früher organisirtes Ge-
®he, (lia Federseele, einscbliesst; 2) aus dem Schafte, der Fort-
^ '«uiig des Kiels; 3) aus der Fahne mit ihren Strahlen, die wie-
leine Nebenstrahlen ausschicken. Die Dunen besitzen nach
^‘•pca’s Beobachtung knotige Nebenstrahlen. Die Entstehung der
f^äern haben Alb. Meckel (Reil’s Arch. 12. 37.), Dutrociiet
1, ' physioh 88. 333.) und Fr. Cuvier (Froriep’s Not, 317.)
^••hachtet. , , •
^ Hie Feder steckt in dem Federbalge, der nach Meckel von
Oberhaut bekleidet ist. Auf dem Boden des Balges ist die
mit ihrem untern Ende oder dem Nabel der Feder befe-
81; wird sie ausgerissen, so blutet die hier blossgelegte Haut
Balges. W^nn die Feder entsteht, erhebt sich nach A. Meckel
dem Boden des Balges ein conischer Körper, der auf der
^ ®«’fläc]je hornig wird, und sich zu einem Cylindcr entwickelt.
siM dieser hornigen Scheide ist mit gallertartiger organi-
Masse, dem Federkeim, angefüllt, während die hornige
beide des Keims zur Bildung der Feder zunächst nichts bei-
Physiologie. 1. 24
370 II. Buch, Organ, chemische Processe, II, Abschn. Ernährung-
trägt. Mit dieser Scheide wächst der Federkeim ans dem Balg®
hervor, die Scheide wächst anfangs mit der jungen Feder gleich'
fort, erhält bald oben eine Oeffnung, aus welcher der Anfang
Federfahne oder vielmehr das zuerst gebildete Ende der Feder-
fahne mit dem Ende des Schuftes l)ervortritt. Wenn die Fed®®
successiv bis zu dem zuletzt entwickelten Kiele gebildet ist, ver-
klebt die Scheide mit dem Home des Kiels, von welchem nia®
die Scheide an ausgewachsenen Federn in Form von Fetzen ah-
ziehen kann. Ucher die Entstehung der Federfahne und
Schaftes scheinen die Untersuchungen von Fa. Cuvieh das meid®
Licht zu verbreiten. Schneidet man die Scheide, worin der P***'
pus der Feder liegt, auf, so trifft man nach Fb. Cüvier auf e'®*
äussere gestreifte Haut des Pulpus, unter dieser trifft man
Bärtchen der Fahne so gelagert, dass sie den Stamm des Pulp®*
schief aufsteigend umfassen, während sie nach 2 Richtungen v®®
dem Stamme des Federkeims ausgehen. Untex den Federbärt'
eben liegt die innere gestreifte Haut, welche zunächst den Stai»®*
des Puljius umgiehl. Zwischen der äussern und innern gestreiP
ten Haut liegen häutige Schcidewändchen zwischen den Bärtch®®
der Fcderfahnc. Die Bärtchen der Federfahne bestehen anfang*
aus einer breiigen Substanz, welche von der Stelle des Stamm®*’
von welcher hernach die Bärtchen der Federfahne ausgehen, g®'
bildet zu werden scheint. Man weiss nicht, ob zuerst die End®®
der Bärtchen entstehen, und durch immer weitere Appositi®®
von Bildungstheilchen wachsen. Es bildet sich das Ende d®®
Federftihne mit dem Ende des Schaftes zuerst, und mit de®’
Wachsthume werden die unteren Theile der Federfahne und d®*
Schaftes nacherzeugt. Wenn die Federfahne aus der Scheid®
der Feder in die Luft hervortritt, zerstieben die innere w®®
äussere Membran, welche zwischen den Schcidewändchen früh®'
die Bärtchen der Federfahne eingesohlossen haben. Da der SchaO
und die Fahne der Feder sich zuerst entwickeln, so zeigt si®®
auch derjenige Thcil des Pulpus, aus welchem jene entstehe®’
zuerst; allein sobald der am meisten vorgeschobene Theil d®*
Pulpus seine Bestimmung erfüllt hat, verliert er seine Organi*^
tion; sobald er das Mark des Federschaftes erzeugt hat, verli®V
er seine Gefässe, und trocknet aus. Hierauf verändert der jv®*'
ter sich entwickelnde untere Theil des Pulpus seine Bestlmroui’S'
Er sondert auf seiner Oberfläche die Hornsubstanz des Kiels a®’
mit dem sich zugleich die früher erwähnte hornige Scheide d®*"
Feder verbindet. Wenn der Pulpus in dem Kiele zu vertrocko®®
anfängt, zeigt er Abtheilungen in Zellen durch trichterförm'S?
Septa, wovon ein Trichterchen in dem andern steckt; früher s'®
die Zwischenräume dieser Trichter mit Mark ausgefüllt, spä^®*^
schwindet dieses, die Schcidewändchen und das häutige W®*®!*
des Pulpus trocknen aus, und der Rest davon bildet herna®^
die sogenannte Federseele. Diess hat schon A. Meckel sehr g®
beobachtet.
2) Vom Zahngewebe. Die Bewaffnung der Kinnladen S®'
schiebt thells durch Hornlamellen, wie am Schnabel der Vog®jj
der Schildkröten, an den Barten der Wallfische; theils du®®
2, Fom Wachsthum. Wachsthum durch Appositio. Zähle. 371
Saline. Beide Arten der Organe sind nicht organisirt, sondern
Werden durch eine organisirte Matrix erzeugt. In Hinsicht des
^aues der Zähne verweise ich auf Cuyier’s dergl. Anatomie, auf
Sein Werk rechcrches sur les oss. fass. Heusinger’s Histologie.
^^evssEAU anat. comp, du syst. dent. Paris 1827. Die Matrix des
^alines ist das Zahnsäckchen. Diese liegen in der Alveolarfurche
Kiefer des Fötus, von dem Zahnfleische hedeckt. Sie ent-
*Hen zum Theile schon im 3. Monat des Emhryo. Die Säck-
der Zähne, welche die Milchzähne später ersetzen, entste-
zum Theil vor, zum Tlieil nach der Geburt. Das Zahn-
^ckchen wird durch 2 gefässreiche Häute gebildet. Die Innere
?aut ahmt die Form der Krone des Zahns nach, obgleich das
Bildungsorgan der Krone der Zahnkeim ist. Vom Boden des
?*hnsäckchens erhebt sich der weiche Zahnkeim, Pulpus dentis,
*'* Welchen von unten Gefässe und Nerven treten, und dessen
Oberfläche die Form der spätem Krone annimmt. In der Mitte
Embryolebens beginnt die schichtweise Absonderung von
?*hnsubstanz auf der Oberfläche der weichen Krone des Zahn-
beinis, in Form von Scherbchen, an den Spitzen der Krone.
Oiese Scherbchen der verschiedenen Kroiienspitzen hängen an-
B^Ogs noch nicht zusammen, allmählig vereinigen sie sich und die
'^®iche Krone wird nun von einer Sebaale von Zahnsubstanz oben
'^“<1 an den Seiten umgeben. Diese Schale, welche die äussej’ste
v'^biebt der Knochensubstanz der Zahnkrone xvird, und denselben
.|'äfang hat wie die Krone späterhin, hängt nicht organisch mit
Bwer Matrix zusammen, sie entsteht durch blosse Absetzung von
mineralischen Bestandtheilen der Zähne, vermischt mit thieri-
!®ber Substanz; man kann die Schalen von ihrer Matrix aufhe-
Die einmal gebildete Schale wächst nur nach innen durch
Opposition von neuen Schichten, während in gleichem Maasse der
j*hnkeim verkleinert wird, je mehr er Zahnsuhstanz an die Wände
O®*" Zahnhöhle von innen absetzt. Zur Zeit des Ausbruchs der
^'‘bne, vergrössert sich der Zahn nach unten hin mehr, womit
’^ätürlich eine entsprechende Vergrösserung des Keims von unten
Sleichläuft. Der untere Theil des Keims nimmt tlie Form der'
^Pätern W^urzeln der Zähne an, sondert von oben nach unten
'^i’tschreitend immer mehr Zahnsubstanz auf der Oberfläche ab,
dass die Wurzeln der Zahnsubstanz die Wurzeln des Keims
hohle Scheiden umgeben, die anfangs ganz kurz sind, all-
^bhlig sich aber mit den Keirawurzeln' unten durch Apposition
Verlängern. Der Anwuchs der Wurzeln ist zugleich die Ursache
Durchbruchs der Zähne durch das Zahnfleisch. Anfangs sind
p.e Wurzeln der Zahnsubstanz nur dünne Scheiden mit weitem
^*®gange, allmählig wird durch Ansatz der Materie die Zahnsub-
auch hier dicker, während der Keim dünner wird, und
unten wird die Wurzel des Zahns zuletzt zur Spitze, ge-
/“le so wie bei den Stacheln, deren Wurzel sich nacherzeugt,
I ebenfalls dünner ist als der mittlere Theil des Stachels. Zu-
Llelbeu an den Wurzeln der Ziihne nur Oeßnungen und
^öäle übrig, wodurch die Gefässe und Nerven zu dem Reste
24 *
372 II. Buch. Organ, chemische Processe. II. Ahschn. Ernährung. .
des Zahnkeims in der Krone eindringen. Blake Reil’s Arch. 4-
314. Vergl. Meck. Ilandh. d. menschl. Anat. 4. 212.
Die sich an der Krone ahreihenden Zähne der Wiederkünef'
nnd Pferde, die Nagezähne der Nager, können von unten noc»
lange auch ira spätem Lehen naclnvachsen. Wenn die Krone der
Zähne der Wiederkäuer noch nicht angegriffen ist, haben sie nocH
keine Wurzeln, und wenn diese sich gebildet haben, ist die Krone
abgenutzt. Cuvier vergl. Anai. 3. 117. Die Stosszähne des El^'
phanten nnd die Schneidezähne der Nager bleiben an der Wurz®
immer hohl, und wachsen durch immer weitere Apposition vo»
Zahnsuhstanz an die inneren Wände der Höhle durch den coni'
sehen Zahnkeiin fort. Beim Füttern von Tliieren mit Färbef'
röthe fand Hunter {Gesddehte der Zähne 1778.), dass die sehe”
gebildete Zahnsuhstanz nicht von Färherröthe durchdrungen wurd®;
wohl aber die innerste Schicht des Zahnes, welche eben gehild**'
wurde. Der Schmelz des Zahnes, welcher bloss die Krone u(0'
giebt, besteht aus Fasern, welche fast senkrecht auf die Obet'
ilächc des Zahnes gestellt sind. Diese Materie wird bei d®''
Entstehung des Zahnes nicht von dem Zahnkeim, sondern
der Innern (Dhcrlläche des innern Zahnsäckchens als ein Seci’*^
auf die Oberfläche der Krone ahgescizt. Diese Fasern schein«'* ■
fast crysiallinisch. An den Zähnen der wiederkäuenden Thiei^»
der Pferde und mehrerer anderen Säugethiere, welche ihre Zähn«
auf der Oberfläche ahreihen, entsteht, nachdem die Zuhnkron«
schon hervorgebrochen ist, eine neue Substanz, welche sich «"*
die Seiten und die Oberfläche der Krone anlegt, und die tJu'
ehenheiten der Krone ausglcicht, während die von den ander«'*
Zahnsuhstanzen gebildeten Erhabenheiten durch Kauen abgeri«'
hen werden. Diess ist der Kitt, eementum. Er- scheint sich bl«*’
ans den Speichelsalzen aj)zusetzen und dasselbe zu seyn, was d«'"
sogenannte Weinstein an den Zähnen des Menschen ist. A"«**
die mit Schmelz belegten senkreebten Lamellen der Backzäb"®
der Elcphanten werden beim Kauen abgeriehen, nnd ihre
schenräume von Kitt ausgefüllt. Bei den Wiederkäuern und Pf«*’'
den entsteht der Kitt wohl erst nach dem Ausbruche des Zah"«*
aus Spcichelsalzen, aber Cuvier hat an den Zähnen des ganz )"**'
gen Elcphanten bewiesen, dass die Absonderung von Kitt in For***
von Tropfen schon beginnt, während die Zähne noeh nieht he«'
vorgebrochen sind, und dass diese Absonderung nach der BildW^
des Schmelzes wahrscheinlich seenndo loco, von der innern W""
des Zahnsäckchens geschieht. Ich habe diess an den jungen El«'
phantenzähnen in dem Museum zu Paris allerdings auch so g«*®"’
hen, wie cs Cuvier angieht. _ .
Gegen das Wachsthum der Zähne durch blosse Apposit‘«J|
scheint auf den ersten Blick der Umstand zu sprechen, dass nt'
in den Stosszähnen von Elcphanten öfter bleierne Kugeln gefn"
den hat, die von allen Seilen von Knochensubstanz umgeben )*'**
ren. Dieser Einwui'f widerlegt sieh indess durch die Suppositi<"b
dass <liese Kugeln in denjenigen Theil des Zahnes eingedrung«
waren, der eben in der Bildung begriffen war.
Wenn die Zahne schmerzen, so ist bloss der Zahnkeim «***
2. Vom fVaclisthurn. Wachsthum durch Jpposit io, Zähne. 373
pfindllch, ebenso hei clemEmpfinJlichwerden der Zähne von Säu-
ren, wobei wahrsclieinlich die Säure in die unrnerklichen Poren
“6s Zahnes eindringt, und den Zahnkeim sell>st allicirt. Die so-
|6üanntc Caries der Zähne ist von der Caries der organlsirlen
^•lochen wohl zu unterscheiden. Diess ist eine blosse chemische
Versetzung der Zähne hei fehlerhafter Zusammensetzung, eine alU
“*khlige Zersetzung dui’ch die Miiudfliissigkfjiten.
lieber das Wachsthum der verschiedenen Thierzähue^ findet
“•än herrliche Beobachtungen von Cuvier und Mecrei. in Ctj-
^'er’s vergl. ylnat. übers, von Meckel, 3. Nach Rosa, sind die
^6ime der durchbohrten Giftzähne der Schlangen Platten, die
®ich umlegen, um zuletzt zu einem Cauale sich zii verbinden.
^>ehc Cuviek oergl, Anat, 3. 127. Auch nach Rnox ist das Mark
“der der Reim der Zähne ein umgerollter Körper, welcher aussen
innen gegen den Gittcanal Zahnsuhslanz ahzusoxulcrn scheint,
^“eh sah er keine offene Furche, sondern einen durchsetzenden
^6sten Streifen an der convexen Seite des Zahns. Auch der Gift--
“ätial enthielt anfangs eine Art Mark. Froriep’s iVo/. lOß. Jeder,
.^“hnkeitn entsteht in einer hesondern Capscl, die gleichsam seine
^diaut ist, und diese Capsein sind wieder von einer gemeinsamen
‘*äut vereinigt.
Was die' chemische Zusammensetzung der Zähne betrifft, so
““terscheidet sich der Schmelz von der Knocheusuhstanz des
^*‘hnes dadurch, dass Letztere viel mehr thierische Substanz
'^Hörpel) enthält. . .
Die Verschiedenheit zwischen beiden Substanzen ergieht sich
“äs Berzelius Analyse derselben vom Menschen.
Schmelz. Zahnknochen.
Thierische Substanz . ... . . . 28,0
Thosphorsaurer Kalk mit Fluorcalcium 88,5 64,3
kohlensaurer Kalk ' 8,0 5,3
Thosphorsaure Talkerde ..... l,ö
Patron mit etwas Kochsalz .... — 1,4
A^lcali, Wasser, thier. Substanz . . 2,0 — '
100,0 100,0
Der Kitt an den Zähnen des Rindes besteht nach Lassaigke
“äs 42,18 thierischer Materie, 53,84 phosphors. Kalk, 3,98 koh-
‘“äs. Kalk.
Einige haben die Zähne wegen ihrer schichtweisen Bildung
änd wegen ihrer Ersetzung durch Horn hei dem Schnahelthiere,
'äi den Vögeln, Schildkröten und hei den Wallfischen unter die
■^krnhildungen gerechnet und angenommen, dass die thierische
"kterle im Zahne auch Horn sei. Diess ' ist ganz irrig. Die
phne gehen nach der Extraction der Kalkerde wahren Leim
äeiiu Rochen, wie ich seihst erprobt habe, das Horn nie. Die
äierische Materie im Ilorne und im Zahne sind daher ganz
schieden, und der Leim scheint in den Zähnen durchaus zurBin-
äog der Kalkcrde notliwendig zu seyn.
Die Zähne des Schnahclthiers stehen mit einer hreitcn 1 lache
“äl dem Zahulleische. und bestehen aus hohlen llornlascin. Heu-
374 II. Buch. Organ, chemische Processe. II. Abschn. Ernährung.
SINGER a. a. O. 197. Die Zähne des Orycteropus bestehen
aus senkrecht stehenden cons^lutinirten Röhrchen, zu denen nacn
CuYiER Blutgefässe gehen. Die Zähne sind nicht hornartig; abe*'
die Zähne des Schnabelthiers enthalten nach Lassaigne 99,5 horn-
artige Masse, und 0,.3 Rnochenerde.
Diese Zähne bilden offenbar den Uebergang zu den Barten
der Wallfische, welche hier die Zähne ersetzen. Hierüber habep
Heusihger und Rosenthal {Abhandlungen der Akademie zu ßeA‘
1829.) Untersuchungen angestellt. Nach Rosenthal bestehen «J'®
Barten aus vielen grösseren und kleineren , etwas gekrümmt®®
Hornplatten , welche mit ihren schwach concaven Flächen naC^
vorn, mit ihren convexen nach hinten, mit ihren scharfen Ra®'
dem nach aussen und innen gerichtet sind; sie stehen also q"®®
parallel, und sind Zoll von einander entfernt. An ihrer Bas'h
mit der sie auf dem Oberkiefer aufsitzen, werden sie durch o®’
2 Zoll breites Hornband, welches alle Blätter wie ein Kranz um-
fasst, vereinigt. Jede einzelne Platte besteht aus einer äussef®
und innerii Substanz; die Marksubstanz bildet parallele Röhre®’
die am untern Rande der Platte in borstenartige Fasern über-
geben. Im untersten Theile jeder Platte weichen die Lamelle®
der Rinde von einander, und hier entsteht eine Höhle, in wele®
die Keimhaut der Barten hineinreicht. Jede Barte ruht auf e*'
ner über 1 Zoll dicken gefässreichen Haut. Diese bildet uute®
jeder Platte einen hervorragenden Fortsatz, welcher in den bo^'
len Raum an der Basis der Platten dringt, und in fadenart’ß
'Verlängerungen übergeht, mit denen sie in die Röhrensubsta®*
bis zu den Borsten der Barten dringt. Die Gefässe der Keimba®
der Barten dringen bis ln die Röhren der Barten nach Rosenth*®
ein. Zwischen 'den Fortsätzen der Keimhaut, die in die unte®
Höhle einer Barte eindringen , liegt eine weisse hornige Ma-^’®’
welche sich in die Rindensubstanz der Barten fortsetzt. Sie®
die schönen Abbildungen Rosenthal’s a. a. O. tab. 1 — .3.
3. Vom Gewebe der Crystalllinse. Die I.lnse des Auges be-
steht aus concentrischen Blättern, die übereinander liegen,
hat bemerkt, dass diese Blätter oder Capsein wieder aus Fas®*
bestehen, die die Dicke der Blätter bestimmen. Nach Ari*®®®
{Untersuchungen über das Auge des Menschen. Heidelh. 1832.) e®
stehen diese Fasern nicht erst durch Behandlung mit Alcob®J
beisses Wasser ünd andere Einwirkungen, sondern er bat *
selbst in Schichten ganz frischer Linsen, obgleich nicht deutb® ’
gesehen; besser sieht man den Bau, nachdem die Linse iu ^®
dünnten Alcohol gebracht worden. Nach Leetjwenhoeck.,
FELD, Reil und Arnold sind die Fasern in den Schichten ‘■
Crystalllinse folgcndermaassen angeordnet: Man denke
Mittelpuncte der vorderen Fläche oder vom Pole der Linse y
nien .so gegen den B.aäd der Linse gezogen, dass sie die
in 3 Felder theilcn. Die Fasern gehen nun parallel vom
der Linse durch die Schichten, schief gegen diese 3 Linien,
durch 3 gefaserte Felder jeder Schicht entstehen. Die 3 ^'Vigg
bilden eine ungefaserte Figur, welche die Fasern der 3 Fe
aufnehmen. Ich bemerke hier, dass die Linse der Schwem®
2. Vom Wachsthum. Wachsthum und Formoeränderung. 375
gelmässig in solche 3 Felder getheilt ist, wie man schon äiisser-
l'ch an den meisten Schweinsaugen sieht. Arnold halt diese
J’asern für Lymphgefässe ; ahei’ es sind in der That blosse
Irasern. Die Fasern der Linse können sich auch durch die Art
<ler Absonderung der Linsensubslanz bilden, wie denn der erste,
’iekanntlich weichere, Ansatz von Schmelz auf den Zähnen des
Pötus der Wiedei-käuer, wie ich sah, erhabene last parallele Li-
nien bildet, die hernach verschwinden, .oder deren Zwischenräum-
®lien ausgefüllt werden.
Die Matrix der Crystalllinse ist die Linsencapsel, welche- von
‘•>rer Innern Fläche die Schichten der Crystalllinse abzusondern
Scheint. Diese Art der Bildung ist indess nicht gewiss, und man
'«'eiss nicht genau, ob die Linse nicht in einem
"iseben Zusammenhänge mit ihrer CapsM steht. JNacli Wer-
»iBcK (Zeitschr.^ f. Opfähalmol. 4. p. 28.) soll die innere tiaclie
'^cr Linsencapsel mit der Linse durch ein Gewebe von sehr kur-
zen Zellen Zusammenhängen, die beim vorsichtigen Abrcissen un-
ler Wasser an der Linsencapsel sitzen bleiben. Die Blutgefässe
Linsencapsel sind schon pag. 205. beschrieben worden. Sie
Cfhält beim Fötus und Erwachsenen Blut von dem durch den
Glaskörper gehenden B.amus capsularis arteriae centralis retinae,
^ielmFö4us stehen diese Gefässe aber auch durch die gefässreiche,
'Cn mir gefundene Membrana capsulo-piipillaris mit den Gefässen
der Pupiriar-Membran und Iris in Verbindung, so Avie die Get ässc
•ler Linsencapsel wieder mit den Gefässen der Zonula Zinm im
Zusammenhänge stehen, Tvas Henle gezeigt. ^ H^le ^
P'tpUläri. Bonnae 1832. Hesle bat auch beim iolus der Sange-
Giiere an Injcctionen beobachtet, dass die Gefasse des Corpus
ciliare wieder mit den Gefässen der Zonula Zusammenhängen.
Die chemische Zusammensetzung der Linse ist von Berze-
Cius untersucht. Die Materie der Crystalllinse ist grosstentheils
Wasser löslich. Diese Materie coagulirt von Hitze, und an-
deren Einliüssen, wie Eiiveiss und Färbestoff des Blutes. Die
•*äch dem Coaguliren übrig bleibende Flüssigkeit ist schwac
*auer, und enthält Osmazom mit den dasselbe begleitenden
Salzen. q
■ Eiweissartige Materie ’
Alcoholextract mit Salzen . • • • ’ ’
Wasserextract mit Spuren von Salz.en . . 1,-i
ln Wasser unlösliches thierisches vV esen ^2,4
Wasser
Die Asche der Crystalllinse soll etwas eisenhaltig seyn. Die
l'Ienge Alcali und Kochsalz liiit etwas phosphorsaurem Kalke be-
^cagt 0,005 vom Gexvichte der frischen Crystalllinse. Eine un-
'lurchsichtig gewordene Linse fand John IMeck. Jrch. 3. öoi.)
®lcaUscb reagirend. , , , , i ta
Leichte Verwundungen der Linsencapsel haben nachDiCTRicii
(über die V erevundungen des Fiih, 1824.) keine o g
®ei stärkeren Verwundungen mit Zerrung und Elnscbneic ung ei
hinse ging das Undurebsiebtigwerden der Linse bis m den ixerti
'^dr, und verbreitete sich von da bis, zur Peripherie r ins .
3/6 II. Buch, Organ, chemische Processe. II. Absclut. Ernährung.
Aus der^ Cataracta lenticularis j wo häufii^ zuerst der diclit^^®
Kern der Linse undurclisiclitig wird, kann man nicht schliessen,
dass die Cinsensubstanz selbst Gefässe enthalte. Denn von
Beschaffenheit der Absonderung auf der innern Fläche der Lio-
sencapsel kann es abhängen, dass die innersten Schichten d®*'
Linse, die ohnehin dichter sind, und vielleicht in chemischer Hi®'
sicht von den oberflächlichen sich unterscheiden, sich seihst noc^‘
lange nach ihrer Erzeugung chemisch verändern.
Wahrscheinlich hängt die Entstehung der grauen Staare vo”
der Beschaffenheit der Capsel ab. Obgleich die Entzündung
Capsel gewiss nicht allein die Ursache der grauen Staare ist,
ist sie es doch nach v. Walther oft; was besonders durch ®'‘'
^^•'P***’**!'^ Schröder v. d. Kolk wahrscheinlich wird, an vve^
ehern die Linsencapsel einer cataraetösen Linse sehr sch®"
jnjicirt ist, was sonst hekaniitlich Lei Erwachsenen sehr schi'®*^
gelingt.
So viel von dem Wachsthume der unorganisirten Gewebe-
_ Ueber die Gesetze, welche bei dem Wachsthume der org®'
mschen Köi’per statt finden, hat G. K. Treviranus mit sein®*"
gewohnten philosophischen Seharfsinn {Biologie 3. 463—544.) seh®
lehrreiche Betrachtungen angestellt.
Das Wachsthum der organischen Körper hat eine bcstinu»*"
Grenze; bei den meisten höheren Thieren wird diese lange v®’’
dem Ende des Lehens, beim Menschen z. B. mit der Mannbarke'^
erreicht, während die Formveränderungen des Ganzen und J®*
Theile fortdauern. Bei manchen Pflanzen und bei den Fisch®®
und mehreren Amphibien fällt die Grenze des Wachsthums
mit der Grenze des Lebens überhaupt zusammen. Aber nic^'?
alle riieile wachsen gleichförmig, manche verschwinden, währe®®
andere entstehen oder sich ausbilden, kurz das Wachsthum
mit beständigen Veränderungen der Form verbunden. Bei J®"
meisten Thieren fallen die merkwürdigsten Phänomene der ^I®'
tamorphose in die Periode des Embryolehens, wie hei d®®.'
Menschen, den Säugethieren, den Vögeln, den Fischen, währ®®®
die nackten Amphibien und die Insecten und mehrere nieder®"
Lrustaceen auch nach der Entwicklung des Eies gleichsam ‘^®"
Embryonenzustand verlängern, indem sie ihre Form vcräiid®*'"’
neue Organe erzeugen, und andere ablegen. Bei den Säugetlii®'
ren und dem Menschen sind diese Umwandlungen wohl am s®^'
wnsten. Es gehören hieher das anfängliche Wachsthum
Inymus in der Kindheit und ihr späteres Schwinden bis zum 1*'
Jahre, dm Enlwicklungsperioden des Zahnwechiels, der Pubertäb
mit den bormveränderungen des Kehlkopfes, der Entwicklung
Haarkeiine des Bartes und der Schaamhaare, der Brüste.
bei den nackten Ampliibien erzeugen sich die Nieren sellist e®*
im An lange des Larvenlehens, während die Wolffschen Körp®»'
^ag. 150.) decrepid werden. Das Verschwinden der äusser®"
Kiemen bei den Froschlarven, die Entwicklung der inneren
men für die längere Zeit des Larvenlehens, die Entwicklung
Extremitäten am Ende des Larvenlebens, die Ablegung des Schw®"'
zes, und der endliche Verlust der Riemen sind schon erwäh®
52. Vom JVacJisthum. Waclisthum und Formverändcrung. 377
^orden. Erst gegen das Ende des LarvenleLens entstehen ihre
^enitalien. So hahc ich hei IVoschlarven die erste Spur der
*ioden und Eierstöcke erst hemerken können, wenn sie sich schon
Theil verwandelt haben, nämlich schon 4 Beine haben, aber
''Och den Schwanz und die Riemen besitzen. Bei den Salarnan-
ocrlarven, welche in der längsten Zeit des Larvenlehens schon
"'d Extremitäten versehen sind, entstehen die Genitalien auch
in der spätem Zeit des Larvenlehens, ehe die Riemen ein-
8ehen *).
, Ber Darmcanal Lei den Froschlarven für Pflanzennahrung
Cstinimt, war ausserordentlich gross, er erleidet während der
Metamorphose die Reduclion in den Darmcanal des lleischlres-
'■Cftden Thiers. Auch die Wirbel während des Larvenlehens durch
’-'onisch ausgehöhlte Facetten wie hei den Fischen verhundeii,
''climen an der Umwandlung Antheil.
, Bie Metamorphose dcrThiere während der Entwicklung und
es Wachsthums beruht zuin Theil auf Entwicklung und B.e-
ouction ähnlicher Theile. Man hatte früher bemerkt, dass der
häibryo während der Entwicklung die Stufen niederer Thiere
wOcchlaufe, und diese an sich unrichtige Idee bis ins Abenteuer-
johe ausgesponnen. In dieser Ansicht liegt aber die Ahnung
. ® wahren Verhältnisses, welche den Gegnern dieser Ansicht ent-
V. Baer hat dasVerdienst, das Gesetz dieser Metamorphose
^erst erkannt zu haben; er zeigte, dass die Wirhelthlere , vom
i^cnschen bis zu den Fischen, einen gewissen gemeinsamen Tjpns
'crer Bildung, eine gewisse Summe gleicher Theile besitzen, die
l'*'»! im Ernhryonenzustande hei allen in vollkommener Aehnlich-
noch antrifft, welche sich aber bei verschiedenen Classen zu
'’orschiedenen Formen aushilden, oder seihst reducirt werden;
l''*® z. B. die rippenförmigen Anhänge des Zungenbeins allen Wir-
jOlthieren im Em'bryonenzustande gemeinsam sind, aber bei den
'olleren Thieren reducirt werden , bei den Fischen und Amphi-
'fnlarven sich zu Riemen ausbilden, pag. 28ö. Alle Wirhel-
*'iere gleichen sich, und zeigen eine Reihe von Wirbelkörperu
M't hinter en Bogen für die Deckung der Centraltheile des Ner-
''Oäsystems} und einer Anzahl rippenförmiger vorderer Anhänge
) hl meiner Ahhanilliing, Beiträge zur Anatomie und Naturgcscliiclitc der
Amphibien, Tiedemann’s Zeitschrift für PhysioL 4. 2., habe ich mich
in dieser Hinsicht nicht ganz richtig ausgedrückt, wenn ich sagte, dass
die Larven, so lange sic nicht die Kiemen ahlegen, keine entfernte Spur
der Genitalien besitzen. Ebendaselbst ist Folgendes _ zu berichtigen ;
F. 202. Z. 3. st. an der hintern Seite der Nieren lies in der Nähe
der Hoden und Eierstöcke. Z. 14. sl. Harnstoff Wes Hornsto jf. P.203.
z. 21. st. drei förmigen 1. dreihörnigen. P. 200. Z. 15. st. drei I. vier.
P. 224. Z. 2-3. si. Volumella I. Colmnella. P. 227. Z. 12. st. Hebel I.
(rabel. 1*. 230. Z. 7. st. jlhlephatius 1. Ablejo/iarus. P. 231. Z. 10.
sind die W'^orte statt der Anonymae zu streichen. P. 263. Z. 9. st.
Thyphovina 1. 'Fyphlopina. P. 266. Z. 4. v. u. st. Alanus I. Illanus.
P. 267. Z. 2. V, u. st. J.epodosternon 1. Lepidosternon. P. 26S. Z.5.
st. äussern 1. äusserst; Z. 14. st. Uropehana \. Uropeltncea; Z. 9.
V. n. si. Caup. 1. Hempr. P. 270. Z. 15, u. 16. st. Dryophir, Psaniü-
nophisy DipsaSj ist bloss Psammuphis zu setzen.
378 II. Buch. Organ, chemische Processe. II. Abschn. Ernährung-
zur ümscliliessung der Eingeweide, welche zum Theil knorpeh'
gen oder knöchernen Brustbeinrippen entgegen kommen, um ß*'
nen Korb zu bilden, während die Halsrippen und Bauchripp®'’
bei vielen Wirbelthieren fehlen, oder bei einigen (Crocodilen ui'"
Eidechsen) nur rudimentäre Anhänge der Halswirbel erschein®"'
Bei allen Wirbelthieren verkümmert diess System nach nj’'
wärts in den Stcisswirbeln, entwickelt sich aufwärts in den .3 Wir-
beln des Schädels (denn mehr kann ich nicht finden , die B®'
Zeichnung Gehörwirbel und Aehnliches scheint mir eine Ueb®®'
treibung, Entstellung jener ganz richtigen Analogie). Bei all®1
Embryonen fehlen anfangs die Extremitäten ; sie erscheinen b®‘
den Embryonen zuerst als Kügelchen , welche sich bei versd*'®'
denen Classen zu verschiedenen Formen umwandeln. Man s'®'
also, wie die Formen -der ausgebildeten Wirbelthiere auf
Wandlungen und Reductionen eines gemeinsamen Typus beruh®"'
Einige Thiere entfernen sicli beim Wachsthum sehr, andere "'"'i
nig vom gemeinsamen Typus, wie er sich im Embryonen- ""
Larvenzustande ausspricht.
Wendet man sich zu der Abtheilung der Gliederthiere,
welchen das Gehirn zwar oben liegt, aber ein Schlundring
Schlund umfasst, und die Fortsetzung dieses und des Gehirns ""
dem Bauche liegt, so findet man leicht xvieder einen nur di®*"**
Thieren eigenthümlichen Typus in ihrem Skelet aus successiv v®"'
bundenen Leibesringen. Man findet Maxillen, Mandibeln, wel®M
mit den Füssen nach Savigny’s Untersuchungen zu einem
demselben Organsystem gehören. Das Insect hat als Larve/.
Leibesringe, nur im Larvenzustande wächst es, indem es s'®'
3 — 4mal häutet, in der Metamorphose während des Pupp®"*"^
Standes zu einem neuen Geschöpfe wird. Zur Aeusserung des "/
ganisirenden Princips, welches die Form verändert, ist es iiöth'?^
dass die ähnlichen Theile eine gewisse Grösse erreicht haben;
fortdauernde Ernährung dieser Theile durch Aufnahme von ,
rungsstoffen scheint das organisirende Princip von der Einleit*|''r
der Metamorphose abzuhalten; denn die Insecteii wandeln
früher um, wenn sie hungern, so wie eine Pflanze früher Blütb®|^
treibt in magerm Boden. Je mehr aber die ähnlichen Theil®
Umfang zugenommen haben, um so grösser scheint das Str®b/^
zu werden, aus den quantitativ ausgebildeten Massen qualitn^^'.V
Unterschiede durch Reduction und Entwicklung ähnlicher g
zu bilden. Bei dem letzten Häuten erscheint das eingespon"®"
Insect als Puppe, deren anfangs weiche Oberhaut, xvie
HornstolF, erhärtet. In der .äussern Form vieler Puppen
sich schon die Rudimente der äusseren Formen des Insectes /j
kennen, wobei die Glieder eng an den Leib angeschiniegt sj" ^
Die Grundzüge zur Verwandlung der äusseren Formen sind
mit der Umwandlung der Larve in die Puppe gegeben. }'
Puppe zeigt schon die Abtheilungeu des Thieres in SAbschm '
indem die 3 Ringe, welche in der Larve auf den ersten
Kopfring folgen, zum Thorax umgewandelt werden, in dem
hernach Profhorax, Mesothorax, Metathorax erkennt,
die 9 letzten der 1.3 Ringe des Larvenkörpers in die 9 Ring® '
3. IFiedererzeugung. Gesetze der Regeneration.
379
Hinterleibs des vollkommnen Insectes sich amwandeln, nnd sich
'verkürzen; die Rudimente der Flügel am 2. und 3. Ring des
Brustkastens, die Rudimente der Füsse an den 3 Ringen des
Brustkastens, die Antennen und Palpen am Kopfe sich bilden.
Her Sinn für das Licht entsteht bei vielen Larven erst durch
^ie Verwandlung, bei anderen entwickeln sich statt der einfachen
Barvenaugen zusammengesetzte. Von 13 Ganglien des Nerven-
stranges heim Rohlschmetterling vereint sich das S. mit dem
f, das 5. mit dem 6., das 7. und 8. verschwinden ganz. Mit
l'esen Umwandlungen laufen die der Eingeweide gleichen Schritt.
Her Schmetterling erlangt auch statt der bisherigen Kiefer den
^augrüssel; seine Spinngefässe verschwinden. Der Darmcanal,
Athemorgane wandeln sich um. Vergl. pag. 283. Vom Be-
8'nn der Entwicklung ist der Fettkörper fast verflüssigt, er wird
Svösstenlheils auf die Bildung der neuen Organe verwandt. Siehe
^*»8 Nähere in dem classischen Werk: Herold Entmcklungsge-
^'^hichte der Schmetterlinge. Cassel 1815. Während bei den Am-
l'Bihienlarven die Genitalien anfangs fehlen, hat Herold bei den
*e<hst sehr iungen Larven die äusserst zarten Rudimente der Ho-
und Eierstöcke entdeckt. Viele Insecten beharren aut dem
Unter den Crustaeeen beobachtet man nicht allein, dass die
”®lieren Crustaeeen im Embryonen zustande noch ein deutlich ge-
SBedertes Bruststück haben, und dadurch niederen Crustaeeen
8'eichen- die iungen Crustaeeen sind auch oft viel einfacher, wie
i B. die’ jungen Cyclops nur 2 Fühler und 2 Fusspaare haben.
Billige Crustaeeen erleiden sogar eine gänzliche Umgestaltung ihrer
Horm, wie die Lernaeen nach den Entdeckungen von Nordmakn.
^^icrocraph Beitr. 2. Die Stelle dieser sonderbaren parasitischen
Bhiere war lange im Systeme zweifelhaft, well sie im ausgewach-
senen Zustande fast alle Spuren ihrer früheren Gliederung abge-
legt haben , daher sie Einige unpassend mit den Eingeweidewur-
vereinist hatten. Nordmawn hat entdeckt, dass diese Thiere
'•»1 Embryonen- und Larvenzustande als vollkommene Cmstaceen
^«■scheinen. Der Embryo des Achteres percarum hat z. B. 4 Pin-
^elfiisse. Nachdem er das Ei verlassen, hat er 2 Antennen, 3 Paar
fördere Krallenfüsse, und 2 Paar Büschelfüsse, und ist den Fisch-
ausen ähnlich. Die Jungen von Ancorella haben in der Eihulle
*®lhst ein rothes Auge.
Die Ringelwürmer vermehren bei dem Wachsthume ihre
die Arenicolen auch die Zahl ihrer büschelförmigen Rie-
wie ich aus Vergleichung verschiedener Exemplare von Are-
">cola carbonaria sehe.
III. Capitel. Von der Wiedererzeugung.
Dadurch, dass die schaffende organisirende Kraft, welche im
des Embryo alle Theile des Thiers gleichsam als nothwen-
^'*ge Glieder seines Begriffes erzeugt, in der Ernährung tort-
'^irkt, ist Erholung, Genesung und Wiedererzeugung eines Ver-
380 II. Buch. Organ, chemische Processe. II. Ahschn. Ernährung.
lustes in einer gewissen Grenze möglich. Die Regenerationskraft
ist um so grösser, je jünger ein zusammengesetztes Thier, und j®
einfacher üherhaupt ein Thier gebildet ist. Die Larve der nack-
ten Amphihien, welche selbst noch erst manche Theile erzeugh
die hei anderen Thieren iin Einhryozustande entstehen, wie di®
Genitalien, ist auch fähiger einen Verlust wieder zu erzeugen ah
das erwachsene Thier; die Insecten -Larven erzeugen oft verlor»®
Theile wieder, die Insecten nach der Verwandlung nicht.
den niederen Thieren, wie Polypen, Würmern, erzeugen sid'
seihst Theile des Ganzen wieder zu einem neuen Ganzen. Ala»
kann sich die allmählige Abnahme der RegenerationskraPt mit dc*^
Entwicklung und mit der Zusammensetzung eines Thieres nidd
anders verständlich vorstellen, als dass die organisirende Kraft
durch die Entwicklung und durch die Erzeugung der Orga»®
gleichsam mehr vertheilt wird, und sich zum Theil an die ei»'
zelncn Organe mehr bindet.
Ich habe schon in den Prolegomena einige de» allgemein®"
Gesetze, die für die Wiedererzeugung gelten, angeführt. We»"
sehr einfache Thlere und Pflanzen eine gewisse Summe gleich'
artig gebildeter Theile besitzen, und wenn das Ganze durch, V®»'
mehrung dieser gleichartigen Theile wächst, kann das Ganze sich
thcilen, und die getiennten Stücke, welche nun noch die w'escnl'
liehen Theile des Ganzen, aber von geringerer Anzahl enthalt®»»
leben fort und ergänzen sich, wie z. R. abgeschnittene Zw®'?®
von Pflanzen eingepflanzt wieder zu neuen productiven Indiv>'
duen werden. Die verschiedenen Theile einer Pflanze sind sich
noch so ähnlich, -dass sich die Zweige in Wurzeln, die Stauh'
läden in Rlumenhlätter umwandehi können. Von diesem G'®'
sichtspunkte lässt -sich auch die Regeneration der Süsswasserp^)'
lypen, Hydra und verwandter Thiere betrachten, obgleich d'®
Polypen, nach den Infusorien zu schliessen, gewiss zusammeng®'
setzter sind als man früher glaubte. Thembley Abhandlung
Geschichte der 'Armpolypen, iÜ, ersetzt von Goeze. Quedlinb. l'ftl-
ScHAEFFER AWuindl. von den Armpolypen. Roesec Inseclenbelusl. d'
Bohmet contempl. de la nature. Die Arme der Hydren kön»®"
sich durch freiwillige Ablösung zu neuen Polypen aushilden.
darf uns daher nicht wundern, dass sic es abgeschnitten th»»‘
Aber Polypen, die in transverseller oder longitudineller Richtu»S
durchschnitten sind, erzeugen sich wieder. Ja selbst kleinere Stüch®
des Polypen werden wieder zu ganzen Thieren. Stellt man
den ganzen Polypen als ein System von an Kraft ähnlichen Th®»'
eben vor, die nur so lange dem organisirenden individiicft®'!
Princip unterworfen sind; als sie eine gewisse Verwandtsch»
haben, und denkt man sich die individuelle organisirende K®»
als das llesultat des Zusammenwirkens der iVIolecule, so werd®"
abgeschnittenc Stücke wieder Systeme ähnlicher Molecule c»
halten. Das organisirende Princip wirkt hier wieder duich o>®
Verw'andtscliaft der Theilchen zu einander, dass das Stück
der Organisation eines neuen Polypen umgcwandelt wird. K®
reicht der Polyp eine gewisse Grösse, ist \lauu das System
an Kralt ähnlichea Theilchen gross geworden, so scheint in ^ ®*
3. TV^ieäererzengung. Gesetze der Regeneration. ,381
Vieren Thellen des Polypen eine grössere Verwandtschaft derMo-
l^cule zu einander zu entstehen , als die Theile zuin Ganzen be-
"■'Iten, und so tritt ein Streben ein, einzelne Polypensprossen zu
'bilden, die sich ahstossen und selbstständig werden. Deswegen
'^«rden auch die Fetzen eines Polypen individualisirt, sie trennen
^'cli bald von dem Mutterpolyp als neue Individpen. Nach Goeze,
^•^ttSEFFEU und Roesei, soll man Polypen auch umkehren können
**äd sie.dennoch fortwachsen. V/^endet man diese Facta auf die
*^eime der höheren Thiere an, so werden diese nur so lange
^^leilljfir und regenerationsfähig seyn, als sie noch aus einer bo-
friogenen Substanz bestehen, welche die Kraft zur individuellen
\'*'ganisation noch in allen Theilen gleich enthält. Denkt man
''*'^h, (lass die Keimscheibe eines höheren Thieres, entweder wo
?Päter der Kopf, oder wo später der Schwanz entsteht, durch
'•'send eine unbekannte Ursache bis auf eine gewisse Strecke sich
*•1*6116, odei’. auch ohne Spaltung nach einer Richtung der Achse
'doppelte Theile entwickele, so werden, so fern jene oben angedeu-
*®fen Gesetze richtig sind, so gut wie bei einer in 2 noch zu-
sammenhängende Fetzen getheilten Planarle, 2 Köpfe oder 2
^«hwanztheile entstehen müssen und eine Doppelmissgebnrt wird
^''tsteheri. J. Mueller, Mecr. ^reh. 1828. 1. Die Doppelmissge-
hurten sind weder ganz durch Theilung eines Reims noch durch
* Crwiiclisung zwci6r K.eline crklärlitli. Ein grosser Tlieil tlcr
®6ppehnissgehurten wird besser durchVcrwachsung zsveier Reime
J*der dmeh Entstehung zweier Embryonen in einer Keimhaut, die
l'm-nach verwachsen, erklärt, besonders wenn die getrennten
fl*eile gross sind. Dass diese Verwachsung von Emb^onen exi-
^^'rt, geht als gewiss aus den Fällen hervor, wo die Embryonen
durch einen kleinen Theil, wie z. B- durch den Ilinterkopr
Barkow\s Fall, verwachsen sind. (Baukow de monstris duplicL
otrtieihus älter se iunetis. Berol. 1821.) Embryonen, welche
.'oss durch das Gesicht Zusammenhängen und in der Schnauze
®'nf'ach sind, sonst aber doppelt oder Doppelmissgeburten mit ei-
**®m Kopfe und getrennten ganzen Rümpfen kann man nicht wohl
'"‘s Theilung erklären, sie entstehen wohl durch Verwachsung
*‘>**1 Verschmelzung der Reime mit denjenigen Stellen, wo gleich-
^'äinige Theile entstehen sollten, Schnauze mit Schnauze odei
?“*'ä»'ndere Art, wo die gleichnamigen Theile eine gewisse Anzie-
“»"S auf einander auszuühen scheinen. Dagegen wäre es eben
Schwer, eine Missgeburt mit einem überzähligen Theil, mit
'■'"em überzähligen Finger, einen ganz einfachen Köiper mit el-
doppelten Schnauze aus der Verwachsung zweier Keime zu
^''^lären. Die Gesetze, welche liei der Reproduction der Poly-
gelten, werden ohne Zweifel auch für die einfachen Reim-
der höheren Thiere gelten müssen. Man besitzt übrigens
'"*>■ 2 Beobachtungen von Dopiielmissgeburteu des Hühnchens
so früher Zeit, wo die Reimhaut noch vorhanden war. Die
ist von C. Fn. Woi.ir, Aue. comment. acad. Petrop. 11. 4o6.,
1 1® andere von Baer, Meck. Arch. 1827. 576. In Woeffs Fall
j*'‘gen beide vollständige Embryonen nur durch denjenigen ^ heil
gemeinscliaftliclien Keimhaut, der sich am Isabel in den Darm
382 II. Buch, Organ, chemische Processe. II. Abschn. Ernährung.
fortsetzt, zusammen. In Baer’s Fall war die Area pellacida der
Keimhaut, statt wie gewöhnlich biscuitförmig, vielmehr kreuzför-
mig. Die Embryonen hatten einen gemeinsamen Kopf, ihre Le*-
her divergirten in den 2 längeren Schenkeln des Kreuzes.
werden übrigens auf diesen Gegenstand im 8. Buche, das voo
der Entwicklungsgeschichte der organischen Wesen handelt,
rückkommen.
Die Planarien haben, wie Duges gezeigt hat, einen grossen
Grad von Prodnctionsvermögen. Fkoriep’s ISot. 501. Jeder
oder 10. Tlieil des Thiers kann ein vollständiges Individuum re-
produciren. Jedes ahgeschnittene Stück reproducirte sich
Winter in 12 — 14, im Sommer in '4 Tagen vollkommen. Zu-
weilen theilcu sich die Planarien in 2 Individuen durch Quer-
theilung. Duges fand ein Individuum im Wasser mit zwei Schwa»*'
theilen, und wenn er die Planarien vorn der Länge nach theilt®'
entstand eine Doppelmissgeburt mit 2 vollkommenen Köpfen.
Bei den Ringelwürmern erstrecken sich die Stämme der G'®'
fässe, das knotige Nervensystem, der Darmcannl auf eine zieml'®^
gleichförmige Art durch die ganze Länge des Thiers, durch
ringelförmigen Abtheilungen des Wurniies. Man kann sich a»*
der Structur dieser Thiere, dass sie aus einer reihenformigen S»®'
cession gleichförmiger Theile bestehen, schon erklären, dass tr»!*
ihrer grösseren Zusammensetzung doch auch die Theilung d®*
Wurms in die Quere die Regeneration des Wurms nicht aufhebt-
O. Fr. Mueeler {uon den Würmern des süssen und salzigen
sers) hatte die Regeneration der Stücke der durchschrlitte»®®
Nereiden, Bonnet die Regeneration von 4, 5, 6 Stücken der?(a'*
variegata, und die Regeneration der zwei Theile eines quer durch'
schnittenen Regenwurms beobachtet, was Duois nicht gelang, ob'
gleich die Regenwürmer die abgeschnitlenen vordersten Ring®
und den Kopftheil ersetzen. Fhoriep’s i\W. 51.3. Alle diese Thier®
regeneriren sich bei longitudinalen Durclischnitten nicht, wab®'
scheinlich weil die Stücke nun nicht mehr die qualitativ ver-
schiedenen Glieder des Ganzen enthalten. Man findet die älter®»
Beobachtungen in den grösseren W^erken. Trevihanus Biolog^*
Burdacr’s Physiologie 1,, und in einer kleinen Schrift v®”
Eggers von der Wieder er zeugung. Würzb. 1821. zusammengesteUt-
Die Mollusken, Insecten, Crustaceen, Spinnen regeneriren
einzelne Theile nach, die ihnen abgeschnitten worden, und es
gewiss, dass die Schnecken nur einen Theil des Kopfes und
Fühlhörner regeneriren, wenn das Gehirn, das auf dem Schlu»»®
liegt, nicht verletzt wird. Diese Regeneration erfolgt nur bei
mässigter Temperatur, nicht in der Kälte. Scrweigger Naturg^
schichte der skeletlosen ungegliederten Thiere, Die Naiden theil®»
sich von selbst, Avie O. Fa. Mueller, Ghuithuisen, Duges beobac
tet haben. Ghuithuisen JVoe. act. nat. cur. T, 11. tab. .35.
Hirudineen besitzen nach Moquin Tandon wenig oder kein 5-®
productionsvermögen.
Nach Heineren hört die Reproduction der Beine bei ^®®
Spinnen auf, sobald sie aufhören sich zu häuten oder ganz ef
wachsen sind. Die Larven der Insecten reproduciren ihre Fühl®*^
383
3. JViedererzeiißung, W, der wirbellosen Thiere.
^'cht die vollkommenen Insecten. Fbobiep’s Noi. 606.
^liasmen erzeueen verlorne Beine wieder in ihrem nnvollk^-
'•'finen Larvenzustande. JVop. act. nat. cur. T. 12. 563. P'® ®“
Beneratioh der Füsse bei den Krebsen ist bekannt. Von den
*'scben kennt man nur die Reproduction der Flossen nach
^Roussonet. Eggers a. fl. O. 51. ^ j. -n
Unter den beschuppten Amphibien kennt man die Bepro-
‘•'»ction des Schwanzes bei den Eidechsen, worin sich jedoch keine
Vollkommenen Wirbel, sondern nur eine knorpelige Säule bildet.
^Ocli die Salamander erzeugen nach Spallanzajii ibren^ Schwanz
'nieder. Physic. matkem. Ahh. Wir haben hier ein Beispiel von
Reproduction des hintersten Theils des Rückenmarks. Ueber
C*e Reproduction der Salamander haben Spaelanzasi , Bohmet,
®e»JMENBACu {Spec. physiul. comp, inter animantia cahdi ei Jrigidi
’^^tguinis) , STEiNBucn (cJnalecten), und Rudolphi Versuche an-
Sestellt. . ,
Bei den Salamandern, jungen sowohl als alten, erzeugen sich
''•c Beine wieder. Rudolphi hat beobachtet, dass in dem neuer-
*eogten Beine des Salamanders keine Grenze an dem reproducir-
‘«n Nerven zu bemerken war. Bei den Salamandern erfolgt auch
Reproduction der Unterkinnlade, und nach Blumendach bei
^ritonen seihst des Auges mit Hornhaut, Iris, Linse etc. inner-
,olb eines Jahres. Die Bedingung zu einer Reproduction ist aber,
der Sehnerve und ein Theil der Augenhäute im Grunde des
^«ges unverletzt geblieben. Das Blastema, aus welchem sich hier
und nach die einzelnen Theile eines verlornen Organs bil-
'*0»', ist zuerst gallertartig durchsichtig; so erscheint es als ein
Bollertartiger Regel an dem Stumpfe der verschnittenen Beine
'‘0(1 der Kieme der Tritonlarve. Nach Steinbuck bemerkt man
*ol<on am 2. — 3. Tage am Stumpfe der Kieme dieses wasserhelle,
"ofangs gefässlose Blastema. Diess vergrössert sich zur Form ei-
'*os Cylinders, aber schon nach einigen Tagen ist diese Materie
Tgonisirt und vom Blute durchflossen. Vergl. pag. 358. Bei
®‘8enem Versuche wollte mir diess lange nicht so schnell gelin-
Nach einer Mittheilung von Dieffenbach lösst sich nach
>er Verwundung der Haut," Muskeln und der Beinhaut bei Sa-
‘Ooandcrn öfter das ganze Glied , ExtremUät oder Schwanz ab,
Vielehe nachwachsen.
Die Frage, welches Princip die V/^iedererzeugung so zusam-
Oiengesetzter Theile bei einem erwachsenen Thiere bedingt, ist
oben berührt worden; -ob jenes organisirende Princip, wel-
seihst die Nerven beherrscht, und bei der ersten Entstehung
Nerven erzeugt, oder die Nerven. Bei der letztem Ansicht
RI ®s interessant, dass alle Nervenfasern, die sich in den Theilen
j 0« ahgeschnittenen Gliedes von den Nerveiistämmen aus verbrei-
Batten, schon in den noch vorhandenen Nervenstämmen des
lumpfes vereinigt neben einander vorhanden sind, wie in der
^Bysik der Nerven im 3. Buche bewiesen wird, und dass die
oovenstärame in der Regel nur die Summe aller in den Aesten
^.od Zweigclchen der Nerven sich entwickelnden Primitivfasern
"’d- Die zweite Durchschneidung der Nerven an einem Stumpfe
384 II. Buch. Organ, chemische Processe. II. Abschn. Ernühruit^-
Leim Salamander soll die Reproduction des Stumpfes Lindern-
Tonn Quarlerly ,1. of Sciences Vol. 16. p. 91. Tretiranus Ersehet'
nuttgen und Gesetie 2. 7. WaLrscLeinlicL wird indess selLst d'®
Erzeugung der Nerven von einem Löhern Prineip aus LestiromL
da sich die Nerven gleich anderen Theilen Lei der Metamorphns®
der Tliiere umwandeln. Alle bisher betrachteten Reproduction^
pLanomene geschehen ohne Entzündungsprocess, sondern durcj*
eine Bildung von Biastema und Organisation desselben, ähnli®''
wie bei der ersten Zeugung. Bei den niederen Thiercn gehn"
die Phänomene der Entzündung höchstens jenen ReproductionS'
ersebeinungen vorher, als nächste Folgen der Verwundung. Bf
den Fröschen beobachtet man wirklich in seltenen Fällen E)'
terung, wie ich selbst gesehen. Bei Schlangen verschorften
schnell die "Wunden. Bei den höheren Thieren giebt es kein®
Reproduction zusammengesetzter Theile, wie der Extremitäten, d®^
Auges, mehr, sondern nur Wiedererzeugung einzelner Gewebe.
Wi c dererzeu gun g der Gewebe.
Die Wiedererzeugung der Gewebe erscheint in 2facher Foi’*"’
1) als Regeneration der Gewebe ohne Entzündung; 2) als Reg®'
neration mit begleitender Entzündung.
1) Regeneration ohne Entzündung.
a. Organisirte Gewebe, weiche wiedererzengt werden, nacB'
dem sie ihre Organisation verloren haben.
Hierher gehört die Regöneration der Schale der Krebse,
Geweihe der Hirsche, der organisirten Keime der Federn nn‘‘
Stacheln, welche später ihre Organisation verlieren. Die Schal®
der Krebse wird jährlich erneut, wenn die Entwicklung der
neren Theile dem Umfange der Schale nicht mehr entspricld'
Die Schale spaltet sich und wird im August abgeworfen, uiit®®
ihr bat sich schon eine neue gebildet, die anfangs weich, em pfind'
lieh ist, und selbst Gefässe enthält, aber durch Aufnahme vn"
kohlensauren Kalkthcilchen bald hart wird. Cuv. oergl. Anat. f
101. Zur Zeit des Schalenwechsels erzeugen sich an beiden S®''
ten des Magens, der auch sein Epithelium erneuern soll, kalkig®
Concretionen, Lapides cancrorum; sobald die neue Schale hart®*',
wird, verschwinden diese Concretionen wieder.
Das Geweihe des Hirsches iiud verwandter Thiere ist mel*®
der organisirten Matrix der Hörner der wiederkäuemlen Thid'®
als den Hörnern selbst zu vergleichen. Die Basis des Gewed*®*
sitzt aut dem Stirnbeinhöcker, ein knöcherner zackigerWulst b®'
zeichnet die Grenze dieses Höckers und des Geweihes. Ni®b
zur Begattungszeit (Herbsl!), sondern im Frühling werfen di®
Männchen das Geweihe ab, und entsteht das neue Geweihe.
Trennung geschieht durch eine Art Erweichung der organisirt®"
Knochensubstanz des Stirnbeinhöckers an der Grenze zwisch®"
diesem und dem Geweihe. Der neue raube Stirnbeinfortsatz wi*
von der Haut bald wieder überzogen. Nun wächst das neue G®”
weihe aus dem Stirnbeinfortsatze hervor, von einer Fortsetzung
der Haut und unter dieser von Beinhaut bedeckt, weich uH
3. IViedercrzeugung. W. d. Gecvebe. Nägel.
385
Worpelig von unzähligen Gefässeii durchdrungen. Indem die
^norpelmasse verknöchert und hierbei durchaus die Entwicklung
^ßr Knochen des Fötus und Rindes wiederholt, verlieren das
l^eriostium und die Haut des Geweihes ihre Organisation und
’^sen sich ah. Nach der Castration erzeugen die jungen Hirsche
■^eine Geweihe und die älteren wechseln ihre Geweihe nicht
'®clir. CuviER oergl. Anat. 1. 97. Berthold Beiträge zur Anato.
Zoologie und Physiologie.
Auf eine gleiche Art haben die organisirten Reime der llaai’e
^**<1 Stacheln hei den Säugethieren und die Keime der Federn
j ®i den Vögeln ihre Zustände der Abnahme und der Turgescenz,
*®i dem Hären und Mausern. Diess wird die Ursache zum Aus-
^*111611 und zur Wiedererzeugung der Haare und Federn. Die
J^iedererzengung der Haare und Federn ist jedoch insofern von
«er Wiedererzeugung der Geweihe verschieden, als nur die Ma-
der Haare dem organisirten Geweihe gleicht, und das abge-
storhene Mark der Federn dem verhärteten Geweihe gleicht,
'''ährend die Hornsubstanz der Federn bloss durch die Matrix
«l'gesondert wird, wovon an dem Geweihe als Aehnliches nur
Oberhaut des noch weichen Geweihes vorkömmt. Wir wer-
daher die Regeneration dieser Theile von der der Geweihe
^''«nnen.
b. Unorganisirte Gewebe, welche durch Regeneration ihrer
^eitne wiedererzeugt werden. Es gehört hierher die Wiederer-
*«Ugung der Horngewebebildungen, des Zahngewebes und des
*^ewebes der Crystalllinse.
1. Horngewebe.
Die Nägel erzeugen sich bekanntlich wieder, so lange ihre
“latrix noch vorhanden ist; aber man hat selbst an den Mittel-
gliedern amputirter Finger eine anfangende Nagelbildung beobach-
Blumesbach instu. physiol. p. 511.
Ueber das Hären der Säugethiere hat Heusinger Aufschluss
Begehen (Meck, ylrcli. 558.). 5 Tage nach dem Ausrupfen eines
•l^asthaares des Hundes war ein mehr als 2 Millim. langes Haar
Beiständen. Bei dem Hären wird die Zwiebel des alten Haares
® ass Und es bildet sich neben ihr ein schwarzes Kügelchen, wel-
. '®s sich in den neuen Haarcylinder verwandelt. Diess ist sehr
‘eieressant, dass die Matrix des neuen Haares gleichsam ein neuer
Ausv^nchs des productiven Bodens des Balges, und nicht der
Keim ist. Es soll ebenso bei den Stacheln seyn. Bei dem
^«aiisern der Vögel wird die Oberhaut am Schnabel und an-
Stellen in Form von Platten oder von Kleie abgestossen.
«•m Abfallen der alten Federn sind die Keime der neuen Fe-
h,
«ern
lElt,’<
Siehe
O.
das Nähere bei A. Meckel,
1. 83. Burdach’s Physiologie
schon vorhanden
g Arch. 12. Eble a. a.
524.
Verschiedene Schriftsteller, Dzondi, Dieffenb ach, Wiesemann,
j,r'*nen nach ihren Beobachtungen an, dass ausgerissene und in
^'«Stiche der Haut verpflanzte Haare wieder anwachsen. Dzondi
^ Aträgß zur VerooUkommnung der Heilkunde. Halle 181Ö. Diee-
®®back de regenerationc et transplantatione. Hrrhip. 1822. Wiese-
"t U H e,.» g 1^. 25
386 n. Buch. Organ-, chemische Processe. II. Abschn. Ernährung.
MANN de codlUu partium a reliquo corpore prorsus disjunctarum. B>P^'
'1821. Diess Anwacljscn a«si>erissener Haare iiacli der Transplan-
tation und das Weitervvaclisen derselben scheint mir noch nidd
constatirt. Insofern die Zwiebel der Haare im Innern organisid
i.st, lässt sich wohl ein Coalilus selbst mit anderen Tbeilen de*’
Haut als dem boden eines Haarbalgcs denken. Aber wie leid’*'
kann hierbei Täuschung statt finden. Ich weiss nicht, ob de*"
um die Technik der Wiedervereinigung getrennter Theile so ver-
diente Beobachter, mein sehr vcrelirter Freund Dieffenbach, a«'
diese Jugendversiicbe noch Werth legt.
2. ZahngCAvebc.
Die Zähne regeneriren sich für den Z^veck des Zahmved*-
sels, da sic an der Krone nicht Av'achsen können und neue Zähn®
dem Umfange der vergrösserten Kiefer entsprechend entstehe"
müssen. Während das llcrvorJirechen der neuen' oder Wechsd-
zähne gegen das 6. — 7. Jahr eintritt, hatten sich die Krone"
dieser Zähne schon sehr frühzeitig gebildet. Unter den Mild*'
jzähnen sind bekanntlich nur 8 Backenzähne, unter den bleibe"'
den 20 Backenzähne. Die Milchhackenzahne sind 4spitzig. Vo"
den bleihenden Backenzähnen sind die 2 vorderen jeder Kiefer'
hälfte 2spitzig, die liinteren 4spitzig. Die Milchzähne beginne"
ihre Enlivicklung im dritten Monat des Embryolebens und fa"'
gen vom 6. Monat nach der Geburt an hervorzubreclien.
Die bleibenden Zähne haben ein eigenthümliches Ortsver-
hältniss zu den Milchzähnen. Die späteren 3 hintersten Back-
zähne liegen in einer Beihe mit den Milchzähnen und sehliesse"
sich nach Aussen an die Milchhackzähne an,mit denen diese hintere"
Backenzähne auch in der Form der Krone Übereinkommen, vrah'
rend die 2 vorderen Backenzähne des Erwachsenen als bicusp*'
dati den Milchbackcnzäbncn nicht entsprechen. Die vordere"
bleibenden Backenzähne, die bleibenden Eck- und Schneidezäbne
liegen anfangs hinter den Milchbackzäbnen , Eckzähnen, Schnei-
dezähnen. 'Von den Säckchen der bleibenden Zähne entstell
nach J. Fe. Meckei. das des dritten (oder des ersten grosse"'
Backzahns schon am Ende des 4. Monats der Schwangerschaft-
Ilandb. der Anal. 4. 214. Die Säckchen der bleibenden Schnei-
dezäbne bilden sich nach Meckei. im Anfänge des 8. Monats der
Schwangerschaft, dann das Säckchen des Eckzahns, darauf da®
Säckchen des niitticrn grossen Backzahns, die Säckchen der vor-
deren kleinen Backzähne erst einige Monate nach der Gebnrh
das Säckchen des hintersten grossen Backzahns erst im 4. Jahr-
Meckel a. a. O. p. 226. Nach Blake und Meckel sind die Säck-
chen der bleibenden Zähne Auswüchse der Säckchen der Mil"^’'
zähne. Indessen findet nach Meckel nur zwischen den äussere"
Blättern der Zahnsäcke jener Zusammenhang statt; der neue i"'
nere Zahnsack cntAvickelt sich vielmehr an dem alten, zAvische"
diesem und dem äussern Säckchen. Meckel a. a. O. p.
Vergl. Meckel im Archic für Physioi. .3. 556. Unter den blC'
bendeii Zähnen fängt der dritte Backzahn oder erste grosse
zahn gegen Ende der Schwangerschafl an zu A-erknöcliern. A.i -
3. Wieder er Zeugung. W. d. Gewebe. Zähne.
387
ttiählig werden die Alveolen der neuen Zäline von den alten ge-
schieden. Doch hangen beide Zahnhöhlen noch immer durch
®*ne ansehnliche OefFnung zusammen, wodurch der gemeiiischaft-
hche Theil des äussern Zahnsackchens tritt. Meckel a. a. 0.
227. Der Zahnwechsel beginnt im 6. — 7. Jahre. Zuerst er-
scheinen die vorderen grossen Backzähne; dann die Schneide-
*ähne und Eckzähne; die mittleren grossen Backzähne erscheinen
®cst iru 13. — 14., die hintersten Backzähne vom 16. — 20. Jahre.
'Or dem Ausfallen verlieren die Milchzähne ihre Wurzeln.
Dass die Zähne eines Thieres ausgerissen und wieder einge-
setzt, wieder fest wachsen, wird verschiedentlich' behauptet. Ich
”c*weifle diess entschieden. Wäre es ein wahres Anwachsen, so
^iissten sich die zerrissenen Gefässc des Zahnkeims wieder mit
?cn Gefässen des Bodens, der Alveole vereinigen. Gerade dieser
^leressante Gegenstand ist nicht so constatirt wie er es seyn muss,
sehr sichere Art, zur Entscheidung dieser Frage, heizutragen
^äre, Thiere mit frisch versetzten Zähnen mit Färherröthe zu
.ättern. Hat eine Verwachsung statt gefunden, so muss sich die
J^ßcrste Schichte des Zahnes an der Zahnhöhle roth- färben,
.cborstene Zähne können sich natürlich nicht regeneriren, da
nicht organisirt sind, sondern die Piisse höchstens sich mit
oder Weinstein aus den Speichelsalzcn füllen. Bei den
'^klangen währt die Bildung neuer Giftzähne beständig fort. Die
**6uen Zähne der Crocodile dringen in die conischen ilöhlen der
® len Zähne vor.
3. Crystalllinse.
Die Crystalllinse scheint sich in gewissen Fällen, nachdem sie
der Capsel entfernt worden, durch ihre Matrix, die Capsel,
“^der zu erzeugen. LsnoY d’Etiole hat diess beobachtet. Ma-
./, jg Physiol. 1827. 30. Im ersten Falle waren 1.3 Tage,
p' «Weiten Falle 3.3 Tage, im dritten Falle 39 Tage, im vierten
.p^ke 31 Tage, im fünften Falle 46 Tage, im sechsten Falle 165
*8® nach der Extraction der Crystalllinse hei Kaninchen, Katzen
1 ~ Hunden verflossen, als das Auge untersucht wurde. Der In-
.1 der hergestellten Capsel war entweder eine grümmliche Masse
itu zweiten Falle, oder ein kleiner linsenförmiger Körper wie
^ den meisten übrigen Fällen, im 6. Falle war aber eine, ganz
•^**niinöse Crystalllinse gebildet, Vorgl. Mayek, Graefe und
^ ■‘^i'TuEtt’s Journ. 17. 1. Vrolik ehend. 18. 4. W. Soemmerring
g^^htungen über die organischen Veränderungen im Auge, nach
‘^'"Operationen. Frankfurt 1828.
2) Regeneration mit begleitender Entzündung.
^ast alle Fälle von Regeneration bleibend organisirter Theile
dem Menschen gehören hierher, wenn man die Fälle aus-
dass sich die Keime für Haar- und Zahnhildung nach-
tiL^Sen können, und dass diese Keime zuweilen selbst patholo-
s|^.r ' B. im Eierstocke und anderen Theilen entstehen, so dass
^daare, Zähne hier wie an anderen Orten erzeugen. Diese
®*igung scheint nach denselben Gesetzen zu erfolgen. Die
25*
388 II. Buch, Organ, chemische Processe. II, Abschn. Ernährung.
Zähne haben auch ihren Schmelz, und entstehen in Säckchen.
Meck, im Arch. 1. 519.
a. Regeneration bei exsuthiieer Entzündung.
Die Entzündung hat in einem verwundeten oder nicht vcC'
wundeten Theil, wenn er freie Oberflächen darhietet, eine Exsu-
*dation von coagulabler Flüssigkeit, Liquor sanguinis, zur Folf?®'
Fehlen freie Oberflächen, so häuft sich die coagulfible Materie n*
den Capillargefässcn und in dem Gewebe an und verdichtet da®'
selbe. Die in Wunden und auf Oberflächen entzündeter The>‘
exsudirende Materie ist anfangs flüssig, sie erscheint auf entzün-
deten Häuten zuerst tropfenweise, anfangs durchscheinend
sie allmählig xveisslich und consistent. Es ist der im Blute ain-
gelösle Faserstoff. Zur Zeit, wo die exsudirte Materie noch weieü
ist, scheint sie durch ein dem coagulahlen Faserstoffe einwohnen-
des Lebensprincip zut Organisation zu streben, die durch ABin*'
tat und Wechselwirkung derselben mit den entzündeten Oberlid'
eben auch erfolgt. Vergl. pag. -358. Es entstehen neue Gefä**®
in der exsudirten Materie, indem sie anfangs wahrscheinlich
der Liquor sanguinis in die entstehenden Hinnen, hernach aue
rothe Körperchen aufnimmt, ohne dass an eine Verlängerung v®”
Gef ässenden, die ja nicht existiren, gedacht werden kann. ^
muss man sich auch die Entstehung der neuen Gefässe in de*'
Wunden und dem die Wundränder verklebenden Liquor sang"*'
nis vorstellen. Eine Verlängerung der durchschnittenen Gefäs*®
kann man hier nicht wohl annehmen. Alle durchschnittene"
Gefässe schliessen sich ohnehin durch Gerinnsel, Trombus. P'®
durch Exsudation entstandenen Pseudomembranen organisiren si" ^
nicht immer, in den Schleimmembranen erfolgt dicss in der Reg®
nicht, wie im Croup, in den serösen Membranen erfolgt es^
der Regel. Dass die Exsudate in sehr vielen Fällen organJ*'*
werden, daran Ist nicht zu zweifeln, wenn man einmal die
nen Injectionen dieser neuen Gefässe in Schiiöder van der Rot*'
Sammlung zu Utrecht gesehen hat, xvo Arterien und Veneü
Pseudomembranen verschiedener Theile vom Darme und von
Leber, X'on Pseudomembranen zwischen Pleura costalis und p"
monalis verschieden gefärbt injicirt sind. In diesen Pseudonn""*^
branen entstehen auch neue Lymphgefässe, xvie ich an mehrei"^
Präparaten von Schröder gesehen habe, wo neben Arterien ^*^^
ac-
Venen die Lymphgefässe mit Quecksilber gefüllt waren, ln
patitide vero chronica hepate pseudomembranis diäphragmati
1«
creto mihi contigit, mereurlum in vasa lymphatica impulsu®
ipsas pseudomembranas propellere, ita ut vasa lymphatica
in conspectum venirent; in bis valvulae vel noduli iam consp*
potcrant licet minorcs quam in aliis vasis lymphaticls; cum s"
riis ct venis cursum magis rectum servabunt, aliquando tan*
paulatim convolutum, aliquando quaedam vasa , lymphatica ad P®®
domernbranae originem snrsum tollebanlur, sed postijuam in
domembranam transire inceperant, aren facto ad hepatis sup®
eiern redibant, in illo arcu plura vasa lymphatica ex hepate
minabantur; an arcus talis prima vasorum lymphaticoriim n®
rum origo ’ Schröder observ. anat. path, 4-3;
3. TP^iederer Zeugung . W. hei exsudatioer Entzündung, 389
Die Arterien zielien sich nach der Durchschneidung in ihre
^eilige Scheide und verengern sich. Diess geschieht theils durch
'^•e Elasticität derselben, theils durch ihre Contractilitat. Dass
letztere den kleinen Arterien vrirklich zukommt, hat Scuwann
längst durch Versuche an dem Mesenterium des Frosches und
‘'er Feuerkröte nachgewiesen. Nachdem das Mesenterium der-
selben unter dem Microscope ausgebreitet w'ar, brachte er einige
Tropfen AVasser auf dasselbe von einer Temperatur, die einige
^fade niedriger war als die Temperatur der Luft. Bald daraul
'begann die Verengung, .und die Gefässe verengerten sich hinnen
'0 — 15 Minuten allmählig so, dass der Durchmesser des Lumens
«•ner Arterie der Feuerkröte, der Anfangs 0,0724 engl. Lin. he-
'•■ug, auf 0,0276 reducirt, also um das 2— 3fache verkleinert,
Lumen der Arterie seihst also um das 4 9tache verengt
^ürde. Die Arterie erweiterte sich darauf wieder und hatte
"ach einer halben Stunde ihre lirühcre Ausdehnung ziemlich
nieder erlangt. Wurde nun \on Neuem kaltes Wasser darauf
Sahraeht so verengerte sie sich wieder, und so liess sich der
^ersuch an derselben Arterie mehrmals wiederholen. Die Ve-
“en aber verengerten sich nicht. Durch diese Verengung und
^ürch die Gerinnung des Blutes wird die Blutung aus den klci—
**60 Arterien gestillt. Arterien und Venen gerathen nach der
^.irchschneidung in exsudative Entzündung; ihre Höhle wird
geraume Strecke über der Verletzung von Exsudat verschlos-
*‘^»5 was von dem anfänglichen Trombus zu unterscheiden ist.
IfiLLiNG die Bildung des Blutpfropfes in verletzten Blutgefässen,
^hsenach 1834. j Cf
Merkwürdig ist die neue Gefässhildung zwischen den ötum-
Pfen einer unterbundenen und durchschnittenen Arterie. Mau-
Parry, Mayer haben solche Beobachtungen gemacht, welche
®ehr übereinstimmend sind. Besonders ist seit Ebel s wiederhol-
mit guten Abbildungen begleiteten Beobachtungen an der
Tliatsache nicht zu zweifeln. Ebel de natura medicatrice, sieuhi
^^teriae vulneratae et ligatac fuerint. Giessen Die neue Ver-
'*'ndung geschieht durch mehrere zuweilen gewundene Gelasse
''on einem zum andern Stumpfe, wie z. B. zwischen beiden Stüni-
Pfen der Carotis communis. Bei der Erklärung dieser Erschei-
hat man übersehen, dass bei den Thieren auch die Carotis
'^‘Rumunis mehrere ganz kleine Zweigclchen in die Halsmuskeln
i^'^gicht, daher auch diese sogenannten neuen Gefässe wahrschein-
'®h nur Umbildungen von anliegenden Capillargefässnetzen sind.
, Was die Aneinanderheilung getrennter Tbeile hetrilTt, so
\Rilt allds zusammen , was organisirt ist und im exsudativen Sta-
diiun der Entzündung sich berührt ; getrennte Nervenstücke köii-
*"2» unter sich, aber auch mit Muskelsubstanz, Beinhaut, Aponeu-
j^^sen zusammenheilen. 3a selbst ganz abgeschnittene riielle lei
fl au, wenn sie frisch in innige Berührung mit homogenen oder
heterogenen frischen Wundflächen gebracht werden , deren Lnt-
*hnduiig aber auch über das Stadium exsudativum nicht liinaiis
darf. Die Wiederauheilung vollkommen gelrcmiler orgam-
390 II. Buch. Organ, chemische Processe. II. Abschn. Ernährung.
sirter Theile ist zwar äusserst selten, aber doch nicht zu bezwei--
fein. Es gehört z. B. hierher der merkwürdige BuESOER’sche Fau
von Anheilung einer aus einem ganz getrennten Haulstücke de*
Schenkels künstlich gebildeten Nase. Fboriep’s Not. 4. 255. Nicht
alle Fälle dieser Art ertragen indess eine scharfe Kritik. Bui*'
TER wollte den Zahn eines Hundes in den Ramm eines Hahne**
verpflanzt haben, wo er fest wurde. Diess wird wohl schwerlich
Anheilung gewesen seyn. Er verpflanzte eine Drüse vom Tinte*''
leih eines Hahnen auf eine Henne (he next transplanted a gla****
taken from the abdomen of the cock to a similar Situation ol **
hen). Er verpflanzte den Sporn eines Hahnen. Diese sollen ge-
wachsen seyn. Aberhetky hat diese und andere Fälle beschrie-
ben. Abersethy physiol. lect. 253. Aehnliche Versuche hatte
HONio angestellt. Vergl. oben von den Zähnen und Haaren. Nac**
Merrem und v. Walther, meinem grossen Lehrer, heilt sogar d**’
austrepanirte Knochenstück wieder ein.
Die Anheilung von Hauttheilen, die noch mit dem Stani***®
znsammenh'ängen , mit anderen Theilen desselben Körpers g**'
schiebt bekanntlich leicht. Ein Process, worauf die Bildung fl®*’
Nase aus der Stirnhaut und viele andere Fortschritte der Chi-
rurgie beruhen, um welche sich Dieffenbach grosse Verdienste
erworben hat. Das einmal angeheilte Ilautstück kann hernact*
an der Brücke, durch die es während der Anheilung mit fle^**
Stamme verbunden seyn musste, durchschnitten werden.
Verwachsung zweier in Entzündung gesetzten Theile, deren sie**
die Chirurgie mit so grossem Vortheile zur Aufhebung der D*/'
continuitäten und Aufhebung gewisser Absonderungen bedient, ■*
eine ganz allgemeine Erscheinung bei organisirten Theilen.
Fötus kann hierdurch an Theilen seines Körpers mit den Eihü*'
len verwachsen, aber 'selbst verschiedene Individuen können ****
diese Art mit einander verwachsen. Bei der Verwachsung A®*^
Embryonen zeigt sich liier ein äusserst merkwürdiges Gesetz, da**
mit seltenen Ausnahmen immer die gleichartigen Theile beid®*
Embryonen nicht bloss vei'wachsen, sondern ganz zusammeD-
stossen ; ja es entfernen sich sogar die symmetrischen Theile d®^
einen Embryo an der Verwachsungsstelle von einander und reT'
wachsen mit den entsprechenden Theilen des andern Embryo*'
wodurch die Janus -Missgeburten entstehen. Dieser Process **
ohne eine gewisse Affinität gleicher Theile nicht denkbar. Dif*®
Verwachsungen mit Verschmelzung müssen ganz ausserordentho
früh eintreten. Denn später findet sich beim Verwachsen *****
Verbindung.
Bathke hat einen Fall beobachtet, dass ein ^Embryo mit d®***
Kopfe eines andern ' durch seine Nabelschnur verbunden
Meck. Arch. 1S30. 4.
Was die Regeneration der verschiedenen Gewebe betrillL
verwachsen zwar die getrennten Theile eines Gewebes bei d®
Berührung im Stadium exsudativum der Entzündung in der ’
aber die neuerzeugte Substanz^ welche die organisirten Th®*
verbindet, und welche anfangs Faserstofl' ist, liat bei den d®
3. Wieder er Zeugung. W. bei exsud. Entzündung, Knochen. 3*>l
Empfindung und Muskelbewegung bestimmten Tiieilen nicht voll-
kommen die Eigenschaften, welche diese Gewebe sonst darbieten.
Eel den meisten anderen Geweben ist die Regetieration vollstiin-
‘Eg, auch in Hinsicht der organischen Qualitäten, besonders bei
denjenigen Geweben , welche weniger durcii ihre Eebcuseigen-
sehaften als durch die vermöge des Lebens erhaltenen physicali-
®ehen Eigenschaften wichtig werden, wie die Knochen.^ Die _Gre-
'vebe der letztem Art regeneriren aber nicht alle gleich leicht.
Die Sehnen, Bänder, Knorpel regeneriren überhaupt ungemein
^eliwer, die Knochen dagegen sehr leicht.
Die Thatsachen über die Heilung verletzter Knorpel hat E.
*E Weber in seinem trefflichen Werk Jnat. 1. 306. zusammeu-
gestellt. Nach Brodie heilen verletzte Gelenkknorpel höchsteus
doch nur so, dass die zerstörten Theile nicht wieder ersetzt wer-
den. Nach Beclard entsteht zwischen den Bruchllächen derRip-
Ponknorpe! eine aus Zellgewebe gebildete Platte; während die
E-uorpelstücke auch noch durch einen knöchernen Ring yei’bun-
den werden. Als Dörker aus dem Schildknorpcl einer Katze
kleines 4eekiges Stück herausgeschniltcn hatte, war das Loch
*d 28 Tagen nur durch eine feste Haut angefüllt. Knorpel,
'''eiche durch einen Schnitt getrennt werden, wachsen nach Dör-
«Br nicht unmittelbar, sondern durch Vereinigung des Perichon-
driums zusammen.
üeber die Regeneration d,es fibrösen Gewebes haben Arne-
"ann, Murray, Moore, Köhler Versuche angeslellt, welche in
^bber’s Werke citirt sind. Bei der Heilung der Sehnen soll die
"One Substanz mehr knorpelig als faserig und glänzend soyn.
!N'ach Arkemann soll sich die Dura matcr nie wieder erzeugen (?).
Ausgezeichnet ist die Regeneration der Knochen. Die mehr
sohwammigen Knochen, wie Schädel, Becken und Epiphysen der
Röhrenknochen, heilen schwieriger als die Röhrenknochen und
dichteren Knochen. Manche Brüche heilen oft nur durch eine
iaserige biegsame Bandmasse, wie die zerbrochene Kniescheibe.
Der ilruch des Oberschcnkelbeinhalses innerhalb des Capselban-
des heilt in der Regel nicht durch Gallus, sondern durch eine
^igamentöse Masse. Otto paih. y4nat.pag.‘Z'l^. Das austrepanirte
^tiiek des Schädels wird selten, selbst nach langer Zeit nicht,
durch einen vollständigen Ersatz von neuerzeugter Rnochenma-
^erie regenerirt. Doch kömmt zuweilen eine vollständige Auslul-
^'U'g durch neue Knochensubstanz vor, was Scarpa sah.
Der Process der Heilung gebrochener Knochen beruht auf
®Bsudativer Entzündung und Umwandlung des Exsudates in Kno-
'^kenmaterie, die anfangs die Knochenstücke ziemlich unförmlich
''erbindet und später allmählig umgewandelt wird. Die Exsuda-
Don erfolgt von allen Theilen, welche bei dem Knochenbruche
'erletzt worden waren, vom Knochen sowohl als von der Bem-
**aut, von dieser sowohl als von dem umherliegenden Zellgcv^be
"nd anderen verletzten in Entzündung gerathenden Theilen. Die-
ses erste Exsudat ist wie überall in der Entzündung der antge-
iöste Faserstoff des Blutes; das Exsudat erreicht bald die Gonsi-
392 II. Blich. Organ, chemische Processe. II. Abschn. Ernährung.
Stenz der Gallerte, -welclie sicli organisirt, wälirend die Entzün-
dung fortdauert, die Beinhaut aufscliwillt, die Knochenenden sich
erweichen. Von dem ursprüngliehen Exsudat muss man wohl
den eigcnthumlichen Gallus unterscheiden ; das erste Exsudat isl
das gleichförmige Entzündungsprodukt aller verletzten Theilc-
Der Gallus ist die Grundlage der neuen Knochensubstanz, diesem
entsteht durch Umwandlung der den Knochenenden nahe liegen-
den Theile des Exsudates in Knorpel , zuletzt in Knochen. LiC'
gen beide LStücke so, dass sie hierbei verwachsen können, so ver-
wachsen die Gallus beider Knochen, sind sie aber zu sehr voH
einander entfernt, und unvortheilhaft gelagert, so assimilirt zwa*^
jedes Knochenstück das ursprüngliche Exsudat, und bildet GalhiSj
aber die Gallus beider Stücke verbinden sich nicht. Der Knorpf^
durchläuft die natürlichen Bildungsstufen des Knochens, er ossi-
ficirt durch Absetzung von phosphorsaurer Kalkerde, und es ent-
steht zuletzt das zellige Gefüge der Knochen. Das ursprünglich®
Exsudat enthält nach HowsiiiP schon am 5. Tage ein dichtes ro-
thes Netz von Gefässen, nach B.icuerand ist der Knochen a’**
12. — 15. Tage iu vollkommener Entzündung und Ergiessung-
Der prov'isorische Gallus umgiebt nicht allein die Knochenstücke
zum Theil, sondern füllt auch die Markhöhle an der Bruchstelle
aus. Diese Verschliessung der Mai-khöble wird indess allmähhg
nach M. J. Webeh auf blosse Scheidewände reducirt, und dd’
Gallus nimmt mehr und mehr die Form des Knochens an, defi-
nitiver Gallus. Selbst nach der vollständigen Ossification daiiei’l
die Formveränderung in diesen Theilen fort, und nach Monate*'
findet man sowohl äusserlich die die früheren Bruchstücke vc*’-
hindende Knochenmasse wenig uneben, als auch die Markhöhle
wieder hergestellt.
Nach ViLi.ERME {DLct. des sc. med. art. ossification) befindet
sich der Gallus im knorpeligen Zustande vom 16. — 25. Tage; d'®
Ossification findet am 20. Tage bis zum 3. Monate statt.
Die Litteratur über diesen Process ist ausserordentlich gre^*j
und kann hier nicht ganz angeführt werden; man findet sowoh*
diese als eine vollständige Exposition der Ansichten über die ßd'
düng des Gallus \mlJict. des sc, mtid. und in A. L. B.ichter Ilandb-
d. Lehre von d. Brüchen und Verrenkungen der Knochen. Bcrk'^
1828. p. 89 — 117. Die vorzüglichsten Schriften über diesen Ge-
genstand sind Haller element. physiol. 8. 345. Detlef in Halle»'
op. min. 2. 463. Troja de novorum ossium regenerafione exp.
1775. Köhler exp. circa regeneraf. ossium. Gott. 1786. Van H»®'
KEREN de osteogenesi praeternaturali. Lugd. Bat. 1798. Macdon»^
de necrosi et callo. Edinb. 1799. Dupuytren l)ict. des sc. nV"’
38. 434. Howsmp Beob. über den gesunden und kranken Bau
Knochen. Kortum exp. circa regenerat. ossium. Bei;ol. 1824.
DING diss. de regejieratione ossium. Lips. 182.3. M. J. Weber
act. ' acad. nal. cur. 12. 2. Breschet Recherches experinient.
la formation du cal. Paris 1819.
D^r Hauptpunkt der Gontroverse war vorzüglich die Frage»
welchen Antheil die Beiuhaut an der Gallushildung habe.
3. Wiederer Zeugung, bei exsud, Entzündung. Nerven. 393
“amel, Schwenke, Bordenavb, Bletmenbach, Köhlee, DuprYTHEN
Boyer schrieben ihr einen wesentlichen Antheil zu. Schon
PtTLEF zeigte, dass die Beinhaut zu der Bildung des Gallus nichts
“ßitrage, und sich erst später bilde. Hakler, Sömmerring, Scarpa,
^»crerand und Crl’VEilhier Hessen den Gallus durch Exsudation
'■on den Rnochenenden selbst entstehen. Von der unphysiologi-
*®l>en Vorstellung Duhamel’s, dass die Beinhant das Bildungsorgan
Knochens sey, ist schon früher die Rede gewesen. So wenig
zuerst den Knochen bildet, so wenig wird sie allein das Bil-
ä*ingsorgan des Gallus seyn können. Nur an der ursprünglichen
^''sudati'on nach dem Knochenbruche hat die Beinhaut', wie alle
‘"‘deren verletzten Theile, der Knochen und die ■ umherliegenden
®"tzundeten Theile Antheil. Die Ossification erfolgt nach Mie-
*"her’s Untersuchungen immer zuerst von den Knochenstucken
l">ljst aus und zwar nicht von den Enden, sondern in einiger
Entfernung davon, so dass um die , Bruchenden gleichsam eine
"ssificirte Gapsel entsteht, indem die gegeneinanderwachsenden
^ssificationen beider Knochen verwachsen.
Die Entstehung der ersten Ossificationen im Gallus dicht am
Enochen und das weitere Fortschreiten zeigen, dass die Gegen-
'^ai-t des Knochens hier zur neuen Knochenbildung nothwen-
'lig '
Die serösen Häute sind von allen Theilen am meisten zur
Exsudatioii von Liquor sanguinis geneigt, vielleicht weil sie am
'beniesten eigenes assimilirendes Gewebe besitzen. DieVerwach-
>g ist daher bei ihnen am häufigsten. Ob sich bei veralteten
f"xationen in den neu entstandenen Gelenken neue Synovialhaute
bilden, ist noch nicht ganz gewiss, obgleich es Meckel vielleicht
bestimmt annimmt. Die Synovia eines neuen Gelenkes kann
"Herdiiigs von dem Reste der Synovialhaut herruhren, der dem
Eiiochen noch aiihängt. „ ,
Die Narbe der im Stadium der exsudativen Entzündung ge-
"eilten Hautwunden ist dichter als die Haut selbst, empfindlich,
anfangs röther, später weisser; sie hat eine feinere Epidermis.
J^Pössere Narben entstehen von Heilung mit eiternder Entzündung
Eei Substanzverlust der Haut, ln diesem Falle ist die Hautnarbe
"aarlos, und bei den Negern mehrentheils anfangs farblos, wor-
aber doch häufig in der Folge die schwarze Hautfarbe sich
. Die^Schleimhäute heilen schwer zusammen, worauf zumTheil
Schwierigkeiten bei der Ausführung der Gaumennath und
^armnath beruhen. Nach der Durchschneidung der Ausfuhrungs-
S'ange der Drüsen, entsteht, wenn die getrennten Stucke in Be-
*'"lirung bleiben, zuweilen eine Regeneration des Ganges, so dass
E&ine Verschliessung erfolgt. Diess hat zuerst Mueller de vulne-
diwt. exeret. Tüb. 1819. in 3 Fällen am Ductus Whartonia-
der Submaxillardrüse, und einmal am Ductus pancreaticus,
2 Fällen am Ductus defereiis des Hundes und der Ratze be-
"^laehtet. Brodie, Tiedemann, Gmelin, Levret und Lassaigne lia-
""n nach Unterbindung des Ductus choledochus in einigen fal-
394 II. Buch. Organ, chemische Processe. II. Abschn. Ernährung.
len eine Wiederherstellung des Ganges gesehen. Die Gelbsucht
verschwand in Tiedemakm’s Versuchen in einigen Fällen wie‘1®*'
nach 10 — 15 Tagen. Die Ligatur hatte hier entweder durcbg®'
schnitten, und war abgefallen ^ ehe die Durchschnittsflächen ver-
heilten, oder die coagulable Mateiie wurde um die Ligatur er-
gossen, und letztere hatte sich vielleicht im Innern des äusserlir*'
hergestellten Ganges abgestossen, und ist durch den Canal selb*
ausgetreten. In 13- 26 Tagen war der Gang wieder bergest®^ .
gefunden worden. Tiedemamn und Gmelin die Verdauung
Versuchen. 2.
Die Drüsen vernarben zwar, aber die Narhensuhstanz erbi'l'
nicht die Eigenschaften der Drüsensubstanz. Eben so verhält
sich mit den Muskeln. Die Narbensubstanz der Muskeln ist
P. Fh. Meckel, Richerahd, Pabry, Huh», Muhray und AuTENB'r’^.**
dem verdichteten Zellgewebe ähnlich, und zeigt keine Contrart’-
lität gegen galvanischen Reiz. Rleemann diss. circa reprod. p^f'
iium. Hai. 1786. Huhn de regen, partium mollium. Gott. 1'^^’
Murray de redintegratione partium etc. Gott. 1787. Aütenriet«
Schnell diss. de nat. unionts musculorum uulneratorum. Täb. 1811'b
Die Wunden des schwängern Uterus vernarhen sehr leicht, J‘|
Wunde wird durch die Zusammenziehnng des Uterus scbi'‘'‘
überaus klein. Es scheint, dass vorzugsweise die äussere serb*^
Haut des Uterus vernarbe. Vergl. Mayer, Graefe und WaI'
ther’s Journ. 11. 4. Eine neue Erzeugung von wahrer
Substanz, wie sie in Wolff tract. de formatione fibrarum must^'
larium m pericardio atque in pkura. Ileidelb. 1832. beschriebe"
wird, ist gewiss nicht annehmbar. Diese merkwürdigen faserig«“
Schichten auf Pleura und Herzbeutel, die ich im Museum
Heidelberg gesehen habe, sehen unregelmässigen Muskelfasern vv«l"
ähnlich, können aber doch wohl nur Faserstoffexsudate sey'"
Wir kennen keinen Reweis für die Existenz von Muskelsubsta«*'
als ihre Znsammenziehung. Vergl. Wutzer in Mueller’s
1834. p, 451.
Ueber die Regeneration der Nerven haben Arnemann, Hai«-
THON,. Prevost, Meyer, Fontana, Michaelis, Swan, Breschet,
BEMANN Untersuchungen angestellt; gleichwohl ist dieser Geg«"'
stand noch ziemlich im Unklaren, indem mehrere Beobachter J'“
Frage, ob die getrennten Stücke zusammenheilen, mit der Fr"»®
verwechselten, ob die Narbenmasse die Eigenschaften des Nerv^^"^
gewebes hat, was sowohl in anatomischer als physiologischer Hi»'
sichtreme Prüfung v,on ganz ausserordentlicher Schwierigkeit >*.'•
Bekanntlich ziehen sich die Nervenstücke nach der Durchseh»«*'
düng durch die Elasticität ihrer Scheide etwas zurück. Dass abei
die Nei venstücke, wenn sie nahe an einander liegen, sich vvieJ«*
vereinigen, dariuj ist freilich .nicht zu zweifeln. Soft nun
Nervensubstanz die Eigenschaften der Nerven haben, so muss
Primiliyfasern enthalten. Arnemann {Versuche Uber die Regenr.rtt'
tion. Gott. 1*97.) fand, dass die Narhensuhstanz von der «'S““"
Ihümhchen Substanz der Nerven verschieden sey, und eine hart.«
Anschwellung bilde. Dagegen Fontana {Versuche über das
•3. Wieder er Zeugung. W. bei exsudat, Entzündung. Neruen. 895
i‘^>'ngifi) <lie Aehiiliclikeit der SuLstanz nach Versuchen am N.
''agus der Kaninchen annimmt. Allein 29 Tage nach der^ Durch-
®‘dineidung konnten sich unmöglich die Primitivfasern in jener
Narbe erzeugen, die man nach meinen Beobachtungen seihst nach
Wochen noch nicht deutlich darin findet, indem, die Narhen-
'aasse dann noch wie dichtes Zellgewebe ist. Prevost (Fäoriep’s
N’ot. 360.), der den N. vagus an Katzen durchschnitt und wieder
teilen liess, fand nach 4 Monaten eine Fortsetzung der Nervenfä-
durch die Narbe. Sehr unwalirscbeinllcb ist Michaelis Angabe
die~ Regen, der Nerven. Cassel 1785.), dass nach Ausschnei-
düng -von 9 — 12 Lin. langen Nervenstücken nach mehreren Wo-
eine Vereinigung durch Nervenfaden statt fand. Meyer
(^eil’s Arch. 2. 449.) und Tiedemasn prüften die neu eräugten
Substanzen durch Salpetersaure, welche die Hüllen der Nerven
'‘uflöst aber die Nervensuhstanz zurücklässt. Piess Prütungsmit-
ist’aher wohl trüglich. Die Primitivfasern der Nerven unter-
sucht man wohl am besten mit dem einfachen Mikroskop heiLe-
^•■achtung von oben, indem der Nerve auf einem schwarzen Tä-
^«Ichen lie^t, in seine Nervencylinder zertheilt wird, diese festge-
*Pannt und wieder unter dem Mikroskop mit Nadeln in die nun
«'cht sichtbaren Primitivfasern auseinander gezerrt werden. Nach
^einerlei Art chemischer Behandlung bann man, so viel mich meine
Beobachtungen lehren, die feinsten Primitivfasern der Nerven stu-
d'ren, der Nerve muss ganz frisch mikroskopisch untersucht wer-
*^cn. Als ich auf diese sichere und in der That nicht sehr schwie-
*’'ge Art die Narbe des vor 7 Wochen zerschnittenen und wie-
der verheilten N. ischiadicus eines Kaninchens untersuchte, so
gönnte ich mich nicht hinreichend von der Existenz der paral e-
‘un Primitivfasern in der noch harten Narbenmasse uberzeugen,
aus dichtem Zellstoffe zu bestehen schien; ich werde das
cler_ Versuch e später angeben.
Von grossem Gewichte sind nun physiologische Versuche über
i'e Wiederherstellung der Empfindung und Bewegung in den
^Beilen deren Nerven vorher durchschnitten worden. Man kann
'‘ber auch wieder von den meisten der bisher angestellten Ver-
*’»che dieser Art behaupten, dass sie nicht mit hinreichender
N-ritik augestellt sind.
, Eine Wiederherstellung der Empfindung fand der Gegner
Reproduction, Arkemank, in einem seiner Versuche an einem
'««■her durchschnittenen IJautiierven des Vordertusses eines Hun-
des, ferner Descot («Aer die örtl. Krankh. der R'erven. Lcipz. 1826.)
Bei einem Manne, der sich den N. ulnaris verletzt hatte, und bei
’^eia anfangs im 4. und 5. Finger das Gefühl ganz mangelte, wah-
*'end die ersten Tage nach der Verletzung das Gelühl undeutlich
und sich nach und nach wiederherstellte. Descot s Fall be-
Jfeist nichts da der Nerve wohl nicht ganz durchschnitten war.
Bei einem jungen Manne sah ich Prof. Wutzer ein Neuroma des
N- ulnaris am Oberarme exstirpiren, wo dieser Nerve ober un
*‘“ter der Gesphwulst durchschnitten und mit der Geschwulst ein
396 II. Buch. Organ, chemische Processe. II. Abschn. Ernährung'
2^ Zoll langes Stück des Nerven ansgesclinitten wurde.
könnte sich unmöglich die Nervensubstanz reprodnciren, dennoc»
stellte sicli nach 3 — 4 "Wochen die Empfindung in der TJI**®®'’
^ Seite des 4. Fingers (nicht im 5. Finger) alirnühlig wieder
ofFenhar weil der Ramus volaris ulnaris digiti 4. mit einem Aesl'
eben des N. medianus verbunden ist. Nach 8 Monaten fand *
den 4. Finger auf beiden Seiten vollkommen empfindlich.
allmiihlige, aber unvollkommene Wiederkehr der Empfindung na®'*
Durchschneidung eines N. dorsalis pollicis bat Gbuithuisen
sich selbst beobachtet. In einem Falle, den Eari.e {med. chi’''
Trans. 7.) erzählt, wo ein Theil des N. ulnaris ausgeschniH®"
wurde, konnte der kleine Finger 5 Jahre nachher noch ni®^**
gebraucht werden und hatte nur unvollkommene Empfindung®"'
In der grossen Anzahl von Arnemanw^s Versuchen war das unt®**"
Stück eines durchschnittenen Nerven 100 — 160 Tage luiclil*"*;
ganz unempfindlich. Unter die merkAvürdigsten Versuche nh"'
die Reproduction der Nerven gehören die von HAtoTHo», Pbevos(
und Tiedemahn. Haigthon (Reil’s Arch. 2. 80.) durchschnilt J*"'
einem Hunde den N. vagus am Halse auf der einen Seite; als ®‘
3 Tage nachher den andern Nerven durchschnitt, starb das Thi®5;
wie immer, wenn beide Nerven zugleich durchschnitten sind. E®,
durchschnitt bei einem Hunde zuerst den einen, 9 Tage dar®*"
den andern Vagus. Der Hund lebte 13 Tage. An einem and®®"
Hunde wurde der Vagus der einert Seite 6 Wochen nach d®’"
Vagus der andern Seite durchschnitten. Der Hund war
darauf 6 Monate ungesund, aber er blieb am Leben. Die Stimi®*"
war nach 6 Monaten wiedergekehrt und die Töne waren höh®®
geworden. An dem Hunde, dem Haigthos 19 Monate vor!'®®
beide N. vagi durchschnitten, durchschnitt er nun wieder bei*^"
Vagi nach einander; das Thier starb am 2. Tage. Ricbera**"
hat die Versuche von Haigthon ohne Erfolg wiederholt. Au®**
Dreschet und Delpech leugnen die Regeneration der Nervensi'l’'
stanz. Evujy Vwisectionen 21%. Dagegen hat Prevost Haigtho»’®
Versuche bestätigt, FapaiEp’s Eot. .360. Als 2 neugebornen liatz®"
der eine N. vagus 1 und 2 Monate nacli der I3urclischneidu*^S
des andern durchschnitten wurde, starben die Thiere (im erst®"
Falle in lu, im zweiten Falle iu 3G Stunden). Dagegen lebt®"
2 junge Ratzen fort, als er den zweiten Vagus 4 Monate na®**
dem ersten durchschnitt, sie lebten noch 14 Tage nachher; all®*"
als nun der zuerst operirte und wieder verheilte Nerve nochio®*®
durchschnitten wurde, starben sie in .30 Stunden.
Die Beweiskraft einer andern Reihe von Versuchen beruht
auf der Wlederlierstellung der Bewegung in Gliedern, deren
ven vorher durchschnitten worden. Die meisten Versuche dies®"
Art beweisen gar nichts, wenn man nicht, wie in TiedemA!»"’®
Fall, alle JVerven eines Gliedes durchschneidet. Swan hatte vi®*®
Versuche über den Erfolg der Durchschneidung des Nerv«®
ischiadicus bei Kaninchen angestellt, aus denen sich jedoch k®"*
entscheidendes Resultat ergiebt. J. Swan über die Behandlu^r
der EocalkrankheUen der Nerven, übers, y. Francke, Leipäg
3. JFiedererzeusung. fF. bei exsudat. Entzündung. Nerven. 397
Thiere lernen nach der Durchschneidung des Nervus ischia-
f'ciis bald wieder gehen, aber erlangen den Vollkommnen Ge-
'**■411011 des Fusses niemals wieder. Dass diese Thiere selbst ei-
"‘ge Ta-^e nach der Durchschneidung des Nervus ischiadicus am
^■lerschenkel' den Fuss wieder gebrauchen, darf uns nicht wun-
'’ern. x)enn da die Aeste der Obersclienkelmuskeln ganz hoch
aus dem Plexus ischiadicus und dem N. ischiadicus abgehen,
!** werden sie in der Regel durch die Verletzung des Nervus
l^cliiadicus am Oberschenkel gar nicht betliedigt. Dazu kommt,
”*'ss die Oberschenkelmuskeln auch von dem N. cruralis und
'?l*turatorius verscbeii werden. Die Durcbschneidung des N^. iscbia-
'**cus in der Milte des Oberschenkels und selbst höher lahmt nur
Nervus peronaeus und tibialis , also die Muskeln des Unter-
*«l»enkels und FuSses. Ohne dass die Thiere vollkommen aullre-
können, werden dieselben nach jener Operation Moch das
^ein beim Gehen durch die vollkommene Wirkung der Ober-
*«henkelmuskeln gebrauchen.
Ich habe einige Versuche über die Regeneration der Nerven-
**»I»stanz nach einem veränderten Plane angestellt, dessen Anwen-
in der Folge gewiss sichere Resultate verspricht; aber leider
***>d die Versuche, die ich anstellte, nicht ganz entscheidend,
'«t erzähle sie, damit sie neue Versuche dieser Art veranlassen.
Ich hatte bei einem Kaninchen den N. ischiadicus am 13. Ja-
"Uar 1832 in der Mitte des Oberschenkels durchschnitten. Das
’J^tiier erhielt nach 2 IMonaten den Gebrauch seines Fusses nicht,
hinkte und die Ferse war aufgetreten. Am 7. April wurde
Thier wieder vorgenommen. Der N. ischiadicus wurde an
‘'em lebenden Thiere blossgelegt. Der Nerve war schon geheilt
■ "od zeigte eine lange Anschwellung. Der Nerve über der Narbe
'**il der Nadel gezeiVt, bewirkte keine Zuckungen m den Muskeln
Unterschenkels und Fusses, die Zerrung des obern Theils der
^'rhe eben so wenig. Dagegen bewirkte Zerrung des mittlern
feiles und untern Theiles der Narbe, so wie des Nerven unter
Narbe jedesmal eine Zuckung in den Muskeln des Unter-
*«tenkels, namentlich in den Muse, peronaeis, welche blossge-
kt waren. Die Haut des Fusses war unempfindlich von der
ferse bis zu den Zehen, am Unterschenkel war sie empfind-
jeh, offenbar, xveil die Nervi cutanei des Unterschenkels von
'lern durchschnittenen Theil des Nervus ischiadicus zum Theil
!J'*4hhängig sind. 2) Bei einem Kaninchen, bei dem ich den
Nervus yiiadicus über der Mitte des Oberschenkels durch-
''^linitten hatte, legte ich nach 1 Monat 20 Tagen darauf, als
Thier noch ebenso mit dem Fusse hinkte, wie anfangs
“ach der Operation, (bei dem lebenden Thiere) den Nerven wie-
bloss. Die mechanische Reizung des Nerven mit einer Na-
del erregte keine Zuckungen in den entblössten Muskeln des Un-
‘«rschenkels, während sie unter der Narbe auf den Nerven ange-
wandt Zuckungen, besonders in den blossgelegten Muse, peronaei,
“cwirkte. Der galvanische Reiz eines einfachen Plattenpaars au
“cn Nerven über der Narbe angewandt, wobei beide Platten über
;i98 II. Buch. Orgq.n. chemische Proce.tse. II. Abschn. Ernährung.
der Narbe applicirt trorden, erregte keine Zuckungen in den vof
dem Nervenstücke unter der Narbe abhängigen Muskeln.
Assistent, Herr Schwann, liess nun die Pole einer aus 100 Platten-
paaren bestehenden Säule von ausserordentlicher Kraft auf
Nerven über der Narbe, dem hier eine Glasplatte untergeschoben
war, wirken. Hier entstanden freilich starke Zuckungen in alle”
Muskeln des Unterschenkels. Allein es zeigte sich, dass der
sehr kräftige galvanische Strom durch den Nerven als blosse”
nassen thierischen Leiter fortgeleitet Wurde. Ein so starker Stro>”
ist, wie wir zu spät ersahen, zu keiner Art physiologischer Ve”'
suche brauchbar, weil er nicht wohl zu isoliren ist, und, wie
hernach sahen, auch schon durch einen ganz zermalmten Nerve”
und 2 ganz getrennte Nervenstücke, die durch eine feuchte Obe”'
fläche des Körpers, worauf sie liegen, verbunden sind, überspring*'
.3) Am 10. Juli 1832 wurde einem Kaninchen der Nervus isebi”'
dicus über der Mitte des Oberschenkels durchschnitten. Nach ”
Monaten, als das Thier immer noch beim Gehen den Fnss etw”*
schleppte, wurde bei diesem lebenden Thiere der Nervus isebi”'
dicus wieder blossgelegt. Der einfache galvanische Reiz und j”*"
in diesem Falle sehr schwache Reiz einer galvanischen Säule vo”
30 Plattenpaaren bewirkte keine Zuckungen in den Muskeln
Unterschenkels, als beide Pole oberhalb der länglichen Narb”
applicirt wurden. Wir erstaunten aber sehr, als wir unterhalb
der Narbe den galvanischen Reiz auf den Nerven, oder auf
NervTis peronaeus applicirten, und nun auch nur äusserst gering”
Spuren von Zuckungen in den Unterschenkelmuskeln und nanien*'
lieh den blossgefegten Muse, peronaeis entstehen sahen. Später”
mit Dr. Sticker angestellte Versuche {Mueh.er’s Archiu 1834. P-
202.) haben die Resultate dieser Versuche noch mehr aufgeklärt-
Man hatte zu viel Werth auf Nvsten’s Erfahrungen gelegt, da**
die Muskeln derer, die einige Tage nach einem Schlagflusse g”'
storben waren, trotz der' Hirnlähmung noch contractil gegen gal-
vanischen Reiz waren. Nysten a. a. 0. p. 36‘9. Es fand sid’
nämlich bei jenen Versuchen, dass das vom Hirneinfluss g”'
trennte untere Stück eines durchschnittenen Nerven in der ei-ste”
Zeit allerdings seine Reizbarkeit behält, dass sie aber, Yvenn d'”
Aneinanderheilnng der Nervenstücke verhindert wird, später ver-
loren geht, so dass man nach 2 Monaten durch den auf das un-
tere Nervenstück applicirten galvanischen Reiz eines einfache”
Plattenpaars keine Zuckungen mehr in den Muskeln erregen kann-
Selbst die Muskeln hatten ihre Reizbarkeit für das galvanisch”
Fluidum in mehreren Fällen- verloren.. Hiernach sprechen di”
vorhin erwähnten Versuche doch mehr für als gegen die Herstellung
der Nervenleitung. Im dritten Falle allein fehlte die Reizbarkeit
im untern Nervenstücke fast ganz, und in diesem Falle schein*
daher zwar eine Vernarbung der Nerven, aber keine Herstellung d”*'
Leitung statt gefunden zu haben. Da der Einfluss des Gehirns
und Rückenmarks auf die Nerven zur längern Erhaltung der Reiz-
barkeit eines Nerven, nach Sticker’s Versuchen, nöthig ist,
giebt die blosse Reizbarkeit des untern Stückes eines durchschni*-
3. Wiedererzeugung, W. hei exsudativer Entzündung. 399
J®öen Nerven nach mehreren Monaten den Beweis ah, dass die
Teilung (mit Herstellung der Leitung verbunden war. Schwann
neulich einen Versuch über die Reproduction der Nerven
einem Frosche angestellt. Er dnrchschnitt in der Mitte bei-
Oberschenkel den N. ischiadieus. In der ersten Zeit nach
Operation hüpfte der Frosch nur selten, sondern bewegte
meistens durch Kriechen fort. Nach Verlauf eines Monates
^Pfte ex schon häufiger, und nach 3 Monaten ging diese Bewe-
fast eben so gut von Statten, wie bei einem gesunden Frosch,
mich die Anfangs aufgehobene Empfindlichkeit in den Füssen war
''äch dieser Zeit grösstentheils zurückgekehrt. Wurden die bloss-
^®legten Nerven hoch oben oder dicht über der Narbe mit
''•‘Her Nadel gereizt, so entstanden starke Zuckungen an den ent-
*P*'echenden Muskeln. Dasselbe zeigte sich, wenn die Nerven
^Hier der Narbe und wenn die Muskeln selbst gereizt wurden.
der Untersuchung des Nerven fand Schwann Folgendes: Naeh-
Hein der Nerv (die Untersuchung konnte nur an Einem gemacht
^®rden) von den umgebenden Theilen, womit er an der verletzten
^•■elle zusammenhing, getrennt war, bemerkte man ein Stück von
'*')Sefäbr 1"' Länge, welches nicht die glänzende Weisse zeigte,
der übrige Nerv, sondern etwas mehr durchscheinend war.
schien dadurch die Grenze angedeutet, wie weit sich die
r*’ehschnittenen Nerven, wenigstens das Neurilem derselben zu-
*^!*®hgezogen hatte. Das mehr durchscheinende Stück musste
I H theils aus der aus dem durchschnittenen Nerven hervorquel-
^Hden Nervensubstanz, theils aus neu erzeugter Masse bestehn.
ganze Stück licss sich aber nicht für hervorgepresste Ner-
''^Hinasse erklären , weil es dafür zu lang war. Unter dem Mi-
^^Hscop zeigte die fragliche Stelle aber an ihrer’ ganzen Länge
an einander liegende Nervenfäden, und das mehr durch-
^'^leinende Ansehn schien nur durch ein weniger vollständig re-
Nducirtes Neurilem zu entstehn. Diese Fäden gingen confinuir-
in die Nervenfäden der beiden Nervenstümpfe über, und
an einzelnen Stellen die Nervencylinder nur durch ganz
,'''ine Fäden zusammenhingen, so liess sich diess durch die be-
der microscopischen Untersuchung vorgenommene Zerrung
^mären. Der obere Nervenstumpf war übrigens eben so ange-
'"‘‘Wollen , wie es an den Nerven in Amputationsstümpfen zu
pflegt ; beim unteren Nervenstumpf war djess nicht der Fall.
|. ®*'Versuch von Schwann beweist die Reproduction der Nerven deut-
Die Versuche von Haigthon, von Prevost und vonTiEOEMANN
'”‘1 ohnehin platterdings nicht erklärlich, wenn man nicht eine Re-
|'•'®daction der Nerven annimmt. Tiedemann, der bei einem Hunde
|| .‘ler Achselhöhle die Nervenstämme des Vorderbeins, nament-
den N. ulnaris, radialis, medianus, cutaneus ext. durchschnit-
beobachtete nach 8 Monaten und noch mehr nach 21 Mo-
j^ten eine Herstellung der Empfindung und Bewegung, so dass
Hund zuletzt den vollständigen Gebrauch des Fusses wieder
^.*®Hgt hatte. Diess ist einer der überzeugendsten Versuche für
Regeneration der Nerven. Für die Regeneration der Nerven
(
400 II. Buch. Organ, chemische Processe. II. Abschn. Ernährung-
bei kleinen durchschnittenen Nervenfasern spricht auch die
derkebr einiger Empfindung in transplantirtcn Hautlappen,
nach der Transplantation und Anwachsung von der Hauthriicl^f’
mit der sie früher noch zusamnienhingen , getrennt werden,
z. B. der aus der Stirn gebildete Hautlappen für die neue N#*®
nach dem Anwachsen an der Stelle des Zusammenhanges mit
Stirnhaut getrennt wird. Wenn hier keine Regeneration der t®*'
nen Nervenfäden an den Verwachsungsstellen einträte, so roüs®^^
ein solches Hautstück zuletzt ganz unempfindlich seyn. Nach de**
Erkundigungen, die ich in dieser Hinsicht bei dem Erfahrenst®*'
in diesen Dingen, Dieffenbach, eingezogen, bleibt die Empfindlich*'
keit in diesen Theilen zwar immer sehr gering, aber sie ist doc**
nicht ganz zu läugnen.
Ein Umstand, der es besonders schwierig macht, sich c'***
deutliche Vorstellung von dem Hergange bei der Regeneration d®*"
Nerven zu machen, ist das Vorhandenseyn von Bündeln verschi*®'
dener Nervenfasern in manchen Nerven, motorischer und sensih*®*^
Fasern, wovon die ersteren, wie später gezeigt wird, allein di®
Fähigkeit haben, Muskelbewegungen zu erzeugen. Bei der R®g®'
ncration solcher Nerven müssten daher die motorischen Fas®*'*'
mit den motorischen, die sensiblen mit den sensiblen verwachs®'!*
was wieder schwer ist sich vorzustellen, wenn män die Feinh®*
dieser Fasern bedenkt. Schwank bezweckte bei seinem uh*®"
erwähnten Versuch hauptsächlich zu ermitteln, ob das Zusai**'
menheilen von Empfindungs- und Beweguogsfasern an dui®h*'
schnittenen Nerven dadurch bewiesen werden könne, dass, iv®""
die hinteren (Empfindungs-) Wurzeln solcher Nerven im Rücke'*'
markskanale gereizt werden, vielleicht Zuckungen entständen.
legte daher an dem Frosche, an dem die N. ischiadici auf bei«!®'’
Seiten durchschnitten uud wieder znsammengeheilt waren,
Rückenmark bloss und durchschnitt die hinteren Whirzeln b®*'
der Seiten; allein es zeigte, sich keine Bewegung in den Sehen'
kein, dagegen entstanden starke Zuckungen in den Muskeln «h®*
Unterschenkels, als die vorderen Wurzeln durchschnitten wurd®**'
Aus diesem negativen Resultat aber )iess sich kein Schluss geg.®"
das Zusammenheilen von Empfindungs- und Bewegungsnerven *h®'
hen, weil der Erfolg dadurch erklärt werden kann, dass die
pfindungsnerven vielleicht nicht das Vermögen besitzen, eine R®*'
zung vom Centrura nach der Peripherie zu leiten.
Die von den Neuralgien hergenommenen Gründe für die R®'
production der Nerven sind wohl die schwächsten. Nach
Durchschneidung eines schmerzhaften Nerven kehren die Schm®®'
zen oft wieder. Diess würde sich allein schon aus dem Umst***.!
erklären, dass das Nervenleiden seinen Sitz selbst über die Steh®
der Durchschneidung nach dem Stamme hinauf ausdehne,
dass die Narbe des Nerven Schmerzen an dem Stamme erreg®'
Dass diese später wieder ersclieinenden Schmerzen in den änss®'
ren Theilen empfunden zu werden scheinen, darf uns nicht wu"'
dem. Denn die Stämme der Nerven enthalten noch die Sutn*®®
der Fasern, die sich in den Zweigen daraus entwickeln, und d»
3. Wiedererzeugung. W. hei exsudatiper Entzündung. Nerven. 401
örtliclien Empfindungen durch die Verhindungen dieser Fa-
mit dem Gehirne entstehen, so kann ein Nervenstumpf noch
^-mpfindungen erzeugen, die in den äussern Tlieilen zu seyn schei-
Diess kömmt nocli vor, wenn die äusseren Stücke gar nicht
’*'ehr vorlianden sind. Bei allen Amputirten, die ich untersucht.
Sollen die Empfindungen, als wenn die amputirten Theile noch
^^fhanden wären, nie ganz verloren; ich habe Ainputirte 12 und
?iehr Jahre nach der Operation untersucht. Wenn die Nerven
dem Amputationsstumpf lange gedrückt werden, so haben sie
ji® deutlichen Empfindungen, als wenn das Bein oder der Arm,
grösstentheils gar nicht mehr vorhanden sind, einschliefen,
diese Empfindungen einige Zeit nach der Amputation sich
'’p'lieren sollen, ist ein Irrthum der Aerzte und Chirurgen, welche
Kranken gewöhnlich nur einige Monate sehen.
Von besonderem Interesse sind Gruituuisen’s Beobachtungen
?,*' sich selbst, nachdem er sich den Nervus dorsalis radialis pol-
am hintern Theile des 2. Gliedes durch eine bis auf den
^äoehen gehende grosse Querwunde durch Zufall zerschnitten
”®He. Die linke Seite des Daumriiekens war bis unter den Na-
ganz unempfindlich. Zur Zeit der Entzündung wurde diese
^*®Utstelle schmerzhaft und litt an einem dauernden, steehenden
brennenden Schmerz. (Diess war wohl durch die Entzün-
des Nervenstumpfes vom obern Theile des Nerven verur-
**'*cbt, und w'urde nur scheinbar, wie nach Amputationen, in der' >.
'‘'‘empfindlichen Haut gefühlt.) Diese Schmerzen verschwanden
“ach 8 Tagen mit der Heilung, worauf der unempfindliche Zu-
®^“nd wieder einlrat. Später trat einige Empfindung, aber eine
j'ir höchst unbestimmte, ein. Gruitiiuisen. konnte, wenn er die
p“gen schloss, auf einer Strecke von 2 Zoll Länge und -j Zoll
l*'eite nicht bestimmen, wo er berührt wurde, und machte Feh-
Jp“ von 3 — 5 Linien. Wenn er auf die Narbe klopfte, hatte er
Empfindung von Prickeln unter dem Nagel. 8 Monate, nach-
“eui er diese Beobachtungen angcstellt, war die Empfindung
'”“rchaus noch ebenso undeutlich w ie früher. Ghuituuiseb schliosst
der Bemerkung, dass die Empfindungseindrücke zwar durcl4
Nervennarbe geleitet werden können, allein sic werden nach
* '.“a in dieser Narbe zu sehr ausgebreitet, als dass sie durch be-
*l'ttimte Nervenfasern dem Sensorium wie von einem bestimmten
' kommend erscheinen könnten. Beiträge zur Physiognosie und
'^^fognosie.
Was die Rcproduction des Gehirns und E.ückenmarks betrifft,
p liegen keine Thatsachen vor, welche beweisen, dass jemals die
,“lgen der Zerstörung der Gehirnmasse und des Rückenmarkes
l'U'ch die Reprodu4ion der neuen Substanz ganz bergestellt wer-
p®“' Armem. vNN sah zwar bei Hunden nach Verlust von 26 — 54
Gehirn 7 Wochen später die Wunde von neuer gallertartl-
gelblicher Substanz ausgefüllt, die sich leichter als die Hirji-
®'‘l(stanz in Wasser löste. Es fragt sich aber, ob diese neue Ma-
“'•ie wirklich Ilirnsubstanz ist. Zerstörungen des grossen Gehirns
““ der Oberfläche haben oll keine auflallenden Folgen, wenn sie
402 11. Buch. Organ, chemische Processe. II. Abschn. Ernährung.
nicht mit Druck oder Irritation verbanden sind. Verletzunge**
des Rückenmarkes sind bekanntlich leider unheilbar. Das Gehir"
vernarbt nach Flouhehs ( V ersuche über die Eigensch, und Verricht-
des ]\er<)ensystems) zwar leicht, aber eine eigentliche Reproductio“
der Hirnsubstanz, die Arhemasw angenommen, findet nach ih*®
niclit statt, indem die verwundeten Theile anfangs zwar aufschwßj'
mn, aber später wieder collabiren und einfach vernarben.
Functionen des Gehirns stellen sich zwar oft wieder her- allei"
diess geschieht, wenn es geschieht, öfter schon nach einigen Ta-
gen , und die Reprodnction hat wohl niclit allen Aiftheil daraf-
Indess soll doch die Wandung eines Hirn Ventrikels, wenn sie
einer Mrecke weggenommen worden, durch Verlängerung
Huide sich wieder herstcllcn. ° °
h. Regeneration lei suppurativer Entzündung.
Die eiternde oder suppurative Entzündung bildet sich'imn’®''
aus, wenn eine Wunde im exsudativen Stadium der Entzündung
nicht heilra kann. Während der Heilung einer Wunde hei ««p'
purativer Entzündung wird keine plastische Materie (aufgelöst«*’
Faserstoff), vvelche organisirbar ist, ausgeschieden, der Eiter
nicht orgamsationsfähig. Home’s Ideen über, die Umbildung
Hiter in Fleischwärzchen, sind wohl ein gänzliches Missverstand'
der ‘’'**’‘*^* Absonderung «“f
der Oberllache oder im Innern des entzündeten Theiles wob«‘
der Elter im Moment der Secretion nach BnuGiiAjis und’ Aute:*'
Kieth flüssiger und klarer zu seyn sclieint. Diese Absonderup?
scheint auf Kosten von durch die Entzündung zersetzter Mater'«
zu geschehen. Die Eiterkügelchen sind ungleich, meist gröss«^
als Blutkörperchen, mit denen sie keine Aehnlichkeit der Gestalt
Ak entweder abgestossene Theilchen der eiternd«**
Oberfläche, oder entstehen erst wie andere Kügelchen der Sccrct«
a" , *Sen tum im Moment der Secretion, auf iihnlicl'«
CoagMation^Mstehem ““fS^lösten Eiweiss hei beginnend«*’
St-,d;?Pv?^d '‘^***'den per priraara intentionem ****
der Entzündung, verwachsen die Wundränd«^
der Hp-P aufgelösten Materie des Blutes. T«'
der Heilung eiternder Wunden entstehen keine neuen Gefässe •**
vorher von der Oberfläche exsudirter Materie, sondern die eiter**'
Sish-tP.?‘'p 7? P"*’ “"“""i Wachsthum der ot'
stelirr ü pPd” ” vorgeschoben. Die Meinungen der Scliri«'
derbar einfachen Process waren zum Theil sehr so**'
Wunde findn Granulation einer eiternd«**
2erie sf .n “'**1 Exsudation von coagulabl«*’
Materie statt, die sich organisire. Allein Eiterun" und Exsudatiou
von organisirbarer Materie schliessen sich immei au7 uS kön««**
nicht zugleich auf einer und derselben Stelle einer’ Wunde statt
finden. Lawgenbeck urtheilte, dass die Heilung dann erst eintret«!
rdTr”r gefässreichen Erhabenheit«**
MitP Absonderung einstellen, und plastisch«
Materie absondern. D*ess lässt sich jedoch nicht behaupten. Ei***^
3. TP^ieder er Zeugung, fV, bei suppurativer Entzünd, Enocften, 403
^iinde \on guter Eiterabsonderung bildet neue Substanz dnrcb
^acbsthum und wird kleiner, während lu gleicher Zeit auf ihrer
Oberfläche der Zersclzungsprocess, die Eiterung, fortdauert, wie
so oft sieht, und wie auch Pauli immer fand. Da nun die
Granulationen nicht vorher exsudirt sind, so kann man nach mei-
Ansicht bloss aiinehmen, dass die schon organisirte Substanz
Wundbeckens am Rande und in der Tiefe sich wachsend
?.’*sdehne durch Intussusceptio (pag. 357.), ähnlich dem gewöhn-
Jehen W^achsthume aller organisirten Theile, nur viel rascher.
P'® eiternde Wunde wächst daher in allen Dimensionen vom
^••nde wie von der Tiefe gleichförmig zu ihrer eigenen Verklei-
J®rung Yor, Diese Productionen des Beckens der Wunde von
'bi'niger Oberfläche werden Granulationen genannt. Sie enthal-
l®" nicht die Enden der Gefässe, welche etwa den Eiter abson-
, rn, denn Enden der Blutgefässe giebt es an keinem Orte, son-
®ru sie enthalten Cnpillurgefässnetze. Der Eiter wird also nicht
Blutgefässenden abgesondert, sondern von der exponirten
Oberfläche der Granulationen. Da nun das Vordringen der or-
S^äisirten Theile von allen Selten, vom Rande wie von der Tiefe
'“S gleichförmig geschieht, so wird die Circumferenz der Wunde
das Becken immer kleiner, und zuletzt punktförmig, oder
Null reducirt, wodurch die Eiterung von selbst aufhört. Nur
'''enn der Boden stärker als die Ränder wächst, erhebt sich der
8‘'anulii-ende Boden über die Ränder empor; in diesem Zustande
die eiternde Wunde nicht reducirt werden, und das rechte
ycrhältniss der wachsenden Ränder zum wachsenden Boden wird
^fch Cautcrisalion bergestellt. Im entgegengesetzten Falle, wenn
Boden irn Wachst!) iime zurück bleibt, wird die Wunde sinuös,
ll"d die Ränder müssen aufgeschlitzt werden. Bei ganz oberfläch-
beber Eiterung hört zuletzt die Eiterung mit der Entzündung
ohne dass cs der Reduction bedarf. Von den Capillargef ässcn
®'äer eiternden Wunde hat Pauli de mlneribus sanandis comment,
Chirurg, praemio ornata, Gott. 1825. eine mikroskopische
^^bildung gegeben.
^ Bel grossen Substanzverlusten der Haut wird diese tbeils durch
^'’oduction der Ränder, theils durch Verdichtung des Zellgewebes
^*etzt, was man z. B. in hohem Grade bei Verlust von grossen
'heilen des flodensackes beobachtet hat. Bei grossem Snbstanz-
i^rluste der Haut mit Nccrose der Knochen, wo das necrotische
^•»ochenstück abgestossen wird, und die weichw'erdende granuli-
Oberfläche des Knochens empor wächst (wie wir hier z. K
®'öen gi;ossen Substanzverlust der Schädeldecken und Necrose el-
JJ®* grossen Theils der äussern Lamelle des Schädels nach Ver-
b^eununn^ beobachtet haben), scheint die Narbensubstanz zumTheil
Veidängerung der Hautränder, zum Theil selbst durch Zell-
S^'vebe- Production der Oberfläche des granulirenden Knochens,
b®»’ sich auch wieder seine Beinhaut bildet, zu entstehen,
1. Der Process, welcher auf die Necrose der Knochen erfolgt,
bietet ein grosses physiologisches Interesse dar.
Ein Knochen vfird necrotisch oder stirbt ab, entweder in
26*
404 IL Buch, Organ, chemische Processe, II. Ahschn. Ernährung.
Folge eines Übeln Ausganges der (dyscrasiscben)Rnocbenentzündung?
oder in Folge von Zerstörung seiner Gelasse durch Zerstöruno
der Beinhaut oder des Markgewebes. Wird die Beinhaut, di®
durch ihre Gefässe in dem innigsten Zusammenhänge mit den GC'
fassen des Knochens steht, in beträchtlicher .Strecke zerstört, s®
stirbt die äussere Schichte des Knochcus (nicht die ganze Dick®
des Knochens) ah, weil die Gefässe der äusscrn Schichte durcj
Zerstörung der Beinhaut ausser Thätigkeit gesetzt sind. WiC
das Markgcwehe eines Knochens durch Entzündung oder künst'
lieh in einem durchsägten Röhrenknochen eines Thieres zerstöi'h
so sterben die inneren Schichten des Knochens (nicht die gaii*®
Dicke des Knochens) ah, weil die Gefässe der inneren Schichte"
des Knochens mit den Gelassen des Markgewehes im innigste"
Zusammenhänge stehen. Merkwürdig ist nun der Process, wej'
eher hei der innern Kecrose iu den äusseren noch lebenden TliC'
len des Knochens, hei der äussern JMecrose in den inneren noc"
lebenden Theilen des Knochens entsteht. Dieser Theil des KnO'
chens entzündet sich, die Folge dieser Entzündung ist imSladiu"'
exsudativum Ausschwitzung, wie heim entzündeten gebrochene"
Knochen, worauf später die ausgeschwitzte Masse wie hei de"
Knochenbrüchen oi’g.a.nisirt und ossillcirt wird. Hat man de"
Knochen äusserlich verletzt, und eine äussere Necrose hcwii’kh
so erfolgt die Exsudation auf der innern Fläche der Höhle de*
Röhrenknochen, wodurch die Markhöhle verkleinert wird. Di®'
ser Gallus auf* der innern Fläche der Röhrenknochen verstärkl
nun die Dicke des Knochens, dessen äussere Schicht ahgestorhe"
ist. Bewirkt man dagegen eine Zerstörung des^Vlarkes an eine"*
durchsägten Röhrenknochen eines Thieres, worauf die innei'f
Schichte ahstlrht, so erfolgt die Exsudation auf der, äusseren Fläch® '
von den äusseren noch lebenden Schichten des Knochens. Dies®
Exsudationen sieht man am deutlichsten hei Vögeln, in der®"
hohle Knochen man einen heissen Stab bringt.
Von der im Stadiutn exsudativum erfolgenden Ablagerung vo"
Knochenmaterie in der Alarkhöhle im cysten Falle, auf der Ohef'
fläche zwischen Beinhaut und Knochen im zweiten Falle, habe"
die meisten Schriftsteller nicht die Aufschwellurig des entzünde'
ton Knochens seihst unterschieden, welche Scaupa die Expansio"
nennt. Diese sicht man deutlicher in den Knochen der SäugC'"
thiere. Die Exsuclation ist ein Process, der nur eine ZeitlanS
dauert. Die Aufschwcllung dauert während des ganzen Verlaufe*
der Rnochenenlzündimg fort, und erscheint erst recht deutlich),
wenn der Knochen sich gegen das necrotische Stück hin erweichh
und hier üheraus gefässreich wird; diese Expansion des entzü"'
deteii und erw'cichteu Knochens hat bei den Säugethleren de"
grössten Aulheil an der Regeneration des necrotischen Knoche"'
Iheils. Au der Stelle, xvo die gesunde äussere Schichte die i"'
nere necrotische oder die gesunde innere Schichte die äusscf®
necrotische berührt, wird die noch lebende entzündete Knoche"'
schichte ganz weich, roth, granulirend, und wächst hei der i"'
nern Necrose nach aussen vor, wodurch um die necrotische i"'
4. Wiedererzengung. IV. bei suppura/wer Entzündung. 405
^ere Schichte (Seipester) nicht eine neue Röhre, söndefp cinq
Verstärkung der äussern Schichte entsteht, oder unterhalb der
eussern ahgestossenen necrotischen Schicht eine Verstärkung der
*enern Schicht nach aussea sowohl als gegen die Markhökle hin
erfolgt. Diese Aufschwelluna dauert fört, während die Oherlläche
“es entzündeten und erwei^iten Knochens entweder nach innen
^egen die innere Necrose, oder nach aussen hin gegen die äussere
■Seerose Eiter aljzusonderu fortfährt.
, _ Ist die ganze Dicke eines Knochens abgestorben, so kann
*^ein Knochen regenerirt werden ; die Beinhaut hat nichts damit
-schatFen; dagegen erfolgt die Regeneration in der Regel, wenn
"<oss die äussere oder innere Schicht abgestorben ist; es wird
®ber hier kein neuer Kfiochen gebildet, sondern das bei der in-
^ern Necrose abgestorbene Röhrenstück ist nur eben die innere
“chicht des Röhrenknochens, pnd die neue Röhre um die ab-
Sestorbene ist auch eben nur die verstärkte und aufgeschwollene
**üssere Schichte des Röhrenknochens.
^ Man hat sich viel gestritten, ob die Reproduction der neuen
Auochenmasse, welche den Serpester bei der innern Necrose ein-
®chliesst, von der Aufschwellung der äusseren Scbichten des Knö-
^ens'oder von der überkleidenden Beinhaut ansgehe. Weidmann
necrosi ossium) nimmt beide Fälle an. Troja behauptet nach
*®inen neueren Versuchen das Erstere, und Scarpa hat es neuer-
'^‘''gs als richtig erwiesen. Meding dagegen vertheidigfc die Re-
l'J’oduction des Knochens durch die Beinhaut. Es ist für’s Erste
begreiflich, dass eine Haut, wie die Beinhant, welche nur
fräger der von ihr in den Knochen eindringenden Gefässe und
^_*ille desselben ist, organisirte Knochenmasse bilden soll. Gegen
^'Cse Vorstellung habe ich mich schon pag. 362. erklärt. Allein
lässt sich bestimmt durch Versuche an Säugethieren (die hierzu
“Csser geeignet als die Vögel sind) zeigen, dass die Bildung der
•jenen Röhre theils durch Exsudation (int Stadio exsudativo) auf
Oberfläche des Knochens geschieht, welche man auch für
^'^sudation des entzündeten Knochens und nicht der Beinhant
^nzusehen hat, dass aber der grösst? Theil der Knochenmasse
••.’ll' durch die während der ganzen Eiterung fortdauernde spon-
&öse Aufschwellung der äussern Schichte (bei der innern Necrose)
^®l>ildet wird. Ich berufe mich hier auf die trefflichen Beobach-
.••"gen meines Collegcn M. J. Weber, die Bannertu in seiner in-
.®vessanten Dissertation zugleich bekannt gemacht, tind wozu er
•® Abhildungcn der Präparate gegeben hat.
Alles, was ich hier über die Reproduction der Knochen be-
>.®vkt habe, beruht auf der mir gütigst erlaubten Untersuchung
>eser Präparate, welche gar keinen Zweifel an der Richtigkeit
j'®*' ScARPA’schen Ansicht übrig lassen, nur dass Scarpa die an-
erfolgende Exsudation zwischen Bpinhaut und Knochen un-
®®chtet gelassen hat, die man bei Vögeln deutlichem sieht, die
jj auch ein Product des Knochens selbst ist. Ba den-Vögeln
man die Exsudation deutlicher, obwohl die spongiöse Auf-
'VPellung des Knochens auch nicht fehlt ; bei Säugäthieren sieht
406 11. Buch. Organ, chemische Processe. II. Ahschn. Ernährung-
man die letztere deutlicher, obwohl die crstere auch nicht
fehlt.
Die Beiiihaut überzieht die neue Knochenmasse in Webek’*
Präparaten unverändert, nur dass sie hier und da eine ganz klein®
knorpelähnliche Anschwellung zeigt. Vergl. Tboja, neue Beob.
Vers, vier die Knochen, übers, von Schönberg. Erlang. 1828. K®®'
LEE exp. circa reg euer ationem ossium. Gott. 1786. Kortum diss. eXp-
et obsero. circa regpnerationem ossium. Berol. 1824. Meding
de regeneratione ossium. Lips. 1823. Scahpa über die Expansio»
der Knochen und den Callas. Weimar 1828. Bannehth, Natura^
conaminum in ossibus laesis sanandis indagatio anatomica physiologi^^xi-
Bonnae 1831.
Die reichhaltigste Zusammenstellung der Litteratur über di®
Reproduction der verschiedensten Theile liefert die vorher e*"'
wähnte Preisschrift von Pauli.
Berlin, gedruckt bei den Gebr. Ünß®'''
HANDBUCH
(‘HYSIOLOGIE des MENSCHEN
für Vorlesüngen.
Von
D r. Johannes Müller,
öffentl. Professor der Anatomie und Pliysiologie an der Königl.
’'*edricK Wülielms-XJnivcrsItät und an der Königl. racdicni. - cliirurg. Militär-
^^sdemic in Berlin, Birector des Königl. anaiom. Museums -und an.atom.
^‘eaters, Mitglied der medicin. Obercxaminationscoramission, Mitglied der
.^^*gl. Academie der "VN^Issenscliaften zu Berlin, der Kaiserl. Aeadcmie der
* -»enscliaften zu St. Petersburg , der Königl. Aeadcmie der W^issenscbafteri
^tocbliolm, der Kaiserl. Academie der Naturforscher, der Gesellschaft natur-
^"‘•"eKender Freunde zu Berlin, des Vereins für Heiltunde in Preussen, der
Chirurg. Gesellschaft zu Berlin, der sehtvedischen Gesellschaft der Aerzte
Stockholm, der Gesellschaften für Natur- und Heilkunde zu Heidelberg,
Erlangen, Freiburg, Münster Alitglied.
Hrslen Bandes zweite Ahtheilung.
Mit Königlich W ü r t e m b c r g I s c h en Privilegien.
C o b 1 e n z,
Verlag von J* HölscKer-
1834.
r
- ,1
i.u
.fl D li fi '• '■■: 'i • o f I V i
ti o 7
.’i
all
i( -/
r> n
Il i' i
i ^
r
• A
•j-4> i;;i ’i
vofoi<.
ni'f ]
•:!Il ‘/'iTn
irif/' '•
.1»
;'K .
•jirf.iib - .n!
.'■jl/
!' A ‘f !> 11.'
.r.i' jir.ii.i
Ih'ui .iiuü
J'.U*/l '
.tliotf.i
il/*. .i - 'i'> '
V ,/».
'tr<l • J I
\v
••n>
ly/il:
.♦fl/-
I.UflKII»
a -u vil
if*) .tf
‘I
~ >1»
.'Mtll-
Jr.>
■.
■ f.
l!.<
f -
üb ^■
;■* ■ .'/ i.'i
1 -•♦■'rtü
ii'r.-i/
T)
!. .■ .„cl/-, ■,
'1
■r. ■;
■.r t(
.üflMl-t . .*t f
• ->*» . 1
-.(1 VT.
I.-./ -1.
r, -u.r.
!t*
';yl»
t •‘‘‘'
■
*1 .n.^irtU
r.i ^ir'>T> /
■lll ,
rn r>tl
• u
.mKst
• /, TI
.{» •■'.:/
.i ) - f,
,1
« ’/ilTfi T-i!»
ftiivT 7!
.US 1'!'
•ir;
f'd* ‘‘
i ■/■;■
of w r.
1 üii/iil l.fi:
• --.Jlli:/
■' l/i ll t
.i.-.:i:
ul' .
.n.n ilt .•
.»ui!r>v
,t..i
io-/.! Ijn .1
'AV\A\v\t/ 'xüyh.^ \ w A/:\A
.if y : i i f ’» 'I fT f> tl ■} f. ' - •» ; «‘j <■ 7^ ' i ■ i n «’> /i
u a ^ 1» 0 V
.•I ■, l': ■, ■■. r.ö' II .C- ij-d' •■
l ( ' !
///. Abschnitt. Von der Absonderung.
i- Capiiel. Von den Absonderungen im Allgemeinen.
^Vdirend das Blut aus den feinsten Zweigen der Arterien durcli
CapiUargef'ässnetze m die A-nfänge der Venen übcrgcntj
S'^n die flüssigen, d. li. aufgelösten Theile des Bluts nach den
l’^g. 225 dargestelltcn Gesetzen durcli Tränkung zum Tlicil in
'las Gewebe der Organe ein. Diese erleiden durch die Einwir-
des Gewebes eme ebemisebe Veränderung: gewisse Bcstand-
l^eile werden angezogen , andere werden von den Organlbcilcn
halbst an das Blut abgegeben. Man kann diese Veränderungen
:1er aus dem Kreisläufe des Blutes abgebenden Theile dessell)en
Allgemeinen Metamorphose nennen. Die Metamorphose der
‘^i^ibstanz auf diesem Wege ist aber überhaupt eine dreifache:
Verwandlung von Bcstandtheilen des Bluts in die organisirte
'^äbstanz verschiedener Organe — Infussiisr.epiio, Ernährung. Diese
im vorhergehenden Abschnitt ])ag. 341 abgebandelt. 2. V er-
von Bestandthcilen des I3luts auf der flachenhaften
llrenze eines Organes in feste, nicht organisirte Substanz, wo-
'l^ch die nicht organisirten Theile wachsen — Appositio. Da-
'"'n ist pa". 363 gehandelt. 3. Verwandlung von Bcstandtheilen des
^'utes Lf der flächenhaften Grenze eines Organes in eine auszu-
^'^l'eidende flüssige Materie — Secretio , Absonderung. Diese ist
Gegenstand' der gegenwärtigen Untersuchung. Materien,
Welche durch diesen chemischen Prozess zwischen dem Blute
einem absoiidcrnden Apparat ausgesebieden werden, sind
fliells; 1. Bestandtheile, welche als solche bereits in dem Blute
^?'’lianden waren und Idoss aus demselben entfernt werden, wie
7'-' Ausscheidung des Harnstoffs durch die Nieren, die Ausschei-
der Milchsäure und milchsaiircn Salze durch den Urin und
.«»■'^h den Schweiss — Exrretio, Exereta. Bei dem Menschen
«lie in der Tblerwelt allgemeinsten Exereta, Harn und
'^hweiss, sauer- indessen ist es nicht constant , dass die Exere-
««nsstoffe sämmtlich sauer reagiren, wie Berzelius einst die
>derungen ordnete: denn der Harn einiger pflanzenfressenden
;^‘'iere reagirt alkalisch und die eigenthürnlicben Exereta mehre-
er Thiere sind zuweilen alkalisch, wie ich z. B. den scharen
~’‘c>etionsstofT der Haut der Kröten gefunden habe. 2. Ab^n-
'eruiigen von Materien, welche nicht unmittelbar aus dem litut
'‘“geschieden werden können, Indem sie darin nicht vorhanden
‘.“'l; die vielmehr aus näheren Bcstandtheilen des Bluts erst durch
*“en chemischen Prozess erzeugt werden, wie die Galle, der
“'tcr’s Physiologie. 27
I
408 11. Buch. Organ, ehern. Processe. III. Abschnitt. Absonderung.
Samen, die Milch, der Schleim u, s. w. Secretio. Die SecreO
dieser Art sind zum Theil auch wieder hloss Ausscheidungen)
welche weiter keinen Zweck in der thierischen Oekonomie mehr
erfüllen, sondern höchstens zum Schaden für andere thierische
Wesen und zur Vcrtheldigung derjenigen, welche sie bilde")
dienen oder durch Verbreilung cigcnthümlicher Gerüche ander®
thierische Wesen anziehen oder ahstossenu. s. w., und dadurch in we>'
teren Kreisen in den Plan der thierischen Oekonomie der Natiü
cingreifen. Dergleichen Exeretionsstoffe werden an fast allen Thcile"
der Körperoberfläehc in der Thierwclt abgesondert. Es gehöre"
z. B. hierher die scharfen Absonderungen vieler Käfer, der WeS'
pen, der Bienen, des Scorpions, die Spinnmaterie der Spinne")
Insecten , Muscheln, der Tintcnbeutel der Cephalopoden, die S"h'
maxillar-MoschusdrüsedesCrocodils, dieFolllculilacrymalesderWi®'
derkäuer, die Gesichtsdrüsen der Fledermäuse, die Schläfendiüs®
des Elephanten, die mit unzähligen Oeffnungen (und nicht
einer Längenspalte, wie Geoffk. St. ILlairk angab) sich öffne"'
den Drüsen im Ilypochondriura der Spitzmäuse, die B.ückendrüs®
des Tajassu, die Oeldrüsen über dem Sleiss der Vögel, die 31"'
schusdrüse am Schwanz des Sorex moschatus, die Afterdrüse"
der Fischotter, des Maulwurfs, des Bibers, der Hyäne, des 2i'
betthiers u. s. w., die Voi'bautdrüsensäcke der Hamster und B"t'
ten, des Bibers, worin das Bibergeil enthalten, die Folliculi inguinale*
der Hasen, der Moschusbeutel des Moschusthiers unter der Ha"^
des Unterleibs, über dem Penis gelegen und vor der Vorha"*
sich öffnend; die Schenkeldrüsen mehrerer Eidechsen, die Gid'
schenkeldrüse des Schnabelthicrs, die Klanendrüsc mehrerer Wi®'
derkäuer. Siehe das Nähere in J. Mueller de glandularum secerneJ^'
Hum structura penitiori. Lipsiae 1830. Diese Exeretionsstoffe kö"'
nen Wirkungen ausser dem Thiere hervorbringen, aber auch f"’
die thierische Oecouomie desjenigen Organismus, welcher sie a"*'
scheidet, in sofern wichtig werden, als die Bildung dieser Stoff®
auf Kosten gewisser näherer Beslandthcile des Bluts geschehe"
muss, das Blut also durch die beständige Aussclieidung §®'
wisser, zu dieser Zusanunsetzung nölliiger Elemente seihst cb®'
misch verändert wird. Die Unterdrückung dieser Absonderung®.*'
würde zum Theil vielleicht eben so nachtheilig wirken, wie ff***
Unterdrückung gewisser krankhafter Ausscheidungen bei d®*®
Menschen, welche gleichsam als Apparate für die Erhaltung
gesunden Mischung des Blutes zu betrachten sind. Wenn s'v
eine organische Verbindung ausser dem thierischen Körper **’
eine andere umwandelt, so werden gewisse Bestandtbeile , di®
zu dieser zweiten Verbindung überflüssig sind, ausgeschled®"’
wie bei der Umwandlung des Zuckers in Weingeist Kohlensäu"®
entweichen muss. Unter demselben Gesichtspunkt kann
nicht bloss die Ausscheidung des Schweisses und Harnes, sond®""
auch die der eigenthümlichen Exeretionsstoffe mancher Thi®."®
betrachten. Die Bildung und Ausscheidung des Harnstoff®* **
für die Erzeugung einer edlem organischen Verbindung dasselh®)
was die Ausscheidung der Kohlensäure bei Bildung des Weing^'
stes aus Zucker. Wendet man dies auf die Ausscheidung kra"
1. Von den Absonderungen im Allgemeinen.
409
Käfter Stoffe an, so muss man wolil zweierlei krankliafte Aksonilerun-
untersclieiclen ; bei der einen Art ist ein krankhaftes Secre-
Jionsproduct dermalen zur Erhaltung der gesunden Mischung des
®lids nöthig und so lange der Mischungsprozess des Blutes uber-
^'aiipt nicht günstig verändert worden, lässt sich eine solche krank-
l'afte Secretion ohne Schaden nicht aufhehen. Ganz anders ist
mit den krankhaften Secretionen, welche hloss örtliche Be-
dinguiigen haben. Nach der Amputation, die hei einer grossen,
'‘'^er nicht dyscrasischen Eiteioing angestellt wird, ist es daher
physiolog'ischen Gründen nicht zu rechtfertigen, wenn die
^liirurgie zuweilen aus Missverständniss der physiologischen Vor-
gange vicarireiide Absonderungen einrichten will und die Heilung
primam intentionem fürchtet. , • • t.
Andere Secrcte der zweiten Art erfüllen in der thierrschen
^economic des Organismus noch weitere Zwecke, wie die Alilch,
j'ie Galle, der Samen, der Schleim. Die wahren Secreta sind
häufig alkalischer Natur, aber keineswegs immer und oft veran-
sich ein und dasselbe Secretum unter leichten Bedingungen
der alkalischen in die saure, und aus der sauren in die al-
^''Hsche Beschaffenheit, wie der Speichel und pancreatische Saft,
^-'"e vollständige Zusammenstellung über die sauere oder alkah-
*che Beaction der tliierischcn Flüssigkeiten hat Scuultze^ in seiner
y^^gleiclienden Anatomie gegehen. Die Bildung solchei’ cigentliüm-
''Chen Secreta, die im Blut schon enthalten sind, setzt einen spe-
Cjfisch wirksamen chemischen Apparat, sey es eine Haut oder
Drüse, voraus. Mit der Zerstörung dieses Apparat hört
Absonderung für immer auf, wie die des Samens nach Entfer-
"“ng des Hodens, der Milch nach Eiitferniiiig der Brustdruse,
es ist nicht richtig, was Haller einst behauptete {Uem. i'hf-
II. .369), dass fast alle Secreta von jedem Secrclionsorgane
>’ankhafter AVeise abgesondert werden könnten. Man muss näm-
,'ch hiermit nicht die ganz verschiedenen Fälle verwechseln, wo
,*** natürliche Organ abzusondern fortfährt, aber der Ausflu«
es Secrets durch die natürlichen Wege gehenunt, dasselbe durch
Resorption ins Blut aiifgcnommcn wird, und von diesem aus in
'i'ideren Wegen schlechthin exsudirt. Nur die Excretionsstoffe
y ersten Art können sich nach Zerstörung ihres Ausscheideor-
aus den Wegen des Kreislaufs allenthalben duren Exsudation
weil sie , wie z. B, der Harnstoff, im Blute selbst schon
®*d^^ialten sind. Siehe oben pag. 147. _ _
Die chemischen Apparate der thlerischen Secretionen sind
^C‘ls Zellen, wie die Fettzellen, theils ebene Häute, wie die Sy-
“cyialhäute und serösen Memliranen, theils Organe von eigen-
'Riiilicher, zusammengesetzter Structur Drüsen,
j. 1) Absondernde Zellen, Hierher gehören die Zellen des
cks {Veslculac Graafianae) mit einer eyweissstoffhaltigen Flus-
gkeit gefüllt, in welchen sich das viel kleinere Ovulum bildet;
die Zellen des Hodens einiger Fische, wie des Aals, cier
g^*oke und einiger anderer, bei welchen nämlich der Hoden keine
L'”}®öhanälchen und keinen Ausgang besitzt, wie Rathke zuers
^"«l>achtet, und der Same durdi Zerplatzen der Zellen m die
27 *
410 II. Buch. Organ, ehern. Processe, III. Abschnitt. Absonderung.
BaucMiöhle gelangt, von wo er durch eine einfache OeffannS
ausgeführt wird. Am ausgehreitetsten ist die Ahsonderung dui’cli
Zellen in dem Fettzellgewxhe. Hier ist der Ort, einige Bemer-
kungen über Zellgewebe überhaupt mitzutheilen.
Das Zellgewebe, welches durcli seine Eigenschaft, ander®
Gewebe mit einander zu vereinigen, auch Bindegewebe genanid
werden könnte, ist in der neuern Zeit einer der r'athselhaftcstcn
Körper geworden, indem man nämlich nach Bordeu, Wolff n"®
Meckel angefangen hat, dessen Structur zu läugnen und als ®''
nen zwischen die Organtlicilc gelegten Schleim zu betrachten’
dessen häutige und zeitige Beschalienlieit erst durch Einfluss von Lwd
oder durch ein Auscinanderziehen desselben oder durch infiltrirt®
Flüssigkeit entstehe. Diese Vorstellungen sind durch die Aveiclic®®
Beschaffeidieit dieses Stoffs hei dem Embryo bestärkt worden-
Man ist selbst zu der ganz fabelhaften Vorstellung gekommen’
dass sich beim Embryo alle Organe aus Zellgewebe erzeugen, d*
doch der Reimstoff eines Organes, den wir Blastema genannt li®'
ben, etwas viel edleres, mit productiven Kräften begabtes un®
vom Zellgewebe ganz vcrscliiedcnes ist. Die Beschaffenheit di®'
ses Reimstoffcs lässt sich ganz besonders deutlich bei der Eid'
stehung der Drüsen erkennen: er ist bei den Drüsen eine gel®'
tinöse, halbdurchsichtigc Materie, in welcher die VerzweigimS
der Drüsenkanälchen baumartig entsteht und durch AestetreibC
fortschreitet, sd dass dieser Stoff eine Art Atmosphäre um die
Drüsenkanälchen bildet, welche anfangs sehr ausgebreitet ist, uo®
im Maasse mit dem AVachsen des Drüsensystems gleichsam vo'*
ihm absorbirt wird. Bei den gelappten Drüsen, der Thräiicf’'
und den Speicheldrüsen ist dieser Keimstolf in der Folge auej‘
lappig. Siehe J. Mueller deglandularum structura penitiori. Tab. fl
Fig. 11. 12. Tab. V. Fig. 8.
Die unrichtige Vorstellung von der Bildung des Zellgewebe’
rührt davon her, dass man die microscopische Untersuchung deS'
selben vernachlässigt hat oder zu unvollkommene Instrumcid®
hierzu anwenden konnte. Alles Zellgewebe besteh t aus ganz übd'
aus leinen Fasern, dieTREviRASus und Krause kannten, und aus nicld’
anderem, weder Kügelchen noch Blättchen. Diese Fasern gebö'
ren unter die feinsten Thellc des menschlichen Körpers und
ohngef ähr so stark, wie die Primitivfasern des Sehnengewebes. Selb*
die Häute der Fettzellcn entstehen erst durch Aneinanderlegen ‘b®'
ser Fasern, welche man erst bei einer 400 maligen VergrösseruHo
ihres Durchmessers sieht. Diese Primitivfasern des Zellgewebe*
sehen fast so wie Primitivfasern des Sehnengewebes aus,
welchen das Zellgewebe auch dadurch übereinstimmt, dass e*
beim Kochen Leim giebt. Die Fasern des Zellgewebes sind
Lamellen und kleinen Häutchen verbunden, und diese Lamell®*’
oder Bündel von Zellgewebelasern liegen nun in den mannigfaltigsf®’*
Richtungen durcheinander, so dass sie ein unregelmässiges Spi'*'*^
gewebe von kleinen Bündeln und Lamellen erzeugen, dessen 1®
terstitieii untereinander communiciren, wie man durch das leicn ^
Aufblasen derselben ermittelt. Durch diesen letzten Umsta®
und durch seine Structur überhaupt unterscheidet sich das tlö
1. Absonderung im Allgemeinen. Zellgewebe, Feltabsonderung. 4II
thlerisclie ZellgcweLe von dem Pflanzenzellgewete, welches meist
eckige geschlossene Zellen bildet. Die Primitivfasem in dei’
^eia superficialis stimmen durchaus mit denen des Zellgewebes
hherein. Diese dünneren Faserhäute scheinen bloss durch die
Dichtigkeit des Slrickwerks des Zellgewebes zu entstehen. In
«len eigentlichen Fascien und Sehnen liegen die Fasern schichtweise
ln gewissen Richtungen, und bilden Faserbündclehen, welche, wie
die Fasern des fibrösen Gewebes überhaupt, wohl nicht aus dich—
len Ordnungen von Primitivfaseru des Zellgewebes, sondern aus ei-
genthümlichen Fasern bestehen. Das Zellgewebe wird nun in seröses
nnd Fettzcllgewebe eingelheilt. In Hinsicht des serösen Zellgewe-
^^es, welches mit cyweiss- und osmazomhalligcn Flüssigkeiten in-
filtrirt ist, entsteht die Streitfrage, ob die Interstitien des Zellgewe-
lies bloss Räume der Lymphgefässnetze sind, wie Fohmamn und
Ahmom annehmen, welche das Zellengewebe überhaupt für kei-
nen besondern Körper, sondern für blosse Lymphgefässnetze hal-
len. Vgl. pag. 250. Hierfür könnte man anführen, dass auch die
Innere Haut der Lymphgefässc aus ganz überaus leinen Fasern,
««fie das Zelleugewebe, geweht ist. Jene Vorstellung von Zusam-
niensetzung des Zellgewebes aus Lymphgefässnetzen wird durch
'ien unmittelbaren Debcrgang in die Fäscia superficialis unwahr-
scheinlfch. Daher Formask und Arkolp jedenlalls annehmen
n^üssten, dass die Lymphgefässnetze nur die Interstitien zwischen
^nn Bündeln des Zellgewebes eiunehmen. So leicht man beobach-
l®n kann , dass bei der Zellgewebewassersucht die Lymphgefässc
nnd Lymphgefässnetze mit wässrigen Flüssigkeiten weit ausgedehnt
*'nd, so ist doch, jene Vorstellung von dem Zcljgewebc durchaus
hypothetisch und selbst in sofern unwahrscheinlich^ als das Fett-
*eUengewcbe doch unmöglich zu den Lymphgefässnetzen gehört,
h’ytt aber fasst überall im Zellgewebe sich anhäufen kann. Alle
«liese Bemerkungen über den Bau des Zellgewebes sind aus einer
kleinen Arbeit von Jorda>v über .die Umka dartos und die ver-
wandten Gewebe (Muecj.er’s Arehk. 1834. p. 410.) entnommen. Ich
bemerke, dass ich die Beobachtüngen des Verf. selbst verificirt habe.
' Das > , Fett ist ein blosses Depositum in dejjf Zellen des
r«^llgewebes , theils unter der Haut im Panniculus adfiosus , theils
'jn Omentum ^ in der Umgegend der JNieren und in dem Mark
Knochen und stelleinveise an vielen anderen Thcilen. Eine
besondere Slruotur scheint zu dieser Absetzung aus dem Blute
1'cht tiöthjg, weil eben in allen Theilen Fett sich abschei-
nen kann. ’ Diese Materie ist "übrigens ohne alle Organisa-
tion unä bei der Temperatur des menscJiIichen Körpers selbst
mssig oder weich. Die verschiedenen Fettai’ten in der Thicr-
Unterscheiden sich vorzüglich durch den Temperatur-
bei Welchem sie wöich lind flüssig werden, und durch
^nen verschiedenen GebäH äp Stearin undElain, in der Schmelz-
äekeit verschiedenen Fettarten. Das Mensciienfett gehört zu
, on Weicheren Fettarten. Das Fett der kaltblötigen Tbiere ist
,0« gewöhnlicher "Tcmpei-atur noch flüssig. Die ZKSamracüsetzung
^?^hes i'd schon pag. 126 angegeben. Dieses freie Fett ist
«ckstoülos, während andere Fettarte.n, wie das gebundene Fett
412 II. Buch, Organ, ehern. Proeesse. III. Abschnitt. Absonderung.
im Blut und im Gehirn, Stickstoff- nnd pliosphorhaltig sind. Stea-
rin und Elain sind ühricjens in Aether und heissem Wein£!;eist
löslich, Elain hleiht in dem erkalteten Weingeist gelöst.
Nutzen des Fettes besteht offenbar theils in seiner Verwendung
zur Ausgleichung der FormcnverhViltnisse, theils dient dasselbe
als schlechter Wärmeleiter zum Schutz der inneren Theile. D«*
Fett kann aber auch als ein deponlrter Nahrnngssloff betrachtet
werden, der hei Hungernden und auch bei dem Schwinden der
Theile durch Bindung mit anderen Tblcrstoffcn oder verseilt u«'
gemein leicht wieder aufgelöst und in die Blutmassc wieder auf'
genommen, zu organischen Combinationen weiter verwandt wird-
2) Absondernde Ilihite. Unter die absondernden Häute gC'
hören vorzüglich die serösen Häute, die Schleimhaut und die
äussere Haut. _
a. Seröse Häute. Die serösen Häute scheinen aus ähnlichen Fa-
sern wie das Zellgewebe zu bestehen, die auf dieselbe Weise zu Bün-
delchen verbunden und durch einander gewirkt sind. Sie blldeä
drei Ordnungen: 1. Bursae synoviales, sowohl subcutaneae, als d.>ß
Bursae synoviales tendinum, welche den durch sie hindurchgehen-
den, oder an ihnen vorbeigehenden Sehnen einen üeherzug geben-
2. Svnovialhäule der Gelenke. Wenn Sehnen oder Bänder durch
Gelenke hindurch gehen, so erhalten auch diese einen Ueber-
zu" *). Die Synovia ist eine alkalische cywelsshaltige Flüssigkeit?
welche durch Rochen coaguilrt. -3. Seröse Häute der Eing«'
weide. Sie sind sackförmig geschlossen nnd entstehen als häutig^
Grenzen, wo Eingeweide frei einander berühren oder in HöhleU
lie<?end von anderen Tbcilen abgesondert sind. Die durch eine
seröse Haut begrenzten Eingeweide sind von Aussen so in den
serösen Sack eingedi’ückt, dass sie seihst davon wieder einen Ue-
berzug eidialten. Von dem Gesetz, dass die serösen Häute g«'
schlossene Säcke sind, giebt es nur selten Ausnahmen, wie z. h-
die Oeffnung der Eyerröbren des Menschen und aller übrigen
Wirbelthiere (bis auf einige Fische) in die Bauchhöhle, ferner d'^
Oeffnungen, welche doppelt hei dönv'Haifisch und Bochen, ein-
fach heim Aal und hei den Pricken von aussen in die Bauch-
' '') Bci dem Embryo ist sogar In dem fünften Monat die dnrcK d.is Seb«
Icrgeleuk durcligelicnde Sehne vom langen Kopf des Muse, biceps
von der Synovialliant umzogen, dass sic in ihrer ganzen Länge, so -"'e^
sic in der Gele.nkhöhlc liegt, dun h eine gekrüsartige Falte der Syno'“
alhaiil an die Wand der Gelenkkapsel angeheftet ist. Nach dem in"
' te.n Monat findet sich diese. Falle, niehl mehr oder t-ielniehr bloss »
dem untern 'J'hcil der Sehne in der Itinne der beiden Tubercu
Das im Kniegelenk vorkomnicnde, so gpnderharc Ligqmc-titum
sum ist der liest einer ähnlichen Falte,' welche nach meinen Beoba?
turigen im fünften Monat des Kmhiyo von demjenigen Theil ‘'"''.J,
- ' novialhaut, weleber die Ligamenta cruciata überzieht, selieidcwand
t: tig nach vorn bis. zu einem freien Baude sich fortscUt, und dieses
vollkommnc Mediastinum im Kniegelenk findet inan in seltenen Fällen j,
bei Neugeborenen j in den inehrsten Fällen Ist cs schon '-'vischen
Lioanien ta cruciata und dein vordem, als mncosmu '*
bleibenden Bande zerrissen. '
1. Absonderungen im Allgemeinen. Seröse Häute. Schleimhäute, 413
Jiöhle lüliren. Bei den Stören, Ilaifisclien und Roclien hängt
*^6r Herzhentel selbst mit der Bauchhöhle zusammen ).
Man stellt sieb häufig vor, dass die serösen Höhlen während
‘'es Lebens mit einem Gas angefüllt seyen, ohne zu fragen, was
tliess für ein Gas sevn könnte. Diess ist eine unrichtige Vorstel-
'“*>g. Die serösen Säcke sind während des Lebens so von ihren
Eingeweiden angefüllt , dass gar keine Zwischenräume innei-
'*alb derselben vorhanden sind, und cs wird von den Oberflächen
‘'ör serösen Häute während des Lebens nur so viel Flüssigkeit
“'^gesondert, um die einander berührenden Wände schlüpfrig zu
‘^l 'ialten und vor Verwachsungen zu schützen. So sind die Bauch-
eingeweide unter dem beständigen Druck der Bauchmuskeln zu-
®änamengepresst ; nur im Innci'n des Darmkanals erleidet er ®nm
‘'er Bauch höhle nach oben und abwärts Veränderungen. Zwi-
schen Pleura costalis und ])Hbnonalls ist w'ährend des Lebens nicht
der geringste Zwischenraum, indem die Oberflächen der Lmigen
‘'“rebaus '^immer den Bewegmigen des Thorax folgen, wodurch
^"ein das Atbrnen möglich ist. Auch zwischen Herzbeutel und
"erz hrauebt man keine gasförmigen Sloflc und keine Flüs-
f'gheit wälirend des Lehens anzunebmen; denn immer ist ein
'^'leil des Herzens vom Blut ausgedehnt, während der andere
Elieil des Herzens zusaramengezogeii ist. Durch die Anhäufung
Blutes in dem eben erweiterten Tbeil des Herzens, sey es
y‘>rhof oder Kammer, wird also die Höhle des Herzbeutels in
l®‘lera Augenblick ausgefüllt, und wenn auch durch die
’^enziehung eines Tbeils des Herzens im Herzbeutel cm luttlee-
^'Cf Raum entstehen könnte, so würden die anliegenden Lungen
yci’möge des Luftdrucks von Aussen durch die Bronchien, den Herz-
beutel'verdrängend, diesen leeren Raum cinzunehmen suchen.
Die serösen Säcke stehen unter sich in sympidhisclier Ver-
bindung, und fbeilen sich einander leicht Entzündungen mit.
diesen SVicken cigcnlliümllclie Krankheit ist die Ergiessung
'bn Blutwasser in dieselben, welche leicht durch organische Krank-
beiten der ihnen anliegenden Eingeweide entsteht. Lieber die
Eefässe der serösen Häute siebe oben pag. 20.f.
h. Scbleimhäute. Die Scbleimbäutc kommen idierall vor afs
innere häutige Begrenzungen, wo innere Tbeile mit der Aussen-
yc't in offener Verbindung stehen, überall wo etwas ausgeschie-
‘yu oder aufgenommen wird. Sie sind weich und samnietaitig,
y'ieraus gefässreieb, im Mund und in der Speiseröhre von Epi-
"lelium 'bedeckt, ihr Gewebe giebt heim Kochen keinen Leim
Bel den Vögeln sollen nach der gewöhnliclicii Ann.alirne die aus den
Bionclden der Lungen diiixli Oef'fnungen anC der Oberfl-iclie derselben
sich verlängernden Lufts.äcke .aufli in die ILwicliliöMc herabsleigcn nnU
in diesen LufUellen die Bauebeingeweide alle Hegen. IViess ist aller
ein Versehen, denn naefi tneiiien Beobaclitiingen an Hübnein
die beiden Uältten der Leber und der grösste Hieil des Dann .ana s
zwise.bcn den auf beiden Seiten berabsteigenden Lul'uellen m leson-
dern mit den Luftiellen gar nicht eommunicirendeii Ablheilungcn < er
Baucbliöblc, ln weirbe bei einer Injectloii der Luftaellen ilureli die
Luflröbre nichts eindringt.
414 II. Buck. Organ, ehern. Processe. III. Ahschnitt. Absonderung.
lind zeichnet sich durch die leichte Maceration in Wasser und durch
die Auflöslichkeit in Säuren aus. Ihre äussere Fläche liegt au
anderen Geweben an, an der Zunge auf Muskeln, an den knorp-
ligen Theilen der Nase auf Pei’ichondrium, in den SiehheinzelleH;
Reilbeinhöhlen, Kieferhöhlen, Stirnhöhlen, gleichwie in der Troin-
melhöhle auf Periostlum; im Darmkanal liegt die äussere Ober-
fläche dieser Haut an einer Art fester Fascia an ( Tunica propn^
des Darmknnals), welche eben so auch wieder den Muskelfasern
der dritten Haut des Darmkanals zur Befestigung dient. Man
kann mehrere Hauptaushreitungen der Schleimhäute unterscheiden:
4. die Sclileimhaut der Nase. Diese sendet Fortsetzungen in dje
3 Nehenliöhlen der Nase, und durch den Thränenkanal und di®
Thränenröhrchen communicirt sie continuirlich mit der Conjun-
ctiva palpebrarum et oculi, welche letzte so sicher, wie jede ander®
Schleimhaut, liierher gehört, da sie dicKi’ankheiten der Schleimhäute»
nämlich sowohl die chronischen Blennorrhoeen als die catarrha-
lischen Affectionen dieser Häute theilt, ja bei jedem heftigen
Schnupfen im trocknen, wie im fliessenden Stadium mit afficirt wird»
und weder in der serösen Absonderung, die am Auge von den
Thränen, nicht von ihr kommt, noch in Hinsicht der sackartigen
Bildung der serösen Häute mit diesen etwas gemein hat.
Die Schleimhaut des Mundes hängt Im Rachen mit jener der Nase
zusammen, schickt eine Fortsetzung in die Eustachische Troin-
pete, welche als innere Haut der Trommelhöhle und des Trommel-
fells endigt. Sie schickt im Munde Fortsetzungen in die Auf'
führungsgänge der Speicheldrüsen; im Rachen theilt sie sich in
zwei grosse Zweige als innere Haut der Luftwege und des Darm-
kanals. Jene dringt bis in die Luftzellen als das Häutchen der-
selben vor und endigt blind; diese kleidet den ganzen Darmka-
nal aus, und schickt Fortsätze in die Ausfilhrungsgänge der Leber
und des Pancreas. Bei den Vögeln hängt sie in der Kloake
mit der Schleimhaut der Genitalien und Harnwerkzeuge zusam-
men. Die Schleimhaut der letzteren üljerzieht den ganzen Ver-
lauf der Harnwerkzeuge von ihrer Mündung bis in die Calyce*
renales, dringt in die Geschlechtstheile als innere Haut bis in die Aus-
führungsgänge der Genitalien ein, hei dem Weihe grenzt si®
merkAVÜrdiger Weise an den Fimbrien der Trompeten an die se-
röse Haut der Unterleibshöhle. Bei den Fischen stehen all®
Schleimhäute durch die schleimahsondernde Oberfläche der Haut m
Verbindung. Alle diese Häute stehen in grosser sympathischer Vei’-
hindniig unter sich, indem sich die l^ankheiten dieser Häute»
namentlich die Schleimflüsse und catarrhalischen Affectionen, leicb
innerhalb dieses Gewebes ausbreiten. Durch diesen Conseiisu*
erkennt man an einem Theil dieser Häute die Beschaffeidieit ci»®*
andern : aus der Beschaffenheit der Schleimhaut der Zunge di®
Beschaffenheit der Schleimhaut des Magens und Darmkanals. Vgh
den pag. 333 erläuterten, merkwürdigen sympathischen ZusamnieO'
hang aller Schleimhäute mit den Athemhewegungen. Die Leich'
tigkeit, mit welcher durch Vermittelung der Nervensympathiecu
aus Reizungen der Schleindiäutc convulsivische Bewegungen dm
zum respiratorischen System gehörigen Muskeln entstehen, 'V*
1. Absonderung im Allgemeinen. Schleimhäute. Aeussere Ilaui, 415
beim Husten, Niesen, Erbrechen, unwillkübrlichen Trieb zum
Stuhlgang und Harnlassen stattfinden, will ich hier nicht weiter
Untersuchen. i j- tii
Die eieenthiimlichen Kranklieiten dieser Häute sind die ülen-
«nrrhoeen oder Schleimflüsse und die catarrhalischen AfFectionen,
f eiche sich von den ersteren dadurch unterscheiden, dass sie acut,
j jj sclinell steigend und aLnelimend sind, und dass sie
®*n congestives, erstes und blennorrhoisches, zweites Stadium be^
*dzen.
„ Die Absonderung des Schleims geschieht sowohl auf den der
?eldeimbälge ermangelnden Schleimhäuten der Kieferhöhle, Stirn-
Ijninhöhle, Keilbeinhöhle und Trommelhöhle, als a^ den mit
.niliculis mucosis versehenen Schleimhäuten; daher die letzteren
"icht die einzigen Quellen der Schleimahsonderung seyn können.
. Die Schleimdrüsen sind übrigens blosse säckchenförmige Ver-
fiefiinsen der Schleimhäute, ln denjenigen Schleimhäuten, welche
Epithelium bedeckt sind, wo also ausser dem Schleime noch
andere Alisonderung statt findet, scheint die Schleimabson-
^erung auf die Schleimdrüsen beschränkt zu seyn. Vgl. über das
%ithelium nag. 363. - 1 1 • i - * i -u f
Der Schleim (Mucus) wird nur von Schleimhäuten gebildet
kömmt in anderen thierischen Theilen nicht vor. Dieser
Schutz aller mit der Aussenwelt in Wechselwirkung stehen-
inneren Theile hestimmte Stoff quillt im Wasser auf, «t aber im
Nasser nicht löslich; in der Wärme gerinnt er nicht, vom Weingeist
^‘rd er aus seiner Zerlheilung in Wasser niedergeschlagen, eilialt
ausgewaschen seine vorige ZertheilbaAeit im Wasser wi^
Uebrigens ist der Schleim nicht auf allen Schleimhäuten
gleicher Beschaffenheit; denn wie Berzelius fand, ist der
l'^lflelm der Gallenblase in Säui-en ganz unlöslich, wahrend der
^‘='deim der Harnblase einigermaassen von verdünnten Sauren so-
als von verdünntem Alkali gelöst wird. Säuren losen ^ler-
sehr wenig vom Schleim auf. Nach Gmelin
r'*rnischleim durch Säuren, selbst durch Essigsänie. Die Saimc
'^‘ebt nur sehr wenig aus und er wird selbst im Kochen von ihr
“f'^bt aufgelöst. Das Wenige, was von Säure aulgelost worden
was ^Wasser nach dem Abgiessen der Säure in der Digestion
ibm auszog, wird von Galläpfelinlusion , aber nur selten von
faneisenkalium gefällt. Berzelius Tluerchemie 138.
, c. Aeussere Haut. Auf der äussern Haut linden sehr man-
^‘'^bfaltige Absonderungen statt, wovon jede von besondern Stel-
des Hautorganes gebildet wird. Am allgemeinsten ist d.eAb-
^önderunn der "Epidermis. Die Absonderung der Epidermis ge-
^ lieht schichtweise von der obersten Schicht der Haut. Vg •
pag. 364. Die Epidermis selbst ist nach übereinstimmen-
Beobachtungen nicht organisirt. Schultze fand zwar, dass
p.i^b Injection der Blutgefässe mit blossem Terpentinöl nicht ai-
die feinsten, sonst nicht sichtbaren Gefässe angeföHt weröcn,
',^*?dern dass auch die aligczogene Epidermis an ihrer mncin
ein mit dem Mikroskop erkennbares deutliches Gef assnetz
Um die Injection auf das Weiteste zu treiben, hat Schultze
416 II. Buch. Org. ehern. Processe. III. Abschnitt. Absonderung.
den Stumpf des inpeirten unterbundenen Arms in beisses Wasse*
getban. Dieser Gelehrte batte die Güte, mir nicht allein
Gefassnetz der innern Seite der Epidermis an abgezogenen un*
getrockneten Stücken unter dem Mikroskop zu zeigen, soncleJ'”
auch ein Stückchen dieser Epidermis mir mitgetbcilt, woran
den deutlichen Beweis dieser Getasse in Händen habe. Es b'-’*
sich aus dieser Beobacblung indess freilich nicht schliessen, J®!’“
die Epidermis selbst Gefässe enthalte; denn diese Schiebt
Gefässen, an der innern Seite der Epidermis, kann sehr wo“
mechanisch beim Ablosen der Epidermis yon dem Stratum I'bd'
piglnanum subepidermicum mit abgelöset sevn. Auch Hesse sic®
erst an senkrechten Durchschnitten der Epidermis unter dem
kroskop der Beweis führen: ob diese Gefässe bloss eine inne>'‘'
Schicht an der gcfässlosen Epidermis selbst bilden, oder ob <1',®
Gefässe wirklich bis zu einiger Tiefe in die Substanz der Ep'"
derrais eindringen. Sie verhalten sich übingens bei ihrer VC'
zweigung und netzförmigen Endigung gerade so wie Blutgefäss®'
Von den rolhes Blut führenden Gefässen unterscheiden sie si®
nach ScHULTzE nur, dass sie einigemal dünner sind, als mensd*'
liehe Blutkörperchen. Wäre diese Messung an nicht getrockn®'
ter Epidennis angcstellt, so könnte sie den noch fehlenden Beä'®'*
leisten, dass es wirklich Ramuli serosi der Blutgefässe gebe. Si®^’^
Mueli.er’s Archiv für Anaf. und Fhysiol. 1834. p. 30.
Die Absonderung der Haare findet in den Ilaarbälgen v®"
den Haarkeimen statt. Die Bildung der die Haut eiuölenden Halb'
schmiere geschieht durch jene unzähligen, über die ganze Ib'®
zerstreuten Folliculi sebacei, kleine, in der Dicke der Haut liege'>‘^*^
Säckchen mit engerem Halse. Endlich findet die Absonderung b®*
Schweisses wieder in eigenthümlichen kleinen, über die ga»*®
K-örperoberfläche verbreiteten Schläuchen statt, welche ihr Seci'®'
tum durch feine Poren an der Epidermis erglessen. Was b'®
Folliculi sebacei und das seit langer Zeit streitige Verhältii’*”
derselben zu den Haaren und Haarkeimeu betrifft (siehe Ei®‘*'
HORN, Meckel’s Archiv 1826), so haben hierüber die Untersuchu®'
gen von Wendt Aufschluss gegeben. Wendt de epidernüde
mana. Diss. inaug. Vratisl. 1833. AIuelleb’s Archiv Jür Arud.
Phfsiol. 1834. Heft 3. pag. 280.
Nach Wesdt besteht die Epidermis aus Lamellen. We^®*^
hält das Stratum Malpighiauum {Rete Ma/pighii) nicht für ®b)®
blosse, noch nicht erhärtete Lamelle der Epidermis; denn b'®
Epidermis bestehe aus Lamellen, das Bete Malpighii aber
Körnern. Nach Wknut kommen die Haare wirklich aus b®®
Glantlulis scbaceis, obgleich nicht alle Glandulae sebaceae Ha®®
ausschicken. Der Bulbus der Haare sitzt in dem Boden bp
Glandula sebacca; er durchbohrt nicht die mit eingebogener EP*'
dermis besetzte SVand der Glandula, sondern geht durch ih®®'^
Ausführungsgang selbst. Bei der Entstehung der Haare soll m®.'^
ein Gelass zu dem Boden jeder Drüse treten sehen, das in
nen Punkt schwarzen Pigmentes endigt, welches durch ZnW®®
von neuem Pigment in- den Bulbus des Haars anwäcbst. f
interessantesten sind Purkikje’s Beobachtungen über die Schwe®’’
1. Absonderungen an Aügevneinen. Drüsen.
417
^anälclien. Die kleinen Poren auf den erhabenen Linien der
X^la und Planta sind bekannt. Ptjrkisje bat nun entdeck, dass
»liese Oeffnungen in der Haut zu fadenförmigen Organen fuhren,
^''elcbe durch das Stratum Malpigbianum in die Haut selbst uber-
S^hen, einen spiralförmigen Verlauf haben und zuletzt in einen
•‘‘cbt mehr gewundenen, blindgescblossenen, länglichen Balg sich
^'‘disen. An den Hautstellen mit dünner Epidermis sind diese
^»nVile dünner und weniger gewunden, in der Vola manus da-
8®8en machen sie gegen 6 bis 10 Windungen. Die Kanalchen
‘‘‘»eben übrigens schon in der Epidermis ihre meisten Windun-
Zu dieser Untersuchung wird ein Stück der Hiiut, am be-
5^3 jjgj. Vola manus, durch Liquor kali carbomci erbartet
'‘«^1 in senkrechten Lamellen, die mit den Furchen der Vota pa-
*'‘**lel laufen, mit einem sehr scharfen Messer zerschnitten, üar-
diese Durchschnitte mikroskopisch untersucht. Von dem Stra-
^«iti Malpigbianum an hören die Windungen auf; das Ranalchen
^Htt gerade in die Cutis ein, indem es allmablig anschwillt und
**'*1 einem rundlichen, geschlossenen Fundus endigt. Die Länge
Kanälchen beträgt kaum mehr als das Doppelte der Dicke
Epidermis der Vola oder Planta. Die Windungen sind in
Unken Vola von rechts nach links, in der rechten umgekehrt.
Später als Purkinje hat Breschet ähnliche Beoljachtungen über
yp spiralförmigen Drüsen der Schweissahsonderung gemacht.
Insiiliit. 1834. • j TT t
Man sieht aus dieser Zusanunenstellung der m der Waut
®^'dtfindenden Absonderungen, dass für jedes aiich nur punUtor
Vordringen eines Secretes in der Haut cm Jjeslimratcr, durch
^'^ctanlge oder schlauchförmige Structur ausgezeichneter, Apparat
^«thig ist und wenn sich die Vorstellungen der Allen über das
‘iervordrlngen des Schweisses aus den Schweissporen bestätigt
***^>en, so darf man sich darunter keineswegs, wie jene sich dach-
f'L ein Ergicssen des Schweisses aus offenen Fortsetzungen der
V^ffgefässe denken ; vielmehr ist jeder Schweisspore nur das Ende
>es blinden und in sich geschlossenen Schlauches, sein
‘iP'^retum, wie jede andere Drüse, auf seiner innern Ohertlaclie
T'^let. TJeher die chemische Zusammensetzung der Hautabson-
,**''g siehe den folgenden Abschnitt IV. Cap. VIH. hei den Aus-
Meldungen. i • i -n ••
, Drüsen. Die Organe, Avelche man bisher Drusen genannt
sind thells ohne Ausfülirungsgängc, theils ahsondernde und
Ausführungsgängen begabte.
Hie erste Reihe dieser Organe, oder der Drüseri ohne Aus-
ährungsgänge, üben ihren plastischen Einfluss auf die in ihnen
"■'d durch sie circulirenden und in den allgemeinen Rreislaut
.äi-ückkehrenden Säfte aus, sie haben keine Beziehung aut cm
, diisseres, Avle die ahsondernden Drüsen. Diese Organe hes e
daher auch fast nur aus Gef ässhildung , sie sind Getass-
hauel, Gefässknoten, indem die in ihre Bildung emgehenoen
..Blässe des Kreislaufs sich im Parenchym derselben ins tJuenil-
dhe zerthellen und aus dieser Zertheilung wieder in .ausluhrende
i'ückführende Gefässe des Kreislaufs sich sammeln.
418 11. Buch. Organ, ehern. Processe. III. Abschnitt. Absonderung.
Alle Drüsen dieser Art oder die Gefässknoten sind idrct
zweierlei :
I. Blutgefässknoten, ganglia sanguineo-vasculosa. Hierher g®'
hören im Systema chylopoeticum die Milz, im Systema uropoeü'
cum et genitale die Nebennieren, im Systema respiratorium *1*®
Schilddrüse und die Thymusdrüse, im Auge die glandula chori®'
dalis der Fische, endlich die Placenta des Foetus.
Alle diese Organe sind hlosse Blutgefässkuchen, sie könn®'*
in ihrem Parenchym hloss die Beziehung und Einwirkung auf
sie in einer grossen Zertheiluug durchkreisende Blut haben.
Sie sind aber bald
1. vereinigte Ganglia sanguineo-vasculosa, wie die Placenta,
Milz;
2. vereinzelte, wie die Cotyledonen und die mehrfachen Mih®®’
II. Lymphgefässknoten , Ganglia lymphatico-vasculosa. Di®*®
bestehen aus Verzweigungen der in sie eingehenden und a«*
ihnen herausführenden Lymphgefässe, deren innere Zertheihn’r’
zuletzt in lauter Netze und Zellen endigt. Siehe oben pag. 25®'
Ilieher gehören die Lymphdrüsen und Mesenterialdrüsen.
Auch diese können in ihrem Innern hloss die Beziehung a®*
die sie durchkreisende Lymphe oder den Chylus haben.
Sie sind ebenfalls bald
1. vereinzelt, wie gewöhnlich die Mesenterialdrüsen in gross®*’
Anzahl;
2. vereinigt, wie das sogenannte Pancreas Asellii der Hund®»
als eine Masse von Mescnterialdrüsen.
Alle diese Drüsen, die Blutgefässknoten und LymphgefasS'
knoten sind nicht der Gegenstand gegenwärtiger Untersuchung'
sie sind von derselben gänzlich ausgeschlossen.
Eine zweite Classe der Drüsen hat nicht bloss die Beziehung
auf das sie durchkreisende Fluidum, sondern auf ein Acusser®*»
das die Producte der Metamorphose durch Ausführungsgänge aiü
der Sphäre des Kreislaufes in sich aufnimmt. Alle Drüsen dies®*"
Ordnung müssen in Hinsicht ihrer innern Bildung vollständig *®*’'
gliedert werden.
II. Capitel. Von dem innern Bau der Drüsen.
i
Die Untersuchungen über den innern Bau der Drüsen
durch des Malpighius cxerciialiones de structura visceruni H’®“
eröffnet worden, welcher lehrte, dass die Elementartheile al*®*
Drüsen, die sogenannten Acini desselben Baues seyen als die einfi*'
dien Bälge und conglomerirten Balgdrüsen, dass sie nändich aus rund'
liehen Säckchen bestehen, welche von den feinsten Blutgefäss®**
ihre Säfte erhalten, und diese in ihre Ausführungsgänge abgehe**»
wobei er sich auf den blinddarmähnlichen Bau einiger einfach®*
Drüsen, wie des pancreas des Schwertfisches, der Leber der Rreh»®
und aul die Bildungsgeschichte der Leber bei dem Embryo stützt®'
Obgleich dieser Ansicht gute Anschauungen zum Grunde lag®*'»
SO hat sich doch Malpigui im Einzelnen "geirrt, denn die cig®***'
2. VominnernBau d. Drüsen, Malpighi’s u. Ruyschs Ansichten. 419
liehen Elementartlieile der zusammengesetzten Drüsen LIiehen ihm
"inhekannt, und was derselbe als folliculi der Leber und anderer
zusammengesetzter Drüsen beschrieb, sind nur Anhäufungen der
Zahlreichen, ihm unbekannt gebliebenen Elementartheile. Die
Erschütterung, welche diese Lehre durch Ruysch seit 1696 er-
'itt, war daher unausbleihlich; denn durch die Ausbildung der
feinem Iniection der Blutgefässe wurde es Ruyscu nicht schwer
*u zeigen dass in den folliculis der zusammengesetzten Drüsen
"och eine ungemein zahlreiche Zertheilung der feineren Blutge-
fässe statt findet. Indessen ist Ruysch durch Ueberschatzung der
'Icr anatomischen Hülfsmittcl und dessen, ivas ihm che Injecliou
‘ler Blutgefässe leistete, ohne hinreicliende Gründe zu dem
Schluss verleitet worden, dass die eigentliche Drüsensuhstanz aus
"ichts als Blutgefässen bestehe, und dass die feineren Blutgefässe
"uvnlttelbar in die Anfänge der Ausfübrungsgänge der Drüsen uberge-
'"-n. Ruvsch’s Lehre über den Bau der Drüsen bekam ein grcisscs
Eehergewicht dadurch, dass Haller sich auf seine Seite neigte.
E'ller hat die alte Hypothese von den ausbaucbendeii offenen
Enden der Arterien erst recht befestigt. Er führt {Element. Phy-
Lib. II. §. 23.) fünf Arten dieser Endigung an in einen
■^Usfühi'ungsgang, ins Zellgewebe, in Hohlen, durch die Haut, in
[y'nphatisclie Gefässe; in AVabrheit aber existiren alle diese Ue-
"Ocgänge nicht, denn wie die an so vielen durcbsichtigen Theilen
""gestcUten TJntersiichungeii über die Circulation , über die Bc-
"'cgunir des Bluts in den Capillargefässen , und die Beobachtun-
. an den fein injicirten Geweben aus allen Tlieilen des inenscli-
,ohen Körners lehren, giebt es in keinem Organe, in keiner
E"ut einen andern Uebergang der Arterien, als den netzförmigen
Eehergang ihrer feinsten ZYveige in die Venen. Haller und
'"obrere seiner Nachfolger haben für Rutsch’s Ilypotbese aimh
Uebergang der in die Blutgefässe injicirten Flüssigkeiten in
je Ausfühningsgänge der Drüsen und die Blutungen aus den
^"sondernden Geweben angeführt. Was den ersten Grund be-
so lässt es sich zwar nicht läugnen, dass bei starken ln jcc-
I onen der Pfortader zuweilen, wenn gleich selten , ebvas m den
"ctus hepaticus übergeht, und dass in seltenen Fällen nach hef-
iger Injection der Nierenarterien etwas von der injicirten Blus-
*'hbeit in dem Nierciihecken sich vorfindet. Allem die üntersu-
nach solchen Ucbergäiigen zeigt gerade, dass eine Zer-
*'cissung statt gcftinden bähen muss; denn die feineren Zweige der
"Oslührenden Kanäle finden sich in diesen Fällen nicht injicirt,
seyii müsste j wenn der Uebergang anf nulürliclien VTegen
"oj-ch die feinsten Zweige der Arterien in die feinsten Zweige
"" Ausfülirungsgänge geschehen YVäre. So füllen sich auch,
meine Untersuchungen bewiesen haben, nach Injection der
j;"sführungsgänge, z. B. der Leber, der Niere nur dann durcli
Hravasation die Blutgefässe, wenn die feineren Zxveige der
. ')®föbrungsgänge nicht angcfüllt sind. Dergleichen Ucbcrgäiige
mii daher ganz wie das Austreten feiner Injectionsmassen
Sehleimhäuten an, in welchen es doch erwiesener Haussen
""»e offenen Enden der Blutgefässe, sondern nur Capillargefäss-
420 II. Buch. Organ, ehern. Processe. III. Abschnitt. Absonderung.
netze gieLt. Dasselbe gilt von den Blutungen, welche durch
Extravasation erfolgen und die überdies in den Drüsen
ausserordentlich selten sind. Am aixlFallendsten schien der ÜC'
bei'gang feiner Injectioncu aus den Nierenarterien in die Bell'”*'
sehen Harnkanälchen; ja cs wurden sogar die aus den Arterie*!
injicirten gestreckten Gefässe der Marksubstanz der Nieren h*’*
dem Vortrag der Anatomie zur Demonstration der Bellini’scbe**
Röhren benutzt. Die genauere Untersuchung solcher Injectione”
durch Huschke und mich hat indessen diesen Irrthum aufgedecH
und gezeigt, dass diese sogenannten Bellini’schen Röhren
nicht die wahren Bellinischeii Röhren sind, vielmehr nichts
ders als langgestreckte, zwischen den Bellini’schen Röhren veC'
laufende, Arterien sind, welche gegen die Papille der Nieren hi**'
statt sich zu öffnen, wie die Bellinischeii Röhren, vielmehr fei«*^'^
werden und Capillargefässnetze um die Oeffnung der Hariik»'
nälchen bilden.
Die Controverse über den Bau der Drüsen konnte auf de®
bisherigen Wegen, welche meist in Injectionen der Blutgefä**®
bestanden, nicht entschieden werden. Plierzu gehörten glücklich®
Injectionen der Absonderungskanälchen selbst von ihren Ausfüh'
rungsgängen und eine durch alle Drüsen durchgeführtc Unter'
suchung der Drüsen, über den feinsten Bau \ind die Wurzd®
dieser Ranälchen. Die erste genauere Untersuchung dieser A*'*
war von Ferrein über den Bau der Nieren {Me'm. de l’ArO<^‘
royale des Sc. de Paris 1749), welcher die gewundenen Harnkani'l'
chen der Rindensubstanz als die eigentliche Quelle der Harnah' I
Sonderung entdeckte, wovon weder Malpighi noch Rursca ei'**’ '
Ahnung gehabt haben. Die Entdeckung dieser Kanäle, derc®
Anhäufung und Feinheit erst den Schein von festem ParenchY'® I
her verbringt, liess eine grosse Aehnlichkeit zwischen diesen R®'
nälen der Rindensubstanz der Nieren und den Samenkanälchc**
einsehen, die sich von ihnen nur unterscheiden, dass sic mit blo*'
sen Augen sichtbar sind, die Samenkanälchen aber mussten i*®'
mer für die Lehre von dem Bau der Drüsen von grosser Wid*'
tigkeit seyn, weil sie uns eine entschiedene SelbstsVändigkeit
absondernden Kanäle zeigen, auf deren Wänden sich bloss
feinsten Blutgefässe verzweigen und in Capillargefässühergäng®*'
von den Arterien in die Venen übergehen. Schumlansky v
structura renum. Argentorat. 1788) hat diese Untersuchungen vcj'
vollkommnet; indessen hat er doch einen bedeutenden Irrthuin ‘®
die feinere Anatomie der Nieren gebracht, dadurch, dass er c^*®
noch mit blossen Augen sichtbaren Malpighi’schen Körperch®**
in der Rindensuhstanz der Nieren für die Quelle der
absonderung hielt, und den Anfang der gexvundenen, über®*
gleichförmig dicken und unverzweigten Rindenkanälciien der N**^'
ren in diese Malpighi’schen Körperchen setzte und in sei"®*
schematischen Abbildung sehr anschaulich machte, während d"® *
nach neueren Untersuchungen diese runden Malpighi’schen K-"®
perchen aus blossen kleinen Geflechten der Arterien bestehe®’
von ihnen überaus leicht sich füllen, niemals aber bei Injfecti"®
der Harnkanälchen angefüllt werden, und überhaupt in keine®*
2. Vom innern Bau der Drüsen. Einfache Drüsen. Folliculi. 421
^iisannrtiehhange mit ihnen stehen. Mascagj'« und Grxjikshank.
*®igten fernei', dass die Anfänge der ahsond«rnden Kanälchen in
en Milchdrüsen zellenförmig sind; dasselbe hat E. H. Webeh
'^eckel’s Archiv. 1827) von den Speicheldrüsen der Vögel und
'’^ugethiere und von dem pancreas der Vögel gezeigt. Durch
lese schönen Untersuchungen von V^ebeä und durch die ehen
trefflichen Beohachtungen von Kuschke über den Bau der
^ei-en [Isis 1828 Heft 5 und 6) ht nun in der neuern Zeit der
^äfang eJngj. Arbeit gemacht AvorJen, deren ganzem Umfang ich
^ich seihst weiter unterzogen habe, indem ich den Bau der fei-
“^ren Drüsenkanälchen in allea Arten der ahsondernden Drüsen
^bdirte. J. Mueller De glaeditlarum sfructura penitiori JJps. 1830.
^‘^rdurch ist nun zur Evidenz gebracht, dass die ahsondernden
7®'i'älchen in allen Drüsen selbstständig sind, und dass, mögen
® nun gewunden, wie m der Rindensuhstanz der JVieren und in
. Hoden sich aushreiten oder sich haumförmig verzweigen, wie
Leber und den Speicheldrüsen, mögen sie rciserförmig
j ind wie in der Leber, oder in trauhenförmigen Zellen blind wie in
Speicheldrüsen, in dem Pancreas und in den Milchdrüsen
'“'^‘'igen, die Capillargefässe nur netzförmig auf ihren 'Wänden,
zwischen den Kanälchen sich aushreiten, indem auch die
®'ästen Drüsenkanälchen, wie in der Leber, in den Nieren im-
noch einigemal stärker sind, als die zartetesten Verästclun-
der Arterien und Venen. So mannichfaltig nun die einzel-
Formen in der Anlage der Drüsenkanälchen sind, so haben
a[|g ahsondernden Drüsen mit einander gemein, dass sie
grosse ahsondernde Fläche in dem Innern der Schläuche,
gewundenen oder verzweigten Kanäle darstellen, und dass
der Innern Fläche der Kanäle dasselbe, nur complicirter rea-
'*‘*'t ist, was auf einer ebenen ahsondernden Haut statt findet,
die . . • .1 ••
|. "ass die Natur in den drüsigen Organen durch die eigenthüm-
Anordnung der zur chemischen Veränderung der Materie
J^stirumten Substanz überall nur eine grosse Fläche im kleinen
f J’*»! erzielt hat, ein Zweck den die Natur, Avie man aus der
Senden Zusammenstellung der Thatsaclien sieht, auf sehr man-
‘'^nfiiche Weise erreicht hat.
Hie einfachsten Drüsen sind kleinere oder grössere Vertie-
CP“ einer Haut; zuweilen sind diese Vertiefungen sehr flach
entstehen durch blosse Einsenkungen, wie die einfachen
v^^ten der Schleimhäute, wie sie in fast allen Schleimhäuten
),;iY°’iimen, in andern Fällen sind die Vertiefungen deutlicher und
der « ‘'^‘‘‘='^‘=hen mit einem Hals (Folliculi), gleich wie die folliculi
tt/ pFleirnhäute und die folliculi der äussern Haut. (Die Pey-
Sehen Drüsen'des Ileums dürfen nicht hieher gerechnet werden, wie
Fäll Abschnitte von der Verdauung gezeigt Avird.) In andern
eine ‘^“Segen bildet sich die Vertielündg oder Ausstülpung zu
Sch Föhre aus, Avie die Schleimkanäle unter der Haut der Fi-
hei. Im Allgemeinen kann man den Balg (FoUiculus) und die
^Fululus) als die Elemente der Hauptmodificationen im
Drüsen betrachten. Bel der weitern Ausbildung dieser
®Oien Drüsen durch Flächenvermehrung kann man folgende
422 II. Buch. Organ, ehern. Processe. III. Abschnitt. Absonderung-
Formen tinterscheiien. Das Säckchen ist entweder einfach ode>
enthält in seinem Innern zellige Vorsprünge oder treibt äussef'
lieh kleine Zellen herTor, wie die Meiboniischen Drüsen der A'|'
genlieder. Dergleichen Säckchen und Röhren stehen oft in
ncr geselligen Verbindung dicht neben einander {Folliculi aggf^
gati), bald reihenlbrmig od^r linear, wie die Meibomischen Drüsc"
der Augenlieder oder haufenweise, wie in der Drüsenschicht
Drüseumagen der Vögel. B^i dieser Aggregation bleiben
Oeffnungen der einzelnen Drüsen getrennt; die Natur erreic'^
aber denselben Zweck durch Zisainraensetzung der folliculi
einem Ganzen mit einfacher Ausmändung {Folliculi compositi, ro"'
glomerati) wie die Mandeln, die Glandulae labiales, buccales, die
zusammengesetzten Blinddärmen bestehenden prostatischen Dr*|'
sen mehrerer Säugethiere. (J. MuELLEk a. a. O. Tab.. 3.),
Milchdrüse des Schnabel thiers, das pancreas des Schwertfisch*’*
und Thunfisches. Denkt man sich diese Zusammensetzung weit*”,
fortschreitend, so treiben die Bälge des Balgs kleinere follic**'
hervor. Es entsteht eine hohle Verzweigung mit blinden, e^t'
weder reiserförmigen oder zellenförmigen Enden. Auch di^*”
folliculi compositi können sich durch Aggregation neben einaiid®*^
zu einer grössern Drüsenmasse von mehreren oder vielen Ausfh^*'
rungsgängcii verbinden, wovon man ein Beispiel in der pi'osta***
des Menschen hat, die aus einer Aggregation von einzelnen Drhf
eben besteht, deren jede gleichsam ein hohles Sti-auchwerk
zellenförmigen Enden der Kanälchen darstellt. Durch fortg eset^t”
Vermehrung dieser' Ai’t entsteht nun eine zusammengesetzte Dr«'*'’’
indessen bildet diese Art der Flächenvermehrung nur die r'”*'
Hauptform zusammengesetzter Drüsen; die zweite Hauptform ha'
den die zusammengesetzten Drüsen von rühriger Structur, '''
welchen die Verzweigung entweder fehlt oder sehr untergeorh'
net ist, die Vermehrung der Fläche vielmehr dui’ch die Läi>S.*'
und die Windungen einfacher, in ilirem Durchmesser zieml**'
gleicliföi-miger Kanäle erreicht wird.
1) Zusammengesetzte Drüsen mit verzweigter Grundlage.
gehören hierher vorzüglich die Thränendrüse , die Milch drüs”’
die Speicheldrüsen, das Pancreas und die Leber. Diese Drüsc'l'
art zerfällt wieder in zwei Gruppen, je nachdem die Vcrzi''”'’"
gung eine gewisse Regelmässigkeit lieobachtet, wodurch der llati]’'^
stamm von Stelle zu Stelle Seitenkanäle, die Seitenkanäle
Stelle zu Stelle Scilenkanäle zweiter Ordnung, und diese wiea^^j
Seitenkanäle der dritten Ordnung, wie bei den gelapp*^^®’
Drüsen ausschicken. Hierdurch entstehen Lappen der erst*’'||
zweiten, dritten, vierten Ordnung, welche bloss locker duf*’
Zellgewebe mit einander verbunden sind.
tc”
Unter diese gehipU
Drüsen mit regelmässiger Anordnung der Verzweigung gchh®^
die Thränendrüse, die Milchdrüse, die Speicheldi’ü.se und das
reas. Die kleinsten mit blossen Augen sichtbaren Theile dieser
sen sehen entweder körnig aus {Acim). Sic sind nichts anderes ;*
trauheuförmige Aggregate von sehr kleinen, nur mikro.skopisc^*
angefüllten Zustande sich olfenbarendcn Zellen, die auf den fe'ir
sten Zweigelchen der Absonderungskauälchen traubenförmig
2. Vom innern Bau der Drüsen. Thränendrüse. Milchdrüse. 423
umwoLen von Capillargef ässnetzen. In anderen Fällen sind
feinen Kanäle als überaus leine blinde Röbi’clien wie die
®>ättcben der Moose um die Zweige des Ausfübrungsgangcs in
»lirer ganzen Länge desselben gestellt, wie in der Leber der
'krebse und in der Thränendrüse der Schildkröten, wodurch
«uch wieder Lappen entstehen; oder die Endröhrchen eines klein-
sten Lappens bilden, ohne ebenfalls in Bläschen üherzugehen
Büschel reiserförmiger Röhren, wie in den Cowper’schen
^i’üsen des Igels; a. a. Ö. Tab. 3., Fig. 8. 9.
, Die zweite Gruppe liierher gehöriger Drüsen bilden diejenigen
!‘ei welchen die YerzMxigung unregelmässig batimformig ist, und
^eine durchgreifende Lappenbildung entsteht. Es gehört hierher
Leber; die Büschel der feinsten Zweige der Gallenkanälchen
bilden zwar aucli Aciiii zusammen, aUein diese Acini sind ohne
'durchgreifende Unterabtheilung von Läppchen, zu einem oder
*U rnehrern gemeinsamen Lappen verbunden.
Diese Verzweigung und auch das Eigenthümliche, dass die
^'Unälchen zuletzt nicht in Zellen, sondern in vielfach verzweigte
ddeiserchen von mikroskopischer Feinheit endigen, die, m eine
^''osse Anzahl vereinigt, erst das ausmachdn, wiis, mit nackten
^Ugen angesehen, Acinus genannt wird, cbaracterisirt die Leber
'der Wirbeltliiere. Die Leber der Wirbellosen gehört häufig un-
die erstere Gruppe der hier beschriebenen Drüsen. Wir
Wurden den Bau der vorzüglichsten Drüsen dieser Classe, welche
dieitii Menschen Vorkommen, hier abhandeln. _
A. Thränendrüse. Die Thränendrüse zeigt nach ™einen Un-
tersuchungen im Allgemeinen zwei Hunplfomen in der Anord-
''Utig der Drüsenkanälchen: a. die bei den Scluldkroten von mir
?>efundene- h. die bei den übrigen Wirbelthieren, Vögeln und
Sgethieren stattfindende Structur. Bei den Schildkröten bildet die
^*'use lauter keulenförmige Lappen, welche wie Aeste mit ein-
lauter Keuiemuijuigu
"Uder durch die in ihrem Inneren verlaufenden Ausfuhrungsgänge
''Urkunden sind. Im Innern dieser Keulen verläuft ein zienüich
S^eichförmiger Kanal, in welchen unzählige, senkrecht auf ihn
l^ftellte mikroskopische Büschel von Blinddärmchen (wie das
^äub der Moose zu ihren Stengeln sich verhaltend) von 0,00194
t Z. Dicke einmünden, so dass man sich diese scheinbar so .den
Russen in einer federbuschartigen Zusammenstellung von Blind-
;if,‘-mchen denken muss, die mit den Enden sämmtheh gegen die
2*ieraäche gerichtet sind. J. Muelleh de glandularum struclura.
V. Fig 4 Bei den Vögeln und den Säugethieren sind die
^»'Usenkanälchen der Thränendrüse regelmässig verzweigt und
^digen in jedem Acinus in einen Haufen von kleinen Zellen.
den Vögeln sind diese Zellen sehr gross, nämlich 0,00.32 / p. A.
pch beim "Pferde lassen sich, so wie bei den Vögeln, diese Zei-
von den AuslÜhrungsgängen mit QuecksiUiCr füllen. . ^
, B. Müchdrüse. Die Milchdrüsen zeigen im Allgemeinen eint.
^'*Ppelte Structur; sie sind entweder aus Blinddärmen zusammen-
wie die Milchdrüsen des Schnabelthiers, oder aus ver-
f^'^'gten Kanälen {ductus luctiferi), deren feinste Büschel trauben-
*''®>ge, mikroskopisch sichtbaie Cellulae lactiferae bilden. Die
ä 11 e r’g Physiologie, 28
424 II. Buch. Organ, ehern. Processe. III, Abschnitt. Absonderung.
erste Structur keimt man mit Siclierhelt nur beim Schnabeltbierß
nacli Meckel’s Entdeckung. Diese verzweigten Blinddärnaei
welche sich in einer ebenen Stelle neben einander in grosser
Anzahl öffnen, enthalten iiidess in ihrem Innern, wie Owen
los. Transact. 18-32) gezeigt hat, eine etwas complicirtere Follic“'
larstructur. Nach von Baer (Meckel’s Archiv 1827 p. 569.) besteh
auch die Milchdrüse der Cetaceen, die sich nicht mehrfach, soH'
dem nur einfach ausmündet, aus Blinddärmen. Die UntersuchuHn
einer Milchdrüse von Delphinus Phocaena, macht mich indessei’
glauben, dass die von Baer gesehenen Blinddärme nur die stärkeren
Ductus lactiferi waren, und dass die Milchdrüse der Cetaceen viel'
leicht nicht viel weniger coinplicirt als hei den übrigen Säugethieren
ist. Bei diesen öffnet sich die Milchdrüse bald einfach, wie he’
den Wiederkäuern, bald durch mehrere Oeffnungen, wie bei de”
reissenden Thiercn und dem Menschen, in die Warze, wo dan”
im letzteren Fall eigentlich eben so viel Drüsen zu einer gerne’”'
saraen Milchdrüse verhunden sind. Die Structur dieser Drüse”
lässt sich sehr schön durch die Anfüllung der Cellulae lactifera”
mit Quecksilber zeigen. Siehe Mueller a. a. O. Tab. VI. F’§'
1 — 8. Beim .säugenden Igel betragen die Cellulae lactipara”
0,00712 — 0,00928 p. Z.; beim säugenden Hunde betragen sie
0,00260 p. Z, Sie sind also 10 bis 35 mal so stark als die fei”'
sten Capillargefässe des Menschen von 0,00025 p. Z.
C. Speicheldrüsen. Die Speicheldrüsen der Insecten sind»
wie die Drüsen dieser Thiere üherhaupt, lange röhrenförmig”
Schläuche mit blinden Enden. Bei den Mollusken habe ich
von schwammiger und deutlich zelliger Structur gefunden. Sieh”
die Abbild, von Murex Tritonis Tab. XVII. Fig. 6. Bei den Fi'
sehen giebt es keine Speicheldrüsen; bei den Schlangen m”**
man die einfachen Speicheldrüsen von den ganz davon versch’”'
denen Giftdrüsen unterscheiden. Die einfachen Speicheldrüse”»
welche theils an der Ober- und Unterlippe, theils unter de’
Zunge, theils wie die von mir gefundenen, neben der Nase 1’”'
gen, sehen körnig aus und bestehen in ihrem Innern aus ei””’
zelligen Structur (J. Mueller a. a. O. Tah. VI. Fig. 5.), so zwa”»
dass die Ober- und Unterlippendrüsen eigentlich aus einer linea'
ren Aggregation vieler Drüsen mit vielen Oeffnungen bestehe”'
Die Giftdrüsen sind ganz anders gebaut. Sie bestehen in de*“
B.egel aus einer Reihe von Blättern, die auf dem Ausführungs'
gang aufsitzen, indem jedes wieder aus verzweigten Blinddär’”'
chen besteht. (J. Mueller a. a. O. Tab. VI. Fig. 1.) Die Gift'
schlangen bilden übrigens drei Ordnungen : 1. Coluberartig”
[Amplübüla Müü.) mit vorderen einfachen Zähnen im Oberkieff
und hinteren gefurchten Giftzähnen, wie Dipsas, Homalops’’’’
Dryophis. 2. Giftschlangen mit vorderen durchbohrten Giftzähnc”»
mit hinteren einfachen Zähnen im Oberkiefer (Trimeresurus, B””'
garus Naja(?), Platums, Hydrophis, Pelamis). 3. Giftschlang””
mit blossen Giftzähnen im Oberkiefer, wie Trigonocephalus, Cop”*'
as, Vipera, Pelias, Crotalus. Bei den Vögeln sind die SubmaxiU””'
drüsen in Hinsicht ihres Baues von E. H. Weber und mir untersuc
worden. Sie sind eine Aggregation von mehreren zusammengeset*
2. Vom innern Bau der Drüsen. Speicheldrüsen. Partereas. 425
ten Drusen mit einzelnen Oeffnungen, wie bei den liülinerar-
bgen Vögeln und Gänsen, grössere einfache Drüsen sind die
Unterzungendrüsen der Spechte. Im erstem Falle hesteht jede
®nheinhar körnige Drüse aus einem verzweigten Folliculus, dessen
^ände mit Zellen besetzt sind; im letzteren Falle findet derselbe
nur complicirter statt. J. Mueli.er a. a. O. Tab. VI. Fig.
. "^8. Bei den Säugetbieren zeigt sieb eine Speicheldrüse bei
»nrer ersten Entstehung nach Weber’s und meinen Beobaebtun-
S^n als ein einfacher, vom Mund ausgehender Kanal mit knos-
Penförmigen Auswüchsen innerhalb eines gallertigen Reimstolfes,
“lastexna; a. a. O. Tab. VI. Fig. 9 und 10. Bei der weitern
Ausbildung der Kanäle verzweigen sich die Kanäle auf Kosten
Reiinstoffes immer weiter und in denselben hinein. Dieser
Upimstoff zeigt sicli bei diesen gelappten Drüsen bald lappig, und
^ird von der fortschreitenden Verzweigung zuletzt ganz absor-
a. a. O. Tab. VI. Fig. 11. 12. Schon bei dieser ersten
, utstebung der Drüse zeigen sich also die Speichelkanäle als ein
l'* sich geschlossenes und blind endigendes System; allein auch
•ui erwachsenen Zustande lassen sich die Bläschen an den mikro-
^''^opischen Enden 'der feinsten Speichelkanälchen vom Ausfüh-
'^’^ugsgang der Drüse ans mit Quecksilber anfüllen, wie E. II. We-
beim' Menschen und ich bei dem Hunde getban. Die klein-
**■^0 Zellen in der Parotis des Menschen messen mit Quecksilber
ßulüllt 0,0082 p. Z. Diese Zellchen verbinden sich zu Träubchen,
Quiche 4 bis 7 mal grösser sind. Die Zellchen sind also unge-
.3 mal und die Träubchen 12 mal grösser als die feinsten
ulutgefässcben. Die kleinsten Lungenzellchen sind 5 bis 16 mal
S‘'ös'ser als die Zellchen der Paroti's. Beim Hunde fand ich die
Quecksilber gefüllten Zellchen der Parotis 0,00176 p. Z. dick.
D. Pancreas. Gleichwie die erste Erscheinung der Milch-
ufüsen bei den Cetaceen in der Form von Blinddärmchen auf-
so erscheint das Pancreas bei den Fischen zuerst in dersel-
. Gestalt, als Appendices pvloricae, welche übrigens bei vic-
Fischen fehlen. Diese Blinddärme sind bald einfach, bald
^uhrfacb, und in seltneren Fällen verzweigt. Der Anfang dieser
uuzweigung zeigt sich sehr einfach noch bei Polyodon folium,
die Blinddärme sehr stark und kurz sind. In der Familie der
^uomberoiden erreicht die Verzweigung in einigen Gattungen
grosse Complication, wie z. B. bei Scomber Thynnus, wo 4
^•■osse Stämme der Blinddärme vom Dünndarm ausgehen, sich
®rz,veigen und jeder Zweig zuletzt in ein qnastförmiges Büschel
dünnen röhrenförmigen Blinddärmen übergeht. (J. Mueller,
‘ '*• O. Tab. VII. Fig. 4. 5.) Beim Schwertfisch findet derselbe Bau
* nur sind die Blinddärme nicht röhrenförmig, sondern kurz
dick. Beim Stör stellen die Blinddärme, indem sie unter-
'öatider durch Zellgewebe verbunden sind, eine grosse sebwam-
^‘8~*ellige Masse dar; a. a. O. Tab. VH. Fig. 6. Die Entwik-
lj®^''gsgescbicbte des Pancreas zeigt bei Froscblarvcn einen- ähn-
^’^uen Fortschritt, wie bei der Entwickelung der Speicheldrüsen
Säugethiere. Bei den Vögeln lässt sich indess, selbst ira er-
^'^hsenen Zustande, das Pancreas ganz bis in die zellenförmigen
28*
426 II. Buch. Organ, chem. Processe. III. Ahschnilt. Absonderung.
Enden der Ductuli pancreatici mit Quecksilber injicirenj
E. H. Weber und ich gethan. J. Mueller a. a. O. Tab. XVl*-
Fig. 3 — 5" Diese Zellcbcn messen 0,00137 bis 0,00297 p-
sind also 6 — 12 mal grösser als die leinsten Blutgefässe.
E. Leber. Ohne mich hier über die von Einigen angenoiB'
mene Achnlichkeit der Malpighi’schen Gefässe der Insecten
Gallenorganen zu verbreiten, wovon im IV. Capitel bei der Vei’-'
dauung und Gallenabsonderung das Nähere, will ich bloss erwa^*'
neu, dass die Gallenorgane der Spinnen Träubchen von ßläsche'J
darstellen, welche durch Ausfiihrungsgänge in den Darmkan»
nusmünden. Dieser Gänge sind beim Scoi’pion 5 Paar. J.
i.ER a. a. O. Tab. YIII. Pig. 8. Bei den Crustaceen, namentlic"
hei den eigentlichen Krebsen, besteht die Leber aus grossen Bu'
schein fingerförmig -veihundener Blinddärmchen, deren Haupt'
ausführungsgang auf jeder Seite in den Darmkanal ausmündeti
a. a. O. Tab. VlII. Fig. 11. vom Flusskrebs. Fig. 12. vom P*'
gurus striatus. Dagegen andere Krebse, wie die Gattungen P*'
iaemon, Penaeus und Crangon, eine traubenförmige Bildung de'’
Leber besitzen und die Leberlajjpen der Squillen schwammigzclht;*'
Massen bilden; a. a. O. Tab. IX. Kathke hat gezeigt, dass di®
aus Blinddärmchen zusammengesetzte Leber des Flusskrebse*
Leim Embryo als eine Ausstülpung der Darmwände nach Ausse''
entsteht. Bei den Mollusken gleicht die Leber schon sehr ilirei''
Ansehen hei höheren Thieren. Mit Galle angefüllt scheint si®
auf den ersten Blick von körniger Structur zu seyn; sie läsd
sich aber, wie ich gezeigt habe, durch Aufblasen der Ausfüh'
rungsgänge leicht als eine hohle Traube darstellen. Bei einig®''
grossem Schnecken, wie Murex Tritonis, ist die zcllige Bilduj'S
so auffallend und die Zellen sind so gross, dass die Leber be'"*
Durchschnitt dem blossen Auge als eine durchaus schwammig"
Masse erscheint; a. a. O. Tah. X. Fig. 4. Die Untersuchung
^ der Leber der Wirbelthiere bietet ausserordentlich viele Schw*®'
rigkeiten dar und nur die Eiitwickelungsgeschichte gieht ved'
ständige Aufschlüsse über den Bau der feinsten Elementarthcd®
dieses Organes. Eine gute Injection der Gallenkanälchen ist uä'
gemein schwierig, während die Injection der Blutgefässe der B"'
her durchgängig sehr leicht gelingt.
Roi.A!«do’s, Baer’s und meine eigenen Beobachtungen hab®''
es ausser Zweifel gesetzt, dass die Leber zuerst als eine Ausstm'
pung .der Darmwände bei dem Vogelembryo entsteht , ®d'®
Bildung, welche die Leber in der ersten Entstehung mit der Luug
und dem Pancreas gemein hat. Nach v. Baer erscheint die B"'
her bei dem Vogelembryo um die Mitte des dritten Tags d®*
Bebrütung als zwei kegelförmige hohle Schenkel des Speisek®'
nals, welclie den gemeinschaftlichen Vcuenstamm umfassen. Ba
verlängern sich diese Kegel, indem sie Gefässverzweigungen
sich hertreiben, während sich die Basis allmählig verengt nn‘
die Gestalt eines cylindcrformigen Ausführungsganges annimp' '
Die Lehcr entsteht also zuerst als eine doppelte hohle Äusstu^
pung der DarraWand in die Gefässschichl nach Aussen,
hohlen Kegel verzweigen sich im Innern, vereinigen sich a
427
2. Vom innern Bau der Drüsen. Leber.
der Basis, indem die Ijcidcn lioldcn Kegel bei ihrer Verlan-
Seruiijr von der Darmwand immer mehr an sich ziehen, nis sic
‘len zwischen sich befindlichen 'i’heil ganz in sich aiilgenommen
1‘ahen, so dass nun diese beiden Mündungen in eine einzige zu-
sammengeflossen sind. V. Baeh in Burdach’s Physiologie, Bd. II.
l’ag. 504. Die Gallenblase bildet sieh als cm Divertikel des Aus-
liihrunosrran<res. Nach meinen Beobachtungen hat der ausgestulpte
iB'hle Theil°dcr Darmwand anfangs, nämlich am_ 4. f««*
‘l'eselbe Dicke als die übrigcDarrnwand; bald aber AVird dieser 1 heil
''ml dicker, während er im Innern immer noch eine Iloli o enlhalt.
liiese Höhle nimmt bei der weitern Ausbildung der Gallenkanale
ah, während sich in der Dicke der Lehersiilistanz verzweigte 1' .gu-
ren und blinddarmförmige Rörucheii ausliilden, welche letztere
^dessen nicht deutlich hohl scheinen. Die Ductus bihleri bilden sich
daher durch fortgesetzte Ausstiilpung nicht, sondern durch wei-
tere Organisation des hervorgetriehenen Theils der Darmwande.
^mhe die Abbild, bei J. • Mueller a. a. O. Tab. IX. Fig. 1 »•,
hah. XI. Fi". 1 — d. Was die s^iäterc Ausbildung und Verzwei-
gung der Gallengänge betrifi't, so haben darüber schon Harvey
"ud MALPir.iii Aufschlüsse gegeben. Harvey Kirem«. ^nera-
'mne animalium. 19; Mai.pighi de Jormat. pullt. 61. Der Erstere
*ah die Lebersubstanz als einen sprossenförmigen Auswuchs der
lllutgefässe; Malpigiii sah die Leber am 6., 7. und 9. Tage aus
llhnddärmchcii bestehend. Dieser anfängliche Bau der Leber ist
'“n mir durch fortgesetzte mikroskopische Untersiicliungen wci
lfm verfolgt wordeiu Es zeigen sich nä.ullch f
d<ir Leber bei mikrosko])ischer Untersuchung lauter Blindd.irm-
‘'hen oder kurze Bciserchen von gelblich aveisser Farbe, die aus
der sonst Idutrothen Substanz in unzähliger Menge dicht neben ein-
»iider liervorsehcn. Bei älteren Embiwonen sieht man diese- Koiser
'^''en auf der Oberfläche der blutrothen Leber noch weiter zerastdt,
dass die Büschel der Reiscrchen die Form von b ederchen anne i
'"en, oder auch wohl kleine Sträusschen bilden. J. Mueleer
u. O. Tab; XL Fi". 4 — 9. Diese Elementartheilclien hetra-
gegen 0,00172 p” Z. Beim Kaninchen ist mir die feinerfr
''»iectiou der Gallenkanälchen aus dem Ductus hepaticus mit
^‘■ini und Zinnober einigemal gelungen , wobei die Leber über
^d öher roth wurde. Die kleinen Ac.m der Leber zeigten
J'ch lüerlici als vielfach zerästelte Zerlheilungen der Galten-
Wdehen, so zwar, dass die Kanälchen in dichten Hau fe^
'felehe die Aeini bildeten', aus der Liefe kommend ,_ nach
Peripherie aus einander fuhren, sich auch .noch reiscjfoi;-
theilten, ohne weiter dünner zu werden. Diese Zwei-
Selchen, welche man nur mühsam bei mikroskopischen Unter-
suehungen der iiiiicirten Leber erkennt, hegen so didit, öfs»
^ ilduvcii ein A.nscliein von Verbiutluiii^ crilslelit; tue ^
-1 - . no 0,00117 p Z., S|0
428 II. Blich. Organ, ehern. Processe. III. Abschnitt. Absonderung.
der Entwickelung knöpf- oder bläsclienförmige Anscliwellungeo
an diesen Reisereben sieht, ln seltenen Fällen gelingt die Mace-
ration der Leber in schlechtem Weingeist so, dass sie ganz i"
ihre Acini zerfällt, welche dann bloss noch unter sich ästig zusam-
men hängen. So besitzt das anatomische Museum zu Berlin eine
durch die Maceration in lauter Büschel von Acini analysirte Le-
ber eines Eisbären. Die feineren Stämrnchen der Gallenkanälchen
sind nicht mehr erkennbar, oder liegen vielleicht im Innern der
Büschel der Lebersubstanz. Die Büschel der Lebersubstanz hän-
gen aber an den Zweigen der Lebervenen, welche in das Innere
von jedem Aestchen der Lchersubstanz ein Zweigelchen hinein-
schicken. Die an den Zweigelchen derLehervenen sitzenden Stäinm-
chen der verzweigten Lebersubstanz von - Lin. Dicke, verzweigen
sich, ohne an Dicke zu verlieren, weiter, und endigen zn-
letzt untnerklich in dickere, nämlich ^ Linie dicke, 2 — 3 Li-
nien lange Körperchen welche hier und da stumpfe Fortsatz®
ausschicken. Die zarten Gallenkanälchen an dieser Substanz las-
sen sich nicht mehr erkennen. Merkwürdig ist, dass nicld
die Pfortaderzweige sondern die Lehervenenzw^eige von de'"
acinösen Substanz , wie der Stengel vom Laub der Moos®i
bekleidet sind. An denjenigen Theilen der Leber , wo di®
Theile noch durch Zellgewebe vcrlmnden sind, sieht man, dass di®
Enden dieser ästigen Lebersubstanz eigentlich das sind, was tnai*
auf der Oberfläche der Lehcr die Acini nennt. Diese ästigen Cy-
linderchen bestehen also selbst wieder aus den vorher nach In'
jectionen und nach der Entw'ickelungsgeschichte beschriebenen vi®^
feineren Gallenkanälchen. Was die von mehreren Schriftstellern)
wie Autekrieth, Bichat, Cloquet, Mappes und Meckel, ang®'
nommene doppelte Substanz in der Leber betrifft, W'elche sid'
wie Mark und Rinde an den Acinis durch die ganze Leber vcf'
theilen soll, so reducirl sich diess nach meinen Untersuchungßn
auf das Factum, dass die ästigen Zertheilungen der LebersubstaoZ
und der Acini überall von einem oft dunkeln gcfässreichen
Zellgew'ebe unter einander verbunden sind, wogegen die gelhli'
eben Anhäulhngen der Gallenkanälchen abstechen, ein Verhältnis*»
was d'zrch die Entwickelungsgeschichtc evident wird, indem nia®
beim Vogelembryo die gelbliclien Reiserchen der Gallenkanälche"
auf der Oberfläche der Leber aus einem rothlichen Gefässgeweh®
hervorkommen sieht.
Was die Vertheilung der Blutgefässe in der Leber betriffh
so ist es bekannt, dass sich von Injection der Leberarterie on‘‘
der Pfortader diesellien Capillargefässnctze anfüllen, mit welchei*
wieder die Anfänge der Lebervenen in Vei'bindung stehen.
den Capillargefässnetzen der Leber scheint daher eine Vermischung
des hellrothcn Blutes der Leberarterie und des dunkelrothen Blut®*
der Pfortader statt zu finden, und aus beiden geschieht vielleicht di®
Absonderung der Galle. Die feinsten Capillargefässe sind, ivie i® _
schon bemerkt habe, feiner als die mikroskopischen Beiserchen d®*
Gallenkanälchen. Diese Netze verlaufen überall zwischen denR®*'
serchen der Kanälchen, umspinnen sie, stehen aber mit ihnen n'
keinem unmittelbaren Zusammenhänge; denn bei dem VogeleiO'
429
2. Vom innern Bau der Drüsen. Leber.
sielit man mit Hülfe des Mikroskops auf der Oberfläche
der Leber die reiscrförmigeii Endigungen der Gallei^analcben
'ind dasselbe lässt sich mit Erfolg an der Leber der b iwclilai^
''6n beobachten. Siehe J. Mueij.er a. a. O. lab. X. •
ßel der Salamanderlarve lässt sich sogar die Bewegung des Bluts
^Wischen den Acinis der Leber mit dem Mikroskop lieobachten
t»- a. O Tab X. Fig. 10.), wo die Blutkörperchen sich zwischen
"len Theilchen der Lcbersulistanz deutlich durchwinden, um
den zulührenden Gcfässen in die abführenden zu gelangen.
Leber das Pfdrtadcrsystem der Thiere siehe oben pag. 100.
Durch Rierjiain’s sehr schätzbare Lntersucbuiigcn lud die
Anatomie der Leber weitere Fortschritte gemacht, i tidosoph. ^ans-
183.3. p. 2. pag. 711. KiERSAy beschreibt die kleinen ^^rn-
cben {Lobules) der Leber, welche Andere Acini nennen, als blatt-
förmige aber nicht platte Körper, welche mehrere sturnpte bort-
«ötze ausschickcii, ähnlich denjenigen, die wir oben von der ma-
?®rirten Leber des Eisbären beschrieben haben, iminnnren eines
l®den kleinen Läppchens läuft ein Centralcanälcben [Venula uHra-
^<^bularis], ein Zweig der Lebervene, welche das Blut aus dem
Lapillargefässnctz des Läppchens znrückfülirt ; diese Venulaeintra-
lobulares gehen von den Aesten der Lebervenen aus, Avelche an
diesen Stellen in ihren Wänden wie durchlöchert sind, indem
‘lie Läppchen auf der Olierfläche der VN ände der Lebervenen-
^«’eige aufsitzen, so dass diese so gruppirten Läppchen einen La
“al bilden, in welchem der Lebervenenzw-eig hegt. Diese Lanale
®ö>d also durch die Basen aller Läppchen gebildet. Die äussere
Oberfläche jedes Läppchens dagegen ist von einer
?clieide, Capsel, Fortsetzung der Capsula Glissonii umgeben, und
öl diesem Zellgewebe, Avelches Avieder die Läppchen von emandei
Rodert, verbreiten sich die Zweigelcheu der Arterie iind die
Ztveigelchen der Pfortader, Avelclic (Venac iiiterlobulares) durch
Capillargefässnetze des Läppchens in die Vena intralobularis,
ö<fcr den Anfang eines Lebervenenzweiges übergehen. Je nachdem
^btweder in den Venis interlobiilar. von der Pfortader her eine
^Wanhäufiing oder in den Venis intralobidnr. von den Leber-
’i*'‘hen her eine Bhitanhäufung statlfindet, scheint en Avet ei c le
^Ltte der gelben Läpjjclien blässer, oder der Umfang blasser, und
öaber der irrthum von zwei Substanzen an den Läppchen, wel-
KiraNA« so wie ich aus einer einfachen Substanz gebildet fand.
Das Zellgewebe der Capsula Glissonii geht von der Leber-
ffirte als gemeinschaftliche Scheide der Leberarterie, der Plort-
und des Gallenganges weiter ins Innere der Leber ein uin-
immer wieder die neben einander hegenden ZAveige di^er
Oefässe und endigt zuletzt in dem Interlobularzellgewebe. Dei
^czweigung der Lebervenen lileiben diese Scheiden ganz
Die Leberarterie verz.Aveigt sich nach Riernak
'öid grösst enthcils auf den Wänden der Gallenblase , der Liuie
S’öige und der andern Blutgefässe, indem sie die Y«®“ .
derselben bildet. Aus den Netzen der ArterienzAveigelchen ^eht
as Blut nach Riernan in Zw'eige der Pfortader ö-iiöYYY
öft aus in die Lebervenen; denn durch feine Injec i n n
430 II. Buch. Organ, ehern. Processe. III. Abschnitt. Absonderung.
Leberarterie wurde die Pfortader wolil, nicht aber die Lebervenen
gefüllt. Als er mit blauer Masse zuerst die Pfortader und dann
mit rother die Leberarterie gefüllt liatte, wiu’den Zweige von
beiden Gefassen in den Häuten der Gelasse, der Gallengänge und
der Gallenblase gefunden; die Läppchen der Leber waren blau
gefärbt und die rotlie Masse ersebien nur punktweise im Umlang
derselben. Kiernan nimmt daher an, dass diejenigen Zweige der
Leberartcrie, welche bis zu den Läppchen gelangen , in die ve-
nösen Plexus der Pfortader übergehen xind dass das Blut von dort
erst in die Anfänge der Lehervenen gelangt. Diese Ansicht, wel'
che jener widerspricht, dass alles Blut der Leberarterie sowoln
als der Pfortader in dieselben Capillargcfässe gelange, ist inde*^
noch nicht hinreichend erwiesen und die LiEBERK.uEH3’schen lo'
jectionen widersprechen ihr, indem hier die Capillargefässnetz®
öfter so leicht von dem einen als von dem andern Gefäss au*
sich injicirt zeigen.
Von der letzten Verzweigung der Gallenkanälchen sagtRiEB'
nan Folgendes. Da wo die feineren Zweige zwischen den Läpp'
chen liegen, theilen sie sich durch Verzweigung, diese Zweig®
anastomosiren endlich mit einander und bilden zuletzt einen voä
den Blutgefässen unabhängigen Plexus, welcher die eigentlich®
Substanz des Läppchens ausmacht. Ptiilos. transact. 183.3. p.
Tab. 23. Fig. 3. An den von mir injicirten Gallencanälcben hah®
ich über die Existenz dieser Verbindungen nicht sicher werdet
können. Die Canälchen sahen mehr wie in den mannigfaltig'
sten Richtungen durch einander liegende kurze Rispen aus, iin^^
die Entwickelungsgeschichte widerspricht dieser Ansicht, indcii*
man beim Hühnchen und bei den Froschlarven auf der Ober'
fläche der Leber mit dem Mikroskop offenbar Reiserchen siebt-
Kierkan erklärt sich diess Ansehen beim Fötus auf eine ander®
Art, nämlich als gelbe Zxvischenstellen zwischen den Radiationen
der Venen. Diese Erklärung würde dieser treffliche Forscher
indess wohl nicht aufgestellt haben, wenn er selbst mikroskopi'
sehe Untersuchungen über die Gallencanälcben hei VogelemljryO'
nen und Froschembi-yonen angestellt hätte. Dass die Galleiica'
nälchen beim Embryo reiserförmige kurze Endigungen an d®*"
Oberfläche der Leber bei mikroskopischer Untersuchung sehen
lassen, ist nach meinen zahlreichen Beobachtungen nicht zu b®'
zweifeln; ob die Acini beim Erwachsenen auch aus einer AnhäU'
fung nicht anastomosiren der Körper oder aus Plexus von Caiiäl'
chen bestehen, wie Kiersan behauptet, ist noch nicht entschieden
und schwer zu entscheiden, da auch die gut injicirten Canälchen
der Acini, wenn ihre durch einander fahrenden Zweigelchen dich*
gehäuft sind, den Anschein von Plexus annehmen können, zuwe''
len aber auch Plexus für Gallencanälcben gehalten w-erden kön-
nen, welche nichts anders sind als durch Extravasation aus den
Gallengängen angefüllte Venennetze oder Capillargefässnetze.
2. Drüsen mit rührigem Baue. Hierher gehören die Nieren
und die Hoden. Bei dieser Art drüsiger Organe wird die Ver-
grösserung der Fläche durch Kanäle von ausserordentlicher Läng®
realisirt, vvelche mehrentheils gewunden sind, während die Vei"
2. Vom innern Bau der Drüsen. Nieren.
431
*^''eignng entweder fehlt oder ganz untergeordnet ist und die
l^ftnäle in dem grössten Theile ihres Verlaufs einen gleichen
•^rehmesser hehalten.
P. Nieren. Die Nieren der niederen W'^irbelthiere , wie der
'•sehe und Amphibien, zeigen noch keinen deutlichen Unterschied
''01 Suhstantia medullaris und corticalis. Das ganze Gewebe der Nie-
‘■en der Fische besteht aus lauter gewundenen RanVdehen {ductiis
'"■'"'Jen), welche durchgängig denselben Durchmesser behalten
"od sich zuletzt wahrscheinlich blind endigen, während sich ihre
j'ideren Enden in den Harnleiter ergiessen. J. Mueller a. a. O.
Fig. 1— 4. , .
V, Die Harnkanälchen in der Niere der Frösche gehen, wie die
.Oderfahne von dcmFederschaft, nach einer Seite hin ab. Sie sind
*0 ihrem Verlaufe theils gerade, theils gewunden, verändern ih-
*^01 Durchmesser nicht und endigen zuletzt blind an dem on^e-
?®igesetzten Rande der Niere. J. Mueller a. a. O. Tab. XII,
**§•11. Bei den Schlangen, wo die Nieren an dem, am äus-
Rande derselben verlaufenden, Harnleiter, eine Reihe von
^''•Ppen bilden, schickt der Harnleiter von Stelle zuStelle ein Stämm-
f'^on in die Concavifät der Lappen ab, welches sich alsbald hüschel-
'o>Tnig verzweigt. Diese Büschel gehen dann in die eigentlichen
."•'nkanälchen über, -welche in mannlchfaltigen "Windungen das
^'.Sontllche Parenchym der Nieren ausmachen. Am Ende scheinen
.0 Harnkanälchen etwas angeschwollcn und blind. Mit Queck-
'•llier gefüllt haben diese Harnkanälchen einen Durchmesser von
,>00.322 p Z. Die Nieren der Schildkröten gleichen in der Bildung
Harnkanälchen, deren Ende« gefiedert sind, ganz denen der
'^ogel. Ueber das eigenthümliche System von zufuhrenden Ve-
in den Nieren der Fische und Amphibien, siehe pag. Ib«
'"oses Handlmchs.
Die Nieren der Vögel, welche aus mehreren ganz getrenu-
1 ‘'i nur durch die Acste des Harnleiters verbundenen Lappen
. o^tehen, gleichen schon den Nieren der Säugethiere darin , dass
I" ihnen Pyramiden enthalten sind, welche die Harnkanalchen
kleine Warzen sammeln, wovon jede in einen Ast des Harn-
^'tors eingesenkt ist. Auf der Oberdäche der Nieren bemerkt
kleine Windungen, wie auf der Oberfläche des Gehirns oder
> die an einander liegenden Ränder eines sehr gekräuselten
K ^tes. Diese Windungen entstehen durch die schichtweise Aus-
ifoflung der zur Oberfläche auftauchenden Harnkanälchen. In
0‘esen Windungen liegen die Harnkanälchen parallel neben em-
er; nian kann sich diese Anordnung so vorstellen, wie wenn
^ Tuch nach einer Seite hin in die Spitze einer Pyramide zu*^
'^mengefasst wird, während das andere Ende des Tuchs wie
; ^0 Gardine oder eine Halskrause in gekräuselte Falten S® '.'j’
a,- Hei der ersten Entstehung der Niere sieht man diese BH-
g noch deutlicher, indem die aus der Tiefe aufstreben cn
.dichten der Harnkanälchen sich in gekräuselten Figuren aiu
. ' Oberfläche der Niere neben einander legen und den Ba ten
pl'or Krause in der That sehr ähnlich sehen; a.
S' 4. 5. 6. Beim erwachsenen Vogel, -wo sich die Harnkanal..
432 11. Buch. Organ, ehern. Processe. UI. Abschnitt. Absonderung.
eben mit Hülfe der Luftpumpe durch Leim und Zinnober io]‘'
ciren lassen, liegen die Enden der Harnkanälchen auf der Ober-
fläche der Nieren in wunderschöner Anordnung neben einander
Jedes dieser Kanälchen treibt federförmig kleine Zweige nae
den Seiten aus, so dass jedes Harnkanälchen einem FedercbeP’
oder auch der Verzweigung des Hirschgeweihes ähnlich sie» ’
Siehe Tab. XIII. Fig. 7. 9. 13.
Huschke’s und meine Beobachtungen haben dieses Verhalt®’*
ermittelt. Vach neuen Beobachtungen, die ich an ausserordent-
lich schönen Injectionen vom Prof. Retzius in Stockholm ang®'
stellt habe, setzen sich die Seitenzweigelchen noch weiter in d'®
Tiefe fort, wo sie keine Aeste weiter abgeben und allinäld'b
kaum etwas feiner werden. Wie sie zuletzt endigen, weiss '®
nicht gewiss; wie es scheint, bilden sie Schlingen. Die Hariib®'
nälchen haben auf der Oberfläche der Nieren der Eule ein®”
Durchmesser von 0,00174 p. Z. Vergleiche über den Bau derV®'
gelnieren Huschke Isis 1828. pag. 565.
Bei dem Embryo der Säugethiere und des Menschen beste®
die Niere aus mehreren ganz abgesonderten Lappen [RencuUh
welche bloss durch die Zweige des Nierenbeckens zusammenhä®'
gen. Dieser Renculi sind so viele, als die Niere später Pyran”'
den hat. Bekanntlich bleiben diese Renculi in grosser Anza®’
bei mehreren Thiereu durchs ganze Leben getrennt, wie beim fl®'
ren, der Fischotter und den Cetaceen. Sowohl bei diesen Tbi®'
ren, als bei dem Fötus der übrigen Säugethiere und des Mc”'
sehen besteht jeder Renculus aus der pyramidalischen Marksub'
stanz und der wie eine Mütze um die abgerundete Basis derselb®”
herumgeschlagenen Corticalsuhstanz , welche die Medullarsubsta®’^’
also bis auf die Papille des Renculus umgiebt. Nachdem di®*^
Renculi unter einander verwachsen sind, setzt sich also nothwe”'
dig die Corticalsuhstanz der Nieren zwischen die Pyramiden b.’’
gegen die Papillen hin fort. In der Marksubstanz verlaufen d*®
Harnkanälchen bekanntlich gestreckt; von der Basis ])is geg®”
die Papille bin, verbinden sie sich von Stelle zu Stelle, r
zwei mit einander, wie die Zinken einer Gabel. Sie werd®”
gegen die Papille hin beim Pferde unbedeutend , beim M®”'
sehen, nach Webeb, nicht einmal weiter und öffnen sich in d®’*
L()cherchen iler Papillen. Gegen die Corticalsuhstanz hin fahr®”
die Harnkanälchen aus den Bündeln {Ferreinsche Pyramide’^r
welche die Malpighi’schen Pyramiden zusammensetzeii, nach all®”
Richtungen auseinander. Nur eine kleine Strecke setzen sich d'
Büschel der gestreckten Kanälchen in die Corticalsuhstanz 1®” ’
indem diese Büschel von Harnkanälchen von aussen nach in®®”
immer mehr Harnkanälchen, gewunden in die Rindensubsta®^’
abweichen lassen. Siehe J. Mueeler a. a. O. Tiib. XIV. Fig- '
vom Eichhörneben. Die ganze Rindensubstanz besteht aus la®!®
W indungen von Harnkanälchen , die ihren Durchmesser b”*
nicht weiter verändern. Bei dem Pferd ist die Rindensubsta”^
dünn und die Zahl der gewundenen Kanäle daher ■''*”
geringer. Die Enden der gewundenen Harnkanälchen a”
zufinden ist ungemein schwierig. Nach meinen Beobachtung®”
2. Vom binern Bau der Drüsen. Nieren.
433
'*** den Nieren des Elclihörncliens tlieilen sicli zuletzt die Kanal-
melirfach, und hören mit nicht oder kaum angeschAVollenen
tnden auf. Weber fand heim Menschen bei mikroskopischen
^•'Versuchungen keine Enden der Harnkanälchen, sondern nur
pldeifen. Beim Pferde liahe ich durch Injectionen der Harn-
•‘anälchen vom Ureter aus mittelst der Luftpumpe ganz deutlich
^•'•nlttelt, dass diese Kanäle vielfach unter einander anastomosi-
Tab. XV. Fig. 2. Hiernach verhallen sich also die gewun-
"«»en Harnkanälchen durch ihre Annstomosen gerade so, wie die
8®\vundenen Samenkanälchen. Um diese Kanälchen der Rinde
injiciren, muss man sich der Hülfe der Luftpumpe hedmnen,
"•dein die äussere Oberfläche der Niere dem luftleeren Raum
ausgesetzt ist, und die Injectionsmasse durch den Druck der äus-
Luft aus dem Ureter in die Harnkanälchen bis auf die Oher-
*aclie der Nieren hineingetrieben wird. Diese Injectionsart,
^••iche zu diesem Zweck Huschke zuerst angewendet hat, gelingt
?"•' bei dem Pferde vorzüglich. Was den Durchmesser der Harn-
^aiiVilchen betritt't, so betragen sie in der Rinde der Nieren des
^''chhörnchens 0,00149 p. Z.; sind also ungefähr 3 bis 6 mal so dick,
r die feinsten Blutgefässe. Auf der Oberfläche der Nieren des
^.^•"■des betragen die Harnkanälchen im Injiclrlcn Zustand 0,00137
0,00182; in der Medullarsubstanz betragen sie gegen die Mitte
^?''selben schon beträchtlich mehr, nämlich 0,00489 und gegen
V® Papillen hin 0,01305 p. Z. Nach E. H. Weber nehmen diese
Naiijjig von ihren Windungen in der Rinde gegen das Mark und
'"•• dort bis an die Papillen beim Mensclien gar nicht einmal
j*" Umfang zu. In der Rindensubstanz betragen sic nach ihm
j’^Olso p. Z. Durchmesser, in den Pyramiden 0,00160 p. Z., an
Papille 0,00100 p. Z.
^on ganz besonderem Interesse ist das Verhältniss der Blutgefässe
der Nierensubstanz. In der Rinde der Nieren bilden die Blutge-
die gewöhnlichen Capillargefässnetze, welche ausserordentlich
.‘"'•t sind, so dass der Durchmesser nur einige mal kleiner ist,
^ ihre ZAvischenräume; sie betragen hier nach meinen Ausmes-
'"'.gen 0,00037 bis 0,00058 p. Z. Durchmesser. ln der Rinde
{'■•sehen den Harnkanälchen liegen die Malpighi’schen Körper-
. grösser als die Harnkanälchen und eben noch mit blossen
j erkennbar; sie sind von Schumla^sky viel klein abge-
Sie messen nach meinen Beobachtungen 0,00700; nach
e‘ Weber 0,00666 bis 0,00883 p. Z. Diese Körperchen lie-
I " hl bläschenförmigen Aushöhlungen des Zellgcivebes zwischen
fi!? Harnkanälchen und bestehen ganz aus Windungen von Blut-
^‘assen. Siehe Tab. XIV. Fig. 8. 9. Merkivürdiger Weise kom-
hJlti ••""h •« den Nieren der mehrsten, vielleicht aller Wir-
, flliiere vor; sie sind bei den Fröschen, Kröten, Salaman-
(■ ’’••> Schildkröten, Vögeln, Säugethieren und Menschen aufge-
(il"deti. SciiuMEAKSKY liattc die Hypothese eingefübrt, dass diese
„ "•"eruh die Quelle der Haruahsonderung seyen, indem aus in-
Pj" die Harnkanätchen entsprängen. Diess hat sich bei näherer
"tersuchung als unrichtig gezeigt, Avie sich aus HusmiRE s und
•öen Beobachtungen ergiebt. Denn die Glomeruli seu coi’-
434 II. Buch. Organ, ehern, Processe. III, Abschnitt. Absonderung.
pora Malpigliiana lassen sich nur von den Arterien aus injicire*’)
werden aber nie nach Injectionen der Harnkanälchen angefü“ •
Htjschke hat überdiess beim Salamander beobachtet, dass das Blut'
gefässeben, welches in sie liineintritt, nach vielen Windung®''
Wiederaus denselben herausgeht. Tiedemasn Zeitschrift für Physik'
4. Tab. 6. Fig. 8. Sie werden übrigens eben so leicht von d®''
Arterien als von den Venen aus angefüllt, und sind überhaupt
blosse Receptacula des Bluts.
Die Quelle der Harnabsonderung sind die gewundenen HarU'
kanälchen selbst, welche nicht bloss an ihren Enden, sondern
der ganzen ungeheuren Oberfläche, welche ihre Windungen Bai'
bieten, die in Harn vcwandelten Theile des Bluts ausscheitl®"'
Sie sind überall von den feinsten Blutströmehen umgeb®®’
indem die Netze der Capillargefässe in ihren ZAvisebenräum®"
überall hingehen und sie umwelien. Die aufgelösten Theile B®'*
Blutes können durch die zarten Wände der Harnkanälchen durd''
dringen, und bei diesem Durchdringen eine chemische Vera®'
derung erleiden, oder die zersetzten Theile desselben angezog®''
und ausgeschieden werden.
In der Marksubstanz verlaufen die Blutgefässe zwischen B®®
Harnkanälchen gestreckt gegen die Papillen hin, indem sic i'®''
der Rinde kommen. Diese von den Arterien und Venen aus lei®'’
zu injicirenden Gefässe der Marksubstanz sind in früherer 2®B
von Ben Anatomen fälschlich für die von den Arterien aus iol*'
cirten Belllni’schen Harnkanälchen gehalten worden, in Avclci'^
die in die Arterien inpeirten Flüssigkeiten nicht übergehen. J®"*'
gestreckten Arterien und Venen Averden gegen die Pajiillen B®®
Nieren bin, statt sich AAÜe die Harnkanälchen zu erweitern, vi®*'
mehr fein und bilden die gewöhnlichen Capillargcfässnelze
die OelFnungen der Harnkanälchen. Beim Hunde betragen Bi®*^
gestreckten Arterien der Pyramiden 0,00175 — 0,00068 p. Z. *®’
Durchmesser, in der Nähe der Papillen, wo sie Netze bllB®"’
0,00042 p. Z.
Vergleicht man die Harnkanälchen mit den Samenkanäleb®"
des Hodens, so zeigt sich die grösste Aehnlichkeit; auch j®®*'
sind gewunBen unB bilBen Anastomosen, unterscheiden sich
diesen nur durch ihre grössere Feinheit, indem sie beim Mensch®®
einige mal dünner sind als die Stimenkanälchen , und daher i®'
blossen Augen nicht mehr gesehen werden. Bei den Schlang®'*
sind sie dagegen schon so gross, dass man sie mit blossen A"'
gen sieht, und eben so bei den Rochen und Haien. Erst du®®
ihre Feinheit und Anhäufung bilden sie den Anschein von f®’’''''
Masse, wie ihn die Rinde dem nackten Auge darbietet.
Hoden. Bei den Insecten ist die Bildung des Hoden
endlich mannicbfaltig. Der Grundtypus ist Vermehrung der Fla®®^
Avelche absondert, im kleinen Ravime. Die Formen sind hier
überaus reich, als die Ausbildung einer grossen Fläche im hl®'
nen Raume mannichlaltig ist. Siehe Leon Dufour Ann. des s-
nat. Tom. VI. fiptbr. u. Oetbr.; Succoav in Hetjsinger’s Zeilscin'J
für Organ. Physik. Tom.H, Man findet daher bald einfache,
verzAveigte, mehr oder minder gewundene Röhren, bald knäu®
435
2. Vom innern Bau der Drüsen. Hoden.
förmig aufgewickelte Röliren; In anderen Fallen endigen die Röli-
ren verzweigt In Rläsclien oder wirtelförmig, oder in stern-
förmige Änliäufungen von RlInddärincRcn. Zuweilen stellt der
*^oden einen Haufen liürstenförmig verbundener Rlinddärmeben
zuweilen ahmen die Röhrchen einen Rferdeschweif nach;
kommt cs vor, dass die Röhrchen schlingenförmig sich mit
einander verliinden, wie ich es an den Hoden der Scoqhone ge-
fönden habe. Die Absonderung geschielit also nothwendig hier
auf der innern Fläche dieser Röhrchen, Blinddärme, Kapseln
die Natur erreicht denselben Zweck in einem einfachen, sehr
'atigen Kanäle, wie in kurzem verzweigten Röbrehen oder An-
föaul’ungen von Rlinddärmeben. Unter den Mollusken ist der
•föden ebenfalls sehr manniclilältig, doch lässt er sich grössten-
'neils auf die Trauhenform und die büschelförmigen Anhäutungen
Blinddärmchen rcdiiciren.
Bei den Fischen bilden sich zwei Modlficationen der Bildung
Hoden vor; entweder bestehen sie nämlich aus verzweigten
gehren, wie beim grössten Thcil der Fische, (siehe Tab. XV.
.S- 7. von Clupea alosa), oder sie sind körnig. Im letztem Fall
?följt es keinen Ausführungsgang des Hodens. Der Same wii'd
Innern dieser Körner gebildet, gelangt durch Zerplatzen dieser
^“•■ner wahrscheinlich in die Bauchhöhle, w’ie auch die Eier
*'*iiger Fische in die Bauchhöhle fallen, und aus der Bauchhöhle
'^**t'ch eine oder zwei, in diesem Fall vorkommende Oeffnungen
Aussen. So z. B. verhält cs sich lieim Aal und bei der Pricke
‘'ach Ratuke’s Beobachtungen, welche eine einfache Oeffnung der
”'*uchhöhle bähen und bei welchen elien so die Eyer nach Aus-
gelangen. Derselbe Bau findet sich nach meinen Beobach-
fötigen in” Hinsicht der Hoden bei den Haifischen und Rochen,
l'ßlche zwei Oeffnungen der Bauchhöhle haben. AVas man frü-
für Nebenhoden und Ausführungsgang des Hoden gehalten
*ätte, jenes aus gewundenen Kanälen und einem starken Ausfüh-
*=“.18 bestehende Organ, steht nämlich in keinem Zusammenhänge
dem körnigen Hoden und ist eine Drüse eigener Art. Siebe
■ AIueller in Tiedemsns’s Zeitschrift für Physiol. IV. de
penU. structura. Tab. XV. Fig. 8. Auch beim Stör sind
Hoden körnig. Die Weibchen der Rochen und Haifische
^®sitzen übrigens die Oeffnungen der Bauchhöhle, obgleich die Eier
P‘ ihnen nicht in die Bauchhöhle lullen, sondern durch den Eier-
nach Aussen gelangen.
1 Die Hoden der nackten Amphibien sind noch ohne Neben-
j *fön, indem die Vasa efferentia sich ohne Weiteres zu dem Du-
jfös deferens verbinden; sie bestehen übrigens aus kurzen blin-
B.öhrchen; bei den beschuppten Amphibien beginnt der Ne-
, ®ähode aus den W^induiigcn der Vasa efferentia und des Samen-
selbst. Ueber den Bau des Hoden bei dem Menschen
•äben in neuerer Zeit die U ntersuehungen von Astlev Coopeii
eoer die Bildung des Hoden. IVeimar und besonders 'ion
• Lauth [Mem. de la Sucicte de l’ hist. nat. de Strasbourg. Biu. lli)
j'^Üere Aufschlüsse gegeben. Nach Cooper werden die Läppchen
Hoden nicht Idoss durch die von der Albuginea ausgehenden
436 II. Buch. Organ, ehern. Processe. III. Abschnitt. Absonderung-
Sclieidewand-artigen Fortsätze geschieden, sondern auch noc
einzeln durch ein überaus feines Häutchen eingeschlossen. Di®
Samenkanälchen haben sämrntlich die Richtung gegen das
testis. Man kann sie gleichsam als einen Regel vorstellen , deS'
sen Spitze an dem genannten Orte liegt; auch ist jedes Sam®*!'
kanälchen so gelagert, dass es durch die Abnahme seiner
düngen gegen das Rete testis gleichsam einen Regel bildet. D*®
Samenkanälchen haben alle denselben Durchmesser. Er h®'
trägt nach Lauth ylö- bis ^-^Zoll, im Durchschnitt Zo* '
ich habe ihren Durchmesser auf 0,00470 j).Z. angegeben. Inji®*®
betragen sie nach Lauth im Diu’chschnitt Zoll, nach
0,00945 p. Z. Die Läppchen bestehen nach Lauth bald aus ®‘'
nem, bald aus zwei, bald aus mehreren Samenkanälchen. LAtjt®
berechnet die Zahl der Samenkanälchen auf 840, und die Läng®
von einem auf 2 Fuss 1 Zoll. Ich hatte schon Enden der Sn'
menkanälchen hei Säugethieren aufgefunden, wo dies hei d®®
Nagethieren, wegen der Grösse der Samenkanälchen, wenig®''
schwer ist. Lauth hat nur einmal ein geschlossenes Ende ein®*
Samenkanälchens im Hoden des Menschen bemerkt. Dieses s®'
tene Erscheinen der blinden Enden kommt nach Lauth dav®®
her, dass die Samenkanälchen zuletzt sich schlingenförmig r®®
einander verbinden. Diese Theilungen und Vereinigungen d®®
Samenkanälchen sind nach Lauth so häufig, dass er auf ein®®
entwickelten Portion, deren Ranälchen circa 45 Zoll zusamin®"
an Länge betrugen, gegen 15 Anastomosen auffand; diese Anast®'
mosen finden jedoch nur gegen das Ende der Samenkanälch®®
statt. Die Beobachtung dieser Anastomosen ist ganz neu. Da di®*®
Ranälchen übrigens überall einen gleichen Durchmesser behalt®®’
da sie theils durch ihre blinden Enden, theils durch ihre Anast®'
mosen geschlossen sind, so darf man sich die Absonderung d®*
Samens nicht an den Enden desselben, sondern in ihrer ganz®®
Ausdehnung denken. An eine Communication der feinen Arteri®®
mit Enden der Samenkanälchen ist ohneijin nicht zu denk®®'
Die Samenkanälchen sind 15 mal dicker als die feinsten Arteri®®’
und die feinsten Blutgefässe verzweigen sich nur auf den "VVä®'.
den der Samenkanälchen. Wenn die Vasa seminifera bis
eine oder ZAvei Linien Entfernung zum Rete testis gelangt sio®’
so hören ihre Windungen auf; mehrere vereinigen sich in ß'f
Ranälchen, und so gehen die Ductuli recti in das Rete te*®'*
über. Dieser geraden Ranälchen sind nach Lauth jedenfalls ro®®
als 20, wie Haller annahm; ihr Durchmesser ist stärker, M’ie tl®*
der Saincngefässe, im Durchschnitt Zoll. Das Rete l®**^'*
nimmt einen grossen Theil des obern Randes des Hodens e'®’
es fängt dort ein wenig nach aussen von der Extremitas inter®*
an und dehnt sich bis zum äussern Drittheile des ohern Rand®
aus; es liegt in der Dicke der Albuginea, 6 bis 11 Linien la®8’
und bildet nach innen einen weissen Vorsprung der Albugin®®j
Die Hohe dieses Vorsprungs oder des Corpus Highmori betrag
2 bis 4 Linien, seine Basis .3 bis 5 Linien. Das Rete testis
b®'
steht aus 7 bis 13 Gefässen, welche wellenförmig verlaufen,
unter sich vereinigen und wieder theilen und alle unter sich z®
437
2. Vom innern Bau der Drüsen. Hoden.
saiJitnenlianqen. Diese Gefässe haben •j-lö’ TOT Durch-
^^®sser. Die Vasa eft’erentia, welche aus dem Rete testis in den
^opf des Nebenhoden treten, sind anfangs grade, fangen aber
^ald an sich zu winden, so dass jedes der Kanälchen die Fi-
eines Conus annlmmt, dessen Spitze mit dem Rete testis
dessen Basis mit dem Kopf der Epididymis Zusammenhängen.
Lautii wird dieser Kanal gegen die Epididymis zu enger;
anfangs haben sie zuletzt Zoll Dicke ; die Zahl der Vasa
'Öerentia ist 9 bis 30, sie haben 7 Zoll 4 Linien Länge. Der
^aiial des Nebenhoden nimmt diese Gänge nach einander auf,
?ach Latjth’s Berechnung in einer Entfernung von 3 Zoll zwischen
ja Zweien. Die mittlere Länge des Kanals des Nebenhoden be-
sagt nach Laijth’s Berechnung 19 Fuss 4 Zoll 8 Linien. Das Vascu-
**>ii aherrans findet sich gcivöhnlich an dem Winkel, welchen der
f*»ctus deferens bildet, indem er sich gegen den Nebenhoden anlehnt.
"^®istens verbindet es sich mit dem Ende des Kanals des Nebenhoden,
*altener mit dem Anfänge des Ductus deferens. Selten finden sich
?®Werc Vasa aherrantia. Dieser Appendix hat eine gelbliche Farbe.
Läncre des entwickelten Kanals beträgt 1^ bis 13 Zoll. Die Ver-
Sdungsstelle des Kanals mit dem Nebenhoden ist immer dünner als
üliri-re Theil und viel dünner als der Kanal des Nebenhoden. Ge-
sein blindes Ende zu wird er allmählig dicker, zuweilen, nachdem
sich erxveitert hat, zuletzt ausserordentlich fein; olfenhar ist
?'®ses Gefäss zur Absondei'ung eines Saftes in den Nebenhoden
, ^stimmt. Oh dieser Kanal mit dem WolfPschen Körper des Fö-
in einer Beziehung steht, ist unl)ekannt. Sehr selten ist die-
Kanal verzweigt. , , ^ • w 1
Nachdem nun der Bau der ahsondernden Organe im Einzel-
dargestellt worden, lassen sich allgemeine Resultate über den
*ü der Drüsen zusammenfassen.
h l. Die vorhergehenden Untersuchungen über den innern
sämmtlicher Drüsen, welche in der Thierwelt und hei dem
‘y^äschen auftreten, zeigen, dass, so mannichfaltig die Bildung ih-
b';!' Elementarlheile ist, alle doch sammt und sonders dasselbe
^'^diingsgesetz verfolgen und von dom elnfaclisten unverzweigten
1^*^1110011X8 ])is zu den zusammengesetztesten Drüsen eine ununter-
*’*'chene Bildung sreihe darstellen.
.. U. Es lässt sich zwischen den Absonderungsorganen der
^“'l^ellosen Thiere und der Wirbelthiere keine Grenze ziehen,
g *1 die einfachsten Schläuche und röhrenförmigen Secretlonsor-
der Insecten wiederholen sich nicht allein hei den höheren
5 ”‘eren, sondern gehen durch die Thicrwclt offenbar in die Drü-
der höheren Thiere über. Die Milchdrüsen des Schnahelthicrs,
einfachsten Speicheldrüsen der Vögel, die prostatischen Drü-
Trieler Säugethierc, das Pancreas der meisten Fische, sind so
^Tfach wie die Absonderungsorgane der Crustacecn.
Hl. Alle Drüsen bieten im Inneren nur eine grosse Fläche
Absonderung dar und es glebt gar viele Arten innere Bil-
§> durch Avelche die ahsondernde Fläche im kleinsten Raume
5 j^ehrt wird. Die Natur zeigt hierin, wie überall, einen un-
*'bchen Reichthum der mannigfaltigsten Bildungen, ohne die
438 II. Buch. Organ, ehern. Processe. III. Ahschnitt. Absonderung.
einfaclien Gesetze der Entwickelung 'zu verlassen. Wunderb*'^
sind die Formen, durch welche sie hei den Insecten die samC"'
ahsoudernden Röhren in fast vegetabilischem Character ver'andcr ’
aber noch viel wunderbarer ist ihre Mannigfaltigkeit in der Au*'
bildung der zusammengesetztesten Drüsen bei den höheren Tlu®'
ren; allein alle Drüsen haben das gemein, dass sie uu
auf Entwickelung des Ausführungsganges zu inneren llöblC
oder Kanälen mit geschlossenen Enden beruhen. Die
piGHt’scbe Ansicht von dem Bau der Drüsen ist daher all®*^'
dings die richtigere, und diese Wahrheit ist durch die neuer®'*
Untersuchungen über allen Zweifel erwiesen; aber
kannte die Elementartheile der Drüsen nicht; nicht, was er t***
Folliculi in den zusammengesetzten Drüsen hielt, sind diese
mentartheile, sondern diese problematischen Folliculi bestehen
einer grossen Anzahl viel kleinerer Theile, welche den VerziT®''
gungen der Ausführungsgänge aufsitzen; auch sind Folliculi nie'*,
immer die letzten hohlen Enden der Drüsen, sondern diese
bald langgezogene Blinddärmchen, bald ästige und fiederföriä'»
vereinigte Kanäle mit geschlossenen Enden, bald hohle Träo''^
chen, bald grosse gewundene Röhren, welche ihren Durchmess'^'
durchgängig bcibehalten, und in mannichfachen Verbindung®®
zusammen treten; aber das ist richtig, was die Hauptsache
Malpighi’schen Ansicht war , dass alle letzten Verzweigungf*
der Ausführungsgänge geschlossen sind. Dies hatten her®'*’
Mascagni und Cruikshank durch Quecksilberinjection von
Milchdi’üsen des Menschen, E. H. Weber von den Speicheldrüs®'*
des Menschen und der Vögel und dem Pancreas der letzter®'*
ebenfalls durch Quecksilberinjectionen, Ratere von den Harnk®'
nälen der niederen , Huschre von den Harnkanälen der hob®'
ren Wirbelthiere gezeigt. Wir haben diesen Beweis du®®'
alle Formen der Drüsen durchgeführt, von den einfachen Hai'f'
bälgen an, von den Intestinaldrüsen, von den aussonderndeh D®®'
sen von den prostatischen und Cowper’scheii Drüsen , wel®^'®
entweder aus Blinddärmchen oder aus blinden Röhrchen od®'"
aus Bläschen bestehen. Wir haben die Läppchen der Milchdrü*®"
des Kaninchens von den Milchgän^en aus bis in die bläschenfd'j
migen Enden der Ductus lactifcri vollständig aufgeblasen >"*
dieselben beim Igel und Hunde mit Quecksilber gefüllt, was
cAGNi und CnuiSHANK schon beim Menschen gethan hatten. AA'
haben die Tbränendrüse der Gans und des Pferdes vollkom®"®®
bis in die bläschenförmigen Enden der Kanäle mit Quecksüb®
gefüllt, wir Indien die büscheU'örmigen Rölirchen in der Tb®’*^
nendrüse der Riesenscbildkröte erwiesen.
Wir zeigten die zellige Substanz in den Speicheldrüsen
Murex Tritonis, die blinden Enden der Kanäle in den
sen der Schlangen, den zelligen Ban in den Speicheldrüsen ®*‘'
Schlangen. ^ Die Speicheldrüsen der Vögel haben E. H.
und ich mit Quecksiüjcr gefüllt. Wir haben die fortschreitei*® ^
Entwickelung der Speichelkanäle in den Speicheldi’üsen des Sä*'
gelhierembi'yo dm’ch eine Reihe von Beobachtungen
und überall die blinden und zuletzt bläschenförmigen E**
2. Vom innern Bau der Drüsen.
439
flen der Kanäle beoLaclitet. AVeber hat die Zellchen der Paro-
tis des Menschen, und ich die des Hundes mit Quecksilber gelullt,
^'ir haben den Uebergang der pancreatischen IMinddärme der
fische in ein zelliges Päncreas durch eine ganze Reihe von Mit-
telstufen dargestelll. Beim Embryo der Ampliibicn, Vögel und
^»ugethicre lassen sich die freien blinden Enden der Ductuli
Paucreatici beobachten, und bei der Gans gelingt die Quccksilljer-
i^jection der zelligcn Enden und somit des ganzen Pancreas.
Die Lclier der Krebse besteht meist aus Blinddärinchen oder
Hellen. Wir haben gezeigt, dass man die traubenformige oder spon-
giöse Leber der Mollusken, bis in die letzten Bläschen und Zellen,
^'ie eine Lunge aufblasen kann. Wir bestäligten, was schon
^Iarvey und 'Maepigui angedcutet hatten , dass die Enden der
t^Hlleukanäle bei den EmbWonen freie, stumpf und blind geen-
‘ligte, mikroskopische Reiserchen bilden.
Die Beobachtungen von Huschke und mir erAveisen die
öäabhäimige Existenz der Harnkanäle bei allen Wirbelthieren.
^iese Kaifäle verzweigen sich nicht Ijaumförmig, sondern be-
^laltcn ihren Durchmesser in ihrem Verlauf bis in ihre blin-
•Jen, nicht angesclnvollenen, auch nicht verdünnten Enden, mö-
gen sie nun gerade verlaufen oder sich durcheinander schlängeln
önd der Hodensubstanz ähnlich seyn. Dless beweisen unsere Be-
“liachlungen an Fischen, Salamändern, Fröschen, Schlangen,
Vögeln Säugethieren , diess bexveist der Augenschein mit-
telst einer einfachen Loupe, an den Nieren der Rochen und
''''^klaneen xvo diese Kanäle ungemein stark sind und Lei gleicher
Grösse die grösste Aehnlichkeit mit den Samenkanälen darbie-
tßä. Dicss beweisen unsere Injectionen der Harnkanäle bei Vö-
geln und Säugethieren. , tt i n v
X)ie ühert'instiiJ'nnende Bildung des Hoden eins selbstständigen
Kanälen war längst bekannt, und die Lungen können endlich,
*^lt ihren blind geschlossenen Zellen, für eine ganze Reihe von
'^^hsigen Organen den Prototypus abgeben.
iV. Acini, als Driisenköriwr, in dem hypothethischen Sinne
,^er Schriftsteller giebt es eigentlich nicht; es gieht keine Ver-
^nauelungen der Blutgefässe, aus welchen auf eine geheimnissvolle
^'■t absondernde Kanäle entspringen sollen, welche Vorstellung
auch dabei habe; es giebt keinen ummttelbnren Uebergang
'tep feinsten Blutgefässe in die Anfänge der absondernden Ka-
Dij, System der absondernden Kanäle ist ganz eigen-
^hrnheh und 'in sich geschlossen, xvie es von allen Formen der
*'üsen erwiesen worden ist.
. V. Was man als Drüsenkörner beschreibt , diese Acint
nur die Haufen der Enden der absondernden Kanäle,
®Hbst oft Aggregate und Träubchen kleiner mikroskopischer Bläs-
I die sich init Quecksilber füllen und häulig sogar aufblasen
*assc„. Wirkliche solide Kölner giebt es nur in den Hoden ci-
, *8er wenigen Fische, deren Hoden keinen Ausführungsgang la-
, und xvo die Samenkörner in die Bauchhöhle platzen und von
aus durch eine Oeft’iiung ausgeführt xverden.
Vl. In vielen Drüsen, denen man fälschlich Drüsenkörner zu-
^üller’s Physiologie.
440 II. Buch. Organ, ehern. Processe. III. Abschnitt. Absonderung.
i^esclirieljcn liat, gieLt es niclit einmal liolile oder Lläschenartigc
Acini, sondern vielmelir Lloss lange gewundene KanVde von liberal
gleicliem Durelimesser, wie in den Nieren, eben so wie in den Hoden
und vielen anderen Drüsen; oder gerade Robrelien, wie in derTbra-
nendrüse der Riesenscbildkröte, in den CowPEn’scben Drüsen
Igels, in dem Hoden der Sepie, der Fische und der Frösche,
den vSteissdrüsen der Vögel, in den Drüsen der Eierleiler be>
den Rochen und Haien; oder Elinddarnichen, wie in der Lebe*'
der Krebse, in den Drüsen, welche die Cloake bei den miinnb'
eben Urodelen besetzen, in den prostalischen Drüsen vieler SaU-
gelhiere. Hohle Endbläschen {substantia acinosa) giebt cs aller-
dings in gewissen Drüsen von trauhenlörmiger Bihlung der Elc-
mentarlheile, rvie in den Speicheldrüsen, im Pancreas, in dci'
Milchdrüsen der meisten Säugethierc, in der Thräinnidrüse der Aö'
in der IlARDEK’sclien Drüse, in der Leher deJ
de Ausdrücke: substantia acinosa, acini u. dg^’
passen daher allerdings für eine gewisse Classe von Di-üsen,
sofern acinus lu’sprüngiich Triiubchen bedeutet. Allein diese
deutung ist dui’ch die inannichlältigen Hypothesen nach und nach
in die falsche Bedeutung Drüsenkorn, körniges Wesen' lühergegaii-
gen; und da die Bezeichnung Acini nur für einige Drüsen, aud*
im i-Icbligeii Sinne des Wortes, passt, so ist cs rälhlich, hei deiä
Gebrauch dieses Wortes, dem sich so viele falsche Erklärung«'’
und Hypothesen angchängt liahen, sehr vorsichtig zu seyn.
Vil. Es ist von allen Drüsen erwiesen, dass die Biutgefäss«
nicht in diese Elementartheile übergehen, dass die feinsten Bbd-
gefässchen sich zu den Wänden jener hohlen Kanäle und ihre"
Enden verhalten, wie zu jeder andern feinen absoiidcrnden Hauh
z. B. der Schleimhaut der Lungcnzellen. Sie ölfnen sich nicld
mit freien, offenen Endigungen in den Anfängen der alisonder"'
den Kanäle und Höhlungen der Drüsen, sondern die Arterie"
gehen auf den Elementartheilcn der Drüsen durch unendliche
netzförmige feine Anastomosen in Venen über, wüe wir an de'"
Bau der mehrsten Drüsen gezeigt haben.
VIII. So wie die absondernden Kanäle der Drüsen mit ih-
ren blinden Wurzeln eigcnthümlich und selbstständig sind,
bildet auch das Blutgefässsystem in jeder Drüse ein vollkomin""
in sich geschlossenes Ganze, durch den vollkommen geschlossen«"
netzförmigen Zusammenhang der haumformigen Verzweigung«"
der Arterien und Venen.
IX. Man hat von einigen Drüsen früher einen Zusamine"'
hang der lymphatischen Gefässe mit den Ausführungsgängen be-
hauptet. CuuiKSuANK. undA. füllten aus den Milchgängen der Mil«^*'
drüsen lymphatische Gefässe ; diess geschieht in der Regel nichH
die Milchdrüsen füllen sich, wie Mascaoju zuerst zeigte,
Quecksilber tiis in ihre Endbläschen ohne allen Uehergaiig
die Lympbgefässe. Walter behauptete aus gewaltsamen Injccti"-
nen einen Zusammenhang zrvischen Lymphgefässen und Gail«"'
kanälen. Allein diese Gründe sind so wenig haltbar, als so man-
cher andere von gelegentlichen Uebergängen einer Injectionsm"'
terie aus einer Ordnung von Gefässen in eine andere, nach g«'
gel und Säugethierc,
Mollusken u. s. w. I
2. Vom innem Bau der Drüsen.
441
'''^Itsamen Injectlonen. Ueberhaupt könnte ein Zusammenhang
'ler Lympbgefässc nur mit den stärkeren ausfübrenden Ka-
■^alcn möglicher Weise statt finden ; denn die Lympbgefässe
®‘öd ja ausserordendlich stärker als die feinsten Elementavtheile
der Drüsen.
X. Das System der absondernden Kanäle , mit blinden
liohlen Wurzeln selbstständig und geschlossen, ist als eine Ef-
florescenz des Ausführungsganges zu betrachten und bildet sieb
^äch beim Embryo augenscheinlich aus einem zuerst astlosen
Gang.
XI. Die baumförmigen Verzweigungen der Blutgefässe be-
gleiten die aufkeimenden absondernden Gänge und legen sich mit
ihrer peripherischen netzförmigen Auflösung über alle diese blin-
den Elementartheile hin, welche sic mit Blut tränken. So wie
*ieh die innere Flächenbildung aus der einfachen ebenen Wand
*Um Blinddarm und verzweigten Blinddärmchen fortsetzt, so er-
i'ebt sich Innter und über dieser Efllorescenz die Get ässschicht
der einfachen Wand, ein Process, der beim Hühnchen beohach-
let werden kann. So entwickeln sich Jjeide Systeme an einan-
der aufsteigend, je mehr sich die einfaclie Wand in eine innere
h'lächenblldung complicirtei* ausbildct.
XII. Dadurch, dass die verzweigten Kanäle und Böhren,
Welche bei einfacherer Bildung unter den Insecten und Crusta-
‘^een und seihst bei höheren Thieren frei liegen, immer mehr
durch neue Efllorescenz aneinanderrücken und sich decken, ent-
zieht Parenchym. Dieser Entwickelungsgang ist bei den Embryo-
’'en augenscheinlich gemacht worden.
XIII Die feinsten netzförmigen Blutgefässchen sind meist
l'icl dünner als die dünnsten Aeste der Ausführungsgäuge
»der Drüsenkanäle und ihre blinden Enden, selbst in den zusam-
mengesetztesten drüsigen Eingewciden. Die Elementartheile dei
Grüsen sind immer noch so gross, dass sie erst von den feinsten
hliitgefässnetzen umspannt und umweht werden können. Die
^indcnkanäle der Nieren sind viel stärker als die feinsten Blut—
SP-fässe, wie durch alle Classen der Thiere erwiesen worden ist.
"ei den Speicheldrüsen der Menschen und der Säugetbiere sind
die feinsten Blutgefässe immer noch melu-mal dünner als die trau-
*>cnförmi<r verbundenen, mit Quecksilber zu füllenden Endbläs-
der Spcichelkanäle. Eben so beim Paiicreas, wie ebenfalls
durch Injectionen erwiesen ist. Auf den Zellen dei Harder sehen
^«■üse, der Tbränendrüse und Speicheldrüsen der Vögel, die
?de mit Quecksilber auf das Artigste injicirt werden können, ver-
^«■eiten sich erst die feinsten Blutgefässchen, wie auf anderen
harten Häutchen, wie auf den Lungenzellen. Auf den Samenka-
“alen des Hodens verbreiten sich erst die Netze der feineren
mitgefässchen. Die Harnkanäle in den Nieren der Roehen sind
nicht dünner als die Samenkanäle im Hoden des Mensclien.
J^»»dlich zeigt die Entwickelungsgeschichte aller zusammengesetz-
Drüsen diesen Unterschied an den noch frei liegenden Uru-
*®äkanälen zur Evidenz. . , ,
XlV. Die Ausbildung der Drüsen in der Entwickelungsge-
29*
442 II. Buch. Organ, ehern. Processe. III. Abschnitt. Absonderung.
scliiclite des Embryo Ist eine WIederbolung ihrer Ausbildung
in der Tbierwelt. Die vollkommensten und zusammengesetzte-
sten Drüsen der böberen Tbiere besteben bei den Embryonen
dieser Tbiere zuerst nur aus den freien Ausfübrungsgangen, gew*
obne alle Zweige; ans diesen Kanälen, welcbe dann ganz nnt
den Absonderungsorganen der niederen Tbiere Übereinkommen,
effloreseirt die Verzweigung immer weiter.
XV. Es giebt sebr viele Modificafionen im Innern Bau ei-
ner Drüse, wodureb sie die absondernde Fläcbe vermebrt; aber
keine ist einer Drüse ganz eigentbümlicb dureb alle Tbiere-
Ganz verschiedene Drüsen können einen gleichen innern Bau ha-
ben, w'ie die Hoden und die Bindensubstanz der-iVieren; gleiche
Drüsen haben oft einen ganz und gar verschiedenen Bau bei vei’'
sebiedenen Thieren, wie die Tbränendi-üse der Schildkröte, Vö-
gel und Säugetbiere. Die Speicheldrüsen sind bei den Vögeln
nur verzweigte Gänge mit zelligen Vorsprüngen ; bei den Säuge-
tbieren sind cs Träidicben von Zellen zu denen eine complicirlc
VerzAveigung der Kanäle führt. \Me verschieden ist die innere
Bildung der Leber in der Tbierwelt, bald einfach blinddarnrför-
mig, bald büschelförmig, bald traubenförmig, bald schwammig,
bald aus verzweigten Kanälen, mit gefiederten Elemenlarreiser-
eben endigend ! Wie unendlich mannichfaltig die Bildungen der
Samcukanälcben im Hoden! Kur die Nieren bebauplen in ihrer
Bildung durch alle Classen das Constante, dass sie aus unverä-
stelten, nicht baumformig vcrllieilten Kanälen, sondern durch-
gängig aus langen neben- oder durcheinander liegenden Böhr-
cben bestehen, obgleich in der Ordnung dieser Böbrehen diC
grösste Verschiedenheit herrscht.
XVI. Die Drüsenhildnng vervollkommnet sich nicht in der
Tbierwelt absolut, sondern in jeder Classe der Tbiere treffen avÜ
rudimentäre Drüsen mit höchst einfacher Bildung, Avenn diese
Drüsen der Classe zuerst zukommen ; so einfach sind die
Speicheldrüsen bei den Vögeln und Schlangen, und so erschei'
nen die Milchdrüsen des Schnabelthiers, die prostatischen Drü-
sen der Nager, das Pancreas der Fische, die Leber der niederen
Tbiere, seUjst hlinddarmförmig.
XVII. Die Substanz der Elementartheile der Drüsen i**^
durchgängig weiss oder Aveissgraulich oder Aveissgelblich, bei äl'
len Drüsen, so verschieden die Secrete der Drüsen sind. Ein®
Uebereinkunft der Drüsensubstanz mit ihrem Secretum besteht
nicht.
Mikroskopische Messungen.
Par. Zoll.
Feinste Blutgefasschen oder Capillargefasse (nach E. H. ,~
. , BKn) =Winr — Wö-ffZ. = 0,00025 — O.OOOa
Dieselben m den Nieren nach meinen Messungen 0,00037 — 0,000^
Dieselben in der Iris des Menschen 0,00037 — 0,0004/
Dieselben in deuprocessus ciliares 0,00053
Kleinste Lungenzellcheu beim Menschen (nach E. H. We-
BER) = 0,053 — 0,160 Lin. = 0,00441 — 0,013«?^
2. Vom innern Bau der Drüsen.
443
Par*
^ylmdcrrormJge Blinddärmchen an den Lungen des Vo-
^ gelembryo 0,004/4
'■•leincntarhläsclien der Milchdrüsen des s«Hiigendeu Igels .... . 0,00/l.d —
dieselben vom Hunde nut Quecksilber gefüllt 0,00260
Hellen in den Speicheldrüsen der Gans, nach raeincn In-
. jectionen V ' i"i"
.'»-'lleii (Ici- Parotis des Neugehornen Tnacli E. H.'VVebeR.S la-
jectionen) ; o’nn?«-
, tesciben vom Hunde, nach meinen Injectioncn U,OUlot
'Hellen der Thränendrüse von der Gans, nach meinen ln-
, jectiohen
gellen des Pancrcas der Gans, mit Quecksilber gefnllt -
^lernentarlheilc der Thränendrüse der lliescrischlldkröte ... 0,UUiy4
^'illcn der Harder'schen Drüse vom Hasen, nach *^®*”*'*^
Injectioncn
^'ementarlbläschcn der Leber von Helix pomatica 0,UÜ30a
^lementarrclscrchcn der Leber eines Ilchcretnbryo von 1 Z.
Länge 0,001/2
^Udrelserchcn der G.allcnhanälehcn , auf der Oberfl.äche der
Leber des Kaninchens, injicirt 0,00108-
“•indd.arinc hen der Wollf 'sehen Körper eines Vogelcrabryo 0,0üd/7
dieselben von einem andern Embryo 0,00.JUÜ
*Wnkan.ilc von Pctroinyzon m.ariniis
•Ginkanälc der Nieren vom Zitterrochen
{•'■»rnkauiile der Schlangen, mit Quecksilber gelullt 0,II01.J2
*;''<len derselben :,••••
■'iariikanälc von der Eule, vom Ureter aus injicirt, an ihren
0,001/4
{J)riikanälc des Eichhörnchens (Rindenkan.äle) ............ 0,00149
»‘‘»ndenkan.äle der Pferdcnlcren (vom Ureter .aus injicirt)
der Oberllachc der Nieren ; *
"'illini’sche Ilöhrcu der Marksubstana von Pfcrdenieren, vom
„ Ureter aus injicirt, an den Papillen am stärksten 0.01.iU&
?;«elben von mittlerer Stärke (injicirt) ......
fieselben auf Durchschnitten der llinde am feinsten (injic.) 0,ÜUl4U-
^^jeselben in der Rinde der Nieren des Menschen, nach
V\^PRT?U
?*esclhen in den Pyramiden n 00-00
,A=‘h>ighi’schc Körperchen der menschlichen Nieren 0,00^10
“‘«^selben („ach t 11. Weber) O-“'
??strecktc Arterien der Pyramiden des Hundes ••••••• OiOJ”^
^?“^aelbcn in der Nähe der Papillen, wo sie Neue bilden.. 0,00042
^'Oiinkanälc eines jungen Hahnen
l^nienkanäle des Eicliliörnehens
® If j .'"•••• OiOM™
‘»menkanalc des Menschen
^•’iselbcn mit Quecksilber gefüllt aVmiqQH
.^ÜlircQ ln den Steissdrüsen der Gans ,
^^^‘serlöimlge Blltiddärmchen oder Röhren von den Low-
V V pcr’schen Drüsen des Igels * * ' ' * * I * */ * *u ’
'‘«llrhen an den Meiboniise.hen Drüsen des Menschen (nach
L H yy 'BE ^ U,UÜ23a
^«'len de'r llardCT’sehen Drüse der Gans, mit Quecksilber
gefüllt i — i — 'Lin. . . , jT.
*eUcu in den Speicheldrüsen von Murex ^ritonis -g ^ in.
*^'len der spongiösen Leber von Mure* tritoms , — sLw,
Zoll.
.0,00928
-0,00297
-0,00117
-0,00182
-0,00188
-0,00883
-0,00175
— 0,00633
444 II. Buck. Organ, ehern. Processe. III. Abschnitt. Absonderung.
III. Capitel. lieber den Secretlons - Process.
1, Von den Ursachen der Absonderung.
Die Absonderung ist nur eine besondere Art der Vcrwan<l'
hing oder Metamorphose, ivelcbe die tbieriseben Säfte, das BIM
bei dem Durcbkrelseii der Organe erleiden. Das Blut kreist in alh'i*
Organen in einem überaus feinen Netzwerk Ton Blutgeläss- .
eben aus den Arterien nacb den Yenen. Diese Netze sind al-
lenthalben geschlossen, nirgends giebt es Enden der Gelasse,
sondern allenthalben nur netzförmige Uebergänge der Arterien
in Venen. Die feinsten netzförm’gen Blutströmeben haben
nur eine dichtere Grenze der Substanz zur ^Vand, licsondere
Häute giebt es hier nicht mehr; wo ein Strömehen entsteht (unil
neue Strömehen bilden sich immer wieder, wie Beobachtung beiin
Embryo und bei jungen Tbleren lehrt), da entsteht eine Rinne in
dem Ihldungssloffe, die mit den übrigen netzförmigen Strömehen
in Communication tritt, und wenn sie im Anfang ohne dichtere
Begrenzung ist, doch bald eine solche erhalten mag. Wir schlies-
sen dicss, obgleich wir es selten sehen, dass die Substanz an der
Grenze der Strömehen dichter ist, und eine Art von wandiger
Grenze bildet. Siehe oben p. 205. Indessen können solche Wände
jedenfalls liier nur aus einiger Verdichtung der Substanz bestehen
und der Unterschied, dem Auge ohnehin meist unerkennbar, ist ge-
wiss so gering, dass eine freie Wechselwirkung der Substanz md
den Blutströmciien statt finden kann. Die Substanz tränkt sich md
dem Blute, eignet sich dessen Bestandtheile an und verwendet sie
auf die jedem Organe cigenthümliche Art.
Alle Absonderung aber geschieht auf Flächen, seyen cs nn»
einfache Häute, wie die serösen Membranen und die Schleim-
häute, oder scy es complicirte innere Flächenbildung in zellen-
haften oder kanalförmigen Aushöhlungen der Drüsen.
Innerhalb der absondernden Häute gehen die Arterien wrt
überall durch ein Netzwerk der feinsten Blutgefässchen in Venen
über; diess geschieht hier in der Fläche unzähliger netzförmiger
Verbindungen. Die häutigen Wände tränken sich während de*
Durchgangs des Blutes durch die feinsten Gefässnetze mit den
aufgelösten Thcilcn des Blutes, verwandeln es und lassen das
Verwandelte, als Sccret, auf der häutigen Fläche ahfliessen.
Die complicirtcsle Drüse ist auch nur eine im kleinsten
Raum construirte grosse Fläche, sie ist mit allen ihren inneren
Gängen, Kanälen, jenen Röhren, oder Zellen, oder Blinddärm-
chen immer nur eine ungeheure flächenhaftc thierische Grenz®;
auf welcher die Metamorphose des Blutes statt findet.
Die Elementarröhren der Nieren, die Elcmentartheile der
Leber, wie anderer zusammengesetzten Drüsen, sind in ihrem ganzen
Verlauf von den feinsten Blutgefässnetzen umsponnen, haben zwi-
schen sich nur dünnes Bindegswebe, welches die Drüsencanäle
verbindet und innerhalb welchem die feinsten Strömehen de®
Blutes stattfinden. Die Elementarcanäle, jene Traulichen, Röhr-
3. Ueber den Secretionsprocess. Ursachen der Absonderung. 445
chen etc. , werden also überall äusserlicli von feinen Blutstromeben
'»mspült, sic tränken sieb mit diesem Blute, verwandeln es aut
ß'i;cntliümlicbeArt, und lassen aueb das Verwandelte nach Innen ge-
lten die Ausfübrungsgängc abllicsscn. Diess ist der emfaebe 1 rocess
'lei' Absonderung, der sieb von derErnäbrung nur unterscbeidel,
'Isss das Verwandelte von bäuligen Grenzen abfliesst.
Man bat früber die Absonderung in den Drusen gegen alle
Analogie auf die Enden der Driisenkanäle oder aut ]ene bypo-
llietiscb so gebcimnissvollcn Acini verwiesen. Diess ist sehr un-
feebt, wie bereits E. II. Weber bemerkt; denn die Acrnt, indem
äalurgemässen Sinne, dass es boblc Bläseben sind, cxistircn in
'li^n wenigsten zusammengesetzten Drüsen ; die Elementartbeile
'ler Leber sind Bciscrcbcn, die Elementar tbcile der Hoden und
gieren blosse Köbren von überall glcicbcm Durebmesser.
^ielc andere Drüsen haben büscbelförmige Blmddärmclien am
^nde der Kanäle ohne alle Endanscbwellung. Unsinnig wäre es,
^‘er zu sagen, der Samen, der Harn u. s. w. wird nur in ueii
l'liiiden Enden der Röbreii abgesondert , die Galle nur am
Ende der boblcn Beiscreben. , . i <• i
Einige zusammengesetzte Drüsen zeigen überdiess im Verlaut des
'^Usfübrungsganges überall dieselben Elcmentartlicile als Zellen
die Speicbcldrüsen der Vögel, die Tbränendruse dersel-
l’cii, die Meibomiseben Drüsen des Menseben; oder Blinddarm-
'=)ien, wio die Leber der Krebse und die Tbränendruse der
llcliildkrötcn.
In den Drüsen, welebe aus zusainmcngesetzten Blinddar
bestellen, kann man e.uUicb die Grenze der Elementartbeile
ä'ul der Auslübrungsgänge gar mclil angeben. t Al
Es ist also böebst wabrscbeinlicli, p gewiss, dass die Abson-
'Icriiug auf der ganzen CoiiLinuität der Drüseukanäle , also aut
®iuer znsanuTieiibängendeu l'läcbe, gesebiebt. i t c •
DasBlut wird iii den Drüsen u ic in allen Organen durcli die tein-
steii Verzweigungen der Arterien in ein- überaus fmnes Netzwerk von
^ti’ömcheii vertbVilt, aus Avclcben es wieder in die Antange der Ve-
übergebt. Die Vasa exbalaiilia sind von den alteren Pliysiolo
bloss desswegen erlünden worden, w'cil man t ic I“.'’?' ,
erläuterte Besebaflenbeit der tbienscben Gewebe nicbt kannte,
“'d allem Aufgelösten sieb zu tränken, und die F ussigkeiten eben
t leicht diirdi ihre porösen Wände an andere Tbcile abzugeben.
muss sieb also eine absondernde Fläelie nur von den dicbtesten
der Capillargefässe durebzogen denken. Man weiss sebon
nabe diese Netze der Oberiläcbe einer von Epidermis unbe-
deckten Haut liegen; man weiss, dass ein Hau eben von dei
^‘cke der ürinblase eines Frosches scboii nmerba b einer be-
7"Hle einen aufgelösten Stoff dureb sieb biiulureb lässt und cla
r'd zarte Häutclum der Darrnzotten vom Kalb und Ochsen
W0i74 p. Z. Dicke noch blutfübrende Cainllargetässe
l^ielie pag. 233), so kann man sieb nach dieser Dicke ci”
liHil von der Tiefe macben, wclcbe autgelöste Stofte i
'Urebdringen liaben, um aus den oberllacbUcbsten
'apillargeiässnetze bervorzudringen. Aus diesen Netzen er
446 II. Buch. Organ, ehern. Processe. III. Abschnitt. Absonderung.
pillargefässe dringen nun die aufgelösten Tlieile des Bluts
Leichtigkeit ln die Partikeln des spezifischen Gewebes der absoH'
dernden Haut ein; hier werden sie chemisch verändert und drin'
gen gegen die Ohcrlläche der ahsonderndeu Haut hervor.
Kraft, durch welche das chemisch veränderte Secretum von der
secernirenden Fläche ahgestossen wird, ist hiermit noch niehh
sondern hloss die Möglichkeit des Durchdring ens erklärt. M*/*
kann diese bei manchen Secretionen so profuse Ergiessung rrie
so vieles andere, nicht im Ernst von der Kraft des Herzens un»
dem Impuls des Blutes abhängig machen; diese mechanische
Erklärung u iirde durchaus nicht ausreichen ; ausserdem das*
sie ohnehin bei den Absonderungen der Pflanzen wegfällt, war®
auch nicht einzusehen, wie die Absonderung sich unabhäng'8
vom Herzen durch specifische örtliche Beize vermehrt. Nuä
fragt sich ferner, warum das specifisch veränderte Fluidum blos*
nach einer Seite bin vordringt, und warum der Schleim nicht
eben so leicht zwischen den Häuten des Darmkanals, als aid
der Innern Haut desselben abgeschieden wird? warum die Galle
aus den Gallenkanälchen nicht eben so leicht durch die Ober-
fläche der Leber, als nach Innen Im Verlauf der Gallenkanäl-
chen Vordringen kann? warum der Samen nur auf der inncrä
Fläche der Samenkanälchen und nicht auf der äussern Fläch®
derselben in die Zwischenräume dieser austritt? Diese Absclici-
düng des Secretums nach einer Seite d(!r secernirenden Wände;
nämlich ins Innere der secernirenden Kanäle und nicht nach
aussen ist eines der grössten physiologischen Räthsel; man kan®
sich dasselbe auf zAvcifache Art hypothetisch lösen :
1. Indem man annimmt, dass jene die secernirenden Fla-
chen durchziehenden Capillargefässnctzc durch besonders con-
strnirte organische und gleichsam aushauchende Poren bloss nach
der Innern Fläche der secernirenden Kanäle offen stehen. Pa*
Schwierige dieser Ansicht liegt darin, dass man hierbei etw®’
nicht zu Erweisendes annchmen muss, und dass man dann w'®'
der andere Poren an den zartesten Blutgefässen annehme'*
müsste, durch welche die zur Ernährung der absonderiide*’
Kanäle bestimmten Flüssigkeiten eindringen müssten.
2. indem man wahrscheinlicher annimmt, dass zwar durd*
blosse Imbibition oder allgemeine Porosität (sogenannte unorga-
nische Poren) die flüssigen Stoffe aus den Capillargefässen *"
das Gewebe des secernirenden Organes sich verbreiten, dass abe*
die Oberfläche der secernirenden Kanäle die Elemente, die sie ***
neuen Stoffen zu verbinden strebt, chemisch anzieht, und a"
eine freilich unerklärliche Weise gegen die innere Fläche d®*
secernirenden Haut oder der Drüsenkanälchen verändert abstösst-
Vgl. Mascagni ISova per poros inorganicos secretiomim theoria vOSO'
rtimquc fy/nphailconim historia Herum vulgata et parte altera auA^
in qua vasurum minimoriim vindicatio et secretionum per poros *'*'
organicos rejufatio continetur. Auct. P. Lupi. Romae 1793. Dä®*
es hier nicht bloss auf Durchschwitzung, sondern auf Actio'*
der absondernden Wände ankommt, sieht man leicht ein, wei***
man die Menge der durch eine gereizte Speicheldrüse abgeson-
3. Ueher den Secretionsprocess, Ursachen der Absonderung. 447
"Werten Flüssigkeiten, die Plötzliclikelt und Menge der Tlird-
auf augenblickliche Wirkungen bedenkt.
. So entblost von Tbatsacben eine solche Annahme von An-
!:'eliung und Abstossung auch ist, so ist sie doch nicht ohne Ana-
rSie in den nhysicalischcn Erscheinungen, und es scheint, dass
der Absonderung eine ganz äbnlicbe Ivi'aft die Ausscheidung
wie jene, welche hei der Resorption die Aufnahme in die
i;ytttphgefassnelze oder Anfänge der Lymphgefassc bewirkt,
'^'änderbar, dass in verschiedenen Gewehctheilen einer und der-
*®lhen Membran oft beiderlei Kräfte neben einander wirken in-
z. B. die Schleiinbälge der Schleimhäute, welche absondern,
den anziehenden und aufsaiigendcii Lymphgefässnetzen dicht
'^älier umgeben sind.
V ergl.
iigi
oben p.
‘267.
i:i urngenen siiiu. l" . , ,, ,
Die Eigenthümlichkeit und Verschiedenheit der Absonderun-
bängt von keinem äusserliclicn und mechanischen Grunde ab.
hat sic in der verschiedenen Schnelligkeit des Blutlauts
ln
litlL SU.. Ui ^ ^ ~|*1 eil
■verschiedenen Organen gcsuchl, und diese verscliicdcne bclmei-
'gVeit wäre selbst yVieder 'zu beweisen. Man hat sie in dem yer-
^'^’bedenen Zustande der Blutgefässe, und ihren Thoilungswinkeln
S^sehen. Aber die Blutgefässe verhalten sich in den Nieren fast
in den Hoden, in den Speicheldrüsen nicht viel anders als
der Leber, wie an LiEDEEKUEus’schcn Präparaten zu sehen ; sie
‘‘'den allenthalben netzförmige Anastomosen zwischen den fmn-
Arterien und Venen. Man hat die Ursachen m der Ver-
^'^’dedenheit der Enden der Arterien gesucht, aber diese Enden
®,*'stiren nicht; in dem verschiedenen Durchmesser der aufnehmen-
Kanäle, und dennoch gcschchmi die
l^'^thümlichsten Absonderungen auf ebenen Hauten. Alle d ese
r"’8e, womit HAller sich viel zu lange aulgehaltcn hat, geben
T'öe Erklärung, wenn sic auch statt fänden; sie sind unzurei-
^?«'Hle und unerwiesene Beweismittel. Und wie leicht waren alle
mechanischen Difficultäten abzufertigen durch die einzige
f'i'ge: ,^arum wird hier Gehirn, dort Muskel, dort Knod.en
l'^'^ildet; entsteht etwa das Gehirn auch durch verschiedene Wm-
der Gefässvertheilung? _ ^ i • i i.
, Die Eigenthümlichkeit der Absonderungen bängt auch nicht
> dem iu'nern Bau der Drüsen ab; denn jedes Secret wird in
J'»' Thierwelt bei dem verschiedensten Bau abgesondert wie ich
>hl ,,ur Geniige erwiesen habe. Man denke an die Sjyeichel-
J‘ üsen der Viigel und der Säugethlere, an d>e Leber der krebse
f^^'llusken, WiiBeltbicrc, an die ausserordendliche \ erschiedenheit
g'dern Bau der Hoden, in dem Bau der Tbränendruse bei den
J'^^'ildkröten, Vögeln und Säugethieren. Ueberdiess haben ^ die
>;^chiedensten Absonderungen bei gleichem Bau der Drusen statt.
; 'R Rindenkanäle der Nieren unterscheiden sich von den Saroen-
^i“^'den nur durch ihre grössere Feinheit. Milchdrüsen, bpei-
f ‘•^Idrüsen, Thränendrüsen haben eine durchaus gleiche Bescna -
Die Natur der Absonderung bängt daher allein von der ei-
a®nthümliclien sjiecifisch belebten organischen Substanz a , w cie.
inneren absondernden Kanäle der Drüsen bildet, um we c e
448 II. Buch. Organ, ehern, Processe. III. Abschnitt. Absonderung.
sich gleich hleiben kann hei der verschiedensten Architektonik
der Drüsenkanale, und ausserordentlich verschieden ist hei s'®''
chem Bau der letztem. Die Verschiedenheit der Ahsonderung
beruht daher auf demselben Grunde, wie die Verschiedenheit dn
Bildung und des Lebens in den Organen überhaupt. Der einzig*'
Unterschied liegt nur darin, dass das verwandelte Blut in de'*'
einen Fall dem Organe einverleibt wird, in dem zweiten a^c'
über die Grenze desselben als Secret hinaustritt.
In der neuern Zeit hat sich von Seiten mehrerer Chemikc*>
namentlich durch Chevreuc, die Ansicht geltend gemacht, da**
alle Absonderungen ohne Umwandlung geschehen und dass d*'*
Blut alle Stoffe, welche Jsich in den Secreten vorfinden, bered*
enthalte, dass dagegen den Sccretionsorganen das Vennögen
komme, vorzugsweise bald den einen bald den andern aus
Blute auszuziehen und in ihr Secret zu übertragen. Hierh'’
spricht, nach Gmelin, dass die Salze des Blutes und der Secreff
ungefähr dieselben sind, dass in beiden Osmazom und speichelslolkff'
tige Materie (?) vorkommt, und dass man im Blute bereits aiick
viele von denjenigen Stoffen gefunden hat, von welchen m*'''
früher glaubte, dass sie nur in den Secreten Vorkommen, ü'®
Käsestofl, Gallenfett, Talg, Oel, Oelsäure. In der Thal ist ncucV
lieh die Existenz von Cholesterin im Blute von Botjdet (r.*****
critiijue et experimental sur Ic sang. Paris 18.3.3) wieder bestätigt
worden. Dennoch aber scheint mir jene Ansicht ein gross*”’
Fehlgriff. Fürs Erste, weder Hornstoff, noch Schleim, noch G»'':
lenstoff, noch Picromcl, noch Samen, noch wirklicher Rasestolj'
noch wahrer Spelcbclsloff und die giftigen Secreta finden s'*^'
im Blute; zweitens können Bestandtheile der Secreta durch
bibition zufällig ins Blut gelangen, ohne dass dless ein BcvfCi’
von der Existenz derselben als Constituentia des Blutes wä’'*’
Endlich Ware die Existenz aller .Secrelc im Blute gar keine
klärung ; denn es entstellt nun die viel schwierigere Frage,
sie z. B. von pflanzenfressenden Tliieren erzeugt werden.
erleidet gar keinen Zweifel, dass die wahren Secreta durch
Secretionsorgane selbst eben so aus einfacheren Bestandtlff*'
len des Blutes gebildet werden, wie es von den festen Tbeil”"
gewiss ist.
Der chemische Process der Absonderung ist gänzlich unbckanH*'
Die einfache zu erklärende Aufgabe ist, wie es kommt, dass die
cemlrenden Wäude sich aus demselben Blute zugleich ernähren, ‘1**^
heisst ähnliche Theile anziehen und in sich verwandeln und auebü**'"
der unähnliche Theile abstossen oder absondern. Denn das SecreW'**
ist durchgängig von dem secernirenden Organe chemisch versch‘ß'
den. Die Drüsensuhstanz besteht in der Regel nur in einem ungci’O"'
nencii, nach der Zerkleinerung leicht von Wasser löslichem, Eiiv'O***'
Vgl. pag. i22. tch fand die Elementartheile der Secretionsorgane i'”'
mer grau, oder XV eissgrau, oder xvcissgelb; so sind sic selbst in d^^
Leber beim Embryo weissgclbc Rispen und nur durch die hin'
tigen Capillargetässnetze, xvelche dazwischen verlaufen, ist bei n*’'
bewaffnetem Auge das Ansehen braun. Gleichwohl ist das Scerß'
tum der Leber grün. Der Harn ist bei den eierlegenden ThiC' .
3. lieber den Secretionsprocess. Ursachen der Absonderung. 449
Welss, dennocli ist die Suhstanz der Nieren ganz verschieden,
rtian erkennt den grossen Unterschied in den Nieren ganz
eben ausgekrochener Vögel, -vvo der weisse Harn die feln-
'“•J Harnkanälchen Ins auf die Oherdäche der Nieren anfüllt
j?“ gleichsam inpeirt. Bebzewus fand hei Untersuchung dei‘
JßJ’ensubstanz nicht die charakteristischen Bestandtheile des Harns;
Die Substanz der Leber enthält zwar nach den
'■•'tfii-suchungen fette, auch in der Galle vorkominende Bestandtheile,
h'*! verwandelt sich leicht krankhaa in Fett, aber die wesentlichen
^stiindtheile der Galle hat man darin noch nicht gefunden. Bracon-
j de chim. et phys. 10. 189) fand in 81 Proc. löslichen Thei-
der Leber 6 stickstoffarme Materie, 20Eiweiss, 4 eigenthümliches
sehr phosphorlialliges Fett. Kuehn (Kastser’s Archiv 13.
hat aus der Leber ein Fett ausgezogen, das .sich bestimmt von
■'olesterin unterschied. Dann ist auch noch zu bemerken, dass es
"*1 Unmöglich ist, eine von Galle reine Lchersuhstanz zu unter-
)**®lien. Bleiben Avir indess hei den ahsondernden Häuten ste-
die äussere Haut enthält keinen Hornstoff, den sie doch ab-
p.'^dert, das Gewebe der Choriodea ist gereinigt ohne schwarzes
‘gnient.
„1 Hs ist also gCAviss, dass das Secretum von dem Secernens
'«lisch verschieden ist, und dass die Secretion durch eine blosse
^ ^ .i'ilr.
flfi
'Hliissiming der schon vorhandenen Organtheile der Secrctions-
S«ne nicht erklärt Averden kann, dass vielmehr die secerniren-
W-
'«de , indem sic
”'^*®li auch ein Verschiedenes ahscheiden.
Hei der Ernährung anderer, nicht secernlrender Organe,
durch Ernährung Achnliches anzichen,
a durch
das Organ
die äbn-
j^'i'den aus einem Theilcben Blut _ rr ■ , r.
^'«en Bestandtheile angezogen, die unähnlichen m den Kreislauf
''««ckgecehen • bei der Secretion werden unähnliche nach Aus-
«ligestossen.
5| Mau könnte sich nun vorstellen, dass hei der Zerlegung
«es Bluttheilchens a durch ein Sccretionsorgan, die Zerlegung
»0
Zellständig und rein wäre , dass das , was an das Organ zur
•'«ahrung übergebt, und das, Avas abgesondert wird, zusammen-
’ r ^ t . • 1 T>1.,+
A «»cht, wieder "Blut an.smachlc? Drückt man
a,*'’'« a, ein Moleciil der Materie des Secrctionsorganes durch as
.so Aväre das Secrct nach dieser Vorstellung a x.
Molecul Blut
eil richtig oder unrichtig ist,
hir untersuchen ,
lässt sioh jetzt gar nicht
daher ich mich denn auch durchaus nicht
ivp Ansiclit erklären, sondern sie als eine herücksichtigungs-
jp j'llie Andeutung für fernere Untersuchungen hinstellen Avill.
j"'«Iälls passt diese an sich an so einfache und deswegen hlen-
ilur 1 scl'un uid't auf diejenigen Absonderungen, avo-
«0 1 Hinte etwas entfernt wird, Avas anderswo gebildet
«ueig ^ie ,ii,. Absonderung des Harnstoffs.
Hass das Secrct in dem Laufe durch die feinen, und oft
llijJ \««gen, Drüsenkanälchen noch Aveiter ausgebildet Averde,
gen eher vermuthen als beweisen. Diess war man immer
kji vom Hoden anzunehmen. Da indess die Länge derHarn-
'l® nicht minder ist, der Harn aber bloss Exeret ist und kei-
450 11. Buch. Organ, ehern. Processe. III. Abschnitt. AbsonderunS'
ner Veredlung Ledarf, so sielit man hieraus schon, dass man
der Lange der Kanäle mehr die Grösse der ahsondernden Fläcl’®’
als die Veredlung des einmal Abgesonderten im Auge haben m«*''
Die chemische Zusammensetzung der einzelnen Absonderung*'
flüssigkeiten ist bis jetzt für die Physiologie der AhsondcrimS
Allgemeinen von -wenig Interesse und nur für die Lehre von
Functionen, in -welche die Secrcta eingreifen, von Wichtigl^^' '
daher die Sccreta unter den verschiedenen Abschnitten nach*'*'
sehen sind. Die allgemeiner vorkommenden Secreta sind bei
ahsondernden Häuten ahgehandelt; als: Fett, Schleim, Serosih'*’
Synovia; dagegen -werden Galle, Speichel, Succus gastricus,
creaticus bei der Verdauung, Ilarn und Schweiss hei den A^*'
Scheidungen, Samen, Milch u. s. w. bei der Zeugung ahgehand^'''
Ein wichtiger Gegenstand sind die miki’oskopischen Kügelchf"
in gewissen Ahsonderungsllüssigkeiten, wie im Samen, indcrMh'*®’
In der Galle der Frösche fand ich überaus sparsame RörnclF'’j
von ungleicher Form und Grösse, die grössten ohngefähr 5
kleiner als die Blutkörperchen des Frosches, andere noch kleiu®*’
der grüne Theil ist aufgelöst. "Weber beschreibt auch KörnclF’'
der Galle. Im Speichel fand ich überaus sparsame RörnclF'’’
Weber findet sie grösser als Blutkörperchen und durchsichtig;
grösste Theil der Speichelm.-iterie ist oifetihar aufgelöst. So
hält auch der ganz dupchsichtige Theil des Schleims nachW^®*"
keine Körnchen, wohl aber die im Schleim voi'handenen F'*’'
cken. Meines Erachtens kann man den hei weitem grösst®':
Theil der Materie des Speichels, der Galle, des Schleims so
wie des Harns, als aufgelöst betrachten. Dagegen enthalten
Milch, schwarzes Pigment und Eiter so viele Körncl>®''_|
ehöf®;
ilC"
men ,
dass dieselben zu den wesentlichsten Theilen derselben
müssen. Die Körnchen des schnarzen Pigments sind n" .
E. H. Weber ungleich und haben im Mittel 0,0015 p. Lin.
To'o 4 ?• daher ohngefähr halb so gross als die Fj'V
körperchen. In der Milch sind sie nach V^eber sehr durchsi®
tig, rund, aber ungleich, im Mittel | i mal kleiner als die Bl"*'
köi7)erchen. Trevirasus hält sie fiir Fettkügelchen, da sie n'
zu Boden sinken und das Licht stark brechen. Weber hält
für zusammengesetzt aus Käse und Fett. Die Eiterkügelchcn s'JJ
nach Weber rund und von -30V0— TsVöP- Z-, die meisten j-
sie sind daher grösser und ohngefähr noch einmal so gross
Blvitkörpcrchen. Alle diese Umstände beweisen, dass die in
gen Ahsonderungsllüssigkeiten vorkommenden Körnchen
ci'
eränderten Blutkörperchen sind; die der Milch sind zu klein, die ‘
Eiters zu gross dazu; letztere können nicht aus den Capillargefü*^
kommen, dji sie seihst etwas grösser als die feinsten Ca])ilh'eS'
fasse sind, Ucherdiess ist - - - .i
Blutköriic
eine Ausscheidung von
iin veränderten Zustande auch schon darum nicht möglich,
damit die Zurückhaltung wirklicher Blutkörperchen unverci"
wäre. Nach meiner Ansicht entstehen die Kügelchen der l^Idp,
-ive"
l,iif
:l)
des schwarzen Pigments und des Eiters, entweder indem sie ^
von der Substanz der ahsondernden Oberflächen abstossen,
bei den eiternden Oberflächen wahrscheinlich war, oder *'
3. Ueber den Secretionsprocess. Einfluss der JScrucn. 451
'^ein der aufgelöste ThierstolF des Secretums, nacK der Secretion,
'y*® ]>ei der Gerinnung des Eiweiss, zum Tlieil in Kügelclien
formirt, was von der Milcli und dem schwarzen Pigment
^ ‘‘hrscheinlicli ist. Authenrietu erzählt folgende merkwürdige Beoh-
'"^Uung {Physiol. 2. 119.). Lässt man die w'ässrip Feuchtigkeit,
")«lche nach ahgewischtem Eiter aus der Ohcrfläche eines ent-
**‘ndeten Theils dringt, zwischen zwei diu'chsicliligen, feinen Talk-
^'ättchen in der Wunde liegen, so sieht man in ihr nach und
feine, immer sich vergrössernde und undurchsichtig wer-
Sfle Kügelchen sich hilden, aber diese nicht, wenn die Feuch-
‘‘Steit gänzlich aus der Atmosphäre lebender Theile entfernt
Auch Brugm.os (l)iss. de pyogenia. 114, Schboeder van der
observ. anat. path. 21.) giebt au; dass, wenn eine eiternde Stelle
^^espühlt worden, nun der Eiter als eine klai'C Flüssigkeit ah-
^^sondert und erst später dicker werde. Vgl. über diesen Ab-
‘'mtiitt Wedemever, Ueber den Kreislauf des Blutes; Doellin-
Tf^as ist Absonderung? Wiirzhurg •i.ÜiQ,
2. Vom EinQuss der Nerven auf die Absonderung,
Ueber den Einfluss der Nerven auf die Absonderungen ist
noch sehr im Dunkeln. Es ist hier zuerst der bekannte, von A.
p^Iomboldt an sich selbst angestelltc. Versuch zu erwähnen, wo
. üiunUch zwei Blasenpilaster auf die Schultergcgcnd sich appli-
die eine Wundsteile mit einer Silberplalte bedecken liess
mit einem Leiter von Zink die Kette schloss , vvorauf un-
schmerzhallem Brennen eine Flüssigkeit aus der Wunde floss,
nicht mild und ungefärbt wie vorber, sondern roth ge-
^var und, wo sie herablief, den Rücken in blaurothen
, ‘■‘einen entzündete. {Ueber die gereizte Muskel- und Eeroenja-
324.) Auch Most {Ueber die grossen Heilkräfte des Galva-
182.3) will in der galvanischen Kette, wenn er mit dem
ja ^‘tiven Pol au der Ohrspeicheldrüse, mit dem negativen in der
10 Minuten lang schloss, verstärkte Absonderung von
jpeichel gesehen haben, der weder alkalisch noch sauer reagirte.
^“■ecte Versuche über den Einfluss der Nerven auf die Abson-
/‘■‘“'S sind noch wenige angestcllt worden; doch weiss man,
nach Durchschneidung des Nervus vagus die Absonderung
i ^Ifigensal'ts auihört. Tieoemann und Gmelin, Die Kerdauujig.
J ’^40. Broihe {Biblioth. de med. britt. Paris 1814) zeigte durch
■ Reihe von Versuchen, dass Arsenils. nach Durchneidung des
Cfv
tih '“gns und sympathicus nicht die reichliche Absonderung
B Magen und Darmkanal hervorhringt, welche man sonst findet.
U*® Absonderung der Schleimhaut in den Lungen wird ferner
siaj‘ der Durchschneidung jeucs Nrnwen verändert und daher
jene schäumig- blutigen Exsudationeu ahzuleiten.
Ueber den Einfluss des Nervensystems auf die ürlnab-
^“derung^ welcher im Allgemeinen durch das den Nervenzufäflen
st "'Minliche Phänomen des wasserhellen, an den gewöhnlichen Be-
-> '‘Mheilen armen Urins erhellt wird, hat Krimer {Physiol. Unte^u-
'‘Sen) Versuche angestellt. Derselbe Avill die Nerven der Nie-
452 II. Buch. Organ, ehern. Brocesse. III. Abschnitt. Absonderung-
ren durchs chnitten und darauf die Absonderung des Urins unt^!^
sucht haben, in welchem sich der Eiweiss- und Blutfärbestoff
demselben Grade vei'mehren sollen, wie die eigentliümlichcn h®'
standtbeile des Urins sich vermindern. Nach Durchschueidu'’f
des Nervus vagus soll die Urinabsonderung fortgedauert hati®|'j
aber Rhabarber und blausaures Kali sollen nicht in den Ot'
übergehen, der ausserdem durch das in den Urin übergehe**
Blutserum spccifisch schwerer werde, durch die Vejrbindung * ^
durchschnittenen Nervenenden mit der Säule aber seine **®*^|.
male Beschaffenheit wieder erlange, und den Uebergang j***'.^
Substanzen zulasse. Nach der Durchschneidung des Rückenn>‘'’^.|
in der Rücken- und Lendeugegend werde der Urin wasserl*® '
Die Durchschneidung des sympathischen Nerven am Halse i***®*^ ],
den Urin alkalisch und eiweisstoffhallig; die Wirkung der
taischen Säule stelle aber seine normale Beschaffenheit wie**
her. Siehe Lvkd {Physiologische Resultate der Vivisectionen nt“^
rer Zeit. Kopenhagen 1825 pag. 204), wo die Versuche von Iv”''
MER ausgezogen sind. Aehnliche Beobachtungen hat Bra**®,®^
{Recherches experiment. sur Ics fonctions du syste'me neroenx gang‘f
naire. Paris 1830. pag 269.) durch Unterbrechung des Nervenß'.''
flusses in den Nierennerven gemacht. Er durchscbnltt die
renarterie eines Hundes, nachdem er sie vorher vor und hi**^^*
der Durchschnittsstelle zweimal unterbunden, und verband
beiden Stücke der Nierenarterie durch eine eingebundene Kai****'^'
so dass die Nierennerven durchschnitten waren, ohne dass
Nieren der Zufluss des Blutes abgeschnitten war. Die hie*'f'
innerhalb mehrerer Stunden aus dem Ureter aufgefangene F****
sigkeit war roth und theilte sich in fibröses Gerinnsel und Ser**’’''
Die Wiederholung dieses Versuchs gab dieselben Resultate.
gegen hat die Durchschneidung der Nervi vagi keinen Eio^^***
auf die Urinsecretion.
Wenn diese Versuche richtig sind, so hört die chemische
kung der in jeder Drüse eigenthürnlichen Drüsensuhstanz, die u***?^
dem Nervcnclnfluss sich erhält, ohne diesen auf, indem die Besta'*,**'
theile des Blutes exsudiren. DerEinfluss derNerven kann nun bei |*j'
der Drüse entw eder verschieden und eigenthümlich seyn, oder er
was w'ahrscheinllcher ist, bei allen Drüsen gleich, und es Jjetl*"^
zur Belebung durch ihn bloss, dass die specifische Drüsensubst»"^
chemisch wirksam wird. Auch die täglichen Lebenscrfahrui’r'!^
geben vielfältige Beweise von dem Einflüsse der Nerven auf ‘ 'j
Absonderung. Man weiss, dass Minderung des Nerveneinfl**®*^,
in dem Froststadium der Fieber alle Absonderungen nicht hl**
vermindert, sondern sie auch arm an ihren natürlichen
theilen macht, und dass sich diese mit dem Wiedereintritt * ^
Turgors auch wieder einstellen. Man weiss, dass die Trock*;''^
heit der Schleimhäute und der Haut oft Zeichen eines veriu'j
derten Einflusses der Nerven in den acuten Krankheiten
Hierzu kommen die häufigen Erfahrungen über den Einfluss der iA
denschaften aut die Absonderung, z. B. der Thränen, der Galle,
Milch, ja selbst der Gemüthsbewegungen auf die Beschaffenheit ^
Secretion und des Zustandes der Wunden. Vgl. oben pag-
3. lieber den Secretionsprocess, Veränderur^ der Absonderung, 453
hat sosar behauptet die Gegenwart des Füllens auf die Milch-
^'^cretion der Mutter Einfluss habe. Ohne auf die Erzählungen
''®ä der giftigen Wirkung des Speichels nach Bissen von gcreiz-
Thiercn irgend einen Werth zu legen, da die Erscheinungen
“ü Allgemeinen vielleicht nur die der Bisswunden ühcihaupt sind,
'St doch die Thatsache bekannt genug und unzweifelhaft, dass
allein durch die Gegeiwart der Speisen im Munde die Se-
'*'®tion des Speichels vermehrt wird, sondern dass auch die Vor-
^"lliiug leckerer Speisen die Secretion des Speichels hethätigt.
^»rc eg möglich, den Einfluss der Nerven eines ahsondernden
^‘'ganes ganz aufzuhehen, so würde man vielleicht wie nach Durch-
!5^"ieidung des Nervus vagus in Hinsicht des Magensaftes, immer
‘*''len, dass die Bildung der spccilischeu Sccrete durch den man-
*’®*"dcn Nerveneinfluss gänzlich aufgeholicn wird. Ich hm weit
'^"tiernt zu glauben, dass die von dem Lehen ahhängendc che-
"^ische Wirksamkeit der Drüsensuhstanz nicht einen eben so
^J^ssen Einfluss auf die Secretion der Drüsen liahe; aber diese
j'önlsche Wirksamkeit der Drüsensuhstanz, welche in verschie-
'*®Ueu Drüsen verschieden ist, kann sich wahrscheinlich nur un-
dem Einflüsse der Nerven unterhalten.
Auf den ersten Blick scheinen sowohl Cerehrospinalncrven
'*** sympathische Nerven zur Regulation der Ahsondcriing fähig
seyn. Bekannt ist die Verzweigung des Lingualis in der Suh-
|“^'illlardrüse und SuhllnguaUh-üse, des Nervus glossopharyngeus
Tonsillen, eines Z'weii^cs des JVervus tlbialis in der Kapsel
Kniegelenks. Aknoi-J) nimmt an, dass die Zweige des ganglion
■'."''tnaxiliarc mehr dem AVuARTon’schcn Gange eigen und hei den
^''Spritzungen des Speichels thätig sind, als der Drüse seihst an-
®^f‘ören und dass die Speicheldrüsen von den, ihre Arterien he-
*^'®itenden sympathischen Zweigen Beherrscht werden. Indessen
f'^'den auch die Cerchrospinaluerven höchst wahrscheinlich von
"Sern des Sympathicus Begleitet, wie wenigstens Retzius vom
.'''eiten Aste des N. trigeminus Bei Thiercn gezeigt hat, und wie hei
n*" Thiercn au den vielen grauen Nerven zu sehen ist, welche vom
1 ''."glion oticum über den Nervus Buccinatorius liingehen. Nach
""'scitigen Lähmungen des Gehirns und Rückenmarks ist die Ab-
ijderimg der Haut auf der leidenden Seite Bald verändert,
* '' nicht verändert.
3. Von den Veivindcrungcn der Absonderung.
tjj, Die Ahsonderung kann von örtlichen sowohl als allgemeinen
Rächen verändert werden. .
hl l>er Zustand eines absondernden Organes modihcirt nicht
d"®« die Quantität sondern auch die Qualität der Absonderung,
i ^ Harn ist nach Nervcnzufällen wässrig und arm an den nä-
dg^'''"Bestandlhellen; der Schleim ist in den verschiedenen Stadien
Co! ?''^napfe»s verschieden, Anfangs wässrig und salzig, «pater
j^j^'sisteut; endlich hehl die Entzündung in der Regel m jedem
^'^nderungsorgane die specilische Ahsonderung, wie i» jedem
S^iie die Function auf. In Beziehung auf Reiz verhalten sich
454 II. Buch, Organ, che/m. Processe. III, Abschntit. Absonderung-
die Absonderungsorgane eigenthümlicli ; derselbe vermehrt Anfa^o’
die Absonderung. Dieser Zustand vermindert sieb in demsem
Grade, als die Reizung in Entzündung übergebt. Im erscblalü
Zustande der Absonderungsorgane mit Auflockerung, vermelir^^
die Absonderungen sich in der Regel, wo jedoch das Secret
Consistenz verliert. Im erscblaflten Zustande mit Verdicht'*”®
des Gewebes des Absonderungsorgans, wird die Absonderung
mindert. Diess wiederholt sieb in allen Absonderungsorga"
in den Scbleindiäuten der Nase, der Conjunctiva, aut' der
Alles dieses beobachtet man an den natürlieben r
gereizte Geseb'^”^
die Verstärkung des entzünde';
erschlaffte Gescb"'”
re'®
sern Haut.
krankhaften Absonderungen auf gleiche Ai-t; das
sondert reichlichen Eiter ab;
Zustandes bebt die Absonderung auf; das
mit aufgelockerten Wänden sondert reieblicbe wässrige Seef®
ab, das erschlaffte Geschwür mit verdichtetem Gewebe von E”
zündiingsproducten sondert sparsam ab.
Der aufgehobene Nerveneinfluss vermindert die natürlich ^
Bestandtheile eines Absonderungsorganes; der Harn wird in
venzufällen wasserbell, die Haut in Fiebern mit geschwächt®
Einfluss des Nervensystems trocken, die Haut ist im Froststad'" ^
des Fiebers trocken. Aber räthselbaft ist, dass eine viel stärk®
Entziehung des Nerveneinflusses, wie in der Ohnmacht die M)*””
derung so ungemein vermehren kann, wie beim kalten Scbwc'^
bei der Diarrhoe von Schrecken, Angst. Die qualitativen Vcräi""'
rungen der Secreta durch veränderten Nerveneinfluss, kennt
mehr aus den schädlichen Wirkungen dieser Secreta, wie " ^
Milch, der Galle nach Leidenschaften, als aus chemischen E"
tersuchungen. ^
Dadurch, dass alle Absonderungen durch die Entziehung
wisscr Bestandtheile des Bluts auf die Mischung desselben
ken, kaxin eine Absonderung aus demselben nicht verändert wcrd® ’
ohne dass das Gleichgewicht, welches die verschiedenen ^ ^
Sonderungen gegen einander in Hinsicht ihrer Wirkung auf
Blut batten, gestört wird; daher die Vermehrung einer Absoo”^'
rung die Verminderung einer anderen zur Folge hat, was
den Antagonismus der Secretionen nennt. Auf dem Prinzip
scs Antagonismus beruht die Hervorrufung mancher künstlic”^j,
um krankhafte aufzuheben. Hierbei finden folgende Gesetze
1. Die Vermehrung einer Absonderung in einem Gewebe/,
welches weniger reizbar als das Organ B ist, kann in dem
ganc B die Absonderung nicht antagonistisch vermindern ,
Of'
'*•'5
z. B. künstlich erregte Absonderungen in der Haut, wie <1"*
rre"!
Blasenpflaster, in der Nähe des Auges, bei AugenentzündunS*
fruchtlos sind, weil das Auge reizbarer als die Haut selbst is^
2. Die Vermehrung einer Absonderung in einem
Gewebe A kann nicht vermindcT’t werden durch HervoiTixf"/
derselben Absonderung in einem anderen Theile des Gewebes ^
im Gegentheil wird die Absonderung in allen Theilen desselben
wehes eher verstärkt als vermindert, weil die verschiedenen
eines Gewebes nicht in einem antagonistischen, sondern in
sympathischen Verhältnisse stehen. Man kann also eine Blenn
3. Von den Veränderungen der Absonderung, Metastasen. 455
rliöe tier Genitalien oder Harnwerkzeuge durch eine künstlich
'Geregte Diarrhöe nicht antagonistisch heilen.
3. Dagegen stehen diejenigen Gewebe oft in einem antagonisti-
sch eu Verhall nisse der Alisonderung, welche nicht zu derselben
^li>sse der Gewebe gehören. So bewirkt die Vermehrung der
^'^sonderung dureb "die Haut eine Verminderung der wässrigen
^'^sotulerung durch die Nieren. Tm Sommer ist die Hautaus-
‘^änstuii" stärker und die Nierenab.sonderung verhältnissmässig
Seringer^; im Winter findet das umgekehrte Vei’hältniss statt. Bei
Ablagerung wässriger Flüssigkeiten im Zellgewebe und in den
^^eösen Häuten ist die äussere Haut trocken und der Urin spar-
und der Fluss des Urins steht in geradem Verliällmsse mit
''er .Abnahme der wasscrsüclitigen Anschwellung. Durch Unter-
''rückung der Ilautausdünstung", durch Erkältung, entstehen Blen-
"orrhöen der Schleimhäute, m den Lungen .'und im Darmkanal.
4. Nur am Ende der collirpiativen Krankheiten beschränken
*‘ch die Absondemngen nicht gegenseitig mehr,, sondern alle wer-
''en zuletzt durch ErschlafTung der Gewebe vermehrt, wie
''cnn durch den sogenannten colliijuativcn Zustand, z, B. colli-
[l'iative Diarrhöen, "Scbw'cisse und Wasserergicssungen vor dem
^ede bei den Phlbisikern entstehen.
5. Gewebe, welche gegen einander in Antagonismus treten,
^''Crden bestimmt tbeils dadurch, dass sie cinigermassen ähnliche
flüssicvkeiten im natürlichen Zustande absondern, gleichwie die
yei’mmderung der Wasserausscheidi^ng durch die Nieren auf die
^Crmehrun" der Wasserausscheiduiig durch die Haut wirken
‘ävis,. oder das antagonislisch erregte Ahsonderungsorgan war
'''iiieliiu schon zu kra"nkhafter Thätigkeit prädispomrt. So be-
''‘«■kt die Erkältung bei demjenigen eine Aftcclion der Schleim-
''"Ht der Lungen, welcher zu dieser schon vorher disponirt war,
'"ä Anderen aber aus denselben Gründen leichter eine Verändc-
»"äg der Schleimabsonderung im Darmkanal. Vgl. Heusivger,
oeGr den Antagonismus der Jiixerctionen; desselben Zeitschrift für
'"■«•Ort. Phrsik. Bd. I.
Zuweilen bewirkt die Unterdrückung der Absonderung an
"'äciu Orte das Erscheinen dessclhen Fluidums an einem ande-
Orte. Dieses geschieht vorzüglich leicht bei denjenigen Ab-
*'">'lcrungsflüssigkeitcn, welche als solche schon im Blute vorhari-
sind. Viearirendc Blutungen für die Menstruation lassen sich
Nht läugnen, und die Unmöglichkeit, den im Blute bereits vor-
>idencu Harnstoff (siche pag. 148) durch gänzlich zerstörte
^‘eren mit dem Harne abzusondern, muss mit Harnstoff gesebwän-
Ausscheidungen in allen übrigen Theilen des Körpers zui
>'ge haben können. Nysten {lie'cherches de ciunue et de physw-
pathol. Paris 1811. pag. 263 — 293) hat die Existenz von
."•'nstoff in lici gänzlicher Harnverhaltung ausgebroebenen Flus-
j'8'teitcn constatirt, und an der Ablagerung harnsauren Natrons
** den Gichtknoten ist kein Zweifel. _
Ist aber ein Absonderungsstoff als solcher niclit schon uu «tute
«'‘^'landen, so kann die Unterdrückung dieser Absonderung in
dazu bestimmten Apparat nicht dieselbe Absonderung in an-
Physiologie. 30
456 II. Buch. Organ, ehern. Processe. III. Abschnitt. Absonderung.
deren Tlieilen metastatiseh verursachen, und was man auch hiC'
für angeführt hat, beruht auf schlechten Gründen.
Nach verhaltener Aussonderung der Galle kann zwar
schon einmal ahgesonderte Galle resorhirt ins Blut gelangen
von dort aus in anderen Theilen sich ahlagern. Dies ist a« ^
ein ganz anderer Fall, der keine Aehnlichkelt mit demjenigen li«'
wo ein Absonderungsorgan ganz entfernt wird; hier ist kein 1^
parat mehr dazu vorhanden, wie nach Exstirpation des |.j,
die Bildung des Samen unmöglich wird. Die ott wictlerlio
Lehre von der Möglichkeit, dass alle spezifischen Absonderung'^^
selbst nach Zerstörung ihrer Ahsonderungsorgane aus dem Fla
sich wiedererzeugen können, hat gar keine thatsächliche^
denn alle dafür angeführten Gründe sind bloss von denjenig®^^
Fallen hergenommen, wo die Absonderung in dem ursprünglicn®
Organ nicht aufgehoben, sondern die Weiterförderung des Secf '
tes durch mechanische Hindernisse gehemmt war, oder wo FcrA |^
sonderungsstoff als solcher im Blute schon vorhanden war, a ^
es vom IJarnstoff nach PnEvosx und Dumas Untersuchungen
kannt ist. Die einzige Absonderung, deren Bestandtheile im ß
nicht als solche vorhanden sind, welche sich aber immer und
allen Orten wiedererzeugen kann, indem sich mit der Entzünda*''’
das Organ dazu von neuem bildet, ist die Eiterung.
In allen Fällen, wo nach gänzlicher Unterdrückung ei"
Absonderung eine antagonistische entsteht, zu der der Stoff i'it ^
als solcher aus dem Blut genommen wci-den kann, ist die aid‘'^
gonistische Absonderung auch durchaus von der ursprünglicl‘‘^|.
verschieden, und hat nur so viel Aehnlichkeit mit der ersten,
die näheren Bestandtheile der Absonderung des zweiten Olga''
es zulassen. Wahre Milchverselzungen giebt es z. B. nichl ;
TENRIETH bemerkte schon, dass dergleichen Versetzungen du'
Mangel an den wesentlichen Bestandtheilen der Milch , näiiu'
des Milchzuckers und der Butter, sich unterscheiden. Diese
Scheidungen bestehen vielmehr nur aus den näheren Bestandtl'
len des Bluts, welche zur Umwandlung von Blut in Milch F"
verwandt werden können , z. B. Eiweiss. Ueber die ünsta^^^
haftigkeit der Eitermetastasen und die Missverständisse,
dux-ch ünkenntniss der hierbei stattfindenden pathologischen »
gange entstehen, habe ich schon pag. 262. gehandelt. ^ ^
Die Drüsenkanälchen scheiden das Secret immer nach
(vergl. p. 446.), nur in seltenen Fällen scheint die neugebil
Materie sogleich auch weiter und ins Blut zu gelangen, wie bei
nach Gemüthsbewegungen^ entstehenden Fonn der Gelbsucht.
4. Von der Ausfiilirnng der Secreta.
Die Ausführungsgänge der Diüsen enthalten in ihrem
nern eine Schleimhaut, welche äusserlich mit eiiiei' äus
dünnen Schicht von muskulösem Gewebe umlagert ist.
_ ^ ■ misc''
Existenz von Muskelfasern lässt sich hier zwar gj^li
nicht nach weisen, aber aus physiologischen Gründen lass __
daran nicht zweifeln; denn von den meisten Ausführungsg
4. Von der Ausführung der Secreta.
457
gen -weiss man, dass sie auf Reize sich zusammenziehen kön-
So hat Rudolpui schon die Zusainmenziehungsfahigkcit
Ductus choledochus der Vögel beobachtet. Icli habe die-
Phänomen öfter gesehen, •wenn ich bei einem eben getöd-
®ten Vogel den Ductus cboledocbus mechanisch oder galvanisch
Reizte ; die darauf erfolgende Zusammenziehung des Ganges ist
Jl^'igeniein stark und dauert Minuten lang, worauf sich der
j^ang wieder, wie vorher, erweitert. Auf gleiche Art habe ich
Kaninchen sowohl als bei Vögeln an den Urcteren auf star-
^en galvaniscben Reiz örtliche starke Zusammenziehungen eintre-
gesehen. So bat Tiedemann Bewegungen an dem Ductus
aeferens des Pferdes auf angeljrachten Reiz beobachtet. Tiede-
'"ank, Ueher die T'Vege, auf welchen u. s. w. p. 22. Es scheint so-
Sai", dass periodische wurmförmige Bewegungen an diesen Aus-
*Ahrungsg'angcn statt finden, wenigstens gilt dieses von dem Du-
atus clioledochus der Vögel; denn an diesem habe ich bei einem
a^en getödteten Vogel regelmässig in Pausen von mehreren Mi-
*'.'*ten Zusammenziehungen beobachtet, worauf jedesmal der Gang
*'ch wieder erw'eiterte. Diese Zusammenziehungen fanden in je-
Fall merkwürdiger Weise aufsteigend statt, nämlich vom
■''»rtnkanal gegen die Leber bin, und werfen ein Licht auf die
, wie die Galle zu gewissen Zeiten, statt durch den D. chole-
*;®chus auszuflicssen , vielmehr zurückgehalten und in das Dlver-
‘'^el des Gallengangs, nämlich die Gallenblase, getrieben wird,
denn auch noch die vollkommne Verschliessung der Mün-
, •'S des Ductus choledochus beitragen mag. Zur Zeit derVer-
djäiung^ wo die Galle der Gallenblase ausgeleert wird, erfolgt
diese Ausleerung wahrscheinlich bloss durch die Oeffnung des Du-
"j^ds choledochus unter dem Druck der umliegenden Theile und
Bauchmuskeln aus; denn die Gallenblase kann sich höchst
Avahrscheinlicb nicht zusammenziehen, wenigstens konnte ich an
Gallenblase der Säugethiere und der Vögel, selbst bei dem
ettigjien Reiz durch eine galvanische Säule, keine Zusarnmen-
*®hung bewirken, und es unterscheidet sich dieses Divertikel von
im Ganzen ähnlichen Divertikeln anderer Ausführungsgänge,
dmlich der Urinblase und den Samenbläschen.
Die Beschaffenheit der inneren Haut der Ausführungsgänge
die Contractilität ihrer mittlern Haut beweist -offenbar, dass
^.'®se Gänge blosse Ausstülpungen der Schläuche sind, in welche
Bihrcn, wie der Ductus choledochus und pancreaticus aus den-
®'hen Schichten bestehend, Fortsetzungen der Häute des Duode-
sind.
^ Welchen Antbeil die Contractilität der Ausführungsgänge an
li^b P'^tzlicben Ausscheidung des Speichels und der Thränen
will ich hier nur fraglich andeuten. Auch will ich hier
Bemerken, dass, da die Contractilität der Ausführungsgänge
Drüsen factisch ei-wiesen ist, der Krampf dieser Theile keine
“sse Einbildung der Aerzte ist.
30
458 II. Buch. Organ, chem. Processe. IV, Abschnitt, Verdauung.
IV. Abschnitt. Von der Verdauung, Chylificatio'’
und Ausscheidung der zersetzten Stoffe*).
I. Capital. Von der Verdauung im Allgemeinen.
Die Nahrung der Thiere sind tliierische Substanzen und
getahilien; einige leben nur von diesen, andere nur von jene»’
andere von beiden zugleich, wie auch der Mensch, der bei bl»’’
animalischer Nahrung so gut wie hei bloss vegetabilischer Na’.'
rung ausdauert, und nach diätetischen Erfahrungen, auch na»
seinem gemischten Zahnliau der gemischten Kost bestimmt schein^j
Sowohl in der Pflanzennahrung als in der thierischen Kost s'»
die gewöhnlichen Salze enthalten, welche als nothwendigc B»'
standtheile des Organismus auch als Nahrungsstoff ini relativ»’’
Sinne betrachtet werden können. Von blossen mineralisclK'
Stofien lebt kein Thier; nur aus Noth oder Vorurthcil,
den Bauch zu füllen , wird zuweilen von Menschen Erde th»' '
allein, theils mit organischen Substanzen genossen, wie von d»’’
Otoraaken und Guamos am Oronoco und von den Bewohne»”
von Nenschottland bekannt. Es leidet keinen Zweifel, dass di»’
Befriedigung nur eine Täuschung ist, es scheint auch nicht, da*’
die von jenen Völkern genossene Erde zufällig Nahrungsstol -
enthalte; in dem von den Neuschottländcrn genossenen Steatit ba
Vauquelin keine Nahrungsstort'c gefunden. Siehe v. HuiMbol»’’
Reise. 4. 557. E.udolphi’s Physiol. 2. 18. ^
Im Thier- und Pflanzenreich scheinen alle Stolfe nahi’bj’
zu seyn, welche einer leichten Auflösung durch thierlsche Fl»’'
sigkeiten fähig sind, welche keine dem ThlersLoff eines Thi»»»
zu heterogene Comhinatiou der Elemente enthalten oder weh’”
keine hervorstechenden chemischen Eigenschaften und keine T»’’'
denz haben, sich auf Kosten der lebendigen Verbindungen hi»’^
chemisch zu comhiniren. Was die letzten Eigcnschaiten b”’
entweder heterogen oder von chemisch eigcnlhiimlichen AlfiH'j”
ten ist, ist entweder Arzneikörper oder (im relativen Sinne)
Dass auch die narcotischeii Gifte, welche keine sichtbaren Vei’änö
ruugen im Organismus und nicht wesentlich Entzündungen bewirk»’^’
durch feinere Umwandlung der Materie vergiften, indem sie
heterogene und chemisch eigenthümliche Stoffe Zersetzungen n”
Die hier zu untersuchenden Processe sind zusararaengeselzlcr als die ve ^
hergehenden; die Kenntniss der Bewegung der Säfte, der Resorp»
der lluitigkcit der lymphatischen Gefässe, der Absonderungen
ihrer XJntersuehiing vorausgesetzt, daher diese Materien säramtlich
dem nun zu betraehtenden Gegenstände abgehandelt werden ninss
Dagegen werden nim bei der Darstellung der Vorgänge der
weitläufige Erklärungen über dieseFunctionen , ilie auch ausser den
dauungsorganen in vielen andern Theilen wirksam sind, vermieden W
den können.
1. Von der Verdauung im Allgemeinen. Nahrungsstoffe. 459
binäre Comblnatlonen veriirsaclien , ist mir selir •vvalirsclieinlic]i,
tlieils durcli iliren Gelialt an vegctabilisclien Alcaloidcn, Hieils
^Urcli Fontasa’s BeoLachtungen, dass die Avirksamsten narcoli-
«clinn Gifte, Viperngift iindTicunasgift, materielle Umwandlungen
^'«wirken indem beide z.u frischem Blut ausser der Ader gemischt,
^'■ssen„Gerinnbarkcit Yerhindern, Viperngift m Wunden lebender
Tl'it^-c.iaebracht, aber das Blut schnell gerinnen macht. Uelier
'«getabilische Gifte siebe die toxicologisclien ^Verke, über tbie-
f’sUie Giflc Bunor.pui 1. c. Der Begriff Yon Gilt ist sehr re-
Schlangengift zersetzt die tbieriseben Saite, Avenn es iii s
gebracht wii'd, scheint dagegen iiu Darmkanalc zersetzt und
'‘nsclüullicb gcrnaclit zu werden. Vi])erngia wirkt auch m den
”'iinden der niederen Wirbcltliiero, namenllicb der Amphibien ,
''ei Fröschen, Blindsclileiclien nur sehr langsam und liei Schlangen,
yif; es scheint, oft gar nicht. Doch sind die meisten Narcohea
I“ grösseren Gaben auch für die niederen Thiere todtlich. Uie
f-msäure tödtet ilen Blutegel so gut wie den Menschen, Opium,
Yomica scheint fiist für alle giftig (mit Ausnahme des \ o-
ü'jls Buceros Bliinoceros,, der Yon Krahenaugen leben soll).
Die einfachsten Nahriingsstoflc sind aus dem Pflanzenreich:
1. Die säiierliclien Safte Yieler Pflanzen und Fruchte.
, 2. Das Stiukmelil [Amylnm) in den Samen der Graser, der
‘idlscnfrüchte, in den Rnollen der Kartoffeln, m der Sagopalme,
Lichen Island. , , r. i „i.
_ 3. Der Schleim {Mudlago) in Wurzeln und Samen und a
^iimmi (verschieden Yom tbieriseben Schleim, m Wasser löslich).
4. Der Zucker im Safte vieler Pflanzen, auch ihrer Fruchte.
6. Das fette Pflanzenöl in Samen und eiiiigen Wurzelknollem
6. Das Pflanzenciwelss {Allmmen) in der Pflanzenmilch, m
'‘''r Milch des Milchhaums, in cniulsiycn Samen.
7 Der Kleber ( G/'ft''«)} meist niitEiweiss Yerhunden, in den
^etreidearten und anderen Samen, auch in süssen Fruchten.
5. Fuiigin in den ScliAvammcn. , ■ i
Viele andere Stolfc, Avie weingeistige und aromatische, sind
'''«Lr B.elzmittcl der Verdauungsorgane als Nahrungsmittel. Un-
''frdauhch sind die Pflanzenfaser, Ilm '
Harze, Farhstofl'e, Extractivstofle , die Haare, Fedein, Ilorii,
^‘‘^tten, Sciiuppen, Insectcnschaleii und überhaupt aller Hornsloft..
Die Hauptnahrungsstoffc des Thierrcichs sind:
.. 1. Gclatina in den Sehnen, Knoclien Knorpeln, m der
?üssern Haut, dem Zellgewebe und vorzüglich in sehr jungen
‘deren (Eigenschaften siehe oben p. I-äU)'
. 2. EiwcIss {Albumen) vorzüglich m den Eiern Gehirn und
'®rven im Blute etc. ( Eigcnsehafteii s. oben p. 123.).
3. Faserstoff {Fibrina) im Fleisch und Blut der Thiere (Ei-
S^Uschafteii s. oben ii. 120.). aok m 1
4. Das thierische Oel und Fett (Eigenseh. s. ^^ii p. 125, d
' 5. Derliäsestotr in der Milcli mit ihieriscliem Fett (Fu ^ v
^Käse (Eiffenschaflen s. imten ini S. Buclie bei demAr^ ®
Der letzte Zweck der Verdauung ist 1. die rp^^nr.
^trungj weil nur Aufgelöstes fähig ist zur Aufuahm
460 II. Buck. Organ, ehern. Processe. IV. Abschnitt. Verdauung.
hirencle Gef'asse, und 2. eine Reductlon dieser verschiedenen Be-
standtheile in das einfachste Material der thierischen Processe,
Eiweiss, ivelches sich in dem verdauten Speisesafte theils autgß'
löst, theils in Kügelchen enthalten zeigt. Die Verdauung hat als®
zum Wesen, dass sie nicht allein die Stoffe auflöst, sondern das*
sie alle eigenthümlichen Qualitäten, welche den organischen Stof-
fen von ihren Quellen noch zukommen, tilgt, dass sie die
rungsstoffe auflöst und alles in Eiweiss verwandelt. Hierzu s'"'®
ausser der mechanischen Zertrümmerung chemische Einflüsse, Vd’'
dauungssäfte nöthig. Diejenigen Substanzen sind nun am leicW'
verdaulichsten und nahrhaftesten, welche am löslichsten und hd
welchen die Reduction in Eiweiss am leichtesten, oder welch®
selbst eiweisshaltig sind; und so ist der Dotter als eine concen-
trirte Auflösung von Eiweiss (mit Dotteröl) der iVahrungsstoa
selbst, aus welchem der Embryo unmittelbar assimilirt und de*"
keiner vorbereitenden Verdauung bedarf. Alles wird aber unvci"'
daulich seyn, welches wegen seiner unauflöslichen Beschaffenbed
(wie Holzfasern, Hülsen) keinen Nahrungsstoft' abgeben kann, od®®
selbst eine chemische Qualität geltend macht, welche die im 0*’'
ganismus von der organischen Krall im Gleichgewicht gehalten®
Tendenz der Elemente, binäre Verbindungen einzugeben, entfesscB'
Man muss übrigens zwischen leicht verdaulichen und nährende'*
Stoffen unterscheiden. Ein Stoff kann durch seine leichte A»f'
lösllchkeit in einer Hinsicht leicht verdaulich, aber doch wc"'§
nährend scyn, weil er durch seine Zusammensetzung Avenig®*’
leicht in Eiweiss venvandclt werden kann. Andere Stoffe, di®
an sich, einmal aufgelöst, wohl nährend sind, können durch fl'''*’
scliAvere Auflöslichkeit fiir schwache Verdauungskräfte schW®''
verdaulich seyn. Zu einer guten Nahrung gehört also nicht all®®*
leichte Auflöslichkeit, sondern auch nährende Beschaffenheit.
entfernter eine Substanz in Hinsicht ihrer Zusammensetzung ’'’^®**
demEüveiss ist, um so iveniger ist sie nährend, und um so g«’®*'
sern Aufwand der Verdauungskrällc nimmt sie zu ihrer VerAvaud-
lung in Anspruch.
Käme es bei der Verdauung bloss auf die Auflösting an
enthielten alle Nahrungsstoffe eine gewisse Menge eines und de^'
selben Nutrimentes, das keiner weitern chemischen Verändern®?
bedarf, so könnte die Verdaulichkeit darnach bestimmt Avei’d®®’
wie leicht ein vStoff auflöslich ist, Avie viel Nutriment von d®®*
Darmkanal aus ihm ausgezogen werden kann und wie leicht di®’**
Ausziehung des Nutrimentes aus den übrigen Beimisebungen i*.^'
Dieser unrichtige Begriff von Nahrungsstoff liegt dem Hippocrat'"
sehen Satz zu Grunde, dass es A^erschiedene Arten der Alirncnt®!
aber nur ein Alimentum gebe. Die in Eiweiss zu verwandelnd®**
Stoffe enthalten aber zum Tbeil kein pr'äformirtes Eiweiss in s*® *’
wie die vegetabilischen Nahrungsmittel. Das Alimentum in 1®'
nern Hippocratischen Sinne entsteht daher erst durch die V®*"'
dauung, indem die in Hinsicht ihrer Zusammensetzung von d®*^
sEiweiss verschiedenen Nahrungsstoffe erst in die Zusammensetz»®»
des Alimentum umgewandelt Averden müssen. . ,
Auf eine wichtige Unterscheidung der Nahrungsmittel in sti®
1. Von der Verdauung im Allgemeinen. Nahrungsstoffe. 461
stofFreiclie, stIckstolFarme und stickstofflose hat Magendie aufiMrk-
sam gemacht. Physiol. ec?. 2. ?.2. 486. Meckel’s ^/•cAce. 3. 311. ah
rungsmittel, weiche wenig oder keinen Stickstoff entludten, sind.
'li« zuckerhaltigen und säuerlichen l'ruchtc, d-e Oele, Fette, d e
l^utter, die schleimigen Vegetahilien, der raff.mrte /ucker, d 0
Stärke das Gummi, der Pflanzenschleim, die vegetahiUsche Gal-
Hierher gehören die Getreidearten, der Reis, die Kai toffel.
Stickstoffhaltig dagegen sind Pflanzeneiweiss Kleber, Fungin der
Sclnvämme und einige in verschiedenen Püanzen vorkommende,
'^ein Flelschextract ähnliche Stolle. Sie fanden sieh v rzugheh in
»leu Samen der Gräser, in den Stengeln und J^^^ttern der Gi^aser
äiid Kräuter. Auch die Leguminosen (Linsen Erbsen, Boh-
nen), die Mandeln, die Nüsse gehören hierhtn-. Aus t e^ 1 «-
'eiche sind zu nennen: die Gelatma, das Eiweiss,
^toff, der Käsestoff. Ausser dem Fett enthalten die mmsten
thierischen Theile vorzüglich mehr oder weniger St'ckstofF. E n
Schriftsteller haben für eine Quelle des Stickstoffs in den tlnui-
''elien Körpern das Athmen aus der Atmosphäre gehalten, andeie
luiben aiXommen, dass sich Stickstoff in Thieren aiis anderen
Lleracnten erzeuge. Ilicrhel stützte man sich auf das Beispiel dei
Pflanzenfressenden Thiere, die sich von stickstofflosen oder stick-
«tolfarmen Stoffen nähren sollen, auf das Beispiel der Neger, we -
ehe Zge Zeit bloss von Zucker sieh nähren. MAOE.mE hemerkt
hievge-vSi dass fast alle Vegetahilien, von denen sich riiicre und
^lenlchen nähren, mehr oder weniger Stickstoff enthalten, dass
fler u,^^^ eüie Zucker ziemlich viel Stickstoff enthalte dass die Vol-
ler, r sich mR Reis, Mnis^ “nlmSSif ^s^e
flirtÜ^in. virThRren (ILinde.;) aus biosyn stlekstofilosen
MlUcdu ^ie”raffinlrtcm Zucker, mit dest.lUrtcm Wasser, gemacht.
Bie erste,, 7 — 8 Tage waren die Thiere munter, frassen und
leanken wie gewöhnlich, in der zweiten Woche jllg
■‘Uniagern, ohglcich der Appetit immer gut war und t»öhch
Bnzeri Zucke? verzehrt wurden Die Abmagerimg X-
der dritten Woche, die Kiple nahincn p’ ^‘'p?^®^lekelte
een die Munterkeit und den Appetit. ^"/Leser Ze I entwm^
«ich auf beiden Augen eine Exulceration eier Lo, J.i mR Ausü^^^
pr Augenfeuchtigkeiten - cin^ ~ ^ J
«Olten Versuchen bestätigte. Ufagleicn um n
^—4 Unzen Zucker frassen, so.AViuden sie doch ppp
Sol. 1 1 • » ii^iT» llPAVpoiiiiff u.ni lind cicr Tod
erfolT^’ *34*' Turn (Maif muss hierbei erwägen, dass
Cfe%li™ allei;^!ltimglst dien so lange aushalten.) Bei der
Seetion fand sich alles Fett verzehrt die Muskeln waren
"o Volumen vermindert, Magen pd »"^'^pind sehr zusp
•«engezogen, Gallenblase und Urmblap ausgedehnt pE'*^P
pd den Urin, wie bei den Pflanzenfressern, nicht
dem alcalisch, aber auch ohne Spur von Harnsaure ** .,
Pflaten. Die Galle enthielt viel Picromel, woran im Galle
^erhivoren reich ist, das man aber seitdem auc J". •. .
' on Fleischfressern entdeckt hat. Die Excremente e
462 II. Buch. Organ, ehern. Processe. IV. Abschnift. Verdauung.
wenig Stickstoff, dessen sie sonst viel enthalten. Um auszumit-
teln, ob diese Wii’kungen dem Zucker eigentliümlicli sind, od»'
nur von seinem Slickstoflhiangel herrühreri, fütterte Magespi®
Hunde mit Olivenöl und Wasser. Wahrend 15 Tagen befanden
sie sich wohl. Darauf tr.aten mit Ausnahme der Ulceration det
Cornea dieselben Plianomene wie hoi den mit Zucker gefütterten
ein, und der Tod erfolgte am 36. Tage. Urin, Galle' vcrliiclten
sieh gleichwie in den vorhei-gehcnden Versuchen. Hunde i»**'
Gummi gefüttert, was mit anderen Mitteln zusammen sehr nahr-
haft, aber keinen Slickstoff enth'alt, zeigen dieselhen Phänomene-
Eine blosse Ahdirung von Butter crtinig ein Hmul sehr wohl
Tage lang, darauf wurde er mager und schwach, und starb am
36. Tage, obgleich er am 32. Tage Fleisch erhalten hatte. D»*
eine Auge ulccrirte, Urin und Galle verhielten sich wie in den
früheren Versuchen. Magendie überzeugte sicli durch andere Ver-
suche, dass gleichwohl Zucker, Gummi iind Oel verdaut wurden
und Chylus ]>ildeten, dass also der Cliylus nur keine nährenden £>'
genschaften liatle. Diesen Versuehen kann man die Bemerkiinn
hinzufügen, dass in Dänemark Verurtheilung zu Brot und Was-
ser auf 4 Wochen mit der Todesstrafe gleichgesetzt wird, iin^l
dass Stark’s Versuche an sich selbst mit Alonate langer Zucker-
kost seinen Toil bewirkten, nachdem er äusserst schwach und
gedunsen, rothe Flecke im Gesicht bekommen liatte, welclm
drolitcn in Geschwüre aufzubrechen. Durch diese Versuche Ind
Magendie auch einiges Licht auf die Ursachen und die Behand-
lung der Gicht xmd des Harngriescs geworfen. Die von diesen
Krankheiten befallenen Personen sind meist wohllehcnde Fleisch-
esser; die meisten Harnsteine, der Harngries, die Gichtknoten
und der Schweiss der Gichtischen enthalten Harnsäure, eine Sub-
stanz, die sehr reich an Stickstoff ist. Durch Verminderung dm"
stickstofl haltigen Nahrungsmittel kann man daher wohl der Gicld
und der Bildung des IJarngrieses zuvorkommen und sie mit Er-
folg behandeln.
Tiedemann und Gmelin haben Magendie’s Versuche besfätigh
Sie fütterten verschiedene Gänse, die eine mit Zucker, die an-
dere mit Gummi, die drille mit Stärke; alle erhielten zW'
gleich W asser. Die Gänse nahmen hierbei beständig an Gewidd
ab. Die mit Gummi gefutterte starb den 16., die mit Zucker
den 22. und die mit Stärke den 24., eine andere den 27. Tagi
nachdem sie bis 7] ihres G.-wichts verloren hatten. Indessen
starb eine Gans, die mit gekochtem und zerhacktem Eiweiss g«'
füttert wurde, trotz der stickstoffreichen Nahrung und des App®'
tits der Gans, ausgehungert am [46. Tage, nachdem sie fast ?
des Gewichts verloren hatte.
Diese Versuche würden wie die von Magendie sehr bewc*'
send seyn, wenn man bei demselben Thiere mit verschiedenen
stickstofflosen vSubstanzen in der Nahrung abgewechselt hätte-
Denn da, wie sich auch .aus den folgenden Versuchen von Magendi®
ergiebt, das unausgesetzte Darreichen einer stickstoffhaltigen Sub-
stanz ohne Abwechselung mit anderen stickstoffhaltigen Mitteln
die Thiere in manchen Fällen auch nicht erhalten hat, so sind
1. Von der Verdauung tm Allgemeinen. Nahrungsstoffe. 463
Jcur Versuclie noch nicht ganz conchisiv. Vergl. Londe, Fko-
“'sr’s Not. B. 13. Nr. 10.
TJeher die Fähigkeit verschiedener Substanzen, zu nähren, hat
‘^J^-'GENDiE noch l'olgende Versuche angestcllt: 1. Ein Hund, wel-
clier Wcisshrot, Weitzen und W'asser zur Nahrung erhielt, lebte
über 50 Tage. 2. Ein anderer Hund, der dagegen bloss
^f'furnisshrot bekam, erhielt seine Gesundheit sehr wohl. 3. Ra-
"'"chen und Meerschweinchen mit einer von lolgenden Suhstan-
Weitzen, Haler, Gerste, Kohl, gelbe Rüben, gefüttert, star-
1*^*' mit vollkornniener Inanition nach 15 Tagen ah. Mit densel-
Substanzen zugleich oder’ nach einander gefüttert, lebten sie
ohne Nachtheil. 4. Ein Esel, der mit trocknem und spater
gekochtem lleis gefüttert -^vurde , lebte nur 15 Tage. Ein
*^hn dagegen lebte von gekochtem Reis, ohne Nachtheil, mch-
Monate. 5. Hunde, bloss mit Käse oder bloss mit harten
■^'ern gefüttert, lebten lange, aber sie wurden schwach und ma-
vei loi'en die Haare. 6. Muskelfleisch vertragen die Nagethiere
lange. 7. Wenn man ein Thier eine Zeit lang mit einer
^^hrung füttert, von der allein es zuletzt umkoramen müsste, so
^''d. es durch Herstellung seiner gewöhnlichen Nahrung nicht
'^elir gerettet. Das Thier frisst zwar mit Begierde, doch sein
erfolgt zur seihen Zelt, als wenn es mit der ersten Nahrung
*;gefüttert vvorden wäre. Nach Allem diesem scheint die Ver-
^^'dedenhclt und Mannigfaltigkeit der Nahrungsmittel eine Haupt-
'■'Sel zur Erhaltung der Gesundheit zu seyn.
a Frout reducirt alle Nahrungsmittel der höheren Thlerc aiM
r,,J*-lassen: Saccharina (Zucker, Stärke, Gummi u. s. w.),
^'®osa (Ocl und Fett), Alhuminosa (animalische Materien und
^Sctahilischer Gluten). Das Folgende enthält einen Auszug der
*'ä>chten von Paoux, welchen Elliotson in seiner Uehersetzung
p*'*ßi-UMEKBACH’s Pliysiologic aus einem ungedruckten Werke von
I "öui über die Verdauung, und daraus H. Mayo in Outlines of
physiology. 3. cd. London 1833. pag. 152, mitgethcllt haben,
f >, Durch die Beobachtung, dass die Milch als der einzige Stoff, der
gebildet und von der Natur als Nahrung bestimmt, im We-
h'ätlichen aus drei Substanzen zusammengesetzt ist, nämlich aus
^'ckerstüff, Oclstoff und Käsestoff oder einer dem Eiweiss ver-
j '*ödten Materie, wiu d ich nach und nach zu dem Schluss veran-
dass alle Nahrungsstoffc bei dem Menschen und den höheren
j 'öoren auf diese drei allgemeinen Quellen reducirt werden könn-
Desshalb beschloss ich, sie zuerst einer strengen Prüfung zu
4^‘®^Yerfen und wo möglich ihre allgemeinen Beziehungen und
.^logieen zu erforschen. Die charactcristische Eigenthümlich-
Von zuckerhaltigen Körpern besteht darin, dass sie einfach aus
i,,'* (‘enstoff mit Sauerstoff und Wasserstoff in dem Verhaltniss, wor-
j^^hese Wasser bilden, zusammengesetzt sind; die Proportionen von
jj.'^'den Stoff wechseln in verschiedenen Beispielen von ungefähr 3U
^ 50 proc. Die beiden anderen Klassen bestehen aus »'■'isam^
bji^o^setzlen Basen (wovon der Kohlenstoff den Hauptbestandtbcil
p ^ gleichfalls gemischt und modificirt mit Wasser.
''hon von Kohlenstoff in ölhaltigen Körpern, die in dieser B.ück-
464 II. Buch. Organ. chem.Processe. IV. Abschnitt. Verdauung.
sicht die oLerste Stelle einnelimen, schwankt von ungefähr
80 Proc.; desshalb können die Oele, wenn man den Rohlensto
als Maass der Ernahrungsfähigkeit betrachtet, was in gewiss®
Hinsicht auch gethan werden kann , im Allgemeinen als die Ria**®
der nährendsten Rörper betrachtet Averden. Der allgeineia^
Schluss A'on dem Ganzen ist, dass Rörper, die von Natur Avenig®
als 30 oder mehr als 80 Proc. Rohle enthalten, nicht gut **
alleinige Nahrung passen. _ .
Es ist noch übrig, zu erforschen, ob Thiere von einer eini^*
gen dieser Rlassen ausschliesslich leben können; aber bis
sind die Versuche durchaus gegen diese Annahme, und die ai'
nehinlichste Ansicht ist, dass eine Mischung, zum wenigsten a'*’
2 Rlassen dieser Nahrungsstoffe, wo nicht aus allen dreien, da*
nothwendig ist. Milch ist demnach, wie bewiesen wurde,
solche Zusammensetzung, und zumeist alle Graser und Rraut®’^!
die für die Thiere zum Futter dienen, enthalten Avenigstens
von jenen drei Stoffen. Dasselbe ist ausgemacht von animalisd'®'
Nahrungsmitteln, welche zum wenigsten aus Eisveiss und Oel
stehen; kurz, es ist AÜelleicht unmöglich, eine Substanz nanili'^
zu machen, die von höheren Thieren zur Nahrung benutzt aT'I '
welche nicht Avesentlich eine natürliche Compositlon A’on wen'B
steiis ZAA'cien, avo nicht von allen dreien, der obigen drei gi’os*®
Rlassen von Nahrungsstolfen darstellt.
Aber in der künstlichen Nahrung des Menschen sehen
diess wlehtige Prlncip A'on Mischung .am strengsten erwiesen.
nicht mit den Productionen, die die Natur freiwillig sehafft,
begnügend, sucht aus jeder Quelle und bildet durch die
seines Verstandes oder vielmehr seines Triebes auf jede mögli®'.^
Weise und mit jeder Erkünstelung dieselbe wichtige Nahrungsö’j^
schung. Diess ist, mit aller seiner Rochkunst, wie Avenig er a®®^
es zu glauben geneigt seyn mag, der einzige Endzweck seiö
Arbeit, und je mehr seine Erfolge sich dem nähern, um so na'*,
kommen sie der Vollendung. So hat schon in den frühesten
teil der Trieb ihn gelehrt, Oel oder Butter zu mehligen Substa*'
zen zu mischen, AAÜe zum Brot und zu denen, welchen von ^
dieser Stoff mangelte. Derselbe Naturtrieb hat ihn gelehrt, Thi® ^
zu mästen, um sich ölhaltige Substanzen mit Eiweiss verbunö
zu verschaffen, AA'elche Verbindung er endlich meist zugleich
zuckerhaltigen Stoffen in Form von Brot oder Vegetabilien S
niesst. Sogar in seinem ausgewähltesten Luxus und in seinen a
genehmsten Leckerbissen ist dasselbe wichtige Princip ini
behalten, und sein Zucker und Rraftmebl, seine Eier und ^
in all ihren verschiedenen Formen und Verbindungen, sind ni®
mehr und nichts weniger als versteckte Nachahmungen des
nabrungstypus, der Milch, wie sie ihm von der Natur geh®’
wird. “ -jj
Die Empfindungen des Appetits und der Sättigung sind tu
selbst Geschmack, theils dem Geschmack analoge EmpfindyaSf^^
gleichwie die Empfindungen , welche Speisen in der
keit erregen. Die Empfindung des Appetits wird erhöht im
ter und Frühling, durch kalte Bäder, durch Friction der I ®
1. Von der Verdauung im Allgemeinen. Hunger. 465
Unterleibes und dessen Erschütterung beim Reiten, so -wie
^irch Anstrengung. i i ■ r
Die Verdauung erregt ])ei Gesunden ein wobltbätiges <je-
*tieingefülil mit Wärmeempfindung verbunden; diese Gefühle er-
^‘»■ecken sich aber nicht bloss auf die Verdauungsorgane allein,
“®ren Hauptsensationsnerve der Nervus vagus ist, sondern auch
M fast alle übrigen Theile; daher es wahrscheinlich ist, dass die
^’‘*‘egunff der sympathischen Nerven, die, wie spater bewiesen
^‘rd, eine grosse Communicatioiisfahigkeit ihrer Zustände haben,
*‘®ran Antheil habe. , vr i
Mangel der Verdauungskraft ist ein Zustand der Verdaimngs-
^gane, wo sie theils nicht die zur Auflösung bestimmten t lussig-
,®>ten absondern, theils in einem Zustande von Reizbarkeit oder
^tonie sind und durch die Nahrungsstoffe mehr mecbaniscli zu
Unangenehmen Empfindungen und unangemessenen Rewegungen
?^^icirt werdep. Die örtlichen unangenehmen Empfindungen i er
p®i'dauungswege scheinen vorzugsweise in dem Nerv, vagus ihren
‘''ff* zu haben, dessen stärkere Reizungen wenigstens schon in
Speiseröhre und im Schlunde dieselben Empfindimgen von
^•'^el, wie die Reizung des Magens selbst, welche dem Erbrechen
'.Ofliergeht, bewirken. Allein die Veränderung in der Stimmung
f * gesaminten Nervensystems ist in diesen Fällen eben so au -
j'''lend und scheint auch hier von dem Nervus sympathicus ah-
ZU. sevn. ,j » •
.. Bei den Phänomenen des Hungers und Durstes sind heiderlei,
“'■ffiche und allgemeine, Empfindungen vorhanden, allem die wei-
‘**■611 Erscheinungen werden später noch unmittelbar aus dem
“''soluten Mangel_an Nalirungsstoft'mi und
nuien man^ei an . i i V i
W Die ersten Phänomene des Durstes sind Trockenheit der
^age, welche am meisten verdünsten (der Luftwege), später
ieber, Entzündung der Luftwege.
^ Was man indessen Durst nennt, ist zuweilen mehr ein
"effiirfniss nach Abkühlung durch kühle Getränke, wie hei
in Fiebern durch vermehrte Wärme und durch ver-
?'nderten Turgor bewirkten, trocknen, heissen Zustande der
^^ftwege, des Mundes und der Haut. Die Ausdünstung ist hier
elier vermindert und die Trockenheit entstellt dadurch, dass,
^nngleicliBlut in die Capillargefässe fliesst, che Wec isehvirkung
Jffischen Blut und den von der organisirenden Rraft ^lebten Thei-
Was man Turgor oUalis nennt, vermindert ist. Ohne dass die
^«i-meprodiiction in den inneren Theilen vermehrt zu seyn braucht,
'»'.scheint die Haut heisser, weil die Ausdünstung fehlt und die
^ff dem Unborgang der tropfbaren Flüssigkeit m den gasformi-
Zustand verbundene Abkühlung wegfällt. . ^ ,
1 Die letzten Folgen des unbefriedigten Durstes sind: ein fieher-
Ufter Zustand, der von dem eines nervösen Fiebers nicht verscUie-
scheint und mit Entzündung der Luftwege verbunden ist.
j. Die örtlichen Empfindungen des Hungers, welche sicii aut
i'^ Verdauungswege beschränken und im N. vagus ihren i z zu
.'*^en scheinen, sind Gefühle von Druck, Bewegung, Zusammen-
^•ehung, von Uebelkeit mit Rollern, später Schmerzen. Als
466 II. Buch. Organ, ehern. Processe. IV. Abschnitt. Verdauung.
Ursaclie dieser Empfindungen hat man den Speichel, die
eine Reihung der Mageiiwände, den scharfen Magensaft angesclid''
Dumas erklärt den Hunger daraus, dass die einsaugenden Gefä**®
des Darms sich gegen die Magen- und Darmwändc selbst wendet'
An alles diess ist wohl nicht zu denken. Die Nahrungsind'
tel sind adäquate oder homogene Reizmittel der Vcrdauungsoi''
gane; wenn diese fehlen, liringcn die Nerven den Zustand de*
Organes zum Bcwusslseyn. Die örtlichen Empfindungen des H'"''
gers, wie des Appetites und der Sättigung, können nach d<^*^
Durchschneidung des N. vagus vielleicht fehlen, wie BaACM^^ |
{.Re.cherch. sur les jonct, da syst. gangUonaire. Paris 1830.)
Yersuchen schliesst, die Empfindung des Hungers wird dui’*^''
Veränderung der Nerven des Magens, vermöge der Ingesta, durC'*
stärkere Empfindungen und Thätigkelten, die das Sensoriniu •*'
Leidenschaften, Meditationen beschäftigen, durch die Aenderiif^
des Sensorlum seihst von Opium etc. aufgehoben. Darum
häufige Erscheinung des Fastens hei Irren, weil sie durch di»
Alteration des Sensoriums vielleicht die örtliche Sensation des Ha'*'
gers, die uns zur Nahrung mahnt, nicht haben. Nur die all?»'
meinen Folgen des Fastens sind unter ungleichen Zuständen d»’
Verdauungsorgane meist gleich.
Dahin gcliören die Empfuidungen von allgemeiner Hinfälh?'
kelt, die wirklich immer mehr zunehmende Kraftlosigkeit, Ahm»'
gerung, Fieber, Irrereden, die heftigsten Leidcnschatien ahwech'
selnd mit tiefster Niedergeschlagenheit. Die Wärme soll um
rere Grade sinken, dem von CunniE {IVirkungen des kalten
warmen PV assers p. 267.) hei einem von Verschliessung des SchUm'
des Hungernden widersprochen wird. Der Athem vvird stinken»’
der Harn scharf und feurig, die Ljmpligcfässe werden nach M*'
GENDiE und CouLARD blutig. Dcr Inhalt dieser Gefässe soll in d»*^
ersten Zeit des Fastens grösser sevn (?), später immer gering»^
auch die Lymphgefässe des Darms sollen indess gegen die ni'd'
lere Zeit der Abstinenz noch etwas weniges Lymphe führt'»'
CoLEARD DE Martigsy. Zusammcnziehung des Magens ti'ij
ein. Die Absonderungen hören . auf, obgleich hei angef»»'^
ter Gallenblase doch auch immer nochäiGalle in den Darm ili»*''
(ln den Magen fliesst sie nach MagehDie n icht). Der Schl»)'^
der Schleimhäute vermindert sich wie alle der Resorption fähi?»
Substanzen. Eiter der Wunden, Milch, Speichel, Gift der Schl»»'
gen werden nicht mehr abgesondert. Der Urin enthält no»
Harnstoff, wie Lass'aigse (Journ. de chini, med. 1825. aer.) hei »*'
nem Irren nach einem Hungern von 18 Tagen fand; die Harnw'*
sind nicht notliwendig entzündet, die Schleimhäute blass. ^»5,.
CoEi.ARD BE Martigsy A'ormlndert sich während des Hungers
rehative Quantität der Fibrine im Blute, während die rclato
Quantität der festen Theile der Blutkörperchen steigt. IMagei*»'
Journ. de Physiol. 7) 8. p. 171. Nach dem Tode erscheint d»‘
Magen sehr znsammengezogen.
Aus den über die Lebensdauer der Thlere und des Mensebe^^
angestellten Versuchen geht hervor, dass warmblütige Thiere »»^
wenigsten ausdauern. Niedere Thiere mit harten Schalen h»”
2. Von den Verdauungsorganen,
467
gern ausserorclcntlicli lange, wie icli aus Lrlefllchen Mittheilnngen
die Booljaclitung habe, dass ein afrlcanlscher Scorpion auf
einer Reise nacdi Holland und dort in den Händen des Dr. He-
noch neun Monate ohne etwas zu fressen erhalten wurde.
^UDoLPni erhielt einen Proteus anguiuiis 5, Zoys 10 Jahre lang in
frneuertem Brunnenwasser. Auch Wassersalamander, Schildkröten
"'i<l Goldfische kann man Jahre lang ohne Nahrung erhalten. Von
^lilancen ist es hekannt, dass sie oft halbe Jahre lang hunprn.
^ogel lehtcii in Rf.di's Versuchen 5 bis 28 Tage; cm Se^ehund
»Usser Wasser und ohne Nahrung 4 Wochen, Hunde 25 bis 36
|’»ge ohne Speise und Trank. Menschen ertragen Hunger und
^urst in der Regel nicht länger als eine Woche, den blossen I]frn-
8'ä- viel länger, in Krankheiten noch länger, besonders Irre. IVlo-
“'ite oder, wohl gar Jahre langes Fasten gehört, wie RuDOLPnr
Recht bemerkt, zum Betrug.
II. Capitel. Von den Yerdauungsorganen.
a. D ai'mkaiial im Allgemeinen.
, Es seheint ein allgemeiner Character der Thiere zu seyn,
sie eine innere Hohle zur Verwandlung der Nahrungsstolle,
Verdauung besitzen. Diese Höhle wird Darm genannt, we -
in den inehrsten Fällen schlauchförmig, und an seinenr obern
^4 an seinem untern Ende geöffnet ist, zuweilen jedoch nur
Mundöffnung besitzt, indem die Reste der Nahiungsstofe
Sch dieselbe (ieflnung ausgeworfen werden, durch welche sie
''•'hlrin-en. Ueher Agastriea s. Meven ac/. na/. r«r. l.Wl. ^oppl.
, Bei den Infusorien gieht es nach Eubenbf.eo’s grossen Ent-
lackungen nicht nur durchgängig einen mit Wimpern umgebenen
^'Aäd, sondern Ehresberg hat auch durch Fültcrung mit larbi-
Stoffen die Form der Vcrdauungsorganc dieser Thicre er-
"“Iteln, und die Eintheilung der Hauptgruppen dieser Thierklas-
auf den Bau der Verdauungsorgaiie griinden können. 8ie
"*d theils darrnlose, mit mehreren dem Munde «''Se'umgten Ma-
versehene Thicre, denen eigentlicher Darm und Aller fehlt
y die Monaden u. a.; theils mit einem vollständigen Darm und
hlit
Der Darm ist mit vielen
1,7 Mund und After ausgestattete. , • , , , i , •
i‘'‘'ddarmförmigen, gestielten Magen besetzt, und ist bald kreis-
:>ig ,,um Munde zurückkehrend, wo dann After und Mund
einander an dem gewimperten Umfange des oberen Endes
befinden, wie bei den Vorticellen ; theils gegenmundig, indem
und After sich an entgegengesetzten Enden befinden; theils
i^cliselmündig , indem entweder Mund oder After am Ende des
sind; ihcils Ijauclimundlg , indem sich beide Oefinungen
A Ö^AUche befinden. Bei einem Infusorium mit Darmkanal, r-o-
cucuUulus, sind von Ehrejsbeug nun auch bereits Zähne am
diindkopf entdeckt worden. , p..
j Uie Räderthiere, welche durch die mitWimpern bese z en a-
‘■''cgane am Kopfe einen Strudel im Wasser erregen, besitzen
468 II. Buch. Organ, ehern. Processe. IV. Abschnitt. Verdauung.
einen einfachen, vom Munde zum After gehenden Darm, der s® '
ten mit Blinddärmen besetzt ist, und sind zum Tlieil mit einei®
von Ebbekberg entdeckten Zahnsystem versehen. Die meiste'*
sind am Anfänge des Darms mit zwei drüsenartigen Rörpe®’’
versehen. Ehrekberg. Physikal. Ahhandl. der Königl. Akademie dt
TVissenschaften zu Berlin 1830 und 1831.
Bei den Acalephen oder Quallen fehlt der After mit dem Da*’*^’
es werden die NahrungsstolFe entweder durch den Mund i"
Magen aufgenommen, der sich gefässartig im Innern des Tl'i®’®*
verzweigt, wie hei den Medus«i; oder die Nahrungsstoffe gel»"'
gen durch Saugröhren der Fangarme in den centralen Mag®f'
wie bei den Rliizostomen ; oder die Nahrungsstoffe scheinen ’’’
einigen Fällen durch Saugröhren aufgenommen, ohne Magenhö'*'
durch gefässartig verzweigte Verdauungskanäle verbreitet zu
den, Avie hei den Berenicen und anderen. Auch in den FäUf’’
wo sich ein Magen vorfindet, gehen von diesem gefässart'S*'
Zweige aus, im Innern des Thieres sich verbreitend. Bei
Polypen, welche theils frei, theils festgeheftet sind, und ll'®’*
wieder einfach, theils auf einem Poljpenstock vereinigt leb®"’
sind die Verdauungsorga ne bald einfach, und aus einem hlind®”
sackförmigen Magen bestehend, wie hei den Actinien, Fung'"®''’
Madreporinen, Tuhiporlncn, Corallinen, Pennatulinen, Alcyoni"®'’’
Milleporinen, Sertularien, Ilydrinen; bald aus einem kurzen Da rnik'*'
nal gebildet, dessen After sich neben dem Munde öffnet, Avie hei d®!'
Alcyonellinen. Siehe Hemprich et Ehrenberg Ay/nÄo/ae physicae.
malia vertebrata et evertebrata exclusis insectis perceiisuit
BeroUnilSSi. Vergl. Meyen, Isisi8‘2S. N. act. nat. cur. T.XVI. Suff'
Bei den EingCAVcidcAvürmern ist der Bau der Verdauungs®^
gane ungemein verschieden. Bei den BlasenAvürmern scheint d‘
hlasenförmige Körperhöhle die Verdauungsorgane zu vertret®'’’
So scheint es wenigstens heim Cysticercus undCoenunis zu sef’
Bei den Bandwürmern, Cestoidea ist der Darm nach Mehlis
Bei den Tre«*®'
il
11-
'®!'
lä'i
fach beginnend und sehr bald gahelig getheilt.
toden oder Saugwürmern fehlt der After, und der Darinka"jl'
ist gefässartig verzweigt, obgleich hei den Trematoden, Avie *
bei Distoma, noch ein ZAveites Gefässsystem vorhanden ist,
ches am hintern Ende ausmündet, und welches vielleicht
den feinsten Zweigen des Darmkanals in Verbindung steht.
Lis de distomate hepatico et lanceolato. GöUingae 1825.
distfuis, anatom. de amphistorno conico. Gryphiae 1830. Bei
HakenAVÜrmern , Acanthocephala, fehlt der After und der
schenklige Darm endet blind. Die Nematoidea, BundAVÜrr**® J
besitzen einen schlauchförmigen Darm mit entgegengesetztem
und After. Bei den der Gruppe der EingeweideAVÜrmer,
lieh den Trematoden, so verwandten weisssaftigen Würmern
süssen und salzigen Wassers (Planaria, Prostoma, Derostoma n- •'
zeigen sich auch vrieder auffallende systematische Unterschie '
indem Mund und After bei Prostoma und Derostoma vorhandc '
und der Darm einfach ist, während die Planarien einen verzAV®’»^
ten Darm (Mund an der untern Fläche des Körpers) ohne d®'®
liehen After besitzen. Ehrenberg symb. phys.
2. Von den Verdauungsorganen.
469
Bei den Radiarlen ist der Darm zuweilen vollständig mit
'^lund und After, wie Bei den Holotlnirien und Seeigeln, indem
Mund und After Bei den ersteren an den entgegengesetzten
^nden- Bei den Seeigeln der Mund in der Mitte der unteren
^'läcBe’ der Alter Bald am ScBeitel, Wie Bei Ecliinus, Bald am
^aude wie Bei Snatangus, Befinden. Bei den Asteriden oder See-
sternen felilen dagegen der After und Darm, und ietzlcrer ist durcB
^'•nddarniförmige AiiBänge des Magens ersetzt, waBrend Bei den
flaarsternen, Crinoidea, der Darm und After wieder vorBanden
^'ud, wie Bei den Comatulcn, wo der After mit dem Munde auf
‘^er untern FläcBe des Körpers liegt.
Der Darmkaiial der Anniilarien, Crustaceen, Spinnen und In-
letten ist immer vollständig mit entgegengesetztem Mund und At-
ter; in seiner Organisation Bietet er selir viele Manmgfaltigteiten
^iir. Wir fuBren Bier nur als liesonders merkwürdig aut: die
-virie der ungemein kurze Darm Bei den l’Balangicn durcB
l^'inddarmförmige' Auswüchse vergrössert wird, das Zalmgerust
dem Magen der KreBse und mehrerer Insecten (OrtBoptera),
’^nd die Zusammensetzung des Magens Bei einigen tlciscBfressen-
"lan Insecten. Im Allgemeinen Besteht der Darmkanal der Insec-
tetv aus der Speiseröhre, aus dem Saugmagen, der jedoch nur
adligen der Hymenopteren, den Schmetterlingen und Zweiflüglern
*'ikommt dem Muskelmagen im Innern mit Zähnen oder Horn-
^®isten Besetzt, welcher den tleischfressenden Käfern und den mei-
nen Ortlioptcren zukommt; dem Chylus bildenden TBeil des
J^arms Bis zui- Insertion der Malpigliischen oder sogenannten
t^allengefässe, und dem Afterdarra von der Insertion ]ener Ge-
*^assc Bis zum After. . , , -i r i i
Bei den WirBeltBieren zeigt sich der Magen gewolmlich als
einfache Erweiterung des Darms. Die Länge des Darms,
Bei den Fischen gewöhnlich kurz ist, wird zuweilen durch
^orsprünoe der Schleimhaut compensirt, indem z. B. Bei den Bo-
'^en und HaifiscBcn die innere Wand des Darms eine spiralför-
Klappe vom Magen Bis zum After Bildet. Der Atter liegt
®ei den Fischen meist vor der Harn- und Geschlechtsmündung.
Der Magen der Vögel zeigt eine Zusammensetzung, welche
®^an Bei deii'^Fischen und AmpiilBien noch nicht vorfindet. Aus-
^««'dem dass der Kropt als sackförmiger Anhang der Speiseröhre
ziemlich allgemeines Organ unter den Vögeln, zur vorläufigen
^fM'eichun" der Nahrungsmittel Bestimmt, vorkomint, und nur
den Kletlervögeln , Sumpf- und Wasservögcln , den Insecten
‘•■essenden und straussartigen Vögeln fehlt, zerfällt der Magen
®®d)st in zwei TBeile: in\len sogenannten Vormagen oder Dru-
^•'magen (Proventriculus), eine Erweiterung der Cardia, deren
^ände zwischen Schleimhaut und Muskelhaut mit einer ganzen
ehicht von gesonderten Drüscns'äckchen Besetzt sind, un^ m
Muskelmagen, wclclier uninittelBar auf den erstem to gt.
‘‘•'i den tleischfressenden Vögeln sind die Wände des Muskefina-
^^•'s dünner, sehr stark dagegen hei den Pflanzenfressern, wo
Muskelschicht zwei ungeheure muskulöse Schalen Bildet, die
der innern Fläche der Schleimhaut mit einer schwieligen.
470 II. Buch. Organ, ehern. Processe. IV. Abschnitt. Verdauung.
tlicken ScTiiclit des Epithellums Ledeckt sind. Der Dickdarn’;
kurz und eng, besitzt an seinem Anfänge zwei Blinddärme,
vorzüglich bei den von Vegetabilien lebenden Vögeln lang siiH’
Der Mastdarm öffnet sieb wie bei den Amphibien mit de'*
Ausfübrungsgängen der Harnwerkzeuge und Geschlecbtslbeile **'
die Kloake.
Bei den Säugetbieren wird vorzüglich der Unterschied de
Pflanzenfresser und Fleischfresser wiclitig. Der bei den
vorkommende Drüsenmagen kommt unter den Säugetbieren ■* ,
gesonderte Abtheilung nicht vor, Aviederbolt sich bloss in de*
Anbäufiing mehrerer Drüsen an der Cardia einiger Säugetliie*''*’
wie beim Biber und Phascolomys u. a. Siehe Home Lectures ^
comparatiue Analomy. Vul. II. Mueller de gland. sccernenU“
peniiiori structura. Tab. I. Fig. 9. 10.
Bei mehreren Nagethieren, wie beim Hamster und der 'W"'’'
serratte, zerfällt der Magen bereits in zwei Hälften. Bei de***
B-iesen- Känguruh unterscheidet man 3 und bei den Faulthier^l
selbst 4 Abtbeilungen; unter den Affen haben die SemnopiMie*’*
einen zusammengesetzten Magen, welcher aus 3 Tb ei len, einer P***'
tio cardiaca mit glatten, einfachen Wänden, einer sehr weiF*’
sackförmigen Portion , und einem langen , dickdarmähnlichen K**'
nal besteht. Bei den wiederkäuenden Tbieren zeigt der Alagf*'
constant 4 Abtbeilungen. Die Zusammensetzung des Magens *'’
jedoch im Allgemeinen kein Charakter der pflanzenfressende'*
Säiigelbicre; denn bei den Einhufern ist der Magen einfach, ""
die verschiedenen Regionen unterscheiden sich nur, dass die P*’*''
tio cardiaca noch mit dem Epithelium der Speiseröhre überzöge**
ist. Unter den dickhäutigen Tbieren ist der Magen im Allgenie''
nen bis auf die dem Pecari und JN'ilpfcrde eigentliiirnlicben M*'’
hänge oder sackförmigen Erweiterungen des Magens von e*"’’
facbercr Structui'. Bei den wiederkäuenden Tbieren unter d"'*
Pflanzenfressern, und bei den Delphinen unter den Fleiscbfr®*’^
sern bat der Magen eine auffallend zusammengesetzte Striict"*'
Bei den Wiederkäuern, wo sich 4 Magen voi-finden, gleicht u***
der letzte durch die saure Beschaffenheit seiner Absonderu'*9
dein Magen der übrigen Säugethiere. Die drei ersten Alitbeilung®'*’
welche noch mit Epithelium bedeckt sind, können als Abthell"*r
gen der Portio cardiaca lictrachtct werden, welche zur vorlä'd*'*
gen Erweichung der vegetabilischen Nalu’ung bestimmt sind.
ter diesen Abtheiliingcn zeichnet sich die erste grosse (Wa^^j
Pansen) durch die vielen platten Whrzen seiner Innern FliF’j
aus; in ihm sind die Nahrungsmittel noch wenig verändert o*.’*
werden der Einwirkung des Speichels überlassen. Die zw'O*
kleinere Abtheilung, welche mit der ei’sten in einem weiten ^**
sammenhange steht, ist der Netzmagen, durch die zellenförmia®''j
gezähneiten Palten seiner Innern Haut ausgezeichnet. Im driP®
Magen, dem Blättermagen, bildet die Schleimhaut eine gro"*^
Anzahl hoher Längenfalten, die wie Blätter eines Buchs nebe”^
einander stellen. Das in dem ersten und zweiten Magen ®*^^
weichte Futter gelangt in einer gewissen Zeit wieder nach ü
Speiseröhre und in den Mund zurück; erst im wiedergekäute* *
2. Von den Verdauungsorganen. Darmkanalim Allgemeinen. 471
^erdauten Znslande gelangt aus der Speiserölirc in den dritten
^»gen, und erst von liier aus durcli eine engere Oedhung in den
vierten Magen, Labmagen, welcber eine vveicberc Besebaflenbeit
deiner Sebreimbaut und eine langlicbe, fast darmarlige Form be-
*>tzt. Man kann den ersten und zweiten Magen als Erweiterun-
gen des Cardiatbeils der Spelseröbre und des Magens betraebten.
^nreb Scbliessung der Rinne, dureb welche sic mit der Speise-
•■«bre zusamincnbiingen, kann die Speiseröhre an dem ersten und
*''^6iten Magen vorbei, den Bissen in den dritten gelangen lassen.
^'Rer den Cetaceeii kommt die zusammengesetzte Structur so-
^ol,[ j,0j[ den grasfressenden als fleiscbfresscndcn vor. Die
grasfressenden Manati’s haben mehrere Sacke au ilirein Magen,
die flciscbfrcssendcn Wallllscbe haben sogar’ lünl und mehr
^'theilungcii desselben.
Der Darmkanal ist bei den fleischfressenden Säugetbieren in
Regel viel kürzer, und der Unterschied der dünnen und
'^'cken Gedärme Aveniger ausgeprägt; dagegen ist der Grimmdarm
den meisten Grasfressern sehr weit und sehr lang. Merk-
^ürdiire Unterschiede zeigen sieb auch am Blinddarm fast dureh-
g'‘ngig nach der Art der Nalirung. Dieses Darmstück ist in der
^eg'el bei reissenden Tliiereii äusserst klein, dagegen bei den
^-■nhufern, 'Wiederkanern und den meisten Nagern ungemein lang,
B. beim Pferd 2^ Fuss lang, beim Biber 2 Fiiss lang. Beispiele
Uebergang der tbleriscbeii Nahrung in vegetablliscbe bilden
gewissen Lebensabschnitten die pflanzenfressenden Saugetbiere,
*’^dern sie nach der Geburt von Muttermilch crnabit ner-
^«1; der erste Magen der Wiederkäuer ist, so lange sie noch
Milch leben, klein. Grösser sind die Veränderungen, welche
Darm des Frosches durch die Verwandlung erfährt. Die
^''»'ven dieser nackten Amphibien scheinen bei einem aus-
Serordcntlich langen Darmkanal vorzüglich von Vegetabilien zu
b^ben.
Y, Das allgemeinste Resultat dieser Vergleichung, auf deren
^®lail die vergleichende Anatomie einzugclicn hat, ist, dass die
'^^rdaiuui" der Vegetabilien ungleich grossem Aiifiyaiid tbieri-
?cber Apparate erfordert, als die Verdauung des FleLches. Der
".‘"ige Zusammenhang, in Avelcbem die gesammte Organisation
?‘äes Thiers zu seiner Nahrung stellt, ist von CuviEU aut eine so
‘«'vundernsAvürdige Weise geschildert Avordeii, dass ich mich
l^'^bt enthalten kann, diese' Darstellung in seinen eigenen Wor-
Urmväh. d. Erdrinde, nherselzt vou Noeggerath. Bonn 1830.
b7, Aviederzugeben. Cuvier sagt: Jedes lebende AVesen bildet
Ganzes, ein einziges mul ges'cblossenes System, in welchem
'b'e Theile gegenseitig einander entsprechen, mul zu derselben
^''‘biehen Actioii durch Aveebselseitige Gegeinvirkung beitragen.
Y'^iiier dieser Tlicile kann sieb veräiulerii ohne die Veränderung
übrigen, und folglich bezeichnet und giebt jeder Tlicd eiii-
genommen alle ülirigen. W^enii daher die EiiigCAveule eines
ybiei’s so organisirt sind , dass sie nur Fleisch und zAvar bloss
falsches verdauen können, so müssen auch seine Kieler zum
*'®ssen, seine Klauen zum Festbalten und zum Zerreissen, seine
^üller’s Pliysiologie. 31
472 II, Buch. Organ, ehern. Processe. IV. Abschnitt. Verdauung.
Zähne zum Zerscliiieitlen und zur Verkleinerung der Beute,
ganze System seiner Bewegungsorgane zur Verfolgung und
iiolung, seine Sinnesorgane zur ahrnehmung derselben in
Ferne eingerichtet seyn. Es muss selbst in seinem Gehirne u
nöthige Instinkt liegen, sich vcrljei’gen und seinen Schlachtopfei’®
hinterlistig auflauern zu können. Es bedarf der Kiefer, da®'
es fassen könne, einer bestimmten Form des Gelenkkopfes, einß’
l)estimmtcn Verhältnisses zwischen der Stelle des Widerstati'
des und der Kraft zum Unterstützungspunkte, eines bestimHil®”
Umfanges des Schlafrauskels , und letzterer wiederum einer b®'
stimmten Weite der Grube, welche ihn aufnimmt, und einer
stimmten Convexität des Joebbogens, unter welchem er hinläu®
und dieser Bogen muss wieder eine bestimmte Stärke haben,
den Kaumuskel zu unterstützen. Damit das Thier seine Beute fofj'
tragen könne, ist ihm eine Kraft der Aluskeln nöthig, durch we''
che der Kopf aufgerichtet wird; dieses setzt eine bestimmte Foi’®'
der Wirbel, wo die Muskeln entspringen, und des Hinterkoph’’
wo sie sich ansetzen, voraus. Die Zähne müssen, lun das Fleisc'
verkleinern zu können , scharf seyn. Ihre Wurzel wird
so fester seyn müssen. Je mehrere und stärkere Knochen sie
zerbredien hestimmt sind, was wieder auf die Entwickelung <1®'
Theilc, die zur Bewegung der Kiefer dienen, Einlluss hat. Da®®
die Klauen die Beute ergreifen können, bedarf es einer geniss®'’
Beweglichkeit der Zehen, einer gewissen Kraft der Nägel, xV®
durch bestimmte Formen allei' Fussglieder und die nöthige V®*'
theilung der Muskeln und Sehnen bedingt werden; dem Vord®'
arm wird eine gewisse Leichtigkeit, sich zu drehen, zukoni®®'’
müssen, welche bestimmte Formen der Knochen, woraus er h®'
steht, voraussetzt; die Vorderarmknochen können aber ihre FoJ'*''
nicht ändern , ohne auch im Oberami Veränderungen
bedingen. Kurz, die Form des Zahns bringt die des Condyl"’
mit sich, diejenige des Schulterblattes die der Klauen, grade s®
wie die Gleichung einer Curve alle ihre Eigenschaften mit s®
bringt; und so wie man, wenn man jede Eigenschaft dersclh®''
für sieh zur Grundlage einer besondern Gleichung nähme,
wohl die erste Gleichung als alle ihre andern Eigenschaften tf'®'
derlinden würde, so könnte man, wenn eines der Glieder ®|®*
Thiers als Anfang gegeben ist, bei gründlicher Reniitniss ft®
Lebensökonomie das ganze Thier darstellen. Man sieht fern®
ein, dass die Thicre mit Hufen sämmtlich pflanzenfressende sey
müssen, dass sie, indem sie ihre Vorderfüsse nur zur St® '
zuug ihres Körpers gebrauchen , keiner so kräftig gebaut®'*
Schulter bedürfen, woraus denn auch der Mangel des Schlü*'
selbeins und des Acromium und die Schmalheit des Schult®®'
blattes sich erklärt; da sie auch keine Drehung ihres ^nrd®
arms nöthig haben, so kann die Speiche bei ihnen mit der
lenbogenröhre vemvachsen, oder doch an dem Oberarm dur®
einen Ginglymus und nicht durch eine Arthrodie eingelenkt sey"’
ihr Bedüi’fniss zur Pflanzennahrung erfordert Zähne mit
Krone, um die Samen und Kräuter zu zermalmen; diese Kro*’^
wird ungleich seyn, und zu diesem Ende der Schmelz mit K-****
2. Von den Verdauungsorganen. Häute des Darmkanals. 473
'^liensuLstanz abwechseln müssen. Da bei dieser Art von Krone
Reibung auch liorizontale Bewegung {muic. pterfg.) nöthig
’R, so wird hier der Condylus des Kiefers nicht eine so zu-
sammengedrücktc Erhabenheit bilden, wie bei den Fleischfressern,
wird abgeplattet seyn und zugleich einer mehr oder weni-
platten "Fläclie am Schläfenbein entsprechen; die Schläfen-
gfube, welche nur einen kleinen Muskel aufzunehraen hat, wird
''oti geringer Weite und Tiefe seyn.
b. Häute des Darmkanals. .
Der Darm ])esteht aus einem serösen Ueberzug vom^ Perito-
aus einer darunter liegenden Muskelhaut, aus einer Tu-
*''ca propria , welche eine Art Fascie oder festes Gerüste bildet,
Welcliem nacli Aussen die Muskelfasei'n anliegen^ und nach In-
die Schleimhaut befestigt ist.
Bei vielen Fischen setzt sich die Schleimhaut der Speiseröhre
•lurch den Luftgaiig der Schwimmlilase in die innere Haut der
‘^'=Wimmblase fort, welche also die Natur einer Schleimhaut hat.
®ei vielen Fischen fehlt jene Verbindung der Schwimmblase mit
Schlund. (Vergl. oben pag. 298.) Hier scheint es sonder-
^'ar, dass die innere Haut der Schwimmhlase, obgleich mucöser
^atur, doch gegen das Gesetz der miicösen Häute einen geschlos-
senen’ Sack "bildet. Diese Sonderbarkeit verschwindet indess
^breh die von Baeh gefundene Tliatsache der Entwickehingsgc-
^ehichte (Froriep’s Notizen. 848.), indem nämlich die Schwii^-
^^lase als eine Ausstülpung des Schlundes sich ursprünglich bil-
'let, bei jenen Fischen also eine Abschnürung einer ursprünglich
®kittfindenden Coinmunication einlreteu muss.
' Ueher den Bau der Darmzotten, jener Verlängerungen des
^chleimhäiitchens im Dünndarm, und ihr Verhältniss zur Resc^-
'•'bb ist bereits früher in dem Capitel vom Urspining und Ba.u
Lymplwefässe p. 249 gehandelt worden. Hier sind noch die
iUberhalb des Dünndarms in der Sclileimhaut vorkommenden
Drüsen zu erwähnen. Man hat dreierlei Formen davon iintcrschie-
1. die LiEBERKuEuw’schen Drüsen. Diess sind wohl jene un-
*''liligen, mit dem einfachen Microscop erst erkennbaren Locher-
oder Vertiefungen, welche im ganzen Laule des Dünndarms
‘b der Mucosa dicht neben einander Vorkommen, und bei hm-
^bichender Vergrösserung ihr das Ansehn eines Siebes geben,
'^bn diesen Vertiefungen ist bereits oben p. 254 gehandelt.
die BRUNKER’schen Drüsen. Sie sind besonders im obern
i^lieile des .Dünndarms häufig, und sind mit blossen Augen er-
'^bbtihare, vereinzelt stehende Folliculi. 3. die sogenannten Peyer-
*?^en Drüsen. Diese Organe, welche jedesmal die der Inser-
des Mesenterium entgegengesetzte Stelle des Darnas emneti-
?en, sind bis auf den heutigen Tag räthselhaffc geblieben- aus
^bDoLPHi’s Abhandlung über die PEYER’schen Drüsen ( - n . .
^'^ysiolog. Abhandlungen. Berlin 1802.) hat man mir das Ahgemein-
von den Formverschiedenheiten dieser meistens ova en, ver-
d'ckten Stellen der Schleimhaut kennen gelernt. Da nun aber
QA *
474 II. Buch. Organ, chem. Processe. IV.Abschnilt. Verdauung.
diese Organe, welclie dem Ileum aiigeliören, in der neuern
Zeit
durcli iirrc kranklialten Veränderungen, namentlicli die in i|*'
nen sich aus])ildenden Pusteln und Geschwüre, im Typhus a'*'
dominalis, von grosser Wichtigkeit geworden sind, so war
genaue Kenntniss von der Structiir dieser Theile dringend noth'
wendig geworden, um endlich 7.11 wissen, was sich in jenen F’’ '
len krankhaft verändert und worin diese Veränderung besteht-
W^as icli hier mitlheile, ist das Resultat der liier von Herrn Boe»^
über diesen Gegenstand angestellten Beobachtungen, wobei
bemerke, dass icli die Beobachtungen des Verf. seihst verific*
habe, tjm die PEYEn’scheu Drüsen zu untersuchen, darf lof”
nur den Darmkanal ganz gesunder Mensclien zum Gegenstand*'
der Beobachtung wählen. Es ist daher besonders die Schleini-'
haut des Darmkanals der durch plötzliche Todesart Gestorbene'’
dazu geeignet. -In vielen chronischen Krankheiten, namentlie'’
in den Krankheiten des Darmkanals selbst, werden diese Thcik
sehr verändert, und man erhält aus der Beobachtung in jene"
.Fällen ein durchaus falsches Bild von dem Bau dieser Theile
gesunden Zustand. In allen Fällen, wo die PEVEn’schen Drüs""
wie neben einander stehende seichte Zellen aussehen, ist der g"'
Sunde Zustand verloren; denn im gesunden Zustande haben je"’’'
Organe nichts mit offenen Zellen oder Follikeln gemein. Lhite’'
sucht man die PEYEn’schen Drüsen von einem gesunden ui'"
durchaus frischen Darmkanal, nachdem man die Schleimhaut saot^
abgewaschen und die Drüsen mit einem weichen Pinsel vorsich'
tig ahgcpinselt hat, mit dem Microscop, so gewahrt man am leich'
testen, dass das dichtere Anselm der Schleimhaut an den Stelle"’
wo PEYER’sche Drüsen sind, zum Theil von der Grösse und .Stärk"
der hier befindlichen Darinzotten herrührt, welche hier im Ga"'
zen breiter und vorzüglich an ihrer Wurzel breiter ausgezog""
sind. Die grössere Dichtigkeit der Schleimhaut an jenen Steil"''
rührt aber nicht bloss von der Stäi-kc ilcr Flocken her, sonde'''
liegt auch in dem Gew-ehe der Mneosa seihst. Untersucht man d""
Boden der Schleimhaut der PEYEii’schcn Drüsen zwischen d"''
auf ihr sitzenden Zotten, so bemerkt man, dass die in der gan*"''
Schleimhaut des Dünndarms vorkommenden Löcherchen od"'
Grübchen (LiBBERKUEiiN’sche Drüsen?) auch hierzwischen den Zot'
ten in grosser Anzahl vorhanden sind, ohne sich von ihre'"
Verhalten im übrigen Theil des Darmkanals zu unterscliC'
den. Man sieht aber auch zwischen den Zotten grössere, gcg’’'
1 Linie breite, rundumschriehene weisse Stellen der Schleiinhai'h
welche beimMenschen ziemlich flach und wenig erhaben, bei d"'^
Thieren und namentlich bei dem Hund, der Katze, dem Kan'"'
eben ziemlich hervorragend sind, und beim Hund wie weis’’®
Papillen aussehen, in anderen Fällen einige Aehnlichkeit mit d"'’
Papillae vallaUae der Zunge in ihrer Form haben, indem sie,
bei dem Kaninchen und bei der Katze, von einer kreisförmig"'’
Furche umzogen sind und eine mehr platte Oberfläche darbiete"-
Beim Menschen sind diese runden Stellen fast gar nicht crhabe'b
sondern flach und ohne sie umgrenzende Furchen. In allen F" '
len, sowohl bei Menschen als beim Himd, bei der Katze und de'"
2. Von den Verdauungsorganen. Pey ersehe Drüsen. 475
K.anlnclien, sind diese randen weissen Stellen von einem Kranz
''Oll OelFniingcn umgehen, und diese OefFnungen sehen gerade so
*Uis -wie die 'Löchcrclien zwischen den Zollen auf den PEi'ER’schen
I^i'üscn in der ühiigen Mueosa, oder wie die LiEB£HKUEaN’schen
*oicroscopischcn Driischen. Sie unterscheiden sich von jenen nur
•ladurch, dass die Oefliiuugcn zuweilen weniger rundlich als linig-
^'oli sind, so zwar, dass der Langendurcliniesser dieser OefFimn-
S.on in der Ilichtung dßr Kadien jener runden weissen Stellen
^‘Ogt. Dieser Kranz von OelTnungcn, deren hei Menschen um
®‘ne solche Stelle gegen zehn und mehr sind, ist meistens kreis-
^rtnig , selten etwas unregelmässig. Auf den runden weissen
^teilen, die hei den Tliieren Papillen sind, sieht man in den
'''eisten Fällen keine Spur von Oeffnungen, nur hei den Vögeln
Selingt es, eine kleine Oeflhung zu sehen. Ich hahe diess Ver-
'alten hei der Katze schon in meiner Schrift [De penitiori gland.
^*''uctura) dargestellt, und Tah. I. Fig. 11. ahgehildet, wo noch
lias Eigcnthiiiiiliche vorkommt, dass um jeden Kranz der OefF-
"Ungen herum eine scheidenlormige, überaus Feine Falle verläuft.^
^orr Boedm hat den Bau hei vielen anderen Thiercn und"
Menschen untersucht. Die runden weissen Stellen, auf
"'eichen keine Oeffnungen Vorkommen, sind in der Regel von
Rotten enlhlösst; nur selten und ausnahmsweise bemerkt man
Y®' Menschen auf einer odpr der andern dieser runden, gegen
' Linie grossen weissen Stellen Spuren von kurzen Zotten, oder
*"ich zuweilen eine ganz kurze pyramidale, weissere Zuspitzung
flachen Erhabenheit; in der Regel sind diese Stellen ganz
'^o.en. Alle Versuche hei Menschen und hei Säugehleren, aus die-
-«o Stellen ein Secret herauszudrucken und ihre Follicularstru-
zu erweisen, sind missglückt; auch dringt heim Druck auf
''iese Stellen nichts aus den rundum stehenden Oeffnungen hervor,
so auffallender ist es, dass,, wenn man die Oberfläche die-
Stellen aufiitzt, man zu einer Aushöhlung gelangt^ welche
«en Elmfang der weissen Stelle besitzt und ziemlich tief, aber
l'.'eht so tief als hrnfit ist; dass in dieser Aushöhlung ein grau-
•cluveisser, schleimiger Stoff enthalten ist, der von der unge-
dünnen Decke dieser Sfellen cingeschlossen wird. Die Körn-
ten dieses Stoffes sind jnin*hi>i|itii Li1iHWwrt feiner als die gcwöhnli-
äö'i Schleimkörncr. . Es geht hieraus hervor, dass weit offene
• ''.bicull und Zellen in dcn'PEYEn’schen Drusen gar nicht vorkom-
Was jene Säckchen sind, bleibt unbekannt. Bei den Thie-
, sieht man nach dem Abziehen der Mueosa Vertiefungen in
'Tunica propria, welche dem Fundus jenci" Stellen entspre-
Erst durch Zerstörung der Oberfläche der weissen, po-
^'^nlosen Stellen entstehen Zellen oder weit offene Folliculi, wie
sie an krankhaft veränderten oder sogenannten PEVEa’schen
'^'isen so häufig und leicht sieht,
Die dritte Schicht der Verdauungswege bildet das contra-
Fasergewehe oder die Muskeliiaut, die ohne Elnterhrechung
Schlund bis zum After sich fortsetzt und Verlängerungen in
Ausführungsgänge der grossen Drüsen schickt, indem, wie
476 11. Buch. Organ, ehern. Processe. IV. Ahschnät. Verdauung.
pag. 457. gezeigt worden ist, die Ausfüliriingsgänge dieser Dr**'
sen irrltaLel sind, und auf Reize und ohne Reize sich zusan>'
nienzielien. ^ ^ ^
Die seröse Haut des Darnikanals gehört dem in der BancU"
höhle gelegenen Theilc desselben an und entsteht dadurch, «If**
der Darmschlanch von Aussen so in den Peritonealsack hinPi']'
geschoben ist, dass er, wie die Leber und die Milz, zugleich
nen Ueberzug von dem Peritoneum erhält, der sich hinter de®*
Darm von Leiden Seiten an einander legt und dadurch das G"®'
kröse oder Aufhängehand des Darms hlldet Das Gekröse kofflö*
an dem grössten Theile des Darmkanals vor, nur das Duoden«*'’
hat kein Gekröse. In der frühesten Zeit des Emhryolebcns
auch der Magen ein Gekröse, Avie ich (Meckel’s Arch. 1830.
395.) gezeigt habe. Durch merkwürdige Veränderungen Avlrd di®'
ses Gekröse des Magens (Mesogastrium) später zum grossen Nel^/
indem es sich heutelförmig herabsenkt; aber erst im 3 — 4. MoHä^
des Emhryolehens verwächst das grosse Netz mit dem Colon
dem Gekröse desselben (Mesocolon transversum), so dass hierdurc**
erst jene merkwürdige, sonst unerklärliche Verbindung des
gens mit dem Colon durch das grosse Netz entsteht. Eine Vei”'
hindung, die schon bei vielen Säugethieren (Hund, Katze,
Kaninchen, Pferd) fehlt, indem hei diesen das grosse Netz od^’
Mesogastrium sich in der hintern Unterleihswand Inserirt,
von dem Mesocolon transversum ganz verschieden ist. Im A“'
fange, und zwar in der 4. und 5. Woche des Emhryolehens d^*
Menschen, hat der Magen noch eine fast senkrechte Lage, inde*^
die kleine Curvatur nach rechts, die grosse nach links liegt,
der Pylorus nach abwärts gerichtet ist; so ist auch die Befesü'
gung des Magens an die hintere Bauclnvand noch eine senkrecld
Falte, Avelche von der Mittellinie der Wirbelsäule ausgeht,
nach links gegen die grosse Curvatur des senkrechten Mag®®
wendet und sich hier ansetzt, um mit ihren zwei Blättern d®
Magen zivischen sich zu nehmen, so dass sich das linke Bl®
dieser Falte über die vordere, das rechte über die hintere Fj“'
che des Magens umbiegend lörtsetzt. An dem obern Theile d®
kleinen Curvatur treten die Blätter wieder zusammen und bild®
vereinigt eine Falte zui^L?fjer. ^
Diese von der Mittellinie hinten ausgehende doppeltblättng^
Falte des Bauchfells, welche sich links wendend die grosse
vatur des senkrechten Magens erreicht, und diesen zwischen
nimmt, ist jetzt noch ein wahres Magengekröse, welches ich, ’
lange es als solches besteht, Mesogastrium nenne. , .
Da nun der Ausgang dieses Magengekröses jetzt noch in ^ .
Mittellinie der hintern Bauebwand ist, das Mesogastrium »y >
um die grosse Curvatur des Magens zu erreichen , sich nach 1^
wendet, so entsteht durch dieses Mesogastrium hinter dem ® j,
gen ein Beutel von halbmondförmiger Form, und zwar ein
dessen Eingang an dem untern Theil der kleinen Curvatur
ist, dessen vordere Wand der Magen selbst, dessen hintere W»
das Mesogastrium ist.
Der Eingang in diesen Beutel des Mesogastrium rechts un
2. Von (len Verdauwigsorganen.
177
der Leber, unter der Falte, welche von der kleinen Curvatur
»n die Leber geht, ist noch sehr gross; er ist das spatere ^o-
eamen Winslowii. Wach oben wird dieser Eingang etwas be-
deckt, dadurch eben, dass das Peritoneum von der spatem
P’ossa hepatis transversa faltenföraiig, als Ligamentum gastro-
depaticum zur kleinen Curvatur des Magens tritt, um sich über
den Maeen in die Blätter des Mcsogastriura forlzusetzen.
Indem aber der Magen sehr Irüh sich platt legt, wird die
Idichtung des Mesogastriim von der des Mesenterium verschie-
den; denn das Mesenterium, so lange es noch senkrecht ist,
trennt die Bauchhöhle zu seinen Seiten hinten m einen gleichen
‘■echten und linken Thcil; das Mesogastriiun aber geht zwar auch
senkrecht von der Mittellinie aus, tritt aber nach Imts an me
grosse Curvatur des Magens, und bildet, statt auf beiden Seiten
des Magens gleiche Bäume, vielmehr zu seiner Bechten hinter
dem Magen einen blinden Beutel mit rechter Oeffnung, wahrend
die der linken Seite des Darms entsprechende Seite des Magens
*nr vordem geworden ist. . , , „
Der hinter dem Magen befindliche Beutel behalt seine Form,
“urwird der Eingang in diesen Beutel auf der rechten Seite unter
der Leber kleiner, je mehr die von der Leber zur kleinen Curvatur
gehende Falte des Peritoneum sich hcrahzieht, der Pylorus aber sic t
»behr gegen die Leber aufriebtet, und der Magen überhaupt aus sei-
ner senkrechten Lage in eine schiefe übergebt. So lange «Jer Magen
senkrecht steht, ist die Ausgaiigsstelle iMcr -^‘dioii des Äfeo-
gastrium hinten auch senkrecht in der V ^ jes
l^elsäule indem es von hier links nach der grossen Curvatur des
Maget sich wendet und rechts den beschriebenen 1 eritonealheu-
tel Indem aber die grosse Curvatur al malilig mehr zur
‘»htern, die kleinere Curvatur zur obern wird, verändert auch
das Mesogastriimi allmählig seine Insertion an die hintere Baim -
'vand, und rückt aus der mittlern senkrechten mehr in mne
®':liiefe Bichtung nach links. Zugleich w ird der dm eh das M -
«bgastrium gebikletc Beutel da, wo er mit seinen Lamellen an
die grosse cirvatur des Magens tritt, unten ‘^twas verlängert, un
dieser von dem Magen aus sich verlängernde Thcil des lieutcls
"‘"'w»“ S't,. e„.Uid. m a., de. Ma-
gens die Insertion des Mesogastrium aus ‘^^i.^^'^m'^Tbeil^mier
läng schief nach links gewendet hat und zuletzt ziun Theil cp
>ird, so rückt der in%lem Peritonea heutel des Mesogastriuna
änd Netzes ein-eschlossene Baum ebenfalls immer mehr nach der
linken Seite und in die Quere, und es "«l'^teht vollends der obere
>dntere Peritonealraum hinter dem Magen, wahmnd die^r
früher ganz zur rechten Seite des JmnteUormigen Mesogastrium war.
Noch sind das Mesogastrium oder grosse INetz, und das ^ e
«ncolon transversum in keiner Commnmcation als mittelbar m
die hintere Peritonealwand, in welche tlie Blatter ä® . • i
^Irium und Mesocolon übergehen. Allein je mehr t ^ fürkt
^ägenförmig aufstellt und höher gegen den Magen
der Peritonealheutel des grossen INetzes oder Mesog. «■ «
478 II. Buch. Organ, ehern. Processe. IV. Abschnitt. Verdauung.
sich tiefer aussackt, und seine schiefe Insertion in die hintere
Peritonealwand herahrückt, kommen sich die Insertion des M«'
sogastrium oder grossen Netzes und die Insertion des Mesocolo"
transversum immer naher. Auf diese Art wird das zwischen
Insertion des Mesogastrium oder Netzes und Mesocolon transver-
sum liegende Stück der liintern Peritonealwand immer kleiner
und mehr und mehr als Fortsetzung der hussern Lamelle de*
Netzheutels herahgezogen, bis der Zwischenraum zwischen der
Insertion des Mesogastrium oder grossen Netzes und des Mesoco-
colon transversum gleich Null wird. Diese Annäherung schreite^
von rechts nach links vor, weil die Insertion des Mesogastrium
eine nach links anfsteigende schiefe Linie ist.
Diese \envachsung ist zuerst von Meckel entdeckt und voU
mir bestätigt worden. Zuletzt scheint nun das Netz hinten m'
das Colon transversum sellist sich zu inscriren. Dann geht di®
innere Lamelle des Netzbeutels über die obere Seite des ColoU
transversum in die obere Platte des Mesocolon transversum , uud
sofort in die hintere obere Peritonealwand über; die äussere La'
melle des Netzheutels, welche von der vordem Fläche des IVla"'
gens kommt, scheint dann über die untere Seite des Colon trau*'
versum in die untere Platte des Mcsocolon überzugehen, obnieiel*
sie nur am Colon transversum verwachsen ist.
Die Pedcutung des Netzes für die Function der Verdauung*'
Organe kann auf keinen Fall gross seyn, da es schon bei meV
rern Säugethieren seine anatomisclien Verbindungen auf^iebt iiud
sich als ein blosses schlaffes Baud des Magens beweist.'’
III. Capitel. Von den Bewegungen des Darmkanales.
Die Muskelhaut des Darmkanals gehört zu den von dem Ner'"-
sjmpathicus abhängigen, unwillkülirlich beweglichen Theilen, auf
welche das Nervensystern der willkührlichcn Bewegungen keine'’
unmittelbaren, sondern limitirten Einfluss liat, wie er sich in de"
mannigfaltigen Sympathieen dieses Apparates mit dem Gehirn ui'J
Bückenmarke äussert. Nur am Anfänge und Ende dieses unwil^'
kührlich beweglichen Apparates ist er mit Muskeln versehen,
dem Cerebrospinalneryensystem unterworfen unil willkührlich be'
wegheh sind. Diess sind die Muskeln des Mundes, die Kau- n»‘^
öehUindmuskeln einerseits und die Aftermuskeln andrerseits. Per
bchlund ist noch willkührlich beweglich, die Speiseröhre nid'f
mehr, obgleich der Nervus vagus beide versieht. Diess sonder-
bare factum lässt sich auf doppelte Art erklären, entweder 1.
dureil, dass man annimmt, dass der untere Theil des Nerv, vagufi
welcher die Plexus oesopbagi bildet, durch die Verbindungen
dem Nervus sympathicus seinen willkührlichen Einfluss verlicrb
oder 2. dass man naeh der Hypothese von Scarpa, Arnold un»
Bichoff {Aervi accessorii anatumia et phystologia. Heidclb.) an-
nimmt, die motorische Kraa des N. vagus sey diesem überhaupt
nicht original eigen, sondern komme ihm von dem JNerv. acces-
3. Von den Beivegungen des Darmkanals, Scfdingen. 479
wahrend der N. vagus seihst hloss Empfindungsnerve sey,
'voiiach dann die Bcwegnngsäste des N. vagus, nämlich Nervus
P'iaiyngeus und Nervi laryngel von dem N. accessorius ihre mo-
I^Hsche Kraft erhiellcn, der untere Th eil des Nerv, vagus aber
^®ine motorische Kraft hesässe, womit denn allerdings die That-
*'*che ühereinstimmen würde, dass man nach Magetvdie’s und mei-
üen Versuchen durch auf den N. vagus appliclrte Reize durchaus
'®ine Bewegungen des Magens hervorhringcn kann. Tiedemann
***'d Gmelin wollen auf mechanische Reize des Nerv, vagus zwar
*‘'^lche heohachlet haben. Ich habe indess diese Versuche zu oft
**** Säugethieren (Kaninchen, Hunden) und Vögeln angestellt, und
*üuss annehmen, dass in dem TiEDEMANu’schen Falle ein Beohach-
^"•'gsfehler stattgcfiinden habe. Welche jener beiden Hypothesen,
dem verschiedenen Verhalten des Nerv, vagus am Schlunde
an der Speiseröhre, richtig ist, lässt sich hei dem jetzigen
^hinde unserer Kenntnisse noch nicht entscheiden. Man sehe das
Nähere über die Physiologie des Nerv, vagus im 3. Buch.
Den Mechanismus des Saugens, Ergreifens und Kauens setze
als bekannt voraus. Vcrgl. Tueviranus Biologie. T.^ 4. Räth-
J’^'haft müssen die inneren Gründe solcher instinktmässigen Hand-
!**ngen , wie das unmittelbare Saugen der Neugebornen seyn. Es
hier schwer, sich vorläufig mit Cuvier’s Antwort über Instinct
*^*'rieden zu stellen , dass diese auch noch so jungen Thlere
l'Urch einen in ihrem Gehirn sich mit Nothwcndigkelt wleder-
^‘“lenden Traum von Bildern zu solchen Handlungen genöthigt
*****^1, eine gleichsam angeborne Idee, welche von ihrer Orga-
Jl,‘8ation und ihren Bedürfnissen ausgeht, wie die Gleichung einer
pi-ve alle Eigenschaften der letztem mit sich bringt. Man
.^'»n sich indess vorläufig auch mit der Antwort begnügen, dass
dem Sensoi-ium des Säuglings ein unwiderstehlicher Trieb zur
, lstü|,^.^^ng möglicher Saugbewegungen ist, so dass Säuglinge
‘^"ch an ihren eigenen Lippen saugen und ahgeschnlttene Köpfe
junger Thiere noch die dargebotenen Finger umfassen, wie
■^'"er gesehen.
u Ausführlicher werden hier nun die Schlingbewegungen, die
6\vegungen des Magens, des Wiederkäuens, das Erbrechen und
äfstosjjen, die Bewegungen der Gedärme und die Ausleerung der
Peisereste abgehandclt.
1) Schlingen.
Das Schlingen hat drei Acte; in dem ersten passiren die von
„'jE Zunge zu einem Bissen gesammelten Theile zwischen der
^*^eriläche der Zunge und dem Gaumengewölhe l)is hinter die
^'‘Ederen Bogen des Gaumens, im zweiten Acte gelangt der Bis-
bis über die Constrictoren des Schlundes hinaus , im dritten
f’***‘Et er die Speiseröhre. Diese drei Acte erfolgen überaus
‘Hell hinter einander; der erste wird von den der willkührli-
Bewegung fähigen Muskeln der Zunge unter dem Einllusse
j.?*’ Nerv, hypoglossus mul glossopharyngeus mit Willkühr ausge-
der zweite Act erfolgt zwar unter Mitwirkung von Muskeln,
Eunr Theil auch der willkührlichen Bewegung fähig sind, wie
oberen und unteren Gatmaennjuskeln, ist aber doch eine un-
480 11. Buch. Organ, ehern. Processe. IV. Abschnitt.. Verdauung.
willkührliche Bewegung ; denn die Bewegungen zum zweiten Act®
des Sclilingens erfolgen unwiderstelilicli, sobald man durcli d*®
Zunge einen Bissen oder Getränk oder Speichel bis an eine g®'
wisse Stelle der Zunge gebracht.
Der dritte Act wird unwillkührlich von Bewegungen ausg®'
führt, welche auch sonst nicht willkührlich seyn können.
Die Ausführung des zweiten Actes ist eine sehr zusammen'
gesetzte Operation, worüber die Schriftsteller der verschiedenste’’
Meinung sind. Zur Einsicht desselben ist vorzüglich eine ricü'
tlge Ansicht von den Stellungen der Bogen des Gaumensegels
den verschiedenen Bewegtingen desselben nöthig. Der Gaume”
hat bekanntlich zwei untere Muskelbogen, den vorderen dufC”
die aus den Muse, glossopalatini gebildeten Schenkel, den hinter”
durch die aus den Muse, phivryngopalatini gebildeten Sebenk®”
Die Schenkel des vordem und hintern Bogens weichen jeder'
seits von einander und hahen die Mandeln zwisclien sich, lnde>”
der Schenkel des vordem Bogens sich an die Zunge, der Sehe”'
kel des hintern Bogens sich nach hinten und abwärts an d®”
Schlund anschliesst; im Gaumen selbst convergiren jederseits d'®
Schenkel des vordem und hintern Bogens, und daher kann mä”
sich die Uvula als im Mittelpunkt der Convergenz oder als im Mittet'
punkt eines von jenen Muskelbogen ausgelührten Krenzge-o'ölh®*
denken. Ueber die "Wirkung dieser Muskeln hat neuerlich Dz.oH”'
[die Functionen des weichen Gaumens. Halle iWii.) mehr Licht v®”'
breitet. Die AVlrkung des vordem Bogens ist, in Verbindung mit d®t
Zunge, die eines Schhessmuskels, und der vordere Bogen führt i”’
B.echt den Namen Constrlctor isthmi fauciurn. Dieselbe WirkuOs
äussert auch der hintere Muskelljogen, wenn seine oberen
teren Insertionspunkte fest sind. Wenn aber das Gaumense
den Muse. tens. veli palatini flxirt ist, wenn die unteren
sich durch Zusanxmenziehung des Schlundes selbst einander näher”'
so muss die Contractlon der Muse, pharvngopalatini bewirken, d®*’
sieb die hinteren Bogen des Gaumensegels wie zwei Vorliä®?*^
von den Selten einander nähern und den Durchgang zvvdschen d®”
hinteren Gaumenbogen zu einem ritzähnlichen Sciditze mache”'
welcher unten sich erweitert. Dzoisdi hat nun bewiesen, d«'®’*
diese Annäherung der Seiten des hintern Gaumenhogens oder d®*
hintern Gaumenvorhangs im Schlingen fast bis zur Berühi’U”®
erfolgt, und in der That kann man sich überzeugen, wenn
bei untersuchendem Finger zu schlingen versucht, oder wenn i”®
am Spiegel, bei hcriibgedrückter Zunge Scblingversuche nia®”’
dass diese Annäherung wirklich erfolgt und dass die Muscnli p^’”
ryngopalatini, durch diese Annäherung, den Weg des Bissens
dem obersten Theil des Rachens und den Choannen mit ein®”^
herabhängenden und schief nach liinten und unten geneigten P’ji
num inclinatum absperren. Das Zäpfchen ist hierbei erschh’
und liegt bei der Annäherung der Sclicnkel des hintern Gauin®''
Vorhangs vor der übrigbleibenden Ritze. leb habe diese A®
suche wiederholt und sie bestätigt gefunden. Es ist also
tig, wenn die meisten Schriftsteller, wie auch MagendiEj
haupten, die Abschliessung der Choanen von dem Schlund S
und
gel durc»
3. Von eien Bewegungen des Darmkanals. Schlingen. 481
*clielie beim Schlingen durch Hinaufziehen des Gaumensegels,
Bewegung, wodurch überhaupt beide nicht vollkommen von
®'ßander abgeschlossen werden können. Bei allen Bewegungen,
'';o der INasenkanal von dem Mundkanal excludirt wird, geschieht
‘jiess durch die schon beschriebene Bewegung der Annäherung
j *' Schenkel des hintern Gaumenbogens oder, wie Dzondi sagt,
hintern Gaumenvorhangs.
Der Mechanismus des Sehlingens ist demnach, nach Dzondi,
^®lgender. Im ersten Act wird der Bissen durch Anpressen der
^änge an den Gaumen ])is hinter die Gegend des vorderen Gau-
*^cnbogens gebracht. Im zweiten Act bewirkt die Zunge, inde^
sich nach hinten zurückzieht, und der sich hinter demBis^m
*’isammenziehende Muskel des vordem Gaumenbogens oder des
^nstrictor isthmi faucium, die weitere Bewegung. Die Direction
Bewegung wird bestimmt durch die Wände des Rachens in
®'®sein Moment. Durch die Znrückbiegung der Zungenwurzel
^ird der Kehldeckel auf den Eingang des Kehlkopfs, der geho-
und nach vorn unter die Wurzel der Zunge geschoben wird,
gedrückt, und der Bissen gleitet ohne Gefahr der Stimmritze wei-
l®*"- Da’ nun im zweiten Act aucl) die Annähemng der Schenkel
hintern Gaumenbogens eiutritt, so ist der Weg in die Choannen
‘'•'d den Obern Theil des Rachens abgesperrt, und der Bissen gleitet
dem Planum inclinatum des hintern Gaumenvorhanges in den
‘V angenäherten Schlund, durch dessen Contraction er in die
iPeiseröhre weiter gelangt. Bei dieser Bewegung sind die Zunge,
"'e Muskeln des vordem und hintern Gaumenbogens und die
'“^eren Muskeln des Gaumensegels (diu-ch Anspannung und Fixa-
‘■än des Gaumensegels) und die Constrictores pharyngis zugleich
‘*>atig, während das Gaumensegel weder herabgezogen noch hinten
e^gezogen, sondern nur angespannt uiid ein wenig gehoben ist.
•che Dzondi l. c. Tah. IV.
In der Speiseröhre, welche keiner willkiihrllchen Bewegung
ist, wird jede erweiterte, den Bissen aufnehmende Stelle
'''••• dem Bissen zur Contraction gereizt; diese Avellenförmig fort-
^l'reitende Contraction erfolgt, wie man namentlich bei Pterden
'•eim Trinken sieht, überaus schnell; nur bei grossen Bissen und
häufigem Schlingen ist die Bewegung langsam, uml man tuhlt
schmerzhafte Forfrücken. Der Bissen und das Getränk sind
'••erbei in jedem Moment von contractilen Wänden eingeschlos-
y®», die sich an den Bissen anlegen. Diess fällt weg, wenn die
Speiseröhre Iici Sterbenden bereits gelähmt ist, wo das Getränk
'*•*1 Kollern hindurchfällt.
Die Bewegungen des dritten Actes sind rem unwillkührhch,
J'*! Werden von Muskelfasern der Speiseröhre ausgeführt, wel-
'••e keiner Spur willkührlicher Bewegungen fähig sind. Die im
freiten Act tbätigen Muskeln sind willkührlicher Bewegungeu
?”‘S) wie die Muskeln der Zunge und des Gaumens und Schlun-
und in der That kann man auch ohne Bissen,
j .'•eben nur feucht ist, willkübrüch schlingen (obgleich nicht ott
'•»ter einander). Man kann ferner einen Theil dieser Bewegun-
wie z. B. das Annähern der Schenkel des hintern Gaumen-
482 II. Buch. Organ, ehern. Processe. IV. Abschnitt. Verdauung.
bogens, willbülirlicb veranlassen, ebne dass es ziim Sclilinge/*
kommt. Man kann sogar am Spiegel sieb ül)er7,cugen , dass vv't
einigen 'willkübrlicben Einfluss auf die Muskeln des Sclilundkop'
fes ausser dem Schlingen haben. Allein wenn mehrere dies®’
Bewegungen (z. B. did der Zunge und des hintern Gaumenbog®”*'
zu gleicher Zeit willkührlich oder durch Beiz vorgenomraen wef'
den, so folgen die BcAvegungen der ganzen zum Schlingen gd’®'
rigen Muskclgruppe mit den Constrictoren von selbst, und ied®*^
bis an eine gewisse Grenze im Munde gekommene Theil von
tränk, Bissen, S])eicbel muss tinwiderstehlicli verschlungen werd®”'
Das Verschlingen der wahren Schlangen, welche ihre Ob®’’'
kiefer einigermassen, wie die Hälften des Unterkiefers v®"
einander entfernen können und durch ihre langen , an b®'
weglichen Ossa temporalia aufgehängten Gelciikheine für den tJä'
terkiefer den Rachen ungeheuer erweitern können, ist, Avie B.”'
DOLi’HE richtig bemerkt, ein Hcrüberzleben der SchlingwerkzeuS®
über die grosse Beute.
Mac.f.ndie [Memoires sur l’usage de f epiglotte dans la degltd'''
tion. Paris 1813.) hat bestätigt, Avas schon Galenus berichtet, d®’*
sich die Stimmritze selbst beim Schlucken schlicsst. Er ist ab®*^
wohl zu Aveit gegangen, wenn er glaubt, aus Versuchen an Tb’®'
ren, die Entfernung des Kehldeckels hebe das Schlingen
auf. Wenn man diess auch zugäbe, so ist cs eben so geA^b*
aus den zahlreichen Beobachtungen über Verlust des Kebldcckeb
durch Rehlkopfsschwindsucht und Reichel’s Versuche, de usu
glottidis. Bcrol. 1816., dass das Schlingen hierdurch sehr b®'
schAA'ert wird. Vergl. Rudoli'hi, Physiol. 2. p. 378. Luvd, f d'’'
sectionen. Kopenhagen 1825. p. 9. Bei den wallfischartigen Tbi®'
ren ist der obere, hier schnabelförmige Theil des Kehlkopfs g®'
gen die Nasenhöhlen heraufgezogen. Die Speisen gelangen bi®®
durch den Druck der Zunge zu den Seiten des Kehlkopfes
den Schlundkopf. Den übrigen Thieren ausser den Säugethi®'
ren fehlt das Gaumensegel und in der Regel aueh der Kcb*'
deckel.
2) Beevegungen der Speiseröhre.
Magesdie hat eine eigentliümllche Beobachtung über
rhythmischen Zusammcnzlehungen des untersten Theils der Sp®’'
serohrc ausser dem Schlingen gemacht, welche ich bestätigt hab®'
Diese Zusammenziehungen geschehen A’on oben nach der CaiB’’’
hinab und schnell, dauern ungefähr 30 Secunden und nach
gekdie um so länger (bis 10 Minuten), je voller der Magen •■’.J
Die Zusammenziehung geht, nach meiner Beobachtung, allmäbbn
in Ei’schlalfung über, Avorauf AA'ieder die Zusammenziehung folg’’
Magendie konnte zur Zeit der letztem nichts vom Contentip”
des Magens in die Speiseröhre treihen, Avährend bei der Evaa'®’
terung die Flüssigkeiten durch ihre blosse Sclnvere hincIngliR®”'
Was aul diese Art in die Speiseröhre gelangte, wurde en'tAved®
(obgleich nur seilen) ausgeworfen oder (gewöhnlich) durch die
sammenziehungen der Speiseröhre in den Magen wieder zurü®
getrieben. Man darf sich daher die Cardia nicht Jederzeit
stark geschlossen denken; bei Dyspepsie scheint die Erschlairn‘'r
3. Von den Bewegungen des Darmkanals. Speiseröhre. 483
loclj hVuifiger zu seyn, und es ist liieraus die Eruetation, das Auf-
*tossp,n voll Luft und Speisen erklärlich, sey es, dass die Zusarn-
J*'finziehungen des Magens im Moment der Oeffnnng der Cardia den
‘iliult hcrvOTtreiI)eii oder die mit der Zusammcnzlehung desZwcrch-
erfolgte Verkleinerung der Bauchhöhle einen Druck auf den
^'■*gcn anbringt.
Magf.ndi e’s, Lagallois’s und Becfard’s Versuche haben ge-
*®*gt, dass die Speiseröhre heim Erhrechcn in einer dem Schlin-
entgegengesetzten antiperistallischen Bewegung ist. Bei dem
^J'hrechen, welches durch Einspritzen von Bi’echweinstein in die
’®nen erfolgt, sahen sie die Bewegungen der Speiseröhre, auch
•'»chdem sie vom Magen getrennt worden. Lund 1. c. p. 15.
3) Bewegungen des Magens.
. So energisch die Zusammenziehungen der starken Magenmns-
hei den körnerfressenden Vögeln seyn müssen, so gewiss die
!*'*chanische Gewalt in dem mit Zähnen hewaffneteu Magen vie-
Cruslaceen und Orthopteren unter den Insecten wirkt, so
’^'^^'Wach sind die Bewegungen des niembranösen Magens im ge-
*'!'Hlen Zustande. Man sieht zwar immer hei Vivisectionen, dass
Magenwände straff den Mageninhalt umschliessen, aber der
^^ttgen zeigt den auffallendsten Contrast gegen die unaufhörlichen
IJ'^t'istaltlschen Bewegungen der Gedärme, die sie besonders auf
Reiz der atmosphärischen Luft annchmen.
Die Reizung des N. vagus durch (xalvanisrnus, hei Kaninchen,
J^ändeu und fleischfressenden Vögeln, scheint gar keinen Einfluss
den Magen zu äussern, eben so wenig, wie die Reize des
^''äglion cocliacum hei Kaninchen. IVur Reize auf den Magen
angeivendet, bewirken sogleich Zusammenziehung.
Es geht hieraus hervor, wie sehr sich diejenigen täuschen,
^"^Iche hei der Zerkleinerung der Speisen auf die Bewegungen des
I *§ens viel rechnen. Die pcristaltischen Bewegungen des Magens
ich deutlich nie gesehen, ich beschreibe sie daher nach Ma-
Pre'r. elemenl. de physiol. ‘i.ed. 'l.p. p.87. In der ersten
"'jit der Verdauung hleiht der Magen gleichförmig ausgedehnt,
später zieht sich die Portio pylorica in ihrer ganzen Ausdehnung
''satnmen , vro sich die In Speisehrei verwandelten Nahrungsmit—
I anhäufen, während die weniger alterirten Stoffe In der Portio
™nica sich hefinden. Die pcristaltischen Bewegungen, die sich
Magendih auch nach Durchschueidung der N. vagi fortset-
sind folgende. Nachdem der Magen einige Zeit unbeweglich
^^''’esen, zieht sich der Anfang des Duodenums zusammen, ebenso
Pylorus und die Portio pylorica; diese Bewegung treibt den
ij *y*>ius gegen den Fundus. Darauf dehnt sich der Magen wie-
und nun contrahirt sich die Portio pylorica von der lin-
ziu’ rechten und treilit den Chymus gegen das Duodenum,
durch den Pylorus durchgeht, weum die Speisen die ge-
Auflösung im Magen eriltten haben. Diese Bewegun-
uj *? wiederholen sich einigemal , darauf hören sie auf, om
''oll einer besf.immten Zeit zu AA'iederholen. Ist der Magen
’ so beschränkt sich die Bewegung auf die denl Pylorus zu-
'^hst gelegene Partie, in dem Maass als er sich entleert, dehnt
484 II. Buch, Organ, ehern. Processe. IV. Abschnitt. Verdauung.
sich die Bewegung aus und zeigt sicli auch in der Portio splC'
nica, wenn der Magen fast leer ist.
Schultz {de alimetäorum concocLione. Berol. 1834.) nimmt
dass die Bewegung des Magens bei Thieren mit stärkerem Fu**'
dus so stattfinde, dass die Speisen innerhalb der Leiden Curva'
turen Cirkel beschreiben , wie heim Kaninchen und beim Pier,
während bei den reissenden Thieren mit geringerm Fundus
Speisen abwechselnd gegen den Pylorus hin und wieder zurück'
getrieben werden; daher sollen die ersteren Thiere schwer,
letzteren leichter brechen.
Beaumont hat die Bewegungen des Magens an einem
sehen beobachtet, der von einer Schusswunde ein ansehnlich*®*
Loch im Magen behielt, dessen Ränder mit den Bauchwänden
wachsen waren. W. Beaumont experimenis and observations on
gastric Juice and the physiology of digestion. Boston 1834.
Ausser der Verdauung ist der Magen zusiunmengezogen.
bald die Speisen in den Magen getreten, bewegen sie sich a"”
dem Fundus von links nach rechts entlang der grossen Curvat**»»
dann entlang der kleinen Curvatur von rechts nach links. D*®)
Bewegungen sah er auch an den Ortsveränderungen, welche
Kugel des in den Magen gebrachten Thermometers erlitt.
Umwälzungen sind in 1 — 3 Minuten vollendet. Sie nehmen O*'*
dem Fortschritt der Chyrnification an Schnelligkeit zu.
Nach Beaumont finden in der Portio pylorica am Anfa'*?
des conischen Theils derselben 3 — 4 Zoll von dem dünnen En**®
eigenthümliche Contractionen und Relaxationen statt; der an di®*®
Stelle gebrachte Bulbus des Thermometers wurde von Zeit
Zeit festgehalten und 3 — 4 Zoll weit gegen den Pylorus hing®''
zogen. A. a. O. p. 113.
Im Anfang der Verdauung scheint der Pylorus ganz
schlossen. Die Verschliessung des Pylorus kann so stark seV**’
dass nach Wepfer, Tiedemann und Gmehn selbst aus dem i***’^
geschnittenen Magen nichts entweicht. Nach Abernethy
hen beim Menschen anfanp nicht einmal leicht Getränke dm®
den Pylorus ; er fand bei einer Person, die sich durch Opivim v®®'
giftet und der man w'ährend des Lebens viel Flüssigkeit eing®"
flösst hatte, alle Flüssigkeit nach dem Tode noch im Mag®1j
Nach Magendie wird durch den Magen schon der grösste Th®'
der Flüssigkeit aufgesogen ; doch soll beim Pferd das
schnell durch den Pylorus durchgehen und liis in das geräurmo
Coecum gelangen, so wie auch das Futter zum Theil unaufg®*® |
schon durch den Pylorus durchgeht. Coleman Hess ein Pferd ''‘®^
Wasser trinken ; nach 6 Minuten fand man das Wasser schon duT®^
den Pylorus und die dünnen Gedärme bis in das Coecum
Abernethy physiol. Lect. 180. Gegen das Ende der Verdauu**»
scheint der Pylorus dem Andr'ängen eine schwächere Resist®*^^
entgegenzusetzen; denn bekanntlich öffnet er sich auch für ’*'^
verdaute Dinge, wie Kirschkerne und andere grössere Körp®^^
Home’s Meinung von einer mittlern Einschnürung des
während der Verdauung ist nicht bewiesen. Tiedemann hat m®
davon bei Hunden gesehen, ich auch nicht.
3. Von den Bewegungen des Darmkanals. Wiederkäuen. 485
4) Wiederkäuen.
Bei den wiederkiVucnden Thiören führt die Speiseröhre un-
'‘'ittelhar zugleich in den ersten (Pansen) und zweiten Magen
IBauhe). Die Speiserölirc setzt sich aber durch einen Halhkanal
'•i den dritten Magen fort. Nach Flotjrens neuen Beohaehtungen
i***! Sehafe {Revue encyclopedique Paris, Noo. 1831. pag. 542.) ge-
das Futter heim ersten Verschlingen, gleicliviel ob Gras,
Bafer, Rühen, in den ersten und zweiten Magen zugleich. Als
einem Schaf einen Brei von gekauten Rüljen gab, drang
^‘®se feinere Masse in die beiden ersten Magen, und ein kleiner
*^l‘eil auch in den dritten Magen. Aus dem ersten und zweiten
gelangen die vorläufig dort von dem Speichel und den
Mjsonderungen dieser Mägen erweiehten Speisen durch eine Art
Bfuctation wieder in den Mund, und werden zum zweitenmal
Sfikäut, worauf sie wieder verschluckt werden. Was nacli der
^^eiten Deglulitlou geschieht, hat nun Floxirens so auszumitteln
8®sucht, dass er an verschiedenen Thieren einen Anus contra
''^turam an den verschiedenen Mägen anlegte. Die Oeflüung, wel-
er schliessen konnte, erlaubte ihm zu beobachten, was in
Magen vorging. Belm Verschlingen nach der Rumination
gelangt ein Theil des Wiedergekäuten zxvar auch noch in den
Binsen und in die Haube, aber ein grosser Theil folgte der
Balhrinne der Speiseröhre und in den dritten Magen. Fcoxtrens
®*'Uärt den verschiedenen Weg der Speisen nach der ersten und
?^'’eiten Deglutitiou auf folgende Art. Bei der ersten Deglutition
***■ der Bissen voluminös, ei’ erweitert die Speisei’öhre (auf Ko-,
jenes Ualhkanals ) , und gelangt nothwendig in_ den ersten
^^“geu. Beim zweiten Sehlingen sind die Speisen weich und fol-
ohne Ausdehnung der Speiseröhre der iljneii sich anwelsen-
Rinne, wobei jedoch auch wieder ein kleiner Theil in den
fKten Magen gelangen kann. Wenn die von Magendie und mir
Thieren heobachteteü i'hythmischen, sich wiederholenden und
-p**® geraume Zeit anhaltenden Zusammenziehungen des untern
■^'»ells der Speiseröhre auch hei den Wiederkäuern statt finden,
müssen sie die Lefzen des Ualhkanals, der ln den dritten Ma-
§eo führt, zu einem ganzen Kanal formiren, in vvelcjxen alles
Zerthellte eindringt, dei’ aber von voliuninösen Bissen (bei der
Deglutition) ausgedehnt werden muss. Vergl. Berthold,
^iträgg zur jinat., Znolomie und Physiol. Gott. 1831.
a. In Hinsicht des Erbi-echens fand Flourens, dass während
beiden ei’sten Mägen leicht die Speisen zum Wiederkäuen
g'**treiben, der vierte Magen, dui’ch welche xlas Erbrechen statt-
ausserordentlich schwer zu dieser Bewegung bestimmt
***!• Mem. de l’acad. des sc. T. 12.
b) Erbrechen.
j . Das Erbrechen ist eine mit Ekel vei’bundene antiperistalti-
äft 1 Bewegung des Magens (zuweilen auch eines Theils des Darms)
^ n der Speiseröhre, begleitet von heftigen Zusammenziehungen
Ij Bauchmuskeln und des Zxverchfells , welche erregt werden
durch jede auf den Schlund, die Speiseröhre, den Magen,
486 II, Buch. Organ, ehern. Processe. IV. Abschnitt. Verdauung.
den Darmkanal unmittelLar, oder mittelbar dureb die Nerven diC'
ser Theile einwirkende starke Reizung, oder welche selbst ö'
folgt, wenn die Reize dieser Theile in den Kreislauf von ander*’
Orten aus eingeführt werden. So entsteht das Erbrechen dufC*
mechanische Reizung des Scblundkopfes mit einer Feder, mit den’
Finger, ja selbst durcli einen Bissen, der im Schlunde zu lang®
verweilt, durch alle Mittel, welche den Magen mechanisch oder
chemisch reizen, durch Entzündung desselben und des Darink”'
nals, durch eingeklemmte Brüche und Intussusceptionen des Dari”'
kanals, durch Reizung des Gehirns und Unterbrechung des Hirne’*’.'
Busses nach Durchschneidung oder Unterbindung der Nervi vag*»
zuweilen selbst durch die beim Husten sich associirenden Be^r«'
gungen; ferner hei Kopfverletzungen , endlich durch Einöössen ''O”
Tartarus cmeticus in die Venen. Alle Reize, welche, in gering®”’
Grade örtlich applicirt, die peristaltischen Bewegungen der Jl®'
reizten Theile befördern, machen in heftigem Grade der
kung dieselben Bewegungen antiperistaltisch, und beivirkcn du’’®
O sJ 1 r . irt
Consensus der Nerven auch die Bewegungen der übrigen
Erbrechen concurrirenden , nicht primär gereizten Theile. N”®
Dzosdi ist die Stellung des hintern Gaumenbogens im Erbrccb®**
dieselbe, wie im Schlingen, und indem die Schenkel des hint®®*'
Gaumenbogens sich einander nähern und ein Planum inclinatu”’
vom Gaumensegel bis zur hintern Wand des Schlundes bilden,
hintere Gaumenbogen aber mehr aufgezogen wird und das Zaf*'
eben durch die Wirkung seines Muskels sich verkürzt, ist <^®''
Weg bezeichnet, durch w'clchen das Erbrochene in den Mund g®'
langt und die Nase vermeidet, welches letztere freilich nicht
mer geschieht, da die unteren, auch bei den Annäherungen scd'
lieh auseinander w'eichenden Schenkel des hintern Gaumenbog®*’
den Eingang vom untern Theil des Sclilundcs in die Choannen ®''
leichtern. Die reissenden Thiere brechen leicht, das Pferd s®
schwer. j
Magendie hat den früher von Bayle, Chiiiac, Se:sac,
J. Huntek angeregten, von Haller aber widerlegten Z"'®’'
fei über den Anthell des Magens am Erbrechen wieder
gebracht, und behauptet, dass der Magen dabei völlig untbal*»
sey, und das Erbrechen allein aus Zusammendrückung des V'
der VerklelncruniT der Bauchhöhle durch ’
ili®
gens vermöge — „
Zusammenziebung des Zwerchfells und der Bauchmuskeln entsteOj^
Magekuie beobachtete bei Hunden , denen er Brechmittel
Einspritzen in die Venen oder im Magen beigebracht,
Zusammenziehungen am Magen. Zog er denselben aus der Ba”®
höhle heraus, so erfolgte kein Erbrechen, sobald er aber
Magen in die Bauchhöhle zurückbrachte , erfolgte cs.
!i”
d®*’
Druck mit der Hand ersetzte die Bauchmuskeln ; zerschnitt
die letzteren, so bewirkte das Zwerch feil noch Erbrechen)
Verbindung mit der weissen Linie. Die Durchschneidu”S
Zwerchfellsnerven hob das Erbrechen auf. Ersetzte er
Magen durch eine an die Speiseröhre angebundene
blase , so erfolgte das Erbrechen aus denselben ürsac
wie bei dem unverletzten Magen. MAiitGAVLT’s Widerspru®
3. Von den Bewegungen des Darmkanals. Erbrechen. 487
SGgen diese Behauptungen, welcher nacli Durchschneidung des
Zwerchfells und der Bauchmuskeln Erbreclien sah, veranlassten
"^eitere Untersuchungen. Das Comitd der Academie fand, dass
ohne äussern Druck auf den Magen kein Erbrechen statt findet;
dieser Druck kann aber sehr gering seyn , tmd Flüssigkeiten köii-
''on nach durchschnittenen Bauchmuskeln und Lähmung des
Zwerchfells durch blosse Annäherung der untersten Rippen zu
Regio epigastrica in die Speiseröhre getrieben werden ; im Ma-
8on selbst entdeckten sie, ausser den vom Erbrechen unabhängi-
§0n(?) cirkelförmigen Zusammenziehungen in der Gegend des Pfört-
keine Bewegung, dahingegen Rudolphi solche Bewegung
®Uch nach Durchscimeidung der Bauchmuskeln gesehen hat. Ue-
^er die den Gegenstand nicht wesentlich auf klärenden , weiteren
^^ersuche von Portal, Bourdon, Beclard, Merat gegen Magen-
und Rostan, Piedagkel, Gondret für denselben, kann man
angeführte \Verk von Lund nachschen. Magendie’s Versuch
*Oit der Blase beweisst wohl nicht viel, und Rudolphi bemerkt
^Oit Recht, dass durch Einspritzung von Brcchweinstein in die-
^enen antiperistaltische Bewegungen in der Speiseröhre entste-
müssen, welche den Inhalt der Blase, der ohnehin nur ziun
kleinsten Thcil ausgeworfen würde, hinaufziehen können. Dieser
^ersuch verliert aber alle Beweiskraft, wenn man bedenkt, dass
Ursache, warum überhaupt der Mageninhalt nicht in die
Speiseröhre auslaufeu kann, die beschriebene Zusammenziehung
^er Speiseröhre an der Cardia, bei dem Durchschneiden der Spei-
seröhre an dieser Stelle aufhören musste, jede Flüssigkeit also
®Usfliessen konnte bei der geringsten Veranlassung. Aber über-
haupt kann man mit Rudolpui’s gerechter Indignation fragen, wie
^ann der Umstand, dass eine Blase nach oben entleert wird,
beweisen, dass der Magen beim Erbrechen unthätig ist? Ein
Nichtiger Umstand, der bisher nicht gewürdigt worden, ist eine
■^rt von unmerklichcr Zusammenzielning des ganzen Magens, wo
in seinem Volumen im Ganzen kleiner wird, ohne dass man an
®'hzelnen Theilen Coutraction sieht. Diess habe ich oft ausser
Erbrechen beobachtet. Mir scheint die Contraction des
^hgens im Erbrechen unzweifelhaft, da man deutlich die Zusam-
‘henzlehung des Magens dal>ei fühlt, obgleich man im allgemeinen
Antheil des Magens dabei viel zu gross angeschlagen hat, der
"oim Erbrechen vo^1 unmittelbarem Reiz des Magens die Reizung
*yhapathisch auf andere Muskeln, namentlich die Bauchmuskeln
^hd das Zwerchfell, fortpflanzen kann. Diess Letztere ist keine
’hiTnuthung mehr ; denn ich habe mehrmal die Beobachtung ge-
"^^eht, dass die mit der Nadel bewirkte Zerrung des N. splanch-
?*cus in der Bauchhöhle, wo er bei Kaninchen auf der linken
,®‘te an der Innern Seite der Nebenniere ziemlich leicht zu fin-
ist, Zusammenziehungen der Bauchmuskeln veranlasst. (Beim
.'ö'de ist diess nicht gelungen). Da nun der Nervus sphmch-
^*'^ös die Verbindung zwischen dem Nervus sympathicus und
Ganglion coellacum bewiikt, der Nervus sympathicus aber
^‘eder rnit den Spinalnerven, und durch sie mit dem Rük-
®*nnark zusammenhängt, so folgt, dass Reizung des Nervuis
ü 11 e r’s Physiologie, 32
488 IJ.lhtch. Organ. cficm.Proccsse. IV. Absclmitt. Verdauung.
splaiiclinicus entwetlor olmc oder mit Vormittelung des Rücken-
marks durch Nervonzusammenhang die Spinalnerven der RaucJi-
muskeln reizen kann, und dadurch in Reizungen des Magen*
durch Vermittelung des G. Cocliacum und des Nervus splanchnicu*
Zuckungen der Bauchmuskeln sympatliisch entstellen müssen.
Beohachlung macht mir Magendie’s Theorie von der Wirkung
der Brechmittel überaus unwahrscheinlich. Er nimmt nämlic'*
an, ilass die Brechmittel in den Magen eingeflösst auch erst nC’
Blut aufgenommen werden, und von dort aus die heim Breche”
concurrirenden Organe afficiren, wie heim Erbrechen, welche-'’ |
durch Einspritzung von Brechweiusteinlösung in anderen Theile”
und in die Venen entsteht. Wenn der Nervus splanchnicus Zuk'
kungen der Bauchmuskeln erregen kann, so ist es fast erwiese”?
dass das Erbrechen von Einnebmen des Brechmittels durch Pr”'
pagation der Nervenreizung erfolgt, wie denn eine andere Ei’kl”'
j-ung auch unmöglich beim Erbrechen von mechanischer Reizu»?
des Magens, von mechanischer Reizung des Darms, von Magß”'
und Darmentzündung, von mechanischer Reizung des Schluiub’'’
statt finden kann. Magekdie’s Theorie ist daher ungegründeb
und gerade diese Theorie war es, wovon seine Ansiclit von de*
Untb'aligkcil des Magens beim Erbrechen eine lilosse Consecpie*'®
war. Siehe übrigens MAGEnniE memoire cuncernanf l’inßumce
l’emelä/ue etc. nouo. bull, de ln .toc. philom. T. .3. p. .360.
Wenn es nun sehr wahrselicinlich ist, dass in den Mage*'
gelangte Brechmittel schon von dort aus , und nicht indc*”
sie ins Blut gelangen, durcli Nervenconsensus die Erbrechung-*'
liewegungen erregen , und wenn dicss von dem Erbrechen , da*
durch mechanische Reize in den Verdauungswerkzeugen, diu-cl*
Darm- und Magenentzündung erregt wird, gewiss ist, so cid'
steht nun die Frage, ob der Magen und Darm, indem sie Erbi'C'
dien erregen, mehr durch den Nervus vagus auf das Gcliii’**?
oder durch den N. splanchnicus und sympathicus auf Gehirn
Rückenmark (den Eindruck fortpflanzcnj wmrauf die weiteren Ilüli*'
bewegungen des Erbrechens durch Wirkung der Spinalnerven a”
die Bauchmuskeln und das Zwerchfell vom Gehirn und Piückenmaik”
aus erlblgen. Die genannte Beobachtung über die Fähigkeit de*
Nervus splanchnicus, Zuckungen der Bauchmuskeln zu errege”*
beweist den Antheil des N. splanchnicus an jener Transmissio*”
Das Erbrechen von Reiz des Schlundes, in dem sich vorzüglie*
Aeste des N. vagus verzweigen, beweist den Antheil des Nerv'”*
vagus an jener Transmission, indess ist allerdings wahrscheiuliß”*
dass N. splanchnicus und vagus zugleich bei der Wirkung ander”*
Brechreize im Magen und Darm die Transmission des Rei*”*
bewirken.
Das Erbrechen von Durchschneidung und Unterbindung *1*^*
Nerv, vagus (Mayer in Tiedemans’s Zeitschrijt 2. 62.) ist schvr”*^
auf eine definitive Art zu erklären. Mau kann sagen, *1'*^^*
Aufhebung des Hirneinflusses vom Nervus vagus auf den M»'
gen wird das Gleichgewicht der Kräfte in dem von Nerv”*
vagus und splanchnicus zugleich versehenen Magen aufgeh”'
ben. Noch lässt sich indess das Erbrechen daraus erklären, da**
3. Vun den Bewegungen des Darmkanals, Erbrechen. 489
Unterbindung und auch die mit der Durcliscbncidung des N.
^‘*gus verbundene Quetschung auf das Geliirn wirkt, und da die
bilden der durcbselinittencn Nerven nolbwendig in Entzündung
geratben müssen, so ist der Eindruck des Hirnstücks vom N. va-
auf das Gehirn derselbe, als ob die Endisweige des N. vagus
Magen in der Magenentzündung gereizt werden, und cs er-
in beiden Fallen dasscUje Phänomen, Erbrechen. Auch
"ie ßurcbsclmeidung anderer Nerven bewirkt zuweilen Erbrechen
anderen Nervcnzufällen, wie die Durcbschneidung desSebnerveii
“CI der Exstirpatio bulbi oculi.
Dass die Transmission des Eindrueks durch den Nervus va-
Antlieil am Erbrechen halie, macht Bracuet [Recherches
les foncfions du Systeme ganglionuire) daraus wahrscheinlich.
’>Qnelque soit la dose que vous administriez les vomitlfs et
des chiens , a qui vous avez feit la sectioii
leur Impression devient nulle.‘‘ Diess steht
des nei'fs vagues,
^“cilieli mit der Erfahrung im Widerspruch, dass Hunde nach
“crn Durchschneiden des Nervus vagus von selbst vorniren. Vergl.
'‘^en p. 235.
Bei dem Erbrechen von GehirnalTection wirkt die Beizung
B“lwcder durch die des Rückenmarks auf die Sjnnalnervcn und
^Werchfell und Bauchmuskeln, oder durch den N. vagus auf
‘Speiseröhre und Magen und durch die Verbindung des N. vagus
dem sympatbicus, nämlich durch den N. splanchnicus auf die
|P‘nalnerven und das Rückenmark. Gcwöbidich stellt man sich vor,
der Nerv, vagus, von Gehiruafiection gereizt, Contraction des
^“gcns bewirkt. Diess ist schwer zu glauben, denn wie deut-
die Zusammeuziebungcn der Speiseröhre sind , die man
prch mechanischen und galvanischen Reiz des N. vagus beAsdr-
'Cn k.ann so ist es mir doch in den vielfältisisten Versuclien
kann, so ist es mir doch in den vielfältigsten
Kaninchen, fleischfressenden und körnerfressenden Vögeln nie
g®Mngen, durch die stärksten mechanischen Reize, und selbst
einer sehr starken Säule auf den isolirten N. vagus auch nur
“•äe irgend deutliche Zusaramcnzieliung des Magens zu erregen.
“Ibst der dicke Muskelmagen der Hühner contrahirt sich hierbei
' ärchaus nicht. Dagegen zieht sich der Magen sogleich bei Säu-
Bctliieren und Vögeln zusammen, wenn man Hin selbst reizt.
^®'»iliche Beobachtungen haben MAOEsniE und Mayo gemacht.
’ß Bewegungen des Magens scheinen fest allein vom Nervus
'ytiapatbicus abhängig, wie die des Darms. Beide können sich
gdgeschnitlen noch peristaltisch bewegen, wie Wepfer vom Ma-
ß “ und Andere vom Dann sahen.
Nun entsteht immer noch die Frage, auf welche Art Brech-
dtel wirken, die ins Blut gelangen, ohne erst in den Magen
j^‘“§eflösst zu seyn. Diess ist nicht ganz klar, oder vielmehr wir
“S'tzen keine hinreichenden Thatsachen, diese Frage bestimmt zu
scheiden. Im Grunde ist es einerlei, ob ein Reiz an der äus-
j,*'“ Fläche der Organe, oder noch unmittelbarer durch das Blut im
,jp’'““chym eines Organes wirkt, wie denn auch Arsenik von an-
Theilen aus Magenentzündung erregt. Hiernach scheint cs,
*5 der ins Blut gekommene Brcchweinstein von den Blutgefässen
32 *
490 II. Buch. Organ, ehern. Proresse. IV.Ahschnitt. Verdauung.
aus auf die beim Erl)reclieu betlieiligten Organe wirke. Alle**’
es ist imnier noch zweifelhaft, oh er mehr auf die organische»
Excitatoren der Bewegungen, Gehirn, Rückenmark und Nerve»)
oder unmiltclhar auf die beweglichen Organe selbst wirkt. —
6) Bewegung des Darms.
Die wurmförmigen oder peristaltischen Bewegungen des Dan»*»
ebenso uuwillkührlich wie die des Magens, scheinen während de»
Lebens schwach, und sind nur in nervöser Reizung, die sich »»
die Gedärme fort|)llanzt, in der Dyspepsie und in ki-amp'
haften Bewegungen, namentlich Ijei einer Reizung und im Durc»'
fall schneller; bei eben geöffneten Thiereu sind sie sehr unmer^'
lieh, sie verstärken sich aber schnell durch den Reiz der L»’
zu einem ausserordentlichen Grade von Lebhaftigkeit; die Där»^®
heben und senken sich, treiben ihren Inhalt weiter und im Ad'
gemeinen immer mehr nach aliwärts. Reizt man den Darm i»^'
chanisch, chemisch, galvanisch, so zieht er sich an dieser Sted
allmählig sehr eng zusammen, der höchste Grad von ZusaminC»'
Ziehung erfolgt, wenn der Reiz schon aufgehört hat, und lä**
allmählig ebenso wieder ab. Wendet man starke galvanisch*’
Reize auf den auf einer Glasplatte isolirten Nervus splanchiiic»*
oder auf das Ganglion coeiiacum an, so verstärken sich die B®'
wegungen allgemein; Durchschncidung der Nervi vagi hebt die»*'
Bewegungen so wenig als Verletzung der sympathischen Nerve»
auf, sie dauern an dem abgeschnittenen Darmkanal fort.
Auf dem Wege durch den Darmkanal verliert der Darm'»'
halt durch Resoi'ption allmählig immer mehr nahrhafte Tbeü®’
und es werden die Reste als Excremente im Dickdarm immer co»'
sistenter. Der Schliessmuskcl des Afters ist zu jeder Zeit ausse*'
den Rothausleerungen contrahirt. Einen geringen Grad bestand''
ger Contraction scheint derselbe mit allen Muskeln gemein ***
haben, die man wenigstens dann erst ei'kennt, wenn ihre Ant»'
gonisten durchschnitten sind. Die Contraction des Sphinctei’
ist aber besonders durch die Ansammlung des Roths und dessC»
Reiz im Mastdarm vermehrt; sie dauert so lange, bis sie dur»»
den Andrang der Excremente überwunden wird; die Contractio»»*’
des Sphincters sind der willkübrlichcn Verstärkung, aber nie»
der w'illkührlichen Erschlaffung fähig. Die Expulsioii der ExcfC'
mente, und die den Widerstand des Sphincters überwindende GeW»^
kann in seltenen Fällen bei welchen Excrementen ohne Mitwirku»^
der Bauchwände durch blosse (unwillkührliche) Contraction
Mastdarms erfolgen; wie Leg.vllois und Becl.vhd {Bull, .
fac. et de la soc, de med. 181.3. A. 10.) nach Wegnalimc de
Bauchmuskeln gesehen haben wollen. ^Gewöhnlich sind inde*’
die Znsammenziehungen des Zwerchfells und der Muskeln dui'»
Einengung der Bauchhöhle mit Erhebung des willkührlich beweS^
liehen Levator ani zurRothentleei’ung*iöthlg. Alle dleseBeweg»'J,^
gen willkühi'licher Muskeln treten auch imwillkühilich und kramP ^
haft so gut wie heim Erbrechen ein, wenn der Reiz der ExcJ
mente auf den Mastdarm anhaltend und sehr heftig ist.
Jene Bewegungen können auch dui’ch Verletzungen undRr»»
helten des Rückenmarks (und Gehirns) gelähmt seyn, und es ka» ’
4. Von den Verdauungssäften. Speichel.
491
naclidem mehr der SpTilncter ani erschlafft, oder der Mast-
Oarm und' die Bauchmuskeln gelahmt sind, unwillkührlicher Ah-
Sang oder hfcstandige Verstojilung entstehen. Nach Krimer ist
Kothentleening nach Zerschneidung der Nervi phrenici und
Rahmung des Zwerchfells niclit aul'gehohen, wohl aher nach Zer-
schneidung der Bauchmuskeln oder des Rückenmarks hei Ilun-
"^ Cn, zwischen dem 5 — 6. Rücken« irhel.
IV. Capitel. Von den Verdauungssäften.
. a. Speichel. Die Absonderung des Speichels scheint in der
■fhierwelt mit Ausnahme der Walllische und Fische last allgc-
*^®in zu seyn. Die Insekten Besitzen speichelabsonderndc Schläu-
che, Blinddärmchen oder Röhren, die Mollusken ein oder meh-
Cßre Paar zusammengesetzte Speicheldrüsen. Viele Schlangen
hallen hloss einfache Speicheldrüsen. Mit der S|)eichelahson-
aerung muss man die Giftahsonderung der Schlangen nicht
y.CDvechseln ; denn die Giitschlangen haben ausser den gewöhn-
:‘chen Speicheldrüsen auch noch die besonderen Giftdrüsen.
Ph die giftigen Säfte der Schlangen (auch der Spinnen) zur Auf-
^hsung der Speisen Beiträgen, ist noch unbekannt. Die Analogie,
man zwischen diesen Säften und dem giftigen Speichel der
Pändswuthkranken gezogen hat, ist aber wohl abergläuljisch;
henn in der Hundswuth ist die Ansteckung durch den Speichel
Cär zufällig, und nach den Versuchen von Hertwig in der
fhierarzneischulc zu Berlin können andere Säfte der Hundwuths-
^canken, wenigstens Blut, eingeimpfl die W^uth erzeugen.. Hier-
C^'t fällt auch die Hindeutung auf die gilVige Beschaffenheit,
‘c- lallt aUCll ttlU lllllUCUlUlli^ <IL11 VllV
'''eiche der Speichel durch Leidenschaft erlangen soll, weg. Die
pateriellen Veränderungen in Leidenschaften sind allgemeine, und
'^treffen zugleich mehrere Absonderungen, wie besonders von der
Dass Bisswunden gereitzer Thiere sich von
^^dch bekannt ist. nass msswunueu gereii,/.ci xuiciu
SG^vöhnlichen gerissenen Wunden unterscheiden, davon ist der
®"'eis noch zu führen *).
j, f) Das Sclilangcngift ist nach FoNTANA Weiler .alkalisch noch sauer, es ist
ln- 1 bestimmten Geschmack, es sinkt im Wasser zu Boden und
^ acht sich nichtleleht mit dcmselheu. ln VVundeii gebracht macht es das Blut
lebenden Thiere schnell gerinnen, aus der Ader gelassenes Blut verliert
eiä . 1''untana durch Zusatz von Viperngift seine Gerinuharkeit. Das Yipern-
'.«st weder fiir die Vipern noch für andere Schlangen tödlllch, wenn sie
»„ werden. Fontana üher das Viperngift. Berlin 1/87. p. 15. Dagc-
sah Kungger Klapperschlangen mit von Klapperschlangen vergifteten
t»dcn bald sterben. Viperngift tödlet nicht die gehissencnBlulegel.Blindscldei-
tia!'*’ f'"' •'tf- Schildkröten ist das Gift nur zuweilen tödilich, allen warmblu-
Thieren ist cs tödilich , wenn es in Wunden gebracht wird. Ausser den
G, ®’’den scheint dasGifi nicht tödilich zu wirken, wie avenigstens llEt»
■luf f “nd Pommer’s Versuche lehren. Geber die Wirkungen des ,
P o-d^^'tde Thiere, siehe FontaihA l. e. und RengGer, Mkck. frc/av laiJ.
(jb ftte gewöhnlichsten Krscheinungen sind ausserste Kraftlosigkcil, ör.hwm-
’ Grhrccheu, Durchfall, Zittern, Lähmui\g, die gebissenen Glieder schwellen
492 II. Buch. Organ, ehern. Proccssc. IV. Abschnitt. Verdauung.
UcLer die Quantität des Speicliels hat Dr. C. G. Mitschk»'
LicH hei einem Menschen mit einer Speiehelfistel des Ductus Ste-
nonianus Eeobachtungen niitgctheilt. Die Ausscheidung hört h®!
vollkommener Ruhe der Kaumuskeln und der Zunge, und h®‘
Mangel eines ungewöhnlichen Nervenreizes auf; unter den entgC'
gengesetzten Umständen wird sie hervorgerufen. Die Menge de
abgesonderten Speichels beträgt hei einem gesunden Manne in ■* .
Stunden aus einer Parotis 65 bis 95 Grammen, der aus dem Mnn
ausgeworfene Sjjeichcl von den 5 anderen Drüsen beträgt 6 mal n'/' * ,
als der Speichel einer Parotis. Mitscherlich über den Speien^
des Menschen. Rust’s Mag. 1832. Schultz {de. allmentorurn coi^
coctione. Berol. 18-34.) sammelte aus dem Ductus Stenonianus
ncs Pferdes in 24 Stunden 55 Unzen und 7 Drachmen Speich^*»
wovon 12 Unzen auf die innerhalb 2 Stunden erfolgte erste Fdk
terung, 10 Unzen 9 Drachmen auf die Zeit von 3 Stunden zvi'*'
sehen der ersten und zweiten Mahlzeit kommen. ,
Ueber die chemische Natur des Sjieichels von Menschen uo
Säugethieren besitzen wir ausgezeichnete Arbeiten von BerzelH''“
{Thierchemic), Gmelin, (Tiedemann und Gmelin die Verdauung nü''
Versuchen. Heidelb. 1826.) und Mitscherlich {a. a. O.).
Der Mundspeichel ist ein fadenziehendes Gemeng von Sp®*'
chcl und Schleim. In einem hohen schmalen Gefäss gesamtiiß^^’
trennt er sich nach Berzelius allmählig in eine obere, klar®’
farblose und eine untere Schicht, Avclche ein Gemenge dcrsclh®.'’
Flüssigkeit und einer weissen undurchsichtigen Masse ist.
Wasser verdünnter und geschüttelter Speichel lässt den Schle“**
vollständiger zu Boden fallen. In Hinsicht der sauren oder alk”'
lischen Reaction ist der Speichel sich nicht gleich. TiEnEMA’^’*
und Gmelin fanden ihn hei Menschen meist schwach alkalisr*’’
zuweilen neutral, nie sauer. Schulze {vergl. ylnat.) fand ihn he*’’’
Menschen sauer, wenn er lange in der Mundhöhle vci-weilt hatte?
alkalisch immer bei Rindern. Speichel von Hunden und Sd**''
fen aus dem Stenon’scIich Gang selbst aufgefangen fand GwEr'*
alkalisch. C. H. Schultz fand den Speichel des Menschen in
Regel alkalisch, so zwar, dass eine Drachme Speichel zur Satu*''*'
tion einen Tropfen Weinessig erforderte. Auch der Sjicichel d'j
Pferdes war alkalisch. Nach der Saturation soll der SpeiU*
allmählig wieder alkalisch Averden. Dr. Mitscherlich fand d
Speichel einer Speichellistei während des Essens und Ti'inkcä^j
und schon nach dem ersten Bissen , alkalisch , ausser dieser 'A ^
sauer. Die Alkalesceiiz des Speichels soll nach Schultz von
monium herrühren ; nach Mitscherlich dagegen giebt der fris**
Speichel auch beim Eiwärmen kein Ammoniak, und das f*®
Alkali ist fix.
Der Speichel enthält sehr sparsame Körnchen, wieLEUAVENRE»®*'’
li.-iuTig. abi*r nicht immer auf, und die Wunde -wird unterlaufen. Diese ' 1^^,,
ptome treten schon nach einigen IVlinulen ein, der Tod erfolgt schnell
innerhalh eines lages, oder innerhalb 14 Tage. Bei der Section
hrandartige Fleete in verschiedenen Eingeweiden. Die Erzählungen von
nen der Thieie durch den Blick der Schlangen sind Fabeln,
4. Von den Verdauungssäflen, Speichel.
49;i
'^ebeb, Tiedemann und Icli gesehen; sic sind diirchsiehtlg und
**Hch Weber grösser ids Blulkügclchen. Nach Bebzelius enthalt
'^er Speichel 'des Menschen ohngelahr 1 Proc. von aufgelösten
Steifen. Der Speichel hatte in' MiTscuKBr.icn’s Versuchen ein
^Pccihsches Gewicht von l,00ßl — 1,0088; in Scitut.Tz’s Versuchen
'latte der Pferdespeichel ein speciflsches Gewicht von 1,0125.
^er Rückstand des Speichels nach dem Ahtrocknen ist durcli-
®‘chtig. Alcohol zieht daraus eine kleine Menge Osrnazoin mit
^twas Chlornatriiim , Chlorkalium und nillchsauiem Alkali aus.
in Alcohol ungelöste Theil ist schwach alkalisch und enthält
^•itron. Der ausgezogene Rückstand Besteht nun aus einem (»e-
*äeng von Schleim (|) und einem eigenen Stoff, Speichelstoff
^*e Auflösung dcsselhen im Wasser ist etwas schleimig und wird
’^ärch Rochen nicht unklar. Beim Ahdunsten erhält man den
Speichelstoff, dev nach Bebzeeius durchsichtig, farhlos, nach PiE-
^Emann und Gmelin hellbraun und undurchsichtig ^ Ist. Nach
^•tscheruch ist er gelhhraun, wenn mau das Alkali nicht sät-
^'§1, und zieht Feuchtigkeit aus der Luft an, ist dagegen last
S'mz weiss und zerfliesst nicht, wenn das freie Alkali zu Anfang
Analyse neutralisirt worden ist. Der weissc Speichelstoll
,*1*1 sich nach dem vorsichtigen Eintrocknen ganz^ (nicht zum
llieil wie der braune) im Wasser auf. Der Speichelstoff des
"Eutralisirten Speichels reagirt nicht alkalisch, wie Mitscuebivich
‘emerkt; ohne Neutralisation des .Speichels reagirt er alkalisch,
^'t Wasser begossen wird der Speichelstoff wieder aufgelöst zu
'=‘fter klaren Flüssigkeit, die nach Berzemus und AIitscuerlicu wc-
•Jervon Galläpfelinlüsio«, Quecksilherehlorid, Eisenchlorul und ba-
'•schem essigsauren Bleioxyd (Bebzeeius), noch von starken Sauren
gefällt wird', nach Gmelin dagegen von Galläplehnlusion, Ratk-
"'asser und der Auflösung von Alaun, den neutralen Oxydsalzen
RupCcr, Blei und Eisen, von Quecksilberchlorid und salpeter-
^■'‘äiem Silheroxyd gefällt Avird. Nach Mitsc.uerlicii fällt salpeter-
jJ'i'i’es Silheroxyd allerdings den Speichelstoff, auch essigsaurcs
■’leioxyd, letzteres den ohne vorherige Neutralisation des .S])eichels
'^‘«■gestellten Speichelstoff’. Der nach Auszielumg dos Spcichel-
*|'fffes mit kaltem W^asser zurückhlcihende Schleim enthalt nach
«Ebzelitjs viel Knochenerde , Avoraus sich Avahrscheinlich der,
phosphorsaiircm Kalk bestehende, Weinstein der Zahne
;«ltlet. Tiedemann und Gmelin erhielten aus dem Speichel des
^Eäschen beim Abdampfen 1,14 bis 1,19 Proc. feste riieile, die
n’fSThcile Asche gaben, wovon 0,203 in Wasser löslich und
3O47 pliospTxorsaiirc Erdsalze waren. 100 Ehedc Euckstand von
y*^rdünnten Speichel gaben: , ,
" Alcohol lösliche, ' nicht in Wasser lösliche Suhstanzl
• (phosphorhaltiges Fett) 1 31,25
'Alcohol und in Wasser lösliche Stoffe: üstnazom, Chlor- i
luilclisiuires Kali, Scliwerelcyankalium , . ^
"«s üei- Lösung in kochendem Alcohol beim Ei'kalten nic-
'lergefallene thlcrische Substanz mit schwcfelsaurcm Rah
«öd etAvas Chlorkalium • ■
4,25
32,50
494 II. Buch, Organ, ehern. Processe. IV. Abschnitt. Verdauung.
mir in Wasser lösliche Stoffe: Spelchelstoff mit viel pliospLor-
saurem und etwas schwefelsaurem Alkali und Chlorkalium
weder In Wasser noch Alcohol lösliche Stoffe: Schleim,
vielleicht etwasEiweiss mit kohlensaurem und phosphor-
saurem Alcali
32,50
20,00
Nach Dr. Mitscherlich’s Analyse enthält der Speichel f®*'
sende Salze:
Chlorkalium 0,18 Pro*^'
Kali (an Milchsäure gebunden) 0,094
Natron (an Milchsäure gebunden) 0,024
Milchsäure
Natron (wahrscheinlich mit Speichelschleira verbunden) 0,164 '
phosphorsauren Kalk 0,017
Kieselerde 0,015 ^
Die näheren organischen Bestandtheile des Speichels verhielt^''
sich in Mitscherlich’s Analyse ähnlich wie in der von Berzeei^®'
Ein von Mitscherlich gefundener, in Wasser und absolute’^
Alcohol löslicher, gelbröthlicher Stoff giebt mit Säuren, Kali, A^'
monium und Sublimat keinen, mit essigsanrem Bleioxyd und E*'
senchlorid, salpetersaurem Silberoxyd einen Niederschlag.
Die Existenz der Materie, welche TiEDEMASif und Gmeli'*
als Schwefelcyan eweisen, hat zuerst Trevirakus im Speiebß
ermittelt. Biolog. 4. 565. Er hatte nämlich gefunden, dass SpC'
chel, mit einer neutralen Auflösung eines Eisenoxydsalzes vef'
mischt, tief dunkelroth werde. Tiedemaxv undGMELiN bestätigl^,'*
diese Färbung, wobei ich jedoch bemerken muss, dass in m®“'
nen Versuchen der Speichel nur rostfarbeiiroth, nicht purpurfa’’'
ben wurde, ich mochte nun verschiedene Eisenoxydsalze anwei'"'
den. Vergl. oben p. 120. Ktjehs bezweifelt die Gegenwart
Schwefelcyan im Speichel, weil er sowohl nach Ere’s als n»*^
Gmelin’s Verfahren keine Schwefelsäure entstehen sah. We®**
Speicheldestillat Eisenoxydsalz röthet, so kann cs in Folge s'®*'
essigsauren Salzen geschehen seyn , — eine Farbenveränd®'
rung , die wirklich essigsaure Salze mit salzsaurem Ei*®®'
Oxyd bewirken. Schweigger’s J. 59. 378. Vergl. Schultz ^
a. 0. Kästner bemerkt, dass die durch Essigsäure erzeugte
bung doch nie vollkommen blutroth ist. Hier muss ich ^
erinnern, dass auch die des Speichels nicht blutroth ist. Ee
[Journ. of Sc. litt. a. A. — N. S. 7. 60.) hält das Schwefele/®'
im Speichel durch seine Versuche für ganz ausser Zweifel gesetzt Io
Von den animalischen Stoffen des Speichels, Speichelst® ’
Schleim, Osmazorn, fanden Tiedemann und Gmelin ersten be*
Schaf, letztes beim Hund fast gänzlich fehlend. ^
Der an den Zähnen sich ansetzende Weinstein des Mensen
besteht nach einer von Berzelius angestellten Analyse aus
Speichelstoff 1,0
Speichelscbleim 12,5
phosphorsanren Erdsalzen .... 79,0
von Salzsäure aufgelöstem Thiersloff 7,5
100,0
4. Von den Verdamngssäften. Magensafi.
495
Bei den Insecten ist der Speichel nicht genau untersucht, er
'Scheint nach Resgger {physiol. Untersuchungen über die tiderische
^^^ushaltung der Insecten. l'iib. 1817.) alkalisch.
b. Succus gastricus, BTagensaß. Die Angaben der früheren Na-
Wforscher, u’^clche sich mit Untersuchung des Magensafts be-
®^iiäftigtcn, widersprechen sich durchaus. Spallanzahi, der zu
^>^elscn suchte, dass der Magensaft ein Auflösungsmittel für die
|peisen in und ausser dem Magen sey, behauptete, dass er voll-
kommen neutral sey, und Montegre [sur la digestion. Paris 1804.)
joid ihn zwar me'ist sauer, läugnete aber die Aufli«ungskraft
Magensaftes. Helm [^wei KrankengescMchten. IVien
I ) fand hei einer Person mit einer Oelfnung im Magen
^oine saure BeschalFenheit des Magensaftes. Dagegen haben
;taiDET, Carmis-ati, Brugjiatelli, Werker die saure Beschat-
•«•»lieit desselben beobachtet. Die Verschiedenheit der Angaben
^Wde indess bereits durch Carmikati’s Erfahrungen {über die
^atur des Magensaftes. Wien 1785. 8.) einigermassen aufgeklärt,
nämlich den Magensaft hei fastenden, fleischfressenden Thie-
niemals sauer, aber diese Reaction deutlich fand, sobald sie
f'leisch gemessen hatten. Derselbe fand auch den Magensaft pflan-
!;®»>fressender Thiere sauer, dagegen keine vorstechende Säure ira
Magensaft des Menschen und der Thiere von gemischter Nahrung.
k'EDEMAKK und Gmelik haben diese Frage endlich entschieden.
^'0 fanden die im Magen nüchterner Pferde und Hunde vorkom-
**'0nde Flüssigkeit fast ganz neutral oder nur kaum sauer, dage-
eine entschieden saure Reaction , sobald den Thieren nur
Mechanische Reize, wie Steine oder Pfeffer, bcigebracht worden,
^iess haben auch Lelret und Lassaigke beobachtet. In diesen
^»llenwar nur der Magensaft sauer, die Eigenschaft rührte nicht
den Absonderungen in der Speiseröhre her, denn letztere
Mogirte in diesen Fällen nicht sauer. Für diese Säure spricht
^M'igens die allgemeine Erfahrung, dass die Milch ira Magen, auch
jungen Thiere und im 4len oder Laahmagen der Wiederkäuer
^®cinnt.
Es ist interessant, den Grad der Acidität des Chymus zu ken-
Schultz hat hierüber Beobachtungen angestellt. Zieht
Moö das Mittel aus diesen Beobachtungen , so erlordert 1 Theil
^Hmus etwas mehr als 1 Proc. Kali carhonicum zur Saturation.
. Die Quelle der Absonderung des Succus gastricus scheint die
>ere Fläche des Magens selbst zu seyn, wenigstens bei den
^‘‘■eren, wo keine besonderen Drüsen zu dieser Absonderung
''"'chanden sind. Tiedemakk und Gmelik haben die das Gerin-
der Milch bewirkende Eigenschaft des Magens nicht bloss
der Portio pylorica, sondern auch m der Portio cardiaca
Mrgenommen. Bei mehrern Säugethieren kommen übrigens
^^sondere Drüsen im Magen vor, wie die grosse Druse des
{;‘«ers, deren Saft wahrscheinlich zur Auflösung der Rind®»
Cstimmt ist , eine ähnliche Drüse in der Portio cardiaca es
‘‘‘‘Sens hei Myoxus, und es gehört hierher ebenfalls der ^ro-
UMriculus der Vögel, zwischen dessen innerer Haut uncl Mus-
^®*^aut sich eine ganze Schicht blinddarmförmiger Drusen mit
496 11. Buch. Organ, ehern. Processe. IV. Abschnitt. Verdauung. ■
gesonderten Mündungen befindet. Diese Drüsen sind immer eio-
laclie, aggregirte selten Haufen zusammengesetzter Blinddärmcbe**'
Sielie darüber Home lectures on comparaiive anatomy. T. II. unu
J. MtrEELEn de penit. gland. struct. Die erste genauere cbemiscb®
Untersuebung des Magensaftes ist von Protjt philos. Transad'
1824. p. 1. Er zeigte, dass sich im Magensaft des Kaninchens?
Hasen, Pferdes, Kalbes, Hundes freie Chloi-wasserstoffsaure
säure) befindet, auch hat er svie Childres {Arm. of phüos. J,
1824.) Salzsäure in der von Dyspeptischen erbrochenen FIiissighe‘|
gefunden. Auch Prevost und Le Rover (Froriep’s Not. 9. 19^-^
bestätigten die Salzsäure im Magensaft. Leuret imd Lassaig^'^
haben diese geläugnet, allein Prout bat ihre Einwürfe widerleg^'
Annals of philos. N. S. Dec. 4826. 405. Tiedeman:n und GmEEI*^
fanden dagegen 3 Säuren im Magensaft: 1) Salzsäure, im MngE”'
saft der Hunde und Pferde. 2) Essigsäure, im Magensaft dersE^
ben. Milchsäure, die der Essigsäure ganz nahe verwandt ist, h“'
ben auch Chevreiti. in dem Erbrochenen eines Nüchternen,
Graves in dem Erbroehenen eines Dyspeptischen gefunden.
DEMABN und Gmelin l. c. p. 152. — 3) Butlersäure. Diese Säiü®
fanden die deutschen Naturforscher zweimal im Magen des Pfei’dE*’
ScauLTz liat den Cbymns mit Wasser destillirt, und gefuiulEl’’
dass die Säure bei vielen Thieren zum Theil oder ganz llüchü:’
ist. Eine flüchtige Säure fand sich vor bei einem Pferde,
mit Hafer, bei einem Schweine, das mit Erbsen, bei einem R**'’
und bei Schafen, die mit Gras gefüttert worden ; dagegen Avar
Säure nicht flüchtig bei allen fleischfressenden Thieren, Ijci
genden Schafen, bei mit Heu gefütterten Pferden und l)ei
ninchen, die mit Brot, Gras und Kartoifcln gefüttert waren.
Schafen, welche Hafer oder frisches Gras bekommen hatten, ■ä'®’
die vSänre im ersten Magen flüchtig, im vierten Magen aber nid'^'
flüchtig. Die Säure schien nach seinen Versuchen freie Essig'
säure zu seyn, dagegen die Salzsäure nach Schultz im Chyi»“"*
nicht frei, sondern mit Kali verbunden Vorkommen soll.
Die im nüchternen Zustande bei den wiederkäuenden Tbi®'
ren in den beiden ersten Magen sich sammelnde Flüssigkeit ent'
hält viel kohlensaures Alkali, nach Prevost und Le Rover (PEf'
RiEp’s Not. 9. /J. 194.); Tiedemavb und Gmelib haben diess b®'
stätigt. Nur der 3. und noch mehr der 4. Magen enthält saö'
ren Magensiift.
Noch niemals ist der Magensaft des Menschen in so grosse*
Quantität, so rein und so liäufig untersucht w'Orden, als von Bbae''
mont, welcher bei einem Manne mit Magenfistel während mehrer®*
Jahre eine grosse Reihe von Versuchen über den Magensaft ***’'
stellte. Er hat cs bestätigt, dass der Magen in leerem Zustan**®
keinen Magensaft enthält, und dass die den Magen benetzet*«
Feuchtigkeit in diesem Zustande nicht sauer reagirt; sobald
Speisen in den Magen gelangen, tritt diese Absonderung ein i*'*
der Magen reagirt sauer. Schultz, welcher die Existenz des Ma'
gensaftes gänzlich läugnet und die saure Reaction des Cbyn)**
von der Zersetzung der Speisen selbst ableitet, musste einen E***^
Wurf gegen seine Ansicht in dem Factum finden, dass, wie T*®'
497
4. Von den Verdauungssäften. Magensaft.
^emakn und Gmelin LeoLacTitet liaLen, die Absonderung des Ma-
gensaftes bei nücliternen Tbieren durch mecbaniscbe Reize, wie
'erscblungene Steine hervorgerufen werden kann, und erklärt den
•»ierauf Vorgefundenen sauren Magensaft für Reste des sauren
^•‘ymus. Nach den so zahlreichen Versuchen von Beaumomt
’“ssl sich indess nicht an der Existenz des Magensaftes zweifeln ; er
die Aljsonderting des Magensaftes durch künstlich eingehrachte,
'mechanisch wirkende Mittel, wie eine Rautschuckröhre oder die
^mgel des Tlici’mometcrs, mit welcher er den Magen reizte, erst
'iaiin hervorgehraclit, nachdem er sich vorher überzeugt hatte,
nichts in dem Magen war, und dass die Magenwände nicht
*muer reagirten. Nach jener mechanischen Reizung entstand
"mn in allen, so oft wiederholten Versuchen eine ziemlich be-
^‘'üchtliche saure Absonderung, so dass er bei jenem Suhjecte
mft gegen 1 Unze Magensaft sammeln konnte. In diesem remen
^'istan'de ist der Magensaft früher noch niemals untersucht wor-
Beaumost beschreibt den Magensaft folgendeimassen : Der
^^agensaft ist ein klares Fluidum ohne GeiTich, von etxvas salzi-
gmna und sehr merklich saurem Geschmack; er schmeckt wie eine
’^bune Auflösung von Mucilago, welche von Salzsäure leicht ge-
^muert ist; er ist in Wasser, Wein, Weingeist auflöslich, mit Al-
^'•lien effervcscirt er leicht, er schlägt das Eiweiss nieder, fault
*clir schwer und hindert die Fäulniss in thierischen Stoffen. Spei-
mliel soll dem Magensalt eine hlauc Färbung xind ein schäuraiges
^msehn mittheilcn; gegen Nahrungsstoffe verhält er sich auch aus-
dem thierischen Körper als ein Lösungsmittel, wie die vielen
"mii Beaumont angestellten Versuche beweisen. Dieser Autor hat
den Magensaft von Dunolison untersuchen lassen. Er enthielt
^meic Salzsäure und Essigsäure, phosphorsaure und salzsaure Salze
"hs den Basen von Kali, Natron, Magnesia und Kalk, und eine
diierische Materie, welche in kaltem Wasser löslich, in heissem
mber unlöslich ist. Beaumont hat auch den Magensaft von Siu-
'-'Man untersuchen lassen; diese Untersuchung hat aber keinen
^erth, da der Magensaft mehrere Monate bis zur Analyse aulhe-
'''alirt wurde. Er verhielt sich auch jetzt noch sauer, nachdem sich
^'mreits ein ■ Häutchen auf ihm gebildet hatte; er enthielt Salz-
^mure, eine Sjuir vmn Schwefelsäure und wie Sii.liman veimu-
^•»et, auch etwas Phosphorsäure.
,, Beaumont bemerkt ausdrücklich, dass der Magensaft von
^'einen hellen Punkten oder sehr feinen Papillen allgesondert zu
erden scheine.
Die Flüssigkeit des Kropfs der Vögel reagirt nach Tiede-
m,d Gmei.in gemeiniglich sauer. Die Flüssigkeit des Drü-
^eiijiiagens enthielt auch im nüchternen Zustande eine freie Säure,
^•e Milch gerinnt durch den Magensaft der Vögel. Die Säure
"es Magensaftes rührt von Salzsäure und wahrscheinlich auch von
■Essigsäure her. Trevihanus {Biol. IV. p. 362.) hat die Frage
geregt, oh der Magensaft der Vögel Flusssäure enthalte, da nach
jäuGNATELLi (Ceeli, Annalen 1787. /. p. 2.‘i0.) BergkrystaU und
Eat in Röhren eingeschlosscn nach lOtägigem Verweilen im
^gen der Hühner und Truthühner deutlich angegriffen waren,
498 11. Buch. Organ, ehern. Processe. IV. Abschnitt. Verdauung.
and 12 Lis 14 Gran an Gewicht verloren hatten und TaEViKArJt^®
selbst Aehnliches an einer Porzellanschale, worin Clirnius de*"
Hühner digerirt wurde, bemerkt hatte. Tiedemaitn und Gmee<^
konnten diess nicht sicher entscheiden. Sie digerirten den Magensad
von Enten in einem Platinticgel, der mit einer mit Wachs über-
zogenen radirten Glasplatte bedeckt war, fanden aber nach 24 Stun-
den keine Spur von Aetzung am Glase. Tiedemahu und Gme^^
schliessen hieraus nicht, dass der Magensaft der Vögel kein®
Flusssäure enthalte, da Fluorcalcium wenigstens in verschiedenen
thierisclien Theilen, wie im Harn und in den Knochen, bereit*
gefunden ist, l. c. T. 2. p. 139. Der Magens.aft der Amphibien re-
agirt meist sauer, auch der Magen der Fische enthält besonder*
im gefüllten Zustande auch eine freie Säure. Es war aus anderen
Gründen wahrscheinlich, dass auch hier Salzsäure und Essigsäuf®
die Lösungsmittel seyen. Leuret und Lassaigae {recherches phpi^.
pour servir a l’histoire de la digestion. Paris 1825.) halten die fr®‘®
Säure des Magensaftes in allen 4 Classen für Milchsäure. Auc®
bei den niedersten Thieren muss der Magensaft wohl auflösen‘
seyn. So ziehen die Medusen und Actinien leicht auflösbar®
Thierc mit harter Schale aus.
Da cs ausgemacht ist, dass der Magensaft auch ausser d®®*
thierisclien Körper auflösend auf thierischeTheile wirkt; so finde i®^*
es nicht wunderbar, wenn der Magen nach dem Tode zuwed®*'
davon angegriffen wird und schneller als andere Theile si®'*
erweicht, wie man diess besonders bei Kaninchen und klein®®
Kindern findet; ich habe es bei ersteren gesehen und ich wci**'
dass es nicht von der Todesart abhing. Vergl. über die widersp®®'
chendenErklärungenRuDOLPHi’sPAyA/o/. //. ‘A 119., wo das Factm®
ungenügend von der Fäulniss abgeleitet wird. Es ist freilich ein®
Zersetzung , die aber ihre localen materiellen Ursachen hab®®
muss, und wahrscheinlich in den chemischen Eigenschaften d®*
Magensaftes hat.
c. Die Galle.. Die Absonderung der Galle ist eine in d®®
Thierwelt so weit verbreitete, und in ihrer Bedeutung für d®®
Verdauungsprocess doch so wichtige Secretion, dass es von def®
grössten Interesse ist, zu wissen, ob sie überhaupt jemals au®®
bei den niedersten Thieren entbehrlich werden kann. Was m®®
bei den Würmern als erste Anfänge der Gallenorgane aiiseb®®
konnte und angesehen hat, sind die blinden Erweiterungen od®®
blinddarmförmigen Anhänge des Darmkanals, welche bei dem
dicinlschen Blutegel ln ihrem einfachsten Zustand noch blo**®
Seltenerweiterungen, bei den Aphroditen lange dünne Blinddäri®'
chen, bei verschiedenen Würmern aber schon verzweigt s‘®|'
und endlich Ijei den Planarien und Distomen schon einen
ständig verzweigten Darmkanal (ohne After) darstellcn.
blinden Anhänge am Magen der Seesterne, welche auch k®*'
nen After besitzen, könnten auch als analoge Absonderungs®’'
gane angesehen werden, allein es lässt sich nicht ei-mitteln , ® ’
und w'as alle diese Organe absondern. Bei den Insectcn münd®'^
bald tiefer bald höher in dem Darmkanal, immer hinter de®
weiten Theil des Darms, den man für den Magen hält, die s®'
499
4. Von den VerJauungssäßen. Galle.
Senannten Gallengefässe, Vasa Malpigliiana ein, lange, meist paa-
gewundene Röhren mit blindem Ende. Diese Gefässe ent-
*‘alten indess keine Galle, sondern nach Wurzer (Meckee’s
Archiv 4. 21.3. vergl. 2. 629.) barnsiiures Ammonium, nach Che-
'■REul (Straus -Duerckheim consideraiions generales sur l’anatomie
anim. articul. Paris 1828. 4. 251.) Harnsäure. Diese Gefässe
*Ecemlren iiberdiess während der Entwickelung der Puppe, wo
"iöbts verdaut wird, sehr stark. Sie sind also offenbar Ausschei—
*^Ungsorgane , Vasa urinarla. Sie münden ei'st binter dem
^lieil des Darms ein, worin der Chylus gebildet wird, und
^ei den Larven oft kiu-z vor dem After. Dagegen giebt es bei
'Mehreren Insecten höher in den Daim einmündende Blmadarni-
'Iien oder sogar ähnllehe Vasa Malpigliiana superiora. Ich bin
Sfineigt, mit Meckel {Jrch. 1826.) letztere für die gallabsondernden
^Egane zu ballen. Mit solchen Blinddärmchen ist der bei den
^«ischfressenden Käfern auf den Muskelmagen folgende bäutige
^I^gen besetzt, und ähnliche Schläuche kommen bei mebreren an-
'^®ren Insecten vor. Bei vielen Orthopteren, Manlis, Gryllus,
^Utta giebt es ähnliche Blinddärmchen hinter dem auch hier vor-
*^ommenden Muskelmagen, und bei Locusta, Acheta, Gryllotalpa
•Runden die Vasa Malpigliiana superiora in besondere schlauchar-
Anhänge des Darms hinter dem Muskelniagen ein. V/as
bei den Insecten Magen nennt, jener weitere mittlere Thed
Darms, bald allein, liald hinter einem Muskebnagen, ist etwas
8®>iz anderes als der Magen der höheren Tliiere; die Speisen wer-
*1®*! hier aufgelöst und dringen von hier aus m den Fettkörper,
alle Organe verhüllt; dieser Tbeil des Darms ist die Pars
^%lopoctica, während die Excremeutbildung von der Einniun-
S>gsstelle der Vasa Malpigliiana oder urinaria anfangt. Diese
^Erlegung wird noch sicherer, wenn wir bei den Spinnen, na-
mentlich beim Scorpion am obern Tlieil des Darms wahre gal-
®aabsondernde Gefässe , am untern Theil Vasa Malpighina
^treffen. Siehe meine Schrift de penit. gland. struct. Tab. 8.
8.
P„ Die Leber hat bei den Wiibelthieren zweierlei zuführende Ge-
Arterien, eine zuführende Vene (Pfortader), und einerlei rück-
märende Gefässe , die rückfübreiiden Venen oder Venae bepaticae.
<leraMenscben und den Säugethieren setzen die Venen des Ma-
bEfts, Darms, Mesenteriums, der Gallenblase, des Pancreas die in der
, '^^Jer nach Art einer Arterie sich verzweigende Pfortader zusammen,
aus den Capillargefässen der Leber, zu welchen auch die Leber-
w^erien führen, kehrt das Blut durch [die Lebervenen zurück in die
j ^‘‘a cava inferior. Bei den Vögeln und Amphibien geht zur Pfort-
auch ein Theil des Blutes' der untern Extremität, des Schwan-
Beckens. Jacobson, Meck. Arch. 1817. 147. Nicolai
Y ^6. 404. Die Pfortader erhält zuweilen bei Fischen auch die
der Genitalien und der Schwimmblase, vergl. üben p. 426.
Q**®* sich das Blut der Pfortader und der Leberarterie »i den
e'^mUargefässen der Leber vermischt, und von dort gemeinschaft-
tv ‘lie Lebervenen übergebt, nicht aber 2 CapillargePässsysteme
Aschen Pfortader und Lebervenen, dann zwischen Arterien und Le-
500 II, Buch. Organ, ehern. Processe. IV.Ahschnüt. Verdauung.
hervenen existiren, scheint der überaus leichte Uebergang der injicir'
ten Flüssigkeiten aus einer Ordnung dieser Gef asse in die andere
beweisen, worüber häufige Erfahrungen von Haller {Eiern, physiol. lij'-
23.), F. A. Walter {annotat. acad. Berol. 1786.), Rudolphi [Physiol
II. 2. p. 146.) und mir {de gland. sfruef. Uh. 9.) vorhanden .sin“'
Bei den Fröschen lassen sich die netzförmigen Verbindungen *1“*
feinsten Blutgefässe ohne alle Anstrengung, und fast durch eine*'
geringen Hauch durch die Pfortader aufhlasen; hierbei dringt
die Luft sehr leicht durch die Lebervenen in die untere Hohlvcn®’
und zwar ehe Zerreissung der Leber erfolgt. Was die Richtung
der feinsten Zweige der Pfortader und Lcherarterie auf der Obe*'
fläche der Leber ])Ctritft, so verbreiten sich nach meinen Beohacl*'
tungen die Zweige der Pfortader vorzüglich zwischen den Acii'*.’’
nämlich aus der Tiefe gegen die Oberfläche kommend. Die Zvfß'"
gelchcn der Leherarterie verbreiten sich dagegen theils auf de’J
Wänden der anderen Gefasse, theils in dem serösen Ueherzug dß*
Leber, und werden nicht so schnell dünner, so dass man oft nici)_
unterscheidet, was Stämmchen und Zweige sind. Offenbar ist di*'
Verbindung des serösen Uebei'zugs der Leber mit der gesain’**'
ten Ausbreitung des Peritonaeums durch gleiche nämlich aH®'
riefle, Geiässe vorgesehen. Daher verbreitete Entzündungen d®’
serösen Haut des Unterleibs sich auch über die Oberfläche d®*
Leber fortsetzen können, ohne dass Entzündung der Lebers»!’'
stanz statt findet.
Nach Kiernam’s Untersuchungen verzweigt sich die Lehera’’'
terie vorzugsweise auf den Wänden der Gallengänge, Gallcnbla'**’
und der andern Blutgefässe. KtERSAN streitet gegen die Annahr“®’
dass in dasselbe Capillargefässnetz , aus welchem die Anfänge d®®
Lebervenen entstehen, sowohl das arterielle Blut als das Venös® ,
Blut der Pfortader ergossen werde. Nach Kierisaw geht das fli" I
der Arterie, nachdem es die W'ände der Gefasse ernährt
aus den Netzen der Arterien in Zweige der Pfortader über,
von dort ans mit dem übrigen Pfortaderblut in die Leberven®'*'
Die Acini der Leber dagegen erhalten vorzugsweise venöses Bi“ *
welches zwischen den feinsten Gallengefässen durch Capillarg®'
fässnetze in die Lebervenen üborgeführt wird. Siehe die Geg*-’“'
gründe oben p. 4.30. Nach Kiernah wdirde die Ahsondeiung *i®
Galle mehr aus venösem Blute geschehen. In den Gallengäng®'*
kommen auch kleine Schleimfolliculi vor, welche Riehvas »a®*
gewiesen hat; derselbe lässt diese Absonderung des Schleims B'®
wie in der Gallenblase von arteriellem Blute geschehen.
Dass die Gallenahsonderung indess atich aus arteriellem Bl“
geschehen kann, beweisen Fälle, in w'clchen die Pfortader,
sich in der Leber zu verbreiten , vielmehr in die untere >
ader überging. Dieses sah Abernethy ( Philos. Transact. 1'^®' '
bei einem 10 monatlichen Knaben, und Lawrence {Medico-cha"^
Transact. 5. 174.) theilte einen Fall von einem melu'jähng®^
Kinde rnit. Da indess in dem Falle von Abernethy die
umbilicalis noch diu-chgängig war und sicli in der Leber
zweigte, so kann, wie Kiernan bemerkt, das Arterienblut, nachd®^^
es durch die Vasa vasorum die Leber ernährt, venös geworo® ’
4. Von den Verdauungssäften. Galle.
501
die Zweige der UmLillcalvene- getreten seyn, so wie es nach
^'ekkak’s Vorstellung venös geworden sonst in die Aeste der Pfort-
üLcrgeht; in diesem Fall könnte also die Absonderung doch
''Us venösem Blute statt gefunden haben. Kibruan Philos. Trans-
18.3.3. P. II.
U SiMOüf {Now. hüll, des sc. par la soc. phüomat. 1825.) und
^“».Lips {Lond. med. gaz. 18.3.3. Jun.) schlossen aus Versuchen,
'J‘‘*s die Galle vom Plbrtaderhlute abgesondert werde. Da in-
in Phillips Versuclien auch nach Unterbindung der Pfort-
die Ahsonderung der Galle fortfahren soll, wiewolil in gerin-
Sßpep Menge, so schliesst er, dass die Galle sowohl aus dem arte-
*'®llen als venösen Blute abgesondert werde. Nach Unterhin-
p'ig der Arteria hepatica fand er keine Veränderung der Gal-
'^äahsonderung.
Die Gallenblase der Wirhelthiere zeigt sich in der Ent-
"'^^kelungsgeschichtc als Divertikel oder Auswuchs des Ausfüh-
'^'^Ogsganges der Leber. Siehe meine Schrift de penit. gland.
jjeim Menschen und Lei mehreren Säugethieren kann
aus dem Lebergang dem Ductus choledocbus zufliessendc
durch Verschliessung der Darmmündung des letztem,
'^der verlängerte Contraction des Ganges in den Ductus cy-
l'^'cus und die Gallenblase ausweichen, wie denn diess im niieh-
^•■äen Zustand vorzüglich geschieht. Bei den Thicren erhält
Gallenblase aber häufig am Halse oder Grunde beson-
Lebergänge, Ductus hepatico-cystici, die behn Menschen
®'cht vorhanden sind. Bei den Vögeln mündet der Lebergang,
Ductus cysticus getrennt, in das Duodenum. Die Gallen-
erhält ihre Gallo durch besondere Lebergänge am Halse
, er Grunde. Bei den lleptilien gelangt die Galle durch Aeste
. Leberganges in die Gallenblase. Bei den Fischen verbinden
alle Leberäste mit der Gallenblase oder dem Ausführungs-
derselben. Cuvier, nergl. Anat. .3. p. 597. Wahre Ductus
j^Pätico-cystici kennt Rudolphi Physiol. {II. 2. 15.3.) unter den
] '•Ussäugethieren nur vom Rinde (8 — iO.). Mehrere Thiere ha-
gar keine Gallenblase. Hierher gehören unlei- den Säuge-
v*ercu die Einhufer, ferner die Hirsche und Rameele, Elephant,
t'‘shorn, Daman, Pekari , Hystrix ; dorsata , Hiunster, viele
-r?,'.'«searten , die Tardigraden , Rytina , der Braunfisch und
^Qunler unter den Cetaceeu’. Unter den Vögeln fehlt sie
Papagay , Kukuk , Strauss , Taube , Holztaube , und Ha-
^ ^‘ölui. Unter den Fischen fehlt sie bei der Lamprete
dem Querder (nicht den Myxinoideen) , dem Nilbarsch,
n» . . ... . .. I • — .1 T n
äi,
gestreiften Plattfisch , der Meerleier , dem Lump und ei-
Seiänen. Siehe Cuvier 1. r. p, 591. Also zeigt sich
.'lern Mangel derselben nichts Gesetzinässiges , obgleich dic-
^^“*gen Thiere , denen sie fehlt , meist Pflanzenfresser sind
äaehrcntheils beständig verdauen. Allein sehr viele PÜan-
p ^fresser besitzen eine Gallenblase. Wo sic fehlt, ist häu-
^ Ausführungsgang der Leber sehr erweitert, wie beim
I^ie Gallo ist grün, bitter schmeckend und ekelhaft riechend.
502 II. Buch. Organ, ehern. Processe. IV. Abschnitt. Verdauung.
die Lebergalle heller, die Gallenblasengalle wegen Resorptip*’
flüssiger Tbeile consistenter und grüner, von aufgelöstem Sclile*^
fadenziebend. Sie enthält sparsam weissliche oder graue K-ügc*'
eben; beim Frosch sind sie nach meiner Beobachtung von uO'
gleicher Form und Grösse, und im Durchschnitt 5 mal klein®'
als die Blutkörperchen des Frosches, andere noch kleiner.
die Galle grün macht, ist aufgelöst. Im frischen Zustand ist n*
Galle nach Schultz immer alkalisch. Die Galle gerinnt nicht bo^
Kochen und löst Oele nicht auf. Nach Werner soll die Ga*
die Gerinnung des Blutes verhindern, und die Auflösung n
Blutroths im Blutwasser ausser den thierischen Röi’pern bed*"'
gen. Das letztere ist unrichtig.
Berzelius Analyse der Ochsengalle von 1807. Wird Ochs®"'
galle bis zur Consisteuz von Extract abgedampft und dann
Alcohol vermischt, so bleibt eine gelbgraue Substanz der Gaj'
ungelöst; sie ist, da sie auch von Essigsäure aus der Galle 1*5®”^
dergeschlageu wird, nicht Eiweiss, sie ist vielmehr der Schl®'"’
der Gallenhlase. Diese durch Säure aus der Galle niedergescb^"'
gene Materie, und der von der Gallenblase abgeschabte Schl®''”
mit Säure behandelt, verhalten sich ganz gleicli. „
Die Auflösung von eingetrockneter Galle in Alcohol entha
die wesentlichen Bestandtheile der Galle. Destillirt man den d''
cohol ab, löst den Rückstand mit wenig Wasser und vermis®"
ihn mit etwas verdünnter Schwefelsäure, so hat man in d®'?’
grüngrauen Niederschlag eine Verbindung mit dem cbaracterish^
sehen bittern Stoff der Galle. Denselben Stoff erhält man
gleicher Verbindung, wenn man von Gallenschleim befreite G»*'
mit weniger verdünnter Säure versetzt. Die Flüssigkeit, wov**"'
der bittere Stoff niedergeschlagen wird, enthält Osmazom, Ko®"'
salz, milchsaures Natron gleich dem Blutwasser. .
Die von Schwefelsäui’e mit dem bittern Stoff der G»* '
erhaltene Verbindung ist in Alcohol wie ein Harz aufl®’'
lieh, wird d.araus durch Wasser niedergeschlagen, und «"'S.
die Charactere eines Harzes. Man erhält den bittern Stoff
dieser Verbindung, indem die Auflösung dieser Materie in Al®"'j
hol mit kohlensaurem Baryt digerirt wird, die Schwefelsäure
dann abgeschieden und der bittre Stoff bleibt aufgelöst. Bif^f'
Lius hat diesen Stoff Gallenstoff genannt. Gmelin hält ihn fü®
Gemenge von mehreren Stoffen. Der abgeschiedene Gallenstoff ®''
hält eine gewisse Menge Fett, welches sich durch Aether dar®
ausziehen lässt. Chevreul und Gmelin haben dieses Fett aus
11*
de®
ÜLL Ut*®»
concentrirten Galle selbst durch Aether ausgezogen. Es best®,^
theils aus verseiftem Fett (fetten Säuren), theils aus einen»
genen, nicht mit Alkali verbindbaren Gallenfett. Der reine G®
lenstoff wird von Wasser aufgelöst, und die Auflösung besitzt Fa^
und Geschmack der Galle. Der Gallenstoff ist gelbbraun
lieh, doch scheint die Farbe von einem Färbestoff herzurüh^ ’
denn der Gallenstoff lässt sich fast farblos darstellen. Beim j .
hitzen schmilzt der Gallenstoff unter Aufblähen, verkohlt, rau®
entzündet sich tmd verbrennt mit russender leuchtender Fla»®*
und hinterlässi eine schwer verbrennliche aufgeschwollene Ko*
4. Von den Verdauungssäften. Galle.
603
GallenstolF ist in Wasser und. Alcohol in allen Verhältnissen
löslich, aber unlöslich in Aelher. Der GallenstofF wird auch von Al-
~*li aufgelöst. Berzelius glaubt, dass das in der Galle enthaltene
^ohlensaure Natron mit dem GallenstofF chemisch verbunden ist.
’on Galläpfelinfusion wird der GallenstofF aus Wasser nicht gefällt,
"'öhl aber von Metallsalzen. Nach der Analyse von Berzelius
jätbalt die Ochsengalle;
Jasser 90,44
“atlenstofF mit Fett 8,00
^allenblasenschleim ■ 0,-30
“Sinazom, Kochsalz und milchsaures Natron ..... 0,74
Patron 0,41
l*liosphorsaures Natron, pliosphorsaure Kalkerde und Spu-
ren von einer in Alcohol iinlösbchen Substanz . . . 0,1 ^
100,00
Protjt’s Analyse stimmt im' Wesentlichen mit der von Ber-
dagegen erhielt Thenard (1806) bei einer andern Methode
®äclere Resultate {mem. de la soc. d’arc. 1. 23.). Er analysirte
Galle mit essigsaurem Bleioxyd. Nachdem er nämlich eine
ihm für Eiweiss gehaltene Materie der Galle mit Salpe-
tersäure gefällt hatte, vermischte er die Fdtrirte und verdünnte
Flüssigkeit mit einer Auflösung von basischem essigsaurem Blei-
"^yd. Dasjenige, Avas beim Zusatz von Salpetersäure ziun Nleder-
®phlag ungelöst bleibt, nannte er Gallenharz. In dem noch flüs-
**gen Theil der mit Bleisalz versetzten Galle fällte er durch neuen
jäsatz von Bleisalz eine andere Substanz, welche nach Abschei-
'^öng des Bleisalzes ganz in Wasser löslich ist, nämlich eine ex-
‘ractartige, süssliche, bittere Masse, die er Picromel nannte.
Themaro’s Gallenharz ist grün und bitter, beim Schmelzen
"'‘rd cs gelb. Es ist in geringer Menge in Wasser löslich, und
^‘rd daraus durch Schwefelsäure gefällt. Seine Auflösung in Alco-
ö"?! wird durch Wasser niedergeschlagen. In Alkali ist es löslich und
2'*'d daraus durch Säure gefällt. Picromel ist zähe, hellgelb, im
^^Ussern Avie Terpenthin. Es ist in Wasser und Alcohol löslich,
nicht in Aether. Es Avird von basischem essigsaurem Blei-
''’'yd, von Eisenoxydsalzcn und salpetersaurcm Quecksllberoxydnl
^®Fällt. Gallenharz ist in Picromel auflöslich und es wird hier-
öärch wieder Galle gebildet. Berzel. TAlerc/i. 18.3. 1000 Theile
'^hsengalle enthalten:
Wasser 875,6
Gallenharz 30,0 ■
Picromel 75,4
gelben FärbestolF der Galle . . . 5,0 '
Natron ®)0
phosphorsaures Natron .... 2,5
Kochsalz d,0
schwefelsaures Natron 1,0
schwefelsauren Kalk 1,5
Spur von Eisenoxyd . • .
1000,0
Berzelius machte es wahrscheinlich, dass statt dieser beiden
'iller’s Physiologie. d3
504 II. Buch. Organ, ehern. Processe. IV.Ahschnitt. Verdauung.
StofFe Gallenliarz und Picromel nur der einzige GallenstofF anzuneli-
men scy, welcher wegen seiner Eigenschaft, durch Verhindung J»*
Mineralsäure ein Harz zu bilden, zur Annahme des Gallenhar*®*
veranlasst habe. Gmelin hat dagegen Thenard’s Ansicht bestätigb
dass in der Galle wirklich Picromel nebst einem Harz enthalte*'
ist, oder einer Materie, die durch geringe äussere Einflüsse in Ga*'
lenharz verwandelt wird. Gmelin führt in seiner Chemie ‘i*'*
Gallenharz unter den stickstofffreien, das Picromel unter
stickstofibaltigen Körpern auf. Das Picromel ist seitdem
Chevrf.ul, Chevallieu und Lassaigne auch in der menschlich®f
Galle gefunden worden, wie denn Oefila, Laugier und CavenTöJ*
dasselbe auch in menschlichen Gallensteinen entdeckt haben. Pi® .
Thewarti wird der Gallenstoff dem Albumen um so ähnliclier, 1®
mehr durch einen krankhaften Process die Leber sich in
zu verwandeln scheint. Huenefeld physiol. Chem. 2. 108.
Die Picsultate von Gmelih’s Analyse der Ochsengalle gebe**'-
1. moschusartig riechender Stoff; wird durch Destillation
Galle erhalten, wobei er als riechendes Wasser übergebt.
2. Gallcnfelt Cholesti’in. Bestandtheil der Gallensteine,
Chf.vreul in der frischen Galle nachgewiesen, auch in andere”
Theilen, im Blut nach Boudet, sonst meist krankhaft vorko***'
mend, wie in dem Wasser der localen Wassersüchten, Hydrocei®*
im Markschwamm. Man gewinnt das Gallenfett der Galle, inde***
man die abgedampfte Galle mit Aether schüttelt, welcher es auszie^*^’
Nach dem Abdestilliren eines Thcils des Aethers krvstallisirt
beim Erkalten aus dem B.ückstand, verunreinigt mit Oelsäure, ■r”’'
der cs sich durch Aullösen in kochendem Alcohol reinigen lässh
aus dem es beim Erkalten ansebiesst. Gallenfett krystallisirt
weissen perlmutterglänzenden Blättern, ist ohne Geruch und F'®'
Schmack und schwimmt auf Wasser. Von kaustischem Kali 1®*?
sich das Gallenfett nicht auflösen oder verseifen, worin einer s®*'
ner HauptcharacLere besteht. Hierin stimmt es mit Hirnfett üb®”'
ein, enthält aber keinen Phosphor; es ist das kohlenstoffhaltig**^*^
aller Fettarten. Behzelius Thierchemie. 185.
3. Oelsäure, ein blassgelbes, halb durchsichtiges Oel, Lacnn**'
papier röthend.
4. Talgsäurc, krystallisirt in farlilosen perlmutterglänzend®'’
Blättchen. Die Auflösung in Weingeist röthet das Laemuspap*®*'
5. Cholsäure, eine neue Suljstanz, krystallisirt in feinen P*?'
dein, von scharfsüssem Geschmack, enthält Stickstoff, und is^-
kochendheissem Wasser etwas löslich; die Lösung röthet Lacin®*,
papier; im Alcohol ist sie leicht löslich. Von Schwefelsäure
sie aufgelöst und daraus wieder vom Wasser gefällt. Die
Cholsäure gebildeten Salze sind löslich und zuckersüss, die ^®'rg
ist stärker als Harnsäure und zersetzt auch in der Kälte d'
kohlensauren Alcalien. Berzelius Thierchemie. 190.
6. Gallenharz, in Ider Kälte spröde, bei mässiger WSr*^
weich, von brauner Farbe, hell durchscheinend, auflöslich * ^
Alcohol und daraus durch Wasser fällbar. Es brennt, db®
100 Grad erhitzt , mit russender Flamme und aromatische ^
Geruch, und hinterlässt eine schwammige, leicht verbren"'
505
4. Von den Verdauungssliftcn. Galle.
Kohle. In concentrirter Schwefelsäure löst es sich langsam
'Wasser schlägt es daraus in Flocken nieder. Es wird we-
der
von Salzsäure noch Essigsäure aufgelöst. Es verbindet sich
®>cht mit kaustischem Kali, diese Verbindung löst sich in rei-
‘'etu Wasser auf; es wird leicht von kaustischem und kohlensau-
Ammoniak, nicht von kohlensaurem Kali aufgelöst; alcohol-
fr,
®ier Aether löst fast nichts auf. Gmelin a. a. O. I. 57.
7. Taurin, ein neuer Stoff, in grossen, farblosen, durchsich-
Jigen Krystallen, irregulären sechsseitigen Säulen mit 4-oder6sei-
'•Ser Zuspitzung. Die Krystalle knirschen zwischen den Zäh-
und schmecken piquant; sie sind weder sauer noch alcalisch,
'"^r'äjjdoru sidj selbst hei -I-100®C. nicht in der Luft. Im olfe-
Feuer kommt das Taurin in dicken Fluss, wird braun, bläht
**.*^li auf, und hinterlässt eine leicht verbrennliche Kohle. Tau-
ist löslich in Wasser, sehr wenig in kochendem Alcohol, fast
nicht in wasserfreiem Alcohol; es enthält etwas Stickstoff.
I. c. 61.
8. Picromcl. Thehahd’s Picromel ist dickflüssig und wie Ter-
henthin. Gmelin’s Picromel ist undurchsichtig, besteht aus krystalli-
lj*®chen Krümchen und ist sehr reich an Stickstoff. Es ist in kaltem
•’^asser leicht löslich, ebenso in Alcohol, unauflöslich in Aethcr;
''' Concentrirter Schwefelsäure ist es leicht löslich mit Wärme-
tntwickelung, beim Erkalten gesteht es zur Hälfte zu einer kry-
^*^111111801160 Masse. Mässig concentrirte Salzsäure löst Picromel
Picromel wird nicht von Gall'äpfcUinctur gefällt, und lässt
nicht in Gährung versetzen. Tiievard’s Picromel soll eine
®rhindung von Picromel mit Gallenharz seyn.
9. Färbestolf der Galle (stickstoffhaltig). Der Färhestoff der
^alle zeigt ein characteristisches Verhalten gegen Salpetersäure
-*'d wird vermittelst derselben auch erkannt, wenn er in der
das Blut und den Urin aufgenommen worden.
^clbsucht etc.
tf
^arn, wenn er Färbestoff der Galle enthält, wird, wenn man ihn mit
®'äetu gleichen Volum Salpetersäure vermischt, zuerst grünlich,
^ ®än dunkelgrün, darauf schmutzig roth und später braun. Ber-
Thierchem. p. 4l0.
10. Osmazom. H. Eine Materie, die beim Erhitzen Harn-
entwickelt. 12. Eine pflanzenleimartige Materie. 1.3. EI-
14. Gallenblascnschleim. 15. Käsestoff{?). 16. Speichel-
ofF(?). ZAveiläch kohlensaures Natron. 18. Kohlensaurcs Am-
19. Essigsaures Natron. 20 — 26. Oelsaiires, talgsaui’es,
^ ^Isaures , schwefelsaures vind phosj)horsaures Kali und Natron,
°chsalz und phosphorsaurer Kalk.
Ij. Gmeliw hat in der Galle des Menschen Gallcnfett, Gal-
j,''>arz, Picromel und Oels'äure gefunden; ausserdem haben
„ I?'^''*herz und Gugert (Schw. .Tourn. 50. 68.) in der Menschen-
ch ? *'°ch Färbestoff, Speichelstoff, Käsestoff, Osmazom, ölsaures,
fg| ^*iures , talgsaures, kohlensaures, phosphorsaures vind schwe-
Natron mit wenig Kali, und phosphorsauren, schwefel-
cÄ kohlensauren Kalk gefunden. Vergl. Bebzei.'us Thier-
p. 206.
506 H. Buch. Organ, ehern. Processe. IV. ALschniü. Verdauung.
BERZELitrs Begleitet die cliemisclie Beschreibung der
mit der Bemerkung, dass die Zusammensetzung der Galle wo
einfacher sey, als die analytischen Resultate zu erkennen gehen,
und hält es für sehr wahrscheinlich, dass sie die eiweissartigen
Bestandtheile des Blutes zwar wesentlich verändert, aber mit de»
im Blute vorkommenden Salzen unorganischen Ursprungs ycr'
mischt enthalte, und dass das von eiweissartigen Bestandtheile»^
Hervorgebrachte eine so grosse Neigung zu Veränderungen »‘^
der Zusammensetzung habe, dass es durch Einwirkung von u»»'
gleichen Reagentien*, in verschiedene Verbindungen zeyset*^
werde, die verschieden ausfallen, nach den zu ihrer Scheidu»»!^
eingeschlagenen ungleichen Methoden, gerade so wie Oele n»»^
Fette durch Ein-wirkung von Basen in Zucker und in fette SäO'
ren lungewandelt werden. _
Nach Berzelius Analyse der Schlangengalle enthält dieseU»
einen eigenen Gallenstoff, der von Säuren und Alcalien nicht g®'
fällt wird. Vom Gallenstoff der warmblütigen Thiere unterscheid®^
er sich dadurch, dass er vom essigsauren Blei nicht in Gallenharz u»»
Gallenzucker (Picromel) zerlegt werden kann. Er ist verbünd®
mit Färbestoff, ähnlich dem Färbestoff aus der Galle ander®^
Thiere, der für sich in Wasser wenig löslich ist, in Verbindu«»
mit Gallenstoff aber sich reichlich darin löst. Die VerbindoijS
dieser beiden Stoffe ist der unzersetzten Galle ganz ähnli®‘‘'
Ausserdem enthält die Galle der Schlange eine geringe Quanüt».
eines krystalllsirenden, durch eine Lösung von kohlensaureni
fällbaren Gallenstolfe, analog demjenigen, welchen Gmelin in d®
Galle mehrerer Cyprinusarten fand, und welcher dort das G»'
lenharz und Picromel ersetzt. Nach Gmelin bewirkt der krystal*»'
nische Gallenstoff der Cyprinusarten, wenn er mit Galle yer'
Ihischt wird, eine Gerinnung zu einer grünlich-weissen, körnig®
Masse. Leider besitzen wir keine Untersuchungen über die Ga»
der Krebse und der Mollusken. .,
Einige Beobachtungen über die Galle hat Schultz angeste» ^
Belm nüchtei’nen Ochsen fand er 12 — 16 Unzen Galle in der
blase, nach der Verdauung noch 2 — 4 Unzen in derselben, bei
grossen nüchternen Hunde 5 Drachm. , bei einem Hund ^
Grösse nach der Verdauung 2 Dr. 17 Gr. Die Galle des Geh*
hatte ein specifisches Gewicht von 1,026 — 1,030; sie war
alcalisch; ihre Neutralisation erforderte, wenn sie dick war, 1
Weinessig auf 1 Unze Galle, dagegen, wenn sie dünn war,
Drachm. Weinessig. Das in der Galle durch Weingeist ents ^
hende Coagulum hält er nicht ftir Eiweiss, sondern für
Spelchelstolf ähnliche Materie, weil nämlich die Galle durch
keine Gerinnung eingehe. Die weingeistige Auflösung der
zur Trocknung eingedickten Galle war auch noch alcalisch,
her hält Schultz die gewöhnliche Meinung, welche auch
MANN Lind Gmelin hegen, dass die Alkalescenz der Galle
kohlensaurem fixem Alkali herrühre, für unrichtig; s»®
auch nicht von Ammonium her, weil das Destillat der GaUe^
alcalisch reagirt. Schultz nimmt ein organisches Alcali
Galle an, ähnlich den Pflanzenalcaloiden ; die in der Galle ^
4. Von den Verdauungssäften. Pankreassaft.
507
^ändene Oelsäure denkt er sich in einer Verbindung niit die-
sem alkalischen Stoffe. Das von Säuren hervorgehrachte Coa-
Sulura hält er nicht für Eiweiss, sondern für einen Nieder-
jenes Stoffes. Diesen Stoff glavihte er so darstellen zu
gönnen, dass er durch Essigsäure einen Niederschlag der Galle
die Essigsiiure durch Ammoiiiuin iieutralisirtej und das
cssiggaure Ammonium durch Destillation his zum Trocknen ah-
®chled. Das braune bittere Residuum war nun ira Wasser, Es-
und Weingeist löslich, und gab alkalische Anzeigen gegen ge-
^othetes Laemuspapier ; längere Zeit der Luft ausgcsetzt, -rcrlor
"liese Materie ihre Alkalescenz und war weder im Wasser, Essig,
Uoch Weingeist ganz löslich. Offenbar war diese Materm ein
^ainenge mit Gallenhlasenschleim, Avelcher nach BERZEuiur von
^^sigsäure aus der Galle gefällt wird. Nach dem Niederschlage der
^'‘lle durch Essigsäure hieibt, wie Schultz seihst bemerkt, noch
®‘he hitterschmeckende oder hiltersüsslich schmeckende Materie
der Auflösung zurück. Wie mit der Annahme eines Alkaloi-
in der Galle die Existenz eines krj'stallinischen Gallenstofles
•'i der ganz neutralen Galle mehrerer Cyprinusarten, den Gme-
'■'» fand, vereinbar ist, kann ich mir nicht vorstellen. Ueber-
*^äupt dürfte die Untersuchung dieses krystallinischen von K.ali
fällbaren, von W^eingeist und W^asser auflöslichen Gallenstoffs
^*'uchtharer als alle bisherigen Untersuchungen über die Galle
^erden, und unsere Ansichten über die Zusammensetzung der Galle
"ei den höheren Thieren noch bedeutend reformiren. Da sich
dieser Stoff auch in der Schlangengalle zeigt, so dürfte er leicht
"‘öe allgemeinere Erscheimmg und in manchen Gallenarten, in
^enen man ihn nicht findet, auf irgend eine Weise verhüllt seyn.
per von Gmelin entdeckte krystallinische Stoff ist Ins jetzt nicht
aller Fischgalle gefunden, sondern nur einigen, nicht einmal
®llen Cyprinusarten, nämlich Cyprinus leuciscus, alhurnus und
"^rbus, nicht dem Karpfen eigen.
Succiis pancreaticus. Ausser Grakt’s BeoLaclitinig (Fro-
^'Ep’s JVo/izen. 11. 182.), dass bei Loligo sagittata eine dem
Pancreas analoge Drüse vorhanden ist, nämlich zwei hellrothc,
Se'appte mit dem Gallengang verbundene Drüsen, kennt man das
P^ucreas nicht hei den Wirbellosen. Selbst unter den Fischen
es nicht allgemein, hei vielen derselben fehlt es, hei anderen
'*«d Blinddärme in verschiedener Anzahl und Ordnung an seiner
1 *^^lle, Appendices pyloricae. Bei dem Stockfisch und Schellfisch
If^hfen sich diese und beginnen sich zu theilen, liei Polyodon
stellen sie einen in Abschnitte äusserlich gctlicilLen Sack '
beim Thunfisch sind sie sehr verzweigt und bilden eine un-
|eöeure Anzahl Büschel blind endigender Röhrchen, heim Schwerin
endigen did Zweige des grossen Ausführungsganges nnt
"'tiem Bündel kiu-zer zahlreicher Blinddärmclien, während eine
piueinsame Haut das Ganze umhüllt. Beim Stör endlich ist tue
^®h*e Masse scheinbar parenchymatös, und besteht aus einem
"uwammigen Gewebe von kleinen und grösseren Zellen, und bei
' Haycn und Rochen giebt es ein dichteres Gewebe des 1 an-
'^eas wie bei den hohem Thieren. Siehe das Nähcie in dem
508 H.Iiuch. Organ, ehern. Processö. IV. Abschnät. Verdauung.
Drüsenwerk J. Muelleh de penit. gland. struct, Lib. VIII. Tab. VH'
Bei den Fischen ist der Saft der .Blinddärme klebrig und rea-
girt, wie SwAMMEEDAM lind Tiedemasn und Gmelin beobachte^
nicht oder sehr wenig sauer. Hunden hat man das Pancrea*
ganz oder grösstentheils zerstört, ohne dass ihre Verdauung
übrige Gesundheit gelitten hätte. Man hat nur zuweilen grösser®
Gefrässigkeit beobachtet. Autesrieth Physiol. 2. 69.
In der neuern Zelt haben Mayer, Magendie, Tiedemai*<*
und Gmelin den pancreatischen Saft der höheren Thiere w**'
tersucht. Mayeb (Meckee’s Archit> 3. 170.) fand denselben»
wie er in einem blasenartigen Behälter bei der Katze sie®
anijesammelt hatte, alkalisch, durchsichtig. Magendie [physiob
2. 3Ö7.) fand den Saft des Hundes gelblich, geruchlos, sal*‘§
schmeckend, alkalisch, auch sollte er hier wie bei den Vög®l®
in der Wärme gerinnen. Tiedemann und Gmelin sammelten de®
pancreatischen Saft eines grossen Hundes durch ein in den e»*'
geschnittenen Gang eingelegtes Röhrchen. Alle 6 — 7 Secunde®
floss ein Tropfen aus (in vier Standen beinahe zehn Gramme®/'
Der Saft war klar, etwas opalisircnd, liess sich in Fäden ziehe®
und schmeckte schwach salzig. Dieselben Versuche machten
an einem Schaf und an einem Pferde. In diesen 3 Fällen re-
agirte der Saft anfangs schwach sauer, nur die zuletzt abflicsseinJe
Portion des pancreatischen Saftes vom Hunde und Pferde f®"
agirte schwach alkalisch. A. Schultze fand den pancreatisch®®
Saft beim Hunde, bei der Katze und beim Pferde sauer, cinro®*
beim Hunde indifferent. Die vergleichende Analyse des Saft®*
Jener 3 Thiere von Gmelin ergab Folgendes; Der pancreatisch®
Saft ist sehr reich an Eiweiss, er enthält kein schwefelblausaur®*
Salz wio. der Speichel enthalten soll. An festen Theilen entbä*
er beim Hunde 8,72 , beim Schaf 4 — 5 Procent , die fest®®
Theile sind;
1. Osmazom.
2. Eine durch Chlor sich röthende Materie, die bloss bei®*
Hunde, nicht beim Schafe gefunden wurde.
3. Eine dem Räsestolf ähnliche Materie, wahrscheinlich ®*'
Speichelstolf.
4. Viel EiweissstolF, ohngefähr die Hälfte des trockenen Rüc®'
Standes betragend.
5. Sehr wenig freie Säure, wahrscheinlich Essigsäure.
Asche des pancreatischen Saftes beträgt beim Hunde 8,28 Pr®®'
vom trocknen Rückstand, beim Schafe 29,7 Proc.
Sie enthält an löslichen Salzen; ,
a- Kohlensaures Kali (wahrscheinlich essigsaures im Saft®®
beim Hunde und beim Schafe.
b. Viel salzsaures Alkali.
c. Wenig phosphorsaures Alkali beim Hunde , und he®*
Schafe. ,
d. Sehr wenig schwefelsaures Alkali beim Hunde und Scha ®
Das Alkali war mehr Natron als Kali. Die nicht im Wasser 1® '
liehen Salze der Asche sind wenig kohlensaurer und phosph®
saurer Kalk.
4. Von den Verdauungssäften. Darinsaft.
509
Aus diesen treffliclicn Untersuclmngen ergiebt sich die Ver-
®cliledenlielt des pancreatlschen Saftes und Spelcliels, denn der
Speichel enlliiilt Schleim und Spelchelstoff, im pancreatlschen
^®ft dagegen kömmt viel Elweiss und K.asesto(r vor, kein Schleim
'‘ndAvenig oder kein eigentlicher Spcichelstoff, Speichel ist alkalisch,
^Uccus pancreat. frisch säuerlich. Der Speichel des Schales enthält
®tyas schwefclhlausaures Alkali (?) , der pancreatische Saft nicht,
übrigen Salze sind olingefähr dieselben. Iiedemasn und Gmelin
c. p. 25—4.3. - r.,- , •
Letjret und Lassaigwe erhielten beim lebenden Pferde in
*^‘ner halben Stunde 3 Unzen pancreatlschen Saft. Er war klar,
Schmeckte salzig, reagirte alkalisch und enthielt nur Proc. fester
“estandtheile , die sie naeh einer wie es scheint oberllach heben
^Untersuchung für dieselben wie Im Speichel erklärten. Wasser
thierische Materie, in Alkohol auflöslich, thierische Materie,
Wasser auflöslich, Spuren von Eiweiss, Schleim, freie Soda,
^^lorsodium, Clilor]iolassiuui, phosphorsaiire Kalkerde 00,9.
e, Succus cnterwiis, XJel>cr den Bau der den Darmsaffc ab-
®'^ndernden Drüsen ist bereits früher geliaudclt worden. Man
y^ngleiche besonders was pag. 473. über den Bau der räthsel-
"»ften Körper, die man PEVER’sclie Drüsen nennt, gesagt
^nrden. Besondere Drüsenmassen kommen ausser jenen zwei-
^l^iaft drüsigen Körpern im Darm der Tbierc nicht vor. Der
^ärinsaft ist von Tiedematsn und GMUnif bei hungernden PieC"
untersucht worden. Bei nüchternen Hunden erschien
innere Fläche der Schleimhaut wie mit einer dünnen Lage
®*ner sehr consistenten , wcissllcben und etwas gelbgefarbten
Materie bedeckt, und es fand sich nur sehr wenig ergossene
I ^alle. Wenn Kieselsteine oder Pfeiler verschluckt worden,
war eine grössere Menge eines dünnen und fadenziehenden
^';lileimes vorhanden, und die Galle war reichlicher ergossen.
I sclileimigc Masse wurde nacli unten im Dünndarm consisten-
und gelblich oder gelbbraun, es zeigten sich in ihr grun-
S®lbe oder geUjbraune Flocken , aus Darmschleim, Gallenschleim,
uarz, Fett und Färbestoff der Galle bestehend. Die schleimige
^lüssirrto:»- äoo Tin niirlürTns der Hunde und Pferde enthält im ci
OUlilClllA Uca X>llIlUti«A AliJ * 4* 1 * 1
änden sauer. Im Blinddarm der Pferde dagegen anc sic i
510 II. Buch, Organ, ehern. Processe, IV. Abschnitt. Verdauung.
statt freier Säure doppelt kolüensaures Natron, Viridet
prima coctione) hatte im Blinddarm der Kaninchen gleiche saure
Reaction, wie im Magen gelunden.
Uehcr die saure Reaction in dem Blinddarm der Thiere hat
Schultz weitere Versuche angestellt. Er fand bei den Thieren?
•wenn sie fasteten, leichter eine alkalische oder neutrale Beschaf-
fenheit der Flüssigkeiten im Blinddarm, -was er aus der Neutrali-
sation durch die während des Fastens weiter bewegte Galle er-
klärt , sonst aber und während der Verdauung reagirte die
Flüssigkeit sauer. Diese Reaction findet sich indess gewöhnliri*
bei den pflanzenfressenden Thieren, die mit einem langem Blind-
darm ausgestattet sind, dagegen sie hei den Fleischfressern
unvollkommenem Blinddarm meistens fehlt. Die Saturation der
Säure im Chjmus eines Kaninchens, das von Kartoffeln und Gr»*
genährt, und 2^ Stunden nach dem Tode geöffnet worden, er-
forderte auf 2 Unzen Chymus des Magens .3^ Unzen Ochsengalle;
dagegen waren zur Saturation des sauren Inhaltes des Blinddärme®
eines Kaninchens auf 1 Unze Darminhalt 5 Drachmen OchsengaA®
nöthig. 18 Unzen Chymus aus dem Magen eines Pferdes erforder-
ten zu ihrer Saturation 15 Gran Kali carhonlcum oder 1 Unze Chf'
mus 2^ Unze Ochsengalle. Zur Saturation von 1 Unze Inhalt d®®
Coecum gehörten 5 Unzen Ochsengalle. Der Chymus des M*'
gens von einem Schwein erforderte 1,04 bis 1,11 Proc. Kali cai’'
bonienm, der Inhalt des Blinddarmes dagegen 0,78 Proc. K^I'
carhonicum zur Saturation.
V, Capitel. Von den Veränderungen der Speisen ii”
Darmkanal.
Die Auflösung der Speisen setzt voraus, dass die Nahrung®'
Stoffe ihr organisches Gefüge und ihre Cohäsion verlieren ,
durch das Kauen grosscntheils geschieht. Diese ZertrümmeruöS
findet theils im Munde, thells im Schlunde hei Schlundzähne*®^
wie bei einigen Fischen , theils im Magen durch die knorpelig®®*
Magen'wände des Muskelmagens bei den Körner und InsectE*®
fressenden Vögeln, oder durch einen mit Zähnen hewaffnct®''
Magen, wie hei einigen Crustaceen, Insecten und Mollusken stafl'
Dieser und der folgende Act in den Verdauungsoperationen,
Auflösung, lassen sich in der That mit den gewöhnlichen che'cn^'
sehen Operationen vergleichen, olme dass dem Organismus eW®®
vergeben ^ -HÜrd. Der Chemiker pulvert die aufzulösenden od®*
zu extrahirenden Stoffe, und digerirt sie mit dem LösungsmiG®.* ’
auch diese Digestion findet in dem Kropfe der Vögel und ***
den Magen der Thiere statt. Nach der Extraction der lös-
baren Stoffe seiht der Cliemiker das Gelöste von dem Unlös-
lichen ab. Auch im Verdauungsprocess wird also zertrümmer -t
digerirt, aufgelöst und das Unlösliche abgeschieden.
a. Speirhel.
' Der Speichel macht die Speisen zum Verschlucken
5. Veränderungen der Speisen im Harmkanal. Magenverdauung, 511
*cliickt; oL er etwas zur Auflösung derselben beitrage, und
'«'»e weit seine Beslandtbeilc eine Rolle in der cbeinischen Ver-
■^«ndlung der NabrungsstofFe im Magen spielen, ist unbekannt.
Seine \Virkung bei der Verdauung sebeint keineswegs gross zu
da er den Fisclicn und Cetaeeen fehlt. Spali.akzasi und
^^Saumur wollen gefunden haben, dass Thiere das ihnen in dureli-
^öcliertcn Röhren beigebracble Futter schneller verdauten, wenn
«ä vorher mit Speichel, als wenn es mit Wasser durchtrankt war.
SpAt.LAMZAKi’s Versuche über das Verdauungsgescimß. Leipz. 1785.
'fiEDEMABN und Gmelis glauben, dass der Speichel durch seinen
^ehalt an kohlensaurcm, essigsaurem und salzsaurem Kali und
Patron einigermaassen, wiewohl nur schwach auflösend wii 'e (.).
Berzelius dagegen bemerkt, dass der Speichel an und für
aus den NahriingsstolTcn nicht mehr als reines Wasser aus-
*'ehe, und ich muss gestehen, dass mir bei den vergleichungswcise
Speichel und Fleisch, so wie Wasser und Fleisch angcstellten
^ersuchen kaum irgend ein Unserschied bemerklich gewoi'den ist.
Sof^cnannle dynamische 'Wirkungen des Speichels kenne ich
'^'cht. ^Auch scheint der Speichel nicht durch Zerstörung
‘'er ’specifischen organischen Eigenthümlichkeiten der Nabrungs-
zu wirken. Die giftige Wirkung des Schlangengiftes
'•nd des llundswuthgiftes konnte auf dergleichen Gedanken brin-
Sp»'. Allein ich habe schon bemerkt, dass die Giftdrüsen der
*^>ftscblangen nicht ihre Speicheldrüsen, sondern Angriffsmit-
tel sind, und dass die Giftschlangen ausserdem die gewöhnlichen
‘'Speicheldrüsen der Schlangen besitzen. Auch ist es nur zufällig,
‘tass der Speichel der tollen Hunde vorzugsweise giftig erscheint,
^cil eewöhiilich durch den Biss die Ansteckung geschieht, gleich
"'ie es eben so zufällig ist, dass das venerische Gilt geAvohnlich
^tui’ch die Genitalien ansteckt, indem die Bedingung der Ueber-
t*'agung auf Schleimhäute hier am häufigsten statt findet. Nach
^^ertwig’s trefilichen Arbeiten über die Hundswutli stecken auch
^hdere Stoffe der tollen Hunde, als Speichel an, wie z. B. Blut,
^venn es eingeimpft wird. Hertwig’s BeUräge zur nähern Keiiiii-
>tiss der Wuthlu-ankheil. Bert. IS'iD. p. 156. 160.
Ob der Speichel an der chemischen Veränderung der Nah-
'■'‘»gsstoffe im Magen Antheil habe, iveiss man nicht. Man hat
eine BcoLachlung dieser Art, welclier noch die nÖtlnge Be-
«hitigung fehlt, nämiieh die Bemerkung von Leuchs (Kastker’s
1831.), dass Speichel gekoehte Stärke in Zucker verwandeln
was insofern interessant ist, als auch im Magen die Stärke
‘'i Stärkegummi und allmählig in Zucker verwandelt wird.
b, Magenverdauung. ]\Iagensaft.
Irn Magen werden die Getränke schon grösstentheils aiifge-
und gelangen nicht durch den Pylorus; die soliden Theile
Speisen rverden in eine zum Theil ganz flüssige, zum >ei
Kiigelchen bestehende Materie, Chymus , bis auf die unlosli-
®üen Theile, aufgelöst, was nach den meisten Beobachtern schicht-
^'eise von den Magenwänden aus, nach den zahlreichen Beobach-
*'*’gen von Beaijmokt innei’halb des ganzen Magens geschieht.
512 II. Buch. Organ, ehern. Processe. IV, Abschnitt. Verdauung.
Ueber die Veränderungen der Speisen, die Zeit, welche zu ihrer
Auflösung nöthig ist, haben wir Beobachtungen von Gosse
sich seihst, bei künstlich erregtem Erbrechen (in Spallanzani *
Werke mitgetheilt), von SpALLAUzAnr, Stevens {de aUment. concO'
ctione. Edinb. 1777.), von Tiedemann und Gmehn, von SchUET^
hei Thieren, und die bei weitem grössere Anzahl von Beobach-
tungen an einem Menschen mit perforirtem Magen, angestellt vou
Beaumont. Spaluanzani brachte Katzen ein mit Brot gel'ülfl®*
Böhrchen bei ; das Brot war nach 5 Stunden zum Theil aufgelösb
Fleisch in einem ähnlichen Versuche nach 9 Stunden. Seih*''
Knorpel und Knochen, in Röhrchen, Sehnen in Leinewand eiC'
geschlossen, waren nach längerer Zeit enveicht oder aufgelöst
Geronnenes Eiweiss haben Tiedemann und Gmelin heim Hun<l®
nach 4 Stunden zum Theil ungelöst, zum Tlieil gelöst gefunden"
Bei Hunden zeigte sich Faserstoff nach 4 Stunden aufgequofleni
ohne faseriges Gefüge, und zum Theil in aufgelöstes Eiweiss vef'
wandelt. Thierleim verliert im Magen die Eigenschaft zu gelal*'
niren und seine characteristische Reaction gegen Chlor, welche*
ihn sonst fadenartig fällt. Käse zeigte sich im Magen verflüssigt
ohne in Eiweiss verwandelt zu seyn. Gekochtes Stärkemehl 'ff'®*'
nach 5 Stunden in Slärkegummi und Zucker verAvandelt.
her (in Essigsäure und Salzsäure unlöslich) war nach 5 Stunde®
unverändert. Die Milch gerinnt im Magen und der niederge-
schlagene Käse wird wieder aufgelöst, während die Molken 'VfC*'
ter gehen. Rohes Rindfleisch war beim Hunde nach 4 Stunde®
mit einer breiartigen, gallertigen, braunen Masse überzöge®'
Knochen und Knorpel wurden hei Hunden nach 2 — 4 Stunde®
an den Rändern, Ecken und Oberflächen etwas erweicht gefu®'
den. Brot war beim Hunde nach 2}^ Stunden fast vollständig
aufgelöst. Beim Pferde schien das Futter den Magen in wenig®^
aufgelöstem Zustande zu verlassen.
Beaumont hat -während mehrerer Jahre Gelegenheit gehaldi
die Verdauung hei einem ihm untergebenen Menschen zu stud;-
ren. Dieser Mensch hatte von einer Schusswunde eine ansehnli-
che OelFnung im Magen, deren Ränder mit den Rändern de®
Hautwunde verwachsen waren, und die durch eine vom ober®
hintern Rande der Wunde ausgehende Falte der Häute de*
Magens bedeckt war, aber durch Eindrücken der Falte weit g®^
öffnet werden konnte. Das Loch im Magen war 2 Zoll uid®*
der linken Brustwarze, in einer von dort zur Spina oss. ü-
nistr. gezogenen Linie, also im linken ohern Theile des Magc®*(
nahe dem ohern Ende der grossen Curvatur, H Zoll von d®®
Cardia. Lag dieser Mann auf dem Rücken, und wurde dann J *
Hand auf seine Lehergegend gedrückt, und der Körper zugl®!®,
auf die linke Seite gedreht, so floss Galle durch den Pylorns u®^
durch ein in das Magenloch eingehrachtes elastisches Rohr
Zuweilen, aber selten, wurde sie mit dem Magensaft auch oli®^^
diese Operation vermischt gefunden. Der Chymus wurde aus de®j
Magen gewonnen, wenn man mit der Hand auf den untern ,
der Magengegend nach aufwärts drückte. Bei vollem Magen
der Inhalt schon beim Druck auf die Klappe aus. Der le®
5. Veränderungen der Speisen im Darmkanal. Magenverdauung, 513
M ^
<len
konnte bis zu. einer Tiefe von 5 — 6 Zoll untersucht wer-
wenn er durch künstliche Mittel ausgedehnt erhalten wurde,
konnte man Speise und Trank eintreten sehen. TJeher die
J^^rdauungen dieses Mannes hat nun Beaumont ein vollständiges
^Om-nal geführt. Die folgende Tabelle giebt Aufschluss über die
^^“t, welche zur Verdauung der verschiedenen Nahrungsmittel
■Jöthig war. Die Nahrungsstoffe wurden mit Brot oder Vegeta-
bilic ’ ■ - • ■
>n, oder mit beidem genossen.
^ahi
fungsmittel
^Idaunen
^»•weinsfüs.'ic . .
« ^Idpret, IVisch
ge-
^ ^•‘ocfenet , . . . .
und Milch
P*‘*»thahn
e > ■wilde . . .
^Weln, jung
. '^hixckt. Fleisch
^^stera
^‘“dflehch,
**‘isch , . . ,
Zuberei-
tung
Speisezcit
Arbeit
massig
St. Ittin.
ange-
strengt
St. Min.
Ruhe
St. Min,
Bemerkungen.
geschmort
gekocht
gebraten
gekoclut
kalt
geröstet
warm
roh
gedämpft
roh
gedämpft
geröstet
gebraten
gekocht
Sch
.‘ycineflcisch,
mch, gesalzen
F rühsLück
Mittag
F rühstück
Mittag
Frühstück
Mittag
Frühstück
Mittag
Frühstück
Abendessen
Frühstück
Mittag
F rühstück
Mitta g
Frühstück
1 00
1 00
l 35
3 30
3 00
3 00
3 30
3 30
3 00
2 45
3 00
4 00
3 38
3 30
3 30
5 30
3 30
5 15
4 30
5 16
3 30
3 30
z 1
Austern im Ma-
gen aufgehangen.
nur mit etwas
Vlrocknem Brot
3 45
oder Zwieback.
4 00
4 30
Arbeit bis zur
Ermüdung,
krankh. Aussehen
des Magens.
■lei Fett,
ebenso.
ebenso. Inliegen-
der Stellung.
4 15
ärgerte sich wah-
rend des Ver-
suches.
514 11. Buch. Organ. chem.Processe, IV. Abschnitt. Verdauung.
Zuberei-
tung
Arbeit
Nalirungsmittel
Speisezeit
massig
ange-
strengt
Ruhe
Bemerkungen.
St. IWin.
St Min.
St. Min.
Schweinefleisch,
unKcwöhnli*:^,
frücli, gesalzen
gekocht
Frühstück
6 00
—
_
-
4 30
volles Maul.
—
—
—
4 30
4 30
< —
—
—
Mittag
4 30
Frühstück
4 00
—
—
Mittag
_
3 30
Schwein etl eisch,
frirrh
geröstet
6 30
ungcwöhnlii'b
gebraten
volles jyiah*'
—
3 ]S
—
—
l’rühstück
4 30
Hammelfleisch .
geröstet
Mittag
3 15
—
—
gebraten
l'rühstück
3 30
4 30
3 00
—
—
—
Mittag
—
—
krankli. Aussch®^
des Magen*'
4 00
—
—
Frühstück
4 30
—
—
volles Mahl,
hart gek.
3 30
gekaut. ,
Brot oder
weich gek.
und Kaffee*
—
3 00
—
hart
Mittag
5 30
Magen krank*
—
—
J^rühstücfc
3 30
—
—
wei<*h gek.
Mittag
3 00
gebraten
Frühstück
3 30
mit weich S*'
kochten Eie*"**'
—
geschmort
iVJittag
Frühstück
3 00
4 00
in einem
—
gebraten
—
5 00
3 30
Z
—
eingeliöngt' .
Magen k.ao»'
—
—
—
4 15
—
volles Mahh *.
Schwere Arbjf^^
gekocht
4 00
4 00
MitBrotu-Ka^^*^ 1
Mit Brot
Mittag
__
VV asser.
—
4 00
-
Kalbfleisch . . .
gebraten
Frühstück
4 00
—
—
In einem
linbeutelchc^
emgebängl^'
—
— .
Mittag
4 00
—
—
—
—
Frühstück
4 00
Magen krank-
■—
—
Mittag
4 45
__
—
—
Frühstück
3 45
—
—
Mittag
4 30
Magen krank-
—
Frühstück
5 30
_
Fleischsiippe «.
Vcgetabilicn .
—
—
4 00
»lagen krank.
Butterbrot
niit Kallec
Frühstück
4 15
—
Brot, trocken.*
— —
3 45
mit Kar-
toffelbrei
Mittag
3 45
•>—
5. Veränderungen der Speisen im Darmkanal. Magenverdauung. 515
Es wird niclit ohne Interesse seyn, einige Fälle aus dem
Journal von Beaumost noch genauer als Beispiele kennen zu lernen.
Erste Reihe. Exp. 1. Um 12 Uhr brachte Beaumont dm-ch
Magenöffnung des St. Martin an Scidenfäden ein Stück stark
gewürztes Boeuf ä la mode, ein Stück gesalzenes, fettes Schweine-
fleisch, ein Stück rohes, gesalzenes, mageres Rindfleisch, ein Stück
gekochtes, gesalzenes Rindfleisch, ein Stück Brot und einen
"•‘usch rohen geschnittenen Kohl, von jedem gegen 2 Drachmen.
1 Uhr Kohl und Brot halb verdaut. Die Fleischstücke un-
''erändert; Alles in den Magen zurück. Um 2 Uhr Kohl, Brot,
^chweinefleisch und gekochtes Rindfleisch, Alles verdaut und vom
^udcn cecangeiij die anderen Stücke sclir "vvenig verändert; in
Magen zurück. Um 2 Uhr Boeuf k la mode zum Thed ver-
"faut; das rohe Rindfleisch wenig macerirt auf der Oberfläche,
ößr Versuch wurde wegen Unwohlseyns nicht weiter fortgesetzt.
Tag darauf hatte St. Martin Magenbeschwerden und Kopf-
'^eh, Verstopfung, einen schwachen Puls, trockene Haut, belegte
^unge und zahlreiche weisse Flecke oder Pusteln (Aphthen) wie
'ioagulirte Lymphe auf der iunern Fläche des Magens. Ein älin-
'•’^kes Aussehen beobachtete Beaumont später öfter bei Magen-
k^schwerden.
Zweite Reihe. Exp. 33. Um 1 Uhr ass St. Martin eine Por-
flon geröstetes Rindfleisch, Brot und Kartoffeln; nach einer hal-
Stunde glich der Mageninhalt einer dicken Suppe, um 4 Uhr
"'ar die Chymification vollendet, und um 6 Uhr wurde in dem
^agen nichts, als etwas mit Galle gefärbter Succus gastricus
Befunden. i i?-
Exp. 42. Um 8 Uhr Frühstück von 3 hart gekochten Eiern,
Plannkucheii und Kaffee, um 10| Uhr waren keine Theile mehr
Magen.
Exp. 43. Um ll^Ulir 2 gebackene Eier und 3 reife Aepfel;
'^ach 40 Minuten anfangende Digestion, um 12iUhr Magen leer.
Exp. 44. An demselben Tage um 2 Uhr geröstetes Schwei-
nefleisch und Vegetabilien; um 3 Uhr halbe Chymification, um 4
fö' nichts mehr im Magen.
Exp. 45. Um 8 Uhr Gänsefleisch; um 4 Uhr waren -g- des
^ageninhaltes fortgegangen, der Rest chymificirt, um 4^ Uhr
^86n leer.
Dräte Redie. Exp. 18. Um 8^ Uhr bängte Beaumont 2 Drach-
me« frische Bratwurst in einem feinen Musselinsäckchen in dem
^egen des St. Martin auf. Der letztere nahm durch den
auch von derselben Wurst, gebratenes Hammelfleisch und
zu sich. Um 11| Uhr Magen halb leer; der Inhalt des
“^'‘tels um die Hälfte vermindert; um 2 Uhr Magen leer, Beutel
leer bis auf 15 Gran, bestehend ans dünnen Stücken von
fi’^orpeligen und häutigen Fasern, und dem Gewürz der Wurst
fitzteres 6 Gran). . ^
, Während der Verdauung ist die Temperatur im ^agen
erhöht, wie Beaumont gezeigt hat; sie beträgt im Magen
^'^^stant 100* Fahrenh., und nimmt nur bei Anstrengungen wie in
“^fleren Theilen um einige Grade zu.
516 11. Buch. Organ, chem. Processe. IV. Abschnitt. Verdauung.
Wälirend der Verdauung ist in der Regel im Magen nu>
seRr wenig Gas enthalten. Magendie und Chevreul haben ß*
l)ei einem Hingerichteten untersucht. Es bestand ausi
SauerstofFgas . 11,00
Rohlensäuregas 14,00
Wasserstoffgas . 3,55
Stickgas . . . 71,45
Die Materien, welche Tiedemann und Gmelin in dem Chy'
mus fanden, sind:
1. Eiweiss. Bei Hunden, nach Fütterung mit gekoclitß”
Eiern, Faserstoff, Fleisch, Brot, Kleber, weniger nach FütteruöS
mit flüssigem Eiweiss, Käse, Leim und Knochen. ,
2. Räsestoff ähnliche Materie hei mit flüssigem Eiweiss
mit Faserstoff gefütterten Hunden.
3. Durch salzsaures Zinn fällbare Materie nach Klebe’’)
Käse, Milch hei Hunden, nach Stärkemehl und Hafer hei
den (wahrscheinlich Osmazom und Speichelstoff).
Die beiden ersten Magen der Wiederkäuer, welche
kohlensaures Alkali haltige Flüssigkeit enthalten, können hi®’"'
durch Pflanzeneiweiss und Kleber aus den Pflanzen auszieh®”'
Das ausgezogene Flüssige gelangt in den dritten Magen, das
aufgelöste wird wiedergekäuet und gelangt in den dritten Mag®"'
Nach TiEDEMAUif lind Gmelih’s, und nach Prevost und LeRov®"’*
(Frohiep’s Not. 9. 194.) Untersuchungen enthält das Aufgelöd"
der Futtermasse der beiden ersten Magen Eiweiss, in alkahscb®’’
Lösung; nach dem Fressen von Hafer enthielt die Flüssigkeit
Chymus der ersten Magen so viel Eiweiss, dass sie bei -(-81“
gerann. Von weniger nährender Materie bekam sie diese Eig®_"'
Schaft nicht, Prevost und Le Rover haben die Quantität Eiw®’“
in der ausgepressten Flüssigkeit der Futtermasse des P”"'
sen vom Ochsen sehr gross angegeben. Bei der Verdauu"^
in den beiden ersten Magen entwickelt sich auch Schwefelwass®’'
stoffgas, Rohlensäuregas und Kohlenwasserstoffgas; letzteres bl®’"
gasförmig, während sich die ersteren in der Flüssigkeit auflös®"’
Das von frischem Klee sich entwickelnde Gas ist nach Lamev»"''
-undFREMY Schwefelwasserstoffgas 0,80, Kohlenwasserstoffgas 0,1"’
Kohlensäuregas 0,05. Berzelius T/iierchem. p. 240. Im drift®"
Magen ist das abgesonderte Lösungsmittel sauer, im vierten ,
saurer. Der Labmagen der Kälber enthielt in Tiedemasis ""
Gmei.in’s Untersuchungen geronnene Milch. Im Labmagen ö"
Ochsen war ein weicher gelblichbrauner Brei. Der Labmag®"
der Wiederkäuer enthielt 1. Eiwelsstoff bei Ochsen und Kälb®*’"’
2. durch Salzsäure sich röthende Materie bei Ochsen und Schaf®"’
3. durch salzsaures Zinn fällbare Materie bei Schafen.
Marcet hat gezeigt und Prout bestätigt, dass bei Hund®*)’
von denen der eine mit thierischer Nahrung, der andere
Brot gefüttert wurde, der Chymus bei dem erstem weit
stoffhaltiger war als bei dem letztem. Thomson Annals o/ pA""
1819. Jan. und April. ^
Bei den Vögeln fanden Tiedemann und Gmelin in der
Extraction der Nalirung im Kropfe gebildeten Flüssigkeit Eiw®’
Veränderungen der Speisen imDarmkanal. Theorie d. Verdauung. 517
Nalirungsstoffe aufgelöst, so dass diese Flüssigkeit zuweilen
der Hitze gerann, Eiweiss nach dem Genuss von Fleisch,
^danzeneiweiss nach dem Genuss von Getreide und Erhsen.
^“ch mehr finden sich diese Materien im Muskelmagen.
Theorie der Magen vcrdauung-
Unter den älteren Lehren üher das Wesen der Verdauung
däd mehrere olfenbar heutzutage bloss von historischem Werth,
z. B. diejenige von der Zerreibung der Nalirungsstoffe durch
d'e Magenwände. Es sind im Magen der meisten Thiere keine
'J'^chanischen Hülfsmittel dazu vorhanden (Vergl. p. 483.), und
däiiii haben die Versuche von Reaumur und Spallanzaui gezeigt.
in durchlöcherten Röhren eingeschlossene Substanzen, —
Reiche gar kein Druck statt haben koiiiiLe, eben so leicht ver-
däiit werden. Eben so ist es kaum nöthig, zu bemerken, dass die
Theorie von der Pulrefaction der Speisen im Magen ungegrün-
indem keine Zeichen der Fäulniss an den verdauten Stoffen
'Vahrnehmhar sind, während doch hei 30® R .Temperatur, wenn
Speisen ihrer blossen Zersetzung überlassen wären, sehr bald
^eichen der Fäulniss eintreten müssten.. Dann aber verlieren selbst
®*‘fangend faule Substanzen während der Verdauung die Putre-
‘'ation, wie Spaleanzasi gezeigt hat.
Bei dem heutigen Zustande der Untersuchungen kann es zwei
Besichten über das W'esen der Verdauung geben:
1. dass das Wesen derselben in einer chemischen Verändc-
der Speisen, Fermentation oder Oxydation bestehe, wodurch
ihre Cohäsion verlieren und zerfallen. Bei dieser Ansicht
es keinen Magensaft, und was man so nennt, ist das Pro-
'^'^ct, nicht die Ursache der Verdauung.
, 2. dass die Verdauung wesentlich in Auflösung der Speisen
'^^rch ein Lösungsmittel, den Magensaft, bestehe,
n Die erstere Theorie tritt zuerst bei den Alten in dem
•^griff der Coctio auf, wobei man sich eine chemische Verände-
*^'*g der Stoffe gedacht haben muss; sic erscheint in den An-
’'l'*^kten von Boerhave von der Fermentation wieder, und ist in
neuern Zeit durch C. 11. Schulz durch die Ansicht von dem
®*'fallen der Speisen durch Oxydation erneuert worden.
Bei der Fermentationstheorie dachte man sich eine chemi-
che Wirkung der Principien der Nahrungsstoffe auf einander,
^'^Iche entweder durch einen Rest der vorhergehenden Verdaii-
j’gj oder durch ein von dem Magen abgesondertes Ferment ent-
soll. Hiernach wäre also die Säure im Magen ein Pro-
der Fermentation. Diese Theorie ist weder jemals bewie-
noch ganz widerlegt worden. Fände in dem Magen eine Fcr-
.^^®fttation statt, so wäre sie gewiss eigener Art und würde sich
den bekannten Fermentationen unterscheiden. Die neulich
Schultz vorgetragene Theorie der Verdauung geht zwar
ii* b • Fermentation aus, ist jedoch im Princip ähn-
j indem sie behauptet, dass die Speisen nicht durch einen ei-
Magensaft aufgelöst sondern durch Oxydation umge-
auf
518 II. Buch. Organ, ehern. Processe. IV. Abschnitt. Verdauung.
wandelt würden und dadurch ihre Cohäsion verlören, dass abßJ'
die Säure nicht die Ursache, sondern die Folge der Bildung de*
Chyrmis sey. Schon Mostegre hatte die Existenz eines eigench
Magensaftes geläugnet. Er hatte gefunden, dass, nachdem er ajl®
Magenflüssigkeit ausgehrochen, und den etwtiigen Rückstand
Magen durch Verschlingung von Magnesia neutralisirt hatte, di®
darauf genommenen Nahrungsmittel nicht weniger chymificirt wuF'
den und nicht weniger sauer geworden waren. Er hielt also de®
angeblichen Magensaft für nichts anderes, als für Speichel und
Magenschleim, die durch die Chjunification verändert worden-
Man sieht leicht ein, dass die Chymification in diesen Fällen eh®®
so gut durch die Absonderung einer neuen Quantität Magensaftf®
erfolgen konnte. Die Gründe, welche Schultz für jene Theon®
anführt, sind folgende : Ein eigener Magensaft existire nicid-
Was Tiedemann und Gmelin dafür genommen, seyen Reste vo®
Chymus gewesen; ausser der Chymification finde keine Säurehd'
düng statt, und könne auch nicht durch mechanische Reiz®®»
der Magenwände hervorgerufen werden. Diesem Satz in d®*"
ScHULTz’schen Theorie widersprechen wenigstens übereinsti®®'
mende directe Beobachtungen, sowohl die von SpALLAirzA^fi, Ti®'
DEMANN und Gmelin, als die viel entscheidenderen von Beaumo!*®''
Dann stützt sich Schultz ferner auf die Analogie der Pflanz®®'
indem die Nahrungsstoffe der Pflanzen auf eine ähnliche Art v®®'
bereitet würden, und der Nahrungsstoff in dem keimenden S®'
men durch eine Art Oxydation in Säure und Zucker umgewa®'
delt und löslich werde. Diese Gründe sind sehr gut, es frag*
sich hier indess wieder, ob es bei den Thieren ein eigenes b®'
sungsmittel, einen Magensaft gäbe, der sßUist ausser dem Körp«’’
Nahrungsstoffe aufzulösen im Stande ist, was, wenn man au®®
auf die älteren unvollkommeneren Erfahrungen keine Rücksicb*
nehmen will, durch die zahlreichen übereinstimmenden Beobach'
tungen von Beaumont bejahend zur Evidenz gebracht wi®®'
Endlich stützt sich Schultz auf die Erfahrung von der Geri®'
nung der Milch durch den Älagen, indem das Sauerwerd®"
der Milch ein Beispiel für die Umwandlung einer nicht sa®'
ren Nahrung in sauren Chymus darbiete. Die Milch werde au®®
durch eine Infusion des trocknen Kalbsmagens geronnen, nach'
dem alle Säure desselben durch Kali carbonicum abgestumP
vrorden. Ausserdem mache auch eine Infusion vom frischen
gen eines durch 40 Stunden hungernden Hundes, obgleich
deutliche Zeichen von Alkalescenz darbiete, die Milch gerinn®®’
endlich gerinne auch die Milch im Magen sangendex* juug*^/
Hunde, deren Magen nach 12 — 16 Stunden leer sey und s*®
neutral oder alkalisch verhalte; die Gerinnung erfolge nur
saraer, als wenn sich Säure im Magen befinde. Schultz hält u*
gerinnenmachende Princip für flüchtig, weil das durch Destiu^
tion der Magenflüssigkeit gexvonnene Wasser auch die Milch zu ^
Gerinnen billige; dieses Wasser enthalte Chlorammonium _u®^
essigsaures Ammonium. Durch essigsaures Ammonium
die Milch nicht, wohl aber innerhalb 12 Stunden durch Chi®
amntonium. Daraus schliesst nun Schultz, dass die Gerinnu®»
5. Veränderungen der Speisen im Darmkanal. Magenverdauung. 519
Milch unter Mithülfe nicht trennbarer organischer Principien
Und durch Chloranimonlum erfolge. Nach der Gerinnung der
^1‘lch sey das Milchwasscr wie der Käse sauer; diese Säuerung
®uheine sich hier wie in den übrigen Speisen zu verhalten, so
alle Speise durch die Einwirkung einer niclit säuern, ja oft
®ngar alkalischen Flüssigkeit in Oxydation übergehe und sauer
U'erde', so sey die Säure keine Ursache, sondern die Wirkung
Auflösung der Speisen.
Hiergegen muss inan bemerken, dass die Gerinnung der
^'Ich und die Säurchildung in der Milch nicht immer gleiche
^inge sind. Hie saure Milch ist zwar geronnen, aber die geron-
nene Milch nicht immer sauer. Schon unlängst habe ich die
®eohachtung mitgctheilt, dass in geringen Quantitäten Milch der
^Usestoff auf der Stelle durch Liipior kali caustici sämmlllch nie-
'^ergesch lagen wird, wie man leicht sehen kann, wenn man in ein
®hirkes Uhrglas mit Milch einige Tropfen von Liq. kali caust. giesst.
^oggendorp’s Annal. 1832. 8. Dann aber kann die Gerinnung
Milch wohl im Allgemeinen als ein Beispiel von freiwilliger
^aurehildung in Nahrungsstoffen dienen; diese Erscheinung könnte
sauren Chymus wohl erklären, aber sic erklärt nichts für
'Ije Auflösung der Speisen; mit dem Sauerwerden der Milch ist
*’>ohts gethan, die geronnene Milch muss wieder aufgelöst wer-
den, wenn sie in Chymus verwandelt werden soll, und so ist
^Iso <he Frage noch dieselbe, wie beim Anfänge der Untersu-
'^linng. Man bat gesehen, dass Schultz trotz dem, dass er ge-
die Idee eines "Magensaftes streitet, doch zuletzt auf dieselbe
*ärückkommt, indem er die Oxydation der Speisen von der Eln-
tvirkung einer Magenflüssigkeit (a. a. O. p. 102.) ableitet. Seine
ft) eorie unterscheidet sich 'von derjenigen der Gegner nur darin,
diese das wirksame Princip lür sauer und l'iir wirklich lö-
®'^«d halten, Schultz aber diess Princip als die Ursache der ein-
^fetenden Oxvdation, aber an und für sich nicht für sauer an-
*‘eht, und dass er die Auflösung der Speisen nicht von der lö-
seiiden Wirkung dieses Princips, sondern von der dadurch er-
folgenden fortschreitenden Oxydation ableitet. So wie die Sachen
]*^tzt stehen, kommt alles daraul an, zu entscheiden: 1. ob es ei-
»en eigenen Magensaft giebt? 2. ob dieser Magensaft, gleichviel
''Oft welcher Natur, die Speisen in und ausser dem Körper auf-
*V'osen im Stande ist? und 3. wenn diess geschieht, ob es dureh
Säure dieses Saftes oder durch andere unbekannte, aber als
®xistirend nachweisbare Principien erlolgt.
^rste Frage. Giebt es einen Magensaft? Diese Frage ist be-
^jts in dem vorhergehenden Capitel beantwortet, wo die zahl—
*■^101160 Versuche von Tiedemahn und Gmelin, namentlich aber die
®*'hcheidend gewordenen von Beaumont aufgeführt sind, welcher
Magensaft des St, Martin im nüchternen Zustande durch
^®chanische Reizung in merklicher Quantität zur Absonderung
®’'«chte, und aus dem Magen durch die krankhafte Oeffnung des-
heraiisnalim, ^ i c •
Zweite Frage, Ist dei^ Magensaft ein lösendes Mittel der Spei-
innerhalb und ausserhalb des thierischen Körpers. Hier
®tUUer'’8 Physiologie.
520 11. Buch. Organ, ehern. Processe. IV. Abschnitt. Verdauung.
kommt alles auf die Möglichkeit einer künstlichen Auflösung der
Speisen ausser dem Magen durch Vermischung derselben mit de]*
Magensaft an. Die künstlichen Verdauungen sind zuerst dui]C‘*
SpAiiLAHZAKt berühmt geworden. Spallaszani verschaffte sie**
Magensaft der Vögel, indem er kleine Schwämme an Fäden dui’C*‘
den Mund bis in den Magen brachte, nach einiger Zeit wiede*"
herauszog, und mit der hierdurch gewonnenen Flüssigkeit g®'
kaute Nahrungsmittel vermischte, und nun dieses Gemeng in klei'
nen Glasgefässon in seiner Achselhöhle envärmte; nach 15 Stim'
den oder zwei Tagen schienen die Nahrungsmittel in ChymU’
verwandelt zu seyn. Diese V^ersuche schienen durch die 'roä
Mohtegrf, im Jahre 1812 dem französischen Institut vorgelegteO
Beobachtungen widerlegt zu werden. Mostegre konnte willkübi’'
lieh erbrechen; er verschaffte sich nüchtern dadurch den vot'
geblieben Magensaft, den er in den meisten Fällen merklich saue*
fand. Nachdem Stevens bei einer künstlichen Verdauung 6'^
ähnliches Ilesultat wie Spai.lanzani gefunden hatte, haben TieP®'
MANN und Gmelin ebenfalls mit dem Magensafte zweier Hund®
eine künstliche Verdauung versucht. Im ersten Versuche wn*"'
den 10 Grammen mit -3 Grammen gekochtem Rindfleisch, und
Grammen mit einem Würfel von der Rinde befreiten Brotes g®'
mengt und in einem dritten Gefässe gleichviel Fleisch mit de®
innern AVand des Magens in Berührung in denseUien eingewickeH'
Ebenso verfuhren sie mit Brot tind Magenhaut, endlich slellt®d
sie ein gleiches Stück Fleisch mit Wasser, und ein gleiches StüP"
Brot mit Wasser zusammen. Sämmtliche Gefässe Tpurdeii ein®*
Temperatur von 30 — 40® Cent. 8 Stunden lang ausgesetzt. H®’
Fleisch im Magensaft war auf der Oberfläche zu einem rötblich'
weissen, sehr weichen, leicht abzuschabenden Brei erweich^
Das Fleisch in der Magenhaut hatte keinen solchen Ueberzog»
war höchstens ein wenig weicher als das mit reinem W^asser
sammengcbrachte Fleisch, welches ganz hart und zähe war, ohP®
dass sich etwas Bcmcrkliches absebaben liess. Das Brot im AH'
gensaft war in eine weiche, leicht abzuschabende, weisslich®
Masse verwandelt; fast eben so weich war das Brot in der IVhT'
genhaut geworden, während das Brot im Wasser weniger we'®^^
als das im Magensafte geworden war. ln dem zweiten Versu®
mit 62 Grammen Magensaft stellten sie in verschiedenen Gefäs^.®
Magensaft und rohes Rindfleisch, Magensaft und gekochtes F]'
weiss, Wasser und Rindfleisch, Wasser und Eiweiss, Wasser •**
10 Tropfen destillirtcm Essig und Rindfleisch, Wassser mit che®
so viel Essig und Eiweiss zusammen. Die Temperatur war
in dem vorigen A'ersuch, die Dauer 10 Stunden. Das Fleis®
im Magensaft war oberflächlich sehr erweicht, so dass sich ci*'
breiartige Materie abschiibcn liess, das Eiweiss ira Magensaft
ebenfalls oberflächlich envcicht, und verhielt sich ungcfälm cO^ ^
so, wie das Eiweiss in dem Magen des Hundes, der mit gcro**^
neuem Eiweiss gefüttert war. Das Fleisch im Wasser war wci*®
lieh und ganz fest, während das im Magensaft blassroth
den war; auch das Eiweiss im Wasser war ganz fest. Die **
5. Veränderungen der Speisen im Darmkanal. Mageneerdauung, 521
•lern Stoffe im Essigwasser hatten gar keine Erweichung erlitten.
Tiedemawit und GMELtN a. a. O. p- 209. 210. ^
Von ganz besonderer Wichtigkeit sind nun die künstlichen
Verdauungen von Beatjmokt, welche wir hier im Auszuge mit-
^^eilen.
Erste Reihe. Exp. 2. August 7. 1825. Beaumowt gewann von
‘lern Magensaft des St. Martin, nachdem derselbe 17 Stunden ge-
fastet hatte, auf die früher hcscliriehene Weise 1 Unze. Darein
legte er ein ganzes Stück gekochtes, frisch gesalzenes Bindflcisch
''Oll 3 Drachm., und setzte das Gefäss im Wasserhadc einer Tem-
peratur von 100" F. aus. In 40 Minuten hatte die Digestion
deutlich auf der Oberfläche des Fleisches begonnen, nach 50 Mi-
nuten war die Flüssigkeit trüb geworden, die äussere Oherflä-
ehe begann sich zu zerthcilen und lose zu werden; nach 2 Stun-
den war das Zellgewebe zerstört und die Muskelüisern lose und
Unzusammenhängend geworden ; nach 6 Stunden waren sie fast alle
Räiizlich verdaut und nur wenige Fasern übrig geblieben, nach
dd Stunden war alles verdaut. Der im Anfänge des Versuchs klare
Magensaft setzte heim Stehen ein feines Sediment zu Boden. Zu
S'eicher Zeit mit diesem Versuch hatte Beaumont in den Magen
des St. Martin ein kleines Stück Bindfleisch aidgehängt, Avelches
"ach 1 Stunde so wie in der künstlichen Verdauung verändert,
"ach 2 Stunden aber ganz verdaut war.
Zweite Reihe. Exp. 24. Decemher 14. 1829. Beaumont gc-
P'ann li Unzen Magensaft durch die äussere Oeffnung des Magens
''Oft St. AIartin nach einem Fasten von 18 Stunden, und brachte
diesen mit 12 Drachm. frisch gesalzenen, gekochten Rindfleisches
zusammen, im Wasserbad von 100" F. Nach 6 Stunden war das
Fleisch halb aufgelöst; nach 24 Stunden ivog der trocken ge-
fliietschte Rest 5 Drachm. 2 Scrup. 8 Gr.
Exp. 25. 20 Minuten, nachdem St. Martin eine gewöhnliche
Mahlzeit von gekochtem, gesalzenem Rindfleisch, Brot, Kartoffeln
""d Rühen mit einem Glas Wasser zu sich genommen hatte, ge-
wann Beaumont durch die äussere Oeffnung ein Gefäss voll des
Mageninhaltes, und setzte cs einer Temperatur von 90 100“ F.
""S; Nach 5 Stunden ffind sich nur ein geringer Unterschied
?^isclien der künstlichen nncl natürlichen Verdauung. Von ahn-
'chem Erfolge ist das Exp. 26. -r, c xt n
Hier hatte St. Martin eine Mahlzeit von Brot, 8 Unzen frisch
§6salzenen, magern Rindfleisches , 4 Unzen Kartoffeln und 4 Un-
gekochter Rühen zu sich genommen. Nach 45 Minuten nahm
^®aumont einen Theil des Mageninhaltes heraus. Die Textur des
" jeisches war in kleine Aveichc und pulpöse Fetzen aufgelöst, das
''Midum trüb und leimig; diese Materie wurde Avie gewöhnlich
""'värmt. Nach 2 Stunden vom Anflinge des Versuchs nahm Beau-
eine neue Portion Nahrung licraiis,. Diese verhielt sich m
/'ösicht der fortgeschrittenen Verdauung fast eben so wie bei
künstlich foitgesetzten Verdauung; Bel der letztem waren
alle Partikeln von Fleisch verschwunden und in ein röthlich-
*'auües Sediment verwandelt, während lockere, Aveisse Coagula
** der Oberfläche der Flüssigkeit schwammen. B'ei der zuletzt
,34*
522 II.Bucft. Organ, ehern. Processe. IV. Abschnitt. Verdauung.
herausgenommenen Portion -wurde die künstliclie Verdauung fort-
gesetzt. Nacli 3 Stunden vom Anfänge des Versuclis hatte di
Verdaming in heiden Gefässen gleiche Fortschritte gemacht;
andern Morgen (der Versuch war um 3 Uhr Nachmittags hegoo-
nen) war alles verdaut his auf einige Ueherhleihsel von Vegeta-
blllen. Die Contenta der Gläser waren in dieser Zeit von de
Consistenz einer dünnen Gallerte, von einer helUjraunen Fari^®’
salzigem und saurem Geschmack.
Exp. 27. Mäi’z 17. 1830. St. Martin trank eine Pinte MdeO’
nach 15 Minuten nahm Beaumont eine Portion aus dem Mage^i
sie bestand aus blossem Gerinnsel und Milcliwasser. Diese Por-
tion wurde wie gewöhnlich erwärmt, und war nach 8 Stunde®
aufgelöst. Zur Zeit des Anfangs des Versuchs stellte Beaua'O^^
1 Drachme Magensaft mit 2 Drachm. Milch der Temperatur r®*'
100" F. aus. Tn 5 Minuten bildeten sich welsse Coagula, vvelc®
nach 15 Minuten denen des Magens glichen. Diese künstlic®
Verdauung gab dieselben Resultate wie die erste, und in ders®
ben Zeit. 2 Draclim. Milch, die durch Weinessig coagulirt 'V''»®’
blieben 48 Stunden lang unverändert.
Exp. 31. März 9. 1831. Beaumont gewann ans dem leeV^,
Magen des St. Martin 2 Unzen Magensaft, theilte diesen in
gleiche Theile, und legte in jeden eine gleiche Quantität Roa*^'
heef: Den einen Theil erwärmte er im Wasserhadc hei 99“ ra
den andern liess er an der offenen Luft hei 34" stehen.
selbe Quantität Fleisch that er in eine gleiche Quantität Was*®*^
und Hess sic unerwärmt stehen. 1 Stunde darauf hatte St.
TIN sein Frühstück aus demselben Fleisch mit Zwieback, Butt®^
und Kaffee geendet. Um 10 Uhr nahmBEAUMONT eine Portion tb®’
weise verdauter Nahi’ung aus dem Magen und erAvärmte sie
gewöhnlich. Das Fleisch der künstlichen Verdauung und Wär^
war in demselben Zustande wie das des Magens, das Fleisch o
kalten Magensaftes Avar Avenlger verdaut, das Fleisch in dem blos-
sen Wasser avar nur maccrirt, noch eben so Avie nach dem Rau®’^
2 Stunden 45 Minuten nach Anfang des Versuchs Avar in o®
Magen alles verdaut und weggegangen. Da 6 Stunden nach o®
Anfänge des Versuches die Fleischstückchen in dem Magens»*
halb verdaut, nicht Aveiter aufgelöst waren, so nahm Beau»'®
12 Drachm. Magensaft aus dem leeren Magen des St.
und setzte sie zu den künstlichen Verdauungen mit Magens»
auch zu der Masse, die aus demiMagen genommen war. Darauf h
gann die Vertlauuiig Avieder und schritt regelmässig fort, »"
schneller in der aus dem Magen genommenen Portion ; in Io** ^
rer blieb indess ein solides Stück Fleisch, Avelches wahrschein®
ungekaut vei-schlungen Avar, unaufgclöst. Die Gefässc mit *
tem Wasser und kaltem Magensaft waren 8 Stunden nacb_A ^
fang des Versuclis Avenig verändert. Nach 24 Stunden
die Portionen folgende Erscheinungen : Die eine Stunde nach <-
Essen aus dem Magen genommene Portion Avar vollständig '''
daut, und in eine dickiiehe, breiige Masse von röthlicbbran®
Farbe, verwandelt, mit Ausnahme des ungekauten Stücks
Diese Portion hatte einen scharfen , ranzigen Geruch ,
5. Veränderungen der Speisen im Darmkanal. Magenverdauung, 523
"'ar etwas bitter. Die Portion Magensaft mit Fleisch war sehr
^^nlich der erstem, obgleich weniger Yollkommen verdaut; sie
"'ir nieht so consistent, aber von demselben scharfen Geruch
bitterem Geschmack, zugleich erapyreumatiseh und schwach
•’aulig riechend. Die kalten Portionen Fleisch und Magensaft, Fleisch
'‘nd Wasser, glichen einander sehr, beide waren maccrirt, aber
i'icht verdaut; kaum halle der Magensaft etwas _ mehr als das
^asscr cingewirkt. Dieser hatte übrigens einen eigenthümhehen
.^esehmack erhalten; seine Farbe wax* diinkelbi’aiin , die wässi'ige
^oi’tion röthlichgraii. Ungefähr zur selben Zeit des andern Ta-
nämlich eine Stunde spätei’, als der Versuch am ersten Tage
^ßgonnen hatte, setzte Beaxjmost diese beiden Portionen dem
. ässerhade aus, und bcliandcUc sie so 24 Slunden. In xlei loi-
^‘äii iia Magensaft schritt die Verdauung nun denliieh vor: das
J'läisch vei’miiKlci'te sich, und eine dünne, kleislerartige blüssig-
bildete sich. Die wässrige Portion zeigte keine anderen Ei-
*clieiaangcn als die einer einfachen Maceratiou; gegen das Ende
letzten 24 Stunden begann die faule Fermentation.
Dritte Reihe. Exp.ih. December 15. 1832. Frühstück von
i^eefsteak, Brot und Kaffee; zur selben Zeit kaute Sx. Martin 4
^rachm. Beefsteak, welches in Magensaft, der vorher aus dem
^ägen genommen wurde, gelegt wiu'tle. Zu einer andern
^äen Quantität Magensaft legte Beaumont ein gleiches Stück
Fleisch, aber ungekaut: heule xviirden wie gewöhnlich erwäi’inl,
I ®*^en so eine gleiche Portion Fleisch mit einer Unze VVasseiv
I mich 2i Stunden war die Mahlzeit in dem Magen beinahe ver-
7'ät xind mehr als die Hälfte schon fortgegangen; verglichen mit
künstlichen Verdauungen glich dieser Chymus beinahe dem
gekauten Fleieh und dem Magensaft, war ahei' mehr verdaut und
vkuuer, und enthielt Oellheilchen und Brot. Das ungekaiite
fleisch’ war nicht so dick und gelatinös, von dunklerer Farbe;
"‘'S Stück Fleisch war nicht sehr verkleinert, die Oberfläche
*?'ö' ein wenig zerstört, erweicht und mit einer grauen Haut bc-
"^ckt. Die wässerige Portion halle keine oder xvenig Verän-
^ärung erfahren. Die künstlichen Vcrtlauungen wurden 24
,tunden fortgesetzt: die aus dem Magen genommene Portion
ich fast in demselben Zustande. Der Magensaft mit gekautem
Ißisch stellte eine dicke, breiige, halbflüssige Masse mit einigen
."Gütlichen FlelschUhern dar, vvelche auf den Boden einer gelb-
i“^k-molklgen Flüssigkeit sanken. Das Fleisch im Wasser hatte
andere Veränderung als anfangendc Fäulniss erfahren. Das
^'läiekaute Fleisch im Magensaft war ungefähr um die Hälfte ver-
^!fHlert,'dcr Ilückstand locker und weich; das Fluidum war trübe
'"ff einem feinen braunen Sediment wie in der gekauten Portion.
, Exp. 23. December 21. Magen nieht ganz wohl, an verschie-
Stellen mit kleinen, tief rothen Flecken. Beaumokt gewann
^yrachm. Magensaft mit gelber Galle gefärbt, worein Scrup.
»"kautes, gekochtes Hühnerlleisch und ^ ScrupelBrot gelegt vyur-
j,"") das Gefäss wurde in die Achselhöhle gebracht; eine gleiche
hxtur reines Wasser und Speise wui'de eben so placirt. Zu der-
®®lhen Zeit frühstückte St. Martin von derselben Nahrung; nach
524 II. Buch, Organ, ehern. Processe, IV, Abschnitt. Verdauung.
4|- Stunden war der Magen leer. Die gekaute Portion im
gensaft war nach 6 Stunden ])is auf einige wenige Fibern gan*
verdaut, die Portion in Wasser unverändert. Nach der Filtration
auf dünnem Mousselin und nach Abtrocknung in Papier wog d“®
Unverdaute in dem Magensaft 15 Gr., das im Wasser 40 Gr.
Exp. 28. Decemher 27. Nachdem Beaumost eine Unze Wf®'
gensaft gewonnen, frühstückte St. Martin .3 Unzen gebratene*
Hammelfleisch, 4 Unzen Brot und eine Pinte Kaffee. Von der'
seihen Nahrung brachte Beaumont 2 Drachm. wohlgekaut in diO
Unze Magensaft, dieselbe Quantität gekaut in eine Unze Wasser^
und brachte die Flaschen in die Achselhöhle, später ins Wasser'
bad von 96 — 100" F. 3 Stunden nach dem Frühstück war der
Magen beinahe leer, so dass man eben noch 1 Unze Chymus zur
Vergleichung gewann. Die Speise in dem Magensaft löste sicu
zur Hälfte auf, die im Wasser veränderte sich nicht. Die FluS'
sigkeit der erstem war röthlichgrau, die der letatern durchsicb'
tig. Am andern Tage setzte Beau.mont zu der Portion mit M“"'
gensaft aufs neue 2 Drachm. frischen Magensaftes, und bracld*^
die beiden Gläser wieder in die Achselhöhle; nach 10 Stunde**
war die Verdauung in dem Magensaft vorgeschritten. Das n*'
trirte Sediment vnirde so trocken gepresst, als es hineingehrad*
war; Es wog 45 Gr., so dass also 1 Drachme und 15 Gr. aufg®"
löst waren. Die Flüssigkeit AVar haferschleimartig, railchicht, d*®
Portion im Wasser blieb unverändert und wog filtrirt und g®""
presst 1 Drachme und 45 Gr.
Exp. 33. Januar 1. 1833. Beaumont nahm Unze Mage**'
saft aus dem gesunden, reinen Magen des St. Martin, legte uU*
9 Ulir die eine Hälfte von 2 Scrupeln gesalzenen , magern?
gekochten B.lndflcischcs, sehr fein zersclmlttcn, in die haU*^
Unze Magensaft , die andere Hälfte in ^ Unze reines
ser ; beides nahm er in die Achselhöhle. Zur selben Zn*
frühstückte St. Martin 2 Unzen gekochten, gesalzenen, mag®*"^
Rindfleisches, Brot und eine Pinte Kaffee. Um 12 Uhr nahm Be-*®
MONT 1 tinze des nicht ganz verdauten Inhaltes aus dem 5lagnf*
wovon hauptsächlich das Brot als Brei zurückgeblieben Avar.
Speisctheilchen mit dem Magensaft im Glase erschienen nicht
vollständig aufgelöst, als die im Magen, der etAva zur Hälfte 1®
war. Um 1 Ülir der Magen leer und rein. Am 3. Januar
mittags 8 Uhr fügte er i Drachme frischen Magensaft zu_de^
zerschnittenen Fleisch im Glase mit Magensaft, und zugleich ,
Drachme Wasser zu dem im Wasser digerirten Fleisch,
brachte lieide Gläser in die Achselhöhle. Am 4. war das
fleisch nocli nicht vollständig aufgelöst, wesshalli noch 2
frischen Magensaftes binzugefügt Avurden ; zu der Digestion im _
ser AVurden zugleich 2 Drachm. Wasser zugesetzt. Sie *''***^-q,j
im Wasserbad oder in der Achselhöhle gehalten. Die
mit Wasser fing nun an sehr übel zu rieeben. Am 5. um
waren die Stoffe im Magensaft gänzlich aufgelöst, und ein
röthlichgraucs Sediment war aus einer undurchsichtigen , S*
lichweissen Flüssigkeit mit einem graulichweissen Häutchen
der Oberdäclie zu Boden gefallen. Die wässrige Digestion
6. Veränderungen der Speisen tmBarmkanal. Magemerdauung. 525
stinkender geworden ; die Speisen waren eisen so , wie man
zuerst liincingelegt liatte, nur ein wenig macerirt und mehr
’^fttfärht (die Flüssigkeit durchscheinend, aber dunkler und ein
'W'enig grünlicli); kein Zeichen von Lösung. Am 10. waren die
^ontenta der wässrigen Digestion ganz stinkend; die Digestion
*äit Magensall vollkommen wohlriechend und mild.
Exp. 48. Ara 8. Januar, i Unze Magensaft wurde ohne SchAvie-
^^jgkeit hcrausgenommen. In zwei gleiche Theile getheilt, brachte
Beaumont in besondere Gläser; in ein drittes goss er 2 Drachin.
'-‘iufaehes Wasser. Zu iedem der 3 Gläser Ihat er ein einzelnes
^tiiek Schöpsenherz von 11 Gr. Ein Glas mit Magensaft und
brachte er in die Achselhöhle, das andere zugleich mit dem
yasserglasc stellte er unter ziemlich häuligem Umschülteln an
*^'nen kühlen Ort von ungefähr 46“ Fahr. Um 7 Uhr INachmit-
^Ss war das Stück im warmen Magensaltc halb verdaut; die
Flüssigkeit undurchsichtig röthlichhrann ; das Herz im kalten M<i-
B^iisafte sehr wenig angegrifleii, an der Oberfläche mit einer düii-
glutinösen Schicht bedeckt und die Flüssigkeit ein wenig
l’^'übe. ' Das Stück im Wasser Avar nicht im Mindesten alTiclrt,
'‘äd das Wasser war vollkommen durchsichtig, als wäre es eben
^Ingegossen. Am 9. Januar 9 Uhr Vormittags zeigten die 3
^luskelstückchen folgende Resultate: das im warmen Magensafte,
es herausgenoimnen und eben so trocken gemaclit war, Avie
Feim ersten Hineinlegen, wog T^^Gr. ; das im kalten Magensidt,
I ^Fen so behandelt, Avog 12^ Gr., indem es durcli Einsaugung des
' Flagensaftes 1^ Gr. gewonnen hatte; das irn cintachen vVasser
11 Gr., hatte also Aveder etwas verloren, noch etAvas gCAVOii-
^.en. Die im ersten Glase zurückgehlichenen 31 Gran waren in
*^lnem ganzen Stücke von derselben Form, Avie cs^ zuerst hiiicin-
plegt Avar, aber sehr zart und weich und kaum im Stande, den
Fi'ireichenden Druck heim Aufheben mit den Fingern zu ertra-'
^*-0; sjß waren ein vmllständiger Rrei. Das Miiskelstück im zwei—
*^*^0 Glase hatte im Uinliinge ein wenig zugenommen, erschien gc-
®cFwollen, zart, schleimig und wcicli, hatte aber noch hinrei-
jFeude Stärke des Gewebes, um einem beträchtlichen Druck
F^itn Aufheben zu widerstehen. Es war nicht aufgelöst. Das
FtÜck im Wasser behielt seine Festigkeit und war unverändert,
man einige Blässe der Oberfläche durch die Maceration
‘^rechnet. Ain 10. Januar Morgens 8 Uhr zeigten sich fol-
Sende Erscheinungen; Das erste Stück in dem warmen Magen-
Avog li Gr., indem es in 23 Stunden nur 2 Gr. verloren
F(>tte; es hatte dieselbe Form und ungefähr diesellie Consistenz
gestern. Ein röthlichhraunes Sediment Avar auf dem Bo-
pa der molkenfarbigen Flüssigkeit. Das zweite Stück im kal-
Magensafte wog etwas über 9 Gran, hatte also etiva 3ij Gian
^erloren; das im Wasser war unverändert und wog immer nocli
^ (iran Am 10. goss Beauaiost in das Glas mit dem warmen
'^‘agensaft und Muskelfleiscli \ Drachme frischen, eben herausge-
»Oßunenen Magensaft, nahm es wieder in die Achselhoule aut,
in 5 Stunden war der Inhalt bis zu einer kaum hemerkba-
Spur aufgelöst.
526 II. Buch. Organ, ehern. Processe. IV. Abschnitt. Verdauung.
Das Muskelstiick im kalten Magensafte, in der Temperatur
zwischen 50 — 60“ F. his zum 11. Morgens 9 Uhr erhalten, wog
7 Gr., hatte dieselbe Form, w'Ie gestern, und dieselbe Textur.
Die Flüssigkeit war mehr undurchsichtig und milchicht gewor.“
den, und der Bodensatz vermehrt.
Das Stück im Wasser hatte sich nicht verändert und wog
genau noch 11 Gran. Um 9 Uhr Vormittags diese zwei Glasor
in die Achselhöhle. Abends 9 Uhr war der Rest des Muskel-
kelstiickes in d(;m am Morgen in die Achselhöhle gebrachten
Glase mit Magensaft fast ganz gelöst, indem mu' 1 Gr. als zarte*
Brei zurückhlieh.
Das Muskelstück im Wasser blieb unverändert, und wog g®'
rade so viel als zuerst; aber es begann einen heftig stinkenden
Gerueb zu vci'breitcn, und in wenig Tagen wurde es sehr faulig"
Es wmrde jedoch seine erste BeschalTcnheit durch 3 Drachm. fr*'
sehen Magensaftes, den er am 21. hinzugoss, fast ganz wieder her-
gestellt. Als cs ins Wasserbad gestellt, zu digeriren und bald dar-
auf zu cbyrnificiren begann, verlor es seinen stinkenden Gerue**
und erlangte einen stark sauren, oder vielmehr scharfen Geschinac»'
Exp. 58. Januar 11. Beaumovt brachte 15 Gran rohen Beel-
steaks in kleinen Stücken in .3 Drachm. Magensaft, 15 Gr. gebra-
tenes Beefsteak in 3 andere Drachm. Magensaft, und eine glei-
che Quantität gebratenes Beefsteak in 3 Drachm. Speichel. Di®*®
Gefässe wurden abwechselnd theils in die Achselhöhle, thcils i*’*
Wassei’bad gebracht. jMach 2 Stunden zeigte der Speichel nicld’
als einfache Maceration, die anderen 2 Gefässe zeigten beti’äcl)!'
liehe Verminderung und thellweise Auflösung des Fleisches. PiaCi*
4 Stunden zeigte die Speichclportion auch keine VeränderuuS'
Eben so Exp. 60.
Auf diese Art sind von Beatjmont noch eine Menge künstli-
cher Verdauungen angestellt, wie in den Exp. 66. 78. 84. 85. » '
95. (Magensaft und Kartoffeln) 96. 101. 104. 105. 106. 109. ll"'
111. 112. (Magensaft und Käse) 115. Im Allgemeinen fand i***"
mer derselbe Erfolg statt. Der Magensaft zeigte sich als Lösungs-
mittel für die verschiedensten Speisen. Was die GlaubwürdiS'
keit des Verfassers betrifl’t, so ist zu erwähnen, dass derselbe ***''
fällige Erscheinungen bei den Versuchen immer mit grosser
wissenhaftigkeit angiebt, und dass er sich auf das Interesse n*®
rerer Gelehrten, Silliman, Rnigut, Yves, Hubbakd, Dusoniss^^j
Sewali., Jones, IIenderson an diesen Versuchen bezieht. «
also nach diesen Versuchen nicht entfernterweise zweifelhaft, ^
der Magensaft wirklich in und ausser dem Körper ein LösuUg
mittel organischer Substanzen ist.
Dritte Frage. Sind die lösenden Principien im Magensa
Säuren oder andere unbekannte Stoffe?
ft®
tief
Tie0emakn und Gmelin sind vorzüglich die Urheber
Theorie, dass <IIe Auflösung der Speisen durch die im Magens® ^
Vorgefundenen Säuren, also durch Essigsäure und Salzsäure
Um die auflösende Wirkung der im Magen vorkonuneu
Säuren auf einige nicht im Wasser lösliche organische Stoffe k®
5. Veränderungen der Speisen im Darmkanal. Magenverdauung. 527
2,^ lernen, stellten sie diese Säuren mit tlüerischen Substan-
bei ungefähr iO" C. einige Wochen zusammen.
Die aufzulösenden Stoffe waren:
1. Faserstoff’ aus dem Blute der Kälber.
2. Faserstoff aus dem Blute der Ochsen.
3. Faserstoff aus dem Blute der Pferde. _
4. Die Haut dicker Venenstämme von einem Pferde.
5. Die Haut dicker Arterienstämme von einem Pferde.
6. Hart gekochtes Hühnereiweiss.
7. Darmschleim aus dem Dünndarm eines Hundes.
8. Darmschleim aus dem Dünndarm eines Pferdes.
. Ueherall waren die Gewichtsverhältnisse, wobei diese Mate-
in feuchtem Zustande bestimmt wurden, die Temperatur und
Zeit dieselben.
■igsaure. _ i i n
1., 2. und 4. absorbirte sämmtllche Essigsäure und schwoll
^äiit zu einer durchscheinenden Masse auf, die sich beim Er-
''''‘rmen mit einer neuen Menge von Säure völlig löste.
Bei 3. 5. und 6. blieb wenig flüssige Säure, welche durch
^alläpfeltinctur und blausaures Eisenkali stark gefällt wurde. Der
^'^%e(,|uollene Rückstand von 3. und 5., mit mehr Säure erwärmt,
^'äi’dc noch gallertartiger und löste sicli grössten theils auf; der
6. war m'inder aufgcquollen und veränderte sich auch in der
®i'nie weniger.
Der Schleim 7. und 8. blieb in der kalten Essigsäure ziem-
, unverändert, so dass sich diese mit Galläpfeltinctur nicht
j'^ätlich trübte; doch löste er sich beim Erhitzen mit frischer
■^^igsäure grösstentheils auf.
Salzsäure.
Die kalte Salzsäure hatte, nach der Wirkung der Galläpfel-
i'^ictur zu urtheilen, von den Materien 1. bis 6. sehr viel, vom
'^'^bleim 7. und 8. nur wenig gelöst. Tiebemann und Gmeus
'*• O. p. 3.32.
1.. Beaumont bat auch mehrere Versuche über künstliche Auf-
'^siing der Nahrungsmittel durch Säuren, und zwar im Vergleich
gleichzeitigen Versuchen mit Magensaft, angestellt. _
yierte Reihe. Exp. 46. Beaumont nahm 3 Gläser, goss m das
2 Draclim. Magensaft, in das zweite 2 Drachm gewöhnli-
Weinessig, und in das dritte 2 Drachmen Wasser, und
“ä'e jedem einzelnen 10 Gr. frisches Eiweiss hinzu.
, Diese drei Glä-scr in die Achselhöhle genommen und 2 Stun-
7!» lang geschüttelt, zeigten Folgendes: Die Gerinnsel im Magen-
waren halb gelöst und die Flüssigkeit milchicht; die un
,''einessig und Wasser blieben dieselben, und ihre Flüssigkeit
"'»Verändert. In 5 Stunden war das Eiweiss im Magensaft voll-
aufgelöst und die Flüssigkeit mehr undurchsichtig
W.'ss; ln den beiden anderen Gläsern zeigte sich dasselbe, wie
i"' der letzten Besichtigung; die Gerinnsel im Weinessig wogen
"Vausgenbrnmen 9 Gr., die im Wasser waren zu lose und schaumig,
* dass sie hätten herausgenommen und gewogen werden Können.
Dritte Reihe. Exp. 115. Beaumont machte verdünnte Salz-
528 II. Buch. Organ, ehern. Processe. IV.Alschnät. Verdauung.
säure in Stärke und Geschmack dem Magensafte so ähnlich
möglich, und nahm davon 3 Drachm., vermischte sie mit ^
Drachm. bis zu fast demselben Geschmack verdünnter Essigsäure»
und goss das Gemisch auf 1 Scrup. fein geschnittenes, gebrate'
nes Rindfleisch. Dieselbe Quantität eben so zubereitetes Flehe*
legte er in 4 Drachm. Älagensaft. Nachdem beide Gefässe
Stunden im Bade gestanden, dann herausgenommen und filtri*
•worden, wog das im Magensafte gewesene Fleisch nur 2 Gr.,
gegen das in den Säuren digerirte sich nicht aufgelöst, sondr*'*'
nur sein fibröses Gefüge verloren hatte, indem es eine zilleriid**»
gallertartige Masse bildete, die zu zäh war, um durchs Filtr«*”
zu geben, und mehr als beim Hineinlegen in die Säuren
Zugleich erschien es nicht dem Chymus ähnlich, noch dem **’’
Magensafte digerirten Fleisch. Nacli abermaliger achtslüntlin*','
Digestion im Bade war das Fleisch in den Säuren fast ganz “**^'
gelöst, und liess, wenn es durchs Filtrum lief, nur eine sehr
ringe Menge der gallertartigen Substanz zurück, die bei der **'
stell Untersuchung so häufig war. Die Flüssigkeit war nun
durch Digestion des Fleisches mit dem Magensaft erzeugten äh**'
lieber, obgleich nicht durchaus gleichartig, indem letztere, '*""
durchsichtig und von weisslichgrauer Farbe, ein dankelbrauiF*'
Sediment beim Stehen zeigte, während die der sauren Digesli**'*
ebenfalls undurchsichtig, aber von röthlichhrauner Farbe
und kein Sediment absetzte.
Zwei Drachmen Galläpfelinfusion bewirkten in der Digcsti*”'
mit Magensaft einen feinen, röthlichbraunen Niederschlag, "iud*^*!!
die Flüssigkeit dieselbe Farbe annahm. In der Digestion >*?'j
den Säuren brachten die 2 Drachm. Galläpfelinfusion einen
copiöseren Niederschlag hervor, worüber eine klarere und diiiiuß*^*’
Flüssigkeit von weisslicher, fast durchsichtiger Farbe stand.
Exp. 104. Um 9 Uhr Vormittags nahm Beaumont 40
gekautes, gekochtes Rindfleisch, theilte es in 2 gleiche Th®* ^
legte den einen in 4 Drachm. Magensaft und den andern i'* ,
Drachm. einer Mischung aus 3 Theilen verdünnter Salzsäure, ä**^
4 Theil verdünnter Essigsäure, die durch zugesetztes "Wasser d®**
Magensaft an Geschmack so ähnlich als möglich gemacht ■''**’*
und stellte beide Gläser ins Bad. Um 6 Uhr des Abends
im Magensaft alles aufgelöst; die Digestion mit den Säuren 1***.^
bei dem Durchseihen 9 Gr. Rückstand von gallertartiger ^***'11,
Stenz. Die Flüssigkeit der Digestion mit Magensaft war undui’®
sichtig hellgrau, und liess beim Stehen ein braunes Sedi>y®'
fallen; die andere Avar ebenfalls undurchsichtig, aber röthh®
braun, und zeigte kein Sediment. ^
Exp. 105. Früh 9 Uhr nahm Beaumont 40 Gr. reine troc
Ichthyocolla, theilte sie in 2 gleiche Theile, legte den einen
Drachmen einer Mischung von Esssigsäure und Salzsäure,
derselben Art vi'ie im Experiment 104 bereitet, den '***‘^*^* riijj'
4 Drachmen Magensaft, und stellte beide ins Bad. U»* ®
Abends war die Ichthyocolla im Magensafte ganz aufgelöst,
in den verdünnten Säuren liess 3 Gran Rückstand von
artiger Consistenz auf dem Filtrum. Die Flüssigkeit in der Misch** e
5. Veränderungen der Speisen im Darmkanal, Mageni>erdauung. 529
^oti Magensaft war nndurclisichtig welssUch, mit wenigem feinem
^®clunent von brauner Farbe, die von den Sauren ebenfalls _un-
’^'H'cbsicbtig, aber von röthlicbbranner Farbe, dünner, schleimi-
Consistenz und ohne Sediment. Als er zu letzterer 1 Drachm.
^='Häpfelinfusum zugoss, entstand sogleich eine reicbliche rabm-
‘*'>nliche Flüssigkeit, und langsam fiel ein zartes compactes Sedi-
'*‘ent zu Boden. Als eben so viel Galläpfelinfusiun zu den Säu-
gesetzt war, bildete unmittelbar darauf die ganze Masse ein
P'^bes, braunes Coagulum, das nach einigem Rubigsteben ein
fufiges, loses, bräunlicbes Sediment, und eine bcUgefärbte, durch
^eben weiss und milchig werdende Flüssigkeit sich abscheiden
das Sediment wurde compact und blieb so.
Die Präcipitate, nach Hinzufügen des Galläpfehnfusum her-
^’isgenommen und filtrirt, wogen; Das aus dem Magensaft 18 Gr.,
”'‘5 aus den Säuren 40 Gr. , indem der Gewichtsunterschied un-
Bßfälir gleich war der hineingelegten Gelatina.
Exp. 106. Am folgenden Tage früh 9 Uhr wurde ganz das-
*®lbe Experiment (105) wiederholt. Nachmittags 15 Minuten nach
tlbr war im Magensaft alles bis auf eine Kleinigkeit aufgelöst,
den Säuren fast eben so, nur blieben 6 Gr. gallertartige Sub-
f«nz auf dem Filtrum zurück. Die Flüssigkeit im Magensaft
eine blaulichweisse Farbe, und die andere eine gelbliche
trockene Gelatina. Um 6 Uhr war in den Säuren die Gela-
"“a aufgelöst, und die überstehende Flüssigkeit m beiden Gefas-
sehr älmlich. . , .
. Eine Drachme Galläpfelinfusum, beiden Mischungen hmzup-
bildete sogleich lose hellgefärbte Coagula m beiden. Aus
Magensaftgemisch fiel ein compactes Sediment zu J^oden,
Vorüber eine undurchsiclitige, milchichte Flüssigkeit stand. Die
^^oben Coagula in dem Säuregemisch blieben lange Zeit durch
ganze Flüssigkeit suspendirt und fielen allmählig nieder. Nach
Stunden waren beide Niederschläge am Boden zu einer com-
bacten Masse geworden, und zeigten deutliche Theilchen von
ungelöster Gelatina, mit einer schmutzigxveiss gefärbten,
'Itarkälinlichen Substanz vermischt. „ , . i rr.i -i
Exp, 96. Nachmittags 3 Uhr nahm Beaumont 2 gleiche Theile,
l®den zu 2 Drachm. , Speichel , machte sie säuerlich , den einen
Essigsäure, den andern mit Salzsäure, bis sie ungefähr den
^'^sebmack des Magensaftes angenommen hatten,, und legte dar-
in iedes Glas 2 Stückchen Pastinake und 2 Stückchen Moor-
von beiden ie eins gekocht und das andere roh; j^es wog
’* G^r. Nun wurden beide Gefässe ins Bad gebracht. Den fol-
pnden Tag 3 Uhr Nachmittags hatte die Moorübe im Speichel
Salzsäure nichts an Gewicht verloren; die Pastinake nur £
n’’: ln der Essigsäure waren beiderlei Wurzeln unverändert.
7'de Flüssigkeiten waren in ihren bemerkbaren Eigenschattcn
M Erscheinungen dieselben geblieben. Nachdem sie noc x
/'i'xden unter häufigen Bewegungen im Bade gehalten woraen,
die Pastinake 4 Gr. und die Moorrübe nichts an Gewicht
erloren in der Salzsäuremischung. Die Pastinake m der Essig-
hatte 6 Gr. und die Moorrübe 4 Gr. verloren, aber es
530 II. Buch. Organ, ehern. Processe. IV. Abschnitt. Verdauung.
«chien melir durch Maceration als durch Auflösung wie hei de*'
Verdauung geschehen zu seyn.
Er mischte nun alles zusammen und hielt es noch 24
den im Bade, wo dann der ganze vegetabilische Ueherhleihs®
12 Gr. wog. Die Flüssigkeit erschien jetzt ein wenig chymu*'
artiger und mehr trübe.
Um die Richtigkeit der Theorie von Tiedemanv und Gmeii-'’
dass das auflösende Princip des Magensaftes die Saure desselh*^"
sey, zu prüfen, habe ich auch sclion längst einige Versuche S®
macht. Ich legte Stückchen Flciscii von einigen Gran und kle'»
Würfel von geronnenem Eivveiss in gleiche Quantitäten sehr
dünntcr Salzsäure, Essigsäure, Weinslcinsäure und Kleesaui ’
Obgleich sich nun Isald aus der Flüssigkeit ein Thcil des aufgelöst*^
Stoffes mit den gewöhnlichen Reagentien niedersch lagen h^*^
indem eine Trübung entstand, so zeigte sich doch die Ilaiip^
masse Fleisch und Eiweiss von einigen Gran seihst nach mchi
ren Tagen durchaus nicht merklich verändert, ja cs hehleh
sogar die kleinen Würfelchen von Eiweiss Wochen lang ihre Ecs®
und Kanten. , In der Digeslionswärme wird auch niclit viel me ^
auf diese Art aufgelöst. Unter jenen Säuren schien die KIccsäiü®’
die für den mensclilichcn Körper schon in kleinen Quantität
bekanntlich ein Gill ist, am stärksten zu wirken. Das Menstrue’’’
wurde nach einiger Zeit trübe und cs setzte sich auch ein
lieber Satz sparsam zu Boden ; aber an dem Fleischstückchen
dem Eiweiss zeigte sich doch keine merkliche Veränderung.
der habe ich die Versuche noch nicht mit Milchsäure anstell
können. Zur selbigen Zeit setzte ich ein Gläschen mit verdün’’
ter Essigsäure und kleinen Fleischstiickchen 24 Stunden demStfö ^
einer starken galv. Säule aus; dasselbe wurde mit Kochsalzauflöswi’s
versucht; aber auch jetzt zeigte sich keine irgend merklich
stärkte Auflösung. So gross die Aullösun^skraft der Säuren *'
mineralische Substanzen ist, so gering ist sie für organische S« ^
stanzen, und bedenkt mau, dass verdünnte oder selbst conce*’^
trirte Säuren ein kleines Stückchen Fleisch oder Eiweiss
einigen Granen in vielen Tagen nicht ganz aufzulösen ver'®®^,
gen, so verliert die scheinbar so einfoche Theorie von TiEDEM-'j',^
und Gmelin von der Auflösung der iVabrungsmlttel durch
Säure des Magensaftes alle Wahrscheinlichkeit, die sie
für diejenigen nicht haben konnte, welche die so häufige
zeitigkeit von Indigestion mit verstärkter Säiirebildung erW^ci^^
haben. Obgleich icii tlaber nach den Versuchen von BeaUJ'^*
die Auflösung der Nahrungsstoffc durch den Magensaft zng®
muss, so muss ich gleichwold behaupten, dass weder die .U»
suchungen von Tiedemamn und Gmelik , noch die von BEAvM'^^.p
noch von irgend jemand über das wirksame, auflösende
im Magensaft Aufschluss gegeben haben, und dass Avir dieses
cip nicht kennen. Diess ist dasselbe Glaubensbekenntniss, '"’®
bereits Berzelius vor längerer Zeit und vor der Erscheinung
Untersuchungen venTiEDEMAKU und Gmeein abgegeben hat. *
gleich die Milchsäure noch nicht in Hinsicht ihrer auflöscu^j
Fähigkeit für organische Stoffe untersucht ist, so ist es doch
5. Veränderungen der Speisen im Darmkanal. Magewerdauung. 531
J^a^irscheinlich, dass sie sich sehr von Essigsäure in dieser Bezie-
unterscheiden wird. Alles üherzeugt uns daher, dass das
^'■'rksame Princip im Magensaft ein noch iinbekannter organi-
^clier Stoff ist, der auf dieselbe Art wirkt, wie die Diastase auf
Stärkmehl, indem es dasselbe auflöst. Ich erwähne übrigens
"'6 Diastase hier bloss des Beispiels wegen. Bis jetzt ist keine
I^>’8aniscbe Substanz liekannt, welche Fleisch oder Eiweiss aufzu-
ösen im Stande wäre.
Noch in einer andern Angelegenheit muss ich meinen Un-
SWuhen bekennen; diess betrilFt die Fähigkeit der Electricität,
die Wirkung des Nervus vagus bei der Verdauung zu ersetzen,
j ‘*ch der Durcbschneidung des Nervus vagus auf beiden Seiten
die Verdauung grösstentheils auf. Vergl oben pag. 337.
®'Aisy,nE sah bei Tauben, dass die Wicken, die sie genossen,
**'^ch jener Ojieration in ibrem Kropfe unverändert geblieben,
dass ihre Cbymiflcation ganz aufgeboben war. Diesen Er-
halicn auch Legallois, Dupuy, Wilsoh Philip, Clarke,
Hastings gehabt. Dagegen sahen Broughton, Magendie,
^Wret und LassÄigne die VerdWing nach der Durchschneidung
N. vagus Ibrtdauern. Mayer (Tiedemann’s Zeitschrift 2. 1.)
"eobachtete auch noch einige Fortdauer der Verdauung und
®aure Reaction des Chyrnus wenigstens bei den Kaninchen. Bra-
ndet (recherrhes sur les Jonct. du sjst. gangl. Paris 1830.) sah die
Speisen, wo sie die Magenwändc berühren, in allen Versuchen
"lürch Cbymilication verändert. Da sich bei Säugethieren wegen
meist bald erfolgenden Todes nicht mit voller Sicherheit über
^'esen Gegenstand entscheiden lässt, so habe ich mit^Herrn Dr.
^‘eckhof mehrere Versuche an Vögeln, namentlich Gänsen, an-
ßEstellt; nachdem diese Tbicre 48 Stunden gefastet, wurden sie
Hafer gefüttert. Jedesmal wurden 2 Tbiere zugleich zum
pperiment genommen. Nur dem einen Yvurde der N. vagus auf
.'®'den Seiten durchschnitten, das andere blieb zur Vergleichung
Unversehrten Zustande. Nach dem Tode iles ersten, der in-
|*Erliai], 5 Tagen erfolgte, wurde auch das zweite getödtet. In
®tzterem war der Kropf meist leer, im ersteren immer ganz voll
Hafer, im Muskelmagen fänden sich einige Körner, zum Theil
^^iTualmt. Die Magenflüssigkeit reagirte sauer, nicht so sauer
Y® im gesunden Thier. Hieraus kann man schliessen, dass die
'^®rdauung nach jener Operation grösstentheils, aber doch nicht
aufhört. Tiedemann sah zwar nach der Durchschneidung
beiden N. vagi bei einem Hunde, dass das Erbrochene so we-
y'S sauer als der MagenscMeim reagirte, und auch in Mayer*s
^ ^''Suchen reagirte der Cbymus hei Katzen und Hunden nicht
aber diese Reaction “^sahe Mayer bei den Kaninchen nach
Operation, und ich habe sie in den mit Dieckhof angestellten
j^^®uchen niemals fehlen gesehen, obgleich sie weniger stark als
jj. gesunden Zustande ist. Nun liat Wilson behauptet, dass man
Verdauung vermittelst eines electrischen Stromes durch den
J.®EVUS vagus wicderherstellen könne, so zwar, dass man den
*äen PqJ Säule auf den Nervus vagus, den andern auf die
Zinnfolie belegte Regio epigastrica appllcire. Breschet und
532 11, Buch. Organ. chem.Processe. IV, Ahschnüt. Verdauung.
Vavassextr haben diese Versuche wiederholt. Sie fanden:
einfache Darchschneidung der Nervi vagi ohne Suhstaiizverlu ^
hebe den Verdauungsprocess nicht ganz auf, wohl aber die Dui'C
schneidung mit Substanzvcrlust. Froriep’s Not. 6. 264.
Versuche haben gewiss wenig oder gar keine Beweiskraft,
gen der innern Unwahrscheinlichkeit dieser Resultate ; denn ißiK* ^
ist ein Nerve gelähmt und bleibt es für eine sehr lange Zeit,
man ihn mit oder ohne Suhstanzverlust durchschnitten hah® ’
und man muss von der Vorstellung einer in den Nerven wirkenflCj^
electrischen Kraft sehr eingcnorainen seyn, wenn man den .
alle Facta widerlegten Glauben hat, die gegenseitige Berührung ®
durchschnittenen Nerven stelle die Leitung des NervenprmC’V
her. Nun behaupten sie ferner, dass man mittelst der Electr'®^
tat, indem ein electrischer Strom durch die getrennten Stü®
geleitet werde, die Verdauung ganz Aviederherstellen könne. ^
rechnen hierbei auf die verstärkten Bewegungen des
Später haben Breschet und Edwards { Archiv, gen. de med.
1828) jene Ansicht reformirt; sie haben als Resultate neuer y'
suche angegeben, dass die Durchschneidung der N. vagi die
mifieation verlangsame, ohne sie ganz aufzuheben, dass die y
langsamung von der Lähmung der Speiseröhre abhänge, y
diese auch die Ursache des in jenen Fällen stattfindenden
Brechens sey, dass die Wiederherstellung der Chymificatiou
electrischen Strom nicht von der Electrlcltät, sondern von ® ^
dadurch bewirkten Reizung der N. vagi abhänge, indem
nische Reizung des untern Endes des Nerven dieselbe vollk®
mene Wiederherstellung der Verdauung wie die Electrlcltät
wirke, insofern die Bewegung des Magens dadurch wiederberg^jj
stellt werde. Auch in den Resultaten dieser zweiten Reihe '
Versuchen liegen innere Unwahrscheinlichkeiten j denn d«^
Reizung des N. vagus kann man, wie ich schon öfter aus Eiy
rung anfühi’te , die Bewegung des Magens nicht ira gering*
verändern. Vergl. p. 489. Würden die Verfasser ihre Versu®
nur länger fortgesetzt haben, so würden diese Widersprüche
wohl gehoben haben ; sie würden vielleicht gesehen
dass weder der mechanische noch der electrische Reiz an
N. vagi irgend eine Veränderung der Verdauung bewirkt,
sich die Thiere gleich verhalten, mag man diese Reize anbv* ^
gen oder nicht anbringen, wie wir es in unseren Versuchen
sehen haben. Ich habe mit Herrn Dr. Dickuof eine ganze R®j^(.
von Versuchen an Kaninchen angestellt , weil ich längst an ® ^
Richtigkeit der so bekannt gewordenen WiLSos’schen Vei’S'i
über die Identität des Nervenfluidums und der Electricität
feite. Jedesmal wurden 3 Kaninchen zu gleicher Zeit zum ’
such gezogen. Alle 3 wurden 48 Stunden hungern gelassen ?
wurden dann mit Kohl gefüttert. Das erste wurde
versehrt gelassen, dem zweiten wurden beide N. vagi
durchschnitten; bei dem dritten geschah nicht allein das Letz
sondern es wurde auch 7 bis 8 Stunden lang ein
Strom durch die Nerven auf die von Wilson angegebne
geleitet. Nach dem Tode des galvanisirten Kaninchens oder
Veränderungen der Speisen im Darmkanal. Dünndarmverdauung. 533
^"'citen mit durchschnittenem N. vagus wurden auch die anderen
Sßtödtet. Das unversehrte Kaninchen hatte jedesmal ganz chy-
'öificirt; das Futter war his auf den unauflöslichen, ziemlich
j^ockenen Rückstand extrahirt; hei den beiden andern war das
^Wter fast ganz in demselben Zustande: einmal war das Futter
galvanisirten Kaninchens etxvas weniger verdaut, mehrmal
^aren beide ganz gleich und mehreremal war das nicht galva-
**'sirte vielleicht, aber kaum etwas weniger verändert als das
S^'vanisirte. Eben so gross ist mein Unglaube an die Versuche
^'*0 Matteucci, der eine künstliche Verdauung aus Fleisch mit
^'^chsalz, unter Einwirkung der Electricität, bewirkt haben will.
^^oaiEp’s Not. 867. Sich stützend auf die Versuche von Wilson
®^cllt sich Matteucci die saure Reaction des Magens als durch einen
f'isitiv - electrischcn Zustand dieses Eingeweides hervorgehracht.
Er nahm ein Stück gekochtes Fleisch, that Wasser, Koch-
und kohlensäuerliches Natron hinzu, erhielt diese Älischung
hiigß 2eit in einer gehörigen Wärme, indem er sie dabei im-
merfort zerrieb, bis sie in eine breiige Masse verwandelt war,
ähnlich , welche man durch das Kauen erhält. Diesen Brei
^•■ächte er in eine mit einer Auflösung von Kochsalz befeuchtete
und setzte mit dieser die Pole einer aus 18 — 20 Platten-
Päaren bestehenden Säule in Verbindung. Längs den Wänden
Blase, besonders um dem positiven Draht, liabe sich eine
m'^'ssliche, dichte, saure, von Blasen von Oxygengas ausgedehnte
^*^Jücht gebildet. Diese Substanz sey flockig gewesen, und sey
"^cli der Auflösung in Wasser erhitzt geronnen. Nachdem ich
m^^on längst mich vergeblich bemüht hatte, Fleischstückchen in
r'^re oder Kochsalz mit Hülfe eines clcctrischen Stroms aufzu-
mussten mir diese Resultate sehr unxvahrschelnlich vor-
*Ottinien. Ich habe den Versuch von Matteucci mit Dr. Dieckhof
Wiederholt; xvir brachten von demselben Brei von Fleischstück-
• en Kochsalz und kohlensäuerlichem Natron 2 Portionen
*** Verschiedene Blasen; nur die eine wurde galvanislrt, die an-
Wurde sich selbst überlassen. Nach Beendigung des Ver-
zeigte sich kein irgend bemerklicher Unterschied in beiden
ässigkeiten.
Veränderung des Speisehreies im Dünndarm.
V^ir greifen hier den Faden der klassischen Untersuchungen
I?" Tiedemann und Gmelin wieder auf; denn sie enthalten auch
das einzige Sichere, was wür über die Veränderungen des
u 'yöius wissen. DerChymus des Duodenums reagirt sauer. Sein
auf die Darmwände, der sich auf den Ductus choledochns
Ci II Gallenwege überhaupt fortpflanzt, hat Erglessung von
h und Succus pancreaticus zur Folge; wenigstens hat Tiede-
I Vsn Gallenblase, bei Thieren, während der Verdauung fart
p? gefunden. In den Contentis des Dünndarms liess sich nach
äiit mit Leim dieser nicht mehr erkennen, nach Fütterung
hutter wiude das Fett wieder erkannt, nach Fütterung mit
Undeutlich der Käsestoff, nach Stärkmehl Reste des letz-
nicht immer, statt Stärke wurde Slärkezucker gefun-
' Von Milch zeigten sich in der ersten Hälfte des Dünndarms
534 ll.^uch. Organ, ehern. Processe, IV. Abschnitt. Verdauung.
Klümpchen von Käse. Nach Fütterung eines Hundes mit
chen fanden sich kleine Knochenstücke in der ersten Hälfte o
Dünndarms, in der zweiten Hälfte viel phosphorsaurer und
mg kohlensaurer Kalk. Bei Pferden war nach Fütterung j
Hafer, in der ersten Hälfte des Dünndarms noch Sfärkernelj
vorhanden, was seine Eigenschaft im mittlern und untern Tl>®
verlor.
Die Contenta des Dünndarms reagirten in der ersten Häo
desselben immer sauer, aber schwächer als die des Magens.
Säure nahm in der zweiten Hälfte ah und verschwand gewöb”'
lieh in dem Endstücke des Dünndarms. Tif.demann’s und G-’f®
lin’s Untersuchungen lassen es unentschieden, oh das Verschivi*’'
den der Säure des Chymus von der Neutralisation derselben du*'
das kohlensaurc Alkali der Galle herrührt, wie Boeriiate,
NER, Prout glauben, oder ob der untere Theil des Dünnda*'^
alkalische Absonderung hat, ob sich durch anfangende Fäul**'
Ammoniak entwickelt, welches die Säure sättigt, oder ob der Ch;
mus im sauren Zustande resorbirt wird und die Säure in
Wegen durch die Lymphgefässe und Lyraphdrüsen verliert,
der Chylus allerdings alkalisch ist» Die im Chymus des Dü*"’
darms enthaltenen ihierischen Materien sind vorzugsAveise: ^
1. Eiweiss; seine Menge nimmt in der letzten Hälfte "
Dünndarms ivegen der Resorption des Chymus ah.
2. Käsestoff; er nimmt auf gleiche Art ab. Von beiden 1"*^
sich nicht angehen, wie viel der Verdauung, Avie viel den
dauungssäften , z. B. dem pancreatischen Salt, angehöre. T*""
MAHN und Gmeun finden es möglich, dass der Käsestoff des
creatischen Saftes, als sehr stickstoffreiche Materie, einen
seines Stickstoffs an weniger stickstoffhaltige Nahrungsstoffe * ^
gehe und sich damit in GleichgeAvicht setze, wodurch solc"
Nahmngsstoff in Ehveiss A'erwandelt werden könnte. -g
3. Durch salzsaurcs Zinn fällbare stickstoffhaltige Mat®
lU't
o"’
(Speichelsloff und Osrnazorn). Sie nimmt nach unten ab.
4. Durch Chlor sich röthende Materie, Avahrschcinlich
pancreatischen Safte, da sie sich nicht im Magen zeigt, nicht
der Galle, da sie auch nach Unterbindung des Gallenganges
vorkommt. Sie findet sich nicht in Excrementen wieder.
5. In Weingeist, nicht in Wasser, lösliche Materien: “
Talg, Farbestoff und Harz der Galle. In qualitath-er Hinsicht
scheiden sich jedoch die aufgeführten Stoffe nicht von denjen'o^^^
welche Tiedemann und Gmehn in dem Darmkanal von
nen Tliieren fanden. Sie sind daher ausser der von den * ‘ ^
rungsmittein herrührenden Menge von Ehveiss wahrscheinlich*
Verdauungssäften, namentlich dem Succus pancreaticus, ‘'***»® |.iß
rend, der Ehveiss, Käsestoff, durch Chlor sich röthende M" ®
enthält.
Hier Aväre nun der Ort, den Einfluss der Galle auf den
mus zu untersuchen. Beaumont hat einige Versuche über .
Verhalten von Galle zum Chymus ausser dem lebenden K**
angestellt. Wurde Ochsengalle mit Chymus aus dem Mage"
St. Martin versetzt, so bildete sich ein trübes, gelblich-W®’
Veränderungen der Speisen im Jiavmknnal. Diinndarmverdanung, 535
f'luiclum oder vielmelir feine, weisse Coagiila, die sich, einige Zeit
Restanden, in hellgelbe, zu Boden sinkende Coagula und ein trii-
^‘es, milcbfarhenes Fluidum sonderten. Vermisebte Beaumont zur
^ergleichun"' Galle und verdünnte Salzsäure, von beiden 1 Drachme
•eit 2 Unzen Wasser, so entstand eine ähnliche Trübung, aber
«s bildete sieb ein tief grüner, gallertartiger Bodensatz in einer
^laulicbgrünen Flüssigkeit ohne milchiges Ansehen, wie in der
Mixtur von Cbymus. XJeber den Anlbcil der Galle an der Cby—
*»>ilieation lialien auch Tiedemakk’s und Gmeuin’s Unlersuebungen
^eine vollen Aufschlüsse gegeben. Durch die Säure des^ Cbymus
■'vird aus der Galle der'Scblcim derselben geronnen mit einem
Rfossen Tbeil des Farbestoffs der Galle gelallt. Ausserdem wird
^ällenfett niedergescblagen, welches heim Ausziehen des im Was-
unauflöslichen Tbcils der Conteuta des Darms mit Weingeist
^t'halten wurde. Die von Tiedemann und Gmeuin im Daimkanal
R^fiindene Talgsäure erklären sie als aus der Galle abgeschie-
den. Der nicht im Wasser lösliche Tbeil der Contenta enthielt
*^allenharz, welches ein excremcntieller Stoff zu seyn schien, ohne
^•nQuss auf die Umwandlting der Nahrungsstoffe, ein Haupthe-
®tandtheil der Excremente. Tiedemann und Gmelin fanden die von
^ eener circa modum, (juo rhymvs in chylmmmdatur, diss.inaug.
P^aes. Autenkieth. Tiih. 1800.) cingeführto Ansicht, dass der Chy-
von der Galle in Form von Flocken niedergeschlapn werde, un-
^figründet. Bel Vermischung von Galle mit dem flüssigen Magcn-
dthalt erfolgen nur diejenigen Niederschläge aus der Galle, wie sie
Vermischen einer Säure mit der Galle entstehen. Die sogenann-
ten CliYlusflockcn im Dünndarm sind nur Schleimflocken, welche
*'eli auch nach Unterbindung des gemeinschaftlichen Gallenganges
Zeigten. Der resorptionsfähige Cbymus ist flüssig. Nach Auten-
und A. Cooi’er wäre der Chylus imDünndann eine ziemlich
P'^'isistente, zwischen den Zotten ludlcnde, an der Luft gerinn-
Materie. Vergl. Abernethy physiol. leci. p. 189. Nach Tiede-
*Gnn und Gmelin ist diess aber Schleim, und dann muss die Ge-
‘■'Onung ein Missverständniss seyn. Die aus der Galle zur Um-
^''aiidlxing des Chymus anwendbaren Flüssigkeiten , sind wahr-
f.'tieinlich das Dicromel, das Osmazom, die dem Gliadin ähn-
Materie und die Cholsäure, weil sie nach Tiedemann’s und
. 'ielin’s Untersncliungcu nicht in den Excrementen Vorkommen,
I c. 1. .362.^ 2. 65. Es ist nicht wahrscheinlich, dass der
j.'osse Zweck der GaUe, ausser der Ausscheidung des exerernen-
t‘ellen Gallenharzcs und Farbestoffs, ist, die Säure des Chymus
'*"*tistumpfen und ihn zu der Umwandlung vorzuhereiten, die
p in den Lymphgefässen erfährt, avo er als Chylus alkalisch wird.
Entweder tragen ihre wesentlichen, nicht in den Exerementen
I'J'iiommenden Bcstandtheilc dazu hei, die fernere Auflösung des
.ynius zu vollcmlen, wie Haller glaubt, oder diese Bestandlbei e
zur Umwandlung des Chymus in den Inhalt der LyuMi'i-
S^/ässc verwandt werden, so wie Prout vermnthet, dass die Bei-
^nchung der Galle zur Erzeugung des Eiweiss-stoffes aus den
) '‘ärungsmitlelu beitrage. Der Chylus der Lympbgefässe enthält
'*üsser dem Eiweiss weder die von Tiedemann und Gmelin im
^ u 11 er’B Physiologie.
536 II. Buch. Organ, ehern. Processe. IV. Abschnitt. Verdauung.
Darmkannl noch geliintlenen amlereii tliierisclien Materien, noc *
jene aufgelösten Bestancltheile der Galle, welclie niclit in die ES'
cremente iibergelien, sondern statt alles dessen Eiweiss.
Um den Anthuil der Galle an der Umwandlung der Naß'
rungsmittel zu ci'messen, hatBRODiE((^uar/rr/K J. of sc. and arts l82d;
Jan., Magendie d. physiol. 3. 93.) den Ductus clioledochus
Katzen unterBunden , worauf Gelbsuclit eintrat , die indessen
W'eilcn wieder verschwand; dann war an der Unterbindungsstell
eine Exsudation Aa)n gerinnbarem Faserstoff eingetreten, wele** '
die getrennten Stücke wieder verband.
Brodie will gefunden haben, dass durch Unterbindung ö®*
Gallenganges die Verdauung im Magen nicht gestört, dass
kein Fbylus mehr aus dem Chymus gebildet wurde, xind da**
weder die Saugadern des Darms, noch der Ductus thoracic^*
einen weissen Chylus enthielten. Tiedemann und Gmelin hab®”
sich durch Prüfung dieser Erfahrung in zehn Versuchen
neues Verdienst erworben. Am 2 — 3. Tage nach der Operatiö''
trat Gelbsucht ein; diese verschwand zuweilen wieder nach 10"^
15 Tagen. In diesen Fällen batte der Gang sich wieder herg®'
stellt, und die Ligatur hatte hier entweder durchgeschnitten w’’,
war abgefallcn, ehe die Durchschnittsfläche verheilte, oder d'®
coagulal)le Materie wurde um die Ligatur ergossen, und letzte^®
hatte sich im Innern des üusserlich hergestellten Ganges abgesto*'
und war durch den Kanal selbst ausgetreten. In 13 — 26 Ta"
sen.
gen war der Gang wiederhergestellt ij-
deren Fällen trat der Tod ein nach 3
efunden
8.). Ein Hund, bei dem die
worden. In a’''
7 Tagen (Versuch !•
Gel])sucht blieb, aber der Gaß»
später offen gefunden wurde, hatte 26 Tage gelebt, als er getöd'
tet wurde. In einem Fall (Versuch 1.), wo ein Hund nach j
Tagen
starb , -war grosse
eingetreten, dass das Thier
und eine solche Maltigkßjj
kaum stehen konnte. Das BaucW®
Magerkeit
zeigte sich nach dem Tode entzündet, oder Spuren der staUS®jj.
.11 Ul U.C VTclllClll
Lymphgefässe der Leh®
»estätigen Brodie’s Erß'**'
1 Tnf /»vliinfliifio'
fundenen Entzündung. In dii;sen Fällen wurde Galleiifärbesto'’
im Blut und Urin gefunden, und die
w^aren gelb. Tjedemask und Gmems bestätic
rung, dass die Verdauung im Magen nach Unterbindung
Ductus clioledochus fortdauere. Auch die Contenta des Düpß'
darms waren nicht wesentlich von den gewöhnlichen versch)®'
den; EIwcissstolF wa\r in grosser Menge vorhanden. Es fand s'®
die durch Chlor sich röthende Materie ; dagegen war die Erk®**
nung des etwa vorhandenen Käsestoffs, so wie der durch salzsaui®’
Zinn fällbaren Materie l erbindert. Hieraus ergiebt sich also die 1®'
rigkeit der Hypothese von Prout. (Phout über die Blutbildung,
nals üf philosophy. Val. 13. p. 12. 265. AIeck. Arch. 6. 78.) Die CoH'
tenta des Dickdarms rochen in allen Fällen viel übeler und f®**'
liger als sonst (nach Leuret und Lassaigke rochen sie fadeji
die Exeremeute waren weiss. (Von gleichen Stücken Milz,
von das eine mit Ochsengalle, das andere mit gleichviel W®*
ser von mir infundirl wurde, faulte das letztere etwas schnelleJ’*^
Der Ductus thoracicus enthielt bei Hunden mit unterbundeneß
Gallengange, die nüchtern getödlet wurden, eine helle durch'
Veränderungen der Speisen im DciJ'mkana/. Dürmdarmt’erdaumig. 587
Scheinende, gelb gefärbte, bald wenig, bald vollständig gerin-
>jende Flüssigkeit. Bei Hunden, die nach dieser Operation ge-
füttert worden, kam in den Saugadern des Dünndarms eine helle
‘furchsichtige, nicht Aveisse Flüssigkeit vor, Avie bei Hunden, die
^«ter gleichen Umständen nicht gefüttert wurden, während die
Flüssigkeit des Dünndarms bei Hunden mit nicht unterbundenem
f^allengange wcisshch ist. Der Inhalt des Ductus thoracicus ge-
winnt sowohl nach jener Operation, als ohne dieselbe, und es
fühlet sich Im ersten Fall ein noch grösserer und mehr gerö-
ffieter Kuchen, als heim Hunde, dem der Gallengang nicht
Unterbunden worden. Das Serum des ersten war trüb, das
ücs letzten weisslich. Der Cbylus in dem Ductus tlioracicus
^nr gewöhnlich nach dieser Operation röther als sonst. Die
Fcschaffenheit des Chylus im Ductus thoracicus beAveist in-
üess hier nicht viel, da auch die von anderen Tbcilen kommende
Fymphe gerinnt, und bei hungernden Thieren sehr lange immer
Uoch Lymphe im Ductus tboi-acicus enthalten ist, wie Coi.i.ard
Marti GNA- gezeigt hat, Avic denn auch die Lymphgetässe des
ffurms bei hungernden Thieren Lymphe führen. Es bleibt im-
“Uer sehr Avichtig, dass der Chylus 'im gefütterten Hunde mit un-
terbundenem Gallcngang durclislchtig ist, während er lieim Hund
‘u* naturgemässeu Zustande weiss ist. Tiedemakn und Gmei.ih le-
|Cn zwar auf diesen Umstand nicht viel GcAvicht, indem sie die
Bildung von Chv'his auch ohne Ciralle für crAvIesen halten. Denn
^gen sie, es sey bekannt, dass die Aveissc, milebige Farbe von
Fetttheilchen im Cbylus abhänge. Aber gerade diese ‘Nhirausset-
*Ung ist Aveder erAviesen, noch überhaupt zu erweisen. Denn so
Hut microscopische Fetltheilcheu in die Lym])bgofässe eindringen
'‘ÜHnen, so gut können auch andere Kügelchen von Eiwciss etc.
'Webrrehen , und Avir wissen schlechterdings nicht, von Avelcher
f'lutur die im Chylus enthaltenen Fwügelchen sind. Ich halte es
’ücht für erwiesen, dass Chylus ohne Gallenabscheidung sich
ülde, obgleich ich auch nicht das Gegenlheil behaupte. Tir-
j'EMANN und Gmelin fühl'cn Aveiter dafür an , dass die Hunde
. Uge nach jener Operation noch gelebt hatten (3 — 7 Tage),
einem Fall, wo trotz der Wicdei-hcrstcllung des Ganges die
f^elbsucht hlieb, 26 Tage bis zur Tödtung. Allein auch diess
ucAveist nichts, denn Hunde leben ja selbst ohne alle Nahrungs-
’uittel gegen .36 Tage.
Leuret und Lassaiose, welche ebenfalls behaupten, dass nach
ifuterhindung des Ductus choledochus noch die Verdauung und
®Üdung des Chylus fortdauere, führen an, dass die Galle die Ei-
HCßschaft habe, das Fett aufzulösen, dasselbe zu zersetzen und
üamit eine Art von Seife zu bilden, und hierdurch die Verdau-
des Fettes zu beAvirken. Nach Tiedemanu’.s und Gmeltn’s
y.ersuchen (1. 78. 2. 263.) ist die Galle dagegen nicht im Stande,
kleinste Alenge Fett aufzulösen, und sie kann deshalb bloss
‘‘bf mechanische Weise durch Suspension des Fettes in P;“*ikeln,
dessen Vertheilung und Resorption heilragen. Die Galle
Scheint als Reiz, für die perislaltischen Bewegungen des Darms
.35 *
5;i8 II. Buch. Organ, ehern. Processe. IV.AbscJmUt. Verdauung.
nöthig zn seyn; denn bei verhindertem Aasflusse derselben findet
Verstopfung statt.
Das Gemiscli von Chymus, Schleim, Galle nnd pancreatischeni
Safte nimmt an Consistenz im untern Thcil des Dünndarms ***
und wird dunkler gefärbt. Die flüssigen Theile desselben W6*’'
den von den Lympligefässnetzen der Darmwände aufgenommei’-
Alles Festere, der Darmschlcim, die Hülsen, die Holzfasern,
Hornstoff und diejenigen Stoffe der Galle, welche exerementiejj
sind, als Schleim, Färbestoff, Fett und Harz, bilden im Endthed
des Dünndarms den Anfang der Excremente, aus welchen jedoc'*
im Dickdarm auch noch flüssige Bestandtheile aufgesogen wef'
den. Tiedemann und Gmelin halten den sauren abgesonder'
ten Saft des Blinddarms für ein ferneres Lösungsmittel voä
Thierstoff. Bei den pflanzenfressenden Thieren mit vorzugswe**“^
grossem Blinddarm scheint besonders hierauf gerechnet zu
und es ist sehr wahrscheinlich, dass beim Pferd, wo die ]Sah'
rungsstoffe in einem weit weniger aufgelösten Zustande den PY'
lorus passiven, auch in dem ungeheuren Dickdarm der Verdat'
ungsprocess fortdauern muss. Schultz hat über die VerdaunoS
im Dickdarm mehrere theoretische Ansichten mitgetheilt, die
der Vollständigkeit wegen hier anführen muss. Er folgt nicht alle**’
Tiedemann und Gmelik in der Annahme einer erneuerten Ve*"'
dauung ira Blinddarm wegen der sich dort vorfindenden Säure, so**'
dem nimmt auch einen gewissen Antagonismus der Magenve*"'
dauung und Bllnddarmverdauung an; bei den Wiederkäuern falf?
die ersterc in die Tageszeit, die letztere in die Nachtzeit, n****
die erstere beginne dann, wenn die letztere aufhöre. Waf®
diess richtig, so müsste eine Mahlzeit innerhalb 24 Stunden r®'
gehnässig den ganzen Darm durchlaufen haben; dies ist aber
der regelmässig so der Fall, noch überhaupt richtig. In T*ep®'
manh’s Versuchen an Hunden, denen der Ductus choledochus ****'
terbunden worden, zeigten sich die Exeremente erst 2 Tage na®'*
der Operation weiss; die Wiederkäuer behalten zumal denWan**
ganze Tage voll Futter, und es kann hier Sceultz’s Ansicht «*>'
möglich richtig seyn. Schultz nimmt ferner an, dass bei der Di**^'
darmverdauung der Dickdarm geschlossen sey, und dass währc*|®
der Chymification und Säurcbildung im Dickdarm keine Galle •*'
denselben fliesse, sondern im untern Theil des Dünndarms sich aO'
häufe, und nach beendigter Chymification erst in das Coec*****
eintrete, um den Chymus zu neutralisiren. Man sieht leicht e****
dass diese Ansichten von der Art sind, dass sie sich weder he-
weisen noch widerlegen lassen.
Wälirend derVerdauung entwickelt sich, ausser der verschl**®^'
ten, im Magen sich zum Theil in Kohlensäure verwandelnden Luftj *”]
Verlavif des ganzen Darmkanals Gas. Seine Beschaffenheit hängt ei**®’
Theils von den Speisen, andern Theils aber von dem Zustande d***"
Verdauungsorganc ab. ln Affcctionen des Nervensystems ist die«®
Entwickelung oft sehr reichlich, es ist zuweilen geruchlos, riech
meistens nach Schwefchvasserstoffgas und ist oft entzündlich, h*
kann Wasserstoffgas, Koblenwasserstoffgas, Schwefelwasserstoffg***
seyn. Nach den Beobachtungen, welche Magekdie und Chevbp^^
6. Von der Chylification.
539
''on diesen Gasen im Darmkanal von Hingerichteten machten, Le-
standen sie in 3 Fällen im Dünndarm aus :
K-ohlensäuregas .... 24,39 40,00 25,00
Wasserstoffgas .... 55,53 51,15 8,40
Stickgas .... . . . 20,08 8,85 66,60
im Dickdarm, Rectum.
K.ohlensäuregas .... 43,50 70,00 42,86
K-ohlenwasserstoffg. u. Spuren
von Schwefelwassertoffgas 5,47
WasserstolFgas und Kohlen-
wasserstoffgas 11,60
reines KohlenwasserstofFgas 11,18
Stickstoffgas 51,03 18,40 45,96
Ueher die Zusammensetzung der Excrcmente siehe Berzelics
V/tierch. 254. Nach seiner Analyse der zusammenhängenden Ex-
'^^etnente vom Menschen bestanden dieselben
aus Wasser 75,3
fGalle • . . . . 0,9')
im Wasser löslich
(Galle ..... 0,0^
Eiweiss .... 0,9 1
eigener Extractivstoff 2,7 f
Salze l,2i
5,7
7,0
extrahirter unlöslicher Rückstand von den Speisen
im Dai’mkanal hinzugekommene unlösliche Stoffe,
Schleim, Gallenharz, Fett, eigene thierische
Materie ^4,0
102,0
ln der Cloake der Vögel und Amphihlen kommen Harn und
^tcremente zusammen.
VI. Capitel. Von der Chylification.
V. Die verdauten Theile des Chymus •werden während des
J^archgangs durch den ganzen Darmkanal von den lymphatischen
afässen aulgesogen. W^ie die Resorption in allen lymphatischen
^fassen, sowohl denen des Darmkanals als denen anderer Theile,
S^schieht, ist in dem I. Buch, 3. Abschnitt vom Lymphsystem
^'iselnandergesetzt worden. An den Zotten, in welchen die Lymph-
ässnetze der Tunlca villosa zum Theil entspringen, erkennt man
mit dem Microscop deutlich sichtbare Oeffnungen auf ihrer
Jhöerfläche, daher können auch alle leicht sichtbaren Theilchen des
^*»ymus nicht ln die Anfänge der Lymphgefässe aufgenommen
^!''^^den, sondern nur das Aufgelöste kann leicht durch die im-
^'^htbaren Poren der zartesten Lymphgefässe in dieselben ein-
*'*>‘gen. Wo die Rügelchen des Chylus sich bilden, ob aus den
J^fgelösten Thellen des Chylus innerhalb der Anfänge der Lymph-
"®*asse des Darms, wo man den Chylus schon trüb und wciss
."4 Kügelchen enlhallend anlrillt, oder ob sie sich durch eine
“stossung von Theilchen der Lymphgefässe bilden, wie Doeij.is-
annimmt, ist nicht gewiss; doch ist letztere Annahme unAvahr-
540 11. Buch. Organ, ehern. Procesne. IV.Ahschnüt. Verdauung.
sclieiulicli, da die weisse Farbe des Cliylus nach der Natur dci
Nahrungsmittel variirt, und im geraden Verhältnisse mit der Meng®
des genossenen Fettes zunehmen soll. Eine schon p. 249. an-"
gefiiln'tc Beobachtung von dem zuweilen ganz weissen Serum de»
Blutes bei jungen Kätzchen, die noch an der Mutter saugeä;
könnte cs wahrscheinlich machen, dass hier doch Kügelchen der
Milch in die Lymphgefässe eindringen. Indessen ist jene Erschei'
nung bei jungen Kätzchen nicht constant, und könnte auch eins m*
derselben, zuweilen bei Erwachsenen vorkommenden Erscheinui'o
seyn, wenn der Chyhis im Blute noch nicht verarbeitet ist, oder
der Chylus viele Fetttheilchen enthalten hatte. Vergl. p. ‘1*“'
und p. 14.3. Unsichtbare Poren müssen offenbar in den Wändet
der Lymphgefässanfänge vorhanden seyn, weil sie Aufgelöste»
aufuehnien; aber jedenfalls können diese Poren, seihst wenn »J®
Kügelchen hindurchlassen, nicht wohl grösser als die Chylusk**'
gelchen selbst seyn, die nach Prevost und Dumas ^ Par. Zo'
Durchmesser haben, und nach mir in der Mehrzahl (Kalb, ZIeg®>
Hund) 4 Bis mal so gross sind als die Blutkörperchen eines S'aä'
gethiei's. Denn wären jene Poren grösser, so würden auch grö»'
sere Thcilchen des Chymus in die Lymphgefässe übergehen. Die»®
finden sich aber diu’in nicht vor; nur einmal, nämlich beim
nineben, sab ich die wenigsten der Chyluskügelchen grösser 9*’
die Blutkörperchen, und nur einmal fand ich sie gleich den Blui»"
körpcrchen, wie bei der Ratze, die meisten kleiner. Indesse’'
können jene grösseren Röi’perchen des Kaninchens wohl kaU'’*
durch die Wände der Darmzotten eingedrungeii seyn, weil mf**
so grosse Oeffnungen au ihnen müsste erkennen können. Ob d*®
zwischen den Zotten so deutlich sichtbaren, zahlreichen Oeffn»*’'
gen, w’elche gegen 12 mal grösser sind als die Blutkörperch^’
wirklich blosse Crypten (LiEiiEnK.uEKN’sche Drüsen) sind, oder
leicht mit der Resorption in Beziehung stehen, ist noch nie**
ganz ansgemacht.
Chylus.
Der Chylus ist die vom Darmkanal während der Verdatifl^^
in die Lymphgefässe aufgenommene Materie, welche sich von d®
ausser der Verdauungszeit in diesen Gelassen enthaltenen
phe, und der Lymphe anderer Theile durch ihre weisse Far*^
unterscheidet. Obgleich der Chylus hei den Vögeln in der
gel nicht weiss, sondern klar ist, und bei den pflanzenfresse*',
den Tbiercn meist ebenfalls nicht so trüb ist, so ist er doch hf^
den Fleischfressern (selljst hei den Pflanzenfressern, so lang®
jung noch von Milch leben) immer mehr oder weniger trüb
weisslich. Die Farbe rührt von Kügelchen her, deren Grö»»^
ich oben angegeben habe. Röthlich ist der Chylus nur
nahmsweise und in seltenen Fällen, wie z. B. im Ductus
cus der Pferde; ich habe ihn bei den von mir untersuch ®
Thieren (Kalb, Ziege, Hund, Ratze, Kaninchen), auch im
thoracicus nie anders als weisslich gesehen. Der Chylus
alkalisch, seinen Geruch haben Einige mit dem des männlic '
Samens verglichen
Der Cbylns gerinnt freiwillig, einige Zeit nachdem er
di®
6. Von der Chrlificatkm. Chylus.
511
befasse verlassen liat. Reuss und Emmert, so wie Tiedemann und
^'«ehn, lia])cu geluiidcn , dass diese Gerinnbarkeit zunimmt, je
Reiter der Cliylus im lympliatiseben System Ibrtsclireilet, so dass
^kylus aus den Lym])bgefässen des Darmkanals nicht gerinnt,
*®lbst dann selten gerinnt, wenn ci' durch die Mesenterialdriisen
^‘Urcligegangen ist. Bei dem Gerinnen (lOMinuIen, nachdem er
'l'i® dem Gefäss genommen ist, wie ])ei der Lymphe) sondert sich
, i" Chylus des Ductus Ihoracicus in Coagula tind Seriun. Das
'-•eronnene ist der FascrstolF des Clivlus, vei'rnengt mit einem
'^•itheil der Riigelclien des Chylus. Das flüssige Serum ist eine
I 'iflösung von Eiweiss, worin ein Tlieil der Kügelchen des Chy'-
suspendirt hleiht. Zugleich sondert sieh auf der Ohcrflache
I * Chylus eine rahmartige Masse ah, welche aus h ettkügelchen
''^stellt. jVach der Coagidation wird das Coagulum vom Chy'-
des Ductus thoracicus in freier Luft häufig aufiallend rotliei,
der Chylus vorher war. Emmert fand hei Vergleichung des
P'ylus der Lymphgefässe aus der Cysterna ehyli, aus dem mitt-
*•■'1 Theil und ohern Tlicil des Ductus thoracicus tles Pferdes, dass
Einwirkung der Luft den milch weissen Chylus der Lymphge-
*4sse nur wenig veränderte, w'ährend der Cysternenehylus etwas
!'‘t1dich wurde; letzterer coagullrte auch zum kleinern Thed.
Chvlus aus dem ohern Theil des Dnchis thoracicus er-
542 II. Buch. Organ, ehern. Processe. IV. Abschnitt. Verdauung.
die gleiclizeitige anatomiscli-pliysiologisclie und chemisclio TJui-
sicht ihrer Versuche das entschiedenste Uehergewicht. Siehe
B. 2. p. 66 — 95. Diese Naturforscher sagen, alle ihre Versuche
beweisen auf das Bestimmteste, dass die weisse Trübung des Chy'
lus von einem fein z.ertlieillcn, darin schwebenden Fette herrübrb
Beim Gerinnen des Chylus trete es dem geringem Theil nach lO
die Placenta, dem grossem Theil nach bleibe es im Serum vef'
theilt, aus dem es sich zuweilen nach oben gleich einem Rahn*
erhebe. Tiedemann und Gmelin liahen aus Chylusplacenta öftß*’
ein gell)lichbraunes Fett durch Itoclicndcn Weingeist ausgezogcn-
Beim Schütteln des milchichen Serums mit weingeistfreiem A®'
ther erfolgte allmUhlige Ivlärung des Serums, und beim Ab-
dampfen des Aethers erhielten sie um so mehr Fett (Gemeug®
von Elain und Stearin), theils in öliger, thcils in talgartiger
Form, je mehr das Serum getrübt gewesen wai’. TtEnEMA**®*
und Gmelik schliessen daraus, was auch durch die Resultate ver-
schiedener Fütterung beslätigt wird, dass das in dem thierischen
Körper enthaltene Fett aus den Speisen in denselben übergehet
und dass es (wenigstens im Chylus) nicht in einem auflöslichef
Zustand, sondern nur fein zertheilt vorhanden sej'. Schafe u***
Gras oder Stroh gefüttert, lieferten einen wenig getrübten, f*)^
klaren Chylus. Sehr gering war auch die Trübung hei den
flüssigem Eiweiss, mit Faserstoff, Leim, Käse, Stärkemehl, Kleber
gefütteiden Hunden, und dem mit Stärkemehl gefütterten Pferde-
Massig trüb war der Chylus des mit Hafer gefütterten Schafe®'
Starke milchige Trübung zeigte sich dagegen bei Hunden nac^'
dem Genuss von geronnenem Eiweiss, Milch, Knochen, Rindfleisch»
bei Pferden nach Hafer. Am stärksten getrübt war der Chylc’
des mit Butter gefütterten Hundes. Nach Unterbindung des Gal'
lenganges zeigte sich der Chylus weniger milchig als sonst. VieJ'
leicht rührt diess nach Tiedkmakn und Gmelin daher, dass d>®
Galle das Vermögen hat, das Fett der Speisen mit der wässrig®'’
Flüssigkeit in einer sehr zarten Suspension microscopischer Paf'
tikelchen zu vcrtheilen.
Tiedemasn und Gmelin scheinen den Chylus für eine rei**®
Auflösung von ThierstofF zu halten, in welcher keine anderen a*’
Fettkügelchen schweben; diese Ansicht jedoch kann ich nicht ga**.*
thcilen. Als ich milchiges Serum vom Chylus der Katze in
nem Uhrglas mit wcingeistfi'eiera Aether v-ersetzte, schien
zwar anfangs allmählig das Serum etwas aufzuklären; aber
blieb doch , selbst nach langer Fortsetzung des Versuclis unt®*^
immer neuem Zugiessen von Aether, unten ein trübes Wesen ***'
rück, und als ich dieses unter dem Microscop untersuchte, b®'
merkte ich darin die ganz unveränderten Chyluskügelchen. 1®
fütterte einen Hund mit Brot, Milch und etwas Butter, und
tete ihn 5 Stunden darauf. Der Chylus des Ductus thoracic*^
wie der Lymphgefässe war weiss; diesen Chylus untersuchte i®
trop'fenweisc unter dem Microscop. Hier sah ich, dass er viß
an Grösse sehr ungleiche Oelkügelchen enthielt, welche ga|*^
dui'chsc'.heiuend waren. Der weit grössei-c Theil der Chyluskn
gelchen war aber ganz anderer Art, nämlich vveisslich und nie *
543
6. Von der Chylißcatlon. Oyylus.
^orclischeinend, sehr klein und olingefähr ^ bis f so gross als
Blutkörperchen dieses Hundes, wie ich früher auch am Kalbe
Riesen Unterschied bemerkt batte. Die kleinen Kügelchen sind
‘J' Ungeheurer Menge vorhanden und sind offenbar die Ursache
weissen Farbe; ihre Gestalt ist nicht so regelmässig wie die
Blutkörperchen. Feltkügelchcn sind dless wohl nicht; sie sind
'Ißiner als die von mir und Dr. Nasse in der Lymphe des Men-
Sclien gefundenen Kügelchen. Ich habe auch die Gerinnung des
“%lus unter dem Microscop an grossen Tropfen beobachtet, die
mit etwas AVasser vermischte, um die Kügelchen mehr von
P^äander zu entfernen und zu sehen, ob das Gerinnsel durch
*losse AggregaLlon der Kügelchen entsteht, oder durch Gerin-
*'üng eines voiher aufgelösten Stoffes, welcher beim Gerinnen
Kügelchen in sich aufnimmt. Die ülicruus zarten Häutchen,
'Reiche entstanden, bestanden nicht blos aus aggregirten Kügel-
sondern es war iiocli ein durclisiclitigcr Stoff dazwisclien^
'Welcher die Kügelchen zusammen verband, auch wenn sie nicht
'^'cht aneinander lagen. Es ist also gerade so, wie bei der Lymphe
'^'d dem Blut. Auf den auf einer Glasplatte ausgebreiteten Chylus-
l^^pfen entstanden aber nicht bloss Häutchen, welche die schwe-
y*^aclen Kügelchen verbanden, sondern auch an einzelnen Stellen
kleine Fettl'nselchen, welche fast ganz durchsichtig waren, und
ich nicht weiss, ob sie durch das Aneinanderfügen und
Erkalten der Oelkügelchen entstehen. Die microscopischen Un-
^®*'suchungen über den Chylus sind noch in der Kindheit. Vor
^Uem -wäre das Verhältniss der kleinen Chyluskügelcben zu den
I lutkörperchen auszumitteln, ob die Blutkörperchen aus den Cby—
äskugelchen entstehen, ob die von mir im Blute der Frösche und
y^gel, von Home im Blute des Menschen beschriebenen kleineren
^kgelchen Chyluskügelcben sind. Dann wäre sehr wmnschens-
zu wissen, ob die Chyluskügelcben hei den Thieren, wel-
elliptische und grosse Blutkörperchen haben, wie Amphibien
j^äd Vögel , im Ductus thoracicus vielleicht auch schon el-
J'Ptisch sind, oder nicht, um zu erfahren, wo die Form der Blu^
U>Terchen entsteht. Dicss Hesse sich nm* bei grösseren Amphi-
wo der Ductus thoracicus leichter zu finden ist, oder bei
kcheu ermitteln. HunoLPHt führt zwar aus Leuret und Las-
an, dass die Chyluskügelcben der Vögel rund seyen, wäh-
^^nd doch ihre Blutkörperchen oval sind. Indess sprechen Leu-
und Lassaighe hier nicht von Chyluskügelcben, sondern Chy-
'iskügclchen aus dem Darm der A'^ögcl.
Tiedemahn undGMEEiN haben weitere, sehr ausgebreitete Unter-
^.'^hungen über die Veränderungen des Chylus nach den Nahrungs-
^dteln angestcllt. Nach ihnen ist der Chylus röther bei den Pferden
jP kei den Hunden, bei diesen rölher als bei den Schafen. Bei dem
lUnde röthete sich die Placenta des Chylus lebhafter nach der Füt-
nilt flüssigem Eiweiss, Butter, Milch, Knochen, und mit
^'cisch, Brol uiul .Milch. Der Chylus rvar weiss und die 11a-
wenig rotli nach Fütterung mit Faserstoff, Leim, Käsematte,
'Tkemehl und Butter, und mit Kleber. Nach der Fütterung
544 II. Buch. Organ, chem. Processe. IV. Abschnitt. Verdauung.
mit Eiweiss zeigte weder der ganze Cliylus noch die Placenta ein®
■ rotlie FVirhiing, wie ich auch heim Hunde nach Fütterung
Brot, Milcli und Butter bemerkte. Bei den im nüchternen Zu'
Stande gctödteten Hunden, so wie bei den Hunden, welche
kemehl, Milch, rohes oder gekochtes B.indflelsch, Rindfleisch nn
Semmel, flüssiges Eiweiss und SpelzbroTT^hd bei den KatzeH;
die Brot und Milch, oder gekochtes Rindfleikih erhalten hattcDi
war der Chyhis ebenfalls nicht roth (Tiedemann und Gmeli^I'
Pferde im nüchternen Zustande hatten eine mehr dunkelrotb
Flüssigkeit des Ductus thoracicus, als diejenigen, welche H
genossen. Der Chylus der Schafe, die nur wenig Heu oder Str®
erhalten hatten, gab ein röthlichweisses Coagulum, der Chjl'*'’
der mit Hafer gefütterten ein weisses. Aus den letzten Erfahre**'
gen schliessen Tiedemann und Gmelitt, dass der Chylus um
weniger rothen FarbestolF enthält, je besser die Thiere gelüttet
worden sind , und dass das Blutroth sich nicht unmittelb**
mittelst der Verdauung erzeugt;
die namentlich von der Ä^**?
lO
kommende röthliche Lymphe, welche Hewson, Tiedemann **'*'
Gmelin und Fohmann beobachtet, und die auch ich bei Ochs®'*
theilweise gesehen habe, wird um so mehr in dem Chylus h®'
merkbar seyn, je weniger Nahrungstolfe vom Darmkanal aus ®
enthält.
Der Chylus eines mit Hafer gefütterten Pferdes, aus d®**
Saugadern erhalten, ehe sie durch eine Drüsenreihe gegangen wi*'
i’en, war weiss, röthete sich nicht an der Luft und gab au®
eine weisse Placenta. Der Chyhis aus den Saugadern des
senteriums, welche durch Drüsen gegangen waren, und der Cby'
lus des Ductus thoracicus zeigten sich hellroth, die Lymphe <'•**''
den Saugadern des Dickdarms war blassgelb und lieferte ®’^
weisses Coagulum; die der Saugadern des Beckens war roth, «”
gab noch ein dunkleres Coagulum als der Chylus des Ductus th®
racicus. Tiedemann und Gmelin schliessen aus diesen mit Ej*'
mert’.s Erfahrungen übereinstimmenden Resultaten, dass der jj
Stoff dem Chylus erst durch die Mesenterialdrüsen und dur®
die Lymphe der anderen Lymphdrüsen, so wie durch die Ly*jj
phe der Milz aus dem Blute rnitgetheilt wird, welches die E®]’!.
largefässe dieser Theile durchströmt. Was die Lymphe der M* ,
betrifft, so bat zuerst Hewson ( Op. posth. ed. Lugd. Batav. 178
gefunden, dass dieselbe röthllch wie verdünnter rotber
ist und rothe Kügelchen enthält. Tiedemann und Gmelin bau
diese Farbe bei gefütterten wie nüchternen Thieren gesehen. ,E®”*
mann {Saugadersfsi . der Fische, p. 45.) hat cs bei Viviseefion^.j
der Rochen gesehen und behauptet, in der Verdauung***
sey die Lymphe der Milz bei diesen Thieren röthlicher,
längerer Abstinenz von Nahrungsstoffen werde sic indess aU
röthlicher , eben so wie die Lymphe der Leber. Rudolp
sagt, die Lymphgefässe der Milz seyen in der Regel so
die der Leber und anderer Organe, und führen auch an a
deren Organen mitunter eine blutige Flüssigkeit. Hier muss
jedoch bemerken, dass die Lymphe anderer Organe als *
6. Von der Qiylification. Chylus.
545
^arms nie weiss ist, und dass ich in einigen Fällen, wo ich im
^•^hlachthause gleich nach dem Tode die Milzlymphe der Och-
untersuchte , sie in einigen dickeren Lyrnphgefässen wie
J'ßi'dünnten rolhen Wein sah. Freilich folgere ich nicht mit
daraus, dass Elutkörpevcheii in der Milz gchildet wer-
Das rothe Princip der Lymphe kann auch im aufgelös-
Zustande in die Saugadern gelangen. Auch ist die Fär-
. der Milzlymphe durchaus nicht constant. Seiler sah
hei Pferden einigemal in einzelnen Lyrnphgefässen der Milz
^^llilich, hei den meisten Pferden farblos, hei Rinderrt (?), Eseln,
^•^liafen, Schweinen, Hunden niemals gefärbt.
, Ueher das Verhiiltniss des Faserstoffs zum Serum des Chylus ha-
Tiedemann und Gmelin folgende Resultate erhalten. Der Chylus
afir Pferde gerann am stärksten; er enthielt in 100 Theilen 1,06
“>65 frisch e'Placenta, und 0,19 — 1,75 trocknen Faserstoff. Der Chy-
*Us (Jgj. Hunde gerann schwächer; die Menge des Gerinnsels hc-
in 100 Theilen 1,36 — 5,75, und des trocknen Geriniisels
|)17 — 0,56. Der Chylus der Schafe war am Arenigsten gerinn-
lOo’Thclle enthielten 2,56 — 4,75 frischen, und 0,24 — 0,82
6ocknen Kuchen. Das Contentum des Ductus thoracicus von
^’^chternen Thiercn gerann vollständiger, und enthielt mehr fri-
und trocknen Kuchen als der Cliylus von gefütterten Thie-
er betrug getrocknet hei nüchternen Pferden 1,00 — 1,75,
l®Uer der gefütterten Pferde 0,19 — 0,78 Proc. des Chylus. Hier-
schliessen Tiedemann und Gmelin, dass der Faserstofl des
,^ylus nicht von den Nahrungsmitteln, sondern von der Lyrn-
herrührt und seinen Ursprung dem Blut verdankt, worin
dessen Erzeugung annchmen; sic glaulien nicht, dass aus den
f?lirungsstofFen selbst in den Chylificationswegen Faserstoff ge-
’*ldel werde. Wenn man diess zugiebt, so muss man auch an-
"^hnien, dass die blasse Lymphe der nicht chylusführenden Lymph-
^'^l'usse, wenn sie wirklich heim Weiterfortschreiten an Faserstoff
***'nmmt, keine Umwandlung ihres Elweisscs in Faserstoff erfährt,
j'^ädern nur durch Zumisehung von aufgelöstem Faserstoff des Blu-
auf dem Wege ihres Fortganges gerinnbarer wird. Indessen ist-
ycse Meinung von Tiedemann und Gmelin über dic^ matei'ielle
^*iänschung von Faserstoff zum Chylus in den Chylilicationswe-
jetzt eben so wenig zu beweisen, als die entgegengesetzte
'^'*sicht, dass der EiAveissstoff des Chylus seihst zum Theil in Fa-
*®5stoff umgewandelt wird. Um hierüber ins Reine zu kommen,
eine noch grössere Reihe von Beobachtungen nöthig über
Menge der festen Theile, besonders des Eiweisses, die sich im
^*■001 des Cbylus aufgelöst finden in verschiedenen Theilen des
pJöiphsystems. Wenn z. B. das Serum nach Abscheidung des
I .'‘serstoffs vom Chylus des Ductus thoracicus Aveniger Eiweiss ent-
als das Serimi von der Lymphe der Extremitäten und der
5 6ylus der Saugadern des Darms, und wenn diess constant wäre,
j^^ärc es ausgemacht, dass Eiweiss in dem lymphatischen System
. I aserstoff umgCAvandelt würde, indem dann die Menge des Eiweisses
**'inunt, während die des Faserstoffs zunimmt. Tiedemann’s und
546 II. Buch. Organ, ehern. Processe. IV. Abschnitt. Verdauung.
Gmehn’s Versuche haben hierin, wie unten ersehen wird, kein®
constante, sondern vielmehr widersprechende Resultate gehabt.
Aus beiden Hypothesen lässt sich die Zunahme des Fasel"'
stoffgeh alles im Chylus bis zum Ductus thoracicus erklären. U®'
her die letzte schon von Emmert beobachtete Tbatsache habe"
Tiedemann und Gmelin noch folgende Erfahrungen gemacld'
Beim mit Hafer gefütterten Pferde gerann der Chylus der Saug'
adern vor dem Durchgang durch Drüsen nicht. 100 Theile Cbj'
lus von Saugadern, der diu-ch Mesenterialdrüsen hindurchgega"'
gen, gabei#0,37 trockne Placenta, der Chylus des Ductus thora'
cicus 0,19, die Lymphe des Beckens 0,1.3. Bei dem nüchtern®"
Pferde enthielt die Lymphe des Ductus thoracicus 0,42, die
Plexus lumbalis 0,25 trockne Placenta. Das Contentum des D"j
ctus thoracicus , in welchem Chylus der Darmsaugadern
Lymphe von den übrigen Thellen des Körpers zusammenkomffl®"’
statid in Hinsicht des Gehaltes an trocknem Faserstoff in der Mitt®
zwischen dem Chylus der Chylusführenden Saugadern, und
Lymphe der Saugadern des Beckens.
Die Menge der festen im Serum aufgelösten Stoffe wechseh*^
in Tiedemann’s und Gmelin’s Versuchen von 2,4 — 8,7 Pr" ^
Bei dem mit Hafer gefütterten Pferde erhielten Tiedemann
Gmelin 4,9 Proc. feste Theile des Serums vom Chylus der Sa"0'
adern des Gekröses, 3,04 von dem des Ductus thoracicus, 3,1 Pr"*’"
ans dem Serum der Lymphe des Beckens; das Seriun der L}’"'"'
phe aus den Saugadern des Dickdarms enthielt gegen 4 Pr"''"
Bei dem nüchternen Pferde dagegen enthielt das Serum von
Lymphe des Ductus thoracicus 4,7, von der Lymphe des Pier"’
lumbalis nur 3,7 Proc. feste Theile. Im Serum des Chylus "Vf®'
ren enthalten Eiweissstoff, eine in Wasser and nicht in W®'®'
geist lösliche Materie, dem Speichelsloff verwandt, ferner in W®*'
ser und Weingeist lösliche Materie, Osmazorn, cssigsanres
tron, kohlensaures Natron, phosphoi’saures Natron, schwefelsaui"®
Natron, Kochsalz (die grösste Menge), kohlensaurer und pl’®'*'
phorsaurer Kalk. Hieraus geht hervor, dass dieselben Sah®'
welche im Darmkanal sich hellnden, auch im Chylus vorkoinm®"'
Bei nüchternen Thieren enthielt das trockne Serum mehr
weiss und speiclielstoffartige Materie, dagegen weniger osinaz"’*^^
artige Materie, und weniger Fett als das Serum gefüttei'^®
Thicre. ^
Analyse des Chylusserum des Pferdes von Gmelin.
Braunes Fett
Gelbes Fett
Osmazorn, essigsanres Natron und Kochsalz in Octaedern
krystallisirt, wahrscheinlich in Folge einer thierischen
Materie
In Wasser lösliche, in Alcohol unlösliche, extractartlge Ma-
terie mit kohlens. und sehr xvenig phosphors. Natron .
Eiweiss
Kohlensaurer und etwas phosphorsaurer Kalk, beim Ver-
brennen des Eiweisses erhalten ■ •
16, Oi
6. Von der Chylificatlon. Chyhis,
547
Von den NahrungsstofFen der Thiere Hessen sich In der Re-
keine unveränderten Spuren mehr im Chylus erkennen, nur
^'»ss nach dem Genuss der Butter der Chylus überaus reich an
Jett war, und nach dem Genuss von Stärkemehl im Chylus eines
‘‘linde ‘ '
s sich Zucker zeigte.
Die Veränderungen des Cliylus im lymphatischen System,
"“ügen sie nun in der Beimischung von Materie, oder in der Um-
J^nndlung des Cliylus selbst liegen, geschehen offenbar von den
^ linden der Lymphgefässe in und ausserhalb der Lymphdrüsen;
^ in den letztem auch der Einfluss der Wände der Lymph-
S®fässnetze die Hauptsache ist, beweisen die Vögel, Amphibien
Fische, welche keine Mcsenterialdrüsen besitzen. Man muss
daher auch die Mesenterialdrüsen selbst nur als aus den Lymph-
‘i^fässnetzen der eintretenden und austretenden Lymphgefässe
Jjisatnmengesetzt denken, worin der Contact des Inhaltes mit den
j ^fassen durch Flächenvermchrung vervielfältigt ist. Da diese
‘^Dnphgefässnetze, wie Injeclionen von Quecksilber zeigen, nicht
klein sind, so müssen die Lymphgefässe in jenen Netzen
flire Wände behalten, und diese Wände müssen wie in den eln-
, Lymphgefässen von den sehr feinen Capillargefässnetzen
p’ii'chzogen seyn , so dass das Blut nur mittelbar durch die
J^npillargefässnetze in den Wänden der Lymphgefässe mit dem
j.'ylus der Lymphdrüsen in Berührung kömmt, wobei aller-
aufgelöste Theile des Blutes, vielleicht der Faserstoff, durch-
"'‘••gen können, vielleicht auch Färbestoff des Blutes, der sonst
den Blutkörnchen haftef, in den Zustand der Auflösung tritt
in den Chylns übergeht. Blutkörperchen selbst können bier-
nicht in den Chylus übergehen. Ueber die sehr zweifelhafte
!y'?‘^iiahme von Chylus in fernen Venen der Lymphdrüsen, so
ü])er den problematischen Zusammenhang von Venen und
ynipligefässen siehe oben p. 257.
j Was die Aehnlichkeit und den Unterschied von Chylns und
■'J^iphe betrifft, so stimmen Beide darin überein, dass sie Rü-
|j?‘chen enthalten; allein die der Lymphe sind überaus sparsam,
j*® Kügelchen des Chylus machen diese weisslicli, die Lymphe
si meistens farblos; sie stimmen ferner überein, dass
F'aserstoff aufgelöst enthalten, doch scheint letzterer in ge-
Quantität in der Lymphe enthalten; denn in Tiedemann’s
Pf Cmelin’s Beobachtungen von einem mit Hafer gefütterten
f gaben 100 Theile Chylus aus den Saugadern des Mesen-
0,.37 trockne Placenta, die Lymphe des Beckens nur 0,13.
Unterschied kann indess auch scheinbar seyn und von der
J’a Menge der im Chylus enthaltenen und vom Coagulum des
P ^^estoffs zum Theil mit eingeschlossenen Rügelchen lierrühren.
und Chylus unterscheiden sich aber auch sehr durch
ai{;j.U®hMt von Fett in dem letztem, welches in der Lymphe
j bemerkt wird, ein Unterschied, welcher verursacht, dass der
Oljg ausser dem Gerinnsel, auch eine rahmartige Masse an der
pkg*^ Uche häulig absetzt. Die Salze des Chylus und der Lym-
selij, ^i^heinen ohngefähr dieselben , auch die Lymphe enthält
'iel Rochsalz , und reagirt alkalisch. Dass die häufig
548 11. Buch. Organ. chem.Processe. IV . Abschnitt . Verdauung.
rötliliche Farbe des Cliylus vom Färbestofi' des Blutes lierriihy
wird durch Tiedemans’s und Gmelis’s Versuche bewiesen,
che gezeigt haben, dass diess Roth von Hydrotb ionsäure grün f?®'
färbt wird. Dass dieses Blutrotli aus den Nahrungsmitteln ausg®
bildet 'werde, ist gar nicht wahrscheinlich, weil auch besond®*
die Lymphe der Milz oft röthlich ist. Eine andere Frage ist, °
das Blutrotli des Chylus und der Mllzlyinphe den Kügelchen
selben anhaftet, wie das Blutrotli den Blutkörperchen, oder ®
cs aufgelöst ist. In Tiedemann’s und Gmelik’s Versuchen ^ ^
nicht allein die Placenta von röthlichem Cliylus röthlich, sonde'
häufig auch das Serum noch röthlich; indess ist das Serum
Chylus selten klar und enthält immer noch Kügelchen, und L-
MERT will sogar nach Ausivaschen des röthlichen Chyluskucb®
in dem Wasser rolhe Kügelchen bemerkt haben (?). Hewsöji j
In der rothen Milzlyrnplie rotlie Körperchen. Dieser Punkt >■'
bis jetzt nicht klar, und es muss weiter hin ausgemittelt vvcrd®’'
oh das rötbende Prineip des Chylus und der Mllzlymphc aiifg®
löst ist, oder von gerötbeten Kügelchen herrübrt. Biutkörperd’
selbst können diess indess nieht wohl seyii, weil das Durehg®'*
von Blutköi'perchen durch die Wände der Ca]}illargefässe
alle Beobachtung ist. Vielleicht gebt der Färbcstolf der Blutk®'
perclicn aus den Capillargefässen der Milz in einen aufgelöd®
Zustand über, und dringt in die Milzlyrnplie, von wo aus er eid't'T
der im Serum des Chylus aufgelöst ist, oder sich mit den
,gelchen verbindet. Der Färbestoff des Chylusgerinnsels lässt
übrigens auch wie der des Blutcoagulunis auswaschen, wie
MEHT zeigte. Vom Blut unterscheidet sich der Chylus, vvi®
sich im Ductus thoracicus befindet:
1. Durch die Unauflöslichkeit der Chyluskügelchen im
ser, während die Blutkörperchen bis auf ihren unlöslichen h®
im Wasser sich leicht auflösen. .
2. Durch den Mangel der Substanz des Blutrothes. (1'''^
constant.)
3. Durch die Form der Kügelchen und ihre Grösse. _
4. Der Chylus reagirt zwar alkalisch, wie Emmert,
LIK und Brakde fanden, aber nach Tiedemakn und Gmelik scM'‘
eher als Blut, und zuweilen gar nicht. js
5. Die Quantität der festen Stoffe ist im Chylus geringci'
im Blute. 1000 Theile Chylus enthalten nach Vauquelh’^
SO — 90 Theile feste Substanz, während nach Prevost und
MAS 1000 Theile Blut 216 und nach Lecaku 485 feste troc^
Theile enthalten. Nach Reuss und Emmert enthielten
Blutserum 225, dagegen 1000 Chylusserum nur 50 feste Thcd®’
6. Im Serum des Chylus sind nach Tiedemakk und
bei den Schafen, Hunden, Pferden 2,4 — 8,7 Proc. feste jgi'
enthalten, nach Prevost und Dumas im Serum des Blutes di®
Tliiere aber 7,4 bis 9,9 feste Theile. .j^]i
7. Die Quantität des Faserstoffs ist im Chylus ausserorden
viel geringer. 100 Tlieile Chylus von Pferden , Hunden ,
enthielten nach Tiedemakk und Gmelik 0,17 — 1,75 frockncn
serstoff. In Ree^ss’s und Emmert’s Versuchen (Scherers
6. Von fiel' C'hylifieafion. Ckylus.
54.9
5. 164.) enthielten 4000 Theile Blut vom Pferde 75 (nas-
sen?) Faserstoff, 1000 Theile Chylus nur 10.
8. Der Faserstoff des Chylus scheint auch in seiner Aushil-
’liiug einigermassen von dem Fi^serstoff des Blutes verschieden
dem Eiweiss naher zu stehen; denn nach Brakde löst Essig-
säure von dem Chyluskuchen (so wie von Eiweiss) nur einen klei-
Theil auf, da hingegen der Faserstoff sonst ziemlich auflös-
'’*^h ist in Essigsäure.
9. Im Chylus ist viel freies Fett enthalten, welches den Rahm
**if der Oberfläche bildet. Blut enthält kein freies, sondern ge-
^^ndenes Fett, was auch ausserdem im Chyluskuchen enthalten ist.
10. Der Chylus enthält Eisen gleich dem Blut, und bringt
**'esen Stoff aus den Nahrungsmitteln ins Blut. Aber das Eisen
®^eint in dem Chylus lockerer von anderen Tlieilen gebun-
zu seyn, und lässt sich daraus viel leichter durch Reagentien
^•"Weisen, als im Blut. Die salpetersaure Auflösung des rötldichen
^iiscrstoffs vorn Chylus wird nach Emmeät von Galläpfeltinctur
**liwarz, und gicht mit hlausaurem Kali einen herlinerhlauen Boden-
Der ausgewaschene Kuchen, von Salpetersäure aufgelöst,
'''Urde von Kalllösung bräunlich und gab heim Aufgiessen von hlau-
^äUremKali und Salzsäure ein herliuei'hlaues Präclpitat, auch das zum
^*iswaschen des Kuchens gebrauchte Wasser, welches im Bodensatz
^We rothe Körperchen zeigte (?), zeigte eine Reaction dieser Ma-
auf phosphorsaurcs Eisen. Auch das Serum des Chylus
*^'^®girte auf Eisen selbst dann noch, wenn es von Eiweiss befreit
^^fden; Reil’s Arch. 8. p. 167. Das Eisen scheint im Chylus
'(>ckerer gebunden als im Blute, weil es sich schon durch Salpeter-
auszieheu lässt, und mit Galläpfeltinctur einen schwarzen, mit
|!|'^Usaurem Kali einen blauen Niederschlag gieht. Dagegen vermu-
Emmert, dass das Eisen, welches sich in den Nahrungsstoffen
Diinudarms vorfmdet, einen höheren Grad von Oxydiition
!"^sitze, -weil die Flüssigkeit aus dem Dünndarm der Pferde sauer
■"’eil die filtrirte Flüssigkeit aus dem Darm des Pferdes, das
J'l'*- verdauten Speisen angefüllt war, mit Galläpfeltinctur And
?'ausaurem Kali gleich nach der Vermischung einen schwarzen und
1
jjaueu Niederschlag gab, während der Chylus nur sehr langsam
Eai-beveräuderung zeigte.
j Nach der Unlerhindung des Ductus thoracicus folgt der Tod
j*' der Regel unvermeidlich, nach Duverney in 15, nach A. Cooper
9^ — 10 Tagen, nach Dupuytren’s Versuchen an Pferden in 5 — 6
f zuweilen unterliegen die Thiere nicht, w'cnn noch mch-
Verbindungen des untern Theils des Ductus thoracicus mit
Obern Theil desselben statt finden, auch wohl wenn, wIcPakizza
ScliAveincn , und Wutzer mit mii' einmal beim Menschen sah,
l^’^^'hiiiduugcn mit der Vena azygos statt finden, oder wenn 2
^olus thoracicl vorhanden sind (Vögel, Schildkröten).
(•,j Schriften über den Chylus; Werner du modo quo chymus
r/. mutatur. Tübingae, 1800. Horkel’s Arddo für dir- thie.
® Chemie. T, 1. Heft. 2. Emmert und Reuss, Sciierer’s
Emmert, Reil’s Archio 8. p
Ol
5.
154.
"'erf/'"
't'o _ Chirurg.
691.
transact.
1815. 6. 618. Meck.
Jour-
145. Marcet
Arrh. 2. 268.
r
550 II, Buch. Organ, ehern. Processe. IV. Abschnitt, Verdauung.
Brande philos. iransact. 1812. Meck. Arch. 2. 278. Prout
naU of philos. 13. p. 12. 263. Meck. Arch. 6. 78. Ant. MuellE»
dissert. e%p. circa chylum. Heidelh. 1819. Tiedemakn und
LIN a. a. O. 2. 66.
VII. Capüel. Von der Function der Milz, der Nebenniere”'
der Schilddrüse und der Thymusdrüse.
Die hier genannten Drüsen ohne Ausfährungsgänge (p. 418.)
mit einander gemein, dass sie dem [durch sie strömenden Blnte
gend eine materielle Veränderung mittheilen, oder dass die von ' ^
nen abstammende Lymphe eine besondere Rolle in der Chybn”
tion und Blutbildung spielt. Denn das Venenbiut, das von
kommt, und die von ihnen kommende Lymphe sind die
von ihnen ausgeführten und in die allgemeine Oeconomie zuiti”
fliessenden Stoffe.
A. Von der Milz.
1. Bau der Milz. (Mueller im Archio der Anat. und
1834. 1.) ... Ter
Die Milz kömmt nur bei den Wirbelhieren vor, sie ist *” •
fast durchaus beständig. Nach Rathke und Meckel sollte sie ” ^
den Cyclostomen ( Petromyzon, Ammocoetes ) fehlen. Mayer (f
RiEP’s Notizen 737.) hält ein drüsiges Organ an der Gar‘
von Petromyzon marinus für die Milz. Bei Mysine fehlt
Milz nach Retzius wirklich, was ich von diesem Thiere ^
von dem verwandten Heptatrema bestätigen kann. Sonst
die Milz allgemein. Sie fehlt weder beim Chamäleon, vfO
Treviranus vermisst hat, noch bei den Schlangen, wo sie
Meckel übersah, bei den letzteren liegt sie, nach Retzius
Mayer, in der Nähe des Pancreas. Bei den Cetaccen ist die V'
in mehrere Milzen zerfallen. Die Milz liegt beim Mensc”
und den Säugethieren in demjenigen, doppeltblältrigen Theil ”
Peritoneums, der von der vordem und hintern Fläche des r
gens zur grossen Cnrvatur desselben hingehend zwischen ^
grossen Cnrvatur, dem Zwerchfell und dem Colon transve^s^^^
ausgedehnt ist; vom Magen ab bis zum Colon transversnm -
Netzbeutel genannt wird. Da dieser Theil des Peritoneums b”,
Embryo vor dem 4. Monat mit dem Colon noch nicht '''crW®” ^
sen ist, sondern in der hintern Wand der Bauchhöhle in
Peritoneum sich inserirt, oder darin fortsetzt, so ist dieser,
fangs von der grossen Cnrvatur zur hintern Wand der
höhle sich erstreckende, und anfangs noch nicht herabhängen
Theil des Bauchfells frühzeitig ein wahres Magengekröse
gastrium). Siehe oben p. 476. Die Milz, welche zwischen den *
Blättern dieses Theils Hegt, ist also ursprünglich im
kröse enthalten, gleich wie die Lymphdrüsen im Mesenle””^|,
enthalten sind. Betrachtet man nun das ganze Gekröse al»
der hinteren Mittellinie ausgehend, wie denn auch das MaS
7. Function der Drüsen ohne Ausfährungsgängc. Milz. 551
gekröse anfangs von der hintern MitteKinie zur grossen Curvatur
gelangt, so ist also, genau genommen, die Milz nicht ein Organ
der linken Hidfte des Körpers, sondern der Mittellinie zwischen
den beiden Blättern des Mesogastriums, in der Gefässschicht sich
erzeugend. Erst allmählig, da die Insertion des Mesogastriums
•ft die hintere Bauchwand sich nach links wendet, kömmt auch
die Milz nach links. Die Milz ist also kein Organ der linken Seite,
der das Paarige der rechten Seite fehlt, eben so wie auch die
Leber ursprünglich nicht vorzugsweise der rech ten Seite, sondern
üiit gleichen Hälften der Mittellinie angehört.
Die Milz ist von einer festen fdjrösen Haut überzogen, wel-
rke viele halkenartige Fortsätze durch das Innere der Milz ans-
*chickt, durch welche das zarte, pulpöse, rothe Gewebe der Milz
^Uspendirt ist. Innerhalb dieses rothen Gewebes kommen bei
•Hehreren Thicren weissliche, runde, mit blossen Augen sichtbare
L.örperchen vor, welche von Mai.pighi zuerst entdeckt w'orden.
Fast alle späteren Schriftsteller, welclie sich mit Untersu-
•^kung der weissen Körperchen der Milz abgegeben haben, haben
den Fehler begangen, dass sie ihre Untersuchungen nicht mit
kinreichender Genauigkeit an den von Malpighi namhaft gemach-
ten Thieren, nämlich dem Rind, Schaf, der Ziege, dem Igel und
klaulwurf, angostellt haben, und dass sie etwas ganz Unähnliches,
das man zuweilen bei anderen Thieren, am seltensten beim Men-
*eken findet, mit den weissen Körperchen der Milz jener Thiere
'verwechselt, und von der Beschaffenheit der einen auf die Be-
'ekaffenheit der anderen Thiere geschlossen haben. Malpighi
selbst hat mit diesem Missgriff den Anüing dernacht, obgleich
*eine Beschreihiuig von den weissen Körperchen der Milz, von
der Untersuchung dieser Körperchen von dem Rind, der Ziege
Hnd dem Schafe hergenommen seyn muss. Nur Wenige haben sie
Leim Menschen geläugnet, Avie Rudolphi ; diess ist in so fern ganz
*''ehtig , als die von MalpighI Ijeschriebenen Körperchen sicher
keim Menschen, so wie hei vielen Sängetbieren nicht verkommen,
^ünmt man z. B. was Dupuvtren (Absolakt Dlssei’t, sijr la rate.
X.) über die Aveissen Körperchen der Milz des Men-
?eken sagt, so kann man hei Kenntniss der tragiiehen Theile in
lenen Säugethieren nicht genug erstaunen, Avic Acrschiedene Dinge
^an hier zusammengeAA'orfen hat. Diese Körperchen sind nach
ßnPuYTHEN und Assolajst in der Milz des Menschen graulich,
,®kr Avelch und nicht hohl, und haben einen Durchmesser von
? bis 1 Par. Linie. Sie sollen so weich seyn, dass sie beim Auf-
keken mit dem Messer zerfllessen. Nach Meckel sind es rundli-
weissliche, höchst wahrscheinlich hohle, oder wenigstens
®®kr weiche Körperchen von i bis 1 Linie Durchmesser, sehr
Safässreich. Dergleichen Aveiche, heim Druck leicht zerfliessende
j,drperchen sieht man allerdings zuweilen bei dem Hunde, der
Natze und in sehr seltenen Fällen deutlich heim Menschen, bie
es, welche nach Home, Heusinger und Meckel, bei Thieren,
eingenommenem Getränk, betr'äclitlicli anscliwellen sollen,
jHs icli fiezAA'eifle. EtAvas durchaus Verschiedenes sind die von
■'hpighi ursprünglich gemeinten Körpereben der Milz einiger
a 1 1 e r’s Physiologie. 36
552 II. Buch. Organ, ehern, Processe. IV. Abschnitt. Verdauung.
Pflanzenfresser. Ueljer die Beschaffenheit der unbestimmten,
weissen, weichen Pünktchen ln der Milz einiger Säugethiere hat»
ich nichts lierausliringen können; aber die traubenförmigen K-or-
perchen in der Milz des Rindes, des Schafes und des Schweb**
können sehr gut in Hinsicht ihres Zusammenhanges und ihi’ß*
Beschaffenheit untersucht werden. Folgendes ist dasjenige,
ich darüber gefunden habe.
In der Milz mehrerer pflanzenfressenden Thiere (des Rinde%
des Schafes, des Schw'eins) giebt es gewisse runde, weisse K-öJ'
perchen von der Grösse von \ bis Millimeter; diese Körjie*''
eben sind ziemlich hart, und weit entfernt, beim Druck zu
fliessen. Rtjdolpei {Grundriss der Physiologie. Band IT. Abthe‘'
lung2. p. 175.), welcher die MALPionfschcn Körperchen i*'
Recht nur in der Milz von Säugethieren annimmt, sagt, daS’
sie herausgehoben zusammenfallen oder zerfliessen. Diess kai'
sicherlich nicht von den weissen Körperchen, welche hier k®'
schrieben werden, gelten, da diese bestimmt umschriebenen u”,
fast durchgängig gleich gnissen Theilchen ganz consistente
dem Druck einigermassen widerstehende, beim sanften Zcrrelh®'!
der Milz meist unzerstörbare Bildungen sind. Man sieht sie b»
an der Milz des Schweines, Schafes, Rindes, auf Durchschnitt®
der Milz, oder noch besser, Avenn man die Milz zerreisst, auf <1®!'
Rissflächen, oder wenn man die Milz dieser Thiere einige Z®'
maceriren lässt; dann nämlich erweicht sich die pulpöse Substa®^
der Milz ganz und Avird schwärzlich, während die weissen K®*'
perchen viel länger ungefärbt, nämlich weissgrau und unaufg®'
löst sich erhalten. Sind zerrissene Stücke der Milz einige Ze*
maccrirt worden, so erkennt man auch deutlich den Zusajnmeß'
hang der Körperchen; man sieht, dass sie unter einander dur®^
Fäden verbunden sind, und man kann ganze Büschel dersefl»®*^
aus der halbmacerirten Milz des Schweines und Schafes absoi’'
dem. Bei Untersuchung der frischen Milz dieser Thiere isl
viel schwerer, den Zusammenhang dieser Körperchen zu erk®®'
nen ; nur mit grosser Geduld lassen sich Büschel zusammenba*’'
gender Körper rein herauspräpariren, indem man unter der
mit Nadel und Pincette arbeitet. Heusinger { lieber den
und die Verrichtung der Mih. Thionoille, 1817.) bemerkt,
man ein Stück Milz, worin sich weisse Körperchen befinden, *
Wasser einige Zeit zwischen den Fingern reibe, so könne
sie in kleinen Häufchen absondern, so dass sie nun traubenar »
zusammenliängen xind an kleinen Stielchen befestigt schei»®'|j
Diess ist ganz richtig , kann aber bloss von den hier gemeim
weissen Körperchen des Schweines, Schafes, Rindes gelten. ,j.
Diese Körperchen sind rundlich, zuweilen auch oval, ^ r
durchgängig gleich gross; sie variiren beim Schwein und ^
von j bis ■^Millimeter Durchmesser, beim Rind sind sie ein ''f ^
nig grösser. Am leichtesten ist es, sie in der Milz der ScIiavCG^
und Schafe zu untersuchen; ich kann mir es nur durch
nen Gedächtnissfehler erklären, dass Rudolphi diese pj
eben beim SchAveine ganz läugnet , da sie doch bei kein
Thiere leichter zu sehen, leichter zu untersuchen sind. Ol*
7. Function der Drüsen ohne Ausfiihrungsglingc. Milz. 553
K.örperclien auch in der Milz der Ziege, des Maulwurfs und des
Igels Vorkommen, wie Mai.pigiii angnh, weiss ich nicht. Bei der
Ziege sind sie wohl wahrscheinlich, wie Lei den Wiederkäuern
überhaupt, vorhanden; hei dem Pferde fehlt auch die geringste
Spur dwrselhcn. Die weisscu, ganz weichen, heim Druck leicht
«erfliessenden Pimkte, die inan von sehr verschiedener Grösse,
Zuweilen grösser als die hier gemeinten K.öi’perchen , in der Milz
Von Hunden, Ratzen, selten von Menschen wahrnimmt, sind et-
was ganz Anderes, dessen Bedeutung mir noch nicht klar gewor-
den ist. , 1 • j-
Bei näherer Untersuchung sicht man nun, dass keines dieser
Köroerchen isolirt ist; immer wird man Jedes Rörperclien nach
einer oder nach beiden Seiten hin in Fortsätze auslaufen sehen.
Zuweilen, aber selten, sind sie unter einander eine Strecke wie
K.nötchen einer Schum’ verbunden, w'ährend die einzelnen Knöt-
chen wieder feine Würzelchen ausschickeii; meistens sitzen sie
tiirz gestielt an weniger dicken Fäden, welche Aeste von ande-
• ren Fäden sind, oder, was das häufigste ist, sie sitzen an der
Seite von ästigen Fäden mit schmälerer oder hreitercr Basis un-
gestielt auf. Die Fäden, welche sie verbinden, werden allmahhg
dünner in der Bichtuiig der Verzweigung und gehen offenbar
Von grösseren Strängen aus. Die meisten Körperchen schicken
überaus zarte Würzelchen aus. Die stärkeren Aeste, weran sie
ützen, zeigen auf dem Durchschnitt ein Lumen, Avie sicli hei mi-
ci’oscopischer Untersuchung erweist. Was aber am meisten In-
teresse erregt, ist, dass man die Aeste, woran die Körperchen
sitzen, nach ihren Stämmchen hin verfolgen kann und diiss man
' liei Verfolgung dieser Stämmchen zuletzt oftenhar auf die Stämme
der Blutgefässe der Milz getaugt. t . c u •
Als ich so weit in der Untersuchung der Milz heim Schweine
gelangt war, wünschte ich vorzüglich zu wissen, ob die Körper-
chen ”dcr Milz an den VeiicnzAveigcn oder den Arterienzweigen
sitzen. Sollten sie von den Veneiizweigen ausgehen, so konnte
»ftan sich denken, dass sie einen cigeiithümlichen Saft dem Ve-
‘»enhlute der Milz zufüliren, so dass die Venen gleichsam die
^Usführungsgängc dieser Drüschen wären. Diese Ansicht wider-
legte sich aber "bald bei weiterer Untersuchung, indem die Stamm-
elien der Zweige, woran die Körperchen sitzen, sich als Arterien
aviswiesen. Sobald ich hierüber im Klaren war, konnte ich nun
auch heim Schweine von den Aestcii der Milzarterie, indem ich
»ler Verzweigung folgte, zu denjenigen Zwe,gcn gelangen mi wel-
die KöriJerclien sitzen, i^un "war das nähere Verhältniss
"ler Körperchen zu den Arterien zu entdecken Hierzu wurden
Injectionen der Arterien gemacht, welche hier sehr schwie-
sind. Die Injection erscheint hier in den noch mit blossen
^Ugen sichtbaren Axterienzweigen, wenn rothe Masse '"1’^^
Jvorden, als ein rotlier Faden, der von einer weissen Scheide der
ateinen Arterie umgehen ist, die zuweilen, aber selten, hier und
Jta ein blassblulig fleckiges Ansehen hat, was man imdi wolil
*acr und da, aber ausnahmsweise, an den weissen Körperchen
'“'cht. Es rührt dann vielleicht von der anliegenden rothen pul-
36 *
554 II. Buch. Organ, ehern. Processe. IV. Abschnitt. Verdauung,
pösen Sul)stanx der Milz her. Diese weisse Scheide nmgiebt die
kleine Arterie nicht ganz gleichförmig dick, sondern die die Ar-
terie enthaltende Scheide ist, wie man besonders heim Schweine
deutlich .sieht, an vielen Stellen und ganze Strecken weit etwas
platt, auch scheint hier die kleine Arterie an der einen Seite
der abgeplatteten Scheide zuweilen deutlicher durch, als an dei
andern. Bei der weitern Verzweigung verliert sich diese über-
haupt nur stcllenweis vorkommende Abplattung. Die weisse
Scheide, welche unmerklich mit den Aesten der Milzarterie be-
ginnt, begleitet die Artcrienästchen bis zu den feinsten Zweigea-
Diese Scheiden haben auch das Merkwürdige, dass sie nicht i**
gleichem Grade, wie die in ihnen liegende kleine Arterie, bei d®*^
Verzweigung feiner werden; sie behalten vielmehr zuletzt ein®
gew'isse Dicke und sind dann die an Dicke von 4 bis ^ Milliin®'
ter varilrenden Fäden, woran die Körperchen von bis Milb'
meter fest sitzen. Die Körperchen sind also blosse Auswücbs®
der weissen Scheide der kleinen Arterien. Ich muss noch bß'
merken, dass die fraglichen Fäden, woran die Körperchen sitze”’
durchaus von dem librösen Balkengewche verschieden sind, W®^'
ches von der fibrösen äussern Haut der Milz ausgehend, die bhd'
rotbe pulpöse Substanz dcrseUicn in allen Richtungen durchzieh
und diese zarte Masse trägt, und dass die weissen Fäden de”
Körperchen in keinem Zusammenhang mit dem fibrösen Balken-
gewebe stehen.
Da ich einmal gefiinden hatte, dass die weissen Körperebe”
blosse Auswüchse von feinen Fäden sind, welche feine Arterie”
enthalten, so wünschte ich zu wissen, ob die feinen Körperebe”
mit der Höhle der Arterien Zusammenhängen oder wenigsten*
Zweigclcben von ihnen erhalten. Durch feine Injectionen vo”
Leim und Zinnober, oder von Quecksilber, das ich mit der Stahl'
spritze Injlcirte, fand ich nun, dass die injiclrten Zweigelcbe”
der Arterie selbst theils an der Seite der Körperchen sich foid'
setzen, ohne diesen ein Acstclien abzugeben, theils gerade dur®‘
einen Theil des Körperchens oder durch das ganze Körperebe”
hindurch gehen, wobei ]'edesmal in dem Röi-perchen nichts vo”
den Arterienziveigelchen bleibt. Diese feinen Arterienzweigelcbe”
scheinen sich w'cniger durch die Milte der Körperchen, als ””
ihren AVänden fortzusetzen und dann die Körperchen zu verla®'
sen. VAenn öin Arterienzweigelchen in dem Körperchen sich >”
mehrere Aestchen theilt, was niemals auf der Oberfläche, sonder”
immer in der Dicke seiner Wände geschieht, so gehen diese doc
wieder daraus hervor, um sich auf das feinste in der umgeb®”'
den rothen, pulpösen Substanz der Milz zu verbreiten: in die*
rothe Substanz der Milz gehen überhaupt zuletzt alle feinste”?
pinselförmig verzweigten Arterien hin. Aus allem diesen ist i”
zur Gewissheit geworden, dass die weissen Körperchen, als bl”* ^
Auswüchse der Scheiden, der feinem Verzweigung der eigen
chen Arterien ganz fremd bleiben. „
Die Körperchen haben einen Inhalt. Die darin enthalW^
flüssige, weisse, breiige Materie besteht grösstentheils aus fast
ter gleich grossen Körperchen, welche ungefähr so gross
7. Function der Drüsen ohne AusfüJirungsgänge. Milz. 555
ßlutkörp ereilen, aber nicht wie Blutkörperchen platt, sondern un-
i'egelmässig kugelförmig sind. Diese Körperchen sehen '^“ter dem
Microscop gerade so aus und sind eben so gross wie die Körn-
chen, welche die rothe Substanz der Milz ausmachen.
Die rothe pulpöse Suhslanz besteht aus lauter rotlihraunen Körn-
chen so gross wie Blulkörperchen, von diesen aber verschieden
dadurch, dass sie nicht platt, sondern unregelmässig kugelig sind,
ßiese Körnchen lassen sich sehr leicht von einander ahlösen.
Iß der durch ihre Aggregation gehildeten piilpösen blasse der
Milz verbreiten sich die büschelförmig verästelten leinsten Arte-
rien, bis in die venösen, vielfach unter einander aiiastoniosirendeu
Kanäle, in welche von da das Blut gelangt, ehe es von jedem
Theilc der Milz in das Ycnensfämmchen desselben übergeht, öie
Bind sehr merkwürdig. Diese ziemlich starken anastomosirenden
A-nfänge der Venen scheinen kaum noch eine Wandung zu lia-
Eelraclitet inan ein Sliickclien der Pulpa der Miiz
•BO siebt mau, dass diese Pulpa wie durchlöchert ist, mul dass
sie gleichsam ein Netz von rothen Balken bildet, deren Durch-
ßiess'cr stärker ist, als die zwischen ihnen sich findenden Zvvi-
Bchenräume und Kanäle. Diese venösen Kanäle sind es, welche
I>eim Aufblasen der Milz von den Venen aus, jener Substanz ein
wolliges Anselm geben. Iiijicirt man Waclismasse durch die Vc-
ßen so erhält die Milz das Anselm der Corpora cavernosa peius.
Zellen sind hier nicht vorhanden. Die zarte, rothe, von venösen
Kanälen unter den mannichfaltigstcn B.iehtungcu diirchschniUeue
und durchlöcherte Substanz der Milz ist so weich und zerslm-
bar, dass die einzelnen Theile dieser S.il^tanz einer Suspc.is.ou
Ijedürfen, und diese wird dadurch aiisgefuhrt, dass d.e weiche
Substanz von dem librösen Balkengewcbe, welches von «Jer äus-
seren Haut der Milz ausgebt, in den mannichfaltigsten Richtuu-
gen durchsetzt wird. Die weisseu Körnchen verhalten sich zu
der rothen Sulistaiiz so, dass sie von dir umgeben sind, ««<1 mcht
so, wie Malpighi annahm, m Zellen 1 e ’
SB'eisseW^ürzelchen gehen von den weissen Körnchen m «le lothe
Substanz über, und entl.Mten zumTheil deutlich Arterienzweigelehcn.
2. Function der ,
Das Einzige, was man von der Bedeutung der Milz kennt,
ist, dass sie keine grosse Bedeutung in der tluerischen Oecono
"de hat, indem sie nach übereinstimmenden Erlabrungeu vieler
Beobachter ohne irgend eine erhebliche Folge exst.rpirt weiden
I^ann. Nach dieser Exstirpation bat Dupuytrex bei Hunden gros-
sere Gefrässigkeit bemerkt, Mayer rJurur^. Zeit. ISI»- -K
189.) Vergrösserung der Lymphdrusen , was wenigstens
"ieht constant ist. Auch die von Einigeu behauptete ver-
mehrte Harnabsonderung nach Exstirpation der Milz ist «.ach
T^.euEMA«« und Gmee.x keine wesentliche mul constantc ^r-
«riieinung. Eben so wenig beobachteten sic Krsdieinungen v
midechter Verdauung, wie Meaj. und Mayer; sie wenn
^eine Veränderung ln der Cralle, und es ist also wnll-
Mebrere diese sehr bitter und dunkelgef ärbt gehinden *
^®U. Siehe Tiedemann und Gmelin hber die H e c. f .
556 II. Buch. Organ, rhiin. Proresse. IV. Abschnitt. Verdauung.
Die Widerlegung der Hypothesen über die Function wir*'
uns nicht lange heschäftigen, da sie zum Theil auf ganz unrich'
tigen Voraussetzungen beruhen, die anderen sich aber weder be-
weisen noch widerlegen lassen. . ,
Widerlegen lassen sich alle Hypothesen , welche die Milz a s
in einem wesentliehen Verhältniss zur Lcher stehend betrachten.
Doellinger betrachtet die Milz als das Product einer symmetrischen
Bildung, die Milz sey gleichsam die unausgcbildete rechte Lebei.
Diess ist unrichtig, weil die Leber anfangs ganz symmetrisch
und in gar keiner Beziehung zur Milz steht, und weil die Mn
selbst sj'mmetrisch ist, indem sie in der Gefassschicht der
krösblätter, nämlich im Magengekröse, sich bildet, wie früher bC'
merkt wurde. Auch auf den Umstand, dass die Milzvene zuf
Pfortader geht, und auf die Hypothese, dass die Milz das Bb>
zur Gallcnabsonderung vorbereite, ist kein Werth zu legen; den”
die Beziehung zur Pfortader hat sie mit dem ganzen chylopoeti'
sehen System und bei den niedern Wirbelthieren sogar mit de”
unteren Extremitäten, bei den Fischen mit den Genitalien un
der Schwimmblase gemein. Vergl. oben p. 161. Einige spreche”
ohne allen Beweis von Desoxydation des Blutes in der Milz. A”'
dere lassen durch die Milz die AJ)sonderung des Magensaftes g®'
fördert werden, weil sie bei angefülltem Magen weniger Bl”
aufnehme (?), wieder Andere, wie Lieutaud, Morescht, sehen d*®
Milz als einen Blutbehälter für den Magen an, indem entwed®*
durch den Druck des angefüllten Magens weniger Blut der M”
aus der Arterie zufliessen soll, was für die Thlere nicht pass i
wo die Milz nicht am Magen liegt , oder indem der vef'
dauende Magen mehr Blut anziehe. Aehnllch ist die Hypothes*'
von DonsoN {Land. med. phys. Joum. Oct. 1820. Froriep’s '
615.). Nach ihm soll die Milz zur Zeit, xvo der Proeess der Bildu”!’
des Chymus zu Ende ist anschwcllen, nämlich 5 Stunden nach d®J
Mahlzeit habe die Milz das Maximum iljres Volumens erreich ’
12 Stunden nach dem Füttern sey die Milz klein und enthalt®
wenig Blut. Da nun nach einer Mahlzeit eine grössere Quant*'
tat Blut Im Organismus sich befinde als zu irgend einer ander”
Zeit, und da die Blutgefässe diese Vermehrung ohne Nachtb®*
nicht aufnehmen können, so sey die Milz ein Behälter für
Ueberschuss. Nachdem aber die Absonderung dieses Maxim” ^
der Blutmasse wieder vermindert habe, nehme auch das
men der Milz wieder ab. Die Priünlssen scheinen mir n*®
erwiesen.
Dobson will ferner die Versuche von MAOExriE bestätigt
ben, nach welchen das Volumen der Milz durch Iiijcction
Flüssigkeiten in die Venen vermehrt werden soll. Die Anna
men von Defermon (Noui). bihliolh. med. Mars 1824. Froriep's
jsot-
148.), dass das Volumen bei dem Genüsse verschiedener ,
sich verändere, sich unter dem Einfluss des Strychnins, Kainpb® ’
essigsauren Morphiums vermindere, scheinen mir eben so ^
erwiesen. Home glaubte einst aus der unerwiesenen pijig,
dass die Milz nach Genuss von Getränken anschwelle , die b
sigkeiten sollten auf unbekannten Wegen aus dem Magen zur a
7. Function der Drüsen ohne Ausjükrunßsgät^e. Milz.
557
und von da zur Harnblase gebracht werden, was er später zu-
•’uckgenommen. P/iilos, transact. 1811.
Die Function der Milz beruht vvabrscbclnlich entweder in
einer unhekannten Veränderung des durch ilir Gewebe durch-
gehenden Blutes, wodurch sie ziu- Blutbildung beiträgt, oder sic
Sondert eine eigenthümlicbe Lyinpbe ab, welche zur Cbylifica-
tion beiträgt, indem die Lymphe zur iiiirigcn Lymphe ergossen
'^ird. Nur die Venen oder die Lymphgefässe können die durch
Jic Milz veränderte thierische Materie auslübren; Letzteres ist
die Hypothese von Tiedemann. Welche von beiden Ansichten
•'ichtig, ist unbekannt, und worin jene Veränderung der thieri-
schen Materie besteht, noch weniger bekannt.
Das Blut der Milzvene ist von anderem Vencnblute inelit
verschieden, wenn diess gleich von Autenrieth [Phrsiul.
behauptet ivorden. TtEDEMANfi und Gmelin sahcji es wie anderes
Illut gerinnen. Ver.mche über die Wege etc. p. 70. ■ r
Hewson hatte die Ansicht aufgestellt, dass die Mdz, wie die
l>'mphatlscben Drüsen und die Thymusdrüse, bestimmt soy, aus
dem arteriellen Blute einen Saft abzusoiidern, welcher, der Lym-
phe beigemischt, die Blutkörperchen ausbilde. Hewso?i opm posth.
*'oe rubrannn sanguinis partiridarum thymi et licnts descriptw. 178o.
Jhess kann wohl nicht richtig seyn, da die Blutkörperchen sich
Chen so gut nach Exstirpation der Milz ausbilden. Hewson, Tie-
»emaen und Form ASS sahen die Milzlymphe rölhlich; diess ist
iodess keine constante Erscheinung. Seiler sab vwhl einige mit
»■öthlicher Lymphe gefüllte Lvmpbgefässe auf der Obernaclie der
Milz von Pferden, und ich sab wiederholt einige wenige der vie-
len grossen Lvinphgefässe auf der Oberlläche der Milz des Och-
sen eine blassrothe Flüssigkeit führen, diess scheint jedoch nur
Von etwas aufgelöstem Färbestoff des Blutes herzurühren. Aus-
serdem sah Seiler jene Färbung bei den meisten Pferden nicht,
ünd bei den Eseln, Rindern (?), Schafen, Schweinen und Hunden
niemals. Anatom, physiol. Real- Wörterbuch. 5. 330. Vergl. Jaek-
■Vel, Meckel’s Areiüv. 6. 581. Mehrercs über die älteren An-
sichten siehe bei Seiler a. a. O. und Heusisger Ueber den Rau
'»nd die Verricläur^ der Milz. ThionoiUe, 1817. Mayer behauptet
l^eobachtet zu hahen, dass die Milz sich bei wiederkäuenden
Thieren nach der Exstirpation wiedererzeuge, indem sich nämlich
»n der Stelle der Exstirpation ein Körper von der Grosse einer
Lymphdrüse nach einigen Jahren wiederfmde; diess wäre cm sehr
‘nteressantes Factum, wenn es sich strict beweisen liesse; diess
‘st aber kaum möglich, da die Thiere zuweilen kleine Neben-
?nilzen besitzen, auch ein Rest der Drüse zuruckgehlieben seyn
l^onnte. Zum Beweis, dass etwas Milzsidistanz sey, gehört die
Darlegung der oben beschriebenen Bündelchen von weissen Ror-
herchen, die in der Milz mehrerer Wiederkäuer vorhanden, und
leicht präparirt werden können.
B. Von den Nebennieren.
1. Bau der Nebennieren {nach eigenen Untersuchungen),
558 II. Buch, ürgau. ehern. Prucesse. IV. Abschnitt. Verdauung.
Die Nebennieren kommen bei dem Menseben, den Säugetbiereii,
Vögeln und unter den beschuppten Amphibien wenigstens bei den
Schlangen vor, wo sie Retzius beschrieben bat. Bei den nackten
Amphibien und bei den Fischen fehlen sie, bei einigen der nackten
Amphibien, nämlich Fröschen, Salamandern und dem Axolotl»
scheinen sie durch gefranzte Fettkörpereben, die am oberen Endo
der Nieren ansitzen, ersetzt. Die Nebennieren bestehen aus ei'
ner gelben Rindensubstanz , die aus senkrechten Fasern besteht,
und aus einer dunklen schwammigen Marksubstanz. Wenn sich
eine Art Höhle im Innern der Nebenniere vorfindet, so ist dies*
immer die Nebenniercuvene. In der Rindensubstanz baJjen die
kleinsten Arterien und Venen eine ganz eigentbümlicbe Disposi'
tion. Sie haben nämlich die Form gerader, paralleler, gleidi
dicker, sehr enger Röhrchen, welche alle den nämlichen Durch'
messer haben, und in der schönsten Regelmässigkeit dicht nebeo
einander von der Oberfläche senkrecht nach innen gehen, und
fast so eng wie die gewöhtdichen Capillargefässnetze sind. So
bei Injection der Arterie, als der Venen, erhält man dieselbe^
senkrechten Gefässe mit sehr länglichen Alaschen injicirt. Ao
der äussern Oberfläche der Nebennieren liegt ein gewöhnliche*
CapIIlargefässuetz, dessen Röhrchen kaum merklich enger sl»*^^
als die der Corticalsuhstanz. Alle senkrechten VenenzweigelcheO
ergiessen sich in das Venengewehe der Marksuhstanz. Die Me-
dullarsubstanz der Nebennieren ist sehr sclnvammig und hcsteld
grösstenthcils aus einem Venengewebe, welches in die Zweige det
Vena suprarenalis übergeht, die im Innern des Organes ziemlich
weit ist. Durch die Vena suprarenalis kann man daher jO'
nes ganze schwammige Gewebe aufhlasen. Dieser Bau , deO
man diu-ch feine Injectionen sehr gut darstellen kann, ist heil”
Ochsen, Kalb, Schaf, Schwein [derselbe w'Ie heim Menschen,
indem die Nebennieren sich nur durch die äussere Form und
Oberfläche unterscheiden. Oh das Blut während des Durch'
gangs durch das von mir beschriebene Gefässgewehe der Rind®
eine eigenthümliche Veränderung erleidet, und als veränderte*
Blut durch die Vena suprarenalis zum übrigen Venenhlut 8®'
langt? Die Vena suprarenalis müsste man heim lebenden Thier®
unterbinden, was auf der linken Seite angeht, und die Feuch'
tigkeit im Innern der Vene und Nebenniere untersucheU-
Dass die Nebennieren bei den kopflosen Missgeburten vor'
zugsweise vor anderen Organen fehlen sollen, ist wohl nieh*'
begründet.
2. Function unbekannt. ,
Beim Embryo des Menschen sind sie nach Meckel’s uu®
meinen Untersuchungen anfangs grösser als die Nieren, und h®'
deken selbst die Nieren, wie z. B. hei einem 1 Zoll langen EmbryO'
Erst hei 10 12 Wochen alten Embryonen sind die Nieren deO
Nebennieren an Grösse gleich; dagegen sind nach meinen Beoh'
achtungen die Nebennieren der Säugethierembryonen zu keiner
Zeit grösser als die Nieren. Mit den Harnwerkzeugen stebee
diese Organe wohl in keiner Beziehung. Bei der Lageveränd®
rung der linken Niere auf die rechte Seite sah ich die Neben'
7. Function der Drüsen ohne Ausführuugsgänge. Thyriiüsdrüsc. 559
j'iere an der gewöhnliclieii Stelle; eben so bei der Atrophie der
*riken Niere unverändert.
C. Von der Scliilddröse.
1. Bau der Schilddrüse, •
In der Schilddrüse scheinen sehr kleine Zellen enthalten zu
deren Zusammenhang gleich wie der eigentliche Bau der
Schilddrüse unbekannt ist. Im Kropf schwellen diese Zellen an
enthalten eine, albuminöse Materie.
2. Function der Schilddrüse unbekannt.
D. Von der T liymusdrüsc.
1, Bau der Thymusdrllse (nach Astley Cooper the anaiomy
A ihe Thymus gland, Lund, 1832.)
Die Thymtisclriise ist verhältnissmässic; Leim Fötus am gröss-
nach der Gehurt wächst sie noch und bleibt gross irn ersten
hernach vermindert sie sich allmäh lig, bis sie zur Zeit
pc Pubertät ganz geschwunden ist. Die Thymus des Kalbes
jcsteht aus grösseren und kleineren Lappen. Jeder Lappen wird
'^'•cch zahlreiche absondernde Zellen und durch grössere Höhlen
Behälter gebildet. Beim Menschen sind die grössten Lo-
nicht grösser als eine Erbse. Bei genauerer Untersuchung
*’cht man nach Cooper, dass die Lobuli, wenn sie aus einandei' ent-
^^ckelt w'erden , zu Kränzen vereinigt sind, die wie Halsbänder
grössere und kleinere Perlen erschienen. Um die innei’e
M^Cuctur zu beobachten, muss man eine leichte, obei’flächliche
^•^hicht von einem oder von mehreren Lappen zugleich weg-
t.®linien , man sieht dann eine Menge kleiner Höhlen , diese
jClilen enthalten zum Tlieil eine reichliche weisse Flüssigkeit
_ c Drüse. Ans diesen Höhlen gelangt die Flüssigkeit in einen
|j®*>ieinsamen Behälter, und der letztere bildet einen gemeinsa-
Und verbindenden Raum zwischen den verschiedenen Lap-
Und ist von einer zarten Haut ausgckleidet. Auf der innerii
. ^che des Behälters bemci'kt man kleine Oeffnungen, welche in
Zellenförmige Erweiterungen führen, und diii’ch diese Erweite-
p.7‘"Sen führen die Höhlen der Lappen zum gemeinsamen Be-
/“uer. Diese Oeflimngen sind jedoch nicht so zahlreich als die
^'•Ppen, weil jede Tasche mit mehr als einem Lappen zusam-
^j!^»kängt. Das Wesentliche des Baues besteht also darin, dass
kleinen Zellen oder Höhlen in der Sulistanz der Läppchen
jj ®tzt zu einer taschenförniigeu Erweiterung an der Basis jedes
J^'tptlappens führen, und dass diese taschenförmige Erweite-
durch eine kleine OefFnung wieder mit dem gemeinsamen
,,®ualler In Verbindung steht. Nach Cooper sitzt beim Kall>s-
der
äiit jedem Horn der Thymus ein grosser Lymphgang,
V, ,®kier Injection leicht angefüllt werden kann, und an der
indungsstelle
(le^ endigt. Indessen ist die Verbindung der Lymphgefässe mit
** Höhlungen der Drüse nicht erwiesen. Die Flüssigkeit der
der beiden Jugularveuen in die Vena cava super.
560 II, Buch. Organ, ehern. Processe. IV.Ahschnüt. Verdauung. ^
Thymus ist weisslich und enthält weisse microscopische Parlikeh'j
gerinnt von Alcohol, Mineralsäuren und Hitze. Liquor hali caU'
stiei verwandelt sie in einen fadenziehendeji StolL 100 The','
enthalten 16 festen Stoff. Die Analyse auf die näheren ihiei''
sehen Eestandtheile ist zu unvollkommen, als dass sie hier ang®'
führt werden dürfte. Die Salze sind salzsaures und phospho'"
saures Kali und ])hos|)horsaures Natron; eine Spur von PhoS'
phorsäurc. Faserstoff' scheint dieser Saft nicht zu enthalten,
dadurch unterscheidet er sich von der Lymphe und dem Chyhi ■
2. Function. , j
Nach Cooper’s anatomischen Resultaten zu schliessen,
aus der Thymus ein cigcnthi'imlicher eiweissreicher Stoff durch
Lymphgcfässc in die Venen ausgeführt; über die Art, wie
Organ zur Bluthildung des Fötus und Rindes beiträgt, sehe'**
es ganz unfruchthar, Hypothesen aufzustellen. (
Tyson {Land, med, .iurg..Touriial. Jan. 1833. Faoair.p’s Ao/.
stellt die Hypothese auf, dass die Thymus heim Fötus das u'*^^ |
von den Lungen ahlcite, welches nach der Gehurt den D*i".Sjg
zugewendet werde. Dicss ist offenbar eine Verirrung, wie ,
Hypothese, welche die Function der Thymus als eines Theils ^ |
Fötus, und nicht als eines Theils auch des kindlichen Aff*'' ;
betrachtet.
VIII. Capitel. Von der Ausscheidung der zersetzten Stoff"
Das Lehen ist mit einer Ijcständigen Zersetzung der org<‘"'^j
sehen Materie verbunden, deren Ursachen in dem allgemoh’"^,
Theil dieses Handbuchs p. 34. und .346. untersucht woi'den.
Aeusserung des Lebens ist die Einwirkung äusserer Reize
wendig. Diese reizen mit Veränderung der materiellen Zusa
mcnsetznng, und es entstehen bei der Erzeugung edlerer
l)lndungen nothwendig immer Ausscheidungen von unhrauchhi"
Bestandtheilcn der zersetzten Verbindungen. Aljer auch die H
Wandlung der Nahrungsstoffe in Blut macht die beständige
Scheidung von unbrauchbaren Bestandtheilcn nothwendig.
pi"
Apparate, Yvodureh diese Zersctzungsproductc nicht gebildet,
dem nur nusgeschieden Yverden, sind die äussere Haut und
Nieren. Die Natur dieser Ausscheidungen soll hier untcrsi|^^^
werden. Die organischen Bedingungen aller Secretionen und -
cretionen sind in dem Abschnitt von der Absonderung p-
zergliedert Yvorden.
JouN Dalton [Edinlmrgh netv philosophiral Journal. Nou. 1
Januar 1833.) stellte an sich selbst eine Reihe Y'on
menten über die Quantität der von einer gesunden Person
nommenen Nahrungsmittel in Vergleich mit den verschieß
Exeretionen an. Die erste Reihe derselben dauerte H
wobei im Durchschnitt täglich 9 t Unzen oder beinahe ® ^
avoir du pois an festen und flüssigen Stoffen verzehrt Yvur
Der Totalbetrag des in 14 Tagen aus'geleerten Harns betrug
Unzen, der der Faeces 68 Unzen. Auf den Tag kamen im Du
561
8. Ausscheidung der zersetzten Stoffe.
'’chnitt Unzen Harn und 5 Unzen Faeces, zusammen 53^ Unzen.
nun täglicli 91 Unzen verzeln-t Avurden, so musste bei gleicb-
'*leibendem Gewicbt des Körpers die Ausdünstung der Haut und
düngen 31-^ Unzen betragen. Diese erste Reihe der Versuche
l'är im Marz angestcUt; die zweite fiel in den Juni, die dritte
den September. Im Sommer wurden 4 Unzen an festen Stof-
weniger, dagegen 3 Unzen an flüssigen Stollen mehr aus-
Seleert. Durch die Ausdünstung gingen 44 Unzen, oder 6 Unzen,
j?ebr als im Frühling, fort ; im Herbst wurde die Hallte der täg^
*‘^hen Consumtion durch die Ausdünstung ausgeschieden. ^ Dal-
])erechnet, dass er täglich chva il^ Unze Kohlenstoff in den
^^hrungsmitteln zu sich nahm. Das Carbon von dem Urin rech-
er l^Proc.; diess giebt auf 48i‘- Unzen Urin täglich 0,5 bis
5)ß Unzen Kohlenstoff. Hundert Theile Faeces halien | Wasser,
I Cr Rest enthält nicht mehr als 10 Theile Kohlenstoff. Diess
^cträgt in 5 Unzen Faeces Unze Carbon, also werden lOj Unzen
^ählenstoft’ durch die Perspiration fortgeschafft. Nach früheren
^ätersuchungen ( Manchester memoirs. Nav series. Vol. 2. p. 27 . )
!jf!ichte Dalton durch das Athmen in 24 Stunden 2,8 Pfiind
Jcoy Kohlensäuregas hervor. Diess betragt gegen 0,78 Pfund
fcoy Kohlenstoff oder 0,642 Pfund avoir du pois oder 10>-
Päzen avoir du i>ois. Die wässrige Perspiration der Lungen
beträgt höchstens 1,55 Pfund Troy = 1,275 Pfund avoir du pois
^ 20-2* Unzen avoir du pois. Fügt man dazu 10} Unzen Koh-
Sstofl', so hat man 30} Unzen fiir das in einem Tage aus den
jängen ausgeathmete Wasser nebst Kohlenstoff, und zieht man
'ücse von 37} ab, so lileiben für die unmerkliche Ausdünstung
■''“s der Haut 6} Unzen täglich, welche aus circa 6} Unzen Was-
und -}Unze Kohlenstoff (?) bestehen werden. Daher würde
clurdi das Athemholcn fünfmal mehr Substanz als durch die
*i'*äze Körperoberf lache verlieren.
Tn den 6 Pfund Nahrungsstoffen , die man täglich zu sich
''^tat, rechnet Dalton gegen 1 Pfund Kohlenstoff und Stickstoff
*ßsainmengenommcn ; das Üebrige ist grösstenthcils Wasser.
Die Ausscheidung, fremdartiger, in den Kreislauf aufgenomme-
Stolle geschieht nicht durch alle Oberflächen zu gleicher
?c>t und gleich stark. Es zeigt sich vielmehr, dass eins oder
' ‘'s andere der Ausscheidangsorganc eine grössere Anziehung ge-
gewisse fremdartige Stoffe äussert, und dieselben leichtei
'"'»sscheidet als andere. So hat Magendie {buUeiin de la socicte
1811.) gezeigt, dass Alcohol, Kampher durch die Lun-
aus dem Ihierischen Körper ausgeschieden weiden. Dagegen
'IC^i’den salinische Stoffe und manche Färbestolfe leichter durch
l'e Harnabsonderung, verändert oder unverändert, ausgestossen.
'f Allgemeinen kann man sagen, dass diejenigen Stoffe, weiche
.'•^'ch ein Ausscheidungsorgan in der Regel ausgesebieden
auch leicht Reize senicr Thätigkeit seyn können, und es
sich aus dieser Bemerkung die harntreiliende Wirkung der
.•^ätralsalze aus dem Umstande herleiten, dass diese Salze eben
'üch die Nieren meist unverändert wieder ausgeschieden werden.
Woehler (Tiedemamn’s Zeitschrift. I. Bd.) hat ausgedehnte
562 II. Buch. Organ, ehern. Processe. IV. Abschnitt. Verdauung.
Untersuchungen über den Uebergang fremdartiger, in den Oi-
ganismus aufgenommener Stoffe in den Harn augestellt, welc
im Artikel \on dem Harn ausfübrlicber mitgetbeilt werden.
I. Hautausdunstung und Schweiss.
Die äussere Haut ist der Sitz einer zweifachen Absonderung^
TOn Fettabsonderung und von Ausdünstung ; erstere findet in uco
FollIcuHs sebaceis der Haut statt, sie ist hoch nicht untcrsucu '
Beim Fötus bildet sie einen salbenartigeh Ueberzug der Han,'
Vernix caseosa, und besteht nach Frommherz und Gugert uns
nem innigeii Gcmeng von einem dem Gallenfett äbnlicben r®
und Eiweiss, welches letztere indess vom Liquor atunii berrn*'
ren kann. . j
Die Quellen der wässrigen, dunstförmigen Absonderung ^
die Haut und die Lungen. Bei stärkerer Bewegung und
serer äusserer Wärme, und in verschiedenen Krankheiten,
wenn die Ausdünstung durch Wacbstalfet oder Pflaster verb'n
dert wird, sammelt sich das Ausgesebiedene in Tropfen, ‘
Schweiss. Die Quellen des Sebweisses sind die über die guu
Haut zerstreuten, kleinen, spiralförmigen Bälge, die Sebweissk'
näleben, wclclic Purkixjb entdeckt liat. Siebe oben p. 417.
Nach Sanctorius mühevollen Untersuchungen, wodurch
durch sinnreiche Versuche auf der Wage die Menge der
dünstenden Materien zu bestimmen sucht, haben in neuerer
besonders Lavoisieh und SEGUiif genauere Untersuchungen üh
diesen.' Gegenstan d angestellt. Mein, de l’aead. des sc. 1790.
de chim. T. 90. Meckec’s yirchb. .3. 599. Hiernach ist der
lust einer Person dui’ch Haut- und Lungenausdünstung in ei^
Minute 17 — 18 Gr. im Durchschnitt, 11 Gr. im Minimum, 32
im Maximum hei ruhendem Zustand. Um die Wirkung der H‘**'^j.g
und Lungeuausdünstuug abgesondert kennen zu lernen, hediß'' .^
sich Seguist eines mit elastischem Harz überzogenen Taffetklc"
das keine Luft durch! iess, oben offen rvar, und für den
eine von Kupfer umgebene Mündung hatte. Dieses Kleid
nachdem es von lSeguin angezogen worden, oben durch ein * ,
kes Band A'erschlossen , dann die Kupfermündung um den ^ .jn
geklebt und befestigt. So setzte sich Seguik auf die Wage, a'"'”
gervosien, lilieh mehrere Stunden ruhig und wurde wieder g*^''
gab de'
gen. Der Unterschied zwischen beiden
Wägungen
i-O'
ii'
dieser Zeit durch die Lungenausdünstung erlittenen Verlust. Hi® |
__/• !• T_ n 1* 1. l-* 1. .1 U*’ 1
auf verliess er die Hülle, liess sich sogleich wieder wägen,
nach einer bestimmten Zeit von neuem AVägen. Der Untci'S®
der letzten Wägungen gab den durch Lungenausdünstung
Hautausdünstung zugleich erlittenen Verlust. Die Stditr
Seti®"
gab
da-'
7ß
der Lungenausdünstung von der gesummten Ausdünstung g'
Quantum der Haulausdünstuug. Die Resultate dieser lange
mit grosser Genauigkeit fortgesetzten Versuche ergaben:
1) W'ie verschieden auch die Menge der genossenen
seyn mag, in 24 Stunden kommt ein Mensch im ndiigen Zus
ohngefähr auf dasselbe Gewicht zurück, so dass 2) wenn <'
8. Ausscheidung der zersetzten Stoffe. Hautausdünstung, 563
sonst gleichen Umstanden die Menge der Speisen variirt, oder bei
gleicher Speisenmenge die der Ausdünstung abweicht, so wird
die Menge der Excremente so vermehrt oder vermindert, dass
doch um dieselbe Zeit dasselbe Gewicht wieder eingetreten ist,
also bei gesunder Verdauung die verschiedenen Functionen sich un-
terstützen und vertreten. 3) Bei schlechter Verdauung wird die
Ausdünstung vermindert. 4) Bei guter Verdauung hat die Menge
der Speisen keinen grossen Einfluss auf die Ausdünstung. 5) Un-
®iittelbar nach dem Essen wurde am wenigsten ausgedünstet.
®) Aber der dmch die Ausdünstung venirsachtc Gewichtsverlust
’W'ar während der Verdauung am grössten. 7) Der grösste Ge-
■»fichtsverlust durcli Ausdünstung ist in 24 Stunden 5 Pfund, der
geringste 1 Pfund 11 Unzen 4 Drachmen. 8) Die Hautausdünstimg
oängt theils von der Beschaffenheit der Luft, theils des Rör-
,hers ab. 9) Das Mittel des Gewichtsverlustes durch Ausdünstung
ist 18 Gr. in der Minute, wovon 11 auf die Hautausdünstung,
auf die Lungenausdüustung kommen.
Die Ausdünstungsrnateric enthält verdunstbare Theile, wie
S-ohlensäure , Wasser und andere Theile, die sich auf der Haut
ahsetzen und mit der Hautsalhe den Schmutz bilden. Nach
'I'benjird enthält die Haulausdünstungsflüssigkeit, welche er in
ainem vorher mit destillirtern Wasser ausgewaschenen, flanell-
aeti Hemde sammelte, Kochsalz, Essigsäure, etwas phosphorsau-
*’os Natron, Spuren von phosporsaurem Kalk und Eisenoxyd
aehst einer thierischen Materie. Schweiss, der in Tropfen von
^6r Stirn gelaufen war, enthielt Milchsäure und im Alcohol lös-
Üchen Stoff (Osmazora) und eine kleine Menge im Alcohol un-
iöslichen Stoff, sehr viel Kochsalz, Chlorammonium. _ äbselmiho
*ainmelte die flüssige Ausdünstungsmaterie seines in einen Glass-
aylinder eingepassten Arms, indem er die Oeffiiung um den
Arm mit Wachstaffet zuhand , während der Arm nirgends
1 ^as Glas berührte. Der Dunst sammelte sich auf den Wänden
^es Glases und wurde ti'opfhar; die Flüssigkeit enthielt essigsau-
Ammoniak und Kohlensäure. Kohlensäureaushauchung hat-
Ißn früher auch Abernetiiy und Mackenzie beobachtet, während
in den Versuchen von Priestley, Fouhcroy , Klapp,
Shdon nicht statt fand (Meckel’s ArcMo. 3. 608.). Collard de
■^^Rtigny (Magendie’s Journal. 10. 162.) hat gefunden, dass die
der Haut ausgehauchte Luft Kohlensäure und Stickgas in
«elir variablem Verhältniss enthält. Diese Ausbauchung ist nicht
{geständig vorhanden, sie ist coplös nach Anstrengungen und dem
5*®en. Zuweilen war das Gas bloss Stickgas, was mit den
^^fahrungen von Ingeniioiiss, Trousset und Barrtjel überein—
Zuweilen war cs bist blosses Kohlcnsäuregas, was an
Beobachtungen von Milly, Cuuikshank, Jurine, Abernethv,
^'^Ackenzie erinnert. Collard will nach reichlicher Flclschnah-
pig mehr Stickstoff-, nach vegetabilischer Nahrung mehr Koli-
j*>säureaushauchung bemerkt haben. Collard hat das sich von
j®»" Haut entwickelnde Gas unter einem oben verstopften und
'^^erlich mit ausgekochtem Wasser gefüllten Trichter gesammelt (?),
schliesst hieraus, dass das Kohlensäm'egas der Hautausdüu-
564 II. Buch. Organ, ehern. Processe. IV. Abschnitt. Verdauung.
Fendi tigkeit
gcsiUtisjt
stung als soldies aus dem Körper ausgesdiieden werde, da ea
auch ohne P>erührung mit der atmosphärischen Luft austrete.
Die Trockenheit der Luft vermehrt die Ausdünstung, wiß'
wohl durch diese letztere Ahkühlung hervorgehracht wird; alleif*
eine grosse Erhöhung der äussern AVärme gieht ein umgekehrtes
Resultat. Edwards de l’inßuence des eigens physiques sur la
Paris 1824. Froriep’s ISot. 150. 151. Die Transspiration
reichlicher hei hcAvegter Luft und hei iiiederm Luftdruck. Ep'
wards untcrsclieidet hei der Transspiration dasjenige, was
physicalischen Evaporation zukömmt und auch am todten Körp®^
in dcnselhen Umstanden erfolgen umrde, und das, was dem E®'
hensact der Haut zukömmt; letzteres soll nur der TotalsurniP®
ausmachen, wo die Temperatur der Atmosphäre nicht über 26
ist. Das Product der physicalischen Ausdünstung ist fast rein®*
Wasser, das der organischen führt thicrische Bestandtheile.
physicalischc Ausdünstung wird unterdrückt, wenn die Luft p’’
ist, und die organische Ausdünstung W'iP
aufgehoben, wenn das Individuum erkältet wird. Die Tra»*'
spiration durch die Lunge soll nur durch physicalische AusdüP'
stung statt finden, diese Evaporation kann durch eine mit Feuck'"
tigkeit gesättigte Luft, deren Temperatur eben so hoch oder höher'*
als die des Körpers, vermindert werden. Erwärmung und E*'
kältung steht mit der Ausdünstung in so inniger Beziehung, da**
auch hiei'üher das Wichtigste aus Edvv^ards Untersuchungen ang®'
führt werden muss. Bei gleicher Temperatur theilt tropfbar®*
Wasser leichter Wärme mit als Wasserdunst, dieser leichter
Wassergas, dieses mehr als trockene Luft; man vertrügt dal'®*
hei gleicher Temperatur die letztere länger. Feuchte, war'P
Luft erhitzt uns mehr, iveil sic mehr Wärme mittheilt als tr"'^'
kene, und weil die physicalische jlusdünstung in letzterer slärk®^
ist. Bei gleicher, ja seihst hei geringerer Temperatur err®»
warme, mit Wassergas und besonders mit Wasserdampf gesätt'g*
Luft eine stärkere Transspiration, als trockene Luft. Ist die T®^
peratur der Luft geringer als die des Körpers, so entzieht .
trockene Luft uns weniger AVärme, als feuchte Luft, sie hat b.j
gleicher Temperatur eine Aveniger erkältende Wirkung,
feuchte Luft besser die Wärme leitet als trockene Luft. ,,
Asselmino hat den Schweiss untersucht. TiEDEjiANTi's ß
Schrift. 2. .321. Nach dieser Analyse enthalten 100 Theile cl"g
trockneten Schweisses: g
in Wasser und Alcohol unlöslich (meist Kalksalze) . . . •
in Wasser, nicht in Alcohol löslicher ThierstolF (der nach
Berzei.ius’s Ansicht ohne hinreichenden Grund von AnseL'
Mino für SpelchclslOiT erklärt wird) und Schwefelsäure Salze
in wässrigem Alcohol löslich: Kochsalz und Osmazom .
in wasserfreiem Alcohol löslich: Osmazom, Milchsäure und
milchsaure Salze (von Akselmiko für Essigsäure und essig-
saure Salze genommen)
2l
4^
Berzelius vermisst in diesem Resultat den im Schweiss
handenen Salmiak und das milchsaure Ammonium. In der A
8. Ausscheidung der zersetzten Stoffe. Hautausdiinstung . 565
getrockneten Schweisscs fand ANSEi.Mino kohlensaiircs, sekwe-
^elsaures, pliosphorsaures Natron, und etwas Kali nebst Kocksalz,
t^liospliorsauren und kotdensauren Kalk mit Spuren von Eisen-
In dem Scfiwciss der Werde, welcher bckanntlicli ein
^'eisses Pulver absetzt, fand Ahselmino den Harnstoft" nicht, den
^ourcroy darin gefunden liatte. An mebrereu Theilen des Rör-
ist der Scliweiss eigentbümlich, was indess auch von dem
leeret der Folliculi sebacei herrübren kann. So ist der Schweiss
^er Acbselhöblen ammoniakaliscb und der der Genitalien enthalt
^^ttcrsäui'e ; endlicK riecht die Ausdünstung mancher Thierc und
^^ciKschen eigenthümlich ^ Lei Thieren haben indess solche Gerü-
häufig in besonderen Drüsen z. B. am After, ihren Grund.
Der Zweck der Hautausdünstung wird aus der Analyse nicht
>lar, denn die im Schweiss vorkommenden Stoffe kommen auch
"> dem Harn vor. Da indess die Hautausdünstung, wie aus Se-
'•TJin’s Versuchen hervorgeht, in dem innigsten Wechselverhält-
''.'ss mit den Ingestis und den anderen Exeretionen sicht, so lässt
*'ch wohl einigermassen begreifen, wie die plötzliche Unterhre-
derselben so grosse Störungen in der thierischen Oecono-
hervorhringt, weil sie auf den Säftezustand und das Gleich-
|ewicht der Vertheilung der Säfte im ganzen Körper zurückwirkt,
.ass die Hautausdünstung uns gegen höhere W^ärmegrade schützt,
1*^ früher auscinandergesetzt worden. Siehe p. 76. Dass bei der
Jautausdünstung nicht bloss von dem Blute verdunstet, was ver-
*Vnsten kann, sondern dass Ausdünstung und Schweiss wahre
^^cretionen sind, beweisen die Krankheiten, in denen diese Ah-
^''äderuugen , ti’Otz einer hohen Temperatur der Haut, zuweilen
I ^atiz aufgehoben sind , wie in manchen fieberhaften Krankheiten,
welchen der Einfluss der Nerven auf das Hautorgan beschränkt
So steht auch die Hautahsonderung in dem enpten Verhältniss
der Harnahsonderung. Es scheint zwar voi-züglich das durch
Hautausdünstung entfernt zu werden, was hei der Tempera-
des Körpers Gasgestalt annehmen kann, während durch den
die mehr tropfharflüssigen Exereta entfernt werden. Aber
'•'ese Sccretionen stehen auch in einer Wechsel vrirkung. Bei ei-
?®Ri profusen Harnfluss, wie im Diabetes, ist die Haut trocken,
l“ den heissen Jahreszeiten und Climaten xvird weniger durch
Harn und mehr durch die Haut ausgeführt, irn Winter und
j'' k-alten Gegenden ist es umgckelii-t, und dasselbe Wechselver-
[^Itniss zeigt sich in den Krankheiten. Aber nicht hloss durch
Antagonismus der Sccretionen (p. 454.), sondern noch, durch
andere, theils in der Haut seihst, theils in ihrer Wealiselwir-
mit anderen Organen liegende Ursachen wird die Hautahson-
®>'Uug verändert. In Beziehung auf den Zustand der Haut seihst ist
g^Jemerken, dass gelinde Hautreize, auf die Haut selbst, wie warme
applicirt oder von dem Blute aus wirkend (Diaphoretica),
Hautabsonderung vermehren. Befindet sich aber die Haut
^‘‘ Zustand einer zu grossen Reizung, so wird sie roth und heiss
perspirirt nicht, und im Zustande der Entzündung sondert
3 wie in der Regel entzündete Theile, gar nicht ali; daher be-
**'ten ausgebreitete Hautentzündungen durch Störung des Gleich-
566 11. Buch. Organ, ehern. Processe. IV. Abschnitt. Verdauung.
gewichtä dei' Vertliellung der Säfte leiclit antagonistische, krank'
hafte Thätigkeiten , ivie Entzündung der Schleimhäute. So hat
man bei ausgedehnten Verbrennungen Entzündung der Darffl'
Schleimhaut, der Lungcnschlcimhaut entstehen gesehen, und hc*
den cxantliematischen Hautentzündungen von Ausscheidung eine*
krankhaften Materie durch die Haut wäclist die Befürchtung '‘i-
nerer Entzündungen nicht allein in dem Maasse, als die Aussche|'
düng der im Blute vorhandenen krankhaften Materie durch di®
Haut verhindert wird, sondern auch in dem Maasse der Heftigk^**
der Hautentzündung, und in dem Maasse, als dadurch die Functiö”
der Haut aufgehoben -wird.
Die Thätigkeit der Haut hängt hinwieder sehr von dem 2^'
Stande des Nervensystems und des Gefässsystems ab.
In lieberhatten Affectionen wird in dem Maasse die Absond^'
rung der Haut und der Schleimhäute vermindert, als der E‘‘'j
fluss des Nervensystems auf die peripherischen Theile geheiu'’'
ist. In anderen, nicht fieberhaften Zuständen dagegen bew'ii'^
eine plötzliche Entziehung des Nerveneinflusses, wie in der Oh'*'
macht, in deprimirenden Leidenschaften, eine profuse Absonderu”?
eines kalten Schweisses. Die Bedingungen dieser grossen V®*'
änderlichkeit der Ilautabsonderung imter verschiedenen Umstai’'
den sind noch nicht gehörig physiologisch zergliedert.
II. Harnabsonüerung.
Durch die Harnahsonderung werden theils zersetzte und
brauchbare ThierstolFe, wie Harnstoff und Harnsäure, die wesc®^
liebsten Bestandtheile des Harns und die für die thierische
conomie überflüssigen Salze, theils die zufällig in den KrelsI*'"'
gelangten fremdartigen Substanzen ira veränderten oder unverü”'
derten Zustande ausgeschieden.
Die Ausscheidung des Harns ist in der Thierwelt sehr
breitet, selbst die Inseclen sondern in den sogenannten Gail®*«
gefässen (besser Vasa Malpighiana) Harnsäure ab. Vergl. p.
Man hat zwar in ganzen Insecten schon Harnsäure gefunden,
Bobiquet in den Canthariden {arm. de chim. 76.), und daraus
schlossen, dass die Harnsäure allgemeiner in dem Insectenkörp
verbreitet sey. Aber bei der Untersuchung ganzer Insed®
musste man nothwendig die Harnsäure jener Gefässe mit erhall®^j
Auch bei den Mollusken kömmt die Harnabsonderung vor,
den Schnecken in dem sogenannten Succus calcareus {torgan^
la viscositA CuviEa, ), dessen Ausführungsgang neben dem M***
darrn hergehend, sich dicht an dem After ausmündet.
hat in jenem Organe Harnsäure gefunden. Mecrel’s Archiv. 6. 3*
Die Ausscheidung des Harns scheint nur unter dem nnverschi
Einfluss der Nierennerven .stattfinden zu können. Ich habe o®
lieh mit Dr. Peipers über diesen Gegenstand eine Reihe
Versuchen angestellt. Wir unterbanden die Nierengefässe
Ausschluss des Harnleiters bei Thieren, (Schafen und
so fest, dass die damit einbegriffenen Nierennerven (wie die N
ven gewöhnlich durch die Ligatur) mortificirt werden muss
8. Ausscheidung der zersetzten Stoffe. Harnabsondei 'ung, 567
darauf lösten wir die Ligatur wieder, so dass die Circulation des
lutes wieder durch die Nieren statt fand. Der Harnleiter wurde
ach aussen geleitet und ihm ein Röhrchen angehunden. ln den mei-
s eu Pallen wurde darauf gar kein Harn mehr abgesondert, selbst in
ern p^h nicht, nachdem dieselbe Operation auch an der zweiten
lere eines Schafes gemacht worden, wo man aber die Ligatur, um
le Absonderung auf dieser Seite unmöglich zu machen, liegen h'ess.
Ur in einem einzigen Palle (Schaf) dauerte die Absonderung fort,
^Urde blutig und Hr. Wittstock, fand in dem Secret, ausser den
estandtheilen des Blutes, Hippursäure (Harnhenzoesäure). Merk-
"(ürdig war die in diesen oft wiederholten Versuchen sich immer
^ustellende Erweichung des Gewebes der Nieren nach jener
^ortification der Nerven. Siehe Peipebs de neroorum in secretiones
^Uone. Berol. 1834.
Der Harn. (Nach Bekzeeius und Woehler.)
Der Harn des Menschen ist klar, ber.steingelb und aroma-
hsch riechend; er schmeckt salzig bitter und reagirt stark sauer.
*Jer Harn der Rinder, Pferde, Kaninchen und mehrerer anderer
pflanzenfressender Sängethiere ist alkalisch und bei einigen nur ganz
^i’isch sauer. Der Harn der pflanzenfressenden Säugetliiere ist triiber
ijnd oft fadenziehend, und zersetzt sich nicht so schnell wie der
fler Pleischfresser. Das specif. Gewicht des Harns des Menschen va-
j'iirt zwischen 1,005 bis 1,030. In Krankheiten namentlich in der
Jlarnruhr, steigt es zuweilen bis 1,050. Zuweilen trübt sich der Harn
P^im Erkalten und setzt dann einen grauen oder blassrothen Nieder-
^blag ab, der sich beim Erwärmen wieder auflöst. Nach einigen
jPagen riecht der Harn ammoniakalisch und reagirt alkalisch, und
Pedeckt sich mit einer weissen schleimigen Haut, in der sich, wie auf
Pßr Innern Seite des Gefässes, kleine weisse Krystalle von phosphor-
saurer Ammoniaktalkerde zeigen. Berzelius Thierchemie, p. 322.
I. JHesent liehe BestandlheUe des Harns.
Ausser dem Schleim der Harnwege, der im Harn selten
'chtbar ist, enthält der Harn wesentlich nach Berzelius Analyse:
Wasser 93.3,00
Harnstoff 30,10
freie Milchsäure
milchsaures Ammoniak
Osmazom in Alcohol löslich
Extractivstoff in Wasser löslich
1
17,14
Harnsäure .
Blasenschleim
schwefelsaures
Kali
— — Natron
phosphorsaures Natron ....
zweifach phosphorsaures Ammoniak
Chlornatrium
Chlorammonium
phosphorsaure Ralkerde und Talkerde
Kieselerde
1,00
0,32
3,71
3,16
2,94
1,65
4,45
1,50
1,00
0,03
1000,00
37
HlüMer’s Physiologie.
5()8 IJ.Buch, Organ, ehern. Vrocesse. I V. Abschnitt. Verdauung.
1. Harnstoff. Urea. Von Cruirshank im Harn entdeckt.
Man erliält dm, Indem man den Lelmtsam zur Honigdicke a«'
gedampften Harn mit 4 Weingeist auszielit , und den Wein-
geist verdunstet , und reinigt ilm durch wiederholtes Auflösen
Wasser oder Weingeist und Krystallisiren. Ueher andere
Methoden siehe Gmei.in Chemie. 4. 1014. Berzelius 1. c. p
349. Die Rrystalle des Harnstoffs sind feine seidenglanzende
Nadeln , oder lange , schmale , vierseitige Prismen, oder, inj
unreinen Zustande , Blätter , rein farblos , unrein gelb und
braun; er ist ohne Geruch und von kühlendem, salpeterähn-
lichcm Geschmack; er reagirt weder sauer noch alkalisch, di
feuchter und warmer Luft zerfliesst er. Bei +15® Cent, hedari
der Harnstoff weniger als sein gleiches Gewicht Wasser zur Am-
lösung, von kochendem W’'asser wird er in allen VerhältnissciJ
gelöst; er löst sich in 5 kaltem Weingeist; von Gerbestoff wird
er nicht gefällt. Bis zu 120® Cent erhitzt, schmilzt er ohne Zer-
setzung, noch mehr erhitzt geräth er ins Rochen, und es subl'-
mlrt sich kohlensaures Ammoniak, die schmelzende Masse vpird
nach und nach breiartig, und hei vorsichtig geleiteter Hitze bleib
zidelzt ein grauw'cisscs Pulver übrig, welches Cyansäure ist, di®
sich auch hei trockener Destillation der Harnsäure sublirhirt. De*
Harnslofl' gehl mit Säure und Basen Verbindungen ein, ohne sie
neutralisiren. Merkwürdig ist, dass Salmiak hei Gegenwart vo"
flarnstoir aus seiner wässrigen Auflösung statt in Octaedern *'*
Würfeln, und Rochsalz statt in Wüi'feln in Octaedern krystalb'
sirt. Salpetersäure fällt den Harnstoff aus concentrirter, wässrig®*
Lösung, als Verbindung. Der Harnstoff enthält mehr Sticksto**
als irgend ein thierisches Product; er besteht nach Prout aus:
Stickstoff. . 46,65
Rohlenstoff . 19,97
W'asserstoff . 6,65
Sauerstoff . 26,65
WoEHLER hat entdeckt, dass man
zusammensetzen kann, wenn man frisch gefälltes cyaniclitsaui’®*
Silheroxyd mit einer Auflösung von Chlorammonium ühergiessh
Hierbei venvandclt sich das Silbersalz in Chlorsllher, und sta*
des cyanichtsauren Ammoniaks, welches sich bilden sollte, entsteb
Harnstoff. Auch entsteht er, vvenn man cyanichtsaures Bleioxj'®
mit caustiscliem Ammoniak Jieliandelt; die so erhaltene Auflösim^
enthält vor dem Abdampfen noch cyanichtsaures Ammoniak uO
keinen Harnstoff, und erst nach dem A^erdiinsten der AullösuöS
verwandelt sich das Salz in Harnstoff. Woehler hat ferner g®'
lünden, dass sich Ammoniakgas und cyanichtsaurer Dampf zu ein®*
weisseii, wolligen, fein krystalliiiischen Alatcrie condensiren, x'’® '
che cyanichtsaures Ammoniak ist, die sich aber heim Scliinelze*|’.
Rochen oder freiwilligen Verdunsten ihrer Auflösung in Harnsto ^
verwandelt. So bildet sich auch zuerst cyanichtsaures Ammoniak u*»*
aus diesem Harnstoff, wenn man cyaniehte Säure mit Wasser oo ^
mit Ilüssigeru Annnoniak behandelt. Endlich entsteht Harnsto j
wenn man Cyangas in Wasser leitet und dieses sich damit z®*
setzt, WoEiiLER in Berzelius Thicrchcmie. p. 356.
den Harnstoff künstli®^'
8. Ausscheidung der zersetzten Stoffe, üarnahsonderung, 5ß<>
•3
Prevost und Dumas liaben die wiclitige Entdeckung gemacht,
*hiss sich der Harnstoff im Blute vorfindet nach der Exstirpation
'jeider Nieren, so dass diese Materie im gesunden Blute clien
darum nicht gefunden wird, well sie beständig daraus abgeschie-
den wird. Nach Exstirpation beider Nieren treten die Zufälle am
Tage ein, nämlich braune, reichliche und sehr flüssige Stuhl-
Sätige und Erbrechen, Fieber mit erhöhter Temperatur bis 43“
ent., zuweilen Sinken bis 3.3”. Der Puls wird klein, häufig
di»d steigt bis ‘200 ; das Athmen häufig, kurz, zuletzt schwer. Am
9. Tag erfolgte der Tod. Man Endet Ergiessung eines hellen
erums in den Hirnhöhlen, die Bronchien voll Schleim, die Leber
entzündet, die Gallenblase voll, den Darm voll flüssigen, durch
^alle gefärbten Kothes, die Harnblase sehr zusammengezogen.
Pas Blut der operirten Thiere (Hunde, Katzen, Kaninchen) war
"'assriger und enthielt Harnstoff, der durch Alcohol ausgezogen
'^urde. 5 Unzen Blut eines Hundes, der nur 2 Tage ohne Nie-
ten lebte, gaben iü>er 20 Gran Harnstoff, 2 Unzen Katzenblut
Gran. Ißihl. unioers. 18. 208. Meckei.’s Archiv. 8. 325. Vau-
Quelin und Segalas haben diese Entdeckung bestätigt. Magen-
®'E, Journal der Physiol. 2. 354. Meckel’s Archiv. 8. 229. Das
out wurde getrocknet, der Rückstand ausgewaschen, das Wasser
“ogedunstet, der Rückstand mit Alcoliol versetzt und diese neue Auf-
ösung wieder abgedunstet. Hierbei ist Jedoch die Vorsicht nölhig,
as Wasser in dci' Kälte und in dein durch die .Schwefelsäure be-
^ö'kten leeren Raum verdunsten zu lassen. So erhielten sie aus
aem Blut eines Hundes, dem ßO Stunden nach der Opei’ation die Ader
bEöffnet wurde, Harnstoff. Diese wiclitigen Thatsacben, die
auch MiTSCnERi.icH mit Gmelin undTiEDEM ANn {dessenZeitschr. V. 1.)
®stätigt hat, bcAveisen, dass die Ablagerung urinöscr Flüssigkeiten in
''®rschiedenen Organen nach aufgehobener Function dm- Nieren
immer eine Folge von in den Harn wegen aufgesogenem
th^^^ i>5t. Vci-gl. Nisten rec.herches de Chimie et de physiol. pa-
. Paris, 1811. p. 263. Meckel's Archiv. 2. 678. Wo der
.ai’nstoff gebildet wird, und von welchem Organ aus er im Blute
leb verbreitet, ist unbekannt.
Reifen,
Man kann Jetzt nur die Frage auf-
. ob er sich vielleicht in den Lungen bei der durch das
j Uöieu stattlind enden chemischen Veränderung des Blutes, und
der Bildung edlerer Verbindungen erzeugt. Er kann aber
^ 'ih in anderen Tlieilen bei Ausbildung der Säfte aus der gc-
^,l^**)^euen Nahrung entstehen. Es xväre sehr wichtig, zu wissen,
Tl Harnstoff nur aus zersetztem, sehoii vorher ausgebildetem
^^“erstoffe entsteht, und sich also auch bei hungernden Thiercn
j^^Eeugt, oder oh er sich aus den Nahrungsstoffen als ein un-
^ «uchbares Pi-oduct des Vcrdauungsproccsses erzeugt. Tieoe-
^UclT Gmeliiv haben beobachtet, dass in eineni'ihrer \er-
nji f dem Chylus das dein Osmazom des Chylus beige-
Kochsalz statt in Würfeln in Octaedern auschoss, Aväh-
das Kochsal
Iz in anderen Fällen würflis; w;
Hierbei könnte
p. 91. Um dies
Harnstoft gedacht werden, 1. c. p.
müsste man Thiere hungern lassen, dann die Nie
cxstirpiren und das Blut auf Harnstoff untersuchen. Bei Vo
570 II. Buch. Organ, ehern. Processe. IV . Abschnitt . Verdauung.
geln, die Tiebemann und Gmelim mit stickstofffreien Substanzen
terten, nahm die Quantität des weissen Harns ab. a. aO. 2. p- *• ' j
Es scheint indess Harnstoff auch ohne alle Nahrung im B'"
sich durch Zersetzung von Thierstoff zu bilden ; denn Lassaiga^''
hat im Harn eines Verrückten, der 18 Tage hungerte, die Bj^
standtheile des gesunden Harns gefunden. Journ. de chim.
1. 272. Her Harnstoff fehlt im Harn in mehreren Krankheitei'-
wie in Nervenzufällen, wo der Harn wässrig wird. Es fehle'*
dann die organischen Stoffe und nur die Salze sind Vorhände"'
Im Diabetes mellitus enthält der Harn statt Harnstoff Trauhew
Zucker, und jener kommt in demMaasse wieder, als der Zuckergeh«
des Harns sich vermindert. Hier wird der so stickstoffreiche Har"'
Stoff durch eine Materie ersetzt, welche gar keinen Stickst«
enthält. Harnzucker besteht aus 39,99 Kohlenstoff, 6,66 Wasser'
Stoff und 5.3,33 Sauerstoff. Prout. Beim Diabetes insipidus ,
der Harn keinen Zucker enthält, ist der Harnstoff durch ei"^
andere Materie ersetzt, die, grösstentheils durch Alcohol auszie"'
bar mit Osmazom ühereinkömmt. In der allgemeinen Wasser'
sucht des Zellgewebes, die man Anasarca nennt, enthält der Ha''^
in demMaass Ehveissstoff und gerinnt über dem Feuer, als
Stoff darin fehlt. Eiwcissgehalt mit vermindertem Harnstoffgeba'
hat man auch in der chronischen Leherentzündung mit fortdai''
ernder Verdauungsunordnung (Rose und Henry, Meckel’s Arch'-''
2. 642.) so wie gegen das Ende aller ahzehrenden Krankhelte"
bemerkt. _ _ p
2. Harnsäure. Acidum urirum. Man gewinnt die Harnsäi" _
aus dem Bodensatz des menschlichen Harns oder dem Harn ""
Vögel und Schlangen durch Auflösung des ahgedampften Harns
erwärmtem wässrigem Kali, und schlägt aus dem Filtrat die Har"'
säure durch Salzsäure nieder. (Gmelin Chemie. 4. 8.39.) Die
säure hildet weisse, wenn unrein, gelbliche oder bräunliche, p""J
glänzende, feine Schuppen, sie ist geschmack- und geruchlos
röthet feuchtes Lackmuspapier, sie braucht nach Prout mehr "
ihr zehntausendfaches Gewicht kalten Wassers zur Auflösung , a""^
etwas weniger kochendes. In Alcohol und Aether ist die Har"^
säure unlöslich. Bei der trocknen Destillation wird sie zersel^J
es sublimirt sich zuerst kohlensaures Ammoniak, darauf viel
wasserstoffsäurc und braunes Brandöl, und zuletzt sublimirt
eine krystallinische Masse, Woehler’s Cyansäure. Zugleich ""
hält aber auch das Sublimat eine Menge Harnstoff, wie WoebI ^
entdeckt hat. (Pogc.end. 15. 529. Berzel. Thierchemie p.^
Die Zusammensetzung der Harnsäure ist nach Prout’s 2 Analy®"
Stickstoff . . früher 40,25 später 31,12
Kohlenstoff . - 34,25 - 39,87
Wasserstoff . . - 2,75 - 2,22
Sauerstoff ... - 22,75 - 26,77
Der warme Harn enthält weit mehr Harnsäure
sich in einem gleichen Volum kochend heissen Wassers
kann, was Prout bestimmt hat, die Harnsäure als harnsanres
moniak im Harn anzunehmen. Gleichwohl ist die aus
Harn niederfallende Harnsäure freie Säure. Dieser Nieder^c
8. Ausscheidung der zersetzten Stoffe. Harnabsonderung. 57 1
*st Anfanss pulverk and grau, wird aber nach und nach rosen-
‘‘otli und" krvstallisu L beim Trocknen. Die rölhhehe oder ziegcl-
nieblfarbiij^e ‘Färbung der Harnsäure riilirt von einem der
Saure verbundenen Färlmstort' her; bei intermittirenden Fiebern
•»immt dieser rotbe Färbestoff der sieb niederscblagenden Harn-
S'bire zu. F.s ist nach Berzehus noch sehr zweifelhaft, ob die rotlie
Farbe im Bodensatz der fieberhaften Harnarten, wie Prout meint,
''on eingemengt em purpursauren Ammoniak herrührt (Purpursaurc,
'vird durch Behandlung von Harnsäure mit Salpetersäure künst-
lich erzeugt). Uelirigens scheint auch der blassrothe Bodensatz,
"'ie er liänfig im Harn gesunder Menschen vorkommt, noch von dem
^•egelmchllarlienen Bodensatz des fieberhaften Harns verschieden.
Siehe üher alles dicss Berzelius Thierchemie. .3o5. , ^ j i
Der Harn der Thiere ist von dem des Menschen häulig durch
Jas Verbältniss von Harnstoff und Harnsäure verschieden. Der
Harn der fleischfressenden Säugethiere enthält Harnstoff und liarn-
*aure. IVacb Vauqueein und Coisdet (Froriep’s Ao/i-e« J\r. ii .)
sollte’ er keine Harnsäure enthalten, allein Hifronymi bat sic im
Harn vonTliieren des Ratzengcschlecbts gefunden. In 100 Ihei-
Ich Harn waren 13,220 Harnstoff mit Osmazom uncWreier Milch-
säure und 0,022 Harnsäure enthalten. Jahrh. der Chem u. Ihys.
1829. 3. 322. Der Harn der pflanzenfressenden Säugethiere ent-
halt Harnstoff, aber keine Harnsäure, an deren Stelle bei den gras-
Hessenden Thieren Harnbenzoesäure in harnbenzoesaureu Salzen
vorkommt. Der Harn iler Vögel enthält sehr viel Harnsäure, die als
*'veifach harnsaures Ammoniak vorhanden ist; der H-'^n dci fleiso »
fressenden Vögel enthält nach Coivdet Harnstoff, allem dieser
frhlt in dem Harn der pflanzenfressenden \ ogel, welcher sau-
»■es harnsaures Ammoniak enthält. Im Harn des Strausses be-
fragt die Harnsäure „V Gewichts. Bekannlhch ist dei \o-
Selharn eine weisse, breiartige Flüssigkeit, welche Farbe von dem
Farnsauren Ammonium herrührt. Auch der Harn der Schlangen
*^od Eidechsen ist welss und der der Schlangen sogar bald nach
Jer Ausleerung erdig-hart; er enthält harnsaure Salze, von Kali,
i^atron und Animouiak und etwas phosphorsauren Kalk, abei keine
Spur von Harnstoff, den Scaor.z (Froriep’s
'‘’cht im Harn der Eidechse fand. Dagegen scheint d6r Ham dei
“achten Amphibien und Schildkröten pnz verschieden. Nach J. Da-
''»’s Untersiichung des Kröten- und Froscl.harns enthalt dieser sehr
“assrige Harn Kochsalz, Harnstoff und ein wenig phosphorsauren
Halk aufgelöst. Nach der Untersuchung einer bedeutenden Menge
gelhbraunen Harns, die sich in der Blase einer grossen Testudo
(von den Gallopagos- Inseln lebend von Meye^ m.tgehrachH
durch Mag.us und mich, enthielt dieser Schddkrotenha.n
Feine Spur von Harnsäure, dagegen 0,1 Ihoc Harnstoff und ei-
“fn braunen, in Wasser undWeingeist, Kali und Salzsäure loshcmi
f “rbestoff. Aus dieser Betrachtung ergieht sich, dass die
tfreile Harnstoff und Harnsäure, wovon der erstere 46, ciie lei^
frne 40Proc. Stickstoff enthalten, nicht constant nach aei lAan-
"■“ng der Thiere im Harn varilren. Nur zeigt sich hm den pllan-
*cnfressenden Säugelhieren statt der Harnsäure die ai n enzot-
572 Jl.IJuc/i. Oiyan. ehern. Processe. IV.Ahschni/t. Verdauung.
säure;, welche nur 7 Proc. Stickstofl' enthält. Auch will CiiEVRrui.
hei Hunden gefunden haben, dass hei anhaltender Pflanzenkost
der Harn derselben dem der Herhivoren ähnlich werde, indem
er keine Sjuir von Harnsäure und ])hosphorsaurem Kalk zeigt®*
UvESKrELD /diysioi. Chemie. 1. 150. Unter den Krankheiten des
Menschen ist es besonders die Gicht, woJjei der Harn, gewölinlie^*
sauic und mehr Sedimente bildend, mehr flarnsäure enthält, ’W'*®
denn auch die in den Gelenken der Gichtkranken entstehend®')
Knoten liarnsanres Natron mit etwas harnsaurem Kalk sind. B®'
dem die Giclitparoxysmen begleitenden Fic])erzustande nimmt di®
Säure des Harns, wie in andern Fällen, ah. Berzelius Thlerchenii^-
3S0. Vergl. Nystex I. c. Atich der Schweiss der Gichtischen
und Steinkranken enthält vielleicht Harnsäure.
.4.110 diese Umstände machen es sehr wahrscheinlich, dass ih®
Quelle der Plarnsäurehildung viel tiefer als an dem Ort ihrer
Ausscheidung liegt, und dass sie in dein innigsten Verhältniss mh
der Art des zugetuhrten Nahrungsmaterials und der Bluthereitiing
steht, wie sie sich denn auch im Harn, hei Pflanzennahrungj
vermindert.
ln der zuckrigen Harnruhr enthält der Harn, nach WoehlEB^
zvvar Harnsäure (Berzel. Jahresh. 6. 2SS. , nach Wittstocr scheio^
auch Harnhenzoesäure darin zu scyn, wie bei den pflanzenfres-
senden Säugethieren) aber dieser Harn enthält keinen Harnstolf)
sondern statt dessen im Diabetes mellitus Harnzucker (stickstoff-
frei) und im Diabetes insipidus eine osmazomartige Materie.
Prout hat über die elementare Zusammensetzung von Ilaru-
sloff, Harnzucker und Harnsäure folgende Verhältnisse mitgetheifl'
Ann. de dum. phys. 10. .369. Meckel’s Archiu. 4. 140.
Bestandtheile
Wasserstoff.
Kohlenstoff.
Sauerstoff. .
Stickstoff . .
Harnstoff
Harnzucker Harnsäure
6,65
19,97
26.65
46.65
16,66
.39,99
53,3.3
2,75
.34,25
22,75
40,25
Nach dieser A.ufstellung enthielte der Zucker bei gleicli®)
Quantität W^asserstoff doppelt so viel Kohlenstoff und Sauerstoff?
als der HarnstofI', aber keinen Stickstofl'.
3. Im Harn der jungen Kinder (?) und der grasfressenden Thi®*'®
findet sich auch Harnbenzoesäure, Urobenzoicum , als harnben-
zoesaurcs Natron. Diese Säure wird aus dem Harn jener Thier^
Abdampfen durch Vermischen mit Salzsäure gefall’
sie bildet lange, durchsichtige, 4 seitige Prismen, hat keinen od®»’
niu’ schwach bittern Geschmack, röthet feuchtes Lackmuspap*®*';
Nach Liebig ist diese Säure eine eigenthümliche Säure, und nicB^
bloss eine Verbindung von Benzoesäure und thierischer Materi®'
Da sie hei der Zersetzung Ammoniak entwickelt, so gehört si®
unter die stickstoffhaltigen Materien, Gmei.in hat sie als Modi'*'
cation der Benzoesäure, noch unter den stickstofffreien aufgefühH-
Die Harnbenzoesäure ist in kaltem Wasser schwer lö.slich, tnenf
löslich in kochend heissem Wasser: Alcohol löst weit mehr a«'
8. Aussc/ieiiiurig der lersetzlen Slojje. llarnabsonderung. 573
Weniger Aetlier. Sie bestellt nach Liebig aus Kohlenstoff 63,032,
Wasserstoff 5,000, Stickstoff 7,337, Sauerstoff 24,631.
4. Mllrhsünre. Nach Berxei.ius ist die Milchsäure ein allgc-
“leines Product der li’eiwilligen Zerstörung tliierischer Stoffe in-
aerhalh des Körpers; sie bildet sich in grosser Menge in den
i^Iiiskeln , wird vom Blut und dessen Alkali gesättigt, und in den
Vieren des Menschen und der Thiere mit saurem Harn abge-
schieden. Von ihr rührt hauptsäehlich die saure Beschaffenheit
‘Ics Harns her, oligleich derselbe auch saures phosphorsaures
'Ammoniak und sauren phosphorsauren Kalk enthält. Behzelius
’^bierchemie. .338.
5. Salze. Im menschlichen Harne kommen schwefelsaiu'e
phosphorsaure Salze vor. Berzelius vermuthet, dass die
''iauren in diesen Salzen durch die chemische Wirkung In den
Vieren entstehen, weil in den übrigen Flüssigkeiten des Körjiers
War Spuren von schwefelsauren und sehr wenig phosphorsaure
yorkommen, während der Harn sehr viel von beiden enthält;
Icncs folgt jedoch nicht nothwendig aus diesem. Berzelius ver-
'äuthet, dass der im Faserstoff, Eiweiss etc. befindliche Schwefel in
Nieren in Schwefelsäure verwandelt werde, während sieh
^ie übrigen Bestandthcile zu Ammoniak, Harnstoll etc. verbinden;
"iasselbe vei-muthet er von dem Phosphor mehrerer festen Thelle.
Harn der grasfressenden Thiere fehlen die phosphorsauren
^älzc, und statt ihrer sind kohlensaure. Kohlensäurcgas ist nicht
^•eständig im Menschenharn aufgelöst, wie Berzelius und Wouii-
i-er’s Versuche beweisen. Die Kieselsäure des Harns scheint vom
^i'inkwasser herzurühren. Die in den Salzen des Harns ent-
^■älleneu Basen sind Kali, Natron, Ammoniak, Kalkerde, Talkcrde.
tlie Salze sind Chlorkalium, Chlorammonium, phosphorsaurer
*^älk (im Harn sauer, ln den Knochen basisch), viud eine geringe
‘^lenge Fluorcalciiun. lieber Alles dlcss, so wie über die zwei-
felhaften Bestandthcile des Harns, den in Avasserfreiern Alcohol
'äslichen Extractivstoff des Harns siche Berzelius Tkierchevde,
fyeraus hier ein kurzer Auszug gegeben ist. Heber die Varia-
tion der Menge der testen Theile des Urins nach der Nahrung,
ohne B.ücksicht auf die qualitativen Bestandthcile, hat Cuossat
oine sehr sehr detaillirte Arbeit (Magemdie’s .lourniü 5. 65 225.)
isdiefert, die keines Auszuges fähig ist. Vcrgl. ülier den Harn
O'ul die Hanibildung die in Mecrel’s Arvhh 2. 629 — 704. ge-
^Oiumelten Aufsätze. Prout, Mecrel’s Archiv 4. 140.
Nysten (l. c. und Mecrel’s Archiv. 2. 648.) hat den Harn nach
der Verdauung, ürina chyli, mit dem wasserhcllcn und geschmack-
osen Getränksharn Urina potus, verglichen. Letzterer enthielt
f-^mal weniger Harnstoff als der Verdauungsharu, 4inal weniger
^oliAvefelsaures, salzsaures, phosphorsaures Natron und Ammonium,
,®>nal weniger Harnsäure. Entzündungshai n (Peritonitis) enthielt
.*nal mehr Ilarnstoll' als Verdauungsharn, mehr aullösliche Salze und
''*ol Eiweiss, das im gesunden Harn nicht vorkömmt, bn Ei’ost-
^tädluin eines Fiebers ist die Hautausdünstuug vermindert und
foe Harn w'ässriger, weniger, wie Berzelius glaubt, weil dasWas-
was mit der Hautausdünstung sonst Aveggebt, nun mit dem
574 II. Buch. Organ, ehern. Processe. IV. Abschnitt. Verdauung.
Harn weggelit, denn es wird zur Zeit des Frostes wenig Harn
abgesondert. Bei der weitern Entwickelung des Fiebers im Sta-
dium der Hitze wird der Harn dunkler, und nun fängt er an
von Quecksilbercblorid gefällt zii werden, weicbes keinen Nin-
derscblag bewirkt, so lange der Harn seine Säurereaction behält.
Je mebr sieb der Zustand verscblirnmert, um so gesättigter wird
der Harn, und er fängt nun an von Alaun und zuletzt auch von
Salpetersäure gefällt zu werden, w'as einen ziincbmenden Eiweissge-
balt anzeigt. Berzelius Thierchemie. .378. Wenn das Fieber ver-
gebt, so stellt sieb auf einmal die freie Säure im Harn Avieder
bei, und beim Erkalten setzt er Sediment ab, w'as man ber-
kömmlicber Welse Crisis durch den Harn nennt. Berzehüs be-
merkt mit Recht, dass das Sediment keine ausgeleerten Rrank-
beitsstolfe enthält, es ist nur etivas mebr als gewöbniieb von dem
rotben bärbestoll^ und zuweilen etwas Salpetersäure in unbekann-
ter Verbindung. Bei Fiebern mit regelmässigen Paroxysmen bietet
der Harn ln jedem Paroxysmus diese 3 Zustände nach einander dar.
II. Zufiillige Bestandtheile des Harns.
WoEHT.ER bat eine Reibe sorgfältiger Versuche über den
Uebergang von Substanzen aus dem^Darmkanal in den Harn an-
gestellt Tiedemasn’s Zeitschrift. I. Bd. Die Resultate dieser
Versuche sind folgende.
1. Materien, welche sieb nicht im Harn wiederfinden lassen:
Eisen, Blei, Weingeist, Scbwefelätber, Kampber, Dippelsöl, Mo'
sebus und die barbestoffe von Cochenille, Eackmus, Saftgrün un*l
^canna. Auch die Ivolilensaure findet sich nach dem GenuS^*
kohlensäurehaltli^cr Flüssigkeiten nicht reichlicher im Harn.
2. Materien, die im veränderten, zersetzten Zustande im Harn
voikommcn: blausaures Eisenoxydkali in blausaurcs Eisenoxydul'
kali verwandelt, die Verbindungen des Kali und xN^atron mit
Weingeist-, Cltronen-, Aepfel- und Essigsäure ln koblensaur®
AlkaUen venv-andclt; das hydrotbionsaure^Kali in schwefelsau-
res Kall grosstenlheiJs verwandelt; Schwefel gebt als Schwefel'
saure und Hydrothionsäure in den Harn über, Jod als bydriodsaures
Salz, Kleesäure, Weinsäure, Gallussäure, Bernsteinsäure, Benzoe-
saubre mit Alkali verbunden ; daher Säuren gegen Harnsteine g^'
geben aucli fruchtlos seyii müssen.
3. Enverändert geben in den Harn über: koblensaures, cliloJ’'
saures, salpetersaiires und scbwefelblausaures Kali, bvdrotliionsaU'
res jyah (grosstentbeils zersetzt), blausaiires Eisenoxvdiilkali ,
Rieselcrdekali, weinsaiircs Vickcloxydkab;
r löslichem (scbwefelsaurem) Indig»-
Snelbee ’ Campecbeiiholz , rotben Rübem
Heidelbeucn, Maulbeeren, Kirschen, viele Riechstoffe, zum Tbe*l
verändert lerpcntbinöl (nach Veilchen riechend), da; Riechende
von Wacholder, Baldrian, Assa foctida, Knoblauch, Bibergeil
Saffran, Opium, das betäubende Princip des Kamtscbadali>cbe;'
Fliegensdiwamms, und im krankhaften Zustande auch fettes Oel-
ct " TT i'”’”'’j. '^l’*''8ens nur aufgelöste und keine körnige
Stoffe über. Ueber die unerwiesene Annahme von metastatischem
kiter im Blut und im Harn, siehe oben p. 2fi2.
8. Ausscheidung der zersetzten Stoffe. Harnalsonderung. 575
Die Stoffe, welche nicht in den Harn übergehen, werden
Entweder durch andere Wege, wie die Ausdünstung, ausgeschie-
als der Kampher, oder werden schon ira Darmkanal in ei-
unauflöslichen Zustand versetzt.
Woehler macht auch darauf aufmerksam, dass die Salze,
"'eiche durch den Urin ausgeleert werden, meist auch die Urin-
'''•sonderung befördern. In Hinsicht anderer, sogenannter harn-
j*’eil)cnder Mittel macht er die gewiss von den Aerzten zu be-
herzigende Bemerkung, dass manche derselben, wie die Digitalis,
Jh't IJnrecht in diesem Rufe stehen ; denn diese wirkt nach
^OEuLEE, indem sie die Ursache der Wassersucht hebt, worauf
das Wasser von seihst auf seinem gewöhnlichen Wege ahgeschie-
dr» wird; so dass in diesem Sinne auch die China, bei Wasser-
dichten, die auf Wechselfieber folgen, angewandt, ein sogenann-
tes Diurcticum wäre.
INach den Untersuchungen von Woehler ergiebt sich, dass
d'e Kiercn nicht bloss die Bestimmung haben, Harnstoff und
tlarnsäure abzuscheiden, sondern dass auch alle auflöslichen,
i'cht flüchtigen und nicht innerhalb des thierischen Körpers zer-
deizlen Stoffe, besonders aber auch das überflüssige Wasser, durch
d'e ausgeschieden werden. Ist die Wasserausscheidung in den Nie-
*■«>1 durch Wasserabsetzung in anderen Theilen, wie in der Was-
dii'sucht, verhindert, so Avird der IJai-n eine gesättigtere Farbe
"in seinem gewöhnlichen Farhcstofl annehmen, ohne dass diess
ihvas mehr, als Ausscheidung von Aveniger Wasser anzeigt. .
Die kohleiisauren Alkalien machen den Harn alkalisch, lösen
Harnsäure; ihre Darreichung ist ein ziemlich sichei’cs Mittel
Bekämpfung der harnsauren Diatbese; da nun die Pflanzensäu-
"«n und pflanzensaurcn Alkalien bei dem Durchgang durch thie-
*''sche Körper in den Harn in kohlensaurc Alkalien ver-
tändelt Averden, so sind auch sie mit Erfolg hei der harnsauren
f^'älhese des Harns anwendbar. Doch ist diese Diät nur heim
Barngries und kleinen Steinchen wohl anwendbar; denn wenn
Ibisse Steine in der Blase sind, so Averden durch einen alkalischen
tarn die erdigen, phosphor-sauren Salze iin Harn unauflöslich ge-
'"acljt, und es können sich neue Niederschläge aus diesen Salzen
den Harnstein bilden. Woehler a. a. O. p. 317.
Die Abscheidung des überflüssigen Wassers im Blute scheint
ausserordentlich schnell zu geschehen und fast in dem Maass, als
Blut wässrige Flüssigkeiten an einer andern Stelle aufnimmt,
in den Magen gekommene Getränk wird giüsstentheils ira
v|agen schon aufgesogen und gelangt nicht einmal in Masse in den
Väetidarm. Ehen so schnell wird das gleicbmässige Verhältniss
^'^''Zusammensetzung des Blutes durch die Ausscheidung desWas-
durch den Harn wieder hei’gcstellt.
j, Ueber die Zeit des Uebergangs aufgelöster Stoffe aus dem
^ä'^nkanal ins Blut und in den Harn siche oben p. 234. JVachWE-
geht blausaurcs Kali schon innerhalb 2 — 10 Minuten in den
j.ai'n über. STEUBEnoF.k hat hei einem Knaben mit Inversio ve-
urinariae Versuche üljer die Zeit dieses Ueberganges mit
^''schiedenen Substanzen angestellt. Tiedemann’s Zeitschrift, 2. 47.
576 11, Buch. Organ, ehern. Processe. IV. Abschnitt. Verdauung.
Färherrötlie zeigte sich
Indigo
Rhabarber
Gallussäure
Campecheholzabkochnng
färbendes Princip der Heidelljceren . . .
— — der schwarzen Kirschen .
adstringirendes Princip der Herba uvae ursi
nach löMIii'
_ 15 —
_ 20
— 20 —
— 25 —
— 30 —
— 45 "
— 45
— 55 ^
— 60 --
7a
Pulpa Cassiae fistulae
blausaures Eisenoxydulkall
Roob Sambuci ....
Bei allen aus dem Darmkanal in den Darm übergegangene'’
Sulistanzen war ein Wendepunkt in ihrer Ausscheidung mit dei”
Urin zu bemerken. Dieser trat ein:
mit Färberröthe nach 1 Stunde.
— schwarzen Kirschen . . .
— —
— Indigotinctur
— ~ —
— Campecheholzabkochung
- H -
— Rhabarbertinctur ....
— —
— Herba uvae ursi ....
— li —
— Heidelbeeren
— 2 —
— Gallussäure
—
^2
Pulpa Cassiae fistulae
— 4
%
Das gänzliche Verschwinden der Substanzen im Harn trat ein:
bei blausaurem Eisenoxydulkali nach 3| Stunden.
— Indigo
— Rhabarber
— Campecheholzabkochung
— Herba uvae ursi
i — Heidelbeeren . .
— Färberröthe . ... . . — ,9
— Gallussäure ...... — 11
— Pulpa Cassiae fistulae . i — 24 — ^
Der Harn sammelt sich in der Urinblase, deren Sphirictc’'»
wie der Sphincter ani. in der Regel gesclilossen ist Wenn
Quantität des Harnes grösser geworden ist:, wird die Wirku"S
des Sphincters geschwächt; es entstehen Znsammenziehungeii
Grundes der Blase. Wir können indess durch die Wirkung de*
Musculus pnbö-urethralis, und vielleicht auch durch willkührlie"
verstärkte Zusammenziehung des Sphincters den Harn zurücl'''
halten. Bei der willkührlichen Entleerung des Harnes wird d’*^'
sev. unter Mitwirkung des Zwerchfelles und der BauchrnJiskfd”?
welche die Bauchhöhle verengen, ausgeliicbcn. Die Conlractio"
der Urinhlase ist zwar nicht beständig dem Willen unterworfc” ’
aber bei der allmählig verstärkten' Reizung der Blase, venuöS®
des angesammelten Harnes, scheinen wir einigen willkührlicb'"J
Einfluss äuf ihre Zusammenziehung zu erhalten. ■ — Erection u«'
Hainlassen schliessen sich aus. Bei det Lähmung des unter'»
Theiles des Rückenmarkes entsteht Incontinentia urinae-
D e
1 ii . 'r. .
peciellen Physiolo g i e
Drittes Buch.
i!j
‘ .111
I ■• l. . T- : •' : '>'A ./I
,fll * i
, li.Il IM'> _•
P h y IS i k id 0 r Nerve n. . o .
■Ii ’J / ; t II V
;i ;> ‘ iij. i'.-.lt n . /
‘ '■j; fi.^t ^
ln; .-1 ) iKt.j •;! 'i'i.
. . I ■_;(> /
■ r: jif'.’ -''I— = II'oV
-j !l fl' ■' in'-
. J /aU" '
ii;
■'l
r
!7
.j -t
■ i -l (';i
niT
;v
r
I. Abschnitt. Von den Eigenschaften der Nerven im AH'
gemeinen.
I. Vom Bau der Nerven.
II. Von der BeiziDarkeit der Nerven.
III. Von dem wirksamen Princip der Nerven.
IT. Abschnitt. Von den Emp fin d un gs n e r ven, Bewegung*'
nerven und organischen Nerven.
I, Von den sensitiven und motorischen Wurzeln der Rücken'
marks nerven.
II. Von den sensitiven und motorischen Eigenschaften de*'
Geliirnnerven.
III. Von den Eigenschaften des Nervus sympathicus.
III. Abschnitt. Von der Mechanik des Nervenprin cip®'
I. Mechanik der motorischen Nerven.
II. Mechanik der sensibeln Nerven.
III. Von der Reflexion in den Bewegungen nach Empfindungen
IV. Von den Gesetzen der Wirkung und Leitung in dem Ne*''
vus sympathicus.
V. Von den Sympathien.
IV. Abschnitt, Von den Eigenthümlichkeiten der ei**'
zelnen Nerven.
I. Von den Sinnesnerven.
II. Vom Nervus trigeminus.
III. Vom Nervus oculoinotoriuSj trochlearis und abducens.
IV. Vom Nervus facialis.
V. Vom Nervus glossopharyngeus.
VI. Vom Nervus vagus.
VII. Vom Nervus accessorius.
VIH. Vom Nervus hypoglossus.
V. Abschnitt, Von den Centraltheilen des Nervensystem*'
1- Von den Centraltheilen des Nervensystems im Allgemein®*''
II. Vom Rückenmark.
III. Vom Gehirn.
Der speclellen Physiologie
Drittes Buch.
Physik der Nerven.
^'Abschnitt. Von den Eigenschaften der Nerven
im Allgemeinen.
I. Capitel. Vom Bau der Nerven.
a. Von den Hauptformen des Nervensystems.
^^aeh J. MtiEiiER Nov. act. nat. cur, T.XIF. und Meckel’S 1828.)
In der Thierwelt zeigen sich hauptsächlich zwei Formen des
^«rvensystems, die der Wirhelthiere und die der Wirhellosen.
^•^i den ersteren ist das Gehirn undurchbohrt und läuft in das
^»ickenmark aus; bei den letzteren stellt das Gehirn immer einen
^Efvenring dar, durch welchen der Schlund durchgeht, und
'Welcher über dem Schlunde zum Gehirne anschwillt, aber auch
ÜJ'ter dem Schlunde eine Anschwellung zeigt, von welcher der
eitrige Theil des Nervensystems ausgeht, der^ entweder in ein-
*®lnen Nerven besteht, oder, wie bei den Ringelwüimern, In-
Crustaceen und Spinnen, einen am Bauche, unter dem
^artn verlaufenden, von Stelle zu Stelle in Knoten anschivellen-
Strang darstellt. Die Frage, in welcher Art das Nervensy-
der Wirbellosen dem der Wirhelthiere zu vergleichen sey,
pt schon lange die Anatomen und Physiologen beschäftigt. So
Ackermann, Reil, Bicuat in dem Ganghensystem der
' ^'i-bellosen eine Analogie mit dem Nervus sympathicus der
^'i'belthiere erkennen wollen, und nach vielfachen hierüber ge-
ehrten Verhandlungen haben abermals in der neuesten Zeit Ser-
»ind Desmoulins diese Analogie zwischen dem .*7™“
ptbicus der Wirhelthiere und dem Gangliensystem der Wirbel-
aufgestellt. Andrerseits liaben Scarpa, BlumenbacHj Cuvier,
580 HI. Buch. Neroenphysik. l.Ahschn. Eigenschaflen J.N.hnAUgem.
Gall, J. F. MecfvEl, jene Analogie mit besseren Grüiulen vCJ'
worfen mul die meisten dieser Anatomen haben das Baucbinai>^
der Gbedertbiere ohne Weiteres dem Rückenmaik der Wirlid'
tlnerc gleicl, gestellt. Mecrei. und P„. von Waltuer äussert«’
sich sofort bestimmter dabin , dass die Fortsetzung des Him'
in tlen Rumpf bei den Wirbellosen als Vereirdgun« des spä'
ter getrennten Nervensystems, des Rückenmarkes und des
viis sympatbicxis der Eingeweide zu lictracbten sey, so dass
Nervensystem der Wirbellosen, seiner Redeiitnng nach beide FuO'
clionen cuthaltcnd, hei den Mollusken sich mehr zu dem
des sympatbischen Nerven, bei den Gliederthieren mehr zu Je«’
iypus des Rückenmarkes binneige.
Treviranus und E. ]]. Weber endlich glaubten die Knote"
der Ganghenkctte der Gliedertbiere nur als Knoten der Rücke"'
marksnerven anerkennen zu müssen, so dass diese verbunden
vei-w achsen seyen , die verbindenden Strange aber lediglich
die e^ten Rudmiente des Rückenmarks der Wirbelthiere erscheine":
Diese Streitfrage wird nun entschieden dadurch, dass t"'
den nieisten Gbedertbieren, namentlich bei allen Insecten, aus*"*'
dem Baiichmarke oder der Ganglienkette der Bauchseite "1"
zweites Nervensystem welches lediglich den Eingeweide., bestimi"‘
ist, voikommt, und dass dieses Nervensystem, ebenfalls aus ei""’
Re.be vor, feinen und kleineren Ganglien bestehend, auf d"”’
parmkanal und besonders auf dem Magen seine grösste Entvvik'
kelung durch feine Gellecbte erreicht, mit dem Gehirn ab"''
(lurcli V\urzeln zusammenbangt.
Schon Meckel und Treviranus batten gelegentlich auf e'"*’
Analogie zwischen dem von Lvoket beschriebenen, auf der Sp"’'
serolire verlaufenden, unpaarigen Nervus recurrens und dem N"’’'
vus svmpathicus bmgewiesen. Doch ist dieser von Lyonet b"'
scbriebene Nerve nur die einfachste und unausgebildctste Fo""'
Vb f entwickelte Forr»f
ich fast he. a len Ordnungen der Insecten untersucht habe. I',’
senien misgebddeten Former, entspringt dieses Nervensystem
feinen Wurzclri vom Gehirn, und verlauft, auf den R^ken d"’
Speiseröhre sich hegebend, zwischen dieser' und dem Herzen
Alagen wo es ein besonderes Geflecht bildet, das von ci"""'
ziemlich starken Ganglion entspringt. Bei diesen entwickcH""
Centraltheil dieses Nervensv^t""?’
I„n”cn Theil, der von kleineren Ansdhtt'fl'
lu igcn aus mit dem Gehirne zusammenhangt. Uebrigens
sebiedenT. Darrnkaual verlaufende Stamm manche
schiedenbeitcn, er verläult bald einfach und unpaarig zum Mag""'
wo er o,„ „„a „.Ao
bald sind zwei stiimmeben vorhanden, wie z. B. bei Grvllotalp!''
Diese beiden Nerven schwellen hier an dem Muskeliiiagtm 5’'
nem Knötchen an. Bei dem von mir, in den Ko.. acL T.
beschriebenen ExCmplar vereinigten sich die beiden Striüigc i" ""
Knötchen; spater sah ich beide Nerven mehrmals ganz gctrc"
i)P
und jeden sein Knötchen bilden,
nicht wieder.
Die erstcre Varietät sal
1. Vom Bau der Iscrotu. Hauptformen des J^etvensysterns. 58 1
Spuren des Nervensystems linden sich nach Ehrenberg’s Ent-
^'fickuugen schon hei den Infusorien, wenigstens den Räderthie-
J'en. Vergl. oben p. 42. Unter den bekannteren Formen des
^ßrvensystems der niederen Thiere kann man folgende Typen
Unterscheiden.
I. Typus der Radiarien.
^'•■alillg peripherische Gliederung, gleiche Theile in der Peripherie eines Centruras.
Die Urform des Nervensystems ist der Ring, dasjenige, was
bei den -wirbellosen Thieren den Schlundiäng nennen. In
^Silier einfachsten Form erscheint er bei den Radiarien; er ist
^ncli ohne Ganglien, ohne Fortsetzung zu einem Markstrange.
.|*®tn'ass der strahligen Eintheilung und Zusammensetzung des
J^iers ist auch die Verbreitung seiner Nervenäste angeoi'dnet.
'/* wenig das Thier in einen gegliederten Leib sich fortsetzt.
Wenig kann hier eine Fortsetzung des Sclilundrings in einen
flarkstrang auftreten. Wiederholung derselben thierischen Theile
''' der l'eripherie des Kreises ist hier die Urform des Thieres;
’‘*'ter diesen Bedingungen sind alle Nerven des Schlundrings
y*^*ch, keiner ist vorzugsweise Markstrang, kein Theil des Schlund-
I'hgs vorzugsweise Hirn. Alle die straliligen Aeste eines Nerven-
^'^ises, wovon keiner die Priorität hat, sind zusammen dasjenige,
bei den höheren Thieren die Fortsetzung des Sclilundrings
den Markstrang ist.
//. Typu.f der Eingeweidethiere, Mollusken.
Untergang der Gliederung in einem nuislmlöscn Einge-weidcsackc.
In der Abtheiluiig der Weichthiere oder Elngeweidethiere
|j’’*eiclet diese Urbildung Veränderungen, welche nur den Verän-
j^pingen der gesammten Organisation entsprechen. Die Symme-
des strahligen Typus liat aufgehört, und der Mangel der
ll^'^ übrigen Wubellosen eigcnthümlichen Gliederung ist einer
^**‘er wesentlichsten Charactere. Das Weichthier ist nur ein Con-
_?^Ut -von Eingcw'ciden, so viel ihrer nöthig sind zum Bestehen
thierischen Individualität, deren sensible Functionen meist
ein unbeholfenes Tasten und Fühlen, und eine träge Ortsbe-
®8öug hinauslaufcn.
^1 Der Schlundring erscheint auch hier als Urform, seine glei-
strahligen Nerven für gleiche, peripherische Theile hat er
ijd diesen abgelegt. Es giebt Sinnesnerven, Eingeweidenerven
j^'*d Muskclnerven und da die Eingeweide ohne symmetrisclie
und Folge zusammengehalten sind, auch eine successive
ortsbewegender Qlicder fehlt, so bedarf es keines geglie-
Nervensystems.
W , ^de Ausbildung des Nervensystems ei'scheint hier in derEnt-
^‘'jkeluiig des Schlundrluges und seiner Nerven zu Ganglien,
,lp^ die Centra für die Ausstrahlung des Nervenmarkes wei'-
Die Stufen der Ausbildung sind in dieser Sphäre folgende:
1- Obere und untere Anschwellung des Schlundringes (Gaste-
582 111. Buch. Nervenphysik. 1. Abschn, Eigeuschafien d. N. imAUg^’^-
ropoden); seitliche Ganglien am Schlundring mit zerstreuten An-
schwellungen der von diesen ausgehenden Nerven (Acephalen).
2. Der Schlundring als massive Hirnmasse, Cephalopoden.
lll, Typus der Gliederthiere.
Succession ähnlicher oder gleicher Glieder, mit ähnlichem oder gleichem 1**
halte. Längenglicdcrung.
In der Ahtheilung der Gliederthiere ist die Wiederhohii’?
gleicher oder ähnlicher Theile in der Längenrichtung der Gm»“'
character. Das Thier besteht aus einer successiven GliederiiiV |
ähnlicher oder gleicher Ringe, welche ebenfalls ähnliche
gleiche Theile des Gefässsysterns, der Eingeweide enthalten.
Eingeweide sind nicht mehr als ein Convolut durch einen
kulösen Sack verbunden , sie erstrecken sich vorzugsweise in '
Dimension, der Länge, der muskulöse Sack ist in eine gro**
Menge einzelner Muskeln für die articulirten Theile zerfallf®" |
Unter diesen Bedingungen müssen sich der Schlundring und
Knoten wiederholen, als Bauchstrang und Markknoten des
gliederten Leibes. Es gehören hieher die Anneliden, Insect^"'
Spinnen, Crustaceen. . j
Bei allen Insccten, Spinnen, Crustaceen und A nneliden schei”
übrigens das Gehirn ohne Ausnahme über dem Schlunde zu
gen*). Bei den Insecten tritt ausserdem deutlicher schon
besondere Nervensystem der Eingeweide auf dem Rücken
Darmkanals auf, das auf dem Magen seine grösste Entwi<^*^^|^
lung erreicht, und mit dem Gehirne und Bauchmarke duf*^
Wurzeln zusammenhängt.
In der Metamorphose der Larve zur Chrysalide und
vollkommenen Insect schliessen sich mehrere Knoten zus»'*^'
men, einzelne Knoten verschwinden, andere verschmelzen,
den Bedürfnissen höher entwickelter Theile. S. oben p. 364. ^
Bel einzelnen Insecten sind alle Knoten und Schlingen
Bauchmarkes zu einem soliden Markstrange vereinigt, von
alle Nerven des gegliederten Leibes strahlig. ausgehen,
der durch den noch offenen Schlundring mit dem Hirng^“'
glion verbunden ist. So bei dem Nashornkäfer, selbst im
venzustande.
Hier sieht man die Stranghlldung mit den Knoten in
nen einfachen Strang übergehen und es scheint das
mit dem Rückenraarke in der That morphologisch nicht
sehr von dem Nervensystem der Wirbellosen verschieden-
bleibt nur jene den W'irbellosen eigenthümliche Bildung,
der Schlundring der Speiseröhre zum Durchgänge dient. ^
drerseits sehen wir, dass hei niederen Wirbelthieren
*') Beim Scorpion tritt der Schlund --uich durch den Schlundring; ^
der hintere oder untere Theil des Gehirns ist grösser als der
was mich früher zu der unrichtigen Ansicht leitete, dass das Gehirp ^
ter dem Schlunde liege. Auch bei den Phasmen ist diess, wo J*'
im Jahre 1826 zu sehen glaubte, nicht, sondern nach neuerer **
snehung wie bei allen Insecten.
I, Vom Bau ilci' Keroeu. Feinerer Bau der J^rroen. 583
^rsprungsstellen Leträclitliclicr Nervenmassen aus dem Rücken-
die Knotenkildung an diesem wieder crsclieint, wovon die
laclieu (janglien am Halsmarke der Triglen ein Beispiel geben,
''*0 denn aucli die Anscbwellnngen am Ui-sprniige der Arm- und
‘’clieiikelnervcn bei den Scbildkröten, bei den Vögeln und Säuge-
oueren bieber gebörrn.
, Auch auf die Gleicbstellung des Nei’vensystcms der Mol-
^sken mit dem sympatbiseben Nerven der Wirbeltbiere kön-
wir keinen Werth legen. Der Mangel der Ganglienkette
diesen Tliicrcn ist eine Folge der Abwesenheit des geglieder-
Rumpfes. Die Vereinigung dieser Ganglien in eine Kette ist
^bvas Zufälliges, d. b. nicht ira Nervensystem selbst wesentlich
gelegenes, nur von der Gliederung Abhängiges. So kann in der
blasse der Glicderthiere, bei dem Untergange oder dem Zuriiek-
Jfßten der gegliederten Btldung, die Ganglienkette durch zerstreute
Ganglien der IJirnnerven, in der Art wie bei den Mollusken, er-
setzt werden, Avie diess bei den Pbalangicn der Fall ist. Die Gan-
S'ien der Mollusken sind daher zum Theil Ganglien der Eingeweide-
J^Pven, den Rildungsprocessen bestimmt, andern Theils sind die
krnnerven und ihre Ganglien, Avelche in den Bewegungsorganen,
iin Mantel (Sepien), sich verbreiten und der willkührlichen
^''^stimmung fähig sind, durchaus dassellje, Avas bei den Glie-
j^^J'thieren die MuskelnerA’en der Ganglienkette, und ganz von
^Her Gleichstellung mit EingeAveidenerA’cn auszuschlicssen.
b. Von dem feinem Bau der Nerven.
Die Nerven bestehen aus kleineren Aind grösseren, parallel
j*®ken einander liegenden Bündeln, Av^elche ein häutiges Neurilem
^’^sitzen, in der Länge eines Stranges zuweilen von Stelle zu
pelle Zusammenhängen, Avährend die im Innern dieser Bündel
'‘Agenden Priinltlvfasern der Nerven nur parallel aneinanderlie-
Und sich nicht mit einander vei’binden, sondern selbst da,
die Bündel zu anastomosiren scheinen, nur aus einem Bün-
in das andere übergehen, um sich anderen Fasern anzidegen.
Primitivfasern der^Nerven sind sich bei verschiedenen Thie-
sehr Vdinlicb an Form und Stärke; bei keinem Thiere be-
®hen sic aus aggregirten Kügelchen, sondern immer stellen sie
.‘‘‘lache Fäden \lar. Nach K-äause betragen die Primitivfasern
j,“*" Nerven des Menschen Par. Lin., nach R. Wag-
P“ 3'i'o j die des Frosches nach Demselben Die Primitiv
I *Crn eines Spinalnerven der Katze betragen, wie ich sah, gegen
des Durchmessers ilirer Blutköi’perchen. Die Nervenfa-
des Frosches betragen ungefähr ^ ^ der Blutkörperchen
A* Menschen und der Blutkörperchen des Frosches; sio
j^peincn feiner als die Kerne der Blutkörperchen dieser Thiere.
■ Capillargcfässe verbreiten sich nicht mehr auf den Priraitiv-
Nerven, denn sie sind selbst stärker als diese, und sie
mit ihren Netzen nur zwischen diesen Elementarfäden bin.
kiHREWBEHG (Poggemdorf’s der Physik. Bd. XXVIII. Hft.
*at eine sehr wichtige Entdeckung über den Bau der Fasern
“tlcr’g PhysiojQgie, 38
8cb
*■1
584 in. Buch. Nervenphrsik. /. Ahschn. Elgenschaflfii d. N. im Allgem.
im Gehirn und einigen Nerven gemacht. Die Corticalsubstan*
des Gehirns bestellt nach ihm aus einem dichten Gefässnetz,
dessen Maschen eine sehr feinkörnige Masse mit hier und da ein-
gelagerten grösseren Körnern enthalten ist. Die grösseren Körn-
chen sind frei, die sehr kleinen feinen scheinen durch zarte b®"
den reihenweise verbunden. In der Nähe der Medullarsubstan*
tritt das Faserige der Coi'ticalsubstanz immer deutlicher hervor-
Die Fasern der Medullarsuhstanz sind keine einfachen cylindri-
schen Fibern, sondern sie gleichen Perlenschnuren, deren Perle"
sich nicht berühren, sondern durch einen dünnem Faden g®'
trennt sind. Sie sind stets gerade, selten in zweie gespalte".'
sonst nie anastomosirend ; nach Ehbekbebg sind sie hohl. Dieser
letzte Umstand bedarf vielleicht noch weiterer Bestätigung, währen^
der von Ehresbebg entdeckte knotige Bau der Hirnfasern im All'
gemeinen leicht bestätigt werden kann, wie ich denn selbst spä'
ter diesen Bau an Theilchen der Medullarsuhstanz, die zwische"
zwei Glasplättchen gedrückt ivurden, ganz so wie Ehbenberg g®'
sehen habe. (Nach Krause’s microscopischen Untersuchung®"
wären die Nervenfasern des Gehirns nicht Böhren, sondern so-
lide Cylinder aus einer zähen, in Wasser löslichen Substanz, wd'
che Kügelchen einschlicsst, die stellenweise in grösseren Klümp'
eben zusammen liegen, und dadurch als knotige Anschwellung®"
erscheinen. Poggesd. Ann. 1834. N. 8. Vergl. Gegenbemerkungen vo®
Ehreisberg, ehend.). Der Selinerve, Gchornerve und Geruchsnerv«
enthalten eben solche variköse Fasern, auch der N. sympathicuS’
alle übrigen Nerven dagegen bestehen aus cylindrischen, parall®'
len Fasern von Linie Dicke, und cs scheint nicht, nach de"’’
was ich mit Herrn Professor Eiireneerg zusammen gesehen hab®’
dass die hinteren und vorderen Wurzeln der Rückejimarksnerv®"
sich in dieser Hinsicht unterscheiden. Alle scheinen am Ü®'
Sprunge noch knotige Fasern in sich zu enthalten, w^elche ab®"
bald in knotenlose übei'gehen. Im N. svunpathicus dagegen
Ehre5berg überall feine knotige Röhren mit stärkeren, cylindi’®'
sehen gemischt. Dass die Nervenfosern der mehrsten Nerv®"
keine Anschwellungen enthalten, und dasS die ältere Vorstellu"?
von der Zusammensetzung aus Körnern tinrichtig ist, hatte i®"
selbst schon früher bemerkt und bekannt gemacht. Wichtig ***'’
was Ehreübeeg beobachtet hat, dass die cylindrischen Nervenf®'
sern hohl sind und eine markige, aus kleinen rundlichen, jedo®"
wenig regelmässigen Partikeln bestehende, ausdrückbare M®**®
enthalten. Ehrenberg hat sich überzeugt, dass die Nervenfas®""
unmittelbare Fortsetzungen der Hirnfasern sind; doch ersehe*""
das in den Röhrennerven enthaltene deutliehe Nervenmark efS
dann, wenn die Röhren aus dem Gehirn oder Rückenmark b®'
reits hervorgetreten sind, dagegen zeige dieselbe markführend®
Röhre, so lange sie noch einen Theil des Gehirns bilde und knO'
t'o 8""^ durchsichtiges klares Innere ohne Mark.
Sehr merkwürdig sind Ehrenberg’s Beobachtung en über "*«
Ganglien. Sie haben das gemein, dass sie aus stärkeren, cyb"'
drischen Nervenröhren und" aus Anhäufungen von knotigen Hi®"'
röhren bestehen, die in ein zartes Blutgefässnetz eingeschloss®"
1. Hau der .Nerperi. Feinere Structur der Nerven. Pi'LmdLi>Jaserii. 585
zwisclien dessen Maschen grössere Rörnchen erscheinen,
dieselben Körnchen, -welche nach EiiRENUEiift die Retina bedecken.
den Ganglien der Riickeninarksnerven der V^ögel sah Ehrenberg
Uur cylindrischc Fasern lind sehr grosse, fast kugeli'örmige, etwa -j'-g-
Linie dicke, un regelmässige Körper. "VVenn icli Eurenbeeg recht
^'erstehe, so scheint er anziinehmen, dass die Substanz der Kno-
fcn des N. syrnpalhicus nvir aus einem Gemisch von Gefässen,
''On sehr zarten, kaum unterscheidbaren Knotenröhren (scheinbar
feinkörnige Marksubstanz), und von einer überwiegenden Menge
stärkerer Rnotenröhren — also wahrer Marksubstanz bestehe.
Diese Hirnsubstanz lagere sich um cylindrische, gewöhnliche Ner-
^enröhren, welche sich in den Knote’n nicht verändern, aber durch
Leiihiscliung von knotigen Röhi’en in ihi’c Bündel verstärkt werden.
Bei den wirbellosen Thieren sind die knotigen Fasern nach
Lhrenberg in einem sehr geringen Verhältnisse erkennbar, wäh-
*'end die Röhrensuhstanz auch in den Ganglien deutlich über-
'W'iegend, fast ausschliesseud vorhanden ist.
' Ehrenderg hat die grösseren Kügelchen in der Corlicalsub-
stanz des Gehirns und auf der huieru Fläche der Retina mit den
Kernen der Blutkörperchen verglichen: er hat jene Kügelchen
iler peripherischen Hirnenden hei Thieren grösser gefunden, wo
Such die Blutkörperchen grösser sind: deswegen stellt er die
Hypothese auf, dass die Kerne der Blutkörperchen gleichsam
^ahrungsstolF des Gehirns seyen, wobei indess zu bedenken ist,
dass auch die feinsten Capillargefässe noch Wände besitzen , und
dass keine andere, als aulgelöstc Thcile diese Wänuc diu^chdiiu—
gen können. Diese letztere Ansicht hat er besonders in einer
Dratulationsschrift zu Hoeelahd’s Jubelfeier entwickelt. An dem-
selben Orte spricht er die Ansicht aus, dass bei den wirbellosen
Thieren das Rückenmark fehle, indem der knotige Bauchstrang
Leine varikösen Röhren enthalte. Er vergleicht deswegen diesen
^Irang mit dem N. sympathlcus und den von mir und Brandt
beschriebenen Eingeweidenerven mit dem N. vagus. Diese Ver-
Sleichung scheint mir nicht richtig, indem der Eingeweidenerve
der Insecten allerdings an mehrei’Cn Orlen den Ganglien des N.
^yjnpathicus ähnliche Knötchen zeigt, während die Aerven vom
Lauchstrange sich bei den Insecten durch ihren Mangel an Gan-
Shen deutlich als Spinalnerven ausweisen.
Die Hypothese, dass der Eingeweidenerve der Insecten dem
Vagus gleiche, ist neulich auch von van Deen [diss. de diffe-
et nexu inler nervös vitae animalis et vilae organicae , Lugd.
LV. 18,34.) vertheidigt worden. Mir scheint die Analogie dieser
l^erven mit dem N. sympathlcus der Wirbelthiere gegen allen
^"weifel sicher, weil jener Nerve ein ganzes System bildet, wozu
'öisser dem Hauptnerven auch noch seitliche Knötchen Im Kopte
gehören (wie man denn, um sich von dieser Ansicht zu uber-
*^eugen, nur die Tafeln von Lyonet und von mir von diesen Knötchen
betrachten hat) und weil kein anderer Nerve als der N. sympa-
bicus Nervensystem der unwillkührlichen Bewegungen seyn kann.
Von ausserordentlicher Wichtigkeit ist die Kenntniss des
'“rlaufs der Primitivfasern in den Nerven , denn so unentbehr-
38 *
586 III. Buch. Ncrvcnphfsik. I.Ahschn. Elgenschaftcnd.l^.im AUgcm.
lieh auch die genaue Renntniss der Verzweigung der Nerven
so handelt es sich zuletzt in der Physik der Nerven nur um die
Frao^c wo die Primitivfasern, die in einem Bündel enthalten sine •
entspringen, und wo sieh ilire Enden befinden, und es i st we-
nigstens für viele Fragen der Physik der Nerven gleichgidtig’
in*’w'clches Bündel diese Fasern hineintreten oder wie bald
daraus hervortreten , da sie, wie man bald sehen wird, von A"'
fang an darin selbstständig und isolirt sind. .
Die erste und wichtigste h’rage ist, oh, da die Nerven sic’
vielfach unter sich, und seihst die Bündel eines Nerven von Stell
zu Stelle Zusammenhängen, dasselbe von den in diesen Fasern
enthaltenen Primitivfasern gilt. Verbinden sich die Primitiv^'
sern tinler sich niemals, so steht das Hirnende einer Primitivin-
ser immer auch nur mit einem einzigen peripherischen Ende ini
Zusammenhang, und dem peripherischen Ende entspricht nur ein®
einzige Stelle im Gehirn oder B.ückenmark, und so viele Mill'l'
neu ^rlmilivfascrn zu peripherischen Thcilen hingehen, so vid®
peripherische Punkte des Körpers sind im Gehirn repräsentir*''
Wenn aber die Primitivfasern theils in den Bündeln der NerveU’
thells in den Anastomosen und Plexus Zusammenhängen, un‘
nicht bloss juxtaponirt sind: so repräsentirt das Hirnende ein®’’
Primitivfaser sehr viele peripherisclic Punkte, und zwar ah®
Punkte, deren Fasern unterwegs in einander fllessen. Da m"*
die Nerven überall sich scheinbar verbinden, so würde, wenn si®'*
auch die Primi livfasern verbänden, last so gut wie kein einzig®^
Punkt des Körpers im Gehirn isolirt und einzeln repräscntii
w'erden, und die Reizung einer PrirniLivfascr In einem Punkt®
der Haut w'ürde sich auf alle Verbindungen forlpflanzcn müsset;
d. h. es würde nicht die Empfindung eines Punktes im Gehir”
entstehen können. Denn die Empfindung eines Punktes im G®'
hlrn hängt otfenhar davon ab, dass da, wo das Bewusstseyn sl»'
findet, auch nur durch Eine Faser und au Einem Ort ein Ei“'
druck geschieht. Man sieht leicht ein, dass, w'cnn die Anastom®'’
sen der Nerven für die Leitung des jfervcnprinclps dieselbe B®'
deutung hätten, als die Anastomosen der Gcfässc, gar keine öA'
liehe Nervenwirkung vom Gehirn auf die peripherischen Theu ;
und von den peripherischen Theilen nach dem Gehirn statt ß*’'
den könnte. Die ganze Möglichkeit einer exacten Physik d®^
Nerven hängt davon ab, ob die Primitivfasern der Nerven in d®'^
Anastomosen der Bündel oder Scheiden sich wirklich oder
verbinden. Schon Foktana und später Prevost und Dumas h®'
ben die Beobachtung gemacht, dass die Primitivfasern der A® '
veh sich ln dem Bündel nicht mit einander verbinden, sond®
nur neben einander fortgehen. Zu dieser Zeit hat man schwer^
lieh schon eine Ahnung von der Wichtigkeit dieser Beobachtung
die Physik der Nerven gehabt. Vor einigen Jahren, zur selb
Zeit, als ich meine Versuche über die motorischen und sen
hcln Wurzeln der Nerven bekannt machte, beschäftigte ich^
mit der Untersuchung jener Frage. Natürlich lässt sich
nur eine Strecke unter dem Microscop untersuchen. Durch r
rücken von Stelle zu Stelle kann man aber eine grössere GeWi
1. Bau der Ncri>cii. FeincreStriictur J.JSeri’cn. Primiiii'Jasern. 587
lieit crlialten, oJj solche Vei'hintlungen statt liahen oder nicht.
ist es mir nie gelungen, hei Beohachtung der auseinandei-
8'^spreizten Prlmitivrasern eines Ncrvenhündelchens auf einem
sch^varzen Blätleiien unter dem einfachen Microscop solche Ver-
^^Hidungen z,u sclien: immer liefen diese Fasern nebeneinander,
^•jereinander weg, und aucli da, wo sich zwei Bündclehen ver-
^Janden, liaho ich keine wirkliche Vereinigung der Fasern, son-
^^6rn ganz deutlich eine ganz einfache Juxtaposition derselben sc-
hien können. Man kann dieses Verhalten eigentlich schon aus
*ler imssern Beschaffenheit der Verven vor und »ach einer sol-
'^licu Vereinigung erkennen. Wenn sich die J’rimitivfasern iiei
Jalchen Vereinigungen verhimden, also vei'schmölzen und also an
^ahl gerlngei’ würden, so müsste das Bündel, welches aus dei
Bereinigung zweier hervorgeht, halb so dünn seyn wie beide zu-
‘’arnmen; es ist aber in diesen Fällen immer grade so dick wie
^eide Bündel zusammen (mit einziger Ausnahme des N. sympa-
*-1110113). Bilden Nerven einen Plexus, so geht aus dem Plexus,
^fotz aller Kreuzung der Fasern, doch wieder so viel TVerven-
*öasse hervor, als licrcingetrcten ist. Eben so verhält es sich hei
iler Verzweigung der Nerven. Ein Nerve, der einen /weig ab-
8ieht, wird gerade so viel nach der Abgabe des Zweiges dünner,
Nervenfasex’n von dem Stamm in den Zweig abgewichen sind ;
ünd man kann mit Hülfe der feineren Zergliederung^ leieht sc-
dass bei der Abgabe eines Zweiges nicht etwa jede Faser
*«^lhst sich in 2 Theile Ihcile, wovon der eine in dem Nerven
'^Eibt, der andere in den Zweig übergoht, sondern dass durch
Verzwei-nuig nur die Vertheilung der im Stamm schon vor-
^ndenen Nervenfasern ahgeändert wird; deswegen können auch
‘ü einem Stamm gar verschiedene Fasern zusarmnenliegen , em-
b*'iulliche und motorische, und oft liegen Nerveuästc in dem gan-
“"i'» Stamm schon vorgcbildet da, welche mit den übrigen Thei-
[?'i des Stamms weder eine Verbindung eingehen, noch Aehn-
'i^hkeit der Eigenschaften damit besitzen. So z. B. betrachtet
^öun den N. mylohyoideus, einen Muskelncrvcn, nur ganz roh
einen Ast des N. alveolaris inferior, eines Getühlsuerven, denn
beiden Nerven haben gar niclits mit einander gemein, als
sie beisammen liegen; mul so ist es sehr oft. Man sicht
*‘‘«i'aus auch ein, dass ^Identität der Eigenschaaen der Bündel m
Natur eines Nervenstammes gar nicht liegt, sondern dass er
®'*er, namentlich in einiger Entfernung von seinem Ursprung vom
^«*ürn, eine sehr maimichfaltigc Juxtaposition von ganz verschie-
Bündeln seyn kann, je nachdem sich verschiedene Bündel,
T zugleich einem Gllede bestimmt sind, an ihn gclegcntüeh
^üschliessen.
Mit der eben hier erörterten Ansicht von dem unzusam-
’^euhängenden Verlauf der Primitivfasern vom Gehirn bis zu
peripherischen Thcilen steht eine Vorstellung im Wuler-
P‘’>ich, dass nämlich die Nerven bei ihrem Verlauf an Alasse
'Nehmen sollen; diess ist aber ein Missversfäiulnlss, welches
Soemmekrikg lierrührt. Allerdings ist ein Nerve dünnei',
lange er noch innerhalb der Dura mater liegt, so lange er
588 III. Buch. IScruenphysik. I.Ab.tchn. Eigenschaffend, N'.imAUäcm.
nocli kein Neurllem Lesitzt. Naclilicr Lleibt er sich gleich ,
lange er keine Aeste aligiehl. Die Aeste zusammengenommen
sind jedesmal gleich dem Stamm; wenn sieh etwa ein kleiner
Unterschied zeigt, so kömmt er davon her, dass an den Zweigen
zusammen mehr Ncurilem vorhanden ist, als an dem Stamm.
Was ich ehen von den Nerven hei ihrer Verzweigung he-
merkt hahe, gilt auch von dem Plexus zweier verscliiedenen Ner-
ven. Ich hahe mit aller Mühe vor einigen Jahren die Verhin'
düngen des Nf. facialis mit dem N. infraorhitalis im Gesicht des
Kaninchens und Schafes zergliedert, und mich durch genaue gra-
phische Aufnahme des Verlaufs der Primilivfasern heider Ner-
ven üherzeiigt, dass sich die Fasern hloss aneinander legen,
neuen Bündeln sich vertheilen. Von diesen Principien betrach-
tet, muss man sich also die Primitivfasern aller Cerehro- Spinal-
nerven (wie es sich mit dem N. svmpathicus verhält, ist mir noch
nicht ganz klai') vom Ursprung his zum Ende isolirt denken, und
als Strahlen von der Achse des Nervensystems ansehen. Genau
genommen gehen auch diese Strahlen beinahe in einer Linie je-
derseits vom llückenrnark aus , nur von Stelle zu Stelle wird
bloss eine Summe dieser in einer fast zusammenhängenden Lim®
entspringenden Fasern in ein Bündel zusammengefasst , vvie C*
nämlich für die VcrUieilung derselben an ihre peripherischen
Stellen am bequemsten ist.
D iese Ergebnisse eigener Beobachtung hahe ich seit Jahren
in meinen Vorlesungen vorgetragen ; im Jahre 1830 halte ich
Gelegenheit, sie Herrn Pi-ofessor Scuroedeä van der Roi.k in Ut-
recht mündlich milziilheilen , indem ich denselben auffordertej
diese Beobachtungen zu -1)1111611; jetzt haben diese Ansichten;
die mit denen von Fontasa und Prevost und Dumas ühereiu'
stimmen, durch das Gewicht derselben Beobachtungen von Sei-
ten meines berühmten Collegcu Eurenberg in mir noch meh*
sich befestigt.
Wie sich die Enden der Nerven verhalten, ist noch ga***
unbekannt. Dass sie Netze bilden, wie Rudolphi nach den Ner-
ven der Zunge bemerkt, gilt hloss von den mit blossen Auge®
sichtbaren Nervenfäden, und das sind auch keine Netze, sonderU
strickwerkartige Vertheilungen der Fasern, ohne dass die Primiti''
fasern sich eben verbinden. Auch was Prevost und Dum as von deu
Nervenschlingcn auf den Muskelhündeln bemerken , erleidet dem
selben Einwurf. Wenn sich wirklich die Primitivfasern zulet*
netzförmig ausbreiten, was ich sehr bezweifle, so müsste, ivcu"
nicht dadurch alle örtliche Empfindung aufgehoben werden sollt®'
wenigstens das von einer Primitivfaser ausgehende Netz von de®
Netzen der übrigen Primitivfasern isolirt scyn.
Die Ganglien der Nerven lassen sich in drei Classen bring®®'
I, Ganglien der hinteren JE urzeln der Bilckenmarksneroen,
gUon der grosseji Portion dc.s Hei'oiis trigeminus, Ganglion Nenn
Ganglion jugulare Nervi glossopharyngei.
Die hier aufgeführten Ganglien haben mit einander
dass sie einem G'dublsncrven angebören ; es wird aus den spa'
1. Bau der IS erven. Feinere St ructur der Serrcu. Ganglien. 589
Unlersucliungen sich ergehen, dass die hinteren Wurzeln der
I^uckenmarksnerven nur sensibel, nicht motorisch sind. Unter
Ganglien der Rückenmarksnerven zeigt das Ganglion des
Piückenmarksncrvcn zuweilen , das der beiden letztem im-
'aer Anomalien in Hinsicht seiner Lage. Das erstere liegt zu-
'teilen noch innerhalb der Dura maler. M vyer i\oe. act. mit. cur.
XVI. Die beiden letzten, sehr zarten Rückenmarksnem en ha-
hen Hire Ganglien nach Schle.mm’s Entdeckung immer noch in-
•'erhalb der Dura mater. Muei.ler's ylrcliiu für Anatomie und
^h'siolügie. 18.34. I. In dem Verhidtnlss, wie die hintere Wur-
zel zur vorderen W^urzel der Rückenmarksnerven, steht aber
'“ich die Portio major nervi trigemini, die ln das Ganglion Gas-
^^ri anschwillt, zur Portio minor, die an dem Ganglion vorhei-
gelit. ScABP.\, Ausold und Bisgiioif betrachten den N. vagus
“^cgen dessen Knoten im Forarticn jugxdare auch als einen bloss
^Cnsiheln Nerven , oder vielmehr als die eine sensible ^Vurzel ei-
tles gemischten Nerven, dessen andere oder motorische Wurzel
der Nervus acccssorius Willisii sey, daher sie die motorischen
^’iisern des Nervus vagus von der Verbindung mit dem Nervus
accessorlus ahleiten. Mayer (a. a. O. /l 743.) hat die wichtige
Entdeckung gemacht, dass hei melircren Saugcthieren (Ochse,
^und, SciiYvein) eine überaus feine hintere AVurzel des N. hy-
l'oglossus vorhanden ist, welche von der hintern Fläche der
^edulla ohlongata entspringt, über "den N. accessorius weggeht
“nd ein deutliches Ganglion über dieser Stelle hddet , ohne
•»nt dem N. accessorius zusammenzuhängen. Aus diesem Gan-
SEon geht ein dickerer Nervenläden hervor, welcher durch eine
Eleffnun- in dem ersten Zahn des Ligamentum denliculatum
’nndiirchoeht (oder, wie wir es neulich sahen, über dem ersten
Eahn des Lig. denliculatum weggeht), um sich zur bekannten
'■'"urzel des N. hypoglossus zu begehen. Diese hintere Wurzel
‘‘“d das Ganglion hat Mayer bis jetzt nur einmal Ijelm Men-
schen befunden. Wir haben sie bei Menschen wiederholt ge-
®^‘cht Snd nicht gefunden, aber ggnz tleutlich heim Ochsen
. An diese Beobachtung, die nicht vom Mensclien gilt, schhesst
^ph eine von mir beim Menschen gemachte Beobachtung an. ( ue-
jiin. ( Vereins-) Zeitung. Berlin, 183.1. Nr. 52.). Ich nahe nämlich an
^cr Wurzel des N. glossopliaryngeus des Menschen, von welchem
^'“'1 bisher bloss das Ganglion petrosum am untern Ei)de des
cranien lacerum kannte, ein ganz kleines Ganglion ge.lunden,
'"’clches an der hintern äussern Seite der Wurzel dieses Nerven,
Obern, der Cavitas cranii zugewandten Anfang des Foramen
'‘cerum Hegt. Man sicht dieses Knötchen von 1 Millimeter Länge
wenn man die Dura mater an der Durchgangsölfniing weg-
Senonimen und den hintern Rand des Felsenbeins abgemeisselt
Es gehört nicht der ganzen AVurzel an, sondern einem Bun-
c'chen von einigen Fäden '‘derselben, weiches, nachdem es durch
1*^? Ganglion gegangen, stärker gexvorden scheint, übrigens aber
^C'nen, von äen übrigen Wurzelfäden des N. glossopharyngetis
''^chiedenen Ursprung hat.
590 III. Buch, Neruenphysik. I.Abschn. Eigenscfiaftend.N.mAl/ßcm.
Dieses Ganglion ist in den meisten Fällen beim Menscliei'
vorlianden. Mayer war diese Entdeckung beim Menseben ent-
gangen, obgleicb er an derselben Stelle beim Ochsen zwei kleine
Knöteben riclifig beobachtet bat. Das MAYER’sehe Kiiöteben
der hintern Wurzel des Nervus livpoglosstis beim Ochsen schein^
übrigens zu beweisen, dass die Nervenl'äden in dieser Art von
Ganglien sich vermehren. Dicss ist hier ziemlich sicher, ''ve‘*
man Gelegenheit hat, den Faden vor und hinter dem Gan-
glion zu vergleichen, ehe der Nerve durch ein Ncurilem ver-
stärkt worden ist.
Das seit älterer Zeit schon bekannte Ganglion petrosum I'-
glossopharyngei scheint die Bedeutung der Ganglien der Empfin-
dungsnerven nicht zu haben und mehr mit denjenigen Anschwel-
lungen überein zu stimmen, welche zuweilen entstehen, wenn Aeste
des N. sympathicus sich mit anderen Nerven verbinden, wie z.
die geringe Anschwellung des N. facialis am Knie desselben hier-
her gehört, wo er den Ramus petrosus superficialis N. vidiau*
aufnimmt. In der That verbindet sich das Ganglion petrosua>
mit einem aufsteigendeu Aste des Ganglion ccrvicale supremuöV
und durch den Ramus tympanicus Ganglli petrosi mit dem R*'
mus carotlco- tympanicus N. sympalhlci.
In den Ganglien an den Wurzeln der scnsibeln Nerven bre>'
ten sich die Faserbün deichen pinselförmig in der grauen MassC
aus, und sammeln sich auf der andern Seile wieder zuin Stamm,
hierbei die Primitivfasern wirklich unter einander zusammeD'
hängen oder nicht, ist noch nicht ganz ausgemacht, cs scheh'^
indess, so viel ich an den Ganglien der Rückenmarksnerven s®'
hen konnte, hier gar keine Vereinigung der Primitivfasern stal^
zu finden, ich konnte nur eine pinselförmige Entfernung der Büä'
deichen zwischen der grauen Masse sehen ; doch ordnen sich
Primitivfasern in diesen Ganglien, wie man wenigstens deutlich'
an dem Ganglion Gasseri sieht, anders, und sie treten, indem sie sid*
anders juxtaponiren, in andern Bündejehen hervor als sie liereh*'
getreten sind. Einige Urnstände machen es wahrscheinlich, d»*’
diese Ganglien auch Multiplicationsorgane der Fasern sevn kö**”^
nen , so dass vielleicht eine Primitivfaser einfach vom Geh»'^
kommend, in der grauen Alasse sieh in mehrere thellt, weld«'*
sie zugleich repräseutirt. Für diese Vermehrung der Faser"
sprechen wenigstens einige Beobaclitungen, am melken das Vc"'
halten der von Mayer entdeckten hintern Wurzel des N. hyp"'
glossus des Ochsen, die, sobald sie durch das Ganglion durciig"'
gangen, sehr viel stärker geworden, obgleich sie noch innerbaO
der Dui'a mater liegt und durch Ncurilem sich nicht vcrstäi
hat. An den von Schlemm entdeckten kleinen Ganglien der
untersten Rückenmarksnerven, innerhalb der Dura mater, sie’
man dagegen von dieser Verstärkung der Nervenfäden keine
Man vci’gleiche übrigens die ti-effliche Schrift von Wutzeb
gangliorum fabrica. Berol. i8X7.
II. Ganglien des Nervus sympathicus.
Das Verhalten der Nervenfasern in diesen Knoten ist *
schwer zu enthüllen, dass wir davon noch gar keine siebe
1. P om Bau der Nerven. B'cinereStructur der Nerven. Ganglien. 591
^''“iiutiiiss lialjen. Hier wie üLerall kömmt es in letzter Instanz
die Haupt trage an , oL die Primitivlasern sicli wirklicli
'■erschmelzen oder auch Idoss juvtaponiren , und theilweise
.reuzei, mit andern , oder oIj die Primitivfasern nur in der pe-
*''Plicrisch en Richtung sich theilen, um sich darin zu multqjlici-
*'611. Wenn irgendwo eine Multiplication der Fasern in den
aiiglien anzunehmen ist, so Ist es gewiss am ehesten in den Gan-
jllien des IN. svmpathicus, wenigstens scheinen die in den XJnter-
6ihsgefl echten sich entwickelnden Primitivl’asern , die nun sich
|'6riplmrisch Aerhrciten, schwer auf die Wurzeln des N. sympa-
**ieus von dcji Rückenmarksnei’ven zu rcducircn. Die Gan-
§hen des jV. syuipathicus hilden wieder zAvei Rcilien. Die cr-
*'■6 Umfasst die G re nz kn oten, welche da liegen, wo die Wur-
des JN. syrnpathicus von den Cerebral- und Spinalnerven
j^minen, sich zum Grenzstrang verhinden. In diese Reihe ge-
jören alle Ganglia cervicalia, intcrcostalia, lumhalia, sacralia
li®*" Nervus sympalhicus. In die /weite Reihe der Ganglien des
''®i'vus syrnpathicus gehören die Ceniralknoten oder Geflechtkno-
^®’ij plexusartigeu Knoten in den Geflechten des Unterleibes.
. 111. Ganglien an den Cerehrospinalnerven, wo sich dieselben mii
^'^'eigen des Nervus syrnpathicus verbinden.
Hierher gehören ilas Ganglion petrosum N. glossophai’yrigei,
*p Intumescentia gangliiformis am Knie des N. facialis, das Gan-
^,‘*>11 sphenopalatinum am zweiten Ast des N. trigeminus, das
vP'igllon ciliare, vielleicht auch oticum und noch einige andere.
5'6lit überall, wo Faden des N. syrnpathicus mit Fäden der
®i'e])ralnerven zusammenstossen, entstehen Ganglien an den letz-
‘®*’'i; diess ist vielmehr nur eiii seltener Fall, denn hei der gros-
'*®** Anzahl der Ursjwünge des N. syrnpathicus von Cerebral-
Spinal nerven befinden sich doch an der Ahgangsstelle dieser
. 'ölen von den Cerebral- und Spinalnerven in der Regel keine
j *iotcn. Wie kömmt es aber, dass in den oben erw'ähnlen Fäl-
^ liel dem Zusammenkommen von Fäden des N. syrnpathicus
h Cerebralnervcu gangliöse Anschwellungen an den letzteren ent-
I ®uen. Diess scheint mir daher zu rühren, dass in jenen Fäl-
Hn der Stelle, wo die gangliöse Anschwellung liegt, nicht
^^Weige der Cerebralnerven voin Gehirn ab zum N. .syrnpathicus,
^'.‘•'dern vom N. syrnpathicus an die Cerebralnervcn stossen, wel-
baden nicht "der Richtung zum Gehirn am Cerebralnervcn,
^®»idorn in ])(U'iphcrischer Richtung an diesem fortgehen. W’äre
j^'Cse Remerkung durchgreifend, so hätte man, wenn ein Cere-
y*'alnerve idcht an seiner Wurzel, sondern in seinem weitern
j^®*'lauf üei Verbindung mit dem N. syrnpathicus eine Anschwel-
zeigt, an dieser Anschwellung ein Kennzeichen, dass die an
•yy* Cerebralnerven tretenden Fäden des N. syrnpathicus keine
y '**'*chi des Ictztei-n, sondern Reimengungen des N. syrnpathicus
**i Cerebralnervcn sind. So ist das Ganglion ciliare eine Ver-
von Fäden des N. trigeminus (Radix longa a N. nasali),
jj* bi. oculomotorius (Radix brevis a N. oculomotoi’io), und des
He *y**'Pathicus, eine Vermengung, welche zum Zweck hat, nicht
äe \\ujzela des N. syrnpathicus zu geben, sondern baden des
592 III. Buch, Nervenphysik, I.Abschn. Eigenschaftend. N.iniAUgeut.
N. syrnpathicus mit den sensibeln Fäden vom 1. Ast des JN. tn-
geminus und den motorischen Fäden vom N. oculomotorius
die Ciliarnerven zu Lringeu. Ehen so verhält es sich mit
Ganglion sphenopalatinum am zweiten Ast des N. trigeminäS;
welches, da der Ah sympathiciis durch Fäden vom Ganghon
oticum aus nach Bendz sclion mit dem Stamm des N. trigeminu^
im Ganglion Gasseri Verbindungen eingeht, nicht bloss Wurzeln d®*
N. sympathiciis abzugeben, sondern Fäden vom N. Sympathien*
zur peripherischen Vez'breitung mit dem zweiten Ast des jM. 1*'*''
geminus aufzunchmen scheint. In der That hat Retzius die**^
Fäden desN. sympathiciis, welche vom Ganglion sphenopalatinum
in den zweiten Ast des N. trigeminus peripherisch fortlaufen, beio*
Pferd deutlich gesehen und beschrieben. Isis. 1827. Das Ganglio*’
petrosum V. glossopharyngei ist, wie ich oben zu zeigen gesund
habe, nicht das gewöhnliche Ganglion eines Empfindungsnervc’h
da das höher am N. glossopharyngeus liegende, von mir beobad*-'
tete Ganglion jugulare die Bedeutung eines solchen hat, sondo’"
entsteht durch die Verbindungen von mehreren Zweigen des
sympathicus mit dem N. glossopharyngeus. Bis jetzt lässt sich d'^’
Iragliche Ansicht noch nicht ganz durch fiihrcn, sondern nur als o’"
nen Anhaltpunkt zu einer künftigen Entscheidung der Frage
brauchen, welche von den vielen Verbindungen des A. sympath''
cus als Wurzeln desselben, und welche als peripherische Zweig''’
desselben, als Abgabe an die Cerebralnerven zu betrachten sind-
Sollte es sich bestätigen, dass die bei den Verbindungen yo”
Zweigen des A. sympathicus mit Zweigen der Cerebralnery®’’
zuweilen vorkommenden Ganglien an blossen Verbindungsstelle''
und nicht an Ursprungsstellen des A. sym])alhicus liegen, so wid''*'’
diese dritte Art von Knoten noch keine besondere Classe bilde''’
sondern nur in den Bereich des A. sympathicus gehören, und ä'''
ter die zweite Art der Knoten zu subsumiren seyn ; dann whi'd
man dreierlei Knoten des A. sympathicus besitzen.
1. Die Centralknoten, Geflechtknoten oder plexusartig®''
Knoten in den Geflechten des Unterleibes.
2. Die Knoten des Grenzstranges, welche jedesmal an d®_''
Verbindungsstellen der verschiedenen Wurzeln des A. sympad'''
cus liegen.
.3. Die Verbindungsknoten des A. sympathicus an Vei'b*"'
dungsstellen desselben mit Zweigen von Cerebrahierven, ivel®'
die letzteren und nicht den A. sympathicus modificiren.
II. Capitel. Von der Reizbarkeit der A^erven.
Im Anfänge dieser Schrill sind die Gesetze der
Reizbarkeit im Allgemeinen untersucht worden. Siehe oben p- ^
Diese Eigenthümlichkeit der organischen Körper ist auch i
Nerven eigen, und die allgemeinen und verschiedenen Kräfte
Nerven kommen überall durch Reize zur Erscheinung. Die Ae
gäbe des Physiologen ist aber, nicht allein die Gesetze dieser
gemeinen Eigenschaft zu ergründen, womit sich Brown und sei
2. Reizbarkeit der Nerven. IVirkung der Rehe,
593
ger leider allein bescliiiftigt liaben; sondern die eigen-
biimlichen Kräfte, welcbe gereizt werden können, selbst zu un-
®*’sucben, und hier bat sieb der Physiologie ein ganz grosses und
**®ues Feld der Empirie erölTnct. Um die Kralle der Nerven ken-
zu lernen, müssen die Wirkungen aller möglichen Reize auf die-
*?*''en studirt Averden. Auf diese Art erwirbt die Physiologie
*^'5*6 äbnlicbe empirische Zuverlässigkeit, als die Physik und Cbe-
der unorganischen Körper. " Die Reagentien erzeugen
!.') den chemischen Wirkungen nur Producte, Comhinationen,
l^'Ornungen ; in den organischen Körpern und insbesondere auf
Nerven angCAvandt, bringen sie, so verschieden sie auch seyn
l'ögen, nur Erschciimingen der Aorhandenen Kräfte und Verän-
dieser Krätte hervor, und es Avird sich zeigen, dass alle
'‘nflüsse, welche auf die Nerven Avirken, entweder reizen oder
'•^Reizbarkeit selbst verändern; im ersten Fall wirken alle Reize,
Verschieden sie sind, auf dieselbe Art, und die verschieden-
Ursachen haben gleiche Wirkung, weil das, woi'auf sie
''hken , nur einerlei reizbare Kraft besitzt , und weil die
'.^•'schiedensten Dinge nur in der gleichen Eigenschaft als Reize
^'••wirken.
1. Ueber die Wirkuug der Reize auf die Nerven.
Alle Reize, soAVohl tlie inneren organischen als die unorgani-
"bcn, AAÜe die chemischen, mechanischen, caustischen, electrisch-
B^lvanischen, bewirken, auf empfindliche Theile und empfindliche
i®*'ven angCAvandt, Empfindungen, so lange die Nerven mit dem
^i'ckenmark und Gehirn in unversehrter Verbindung stehen,
diese verschiedenen Reize verhalten sich darin gleich, in
gcAvlssen Grade angewandt, heAvirken sie nur Erscheinun-
I'''' der Empfindung, im höhern Grade angewandt, bewu’ken
Veränderungen der Empfindungskraft selbst. Alle Reize, so-
, ?'d die inneren organischen als die unorganischen, wie die che-
^,'*chen, mechanischen, caustischen, electrischen, galvanischen, be-
auf Muskelnerven oder Muskeln seihst applicirt, Zusam-
^ ''"Ziehung der Muskeln, in Avelchc sich der gereizte Nerve
,.i®*'Wltet, und diese erfolgt, aa-ciiu der Reiz auf einen Nerven
'l'plicirt Avird, der mit dem Gehirn zusammenhängt, sowohl,
ist derselbe schon vom Gehirn oder Rückenmark getrennt
Sei, NerAcn haben daher durch ihre Reizbarkeit die Eigen-
Zuckungen zu erregen in den Muskeln, worin sie sich
‘'•‘feiten ; sie thun diess, so lange jene leben und nach dem
"de ihre eigene Reizbarkeit dauert. Zu den Zusammenziehun-
seh •''•"'‘kein von Application der Reize auf die Nerven
jyj ist es nöthig, dass das gereizte Nervenstück bis zum
Vg unversehrt ist, Avenn auch die Verbindung dieses Ner-
>nlt dem Gehirn oder Rückenmark aufgehoben ist. An-
wirken alle Reize in einem ganzen oder verstüm-
•^ßfven Empfindung, so lange noch das gereizte Stück
0(1 Nerven eine unversehrte Verbindung mit dem Rückenmark
Gehirn bat.
594 III. Buch. Nervenphysik. I. Abschn. Eigenschaften d. N. iniAllgcin.
1. Mechanische Reize.
Jede Art lueclianisclien Reizes, Zerrung, Druck, Stechen, be-
wirkt in den Empliudungsnerven unter den schon erwähnten B®'
dingungen Empfindungen, so lange die Nervenkratt nicht durch die
Heftigkeit der Einflüsse (Druck) seihst aul’gehohen wird. Die E"*'
pfindung erfolgt, wenn man die Nervenenden oder die Aestc, od®*
den verkürzten Stamm mechanisch irritirt, so lange die Verh*“'
düng mit dem Rückenmark und Gehirn statt findet. ln
Gelühlsncrvcn des Rumpfes und ihren Theilcn Bewirken meclin''''
sehe Reize nur Empfindungen des Gefühls, nämlich Schnie*’*’
Taslgefühl, in dem Gesichtsnerven und der Markhaut dag*^'
gen nach Magendie’s Reohachtung kein Schmerzgefühl , se'’'j I
dem wie Jeder weiss Lichtempfindung, wie Leim Druck u*'‘
Schlag auf das Auge. In den Gehörnerven Bewirkt der w*®' |
chanische Eindruck, wie das Zittern der scBallleitenden
dien und die mechaniscBe Erschütterung des Kopfes iind Ob*’
Beim langen Fahren Tonempfindung, dagegen scheint dies*** |
Nerve kein Schmerzgefühl zu hahen.
Ehen so wenn man einen Muskelnervcn mit der Nadel zci’i'
sticht, cpietscht, anzieht und dehnt, erfolgt jedesmal Zusamnie“'
Ziehung des Muskels, und zwar so heftig, als irgend ein gaW**'
nischcr oder electrischer Reiz Muscularcontraction Bewirken kau’''
Der mit den Muskeln zusammenhängende Theil des Nerven b"'
hält diese Kraft, so sehr man ihn auch verkürzt; dagegen erb’''
aen niemals Zuekuncen, wenn man das andere Ende der dui’c''
sclmittcncn Nerven, welclies mit dem Rückenmark und
zusarnmenBängt, mecBanisch irritirt.
Die Rewegungen, welche von den vonCercBral- undSpi"”'
nerven versehenen Muskeln aBhängen, sind auf den mechunlscbe''
Reiz dieser Muskeln oder ihrer Nerven nur Bloss Zuckungen, *
so lange dauern, als der Reiz dauert, in den Äliiskcln dageg*’'''
welche vonv Nervus symjiallilcus aBhängen, wie am Magen, Da’’’''
Uterus, Ductus cBoledochus, Ureter, flarnhlase, sind die Be''*'
gungen, die auf mechanischen Reiz der Muskelfasern crfoli^’”’’
keine Zuckungen, sondern anhaltend, und dauern sehr viel b’’*,
ger als der Reiz dauert. Das Herz reagirt auch viel länger ‘ |^
der Reiz dauert, und der Rythmus der Schläge verändert
auf lange Zeit, wenn man das Herz nur vorüBergehend nicc
nisch reizt. Es ist daher eine empirisch festgestellte Eigeuscb*’^
der dem N. sympathicus unterworfenen Muskeln, dass die
action viel länger als der Reiz dauert, während in den am»“'
sehen Muskeln die Rcaction grade so lauge als der Reiz dauc*
und oft schon aufhöi't, wenn der Reiz noch anhält.
Wenn mechanische Reize sehr lieftig wirken, so Bass
zarte Substanz der Pi-irnitivfascrn leidet, so wird die b »Big
der Nerven, Empfindungen zu erregen, tladurch aufgehoben,
Bald die leidende Stelle zwischen dem Gehirn und dem Rm?
auch wird ein Muskelnerve unfähig diii-cli jede Art 'on
Rewegen zu veranlassen, sobald der Nerve zwischen der Stelle
Reizung und dem Muskel gedrückt, gequetscht wird, »»4
eben so gut, als ob der Nerve durchschnitten werde. Die
hnzbarkeil d. Nerven. Merhan. Reize. Temperaiur. Chem, Reize. 595
P^'iidungskraft des Nerven ivird dalicr dnrcli jede mechanische
^erslörung des Nerven zwisclicn Gehirn und Reizung, die motori-
durch jede mechanische ZersLörnng zvsdschcn Reizung und
Jtuskel unterhrochen. Allein die mechanische Zerslörung durch
l^i'iick Ivdnnt nur örtlich die Kraft der Nerven, und ein Nei've
‘'’t Kmplindung noch an jeder andern Stelle zwisclicn der Quet-
*<^knng und Gehirn, und erregt Bewegungen hei Reizung jeder
ijödern Stelle des Nerven zwischen der Quetschung und dem
^^Uskel. Wenn man aber einen Muskelnerven in seiner ganzen
^'öige ausdehnt, so verliert dieser Nerve oft seine Reizbarkeit in
feiner ganzen Länge, und seihst der Muskel hat zuweilen seine
^'»ilractioiiskraft auf jede Art der Reize verloren.
2. Temperatur.
Die Wärme und die Kälte erregen auch Empfindungen und
"^öscularcontractionen.
, Wenn man einen ATuskclncrven oder den Muskel seihst
j^ennt, so erfolgen Contractionen desselben; diese sind ausseror-
j^ätlich heftig, wenn man den Nerven durch die Flamme eines
^'clites brennt, dicss habe ich sowohl hei Fröschen als Kanin-
K}en gesehen ; kleine Wärmegrade, wie z. B. ein erwärmtes Stück
I ‘Sen, wirken auf die Muskelncrven nicht so heftig, dass Muscu-
“‘'contraction erfolgt.
Dass die Kälte eben so wirkt, zeigt' bereits die ältere Beoh-
''“^‘tung, dass sogleich heftige Contractionen in einem Rluskel
'■f^elgen , wenn man kaltes Wasser in die Arterie des Muskels
^‘“spritzt; auch kaltes Wasser auf die Oberfläche eines Mus-
^®ls gegossen, erregt Contraction. Von dieser Wirkung hat man
?''ch bereits Anwendung in der practisclicn Medizin gemacht,
man hei Atonie des Uterus und Gcbärmutterblutflüssen
der Geburt kaltes Wasser in die Gcfässc der noch anhän-
^‘‘‘‘den Placeuta einspritzt. So erfolgen auch consensuelle Zu-
^^‘•itnenzlclmngcu der Iris, wenn man kaltes Wasser in die Nase
^‘‘lüift. Grosse Kälte- und Wärmegrade zerstören übrigens,
sie schnell oder allrnählig wirken, die Nervenkraft, und
w erfolgt Tod oder Scheintod. Sehr allmählige Zunahme der
und Kälte kann die Reizbarkeit latent machen, so dass
cy“iterschlaf und Sommerschlaf bei gewissen Thieren erfolgt,
oben p. 85.
^ Die rein örtliche Zerstörung der Nervenkraft durch Kälte
Wärme wirkt, wie die rein örtliche Zerstörung derselben,
mechanische Ursachen. Ein überaus heftiger Grad von
“stUcbei- Kälte zerstört, eben so wie die Hitze, die Empfin-
4.11*'^* ~ und Bewegungskraft in den entsprechenden Theileti.
alle andere' Stellen der Nerven behalten ihre Reizbar-
^ > und der am Ende verbrannte Muskelnerve bewirkt
ly[ y^^öngen, wenn er zwischen der verbrannten Stelle und dem
cl( gereizt wird, wie ich mich an Fröschen und Kanin-
“ überzeugte.
Chemische Reize.
‘^Ile chemischen Reize wirken auf die Empfindungskraft der
596 III. Buch. Neri>enphysik. I. Ahschn. Eigenschaften d. A'.
lange diese nocli mit dem Gehirn und Rückenrna
arK
ili
Nerven, so
unversehrt in Verliindung stellen. Die Alkalien bewirken aiic
Zuckungen, wenn sie auf die Nerven applicirt werden; viele <*'*'
dere Reagentien, besonders die Sauren und die Metallsalze, 1’®'
wirken dagegen, auf die Nerven applicirt, keine Spur einer Zu '
kung, sondern nur dann, wenn sic auf die Muskeln selbst ang®
wandt werden, so z. B. die mineralischen Säuren, Schw efelsäui
Salpetersäure, Salzsäure, Sublimat, salzsaures Antirnonium,
Alcohol. Alle diese Mittel zerstören sogleich im concentrirl
Zustande die Kräfte der Nerven, und machen sie unfähig
anderen Reizen irritirt zu werden, hinter der Stelle, wo ‘
Berührung mit den Reagentien statt findet ; dagegen beb® ^
ten die Nerven ihre motorische Krall zwischen der cheniisc*' ^
Zerstörung und dem Muskel. Alle die mihdI »erst®
ren auch das MuskeKIeisch ,
Contactes Zuckungen, die be....
die ich aber doch einigemal bei Kaninchen beobachtet ha^j
Dagegen bewirken Alkalien oft die heftigsten Zuckungen , sob®
sie auf die Nerven applicirt werden, oft viel heftigere als
Galvanismus eines einfachen Plattenpaars. Bei der Appllcat'
von Kali causticum auf einen Nerven sah ich wie v. Humboldt *
heftigsten, anhaltenden Zuckungen in allen Muskeln entsteh®";
genannten Mittel zei’*' .
bew'irken aber im Moment
beim Alcohol am schwächsten si®
A. V. Humboldt
l,a‘
die von diesem Nerven Aeste erhalten. ü. ,. ijui-iovr,.*..
das Zittern 40 — 50 Secunden beobachtet. Derselbe beobacld®^
auch, dass die Zuckungen erfolgen, wenn vorher um den 1^®^^
ven eine oder mehrere Ligaturen gelegt wor den. A. von
boldt Versuche über die gereizte Muskel- und Nervenfaser.
1797. II. Bd. p. 363. Hier geschah die Fortleitung des Al®®^^,
durch die Ligaturen. Durch die Säuren sah Humboldt
Zuckungen entstehen; die einzigen Substanzen, w’elche aut
nr 1, tj Zuckungen erregen, s'“'*
salzsaure Schwererde,
Nerven applicirt nach Humboldt Zuckungen erregen, sind K
^ - . ht''
Natron, Ammonium, (Opium?), salzsaure Schwererde, o-v 7)
ter Arsenik, Breebweinstein , (Alcohol, oxygenirte Salzsäi»®^',,
Von beiden letzteren habe ich keine Zuckungen gesehen,
sie auf den Nerven allein applicirt wurden , auch nicht
Opium, wenn es rein, als wässrige Auflösung, applicirt
A. v. Humboldt hat die Tinctur angewandt, bei welcher ' ,
leicht der Weingeist wirkte , obgleich auch in einem
suche von mir Opiumtinctur unwirksam war. Auch durch j
Blut bewii'ken reizende Mittel Nervenreizung. Man weiss,
Brechmittel, ins Blut eingespritzt, eben so wirken, wie we>'*"
in den Darmkanal gelangen; so erregen Brechweinstein und *® ,
saure Schwererde bloss in Wunden gestrichen, Erbrec%^
Scheel nordisches Archiv 2. St. 1. p. 137. ^Magesdie sur le ‘'®
sement. p. 16. 30. Bbodie philos. transaet. 1812. rf'ti®''
4. Eleetrische Beize {nach J. Muellek in dem encyclop.
terb. der medie. Wissenschaften). . gp,
Die Electricifät bewirkt in den Nerven dieselben
wie die mechanischen und chemischen Reize. Durch
Zerrung der Nerven erhält man die Empfindung eines Schlages if
2. Beizlarkeit der Nerven. Electrische Reite.
597
-Nerven, wie man beim Anstosseii an den K. iilnaris erfährt; das-
fühlt man hei einer electrischen Entladung durch einen
J'Crvcn. Man darf diese Empfindung nur als Gefühl betrachten,
nicht die Ursache, die Electricit'ät, mit der Reaction des
'erven verwechseln. Die Empfindung des Schlags ist nicht
"hß Action der Electricität, sondein die Action des Nerven, vvel-
®her hei jeder heftigen Veränderung in dem Zustand seiner klein-
Theile diese Empfindung hat, mag diese nun durch thierische
^6ize oder durch mechanische Einflüsse, oder durch Electricität
jJ'zeugt seyn. Die Entdeckung der galvanischen Electricität im
ähre 1790 hat Gelegenheit gegeben, durch Application des ele-
^^h'ischen Reizes auf einzelne Nerven die Reizbarkeit derselben
zu prüfen , obgleich man in diesem wichtigen Agens nicht
den Nerven ähnlich wirkendes Fluidum, sondern nur einen
'*®äen Reiz zu der Zahl der bekannten Reize der Nerven kennen
§elernt hat. Heterogene Metalle und viele andere heterogene,
*®lljst thierische Substanzen gerathen bei der Rerührung in ele-
ktrische Spannung, die, wenn eine Leitung durch einen leitungs-
'®bigen Körper zAvlschen den beiden Electromotoren statt findet,
h. wenn die Kette geschlossen wird, sich ausgleicht und die
Scwöhnlichen , der Electricität eigenen Erscheinungen bewirkt,
Y®nn sich ein Reagens für die Electricität in der kettenartigen
^i'bindung findet. Wird ein Froschschenkel oder irgend ein
'"'(lerer muskulöser Tbeil eines Frosches oder frisch getödteten
?"deren Thieres von dem Rumpfe abgelöst, die Muskeln von den
^"Utigen Theilen befreit und der Nerve frei herauspräparirt, so
k^ss er durch seine Aeste mit den Muskeln noch organisch zusammen-
^^"gt, der so präparirte Schenkel auf eine isolirende Glasplatte
^’^^®gt und zwei heterogene Mctallplatten, z. B. Zink und Kupfer,
k"ter sich und zugleich mit dem Muskel und Nerven in Berüh-
gebracht, so erfolgt im Moment der Schliessung, oft auch
der Trennung dieser Kette, eine Zuckung des Muskels. Diese
. ‘olgt auch, wenn beide Metalle unter sich in Contact stehend
I Nerven zugleich berühren, oder wenn beide den Muskel al-
y'" berühren. Auf diese Art angestelll , gelingt der galvanische
^."^such jedesmal. Viele andere Modificationen desselben unter
^'."fächeren Bedingungen, deren Kenntniss wir den grossen Ver-
^'"östen Aldiki’s, PfatEs, Ritter’s, vor Allen Alex, von Hum-
j?k',DT’s verdanken, gelingen aber nur bei grosser Reizbarkeit der
^'"sclie vor der Begattungszeit, in der kältern Jahreszeit nach
nicht im Sommer, wohl aber nach meinen
."bachtungen wieder im Herbst, wenn die Witterung wieder
zu werden beginnt. Diese einfacheren Versuche sind ge-
tL ? für die Theorie der Erscheinungen die wichtigsten. Es
folgende:
Pp- Versuche ohne Ketten. Bei einer grossen Reizbarkeit der
cp nach Alex, von Humboldt’s Entdeckung hinrei-
zwei heterogene oder selbst zwei homogene Metall-
sich berühren, von denen eines allein den Nerven berührt,
■"’o heine Kette gebildet wird; ja es erfolgen in
®nen Fällen bei einer sehr grossen Reizbarkeit des Frosch-
598 III. Buch. IServeiiphysih. I.Ahschn. Bigenacliaficn d.]\. im
sclienkels selbst Znckungen, ivcnn bloss der Nerve mit einer’’
einzigen liomogenen Metall bcrübrt wird — ein Fall, der zaV«""
ungemein selten sich ereignet, den icb aber selbst schon beob-
achtet habe. Pfaff (Gkhi.er’s phjsikal. Wörterhuch. IV. 2. /5. 709-)
sab bei sehr reizbaren Individuen Zuckungen, wenn er bloss rnd
dem abgesebnittenen Endo des Nerven die Oberfläche von Qncck'
silber berührte. Icb sab das Phänomen mehrmals, wenn ich tnd
der Spitze einer Scbecrc, die icb in der Hand hielt, oder i’“*'
einer Zinkplalte, die also an beiden Enden verschieden erwar’J’*'
waren, den Nerven berührte. Man kann diesen Erfolg tbo;'^
durch die Annahme eines geringen chemischen Unterschiedes
dem scheinbar homogenen Metalle, tbeils durch die Annaln”®
Erfolg hctci'O'
eines Wärmeuntersebiedes in demselben auf den
gener Metalle rcduciren, da es nach den neueren Entdeckung;’’''
jerin-!'
bekannt ist, dass selbst ein homogenes Metall durch die
sten chemischen Unterschiede, oder durch verschiedene Erwi’’'
mung an seinen Enden in electrischc Spannung geräth. Li'ss’
man den Nerven auf ein Metall hcrabfallen, so erleichtert dief
die clectrische Erregung, vielleicht mehr durch die SchnclligkP>|
der Mittheilung als durch die Erschütterung. Die letztere ’’
obnebln nicht die Ursache der Erscheinung, da das Herabfah*”'
des Nerven auf Glas und Stein ohne Erfolg ist, wie die
che von Humboldt, Ritter und Pfaff lehren.
2) Versuche mit kettenartiger Verlindung. Auch die Versuci'®
mit der Rette sind hei sehr grosser Reizbarkeit bedeutend®’
Vereinfachung fähig, wobei jedoch bemerkt werden muss, d»-'*
diese einfachen Versuche nur in kälterer Jahreszeit, Winter, Frid’j
ling und Herbst, gelingen. So erfolgen in seltenen Fällen, '"''j
TOTT Humboldt entdeckt liat, Zuckungen, wenn die Glieder d®*
Rette bloss tbicrische Theile sind, oder wenn sic thlerlscbc Tb®’ ^
und ein einfaches Metall sind, indem die heterogenen Meüd®'
durch heterogene tbierische Theile ersetzt werden.
a. Indem ein einziges Metall und Nerve und Muskel des Fros®'''
Schenkels die Rette bilden. Dieser Fall ist mir im Frühling vor dj’’
Begattungszcit der Frösche und im Spätherbst sehr oft und Ic’®]’
gelungen. Legte ich den Nerven des Schenkels auf eine ZÜ»'’'
platte und verband Nerven und Schcnkelmuskeln tlurch cb’j'J
diese Zinkplattc, indem ich die Zinkplattc den Schenkelmiisk® '
näherte, so entstand oft eine Zuckung. Nocli leichter gelang d’”'
ser Versuch, wenn die Zinkplatte, worauf der Nerve des Seb®”'
kels lag und der Muskel dui'ch ein Stück von einem Frosch
bunden wurden; oder man nimmt in eine Hand eine Zinkpbd /
berührt mit dieser den Nerven und, indem man mit seine”’ ’’’
genen Rörper die Rette schlicsst, mit der andern Hand d®
Froschschenkel.
h. Indem der Schenkelnerv'e und seine Schcnkelmuskeln ^
telst feuchter thlerischer Theile verbunden werden. Bei sej^^
reizbaren Froschschenkeln kann man Zuckungen erregen,
man zwischen dem herauspräparirten Nerven und seinem .jjf
ein getrenntes Stück Aluskelfleich, das an einem isolirenden
von Siegellack befestigt ist, einschiebt und beide berührt, ’
2. Reizbarkeit der Nerven. EJectrische Rehe.
599
^lex, von HtTMBOLDT entdeckte und icli melirmals wieder sah.
^ofnplicirter ist der von mir angestellte Versuch, dass man zwl-
dem Nerven des präparirten Fi Oschschenkels und dem Un-
terschenkel die Rette schliesst mittelst holder Hände durch sei-
‘‘eu eigenen Körper, oder durch einen oder zwei lebende Frö-
*ehe, oder durch einen oder zwei todte Frösche, oder durch
htucls.e eines Frosches. Stücke von einem todten faulenden Frosch
*ind seihst zur Schliessung der Kette hei hinreichender Reizhar-
r'iit hinreichend; man erlangt denselben Erfolg, wenn man, wie
l'ih that, den Schenkelnerven, der am Unterschenkel heraushängt,
^ ein Schälchen mit Blut oder Wasser (gleichviel) legt, und das
•Nasser und die Oherschenkelmuskeln mit einem Stück frischen
®der faulen Muskelllcisches verbindet.
c. Auch wenn nicht die Muskeln des Froschschenkels, son-
'*®J’n nur ihr Nerve sich in der Kette befindet, kann durch ei-
blossen thierischen Bogen Zuckung bewirkt werden, wie von
tlUMnoLDT zeigte. Er berührte den Cruralnerven (N. ischladicus)
^^it seiner einen Hand und mit einem Stückchen Muskelfleisch,
^^elches er in der andern Hand hielt, denselben Nerven, worauf
^Uckung entstand. Wurde statt des Muskelfleisches ein Stück
^ifenbein genommen, so blieben die Zuckungen aus.
d. In den scUcnsteii Fällen erfolgen selbst kleine Zuckungen,
^aun der Nerve gegen den organisch mit ihm verbundenen Mus-
Umgebogen und der letzte mit dem Nerven berührt wird.
, Die ersten Phänomene dieser Art hat von Humboldt gese-
A. VON Humboldt zog einem broscli die Haut ab und prä—
I*®rlrte ihn so, dass der Rumpf mit den Schenkeln nur durch die
^'Üblössten ischiadischen Nerven zusammenhing. Es entstanden
^®ftige Zuckungen, als er das Muskelfleisch der Lende leise ge-
den ischiadischen Nerven zurückbeugte. ( Ueber die gereizte
und Nervenfaser. I. 32.) Um diesen Versuch richtig zu
j'®*'stehcn, muss man wissen, dass von Humboldt unter Frosch-
?*'den immer das Schcnkelflcisch, unter ischiadnerv die Stämme
Nerven für die unteren Ertremitäten über dem Becken, un-
Cruralnerven dagegen den Ilauptnerven für die untern Ex-
‘'eiuitäten (N. ischiadicus) am Schenkel seiht versteht. (Am an-
^[^•'uhrten Ort p. 35. Note.) A. von Humboldt’s Versuch bestand
p?,'* darin, dass er zwischen dem Becken und dem Ende des
^^ckenmarks alle Theile ausser den Nerven wegnahm, so dass
Rumpf mit den untern Extremitäten nur durch die Stämme
Nerven für dieselben zusammenhing, und dass von Humboldt
das Muskelfleisch des Schenkels gegen jene Stämme der Ner-
■jl'^' uach vorwärts umbeugte. Schon Volta hatte bei einem
^‘**lichen Vei'such von Galvani eingeworfen, dass die erfolgende
^'''^kung IjIoss von der Zerrung des Nerven abhänge, also nicht
die galvanischen Phänomene gehöre. Nach meiner Beob-
p ^bing ist diess auch in diesem HuMBOLDT’schen Versuche der
g®!'- die Zuckung erfolgte öfters schon lange, ehe der entblösste
(lg ''^'}kel die Stämme der Spinalnerv'cn berührte. Diese Zerrung
Nerven ist auch nicht wohl zu vermeiden, da der N. ischia-
'^**5 sich um den lilntern Theil des untern Beckenendes herum-
Physiologie. 39
600 III. Buch, Nervenphysik. I. Abschti. Eigenschaften d. N. im Altern.
sclilägt, um zum Sclienkel zu gelangen. Der Nerve wird, beii»
ümbeugen des Sebenkels nacb vorn gegen den Rumpf, an die-
ser SteHe gezerrt oder gedehnt; bei der Zerrung oder Dehnung
eines Nerven erfolgen aber immer Zuekungen. Derselbe Eu'"
Wurf trifft den von Gat.vavi nngestellten Versneb, wo, wenn ein
Froseb abgezogen, ausgeueidet und so präparirt wurde, dass _be>
fast ganz weggesebnittenem untern Theile des Rüekgraths (Steiss-
bein) die Schenkel nur durch die genannten Nervenstämme nid
dem Rumpfe zusammenliingen , heftige Zuckungen am ganzen
Froseb entstanden, sobald die Wadenmuskeln des Frosches g®'
gen die Schultern zurückgcboigen Avurden. ln diesem Fall Avurd®
das ganze Rückenmark gezerrt; indessen lässt sich der Versucn
doch auch so anstcllen, dass diese EinAvürfe av egfallen. Nie avoIH®
es ZAvar a’on Humboldt gelingen, Zuckungen zu erhalten, Aveno
er nach Abtrennung des Nerven Amm Rumpfe den Schenkel
gen den NerA-en und diesen gegen jenen bog; auch sah er kein®
Zuckungen, wenn er ohne die Muskeln zu berühren, mit einem
abgeschnittenen Neiwenstück einen Bogen bildend, den Nerve’*
des Muskels an zwei Punkten berührte. Dagegen ist dieser voV'
letzte Versuch Pfaff sehr häufig gelungen, besonders Avenn
Schcnkclncrve in einer etwas grossem Strecke mit der Haut de’
Schenkels, nicht aber, Avenn er mit den Muskeln unmittelbar "*
Berührung gebracht Avurcle. Gerade auf diese Art ist der Vet'
such auch mir gelungen. Ich bewirkte (ira Frühling, A-or dm
Begattung der Frösche) an einem blossen Üuterscbenkel mit hm'
aushängendem Stamm der Schenkelnerven Zuckungen, indem i® ^
den Nerven mit einem isolirenden Stäbchen dem TJnterschenk®
näherte und mit dem Nerven die nasse Oberhaut dos UnterscheU'
kels berührte; auch erfolgte eine Zuckung, als ich den Nerv®”
vom Unterschenkel Avieder abzog {Physiologie I. p. 68.). ln di®'
sein Fall bestand die Kette aus heterogenen Substanzen, nä*”'
lieh aus Nerve, Muskel und Haut. Zwei von diesen kann roä”
als Electromotorcn, den dritten als Leiter betrachten. Es epl'
steht ein clectrischer Strom und die Nervenkraft des Nerven ’’
das Reagens oder das Electrometcr, indem sie in Folge des c'®'
etriseben Stromes gereizt Zuckung erregt. Wird dagegen d®’
Nerve des Schenkels einfach gegen den von der Haut cntblösst®’'
Muskel umgebogen, so sind nur zivci Substanzen A'orhanden, tv”'
von die eine die andere an zwei Stellen berührt, aber die k®*'
tenartige Verbindung zwischen beiden Substanzen durch ®’”' ^
dritten Körper fehlt. Als allgemeine Bedingung zu Entsteboi’n
von Zuckungen aus galvanischen Ursachen kann man folg®” j
ansehen. Zur Erregung von Zuckungen bei der Kette sind d®
Substanzen nöthig, zwei Electromotorcn und ein Leiter, der
kettenartig verbindet. Diese Electromotorcn können auch b®^
lebte und unbelebte thierische heterogene Theile seyn ,
und Muskel , ^ Muskel und Haut u. s. w. Leiter iann ^
ein dritter thierischer Theil seyn, der mit einem der tbierisch®^
Electromotoren homogen seyn kann; ein Stück eines Nerven
die organisch verbundenen Muskeln und Nerven bilden
eine Kette, aber die organisch verbundenen Muskeln und Ner®
2. Reizbarkeit der Nerven. Electrische Reize.
601
allein sind ohne einen dritten ihnen homogenen oder heteroge-
Körper nicht zur Kette Innreichend. Ein Nerve gegen den
^luskel umgehogen, giebt keine Zuckung, wohl aber, wenn er
'‘*>er die noch vorliandene äussere Haut umgehogen wird; steht
äher der dritte Körper mit dem Muskel und Nerven, wenn gleich
^ißem von beiden homogen, nicht in organischer Verbindung,
*st er vielmehr ein getrenntes Stück, so kann er als Glied der
^ette wirken, wie z. B. Zuckungen entstehen, wenn man durch
*^611 Bogen von einem ahgetrenn'tcn Nervenstück, oder durch ei-
*>60 Bogen von einem Stück MuskeKlcisch, die organisch verbun-
denen Muskel und Nerven ztiglcich berührt.
Sind die Electromotoren blosse Metalle, so sind die orga-
''isch verbundenen Nerve und Muskel Leiter und Electrometer
Ungleich; Leiter, weil Nerve und Muskel nass sind, Electrometer,
"'eil die Nervenkraft in Folge des Reizes des electrischen Flui-
dums Zuckung erregt. Sie sind hier auf gleiche Art das Electro-
*"etcr, wie unter ähnlichen Umständen ein nicht thierisches
Electrometer, z. B. ein. magnetischer Multiplicator. Es können aber
die Electromotoren auch thierische Theile seihst seyn. So können
die organisch v'erhundenen Nerve und Muskel als heterogene Sub—
®lunzen so gut wie zwei heterogene todte thierische Theile Electro-
"lotoren seyn; insofern sie aber lebend sind, sind sie auch zugleich
diis Electrometer durch die Reizung der Nervenkraft in Folge der
^iectromotorischen Erregung.
Bei den Zuckungen, die ohne Kette durch blosse Applica-
tion von einem zweier heterogener sich berührender Metalle,
"der durch Application eines einzigen Metalles auf den Nerven ■
"utstehen , muss man den Nerven als blosses Electrornetei he—
ti'achten, das die in den heterogenen Metallen oder selbst in ei-
"eui homogenen Metall (durch Thermoelectricität) entstandene
"^ectrische Spannung anzeigt.
Nachdem nun die allgemeinen und einfachsten Bedingungen,
"uter welchen durch Galvanismus Muskelcontractionen entstehen,
"Useinandergesetzt worden, muss jetzt von dem Verhalten der
d'ierischen Theile bei der Schliessung, Oeffnung und während
des Geschlosscnseyns der Kette gehandelt werden. Wird das po-
sitive Metall als Nervenarmatur , das negative als Muskelarmatur
^®öutzt, so erfolgen die Zuckungen meist im Augenblick der
^"tdiessung der Kette, aber keine oder wenigstens weit schwä-
"nere bei der Trennung derselben. So verhält es. sich auch,
'""nn das positive Metall mit dem Centralende des Nerven, das
“"gative Metall mit einem den Muskeln nähern Theile des Ner-
'^on verbunden wird. Indessen giebt es rnannichfuche Zustände
pi' Erregung, in welchen diese Erscheinungen Abänderungen er-
*"*den; im ersten, wenn die thierischen Theile noch den höch-
sten Grad der Erregbarkeit besitzen, erfolgt die Schliessungszuk-
""g bei der negativen Bewaffnung des Nerven, und nur diese
^ *ßin, die Trennnngszuckung dagegen bei der positiven Bewaff-
|?"g des Nerven; jm zweiten Zustande der Erregbarkeit, der
Itnählig ans dem ersten sich entwickelt und in Verlurt der Er-
"gharkeit zuletzt endigt, erregt die negative Bewaffnung des
39 *
602 III. Buch, Nervenphysik. I.Ahschn. Eigenschaften d.N, im Allgem.
Nerven oder des Centraleiules des Nerven die Trennungsznekung,
die positive Bewaffnung die Scliliessungszuckungj die Mittelstufe
sey die, wo Trennungs- und Schliessungszuckung bei jeder Be-
waffnung des Nerven gleieh ist. Nach Pfaff’s Untersuchungen
hängt das Verhalten indess sehr von den vorher schon angestell-
ten Versuchen ab; bleibt z. B. die Kette ]>ei negativer Bewaff-
nung des Nerven eine Zeitlang geschlossen, so kehrt sich das
Verhältniss nicht um. G-ehler’s Physik. Wörterb. IV. P. II. p-
721. Ueber diesen Gegenstand haben in neuerer Zeit wieder
Marianini und Nobili Untersuchungen angestellt. Der von Rit-
ter angenommene Gegensatz der I'lexoren und Extensoren in
Hinsicht der Empfänglichkeit für den galvanischen Reiz hat sich
nicht bestätigt.
In der geschlossenen Rette halten sich die Muskeln ruhigf
und es wird nur ihre Erregbarkeit verändert. Nach Pfaff’s Er-
fahrung wirken die geschlossenen Ketten nach Verschiedenheit
der Vertheilung der Metalle an die Muskeln und Nerven entwe-
der deprimirend oder exaltirend. Befindet sich ein Froschpräpa-
rat in einer Kette, worin das positive Metall (Zink) die Nerven-
armatnr bildet, so vermindert sich die Reizbarkeit schneller als
an einem andern Froschschenkel ausser der Kette, und nach
Pfaff kann man meist selbst die kräftigste Reizbarkeit durch
Verweilen des Froschschenkels binnen einer Viertelstunde in ei-
ner solchen Kette so weit vermindern, dass er auf die stärksten
Reize nicht mehr reagirt. Ganz anders soll die Kette ivirken?
wenn das negative Metall, Rupfer, an dem Nerven applicirt war;
nach einiger Zeit soll nun der höchste Grad der Reizbarkeit ein-
getreten seyn, so dass im Augenblick der Oeffnung die Muskeln
zuweilen in den stärksten Tetanus gerathen.
Dass die Nerven bei der Erregung durch galvanisches Flui-
dum keine blossen Leiter der Electricität sind, geht daraus her-
vor, dass, wenn man die beiden Armaturen an dem Nerven selbst
applicirt, und also einen queren galvanischen Strom durch dir
Dicke des Nerven verursacht, der^Nerve zwar die Zuckung be-
wirkt, dass aber ein gequetschter oder unterbundener Nerve»
über der verletzten Stelle armirt, nicht mehr durph die ver-
letzte Stelle hindurch wirkt. Man sieht also, dass ein gequetsch-
ter oder durch einen nassen Faden unterbundener Nerve kein
Leiter des wirksamen Princips der Nerven mehr ist. Dennoch
ist er aber noch ein eben so guter Electricitätsleiter, wie vor-
her; denn wird der Nerve über und unter der Ligatur armirt»
so geht der electrische Strom durch die Unterbindungsstellß
durch, und das Nervenprincip in dem zwischen Ligatur und Mus-
kel befindlichen Nervenstück bewirkt nun die Zuckung, weil es
von dem electrischen Strome angeregt wird, oder sich in der
Kette befindet. Ein merkwürdiger Umstand ist der von Hum-
boldt beobachtete, dass, wenn man durch Armirung eines Mus-
kels und seines vorher unterbundenen Nervens über der Unter-
bindungsstelle Zuckungen erregen will, von der Unterbindungs-
stelle des Nerven bis zu seinem Eintritt in den Muskel durchaus
noch ein Stück freiliegenden Nervens seyn muss. Denn unter-
2. Reizbarkeit der i^ernert. Eleclrische Reize. 603
l^indet man den Nerven gleicl» bei seinem Eintritt in den Mus-
und armirtiden Muskel und Nerven über der Unterbindung,
erfolgt keine' Zuckung. Diese letztere erfolgt aber, wenn man
^®n Nerven ietzt eine Strecke aus dem Muskel berauspräparirt;
*'uch hört die Zuckung auf, wenn zwischen Unterbindung und
‘Hushcl zwar ein Stück Nerve frei liegt, dieses Stück aber mit
‘'luskelfleisch, nassem Schwamm oder Metall umgehen wird. Es
scheint also, dass in diesem Falle der Ners-e zwischen der Unter-
bindung und dem Muskel isolirt seyu muss.
Die Zuckungen sind bei allen Froschschenkelversuchen um
?n starker, je länger das zu einem Muskel hingehende Nervenslück
ist. Pfaff. Die tVirkungen erfolgen ferner immer in der Rich-
inng der Verzweigungen der Nerven, und man kann durch einen
'Nerven, welcher allein armirt wird, mit der einfachen Rette
beine Zuckungen in Muskeln erregen, welche höher A'om Stamme
•ies Nerven ab Aeste erhalten. Dagegen zucken bei der Armi-
*'Ung eines Nervenstammes immer alle Muskeln, welche von dem
Stamme aus nach abwärts Zweige erhalten. Bei der Armirung
®ines Stammes armirt man nothwendig alle schon in ihm vorge-
bildeten Fasern, die in die Zweige übergehen. Da die in dem
Stamm enthaltenen Primitivfasern seiner Zweige in dem Stamme
"jeht anastomosiren, so kann die Reizung eines Zweiges auch
*bcht auf die höher abgehenden Muskelzweige zurückwirken,
yielleicht hängt indess dle^AVirkung der Nerven in der Richtung
*brer Verzweigung auch davon ab, dass die Muskelnerven das
^ervenprincip ' oder die Bewegung desselben bloss in der centri-
bigalen Richtung forlpflanzcn. Die Stärke der Zuckung eines
bluskels hängt übrigens immer davon ab, wie viele Nervenfasern
‘desselben in der Rette liegen; daher ist die Zuckung am gering-
sten, wenn bloss der Muskel in der Rette liegt, und es zuckt
'lann auch nur derjenige Theil des Muskels, dessen Nervenzweige
Strome ausgesetzt sind.
Jede Veränderung in der Statik des eleclrischen Fluidums
“"^Heint übrigens Ursache zur Erregung des Princlps der Nerven
werden. Denn nach MARtANiNi lässt sich nicht allein dimch
^effnung und Schliessung der Rette Zuckung erregen, sondern
‘‘öch durch partielle Ablenkung des Stromes aus dem Frosch-
*'=lienkel, und nach Ermaw entstehen bei geschlossener Rette
Contractlonen, wenn der Nerve so gegen sich zurückgebo-
wird, dass er sich in neuen Punkten seiner contmuirlichen
trecke berührt.
Bei dem Absterhen der Erregbarkeit in den vom Ganzen ge-
'^‘■ennten Thcllen haben Ritter u. A. beobachtet, dass dieses Ab-
!terben nicht an allen Stellen der Nerven zugleich, sondern vom
Birnende nach dem peripherischen Ende erfolgt.
, Einige von mir im Jahre 1831 gemachte Beobachtungen ha-
den galvanisclien Versuchen an Fröschen ein neues Feld er-
öffnet (Fbouiep’s Not. 646. 647.)- Es hat sieh nämlich hierdurch
dass es gewisse zu Muskeln hingehende Nerven gieht,
welche man vermittelst Armatur der Nerven selbst keine
’^ckungen in den Muskeln erregen kann. Hierher gehören die
604 111. Buch. Nernenphysik. I.Abschn. Eigenschaftend. N. im AUgem.
hinteren Wurzeln der Rückenmarksnerven, weldie für einen mas-
sigen galvanischen Reiz ganz unempfindlich ;siüd, wahrend die
vorderen Wurzeln derselben für den galvanischen Reiz eine aus-
serordcnlliche Empfindlichkeit besitzen, und ])ei unmittelbarer
Armatur derselben die heftigsten Zuckungen iler Muskeln ,
welchen diese Neiwen hingeben, bewirken. Bei diesen Versuchen
öffnet man das Rückgratb der Frösche in seiner unteren Hälfte,
legt das Rückenmark bloss, hebt eine der hinteren Wurzeln der
Nerven für die unteren Extremitäten mit einer Nadel sanft auf,
und schneidet sie mit einer feinen Scheere dicht am Rückenmark
all. Man legt dann die abgetrennte Wurzel auf ein ganz klei-
nes Glasplättchen zur Isolation, und ai-mirt das Ende dieser Wur-
zel mit einer Zink- und Kupferplätte, die man kettenartig ver-
bindet; es entstehen dann niemals Zuckungen, wohl aber, wenn
man denselben Versuch mit den vorderen Wurzeln macht. MaU
kann sogar eine kleine galvanische Säule auf das Ende der hin-
tern Wurzel wirken lassen, ohne dass Zuckungen entstehen. Na- i
türlicher Weise darf diese nicht zu stark seyn, wie in den ziem-
lich ungeschickt angestellten Versuchen von Seüdebt, sonst spring*
das galvanische Fluidum auf die vordere Wurzel, als einen feuch-
ten Leiter, über, mit welchem die hintere verbunden ist, und e*
können Zuckungen erfolgen. Ich habe auch gezeigt, dass unter
den 3 Zungenherven der INcrvus lingualis bei der blossen Arma-
tur des Nerven keine Zuckungen der Zunge bewirkt, während
dieser Versuch, an dem N. hypoglossus angestellt, jedesmal Zuk-
kungen bewirkt. Diese letzteren Versuche sind an Säugethieren
angestellt. Aus anderen Versuchen weiss man, dass diejenigen Ner-
ven, die hei der blossen Ai’matur derselben keine Zuckungen de^
Muskeln verursachen , Empfindungsnerven sind. Sonst \önnen
diese Nerven natürlich auch als feuchte thierisebe Theile Leiter
des galvanischen Fluidums wirken, wie jeder andere feuchte thie'
rische Tbcil. So zum Beispiel erfolgen Zuckungen, wenn ma**
einerseits den^ N. lingualis und andrerseits die Zunge armirt, odef
wenn man die Armatur auf die hintere Wiu’zel eines Rückeu-
marksnerven und auf die Muskeln anwendet, wobei der Nerve
bloss Conducton ist, und nicht als lebendiger Tbeil wirkt. S*
geht aus diesen Versuchen das merkwürdige Resultat hervor, dass
gewisse, mit Muskelnerven zusammenhängende Nei'ven hei der
vanischeh Erregung doch nicht durch das Nervenprincip auf dj«
Muskeln wirken, was man auf zweierlei Art erklären kann, wed
entweder bloss die motorischen Nerven die lebendi^m Fähigkei*
haben, die Muskeln zu erregen, oder weil vlelleicbt”die motori-
schen Nerven nur centrifugale Wirkungen des Nervenprincip*
nach den Muskeln, die sensibeln Nerven nur centripetnie Wir-
kungen gegen Gehirn und Rückenmark zulassen.
Was die Wirkung des Galvanismus auf die Sinnesorgane be-
trifft, so hat sich gezeigt, dass das electrische Fluidum in alle"
Sinnesorganen verschiedene Empfindungen hervorruft, und zwar
in jedem Sinnesorgane die diesem eigenthümliche specifische Em-
pfindung. Bekannt ist der eigenthümliche Geschmack bei der
Bewaffnung der Zunge. So entsteht, wenn Zink an die SpR*®
2. fieizbarkeit der hlectrlscke lit’lze.
605
•ler Zunge, Silber an den hintern Theil derselben applicirt wird,
ein säuerlicher Geschmack, welcher bei der Umkehrung der Me-
talle scharf oder laugenhal't erscheint. Diese Erscheinung lasst
sich selbst bei der Anwendung nur eines Metalles und eines
feuchten Erregers bewirken, wie in folgendem von Volta ange-
ääebenen Versuche.
Man fülle einen zinnernen Becher mit Seifen nasser, I\alk-
*uilch oder besser mit massig starker Lauge, fasse den Bcchei
•uit einer oder beiden Jländen, die man mit blossem \V asser
feucht gemacht hat, und bringe die Spitze der Zunge mit dei
Flüssigkeit in Berührung, so entsteht im Augenblicke des Coii-
tacts die Empfindung von einem säuern Geschmack (Gehler’s Phy-
sik. WUrterh. IV. 2. p. 736.).
Pfaff bemerkt hierbei, dass dieser Versuch zu lieweisen
Scheine, dass nicht die durch Zersetzung des Kochsalzes des Spei-
chels an dem positiven Metalle entbundene Säure, und das au
'lern negativen Pole freigewordeiie Alkali den Gescbinack bei den
galvanischen Versuchen verursache, ln der That hätte er in ge-
genwärtigem Versuche bei Berührung der Zunge durch eine lau-
genhafte ^Flüssigkeit unmöglich sauer seyn können. Ueberhaupt
"'ird dieser Geschmack vom Galvanismus wohl richtiger, wie al-
ler Geschmack, von der specifiseben Reaction der Geschmacks-
Nerven abgeleitet, so dass ein Geschmack nur ein suhjectiver Zu-
stand des Geschinacksnerven, nicht aber etwas Aeusseres ist.
Eitvenlhümliche Gerüche von Anwendung des Galvanismus
auf das Geruchsorgan sind bis fetzt noch wenig bemerkt w^or-^
^en- doch hat Bitter Gerüche beobachtet; auch weiss man, dass
'Ue'Reibungselectricität den Geruch von Phosphor liervorruft.
Fitter ßeUräge zur nähern Kcnnlniss des Galvanismus, p. 160.
ln dem Auge erregt dagegen der Galvanismus die specl-
Ische Empfindung des Sehnerven, die Lichtempfmdung , wenn
Nian nämlich einen leichten galvanischen Strom durch das Auge
leitet, vermittelst Application der beiden Metalle auf feuchte
|lieile, welche das Auge begränzen. Wie die Empfindungen von
im Au^c hervorgeruieu werden , haben Ritter und 1 uk-
eezeißt. "Es sind heutzutage die Zeiten nicht mehr, in wel-
N>»en man diese Lichterschciiuing im Auge als eine Entwickelung
'’on Lichtmaterie ansah. In diesem Fall müsste das hierbei ent-
N'ickelte Licht die Fähigkeit zu beleuchten haben, und man
Niüsste im Dunkeln dabei sehen können; dless ist aber nicht der
^Nll. Die Lichtempfmdung ist hier vielmehr die gewöhnliche
Feactlon des Sehuervens, welcher gegen alle Reize, mechanische
'NWohl als elcclrische, -Licht als einen Zustand seiner selbst em-
pfindet, der bloss subjectiv und die QÄldität der Empfindung ist,
gleichwie Wollust und Schmerz Qualitäten oder Zustände ande-
rer Nerven, nämlich der Gefühlsnerven sind, während der ^h-
“Nrve bloss der Empfindung von Licht und Farben, nach Ma-
nesdie aber nicht der Empfindung des Schmerzes fähig ist. Diese
^nsicht von der Natur jener Lichterscheinungen, welche nach
einflussreichen Versuchen von Purkinje über das subjectiye
‘^^hen, und nach unseren eigenen zahlreichen Erfahrungen in
{>06 llI.Buch. Neri>enphfsik. I.Abschn. Eigeiixchaflend.h.imAllgejn.
diesem Felde unausweichlicli ist, sehen wir auch ron Physikern
des ersten Ranges vorgetragen. So erklärt nämlich IPfaff die
erwähnte Erscheinung, indem: „überhaupt Reize von der ver-
schiedensten Art, namentlich mancherlei mechanische, die auf das
Auge einwirken, in dem Sehnerven die specifische Empfindung,
dnreh welche er reagirt, Lichterscheinungen unter mancherlei Ge"
stalten, als Blitze u. s. w., hervorbringen.“ Gleichwie die Electrici-
tät im Auge einen Zustand des Sehnerven als Lichtempfindung be-
wirkt, so bewirkt sie in dem Gehörnerven einen Zustand als Ton-
empfindung. Volta empfand, als sich seine Ohren in der K-ctt®
einer Säule von 40 Plattcnpaai-en befanden, im Augenblick der
Schliessung eine Erschütterung im Kopfe, und einige Augen-
blicke nachher ein Zischen und stossweises Geräusch, wie wenn
eine zähe Materie kochte, welches die ganze Zeit der Schlies-
sung der Kette fortdauerte. P/ulos. transact. 1800. p. 427. Rif'
TER empfand hei der Schliessung der Kette, wenn beide Ohren
sich d^rin befanden, einen Ton wie G der ' eingestrichenen Octavß
oder g; befand sich nur ein Ohr in der Kette, so war vom
positiven Pol aus der Ton tiefer als g, am negativen aber hö-
her. Ueber die Wirkungen der Electricität auf die Absonderun-
gen siehe oben p. 451.
11. Ueber die Vcr'inderung der Reizbarkeit durch die Reize.
Bisher haben wir bloss die Erseheinungen der Kräfte un-
tersucht, welche durch die Anwendung der Reize entstehen. Jet*t
werden wfir die Veränderungen der Kräfte selbst betrachten-
Alle reizenden Einflüsse, welche in den Kerven durch Verände-
rung der Materie Erscheinungen ihrer Kräfte hervoixufen, kön-
nen auch die Reizbarkeit seihst verändern. Bei jeder Reaction
findet ein Aufwand der vorhandenen Kräfte statt, insofern s*®
durch Veränderung der Materie bcwii'kt wird, je länger die Rei-
zung dauert, um so grösser ist diese Aferänderung. In dem gesun-
den Leben ist die Erregung nie so gross, dass durch gewaltsame
Veränderung der Materie die Fähigkeit zu Lebensäusserungen mn
eine empfindliche Art verletzt wird. Die Jieständige Wiederer-
zeugung, die Ausgleichung der materiellen Vcrändeningen durch
die während der Ernährung fortgesetzte Wiedererzeugung, gleicht
die täglichen Veränderungen aus. Wenn aber die Reizung stär-
ker wird, so reicht die Wiedererzeugung nicht so bald hin, nm
diesen Verlust zu ersetzen, und die Reizung kann so stark seyo,
dass sie die Summe der vorhandenen Kräfte erschöj>ft. Dies®
Verhältnisse, welche wir in der Ausübung der MuskelhcAvcgung,
Geschlechtstriebs, der Geistesfunctionen täglich kennen lernen, fin-
den auch bei der unmittelbaren Anwendung der Reize auf <li®
Nerven statt. Wenn man einen Nerven lange galvanisirt, so wer-
den die Reactionen immer schwächer und zuletzt Null , und es
bedarf einiger Zeit, che wieder Reaction erfolgt, wenn sich
Hell die Nervenkraft (durch den Contact mit dem Blut) wieder
erholt hat. Es ist eben so mit den Empfindungen. Je läng®®
man ein farbiges Bild ansieht, um so schmutziger wird es un
Reizlarkeit. d.^erven.
Veränderung dem. Alterantia nereina. 607
'verscliwlndet zuletzt ln Grau, je mehr die vom Lieht ge-
‘■eizte Stelle an Reaetionskraft verliert; diese Stelle sieht zuletzt
nicht mehr. In allen diesen Fällen wird die Reizbarkeit
«Urch die Reizung erschöpft, und nicht durch die eigenthümli-
ehe "Wirkung der Einflüsse. Die Reizhax’keit kann aber auch,
Brown nicht glaubte, was aber von der Theorie des Con-
*'|>stimulo besonders anerkannt worden ist, durch Einflüsse un-
^dtelbar ohne Reizung sogleich erschöpft werden; wenn eine
fenidartige Potenz sich unmittelbar auf Kosten der organischen
S'^mbinationen geltend macht und den Nerven mit der Nerven-
vernichtet. So wirkt die Electricität im höchsten Grade
Elfccts im Blitz, eben so der Druck, die Zerquetschung des
^arven und seiner Primitivfasern, ferner die Behandlung der
’acven mit chemischen Agenlien, welche die organische Comlxl-
^'ation des Nerven aufheben, und zersetzen, wie die minerali-
**-lien Säuren, die Metallsalze, Alcohol im concentrirten Zustande.
Wirkt diese fremdartige Gewalt auf alle Nerven zugleich,
'''*6 die Electricifät in dem Blitz, oder eine sehr starke Batterie,
^|ler wird ein Nerve in seiner ganzen Länge ausgedehnt, so wird
Reizbarkeit in dem ganzen IS erven oder im ganzen Organismus
^^fgehoben; wirkt sie nur auf einer Stelle des Nerven , wie Cau-
*hca, Druck, Quetscliung, so wird auch nur diese Stelle gelähmt,
Jiid die zwischen der Quetschung und dem Muskel befindlichen
heile des Nerven haben ihre, motorischen Kräfte behalten.
Die W'äi’me und die Kälte, welche in einer gewissen Stärko
"hd einer gewissen Zeit Stimulantien sind, werden deprimirend,
®'^l>ald sie sehr lange im stärkein Grad angewandt w'erden.
^ Die Kälte, welche so gut wie die Wärme Entzündung und
•"and eriegcn kann, macht die Glieder taub oder empfindungs-
''*'d ]>ewegungslos; diese Wirkung kann örtlich und allgemein
die Wärme scheint örtlich ohne Entzündung und Brand zu
j^^'egen, nicht die Glieder taub zu machen; allein die allge-
j^®‘ne anhaltende Wirkung der Wärme ist auch Schwäche der
®*’venfunctionen.
j . Bei einigen Einflüssen geht vor der Zerstörung noch eine kurze
ijj^’dation vorher, wie beim Quetschen der Nerven, bei der Behand-
^ derselben mit Alkali. Dieselben Reiznngserscheinungen beob-
^ ^let man noch deutlicher bei einem grossen Theil der Narcoticä,
Hauptworknng scheint, die Mischung der Nerven zu verändem
in höherem Grad der Wirkung, die Nervenkraft aufzuheben.
Eine ganze Abtheilung von Stoffen besitzt im aiifgelös-
y Zustand einen gewissen Einfluss auf die Kräfte der Ner-
'ind zerstört dieselben , ohne dass diese Stoffe sich auf
Veyi ^'Scnthümliche Art gegen andere chemische Reagendcn
■y ®Ben, ohne dass sie caustlsch sind, und die organischen
im Allgemeinen auflösen. Diess sind die Alte-
nervina, die man Narcotica nennt. Alle diese Mittel alte-
iR .^ie materielle Zusammensetzung der Nerven. Einige sind
}( *^inen Gaben reizend und weniger deprimirend, wie Opium,
''omica, alle in grossen Gaben sogleich deprimirend durch
608 III. Buch. N eri^enphy.nk. I.Abschn. Eigenschaften d.N. im
Alteration. Dass diess durch eine unseren Sinnen und dei’ che-
mischen Probe entgehende Umwandlung der Nei-venmaterie ge-
schieht, ist walirscheinlich und anzuncinnen nothwendig; allo"
diese Umwandlung zeigt sich uns. nur an dem Verlust derNci've»'
kräfte, und der durch Karcotica getödtete Nerve verhält sich deu*
äussern Anschein nach ganz sowie der gesunde Nerve, wenigste”*
wenn man reine Narcotica in wässrigen Auflösungen, zum Beisp'®
wässrige Auflösung von Opium, anwendet. j.
Ehe wir nun aber die Wirkung der narcotischen Stoffe ”^
die Nerven näher untersuchen, wollen wii' erwägen, oh es nic”
auch Stoffe gieht, welche die Reizharkeit der Nerven erhöhen.
I. Integrirende Reize.
Nach früheren Versuchen war es sehr wahrscheinlich, da**
es viele Stoffe gieht, welche die Reizbarkeit der Nerven er-
höhen, und die Heilkunde erwartete von diesen Versuchen ei»®^
grossen Erfolg. A. v. Humboldt über die gereizte Muskel- ””
IVereenfaser. Allein die stärkere W'^irkung der galvanisch®”
Action nach Befeuchtung der Nerven mit Aqua oxymuriatica u”
alkalischen Solutionen beweist noch nicht, dass die Reizhark®'
der Nerven durch jene Flüssigkeit erhöht werde, sondern he'
weist nur, da.ss die galvanische Action stärker ist. Auch
Pf.s.ff, nord. Arclue. Bd. i. /). 17. durch Versuche erwiesen, d**’
die mehrsten jener Stolle nicht durch Erhöhung der Reizbarke”
wirken, sondern insofern sie als Glieder der galvanischen Kett®
den galvanischen Reiz selbst vermehren, und die galvanisch®
Action bei derselhen Stärke der Reizbarkeit erhöhen; jene Fl”*'
sigkeiten wirken daher nur immer stärker als das W^asser, welch®’
zur galvanischen Action als Leiter nöthig ist. Die Heilkun'
hat auch ihi-e Hoffmingen auf Mittel, welche die Kraft der N®*'
ven verstärken, ganz aufgegehen , und diese Mittel leisten d»’'
was sie sollen, nur in den Lehrbüchern der Materia medica.
Mittel, welche reizen gieht es allerdings genug, wie hi-ef,
pher, die Ammoniakalien, die Electricität, und diese Mittel *'”
vortrefflich, wo die nicht erschöpften, sondern hloss geschw”®”'
ten Nervenkräfte des Reizes bedürfen. Sic reizen, sie vei’U®*®'
eben eine Nervenaufregung, aber sie vermehren nicht die S*-”* .
der Reizhai’keil. Die Nervenkraft nimmt nur zu durch diese!”®
Processe, wodurch sie beständig wiedererzeugt wird, nändich ® ^
beständige Reprodiittian aller Theile, aus dem Ganzen, u”d ” ji
Ganzen durch die • Assimilation. Für einen geschwächten 1”
des Nervensystems sind gelinde Reize daher nicht darum
lieh, weil sie die Reizbarkeit erhöhen, denn das thun sie
sondern well ein gereizter Theil mehr die Ergänzung des
zpn anspricht, und daher vorzugsweise wiedererzeugt und
wjrd. So stelle ich mir die nützliche Wirkung der Reize
Nervenkrankheiten vor, und hier ist wieder am meisten
Wärme oder das Feuer zu halten, denn die Wärme ist die
Sache, dass zuerst die Erzeugung der Theile aus der
nen i^aft des Ganzen beginnt; daher ist auch das Feuer
eine recht anhaltende, langsam abbrennende Moxa, oder bessei
lange andauernde Nähern einer brennenden Kerze an den leiden
Reizbarkeit d. Nerven. Veränderung den-, Alterantia nervina. 60!)
ihell olme Branderzeugung das allein lieWalirteste und wirklich
'ultreiche Mittel ln den anfangenden Lähmungen, Neuralgien, Ta-
dorsalls u. s. w.
11. Alterirendc Reize.
Hieher gehören die Narcotica, welche, indem sie reizen, zu-
gleich die Nervenmaterie zu zersetzen scheinen. Insofern diese
httel die materielle Zusammensetzung der Nerven alteriren, be-
^l'ent sich die Arzneikunde derselben in kleinen Gaben zuweilen
•ait Erfolg in Lähmungen, um feinere materielle Veränderungen
«er Nerven anszuglei eben, oder nach einer solchen Umstimmung
1®*' Natur selbst Gelegenheit zur Einleitung der Heilung zu ge-
ln stärkerem Grade angew'andt, wirken die Alterantia ner-
'^'äa seu Nareotica Sogleich zersetzend.
Die Veränderung der Nerven bei unmittelbarer Applica-
des Giftes auf dieselben tritt ohne Zeichen Von Reizung,
[•'»le Zuckung allmähli ^ “
.*'^ohnclitete , dass
Häcklingen errege. Ich seihst habe ule, weder bei der An-
"’^ndung des Opiums in wässriger Auflösung , noch des Sti’ych-
’l’ös, noch des spirituösen Extractes von Nux vomica auf
'ää entblösstcn Nerven eines Kaninchens, der Frösche und der
^^■eten Zuckungen entstehen sehen, und glaube nicht, dass je-
ein Narcoticum, unmittelbar auf einen Nerven angewandt,
j^'äe Zuckung errege, wenn es nicht durch das Rückenmark und
*t‘hiri| auf die Nerven wirkt. Strychnin erregt nicht einmal
Packungen, wenn es gepulvert auf das nasse Rückenmark eines
'^‘'osches angewandt wird, sondern nur wenn cs in die Blutmasse
gelangt, und durch das veränderte Blut auf das Rückenmark,
Jj"<l letzteres wieder auf die Nerven wirkt. Ist daher ein Thier
|,"rch Opium, Strychnin vergiftet, so hören die Zuckungen einer
^•xtremitäl auf, sobald ihre Nerven durchschnitten werden , und
'^änichtet man einen Theil vön dem Rückenmark eines Thiers,
man es durch üpas tieute oder Angustura vergiftet, so wer-
alle diejenigen Theile, die von dem vernichteten Theil des
jjäckenmarks ihre Nerven empfangen, von Zuckungen befreit.
I ‘eraus geht wohl unwiderleglich hervor, dass die Narcotica niclit
'^*'ch sich selbst und auf die Nerven selbst wirkend Zuckungen
g bis zur Paralyse ein. A. v. Humboldt
auch das Opium , nämlich Oplumtinctur,
ule.
'p'^ägen ,
'’^'erns.
sondern durch Vermittelung des Rückenmarks und
*icl,
Eine ganz andere Frage ist, ob nafcotische Gifte nicht durch
- selbst und auf die Nerven wirkend die Reizbarkeit dir
^även erschöpfen können, auf analoge Art wie chemische' Rciz-
'lies Reizbarkeit der Nerven zerstören. Diese FVage häbeü
■fj . ®iw-iftsteller nicht von der vorhergenden getrennt, lind man hat
svetin man beide gleicb beantwortete. Die ge-
’*'^'ähste Wirkungsart 'der narcotiscb'en Gifte, wenn sie die
sig ?”ädungskraft und Bewegkraft der Nerven lähmen, ist, dass
gef-**** Eiet aufgenommen werden, vom Blut aus in den Capillaf-
jj.J'Ssen . auf das Gehirn, Rückenmark und die Nerven wirken.
tUgi ^eite Wirkungsart, ivelche langsamer geschieht und viel-
isolirt wirkt, ist dass sie die Nervenkraft örtlich zerstören.
610 III. Buch. Nervenphysik. I.Abs'chji.Ei^enschafiend.N.imAUgem.
1, Wirkungsart der uarcotischen Gifte durch das Blut.
Es wurde sonst häufig angenorninen , dass die allgenieineii
Erscheinungen hei örtlichen narcotisclien Vergiftungen durcl»
Fortpflanzung des Zustandes durch die Nerven entstehen. 1”
diesem Sinne hahen seihst neuerlich, wo man hierülier hesser
belehrt war, Dupuy und Brächet behauptet, dass man Thici®
durch in den Magen gebrachte Gifte nicht vergiften könne, we'*‘*
man vorher den N. vagus auf beiden Seiten durchschnitten hab®'
Diess ist jedoch eine grundlose Behauptung, denn wir haben
den vielen Versuchen, welche Herr Wersscheidt unter mCii'®*
Leitung über diesen Gegenstand anstellte, durchaus keinen Ü®'
terscbicd der Zeit in dem Eintreten der Vergiftungsznfälle g®'’®'
lien, mochten die Nerven vorher durchschnitten seyn oder nic^’*'‘
Es ist jetzt erwiesen, dass die Vergiftungszulalle durch Aufnabn‘®
des Giftes in das Blut durch Imbibition entstehen. Ueber
Schnelligkeit dieses Ueberganges siebe oben p. 234. Die erst®*’
Beweise für diese Tlieorie der Vergiftungen hat Fostana geb®'
fei't. Foktasa hat Versuche mit Vipern-, Tikunas-, Kirschlorbe®^'
gift und Opium angcstellt. Das Bcsultat allei' seiner Versuch®
dass diese und ähnliche Gifte nur indem sie in die BlutmaS*^
ihre allgemeinen Wirkungen hervorbringen, dass s'®
aber auf die Nci-vcn nur einen örtlichen Einfluss haben.
TANA, Ahhandl. Uber das Viperngift etc. aus d. Französ. Berlin,
Bbodie durchsebnitt in der Achselhöhle eines Kaninchens
Nerven der Vorderbeine, und streute Woraragift in eine
am Fusse; die Wirkung des Giftes erfolgte dennoch. Er n"'
terband das Hinterbein eines Kaninchens, die Hauptnerven a®“'
genommen, mit einer starken Ligatur, und streute Worara in ebj®
Wunde am Bein; die Wirkung blieb aber ganz aus, bis er
Ligatur löste, und sogleich ei'folgte die Vergiftung. Fhilos. trU'^^'
ISll. p. 178. 1812. p. 107. Wedemeyer fand durch Versuc®®
ist,
gelangen
mit Blausäure, die so heftig wirkte, dass sie in’s Auge und ni®*'
rere Stellen des Körpers gebracht, innerhalb einer Secunde
tete, dass sie unmittelbar auf die Nerven angewendet, gar kc‘"
plötzliche Wirkung liervorbrachte. Physiol. Untersuchungen über
^eru^nsf Stern u. die Respiration. Hannover, iHil. p. 2.34. Vrgl.E.MwE®^’
Tübing. Blätter. 1811. 2. Bd. p. 88. Sahb. medic. Zeitung,
3. Bd. p. 62. Meckel’s Archiv 1. 176. Schsell Diss. sist. histor'e
oeneni upas antiar. Tubing. ISib. Emmert amputirte an Thieren
!l0
eil®
Extremitäten, so dass sie nur mit dem übrigen Körper durch
Nerven in Verbindung standen, das in den Fuss eingebrac® ^
Gift äusserte keine Wirkung. Ebenso wendete er das Gift
mittelbar auf die Nervenstämme an, auch hier blieb die Wirk®"»
aus. G Viborg {Act. reg. soc. med. Hafn. 1821. p. 240.) hat
eine Drachme concentrirter Blausäure unmittelbar auf das
entblösste Gehirn eines Pferdes gebracht, ohn®
send eine Wirkung des Giftes zu spüren, Siche Lund Viviseclionen r
403. 104. Hubbard [Philadelph. Journal. Aug. 1822.) hat
Anwendung der Blausäure auf die Nerven sehr schnelle, ”
gesehen, gesteht aber selbst, dass wenn er den Nerven
durch eine untergelegte Karte, durchaus keine Wirkung ei ®‘
lii'izbark. d.N. Veränderung ders. Wb'kungsart d.narcot. Gifte. 611
Die schon p. 226. angeführten Versuclia von Magetjdte,
und Emmeet beweisen auch, dass die Aufnahme des Gif-
j * in die Blutmasse durch Resorption und Tränkung ausseror-
'jfintlich schnell ist, und Emmeet hat gezeigt, dass die Unterbin-
Qiing der Aorta die Wirkung des in die Venen eingebrachten
'^'ftes hemmt. Emmeet fand die schnellste Wirkung der Angu-
der Upas antiar, der Blausäure 2 — 5 Secunden. TJeber
7® Schwierigkeiten der Erklärung einer so schnellen Wirkung,
**®he oben p. 2-34.
, Vor Kurzem habe ich selbst einige Versuche über die Wlr-
j äg der Gifte auf die Nerven angestellt; ich habe bei Kröten
Schenkelnerven blossgelegt, tind alles Schenkelfleisch abprä-
h''*'irt, so dass der Unterschenkel mit dem Oberschenkel nur durch
Nerven und den Knochen mit dem Rumpf in Verbindung
*^**nd. Bei diesen Kröten habe ich die präparirten Schenket in eine
päflösung von essigsaurem Morphium und in concentrirte Auf-
®sung von Opium getaucht, und lange in dieser Stellung erhal-
Bei diesen Thieren fand durchaus keine Narcotisation am
^•Unpfe statt, selbst viele Stunden nachher waren sie noch von
unversehrter Empfindung und Bewegung.
Aus allen diesen Versuchen geht hervor, dass die schnelle
?"gemeine Wirkung der örtlichen Vergiftung nicht durch die
.^fven, sondern durch das Blut geschieht, und vom Blute wie-
auf alle Theilc wirkt. Allein es lässt sich auch beweisen, dass
allgemeine W'lrkung der Gifte erst wieder vorzugsweise durch
Centralorgane des Nervensystems bedingt ist , welche das
''®*'giftete Blnt narcotlsirt. Denn
1. nach einem durch Vergiftung herbeigefübrten Tod äus-
^ '■ft die Nerven und Muskeln noch eine geraume Zelt hindurch
^übarkeit.
2. Wird einem Thiere, nachdem man die nach einer Extremi-
führende Arterie unterbunden hat, ein Crift beigebracht, wel-
j Zuckungen erregt, so bemerkt man, dass diese Operation
* J>en Theil vor Theilnahme an der allgemeinen Wirkung des
jj'hes nicht sichert. Ltjud Vifis. p, 109. Dass das Herz nicht
j '^‘^h Lähmung desselben, die Wilson bei Behandlung mit Tabacks-
”‘Usion und Tinct. Opil bei Fröschen sah, die Ursache der allge-
j^iöen Wirkung des Giftes ist, beweist, wie Lund bemerkt,
Umstand , dass Frösche die Ausschneidung des Her-
viele Stunden überleben. Auch die Lungen sind nicht die
^^»■sache, denn künstliche Respiration vermag die Thiere nicht
kp Man muss daher annehmen, dass das Gehirn und Rük-
^l^'öiark auf dem Wege der Circulation dui’ch das Schlangengift und
®f®vke Narcotica zuerst und also die Hauptquellen des Nerven-
da angegriffen werden. Durchschneidet man bei einem Thiere,
Nßr Opium, Strychnin, Upas, Angustura vergiftet ist, die
®n einer Extremität, so hören die Zuckungen derselben auf;
Zuv nach Vernichtung eines Theils vom Rückenmark die
StJi ®S6n derjenigen Theile, deren Nerven von der vernichteten
hjw ® äbgehen. Das Opium und das Schlangengift scheinen Ge-
’^®d Rückenmark in gleichem Grade zu afficiren; Strychnin
(il2 HI. Buch. Ncrvenplifsifi. I.Abschn. Eigenschaftend. N. im
and die verwandten Gifte, Angustura, wirken in noch höherem
Grade auf das Rückenmark; denn Starrkrampf und Lähmung
sind die Hauptsymptome, und diese dauern noch fort nach dei
Durchschneidung des Rückenmarks, in den unter dem Schnitt
gelegenen Theilen, wie Racker gezeigt hat, während doch dm
Krämpfe sonst durch Zerschneidung der Nerven aufhören. Auch
bleiben die Zuckungen im ganzen Körper hei der Vergiftung md
Angustura, wenn das Gehirn abgeschnitteu wird; am Kopfe äiiS'
sern sich die Zuckungen in den Ohren. Ich liabe einen Vet'
such bei Fröschen angestellt, der wiederholt dieselben Resultat
gieht und sehr instnictiv ist. An einem Beine durchschnitt ic“
alle Gefässe und Aluskeln des Oberschenkels, präparirte sic an»
Oberschenkel ah, liess aber den Nerven unversehrt. Nun vct'
giftete ich den Frosch mit Nux vomica. Tn dem gesunden B®'*'
war die Reizbarkeit viel schneller erloschen, bald trat die
wöhnliche Folge der narcotischen Vergiftung bei Fröschen c»*?'
dass, wenn man sie auch nur leise berührt, doch der ganze Frosd*
zuckt. Nachdem alle diese Zuckungen am ganzen Frosch aiifg®'
hört, zuckten immer nocli die ÄVadenmuskeln des präparif'
ten Beins, sobald ich den Frosch an irgend einer Stelle des
pers berührte; dasjenige Bein, welches kein Blut mehr erhie'*^'
behielt also seine Reizbarkeit für die vom Rückenmark ausg®'j
henden Reize viel länger als das andere Bein, dessen Nerven
Muskeln durch das Blut dem Gifte selbst ausgesetzt wurde»''
Man geht also zu weit, wenn man behauptet, die Gifte wirke»'
nur auf die Ccntraltheile ; sie wirken auch durch den Kreislauf »»"
die Nerven selbst. Die Vergiftungszufälle vom Rückenmark a»»*
sind erst Zuckungen, dann Lähmung; die Vergiftungszufälle de
Nerven selbst sind keine Zuckungen, sondern Vernichtung »1®'
Reizbarkeit. Ein Bein vom Frosche, das vor der Vergiftung
präparirt worden, erhält auch seine Reizbarkeit länger als d»*
andere, dem das Gift durch den Kreislauf zügeführt werden ka»'»'’
Vergl. Lund Vivis. 112. Bäcker commentatin ad quaest.
Traject, ad Rhen, 1830. So viel von der Wirkung der nai'e»»^'
sehen Gifte durch den Kreislauf und das Blut.
2. Oertliche JVirkung der narcotischen Gijte auf die Nerven-
So gewiss es ist, dass die allgemeinen Wirkungen der hi’f
dien Vergiftung durch das Blut bedingt sind, so wenig lässt
die örtliche Vergiftung der Nerven selbst läugnen , und dies*
gerade der Punkt, über den fast alle neuere Experimenfato»
hinweggegangen sind.
Al. v. Humboldt, Wilson, Brodie haben gezeigt, dass Op»
umtinctur und Tabacksinfusum die Kraft des Herzens lähinß'j
Humboldt sah die Herzschläge zuerst sehr schnell werden
dann ganz aufhören, wobei die Vermehrung der Schläge v»®
leicht auf Rechnung der Tinctur kömmt.
Die offenbarste örtliche Nervenlähmung durch ein
sches Gift ist die Erweiterung der Pupille und Lähmung der
durch Application eines Tropfens einer Auflösung des Belladon
cxtractes. Hier dringt das narcotische Gift durch Tränk»»
bis zu den Ciliarnerven, die sich in der Iris verbreiten »»nu
Rehbark. d.N. Veränderung ders. Wirkungsart d. narcot. Gifte. 613
selbst. Dass die Wirkung rein örtlich ist, dass die Aufnahme
Blut auch nicht den geiingsten Antheil hat, sieht man daran,
Jlass die Iris des gesunden Auges nicht zugleich erweitert wird.
|?ekannt sind aber auch die örtlichen narcotischen Wirkungen des
''piums, des Morphiums hei Einreibungen, wo man starke Local-
'''•i'kung ohne auffallend allgemeine Wirkung erzeugen will. Eben
die örtlichen Lähmungen von Bleivergiftung an den Händen,
.•ft diese örtliche Wirkung ausser Zweifel zu setzen, präpa-
*''rte ich hei einem Frosch den Schenkelnervcn weit heraus,
'ipd legte ihn in eine Auflösung von essigsaurem Morphium; nach
^'piger Zeit hat das Ende des Nerven ganz seine Irritationsfähig-
keit verloren. Dasselbe erfolgte, vvenn ich Muskeln in Opium-
®'*flösung tauchte, wie auch A. v. Humboldt bereits gezeigt hatte,
p* Ki'öten, an denen die Nerven so präparirt waren, dass die
k'iterschenkel nur durch den Schenkelnerven mit dem itumpfe
*'^sammenhingen , tauchte ich diesen Unterschenkel mit dem
' ®henkelneiv'en in eine starke wässrige Auflösung von Opium;
?®ch kurzer Zeit war alle Irritationsfähigkeit an Nerven und
"'äskeln für den galvanischen und mechanischen Beiz verloren.
Aus allen dl(^en Beobachtungen ist die örtliche Wirkung
narcotischen Gifte auf die Nerven unzweifelhaft. Wir müs-
jetzt zu bestimmen suchen, oh sich diese Art der Vergiftung
Leiter verbreitet als über die unmittelbar, afficirtcn Nerven
Muskeln. Ich habe dlrecte Versuche angestellt, -welche be-
^®>sen, dass die örtliche Narcotisation der ganz enthlössten und
''®i praparirten Nerven nicht schneit sich verbreitet, sondern
den Ort der Narcotisation beschränkt bleibt.
1. Fürs Erste werden die Unterschenkelinuskeln und ihre Nei’-
nicht mit narcotisirt, wenn der Ilauptschenkclnerve selbst durch
Jr'ptauchen in essigsaures Morphin oder Opiumauflösung narco-
war. Der mechanische und galvanische Reiz bewirkt dann
dem ohern Ende des Nerven keine Zuckungen der Muskeln
wohl aber, wenn sie auf die unteren Theile des Nerven
Unterschenkelmuskeln applicirt wurden. Die narcotische
ung wirkt also vom Nervenstamm nicht auf die Aeste.
2. Die narcotische Wirkung auf einer Stelle des Nerven wirkt
j^'’ch nicht rückwärts auf das Gehirn. Ich habe schon die hie-
gehörigen Versuche von Kröten erwähnt, deren Schenkel-
ich durch Narcotisation alle Reizbarkeit genommen hatte,
dass dicss auf die übrigen Theile des Rumpfes zurückwirkte,
aber allmählig eine Rückwirkung erfolge, machen andere
,, Jj^kachtungen wahrscheinlich; denn durch jede örtliche Er-
j^ll dpfung der Nervenkraft durch Entzündung, Brand entsteht
^ '*'®klig Erschöpfung der allgemeinen Nervenkräfte. Hier 1er-
Pj** 'p'ir nun einen wichtigen Unterschied in der Wirkung der
** 'üsse auf das Nervensystem kennen. Denn
die Reize, welche Nervenerscheinungen bewirken durch
^'^Pn der Nem-enkraft, w'irken augenblicklich in der ganzen
der Ners’en durch alle Fasern, die irgendwo gereizt wor-
khe Zuckung erfolgt auf der Stelle in der Entfernung an
Entsprechenden Muskeln, wenn die Nervenfaser irgendwo in
614 II J. Buch, üervenj/hysik. I, Ahschn. Eigenschaft end.I^. Im AUgem-
ihrer Länge vom Stamme his zum Muskel gereizt wird, und eben
so schnell erfolgt die Empfindung.
b. Die Einflüsse, welche die Summe der vorhandenen Krafl
verändern, nämlich erschöpfen, wirken nicht von dem örtlichen
Theile schnell und unmittelbar auch in der Richtung der Nervenfo'
sern, sondern allmählig, indem sich die Kräfte der gesuiulen un^
kranken Theile der Nerven in Gleichgewicht setzen, und der örtU"
che Zustand allgemeine Symptome erregt.
So wirkt die Erblindung eines Auges zuletzt allmählig Ati’®'
phie des Sehnerven , welche eben so nach Atrophie eines Tbä"
iamus n. optici erfolgt. So schreitet die Tabes dorsalis von un-
ten nach oben fort. So entsteht nach heftiger Verletzung ein-
zelner Nerven Veränderung des ganzen Rückenmarkes, Tetanus-
in Ueber die Abhängigkeit der Nerven vom Gehirn und
R ü ck enm a rk.
In wiefern zur Erhaltung der Reizbarkeit der Nerven ib*’^
dauernde Communication mit dem Gehirn und Rückenmark notb'
wendig sey, und ob die Muskeln ohne die Communication ihre*"
Nerven mit den Centraltheilen des Nervensystems ihre Reizbaf'
keit zu erhalten vermögen, diese Frage konnte man sich hisb«*'
nicht mit Sicherheit beantworten, ja sie ist kaum einigemal bß'
rührt worden. Man weiss zwar, dass die Nerven nach derDurcb-
schneidung noch eine Zeitlang in dem dem Gehirneinfluss entzog®'
nen Stücke ihre Reizbarkeit behalten, d. h. fähig sind ,
Reize, die auf sie angewandt werden, Zuckungen der Muskel”
zu bewirken; allein eine ganz andere Frage ist, ob die Nery®'*
fähig sind, die Reizbarkeit für immer unabhängig vorn Gehn’“
zu behalten. Nysten hatte behauptet, dass die Muskeln voU
kurze Zeit nach einem apoplectischen Anfalle Verstorbenen trot*
der Hirnlähmung auf galvanischen Reiz sich zusammenzögen,
STEN recherches de physiol. et de cMm. pathol. Ich hatte jedo®b
gute Gründe, zu glauben, dass die Nerven nur kurz nachher n®''
ihre Kraft besässen, diese aber nach einem längeren Zeitraum
vollkommen untergehe, so dass es scheinen sollte, als kämen ^®”
Nerven nur unter dem steten und unversehrten Einflüsse d®,
Gehirns eigenthümliche Kräfte zu. Denn einmal hatte ich b®‘
Versuchen über Wiedererzeugung des Nervengewebes an ein®®*
Kaninchen die Beobachtung gemacht, dass der untere Theil d®
N. ischiadicus, den ich einige Monate vorher durchschnitten halt®?
fast alle Kraft, auf Reize zu reagiren, verloren hatte. tJeb®*
diesen Gegenstand habe ich hernach mit Dr. Sticker neue
suche angestellt, welche jene Vermuthung vollkommen bestätig
haben. Siehe Sticker in Mueeler’s Archiv für Anat. und
B.i. Um die Regeneration der Nerven zu verhüten, und da
untere Nervenstück sicherer dem Einflüsse der Centraltheile i ®^
Nervensystems zu entziehen, wurde den Thieren ein ganzes Sto
ans dem N. ischiadicus ausgeschnitten. Obgleich die ,
nur an mehreren Thieren, nämlich zwei Kaninchen und cm®
3. Rehbark, fJ.Neri>en. Abhängigk. ders, o. "Gehirn u. Rückenmark. 615
Hund angestellt worden, so haben sio doch so ühereinstimmende
■Resultate geliefert, dass man auf diese Versuche hauen konnte.
Zwei Monate und drei Wochen nach der Durchschneidung
“Cs N. ischiadicus geschah der Versuch an dem ersten Kanin-
chen. Sobald der Nerve in seinem Verlaufe zwischen dem Muse.
"*ceps und semitendinosus blossgelegt war, zeigte sich wider
Hrwarten und zu grossem Leidwesen, dass die Continuität der
Nerven sich wieder bergestellt hatte. Der Nerve wurde so-
weit von neuem unterhalb der Narbe durchschnitten (wobei,
merkwürdig ist, zwar nicht die mindesten Zuckungen wahr-
Seuommen wurden, das Thier aber laut aufschrie), und der un-
l’Cre Theil desselben durch Galvanismus in der Form eines ein-
htchen Plattenpaares, dann auch durch Einschneiden und gewalt-
*äme Zerrung auf die verschiedenartigste Weise gereizt; allein
c* trat keine Spur von Zuckung ein.
Vergleichungswelse wurden darauf die Versuche auf der an-
^^ern Seite wiederholt. Bei der Durchschneidung des Nerven
besserte das Thier den lebhaftesten Schmerz und es entstanden
*chr heftige Zuckungen, und nach der Durchschneidung erreg-
ten selbst ganz geringe Irritationen, sey es, dass sie auf den Ner-
'^en allein — es ist hier immer der untere Theil des durchschnit-
tenen Nerven gemeint — oder bloss auf die Muskeln angewen-
)äct wurden, die kräftigsten Zuckungen, und selbst nach deuj
Tode boten sich dieselben Erscheinungen noch dar.
Bei dem Hunde waren zwei Monate und vierzehn Tage
**“ch der Durchsebneidung des Nerven verflossen; auch hier hat-
ten sich die Enden wieder verbunden. Die Untersuchung ge-
schah ganz auf dieselbe Weise Avie bei dem Kaninchen, und er-
ßah auch für den Nerven ganz dasselbe Resultat, d. i. alle Re-
aktionsfähigkeit desselben war erloschen; indessen zeigten die
^tuskeln immer noch eine leise Spur von Zusammenziehung, wenn
die Reize auf sie selbst applicirte; allein gleich nach dem
Tode war auch diese völlig vei’SchAvunden, während in dem Un-
JkTschenkel der andern Seite noch die ki'äftigsten Zuckungen
“krvorgerufen werden konnten.
Fünf Wochen nach Durchschneidung des Nerven wurde das
*tVkite Kaninchen vorgenommen, und nach einem so kurzen Zelt-
^üme musste man auf diese Untersuchung sehr gespannt seyn.
Hier fehlte die Zwischensubstanz zwischen den Enden des durch-
^“bnittenen Nerven; beide Avaren etwas angeschwollen und hin-
mit dem anliegenden Zellgewebe zusammen. Es war jedoch
ein Stück von etwa 8 Linien ausgeschnitten worden, während
j ‘ den anderen Versuchen dasselbe nur ungefähr 4 Linien he-
^®Sen hatte. Auf keine Weise, weder auf mechanische, noch
^“cmische — durch Kali causticum — noch auch durch Galva-
es möglich, durch die Nerven Zusammenziehung der
^ “skelii zu erzeugen; eben so wenig gelang es bei diesem sonst
^ lebenskräftigen Kaninchen, auch durch directc Insidtation
Muskeln Zuckungen hervorzubringen. Auf der bnken Seite
..Sahen sich, Avie diess natürlich, sowobl vor als nach dem Tode
® schon oben angefülirten Erscheinungen.
®lüller’s Physiologie. 40
616 III. Buch. Nervenphystk. I.Ahschn. Eigenschaflend. N.imAUgem.
Die gegenwärtigen Versnclie erweisen jedenfalls, dass dic
Kräfte der Nerven, die Muskeln zu Bewegungen zu veranlassen,
so wie die Reizbarkeit der Muskeln selbst, nach gänzlicher Aut-
bebung der Communication der Nerven mit den Centraltbeilen
allmäUig verloren geben. Sie würden iiuless noch ein entscliei-
denderes Resultat geliefert haben , wenn man zur Prüfung der
Reizbarkeit der Nerven und Muskeln nicht bloss ein einfaches
Plattenpaar, sondern eine kleine galvanische Säule angewendet
hätte. Nur dadurch hätte sich mit Bestimmtheit unterscheiden
lassen, ob alle Kraft in den Muskeln in zweien der Fälle erlo-
schen war. Indessen bew’cisen die Versuclic schon deutlich ge-
nug, dass die Reizbarkeit der genannten Tbeile sich nach unter-
brochener Communication der Nerven mit den Centraltbcile”
nicht erhält. Man kann aus diesen Versuchen auch schlicssen,
dass, wenn nach Durchschucidung eines Nerven sich hierauf w'e-
der die Reizbarkeit des untern Nervenstücks und der Muskeln
hergestellt hat, der Nerve auch mit Herstellung der LeitungS'
kraft in der Narbe vollkommen verheilt war, und dass, wen"
die Reizbarkeit sich nicht erhält, auch keine vollkommene Ver-
heilung und Rcproduction des Nerven statt gefunden haben kann-
III. Capitel. Von dem wirksamen Princip der Nerve".
(Nach J. MuELIER im Encyclop. JA^Örterhuch der med, Wissenschaften.')
Die Alten hatten weder von der Natur noch von den Ge-
setzen der Wirkung des Kervenprincips bestimmte Vorstellungen-
Das wirksame Princip in den Nerven nannten sie Nervengeister:
sie Hessen sie von dem Gehirn ausgehen und die anatomische
Verbreitung verfolgend, die organisirten Tbeile beseelen. Nach-
dem man die W^irkungen und Leitungsgesetze der ElecLricität
durch Reibung näher untersucht, fanden sich viele Aerzte in ih'
ren Vorstellungen von der Action der Nerven durch Vcrgle''
chung der Nerven mit electriscben Apparaten erleichtert. AbeJ'
erst durch dic Entdeckung des Galvanismus ist man auf ein®
exacte Untersuchung dieser und ähnlicher Hypothesen geführl
worden.
, Nach der Entdeckung des Galvanismus waren viele Natui"'
forscher geneigt, die Ursache der galvanischen Erscheiuunge"
in einer bisher unbekannten thierisenen Kraft zu suchen,
z. B. Aldini, Galvani, von Humboldt, Fowler und Andei’O-
Pfaff, Volta, A. Monro dagegen erklärten sich für eine von
der Mitwirkung der thierischen Organe ganz unabhängige,
durch die Wtechselwirkung der Metalle und Feuchtigkeit erregt"
Electricität. Volta aber bewies die electrische Natur des hieV"
bei wirkenden Agens zur Evidenz, und als endlich die galvai""
sehen Erscheinungen an anderen Körpern ausser Mitwirkung
thierischer Theile bekannt wurden, war an der Richtigkeit der Vol-
TA’schen Ansicht kein Zweifel mehr. Auch A. Monro war schon
frühe durch seine Versuche zu der richtigen Ansicht gekommen,
617
3. Vom wirksamm Princip der Nerven.
•lass das galvanisclie Fluidum, welclies die Nerven erregt, electriseli
dass dasselbe von der Nervenkraft ganz verscliieden sey,
and dass es als ein blosser Reiz für die Nervenkratt: wii'ke, so
^ass die Nervenkraft die Zuekungen liervorbringe. (A. Monro’s
and R. Fowleh’s Ahhandlimgen über ihierische Electricität. Lpzg.
^^96.) A- V. Humboldt batte aus mehreren Versueben den
Schluss gezogen, dass die Nerven eine sensible Atmospbare um
®'cb besitzen, weil nämlich das galvanische Agens den Zwisehen-
faum zweier durch einen Schnitt getrenntej’ Nervenstücke, die
sich nicht berühren, überspringt. Jetzt weiss man, dass dieser
Zwischenraum bloss durch einen Leiter von Wasserdampf ausge-
füllt wird, und was man damals für die sensible Atmosphäre der
Nerven nalten konnte, kann hexitzutage nur als Leitungsl ähigkeit
der Electricität vermittelst gasförmiger Ausdünstungen betrachtet
'Werden. Gerade hier zeigen sieb Electricität und Nervenkraft
als durchaus verschieden; denn die Nervenkraft wirkt durch ei-
nen unterbundenen oder durchschnittenen Nervenast nicht mehr
hindurch, umhl aber sind durchschnittene oder unterbundene
Nerven, wenn die Stelle zwischen zwei Armaturen liegt, der Lei-
tung des clectrischen Fluidums so gut fähig, wie vorher. _
So gewiss es nun ist, dass der Galvanismus nicht thierische
Electricität ist, so halien doch manche Aerzte und selbst grosse
Physiker nicht aufgehört, an eine gewisse Aehnlichkeit der Ele-
atricität \ind Nervenki-aft zu glauben, die sich bei näherer Un-
tersuchung als die grösste Verschiedenheit zeigt. Unter andern
üaben einige Versuche von Urf, und W^ilson Missvei’ständnisse
Erzeugt; 'ÜRE machte galvanische Versuche an dem Körper ei-
äes Gehenkten eine Stunde nach dem Tode. Die IMedulla ob-
longata wurde blossgelcgt und ein metallischer Leiter damit in
Berührung gesetzt , Während ein anderer Leiter mit dem N.
•schiadicus in Berülirmig ge])racbt wurde. Diese Leiter wurden
•'dt einer Säule von !270 Platten]iaaren verbunden, worauf alle
^tuskeln des Rumpfes wie bei einem heftigen Schauder in Bewc-
RUng geriethen. Als die Kette zwischen dem N. phrenicus und
dam Zwerchfell geschlossen wurde, zog sich das Zwerchfell bei
jeder Schliessiuig zusammen, und als man mit dem Leitei’ auf
dein Polstück hin und her strich, entstanden eine Menge Stösse,
^'e bei einem schweren Athmcn; durch die Zusammenziehung
des Zwerchfells und die Remission in dieser Bewegung hob und
*^nkte sich der Bauch abwechselnd, wie wenn das Leben zurück-
Wirte. Als nun ferner die Gesichtsmuskeln in den Kreis der
E-ette gezogen wurden, entstanden fast leidenschaftlich aussehende
^•'d schaudererregende Bewegungen der Gesichtsmuskcln. Diese
"ersuche haben nichts Ausgezeichnetes vor dem gewöhnlichsten
S^lvanischen Experiment, ausser dass sie an einem Alcnschen ge-
macht wurden; da die Ursache der bewegten Gesichtszüge die
-j'isammenziehung der Gesichtsmuskeln ist, so muss die kunstli-
Erregung dieser Muskeln, die man eben so gut durch me-
chanische Reizung ihrer Nerven in Bewegung setzen kann, eine
Von Grimassen hervorbringen. Eben so wenig ist das schein-
'•''e Athmen bei periodischer Schliessung der Kette, wenn der
40 *
618 III. Buch, I^eroenphysik. I.Alsclm. Eigenschaft end. N .bnAllgcui.
Zwerch fellnervc in der Kette liegt, auffalleiul. Man hat fernei
viel zu grossen Werth auf Wilsots Philip’s Versuche gelegt.
Dieser hat hehauptet, ein Jurch die Enden des durchschnittenen
N. vagus zum Magen eines lebenden Säugethiers geleiteter gat-
vanischer Strom könne auf Vdinliche Weise die Verdauung he-
fijrdern, als die Magennerven selbst. Wenn diess richtig wäre?
so wäre es kein Beweis für die Aehnlichkeit des Nervenprincip*
und der Electricifat; denn das vom Gehirn abgewendete StücK
eines durchschnittenen Nerven behält noch einige Zeit die F»'
higkeit, auf Reizung in einigem Grade seine gewöhnlichen Fun-
ctionen auszuiiben. Ferner haben Wiederholungen der Versi^
che von Philip nicht durchaus dasselbe Resultat gehabt. Nach
Breschet und Milke Edwards wird die Verdauung nVch der
Durchschneidung des N. vagus allerdings etwas unterstützt durch
einen durch den durchschnittenen Nerven geleiteten galvanischen
Strom, aller nur in sofern, als dadurch die Bewegung des Alu-
gens erregt wird. Daher hat nach Breschet und Edwards auch
eine jede mechanische Reizung des untern Endes des durchsclmitte-
nen N. vagus denselben Nutzen als der galvanische Strom. Arch. gi^f-
deMdd. Fevr. 1825.) Wir halten indess auch diese Erklärung tür
nnrichlig und für eine Täuschung, da man weder durch meclia-
nische Reizung des N. vagiis, noch durch die blosse Armatin
desselben, wenn nicht der Magen mit in die Kette gezogen wird;
Bewegung des Magens hervorrufen kann, und da die Bewegung
des Magens überhaupt die Verdauung nicht bewirken kann. Vf
Versuche von Wilson sind aber ganz unrichtig; wir haben siC
mit Di\ Dieckhoff an einer ganzen Reihe von Thieren wiedei’-
holt und gar keinen Unterschied hei Thieren mit durchschnitte-
nem Vagus, mit und ohne Anwendung der Electricität, bemerkt-
Siehe das Weitere oben p. 532.
Wenn in den Nerven Electi’icität wirkte, so könnte sie, da
das Neurilcm feucht ist und die umliegenden Theile auch feucld
sind, nicht auf die Nerven beschränkt bleiben. Man hat auch
hypothetisch eine isolirende Eigenschaft der Nerven angenoiU'
men. Fechner vergleicht die Nervenfäden mit von Seide übel’''
sponnenen Leitungsdrälitcn. (Biot Experimental -Physik. Bd. II'‘>
Allein eben das Neurilem ist ein vortrefflicher Leiter des Galva-
nismus, und die Nerven sind, w'ie später gezeigt werden wird;
nicht einmal bessere Leiter der Electricität als andere nasse thiC'
rische Theile; denn der galvanische Strom folgt nicht nothweW'
dig der Verzweigung der Nerven, sondern nur das Nervenpr***'
cip folgt dieser Verzweigung. Der galvanische Strom spriUo
aber eben so leicht auf nabe thierische Theile über, wenn die*®
ihm einen kürzern Weg von Nerven zum andern Pol darbietc®'
Auch lässt sich die Leitung des Nervenprincips durch eine Liga-
tur in dem Nerven aufhehen, welAe für den galvanischen Stronr
ein trefflicher Leiter bleibt.
Man erkennt die Electricität an den Körpern, welche sie
isolircn und W'elchc sic leiten; diess sind die einzigen und sich
ren Merkmale derselben. Gerade in dieser Hinsicht zeigt sic
das Nervenprincip verschieden, und es kann daher keine Elcc i
3. Vom wirksamen Prlnclp d.Nerii. Vergleichung mit d.Electricit. 619
cit'iit seyn. Es lassen sich aber auch noch andere Beweise aus
den schon berührten Eigenschaften der Nervenkraft aulFühren;
1) Wenn man einen Nerven mit beiden Polen arinirtj oder
einen galvanischen Strom durch die Dicke des Nerven gehen
■i'sst, so zuckt sein Muskel, nicht weil der Galvanismus bis zum
;Muskel wirkt, sondern weil durch den (jueren Strom durch die
blicke des Nerven die motorische Kraft des Nerven erregt wird,
Welche nur nach der itichtung der Verzweigung wirkt, gerade
w'ie wenn man durch Brennen, mechanische Zerrung oder
durch Kali causticuTn auf den Nerven wirkt und dadierch Zuk-
tung erregt.
2) ^^ enn man aber nicht den Nerven selbst durch beide
l’ole, sondern mit dem einen Pol den Muskel, mit dem andern
den Ner ven armirt, so entsteht nicht ))Ioss ein galvanischer Strom
durch die Dicke des Nerven, sondern zwischen beiden Polen
Von dem Nerven bis zum Muskel, und cs ist gerade so gut, als
Wenn der Muskel selbst galvanisirt w'ürde. In diesem Falle reizt
Ulan die Nervenkralt in jedem Punkte des Nerven bis zum Muskel.
3) Daher entstehen auch keine Zuckungen, wenn ein gc-
ijuctschter oder unterbundener Nerve über der gequetschten oder
Unterbundenen Sttdle' mit beiden Polen armirt wird. Hier geht
*War der Galvanismus durch die Dicke des Nerven, wie im er-
sten Fall, aber die Nervenkralt wirkt nicht mehr durch die gc-
ilnetschte oder unterbundene Stelle hindurch.
4) Dennoch ist der gequetschte und unterbundene Nerve
Vollkommen leitungsfähig für den Galvanismus, und sobald nur
•lie Armaturen über und unter der verletzten Stelle angebracht
Werden, geht der galvanische Strom durch diese Stelle hindurch
Und es erfolgt eine Zuckung, weil der noch gesunde Nerve zwi-
schen Muskel und der verletzten Stelle ei’regt wird.
5) Die Nerven bleiben auch im gänzlich mortilicirten Zu-
stande, wie alle nassen thicrischenTheile, Leiter des Galvanismus,
Während sie die Fähigkeit, Contractionen der Muskeln zu ver-
ursachen, verloren haben.
6) Endlich zeigen meine eigenen und Sticker’s Versuche,
U'äss, wenn der lebendige Einfluss der Nerven auf die Muskeln
^uge Zeit aufgehoben ist, der galvanische Reiz der einfachen
^ette selbst nicht mehr auf die Muskeln wirkt und keine Zuk-
n mehr in ihnen erregt, w'ie wir bei Säugethieren gesehen
, denen mehrere Monate vorher die Nerven so durch-
schnitten waren, dass sie nicht vollständig an einander heilen
*^unnten. (Sticker in Müller s Acckiu für Anat. u. Physiol. 1834.)
.. Durch die Entdeckung des Electro- Magnetismus hat man
“>C feinsten galvanometrischen Instrumente kennen gelernt. Va-
^asseur und Beraudi [Annali universali di medina. Maggio 1829.
UoRiEp’s Not. Nr. 538.) wollen die Beobachtung gemacht haben,
Nadeln, welche man in die Nerven eines lebenden Thiercs
® lebt, magnetisch werden und Eisenfeile anziehen. Nach Durch-
neidung des Rückenmarks sollte sich die magnetische Kraft
' cc in die Nerven cingestochenen Nadeln nicht entwückeln, wohl
ucr nach Einathmcn von SauerstolFgas. Die Sehnerven sollen
^ahen
620 III. Buch. JSerucnphysik. I.Ahschn. Eigenschaftend. N, im. 4Uß^"*-
die elngestoclierien Nadeln niclit magnetisclk machen^ auch nicht
nach dem Eiiiathmen von Sauerstoflgas. Nach Durclischneldung
und Unicrhindung der Nerven sollen die eingestochenen Nadeln
auch nicht magnetisch vverden; jedoch soll sich bei einer Ent-
fernmig von 4 Linien zivischen den Stücken des durchschnitte-
nen Nerven eine schwache NVirkung auf die Nadeln gezeigt h^'
hen. Diese Versuche verdienen das grösste Nlisstraucn, wie alle
Versuche, hei welchen Modiflcationen eines Phänomens aufge-
zeichnet werden, ohne dass das Phänomen selbst gehörig consta-
tirt ist. Ich habe es mich nicht verdriessen lassen, diese Versu-
che an einem Kaninchen zu wiederholen, und habe auch nicht
eine Spur von magnetischer Eigenschaft an den eingestochenen
Nadeln bemerken können.
David machte in einer Inanguralthese, Paris 1830, Versuchn
bekannt, nach welchen Lcitungsdrähtc, in einen entblössten Nei^
ven eingestochen, auf das Galvanometer wirken sollen, nämlich
in dem Moment, wenn sich das Thier gerade bewege. Werde
die Nadel in einen von dem Rückenmark abgesehnittenen Nerven
eingestochen, so zeige das Galvanometer, wenn die Conductoren
mit der Nadel in Verhindung gebracht werden, keine Bewegung;
während in allen mit dem Nervencentrum zusammenhängenden
Nerven der Versuch gelinge. Diese Versuche sind mir nicht ge-
lungen, und ich halte sie im besten Fall für blosse Täuschung-
Eben so wenig hat Persoh mit einem sehr empfindlichen Galva-
nometer Electricität in den Nerven entdecken können. PretoS'“'
und Dumas {Journal de Physiol. Tom. III.) haben eine Theoi’iß
der Mtiskelbewegiing aus electrischen Ursachen aufgestellt. Di®
Erklärung, welche sie von der Zusammenziehung der Muskelu
geben, gründet sich auf die Voraussetzung, dass die quer übef
die Muskelbündel verlaufenden Nervenfasern sich anziehen nuu
dadurch die Miiskelbündel verkürzen — ■ eine Hypothese, •vvcl'
che dadurch sehr umvahrscheinlich wii'd, dass die unzählig®*’
Muskelfasern dabei als ganz gleichgültig angenommen werdej*'
Dass die Electricität die gegenseitige Anziehung der Nerven **’
den Muskeln bewirken soll, ist eine zweite Hypothese.
electrische Strömungen in den Nerven durch das Galvanonict®’’
nachzu weisen, ist es nicht zulässig, dass man die Drähte d®*
Galvanometers auf Nerven und Muskeln zugleich anwende; de**”
da eine Rette von heterogenen thierisehen Substanzen, wie Nef’*
und Muskel, und von Metall schon Electricität erzeugt, so würt
man bei jenem Versuch mit dem Galvanometer niclit die in de^
Nerven wirkende, sondern die durch die Kette erst erzeug
Electricität prüfen. Damit man also bei Verbindung des Galva
nometcr mit Nerv und Muskel nicht erst Electricität ei’zcug®’
muss man die Leitungsdrähte des Galvanometers auf einen
ven allein anwenden und beobachten, oh ein Nerv, der mit de
Gehirn in Verbindung steht, hei den willkührlichen Bcwegm*S®^
Schwankungen der Magnetnadel bewirke, dann könnte man hbe ^
zeugt seyn, dass die vom Gebirn aus erfolgende Innervation e*
electrische Sü'ömnng scy. Allein Pbevost und Dumas
hier, dass man unter diesen Umständen nie eine Ablenkung
3. Vom wirksamen Prlricip d.Nerf. Vergleichung mit d.Electricit. 021
beoLaclite. Die Verfasser liaben bei gesunden Thieren
]V. vagus, und den Plexus iscbiadicus bei einem Tliier In
b'tanischem Zustand galvanomciriscli untersuebt, allein sie haben
"’eder beim Ver])ind.en der Drähte mit versobiedenen Tlieilen
des unverletzten Nerven, noch beim Verbinden mit beiden Stiik-
^‘‘n einfes durebsebnittenen Nerven eine Spur von Electrieität
durch SebAvankung der Nadel des Galvanometers beobachtet.
ld,e„ so wenig zeigte eine, an einem Seidenwurm- Spinnfaden
'Uifgebängte Nadel eine Spur von Dcclinatlon , wenn mau sie in
die Nabe des in Adlon begriffenen Muskels undNervens brachte;
dass diess sieb so verhält, kann ich nach meinen eigenen Ver-
’^Ueben bestätigen. Um diese Unemplindliebkeit des Galvanomc-
lers gegen die Nerven zu ci'klären, und diesen Ilaupteinwurf ge-
ilen ihre Hypothese zu beseitigen, nehmen Phevost und Dumas
)'’ieder eine Hypothese an, nämlich dass der galvanische Strom
‘u den Nerven doppelt sey, dass sich beide Ströme neutralisiren,
'u dass alle Wirkung auf die Magnetnadel aufgehoben Averde.
^Vf.vost und Dumas vergleichen diese beiden hypothetischen
''Ströme mit den eleetrischcn Strömen, welche in entgegeiigesetz-
fur Richtung die Arme des Galvanometers durchlaufen, und sich
"u Mulliplicator des Galvanometers oder in den Windungen der
^^eituugsdrähtc begegnen. Die, Magnetnadel soll hierbei dem
j^biskel gleichen, welcher eben so aaIb die Magnetnadel die Wir-
kung der entgegengesetzten Ströme ei’fährt. Allein Lei den Wir-
kungen der entgegengesetzten Ströme reagirt das GaUamometer ;
"'ärmn reagirt es nicht bei den hypothetisch vorausgesetzten dop-
pelten Strömungen in den Nerven .’ Ein merkAVÜrdiger Versuch
**1 derjenige dieser berühmten Gelehrten, die mechanische, che—
’Uischc, caustische Reizung der Nerven auf eine electrische zu-
’’ückzutuhren. Da nun gerade ein Hauptbeweis gegen das electri-
•''Clie Agens in den Nerven in dem Umstand liegt, dass alle Reize,
'?)uht bloss electrische, auf die Nerven wirken, so müssen wir
diesem Theil der Arbeit jener Gelehrten eine besondere Auf-
P^ut'ksamkelt widmen. Pkevost und Dumas wollen zeigen, dass
pä Feuer, indem es, auf die Nerven AA’irkcnd, Zuckungen erregt,
*css durch Electrieität thue. Sie bringen zwei gleiche Platin-
duahte an die Enden der Conductoren des Galvanometers, und
'"lecken den einen der Platindrähte in die Muskeln des Frosches,
dem andern, welcher rothglühend gemacht worden, berüh-
sie die Nerven; es entstehen Zuckungen, aber auch eine Ab-
d'ukung der Nadel des Galvanometers. Der Versuch beweist
durchaus nicht, was er soll; denn homogene Metallstücke, wovon
jus eine erhitzt ist, erzeugen für sich schon, so wie heterogene
/ulalle, Electrieität, es müssen also Zuckungen und zugleich eine
U'eichung der Magnetnadel stattfinden.
Die Verfasser wollen ferner zeigen, dass chemische Reize,
ll'ulche auf die Nerven wirken, diess durch Electrlcitätsentwicke-
'Ug thun. Sie bringen an dem einen der Drähte des Galvano-
j, Ufers ein mit salzsanrem Antimon oder mit Salpetersäure be-
^pUchtetes Stück Platina an, und befestigen an den andern Draht
’u Fragment von Nerve, oder Muskel, oder Gehirn. Bei jeder
62‘i III. Buch. Nereenphfsik. I.Abschn. Eigenschafiend.N.tmAUge»^-
Schliessung der Kette lenkt die Nadel ab; diess beweist nocb
weniger; denn hier sind die allgemeinen Bedingungen derElectn-
citätserregiing durch Heterogenität vorhanden. Von derselben
Art ist der folgende Versuch: sie befestigen an beide Conducto-
ren des Galvanometers gleiche Platten von Platina, an eine der-
selben ein Stück frisches Muskclflcisch von einigen Unzen von
einem lebenden Thiere, und tauchen beide Conductoren in Bbi
oder in eine leichte Salzlösung, worauf eine Ablenkung der Nade
erfolgt. _ _ .
Den Versuch, die mechanische Reizung auf die clectriscbe
zurückzuführen, geben die Verfasser selbst auf; um so auffallen-
der ist es, dass Edwards (Fhoriep’s JSot. No. 266.) die leiseste
Berührung der Nerven als Electricilätsentwickelung ansehen wn •
Edwards strich die Nerven eines Frosches sanft mit Metall, Horn;
Glas, Elfenbein. Es entstanden Zuckungen; diese waren stark;
wenn ein isolirender Körper unter dem Frosche lag, wie'W achs-
taffet; schwaeh, oder fehlten ganz, wenn ein leitender Körper
wie Muskclflcisch — unter lag. Ich würde mir vergebliche Mühe
geben, diess zu erklären; die Erklärung davon ist, dass dasFactun*
nicht richtig ist. Die Unterlage hat durchaus keinen Einfluss
auf die Stärke der Muskelaction bei mechanischer Reizung.
Die neuesten Versuche mit Anwendung des Galvanometer»
sind die von Person. {Sur l’hypothese des courans electrics dan^
les nerfs. Journal de Physiol. Tom. X. 1830.) Alle Versuche voä
Person, mit einem äusserst empfindlichen Galvanometer electn-
sche Strömungen in den Nerven zu entdecken, waren, eben s®
wie hei Prevost und Dumas, vergeblich. Person brachte bc‘
Kaninchen und jungen Katzen die Conductoren des Galvanome-
ters in Verbindung mit dem vordem und hintern Theile de*
Rückenmarks; er brachte sie ins Innere mehrerer dicker Nervem
Er wiederholte diese Versuche, nachdem er in den Unterleib
Tinctura nucis vomicae eingespritzt, um die dadurch entstehen-
den Zuckungen galvanometrisch zu beobachten. Aehnliche Ver-
suche wurden hei Aalen und Fröschen gemacht; nie hat PERse®*
eine sichere Spur von Electricität entdeckt. Der Verfasser er-
zählt hierbei eine Beobachtung, welche beweist, wie viel
trauen man gegen zufällige Umstände hei solcher Art der Un-
tersuchungen hegen muss. Eines Tages brachte Person
nen Tropfen Wasser auf Zink, um sich zu überzeugen, das^
das Galvanometer empfindlich sey, er berührte nun mit den
men des Galvanometers das Wasser und das Zink, und beobac '
tete Divialionen der Magnetnadel; darauf brachte er bei
jungen Hunde die Platindrähte des Galvanometers in Contact
dem Rückenmark, und sah auch eine Diviation von 30 bis
Centlmetcrn; allein diese Abweichung kehrte sich um, als de
Contact umgekehrt statt fand, was den Verdacht einer electr ^
chemischen Action an einem der Drähte erregte. Diess war auc^
der Fall, denn als Person die Drähte in Blut brachte, oder ^
Wasser, indem er mit einem der Drähte Zink herührte,
ein galvanischer Strom, bis das Stückchen Zink oxydirt wm.
könnte den Beobachtungen mit dem Galvanometer den VorW
3. Vom cvirksamenPrtnctp d.Nerp. Vergleichung mit d.Electrkit. 623
fnachen, dass diess Instrument nur andauernde Strömungen an-
*®*ge, die Muskelcontractlonen dagegen atwechselude Zusammen-
*ichungen seyen. In der Thal, wenn Pehson einen der Drahte
Galvanometers mit dem Conductor einer electrischen Ma-
®'^1iine, den andern mit dem Boden in Verhindung brachte, ent-
stand eine regelmässige Ablenkung (k chaque tour du plateau),
‘l'cht aber, wenn der Strom in eine Reibe von Funken venvan-
•^elt wurde. Hiernach ■wiederholte Person mehrere seiner Beob-
^'^htungen mit einem Instrument, welches für succcssive Strömun«.
(courans instantanes) empfindlich war; allein Person konnte
j'**ch mit diesem Instrument hei Müskelcontractionen keine Ah-
^®ökung entdecken.
Endlich bemerkt Person, dass, um Muskelcontractionen zu
^^zeugen, es gar nicht nöthig sey, dass ein galvanischer Strom
'‘Je ganze Länge der Nerven durcldaufe. Derselbe Erfolg tritt
®‘ä, so klein auch die Stelle am Nerven ist, durch welche der
^Ifom von einem zum andern Pol geht. Wenn man einen Nei’-
''en zerrt, quetscht, brennt, so zuckt sein Muskel; eine Ligatur
’“'ter der Stelle liebt alle Wirkung auf. Es ist gerade so, wenn
einen Nerven mit beiden Polen armirt und den Strom
'^ärch die Dicke des Nerven gehen lässt. Man nimmt hier zwar
dass der galvanische Strom eine Ablenkung nach der ganzen
’r'^nge des Nerven erleide, weil die Nerven so vorzügliche Leiter
Electricität seyn sollen. Indessen zeigt Person sehr gut, was
selbst auch sehr oft beobachtet habe, dass die Nerven nicht
“®sser das galvanische Fluidum leiten als die Muskeln und an-
^'“•e nasse thierische Theile; dass ihre Leitungskraft sich nicht
ändert, wenn man sie mechanisch zerstört, und dass das Neuri-
unfähig ist, die galvanischen Ströme zu isoliren. In der
^l>at geht ein galvanischer Strom, der in einen Nerven geleitet
)yPd, sogleich in Muskeln und fibröse Theile über, sobald diese
einen kurzem Weg darbieten. Man muss hieraus mit Per-
so wie aus dem ganzen Gang der bisherigen Verhandlung,
^liliessen, dass ein Bewegungsnerve während des Lebens und der
j ^Uer seiner Reizbarkeit in einem solchen Zustande ist, dass al-
was plötzlich den relativen Zustand seiner Moleküle verän-
eine Contraction des Muskels am entfernten Ende erregt,
’*.**'! dass electrische, chemische und mechanische Reize hierbei
®>ch gleich verhalten.
j. Hie mit dem Galvanometer angestellten Versuche zur Prü-
der Electricität der Nerven, so gewiss sie keinen Beweis
die Electricität derselben liefern, können eben so wenig streng
^^Weisen, dass keine Electricität in den Nerven entwickelt werde;
poii diese Instrumente sind zu unvollkommen. Sie wirken meist
^‘‘=ht mehr, wenn wirkliche Electricität durch ein Metallplattenpaar
P’twickelt wird, sobald einer der Conductoren des Galvanome-
nicht das Metall seihst berührt, sondern nur durch Vermit-
eines Wassertropfens oder Stückchen Muskelfleisches da-
j'*- in Verbindung steht. Hieraus sieht man deutlich genug.
Wenn auch Electricität in den Nerven wirkte, sie durch das
''Ivanometer nicht leicht angezejgt würde. Dagegen ist der Nerve
624 HI. Buch. Nervenphysik. I.Abschn. Eigenschaften J.N. imAUscni.
eines Froschscbenkels ein viel feineres Electrometer, welches i»'
dess keine Wirkung zeigt, wenn der Werve eines aligeschnitte-
iien Froschschenkels mit einem andern gereizten Werven in Cou-
tact steht. .
Einige haben sich hei der Hypothese von der Wirkung ^
Electricität in den Werven auf die eleetrisclien Fische gestid* >
aber gerade die Existenz dieser einer galvanischen Säule ähnhc
gebauten Organe, welche hei Torpedo aus Säulchen von hne
einander geschichteten dünnen Platten und einer dazwischen hß'
findlichen verschiedenen Materie bestellen, ist der Hypothese vo«
der Electricität in den Werven durchaus nicht günstig. DeD**
nur da findet hei Thiercri eine electrischc Wirkung statt,
besondere Organe dafür vorhanden sind; wäre aber Elcctricii^*'
das Agens der Werven, so brauchte es hei den Fischen keine*
besondern thierisch - galvanischen Apparate , sondern blosse*
Conductoren. Man erzählt zwar häufig wieder, dass CotugK*’
beim Seciren einer lebendigen Maus, als der Schwanz der M»***
gegen seine Hand schlug, einen heftigen Stoss empfand; die**
gehört aber nicht hierher. Denn wenn man Thiere, wie Mäns®?
Frösche, Spinnen, gegen welche man eine Aversion leicht b» <
schon mit einiger Äiii’regung in den Händen hält, so köiin®”
durch eine leichte Veranlassung, durch Erschrecken, auch We*"'
vensymptome entstehen; diess hat nichts mit einer elcctrische'I
Wervenwirkung gemein. Die Empfindung eines Schlags wie
Anwendung der Electricität Ist ein Phänomen, welches inden^c*''
ven auch bei jeder heftigen Heizung entsteht, z. B. wenn n*****
erschrickt, oder wenn man den W. ulnaris zerrt. Der SchlfS
von der Electricität ist auch kein electrischer Schlag, sondei'**
eine Empfindung durch Electricität veranlasst, wie sie auch dure
mechanische Einwirkung verursacht werden kann. Kästner h®'
richtet, dass er heim Schreiben öfter kleine Stösse in den k*"'
gern empfinde. Vor Jahren, als ich von einer nervösen Reizb»*’'
keit hefallen war, hatte ich diess Symptom sehr oft, sobald *‘^
die Hand und die Finger zu sehr anstrengte.
Fasst man nun alles bisher Verhandelte zusammen, so ot'
giebt sich als Resultat:
1) Dass in den Werveu hei den Lehensactionen keine electi*'
sehen Sti-ömungen staltfinden. 2) Dass die electrischc Kraft vo*J
der Innervation ganz verschieden ist. 3) Electrischc Strönu"ü?
in den Werven ist also eben sowohl ein syraholischer Ausdruc >
als wenn man die Wirkung der Wervenkraft mit dem Lieb ^
dem Magnetismus vergleicht. lieber die Watur des Wervenpr*^'
cips ist man eben so ungewiss, wie über das Licht und
Electricität; die Eigenschaften des Wervenprincips kennt fast ^
eben so gut, wie die Eigenschaften des Lichtes und anderer 'ß*^
ponderabler Agentien. So verschieden diese Kräfte sind, so
derholt sich doch hier die Frage, ob ihre Wirkungen
orts verändernde Strömungen einer imponderablen Materie ents
hen, oder ob sie durch mechanischen Impuls, nämlich ^***^.jg
TJndulationen eines Fluidums, wie nach der Undulationstheo»_^
bei dem Licht angenommen wird, erfolgen; welche Annahme
H. Abschn. Von den Empfiriduftgsnenren u. Be*vegimgtnerven. 625
ÖinsicKt des Nervenprincips hier die richtige sey, ist vor der
Wand füi- das Studium der Mechanik des Nervensystems gleich-
gleichwie die Gesetze der Mechanik des Lichtes durch
Annahme der einen oder der andern diesex Theorien nicht
''“geändert werden können.
Ahschnill. Von tien E m pfl n dun gsner ve ti ,
liewegungsnerven und organisch en IS erv eii.
Capitel. Von den sensitiven und motorischen Wurzeln
der Rücken marksner veii.
J. MuErxEH, Froriep’s Kot. Ko. fil6. 647. Annales dts scitneet
naturelles. 1831.)
Die Thatsachc, dass diesel]3en Nerven am Rumpfe der Em-
IJ/'nclung und der Bewegung zugleich vorstehen, und dass die
l'“'« dieser Functionen in einem Nerven zuweilen durch Lähmung
'"ligehoben wird, während die andei’e fortdauert, ist eines der
'''‘clitigsteu Probleme der Physiologie. Cuxules Bell hatte zu-
den ingeniösen Gedanken, dass die hinteren, mit einem Gan-
P'oa versehenen Wurzeln der Spinalnerven der Empfindung al-
die vorderen Wurzeln der Bewegung vorstehen, und dass
''® Primitivfaden dieser Wurzeln nach der Vereinigung zu ei-
Nervenstamm für das Bedürfniss der Haut und der Muskeln
^“'äischt werden. Diese Idee liatte er in einer nur für den
seiner Freunde bestimmten Abhandlung, an idea of a new
of the hrain suhmilted for the obseroation of the authors
iSlX entwickelt. Eilf Jahre später trat Herr Magekdie
derselben Theorie auf; ihm konnte Bell’s Entdeckung nicht
^''“ekannt geblieben seyn, da Shaw im Jahre 1821 in Paris in
]^*'ehung auf Bell’s Ansichten über die Gesichtsnerven mit Herrn
^‘‘iendie A'ersuche anstellte. Allein Herr Magekdie hat das Ver-
fäst, diesen Gegenstand hinsichts der Rückenmarksnerven in die
j *perimentalphysiologic eingeführt zu haben. Magendie behaup-
aus seinen Versuchen, dass nach Durchschneidung der hin-
^ *'en Wurzeln nur die Empfindung, nach Durchschneidnng, der
^“rderen Wurzeln die Bewegung in den entsprechenden Theilen
“bre. Magendie’s Resultate waren nur approximativ. Nach
‘h
Sollten die hinteren Stränge des Rückenmarks und die hinte-
j ^ AVurzeln der Rückenmarksnerven vorzugsweise der Empßn-
*?S) die vorderen vorzugsweise der Bewegung vorstehen, ob-
nicht ganz ohne Empfindung seyn. So fand er auch, dass
Sei fPPiieation des Galvanismus auf die vom Rückenmark abge-
j^j^'nittenen liinteren Wurzeln der Rückenmarksnerven auch noch,
die^* nnr schwache, Contractionen der Muskeln errege, während
Reiz auf die vorderen Wurzeln angewandt, heftige Zu-
626 IIL Buch. Neri>enphfsik. n,Abschn,Empfindungs~ u.Bewegungsner»-
sammenziehungen bewirke. J. de physiol. 2. 276. Vergl- De®
MOui.i’JS ct Magekdie Anatomie et physiologie des sysfemes
Paris, 1825. p.lll. Diese Versuclic sind bei böhei-en Thicren
grausamsten, w'elcbe man erdenken kann. Die ungelieurc Verw*^^
düng zur EröfFnung des Rückgratbs in einer so grossen StrecK >
um "die Wurzeln aller Nerven, die zu den hinteren Extremita^®^
geben, zu durcbscbneiden , ist an sieb schon scbnell lebensg '
fäbrlicb, mit enormer Blutung verbunden, und der Tod des
res erfolgt unausblciblicb in" kurzer Zeit, ebe man zu iiberze®'
genden Resultaten gelangt ist. Ein wie grosses Erstaunen dab®^
aucb Bei,i.’s Theorem wiederum in den Versuchen von
gekdie billig erregte, so blieb doch die gehörige Bestätig'^”®
dieser Versuche aus. Nur Beclaed hat, aber auf eine zu oh®*^
Ilächliche und ungenügende Art, diese wichtige Frage bejah®”^^
entschieden,' indem er sagt: Les experiences de Mr. Cu. Bell,
les de Mr. Magenbie et les miennes propres ont clairement detn»'^
ire, (jue la racine posieriewe des nerjs spinaux est sensoriaJe el
racine anlerieure motrice. Eiern, d’anat. gener. Paris 182.3. p. 6® j
Fodera’s Versuche waren mit so widersprechenden Symptonj^j,
begleitet, dass es unbegreiflich ist, wie er seine Versuche i®
eine Bestätigung von Magendie’s Beobachtungen ausgeben konm ]
Belhisgeui erhielt g-anz verschiedene Resultate, und schloss
seinen Versuchen, dass die innere graue Substanz des Rück®®'
marks der Empfindung, die weisse faserige der Bewegung i
stehe, dass die vorderen Stränge des Rückenmarks und die
deren W'urzeln der Flexion, die hinteren der Extension der |
kein bestimmt seyen. In Deutschland sind diese Versuche i
Sorgfalt an vielen Thieren von Schoeps wiederholt worden.
Meckel’s Archiu für Anat. und Physiol. 1827. Allein die P®
sultate sind ganz zweifelhaft und schwankend ausgefalj®
Auch ich batte schon im Jahre 1824 diesen Versuch ohne P
sultat bei meinem Aufenthalt zu Berlin vorgenommen. Ne®®^
dlngs besch'äftigt mit Untersuchungen über das NervensysI®^^. ^
trieb mich die Begierde nach Wahrheit an, eine Reihe ,
Versuche naeh einem veränderten Plane an Kaninchen anz«*^®^ I
len. Denn d.ass die bisherige Art der Versuche trügerisch
beweist der Umstand', dass viele Thierc, vorzüglich Kanin®*'^
durch die ersten Handgriffe des Experiments erschreckt und ®‘ j
geschüchtert, ohne dass man bedeutende Verletzungen
einer Art vorgenommen hat, selbst bei den heftigsten Uautrei*.^^
nicht einmal beim Zerquetschen und Zerschneiden der Haut
gend eine Schmerzens'äusserung von sich geben. Wie kann
daher in der kurzen Zeit, wo ein Thier nach der Oeffnung
Rückgraths noch lebt, zuverlässig entscheiden, ob das Thier »
Empfindung hat oder nicht?
Ich wusste, dass die geringste Zerrung eines angespanu^^^j
Muskelnerven mit einer Nadel Zuckungen in den entsprechen
Muskeln erregt. Sind nun die hinteren Wurzeln der
ven bloss empfindend und nicht bewegend, so müssen sm
Zerren mit der Nadel keine Zuckungen, die vorderen
aber beim Zerren wirkliches Zucken bewirken; um die klein
1. sensitioe und motorische Wurzeln der Spinalnerven. 627
:^^ckungen zu bemerken, legte ich die Maskein der hinteren
^^tremitäten bloss. Diese mehrfach wiederholten Experimente
j‘‘eben, wenn man gewissenhaft seyn wollte, ohne Resultat, weil
•irch die mit der Oeff'nung des Rückgraths verbundenen Er-
1‘^Qütterungen schon kleine Erzitterungen in den Muskeln einge-
•'fiten waren, welche alles fernere Experimentiren unzuverlässig
'“'■‘chten. Nach so vielen vergeblichen Bemühungen, um das ab-
**^lute Resultat zu erhalten, von welchem Herr Magendie spricht,
ich an zu zweifeln. Ich verzweifelte an einem entsclieiden-
Und zuverlässigen Resultat aller solcher Versuche. Haben
Och Desmoülins und Magendie selbst nur gesagt, dass in dem
^*Uem Fall Jost aUc Empfindung, in dem andern Fall fast alle Be-
^^Sung aufhörg. In einem absoluten Resultate kann von einem
‘'^Iben Erfolge, von keinem fast keine Rede seyn. Ich sagte zu
***'*■_ selbst: Das Theorem von Bell ist überaus ingeniös, allein
ist nicht bewiesen, Magendie hat es auch nicht genügend be-
J^icsen, und es kann vielleicht bei höheren Thieren nie genügend
!!*hviesen xverden. Dieser Meinung, dass der gehörige Beweis
pie, war auch E. H. "Weber (erster Baud seiner vortreffli-
'il'on Ausgabe von Hildebbandt’s Anatomie. Braunschweig 1830.
■ 283.). Zu einem guten physiologischen Experiment gehört, dass
gleich einem guten physicalischen Versuche an jedem Ort, zu
Zeit, unter denselben Bedingungen dieselben sicheren und
^.^Zweideutigen Phänomene darbiete, dass es sich immer bestä-
o®- Diess kann man von den bisherigen Versuchen zum Be-
'^®iss des BfiLL’schen Lehrsatzes nicht sagen. Denn die Verlet-
die Entkräftung ist so gross, dass die Wahrscheinlichkeit
j®* Irrthums grösser ist als die Wahrscheinlichkeit des Resul-
,0'ts. Ein Fehler, an dem so viele physiologische Experimente
j Sollten aber nicht Experimente für oder gegen den BELL’schen
,®brsatz gefunden werden können, welche eben so zuverlässig
als die physiologischen Experimente von Haller, Fontara,
^^vani, A. V. Humboldt?
Ich kam endlich auf den glücklichen Gedanken, Frösche zu
fraglichen Versuchen nach meiner eben erwähnten Methode
^ZUwenden, Thiere, welche ein sehr zähes Leben haben, die
des Rückgraths lange überleben, deren Nerven die läng-
^eit sensibel bleiben, und bei denen die dicken Wurzeln der
i für die hinteren Extremitäten eine sehr grosse Strecke
. .Kanäle des Rückuraths getrennt x'erlaufen, ehe sie sich ver-
- -- a _ n . . . . , „ . .
Diese Versuche sind mit dem glänzendsten Erfolge ge.*
• worden ; sie sind so leicht, so sicher, so entscheidend, dass
W'b nunmehr schnell von einer der allerwichtigsten Walu-
Cq der Physiologie überzeugen kann. Die Phänomene sind so
überraschend, dass diese Versuche an Einfachheit
Hig Gewissheit des Erfolgs dem besten physicalischen Experi-
tum crucis an die Seite treten dürfen.
Spj, OelTnung des Rückgraths bediene ich mich einer an der
an der Spitze scharf schneidenden Knochenzange.
® Operation ist in einigen Minuten ohne alle Verletzung des
628 TU. Buch. NerucTipIiY.nh. II. Abschn. Empßndungs- u. Bi-ccegurigsucr^’
Rückenmarks vollbraclit. Die Frösclie sind darauf ganz munte«
und hüpfen wie vorher herum. Man sieht nach Oeftnung de
Rückgraths und der Häute sogleich die dicken hinteren
zeln der Nerven für die unteren Extremitäten. Man hebe c i
Wurzeln vorsichtig mit einer Staarnadel auf, ohne etwas von de
vorderen Wurzeln mit zu fassen, und schneide sie an der
tion am Rückenmarke ab. Nun fasst man das abgeschnit^”
Ende mit der Pincette und zerrt die Wurzel sellist wiederhe
mit der Spitze der Staarnadel. Man wird sich bei jedem ’
such dieser Art, aucli wenn man ihn unzäbligemal an einer
von Fröschen wiederliolt, überzeugen, dass auf die mechanisf ^
Reiiung der hinteren lyurzeln niemals auch nur die entfernteste
einer Zuckung in den hinteren Extremitäten erfolgt. Dasselbe ka^,’’
man an den sehr dicken liinteren Wurzeln der Nerven für d>
vorderen Extremitäten mit demselben Erfolg wiederholen.
Nun hebe man eine der vorderen eben so dicken Wur*® j
der Nerven für die Hinterbeine mit der Nadel aus dem
des Rückgraths hervor. Schon bei der leisesten Berührung <5'®^
ser Wurzeln erfolgen sogleich die nllerlebhaftesten Zuckungen
der ganzen hintern Extremität. Man schneide auch diese
zeln vom Rückenmark dicht ab, fasse das abgeschnittene En ^
mit der Pincette und zerre die angespannte Wurzel mit der
delspitze. Bei jeder Reizung erfolgen die lebhaftesten Zuckuog®‘'j
Durch Wiederholung dieser Versuche an einer grossen Za**
von Fröschen kann man sich überzeugen, dass es durchaus nnj
möglich ist, durch die hinteren Wurzeln der Spinalnerven
Fröschen Zuckungen zu bewirken, dass dagegen die gerings’
Reize auf die vorderen Wurzeln sogleich das Spiel der heftig*'
])«'
ite»
tei
Zuckungen bewirken.
So lange beiderlei Wurzeln noch mit dem Rückenmark
Bünden sind, kann man durch zerrendes Aufheben der hinto ^
Wurzeln und die dadurch bewirkte Zerrung am Rückenm**
selbst auch Zuckungen in den Hinterbeinen bewirken. D'® ^
entstehen aber nicht durch die hinteren Wurzeln selbst, sond®
durch das zugleich gezerrte Rückenmark, dessen Reizung
die vorderen oder motorischen Wurzeln auf die Muskeln w*'
Wenn daher vorher die vorderen Wurzeln durchschnitten
den, so kann die Zerrung des Rückenmarks oder der hinteJ’^^|'
noch mit dem Rückenmark zusammenhängenden Wurzeln
keine Art die geringste Spur einer Zuckung erregen. -
Eben so entscheidend sind die Versuche mit Anwendn »
des Galvanismus durch einfache Zink- und Kupfcrplatten.
Die Reizung der abgeschnittenen vorderen Wurzeln
Galvanismus bewirkt sogleich die heftigsten Zuckungen ; die
sehe Reizung der hinteren Wurzeln bewirkt niemals eine Spuf
Zuckung. Dieses Resultat ist äusserst merkwürdig und war .
ganz unenvartet: denn ich hatte mir gedacht, dass, wenn
die hinteren Wurzeln bloss empfindend sind, sie doch fähig
ren, das galvanische Fluidum bis zu den Muskeln leiten ,
es ist sogar unvermeidlich, dass bei heftigem galvanischen
einer sehr starken Säule das galvanische Fluidum durch die
i. Sensitwe und motoriich« Wurzeln der Spinalnerven. 629
Wurzeln so gut, wie durcli jede tliierlscho Substanz gelei-
et wird (so wie es in Magendie’s Versuchen erging). Allein es
***• ganz gewiss, dass der galvanische Reiz eines Plattenpaares
*H’ch die hinteren Wurzeln nicht auf die Muskeln wirkt,
u>'ch die vorderen Wurzeln sogleich Zuckungen erregt, dass
mechanische Reiz einer Nadel hei den stärksten Zerrungen
jj'emals eine Spur von Zuckungen durch die hinteren Wurzeln
«fvorruft, während die geringste Zerrung an den vorderen
purzeln sogleich lebhafte Zuckungen bedingt. Bei der Anwen-
’j*'g des Galvanismus auf die hinteren Wurzeln muss man sich
hüten, dass die Platten irgendwo andere Theile berühren.
Die Art, wie Bet.t, und Mageudie den BELL’schen Lehrsatz
beweisen suchten, lässt sich auch mit dem sichersten Erfolge
Pröschen anwenden. Durchschneidet man bei demselben
''Osch auf der linken Seite alle .3 hinteren Wurzeln, auf der rech-
Seite alle .3 vorderen Wurzeln der Nerven für die Hinterbeine,
'st an dem linken Bein die Empfindung, an dem rechten Bein
Bewegung gelähmt. Schneidet man dann am rechten Bein,
Elches noch Empfindung, aber keine Bewegung hat, den Fass
j > so zeigt der Frosch den grössten Schmerz in allen Theilen
Körpers dui’ch Bewegungen, aber das rechte Bein selbst, an
er doch den Schmerz fühlt, kann er nicht im geringsten
j.^'vegen. Schneidet man dagegen am linken Bein, welches keine
j,'*ipfindung aber noch Bewegung hat, den Fuss ab, so fühlt es der
^'’osch gar nicht. Dieser Versuch ist wohl der überraschendste
allen, und giebt entscheidende Resultate, nicht halben Erfolg,
man beim Frosch gewiss ist, die Wurzeln der Nerven des
j^.'^terbeins sämmtlich zu durchschneiden, indem es nur sehr we-
8®» aber dicke Wurzeln sind.
Diess sind die Versuche, welche keinen Zweifel mehr an
Wahrheit des BEH-’schen Lehrsatzes übrig lassen.
Ich bemerke noch, dass das Abschneiden der hinteren Wur-
Sen Rückenmark oft ganz deutlich mit Schmerzensäusserun-
am Vorderthell des Rumpfs verbunden ist.
^er ^^ci’S'ichen , wovon bisher die Rede gewesen, wird
Reiz nur auf die Wurzeln, die vorher dicht am
I^ol abgeschnitten worden, angebracht, indem man Leide
Sqi *"if das Wurzelende wirken lässt, und also einen galvanl-
fis 1 ® Strom durch die Dicke der Nervenwurzel erregt. Nun ist
dass die Rumpfnerven, die aus der Verbindung der
entstehen, Zuckungen erregen, sowohl wenn sie
S^lvanisch irritirt werden, als wenn der eine Pol auf den
Pol äiif dci Muskel wirkt, indem im erste-
der galvanische Strom nur cjner durch die Dicke der
j!)' I® letzten Fall vom Nerven bis zum Muskel in der gan-
ange des Nerven durchgeht.
wünschte jetzt zu wissen, und jeder wird die Frage
die hintere Wurzel, indem sie unfähig ist, bei der
, ^ baren Reizung Zuckungen zu erregen, zugleich unfähig
galvanische Fluidum zu den Muskeln zu leiten, wenn die
G30 in. Buch. Nerpenphrxik. II. Ahschn. Empfindungs- u. Bewegungsnerv,
hinteren Wurzeln mit dem einen Pol, die Muskeln mit dem
andern Pol in Verbindung gebracht werden. Hierdurch ents an
eine Reihe interessanter Experimente , welche eben so constan
Resultate gaben, wie die frülxer mitgetheilten Beobachtungen nn
welche seitdem sehr oft wiederholt worden sind. Sämint ic i
Versuche wurden an Fröschen angestellt. Die Wurzeln wui ^
immer nach der schon beschriebenen W'eise vorsichtig und saii
mit der Nadel aufgehoben, und dicht am Rückenmark abgeschm '
ten, so dass sie nur mit ihren Rumpfnerven in Verbindung stan-
den. Zur Isolation wurde immer eine Glasplatte untergcschoim
und der ganze Frosch auf ein Stück Glas gelegt. Folgenu
sind die constanten Resultate: .
1) Wenn man die hinteren Wurzeln der Spinalnepen aliei
mit Leiden Polen eines einfachen Plattenpaares in VerhinduDfi
bringt, so entsteht niemals die geringste Spur einer Zuckung.
2) Wenn man dagegen die hinteren Wurzeln mit dem ein«^
Pol, einen Muskel der unteren Extremitäten mit dem ander^j
Pol armirt, und also einen galvanischen Strom von der Wur* ^
bis zu dem Muskel leitet, so entstehen Zuckungen, und zW»
bloss in den innerhalb des galvanischen Wirkungskreises geleg
nen Muskeln. u
3) Die vorderen Wurzeln bewirken, sowohl unmittelbar
beiden Polen vereinigt, als mittelbar, indem der andere Pol
die Muskeln wirkt, Zuckungen in allen Muskeln der Extremd*'
nicht bloss in dem galvanischen Wirkungskreise, sondern bis *
den Zehen herab. . -.xr i md
4) Dasselbe erfolgt, wenn man die hinteren W'urzeln n
dem einen Pol, die vorderen Wurzeln mit dem andern Pol
Verbindung bringt. , • c m «eV»»
Diese Versuche beweisen so bündig, als ein achluss scj
kann, unumstösslich : „ . , ,vbt
a. Dass die hinteren W’^urzeln der Spinalnerven zwar nie
isoliren, sondern wie alle ihierische Theile im nassen Zusta» ^
den galvanischen Strom passiv von einem zum andern Pole lei
i). Dass sie aber keine motorischen Kräfte oder Reweguu»
kräfte haben, und durch sich selbst keinen Muskel zur Beweg» »
bestimmen können. u • j aal-
c. Dass dagegen die vorderen Wurzeln nicht allem den s
vanischen Strom wie alle thierischen Theile leiten, sondern
sie auch, ohne dass ein galvanischer Strom durch sie J,
Muskeln geleitet wird, bei jeder unmittelbaren Reizung du^^^
mechanische oder galvanische Reize eine motorische, nicht g»
nische Kraft in der Richtung der Nervenverzweigung
Ich werde nun zeigen, dass ein Nerv die eigene mo o .
Kraft verlieren kann, wenn er die Fähigkeit, den gü®
Strom auf die Muskeln zu leiten, noch behält. Man i^a-
einen Muskelnerven mit der Pincette, mechanischer un » |,j.;
nischer Reiz über der gequetschten Stelle wirken me‘. ^^,^tei'
wohl aber, xvenn der mechanische und galvanisclm ^eiz .j,
der gequetschten Stelle zwischen dieser und dem M»'’ ® „aW®'
cirt wird. Dennoch ist ein gequetschter Nerv fähigi een p
1. Sensätpe und moiorisck« JV urzeln der Spinalnerven. 631
•fischen Strom zu den Muskeln zu leiten, und es entstehen Zuk-
kun gen, wenn der eine Pol auf das Ende des geqtietschtcn Ner-
''en, der andere Pol auf den Muskel wirkt, jßie gequetschte
Stelle ist also leitungsfähig.
Da nun endlich der geringste mechanische Reiz mit der
^adel oder einem nicht metallischen Körper, einem zugespitzten
Federkiel, dieselben Wirkungen auf die Muskelncrven und die
''Orderen Wurzeln der Spinalnerven hervorhringt, wie der nn-
"littelhare galvanische Reiz in einem transversalen Strom durch
die Dicke des Nerven, nämlich Zuckungen in dem ganzen Gliede,
*o]^olgt:
a. Dass der unmittelbare galvanische Reiz beider Pole auf
die vorderen . Wurzeln nicht anders als der mechanische Reiz
'''irkt; dass der Galvanismus hierbei nicht als Galvanismus die
kO'ächste Ursache der Muskelcontraction ist, sondern dass der gal-
''anische Reiz, eben so wie der mechanische, nur die motori-
^ehen oder tonischen Kräfte der tonischen Nerven zur Aeusse-
'’ung erregt.
h. Dass die galvanische Kraft von der motorischen oder tonL
^rhen Kraft oder Spannkraft der Nerven verschieden ist, und
®ich zu dieser nur als heftiger Reiz verhält.
c. Es folgt ferner, dass es Nerven giebt, welche keine moto-
rischen oder tonischen Kräfte besitzen, welche durch sich seihst nie-
Oials Zuckungen erregen können, mögen sie mechanisch oder
Salvanisch gereizt seyn, und welche den galvanisclien Strom nur
Passiv leiten; dass es dagegen motorische oder tonische Nerven
fiiebt, welche hei jeder unmittelbaren Reizung ihre tonische
Jkraft in der Spannung der Muskeln äussern, eine Spannkraft,
'Welche immer in der Richtung der Vemveigung, niemals riiek’-
"'ärts wirkt. Denn es gehört niclit hieher, wenn galvanischeSü'öme
*af andere Aeste durch nasse Theile übergeleitet werden.
d. Dass endlich die vorderen Wurzeln der Spinalnerven io-
’^isch, die hinteren nicht tonisch sind.
Um den mitgetheiltcn neuen Erfahrungen noch ein grösseres
^oteresse zu gehen, beschloss ich die galvanische Säule statt des
einfachen Plaltenpaares anzuwenden. Ich errichtete eine voltai-
Säule von 34 Plattenpaaren, die Platten von etwas mehr als
^ Quadratzoll. Auch diese Versuche wurden an mehreren Frö-
schen wiederholt, und folgende constante Resultate gefunden.
1) Die hinteren Wurzeln der Spinalnerven für die unteren
|ftremitäten wurden vom Rückenmark abgeschnitten, das Ende
dieser Wurzeln auf ein Glastäfelchen aufgelegt, und mit beiden
.®len der voltaischen Säule in Verbindung gebracht. Nie zeißte
auch nur eine Spur einer Zuckung. Ich wiederhole hier 4*6
'^“rsichtsmaassregel, ja keine Fasern der vorderen Wurzeln mit
lassen.
, 2) Die vorderen Wurzeln erregten unter denselben Umstän-
''en die lajftigsten Zuckungen in der ganzen Extremität,
> 3) Brachten wir die hintere Wurzel mit dem einen Pol, die
^"skeln des Olierschenkels mit dem andern Pol, in, Verbindung,
Pliysiofo^ie,
41 >
632 III. Buch. Nervciiphysik. II. Abschn. Empfindlings- u.Betvegungsneic.
so entstanden Zuckungen am ganzen Beine, vorzüglich aher m
nerlialb des galvanischen Wirkungskreises'. ^ . r v 1 1
4) Die vorderen Wurzeln mit dem einen Pol, die
mit dem andern Pol armirt, Bewirkten noch viel stärkere Zu -
Ich wünschte nun zu wissen , oh die Wurzeln der letzte
Spinalnerven, wenn sie in einiger Entfernung vom Rückenmar
ahgeschnitten werden, und wenn die noch am Rückenmark an-
sitzenden Anfänge der Wurzeln armirt werden, Zuckungen i
den oorderen Theilen durch Vermittelung des Rückenmarks
erregen im Stande sind. Die Resultate waren constant, ahe
unerwartet. , , . i „n
Weder die vorderen noeh die hinteren Wurzeln bewirken, we»"
sie allein einfach armirt werden, in rückwärts gehender Bewegung»
Zuckungen an den vorderen Theilen des Rumpls, z. B. am '
Es scheint also, dass die Fasern der Nerven im Rückenmark
nicht communiciren. Es entstanden aher Zuckungen, wenn di«
Wurzeln mit dem einen Pol, die entblössten vorderen Theile cie*
Körpers mit dem andern Pole armirt wurden, was ivieder durc»
die Leitung des galvanischen Stroms auf ferne motorische Ner-
ven geschieht.
Endlich löste ich hei einem Frosch alle Wurzeln der Ner-
ven am grössten Theile des Rückenmarks von hinten bis in di®
Gegend der Arme dieht am Rückenmark ab, so dass der hintere
Theil des Rückenmarks frei emporgehoben und ein Glastäfelche»
nntergeschoben werden konnte. Das Rückenmarksende, mit bei-
den Polen verbunden, erregte Zuckungen in allen Theilen, wel-
che noch mit dem Rückenmark in Verbindung standen. Au
diesen letzten Versuchen folgt, dass das Rückenmark nicht blo*
das Ensemble der Rumpfnerven ist, wie ich vermuthet hatte, son-
dern dass es zwar einige Dinge mit den Nerven gemein hat,
einigen aber noch von ihnen verschieden ist. Denn die
zeln der Spinalnerven bewirken, unmittelbar gereizt, in rückwar
gehender Bewegung in den vorderen Theilen keine ZuckungßHi
wohl aber das Rückenmarksende. . ,
Die vorzüglichsten der hier lieschriebenen Versuche, nämliu
die mit dem mechanischen Reiz und mit dem einfachen
paar, habe ich nun schon alle Jahre wiederholt, und sie ha
mir immer dieselben unzw'eideutigen Resultate gegeben. So ip
che ich sie nicht allein regelmässig in den Vorlesungen über
Physiologie, sondern habe sie auch in Paris vor den Herren
v. Htjmbolut, Dutrochet, Valenciehnes, Laurillard, und em u ^
dermal vor Herrn Cuvier, eben so in Heidelberg bei ^
r^n Tiedemarn und Arnold, in Bonn mit den Herren 5
und ' WhiTzEu , ebendaselbst mit Herrn Professor Retzius
Stockholm wiederholt, der sie wieder mit gleichem Erfo g
wiederholte. Gleichen Erfolg hatte die Wiederholung der
che durch Herrn Thomson in Edinburg, durch Herrn ^
in Berlin (Hecker’s Arm. Dec. 1832.). Die Versuche mit a
mechanischen Reiz haben Seubert (de fimet. rad. ant.
nerv. spin. Cariiruhae 1833), und van Deen (de differemti
1. Sensitive und motorische W urzeln der Spinalnerven. 631
wter nervös vitae animalis et organicae. Lugd. Bat, 1834.) mit Er-
folg wiederliolt. Die galvanischen Versuche mit der Säule sind
Setibert nicht vollkommen gelungen, weil er sich ungeschickt
genug dazu angestellt hat. Statt zuerst mit einem Plattenpaare
experimentiren, hat Herr Settbert, gleichsam um es recht gut
machen , mit 50 Plaltenpaaren operirt. Nun ist es aber be-
sonnt, dass man, um locale V'irkungen zu erzeugen, hei Thieren
'’är mit ganz schwachen Apparaten experimentiren darf, indem
•®an bei einiger Stärke des Apparats nicht mehr sicher ist, ob
*äan bloss den durch die Pole berührten Thcil galvanisirt, oder
das durch alle nassen Theile leitungsfähige galvanische Flui-
dum auf andere Theile überspringt. Es ist daher kein Wunder,
'^'enn Herr Sewbert in einigen Fällen beim Galvanisiren der hin-
teren Wurzeln der Frösche durch eine Säule von 60 Plattenpaa-
fen doch Zuckungen entstehen sah; hätte er noch mehr Platten-
Paarc angewandt, so hätte er eben so gut Convulsionen des gan-
zen Frosches erzeugen können. Diese Betrachtung drängt sich
^^ei einiger Renntniss der Wirkungsart und Leitung des galvani-
schen Fluidums dem Leser so sehr auf, dass ich mich bei diesen
Missgriffen Seubert’s nicht länger axifhalten xverde. Hätte
derselbe mit einem einfachen Plattenpaare operirt, so würde er
*^60 unabänderlichen Erfolg gesehen haben, wie ich ihn jetzt
Schon so ausserordentlich häufig und nie mit irgend einer Aen-
^Crung gesehen habe. Nachdem nun Dr. Seubert mit dem ein-
^ächen Plattenpaare diesen Erfolg gesehen, liätte er zwei, dann
^cei, dann vier, dann fünf u. s. w. Plattenpaare nehmen müssen,
^is er eine Höhe von 10 — 20 — 30 Paaren erreicht hätte ;
würde dann die Grenze kennen gelernt haben, bis zu wel-
cher er bei seiner Säule gehen durfte. Dann wäre er nicht Ge-
fahr gelaufen, den Gegenstand von neuem zu verwirren, und es
l'^äre ihm nur zur vollkommenen Bestätigung der Versuche Ge-
'^genheit übrig geblieben. Die von Scae'pa [de gangliis nervorum
origine et essentia nervi intercostalis. Annal. univers, di me-
^oina 1831.) erwähnten Versuche von Pahizza , welche den
®®EL’schen Lehrsatz erweisen, sind noch nicht näher bekannt.
So definitiv nun die Verschiedenheit der vorderen und hin-
fcren Wurzeln in Hinsicht der sensilieln und motorischen Eigen-
*^aften erwiesen ist, so wenig ist dieser Unterschied in Hinsicht
vorderen und hinteren Stränge des Rückenmarks erwiesen,
habe diess schon in meinem französischen Memoire in den
"^^»ales des scienc. natur. 1831. bemerkt. Nach SErBERps Versu-
’^^cn scheint die vordere Gegend des Rückenmarks vorzüglich,
nicht allein, der Bewegung vorzustehen; die hintere vor-
^gsweise, aber nicht allein, der Empfindung. Die pathologischen
die man in Seubert’s Schrift zusammengestellt findet, ent-
. Mten auch keine vollen Beweise jener Behauptung. Üebrigens
ft es kaum möglich, über diese Frage genane Versuche an Thie-
anzustellen, indem man bei der Intention, auf die hinteren
j^E'änge durch Schnitt zu wirken, ohne es zu wollen, durch
*lick auf die vorderen w'irkt.
41
634 in. Buch. Ncroenphysik. IT. Ahschn. Empfindungs- u. Bea’egungsneru.
II. Capitel. Von den sensitiven nnd motorischen Eig®”"
schäften der Gehirnnerven.
Ohne hier schon in das Detail der Physiologie der einzelnen
Gehirnnerven einzugehen, untersuchen wir dieselben
Hinsicht ihrer TJebereinstimmung oder Verschiedenheit im Ver-
gleich mit den Rückenmarksnerveu. Die Gehirnnerven können
in folgende Gassen gebracht werden.
1) Reine Sinnesnerven, die Nerven der höheren Sinne, Ner-
vus olfactorius, opticus, acustiens.
2) Reine Bewegungsnerven. Nervus oculomotorlus, trochie*'
ris, abducens. Da diese Nerven mit einfachen Wurzeln oh»
Ganglion entspringen, auch sich nicht durch Nervenfäden vo»
Emplindungsnerven verstärken , so müssen sie vor der Hand * ^
reine Bewegungsnerven gelten, so lange es nicht durch Versuc *
bekannt ist, ob sie auch sensible Fasern enthalten, d. h. be>
Durchschneiden schmerzen. ^
3) Gemischte Nerven mit doppelten Wurzeln. Nervus tng®^
minus, Nervus glossopharjngeus (siche oben p. 589.), Nei’vus vag»
cum accessorio', bei mehreren Säugethieren auch Nervus hyp‘>'
glossus (siehe oben p. 589.) . .
4) Gemischte Nerven mit einfacher Wurzel, welche, an sie»
motorisch, durch Verbindung mit sensitiven Nerven Empfindung*'
fasern erhalten. Nervus facialis, N ervus hypoglossns des Mensche»'
Unter diesen Nerven verdienen vorzüglich die beiden le^'
ten Classen eine besondere Betrachtung.
Gemischte Hirnnerven mit doppelten Wurzeln.
Nervus trigeminus.
Dieser Nerve hat bekanntlich zwei Wurzeln, Portio maj»^
welche in das Ganglion Gasseri anschwillt, und Portio minor oh»^
Ganglion; letztere geht an dem Ganglion vorbei zum dritt»
Ast. Die aus der gangliösen Portio major oder dem Gang»®
Gasseri hervorgehenden Aestc des N. trigeminus, Ramus prn»®^
et secundus, sind wahrscheinlich bloss sensibel. Der dritte ^
des N. trigeminus, welcher zum Theil aus der nicht gangliösen P» '
lio minor entspringt, nnd aus dem Ganglion Gasseri oder
Portio major sich verstärkt, ist motorisch und sensibel. Betrac
ten wir zuerst die Eigenschaften des ersten Astes, Ramus
thalmicus. Seine Zweige sind der N. nasocillaris, ein Nerve,
sich durch seine vorzugsweise Verbreitung in der Nase und » ^
innern Angenwinkel, in der Conjunctiva und dem Saccus
malis als sensibler Nerv beurkundet. Der N. frontalis
dagegen für motorisch gehalten werden, weil er sich nicht al ^
in der Stirnhaut und der Haut des obern Angenliedes,
auch mit kleinen Zweigen in dem Musculus orbicularis palp»»
rum, frontalis und corrngator supercilii verbreiten soll. Allem
denselben Muskeln verbreiten sich auch Zweige des
und Ch. Beli. hat wahrscheinlich gemacht, dass der N. fron
nur sensibel ist, und der N- facialis die motorischen Zweige
2. Se7tsitii>e u. motorische Eigenschaften der Gehirnneroen. 635
Jene Tlieile aLgicbt. Ueberdiess fand Arhold, dass die Zweige
^es N. frontalis die Muskeln nur durcliLoliren und zur Haut ge-
uen, wie es auch mit den Zweigen des N. inl'raorhitalis und
*öentalis ist. Beli, diu’ehschnitt ]3ei einem Mann, der an Gesichts-
Schmerz litt, den N. frontalis. Diese Durcljschneidung war sehr
Schmerzhaft. Dagegen wurde hei einem anderen Kranken der
Musculus corrugator supercilii gelähmt durch eiterige Zerstörung
des ohern Astes vom N. facialis hei einem Geschwuir vor dem
^ssern Ohr. Neuerlich hcrichtet Beli., dass er zwei oder drei
halle von Krankheit des N. ophthalrnicus heohachlet hahe, wo-
bei gänzliche TJnempfindlichlveit des Auges, der Augenlieder ohne
keidust des Gesichts statt fand. Magekdie’s Journal. T. Ä. p. 9.
Der zweite Ast des K. trigeminus ist auch ganz sensibel,
^nd enthält, wie sich sicher beweisen lässt, durchaus keine moto-
J'ischen Fasern. Mehrere Zweige desselben zeigen sich als sen-
^hel durch ihre Verbreitung in nicht musciilöse Thcile, wie der
A. dentalis anterior (Ast des N. infraorhitalis) und posterior, N.
'•dianus, N. nasales, palatini, nasopalatinus Scarpac. Dass derN.
*Uhcutaneus malae und infraorhitalis auch sensibel sind, geht aus
ihrer vorzugsweisen Verbreitung in der Haut hervor; und dass
der N. infraorhitalis, der sich vielfach mit dem N. facialis verflechtet
Und seihst mehr durch als in die Gcsichtsmuskeln verbreitet, keine
diotorischen Fasern enthält, kann sicher bewiesen werden. C. Bell
^^posifion du syst. nat. des nerfs. 1825. Bell in Meckel’s ulr-
cAjc». VIII. p. 401. Magendie Journal. Tom. II. p. 66. C.
■dELi. physiol. und paihol. Untersuchungen des Nervensystems, übers.
“"i* Romberg. Berl. 1832. EscnRicax de fimctionibus nervorum fa-
et olfactus organi. Hafn. 1825. Ger. Bäcker commentatio ad
l^aestionem physiologicam a facidlate medica. acad. Rhenotraject. a.
^828 propositum. Traject. ad Rhenum 1830.
Bell durchschnitt hei Thieren den N. infraorhitalis auf der lln-
Seite, den N. facialis auf der rechten Seite des Gesichts ; hier-
auf folgte complete Unempfindlichkeit der linken Seite, Lähmung
dcr BcAvegung auf der rechten Seite. Die Durchschncidnng des
’• facialis erregte Zuckungen der Gesichtsmuskeln, die des N. in-
raorhltalis nicht. Bell durchschnitt hei einem Esel den N. in-
i'äorhitalis , hei einem andern Esel den Nervus facialis. Hier
ilieb die Sensibilität und verschwand die Muskelkraft; dort ura-
gekehrt. Beim Esel Ijrachte die mechanische Reizung des N. in-
laorbitalis heftige vSchmerzen , aber keine Zuckungen hervor.
*6se Versuche sind von Schoeps (Meckel’s ylrchiv 1827. p. 409.)
'\*id mir (Froriep’s Not. Nr. 647.) bestätigt worden. Bell hat
yäen pathologischen Fall beobachtet, wo ein Mann nach einer
^Hetzung des N. infraorhitalis die Empfindung in der Ohciilppe
yi'ior, ohne Verlust der Bewegung (Magendie Journal de Physiol.
.“i”- A. p. 8.). Bell hat sich indessen darin geirrt, wenn er
hauhte, (lass der N. infraorhitalis doch noch zur Bewegung der
5 heim Ergreifen des Futters diene. Nach der Durch-
iihneidung des N. infraorhitalis auf beiden Seiten wollte Bell
eruerkt haben, dass der Esel das Futter nicht mehr mit den
ippen fasste, sondern bloss die Lippen auf den Boden drückte,
636 III. Buch. Hervenphysik. II. Abschn. Empßnduiigs- u. Bewegmigsner»’
um mit der Zunge das Futter zu fassen. Auch Lemerkten
und ScaoEPS, dass nach der Durchschneidung des N. facialis au
einer Seite die Lippen doch noch auf lieideii Seiten ihre Beweg
lichkeit Jieim Ergreifen des Futters geäussert haben. Diesen rr
thum hat zuerst Mayo berichtigt. Anatom, and physiolog. conunen ■
Land. 1822. p. 107. Mayo durchschnitt den Ramus infraorbitalis?
worauf das Thier das Futter nicht mehr mit der Lippe ergr* ^
und sich der Lippe nur heschwerlicli heim Rauen bediente; a
es konnte die Lippe öfthen, was Bell geläugnet hatte.
Phänomene glaubt Mayo mit Recht aus dem Verlust des Gefu^*
in den Lippen zu erklären, denn das Thier fühlte das FuRß
nicht mehr, Yveun es auch dasselbe ergreifen konnte. Dass abe
die Bewegung der Lippen von dem N. facialis abhängt, hat
ausser Ziveifel gesetzt. Denn nach dem Durchschneiden des
facialis auf beiden Seiten erfolgte zugleich Lähmung aller ^ ^
sichtsmuskeln , auch der Lippen. Die Bewegung der Lippen aa^
beiden Seiten, wenn die Durchschneidung des N. facialis
einerseits statt gefunden hat, erklärt Bäcker mit Recht aus de ^
passiven Mitbewegen der gelähmten Seile bei dem Zusamroe"
ziehen des Muse, orbicularis oris. __ ^
Meine eigenen Versuche über den N. infraorliitnlis an R®
ninchen sind folgende; Der N. iufraorbitalis erregt, wenn aiafj
ihn auch noch so sehr mit einer Nadel reizt und zerrt, oder »M
der Pincette quetscht, niemals eine Spur von Zuckung in d®^
Muskeln der Schnauze. Ich schnitt den Nerven dicht an de
Austrittsstelle durch, wobei das Thier ein sehr klägliches G®'
schrei und ungeheure Schmerzensäusserungen erhob. Das En‘ ^
des Nerven wurde mit beiden Metallplatten in Verbindung g®
bracht, nachdem der Nerv auf eine Glasplatte aufgelegt wordeia
Wir sahen keine Spur von Zuckungen in den enlblössten
kein der Schnauze. Wohl aber entstanden Zuckungen, als de^
N. infraorbitalls mit der einen Platte, die Muskeln mit der
dem Platte armlrt wurden, weil in diesem Fall ein galvanisch
Strom bis zu den Muskeln der Schnauze entstand und dort Za ^
kling erregte, an der der Nerv durch seine Kräfte hein®^
Anthell hatte. Als wir darauf auf das isolirte Ende des
vus infraorbitalls beide Pole einer galvanischen Säule von
Plattenpaaren wirken Hessen , zeigten sich bei Berührung
einzelnen Stellen des sehr breiten Nerven keine Zuckungen
den Muskeln der Schnauze, wohl aber bei der Bernhning ‘’j
anderen Stellen kleine Zuckungen, was uns unerwartet war
was man nur aus zwei Gründen erklären kann: 1. daraus, r“
sich Aeste des Nervus facialis sogleich an den Nervus Bdra®^^
bitalis an tler Austrittsstelle anschliesscn , und 2. daraus ,
bei einer starken galvanischen Säule das galvanische
nicht allein wie gewöhnlich den kürzesten Weg von einem
andern Pol nimmt, sondern durch alle Leiter auch in
sich verbreitet. So erregt ein gequetschter Muskelnerv, über
gequetschten Stelle galvanisirt, keine Zuckdngen mehr, wei
motorische Kraft unterbrochen ist; allein der Galvanismus
hindurch auf das untere noch gesunde Stück, wenn man
2. Sensitive u. motorische Eigenschaften der Gehirnnerven. 637
kräftige Säule von 80 — 100 Plattenpaaren und beide Pole
dber der gequetschten Stelle anwendet.
Ich habe nun aus den Versuchen von Bell, Schoeps, Mayo
*^nd meinen eigenen Beobachtungen bewiesen, dass alle Zweige
•Ißs Ramus primus und seenndus nervi trlgeralni, welche von der
§angliösen Wui-zel ausgehen, sensibel und nicht motorisch sind.
Der dritte Ast des N. trigemlnus, welcher aus der Portio
Jiiinor oder kleinen Wurzel und aus einem Theil der Portio ma-
)'>r zusammengesetzt wird, ist offenbar motorisch und sensibel
^le die Spinalnerven, nachdem sie aus einer gangliösen sensibeln,
'•nd einer nicht gangliösen moforischen Wurzel zusammengesetzt
®>nd. Diess geht aus dessen Verbreitung hervor. Vergleicht
•*nan nun den N. trigeminus mit den Spinalnerven, so gleicht er
dinen auffallend in den beiden Wurzeln, beide haben eine gan-
Sböse sensible und eine einfache motorische Wurzel; allein sie
gleichen sich nicht mehr, sobald die Wurzeln zusammengetre-
Icn sind. Denn in den Spinalnerven venuischen sich die Primi-
hvfäden der sensiblen und der motorischen Wurzeln zu neuen
Ordnungen von Verven, welche motorische und sensible Fasern
Enthalten. Beim N. trigeminus dagegen bleibt der grösste Theil
'^er sensiblen Portio rnajor selbstständig, und der Ramus primus
seenndus trigemini sind nur sensibel; nur der dritte Ast gleicht
^cn Spinalnerven, indem er aus der Verbindung der motorischen
^ortio minor und eines Theils der sensiblen Portio major entsteht.
Der N. raassetericus, temporalis profundus, ])uccinatorlus, die
b-aml ptei-ygoidei, N. mylohyoideus sind offenbar motorische Ncr-
''en. Dass sie aber auch sensible Fasern enthalten, sieht man an
<len Zweigen, Avelche der N. massetericus dem Kinnbackengelenk
§'ebt. Der untere hintere Theil des dritten Astes vom Nervus
trigeminus enthält dagegen nur sensible Fasern. Der Nervus
^'iricularis seu temporalis superficialis ist kein Muskelnerve, er
'ßrbiudet sich mit dem Nervus facialis, sowohl mit dem Stamm
pts seinen Zweigen , und erthellt diesem Nerven zum Theil die
^ßnsibilltUt, die er ausser seiner motoi’ischen Kraft besitzt. Der
r'-äßius auricularis verbreitet sich bloss in empfindlichen Thcilen,
*'*1 äussern Gehörgang, äussern Ohr, in der Haut des Kopfes.
Der N. alveolaris inferior giebt den N. mylohyoideus nicht
sondern wie Bell bemerkt, haben der N. alveolaris und mylo-
[‘yoideus gar keine Gemeinschaft, indem sie auf eine Strecke
i*“ss pai-ailel neben einander liegen bis zum Foraraen alveolare,
y Stamm des Nerven ist aber offenbar nur sensibel durch die
^hnnerven und den Ramus mentalis. Dass letzterer Empfln-
,**ogsnerve ist, bcAveist ein von Bell [licobachtcter Fall. Bei
^**1- Ausreissen eines Zahnes wurde der N. mentalis mit verletzt
!?**d die Unterlippe empfindungslos (Magemdie J^ourna/. T.X. p. 8.).
ass Jej. ]\T_ i;„gjialis keine motorische Kraft besitzt, sondern
^“iipfindungsnervc der Zunge ist, obgleich er sich auch in dem
**^genfleisch verbreitet, lässt sich gtanz evident Ijcweisen.
I Schon Desmoulihs bemerkt, dass, -wenn man an einem Hunde
N. lingualis zerrt, das Thier schreit, aber die Zunge unbe-
6li8 JIJ, Buch. Nervenphysik. II. Abschn. Empfindungs- u. Bewegungsnerv).
•weglicli bleibt, dass, wenn man diesen Nerven nacb dem Tode galva-
nisirt, die Zunge sich nicht bewegt. Icli habe diese Versuche hei
Kaninchen während des Lebens angestellt. Der N. lingualis be-
wirkt keine Spur einer Zuckung, wenn er mit der Nadel ge/.en
wird, und selbst dann nicht, wenn die beiden Pole einer gaiva
tuschen Säule von 6.5 Plattcnpaarcn auf ihn wirken. Wenn le®*'
aber einen Pol auf die Zunge, den andern auf den N. lingua is
appllcirt, so entstehen Zuckungen, weil der Nerve hier bloss ei»
feuchter thierischcr Leiter des galvanischen Fluidums bis zu den
Muskeln der Zunge ist. Fhoriep’s Not. 647. Auch Magenb'®
bat nach Durchschneidung des N. lingualis Empfindungslosigkei
der Zunge ohne Verlust der Bewegung bemerkt. Neuerlich^
habe ich mich überzeugt, dass der N. lingualis Schmerz empß'*'
det; dass er auch Nerv des Geschmackes ist, wird später erWi«'
sen. Aus allem bisher Angeführten geht hervor, dass der N.
gemlnus durch seine grosse Wurzel der Empßndungsnerve de®
ganzen Vorder- und vordem Seitenthcils des Kopfes (mit Ae*'
Schluss der eigentlichen Sinnesfunctionen des Geruchs, Gesich h
Gehörs), und dass er durcli die Portio minor der motorische Nei’V
für alle Masticatlonsmuskeln ist. Daher hören nach der Durch'
schneidung des Stammes dieses Nerven in den Versuchen vo'
Magendie alle diese Bewegungen und alle Gefuhlsemphudungc
am ganzen Kopf, Auge, Nase, Zunge auf, wie denn auch i"
Krankheiten des Stammes vom N. trigeminus oder seiner Wu*’'
zeln, dci-selbe Erfolg von Bell, Magendie, SEaap beohach^
wurde. Nach der Durchschncidung dieses Nerven innerhalb de^
Schädels, die Magendie bei Kaninchen gemacht haben will,
die Eschricut wiederholte , war die Empfindung an der
zen Seite des Kopfes gelähmt. Die Nasenschleimliaut wie *
Conjunctiva war unempfindlich, und Stiche und chemische Bei*®’
wie Ammoniakflüssigkeit, brachten keine Schmerzen mehr ßervefj
Das Auge war trocken, die Iris zusammengezogen, das Nicke
des Augenliedes hatte auf der kranken Seite aufgehört. Am
genden Tage war das unverletzte Auge vom Reiz des Ammou'^
entzündet, das gelähmte Auge nicht, und die Unempfindlichko^
batte also die Ausliildung der Entzündung verhütet, ln andercj^
Versuchen bewirkte die Durchschncidung des N. trigeminus
mehreren Tagen Entzündung der Conjunctiv.a, Absonderung ci ^
rigpr Materie von den Augenliedern, im Auge selbst Iritis
Pseudomembranen, zuletzt zeigte sich Vereiterung des Aug®‘j
Das Zahnfleisch verdirbt und lockert sich auf, die Zunge
auf der Seite der Verletzung weiss, und ihr Epilhelium
dickt sich. ■ . • a
Die Gefiihlscmpfindung am Auge, z. B. in der
ist wohl zu unterscheiden von den Gesichtsempfindungen,
so wie die Cefühlscmpfindung in der Nase, die sich durch
fühl von Wärme, Kälte, Trockenheit, Kitzel, Jucken, ®
äussert, wohl von dem Geruch zu unterscheiden ist.
Sichtsempfindung hat in dem Auge nur durch den N. ’ jif,
statt, die Gefühlsempfindungen nur durch die Zweige
tfigeminus; die Geruchsempfindung in der Nase bat elien so
2. Sensitive u. motorische EigenscJiaften der GelUrnntrven, 639
^urch den Nerv, olfactorius, die Gefühlsempfindung nur durch
N. nasales vom N. trigeminus statt.
IServus glossopharyngeus.
Aus den o))cu p. 589. angeführten Beohachtungen von mir
'Ü>er ein an einem Theil der Wurzelfäden des N. glossopliaryn-
pus hefindliches Knötchen über dem Ganglion petrosum, geht
hervor, dass auch dieser Nerve unter die gemischten gehört, wo-
***it auch seine Verbreitung übercinstimmt. Denn er versieht
^■^eils den hintern Theil der Zungenschleimhant , Iheils die
^chlundmuskeln (namentlich den Muse, stylopharyngeus), und dass
motorische Kraft besitzt, habe icli scUjst beobachtet, denn ich
hei einem Kaninchen noch nach dem Tode durch Galvani-
*'ren dieses Nerven Zuckungen am Schlunde entstehen. Beim
Ollsen und einigen anderen Säugethieren , wo die von Mayer
®>itdeckte kleine hintere gangliöse Wurzel des N. hypoglossus
''Orkömmt, gehört auch dieser unter die gemischten Nerven mit
’loppelten Wurzeln, obgleich er beim Menschen seinen Wurzeln
••ach nur motorisch ist, und erst auf dem Wege seiner Verbrei-
tung durch Verbindungen sensible Fäden aufnimmt. Bedenkt
"'lan nun, dass die gewöhnlichen Wurzeln dieses Nerven in ci-
1 “Cr Reihe mit den vorderen Wurzeln der Rückenmarksuerven
®utspringen, dass er ]>ei einigen Säugethieren eine hintere Wurzel
**at, dass die hintere Wurzel des auf ihn folgenden ersten Hals-
**crven zuweilen fehlt, und dieser dann ausnahmsweise dem N.
t'^TJoglossus gleicht, vvahrend sich der N. hypoglossus des Och-
dem gewöhnlichen Verhalten des ersten Ilalsnerven ausnahms-
weise nähert, so ist cs unzweifelhaft, dass der N. hypoglossus
tfotz seinem Durchgang durch eine im Schädel selbst gelegene OefF-
"Ung . doch gleichsam als dci- erste Spinalnerve zu betrachten ist,
'ter nur noch mehr als der erste Halsnerve und die untersten
Spinalnerven von den übrigen Spinalnerven abweiclit.
Nervus vagus cum accessorio JVillisii.
Der N. vagus schwillt in seinem ganzen Stamm innerhalb
jtps Foramen lacerum in ein Ganglion an; er verhält sich also
uier wie eine blosse Empiindungswurzel ; da er nun gleich
'•ach dem Durchtritt durch das Forarnen lacerum einen Theil
des Nervus accessorius in sich aufnimmt, so liegt es bei dem
Mzigen Zustande der Wissenschaft sehr nahe, auzimehmen, dass
“‘•r N. vagus durch die Aufnahme eines Theils des N. accessorius
j'^die motorischen Fasern für den Ramus pharyngeus und die N.
■‘^•■yngei erhält. Daher haben ArhoEd {der Kopßheil des vegeia-
'"eu Nervensyst. Ileidelb. 1831.) und Scarpa {de gangliis nervorum
Npie essentia nervi infercostalis. Ann. univers. di medicina 1831.)
'lese Hypothese fast zu gleicher Zeit voi'getrageu , welche Bi-
•'CiiOFF in seiner schätzbaren Schrift {nervi accessorii If^illisii anato-
ei physiologia, Heidelb. 1832.) weiter ausgeführt und mit
'"^len und wichtigen Gründen gestützt hat. Die Gründe, die
dafür anführen kann, sind folgende: Der N. accessorius
heilt sich unterhalb des Ganglion nervi vagi in einen äussern,
Muse, sternocleido-niastoideus und cuculiaris bestimmten Ast,
"••d in einen Innern, mit dem N. vagus zusammenfliessenden Ast.
640 III. Buch. Nervenphjsik. II. Ahschn. Empfindungs- u. Betvegungsnert’.
Aus dem Zusammenfluss des N. vagus und accessorius entsteht
der Ramus pharyngeus nervi vagi, aber ein Thcil des N. acces-
sorius setzt sich tieler im N. vagus verflochten fort, tind Bischoff
vermnthet, dass von diesem Antheil auch die N. laryngei, n“'
mentlich der Laryngcus inferior, ihre motorischen Fasern haben-
Bei den Vögeln und Amphibien ist der N. accessorius auch nocn
vorhanden. Bojanus hatte ihn von der Schildkröte, Serres von
den Vögeln beschrieben; Bischoff hat ihn bei mehreren Vögel“
und Aniphlhien ausführlicher als einer seiner Vorgänger unter-
sucht. Er entspringt bei den Vögeln nicht zwischen den hinte-
ren und vorderen Wurzeln der Rückenmarksnerven, sondern
über den hinteren Wurzeln aus den hinteren Rückenmarkssträn-
gen, und reicht bis zum dritten Cervicalnerven. Aufwärts schlies*
sich der Nerve dem N. vagus an , und schwillt mit den Wurzel“
des N. vagus in das Ganglion nervi vagl an, so dass hier der
Nerve ganz in den N. vagus übergeht, der dann wieder eine“
Zwe>’g für die Halsmuskeln «abgiebt, welcher dem äussern Ast
N. accessorius des Menschen entspricht; auch bei den Amphibie“
geht der N. accessorhis ganz in den N. vagus über. Zu diese“
anatomischen Gründen von Bischoff für die Hypothese von ScarF'*
und Arwoed könnte man noch hinzufügen, dass der grösste
Thcil des N. vagus offenbar sensoriell ist, und die auf dem M“'
gen sich verbreitenden Aeste bloss empfindlich seyn können, i“'
dem es nicht möglich ist, durch Reizung des N. vagus am Hab®
der Thiere Bewegungen des Magens hervorzurufen. Unter de“
directen Experimenten von Bischoff für seine Ansicht ist nur ei-
nes von der Art, dass sich einigermaasen zuverlässige Schlüsse
daraus ziehen lassen. Er nahm bei einer Ziege einen Theil fI“*
Hinterhauptbeines weg, und durcbschnitt alle Wurzeln des
accessorius innerhalb der Schädelhöhle auf beiden Seiten. Scho“
beim Durchschneiden der Wurzeln auf einer Seite bemerkte efi
dass die Stimme des beständig heulenden Thieres heiser wur'^f-’
und dass die Rauhigkeit der Stimme immer mehr zunahm, 1®
mehr Wurzeln er auch auf der linken Seite durchschnitt. N“““
Durchschncidung aller Wurzeln hörte die Stimme ganz auf: h“'
cus omnem vocem amisit et summissum quendam ac raucissim'i'“
tantummodo emisit sonum , qui neutiquam vox appellafi pot“' •
Diese letzte Bemerkung ist aber kein absoluter Beweis für “i
Hypothese. Diese Experimente müssen leider wiederholt werde“!
um über den interessanten Gegenstand ins Klare zu komme“'
Ausserdem muss ebenfalls die von mir bei den Rückenmark*'
nerven angewandte Methode des mechanische» und galvanische^^
Reizes auf die Wurzeln hier versucht werden, um zu sehen,
bei einem frisch getödteten Thier der mechanische und galva“'^
sehe Reiz, auf den N. accessorius in der Schädelhöhlc »och a^
plicirt , Zuckung des Schlundes verursacht , und ob der ’
vagus unter denselben Umständen nicht auch Zuckungen
Schlundes verursacht. Ich habe selbst einmal den Versuc
auf diese Art angestellt. Um so schnell wie möglich zu die^^
sen Wurzeln zu kommen, wurde an einem grossen leben
Hunde, dem man vorher den Schlund blossgelcgt batte,
2. Sensitive u, motorische Eigenschaften der Qehirnnerven. 64i
'Schädel aufgesägt, auch der Bogen des ersten Halswirbels mit
einer Rnochenzange weggebrochen, darauf das kleine Gehirn abge-
tragen, bis man die Wurzeln des N. vagns und acceisorius vor sich
Wte; diese wurden von der Mcdulla oblongata abgeschnitten, und
KUn wurde die Wurzel des N. vagus sowohl mechanisch, als mit
®'nem einfachen galvanischen Plattcnpaar gereizt. Bei der me-
chanischen und galvanischen Reizung des N. vagus entstand ganz
deutlich eine Zusammenziehung im Schlunde. Dieser Versuch
spricht durchaus gegen die Theorie von Scarpa und Arnold, in-
*^ess bin ich selbst wieder misstrauisch dagegen geworden. Denn
Cs kömmt darauf an, dass man bei dein Reizen der Wurzel des
vagus mit der grössten Vorsicht alle Wurzelfäden des Pf.
Slossopharyngeus ausschlicsst. Indessen lässt sich bei Wiederho-
Ittng dieser Versuche nach der von mir angegebenen Methode
bald die Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Hypothese von Ar-
nold und ScARPA entscheiden. So vieles für diese Ansicht aus
den vorher angeführten schätzbaren Beobachtungen von Bischofp
CUch spricht, so darf man doch einige anatomische Gründe da-
gegen sich nicht verschweigen. Der erste ist der Ursprung des
accessorius mehr aus dem hintern als vordem Thcile des
liückenmarks, namentlich ganz bei Vögeln und Amphibien. Doch
'^iirde diess kein vollgültiger Einwurf seyn ; da, was von den Wur-
zeln der Rückenmarksnerven gilt, von den Rückenmarkssträngen
durchaus nicht ausgemacht ist, überdiess der Pf. accessorius deut-
l'cher Muskelnerve ist. Ein anderer wichtigerer Einwurf gegen
iene Theorie liegt in der öfter stattfindenden Beziehung des Pf.
'‘ccessorius zu den hinteren Wurzeln der Halsnerven. Mayer
®'di einmal ein kleines Ganglion an einem baden der hinteren
^Viirzel des zweiten und des dritten Halsnerven, welches sich
durch einen Faden mit dem Pf. accessorius verband. Mayer sah
^‘Uch zuweilen die hintere Wurzel des ersten Halsnerven mit
dem Pf. accessorius in Verbindung. Jet. nat. cur. Vol. XVI. p. 2.
^uteressant ist besonders der von mir selbst beobachtete Fall, wo
der N. accessorius ganz allein die hintere Wurzel des ersten
^dulsncrven abgab , und sich an der Abgangsstelle dieser Wurzel
der letztem ein Knötchen zeigte. Muei.ler’s Ardüv für Anat.
'"‘d Pfiysiol. 1834. p. 12. Diese Fälle beweisen wenigstens sehr
^ustimmt, dass der Pf. accessorius kein blosser motorischer Äerve seyn
^‘*«11, sondern dass er entweder immer, oder wenigstens zuweilen
üuter der oben angegebenen Bedingung Empfindungsfasern enthält.
V*'spriinglich motorische Nerven, welche auf ihrem "W ege
^■’Upfinilungsfascrn durch Verbindungen mit anderen Nerven
aufnehmen.
Xervtis facialis.
. Der JV. fiicialis ist der eigentliche Bewegungsnerve aller Ge-
'"'btsmuskeln (mit Ausnahme der Kaumuskeln), des Muse, occipi-
der Ohrmuskcln, des Muse, stylohyoideus, des hinteren Bau-
’^ues vom Muse, digastricus maxillae inf. (der vordere Bauch
'^>rd Vom Pf. mylohyoideus aus dem dritten Ast des N. trigemi-
versehen). Bei den Vögeln scheint er sich bloss im Muse, sty-
642 in. Buch. Nervenphysik. II. Ahschn. Empfindungs- u. Becveguiigsnerf.
loglossus zu verbreiten. Nach der Durchschneidung des N. faciaUs
hei Tliieren sind die Gesichtsmuskeln samint und sondep g®'
lähmt. Die Augenhrauncn werden nicht mehr erlichen, die Au
gen nicht mehr geschlossen, die Ohrmuskeln sind gelähmt, u ^ ^
Schnauze hängt unheweglich etc. Diese Versuche sind vu** ^
ScuoEPS, Bäcker und von mir bestätigt worden. Bäcker 1^®' i
merkte nach Vergiftung mit Nux vomica, dass nach Durchschuei
düng des N. facialis sogleich die Gesichtsmuskeln ruhig wurcmU^
während die übrigen Muskeln ihre Krämpfe fortsetzten. D‘
Versuche, welche "ich über die Kräfte dieses Nerven angestel
habe, sind in Fhoriep’s Notizen, 648. erzählt. Wenn ich d®*
Nervus facialis mit der Nadel reizte oder mit der Pincet i
quetschte , so entstanden die lebhaftesten Zuckungen in d®** ,
Muskeln des Gesichts, je nach den verschiedenen Aesten, n'C'
che gereizt wurden , in der Schnauze , in den AugenliedeE^
Dasselbe erfolgt , wenn man mit einem einfachen Plattenpo
den Nerv, facialis galvanisirt. Der Nerv, facialis ist also motoJ* ^
scher Nerv aller Gesichtsmuskeln; pathologische, von Bell hco^' |
achtete Fälle bestätigen diess. Ein Mann erhielt einen Pistole®
schuss, die Kugel drang in das Ohr und verletzte den N. facia
an seinem Ursprung. Es erfolgte Verlust der Bewegung des G®
sichts derselben Seite, ohne Verlust der Empfindung. D®*
zweite Fall betrifft einen Mann, der durch das Horn eines Odi"
sen an dem Austritt des N. facialis verletzt wurde. Die ga®/*^ ^
Seite des Gesichts ist unbeweglich, die Augcnlieder dieser Seff® i
bleiben offen, der Mundwinkel verzogen, der Nasenflügel heiin^ ti®'
fen Athmen unheweglich, die Gesichtsmuskeln sind aut dies®*. J
Seite endlich atrophisch geworden. Die Sensibilität fehlt h® j
diesem Manne in den gelähmten Thellen nicht. Der N. facia |
wurde hei der Exstirpation einer Geschwulst vor dem Ohre ^®
theilt. Derselbe Erfolg. Bell in Magendie’s Journal. T. X. p- ''
Bell hatte geglaubt, verschiedene Muskeln des Gesichts,/^
B. der Lippen, der Schnauze könnten in Hinsicht der physi® '
gnomischen Bewegungen gelähmt seyn, während die Kauhex''®
gungen dieser Muskeln fortdauern, und umgekehrt, und
diess davon ah, dass diese Muskeln Aeste vom N. infraorhita
und vom facialis erhielten; allein hier hat sich Bell durchai^
geirrt. Der N. infraorhitalis hat keine Spur von motorisci®^
Kraft, und die Muskeln sind nach Lähmung des N. facialis j
jede Art der Bewegung gelähmt, ausser den eigentlichen
muskelu, die aber dem N. facialis überhaupt nicht unterxyor
sind, sondern von der motorischen Portio miuor des N. trig®®*
nus ahhängen. ^
Bisher habe ich bloss den N. facialis als motorischen N®®
betrachtet, als welchen ihn Bell allein kannte, so dass er
Nerven für allein motorisch und nicht für sensibel hielt. Di
ist indessen sicher falsch. . .
SenoEPS sah die Section des N. facialis lieim Kanmc i ^
schmerzlos, hei der Katze aber sehr schmerzliaft. Ailein^
muss sich Schoep.s geirrt haben, denn die Durchschneidung
N. facialis ist nach meinen Versuchen an K'auinche« über
2, Sensitive u. moiorcsclte Eigenschaften der Gehtrnnerven. 64S
schmerzliaft, so dass die Tliiero sehr schreien, wenn der Nerre
'i'irchschnilten wird. Auch Magendie fand die Section des N.
^äcialis melir oder minder schmerzhaft. Mayo bemerkte eine ge-
*'"'ge SensihilitVit am N. facialis des Esels, eine sehr ausgezeich-
**eto dagegen heim Pferd, Hund, Katze. Auch Bacree fand die
^ßctioii bei Katzen durchaus schmerzhaft. I. c. p. 64. Ehen so
f'SCHEiCHT. Ob nun a])er die sensiblen Fasern des N. faciaUs
seihst von seinem Ursprung an eigenthümlich , oder oh er
von seinen zahlreichen Verbindungen mit dem N.- trigemrous
(n'amlich mit dem N. temporalis superficialis, suhcutaneus malae,
IJI'fraorhitalis, mentalis) her hat, ist eine andere Frage. Diese
y’age hatte Escuricut zum Vortheil der letztem Ansicht entschie-
den. Eschricht durchschnitt den N. trigeminus in der Schädel-
eöhle ; der W. facialis war hierauf noch schmerzhaft. In einem
*^eiten Versuch durchschnitt er den linken N. trigeminus; der
facialis hatte keine Empfindung mehr, während er auf der
Sesunden Seite noch Empfindung hatte. In einem dritten Ver-
buche durchschnitt Eschricht den N. trigeminus sinister, und be-
*Uerkte am vorderen Theil' des N. facialis sinister keine Empfin-
dung, wohl aber am hinteren Theil des N. facialis unter dem
“Ussern Gehörgang. Hieraus und aus einem ähnlichen Versuch
buldoss Eschricht, dass der N. facialis nach Durchschneidung des
trigeminus in seinem vordem Theile unempfindlich werde,
’U seinem hintern Theile aber die Empfindung behalte. Dass
ij'u Verbindung mehrerer Zweige des N. facialis mit Zweigen des
infraorbitalis nicht dem N. facialis die Empfindung nach riick-
^ärts mittheile, beweist ein ganz guter einlächcr Versuch beim
^^unde von Gaedechess, der nach Durchschneidung der Aeste des
facialis, die sich mit demN. infraorbitalis verbinden, diesen noch
8®nz empfindlich fand. Derselbe durchschnitt ferner beim Hunde
p'uen ansehnlichen Ast des facialis, der sich mit dem K. in-
Jj'uoibitalis verband; dieser Ast war an dem Stück, welches vom
facialis getrennt war, unempfindlich, hatte also seine Emplin-
nicht vom N. Infraorbitalis, mit dem er noch zusammen-
JUg; sondern vom N. facialis selbst, oder von Verbindungen des
1 ; facialis mit Aesten des N. trigeminus , die viel weiter nach
‘Uten liegen , wie z. B. vom N. temporalis superficialis , der sich
dem N. facialis schon vor und unter dem äussern' Ohr
'''“'findet.
, So viel ist aus den Versuchen von Eschricht gewiss, dass
, N. facialis nicht alle Empfindungsfasern vom iV. trigeminus
DIess haben Einige dadurch zu erklären gesucht, dass der
^■facialis selbst durch verschiedene Wurzeln zweierlei Fasern
malte und unter die gemischten Nerven gehöre. Diess ist Ar-
Ansicht, welcher die Portio intermedia Wiugbergl an der
^ jU'^äl des N. facialis in diesem Sinne betrachtet, ja sogar die
bedeutende Anschwellung am Knie des N. facialis für ein
sj.j'^Slion eines Empfindungsnerven nimmt, obgleich diese An-
y^'U^Unng den ganzen Nerven cinninmit. Diese Ansicht ist auch
gj, *' .*scroff wiederholt worden, und in noch einer in Heidelberg
'“hienenen Schrift (Gaedechehs nervi fa^iaUs physiologia et
644 ni. Buch. Nervcnphysik. II. Abschn. Empfindungs- u. Bewe§ungsncrt>.
pathologia 1832.) mit so vieler Bestimmtheit und Vertrauen vor-
o-etragen worden, dass der Verfasser sogar die Funetionen dieser
zwei hypothetischen Wurzeln unter besonderen Abschnitten ab-
handelt. Mit welchem Recht wird aber die Anschwellung des .
ganzen N, facialis (die noch kein Ganglion ist) für ein Ganghp® i
einer empfindenden Wurzel dieses Nerven angesehen von denje-
nigen, welche aus dem Umstand, dass der N. vagus ganz *
Ganglion anschwillt, mit eben so viel Bestimmtheit schliessen, das*
er blosser Empfindungsnervc scy?
Indessen der N. facialis besitzt nur eine Art von Wurzeifa'
den, er ist an seinem Ursprünge kein gemischter Neive, sonder**
einfach; auch die Existenz der Portio intermedia beweist hif
gar nichts, und ist überhaupt von keiner Bedeutung, da sie kei"
Ganglion hat; denn wollte man jedes Wnrzelbündel eines Nerv®**
für eine Wurzel eigener Art halten, so würde man dem N.
cessorins mehrere, sogar viele Functionen, dem N. hypoglossu*
in vielen Fällen zwei, dem N. olfactorius drei Functionen zuthe*' j
len müssen. i
Wir Werden daher darauf angewiesen, anzunehmen, dass d®
N. facialis entweder an seinem Urspmnge noch durchaus ei**^
fäch und bloss motorisch ist, oder dass er sensible Faden seb****
voiti Gehirn an enthält, ohne eine sensible Wurzel zu hab^P*
worin er dann eine ganz einzige Ausnahme machen würde. P*.®
erstere Annahme ist viel wahrscheinlicher. Es lässt sich sogar ****
Bestimmtheit die Quelle anzeigen, woher der Rest von Empfiu**"
lichkeit kommt, welchen der N. facialis unter dem äussern
hörgang noch hat, selbst dann, wenn der N. trigeminns
Stamme durchschnitten worden ist. Diess ist nämlich eine Ve*"' I
blndung eines' Zweiges des N. vagus mit dem Stamme des N. f®'
cialis im Fallopiscllen Kanal, eine Verbindung, die beim Mensch«^
sowohl als hei Thieren vorkömmt. Diese merkwürdige Ziisa*)*'
mensetznng des N. facialis,- welche Alles vollkommen erklärt,
zuerst von Cwier beim Kalb beschrieben worden. Vergl.
übers ^ von Meck^t.. 2. p,221. Der N. vagus gieht nämlich u***"®
spitzem M'inkel einen starken Ast durch einen besonderen |
ehenkanal zum N; facialis; dieser Ast geht mit einem klei**® i
Zweig geradezu in den N. facialis über; mit der Fortsetztt**»
des Astes verbreitet er nsich am äussern Ohr. Dieser nach A»
vold’s Entdeckung auch beim Menschen vorkommende Ner*' *
den wir beim Kalb sowohl als beim Menschen gesehen ^
ist offenbar die Hauptursache der Empfindlichkeit des N. fac*** ' i
' Neh)us hypoglossus^ ' ■ Aie \
Dieser Nerve gehört heim Ochsen, Hund, Schwein unter ^
geihischten Nerven mit doppelten Wurzeln, beim Menschen n®
den übrigen Säu^ethieren wahrscheinlich unter die in ihren»'
Sprung bloss motorischen Nerven, welche in ihrem Verlam * ^
sible Fasern aufhehmenj Hauptsächlich ist dieser Neri'e
risch, wie aus meinen Versuchen an Kaninchen hervorgeht, r
»lEp’s iVot. 647. Wenn man nämlich den N. hypoglossus
quetscht oder mit einem einfachen Plattenpaar galvanisirt,
stehen die heftigsten Zuckungen in der ganzen Zunge bis an
2. Sensitive u. motorische Eigenschaften der Gehirnnerven. 645
^pitze. Magemdie hat dasselhe €auf eine andere Art ervriesen.
I Section des N. hypoglossus an einem lebenden Thiere para-
'ysirte nämlich die Bewegungen der Zunge. Dieser Werve ist
älso die Ursache der Schlingbewegungen der Zunge und der ar-
nculirten SpracldscAvegungen , so weit sie von der Zunge ahhän-
Seine Wirksamkeit dehnt sich aber nicht bloss auf die
^Unge aus, er ist auch der Nerve der grossen Kehlkopfmus-
*'eln. Die Vögel und die höheren Amphibien (Schildkröten)
'ahen nocli einen Nervus hypoglossus. Bei den Fröschen geht
mit einem Aste des Nervus vaeus zur Zunge, Bei den Fi-
schen fehlt er.
, Dass der N. hypoglossus auch Sensibilität besitzt, behaupten
^ksmouliws und Magendie, indem er gezerrt bei Hunden und
patzen Schmerz verursache. Bei Hunden kann diess von der
äer vorhandenen kleinen hintern Wurzel desselben herrühren.
, ßi der Ratze hat Mayer diese hintere AVurzel nicht gefunden;
•er kann die Sensibilität desselben von Empfindungsfasern her-
die er von anderen Nerven auf seinem Verlaufe auf-
JjUamt, wohin die Verbindungen desselben mit dem Ganglion im
^wnam des Nervus vagus und mit dem ersten Halsnerven zu
*^®chnen sind.
So weit gehen die Untersuchungen über die motorischen
sensibeln Eigenschaften der Gehirnnerven. Ehe wir die Ce-
jfhrospinalnerven verlassen, muss ich eine Bemerkung über die
^•äpfindlichkeit der Muskeln machen. Man muss sich , nicht vor-
*^*160, dass diese Theile unempfindlioh sind, weil sic/vorzugs-
'^eiso motorische Fasern erhalten; alle Muskeln besitzen einen
§®^issen, wenn auch geringen Grad von Empfindlichkeit, wo-
, ’H’ch ihre Zusammenziehungen, die Intensität dei'selben und da-
das Gewicht und der Widerstand der Körper, die unsere
jy®'*'egungen in Anspruch nehmen, endlich die Müdigkeit der
^ *>skeln ziun Bewusstaeyn kommen. Diese Empfindungen müs-
von einem gewisscar Antheil von Empfindiingsfasern herrüh-
die in die Muskeln mit den motorischen Fasern übergehen;
'»e eigene Schwierigkeit liegt nun in dem Umstand, dass auch
Muskeln. Empfindlichkeit besitzen, welche bloss motorische
erhalten, wie die Augonmuskeln, von deren Nerven uns
•Re Verbindungen mit sensibeln Nerven bekannt, sind. Jeder-
kel***' dass heftige Bewegungen in den Augenmns-
dass
puit dem Gefühl einer unungenelimen Sparinuog in d<
kgj pegleitet sind. Wenn man nun auch' annehmen wollte, u«,»
I ** der kurzen Wurzel (a Ni ■ oculomotorio), und
tpis; . Wurzel (a N. nasali, Zweig des ersten Astes vom N.
znm Ganglion ciliare nicht bloss Fasern dieser Ner-
*®rn**' Cüiarnerven übergehen, sondern auch Empfmdungsfa-
der langen Wurzel des Ganglion ciliare in die kurze
iiUjj untern Ast des N. ocnlomotorius, und rückwärts
würde man doch noch keine Em-
trochlearis und ahducens haben. Man
daher annehmen, dass es noch feinere^ noch, unbekannte
•ödungen der drei Muskelnerven der Augenhöhle mit dem
G46 in. Buch. Neruenphysik. IJ.Ahschn. Empfindlings- u.Bewegungsnen’-
ersten Ast des N. trigeminus gebe (wie ieli einmal eine solch®
gani feine Verbindung zwischen dem ersten Ast des N. tngemi"
nus nnd N. trochlearis fand), oder dass diese Nerven trotz dein?
dass sie nur eine einfache ganglienlose Wurzel haben, doch ei^
nigc Empfindungsfasera vom Gehirn her schon enthalten. Di®*^
Nerven verdienen bei dem jetzigen Zustande unserer Wis*®®
schall eine grosse Aufmerksamkeit.
III. Capitel. Von den Eigenschaften des Nervus
sympathicus.
Die Kenntniss der verschiedenen Kräfte des N. Sympathie*'
lässt sich in folgende Sätze zusammenfassen.
4) Der nerms sympathicus hat Empfindung.
— ,j .■ Einige Beoback'
ter haben diesem Nerven die Fähigkeit, Empfindungseindrücke * ^
leiten, abgesprochen. Bichat hat das Ganglion coeliacum
Hundes mechanisch nnd chemisch gereizt, ohne Schmerz zu ®
regen. Dupur schnitt den Thieren das Ganglion cervicale in* '
rius, ohne dass sie Schmerz empfanden, aus. Auch WuT*
konnte an den Lendenknoten eines Hundes keinen Schmerz ®
regen. De gangl. fahrica. Berol. 1817. Damit stimmen auch ®
Beobachtungen von Magehdie und Lobsteib überein. Dageg®'^
hat Floureks bei solchen Versuchen immer mehr oder ‘'venig .
deutliche Zeichen des Schmerzes beobachtet. Versuche über
Nervensystem, p. ISI. Brächet sah bei seinen Vei’suchen h‘*
bald nicht. Recherches sur les joncH^
Schmerzensänsserungen ,
du syst, nerveux ganglionaire. Paris 1830. p. 307, Auch Mater
beobachtet,
Supremum,
lis*
le
eilt-
so»'
eJ"
dass beim Durchschneiden des Ganglion cervi®*^
wie bei Reizung des Plexus solaris, die Tin®*
deutliche Schmerzensäusserungen von sich gaben. Act. nat
XVI. p. 2. Diesen letzteren Naturforschern muss ich nach
nen Beobachtungen durchaus beistimmen. Ich sah nicht
mehrmals bei meebaniseher und chemischer Reizung des Gang®
eoeliacura bei Kaninchen deutliche Zeichen des Schmerzes,
dem habe auch bei den mit Dr. Peipebs angesteüten, p. 566
wähnten Versuchen beim Unterbinden der Nierennerven
ganz deutliche Zeichen eines lebhaften Schmerzes bcobacn.^j^
Man begreift nicht, wie verdienstvolle Männer, wie noch n®**
Arnold,* dem N. sympathicus die F.'diigkeit, Empfindungen
Bewusstseyn zu bringen; absprechen konnten, da doch die k®**
haften Empfindungen der von diesem Nerven versehenen
weide zu sehr den [Beweis des Gegentheils führen. Ich
E. H. Weder vollkommen beistimmen, wenn er sagt : ich »
Thcils halte die alltäglichen Beobachtungen über die Schm®
in diesen Theilen, welche unempfindlich seyn sollen,
achtenswerther als jene Experimente. Hildebrasdt’s
mie. 3. 355. Gleichxvohl sind die Empfindungen in
Nervus sympathicus versehenen Theilen ungleich *‘***^“
und dunkler als in allen anderen Theilen; denn ivu jjii
den selten die sehr kalt oder heiss genossenen bpeis®
617
3. Eigenschaften des Nermis sympathicus.
^agen, oder elaen so wenig bringen heftige Reize d:er äussern
Haut, wie Senf, Meerrettig etc., in diesen Tlieilen Empfindungen
fiervor, und nur sehr heftige Eindrücke können die ganze Em-
Pfindungskrart dieser Theile so stark, wie in anderen Organen
«'»fregen, was man durcli die Reil’scIic Hypothese erklärt hat,
dass die Ganglien des N. sympathicus die Natur einc.s Halbleiters
‘>abeu, gewöhnlich die Leitung schwächerer Eindrücke verhin-
dern, und nur bei grosser Intensität der Reizung die Leitun"
*ulassen. Obgleich diese Ansicht sich nicht streng beweisen lass”
*0 scheint doch eine Beobachtung von Bkachet { a. a. O. p. 307. )
dafür zu sprechen. Brächet will nämlich an einem lebenden
Schaf die Ganglia thoracica des N. sympathicus gereizt haben.
durchschnitt die Rippenknorpel der rechten Seite, ziemlich
®ahe am Brustbein, hielt die LuJige gegen das Sternum und er-
nannte nun die Ganglia thoracica des N. sympathicus zu den
Seiten der AAirbelsäule. Brächet beobachtete keine Schmerzens-
reichen, wenn ^ er die Ganglien des N. sympathicus oder den
Hrenzstrang zwischen diesen Ganglien stach; als er aber einen
^amus communicans des N. sympathicus mit einem Spinalnerven
•■eizte, entstanden deutliche Schinerzenszeichen, was er in wie-
derholten Versuchen wiedersah. Auch beobachtete derselbe dass
^»anglien, welche anfangs unempfindlich schienen, durch öftere
Reiziing empfindlich wurden.
2) Der Neri>us sympathicus besitzt motorischen, aber unmiUkühr-
‘‘chen Einfluss auf die von ihm versehenen Theile. Da die Zusam-
men zichung.sk raft der Muskeln, wie aus meinen und Sticker’s
''ersuchen hervorgeht, von ihrer Wechselwirkung mit den Ner-
ven abhäi|gt, einige Zeit nach der Durchschncidung ihrer Ner-
ven, wenn diese unverheilt sind, so gut wie die Nervenreizbar-
vergeht, so folgt, dass auch die Zusammenziehungen der un-
^''dlhührlichen Muskeln unter der Herrschaft der Nerven stehen
messen, und nicht wie Haller glaubte, ihnen als Muskel selbst
msen sind. Wir besitzen auch einige directe Beweise vom moto-
^'schen Einfluss des N. sympathicus auf die Muskeln. A. v. Hum-
j^oldt hat durch Galvanisiren der N. cardiaci bei Säugethieren
ewegungen des Herzens hervorgei-ufen. Da die.se Versuche
mit dem einfachen galvanischen Reize angestellt waren, so
äben dieselben allerdings einen hohen Werth. Auch Bur-
Verstärkung des Herzschlages eines getödteten Kanin-
. als er das Halsstück des .sympathischen Nerven oder das
Halsganglion armirte. Physiol. 4. 464. Ebendersellje hat
Sc/ getödteten Kaninchen durch Betupfen des sympathi-
Nerven mit caustischem Kali oder ätzendem Ammonium
Herzschlag wieder beschleunigt, was mir nicht gelingen wollte,
sah , als er das zweite Ganglion lurnbare, das durch un-
8tes Glas isolirt war, durch die Pole einer Säule armirte,
i’heile des Unterleibes und selbst die Schenkelmuskeln
^eile in Zittern gerathen (a. a. O. ]). 127.), und ich selbst
das’ • N. splanchnicus eines Kaninchens durchschnitt,
*>er Dai-mkanal verbundene Stück auf ei-
a.splatte isolirte, und mit einer Säule von 65 Plattenpaaren
äHer’s rijvsjüjogic.
048 UI- Uarli.Nen’cttjjhysik. II. ALtrlm. Enipfiuduni^s- u. Bewegungsnet <■’.
armirte, die peristaltlsclien Bewegungen des ganzen Darms leb-
hafter werden, und als sic schon aulgchört hallen, sich wieder ci-
ncuern. . . •
Die letzten Versuche von Wtjtzer und nur beweisen ^
fTcntlich nicht viel und sind fehlerhaft, weil die galvanische Actiou
zu stark war; in diesem Iftill kann das galvanische Fluidm»
durch einen Nerven als durch einen blossen nassen Leiter bis z«
dem beweglichen Thcile, dem Darm, fortgepflanzt werden, und
es ist eben so gut, als wenn man den Darm seOist galvanisu
hätte. In Wutzek’s Fall sprang sogar das galvanische FluidunV
nicht das Nervenprincip, auf die Schenkelnerven oder den Plexus
lumhalis und sacralis über. ^ r-. n
3) Der Neruus syrnpalhicus besitzt organischen Einfluss; er tiC'
herrscht die Erru'ihrung und Jbsonderung. Alle Blutgefässe werden
von Zweigclchen des N. sympatlilcus verfolgt; diese Zweige niüs'
sen einen wichtigen Einfluss auf den Stofiwechsel haben. Gleich'
wohl besitzen wir nur einige directe Erfahrungen über diesen
Einfluss. Petit beobachtete nach Durchschneidung des N. sym-
pathicus am Halse ein Trübwerden der Augen, was nach v. PoM'
mer’s Versuchen keine wesentliche Erscheinung ist. Dagegen
sahen Dupuy, Dupuytren und Bresciiet hei Pferden,. Tleiicn sie
den obersten Ilalskiioten weggenommen, Augeneiitzündung, gäiiZ'
liehe Abmagerung und Hautwassersucht an den Extremitäten»
und einen allgemeinen Hautausschlag {Journal de med. T, 37.)
und Mayer sali nach Unterbindung des N. syrnpatliicus zuweilen
eine heftige Augenentzündung entstehen. Mau kann hieher auch
die p. 566. angeführten Beobachtungen von Peipers und mir rech'
nen, wo nach Unterbindung der Nierennerven in der Regel alle
Absonderung aufhörle und' die Niere erweichte. Diese Thid'
Sache ist hier um so wichtiger, als man hei Unterbindung de»
N. renales den einzigen Fall hat, die sämmtlichen Nerven eines
Organes wegzunehmen, während sonst die Durchsebneiduug ei
nes Nerven nur einen Theil des Nerveneinflusses aufheht, inde»*
die mit den Blutgefässen zu einem Thelle hingehenden Nerv®''
noch unversehrt sind. Ob die Cerebrospinalnerven auch eineä
organischen Einfluss auf die Ernährung der Theile ausüben kc>ii'
neu, ist noch unbekannt. Die hiefür autzufülirenden Thatsachc
(siehe oben p. 355. 451.) lassen sieh auch so erklären, dass di -
Cercbrosplnalnerven auch organische Fasern vom N. s^npptliicu
enthalten, was wenigstens von einigen ganz gewiss ist. ^
Es entsteht nun die Frage, ob in dem N. syinpathicus
einerlei Art Fäden enthalten sind, und oh diese zur ErnähruUci
Emplindung und Bewegung gleich tauglich sind, indem sic
pflndungsactloucn erregen , insofern sie auf das Gehirn
keil, Ernährungsactionen und Bewegungsaetlonen, insofern sie
peripherischer Richtung thätig sind. Dless ist an sich schon
wahrscheinlich. Es würde dann nämlich jede Reizung der
sonderurig im Darmkanal auch mit vcririehrter Bewegung,
vermehrte Bewegung mit vermehrter Absonderung verbun
seyn. Es wird daraus schon vorläufig wahrscheinlich, dass au
im N. sympathicus Empfindungs- und Bewegungsüisern entlia
3. Eigr.nschafien des Nen>us sympathicus. ß.|y
ja dass er sogar noch eine dritte Art, nämlich organische
hasern zur Regulirung der chemischen Processe enthärt. Um
diese Frage genauer zu beantworten, müssen wir den Zusammen-
hang des N. sympatliicus mit den Emplindungs- und Bewegungs-
i'erven genauer erwägen.
Der iXerv. sympatliicus nimmt Nervenfasern und wahre Wur-
zeln von allen Rückenmarksnerven und von einem Theile der
llirnnervcn auf. Nimmt man die drei grossen Sinnesnerven, den
N. oÜäctorius, opticus, acusticus, die man als Fortsätze des Ge-
driis betrachten kann, aus, so gieht cs vielleicht keinen einzigen
Nerven, mit -welchem der N. sympatliicus nicht in Verbindung
stände, und wenn die Verbindung mit zwei Augenmuskelnerven
I üoeh nicht bekannt sind, so ist es doch nicht wahrscheinlich,
dass sie hier fehlt. Pau/.i will eine Verbindung des N. sympa-
mit dem N. trochlearis gefunden haben ( Muklleii’s Archiv
i iw Anal, und Physiol. ±HU. p. 191.); mittelbar, nämlich durch
das Ganglion ciliare, steht wenigstens auch der N. oculomotorius
•äit dem N. sympatliicus in Verbindung. Verschmelzende Ver-
hindungen des N. sympatliicus mit den grossen Sinnesnerven
halte ich nicht für erwiesen. Die von Tiedemann beobachteten
sympathischen Fäden an der Arteria centralis retinae (vergl. oben
P- 335.) können nicht als Verbindungen mit der Retina betrachtet
^erden, sondern begleiten hier wie sonst die Blutgefässe, und
hegen bloss der Retina sehr nahe.
Die Frage, was man als Wurzeln des N. synipathicus und
'^as als Verbindungen desselben zu betrachten habe, ist schwie-
*"*8 zu lösen; aber wir stehen, bei dem jetzigen Zustande der mi-
'^roscopischen Anatomie der Nervenverbindungen, der Lösung
'dieser Frage näher als jemals. Man kann mit der grössten Wahr-
scheinlichkeit alle Verbindungen des N. sympatliicus mit den
^iiekenmarksnerven hei ihrem Austritt aus dem Rnckgrath als
'N'ui zeln des N. sympatliicus ansehen ; ^iess sind nämlich keine
fahren Verbindungen, sondern es geht hier ein Theil der vom
liickenmark kommenden Fasern der Rückenmarksnerven in den
sympatliicus über; diese Fasern haben eigentlich gar keine
Czieüung zum Rückenmarksnerven, sondern es ist die sogenannte
’h'Urzel eines Rückenmarksnerven vielmehr die gemeinsame Wur-
dieses Nerven und des Nervus sympatliicus ; man kann
®'ch davon bald durch Untersuchung einer solchen Stelle über-
j®ägen , indem man sieht , dass der grösste Theil der Fasern
sogenannten Ramus communicans nervi sympathici Fortsetzun-
sind der in der Wurzel des Rückenmarksnerven schon ent-
^ altenen Fasern. Von den- Verbindungen des Nerv, sympatliicus
!'■ den Gehirnnerven sind noich so wenige untersucht, dass
so gut wie kein Material zur Entsclieidung jener
'»ge vorhanden zu seyn scheint: was nämlich Wurzel' des N.
jjj’^'PMhicus , und was blosse Verbindung mit den Gehirnnerven
Vy Unter denjenigen Nerven, w'elche ganz oder zum Theil
«den vom Gehirn zu dem N. synipathicus leiten, schei-
vorzüglich der N. abducens, trigeminus, vagus, hypoglos-
( vielleicht auch glossopharyngeus) zu nennen; obgleich ich
42*
650 TU. Buch. Nerpenphysik. II. Ahschi. Empfindungs- u. Be<vegungsnerp.
gestehe, <lass liier mlcroscopisclie XJntersucliungcn weiter anf,e
stellt werden müssen. , , • w„r.7rln
Wuu fragt sich, oh der N. sympathicus durcli seine Wur/.ei
7Aie1eich motorisclie und sensible Fäden vom Rückenmai;k un
Gehirn erhalte. Nach Scakpa’s und Wutzeh’s früheren Gntci-
suchniigen verbindet sich der N. sympathicus mit jeder- der ^
den Wurzeln der Rückenmarksnerven, und erhielte also na
den oben mitgethcilten Ansichten sowohl motorische als sensim^
Fasern wie er nach den von ihm beherrschten Functionen nei
Eingeweide haben muss. Die Empfindlichkeit ist zwar in ei
voni N. sympathicus versehenen Organen nicht sehr stark, al)
entschieden vorhanden, nur dunkel und in Hinsicht , des Or "
nicht deutlich und umschrieben, kann aber in Krankheiten cb
so lebhaft und bestimmt werden, als in allen anderen Thcilen-
Die vom N. sympatliicus verselicncn Eingeweide sind übrige*^
nur unwillkührlich beweglich. Dieser letztere Umstand ha
ScARPA in der neuern Zeit verleitet, dem N. sympathicus allen
motorischen Einfluss abziisprechen, und die Ursache der ReWC'
gungen der unwillkührlich lieweglichen Theilc , allem in cW'
Li^Theilen selbst zu suchen. Diese Ansicht gründete sich be-
sonders auch auf neue Beobachtungen von ihm über den Ui-
spriing des N. sympathicus, welchen ci' bloss von den hintere
Wurzeln der Rückenraarksnerven ableitet. Scarpa de gangu^
neivorum deque essentia nend sympaihici, am. unw. de medicinH-
1831. Dieser grosse Anatom hat ein Beispiel gegeben, wie man
im Alter nicht gegen die Fortschritte der Wissenschaft einge-
nommen seyn sollte (Einige antiquiren sich schon vor dem Alterb
Scarpa hat* gerade in seiner letzten Schrift den lebendigsten Anthei
an der grossen Umgestaltung der Ncrvcnphysiologie gezeigt; abe
in Hinsicht jener Behaiqitüng von dem Ursprung der Rucken-
marksnerven hatte ihn die Schärfe seiner Sinne verjassen. Un-
tersuchungen von mir (Meck.ei.’.s Archiv. 1832. p. 85.), RETZit
(cbeiid. p. 260.), Mayer (Noo. act. XVI. p. 2.) und Wutzer (MtJEi''
JiEr’s 1834. 305.) haben nämlich erwiesen, dass die
here Darstellung von Wutzer über den Ursprung des N. syn^'
pathieus von lieiderlei Wurzeln der Rückenmarksnerven die gan
richtige war. Mater hat sogar die dem N. sympathicus angeb '
renden Fasern an den Wurzeln der Riiekenmarksnerven bis z«
Rückenmark selbst verfolgt. Der N. sympathicus entliält a
motorische und sensible taserii. Obgleich in diesem Nerven
stem eine grosse Verwirrung der Fasern herrscht, so ist es t ,
nicht sehr wahrscheinlich, dass gerade diese motorischen
sensibeln Fäden während ihres Verlaufes sich unter einan
verbinden sollten, es ist vielmehr A’or der Hand wahrschelnhc i^^^
dass diese scheinbare Verwirrung nur eine complicirtere
flechtiing der Primitivfasern ist. „
Aber es entsteht nun die wichtige Frage, ob eine Gat
dieser Fäden, oder beide, auch R.egulatorcn der ErnVdirung si
welche der N. sympathicus olfenbar in den von ihm verseb
Organe und vielleicht in allen Theilen beherrscht, oder o
besondere organische Nervenfäden im N. sympathicus ausser
3. Eigenschaften des Neivus sympathicus.
Jiiolorisclien und sensiljeln Fäden £;icLt. Ohgleicb diess jetzt
noch nicht delinitiv hcjaht werden kann, so ist es doch walir-
scheinlich, denn die sympatlüscben Nerven zelclincn sieli durch
ihre graue Farbe aus; glcichwolil ist der Grenzstrang des N. sym-
Pathiens nocli etwas weisslich und ist jedenfalls nicht so grau als
nie grauen Fäden aus den Ahdominalganglien. Es scheiiit daher
nls bestände der ]\. sympathicus aus motorischen und sensiblen
rasern, zu welchen noch eine andere Art von Fasern von grauer
Farbe, organische Fasern, hinzugekommeu wären. Dieser Unter-
schied von verschiedenen Fasern im N. sympathicus wird auch
deswegen wahrscheinlich, weil so wie der Neivus sympathi-
ciis motorische und sensible Fasern zu enthalten scheint, so
^uch die Cerelu’al- und Spinalnerven (einige wenigstens ganz
deutlich) graue organische Fasern vom N. svm])athici>s eingeweht
enthalten. Man wird unwillkiihrlich zu dieser Ansicht hingetrie-
oen, wenn man die merksvürdigen und nicht genug zu heachten-
den Beobachtungen von Retzius (/j/j 1827.) ül>er\lie im N. tri-
gcminus des Pferdes, namentlich im zweiten Ast vom Ganglion
sphenopalatinum aus entliaUenen grauen sympathischen Fasern
kennt, graue Fasern, welche sich ganz deutlich unterscheiden
lassen, graue Knötchen innerhalb des Nervenstammes bilden, und
Sich sowohl über den zweiten Ast hin und in demselben bis in
die Nervi nasales und die Nasenschleimhaut, als auch nach aut-
'värts bis in die Orbita und zum Ganglion ciliare verfolgen las-
sen. Ich habe die von Retzius beobachteten gangliÖscii Nerven
keim Ochsen aufgesucht, wo sie leicht zu fimlen sind und auf
der innern Seite des zweiten Astes mehrere kleine Ganglien bil-
den, die mit dem Ganglion sphenopalatinum und dem N. vidia-
äus Zusammenhängen, und zu den zur Nase und zum Gaumen
Rehenden Nerven vorzüglich gehören. Beim Ochsen gielit der
ilamus profundus nervi vidiani, deutlich vom N. sympathfciis kom-
'äetid, sowohl Fasern zum Ganglion sphenojialatinum, als viele fort-
•äufende Zweige in die Nasen- und Gaumennerven selbst, und hier
*^iinn man deutlich sehen, dass dieser Nerve nicht vom N. trige-
*®inus entsprängt, sondern als ein organischer Nerve vom Nerv,
^tnpathicus kömmt und sich mit seinen Fasern in peripherischer
Verbreitung den Zweigen des zweiten Astes anschliesst. Diess
’^t hier so deutlich, dass gar kein Zweifel dai'über seyn kann,
leser Neiwe ist überdiess gnmlieh; er ist also keine Wurzel des
• sympathicus, die mit dpm N. trigeminus vom Gehirn ab
^nd vom Ganglion sphenopalatinum aus zum N. sympathicus
Singe, sondern es ist ein Fascikel organischer Nervenfasern vorn
• sympathicus, und zur peripherischen Einmischung in den zwei-
en A.st des N. trigeminus bestimmt. AanoLD hält den Ramus
jäperficialis nervi vidiani, der ein besonderer Nerve und nicht
osser Ast ist, für einen wirklichen Abgang vom zweiten Ast des
^ • trigeminus und eine Beimischung zum N. facialis. Beim Och-
sieht man auch leicht, dass sich auch' organische Fasern in
en ersten Ast des N. trigeminus einmischen , nämlich von dem-
^cnige,, Theil des N. sympathicus, der sich mit dem N. ahducens
rbindet. Dieser Theil schickt auch ein ganzes dickes Fascikel
(15 J III. Uiu h. Neroeiiphrstk. III. Alschn. Mechanik d. Nereenprinrips.
or"anisclier Fasern unterhalb des Ganglion Gasseri in den zweiten Ast.
ÜCTllanius buccinatorins vom dritten Ast desN. tri^emin. erhalt beim
Ochsenein ganzes Fascikel grauer organischer Fasern vom Ganghon
oticum. AVenn sich diese vorläufig bloss llieoretisclien Ansicliten
bestätigen sollten, so dürfte man den N. sympathieus nicht me n
als ein den Eingeweiden und unwillkührUch beweglichen Theihm
bloss bestimmtes System betrachten, sondern man müsste annei
men, dass die grauen Fasern des N. sympathicus eben so in dm
übrigen oder Cerebrospinalnerven eingreifen, und zur ErnährunS
auch der von ihnen versehenen Theile bestimmt sind, als der ?«•
sympathicus hinwieder auch motorische und sensible Fasern d^
Cerebrospinalsystems zu den Eingeweiden hinleitet. Vorläufig
kann man sich an die oben erwähnten Beispiele halten, dass
nämlich zu der Nasenschleimhaut sensitive Fasern vom zweiten
Ast des N. trigeminns und die von Retzius beobachteten organi
sehen Fasern hingchen, und an den Ciliarneryen vom Ganglion
ciliare hat man sogar ein Beispiel von Association von sensitiven
Fasern des N. trigeminns (radix longa a nervo nasali), von moto-
rischen Fasern (radix brevis a nervo oculomotorlo) und von or-
ganischen Fasern vom N. sympathicus. AVahrscheinhch würde
man die ILnolcn des N. sympathicus als dem organischen Ihei
dieses Nerven vorzugsweise aiigehörend betrachten müssen. Vei-
gleicht man mit diesen Ansichten EaaENBERG’s Beobaehlungen,
dass in den Ganglien des N. sympathicus innerhalb der graue»
Masse varicöse Hirnnervenröhren neben einfacheii cyliiidrische»
Nervenfäden durch einander liegen, so erhält die eben vorgc
tragene Ansicht noch einige Wahrscheinlichkeit mehr. VVeitei
kann man vor der Hand nicht gehen. Ueber diesen Gcgenstaii'
hat ein neuerer talentvoller vSehriftsteller v.vn Deen {dt; difjere.idi
ei nexu intcr neruos vitae atümalis et orgaiucae. Lugd. Bat. 183
ausführlicher gehandelt.
J]J. Ahschnilt. Von <lcr Mechanik ties
Nervcnprinclps.
(Nacli eigenen Untersuchungen.)
Unter Mechanik des Nervenprincips versteht man hier ‘j“*'
selbe, was unter Mechanik des Lichts in der Physik verstanden Wir(^^
nämlich die Gesetze, nach welchen die Leitung der Wirkung ’
den Nerven erfolgt, oder die Lelire von der Bewegung des t ®
venprincips. Ob bei der Wirkung der Nerven von einer
zur andern mit nnraessbarer Geschwindigkeit eine impondei_-^^
ble Materie den Nerven durchströme, und in dem
tenen Nerven selbst durch Reiz entladen den Nerven
ströme, oder oh die Wirkung des Nervenprincips bloss e»
Schnelligkeit der Nercenwirkung.
653
Vom Geliirn oilor tlurcli oinen Ilfeiz im Norvcn crrcj^te Os-
cillution, Sclnvinciung tles schon diirin vorhandenen imponclc'raheln
Jveryenprincips ist, ist jetzt noch ungcAviss , nntl eben So
Wenig ganz bestimmt zn beantworten als dieselbe Frage von
dem Lichte, ob nämlich die J'iinanalions- oder LTndidalionstheo-
vic lichtig sev. IJie Gewissheit darüber ist vor der Hand für das
Studium der Mechanik des JVcrvonjirincips eben so wenig nöthig,
«Is die Erkenntniss der Mechanik des Lichtes bei d(Sr Reflexion’
Refraction u. s. w. von der Entscheidung der Richtigkeit einer
|encr beiden Theorien abhängig war. AVir wcrd(‘n übrigens dicsb
vragc im vierten Capitcl dieses Abschnittes unterziehen. '
Bei der Ycrgleichimg der vedsctiicdencn Thcile des Nerven-
systems zeigen sich Conductoren und Motoren des Nei’venprincips.
Bie Conductoren sind die Nerven, die Motoren die Ccntralor-
üane. Dii; Nerven zeigen sich indess nicht als Idosse Cönducto-
len, sic sind vom Gehirn getrennt, in der ersten Zeit immer
"och Motoren und Conductoren zugleich, intlcrn Reize änf sie
«ngcAvandt sie t.ur Böweguiig der Muskeln crnigCn; allmählig
«lier verlieren sie, vom Gehirn gcifi-ennt, die Fähigkeit, Motoren
soxvohl als Conductoren des Nci'venprinCips zu seyn. Stellt man
^•cli den Nerven als Conductor vor, so kann man sich die Lei-
tung auch xvieder wie die AVirkung des Nervenprineip^ doppelt
denken. Entweder wird das iniponderable Fluidum der Nerven in
einer gewissen Richtung durch dun Conductor als ein Strom gc-
eitet, oder cs wird die Oscillatiou dieses Fluidums nur in den
Nervenfasern angeregt. Die Schnelligkeit der Nervenwirkung' ist
•Entweder die Schnelligkeit der Leitung des imponderaheln Nerven-
jNiidums vom Gehirn zu den peripherischen Theilen und umge-
j'-ehrt, oder die Schuelligkcif, mit der eine vom Gehirn oder einer
''elitdjigcn Stelle des Nerven aiisgebcnde Schwingung bis zu seinem
peripherischen Ende und umgekehrt sich verbreitet. AVelche von
jjeiden Vorstellungen die rieb fige ist, ist für dieFi-age von Schiiel-
'iskeit der Nei'venwirkung auch wieder gleichgültig. '
Alle Versuche, die Schnelligkeit dieSer AYirkiing zu messen,
'cruhen auf keiner erfalirnngsmässigen sichern Basis. Haller
■Schrieb dem Nervensaftc eine Gesclnvindigkeit von 9000 Fuss
Jb der Minute; Sauvages von 32100, ein Anderer von 57600
^illionen Fuss in der Sccundc zu. (Haller Eiern, IV, />. 372.)
^''CVAKiiER VOX IluMDOLDT sagtc zur Zcit, als das galvanische
^8ens noch mit dem Agens der Nerven für identisch gehalten
'^(ärde, hei den längsten Leitungen ist cS nie möglich gewesen
ji'nen Unterschied der Zeit zwischen' der Entstehung der Mus-
elbewegung selbst und der 2—300 Fuss dax'on geschehenen Be-
idirung der Muskel- und Nijrvenleiter zu bemerken. Da ich
'I*^**5 '^agt Humboldt, den vierten Theil einer Secundc noch sehr
eutlich unterscheide, so ergiebt sich hieraus eine Gcschwiudig-
®it von 1200 Fass in einer Secunde. Man weiss jetzt, dass
\ ''^se Berechnung nicht für die Schnelligkeit der Ncrvenwii’kung,
ändern für die Schnelligkeit der Leitung des galvanischen Flui-
^yms gilt. AVir werden wohl auch nie die Mittel gewinnen, die
cschwindigkcit der Nervenwirkung zu ermitteln, da uns die
654 III. Buch, Nercenphfsik. ]III. Ahschn. Mechanik J. JScrfcnprincips.
Vergleiclmng nngelieurer Entfernungen felilt, aus der die Schnel-
ligkeit einer dem Nerven in dieser Hinsicht analogen Wirkung
des Lichtes berechnet werden kann. Neuerdings ist man
auf eine Verschiedenheit der Beoljachtung kleinster Zeittheile
durch den Gehörsinn und Raumthcile durch den Gesichtssinn
von Seiten der Astronomien aufmerksam geworden ,
Einigen wahrscheinlich machen könnte, dass die Schnellighei
der Nervenwirkung zwischen verschiedenen Theilen des Nerven-
systems und seihst hei verschiedenen Individuen verschiede»
ist. Das Detail dieser Beobachtung ist von Herrn Nicolai, Di-
rector der Mannheimer Sternwarte, und durch Herrn Profes^s»*'
Trevirasus hei der Versammlung der Naturforscher zu Heide'
herg mitgetheilt worden. Es ist zu wichtig, als dass ich es nicb
ganz erwähnen sollte.
„Ein sehr grosser Thcil der astronomischen Beohnchtiinge»
besteht darin, dass man an einer Secundenulir die Momente h^'
ohachtet, wenn ein Stern, vermöge der scheinbaren tägliche»
Umdrehung der Himmelskugel um ihre Achse, vor den Microine'
terfädeii eines feststehenden Fernrohrs vorübergeht. Der B.au^i
den ein Stern während einer ganzen Seciinde im Fernrohr diirc>
läuft, ist, zumal wenn dasselbe stark vergrössert,^ so bedeuten >
dass man das Moment des Vorüberganges des Sterns vor de»*
Microrneterfaden nicht etwa auf eine halbe oder drittel Sccuiide)
sondern bei einiger Uebung und bei günstigem Zustande de*”
Luft selbst bis auf ^ Secunde anzugeben vermag. Zu diese»
Beobachtungen werden mithin zu gleicher Zeit zwei Sinne »
Itequisition gesetzt, das Gesicht und das Gehör. Während m»'
mit dem Auge das stetige Fortrücken des Sterns im Fernro »
verfolgt, bemerkt das Ohr die einzelnen Secundeiischlüge de^
nebenstehenden Pendeluhr. Zum Behüt der oben angczcigt»'^
genauen Taxation des wirklichen Vorüberganges des Sterns '»
dem Micrometcrläden bemerkt man sich, wenn der Stern herß‘ .
nahe an den Faden gerückt ist, diejenige Entfernung, die er "
einem gewissen Secundenschlag noch diesseits vom Faden »“**
und eben so diejenige, die bei dem nächst folgenden Secunde»^
schlag bereits jenseits des Fadens stattfiiidct. Aus der \ erg »
la»»
Je’
chung der Grösse dieser beiderseitigen Abstände lässt sich sod
mit grosser Schärfe das wahre Moment des Norüliergangcs
Sterns vor dem Faden, oder der jedesmalige Bruchtheil der
cunde, in welchem der Sternübergang erfolgt ist, angebeii.
reits vor einigen Jahren bemerkte der bcrülimte Director der
nigsberger Sternwarte, Herr Professor Bessel, dass er das
des Appulses eines Sterns an die Fäden des Fernrohrs meik*^^^j.
anders angab, als seine Mitbeobachter. Die Aufmerksamkeit
diesen Gegenstand verdoppelte sich also, und cs wurde zum
einer nähern Untersuchung , desselben eine eigene Beihe von
obachtungen angestellt. Der Erfolg war aber, dass Bessel ****^jg^
andere Momente angab, als seine Mitbeobaebter, und diese
der unter sich mehr oder weniger von einander differirten,
rend die Besultate eines jeden einzelnen Beobachters ganz
trefflich harmonirten. Auch ich sagt Nicolai, habe bis J
Schnelligkeit der Ncri>enivirkurtg.
655
Zweimal Gelegenliclt geliait, hierüber Untersuchungen anzustel-
Iiii Früliling 1827 hatte Ich das Vergnügen eines Besuchs
Herrn Professor KnonRE, DIrector der Kalsci'lichen Stern-
^Wirte zu ISIcolajcf. Sein Aufenthalt in Mannheim wurde so-
Sndcli ])enulzt, urn gemeinschaftliche Beobachtungen anzustel-
Es ergab sich aus der Vergleichung unserer Besultate
grosser Schärfe, dass Herr Knobre um die heträchtllchc
^i'össe einer lialhen Secundc die wahren Beohachtungsmoincnte
Spater angah als ich. Vor wenigen Wochen habe ich diesen lu-
1-aressanten ersuch mit einem andern geschickten Beobachter,
“Cm durch mehrere astronomische und mathematische Arbeiten
Wreits auf das rühmlichste bekannten Herrn Thomas Clausen
•*“s Dänemark wiederholt. Es fand sich, dass dieser um ^ Se-
C'iiidc die Bcobachtungsmomente später angab als ich. Bei an-
“eren Beobachtern sind diese Unterschiede noch ■viel grösser; so
®leigt z. B. die Differenz der Angaben zwischen den Profcssoi-en
hessEL und K-norbe bis auf die enorme Grösse von einer ganzen
^Cciuule, um welche dieser die Momente später angiebt "als je-
®er. Ucberl)aupt sind bisher über diese Merkwürdigkeit von
'ächrereu Beobachtern so viele sichere Proben angestcllt Avor-
•Icn, dass das Factum selbst über allen etwanigen Zweifel weit
ci'haben ist. “ Isis 1830. p. 678.
Nicolai behauptet, dass diese merkAVÜrdige Erscheinung nicht
Widers als durch eine Verschiedenheit in der Schnelligkeit der
'’irkung A'om Auge zum Bewusstseyn und vom Ohr ziuu Be-
Wusstsevn erklärt AA'crden könne. Nimmt man nämlich an, dass
*“i vereinigter und auf denselben Gegenstand gerichteter Tiiä-
k^keit dieser beiden Sinne ein solches Individuum früher sicht
es hört; dass dagegen hei einem andern Individuum beide
,o‘flexc in einem mindci'cn Grade verschieden, oder zu gleicher
^'ät, oder seihst in umgekehrtem Sinne, d. h. das Sehen später
das Hören erfolgen, so erklärt sich die Erscheinung vollkom-
'“en und uugezAvnngen. Es würde aber daraus die wichtige Fol-
hCrung hervorgehen, dass die WechseUvii’kung zwischen Sinnes-
“fganen und dem BcAvusstseyn nicht völlig momentan ist. Aus
lesen Erscheinmigen Hesse sich hoffen , dem Problem von der
' ehnelligkeit der Nervenwirkung näher zu kommen, wenn nicht
“ach eine ganz andere Erklärung derselben möglich und sogar
Wahrscheinlicher Avärc. Es ist bekannt, dass das Bewusstseyn
““'hf leicht zweierlei Empfindungen mit gleicher Intensität der
iilmerksamkcit haben kann, und dass das Bewusstseyn, wenn
“ichrere Empfindungen zu gleicher Zelt stattfinden, entweder nur ei-
oder abAA'echselnd verscliiedencn die Aufmerksamkeit zuwendet.
Clin daher zu gleicher Zeit etwas gehört und mit dem Gesichl
,y’^®cvirt werden soll, so ist es unvermeidlich, dass nicht zuerst
gehört und dann gesehen wird. Der Zeitunterschied zwischen
Weierlei bewussten Empfindungen ist aber hei verschiedenen
^ ciischen verschieden, AV'ie denn Manche viel zu gleicher Zeit
“ipllnden und merken. Andere aber hierzu eine merkliche Zeit
“Whig l.aben.
Hie Zeit, in welcher eine Empfindung von den äusseren
I
656 IIT. Buch. Nervenphysik. III. Alschn. Mechanik d. Nen’enprincip-i..
Theilen auf Gehirn und. Rückenmark, und die Rückwirkung
die äusseren Tlieile diircli Zuckungen erfolgt, ist auch unendüc i
klein und unmessbar. Wenn man Frösclie mit Oiiitim oder "h'-
vomica vergiftet, so Averden sic zuerst so ungeheuer sensihe ,
dass die geringste Berührung der Haut eine Zuckung am ganzen
Rumpfe erregt. Hiftr erfolgt die Wirkung von der Haut /.uep
auf das Rückenmark, und vom Rückenmark auf alle Muskcli'-
Dennoch ist es mir unmöglich gCAvesen, den geringsten Zeitunter-
schied zwischen der Berührung und den Zuckungen zu hernci’kef-
I. Capilel. Mechanik der motorischen Nerven.
I. Von den Gesetzen der Leitung des N er v enpr i n cips in J*’"
Bewegungsnerven.
/, Die motorische Kraft a>irkl in den Neroen nur in der Bid‘'
hing der zu den Muskeln hingehenden Brimiiivfasern, oder in
Bichl ung der Verzweigung des Ncroen und niemals rückwärts.
ist eine allgemein bekannte Erfahrung, dass, wenn man eine*’
Muskelnervcu reizt, die Zuckung in keinem andern Muskel eiO'
tritt, als in welchem sieh der Nerve vcrzAvingt. Reizt man ciur*'
Nervenstamm causlisch, mechanisch, clcctrisch oder durch unio'^'
tclbarc Anwendung beider garvanischen Pole auf den Nerven ,
zucken die Muskeln aller Nervenztveige des gereizten Stamice''’
und niemals ein anderer Muskel. Man kann daher auch nieitiaj’
durch unmittelbare caustische, mechanische oder galvanische R®''
zung eines Nerven durch beide Pole Zuckungen in Muskeln •'*'
regen, welche von Nervenzweige'n abhängig sind, die üh*^*
der gereizten Stelle vom Stamme abgehen. Nie erfolgt d'’*'
Spur einer Zuckung in den Muskeln des Oberschenkels, vve"'‘
man den untern Tlieil des N. ischiadieus reizt, wo er die
für die Oberschenkel schon aligcgeben hat. Es ist daher cd®
sichere Thatsachc, dass die motorische Kraft der Neroen nur in
Richtung der Neroenzweige , niemals rückwärts wirkt. Man ka»"
zwar auch Zuckungen in allen Muskeln erregen, die in dem S‘'
vanischen .Strome, oder deren Nerven in dem galvanischen .Stroi“'
liegen, AVenn man den einen galvanischen Pol auf den Nerva
am untern Theile des Röi'pers, den andern Pol auf Muskeln '
obern Theile applicirt, und dann zucken auch die Muskeln p ^
obern Theile; allein diese AnAvendungsart des Galvanismus ’
wie Ich schon öfters bemerkte, durchaus verschieden von
def
unmittelbaren Reizung der Nerven durch beide Pole. Im
Fall wird nur der Nerve und seine motorische Kraft
durch Anwendung eines galvanischen Stromes durch die Dic
des Nerven, tind acr Erfolg ist durchaus' eben so, als wenn man
de"
der"
Nerven mechanisch reizt ; im ersten Fall dagegen, wo A'ich; aiio
Theile, Nerven und Muskpln in dem galvanischen Strom zwisc
beiden Polen liegen, Avird jeder Aluskel und jeder
an seinem Ort von dem galvanischen .Strome gereizt, _ ^^^1)
Muskeln zucken, die in dem galvanischen Strome liegen; a
Mechanik der motorischen JServcn. Gesetze der Leitung.
ß57
^^ussen die Muskeln zucken , die zwar nicht im galvanischen
' h'oine liegen, deren Nervenstiimme aher dem galvanischen Strome
^"sgeset/.t sind. Es wicderliolt sich also auch nur wieder diese
'•"'•slanle Ertahrungstliatsache, dass ein unmittelbar auf jede Art
•gereizter Muskelnerve mit motorischer Kraft nur auf die Mus-
seiner Nervenäste wirkt, niemals aber auf die Nervenzweige
^Jx’iickwirkt, die oberhallj der gereizten Stelle vom Nervenftam'ni
''"sehen.
II. Die zweite überaus wichtige Thatsache ist, dass die me-
'' ^nische oder gahanische Reizung eines Theiles eines Neroenstam-
nicht die motorische Kraft des ganzen Stammes , sondern nur
'r des isolirt gereizten The.ils in Anspruch nimmt, so dass nicht
^ 'e Muskeln zucken, welche von dem Stamme Zweige erhalten,
^"»dern nur diejenigen, welche von dem gereizten Theil eines
firvenstammes aus Zweige erhalten. Diese Versuche kann man,
an grösseren Nervenstämmen zu operiren, an Kaninchen ina-
">en. Man legt den N. ischiadicus gerade an seinem Austritt
'''is dem Hecken bloss. Man kann dort leicht verschiedene Ab-
teilungen desselben mit der Nadel isolirt reizen, Abtheilungen,
^elclie später erst aus dem Stamme sich als Aeste entwickeln,
•tan wird sich überzeugen, dass immer nur diejenigen Muskeln
*"cken, in welche sich der gereizte Theil des Nervenstammes ver-
>eigt, nicht aber andere Muskeln des Ober- oder Unterschen-
®ls. Um die kleinsten Zuckungen der Muskeln zu sehen, muss
jä'in vorher die Haut vom ganzen Bein bis zum Fuss an dem Ic-
"äden Thier abziehen. Als ich den Nerv, ischiadicus, ehe er
!,*"b iu den Nervus peronaeus und tibialis tliieilte, in mehrere
tindel trennte und jedes dieser Bündel isolirt reizte, sah ich bei
’etn einen Bündel eine andere Zuckung in anderen Muskeln am
“äterschenkel, als ]>eim Reizen anderer Bündel, und so heweg-
sich denn bald die AVadenmüskeln, bald streckten, bald beug-
sich die Zehen. Ja ich konnte Zuckungen in verschiedenen
‘ «Uen der Wadenmuskeln bemerken, wenn ich den N. pero-
in verschiedene Bündel abtheilte, und jedes dieser Bündel
y't der Nadel reizte. Dasselbe sieht tnan bei galvanischen
tJ’suchcn mit iinmitlelbarcr Reizung einzelner künstlich abge-
"derler Bündel des Nervus ischiadicus beim Frosch.
. . Uebcreinslimmende alltägliche Erscheinungen sind, dass, ob-
Jj t'ch dieselben Nerven oft Aeste an vielerlei Muskeln geben,
Hirneinfluss sich doch auf die Aeste oder einzelnen Bündel
Stammes, die zu einzelnen Muskeln g'-hen, isoliren kann,
j' '"se Isolation' erwirbt sich diirch Uebung bei angeborenen Fä-
l^keilen in hohem Grade, dagegen ungewandte Menschen statt
j^'äzelner Muskeln immer ganze Muskelgruppen, die von dcnsel-
li^l* abhängig sind, zusammenziehen. Am deul-
'sten zeigt sich diess bei den Gesichtsmuskeln,
p., Kn Riiehenmarksneroe , der in einen Plexus tritt und zur
M/fJl
^ eines grossen Nervenstammes mit anderen Riiekenmarksnerven
motorische Kraft nicht dem ganzen Stamme mit,
‘ ern den Fasern, in welche er sich vom Stamme bis in die Zweige
658 in. Buch. Nervenphysik. HI. Abschn. Mechanik d. Nen’enprincips.
fortsetzt. DIess kann man diircli selir interessante Versuche heu»
Frosche l)eweisen.
Belm Frosch kann man die Spinalnerven einzeln reizen?
welche zur Bildung des N. ischiadicus zusammen treten , ehe sie
sicli vereinigt hahen. Man reizt sie einzeln entweder niechatiisc '
mit der Nadel, oder galvanisch, indem man beide Pole aul den
Nerven wirken lässt und einen galvanischen Strom durch
Dicke des Nerven gehen lässt, wobei man jeden Nerven, iler
Plexus liciträgt, von den übrigen auf einer Glasplatte isolirt.
wird hierbei linden, dass beim Beizen der einzelnen Nerven,
zum N. ischiadicus zusammentrelen, nicht gleiche Zuckungen >"
den Illnterbelnen erfolgen, sondern verschiedene, hei dem eine'*
Nerven am Oberschenkel, bei dem andern am iUntersebenk*^
oder am Fuss. Unter den drei Nerven, welche den Plexus de*
hinteren Extremität bilden, bewirkt der erste, gereizt, Zuckung®"
an der Innern Seite des Oberschenkels, der zweite, der mit d«'"
dritten den N. ischiadicus bildet, allein gereizt, Zuckungen d®*
Muskeln des Oberschenkels und Unterschenkels, aber nicht d®’
Fusses, der dritte Bewegungen des Oberschenkels, Unterschenk®
und Fusses. Es geht also hieraus unwiderleglich hervor, da'’’
die motox-ischc Kraft der Nerven, die zürn Stamme des N. iscl»*'
dicu» zusammentrelen, nur ln besonderen Tbeilen dieses Sta^'
mes isolirt wirkt und auch nur auf besondere Aeste des N. isch®''
dlcus motorisch wirkt, dass also die Fasern der Nerven einzeln®
Isolirte motorische Wirkungen besitzen, wenn auch Bündel d®/
Fasern in gemeinsamen Scheiden liegen, so wie der Plexus iscbiad>'
cus Bündel von Nervenfasern mit isolirten motorischen Wirku®'
gen empfängt, aber auch in einer neuen Ordnung die Fas®*
mit motorischen Kräften in die Aeste vvieder abgiebt. Die b'®’
erwähnten Beobachtungen habe ich im Zusammenhang mit d®"
übrigen in diesem Abschnitt anzuführenden Thutsaclien
vor einigen Jahi'cn gemaclit. Mit grossem Vergnügen finde
in der Schrift von van Deen {de differenfia et nexu in! er '
vitae ammalis et organicac. Lugd. Bat. 1834.) eine Reihe selir ieS"'
niös angestellter Versuche über denselben Gegenstand beschrieb®'.''
Der Verf. beschreibt zuerst die Rückenmarksnerven desFrosches,
di®
zu den Hinterbeinen gehen, genauer. Der erste geht zwischen 7
8 Wirbel ans und verbreitet sich in der Leistengegend in der Ib'"
und den Muskeln, auch den Muskeln des Oberschenkels, N. ingu" |
lis; der zweite geht zwischen 8. Wirbel und Os saerüm aus u^‘.
vcrJjindet sich mit dem dritten, der zwischen Os sacrum und ^
coccygis ausgeht, zum Nerv, ischiadicus. Noch ein vierter
geht durch ein kleines Loch im obern Di’ltttheil des Steissb®"^^
aus, und verzweigt sich in der Haut des Dammes, N. puden* '
Der N. pudendus ist der dünnste, erbesteht nur ans einer
Wurzel. Die drei ersten Nerven bilden einen Plexus zvvisc i
Darmbein und Steissbein. Der N. inguinal is hängt durch ®^^^
sehr kurzes Verbindungsstück mit dem zw'citen Nerven zusa
men, so dass das Verbindungsstück meist vom zweiten koinp'
sich an den N. inguinalis anschliesst, selten vom N.
kommend sich an den zweiten N. anschliesst. l^’orner veibi»
1. Mechanik der motorischen Nerpen. Gesetze der Leitung. 659
S'eh der ganze zweite Nerve der Extremität mit dem ganzen drit-
eii Nerven; aus dieser Verbindung entsteht der N. iscliiadicus,
‘er sich sowohl an der Haut des Oberschenkels, Unterschenkels
^nd Fusses, xvie in den Muskeln dieser Tlieile, verzweigt. Der
’• pudendus hängt durch einige Zweige mit dem N. ischiadicus
**Jsammen. Der Verfasser dnrchschnitt Jeden der in den Plexus
ratenden Nerven einzeln, und fand, dass trotz der Verbindung
«'eser Nerven untereinander, doch verschiedene Muskeln gelähmt
^'uden. Nach Durchschueidung des N. inguinalis führte der
' rösch noch alle Bewegungen mit den Beinen aus, mit Ausnahme
®r Anziehung des Oberschenkels zu dem Bauche. Nach Durch-
*rnueidung des zweiten Nerven xmr dem Plexus liörte alle Bewe-
f)'ing der Muskeln des Oberschenkels und Unterschenkels aut^
^•ihrend die Bewegung am Fusse noch unverselu't blieb. Wurde
er Verbindungszweig des N. inguinalis mit dem zweiten Nerven
* ürchschnitten , so konnte der Frosch nicht mehr das Bein zum
nterleib anzichen; nach der Durehschneidung des N. inguinalis
batcr dieser Verbindung wurde dasselbe beobachtet. Wurde der
ischiadicus von seinen beiden AVurzeln aus eingeschuitten
^der der Länge nach getheilt, so war die Folge dieselbe, als wäre
der ganze Stamm des N. iscbiadicus durchschnitlcn worden, wor-
:j!*is VAM Deen schliesst, dass innerhalb der Verbindung beider
yerven eine Ki-euzung der Nervenfasern Leider Nerven statt-
"'de; denn es waren soxvohl der Oberschenkel als Unterschenkel
'»d Fuss gelähmt. Nach Durchschneidung des dritten Nerven,
d*^r die zweite AVurzel des N. ischiadicus bildet, war der Fuss
'äuil Unterschenkel grossentheils) gelähmt. Durch Durchschnei-
d[*ng des zweiten Nerven oder der ersten Wurzel des N. isebia-
dicus höi'te die Flexion und Extension des Oberschenkels auf,
^'ährend die Bewegung am Fusse und untern Theile des Un-
^®*'schenkels fortdauerte
■(J,
IV. Alle, motorischen Fasern wirlcen isoUrt pon den Stämmen der
«'•een bis zu den . letzten Verzweigungen. Die übereinstimmende
*Üersucbung von Foktana, Phochaska, Pkevost und Domas, Eu-
j -yBERG, W'm zER und mir über den Bau der Nerven und das Ver-
‘*uen der Primitivfasern , welche im ersten Abschnitt mitgethcilt
^ Orden sind, haben gezeigt, dass, so vielfach die Anastomosen
Or Nervenbündel untereinander sind, die Primitivfasern der Ner-
^onbündel doch an keiner Stelle sich verzweigen, sondern pa-
‘‘Uel nebeneinander fortgehen, dass sie in den Plcxfts, Anasto-
^.osen ersten, zxveiten und dritten Grades auch nicht communi-
sondern nur in neuer Ordnung von den Scheiden zus.am-
■| .Oogefasst werden, dass, xvo sich Nervenäste mit einander ver-
die Primitivfasern sich auch nur in einer neuen Ordnung
Einander legen und vertheilen, sich aber nicht x^erbinden, und
also die Primitivfasern aller Nervenzxveige eines Stammes,
Sb endlich in die feinsten Aestc entwickeln, schon in den
,.i'''‘'yoen j)arallel nebeneinander enthalten sind, dass der Slamm
^icb* ‘^os Ensemble von allen Primitivfasern ist, die
einerseits mit dem Gehirn und Rückenmark verbinden.
«äd:
*'erseits in den Muskeln und der Haut entxvickehi. Diess
660 III. Huch, Nervenphysik. III. Ahschn, Mechanik d. Nervenprincips.
Resultat der anatoinlsclien Untersuchungen, welches wohl von allen
Hirn- und Spinalnerven gilt und wovon vielleicht der Nerv»»
sympathicus eine Ausnahme macht (was aber nicht erwiesen isW»
ist von der unschätibarsteu Wichtigkeit für die Physiologie dei
Nerven. Nach meinen Beobachtungen habe ich nie eine Stelle
eines Nerven oder eine Anastomose gefunden, wo die Prim*'
tivfasern sich mit einander verbunden oder verzweigt hätte''?
wenn die Bündel sich hloss mit ihren Scheiden verbinden;
ich nun sehr viel solcher einzelnen Stellen, die unter das Se»'
feld eines einfachen Microscops gebracht werden können, g»"*
genau untersucht habe, so schliesse ich von dem Theil am
Ganze, dass die Primitivfasern, welche an allen Stellen, <•'*
man untersucht, gleich parallel fortgehen, dicss überhaupt voi"
Gehirn und Rückenmark zu den peripherischen Theilen thiin.
Ich habe nun so eben ln den vorhergehenden Erfahrung*'
gesetzen bewiesen, dass die Bündel der Primitivfasern, die in C'
nen Stamm treten, in den Stämmen isolirt ihre Kräfte aussei"
ohne die übrigen Primitivfasern zu erregen; aber seihst einzeln^
Theile eines Muskels können sich isolirt zusammenziehen,
die einzelnen Portionen der Flexores communes und des Extensä'
communis digitormn für die einzelnen Finger. Da aber all'"
Primitivfasern anatomisch geschieden sind, so folgt aus der Vet'
bindung dieser anatomischen Thatsache mit der physiologisch^"’
dass alle Primitivfasern in den Stämmen und Aesten in ihr"''
motorischen Kräften isolirt sind. Die Reizung der Primitivläscf"
an ihrem Ursprung am Rückenmark und Gehirn muss daher i*"'
lirt in den gereizten motorischen Fasern fortwirken, und ka»"
nur bestimmte Muskelgruppen, oder Muskeln, oder sogar M»*'
kelstellen afliciren, wie auch die Ei’fahrung zeigt. Denn ei'"'
vom Gehirn und Rückenmark ausgehende Reizung bewirkt
Willen eine isolirte Reizung einzelner Muskeln, und wenn
unwillkührlich ist und schwach wirkt, entsteht nicht eine schvf"'
che Zuckung eines ganzen Muskels, sondern oft ganz kleiner
kelstellen am Augenlied, wie diess in der Geschichte der Hirn-
Rückenmarksirritation und Lähmung so häufig ist. Allein so
eher dieser Schluss ist, so lässt sich der Satz doch auch dir"*^
beweisen. Man präparire sorgfältig ohne Zerrung eines Nerv'"''
heim Frosch ein Fäserbündelchen des ganzen Schenkelnerven " ’
und galvanisire es durch Anwendung beider Pole und der K"*
auf dieses Bündelchen. Obgleich diess gegen die Schenkelmuskel
zu noch in den ganzen Stamm zu den übrigen Nervenfasern »
ganzen Stammes tritt, so zucken doch nicht alle Muskeln “
Schenkels, sondern es entsteht eine ganz geringe Zuckung "
einer einzelnen Stelle der Wadenmuskeln, Zehenbeuger, Zeli"'*^
Strecker, Fussmuskeln, “welche wahrscheinlich von der Forts"
zung jener Fasern im Stamme versehen wird.
Zur Zeit als man die thierische Electricltät noch für
Ursache der Nervenkraft; hielt, musste man annehmen , dass
Nervenkralt auch über die Nerven in Distanz wirke, und A. y
Humboldt und Reil haben diess bekanntlich bis zur Idee ei»
1. Mechanik der motorischen Nerven. Gesetze der Leitung. 661
Aerveimliiiospli'are ausgedehnt. Diess war dazumal sehr natür-
denn so wie die Voranssetzunf;, so ist der Schluss. Ist die
clcctrisch und der Galvanismus ein physiologisches
«anomen, wie man anfangs glaubte, so sind auch die Zuckiin-
86>i, welche zuweilen hei Anwendung des Galvanismus folgen,
^choii elic man den Nerven oder Muskel mit dem zweiten Pole
•^riilirt, eine Wirkung der Nervenatmosphare. A. v. Humboldt hat
'-uerst die Entdeckung gemacht, dass lieterogene Metalle schon
|»lvanl3ch reizen, wenn eins derselben in einer Entfernung von
i Linien tlem Muskel oder dem Nerven nahe konmit. Jedem,
galvanische Versuche an Fröschen macht, wird diess he-
’iiint seyn, ich habe cs unzählige Male gesehen. A. von Hum-
oi.DT hat auch gezeigt, dass die Leitung des galvanischen Stro-
ms unter diesen Umständen von einem unmerklichen Verdam-
nieii von Flüssigkeiten abhängt, dass sie sogleich auf hört, sobald
^eine unmerkliche Verdunstung stattliuden kann, und dass der
''•hm.dus um so hehiger wirkt, Je leichter und schneller das an-
gewandte Fluidum verdampft, dass mit dem Anhauchen trockner
■''letallplatten, welche keine Reaction mehr hervorhringen , die
8=ilvanische Reizung sogleich erfolgt. Alan musste dazumal, als
j'‘aa den Galvanismus für eine Lehensäusserung Ihierischer Theile
'.'clt, diese für die Physik selir wichtige Entdeckung in Hin-
•clit ihres Werthes lür die Physiologie übersehiVtzen.
I Diese schönen Beobachtungen von Humboldt können indess
jcutzutage nicht mehr für die Hypothese angeführt werden, dass
'iic Nerven eine sensible Atmosphäre besitzen sollen. Denn Was-
l^rgas ist eben so gut Leiter des galvanischen Stromes als tropt-
'•ires Wasser nach rein physicalischen Gesetzen. Die Erfah-
'üiijr imd namentlich alle in diesem Alischuitte angeführten ün-
®i’siiehungcn beweisen vielmehr, dass nicht allein die Nerven
Sondern auch ihre Primi tivfasern vollkommen unfähig sind, ihre
l‘oturische Kraft einander in der Dicke der Nerven mitzWhei-
und dass die motorische Kraft immer nur in der Continui-
der Fasern wirkt.
oh führt auch eine andere sehr interessante Be-
Achtung an, welche sehr missverstanden werden kann. Er sagt
n' ^Venu der Nerve eines Thiers der Länge nach
. Hleischt wird und auch nur ein einziges Fäserehen übrig bleibt
'wlics die Armatur mit dem Muskel verbindet, so zeigen sich
galvanischen Erscheinungen in eben der Stärke, als wenn der
CG noch seinen unverletzten Durchmesser hätte. A. v. Humboldt
diese Erscheinung aus der Beobachtung der anastomosi-
hf- ^•^üänge der Nerven von Reil; Reil kannte indess die
^^^•öiitivfaseru der Nerven nicht und wusste nicht, dass sie in
' ^nastomosen der Stnyigf^ nicht anastomosiren. Allein das
'^1)1 ”njiBOLDT beobachtete, au sich wichtige Phänomen lässt keine
Physiologie zu. Wenn man die Pole der
nul Muskel und Nerven zugleicli applicirt, so ist ein Fä-
j>i,^ ein so guter Leiter des galvanischen Stromes bis zum
V Theil des Nerven und Aluskels, als ein ganzer Nerve, und
on Humboldt hat selbst entdeckt, dass der galvanische Strom
fi62 III. Buch. Nervenphysik. III.Ahschn. Mechanik d.Nerocnpnncipi.
auf diese Art durch ganz zerschnittene auf -j Linien von einan-
der entfernte Nerven wirkt. Wenn man aher einen Nerven an
einer Stelle nach v. Humboldt bis auf ein Fäserchen zerfleisc i j
und dieses Fäserchen allein durch Anwendung beider Pole au^
das Fäserchen galvanisirt, so entstehen, wie ich schon oben
merkt habe, nur Zuckungen in dem Theile, in welchen das kf'
serchen hingeht, obgleich es unter der verletzten Stelle noch >'
einem ganzen Nervenstamme enthalten ist.
II. Ueber die asso dir t cn B ewegu n gen o d er Mi tb ew c gunge”'
Unter Mitbewegungen verstehe ich diejenigen Bewegung'^'^
der Muskeln, welche mit intendirten willkührhchen Bewegungen
gegen den Willen zugleich erfolgen. In früheren Zelten wurden
mehrere dieser Erscheinungen mit vielen anderen nicht hiebe
gehörenden associirte Bewegungen genannt. Wir meinen hini
nur diejenigen Bewegungen, die durch Bewegungen hervorgei-«'
fen werden. Im gesunden Zustande sind diese Bewegungen sehe"
sehr hänfig; wir Vollen die Muskeln des äussern Ohres bewege^'
aber wir bewegen bei dieser Intention auch den Museuhrs ep>'
craniiis und mehrere Grcsichtsmuskeln mit. A\ ir wollen die
senlKigel heben und senken, aber wir runzeln zugleich, obi'^
dass wir es w'ollen, die Augenbraunen. Ueberhaupt können di®
wenigsten Menschen die Bewegungen einzelner Gesichtsmuskeb*
isoliren; sie können vielmehr die einzelnen Gesichtsmuskeln i'i>*
bew'egen, wenn sie in einer Gruppe von anderen Gesichtsniu^'
kein mitspielen. Die Dammmuskeln, Muse, sphincter ani, levato
ani, transversus perinaci, bulbo- cavernosus, ischio-cavernos«’’
pubo-urethralis w'erden fast immer zusammen bewegt, wenn d«^
Wille auch nur einen einzigen intendirt. Am aufFallendstcn ze'g^
sich diese Association hei der Bewegung der Iris. Wir si»
nämlich nicht im Stande, die Augen durch den Muse. rect.
nach innen zu kehren, ohne zugleich die Iris milzubewegen
zusammenzuziehen. Auch kann das Auge nicht nach innen
aufwärts gewandt w'erdcn (Muse, oblicj. inf.), ohne dass die
enge wird. Die Bewegung dieser Muskeln und der Iris bäno
von Aeslen desselben Nerven ab, nämlich des N. oculomotori'i*^
welcher die kurze oder motorische NYurzel des Ganglion eiha ^
abgiebt. Es springt daher bei der Intention des Willens
den N. oculomotorius , und zwar auf die jene Muskeln versehen^
den Primitivfasern, das Nervenprincip immer auch etwas auf
nen andern Theil der Primitivfasern des N. oculomotorius
jenigen, welcher sich in die kurze Wurzel des Ganglion j
fortsetzt, über. In allen übrigen Muskeln zeigt sieh g.anz etu' ^
ähnliches. Den meisten Menschen ist es schwer, die
Bäuche des Muse, extensor communis digitorum willkührlich ^
Thätigkelt zu setzen und die einzelnen Finger z. B. , den 3.
4., die keine besonderen Strecker haben, allein zu erbeben;
Anstrengungen gar wirken viele Muskeln durch Association J
ohne dass diese Bewegungen irgend einen Zweck haben; dei *
•gestrengte bew'egt seine Gesichtsnuiskeln, als wenn er mit dense
, 1. Mechanik der motorischen Keroen. Miibavcgnnffcu, (;q:>
*um Heben der Last beitragen könnte; ];ei jedem angestrengten
A.tbmen und bei gescbwäcbten Mensclien wirken die Gesiqlits-
*iiuskeln zum Atbmen unwillkührllcb mit, ebne dass die Znsam-
|üen7.iebung dieser Muskeln, ausser dem Heben der Nasenflügel
Tgend etwas zum Atbmen Ijeitragen könnte. Es sind dieser Er-
scheinungen so viele, und sic treten so häufig und alltäglich ein,
dass diese wenigen Beispiele eines immer in dei-selben Weise
Sich wiederholenden Phänomens genügen können. Doch muss
*ch eine Thatsache noch besonders bervorlieben, weil sie uns
die ausgebildetste Tendenz zur Mitbewegung zwischen gleichen
Thcilen der rechten und linken Seite zeigt.' Diess ist die will-
s-ührliche Bewegung der Iris. Die Bewegung der Iris ist immer
Sleichzeitig in beiden Augen, sowohl die 'durch den äussern Beiz
«ervorgerufenc als die von innen intendirle, und die Bewegung
erfolgt immer auf durchaus gleiche Art, mag der Reiz von innen
oder aussen ^ auch nur auf ein Auge wirken. Ist nur ein Auge
geöffnet, sö ist die Weite der Pupille bei dem auf Ein Auge statt-
findenden Lieb teindrucke grösser, als wenn beide Augen bei glei-
chem Lichteindruck offen sind. Ist der Lichteindruck auf beide
A^ugen versebieden, so ist gleichwohl die Grösse der Pupille auf
^^eiden Augen gleich, und entspricht dem Mittel aus beiden Licht-
cindrücken. So verliält es sich aber auch bei von innen inten-
dirten Bewegungen der Iris. Wir können die Iris immer will-
tührlich bewegen durch Association, wie ich schon anführte,
Oämlich durch Bewegung des Auges nach innen, oder nach in-
*ien und oben; aber das Merkwürdigste hierbei ist, dass die Iris
fieider Augen sich verengt, wenn nur Ein Auge ganz nach innen
gestellt wird, das andere aber seine geindc Stellung behält. Ich
fiesitze das Vermögen, die Iris durch Einwärtswenden der Au-
8en zu verengern, was jeder Mensch hat, in einem ganz ausser-
ordentlichen Grade. Scbliesse ich Ein Auge yl und sehe mit
dem andern B gerade aus und unverwandt, so bewege ich die
}c‘s des unverwandten Auges B ganz nach Willkühr, je nachdem
Job das bedeckte Auge ^ einwärts oder auswärts drehe. Hier
die Ursache der wunderbaren Bewegung verdeckt, und die
ewegung erscheint um so aufl'allender, als das Auge, worauf die
''orbor gene Ursache mitwirkt, ganz unverwandt ist. Sogleich
^'rd aber dem Beschauer die Ursache offenbar, sobald ich das
. Oge B öffne, wo man dann siebt, dass ich, sobald ich die Iris
l*' dem unverw'andten Auge B verengern will, das Auge ^ nach
'**Oen stelle. Offenbar muss nun im Gehirn eine durch die La-
^rung der Fasern bedingte Intention seyn zur Association der
. 'rkungen in den Primitivfasern der N. oculomotorii, welche
'* die kurze Wurzel des Ganglion ciliare gehen. Ein interes-
Y*'tos, nach unseren Principlen leicht erklärbares l’actum ist die
^.orengerung der Iris beider Augen im Schlafe. Diess ist auch
. Oe Mitbewegung, deren Ursache die Stellung der Augen nach
^^Oen und oben im Schlafe ist, wo mit der Thätigkcit des ent-
Prechenden Zweigs des Oculomotorius auch die Mitreizung der
Ganglion ciliare gehenden Fasern des Oculomotorius vom
0 )irn aus erfolgt. Ausser der Iris haben noch viele an-
^älicr’K Pliyslologio. 43
664 III.Buck.Nerpenphfsik. UL Jhschn. Mechanik d.Nerpenpritidps.
clere Muskeln beiJei- Selten die Tendenz zur Association iji-
rer Bewegungen vom Gehirn aus. Es geliört Ucbung ‘ “ J
ein Auge allein orten zu halten, also bloss den Muscnlus e «
tor palpebrae superioris einer Seite durch den Ner\us '
motorius zu bewegen. Wenige Menschen können die Gcs'f“
muskeln der einen Seite durch den N. facialis anders wir*-
lassen als auf der andern Seite. Ich vermag die Ohrmuskeln
bewegen, selbst die kleineren, wenigstens ganz deutlich den Mi ^
antitragiciis ; aber wenn ich diess an einem Ohre thun wiü,_8
schiebt cs immer zugleicli an dem andern Ohre. Ich weiss nic ’
ob ein Mensch den "Muse, stylohyoidcus einer Seite allem '
«eil kann. Selbst am Rumpfe zeigt sich eine ähnliche Teiide
zur gleichzeitigen Bewegung derselben Muskeln, aber viel
«er ; die Bauchmuskeln und Dammmuskeln, das Zwerchfell
fast' immer von beiden Seiten zugleich, und selbst die
und Muskeln der Extremitäten, wenn sie auch in dieser Hinsic
freier sind, entziehen sich doch dem allgemeinen Gesetze
ganz; wenigstens ist es bekanntlich schwer, entgegengesetzte
tireiide Bewegungen einer gewissen Richtung z. B. um eine g
meinschaflliche Querachse, mit beiden oberen oder beiden iin
ren Extremitäten zu vollziehen, während gleichartige Bewegu
qeu mit Leitlen Extremitiiten zugleicli scLr erlciclitei’t sind.
” Die Theorie aller dieser Erscheinungen ist offenbar. Da di^
Primitivfasern aller wdlkiilirlichen Nerven im Gehirn zuld*^
sammt und sonders cxplicirt werden, um dem Einfluss der
dankenhestimmung oder des Willens unterworfen zu werden ,
kann man sich die neben einander im Gehirn zum Vorsche*
kommenden Anfänge aller Nervenfasern willkübrlicher
«leichsam xvie die Tasten eines Claviers vorstellen, xvclche
Gedanke spielt oder ansehlägt, indem er die Strömung oder Schwi'^^
gung des Nervenpriiicips in einer gewissen Anzahl Primitivfaser J
und dadurch Bewegung veranlasst. Am Ursprung dieser
muss aber die Leitung der Hirnsubstanz die gleichzeitige A
ction nahe liegender Primitivfasern erleichtern, so dass ^
Intention des Willens schwer wird, sich auf einzelne Primitiv
sern zu beschränken. Diese Fähigkeit der Isolation wird a ’ ^
durch Uebung erlangt, das heisst, je öfter eine gewisse ZahlR»^^
mitivfasern der Intention des Willens ausgesetzt wird, um
mehr erhalten sie die Neigung, der Intention allein, ohne
beuliegenden Primitivfasern, zu gehorchen, um so mehr
sich gewisse Wege der leichtern Leitung aus. Wir sehen m %
wissen Künsten diese Fähigkeit der Isolation auf den
Grad der Ausbildung gebracht, wie beim Spielen musicalis®
Instrumente, besonders beim Clavierspielen. _ . |.j
Alle Mitbewegungen haben ihren Ursprung im Gehirn j,;,
durch eine Conmiunication der Primitivfasern in einem rao ^
sehen Nerven können sie nicht erklärt werden, weil die gj,
tivfasern nicht communiciren, und w'eil die Reizung . gu
les von einem grossen Nerveiistainm niemals auf die ubri^^^
Theile des Nervenstammes, sondern mir auf die Fortsetzung
Fasern des gereizten Theiles vom Stamme wii’kt. Siehe oben p-
2. Mechanik der Empfindungsnerpcn. Gesetie der Leitung, 665
Durch den N. sympathicus können die Mitbewegungen auch
nicht erklärt werden, weil dieser auch keine Verbindungen der
Einzelnen Theile eines motorischen Nerven unterliält, aueh niclit
^ie symmetrisehen Nerven beider Seiten, sondern nur das Ge-
■nrn und Rückenniark diese verbindet.
II. Capitel. Mechanik der Empfindungsnerven.
I. Von den Gesetzen der Leitung in den sensibcln Nerven.
Um Empfindung zu haben, muss ein Nerve noch mit dem
Organe des Bewusstseyns, mit dem Gehirn unmittelbar oder mit-
telbar durcli das Rückenmark zusammenbängen. Betrachten wir
Jetzt auch Jiier das Verhältniss der Nervenäste zu den Nerven-
stämmen.
I. Wenn ein Nereenslamm gereht ist, so haben alle Theile,
'■^'elchc Ziveige von dem Stamme erhalten , Empjlndung der Heizung,
^nd es ist eben so gut, als wenn alle letzten Aeste desselben gereizt
'Werden. Reizt man einen Zweig eines Nervenstammes , so ist die
Empfindung des Reizes auf den Theil ]>eschrankt, zu welchem
ieser Zweig liingeht. Reizt man den Stamm aller Zweige, so
die Empfindung auf alle Theile ausgedehnt, zu welchen Zweige
'tieses Stammes hingehen. Diese Versuche kann man begreiJIlch
*im- an sich seihst anstcllen, sie liefern alter eiten so sichere Re-
*’Ultate, wie die Versuche über Bewegung hei Thicren. Wenn
blau den N. cubitalis .absichtlich über der Innern Seite des Ell-
l^ogens oder über dem Condylus internus zerrt oder quetseht,
•ödem man mit den Fingern den N. cubitalis hin und her schiebt
bnd drückt, so hat man die Empfindung von Prickeln und N.a-
^elstichen, oder von einem Stoss in allen Theilen, in welchen
**ch der N. cubitalis endlich verzaveigt, namentlich in der Fläche
'^nd auf dem Rücken der Hand, in dem 4. und 5. Finger. Drückt
^an stärker, so hat man auch Empfindungen im Vorderarme.
Y'irch starkes Auf- und Ahwürtsslreichen mit dem Daumen an
innern Fläche des Oberarms und durch Druck ln die Tiefe
obersten innern Theile des Arms trifft man leicht dpn Ner-
^bs radialis, medianus, und man hat ähnliche Empfindungen in
den Theilen , wo sie sich verbreiten. Drückt man einen
B*‘cssqn Nervenstamm für ein g.anzes Glied, z. B. den Nervus
l^chiadicns, so hat man die bekannte Empfindung von Prickeln,
'^delstichen und Einschbafen im ganzen Beine, und leicht kann
*dän es durch eine besondere Lage des Ober.scbenkels heim Sit-
so cinrichten, dass der N. ischiadicus bei seinem AustritI
'.^don gedrückt wird. Auf diese Art kann man nach und nacb
Stellen finden, wo man durch mechanische, ganz unschäd-
Reize an vielen auch kleinen Nerven ähnliche Versuche
seinem eigenen Körper anstellen kann , wie sonst über
. ewegungen an Thieren angeslcllt werden. Man wird sich dabei
DfJer überzeugen, dass bei Reizung eines Stammes jedesmal die
”*Pfindung in den äusseren Theilen aller seiner Aeste stattfin-
43 *
«66 III. Buch. NerPenphfsik. III. Ah.<<chn. mcrhanlkd.Ncrucnprlncips.
dol <'cr;Klc so wie Lei Reiziins^ eines MuskclnervensUuunics tLc
Bcwc'^'^ingeii in «len Muskeln aller seiner Acste staltlindcn.
Ist aUo Ller gerade so wie bei der niotorisebcn Kraft, ‘I’''
diese nocli auf die Muskeln dureli Reizung des Nerven •vvnkc
kann, wenn der Nerve selion niebt mebr mit dem Geliirn z '
saumienbängt , die Empfindung aber nur stattlindet, wenn i
Reizung der Nerven noch zu dem Gebirn gelan.^.
If Die Rciamg eine.i JSen’cnza’eiges i.if mit. hmpßiidimg '
gleitet,' die auf die Verbreit ung dieses Zu^eiges he.^rhriiukt ist, ^ndjni '
mit Empfindung in den Neruenz.ueigen , die höher uom ISteruenstaW
oder uon demselben Elexus abgehen. Die Tbatsacben, welche Ine'
her gebdren, sind zu bekannt, als dass ich sie einzeln auffuln' ‘
müsste. Die Reizung der Haut wird immer da empfunden, "
sie staltf.ndet, wenn sieb nicht ihre Folgen durch Entzünde^
und dann also auch die Reizung ausdebnt. Ich habe schon n-
Beispiel vom N. cubitalis angeführt. Die Empfindungen die ‘
Reizung desselben am Ellbogen beschränkt sich bloss auf die)
nigen Thcile, in welcbqn er sich ausbreitet, auf die Fläche m
den Rücken der Hand, rfc^i 4. und 5. Finger. Niemals wirkt t w
Reizung auf den Plexus bracbialis und die übrigen Nerven desselhc
zurück: Dass ein Empfiudungsnerve, der mit einem andern empfiiK .
liehen Cei'clirospinalncrven anastomosirt, nicht die Empfindungen a'^
den Stamm des zweiten Nerven überträgt, dass die Anastomos^
vielmehr nur eiuApparat zur weitern peripberisehen Vertbeilung
Primitiv fasern ist, geht aus den p. 613. angeführten Versucht
von Gahdeciiens am N. facialis und inlraorbitahs hervor; ^
bei den Anastomosen zwischen Aesten beider Nerven gebt .
vom N. infraorbitalis auf den Stamm des N. faeialis zurück, o‘i
vom N. facialis auf den N. Infraorbitalis zurück, sondern von h ^
den Nerven gehen die Fasern aus der scheinbaren Anastotn'i’
nur peripherisch weiter. Als Gaedechens einen Zweig des
facialis zum N. infraorbitalis durchschnilt und das dahmgehen^^
Stiiek des N. facialis reizte, entstanden keine Empfindungen, ^ _
gin» also vom N. facialis von dort aus nichts durch den N.
fraorbitalis zum Gehirn zurück. Eben so wenig wird man an t
nem vom Stamme des N. infraorbitalis abgetrennten, noch
dem N. fiicialis zusaramenhiüigeuden Stück des N. infraorbn'
Sclimerzen erregen können. Es ist also gerade so wie mi
motorischen Kraft, welche nach Reizung eines Nervenzweigs ^
mals Zuckungen durch Nervenzweige, die hoher aus demStai ^
entspringen, zurückwirkend erzeugt. Man wird diess
für die Hegel bei den Centralnerven, die vom Gehirn und
keumark entspringen, anerkennen, aber man wird mir die
pathischen Empfindungen einwerfen; ich werde die letzteren sp«
befriedigend erklären, und erwähne hier nur, dass Zweige
Hirn- und Rückenmarksiierven in der Regel nur dann
sehe Empfindungen bewirken, wenn sie auf das p.
Hückeiimark zurückwirken. Wo Letzteres statt hat, wie
lieiiu Nervus inideiidus im Coitus, ist eine Empfindung, die «
Reizunc der Zweige bewirkt wird, nicht auf diese Zweig
schränkt , sondern wirkt auch von den Centralthcden a
2. Mechanik der Ernpßndungsneri>cn. Gesetze der Leitung. G67
Jere Thellc und erregt Empfindungen in anderen Thcllen. Rcl-
*iing der Eichel bewirkt wollüstige Empfindungen der Eichel,
allein später auch im Unterhfihe und in den Samenljläschen.
Von allen Cerehralnerven haben der N. vagus und trigemi-
'*Us die meisten sympathischen Empfindungen. Reizungen der
^chleimhaut des Schlundes, Kehlkopfs luüjen Empfindungen zur
l^elge, die nicht auf diese Theile beschränkt sind. Reizung des
trigeminus in den N. dental ihus durch cariöse Zähne haben
ausgebreitete und sehr täusclieude Empfindungen in anderen
^heilen zur Folge; Reizung der Haut des äussern Gehörganges
'u dem ]V. temporalis superfieialis dureh mechanische Irritation,
bewirkt immer sogleich eine unangenehme Empfindung von Kit-
tel im Gaumen und Scliluude.
Ich muss bemerken, dass es noch keinesweges erwiesen
’st, (lass solche sympathische Empfindungen durch Verbindun-
gen der Nerven mit dem Nerv. sympathicHS vermittelt werden,
and dass eine andere, viel häufigere Art der Sympathie durch
ll^Uckwirkung der Empfindungsnerven auf das Gehirn, und die
Ausbreitung des Eindrucks auf andere Emjifindungsfascrn vom Ge-
birn aus hier wahrscheinilchcr stattfindet , wovon bei der fol-
Senden Untersuchung.
III. Verschiedene Theile, in der Dicke eines Empßndungsncri>en
Spreizt, hemrken dieselben Empßndungen, me wenn verschiedene End-
^Weige dieser Theile des Stammes gereizt werden. Beweis. Wenn
aian den N. cubitalis auf die schon beschriebene Art an sich
halbst mechanisch reizt, besonders Indem man ihn mit den Fin-
Sarn drückend hin und her schiebt, so hat man die Emplintlung
''Oll Prickeln, Nadelslechen in der Hohlhand, im Rücken der
bland und am 4. und 5. Finger. Aber je nachdem man gerade
Afückt, tritt das Prickeln bald am 4., bald am 5. Finger, bald
“1 der Hohlhand, bald auf dem Rücken der Hand ein, und in
Aer Ilohlhand wie auf dem Rücken derselben wechselt auch der
des ])rickelnden Punktes, je nachdem sich der Druck am
cubitalis ändert, also verschiedene Fasern dieses Nerven oder
^ äserbündel mehr gedrückt werden als andere. So wird man
auch finden bei Reizung der Nervenstämmc arn Oberarm; al-
•eiu beim N. cubitalis lässt sich gerade am besten der Druck
äuf verschiedene Theile in der Dicke des Nerven isoliren, je
J),ächdem man bald drückt, bald den Nerven in der Furche am
“Undylus internus humeri am Ellbogen mit dem Finger der an-
uern Hand hin und her schiebt. So habe ich auch durch hefti-
Ijen Druck auf den N. infraorbitalis an der Auslrittsstelle aus
Foramen Infraoi’bitale das Prickeln an der Wange und der
berlippe an verschiedenen Stellen empfunden, je nachdem der
läick und das drückende Hin- und Hersehieben wechselte. Die
Application des Druckes auf den N. infraorbitalis ist übrigens
j^‘ul schwerer, weil man die Austrittsstelle des Nerven durch
^uck und die erfolgenden Gefühle erst bestimmt ausmittcln muss.
^ IV, Die Empfindungen der feinsten Nervenfasern, wie die der
'^''venstiimme , sind isolirt und vermischen sich nicht mit einander
den äusseren Theilen bis zum Gehirn. Bmvels. Dieser Schluss
668 III. Buch. Neroenphysik. III.Abschn. Mechanik d.Nervenpnnctps.
ergiebt sieb aus den vorher mitgetheilten Thatsachen
Gesetzen. _ i ,nd
Ich habe zuerst ans meinen eigenen Beobachtungen i
aus den Untersuchungen von Fostana , Prevost und
MAS, Ehrekderg, Wutzer bewiescn , dass alle PrimitivfaseH
eines Nerven sicli niemals verzweigen oder verbinden , wc
der im Stamme noch in den Anastomosen der Nerven ,
die Primitivfosern bloss aus einer Scheide in die andere
Scheide übergehen und neue Ordnungen bilden , indem ^
sich nur parallel an andere Primitivfasern anlegen. Ich haije
gezeigt , dass der Nervenstaram auf diese Art das Ensemb
aller Primitivfasern ist , die sich aus seinen Aesten entwi
kein, und dass also eine prästabilirlc Harmonie der Fasern des |
Stammes mit den Elementen der feinsten Zweige existirt. Ic * j
liabe ferner IjCTviescnj dass die Stämme der Nei*ven dieselbe Eni
pfindung haben als alle Zweige zusammen, dass ein Ast des Stam- i
rnes bei dem Heiz keine Empfindung in anderen Aesten desseften
Stammes erregt, dass ein Theil eines Stammes eben solche E^
pfindungen luvt, als wenn einzelne Theile von den Zweigen de»
Stammes oder der Theile, wo sie hingehen, gereizt werden-
Fasst man diess Alles zusanmien, so wird man den von mir au_'
gestellten Schlusssatz zugeben müssen, obgleich er nur approxi-
mativ und nicht von jeder feinsten Primitivfaser erwiesen ist-
E. H. Weber’s schöne Versuche, nach welchen die Unterscheidiings-
kraft für die Distanz zweier die Haut berührender Röi-per in ver-
schiedenen Thcilcn sehr verschieden ist, und nach welchen meb-
rere Theile des Körpers, wie die Ziuigenspitze, die Distanz zwciei
Körper schon auf | Linie Entfernung, andere, wie die Mittel-
linie des Rückens, nur auf 30 Linien Entfernung unterscheiden;
ist kein Einxvurf wider jenen Satz; denn jene Unterscheidiings
kraft bängt wohl davon ab, wie viel oder wie xvenig Primitivia-
sern sensibler Nerven zu einem gewissen Felde des Hautorgaiiß
hingehen. '
V. Da die Stämme der Nerven das Ensemble der Pnmitivja-
sern sind, die sich in den Aesten entwickeln, jede Faser trotz ihre
Länge doch nur in einem Punkt mit dem Gehirn zAisammenhängt ^
nur einen Punkt repräseniirt , so ist die Empfindung gleich , ob i
selben Primitivfasern im Stamme oder in den ylesten, oder m «
Haut gereizt werden. Beweis. Es ist bekannt, dass in je
Theile des Körpers wie in der Haut die Empfindungen
in Hinsicht des Orts als verschiedene empfunden werden, da»
in jedem kleinsten Theile andere Priinitivfasern der Nerven au
gebreitet sind. Dadureh dass diese Primitivfasern von verscüi '
denen Theilen in den Stämmen sich nicht verbinden,
einzeln zum Gehirn gelangen, ist es möglich, dass das Ge i
bestimmte und deutliche Empfindung von allen Theilen, die v
Centralnerveu versehen sind, hat. Die Deutlichkeit der Emp * ^
diing hängt hier durchaus davon ab, wie viel Primitivfasern
nen bestimmten Theil des Körpers mit einem bestimmten J-
des Geliirns in Verbindung setzen. Würden sich dagegen
von verschiedenen Thcilcn koirujienden Primitivfasern in
2. Mechanik der Empfindungsnerven. Gesetze der Leitung, 669
Nerven vei'binden, so wäre, gar keine bestimmte Empfindung
*äöglicb, sondern die Empfindungen verschiedener Theile müssten
äls identiscb vom Gebii-n percipirt werden.
Es fragt sieb nun, wenn die Priraitivfasern der Nerven, die
'm Stamme vereinigt zusammenliegen, in den Aesten ausgebreitet
^Verden, an vcrscbiedenen Stellen ihrer Länge gereizt sind, was
bir eine Empfindung sie ba])en, ob die Empfindung auch dann in
Hinsicht des Orts immer eine ist, oder ob die Empfindungen an
Verschiedenen Stellen in der Länge der Primitivfasern als ver-
schiedene unterschieden werden. Kann ich es aus der Empfin-
dung wissen, ob ein und dassell)e Bündel Piämitivfasern an sei-
i>em Stamme, in den Aesten oder in der Haut, wo sie sich ent-
wickelt haben, gereizt wird? Hie Antwort ist zum Thcil in den
Vorher mitgetbeilten Beobachtungen enthalten.
1) Wenn der Stamm eines Nerven gereizt wird, so ist die
Empfindung, als w'enn alle die Primitivfasern gereizt würden.
Welche sich in die äusseren Theile begeben, und die Empfindung
bat eben so gut scheinbar in den äusseren Thellen statt, als
Wenn diese selbst gereizt werden.
2) Wenn verschiedene Primitivfasern in einem Nervenstamme
gereizt werden, so ist die Empfindung, als wenn verschiedene
Eunkte an den äusseren Tbeilen gereizt werden.
•3) Die Reizung jedes Astes ist mit Empfindung begleitet an
den Tbeilen, zu wclclien der Ast hingebt.
Es scheint also gleich, wo die Primitivfasern gereizt wer-
den: In den Stämmen selbst, wm sie noch neben einander liegen,
den Aesten, wo sie sich in Bündel abgetbeilt haben, oder in
den äussersten Tbeilen, wo sie sich ganz vereinzeln. Wird die
Haut gereizt durch Nadelstiche oder indem Mücken darüber lau-
fen, sind also die Enden der Primitivfasern irritirt, so haben wir
dort die Empfindung von Nadelstichen und Mückenlaufen; wei-den
dagegen die Massen der Primitivfasern in. einem kleinen Zweig
Finger gedrückt, so entsteht die Empfindung von Nadelsti-
chen und Mückenlaufen in der Haut der Finger; wird ein gan-
zer Stamm gedrückt, so entsteht dieselbe Empfindung von Na-
delstichen und Mückenlaufen in der Haut, wo die letzten En-
den der Primitivfasern des Stammes bingchen. Ist der Druck
'‘uf den Stamm z. B. des Nervus cubitalis oder eines anderen
der innern Seite des Oberarms plötzlich und stark, so ist die
Empfindung wie von einem electrischen Schlag in allbn Fasern,
welchen sich der Stamm verbreitet; aber dieser' Schlag fühlt
®ich scheinbar nicht da, wo der Nerve gedrückt wird, sondern
da, wo die Primitivfiisern des Nervciistammes in der Haut der
E: °
‘Oger, der Hand, in den Muskeln des Vorderarms sich enden,
s gehören hieber auch die Phänomene bei der Durchschneidung
der Nerven beim Menschen in Amputationen. Im Momente der
Hurchsebneidung der Nerven werden die heftigsten Schmerzen
Scheinbar in dem zu amputirenden Theile, worin sich die durch-
^bnlttenen Nerven verbreiten, empfunden. Diess ist etwas ganz
cnstantes, wie mir der erfahrungsreiche Dirigent der chirurgi-
schen Abthcllung des Krankenhauses zu Hamburg tlerr Dr. FaicK.fi
670 UI. Buch. Nerpenphfsik. III.Abschn. Mechanik d.Nerpenprtnccps.
versicliert liat. Da jede Primitivfaser eines Nerven Lei Ihrer Läng®
vom Gehirn, durch den Stamm des Nerven in die Aeste, his^ in die
Haut nur in einem Punkte nämlich am Ende mit dem Gehirn zu-
sammenhängt, so scheint es ganz consequent, dass diese Primitivta-
sern unten in der Haut, in der Mitte oder im Stamme alhcirt, diese -
hen Empfindungen hahcn sollen; denn alle Empfindungen, die
ihrer ganzen Länge stattfinden, können sie doch nur in einem
einzigen Punkte mit dem Gehirn oder dem Organe des Bewusst-
seyns in Verbindung bringen. Es scheinen daher alle Primitiv-
fasern eines Nerven, mögen sie lang oder kurz seyn, immer nur
einen Punkt im Gehirn zu repräsentiren , der immer dieselbe
Empfindung zum Bewusstseyn bringt, mag die Faser in der Hau
afficirt seyn oder im Stamme. Wir scheinen hei Reizung der
Nervenfasern an verschiedenen Orten ihrer Länge die Empfin'
düngen immer in der Haut zu haben, weil sie in der Regel im'
mer dann entsteht, wenn die Haut oder die Hautenden der Pri'
mitivfasern afilcirt werden. So richtig diese Schlüsse aus de®
bisher angeführten Beobaehtungen sind, so ist diese Theorie
der Empfindungen doch noch ziemlich weit von einem voll'
kommenen Beweise entfernt, wie sich aus Folgendem ergieht.
VI. Eine sonderbare und den eben angeführten ThatsacheU
evidersprechende Erscheinung ist, dass, obgleich heim Druck auf eV'
nen Neroenstamm, die Empfindungen in den äusseren Theilen zu seft*
scheinen, doch auch ein heftiger Druck des Stammes zugleich an der
Druckstelle des Stammes empfunden zu werden scheint. Diese Er-
fahrung macht man sonst nur selten, indem man sich an de®
Nervus ulnaris anstösst. Man kann aber ohne gewaltsame Ei®'
griffe auch Versuche darüber an sich anstellen. Drückt ma®
nämlich den Nervus ulnai’is über dem Condyhis internus h®'
meri allmählig verstärkt an den Knochen an , indem man ih®
Lei dem Druck zugleich fixirt und nicht verschiebt, so vvir®
zwar der ganze Arm unter der Druckstelle , und zwar so wei
sich der Nervus ulnaris verzweigt, schmerzhaft, allein ein leb'
hafter, nicht bloss von der Empfindlichkeit der umherliege®'
den Theile herrührender Schmerz, der seinen Sitz im Stamm®
des Nervus ulnaris hat, fühlt sich auch an der Druckstell®'
Diess dürfte nach Analogie der vorhergehenden und noch spä'
ter zu beschreibenden Erscheinungen nicht seyn, und es schein t
dass uns hier noch etwas Piäthselhaftes, für die Theorie der Em'
pfindungen Wichtiges verborgen ist. Man beobachtet etwa*
Aehnliciies.-hei den Neuromen. Die characteristischen Symptom®
dieser Geschwülste der Nerven sind zwar, dass die Schmer'
zen in allen Theilen, zu welchen der Nerve hingeht, z. B. b®^
einer Geschwulst des Nervus ulnaris am Oberarm , die Schmer
zen in der Hand und am 4. und 5. Finger furchtbar heftig au ^
treten, wie denn auch im Moment der Durchschneidung
kranken Nerven über der Geschw'ulst in jenen Theilen _ ‘
furchtbarsten Schmerzen eintreten (von mir selbst hei em
vom Professor Wutzer im chirurgischen Clinico gemach e
Durchschneidung des Nervus ulnaris am Oberarm über
Neuroma desselben beobachtet). Vergl. AronssohN ohsero.
2. Mechanik der Empfindui^snerven, Gesetze der Leitung. 671
les tumeurs developpdes dam les nerfs. Strasb. 1822. p, 9. Allem
®ttch das Nenroma selbst pflegt sehr schmerzhaft und empfind-
bch zu seyn. An diese Erfahrungen, dass ein Nervenstamm af-
bcirt sowohl an den Tbeilen, zu welchen seine Zweige hingehen,
äjs an sich selbst Empfindungen verursacht, schliesst sich eine
«nnliche Erscheinung vom Rückenmark an, bei dessen Krankhei-
ten die Schmerzen in der Regel in allen unter der afficirten
Stelle liegenden peripherischen Theilen, allein zuweilen, obgleich
gelten, wie bei der Neuralgia dorsalis, auch in der Mittellinie
“es Rückens vorgefunden werden.
Leider haben die Chirurgen die herrliche Gelegenheit, Be-
frachtungen über die Erscheinungen bei der Durchscbneidnng
“er Nerven anzustellen, bis jetzt so wenig benutzt. Hätten die
Chirurgen öfter ein mehr allgemeines, physiologisches Interesse
äls das beschränkte, welches sie durch die physiologischen Vor-
gänge der Entzündung an die Physiologie knüpft, so hätten sie
üns mit sehr wichtigen Erfahrungen in Hinsicht der Nervenphy-
*ik bekannt machen können. Man sollte denken, bei einem so
gewaltsamen Eingriff in die^ Organisation eines Menschen, wie
flie Amputation oder die Durchschneidung eines Nerven, müss-
ten sich dem Operateur die wichtigsten physiologischen Fragen
ättf drängen.
VlI. Auch die Verbreitung der Schmerzen in den Neuralgien,
^ch dem anatomischen Verlauf der Nerven widerspricht der früher
erwähnten Theorie der Empfindungen. Die Schmerzen in den Neural-
gien werden nach dem ganzen Verlauf eines Nerven (also nicht in den
peripherischen Enden der Nerven) empfunden: so sagen die Aerzte,
ünd es scheint zuweilen, aber durchaus nicht immer der Fall zu
feyn. Beim nervösen Hüftschmerz müsste nach jener Theorie, wenn
Stamm des Nerven leidet, das ganze Bein ohne Unterschied
®äf das heftigste schmerzen. Wenn aber der Schmerz im Ischiad-
?erven gefühlt würde, so müsste er einen schmerzhaften, schon
^ Oberschenkel in zwei Zweige (N. tibialis und peronaeus) sich
fallenden Strom darstellen, und die Ströme des Schmerzes anato-
jüisch nach der Verbreitung derAeste des N. peronaeus und tibia-
hingehen, was mit der Beschreibung der Ischiadik nicht stimmt,
mehreren Fällen von reinen Neuralgien, die ich in Berlin unter-
®ächte, verliefen die Schmerzen durchaus nicht nach der anatomi-
phen Verbreitung des Nerven ; ich sah z. B. eine Neuralgie des Ge-
®ichts, die vom Scheitel anfangend durch die Orbita auf die Wange
ll'ig und dort endete. Bei einer andern Neuralgie konnte man den
• ulnaris, so gut als den N. radialis im Verdacht haben, und doch
^®sste beides nicht recht. Eben so sah Ich eine Neuralgie am Schen-
j^P > die der Arzt wohl gewöhnlich für Ischiadik, aber ein Anatom
würde. Dagegen sah ich auch wieder eine Neu-
ai fler N- facialis und lingualis, wo die Schmerzen, wenn auch
sik*^ doch öfter unter dem Ohr hervorzukommen und
Seil im Gesicht zu verbreiten schienen. Bei dem-
bj, Manne ging der Schmerz oft gegen die anatomische Ver-
"'arf sich oft vom Gesicht auf die Zunge. In diesem
e bilden die Neuralgien aber einen Einwurf gegen die früher
672 in. Buch. Nervenphystk. III. Abschn. Mechanik d. JServenprindps.
erwälinte Theorie der Empfindungen. Wenn die oben erwähnten
Thatsachen gegen Jene Theorie von der Mechanik . P •
düngen sprechen, so sind ihr die folgenden wieder gnnslig; me
fehlt uns ein ‘ufschluss, der diese AVidcrsprüche aufteilt.
■ VIIT. JVcmi die Empfindung in dm äusseren Theden dura
Druck oder Durchschneiden uoUkommm gelähmt ist, so kann der ge-
feilte Stamm des Nerven noch Etripfmdangen haben, a>dche in de'
analogen äusseräi Theden zu seyn scheinen. Beweis. Es giem
hekanntlich Lähmungen, hei welchen die Glieder durchaus keine
Empfindliclikeit für äussere Reize hahen, und wobei gletcliwon
die hefti'^sten Sehmerzen in dem für äussere Reize unemplint'
liehen Thcile stattfinden. Solche Glieder kann man stechen, an-
schneiden, stossen, ohne die geringste Empfindung, und <]ennoc j
sind die Schmerzen aus inneren Ursachen ziweilen stark, isc
dem bisherigen rohen Zustande der Nervenphysiologie waren
diese Fälle ein Widerspruch, ein unauflösliches Räthsel. In Bonn
habe ich einen solchen Fall bei einem gewissen Heideniieich gf'
sehen, der an 'den unteren Extremitäten vollständig, sovvohl in
Hinsicht der Empfindung als der Bewegung, gelähmt ist. Von
Zelt zu Zelt werden die Glieder von Zuckungen ergriflen, wob
heftige Schmerzen Irri ganzen Beine eintreten, aber die Lm-
pfindung für äussere Reize nicht wiederkehrt. vVenn die äusse-
ren Tlieile der Nerven gelähmt sind, so kann die Irritation der
Stämme noch die heftigsten Schmerzen verursachen, welche m
den äusseren Tlieilen zu seyn scheinen (Anacsthesia dolorosa)-
Man siebt leicht ein , dass die schmerzhaften Lähmungen t o
Empfindung vorzüglich solche sepi niiisscn, wo die äussere''
Theile der Neryen gelähmt sind, die Stämme und Ursprünge alic
noch unversehrt, also in den rein örtlichen Lähmungen der Ner'
ven hei vollkommener Integritift des Gehirns und Rückenmark i
wie in den örtlichen rheumatiscb - gichtiiclien Lähmungen, '
örtlichen Lähmniigcn, die durch Druck auf die Nerven,
«^angliöse Anschwellungen der Nerven veruwacht sind.
erzählt einen Fall {med. chirurg. transart . 1. M'i. ]NlECK.Er.’.s
.3. 419.) von Lähmung des Armes durch einen Schlüsselbcinhruc^^
Die Fiiiger und der ganze Arm waren empfindungslos gegen äus-
sere Eindrücke, dennoch empfand der Kranke bei jedem
such das Glied zu bewegen, bisweilen sogar hei voller Ruhe, he
tige Schmerzen in den Fingerspitzen.
" Hierher gehört auch die durch unzählige Erfahrungen o
stätigte Thatsache, dass die Durchschneidung der Nerven bei i ^
ralgien in der Regel nichts fruchtet, und dass die Schmerzen
•wie der kehren , obgleich die Nerven durchschnitten, ja stuckw
ausgeschnitten waren, so dass die Schmerzen in der Wange e
so heftig wurden als zuvor. In der That, wenn der ^
stamm die Ursache der Neui’algie ist, kann die Durchsc i
dun«!- des Stammes z. B. des Nervus facialis, infraorhitalis, i
aus "nichts fruchten, denn der Stumpf des Stammes , der i'^
mit dem Gehirn in Verbindung steht und noch alle riniii i
sern enthält, die sich in der Haut entwickelten, hat, wie wir
sen, bei seinen Reizungen dieselben Empfindungen sclicin .
2. MecJuinik der Empfindungsnerven. Gesetze der Leitung, 673
^en äusseren Theilen, als wenn diese selbst affieirt sind. Nur selten
fracbtet die Durchschneidung der Nerven und die Ausschneidung
eines Stückes, und natürlich nur dann, wenn die Ursache der
Neuralgie in den Aesten, nicht im Stamme war.
Mit der Dnrchschneidung eines Nerven hört daher nur die
Möglichkeit auf, mit dem Hautende der Nervenfasern äussere Ein-
drücke zu empfinden, weil der Eindruck nicht mehr zum Ge-
hirn geleitet werden kann. Aber dieselben Empfindungen, die
sonst aus äusseren Eindrücken entstehen, werden aus innerer Ur-
sache erscheinen, wenn nur die Primitivfasern des Stammes mit
dem Hii’n- oder Rückenmark in Verbindung stehen.
Wenn ein Nerve zufällig z. B. am Finger durchschnitten
^ird, so tritt im Zeiträume der Wundentzündung Schmerz in
dem gelähmten Theile des Fingers ein, während derselbe Theil
gar kein Gefühl gegen äussere Reize hat. Die Empfindung des
Schmerzes vergeht wieder nach der Wundentzündung, und nun
Ist der Theil wieder ganz empfindungslos. Von besonderem In-
teresse ist in dieser Hinsiebt eine Beobachtung von Gruithuisen
än sich; die ich schon p. 385. berührt habe. Nach einer Ver-
ts'undung am Daumen, welche den N. dorsalis radialis pollicis
dürchschnitt, wurde die Seite des Daumrückens bis unter den
Nagel ganz unempfindlich. Zur Zeit der Entzündung wurde diese
öautstelle sehr schmerzhaft; diese Schmerzen verschwanden nach
acht Tagen mit der Heilung, worauf der für äussere Eindrücke
'loempfindlichc Zustand allein übrig blieb. W^enn Gruithuisen
später auf die Narbe klopfte, batte er die Empfindung von Prik-
aeln unter dem Nagel. Beiträge zur Physiognosie und Eautognosie.
Everard Home erzählt in den PhU. transact. einen Fall von
^sichts'schmerz. In einem Falle, wo man die Durchschneidnng
des Nerven verrichtet, gelang die Vereinigung per primam inten-
*^ionem nicht, und während der Zeit, dass die Wunde offen war,
^erursachte der entzündliche Zustand des getrennten Nervenen-
des dem Kranken Anfälle, die denen glichen, welche er vor
der Operation erlitten hatte. Als aber die Wunde vollstän-
Ijig geheilt war, trat kein solcher Anfall wieder ein. J. Swan
die Localkrankheiten der Nerven, übers, von Fkanciie. Leipzig
1824. p. 78.
^ Die Phänomene beim sogenannten Einschlafen der Glieder von
■^^i^ck auf die Nerven sind auch Erläuterungen davon. Der Druck
®^f die Nerven hebt die Leitung von den peripherischen Enden
Nerven auf; aber derselbe Druck affieirt auch den centralen
L^eil des Nerven, daher die Empfindung von Formicatio, Prik-
Stechen in dem Beine, welches gleichwohl seine Empfind-
’clikeit für äussere Eindiücke verliert.
. Häufig entsteht auch das Gefühl der Formicatio scheinbar
äusseren Theilen, wenn doch die Nervenursprünge vom Rük-
^nmark oder Gehirn, oder diese Theile selbst affieirt sind. Bei
Gefühl von Formicatio in einem Gliede kann man noch gar
lebt wissen, ob die Ursache in der Haut, im Nervenstamme
am Ursprung der Fasern im Rückenmark ist. Oft ist die
i'sache im Rückenmax'k. Das Rückeumai'k hat fast in allen sei-
674 III. Buch. Nerpcnphjsik. III.Ahschn. Mechanik d.Nert>eripi
nen Krankheiten Formicatlo, schelnhar in der Haut,
Lei der Rückenmarkslähraung ist die Formicatio oft n
Theilen, welche unterhalb der Verletzung Nerven erhalten ; |
der Tabes dorsalis ist die Formicatio nicht etwa in der >ft«eu
nie, sondern am ganzen Körper in der Haut. (Ich weiss '
keiner Beohachtung, dass Formicatio in Schleimhäuten 'Wiftrate- J
Man sieht aus dem eben Vorgetragenen, dass die Auia d
leptica (aucli eine Art Formicatio) vor dem Anfall in den ausse
ren Theilen, nur in den äusseren Thcden vorzukommcu sclieint,
währ?nd ihre Ursache und ihr Sitz doch im Rückenmark odei
Gehirn ist. Sie ist der erste Anklang der weiteren Rückenmark
affectionen und Gehirnaffectionen, die irn Verfolg des Anfalls auftr
ten Wenn der epileptische Anfall zuweilen durch Zusammenschnu
ren des Gliedes über der Aura epileptica aufgehoben w'^d, so ge-
schieht diess wohl nicht, weil etwas Krankhaftes fortzuschrei
gehindert würde, sondern weil durch das Zusammenhinden
heftiger Eindruck auf das Scnsonuni erfolgt. Doch «»oss h -
merkt werden, dass hei der)enigen Form der Epilepsie, wc\c
durch Geschwülste von Nerven entsteht, durch die I^S»tor ein
Gliedes wirklich die Fortleitung der Reizung zum Rückenmark
wo Oberarm über dem Ellbogengelenke
ein Tonrniquet an, so kann man alle Theile der Hand zum Ge-
fühl des Einschlafens, zuletzt zu Empfindungslosigkeit bringen.
Zuerst entsteht Prickeln und Nadelstechen, dann allmähhg Taub-
sevn und das Gefühl von Kälte, zuletzt anfangende Empfindungslo-
si<ikelt für äussere Reize. Wenn man nun die Nervenstamrne in de
Achselhöhle und am Oberarm durch einen zerrenden priff reiz ,
so hat man eben so deutliche Empfindungen eines electrische
Schlages in der Hand, als wenn die Nerven des Vorderarms u
der Hand nicht ciiigeschlafen sind. , . , .r..
IX. Wenn das Glied, in welchem sich ein Nervenstamm ^
breitet, durch Amputation entfernt ist, so kann der Stamm der jSe
uen weil er das Ensemble der verkürtten Primitivfasern noch ent-
hält, Empfindungen haben, als wäre das amputirte Glied noch vor-
handen. Diess dauert durchs ganze Lehen. Die Erfahrung, das
die Amputirten noch Empfindungen haben, als wäre das ampi'
tirte Glied noch vorhanden, ist allen Chirurgen bekannt; es i
niemals anders. Gewöhnlich sagt mau, diese Smnestauschunge^^
dauern einige Zeit fort, so lange
Chirurgen bis zur Heilung bleiben. Die Wahrheit ist aber, d« ^
diese Sinnestäuschung immer bleibt, dass sie sich durchs
Leben mit gleicher Lebhaftigkeit erhält, wie man sich ol^crze
acn kann, wenn man irgend Amputirte lange Zeit nach ‘
mitalion befragt. Zur Zeit der Entzündung des Araputatio ^^^
stumpfes und der Nervenstämme, sind die Empfindungen ■
lebhaftesten, und die Kranken klagen dann
tice Schmerzen in dem ganzen Glicde, welches sie vor
lien. Nach der Heilung bleiben die Empfindungen -oruck,^^.^ ^
man überhaupt von einem gesunden Gliede hat, und ba ^
durchs ganze Lelien hindurch ein Gefühl von honnicc ,
2. Mechanik der Empfmdungsnerven, Qesetze der Leitung. 675
''On Schmerzen scheinhar in den ausseren Theilen , welche nicht
^ehr da sind. Diese Empfindungen sind nicht unbestimmt, son-
dern der Kranke iulilt deutlich die Schmerzen, die Formication
den einzelnen Zehen, in der Fusssolile, am Fussrüeken, in der
■Haut etc. Lächerlich sind die idealistischen Erklärungen dieses
Richtigen Phänomens aus der Imagination etc. Die Physiologen
®ahen es lange Zeit als eine Curiosität behandelt. Allein die
Untersuchungen derjenigen Amputirten , die mir zugeschickt
^urden und die ich aufTinden konnte , haben mir erwiesen,
dass das Gefühl sich nie ganz verliert. Die Amputirten werden
^ *nletzt so sehr daran gewöhnt, dass sie gar nicht mehr dar-
I achten ; allein sobald sie wieder darauf aufmerksam sind,
1 das Gefühl sogleich vorhanden, und sie fühlen oft Zehen,
■ringer, Fusssohle, Hand ganz deutlich. Noch viel stärker wird das
Uefühl, wenn man ein Band oder Tourniquet um den-Amputa-
honsstumpf legt, oder wenn man ihn so drückt, wie sonst ge-
schieht, wenn das Einschlafen eines Gliedes erfolgt. Dann tritt
Sogleich Formication ein, das Gefühl von Ameiseidanfen erscheint
*0 der Hand, im Fuss, in der ganzen Extremität, durchaus mit
derselben Deutlichkeit, als wenn sie noch vorhanden wären.
■Uie Amputirten haben daher nach der Operation auch dann
lebhaftesten wieder das Gefühl ihres verlornen Gliedes, wenn
oer Chirurg wegen anderweitiger Ursachen wieder das Tourni-
lOet an legt.
Haben die Kranken auch vor der Amputation an einem
'“etlichen schmerzhaften Schaden gelitten, so wird doch nach
der Amputation das ganze Bein schmerzhaft gefühlt, und das
^änze Bein schmerzt scheinhar, wenn der Nerve durchschnit-
ist und der Amputationsstumpf sich entzündet.
Ich rede nicht von den Träumen der Amputmten, von den
allen Empfindungen des ganzen seheinharen Beins, wenn der
^lümpf desselben durch die Lage gedrückt wird, da die Empfin-
''og diuchaus hei den Amputirten durchs ganze Lehen bleibt.
Beispiele.
1) N. N. eine Frau, welche eine Lähmung der Empfindung
**0 Arme hatte, bekam einen Bruch des kranken Arms, der dar-
in Brand überging und amputirt werden musste im Clin,
pirurg. zu Bonn. Die Amputation war ohne Empfindung. Al-
die Durchschneidung des Nerven musste die Ursache gewe-
soyn, dass das Gefühl in dem Nervenstamrae wieder erregt
j '■de. Schon in der Nacht klagte die Frau über Schmerzen in
'^'=0 Fingern.
2) JoH. WoLFF, ein Schneidergesell in Bonn, ist vor 12 Jah-
am ersten Dritttheil des Oberschenkels wegen Garies im Clin.
l****Qrg. amputirt worden. Er hatte sogleich noch das Gefühl,
. ® Wäre das Bein vorhanden, und klagte die folgenden Tage sehr
Schmerzen im Beine bis in die Zehen. In denselben Ta-
Wurde ein Anderer am Arm amputirt, der auch darauf über
j^btuerzen in der Hand und am ganzen Arme klagte. Diesen
Ho*! 12 Jahren untersucht. Er hat immer
'“b das Gefühl, als wären die Zehen und die Fussohle vorhan-
676 III. Buch. Nerveriphysik. III.Ahschn. Mechanik d.Nei'venprinctps.
den, tind zuweilen heftige Schmerzen in der Fusssohle, die er
nicht mehr hat. Zuweilen schläft der Stumpf heim Liegen ein,
und es tritt dann Formlcation in den Zehen ein, die auch sonst
öfter vorhanden ist. Ich legte an den Amputationsstumpf des
Oberschenkels ein Tourniijuct an, so dass der Stumpf des N-
ischiadicus gedrückt wurde; sogleich sagte Wolff, dass ihm das
Bein wie einschlafe, und er konnte ganz deutlich die Formica-
tion in den Zehen unterscheiden.
3) W. N., Stud. Chirurg., ein Jude, wurde wegen eines Gcleiik-
ühels am Ellbogen im Oberarme amputirt. Er hatte, so lange ei’
beobachtet wurde, nicht die Empfindung des verlornen Arme*
verloren.
4) Herr Stud. Schmidts aus Aachen ist seit 13 Jahren am Ober-
arm amputirt; die Empfindungen in den Fingern haben nie aufgC'
hört. Herr Schmidts glaubt die Hand immer in einer gekrümmten
Stellung zu fühlen. Das seheinbare Priekeln der Finger ist vorhan-
den, vorzüglich wenn der Stumpf aufliegt und die Stämme der Arm-
nerven gedrückt werden. Ich legte einen Druck gegen die Nerven-
stämme des Ainputationsstumpfes an, sogleieh trat die Empfindung
von Einschlafen scheinbar im ganzen Arme bis in die Finger ein-
5) N. N. , mein Comraissionär zur Zeit meines Aufenthalts in
Leyden, ist vor 12 Jahren am Oberarm amputirt worden. Er
hat zuweilen Gefühle von Formication, wie In den Fingern, be-
sonders wenn der Arm aufliegt.
6) Vir quidam in nosocomio judaico berolinensl, cui pes si-
nister et alter, eui braehium sinistrurn aniputalum erat, diceban|
ambo, alter post hebd. 14., alter 17.: se per operationum nifin
commodi nactos esse; aller querebatur de dolore vehemeiiti p®'
dis et alter brachii, cum tarnen non tarn male eos habulsset quam
in primis hebdomadibus post factam operationein et uterque no_n
per hebdoinades, sed per menses hosce, sensus hujus fallacis d‘'
minutlonem habere fatebatur. Lemos dlssert. inaug. quae dolofC^^
memhri ampulaii remanentem expUcat. Hai. 1798. p. 33.
7) Nune temporis etiam ibi versalur juvenls, cui ante novcm
menses braehium sinistrurn demtum est. In hoc eadem sensaim
sub quinto et sexto mense post operationem decessit, sed men*®
octavo aliquot dies, ubi vehementior esse eoepit, habuit, ut inte'''
diu tantum ope oeull et nocte opc inanus allerins jacturae hujn
se convincerc posset. Ibid. p. 33. Der Verfasser dieser Disserta'
tion erklärt das Factum ungenügend aus der Association der bd'
den Extremitäten, welche selbst erklärt werden sollte.
8) Ein Chausseegeldeinnehmer in der Nähe von Halle,
in den Freiheitskriegen der rechte Oberai-m durch eine
nenkugel zerschmettert und dann amputirt wurde, hat noch ^
(1833) bei Aenderungen in der Atmosphäre deutliche rheuma^^^
sehe Schmerzen im ganzen Arme, und fühlt dann das an
Jahre lang entfernte Stück desselhen empfindlich gegen Euttd'o^
Dass nie die subjective physiologische Ein])findung des abgesc
ten Gliedtheils verloren wird, bestätigte auch er vollkommen-
X. TH enn die Fasern, die von dem Stamme in die Aeste u
2. Mechanik der Empfindungsnerven. Gesetze der Leitung. 677
Sehen, an verschiedenen Stellen gereizt sind, so hat man nicht örtlich
verschiedene Empfindungen, sondern im Momente der doppelten Rei-
bung eine verstärkte Empfindung in denselben Theiien, zu welchen die
Endfasern hingehen. Man lege sicli ein Toiirniquet um den Arm
diclit über dem Ellbogen, und bringe die Hand zum Gefühl des
Einschlafens mul der Emplindnngslosigkeit. Wenn rn.in das
' Xourniquet -wieder entfernt, so wird das Prickeln wieder stark.
Wahrscheinlich weil das nun wieder in den Arm strömende Blut
wieder die Nerven reizt. In jedem Moment, wo man die prik-
Xelnden Finger berührt, wird die Empfindung von Prickeln stär-
Iter. Wenn man aber die Nervenstämme in der Achselhöhle und
Und am Oberarm in diesem Zustande zerrt, so wird die prik-
kelnde Empfindung eben so verstärkt, als wenn man die prickcbi-
den Finger selbst aneinander reibt. Alle diese Thatsachen be-
weisen einstimmig, dass die in den Stännnen enthaltenen Primi-
Uvfasern, welche sich bei ihrer Verzweigung in empfindende
Theile begeben, an jedem Orte ihrer Reizung iimner dieselbe
Empfindung, nämlich die scheinbare’ in dem peripherischen Ende,
haben, dass also die Empfindungen aller Theile durch Primitiv-
fasern, die sich mit dem Rückenmark und Gehirn verbinden,
Präsentirt werden.
XI. Gleichwie sich die relative Lage der Primitivfasern an ih-
^en Ursprüngen vom Gehirn und Rückenmark, wo sie Empfindungen
erregen, nicht ändert, wenn die relativ^ l.age derselben an ihren pe-
ripherischen Enden sich verändert , so werden auch die Ortsempfin-
dungen der Primiiivfasern nach der Ordnung ihres Ursprungs sich
richten, und nicht nach der veränderten relativen Lage ihres periphe-
rischen Endes. Der Beweis davon liegt in den Erscheinungen,
Welche bei künstlicher Lageveränderung der peripherischen En-
den eintreten, wie z. B. bei der Transplantation von Haullappen.
Wird bei dem künstlichen Nasenersatz ein Hautlappen der Stirn
än der Nasenwurzel umgekehrt und mit dem Nasenstumpf zu-
sammengeheilt, so hat die angehellte Nase, so lange die Brücke
der Nasenwurzel nocTi nicht durchschnitten ist, durchaus die-
selben Empfindungen, wie wenn die Stirnhaut sonst gereizt wor-
den wäre, d. h. man empfindet die Berührung der neuen Nase
^ der Stirn. Diess ist eine bekannte chirurgische Erfahrung,
yiess dauert aber natürlich nur so lange, als die Communication
der Nervenfasern an der Nasenwurzel zwischen der Stirn und
der neuen Nase noch besteht. Nach dem Durchschneiden jener
"feile hört diese Versetzung der Empfindung auf; die neue Nase
dann empfindungslos; später scheint sich einige, aber schwa-
che, Empfindung wieder in derselljen anszubilden.
Eine zweite ganz ähnliche und auf dieselbe Art zu erklä-
^cwde Erscheinung ist, dass, wenn man den Zeigefinger und Mit-
elfinger einer Hand kreuzweise übereinander legt,, und z-wischen
zugewandten Seiten der gekreuzten Finger, die sonst die entge-
gengesetzten Seiten derselben waren, eine kleine Kugel, z- B. eine
.ebse, hin xind her rollt, man zwei Kugeln zu fühlen scheint. Bei
em Berühren einer kleinen Kugel mit zwei natürlich nebeneinan-
CHiegenden Fingern fühlt man eigentlich keine Kugel, sondern
678 III. Jjurh. Ncivc/iphfsih. III, Ahschn. Mechanik d. Neivenprinclp!'’.
zwei Convcxifäten , welche die Vorstellung oder der Schluss zui’
Kugel ergänzt, indem die Phantasie sich vorstellt, dass zwei ne-
heneinander liegende, mit ihren Convexitäten x'on einander ahgc-
waiidte Kngelsegmente zu einer Kugel gehören. Kreuzt man
nun die Finger, und macht die Leiden äusseren entgegengesetz-
ten Seiten der zwei Finger zu inneren, einander zugewandten
Seiten, so hehalten die Empfindungen der Fasern ihre relatü^
Lage, wüe die Fasern zuletzt zum Gehirn kommen, und als wenn
keine Kreuzung stattgefiinden hätte, d. h. die Empfindung eines
nach aussen wirklich convexen Kugelsegementes bei
X, wird nach / auf die entgegengesetzte Seite trans-
ponirt, eben so x nach j'. Der Inhalt der Empfin-
dungen bei X und f bleibt ganz unverändert, eben
so der Inhalt der Empfindungen bei x' xind ,r', aber
die Eindrücke sind nach der Transposition nicht
mehr zwei von einander abgewandte, sondern zwei
einander zugewandte Convexitäten; diese muss die
Vorstellung zu zxvei Kugeln ergänzen, da zwei ein-
ander zugewandte Convexitäten nicht einer und derselben Kuge*?
wohl aber zwei Kugeln angehören können. Diese Erklän-ing de’
Phänomens habe ich schon 1826 in meiner Schrill: Physiologi'-
des Gesichtssinnes. Lpzg. 1826. p. 84. gegeben, wo überhaupt scho*’
die ersten Elemente des mechanischen Tlieiles der Nerveuphysi'’
angedeutet wurden.
XII. Erhält ein Theil durch eine Nervenanastomose verschiedet^
Nerven gleicher Art, so kann nach der Lähmung des einen der dt'
der e Nerve nicht die Empfindung des ganzen Theiles unterhalten, vid'
mehr entspricht der Umfang der noch empfindlichen Stellen der Ztl
der noch unversehrten Primitivjasern. Anastomosiren zwei Nel'
ven mit einander, so kann die eine Wurzel der Anastomose nicb
die andere ersetzen, so wie die Arterien dui’ch Anastomose einaä'
der ersetzen, sondern ülierall, wo zwei Cerebrospinalnerven sic*
aneinander legen, um einen dickem Stamm zu bilden, werde’’
durch die Lähmung der einen Wurzel dieses Stammes auch a*'
Primititivl'asern gelähmt, die von diesem Würzelchen in den Stain”'
treten, und es bleiben nur diejenigen Fasern des Stammes nbr'S’
die von der noch nicht gelähmten Wurzel kommen. Auf diese A*
kann nach der Durchschneidung des N. ulnaris , xvelcher den '
und 4. Finger, zum Theil auch 3. Finger versieht, dieser mc’j
durch die Communication dieses Nerven mit dem N. medianus n**^
radialis ersetzt werden, sondern die Durchschncidung des N.
ris lähmt die Empfindung in diesen beiden Fingern, wie
ist. Bleibt noch eine geringe Spur von Empfindlichkeit an * ^
Aussenseite des 4. Fingers zurück, so muss sie von den
fasern herrühren, die vom N. medianus sich zum Ramus yolaris
N. ulnaris gesellen. Die geringe Empfindlichkeit, die im ^
von einem der Nerven zurückbleibt, kann also immer aus
communicinendeii xuul nur scheinbar anastomotischen Fasern
derer Nerven erklärt werden. Diese Facta werden vollkoinin^,^
durch die Geschichte der örtlichen Lähmungen erläuler^ j
nem Falle, in welchem Earle {Med. chirurg. trausaef. Vol.
2. Mechanik der Empfindungsnerven. Gesetze der Leitung. 670
einen Theil des Ulnarnerven hinter dem Condyliis int. ossis hn-
meri ausschnitt, konnte der kleine Finger noch fünf Jahre nach
der Operation nicht gebraucht werden, und hatte nur unvoll-
kommene Empfindungen. SwAN bemerkt hierbei mit Recht, wenn
die vermeinte Communication aucli nur in einem geringen Grade
Vorhanden wäre, würden dann nicht die Anastomosen, welche
«wischen dem Theil des Ulnarnerven, der unterhalb der Trennung
liegt, und dem Nervus medianus und radialis stattfinden, eine
hinlängliche Verbindung jenes Theiles mit dem Gehirn unter-
halten haben, wenn jenes Fortleiten des Nerveneinflusses so
leicht wäre? a. a. O. p. 68. Swan erzählt p. 69. einen andern
h’all, wo nach einer Schnittwunde am Vorderarm, drei Zoll vom
Handgelenk, wobei der N. radialis und medianus durchschnitten
Worden zu seyn schienen, im Daumen und den beiden nächsten Fin-
gern, so wie in den Theilen der Hand, welche diesen entspre-
chen, auf dem Rücken und in der Fläche das Gefühl verloren
War, dagegen in dem 4. und 5. Finger und in den Theilen der
Hand, in welchen sich der N. ulnaris vertheilt, das Gefühl erhal-
ten war.
Wenn daher Nerven vielfache Anastomosen zu bilden schei-
nen, und in den Bündeln desselben Stammes nach meinen Beobach-
tungen oft von zwei Zoll zu zwei Zoll Anastomosen ihrer Scheiden
eingehen, während die Primitivfasern parallel fortgehen, so hat
die Natur nichts den Anastomosen der Gefässe Gleiches gebildet,
Sondern vorgesehen, dass dieselben Theile Priinitivfasefn von ver-
schiedenen Nerven atis erhalten. Diese Anordnung war darum
lun so nützlicher, als sonst durch Verletzung eines Nerven die
Verbindung eines Theiles mit dem Gehirn ganz aufgehol)cn wäre.
Hie Anastomose der Bündel der starken Stämme ohne Anasto-
•uose der Primitivfasern hat auch noch andere Gründe.
1) Die bewegenden und empfindenden Primitivfasern nach
dem Bedürfniss empfindlicher und bewegender Theile zu ordnen
’ind beständig ahzuändern, wie es die Mannichfaltigkeit der Or-
gane erfordert, da diese Mannichfaltigkeit bei der gleichen Mi-
■^ehuiig aller motorischen und sensibeln Fasern noch nicht vor-
Sosehen ist.
2) Indem man die Primitivfasern der Wurzeln der Spinal-
*'erven bei ihrer Insertion im Rückenmark weiter verfolgt, so
®'eht man, dass, wenn gleich die Bündel der Wurzeln äusserlich
^om Rückenmark durch Zwischenräume getrennt sind, die tieferen
Pfsprünge der angrenzenden Nerven eine continuirliche Reihe von
Hasern bilden. Die Sammlung dieser in einer Reihe entspringen-
Fasern in Nerven ist daher ein Umstand, der bloss für die
jßijueme Verbreitung berechnet scheint. Sollen daher die Fasern
uieser Collectivstränge nicht das einfache Ordnungsverhältniss,
sie im Rückenmarke haben, ändern, so müssen die Unter-
schiede der ahgetrennten Stämme wieder durch gegenseitiges Ab-
Schen von Primitvfasem aufgehoben werden.
3) Endlich sind auch die Plexus der Cerebrospinalnerven,
Welchen neue Ordnungen von Nerven hervorgehen, die zu-
'^cUen stärker sind als die einzelnen eintretenden Nerven, noch
Pbfiiologie.
680 HI.Buch. Nervenphfsik. III.Ahsclin. Mechanik rl.Nerpenprincips.
notliwcndlg. Dena lilei’tliirch werclen gewisse Summen von Pn-j
mitivfasem für gewisse naliirliclic Gru]>pen von liewegliclien uni
empfirullichen Thellen vereinigt, wodurch die weitere Vertlieilung
eines einer Gruppe bestimmten Nerven erleichtert wird. Diese
let/.lc Sammlung könnte man aber vielleicht bloss als ein durc'
die Lage der Tbeile nützlich und bequem gewordenes anatom''
sches Verhaltniss betrachten.
11. lieber die Iriadiation der Empfindungen oder die
M i t c ra p f i n d u n g e n.
Zuweilen erregt eine Empfindung eine andere, oder die Eni'
pfindungen breiten sich krankhafter Weise weiter als die aflicirteu
Tbeile aus. Diese Erscbeiniingen, die icXiMitempfmdungen nennC?
sind Im gesunden Leben nicht selten. Man kann die Erregung de*
Kitzels in der Nase durch Sehen in helles Liebt, auch die ausge-
dehnten Empfindungen von einer beschrankten, durch Kitzeln er-
regten Stelle, und die ausgcdcbnteu Empfindungen von Reizung
der äusseren Geschlechts tbeile beim Coitus, die Empfindungcib
welche ein in unserer Nähe gefallener, erschreckender Schuss er-
regt, die rieselnden Empfindungen und Schauergefiible beim Ho-
ren gewisser Töne, z. B. des gekratzten Glases, dieselben Empfio'
düngen beim Beissen 'auf sandige Substanzen hieher rechnen-
Dagegen gehören noch viel mehr pathologische Phänomene hie-
her, wie z. B. die Ausbreitung des Zahnwehes über den Ort de’
Reizes auf das ganze Gesicht, die Ausbreitung der Schmerzen
von einem afficirteu Finger auf die Hand, den Arm, die andere"
Finger, ohne dass man immer eine materielle Mittheilung de"
krankmachenden Ursache annehmen darf. Besonders ausgedebn
sind diese Irradiationen, wenn eine Nervengeschwulst heftige Ei"'
pfindungen verursacht, und nun auch die umherliegenden Theil"»
ja selbst entfernte Tbeile zu schmerzen anfangen, wie man eine'*
hieher gehörenden Fall in London nied. Gazette 1831, FRORirf’*
Not. 888., erzählt findet, wo nach einer Amputation, durch ei"*'
am Knochen und der Narbe festgewachsene Geschwulst des^
ischiadicus die Haut des ganzen Amputationsstumpfes, zuwcil"'*
auch entfernte Theile, wie die Bauchdecken, sehr schmerzha
wurden, ohne alle entzündliche Symptome, Empfindungen, welc"^^
nach der zweiten Amputation ganz aufhörten. Man braucht sic
nur an einer Stelle der Haut heftig und etwas anhaltend zu ver-
brennen, um sich zu überzeugen, dass hier Mitempfindungen ''*
benachbarten Nervenfasern entstehen, auf welche sich die Krank-
heitsursache selbst nicht ausdehnt. Für das gesunde Leben vv"*'
den dergleichen Mitcinpfindungen sehr hinderlich seyn, daher
die Natur durch Isolirung der einzelnen Fasern der Nerven ver
hütet hat; denn wenn die Fasern von zehn verschiedeneuen Ste
len der Haut In eine irgendwo zusanimcnllössen , ehe sie^ zu^^
Gehirn kommen, so könnte das Gehirn auch nur eine
Empfiiulmig von zehn verschiedenen Stellen der Haut und
einem Orte haben; und wenn die Primitiv fasern der Nerven v
2. Mechanik der Empßndungsnerpen. Irradiation, Mitempfmdung. 681
einer Stelle mit den Primitivfasern von neun anderen Stellen zn-
sanimenflössen, die getrennt zum Geliirn gelangen, so würden im
Zustande der Gesundheit von der Erregung einer einzigen Stelle
der Haut, zugleich noch neun andere Etiipfindungen von anderen
Tlieilen mit zum Gehirn kommen müssen. Diess geschieht nun
im Zustande der Gesundheit in der Pegel niclit, und es kann
auch nicht geschehen, vveil die Primitivfasern der Nerven auf
ihrem Wege zum Gehirn isolirt hleiben. Wie ist nun aber jene
ausnahmsweise stattfindende Mitempfindung zu erklären? Da
^ch an jeder Stelle der Haut hloss% durch die Heftigkeit einer
Empfindung Mitempfindungen erregen lassen, so kann man jene
Erscheinung nicht durch eine, in einigen Nerven ausnahmsweise
stattfindende \erhindung der Primitivfasei'n erklären. Die Er-
klärung muss vielmehr auf alle Empfindungsnerven passen. Ehen
So wenig lässt sich die Irradiation der Empfindung durch die
Annahme netzförmiger Verbindung der Primitivfasern an ihren
peripherischen Enden in der Haut erklären. Erstens ist eine
solche Annahme uuerwiesen, und es würde durch die Existenz
eines solchen netzförmigen Zusammenhanges der Pi’imilivfasern
an den peripherischen Enden, wie es von den zarten Blutgefäs-
^n bekannt ist, vielmehr alle Bestimmtheit und Schärfe der
Empfindung auf hören müssen; die Ii’radiation müsste nicht al-
lein ein ganz gewöhnliches Phänomen hei allen Empfindungen
was si® nicht ist, sondern es müsste alle öi’tliche Empfin-
dung aufgehoben seyn, denn die Beizungen würden durch alle
diese Netze eben so leicht zu allen anderen Primitivfasern als zu
denjenigen gelangen, welche direct von jenem supponirten Netz
2um Gehirn führen. Man kann zwei Erklärungen der, Erschei-
nung aufstellcn.
1) Man erklärt solche Mittheilung der Empfindun" aus vor-
ausgesetzten Eigenschaften der Ganglien der EmpfindumTsnerven.
bekanntlich haben alle eigentlichen Gefühlsnerven ein Gaimlion
an ihrer Wurzel. Reil {Arcldv für Physiol. Bd. 7.) verglich die
Ganglien des Nervus sympathicus mit Halbleitern, welche die zu
selixvachen Eindrücke ira Nervus symjiathiciis nicht zum Gehirn
leiteten, während sie, wie ein Halbleiter der Elcctricität grössere
^engejj angehäufter Electricität durchlässt, auch sehr hcftif’e
Beizungen leiten sollten, und welche auch den Einfluss des Ge-
hirns und Rückenmarks auf den N. sympathicus nur heschränkt
Anlassen sollten. Diese Hypothese könnte man nun auch auf die
yanglien der Empfinduiigsnerven anwenden; man könnte sa'‘en
lese graue Masse, durch weiche die Primitivfasern ohne Neuri-
um durchgehen, ist als Halbleiter nicht im Stande, eine schwa-
^*e Reizung der einzelnen Primitivfasern in sich seihst fortzu-
^ anzen und den anderen, durch das Ganglion durchgehenden
^^asern mitzutlieilen, daher geschieht hei schw'achen Empfin-
Jingen die Leitung von einer Empfmdungsfaser nicht durch die
blaue Masse nach den Selten, sondern nur durch die Prlmitivfaser
alche das Ganglion durchzieht, durch. Werden aber Empfindun-
L ” heftig, so wird der Halbleiter des Nervcnlluidums zum
alter, und lässt einen Theil jenes Princips auf die anderen d is
44* ’ “
682 III. Buch. Nereenphystk. III. Ahschn. Mechanik d. Nereenprincips.
Ganglion durchzielienden Primitivfasern überspringen, wodurch
eine Irradiation der Empfindung, eine Mitempfindung entsteht.
2) Die zweite Erklärung der Mitempfindnngen nimmt auf diese
hloss vorausgesetzte und unerwiesene Eigenschaft der Ganglien der
Empfindungsnerven keine Rücksicht; sie leitet die Mitempfindnng
von Irradiation der Reizung im Rückenmark oder Gehirn seihst ah,
auf ähnliche Art, wie hei den reflectirten Bewegungen von dem
Empfindungseindrnck im Rückenmark sich eine Irradiation bis zu
den motorischen Nerven bildet (Cap. III.). Hier wäre nur der Un-
terschied, dass die Irradiation des ursprünglichen Empfindungsein-
druckes im Rückenmark nictt zu motorischen Nerven, sondern zu
den in der Nähe entspringenden anderen Empfindungsfasern, oder
wenigstens ausser den motorischen Nerven auch zu Empfindungs-
nerven gelangte. Für die Richtigkeit dieser letztem Erklärung
spricht die Analogie der Irradiation der Empfindungseindrücke im
Rückenmark bis zu motorischen Nerven, und zugleich der Um-
stand, dass auch Empfindungsnerven ohne Ganglien, wie die Mark-
haut des N. opticus bei der Lichtempfindung, einiger Irradiation
fähig sind, also die erste Erklärung nicht ausreicht.
Wie soll man sich nun die secundärc Erregung der anderen Em-
pfindungsfasern oder Empfindungsnerven vom Gehirn und Rücken-
mark aus denken? Durch Reflexion vom Geliirn und Rückenmark
aus? Geht in diesen Nerven ein Strom vom Gehirnende oder Rük-
kenmarksende des Nerven bis zum peripherischen Ende des Nerven
und wieder rückwärts, oder wird durch Reflexion, wenn kein Strö-
men, sondern Oscillation des Nervenprincips stattfindet, vom Gehirn
aus ein zweiter Nerve in Oscillation gesetzt? Höchstwahrscheinlich
findet jedenfalls eine Reflexion vom Rückenmark oder Gehirn aui
einen Empfindungsnerven statt. Doch muss man bemerken, dass zu
dieser Erklärung die Voraussetzung gehört, dass in den Empfin-
dungsfasern die Strömungen oder Schwingungen eben so gut rück-
wärts als vorwärts stattfinden können. Oh diess möglich ist, oder ob
in den Empfindungsnerven hloss centripetale Bewegungen stattfin-
den können, ist noch unbekannt. Daher es interessant ist, auch
eine Erklärung für den Fall zu kennen, wenn keine centrifugale
Bewegung in den Empfindungsnerven, sondern nur in den moto-
rischen möglich seyn sollte. Da es für eine Empfindung gleic ‘
scheint, ob das Ende oder die Mitte, oder der Ursprung ei-
ner Faser im Gehirn und Rückenmai'k afficirt wird; vielmehr iß
allen diesen Fällen die Empfindung nur eine und dieselbe ish
und in den äusseren Theilen, zu welchen der Nerve hingeht, an-
genommen wird, so kann durch blosse Irradiation eines Eindruc *
von einem Empfindungsnerven in der Substanz des Rückenmar
und Gehirns seihst bis auf die Ursprnngsstellen anderer Fasern,
Ausbreitung der Empfindung entstehen. Wir wissen ja, dass bei
Afiectionen des Rückenmarks die Empfindungen auch in den ättS'
seren Theilen zu seyn scheinen , wie z. B. die Entzündußo
des Rückenmarks mit den heftigsten Schmerzen in den Glieder
verbunden ist, während doch die Nerven dieser Thcile voi^^
Rückenmark aus nach aussen hin keine Empfindungen errege
können. Auch die Empfindung der Formication in der äuss
2. Mechanik d. Empfindungsnerven. , Vermischung d. Empfindungen. 683
Haut ist oft nur eine im Rückenmark selbst ihre Ursache habende
Empfindung; ja diese Empfindung, wenn sie nicht durch Druck
die Nerven seUist verursacht wird, ist sogar ein fast constanlcs
Symptom aller Rückenmarksaffectiouen, mögen sie vorübergehend
®ayn, wie in der Epilepsie, oder dauernd wie bei Ncuralgia dorsalis
Und Tabes dorsalis. Dieser Empfindungen im Rückenmark wiitffTnan
®ich auch nicht dort bewusst, wo man sich die Lage desseUien
''orstellt. Das Ameisenlaufen findet bei Rückenmarkskrankheiten
Uicht im Laufe des Rückgraths statt, sondern ehen in allen Thei-
^n, zu welchen der verletzte Theil des Rückenmai’ks Nerven schickt.
Ehen so mag es auch wohl mit der Irradiation der Empfindungen seyn.
irr. Ueber die Vermischung oder Coincidenz mehrerer
Kmpfindungen.
Die Schärfe und Deutlichkeit der Empfindungen scheint von
der Zahl der Prünitivfasern abzuhängen, welche sich in einem
Theile verbreiten; je sparsamer diese Fasern aber einem Organe
*Ugetheilt sind, um so eher wirken die Eindrücke auf mehrere
Uaheliegende Theile nur auf eine einzige Primitivfaser, und um
*u leichter müssen diese Eindrücke auf verschiedene Theile
der Haut mit einander verwechselt werden. E. H. Weber hat
^hr interessante Beobachtungen üher den Grad der Schärfe der
h-mpfinduiigen, in Hinsicht der Unterscheidung der Distanzen an
den verschiedensten Thcilen des Körpers angestellt. Annotat.
^naf. ei physiol. p. 14 — 81. Diese Versuche wurden so angestellt,
dass die Haut bei verschlossenen Augen mit den Schenkeln eines
^tangencirkels , dessen Enden mit Rorkstöpseln versehen waren,
uerührt wurde. Weber suchte dann, bei welcher Entfernung
der beiden Schenkel diese Entfernung bemerkt werden konnte,
“ei diesen zahlreichen Versuchen haben sich folgende Resultate
^J'geben; Vor allen Thcilen zeichnen sich die Enden des dritten
lingergliedes und die Zungenspitze durch die Deutlichkeit der
i*“pfindungen aus; hier wurde nämlich schon eine Entfernung
beiden Schenkel von S Linie bemerkt. Auf dem Rücken der
^änge war schon eine Entfernung von 2 Linien nöthig, wenn
J'^ei und nicht eine Empfindungen entstehen sollten. Mit den
:^‘ngerenden und der Zungenspitze bemerkte Weber leichter die
P'stanz in longitudinaler Richtung; auf dem Rücken der Zunge,
Gesicht, am behaarten Theil des Kopfes, am Halse, am gan-
Arme und Fuss, dagegen leichter bei transverseller Stellung
beiden Schenkel. Die folgende Talel giebt die Feinheit des
Pfuhls in den verschiedenen Theilen nach den Distanzen der
chenkel an, welche nöthig waren, dass zwei und nicht eine
^•“pfindung entstanden. ,,
Ungenspitze
ularfläche des 3. Fingergliedes ^
“the Oberfläche der Lippen ^
j^ularfläche des 2. Fingergliedes . 2 .
ursalfläche des 3. Fingereliedes • • - 3
^^enspitze 3
6‘84 III, Buch. Nervenphysik. III. Abschn. Mechanik d. Nervenprincips.
Volarfläclie über den Capitula oss. metacarpi
Zungenrücken 1" von der Spitze ....
nicht rother Thcil der Lippen .....
Rand der Zunge 1" von der Spitze ....
Mittelhand des Daumens
Spitze des grossen Zehen
Dorsalfläche des 2. Fingergliedcs .....
Volarfläche der Hand
Wangenhaut
äussere Oherfläche der Augenlieder
Schleimhaut des harten Gaumens
Haut üljer dem vordem Theile des Jochheins .
Plantarfläche des Mittelfusses des grossen Zehen
Dorsalfläche des 1. Fingerglicdes
Dorsalfläche über den Capitula oss. metacarpi . .
Schleimhaut am Zahnfleisch
Haut hinten über dem Jochbein
unterer Theil der Stirn • .
unterer Theil des Hinterhauptes •
Handrücken
Hals unter dem Unterkiefer . . ■
Schfeitel . . . '
an der Kniescheibe . . . . . ■
Haut über dem Heiligenhein
am Acromion
ani Gesäss
am Vorderarm . . . . . . . . . . . .
am Unterschenkel heim Knie und Fuss ....
am Fussrücken hei den Zehen .......
auf dem Brustbein
am Rückgrath an den 5 obersten Rückenwirbeln .
am Rückgrath Ijeihi Hinterhaupt
am Rückgi’alh in der Lendengegend
am Rückgrath in der Mitte des Halses
4
4
4
4
5
5
5
5
5
fi
7
7
7
8
9
10
10
12
14
15
15
16
18
18
18
18
18
18
20
24
24
24
30
30
30
30
am Rückgrath in der Mitte des Rückens
in der Mitte des Arms
in der Mitte des Schenkels
An den Theilen von schärferer Empfindung wurde di
Distanz der Schenkel des Cirkels scheinbar grösser emplund^’’'
als an den Theilen mit unbestimmterem Gefühl. Wurde cio®
horizontale Linie um den Thorax gezogen, und die Schenkel de
Cirkels ln dieser Linie aufgesetzt, so wurde die Distanz an
Stellen vom und hinten, in der Mitte deutlicher empfunden-
Wurde der Cirkel in der Gegend jener Linie parallel mit d®’
Längenachse des Körpers aufgesetzt, so zeigten sich vier Stcflc
von deutlicher Empfindung, zwei in der vordem und InnteC
Mittellinie, zwei an den Seiten. Wurden in einer Längenlnn
vom Kinn bis zur Schaam die transversell oder longituthn ^
gestellten Schenkel des Cirkels aufgesetzt, so war die
keit der Empfindung am Kinn am stärksten, am Halse scliW
chCr, am Brustbein wieder stärker, am obern Theil des Baue >
Mechanik d. Empfindungsnerpen. Vermischung d. Empfindungen, 685
Wieder sclnväclier, ;im Naliel wieder stärker, in der Gegend der
Syrnpliyse der Scliaambeinc W'ieder .seliw'äclier. ln der liintcrn
Mittellinie war die deutlichste Emplindnng unter dem Hinter-
haupt und am Steiss. In der Seitenlängslinie des Rumpfes war
die Empfindung deutlicher unter der Achsel und in den Weichen.
Die Deutlichkeit der Emplindnng hängt nicht gerade von
der Gegenwart und Zahl der Papillen ah. Denn die Rruslwar-
*en h.-itten eine undeutliche Empfindung, und die Empfindung
auf der Zunge war nur an der Spitze am deutlichsten; deshalb
nimmt Webeh an, d.ass der Unterschied von der Zahl, dem Laufe
Und der Endigung der Nervenfäden ahhängc. Ich theile ganz
diese Ansicht und hemerkc bloss, dass vielleicht auch die leich-
tere oder schwierigere Irradiation au verschiedenen Stellen des Ge-
hirns und Rückemnarks einigen Antlieil an diesem Phänomen
haben kann.
Die feinste Empfindung der Distanzen findet auf der Mark-
haut des Auges statt. Für die Mechanik der Empfindungen ist
es interessant, dass die Grösse der Kügelchen in der Markliaut
init der Q^rösse eines kleinsten empfindlichen Punktes auf dersel-
ben übereinstimmt. E. H. Weber Anatomie I. p. 165. Weber
fand die Kügelchen der Netzhaut = xn\ö his -g-jVo P- im
Durchmesser; der kleinste Gesichtswinkel, unter welchem zwei
Dünkte unterschiediai werden können, ist 40''. Daraus berechnet
Smitu, dass ein kleinster cmpfindliclier Punkt der Markhaut des
Au ges -sTiVn beträgt. Weber bemerkt hierbei, dass, w'eun
Zweierlei Eindrücke auf einem solchen Punkte stattfinden, sie als
ein einziger empfunden w'crdcn müssen. Batjmgaeutker erklärt
das Undeiitlichwerden von Gegenständen, deren Ausdehnung un-
fer i;i Secunden erscheint, aus der physiologischen Irradiation.
Zeitschrift für Physik und uerevandte Wissenschaften, 11 ,Bd, 3,IIft,
P. 2:16.
Eine sehr merkwuirdige Yermisclmng oder Identification der
Empfindungen findet in einem einzigen Fall bei den Empfindun-
Sen der gleichnamigen Nerven der rechten und linken Seite,
•lämlich der beiden N. optici statt. Diess ist eine, im ganzen
Organismus sonst nicht voikommende Erscheinung, welche auch
j'ar in besonderen Verhältnissen der Structur ihre Ursache ha-
ben kann. Die Empfindungen der glciclinamigcn Gefühlsncrven
der rechten und linken Seite werden im Ijcwusstscyn sonst nie
^'1 einem Ort empfunden. Was die rechte Hand empfindet, wird
jpcht an demselben Orte empfunden, wie die Empfindungen der
.■äken Hand, sondern es werden die Eindrücke beiderlei Nerven
Bewusstseyn nebeneinander, nicht ineinander gesetzt. Bei
«en 'Augen oder den Sehnerven tritt aber die Anomalie ein,
tass gewisse Fasern des einen , Sehnerven , mit gewissen Fa-
*ern 'des andern Sehnerven mir eine einzige gemeinsame Em-
P mdiuig haben , wodurch das einfache Sehen luit zwei Au-
bedingt wird. Es haben zwar Einige bchaupl#tj wir
J'rclisetsweise immer mir mit einem Auge sähen. Wei' aber an
glciclizcitigen Xhätigkeit beider Augen zweifeln kann-, hat
"e die so häufig in demselben Gesichtsfelde vorkoinmendeu Doppel-
686 III, Buch, Nervenphysik. III,Ahschn, Mechanik d,Neri>enprincips,
bilder der Gegenstände beoLacbtet, wovon das eine dem einen, das
andere dem andern Auge angehört. Um sich davon zu überzeu-
gen, betrachte man zwei in einer geraden Linie in einiger Entfer-
nung hintereinander stehende Körper, z. B. Stecknadeln oder die
hintereinander gehaltenen Finger. Fixirt man nun den näher»
Finger, indem beide Augenaclisen d.irin Zusammenkommen, so
sieht man den fernem Finger doppelt, fixirt man den ferner»
Finger, so sieht man den nähern doppelt; durch Schliessen des
einen Auges kann man sich bald überzeugen, dass eines der Dop-
pelbilder dem einen, das andere dem andern Auge angehört.
Dass es in beiden Augen gewisse Theilc der Markhäute oder
des Sehnerven giebt, welche identische Empfindungen haben,
und andere, welche nicht identische Empfindungen haben, kann
man auch durch einen sogenannten subjectiven Versuch bewei-
sen; nämlich durch Druck auf gewisse seitliche Stellen des ge-
schlossenen Auges iin Dunkeln, und die durch Druck der Mark-
haut entstehenden Lichtbilder. Diese Druckbilder erscheinen
immer umgekehrt. Drückt man das Auge unten, so erscheint
das Druckbild oben im Sehfelde des Auges, drückt man oben,
so erscheint es unten ; drückt man an der rechten Seite , so er-
scheint es links, und umgekehrt. Wenn man nun die linke Seite
beider Augen drückt, so entsteht statt zwei Druckbilder nur
eins, dagegen man beim Druck des einen Auges auf der linken,
des andern auf der rechten Seite zwei einander entgegengesetzte
Figuren sieht. Drückt man beide Augen oben, so erscheint nur
ein Druckbild unten; drückt man beide unten, so erscheint nur
ein Druckbild oben. Drückt man aber das eine Auge oben, das
andere unten, so erscheinen zwei Bilder, das eine oben, das an-
dere unten. Bei diesen Versuchen muss man nicht an dem vor-
dem Umfange des Auges drücken, weil dort keine Markhaut sich
befindet, sondern man muss das Auge in der Tiefe drücken-
Diese Versuche beweisen schon die Identität der Empfindungen
in gewissen Stellen der Netzhäute beider Augen, die Differen*
der Empfindungen an anderen Stellen; beide Markhäute müssen
in der Empfindung gleichsam als ineinander liegendi'gedacht werden,
so dass alle Punkte der Markhäute der beiden Augen, welche (das Aug®
als Kugel gedacht) in gleichen Länge- und
Breitegraden liegen, für die Empfindung
identisch sind, alle anderen Punkte
der beiden Markhäute sich gegenein-
ander als different verhalten, gerade
so wie verschiedene Punkte der Mark-
haut eines einzigen Auges. Noch viel
bestimmter lässt sich diess durch soge-
nannte objective Versuche zeigen.
ln beistehender Figur sollen die
Augen mit ihren Achsen den Punkt
a fixiren; die Netzhäute seyen in 10
Maasstheile getheilt, dann wird der
Punkt a in dem Auge A bei 5, und
eben so in dem Auge B erscheinen;
a h
2, Mechanik d, Empfindungsnerven. Vermischung d. Empfindungen. 6S7
der Punkt I ersclieint in beiden Augen gleichweit von 5 nach
links entfernt bei 4. Also nimmt das Bild in beiden Augen die
Maasstheile 4 — 5 ein; es wird einfach gesehen; diese Stellen sind
identisch; denn 1 ist mit 1, 2 mit 2, 3 mit 3, 4 mit 4, 5 mit
5 identisch. Fällt alser das Bild nicht auf solche identische Stel-
len, so erscheint es doppelt, z. B.
In der zweiten Figur sollen die bei-
den Augen so gestellt seyn, dass sie den
Punkt a fixiren ; ist diess ein Object, so
wird es einfach gesehen, alles, was vor
oder hinter a liegt, erscheint dagegen in
Doppelbildern. Z.B. b hinter demFixa-
tionspunkt a, wirft das Bild in demAuge
A auf 6, in dem Auge B auf 4, erscheint
doppelt; von zwei hinter einander ge-
haltenen Fingern erscheint der hintere
doppelt, wenn der vordere flxirt wird.
Die Entfernung der Doppelbilder be-
trägt die Distanz von 6 — 4 im Verhält-
niss zum ganzen Sehfeld 1 — 10, und der
Ort ist 6 und 4. Der Punkt c in belste-
hender Figur, welcher vor dem Fixa-
tionspunkt a liegt, wirft dagegen sein
Bild in A auf 4, in B auf 6; er wird doppelt gesehen, denn 4
ist nicht mit 6, sondern 4 mit 4, und 6 mit 6 identisch. So
erscheint von zwei hinter einander gehaltenen Fingern der vor-
dere doppelt, sobald der hintere fixirt wird. Man sieht also
deutlich, dass beide Sphären der Augen, auf das feinste in Brei-
ten- und Längengrade, Minuten, Secunden eingetheilt, in allen
gleichnamigen Punkten identisch, in allen verschiedenen different
sind, und dass sich die Entfernung der Doppelbilder jedesmal
nach der Entfernung der afficirten Theile beider Netzhäute, diese
als auf einander liegend gedacht, bestimmen lässt.
Da die Sehnerven beider Seiten durch Einheit der Empfindung
bei der Affection gewisser Theile von allen anderen Nerven abwei-
Oien, alle anderen Nerven aber durch den getrennten Verlauf der
Brimitlvfasern übereinstimmen, so muss man auf den Gedanken
kommen, dass in den Sehnerven auch die Organisation der Pri-
^•tivfasern verschieden seyn müsse, und dass die Fasern beider
Sehnerven, welche einfach sehen, auch nur in einem, statt in
^'''^eien Punkten mit dem Gehirn Zusammenhängen. Diess lässt
*ich im Allgemeinen zwar von den einzelnen Fasern noch nicht,
®ber doch von den Faserbündeln erweisen. Denn bekanntlich
8oht jede Sehnervenwurzel vom Chlasma nervorum optioorum
laicht zu einem, sondern zu beiden Augen, indem die äusseren
asern einer Sehnervenwurzel am Chiasma zur äussern Seite des
j^ehnerven ihrer Seite fortgehen, während die inneren Fasern
^^'euzend zur Innern Seite des Sehnervens der andern Seite, und
*um Auge fortgehen, so dass der äussere Theil der Netzhaut
einen Auges, und der innere Theil der Netzhaut des andern
'^ges von der einen der beiden Sehnervenwui'zeln gebildet wer-
688 III. Buch. Nervenphysik. 1 II. Alschn. Mechanik d. Nervenprmcips.
.den, oder mit andern Worten, dass die linken Tlieile der beiden
Netzliäute von den zwei Branchen der linken Sehnervenwurzel,
die rechten 'Theile der beiden Netzhäute von den zwei Branchen
der rechten Sehnervenwurzel gebildet werden, was ganz mit den
Facten über das. einfache Sehen ühereinstimmt. In Hinsicht des
Baues des Chiasma nervofum opticorrum siehe J. Mueller ecr-
gleichende Phy.'iwlogiß des Gesichtssinnes, p. 96. 117 — 134. Diese
Theorie des einfachen Sehens ist schon von Newton in den opti-
schen Qu'ästionen , neulich aher von Wollaston {am, de chim.
et phys. 18‘24. Ne/j/.) vorgetragen worden. Allein die blosse Thei-
lung einer Sehiiervenwurzel in zwei Branchen für die identischen
Theilc beider Markhäute erkläi’t die Erscheinung nicht vollständig i
denn der linke Theil der Netzhaut Ä yoR 1 — 5 ist nicht durch-
weg identisch mit dem linken Theil der Netzhaut B von 1 — 3,
sondern gewisse Punkte des linken Theils beider Netzhäutb sind
nur identisch, nämlich die gleiche Längen- und Breitengrade in
beiden Sphären einnehmen; 1 ist mit 1, 2 mit 3 mit .3, 4 mit
4 n. s. w. identisch; 1 des einen Auges gber nicEt identisch md
5 des andern Auges. ' Dahpr fordert 'pfie Theorie zur Erklärung
des einfiichen Sehens, dass nicht hl^ss eine Sehnervenwurzel sich
in zwei Branchen theilt,' sondern dass $ich jede. Primltlvfper einer
Sehncrvenwurzel im Chiasma in zwei Branchen für die beiden
Sehnerven thellt , so dass die identischen 'Fasern beider Sehner-
ven nur in einem Punkt, liämlich durch eine Wurzell^aser) mh
dem Gcllirii jsusammenhängen , und daher nur einen Eindruck
'trotz' zwei keciplenteh bilden. Siehe diej Figur.
So ' weit relclleii inddss nicht die anatomischen.
Data; denn bis jetzt lässt sich Theilung
■jeder Fasgr im Chiasma nicht bc'wewcn. So be-
friedigend die Lösünä d6s Problems scheint,, die. ich
obdn ' geg'ehbn, ünd die idh bereits 1826 gab,' so stim-
men döch mehrerg l!)ata' mjt ' dieser Suppqsitipn im Chiasnpa nicht
überein.' ErsfenS njiüSste' die Sehnervgnwürzet hoch einnaal so diii'”
als der Sehnerve sejm, und dann ^ii'pte, 'jeder Punkt dei|' NetZ'
haut das Ende einer Faser des Sehncryen seyn. Wenn diess waf®’
so müssten im hintern Theil der Netzhaut noch alle Fasern zij'
samrhen liegen, die sich weiter' vorn a'ushr'elt'cn ; und es müsste d»®
‘Netzhaut von hinten hieb vorn an t)ick'c'.ahnehnlen. Auch müsste
bei einer Verletzung dfer eitlen 8eite des Gehirns immer dl®
Hälfte beider Augen del'ähmt seyn, , da'gpggn darauf entweder Blind'
heit des einen öder , des andern folgt und Fei ttieren sogar jedeS'
mal Blindheit des enfgegengesetzteh Auges' eintritt. TJebrigens .1^
die J von , rnir gegcberic Lösung, wenn gleich hyjiothetlsch, do®,*'
d'I'e einzige, welche jetzt' hio^iclj ist.
III. Capiiel. "Von' d'er/ Reflexion ih den Bewegung®**
nach ' Empfindungen. , ...
Die Beobachtungen, Avclche in diesem Cäpltel vorgetrage**
werden, sind neu und' zeigen einen . ahih’maligen entschiedene
•3. Von der Reflexion in den Bewegungen nach Empfindungen. 689
Portscliritt unsernr Wissenscliaft an. Sie betreffen Pliänomene
Von sogenannten syrapalliischen Bewegungen nacb Empfindungen,
Welche inan sonsl sehr freigebig durch den N. sympathicus aus-
iiben liess, von denen sieb indess evident erweisen lasst, dass sie
Sanz unabhängig von dem N. sympathicus erfolgen. J>a die hic-
ber gehörigen Erscheinungen ungemein zahlreich sind, und einen
grossen Theil der Erscheinungen umfassen, welche man sonst
ohne allen Beweis von dem N. sympathicus ahleitete, so scheint
sich die Bedeutung des N. sympathicus in der Erklärung der
hprvensympathien immer mehr zu vermindern. Wie sehr sich
dieser Theil der Physiologie umgcstaltet hat, geht deutlich her-
vor, wenn man die Erklärung eines grossen Theils der Kerven-
sympathien vergleicht, welche der trcllliche Tiedemahn im Jahre
1825 [Zeil.whrift für Physiologie I.) versuchte. Die Erklärungen
der Sympathien durch den JV. sympathicus erklären alles und
wieder gar nichts. Denn wie sollte es wohl um diese Lehre ste-
hen, wenn die augenscheinlichsten und so oft eintretenden Sym-
pathien zwischen Uterus und Brüsten, Parotis und Hoden, Rehl-
hopf und Hoden, und so viele andere dieser Erklärung unzu-
gänglich sind. Wir wollen nicht geradezu läugneu, dass der N.
sympathicus nicht auch hei einigen sympathischen Erscheinungen
oine Rolle spiele. Nur läugnen wir geradezu, dass der N. sym-
Pathicus in allen den sogenannten sympathischen Erscheinungen
Otitwirke, ■welche in diesem Capitel untersucht werden, und wir
finden es sehr wahrscheinlich, dass der N. sympathicus über-
haupt dem grössten Theile derjenigen Nervensympathien fremd
*st, hei welchen auf Empfindungen Bewegungen, oder auf Em-
pfindungen andere Empfindungen, oder auf Bewegungen Bewe-
gungen stattfinden. Die Erklärung der Sympathie durch Nerven-
''^erhindung wuirde an sich schon durch die microscopische Ana-
tomie der Primitivfasern sehr misslich. Denn was soll aus die-
sen Erklärungen werden , wenn wir bis jetzt zivar Verbindungen
ficr Bündel der Nerven, aber keine Vereinigungen der Primitiv-
fiisern kennen. Daher eine blosse Nervenverhindung zumal ohne
t^anglion an jener Stelle an und für sich hei dem heutigen Zu-
stande der Wissenschaft gar keine Sympathie mehr erklären kann.
Die hier zu untersuchenden Phänomene sind fast zu gleicher
^oit von mir und Mabshali. Hall heohachtet worden. Wie der
Svösstc Theil der Nervenphysik , wie sic hier gegeben wird, he-
*’oits seit mehreren Jahren vollendet war, so war auch dieses Ca-
Pffel üher die reflectirlen Beivegungen nach Empfindungen seit
|*;ohreren Jahren schon fast gerade so niedergeschriehen ,' wie es
J*®*" gegeben wird. Dass diese Erklärung aufrichtig ist, geht aus
Uer ersten Ahtheilung dieses Handbuchs hervor, welches im Ei’üh-
'**g 183.3 erschien, und welches p. 333 — 335. schon die Grund-,
^tze über die reflectirteu Bewegungen und Eirrpfindungen aus
oohachtungen entwickelt, welche hier weiter ausgeführl werden.
Merkwürdiger AVeise sind dieselben Ideen selbst mit denselben
oispielen und Beobachtungen an narColisirten Thicren in dom-'
Kolben Jahre von Marsball Hai.l iu iUexi • plfllos. Iransaci. 1833.
’^vgetragen worden. Obgleich diese idequ unabhängig von ein-
•’der entstanden waren, so ist doch die grosse Uebereinstirn-
690 Ul.Buch. Nervenphysik. lU.Abschn. Mechanik d.Nervenprincips.
mang in den BeoLachtungen und Erklärungen nicht schwer zu
begreifen, wenn man bedenkt, wie die Ausbildung der Nerven-
physik eine Consequenz erlangt hat, welche die entferntesten
Beobachter gleichzeitig zu gleichen neuen Beobachtungen und
Erklärungen fuhren kann. Ich werde in dem Folgenden meine
Beobachtungen so mittheilen, wie sie ursprünglich entstanden
sind, und sie darauf mit den Resultaten des englischen Arztes
und Physiologen vergleichen.
Wenn Empfindungen, welche durch äussere Reize auf Eni-
pfindungsnerven hervorgebracht werden, Bewegungen in anderen
Theilen hervorbringen, so geschieht diess niemals durch ciiieWech-
sel Wirkung der sensibeln und motorischen Fasern eines Nerven selbst,
sondern, indem die sensorielle Erregung auf das Gehirn und Rük-
kenmark, und von diesen zurück auf motorische Fasern wirkt.
Dieser für die Physiologie und Pathologie äusserst wichtige Satz
bedarf eines strengen Beweises, der sehr gut empirisch geführt
werden kann, und erklärt dann eine Menge physiologischer und
pathologischer Erscheinungen.
Ich werde zuerst beweisen, dass die motorischen und sensi-
heln Fasern eines Nerven nach der Verbindung beider Wurzeln
keine Verbindung mit einander eingehen, sondern getrennt bis
zu ihren respectiven Tlieilen verlaufen, und dass daher auch in
den Fällen, Wo die Nervensympathie nicht im Spiele ist, die sen-
sorielle und motorische Faser eines Nerven selbst durchaus keine
Wechselwirkung haben.
Der Beweis dieses Satzes lässt sich leicht auf folgende Art
führen; Reizt man einen gemischten Nerven, den man durchge-
■schnitten , an seinem centralen Stücke , wodurch heftige Schmer-
zen entstehen, so kann das Thier zwar diese Schmerzen durch
Bewegungen zur Flucht, Schreien u. s. w. ausdrücken , allein
die mit dem gereizten Nervenstumpf zusammenhängenden Mus-
kelnerven werden nicht zu Actionen veranlasst. Es entstehen
keine Zuckungen in den Muskeln, die von dem Nervenstumpf®
Aeste erhalten.
Man kann diesen Satz auch folgendermaassen beweisen : D»
die drei Nerven für die hintere Extremität beim Frosch einen Ple-
xus bilden, der wieder zwei Nerven abgiebt (siehe oben p. 658.), so
durchschneide man einen der letzten Nerven und isolire ihn von
allen . seinen Verbindungen mit Muskeln, und reize dann mecha-
nisch das centrale_Stück. Diese Zerrung bewirkt eine centripetalc
Erregung der sensoriellen Fasern dieses Nerven, allein die anderen
Muskelnerven , die aus demselben Plexus hervorgehen , erregen
bei der Quetschung des isolirten Nerven keine Zuckung ihrer
Muskeln. Dass ferner die bei narcotisirten Fröschen und anderen
Thieren auf jede Berührung eintretenden allgemeinen Zuckungen
nur durch das Rückenmark und Gehirn selbst vermittelt werden^
lässt sich definitiv beweisen. Denn schneidet man ein Glied des
narcotisirten Frosches ab, so bewirkt
keine Zuckungen dieses Gliedes mehr,
diese Versuche beim Erdsalamander.
Der gefleckte Erdsalamander behält nach Durchschneidung des
e Berührung derselpe«
Noch instructiver sin
3. Von der Reflexion in den Bewegungen nach Empfindungen. 691
Rüctenmarks überaus lange die sogenannte Erapfindungskraft in allen
Theilen unter dem Schnitte, oder wenn man diess nicht Empfin-
dungskraft nennen will, die Fähigkeit, Empfindungseindrücke auf
das Rückenmark zu verpflanzen und durch Zuckung zu reagiren.
Seihst das Schwanzende ist noch empfindlich, ja diese Empfind-
lichkeit ist durch die Durchschneidung des Rückenmarks chen
so erhöht, als hei Fröschen, welche vorher narcotisirt waren.
Berührt man einen ahgeschnittenen Theil des Rumpfes vom Erd-
salamander nur ganz leise, so zieht er sich jedesmal zusammen;
diess dauert noch Stunden lang. Allein diess interessante Pliänomen
zeigt sich nur dann, wenn in dem ahgeschnittenen Theile noch Rük-
kenmark enthalten ist, nicht aher in den ahgeschnittenen ganzen
Gliedern, welche nichts vom Rückenmark enthalten. Diese inter-
essanten Thatsachen beobachtete ich bereits vor mehreren Jah-
ren, 1830, als ich mit Herrn Johdan Versuche über das Gift der
Hautdrüsen heim gefleckten Salamander anstellen wollte.
Es geht hieraus hervor, dass die bei den Thicren auf
Berührung einzelner Theile erfolgenden allgemeinen Zuckiuigen
nicht durch Communication sensorieller und motorischer Fasern
der Nerven geschehen, sondern dass das Rückenmark das Binde-
glied zwischen der sensoriellen - centripetalen , und der allge-
meinen motorischen -centrifugalen Erregung ist.
Das Phänomen allgemeiner Zuckungen nach örtlichen Em-
pfindungen ist daher auch vom N. sympathicus unabhängig, und
ist durch eine Irritation des Rückenmarks bedingt, wodurch jede
ganz örtliche, sensorielle- centripetale Erregung sich auf das ganze
Rückenmark und Gehirn verpflanzt, und von dort ans nothwen-
dig alle motorischen Fasern anregt. Jene Irritation wird aber
durch folgende Ursachen erregt:
1) Bei manchen Thieren durch blosse Zerschneidung und
Quetschung des Rückenmarks, So zucken die Schildkröten noch
Jiach abgeschnittenem Kopf, so oft sie berührt werden; so zucken
ganz junge Vögel bei der Berührung im Moment nach der De-
capitation. So zucken alle Theile des zerschnittenen Rumpfes
heim Erdsalamander nach der Berührung.
2) Ferner wird das Rückenmark in diesem Grade irrltirt
durch das erste Stadium narcotischer Vergiftung hei den Frö-
schen, auch hei den Säugethieren, die nach Vergiftung mit Nnx
'’omica sogleich zucken, wo und wie man sie anfasst. Diess Sta-
dium der reizbaren Schwäche geht bei der Narcotisation fast im-
’ßer dem Stadium der paralytischen Schwäche voraus.
3) Auch andere Ursachen, welche das Gehirn und Rncken-
^^k durch Reizung schwächen, bewirken dasselbe Phänomen.
~ci Menschen mit reizbarer Schwäche des Nervensystems bewirkt
icde unvorhergesehene Empfindung, Schall, Berührung, mechani-
sche Erschütterung, ein allgemeines Zusammenfahren. So bei Men-
schen, die durch Reizung der Genitalien und dadurch des Rücken-
^^ks oder durch andere Ursachen sich eine reizbare Schwäche
Rückenmarks zugezogen haben. Man kann hiebei einen
hek auf das Wesen der Nervenirritation thnn. Alle Nerven-
Cizung kann hintereinander drei Zustände bedingen. Zuerst
692 III. Buch. Nercenphfsik. III. Ahschn. Mechanik d. Nereenprincips.
Reizung, wobei die Kräfte noch unversehrt scheinen; 2. in dem
Maasse, als die Reizung wiederholt wird, reizbare Schw'äclie;
3. atonische Schwäche.
4) Eine örtliche heftige Erregung eines Empfindungsnerven
kann durch die Heftigkeit der centripetalen Erregung des Oc-
hirns und Rückenmarks auch Zuckungen und Zittern veran-
lassen, wie nach einem heftigen örtliehen Verbrennen, heiin
Zahnausreissen etc.
5) Oertllche Reizungen der Nerven durch Entzündung odei’
knotige Anschwellung bewirken auch öfter allgemeine Krämple?
selbst Epilepsie.
6) Die von der Örtlichen sensoriellen Erregung entstehende Irri-
tation des Rückenmarks kann bei heftigen Verletzungen so stark seyn,
dass die Zuckungen beständig sind und selbst ohne Uerührung fort-
dauern. Diese von heftigen örtlichen Nervenverletzungen entste-
hende Irritation des Rückenmarks ist der Tetanus traumaticus. Jede
heftige Irritation des Rückenmarks überhaupt ist Tetanus , sey sie
durch narcotisebe Gifte oder örtlich und mittelbar veranlasst. Ich
habe hier gezeigt, wie die Entstehung des Tetanus traumaticus aus
einfachen, empirisch festgestellten Thatsachen zu begreifen ist.
7) ^ Auch die heftige Irritation der sympathisch en Nerven des
Darmkanals erregt dui’ch Rückwirkung auf die Centraltheile sC-
cundäre allgemeine Krämpfe, und so sind die Krämpfe in der
sporadischen Cholera zu erklären; so die Zuckungen in Krank-
heiten der Eingeweide bei Kindern.
Die bisherigen Betrachtungen führen uns indess hier nu>
zunächst zur Fcftstellung der Thatsache, dass, wo immer durch
örtliche Empfindung allgemeine Zuckungen entstehen, dicss durc i
keine andere Verbindung sensorieller und motorischer Fasern gC'
schiebt als die des Rückenmarks. In sehr vielen Fällen entstehen
aber nach örtlicher Reizung der Nerven nicht allgemeine, sondern
örtliche Zuckungen, die indessen auch immer durch das Rük-
kenmark als Bindeglied der sensoriellen und motorischen Fasern
erklärt werden müssen. Die Fälle, welche sich hierbei aufstd'
len lassen, sind folgende:
1) Am einfachsten ist der Fall, wenn die örtliche sensoriell
Reizung, auf das Rückenmark oder Gehirn vei'pflanzt, bloss ört-
liche Zuckungen erregt, und zwar in den nahe gelegenen ThedeH)
deren motorische Fasern in der Nähe mit den sensoriellen vo^
Rückenmark abgehen. Hieher gehören die Krämpfe und t**
Zittern in Gliedern, welche sich heftig verlirennen etc. Gewis®^
sehr reizbare Theile des Organismus, wie die Iris, ziehen
überaus leicht zusammen, wenn auch nur schwache Reize ai*
dere sensorielle Nerven erregen, und die Reizung der letzt«
zum Gehirn, und vom letztem durch den N. oculoraotorlus
die kurze Wurzel des Ganglion ciliare, die Ciliarnerven und_ ‘
Iris verpflanzt wird. Man weiss schon lange, dass die Iris n'C
reizbar für das Licht ist, dass das Licht nur durch Vermi
lung des Sehnerven und Gehirns auf die Iris wirkt; denn dicss e
giebt sich aus den Versuchen von Lambert, Fontaha, Calda ^
Lichtstrahlen durch einen kleinen Kegel von Papier, oder i u
3. Von der Reflexion in den Bewegungen nach Empfindungen. 693
eine kleine Oeffnung in einem PapierHatt durch die Pupille ein-
ladend und also die Netzhaut treffend, hringcn die Iris sogleicli
zur Bewegung, sind aber ohne Einfluss, wenn die Lichtstrahlen
auf die Iris "selbst einlallcn. Ferner ist die Iris eines amauroti-
schen Auges unbeweglich, so lange das gesunde Auge geschlossen
ist, zieht sich aber zusammen, wenn das Licht den Sehnerven
des gesunden Auges anregt. Die Ausnahmen, in welchen die Iris
der amaurotischen Augen noch Beweglichkeit besass (siebe Tie-
demakn in dessen Zeitschrift 1. p. 252.), mögen wohl auf einer
unvollkommenen Amaurose beruhen, oder wenn nur ein Auge
arnaurotisch war, so war die Ursache der Bewegung der Iris im
amaurotischen Auge das Offenseyn des gesunden Auges. Die Be-
weglichkeit oder Unbeweglichkeit der Iris eines amaurotischen
Auges kann und sollte nur untersucht werden, wenn das gesunde
Auge geschlossen ist. Jede Beobachtung, in welcher diese Vor-
sichtsmaassregcl nicht beobachtet worden, hat gar keinen Werth;
daher hat sich auch v\n Deen in seiner sonst schätzbaren Ar-
beit {de differentia et nex,u inter nervös vitae animalis et organicae.
J-'Ugd. Bat. 1834. 58.) getäuscht, wenn er bei einem Kaninchen,
dem er ein, Hemisphaerium des Gehirns abgetragen und den
Sehnerven dieser Seite durchsclmitten, hei Anwendung eines Lich-
tes Zusammenzichung der Iris sah, und daraus schliesst, dass der
i'i. opticus keinen Einfluss auf die Iris hahe. Da nämlich van
Deen das Licht vor beide Augen (ante oculos) brachte, so musste
dasselbe erfolgen, wie w'cnn die Iris eines amaurotischen Auges
durch den Lichteinfluss auf das gesunde Auge bewegt wird. Tie-
fem ann^s intei’Cssante Entdeckung, dass die Arteria centralis reti—
äae. von einem feinen Zweigelchen vom Ciliarknoten begleitet wird,
bann hier ülierhaupt nichts erklären. Denn alle Gefässe werden
■'^on Nerven begleitet; dicss Zweigelchen verbreitet sich aber mit
der Arteria centralis retinae, und steht mit der Betina in keinem
Erwiesenen Zusammenhang. Diese Rückwirkung vom Gehirn auf die
Dis geschieht durch den N. oculomotorius, welcher nach Mayo’s
^ersuchen hei jeder Reizung eine Zusammenzichung der Iris erregt.
^'Iaoendie J. d. physiol. T. 3. 348. Wir wissen durch denselben Verf,
^■‘ss das Hirnende des durchschnittenen Sehnerven gereizt noch Con-
Daction der Iris bedingt. In der Zusammenzichung der Iris zeigt
’^'eh also eine Art Statik der Erregung zwischen centripetaler senso-
•■'eller und ccntrifugaler motorischer Wirkung durch Vermittelung
des Gehirns. Auch andere Nerven können diese Statik verändern,
die sensoriellen Aestft des N. trigeminus, so dass kaltes Was-
in die Nase geschlürft die Iris verengt. Unter diese einfa-
Eberen Fälle der reflectirtcn Erregung gehört auch das Blinzen
Augenlieder von längerem Lichteindruck, oder von einem
starken Schall (was hat der N. opticus mit dem N. acusticus zu
hun?), oder von einem drohenden Gesichtseindruck.
Fei ner gehören hieher die Zusammenziehungen aller Damm-
!*'askeln, Muse, sphinct. ani, levator ani, bulbo- cavernosus,
das
und
■ .«-cavernosus nei üer Aiistreinung ues oaamens, m "‘ö-
J'Eitatioii der Gefühlsncrven des Penis; In diesen Fällen ist
I bekennaark das Bindeglied zwischen den Empfindungen
694 III. Buch, Nercenphysik. III. Abschn, Mechanik d. Nercenprincips.
Bewegungen. Entblösste Muskeln , deren motorisclie Nerven
durct Reizung der Muskeln selbst mitgereizt werden, bedürfen
zwar jener centripetalen und centrifugalen Wirkung nicht, um Zuk'
kungen zu erregen. Allein die Muskeln, welche von empfindli-
chen Häuten überkleidet werden und nicht der Reizung selbst bloss-
liegen, müssen die Reizung zur Bewegung erst durch sensorielle
Erregung ihrer empfindlichen Decke, centripetale Wirkung diesei"
sensoriellen Nerven und centrifugale motorische Erregung voni
Gehirn aus erfahren. So können die Zusammenziehungen der
Stimmritze und Luftwege von irrespirablen sauren Gasarten nichl
unmittelbar durch Reizung dieser Wege erfolgen, sondern durch
centripetale sensorielle und centrifiigale motorische Erregung-
Diess hat weitläufiger Brächet bewiesen. Denn wenn man den
N. Vagus eines Thieres auf beiden Seiten durchschneidet, so wirkt
eine reizende chemische Substanz, die man in 'die Euftröhrn
bringt, nicht mehr als Reiz zum Husten. Der Husten von Rei-
zen in den Luftwegen entsteht nur durch sensorielle centripe-
tal und centrifugale motorische Erregung. Es ist eben so md
der Zusammenziehung des Sphincter ani und Sphincter vesica®
nrinariae. Diese Muskeln können selbst nicht von den Reizen
der Excremente und des Harns zur Contraction gereizt werden?
sondern diese Stoffe wirken auf die Empfindungsnerven der
Schleimhaut, und erregen das Rückenmark, welches als beständig
mit motorischer Nervenkraft geladen auf diese Muskeln zurück-
wirkt; daher nach Verletzung des Rückenmarks auch die Zn-
sammenziehung dieser Muskeln aufhört.
2) Der zweite Fall ist, wo die sensorielle Erregung rein ört-
lich beschränkt, die rückwirkende vom Gehirn aus aber ausgebrci-
teter ist, wie schon aus jenen den Husten begleitenden Phänomenci*
hervorgeht, bei welchem nicht allein die N. vagi, sondern we-
gen der Brust- und Bauchmuskeln, die N. spinales mitwirkee'
Ehen so ist es mit einer Menge krampfhafter Athembewegungcf»
dem Niesen, Scli luchsen, Erbrechen etc., welche alle von Reize®
innerhalb des Schleimbautssystems der Respirationsorgane uo®
des Darmkanals entstehen, von Reizungen dpr Empfindnngsnerve®
dieser Theile, die auf das Gehirn reflectirt werden, und dort di®
Quelle der respiratorischen Bewegungen in der Medulla oblong**®
in Thätigkeit setzen. Ich habe schon oben p. 333. die merk-
würdige Eigenthümlicbkeit angeführt, dass das System der Athei®’'
nerven durch locale Reize in allen Schleimhäuten in Thätigke*
gesetzt werden kann. Vom Munde bis zum After, von der N**®
bis in die Lungen sind die Schleimhäute zu dieser Reflexion f*'
hig. Denn alle diese Bewegungen, Husten, Niesen, ErhrecheOi
krampfhaft, unwillkührlicher Stuhlgang, unwillkührliches ,
Zwang verbundenes Harnlassen entstehen von heftigen Reizen i®
den Schleimhäuten des Rachens, der Speiseröhre, des Mage®*'
des Darms und in der Schleimhaut der Respirationswerkzeng®'
Das Niesen erklärte man sonst als eine krampfhafte Affection “C
Zwerchfelles; Tiedemann {Zeitschrift für Physiol. I. p. 278.), o®
Arnold {der Kopfiheil des vegetat. Nervensystems, p, 181.) spreche
noch davon; indess hat das Niesen mit dem Zwerchfell offenh
3. Von der Reflexion in den Rewerpnigen nach Empfiiidungen, 695
gar nichts zu tluin; denn das Niesen ist eine lieftige Exspiration,
das Zwerclifell aber ist kein Muse, exspiratorius , sondern das
Gegentheil. Bei der unrichtigen Supposition; dass das Kiesen
durch das Zwerchfell erfolge, liess man die Reizung der Nasal-
nerven auf das Ganglion spheno-palatinuni, den N. vidianus, sym-
Pathicus, die Ilalsnerven, den N. phrenicus, den Willisischen Bei-
neiven und den N. facialis sich forlpflanzen. Tiedemann a. a. O.
p. 278. Hier fallt nun offenhar der N. phrenicus ohnehin aus.
Her sehr hochgeschätzte TiEnEMASs sueht auch zu beweisen, dass
das Niesen nicht von einer reflectirten Reizung vom Gehirne aus-
gehe, und beruft sich darauf^ dass ein Mensch ohne Geruchssinn
doch von Tabak geniest habe. Warum sollte er es nicht, da bei
dem Mangel der Geruchsnerven doch die gewöhnlichen Gefiihls-
nerven ' der Nase , N. nasales hier, wie überhaupt hei dem gesun-
den Menschen, die Empfindungen des Kitzels haben. Man zer-
gliedere aber doch nur die Erklärung einer Sympathie durch den
N. sympathicus durch die feinere Anatomie. Wie soll auch das
Niesen durch eine Nervenverhindung erklärt werden, womit man
Alles und gar nichts erklären kann? Alles kann man damit er-
lilären, weil der N. sympathicus sich mit fast allen Nerven ver-
bindet; nichts kann man damit erklären, weil nicht entfernter
Weise einzuschen ist, warum eine Reizung dieses Nervens von
der Nase aus gerade Niesen und nicht vielmehr vieles Andere,
*. B. eine verstärkte Bewegung des Darmkanals, hervorhringen
Soll. Nichts kann man damit erklären, weil keine Verbindung
des N. sympathicus mit einem anderen Nerven eine Verschmel-
zung der Fasern ist. Bei dem Niesen z. B. ist eine heftige Zu-
saminenziehung aller Exspirationsmuskeln vorhanden; alle Prlmi-
livfasern der fntercostalnerven, welche die Zusarnmenziehung der
brust und des Bauches bewirken, müssen dabei irritirt seyn. Wie
tollten aber alle diese Fasern vom N. sympathicus irritirt werden
können, der an jeden dieser Nerven ein Faserbündelchen an-
schliesst, das, weit entfernt, seine Primitivfasern mit allen Prlmitiv-
fasern eines Spinalnerven zu verschmelzen, sie nur mit diesen vom
Rückenmark empfängt. Da nun Primitivfasern anderen Fasern, die
*'ehen ihnen liegen, zumal in einer motorischen Wurzel ohne Gan-
glion, nichts mittheilen können, so ist hier auch die sympathische
^ffection aller Primitivfasern eines fntercostalnerven durch den
svmpathicus eine reine Unmöglichkeit. Alle diese Sympathien
‘Ips Niesens, Hustens, Erbrechens sind abgemacht, sobald man
*116 reflectirende Eigenschaft des Rückenmarks und Gehirns kennt,
die vvir früher erwiesen haben, und es liegt nichts Schwieriges
*®ehr in der Erklärung, sobald man von der Thatsache ausgeht,
*l®ss alle respiratorischen Nerven, N. facialis, vagus, accessorius,
phrenicus und die übrigen Spinal-Athemnerven des Rumpfes durch
jbren Ursprung von der Mcdulla oLlongata, oder ihre Abhängig-
von derselben, leicht /u convulsivischen Bewegungen in
^Hskeln erregt werden, durch alle Reize, die von den Empfin-
duiigsnerven der Schleimhäute auf das Rückenmark oder die Me-
'^’zlla ohlongata geleitet werden.
Bei jedem heftigen Reiz in den Gedärmen, in den Urin-
^üller’e Physiologie. 45
6ÖÖ III. Buch. Nereenpfyrsik. III.AhscIm, Mechanik d.üerocnprincips.
Werkzeugen, in dem Uterus tritt leicht Zusammenziehung des
Zvverclilells und der Bauchmuskeln ein, wodurch die Bauchhöhle
verkleinert und der Inhalt derselben, nach ohen, wenn er im
Magen enthalten ist (Erhreclicn), oder nach unten durch den
Ma.stdarm, durch die Uarnwerkzeuge, durch die Genitalien, wie
hei der Gehurt, ausgetriehen wird. Der Stuhlzwang ist dieselbe
Erscheinung für die unteren Theile des Darmkanales, was das
Erhrcciien für die oheren. Der Harnzwang zieht dieselben Be-
wegnngen in Leidenschaft, die Geburt nimmt dieselben Muskeln
in Anspruch, welche beim Erbrechen den Mageninhalt nach oben
auswerfen; auch die nach dem Tode noch ' erfolgende Gehurt,
gleich wie das feste Anlegen des Schlundes um einen in den-
selben gebrachten Finger bei einem geköpften jungen Thiere, zei-
gen uns, von welchem wiclitigen, mit dem Leben aufs innigste
verknüpften Einflüsse, diese Fähigkeit des Rückenmarks ist, durch
örtliche Erregungen seiner Empfindungsnerven zu motorischen
Entladungen gereizt zu werden. Mag hei mehreren, der hieher
gehörigen Reizungen, heim Erbrechen etc., der N. sympathicus ir-
gend eine Rolle spielen, so Ist es keine andere als diejenige, die
Reizung, wie alle andei’cn Empfindungsnerven, auf das Seusoriurn
zu reflectiren. Dass er aber diese Wirkung haben kann, lasst
sich durch einen Versuch zeigen: ich liabe namlicli beim Kanin-
chen durch Zerrung des N. splanchnicus in der Bauchhöhle an
der innern Seite der Nebenniere, mehrmals Zuckungen der Bauch-
muskeln beobachtet, und habe diess Phänomen, obgleich mir der
Versuch beim Hunde nicht gelingen wollte, doch wiederholt bei
Kaninehen gesehen.
3) . In den unter 2. erwidinten Fällen ist die reflectirte Be-
w^ung, die auf Empfindung folgende Bewegung auf eine grosse
Gruppe von Nerven ausgedehnt, auf die respiratorischen Nerven,
und sie entstellt am leichtesten durch Reizung der Schleimhäute;
es kann jedoch bei höherer Reizung die Ausdehnung der re-
flectirten Bewegungen noch grösser werden und fast alle Rumpf'
nerven afliciren, wenn sich die Irritation des Rückenmarks aiiS'
dehnt. Hieher sind die Fälle der sporadischen Cholera zu rech-
nen (die asiatische Cholera führe ich wegen der Dunkelheit der
Krankheit nicht auf), wo hei grosser Heftigkeit auch Krämpf®
am Rumpfe eintreten können.
4) Bei den reflectirteu Bewegungen, die durch heftige ErH'
pfindungen der äusseren Hautnervea und nicht der Schleimhaut-
nerveu entstehen, wird die Gruppe der respiratorischen Bewe-
gungen auch nicht in Mitleidenschaft gezogen, sondern es ent-
stehen leichter Krämpfe der Muskeln tles ganzen Rumpfnerven-
systems ohne krampt hafte Athembewegungen. Der höchste Grad
ist der epileptische Krampf von örtlicher Nervenaffection und der
Tetanus trauinaticus von Verletzung eines Nerven.
Vergleicht man die erste Darstellung der Phänomene der.
Reflexion in der im Frühling 1833 erschienenen 1. AJitheihmS
dieses Handbuches p. 333., die Ich hier, mit Bezug auf W'*
Deeh’s Beobachtungen, eivveitert habe, mit der Darstellnng von
3. Von der Beflexlon in den Bewegungen nach Empfindungen. 697
MxnsHALL Hall, so findet sicli in den Ideen und Beispielen eine
merkwürdige Uehereinstimmung.
Madsuall Hall untersclieidct vier Arten von Muskelzusam-
menziehung: 1. die willkührliche, welche vom Gehirn, 2. die
respiratorische, welche von der Mcdulla ol)longata ahzuhängen
scheint, 3. die unwillkührliche, welche von den Nerven und
Muskeln nhhängt, und die unmittcll)are Anwendung des Reizes
auf die mit Nerven versehenen Rfuskcln oder ihre Nerven erfor-
dert, und 4. die reflectirende, ivelche zum Theil fortdauert, nach-
dem die willkührliche und respii’atorisclie aufgehört liahen, und
an die Medulla spinalis gcLunden ist. Sie hört nach Entfernung
des Rückenmarkes auf, wenngleich die Irritabilität sich nicht ver-
mindert. Bei dieser vierten entspringt der motorische Reiz nicht
m einem Centraltheil des Nervensystems, sondern in einiger Ent-
fernung vom Gentium; sie ist weder willkührlich, noch in ihrem
Verlaufe direct, sondern vielmehr erregt durch cigenthümlichc
Reize, die nicht unmittelbar auf die Muskeltaser und die moto-
rischen Nerven einwirken , sondern auf häutige Ausbreitungen,
■von denen der Reiz zum Rückenmark geleitet wird. Marshall
Hall erläutert die Wichtigkeit dieser reflectireiulen Function
des verlängerten Markes und Rückenmarkes durch einige Bei-
spiele. Das Aufnehmen des Futters ist ein willkührlicher Act
'md kann nach Entfernung des Gehirns nicht mehr vollzogen
Werden ; der XJehergang des Bissens über die Glottis und durch
den Pharynx hängt von der reflectirenden Function ab, und fin-
det noch statt, wenn das Gehirn entfernt worden. Obgleich
öänilich die hierbei thäligen Muskeln auch Avillkührllch thätig
seyn können, so bewirkt doch die Gegenwart des Bissens im
Schlunde eine Reihe von heftigen Bewegungen, die oben p. 47.9.
Umschrieben xvorden und Avelchc dadurch entstehen, dass der
Reiz des Bissens auf die empfindliche Schleimhaut wirkt, und
diese Empfindung die Medulla ohlongata zur Entladung in die
'Notorischen Nerven anregt. Den weitern Act der Deglutition in
der Speiseröhre hält Mahshall Hall für die Wirkung des un-
riittelhar auf die Muskelfiber des Oesophagus wirkenden Rei-
mes und das Resultat der Irritabilität des letztem, welches sehr
Zweifelhaft erscheinen dürfte. Sellist an geköpften Jungen Thie-
kann man übrigens, wie schon angeführt, noch die durch
I ''Jechanische Reizung des Schlundes erfolgende, reflectirte moto-
! ''Sehe Erregung beobachten. Marshall Hall zeigt nun den
dauernden Einfluss dieser Function an den Sphincteren. Der
I Nphincter ani bleibt hei einer Schildkröte nach der Enthauptung
Beschlossen, so lange der untere Theil der Medulla spinalis un-
verletzt ist, wird aber sogleich schlatf und öffnet sich, wenn man
^ egungen hörten sogleich auf; so bleibt es auch, wenn das Thier
■8®''®**!- “wird. Wird es aber gereizt, so bewegt sich das
se'**^*' ^'ei Jeder veränderten Lage neue Theile
mer Oberfläche mit dem Boden in Berührung kommen. All-
45 *
•n.uetenmark wegnimmt.
1 Marshall Hall durchschnitt das Rückenmark hei einer leb-
^ften Coluber natrix zwischen dem 2. und .3. W^irbel. Die Be-
698 III. Buch. Nercenphyslk. III.Abschn. Mechanik d. Nerfcnprincips.-
malilig kömmt das Thier wieder zur Ruhe; aber die geringste
Berührung erneuert dagegen die Bewegung.
Marshali, Hall zeigt i’echt schön das Verhältniss der wul-
kührlichen, respiratorischen und rellectirten Bewegungen, indem
er zugleich zu beweisen sucht, dass die nacli\erlust des Gehirns
statlfindcnden reflcctirlen Bewegungen nicht von wahrer Empfin-
dung, sondern nur von der hei den Empfindungen stattfindenden
centripetalen Nervenwirkung abhängig sind. Empfindung, 'Willej
Bewegung seyen die drei Glieder der Rette, wenn eine Bewegung
durch Schmerz herheigeführt wird; werde aber das mittlere die-
ser Glieder zerstört, so höre die Verbindung zwischen dem er-
sten und ZAveiten mit dem Bewusstseyn auf. Wir glauben auch,
dass die nach Verlust des Gehirns stattfindenden reflcctirten Be-
wegungen auf Hautreize keinen Beweis enthalten, dass die Haut-
reize noch wahre Empfindung im Rückenmark erregen können;
es ist viclmeiir die gewöhnlich auch bei den Empfindungen statt-
findendc centripetale Leitung des jVervenprincips, die aber hier
nicht mehr Empfindung ist, weil sie nicht mehr zum Gehirn,
zum Organ des Bewusstscyns geleitet wird. Auch während dem
gesunden Leben erfolgen viele reflcctirte Bewegungen durch
Hautreize, welche nicht als wahre Empfindungen zum Bewusst-
seyn kommen, aber doch heftige Eindrück.e auf das Rückenmark
erregen können, wie z. B. die dauernde Zusammenziehung der
Sphincteren vom Reiz der Exereraente und des Harns. Allein
Marshall Hall geht doch zu weit, wenn er annimmt, dass hm
dem gesunden Leben jede Bewegung auf wahre Empfindung vom
Willen bedingt werde, und alle Erregungen der empfindlichen
Thelle hei den rcflectirten Bewegungen ohne Empfindung seyen-
Denn die reflcctirten Bewegungen des Kiesens, Hustens und viel®
andere erfolgen von wirklichen Empfindungen.
Die reflectirten Bewegungen und die unwlllkührllchen, nicht
reflcctirten Bewegungen sind nicht mit einander zu verwechseln-
Wird die Stimmritze eines Thieres berührt, sagt Marshall HalL;
so folgt eine Zusammenziehung; eben so, wenn das Herz berühr^
wird. Durch Entfernung des Gehirns tritt keine Aenderung ein-
Nimmt man aber die MediUla oblongata weg, so hören die Con-
tractionen des Larynx auf Reize auf, während die des Herzen»
selbst nach Entfernung der Medulla spinalls fortdauern. _
Wirkung des Reizes auf das Herz ist eine unmittelbare (Irritabi-
lität); ein auf den Larynx angebrachter Reiz muss dagegen zuf
Medulla oblongata fortgepflanzt werden und die Contraction er-
folgt' mittelbar von dieser aus. Bei einer Schlange trat naci
Entfernung des Kopfes eine Bewegung des Larynx ein, w’elcher ab-
wärts gezogen und geschlossen wurde, sobald Marshall _
eine Stelle ' Innerhalb der Zähne des Unterkiefers oder die Pi®'
senlöclier berührte. Diess fand nach Entfernung der Medul a
oblongata nicht mehr statt. Marshall erwähnt zuletzt, als zur
reflectirenden Function gehörend, das Blinzeln der Augenlieder,
wenn dieselben berührt werden, die clgenthümliche Wii’kung a
die Respiration durch Ritzeln, oder wenn kaltes Wasser ins Ge-
sicht gespritzt wird; dasiNiesen durch Reizen der Kasenschleimhau ,
3. Von äer Reflexion in den Bewegungen nach Empflndungen. 699
Husten, Erbrechen durch Reizen des Larynx oder Pharynx, Te-
ftcsmus durch Reizung des Masldarms, und Strangurie durch
Rejzung der Blase.
Man sieht, dass die Krämpfe in den Krankheiten eine sehr
'verschiedene Quelle haben können. Es giebt nämlich krampf-
hafte Affectionen, welche ihren Sitz in den motorischen Nerven
selbst, oder ihre Ursache im Gehirn und Rückenmark haben;
^her auch reflectirte Krämpfe, deren Ursache in Reizungen von
■knipfindungsnerven liegt, wie die nach Intestinalrcizungen, bei
der Dentition, Odontalgie, und überhaupt nach schmerzhaften
Nervenleiden von organischen und nicht organischen Fehlern, oft
Erfolgenden Krämpfe.
Die Phänomene, welche wir bi.sher zuerst nach unsern elge-
*ien Beobachtungen, dann nach denen von Marshall IIai.l be-
schrieben haben, haben zwar alle mit einander gemein, dass das
Rückenmark das Bindeglied zwischen einer sensorischen und mo-
lorischen Bewegung des Nervcnprincips ist, indess lassen sich
auch noch bestimmter die Wege bezeichnen, w’elchc bei den re-
Hectirten Bewegungen von den Emplindungsnervcn auf die mo-
lorischen Nerven im Rückenmark tlic Leitung bewirken. Die
Scwöhnlichstc Art der rellectirten Bewegung ist, dass die Muskeln
des Gliedes, an welchem man heftige Empfindungen erregt, bewegt
"’crden, wie beim Verbrennen der Haut Zuckungen zunächst in
dem vmrbrannten Gliede, und im Anfänge der Nnreotisation ei-
*'Es Tliieres bei Empfindungsreiznng der Haut am leichtesten
auch die Muskeln des gereizten Gliedes bewegt werden, wie der
Rissen die reflectirte Jlewcguug der Schlingwerkzeuge hervor-
Rcingt, und der Stauh in der Coujunctiva blosse Empfindung er-
regend, das reflectirte Schliessen der Augcnlicder hervorruft, und
"'•e endlich die Reize des Urins und der Excremente mittelbar
®uf die Bexvegung der Sphincteren xvirken. Sobald daher die Em-
bfinduiigsbewegung das Rückenmark erreicht hat, so geht die
Bewegung nicht auf das ganze Rückenmark über, sondern am
Elchtesten auf diejenigen motorischen Nerven, welche den näch-
“^Icn Urspi ■ung an den gereizten sensibeln Nerven haben; oder
anderen Worten, der leichteste Weg der Strömung oder
Schwingung ist von der hintern Wurzel eines Nerven oder
^'Uzelnen seiner Primitivfasern nach dessen vorderer Wurzel oder
^oh den vorderen Wurzeln mehrerer nahe gelegenen Nerven.
sehen daraus, dass das Princip der Nerven bei diesen Strö-
^Uiigen oder Schwingungen die kürzesten Wege nimmt, um von
■*^aipfindungsfasern durch das Rückenmark auf Bewegungsfasern
wirken; gleichwie die Electricität auch den kürzesten Weg
^Eu einem zum andern der genäherten Poldräthe nimmt.
^‘Ehtiger ausgedrückt und in die Sprache der Nervenphy-
übersetzt, heisst diess jedoch so, dass bei heftiger Er-
Egung der motorischen Eigenschaft des Rückenmarkes durch
j|Uen Empfindungsnerven zunächst nur derjenige Theil des
j'ickenmarkes erregt wird, und wieder Zuckung erregt, welcher
Cm Empfindungsnerven den Ursprung giebt, und dass die Erre-
anderer Theile des Rückenmarkes und der davon entsprin-
700 III. Buch. JServenphfsik. III.Abschn. Mechanik d.Nercenprlncips.
genden motorischen Nceven in dem Maasse abnimmt, als sie sich
von der durch den Empfindungsnerven erregten Stelle entfernen.
Dasselbe gilt auch von den Illrnnerven, deren reflectirte Er-
scheinungen Mahsuall IIai-l fast ganz unbekannt geblieben zu seyn
scheinen. Die grossen Sinnesnerven sind vorzüglich geneigt, re-
flectirte Bewegungen der jiiotorischcn Gehirnnerven zu verursa-
chen, und namentlich der INI. opticus und acusticus ; beide bewir-
ken bei grellem Licht und starkem Schall eine reflectirte Erre-
gung des N. fixclalis, und dadurch Schliessen oder Blinzeln der
Augenlieder. Der N. opticus bewirkt hinwieder leicht die re-
flectirte Erregung <les N. oculomotorius durch Bewegung der
Iris, und erregt heim Sehen von intensivem Licht eine reflectirte
Alfection des Pi. facialis mit anderen Nerven im Niesen. Aber
auch der grosse Gelüblsncrve des Vorderhauptes und Gesichtes,
die grosse Portion des N. trigeminus kann den N. oculomoto-
rius und facialis durch Vermittelung des Gehirns erregen; so ent-
steht Zusammenzichung der Iris von in die Nase eingezogenem
kalten Wasser, und von Ritzel in der Nase entsteht Niesen und
die damit verbundene Thätigkelt des N. facialis hei Erregung der
Gesichtsmuskeln. Kurzum wir sehen, dass von den motorischen
Gehirnnerven die zum Ciliarknoten und also zu der Ins ge-
henden Thelle des Nervus oculomotorius und der Nervi fa-
cialis am leichtesten durch Reflexion erregt werden, und dass
sowohl Gesichts- als Gefühls- und Gehöreindriieke die erregende
Ursache seyn können; dalier zwischen den Urspiiingen des N.
opticus, trigeminus und acusticus, und den Ursprungsstellen jener
motorischen Nerven im Gehirn eine durch die erste Formation
prästabilirtc leichtere Lcütung slattfinden muss. Diejenigen Em-
pfindungsnerven und molorisehen Nerven, deren Wechselvvirkung
durch das Gehirn und Rückenmark erleichtert Ist, zeigen mit
jenen Centralthellen eine Art Statik, eines verändert das andere,
wie das Steigen einer Waageseliale das Sinken der anderen be-
dingt , das Fallen des Fluidums in dem einen Schenkel einer
zweischenkligen Röhre das Steigen in dem andern bewirkt In»
zur Herstellung des Gleichgewichtes. Ist auch ein Empfindungs-
nerve für gewöhnlich nicht Im Stande, eine reflectirte Bewegung
hervorzurufen, so tritt sie doch bei einiger Heftigkeit der Empfin-
dung sogleich auf, und das Rückenmark und Gehirn rellectiren dann
die von Seiten der Empfindungsnerven erhaltene Strömung oder
Schwingung in diejenigen motorischen Nerven, zu welchen diß
Leitung von jenen Empfindungsnerven durch die Fasern des Ge-
hirns und Rückenmarkes am leichtesten ist.
Eine andere, sehr gewöhnliche Bahn der Leitung von Em-
pfindungsnerven zu motorischen Nerven durch Vermittelungj
des Rückenmarks und der Medulla ohlongata , ist die dn
Erregung des Schleimhautsystems und der secundären Affection
der Respirationsmuskeln im Erbrechen, Stuhlzwang, Gebären^
Harnzwang, Husten, Niesen, Schluchzen etc. Ausser dem eben
erörterten statischen Gesetz, dass Nerven verwandten Ursprun-
ges, oder von nicht allzu entferntem Ursprünge zu den Erschei-
nungen der Reflexion sich eignen, ist das am häufigsten eintre-
4. V on d. verschiedenen Action der sensibeln u. motorischen Nerven. 701
tende Gesetz der Nerveiistatlk, der Reflexion das eben erwälinte.
Daher in der Medulla oblongata nnd dem Rückenmark, zwischen
•len Emplindungsni'rven der Seliicimliäiite (N. trigcminus — Nase;
''Hgus — Luftröhre, Lungen, Sebbnul, S|)ei.soröbre, Magen; N. sympa-
Ibicus — Darmkanal, Uterus. Aest(! des Sacralplcxns undN. sympalh.
Zur Urinblase und zumMastdarrn) und den motoriseben Respirations-
Nerven (N. facialis, accessorius, N. spinales) eine leichtere Leitung
praformirt seyn muss, ■während dagegen die zu den Extremitäten
gehenden N. spinales von dieser Harmonie ausgeschlossen sind.
Tritt aber eine gewisse Irritation des Rückenmarkes und Ge-
Ihrns durch Narcosis oder andere Ursachen ein, so kann jede
■Em]ifindung eine Entladung des Rückenmarkes nach allen rnoto-
‘■ischen Nerven bexvirken, auch zu denjenigen, welche sonst am
schwersten mit afficirt werden, zu den motorischen Nerven der
Extremitäten.
IV. Capitel. Von der versch iedenen Action der sensibeln
und motorischen Nerven.
Die Erfahrung hat uns bis jetzt gelehrt, dass, -wenn ein
Punkt des Nerven gereizt wird, die Wirkung sich in der ganzen
EVinge der Fasern äussert, nnd in den motorischen- Nerven dort
Bewegung erregt, wo die Fasern mit Muskeln Zusammenhängen,
*n den sensibeln Fasern Empfindung, ■wenn die Fasex’n noch
luit den Centraltheilen Zusammenhängen. Nun könnte es schei-
Nen, dass sich der Effect der Nervenreizung von dem gereizten
Punkte auf gleiche Art nach dem peripherischen Ende des Ner-
''en und nach dem Ccntralende desselben fortpflanze. Es fragt
*ich aber, ob diess wirklich geschieht, und oh die Fortpflanzung
'iur Reizung nicht in einer gewissen Richtung allein geschieht,
Nb hei den sensibeln Fasern der Nerven die Wirkung nicht etw’a
bloss nach dem Gehirn, bei den motorischen Fasern bloss die
äuigekebrte Richtung nach den Muskeln stattliiulc. Man nahm
^iess gewöhnlich an, so lange es nicht bekannt war, dass die
''Nusibeln und motorischen I''asern verschieden sind. Jetzt wie-
)^erholt sich diese Frage wieder, und die Lösung dieses Problems
Et von äusserster Wichtigkeit für die Physik der Nerven. Es
Nnndelt sich also darum, z\i wissen; ist die Kraft der motorischen
Easern, Muskeln zur Zusammenzichung zu reizen, qualitativ von der
Eral't der sensibeln Fasern verschieden, oder ist, was hier ver-
schiedene Kräfte genannt werden, bloss verschiedene Richtung
Nervenwirkung, centrilügal in den motorischen Fasern, cen-
tripetal in den sensibeln.
Es ist bekannt, dass die Wirkung bei den Muskelnerven im-
nur in der Richtung der Nervenzweige erfolgt, und dass
Muskeln nicht zucken, xvelche Nervenäste vom Stamme er-
'alten über der Stelle der Pieizung , dass dagegen nach abwärts
le Wirkung sich auf alle Muskelnerven ausdchiit, die von dem
tarnme unter der gereizten Stelle abgehen. Diese Thatsache
Scheint zu beweisen, dass die Nervenwirkung in den motorischen
702 III. Buch. Neroenphfsik. III. Alschn. Mechanik d.Nervenprinctps,
Nerven nur in centrifugaler Riclitung erfolgt, vom Stamme nach
den Aesten. Allein diess lässt sich sehr wohl aus Thatsaclien
ganz anders erklären. Die inicroscopische Anatomie der Nerven
lehrt, dass die Primitivfasern in den Stämmen sich nicht verbin-
den, dass also der Nervenstamm nur das Ensemble aller unend-
lich vielen Primitivfasern ist, die aus dem Stamm mit den Ae-
sten hervorgehen. Die Primitiv fasern der Aeste, die in verschie-
dener Höhe vom Stamme abgehen, hängen diiher gar nicht im
Stamme zusammen, die motorischen Fasern laufen getrennt bis
zum Rückenmark oder Gehirn, und die Reizung eines Astes kann
daher rückwärts, wenn eine Rückwärts Wirkung stattfindet, keine
Theile des Stammes mit afficiren , sondern diese Rückwärtswir-
kung würde sich auf die Primitivfasern des gereizten Astes be-
schränken, welche im Stamme ohne Verbindung bis zum Gehirn
oder Rückenmark fortlaufen. Wenn also auch ausser der Wirkung
nach den Muskeln eine Rückwärtswirkung des in einem Punkte
gereizten motorischen Nerven nach dem Gehirn und Rückenmark
stattfände, so könnten wir sie nicht an Zuckungen anderer Theile
merken, weil die Fasern eines Stammes mit keinen Fasern höherer
Aeste Zusammenhängen. Diese Rückwärtswirkung kann auch im
Rückenmark isobrt bleiben, wenn die Fasern im Rückenraark sich
nicht verbinden, sic kann auch keine Empfindung im Gehirn und
Rückenmark erregen, wenn die Fasern der motorischen Nerven im
Gehirn und Rückenmark isolirt sind und nicht mit scnsibeln Fasern
Zusammenhängen. Eben so mit den an einem Punkte ihrer Länge
gereizten sensiheln Fasern. Die scnsibeln Fasern bewirken nur Em-
pfindungen, wenn sie mit dem unversehrten Rückenmark und Gehirn
Zusammenhängen. Hieraus könnte man auf eine blosse centripetale
Wirkung der sensiheln Nervenfasern schliessen, allein dieser Schluss
ist eben so fehlerhaft, denn nur der centripetale Strom von jenem
Punkte kann bewusst werden, weil nur er von dem Centralorgane
empfunden wird, der entgegengesetzte Strom der sensiheln Fasern
kann nicht bewusst werden, wenn er auch stattfindet.
Wenn es geAviss wäre, dass die Muskeln auch ohne die Ner-
ven durch sich selbst Contractiliiät besitzen, und dass aller Ner-
venreiz nur Avie andere Reize auf die Muskeln wirke, dass an-
dere Reize nicht erst auf NerA'en wirken müssen, um BcAvegungen
hervorzurnfen ; vA'enn diess gCAviss wäre, so liesse sich weiter be-
weisen, dass die scnsibeln Fasern nur ccntripetal nach dem Ge-
hirn und nicht rückwärts wirken. Denn Avie ich entdeckt habe,
sind die sensiheln Fasern in den Muskeln Zuckungen zu bcAvirken
auch dann unfähig, vienn sie sich wirklich in Muskeln verbreiten,
wie der N. lingnalis, der Avenigstens mit dem Muskelnerven N. hype-
glossus anastomosirt. Allein obige Voraussetzung ist falsch; die Mus-
keln besitzen ohne die Wechselwirkung mit den Nei-ven keine Con-
tractilität; sie verlieren ihre Contractionskraft auf alle Reize, AA'enn
ihre Nerven lange Zeit vom Gehirn getrennt Avaren ; sie verlie-
ren ihre Reizbarkeit in gleichem Grade, als die Reizbarkeit der
Nerven erlischt, wie die Versuche von mir und Sticicer zeigen-
Siehe oben p. 614. In diesen Versuchen hatten die Muskeln,
zu welchen ein durchschnittener Nerve Iiingeht, nach mehrere»A
4. Von d. verschiedenen Actlon der sensiheln u, motorischen Nerven. 703
Monaten in zwei Fällen alle Reizbarkeit, und in einem Falle fast alle
Reizbarkeit für den galvanischen und mechanischen Reiz, in glei-
tihem Grade als die Nerven selbst verloren, so dass zu den Zu-
sammenziehungen der Muskeln durchaus ihre Wechselwirkung
*oit den Nerven nöthig ist. Da nun die sensiheln Nerven auch
dann, wenn sie sich in Muskeln (wie der N. lingualis in der Zunge)
Verbreiten, keinen Einfluss auf die Muskeln haben (siehe oben p.
628.), so folgt ganz evident, dass die motorischen Nerven allein
*n jener Wechselwirkung mit den Muskeln stehen. Diess kann
aber auch ivieder eben so gut von einer elgenthümlichen, nur
den motorischen Nerven eigenen Qualität herrühren, als von ei-
ner, nur den motorischen Nerven zukommenden centrifugalen
Riclitung der Nervenwirkung.
Getrieben von dem Eifer, über diesen äusserst wichtigen
Funkt auf empirischem Wege ins Reine zu kommen, habe ich in
den Wirkungen der narcotischen Gifte ein Mittel zur dereinsti-
gen Lösung des Problems gefunden. Die Frösche werden näm-
lich nach der Vergiftung mit Opium so äusserst reizbar im Rük-
i^enmark, dass jede auch noch so geringe Erschütterung, z. B.
das leise Klopfen auf den Tisch, auf welchem der Frosch liegt,
oder das Fallenlassen eines Fusses eine Zuckung am ganzen Kör-
per bewirkt. Nicht allein die Erschütterung des Rückenmarkes
Selbst thut diess, sondern auch eine ganz örtliche Empfindung,
die auf das Rückenmark verpflanzt wird. W enn man den Frosch
*0 diesem Zustande irgendwo sticht, ohne die geringste Erschüt-
terung, so zuckt er in allen Theilen seines Körpers. Hiebei
V'irkt die peripherische Reizung eines Empfindungsnerven auf
das ganze Rückenmark, und das Rückenmark auf alle Theile zu-
rück. Das Rückenmark ist hier die Vermittelung, denn die ab-
Soschnittenen Theile oder Theile deren Nerven durchschnitten
®'nd, zucken dann nicht mehr bei der Erschütterung. Diese That-
«ache vorausgesetzt, wollte ich bei einem Frosch die hinteren
’^der sensiheln Wurzeln der Nerven für ein Hinterbein durch-
^ohneiden, den Frosch vergiften, und dann sehen, ob die Ner-
Ven dieses Beins, welches noch durch die vorderen oder mo-
mrischen Wurzeln mit dem Rückenmark zusainmenliängt, wenn
Sie gereizt werden, so gut wie die Empfindungsnerven diese Rei-
*Ung auf das äusserst gereizte Rückenmark fortpflanzen können
centripetaler Bewegung, und ob also die Reizung eines Bewe-
fiongsnerven ln einem empfindungslosen Bein rückwärts auch noch
^dgemeine Zuckungen in einem vergifteten Frosch bewirkt. Der
■•Erfolg Jes wiederholten Versuchs ist dagegen. Diese Zuckungen
Erfolgen nicht , wenn die Reizung des Bewegungsnerven ganz
^ ine alle Erschütterung des ganzen Frosches geschieht, z. B.
nreh Schneiden eines Nerven mit der Scheere; auch die meeba-
•sche Reizung des Nerven mit der Nadel und Pincette bringt
ann keine allgemeinen Zuckungen am ganzen Frosch hervor,
Onn nur keine Erschütterung des Frosches dabei stattfindet.
diese Versuche gut anzustellen, muss man erst das Gift bei-
,1’ingen, und wenn sich die erste Wirkung zeigt, wenn nämlich
Frosch beim Klopfen auf den Tisch, worauf er liegt, zu
704 III.Buch. Nervenphjrsik, III.Alschn. Mechanik d.Nervenprindps.
zucken anfän^t, schnell das Riickgrath öffnen, und auf einer
Seite alle drei hinteren Wurzeln der Nerven des einen Hinter-
beines durch scluieidcn, während die andere Seite unversehrt
bleilit; darauf präparirt man eben so schnell den Schcnkelnerven
auf beiden Seiten heraus und schneidet ihn über dem Knie ab,
so dass er am Obei’schenkel heraushängt. So ist der Frosch
zum Versuch präparirt. Bricht man aber vor dem Beibringen
des Gilles das Rückgrath auf, so verliert er vor der Vergiftung
so viel Blut, dass das Gilt hernach nicht mehr recht i’esorbirt
wird. Dieser Versuch ist übeidiaupt schwer, und man muss ili»
oft anstellen, bis man zu einem reinen Experiment kommt. Auch
darf die Dosis des Giftes nicht zu stark seyn, damit die Paralyse
nicht zu schnell einlritt. Am bessten ist Opium, Nux vomica macht
zu schnell paralytisch. Ist nun der Frosch vergiftet, das llück-
grath aufgebrochen, sind die hinteren oder sensiljeln Wurzeln der
Nerven des llintei-beins auf der einen Seite durchschnitten und
der Schenkelnerve herauspräparirt, so schneide man am Schen-
kelnerven dieser Seite, der durch die Empfindungswurzeln nichts
mehr zum Rückenmark leiten kann, ein Stückchen mit der
Scheere bei Vermeidung aller Erschütterung ab. Dabei wird
keine Zuckung des ganzen Frosches eintreten. Schneidet man
aber eben so an dem. Schenkefnerveu der andern Seite, dessen
Empfindungswurzcln noch mit dem Rückenmark Zusammenhän-
gen, ein Stückchen mit der Scheere ah, so entsteht jedesmal
eine Zuckung des ganzen Frosclies, zum Beweise, dass die moto-
rischen Nerven oder vorderen Wurzeln allein keine Reizung rück-
wärts zmn Rückcnmai'k, welche die allgemeine Zuckung bewirkt,
fortleiten können, und dass zu dieser Rückwärtsleitiing zum Rük-
kenmark nur die Ernpfindungsuerven fähig sind. Bei diesen
äusserst xvichtigen Versuchen muss man beim Schneiden der Ner-
ven alle, auch die geringste Erschütterung vermelden. Denn
wenn man beim Schneiden des Schenkelnerven, dessen hintere
Wurzeln resecirt sind, ungeschickt verfährt, so dass sich die Er-
schütterung mechanisch bis auf den Rumpf des Thieres fortpflanzt,
so ruft das erschütterte Rückenmark sogleich eine Zuckung her-
vor. Dass hier die Erschütterung des Rückenmarks die Ursache
ist, beweist der Umstand, dass selbst nach Durchschneidung des
Nerven noch eine zerrende Erschütterung am Bein, die der»
Rumpfe mitgetheilt wird, allgemeine Zuckungen erregt. Ich habe
noch folgenden zweiten Versuch zur Lösung des Problems aus-
gedacht, aber noch nicht angestellt.
Es ist bekannt, dass die Iris in beiden Augen sich immer
gleichzeitig bewegt, und dass der Reiz eines Auges hinreicht, um
eine gleiche Verändemng in beiden Pupillen hervorzubringem
Es ist auch bekannt, dass das Licht nicht unmittelbar auf d'®
Irls wirkt, sondern dass die gereizte Netzhaut auf das Gehin^
wirkt, und die Zusammenziehung der Iris erst Folge der Rück-
wirkung vom Gehirn ist. Denn die für das Licht sonst unbe-
wegliche Iris eines amaurotischen Auges wird noch bewegt, wenn
das Licht auf das gesunde Auge ivirkt. Es ist auch bekannt,
dass der N. oculomolorius Beweguugsnerve für die Iris ist, wie Mavo
4. Von rf. verschiedenen Action der sensibeln u, rnotorischenNerven. 705
gezeigt hat. Es fragt sich nun: wenn man den N. oculoniotorlus
®ines Auges reizt, wirkt diese Reizung rückwärts, wie im Seh-
nerven, auf das Gehirn, und erfolgt eine Verengung der Iris im
A^uge der anderen Seite? Bei diesem Versuch müsste man aher
ftiit Sicherheit wissen, dass der N. oculomotorius keine Enipfin-
dungsfaserxi enthält. Vergl. oben p. 645.
Der zweite Theil der Frage, oh die Nervenwirkung in den
■Empfindungsnerven nur centripetal, nicht auch rückwirkend
^öin Gehirn und Rückenmark ist, Hesse sicli insofern auch für die
flösse centripctale Wirkung entscheiden, als alle Empfindungen mit
centripetalen Wirkungen verbunden sind. Es gieht aher auch Em-
pfindungen, die sich vom Rückenmark hei Leidenschaften, Vorstel-
• Jungen in der ganzen Länge der Nerven bis zu den Zehen fort-
^upflanzen scheinen. Allein diese Hessen sich auch anders erklä-
ren. Ich habe gezeigt, dass die Einpfindungsfasern aller Theile
eines Nerven im Stamme und in den Wurzeln enthalten sind,
Und dieser Stamm beim Druck dieselben Empfindungen liat, aL die
Aeste zusammen. Wenn also die Wurzeln der Nervenslämme eines
Gliedes durch centripctale Nervenwirkung Eindruck auf das Rücken-
mark machen, so müssen die Empfindungen in dem GHede zu scyn
Scheinen. Wenn nun durch eine Ursache plötzlich die Empflndungs-
*raft im Rückenmark verändert wird, durch Schreck, so machen
die Fasern der Empfiudungswurzeln einen anderen Eindruck als
'’orher, was als Empfindungen in den Gliedern gefühlt werden muss.
Eine vom Gehirn aus centrilügal in einem entschiedenen Em-
pfindungsnerven erfolgende Erregung ist die des Nervus lacry-
malis in gewissen Leidenschaften und Vorstellungen. Wäre es
gewiss, dass vom Nervus sympathicus, der seine Zweige zum
Ganglion Gasseri schickt, ;kcine Zweige in dem Ramus ophthal-
micus mit dem Nervus lacrymalis, wie mit anderen Zweigen des
, dass auch
verbreiten.
- - - ymalis vom
Ganglion Gasseri feine Zweige des N. sympathicus erhalte.
. Hiernach bleibt es bei den wenigen Thatsacben, die wir
m diesem Punkte besitzen , doch zweifelhaft , ob die sensi-
mln und motorischen Fasern sich nur durcli die Richtung
der Nervenwirkung oder durch die Qualität der Kräfte ' un-
terscheiden, ob die Quelle der cpialitativen Empfindungen im
Geliirn und Rückenmark ist , die Empfindungsnerven nur die
Excitatoren sind, so dass einerlei Excitatoren verschiedene Em-
pfindungen erregen können , wenn sie mit verschieden em-
pfindenden Tlieilen des Gehirns in Verbindung stehen, ob da-
S®gen die motorischen Fasern nur centrifugale Excitatoren für
Muskelkraft sind. Einigermaassen widerspricht dieser Annahme
Umstand, dass, wenn «auch dieselben Reize durch verschie-
äne Sinnesnerven verschiedene Empfindungen erregen, so wie
„ ßchauischer und galvanischer Reiz Licht erregt im Sehnerven,
^*^hall im Hörnerven, Schmerz in den Gefühlsnerven erregt,
manche Reize nur auf einzelne Nerven zu wirken im Stande
^'erv. trigemmus lortgehen, so wäre dicss cm Beweis
^ie Empfindungsnerven Erregungen in jeder Richtung
Es ist aber zu vermuthen, dass auch der N
706 nl. Buch, Nervenphysik, III. Abschn, Mechanik d. Nereenprincips.
sind. So •wirkt das Lichtagens nur auf den Selinerven und als erwär-
mend auf die Gefühlsnerven, nicht auf andere, und der Geruchsnerve
scheint nicht durch andere Ilei?e als Riechstoffe und Electricität zu
Gerüchen hestimmt zu werden. Woraus man schliessen könnte, dass
die Excitatoren der verschiedenen Sinnescentra im Gehirn und Rük-
kenmark auch seihst nicht hlosse Leiter, sondern auch qualitativ ver-
schieden sind und an der Qualität der Empfindung Antheil haben.
Wie dem nun sey, es ist jedenfalls nicht erwiesen , dass die
sensibeln Fasern nur centripetale, die motorischen Fasern nur
centrifugale Wirkungen haben, und dass sich die Wirkung ei-
nes motorischen oder sensibeln Nerven, wenn er irgendwo ge-
reizt wird, nicht gleichsam wellenförmig in zwei Richtungen
verbreitet vom Punkte der Reizung.
Dass in den Empfindungsnerven nur centripetale Strömun-
gen oder Schwingungen fortgepflanzt werden, dagegen scheint
auf den ersten Blick der Umstand zu sprechen, dass einige Em-
pfindiingsnerveh einen offenbaren organischen Einfluss auf die Er-
nährung und Absonderung haben, wie der N. vagus, der N.
lacrymalis u. a. Der N. vagus wird, wieE. 11. Weber [(inat. nern
sympalhici) gezeigt hat, bei einigen Thieren zum grossen Theil selbst
Vertreter des N. sympathicus, wie bei den Schlangen, wo er einen
grossen Theil des Darmkanals versieht. Indem daher der N. sympa-
thicus und der N. vagus sich gleichsam gegenseitig vertreten und be-
schränken können, scheint der Beweis geliefert zu seyn, dass in
einem Empfindungsnerven nicht bloss retrograde Strömungen
oder Schwingungen stattfinden können. Indess hat dieser Ein-
wurf keinen grossen Werth; denn die organischen Wirkungen des N.
vagus rühren doch höchst wahrscheinlich aus beigemischten or-
ganischen Fasern des N. sympathicus her, mit dem er sich so
vielfach verbindet. Ueberhaupt enthält ein Nerve, der eine
Strecke sich verbreitet, ganz andere Elemente, als bei sei-
nem Ursprünge; die Natur kann auf seinem Wege noch viele
andere Fasern ganz andrer Ordnung zu ihm gesellen. Ein leb-
haftes Beispiel, wie ein motorischer Nerve von organischen Fa-
sern begleitet wird, und wie die organische Wirkung von der
motorischen verschieden seyn muss, haben wir an dem N. buc-
cinatorius des Ochsen, der ein Büschel grauer organischer Fa-
sern vom Ganglion oticum anfnimmt, die mit ihm hingehen, um
sich wahrscheinlich in der Mundschleimhaut und den Wangen-
drüsen zu verbreiten. Hier sehen wir, dass für die motorische
Strömung w'ie für die organische verschiedene Leiter nöthig sind;
denselben Beweis können wir aber auch von den Empfindungs-
nerven führen. Denn wir sehen, dass die N. nasales vom zwei-
ten Aste des N. trigemlnus auch wieder von grauen organischen
Fasern des N. sympathicus begleitet werden, welche beim Och-
sen theils vom Ganglion sphenopalatinum, theils vom N. sympa-
thicus selbst, nämlich vom Ramus profundus nervi vidianl kom-
men und zur Schleimhaut der Nase gelangen. Siehe oben p. 6nl-
Wir sehen daher hier deutlich, dass die Empfindungsfasern zur
Erregung der Absonderungen nicht hinreichen, und wir schhes-
sen daraus, dass die Wechselbeziehung des N. vagus und sympa-
4. Von d. oerscldedenen Action der sensileln u. motorischen Neroen. 707
thicus Lei gewissen Thieren kein voller Beweis für die AnnaLme
centrifugaler Strömungen oder Schwingungen in den Empfindungs-
uerven seyn könne. Und so lässt es sich ohne eine centrifugale
^Virkung in den Empfindungsnerven erklären, dass gewisse Theile
der Haut, zu welchen doch nur Empfindiingsnerven gelangen,
doch einer grossen Veränderung der Absonderung des Blutreich-
thums, Turgors, unter verschiedenem Nerveneinflusse fähig sind,
wie die Veränderung der Hautabsonderung und die Hautröthe in
den Leidenschaften, besonders die Schaamröthc, beweisen.
Da, nach den oben mitgetheilten merkwürdigen Experimenten,
die Hypothese wenigstens Gründe für sich hat, dass in den Empfin-
dungsnerven centripetale, in den motorischen Nerven centrifugale
Schwingungen oder Strömungen stattfinden , so xrirft sich die
Frage auf, ob vielleicht diese beiden Leiter zusammen einen Cir-
kel bilden, in welchem hestänüig das Nervenfluidum von den
Centraltheilen nach den motorischen Nerven, von den peripheri-
schen Enden der letzteren durch die sensiheln Nerven nach den
Centraltheilen zurück stattfindet. Man könnte sich das Leben
beständig mit einer Circulation des Nerveufluidums verbunden
denken; diese würde nur so unmerklich seyn, dass davon nur
das unmerkliche beständige Spiel der Muskelfihern in der schein-
baren Ruhe, und das Gleichgewicht, welches sich die verschiede-
nen Muskeln lialten, und wiederum das undeutliche Gefühl aller
Theile in einem gesunden Menschen lierrühre. Diese Hypothese
Von der Circulation des Nervenfluidums oder seiner Schwingun-
gen in den beiden Classen der Leiter wird aber aus mehreren
Gründen sehr unwahrscheinlich. Denn dä viele Nerven bloss
sensibel sind, so müssten diese der Circulation entbehren, oder
Inan müsste wieder annehmen, dass in ihnen neben Empfindungs-
fasern auch eben so viele andere mit centrifugalen Wirkungen
enthalten seyen, die nur deswegen keine Bewegungen hervorrn-
fen, weil sie sich nicht in Muskeln endigen. Sieht man nun gar
bloss auf die motorischen und sensibein Nerven, welche durch
A^nastomosen der Bündel Zusammenhängen, wie z. B. N. facialis
**nd infraorbitalis, so können solche Anastomosen noch weniger die
Wege für einen Cirkel des Nervenfluidums darbieten. Denn er-
stens sind diese Anastomosen keine Verbindungen der Primitiv-
fasern, und dann springt, w’ie Gaedechens Versuche zeigen, eine
N. facialis erregte Reizung nicht durch eine solche Anasto-
®*ose auf den Stamm des N. infraorbitalis über, indem das peri-
pherische Stück des durchschnittenen N. facialis, das zu einer
Solchen Anastomose gehört, gereizt keine Schmerzen verursacht.
Aus Allem diesem gebt hervor, dass eine regelmässige Circulation
“6s Nervenfluidunis vom Gehirn und Rückenmark durch die Ner-
y®*!, und zu jenen zurück, sich nicht erweisen lässt und für
Ftzt sehr unwahrscheinlich ist.
Obgleich nun für die Hypothese von der verschiedenen
h’ömung oder Schwingung des Nervenprincips in den motori-
schen und sensibein Nerven ein auf Beobachtung gegründeter
®*upirischer Beweis von mir vorgebracht worden, so wird dieser
“ch durch mehrere andere Gründe so neutralisirt, dass man dar-
708 III. Buch, Neroenphysik^ III, Ahschn. Mechanik d. Neruenprincips.
auf mit Siclierlielt niclit forthauen kann. Ein Umstand besonders er-
regt zuletzt noch grösseres Bedenken. Es ist nämlich oben p. 614.
bewiesen worden, dass zur Erhaltung der Reizbarkeit der motorischen
Nerven, ihre Verbindung mit den Ccntraltheilen nothwendig ist; diess
scheint liir eine gleiche Abhängigkeit aller Nerven, auch der Empfin-
dungsnerven, vom Gehirn und Rückenmark zu sprechen. In diesem
Falle würden diese aber centrifugale Ausstrahlungen auf die Empfin-
dungsnervjen haben. Spätere, nach glücklichen Ideen angestellte
Versuche oder neue Entdeckungen müssen darüber entscheiden, und
wir dürfen uns jetzt nur darüber freuen, dass die Erörterung die-
ser wichtigen Frage, von deren definitiver Entscheidung sdele an-
dere ahhängen, durch die oben mitgetheilten Beobachtungen we-
nigstens schon in das Gebiet der empii’ischen Physiologie gehört'
V. Capitel. Von den Gesetzen der Wirkung und Leitung
in dem Nervus sympathicus.
Unsere Kenntniss von der Mechanik des N. sympathicus isl
noch äusserst unvollkommen ; kaum hat sich die Physiologie hier
über die Aufstellung einiger Hypothesen erhoben, welche sich
sämmtlicb weder erweisen,' noch entschieden widerlegen lassen'
Dieser Nerve muss sich in seinen Wirkungen von den Cerehro-
spinalnerven wesentlich unterscheiden; denn die von ihm verse-
henen Theile haben undeutliche und vage Empfindungen und
nur unwillkührliche und periodische Bewegungen. Der einzig^
Weg, hier ins Reine zu kommen, ist, die Thatsachen, welche wir
von der Mechanik der Cerehrospinalnerven kennen, mit den Er-
scheinungen des N. sympathicus zu vergleichen und durch neiir
Beobachtungen zu untersuchen, in wie weit die Mechanik diese«
Nerven von der der übrigen Nerven abweicht. Es fragt sich
also; sind die Wirklingen der Fasern des N. svmpathicus wi^
bei den Cerehrospinalnerven getrennt, oder können die einzelnen
Fasern desselben durch Zusammenhang ihre W^irkungen einander
mittheilen; findet eine Vermehrung der Fasern auf dem Fort-
schritte der Vertheilung, namentlich in den Ganglien statt, uuJ
ist vielleicht die Irradiation des motorischen Einflusses, und die
Coincidenz der Empfindungen bei diesem Nerven das Normale-
Sind die Ganglien Multiplicatoren des Nerveneinflusses und gleich-
sam kleine unabhängige Nervencentra, Radiationspunkte? Findet
etwa in diesen Organen eine Reflexion des Nerveneinflusses i**
gewissen Richtungen statt? Sind die Ganglien die Ursachen»
dass die Empfindungen undeutlich und vage werden, sind sie Or-
gane der Irradiation oder der Vermischung der Empfindungen»
oder sind sie Halbleiter, welche die Empfindungseindrücke i”
ihrer Wirkung auf das Gehirn und das Rückenmark hemmen»
und den Einfluss des Willens auf die dem N. sympathicus unter-
worfenen Theile ahhalten? Oder sind die Ganglien des N. sym-
pathicus vielleicht mehr dem organischen Einflüsse des symps'
thischen Nerven bestimmt, kleine Nervencentra, von welchen
der Nerveneinfluss für die Beherrschung der chemisch -organi-
5. Mechanik des N. sympathicus. Unwillkührliche Bewegungen, 709 .
sclien Vorgänge ausstralilt? Findet in den organisclien Nerven
I eine centripelalc oder centrifugale, oder allseitige Wirkung von den
* gereizten Stellen aus statt ? Alle diese Fragen lassen sick leider fetzt
uocli durcliaus nicht hestimmt heantworten. Das einzige Sichere,
"Was wir von den Wirkungen des N. sympathicus wissen, liegt
Alm Theil ausser der Beantwortung dieser Fragen , und na-
iiientlich können wir keine einzige der oben berührten Hypothe-
sen von den Ganglien des N. sympathicus weder bestimmt wider-
legen noch beweisen.
Der Grenzstrang des N. sympathicus ist ohnstreitig für das
ganze System des N. sympathicus wichtig, insofern in diesem die
Wurzelfäden von Gehirn- und Ilückenmarksnerven zur weitern
Ausstrahlung gesammelt werden; indessen scheinen die einzelnen
I Verhindungsfäden zwischen den Knoten nicht absolut zur Thä-
tigkeit des N. sympathicus nöthig zu seyn; wenigstens hat sich
in v. Pommer’s Versuchen an Thieren gezeigt, dass der N. sym-
palhicus zwischen dem ersten und zweiten Halsganglion auf bei-
den Seiten durchschnitten seyn kann, ohne dass innerhalb 7 — 8
Wochen, wie lange die Thicre beobachtet wurden, irgend eine
erhebliche Folge eingetreten wäre. v. Pommer, Beiträge zur Na-
tur- und Heilkunde. Heilbronn 18.31. Hieraus geht zugleich- hervor,
dass der Kopftheil des N. sympathieus von dem Brusttheil ohne
Nachtheil für das. Leben isolirt seyn kann, indem der untere
Halsknolcn und der Brusttheil des N. sympathicus das ihnen von
den Centraltheilcn des Nervensystems zuslrömendc Nervenprincip
I mehr von den Spinalnerven, mit welchen sic in Verbindung ste-
hen, als von den Cercbralnerven erhalten. Indessen könnte man
aus der Unschädlichkeit der Zertheilung der beiden Nervi sym-
I pathici am Halse auch schliessen, dass wenigstens andere Ver-
hindungen des Kopfthcils mit dem Brusttheil, z. B. durch die die.
Arteriac vertebrales begleitenden Fäden, jene Verbindungen er-
setzen können. Fände das Letztere erweislich statt, so wäre zu-
I gleich der Beweis geliefert, dass die Anastomosen, welche in den
Cerebrospinalnerven bloss scheinbar sind, in dem N. sympathicus
'"'irklich seyen, und dass eine Communication der Zustände die-
ses Nerven durch alle seine Verbindungen stattfinde.
1 Von den- Wirkungen des N. sympathicus bei den
u nwi 11 k üh r) ic h en Bewegungen.
/. Alle dem N. sympathicus unterworfenen Theile sind keiner
'^dltcührlichen Bewegung fähig. Das Herz, der Darmkanal, die
Ausfuhrnngsgänge der Drüsen, der Uterus, die Samenbläsclien
lefern hierzu die Beispiele. Es scheint sogar, dass wenn ein' Cc-
fehrospinalnerve sich vielfach mit dem N. sympathicus verbindet,
seinen willkührlichen Einfluss verliert, wie diess z. B. mit dem
.Utern Theile des Nervus vagus der Fall ist. Die Speiseröhre
j?*', *'ur unwillkührlich beweglich, obgleich der Schlund willkühr-
bewegt werden kann. “Wenn dalier die motorischen Nerven
Speiseröhre wirklich noch vom N. vagus kommen , und die
710 III, Buch. Nervenphysik. III.Ahschn, Mechanik d.Nercenprincips,
motorischen Fasern des N. vagus nicht vielleicht schon nach Aha
gäbe des N. pharyngeus, laryngeus superior und inferior ganz
aufhören, so hat der untere Theil des JV. vagus, der an der Spei-
seröhre, und dem Magen sich verbreitet, seinen willkührlichen
motorischen Einfluss, den er in den JV. laryngei und dem N*
pharyngeus noch hat, ganz verloren. Eben so verhält es sich
mit dem Mastdarm und der Harnblase, welche ausser sympathi-
schen Nerven auch Zweige des Plexus sacralis erhalten, die aber
entweder ganz oder grösstentheils der Willkühr entzogen sind.
Auf der andern Seite sind alle Muskeln, welche von Cere-
brospinalnerven allein versehen werden, auch der willkührlicbeo
Bewegung fähig. Die kleinen Muskeln des Ohres können we-
nigstens von einzelnen Menschen, xvie von mir, willkührlich be-
wegt werden. Der Musculus cremaster, ein Fortsatz des Muscu-
lus obliquus internus und transversus, kann auch von Einigen
willkührlich bewegt werden, obgleich sehr Viele darauf keinen
Einfluss haben.
II. Die von dem N. sympatiiicus versehenen Theile bewegen
sich in schwächerem Grade noch fort, wenn sie aus ihren natürlichen
Verbindungen mit dem übrigen sympathischen System und aus dem
ganzen Organismus entfernt sind. Das Herz schlägt, aus dem Or-
ganismus entfernt', noch lange Zeit fort, bei Amphibien stunden-
lang; der Darmkanal setzt ausgeschnitten seine peristaltischen
Bewegungen fort. Man sah den ausgeschnittenen Eierlciter einer
Schildkröte seinen Inhalt noch austreiben.
III. Daher haben alle vom N. sympatMcus versehenen bewegli-
chen Theäe eine gewisse Unabhängigkeit von dem Gehirn und Rük-
kenmark. Wie weit diese geht, ist schon im I. Buch p. 183. un-
tersucht worden. Als Hauptresultat können wir hier erwähnen»
dass nicht allein das Herz nach Zerstörung des Gehirns und
Rückenmarkes noch lange schxvach schlägt, sondern dass es auch
constatirte Fälle von Embryonen giebt, hei welchen sowohl da*
Gehirn als das Rückenmark während des Lebens im Ei langsam
zerstört worden sind. Siehe Eschhicut über GesichtsverdoppelunS
mit Mangel von Gehirn und Rückenmark, Mueller’s Archiv, 183d>
p. 268. Vergl. oben p. 186.
IV. Gleichwohl sind die Centralorgane des Nervensystems einet
activen Einflusses auf die sympathischen Nerven, und ihre motori-
sche Kraft fähig. Ans den Versuchen von Wilson und anderen»
■welche p. 185. angeführt sind, ergiebt sich, dass die Bewegung^
der vom N. sympathicus versehenen Theile zwar nach plötzlich^*’
Zerstörung des Gehirns und Rückenmarkes nicht sogleich aufbd'
ren, dass man aber doch bei unversehrtem Gehirn und Rückenmark
durch Verletzung und Reizung derselben auf die Art und Schnellig-
keit des Herzschlages einwirken kann; wie dennWiLSONPaiLip durch
Auftröpfeln von Weingeist und Tabaksinfusum auf das Gehirn der
Thiere dieBewegungen des Herzens beschleunigt haben will. S. oben
p. 184, Viel augenscheinlicher ist die Wirkung der Leidenschaften*'
V. Nach den Versuchen von Philip haben auch nicht ein-
zelne Theile des Gehirns und Rückenmarkes allein auf einzelne
Theile des sympathischen Systems und der von ihm abhängige’’’
5. Mechanik des N. sympathicus. Unwiükuhrliche Bewegungen. 711
Bewegungen, wie des Herzens, Einfluss, sondern das Gehirn und
das ganze Rückenmark oder jede Strecke desselben können die
Bewegungen des Herzens verändern. Wenn sich diess hestiitigte, so
Wäre es ein wichtiger Unlerschietl der Cerehrospinalnerven und
Sympathischen Nerven. Denn die lleizTing gewisser Theile
des Eiiekenmarkes bedingt immer nur die Bewegungen gewis-
ser Muskeln, welche gerade dorther ihre Nerven erhalten-
iei den unwillkührlichen Bewegungen scheint aber jeder Theil
des Rückenmarkes auf das sympalhische System im Ganzen wir-
ten zu können. AVenn diess ganz vollkormnen bewiesen w'äre
Was es nicht ist, so w'ürde das sympathische System seine Kräfte
aus sehr vielen Wurzeln zugleich erlatigcn, und hernach nach
seiner Verbreitung so vertheilen, dass nie eine vollkommene Iso-
lation eines beweglichen Theiles von den anderen stattfände; w^as
sich ohne eine gewisse Communiention der Primi livfasern des
N. sympathicus, die in defc Cerehrospinalnerven fehlt, oder ohne
eine Coincidenz und weitere Irradiation in den Ganglien nicht
denken lässt. AA ären diese Ideen richtig, so müsste die Reizung
einer einzigen AVhirzel des N. sympathicus auf das ganze sympal
thische System sich aushreiten, und sowohl beschleunigte Herz-
hewmgung, als beschleunigte Darmbewegung u. s. w. hervorrufen,
Und es würde eine gewisse Wurzel wegen des vorzugsw-eisen
Antheils ihrer Fasern an einem unwillkührllch -beweglichen Organ
nur vielleicht vorzugsweise das eine oder andere Oi-gan mehr
als die anderen heherrschen. Wir müssen uns gestehen, dass
wir über diese wichtigen Fragen noch gar keine sicheren direeten
Versuche haben.
Ich galvanisirte den N. splanchnlcus eines Kaninchens, den
ich durchschnitten, an dem peripherischen Ende, welches ich auf
einer Glasplatte isolirt hatte, mit einer Säule von 65 Plattenpaa-
ren. Hierbei entstanden vermehrte peristaltisehe Bewegungen
des Darms, w'oraus sich schliessen Hesse, dass dieser Nerve auf den
ganzen Darmkanal und nicht auf einen einzelnen Theil desselben
»nfluire, dass also dieser Nerve die Fähigkeit habe, seine Zustände
sämmtlichen Nerven der Magen- und Gckrösgencchlc zu commu-
niciren. Derselbe Erfolg trat ein, als ich hei Kaninchen, deren
öarmkanal hlossgelegt war, und hei denen die peristaltischen Be-
wegungen des Darms, die sich anfangs an der Luft verstärken, schon
Sehr matt geworden waren, das Ganglion coeliacum mit Kall causti-
eum betupfte. Die Bewegung des Darms wurde sogleich sehr lebhaft.
VI. Hie Zusamntenziehungen der Organe, welche von dem N.
\Ympathicus alhängen, sind auf die Reizung ihrer selbst oder ihrer
Berven keine vorübergehende und momentane Zusanmenziehungen,
Sondern entweder länger dauernde Contractionen , oder länger dau-
^^nde Modificat Ionen der gewöhnlichen rhyf hniischen Zusammenzie-
kungen, daher die Reaction gegen den Reiz hier entschieden länger dau-
als die kurze Einwirkung des Reizes selbst. Reizt man den Darm
hei einem geöffneten Thiere an einer Stelle chemisch, mecha-
nisch, galvanisch, so tritt die Zusammenziehung ganz allmäh-
hg ein, und oft in ihrer ganzen Stärke, wenn die Ursache
nngst zu wirken aufgehört hat.' Bei dem Herzen geschieht dasselbe,
Miiller’s Physiologie. 46
712 III. Buch. Nereenphysik. III. Ahschn. Mechanik d. Neruenprincips.
was am Darm, auf andere Art: statt einer anlialtenden, nicTit pe-
riodisclien Zusammcnzielmng Lewirkt ein yorübergelicnder Reiz
eine anlialtende Reihe periodischer Schliigc. Das Herz ist gegen
mechanischen wie galvanischen Reiz rcizhar. A. v. Humboldt
und auch ich haben am Herzen der Frösche auf den galvani-
schen Reiz Zuckung cintreteii gesehen; dagegen wirkt der Gal-
vanismus nicht imiWr angeiihlicklich auf Zusammenzichung des
Herzens, sondern verändert oft nur die Zahl der folgenden
Schläge im Allgemeinen. Auch der mechanische Reiz he-
wirkt^’an einem langsam schlagenden Herzen nicht immer so-
oleicli eine Zusammenziehung, sondern oft erst nach einigen Se-
cunden; er wirkt aber offentiar, wie man sicht, wenn das ausge-
schnittene Herz eines Frosches lange nicht geschlagen hat. Es
ist also hier derselbe Fall, wie im Darmkanal, die Zusammenzie-
hung beginnt oft erst einige Zeit nach der Reizung und dauert
länf'er als die Reizung. Was aher das Herz auszeichnet ist, dass
ein vorübergehender Reiz nicht eine anhaltende Zusammenzie-
hung des Herzens, wie des Darmes hervorbringt, sondern die
o^anze Reihe der folgenden Pulsationen verändert. Wenn das Herz
eines Thleres lange" Zeit alle 4 — 5 Secunden geschlagen hat, sO
schlägt cs nach Anwendung eines voriibergehonden Iteizes lange
Zeit, nach einer andern Periode, z. B. alle Secunden oder alle
zwei Secunden; und wenn es ganz zu sclilagen aufgehört hat,
so bewirkt ein vorübergehender Reiz, dass es nicht Einmal, son-
dern vielmal in einer gewissen Periode sich ziisammenzieht. Es
ist also hier durchaus wie hei anderen musculösen Theilen , die
vom IN. sympathiciis abhängig sind, z. 13. dem Darm, mit demtJn-
tcrschied, dass die anhaltende Rcaction auf vorühcrgcheiidc Reize
beim' Darm, Duclus choledöchus, Spliincter vesicae sich nicht i»
periodische Zuckungen theilt, sondern zusammenhängend ist,
Leim Herzen dagegen sich auf periodische Zuckungen vertheilt,
und darin die Perioden verändert. Dasselbe hat statt, wenD
man die Reize nicht auf die Muskeln selbst , sondern auf de*'
N. sympathicus anwendet. Als man hei einem geöffneten Thiere,
nachdem die Pulsationen des Herzens langsamer geworden, deo
N. cardiacus magnus galvanishtc. So wurden die Pulsatloiic*’
schneller, aber dieser neue Typus der Pulsationen dauerte übß*
die Reizung foi’t. DIess haben A. v. Humboldt und Bukdac“
heohachtet. Als ich den N. splanehnicus ln dem erwähnten VeT'
suche beim Kaninchen reizte, dauerte die schnelle und stärker®
Bewegung aller Gedärme sehr lange Zelt fort, nachdem die R®‘'
zung nur vorübergehend w'ar. ,
F//. JJie letzte Ursache der unwillkührlichen Bewegungen
die Ursache ihres Typus liegt weder in dem Gehirn noch Rücken-
mark, sondern ln dem N. .’sympalhicus seihst; aher diese Bewegungen
hehaiten ihren Chararter, auch ohne den Ei/i/lu.ts der Ganglien, sei ^
wenn der N. sympathicus an einem Organe bis auf die in dem O -
gane .seihst sich oerhrcitenden Zweige entfernt ist, deren JVedise
Wirkung mit den Mu.skelfasern allein zur Unterhaltung jener Rewe^
gungen hinzureichen scheint. Bekanntlich zieht sich das Herz C
5. Mechanik des N. sympathicus. Urwillkührliche Bewegungen. 713
nes Tliieres auch ausgeschnitten und blutleer immer nocli rhyth-
toiscli zusifrnmen; diese Bewegungen dauern am ausgcschnitteneH
Froschherzeu noch Stundenlang; Avoraus allein liervorgeht, dass
Jie Ursache dieses Rliythmus nicht in dem abwechselnden Ein-
Und Ausströmen des Blutes gelegen seyn kann, sondern dass sie in
dem Orgiine seihst hegt. Da nun in allen anderen heivcgliclien
Theilen die Beuregung des Muskels immer von der Innervation
desselben ahhängt, auch die Beivegkraft der Muskeln nach meinen
Und Stictcer’s Versuchen mit der Reizbarkeit deriVerven verloren
geht (p. 614.), so folgt, dass die letzte Ursache des Rhythmus,
der rhythmischen Bewegungen der Herzkammern und Vorhöfo
Und der abwechselnden peristaltischen Bewegungen der Gedärme,
Von der Wechselwirkung der sympathischen Nerven und der mus-
ciilösen Thcile, und von einer periodisch wirkenden Ausströmung
des Nervenprincips in dem K. sympathicus ahhängt. Man könnte
sich auch die Wirkung der Nerven hierbei perennirend, die Re-
action der Muskeln aber periodisch vorstellen, insofern die Reiz-
4>arkeit der Muskeln für den Sti'Om des JVervenpnncips durch
•hre Zusammenziehung verändert würde (vergl. p. 51); allein
diese Erklärung würde geiviss unrichtig seyn; denn man sicht
nicht ein, vvarum das Herz seine Empfänglichkeit für einen pe-
vennirenden Strom des Nervenprincips jeden Augenblick verlie-
ren und wieder gewinnen soll, da doch die Avillkührlichen Mus-
keln diese Reizbarkeit hei einer sehr lange dauernden Bewegung
So lange für den continuirlichen Strom Lehaltcn; üherdiess liegt
ein entscheidender Beweis in dem Umstande, dass der Rhythmus
der Aufeinanderfolge der Contractionen der Vorkammern und
K.ammern sich auch am blutleeren Herzen erhält, wo die Ur-
sache offenbar in einem innern, die Abwechselung regulirenden
Princip liegen muss.
Daraus, dass abgeschnittene, nnwillkührlich bewegliche Theile
tvie Herz, Darmkanal, denTyjms ihrer rhythmischen oder peristal-
hschen Bewegung fortsetzen, sielit man "deutlich, dass dieser Ty-
pus vom Gehirn und Rückenmark unabhängig ist, und wir ha-
ben so eben bewiesen, dass er in dem N. sympathicus seihst
hegt. Nun liegt uns oh, den ziveiten Theil des oben aufgestell-
len Satzes zu beweisen, dass die Starnmtheile des N. sympathicus
•lud die Ganglien zur Eidialtung dieses Typus auch nicht nöthi<»
®ind, sondern auch die letzten VerzAveigungen des N. sympathicus
^uch die Fähigkeit haben, diesen Typus der unAvillkührlichcn
hcAvcgungen zu reguliren. Es ist nämlich gar nicht nöthig, dass
, die Stämme der N. eardiaci zur Unterhaltung der Bewegungen
des Herzens vorhanden seyen; das Herz des Frosches schlägt
doch periodisch fort, seihst Avenn man die ganze Basis, die Vor-
höfe bis auf die Kammer ahgeschnitten hat. Elicn so dauern
d'e peristaltischen Bewegungen des Darmkanals nicht allein fort,
^enn man den Darm mit saramt dem Mesenterium und den
§*uigliösen NerA’enplexus A'on dem Rumpfe trennt, sondern auch,
'''dun man den Darm seihst von diesen Plexus isolirt, indem
ihn dicht an der Insertion des Mesenteriums ahschneidet.
h diesem Falle sind nur die periplierischen inneren Verzwei-
46 *
714 III. Buch. Nervenphysik. III. Abschn. Mechanik d. Nerpenprincips,
cuneen des N. sympatliicns an dem Herzen und Darm nocli üLrig;
nnd^ dennoch bewegen sich diese Organe mit ihrem gewöhnli-
chen Typus geraume Zeit fort.
VIII. So gewiss indess nach diesen Beobachtungen die üusser-
sten und kleinsten Theile des N. sympathicus die Bewegungen der
unwillkührlichen Theile noch regulircn können, so haben doch sowohl
das Gehirn und Rückenmark, als die Ganglien selbst im gereizten Zu-
stande den grössten hnjluss auf den Modus dieser Bewegungen j so
lange die Organe noch durch Ncroenoerbindung mit jenen Zusammen-
hängen. Gehirn und Rückenmark sind aber als die letzten Quellen
auch der Thätigkeit des N. sympathicus anzusehen, wenn diese sich
nicht erschöpfen soll. Denn bekanntlich verändert sich der Herz-
schlag hei jeder Leidenschaft, und die Bewegungen des Darm-
kanals werden hei Irritation des Rückenmarks ebenfalls verän-
dert; auch sind die Centralorgane des Nervensystems für diß
nnwillkührlich beweglichen Theile als für die Dauer nothwendige
Quellen des Nervcnprincips anzuschen ; indem liei Lähmungen
des Rückenmarkes auch die Beweglichkeit des Darmkanals ab-
nimmt, und Trägheit desselben eintritt. Aber auch die Reizung
der Ganglien selbst wirkt auf alle von ihnen aus zu den unwiU-
kührlich Lewegliclicn Tlicilen liingehenden Nerven, wie folgende
Versuche ])ewcisen. Ich habe schon oben ei'vvähnt, dass ich
durch Galvanisircn des durchschnittenen N. splanchnicus eines
Kaninchens an dem zum Ganglion coeliacum gehenden Stück,
welches auf einer Glasplatte lag, vermehrte Bewegung des gan-
zen Darmkanals hervorbraclite. Diesem Versuch konnte man
den Vorwurf machen, dass das galvanische Fluidum von 65 Plat-
tenpaaren viel zu stark war, und dass es deswegen durch die
tbierischen Theile als durch blosse nasse Leiter bis auf den
Darm selbst überspringen konnte , so dass man nicht vie
mehr gethan , als wenn man den Darm seihst galvanisli’t
hätte. Indessen habe ich in diesen Tagen noch einige Versuche
angestellt, welche ganz cntsclieidcnde Resultate gaben. Ich legie
bei einem Kaninchen den ganzen Darmkanal bloss, und zu glei-
cher Zeit das Ganglion coeliacum. Sobald der Darmkanal eines
Thieres der atmosphärischen Luft ausgesetzt ist, werden sein®
Bewegungen sehr lebhaft; diess dauert eine ganze Zelt, aüm'ähhg
nehmen sie wieder ab, bis sie ganz schwach werden. Diesen
Moment wartete ich ab. Ich betupfte dann das Ganglion coe-
liacum mit einem Stückchen Kali caustieum, worauf sogleich '
peristaltischen Bewegungen des Darmkanals wieder lebhaft wui"
den. Dieser Versuch gab mir bei AV iederholung dasselbe gan
unzweideutige Resultat.- Also sind die Ganglien fähig, im Zn'
stände der Reizung das Nervenprincip bis zu den feinsten
breitungen des N. sympathicus in beweglichen Theilen in
tigkeit zu setzen; obgleich die Thätigkeit dieser Theile im A
meinen fortdauert, wenn die Ganglien enlferiit sind. ^
IX. Aus den bisherigen 'Thalsachen geht hervor, dass der ^
sympathicus durch die GenirallheUe des Nervensystems , Gehirn
Rückenmark, als Quellen des Ncroenprincips gleichsam geladen wer ^
kann, dass er aber, einmal geladen, seine Ladung mit dem Nerve -
5. MecJianik des N, sympathicus, Unwillkührliche Bewegungen. 715
prlncip hehält, und fortfährt, dasselbe nach seiner gewöhnlichen Thli-
tigkeit auszuströmen, auch wenn die fernere Ladung vermindert würde,
Und erst von einer gewissen Zeit an sich kräftiger erneuerte. T'V or-
aus em Theil der Phänomene des Schlafs erklärlich wird. Wahrend
das Sensorium commune im Schlafe grossentlicils unthatig wird,
fährt die Bewegung des Herzens, Darmkanals wenig oder gar
nicht -verändert fort. Denn die von dem N. sympathicus abhän-
gigen Thcile sind von einer theihveisen und vorübergehenden
Ruhe des Sensoriums nicht abhängig, so lange sie noch gleich-
sam mit Nervenprincip geladen sind. Im Gegentheil scheint sich
die Ausstrahlung des Kcrvenjiriiicips von den Centi’altheilcn her
dem svmpathischen Theile des Nervensystems um so mehr zuzu-
wenden, als die Verwendung desselben für die Thätigkeit der
Sinne und der Seelenoperationen jetzt durch die, vermöge der
täglichen Reizung eingetretenen, materiellen Veränderungen der
Sinne und gewisser Theile des Gehirns während des Schlafes auf-
hört. Auch in der Ohnmacht wird zwar die Thätigkeit des Her-
zens geschwächt, aber sie erhält sich in viel höherem Grade, als
die aller von Cerebrospinalnerven versehenen Theile. Hier zeigt
sich also etwas, was sich noch an dem ausgeschnittenen Herzen
Und Darm, nur geringer, eine Zeit lang offenbart. Verliert aber
das Gehirn und Rückenmark zu sehr die Fähigkeit, Quelle des
Ncrvenprincips zu seyn, ist keine Erholung in grösseren Zwi-
schenräumen mehr möglich, so kömmt auch das sympathische
System in den Fall, in welchen das System der Cerebrospinal-
uerven täglich einmal, nämlich im Schlafe, verfällt; dann entsteht
eine Erschöpfung, welche gleichsam nicht durch fernere Ladung
mehr ausgegliclien werden kann; so entsteht jener, den Tod
verkündende, häufige, schwache, kaum fühlbare Puls, am Ende
der acuten Krankheiten. Vergl. Wilsos Philip Philos. transact.
1S3.3. 1. äIuei.i.er’s Archiv für Anat. und Physiol. 1834. 137.
A. Die örtliche Application der Narcotica auf den N. sympa-
thicus wirkt nicht narcotisirend in die Ferne auf die unwillkährlich
beweglichen Organe; aber die letzteren können durch die ÜSarcotisa-
tion der feinsten, in ihnen selbst sich verbreitenden Fasern des N.
sympathicus paralysirt werden. Diess Verbältniss ist ganz wie bei
den übrigen oder Cerchrosjiinalnervcn, indem die örtliche Appli-
eation eines Narcoticums hier gerade so weit, und nicht weiter
^irkt, als es den Nerven berührt, avo es die Reizbarkeit dessel-
keu aufheht. Indessen zeigt sich doch hier, und zwar hei dem
klerzen, noch ein ganz merkwürdiges und bis jetzt nicht erklärli-
ches Verbältniss zwischen der äussern und innerii Oberffäche
des Organes. Applicirt man nämlich ein Narcotlcurn, -w’ie Opium
Purum oder Extractum nucis vomicac, aul die äussere Oberlläche
des Herzens, so scheint dlcss sehr xvenig oder gar nicht, xvenig-
®tens ei’st sehr allmählig zu wirken; die rhythmischen Bewegun-
gen des ausgeschnittenen Frosch herzens dauern darauf sehr lange
fort; bringt man aber ein wenig Opium oder Extractum nucis
'^otnicae mit der iimern Wand der Herzkammer in Berührung,
®o steht das Herz sogleich für immer still, öfter schon nach ei-
‘‘igen Seenuden. Diess ist eine xvichtige Entdeckung von HetiRr
716 III. Buch. Nervenphysik. III.Abschn. Mechanik d.Nervenprincips.
[Edinb. med. and surg. Journal. 1832.), welclie Icli öfter am Froschlier-
zen bestätigt babe. Diese Tliatsacbe ist aucli ein neuer Beweis, (lass
die Bewegungskraft der Muskeln von ihrer Wechselwirkung mit
den Nerven abliängt, und ihnen ohne die Nei’ven nicht eigen ist.
Wir haben hier den Fall, dass wir die Muskelkraft der ober-
flächlichen Schichten des Herzens durch Narcolica nicht leicht
paralysiren können, während wir durch Application des Giftes
von innen mit den inneren Muskelschichten auch die äusseren
tödten; eine Wechselwirkung, welche nicht von den Muskel-
fasern seihst, sondern von den Nervenfasern ableitbar ist.
Diese schnelle Wirkung des narcotischen Giftes ist auch nicht
davon erklärbar, dass das Gift von innen schnell durch die
Wände des Herzens durchdringe. Denn wenn man die Vor-
höfe des Froschherzens ganz ahgeschnitten , wie ich that, und
mm in die olFcnc Kammer ein wenig Gift bringt, so muss das-
selbe hei der nächsten Zusarnmcnzichung eher ausgetriehen wer-
den als tiefer eindringen, was ohnehin nicht durch Getässe ge-
schelien kann. XJehrigens erklärt [ene merkwürdige Beobach-
tung Avohl auch die Schnelligkeit der narcotischen Vergiftung»
wenn ein Gift einmal mit dem Blut bis zum Herzen gekommen ist.
XI. Von den in die Ganglien tretenden W urzeljäden und volt
den Ganglien kann das Neruenprincip nach allen, aus einem Gangliol^
kommenden, peripherischen Neroenausstrahlungen .sieh verbreiten; und
es scheint sich gerade umgekehrt, wie in den Plexus der CerebrO'
Spinalnerven zu verhalten, in welchen keine Communicat ion der IVir-
kung stattfindct. Man hat für diesen Avichtigen Satz jetzt nur
die ZAvei oben angeführten Beobachtungen von mir über den
splanchnicus und das Ganglion coellacum. Als ich nämlich defl
N. splanchnicus eines Kaninchens mit einer Säule von 65 Plat-
tenpaaren galvanisirtc, A'ermehrten sich sogleich die peristaltischeU
BcAvegungen nicht eines einzelnen Theilcs des Darmes, sondern
des ganzen Tractus intestinalis; und als sie beinahe aufgehört
hatten, konnten sie dadurch Avieder lebhaft erneuert AverdeO'
Als hei ZAvei anderen Kaninchen, liei denen die peristaltiscbei*
Bewegungen schon sehr schwach geworden, Kali causticum aiu
das (ranglion coeliacum aufgetupft wurde, erneuerten sich di®
peristaltischen BcAvcgungen sogleich mit grosser Lebhaftigkeit atn
ganzen Darmkanal. Das Ganglion coeliacum Avirkt also nicht a«
einen einzelnen Theil d(!S Darms, sondern wie ein ungeheurßf
Nervenstamm auf den ganzen Darmkanal, wie auf alle Theiw
eines Gliedes zugleich.
XII. Die Gesetze der Reflexion, welche im. III. Capitel von det^
Cerehrospinalnerven auf gestellt wurden, gelten auch von den sympO'
thischen Xerven, d. h. heftige Empflndungseindrücke in den, eoc'*
N. sympathicus versehenen Theilen können, auf das Rückenmark ccT'
pflanzt, Bewegungen in den von Cerebrospinalnerven versehenen Jhefl
len hervorbringen. So entstehen die Zuckungen bei Reizungen
Darmkanal der Kinder, indem die Reizung A'on dem N. syiä'
pathicus auf das Rückenmark, und von diesem auf die CerebrO'
Spinalnerven reflectirt wird. Es gehören ebenfalls hieher di
das Erbrechen begleitenden Krämpfe der Atbemmuskeln ,
5. Mechanik des N. sympathicus. U iwillkührliche Bewegungen. 717
fern das Erljreclien von Reizen im Darmkanal erregt wird. Die-
selbe Entstellung liaben alle krampfhaften Zufälle, welche ihre
Ursache in iirlliclien Fehlern der OrMiie des Unterleibes ha-
ken. Es lässt sich aber auch diese Reflexion durch einen Ver-
such erweisen. Ich habe nämlich heim Kaninchen schon mehr-
nials heobachtet, dass man durch Zerrung des mit der Pincette
aufgehohenen N. splanchnicus niil der Nadel, rcllectirtc Zuckun-
gen der Bauchmuskeln derselben Seite bewirken kann. Ein
Versuch, dei’ mir wiederholt heim Kaninchen, nicht aber heim
Hunde gelang.
XIH. Die lif’ßexion con Eriipßndiingseiitdriicken in den vom N.
sympathicus versehenen Theilen auf Pdiekenniark und Gehirn, und
von dort auj die mot arische Thiitigkeit des iV, sympathicus, findet
auch statt , allein in einem geringeren Grade , als hei den Ce—
rchrospinalnerven. Ein Beispiel davon ist der Harndrang, die
Nothwendigkcil, öfter Harn zu lassen, oder die Zusammenziehun-
gen der Harnblase von scharfen Eigenschaften des Harns; denn
j liier wirkt die Schärfe nicht auf die Muskelfasern der llarnhlasc,
sondern zunächst nur auf die Empliiidungsncrvcii der Schleim-
I baut. Es gehört ferner bicher die Veränderung der "VVcite der
I*iipille Lei verscliiedenen K.riink.licIlsziist.i\ncloii des Darnikunuls^
* die Veränderung des Herzsclilagcs hei Krankheiten der Untcr-
leibsorgane, das Erbrechen hei Kranklieilcn der Lehcr, der Nie-
ren, des Uterus etc. ]Man hat alle diese Phänomene auch aus
einer sympathischen "Wirkung des W. sympatliicus selbst, ohne
Antheil des Gehirns und Rückenmarks erklärt; da jedoch alle
ähnlichen Erscheinungen an dem Gerehrospiiial-Nervensystem zur
Vermittelung der sensoriellen und reflcclirten motorischen Wir-
kung die Centralorganc, Gehirn und Rückenmark, notliig haben,
I so ist es vor der "Hand wahrselieinlicher, dass das Gehirn und
Rückenmark auch bei den Rcncxionserscheinungcn in den vom
N. sympathicus versehenen Theilen die Vermittelung zwischen
der sensoriellen-centripctalen und motorischen-centrifugalen Wir-
kung bilden. Vergleicht man die Reflexionserscheimingen in den
Cerebrosplnalnervcn mit denen, bei welchen die ursjirüngliche
Und redectirte Erregung in den vom N. sympathicus versehenen
Theilen staltfindet, so zeigt sich, dass sie in den ersteren viel leb-
bafter und leichter emtreten, als in den letzteren. Denn wie
bäullg, schnell und leicht sind diese Erscheinungen heim Huslcn,
Riesen, Erbrechen u. s. w., Avie gross die Zahl der hiehei’ gehöri-
gen, im 3. Capitel erläuterten Erscheinungen gegen die Rellöxi-
ouserscheinungen im N. sympathicus. Auch der Umstand, dass
Harmentzündungen nicht so leicht und stark, als Entzündungen
underer mit CcrebrospinalnerA’Cn A crsehcner Theile den 3 u
•f- h. Herzschlag verändeim, scheint dafür zu sprechen, dass f. le
Reflexion vom sympathischen Nerven zum Rückenmark, lun
der zum symipathischen Nerven scliAvercr ist, als die ä in ic le
b-eflexion beim Cerebrospinal - Nervensystem, oder die cis crc
Tbatsache wird durch die letztere erläutert. Versuche über die-
sen Gegenstand lassen sich schwer anstellen, und diejenigen, wel-
®be ich angestellt habe, zeigen wenigstens keine besondere Nci-
718 III.Euch. Nervenphfsik. III.Ahschn. Mechanik d.Nervenprincips.
gang der vom N. sympatlilcus verselienen Tlieile zur sensonell
motorisciien Reflexion im N. sympathicus seihst. Ich legte en
Darmkanjil eines lebenden Kaninchen bloss, und erregte, indem
icli um eine Stelle des Dünndarms eine feste Ligatur anlegte,
eine heftige sensorielle Erregung, worauf ich den Darm wieder
in die Unterleibshöhle zurückbrachte. Ich wollte nun sehen, o J
diess Ursache würde, dass durch Reflexion vom Rückenmar
nach der Umgegend jener Stelle hin, eine enge Zusammenziehnng
des Darms zu beiden Seiten der Ligatur bis in einige Entfernung
hin erfolge. Diess geschah aber nicht, auch nicht, als ich die-
sen Versuch wiederliolte.
XIV. Auch die Reflexion oon Wirkungen, die von den Lcre-
brospinalne.rven ausgehen , auf das Rückenmark verpflanzt , von dort
auf das syrnpafhisehe Nervensfst cm reflectirt werden , ^ ist eine ziem-
lich hütifige Erscheinung. Als Beispiele solcher Wirkungen kann
man liier anfüliren, die bei heftigen wollüstigen oder schmerz-
haften Empfindungen der Haut entstehende Veränderung des
Herzschlages; die Bewegung der Iris von Empfindungseindrücken
durch den Sehnerven, Gehörnerven, N. trigerninus, wovon das
Nähere p. 700. angeführt worden; die Zusammenziebung der Sa-
menbiftseben von Reizung der Getühlsncrven der Ruthe.
XV. Es cntslehl mm die Frage: Oh in dem X. sympathicus,
vermöge der Ganglien, nicht auch unabhängig vom Gehirn und Rücken-
mark ReflexioJiserschcinungcn möglich sind. Diese interessante
Frage lasst sich jetzt noch nicht bestimmt beantworten. Wäre
diese Art von Reflexion möglich, so würden die sympathischen
Nerven von den Cerebrospinahierven eine merkwürdige Ausnahme
machen, und durch die gangliöse Natur jener Nerven wäre
leicht eine Wechselwirkung der sensoriellen und motorischen Fa-
sern möglich, die bei den Cerebrospinnlnerven ohne \ermit-
telung des Gehirns und Rückenmarks niemals stattfindet. Bet
den von Cerebrospinalnerven versehenen Muskeln eines vom Rumpfe
getrennten Gliedes, zuckt von dem gereizten Muskel jedesmal nur
der eben gereizte Theil desselben, und nicht der ganze Mus-
kel und nicht eine Muskelfaser in ihrer ganzen Länge. Die
Frage ist also die, ob man z. B. an einem, mit dem Mesen-
terium und den gangliösen Plexus ausgeschnittenen Darmkana
eines lebenden Thieres durch Reizung einer einzelnen Stell®
Zusammenziehungen in einigem Umfange, Zusammenziebung ei-
nes ganzen Darmstückes hervorbringen kann. Diess ist aber
nicht möglich. Jedesmal zieht sich nur der gereizte Thed
des Darms zusammen; ja es verbreitet sich eine, durch Quet-
schung mit der Pincette an einem Punkte des Darms angebracht®
Reizung, nicht einmal cirkelförmig, wie ein Ring um^ das ganz®
Rohr, sondern cs entsteht eine ganz beschränkte Einziehung d®*"
Darrawaiid an jenem Punkte, während die entgegengesetzte ^tel ®
der Darmwand ganz platt und ruhig bleibt. Diess habe i®
nicht allein am Darmkanal wiederholt gesehen, sondern auch aiP
Uterus eines trächtigen Kaninchens in gleicher Art beobachte •
Jedesmal entstand an der gereizten Stelle des Uterus eine klein
Kiirte Zus.ammenziehung der nächsten Muskelfasern gegen den eineü
5. Mechanik des N, sympalhicus. Unwillkuhrliche Bewegungen. 719
Punkt liin, aber der ganze übrige Uterns blieb rubig. Also scheint
un den meisten, dem N. sympathiens unterworfenen Tbeilen eine
vom N. sympatbicus selbst und allein abbängige Reflexion nicht
uiöglicb. Man ist selbst nicht einmal im Stande, jene reflectirten
Zusammenzieljungen des Darms von einer gereizten Stelle dessel-
ben aus bei einem Tliiere bervorzubringen , dessen Darm noch
ln unversehrter Verbindung mit dem Rumpfe, und also mit dem
Rückenmark durch den N. sympathiens stellt, und eben so ist
es mit dem Uterus der Thiere. Aber an dem abgesebnit-
tenen Herzen scheint es wirklich , als wenn die Reizung ei-
ner einzigen Stelle sich auf das ganze Herz verbreiten könnte.
Wenn man das Herz eines Fi'osches ausschneidet und auf
dem Tische so lange liegen lässt, bis sich die Häufigkeit der
Schläge sehr vermindert bat, und nur von Zeit zu Zeit eine Zu-
samraenziehung eintritt, ist der Zeitpunkt gekommen, wo man
Untersuchungen über die Reizbarkeit des Herzens anstellen kann.
Reizt man dann das Herz mechanisch mit einer Nadel, so erregt
man eine Zusammenziehung, die man nun nicht mehr mit den
*um geAVÖlinlichcn Rhythmus gehörenden Zusamraenziehungen
Verwechselt. Es ist nun sehr merkwürdig, dass, wo man auch
den mechanischen Reiz auf das Herz anbringe, dieReaction doch
immer so ist, als ob man das ganze Herz gereizt hätte. Es er-
folgt nändich nicht eine Zuckung der gereizten Stelle des Her-
zens, sondern des ganzen Herzens. Es scheint also für gewiss
daraus bervoi’zugeben , dass sich im Herzen die örtliche Verände-
rung der Reizbarkeit durch den Reiz mit dem Zustande der
Reizbarkeit des ganzen Herzens ins Gleichgewiclit setzt, so dass
man von jedem Punkte des Herzens gleichsam die Statik in derVer-
tbeiliing der Kräfte des Herzens verändern kann. Da nun eine
Solche A^usgleichung nicht von den Muskelfasern seihst abhängen kann,
so haben wir an dem Herzen allerdings den höchst merkwürdi-
gen Fall eines dem N. sympathiens unterworfenen Organes, wo
eine an demselben angebrachte Reizung, ohne Mitwirkung der Cen-
h’alorgane des Nervensystems sich verbreitet (Irradiation), und
'ivieder auf das Ganze motorisch zurückwirkt. Diess setzt aber
eine Communicatlon der Nervenfasern im ganzen Herzen voraus.
Riese Verbindung der Fasern und die Communicatlon der Rei-
bung muss selbst in der feinsten peripherischen Nerven Verbrei-
tung in dem Muskellleisch des Herzens liegen; und das Phäno-
Uien kann nicht durch Wirkung des Empfindungseindruckes auf
liie Stämme der Herznerven, und reflectirende Rückwirkung aut
das ganze Herz erklärt werden. Denn wenn man die Stämme
der Hertsnerven mit sammt den Vorliöfen ganz von dem Frosch-
herzen abschneidet, so dass bloss die Kammer übrig bleibt, so
dauert das oben beschriebene Phänomen dennoch fort. Diess
*st ein ganz ausserordentlich merkwürdiges Verliältniss. Die ein-
*®lnen Tlieile eines Muskels hängen sonst ln ihrer Gesammtwirkung
*uir von ihrem Nervenstamm, die einzelnen Theile des Nerven-
starnmes von dem Gehirn und Rückenmark ab; in diesem haben
^de von den einzelnen Nervenfasern abhängigen Theilchen eines
Muskels ihre Einheit. Bei dem Herzen ist alles anders; alle
720 III. Buch. Neri’cnphf.iik. III. Ahschn. Mechanik d. JSeroenprincips.
Muskelfasern sind liier durcli die Wecliselwirkung der Nerven-
fasern selbst in Consens. Diess Organ zeigt uns das einzige Bei-
spiel einer Wiederholung jenes Gesetzes, was von dem ganzen
Organismus gilt, in sich selbst als einem kleinen abgesonderten
organischen System, nämlieb des Gesetzes, dass im Organismus,
durch die Verbindung aller Tbeile vermöge der Centralorgane,
ein Thcil alle bestimmen kann. Denn so kann die Veränderung
eines Tlieiles des Herzens alle liestiriimcn.
XVI. J£s ist noch ganz unbekannt, ob der N. sympathicus sym-
pathische Betvegungen non der Beizung eines Organes aus in einem
andern hervorrufen kann; weil sieb närxilich alle bieher gehörigen
Ersebeinungen auch durch die Vcrniiltclung des Gehirns und
Bückenmarkes , oder durch das im S. Capitel erläuterte Phäno-
men der Rellexioii erklären lassen.
XVII. Es ist nicht ernoiesen, und mehrere Beobachtungen spre-
chen dagegen, dass die Ganglien als Isolatoren im Stande sind, den
vom Gehirn und Rückenmark ausgehenden motorischen Einfluss zU
hemmen; aber es ist wahrschcinlirh, dass sie es sind, (vodurch be-
wirkt wird, dass hei diesem motorischen Einfluss nur der Modus, der
Zustand der Bewegung verändert wird; ein Einfluss, der indess nicht
bloss den Ganglien, sondern allen sympathischen Xeroen zukbmmt.
Ich bemerke, dass hier uiebt von willkiibi'lichcni, sondern von
motorischem Einfluss im Ällgeme.incu die Rede ist. Jeder weiss,
wie leicht und schnell eine Veränderung in den Centralorgancn
des Nervensystems auf das ganze sympathische System wirkt, wie
schnell eine leidenschaftliche Aufregung den Schlag des Herzens
umändert, Bewegungen des Darmkanals mit Kollern hcrvorrult;
wie ein iN'ervcnanläÜ, bei dem die Centralorgane des Nervensy-
stems afficirt waren, mit Rollern im Darmkanal endigt. Wir
werden später sehen, dass die Ganglien auch keine Isolatoren
für retrograde oder centripetalo Wirkungen im N. sympathicus
sind; indem ich durch Zerrung des N. splanchnicus beim Kaninchen
in demselben Moment eine reüectirte Zuckung an den Bauchmuskeln
derselben Seite bewirkte; was beweist, dass die Reizung des N-
splanchnicus in den Ganglien des N. intercoslalis oder des Grenz-*
Stranges kein Hinderniss fand, um nach dem Rückenmark zu gC'
langen. Nur diess zeigt sich überall, dass der motorische Ein'
fluss der Centralorgane des Nervensystems auf den sympathischen
Nerven wirkend, nicht jene schnellen, der Dauer des Reizes ent-
sprechenden Zuckungen hervorbringen kann, wie bei den Wir'
kungen auf die Cerebrospinalnerven, sondern, dass durch den
motorischen Einfluss des Gehirns und Rückenmarkes mehr nui’
der Zustand, der Modus einer anhaltenden Reihe von Bewegun-
gen verändert wird. Indessen besitzen doch nicht bloss die Gan-
glien, sondern der ganze N. sympathicus, auch die feineren NeV'
venzweige desselben die Fähigkeit, schnelle Einwirkungen aul
die dem N. sympathicus unterworfenen Tbeile so zu modificiren,
dass nicht Zuckungen, sondern länger dauernde Veränderungen
des Modus der Bewegung eintreten, wie oben bewiesen w'orden-
Denn an dem abgeschnittenen ermatteten Herzen kann man durc i
einen momentanen Reiz auf eine geraume Zeit die Art des Herz-
5. Mechanik des N. syrnpathicus. UnwillkührUche Bewegungen. 721
Schlages verändern, ur.d der abgeschnittene Darm zieht sich auf
angebrachten Reiz viel länger, als dieser dauert, zusammen, und
erreicht den höchsten Grad der Conlraction erst lange nachdem
ein momentan -wirkender Reiz aufgehört hat.
XVIII. Es ist noch nicht entschieden, dass die Hemmung des IVil-
Icnscinjlusscs auf die vom N, syrnpathicus versehenen Theile, von der
Eaiur der Ganglien abhängt. Dieser Satz bedarf keines -weitern
Beweises, da uns keine hinreichenden Gründe für die erste
Ansicht bekannt sind. Ich muss jedoch bemerken, dass es im
Allgemeinen viel -\vahrscheinlicher ist, dass die Ganglien nicht
die Ursache der Isolation des Willcnseinflusses sind. Denn da
sie, Avie vorher bewiesen wurde, den motorischen Einfluss auf
das sympathische System nicht isoliren, sondern das ganze sym-
pathische System (nicht bloss die Ganglien) diesen Einfluss all-
mähliger und dauernder wirkend macht, so könnte ein vom
Willen ausgehender motorischer Einfluss der Centralorgane auf
den N. syrnpathicus so gut, wie aller motorischer Einfluss kein
absolutes Hinderniss in den Ganglien des N. syrnpathicus finden.
Es scheint daher, dass die Unfähigkeit zu Avillkülirlichen Bewe-
gungen in allen vom N. syrnpathicus versehenen Theilen nicht
von dem N. syrnpathicus und den Ganglien abhängt, sondern da-
durch bedingt ist, dass die Fasern des N. syrnpathicus im Rücken-
mark und Gehirn nicht, Avie die Fasern anderer Nerven, bis zu
der Quelle des W'illenseinflusses gelangen. Die dem W. sympti-
thicus unterAvorfenen Theile gleichen daher in Hinsicht des Man-
gels der Whllensbestiinmung einigermassen den für den Willen
gelähmten, willkührlich beweglichen Theilen. Hier kann die
Eeitung des durch den Willen bewirkten motorischen Stromes
Zu dem Nerven an einer Stelle im Laufe des Rückenmarkes ge-
hemmt seyn, gleichwohl bleiht dieser Nerve noch für unwillkiihr-
liche motorische Einflüsse von dem unter der Verletzung liegen-
den Theile des Rückenmarkes empfänglich. Man vci’gleiche über
diesen Gegenstand Rob. Whatt on the vital and others involuntary
^otions of animats. Edinh. 1751.
XIX. In gewissen, von dem N. syrnpathicus und den Spinalner-
ven zugleich abhängigen Theilen scheint ein willkiihrlichcr Einfluss erst
’tach einer lange dauernden centripeialcn oder sensoriellen Einwirkung
«tattzufinden. ' So ist es mit der Harnblase ; diess ist ein in Hinsicht
Seines Verhältnisses zum Gehirn und Rückenmark noch sehr
riithselhaftes Organ. Es ist von rein sympathischen Zweigen des
Plexus hypogastricus und von nicht sympathischen Nerven, näm-
lich ZAveigen der .Sacralneiwen versehen. Es scheint in der Regel
*1610 Einfluss des W^illens ganz entzogen zu seyn; und doch scheint
®Sj als Avenn wir zuAveilen durch eine blosse intendirte Zusamrnen-
*lehung der Harnblase, ohne die Mitwirkung des Zw’ci'chfelles
^ind der Bauchmuskeln, den Harn austreiben können. Es scheint
sage ich, denn gCAviss ist es nicht. Auch E. H. Webe» {/Ina-
^ornie .3. p. 354) nimmt einigen Einfluss des Willens auf die Urin-
J^lase an. W^enn diess nun so sich verhält, so tritt jene Fähig-
^it doch erst nach einer langen Ansammlung des Urins in der
Harnblase ein; also nachdem diese Flüssigkeit einen dauernden
722 III. Buch. Neroenphysik. III. Ahschn. Mechanik d. ISieroenprincips.
Empfindungseindrack auf die Empfindungsnerven der Blase, und
so auf das Rückenmark gemaclit hat. '
XX. Manche dem N. sympatidcux unierivorfenen Theile sind za'ur j
nur umviUkiihrlich heweplirh, perathen aber in Mitbewegung (/i. 662.), j
wenn wiUkiihrlich bewegliche Theile bewegl werden, so da.is von dem \
wiUkiihrlir.h molorischen Einfluss etwas auf sie gegen den IVillen über- j
springt, gerade .90, wie wenn dem Willen unterworfene Theile gegen
unserri Willen mit andern, mit bewegt werden. Ein Beispiel dieser j
Art liefert die Iris. Von diesem Tlieil ist es schwer zu sagen, i
oh er wirklieh zu den von dem N. - sympathicus oder von den
Cerehralnerven ahhängigen Theilen gehöre. Seine Bewegung ist
unwillkührlieh, gleicht aber doch den Bewegungen mehrerer
schwachen willkü'hrlichen Muskeln, die in der Regel allein nicht
willkührlicli bewegt werden können, wohl aber dureh Mitbeive-
gung mit anderen Avillkührlichen Muskeln sieh zusammenziehen
können, wie die Ohrmuskeln bei mehreren Menschen, wie bei
mir, mit dem Muse, epicranins bewegt werden können, und man-
che Menschen den sonst dem Willen entzogenen Cremaster mit
Anziehung der Batichmuskcln liewegen können. Da indess die
kurze motorische Wurzel des Ganglion ciliare (a N. oculomoto-
rio) ihre Faden durch dieses Ganglion, das mit dem N. sympa-
thicus zusammenhängt, durchgehen lasst, so ist es wahrschein li'
eher, dass die Iris zu den eigentlich unwillkübrlichen , vom N-
sympathicus abhängigen Theilen gehört. Nun ist es äusserst
merkwürdig, dass man die Iris willkührlicli milbewegen kann,
wenn man gewisse Aeste des N. oculomotorius willkührlicli m
Thätigkcit setzt, wue z. B. jedesmal, wenn man das Auge nach
innen oder nach ohen und innen dreht; denn dann wird die
Iris bei allen Menschen zusammengezogen oder die Pupille enge.
Man hat also hier das merkwürdige Beispiel, dass mit der wiU-
kührlichcn Intention in einem Cerebrospinalnerven zugleich schein-
bar willkührlicli etivas auf einen dem N. sympathicus unterwor-
fenen, sonst unw’illkührlichen Theil üherspringt. Vielleicht ge-
hört cs auch biehcr, dass man bei einem grossen Bedürfniss zui»
Harnlassen durch Thätigkeit der Muskeln der unteren Extremi-
täten beim Geben oder Laufen den Harn länger zurückbehaltcn,
also die Thätigkeit des Musculus sphincter vesicae verstärke» .
kann. Endlich scheint ein solches Üebergehen des Nervenei»' |
Busses selbst auf das Herz bei starken Muskelanstrengungen statt-
zulindcn.
Das merkwürdige Phänomen der beschleunigten Herzbew»-
gung bei willkührlichen Anstrengungen bat noch gar keine hin-
reichende Erklärung gefunden. Man bat gesagt, bei Anstrengun
gen ivird eine grössere Menge arteriellen Blutes gebraucht, deS'
wegen muss das Herz das Blut schneller durch die Lungen trei-
ben; aber aus einem grössern Athembedürfniss folgt deswege»
nicht, dass das Herz diesem Zwecke gemäss bewegt werde, hlujl
bat jenes Phänomen ferner aus der Störung des Blutlaufcs
die Lungen und durch das Herz, vermöge der Hemmungen de
Kreislaufes erklärt; indessen tritt die beschleunigte Herzbewegui^
auch bei Anstrengungen der blossen unteren Extremitäten, bei
5. Mechanik des N. sfmpatiticus. Sensorielle Wirkungen. 723
Bergsteigen, Laufen, ein. In diesem Falle sieht man nicht ein,
wie der Lauf des Blutes durch die Lungen und das Herz ver-
hindert sevn sollte. Denn wenn auch wegen der beständigen
Zusammenziehungen der Muskeln der unteren Extremitäten der
Lauf des Blutes durch die unteren Extremitäten gehemmt wird.
So wird er deswegen nicht in den Lungen und dem Herzen ge-
hemmt; sondern das Blut, welches nun nicht die kleinen Gefässe
der unteren Extremitäten durchgehen kann, kömmt auch nicht
zum Herzen zurück, und wird sich also nicht in den Lungen
Und im Herzen anhnnfen. Der Erfolg muss vielmehr derselbe
seyn, wie wenn man sich in aller Buhe um beide Oberschenkel ein
Tourniquel legt und die Blulbewegung in den unteren Extremi-
täten hemmt, worauf keine beschleunigte Herzbewegung eintritt.
Es wäre daher wohl möglich, dass diese so gewöhnliche be-
schleunigte Herzbewegung bei Anstrengungen, die bei nerven-
schwachen Menschen so stark wird, eine zwar unmerkliclie,
aber zuletzt immer stärker hervortretendc Mitbewegung wäre,
ein Ueberspringen des Nervenprincips von dem in so grosser
Kraftanstrengung begriffenen Kückenrnark auf die sympathi-
schen Nerven, gleichwie die Iris sich unwillkührlich bei willkühr-
licher Anstrengung des N. oculomotorius mitbewegt. Da diese
Erklärung indess nicht direct als richtig erwiesen werden kann.
Und nur an ein analoges wirkliches Factum sich anschliesst, so
kann sie vor der Hand nur als eine Andeutung für fernere Un-
tersuchungen in diesem dunkeln Felde liingesteüt werden.
2. Von den sensoriellen Wirkungen des N. sympa thicus.
I. Die Empfindungen in den vom N. sympaihicus versehenen
Theilen sind schwach, undeutlich und nicht umschrieben, und nur bei
heftigen Reizungen deutlicher und bestimmter. Die hieher gehöri-
gen Thatsachen sind schon oben p. 646. angeführt worden. Viel-
leicht hat daran eine Communication der Primitivfasern Antheil.
Durch stärkere wiederholte Beizung wurde in Brachet’s Versuchen
die Empfindung in den Ganglien, die anfangs fehlte, deutlicher.
II. üb in diesen Theilen die Irradiation der Empfindungen über
die von dem Reh afficirten Stellen hinaus ein gewöhnliches PhiinoJ
ujen sey , und das Vage der Empfindungen von der Irradiation ab-
biinge, ist imbekannt; es ist nicht, erwiesen, ob ein Empfindungs-
Eindruck in dem Nervus sympathicus selbst sich weiter aus-
hreiten kann, ob die Irradiation der Empfindungen von der Corn-
^'^unication der Primitivfasern des N. sympathicus und den Gan-
glien abhängt, oder ob, wenn eine leichte Irradiation in den
''Om N. sympathicus versehenen Theilen stattfindet, diese auf die-
selbe' Art, w'ie in den Cerebrospinalnerven geschieht. Siehe oben
P- 6S0. Da die Communication der Primitivfasern in dem N.
^yuipathicus viel wahrscheinlicher als in den Cerebrospinalnerven
'st> so ist auch die Wahrscheinlichkeit dafür, dass Empfindungs-
'■eizungen sich schon durch die Communication der Primitivfa-
®ern verbreiten, und dass, wenn eine gereizte Stelle durch Gom-
'"ünication der Primitivfasern an mehreren Punkten auf das
724 III.Buch. Neroenphystk. III.Abschn. Mechanik d.Nervenprincips.
Rückenmark wirken kann, auch dadurch die Unhestlinmtheit,
Verwechselung und Vervielfachung der Emplindungen erleichtert
27/. Die im JV. sympathicus staUfindenden Empfmdtingseindriicke
sind hiitifig unJjeivussi , und kommen gleiriuvohl zum Bürkenmark.
Eine centripetale Wirkung eines Empfindnngsnerven, zum Ruk-
keninark gelangend, kann bewusst oder unhcAvusst seyn; nn er-
sten Fall muss sie mit LebhaRigkeit bis zum Organe der Seele
fortgepflanzt werden; im zweiten Fall bleibt die V irkung au
das Rückenmark isolirt, sie wird nicht empfunden, kann sieb
aber durch andere Zeichen als bis zum Rückenmark gelangt er-
weisen, z. B. durch rcflectirte BcAvegungcn. Ein Thed vom Rum-
pfe eines gefleckten Erdsalamanders ohne Kopf zeigt uns ein
Beispiel von centripetaler Empfindungserregung, ohne wirkliche
Empfindung; denn wenn wir die Haut dieses Rumpfstückes be-
rühren, erfolgt eine Krümmung des Stückes durch Zusammenzic-
hung der Muskeln, die durch eine Reflexion vom Rückenmarke
entsteht, und nicht entstehen kann, wenn in dem Rumpfstücke
kein Rückenmark enthalten ist. Solche Erscheinungen von cen-
tripetalen Wirkungen in Empfindungsfasern bis zum Rückenmark
ohne walire Empfindung ^ aber mit Reflexion der Wirkung auf
die Muskeln sind nun auch in dem gesunden Leben häufig, und
gerade im N. sympathicus die gewöhnlichen. Man kann deutlich
beweisen, dass solche nicht bewusste Empfinduiigswirkungen im
N. sympathicus dennoch zum Rückenmark gelangen. Durch je-
den ‘ Reiz im Mastdarm kann die Bewegung _ des .Sphincler aiU
verstärkt seyn, durch unempfundene Reize im 31agen entsteht
gleichwohl die beim Erbrechen stattfiiulende Mitaffection der
Athemmuskeln. Diese Action der von Cerehrospinalnervcii ver-
sehenen Athemmuskeln kann im Erbrechen durch einen un-
bewussten Empfindungsreiz in jedem Organe des Unterleibes,
durch den Darmkanar, Leber, Nieren, Uterus angeregt werden-
Hier liegt der Ausgang der Wirkung im N. sympathicus. Die
Reflexion geschieht motorisch nach Cerebrospinalnerven, nicht
nach dem W. sympathicus. Und nun lässt sich wieder beweisen,
dass das Bindeglied zwischen der centripetalen Wirkung des N-
sympathicus und der motorischen in den Cerebrospinalnerven
wirklich das Rückenmark, und nicht der N. sympathicus durch
seine Nervenverhindungen ist. Denn der N. sympathicus verbin-
det sich zwar mit allen Sjiinalnerven, die beim Erbrechen tliätig
seyn können, aber diese Verbindung ist ein einfaches Anschlies-
sen der Fasern des Ramus communicans nervi sympathici an dm
beiden Wurzeln des Spinalnerven; da nun die motorische Wur-
zel des Spinalnerven nicht einmal ein Ganglion hat, so fVdlt hm*'
auch die Erklärung weg, dass die Wirkung des N. sympathicus
vom Ramus communicans sich hier in einer gangliösen Masse ver-
theilen und alle durchgehenden Fasern der motorischen Wurz®
mit alUciren könne. Die centripetale Wirkung im N. sympathicus^
welche unbewusst und unempfunden eine rcflectirte motorisci
in einem Cerebrospinalnerven hervorbringt, wirkt also olfenba
5. Mechanik des N. s)-mpathicus. Sensorielle Wirkungen. 725
auf diese Nerven nicht durch sympathische Verbindungen, son-
dern durch das Bindeglied des Itiickeninarks.
IV. Bei den Rcßexionsbcwcgungen , die \>on Empfindungsein-
driickcn des N. srmpalhictis angeregt werden, ist der Empfindungs-
eindruck in der Regel iinhewusst , während er hei den Reflexionsbe-
'^egungen, die durch Empfinduugseindriieke der Cerehrospinalnen^en
angeregt werden, immer bewusst ist. In dem vorhergehenden Satze
ist bewiesen worden, dass die von Empfindungseindrücken im N.
sympathicus angeregten Reflexionshewegungen durch das Rücken-
mark als Bindeglied der centripetalcn und centrifu gal -motorischen
Wirkung bewirkt sind. Vergleichen wir nun das ganz verschie-
dene Verhalten, wenn die erste Ursache zur Reflexion in einem
Uheil des N. sympathicus oder in einem Cerehrospinalnerven
liegt. Liegt die Ursache im N. sympathicus^ so wird sie in der
Regel nicht empfunden; obgleich ihre Wirkung zum Rückenmark
gelangt, zeigt sie sich doch nur in der motorischen Reflexion
Vom Rückenmark. So ist es wenigstens in der Mehrzahl der
halle. Bei den von dem Magen, Darmkanal, Nieren, Leber, Ute-
rus erregten Erhrechungshewegungen der Rumpfathcrnmuskeln,
wird die Ursache im Magen, Darm, Nieren, Uterus, Leber sehr
häufig hnd in der Regel nicht empfunden; d. h. die nach dem
Rückenmark und Gehirn gelangende centripetale Erregung kömmt
nicht zum Bewusstseyu. Bei allen Rellexionshcwegungen von Ge-
rehrospinalnerven aus wird dagegen die erregende Reizung deut-
lich empfunden. Auf eine Reizung der Sclileinihaut des Kehl-
kopfes, der Luftröhre, der Lungen entsteht durch Reflexion eine
Action in vielen Spinalnerven bei den das Husten beglei-
tenden Bewegungen der Rumpfmuskeln; aber jener Reiz in der
Schleimhaut bringt eine deutliche Empfindung hervor. Bei dem
Erbrechen von Kitzel im Schlunde wird dieser (leutlich empfunden.
Rei den kram])fhaften Athcmbcwegungcn mit Action der Spinal-
herven im Niesen wird die erste Ursache der Reflexion in der
Rase deutlich empfunden. Bei der Verengerung der Iris von LichL-
veiz wird das Licht als Licht deutlich empfunden; eben so bei
tlem Niesen, welches durch Lichtreiz auf das Auge entsteht.
V. Die Ganglien des N. sympathicus hemmen nicht die Fortlei-
^Ung der cenlripetalen Wirkungen des ]Si. sympathicus zum Rücken-
mark; sie sind keine Isolatoren für diese Wirkungen. Diess ergiebt
sich aus den Thatsachen, welche in den vorherigen Sätzen an-
gerührt worden sind; denn wenn, wie gezeigt wurde, bei den
Reflexionen, wie beim Erbrechen von Reizen im N. sympathicus,
eine Fortlcilung zum Rückenmark, obgleich ohne Bewusstseyu,
§eschieht, so können die Ganglien nicht Isolatoren für diese Fort-
leitung seyn. Es lässt sich dieser Satz aber auch direct aus dem
®chon öfter angeführten Versuch beweisen, dass es mir mehrmal
gelungen ist, bei einem Kaninchen, dem die Bauchwandungen ganz
durchschnitten waren, durch Zerrung des N. .splanchnicus mit
dur Nadel eine in demselben Augenblicke erfolgende Zuckung
der Bauchmuskeln hei’vorzubringen, W'as wiederholt bei Ranin-
ulien, nicht aber bei einem Hunde gelang. Daraus geht hervor,
duss die am Grenzstrange des N. sympathicus befindlichen Knoten,
726 III. Buch, Neruenpkfsik. III. Abschn. Mechanik d, Neruenprincips.
von welchen der N. splanchnlcus entspringt, keine Isolatoren für
centripetale "WirkTingen im N. syrnpatliicus nach dem Rücken-
mark seyn können.
VI. Ans den vorher angeführten Thatsachen geht aher aucn
hervor, dass die Ganglien nicht die Ursache der Beu’usstlosigked
der Reizungen in dem i\. sympatldcus seyn können. Nach BraciiE”^
soll zwar die Empfindung in den Ganglia thoracica und ihren
Verhiiulungsfaden scliw'ach seyn oder fehlen, dagegen in den
Rami commiinicantes der Ganglia mit den Spinalnerven deutlich
seyn, und die Verletzung deutliche Schmerzensemplindung hervor-
hringen; diess lässt sich aber vor der Hand mit den vorher zer-
gliederten Thatsachen nicht gut vereinigen. Denn es wurde un-
ter III. und V. bewiesen, dass die Reizungen des N. sympathi-
cus eben so wüe die der Cerebrospinalnerven, aber unbewusst,
zum Rückenmark verpflanzt werden. Sollten daher die Ganglien
bloss die Qualität, den Inhalt des Eindrucks hei einer centripeta-
len Leitung verändern, dass die ^Vil’kung zwar fortgeleitet wird,
aher das Qualitative des Schmerzes daran autgelioben wird-
Diese Fragen w’crden so abslract, dass man darauf nicht antwor-
ten kann. Auf das llewusstwerden selbst können die Ganglien
nicht iullulren. In den Ganglien sel)>st kann die Ursache nicht
liegen, dass bei den cenlripetalcn Wirkungen im N. sympathicuS
durch die Ganglien hindurch das Bewnsstseyn ausfällt; indein
das Bewusste an einer Ernpfiiulungswirkung erst dadurch ent-
steht, dass diese Emplindungswirknng zum Organe der Seele ge-
langt. Es muss daher die Ursache, dass die Empfindungswir-
kungen des N. syinpathicus, obgleich sie zum Rückenmark ge-
langen, doch nicht zum Bewnsstseyn kommen, nicht in den Gan-
glien, sondern darin liegen, dass diese Wirkungen im Rücken-
mark selbst sich ausgleichen, und nicht bis zu der Quelle de*
Bewusstwerdens der Empfindungen fortgepflanzt werden. Be*
den Cerebrospinaliierven gelangen die Empfindlingswirkungen in*-
mer zur Quelle des Bewusstwerdens im Gehirn; wenn sie zu-
weilen nicht empfunden werden, so liegt die Ursache dari<*>
dass die Seele ihre Intention auf anderes gerichtet hat.
VII. In manchen Füllen erregen he.ßige Reizungen in den i>of^
N. sympatldcus versehenen Theilen, Empfindungen in diesen Thef'
len selbst; in anderen Füllen sind die Empfindungen von scluv“'
cheren Reizen in den afficirten Theilen undeutlich, und deutliche Et”'
pfindungen in anderen , von Cerebrospinalnerven versehenen TheiM^
vorhanden. Beispiele der ersten Art zeigen uns die Entzündung®^
des Darmkanals, der Leber, Beispiele der zweiten Art die lebhat-
ten juckenden Empfindungen, welche in Krankheiten des Dariu-
kanals, wie in der Wurmsucht, an der Nase und am After, *1
chronischen Krankheiten der Nieren und Blase an der Eid*®^
beobachtet worden sind, während der Sitz der Reizung oft g®*
nicht durch deutliche Empfindungen an dem Orte selbst sich kunu-
giebt. Es gehören eben so bieher die Schmerzen, die man bei Hei'*'
krankheiten zuweilen in den oberen Extremitäten, bei Leberkrank-
heiten in der Schulter beobachtet hat. Diess sind Irradiationen, gaO
ähnlich den früher p. 680. bei der Irradiation der Cerebrospina
6. Mechanik ^es Jf, sympatläcus. Sensorieüß Wirkungen. 727
nerven anfgefülirten ErscKeinnngen. Es ist hier ungewiss, oh
die Irradiation im N. sympatliicus selbst bis zu Cerebrospinal-
nerven sieb fortpflanzt, oder ob die Irradiation erst durch die Ver-
breitung der Eindrücke in dem Ilückenmark und Reflexion entsteht.
VIII. Biese secundären Empfindungen in Cerebrospinalnerven,
nach Reizungen des N. sympatliicus zeigen sich besonders an den
Endtheilen der afficirten Apparate; so entsteht Jucken in der Nase
bei Wurmreiien im Darmkanal, Afierjucken bei Wurmreizen im
Dickdarm, Jucken und Schmerzen der Eichel bei Krankheiten der
Nieren und Harna>ege. Man erklärt diese secundären Empfindun-
gen in Cerebrospinalnerven gewöhnlich durch die Verbindungen
des N. sympathicus mit Cercbrospinalnerven , und' rechnet vor-
zugsweise auf die Ganglien der Empfindungswurzeln der Spinal-
nerven, durch welche die Primitivfasern der Wurzeln des N.
sympathicus eben so gut, wie der Cercbrospinalnerven, durchge-
hen. Diese Erklärung lässt sich weder bestimmt erweisen, noch
bestimmt widerlegen ; doch verliert sie einigermassen an Wahr-
scheinlichkeit, wenn man bedenkt, dass, diese Ganglien der Em-
pfindungsnerven schon nicht die Miteiu'pfindnngen der Cerebro-
splnalnerven erklären können, indem oft Nerven in einander
Mitempfindnng erregen, die in keiner Verbindung stehen und
selbst der Ganglien entbehren, wie z. B. die Mitempfindung des
Kitzels in der Nase vom Sehen in <lie Sonne von keiner Ner-
venverbindung erklärt werden kann. Denn wenn auch Zweige
des N. sympathicus v'om Ganglion spbenopalatlnum zum Ganglion
ciliare, und Zwelgelcben vom sympathischen Nerven an den Gefäs-
sen der Retina beobachtet worden sind, wie sie eigentlich an allen
Gefässen verkommen, so kennt man doch keine bestätigte Verbin-
dung des N. opticus und den N. nasales selbst. Eben so wenig lässt
sich die Veränderung des Sehens, des Hörens bei Krankheiten
der TJnterleibsorgane durch eine solche Verbindung erklären, da
sie hier eben so wenig existirt. Man denke sich, dass der N.
sympathicus wirklich einige Zweigelchen in die Retina ' selbst
schicke , so Hesse sich selbst daraus nicht einmal die Ver-
breitung einer Alfection vom Darmkanal bis zur Retina mit
Veränderung des Sehens erklären. Denn dazu müssten alle Fa-
sern des Sehnerven durch eine gangliöse Masse durchgehen.
Wir wissen aber, dass eine Reizung eines einzelnen Punktes in
der Retina beschränkt bleibt; die Verbindung des N. sympathi-
cus mit der Retina in einem einzigen Punkte würde also auch
bloss möglicherweise eine Mitempfindung in diesem einzigen
Eunkte, und nicht eine allgemeine Veränderung des Sehens her-
vorbringen können. Wir stossen daher bei der Erklärung der
secundären Empfindungen von dem N. sympathicus auf dieselben
Schwierigkeiten, wie bei der Erklärung der Irradiation bei den
Cercbrospinalnerven, und es wäre wohl möglich, dass alle Mit-
®Wpfinduugen in Cercbrospinalnerven, die vom N. sym])athicus
^ogeregt wei'den, auch erst durch Vermittelung des Rückenmar-
kes und Gehirnes entstehen. Dagegen scheint zwar auf den er-
sten Blick zu sprechen, dass in den vom N. sympathicus verse-
henen Theilen, ,da wo die Reizung ist, oft gar nichts, aber wohl
MUlIer’s Pbfsiologie, 47
728 HI. Buch. ]\'crt>enphfsik. III.Abschn. Mechanik d. Nervenprincips.
in einem Rückenniarksnerven etwas empfunden wird; allein die
centripetale Erregung in dem N. sympathicus kann sehr wohl zum
Rückenmark gelangen, ohne dass sic als solche zum Bewusstseyn
kömmt, und doch vom Rückenmark weiter Wirkungen hervor-
hringen, z. B. hewnsste Empfindungen in andern Nerven erregen-
Dass^ diess möglich ist, ist unter 111. bewiesen worden.
Man sieht aus allem diesem, dass die Theorie dieser refle-
ctirten Empfindungen vom N. sympathicus aus noch ganz im
Dunkel und wenigstens noch sehr zweifelhaft ist.
3, Von den organischen Wirkungen des Nervus sympathicus.
Die Gesetze dieser Wirkungen sind uns am meisten unbe-
kannt. Wir wissen nicht einmal mit Bestimmtheit, oh alte orga-
nischen Nerven Wirkungen vom N. sympathicus herrühren, und
ob auch die Absonderungen derjenigen Theile, welche mit Cere-
hrospinalncrvcn versehen sind, mit von organischen Nerven, wel-
che die Gefässe begleiten, oder auch von den Cerebrospinalner-
ven seihst regulirt werden können. Indessen ist es freilich vv'ahr-
scheinlicher, dass diese vegetativen Veränderungen überall von
organischen Nerven abhängig sind, und wenn die Durchschnei-
dung der Spinalnerven' auweilen auf die Emährung der Theile
einigen, obgleich geringen, Einfluss hat, so kann diess eben so-
wolil von der Durchsclineidung der ihnen eingewehten organi-
schen Fasern herrühren. Da diess sich indess nicht mit Sicher-
heit entscheiden lässt, so ist nicht möglich, nur einige Grundzüge
von der Mechanik der organischen Wirkungen zu entwerfen.
Bei einem Versuche dazu kann inan hypothetisch die in den Ce-
rehrospinalnerven wirksamen organischen Fasern für eigenthüm-
lieh halten; und es fragt sich, vorausgesetzt, dass alle organischen
Wirkungen im ganzj;n menschlichen Körper von eigenthümlichen
organischen Nervenfasern abhängen: welche sind die Gesetze die-
ser Wirkungen? Ist eine Bewegung oder Osclllation des Ner-
venfluldums in diesen Nerven nur in der Richtung von den
Stämmen und Ganglien nach den Aesten ( ccntrifugale Wirkung);
oder auch umgekehrt möglich, oder wirkt das Nervenprincip i®
diesen Nerven nach allen Richtungen, so dass eine Nervenfaser
eben so gut den belebenden Einfluss nach einer Drüse hin aus-
strömen kann, als eine reflcctirende Wirkung nach anderen orga-
nischen Nerven von einer gereizten Drüse aus ausühen kann •
Stehen ehe organischen Nerven durch ihre Communicationen
in Wechselwirkung, dass man von einer Stelle aus die Absonde-
rung einer ganzen Fläche vermehren kann; oder ist bei alle»
solchen Reflexionen das Rückenmark als aufnehmendes nn®
ausschickendes Bindeglied thätig? Die Thatsachen lassen sic»
auf beide Arten erklären; und es lässt sich jetzt nicht mit Gewis®'
heit bestimmen, welche Erklärung die richtige ist. Doch gi»»
es gewisse Fälle, in welchen die eine oder die andere Art de*
Wirkung wahrscheinlicher ist.
/. von nach Empfindungen durch Reflexion Absonderungen
entfernten Thcilen erfolgen, ist wahrscheinlich das Gehirn und Rü -
5. Mechanik des N, sympathicus. Organische Wirkungen, 729
kenmark das Bindeglied. Die Empfindungsreizung könnte entwe-
der von den Ganglien der Wurzeln der Empfindungsnerven, durch
welche auch Fasern des N. sympathicus durchgehen, ohne zum
Rückenmark zu kommen, zu den organischen Fasern gelangen,
oder vom Rückenmark ans auf diese reflectirt werden. Das
letztere ist offenbar das wahrscheinlichere, da die Reflexion
durch das Rückenmark in den motorischen Reflexionen eine
Thatsache, die Mittheilung der Wirkungen der Fasern in den
Ganglien der Empfindungsnerven eine unerwiesene Hypothese
ist. Die Thatsachen, welche hieher gehören, sind sehr häufig.
Nach Einwirkungen auf die inneren Schleimhäute, z. B. nach Ge-
tränken, bricht oft sogleich ein allgemeiner Schweiss aus. Nach
heftigen Empfindungen entsteht zuweilen mit Zufällen der Ohn-
macht ein kalter Schweiss. Bei den letzteren Erscheinungen ist
die Reflexion durch das Rückenmark ganz offenbar, da die Er-
scheinungen bei der Ohnmacht eine Breite haben können, dass
sie nur durch das Rückenmark erklärt werden. Zweifelhafter ist
diese Erklärung bei einigen andern Phänomenen dieser Art. Nach
einer mit Empfindungen verbundenen Reizung der Conjunctiva
oculi et palpebrarum entsteht ein Thränenfluss ; nach heftigen
Empfindungen in der Schleimhaut der Nase durch fixe Reizmit-
tel, die auf die Schleimhaut der Nase, oder flüchtige, die in den
Mund gebracht werden, entsteht ebenfalls Thränenfluss. Senf
und Meerrettig erregen zuweilen schon vom Munde aus diese
Erscheinung. Man pflegt diese Ersclieinungen so zu erklären,
dass man die Empfindungsreiznng von dem N. elhmoidalis auf den
Stamm des ersten Astes vom N. trigeminus, und von dort ans
wieder auf den N. lacrymalis reflectiren lässt; so erklärt man
auch den Thränenfluss von Reizung der Conjunctiva, indem man
die Empfindungsreizung der Conjunctiva auf den Stamm des er-
sten Astes, und dort wieder auf den Ramus lacrymalis sich re-
flectiren lässt. Indessen ist diese Erklärung für beide Fälle feh-
lerhaft. Denn ein Cerebrospinalnerve kann, da keine Communi-
catlon der Primitivfasern in ihm stattfindet, auch keine Empfin-
dungsreiznng eines Theiles seiner Fasern auf andere reflectiren.
Andere erklären jene Erscheinungen von Sjunpatbie der Nasen-
schleimhant mit der Tbränendrüse durch das Ganglion spheno-
palatinum, welches nach Einigen durch sympathische Fäden mit
dem Ciliarknoten verbunden seyn soll. Da nun dieser durch die
lange Wurzel des Ganglion ciliare mit dem N. nasalis, und also
mit dem Stamme des ersten Astes, der den N. lacrymalis abgiebt,
■verbunden ist, so sey der N. lacrymalis mit dem Ganglion sphe-
nopalatinnm in unmittelbarem Zusammenhang. Gegen diese Er-
klärung lässt sich dasselbe einwenden, wie gegen die vorige, in-
dem eine Reizung, die zum Ganglion ciliare auf den N. nasalis
his in den Stamm des ersten Astes des N. Irigeminus gelangt,
ohne Communication der Fasern nicht auf den Ramus lacrymalis
i'eflectirt w’erden kann. Andere endlich lassen die Empflndungs-
>’eiznng von der Nase auf das Ganglion Gasseri am Stamme des
1^- trigeminus, und von dort auf den ersten Ast des N. trigemi-
Oäs und den Ramus lacrymalis reflectiren. Gegen diese Erklärung
47*
730 III. Buch. Neroenphysik. III.Abschn. Mechanik d. Nervenprinc^s.
Hesse sich nichts einwenden, wenn man wüsste, dass das Ganghon
Gasseri, als Ganglion eines Empfindungsnerven, Ursache einer
Sympathie und Reflexion seyn könnte, wenn es bewiesen wäre,
dass in einem Empfindungsnerven, wie der N. lacrymalis, centri-
fugale Strömungen stattfinden könnten, und wenn es erwiesen
wäre, dass der N. lacrymalis wirklich der Thränendrüse Fasern
abgäbe, welche der Absonderung verstehen. Da die Absonderung
der Thränen, wie überall, wabrscheinlicb von bloss organischen
Fasern des’ N. sympathicus bestimmt wird, so würde immer die
Erklärung noch am einfachsten seyn, welche die Empfindungs-
reizung von der Nase auf das Ganglion sphenopalatinum, und
bei dem Zusammenhänge aller organischen Nerven auf irgend ei-
nem Wege auf die Thränendrüse durch organische Fasern re-
flectiren lässt. Ob diese Art von Reflexion von Erapfindungsner-
ven auf organische unmittelbar ohne Mitwirkung des Gehirns
und Rückenmarkes möglich ist, ist aber gerade der Gegenstand
der Frage, und ich weiss keine andern Gründe, als die Möglich-
keit einer solchen Erklärung, und die Unmöglichkeit, sie geradezu
zu widerlegen, für diese Annahme. Eine sehr häufige Reflexion
von Ernpfindungsreizung auf Absonderung ist auch die oft schnell
vermehrte Absonderung des Speichels Ijei der Aufnahme der
Speisen in den Mund. Es ist hier eben so ungewiss , wie
man eine solche Reflexion erklären soll. Die Erklärung dieser
Reflexionen durch Mitwirkung des Gehirns und Rückenmarkes
als Vermittler der sensoriellen und vegetativen Wirkung hat
wenigstens die Analogie ähnlicher Reflexionen von sensoriellen
Wirlcungen auf motorische, durch Vermittelung des Gehirns und
Rückenmarkes, für sich. Einige, welche in ihren Ansichten von
den Ganglien so weit zu gehen scheinen, dass nach ihren Vor-
stellungen das Ganglion sphenopalatinum am zweiten Ast des
Nerv, trigeminus fast bloss für solche Sympathien gemacht zu
seyn scheinen sollte, sollten doch bedenken, dass das Ganglion
sphenopalatinum viel wichtigere Functionen erfüllt, indem es,
wie man am besten beim Ochsen und Pferde sieht, eine Menge
von organischen Fasern zu der Schleimhaut der Nase sendet,
welche dort gewiss der Absonderung vorstehen.
II. Die verschiedenen Thcilc einer absondernden Haut stehen
unter einander in Consensus; so dass der Zustand einer Stelle auf
die Beschaffenheit der ganzen Ausbreitung einer Schleimhaut Einfluss
hat. Es ist in diesen Fällen einfacher, die Erscheinungen durch
Commmiicalion der organischen Fasern zu erklären. Schon die tag'
liehe Erfahrung, dass es allgemeine Affcclionen einer Schleim-
haut, einer serösen Haut giebt, zeigt uns eine Sympathie in der
Ausbreitung der Membranen, welche wohl durch Communicatiou
organischer Fasern erklärt werden könnte. Hier ist diese Er-
klärung wahrscheinlicher; aber auch sie lässt sieh nicht direct
beweisen. _ ,,
///. Zuweilen wirkt der vegetative Zustand eines Organes,^''
Entzündung, die Absonderung desselben auf die Hervorrufung von Ent-
zündung, Absonderung in anderen Theüen. In diesem
wir ein Beispiel der Reflexion von organischen Fasern eines Ihei
5. Mechanik des N, sympatUcus. Organische Wirkungen. 731
auf organische Fasern eines andern, ohne Mitmrkung der Cerehro-
spinalnerven. Eine Entzündung des Hodens kann sich auf die
Parotis, eine rothlatifartige Entzündung der Haut auf die Hirn-
häute versetzen; die Unterdrückung einer Alisonderung kann
eine andere in einem andern Theil verstärken. Wahrscheinlich
sind alle diese Erscheinungen von Veränderungen in den die
Blutgefässe begleitenden organischen, zum N. sympathicus gehö-
rigen Fasern verbunden. Hier frägt sich nun wieder, ob solche
Beflexionen bloss durch Veränderung der Statik des N. sympa-
Ihicns stattfinden, oder ob das Gehifn und Rückenmark wieder zwi-
schen einer centripetalen und centrifugalen Wirkung den Ausschlag
giebt. Wir haben noch keine Thatsachen, dieseFrage zu entscheiden,
I indess ist das erste in mehreren Fällen wahrscheinlicher. In Mayeh’s
Versuchen (vrgl. oben p. 648.) entstand zuweilen nach Unterbindung
des N. sympathicus am Halse, also des Verbindungstheiles zwischen
dem ersten und zweiten Halsknoten, eine AfFcction von Theilen,
die erst wieder von dem ersten Halsknoteu influencirt scheinen, näm-
lich des Auges, Augenentzündung. Das cigenthümliche Verhalten
der organischen Nerven, dass man weder Anfang noch Ende leicht
Unterscheiden kann, dass sie sich nicht wie Stamm und Aestc zu
einander verhalten, sondern auf ihren Wegen sich vermehren kön-
nen, spricht allerdings für die Möglichkeit einer allscitigen Wir-
I tung in diesen Nerven, so dass sie keiner centripetalen und ceu-
trifugalen Strömung allein, sondern einer nach allen Richtungen
ausgehenden Vertheilung ihrer Wirkungen von den Centralpunk-
ten der Ganglien fähig sind; für diese Ansicht sjiricht auch der
Umstand, dass ein Weg, einen Theil mit organischen Nerven zu
versehen , durch einen andern ersetzt w erden kann. Naeh der
Unterbindung eines Arterienstammes werden die Nerven der Ar-
terien ohne Zweifel mit verletzt; dennoch erfolgt kein Absterben,
keine Atrophie, kein Auf hören der Absonderung, so dass es
scheint, dass die Gefässnerven der Collateralgefässe diesen Ein-
fluss ersetzen können, oder dass organische Fasern in den Sjii-
Ualnerven diesen Mangel ersetzen. Auf der andern Seite kann
■wieder der Einfluss der Spinalnerven aufhören, ohne dass Atro-
phie erfolgt. Es gehört auch hieher, dass nach Durchschneidung
des N. sympathicus auf beiden Seiten in v. Pommer s Versuchen
gar keine merkliche nachtheilige Wirkung eintritt, so dass viel-
leicht andere Wege, wie der die Arteriae vertebrales begleiten-
den Fäden, jene Theile des Nervus sympathicus ersetzt ha-
Ben. Jedenfalls entsteht eine Versetzung eines pathologischen
' Processes immer dahin, wo die Disposition zu dem Sitz des-
selben ist, bei dem Lungenkranken von der Haut nach den
Lungen, Lei dem Leberkranken von der Haut nach der Leber,
hei dem Menschen mit reizbarem Darrakanal nach diesem u. s.w.
hei der Statik der Absonderungen kömmt übrigens nicht bloss
flas Nervensystem, sondern die Natur der verschiedenen Abson-
herungsmatcrien und ihr Verhältniss zu den Bestaiidthcilcn des
hlutes und zu einander in Betracht. Unter diesem letzten Ge-
sichtspunkte ist die Statik der Absonderungen indess schon oben
P- 454. betrachtet worden.
732 III. Buch. Nereenphysik. III. Ahschn. Mechanik d. Nervenprincips.
IV. Die Ganglien scheinen die Centraltheile zu seyn, von wel-
chen der vegetative Einßuss auf die verschiedenen Ttieile ausströmt.
Nach Verletzung des obersten Halsknotcns hat man eine Augen-
entzündung, ja' selbst allgemeine Erscheinungen der veränderten
Ernährung beobachtet.
V. Dieser ausstrahlende Einßuss der Ganglien scheint eine ge-
wisse Unabhängigkeit von dem Gehirn und Rückenmark zu behaupten,
insofern die Ausbildung des Embryo mit Zerstörung des Gehirns
und Rückenmarkes möglich ist. Siehe oben p. 187. Vergl. Muel-
lek’s Archiv für Anatomie und Physiologie 1834. p. 268.
VI. Indessen scheint doch auch das Gehirn und Rückenmark
die Ilauptqueüe zu seyn, wodurch auch das organische Nervensystem
sich allmäJdig integrirt, indem gewisse Gehirn- und Rückenmarksläh-
mungen auch mit Atroplde verbunden sind. Vergl. die Bemerkun'
gen über den Schlaf oben p. 715.
Indem wir die Untersuchungen über den N. sympathicus
schliessen, müssen wir bedauern, wie vieles noch hier dunkel ist;
indessen glauben wir gezeigt zu haben, wie man in den Unter-
suchungen über diesen Nerven verfahren müsse, und manches
wurde durch Anwendung der Mechanik der Cerebrospinalnerven
auf den N. sympathicus klar, dessen Eigenschaften Herrn Ma-
gehdie so unbekannt schienen, dass er Anstand nahm, ihn für
einen Nerven zu halten.
VI, Capüel. Von den Sympathien.
In den vorhergehenden Capiteln sind so viele Formen sym-
pathischer Erscheinungen durch die Mechanik und Statik der
Nerven, ohne Antheil des N. sympathicus erklärt worden, dass
dieser Nerve nunmehr noch eine geringe Rolle in der Erklä-
rung der Sympathien spielt. Die Phänomene der Irradiation^
der Coincidenz der Einpfndungen, der Mitbewegungen, der Rß'
flexion gescbchen nicht durch den N. sympathicus, und umfassen
den bei W'citem grössten Tlieil der sympatliischen Erscheinungen;
welche man ehemals durch diesen Nerven verrichten liess. Aä
der Wahrheit dieser letzteren Erklärungen haben schon viele nam-
hafte Forscher gezweifclt; denn die alltäglichen sympathischen Ef'
scheinungen zwischen allen Theilen, gerade die jErscheinung®/*
des gesunden Consensus zwischen Uterus und Brüsten, so ’n''®
mehrere der merkwürdigsten pathologischen Sympathien, waren
niemals durch den N. sympathicus erklärbar. Nur in einig®**
pathologischen Sympathien zwischen den Sinnesorganen und dem
N. sympathicus hat man diesen Nerven in der neuern Zeit wieder
scheinbar mit mehr Erfolg zur Erklärung der Sympathien angewandt;
wozu die trefflichen Untersuchungen von Tiedemakn, HmzEL, A®'
BOLD viel heigetragen haben. Indessen werden diese Versuch®
durch die feinere Anatomie der Nerven wieder schwankend, indem
diese uns lehrt, dass wenn auch der N. sympathicus sich mi
Gehirn- und Rückenmarksnerven verbindet, diess noch durchat;^
kein Beweis für einen physiologischen Zusammenhang der p®®*'
6. Sympathieen, S. verschiedener Theile eines Gewebes. 733
pherischen Theile beider Nerven ist. Denn überall, wo an sol-
chen Verbindungen des N. sympathicus und der Gehirn- und
Rückenmarksnerven keine Ganglien des Sympathicus liegen, dui-ch
welche alle Fasern des Cerebrospinalnerven durchgehen , fällt
die Erklärung eines physiologischen Zusammenhanges weg; aus-
serdem, dass er schon bei solchen Verbindungen mit Ganglien
hypothetisch ist, und die Ganglien auch Apparate zur Einmi-
schung organischer Fasern in die Cerebral- und Spinalnerven
seyn können. Da aber ferner, wo der N. sympathicus mit mo-
torischen Wurzeln der Spinalnerven ziisammenhängt, gar keine
Ganglien Vorkommen, sondern diese Verbindungen eben nichts
anders, als ein blosses Auschliessen von Primitivlasern sind, so
ist das Bereich des N. sympathicus in allen Ncrvensympathien
mit Bewegungen anatomisch noch mehr geschmälert. Die posi-
tive Kenntniss der Erscheinungen der Irradiation, Coincidenz,
Mitbewegung und Reflexion, und die grosse Wahrscheinlichkeit,
dass diese Phänomene in den Cerebrospinalnerven ganz, und in
den sympathischen Nerven wenigstens zum Tlieil durch Mitwir-
kung des Gehirns und Rückenmarkes erfolgen, hat das Wirkungs-
feld des N. sympathicus in den Sympathien noch viel mehr ge-
schmälert, und ihm durch Aufstellung einer, für jetzt schon ziem-
lich exacten Statik der Nerven, den bei weitem grössten Thcil
der Sympathien ganz entzogen. In dieser Wendung zeigt sich
etwas Aehnliches, wie in der Pathologie der Fieber; deren Zahl
um so grösser war, je weniger man die Krankheiten, welche die
Fiebersymptome erzeugen, kannte, und welche in dei neuem
Pathologie als Krankheiten eine beschränkte und sehr zweifel-
hafte Rolle spielen.
Nachdem wir in den vorhergehenden Capiteln schon die
Gesetze für die Erklärung eines grossen Theiles der Sympathien
kennen gelernt haben, werden wir uns jetzt kurz fassen, und
die Sympathien mehr unter allgemeinen physiologischen Ge-
sichtspunkten auffassen.
Die sympathischen Verhältnisse der verschiedenen Theile
des Organismus lassen sich unter folgende Gesichtspunkte bringen.
I. Sympathien der verschiedenen Theile eines Gewebes
unter sich.
Diess ist eine der häufigsten Arten des Consensus. Die ver-
schiedenen Ausbreitungen der Schleimhäute theilcn sich ihre Zu-
stände mit; die serösen Häute, die fibrösen Häute u. s. w. sind
in demselben Falle. Bei der consensuellcn Erregung verschiede-
ner Theile eines Gewebes ist die consensuelle Affection mit der
ursprünglichen in der Regel eins. Die Entzündung pflanzt sich
fort, die Schmerzen dehnen sich im Umfange des Gewebes aus;
die veränderte Absonderung ergreift in derselben Art die naüe-
iiegenden Theile des ursprünglich aflicirten Gewebes.
a. Zellgewebe.
Schon das Zellgewebe besitzt eine grosse Neigung zur Mil-
tbeilung seiner Zustände über seine Verlängerungen hin. Die
734 III. Buch, Nervenphysik. Ill.Jbschn. Mechanik d.Nereenprinc^s.
Krankheiten desselben, das Emphysem, das Oedem, die Zellge-
webeverhärtung , die Fettsucht, die Entzündung und Vereiterung
des Zellgewebes, liefern Beispiele davon. Diese Krankheiten
sehreiten oft über ganze Streeken des Zellgewebes zwischen den
Muskeln, Gefässen, aponeurotischen Ausbreitungen hin, indem sie
bloss das interslitiäre Zellgewebe verfolgen. Deswegen wird auch
die Kenntniss der natürlichen Grenzen der Zellgewebeausbreitun-
gen, nämlich der Fascien, für die Würdigung der Zellgewebeei-
terungen so wichtig.
b. Aeuxsere Haut.
So offenbar der lebhafte Verkehr der äussern Haut mit in-
neren Theilen ist, so zeigt uns doch dieselbe keine sehr lebhafte
Wechselwirkung ihrer Zustände in verschiedenen Theilen ihres
Verlaufs. Eine reine Hautentzündung kann beschränkt seyn.
Indessen besitzt sie als Ausscheidungsorgan für gewisse Stoffe
auch eine gewisse Affinität gegen in den Säften circulirende feh-
lerhafte Materien; wodurch ihr allein eigenthümliche Krankhei-
ten, acute und chronische exantliematische Hautenzündungen, sich
in ihr in einer flächenhaften Ausbreitung ausbilden. Viel häufi-
ger sind indess die Sympathien der äussern Haut mit den inneren
Theilen, für welche sie die gemeinsame Grenze nach aussen hin
bildet; wovon die Beispiele später angeführt werden.
c. Schleimhäute,
Die Schleimhäute haben eine grosse Neigung, ihre Zustände
einander nach dem Verlaufe der Membranen mitzutheilen. Der
Catarrh der Lnngenschleimhaut zieht leicht dieselbe Aflection in
der Wasenscbleimhaut in Folge. Der Catarrh der letztem affi-
cirt die Schleimhaut der Thränenwege und die Conjunctiva. Im
Stadium irritationis des Schnupfens ist das Auge wie die Nasen-
schleimhaut röther und trockner; im zweiten Stadium werden
beiderlei Theile feucht. Auch die Schleimhaut der custachischen
Trompete und Trommelhöhle kann im Catarrh afficirt seyn,
was sich durch das nicht selten begleitende Symptom catai-rhali-
scher Affectioner, Schwerhörigkeit und Ohrenbrausen, äussert.
Im Catarrh der Nasenschleimhaut ist auch die Schleimhaut der
Stirnhöhlen, wahrscheinlich auch der anderen Nebenhöhlen der
Nase alllcirl; man empfindet einen dumpfen Druck in der Ge-
gend der Stirn. In einem gleichen engen Zusammenhänge ste-
hen die verschiedenen Theile des Schleimhautsystems des TractuS
intestinalis. Der Zustand des Magens wirkt auf den des ganzen
Darmkanals, und verändei't seine Secretlonen. Die Schleimhaut
des Mundes wird der Ausdruck des Zustandes der Schleimhaut
des Magens und Darmkanals. Aus einer trocknen Zunge schlles-
sen wir mit Recht auf einen ähnlichen Zustand In der Schleim-
haut der Speiseröhre und des Magens, aus der Röthe derselbe^
aus dem Beleg auf gleiche Zustände innerhalb des Alagens und
Darmkanals. So stehen wieder die Schleimhäute der Genitahe®
und Harnwerkzeuge im sympathischen Zusammenhänge. D*®
häufige Irritation der Geschlcchtstheile bewirkt leicht einen chro-
nisch-inflammatorischen Zustand der Harnblase, der Nieren un
Phthisis vesicalis , Phthisis renalis, so wie sich zur Phthisis laryn-"
0. Sympatldeen, S. perschiedener^ Theäe eines Gewebes. 735
gea und tracliealis später Plithisis pulmonalis gesellt. Aber nicht
blo^s die anatomisch zusammenhängenden Schleimhäute, sondern
selbst die, ganz getrennten haben eine ähnliche, obgleich gerin-
gere Tendenz zur Mittheilung ihrer Zustände. Man kann des-
halb eine vennehrte Absonderung in einer Schleimhaut nicht
durch eine vermehrte Absonderung in einer andern, oder durch
Antogonismus heilen. Man kann eine Blennorhoe der Genita-
lien nicht durch künstliche Diarrhoe heilen. Zuweilen sehen wir die
Schleimhaut der Athernorgane im Consensus mit derjenigen des
Magens; es ist bekannt, dass manche Zustände des Magens eine
Äeizung auch in den Athemwerkzeugen unterhalten , Tussis ga-
strica. Am Ende des Phthisis pulmonalis entsteht auch ein in-
flammatorischer Zustand in der Muscosa des Darmkanals, wüe
die Darmgeschwüre der Phthisiker zeigen. Endlich zeigen uns
die colliquativen Blennorhoeen der Schleimhäute ein Beispiel ei-
nes gleichen Zustandes im ganzen Schleimhautsystera, der von
einem einzelnen Theile desselben ausgehen kann; wie z. B. so-
wohl in den. Lungen als im Darmkanal, oder in den Genitalien
die erste Ursache einer alhnähligen Veränderung aller Schleim-
häute liegen kann.
d. Seröse Häute.
Bei einer primären AfFection einer serösen Haut werden in
der Folge oft alle anderen serösen Häute in dieselbe AfFection
gezogen. Zum Hydrops ascites gesellt sich in der Folge Hydro-
thorax; doch gehören nicht alle Fälle von Wassersucht in ver-
schiedenen Theilen hlehcr. Die Wassersucht entsteht oft
durch eine Entmischung des Blutes gleichzeitig in mehreren
Theilen, oder auch, wenn die Circulation ln einem wichti-
gen Organe unterbrochen ist. In diesen Fällen geht also die
Sympathie nicht sn sehr von den serösen Häuten selbst aus, als
Von der Verbreitung der Ursache.
Eine reine Sympathie der serösen Häute ist aber, wenn in
folge einer primären Entzündung einer serösen Haut auch die
anderen serösen Häute sich entzünden. So folgt zuweilen der Ent-
zündung des Bauchfelles Entzündung der Pleura, Entzündung der
Arachnoldea, und diese letzte in dem wichtigsten Organe ist
vielleicht die Ursache des Todes.
e. Fibröses System,
Die fibrösen Häute stehen unter einander in einer solchen
angen Verbindung, dass eine örtliche Verletzung derselben sehr
häufig bedeutende ausgebreitete Zufälle nach sich zieht.
Zu den fibrösen Häuten gehören die Beinhaut, die Dura ma-
ter, die Sclerotica, Albuginea des Hodens, äussere Haut der
^ilz, die Sehnen, Bänder und sehnigen Mnskelscheiden. Eine
ürtliche rheumatische AfFection setzt sich leicht über alle fibröse
Verbindungen fort, wechselt ihren Ort, indem sie aber immer gern
natürlichen Verbindungen der fibrösen Häute verfolgt. Die
Verletzung der Bänder , Aponeurosen , des fibrösen Bänder-
gewebes an Fuss und Hand ist oft mit ausgebreifeten Zufällen
Verbunden; die Entzündung, die Anschwellung, die Schmerzen setzen
®ich nämlich von der ursprünglichen Stelle der Reizung zuweilen
736 III, Buch, Nervenphysik, III, Abschn, Mechanik <1. Nervenprinclps.
üher die Muskelsclieiden, ja über die Beinhaut der Knochen fort.
Die gichtische Entzündung des Auges, welche, wie die Gicht nkey"
haupt, das fibröse Gewebe liebt, so in dem Auge ihren Sitz in
der Sclerotica hat, ist mit ihrem Schmerz nicht auf das Auge
fixirt, sie zeichnet sich vor allen anderen Augeneutzündungen da-
durch ans, dass die ganze Seite des Gesichtes, im Verfolg der
Beinhaut, die Scheide des Schläfenmuskels, die Galea aponeurotica
von den lebhaftesten Schmerzen ergriffen sind.
Die innere und äussere fibröse Haut des Cranlum, nämlich
die Dura mater des Gehirns, die Beinhaut des Schädels und
die Galea aponeurotica stehen in Consensus, und wieder rod
der Sclerotica. Affectionen der Dura mater erregen Allectionen
der Sclerotica; Affectionen der Galea aponeurotica und Beinhaut
können sich auf die Dura mater versetzen. Umgekehrt, ist die
Dura mater örtlich entzündet, so ist es auch zuweilen die Bein-
haut äusserlich.
Dass bei den Sympathien des fibrösen Systemes auch die
Nerven im Spiele sind, lässt sich theils aus dem Vorbandenseyn
organischer, die Gefässe begleitender Nerven in allen gefässhal-
tigen Theilen schliessen; aus Arnold’s Entdeckung kennen wii
aber auch geradezu die Existenz von Nervenzweigen in einer
fibrösen Haut, in der Dura mater, welche, wie mein verehrter
College Schlemm bestätigt gefunden hat, Zweige vom ersten Ast
des N. trigeminus erhält.
f, Knochenßeeeehe und Knorpelgewebe,
Sympathien des Knochengewebes unter sich sind selten.
Wohl ist in manchen Krankheiten, wie in der B.liachitis und inj
zweiten Stadium der Venerie, das ganze Knochengewebe überall
afllcirt, aber diese Büdungskrankheiten kann man weniger uO'
ter die Sympathien rechnen ; die Reizung ist hier allgemein
mit fehlerhafter Bildung ' der Knochenmaterie. Indessen gieb
es doch auch deutliche Beispiele von reiner Sympathie ■ de*
Rnochengewebes. Wenn nämlich eine Krankheitsursache aut
die Oherfläche eines Röhrenknochens wirkt, so wird in de»’
darauf folgenden Entzündung nicht leicht die blosse Ober*'
fläche, sondern die ganze Dicke des Knochens bis zur Mark'
höhle aflicirt; in der ganzen Dicke verändert sich das KnocheO'
gewebe; und eben so folgt nach Zerstörung des Markes eine*
Röhrenknochens auch wieder Entzündung und AufschwelluUö|
sowohl innen als aussen bis zur äussern Oberfläche. Ueberhaup
ist das, was man Exostosen nennt, in der grössten Mehrzab
der Fälle keine Krankheit der Oberfläche des Knochens, sonder**
der ganzen Dicke des Knochens, wie ich mich durch
schneidung vieler Exostosen überzeugt habe. Daher entspric^^
einer äussern Exostose an einem Röhrenknochen in der
eine innere Exostose gegen die Markhöhle. (Man sieht, gelegep '
lieh gesagt, hieraus allein schon deutlich, wie wenig richtig ‘V
wenn man der Beinhaut einen wesentlichen Antheil an der Bi
düng der Exostosen zuschreibt.)
Von den Knochen kennen wir bis jetzt keine Nerven, dürle*
6. Sympathieen, S. oerschiedener Theile eines Gewebes. 737
jedoch’ die Existenz von Gefässnerven in ihnen so gut, -wie in
allen gefässhaltigen Theilen voraussetzen.
g. Muskelgewebe.
Man hat dem Muskelge-wehe die Fähigkeit, sympathisch er-
regt zu -werden, in hohem Grade zugesprochen. Man hat ange-
führt, dass die Reizung, welche die Contraction eines Muskels zur
Folge habe, häufig von einer Menge sympathischer Convulsionen
anderer Muskeln begleitet sey. Allein diese Sympathien beruhen
nicht in dem Gewebe selbst, sondern in der Sympathie der Be-
wegungsnerven; 'der Muskel, dessen Bewegungsnerve von dem
übrigen Nervensystem getrennt ist, ist zwar selbst noch erregbar
auf einen äusseren Reiz, er pflanzt diesen aber nie fort auf
andere Theile desselben Gewebes, es entstehen keine sympathi-
sche Convulsionen.
Die sympathischen Krämpfe des Muskelsystems sind daher
nicht eigentlich Sympathien des Gewebes unter sich, sondern
Sympathien der Nerven. Die übrigen wenigen Krankheiten,
welche noch in den Muskeln Vorkommen, wie die Entzündung und
Eiterung sind auch immer beschränkt, sie verbreiten sich nicht
wie in den anderen Geweben, sie sind auf die örtlichen Stellen
der Reizung beschränkt. Ausser den sehr seltenen Muskelent-
zündungen, den Degenerationen und dem Krampfe kennt man aber
fast gar keine Krankheit der Muskeln weiter. Alles diess überzeugt
Uns, dass das Muskelgewebe keiner lebhaften Sympathie in sich
Und mit anderen Theilen unterworfen sey.
h. Lymphatisches System.
Zu dem lymphatischen System gehören die Lymphgefässe
Und die Lymphdrüsen.
Krankheiten des lymphatischen Systems sind sehr selten ört-
lich; wenn sie ursprünglich entstehen und nicht sympathische
Krankheiten anderer Organe sind, befallen sie in der Regel das
ganze System unter der Form einer ja gewisse Krankhei-
ten sind auf das Gewebe des lymphatischen Systems fast beschränkt,
wie z. B. die Scrofeln. Geht aber die Reizung von einer örtli-
chen Stelle des Lymphsystems aus, [so verbreitet sie sich schnell
Sympathisch über grosse Strecken. Ist eine Lymphdrüse primär
durch äussere Reizung in Entzündung gesetzt, so werden bald
die umliegenden Drüsen ergriffen, sie schwellen an, wenn sie
auch selbst nicht in Entzündung gerathen. Manche primäre
Reizungen des Lymphsystems gehen von Giften aus, die von den
hymphgefässen aufgenommen worden. Wird an einer Stelle
Quecksilber eingerieben, so entsteht oft eine ausgebreitete Reizung
des lymphatischen Systems, und die Lymphdrüsen der verscliiedenen
Stellen des Körpers können gleichzeitig in Affection gezogen
■'yerden. Die Entzündung der Lymphgefässe, die von einer ört-
lich giftigen Einwirkung ausgeht, verbreitet sich schnell über
alle Verzweigungen in einem Gliede, und in einem solchen Falle
*sl die Haut überall nach dem Verlaufe der Lymphgefässe von
i’uthen Streifen durchzogen.
Eben so häufig sind die Sympathien der Lymphgefässe mit
den Lymphdrüsen. Eines der gewöhnlichsten Phänomene in den
738 III. Buch. Neruenphysik. III, Abschn. Mechanik d.Nercenprincips.
Bildangskrankheiten der grossen Eingeweide ist dio Anschwellung
der Lymplidriisen in der Umgegend.
So schwellen die Lymplidriisen des Halses an bei organischen
Krankheiten der Organe des Halses, der Glandula thyreoidea;
bei den Bildungskrankheiten der Brüste, namentlich beim Krebs
der Weiberbrust, die Axillardrüsen; die Lymphdrüsen des Unter-
leibes bei den organischen Krankheiten des Magens, des Darm-
kanals überhaupt, die Lymphdrüsen , welche die Gallengänge be-
gleiten, bei den organischen Krankheiten der Leber, die Ingui-
naldrüsen in den organischen Krankheiten der Hoden, der Ure-
thra, der Prostata.
Eben so häufig sind die sympathischen Anschwellungen der
Lymphdrüsen bei entzündlichen Aifectionen, wie nach Stichwunden,
Zerreissungen , Zerquetschungen. Nach der Anwendung eines
Blasenpllasters, welches Entzündung der Haut setzt, schwellen
oft die Lymphdrüsen an, eben so beim Blutschwären, beim
Wurm am Finger. In dem letzten Falle sind sogar oft die
Lymphgefässe des ganzen Armes bis zu den Achseldrüsen im Zu-
stande der Beizung. Bei der Entzündung der Harnröhre im Tripper,
in den entzündlichen Krankheiten der Hoden schwellen oft die In-
guinaldrüsen als sogenannte Bubonen, bei entzündlicher Affection
der Mamma die Axillardrüsen, bei entzündlicher Affection der
Parotis die Halsdrüsen an.
Diese sympathischen Anschwellungen unterscheiden sich von
der ursprünglichen Affection meist dadurch, dass sie verschwinden,
sobald die Krankheit des primär afficirten Organs aufhört,
dass sie chronisch sind hei einer chronischen Krankheit, acut
bei einer acuten, und endlich, dass in der sympathischen Affection
sich das Gewebe ausser der Anschwellung von dem natürlichen
Zustande in der Regel nicht entfernt.
Im Allgemeinen kann man sagen, dass man von Jeder Stelle
der Körperlläche, die mit Lymphgefässen durchzogen ist, eine weit
verbreitete lymphatische Irritation erregen kann. Diese Irritation
kann sowohl durch eine materielle Einimpfung eines Krank-
heitsstoffes, als nach einer Verletzung erfolgen, wobei keine Ma-
terie aufgenommen und verbreitet wird, wie nach mechanischer
Verletzung oder nach Verbrennung. Man sieht also daraus, dass zu
dieser Sympathie die materielle Verbreitung eines Krankheitsstoffes
in den Lymphgefässen wenigstens nicht nöthig -ist. Die lympha-
tische Irritation kann, wie von Verletzung der äussern Kör-
peroberfläche, eben so leicht von ursprünglicher Reizung der
Innern Körperoberfläche erfolgen. Und wir haben hier eine
ganz parallele Reihe von Erscheinungen. So wie nach Entzün-
dung der Haut durch Verbrennung eine lymphatische Irritation
der Umgegend bis zu den nächsten Lymphdrüsen entsteht, ehe®
so erfolgt auf Entzündung der Mucosa des Darmkanals, wenn
sie einigermaassen andauert, eine Irritation der Lymphgefässß
und Lymphdrüsen des Mesenteriums, und gerade diejcnig®’'
Lymphdrüsen und Lymphgefässe entzünden sich und schwellen
an, welche den entzündeten Stellen des Darmkanals entsprechen}
6. Sympathieen. S. verschiedener Theile eines Gemehes. 739
wie wir ein so deutliclies Beispiel bei den Darmgescbwüren im
Typhus abdominalis sehen.
Zuweilen enthalten die von einem eiternden Theile kommen-
den Lymphgcfässe, gleichwie die Venen, Eiter. Siehe Cruveillier
Anat. path, livr. 13. Auch die entsprechenden Lymphdrüsen kön-
nen vereitern. Man würde unrichtig schliessen, dass dieser Eiter
durch die Lymphgefässe aufgesogen worden. So wie er in den
Venen des Amputationsstumpfes von Venenentzündung entsteht,
eben so entsteht er in den Lymphgef'assen , die von einem ent-
zündeten Theile kommen, von Fortpflanzung der Entzündung.
Die Entzündung und Vereiterung der Lymphdrüsen des Mesen-
teriums hei Darmgeschwüren im Typhus abdominalis liefert deut-
lich den Beweis , dass wenigstens in diesem Falle der Elter in
den Lymphgefässen und Lymphdrüsen seihst entstanden ist.
i. Blutgefässe.
Wenn man bedenkt, dass die Sympathien des Pulses mit
den Krankheiten der Organe nicht so sehr Sympathie der Arterien
selbst als des Herzens sind, und wenn man ferner in Erwägung
zieht, dass die örtlichen Krankheiten der Arterien ziemlich beschrankt
sind auf die Stelle der Reizung, und nicht die Tendenz haben,
sich in der Breite auszudehnen, wie die Entzündung und Erwei-
terung der Arterien, so sind wir zu dem Schlüsse berechtigt,
dass die Sympathien der Arterien im Allgemeinen geringe sind.
Wenigstens dürfen wir dicss von den Häuten der grösseren Arte-
rien und Zweige annehmen.
Aber dem Nervensystem werden wir einen Einfluss auf den
Zustand der Arterien zuschreihen müssen, welcher unabhängig
von dem Herzen ist, diess beweisen die Veränderlichkeit des
Hautturgors in den Leidenschaften, die örtlichen Congestionen und
wieder der Collapsus , die in Folge einer bloss leidenschaftlichen
Aufregung in den äusseren Theilen entstehen.
Es ist schwierig zu unterscheiden, ob bei einer allgemei-
nen Affection der Venen diese ursprünglich von einem Theile
des Venensystems ausgegangen und sich allmählich sympathisch
Verbreitet, oder ob die nächste Ursache der Krankheit auf einen
grossen Theil des Venensystems zugleich gewirkt hat. Indessen
Zeichnet es das Venensystem ans, dass seine Krankheiten in der
Siegel keine ganz örtlichen sind, wie die Atonie und Varicosität
der Venen zeigen.
Einen dlrecten Beweis von der ansgebreiteten Sympathie
der Venen giebt die Venenentzündung; sie entsteht örtlich im
^erlaufe einer Vene durch Ursachen, welche überhaupt Venen-
entzündung setzen, z. B. durch einen schlechten Aderlass, durch
die Verletzung eines Varix, ferner in Amputationswunden, am Ute-
der Wöchnerinnen, verbreitet sich aber von der örtlich ent^
kündeten Stelle so schnell, dass sie in kurzer Zeit alle Venen-
®tämme des Gliedes erreicht. Die Venenentzündung ist daher, wenn
nicht auf der Stelle richtig erkannt und behandelt wird, ge-
wöhnlich tödtlich; sie geht in Eiterung der Venen über. Eine
*^orkwürdige Sympathie der Venen unter sich ist die Erschlaffung
'^d Erweiterung der Venen in der Umgegend einer Geschwulst
740 III. Buch. Nerfcnphysik. III. Ahschn. Mechanik d. Nert>enprincip.i.
mit entartetem Gefässsystem. Diese Disposition zur Enveiterung
und Erschlaffung der kleinen Venen zeigt sich zuweilen über
den ganzen Körper verbreitet, bei Cachexien und Dyskrasien,
und erzeugt eigenthümliche Farbenveranderung , wie z, B. die
blauen Ringe um die Augen u. a.
k. Drüsengemebe.
Wenn auch gewisse Krankheiten, wie die Scrofelsucht und
der Krebs, die Tuberkeln, als Bildungskrankheiten vorzüglich
das drüsige Gewebe ergreifen, so ist doÄ ein allgemeines Leide«
des Drüsengewebes in diesen Krankheiten nicht ans Sympathie zu
erklären, sondern es liegt in der Natur dieser Krankheiten, dass
sie diess Gewebe besonders ergreifen , und die Verbreitung geht
nicht so sehr von einer örtlichen Reizung, sondern von einer
allgemeinen Anlage des Drüsengewebes aus, die sich dann zU
einer vollkommenen Krankheit ausbildet, wenn das Drüsenge-
webe örtlich gereizt wird. Gleichwohl ist es nicht zu bezwei-
feln, dass, wenn eine Krankheit in einer einzelnen Drüse beginnt,
sie durch die Sympathie der verschiedenen Theile der Drüse
leichter die ganze Drüse, als die fremdartige Umgebung errei-
chen wird, tjnter die sympathische Reizung des Drüsengewebes
gehört aber folgende Thatsache :
Dass alle Absonderungsorgane, wie sie ihre Reizung auf die
Ausführnngsgänge reflectiren, so auch in einen Zustand sympathi-
scher Reizung gerathen, wenn ihre Ausführungsgänge ursprünglich
gereizt werden; so bedingt die Gegenwart der Speisen im Munde
einen grossem Zufluss des Speichels aus den Speicheldrüsen, die
Gegenwart einer Sonde in der Blase die vermehrte Absondemng
des Urins aus den Nieren (?), die Reizung der Glans penis eine ver-
mehrte Absonderung des Samens, die Reizung der Schleimhaut
des Auges eine vermehrte Absonderung der Thränen. So ist es
ebenfalls Thatsache, dass, während die Speisen noch im Magen
enthalten sind, der Ausfluss der Galle in den Dünndarm nuf
gering, dass sich dieser aber im zweiten Stadium der Verdauung,
wenn der Chymus mit der innern Haut des Dünndarms in Berüly
rnng kommt, sehr vermehrt, und dass umgekehrt im Hunger d»n
Ausscheidung der Galle sehr vermindert ist.
Die Materialien, welche wir in diesem Alischnitte mitgethen
haben, hat vorzüglich Bichat, in seiner allgemeinen Anatom*®,
dem Lichte der physiologischen Anatomie zugänglich gemacht,
ein W^erk, welches mehr wahren Inhalt der allgemeinen Patho-
logie, als unsere mehrsten Lehrbücher der allgemeinen Patholo'
gie enthält. Auf welche Art die Sympathien der verschieden®®
Theile eines Gewebes erfolgen, ist sehwer zu entscheiden. Einig®
leiten dieselben unabhängig von den Nerven, von der Glelchhei^
und dem continuirlichen Verlaufe eines Gewebes ab. Ist
Verbreitung der Entzündung z. B. durch diese Art von Anste
kung möglich? Ist die Materie eines Gewebes unabhängig
dem Einfluss der Nerven fähig, durch eine Art von
Gewebetheile gegen einander eine Reizung weiter zu leiten ? »V
sind nicht im Stande, diese Frage zu lösen. Andere leiten ^
Sympathien im Verlaufe des Gewebes von den Nerven ab. Da
6. Sympathieen. S. verschiedener Gewebe unter sich. 741
viele der hieher gehörigen Erscheinungen auf diese Art erklärt
werden müssen, scheint daraus hervorzugehen, dass auch Schleim-
häute, welche anatomisch nicht Zusammenhängen, seröse Haute,
Welche untereinander keine Communication haben, doch Erschei-
nungen von Sympathie darbicten. Siehe oben p. 735. Gleichwohl
lassen sich diese Erscheinungen auch so erklären, dass eine in
das Blut anfgenommene oder dort ausgehildete krankhafte Mate-
rie eine Affinität gegen das ganze Schleimhautsystcm n. s. w. hat.
Bei der Ausbreitung der Empfindungen in den verschiedenen
Theilen eines Gewebes sind aber offenbar die Nerven mit thätig;
Und hier frägt es sich nun, ob die Irradiation z. B. in den
Schleimhäuten durch einen vorauszusetzenden Zusammenhang der
peripherischen Nervenzweige, oder durch Mitwirkung der Cen-
traltheile erfolgt. Vergl. oben p. 727.
II. Sympatliicu verscliiedcner Gewebe unter sieh.
Diese zw'elte Form von Sympathie ist viel seltener als die
erste. In der Regel geht eine krankhafte AlFection innerhalb ei-
nes und desselben Gewebes viel leichter von einem auf ein an-
deres Oi^an über, als dass in einem und demselben Organe ein
Gewebe seinen Zustand einem andern Gewebe überträgt. Die
Tunica mucosa des ganzen Darmkanals kann krankhaft ahson-
dern, ohne dass die Tunica muscnlaris mit afficirt ist; unter ei-
nem krankhaften serösen Ueberzuge des Herzens kann gesunde
Muskelsubstanz liegen ; die Tunica mnsculosa des Darmkanals
kann ohne Veränderung der Tunica mucosa und serosa desselben
krampfhaft afficirt seyn. Die Tunica serosa kann Wasser abson-
dern, ohne Mitleiden der andern Häute eines Organes. Indessen
giebt es doch Sympathien dieser Art. Es ist hier zu bemerken,
dass, wenn die Sympathien verschiedener Theile desselben Ge-
webes in der Regel gleiche Zustände bedingen, in den Sympa-
Ihlcu verschiedener Gewebe die Affectionen der in Wechselwir-
Itung tretenden Gewebe nach ihren Lehenseigenschaften auch
Verschieden sind; nur die Entzündung ist auch hier eine in glei-
cher Art sich mittheilcnde Veränderung. Die hieher gehörenden
Consensuellen Erscheinungen sind vorzüglich folgende :
1) Zwischen der äussern Haut und den ScJdeindüiuten. Diese
®ind sehr häufig. Viele Krankheiten der Schleimhäute, nament-
lich die Entzündungen und Blennorhoeen , entstehen oft durch
Wirkung einer Krankheitsursache auf die äussere Haut, und um-
gekehrt. Auf Erkältung der äussern Haut erfolgt Lungenentzün-
‘lung, Halsentzündung, Darmentzündung etc., oder catarrhalische
^ffectionen dieser Häute, und zwar jedesmal in der Schleimhaut
desjenigen Organes, welches nach individuellen Eigenthümlich-
^eiten mehr als die äussere Haut in der Disposition zu Krank-
heiten ist. Nach ausgedehnten Verbrennungen der äussern Haut
^htsteht zuvveilen Entzündung der Lnngenschleimhaut, Magen-
^Bleimhaut. In den exanthematischen Affectionen der äussern
Y®ut leiden zuweilen die Schleimhäute mit. Andrerseits verän-
eine Krankheit der Schleimhäute, z. B. ein gastrischer
742 III.Buch, liervenphjsik. IILAbschn, Mechanik d.Nervenprinclps.
Zustand, die Absonderung, den Turgor, die Farbe der äussern
Haut. Aucb wirkt man durch die äussere Haut consensuel
auf die Scbleimbäute, wie bei Anwendung der Kälte auf die äus-
sere Haut bei Blutungen aus Sclileimbäuten. ^ ^
2) Zwischen der äussern Haut und den serösen Häuten. H*®
Wasserergiessungen der serösen Häute vermindern regelmässig
die Absonderung der äussern Haut, und durch Unterdrückung
der Hautabsonderung entstehen hinwieder zuweilen Wasserer-
giessnngen in den serösen Häuten, sowohl bei vorher gesundem
Zustande der Haut, als bei Störungen der Hautexantheme. End-
lich verursachen Krankheitseinllüsse, welche auf die äussere Ham
wirken, nicht selten Entzündungen der serösen Häute. ^
3) Zwischen dem Hrüsengewehe und den Schleimhäuten. Ich
habe schon oben erwähnt, dass eine Drüse, die in eine Schleim-
haut ansführt, in lebhafter sympathischer Verbindung mit dieser
Schleimhaut steht, wie denn das Drüsengewebe nicht allein al9
eine Verlängerung 'des Ausführnngsganges , und dieser als
Setzung der Schleimhaut betrachtet werden kann , sondern auc
die dem Darmkanal adnexen Drüsen aus dem Darmkanal selbs
anfangs hervorkeimen. Siehe oben p. 362. Wir dürfen uns daher
nicht wundern, wenn die Reizung der Mundschleimhaut die Ab-
sonderung des Speichels vermehrt, die Reizung der Conjunctiva
einen Thränenfluss, die Indigestion eine Salivation bewirkt.
4) Zwischen den Schleimhäuten und den serösen Häuten zeigt
sich seltener eine solche Wechselwirkung.
5) Zwischen den fibrösen Häuten , der Markhaut der Knöchel*
und dem Knorpel- und Knochengewehe findet hingegen eine sehr in'
nige Beziehung statt. Der Zustand der Beinhaut wirkt auf den
des Knochens und umgekehrt. Nach Entzündung der Belnhaut
folgt häufig Aufschwellung des darunter liegenden Knochens, und
bei Knochenauftreibungen wird auch die Beinhaut verdickt-
Nach Entzündung der Markhaut der Knochen entsteht auch Aul-
Schwellung der ganzen Dicke des Knochens. Nach Zerstörung
der Beinhant erfolgt die äussere, nach Zerstörung der Markham
die innere Necrose der Röhrenknochen. Siehe oben p. 389. Die«®
Wechselwirkung gründet sich vorzüglich auf den Umstand, da«*
sowohl von der Beinhaut als von der Markhaut aus, unzählig®
feine Gefässe von aussen und innen in das Innere des KnocheO*
eindringen. .
Ein aufmerksamer Arzt wird diese Beispiele von Syrnpathma
zwischen verschiedenen Geweben leicht vei-mehren können.
Erklärung dieser Sympathien kann nicht in allen Fällen diesm
seyn. Absondemde Häute stehen an und für sich, abgesebe^
von den Nerven, durch die Wirkung des Zustandes der
derungen auf die Säftenmasse in einem antagonistischen Verbal '
nisse. Siehe oben p. 454. Andere Erscheinungen, bei welche^
weniger allein die Absonderung als der gesummte Lebenszustao
der Häute verändert wird, wie bei der l^haften Wechsel wirkuob
der Haut und der Schleimhäute, gehören mehr zu den
menen der durch Mitwirkung der Nerven zu erklärenden J
Siehe oben p. 731. In Hinsicht der Wechselwirkung der Drus
Sympathien. S. der Gewebe mit den Organen. 743
mit den Schleimhäuten ist es ungewiss, oh die Sympathie durch
Reflexion oder durch Wechselwirkung der Nerven selbst unter
Mitwirkung des N. sympathicus erfolgt. Die Wechselwirkung
der äussern und innern Beinhaut der Knochen mit den Knochen
ist endlich durch ihre Gefässverhindungen und die Wechselwir-
kung ihres Gefässgewebes zu erklären.
III. Sympathien der einzelnen Gewebe mit ganzen Organen.
Die Krankheit eines ganzen Organes-, an welcher ein weiter
verbreitetes Gewebe Antheil hat, theilt sich den Fortsetzun-
gen dieses Gewebes über das ursprünglich aflicirte Organ hin-
aus mit, und umgekehrt kann der Zustand eines Gewebes auf den
eines zusammengesetzten Organs wirken.
Als Beispiele dieser Art von Sympathie kann man vorzüglich
das Verhältniss der Eingeweide zu der äussern Haut, zu den
Schleimhäuten, serösen Häuten anführen.
Durch die äussere Haut kann eine Krankheitsursache zu je-
dem zur Krankheit disponirten Organe Eingang finden, und an-
derseits können Reizungen und Ableitungen, auf der äussern Haut
angebracht, wieder auf die Krankheitszustände jedes besondern
nahegelegenen Organes wirken. Auch werden Blutungen innerer
Theile durch Wirkung der Kälte auf die Haut gestillt. Endlich
kann sich eine exanthematische Krankheit der flaut auf alle in-
neren Theile versetzen.
Die serösen Häute participlrcn immer an den Zuständen
der Organe, welchen sie einen Ueberzug geben. Bei den or-
ganischen Bildungskrankheiten der Eingeweide leiden die serösen
Häute nicht allein, wo sie das Eingeweide überziehen, sondern
in ihrer ganzen Ausbreitung mit. So entsteht in Folge einer
organischen Krankheit der Lungen Brustwassersucht, des Her-
zens Herzheutelwassersucht, der Leber Bauchwassersucht, der
Gebärmutter und der Eierstöcke Bauclnvassersucht, bei organi-
schen Krankheiten des Hodens Hydrocele. Dabei gilt das Er-
fahrungsgesetz, dass gewöhnlich die dem kranken Organe zu-
nächst gelegenen serösen Häute sympathisch aflicirt werden.
Ferner sind in den Krankheiten der Eingeweide, an welchen
Schleimhäute participiren, die Schleimhäute in grösserer Ausdehnung
immer aflicirt. Bei den organischen Krankheiten der Gebärmut-
ter entsteht weisser Fluss. Bei den Krankheiten der Lungen sind
die Schleimhäute der Bronchien aflicirt. Bei den Bildungskrank-
beiten des Magens, des Darmkanals entsteht oft eine anhaltende
Verstopfung aus Mangel an Absonderung in der Schleimhaut des
Traetus intestinalis.
Bei dem entzündlichen Zustande einer Schleimhaut ist das
ganze System ergriffen, die nahegelegcnen Muskeln sind ent-
weder in ihren Bewegungen gehemmt, wie die Schlundniuskeln
iß der Entzündung des Schlundes, oder sie sind kramj>niaft af-
ficirt, wie das Zwerchfell, die Intercostalmuskeln im Reizhusten,
'''welcher von der Schleimhaut der Lungen ausgeht. Mechani-
sche Reizung der Schleimhaut bringt dieselbe Wirkung her-
M ü 1 1 e r’d Physiologie, 48
744 III. Buch. Nerpenphfsik. III.Ahschn. Mechanik d.Nervenprincips.
vor. Man kennt die Krämpfe, welclie von meclianiscker Irri-
tation der Stimmritze entstellen, das Würgen nacli der Heizung
der Schleimliant des Sclilundcs; die Reizung der Sclileimliaut der
Blase, der Ureteren durch Steine, durch Entzündung bewirkt
Krampf des Sphincter ani, des Sphincter vesicae urinariae, An-
ziehung des Hodens durch den Musculus cremaster. Wir ha-
ben schon oben gesehen, dass die Reizung der Schleimhäute
durchgängig krampfbafte Athembcwegungen , wie beim Erbre-
chen, Niesen, Schluchzen, Husten u. s. w. ei'zeugen könne,
und verweisen in Hinsicht der Erläuterung dieser Erscheinungen
auf p. 333.
Von allen Membranen haben die fibrösen die geringste
Wechselwirkung mit anderen Organen, selbst mit den Organen,
welcbe sie umkleiden. Diese zum Schutz und zur Befestigung
bestimmten Theile sind in dieser Hinsicht fast Isolatoren. Nur
die Entzündung der fibrösen Häute kann wegen des Blutverkehrs und
der Wechselwirkung der Gefässe heftige Symptome, auch in den
von ihnen umkleideten Organe hervorbringen, gleicliwie die Ent-
zündung der Dura mater mit heftigen Hirnsymptomen verbun-
den ist.
Die Sympathien einzelner Gewebe mit ganzen Organen tinaen
übrigens theils in den Gesetzen der Reflexion (p. 688., 716., 725.,
728.), wenn solche Theile in keiner Verbindung stehen, vrie die
Haut und innere Organe, tlieils in der Wechselwirkung der Ge-
fässverbindungen und Gefässnerven verbundener Theile (wie des
Uterus und der Schleimliant der Genitalien) ihre Erklärung.
rV. Sympathien ganzer Organe unter sich.
Obgleich es zu den Grundbegriffen des Organismus gehört,
dass ein Organ auf alle anderen wirken kann : so ist doch^ die
Leitung der Zustände vorzüglich zwischen den Organen gewisser
Systeme oder Organgrnppcn erleichtert. Die bieher gehörenden
Sympathien sind folgende:
1) Zwischen Organen, welche eine gleiche Bildung und Fun-
ction haben, wie zwischen den verschiedenen Speicheldrüsen,
zwischen dem Herzen und den Blutgefässen, zwischen Magen
und Darmkanal, zwischen den Ccntralorgaiien des Nervensystems.
2) Zwischen Organen, welche, obgleich von verschiedener
Bildung, doch zu demselben Organsystem gehören, wie die ver-
schiedenen Organe des chylopoetischen Systems (Darmkanal, Drü-
sen, Milz), des uropoetischen Systems, der Genitalien, der beiden
letzteren unter sich, des respiratorischen Systems(Kchlkopf, Luft-
röhren, Lungen).
3) Zwischen Organen, welche in anatomischem Zusammen-
hänge durch Gefässe und ihre Nerven stehen , wie Lungen
und Herz. _ _ j i r
4) Zwischen allen wichtigeren Eingeweiden und den Oen-
traloi-rranen des Nervensystems. Hieher gehören die Mit-Affection
des Gehirns bei Entzündung der Eingeweide, der Leber, der
Luncen, des Darmkanals, die Affectionen des Magens und der
6, Sympathien. S. der Nerven, 745
Leber. Polycbolie, Leberentzündung, naeh Verletzungen und Rei-
zungen des Gebirns etc.
Die sympatbiscben Erscbeinungen dieser Art werden tbeils
durch die Abhängigkeit verschiedener Organe eines Systems,
oder anatomisch zusammenhängender Theile von {gleichen Ans-
strahlungspunkten des Nervcneintlusses, tbeils dxirch den Einfluss
der Centralorgane des Nervensystems auf alle Organe erklärt.
Dass die Ccntralorgane hierbei wahrscheinlich einen grossem Ein-
fluss als die Communicaüon der sympathischen Nerven ausühen, sieht
man an gewissen, durch Nervenzusammenhang oder anatomischen
Zusammenhang ganz unerklärlichen Sympathien, wie zwischen
Brust und Genitalien, zwischen Kehlkopf, Athemw'erkzeugcn,
und Genitalien bei der Entwickelung der Pubertät, bei Ausschwei-
fenden und Castraten. Sympathien, welche bis jetzt auch keiner
andern Erklärung als derjenigen der Reflexion fähig, sind die der
Parotis und des Hodens, deren entzündliche Affectionen sich zu-
weilen von einem auf das andere Organ versetzen.
V. Sympathien der Nerven selbst
Obgleich die Nerven die Ursachen des grössten Tbeils, wenn
nicht aller consensuellen Erscheinungen sind, so trennen wir
doch diejenigen Sympathien, hei welchen die Wechselwirkung
bloss zwischen Nerven erfolgt, oder wo wenigstens ein Nerve es
ist, w'elcher, dem Einflüsse eines andern Theiles ausgesetzt, sym-
pathische Erscheinungen zeigt. Man kann die hieher gehörigen
Facta folgendermaassen ordnen:
I. Sympathien der Nerven mit den Centraltheilen des Nerven-
systems. Die Nerven erfordern zu ihrer naturgemässen Tliätigkeit
nicht allein den beständigen Einfluss der Centralorgane, wie meine
Und Sticrews Versuche (p. 614.) zeigen, nach welchen ein von
dem Gehirn und Rückenmark längere Zeit getrennter Nerve
gänzlich seine Reizbarkeit verliert; auch die Ccntralorgane kön-
nen durch die Nerven verändert werden. Die hieher gehörigen
Phänomene sind zum Tlieil schon in dem Capitel von der Re-
flexion p. 688. angeführt w'orden. Wir bedienen uns dieser Wech-
selwirkung in einer Menge von Fällen zur Heilung von Ki-ank-
heiten der Ccntralorgane. Wir erregen das Rückenmark selbst,
indem wir die von ihm cntspringendcTi Nerven durch Bürsten
der Haut und andere Friclionen, durch .Senfteige, Rlascnpfla-
ster, Moxen, Haarseile u. s. w. reizen ; wir w'irken auf das Gehirn und
Rückenmark vermittelst der Nerven hei den kalten und warmen
Fädern, bei den Sturzbädern, beim Auftröpfeln kalten Wassers
®ut Hautslellen. Bisher waren diese Thatsachen zwar bekannt,
Weniger aber diejenigen physiologischen Thatsachen, aus welchen
^an jene ableiten kann; jetzt aber kann man sich aus den bei der
Lehre von der Rellexion erläuterten Erscheimingcn einen deutli-
chen Begrifl' von dem Processe jener Wechselwirkung machen.
An jedem Theile des Körpers, namentlich der Haut, kann man
uurch mechanische, galvanische, chemische Einwirkung in den
"'^on dort entspringenden Nerven eine heftige ccntripetale Wir-
48 *
746 IILBuch. Nervenphysik. III.Ahschn. Mechanik d.Neroenprincips.
kung erzeugen, welclie, wenn sic öfter wiederholt wird, im Stande
ist den gesunkenen Lehensprocess in denjenigen Thcilen des Ge-
hirns und Rückenmarkes, von welehen jene IVerven entspringen,
anzufachen und so niittell)ar auch auf antlere Theile der Central-
or^ane zu wirken. Für die Therapie ergiebt sich aus diesen Be-
trachtungen, dass wir auf die Centralorgane auf sehr verschiedene
Art einziiwirken vci’mögen, nämlich:
1) Durch unmitteihnre Einwirkung auf dieselben durch in den
Darmkanal, oder durch die Haut eingellösste und ins Blut auf-
genommene Materien, eine Methode, die sich in sehr vielen Fäl-
len w'egen der Unwirksamkeit solcher Mittel erfolglos zeigt.
2) Durch Wirkung auf die von den Centralorganen entsprin-
genden Nerven, wovon die Therapie die herrlichsten Erfolge sieht.
II. Sympathien der Bea’e^niigs- und Empfindungsnerven. In
dem vorhergehenden Falle haben wir nur die Veränderung
der Centralorgane seihst durch Eindrücke auf die Emplindungs-
nerven ins Auge gefasst; hier erwägen wir die hierbei auch
erfolgenden Rückwii klingen von den Centralorganen auf an-
dere^ Empfindungsnerven oder Bewegungsnerven. Die centri-
petale Erregung der Empfindungsnerven wirkt nicht hloss auf
die Centralorgane, sie ivird auch von diesen redectirt. Diese
Rellexion findet auch zwischen verschiedenen Enipfindungsner—
ven statt. Daher sind wir im Stande, die Thätigkeit eines
Empfindungsnerven, der unserer Beliandhing nicht zugänglich ist,
wie des Geliürncrven, des Gesichtsnerven, durch Reizung anderer,
ihm physiologisch und in Hinsicht des Ursprunges verwandter
Empfindungsnerven anzuregen. Hierauf gründet sich die Behand-
lung der Schwerhörigkeit, der Amblyopie mit Hautreizen u. s. w.
Die Beispiele von Reflexion von Enipfindungsnerven auf Bewe-
gungsnerven dui-ch Vermittelung des Rückenmarks und Gehirns
haben wir schon oben p. 688. ausführlich mitgetheilt. Ich er-
wähne hier nur als Anhaltspunkte die auf Reizung der Retina er-
folgende Bewegung der Iris, die krampfhaften Athemhewegungen
des Hustens, Erbrechens, Niesens, Schluchzcns u. s. w. , auf Em-
pfindungsreizungen in der Sclileimhaut der Lungen, des Schlun-
des, Magens, .Darmkanals, das Niesen nach Lichtreiz, die Bewe-
gungen der Augeulicdcr auf Empliudiingsz’ciznng der Retina und
des Nerv, acusticus. Die Erklärung aller dieser Erscheinungen
ist bereits gegeben ; an ihnen hat der Nervus sympathlcus
gar keinen Aulheil; die Reflexion erfolgt hier überall, wie be-
wiesen worden ,. durcli Vei'iuittelung des Gehii'ns und Rücken-
markes. Durcli die Reflexion von den Empfindungsnerven auf
die Bewegungsnerven vermittelst des Gehirns und Rückenmarkes
heilen wür zuweilen örtliclie Lähmungen einzelner Nerven, z. B.
des N. faeialis, die Ptosis ])id])ebrarum durch Reizung der Ge-
sichtsnerven u. s. w. .Bei allen diesen seit langer Zeit erjirobten
Heilversuchen, die unter 1. und 11. erwähnt worden, zeigt sich
jetzt schon die innigste Durchdringung unserer physiologischen
und praktischen Kenntnisse. Welclier Fortschritt liegt in der
Erkenntniss, dass mau und w'arum man durch künstlicli erregte
Empfindungen wohlthätig auf Bewegungen wirken kann!
747
6. Sympathien. S. der Nerven.
III. Sympathien der paarigen Nerven. Dahin gehören vor-
züglich die paarigen Sinnesnerven, wie die beiden Optici, die
Acustici, die Olfaetorii, und die Nerven des Ciliarsysteras.
Bei einer primären Affection des einen AugCs , wo die Reizung
ursprünglich nur auf dieses eingewirkt liat, erfolgt zuweilen Er-
kranken des andern Auges an derselben Krankheit. Ist ein Ä.uge
durch Entzündung zerstört worden, so wird zuweilen auch das
andere ergriffen und zerstört. Die Aö’ectionen des innern Ohres
bleiben nicht immer isolirt. Ist erst das eine Ohr taub gewor-
den, so wird es auch oft das andere. Die Sympathien der Be-
wegungsnerven des Auges und namentlich der Ciliarnerven sind
bekannt genug. Die gleiche OelFnung der Pupille beider Augen bei
den verschiedensten äusseren Einflüssen auf das eine und andere,
ist auch in der Gesundheit von dieser Sympathie bedingt. Diese
Sympathien der paarigen Nerven äussern sieli sehr häulig in
den sogenannten Neuralgien, in den schmerzhaften Aftectionen der
Nerven, ln Folge des nervösen G'csichtsschmcrzes auf der einen
Seite wird zuweilen auch der entsprechende Nerve der andern Seite
aflicirt. Der Zahnschmerz, der seinen Grund in einem cariösen
Zahne hat, wird nicht allein an der Stelle der Reizung, sondern
zuweilen auch in dem entgegengesetzten paarigen Nerven gefühlt.
IV. Sympathien der Bewegungsnerven unter einander. Die hie-
her gehörigen, äusserst zahlreichen Phänomene der Association
der Bewegungen oder Mitbewegungen, wodurch die Intention zu
einer Bewegung auch andere Bewegungen unwillkübrlicb bervor-
ruft, sind schon p. 662. erläutert und erklärt worden.
V. S^mpatlden der Empfindungsnerven. Die Sympathien der
Empfinduiigsnerven zeigen uns vorzüglich drei Formen, welche
bloss durch die Ausdehnung und Entfernung der in Consensus
gezogenen Thcile verschieden sind.
a. Im ersten Falle breitet sich eine heftige Empfindung, die
an einer einzigen Stelle erregt worden, in Neryen derselben Art,
oder in anderen Nervenfasern desselben Nerven aus; wie bei der
durch eine ganz örtliche heftige Verbrennung entstehenden Irra-
diation der Empfindungen in die benachbarten Hautstelleii.
Die Erklärung dieser Erscheinungen ist schon oben bei der Lehre
von der Irradiation behandelt worden.
b. Im zweiten Fall zieht der eine Empfindungsnerve einen Em-
pfindungsnerven anderer Art, aber in demselben Organe in Affection.
Diese Art von Sympathie beobachten wir vorzüglich zwischen den
eigentlichen Sinnisnerven und den sogenannten Ilülfsnerven der
Sinnesorgane. Ausser den eigenthümlichen Sinnesempfindungen
eines Sinnesorganes kommen nämlich in jedem Sinnesorgane au<di
t>och die allgemeinen Empfindungen des Gefühls für Widerstand,
^Värme, Kälte, Wohllust, Schmerz in ihm, aber durch andere
Nerven vor. Im Auge ist der N. opticus nur der Llcbtempfm-
dung, nach Magendie nicht der Gefühlsempfindung fällig; dage-
gen besitzt das Auge in den Zweigen vom ersten Aste des N.
Digeminus, die sich in der Conjunctiva verbreiten, und in den Ci-
Barnerven auch Gefühlsempfindung; diese sind also die llüU's-
®enren des Auges. Das Gehörorgan besitzt ausser dem N. acu-
748 III. Buch. Netvenphfsik. III. Ab.^chn. Mechanikd. Neroenprlnrips.
sticas, die yom N. facialis, glossopliaryngeus, sympatliicus, Ram.
secundus «nd tertius N. trigcmini und Ganglion oticum, in der
Trommelliöhle sich verbreitenden Hülfsnerven, wovon ausführli-
cher in der speciellen Physiologie der einzelnen Nerven. Von
diesen in der Schleimhaut der Trommelhöhle sich verbreitenden
Nerven, und von den zahlreichen Nerven des aussern Ohrs und
äussern Gehörganges rührt offenbar die Gefühlsempfindung des
Gehörorganes her. Die Nase ist nicht allein der Sitz des Ge-
ruchs durch die Geruchsnerven, welche nach Magehdie keiner
Gefühlsempfindung fähig sind, sondern auch lebhafter Gefühls-
eindrücke durch die N. nasales vom zweiten Aste des N. trigemi-
nus fähig, wohin die Empfindungen von Widerstand, Wärme,
Kälte, Kitzel, Schmerz u. s. w. in der Nase gehören. Die Zunge
ist sowohl der Geschmacksempfindung als der Gefühlsempfindung
fähig, wie jedem bekannt ist.
In jedem Sinnesorgane kann die eine Art dieser Empfindungen
aufgehoben seyn, während die andere verharrt. Die Sinnesner-
ven und Gefühlsnerven der Sinnesorgane sind nun einer sehr
lebhaften sympathischen Action fähig. Hieher hat man unter
anderen auch die nach Verletzung des N. frontalis zuweilen
beobachtete Blindheit gerechnet, von der es jedoch noch zwei-
felhaft ist, oh sie hieher gehört. Man glaubt, dass die Verlet-
zung des Nervus frontalis auf den Stamm des Nerv, ophthalmicus
zurückwirke, der auch den N. naso-ciliaris abgiebt, welcher
letztere die lange Wurzel des Ganglion ciliare bildet. Allein die
Ciliarnerven können nur die Iris lähmen, nicht die Retina, mit
welcher sie in keiner Verbindung stehen. Viel naUirgemässer
scheint mir die consccutive Blindheit nach Contusionen der Stim-
gegend von der Erschütterung des Auges und Sehnervens er-
klärt zu werden. Der treffliche v. Walther scheint mir za
weit gegangen zu seyn, wenn er so viel Gewicht auf das Ci-
liarnervensystem bei den Amaurosen und Amblyopien legte.
Viele andere Ei’schelnungcn zeigen uns aber unzweideutige Be-
weise von Wechselwirkung der Sinnesneiwen , wie die auf Rei-
zung der Retina erfolgende Bewegung der Iris, der Angenlieder,
und die Thränenabsonderung. Eben so stark sind aber auch die
Wirkungen der Sinnesnerven auf einander, wie die Empfindung
des Kitzels in der Nase nach dem Sehen in die Sonne; die Em-
pfindungen von Schauder, Rieseln nach gewissen Tönen u. s. W.
bezeugen. Wie diese Erscheinungen zu erklären sind, ist nach
den in der Mechanik der Nerven aufgestelltcn Grundsätzen nicht
sehr zweifelhaft. Da uns zuverlässig erwiesene Verbindungeo
dieser Sinnesnerven mit jenen Hülfsnerven durch den N. sympa-
thicus nicht bekannt sind, so müssen diese Phänomene auch nuT
durch das Gesetz der Reflexion, nämlich durch Vermittelung de*
Gehirns zwischen der centripctalen Erregung, z. B. des Sehner-
ven und der Rückwirkung auf die Nasennerven ibeira Niesen
und Gefühl von Kitzel in der Nase nach dem Sehen in die Sonne,
erklärt werden. Tieuemann hat in der von ihm gegebenen vollständi-
gen Darstellung aller Sympathien der Sinnesorgane {Zeüschr. f. Phf-
siol. I. 2.37.) die Thatsache hervorgehoben, dass alle Sinneswcrkzeugß
749
6. Sympathien. S. der Nerven.
Zweige von dem sympatbisclien Nerven erlialten. Diess ist niclit
zu läugnen ; zur Erklärung der Sympatliien der Sinnesnerven mit
anderen Empfindungsnerven ist aber erforderlich, dass nicht
das Sinnesorgan überhaupt, welches ein sehr zusammengesetzter
Theil von juxtaponirten Geweben ist, sondern der Sinnesnerven
selbst eine solche Verbindung eingehe. Nun hat man zwar auch
solche Verbindungen beschrieben. Tiedemasn selbst beobachtete
Zweige der Ciliarnerven, welche die Art. centralis retinae bis
auf die Netzhaut begleiten; diess ist aber keine Vei’bindung des
Sehnerven, oder der Retina mit dem N. sympathicus ; denn solche
zarte Gefässnerven giebt es überall; ich habe sie z.-B. weit hin
an den Zweigen der Arteria profunda penis in den Corpora ca-
vernosa penis verfolgt. Hirzel (Tiedemann’s Zeitschrift 1. 229.)
beobachtete mehrmal eine Verbindung zwischen dein Ganglion
sphenopalatlnum und dem Sehnerven. Arhold verfolgte einen
solchen Faden nur bis in die Scheide des Sehnerven, und läug-
net die Verbindung mit diesem selbst. Varrehtrapp {observ. anat.
de parte cephalica N.. sympathici. Francof. 1831.) sah diesen Faden
niclit. Wenn aber auch der N. sympathicus wirklich einen Fa-
den an den Sehnerven ahgäbe, der mit diesem verschmölze, so
lässt sich daraus auch noch nicht viel erklären ; denn zu einer voll-
ständigen Wechselwirkung, wie sie bei den Sympathien stattfin-
den müsste, müsste dieser Verbindungsfaden des N. sympathicus
mit allen im Selinerven enthaltenen Fasern sich verbinden; die
Verbindung mit einer oder einigen Fasern würde nicht hiurei-
chen. Dasselbe lässt sich von dem Gehörorgan bemerken. Die
in dasselbe eintretenden Zweige des sympathischen Nerven kön-
nen keine Sympathien des Gehörnerven erklären, weil sie sich
nicht mit dem Gehörnerven verbinden ; sie sind besonderen vege-
tativen Functionen, der Schleimabsonderung in der Trommel-
höhle u. a., bestimmt. Arhold [d. Kopf theil d. vegetat. Nervensy-
stems. lleidelb. 1831.) hat Verbindungen des N. facialis mit dem
N. acustlcus beschrieben. Es geht nämlich vom Knie des N. fa-
cialis ein von Arhold vom sympathischen System abgeleiteter
Nervenfaden rückwärts zum N. acusticus. Hier fragt sich wieder,
versclimilzt dieser Faden mit dem ganzen N. acusticus, oder ge-
sellt ör sich bloss juxtaponirt den Fäden desselben bei, um orga-
nischen Functionen im Labyrinthe vorzustehen. Varrentrapp
fand überdiess jene Verbindung nicht wieder. Arnold fand auch
eine zweite Verbindung des N. facialis mit dem N. acusticus, die
Varrentrapp bestätigte". Von der kleinern Portion des siebenten
Paares geht im Meatus audlt. int. ein Faden zum Hörnerven.
Diese Verbindung dürfte wohl auch keine Wechselwirkung bei-
der Nerven erklären können; den Fasern des N. acusticus wird
hier ein der Gefühlsempfindung, nicht Gehörempfindung be-
stimmter Faden des N. facialis juxtaponirt.
Dasselbe was von dem Verhältniss der Sinnesnerven zu ih-
ren Hülfsnerven bemerft ivurde, gilt von den entfernteren Symjia-
thien der Sinnesorgane mit den Abdomlnaleingeweiden. Man
liat zuweilen in Störungen der Verrichtungen der TJnterlelbsein-
geweide Amblyopie, Ohrenbrausen u. s. w. beobachtet; auch diese
750 III.Buch. Nervenphysik. III.Ahschn. Mechanik d.Nervenpnndps.
Wechselwirkungen erklären Viele durch den Antheil des N. sym-
pathicus an den Verrichtungen der Sinnesorgane, da doch diese
Erscheinungen viel leichter aus der Impression, welche die Ver-
änderungen der Unterleibsnerven auf die Centralorgane machen,
und aus der Rückwirkung der letzteren auf die Sinnesorgane er-
klärt werden. Man kann diese Veränderungen der Sinnesorgane
in Unterleihskrankheiten nicht so isolirt betrachten; oft zeigt sich
das ganze Nervensystem mit alterirt; hartnäckige Cephalalgien
sind der Affection der Sinnesorgane vorausgegangen oder noch
vorhanden, das Geraeingcfiihl der gesamraten Sensationsnervpn,
der Rückenmarksnerven ist alterirt. Mit einigen Ausstrahlungen
des N, sympathicus auf die Sinnesorgane kömmt man hier
nicht aus.
Alles diess beweist, dass die bisherigen Erklärungen der Sym-
pathien der Sinnesorgane unter sich und mit anderen Organen
durch den N. sympathicus, wenn gleich nicht widerlegt, aber weit
von einem empirischen Beweise entfernt sind, und dass die trelh-
lichen Männer Tiedemans und Arnold, indem sie sich fast an die
Spitze der Vertheidiger jener Hypothese gestellt haben, nach ei-
ner einmal gangbar gewordenen Theorie ans ihren schätzbaren
anatomischen Beobachtungen mehr geschlossen haben, als wozu
diese zu berechtigen scheinen.
Nachdem wir die verschiedenen Formen der Sympathien
zergliedert haben, ist es nöthig, noch einen Blick auf die An-
wendung zu werfen, welche die' Therapie von den Sympathien
macht. Die Lehre von der Statik des Consensus belehrt uns,
wie wir uns hüten müssen, den krankhaften Zustand des Orga-
nes A durch Wirkungen auf das Organ B zu verstärken ; sie zeigt
uns aber auch die Mittel, den Zustand des unzugänglichen Orga-
nes A durch angemessene Veränderung des Organes B mit zu
verändern. Die higher gehörigen Heilmethoden haben den Na-
men der Ableitung und Gegenwirkung erhalten , indem sie
durch die künstliclie Veränderung des einen Organs einen Zu-
stand in einem andern Organe zu entfernen beabsichtigen. Die
hieher gehörigen Fälle sind folgende:
1) Erhöhung der Thätlgkeit des krankhaften Theiles A durch
künstliche Erhöhung der Thätigkeit des sympathischen Theiles B.
2) Verminderung der Irritation des Theiles durch Er-
schlaffung des sympathischen Theiles B. Dieser Erfolg darf am
meisten bei den Nervensympathien erwartet werden, besonders
überall, wo die Gesetze der Reflexion von Empfindtmgsnerven
auf das Gehirn und Rückenmark, und von dort wieder auf die
motorischen Nerven in Betracht kommen. Die ganze peripheri-
sche Ausbreitung der Hautnerven giebt dem Arzt ein grosses
Feld der mittelbaren Einwirkung auf das Gehirn und Rücken-
mark. So erhöht die Thätigkeit der peripherischen Nervenenden
in der Haut durch Frictlon, Electrlcität , Moxen, kalte Bäder,
Senfteige u. s. w. erzeugt, die Tbätigkeit^der Centralorgane; die
Erschlaffung der peripherischen Nervenenden in der Haut durch
laue Bäder w’irkt besänftigend auf die Irritation der Centralorgane.
3) Verminderung der krankhaften [Absonderung des Theiles
751
6. Sympathien. Antagonismus.
A durch Vermehrung der Absonderung des Thelles JS, oder durch
Erzeugung einer ähnlichen Absonderung in dem Theile B.
diesem Falle ist die Wirkung ganz die entgegengetetzte des vor-
bergehenden Falles. Dort erzeugte die Wirkung auf A die glei-
che in B. Hier erzeugt die Wirkung auf A die entgegenge-
setzte in B. Dieser Widerspruch erkläi-t sich aus dem schon
p. 454. erläuterten Antagonismus der verschiedenen Absonderun-
gen. Jede Vermehrung der Absonderung muss als Entziehung
aus der Masse der Säfte betrachtet Averden, und modificirt also
das Gleichgewicht der Vertbeilung der Säfte. Auf diese Art ist
die Wirkung der Blasenpfiastei’j Fontanellen bei der Disposition
innerer Theile zu krankhaften Ablagerungen, die Wirkung der
Diuretica bei den Wassersüchten u. a. zu betrachten. Es ist
nur zu bemerken, dass eine künstliche Absonderung auf einer
Schleimhaut die krankhafte einer andern Schleimhaut, also des-
selben Gewebes, nicht leicht vermindert, weil innerhalb desselben
Gewebes ähnliche Zustände sich zu verstärken streben. Vgl. p. 733.
4) Verminderung der Congestion von Blut in dem Organe A
durch eine künstlich erregte Congestion B ; Avie bei der Wirkung
der heissen Fussbäder. Dieser Fall gleicht dem vorhergehenden
Und widerspricht den beiden ersten, erklärt sich aber auf die-
selbe Weise.
5) Verminderung des Zustandes x in dem Theile A durch
künstliche Erzeugung eines davon verschiedenen Zustandes )' in dem
Xheile B desselben Gewebes. Eine Methode, der Avir uns häufig mit
dem grössten Erfolge bedienen. Absonderung und Entzündung sind
besonders in einem absondernden Theile fast als entgegengesetzte Zu-
stände zu befrachten. Die Entzündung hebt immer die natürlichen
Absonderungen auf. Daher die Entzündung der Schleimhaut des
Äaehens mit Erfolg durch künstlich erregte Diarhoe behandelt
■wird. Es lässt sich diese Methode eben so auf verschiedene Ge-
webe anwenden. Eine Diarhoe vermindert die Congestion zu dem
Kopfe. Dieser Fall gehört jedoch dann schon unter das bei
4. aufgstellte Verbal tniss.
6) Verminderung des Zustandes x in dem Organ A dureh
Erzeugung desselben Zustandes x in dem Organe B. Dieser Fall
Scheint den meisten vorher angeführten zu Avidersprechen, und
ist die Erklärung desselben sehr scliAver. Wollte man ganz in
der Nähe eines entzündeten Theiles eine künstliche Entzündung
bewirken, so Avürde die erste dadurch nicht vermindert, sondern
i'ermehrl werden, zumal in Theilen desselben Gewebes, welche
Alllinität zur Mittheilung haben. Und dennoch beschränkt zu-
'"'eilen eine in einer gewissen Entfernung von dem entzündeten
Organe yl erregte Entzündung des Organes B die erstere. Man
behandelt Augenentzündungen durch künstlich erregte Hautent-
^■ündungen in einiger Entfernung vom Auge. Man erregt Haut-
entzündungen in Gelenkkrankheiten u. s. w. Der Erfolg dieser
■*hethode scheint zu beweisen, dass ZAvlschen den Reizungszuständen
der Caplllargefässe zweier Organe, besonders wenn sie verschie-
denen Gewebes sind, nicht dasjenige Reflexionsvcrhältnlss herrscht,
'i'elches Avir so deutlich in den unter 1. und 2. erläuterten Fällen
752 III. Buch. Neruenphjsik. IV. Alschn. Eigenth, der einz. Nerven.
zwischen peripherischen und centralen Theilen heohachten, wo
die Reizung der peripherischen Nervenzweige die Reizung der
Centralorgane nicht aufheht, sondern auch die Thatigkeit der
letzteren erhöht.
Abschnitt. Von den Eigenthümlichkeiten
der einzelnen Nerven.
I. Capitel. Von den Sinnesnerven.
Man hat die Nerven immer als Leiter für die Wechselwir-
kung unserer Organe mit der Aussenwelt angesehen, und so be-
trachteten die Aerzte die Sinnesnerven als blosse Leiter für die
Qualitäten der äusseren Dinge, so dass die Nerven gleichsaiß
passiv die Eigenschaften der Körper dem Bewusstseyn überbrin-
gen sollten, ohne et\tas an den Eindrücken von diesen Qualitä-
ten zu verändern. In der neuern Zeit hat ein Tbeil der Physio-
logen angefangen, diese Vorstellungen von passiver Leitung der
Eindrücke durch die Nerven zu analysiren. Sind die Nerve»
bloss passive Leiter für die Eindrücke des Lichtes, der Tonschwin-
gung, der Riechstoffe: wie kömmt es, dass derjenige Nerve, wel-
cher die 'Riechstoffe riecht, nur für diese Art von Eindrücke»
empfänglich ist, für andere nicht, und dass ein anderer Nerve
hinwieder die Riechstoffe nicht riechen kann; dass der Nerve,
welcher die Lichtmaterie oder die Oscillationen derselben empfin-
det, die Oscillationen der schallleitenden Körper nicht empfindet,
und der Gehörnerve für das Licht, der Geschmacksnerve für di®
Gerüche unempfindlich ist, der Gefühlsnerve die Schwingungen
der Körper nicht als Ton, sondern als Gefühl von ErzitteriiO-
gen empfindet. Diese Betrachtungen haben die Physiologen
genöthigt, den einzelnen Sinnesnerven eine specifische Empfäng-
lichkeit für gewisse Eindrücke zuschreiben, vermöge welcbci
sie nur Leiter für gewisse Qualitäten, nicht aber für ander®
seyn sollten.
Die Vergleichung der Thatsachen mit dieser Erklärung, a»
welcher man noch vor 10 und 20 Jahren nicht im geringsten
zweifelte, zeigte aber bald, dass sie unbefriedigend ist. De»n
dieselbe Ursache kann auf alle Sitmesorgane zugleich einwirkeO;
wie die Electrlcität; alle sind dafür empfänglich, und dennoc»
empfindet jeder Sinnesnerve diese Ursache auf eine andere Art»
der eine Nei-ve sicht davon Licht, der andere hört davon ein®n
Ton, der andere riecht, der andere schmeckt die Elcctricita >
der andere empfindet sie als Schmerz und Schlag. Ein NerV®
sieht von mechanischem Reiz ein leuchtendes Bild, der ander^
hört davon Brausen, der andere empfindet Schmerz. Der v®®
mehrte Reiz des Blutes erregt in dem einen Organe sponta»
1. Von den Sinnesnerven.
753
Lichtempfinclungen, in dem andern Brausen, in dem andern Kit-
zel, Schmerz u. s. w. Wer die Wothwendigkelt fühlte, die Con-
sequenzen dieser Thatsacheu durchzudenken, musste einsehen,
dass die spccifisclie Empfängliclikeit der Nerven für gewisse Ein-
drücke nicht hinreicht, da alle Sinnesnerven für dieselbe Ursa-
che empfänglich, dieselbe Ursache anders empfinden; und so
lernten Einige einsehen, dass ein Sinnesnerve kein bloss passiver
Leiter ist, sondern dass jeder eigenthüraliche Sinnesnerve auch
gewisse unveräusserliche Kräfte oder Qualitäten hat, welche durch
dieEmpflndungsursachen nur angeregt und zur Erscheinung gebracht
Werden. Die Empfindung ist also nicht die Leitung einer Qualität oder
eines Zustandes der äusseren Körper zum Beevusstseyn , sondern die
Leitung einer Qualität ^ eines Zustandes unserer Nerven zum Bewusst-
^eyn, veranlasst durch eine äussere Ursache. Wir empfinden nicht
das Messer, das uns Schmerz verursacht, sondern den Zustand
unsei'er Nerven schmerzhaft; die vielleicht mechanische Oscilla-
tion des Lichtes ist an sich keine Lichtempfindung; auch wenn
sie zum Bewusstseyn kommen könnte, würde sie das Bewusstseyn
einer Oscillation seyn: erst dass sie auf den Sehnerven als den
Vermittele!' zwischen der Ursache und dem Bewusstseyn wirkt,
wird sie als leuchtend empfunden; die Schwingung der Körper
ist an sich kein Ton: der Ton entsteht erst bei der Empfindung
durch die Qualität des Gehörnerven, und der Gefühlsnerve em-
pfindet dieselbe Schwingung des scheinbar tönenden Körpers als
Gefühl der Erzitterung. Wir stehen also bloss durch die Zu-
stände, welche, äussere Ursachen in unseren Nerven erregen, mit
der Aussenwelt empfindend in Wechselwirkung.
Diese W^dirhelt, welche sich aus einer einfachen und unbe-
fangenen Zergliederung der Thatsachen ergieht, fül)rt uns nicht
allein zur Erkenntniss der eigenthüralichen Kräfte der verschie-
denen Empfindungsnerven, abgesehen von ihrem allgemeinen Un-
terschiede von den motorischen Nerven, sondern zeigt uns auch
den Weg, eine Menge von irrthümlichen Vorstellungen über die
Fähigkeit der Nerven, einander zu ersetzen, aus der Physiologie
ein- für allemal zu verbannen. Man weiss längst, dass Blinde die
Farben mit den Fingern rächt als Farben erkennen können j aber
wir sehen nun die Unmöglichkeit davon aus Thatsachen ein.
Welche erklärend für viele andere Thatsachen sind. Wie sehr
sich auch das Gefühl der Finger hei einem Blinden durch Ue-
Lung steigern mag, es bleibt immer Qualität der Gefühlsnerven,
Gefühl. Welcher gebildete Arzt möchte nun wohl an solche
Mährchen glauben, wie an das Lichtempfinden und Sehen mit
den Fingern, mit der Herzgrube bei den sogenannten Magneti-
schen. Die Finger und die Herzgrube sind erweislich und fa-
ktisch keiner Lichtempfindung f ähig (jeder Fall, der das Gegentheil
Lei einem Magnetischen zeigen soll, ist arger Betrug); aber selbst,
'^^enn diese Theile das Vermögen der Lichlempündung hätten,
So würden sie nicht sehen, nicht die Gegenstände unterscheiden
Lönuen; denn dazu gehören optische Apparate. Ein Köi'per,
'‘''clcher leuchtet oder Llchtmatcrie ausströmt, strahlt das Licht
''^on jedem Punkte über alle Theile einer empfindenden Mem-
754 III, Buch, Nervenphysik, IV, Abschn, Eigenth, der einz, Nerven,
bran gleicliförmig ans. Die LicTitmaterie von a, b, c, d — n -wird
über jeden Punkt der empfindenden Membran verbreitet; wenn
a, b, c, d — n gesehen, d. h. als Punkte von einander unterschie-
den werden sollten, müsste die Lichtmaterie, von o., b, c, d — ”
kommend, auch wieder in solchen einzelnen Punkten auf der
empfindenden Fläche, in entsprechenden Punkten a, b, c, d — n
sich isolirt sammeln. Also ist das Sehen durch andere Theile,
als das Auge aus doppelten Gründen absurd: erstens, weil andere
Theile als das Auge der Lichtempfindung überhaupt unfähig sind,
und zweitens, weil zürn Sehen optische Apjrarate zur Sonderung
des Lichtes nöthig sind.
Hieraus widerlegen sich auch die oft noch gangbaren Vor-
stellungen von Compensation des N. opticus durch den N. trige-
minus, des ]V. olfactorius durch denselben u. dergl.
Einigen Thieren mit Augen hat man den N. opticus abge-
sprochen, und die Gesichtsempfindung durch den JV. ophthalmicus
n. trigenilni geschehen lassen , wie Leim Maulwurf und Proteus
anguinus. Diess beruht indess beim Maulwurf auf nicht hinrei-
chend genauer Untersuchung, und wahrscheinlich ist es eben so
beim Proteus. Der Maulwurf besitzt einen ungemein feinen Seh-
nerven und ein sehr zartes Chiasma n. opticorum, wie mir Dr.
Heiji.e gezeigt bat. Von den Cetaceen bat man gesagt, dass der Ge-
ruchsnerve, welcher nach Blaikville, Mayer, Treviravus äusserst
fein und rudimentär, aber doch vorhanden ist (Trevirahus Bio-
logie V. 342.), durch die Nasaläste des N. trigeminus ersetzt werde.
Wie wenig diese Annahme gerechtfertigt ist, geht aus der Bemerkung
hervor, dass wir nicht den entferntesten Beweis haben, dass die
Cetaceen riechen. Magendie hat sich in den Theorien aus falsch
verstandenen Beobachtungen von dem Ersetzen eines Nerven
durch den andern am weitesten hinreissen lassen. Er glaubte
zeigen zu können, dass der N. olfactorius gar nicht Geruchs-
nerve sey, und dass der Geruch den N. nasales des N. trigeminus
zugethcilt werden müsse. Magendie Journal de physiol. T. iV,
169. MAGEumE bemerkte, dass die Zerstörung der Geruchsner-
ven die Empfindung für Essigsäure, flüssiges Ammonium, Laven-
delöl, Dippelsöl, welche in die Nase gebracht worden, nicht auf-
hebt, indem die Thiere die Nase mit den Füssen rieben und
niessten. Diess beweist, wie Eschricht (Disx, de funct, primi et
quinti paris in ol/actorio organo, Milgehdie Journal de physiol, T, Vl-
p. 339.) zeigt, und jeder leicht einsieht, dass die Geruchsnerven
eben nur die Geruchsnerven und nicht die Gefühlsneiven der
Nase sind. Denn alle die genannten Stoffe erregen auch das all-
gemeine Gefühl der Nasenschleimhaut, welches von den Nasal-
ästen des N. trigeminus abhängt. Fleisch erregt nur die Ge-
ruchsempfindung , und hier gesteht Magendie selbst, dass, wenn
einem Hunde ein in Papier gewickeltes Stück Fleisch hingelegf
wurde, nachdem ihm die N. olfactorii zerstört worden, er dies*
nicht bemerkte. Dass der Geruch bei Mangel der Geruchsner-
ven oder nach Zcrstöi’ung derselben bei Menschen fehlte, haben
die Fälle von Humus, von Roefink, Maghesus und Opfert^
von Balonus, Loder und Serres gezeigt. Vergl. Eschricht a. »•
1. Von den Sinnesnerven.
755
O. Bäcker comment. ad quaest. phfsiol. Traject. 1830. Dagegen
■Wollen Mery, Berard Lei Verh'artung der Geruclisnerven oder
der vorderen Lappen des Geliirns Gerucli Bemerkt haben. Mert
fei. de l’anat. et cMrurg. par Portal. T. III. p. 603. Magesdie
Journal. V. 17. Aber wer steht uns dafüi-, dass diese M'änner sich
nicht eben so, wie MAOEsniE getäuscht, und die Gefüblsemplin-
dungen der Nase mit den Gcruchseinpfindungen verwechselt Laben.
Sonst nahm man an, dass der Gehörnerve bei den Fischen
Von dem N. trigeminus ersetzt werde. Noch Scarpa und Cuvier
glaubten diess. Diess haben Treviranus und E. H- Weber wi-
derlegt. Bei einigen Fischen gellt nach Weber {de aiire et auditu.
Lips. 1820.) ein Faden vom N. trigeminus zum N. acusticus, wie
bei Silurus glanis und Muraena anguilla. Es giebt aber nach
Weber einen llülfsncrven des Gehörorganes, der bald selbststän-
dig vom Gehirn, bald vom N. tiägcminus oder vom N. vagus
entspringt, und zur Ampulla des hinteren Kanales und zum Sacke
geht. Die Rochen haben einen vom Gehirn selbst entspringen-
den N. accessorius nervi acustici, die Zitterrochen und Haien haben
ihn nicht. Uebrigcns ist der N. acusticus auch Lei den Rochen
nach Weber’s genaueren Untersuchungen vom N. trigeminus ge-
trennt und diesem bloss juxtaponirt, und Desmoulins hat sich
hier geirrt, obgleich er die Trennung bei den Gräthenfischen
kannte. Weber a. a. O. p. 33. 101. Man muss auf die Be-
obachtung, dass der Nervus acusticus accessorius zuweilen vom
bf. vagus oder trigeminus entspringt, auch uiclit zu viel Werth
legen. Diess ist wohl doch nur ein juxtaponirtes Fortgehen
ganz verschiedener Fasern, so wie wir in dem N. lingualis des
Menschen, welcher wirklich Geschmacks- und Gelühlsnerve der
Mutige zugleich ist, das Zusammenlicgcn ganz verschiedener Ge-
schmacks- und Gefiihlsfasern voraussetzen müssen. Daher geht
®Uch aus der von Treviranus (Tiedemann’s Zeitschrift. V.) beob-
achteten Varietät für die Physiologie nichts hervor, dass nämlich
bei einigen Vögeln der N. vestibuli ein Ast des N. facialis seyn
äoll. Bei der Gans ist der N. vestibuli ein Ast des eigentli-
olien N. acusticus, und der N. facialis geht nur dicht über ihn
bin. W^as könnte überhaupt eine Juxtapositlon von functionell
Verschiedenen Fasern in einer Scheide lür die Physiologie
beweisen?
Nur der N. lingualis, Ast des N. trigeminus, zeigt uns das
deutliche Beispiel, dass im ganzen Verlaufe eines Nerven ganz
Verschiedene Empfindungsfasern enthalten seyn können, aut ähn-
bche Art, wie in den Spinalnerven sensorielle und motorische
fasern zusaminenliegen. Denn nach der Verletzung dieses Nerven
bbrt der Geschmack auf (Muei.ler’s Archiv 1831. p. 132. Magendie
Journ. 4. 181.), aber auch die Gefühlsempfindung der Zunge
b'üigt von ihm vorzugsweise ab; denn die Quetschung oder
Diirchschncidung dieses Nerven bei Thieren bewirkt die hcltig-
*1^0 Schmerzen, wie Desmoui.iss sowohl, als ich beobachtet haben,
dagegen der N. hypoglossus Bewegungsuerve ist. Siehe oben p. 637.
" diesem Falle bleibt uns nichts anders übrig, als in dem Zun-
b’^Oast des N. trigeminus ausser den Gefühlsfasern auch die Fasern
756 III. Buch, Nervenphysik. III. Abschn. Eigenth. der eim. Nerpen.
für die Geschmäcte der Zunge juxtaponirt anzunelimen. Bei den
Vögeln ist der Gesclimacksnerve sogar ein Ast des Nervus glos-
sopharyngeus, Lei den Fröschen ein Ast des Nervus vagus. Auch
heim Menschen sind die Schlnndnerven ekelhafter, dem Geschmack
verwandter Empfindungen fähig. Bei keinem Thiere ist ein be-
sonderer Geschmacksncrvc vorhanden, bei allen übrigen Sinnen
ist ein besonderer Sinnesnerve da.
Nach der Durchschneidung des Stammes des Nervus tri-
geminus in der Sch'adelhöhle will Magexuie bemerkt haben,
dass fast alle Sinnesfunctionen aufgehört haben. Journ. de phf~
sioL IV. .302. Dass das Sehvermögen erloschen seyn sollte,
schloss Magesdie daraus, dass das Thier das Licht der Lampe
nicht bemerkte. Allein Kaninchen reagiren hiergegen oft nicht,
ohne dass man den Nervus trigeminns darum z.u zerschneiden
braucht. Auch gesteht Magesdie selbst , dass beim Einfal-
len von Sonnenlicht in einen dunkeln Raum die Augenlie-
der des Thieres sich schlossen, und noch deutlicher bemerkte
man diess, als das Licht durch eine Linse gesammelt ins Auge
einfiel. Magendie beweist nun durch Experimente an Thieren,
was wir leider aus so vielen Erfahrungen an Menschen wissen,
dass nach der Lähmung des N. opticus der N. trigeminus nicht
das Licht empfinden kann; allein Magendie meint, die Sensibili-
tät des N. trigeminus sey wenigstens behülflich und nöthig für
die volle Sehkraft des Nervus opticus. Bei einer solchen Idee
kann ich mir nichts Richtiges und Klares vorstellen. MagendiE
glaubte auch, dass der N. trigeminus zum Hören nöthig sey; al-
lein seine Beweise sind hier eben so schwach. Wenn ein Thier
nach Durchschneidung eines so ungeheuren Nerven, als der N-
trigeminus ist, nicht sogleich noch für andere Reizversuche aut-
geiegt ist, so beweist diess nichts weiter, als eine sehr grosse
vorausgegangene Verletzung. Wir wissen ja, dass nach Durch-
schneidung grosser Nervenstämme wie des N. opticus selbst schlimnie
Neiü'enzufälle entstanden sind. Nach meiner Ansicht hat der N-
trigemimis durchaus keinen Einfluss weder auf das Sehen, noch
das Hören und Riechen. Bei einem Epileptischen, der an eind'
Augenentzündung und Verdunkelung der Cornea rechter Seit^
litt", und bei dem das Sehen auf diesem Auge aufhörte, hernach
auch die Angenliedei’, Nase und Zunge rechts unempfindlich und
das rechte Ohr taub wurden, das Zahnfleisch scorbutisch vvurdE)
beobachtete Serres eine Entartung der Portio major N. trigemin’
bis zur Pons Varolii. Magendie .Journ. de physiol. V. 233. Al'
lein die Blindheit war eine Folge der Verdunkelung der Cornea-
Alle übrigen Veränderungen der Sinne werden mit den Convnlsio-
nen der rechten Seile aus der Degeneration des Gehirns erklaibai-
Die Consequenzen aus diesem Falle werden übrigens ganz durC''
einen andern Fall von Entartung des ganzen Stammes des N. tn-
geminus wideidegt, in welchem Dnempliudlichkeit der ganzO'
linken Kopfteite, der Nase, Zunge, des Auges, bei vollem Schvei'
mögen stathländ. Mueller’s Arclih' für' Anal urnie und Ehysiulogi^'
1834. p. 132. • c- s-
In dem Vorhergehenden haben wir gezeigt, dass die Sinne
1. Von den Sinnesneroen. Gefühlsneroen,
757
nerven sellistständig sind, und einander weder ersetzen noch nn-
terstützen können. Wir werden nun einige speciellere Betrach-
tungen über die Kräfte der einzelnen Empfindnugsuerven anstellen.
I. G ef ü h Isn er V cn.
Die allgemeinst verbreitete Art der Empfindung ist das Ge-
fühl. Dieser Sinn erstreckt sich über alle nervenreicben Therle des
ganzen Körpers mit Ausnahme der eigenthümlichen Empfindungs-
nerven der höheren Sinne. Alle Gehirn- und B.ückenmarksnerven
niit Ausnahme des Sehnerven, Ilörnerven, Geruchsnerven schei-
nen durch ihre ' sensibeln Fasern Gefühl zu haben, auch im N.
sympathicus und den von ihm A'ersebenen Eingeweiden findet
diese Empfindung, obgleich viel schwächer, dunkler und undeut-
licher, statt. Wir nennen die eigentbümliche Kraft der Em-
pfindung in verschiedenen Sinnesnerven die Energie derselben.
So sind die Energien des Gefühlssinncs die Tastgcfühle, wodurch
wir Form, Widerstand, Druck, Rauhigkeit, die Zusammen ziehungs-
kraft und Mattigkeit der Muskeln, Leichtigkeit, Schwere, theils durch
die Grade des Eindrucks, theils durch die Ausdehnung desselben,
theils und insbesondere die Leichtigkeit und Schwere an dem Grade
der nöthigen Zusammenzichung unserer Muskeln empfinden. Die
Energien des Gelühlssinnes sind ferner Lust und Schmerz mit den
Unendlich vielen Aloditicationen dieser Empfindungen, als Jucken,
Kitzel, und die vielen Arten unangenehmer GefühlsempGndungen.
ßie dritte Art der Empfindung des Getühlssinnes ist die der
Wärme und der Kälte, welche nicht immer von physicalisclier
Kälte und Wärme entsteht, sondern sehr häufig snhjectiv ist.
Alle diese Empfindungen dreifacher Art sind in allen mit Nerven
Versehenen Theilen, mit Ausnahme der höheren Sinnesnerven, mög-
lich; diese Empfindungen sind den Nerven selbst cigenlhümlich, sie
entstehen nui-, sobald die Nerven auf irgend eine Art gereizt werden.
k>er Schnierz ist nichts Objectives, sondern nur die Enrpfindungs-
ärt unseres Sinnes; avich das Tastgefühl, denn wir fülilen eigent-
lich nicht die Körper selbst, sondern wir empfinden nur die
Gefühle unserer Nerven, welche durch die Körper erregt wer-
den, und wir urtheilen von der Gestalt und Grösse des Körpers
äUs der Grösse der fühlenden flaullläche, welche beim Tasten
thätig ist. Daher werden auch die Empfindungen des Gefühls-
*'nnes eben so häufig aus inneren als äusseren Ursachen ange-
^ugt, und bei jeder innern Veränderung des Züstandes dieser
Nci'ven finden verschiedene Gefühle von Wohl- ur»d Krankseyn
statt. Tastgeiühl, Lust, Schmerz, Empfindung von Kraft, Schwä-
Kalt, Warm sind daher Eigenschaften dieses Sinnes seihst,
^ass auch die Empfindungen von Kalt und Warm nicht von
äussern physicalischen Wäraie allein abhängen, sondern nur
dadurch erregt werden, beweist die subjective Empfindung von
I alte und Wärme, welche thermometrisch nicht messbar ist, wie
euu überhaupt Gefühl von Wärme stattfindet, wenn die Ge-
ühlsnerven irritirt sind, und das Umgekehrte im Gegentheil, so
'‘SS auch die physicalische Wärme "die Gefühlsnerven nur an-
758 III- Buch. Neroenphysik. IV. Ahschn, Eigenth, der einz, Nerven.
regt, Kälte aber sie deprimirt. Die Gefulilserapfindungen aus
inneren Ursachen begleiten im ganzen Bereiche der gemischten
Nerven auch ohne äussere Ursachen schwach und sanft die Aus-
übung der Functionen. Diess ist, was man Gemeingefühl, Coenaes-
thesis, genannt hat, womit sich mehrere Physiologen viel zu viel
zu schaffen gemacht haben.
Die sensibeln Fasern sind in allen Rumpfnerven mit moto-
rischen Fasern nach dem Bedürfniss der Theile begleitet, bald
gemischt , bald in grösserer Masse einzeln vertheilt , wie im
N. trigeminns. Diese Vermischung von Primitivfasern verschie-
dener Kräfte findet in den höheren Sinnen nicht statt. Die Seh-
nerven , Hörnerven, Geruchsnerven sind ganz selbstständig ; nur in
den Geschmacksnerven scheinen Fasern von allgemeiner Gefühls-
sensibilität und diejenigen für die Geschmacksempfindungen ver-
einigt zu seyn.
II. Gesclimacksnorven,
Der Geschmacksnerve und Gefühlsnerve der Zunge ist
der Nervus lingualis , wie p. 756. bewiesen wurde. Die Ge-
schmäcke scheinen verschiedene Zustände dieses Nerven zu seyn,
denn sie entstehen oft auch aus inneren Ursachen sulijectiv, und
die Electricität erregt auch Geschmäcke ohne eigentliche schmeck-
bare Substanz. Gewöhnlich erklärt man zwar die durch Galva-
nismus erregten Geschmäcke durch Zersetzimg der Speichelsalzc,
allein diese Erklärungsart scheint nicht ganz durchführbar.
Pfaff (Gehler’s physic. Wörterh. 4. 2. p. 736.) führt einen merk-
würdigen Versuch von Volta an. ' Wenn man nämlich einen
zinnernen Becher mit Seifenwasscr, Kalkmilch, oder besser mit
mässig starker Lauge anfüllt, den Becher mit der mit Wasser
befeuchteten Hand fasst, und die Zungenspitze mit der Flüssig-
keit in Berührung bringt, so entsteht im Augenblicke des Con-
tacts ein saurer Geschmack, wobei Pfaff bemerkt, dass nach
diesem Versuche nicht die durch Zersetzung des Kochsalzes des
Speichels an dem positiven Metalle entbundene Säure, und das
an dem negativen Pole freigewordene Alkali den Geschmack
bei den galvanischen Versuchen erzeuge.
IIT. Gcruclisnerven.
Die Geruchsnerven sclieinnn bei allen inneren und äusseren
Reizungen keine andere Empfindungen als Gerüche zu haben, und
der Geruch ist nicht etwas äusseres, sondern eine dem Geruchs-
nerven allein eigene Qualität, welche durch die Reize, und durch
die Art der Reize in bestimmter Art hervorgerufen wird.
Fürs erste sind die Geruchsnerven unfähig andere Gefühlß
zu ha]>en; sie empfinden nicht Licht, Farbe, Ton, Gefühl, Schmerz-
Dass sie keiner Schmerzensempfindungen fällig sind, hat Magesd'®
bewiesen, denn die entblössten Geruchsnerveii des Hundes zeigen
sich heim Anstechen und Berühren mit flüssigen Ammonium a s
ganz unempfindlich für Gefühlseindruck, d. h. sie haben die E'"
genschaflen nicht, welclie die Gefühlsnerven haben.
1. Von den Sinnesneroen. Sehneroen.
759
Ob die Geruchsnerven bei mechanischer Reizung einen Ge-
ruch empfinden, ist noch ungewiss, es ist nicht bekannt, dass
Erschütterungen der Luit, welche bis zum Geruchsnerven ge-
langen, eine Gernchsempfindung erregen können. Dass aber die
Electricität die Eigenschaft der Gernchsnerven erregt, zei"t die
allgemein liekannte Erfahrung, dass die Entwickelung derElectri-
citat von der Electrisirmaschine mit einem Phosphorgeruch ver-
bunden ist. Auch Ritter will bei ±knwendung des Galvanismus
auf die Nase einen schwachen ammoniakalischen Geruch bemerkt
haben, was indessen wohl leicht eine Gefühlsempfindung in der
Nase seyn konnte.
Sonst sind die Gerüche aus inneren Ursachen bei nervösen
"Verstunmungen, die durch Sympatliie auf die Geruchsnerven wir-
ken, sehr häufig, wie die alltägliche Erfahrung zeigt. Denn wie
oft behauptet iemand,besonders Kranke, etwas zu riechen, was andere
nicht riechen, wie oft wird eine und dieselbe Substanz von den
einen als angenehm empfunden , welche anderen unangenehm ist.
In Kränkelten des Gehirns finden zuweilen beständige Gerü-
che eigentliünJicher Art statt. Froriep’s Not. N. 776.
Die Geruchsenergien der Thiere scheinen verschieden zu seyn.
So sind die grasfressenden Thiere unempfindlich für Fleischgerü-
che, die fleischfressenden unempfindlich für die vegetabilischen Ge-
rüche. A. V. Humboidt sagt; Sonderbar, dass ein so fein er-
regbares Organ wie die Hundsnase, von den Wohlgerüchen der
Blumen gar nicht afficirt zu werden scheint, dahingegen eine Ele-
phantennase so empfänglich dafür ist.
IV. Sehnerven.
Dass die Markhaut des Auges und der Sehnerve durch das
äussere Agens, das wir Licht nennen, nicht allein die Empfindung
von Helligkeit und Farben habe, sondern dass bei jeder andern
irgend möglichen innern oder änssern Reizung des Sehnervens
und der Markhaut dieselben Empfindungen Vorkommen, welche
das äussere Licht hervorbringt, ist bier zu beweisen.
Schon Darwin (Zoonomie) und Elliot {über die Sinne. Leipz.
1785.) haben auf die sogenannten subjectiven Empfindungen von
Licht und Farbe, letzterer besonders auf die Druckbilder auf-
merksam gemacht, und Elliot bat es schon bestimmt ausgespro-
chen, dass die Empfindungen von Licht und Farbe dem Au"e
eigen sind und durch Reize erweckt werden. Newton {quaest.
opt.) stellte sich die Action des Lichtes als Schwingungen vor,
dass wir vermöge der Schwingungen, also der Impulse des Lich-
tes auf die Markhaut, sehen, und dass die verschiedenen Farben
von der verschiedenen Geschwindigkeit der Schwingungen ab-
Jiangen. Dieser Ansicht von der mechanischen Wirkung des
Eichts, dessen eigentliclie Natur wir nicht kennen, nähert sich
die neuere Physik wieder sehr an. Wir müssen uns hü-
ten, dass wir die Reactlon des Sehnerven gegen den Lichtreiz
*^it der Natur des Lichtreizes nicht verwechseln, wie es gew'öhn-
hch bei denen geschieht, die über diese Dinge nicht nachden-
Mülle Physiologie» 4 9
760 III. Buch. Neruenphysik, IV.jibschri. Eigenth. der einz. Nerven.
ken. Das Qualitative der Lickt- und Farbenempfmdnng entstellt
nur durch das Auge, durch den Selinorven seihst, dessen ihrem
Wesen nach ungekannte Kräfte dem Bewusstseyn immer die Em-
nfindun» des geiärliten oder ungefärbten Lichtes vorführen, so-
bald ein mechanischer oder anderer Impuls auf diesen Nerven
stattfindet. Mehrere Physiker haben die durch Druck, Elcctri-
cität u. a. in dem Auge entstehenden Licht- und Farhenhilder
von dem Freiwerden physicalisChen Lichtes in dem Auge er-
klärt. Diess ist aber kein freies physicalisches Licht, was aus
dem Auge auströmte, und womit man andere Gegenstände h^
leuchten könnte, wie schon oben p. 89. gezeigt wurde, auch
sind die Erzählungen von Ausströmen von Licht aus den Kat-
zenaugen für fabelhaft zu erklären, und durch Täuschungen von
reflectirtem Licht entstanden. Katzenaugen leuchten im Dunkeln
nicht und wer für diese Ideen aus Neigung eingenommen ist, den
laden^ wir ganz einfach ein, wie wir gethan , eine Katze mit Mcli
in einen absolut dunkeln Raum zu nehmen, um sich vom Ge-
centheil zu überzeugen.
Denkende Physiker haben öfter Anstand genommen, die
durch mechanische und clectrische Ursachen im Auge entstande-
nen Lichterscheiiiungen für olijectives Licht zu hallen. So sagt
A. V. HuMBOi.nr bei Gelegenheit der galvanischen Lichterschei-
tmn«-' {Ueher die gereizte Muskel- und Nervenfaser. T. i. p. .313.)
Fifr Mitwirkung des freien Lichtes bei diesem Galvanisiren ha-
ben wir also gar" keinen Beweis. Jedes Organ giebt die Erschm-
nunc, welclie seiner Energie angemessen ist. Ein gereizter Seli-
nerve kann daher nicht fibröse EeAvegung, sondern nur Lichtem-
pfindung herv-orbringen , er mag vom galvanischen Fluidum oder
bloss mechanisch gereizt seyn. Ich besinne mich, selbst bei einer
unvorsichtigen Bereitung der ox-ygenirten Salzsäure, wo meine
Geruchsnerven bis zur Betäubung von vSauerstoff gereizt wurden,
lange einen bliträbnlichen Schein vor den Augen gpehen zu ha-
ben. Meine Pupille veränderte sich eben so wenig als bei den
unt^lücklichen Menschen, welche ein Druck aufs Hirn ganze Rei-
hen von Lichtern sehen liess,‘< und Anmerkung ebendaselbst:
,Auch mannichlältige innere Reize bringen hei verschlossenen
Aut'en Licht- und Fnrbenerscheiniingen hervor, deren Gesetze
Herr Darwin mit unglaublichem Scbarlsimi entdeckt hat. Blitze
beim Envachen und Aufschlagen der Augenlieder erklärt man
aus einem electrischen Reiben der Augenwimpern, eine Erklä-
rung, die wohl mehr künstlich als wahr ist. ‘‘
Eben so wie v. Hümboi.dt, erklärt auch Pfaff diese Er-
scheinungen (Gehi-er’s phys. Würterh. IV. 2.), „indem überhaupt
Reize von der verschiedensten Art, namentlich mancherlei me-
chanische, die auf das Auge einwirken, in dem Sehnerven die spe-
cifische fimpfmdung, durch welche er reagirt, Lichterscheinungen
unter raanclierlei Gestalten, als Blitze u. s. w., hervorbringen.
In der neuern Zeit hat man durch die Bemühungen 'von
Goethe {Farhenlehre) , von Purkinje {Beiträge zur Kenntniss des
Sehens. Prag, , von IIjort {de functione retinae partieuta l.
Christianiae 1830.) die grosse Menge der subjectiven Lichterschei-
1. Von den Sinnesnerven. Gehörnerven. 761
hnngen, d. h. der Lichtcrscheinungen aus anderen Ursachen, als
dem äussern Lichte, besser kennen und würdigen gelernt. Diese
Erscheinungen entstehen durch alle Reize, welche überhaupt auf
den Sehnerven und die Markhaut zu wirken im Stande sind.
1) Von mechanischem Druck, Stoss. Hieher gehören die von
Elliot und PuRKisjE beschriebenen Licht- und Farhenbilder,
welche den gedrückten Stellen der Markhaut entsprechen. Die
Zerrung des Sehnerven bei plötzlicher Wendung der Angen ist
im Dunkeln mit Lichtsehen verbunden; und die Zerschneidung
des Sehnerven bei der Exstirpatio oculi ist, wie mir mein Freund
Toürtual aus eigener Erfahrung bei Anstellung dieser Operation
mitgetheilt hat, mit dem Sehen von grossen Lichtmassen ver-
bunden; während die Markhaut und der Sehnerve nach Ma-
CENDiE {Journ. de phfswl, IV. 180.) keines Schmerzgefühles Lei
mechanischen Verletzungen fähig ist. Die unangenehme Em-
pfindung im Augapfel nach dem Sehen in sehr helles Licht,
scheint zwar auf den ersten Blick dafür zu sprechen, dass der
Nervus opticus auch einiger Gefühlsempfindung fähig sey. Allein
diese Empfindung kann auch rellectirt seyn und in den Ciliar-
nerven ihren Sitz haben.
2) Von Electricität. Hieher gehören die von Ritter {BeL
träge zur nähern Kenntniss des Galvanismus), P.urkihje und Hjort
beschriebenen Phänomene.
3) V Dn Einwirkung des Blutes. Hieher gehören die Licht-
und Farbenerscheinungen in der Congestion und Entzündung
des Auges.
4) Von Verstimmung des Nervensystems und der Centralorgane ;
wohin die mannichfaltigsten subjectiven Licht- und Farbener-
scheinungen, und leuchtende Phantasmen zu rechnen sind.
V. Gekorncrren.
Die Energien des Gehörnerven sind die Tonempfindungen, wel-
che aus den mannichfaltigsten inneren und äpsseren ; Ursachen,
am gewöhnlichsten aber durch mechanische Eindrücke, durch
Schwingungen in ihm entstehen, die auf den Gefühlssinn nur
Gefühlseindrücke hervorbringen. Die Ursachen sind also wieder;
1) ^Mechanische, wie die Schwingungen, heftige Erschütterung
des Kopfes bei einem Schlage u. s. w.
2) Mlectrische. Volta empfand, als sich seine Ohren in der
Kette einer Säule von 40 Plattenpaaren befanden, im Augenblicke
der Schliessung eine Erschütterung im Kopfe, und einige Augen-
blicke nachher ein Zischen und stossweises Geräusch, wie, wenn
eine zähe Materie kocht, welches die ganze Zeit der Schliessung
fortdauerte. Philos. Transact. ISOO. p. 427. Ritter empfand hei
Schliessung der Kette, wenn beide Ohren sich darin befanden,
einen Ton wie G der eingestrichenen Octave, oder ^ ; befand sich
*iur ein Ohr in der Kette, so war vom positiven Pol aus der
Ton tiefer als g, am negativen aber höher.
3) Die Wirkung des Blutes auf den Gehörnerven bei der
49 *
762 III. Blich. Netvenlipysik. HI. Ahschn. Eigenth. der einz, Nerven.
Cons’estlon unci Ent/ÄinclTing des Innern Ohres bewirkt auch suh-
jective ToneiDjdlndmigcn.
4) Eben so erscheint das Ohrenklingen nnd Brausen in den
mannichtaltigsittin Formen hei fast allen allgemeinen AfFectionen
des Nei'vensyBterns,- und bei den AlTectionen der Centralorgane.
Da, wie wir sbhen, die Electricitiit und der mechanische
Impuls, in jedem Sinnesnerven andere Erscheinungen hervorbrin-
gen, so liegt die Ursache der verschiedenen Empfindungen offen-
bar in den Nerven scUtst, oder in den Centrallheilcn, zu wel-
chen die verschiedenen Sinnesnerven hingchen. Welche von die-
sen beiden Annahmen die richtige ist, lässt sich jetzt noch nicht
sicher entscheiden. Im ersten Falle sind sich die Conductoren
gleich, die fortgepflanzten Oscillationcn oder Strömungen des
iVervenfluidums erzeugen erst das Qualitative einer Empfindung,
Licht, Ton, Schmerz, Geschmack in den qualitativ verschiedenen
Ursprungsstellen dieser Nerven im Gehirn; im zweiten Falle sind
die Sinnesnervon nicht bloss gleichartige Conductoren, sondern ihre
Reactionsart schön qualitativ verschieden, und in den Nerven selbst,
•nicht im Gehirn liegt die Ursache der Verschiedenheit der Empfin-
dung einer und derselben Ursache, wie der EIcctricitätvon verschie-
denen Nervenu -Für die letztei’C Ansicht spricht einigermaasseii der
Umstand, dass,' wenn auch dieselben Reize durch verschiedene
Sinnesnerven verschiedene Empfindungen erregen , doch manche
Reize nur auf einzelne ' Nerven zu wirken im Stande sind. So
wirkt das 'äussere Lieh t^ nur auf den Sehnerven, und als crw'är-
mend auf die Gefiihlsnerven, nicht auf andere, und der Geruchs-
nerve scheint nicht durch andere Reize, als Riechstofle und Ele-
ctrieität, zu Gerüchen bestimmt zxi werden. Woraus man schlies-
sen könnte, dass die Nerven als Exeitatoren der verschiedenen
^ Sinnescentra im Gehirn und Rückenmark auch selbst nicht blosse
Leiter, sondern auch qualitativ verschieden sind, und an der
Qualität der Empfindung Authcil haben.
ff. Capitk. Von den Eigeiilhümlichkeiten anderer Nerven.
' • Aügennerven.
Qb der , N. oculomotorlus., ahducens und ^trochlearis ausser
ihrer jnötorlschcri Kraft auch sensibel sind, ist noch unbekannt.
Desmouliss behauptet, dass sie gezerrt, gctpietscht keinen Schmerz
verursachen. Allein die Entscheidung bei so kleinen Nerven ist
schwierig unter voi'ausgegangencn starken Verletzungen zur Bloss-
legung dieser Nerven. Der N. oculomotorius versieht den Mus-
culus levator palpebrae sup., den obern und untern graden Au-
genmuskel, den graden innern und den schiefen untern, und giebt
durch den Nervenzweig des untern schiefen Augenmuskels die
kürze Wurzel des GaWglion ciliare ab, während die lange Wur-
zel vom N, nasalis berkömmt, welche letztere auch einen Faden
vom Plexus cavernosus des N. sympathicus erhält.
Eine besondere Betrachtung ’ verdient der Einfluss des N.
oculomotorius und nasociliaris auf die Iris, Desmouhüs führt an.
Von den Augenneroen,
763
dass nach den Erfahrungen von Fowleu, Reinhold und Nystets
der Galvanismus durch das dritte Paar Contraction der Iris l)c-
■wirke. Dass der JV. oculomotorius durch die kurze Wurzel des
Ganglion ciliare die Bewegungen der Iris hestimml, und dass die
lange Wurzel vom N. nasociliaris trigemini hieran keinen Antlieil
hat, ist durch Mayo’s schöne Untersuchungen erwiesen. Auaio-
jtdcai and physiological commeniaries. London Mageudie •/our-
nal de Phys. T. .3. p. 248-
Folgendes sind die Resultate der Versuche an 1.3 lebenden
Tauben angestellt, von denen wir aus Muck {De gangllo ojdithal-
mico. Landish. 'ISlö.) wissen, dass sie zwei Wurzeln des Ganglion ci-
liare, eine vom N. oculo motorius, die andere vom N. trigemimis haben.
1) Die Durchschneidung des N. opticus in der Schädelhöhle
bewirkt die Erweiterung der Pupille, die sich nicht mehr zusam-
menzieht, ohngeachtet des heftigen Lichtreizes. Auch Magesdie
sah nach Durclischneidung des N. opticus bei Hunden und Kat-
zen Erweiterung der Pupille, und Unbeweglichkeit der Iris. Da-
gegen bei Kaninchen und Meerschweinchen Unbeweglichkeit und
Verengung.
2) Die Sectlon des N. oculomotorius im Schädel einer leben-
den Taube bewirkt denselben Erfolg; in beiden Fällen, sowohl
nach der Durchschneidung des N. opticus als des N. oculomoto-
rius, behält das Auge seine Sensibilität auf der Oberfläche.
3) Die Section des N. trigemimis in der Schädelhöhle be-
wirkt keine Veränderung in den Bewegungen der Iris, aber die
Oberfläche des Auges verliert ihre Sensibilität (durch die Aeste
des N. ophthalmlcus, die sich in der. Conjunctiva verbreiten).
4) Wenn man den N. opticus in der Schädelhöhle einer le-
benden Taube, oder unmittelbar nach der Dccapitation mecha-
nisch reizt, zieht sich die Iris jedesmal mit Verkleinerung der
Pupille zusammen. (Ist auch von Flourens gesehen.)
5) Wenn man den N. oculomotorius auf diesellje Art zerrt,
hat dasselbe statt.
6) Wenn man das fünfte Paar zerrt, erfolgt keine Verände-
rung der Pupille.
7) Wenn man die Sehnerven in der Sehädelhöhle einer
Taube unmittelbar nach der Dccapitation durchschneidet, und
den Tbeil der Sehnerven zerrt, der mit dem Auge verbunden ist,
erfolgt keine Veränderung der Fupille; wenn man dagegen den
Theil des Sehnerven zerrt, der mit dem Gehirn verbunden ist,
so erfolgt Verengung der Pupille, eben so als wenn der Nervus
opticus nicht durchschnitten wäre.
8) Die Section des fünften Paares bewirkte keine Modifica-
tion in diesem Erfolge.
9) Nach der Section des dritten Paares im Gegcntheil hat
die Reizung des Nervus opticus, sey er noch ganz oder durch-
schnitten, gar keinen Einfluss auf die Pupille.
Aus diesen Versuchen kann man mit Sicherheit scbliessen,
dass der N. oculomotorius die motorische Kraft dem Ganglion
ciliare und den Ciliarnerven crtheilt, dass der Lichtreiz nicht un-
mittelbar auf die Ciliarnerven wirkt, sondern dass die Irritation
764 III. Buch. Nervenphysik. IV.Abschn. Eigenth. der einz, Nerven.
der Netzliaat, des Sehnervens auf das Gehirn wirkt, und vom Ge-
hirn auf den N. oculomotorius und die kurze motorische Wurzel
des Ganglion ciliare zurückwirkt. Diess geht auch aus der be-
kannten Erfahrung hervor, dass das amaurotische Auge, wo die
Netzhaut gelähmt ist, die Beweglichkeit der Iris durch Licht-
reiz auf das amaurotische Auge verloren hat, dass die Iris dieses
Auges sich aber bewegt, wenn das Licht auf das andere gesunde
Auge einfällt. Es folgt ferner aus Mayo’s Versuchen, dass die
allgemeine Sensibilität des Auges vom Nervus trigemlnus ah-
liängt, der durch Zweige des Nervus ophthalmicus die Sensi-
bilität der Conjunctiva , durch die lange Wurzel des Gan-
glion ciliare die Sensibilität im Innern Auge bewirkt. Die
sympathischen Zweige beherrschen die Ernährung des Auges;
wir haben schon gesehen wie der Nervus sympathicns durch
seine Verbindung mit dem Ganglion ciliare Einfluss auf die
Ernährung des Auges hat, und nach der Zerstörung des Gan-
glion cervicale supremnm Augenentziindung mit Exsudation
folgt. S. oben p. 648. Die Section des Nervus trigeminus
hat bei den Kaninchen, Meerschweinchen, Hunden, Katzen
nach Magendie’s Versuchen Unbeweglichkeit der Iris zur Fol-
ge; und die Pupille ist bei den Hunden und Katzen weit,
eng bei den Kaninchen und Meerschweinchen. Desmouliks Anat.
des syst. nerv. T. 2. p. 712. Hier muss eine Rückwirkung auf
das Gehirn stattfinden.
Ich werde mich jetzt mit der Art des Einflusses des N. ocn-
lomotorius auf die Bewegung der Iris beschäftigen, worüber ich
mehrere eigenthümliche Beobachtungen gemacht habe. Der N.
oculomotorius bewirkt häufig eine Contraction der Iris, sobald er
willkührlich thätig oder unwillkührlich afficirt ist. Da der N.
oculomotorius von den graden Augenmuskeln nur den RCctus ex-
ternus nicht versieht, so kann man also bei willkührllcher Dre-
hung des Auges nach aussen gewiss scyn, dass der N. oculomo-
torius nicht thätig ist; hei willkührllcher Drehung des Auges
nach innen, dass der N. oculomotorius thätig ist. Man wird sich
aber überzeugen, dass die Pupille bei gleicher Lichtintensität klei-
ner vvird, sobald das eine Auge geschlossen ist und das andere
ganz nach Innen gedreht wird, dass die Pupille grösser wird,
sobald das Auge nach Aussen gedreht wird. Hieraus geht unwi-
derleglich hervor, dass bei jeder willkührlichen Bewegung des
Auges, wobei der Zweig des N. oculomotorius zum Innern graden
Augenmuskel thätig, die Iris mit thätig ist, und dass sie unthätig,
die Pupille weit wird, wenn der N. abducens wirkt.
Wird das eine Auge nach Aussen , das andere nach Innen
gedreht, so bemerkt man keine auffallende Veränderung der
Pupille, wegen der entgegengesetzten Bedingungen. Convergiren
beide Augen stark, so ist die Verengung der Pupille am stärksten,
mag man nun einen seitlichen nahen, oder einen geraden na-
hen Gegenstand betrachten; je mehr die Augen dagegen pa-
rallel stehen , und die Musculi recti interni, welche vom Nervus
oculomotorius abhangen, unthätig werden, um so weiter wird
die Pupille.
Von den Augennerven.
765
Durch den Zusammenhang der motorischen Wuriel des Gan-
glion ciliare mit dem N. oculomotorius kann man daher die Iiis
sympathisch ivillkührlich verändern, d. h. die Iris zieht sich von
seihst zusammen, sobald die Willkühr auf den N. oculomotorius al-
lein wirkt. Da man nun heim Sehen in der Nähe die Augenach-
sen convergirt, und die Augen mehr nach innen dreht, beim
Sehen in die Ferne mehr von einander entfernt, so wird die
Pupille beim Sehen in der Nähe viel enger, heim Sehen in die
Ferne viel weiter. Die Bewegungen der Iris hei den Vögeln
sind nicht gerade mehr willkührlidi als die unseren; die Pupille
der Vögel wird sehr eng, wenn man auf sie zugeht und sie in
Leidenschaften setzt.
Ich werde nun zeigen, dass nicht allein der schon genannte
Zweig des N. oculomutorius zum Museulus rectus internus diesen
sympathischen Einfluss auf die Bewegung der Iris hat, sondern
auch andere Zweige, namentlich der Zweig, der zum Ohliijuiis
inferior geht, dasselbe thun. Der Museulus ohliquus inferior rollt
das Auge so, dass die Pupille nach oben und eiuwärts steht. Macht
man diese Bewegung willkührlich, so wird die Pupille sehr eng.
Diese Bewegung des Auges wird von seihst unwillkührlich im
Einschlalen, 'im Sehlaf, in der Trunkenheit und in Nervenzufällen
ausgefülirt; daher findet man im Schlafe die Pupille eng.
Die im Schlafe verengerte Pupille kann sich iibrigens durch
die Beizung des Lichtes noch enger zusammenzietien, wie Haw-
Kiifs hei Mayo aus Beobachtungen berichtet. Beim Erwaclien wird
die Pupille mit einigen unregelmässigen Contracllonen wieder
weiter.
Die vergleichende Anatomie bestätigt im Allgemeinen die
physiologischen Resultate. Die Ciliarnerven bestehen constant
aus Zweigen des N. oculomotorius und des N. nasalis; hiebei lin-
den folgende Verschiedenheiten statt:
1) Zweige vom N. oculomotorius und nasalis verbinden sich
als Wurzeln zum Ganglion ciliare. Die Ciliarnerven sind theils
Zweige des Ganglion, theils des N. nasalis selbst. So ist es nach
Mtjck’s und Tiedemakn’s ausführlichen und genauen Untersuchun-
gen beim Hund, Hasen, Ochsen, Schaf, Ziege, Hirsch, Reh, Schw'ein,
Eule, Taube, Papagey, Gans, Truthahn, Kiebitz, (Schildkröte Bo-
JANUS).
2) Das Ganglion gehört zunächst der Wurzel des N. oculo-
motorius an, und die Ciliarnerven des Ganglions gehen zmn Theil
zum Auge, und verbinden sich zum Theil schlingenförmig mit
den Ciliarnerven des N. nasalis, die auch zum Fheil allein zum
Auge gehen. So ist es bei der Katze, hei Falken, Reihei’, Ra-
ben, Hahn, Ente, Mergus und Sterna. Ich halte diesen Fall
bloss für eine Varietät des ersten.
.3) Beim Kaninchen fand Mtjck. gar keine Verbindung der
Radix N. oculomotorii und des N. nasalis, sondern beide Neiven
geben einzeln für sich die Ciliarnerven ab. Nach Retzius liegt
das Ganglion fast in der Scheide des N. oculomotorius.
4) Desmouuks läugnet die Ciliarnerven des N. nasalis ganz
beim Kaninchen, Meerschweinchen und der Wasserratte, so dass der
766 HI. Buch. Nervenphysik, IV. Abschn. Eigenth. der einz. Nerven.
N. ocalomotorins allein Ciliarnerven abgäbe. Diese Thiere, wie
die Nager übei’baupt, sollen nnch kein Ganglion haben (?).
5) Es giebt kein Thier mit beweglicher Iris, welches nicht
Ciliarnerven vom N. oculomotorius erhielte, und wo der N. nasa-
lis allein Ciliarnerven ahgäbe. Der N. ocnlomotorius bleibt im-
mer ein Hauptnervc für die Ciliarnerven, so lange die Iris be-
weglich ist. Zwar hatten Muck und Tiedemann behauptet, beim
Pferde linde weder ein Ganglion statt, noch gebe der N. ocnlo-
motorius Ciliarnerven ab, allein IIetzius bat sowohl das ausseror-
dentlich kleine Ganglion, als die Verbindung mit den zwei Wur-
zeln aufgefunden. Isis 1827. p. 997. So ist es auch wahrschein-
lich ein Irrthum, wenn nach Muck beim Eichhörnchen der N.
oculomotorius nichts zu den Ciliarnerven beitragen soll.
6) Bei den Fischen ist die Iris fast durchgängig ganz unbe-
weglich. Das Ganglion ciliare fehlt nach Desmoulins ; er fand bei
Muraena, Silurus, Squalus gar keine Ciliarnerven zum Auge (?). Bei
den Fischen mit einer Glandula chorioidalis sollen Aeste vom N.
ophthalmicus zum Auge treten; beim Rochen mit beweglicher
Iris Aeste vom N. oculomotorius, und bei Plcuronectes , wo die
Iris beweglich seyn soll, vom N. oculomotorius und opbtlialmlcus.
Muck und Tiebemann fanden bei Salmo Ilucho Ciliarnerven vom
N. oculomotorius und nasalis, die sich zum Theil verbinden;
beim Karpfen vom N. oculomotorius. Nach Schlemm’s Untersu-
chungen und Mittheilungen an mich unterscheiden sich die Fi-
sche von den übrigen Thieren in Hinsicht der Ciliarnerven nicht.
Er fand in der Regel die gewöhnlichen beiden Wurzeln. Bei den
Vögeln, mit einer Nickhaut, giebt der N. abducens die Zweige
der Muskeln der Nickhaut ab,
Einfluss des Gehirns auf die Augennerven. Desmoulins und
Magendie berichten , dass nach Section der Pedunculi cercbelli
ad pontem bei dqn Säugethieren das Auge der verletzten Seite
vorwärts und abwärts , das Auge der andern Seite aufwärts
und rückwärts gerichtet wird. Dasselbe Resultat fand sich nach
der Section der Pons Varolii.
Nervus trigeminus.
Von der sensibeln und motorischen Portion dieses Nerven
ist schon in dem Abschnitte von den Empfindungs- und Bewe-
gungsnerven ausführlich gehandelt und gezeigt worden, dass der
erste und zweite Ast dieses Nerven bloss sensorielle Zweige
abgeben, der dritte Ast aus beiden Portionen des Nerven ge-
mischt, Ibeils sensensorielle, theils motorische Aeste abgiebt,
so dass unter die sensoriellen der Ramus alveolaris inferior,
temporalis superficialis, lingualis, unter die motorischen der Ra-
mus masseteriens , buccinatorius , temporales profundi, pterygoi-
deus, mylohyoideus gehören. Ueber die in dem Ramus lingualis
wahrscheinlich enthaltenen doppelten Empfindungsfasern verschie-
dener Qualität für Gefühls- und Geschmacksempfindungen»
auch schon p. 755. gehandelt worden.
1
Vom Nervus trigeminus.
787
Dieser wiclitlgc Nerve, welcher die Empfindung am vordem
Und Seitcntheil des Kopfes und im Kopftheil der Schleimhäute
(Con juncliva , Nasenschleimhaut, Mundschleimhaut) unterhält, und
durch die Portio minor zugleich der Bewegungsiierve der Kau-
muskeln ist, steht durch jeden seiner Ilauptäste mit dem N.
sympathicus in Verbindung, wodurch den Zweigen dieses Nerven
Wahrscheinlich organische Fasern eingeweht werden.
1) Die erste dieser Verbindungen ist die des N. nasociliaris
mit dem Ganglion ciliare, welches einen Zweig vom N. sympa-
thicus erhält. Beim Ochsen sieht man leicht, dass sich;, auch
organische Fasern in den ersten Ast des Nervus trigeminus
von demjenigen Theile des N. sympathicus einmischen, der sich
mit dem N. abducens verbindet.
2) Die zweite ist die des zweiten Astes mit dem N. sympa-
thicus, vermittelst des am zweiten Aste befindlichen Ganglion
sphenopalatinum , grade da, wo der dem sympathischen System
angehörende Ramus petrosus profundus n. vidiani vom caroti-
schen Theile des N. sympathicus kommend, sich mit dem zwei-
ten Aste des N. trigeminus verbindet. Beim Ochsen gicht der
Ramus profundus n. vidiani, deutlich vom N. sympathicus kom-
mend, sowohl Fasern zum Ganglion sphenopalatinum, als viele
fortlaufende Fasern zu den Zweigen des zweiten Astes. Der Ramus
superficialis n. vidiani, welcher vom zweiten Ast des N. trigeminus
zum N. facialis geht, scheint ganz anderer Bedeutung zu seyn, als
der vom N. sympathicus zum zweiten Aste des N. trigeminus gehende
sogenannte Ramus profundus n. vidiani. Abnold hält den Ramus
superficialis n. vidiani für einen wirklichen Abgang vom zweiten
Aste des N. trigeminus, und eine Beimischung zum N. facialis.
Der zweite Ast des N. trigeminus erliält übrigens noch von einer
andern Seite organische Fasern. Nämlich wie ich Leim Ochsen
sah, giebt der mit dem N. abducens sich verbindende Theil des
N. sympathicus ein ganz dickes Fascikel organischer Fasern,
Unterhalb des Ganglion Gasseri in den zweiten Ast des N. trige-
Uiinus. Bei den Vögeln findet eine Verbindung des N. sympathicus
durch einen dem N. vidianns ähnlichen Nerven mit dem er-
sten Aste in der Orbita, statt mit dem zweiten Aste des N. tri-
geminus statt. Schlemm.
3) Die dritte Verbindung des N. sympathicus mit dem N.
trigeminus ist die des dritten Astes durch das Ganglion oticum Ar-
Uoldi. Diess an der innern Seite des dritten Astes liegende, beim
^lenschen wie bei den Säugethieren vorkommende Ganglion ist
''on Arnolo entdeckt worden. Arkold ( Ueher den Ohrknoten.
Heidelh. 1828. Vergl. Schlemm, Froriep’s Not. 660. Müel-
tER, Meckel’s Archiv. 1832. p. 67. Hagenbach distj. circa musc.
^ris infernae adjectis animadversionibiis de ganglio otico. JBasil 183.3.
IIendz de annsiomosi Jacohsonii et gangho Arnoldi. IJafn. 1833.)
hängt mit dem Stamme des dritten Astes zusammen, und
schickt organische Fasern zu den Zweigen des dritten Astes,
^aim Ochsen ganz deutlich ein Büschel von Fasern zum N. buccina-
torius. Nach Bendz hängt dieser Knoten mit den vegetativen Nerven
zusammen, welche von dem Ganglion cervicale supremiun n. sym-
768 III. Buch. Neroenphfsik. IK Ahschn. Eigenth. der einz. Nerven.
patliicl die Carotis facialis, sofort die Art. maxillaris interna, und
dann die Art. meningea media begleiten.
Von dem Ganglion geben zwei Nerven zur Trommelböble, der
eine gehört ihm selbst an^ der andere scheint bloss von dem Ganglion
zu kommen, und ist, wie Schlemm erst erwies, immer ein Zweig von
dem N. pterygoideus internus. Dieser letztere Zweig ist der Be-
wegungsnerve des Musculus tensor tympani; beim Kalbe tritt er
durch das Ganglion oticum durch. Der andere Nerve, N. petro-
sus superficialis minor Arnoldi, welcher vom Ganglion selbst ent-
springt, gehört zum sympathischen System; er dringt in einen
eigenen Kanal des Felsenbeines, welcher vor und an der äus-
sern Seite des Aditus canalis Fallopiae liegt, tritt durch diesen
Kanal in die Trommelhöhle ein, und verbindet sich mit der Ja-
cobsonschen Anastomose. Er giebt auch einen kleinen Ast zu
dem Knie des N. facialis. Diese Anastomose, deren Hauptbogen
auf dem Promontorium der Trommelhöhle liegt, verbindet den
N. tymjianicns ganglii otlci mit dem Ramus carotico-tympanicus
n. sympathici und dem Ramus tympanicus ganglii petrosi n. glos-
sopharyngei zu einer Schlinge von organischen Nerven. Der
Zweig vom N. glossopharyngeus scheint nicht von diesem Nerven
zu kommen, sondern zu ihm binzngehen, und an der Stelle des
Ganglion petrosum ihm organische Fasern einzumischen.
Zu der Jacobsonschen Anastomose kommt noch ein anderer
feinerer Zweig, nämlich der R. petrosns profundus minor n. vi-
diani, von Ahsold entdeckt, sowohl von Bendz als von mir wie-
dergefnnden. Dieser ganze Apparat von organischen Nervenfa-
sern, der vom Ganglion oticum ausgeht, scheint dazu bestimmt,
dem dritten Ast des N. trigeminus, dem siebenten und neunten
Nerven, organische Fasern einzumischen, und die Trommelhöhle,
namentlich die Schleimhaut mit organischen Fasern zu versehen-
Dagegen scheint das Ganglion oticum in keiner Beziehung zuro
Gehör zu stehen. Man begreift nun bei der Menge der organischen
Fasern, welche dem N. trigeminus eingewebt sind, warum die
Durehschneidung des N. trigeminus in Magendie’s Versuchen die
vegetativen Functionen des Auges, des Zahnfleisches, der Zunge
veränderte (siehe oben p. 638.); auch sieht man die Neigung
der Schleimhäute des Auges, der Nase und der Trommelhöhle
zu gleichzeitigen catarrhallschen Affectionen ein. S. oben -p. 73*-
Das Ganglion maxillare am Ramus lingualis des dritten Astes des
N. trigeminus gleicht darin dem Ganglion ciliare, dass es von orga
nischen Fasern und von Fäden des animalischen Nervensystems zu-
sammengesetzt wird. Von vegetativer Seite geht zu diesem Knote»
nach Haller’s, Bocr’s, Arnold’s Beobachtungen ein Faden vom Gan-
glion cervicale snpr. n. sympathici, der mit der Gesichtsschlagadcr
zum Ganglion maxillare gelangt. Von diesem Zweige und von der
gangliösen Masse mögen die organischen Wirkungen des Gan-
glions auf die Absonderung des Speichels in der Glandula subma-
xillaris abhängen. Ausserdem geht zu dem Knoten nach Abnol»
ein Zweig der an dem N. lingualis angeschlossenen Chorda tyr»'
panl, während die Fortsetzung dOTsclbcn im N. lingualis bleib ^
Da die Chorda tympani vom N. facialis kömmt, der ein motori'
Vom Nervus trlgemirms.
769
scher Nerve ist, so mag von diesen Fäden die motorische Wir-
kung der ans dem Ganglion maxillare auf den beweglichen Du-
ctus Whartonianus (siehe oben p. 457.) ausstrahlenden Fäden her-
riihren. Dann gehen nach Arnold auch noch einige Fäden vom
N. lingualis selbst zum Ganglion maxillare ab, welche die Sensa-
tion in der Drüse und dem Ausführungsgange unterhalten mö-
gen. So gleicht also dieser Knoten in Hinsicht seiner Wurzeln
Von dreifacher Bedeutung dem Ganglion eiliare. Das Ganglion
ölaxillare giebt nach Arnold graue Fäden theils an die Drüse,
theils an ihren Gang, theils aber auch an den N. lingualis ab.
Arnold leitet hieraus die stärkere Ausscheidung des Speichels bei
Reizungen der Geschmacksnerven ab; indessen kann diess Abge-
ben von organischen Fasern an den N. lingualis auch wohl nur
ein Einmischen von vegetativen, zur peripherischen Verbreitung
bestimmten, Fasern seyn.
Die vergleichende Anatomie des N. trigeminus ist freilich
noch in manches Dunkel gehüllt, doch verhält sich dieser Nerve
bei den höheren Thieren fast ganz so wie beim Menschen, so-
wohl in Hinsicht seiner Verbreitung als seiner physiologischen
Eigenschaften. Er ist der Hauptgefühlsnerve des Gesichtes. So
rühren nach Rapp {die Verrichtungen des fünften Nervenpaares.
Leipz. 1832. 4.) die Empfindungsfasern der Bälge der Tasthaare
der Thiere vom N. infraorbitalls her, während die Bewegung der
Bälge durch den N. facialis versehen ist.
Wo das Tastgefühl Lei den Thieren in der Schnauze eine
grössere Rolle spielt, ist immer der N. infraorbitalls stärker, wie
hei den mit einem Rüssel versehenen Thieren.
Die vergleichende Anatomie zeigt uns bei den niederen
Wirbelthieren mehrere Eigenthümlichkeiten des Nervus trige-
öiinus. Desmoulins hat bemerkt, dass bei den Fischen, deren Kopf
fast ganz mit harter Bedeckung begleitet Ist, wie bei Trigla, wo
also das Gefühl in demselben Grade vermindert ist, die Zweige
des N. trigeminus ausserordentlich klein sind, und sich meist nur in
den Muskeln der Kiefern und des Zungenbeins verzweigen. Bei
den niederen Wirbelthieren dehnt sich sonst der Bereich des N. tri-
geminus über einen grossem Thcil der Körperoberfläche aus, als
öei den höheren Thieren. Bei den Zitterrochen wird der vor-
dere Theil des electrischen Organes auch von einem Aste des N.
föigeminus versehen, während die Hauptnerven dieser Organe
^este des Nervus vagus sind. Bei den Rochen geht ein Ast
des Nervus trigeminus zu der Ausstrahlung der Schleimröh-
unter der Haut. Bei den Batrachiern sind die motorischen
^öste nach Desmoulins (2. 751.) nicht allein auf die Kaumuskeln
"^schränkt, sie gehen auch zu den Muskeln der Stimmritze.
dem Karpfen erhält der letzte Hirnnerve, welcher zu den
“uskeln der Brustflosse geht, nach Weber’s Untersuchungen auch
®*öen Antheil vom N. trigeminus. Weber Mecrel’s Archiv 1827.
P- 313.
- . E. H. Weber hat die Entdeckung gemacht, dass mehrere
•sehe neben dem gewöhnlichen N. lateralis, der ein Ast des N. va-
8ds> an der Seite des Fisches oberflächlich in den Rumpfmuskeln
770 III.Buch. Nerpenphfsik. IV.Ahschn. Eigenih. der cinz. Nerven.
l)is zum Scliwanz verläuft, auch noch einen anderen Längenerven
vom N. trigeminns haben. Dahin gehören der Wels und die
Aalraupe. Weber de aiire et auditu Lips. 1820. Meckee’s Archiv
1827. p. 304. Dieser N. lateralis trigemini verbindet sich auf I
das innigste mit den Spinalnerven, was der N. lateralis vagi nicht
thut. Bei den Fischen sind der N. vagus und trigeminns gcmei- i
niglich die stärksten Nerven des Gehirns, ihre Entwickelung ent-
spricht der Stärke der Anschwellungen des verlängerten Markes,
wo sich am Ursprünge des N. vagus oft ein eigener Hirnlappen ent-
wickelt; der N. trigeminns entspringt heim Karpfen von einer vor-
dem unpaaren, heim Wels von einer seitlichen Anschwellung j
des kleinen Gehirns, wie Weber fand.
Nervus facialis. ,
Wenngleich der N. facialis einen gewissen Antheil sensibler
Fasern enthält (siehe oben p. 643.), so ist er doch der Hauptbe-
wegungsnerve des Gesichtes. Sein Bereich ist der ganze Umfang
der Gcsichtsmuskeln, der Ohrmuskeln bis zum Musculns occipita-
lis, und ausserdem beherrscht er noch einige andere Muskeln,
den Musculus bivcnter maxillae inf. (den liintcrn Bauch, der vor-
dere ist vom N. mylohyoideus versehen), den Musculus stilohyoi-
deus und den Hautmuskel des Halses. Er ist daher auch der
physiognomische Nerve und zugleich der Athemnerve ’des Gesich-
tes, insofern er bei allen verstärkten oder angestrengten Atheni-
bewegungen, besonders bei geschwächten Menschen mitafficirt ist.
Siehe oben p. .3.32. In dem Grade, als bei den Thieren die Ge-
sichtsmuskeln und der physiognomische leidenschaftliche Ausdruck |
abnehmen, wird auch dieser Nerve kleiner. Bei den Thieren |
mit beweglichem Rüssel ist der N. facialis sehr stark, und beim |
Elephanten der Ast des N. facialis zum B.üssel so stark, wie der
N. ischiadicus des Menschen, während die Aeste vom fünften
Paare an das tastende Endstück des Rüssels gehen. Die bewegli-
chen Barthaare der Thiere erhalten die Nervenfädcn ihrer Muskeln
von dem N. facialis, während das Gefühl der Haarbälge von dem N-
infraoi'bitalis abhängt. Beli. expos. da syst. nat. des nerfs. p. 55.
Vergl. Rapp a. a. O. Bei den Vögeln bat der N. facialis als physiogno-
mischcr Nerve aufgehört. Nur bei mehreren Vögeln mit beweglichen
Ohrfedern, und zur Aufrichtung der Halsfedern durch den Hals-
muskel ist er physiognomisch noch von Bedeutung, und derWeS
zum Ausdrucke der Leidenschaften; sonst verbreitet er sich nni'
mehr in den Muskeln, die er beim Menschen ausser den Gesiebts-
muskeln versieht, den Muskeln, welche die Kinnlade abziehen
und das Zungenbein erheben, und im Ilautmuskel des Halses.
Bewegungsnerve ist er immer noch, so weit er da ist, und es i**'
wohl ein Missverständniss , wenn Treviranus an diesem Nerven
zeigen zu können glaubt, dass ein Nerve seine Function verän-'
dem könne, indem seine Bewegungsfunclion bei den Vögeln last
ganz aufhöre. Vielmehr ist er bei den Vögeln, wie bei de"
Menschen, immer noch eigentlicher Muskelnerve. I3ei den Schild"'
I
Vom Nerous facialis and glossopharyngeus. 771
kröten gleicht seine Verbreitung derjenigen der Vögel. Bei den
Fischen fehlt der N. facialis.
Die heim Menschen und den Säugethieren vorkommende Ver™
hindung des N. facialis und des N. lingualis durch die durch die
Trommelhöhle durchtretende Chorda tympani ist völlig räthselhaft,
Cloquet und Hireei. behaupten, dass der N. petrosus superficia-
lis n. vidiani, ■welcher vom z'weiten Aste des JV. trigeminus zura
Rnie des N. facialis geht, sich bloss an den N. facialis anlege,
in dessen Scheide liegend, und als Chorda tympani von ihm -wie-
der ahtretcj um zum N. lingualis zu gelangen. Nach Arnold’s
Untersuchungen ist diese Behauptung indess ungegründet, indem
es ohne gewaltsame Trennung nicht möglich ist, eine solche An-
ordnung zu erhalten. Nach Vaerentrapp {ohserv. anat. de parte
cephalica n. symp, Francof. 18.31.), verläuft der N. petrosus super-
ficialis, nachdem er zum N. facialis getreten, nicht neben ihm,
sondern er geht zum Theil in ihn über, so zwar, dass nur ein
Theil über das Knie des N. facialis weggeht, ohne sich fest zu
verbinden. Dieser Fortsatz wäre nach Varrentrapp schon als
Chorda tympani zu betrachten. Der Stamm der Chorda tym-
pani lässt sich nach Varrentrapp am N. lingualis bis in die Nähe
des Ganglion maxillare verfolgen, wo er sich in zwei Zweige
theilt, wovon der eine in das Ganglion maxillare übergeht, der
andere in dem N. lingualis weiter hingeht. Nach Arnold {KopJ-
theil des vegetat. Nervensystems. Ileidclb. 1831. p. 119.) verläuft
die Chorda tympani in der Scheide des N. lingualis, geht sehr
häufig mit demselben sogleich Verbindungen ein, und theilt sich
endlich in zwei Fäden, einen schwachem, der sich in das Gan-
glion maxillare einsenkt, und einen sfärkern, der sich in dem N.
lingualis verliert. Da die Zweige des Ganglion maxillare sich
nicht bloss in der Glandula submaxillaris, sondern auch auf ih-
rem Ausführungsgange verbreiten, xvle Arnold sah, so ist es nach
meiner Meinung für jetzt am meisten gerechtfertigt, die Bewe-
gung des Ausführungsganges (siehe oben p. 457. ) von diesen von
dem motorischen N. facialis kommenden Nervenfäden der Chorda
tympani abzuleiten. Eine mir nicht xvahrscheinliche Erklärung
dieser Verbindung hat Arnold (a. a. O. p. 183.) gegeben. Im
Allgemeinen hat Arnold selbst schon auf die Beziehung des Gan-
glion maxillare auf die Bewegungen des Ductus AVhartonianus auf-
merksam gemacht.
Nervus glossopharyngeus.
Ueher die Stellung des N. glossopharyngeus im System der
Nerven ist schon im dritten Abschnitt p. 639. gehandelt worden,
■hs gehört dieser Nerve unter die gemischten, welche sensorielle
’**'d motorische Fasern enthalten. Diess ergiebt sich theils aus
uem von mir an einem Theil der Wurzel des N. glossopharyn-
S®us entdeckten Ganglion (siehe oben p. 589.), theils aus seineir
Verbreitung in empfindlichen Thcilen, am hintern Theil des Zun-
§®nrückens, in den Papillae vallatap, und in den Mandeln und in
772 III. Buch. Neri>enphfsik. IV. Abschn. Eigenth. der eim. Nerven.
bewegliclien Theüen, im ScHande. Vergl. p. 639. Ob dieser
Nerve auch dem Geschmack bestimmte Fasern enthält, ist noch
zweifelhaft. Der Umstand, dass der Nervus gustatorius der Vögel
und' einiger Amphibien ein Ast des Nervus glossopharyngeus zu
seyn scheint, spricht dafür. Beim Frosch ist sogar der N. gusta-
torius ein Ast des N. vagus. Wir wissen überhaupt nicht, wie
weit sich der Geschmack ausdehnt. Die Empfindungen des Ekels,
welche im Schlunde vorzüglich ihren Sitz haben, haben viele
Aehnlichkeit mit Geschmacksempfindungen; von ihnen ist es auch
wieder zweifelhaft, ob sie in dem Schlundaste des N. vagus oder
des N. glossopharyngeus entstehen.
Der Ramus tympanicus des N. glossopharyngeus muss wahr-
scheinlich als ein vom N. sympathicus zum N. glossopharyngeus ge-
hender Ast betrachtet werden, wie oben p. 592. 768. gezeigt wurde-
Von dieser Verbindung in der Trommelhöhle oder der Jacohson-
schen Anastomose, und der Verbindung mit dem Ganglion oticum
ist schon oben p. 768. gehandelt. Ueber analoge Nerven hei Vö-
geln siehe Weber anat. comp. n. symp. p. 26. 38. Breschet in Muee-
ler’s Archiv für Anat. und Physiol. 1834. p. 16. Der N. glosso-
pharyngeus der Vögel verbindet sich durch einen Ast mit dero
N. vagus, und verbreitet sich zuletzt in der Zunge, deren Ge-
schmacksnerve er nach W^eber ist, und mit einem zweiten Aste
theils am obern Kehlkopf, tbells herabsteigend an der Speise-
röhre. Bischoff beschreibt auch bei Iguana einen zur Zunge
gehenden N. glossopharyngeus. Bel den Fischen hat man einen
vordem Ast des N. vagus, der beim Karpfen, wie die übrigen
Kiemenäste des N. vagus mit einem Ganglion versehen, ist, aber
durch ein besonderes Schädelloch durchgeht, und sich im ersten
Kiemenbogen, aber auch auf der Zunge bis zur Haut in der
Nahe der Mundöflhung verzweigt, Nervus glossopharyngeus ge-
nannt. Man sieht deutlich aus diesen Varietäten, wie auch an®
dem Mangel des N, accessorius bei den Fischen, dass der N. va-
gus, glossopharyngeus und accessorius nur ein gemeinsames Spj-
stem bilden, dessen Zertheilung in den Thierklassen sehr varii-
ren kann.
Nervus vagus.
Dieser gemischte Nerve, der seinen motorischen Einfluss viel'
leicht und ziemlich wahrscheinlich von seiner Verbindung mit detö
Innern Aste des N. accessorius erhält (siehe oben p. 639.), ver-
breitet sich constant in den Stimm- und Athemwerkzeugen, den*
Schlunde und dem Magen. Sein sensorieller Einfluss erstreck
sich über alle diese Theile; durch einen durch das Felsenbein g^'
henden Ramus auricularis dehnt sich sein sensorieller Einfluss aucö
selbst noch auf das äussere Ohr aus, ja durch die Verbindung
des Ramus auricularis N. vagi mit dem N. facialiss innerhalb de’
Felsenbeines ertheilt er dem N. facialis wahrscheinlich seine Ei»'
pfindlichkeit. S. p. 644. Von dem N. vagus sind die Empfindunge'
des Hungers und der Sättigung, und die mannichfaltigen Gefüb >
Vom Nerpus pogus.
773
Welche das gesnnde nnd kranke Athmen begleiten, abhängig.
Nach Brächet soll die Empfindung des Hungers nach Durch-
schneidung dieses Nerven anfhören. Recherches sur les fonctions
du syst, ganglionaire. Paris 1830. p. 179. Bei einem Rinde mit
dopjjeltem Kopfe nnd Brust und einfachem Unterleib, war der
eine Theil nicht gesättigt, 'vvenn der andere getrunken hatte,
Wahrscheinlich, weil der Magen doppelt war. Ebend. p. 183.
Die zugleich motorischen Aeste des N. vagus sind der N. pha-
ryngeus und die N. laryngei.
Durch die Durchschneidung des N. laryngeus inferior, oder
des N. vagus am Halse auf beiden Seiten wird die Bewegurtg der klei-
nen Kehlkopfmuskeln unvollkommen gelähmt; die Stimme ver-
schwindet, aber sie erscheint nach einigen Tagen wieder, weil
der N. laryngeus superior seinen Einfluss" noch ausüht. Dass der
N. laryngeus superior sich bloss in den Äluskeln verbreite, wel-
che die Stimmritze verengern, der N. laryngeus inferior in de-
nen, welche die Stimmritze erweitern, wie "Magehbie behauptet,
hat sich nach Schlemm’s Untersuchungen nicht bestätigt. Auf
den Magen hat der N. vagus keinen motorischen Einfluss; und
man kann durch Galvanlsiren und mechanische Reizung dessel-
ben am Halse keine Bewegungen des Magens hervorbringen, wie
die Versuche von Magendie, Mayo nnd mir beweisen. Siehe
oben p. 489. Der N. vagus enthält viele organische Fasern vom N.
sympathlcus, welche theils den Stamm, theils die Aeste desselben
Vom N. sympathlcus aufnehmen. Von diesen Einmischungen
rührt wahrscheinlich der organisch- chemische Einfluss dieses
Nerven her.
Der chemische Process der Respiration nnd der Schleimab-
sonderung in den Lungen hängt zum Tlieil von diesem Nerven
ab ; wenigstens entstehen nach Durchschneidung des N. vagus am
Halse Blutaustretungen in den Lungen, nnd wenn auch der che-
mische Process der Respiration anfangs nicht wesentlich gestört
wird, so sterben doch die Thiere innerhalb einiger Tago^ und
Vögel leben höchstens bis zum 5. — 8. Tage. Siehe obön p. 337.
Auch die Absonderung des Magensaftes wird von den organischen
Wirkungen des N. v'agus beherrscht. Nach Durchschneidung
des N. vagus am Halse wird die Absonderung des Magensaftes
*war nicht ganz aufgehoben, aber vermindert (siehe oben p. 531.),
Und eben so ist es mit der Verdauung, die bei länger lebenden
Vögeln ganz evident, aber viel langsamer vollbracht wird. Dass
die vom N. vagus abhängigen chemischen Processe in den Lun-
ten und im Mägen nach der Durchschneidung dieses Nerven am
Halse auf beiden Seiten nicht sogleich und ganz aufhören, er-
Härt sich hinreichend daraus, dass der N. vagus seine organi-
schen Fasern nicht bloss in seinem obern Stamme enthält, sondern
dass auch der untere Theil desselben noch viele Verbindungen
*^it dem N. sympathlcus eingeht, welche durch die Durchschnfei-
duiig des N. vagits am Halse nicht gelähmt werden können.
Die Schleimabsonderung in den Athemorganen scheint überall
’^utcr der Einwirkung der dem N. vagus beigemischten organi-
®ben Fasern zu geschehen, und daher nimmt wahrscheinlich
774 UI. Buch. Nerpenphysik, IV.Abshcn. Eigenth, der dnz. Nerven.
auch der N. laryngens inferior bei seiner Umbiegung nach auf-
wärts so bedeutende Verbindungen von dem N. sympatbicus auf.
Nach Durchschneidung desN. vagus auf beiden Seiten ist die Auf- I
saugung der Flüssigkeiten oder ihnen beigemischter fremdartiger ^
Stoffe r Gifte etc. im Magen nicht aufgehoben. Die von Dupuy und
Bbacbet angestellten Versuche, nacli denen die Aufsaugung der Gifte
ün Magen nacJi jener Operation aufgehoben seyn soll, sind offen-
bar nicht richtig, und werden durch die von mir und Anderen
angestellten Versuche vollkommen widerlegt, nach welchen diese
Operation nicht im geringsten den Erfolg verändert. Siehe oben
p. 234. Die Durchschneidung des N. vagus auf beiden Seiten
des Halses tödtet zwar in den nächsten Tagen, Indessen ist diese
Operation nicht tödtlicli, wenn sie bloss auf einer Seite vorge-
nommen, oder wenn sie auf der andern nach so grosser Zwi- ^
schenzeit angestellt wird, dass der erst durchschnittene Nerve wie- |
der vollständig verheilt ist. Siehe oben p. 381.? _ _ I
In vergleichend anatomischer und physiologischer Hinsicht i
bietet der N. vagus viele Merkwürdigkeiten dar.
1) Bei den Vögeln und beschuppten Amphibien (Crocodil),
wo der N. accessoriüs mit dem Stamme des N. vagus verschmilzt^
giebt der" N. vagus auch einen Ast oder mehrere Aeste^ zu den
Halsmuskeln. Bischoff, n, accessorü anatomia et physiologia. Hei-
delb. 18.32. p. 41. 45.
2) Bei den Fröschen geht aus dem Ganglion n. vagi ein Ast
zu den Kiefermuskeln, Weber anat. comp. n. symp. 44.
3) Bei den Fröschen giebt der N. vagus auch einen BamiiS
lingualis, welcher wahrscheinlich den sensoriellen Bamus lingualis |
n. trigemini ersetzt; wälirend der gewöhnliche motorische Ast
vom N. hypoglossus vorhanden Ist. Weber. Auch bei den Schlau- I
gen utid Crocodilen ist der Ramus lingualis n. vagi nach Weber ,
und Bischöfe vorhanden. Der Letztere beschreibt auch einen
Ast des N. vagus beim Crocodil zu den Muskeln des Zungenbei-
nes, a. a. O. p. 45.
4) Der N. recurrens kömmt noch bei den Säugethieren , Vö-
geln und Amphibien vor.
Bei den Batrachiern erhält der Kehlkopf nach Desmotjlij'S
einen Ast des N. trigeminus ; allein Weber hat gezeigt, dass ein Ast
des N. vagus einen zurücklaufenden Zweig zum Kehlkopfe giebt-
Anat. n.sympath. p.46. Der Kehlkopf der Vögel erhält einen Ast yoHJ
nennten Nerven, die Luftröhre und der untere Kehlkopf der Vöge^
erhalten Zweige vom N. vagus, aber die langen Muskeln, welche be‘
vielen Vögeln die Luftröhre verkürzen, erhalten Zweige von eincin
besondern Bamus dcsccndens n. hypoglossi. Siehe oben p. -330.
5) Bei den Fischen giebt der Nervus vagus die Kiemenner-
ven, einen Ramus intestinalis für Schlund und Magen, bei deä*
Zitterrochen und dem Zitterwels auch die Nerven des electrische'^
Organes ( siehe oben p. 64. ) , beim Karpfen auch den Zahnner-
ven für die Gaumcnkuochenzähnc , und hei rdlcn Fischen den
N. lateralis. ,
Beim Karpfen erhält der N. vagus nach Bischöfe auch ein
Wurzel vom N. trigeminus.
Vom Neri>iis oagiis.
775
Der N. vagns der Fische vermehrt seine Suhstanz ofFenhar
in dem Ganglion desselben, so dass die Aeste zusammen viel-
mal dicker sind als die Wurzeln, Ja sogar einzelne Aeste stärker
als die Wurzeln sind. In dem Ganglion scheinen die Primitiv-
fasern der W^zeln durch Theilung und Multiplication die Sub-
stanzvermchrung zu bilden, so dass viele Primilivläscrn der Aeste
durch eine Primitivfaser der Wurzel vertreten sind. Beim Zan-
der und heim Wels bilden alle Aeste zusammen ein Ganglion,
heim Karpfen nur die Kiemennerven einzelne Ganglien , -wobei
sich die Suhstanz vermehrt. Weber anat. comp. n. symp, p. 62.
p. 66. Meckel’s Archiv 1827. Tab. IV. Fig. 25. 26.
6. Einer der merkwürdigsten Aeste des N. vagus hei den
Fischen ist der Kerve der Seitenlinie, welcher zwischen den
Muskeln nicht fern von der Haut bis zum Schwänze hingeht,
und Zweige den Muskeln (?) und der Haut gieht. Desmoumms be-
hauptet, dass dieser Nerve nicht wohl sensibel sey. Allein er ist
sicher nicht motorisch, wenn er sich in Muskeln auch verzweigt;
denn mit einer Batterie von 40 Plattenpaaren konnte ich heim
Karpfen durch Galvanisiren des Nerven seihst keine Zuckungen
i in den Muskeln erregen. Vah Deek hat diesen Nerven auch
I bei den Froschlarven, und als einen bleibenden Nerven heim Pro-
teus anguinus entdeckt. Mueller’s Archiv für Anatomie und Phy-
siologie 18.34. p. 477.
I 7) Sehr merkwürdig sind die Aeste des N. vagus zu dem
contractilen Gaumenorgan der Cyprinen. Siehe Meckel’s Archiv
1827. .309. Weber hat zuerst entdeckt, dass diess Organ eine
höchst merkwürdige Contractilität besitzt; denn wenn man das-
selbe mit einem spitzigen Körper sticht oder drückt, so erhebt
sich die gereizte Stelle sogleich in Gestalt eines kegelförmigen
Hügels, dessen Spitze der gereizte Punkt ist, bleibt einige Secun-
den erhoben und ^nkt sich hierauf wieder; dabei sieht man
keine Veränderung der Farbe, die auf ein Zuströmen von Blut
deuten könnte. Ich halte diess Organ nicht für ein Geschmacks-
organ, sondern für einen ganz eigenlhümlichen contractilen Schling-
apparat. Ich habe bemerkt, dass das. Organ sich in jeder Bich-
tung zusammenziehen kann, und dass überall kegelförmige, li-
neare oder breite Erhebungen folgen, je nachdem man mit
einem spitzen Körper aufdrückt oder Striclie macht, oder mehr
auf die ganze Fläche zugleich wirkt. Wenn Ich die Pole einer
Säule von 40 Plattenpaaren auf das Organ anw'andle, entstanden
die heftigsten Zuckungen, und die Bichtiing der Bewegung wurde
immer durch den Strom bestimmt; das Organ kann ganz zu
®inem Klumpen in der Mitte anschwellen (und so wirkt es wahr-
schelnlich beim Schlingen) oder in jeder Bichtung Zusammenzie-
hungen bewirken, die auch sogleich erfolgen, w'cnn man das Or-
§3n ausdehnt. Im letzten Fall erfolgt die Zuckung in der Richtung
der Ausdehnung. Ob diess Organ willkührlich beweglich ist, ist
laicht auszumitteln ; auf das Galvanometer wirkt es nicht. Deut-
sche Fasern enthält es nicht; das Contractile an dem Organe ist
®iir die 1-^ Linien dicke Oberfläche, in der Tiefe liegt eine fet-
**go Unterlage, welche nicht contractil ist.
Miiller’e Physiologie.
50
776 III. Buch. Nert>enphf.iik. IV.Ahsclin. Elgenth. der einz. Nerven.
Kein Theil eines Tliieres Lat so viel Nerven, als dieses Or-
^an, sie kommen sämmtlicL vom N. vagus. Galvanismus auf die
Nerven angewandt wirkt, alier keine kegelförmige Erhebung, son-
dern ausgehreitete Zuckung.
S) E. H. Weber Lat darauf aufmerksam gemacht, dass
der N. vagus in einem WecLselverhaltniss zu dem N. sympathi-
cus steht, hei den Schlangen ist z. E. der N. sympathicus aus-
serordentlich wenig entwickelt, dagegen der Earaus intestinalis
Nervi vagi um so starker; hei . den Fröschen ist es umgekehrt.
Auch liei den Fischen sind die Intestinaläste des Nervus vagus
sehr stark.
Nervus acccssorius "WilHsli. j
Ueher das Verhältniss dieses Nerven zum N. vagus, in Be-
ziehung auf die motorische Eigenschaft des N. vagus, ist schon
oben p. 6.39. gehandelt worden. Dieser Nerve kömmt nur hei
den Säugethicren, A^ögeln und Amphibien, nicht liei den Fischen .
vor. Bei den Vögeln'und Amphibien verhält er sich ihst als eine |
Wurzel des N. vagus , indem er ganz in denselben übergeht, der i
hinwieder einen Ast in die Halsmuskeln abgiebt, welcher dem N. |
acccssorius der Säugethicre zu entsprechen, scheint. Siehe das ]
Nähere in Bischoff nervi accessorü IViUisu amitomia et phrsiolugia.
lleidelh. 1832. Der Bereich des N. acccssorius der Säiigethiere, I
so weit er sich nicht mit dem N. vagus verbindet, ist der Mus—
culus stcrnocleidomastoideus und • cucullaris. Die Ursache ^ des
sonderbaren Ursprungs und Verlaufs dieses Nerven kennt man nicht.
Nervus hypoglossus.
Die Stelle dieses im Wesentlichen motorischen, aber zugleich
mit empfindlichen Fasern begabten Nerven im System, welcher
in einigen Säugelhieren nach Mayer’s Entdeckung seihst eine
feine Innterc, mit einem Ganglion versehene Wurzel hat, ist
schon im dritten Abschnitt p; 644. licslimmt worden. Er ist der
motorische Nerve der Zunge, hei allen Bewegungen dieses Orga-
nes zum Sprechen, Käuen, Schlingen u. s. w. Die Zerrung des-
selben hei Thiereil bewirkt heflige Zuckungen der Zunge. Er
ist aber auch der Bewegungstierve der gi-ossen Muskeln des Kehl-
kopfes und Zungenbeines, 'des Musculus geniohyoideus, hyothy-
reoideus, omohyoideus, sternothyreoideus, sternohyoideus.
Folgende, von Montault in” der Academie de Medecine vor-
getragene Beohachtung ist für die Physiologie des N. hypoglossus
von Wiciitigkeit. Nach einem Fall auf das Genick entstanden
Spannung und Zittern der Muskeln des Halses, heftige Schmer-
zen an der linken Seite des Kopfes und Halses und heschwerh-'
ches Sprechen. Die Zunge wmdc alhnählig verkleinert, vorzüg'
lieh au der linken Seite atrophisch, und heim Ausstrecken nach
der rechten Seite hingezogen. Der Geschmack war, auf beiden
Vom Nerms hypoglossus.
777
Seiten der Zunge vorhanden. Später entstand eine kleine Ge-
schwulst hinter dem Zitzenfortsatz , das Schlacken wurde be-
schwerlich, Schluchzen, Aphonie und Erbrechen kamen hinzu,
zuletzt epileptische Anfälle. Bel der Section fand sich zwischen
der linken Hinterhauptsgriihe, der linken Hemisphäre des kleinen
Gehirns und der Mediilla ohlongata eine hydatidöse Geschwulst,
worin eine Menge Hydatidcn. Diese Cyste hob die linke Hemi-
sphäre des kleinen Gehirns auf, und drängte die Mcdulla ohlon-
gata etwas nach rechts; sie drang, innerlialb der Arachnoidea
gelegen, einige Linien tief in den Rückgratskanal, und war zu-
gleich in das Foramen condyloideum antcrius eingesenkt. Von
der Basis der Cyste ging eine Verlängerung durch die vordere
Portion des Foramen lacerum sinistriim nach Aussen unter das
obere Ende des Muscul'us complexus und sternocleidomastoideus.
Innerhalb der Schädelhöhle waren die hellieiligten Nerven gesund,
vom Austritt aus dem Cranium an war der linke Hypoglossus
atrophisch' bis zur Zunge, auch der N. glosso])haryngeus,' nicht
aber der Vagus und Accessorius. Die Muskeln der Zunge und
des Gaumensegels auf der linken Seite, und das linke Stimmhand
wurden atrophisch gefunden. Dieser Fall zeigt, dass der N. lin-
gualis Geschmacksnerve der Zunge ist, und dass die Lähmung
Und Atrophie der Zunge von der Atrophie des N. glossopharyn-
geus und hypoglossus ahhing. Er war von Dupuytren richtig
diagnosticirt worden, welcher voraussagte, dass ‘der N. hx'poglos-
sus, und zwar von seinem Austritt aus der Schädclhöhle an,
krankhaft verändert sey, weil hei einem Leiden dieses Nerven
an seinem Ursprünge, Paralyse der Gliedmassen vorhanden seyn
musste. Mueuler’s Archiv für Anatomie und P/ijxiol. 18114. p. 130.
Bei den Vögeln verbreitet sich der N. hypoglossus, nachdem
er sich durch einen Zweig mit dem N. vagus verbunden, haupt-
sächlich mit zwei Aesten, mit dem einen in den Zungenheinmus-
keln, mit dem andern an der Seite der Speiseröhre. 'Weder
anaf. comp. n. symp. p. 40. Wir haben auch heim Truthahn ei-
nen langen herahsteigenden Zweig an dem langen Muskel beob-
achtet, welcher die Lnfti'öhre verkürzt. S'iehe oJ)en p. 330. Bei
den Fröschen geht der N. hypoglossus mit dem Zungenaste des
N. vagus zur Zunge (Weber 1. c. p. 45.). Zu den Muskeln der
Zunge haben auch Bojanus und Biscnorr, jener bei der Schild-
kröte', dieser hei einer Iguana, den N. hypoglossus treten gesehen.
Pei den Fischen fehlt der N. hypoglossus, statt dessen findet sich
Pei dem Wels und dem Karpfen nach Weber’s Beobachtung ein
eigener Nerve, der mit drei Wurzeln, einer hintern gangliösen ent-
springt und durch ein besonderes Schäclelloch durchgehend, zu den
Muskeln der Brustflosse geht. Belm Karpfen verbindet sich die
gangliöse Wurzel mit einer Wurzel vom N. trigeminus. Vcrgl. Bi-
schoff a. a. O. p. 49.
Bedenkt man, dass der N. spinalls primus des Menschen zuwei-
len nur eine vordere Wurzel hat, dass der N. hypoglossus des Men-
schen nur eine vordere, bei einigen Säugethicren aljer zugleich eine
h'ntere Wurzel hat., so tritt der N. hypoglossus ganz in die Ka-
tegorie der Spinalnerven, und ist gleichsam der erste Spinalnei-ve,
50*
778 ni. Buch. Neruenphjsik, IV. Abschn. Eigenth. der einz. Neruen.
der aber nocb durch den Schädel heraustritt. In diesem Betracht
kann der eigene letzte Nerve mit doppelten Wurzeln des Welses
und der Cyprinen auch als erster Spinalnerve betrachtet vrerden,
und so gleicht er auch dem N, hypoglossus der Säugethiere, ob-
gleich er sich in der Brustflosse verbreitet; nur in Hinsicht die-
ser Verbreitung ähnelt er einigermaassen dem N. accessorius der
hofieren Thiere.
Beim Wels und Karpfen schickt aber der N. vagus auch
Nerven zur Brustflosse, und bei Gadus Iota schickt sogar der N.
trigeminus einen Ast zur Kelilflosse. Wereb, Mecrel’s Archiv
1827. p. 303.
Nervus sympathicus.
Die Physiologie dieses Nerven ist bereits in verschiedenen
Abschnitten des IV. Buches zur Sprache gekommen , und so sind
im dritten Abschnitt dritten Cap. (p. 646.) die sensoriellen, moto-
rischen und organischen Eigenschaften desselben im Allgemeinen,
und im fünften Cap. (p. 708.) die Mechanik seiner Wirkungen
untersucht worden. Hier ist der Ort, das Eigentbümliche dieses
Nerven in einzelnen Thierclasscn und Thleren zu erwähnen, wo-
bei wir uns aber nur auf diejenigen Verhältnisse beschränken
müssen, welche in physiologischer Hinsicht von Wichtigkeit sind.
In Hinsicht des anatomisclien Details müssen wir auf die Werke
von Weber {anai. comp. n. symp. Lips, 1817.), Lobstein [de n.
symp. hum. fabrica, usu e.l morbis. Paris. 1823.), Wutzer [de gan-
gliorum fabrica. Bcrol. 1817.), IIirzel (Tiedemasn’s Zeitsciw.fär Phy-
siol. I.) Arnold {der Kopßhed des vegetativen Nervensyst. Heidelb.
1831.), Varrestrapp {obs. anat. de parte cephaUca n. symp. Fran~
cof. und Giltay {de n. sympathico diss. Lugd. Bat. 1834.)
verweisen.
Das organische Nervensystem scheint ln der ganzen Thier-
welt verbreitet. Es ist bei den wirbellosen Thieren vorhanden
(p. 580.); bei den Knorpelfischen hat es. Giltay beschrieben, und
wenn cs bei Peteomyzon noch nicht gefunden worden, so ist es
doch gewiss vorhanden, denn es kann durch keinen andern Ner-
ven compensirt werden. Mehrere Beobachter, Bock, HirzeLj
Cloqtjet, haben eine Verbindung des Plexus caroticus n. sympathici
mit der Glandula pituitaria heim Menschen und den Säugethie-
ren angenommen, so dass die Hypophysis cerebri gleichsam der
CentralUieil des N. sympathicus wäre; eine solche Verbindung sab
Arnold mit dem Trichter, nicht mit der Hypophysis.
Bei den Vögeln liegt die Pars cervicalis n. sympathici I**
dem Canal der Querlbrtsätze der Halswirbel, wo bei den Säuge-
thieren und dem Menschen nur ein vcrhältnissmässig sehr dün-
ner Strang des N. sympathicus liegt.
Ausser den grossen Sinnesnerven scheint dieser Nerve durch
alle Classen mit dem grössten Theile der Hirnnerven und allen
Rückenmarksnerveii Verbindungen einzugehen, wenngleich diese
Verbindungen noch nicht überall aufgefunden sind. Mehrere
77.9
Vom Neroits sympatliicus.
dieser Verhindtingen zeigen Lei einzelnen TLiei’en eigentLümli-
che, für die Physiologie seiner Wirkungen wichligc Verliältnisse.
Es ist schon ohen hei der Classilication der Ganglien p. 591.
angeführt worden, dass die Verhindnng von Zweigen des N. sym-
pathicus mit Hirnnerven an diesen zuweilen knotige Anschwel-
lungen erzeugt; und wir -haben diese als eine besondere Art von
Knoten betrachtet. Es gehören hieher z. B.
1) das Ganglion petrosum n. glossopharyngcl des Menschen
und der Säugethierc, wo es einen Ast von der Jacobsonschen
Anastomose der Trommelhöhle empfängt, der mit dem Eamus
carotico - tympanicus n. sympathici, und einem Ast des Gan-
glion otieum zusammenhängt. S. p. 768.
2) Die Intumescentia ganglüformis des N. facialis, welche
mit derselben Anastomose durch ein Fädchen zusammen hängt.
3) Das Ganglion sphenopalatinum am zweiten Aste des N.
trigeminus, welches einen vom N. sympathleus kommenden Faden,
, den N. vidianus profundus, in den zweiten Ast bringt, und von wo
aus organische Fäden auf die Zweige des zweiten Astes hin-
gehen, p. 651.
4) Das Ganglion oticura am dritten Aste des N. trigeminus,
von welchem aus organische Fasern in die Zweige des dritten
Astes eingemischt werden. Siche ohen p. 768.
5) Die Intumescentia ganglüformis n. vagi unter dem andern,
dem N. vagus, als sensibelm Kerven, eigenen Ganglion.
6) Das Ganglion ciliare, wo in die Verbindung der beiden
Wurzeln dieses Knotens ein Zweig des N. sympathleus einge-
mischt wird.
7) Das Ganglion maxlllare, wo in die vom N. lingualis kom-
menden Zweige zu der Glandula suhmaxillaris ein organischer Fa-
den eingemischt wird. Siehe ohen p. 768.
8) Die Pars cephalica n. sympathici bildet hei den Fischen
an dem N. vagus, glossopharymgcus , und hei Trichiurus auch an
dem N. trigeminus Ganglien.
Es lässt sich diese Tabelle aber auch auf einige Rücken-
•narksnerven ausdehnen. Auch an diesen sitzen zuweilen knotige
Anschwellungen von Einmischung des N. sympathiens ; Anschwel-
lungen, welche man wohl von den Knoten der EmpCndungswur-
*eln der Rückenmarksnerven unterscheiden muss.
9) So befinden sich an den Verbindungsstellen des im Cana-
l's vertehralis liegenden Theiles des N. sympathicus mit den
Öalsnerven der Vögel kleine Ganglien an den Spinalnerven ; Knöt-
®lien, die von den Knoten der hintern Wurzeln der Spinalner-
unterschieden sind. Ehen so verbindet sich der jVervus
Sympathicus , wo er aus dem Canalis vertehralis hervortritt,
^it dem vorletzten und letzten Cervicalnerven und ersten Rrust-
*terven, welche den Plexus hrachialis bilden, durch Hülfe von
Ganglien, die an der äussern Oberfläche dieser Nerven hegen,
^hrend die Ganglia spinalla sich an der hintern Fläche befinden.
p. 32. Giltay de nervo sympathico diss. Jjugd. Bat. 1834.
h' lOO. Die durch Verbindung des N. sympathicus mit den Flü-
Selucrven entstehenden Ganglien flicssen zuweilen in eins zusammen.
780 III. Buch. Nervenphysik. IV.Abschn. Eigenth. der eim. Nerven.
■wie bei der Taube. Weber bemerkt hierbei, dass blerdurch die
Grösse des Ganglion cervicale inferiiis der Sängethiere erläutert
werde, welches an dei^sclljen Stelle liegend sich mit den den Ple-
xus bracbialis bildenden Nerven durch Fäden verbindet.
Schon aus diesen Verbindungen gebt hervor, dass der N.
sympathicus an den Verbindungsstellen mit Gehirn- und Riicken-
marksnervcn nicht etwa bloss sensorielle und motorische Fasern
erhält, die man allerdings in den zwei Wurzeln der Spinalnerven
bis zum Rückenmark verfolgt hat (siehe oben p. 650.), sondern
dass der N. sympathicus an jenen Stellen auch organische Fa-
sern in die Cerebrospinalnerven einmengt. An mehreren solchen
Verbindungen, sowohl solchen, wo Ganglien liegen, als an den nicht
gangliösen, lässt sich diess augenscheinlich ei'weisen. Ich habe
schon früher diese wichtigen Thatsacben angeführt, dass man
von dem Ganglion olicum aus die grauen Fasern über den N.
bncclnatorius des Ralbes weit verfolgen kann, dass das Gleiche
■vom Ganglion sphenopalatinum gilt, indem Retzius beim Pferde von
diesem Knoten aus die grauen Fasern über die Zweige des zwei-
ten Astes des N. trigeminus verfolgte, und ich beim Ochsen den
Ramus profundus n. vidiani vom N. sympathicus kommend, seine
Fasern über den zweiten Ast bis zur Nase ausbreiten, den rnit
dem N. abducens sich verbindenden Zweig des N. sj'mpatliicns
aber ein ganzes Fascikel von Fasern auf den ersten Ast des N.
trigeminus nach der Augenhöhle ahgeben sah, während Varbektrapp
ebenfalls beim Menschen Fädchen aus dem Plexus cavernosus
zum ersten Aste des N. trigeminus treten sah. Wenn es gleich
richtig ist, was Retzius beobachtete, dass Fasern vom Nervus
sympathicus auch in Hirnnerven , wie eben Im Nervus trigeminus
aufwärts in der Richtung gegen das Ganglion Gasseri, gleich-
sam wie W^urzeln verlaufen , so beweisen doch die angeführten
Fälle ganz oflenbar das Einmischen organischer Nervenfasern in
Cerebrospinalnerven zur peripherischen Verbreitung mit diesen;
und wir dürfen in den mehresten Nerven solche nach der Peri-
pherie hingehende, eingemengte organische Fasern voraussetzen,
wodurch die eigentliche Bedeutung der Verbindungen des N.
sympathicus mit Gehirn- und Rückenmarksnerven recht ins Licht
gesetzt wird. _
Diese durcli Thatsaclien gestützten und mit den lierrscnen—
den Voi’stellungen von dem Zweck jener Verbindungen contra-
stirenden Ideen werden durch neuere Beobachtungen von Gil-
TAv , die ich so eben kennen lerne, noch mehr befestigt. Dieser
Beobachter hat nämlich in der vorher angeführten Schrift meh-
rere Thatsacben bekannt gemacht, in welchen sich die organi-
schen Fäden neben den Cerebral- und Spinalnerven, getrennt
bingehend in die Organe beobachten liessen. Gii.tay hat bßt
mehreren Fischen von der Pars cephalica nervi sympathici>
welche von dem N. trigeminus ausser dem Cranium entspringt
und rückwärts unter dem N. glossopharyngeus und vagus hin-
geht, organische, deutlich zu unterscheidende Fäden zu dem N-
glossopharyngeus, und mit diesem zur ersten Kieme, und eben
so einen bcsondeni Faden mit dem N. vagus in die Kiemen
Vom Nerms sprtpathicus.
781
treten gesehen, wo dieselben von den Aesten der Cerebrospinal-
nerven getrennt, bloss neben diesen liegend sie begleiten. Diess
bat er deutlich an Fischen der Gattungen Acanthuriis, Platyce-
phalus, Holocentrus, undeutlich auch bei Pleuroncctes Platessa
gesehen und abgebildet. Diese Aeste sind wohl von denjenigen
Aesten des N. sympalbicus zu unterscheiden, welche sich mit dem
N. glossopbaryiigeus und mit dem Ganglion u. vagi, gleichsam
als Wurzeln des N. sympatbicus verbinden.
Ein äbnlicbes Verhalten zu Rückenmarksnerveu bat Giltay
ebenfalls in einigen Fällen beobachtet. Bei Bufo. asper sab er
den N. sympatbicus in der Älitte des Körpers des zweiten Wir-
bels unter der Anbangsplatte der Schulter einen Ast in die Mus-
keln (?) abgeben, der sich in zwei Aeste spaltete, wovon der eine
rücklaufend an den N. spinalis (1. dorsi) gegen den Wirbel bin-
gebt, sich also wie eine Wurzel verhält, während der andere
mit dem N. spinalis fortgebt, um sieb in der vordem Extremität
zu verzweigen. Bei Calotes guttiirosa sab Giltay einen Zweig
des jV. sympatbicus, der sieb mit der Arleria subclavia und den
Nerven der vorderen Extremitäten in diesen verbreitete. Eben
so sah er bei Iguana delicalissima einen Ast des N. sympalbicus
I den ersten Nerven der vorderen Extremitäten begleiten. Diese
letzteren Tbatsacben beweisen mehr als irgend ein anderes Fa-
1 ctum, dass zu den organischen Functionen die sensoriellen und
I motorischen Nerven nicht binreijlien, dass die Wirkung der or-
ganischen Nerven durchaus von der der sensoriellen und motori-
schen Nciven verschieden, und zur Regulirung der cberniscbeii
' Processe der Ernährung und Absonderung bestimmt ist.
Fasst man diess Alles zusammen, und wirft man einen Blick
auf die allgemeinen Eigenschaften des N. sympatbicus, die wir oben
p. 616. untersucht haben, so ergiebt sieb, dass der N. sympatbicus in
den sogenannteuVerbindungen mit anderen Nerven, sowohl Wurzcl-
fäden durch Gehirn- und Rücken rnaiksnerven x'on den Central-
theilen erhält, als peripherisch auszuhreitende organische Faden
in die übrigen Nerven einmengt, so wie hinwieder die von dem
N. sympatbicus versehenen Eingeweide in den zu ihnen hinge-
Kenden Aesten des N. sympatlncus höchst wahrscheinlich nicht
blosse organische Fasern, sondern auch sensorielle und motorische
Fasern erhalten, welche von den Ccrebrospiualneryen aus dem
System der sympathischen Nerven cingeweht werden. Je weiter
*nan diess durchdenkt, um so unwahrscheinlicher werden die Ideen
Von anderen Bestimmungen des N. sympathieus, von der llarmo-
*>10, welche der N. sympatbicus zw'isclien allen anderen Neiwen
Vinterhalten soll, die in der That auf eine viel wirksamere Art
liurcb die Centralorgane selbst unter einander verbunden sind.
Die zu den Centraltbeilen tretenden Fäden der urgainscben
^^erven erfahren den Einfluss der Centraltbeile, und thcilen ihn
i^om ganzen organischen System mit, wodurch der Einfluss des
sympatbicus auf die Ernährung und Absonderung verändert
wird. Diese Verbindung mit den Cciitrallheilen mag zur Erhal-
tung der Wirksamkeit des N. sympatbicus notbwendig seyn (siebe
viben p. 714.), während die unmittelbare Quelle seiner Tbätigkeit
78‘i HI.Buch. Nereenpliysik. V.Ahschn. Centraltheile d,Neri>ensyst.
ii) jenen grossen Centralmassen liegt, welclie die Unterleihsge-
flechte und überhaupt die Ganglien sind, von welchen der orga-
nische Einfluss in die peripherischen Verbreitungen des N. sym-
pathicus, auch in jene die Cerehrospinalnerven begleitenden or-
ganischen Fasern bis zu den Gapillargefässactionen zur Ernährung
aller Theile ausstrahlt.
F'. Abschnitt, Von den Centraltheilen des
Nervensystems.
/. Capitcl. Von den Centraltheilen des Nervensystems
im Allgemeinen.
Die Centralorgane des Nervensystems bewirken die vereinte
Th'ätigkeit aller Nervenfunclionen, theils ausser der Herrschaft
der Seele, theils unter derselben; sie sind diejenigen Theile des
Nervensystems, durch welclie alle Nerven oder Leiter vereinigt wer-
den, welche als Erreger (Motoren) sowohl automatisch beständig oder
abwechselnd, als Avillkübrlich auf die von dem Sensorium commune
der Centralorgane ausgehenden Bestimmungen, die motorischen
Nerven zur Bewegung der Muskeln in Thätigkeit setzen, welche
die Wirkungen der sensoriellen Nerven entweder auf motorische
unbewusst reflectiren, oder im Sensorium commune der Central-
theile zum Bewusstseyn bringen, durch welche auch die organi-
schen Nerven- Wirkungen in ungestörter Kraft erhalten werden,
durch welche das Nervenprincip beständig erzeugt und wieder-
erzeugt wird, und ohne welche sich die Thätigkeit und Reizbar-
keit der Nerven als Leiter auf die Dauer nicht erhält. Diess ist
die allgemeine Definition des Gehirns und Rückenmarkes als
selbstständiger Erreger gegen die Nerven als Conductoren des
Nervenprincips. Dass sich durch die angeführten Eigenschaften
die Centralorgane von den Nerven unterscheiden, ist aus den in
der Nervenphysik mitgetheilten Thatsachen nicht schwierig zn
beweisen.
1) Die Centralorgane vereinigen alle Nerven; diess gilt sogar von
den sympathischen Nerven, die, wie am Ende des vorigen Abschnittes
gezeigt worden, an so vielen Punkten durch Fasern mit den Central-
theilen Zusammenhängen. Es zeigt sich nur der Unterschied der
Cerehrospinalnerven von den organischen Nerven in Beziehung
auf die Centralorgane, dass die ersteren viel unmittelbarer von
den Centralorganen ausstrablen, während die organischen Nerven
zwar auch ihre Fasern in Begleitung der Cerehrospinalnerven
mit dem Gehirn und Rückenmark in Wechselwirkung bringen,
aber doch auch ihre untergeordneten Centraltheile in ihren eige-
Von den Centraltheüen des Nerpensystems im Attgemeinen, 783
nen Ganglien nnd Geflechten haben, von welchen der organische
Einfluss zunächst ausstrahlt, wenn sich auch die Thätigkeit die-
ses Systems ohne die Mitwirkung des Gehirns nnd Rückenmarkes
auf die Dauer nicht erhalten kann. Vergl. p. 714.
2) Die Centralorgane sind Erreger für die motorischen Ner-
ven als Conductoren der motorischen Entladung des Nervenprin-
cips nach den Muskeln. -Diese motorische Thätigkeit äussert sich
a. theils als beständige Ausstrahlung, wie wir das Beispiel in der
beständigen Beherrschung der Sphincteren sehen, deren Zusam-
rnenziehungen nach Verletzungen der Centralorgane aufhören;
b. theils durch abwechselnde rhythmische Bewegungen, wie in
der Abhängigkeit der Bewegungen des Athmens von der Medulla
oLlongata (siehe oben p. 331.); c. theils als Entladungen, die wiil-
kührlich von dem Sensorium commune der Centralorgane ausge-
hen, welches den spontanen Actionen der Seele unterworfen ist.
Gegen diesen motorischen Einfluss verhalten sich die moto-
rischen Nerven auf doppelte Art. Die Nerven einer Classe ver-
halten sich gegen denselben als blosse Conductoren. Sie sind
zwar auch beständig motorisch geladen, und können künstlich,
wie der Nerve des Froschschenkels, durch mechanische Reize zu
Entladungen bestimmt werden; aber sie entladen sich im Zu-
stande der Gesundheit nicht spontan, sondern auf den Einfluss
der Centralorgane; diess sind die motorischen Cerebrospinal ner-
ven. Die Nerven der andern Classe, dem Einflüsse des Sensorium
commune ln Beziehung auf willkührliche Actiouen ganz entzogen,
können zwar auch von den Centralorganen zu beständigen oder
rhythmischen Actionen bestimmt werden, haben aber das Ei-
gentluimliche, dass sie auch selbstständige Entladungen bewir-
ken, wenn sie gleich auf längere Dauer zur Reproduction ihres
Nerveneinflusses der Centralorgane bedürfen; dahin gehören die
motorischen W^irkungen des N. sympathlcus. Die von ihm be-
herrschten Theile ziehen sich spontan, auch getrennt von dem
Einfluss der Centralorgane zusammen, wie das Herz, der'Darmkanal
u. s. w., aber die Kraft und Dauer ihrer Zusammenzichungen
hängt durchaus von dem Verkehr ihrer Nerven mit den Cen-
tralorganen ab. Vergl. oben p. 185. 714. Bel vorübergehen-
der Ermüdung und auch in dem Schlafe nach der täglichen
Action des Nervensystems, tritt einmal eine Relaxation in den
"Wirkungen der Centralorgane auf die peripherischen Theile ein;
aber diese vorübergehende Veränderung in den Centralorganen ist
noch nicht im Stande, die Actionen der dem sympathischen Sy-
stem unterworfenen spontanen Bewegungen wesentlich zu verän-
dern. Nur wenn die Ermüdung in den Centraltheilen dauernder
wird, wenn diese Organe wesentlich verletzt werden, erlahmen
auch die dem sympathischen System unterworfenen Bewegungen,
weil ihre Kraft und Dauer von den Centraltheilen auch abhängt.
Man darf sich aber nicht verstellen, dass während der täg-
lich einmal eintretenden Ermüdung der Centralorgane und des
Schlafes die Centralorgane überhaupt unthätig würden. Diese
Ermüdung ist zwar allgemein, aber nur das Sensorium commune
Centralorgane, jener Theil des Gehirns, welcher den Actionen
784 UI. Buch. Neroenpkfsik. V.Abschn. Centraliheile d. Nervensyst.
der Seele unterworfen ist, wird vorzüglich untliätig; nur die willtühr-
liclien Bewegungen fallen unter den motoriscbeir Actionen der Cen—
tralorgane w'älirend des Sclilates ganz aus. Alle übrigen Bbeile der
Centrälorgane setzen ihre Tbatigkeit wie während des Wachens fort.
Diess sieht man an der Fortdauer der von den Centralorganen
ahhängigen beständigen Zusammenziehungen der Sphincteren und
den rhythmischen Athembcwegungen , welche beide von 'H'ahren
Cerehrosplnalnerven ausgeführt werden. Gewisse Muskeln sind also,
obgleich von Cerebrospinalnerven versehen, auch während des
Schlafes beständig thätig; immer sind die Sphincteren geschlos-
sen, immer bewirkt der Schlat eine fixirte Stellung des Auges
nach oben und innen, immer die constant damit verbundene
Contraction der Irls mit Verengung der Pupille; die Schlies-
sung des Mundes findet auch im Schlafe gewöhnlich statt. Kurz,
wir sehen, dass auch im Scldafe der ganze motorische Apparat
der Centralorganc, des Gehirns sowohl als des Rückenmarkes,
fortwirkt, dass nur die willkührliehe Excitation dieses dauernd
th'ätigen motorischen Apparates während der Uiithätigkelt des
Sensorlum commune auf hört. Daher müssen wir auch eine wäh-
rend des Schlafes fortdauernde W echselwlrkung der Ceiitralor-
gane mit der motorischen Thätigkeit des sympathischen^ Systems
nothwendlg voraussetzen, ohne welchen Einfluss die Kraft der
Bewegungsactionen im sympathischen System sogleich ahnehmen
würde, wie wir in der Apoplexie, in den von den Centralorgauen
eintretenden Ohnmächten und bei der künstlichen Zerstörung
des Rückenmarkes (siehe oben p. 185.) deutlich sehen.
3) Die Centralorgane erfahren ■ die Wirkungen der sensoriel-
len Nerven, und pllanzen sie entweder unbewusst reflectirend
auf die Ui’sprünge der motorischen Nerven fort, wodurch die
reflectirten Bewegungen (siehe oben p. 688.) entstehen; oder sie
leiten diese Wirkungen zu dem Sensoriura commune der Central-
organe, wodurch sie während der Thätigkeit des letztem bewusst
werden. Im ersten Falle gelangen die centripetalen W'^^irkungen
der sensoriellen Nerven nur bis zur Excitation des motorischen
Apparates der Centralorgane, der vorzüglich seinen Sitz im Rük-
kenmark hat, aber sich auch in das Gehirn verzweigt; im zwei-
ten Falle gelangen diese Wirkungen zu einem besonderen Theil
der Centralorgane, ohne Reflexionshewegungen zu erregen, in
dem Sensorium commune zu dem Bewusstwerden der Seele.
Nicht selten geschieht Beides; die Empfindungen werden bewusst,
und erregen zugleich Reflexionsbewegungen, indem die Leitung
zugleich nach dem motorischen Apparate der Centralorgane und
nach dem Sensorium commune geschieht, w'ie hei dem Husten
von dem empfundenen Reiz in der Luftröhre, hei dem Schliessen der
Augenlicder von heftigem Schall, hei der Zusammenziehung der Iris
von Reizung der Retina durch Lichtsehen. In Hinsicht der Theo-
rie und Gesetze . dieser W'lrkungcn muss hier auf das dritte Cap.
des HI. Ahschn. p. 688. und p. 716. verwiesen w'erden. Da die
Reflectionserscheinungen nicht von dem Sensorium commune,
sondern von dem motorischen Appariite der Centralorgane ab-
hängig sind, der letztere aber im Schlafe zu wirken fortfährt.
Von den Centr alt heilen des Nervensystems im Allgemeinen. 785
so finden sie auch im ScWafe eben so gut wie im Wachen statt;
wie der »Husten von Reizen in der Luftröhre, und viele andere
Erscheinungen während des Sclilafes beweisen.
4) Die .organischen Ncrvenwirkungen werden durch die Cen-
tralorgane des Nervensystems in ungestörter Kraft erhalten. Hier
zeigt sich dasselbe Verhalten zwischen dem N. sympatliicus und
den Centralorganen, wie in Hinsicht der Bewegungen der dem
N. sympatliicus unterworfenen Theile. Die Ernährung und Ab-
sonderung geschehen unter einer gewissen selbstständigen Action
der organischen Nerven. Embryonen sind zwar bis zur Reife bei
Zerstörung des Rückenmarkes -und Gehirns ernährt worden. Siehe
oben p. 186. Vergl. Eschricht (in Mueller’s Archiv für Anatonde
und Physiologie 1834. p. 268.). Ja zuweilen werden Theile von
Embryonen, ein einzelner Kopf, eine Extremität, ernährt, welche
nicht einmal ein Herz besitzen, und wo das Blut durch das Herz
eines andern Embrj’O zugelührt wird, indem die Gefässe des de-
fecten Embryos von der Nabelschnur des gesunden ausgehen.
Siehe Rudolphi Abhandl, der Acad. zu Berlin. 1816. und Mueller in
dessen Arcldv für Anatomie und Physiologie 1834. p. 179. Aber
beim Erwachsenen leidet die Ernährung oft, wenn auch nicht
immer, bei Lähmungen des Gehirns und Rückenmarkes, die
gelähmten Theile sind hei Verletzungen derselben leichter dem
Brand unterworfen, und bei heftigen acuten Leiden der Centralor-
gane mit Unterdrückung ihrer Actioncn entsteht oft spontan der
Brand in einzelnen Theilen. Bei der Tabes dorsalis verschwin-
det zuletzt die Fähigkeit zur Erection durch Blutanhäufung in dem
erectilen Gewebe des Penis und zur Zeugung.
5) Das Nervenprincip wird- in den Centralorganen erzeugt
und wiedererzeugt. DIess geht aus den von mir und Sticker
angestellten Versuchen (siehe oben p. 614.) hervor, nach welchen
die von den Centralorganen getrennten Nerven eines Gliedes in
der ersten Zeit zwar noch motorische Kraft besitzen, indem sie,
gereizt, Bew'egungen der von ihnen versehenen Muskeln erregen,
nach welchen aber diese Nei’ven, sofern sie nicht wieder verhei-
len, nach mehreren Monaten alle Reizbarkeit für mechanischen
Und galvanischen Reiz verloren haben, so dass also die bestän-
dige Wechselwirkung der Nerven und der Centralorgane zur Er-
haltung der Kräfte der Nerven nöthig ist, während die Centfal-
organe ihre Kräfte- auch -nach dem Verlust ihrer Conductoren be-
halten. Die Erhaltung der Reizbarkeit der Nerven ist indess
nicht bloss von dem beständigen Einfluss der Centralorgane, son-
dern auch von ihrer Thätigkeit selbst abhängig. Wenn ein Nerve
sehr lange Zeit nicht in Thätigkeit gesetzt wird, so verliert er
immer mehr an Kraft für fernere Thätigkeit. Die meisten Men-
schen haben keinen Einfluss auf kleine Muskeln durch Mangel
Uebung, und nach Erblindung des Auges atrophirt in später
Zeit der Sehnerve bis gegen das Gehirn hin; ja Magehhie hat
sogar diese Atrophie bei Vögeln durch künstlich bewirkte Er-
blindung schon in einigen Monaten erzeugt.
Die Scheidung der belebten thlerischen Materie in Cen-
786 III, Buch. Nervenphysik. V.Absclin. Centraltheile d.Nereensyst.
tralorgane, und die ■von den Centralorganen aLliängigen Theile,
ist nicht bloss ein Attribut aller tbieriscben Wesen; der Trieb
zu dieser Scheidung ist sogar der keimfähigen Materie von An-
fang an eingepflanzt, und es scheint, dass mit der Aeusserung
dieses Triebes die ganze Organisation beginnt. Die p. 42. ange-
führten Beobachtungen über die zusammengesetzte Structur der
einfachsten Thiere machen es ■wahrscheinlich, dass es hei allen,
auch den scheinbar einfachsten Tliicren, Nerven und von den
Nerven ahh'ängige Tlieile gieht, und wo die Anatomie des Ner-
vensystems möglich ist, sehen wir auch wieder eine Sonderung
desselben in gewisse wichtigere Centraltheile und ihre Conducto-
ren, die Nerven. Beim Embryo der höheren Thiere beginnt sogleich
diese Sonderung schon in der Keimhaut, in deren Achse sich der
mit den Kräften der Centralorgane hegeistete Theil der thieri-
schen Materie anhäuft, während sich um dieselbe die davon ab-
hängigen- Tlieile gestalten. Aber auch in dem von den Central-
theilen abhängigen peripherischen Theile des neuen Wesens
schreitet eine ähnliche Sonderung fort, indem sich dieser wieder
in die Conductoren des Ncrvenprincips, die Nerven und die von
ihnen den Einfluss der Centralorgane empfangenden Gewebe hi-
stologisch und virtuell sondert. Die Entstehung der Centralor-
gane bedingt die Entstehung der peripherischen Theile ; die Ent-
stehung der Nerven in dem pcrijiherischen Theile des Thieres
bedingt zugleich die Entstehung der wieder von den Nerven be-
seelten Gewebe. Mit dieser Sonderung zwischen Cerrtralorganen
und peripherischen Theilen ist das Gehirn und Rückenmark
virtuell vorhanden; weder das eine noch das andere entsteht
früher; die Ausbildung der einzelnen Regionen der Centralorgane
ist erst wieder die Folge fortschreitender Entwickelung und Son-
derung. Eben so ist es mit der histologischen Sonderung des
peripherischen Theiles; sobald sie beginnt, ist gewiss der ganze
Nerve vorhanden , nicht das äussere Ende des Nerven ist das
Erste, das den Ccntralorganen entgegenwüchsc. Wenigstens hat
diese Ansicht von Sekres {anat. comp, du cervemi) durchaus keine
thatsächliche Basis ; und die dafür angeführten Beobachtungen
haben in den classischen Untersuchungen von Baer über die
Entwickelungsgeschichte des Embryo keine Bestätigung ge-
funden.
Vergleicht man nun die, niederen Thiere mit den höheren
in Hinsicht des Gegensatzes der Centraltheile und peripherischen
Theile , und wieder der Centraltheile und des peripherischen
Nervensystems, so zeigt sich, dass dieser Gegensatz bei den nie-
deren Tbifiren, wenngleich vorhanden, doch weniger ausgebil-
det ist. Nach der von EiiREnnERG entdeckten zusammengesetzten
Structur der für so einfach gegoltenen Wesen, der Infusorien
und Medusen muss man die Existenz der Nerven in allen Thie-
ren annehmen. Siehe oben p. 42. Vergl. über die Medusen
Ehreniierg in Mtjeller’s Archio für Anatomie and Physiologie 1834.
Wir dürfen jetzt keinen Augenblick mehr zweifeln, dass auch
die Polypen, Planarien, obgleich ihre Nerven noch nicht ent-
deckt sind , dieselben besitzen. Aber das die Centraltheile
Von den Centraüheilen des Nervensystems im Allgemeinen. 787
belebende Princip muss liier noch mebr über das Nervensy-
stem verbreitet seyn, als bei den höheren Thieren, weil die
Theilung dieser Tliicrc in Stücke den Organismus nicht zer-
stört, vielmehr zur Entstehung mehrerer Organismen die Ver-
anlassung giebt. Bei einigen Anneliden, die ein deutliches Ner-
vensystem haben, die aber, in zwei Theile getheilt, in den Thei-
len ibrtleben, wie die Nereiden, Naiden, ist diess ganz offenbar.
Die aus einem knotigen Nervenstränge bestehenden Centi-altheile
müssen also hier das wirksame Princip der Centraltheile in einer
grossen Ausdehnung enthalten. Und bei den Polypen und Pla-
narien, die man in mehrere fortlebendc Stücke durch Theilung
in verschiedener Richtung sondern kann, muss die Vertheilung
der mit den Kräften der Centraltheile begabten Materie noch
grösser seyn. Der der belebten thierischen Materie eingepflanzte
Trieb, sich in Centraltheile und abhängige Theile zu sondern,
zeigt sich sogleich in dem abgetrennten Stücke der Planarie wie-
der, gleichwie in dem Keime der höheren Thiere. Dass ans
diesem Stücke ein neues, mit allen Organen begabtes Thier wird,
ist eben die Aeusserung jenes, aller belebten tbierischen Materie
einwohnenden Triebes.
Das vorher von den Ringelwürmei’n angeführte Beispiel zeigt
uns, dass der knotige Nervenstrang derselben das wichtigste Le-
bensprincip der Centralorgane nicht bloss in dem ersten oder
Hirnknoten, sondern in dem ganzen knotigen Strange enthält;
denn mit der individuell belebten Materie ist hier das Lebens-
princip selbst tbeilbar. Nun fragt sich, wie weit eine solche
Ausdehnung des centralen Lebensprincips in dem Nervensystem
der zunächst folgenden Thiere besteht.
Die gegliederten Thiere, obgleich sie noch mit einem knoti-
gen Nervenstränge gleich den Anneliden begabt sind, leben ge-
tlieilt nicht wieder fort; mögen sie auch nach einer solchen Thei-
lung, nach dem Verluste des Kopfes und Hirnes, noch zucken,
so zeigen diese Bewegungen nichts Willkührliches mehr, und wie
ihr Gehirnknoten an Umlang gewann , so scheint auch er nur
mehr der Sitz des centralen Lebensprincips (man entschuldige
den Ausdruck) zu seyn. Wie wichtig auch die grosse oder kleine
Zahl der übrigen Knoten des centralen Bauchstranges seyn mag,
ihre Bedeutung ist der des Hirnknotens untergeordnet; mögen sie
als motorische Apparate für die von ihnen zunächst abhängigen
Glieder noch so wichtig seyn, sie sind gleichwohl von dem centra-
len Einflüsse des Hirnknotens abhängig, und eben so verhält es
sich mit den Mollusken. Die Schnecken, die nach Spallakzani’s
Versuchen nach Abtrennung des Kopfes diesen wiedererzeugt
haben sollen, hatten durch die Art des geführten Schnittes das
Hirn gar nicht verloren (Schweigger Naturgeschichte der skelet-
losen ungegliederten Thiere. Lpzg. 1820. p. 685.), und kein Thier
dieser Classe lebt nach dem Verluste dieses Organes fort. Bei
den Muscheln treffen wir in der That den Hirn'knoten ähnliche
»»nd gleich grosse Knoten in entfernten Theilen des Körpers zer-
streut an. Ein solcher liegt injdera contractilen Fusse, ein ähn-
hcher am Aftertheile des Körpers; diese Knoten sind mit den
788 III. Buch, Neroenphysik. V.Abschn. Centraltheile d.Nervensyst.
heiden seltliclien Hirnknoten des ScMundrlnges dnrch Nerven
verbunden ; aber wir dürfen diese Knoten trotz ilirer überein-
stimmenden Grösse niciit für gleich an Hedeutiing halten. Zu
dem centralen Nervensystem der Crustaceen und Spinnen gehö-
ren auch bedeutende, das Hirn an Grösse zuweilen selbst über-
treffende Knoten des Bauchslianges, wie bei den kurzschwanzigen
■Krebsen und den eigentlichen Spinnen. Gleichwohl scheinen die
grossen Massen nur Cenlrala]iparate für die Bewegungskraft der
Füsse zu seyn, die von ienen Knoten ihre Nerven erhalten, und
der Regulator, der Entlader dieser motorischen Apparate ist
doch das Gehirn. Eben so ist es wahrscheinlich bei den Mu-
scheln. Diess zeigt, dass unter den Centraltheilen des Nerven-
systems Avieder eine Unterordnung lierrscht, Avclche nicht imtaer
im Verhältniss der Masse steht, und führt uns auf einen Avichti-
gen Unterschied in den verschiedenen Regionen der Gentraltheile
der Wirbelthiere, Amrzüglich des Gehirns und Rückenmarkes.
Die dauernde Bewegung grosser Muskclmassen kann grosse mo-
torische Apparate der Gentraltheile des Nervensystems erfordern,
wahrend das Organ, von Avelchem diese Apparate in Thätigkeit
gesetzt Averden, von ihrer Entwickelung nieht abhängig ist.
Bei allen höheren tind niederen Wirbel tliieren entspricht die
Masse des Rückenmarkes im Allgemeinen dem Umfange der da-
von beherrschten Kör|Aertheile; das Rückenmark eines Fisches
ist verhältnissmässig nicht viel geringer als das Rückenmark eines
Menschen; aber das Gehirn nimmt bei den höheren Thieren in
gleichem Verhältniss mit der Ausbildung ihrer intellectuellen Fä-
higkeiten zu. Bei den Fischen besteht das Gehirn nur aus meh-
reren vor der Mcdulla oblongata liegenden AnschAVcllungen. Das
Gehirn der Amphibien ist grösser als das der Fisehe, das der
Vögel grösser als das der Amphibien, das der Säugethiere übertrifft
das Gehirn der Vögel, das menschliehe übertrifl’t alle. Wir Avollen
diese Vergleichung durch Angabe von ZahlenA'erhältnisscn später
weiter äusführen.
Man sieht aus den bisherigen Betrachtungen, dass die Ver-
gleichung der Stärke der Nerven mit den Centraltheilen des Ner-
vensystems (zusammengenommen) bei verschiedenen Thieren we-
nig geeignet ist, physiologische Aufschlüsse zu geben. Die Stärke
der Nerven wird zwar im Allgemeinen im Verhältniss zu den
Centraltheilen bei den niederen Wirbelthieren zunehmen; aber
riebtiger ausgedrückt, nimmt sie nur im Verhältniss zum Gehirn aul-
fallend zu. Ein andei«!’ Apparat der Gentraltheile, das Rückenmark,
welches ausserdem, dass es ein Leiter vom Gehirn zu den von
ihm entspringenden Nerven, und umgekehrt, ist, eine den Bewe-
gungskrälton des Körpers entsprechende motorisch geladene Säule
darstellt, seheint überall diesen Bewegungskräften durch seine Masse
und ■ den A’On ihm entspringenden Nerven durch chen dieselbe
(nicht durch Länge und Kürze, die sehr variirt) zu entsprechen.
Das Rückenmark von GfidusLota verhält sich zur Masse des Körpers
nach CAaus, Avie 1 :4S1, bei Salamandra terrestris Avie 1:190, bei der
Taube wie 1 : 305, bei der Ratte Avie 1 : 180, bei der Katze wie 1 : Kil-
Allerdings giebt es bei den Fischen Nervenstämme , Avie der
Von den Centrältheilen des Nervensystems im Allgemeinen. 789
Nerv, trigeminus und Nerv, vagus, -welclie den Durchmesser des
Rückenmarkes zuweilen geradezu ühertrefFen. Indessen kömmt
es hei der Vergleichung der Nerven imd des Rückenmarkes hei
verschiedenen Thieren wohl auf die Dicke der Nerven , aher
nicht auf die Dicke des Rückenmarkes, sondern ehen so gut auf
dessen Länge, oder richtiger auf Vergleichung der ganzen Masse
des Rückenmarkes mit der Summe der Stärke aller daraus eul^
springenden Nerven an. Dann aher kann die Stärke derjenigen
Hirnnerven, welche aus den Rückenmai-ksfortsetzungen ini Ge-
hirn entspringen, nicht fruclithar mit der Stärke des eigentlichen
Rückenmarkes hinter dem Gehirn verglichen werden.
Die hisherigen Betrachtungen sollen uns den Weg zur genaue-
ren Untersuchung der Kräfte des Gehirns und Rückenmarkes
seihst eröffnen. Die wichtigsten Schriften über die Physiologie des
Gehirnes und Rückenmarkes sind: Gkll eXSvvBj.ive.m AnaJ. et phy-
siol. du Systeme neroeux. Paris 1810. f. Ti£demakn ylna/owfc u. Bil-
dungsgeschielite des Gehirnes, I\iirnherg 1816. 4. Bürdacu vom Bau
und Leien des Gehirns. 1 — .3. Bd. Leipz. 1819 — 26. 4. Carus
Versuch einer Darstellung des Nervensystems und insbesondere des
Gehirns. Leipz. 1814. 4. Desmoulihs et Magekdie anaiomie des
systemes nerveux, Paris 1825. 2 Vol. 8. Serres Anatomie comparec
du cerveau. Paris 1824. 2 Vol. Rolando faggio sopra la vera
strutiura del ce.rvello e sopra le funzioni del sistema nervoso. cd, 3.
Tor/uo 1828. 3 Vol. s. Flouuehs l'tWz/rÄe u. Untersuchungen über die
Eigenschaften und Verrichtungen des Nervensystems. Leipz, 1824. 8.
Fortsetzung. Leipz. 1827. 8. Treviranus, in Tiedemanh’s Zeitschr,.
ür Physiol. Bd. IV.
II. Capitel. Vom Rückenmark.
Das Rückenmark unterscheidet sich schon anatomisch von
den Nerven; es enthält, wie das Gehirn, varicöse Nervenfa-
sern (siehe oben p. 583,), die unter den Nerven bloss in den
grossen Sinnesnerven verkommen; es enthält in seinem Innern
graue Substanz, die sich heim Durchschneiden als ein liegendes
Kreuz darstellt, so dass die Figur derselben in dem vorderen und
hinteren Strange sich jederseits hornartig verlängert, Aher auch
die Anordnung der 'weissen Substanz ist ganz von der Ordnung
der Nervenbündel verschieden. Rachetti und Rolando haben
die Beobachtung gemacht, dass die weisse Substanz in von aus-
sen nach innen gehende Lamellen getheilt ist, die man dnüch
längere Aufbewahrung von Rückenmarksdurchschnitten in Koch-
salz sichtbar machen kann ; ,fcuud Rolando behauptet, dass die
Marksubstanz aus lauter aneinander liegenden Falten einer ab-
wechselnd urageschlagenen Markhaut bestehe, so dass dünne Fort-
sätze der Gefässhaut zwischen diese Falten von aussen eintreten,
während von innen dümje Lagen grauer Substanz dazwischen
treten. In der weissen vordem Commissur des Rückenmarkes
soll die Markhaut von der einen zur andern Seite herüber ge-
«en, -während dieser Uehergang hinten fehle.
790 III. Buch. Neroenphysik. V. Ahschn. Centraltheile d. Neruensyst.
ln phy,siologisclier Hinsiclit stimmt das Rückenmark mit den
Nerven darin überein, dass es die Wirkungen seiner Nerven auf
das Gehirn so fortpflanzt, wie die Geliirnnerven es unmittelbar
auf das Sensorium eommune tlinn, und dass es die Hirnwirkun-
gen auch wieder zu seinen Nerven so leitet, als wenn diese un-
mittelbar von dem Gehirn selbst entsprangen; in anderen Punkten
unterscheidet sich das Rückenmark aber wesentlich von den
Nerven durch ihm selbst , als Centi'altheil, und nicht den Nerven
zukommende Kräfte. Wir werden beiderlei Eigenschaften ge-
nauer untersuchen.
1) Das Rückenmark als Leiter, Conductor des Nervenprincips
oder der Osciüationen desselben. Alle Uirnnerven sind unmittel-
bar und alle Spinalnerven mittelbar durch das Rückenmark un-
ter den Einfluss des Gehirns gesetzt. Sobald dieser Einfluss un-
terbrochen wird, gelangen die Reizungen der Empfindungsnerven
nicht mehr zum Bewusstseyn, und das Gehirn kann nicht mehr
willkührlich die motorische Kraft derjenigen Nerven anregen,
welchen sein Einfluss entzogen wird.
Die Ursachen, welche die Gemeinschaft des Gehirns und
Rückenmarkes mit den Nerven unterbrechen, sind Druck auf die
Nerven, Zerstörung und Zerschneidung derselben, und Lähmung
ihrer motorischen Kraft durch auflösbare Stoffe , z. B. bei der
Bleivergiftung.
So oft diese Ursachen auf einen Nerven wirken, sind alle
unter der verletzten Stelle ahgehenden Zweige der willkührtichen
Erregung der motorischen Kraft entzogen, und die von diesen
Zweigen versehenen Muskeln sind In Hinsicht der willkührlichcn
Bewegung gelähmt, und in demselben Theile hört die Empfin-
dung gegen äussere Reize auf.
Diejenigen Nervenzweige dagegen, welche über der verletz- *
ten Stelle des Nerven entspringen, sind dem Einfluss des Gehirns
und der Willensbestimmung auf ihre Muskeln nicht entzogen,
weil ihre Primilivfasern noch unversehrt mit dem Gehirn Zusam-
menhängen. Auch haben aus demselben Grunde alle sensibeln Ner-
venzweige noch Empfindung, Avelche über der verletzten Stelle
von ihrem Stamme entspringen', und also noch durch ihre Pri-
mitivfasern mit dem Gehirn oder Rückenmark Zusammenhängen.
Die Verletzung eines Nerven an einer Stelle helft nur die
Gemeinschaft mit dem Gehirn oder dem Organe des Bewusstseyns
und der willkührlichen Excitationen auf, dagegen behalten die un-
ter der verletzten Stelle gelegenen Theile des Nerven ihre motori-
sche Kraft selbst eine geraume Zelt unversehrt, und es ist ntm
der Hirneinfluss auf dieselben aufgehoben. Wenn man daher ei-
nen Nerven, welcher durch Entziehung des Hirncinflusses ge-
lähmt ist, oder nicht mehr mit dem Gehirn zusammenhängt,
sticht, quetscht, brennt, ätzt, electrisirt, galvanisirt, so hat zwar
keine Empfindung statt, weil die Reizung nicht mehr zum Ge-
hirn gelangt, aber es zucken dennoch die Muskeln, zu welchen
dieser Nerve Zweige schickt, weil nur der Hirneinfluss auf die
motorische Kraft, nicht aber die motorische Kraft des Nerven
unter der verletzten Stelle gelähmt ist. Nur wenn ein Nervo
2. Vom Rückenmark.
"91
melirere Monate dem Einflüsse der Centraltheile entzogen ist, ver-
liert er, vpie meine und Sticker’s VcrsucLe (siehe oben p. 6i4.)
gezeigt haben, seine Reizbarkeit ganz.
Beim Menschen und den höheren Thieren verhVdt sich da-
her das Rückenmark zum Gcliirn gerade so, wie alle IJirnnerven
zum Gehirn, und das Rückenmark ist als gemeinsamer Stamm
aller Rumpfnerven zu betrachten , obgleich cs auch noch eigen-
thümliche Kriifte vor den IVervenstammen voraus hat. Durch
das Rückenmark werden die Primil ivfasern aller Rumpfnerven
mit dem Gelyrn verbunden, während die llirnnerven unmittelbar
zum Gehirn treten.
Die Verletzung des Rückenmarkes unterhiicht den von dem
Gehirn ausgehenden Einfluss zu den Nerven, und die Rück-
wirkung des Rückenmarkes auf das Gehirn von denjenigen Rük-
kenmarksnerven, welche unter der verletzten Stelle ihren Ausgang
vomRückenmark nehmen. Alle Theiie die von diesen letzten Nerven
versehen sind, sind dann empfindungslos, und keiner willkührlichen
, Bewegung mehr fähig. Dagegen liehalten diejenigen Riiekenmarks-
nerven, zwischen deren Ursprung vom Piückenmark und dem Gehirn
noch die Gemeinschaft von Rückenmark und Gehirn besteht, die
willkührliche Bewegung und die Empfindung. Verletzung des
untersten Theiles des Rückenmarkes bewirkt Lähnuing der un-
teren Extremitäten, des Mastdarms, der Blase, Verletzung des-
selben höher hinauf bewirkt Lähmung jener Theiie sammt
den Bauchmuskeln, noch liöhcr Jiinauf Lähmung aller dieser
Theiie sammt den Brustmuskeln; Verletzung des Rückenmarkes
am Halse unter dem 4. Halsnerven bewirkt auch Lähmung der
Arme, 'aber nicht des Zwerchfells, wegen des Ursprunges des N.
phrenicus von dem 4. Halsnerven; Verletzung des verlängerten
Markes bewirkt Lähmung des ganzen Rumpfes. Wenn eine Ver-
letzung von unten nach aufwärts v'orschreitet, so schreitet auch
die Lähmung von unten nach aufwärts vor, wie in der Tabes
dorsalis. Das Rückenmark verhält sich also hierbei ganz als
Stamm der Rumpfnerven. Reizt man den obefn Thcil des Rük-
kenmarkes mechanisch oder galvanisch, so zucken alle Muskeln
des ganzen Rumjifcs, gerade so, wie durch Reizung eines Ner-
Venstammes alle Muskeln seiner Zweige zucken. Diirchschnei-
det man einen Nerven, so ist das denn Hirneinfluss entzogene
Stück, wenn es gereizt wird, fähig, Zuckungen in den Muskeln
dieses Nerven hervorzurufen; durcbschneidet man das Rücken-
mark eines Thieres, so ist das dem Hirneinfluss entzogene Stück
des Rückenmarkes, wenn cs gereizt wird, fähig, noch alle Ner-
ven, die von ihm entspringen, und dadurch ihre Muskeln zu
excitiren.
Allein das Rückenmark vertritt nicht allein alle Rumpfner-
ven in genere im Gehirn, sondern auch die einzelnen Primitiv-
fasefn der Rumpfnerven; denn die Affection gewisser Theiie des
^Rückenmarkes unterbricht nur den Hirneinfluss zu gewissen Mus-
keln des Rumpfes, und die Verletzung gewisser Theiie des Gehirns
«at auch nur die Lälimung gewisser Theiie des Rumpfes zur Folge.
MiiUer’e Physiologie. 51
792 III. Buch. Nervenphysik. V. Ahschn. Centraliheile d. lAervemyst,
Die halbseitige Ursache der Lähmung im Gehirn und Rücken-
mark bedingt auch nur eine halbseitige Lähmung am Rumpfe,
und je kleiner die Verletzung, je weniger sie von den Strängen
des Rückenmarkes umfasst, um so weniger Theile sind durch sie
dem Hirneinduss entzogen. Rcdcnkt man ferner, dass es vom
Gehirn ahhängt, wie viel Muskeln des Rumpfes jedesmal bewegt
werden, so sclicint daraus nothwendig hervorzngehen, dass die
Primitivfasern der Nervenstärnme, welche ins Rückenmark treten,
auch im Rückenmark sich nicht verbinden, sondern parallel ne-
ben einander, wie ira Stamme eines Nerven zum Gehirn treten,
um isolirt dem Gehirn örtliche Empfindungen mitzutheilen, und
isolirte Excitationen zur Bewegung zu erhalten. Denn wenn sich
die Primitivfasern der Nerven im Rückenmark verbänden, so
wäre eine örtliche Empfindung am Rumpfe eben so wenig mög-
lich , als eine isolirte Zusammenziehung einzelner Muskeln am
Rumpfe. Auch die Ursache der Zuckungen im Gehirn und
Rückenmark wirkt auf einzelne Theile am Rumpfe, und so ent-
stehen auch Empfindungen in einzelnen Theilen des Rumpfes,
bei Verletzungen gewisser Theile des Rückenmarks und Gehirns.
Microscopische Untersuchungen zeigen in der That, dass
das Rückenmark besonders die weisse äussere Substanz, aus lau-
ter parallelen, nicht communicirenden Fasern besteht, welche
vom Gehirn bis zu der Cauda eqidna herahzugehen scheinen.
Auf welche Art die Primitivfasern der Nervenwurzeln mit
den Primitivfasern des Rückenmarkes Zusammenhängen, ist noch
nicht ausgemacht. Bekannntlich inseriren sich die vorderen und
hinteren Wurzeln in den vorderen und hinteren Strängen in ei-
ner seitlichen Linie, jederseits etwas entfernt von der Mittellinie.
Die Wurzelhündcl der Cauda equina inseriren sich hier dicht
neben einander ohne Unterbrechung, die Wurzeln der übrigen
Nerven dagegen mit scheinbarer Unterbrechung, indem die Fa-
sern zwar aus einander fahren, aber die Büschel der Nervenwurzeln
sich nicht erreichen. So ist es scheinbar in den genannten seit-
lichen Insertionslinien, wo die Faserbündel die pia mater durch-
bohren. Allein von jener Insertionslinie aus fahren sie noch wei-
ter aus einander,' und wenn man sie nocli tiefer verfolgt, so
sieht man, dass die Wurzelanfänge aller Nerven ziemlich ein«
nicht unterbrochene Längslinie bilden, so dass die Wurzel ei-
nes Spinalnerven erst entsteht durch das Zusammenfassen einer
gewissen Anzahl der Primitivhündel, welche hinter einander ohne
Unterbrechung vom Rückenmark ahgehen.
Durch diese Beobachtung vereinfacht sich also sehr das Ver-
hältniss der Primilivfasern der Nerven zum Rückenmark. Sieht
man von dem hündelfÖrmigen Zusammenfassen der Primitivfasern
zu Nervenstämmen ah, und betrachtet man die Ursprünge der Pri-
mitivfasern im Rückenmark hinter einander, ihre Isolation in den
Nervenstämmen, ihr Auseinandergehen in der letzten Verzwei-
gung, so gleicht das Rückenmark einem aus Nervenfasern gebil-
deten Stamme, von welchem ununterbrochen mit Regelmäs-
sigkeit vorn und hinten viele Millionen Primitivfasern , thed*
2. Vom Rückenmark.
7Ö3
von motorischer Kraft, thells von sensibler Kraft, gleichsam
wie Strahlen za allen Theilen gehen, welche zwischen ihrem
Ursprünge im Rückenmarke uiul "ihren peripherischen Enden in
so viel grössere und kleinere Biindei durch Nervenscheiden zu-
samrnengefasst sind, als cs Rückenmarksnerven und Zwci'U! der-
selben gieht. Wir haben aber schon gesehen, dass diess Znsarn-
menfassen ohne alle wahie Verbitidnng der Primitivfasern, und
ohne Mitlheiinng der Urkräfte der Primitivfasejii gesehiehü
Oh die Primitivfasern des Rückenmarkes geradezu vom Hirn
kommend in die entsprechenden Primitivfasern der Spinalnerven
übergehen, oder oh sie die entsprechenden Fasern der Nerven ah-
gehen, wahrend sie in der Länge des Rückenmarkes noch weiter
gehen, ist schwer zu sagen; da uns Beobachtungen über den un-
mittelbaren Zusammenhang der Priniitivfasern des Rückenmarkes
mit den Priniitivfasern tler Nerven abgehen.
• ’^ergleichende Anatomie gieht uns über das Verhält-
mss der Nerven zum Rückenmark keine Aufschlüsse. Wir finden
sehr abweichende Aerhältnisse in der Länge des Rückenmarkes vor.
Beim Igel, dessen Hautmuskel eines bedeutenden Nerveneinflusses
bedarf, während die Haut, mit Stacheln bewaffnet, wenig der Ge-
fühlseindrücke fähig ist, hört es so fiühzeitig auf, dass die hin-
tere Hälfte desselben fehlt; bei den meisten anderen Sängethie-
ren nimmt es fast die ganze Länge des .Canalis vertebralls ein,
und bei den Kaninchen, Meerschweinchen reicht es, trotz der
Kürze des Schwanzes, über die Heiligenbeinwirbel hinaus (Des-
MouLiNS, a. a. O. 2. p. 5-3.9.); zum Beweise, dass seine Verlän-
gerung nicht allein von der Länge und Stärke des Schwanzes
abhängt. Beim Känguruh, wo der sehr starke Schwanz mehr
zur Stütze als zum Tasten dient, soll das Rückenmark nach
Desmoulivs, nicht länger als bei den Hunden seyn; dasselbe
soll bei den Affen mit Greifschwänzen sich mit einem noch
bedeutenden Volum bis zu den Heiligenbeinwirbeln {verlängern.
Bei Tetrodon mola, einem Fisch, der "fast so hoch als lang isL
ist das Rückenmark auf den ersten Blick gar nicht vorhanden.
Das Gehirn endigt in einem äusserst kurzen keilförmigen Stumpfe
des Rückenmarkes, von weichem die Wurzeln der Nerven wie
Saiten in einer vordem und hintern Reihe neben einander ab<»e-
hen. Bei den meisten Thieren ist das Rückenmark ein Strang,
der in dem Grade nicht abnimmt, als Nervenwurzeln von ihm
abgehen, (wie man besonders bei r*’ischen, Schildkröten siebt), und
der tief unten noch fast eben so dick wüe oben ist. Es ist also
Wahrscheinlich, dass die Prhnitivfasern des Rückenmarkes vom Ge-
hirn kommend, zwar an den entsprechenden Stellen Wurzelfasern der
Nerven abgeben , aber doch nocli weiter im Rückenmark forlge-
oder dass noch andere Fasern im Rückenmark Vorkommen.
Hieraus wäre es vielleicht erklärlich, dass die Cauda eejuina eines
Prosches isolirt und galvanisirt durch beide Pole keine Zuckun-
Sen in dem vordem Theile des Körpers hervorbringen kann,
J^phl aber das Rückenmarksende selbst, w'cnn es galvanisirt wird
Wiehe oben p. 6.32.).
51
794 III. Buch. Nervenphysik. V. Ahschn. Centraliheüe d. Neroensyst,
Die Enttleclinng , dass die vorderen "Wurzeln der Riiclien-
marksnerven Idoss rnotoriscli, die liinteren bloss sensibel sind
(siebe oben p. 625.), bat auf die Gesebiebte der Lalimungen sehr |
viel Liebt geworfen. Bekanntlich ist zuweilen die Empfindung
eines Gliedes, oder der ganzen Seite, oder der ganzen unteren
Theile des Körpers gelahmt, wabrciid die Bewegung unversehrt
ist; in anderen Fallen ist die Bewegung gelahmt und die Em-
pfindung unversehrt; in anderen Fallen sind beide zugleieh ge-
lähmt. iN'un fragt sieb, wiederholt sieb der Unterseliied der sen-
soriellen Nerven und motorisehen Nerven auch am Rüekenmark,
laufen die sensoriellen Fasern von den motorisehen Fasern des
Rückenmarkes verschieden zum Gehirn? Die Verschiedenheit
der Lähmungen scheint diess zu beweisen, denn anders ist es un-
möglich, jene merkwürdigen pathologischen Thatsachen zu erklä-
ren” Aber ein Anderes ist, bestimmt anzugeben, welches die mo-
torischen, welches die sensibeln Theile des Rüekenmarkes sind. Ent-
weder, kann man sagen, sind die vorderen Stränge, aus welchen ,
die motorischen Wurzeln entspringen, selbst bis zum Gehirn mo-
torisch, die hinteren Stränge, aus welchen die sensibeln Wurzeln
entspringen, bis zum Gehirn bloss sensibel; oder, könnte man
fragen, ist etvv'a die weisse Rindensubstanz des Rückenmarkes
der einen, die graue Substanz der andern Function bestimmt?
Für die erstere Annahme, welche Bell und AIagendie theilen,
siebt es keine ganz genügenden Beweise, weder experimenteller noch
pathologischer Art. Sichere Experimente sind unmöglich zu ma-
chen; denn indem man durch Schnitt auf die hinteren Stränge
des Rückenmarkes wirkt, drückt man zugleich die vorderen. So !
definitiv die Resultate in Hinsicht der vorderen und hinteren j
Wurzeln der Rückenmarksnerven sind, so wenig sind sie es in j
Hinsicht der vorderen und hinteren Stränge des Rückenmarkes,
die sich überdiess als getrennt nicht einmal anatomisch nachwei- i
sen lassen. Dicss habe ich schon bei Bekauntmaebung meiner [
Versuche über die Wurzeln in meinem französischen Memoire
{ann. des scicnc. nat. 1831.) erklärt. Magendie {.lountat de physiol. T.3.
153.) fand die hinteren Stränge sehr empfindlich, die vorderen
nicht empfindlich, aber sie erregten gereizt heftige Zuckungen.
Später {Journ. de physiol. 3. /). 368.) gab er zu, dass das Resultat |
nicht absolut sey. Bäcker {nomment, ad (juaest. physiol. Z7//r«y. 1830.) 1
fand nach Durchschneidung der vorderen Stränge- nur die Be- ,
wegung, nach Durchschneidung der hinteren nur die Empfindung
gelähmt; er sah bei Thieren, denen er die vorderen Stränge
des Rückenmarkes im Rückenlheil durchschnitten, nach Vergütung
der Thicre mit Nux vomica bloss in den vorderen Extremitäten
Krämpfe entstehen. Seubert’s Versrehe hatten in Hinsicht der Ner-
venwurzeln ein entscheidendes, in Hinsicht des Rückenmarkes ein
unsicheres Resultat. Die vordere Gegend scheint nach diesen Ver-
suchen vorzüglich, aber nicht allein, der Bewegung vorzustehen,
die hintere vorzüglich, aber nicht allein, der Empfindung. LIe- i
bereinstimmend damit sind die älteren Versuche von Schoep*
(Meckel's Archiv. 1827.), wonach die Section der vorderen Stränge
2. Vom Rückenmark,
795
des Bückenmarkes die Sensibilität schwäcbt, nacli der Section
der vorderen Stränge eine grössere Sensibilität zurückbleil)t, als
iiacb Section der liintercn Sti änge, nach der Section der hinteren
Stränge die Bewegung der Extremitäten aut'bört, die aber wie-
derkehrt, nach der Section der vorderen Stränge die Bewegung
ganz aui'liört. Die patliologlschen Fälle, die man in Seub'erFs
Schrift (tJe fiinct. rad. ani. et post. nero. spin. Carhruliae 1833.)
zusarnmengeslcllt findet, bestätigen die Hypothese nur zum Thell,
mehrere Fälle sprechen geradezu dagegen, xvie auch der Um-
stand , dass der motorische Nervus accessoi’ius bei Vögeln
und Amphibien ganz aus den hinteren Strängen entspringt.
Bellingebi {de medulla spinali, ylußiist. Taurin. 1823.) bebauptW,
die hinteren Wurzeln hätten einen dreifachen Ursprung %'on
den hinteren Hörnern der grauen Substanz, von der weissen
der hinteren Bündel 'des Rückenmarkes , von den Seitenbün-
deln; die vorderen AVurzeln auch einen dreifachen Ursprung
von den voi deren Bündeln, von den vorderen Seiteneinschnitten,
von den Seitenbündeln. Wären diese Angaben richtig, was sehr zu
bezweifeln ist, so würden die hinteren Wurzeln allein mit der grauen
Substanz Zusammenhängen. Bellinoeei nimmt ohne Beweise an, dass
die innere graue Substanz der Empfindung, die weisse der Be-
•wegung vorstehc, dass die vorderen Stränge des Bückenmarkes
und die vorderen Wurzeln der Bewegung der Beugemuskeln, die
hinteren der Bewegung der Streckjmiskcln bestinunt seyen; diess
ist wenigstens in Hinsicht der Wurzeln durchaus unrichtig. Nach
E. H. Weber soll es zuweilen gelingen, die Spuren der Nerven-
wurzeln überhaupt bis zur grauen Substanz zu verfolgen, was
dagegen Rolando bezweifelt hat. Ueber den Antheil der grauen
und weissen Substanz an den beiden Functionen lassen sich lei-
der durchaus keine Experimente anstellen, und was alle Experi-
mente über die vorderen und hinteren Stränge unsicher macht ist
die Reilexionsfähigkeit des Rückenmarkes, eine sensorielle Affe-
ction nach dem motorischen Apparat zu verpflanzen. Wenn z. B.
die vorderen Stränge wirklich allein motorisch, die hinteren
bloss sensoriell sind, so müsste doch eine Verletzung der hinte-
ren Stränge leicht schon deswegen durch Mitalfection der vor-
deren Stränge Zuckungen bewirken, weil das Rückenmark bei
allen heftigen Verletzungen in den reflectirenden Zustand geräth
wo dann jede Reizung der sensoriellen Nerven, auf das Rücken-
mark verpflanzt, sich auf die motorischen Nerven reflectirt. V"l.
oben p. 688. ^
Die Fasern des Rückenmarkes gelangen durch die Medulla ob-
longata zum Sensorium commune. Ohne hier die Eigenschaften
der verschiedenen Thcile des Gehirns, und ohne die übrigen Eigen-
thümlichkeiten des Rückenmai'kes sclion hier zu untersuchen, wol-
len wir hier nur erwägen, dass das Rückenmark die Primitivläsern
“Iler Spinalnerven einzeln durch seine Fasern im Gehirn vertritt, so
Wie die Hirunerven durch ihre Primitivfasern sich im Gehirn
)^rtreten. Das Gehirn empfängt die Eindrücke aller sensibeln
■fasern des ganzen Organismus, wild ilrrer bewusst, und weiss
796 {II.Buch. Nervenphysik. V.Abschn. Centraltheile d. ISeroensyst,
den Ort der Empfindung nach der Äffection der verschiedenen
Primitivfasern ; das Gehirn excitirt wiederum die motorische
Kraft aller motorischen Primitivfasern und des Rückenmarkes
hei der willkührlichen Bewegung. Wir ))cwundern in dieser
Thätigkeit einen unendlich complicirten und feinen Mechanismus
der Anordnung der EIcmenlej wahrend die Kräfte seihst durclinus
ideeller Art sind. So verschieden die Thätigkeit ist, so gleicht doch
die Action des Gehirns hei der Erregung eines gewissen Theils unter
den unendlich vielen Primitivfasern dem Spiel eines vielhesnite-
ten Instrumentes, dessen Saiten erklingen, so wie die Tasten he-
rührt sind. Der Geist ist der Spieler oder Excitator, die Pri-
mitivfasern aller Nerven, die sich im Gehirn aushreiten, sind die
Saiten, und die Anfänge derselben die Tasten. Kiemeyer {Mate-
rialien zur Errepungstkeoric. Glitt. 1800.) erklärt die willkührlichen ,
Bew'egungen daraus, dass die vSpannuug der Antagonisten aufgehoben
W'erde; allein einzelne Muskeln hewuigen sich, w'enn die Antago-
nisten durchschnitten sind, noch willkührlich.
Die iVerven.stänime und das Rückenmark als Stamm der
Rumpfnerven gleichen sich auch darin, dass bei Affectionen des
letztem Empfindungen scheinbar in den äusseren Theilen entste-
hen, gleichsam als wären die äusseren Tlieile selbst der Sitz der
Alfection. Ehen .so ist es, wie wir gesehen haben, hei der Affe-
ction der Nervenstämme. Beim Druck auf die Nervenstämme
entstellt das Gefühl von Ameisenlaufen in der Haut, beim Druck
auf das Rückenmark entsteht dieselbe Formication in allen Thei-
len, welche unter der verletzten Stelle ihre Nerven erhalten.
Bei den Geschwülsten der Nerven sind die Theile, zu welchen
die Enden der Nerven hingehen, von den heftigsten Schmerzen
befallen; beim Durchschneiden der Nerven.stämine schmerzen die
äusseren Theile; eben so ist es mit dem Rückenmark, welches
bei entzündlichen und anderen Allectionen oft die heftigsten
Schmerzen scheinbar in den äusseren Theilen erregt. Selbst
wenn vollkommene Empfindungslosigkeit für äussere Reize vor-
handen ist, können die Verletzungen des Rückenmarkes doch noch
subjective Empfindungen erregen, welche scheinbar in den äus-
seren Theilen sind. Hieher gehört besonders das Ameisenlaufen
in den unteren Extremitäten, bei gänzlichem Verlust aller Em-
pfindung für äussere Reize und der Bewegung. Siehe Ollivier
Krankli. des Riiekenmarkes, iihers. von Radius. Leipz. 1824. p. 156.
Allein die suhjectiven Empfindungen in den Extremitäten bei
vollkommener Empfindungslosigkeit und Lähmung der Bewegun-
gen können auch die heftigsten Schmerzen in den äusseren
Theilen seyn, wie in dem schon erwähnten Falle von Heydeix-
REica zu Bonn, wo bei Lähmung der Bewegung vollkom-
mene Empfindungslosigkeit in den unteren Extremitäten ist, und
dennoch von Zelt zu Zeit die heiligsten Schmerzen in den
enipliiulnngslosen Theilen sich einstrllen. Am häufigsten ist die
Foi inicalion in den äusseren Theilen als Symptom von Rücken-
rnarksall'eclion, wo diess Symptom fast niemals fehlt. Die Formi-
cation ist hier dasselbe als das Ohreuklingea für den Hörnerven,
2. V om Rückenmark.
797
Und die fliegenden Mücken und andere krankhafte siibjective Siii-
neserscheinungen für das Gesichtsoi’gan ; und so wie die subjectiven
Sinneserscheinungen , welche von der Bewegung des Blutes in
der Netzhaut beim gesunden Menschen entstellen, durch einander
springende Pünktchen sind, welche überall zu sevn scheinen, wo
man hinsieht, so ist die Formicalion oder das Gelubl von lau-
fenden Punkten wahrscheinlich eine Empfindung der Bluthewe-
gung in den Capillargel'ässen des kranken Theiies vom Rücken-
mark, scheinbai’ in den äusseren Tlieilcn ernpiünden. In anderen
Fällen hat man statt der Formicalion ein unaufhörliches Jucken
in den Beinen bemerkt, welches beim Kratzen nicht verschwin-
det. Ol.LIVIER p. 309.
Unter die subjectiven Emjifindungen bei Rückenmarksaft'e-
otion gehört auch die Aura epileptica der Epileptischen in den
Estremitäten, oft' zuerst an den Fingern und Zehen, ein der For-
mication ähnliches Gefühl, welclies immer mehr fortschreitet und
den Antull verkündeti Die Efhdirung, dass Umbinden des von
der Aura epileptica befallenen Theiies den Anfall oft verhindere,
begünstigt die Vorstellung, dass die Aura epileptica ihre Ursache in
den Enden der Nerven, und nicht irn Rückenmark hahe, Diess Bin-
den mag wohl als heftiger Hautreiz wirken. Nur hei der Epilepsie
von Norvengeseh Wülsten ist die ' ura in den Nerven selbst und hemmt
die Ligatur allerdings das Forlschreiten. Vergl. oben ]). 674.
Da der Silz der Eiiipfindnugen weder in den Nerven, wel-
die die dazu nöthigen Sti-omnngen oder Schwingungen des Ner-
venprincips zum Gehirn bringen, noch in dem Rückenmarke ist,
welches diese Wirkungen auch wie die Nerven zu dem Senso-
rium . commune leitet, da die Empfindung erst durch die Wir-
kung der Fasern der Nerven und des Rückenmarkes auf das Sen-
soriuin comimmc in dieserti entsteht, so ist cs leicht bfegrelllich,
warum das- Scosorium commune die Erregungen der Fasern des
Rückenmarkes kuob wie die der Nerven in gleicher Art empfin-
det, wenn auch die Alfection dieser Fasern in verschiedenen,
Punkten ihrer Länge stuttfindnt-,'; denn eine auch noch su lange
Faser wirkt nur. mit ihrem Ilirncnde, auf das Sensorinm, und
die an vei’schiedcnen Punkten dieser Fasern süiltfindenden Irri-
tationen können immer nur durch dasselbe Hirnende der Fasern,
anf 'das Sensorium wirken. Wir treffen indess bler bei dem-
Rückenmark auf denselben Widerspruch wie bei den Nerven.
Gleich wie ein Nervenstamm gedrückt , gestossen, sowohl Empfin-
dungen scheinbar an seinem peripherischen Ende und ah dem
Stamme selbst bewirkt, w'ie der Stoss auf den Ni. ulnaris sowohl
Empfindungen im 4. und 5. Finger, als an dem) Nervenst-amme
selbst erregt, sO' kann auch eine Verletzung deS Rückenmarkes
sowohl Empfindungen in allen Theilen, deren Nerven unter der
verletzten Stelle entspringen, hewirkeu ,' als auch der verletzte,
Thell des Rückenmarkes selbst sclimcrzhaft empfunden wird.
Vergl. oben p. 670. Viele Fälle dieser Art gehören zwar nicht
hleher, indem Krankheiten des Rückgraths seihst und der häu-
tigen Umgebungen des Rückenmarkes, ausser den Pliänomenen des
Drucks auf' das Rückenmai'k nothwendig auch mit Gefühl in
798 III, Buch. Nemenphysik. V. Ahsdin. CentraÜheile d, Nervensjsi.
den verletzten Umgehungen hegleitet sind. Aher es gieht auch,
reine Rückenniarkssch merzen, Rachialgie. Die Ursache, warum
die Empfindungen hald in den äusseren Theilen , hald im Riicken-
marke seihst empfunden werden, ist uns noch unbekannt.
Wir hahen bisher die Aehnlichkeiten der Nerven und des
Rückenmarkes, oder dasselbe als einen Conductor der von ihm
ausgehenden Nersen bis zum Gehirn und umgekehrt betrachtet;
wir werden jetzt die Eigenschaften des Rückenmai’kes untersu-
chen, welche es von den Nerven unterscheiden, und welche ihm
als Theil des Centraiapparatcs zukomraen.
2) Das Rückenmark als Theil der Centralorgane. Schon der
Bau des Rückenmai’kes zeigt, dass dasselbe mehr als einen Con-
duclor der Fasern der Nerven zum Gehirn darstellt; wäre diess
der Fall, so müsste das Rückenmark in seinem ohern Theile bloss
die Summe aller Fasern enthalten, die sich von oben bis unten
aus ihm entwickeln, gleich wie ein Nervenstamm nur alle Fasern
zusammen enthält, • die hei seiner Verzweigung sich von ihm ab-
lösen. Das Rückehmark müsste aüo von oben bis unten, je mehr
Nerven von ihm abgehen, in demselben Maasse dünner werden,
oder einen unten zugespitzten Keil darsteüen. Diess ist nicht
der Fallj wemj sich auch sein Durchmesser im Allgemeinen von
oben nach unten vermindert. Selbst an seinem Ende, wo die
letzten Nerven abgehen, enthält es noch mehr Masse, als die Mut-
terfäden der dort abgehenden Nerven hptragen, überdiess schwillt
es am Abgang der Nerven der Exlremitäton an und hei mehreren Fi-
schen schwillt es sogar an seinem Ende in einen unten zugespitzten
Kolben an. (Ei IJ. Weber in MECKEt’s v/rc;/)« 1827. p. .3^16.) Ausser-
dem enthält das Rückenmark' zweierlei Substanzen, wie das Gehirn.
Es lassen sich aher auch die Eigenschaften und Kräfte^ wodurch
sich diess Organ von den Nerven uhterschoidet, deutlich nachweisen.
a). Das Rückenmark besitzt die Fähigkeit, sensojrielle Reizungen
seiner Empfindungsnerven auf' die motorischen 'Nerven zu refle-
ctiren. Eis ist Reflector. Diese Eigenschaft, wodurch aut eine
Empfindung. Bewegungen erfolgen, ohne dass beiderlei Nerven
durch ihre Prinritivl'usern cOmmuniciren, ist schon oben Lei der
Lehre von der Reflexion untersucht worden.': Kein Nerve an
sich, der von den Centrallhoileri 'getrennt wäre, besitzt da.s Ver-
mögen der Reflexion. • Die 'refleötirende Thätigkeit de^ Rücken-
markes und der Medulla ohlongnta ist an sich schon, ein gesun-
des Phänomen, doch in einer .gewissen Beschränkung. .Die Rei-
zung der .Sclileiinhaut dos Schlundes" bewirkt reflectirte- Schling-
bewegungen, die Reizung der- Schleimhaut des Kehlkopfes, der
Lufti öhre,.d'er Lungen krimipf hafte Athembewegungen der.Ruinpf-
muskeln, die Reizung der Schleimhaut des Magens die Erbre-
ch ungshewegungen der Rnmpftnuskcln. Den ganzen Umfang die-
ser Erscheinungen hahen wir bereits oben p. 688. zergliedert.
Wir hahen dort gezeigt, dass zwei Nerven, die. nicht durch die
Centralorgane vereinigt sind, aucll nicht mehr das Phänomen
der Reflexion darhieten, und dass cs am leichtesten zwischen sen-
soriellen und motorischen Nerven verwandten Ursprunges statt-
findet, ' . Daher bei Verbrennung dnr Haut des Armes leichter
2. Vom Rückenmark.
I
m
Zuckungen der Armmuskeln als der Fussmuskeln, Lei Reizung
der Schleimhaut des Schlundes leichter krampfhafte Schlingbe-
wegungen, hei Reizung der Schleimhaut des Kehlkopfes leichter
Bewegungen des Kehlkopfes als anderer Theüe erfolgen; wir ha-
ben ferner gezeigt, wie unter gewissen Bedingungen der ganze
Apparat der Athemnerven von einer einzigen Stelle einer Schleim-
haut aus in Reflexiousbewegungen gerathcn kann, und wie bei
krankhafter Irritation des Rückenmarkes, wie man sie durch Nar-
cotisation erzeugt, alle motorischen Nerven durch eine blosse Be-
rührung der Haut in Thätigkeit gesetzt werden. Auch die Zer-
schneidung des Rückenmarkes versetzt diess Organ in diesen Zu-
stand. Aussei’ordenllich auffallend ist diess bei Salaraandra ma-
culata. Wenn man diesem , Tliiere den Kopf abnimmt, so bleibt
der Rumpf auf den Füssen stehen, und sobald man die Haut
reizt oder auch nur berührt, windet sich der Rumpf. Dieses
Vermögen der Reflexion bleibt mehrere Stunden lang in al-
len Stücken des Rumpfes, die noch elwas vom Rückenmark ent-
halten. Schneidet man das ganze Thier in der Hälfte durch,
so besitzt das untere Stück dieselbe Kraft wie das obere; man
kann den Schwanz in viele Stücke theilen, jedes Stück, welches
noch etwas vom Rückenmark enthidt, zieht sich zusammen, so-
bald man es nur auf das leiseste berührt; ja selbst das Schwanz-
ende windet sich noch, sobald' es berührt wird. Alle diese Theile
enthalten noch etwas vom Rückenmark,, wie ich mich überzeugt,
und diess Thier besitzt keine eigcnllicbo Cauda etpiina. Dass
das Rückenmark die Ursache der auf die Berührung erfolgenden
Windungen ist, lasst sich tliatsaehlich beweisen. Denn nur die-
jenigen auch kleinsten Theile des Salamanders behalten diess,
Vermögen, welche noch etwas vom Rückenmark enthalten; die-
jenigen dagegen nicht, welche nichts davon enthalten, mögen sie
sonst auch noch, so gross seyn. Schneidet man ein Bein des Sa-
lamanders ab, so ; zeigt es auf meehauische Reizung der Haut
keineiSpur der Bewegung, und dennoch bewegt sich das Schwänz-
ende noch, sobald man es berührt.
Die zum Rückenmarke :gelangende. Sensation bewirkt beim
Salamander nicht allein, die Bewegung der unter dem Hautreiz
gelegenen Theile, sondern der ganze Rumpf bewegt sich, wenn
auch nur die Schwanzspitze gereizt wird. Diis Rückenmark die-
ser Thiere verhält sich daher durchaus anders als ein Stamm!
von Nerven; denn ein Stamm von Nerven, vom Rückenmark und
Gehirn getrennt, empfindet nicht, und bewirkt auch keine Bewe-
gung auf Veranlassung einer Reizung der Enipfindungsnerven'
der Haut. ■ ■
Ä) Das Rückenmark .ist der Reflexion von Enrpfmdungsner-
ven auf Bewegungsnerven fähig, ohne selbst zn empfinden. Die
Hehauptung, dass das Rückenmark auch zu dem Sensorium com-
mune gehöre, stützt sich auf.die Thatsache, dass bei geköpftea
Thieren Reize ,an der Haut des Rumpfes angebracht, Bewegun-i
gen in nahen und entfernteu Theilen desselben liervorbringen-
Allerdings zieht der Rumpf remes Frosches, dessen Hirn voz»
800 III, Buch, Nert>enphjrsik, F,Abschn, Centraltheile d, ]Sert>ensysl.
Rückenmark getrennt ist, auf einen Hautreiz oft ein Glied an.
Die Schildkröten thun cs auch ; diess findet aber seine volle Er-
klärung in der reflectirenden Function des Rückenmarkes, in dem
Vermögen, die centripetale Wirkung eines Empfindungsnerven auf
motorische Nerven zu reflectiren; wovon in dem Gapitel von der Re-
flexion w’eitläiifig gehandelt worden. Wir hahen dort gezeigt, dass
die Reflexion von einer Empfindungsreizung auf 'einen Bewegungs-
nerven durch das Rückenmark am leichtesten hei Nerven nahen
Ursprunges geschieht; und övCdarf vins nicht wundern,' wenn auf
Reizung der Haut des Fusscs der Fuss, auf Reizung der Haut
des Armes der Arm angezogen wird. Diess geschieht eben so
unwillkührlich in heftigen Verbrennungen hei Menschen; ja es
geschieht auch hei jedem Menschen in den Reizungen der
Schleimhaut des Schlundes, des Kehlkopfes, der Luftröhre. Im-’
mer entstehen dann nnwillkührlich die Reflexionshewegungen am'
leichtesten an demselhcn Thsiile, an dem Schlunde, durch unwill-
kührlichc.s Schlingen, an dem Kehlkofife durch Verengerung der
Stimmritze u. s. vv. Das Anziehen der Estremitlitcn hei einem
geköpften Frosche auf Reizung der Maut derselben geschieht da-
her eben so wenig bewusst mul mit Absicht; als der allgemeine
tetanischc Krampf bei Rerübi'ung der llaui einer geköpften Sa-
lamandra inacidata ode.r eines narcotisirlcn Frosches. Es ist liier
nur noch der Beweis zu führen, dass es auch im gesunden Zu-
stande des Menschen renectirte Bewegungen, nach Erregung von
Empfindungsnerveny ohne iilles.Bevvusstseyn gieht. Bei den von dem
kranken Magen, Darrnkanal, Nieren, Leber, Uterus erregten Erbre-
chuhgsbewegungen der Rumpfmuskeln wird die Ursache in Ma-
gen, Darm, Nieren, Uterus, Leber kehr häufig und ih der Regel
nicht empfunden ; (1. h. die nach dem Rückenmark und der Me-
dulla* obiongata gelangende centripetale Eri-Cgung der Empfin-
durigsnerven kömmt nicht. zui»>''I5ewusstsej'n. Und so sehen wir
deutlich, dass dns. Rückenmark hei der Reflexion nicht nothweu-
dig empfindet; und dass' jene 'Be weise von dern mit Bewusstseyn
verknüpften Lmpfindungsvermö^en des Ritckimmarkos tingegrün-
det ‘sind; Auch der vom ‘ Rumpf getrennte Kopf kann unv Re-
fLesiönsörscheimingen zeigen y ohne dass eine entfernte Wahr-
scheinlichkeit voi-handen wäre; dass ein vom Rumpfe getrennter
Kopf eines MönsChen oder höhern Thieres noch bewusst empfinde.
Der mit einer solohen Verletzung verhundehe Blutverlust ist girösser,
alsi irgend einer, der beim Menschen gewöhnlich schon das Bewiisst-
seyu üiinmt; ahgeselien voh den atideren Folggn einer solchen Ver-
letzung wie die Zerschneidung des ohersten Theiles des Rücken-
markes. Wenn der Kopf eines Hingerichteten bei Reiziin’g des
S-tumpfes vom Riiekemsnärk’ Zuckimüeii in. den GosichLimuskelii
efsfcheineh lässt, so ist es nicht' asidcrs möglich; ja es würde uns
nicht einmal wundern, wenn die’ Reizung der Haut des Kopfes
aa eineim entliauiTleteii' fChierii o<h>r. Menschen noch Reflexionshe-
•weguMgen bewirkte; denn diesk wftrö'’duröl4rtus dasselbe Phäno-t
men,! .wie die Rellexion aw .Sli'icken' ■eines zerstückelten Salaman-
ders ; und eben so ist die Erscheinung zu beurtheilen , dass an
einem vom Rumpfe getrennten Kopfe einer jungen Ratze, wel-
2. Vom Rückenmark,
801
chem man den Finger in den Schlund bringt, der Schlund sich
fest um den Finaer, wie zum Schlincen anleat. '
f) Das Rückenmark ist ein motorisch geladener Apparat,
welcher selbst nach der Trennung vom Creliirn, und ohne äus-
sere Reize durch Entladung autoniaüsche Bewegungen hervor-
hriiigen kann. Diess ist hei den Nerven, wenigstens denjenigen
des Cerehrospinalsystems, nicht der Fall, ohgleicli die motorische
Thätigkeit des syrnpalhischen Systems hierin dem Rückenmark
gleicht. Siehe oben p. 712. Ein Gehininei vc oder Spinalnerve,
der von den Centralllieilen getrennt ist, liewirkt, olirie dass er
gereizt wird, keine Bewegungen in den Muskeln möhl’; das
Rückenmark dagegen kann, auch von dem Gehirn getrennt, noch
Entladungen nach den Muskeln bewirken. Die Sälamandra ina-
ciilata steht, wenn man ihr den Kopf ahgescliiiitten hat, noch
auf ihren Füssen. Der Rumpf der eiilliaupleten Frösche hesvegt
sich zuweilen (nicht immer, und häufig gar iiiclit] noch, er zieht
ein Bein an oder 'streckt es. Der Äal sriitdet sich nach dem
Abschneiden iles- Kopfes noch geraume Zeit. IVIan hat daraus
geschlossen, dass auch das Rückenmark, nicht bloss das Gehirn der
Sitz der willkührlichen Intention sey, und mir selbst schien diess
einst eine sehr heweiski’äftige Thatsache. So ist es aber nicht;
denn das Rückenmark, welches beständig während des Lehens
g visse Muskeln, ohne allen Willenseinfliiss in Thätigkeit setzt,
k.ion wohl auch noch ohne willkülirliche Intention gewisse Grup-
pen von Bewegungen ausführen, wie Flexioif, Exteiision, vSprung,
deren Gruppirung in den Gentraltheilen schon vorgebildet ist.
Auf der andern Seite sprechen wenigstens alle an ' dem A^TUnscheii
und den höheren Tliieren gesammelten Erfahrungen gegen den
Sitz einer willkührlichen Intention im Rückenmark. Alle Vei‘-
letzungen des Rückenmarkes entziehen heim MCnSchen immer
und ohne Ausnahme sämintliche unter der Verletzung ahgehende,
Nerven dem Einflüsse des Willens. Bei den Experimenten än-
Amphibien muss inan sehr vorsichtig seyn. Ist der Kopf zu kurz
vom Rumpfe abgeschnitten, so enthält das' Rumpfstück nöch' ei-
nen Tlieil des verlängerten Markes, und dann ist allerdings noch
Avillkührlicbe Bewegung des Rumpfes möglich, so gut 'dCih olierü''
Theile des Rumpfes eines hinter dem Kopfe getlieilten FrÖscliAs'
noch bewusste Empfindung und Willkühr zukömmi,' Wie man
deutlich genug in Experimenten sieht. Koch ein ‘anderer'TJrrt-’
stand, auf den M.\RSHAT.t, Hall (siehe oben p. 697.) aüfmerkinfn’
gemacht hat, verdient grosse Beachtung. Eine enthätipfetfe
Schlange licfindet sich in dem zu den Rellexiönserschei'nuüg'rti'
geneigtesten Zustande. Eine Berührung ihrör Haut ruft reflöi'
ntirte Bewegungen hervor; 'durch diese Bewegungen enUtteh'eWi
wieder 'neue Berührungen an verschiedenen llifeilen 'des KöriVCW^
die immer wieder neue Bewegungen veranlassen. Ist das Thiein
endlich in Ruhe gekommen;- so reicht eine klein^ Erschütterung
oder Berührung ‘ hüi, difsselbe iSpiel zu wiederliolbn. • ■ '
d)' Das Rückenmark, zu ' aütomatiseben \Virkung<ih auf die'
Bewegungsnerven fähig', lasst im Zustande der Gesündlieit einüb
grossen 'Theil der Bewegungsnerven j namentlich ' die der Ortshe’-
802 III. Buch. Neruenphysik. V. Abschn, Centraltheile d. Nerpensyst.
wegung, ruliig, aller auf viele andere Nerven wirkt es in einem
fort motorisch, indem es sie in beständigen unwillkührlichen Zu-
sammenziehungen erhält, die erst mit der Lähmung des Rücken-
markes aufhören. Hieher gehören a. der Willkühr zugleich un-
terAVOrfene Muskeln, wie der Sphincter aui, b. der Willkühr ent-
zogene Muskeln, der Sphincter vesicae minariae, der Darmkanal,
das Herz etc. Für diese Wirkungen des Rückenmarkes muss in
idemselben ein eigener, mit dem Sensorium commune weniger in
Wechselwirkung stehender Apparat vorhanden scyn, den wir in-
dess anatomisch nicht nachweisen können. Rci niederen Wir-
hclthierch kann seihst die Gemeinschaft des Gehirns und Rük-
kenmarkes aufgehoben seyn, und diese motorische Ausstrahlung
des Rückenmarkes daiiert doch noch auf die Sphincteren fort,
wie Marshaul Hali, hei der Schildkröte sah, deren Sphincter
ani nach der Enthauptung geschlossen hlieh, und erst nach der
Zerstörung des Rückenmarkes sich löste.
,e) Das Rückenmark besitzt eine grosse Mittheilbarkeit sei-
ner Zustände von einem Theile desselben auf den andern; hier-
durch unterscheidet e* sich durchaus von den Nerven. Hierüber
sind die .schon p. 632. von mir mitgetheilten Versuche belehrend.
Ein Nerve eines Frosches wird, sofern das Rückenmark nicht ir-
ritirt ist, wenn er galvanisirt wird, seinen Zustand nicht auf das
ganze Rückenmark übertragen. Reizt man eine vordere oder
iiintej’e Wurzel der letzten Rückenmnrksuerven des Frosches, die
man durcbgcschnitten,, an dem mit dem Rückenmarke zusam-
menhängenden Stücke durch ein einfaches Plattenpaar, so wirkt
diess : Ojic^it durch das Rückenmark durch bis zu den vorderen
Theileir des Körpers, und es entstehen keine Zuckungen am
Kopte. Reizt inan aber das Ende des Rückenmi^rkes auf diese
Art, so zucken auch die Muskeln der. iV.orderen Theile des Kör-
pers., Hieraus, begreift man, wie eine Rückenmarkskrankheit, auch
wenn ^ie anfangs ihren Sitz in dcip untern Theile des Rücken-
mqi'kes hat, alirnählig doch, schon dur'ch , blosse Wechselwirkung,
auch dje oberen Rmnpflheile, die Theile des Kopfes aflicirt, wie
z. R. Irei der durch Ausschwcilüugen , bedingten Schwäche des
untern, Theiles des Rückenmarkes Amblyopie, Ohrensausen etc.
Vorkommen. ■.
/) Bei einer grossen Irritation des Rückenmarkes, in der
Entzündung, .nach heftigen Reizungen der Nerven (Tetanus trau-
maticus), und in der Narcotisation gerälh das ganze Rückenmark
in: diesen Zustand, auch nach allen willkührlichen Muskeln be-
ständige Entladungen zu bewirken. Jene Tension, die es im Zu-
stande der Gesundheit auf die Sphincteren ausübt, ist dann all-
gemein; es .entstehen allgemeine Convulsionen oder tetanische
Krämpfe, die sich von Zeit zu Zeit wiederholen, und in man-
chen iMuskciln, wie den Kaumuskeln, .selbst anhaltend sind. Diese
Zusfände sind bald acut, wie in den oben angeführten heftigen
Verletzungen, bald chronisch, wie in der Epilepsie, mag die Irri-
tation npn yon Krankheiten der Centralorgane selbst (Epilepsie
cerebralis, spinalis), oder von einzelnen Nerven, z. R. Nervenge-
scbwülsten,. ,sicR ausbreiten. Eine ähnliche, aber geringere Reizbar-
2, Vom Rückenmark.
803
keit des Rückenmarkes mit leiclit aüwecliselnden Bewegungen
■ zeigt sich auch in den clonischen KrampfTormen, Chorea St. Viti etc.
g) Bei der Karcotisation durch die Gifte, welche Krämpfe
erteugen, ist das Rückenmark und nicht die Nerven die Ursache
der krampfhaften Bewegungen. M'^enn man ein Thier durch
Kux vomica oder Strychnin vergiftet, und vorher die Nerven-
stämme der Extremitäten durch sch neidet, so entstehen hei dem
erfolgenden Starrkrämpfe keine Krämj)fe in den Theilen, deren
‘ Nerven vorlier durchschnitten waren. Es geht daraus hervor,
dass jene Gifte auf die Ceulraltheile, und durch diese auf die
Nerven wirken. Wenn man das Rückenmark seihst vor der Ver-
giftung eines Tliieres, oder nach derselben durchschneidet, so erfol-
gen die Krämpfe dennoch in den Theilen hinter dem Durchschnitt.
Diese Gifte wirken daher auf jeden motorisch geladenen Theil
des Rückenmarkes bis zum Tode. Bäcker commentatio ad quae-
stionem physiologicam. Trajert. 1830.
A) Das Rückenmark ist aber durch seine motorische Spannung
die Ursache der Kraft unserer Bewegungen. Die Intensität unse-
rer Kraftanstrengungen hängt grossentheils von diesem Organe ab.
Wenn auch der grösste Theil der motorischen Nerven in der
Regel, ohne das Hinzukommen der Willenshestirnmungen, von
ihm unthätig gelassen wird, so hängt von ihm doch die Stärke
und Dauer der motorischen Entladungen ab, welche das Senso-
rium commune willkührlich bewirkt. Beständig enthält diess Or-
gan gleichsam einen Vorrath von motorischer Kraft, und wenn
es durch die Fortleitung der Nervenfasern vom Gehirn ans als
Conductor der von dem Sensoriurn commune ausgehenden Os-
cillation wirkt, so hängt die Intensität der erfolgenden Wirkung
nicht bloss von der Stärke des Willens, sondern von dem Quantum
des in dieser Säule angehäuften motorischen Nervenprincipes ab.
Daher kann das Rückenmark auch seine Fähigkeit als Conductor
behalten, xvährend es die zweite Eigenschaft, die Kraft der Mus-
kelbewegung, aufgegehen hat; diess geschieht bei der Tabes dor-
salis. Bei dieser nur nach Ausschweifungen erfolgenden Krank-
heit mit Atrophie des Rückenmarkes, ist anfangs kein einziger
Muskel der unteren Extremitäten gelähmt; alle gehorchen, und
seihst in einem vorgerückten Stadium der Krankheit noch dem
Willen, der Kranke kann alle Bewegungen ausführen, und das
Rückenmark ist offenbar noch ein unversehrter Conductor für
die von dem Sensoriurn commune ausgehende Oscillation oder
Strömung. Aber die Kraft der Bewegungen ist erloschen; der
Kranke kann nicht lange stehen, gehen, und die Abnahme der
Kräfte nimmt immer fort bis ziun gänzlichen Erlöschen zu, worauf
die Eähmung vollkommen ist. Man muss diese Art der Läh-
mungen sehr von anderen unterscheiden, wo die Leitunj^ in der
Motorischen Säule an einer Stelle unterbrochen i t, die entspre-
chenden Muskeln dem Willen nicht mehr gehorchen, und alle
dbrigen die ganze Kraft: der Bewegung behalten können.
i) Aber nicht allein die Intensität der Bewegungen, auch
die Intensität der organischen Nervenwirkungen hängt von diesem
Organe, ah, die Ausiidmng des Geschlechtstriehes ist durch dasselbe
804 III. Buch. Nerpenphfsik. V. Abschn, Centraliheüe d. Nereensyst.
bedingt. Unstreitig ist das Rückenmark bei dem Coitus am mei-
sten in AfFection ; man siebt diess aus den heftigen Reflexionsbe-
wegungen, die nach den Empfindungsreizungen der Ruthennerven
folgen, aus den Reflexionshewegiingen der Samenhinsehen und
der Daimnmuskeln. Die auf die Ausübung des Geschlcchtstrie-
bes folgende Abspannung kann nur ln dem Rückenmarke ih-
ren Grund liahen. Erst allmahlig wird dieses Organ wieder
in die zum Geschlechtstriebe nöthige Tension seiner Kräfte ver-
setzt; es entsteht wieder jener Ueherfluss, jene Spannung des
wirksamen Princips in diesem Organe, wo jede Stimmung des
Sensoriums auf geschlechtliche Gegenstände Erection bewirken, wo
die Vorstellung den geladenen Zustand des Rückenmarkes gleichsam
entladen kann, um auf den von ihm ausstrahlenden organischen
Nerveneinfluss jene Anhäufung des Blutes in der Ruthe zu be-
wirken. Diese Potenz des Rückenmarkes geht aber durch Alfe-
ctionen des Rückenmarkes auch verloren. Wie diess Organ
auf die organisch -chemischen Vorgänge des Capillarsystems durch
die organischen Nerven Einlluss hat, sieht njan nicht allein an
der veränderten Hautahsonderung bei Ohnmächten , sondern
deutlicher noch an der Bcschafienhcit der Haut bei Menschen,
bei denen das Rückenmark durch Ausschweifungen gelitten bat.
Wenn nämlich die Ausübung des Coitus zu häufig auf einander
erfolgt, so tritt nicht allein Kraftlosigkeit ein , sondern auch ver-
minderter Turgor der Haut, verminderte Perspiration, Trockenheit
derselben, verminderte Wärmeerzeugung, Kaltwerden der Füsse,
Hände, Genitalien. Aber seihst die Wirkung der Nerven durch
das Rückenmark bei der Erection scheint mehr organisch zu
seyn, als mit den sonstigen Wirkungen der Cerebrospinalnerven
übereinzukommen. Durch Action der Muskeln ist die Erklärung
der Blutanhäufung im Penis nicht möglich. Nach einer vor Kur-
zem von mir gemachten Entdeckung über den merkwürdigen
Bau gewisser Arterien im Innern der Corpora cavernosa lernen
wir aber ganz neue Elemente der Erklärung der Erection kennen.
Ich habe nämlich gefunden, dass es ausser den letzten feinsten,
in Venenanfänge übergehenden, und zur Ernährung der Corpora
cavernosa dienenden Zweigen der Arteriae profundae penis noch
eine ganz andere Art von Zweigen derselben gieht, welche theils
kurze rankenartige Ausw üchse, theils Quästchen solcher rankenarti-
gen Auswüchse sind, und welche sämmtlich mit einem blinden stum-
pfen oder Stumpfspilzen Ende in die Zellen ilcr Corpora caver-
nosa frei heremragen. Obgleich sich in den Whinden dieser
freien Arterienauswüchse, die ich zuerst beim Menschen, hernach
auch hei Affen, Hunden, Pferden, immer aber im hintern Theile
der Corpora cavernosa am deutlichsten fand, keine Oeffnnngcn
sehen lassen, so erleidet es doch keinen Zweifel, dass sie es sind,
welche das Blut, das bei der Ernährung durch die viel feineren
Zw'eige der Arteriae profundae penis in die Venenanfänge über-
geht, bei der Ereetion sogleieh in Masse in die venösen Zellen er-
giessen. Diess ist aber nicht anders denkbar, als dass diese
ranken- und quastarligen Arterienauswüchse bei der Erection
durch den vom Rückenmark ausströmenden Nerveneinfluss da®
2, Vom Rückenmark,
SOS
Blut in grösserer Quantität aus den Arterienstämmen durch eine
organische Affinität anziehen , und ira selir erweiterten Zustande
dieser Auswüchse frei in die Zellen ergiessen. Die die Arte-
riae pröfundae heglei tcnden Nervenzweige sind deutlich grau, sie
gehören dem organischen Nervensystein'an ; ich habe sie an dem
Stamme und den Hauptästen derArteria profunda penis verfolgen
können. Diese Entdeckung wirft zugleich ein neues Licht auf
die Wechselwirkung des Blutes und der kleinsten Gefässe, auf
jene Anziehung, aut jenen Turgur vilalis, den man immer anneh-
men musste, für welchen man aber keine solche Thalsachen kannte,
die für viele andere Thatsachen erklärend sind. Alle diese
Erscheinungen sind aber olfenhar von der Thätigkeit des
Rückenmarkes a]>hängig. Dieses Organ ist auch der Gegen-
stand einer krankhalten Impression hei allen fieberhaften Affe-
ctionen, und die dem Fielicr eigene Veränderung der Sensatio-
nen, der Bewegungen und der organischen Wirkungen, Absonde-
rungen, Wärmeerzeugung sind nur durch den Antheil eines sol-
chen Organes erklärlich, wie dasjenige ist, dessen Eigenschaften,
wir in diesem Capitel zu zergliedern gesucht haben. Da die Af-
fectionen der Cerebrospinaluerven nicht leicht Fieber, sondern
leichter andere Nervenkrankheiten erregen, und da das Fieber
durch nichts leichter, als durch Veränderung der Capillargefäss-
actionen in irgend einem Theile, sey es nun Veränderung des
Zustandes der Sclileimhaute, oder Entzündung in irgend einem
Organe, entsteht, so liegt cs sehr nabe, anzunehmen, dass hei dem
Fieber eine solche auf das Rückenmark verpflanzte und von
dort auf alle Nerven rellectirte Impression staltfinde, welche von
einer heftigen Affection der organischen Nerven irgend eines
Theiles (bei Entzündung oder anderer Reizung) ausgelit.
Was die organischen Wirkungen des Rückenmarkes, vergli-
chen mit denen des Gehirns, betrifft, so wissen wir aus Flou-
BEHS Versuchen uncl den Bestätigungen von Hertwig, dass ein
Vogel nach Wegnahme der Hemisphären des grossen Gehirns,
wenn man ihm das. Futter einstopit, doch noch geraume Zeit er-
nährt werden kann, ohne abzumagern. Hertwig experimenta quae-
dam de effeciilms laesionum in parlibus encephali. Berol. 1826.
111. Capitel. Vom Gehirn.
I. Vergleichung des Gehirns der Wi r b eit liiere.
In keinem Theile der Physiologie kann man grössere Anfor-
derungen an die vergleichende Anatomie machen, als in der Phy-
siologie des Gehirns. Hier zeigen sich nach der Entwickelung
der mtellectuellen Fähigkeiten in den verschiedenen Classen die
grössten Unterschiede, welche für die Deutung der Hirntheile
von der grössten Wichtigkeit sind; aber auch ‘die Nothwendig-
keit, über die Bedeutung der Hirntheile Versuche an Thieren
anzustellen, macht uns die Vergleichung der Gehirne der Thiere
so unentbehrlich. Daher habe ich für nöthig gehalten , vor der
806 III, Buch, Ncrvenphysik, V, Abschn, Centraltheile d, Nervensyst.
Untersucliung der Eigenschaften und Kräfte des Gehirns eine
Vergleichung des Gehirns der Wirbelthiere yorauszuschicken.
Diese Betrachtungen müssen von dem Fötuszustande des Gehirns
des Menschen und der höheren Thiere ausgehen, weil dieser, wie
überhaupt hei Vergleichungen dieser Art, mehr sichere Verglei-
chungspunkte darhietet.
Schon hei einer oherliächllchen Vergleichung des Gehirns
des Menschen mit dem der höheren Wirbelthiere zeigt sich,’ dass
die Hemisphären des grossen Gehirns, welche mit ihrem hintern
Theile beim Menschen nicht allein die Vierlüigel, sondern seihst
das kleine Gehirn überragen, ohne mit den Theilen, welche sie
bedecken, zu verschmelzen, bei den Thieren sich mehr und mehr
nach vorn zurückzichen , und die hei dem Menschen bedeckten
Theile von oben frei lassen. Bei den Nagethieren sehen wir
schon das kleine Gehirn frei, bei den Vögeln sind es auch die
Vierhügel, und noch mehr ist diess bei den Amphibien der Fall.
In demselben Grade, als sich die Hemisphären verkleinern, ver-
grössern sich bei den Thieren die Vicrhügel, und wenn diese
bei den Amphibien noch bedeutend kleiner als die Hemisphäi-en
des grossen Gehirns sind, so ist hei den Fischen das Verhältniss
dieser Theile so verändert, dass man in Zweifel ist, was man für
das eine und für das andere halten soll. Das Gehirn dieser Thiere
zeigt uns nämlich nur eine Reihe von thells paarigen, theils un-
paarigen Anschwellungen. Die hinterste unpaarige, über dem
verlängerten Marke gelegene, den vierten Ventrikel deckend,
ist das kleine Gehirn; vor ihm Hegt ein Hügelpaar, oft das
grösste, hohl in seinem Innern, von welcheiri grösstentheils die
Sehnerven entspringen; vor diesen liegen ein Paar solide An-
schwellungen, m der Mitte noch zusammenhängend, und vor die-
sen oft noch zwei von einander abgesonderte Anschwellungen
am Ursprünge der Geruchsnerven. Nur das Fötusgehirn der hö-
heren Thiere gleicht einigermaassen dem Hirn der niederen Wir-
belthiere; denn die Hemisphären sind klein, überragen anfangs
weder das kleine Gehirn, noch die Vierhügel, i nd es giebt eine
Zeit, wo die Vierhügel nicht kleiner sind a'i die Hemisphären
des grossen Gehirns. In diesem Falle findet man eine ähnliche
Reihe von Anschwellungen, wie am Gehirn der Fische, zu hin-
terst das unpaare kleine Gehirn; vor ihm die grossen blasigen
Vierhügel, noch nicht in das voidere und hintere Paar abge-
theilt, im Innern hohl (Ventriculus Sylvii, wo später der Aquae-
ductus Sylvii ist); vor ihnen die Hemisphären, bei den Säuge-
thieren mit den Lobi olfactorli an ihrem vordem Ende. Siehe
Tiedemann a. a. O. Das Gehirn der Säugethiere ist indess in der
jüngsten Zeit des Fötuslehens nicht hinreichend genau bekannt,
um fruchtbare Vergleichungen mit dem der Fische anzustellen.
Hierzu sind nur von Baer’s Beobachtungen am Hühnerembryo
(BuRDAcn’s Physiologie, 2.) geeignet. Nach von Baer’s Untersu-
chungen zeigt das Gehirn des Vogelembryos von hinten nach
vorn folgende Anschwellungen;
1) das unpaare kleine Gehirn, den vierten Ventrikel über
der Medulla oblongata überdeckend, vor ihm
3. Vom Gefiirn. Vergleichung des Gehirns der Thiere. 807
2) Die Blase der Vierliügel, von welclien vorzüglich der N,
opticus entspringt, hohl in ihrem Innern, mit dem Ventriculns
Sylvii, der auch in den, beim Envachsenen aus einander nach
unten gedrängten Vierhügellappen oder Lohi optici enthalten ist.
3) Die Blase des dritten Ventrikels. Der dritte Ventrikel,
welcher von den Sehhügeln seitlich und von dem Trichter un-
ten begrenzt wird, ist nämlich heim Embryo noch nicht von
den noch sehr kleinen Hemisphären bedeckt; aber gleichwohl ist
er anfangs oben nicht offen, vielmehr besitzt er eine blasige Decke,
welche erst später in der Mittellinie vom eine Spalte erlangt,
indem diese Blase in der Mittellinie von vorn nach hinten auf-
reisst, während sich der hintere Theii der Decke zur spätem
Zirbel zusammenzieht, so dass die spätem Schenkel der Zirbel
die frühere Ausdehnung der mittlern Decke andeuten. In der
Blase des dritten Ventrikels sind die Sebhügel enthalten.
4) Vor der Blase des dritten Ventrikels liegt die Doppelblase
der Hemisphären, hohl und auf ihrem Boden die gestreiften Kör-
per enthaltend. Diese Blase, anfangs kleiner als die Blase der
Vierhügel oder Lohi optici, vergrössert sich und wächst nach
hinten allmählig über die Blase des dritten Ventrikels und seine
Spalte hinüber; anfangs ist diese Blase an ihrer hintern Grenze
gegen die Blase des dritten Ventrikels nicht eingerissen, d. h. die
Fissura cerebri magna des grossen Gehirns, durch welche man
beim Erwachsenen unter dem hintern untern Bande der Hemi-
sphären in die Höhle der Hemisphären gelangt, ist anfangs nicht
vorhanden; so dass man zu einer gewissen Zeit nur durch die
Spalte der Blase des dritten Ventrikels in die Blasen der Hemi-
sphären, die mit der Blase des dritten Venti-ikels Zusammenhängen,
kommen kann. Nachdem aber die Grenze, wo der untere hin-
tere Band der Hemisphärenblasen, welche die Blase des dritten
Ventrikels lientelförmig hinten überragen, und der vordere Band
der letzten Blase Zusammenhängen, jederseits eine Querspalte er-
halten hatte, ist die Fissura cerebri magna entstanden, durch
welche man bekanntlich beim Gehirn des Erwachsenen nach
Wegnahme der Gefässhaut, unter den hinteren Schenkeln des
Fornix in die Seitenventrikei gelangen kann.
Hierauf lassen wir eine kurze Beschreibung des Fischgehirns
folgen. Am besten geht man mit Cuvier von dem Cerebellum
aus, über welches kein Zweifel obwalten kann.
1) Cerebellum, es ist unpaarig, liegt quer über dem verlän-
gerten Marke, und deckt den vierten Ventrikel, der sich unter
ihm nach hinten, wie bei allen Thieren, öffnet.
2) Lobi optici. Vor dem kleinen Gehirn liegen ohen ein Paar
hohle Lappen, an einer Mittelfurche ihrer obern Wand verbun-
den; sie geben dem N. opticus den Ursprung, und dürfen mit
dem Thalamus der höheren Thiere nicht verwechselt werden.
Ihre Wände enthalten zwei Faserschiehten, die äussere Lage
streicht von hinten und aussen nach unten und innen, die innere
Lage strahlt von unten nach aussen und oben in den Wänden der
Lohi optici aus. Auf dem Boden liegen ( nur bei den Rnochen-
fischen) zwei Paar Körperchen, die aussen von einem grauen
Mmier’s Physiologie, 52
808 III. Buch. Nerpenphf-fik. V.Ahschn. Centraltheile d. Nerpcnsyst.
Wulst lunajeljen sind, von welchem die innere Ausstrahlung aus-
geht; vor' diesen ist eine Vertiefung, der dritte Ventrikel, der
zur Hypophysis führt; vor dem dritten Ventrikel ist die vordere
Commissiir. Von diesen Lappen gehen die Sehnerven ab, und zwar
von der äussern Faserschicht. Vor den grauen Körperchen öff-
net sich die unter ihnen aus dem vierten Ventrikel kommende
W^asserleitung in den dritten Ventrikel. Am vordem Fnde der
Lohi optici, zwischen diesen und den Lohi anteriores, befin-
det sich in der Mittellinie eine Oeffnung, welche schlecht zu
der Ansicht derjenigen passt, welche diese Lappen mit den He-
misphären der höheren Thiere vergleichen. Der N. trochlearis
entspringt hinter den Lohi optici, und hinter den grauen Kör-
perchen vor dem kleinen Gehirn.
.3) Unter den Lohi optici liegen an der Basis des Gehirns
vor der Medulla ohlongata zwei kleine Anschwellungen, Lohi in-
feriores; auch von ihnen gehen nach Cuvier Fasern zum Sehner-
ven ah, was Gottsche laugnet. Sie enthalten selten eine Höhle,
die mit dem dritten Ventrikel communicirt.
4) Lohi anteriores; sie sind grau, liegen vor den Lohi optici,
sind in der Regel kleiner als jene, ausserordentlich gross sind sie
bei den Rochen und Haien; sie sind in der Mittellinie verbun-
den durch eine oder zwei Comraissuren ; ihre Oberfläche zeigt
zuweilen Windungen. Sie sind nicht hohl; ausser bei den Haien
und Rochen, wo sie grösser sind als die Lobi optici. Von ihnen
entspringen die Geruchsnerven entweder unmittelbar oder mit
einer Anschwellung; diese Anschwellungen der Gernchsnerven,
Lobi olfactorii , sind dann aber . von einander getrennt und ohne
Commissiir.
5) Bei einigen Fischen (Muraena) findet sich eine Art Glan-
dula plnealis; sie liegt dann vor den Lobi optici, und ist durch
zwei Schenkel an die hintere Basis der Lobi anteriores befestigt.
6) Die meisten Fische haben Anschwellungen des verlänger-
ten Markes, welche dem Ursprünge des N. vagus entsprechen,
Lohi posteriores. Cuvier hLtt. uat. des poissons. T. 1.
Bedenkt man, dass am Ursprünge der JV. olfactorii aus den
Lobi anteriores oft ein Tuberculum olfactorium sich befindet,
aus den Lobi optici die Sehnerven, aus den Lobi posteriores die
N. vagi entspringen, so sieht man deutlich, wie die Lappen des
Gehirns der Fische grossentheils durch Centralmassen für die
Hauptnerven entstehen, gleich wie selbst am Rückenmark der
Triglen, wo die grossen Nerven für die freien Fortsätze unter
ihren Brustflossen entspringen, eine Reihe von fünf Paar An-
schwellungen, und am Ursprünge der Armnerven und Schenkel-
nerven am Rückenmark bei allen Wirbelthieren Anschwellungen
des Rückenmarkes sich befinden.
Ueber die Deutung des Fischgehirns im Vergleiche mit dem
Gehirne der höheren Thiere glebt es folgende Ansichten.
1) Einige, wie Cuvier, vergleichen die Lobi optici der Fi-
sche mit den Hemisphären des grossen Gehirns der höheren
Thiere; diese stützen sich auf die Existenz des dritten Ventrikel*
3, Vom Gehirn, Vergleichung des Gehirns der Thiere, 809
auf dem Boden des mittlern Tlieiles der LoLi optici, auf die
vor diesem Ventrikel befindliclie Commissor; sie vergleichen die
Anschwellungen hinter dem dritten Ventrikel auf dem Boden der
hohlen Lobi optici mit den Vierhügeln; die Lobi olfactorii vor
den Lobi optici vergleichen sie mit den Lobi olfactorii der Am-
phibien, Vögel und Säugethiere am Anfänge ihrer Hemisphären.
Gottsche, dessen treffliche und genaue Arbeiten über das Gehirn der
Fische, in Mvellee’s Archiv 1835. mitgetheilt werden, neigt sich
ebenfalls zu dieser Ansicht hin. Dagegen spricht die Lage der Zir-
bel vor den Lobi optici, die, wenn diese die Hemisphären reprä-
sentirten, vor den Vierhügeln liegen müsste, die Kleinheit der
Hügelchen auf dem Boden der hohlen Lobi optici, da hingegen die
Vierhügel^ der Vögel und Amphibien sehr gross und hohl sind;
die Commissuren der sogenannten Lobi anteriores der Fische, spre-
chen nicht dagegen, da auch die Lobi der Geruchsnerven bei den
höheren Thieren eine Commissur haben.
2) Die Meisten, wie Aesakv, Carus (er nennt die Lobi optici
Sehhügel), Tiedemann, Serres, Desmoulins halten die L, optici für
Analoga der Vierhügel der höheren Thiere, die vor ihnen liegenden
meist soliden Lappen für die Hemisphären ; und diese stützen sich auf
die Grösse der Vierhügel, und ihre Hohlheit Lei den Vögeln und
Amphibien, als Theile, die nach abwärts an Grösse immer znneh-
men, auf den theilweisen Ursprung der Sehnerven aus den Corpora
quadrigemina bei den höheren Thieren, auf die sehr bedeutende
Grösse und Hohlheit der Corpora quadrigemina bei dem Fötus
der höheren Thiere, welche zu einer gewissen Zeit des ersten
Fötuslebens sogar alle Theile des Gehirns an Grösse ühertreffen.
Für diese Ansicht I spricht auch die Lage der Zirbel vor den
Lobi optici der Fische. Dagegen sprechen aber die Solidität der
vor den Lobi optici liegenden Lappen, die man mit den He-
misphären vergleicht (sie sind nur Lei den Knorpelfischen hohl),
die Anschwellungen auf dem Boden der Lobi optici, die in den
Corpora quadrigemina der höheren Thiere nicht Vorkommen, die
Lage des dritten Ventrikels auf dem Boden der Lobi optici und
die Commissur vor diesem Venlrikel.
3) iTrevirasus vergleicht die Lobi optici der Vögel mit
dem hintern Theile der Hemisphären der Säugethiere mit sammt
den Vierhügeln, namentlich der Vereinigung der Corpora geni-
culata mit den Vierhügeln; vorzüglich gründet sich diese An-
sicht darauf, dass in die hohlen Lobi optici der Vögel und Am-
phibien der hintere Theil der Sehhügel hincinragt. Hiernach
wären nun die Lohi optici einer Vereinigung des hintern Thei-
les der Hemisphären mit den Wänden der beim Fötus ganz hoh-
len Vierhügel gleich zu achten. Diese Ansicht ist ofienbar die
wahrscheinlichste; sie wird noch mehr durch von Baer’s Beob-
achtungen am Gehirne des Vogelfötus gestützt, wo zwischen den
Hemisphären und hohlen Vierhügeln noch die Blase des dritten
Ventrikels liegt; die im Gehirn der Fische mit der Höhle der
Vierhügel zusammengeflossen zu scyn scheint. Die vordere Oell-
ßung der Lobi optici der Fische in der Gegend der Zirhcl
52 *
810 III. Buch. Neroenphysik. V.Ahschn. CentraUheile d. Neruensyst,
könnte mit der ln der Hirnblase des dritten Ventrikels, nacb
VON ÜAER slcli bildenden S])aUe verglichen -werden. Dass die
Lobi optici der Fische grossctilheils mit den Vierbügeln , die
vor ihnen liegenden Lappen mit den Hemisphären Übereinkom-
men, lehren auch die Experimente von Flouress über die Kräfte
dieser Theile hei ilen Fischen im Vergleich mit den Eigen-
schaften der Hirntheile der S'äugethiere, Vögel, Amphibien.
Die Lohi inferiores der Fische werden von Desmoulins mit
den Corpora mammlllaria der Säugethiere , von Cuvier mit
den Lobi optici der Vögel verglichen, die noch tiefer herahge-
stiegen wären. Indessen sind die Lobi optici der Vögel, obgleich
sie ganz aus einander und nach unten und aussen gedrängt, nur
durch eine Querlunde vereinigt sind, wenn auch die Corpora ge-
niculata nach Treviranus mit ihnen verschmolzen seyn mögen,
doch vorzüglich den grossen Vierhügeln des Fötus der Säuge-
thiere zu vergleichen, und also auch den Lobi optici der Fische
analog. Gottsche läugnet die Fasern des Sehnerven von den
Lohi inferiores.
Vergleicht man die Amphibien und Vögel mit den Säuge-
thieren, so zeigt sich, dass die ersteren zwar den Fornlx, aber noch
nicht die grosse Commissur der Hemisphären, das eigentlielie Corpus
callosum besitzen, vvelches zuerst hei den Säugethieren vollstän-
dig auftritt; dass ihre Lohi optici noch hohl sind, während die
Vicrhügel der Säugethiere nur den Aquaeductus Sylvii, und nur
im Fötuszustande ' eine Höhlung enthalten, und dass die Lohi
optici noch nicht wie die Corpora quadrigemina der Säugethiere
in ein vorderes und hinteres Hügelpaar zerfallen. Die Eminen-
tiae candicantes werden noch vermisst. Auch fehlt den Vögeln
und Amphibien der aussen sichtbare Theil des PonsVarolii, wel-
cher letztere ihnen indess mit Unrecht ahgesprochen wird, weil die
tiefem Querfasern zwischen den Bündeln der Medulla ohlongata
auch hoi den Säugethieren und dem Menschen doch zum Pons ge-
hören. Die Seitentheile des kleinen Gehirns sind w'eniger als
bei den Säugethieren ausgehildet. Die Säugethiere , mit dem
Menschen verglichen, zeigen immer noch eine relativ geringere
Ausbildung der Hemisphären; so dass vielen die Abtheilung des
Gehirns in mehrere Lappen ganz ahgeht, und erst die Wieder-
käuenden, Reissenden, Dickhäutigen und die Einhufer eine deut-
lichere Abtheilung in zwei Lappen zeigen, die mehr dem vor-
dem und mittlern als hintern Lappen des Gehirns des Menschen
entsprechen, womit der Mangel des hintern Horns der Seiten-
ventrikel bei den meisten (mit Ausnahme der Affen, Seehunde,
Delphine) ühereinstimmt. Auch die Windungen sind bei vielen
Säugethieren, wie den Nagethieren , Fledermäusen, dem Maul-
wurf, dem Igel, den Gürteltliieren und Ameisenfressern noch kaum
angedeutet, und nur hei den reissenden Thieren, den Wiederkäu-
ern, Einhufern, Dickhäutigen und Affen deutlich, aber einfacher als
hei dem Menschen. S. Carus vergl. Zoot. 1. 75. Die untere' Commis-
sur des kleinen Gehirns, Pons Varolii, erscheint zwar hei den Säu-
gethieren schon aussen sichtbar, ist aber noch schmal ; daher man
die Pyramiden des verlängerten Markes in ihrem Verlaufe weiter
3. Vom Gehirn, Kräfte desselben. Seelenleben, 811
Lloss liegen sieht, -wo sie heim Menschen von der nntersten Lage
der Querfasern des Pons viel mehr bedeckt werden. Bel vielen
Säugethieren sind auch Bündel der Querfasern, welche das ver-
längerte Mark umfassen , hinter der eigentlichen Brücke liegend,
von dieser geb-ennt. Trevirakus oermisclile Sehriflen. .3. 12.
An dem verlängerten Marke sieht man die oliven förmigen Kör-
per weder äusserlich gut, noch die zackige Figur im Innern deut-
lich, die markigen Querstreifen auf dem Boden der vierten Hirn-
höhle fehlen in der Regel, und das kleine Gehi»rn besitzt eine
geringere Zahl der Blätter, wie es im Allgemeinen an Grösse
dem menschlichen nachsteht; dahingegen die Flocken, wie hei
den Vögeln stärker entwickelt sind, und wie dort oft eigene Vertie-
fungen des Felsenbeines in Anspruch nehmen. Die Lohi olfacto-
rii am vordem Ende der Hemisphären des grossen Gehirns der
Vögel sind in den Riechkolben der Säugethiere noch vorhanden,
die sich aber von den Riechnerven des Menschen darin untei-
scheiden, dass sie hohl sind, und dass ihre Höhlen in unmittel-
barer Verbindung mit den Seitenhöhlen der Hemisphären des
grossen Gehirns stehen.
II. Von den Kräften des Gehirns und von den Seelcntliätig-
kei,ten ira Allgemeinen.
Das Gehirn der Thiere vergrössert sich von den Fischen
bis zum Menschen, nach der Entwickelung der intellectuellen
Fähigkeiten, mehr und mehr. Aus den von Carus {Lehrbuch der
eergl. Zootomie) angegebenen Verhältnissen ergiebt sich, dass es
sich zur Mas-se des ganzen Körpers bei Gadus Iota wie 1 : 720,
Leim Hecht wie 1:1305, beim Wels wie 1:1837, beim Salaman-
der wie 1:380, bei der Landschildkröte wie 1:2240, hei der Taube
wie 1 : 91, heim Adler wie 1 : 160, heim Zeisig wie 1 : 231, bei
der Ratte wie 1 : 82-, beim Schaf wie 1 : 351 , beim Elephanteii
wie 1 ; 500, heim Gibbon wie 1 : 48, heim Winselaffen wie 1 : 25
verliält. Das grösste Gehirn eines Pferdes wiegt nach Soemmer-
B.1KG 1 Pfund 14 Loth, das kleinste eines ausgewachsenen Men-
schen 2 Pfund 11 Loth; doch zeigt das Pferdegehirn auf seiner
Grundfläche gegen zehnmal dickere Nerven als das des Menschen.
Das Gehirn unseres 75 Fuss langen Wallfisehes wog 5 Pfund lOj
Loth, das Gehirn des Menschen dagegen wiegt nach Soemmerriitg
2 Pfund 11 Loth bis 3 Pfund 3f Loth. Bedenkt man nun, dass
das Rückenmark bei weitem weniger bei den niederen Wir-
Lelthieren ahnimmt, indem es sich z. B. bei Gadus Iota zur
Masse des Körpers wie 1 : 481 , hei Salamandra terrestris wie
1 : 190, bei der Taube wie 1 : 305, bei der Ratte wie 1 : 180
Verhält, so ergiebt sich deutlich, dass die Entwickelung der in-
tellectuellen Fälligkeiten in der Thierwelt nicht von der Stärke
des Rückenmarkes, sondern des Gehirns abhängig ist. Wir sehen
aus den bedeutenden Variationen des Verhältnisses in einer und
derselben Classe, dass die Grösse des Gehirns im Allgemeinen
auch hier nicht genau auf die Beherrschung der Masse des Kör-
pers berechnet ist, dass die Stärke der motorischen Apparate für
812 III, Buch. Neroenphysik, V. Abschn, Centraltheäe d. Nercensysi,
die Beherrsclrnng der Muskelmassen nicht in ihm, sondern in
dem Rückenmarke zu suchen ist.
Indessen schreiten nicht alle Theile des Gehirns in der Thier-
welt mit der Entwickelung der intellectuellen Fähigkeiten gleich
fort. Das Uebergewicht des Gehirns der höheren Thiere über
das der niederen entsteht vorzüglich nur durch die Ausbildung
der Hemisphären des grossen Gehirns. Das kleine Gehirn ist
zwar bei den höheren Thieren verhältnissmässig auch grösser als
bei den niederen, aber in einem weit schwächeren Verhältnisse.
Die Vierhügel sind geradezu verhältnissmässig kleiner, und eben
so sind das verlängerte Mark und seine Verzweigungen in das
Gehirn bei dem Menschen verhältnissmässig nicht grösser als bei
irgend einem Thiere. Durch diesen Theil müssen bei allen Thie-
ren auf gleiche Art alle Nervenfasern des ganzen Rumpfes in
das Gehirn eintreten. Wir sehen daraus schon vorläufig, dass
das Gehirn Theile enthält, die bei allen Wirbelthieren eine glei-
che Bedeutung haben und gleich wichtig für das Leben sind;
wie denn in der That die Verletzung der Medulla oblongata für
alle gleich tödtlich, gleichsam das Centi’um des Lebens und aller
willkühr liehen Bewegungen angreift, während die Verletzung der
Hemisphären bei den Amphibien eine weit geringere Störung in
den Lebensverrichtungen erzeugt, als die Verletzung dieser Theile
bei den mit höheren intellectuellen Fähigkeiten begabten Wesen.
Ohne indess jetzt schon die Kräfte der verschiedenen Hirn-
theile ausser den intellectuellen Fähigkeiten zu untersuchen, wol-
len wir zuerst das Verhältniss der Seelcnthätigkeit zu dem Ge-
hirn überhaupt betrachten. Die vergleichende Anatomie zeigt
uns schon, dass wir in dem Gehirne die Quelle der intellectuel-
len Fähigkeiten suchen müssen, und sowohl die Versuche an den
Thieren, als die Geschichte der Verletzungen desselben im Vergleich
mit anderen Organen, bestätigen es. Es ist nun hier zu bewei-
sen, dass die Seelenfunctioncn in keinem andern Theile des Nerven-
systems, noch des Körpers überhaupt, als in dem Gehirne stattfinden.
Was zuerst die Nerven betrifft, so zeigen die Folgen ihrer
Verletzung, dass sie von dem Hirneinflusse getrennt, auch dem
Willenseinflusse und dem Bewusstwerden ihrer Zustände entzo-
gen sind; das Rückenmark verhält sich in dieser Hinsicht ganz
gleich den Nerven. Siehe oben p. 191. Jede Rückenmarksver-
letzung entzieht mit dem Hirneinflusse auch den W’^illenseinfluss
auf alle unter der verletzten Stelle abgehenden Nerven, dahin-
gegen alle über der verletzten Stelle des Rückenmarkes, so wie
der obere Theil durchschnittener Nerven noch Empfindungen
zum Bewusstseyn bringen können, und den Willenseinlluss von
dem Gehirne aus erfahren; der vordere Rumpftheil des Frosches
hinter dem Kopfe von dem Stamme getrennt, empfindet noch und
bewegt sich noch willkührlich. Durch diese Theilung hat also das
Organ der intellectuellen Vermögen nichts von seinen Kräften,
sondern nur an dem Bereich der Theile, über welche es herrscht,
verloren, gerade so, wie der Arnputirte durch den Verlust sei-
ner Glieder nichts von seinen intellectuellen Fähigkeiten, sondern
nur an Mitteln einbüsst, sie handelnd zu äussern.
3. Vom Gehirn. Krüße desselben. Seelenleben. 813
Noch weniger als das Rückenmark kann irgend» ein anderer
Theil des Rumpfes der Sitz der Seelenfunctionen seyn. Die Glie-
der können amputirt werden; die Eingeweide können !> räudig
d. h. todt sevn, und die Seele kann klar seyn, so lange das Le-
hen in diesen Fällen besteht; ja es kann nach dem Eintritt des
Brandes in einer entzündlichen Krankheit sogar die ganze Klar-
heit des Bewusstseyns , die verloren war, wieder eintreten. Dass
in entzündlichen Krankheiten wichtiger Eingeweide oft Delirien
eintreten, darf uns nicht wundern; denn von jeder Stelle des
Körpers, auch von solchen, die' man ohne Verlust dek* Seelenfä-
higkeiten amputiren kann, wie die Extremitäten , kann eine hef-
tige entzündliche Alfection durch die auf das Sensörium commune
gemachte heftige Impression Delirium erzeugen. Eine heftige
Hautentzündung bewirkt Delirium: warum sollte es nicht' die
Entzündung eines Eingeweides thun ; und doch kann jener Theil
der Haut mit dem ganzen Gliede fehlen, und die Seele nichts
entbehren. Hört nun dieser heftige Eindruck eines kranken
Theiles auf die Centralorgane durch den Brand oder Tod dieses
Theiles auf, so ist auch gleichsam der Schleier gehoben, weichet
das Sensörium commune klar zU' wirken hinderte, und auf kurze
Zeit bis zu dem Tode tritt die ganze Klarheit des Bewusstseyns
oft wieder ein. Auf diese Art lässt sich zeigen, dass alle in den»
Unterleibe enthaltenen Eingeweide der Sitz von Seelen lünctionen
nicht seyn können. Die entzündlichen Krankheiten der in der
Brusthöhle enthaltenen wichtigen Theilc, der Lungen und des
Herzens können schon tödten, ehe es zu einer Störung des Sen-
soriums kommt. Wir können indess an ihren chronischen Krank-’
heiten, an ihren Degenerationen auch mit Evidenz zeigen, dass
sie der Sitz von Seelen Verrichtungen nicht sind. Der Lungen-
kranke verliert nichts von seinen Seelenkrältcn trotz der gänzli-
chen Zerstörung seiner Lungen. Der Herzkranke kann im höch-
sten Grade geängstigt seyn, wie es jedesmal hei Störungen des
Kreislaufes geschieht; aber seine Seelenfunctionen sind unverändert;
und deutlich sehen wir, dass jedes Organ mit Ausnahme des Ge-
liirns entweder langsam aus der thierischen Oeconoinie herans-
trelen, oder kurze Zeit plötzlich ausfallen kann, ohne Störung
der Seeleiifunctiönen.
Ganz anders verhält cs sich bei dem Gehirne; jede lang-
same oder plötzliche Störung seiner Verrichtungen verändert
auch die iiitcUectnellen Fähigkeiten. Die Entzündung dieses Or-
ganes ist nie öhne Delirien;, und später ohne Stumpfsinn; der
Druck auf das grosse Gehirn bewirkt immer Delirium oder
Stumpfsinn, je nachdem es mit oder ohne Reizung stattfindet; so
wirkt aller Druck, rühre er von Knocheneindrücken, fremden
Körpern, Wasser, Blut, Eitet hör. Dicselhen Ursachen heben,
oft, je nach dem Sitze des Uebels, die Fähigkeit der willkührlichen'
Bewegung oder das Gedächtniss auf. So wie der Druck weggenom-
men ist, mit der Erhebung des Rnocheneindruckes, tritt die Besin-
nung, das Gedächtniss oft wieder ein ; ja man hat sogar beobachtet^-
dass der Kranke seinen Gedankengang sogleich da fortsetate, wo er
814 III. Buch. Nereenphysik. V. Alschn. Centraltheile d. Nervensyst.
durch die Verletzung unterbrochen worden. Bei der Verletzung des
grossen Gehirns bei den Thieren tritt Stumpfsinn, Besinnungslo-
sigkeit ein ; und so sind auch Lei den meisten Geisteskranken be-
deutende materielle Störungen im Gehirn vorhanden, wenn wir
auch in anderen Fällen, besonders in denjenigen, wo die Geistes-
krankheiten erblich sind, die feineren materiellen Veränderungen
einer bei microscopischer Feinheit wirkenden Faserung nicht mit
unseren schlechten Hülfsmitteln und Kenntnissen erkennen wer-
den. Man hat zwar hiergegen eingeworfen,, dass man sehr bedeu-
tende Zerstörungen einer ganzen Hemisphäre ohne Störung des
Geistes vorgeliinden hat; indessen zeigen die Versuche an Thie-
ren, dass seihst plötzliche Verletzungen bloss einer Hemisphäre
nicht sogleich vollen Stumpfsinn erzeugen, dass dieser erst dann,
ganz auftritt, w'enn beide Hemisphären entfernt sind, so dass es
scheint, dass die Hemisphären in den Seelenverrichtungen einan-
der unterstützen, ja ersetzen können.
Mehrere ausgezeichnete Gelehrte , wie namentlich Nasse,
haben eine der uusrigen gerade entgegengesetzte Ansicht ; in-
dem sie anerkennen , dass das Gehirn der Sitz der höheren
Seelenverrichtungen sey, behaupten sie gleichwohl, dass auch an-
dere Organe, z. ß. die des Unterleibes und der Brust, eine ge-
wisse Beziehung zu den Seelenverrichtuugen haben ; ja sie neigen
sich sogar zu der Ansicht hin, dass die Quelle der Leidenschaf-
ten in diesen Organen, die davon so leicht afficirt werden können,
wohl seyn könne, und sie stützen ihre Ansicht theils auf die Af-
fectionen dieser Organe in den Leidenschaften, theils auf ihre
krankhaften Veränderungen bei manchen Irren. Bei aller Hoch-
achtung, die ich vor diesen trefflichen Männern hege, muss ich
mir alle Mühe geben, die Nothwendigkelt einer solchen Annahme
zu widerlegen. Gewiss finden sich der Darmkanal, die Leber,
die Milz, d.ie Lungen, das Herz bei Irren oft krank, und selbst
zuweilen, wenn man nicht gerade eine grobe materielle Verände-
rung im Gehirn auillnden kann. Ich will auch gerne zugeben,
dass die RrarJiheit eines Eingeweides Veranlassung zur Entwicke-
lung einer Geisteskrankheit geben könne, wie andere veranlas-
sende Ursachen. Aber ich schliesse daraus nicht, dass dieses
oder jenes Eingeweide die Quelle von gewissen geistigen oder
leidenschaftlichen Beziehungen sey. Zur Erzeugung jeder Gei-
steskrankheit gehört eine Disposition im Gehirne; wenn diese er-
worben oder gar erblich da ist, so reicht jede anhaltende Stö-
rung der Functionen der Ccntralorgane durch eine Krankheit
irgend eines Eingeweides, vermöge der auf die Centralorgane
stattfindenden Impression, und durch die Gesetze der Mittheilung
der Zustände im Rückenmarke und Gehirne hin, diese Disposi-
tion zum Ausbruche zu bringen; gerade so, wie jeder Theil der
Körperoberfläche, der ohne Verlust der Se.ele entbehrt, abge-
schnitten werden kann, doch, so lange er lebt, durch eine hef-
tige Mittheilung seiner krankhaften Stimmung auf das Gehirn
sympathisch Delirium desselben bewirken kann. Daher kann
auch bei einem Irren dieser Art bei Entfernung der materiellen
3. Vom Gehirn, Kräfte desselben, Seelenleben. 815
Störungen in den Eingewelden, welche entfernter oder näher
auf das Gehirn inflniren, die Disposition wieder zurücktreten.
Was nun aher die Beziehung der Eingeweide zu den Lei-
denschaften betrifft, so sind diese zwar nicht zu läugnen, jedoch
bleibt in den hieher gehörigen Erfahrungen der Physiologie aus-
serordentlich viel zu lichten übrig. In diesem Theile unserer
Wissenschaft herrschen noch ziemlich allgemein Vorstellungen,
welche sich noch wenig von den Ueberlieicrungen des Vol-
kes entfernen. Dass die Leidenschaften vermöge eines im Ge-
hirn stattfindenden veränderten Zustandes entweder excilirend
oder deprimirend auf das ganze vom Gehirn abhängende Ner-
vensystem wirken, ist bekannt. In den excitirenden Leiden-
schaften finden Spannungen, und selbst eonvulsivische Bewe-
gungen gewisser Muskeln , nämlich vorzüglich aller von dem re-
spiratorischen System der Nerven (Nervus facialis eingeschlos-
sen) abhängigen Muskeln statt. Die Athembewegungen werden
bis zum Weinen, Seufzen, Schluchzen verändert, die Gesichts-
muskeln verzerrt; in den deprimirenden Leidenschaften, wie in
der Angst, im Schrecken, in der Furcht, sind alle Muskeln des
gesummten Körpers abgespannt, indem der motorische Einfluss
des Rückenmarkes und Gehirns abiiimmt. Die Füsse tragen
nicht, die Gesichtszüge werden hangend, das Auge starr, der
Blick gebannt, ohne Ausflucht, und diess kann bis zur momen-
tanen Lähmung des ganzen Körpers und besonders der Schliess-
muskeln fortschreiten. Die Bewegungen des Herzens werden in
beiderlei Leidenschaften häufiger, in den excitirenden zugleich hef-
tig, in den deprimirenden häufig und meist schwach. Die Empfin-
dungen werden in einigen oder vielen Theilen, besonders im Ge-
sicht und den Atliemwerkzeugen und Verdauungswerkzeugen,
oft im ganzen Nervensystem verändert. Die organischen Wir-
kungen der Leidenschaften verändern die Absonderungen der
Thränen, der Haut, die in den deprimirenden Leidenschaften kal-
ten Schweiss absondert, der Galle, deren Ausscheidung öfter ge-
stört wird, so dass sie in die Blutgefässwandungen eindringt und
Icterus erzeugt, des Urins, der wässrig wird, wie bei allen Ner-
venaffectionen ; sie modificiren zugleich die Actionen der kleinen
Gefässe, wodurch der Turgor der Haut verändert, und diese
bald roth, bald auch blass wird. Kurz, cs erfolgen die Wir-
kungen der Leidenschaften erstens auf die Athemnerven, den
N. facialis, N. vagus, die N. spinales respiratorii mit sarnmt
dem N. phrenicus, dann aber durch das Rückenmark auf das
ganze Rumpfnervensystem, sowohl der animalischen als- or-
ganischen Nerven. Aber ich kenne keinen einzigen Beweis, son-
dern blosse Traditionen, dass eine Leidenschaft bei gesunden
Menschen mehr auf ein Organ als auf ein anderes wirke. Man
sagt, das Herz habe eine Beziehung zur Freude, zum Kummer,
^tir Angst; aber in welcher heftigen excitirenden oder in wel-
cher deprimirenden Leidenschaft wird es nicht verändert? Ist
Cs nicht wie mit den Thränenwerkzeugen, welche in jeder hefti-
Scn Leidenschaft ergriffen werden können, da jede Leidenschaft,
Aerger, Zorn, Freude, Bewunderung, Rührung, Traurigkeit,
816 III. Buch, Neroenphysik. V.Abschn. Centrahheile ti. Neroensyst.
Schrecken, Angst, Furcht, his zum Weinen sich steigern kann.
Man hat behauptet, die Leher stehe in einer engen Beziehung
zu den Leidenschaften des Zorns und des Aergers; diess ist eine
uralte, in viele, auch physiologische Schriften ühergegangene,
aber ganz falsche Behauptung. Wohl werden manche Menschen
nach diesen Leidenschaften an der Leber afficirt, sie bekommen
eine gelbe Farbe, Schmerzen in der rechten Seite, oder gar Le-
berentzündung. Aber diess geschieht nur denen, welche leber-
krank sind, oder welche eine angeborne Disposition zu Leberaf-
fectionen haben. Den meisten geschieht nach dem heftigsten
Zorne und Aerger nichts der Art, hier darf ich mich ganz auf
die Erfahrungen meiner Leser berufen. Wie viele sind unter
uns, welche nach Aerger und Zorn von allem dem nichts em-
pfinden, die vielmehr sich den Magen verderben, weil es der
leicht ergreifbare Theil ist, während ein Anderer auf diese Lei-
denschaften seine Verdauungsorgane ganz ungeschwächt empfin-
det, aber jedesmal bei Zorn und Aerger eine heftige AlFection
des Herzens erleidet, weil es der bei ihm leicht angreifljare Theil
ist; und so ist es mit allen Leidenschaften. Keine einzige wirkt regel-
massig mehr auf die Leber, regelmässig auf den Magen, das Herz;
bei dem gesunden Menschen breiten sich ihre Wirkungen radia-
tim vom Gehirn über das Rückenmark, über das animalische und
organische Nervensystem aus. Alles Specielle ist auch individuell.
Der Schamröthe scheint es eigenlhümlich, dass sie die Haut des
Gesichtes röthet, indem eine Anhäufung des Blutes in den klei-
nen Gefässen stattfindet; allein viele Menschen werden von Aer-
ger, Zorn, Angst roth; und andere werden in der Scham, im
Aerger, im Zorne so gut wie in der Angst, im Schrecken, in der
Furcht blass. Nur bei dem Hepatischen, bei der hepatischen
Constitution erfolgt auf eine heftige Leidenschaft Gelbsucht, Le-
berentzündung. Kurz, wir sehen, dass die Wirkungen der Lei-
denschaften auf die verschiedenen Regionen der von dem Ge-
hirne abhängigen Tbeilc nichts für die Hypothese beweisen kön-
nen, dass die Leidenschaften, oder überhaupt gewisse Seelenver-
richtnngen ihren Sitz ausser dem Gehirne hätten.
Wenn wir nun theils aus vergleichend anatomischen, theils
aus physiologischen und pathologischen Gründen mit Bestimmt-
heit anerkennen müssen, • dass der Sitz der Seelenwirkungen im
Gehirne und in keinem andern Theile ist, dass die Nerven diese
Wirkungen anregen und vermöge ihrer Kräfte ausführen, und
dass alle übrigen Theile die Wirkungen der Nerven erfuhren, so
ist damit nur bewiesen, dass die Seele durch die Organisation
des Gehirns wirkt und thätig ist; es ist aber nicht damit be-
häuptet, dass ihr Wesen bloss seinen Sitz im Gehirne hat. ■ Es
könnte wohl seyn, dass die Seele nur in einem Organe von ei-
ner bestimmten Struetnr wirken und Wirkungen [empfanget
könnte, und doch vielleicht allgemeiner im Organismus verbröi-
tet wäre.
Wir wollen hier einige Thatsachen hervorheben, welche
entschieden beweisen, dass die Seele, wenn sie auch nur m
dem Gehirne wirksam ist, doch nicht ganz auf dasselbe be-
3, Vom Gehirn, Kräfte desselben, Seelenlehen, 817
schränkt Ist. Es genügen diess zu beweisen zwei Thatsachen.
Die eine ist, dass die niederen Thiere, wie Planarien, Polypen,
Würmer, theilbar sind, und dass Polypen und Würmer, wie
die Naiden, Nereiden (siehe oben p. 19.), selbst durch Theilung
ihres Körpers zeugen. Diese Thatsache zeigt uns, dass das Le-
bensprincip mit der Materie theilbar ist, indem aus getrennten
Stücken neue Individuen entstehen. Man kann diese Thiere
zwar beseelt in dem Sinne, wie die höheren Thiere, nicht nen-
nen; indessen hat jedes der getrennten Theile seinen besonderen
Willen und seine besonderen Begehrungen, und da zum Empfin-
den auch Bewnsstseyn und Aufmerksamkeit gehört, so haben wir
den Beweis, dass das psychische Princip dieser niederen Wesen,
mag es mit dem Lebensprincip eins oder nicht eins seyn, wie dieses
mit der Materie theilbar ist. Die zweite Thatsache ist, dass das
psychische Princip wie das Lehensprincip auch hei den höheren
und höchsten Thieren, ja seihst beim Menschen, in einem beschränk-
ten Sinne theilhar ist. Die höheren Thiere und die Menschen
erzeugen zwar keine neuen beseelten Individuen durch Theilung
ihrer seihst in mehrere Stücke; wohl aber durch Erzeugung des
Samens bei dem Manne, und des Keimes bei dem Weibe. Wie
die Zeugung des neuen Individuums bei der Berührung des weib-
lichen Keimes und des männlichen Samens stattfinden mag, wir
wissen, dass bei den Fischen, Fröschen, Salamandern die blosse,
selbst künstlich ausgefiihrte Beinihrung von Samen und Ei , ohne
allen Antheil von Selten des Männchens und Weibchens zur Er-
zeugung des neuen Individuums hinreicht, wie denn nach SpALiAir-
ZAi»i Eier des Frosches mit Froschsamen befeuchtet, befruchtet sind.
Es geht daraus hervor, dass der Keim des Weibchens und der
Same des Männchens Alles enthalten, was 'zur Aeusserung des
individuellen Lebensprincipes und der psychischen Functionen
der Thiere nöthig ist. Der Keim und der Samen, oder einer
von beiden muss also das Lebensprincip und das psychische Prin-
cip gleichsam latent enthalten; denn sonst könnte es sich nicht
bei der Entstehung des neuen Individuums äussern. Eben so
müssen wir auch bei den höchsten Thieren und dem Menschen
nothwendig annehmen, dass, wie der Same und das Ei alle Bedin-
gungen zu einem neuen belebten und beseelten Wesen enthalten,
sie auch selbst entweder beide, oder eines von beiden das Lebens-
princip und das psychische Princip im latenten Zustande ent-
halten. Ob das neue Individuum ausser (wie bei den Eierlegern)
oder in dem mütterlichen Körper (wie hei den Lebendiggebä-
renden) sich entwickelt, macht in dieser Frage gar nichts aus.
Wir sehen ans dieser Folge von Thatsachen und Vernunflschlüs-
sen, dass, obgleich die höheren Thiere und der Mensch nicht
Hiehr durch Zertheilung in mehrere Stücke, neue belebte und
heseelte Individuen zeugen, sie doch insofern noch in Hinsicht
des Lebensprincipes und psychischen Principes theilbar sind, als
Theil ihrer Materie, die Zeugungsflüssigkeiten, mit diesen
Frincipien, mögen sie eins oder getrennt seyn, beseelt ist.
Wenn diess aber so ist, so ist das psychische Princip offenbar
oicht auf das Gehirn beschränkt, sondern auch, wenngleich im
818 III, Buch, Nervenphysik, V, Abschn. Centraltheile d, Neroensyst.
latenten Zustande, in Theilen, die vom Geliirne weit entfernt
von dem Ganzen aLtrennLar sind, enthalten; und diess ist es,
was wir beweisen wollten.
Ob das Lebensprincip und das psychische Princip von dem
Gehirne aus in einem latenten Zustande auf den Wegen der Ner-
ven zum Samen oder Keime gelange, ob es im latenten Zustande
im Blute verbreitet werde, ob es im latenten Zustande im ganzen
Körper verbreitet sey, während es nur frei im Gehirne als dem
zu seiner Wirksamkeit organisirten Apparate wirkt und Wir-
kungen anderer Theile empfängt, alles diess ist nicht zu beantwor-
ten, auch wäre die Beantwortung für die gegenwärtige Untersu-
chung gleichgültig; es ist genug, dass wir wissen, dass der Same
und Keim nicht allein die Kraft zu einem belebten Individuum
enthalten, sondern auch das psychische Princip des neuen Wesens
im latenten Zustande enthalten müssen. Es ist fi'u’ unsern Zweck
jetzt genug, zu wissen, dass andere Theile des Körpers, als das
Gehirn, auch noch an dem psychischen Principe Tlieil haben,
dass aber diess Princip nur in dem Gehirne frei und thätig er-
scheint, w'eil hier die Organisation zu allen seinen Bewegungen
und Wirkungen auf die Kräfte anderer Theile, auf die motori-
schen Apparate, und zur Aufnahme der Wirkungen der sen-
sibeln Leiter ist. Nur in dem Gehirne ist Bewusstseyn, Vorstel-
lung, Gedanke, Wille, Leidenschaft möglich, und wenngleich das
Princip zur Erzeugung der Vorstellungen, Gedanken u. s. w. in
dem befruchteten Keime latent vorhanden ist, so muss dieser be-
seelte Keim doch erst die ganze Organisation des Gehirns er-
schaffen, dass das psychische Princip frei werde, und dass Vor-
stellungen, Gedanken, Wille u. s. w. erscheinen oder wirken. In
der hirnlosen Missgeburt , die während des Lebens im Uterus
bis zur Gehurt noch ernährt wird und leht, wurde das zur spä-
tem Aeusserung der Seele von dem belebten Keime erzeugte
Organ schon zu einer Zeit (durch Wassersucht) zerstört, ehe es
zum Freiwerden des psychischen Principes, zur Aeusserung der
Seelenfähigkeiten, ausgehildct war.
Ob das psychische Princip durch eine Verletzung des Gehirn-
baues selbst wesentlich modilicirt werde, ob in den Geisteskrankhei-
ten die Thätigkeit der Seele durch die Verletzung des Gehirns bloss
verändert werde, oder ob die Seele an sich krank seyn könne, kann
nach den vorausgeschickten Betrachtungen und Thatsachen jetzt er-
örtert werden. Da, wie wir hier gesehen haben, die Existenz der
Seele von dem unverletzten Baue des Gehirns nicht abhängt, da
sich ihr Daseyn, wenn auch latent, auch in dem von dem Mut-
tersfamme abgestossenen Keime erweist, so kann auch keine Ver-
änderung des Baues des Gehirns das Wesen der Seele seihst ver-
ändern, sondern ihre Thätigkeit nur zu kranken Actionen zwin-
gen. Nur die Thätigkeit der Seele hängt von der Integrität des
Faserbaues und der Mischung des Gehirnes ah. Die Art der
Thätigkeit, und die Art des Baues und Gebirnzustandes laufen
immer parallel; der letztere bestimmt immer die ej'stere, »her
das Wesen der Seele, ihre latente Kraft, so weit sie sich nicht
äussern muss, scheint durch keine Hirnveränderung bestimmbar-
3. Vom Gehirn. Kräfte desselben, Seelenleben. 819
Hält man sich hieran, so sind alle weiteren Erörterungen über
die letzte Ursache der Geisteskrankheiten, ülier den Antheil des
Gehirns und der Seele an denselben abgeschnitten, und der Arzt
hat bei allen abnormen Geisteszuständen immer und zuerst nur
den Zustand der materiellen Veränderung, welche die Seele zu
kranken Actionen zwingt, oder ihre Thätigkeit unterdrückt, ira
Auge !zu behalten. Wir kennen aus Berichten zwei Fälle von
angebornem Blödsinn mit einem so niedrigen Schädel, dass die
Abbildungen an den Zustand des Schädels bei der Hemicephalie
erinnern, obgleich das Cranium vollständig vorhanden ist. Es sind
die zwei in der Colonie Riwitsblott, eine Meile von Bromberg, leben-
den Söhne der WittAve Sohn, der eine von 17, der andere von 10
Jahren. Beide sind bei dem besten Wohlseyn so stupid, dass sie
sich des W'eges nach Hause auch bei einer geringen Entfernung
nicht erinnern, dass sie sich nicht ihre Beinkleider öffnen kön-
nen, obgleich sie mit allen Bewegungskräften eines gesunden
Menschen ausgerüstet sind, und auf alle Theile ihres Körpers
den Einfluss des Willens besitzen, den sie, obgleich lenksam und
ohne Bosheit, nur zum Essen und Trinken, und zum Zerstören von
allem, was ihnen in die Hände fällt, benutzen können. Auch in
diesen denkwürdigen Fällen dürfen wir keine angeborne Krank-
heit der Seele, keinen ursprünglichen Mangel des psychischen
Princlpes voraussetzen; gewiss Avar die Anlage zu der höchsten
Vollkommenheit in dem latenten Zustande des psychischen Prin-
cipes im Keime vorhanden; aber keine Entwickelung der Fähig-
keiten der höheren Seelenäusserungen war bei der unvollkomme-
nen Ausbildung deo Gehirns möglich, gleich wie die bei dem
gesunden Menschen eintretende plötzliche Veränderung des Hirn-
zustandes augenblicklich auch die Aeusserungen der Seele krank-
haft oder ihre Kraft sogar latent macht, die nach der Wegnahme
des Druckes auf das Gehirn . oft mit der ganzen Klarheit des
Bewusstseyns Aviederkehrt. Da die Materie durch die Thätigkeit
immer zugleich verändert wird (siche oben p. 51.), so versteht
es sich von seihst, dass abnorm angestrengte Thätigkeit der Seele,
und eine durch eingegangene Lebensverhältnisse bedingte ein-
seitige Richtung der Gelstesthätigkeit , oder die hervorgerufene
Heftigkeit der Seelenzustände auch Avieder auf die Organisation
des Seelenorganes zurückwirken muss. Wie sehr auch die Ent-
fernung dieser Ursachen in den Augen des Arztes wichtig ist;
der Zustand der Organe bleibt hier wie überall das Object des-
selben; und die Sündhaftigkeit, womit schwärmerische Aerzte
sich so viel zu schaffen machen, ist nicht das Wesen der Gei-
steskrankheit, sondern kann nur mit in den grossen Kreis ihrer
Veranlassenden Ursachen gehören.
Ob das Lebensprincip , von welchem im Keime die ganze
Organisation ausgeht, und welches auch das Organ für das Wir-
ken des psychischen Principes erzeugt, von dem letztem wesent-
lich verschieden sey, oder ob die Thätigkeit der Seele nur eine
Species der Wirkungen des Lehensprincipes sey, ist eine in
der empirischen Physiologie ganz unlösbare Frage. Wir wissen,
dass das Lebensprincip ohne Seelenäusserungen i'ortwirken kann;
820 III.Buch. Nervenphysik, V.Abschn, Centraltheile d.Nervensyst,
denn das Lebensprinclp erbält auch die hirn- und rückenmark-
lose Missgeburt noch bis zur Geburt lebend. Daraus kann man
nicht schliessen, dass das psychische Princip von dem Lebens-
princip dem Wesen nach verschieden sey; denn "wir haben schon
gesehen, dass es einen latenten Zustand des psychischen Princi-
pes in einem belebten Körper auch ausser dem Gehirne giebt.
Man kann aber eben so wenig daraus schliessen, dass das psychische
Leben nur eine Species der Wirkungen des Lebensprincipes sey;
wir sehen nur, was auch die Schöpfung des ganzen Embryos vor
der Entwickelung der Seelenfähigkeiten beweist, dass die Thä-
thigkeit der Seele zur Aeusserung des Lebensprincipes nicht noth-
wendig ist; dagegen wissen wir eben so bestimmt, dass die Thä-
tigkeit. der Seele ohne die Mitwirkung des Lebensprincipes in ei-
nem thieriscHen Körper nicht möglich ist; denn das Lebensprin-
cip erschafft und erhält die zur Thätigkeit der Seele nothwendige
Organisation des Gehirns.
Für die Ansicht, dass das psychische Lehen nur eine Mani-
festation des Lebensprincipes der thierischen Körper überhaupt
sey, kann man anführen, dass das psychische Princip nicht bloss
in einer Classe von thierischen Wesen, im Menschen, dass es
vielmehr bis zu den niedersten Thieren erscheint. Denn alles
Thierische ist beseelt, was der Sinncserscheinung auch ausser
den Sinnesempfindungen bewusst ist, was vorstellt, was Begeh-
rungen und Vorstellungen von ihrem Objecte und ihrer Befrie-
digung hat, was durch Vorstellungen und Begehrungen zu Wil-
lensactionen bestimmt wird. In diesem Umfange kommen psy-
chische Erscheinungen bis zu den niedersten Thieren vor; bei
den höheren Thieren treten zumal auch Leidenschaften auf. Auf
der andern Seite lässt sich für die Unabhängigkeit des psychi-
schen Principes von dem Lebensprincipe anfiihren, dass eine
ganze Classe der organischen belebten Wesen, die Pflanzen, aller
psychischen Erscheinungen entbehren. Indessen lässt sich dieser
Einwurf wieder durch die Annahme eines latenten Zustandes der
psychischen Seite des Lebensprincipes anfheben, und wo eine
Hypothese bloss insofern Haltung hat, als sich eine grosse Anzahl
der Thatsachen daraus erklären lassen, wird dieselbe durch eine
andere, welche die Thatsachen eben so erklärt, neutralisirt.
Beide Principien stimmen in ihren Wirkungen darin überein,
dass ihre Erscheinungen das Vernünftige seyn können; aber das
Vernünftige des psychischen Lehens ist blosses Bewusstseyn des
Vernünftigen, ohne alle schaffende Einwirkung auf die Organisa-
tion, auf die Materie; das Vernünftige der Thätigkeit des Le-
bensprincipes ist die Erzeugung der zweckmässigen Organisation
in der belebten Materie. Die in der Organisation des einfach-
sten Wesens sich ansdrückende Vernunft ist vielleicht erhabener
als das Höchste, was das Bewusstseyn eines thierischen Wesens
oder Menschen vorzustellen vermag. Alle Probleme der Physik
sind vor dieser schaffenden Thätigkeit gelöst. Vor der Natur,
welche das Auge, das Gehörorgan erzeugt, sind keine Probleme
über die Physik des Sehens, des Hörens verborgen. Sie ist auch
die Ursache des Instinktes, d. h. sie ist die Ursache, dass in dem
3. Vom Gehirn. Kräfte desselben. Seelenleben. 821
Sensorinm eines Thieres Tränme entstehen, die es za zweekmäs-
sigen, zu seinem Daseyn nöthigen und vernünftigen Handlungen
nöthigen, ohne dass die Seele des Geschöpfes das Geringste von
diesem vernünftigen Vorgänge und seinem Zusammenhänge einsieht.
Wenn es einen waliren Grund für die Ansicht giebt, dass
das psychische Leben auch nur eine Art der Manifestation des
Lebensprincipes der thierischen Wesen ist, so ist es der, dass bei-
derlei Wirkungen der Ausdruck der Vernunft seyn können, dass
die Erzeugung der Organisation des niedersten Thieres bei der
Entwickelung des Reimes der Ausdruck der höchsten Vernunft
ist, und dass das darin waltende Vernünftige alle bewussten See-
lenwirkungen dieses Geschöpfes weit überstrahlt. Ernst Stahi.
Hess Alle thierischen Wirkungen, weil sie zweckmässig sind, von
der Seele ausgehen. Diese Seele, wenn von ihr das psychische
Leben im engem Sinne abhängig ist und auslliesst, ist in Stahl’s
Sinne freilich etwas ganz Anderes und Höheres, als was wir ge-
wöhnlich Seelenleben nennen. Man sieht leicht ein, dass Stahl’s
Theorie die Anschauung von der vernunftgemässen wirkenden
Kraft in jedem lebenden Wesen zu Grunde liegt, dass er das,
was wir gewöhnlich Seelenleben nennen, als einen Ausfluss jener
letzten Ursache eines Geschöpfes ansah. Aber wenn diese letz-
tere Ansicht auch richtig seyn sollte, was sich empirisch nicht
beweisen lässt, so muss man doch immer festhalten, dass in das
bewusste und denkende Seelenwirken nur ein kleiner Tbeil
von den Wirkungen jener höhern, vernunftgemäss wirkenden Le-
bensseele fällt, welche die letzte Ursache eines Geschöpfes ist,
und welche in seiner Organisation, in seinen instinktmässi<»en
Trieben alle Schicksale desselljen im Zusammenfluss mit der äus-
sern Welt vorsieht.
Man fragt, ob das psychische Princip eine Thätlgkeit der
Materie oder selbstständige Kraft sey, ob es an den Leih bloss ge-
bunden sey, oder ob es nichts anders, als der Ausdruck eines ge-
wissen Zustandes, einer gewissen Zusammengesetztheit der Mate-
rie sey. Bewegung, Thätigkeit ist vielleicht der Urzustand der
Materie, da selbst die Ruhe der Massen von der Anziehung ihrer
Theilchen abhängt. Wenn es aber keinen Körper ohne Energie,
ohne Kraft, ohne Thätigkeit giebt, ist nicht die Seele selbst auch
der Ausdruck des Zustandes und der Zusammensetzung der Ma-
terie in den lebenden Wesen? Erscheint die Seele nach dem
Tode nicht mehr an den Leibe, weil die Materie ihren bisheri-
gen Zustand, ihre Zusammensetzung, die vereinte Wirkung und
Anziehung ihrer belebten Atome verloren hat, die nun nach
einem veränderten Zustand in andere Erscheinungsweisen über-
gehen ; oder erscheint die Seele nicht mehr an dem Körper, weil
sie nicht mehr an den Körper gebunden ist.
Allerdings sind die Erscheinungen des Seelenlebens, mag es
ein Ausfluss des Lebensprincips seyn, oder von einem selbstständigen
ttit dem Leben verknüpften Princip abhängen, durchaus an die
Organisation des Gehirns geknüpft; ohne die Unversehrtheit die-
ses so zus^nengesetzten Faserbaues erfolgt keine Wirkung der
eele auf die belebten Werkzeuge des Körpers; oder mit anderen
822 III. Buch, Nert>enphfsik, V, Ahschn, CeJüraltheile d. Nervensyst.
Worten, erscheint sie nicht an diesem, aber sie kann an ihm la-
tent seyn, wie ihre Quelle in den Zeugangsflüssigkeiten der tliie-
rischen Wesen vorhanden, aber latent ist. Indess, hier wieder-
holt sich dieselbe Frage: ist auch der latente Znstand der Seele
nur die Ruhe der einer gewissen Zusammensetzung der Materie
eingehornen Kraft, oder kann das Princip, unabhängig von aller
Materie, sich mit dieser verbinden und sie verlassen. Fliessen die
nach dem Materialismus allein thätigen Atome nach der Zerle-
gung der mit dem latenten Zustande des Lebens beseelten Mate-
rie in die Welt zurück, um wieder zur Quelle des Lebens sich
zu einen, wenn sie in einer gewissen Art wieder zusammengesetzt
werden; oder ist das latente Lebensprincip und psychische Prin-
cip auch von dem Zerfallen der Atome unabhängig; ist seine
Substanz immateriell, und weder die Thätigkeit der Atome der
Materie, noch die Thätigkeit der in gewisser Art vereinten Atome
der Materie? Obgleich man keine Lösung dieser physiologischen
Fragen von der empirischen Physiologie erwarten darf, so gieht
es doch Thatsachen, welche hei dem Versuche dieser Lösung zu
benutzen sind. Es gieht allerdings Ki'äfte der JVatur, oder im-
ponderahle Substanzen, welche, wenn auch nicht von der Mate-
rie unabhängig, doch ohne eine Veränderung in dem materiellen
Zustande des Körpers sie verlassen und auf andere übergehen
können, wie Licht, Electricltät , Magnetismus. Die Existenz die-
ser Principien, ihr Erscheinen an den Körpern, und ihr Ueber-
strömen von einem auf den andern Körper zeigt uns deutlich,
dass jener Materialismus, welcher ausser den Kräften der Atome
nichts anerkennt, grundlos ist; und ohne entfernter Weise das
Lebensprincip und psychische Princip mit jenen imponderabeln
Substanzen oder Kräften vergleichen zu wollen, sehen wir we-
nigstens, dass in den Thatsachen der Physik nichts ist, welches
die Möglichkeit eines von der Materie unabhängigen, wenngleich
in den organischen Körpern in der Materie wirkenden immate-
riellen Princips aufhöbe.
Wir müssen hier ein anderes Räthsel berühren , dessen
schon im Anfänge dieses Lehrbuches p. 38. gedacht wurde. Es
ist die Frage nach der Ursache des beständigen Vergehens
und der Wiedererzeugnng belebter und beseelter individueller
Wesen. Das Lebensprincip wächst nicht allein an Intensität
während des Wachsthums der organischen Körper, es ver-
vielfältigt sich auch durch die Theilung und Zeugung. Aus ei-
nem lebenden Wesen entstehen viele andere, eben so kräftige
und productive, aus diesen wieder andere, während die organi-
sche Kraft der sterbenden vergeht oder latent wird. Diese Ver-
vielfältigung belebter Wesen geschieht nicht bloss durch ein Ue-
bertragen i^des wirksamen Principes von dem Producenten auf
das Product. Denn der Producent bleibt auch nach der Ver-
vielfältigung zu 'neuen Productionen fähig, bis er zuletzt vergeht.
Dasselbe gUt aber von dem psychischen Princip. Der Zeugende
verliert dasselbe nicht durch das Zeugen eines neuen beseelten
Producenten, aber nach der fortdauernden Erzeugung neuer be-
seelter Wesen wird die Psyche der zeugenden Eltern mit dem
3. Vom Gehirn. Verlängertes Mark.
823
Sterben für uns latent. Wie ist es nun möglich, dass das Le-
bensprincip xind die Psyche sich in immer neuen Individuen
ins Unendliche multiplicirt, während doch die Producenten nach
der Production beseelt lileihen und später vergehen ; M’ie ist
diese unendliche Multiplieation des psychischen Principes mit
dem Lebensprincip denkbar? Darauf giebt es zwei Antwor-
ten, deren sich keine erweisen lässt. Die erste ist die, dass
das Princip des Lehens und das psychische Princip in allen
Materien, durch deren Aneignung die thierischen Kjörper wach-
sen und 2ur Multiplieation fähig werden, im latenten Zustande
vertheilt seyen , und durch die Organisation in den belebten und
beseelten Körpern in Erscheinung treten. Diess ist die Lö-
sung'j welche der Pantheismus aiif jene Frage ertheilt. Diese
Lösung ist es, welche an der Unsterblichkeit der individuell
beseelten Wesen zweifelt, und auf die Unstei’hlichkeit des Welt-
geistes reducirt ist. Die zweite Antwort ist, dass das Lebens-
princip und psychische Princip nicht latent in allen zur An-
eignung dienenden Materien verbreitet sind, dass das Lebens-
princip vielmehr nur in den belebten Wesen ist, und dass das
psychische Princip, so lange sie leben, an ihre Materie gebunden
ist. Bei dieser Ansicht lässt sich die Multiplieation der beseelten
Individuen nur durch die Annahme erklären, dass das psychische
Princip, wenn es sich durch die Zeugung ins Unendliche mnlti-
plicirt, eine Substanz sey, welche durch Vertheihing nie weder
vergehen noch an Intensität geschwächt werden kann. Dieses
Princip würde von allen Kräften sieh dadurch unterscheiden, dass
es eine durch Theilung, selbst bis ins unendliche, unveräusserli-
che und nicht zu schwächende Kraft wäre. Eine Supposition,
die für unsern Verstand unbegreiflich ist, und wozu doch jeder
gedrängt wird, der dem Pantheismus entgegenstrebt, und mit dem
uns eingebornen Glauben an die Unsterblichkeit nicht des psychi-
schen Prineipes überhaupt, sondern der individuell beseelten Wesen,
den Abgrund, welchen keine Wissenschaft ausfüllen kann, überflügelt.
Die specielle Physiologie des Seelenlebens folgt erst später
nach der Physiologie der Sinne im sechsten Buche dieses Werkes.
Hier kömmt dieser Gegenstand nur in den allgemeinsten Bezie-
hungen zum Gehirne vor.
III. Von dem verlängerten M.irkc.
Durch das verlängerte Mark ist das Gehirn mit dem Rücken-
mark in Wechselwirkung, die Kenntniss des Verlaufs der Stränge
desselben ist daher für den Physiologen von besonderer Wich-
tigkeit. Bubdacii hat diesen Gegenstand in seinem verdienstvol-
len Werke über den Bau und das Leben des Gehirns mehr als
Andere aufgehellt. Man unterscheidet jetzt folgende Stränge des
verlängerten Markes :
1) die Pyramiden; sie bilden sich nach Bubuach aus Grund-
fasern und Kreuzungsfäsern. Die Grundfäsern liegen an der vor-
deren Fläche des grauen Kernstranges, sie bilden die hintere
^»nd des vorderen Einschnittes des Rückenmarkek^' steigen aber
Müller’s Physiologie. 53
824 III. Buch, Neroenphysik, V. Ahschn. Centraltheile d. Nerpensyst.
am Halse 3| — 1|- Zoll unter der Brücke schräg nach vorn her-
auf, so dass sie anfangs, die Seitenwände des vordem Einschnit-
tes Bildend, zuletzt zu Beiden Seiten des Einschnittes an der
vordem Fläche des Rückenmarkes hervortreten, und an der In-
nern Seite des innern vordem Rückenmarkstranges sich hervor-
drängen. Die Kreuzungsfasern sind ein Arm des Seitenstranges
des Rückenmarkes, welcher hinter der Olive weggeht, schräg
nach innen und vorn anfsteigt , und mit den Grundfasern an der
Oberfläche zur Seite des voidern Einschnittes des Rückenmarkes
1 Zoll unter der Brücke hervortritt. Nur die Kreuzungsfasern
kreuzen sich, d. h. kommen von der einen Seite des Einschnittes
zur andern, und legen sich an die entgegengesetzten Grundfa-
sern an. BuRnACH a. a. O. 2. .31. Die FaSern der Pyramiden ge-
hen durch die Bündel der Querfasern der Brücke in die Hirn-
schenkel über.
2) Die Hülsenstränge sind nach BuRnAcu die an der innern
und äussern Seite der Olive verlaufenden Faserhündel, welche
an der Oberfläche des verlängerten Markes nicht hlossliegen.
Der vordere Uülsenstrang entsteht aus den Markfasern am vor-
dem Einschnitte des Rückenmarkes, welche an der Stelle, wo
die Pyramiden hervortreten, von der Pyramide nach aussen ge-
drängt werden. Der äussere Hülsenstrang ist der äussere Theil
der vordem Rückenmarksstränge an der Innern Seite der vor-
dem Wnrzelreihe. Beide Hülsenstränge liegen an einander bis
da, wo die Olive zwischen ihnen hervortritt. Die inneren Hül-
sensträngc gehen durch die Brücke mit den Pyramiden in die Hirn-
schenkel über. Die äusseren Hülsenstränge treten nach oben
und innen um den obern Theil der Processus cerebelli ad Cor-
pora quadrigemina, und sofort in die. Basis der Vierhügel über.
3) Die Olive entsteht durch die Ausbreitung des vordem
grauen Stranges im verlängerten Marke. An dieser Stelle geht
von dem grauen Strange eine mit weisser Markmasse ge-
füllte, gefaltete graue Blase ah, die auch äusserlich mit Mark-
masse überzogen ist. Die graue gefaltete Blase und der markige
Kern erscheinen auf dem Durchschnitte als Corpus dentatum
der Olive.
4) Der Seitenstrang des Rückenmarkes giebt am Anfänge des
vei’längerten Markes die Kreuzungsfasern der Pyramiden nach
innen ah, der übrige Theil schlägt sich über der Olive in den
Schenkel des kleinen Gehirns zum verlängerten Marke, und geht
auch ziun - Theil im äussern Theile der Rautengrube fort. Bur-
dach a. a. O. p. 35.
5t Der Keilstrang entsteht aus den die hinteren grauen Stränge
des Rückenmarkes bedeckenden Markfasern, welche, an der obern
Seite des Seitenstranges, gelegen, mit den Fasern des Seitenstran-
ges zusammen den Schenkel des kleinen Gehirns zum verlänger-
ten Marke bilden ; seine inneren Fasern laufen als äussere Theile
der Wände der Rairtengruhe fort nach dem grossen Gehirne.
6) An :dcr, innern hintern Fläche des Kcilstranges liegt der
zarte ’S trung,i- dessen innere Seitenfläche die Seitenwand des hin-
tern Einschnittes ' bildet , und ziun Theil an der entsprechenden
3. Vom Gehirn. Verlängertes Mark.
825
Fläche des Stranges der andern Seite dicht anliegt. An der
Spitze der Rautengruhe schwillt dieser Strang an und bildet einen
keulenförmigen \Vulst. Burbach a. a. O. p. 37.
7) Die runden Stränge kommen durch das Äuseinanderwel-
chen der zarten Stränge als Seitenwände des Bückenmarkskana-
les zum Vorscliein, sic kommen zwischen den auseinanderwei-
chenden zarten Strängen in die Rautengruhe, und gehen durch
den Einschnitt getrennt vorwärts, den Boden der Rautengruhe
bildend, und bis in den vordem und untern Umfang der Was-
serleitung sich fortsetzend,
Auf eine ausführliche Beschreibung der Hirnfaserungen kann
man sich hier nicht einlassen und verweist auf das Werk von
Eubdacu und Lahgenbeck’s Icones , und in Hinsicht der Zusam-
menstellung der neueren Forschungeij über den Bau des Gehirns
auf E. H. Wf.brr’s Anatomie., und eine sehr zweckmässige, klare
und genaue Darstellung desselben von D’Alton im XI. Bande des
encyclopädisehen IV örierbi^hs der medieirtischr./i Wissenschaften.
Was. die Kräfte des verlängerten Afarkes betrifft, so ist zu-
erst zu bemerken, dass es im Allgemeinen die Eigenschaften des
Rückenmarkes theilti es ist so gut wie das Rückenmark Refle-
ctor, ja kein Tliell des ganzen Nervensystems ist so sehr zui- Re-
flexion geneigt, als dieser Theil; depn die Reizungen der voin
verlängerten Marke entspringenden Nerven bringen vor allen an-
deren Nerven am - leichtesten Reflexionsbewegungqn hervor; es
gehört mit zu den motorisclien Apparaten, und kein Theil des
Nervensystems hirt einen so grossen Einfluss auf Hervorbrin-
gung von Bewegungen, als dieser; de|)n bei Reizung desselben
erfolgen Zuckungen am ganzen Rumpfe, und bei der Verletzung
dessellxen ift der ganze Rumpf gelähmt. Aber wodurch sich das
verlängerte Mark vor allen Theilen der Centralorgane . auszeich-
net, sind folgende Eigenschaften.
1) Es ist die Quelle aller Athembewegungen, wie schon oben
p. 331. aus den Versuchen vop Legallois gezeigt wurde. Wird
das' Gehirn von vorn nach hinten bei einem Thiere zerstört, §o
hört das Athmen erst auf bei der Verletzung der Medullu oblopr
gata. In diesem Organe liegt also die Quelle der periodischen
Inspirationen, der veränderten Atliemhewcgungfin, der krankhat-
ten, Respirationsbewegungeii bei den Reizungen der Empfindung^
nerven in den Schleimhäuten. Auf dasselbe, virkeu dje Leiden-
schaften hei Erregung aller Respirationm«rvpn, dep N. facialis
eingeschlossen; in ihm ist das Primum movens. zu den Bewegun-
gen, die das Weinen, Lachen, Schluchzen, Seufzen, Gähnen, Hu-
sten, Erbrechen u. s, w. begleiten oder bewirken; bei welchen
Bewegungen immer das ganze System der respirptprischen, Ner-
ven und -der N. facialis afficirt ist; So wie. ein Theil dieser Be-
wegungen von dem verlängerten .Marke aus, in Leidenschaften
bewirkt wird, so entstehen 'Siß .durch eine Wirkung des- Semso-
riums auf das verlängerte Murk ,, oft auch durch blosse; Vorstel-
lungen, wie das La«ben, Weinen, Gähnen. Die Disposition, zum
Gähnen scheint. ]>ei dem Zustande der Ermüdung in den Cen-
traltheilen des Nervensy^ems immer vorhanden zu .seyn; , tritt
53*
826 IIT. Buch. Ncrpenphysik. V. Ahschn. Ceniraltheüe d. Nervensyst.
dann die Vorstellung vom Gälinen dazn, indem wir Andere g'ali-
nen sehen, so wird die Disposition oftienhar und wir gähnen
wirklich. Bei dieser Bewegung ist wieder das System der respi-
ratorischen Nerven und der Nervus facialis alllicirt, sowohl die
Gesichtsäste als derjenige, der sich im Musculus digastricus
verbreitet.
2) Es ist der Sitz des Willenseinflusses. Denn wie die Ver-
suche von FLOtruESS zeigen, sind die Thiere, welche die Hemisphären
des grossen Gehirns vei^oren haben, zwar betäubt, aber noch fähig,
Bewegungen willkührlich auszufiihren ; andrerseits behalten die
Thiere diese Fähigkeit auch nach Hinwegnahme des kleinen Ge-
hirns, wodurch bloss die Kraft der Bewegungen und die Fähigkeit
zu zusammenhängenden Ortsbewegungen aufgehoben wird. Vergl.
über hirnlose Missgeburten mit willkührlicher Bewegung, oben
p. 333., Mueller’s Archia 1834. p. 168.
3) In diesem Organe ist auch der Sitz des Empfindungsver-
mögens; nicht allein dass alle Gehirnnerven, mit Ausnahme des
ersten und zweiten, mit den Fortsetzungen des verlängerten Markes
im Gehirne oder mit diesem selbst Zusammenhängen, wird dieser
Satz auch durch die Geschichte der Verletzungen der Hirntbeile
erwiesen. Aus den Versuchen von Magesdie und Desmouliss
geht hervor, dass ein Thier nach dem Vo'liistc der Hemisphä-
ren des grossen Gehirns und des kleinen Gehirns das Empfin-
dungsvermögen nicht verloren hat. Mit der Hinwegnähmc der
Hemisphären werden zwar die Centralorgane des Gesichtssinnes
und Geruchssinnes entfernt, und es tritt Blindheit ein; dagegen
Scheint das Bewusstwerden der Empfindungen nicht an die He-
misphären des' grossen Gehirns geknüpft zu seyn. Floukens hat
zwar aus Seinen Versuchen über Hinwegnahme der grossen He-
misphären geschlossen, dass diese Theile allein die Centralorganc
der Empfindungen seyen, und dass ein Thier nach der W'eg-
nahme derselben gar nicht empfinde. Indessen folgt diess nicht
aus seinen sonst so interessanten Versuchen, sondern gerade das
Gegentheil, wie schon Cuvier in seinem Berichte über diese Ver-
suche bemerkt hat. Es wird zwar ein Thier nach dem Verluste
der Hemisphären des grossen Gehirns stumpfsinnig, aber gleich-
wohl zeigt es ganz deutliche ZeiClten von Empfindung, nicht von
blosser Reflexion. Es bestimmt sich selbst nicht mehr zu Bewe-
gungen, aber weün man es ’stösst, zeigt es das Benehmen eines
eben aufwaChenden Thieres. Bringt man es in eine andere Lage,
so sucht es das Gleichgewicht; auf den Rücken gelegt, steht es
auf; angestosaen, hüpft es; Vögel in die Luft geworfen, machen
Versuche zu fliegen; Frösche hüpfen fort. Wohl hat das Thier
kein Gedächtniss mehr, es überlegt nicht, aber es empfindet den-
noch, und reagirt gegen Empfindungen durch Bewegungen, wel-
che keine blossen Reflexionsphänomene sind. CtrviEn vergleicht
diese Thiere ganz richtig einem schlafenden Menschen, auch die-
ser sucht im Schläfe noch eine bequeme Lage; er empfindet.
Cuvier’s Bencht etc. in Flouhess B'ersuche und Untersuchungen
über die Eigenschaften und Verrichtungen des Nervensystems. Lpzg.
1824. p. 71.
3. Vom Gehirn. Verlängertes Mark. 827
Mau muss bei den Empfindungen eines gesunden beseelten
Wesens wohl die Empfindungen selbst von der Aufmerksamkeit
auf dieselben, und von der Fähigkeit, Vorstellungen aus den Etn-
pfindurigen zu bilden, unterscheiden. Die Aufmerksamkeit scheint
eine Thätigkeit der Hemisphären des grossen Gehirns zu seyn;
mit ihrem Verluste tritt Stumpfsinn ein, die Empfindung bleibt.
Dagegen kann ein gesunder Mensch unter einer gewissen Anzahl
zugleich stattfindender Empfindungen einer einzigen derselben
seine Attention zuwenden, und sie zur herrschenden, zu derjenigen
machen, deren er sich in ihrem ganzen Umfange, in ihrer ganzen
Stärke bewusst wird, die Vorstellungen in ihm erregt, während
andere Empfindungen zwar auch bewusst werden, aber undeut-
lich sind, wenn die Attention auf sie nicht gerichtet ist. Ja
■wir sind selbst im Stande, in einem Gesichtseindrucke von einer
architectonischen Rose oder zusammengesetzten andern Figur,
bald den einen, bald den andern durch das Ganze durchstrehen-
der Theil der Figur mit Attention stärker zu empfinden, wo-
durch wir zur Zergliederung zusammengesetzter Figuren bestimmt
werden. So sind wir auch fähig, unter einer Menge zugleich
wirkender miisikalischer Instrumente ein einzelnes und oft das
schwächste mit Aufmerksamkeit zu verfolgen, während die Töne
der anderen Instrumente des Orchesters nur dunkle Empfindungen
in uns erregen. Und so hängt also die Deutlichkeit der Empfin-
gen von der Mitwirkung edlerer Organe ab, welche nach dem
Verluste der Hemisphären des grossen Gehirns verloren sitid,
während das verlängerte Mark dunkler Empfindungen fähig ist.
Einige haben geglaubt, dass das verlängerte Mark, wie es
der Sitz des Willens ist, auch das Centralorgan für alle Em-
pfindungen sey. Diess scheint uns ein Missverständniss, wenn
man unter dem verlängerten Marke bloss den angeschwollenen
obersten Theil des Rückenmarkes versteht, und nicht zugleich
die Fortsetzungen desselben in das grosse Gehirn im Sinne hat.
Allerdings ist das verlängerte Mark im engem Sinne das Central-
organ für alle Gcfühlsempfindungen, und sie finden nach dem
Verluste des grossen Gehirns noch statt, aber ohne Attention.
Andrerseits giebt es aber auch für den Gesichtssinn und den
Geruchssinn Centralapparate, die in den Hemisphären des gros-
sen Gehirns liegen. Nach ihrer Verletzung hört das Sehen und
Riechen auf, wie z. B. nach Verletzung des vordem Vicrhügelpaa-
res, des Thalamus opticus, und überhaupt der tieferen Theile der
Hemisphären Blindheit eintrilt. Es scheint also, dass die Cen-
tralorgane der verschiedenen Sinne lür sich bestehen; mögen sie
auch zum Theil zu den Verlängerungen des Systems der Stränge der
Medulla oblongata gehören, so scheint doch ihre Wirkung isollrt
stattfinden zu können, und erst durch Mitwirkung der Hemi-
sphären des grossen Gehirns mit den Ceutralorgancn der Sinne
tritt die Attention, die deutliche Anschauung der durch die ver-
schiedenen Centralorgane der Sinne dargebotenen Empfindungen
ein. Diess ist vor der Hand wahrscheinlich, doch zum Beweise
fehlt noch manche Thatsache. Es scheint zwar einerseits ge-
wiss, dass nach Wegnahme des Centralapparates für das Sehen
828 in. Buch. Nervenphysik. V. Abschn. Centraltheile d. Nervensysl.
noch durch das verlängerte Mark die Gefühlsempfindungen mit
Bewusstseyn stattfinden können ; aber wir wissen andrerseits nicht,
ob nach dem Verluste des verlängerten Markes in den Centralor-
ganen der übrigen Sinne noch Empfindungen stattfinden können.
Mit der Verletzung des verlängerten Markes hört das Atbmen
auf, dadurch sinkt das Leben auf ein Minimum herab, bei wel-
chem es unmöglich ist, Beobachtungen über die Fortdauer der
Sinnesempfindungen des Gesichtssinnes, Geruchssinnes u. s. w. , an-
zustcllen. Immer bleibt es aber jetzt am wahrscheinlichsten,
dass die Hernisjjhären des grossen Gehirnes, und nicht das verlän-
gerte Mark es sind, in welche die Wirkungen der verschiedenen
Centralapparate der Empfindungen enden, und wo die von einan-
der unabhängigen Empfindungen zu Sinnesanschauungen umge-
staltet werden.
Was den Gehörsinn betrifft, so nimmt man gewöhnlich an,
dass sein Centralorgan der Boden des vierten Ventrikels sey,
weil die Fasern 'des Gehörnerven von dort entspringen. Fnou-
»EHS hingegen behauptet, dass nach dem Verluste der He-
misphären des grossen Gehirns das Gehör aufhöre, obgleich Vö-
gel nach dem Verluste noch Monate lang erhalten werden kön-
nen, wie Flourens und Hertwig beobachtet haben. Mag indess
auch die Gehörempfindung an die Integrität des Bodens des vier-
ten Ventrikels geknüpft seyn, so scheinen doch die weisseu queren
Markfasern der Rautengrube, welche durchaus nicht constant mit
dem Gehörnerven Zusammenhängen, und zuweilen deutlich über
die obere Wurzel des Gehörnerven in die Schenkel des kleinen
Gehirns zur Brücke übergehen, nicht die wichtige Rolle bei den
Gehörempfindmigen zu spielen, welche man ihnen so oft beilegt.
Wir besitzen das Gehirn eines Mädchens in unserem Museum,
das nach einem Falle auf den Nacken und das Hinterhaupt all-
mählig am ganzen Körper gelähmt wurde , und wo sich auf dem
Boden der Rautengrube auf den queren Markstreifen eine Exsu-
dation von Faserstoff befand, ohne dass das Gehör dieses Sub-
jectes gelitten hätte. Siehe Fiscber de rariore cncephalitidis casu.
ßerol. 1834.
IV. Von den Vierhügcln.
Die Vierhügel der Säugetlnere und die Lobi optici der Vögel,
Amphibien und Fische gehören zu dem Centralapparate des Gesichts-
sinnes mit den Thalami optici der höheren Thiere. Nimmt man
bei einer Taube einen der Lobi optici, oder bei einem Säugethiere
eine Hälfte der Corpora quadrigemiua weg, so erfolgt nach FloU"
REHS (bei|Säugethieren nacliMAGESDiE nicht) Blindheit auf der entge-
gengesetzten Seite, aber die Regenbogenhaut auf diesem Auge bleibt
noch lange beweglich. Die Thiere drehen sich oft um sich selbst, und
zwar nach der Seite, wo der Körper weggenommen worden, was
auch Magekdie und Desmoulins fanden. Dieses Drehen, welches
auch bei Fröschen bemei’kt wird, scheint die Folge eines Schwin-
dels zu seyn. Wurde unversehrten Tauben das eine Auge zuge-
bunden, so drehten sie sich auch, aber nicht so heftig, und
3. Vom Gehirn. Vierhilgel.
829
nicht so lange, als die verstümmelte Tanhe. Bei der Ver-
letzung der Vierhügel treten immer Conviilsionen auf der entge-
gengesetzten Seite des Rumpfes ein; auch wird die entgegenge-
setzte Seite des Körpers von Muskelschwächc befallen.
Eine merkwürdige Ersclieiiiung ist, dass die Contractilität
der Iris nach der oberllächlicheu Verletzung eines Lohus opti-
cus nicht verloren geht, während die vollständige Wegnahme ei-
nes Lohns opticus die Contractilität der Irls auf hebt; dahingegen
mit der Verletzung eines Lohus opticus jedesmal das Gesicht auf
der entgegengesetzten Seite verloren geht. Flottbeks erklärt
diess daraus, dass eine unvollkommene Exstirpation der Lohi op-
tici die Excitabilität der Sehnerven nicht auf hebt, weil sie nicht
alle Wurzeln der Sehnerven zerstört. Von der Excitation der
Sehnerven durch das Licht hängt aber die Bewegung der Iris
ab; denn sobald Floubess die Sehnerven selbst reizte, entstand
eine Contraction der Iris, und nach Durchschneidung der blossen
Sehnerven zieht sich die Iris nicht mehr gegen Lichtreiz zusam-
men. Diese Ei'klärung ist auch richtig; indess lässt sich die
Fortdauer der Bewegung der Iris gegen das Licht nach der
oberflächlichen Verletzung des Lohns opticus einer Seite auch
noch einfacher erklären. Denn zur Bewegung der Iris ist o* al-
lein schon hinreichend, dass der Sehnerve der andern Seite von
dem Lichte gereizt wird, wie auch im gesunden Zustande die
Iris des einen Auges auf die Reizung der Retina des andern Au-
ges contrahirt wird. Durch die Üntersuchungen von Hebtwig
{Exp. de effectibus laesionum in pariihus encephaU. Berol. 1826.)
sind die Versuche von Floubeks fast durchgängig bestätigt wor-
den. Dieselben zeigten nämlich, dass die theilweise Verletzung
eines der Vierhügel bei Säugethieren und Vögeln Muskelschwä-
che und Verlust des Gesichtes auf der entgegengesetzten Seite
des Körpers hervorbringt, dass das Sehen nach einer theil-
weisen Verletzung der Vierhügel zwar auf eine Zeitlang ver-
schwindet, aber dann wiederkehrt; -dass die Bewegung der Iris
durch theilweise Verletzung eines der Vierhügel nicht aufge-
hoben wird, sondern zuweilen fortdauert; dass durch die tie-
fere oder gänzliche Exstirpation der Vierhügcl sowohl das Seh-
vermögen als die Contraction der Iris gänzlich verloren gehen;
dass die Verletzung der Vierhügel in dem Auge fast dasselbe
bewirkt, als die Verletzung der Sehnerven; dass auf die Ver-
letzung eines der Hügel eine Muskelschwäche auf der entgegen-
gesetzten Seite des Körpers eintritt, aber einige Zeit darauf wieder
verschwindet; dass mit dieser Verletzung auf einer Seite zugleich
eine schwindelartige Bewegung der Thiere im Kreise entsteht;
dass durch die Verletzung der Vierhügel bloss die genannten
Erscheinungen, nicht aber irgend eine andere Störung z. B. des
Gedächtnisses, des Bewusstseyns bewirkt wird.
Hertwig’s Beobachtungen weichen nur darin von denen von
Floubeks ab, dass Hebtwig bei Verletzung der Vierhügel keine
Convulsionen entstehen sah, dalier es wahrscheinlich ist, dass
Floubeks abweichende Resultate von einem zu tiefen Eindiängcn
Abhängen.
830 III, Buch. Nert>enphjrsik. V.Abschn, Centraliheile d.Nervensyst.
V. Vom kleinen Gehirne.
lieber die Kräfte des kleinen Gehirns haben Rolando, Ftoti-
REHS , Magendie, Schoeps und Hertwig interessante Versuche an-
gestellt. Aus den Untersuchungen von RoLAnno {Journal de phf-
siol. 1823., Saggio sopra la vcra siruttura del ceroello, edit. 3.
Torrn. 1828. 3 Vol.) ergiebt sich, dass die Abnahme der Bewe-
gungen mit der Verletzung des kleinen Gehirns im geraden Ver-
hältnisse steht, dass die Thiere durch diese Verletzung nicht be-
täubt werden, und ihre Empfindungskraft in allen Theilen be-
halten, dass sie aber die Krall ihrer Muskelbewegungen verlieren.
Die Thiere haben die Augen offen, sie betrachten alle Gegen-
stände, aber umsonst versuchen sie sich in der zur Ortsverände-
rnng nöthigen Bewegung. Ein Thier, dem die eine Seite des kleinen
Gehirns weggenommen ist, fällt auf dieselbe Seite, und kann sich
auf dem Beine derselben Seite nicht mehr erhalten (?). Diese Beob-
achtungen bestimmten Rolando zu der unenveislichen Annahme,
dass das kleine Gehirn das Erzeugungsorgan für das Nervenprincip
sey, welches er mit dem electrischen Principe vergleicht, und dass
die abwechselnden Lagen von grauer und weisser Substanz, wie auch
Reu, glaubte, als eine galvanische Säule wirken. Die Versuche von
Flovrens sind in ihren Resultaten klarer und entscheidender. Er
ftind, dass die Thiere bei dem Abtragen des kleinen Gehirns
keine Empfindungen zeigen (Versuche etc. p. 18.). Nahm er bei
Vögeln Schnitt für Schnitt das kleine Gehirn weg, so trat Schwä-
che der Mnskelbewegnngen und Mangel an Üebereinstimmung
derselben ein. Nach der Wegnahme der oberflächlichen und
mittleren Lagen wurden die Thiere unruhig, ohne in Convulsion
zu gerathen; sie machten heftige und ungeregelte Bewegungen,
aber sahen und hörten. Als die letzten Lagen -weggenornmen
wurden, verloren die Thiere die Fähigkeit zum Springen, Flie-
gen, Gehen, Stehen, zur Erhaltung des Gleichgewichtes. Wurde
ein Vogel in diesem Zustande auf den Rücken gelegt, so konnte
er nicht mehr aufstehen, er flatterte beständig' und zeigte keine
Betäubung; er sah den Streich, den man nach ihm fuhren wollte,
und wollte ihn vermeiden. Es blieh also Wille, Empfindung und
Besinnung, und nur die Kraft und Fähigkeit, die Bewegungen der
Muskeln gruppenweise zweckmässig zu Ortsbewegungen zu ver-
binden, war verloren, und seine Anstrengungen zur Erhaltung
des Gleichgewichtes waren wie die eines Trunkenen (a. a. O. p. 34.).
Aus diesen Versuchen, die Flouress in allen Thierclassen über-
einstimmende Resultate gaben, schliesst derselbe, dass das kleine
Gehirn weder zu den sensoriellen, noch zu den intellectuellen Appa-
raten gehört, dass in ihm nicht die Quelle der Avillkührlichen Be-
wegungen liegt, dass es zwar zu den motorischen Apparaten
gehört, dass es aber bei Verletzungen nicht wie andere motori-
sche Apparate, Rückenmark und verlängertes Mark, Convulsionen
bewirkt, dass vielmehr durch seine Verletzung nur die Kraft der
Bewegungen und die Fähigkeit, sie zweckmässig zu den Ortsbe-
Avegungen zu coordiniren, verloren geht. Wenn diese Ansicht rich-
tig ist, so muss im kleinen Gehirne die Mechanik zu der gruppen-
3. Vom Gehirn. Kleines Gehirn.
831
weisen Erregung der Muskeln vorgebildet scyn, so dass jede Störung
der Stmctur dieses Organes gleichsam die prästabilirte Harmonie
zwischen diesem Centralapparate und den Muskelgruppen und
ihren nervösen Leitern aufhebt. Bemerkenswerth ist noch, dass
die Verletzungen des kleinen Geliirns immer ihre Wirkungen kreu-
zend auf der entgegengesetzten Seite des Rumpfes zeigen.
Diese Beobachtungen sind durch die Versuche von Hebtwig
bestätigt worden. Aus diesen ergieht sich , dass das kleine
Gehirn für sich nicht sensibel ist, durch seine Reizungen keine
Convulsionen der Muskeln eintreten, dass seine ungestörte Wir-
kung zur Verbindung der Bewegungen für einen gewissen Zweck,
z. B. des Fliegens, Stehens, Laufens, zur Erhaltung des Gleich-
gewichtes nöthig ist, dass die Verletzung desselben weder auf die
Sinne noch auf andere Functionen des Körpers Einfluss hat.
Gleichwohl sah Hebtwig, dass die Kraft des kleinen Gehirns
nach einer theilweisen Zerstörung sich allmählig wieder herstellte.
Die kreuzende Wirkung des kleinen Gehirns wird von Hebtwig
bestätigt.
Magendie sah, dass Igel und Meerschweinchen, denen er das
grosse und auch das kleine Gehirn weggenommen hatte, sich
noch die Nase mit den Vorderpfoten rieben, wenn man ihnen
Essig unter die Nase hielt. Derselbe will nach der Verletzung
des kleinen Gehirns beobachtet haben, dass die Thiere sich an-
strengten, vorwärts zu gehen, und durch eine innere Gewalt ge-
nöthigt wurden, rückwärts zu gehen. Nach der Verletzung der
Pedunculi cerehelli ad pontem und des Pons selbst auf einer
Seite sah er constant, dass die Thiere sich nach derselben Seite
herumwälzen. Diese Wirkung erfolgt sogar durch jeden Verti-
calschnitt, welcher die über dem vierten Ventrikel liegende
Markmasse trifft, zeigt sich aller am stärksten nach Verletzung
der Pedunculi ad pontem. Zuweilen sollen die Thiere 60mal in
der Minute sich umdrehen, und er sah diese Bewegung acht Tage
ohne Aufhören fortdauem. Diese Bewegungen sind keine Convul-
sionen, sondern werden willkührlich von dem Thiere ausgefiihrt,
als wenn eine innere Gewalt es dazu nöthigte, oder als wenn es
von Schwindel ergriffen wäre. Durch die Durchschneidung des
Schenkels der andern Seite soll man das Gleichgewicht wieder
hersteilen können. Hebtwig sah auch Drehungen nach rechts
nach Verletztung des Pons auf der rechten Seite heim Hunde;
dabei war das eine Auge nach oben, das andere nach unten ge-
dreht. Derselbe beobachtete hei Verletzungen des Pons auf der
Oberfläche mässigen Schmerz, und schreibt dem Pons eine kreu-
zende Wirkung zu. Convulsionen beobachtete er nach Verlet-
zungen des Pons nicht.
Der Pedunculus cerehelli inlerior (Corpus restiforme) gehört
zum System des verlängerten Markes; nach seiner Verletzung
treten nach Rolando’s Versuch an einer Ziege Convulsionen ein,
Wobei der Körper des Thieres auf die verletzte Seite sich krümmte.
^oggio ed. 3. p. 128. Die Pedunculi cerehelli anteriores (ad Corp.
fluadrig.) bewirkten nach demselben Autor verletzt auch Con-
''ulsionen, die entgegengesetzten Extremitäten waren mehr he-
832 III. Buch, Nerpenphfsik, V, Ahschn, Centraltheile d. Nervensjsl,
wegt; das Thier (Kaninchen) fiel nach Sprüngen immer auf die
verletzte Seite.
Nach Gall soll das kleine Gehirn das Centralorgan des Ge-
schlechtstriebes seyn. Diese Ansicht stützt sich nicht auf sichere
Thatsachen. Burdach hat die hielier gehörigen Thatsachen zusam-
mengestcllt, a. a. O. 3. p. 423. Nach Buedach kömmt die Affection
der Geschlechtstheile unter 17 Fällen von Fehlern des kleinen Ge-
hirns, und unter 332 Fällen von Fehlern des grossen Gehirns ein-
mal vor. In apoplectischen Fällen mit Erection hat man Bluter-
guss im kleinen Gehirne gefunden (Sebres im Journal de physiol.
3. 114.). Dunglisom beobachtete hei einer Entzündung des klei-
nen Gehirns mit seröser Ergiessung Priapismus. Bei Zerstörung
des Bückenmarks in Tlüeren bewirkt man auch zuweilen Erection. ^
Heusinger’s Beobachtungen (Meckel’s ArcMo. ß. 551.), der hei zwei
Vögeln, die plötzlich gestorben, einen strotzenden Zustand der Ho-
den und Blutergiessung im kleinen Gehirne fand, können ivohl nicht
als Beweise lür Gaul’s Ansicht angeführt werden, und alle übrigen
von Bubdach angeführten Fälle von gleichzeitigen Krankheiten des
kleinen Gehirns und der Genitalfunctionen beweisen im Grunde
auch nicht viel. Die Coincidenz der Bückenraarkskrankheiten mit
Affection der Genitalien ist noch häufiger. Auch steht die Ent-
wickelung des kleinen Gehirns in keinem Verhältnisse mit der
Energie des Geschlechtstriebes in der Thierwelt. Diess Organ
ist bei den nackten Amphibien, wo es eine blosse Leiste über
den vierten Ventrikel darstellt, ausserordentlich klein, und gleich-
wohl ist der Geschlechtstrieh dieser Thiere zum Sprüchworte ge-
worden, obgleich hei den nackten Amphibien die Erection weg-
fällt. Gegen die Hypothese spricht ferner ein Präparat des ana-
tomischen Museums zu Bonn von dem kleinen Gehirne eines
Mannes, hei dem man hei der Section eine Atrophie der einen
Hälfte des kleinen Gehirns fand. Siehe Weber in noo. act. nat. cur. 14.
111. Dieseil Mann war an einer entzündlichen Krankheit ge-
storben, und hatte einen eher zu starken als zu schwachen
Geschlechtstrieh; er war verhelrathet und Vater von mehreren
Kindern. Am merkwürdigsten sind aber die von Cruveilhier
{Anat. pathol. Uvr. 15. 18.) mitgetheilten Thatsachen. In dem ei-
nen dieser Fälle, nämlich von einem 21jährigen Individuum,
landen sich zwei grosse tuberculöse Massen in der linken Hemi-
sphäre des kleinen Gehirns, ohne paralytische Symptome, ohne
Kopfschmerzen und ohne eine positive krankhafte Erscheinung in
den Genitalien. Da dieses Individuum keine Neigung zu den
Vergnügungen der Liebe gehabt haben soll, so könnte man die-
sen Fall als einen Beweis lür die GAuu’sche Hypothese ansehen.
Indessen zeigt uns der zweite Fall eine Coincidenz des vollkom-
menen Mangels des kleinen Gehirns mit Neigung zur Mastupra-
tion; diess war ein eilfjähriges Mädchen. Im 7. Jahre zeigte
dieses Subject eine grosse Schwäche In den Extremitäten, Man-
gel an Intelligenz und eine undeutliche Articulation. Im elften
Jahre, zur Zeit, wo das Individumn genauer beobachtet wurde,
war die Schwäche in den Extremitäten so gross, dass cs kaum
8. Vom Gehirn. Grosses Gehirn.
833
die Beine bewegen konnte, die nichts von ihrer Senslbiliüit ver-
loren hatten. Die Bewegung der Arme war gestattet; der intel-
Icctnelle Zustand war stumpfsinnig. Die Person starb au einer
enUündlichen Krankheit. Die Fossae occipitales inferiores wa-
ren mit Serosilät gefüllt. Statt des kleinen Gehirn^ fand sich
nur eine kleine häutige Querbinde über dem verlängerten Marke,
die jederseits in eine Haselnuss grosse Anschwellung überging.
Der Pons fehlte durchaus, die Oliven waren undeutlich. Man
sehe die Abbildung bei Cruveilhier Uvr. 15.
VI. Von den Hemisphären des grossen Gehirns.
Schon die stufenweise Entwickelung der Hemisphären des
grossen Gehirns bis zum Menschen , die Coincidenz der Atrophie
und des Mangels der Windungen derselben mit Idiotismus zeigen,
dass man in diesem Organsysteme des Gehirns den Sitz der höheren
Seelenthätigkeiten suchen muss. Es ist aber auch direct durch
Versuche bewiesen , dass dem so ist. Besonders sind Flourens
Versuche auch in diesem Punkte sehr lehrreich geworden, und
Hertwig’s Versuche haben sie im Wesentlichen nur bestätigen
können. Die Hemisphären des grossen Gehirns zeigen beim An-
stich und Anschneiden selbst keine Empfindlichkeit. Der Ort
des Gehirns, wo die Empfindungen zu Vorstellungen gestaltet,
die Vorstellungen aufbewalirt werden, um gleichsam als Schatten
der Empfindung wieder zu erscheinen, ist selbst nicht empfind-
lich. Diese Erfahrung, die auch Hertwig machte, stimmt auch
mit Erfahrungen am Menschen hei Kopfverletzungen überein;
denn oft genug hat man schon beobachtet, wo man hervorge-
quollene Theile des Gehirns von den gesunden ablösen musste,
dass diess auch bei einem Subjecte mit klarem Bewusstseyn ohne
alle Empfindung geschehen kann. Bei der Verletzung der He-
misphären entstehen auch keine Convulsionen , sondern die ein-
zige constante Folge jeder tiefem Verletzung der Hemisphä-
ren ist Blindheit des Auges der entgegengesetzten Seite, und
Stumpfsinn. Dass die oberen Theile der Hemisphären keine Mus-
kelzusammenziehungen bewirken können, hatten schon Haller
und ZiKN gefunden. Auch die Corpora striata, die Sehhügel be-
wirken gereizt nach Floureks keine Zuckungen, und Lorry hatte
dasselbe schon von dem Corpus callosum ausgemittelt.
Die vonFLouREHS und Hertwig über die Function der Hemi-
sphären an verschiedenen Tliieren angestellten Versuche stimmen
im Allgemeinen sehr überein. Ich werde das sehr interessante Detail
eines Versuches von Flourehs an einer Taube mitthcilen. Als
Flourens der Taube die rechte Hemisphäre weggenommen hatte,
War sie auf der entgegengesetzten Seite blind. Gleichwohl dau-
erte die Contractilität der Iris auf diesem Auge fort, aus Grün-
den, die schon oben p. 830. angegeben worden. In allen Thei-
len der entgegengesetzten Seite des Rumpfes zeigte sich eine
deutliche Schwäche. Diese Schwäche ist indess nach Flourens
^wohl in Hinsicht des Grades als der Dauer eine veränderliche
Erscheinung. Bei allen Thieren kommen die Kräfte bald wieder
834 ///. Buch. Nerpenphfsik. V. Alschn. Centraliheüe d. Neroensyst.
ins Gleicligewiclit , und das Missverli'ältniss zwischen Leiden Sei-
ten stellt sicTi wieder her. Die Tauhe sah auf der verletzten
Seite sehr gut, sie hörte, stand,“ ging, flog ohne Hinderniss. Nach
Wegnahme beider Hemisphären entsteht Verlust des Gesichtes
und Muskelschwäche , die jedoch weder bedeutend noch an-
haltend ist. Eine solche Taube flog, wenn man sie in die Luft
warf; sie ging, wenn man sie stiess. Die Iris war in beiden Augen
beweglich; die Taube hörte nicht, sie bewegte sich nicht frei-
willig, immer zeigte sie sich in der Art eines schlafenden Thie-
res, und wenn man sie reizte, so zeigte sie das Wesen eines er-
wachenden Thieres. In welche Lage sie nun auch gebracht
wurde, so setzte sie sich ins Gleichgewicht; auf den Rücken ge-
legt, stand sie auf; Wasser, das man ihr in den Schnabel gab,
trank sie; sie widerstrebte den Bemühungen, den Schnabel zu
öffnen. Flourehs vergleicht ein solches Thier mit einem Wesen,
das immer zu schlafen genöthigt ist, aber selbst das Vermögen
zu träumen verloren hat. ' Die Versuche an Sängethieren fielen
fast eben so aus. Hertwig’s Versuche stimmen mit denen von
Flourens überein. Er fand die Hemisphären des grossen Ge-
hirns nicht eippfindlich , und nur bei der Verwundung der Basis
des Gehirns zeigte ein Hund Zeichen des Schmerzes. Ein Hund,
dem Hertwig beide Hemisphären weggenommen, bewegte sich
nicht mehr freiwillig von dem Orte, wo er lag, sondern war
ganz stumpfsinnig; angeregt, that er einige Schritte, sogleich
fiel er aber wieder zu Boden und in Schlafsucht. Einen
Schuss hörte er nicht. Eine Taube, welcher Hertwig den obern
Theil der Hemisphäre wegnahin, hatte Gesicht und Gehör verlo-
ren, und sass wie schlafend da. Er fütterte sie; Erbsen, die ihr
bloss in den Schnabel gegeben wurden, verschlang sie nicht, wohl
aber, wenn sie auf die Zunge gelegt wurden (Reflexion) ; die Mus-
keln waren wenig geschwächt; sie stand fest und flog, in die
Luft geworfen. Dieser Zustand dauerte bis zum 15. Tage, W'o das
Gehör und die Empfindlichkeit grösstenthcils wiederkehrten; diese
Taube lebte drei Monate. Eine Henne, der beide Hemisphären
bis fast auf die Basis ausgeschnitten waren, hatte Gesicht, Ge-
hör, Geschmack, Geruch verloren, sass immer an einem Orte
und gab kein Zeichen x'on sich, bis sie heftig angeregt, einige
Schritte tliat. In diesem Sopor lebte das Thier ohne Wieder-
herstellung der Sinnesthätigkeit drei Monate. Scuoeps hat ähnli-
che Versuche angestellt. Meckel’s Archio. 1827.
Offenbar, wie aus diesen Versuchen und den Folgen des Drucks
auf die Hemisphären des Menschen hervorgeht, sind diese Theile
des Gehirns der Sitz der Seelenfunctionen, der Ort, wo die Em-
pfindungen nicht bloss bewusst werden, sondern zu Anschauungen,
Vorstellungen umgeschaffen, und von wo aus die Seelenthätigkcit
als Aufmerksamkeit bald mehr diesem, bald jenem 1 heile der
sensoriellen Einwirkungen sich zuwendet. Welcher Unterschied
in Hinsicht der Kräfte der grauen und markigen Substanz
obwalte, ist gänzlich unbekannt. Mit der Ausdehnung der
Oberfläche der Hirnwindungen nimmt offenbar die Capacität des
Seelenvermögens in der Thierwelt zu; aber wir kennen nicht
3. Vom Gehirn. Grosses Gehirn.
835
entfernterweise den Einfluss der grauen Einde, in welche die
unendliche Menge der Fasern des Stahkranzes zuletzt ausstrah-
len. Welche VerändeiTing in den Markfasern oder der grauen
Miisse, oder dem sie beseelenden Principe vorgeht, wenn eine
Vorstellung eine Impression auf die leicht veriüiderliche Materie
des wunderbaren Baues macht, ist gänzlich unbekannt. Wir
wissen nur, dass jede Vorstellung ein in dem Gehirne bleibender
unveräusserlicher Eindruck ist, der in jedem Augenblicke wieder
auftauchen kann, wenn die Thätigkeit der Seele sich ihm zuwen-
det, wenn die Aufmerksamkeit auf diesen Eindruck sich spannt,
und dass nur die Unmöglichkeit, vielen Gegenständen zugleich
aufmerksam zu seyn, jenes Vergessen erzeugt. Wir müssen uns
alle diese Bilder im latenten Zustande als unvertilgbare Eindrücke
des Gehirns denken. Eine Hirnverletzung kann einzelne oder
alle verwischen. Man hat nach Hirnverletzungen das Gedacht-
nichtniss für Hauptwörter, Zeitwörter und Lebensabsehnitte
schwinden und wiederkehren gesehen. Die Erhebung eines ein-
zigen Bildes ins aufmerksame Bewnsstseyn modilicirt die Coexi-
stenz und stört das Gleichgewicht aller übrigen; daher, wenn
die jedesmalige Stärke der zugleich vorhandenen latenten Vor-
stellungen bekannt wäre, die durch eine Vorstellung hervorzu-
rufende verwandte Vorstellung fast berechnet werden könnte,
w'enn nur die erste bekannt ist.
Dass es im Gehirne eine affective Provinz oder ein affecti-
ves Element gebe, bei dessen Anregung jede Vorstellung an af-
fectiver Stärke schwellen kann, und welches hei seiner vorzugs-
weisen Thätigkeit jede auch noch so einfache Vorstellung
zum affectiven leidenschaftlichen Zustande macht , und auch im
Traume den Bildern affective Farben und Nüancen giebt, ist im
Allgemeinen zw^ar wahrscheinlich, lässt sich aber weder im Allgemei-
nen streng beweisen, noch örtlich nachweisem Noch viel weniger
lässt sich aber beweisen, dass selbst ausser dem leidenschaftlichen
Elemente der Seele nuclx die verschiedenen Richtungen der Gei-
stesthätigkeiten und Leidenschaften ihreil hesondern Sitz in den
Provinzen der Hemisphären haben. Dieser Ansicht von Gall,
auf welche sich die Cranioscopic gründen soll, steht zwar aus
allgemeinen Gründen keine Unmöglichkeit entgegen, aber es giebt
durchaus keine Thatsachen, welche nur entfernter Weise die
Richtigkeit einer solchen Ansicht im Allgemeinen und die Rich-
tigkeit der Durchführung im Einzelnen, zu erweisen im Stande
wären. Es lässt sich keine Provinz des Gehirns nachweisen,
worin das Gedächtniss , die Einbildungskraft u. s. w. ihren Sitz
hätten. Immer kann .dus Gedächtnisä durch Verletzung der He-
misphären an irgend einemTheile ihres Umfanges verloren gehen;
und so ist es mit allen Hauptvermögen oddr Richtungen dar
geistigen Thätigkeit. Bedenkt man auf der andern Seite die zum
Theil ganz unpsychologischen, von Gau4 zusammengehrachWa
Ürvermögen, so kann man diese durch nichts zu beweisenden
^illkührlichkeiten ohne Weiteres von den Forum wissensehatt-
lioher Untersuchungen ausschliesseii. Ganz interessant ist in
dieser Hinsicht , was Napoleon über Gall’s- System gegen
836 IILBuch, Nertfcnphyslk. V.Abschn. Centrallheüe d.Nervensyst.
Las Gases äusserte : „ er schreibt gewissen Hervorragnngen
Neigungen und Verbrechen zu, die nicht in der Natur vor-
handen sind, die nur aus der Gesellschaft, ans der Convention
hervorgehen. Was würde aus dem Organe des Diebstahls
werden, wenn es kein Eigenthtun gäbe; aus dem Organe der
Trinksucht , wenn keine geistigen Getränke , aus dem Ehr-
geiz, wenn es keine Gesellschaft gäbe.“ Obgleich Gall kein
Organ der Trinksucht annahm, so ist doch diese Bemerkung in Be-
ziehung auf die 'schlechte psychologische Grundlage der GAuGschen
Organe richtig. Indessen wirft Napoleon’s Bemerkung nur die
‘Art der Durchführung, nicht das Princip des GAin’schen Systems
um. Was das Princip betrifft, so ist gegen dessen Möglichkeit im All-
gemeinen a priori nichts einzuwenden; aber die Erfahrnng zeigt,
dass jene Organologie von Gall durchaus keine erfahrungsmäs-
sige Basis hat, und die Geschichte der Kopfverletzungen spricht
sogar gegen die Existenz besonderer Provinzen des Gehirns für
verschiedene geistige Thätigkeiten. Nicht allein , dass die höhe-
ren und niederen intellectuellen Fähigkeiten, Denken, Vorstellen,
Phantasie, Erinnern, an jeder Stelle der Oberfläche der Hemi-
sphären durch Verletzung beeinträchtigt werden können; man
hat auch oft genug" gesehen, dass die verschiedenen Theile der
Hemisphären die Thätigkeit der anderen Lei den intellectuellen
Functionen unterstützen können, und man hat bei Menschen wo
die Entfernung zerstörter Parthien der Oberfläche der Hemisphären
nöthig war, öfter- keine Aenderung in den moralischen und intelle-
ctuellen Eigenschaften derselben eintrelen gesehen. Magesdie hat
vollkommen Hecht, wenn er die Craniologie in eine Categorie
mit der Astrologie, Alchimie stellt.
Was dat Verhältniss beider Hemisphären zu einander betrifft,
so scheint es, ‘dass die Integrität einer Hemisphäre die andere bei
den intellectuellen Functionen ersetzen kann. Wenigstens hat man
in einigen Fällen boständige-Zerstörnngen in der einen Hemisphäre
ohne Störung des. Geistes schon vorgefunden, und Cruveilhier (JLwf.
8.) hat den lall einer Atrophie der ganzen linken Hemisphäre des
-grossen Gehirns in einem 42jährigen Manne bei ungestörtem Gei-
stesvermögen miU^etheilt. Die atrophirte linke Hemisphäre hatte
ohngefähr die Hälfte der Grösse der rechten, alle Theile der
ersten sind gleichmässig atrophirt; daher sind das Grus oe-
rebri, das Gorpus mammillare, der Thalamus opticus, das Cor-
pus-^Striatum,; der- Ventrikel dieser Seite kleiner. Das kleine
Gehirn wur auf beiden Seiten ziemlich • gleich ausgebildet; die
rechte Hemisphäre ein wenig kleiner. In diesem Falle war die
entgegengesetzte Seite- dos Rumpfes v<m Jugend auf unvollkommen
gddhznt, so.-dasg‘ die- Person nochi an- einem Stocke gehen
■Jsönnte;- die Glieder -dieser Seite waren ahgemagert.
' ‘ ^ Die Commissuren Scheinen die Ursache der Einheit der
-Wirkungen beider- Hemisphären zu seyn. Welcher Antheü
-dem -Balken hierbei zukomme, ist noch nicht ganz gewiss;
doch scheint die Theilung desselben und des- Eornix, nach ei-
ner Beohachtimg von' Reil (Reil’s Archw. 11. 341.) zur Aus-
übung der niederen Seelenthätigkeiten nicht nöthig. Reiu
3. Vom Gehirn. Grosses GeJiirn.
837
fand diesen Mangel iei Erhaltung der Commissuren hei einer
stumpfsinnigen Frau, die gleichwohl zu gewöhnlichen Aufträ-
gen und Geschäften j wie Dotenlanfen, fähig war. Dass man hei
einer chronischen Hirnwassersucht mit Zerstörun«» des Balkens
Blödsinn heohachtete, beweist wegen der Complication nicht viel.
Indessen hat man bei Blödsinnigen schon Geschwülste und Hydati-
den auf dem Balken gefunden, und La Pevbonnie beobachtete bei
Verletzung des Balkens Verlust des Gedächtnisses. Die bieher
gehörigen Beobachtungen findet man von TREvinAinjs [Biol. 6.
258. ) und Bükdaoh a. a. O. gesammelt. DireCte Versuche über
die Bedeutung des Balkens sind noch wenige' geüiacht. Satjckrotve
durchschnitt den Balken bei einem Hunde; es erfolgte Betäulning
mit heftigem Schütteln und Schluchzen. Das Thier sah und
hörte, aber roch nicht, und empfand nicht an den Ohren, an
der Nase, und bei Verletzungen der Muskeln. Burdach 3. 486.
Holando machte dieselbe Operation an einer Ziege, a. a. O. 2.
218. Das Thier stand einige Zeit unbeweglich, wurde darauf
unruhig und lief vorwärts. Es wurde zwei" Tage erhalten; all-
mählig wurde es schwach, konnte sich kaum erheben, und zitterte
am ganzen Körper, der kalt war.
Die Bedeutung der Hypophysis und der Zirbeldrüse sind so
gut wie gänzlich unbekannt. Gbeding fand zwar bei Seelen-
krankheiten öfter Rrankeiten der Hypophysis; allein man liat in
Geisteskranklieiten schon in allen Theilon des Gehirns Entartun-
gen gefunden. Wenzel fand die Hypophysis bei Epileptischen
öfter krankhaft. Burdach 3. 467. Descartes Hypothese dass
der Sitz der Seele in der Zirbel sey, ist längs vergessen und auf-
gegeben. Diese zeigt sich nach GeorgeFs Erfahrungen in Geistes-
kranken sogar selten verändert. Buhdach 3. 467.
Die Anwendung der Resultate der pathologischen Anatomie
auf die Physiologie des Gehirns kann iihrigens immer nur sehr
beschränkt seyn. Wir kennen die Gesetze der Mittheiluna zwi-
schen den verschiedenen Hirntheilen nicht, und wir können nur
im Allgemeinen für gewiss annehmen, dass eine organische Krank-,
heit in einem Theile des Gehirns auch Veränderungen der Fun-
ction anderer Hirntheile nach sich zieht; ohne dass wir immer
aus diesen und den pathologisch— anatomiscbeii' Resultaten sichere
Schlüsse machen dürften. Degenerationen in den verschiedensten
Theilen des Gehirns, welche nach den Versuchen nidit unmit-
telbar mit den Centralor^anen des Sehsinnes Zusammenhängen
bewirken gleichwohl oft Bimdheit; diess darf uns um so weniger
wundern, als wir selbst in Rückenmarkskrankheiten, wie bei der Ta-
bes dorsalis, öfter Amblyopie erfolgen sehen. Dasselbe .gilt von der
B^entung der oi^anischen Veränderungen der verschiedenen
Hirntheile in Beziehung auf die Geisteskrankheiten bei welchen
sich öfter Degeneration in Hirntheilen vorgefunden hat, die nicht
der wesentliche Sitz der inteUectuellen” Functionen sind.. i Die
verdienstlichen Sammlungen und Berechnungen, welche Buedach
über die Coincidenz der Degenerationen der Gehirn theile mit
gewissen Veränderungen der Functionen gegeben hat, liefern für
üas Ehengesagte eine Fülle von Beispielen. Ferner muss bemerkt
838 III. Buch. Nervenphysik. V. Abschn. Centraltheüe d. Nereensyst.
werden, dass eine chronisehe Veränderung im Gehirne, wenn
sie hloss durch Druck wirkt, und keine volle Atrophie der ge-
drückten Theile erzeugt, durch ihre allmählige Entwickelung die
aflicirten Theile vorhereiten und an ihr Daseyn gewöhnen kann.
Daher der grosse Unterschied der plötzlichen und chronischen
Verletzungen des Gehirns in Hinsicht der Folgen. So konnten
z. B. so wiclitige Theile, wie die Varolshrücke und die Hirn-
schenkel, durch eine langsam sich entwickelnde perlartige Fett-
geschwulst in ihren Wirkungen nicht wesentlich verändert wer-
den, wie ein von . Cruveilhier {Anat. path. Iwr. 2.) mitgetheilter
Fall beweist, in welchem weder die Bewegung noch die Empfin-
dung alterirt waren,
VII. Meclianilc des Gehirns und Rüekenmarks.
Unter Mechanik des Gehirns und Rückenmarkes versteht
man hier die Gesetze, nach welchen die Verbreitung und Lei-
tung der Wirkungen in den Faserungen des Gehirns und Rük-
kenmarkes erfolgt; wir reden also hier auch wieder in demsel-
ben Sinne von Mechanik, wie die Physik hei der Mechanik des
Lichtes. So ausgebildet bereits die Mechanik der Nei'ven ist, so
dunkel ist die der Centralthcile ; die Primitivfnsern der JVerven in
derselben Scheide zusammenliegend, theilen sich ihre Zustände nicht
mit, und wirken isolirt von den peripherischen Theilen zu den Cen-
traltheilen und von diesen zurück. Wenn, wie es wahrscheinlich ge-
macht worden, diese Fasern Röhren sind, worin das Nervenmark ent-
halten ist, so scheinen die Wände dieser Röhren für ihren Inhalt iso-
lirend zu Seyn. Die Gehirn- und Rückenmarksfasern verhalten sich
ganz anders; das Mark ist bei ihnen nicht in so deutlichen Schläuchen
enthalten, und zwischen ihnen hat man, besonders in der grauen Sub-
stanz, noch eine ungefaserte körnige Masse beobachtet, welche
die Leitung von einer zur andern Faser einigermaassen zu erleich-
tern scheint, auch da, wo keine Commuuicationen der Fasern
stattfinden. Daher vielleicht die Miltheilbarkeit dei- Zustände
des Gehii’ns und Rückenmarkes, die Erscheinungen der Reflexion
von den Empfinduugswurzeln auf die in Hinsicht des Ursprunges
nahen Bewegungswurzeln. Nichts destoweniger erfolgt die Lei-
tung in den Faserungen des Rückenmarkes in der Regel immer
leichter in der Richtung der Fasern als in abweichenden Rich-
tungen; sonst wäre die motorische Excitation der Ursprünge ge-
wisser Nerven des Rumpfes, und die kreuzende Wirkung des Ge-
hirns auf die Spinalnerven nicht möglich. Die Gesetze der Lei-
tung der grauen Substanz im Innern des Gehirns und Rücken-
markes nnd auf der Oberfläche des grossen Gehirns sind uns
gänzlich unbekannt. Auch müssen wir uns bescheiden, die Mit-
wirkungen der Faserungen bei alten intellcctuellen Functionen
des Gehirns von unseren. Betrachtungen gänzlich ausznschliessen.
Ausser der Reflexion der Wirkungen von den Empündungsfa-
sem auf die Bewegungsfasem durch das Rückenmark, deren
Thatsachen p. 688. erläutert worden, deren Erklärung ans der
3. Vom Gehirn. Mechanik der Hirncvirkungen.
839
Structun des Rückenmarkes und Gehirns noeh nicht möglich ist,
hat die Mechanik des Gehirns und Rückenmarkes, die in den
Centraltlieilen -wirkenden motorischen Apparate, vorzüglich aher
die Wege der Leitung hei den Empfindungen und Bewegungen,
die hierbei stattfindende Kreuzung zu untersuchen.
Unter den motorischen Apparaten müssen wir diejenigen,
deren Verletzung Zuekungen hervorhringt, von denjenigen un-
terscheiden, deren Verletzung die Kraft der Bewegung vermin-
dert, ohne dass Zuckungen entstehen. Diess ist eine wichtige
Unterscheidung, die wir Flouretts verdanken, und welche einst
für die Pathologie der Hirnkrankheiten von Wichtigkeit werden
dürfte. In die erste Classe gehören nach Floitrens und Hert-
wig’s Versuchen nur die Vierhügel, das verlängerte Mark und
das Rückenmark; in die letzte Classe alle sonst im 'Gehirne ent-
haltenen motorischen Apparate, namentlich die Sehhügel, ge-
streiften Körper, überhaupt das grosse Gehirn, so weit es auf
Bewegung Einfluss hat, ferner Pons Varolii und kleines Gehirn.
Nach der Verletzung dieser Theile nimmt die Kraft der Bewe-
gung ab, aher es entstehen keine Zuckungen, während nach Ver-
letzung des verlängerten Markes und Rückenmarkes unfehUsar Zuk-
kungen erfolgen. Obgleich nun hei der Wechselwirkung der ver-
schiedenen Theile des Gehirns -wahrscheinlicli auch andere Theile, als
das verlängerte Mark und die Vierhügcl, in Krankljeiten sympathisch
Zuckungen bewirken können, wie auch die Patliologie bestätigt;
so geht doch aus den oben mltgetheilten Thatsachen so viel her-
vor, dass, wenn die Kraft bew'eglicher Theile aus Krankheitsur-
sachen in den Centraltheilen ahgenommen hat, diese Ursachen
eben so gut in den gestreiften Köi^pern, Thalami optici, Hemi-
sphären, Pons, Ccrehellnm, Medulla oblongata, Medulla spinalis
liegen können, dass aher, rvenn Krampf oder Zuckung und Läh-
mung ihre Ursache in den Centraltheilen haben , diese viel eher
in den Vierhügeln, im Rückenmark und verlängerten Mark, als in
den übrigen der oben genannten Theile zu suchen ist.
Ein anderer für die Mechanik der Centraltheile wichtiger
Umstand ist die Ki-euzung der Wirkungen. Aus den über die
Verwundung des Rückenmarkes und verlängerten Markes beiThie-
ren angestclltcn Versuchen und aus pathologischen Beobachtun-
gen ergiebt sich, dass die Wirkungen dieser Theile auf die Ner-
ven sich nicht kreuzen. Eine Verletzung des verlängerten Mar-
kes oder des Rückenmarkes bewirkt Imm.er Zuckung oder Läh-
mung auf derselben Seite. Diess ist für das Rückenmark leicht
erklärlich, weil es in ihm keine Kreuzung der Fasern von rechts
nach links und umgekehi-t giebt. Tn Hinsicht des verlängerten
Markes ist das Ergebniss der Versuche von Flouress, Hertwig
nicht ganz mit der Structur übereinstimmend; denn da von den
Strängen des verlängerten Markes wenigstens die Pyramiden sich
kreuzen, die anderen Stränge aber auf derselben Seite des Rük-
kenmarkes fortgehen, so sollte man erwarten, dass je nach der
Art der verletzten Theile des verlängerten Markes bald eine
kreuzende, bald eine gleichseitige Wirkung erfolge. Lorry hatte
m der That auch beobachtet, dass bei Verwundungen des ver-
Physiologie* 54
840 III. Buch. Nerpenphysik. V. Ahschn. Centraltheile d. Nerpensyst.
längerten Markes die Zuckungen stets auf der verwundeten, die
Lähmungen auf der entgegengesetzten Seite seyen. Indess sind
die Resultate der Versuche von Flourehs und Hertwig durchaus
dagegen. Aher man muss hedenken, dass die Versuche meist
wohl nur an den nicht kreuzenden seitlichen Strängen des ver-
längerten Markes angestellt wurden; und es ist sehr wahrschein-
lich, dass, wenn eine Verwundung die Pyramiden des verlänger-
ten Markes über der Kreuzung trifft, aucli Kreuzung der Wir-
kungen erfolgen wird. Die Wirkungen des kleinen Gehirns der
Vierhügel, der Hemisphären und der darin enthaltenen Theile
ist fast immer kreuzend; die Verletzung des kleinen Gehirns, der
Vierhügel und der Hemisphären des grossen Gehirns bewirkt
immer die Sehwäehe auf der entgegengesetzten Seite , die
Verletzung der Hemisphären, der Vierhügel bewirkt Blindheit
auf der entgegengesetzten Seite. DIess ist das allgemeine Re-
sultat der Versuche von Floerens und Hertwig. Von dem
grossen Gehirne hatten diess schon theils Versuche, theils pa-
thologische Beobachtungen von Calbaiii, Arsemann, Valsalva^
Wenzel u. A. erwiesen. Siehe Treviranes Biul. 6. 117. Bürdacr
a. a. O. ■?. 365. Magendie sagt dasselbe von den Hemisphären,
und er bewirkte durch Exstirpatien eines Auges bei Vögeln so-
gar in kurzei’ Zeit Atrophie des entgegengesetzten Lohns opticus.
Die Vierhügel zeigen bei Verletzungen derselben die kreuzende
Wirkung nacli Floerebs vorwärts und rückwärts, nach vorn
auf die Augen, nach hinten auf die anderen Theile des Körpers.
Mit diesem B.esultate stimmen auch die meisten pathologischen
Beobachtungen überein ; und man hat nur selten Ausnahmen
beobachtet, welche Treviranus (B/o/. 6.) und Burdacu zusam-
mengestellt haben. Aus Burdacr’s Zusammenstellung von 268
Fällen mit einseitiger Abnormität des Gehirns ergiebt sich, dass
auf diese Zahl 10 Fälle mit Lähmung beider Seiten, und 258
mit Hemiplegie kommen, und dass unter diesen nur 15 mit gleich-
seitiger Lähmung sind. Die Convulsionen wai’en in 25 Fällen
gleichseitig, in 3 Fällen ungleichseitig.
Nach diesen Thatsachen lässt sich wohl die Entstehung des
alten, schon von Hippocrates an geltenden Dogma erklären, dass
bei Gehirnwunden die Convulsion auf der verwundeten, die Läh-
mung auf der entgegengesetzten Seite sey. Man kann nämlich
durch eine gewisse Art der Hirnverw'undung beide Erfolge zugleich
erzeugen, indem man Lähmung bedingende und Zuckung bedin-
gende, kreuzende und nicht kreuzende Theile verletzt. Niemand
hat diese Verhältnisse mehr aufgeklärt als Flourebs. Durch Ver-
letzung des Rückenmarkes und des verlängerten Markes bewirkt
man Lähmung und Zuckung auf derselben Seite, durch Verletzung
der Vierhügel Lähmung und Zuckung auf der entgegengesetzten
Seite. Durch Verletzung der Thalami, Corpora striata, Hemi-
sphären des grossen und kleinen Gehirns licwirkt man Lähmung
auf der entgegengesetzten Seite ohne Zuckung. Wird aher das
kleine Gehirn und das verlängerte Mark zugleich auf einer Seite
verwundet, so hat man lähmungsartige Schwäche auf der entge-
gengesetzten, und Zuckung mit Lähmnng auf dei'selbeu Seite.
841
3. Vom Gehii-n. Mechanik der Hirnwirkungen.
Siehe Flourens a. a. O. p. 108. So viel Licht indess die Versu-
che von Flourens üher die Kreuzung der Lährnun.en und Con-
vnlsionen werfen, so scheint derselbe doch aus seinen Versuchen
zu viel gegen die Möglichkeit von gleichseitigen Convulsionen
hei Hirnfehlern auf einer Seite geschlossen zu hahen. Es ist zu
aulFtillend, dass in Hurdacu s ^nsanimenstellung von einseiti'^en
Hirnfehlern die Convulsion in 25 Fällen gleichseitig, nur in 3
Fällen ungleichseitig erfolgte; unter diesen Jleoliachtungen sind
uns gerade diejenigen von Wichtigkeit, wo bei ungleichseiti»er
Lähmung gleichseitige Convulsion erfolgte. Hei Fehlern in dem
Corpus Striatum einer Seite ko.mmcn auf 36 Fälle von ungleich-
seitiger Lähmung 6 Fälle mit gleichseitiger Convulsion, und
keine mit ungleichseitiger Convulsion 'vor. Diess dürfte ziem-
lich deutlich für den alten Satz sprechen, dass, wenn hei einsei-
tigen Hirntehlern mit ungleichseitigen Lähmungen Convulsionen
Vorkommen, diese leichter gleichseitig als ungleichseitig sind.
Die Erklärung der kreuzenden Wirkung' durch di'e Kreuzung
der Fasciculi pyramidales des verlängerten Markes liegt zu nahe,
als dass sie nicht seit der Kenntniss dieser Kreuzung als Ursa-
che der kreuzenden Hirn Wirkungen angenommen worden wäre.
Es lieweist auch die Kreuzung dieser Fascikel in Uehereinstim-
mung mit der kreuzenden Wirkung des Gehirns auf den JRumpf,
dass die Pyramiden unter den Strängen des verlängerten Markes
vorzüglich es sind, welche den motorischen Einfluss vom Gehirn
auf den Kumpf leiten. Da indess die übrigen Fascikel des ver-
längerten Markes sich nicht kreuzen, so fehlt es auch nicht an
einem Erklärungsgrunde für die ausnahmsweise stattiiiidende
gleichseitige Wirkung des Gehirns auf den Rumpf.
Eine ganz besondere Schwierigkeit bietet das Verhalten der
Hirnnerven ln Beziehung auf Kreuzung und Vichtkreuzung der Wir-
kungen dar. Denn da diese grösstentheils üher der Kreuzung der
Pyramiden ihren Ursprung nehmen, so lässt sich die Rreuzuim der
Pyramiden auch nicht als Erklärung der kreuzenden Wirkung der
Hirnverletzungen aut die Hirnnerven annehmen; und was die Sache
noch verwickelter macht, ist der Umstand, dass die Hirnner-
ven heim Menschen wenigstens eben so häufig eine gleichseitige,
als eine kreuzende Wirkung des Gehirns erfahren. Ich verwe'ise
in dieser Hinsicht auf die von Burdach mit einem hewunderunfs-
würdigen Fleisse zusamniengeslellten Thatsachen. Bei einseiti"em
Hirnfehler erfolgte Lähmung der Gesichtsmuskcln in 28 Fällen
auf der entgegengesetzten Seite , in 10 Fällen auf derselben
Seite. Lähmung des Augcnliedes erfolgte gleichseitig in 6, kreu-
zend in 5 Fällen; Lähmung der Augenmuskeln gleichseitig in 8,
kreuzend in 4 Fällen; Lähmung der Ii-is gleichseitig In 5, kreu-
zend in 5 Fällen. Buddach 3. 372. Die Zunge ist in der Regel
gegen die gelähmte Seite des Gesichts hingezogen. Burdach 3. 377.
Beim Menschen beobachtet man in Hirnfchlern eben so oft
eine ^gleichseitige als eine kreuzende Lähmung des Auges. Burdach
3. 378. Da zu der Zusammensetzung des Sehnerven jedes Au-
ges beide Hemisphären beitragen, indem jede SelmerveDwurzel
im Chiasma Fasern für beide Augen ahgieht, so ist die Gleich-
54*
842 UI.Buch. Nervenphysik. V.Ahschn. Centralihelleil. Nerpensjsi.
zahl der kreuzenden und nicht kreuzenden Wirkung leicht ein-
sichtlich. Aber nach der Theorie sollte durch einen einseiti-
gen Ilirnfehler weder eine kreuzende noch eine gleichseitige
Blindheit, sondern halbseitige Lähmung der Markhäute Leider
Augen, also Halbsehen Erfolgen; indem 'die linke Sehnervenwnir-
zel in den linken Theil der Sehnerven beider Augen, die rechte
Sehnervenwurzel in den rechten Theil der Sehnerven beider
Augen im Cliiasma übergeht. Man bat zwar schon öfter Halb-
sehen als vorübergehendes Symptom beobachtet. Siehe Muel-
LER s Pkysiol. d, Gesichtssinnes, p, 93. Aber bei einseitigen Hirn-
fehlern kömmt nicht Halbsehen, sondern in der Regel' Blindheit
des einen, oder des andern, oder beider Augen vor. Sehr merk-
würdig ist der Unterschied des Menschen und der Thiere, dass
bei ersterem Hirnfebler eben so leicht eine gleichseitige als
eine kreuzende Blindheit hervorbringen, während bei den Thie-
ren immer auf einseitige Hirnverletzungen kreuzende Blindheit
eintritt. Diess erklärt sich indess aus der bei den Thieren ver-
schiedenen Mischung der Fasern in dem Cliiasma der Sehnerven.
Bei den Thieren scheint der grösste Theile der Fasern kreuz-
weise zur entgegengesetzten Seite zu gehen, und diess ist wohl
durch .den Umstand notlnvendig bedingt, dass die Thiere mit
dem grössten Theile der Sehfelder ihrer divergirenden Augen
ganz verschiedene Gegenstände sehen. Nur die mittlern Objecte
zwischen beiden Augen werfen ihr Bild auf beide Au^^en; also
nur ein kleiner Theil des Sehfeldes beider Augen ist Identisch.
Beim Menschen aber sehen die geometrisch coi'respondirendcn
Theile beider Markhäute bei der gewöhnlichen Stellung beider
Augen immer dasselbe Object. Diese geometrisch übereinstim-
menden Idieile ihrer Sehnervenbaut haben nur eine Empfindung
trotz zwei Organen. Und. damit stimmt der Bau des Chiasmas
heim Menschen überein, dass nämlich Jede Sehnervenwnrzel die
äusseren Fasern des Sehnervens derselben Seite, und die inneren
Fasern des entgegengesetzten Sehnervens ahgieht. Vergl. oben p. 687.
Aus den vorher entwickelten Thatsachen der "Mechanik des
Gehirns, und aus den schon in der Lehre vom Rückenmark auf-
gestellten Grundsätzen der Mechanik desselben lässt sich nun
eine Classification der Lälimungen und Krämpfe in Hinsicht ih-
res Ursprunges gehen.
^. Lähmungen. Die Lälimungen sind theils Nervenlähmun-
gen, die ihren Sitz bloss in einem einzelnen Nerven und nicht
im Gehirne und Rückenmarke haben, theils Hirn- und Rücken-
markslähmnngen. Die ersteren entstehen durch alle Ursachen
welche >n den Nerven örtlich die Leitung aufheben, wie rheu-
matisebe Affectlon^ Durchsebueidung, Geschwülste der Nerven etc.
Bei den letzteren ist die Ursache nicht in den Nerven, sondern
m den Centraltheilen zu suchen. Die meisten Lähmungen sind
Hirn- und Rückenmarkslähmangen. Von diesen ist hier zunächst
die Rede. Diese Lähmungen sind theils halbseitig, Hemiplegie,
theils Querlähmungen, Paraplegie; im erstem Falle ist die läh-
mende Ursache auf einer Seite des Gehirns oder Rückenmarkes,
im letztem ist sie entweder auf beiden Seiten, oder auch auf
843
3. Vo?n Gehirn. Mechanik der Ilirncvirkungen.
einer von beiden, denn eine Querläbmung erfolgt auch öfterä,
wenn auch die Ursache nur auf einer Seite des Gehirns ist.
1) Rückenmarkslahmungen. Sie haben das Eigeulhüinliche,
dass der Sitz der Lähmung in der Regel aus dom Umfange der
gelähmten Thcile berechnet werden kann. Denn bei Rücken-
marksverletzungen sind iti der Regel alle Tlieile gelähmt, welche
unter der verletzten Stelle des Rückenmarkes von der Fortsetzung
des vei'letzten Stranges Nerven erhalten. Bei einer Rücken-
marksläliranng mit blosser Lähmxing der unteren Extremitäten,
der Schliessinuskein ist in der Regel der untere Theil des Rük-
kenmarkes leidend; Hegt die Ursache höher, so ist der Umfang
der gelähmten Thcile grösser. Eine lähmende Ursache unter
dem vierten Ilalsnerven lähmt die oberen Extremitäten allein
oder mit allen tieferen Theilen ; aber nicht den N. phrenicus.
Eine höhere Verletzung lähmt auch diesen Nerven. Eine läh-
mend^ Ursache an der Mcdulla oblongata lähmt den ganzen
Rumpf und auch die von dei’ Medulla oblongata entspringenden
Kopfnerven. Ich kenne einen Fall von Krankheit der Medulla
oblongata von Druck einer kleinen Geschwulst, wo eine unvoll-
kommene Lähmung allmählig an allen Muskeln des ganzen Kör-
pers zugleich eintrat, und sowohl die Arme als die Beine, die
Zunge, wie die Augen und Gesichtsmuskeln alTicirt waren. Im
Allgemeinen gilt bei Rückenmarkslähmungen die Richtschnur,
dass die Höhe der gelähmten Theile nach dem Ursprünge ihrer
Nerven den Sitz der verletzten Stelle des Rückenmarkes andeu-
tet. Bei einer Verletzung des Lcndenthciles des Rückenmarkes
sind nothwendig die unteren Extremitäten gelähmt, und niemals
die oberen Extremitäten. Bei einer Lähmung der Arme von
Rückenmarksleiden reicht die Ursache sicher über den Ursprung
der Armnerveu hinauf, deswegen brauchen aber nicht die unte-
ren Extremitäten zugleich gelähmt zu seyn. Immer ist die Wir-
kung auf derselben Seite der Ursache. Ist die Empfindung ge-
lähmt, so ist es wahrscheinlich, aber nicht gewiss, dass die Ur-
sache in den hinteren Strängen des Rückenmarkes sey; ist die
Bewegung gelähmt, so ist sie häufiger, aber nicht constant in
den vorderen Strängen. Siehe oben p. 794.
Diese Lähmxingen sind bald vollkommene, bald unvollkom-
mene, Paresls. Bei den vollkommenen ist die Leitung des Hirn-
einflusses an einer Stelle des Rückenmarkes aufgehoben, bei den
unvollkommenen ist die Leitung vorhanden, der Wille wirkt auf
alle Muskeln, aber die Kraft erlischt, wie bei der Atrophie des
Rückenmarkes, Tabes dorsalis.
2) Hirnlähmungen. Sie können sich an Jedem Theile des
Rumpfes, am Gesicht, wie an den oberen und unteren Extremi-
täten äussern. Eine Lähmung der W^adenmuskeln oder der
Schliessmuskeln kann daher eben so gut eine Rückenmarks- als
eine Hirnlähmung seyn. Dass es eine Hirnlähmung sey, kann
erst daraus geschlossen werden, dass zu den gelähmten Theilen
xind Functionen auch solche gehören, die von Hirnnerven ab-
hängig sind, wie die Augenmuskeln, das Sehvermögen des Auges,
das Gehör, die vSprache oder Bewegung der Zunge, die Ge-
844 in. Buch. Neroenphysik. V. Ahschn. Centraltheile d. Neruensyst.
siclitsmuskelii u. s. w. ; diese Lähmungen sind aucli wieder Läh-
mungen der Empfindung, oder der Bewegung, oder beider zu-
gleich. Bei den Lähmungen der Bewegung kann die Ursache
in den gestreiften Körpern, in den Thalami, in den Decken der
Hemisphären selbst, in den Vierhügeln, irn Pons, in der Medulla
ohlongata, im kleinen Gehirne seyn. Serres, Bouillaud, Piner-
Grand-Chaimp behaupten nach ihren Beobachtungen, dass die
Lähmung der vorderen Extremitäten öfter von Verletzung der
Thalami, die Lähmung der hinteren Extremitäten öfter von De-
generationen der Corpora striata ahhänge; diess ist keinesweges
festgestellt. Bel den Lähmungen der Empfindung kann die Ur-
sache sehr verschiedene Sitze haben. Blindheit erfolgt am häu-
figsten von Degeneration der Hemisphären, besonders der Thalami,
ferner der Corpora quadrigemina; Mangel der Gefühlsempfindung
bei Kranklieiten der Medulla oblongata. Die Lähmung ist bald
vollkommen, bald unvollkommen; Theile, welche verletzt am leich-
testen die Kraft der Bewegung rauben, sind die Corpora striata,
thalami, die Schenkel des grossen Gehirns, Pons. Unvollkommene
Lähmung erfolgt am leichtesten von Krankheiten der Hemisphä-
ren des grossen Gehirns und Krankheiten des kleinen Gehirns.
1 heile des (»ehirns, ivelche ausser Lähmung auch leicht Krämpfe
erzeugen, sind die Vierhügcl, die Medulla oblongata und die Ba-
silarlheile des grossen Gehirns. Die Wirkungen der lähmenden
Ursache erfolgen an dem Rumpfe in der Regel kreuzend an
dem Kopfe eben so oft gleichseitig als kreuzend.
B. Convulsionen. Sie haben ihre Ursache theils in den Ner-
ven, theils in dem Gehirne, theils im Rückenmarke.
1) ln den Nerven. Hieher gehören die durch örtliche Ner-
venkrankheiten, Nervengesch Wülste, Neuralgien, oder überhaupt
heftige Empfindungen, und bei Kindern durch alle örtlichen
Krankheiten erregten Convulsionen von Leitung der centripetalen
Erregung auf das Rückenmark und Gehirn, und R,eflexion auf
die motorischen Nerven.
2) Im Rückenrnarke. Die Gesetze , nach welchen die Läh-
mnngen erfolgen, gelten auch hier für die Convulsionen.
. 3) Im Gehirne. Ehen so verhält es sich mit dem Gehirne;
nur ist zu bemerken, dass die Hemisphären des grossen Gehirns,
des kleinen Gehirns, der Pons mehr zu den Lähmung bedingenden,
die Vierhügel und die Medulla oblongata zu den Lähmung und
Convnlsion bedingenden Theilen des Gehirns gehören.
Nachdem wir die Gesetze der Mechanik des Gehirns und
Rückenmarkes bisher bei der Fortpflanzung der Wirkungen un-
tersucht haben, ivenden xvir uns zuletzt zu den aus dem aufge-
hobenen Gleichgewicht der Hirnwirkungen erfolgenden statischen
Erscheinungen. Nach Verletzung gewisser Theile des Gehirns
treten Erscheinungen ein, als wäre das Gleichgewicht s'on Kräf-
ten aufgehoben , die sich nun einseitig äussern. Diese Erschei-
nungen bilden eine ganz besondere Classe. Man zerstört einen
Theil, und der gleichnamige der andern Seite scheint darauf in
eine verstäikte Wirkung zu treten. Das Drehen der Thiere im
Cirkel nach einer Seite tritt nach MAGEyniE nach Verlet-
3. Vom Gehirn. Mechanik der Hirnwirkungen.
845
Zungen der Brücke auf einer Seite ein; Sclinittc in den linken
Theil der Pons verursaclien das Dreben nacli der linken Seile
und umgekehrt, flat man die drehende Bewegung des Thieres nach
einer Seite durch Verletzung der Pons auf derselben Seite bewirkt,
so kann man diese Bewegung dadurch aufbeben, dass man die
Brücke auch auf der andern Seite durebschncidet. Heiitwig sah
nach Durclisclineidung der Pons auf einer Seite nicht allein die
Cirkelbew'Cgung, sondern auch, dass beide Augen verdreht wur-
den, indem das eine nach oben, das andere nach unten gewandt
war. JVach queren Durcbscbnitt in die Brücke konnte ein Hund
zwar stehen, konnte aber keinen Schritt tbun ohne zu fallen;
die willkübrlicben Bewegungen w'aren nicht aufgehoben und die
Empfindungen unverändert.
Die Durchsebneidung der Schenkel des kleinen Gehirns zur
Brücke bewirkt nach Magendib ebenfalls ein Ilerurnwälzen der
Thiere nach der Seite. Diese Bewegung soll zuweilen so schnell
erfolgen, dass das Thier mehr als fiO Urndrebungen in der Minute
macht; Magendie will diese Bewegungen acht Tage lang fort-
dauernd gesehen haben, ohne dass sie einen Augenblick aufge-
hört hätten.
Nach Wegnahme der gestreiften Körper auf beiden Seiten
tritt nach Magekdie’s Versuchen bei den Thieren ein unwider-
stehlicher Trieb, vorwärts zu entflieh en, ein, der sich auch nach
dem Verluste des Gesichtes zeigen soll.
Magendie hat auch nach Verletzungen des kleinen Gehirns
bei Säugethieren und , Vögeln eine Neigung zu Bückw’ärtsbewegun-
gen bemerkt; dieselbe Erscheinung soll zuweilen nach Verletzun-
gen des verlängerten Markes erfolgen; so sah Magendie Tauben,
denen er eine Nadel in das verlängerte Mark gestochen, länger
als einen Monat immer rückwärts geben; er erzählt, dass sic sogar
rückwärts flogen. Endlich will Magendie bei gewissen Verletzun-
gen des verlängerten Markes eire Tendenz zur Kreisbewegung
wie auf der Reitbahn, entweder nach rechts oder links, bemerkt
haben. Diess sab er bei einem 3 — 4 Monate alten Kaninchen,
wo er die vierte flirnböble blosslegte, das kleine Gehirn aufliob,
und einen senkrechten Einschnitt ln die Rautengrube 3 — 4 Milliiu.
von der Mittellinie macht; beim Einschnitte nach rechts drehte
sich das Thier rechts herum.
Aus diesen wichtigen Thatsacben schliesst Magendie auf ge-
wisse im Gehirne vorhandene Impulse zu Bew’egungen, wovon der
eine nach vorn, der andere nach hinten, der eine nach rechts,
der andere nach links das Thier zu Bewegungen bestimmen, de-
ren Detail es willkührlich ausführt, und welche sich im Zustande
der Gesundheit das Gleichgewicht halten, üb diese Erklärung
richtig sey, lässt sich jetzt nicht entscheiden. Man sieht leicht
ein, dass ein Thier zu solchen Bewegungen auch bestimmt werden
kann, wenn dui'ch die Art der Verletzung eine gewisse einseitige
Art der Bewegung des Nerven]>rincipes im Gehirne cinträte, in
defl Sinnen als scheinbare Schwindelhewegung entweder der Ob-
jecte oder seines eigenen Körpers, welchen das Thier entweder
zu widerstehen sucht oder welchen es schwindelnd folgt.
846 III. Buch. Neivenphysik, V. Ahschi. Cmiraltheilc d. Nerveiisysi.
Die zuletzt betrachteten Ei’scheinungen aus der Statik der Ner-
ven sind motorischer Art; cs gieht aber auch ähnliche Erscheinungen
sensorieller Art. Es gieht Einwirkungen auf das Gehirn, -welche keine
rotatorischen Bewegungen, sondern rotatorische Empfindungen her-
vorrufen. Hieher gehören die i’ota torischen Schwindelempfindungcn,
welche am meisten vom Gesichtssinne bekannt sind. Es ist eine be-
kannte Tbatsache, dass, wenn man sich eine Zeitlang schnell um
seine Achse dreht, man nicht allein die Besinnung zu verlieren
anfängt, sondern auch beim Stehenbleihen dann die Gegenstände
selbst sich in derselben Richtung zu drehen scheinen. lieber
diese Erscheinungen hat Pukkixje sehr merkwürdige Beobach-
tungen angestellt, und in den medicinischen Jahrbüchern des
Oesterreichischen Staates Bd. 6. mitgetheilt. Es geht daraus hervor,
dass man die Richtung der Rotation der Bilder durch die Stel-
lung des Körpers und insbesondere des Gehirns, und die spätere
Stellung desselben beim Stehenbleihen modificiren kann. Es steht
in der Gewalt des Experimentators, eine horizontale oder verti-
cale, oder schiefe Kreisbewegung, oder eine tangentiale Schein-
bewegung der GegenstäiKle durcli Drehung des Körpers zu be-
wirken. Nur wenn der Kopf die gewöhnliche aufrechte Stellung
beim Drehen hat, erfolgt beim Stehenbleiben bei aufrechtem
Kopfe die horizontale Kreisbewegung der Gegenstände; hält man
aber den Kopf beim Drehen hinten über, und stellt ihn beim
Stillstehen gerade, so ist die Scheinhewegung wie die eines Ra-
des um die Achse in einem vertical gestellten Kreise, und so
kann man die Scheinhewegung jedesmal nach dem Unterschiede
in ^ der Lage des Durchscimil'tes des Kopfes beim Drehen und
beim Stillstehen ändern. "Wenn der Körper auf einer Scheibe
liegend mit dieser gedreht wird, entsteht auch eine tangentiale
Seileinbewegung. Aus der Wiederholung dieser Versuche er-
giebt sich, dass der Durchschnitt des Kojifes, als einer Kugel,
um deren Achse die wahre Bewegung geschah , jedesmal die
Scheinbewegung der Gegenstände, bei der nachmaligen Lage des
Kopfes, -vv-ährend des Stehcnbleibens bestimmt. PuRitiNJE schllesst
aus diesen merkwürdigen Versuchen , dass durch die Drehung
des Kopfes und ganzen Körpers die Theilchen des Gehirns die-
selben Bewegungstendenzen, wie die Theilchen einer geschwun-
genen Scheibe erhalten müssen, und dass diese Störung ihrer
Ruhe sich durch die scheinbaren Schwindelhewegungen äussert.
Man kann sich das Phänomen vielleicht besser so versinnlichen,
dass man es von den Eindrücken des Blutes auf die Hirnmassc in
einer Richtung ableitet. Es wäre indess auch möglich, dass durch
die Drehungen eine Aberration eines feinem Principes, als der Ilirn-
theilchen oder des Blutes, durch Aufheben des Gleichgewichtes der
Kräfte eine Aberi'alion des Nervenprlncipes selbst stattfände, welche
den Sinnen als Scheinbewegung der Gegenstände vorkömmt. We-
nigstens bewirken Narcotlca ohne mechanische Störungen auch
Schwindelhewegungen. Jedenfalls bieten diese Erscheinungen eine
sehr interessante Parallele sensorieller Phänomene zu den vorher
beschriebenen, durch das Aufheben des Gleichgewichtes der Kräfte
in den motorischen Theilen entstehenden Cirkclbewegungcn dar.
Berichtigungen und Nachträge.
Erste Abthellung.
P. 2. Z. 15. V. u. hinter „Elemente“ Folgendes einzuschalten:
Die Theorie der Zusammensetzung der organischen Körper aus
ternären und quaternären Zusammensetzungen ist zwar in neuerer
Zeit, besonders in Beziehung auf einige Producte aus organischen
Körpern, wie Weingeist u. a. m., in Zweifel gezogen, hat aber im-
mer noch, namentlich in Beziehung auf die höheren organischen
Verbindungen, wie sie in den Pflanzen und Thieren selbst Vorkom-
men, als Eiweiss, Faserstoff u. a., eine grosse Wahrscheinlichkeit.
P. 22. Z. 2.3. einzusclialten : Der Rückgrathskanal und dlo
Schädelhöhle der Frösche enthalten um die Gentraltheile des
Nervensystems eine Lage von breiartiger weisser Materie, die
nach EHKEHBEao’s und Huscure’s Entdeckung aus microscopischen
Krystallen von kohlensaurein Kalke besteht. An der Bauchhaut
der Fische und im Silberglanze der Chorioldea der Fische hat
Eurehberg auch microscopische Krystalle aus einer organischen
Materie entdeckt. Mueleer’s Archiv für Anat. und Phjsiol. p. 158.
P. 32. Z. 16. st. in destillirten 1. in lufllosen.
P. 32. Z. 17. st. 10 12 Stunden 1. einige Stunden.
P. 32. Z. 26. Vergl. Buckland in Froriep’s Not. 34. Bd.
P. 65. Z. 10. V. u. sL Welsch 1. Walsu.
P. 65. Z. 5. V. u. st. Fahlberg 1. Fahlenberg.
P. 68. Z. 4. Nach neueren Versuchen von John Davy an Zit-
terrochen wirkt das Organ derselben allerdings auf das Galvano-
meter. Poggendorf’s Annalen. 1833.
P. 80. Z. 8. st. angewandten 1. verwandten.
P. 89. Z. 29. Vergl. Mueller’s Archiv für Anat. und Physiol,
1834. p. 140.
P. 95. Z. 21. v. u. st. Durchschneidung 1. Unterbindung.
P. 105. Ueber das Blut der Wirbellosen siehe B,. Wagner’s
lehrreiche Sclirift zur vergleichenden Physiologie des Blutes. Lpzg. 1833.
P. 122. Z. 8. hinter auflöslich einzuschalten : Cyaneisenkalium
bringt in der essigsauren Auflösung einen Niederschlag hervor,
was für den Faserstoff characterlstiscli ist, da diess bei Zellge-
webe, Sehnengewebe, elastischem Gewebe der mittleren Arterien-
haut nicht der Fall ist.
P. 126. Z. 25. V. u. zuzusetzen: Nach Boudet (Essai critique
et expertmeiüal sur le sang. Paris 1833.) enthält das Blut auch
Cholesterine, wie schon Gmelin fand.
P. 139. Z. 20.^ v. u. zuzusetzen: Carus entdeckte am Echi-
iius edulis in demjenigen zarthäuligen Wnsserröhrengewehc, das
848
Berichttgungen
den Saam zwisclien den äusserst feinen Löcherclien der Fühler-
gänge (Ä.mbulacra) innen bekleidet, selbst wenn die Theile dieses
Gewebes abgeschnitten sind, eine Cirkelbewegung von Kügelchen.
P. 14.3. Z. 27. Diese Körperchen sind nach neueren Beob-
achtungen kleine Crystalle.
P. 155. Z. 16. V. u. st. den Pteropoden und schalenlosen 1.
den schalenlosen.
P. 169. Z. 4. st. .3.35. 1. 3.31.
P. 187. Z. 22. zuzufügen: Eben so in dem von mir beobach-
teten, ganz ähnlichen Falle von einem Kopfe, der durch eine
Arterie und Vene mit den Nabelgef'ässen eines vollständigen Kin-
des zusammenhing. Mtjeller’s Archiv 18-34. p. 179.
P. 202. Z. 14. Ucber die verschiedenen Formen der Capil-
largefässe, siehe Berres interessante Beobachtungen. Med. Jahrh.
des Oesterr. Staates. Bd. 14. Mueller’s Archiv 1834. p. 32.
P. 212. Z. 4. Zusatz. Man sehe über den hier verhandelten
Gegenstand die interessante Abhandlung von Poiseuille in Muel-
ler’s Archiv 18-34. p. 365.
P. 214. Z. 3. V. u. Unsere Ansichten von der Erection er-
halten durch die von mir gemachte Entdeckung der bei der
Erection wirksamen Arterienzweige eine ganz andere Wendung.
Siehe die 2. Abth. dieses Handbuches p. 801.
P. 224. Z. 8. V. u. Während des Lebens kann bei geschlosse-
nem Schädel keine Bewegung des Gehirns entstehen, da der Schädel
von festen Wänden eingeschlossen ist, und das Gehirn sein Volumen
nicht verändern kann. Was man darülier vorgehracht hat, lässt
sich leicht durch die physicalische Unmöglichkeit widerlegen.
P. 244. Z. 9. V. u. Zusatz. Siehe Dr. Nasse’s Beobachtun-
gen in Tiedemakn’s Zeitschrift. Bd. 5. Hjt.l.
P. 256. Z. 11. V. u. st. Lymphdrüsen 1. Lymphgefässen.
P. 262. Z. 1. V. u. st. Atlas 1. Anat.
P. 270. Z. 12. V. u. st. phjs. 1. physiol.
P. 281. Z. 16. st. Chim. 1. Chim. et de Phys.
P. 281. Z. 17. st. Chim. 1. Chim. et de Phys.
P. 284. Z. 10. st. am 1. als Larven am.
P. 298t— 299. st. ScRARREY 1. Scbarpey.
P. 300. Z. 11. V. u. Die Strömungen rühren auch an den Sala-
manderlarven von microscopischen Wimpern her. Nach Purk.ihje’s
und Valestik’s wichtiger Entdeckung sind auch alle Schleimhäute der
Amphibien, Vögel, Säugethlere (mit Ausnahme derjenigen des Darm-
kanales, der Harn- und männlichen Geschleclitstheile) mit microsco-
pisch sich bewegenden Wimpern besetzt, die sich noch lange nach
dem Tode bewegen. Nun begreift man auch, wie der Same zum Ei
gelangt. Siehe Müeller’s Arc/dv für Anat. und Physiol. 1834. p. .391.
P. 301. Z. 11. ln Dr. ScuwASii’s genauen Versuchen fand
keine Entwickelung der Eier in irrespirabeln Gasarten statt.
Schwann Biss, de necessitate ai’ris aimosph. ad evolutionem pulli in
ovo incubito. Berol. 1834.
P. 307. Z. 13. st. weitere 1. weichere.
P. 313. Z. 16. In Mitscherlich’s, Gmelin’s und Tiedemahh’s
Versuchen konnte auch keine Kohlensäure aus Blut entwickelt
und Nachträge.
849
werden. Siehe TiEDEMAms’s Zeitschrift. Bd. 5. Hfl. 1. Nach
Hoffmann {Land. med. gazette. Mueller’s Archio 18.34. p. 105.)
soll Venenhlut mit WasserstofFgas geschüttelt, Kohlensänre ent-
wickeln, welche durch Warme und die Luftpumpe nicht, wohl
aber bei dem Einflüsse anderer Gase, atmosphärischer Luft oder
Wasserstoffgas frei werde.
P. .315. Z. 5. st. 7. 1. 10.
P. .315. Z. 5. st. 10. 1. 7.
P. .324. am Ende hinzuzufügen: Gegen diesen Versuch konnte
man immer noch den Einwurf machen, dass die Frösche in ih-
ren Lungen einen Theil atmosphärischer Luft in den Versuch
mitgebracht, und doch auch ihr Darmkanal Kohlensäuregas ent-
halten konnte. Ich habe daher auch die Versuche so wiederholt,
dass ich die Frösche in einem eigenen Apparat zuerst dem luftleeren
Raume €Hissetzte,und diesen mit gereinigtemWasserstoffgase anfüllte.
In einem Versuche wurde auch dieses Wasserstoffgas wiederholt aus-
gepumpt, um den letzten Antheil atmosphärischer Luft aus dem
Raume zu bringen. Auch überzeugte man sich durch eine Probe,
dass das Wasserstoffgas nach Absorption des Wasserdainpfes von
salzsaurem Kalke durch Kali causticum nicht vermindert wurde. Die
Frösche wurden drei Stunden in dem Wasserstoffgase gelassen, sie
waren schon viel früher scheintodt. Dann wurden die Frösche
herausgenommen und alles Wasser aus dem Gase entfernt, da-
durch , dass ein Röhrchen mit salzsaurem Kalke wiederholt in-
nerhalb eines ganzen Tages in den Raum gebracht wurde, bis
der salzsaure Kalk darin trocken blieb. Erst dann wurde das
Gas auf Kohlensäure mit Kali causticum geprüft. In beiden der
angestellten Versuche zeigte sich die gewöhnliche Ausbauchung
von Kohlensäure, welche im ersten Versuche 0,3, im zweiten
0,-37 Cubikzoll betrug.
P. 340. Z. 16. zu streichen: Indessen bin ich doch etc. bis
Z. 28 des N. vagus angestellt. Die hier vorgetragene An-
sicht ist nicht richtig. Die Ursache der Aveissen Coagula im
Herzen ist bloss die Senkung der Blutkörperchen vor der Ge-
rinnung des Blutes, gleichwie auch nach meinen Beobachtungen
sich die Crusta inflammatoria erzeugt. Siehe in Hinsicht der
Beweise Puoedus über den Leichenbefund in der Cholera. Berl. 18.3.3.
P. .358. Z. 17. Eine genaue Zusammenstellung aller Beobach-
tungen hat All. Thomson (Fboriep’s Not. Nr. 783.) gegeben.
P, 368. Durch ein Versehen haben der 24 — 26. Bogen un-
richtige Seitenzahlen erhaften, und sind die Seiten jener Bogen
mit den Seitenzahlen 369 — 406 zu bezeichnen.
Zweite Ahlheilung.
P. 447. Z. 8. Zusatz. WoLLASTON nimmt an, dass bei den
Secretionen ein electrischer Process stattfinde. Er nahm eine
zwei Zoll lange, f Zoll dicke Glasröhre, und verband das eine
Ende derselben mit Blase; dann goss er Wasser in die Röhre,
worin Kochsalz. Die Blase wurde äusserlich befeuchtet und
850
Bericfdigmgen
auf ein Stück Silber gesetzt; nun wurde ein Zinkdratli durch
das eine Endo mit dem Silber, durch das andere mit der Flüs-
sigkeit in Berührung gebracht. Es erschien reines Natron an
der änssern Fliicbe der Blase. Eberle gelang dieser Versuch
nur bei einer starkem galvanischen Action. Eberle Physiologie der
Verdauung, p. 1,37.
P. d.'iS. Z. 12. V. n. lieber den Einfluss der Nerven auf die
Absonderung sind die spater p. 566. angeführten Beobachtungen
von Peipers zu vergleichen.
P. 5.32. Z. 18. st. 1828 1. 1825.
P. 533. Z. 16. V. u. Zusatz. Eberle’s Schrift üher die Physio-
logie der Verdauung. Würzh. 1834, enthält mehrere sehr merk-
würdige Beobachtungen über die Verdauung, die, wenn sic bestä-
tigt werden sollten, den Untersuchungen eine ganz neue Wendung
geben würden. Der Verfasser überzeugte sich zuerst durch Versüß
che, dass weder die Essigsäure noch die Salzsäure im verdünnten Zu-
stande so viel von organischen Stoffen lösen, dass man auf sie hei der
Auflösung der Nahrungsmittel im Magen rechnen könnte. Hier-
durch werden unsere eigenen Erfahrungen über diesen Punkt
(siehe oben p. 5-30.) bekräftigt. Dagegen hat der Verfasser die
sehr merkviTirdige Beobachtung gemacht, welche, wenn sie sich be-'
slätigen sollte,' eine wichtige Entdeckung seyn würde, dass der saure
Schleim des Magens, welcher während der Verdauung zwischen
den Nahrungsmitteln und den Magenwänden sichtbar wird, ein
treffliches Lösungsmittel organischer Substanzen ist, und dass da-
durch der Faserstoff, das geronnene Eiweiss, Käse, in kurzer Zeit
vollständig ausser dem thierischen Körper chymlflcirt werden,
während die Veränderung durch diese blossen Säuren des Ma-
gensaftes auf keine Weise gelingt, Eberle hat ferner beobach-
tet, dass man sich einen künstlichen lösenden Magensaft bereitet,
wenn man die innere Haut irgend einer Schleimhaut, die selbst
getrocknet seyn kann, z. B. von der Uriablase, mit Essigsäure
und Salzsäure behandelt. Getrocknete Blasenliäute schwellen mit
diesen Säuren zu einer Gallerte auf; die daraus ausgepresstc
Flüssigkeit zeigte sich als Lösungsmittel für organische Stoffe.
Alle Nahrungsstoffe wurden davon enveicht und binnen 2 — 6
Stunden in eine breiige Masse verwandelt. Schleim des Magens,
der nicht sauer ist, von nüchternen Ttiieren, und Schleim aus
der Nase, Luftröhre, chimificirt nicht; verbindet man ihn aber
mit Salzsäure oder Essigsäure, so gelingt die Chymification, Zu
dem Schleime, den Eberle gewöhnlich benutzte, bediente er sich
der Schleimhaut des Labmagens der Kälber. Sie wurde mit kal-
tem Wasser ausgewaschen, bis sie nicht mehr sauer reagirte,
liieranf getrocknet; so oft er nun Schleim nötbig hatte, nahm er
ein Stück davon, zerschnitt es in kleine Stücke; dann wurden
diese in mässig warmem Wasser erweicht. Werden keine Säuren
zugegossen, so zeigt sich, wenn diese Stücke mit Nahrungsstoffen ■
versetzt werden, bald Fäulniss; giesst man aber 10 — 12 Tropfen
Salzsäure oder mehr Essigsäure zu den Scbleimhautstückchen , so
löst sich die Schleimhaut in eine grauliche schleimartige Masse,
die sich in Fäden ziehen lässt. Wird nun der künstliche Schleim
und NacJiträgs.
851
mit Wasser verdünnt, so wird diese saure Flüssigkeit dem Magen-
safte 'iihnlicli und die künstliche Chymification soll bei massiger
Wärme damit gelingen. Geronnenes Eiweiss mit der Flüssigkeit ver-
setzt, zeigte sich nach 4 Stunden grösstentheils erweicht, und nach
5^ Stunden in einen homogenen Brei verwandelt. Diess wäre sehr
merkwürdig, denn blosse sehr verdünnte Säuren lösen das geronnene
Eiweiss in einer Woche noch nicht auf, wie ich ays eigener Erfah-
rung weiss. Faserstoff aus Ochsenblut fing nach zwei Standen an
schmierig zu werden; durch Zusatz von neuer lösenden Flüssigkeit
wird der Faserstoff zuletzt auch in einen schleimartigen Brei verwan-
delt. Dasselbe geschieht beim Kleber in vier' Stunden. Speichel,
Osmazom wirken durchaus nicht so wie der saure Schleim. Nach
Eberle dient der Speichel bei der Verdauung zur Erleichterung
der Zersetzung der Nahrungsstoffe , denn diese gehen mit Spei-
chel viel leichter in Zersetzung und Fäulniss über.
P. 5-38. Z. 2. Zusatz aus Eberle’s Sclirift über die Verdauung.
Wurde ein Gemisch von Chymus und Galle mit Wasser ver-
dünnt und fiUrirt, so fand sich bei allen Versuchen das Picro-
rael der Galle in dem Filtrate; der Schleim, das Harz, das Fett,
die Fettsäuren und der Farbcstoff der Galle blieben dagegen mit
den ungelösten Theilen des Chymus auf dem Filler. Diess zeigte
sich bei dem Chymus der verschiedensten Nahrungsmittel. Eberle
bereitete eine künstliche pancrealische Flüssigkeit aus dem Pan-
creas des Ochsen durch Digestion desselben mit Wasser, Auspres-
sen und Filtriren. Chymus wurde nach dem Zutritte dieses Saf-
tes flüssiger, und nicht ganz verflüssigte Nahrungsstoffe zerflos-
sen und gingen leichter durch das Filter; daher wirke der Pan-
creassatt lösend. Derselbe vermöge auch etwas Fett aufzuneh-
men, und was man von der Galle vermuthet habe, gelte von
dem paucreatischen Safte. Bei dem Scbiitteln von künstlicher
pancreatischer Flüssigkeit mit Oel bildete sich eine trübe Flüs-
sigkeit; in der Ruhe schied sich zwar viel Oel ab , aber diess
war weisslich getrübt und fein zertheilt, mit dem Ansehen eines
Rahmes. Der Verfasser hat auch interessante Beobachtungen
über den Darmsaft angestellt, der nach ihm zur fernem Auflö-
sung der ungelösten Chymustheile beiträgt.
P. 558. Z. 3. Retzius hat auch die Nebennieren der Knor-
pelfische entdeckt. Oiscro. in aiiat. chondropterygiorum. Lundae 1819.
P. 560. Nach Haugsted kömmt die Tiiymusdi'üse nur bei
den Säugethieren vor, und ist, wie bereits Jacobson fand, im Win-
terschlafe nicht grösser. In Hinsicht der vergleichenden Anato-
mie der Thymus verweist man auf die fleissige Schrift von Haug-
STED, Thymi in liomine ac per seriem animalium descr. anatomim,
pathologiai et physiologica cum iah. Jlafn. 1832., ausgezogen in
Hecker’s Annalen. 25. 54. *
P. 626. Z. 26. st. der Flexion I. die Bewegung der Flexoren.
Ebeiid. st. der Extension der Muskeln 1. der Bewegung der
Extensoren.
P. 659. Z. 21. V. u. Panizza hat neuerlich aus ähnlichen
Versuchen am Brosche ganz das Gegentheil geschlossen. Nach
Durchschneiduag der ersten vordem Wurzel der Nerven des
852
Berichtigungen und Nachträge.
HinterLeines eines Frosches , bewegte dieser das Bein nach
wie vor; nach der Durchschneidung der zweiten Wurzel war die
Bewegung geschwächt, und nach Durchschneidnng der dritten
Wurzel die Bewegung erst ganz aufgehoben. Hieraus schliesst
PanizZa, dass in dem Plexus eine Mittheilung geschehe. Ricer-
che sperimentali sopra i nervi. Pavia 1834. p. 40. Etwas Aclinliclies
sah er hei Säugethiei-en; diese Versuche sind nicht hinlänglich
genau. Bei Wiedei-holung derselben hätte Panizza bald sehen
können, dass nach Durchschneidung des ersten Nerven die Ad-
duction gelähmt war, und dass auch die beiden anderen Nerven
verschiedene Wirkungen haben, wie van Deen und ich beobach-
tet haben. (Panissa bestätigt übrigens durch seine Versuche den
BELLSchen Lehrsatz von den Wurzeln der Nerven.)
P. 756'. Z. 7. Zusatz. Nach Panizza’s Versuchen {Ricerche
sperimentali sopra i nervi. Pavia 1834.) dauert der Geschmack
der Thiere nach Durchschneidung des N. lingualis fort; indem
sie Brot, Milch, Fleisch, mit Coloquinten oder Infusion von Quas-
sia, zwar zu fressen versuchen, aber sie sogleich verschmähen,
während sie nach Durchschneidung des N. glossopharyngeus auch
Bitterkeiten verschlucken. Panizza betrachtet daher den N. lin-
gualis als blossen Gcfublsnerven, den N. glossopharyngeus als Ge-
scbmacksnerven. Wenn diese Ansicht richtig seyn sollte, so ist
doch Panizza’s Ansicht nur zmnTheil richtig, indem dieser Nerve
zugleich deutlich Muskelnerve ist; was seine Wurzel mit einem,
nur einem Tbeile der Fäden angehörenden Ganglion, und die
oben angeführten Versuche beweisen. Parry [Eiern, of pathol.
and. Therap. V. 1.) beobachtete einen Fall, wo der Geschmack
auf der einen Seite von einem Drucke auf den N. lingualis aus-
ser der Schädelhöhle, verloren ging. Vergl. Treviranus Riol. 6.
234. Nach Magendie und Desmoulins ist nach Durchschneidung
des N. lingualis Gefühl und Geschmack der Zunge verloren. Des-
moulins anat. des syst. nerv. 2. 717.
P. 787. Z. 19. V. u. Die hier gemachte Bemerkung von den
Gliederthleren bedarf einer Berichtigung. Nach Treviranus
Beobachtungen zeigen die Insecten nach Wegnahme des Kopfes
allerdings oft noch willkührlicbe Bewegungen. Ein Carabus gra-
nulatus lief nach wie vor heriun; eine Bremse, auf den B.ücken
gelegt, strengte sich an, auf die Beine zu kommen. Treviranus
führt auch die interessante Beobachtung von Walckenaer über
eine Cerceris ornata an, welche einer in Löchern lebenden Biene
nachstellt. Walcrbnaeh stiess einer solchen Wespe im Augen-
blicke, wo sie in das Loch der Biene eindringen wollte, den
Kopf ab; sie setzte ihre Bewegungen fort, und suchte umgekehrt
dahin zurückzukehren und ciuzudringen. Treviranus Erschei-
nungen und Gtsetze des organischen Lebens. 2. 194.
Berlin, gedruckt bei den Gcbr. Viiger.
t
I:«
L.v
I
*1
. t'
■'•X
l
I
i
t
i.
I
r
/